Abbild und Stellvertreter Gottes: Der König in herrschaftstheoretischen Schriften des späten Mittelalters 9783412213428, 9783412206444

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Abbild und Stellvertreter Gottes: Der König in herrschaftstheoretischen Schriften des späten Mittelalters
 9783412213428, 9783412206444

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Passauer historische Forschungen herausgegeben von

Winfried Becker, Egon Boshof, Franz-Reiner Erkens, thomas Frenz, Horst W. Heitzer, Hans-Christof Kraus, andreas michler, Oliver Stoll, Hartmut WolFf, Thomas Wünsch

Band 17

Andreas Kosuch

Abbild und Stellvertreter Gottes Der König in herrschaftstheoretischen Schriften des späten Mittelalters

2011 Böhlau Verlag Köln Weimar Wien

Gedruckt mit Hilfe der Geschwister Boehringer Ingelheim Stiftung für Geisteswissenschaften in Ingelheim am Rhein

Andreas Kosuch ist Akademischer Rat am Lehrstuhl für mittelalterliche Geschichte an der Universität Passau.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar. © 2011 by Böhlau Verlag GmbH & Cie, Köln Weimar Wien Ursulaplatz 1, D-50668 Köln, www.boehlau.de Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig. Druck und Bindung: Strauss GmbH, Mörlenbach Gedruckt auf chlor- und säurefreiem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-412-20644-4

Vorwort

Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2008/09 an der Philosophischen Fakultät der Universität Passau angenommen und für die Drucklegung geringfügig überarbeitet. Mein besonderer Dank gilt Herrn Prof. Dr. Franz-Reiner Erkens, der mir die Thematik noch während meines Studiums in Leipzig ans Herz legte und die Arbeit über die Jahre hinweg umsichtig betreute. Danken möchte ich ferner Frau apl. Prof. Dr. Elke Goez und Herrn Prof. Dr. Werner Hechberger für die Übernahme der weiteren Gutachten, sowie Frau StRin Bettina Schleusing M.A., die die mühevolle Arbeit des Korrekturlesens übernommen hat. Der Geschwister Boehringer Ingelheim Stiftung für Geisteswissenschaften gilt mein Dank für die Gewährung eines Druckkostenzuschusses.

Passau, im Sommer 2010

Inhalt

Vorwort .....................................................................................................

I.

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Einleitung ........................................................................................... 9 1. „Sakrale“ und „säkulare“ Herrschaftsauffassung ......................... 9 2. Ideengeschichtliche Methodendiskussion..................................... 27 3. Ziele der Arbeit ............................................................................. 34

II. Aspekte herrscherlicher Sakralität bis zur Mitte des 13. Jahrhunderts ................................................................................. 37 1. Einsetzung des Herrschers durch Gott .......................................... 37 1.1. Frühmittelalter........................................................................ 37 1.2. Rex a Christi sacerdotibus est constituendus – Das Verhältnis von regnum und sacerdotium in den Schriften der Symbolisten: Honorius Augustodunensis, Hugo v. St. Viktor, Gerhoh v. Reichersberg ................................................................................ 47 1.3. Deus constituit auctoritate, populus ministerio – Die Rolle Gottes und des Volkes bei der Konstituierung der Kaiserherrschaft ............................................................................................ 54 1.4. Die Kanonistik: Num imperator habeat gladium a papa? – Die Einsetzung des Kaisers durch den Papst ................................ 64 1.5. Zusammenfassung ................................................................. 82 2. Der König als Abbild und Stellvertreter Gottes ............................ 85 2.1. Hellenismus und christliche Spätantike ................................. 85 2.2. Der Ambrosiaster ................................................................... 90 2.3. Karolingerzeit ........................................................................ 97 2.4. Ottonisch-salisches Reich ...................................................... 103 2.5. Investiturstreit ........................................................................ 107 2.6. Die Römerbriefkommentare des 12. und 13. Jahrhunderts.... 111 2.7. Der Policraticus des Johannes von Salisbury ........................ 113 2.8. Henry Bracton und weitere Beispiele .................................... 119 2.9. Vicarius Dei in temporalibus? – Huguccio, Alanus Anglicus, Hostiensis ..................................................................................... 124 2.10. Zusammenfassung ............................................................... 127

8 III. Die Vorstellung von der göttlichen Einsetzung des Herrschers und seiner Stellung als Abbild und Stellvertreter Gottes in herrschaftstheoretischen Traktaten des späten Mittelalters ................................. 1. Das Zeitalter der Traktate De potestate papae - von der Mitte des 13. bis zum Ende des 14. Jahrhunderts................................... 1.1. Thomas von Aquin ................................................................ 1.2. Aegidius Romanus ................................................................. 1.3. Jakob von Viterbo .................................................................. 1.4. Tholomäus von Lucca ............................................................ 1.5. Johann Quidort ...................................................................... 1.6. Dante Alighieri ...................................................................... 1.7. Marsilius von Padua .............................................................. 1.8. Wilhelm von Cremona ........................................................... 1.9. Wilhelm von Ockham ............................................................ 1.10. Bartolus de Sassoferrato und Baldus de Ubaldis ................. 1.11. Somnium viridarii ................................................................ Exkurs: ius naturale und ius gentium, göttliches und menschliches Recht ..................................................................................... 1.12. John Wyclif .......................................................................... 1.13. Zusammenfassung ............................................................... 2. Das 15. Jahrhundert – Konziliarismus und Reichsreform ............ 2.1. Johannes Falkenberg .............................................................. 2.2. Cusanus .................................................................................. 2.3. Antonio Roselli ...................................................................... 2.4. Enea Silvio Piccolomini......................................................... 2.5. Domenico de Domenichi ....................................................... 2.6. Peter von Andlau ................................................................... 2.7. Zusammenfassung .................................................................

Inhalt

130 130 141 155 163 170 176 187 193 204 211 221 230 232 237 241 247 252 253 265 272 276 283 289

IV. Zusammenfassung .............................................................................. 292 1. Einsetzung des Herrschers durch Gott .......................................... 292 2. Abbild und Stellvertreter Gottes ................................................... 298 V. Ausblick ............................................................................................. 302 Abkürzungsverzeichnis ............................................................................. Quellenverzeichnis .................................................................................... Literaturverzeichnis ................................................................................... Register ......................................................................................................

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I. Einleitung

1. „Sakrale“ und „säkulare“ Herrschaftsauffassung Die Sakralität gilt als eines der zentralen Strukturelemente früh- und hochmittelalterlicher Königsherrschaft1. In den Augen der älteren Forschung galt der Investiturstreit dabei als eine Zäsur, da die sakrale Würde des Königs durch einen umfassenden, geradezu programmatischen Angriff des Reformpapsttums grundlegend erschüttert worden sein soll 2 : Der rex non laicus und vicarius Christi der karolingisch-ottonisch-frühsalischen Epoche sei damals zu einem Laien degradiert worden, der unterhalb des niedrigsten kirchlichen Weihegrades stehe3 und der wie ein Schweinehirt, der seine Herde vernachlässigt habe, aus seinem Amt gejagt werden könne, wenn er es nicht im Sinne von Kirche und Volk führe4. Der Verlust der Sakralität musste für den König bzw. Kaiser gravierende Auswirkungen haben, beruhte doch insbesondere seine Herrschaft über die Reichskirche auf seiner Stellung als vicarius Christi. Die Entsakralisierung des weltlichen Herrschers sollte, so Gerd Tellenbach, nach dem Willen der kirchlichen Reformkräfte das Ende der „monarchisch-theokratischen Hierarchievorstellung“ 5 bedeuten. An der Spitze der nunmehr vom Papst angeführten rechten Ordnung der Welt war so für den laisierten König kein Platz mehr. Das durch diese Entsakralisierung für den König entstandene grundlegende Legitimationsdefizit musste ausgeglichen 1

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Aus der umfangreichen Literatur seien nur erwähnt: WEINFURTER, Idee und Funktion; BEUMANN, sakrale Legitimierung; ERKENS, Herrschersakralität; die Beiträge im Sammelband La regalità sacra, Leiden 1959. Vgl. etwa MAYER-PFANNHOLZ, bes. 19 f.: „Niemals war es so um den ganzen Charakter des Reichs, um die Idee des Gottesstaates gegangen. [...] Die Kampfansage Gregors war ein Angriff auf das sakrale Amt und das sakrale Wesen des Kaisertums und damit auf das ,heilige„ Reich. [...] Die Investiturfrage [...] konnte im reformatorischen Sinn nicht gelöst werden ohne die unbedingte Veränderung der ganzen ideellen Grundlage, nicht ohne die Abstreifung des Sakralen von Kaiser und Imperium, nicht ohne die Entsakralisierung, die Entheiligung des Reiches. Canossa ist das Symbol für diese Entheiligung.“ ULLMANN, Von Canossa nach Pavia; BOSHOF, Königtum, S. 47, 109-115; STRUVE, Salier und das römische Recht, S. 7 f.; DERS., Stellung; ANGENENDT S. 45, 321 f.; KEMPF, Papsttum und Kaisertum, S. 62 f. De ordinando pontifice (= MGH LdL 1), S. 8-14; Gregorii VII. Registrum VIII., 21 (= MGH Epp. sel. 2), S. 555 f. So der gregorianisch gesinnte Publizist Manegold von Lautenbach, Ad Gebehardum liber (= MGH Ldl 1), S. 300-430, bes. S. 365. TELLENBACH, Libertas, S. 76.

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werden, sofern der König nicht zu einem Herrscher von des Papstes Gnaden werden wollte. Indem aber Heinrich IV. im Ringen zwischen regnum und sacerdotium gegenüber Papst Gregor VII. auf das Gottesgnadentum, die Salbung und die daraus resultierende Unantastbarkeit verwies, habe er dem Papsttum letztlich nichts anderes entgegenzusetzen als „Thesen, die im Grunde seine Stellung nur verschlechterten“ 6 , denn schließlich wurde die Salbung von den Geistlichen gespendet, „denen er [der König], wenn diese einmal kräftig zupackten, unbarmherzig ausgeliefert war.“7 Mit dem zur Zeit des Investiturstreits in Oberitalien wiederentdeckten antiken römischen Recht hingegen konnte eine schlagkräftigere „geistige Waffe für das deutsche Königtum herangezogen“ 8 werden. Die epochale Bedeutung des römischen Rechts lag in den Augen Walter Ullmanns vor allem darin, dem Königtum ein Instrumentarium an die Hand zu geben, mit dessen Hilfe weltliche Herrschaft unabhängig von Papst und Kirche begründet9 und so die strukturelle Schwäche des frühmittelalterlichen sakralen Königtums überwunden werden konnte. Ernst Kantorowicz hat diesbezüglich von einer Wandlung des liturgisch geprägten „christ-centred kingship“ der karolingisch-ottonisch-frühsalischen Epoche hin zum „law-centred kingship“ gesprochen, das seit dem 12. Jahrhundert durch die Adaption römisch-rechtlichen Denkens entstanden sei10. Mit dem Angriff auf die sakrale Würde des Herrschers habe das Reformpapsttum nach Ansicht Walter Ullmanns gleichsam Geister gerufen, die es nun nicht mehr los wurde, denn aus dieser Entsakralisierung resultierte – gewissermaßen als notwendige Reaktion – der intensive Rekurs des König- bzw. Kaisertums auf das römische Recht, wodurch dem Papsttum weitaus weniger Angriffsflächen geboten wurden als bei der sakralen Herrschaftsauffassung. Durch die kirchlich initiierte Entsakralisierung sei der Weg zum „laisierten Staat“11 und zu einer säkularen Herrschaftsauffassung12 geebnet worden, insbesondere im Reich, wo der Angriff des Reformpapsttums besonders heftig ausgefallen war, aber, so Ullmann, auch in den anderen europäischen Monarchien. Dieser Deutung von einer Säkularisierung des Staates als Folge der Entsakralisierung hat Gottfried Koch bereits 1968 entschieden widersprochen13. Er kam zu dem Ergebnis, dass sich auch im 12. Jahrhundert die Be6

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ULLMANN, Von Canossa nach Pavia, S. 274; vgl. WALTHER, Imperiales Königtum, S. 37 mit Anm. 14. ULLMANN, Von Canossa nach Pavia, S. 269. Ebd. S. 276. Ebd. S. 276 ff.; STRUVE, Salier und das römische Recht, S. 64. KANTOROWICZ, zwei Körper, S. 106-115. MAYER-PFANNHOLZ S. 24. ULLMANN, Von Canossa nach Pavia, S. 297; STRUVE, Stellung, S. 243 f. KOCH, Sacrum Imperium; DERS. Auf dem Wege zum Sacrum Imperium.

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gründung weltlicher Herrschaft und des staatlichen Eigenrechtes letztlich nur „in religiös-sakralen Bahnen“14 bewege und von einer Säkularisierung königlicher Herrschaft noch keine Rede sein könne. Das Ziel der staufischen Herrschaftsideologie sei es vielmehr gewesen, den Verlust an Herrschaftslegitimation, der durch den Angriff des Reformpapsttums entstanden sei, durch eine „Verstärkung der eigenständigen sakralen Grundlagen des Herrschers“ auszugleichen und „ein Königtum nach göttlichem Recht möglichst unabhängig von der kirchlichen Vermittlung nachzuweisen.“15 Die Verwendung von römisch-rechtlichen Grundsätzen blieb nach Ansicht Kochs also zunächst eingebettet in die traditionelle, „im Kern seit Heinrich IV. unverändert gebliebene“ 16 sakrale Herrschaftsauffassung und besaß in erster Linie unterstützende Funktion für das auf Bibel und Patristik beruhende gottunmittelbare Königtum. Der Corpus Iuris Civilis schien dazu bestens geeignet, denn er spiegelte in weiten Teilen die Herrschaftsauffassung seines Initiators Justinian I. wider, dessen Regentschaft zweifellos einen Höhepunkt des seit Konstantin und Eusebius greifbaren christlich-sakralen Herrschaftsverständnisses darstellte17. Es überrascht daher nicht, dass gerade in den Novellen Justinians die Vorstellung einer Berufung des Kaisers durch Gott am deutlichsten hervortritt18. Mit dem Bibelwort Per me reges regnant (Prov 8, 15), das auch die Pantokrator-Platte der Reichskrone ziert, findet sich sogar eine für die frühmittelalterliche sakrale Herrschaftskonzeption zentrale Belegstelle in der spätantiken Rechtskodifikation19. Insofern ist die Charakterisierung des römischen Rechts als „säkulare“ Autorität mit gewissen Einschränkungen zu versehen, auf die noch näher einzugehen sein wird. Im Zuge einer gewissen Neubewertung des Investiturstreits 20 wird von Teilen der Forschung darauf hingewiesen, dass auch nach der Wende von Canossa die sakralen Züge des Königtums fortdauerten, zumindest also keine

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KOCH, Sacrum Imperium, S. 270. Ebd. Ebd. S. 274 Vgl. MEIER, Justinian. bes. S. 106-136. Zusammenstellung der „sakralen“ Passagen bei KOCH, Auf dem Wege zum Sacrum imperium, S. 241 Anm. 385; vgl. auch CANNING S. 25 Anm. 28. Cod. I, 1, 8, 1. Die Auseinandersetzungen zwischen regnum und sacerdotium werden in der jüngeren Forschung weniger als programmatischer, gleichsam unausweichlicher Zusammenstoß zweier grundsätzlich gegensätzlicher Weltanschauungen gedeutet, sondern eher als ein zunächst begrenzter Konflikt, der erst allmählich eskalierte und sich zu einem Ringen um die rechte Ordnung in der Welt auswuchs.

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Einleitung

nachhaltige Entsakralisierung stattgefunden habe21. Andererseits wird von der Forschung aber auch weiterhin an der These der Säkularisierung königlicher Herrschaft infolge des Investiturstreits festgehalten. Die Frage, inwieweit nach dem Investiturstreit eine (Re-)Sakralisierung oder eine Säkularisierung der Herrschaftsauffassung stattfand, erscheint so letztlich als Problem der Gewichtung von Tradition und Innovation, als eine Frage nach dem Stellenwert, den die traditionellen sakralen Elemente einerseits, das wiederentdeckte und zunehmend rezipierte römische Recht andererseits in den herrschaftstheoretischen Überlegungen besaßen. Schon Gerd Tellenbach mahnte im Jahre 1936: „Die Behauptung der eigenen Gottunmittelbarkeit, wie sie Heinrich IV. energisch aufgestellt hatte, blieb für die Könige stets das stärkste Argument gegen übersteigerte Ansprüche des Papsttums [...]. Es ist ferner wahrscheinlich und in letzter Zeit öfters darauf hingewiesen worden, dass die Bestreitung der königlichen Gottunmittelbarkeit durch das Papsttum mit der Grund ist zu den späteren Versuchen, dem Staat eine andere, eine säkulare Grundlage zu schaffen. Doch müssen diese schwer erforschbaren Zusammenhänge mit Vorsicht und Behutsamkeit behandelt werden.“ 22 Mit der Frage nach der Gewichtung von sakralen und säkularen Elementen sind vor allem auch definitorische Probleme verbunden. Der Begriff des Sakralen ist aufgrund des weitläufigen Bedeutungshorizontes, den er impliziert, nicht unproblematisch. Wird der Begriff zu weit gefasst, droht er seinen heuristischen Wert für die Beantwortung konkreter Fragestellungen innerhalb einer Wissenschaftsdisziplin zu verlieren23. Gerade bei der interdisziplinären Erforschung des epochen- und kulturübergreifenden Phänomens sakraler Herrschaft verhindert andererseits eine zu enge Begriffsdefinition die gewünschte Vergleichbarkeit und die oft damit verbundene Hoffnung auf die Erforschung gewisser anthropologischer Grundkonstanten24. Aber auch innerhalb der Geschichtswissenschaft hat der Begriff der Herrschersakralität in seinem weitläufigen und unscharfen Sinn eine lange Tradition25, so dass es wenig Sinn haben dürfte, den Begriff an sich in Frage zu stellen. Vielmehr sollten die unter diesem Begriff subsumierten Einzelaspekte genauer erfasst werden, um so den Blick für Veränderungen innerhalb der unterschiedlichen Ausformungen sakraler Königsherrschaft zu schärfen. Ausgehend von der 21

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Vgl. HARTMANN, S. 48, 101 ff.; ERKENS, Herrschersakralität, S. 209 ff.; DERS., Vicarius Christi, bes. S. 20; BORGOLTE S. 23; PETERSOHN; NELSON, bes. S. 246-248; GOEZ, Kirchenreform, S. 189 ff.; SCHLICK, bes. S. 124 ff. TELLENBACH, Libertas, S. 196. Vgl. ENGELS. Vgl. ERKENS, Sakral legitimierte Herrschaft, bes. S. 32; LEYSER, S. 124; vgl. KÖRNTGEN S. 17 ff. Vgl. den forschungsgeschichtlichen Überblick bei KÖRNTGEN S. 17 ff.

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Definition des Philosophen Josef Piper, nach welcher der Begriff des Sakralen besagte, dass „gewisse empirisch vorfindbare Dinge, Räume, Zeiten, Handlungen die besondere Eigentümlichkeit besitzen, auf eine aus der Reihe des Durchschnittlichen herausfallende Weise der göttlichen Sphäre zugeordnet zu sein“26, hat jüngst Franz-Reiner Erkens drei zentrale Elemente benannt, die dieses besondere Nahverhältnis des Herrschers zu Gott begründen 27 . Die Einsetzung des Herrschers durch Gott, die Stellung des Herrschers als Abbild und Stellvertreter Gottes und eine priesterähnliche Verantwortlichkeit des Herrschers vor Gott (Sazerdotalität). Diese drei Elemente, mögen sie auch primär anhand frühmittelalterlicher Königsherrschaft entwickelt worden sein, bieten die Möglichkeit, „ganz unterschiedliche Ausformungen des sakralen Königtums zusammenzufassen und damit ein ansehnliches Ensemble vergleichbarer und keinesfalls rein mittelalterlicher Herrschaftsformen miteinander in Beziehung zu setzen.“ 28 Inwieweit damit die interkulturelle und epochenübergreifende Erforschung sakraler Herrschaftsformen vorangebracht werden kann, braucht an dieser Stelle nicht thematisiert werden, in jedem Fall aber sind mit diesen drei Kriterien die notwendigen Voraussetzungen geschaffen, um die Wandlungen innerhalb der mittelalterlichen Ausformung sakraler Königsherrschaft näher zu erfassen. Denn nicht nur kulturübergreifend, auch innerhalb der Mediävistik werden verschiedene Formen der sakralen Herrschaft ausgemacht. Hans Hubert Anton unterscheidet ein bei den Franken bis in das 6. Jahrhundert hinein greifbares Heerkönigtum mit sakral-charismatischen Begleitformen von einem sakral-theokratischen Königtum der späten merowingischen und karolingischen Zeit (7.-9. Jahrhundert), das insbesondere durch die seit 751 praktizierte Königssalbung gekennzeichnet sei. Von dieser sakral-theokratischen Herrschaft wiederum sei die als theokratisch zu bezeichnende Herrschaft der ungesalbten ostfränkischen Könige zu unterscheiden29. Auch Egon Boshof plädierte unlängst dafür, eine „in vorchristlich-mythischem Denken verwurzelte, nur noch in Spuren fassbare magisch bestimmte Vorstellung“ des Sakralen von der „allein gültige[n] christlich geprägte[n] [...] Sichtweise“ zu unterscheiden und letztere als das die karolingisch-ottonische Epoche kennzeichnende sakral-theokratische Königtum zu bezeichnen30. Abgesehen von der Skepsis, die der Vorstellung eines heidnisch-germanischen Königsheils bereits seit einigen

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PIPER S. 18. Vgl. ERKENS, Herrschersakralität, S. 29 ff. Ebd. S. 31. Vgl. ANTON, Sakralkönigtum, S. 258 ff.; DERS. Sakralität, Sp. 1263 ff. BOSHOF, Vorstellung, bes. 356.

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Einleitung

Jahren von weiten Teilen der Forschung entgegengebracht wird 31, scheint eine derartige „begriffliche Präzisierung“ 32 der unterschiedlichen Ausformungen sakraler Königsherrschaft wenig Aussicht zu haben, tatsächlich breite Anerkennung zu finden. Zu vielfältig sind die bereits vorgeschlagenen begrifflichen Präzisierungen: sakral, sakral-charismatisch, sakral-theokratisch, theokratisch, theokratisierend, etc.33, so dass letztlich die intendierte Präzisierung in eine Verwirrung der Begriffe umschlägt. Wenn etwa Janet Nelson den Begriff des Sakralen nur noch im Zusammenhang mit einem Ausgreifen der königlichen Macht auf den priesterlichen Bereich der liturgisch-rituellen Heilsvermittlung verwenden möchte, dann erscheinen, wie Ludger Körntgen treffend anmerkte, die „Königsweihe und Salbung [...] als Instrumente einer kirchlich initiierten und kontrollierten Desakralisierung des Königtums, der ,gesalbte„ erscheint als Gegenmodell zum ,sakralen„ König“34. Unter dem Oberbegriff des sakralen Königtums unterscheidet die Mediävistik also im wesentlichen zwei Ausformungen, ohne sich darin jedoch auf eine einheitliche Terminologie verständigen zu können: Eine kirchlich vermittelte Herrschersakralität und eine eigenständige, gottunmittelbare Herrschersakralität, die sowohl in christlich-spätantiker als auch – allerdings umstritten – in heidnisch-germanischer Ausprägung greifbar wird. Die Frage ist: Führte der Angriff des Reformpapsttums auf die sakrale Würde des gesalbten Herrschers zu einer Besinnung des Königtums auf seine eigenständigen sakralen Grundlagen – wie bereits angesprochen konnte das römische Recht diese Entwicklung durchaus befördern – oder sind mit dem Rückgriff auf das römische Recht und mit der im Zuge der sogenannten „Renaissance des 12. Jahrhunderts“ zu beobachtenden intensivierten Bezugnahme auf an-

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Zur Diskussion um das germanische Königsheil vgl. SEE, Kontinuitätstheorie; PICARD S. 179 ff. BOSHOF, Vorstellung, S. 356. Vgl. neben Anm. 29 und 30 auch TÖPFER, Entsakralisierung, bes. S.163 f.; ULLMANN, Von Canossa nach Pavia, S. 272. KÖRNTGEN S. 17. Die kirchliche Einflussnahme auf das Königtum, insbesondere die kirchliche Ausgestaltung der Königserhebung durch eine seit dem 9. Jahrhundert zunehmend als konstituierend aufgefasste Salbung des Herrschers durch die Geistlichkeit, ist freilich unbestritten ein prägendes Kennzeichen v. a. der karolingisch-ottonischen Epoche. Das hob bereits Fritz KERN in seiner herausragenden Darstellung über „Gottesgnadentum und Widerstandsrecht im frühen Mittelalter“ hervor, der dieses im wesentlichen auf der kirchlichen Weihe und Salbung beruhende sakrale Königtum, das den Herrscher aus der Sphäre der Sterblichen emporhob und zum unantastbaren christus domini überhöhte, von einem Königtum unterschied, das von einem letztlich auf Röm. 13, 1 zurückgehenden theokratischen Amtsgedanken gekennzeichnet war, der den Herrscher in erster Linie mit Pflichten vor Gott versah. Vgl. KERN S. 46-106.

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tik-heidnische Autoritäten die Anfänge einer säkularen Herrschaftsauffassung verbunden gewesen35? Der Begriff des Säkularen ist freilich nicht minder vielschichtig und daher ebenso problematisch wie der des Sakralen. Der geisteswissenschaftliche Säkularisierungsbegriff 36 fokussierte sich im Verlauf des 19. Jahrhunderts mehr und mehr auf das Moment der Emanzipation (des Staates, des Menschen, der Gesellschaft, der Philosophie etc.) aus traditionell kirchlich-theologischen Bindungen, um theologisch-metaphysische durch rational-philosophische Erklärungsmodelle zu ersetzen. Es ist offenkundig, dass dieser Säkularisierungsbegriff zur Charakterisierung mittelalterlicher Begründungen von Herrschaft und Staat nur bedingt tauglich ist. Gewiss setzte durch den Angriff des Reformpapsttums auf die sakrale Würde des gesalbten Herrschers37 und den (infolge dessen?) verstärkten Rekurs auf das römische Recht eine Emanzipation des weltlichen Herrschers aus der Abhängigkeit der zunehmend hierokratisch ausgerichteten Papstkirche ein, und auch eine Ergänzung – nicht Ersetzung – der theologischen/biblisch-patristischen Herrschaftsbegründung durch eine juristisch/römischrechtlich geprägte Argumentation ist seit dem ausgehenden 11. Jahrhundert zweifellos zu beobachten, doch war damit keineswegs eine Abkehr der weltlichen Herrschaft von Gott und der christlichen Religion verbunden. Das Bedürfnis der Forschung, diesen seit dem ausgehenden 11. Jahrhundert feststellbaren Wandel auch begrifflich zu erfassen, führte zu einer im Grunde irreführenden Frontstellung zwischen sakraler und säkularer Herrschaftsauffassung. Sinnvoller scheint es, von bestimmten sakralisierenden und säkularisierenden Elementen zu sprechen, die sich in unterschiedlicher Intensität – und häufig nebeneinander – in herrschaftstheoretischen Überlegungen auch nach dem Investiturstreit nachweisen lassen. Man muss daher grundsätzlich dem ausgewogenen Urteil von Wilfried Hartmann zustimmen, dass „das Königtum des 12. Jahrhunderts [...] keineswegs völlig säkularisiert“ war und man mitunter „eine Intensivierung der übernatürlichen und mythischen Elemente in der Begründung des Königtums beobachten [könne], vor allem in Frankreich und England, aber auch im Reich.“38 Es hat durchaus seine Berechtigung, im Rekurs auf das römische Recht die Anfänge einer säkularen Herrschaftsauffassung zu sehen, sofern der Begriff des Säkularen zur Charakterisierung des königlich/kaiserlichen Strebens nach herrschaftstheoreti35

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Vgl. STRUVE, Salier und das römische Recht; ANTON, Anfänge; ULLMANN, Von Canossa nach Pavia Zu den unterschiedlichen Säkularisierungsbegriffen vgl. KLUETING. Der keineswegs so umfassend oder gar konzeptionell gewesen sein dürfte, wie weithin angenommen. Vgl. SCHIEFFER, Gregor VII., bes. S. 195, 204. HARTMANN S. 48.

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scher Unabhängigkeit von kirchlichem Einfluss dient 39 und eben nicht als Ausdruck einer Abkehr der weltlichen Herrschaft von ihrem Bezug zu Gott und der christlichen Religion gewertet wird, so wie dies Walter Ullmann andeutet, wenn er hinsichtlich des vom römischen Recht durchdrungenen staufischen Herrschaftsgedankens von einer „Rückkehr zum vor-christlichen, vor-kirchlichen, zum rein humanistischen Zeitalter“ spricht40. Dieses Streben nach (herrschaftstheoretischer) Unabhängigkeit von kirchlichen Bindungen musste sich freilich für das Kaisertum nicht zuletzt aufgrund seiner heilsgeschichtlichen Bedeutung besonders schwierig gestalten. Otto von Freising gibt in seiner Chronik klar zu verstehen, dass der von ihm vertretene Gewaltendualismus, wonach weltliche und geistliche Gewalt gleichermaßen unmittelbar von Gott abgeleitet seien, keine Trennung des Imperiums von der Kirche bedeute41. Das unverkennbare Bemühen, sich in die papstunabhängige Cäsarentradition der christlichen Spätantike wie auch der heidnischen Antike zu stellen, entließ den Kaiser nicht aus seiner Anbindung an das Papsttum in Rom, die in der Karolingerzeit geknüpft und seither gewachsen war42. Der mittelalterliche Kaiser blieb trotz des Rückgriffs auf die Cäsarentradition der vom Papst gekrönte advocatus ecclesiae. Die unterschiedlichen imperialen Traditionsströme vermischten sich in der mittelalterlichen Debatte, obwohl sie nur bedingt kompatibel waren, was die moderne Geschichtswissenschaft bei ihrer Erforschung der mittelalterlichen Kaiseridee immer wieder vor Probleme gestellt hat43. Dies zeigt sich etwa an der Diskussion um die erstmals im Jahre 1157 greifbare Reichsbezeichnung sacrum imperium. Für Gottfried Koch bedeutete die Sakralisierung des Reiches „einen Schritt, der die Entwicklung seit dem Investiturstreit [sc. die Entsakralisierung] im wesentlichen rückgängig machen sollte“44. Keinesfalls aber sollten mit der Bezeichnung sacrum imperium durch die Staufer römisch antike und damit heidnische Bezüge hergestellt werden. Auch Theodor Mayer 39 40 41

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Dieses Bestreben der weltlichen Gewalt wird von der Forschung unisono betont. ULLMANN, Von Canossa nach Pavia, S. 298. Otto von Freising, Chronicon (= MGH SS rer. Germ. 45), S. 309: Nemo autem propter haec verba nos Christianum imperium ab ecclesia separare putet [...]. Auch ULLMANN, Von Canossa nach Pavia, S. 299 erkennt die Problematik, wenn er angesichts der konstituierenden Bedeutung des Papstes für das mittelalterliche Kaisertum fragt, ob die Berufung auf „das römische Recht [...] genügend abgestützt und auch ein tragfähiges Fundament“ für den staufischen Herrschaftsgedanken gewesen sei. Dass man die konstituierende Rolle des Papstes „im staufischen Lager leugnete, ist sattsam bekannt, aber damit war die Rolle des Papsttums doch noch nicht aus der Welt geschafft.“ Vgl. etwa die Probleme um Sticklers Lehre vom gladius materialis ecclesiae unten S. 67 ff. KOCH, Auf dem Wege zum Sacrum Imperium, S. 276.

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sah in der neuen Reichsbezeichnung in erster Linie „ein politisches Programm, [um] den Anspruch des Kaisertums, unmittelbar von Gott herzustammen“45, zu betonen, und Friedrich Heer wertete die Heiligkeit des Reiches gar „als Korrelat zum Christentum selbst [...], weil es das irdische Gottesreich ist, nicht weil es heidnisch-römisch hätte sein sollen.“ 46 Walter Ullmann hingegen sprach von einer Änderung der „ideelle[n] Struktur der Herrschaftsgrundlagen“ durch das römische Recht, vom Wandel des „theokratisierten [...] [zum] antikisierende[n], romanisierende[n] Kaiser“47 und sah im Begriff des sacrum imperium ein „Ausdrucksmittel der Rechtsnachfolge des alten römischen Reiches“ und nicht etwa das bloße Bestreben, „einer alten Sache [sc. der sakralen Herrschaftsauffassung] einen neuen Namen zu geben.“48 Auch Ernst Kantorowicz hob das antik-römische Moment der Bezeichnung sacrum imperium als „eine weltliche Heiligung sui iuris und sui generis getrennt von der Kirche“ 49 hervor, das den besagten Wandel von einem in kirchlich-liturgischen Bindungen stehende „christ-centred kingship“ der karolingisch-ottonisch-frühsalischen Epoche zum römisch-rechtlichen „law-centred kingship“ verdeutliche. Karl Jordan traf letztlich wohl den richtigen Ton, als er darauf hinwies, dass Friedrich Barbarossa mit dem Rekurs auf das römische Recht zeige, dass er „nicht nur die Tradition Karls des Großen und seiner Nachfolger, sondern auch die der ersten christlichen Kaiser weiterführt“50. Es ist freilich auch hier in erster Linie die schwierige Frage nach der Gewichtung von christlich-religiösem und (antik-) römisch-rechtlichem Kaiserbegriff, die in der Debatte um die Bezeichnung sacrum imperium so unterschiedlich beantwortet wurde, und die André Vauchez und Agostino Paravicini Bagliani zu dem Begriff der „säkularisierten Sakralisierung“ inspiriert hat51. Einigkeit herrscht in der Forschung hingegen in der Beobachtung einer zunehmenden Transpersonalisierung der Herrschaftsauffassung seit dem 11. Jahrhundert, wozu das römische Recht wesentlich beigetragen habe. Diese Entwicklung wiederum konnte auch Konsequenzen hinsichtlich der Sakralität von Herrschaft zeitigen, insofern nämlich das Herrscheramt oder die Herrschergewalt ihren Ursprung in Gott besaß, ohne dass damit eine direkte göttliche Erwählung des Herrschaftsträgers verbunden sein musste. Geradezu vorbildhaft differenzierte in dieser Hinsicht schon Johannes Chrysostomus 45 46 47 48 49 50 51

MAYER S. 28. HEER S. 147. ULLMANN, Von Canossa nach Pavia, S. 298. Ebd. S. 289. KANTOROWICZ, Einwirkung, S. 197. GEBHARDT S. 392. VAUCHEZ S. 668.

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(†407) in seinem Kommentar zu Röm. 13, 1 die Apostelworte, dass alle Gewalt von Gott stamme: „Was sagst du da? Jede obrigkeitliche Person ist also von Gott eingesetzt? So meine ich das nicht, will der Apostel sagen; ich spreche jetzt nicht von jeder einzelnen obrigkeitlichen Person, sondern von der Obrigkeit im allgemeinen. Dass es überhaupt obrigkeitliche Personen gibt, dass es Herrscher und Untertanen gibt [...] ist ein Werk der Weisheit Gottes. Darum sagt er nicht: ‚Denn es gibt keine obrigkeitliche Person außer von Gott„, sondern von der Einrichtung spricht er, wenn er sagt: ‚Denn es gibt keine Obrigkeit außer von Gott.„“52

Der heilige Patriarch von Konstantinopel unterschied die personale Bedeutung von potestas – also die individuelle Regierung eines bestimmten Herrschers – von ihrer transpersonalen Bedeutung – also der Herrschaft als Institution – und bezog den in Röm. 13, 1 formulierten göttlichen Ursprung der Gewalt nur auf letzteren Aspekt. Im allgemeinen jedoch herrschte sowohl in der Antike als auch im frühen Mittelalter in erster Linie ein personal verstandenes Nahverhältnis des Herrschers zu Gott vor. In der Antike ist hierbei natürlich an die Möglichkeit der Vergöttlichung des Kaisers – nach seinem Tod wie auch schon zu Lebzeiten – zu denken 53 , die das persönliche Verhältnis des Herrschers zur göttlichen Sphäre ausdrückte. Im frühen Mittelalter dürfte sowohl der vergleichsweise geringe Grad an herrschaftstheoretischer Reflexion als auch die mangelnde institutionelle Ausgestaltung des sogenannten Personenverbandsstaates der eigentliche Grund für das weitgehende Fehlen transpersonaler Herrschaftsvorstellungen gewesen sein. Herrschaftstheoretische Überlegungen finden sich vor allem in den Mahnschreiben und Fürstenspiegeln, die gerade die Person des Herrschers und dessen ethisch-moralische Qualitäten in den Mittelpunkt rückten und somit ein Zeugnis für das personenbezogene Herrschaftsverständnis des frühen Mittelalters darstellen. Erst im 11. Jahrhundert sind wieder Ansätze eines transpersonalen Herrschaftsverständnisses deutlicher fassbar54, die nach dem sogenannten Investiturstreit und der beginnenden korporativen Ausgestaltung von regnum und sacerdotium im Verlauf des 12. Jahrhunderts in die Schriften der Scholastiker aufgenommen und allmählich zum festen Bestandteil herrschaftstheoretischer Überlegungen wurden. Petrus Lombardus († 1160) etwa wies in seiner Glossa ordinaria darauf hin:

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Johannes Chrysostomus, Kommentar zum Briefe des Hl. Paulus an die Römer (= Bibliothek der Kirchenväter 2, Reihe 1, Bd. 39), ed. Jatsch, 24. Homilie, S. 162. Vgl. CLAUSS S. 17-26, 219 ff. BEUMANN, Staatsvorstellungen; MILLOTAT.

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„Beachte, dass unter Gewalt bisweilen die Gewalt selbst verstanden wird, die von Gott gegeben ist, manchmal der Mensch, der Gewalt hat, was der gewissenhafte Leser unterscheiden möge.“55

Die Juristen, die seit dem 12. Jahrhundert den herrschaftstheoretischen Überlegungen neue Impulse verliehen, differenzierten zum Teil explizit zwischen der Institution (Papsttum, Kaisertum) und dem Amtsträger (Papst, Kaiser) und bezogen den göttlichen Ursprung in erster Linie auf die Institution, während die Einsetzung des Herrschers dem irdischen, von menschlichen Entscheidungsträgern bestimmten Verfahren (dem die Juristen natürlich in erster Linie ihre Aufmerksamkeit schenkten) überlassen wurde – wobei dadurch ein Eingreifen Gottes bei der Wahl keineswegs ausgeschlossen wurde. Es darf gleichwohl nicht übersehen werden, dass der sakrale Glanz des sacrum imperium auch, wie Hans-Martin Schaller festgestellt hat, auf die Person des Kaisers übertragen wurde56. Aber nicht nur Kaiser und Könige, auch die Rechtsgelehrten standen durch ihre Beschäftigung mit dem Gesetz, insbesondere durch ihre Auslegung des gleichsam als Rechtsoffenbarung verstandenen Corpus Iuris Justinians 57 , in einem quasi-priesterlichen Verhältnis zu Gott, sie galten, um mit den Digesten zu sprechen, als Priester der Gerechtigkeit 58 . Guielmus Durandus zog Ende des 13. Jahrhunderts jene Digestenstelle heran, um den Kaiser aufgrund seiner Tätigkeit als Gesetzgeber in den geistlichen Rang eines Presbyters zu erheben59, und vom 12. Jahrhundert bis in die Neuzeit hinein war unter den Juristen in Anlehnung an das Prooemium zu den Institutiones der Begriff der religio iuris gebräuchlich60. Mit diesem quasi-religiösen Verständnis von Recht und Gesetzgebung wurde somit ein Bereich göttlichen Wirkens in der Welt beschrieben, der nicht unter primär kirchlichem oder päpstlichem Zugriff stand und eben darum auch hinsichtlich herrschaftstheoretischer Überlegungen für das Königtum von immenser Bedeutung war. Die seit dem späten 12. Jahrhundert zunehmend hierokratisch ausgerichtete Papstkirche freilich konnte in ihrem Bemühen, den Zugang zu Gott und der Heilsvermittlung exklusiv für sich zu beanspruchen, die Vorstellung eines gottunmittelbaren König- und Kaisertums nicht akzeptieren. Aus diesem Spannungsverhältnis von Hierokratie und Dualismus (d. h. 55

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Glosse zu Rom 13, 1 “Non enim potestas” Et scias, quod nomine potestatis interdum accipitur potestas ipsa, que datur aliqui a Deo, aliquando ipse homo habens potestatem, quod diligens lector distinguat. Biblia Latina cum Glossa ordinaria IV, Straßburg 1480/81 [ND Turnhout 1992]. SCHALLER, bes. S. 81. Vgl. LANGE, Römisches Recht, S. 33. D. 1, 1, 1. KANTOROWICZ, Einwirkung, S. 196. KANTOROWICZ, Mysterien, S. 268 f.

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der Gottunmittelbarkeit von weltlicher und geistlicher Gewalt) erwuchsen letztlich die großen Auseinandersetzungen zwischen regnum/imperium und sacerdotium. Als ein weiterer Meilenstein auf dem Weg der säkularen Staatsidee gilt die Aristotelesrezeption des 13. Jahrhunderts61. In den Augen Walter Ullmanns hielt der Säkularisierungsgedanke „während des 13. Jahrhunderts im wiedererstandenen aristotelischen System und im mächtig nach vorwärts drängenden Naturalismus auf allen Gebieten seinen triumphalen Siegeszug.“ 62 Mit der Wiederentdeckung der aristotelischen „Politik“ und durch die lateinische Übersetzung Wilhelm Moerbekes gelangte eine naturrechtliche Herrschaftsauffassung in die mittelalterlichen Überlegungen zu Herrschaft und Staat, die im Menschen als animal sociale et politicum den Urheber staatlicher Ordnung erblickte. Tilman Struve hob die Bedeutung der aristotelischen „Politik“ hervor, der er bei der „Ausbildung einer autonomen säkularen Staatsvorstellung eine wichtige Geburtshelferfunktion“ zuschreibt. Es ist auch hier das Moment der rationalen Emanzipation des Staates aus kirchlicher Abhängigkeit, das dieser Einschätzung im wesentlichen zugrunde liegt63. So resümiert Struve am Ende seiner Untersuchung über die Bedeutung der aristotelischen Politik: „Die sich unter dem Einfluss der aristotelischen ,Politik„ entwickelnde rationale Staatskonzeption war ungleich besser als der Gedanke des Gottesgnadentums geeignet, die Eigenständigkeit irdischer Herrschaft zu begründen. Bestand bei letzterem doch stets die Gefahr, dass die Geistlichkeit als Vermittler der göttlichen Gnade ein Aufsichts- oder Kontrollrecht über den weltlichen Bereich und besonders über den irdischen Herrscher geltend machen konnte.“64 Der radikale aristotelische Ansatz und der Verzicht auf jeglichen Bezug der weltlichen Herrschaft zur Kirche wie im Fürstenspiegel des Aegidius Romanus (um 1278/80) wirkt so wie ein Fanal der säkularen Staatsidee. Der Begriff des Säkularen ist jedoch auch im Zusammenhang mit der Aristotelesrezeption nur insofern passend, als mit Hilfe der aristotelischen Lehre eine von Kirche und Papst unabhängige Begründung weltlicher Herrschaft möglich war, die aristotelischen Ideen jedoch von den mittelalterlichen Gelehrten, die einen durchaus selbstbewussten Umgang mit der Autorität des 61 62 63

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Vgl. grundlegend GRABMANN, Einfluß. ULLMANN, Von Canossa nach Pavia, S. 297. Vgl. auch MIETHKE, Weltanspruch, S. 364: „Das Angebot [sc. der aristotelischen Methode], hier in schlüssigen Argumenten unabhängig von Bibel und Kirchenlehre auf die Vernunft allein sich stützende Überlegungen über das politische Leben der Menschen zu finden, war unwiderstehlich, unabhängig von der politischen Einstellung des einzelnen.“ STRUVE, Bedeutung, S. 170.

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Stagiriten an den Tag legten, zumeist in den traditionellen christlichen Vorstellungshorizont eingefügt wurden65. Die Forschung spricht daher gerne, wie schon im Zusammenhang mit der Rezeption des römischen Rechts am Ende des 11. Jahrhunderts, von den „Anfängen“ und der „Geburt“ der säkularen Herrschaftsidee, um darauf hinzuweisen, dass hier gewissermaßen ein Prozess in Gang gesetzt wurde, in dessen Verlauf die traditionellen sakralen Elemente in der Herrschaftsauffassung in den Hintergrund gedrängt wurden66. Es ist daher nicht überraschend, wenn Bettina Koch feststellt, dass in herrschaftstheoretischen Schriften spätmittelalterlicher wie auch frühneuzeitlicher Autoren in der Regel kein „Verzicht auf theologische Inhalte im Denken“67 zu konstatieren ist, ja dass vielmehr der Rekurs auf biblische Zeugnisse in den Theorien der von ihr untersuchten Werke68 durchaus noch eine zentrale Rolle einnehmen. Ihrer Schlussfolgerung, dass daher nicht unumwunden von einer Säkularisierung bzw. Desakralisierung der weltlichen Herrschaft die Rede sein könne, liegt freilich ein weitgefasster Begriff des Sakralen bzw. Säkularen zugrunde, wonach eine Herrschaftsauffassung, die sich theologischer Inhalte bedient, als sakral, und jene, die auf solche verzichtet, als säkular zu gelten habe69.

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So auch STRUVE, Bedeutung, S. 155 f. Nicht nur königliche/kaiserliche Autoren, auch Gelehrte auf kurialer Seite wie etwa Jakob von Viterbo legten ihren Ausführungen über weltliche und geistliche Gewalt die Lehre des Aristoteles zugrunde. Vgl. ANTON, Art. „Fürstenspiegel“, Sp. 1044 f.: „Sowohl im FrühMA rezipierte als auch neu übernommene Auffassungen führten [sc. im Hoch- und Spätmittelalter] zu Wandlungen und setzten den Prozeß der Naturalisierung und Säkularisierung der Staatsauffassung in Gang.“ ANTON betont jedoch zu Recht: „Doch ist diese Entwicklung nicht in eine Richtung verlaufen. [...] Es ist daher noch nicht von Säkularisierung, nur von Säkularisierungstendenzen zu sprechen.“ Vgl. auch Klueting, der ebenfalls darauf hinweist, dass zwar seit dem 13./14. Jahrhundert verstärkt säkularisierende Elemente in Theologie und Philosophie greifbar werden, dass aber grundsätzlich der lange historische Prozess der Säkularisierung durch Prozesse der Resakralisierung gebrochen erscheint. Auch die Überbewertung der in der Renaissance fassbaren anti-kirchlichen und anti-christlichen Momente durch die ältere Forschung werde inzwischen relativiert, ja man sehe heute „das christlich-katholische Element in der Renaissance viel stärker als das antik-pagane“ (S. 45). Zur Frage der Säkularisierung des Staates im späteren Mittelalter vgl. auch die anregende Aussprache über den Vortrag von MIETHKE, Anfänge, bes. 44-61. Vgl. KOCH, Dis-/Kontinuität, S. 295. Marsilius von Padua, Johannes Althusius, Thomas Hobbes. Vor diesem Hintergrund erscheint die hierokratische Theorie, die den König als einen dem Papst untergeordneten minister Dei erachtet, der – nach Röm. 13, 1 ff. – das weltliche Schwert zur Bekämpfung der Sünde in den Dienst der Kirche zu stellen habe, geradezu als sakrale Herrschaftsauffassung.

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Sakralität und Entsakralisierung königlicher Herrschaft werden aber nicht nur anhand ideengeschichtlicher, herrschaftstheoretischer Überlegungen untersucht, auch mit Blick auf die Herrschaftspraxis erscheint – insbesondere im Reich – die Sakralität seit dem 12. Jahrhundert nicht mehr als zentrales Strukturelement königlicher Herrschaft. Sakralität wurde von der Forschung in erster Linie als königliche Prärogative wahrgenommen, die den Monarchen vor den anderen Fürsten auszeichnete. Durch die Salbung besaß er eine herausgehobene, beinahe vergöttlichte Stellung, die ihn mit herrschaftlichen Rechten wie z. B. der Kirchenhoheit ausstattete, kurzum: Sakralität wurde als stärkendes und legitimierendes Moment königlicher Herrschaft betrachtet. Diese enge Verbindung von Sakralität und Königtum, von Monotheismus und monarchischer Idee war fest im Bewusstsein einer Forschung verankert, die Geschichte im wesentlichen als eine Geschichte des Königtums verstand. Spätestens seit dem frühen 12. Jahrhundert hatte allerdings jeder deutsche König die Teilhabe der Fürsten am Reich anzuerkennen, so dass er nicht mehr jene herausgehobene, in die Sphäre des Göttlichen entrückte Stellung besaß, die das sakrale Königtum der ottonisch-frühsalischen Zeit nach Ansicht der Forschung kennzeichnete. Die deutschen Könige des Spätmittelalters erschienen der Forschung mitunter sogar als Spielball fürstlicher Interessen, und ihr verblassender monarchischer Glanz bedeutete unweigerlich auch ein Verblassen des sakralen Glanzes, den „starke“ Herrscher wie Otto I. oder Heinrich III. einst auszustrahlen vermochten70. Bernd Schneidmüller hat indes unlängst zu bedenken gegeben, dass diese grundsätzliche Teilhabe der Fürsten am Reich keine wirkliche Neuerung des 12. Jahrhunderts darstelle, sondern dass sich in dieser Zeit lediglich die seit Jahrhunderten gängige Praxis der konsensualen Herrschaft allmählich institutionalisiert habe und somit in den Quellen deutlicher als zuvor in Erscheinung trete71. Im Grunde aber seien schon die Könige in karolingischer und 70

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Gerade im Reich, so KRIEGER S. 49, sei die Diskrepanz zwischen sakralem Anspruch und faktischer Machtlosigkeit des Herrschers besonders offenkundig geworden und schließlich ein Auslöser der sogenannten Reichsreformdebatte im 15. Jahrhundert gewesen. Mit anderen Worten: Sakralität formulierte einen Anspruch, dem nur ein „starker“ Monarch gerecht zu werden schien, wobei sich ein „starker“ Herrscher in den Augen der Forschung neben der Fähigkeit zur Abwehr äußerer Bedrohungen auch durch die Beherrschung der von den fürstlichen Eigeninteressen ausgehenden zentrifugalen Kräfte für das Reich auszeichnete. Ein solcher Herrscher war im deutschen Spätmittelalter jedoch kaum auszumachen. SCHNEIDMÜLLER, Konsensuale Herrschaft; DERS., Zwischen Gott und den Getreuen; auch KELLER S. 25 ff. spricht schon für die ottonische Zeit von der Teilhabe der Fürsten am Reich. Zur konsensualen Herrschaft vgl. schon KERN S. 269 ff., Anm. 280: Consensus fidelium, sowie TELLENBACH, Grundlagen, der S. 237 davor warnt, an die auf Konsens beruhende karolingische Königsherrschaft den Maßstab der absolutistischen

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ottonischer Zeit auf die Zustimmung und Unterstützung der Großen angewiesen. Die sakrale Stellung des Königs bedeute zwar eine Rangerhöhung, die die adligen Standesgenossen gewissermaßen „aushalten“ mussten72, was sie offenbar auch taten, solange der sakrale König die Spielregeln der konsensualen Herrschaftspraxis einhielt. Die Untersuchungen von Gerd Althoff und Hagen Keller haben gezeigt, dass Heinrich I. mit seinem Salbungsverzicht ganz bewusst auf diese sakrale Rangerhöhung verzichtete und er statt dessen als primus inter pares die Verständigung mit den Fürsten in den amicitiae gesucht hat73. Erst Otto I. habe seine Herrschaft durch die Salbung und den Rückgriff auf die karolingische Königstradition entscheidend sakralisiert, allerdings weniger, so Stefan Weinfurter, um sich dadurch von den Fürsten abzuheben, als vielmehr von den durch die Hausordnung von 929 übergangenen Familienangehörigen, die ihm sein „Individualkönigtum“ streitig machen konnten und dies bekanntlich auch taten74. Gegenüber den Fürsten aber habe auch Otto I. nicht die Idee des sakralen, „weit über die anderen herausgehobenen Alleinherrschers“75 in die Tat umgesetzt. Erst unter Heinrich II. setzte eine deutliche Zentralisierung der Reichsgewalt ein76, die unter Heinrich III. und Heinrich IV. im Zusammenhang mit der Übersteigerung königlicher Sakralität eine zunehmend auch gegen die Fürsten gerichtete Politik bedeuten konnte77. Der neue zentralistische, autoritative Regierungsstil und die damit verbundene Abkehr von der konsensualen Herrschaft gründete in dem Bestreben, den mit der Sakralität verbundenen Anspruch auf unumschränkte, nur Gott gegenüber verpflichtete Alleinherrschaft durchzusetzen, also gleichsam die Diskrepanz zwischen sakraler Herrschaftstheorie und konsensualer Herrschaftspraxis zu beseitigen. Vor diesem Hintergrund erscheinen die Auseinandersetzungen der Salier mit fürstlichen Oppositionsbewegungen seit dem Ausgang der Regierungszeit Heinrichs III. wie ein Ringen zwischen sakraler und konsensualer Herrschaftsauffassung, wobei letztere schließlich im frühen 12. Jahrhundert den Sieg davontrug.

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Monarchie anzulegen und den König als einen „aus dem Bewußtsein seiner Hoheit und Vollmacht“ heraus befehlenden, Gehorsam erzwingenden Herrscher zu sehen. SCHNEIDMÜLLER, Konsensuale Herrschaft, S. 68. Vgl. ALTHOFF, bes. S. 21-36. WEINFURTER, Idee und Funktion, S. 104 Ebd. S. 105. Vgl. WEINFURTER, Zentralisierung; SCHNEIDMÜLLER verweist darauf, dass Heinrich II. zu Beginn seiner Herrschaft neben Gott und ebrechtlichen Momenten auch noch auf den Konsens der Fürsten hinwies, später aber den Weg der konsensualen Herrschaft verließ. WEINFURTER, Idee und Funktion, S. 117 ff.; SCHNEIDMÜLLER, Zwischen Gott und den Getreuen, S. 218.

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Eine Frontstellung von sakraler und konsensualer Herrschaftsauffassung, wie sie von der Forschung in der Salierzeit ausgemacht wurde, entsteht freilich dann, wenn man Sakralität primär als Element der Herrschaftslegitimation betrachtet, als Reservoir königlicher Machtmittel, das zur Stärkung der monarchischen Idee diente, um den König als christus Domini und vicarius Christi aus den Reihen seiner adligen Standesgenossen heraus in die göttliche Sphäre zu entrücken und ihn und seine Herrschaft gleichsam unantastbar zu machen – einen Anspruch, den insbesondere die bildlichen Herrscherdarstellungen der ottonisch-salischen Zeit zu formulieren scheinen. Ludger Körntgen jedoch hat unlängst in seiner Untersuchung über ottonische Herrscherbilder nachdrücklich darauf hingewiesen, dass die Funktion der königlichen Sakralität nicht nur in einer legitimistischen, vergöttlichenden Überhöhung des Herrschers liege, die ihn der politischen Interaktion mit den Fürsten entrücke, wodurch der König quasi zu einem Fremdkörper in der frühmittelalterlichen Adelsgesellschaft geworden wäre, vielmehr werde der König durch seine sakrale Stellung in die heilsame Nähe Gottes gerückt und auf das Ideal des gerechten und barmherzigen typus Christi verpflichtet78. Königssalbung und Christusvikariat vermittelten dem Herrscher keine unverlierbare ontische Qualität79, die ihm die Möglichkeit zur unumschränkten Gewaltausübung bot, sondern seien als eine dauerhaft ethisch-religiöse Verpflichtung zu verstehen, die der Herrscher auch durch eine schlechte Regierung verfehlen konnte80. Die These Körntgens, dass die ottonischen Herrscherbilder ebenso wie die Historiographie der ottonisch-frühsalischen Zeit praktisch keine herrschaftslegitimierende Dimension offenbarten, dürfte sicherlich zu weit gehen81. Dennoch: Sakralität besaß neben der herrschaftslegitimierenden und Herrschaftsrechte gewährenden immer auch eine paränetische, herrschaftsreglementierende Funktion, oder wie Steffen Patzold es formulierte, „die Vorstellung von der ,ontischen Gottesebenbildlichkeit‟ des Herrschers [war] mit der Forderung einer ,ethischen Gottesebenbildlichkeit‟ verknüpft“82. Die Fürstenopposition unter Heinrich IV. wandte sich daher nicht grundsätzlich gegen die sakrale 78 79 80

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KÖRNTGEN S. 447 f. KÖRNTGEN S. 144. Hier stößt man unweigerlich auf den von Fritz KERN untersuchten Themenkomplex von Gottesgnadentum und Widerstandsrecht, denn der Vorwurf einer ungerechten und unbarmherzigen Regierung (egal ob von der Kirche oder den Fürsten oder, wie im Investiturstreit, von beiden erhoben) war letztlich der Vorwurf an den Herrscher, nicht dem Ideal des vicarius und typus Christi zu entsprechen. Während aber Heinrich IV. (wie vor ihm schon Lothar I.) die Beurteilung seiner Herrschaft allein bei Gott sah, erhoben die Fürsten und die Kirche ihrerseits die Forderung, den in ihren Augen ungerechte und daher ungeeigneten König abzusetzen. Vgl. die Rezension von Michael Borgolte in der FAZ vom 7. Jan. 2002. PATZOLD S. 266 mit Anm. 121.

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Stellung des Königs, sondern nur gegen die gleichsam absolutistische Interpretation des Saliers83. Verengt man also die königliche Sakralität nicht auf einen herrschaftslegitimierenden, die monarchische Idee stärkenden Aspekt, sondern nimmt auch die paränetische Dimension mit in den Blick, die mit der Stellung des Königs als Abbild und Stellvertreter Christi untrennbar verbunden ist, dann wird es nach Ansicht Körntgens möglich, „unbeschadet dogmatischer Vorstellungen von der Epochengrenze des Investiturstreits zu fragen, welche relative Bedeutung sakralen Vorstellungen auch noch nach den Wandlungen in der zweiten Hälfte des 11 Jahrhunderts zukommt.“ 84 Von dieser Warte aus wären dann auch die gängigen herrschaftstheoretischen Interpretationsmuster von Sakralisierung und Entsakralisierung / Säkularisierung neu zu hinterfragen. Wie bereits erwähnt konstatiert die Forschung jedoch schon seit längerem auch für das Königtum/Kaisertum des späteren Mittelalters weiterhin sakrale Züge85. In England und vor allem in Frankreich ist mit den „roi thaumaturges“, dem Aufkommen der Legende vom Himmelsöl und der Ausbildung der „réligion royale“ geradezu eine Intensivierung der Herrschersakralität zu beobachten. Aber auch im Reich macht die Forschung sakrale Elemente aus und verweist auf den unter Kaiser Karl IV. eingeführten Brauch des königlichen Weihnachtsdienstes, bei dem der Herrscher, in priesterliche Gewänder gekleidet, in der Christmette das „Exiit“ des Lukasevangeliums verlas86, auf den durch die Geistlichkeit liturgisch ausgestalteten Herrscheradventus, oder auf die sogenannte Heiltumsweisung, also die feierliche Präsentation der als Reliquien verehrten Reichsinsignien87. Diese Neuerungen, die alle erst nach dem 83

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Zu Beginn seiner von einem breiten fürstlichen Konsens getragenen Herrschaft erstrahlt Heinrich V. in den Quellen als König in vollem sakralen Glanz, der erst in dem Augenblick ermattet und sich in das Bild des diabolischen Tyrannen verwandelt, als der Salier die Interessen der geistlichen Fürsten im Zuge der Ausgleichsbemühungen mit dem Papsttum in der Investiturfrage opferte und deren Rückhalt verlor. Vgl. dazu WEINFURTER, Reformidee, bes. S. 31 ff. KÖRNTGEN S. 457. Die Beiträge im Sammelband von CARDINI/SALTARELLI über das sakrale Königtum des mittelalterlichen Europa aus dem Jahr 2002 umfassen wie selbstverständlich auch die Zeit des späteren Mittelalters. Vgl. ebd. S. 16: Il nostro discorso, dunque, vuole essere storico, fondamentalmente basato su un lungo momento in cui la regalità sacra, rivissuta in termini cristiani, è stata presentata con maggior coerenza. Questo lungo momento è identificabile in un periodo che va della fine dell‟ VIII secolo fino alla metà del XVI secolo. Vgl. HEIMPEL, Weihnachtsdienst im späteren Mittelalter; DERS., Weihnachtsdienst auf den Konzilien; DERS., Königliche Evangelienlesung; KRIEGER S. 8, 63; ERKENS, Heißer Sommer. Die Sazerdotalität des weltlichen Herrschers, insbesondere des Kaisers, verschwand auch nach der "Wende von Canossa" keineswegs gänzlich, der Auszug des liturgischen

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Investiturstreit in Erscheinung traten, betrafen in erster Linie die zeremonielle Ausgestaltung des Königtums, wodurch der Öffentlichkeit bis weit in die Neuzeit hinein besonders publikumswirksam die Herrschersakralität vor Augen geführt werden konnte88. Noch im Jahre 1825 präsentierte sich der französische König Karl X. nach seiner Krönung in Reims als „roi thaumaturge“. Auf herrschaftstheoretischer Ebene jedoch schienen seit dem ausgehenden Mittelalter mit dem römischen Recht und der in ihrer Wirkung für die politische Theorie des späteren Mittelalters kaum zu überschätzenden Aristotelesrezeption 89 die Würfel zugunsten einer rationalen und säkularen Herrschaftsauffassung gefallen, so dass derartige, die Sakralität des Herrschers hervorhebende Rituale von den Gelehrten des späteren Mittelalters gewissermaßen augenzwinkernd toleriert werden konnten. Joachim Ehlers geht davon aus, dass „die philosophisch-theologischen Umbrüche der jüngstvergangenen Zeit [= 12. Jh.], die mit der ,Reformation of the Twelfth Century„ einhergehende intellektuelle Emanzipation durch hohe Schulen, freie Studien und die methodische Revolution der Scholastik dem Heilungswunder [sc. der „roi thaumaturges“] als Argument für theokratisches Königtum so viel Durchschlagskraft genommen [hätten], dass es toleriert werden konnte.“ 90 Andererseits hat bereits Ernst Schubert darauf hingewiesen, dass die Könige noch im Spätmittelalter auch in der theoretischen Herrschaftsbegründung weiterhin auf traditionelle sakrale Elemente zurückgriffen, insbesondere auf ihre Einsetzung durch Gott91. Im Unterschied zu den anderen europäischen (Erb-)Monarchien fokussiere sich die Sakralität des deutschen Herrschers nicht auf die Bedeutung der Krönung und Weihe, sondern auf die Wahl durch die Kurfürsten, die letztlich als von Gott vorgenommen angesehen wurde92. Und auch der Gedanke vom König als Abbild und Stellvertreter Gottes war im Spätmittelalter, wie Franz Reiner Erkens unlängst betonte, keinesfalls gänzlich aus den Quellen verschwunden, sondern findet sich in der Historiographie ebenso wie in königlichen Urkunden und herrschaftstheoretischen Traktaten93. Dieses Fortleben von sakralen Elementen auch auf theoretischer Ebene hatte

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Königtums frühmittelalterlicher Prägung aus dem Alttarraum war keineswegs so vollständig, wie von Kantorowicz beschrieben. Die Sazerdotalität des weltlichen Herrschers erfuhr jedoch durch die Rolle als "Priester der Gerechtigkeit" in der Tat eine stärker römisch-rechtliche Akzentuierung; vgl. dazu ERKENS, Vicarius Christi, S. 52; ders., Heißer Sommer. Vgl. STRAUB. Vgl. STRUVE, Bedeutung, S. 153. EHLERS, Der wundertätige König, bes. S. 19. SCHUBERT, Königswahl, bes. S. 260 ff. Zur Kritik am Begriff der Wahlheiligkeit bei Schubert vgl. die Rezension von Ernst-Dieter Hehl im DA 36 (1980), S. 276. Vgl. ERKENS, Vicarius Christi, S. 29.

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bereits Otto Brunner konstatiert 94 . Doch um im herrschaftstheoretischen Diskurs – der auch nach Ansicht Brunners seit dem Investiturstreit von einer zunehmenden Rationalisierung und Säkularisierung gekennzeichnet war – weiterhin bestehen zu können, mussten die sakralen Elemente ihren „archaischen und irrationalen“ Charakter ablegen und einen Wandel „vom Gottesgnadentum zum monarchischen Prinzip“ durchlaufen. Im Zeitalter des Absolutismus erfuhr die mittelalterliche Herrschersakralität somit eine einseitige und „extreme Fortbildung zur Fürstensouveränität, die den Bezug des echten Gottesgnadentums älterer Art zum Widerstandsrecht verloren hat“, also gewissermaßen die Verbindung von ontischer und ethischer Gottebenbildlichkeit gelöst hat, bis die sakralen Elemente zu Beginn des 20. Jahrhunderts schließlich bloß noch leere Formeln eines Staatsrechts waren, das sich allenfalls in seiner Begrifflichkeit mitunter am Überrest einer ehemals herrschenden Lehre95 orientierte. Brunner griff damit die These von Fritz Kern auf, derzufolge die mittelalterliche sakrale Herrschaftsauffassung in den neuzeitlichen Absolutismus übergehe, indem das ursprünglich vorhandene Widerstandsrecht des Volkes – abgeleitet aus dem neben dem göttlichen Mandat bestehenden Volksmandat – zurückgedrängt wurde.

2.

Ideengeschichtliche Methodendiskussion

Die Thematik "sakrale und säkulare Herrschaftsauffassung" ist wie gesehen keineswegs ausschließlich, aber doch vorwiegend auf dem Gebiet der politischen Ideengeschichte angesiedelt. Ideengeschichte ist freilich ein schillernder Begriff, der in den letzten Jahrzehnten methodisch vielfältig hinterfragt worden ist. In Deutschland ist bis heute der traditionelle Ansatz präsent, bei dem einige von der Wissenschaft zu Klassikern der politischen Ideengeschichte erhobenen Texte auf ihre überzeitlichen Aussagen hin untersucht werden96. Mit Hilfe der hermeneutischen Methode erfolgt dabei eine überwiegend werkimmanente Untersuchung und Textinterpretation, die einen in sich geschlossenen und mehr oder weniger konsistenten Systementwurf eines Autors zu tage treten läßt. So heißt es in einem aktuellen Überblickswerk zur politischen Ideengeschichte: "Das genaue Lesen ist immer die entscheidende Grundlage hermeneutischen Herangehens. (...) Man konzentriert sich auf 94 95 96

BRUNNER S. 279-305. Vgl. JELLINEK (3. Auflage) S. 675 f.; vgl. DREITZEL S. 527. Vgl. REESE-SCHÄFER, bes. S. 205-212.

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bereits Otto Brunner konstatiert 94 . Doch um im herrschaftstheoretischen Diskurs – der auch nach Ansicht Brunners seit dem Investiturstreit von einer zunehmenden Rationalisierung und Säkularisierung gekennzeichnet war – weiterhin bestehen zu können, mussten die sakralen Elemente ihren „archaischen und irrationalen“ Charakter ablegen und einen Wandel „vom Gottesgnadentum zum monarchischen Prinzip“ durchlaufen. Im Zeitalter des Absolutismus erfuhr die mittelalterliche Herrschersakralität somit eine einseitige und „extreme Fortbildung zur Fürstensouveränität, die den Bezug des echten Gottesgnadentums älterer Art zum Widerstandsrecht verloren hat“, also gewissermaßen die Verbindung von ontischer und ethischer Gottebenbildlichkeit gelöst hat, bis die sakralen Elemente zu Beginn des 20. Jahrhunderts schließlich bloß noch leere Formeln eines Staatsrechts waren, das sich allenfalls in seiner Begrifflichkeit mitunter am Überrest einer ehemals herrschenden Lehre95 orientierte. Brunner griff damit die These von Fritz Kern auf, derzufolge die mittelalterliche sakrale Herrschaftsauffassung in den neuzeitlichen Absolutismus übergehe, indem das ursprünglich vorhandene Widerstandsrecht des Volkes – abgeleitet aus dem neben dem göttlichen Mandat bestehenden Volksmandat – zurückgedrängt wurde.

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Ideengeschichtliche Methodendiskussion

Die Thematik "sakrale und säkulare Herrschaftsauffassung" ist wie gesehen keineswegs ausschließlich, aber doch vorwiegend auf dem Gebiet der politischen Ideengeschichte angesiedelt. Ideengeschichte ist freilich ein schillernder Begriff, der in den letzten Jahrzehnten methodisch vielfältig hinterfragt worden ist. In Deutschland ist bis heute der traditionelle Ansatz präsent, bei dem einige von der Wissenschaft zu Klassikern der politischen Ideengeschichte erhobenen Texte auf ihre überzeitlichen Aussagen hin untersucht werden96. Mit Hilfe der hermeneutischen Methode erfolgt dabei eine überwiegend werkimmanente Untersuchung und Textinterpretation, die einen in sich geschlossenen und mehr oder weniger konsistenten Systementwurf eines Autors zu tage treten läßt. So heißt es in einem aktuellen Überblickswerk zur politischen Ideengeschichte: "Das genaue Lesen ist immer die entscheidende Grundlage hermeneutischen Herangehens. (...) Man konzentriert sich auf 94 95 96

BRUNNER S. 279-305. Vgl. JELLINEK (3. Auflage) S. 675 f.; vgl. DREITZEL S. 527. Vgl. REESE-SCHÄFER, bes. S. 205-212.

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einzelne Sätze, Abschnitte oder auf den Aufbau und die Struktur des Textes und bemüht sich um ein möglichst exaktes Verständnis, meist ohne Heranziehung des Hintergrundes und Kontextes, also allein auf den vorliegenden Text gestützt.97" Diese fehlende Kontextualisierung ist der Hauptkritikpunkt an einer so verstandenen Ideengeschichte. Politische Theorien, so gab etwa Udo Bermbach zu bedenken, seien schließlich nicht aufgrund "zufälliger Überlegungen" ihrer Autoren entstanden, von daher müsse die Interpretation der Schriften "unter Rückgriff auf ihren sozial-historischen Entstehungszusammenhang erfolgen"98. Kontextualisierung aber ist ein weites Feld, das methodisch schwerer zu beackern ist, als es auf den ersten Blick erscheinen mag. Nicht zu unrecht warfen Kontextualismus-Kritiker wie John P. Diggins die Frage auf, inwieweit die (Re-)Konstruktion des tatsächlich relevanten Kontextes durch den Historiker überhaupt gelingen könne. "The problem arises when we ask, how historians identify, not to say select, the right context, and how they know whether a context is determinative or derivative, or whether it has originative or merely expressive value. Is a political debate a context for an idea? Is a discipline or a profession? Are books? Events?"99 John Gunnell forderte daher, bei ideengeschichtlichen Untersuchungen nur jene Kontexte zu berücksichtigen, die in konkretem und empirisch nachweisbarem Zusammenhang mit dem analysierten Werk und seinen Ideen stehen, ansonsten aber auf verschwommene Anspielungen über Ähnlichkeiten und mögliche Abhängigkeiten zu verzichten 100 . Diese Forderung klingt zweifelsohne einleuchtend, doch erweist es sich im Einzelfall als äußerst schwierig, sich auf eine verlässliche Methode zur Erforschung derartiger "concrete empirical connections" zu verständigen. Die Forschung ist sich lediglich darin einig, dass einfache Ursache-Wirkung Relationen, durch die gleichsam "historische Konfliktkonstellationen von Gesellschaften auf der Ebene von Werkanalysen politischer Schriften lediglich abgespielt werden sollen"101, zu kurz greifen. Das Spektrum der möglichen (aber eben keineswegs zwingenden) Wechselwirkungen zwischen Idee und Kontext scheint letztlich zu breit102, als dass es mit Hilfe eines einzigen, allgemein akzeptierten methodischen Ansatzes verlässlich erfasst werden könnte. Darüber hinaus gab Reinhart Koselleck zu 97 98 99

100 101 102

REESE-SCHÄFER S. 207. BERMBACH S. 185. DIGGINS S. 153; vgl. HELLMUTH / VON EHRENSTEIN S. 168 f.; als Übersicht über die verschiedenen ideengeschichtlichen Ansätze vgl. immer noch VON BEYME, sowie LANDWEHR. GUNNELL S. 656. BERMBACH S. 185. Vgl. BOUCHER S. 78.

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bedenken, dass die Forderung nach einer umfassenden Kontextualisierung zwar theoretisch ihre Berechtigung haben mag, auf der „forschungspraktischen Ebene“ aber kaum zu realisieren sei. „Sobald man beginnt die Kontexte, in denen die Bedeutung individueller Begriffe analysiert werden könnte, zu betrachten, gibt es keine Grenzen mehr. Man beginnt mit dem Paragraphen, in dem der Begriff erwähnt wird. Von diesem Paragraphen geht man über zum ganzen Buch. Vom Buch ist es nur ein kleiner Schritt in die gesamte soziale und politische Debatte der untersuchten historischen Periode. (...) Man endet (...) letztlich in der Analyse aller Aspekte einer Sache zu einem gewissen Zeitpunkt im historischen Prozess.“103 Nicht zuletzt aufgrund dieser Problemfelder wird von einigen Forschern die Kontextualisierung als methodische Zwangsjacke empfunden und kategorisch abgelehnt, zumal auf diese Weise die Individualität oder gar Genialität der einzelnen Autoren und ihrer Entwürfe von starren und einseitigen Erklärungsmodellen in den Hintergrund gedrängt werde104. Dieser Vorwurf wurde insbesondere gegen die Vertreter der sogenannten Cambridge School, allen voran John Pocock und Quentin Skinner, erhoben, die mit ihrem philologisch-sprachanalytischen Ansatz in der Methodendiskussion seit den 1960er Jahren neue Akzente setzten, sich dabei aber durchaus, wie Georg Iggers zu Recht hervorhob, „eng an ältere Formen der Ideengeschichte anlehn(t)en“105. Denn auch wenn bei Pocock und Skinner der linguistische Aspekt im Mittelpunkt ihrer Untersuchungen stand, so wollten sie doch keineswegs im Sinne eines radikalen linguistic turn den politisch- und sozial-historischen Kontext außer acht gelassen wissen 106 . Unter der Prämisse, dass Äußerungen des menschlichen Geistes stets situationsgebunden seien, waren es auch nach Ansicht von Pocock und Skinner gerade konkrete politische Ereignisse und Konflikte, die jene großen Fragen aufwarfen, die in Form von Theorien reflektiert wurden 107 . Die Beantwortung dieser Fragen geschähe mit einem 103 104 105 106

107

KOSELLECK, Temporale Strukturen, S. 32. Vgl. dazu HELLMUTH / VON EHRENSTEIN S. 168 ff. IGGERS S. 562. Vgl. HELLMUTH / SCHMIDT S. 269 f.: "Pocock wendet sich also nicht von der Methode der Kontextualisierung ab, erweitert den Kontext aber um Sprachen und Texte aus unterschiedlichen Ländern, Disziplinen, Milieus und Parteien. (...) Für Skinner ist es (...) von zentraler Bedeutung, dass der Ideenhistoriker das sprachliche Umfeld, in dem eine politische Theorie der Vergangenheit steht, wiedererstehen läßt. Dies bedeutet aber nun nicht, dass andere Kontexte, wie etwa der praktischen Politik, von ihm ignoriert werden." Auch die Methode der Diskursanalyse im Sinne Foucaults, die gewissen Einfluss auf die Arbeiten der Cambridge School ausübte, setzt sich zum Ziel, die Korrelationen zwischen theoretischen Diskursen und den tatsächlichen historischen Gegebenheiten zu erforschen. Vgl. dazu SARASIN. Vgl. LANDWEHR S. 42.

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Vokabular, das über einen längeren Zeitraum relativ stabil sei, d.h. die Autoren bedienten sich einer diskursüblichen Begrifflichkeit, die Pocock als "politische Sprache" bezeichnete108. Das Verständnis für diese Begrifflichkeit und die damit formulierten Ideen erlange der Historiker jedoch nicht allein über die hermeneutisch-textualistische Methode, da hier die Gefahr bestehe, Wörtern und Begriffen eine ahistorische bzw. anachronistische Bedeutung zu geben. Diskurssprachen seien nicht mit der Methode der älteren Ideengeschichtsschreibung zu erforschen, die anhand ihres Kanons von Klassikern der politischen Theorie die Entwicklung von Ideensystemen gleichsam vertikal untersuchte, als wären Platon, Machiavelli und Marx Teilnehmer ein und desselben politischen Diskurses. Das Gesagte vom Gemeinten klarer zu unterscheiden sei letztlich nur möglich, wenn die Ideen in ihrem intellektuellen Kontext untersucht würden109, worunter Skinner und Pocock vor allem die Rekonstruktion des sprachlichen Umfeldes verstanden. Die Klassiker müssten in ihrem intellektuellen und sprachlichen Umfeld zusammen mit anderen zeitgenössischen Texten gelesen werden, mit denen sie in einem gemeinsamen Diskurs stünden. Sobald sich jedoch das soziale und politische Umfeld ändere, änderten sich auch die Fragestellungen, zu deren Beantwortung die Texte vergangener Jahrhunderte und vergangener Diskurse nicht mehr sinnvoll herangezogen werden könnten. Insbesondere Quentin Skinner wandte sich nachdrücklich gegen die Konstruktion von überzeitlichen Diskursen durch die traditionelle Ideengeschichtsschreibung, in denen gleichsam anthropologisch konstante, kontextunabhängige Fragen über Jahrhunderte hinweg diskutiert würden110. Andererseits aber gehörten auch nach seiner Ansicht „earlier writings and inherited assumptions“ zum intellektuellen Kontext eines Textes, so dass sich unweigerlich die Frage stellt, ab welcher zeitlichen Distanz zwei Werke nicht mehr im selben intellektuellen Kontext bzw. Diskurs situiert werden können. Vor allem aber wandten Kritiker nicht zu Unrecht ein, dass es sehr wohl auch im politischen Bereich überzeitliche Fragen und Diskurse gäbe. Neben Themen wie „separation of powers, the nature of political government, the sociability of men, or the proper ends of government“111 sei gerade auch die Frage des Gottesgnadentums über etliche Jahrhunderte hinweg diskutiert worden, wobei 108 109

110

111

Vgl. etwa die von POCOCK rekonstruierte Sprache des civic humanism. SKINNER, Foundations, S. XI: "I regard it as no less essential to consider the intellectual context in which the major texts were conceived - the context of earlier writings and inherited assumptions about political society, and of more ephemeral contemporary contributions to social and political thought." Vgl. dazu PALONEN S. 74-77. Vgl. SKINNER, Reply, S. 234: I remain unrepentant in my belief, that there can be no histories of concepts; there can only be histories of their uses in argument." PAREKH / BERKI S. 174.

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sich Autoren bis ins 18. Jahrhundert hinein ganz bewusst als Teilnehmer eines überzeitlichen Diskurses verstanden hätten112. Freilich: Derartige überzeitliche Diskurse sind immer, hier ist Skinner zweifellos zuzustimmen, ein Stück weit ex post Konstrukte, in denen mitunter die Texte vergangener Zeiten von der Nachwelt gehörig gegen den Strich – soll heißen, gegen die ursprüngliche Intention des Autors, und gegen ihre eigentliche Bedeutung – gebürstet werden können. Auf derartige Fehlinterpretationen aufmerksam zu machen und sie – ganz im Sinne des Forschungsinteresses wissen zu wollen, wie es wirklich gewesen ist bzw. gemeint war – so weit wie (methodisch) möglich zu Recht zu rücken, ist ohne Zweifel ein Verdienst der Arbeiten aus dem Kreis der Cambridge School, ebenso, wie darauf hinzuweisen, dass Ideen keine erratischen Blöcke sind, die gleichsam unverändert durch die Jahrhunderte tradiert werden. Dadurch lässt sich aber allenfalls die Sinnhaftigkeit von überzeitlichen Diskursen kritisch hinterfragen, nicht aber bezweifeln, dass sie tatsächlich geführt wurden (und werden). Einen neuen, gleichsam vermittelnden Ansatz wagte unlängst Marcus Llanque, indem er die politische Ideengeschichte des Abendlandes als Gewebe von diachronen und synchronen Diskursen interpretiert113. Trotz aller zum Teil berechtigter Kritik an einigen methodischen Prämissen der Cambridge School114 ist letztlich unbestreitbar, dass mit der Erforschung von politischen Sprachen und deren Verwendung in politischen Diskursen das methodische Rüstzeug des Ideenhistorikers bereichert, wenn auch keineswegs so grundlegend revolutioniert wurde, wie bisweilen behauptet. Auch die Vertreter der Begriffsgeschichte um Reinhart Koselleck, die in methodischer Hinsicht der Cambridge School durchaus nahe stehen115, betonen, dass ihre Erforschung der „Geschichtliche(n) Grundbegriffe“ sowohl auf hermeneutisch-textualistischen, als auch auf kontextualistischen, d. h. den konkreten Wortgebrauch im sozialen und politischen Umfeld untersuchenden Studien beruhen, und sie damit letztlich auf Verfahren zurückgreifen, die „seit jeher zur historisch-kritischen Methode“ gehören116. Kritiker wandten daher wiederholt ein, dass sowohl die Cambridge School als auch die Begriffsgeschichte trotz aller methodischen Überlegungen letztlich in ihren Studien nicht über das hinaus gingen, was schon die konventionelle Ideengeschichtsschreibung betrieben habe117. 112 113 114 115

116 117

Vgl. BOUCHER S. 80, S. 231 ff.; HELLMUTH / VON EHRENSTEIN S. 169 mit Anm. 85. Vgl. LLANQUE. Zur Kritik an der Cambridge School vgl. HELLMUTH / VON EHRENSTEIN S. 161-172. Zum Verhältnis zwischen Cambridge School und Begriffsgeschichte vgl. REICHARDT S. 15 mit Anm. 35. Geschichtliche Grundbegriffe Bd. 1, S. XX. Vgl. SHKLAR; SHEEHAN S. 318; LANDWEHR S. 34, 40.

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Auch in der Frage nach dem Zusammenhang zwischen politischer Theorie und politischer Praxis arbeitet die Cambridge School mit interessanten Grundannahmen. Indem Sprache nicht nur als Abbild einer unabhängigen äußeren Welt verstanden wird, sondern als diese Welt mitkonstituierend, wird der Verfasser einer politischen Theorie – gemäß des Wittgensteinschen Credo "Words are deeds" – als politisch Handelnder begriffen, der mit seinen Ideen in die politische Praxis aktiv und gestaltend, legitimierend oder delegitimierend eingreift. Mit dieser methodischen Prämisse, die auch dem diskursanalytischen Ansatz im Sinne Foucaults118 und der Begriffsgeschichte119 zugrunde liegt, kann der Graben zwischen Theorie und Praxis zwar strukturell verringert (oder gar überbrückt) werden, doch das Bedürfnis der historischen Forschung, auch in konkreten Fällen nachzuweisen, dass Herrscher und Staatsoberhäupter in ihrem Handeln von politischen Diskursen und den darin entwickelten Theorien und Ideen geleitet werden, ist auf diese Weise nicht zu befriedigen120. Bereits 1955 konstatierte Helmut Beumann: „Eine Geistesgeschichte, die allein vom theoretischen Schrifttum des Mittelalters [...] ausgeht, muss freilich stets die Frage offen lassen, inwieweit solche Spekulationen von den Zeitgenossen selbst für die Beurteilung ihrer Wirklichkeit als verbindlich erachtet worden sind. Die Frage vollends, ob und inwiefern das politische Handeln selbst von Systemen wie dem Augustins beeinflusst worden ist, kann auf diesem Wege schon gar nicht über den Bereich der Hypothese hinaus gefördert werden.“121 Unter Einbeziehung weiterer Quellengattungen, insbesondere der Historiographie, erachtete es Beumann aber durchaus für möglich, Zusammenhänge zwischen politischer Theorie und politischer Praxis nachzuzeichnen122. 118 119 120

121 122

Vgl. dazu die Überblicke von SARASIN; LANDWEHR S. 65-79. Vgl. dazu die Überblicke von REICHARDT S. 13-18; LANDWEHR S. 31-35. Vgl. etwa die Kritik von Ian Hampsher-Monk bei HELLMUTH / VON EHRENSTEIN S. 164 f. BEUMANN, Historiographie, S. 452. Lange Zeit galt die Renovatio-Politik Kaiser Ottos III. als Paradebeispiel dafür, wie ein Herrscher sein politisches Handeln maßgeblich an den Ideen seiner hochgebildeten Berater (Leo von Vercelli, Gerbert von Reims/Silvester II.) ausrichtete. Fundamentale Kritik an dieser 1929 von Percy Ernst Schramm entwickelten Interpretation (SCHRAMM, Renovatio.) äußerte erstmals 1993 Knut Görich, der die Renovatio-Devise nicht als programmatische Politik wertete, hinter der die Idee einer umfassenden, an der Antike ausgerichteten Erneuerung des Imperium Romanum stand, sondern als kurzfristiges Reagieren auf die aktuellen politischen Umstände in Rom. Diesen Gedanken aufgreifend übte Gerd Althoff grundsätzliche Kritik an einer Forschung, die allzu bereitwillig von politischen Ereignissen auf dahinter stehende Programme und Konzepte schloss. Gerade für das frühe Mittelalter seien derartige Zusammenhänge zwischen politischer Theorie und herrscherlichem Handeln nicht zu erwarten, da die hierfür notwendigen strukturellen Voraussetzungen (Schriftlichkeit, institutionelle Ausgestaltung) fehlten.

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Als kleinster gemeinsamer Nenner dürfte letztlich die Feststellung Beumanns bestehen bleiben, dass die komplizierte Erforschung der Zusammenhänge zwischen politischen Ideen und politischer Praxis nicht allein auf der Grundlage theoretischen Schrifttums erfolgen kann123. So warnte auch Bernd Schneidmüller im Kontext seiner Überlegungen zur konsensualen Herrschaft zweifellos zu Recht davor, sich nur am (herrschafts-)theoretischen Schrifttum zu orientieren, und so „dem Glanz des mittelalterlichen Sakralkönigtums vollends [zu] erliegen“124. Das Idealbild von Herrschaft, das in theoretischen Quellen gezeichnet werde, sei von der Forschung „nur allzu oft mit der Praxis von Herrschaft verwechselt“125 worden. Die Frage, inwieweit die sakrale Herrschaftsidee ihre Spuren in der politischen Praxis hinterlassen hat, kann letztlich ohne Einbeziehung weiterer Quellengattungen kaum beantwortet werden, ganz gleich, ob man den Einfluss allgemein strukturalistisch oder an konkretem herrscherlichem Handeln beobachten möchte126.

123 124 125 126

Daher seien auch nicht Ideen, sondern die gewohnheitsrechtlich fixierten Normen, die rituellen Spielregeln der Politik für das politische Handeln mittelalterlicher Herrscher ausschlaggebend. Die Thesen von Görich und Althoff haben durchaus Zustimmung gefunden, sind aber freilich auch nicht unwidersprochen geblieben. Franz-Reiner Erkens wandte sich insbesondere gegen die methodischen Konsquenzen, die sich aus Althoffs Kritik an der älteren, ideengeschichtlich orientierten Forschung und seiner prinzipiellen Ablehnung eines konzeptionellen, ideengeleiteten Handelns mittelalterlicher Herrscher ergaben (ERKENS, Mirabilia mundi). Erkens verteidigte in diesem Zusammenhang die historisch-kritische Methode, die, sofern sie mit einer möglichst breiten Quellengrundlage sorgfältig und gewissenhaft angewandt würde, durchaus Beziehungen zwischen politischen Ereignissen und den dahinter stehenden Intentionen und Ideen zumindest plausibel machen könne. Auch Heinrich Dormeier stellte nachdrücklich heraus, dass doch gerade Schramms kritisierte Renovatio-Interpretation "ein Musterbeispiel für einen historischen Zugriff [sei], der Ideen und Traditionen nicht als isolierte Phänomene verfolgt, sondern ihnen auf ungewohnt breiter Quellengrundlage unter Einbezug von Bildzeugnissen und Überresten nachgeht und sie vorbildlich mit den Zeitumständen und der praktischen Politik zu verbinden versteht."(DORMEIER S. 166). Vgl. auch SCHIEFFER, Mediator, S. 346. SCHNEIDMÜLLER, Zwischen Gott und den Getreuen, S. 212. Ebd. Sowohl Beumann als auch Schneidmüller verweisen im übrigen auf die Historiographie als Quelle, um die „Wirklichkeit“ königlicher Herrschaft zu erfassen, doch während BEUMANN, Historiographie S. 455 f. die Werke der Geschichtsschreibung heranziehen möchte, um Vorstellung und Wirklichkeit vom sakralen Königtum unter den Ottonen auf eine breitere Quellenbasis zu stellen, spiegelt nach Ansicht SCHNEIDMÜLLERS, Zwischen Gott und den Getreuen S. 212 die Historiographie des frühen Mittelalters gerade die Realität der konsensualen Herrschaft wider.

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3.

Ziele der Arbeit

Die vorliegende Arbeit verfolgt im wesentlichen zwei Ziele: 1. Zwei Eckpfeiler der sakralen Herrschaftsauffassung – die Einsetzung des Herrschers durch Gott und seine Stellung als Abbild und Stellvertreter Gottes – sollen als Bestandteil der politisch-herrschaftstheoretischen Traktatliteratur auch nach der "Wende von Canossa" nachgewiesen werden. Als Quellen dienen in erster Linie (herrschafts-)theoretische Schriften aus der Zeit des Spätmittelalters (1250 - 1500), wobei versucht wurde, ein möglichst breites Spektrum aus den unterschiedlichen politischen "Lagern" und "wissenschaftlichen Disziplinen" darzustellen, um so die wichtigsten Argumentationslinien hinsichtlich der beiden genannten Ideen zu erfassen. Neben zahlreichen "Klassikern" wie Dantes Monarchia oder dem Defensor Pacis aus der Feder des Marsilius von Padua werden auch die Werke von gemeinhin weniger beachteten Autoren in die Untersuchung mit einbezogen, gemäß der Prämisse, die der Erforschung politischer Diskurse bzw. Diskurssprachen zugrunde liegt, wonach jeder Beitrag seinen Wert hat, unabhängig davon, wer ihn leistet127. 2. In der Einleitung zum ersten Band der "Geschichtlichen Grundbegriffe" konstatierte Reinhart Koselleck: "Durchgehaltene Worte sind kein Indiz für gleichbleibende Sachverhalte"128. Erst die Untersuchung der verschiedenen Begriffsbedeutungen durch den Ablauf der Jahrhunderte ermögliche es daher, die Geschichte eines Begriffs respektive einer Idee zu schreiben. Die von Teilen der Forschung bereits konstatierte Kontinuität von Begriffen der frühmittelalterlichen sakralen Herrschaftsauffassung in Quellen des späteren Mittelalters darf daher nicht mit einer Kontinuität der sakralen Herrschaftsauffassung an sich gleichgesetzt werden.

127

128

Vgl. SKINNER S. X f.; HELLMUTH / SCHMIDT S. 271; SCHORN-SCHÜTTE S. 560 f. Freilich ist jede Zusammenstellung eines Textkorpus, anhand dessen Begriffe und Ideen untersucht werden sollen allein deshalb schon selektiv (und nicht selten bereits ein interpretatorischer Vorgriff; vgl. REICHARDT S. 20; LANDWEHR S. 101 ff.), als dass nur Texte herangezogen werden, die sich zu der jeweiligen Thematik überhaupt äußern. Um den Stellenwert zu bestimmen, den eine Idee innerhalb der politisch-herrschaftstheoretischen Überlegungen einer Epoche einnimmt, müssten die untersuchten Texte in (v.a. quantitative) Relation zu jenen zeitgenössischen Texten gesetzt werden, die sich nicht zu der Thematik äußern. Für eine vollständige Diskursanalyse bedarf es neben der Analyse von Texten zudem auch die Einbeziehung weiterer Quellen wie (sofern verfügbar) „audiovisuelle(n) Medien, Artefakte(n) oder soziale(n) Praktiken“ (LANDWEHR S. 102). KOSELLECK, Geschichtliche Grundbegriffe Bd. 1, S. XXI.

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In der vorliegenden Arbeit sollen die beiden oben genannten Anschauungen zum einen mit Hilfe der Hermeneutik innerhalb der einzelnen Traktate verortet werden, d. h. es gilt zu beachten, welche Rolle und welchen Stellenwert sie in der Argumentationsstruktur der untersuchten Schriften – die keineswegs immer als konsistenter Systementwurf zu lesen sind – einnehmen, ohne dass freilich eine Gesamtinterpretation der Werke geleistet werden soll. Auch wenn die einzelnen Traktate die beiden Ideen durchaus von unterschiedlichen, zeitgebundenen Problemsituationen ausgehend aufgriffen, werden ihre Aussagen zum anderen auch als Teil eines überzeitlichen Diskurses interpretiert, der – wie gezeigt werden soll – bis in die Neuzeit hinein relativ stabil geführt wurde, wobei die Vorstellungen von der göttlichen Einsetzung des weltlichen Herrschers und seiner Rolle als Abbild und Stellvertreter Gottes eine Vielfalt an Bedeutungen gewonnen haben. Da die spätmittelalterlichen Autoren nicht voraussetzungslos in diesen Diskurs eintraten, soll zuvor die Tradierung der beiden zu untersuchenden Ideen von der (Spät-)Antike bis ins Hochmittelalter hinein dargestellt werden, wobei auf zahlreiche Vorarbeiten der Forschung gerade für die Zeit des Frühmittelalters zurückgegriffen werden kann. Eine gleichsam diachronische, durch die Jahrhunderte gehende Untersuchung kann letztlich nicht den Anspruch erheben, eine umfassende Kontextualisierung zu leisten, so erstrebenswert diese methodische Maximalforderung auch sein mag129. Die Kapitel III.1 und III.2 sollen daher ebenso wie die jeweiligen kurzen biographischen Abrisse nur zur groben Einordnung der Traktate in ihr historisches Umfeld dienen, ohne dass die Wechselwirkungen von theoretischen Schriften und praktischer Politik über den bisherigen Forschungsstand hinaus verfolgt werden. Die weitgehende Beschränkung der Untersuchung auf theoretisches Schrifttum verlangt ohnehin große Zurückhaltung hinsichtlich weiterführender Schlussfolgerungen über den Zusammenhang zwischen politischer Theorie und politischer Praxis. Die Frage, inwieweit die Vorstellung von der Einsetzung des Herrschers durch Gott und seine Stellung als Abbild und Stellvertreter Gottes auf das Feld der politischen Praxis Einfluss ausübte, 129

Die methodische Forderung der Cambridge School nach einem „fairly strong contextualism“ (vgl. REICHARDT S. 15) wird nach Ansicht von Kritikern in deren eigenen Studien nicht eingelöst. Zur Kritik der Forschung an SKINNERs, „The Foundations of Modern Political Thought“, 2 Bde., Cambridge 1978, vgl. HELLMUTH / SCHMIDT S. 272: „Obwohl Skinner postuliert, dass die diskursive Praxis nicht ohne Rekurs auf die tatsächlichen Problemlagen der Zeit analysiert werden kann, verflüchtigt sich die Darstellung dieser Problemlagen allzu häufig zu konturlosen Situationsbeschreibungen.“; vgl. auch LANDWEHR S. 42 f. Zu den Grenzen der Kontextualisierung vgl. S. 22 f.

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oder inwieweit diese Ideen losgelöst davon traktiert worden sind, kann erst unter Einbeziehung weiterer Quellengattungen zu beantworten versucht werden – unabhängig davon, ob man sich an dem sprachanalytischen Ansatz der Cambridge School orientiert, einen begriffs- oder diskursgeschichtlichen Zugang wählt130, oder sich der traditionellen historisch-kritischen Methode bedient.

130

Vgl. dazu das derzeit laufende Leibniz-Projekt "Politische Sprache im Mittelalter", das "die Erkenntnisse der politischen Ideengeschichte um eine diskursgeschichtliche Perspektive erweitern" will. (Projektseite, Stand 31.1.2010: http://web.uni-frankfurt.de/fb08/HS/jussen/semantik/projekt.html)

II. Aspekte herrscherlicher Sakralität bis zur Mitte des 13. Jahrhunderts

1.

Einsetzung des Herrschers durch Gott

1.1.

Frühmittelalter

Die131 Einsetzung des Herrschers durch Gott drückte sich in den Quellen des frühen Mittelalters, besonders in den Königsurkunden, in der häufig formulierten Vorstellung aus, der König werde von Gott erwählt (a deo electus) und/oder gekrönt (a deo coronatus). Neben dem göttlichen Ursprung stand in den Quellen aber zumeist auch der Verweis auf das Wirken menschlicher Entscheidungsträger, im (spät-)antiken Imperium den Senat und das Heer132, in den von spätantiken Herrschaftsvorstellungen durchdrungenen Reichen des Frühmittelalters ganz allgemein den populus, worunter die weltlichen und geistlichen Großen zu verstehen sind. Walter Ullmann sprach von einem „descending“ und einem „ascending principle of government“, die letztlich miteinander unvereinbar seien: „The theocratic forms of government and the populist forms were two different Weltanschauungen, each setting out from entirely different premisses.“ 133 Fritz Kern erblickte in den gemeinsamen Verweisen auf Gott und das Volk ein doppeltes Mandat, das gleichsam die christliche und die germanische Wurzel der mittelalterlichen Herrschaftsauffassung repräsentierte: „Die Abhängigkeit des Herrschers von Gott und seinem Gebot, welche aus dem göttlichen Mandat entsprang, ließ die Abhängigkeit des Herrschers vom Willen der Gesamtheit insoweit bestehen, als eben in der Herrschaft neben jenem göttlichen Mandat noch ein Volksmandat lag. [...] Der Herrscher, obwohl Stellvertreter Gottes, hatte seine Befugnis außer von Gott auch vom Volke.“134 Diese Feststellung war der Ausgangspunkt zu Kerns epochaler Untersuchung über Gottesgnadentum und Widerstandsrecht im früheren Mittelalter und zeigte zugleich die Besonderheit, die die Herrschaftsauffassung jener Zeit gegenüber dem Gottesgnadentum des neuzeitli-

131 132 133 134

Vgl. zum folgenden KOSUCH. Vgl. allgemein HUNGER, bes. S. 49 ff; FEARS. ULLMANN, Principles, S. 215; vgl. ebd .S. 20 f. KERN S. 12.

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Aspekte herrscherlicher Sakralität bis zur Mitte des 13. Jahrhunderts

chen Absolutismus besaß, bei dem das göttliche Mandat schließlich den Herrscher gänzlich aus der Abhängigkeit vom Volkswillen gelöst habe. Die Begründung der Herrschergewalt in Gott war aber eigentlich, wie Wilhelm Kölmel es formuliert hat, „in der positiv-rechtlichen Rechtsfolge der weltlichen Erhebungsakte, von weltimmanenten Kriterien her nicht fassbar. [...] Die irdische Gewalt gerät in eine Konfrontation zu einem absoluten Wert, der menschliches Zutun und menschliche Rechtskategorien unüberschreitbar hinter sich lässt“135, so dass sich unweigerlich „die Frage nach Relation der weltlichen Akte zur Gründung der Gewalt in Gott“136 stellt. Fritz Kern hat auf dieses Problem keine wirklich befriedigende Antwort gegeben, indem er das göttliche Mandat eher als ideelles, transzendentales, der Herrschaft als solcher inhärentes Moment beschrieb, während das Volksmandat das eigentlich positiv-rechtliche Moment sei, durch das der König seinen besonderen Rechtstitel erwarb, „den er während des frühen Mittelalters grundsätzlich nur vom Volke gewinnen konnte“137. Mit dieser Deutung ist, wie Gerd Tellenbach zurecht entgegnete, zumindest für das frühmittelalterliche Empfinden „das Wirken Gottes und dasjenige des wählenden Volkes nach christlicher Vorstellung [...] in unzutreffender Weise auseinandergelegt“138, denn göttliches und menschliches Wirken sind letztlich zwei Seiten ein und der selben Medaille, insofern der Wille des Volkes, der in einer entsprechenden „Wahlhandlung“ bekundet wurde, nur als sichtbarer Ausdruck des allein herrschaftsbegründenden göttlichen Willens gewertet wurde. Diese Auffassung spiegelt sich in zahlreichen Quellen wider. Bereits im Jahre 364 gab der große Redner Themistios vor Kaiser Valens zu bedenken, dass nicht die Soldaten, sondern die Götter, die ihren Willen durch Menschen bekannt zu geben pflegten, als treibende Kraft hinter der Kaiserwahl stünden 139 . Im Jahre 518 machte Papst Hormisdas den Kaiser Justinus, der in seiner Wahlanzeige an den Papst sein Kaisertum auf Gott und die Wahl der Menschen zurückgeführt hatte, in einem Brief darauf aufmerksam, dass nicht der Wille der Menschen, sondern allein der Wille Gottes ihn zum Kaiser gemacht habe140. Die Ordinatio imperii von 817 schildert, wie sich nach dreitägigem Fasten, Beten und dem Spenden von Almosen auf den Wink 135 136 137 138 139

140

KÖLMEL, A Deo sed per homines, S. 317. Ebd. S. 318. KERN S. 11. TELLENBACH, Grundlagen, S. 209. Themistios, Staatsreden, edd. Leppin/Portmann (= Bibliothek der griechischen Literatur 46), Rede 6, S. 116 f. Hormisdas, ep. 79, 1., ed. Thiel, Epistolae Romanorum Pontificum, S. 877: Neque enim te ita Deo placitum principem ad imperii verticem humanus tantum consensus evexit: te sibi divinus favor ante formaverat. Vgl. ENßLIN S. 97 f.

Aspekte herrscherlicher Sakralität bis zur Mitte des 13. Jahrhunderts

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Gottes hin die Stimmen des Kaisers und des gesamten Volkes auf Lothar I. vereinigt hätten, und es wird festgeschrieben, man solle im Falle des vorzeitigen Ablebens Lothars das angewandte Wahlzeremoniell wiederholen, auf dass nicht der Wille der Menschen, sondern der Wille Gottes erfüllt werde141. In den Konzilsakten von Paris heißt es im Jahre 829, dass Reich werde nicht von Menschen, sondern von Gott, in dessen Hand alle Königreiche seien, vergeben142, und das Konzil von Tribur verkündete 895, der König sei nicht von Menschen oder durch Menschen, sondern durch Gott selbst zum König gewählt worden143. Im kirchlichen Bereich begleiteten Gebete und andere liturgische Handlungen die Wahl eines Würdenträgers, um den Geist der Wähler für den göttlichen Willen, den sie ja verkünden sollten, empfänglich zu machen. Im Wortlaut überliefert sind solche Gebete bei der Wahl Eigils zum Abt von Fulda (818) und der Wahl Hugos von Cluny (1049)144, bei der Wahl Lothars I. (817) zum alleinigen kaiserlichen Nachfolger Ludwigs des Frommen berichtet die 141

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MGH Capit. 1, S. 273, Nr. 136, proem.: Idcirco necessarium duximus, ut ieiuniis et orationibus et elemosinarum largitionibus apud illum obtineremus quod nostra infirmitas non praesumebat. Quibus rite per triduum celebratis, nutu omnipotentis Dei, ut credimus, actum est, ut et et nostra et totius populi nostri in dilecti primogeniti nostri Hlutharii electione vota concurrerent. Ebd. c. 18: ... si is filius noster qui nobis divino nutusuccesserit, absquelegitimis liberis humanis excesserit ... propter omnium salutem et ecclesiae tranquillitatem et imperii unitatem in elegendo uno ex liberis nostris, si superstites fratri suo fuerint, eam quam in illius electione fecimus conditionem imitentur, quatenus in eo constituendo non humana sed dei quaeratur voluntas adimplenda. MGH Conc. 2, 2, S. 655, Nr. 50: Quod regnum non ab hominibus, sed a Deo, in cuius manu omnia regna consistunt, detur. MGH Capit. 2, 2, S. 210, Nr. 252: ... ut totus cognoscat mundus, non ab homine neque per hominem, sed per ipsum Dominum esse electum. Vgl. Candidi Vita Eigilis abbatis Fuldensis (= MGH SS 15), S. 225, 20 ff.: Oremus fratres, imprimis omnipotentis Dei bonitatem, ut secundum voluntatem suam audiat nos deprecantes, et ut nobis ea concedat postulare, quae ipse nobis expedire cognoscit, quatenus secundum voluntatem eius orantes, salvari mereamur per eum qui omnes homines vult salvos fieri et ad agnitionem veritatis venire... De cetero quoque, inspirante ac demonstrante Spiritu sancto, visum est nobis. Udalrich, Antiquiores consuetudines Cluniacensis monasterii, in: L. d‟Achery, Spicilegium sive collectio veterum aliquot scriptorum qui in Galliae bibliothecis delituerant Bd. 1, S. 639-703, lib. 3, c. 1, S. 683: Veni ad nos et esto nobiscum, et dignare illabi in cordibus nostris; doce nos quid agamus, quo gradiamur; et ostende, quid efficere debeamus: ut te auxiliante tibi in omnibus placere valeamus. Esto salus et suggestor et effector judiciorum nostrorum... Non nos patiaris perturbatores ejus justitiae, qui summam diligis aequitatem, ut in sinistrum nos non ignorantia trahat, non favor inflectat, non acceptio muneris vel personae corrumpat; sed junge nos tibi efficaciter solius tuae gratiae dono, ut simus in te unum, et in nullo deviemus a vero. Vgl. Ouadalscalchi Vita Chuonradi episcopi (= MGH SS 4), S. 432, 2 ff.; vgl. SCHMID, Begriff der kanonischen Wahl, S. 47 f.; PAULER; DOTZAUER.

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ordinatio imperii ebenfalls von Gebeten, Fasten und dem Spenden von Almosen, ein Zeremoniell, das wie gesagt auch zukünftig beibehalten werden sollte, um bei Wahlen die göttliche Inspiration der Wähler zu befördern. Aber erst seit dem frühen 12. Jahrhundert sind derartige Gebete zur Inspiration der Königswähler sicher belegt 145 . Die Vorbildfunktion, die das kanonische Wahlzeremoniell auf Königswahlen ausübte, ist mithin ebenfalls erst im 12. und 13. Jahrhundert deutlich greifbar, aber bereits im frühen Mittelalter wurde ein gedanklicher Zusammenhang zwischen der Wahl eines kirchlichen Amtsträgers und der Wahl eines Königs hergestellt146. Die Rolle der Wähler war gleichsam die eines göttlichen Werkzeugs oder Sprachrohrs, das den Willen des Herrn verkündete. Sie selber hatten hingegen keinen substantiellen Anteil an der Entscheidung über die Besetzung des Herrscheramts – einer Entscheidung, die allein von Gott getroffen worden war. Natürlich konnte Gott, dessen waren sich die Gelehrten des Frühmittelalters durchaus bewusst, seinen Willen auch auf andere Weise als durch menschliche Wähler kundtun, und sei es, indem er seinem Erwählten auf dem Schlachtfeld den Sieg schenkte 147 . Aber auch wenn prinzipiell anerkannt 145 146

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DOTZAUER; KOSUCH S. 414. Abbo von Fleury, Collectio canonum (= PL 139), Sp. 473A-508A, c. 4, Sp. 478. Vgl. MOSTERT S. 146. Vgl. etwa die als Gottesurteil gedeutete Schlacht von Fontenoy bei Nithard II, 10. In seinem Traktat De divortio Lotharii nennt Hinkmar von Reims mehrere Möglichkeiten, wie ein Herrscher in sein Amt berufen werden könne. De divortio Hlotharii, resp. 6 (= MGH Conc. 4, Suppl. 1), S. 248 f. Z. 24 ff.: Quod dicitur, quia a solo deo in regno, quem pater suus illi dimisit, constitui, potuit, sciant qui hoc dicunt, quia quidam a deo in principatu constituuntur, ut Moyses, Samuhel et Iosias, de quo scriptum est, antequam nasceretur: Ecce filius nascetur domui David Iosias nomine, et reliqua, quae ibi sequuntur; quidam vero a deo per hominem ut Iosue et David; quidam autem per hominem non sine nutu divino - quia nihil fit, ut Augustinus dicit, nisi quod aut ipse facit aut fieri ipse permittit, et quicquid agitur, ministerio angelorum et hominum agitur - ut Salomo iussu patris David per Sadoch sacerdotem et Nathan prophetam. Et multi civium vel militum fulti auxilio reges constituuntur veldeiciuntur de principatu et etiam sancti sicuti Samuhel. Successione etiam paterna quidam regnant, sicut de his omnibus in historiis et chronicis et etiam in libro, qui inscribitur Vita caesarum, invenitur. Quidam siquidem tyrannica usurpatione obtinent principatum propter sua complenda vel populi ulciscenda peccata... Vgl. dazu ANTON, Fürstenspiegel und Herrscherethos, S. 295 f. Ähnlich formulierte es im 10. Jahrhundert Atto von Vercelli in seinem Polypticum, der zwischen drei rechtmäßigen Wegen des Herrschaftserwerbs – der direkten göttlichen Ernennung, der Wahl durch das Volk, der väterlichen Erbfolge – und der Usurpation als unrechtem Weg unterschied. Vgl. Attonis qui fertur polipticum quod appellatur perpendiculum (= Abhandlungen der sächsischen Akademie der Wissenschaften, philologisch-historische Klasse 37), ed. Goetz, S. 14; SCHULTZ S. 74 f. Auch Johann von Salisbury (†1180) und Vinzenz von Beauvais (†1264) weisen auf die unterschiedlichen Modi des rechtmäßigen Herrschaftserwerbs hin und nennen die direkte

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wurde, dass Gott einen weltlichen Herrscher auf viele Weisen berufen konnte, es also keineswegs bindend festgeschrieben war, wer den Willen Gottes verkünden konnte oder sollte148, so setzten im 9. Jahrhundert doch, und zwar insbesondere im Westfrankenreich, Bestrebungen ein, die kirchliche Beteiligung an der Königserhebung dauerhaft zu etablieren. Die Bischöfe sahen nicht in der electio, sondern in der im Frankenreich erstmals im Jahre 751 praktizierten Königssalbung149 den entscheidenden Akt der Herrschaftsbegründung. Deshalb versicherte Hinkmar von Reims 868 Karl dem Kahlen, dieser sei nicht so sehr durch eine irdische Macht als vielmehr durch Salbung und Weihe der Bischöfe in den Besitz seiner Königswürde gekommen150. Die Erklärung Karls von 859, in der er eine Herrscherabsetzung nur durch die Salbungsbischöfe für rechtens erachtete, zeigt deutlich den hohen Stellenwert der Salbung und der sie spendenden Geistlichkeit. Dies wird auch aus dem Brief Kaiser Ludwigs II. an den griechischen Kaiser Basileios I. aus dem Jahre 871 ersichtlich, in dem Ludwig sein Kaisertum ungleich höher bewertete als das der antiken Kaiser, da er und seine fränkischen Vorfahren nicht wie die antiken Imperatoren durch Wahl des Senates und des Volkes oder gar durch bloßen Zuruf der Soldaten erhoben würden, sondern durch göttliche Mitwirkung, die wiederum in der päpstlichen Salbung und Weihe zum Ausdruck gebracht werde151.

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göttliche Ernennung, die Wahl durch das Volk, kirchliche Erhebung und gewohnheitsrechtliche Praxis, wobei letztlich hinter allen Formen der Wink der göttlichen Vorsehung stehe. Vgl. Vinzenz von Beauvais, De morali principis institutione c. 4 (= CC cont. Med. 137), ed. Schneider, S. 22. Vgl. TELLENBACH, Grundlagen, S. 258. Zur neueren Forschung über die Salbung Pippins vgl. ERKENS, Suche nach den Anfängen. PL 125, 1040: Quia enim post illam unctionem qua cum caeteris fidelibus meruistis hoc consequi, quod beatus Petrus apostolus dicit. „Vos genus electum, regale sacerdotium“ (1 Petr. 2) episcopali spirituali unctione, ac benedictione regiam dignitatem potius quam terrena potestate consecuti estis; vgl. SCHRÖRS, Hinkmar, S. 384; BUCHNER S. 247. Ludowici II imperatoris epistola (= MGH Epp. 7), S. 387 Z. 22-27: Invenimus praesertim, cum et ipsi patrui nostri, gloriosi reges, absque invidia imperatorem nos vocitent et imperatorem esse procul dubio fatentur, non profecto ad aetatem, qua nobis maiores sunt, attendentes, set ad unctionem et sacrationem, qua per summi pontificis manus impositione et oratione divinitus ad hoc sumus culmen provecti, et ad Romani principatus imperium, quod superno nutu potimus, aspicientes. ebd. S. 389 Z. 8-17: Nam Francorum principes primo reges, deinde vero imperatores dicti sunt, hii dumtaxat qui a Romano pontifice ad hoc oleo sancto perfusi sunt. In qua etiam Karolus Magnus, abavus noster, unctione huiusmodi per summum pontificem delibutus primus ex gente ac genealogica nostra pretate in eo habundante et imperator dictus et christus Domini factus est, praesertim cum saepe tales ad imperium sint asciti, qui nulla divina operatione per pontificum ministerium proposita solum a senatu ex populo nichil horum

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Gerd Tellenbach wies darauf hin, dass die Bischöfe jedoch „bei allem Selbstgefühl des Priesterstandes und trotz der festen Überzeugung von dessen höherem Range [...] dem Königtum seine Gottunmittelbarkeit nie ernstlich bestreiten“152 wollten. Die geistlichen Würdenträger seien bei dem letztlich von Christus gespendeten Sakrament der Weihe als bloße Werkzeuge des göttlichen Willens anzusehen, „die Weihe des Königs oder Kaisers machte weder einen Bischof noch den Papst zu dessen Vorgesetzten.“153 Wenngleich dies von Tellenbach theologisch korrekt argumentiert ist154, so tritt doch der die Weihe spendende Bischof notwendig zwischen Gott und den König, woraus durchaus auch ein politisch artikuliertes Selbstbewusstsein des Episkopats gegenüber dem Herrscher erwachsen konnte, so wie es in den Worten Hinkmars mitschwang, als er erklärte: die Bischöfe setzen den König auf den Thron, nicht umgekehrt155. Die tiefe Krise des karolingischen Imperiums Ende des 9. Jahrhunderts sowie der Niedergang des Papsttums im 10. Jahrhundert verhinderten eine weiterführende herrschaftstheoretische oder gar machtpolitische Auseinandersetzung zwischen regnum und sacerdotium. Die in karolingischer Zeit entstandenen Königsvorstellungen fanden unter den Ottonen im 10. Jahrhundert zwar ihren Ausdruck in Liturgie, in bildlichen Herrscherdarstellungen und der Historiographie, eine nennenswerte herrschaftstheoretische Erörterung ist jedoch in dieser Epoche nicht zu verzeichnen. Die Quellen der ottonischen Zeit zeigen ein weitgehend unspezifisches Nebeneinander von göttlichem und menschlichem Wirken, wobei der Geistlichkeit im Zusammenhang der Herrschererhebung keine vergleichbar herausgehobene Stellung innerhalb des populus eingeräumt wird wie in karolingischer Zeit. Bischof Rather von Lüttich erklärt in den zwischen 936 und 939 entstandenen Praeloquia: Der König wird von Gott und dem Volk gemacht156. Liutprand von Cremona hebt die besondere Bedeutung der Einmütigkeit in der Wahl des Volkes hervor, die als Ausdruck des göttlichen Willens zu werten sei157. Atto von Vercelli dis-

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curantibus imperatoria dignitate potiti sunt; nonnulli vero nec sic, set tantum a militibus sunt clamati et in imperio stabiliti sunt, ita ut etiam horum quidam a feminis, quidam autem hoc atque alio modo ad imperii Romani sceptra promoti sunt; vgl. auch Registrum Iohannis VIII papae (= MGH Epp. 7), Nr. 163, S. 133. TELLENBACH, Libertas, S. 81 f. Ebd. Vgl. MEßNER. Vgl. Anm. 409. Rather von Lüttich, Praeloqu. 4, 34 (= PL 136), Sp. 284: Qui et vindex a Deo et a populo constitutus es super huiusmodi. Liutprand von Cremona, Antapodosis 2, 23 (= MGH SS rer. Germ. 41), S. 48 f.: Neque enim in huis electione totius populi posset esse animus unus, si a trinitate summa, quae Deus unus est, ante mundi constitutionem non esset electus.

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kutiert in seinem Polypticum die verschiedenen Möglichkeiten des Herrschaftserwerbs und unterscheidet – ähnlich wie Hinkmar von Reims in De Divortio Lotharii – als rechtmäßige Optionen die direkte göttliche Einsetzung, die Wahl des gesamten Volkes und den Erbgang. Die Schilderung der Thronerhebung Ottos des Großen durch Widukind von Corvey liefert gleichsam in einer Art Aufzählung die wesentlichen Akteure, denen Otto seine Herrschaft zu verdanken habe. Der Mainzer Erzbischof präsentierte der Menge den neuen König mit den Worten: „Siehe, ich bringe euch den von Gott erwählten und von dem mächtigen Herrn Heinrich einst designierten, jetzt aber von allen Fürsten zum König gemachten Otto“, woraufhin das Volk durch seine Akklamation seine Zustimmung erteilte158. Das Zusammenwirken von göttlicher und menschlicher Wahl erfährt hier freilich ebensowenig eine nähere herrschaftstheoretische Bestimmung wie in der Urkunde Heinrichs II., die den letzten Herrscher aus dem ottonischen Hause als von Gott gekrönten und vom gesamten Volk erhobenen König bezeichnete159. Erst im Verlauf des Investiturstreits rückte der episkopale Führungsanspruch bezüglich der Konstituierung weltlicher Herrschaft wieder verstärkt in das Blickfeld herrschaftstheoretischer Überlegungen. Es war Heinrich IV., der die Ungeheuerlichkeit seiner drohenden Absetzung durch Papst Gregor VII. unterstreichen wollte, indem er Herrscherein- und absetzung miteinander in unmittelbare Beziehung setzte: „Du [Gregor/Hildebrand] hast dich nicht gescheut, dich sogar gegen die uns von Gott verliehene königliche Gewalt zu erheben; du hast zu drohen gewagt, du würdest sie uns nehmen, als ob wir von dir das Königtum empfangen hätten, als ob in deiner und nicht in Gottes Hand Königs- und Kaiserherrschaft lägen.“160

Und an die Fürsten des Reiches gerichtet klagte Heinrich IV.: „Auch mir, den Gott zur weltlichen Herrschaft berief [...] wollte er [Gregor/Hildebrand] die Herrschaft rauben, weil er sah, dass ich durch die Gnade Gottes und nicht durch seine herrschen wollte, da ja nicht er mich zum König setzte; und er drohte, mir Reich und Seele zu nehmen, obwohl er keines von beiden verliehen hat.“161 158

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Widukind von Corvey, Res gestae Saxonicae II, 1 (= MGH SS rer. Germ. 60), S. 65: ... adduco vobis a Deo electum et a domino rerum Heinrico olim designatum, nunc vero a cunctis principibus regem factum Oddonem. MGH DH II 93: Henricus divina disponente clementia rex a deo coronatus et ab omni plebe in regnum glorifice exaltatus. MGH Const. 1., n. 62, S. 111, Z. 2 ff.: ... in ipsam regiam potestatem nobis a deo concessam exurgere non timuisti, quam te nobis auferre ausus es minari: quasi nos at regnum acceperimus, quasi in tua et non in dei manu sit regnum vel imperium. Ebd., n. 63, S. 113, Z. 11 ff.: Me quoque, quem deus in regnum [...] vocavit, quia me de deo et non de illo regnare velle vidit, quia ipse me regem non constituit, regno privare studuit, minitans regnum animamque se mihi tollere, quorum neutrum concessit.

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Der Verfasser des Liber de unitate ecclesiae conservanda drückt den Vorwurf an den Papst mit den Worten aus: „Aber während dieser eine Lehrer Christus und ebenso Gott selbst die Zeiten bewegt und die Reiche überträgt, die Herzen der Könige in seiner Rechten haltend, lesen wir, Papst Hildebrand habe gelehrt, er selbst habe die Gewalt über Könige und Reiche und vermöge zu tun, wovon der Psalmist doch sagt, es könne allein durch Gott geschehen: Diesen erniedrigt er und jenen erhöht er.“162

Der Vorwurf der königlichen Seite lautete also: Der Papst beanspruche zu unrecht eine konstituierende Rolle bei der Erhebung weltlicher Herrscher. Während Gregor mit durchaus überzeugenden Gründen ein zumindest indirektes, als Folge der Exkommunikation erscheinendes päpstliches Absetzungsrecht postulieren konnte – im nicht für die Öffentlichkeit gedachten Dictatus Papae klang das freilich wesentlich direkter –, so war es ihm doch kaum möglich, offen für ein päpstliches Recht auf Einsetzung weltlicher Herrscher einzutreten, ohne damit massiv in die gewohnheitsrechtlich geregelten Abläufe der Thronfolge in den einzelnen europäischen Monarchien einzugreifen. Der anonyme Verfasser der Vita Heinrichs IV. beschwor allerdings genau jene Gefahr des Zusammenwirkens von Papst und deutscher Fürstenopposition: „Sie [die oppositionellen Fürsten] mischten Wahres mit Falschem und denunzierten ihn [Heinrich IV.] bei Papst Gregor: es gehe nicht an, dass ein so schändlicher Mensch, dessen Verbrechen bekannter seien als sein Name, als König herrsche; vor allem habe nicht Rom ihm die Königswürde übertragen; man müsse Rom sein altes Recht, die Könige einzusetzen, wiedergeben. Der Papst und Rom möchten nach dem Rat der Fürsten einen König bestimmen, dessen Lebenswandel und Weisheit einer so hohen Würde entsprächen. Der Papst ließ sich durch diese Kriecherei täuschen, und zugleich reizte ihn die Ehre, den König einzusetzen, die sie ihm hinterlistig angeboten hatten...“163

Gregors Aussagen über die Herrschereinsetzung sind jedoch allesamt recht vage formuliert und zeugen eher vom großen „Petrusmystiker“ als vom be162

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Liber de unitate ecclesiae (= LdL 2) II, 1, S. 211 f.: Sed cum ipse unus magister Christus idemque Deus mutet tempora et transferat regna, tenens corda regum in dextera sua, legimus docuisse Hildebrandum papam, quod potestatem ipse habuerit super reges et super regna, et posse id facere, quod per Deum fieri tantum dicit psalmista: Hunc humiliat et hunc exaltat. Vita Heinrici IV. imperatoris (= MGH SS rer. Germ. 58) c. 3, S. 16: Vera falsis miscentes, apud Romanum pontificem Gregorium eum deferebant: non decere tam flagitiosum, plus notum crimine quam nomine, regnare, maxime cum sibi regiam dignitatem Roma non contulerit; oportere Romae suum ius in constituendis regibus reddi ; provideret apostolicus et Roma regem ex consilio principum, cuius vita et sapientia tanto congrueret honori. Qua surreptione delusus apostolicus, simul et honore creandi regis, quem sibi fallaciter obtulerant, impulsus...

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gnadeten Juristen Gregor 164. Als irdischen Rechtsgrund erkannte er offensichtlich das von der Fürstenopposition geforderte Wahlrecht der deutschen Fürsten an, sah aber gleichsam aus philosophisch-theologischer Perspektive die Vergabe der Herrschaft mal in den Händen Gottes165, mal in denen der Apostel Petrus und Paulus166 und mal in denen der heiligen Kirche167, ohne jedoch näher auf ein kirchlich-konstituierendes Moment (wie etwa die Herrschersalbung) einzugehen. Der von Gregor VII. formulierte und in der Folgezeit weiterentwickelte umfassende päpstliche Superioritätsanspruch lief jedoch unweigerlich auf den Gedanken einer Einsetzung weltlicher Herrscher durch die Geistlichkeit bzw. den apostolischen Stuhl hinaus168. Hatte sich Gregor diesbezüglich noch eher vage geäußert, so verkündete der Reformtheologe und Benediktinermönch Honorius Augustodunensis in seiner um 1120 verfassten Summa Gloria unmissverständlich: Rex a Christi sacerdotibus est constituendus.169 Der Streit um die Bischofsinvestitur wurde im Reich mit dem Wormser Konkordat 1122 beigelegt. Die Unterscheidung von temporalia und spiritualia trug wesentlich dazu bei, einen tragfähigen Kompromiss zwischen den Beteiligten zu finden, doch die während des Investiturstreits aufgeworfene Grundsatzfrage nach der „rechten Ordnung in der Welt“ (Tellenbach) blieb auch nach dem Wormser Konkordat Gegenstand der theoretischen Diskussion. Waren die herrschaftstheoretischen Überlegungen des frühen Mittelalters noch von einer gegenseitigen Durchdringung der beiden Gewalten gekennzeichnet170, so war mit dem Investiturstreit eine deutlichere Scheidung von regnum und sacerdotium eingetreten. Beide begannen, sich zunehmend als eigenständiges transpersonales Herrschaftsgebilde zu verstehen und damit

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Vgl. GOEZ, Persönlichkeit, S. 210 ff. Vgl. auch SZABO-BECHSTEIN. Gregorii VII. Registrum II, 31, S. 165, Z. 32: ... tibi, quem Deus in summo culmine rerum posuit. Vgl. Gregorii VII. Registrum VII, 21, S. 497, 23 f.: Te [...], cui regni curam providentia divina commisit. Vgl. SCHIEFFER, Gregor VII., S. 195. Gregorii VII. Registrum VII, 14a, S. 483, 2 ff.: Beate Petre princeps apostolorum et tu beate Paule doctor gentium, dignamini, queso, aures vestras ad me inclinare meque clementer exaudire. ebd. S. 487, 4 ff. Agite nunc, queso, patres et principes sanctissimi, ut omnis mundus intellegat et cognoscat, quia, si potestis in caelo ligare et solvere, potestis in terra imperia regna principatus ducatus marchias comitatus et omnium hominum possessiones pro meritis tollere unicuique et concedere.. Gregorii VII. Registrum VIII, 21, S. 561, 15 ff.: Quapropter quos sancta ecclesia sua sponte ad regimen vel imperium deliberato consilio advocat... Vgl. TELLENBACH, Libertas, S. 194 f. Vgl. Anm. 184. Vgl. SCHRAMM, Sacerdotium und Regnum; SCHIEFFER, Mediator.

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einen ersten Meilenstein auf dem Weg der (zunächst begrifflichen) Trennung von Staat und Kirche zu setzen. Während im Frühmittelalter stets die Kirche um eine gewisse Unabhängigkeit von weltlichem Einfluss kämpfte – am eindringlichsten wohl formuliert in dem Schreiben Papst Gelasius‟ I. an Kaiser Anastasios I. aus dem Jahre 494 171 und der Pariser Synode von 829 172 – hatten sich am Ende des 11. Jahrhunderts die Vorzeichen gewandelt. Auch Papst Gregor VII. griff auf die gelasianische Zweigewaltenlehre und die Forderung der libertas ecclesiae zurück173, um den laikalen Einfluss auf die Kirche zurückzudrängen, ging jedoch bezüglich des Gewaltenverhältnisses gleichsam in die Offensive, und drängte das Königtum in die Rolle des Verteidigers seiner Eigenständigkeit gegenüber päpstlich-hierokratischen Ansprüchen174. Zunächst nahmen sich die sogenannten Symbolisten der Bestimmung des Verhältnisses von weltlicher und geistlicher Gewalt an, jene Gelehrten also, die grundsätzlich die Dualität jeglicher Welterfahrung (und damit eben auch das Verhältnis von weltlicher und geistlicher Gewalt) nicht durch begriffliche Differenzierung (wie die Juristen), sondern gleichsam durch eine theologische Ästhetik erfassten, bevor Mitte des 12. Jahrhunderts die aufkommenden Rechtswissenschaften dieser Thematik neue Impulse gaben.

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Gelasius I., ep. 12, ed. Thiel, Epistolae Romanorum pontificum, S. 349-358. MGH Conc. 2, 2, S. 610 ff. MGH Epp sel. 2, 2, S. 552. Die Forschung drückt diese Frontenstellung in Begriffen wie „Angriff auf die sakrale Würde des Herrschers“ und „Verteidigung der Gottunmittelbarkeit“ aus, doch haben STICKLER, Imperator vicarius Papae, S. 171-176 und KEMPF, Papsttum und Kaisertum, S. 203 zu Recht darauf hingewiesen, dass diese Frontstellung nicht zu absolut genommen werden dürfe, und dass viele der v. a. kanonistischen Quellen des 12. und 13. Jahrhunderts nach wie vor die Abwehr eines königlichen Kirchenregiments (das nun mit Hilfe des römischen Rechts proklamiert werden konnte) verfolgen und neben dem hierokratischen immer auch ein dualistisches Gewaltenverständnis auch innerhalb der Kirche greifbar war.

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1.2. Rex a Christi sacerdotibus est constituendus – Das Verhältnis von regnum und sacerdotium in den Schriften der Symbolisten: Honorius Augustodunensis, Hugo v. St. Viktor, Gerhoh v. Reichersberg In seiner Summa Gloria erörtert Honorius Augustodunensis (um 1120) in 34 Kapiteln das Verhältnis von weltlicher (regnum) und geistlicher (sacerdotium) Gewalt175. Gegenstand der Untersuchung ist die universitas fidelium, die seit Anbeginn der Zeit in zwei ordines, die Laien (populus) und den Klerus, gegliedert ist. In einem historischen Überblick – die Geschichte der universitas fidelium ist an der Geschichte des jüdischen Volkes orientiert – zeigt Honorius die Entwicklung von sacerdotium und regnum auf, wobei das regnum zu gewissen Zeiten, etwa zur Zeit der babylonischen Gefangenschaft, außerhalb der Gemeinschaft der Gläubigen stand. Die universitas fidelium wurde schließlich von Christus in der ecclesia zusammengefasst. Christus hielt als Begründer der ecclesia beide Gewalten in seiner Hand und übertrug sie an Petrus und dessen Nachfolger, doch erst durch die konstantinische Schenkung wurde das christliche Kaisertum begründet und das regnum in die ecclesia integriert, die fortan im Kaiser das caput populi besaß176. Das Verhältnis der beiden Gewalten und ihrer obersten Träger ist für Honorius durch eine klare Überordnung des sacerdotium gekennzeichnet. In seinem historisch-typologischen Abriss von Adam bis Karl den Großen identifiziert er einzelne Personen als typi regni, die er den typi sacerdotii gegenüberstellt. Aus ihrem Verhältnis zueinander leitet er die Superiorität der geistlichen Gewalt ab. Desweiteren bedient sich Honorius des seit dem 4. Jahrhundert gebräuchlichen Vergleichs von regnum und sacerdotium mit Körper und Seele, um den Würdevorrang des sacerdotium hervorzuheben. Die beiden voneinander getrennten ordines der Kleriker und Laien besaßen also im Papst bzw. Kaiser ihre hierarchischen Spitzen. Kaiser und Papst waren aber nicht nur die obersten Vorsteher von getrennten Personenverbänden, sie waren auch die obersten Autoritäten in zeitlichen bzw. geistlichen Angelegenheiten, womit insofern wieder Berührungspunkte zwischen den ordines geschaffen wurden, da sowohl Klerus als auch Laien an beiden Bereichen partizipierten und der Führung bedurften. Der Kaiser war, obwohl nur caput populi, in zeitlichen Angelegenheiten nicht nur den Laien, sondern auch dem Klerus und letztlich sogar dem Papst vorangestellt, während umgekehrt der

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Honorius Augustodunensis, Summa Gloria (= MGH LdL 3), S. 63-80. Summa Gloria c. 21, S. 73 Z. 3.

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Papst beiden ordines in geistlichen Angelegenheiten vorsteht177. Der Papst steht jedoch aufgrund der allgemeinen Vorrangstellung des Geistlichen (Seelischen) vor dem Weltlichen (Körperlichen) über dem Kaiser, was auch in der Terminologie der Summa Gloria zum Ausdruck gebracht wird, denn der Papst ist nicht etwa in Analogie zum Kaiser das caput clericorum, sondern das Haupt der gesamten ecclesia (caput ecclesiae)178. Was freilich unter „weltlichen und geistlichen Angelegenheiten“ zu verstehen ist, und was es heißt, diesbezüglich der anderen Universalgewalt untergeordnet zu sein, bleibt (nicht nur bei Honorius) weitgehend diffus. Es gehört zweifellos zum weltlichen Aufgabenbereich des Kaisers, untergeordnete weltliche Amtsträger einzusetzen und Steuer-, Markt- und Gerichtsrechte einzurichten179, doch da Honorius ausdrücklich eine Jurisdiktionsgewalt des Kaisers über den Klerus ablehnt180, bleibt offen, worin denn eigentlich der Kaiser als oberste Autorität in weltlichen Angelegenheiten auch dem Klerus übergeordnet sein soll181. Insgesamt bewegt sich Honorius in seiner Summa Gloria im wesentlichen auf dem Boden der gelasianischen Zweigewaltenlehre. Sein Werk spiegelt deutlich den Versuch wider, einerseits die prinzipielle Trennung der weltlichen und geistlichen Gewalt zu vertreten, andererseits aber die Einheit der christlichen Glaubensgemeinschaft in einer höheren, den Vorrang des Geistlichen betonenden Ordnung zu bewahren. Im Grunde war diese Konzeption zumindest auf theoretischer Ebene durchaus tragfähig, denn der Würdevorrang der geistlichen vor der weltlichen Gewalt wurde auch von kaiserlicher Seite nicht wirklich bestritten. Probleme ergaben sich erst, wenn aus dem Würdevorrang des sacerdotium ein politischer Vorrang abgeleitet wurde. Diese Dimension hatten die Symbolisten jedoch nicht im Blick. Unisono betont die Forschung, dass die Vertreter des sogenannten deutschen Symbolismus nicht so sehr politisch/juristisch als vielmehr eben symbolisch dachten182, 177

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Summa Gloria c. 9, S. 69 Z. 13 f. Vgl. KEMPF, Papsttum und Kaisertum, S. 190; GOETZ S. 337; STICKLER, Imperator vicarius Papae, S. 178 f.; STÜRNER S. 152; einschränkend HOFFMANN, Schwerter, S. 92. Summa Gloria c 19, S. 72, Z. 18. Summa Gloria c. 21. Vgl. GOETZ S. 339. Summa Gloria c. 18. Vgl. GOETZ S. 340. Der Satz: der Kaiser untersteht dem Papst im Geistlichen, der Papst untersteht dem Kaiser im Zeitlichen ist eine Kernaussage des dualistischen Gewaltenverständnis, dass stets in der praktischen Umsetzung aufgrund seiner unklaren Definition des „Geistlichen“ und „Zeitlichen“ Konflikte heraufbeschwor. Der Papst konnte damit ein Eingreifen in weltliche Angelegenheiten ratione peccati begründen (potestas indirecta in temporalibus), wobei der Begriff der Sünde freilich sehr weit gefasst sein konnte. Der König seinerseits konnte seinen Anspruch auf Gerichtshoheit und Besteuerung des Klerus aufgrund seiner Überordnung in zeitlichen Angelegenheiten geltend machen. Vgl. SCHNEIDER, Hugo von St. Victor, S. 73 ff.; EHLERS, Hugo von St. Viktor, S. 103.

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das heißt, dass sie weniger an politisch und juristisch greifbaren Konsequenzen interessiert waren als, wie Alois Dempf es formulierte, an einer grundlegenden „Sinndeutung von sichtbaren oder sonst der Erfahrung gegebenen Weltdingen“, um von den „Beziehungen zwischen den Dingen auf eine diese Weltgegebenheiten übersteigernde, transzendente Wirklichkeit“183 zu schließen. Unter diesen Vorzeichen muss denn auch Honorius‟ Ansicht über die Einsetzung des Kaisers durch den Papst gedeutet werden. Die grundlegende Vorrangstellung des sacerdotium, die durch den typologischen Vergleich sowie durch die Identifizierung der beiden Gewalten mit Körper und Seele als erwiesen angesehen wurde, musste sich für den Symbolisten Honorius beinahe zwangsläufig auch in einer Einsetzung des weltlichen Herrschaftsträgers durch den Inhaber der obersten geistlichen Gewalt ausdrücken. Dabei ist Honorius durchaus originell, denn anders als etwa Hinkmar von Reims im 9. Jahrhundert oder später Hugo von St. Viktor hebt er nicht die Salbung und Weihe als herrschaftskonstituierend hervor, sondern vertritt die Ansicht, der Kaiser werde durch den Papst gewählt. Im Sinne des Concordia-Ideals, das beide ordines zum einträchtigen Miteinander auffordert, stimmten die weltlichen Fürsten (Herzöge, Grafen) der Wahl des Kaisers durch den Papst zu, und anschließend empfängt der so gewählte Kaiser die Krone, Weihe und Salbung aus der Hand des Papstes. Dass diese Deutung den realen Gegebenheiten kaum entsprach, sondern vielmehr eine idealtypische Schilderung darstellte, war Honorius freilich bewusst, doch versuchte er, seine Ansicht zu verteidigen, indem er auf die allgemeine Überordnung des sacerdotium zurückgriff, die eigentlich mit der Behauptung einer Einsetzung des Kaisers durch den Papst erneut bewiesen werden soll, hier aber als Argument dafür dienen muss. Der Kaiser, so Honorius, werde in Wirklichkeit zwar von Grafen und Herzögen gewählt, doch unterstünden diese – eben aufgrund der allgemeinen Überordnung der geistlichen Gewalt – den geistlichen Fürsten, was auch in der lehensrechtlichen Praxis erkennbar werde, wonach Grafen und Herzöge ihre Lehen aus der Hand der Kirche empfingen, nicht aber umgekehrt. Ergo rex a Christi sacerdotibus est contituendus184. Stand auch die Einsetzung des Kaisers durch den Papst auf den tönernen Füßen eines logischen Zirkelschlusses, so war hier doch in aller Deutlichkeit ausgesprochen, was die herrschaftstheoretische Debatte der kommenden Jahrhunderte entscheidend prägen sollte. Die Forschung hat die Position von Honorius kontrovers diskutiert und bewertet. Stammte die kaiserliche Würde letztlich vom Papst, weil dieser eigenständig die Auswahl des obersten weltlichen Herr-

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DEMPF, Sacrum Imperium, S. 229. Summa Gloria c. 22, S. 73.

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schers traf bzw. die Wahl der Fürsten prüfte und bestätigte185? Lag gar der Ursprung der weltlichen Gewalt nicht mehr in Gott, sondern in der priesterlichen Gewalt186? Stammte das weltliche Herrscheramt von Gott, während sich das Wirken des Papstes auf die Auswahl des Amtsträgers bezog 187? Oder vollzog sich bei der Einsetzung des Kaisers nur der Wille Gottes durch die Hand des Papstes, so dass der Kaiser letztlich doch unmittelbar von Gott eingesetzt wurde188? Wie Honorius das Verhältnis von göttlichem, päpstlichem und fürstlichem Wirken bei der Konstituierung der weltlichen Gewalt letztlich einschätzt, ist aufgrund seiner unscharfen und daher interpretationsbedürftigen Terminologie schwer zu beantworten. Erst die Vertreter der Hochscholastik bemühten sich seit dem Ende des 12. Jahrhunderts, diese Fragen durch eine genauere Differenzierung des Herrschaftsbegriffs zu beantworten. Das Urteil der Forschung über die Summa Gloria und ihre Einordnung in die Parteiungen der Streitschriftenliteratur fällt unterschiedlich aus. Insbesondere die Aussagen über die Eigenständigkeit und Überordnung des Kaisers in temporalibus zeigen, dass Honorius nicht uneingeschränkt als Gregorianer oder gar als Hierokrat bezeichnet werden darf189. Es waren jedoch die Hierokraten, die sich später auf die von den Symbolisten erstmals deutlich formulierte Einsetzung des Kaisers durch den Papst berufen sollten, freilich mit all jenen von den Symbolisten nicht intendierten politisch-juristischen Konsequenzen. Was in der Bulle Unam sanctam Papst Bonifaz‟ VIII., dem wohl kühnsten Ausdruck päpstlicher Weltherrschaftsansprüche zu Beginn des 14. Jahrhunderts zu finden sein wird, erinnert allerdings weniger an die Ideen des Honorius, der mit seiner These einer Wahl des Kaisers durch den Papst keinen Anklang gefunden hat, sondern an die Anschauungen eines Bernhard von Clairvaux und eines Hugo von St. Viktor, die zum Teil wörtlich in der Bulle nachzuweisen sind. Magister Hugo von St. Viktor sieht in seinem Werk De sacramentis christianae fidei 190 (um 1140) ähnlich wie Honorius die ecclesia aus den beiden ordines der Kleriker und Laien zusammengesetzt. Aber im Gegensatz zu Honorius gilt für Hugo nicht der Papst, sondern Christus als caput ecclesiae, während König und Papst an der Spitze der beiden hierarchisch 185 186 187 188 189

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Vgl. LAEHR S. 50. KNABE S. 142 f. Zur Unterscheidung von Amt und Träger bei Honorius vgl. TÖPFER, Sündenfall, S. 133. GOETZ S. 335. So etwa Albert HAUCK in seiner Kirchengeschichte Deutschlands Bd. 3, S. 135. Einen kurzen Überblick über die unterschiedliche Bewertung der Forschung bei GOETZ S. 309. Vgl. auch TÖPFER, Sündenfall, S. 133. Hugo von St. Viktor, De sacramentis christiane fidei (= PL 176), Sp. 173-618.

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gestuften ordines stehen191. Der Organismusvergleich – mit Christus als Haupt der als mystisches corpus christi verstandenen ecclesia und den beiden ordines als linker und rechter Körperhälfte 192 – offenbart die Gottunmittelbarkeit beider Gewalten. Auch der hierarchische Aufbau, von Hugo aus der Lehre des Pseudo-Dionysius Areopagita entnommen, zu der er den für das Mittelalter maßgeblichen Kommentar verfasst hat193, bezieht sich nicht, wie später bei den Hierokraten, auf eine Rangordnung zwischen regnum und sacerdotium, sondern lediglich auf die Struktur innerhalb der beiden ordines, die selbst wiederum als eigene Körper verstanden werden194. Die Trennung der beiden ordines und ihrer Zuständigkeitsbereiche195 sowie die Gottunmittelbarkeit von regnum und sacerdotium kennzeichnen wesentlich das Werk des Viktoriners, doch geht dieser neben dem Verhältnis der beiden Gewalten zu Gott auch auf die Stellung der beiden Gewalten zueinander ein. Natürlich ist für Hugo der Würdevorrang des sacerdotium unbestritten, den er zum einen mit dem Argument der Vorzeitigkeit (prior sit tempore) und dem bekannten Körper-Seele Vergleich, zum anderen aber auch mit dem Bibelwort Hebr. VII, 7 erweist, wonach derjenige höher sei, der die Weihe vollzieht, als derjenige, der die Weihe empfängt196. Damit war auch bei Hugo von St. Viktor der Weg von einem bloßen Würdevorrang hin zu einem politisch-juristisch relevanten Vorrang geebnet197, wobei allerdings unter Verweis auf die alttestamentarischen Verhältnisse die kirchliche Weihe und Salbung und nicht (wie bei Honorius Augustodunensis) eine vom Papst vollzogene Kaiserwahl als konstituierend angesehen wurden. Dass Hugo der kirchlichen Weihe und Salbung eine entscheidende herrschaftskonstituierende Bedeutung beimaß, wird auch 191

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Papst und Kaiser an der Spitze der ordines: DS II, 2, 4 (= PL 176), Sp. 418 B; vgl. WITTE S. 561. DS II, 2, 3 (= PL 176), Sp. 417 B-C; vgl. WITTE S. 560. PL 175, Sp. 923-1154; Pseudo Dionysius hatte in seiner Schrift De caelesti hierarchia die Engel in drei Hierarchien mit jeweils drei Unterteilungen geordnet, deren Grad an Reinheit, Erleuchtung und Vollendung von ihrer Stellung innerhalb der Hierarchie abhing, wobei die oberste Hierarchie ihre Kraft unmittelbar von Gott empfing und an die unteren Ränge vermittelte. Diesen Aufbau übertrug Pseudo Dionysius in seinem Werk De ecclesiastica hierarchia auf die innerkirchliche Ordnung. Vgl. STRUVE, organologische Staatsauffassung, S. 99 ff. Trennung in DS II, 2, 7-8 (= PL 176), Sp. 420 A - 422 B; vgl. WITTE S. 562. DS II, 2, 4 (= PL 176), Sp. 418 D: Unde in Ecclesia adhuc sacerdotalis dignitas potestatem regalem consecrat, et sanctificans per benedictionem, et formans per institutionem. Si ergo, ut dicit Apostolus, qui benedicit major est, et minor qui benedicitur (Hebr. VII)... Diesen Weg mag Hugo selbst nicht beschritten haben, doch wurden seine Worte DS II, 2, 4 zu einem zentralen Argument der Hierokraten, das sich in beinahe jeder juristischen Glosse über das Verhältnis von sacerdotium und imperium findet und auch in der Bulle Unam sanctam die Weltherrschaftspläne Papst Bonifaz VIII stützt.

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aus der Kaiserliste seiner Chronik ersichtlich, in der etwa die Kaiserherrschaft Ludwigs des Frommen nicht 813 mit der Aachener Krönung198, sondern erst 816 mit der päpstlichen Krönung in Reims beginnt199. Die Wortwahl in DS II, 2, c. 4 legt auf den ersten Blick eine hierokratische Interpretation nahe: „Die geistliche Gewalt setzt die weltliche ein (instituere) und richtet über sie (judicare), sollte sie sich als schlecht herausstellen.“200

Die Forschung hat jedoch auch mit Blick auf Hugo v. St. Viktor darauf verwiesen, dass dieser als Symbolist nicht so sehr in juristischen Kategorien dachte. In der Tat würde eine hierokratische Deutung von DS II, 2, c. 4 den Anschauungen Hugos, wie sie etwa aus seinem Organismusvergleich und seiner Hierarchienlehre geschlossen werden können, nicht gerecht werden201. Darüber hinaus erfolgt die Einsetzung des weltlichen Herrschers durch die Geistlichen jubente Deo202, so dass auch bei Hugo bezüglich seiner Auffassung über das Verhältnis von göttlichem und priesterlichem Wirken insofern Interpretationen möglich sind, als dass die Geistlichkeit nur als Verkünder des göttlichen Willens gedeutet werden kann und daher die eigentliche Bestimmung des Königs allein bei Gott und nicht bei den Bischöfe lag203. Es ist freilich nicht abschließend zu klären, ob Hugo das jubente Deo als Aufforderung Gottes an die Geistlichen versteht, den von ihm (Gott) erwählten Kandidaten zu weihen und damit zum König zu erheben, oder ob er darin eine allgemein gültige Anweisung Gottes sieht, dass Könige stets nur durch Geistliche zu erheben seien, wobei ihnen dann auch die Auswahl des Kandidaten zufalle204. Auch wenn Hugo von St. Viktor ebenso wie Honorius Augustodunensis die politisch-juristischen Konsequenzen, welche die Ansicht einer Konstituierung des weltlichen Herrschers durch die kirchliche Weihe nach sich ziehen konnte, noch nicht in Betracht gezogen haben mochte, so sollte jedoch gerade 198

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So die Position der Kanzlei Ludwigs des Frommen wie auch des Papstes Eugen II. Vgl. EICHMANN S. 266. Vgl. EHLERS, Hugo von St. Viktor, S. 100 f. DS II, 2, 4 (= PL 176), Sp. 418 C: Nam spiritualis potestas terrenam potestatem et instituere habet, ut sit, et judicare habet si bona non fuerit. Vgl. EHLERS, Hugo von St. Viktor, S. 118. DS II, 2, 4 (= PL 176), Sp. 418 C/D: In illo antiquo Veteris Instrumenti populo manifeste declaratur, ubi primum a Deo sacerdotium institutum est; postea vero per sacerdotium (jubente Deo) regalis potestas ordinata. Die Einklammerung des jubente Deo in der Migne Edition ist durch die Einsicht der Hss. Clm 13092, Clm 14042 und HB VII 50 b nicht gerechtfertigt, zeigt aber die Schlüsselbedeutung dieser Wendung und ihre Interpretierbarkeit. So etwa WITTE S. 563 f. So etwa STÜRNER S. 154 f.

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die Frage nach der Bedeutung der kirchlichen Weihehandlung bald von geistlichen und weltlichen Rechtsgelehrten aufgegriffen und diskutiert werden. Auswirkungen dieser rechtlichen Auseinandersetzung sind bereits bei Gerhoh von Reichersberg, einem der bedeutendsten Vertreter des deutschen Symbolismus (Dempf), in dem Spätwerk über den Antichristen (1161/62) erkennbar205. Wie Honorius Augustodunensis und Hugo von St. Viktor, so ist auch Gerhoh ein Verfechter der strikten Trennung von weltlichem und geitlichem ordo. Gerade die Verweltlichung des Klerus stellte für den streitbaren Kirchenreformer das Hauptübel seiner Zeit dar, gegen das er immer wieder in seinen Schriften Stellung bezog. Zwar vertraten auch Honorius und Hugo eine prinzipielle Trennung der Gewalten, aber gerade ihre Äußerungen über die Einsetzung des weltlichen Herrschers durch die Kirche bzw. den Papst, schufen doch Berührungspunkte zwischen regnum und sacerdotium, die im Sinne einer politisch greifbaren Oberhoheit des Papstes ausgelegt werden konnten. Gerhoh hingegen weist derartige Überlegungen entschieden zurück und erklärt, die weltlichen Machthaber würden nicht durch die kirchliche Weihe und Salbung, sondern allein durch die Wahl des Volkes (der Fürsten, des Heeres) oder durch die Erbfolge bestimmt, wobei der menschlichen Wahlhandlung freilich stets die divina ordinatio zugrunde liege206. Hatte Hugo von St. Viktor der kirchlichen Weihe und Salbung unter Verweis auf alttestamentarische Verhältnisse konstituierende Bedeutung zugesprochen, so lehnte Gerhoh diese Deutung ab, da sich die Verhältnisse bereits im Neuen Testament gewandelt hätten. Nur die Priester des Alten Bundes trügen ein Schwert und würden durch die Übergabe des Schwertes auch die Gewalt an den König verleihen207. Gerhohs Ansicht der strikten Trennung von weltlicher und geistlicher Gewalt (wobei letztere freilich eine wesenhafte Überlegenheit besitzt) spiegelt sich ebenfalls in seiner Beschreibung der Herrschererhebung 205

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Gerhohi praepositi Reichersbergensis libelli selecti, De investigatione Antichristi (= LdL 3) S. 304-395. Zu Gerhoh vgl. CLASSEN; MEUTHEN, Gerhoh; OTT. De investigatione Antichristi c. 38, S. 346: Unde et apostolus reges et duces non Dei vel deorum - quod intgelligi posset sacerdotium - sed hominum creaturam appellat dicens: Subiecti estote omni humane creature propter Deum. Nam quod creaturam appellat humanam evicenter expressit continuo subiungens: Sive regi quasi precellenti sive ducibus tanquam ab eo missi ad vindictam malefactorum, laudem vero bonorum. Ex quibus verbis apparet, reges ac duces per sacerdotum benedictionem non creari, sed ex divina ordinatione per humanam electionem creatis, ut predictum est, sacerdotes Domini benedicunt, ut officium, ad quod divina ordinatione assumpti sunt, sacerdotali benedictione prosequente congruentius exequantur. Über die Bedeutung der beiden Schwerter vgl. De investigatione Antichristi cc. 36-39, S. 344-347. Die unterschiedliche Rolle der Priester des Alten und des Neuen Bundes erläutert Gerhoh in c. 39. Vgl. auch RIBBECK S. 52.

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wider, die er in De ordine donorum S. Spiritus liefert208. Er unterscheidet deutlich einen weltlichen (Wahl) und einen geistlichen Erhebungsakt (Weihe), wobei er die konstituierende Bedeutung eindeutig der Wahl zuspricht. Die Wahl des Königs durch die Fürsten bzw. das Volk entspricht der Erschaffung Adams aus Lehm und Erde, während die Weihe des Königs durch die Geistlichkeit mit dem Einhauchen des Lebensatems verglichen wird, ihr also die für einen christlichen Herrscher unabdingbaren dona spiritualia beigemessen werden 209 . Die Belebung des Königs mit der göttlichen Gnade macht für Gerhoh den Unterschied zwischen Tyrann und König aus. Ein Herrscher, der diese Gnade durch die Exkommunikation verliert, hört vor Gott auf König zu sein und gilt fortan als Werkzeug des Bösen. Im rechtlichen Sinn erfolgt die Absetzung des Herrschers zwar ebenso wie seine Einsetzung nur durch eine Entscheidung der Fürsten, die freilich durch den päpstlichen Bannspruch vorgezeichnet scheint. Diese Anschauung dürfte eine Reaktion auf die von den Rechtsgelehrten geführte Debatte über die Bedeutung von Wahl und Weihe des weltlichen Herrschers sein, die ungefähr zu jener Zeit anhob, als Gerhoh seine Schrift De investigatione antichristi verfasste.

1.3 Deus constituit auctoritate, populus ministerio – Die Rolle Gottes und des Volkes bei der Konstituierung der Kaiserherrschaft Der Corpus Iuris Civilis ist eine Rechtssammlung, deren Bestimmungen ein halbes Jahrtausend römischer Rechtsgeschichte umfassen und daher ein heterogenes Bild nicht zuletzt auch des kaiserlichen Herrschaftsverständnisses zeichnen. So wird im Corpus Iuris nicht nur die Einsetzung des Kaisers durch Gott, sondern an verschiedenen Stellen auch die Ansicht einer Herrschaftsübertragung durch das römische Volk – die sogenannte lex regia – vertreten210. 208

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Gerhohi opera inedita (= Spicilegium pontifici Athenaei Antoniani 8), Bd. 1, ed. van den Eynde, S. 63-165, S. 80 f. Vgl. STÜRNER S. 157 ff. Vgl. RIBBECK S. 51. Ob diese sogenannte lex regia auf ein tatsächlich erlassenes Gesetz, etwa die lex de imperio Vespasians (CIL VI, 1, n. 930), zurückzuführen ist oder ob es sich um eine juristische ex post facto Konstruktion handelt, um den fiktiven, bei Senat und Volk liegenden Ursprung der Kaiserherrschaft rechtlich zu fixieren, ist in der Forschung nach wie vor umstritten. Das seit der frühen Principatszeit charakteristische Zusammenwirken von Gott und Volk bei der Vergabe der Kaiserwürde wurde letztlich erst durch Justinian selbst aufgehoben, indem er das Volk als politischen Faktor weitgehend ausschaltete, wodurch die Idee einer durch das Volk verliehenen Kaiserherrschaft zwar

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„Was der Kaiser bestimmt, hat Gesetzeskraft, weil ja das Volk durch das ‚königliche„ Gesetz, das über die Herrschaft des Kaisers ergangen ist, diesem und auf diesen seine 211 gesamte Herrschaftsgewalt übertragen hat.“

Die lex regia hat in die Ende des 11. Jahrhunderts gefälschten Investiturprivilegien (Hadrianum, Minus, Maius, Cessio) Einzug gehalten, mit deren Hilfe das königliche Investiturrecht verteidigt werden sollte212. Da es schwierig war, so heißt es im Hadrianum, bei anstehenden Entscheidungen immer das ganze Volk zu versammeln, habe der populus Romanus einst seine gesamten Rechte und seine Gewalt auf den Kaiser übertragen. Diesem Beispiel folgend hätten Papst Hadrian I. sowie der auf einer Lateransynode versammelte Klerus und das gesamte Volk von Rom Karl dem Großen das Papstwahlrecht, das Recht der Bischofsinvestitur und den Patriziat verliehen213. Ganz ähnlich lautet es auch im Maius214, in dem jedoch Papst Leo VIII. und Otto der Große die Protagonisten sind und in dem darüber hinaus mit einer Passage aus den anonymen Matthäushomilien, die im Mittelalter unter dem Namen des heiligen Chrysostomos verbreitet waren, grundsätzlich den Völkern das Recht zugesprochen wird, sich einen König zu erwählen215. Diese Wahl, so das Maius weiter, sei jedoch ein unwiderruflicher Akt gewesen, „der den freien Willen des Volkes zum Zwang werden lässt“216. Die lex regia warf freilich etliche

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nicht in Vergessenheit geriet, aber doch in den Hintergrund trat. Vgl. MEIER, Justinian, S. 9 ff.; DERS., Zeitalter, S. 116-136. D. 1. 4. 1: Quod principi placuit, legis habet vigorem: utpote cum lege regia, quae de imperio eius lata est, populus ei et in eum omne suum imperium et potestatem conferat. Vgl. Inst. 1. 2. 6: Sed et quod principi placuit, legis habet vigorem, cum lege regia, quae de imperio eius lata est, populus ei et in eum omne suum imperium et potestatem concessit. Die falschen Investiturprivilegien (= MGH Fontes iuris 13), ed. Claudia Märtl; dort auch weitere Literaturangaben, bes. S. 127 ff.; vgl. JORDAN. Hadrianum 5 f. (= MGH Fontes iuris 13), S. 144: Populus itaque Romanus more solito legem condebat. Sed difficile erat pro unoquoquenegotio totiens tot in unum congregare. Unde ergo suum ius et potestatem imperatori concesserunt, prout legitur: „Populus itaque Romanus concessit ei et in eum omne suum ius et potestatem.“ Ad hoc quoque exemplum praefatus Adrianus papa cum omni clero et populo et universa sancta synodo tradidit Karolo augusto omne suum ius et potestatem eligendi pontificem et ordinandi apostolicam sedem, dignitatem quoque patriciatus similiter concessit. Maius (= MGH Fontes iuris 13) S. 181. Maius (= MGH Fontes iuris 13) S. 201: Et quia gentes sibi reges et rectores preposuerunt...; vgl. FUHRMANN S. 25 Anm. 10. Ebd.: Nemo enim se ipsum potest regem facere, sed populus primum sibi creavit regem, quem voluerat. Sed cum factus fuerat rex, iam habuit potestatem in omnibus, et iam non potest amplius populus iugum eius de cervice sua repellere. Facto autem rege, de regno eum repellere non est in potestate populi, et sic voluntas populi postea in necessitatem convertitur. Dem Maius zufolge war die Übertragung der Herrschergewalt durch den populus Romanus auf der Lateransynode von 964 nicht zuletzt deshalb ein einmaliger

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Fragen auf, die von den Legisten diskutiert wurden. War die Übertragung der Herrschaft und der Gesetzgebungskompetenz an den Herrscher durch das Volk endgültig (wie etwa das Maius behauptete) oder widerrufbar? In welchem Verhältnis standen kaiserliche Gesetzgebung und gewohnheitsrechtliche Bestimmungen 217 ? War der Kaiser an die Gesetze gebunden (legibus

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und unwiderruflicher Akt, weil fortan dem Kaiser das Recht zugestanden worden sei, seinen Nachfolger selbst zu bestimmen. Dadurch wurde die Legitimität eines salischen Erbkaisertums bekräftigt und gleichzeitig sollte so verhindert werden, dass aus der lex regia ein prinzipielles Wahlrecht des populus Romanus abgeleitet wurde. Grundsätzlich war mit der lex regia (zunächst) nur die Einrichtung des Kaisertums durch das Volk und die damit einhergehende Übertragung der Gesetzgebungsgewalt an den Imperator ausgedrückt, nicht aber, ob die Kaiserwürde künftig durch Wahl oder Erbgang vergeben werden sollte. Dass aus der lex regia aber die Forderung nach einem Wahlkaisertum abgeleitet werden konnte, zeigen Ansichten wie die des Magisters Manegold von Lautenbach, der in seinem Liber ad Gebehardum (um 1085), behauptet hatte, ein unfähiger König könne vom Volk wie ein porcarius verjagt werden, der seiner Hirtenpflicht nicht nachgekommen sei, da er das pactum gebrochen habe, das beim Herrschaftsantritt zwischen König und Volk geschlossen werde. Für Manegold stand offenbar ein solches pactum am Beginn jeder Herrschaft. Genährt wurde die Diskussion nicht zuletzt durch den uneinheitlichen Sprachgebrauch des Corpus Iuris, der im Zusammenhang mit der lex regia mal von einer concessio, mal von einer translatio spricht (Digestenstelle eine Überarbeitung?). Die Legisten griffen diese Problematik auf (vgl. die Zusammenstellung wichtiger Glossen und Kommentare bei DUPRÉ THESEIDER S. 255-269). Irnerius, Rogerius und Placentius deuteten die lex regia als einmalige und unwiderrufliche Übertragung des Imperium und der Gesetzgebungsgewalt vom Volk an den Kaiser. Die Gesetzgebungskompetenz, so Irnerius in seiner Glosse zu D. I. 3, 32, lag früher (sua tempora) beim Volk, doch heute – und damit war nicht nur die Zeit Heinrichs V. gemeint sondern generell die Zeit nach der Errichtung des Kaisertums – sei diese Gewalt auf den Kaiser übertragen. Ähnlich auch Rogerius, der in seiner Summa Codicis I, 12 (ebd.) bemerkte, dass die Gewalt einstmals (olim) beim Volk lag, nun aber allein beim Kaiser liege. Johannes Bassianus, Azo, Hugolinus, Jacobus de Ravennais u. a. vertraten hingegen den Standpunkt, dass das Volk nicht seine gesamte Gewalt an den Kaiser übertragen habe und diese Übetragung auch nicht unwiderruflich sei. Die legistische Diskussion um die Endgültigkeit oder Widerrufbarkeit der Herrschaftsübertragung durch das Volk an den Kaiser klärte jedoch nicht eindeutig, ob der Akt der Übertragung, sei er nun widerrufbar oder nicht, im Sinne einer Wahlmonarchie am Beginn jeder Kaiserherrschaft lag, die Gewalt also quasi mit dem Tod des Kaisers wieder an das Volk zurückfiel, das sie dem neuen Kaiser am Beginn dessen Herrschaft wieder übertrug, oder aber zu einem nicht genau zu bestimmenden Zeitpunkt in der Vergangenheit lag (meist dürfte der Übergang von der Republik zur Principatszeit angenommen werden), an dem das Volk die Institution des Kaisertums geschaffen habe und seine Gewalt auf dessen Träger übertragen habe, diesem oder einem seiner Nachfolger aber jederzeit die Gewalt wieder entziehen könne. Eine Frage, die gerade für die rechtlichen Verhältnisse in Oberitalien im Kampf zwischen den Staufern und den Kommunen von praktischer Bedeutung war. Bassianus u. a.

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alligatus) oder stand er über dem Gesetz (legibus solutus)? Die Frage aber, wie die Verleihung der Herrschaft durch das Volk mit der göttlichen Einsetzung des Herrschers in Einklang zu bringen war, wurde – zumindest im 12. Jahrhundert – nicht aufgeworfen, also offenbar nicht als Problem empfunden218. Die Nachfolger Heinrichs IV. gaben dessen ablehnende Haltung gegenüber dem Wahlgedanken allmählich auf. Beriefen sich bereits Heinrich V., Lothar III. und Konrad III. gelegentlich auf ihre Wahl durch die Fürsten219, so stützte sich Friedrich I. nachdrücklich auf die Fürsten als „Säulen des Reiches“, und Otto von Freising betonte in den Gesta Friderici, dass die Würde des Imperiums nicht durch die Erbfolge, sondern nur durch Wahl vergeben werde220. Die lex regia jedoch konnte von staufischer Seite nicht ohne weiteres zur Grundlage eines Wahlkaisertums gemacht werden. Sowohl Konrad III. als auch Friedrich I. wiesen die Vertreter der stadtrömischen Bewegung um Arnold von Brescia ab, die unter anderem mit Hilfe der lex regia die ansonsten vom Papst beanspruchten Rechte der Bestätigung des Gewählten und Kaiserkrönung für den seit 1143 wiedererrichteten römischen Senat einforderten. Wenngleich freilich eine tiefgreifende herrschaftstheoretische Konzeption aus den wenigen überlieferten Schreiben der römischen Bürgerschaft nicht ausgemacht werden kann, so ist doch zu erkennen, dass auch hier der Rekurs auf die lex regia nicht eine Abkehr von der Vorstellung des göttlichen Ursprungs der kaiserlichen Herrschaft bedeutete. Vielmehr habe Konrad III. regnum et imperium Romanum von Gott erhalten, heißt es ausdrücklich in einem Brief aus Rom aus dem Jahre 1149221, es komme nun darauf an, seine Herrschaft durch die Kaiserkrönung aus den Händen des Senats noch zu erhöhen. Beide Staufer jedoch haben das gegen den Papst gerichtete Bündnis mit der stadtrömischen Bewegung ausgeschlagen. Friedrich Barbarossa soll dem Bericht Ottos von Freising zufolge den Römern entgegnet haben, er verdanke seine Kaiserherrschaft nicht dem römischen Volk, sondern allein der Stärke seiner

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waren der Meinung, dass allgemeine gewohnheitsrechtliche Bestimmungen über den kaiserlichen Gesetzen stünden. Ausgangspunkt der Argumentation in den gefälschten Investiturprivilegien, insbesondere des Maius, war zweifellos Röm. 13, 1 und die traditionelle, auf Gott beruhende Herrschaftsauffassung (Maius [= MGH Fontes iuris 13] S. 193 ff. Vgl. FRIED, Juristenstand S. 49 Anm. 12), der der Fälscher trotz des Zitats aus den Institutionen weiterhin verhaftet blieb. Eine genaue Bestimmung des Verhältnisses von göttlichem und menschlichem Willen bei der Einsetzung des Herrschers ist aus den falschen Investiturprivilegien freilich nicht zu entnehmen. Vgl. WEINFURTER, Investitur und Gnade, S. 115; SCHLICK, passim. Otto von Freising / Rahewin, Gesta Friderici I. imperatoris II, c. 1 (= MGH SS rer. Germ. 46), S. 103. Gesta Friderici I, c. 30, S. 45: Et quidem regnum et imperium Romanum, vestro a Deo regimini concessum, exaltare atque amplificare cupientes.

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Waffen (iure belli), was wiederum als Ausdruck des göttlichen Willens gedeutet werden konnte222. Dennoch dürfte Friedrich und sein Umfeld das Potenzial der lex regia zur Begründung eines papstfreien Kaisertums erkannt haben223, denn der Staufer erklärte, die einstigen Rechte des römischen Senats seien inzwischen auf die deutschen Fürsten übergegangen 224. Unter dieser Prämisse konnte Friedrich auch unumwunden akzeptieren, dass der Erbischof von Mailand auf dem Hoftag in Roncaglia 1158 die lex regia zur Grundlage der kaiserlichen Herrschaft und Gesetzgebungskompetenz machte225. In den Auseinandersetzungen zwischen imperium und sacerdotium griff Barbarossa gleichwohl nicht explizit auf die lex regia zurück. Friedrich I. entgegnete 1157 gegenüber dem Papsttum, er habe das Imperium allein von Gott durch die Wahl der Fürsten226, wobei das Zusammenwirken von Gott und den Fürsten bei der Konstituierung der Kaiserherrschaft am staufischen Hof nur im traditionellen Sinne verstanden werden konnte, in dem die Fürsten in ihrer Wahl den Willen Gottes verkündeten227. So betonte Barbarossa bereits in seiner Wahlanzeige von 1152 an Papst Eugen III., die Fürsten hätten ihn tamquam divino spiritu suscitati zum König gewählt 228 . Auch der Annalista Saxo 222 223 224

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Vgl. KOCH, Auf dem Wege zum Sacrum Imperium, S. 206 f. Zur Frage nach dem Zusammenwirken von Kaiser und Legisten zuletzt kritisch FÖGEN. Gesta Friderici II, c. 32 (30), S. 137: Penes nos sunt consules tui. Penes nos est senatus tuus. Vgl. KOCH, Auf dem Wege zum Sacrum Imperium, S. 195, 204; vgl. auch Alanus Anglicus (wie Anm. 261). Sofern also der populus Romanus nicht im engen Sinne mit den Bürgern Roms identifiziert wurde, konnte die lex regia als Stütze für die kaiserliche Position in den Auseinandersetzungen mit dem Papsttum dienen. Gesta Friderici IV, 5, S. 239: Tua voluntas ius est, sicut dicitur: Quod principi placuit, legis habet vigorem,cum populus ei et in eum omne suum imperium et potestatem concessit. Vgl. KOCH, Auf dem Wege zum Sacrum Imperium, S. 212. Gesta Friderici III, 13, S. 179: Cumque per electionem principum a solo Deo regnum et imperium nostrum sit. Vgl. SCHMIDT, Königswahl, S. 157, 163. Vgl. Otto von Freising, Chronica IV, prol., S. 182: Dum enim ab eis querimus, quo iure reges id [sc. potestas] habeant, responere solent: ex ordinatione dei et electione populi. [...] Denique si ad hoc, quod ipse ordinaverat, tam hic quam ibi voluntati suae electionem populi et insuper hic traditionem principis concordare voluit...Vgl. KOCH, Auf dem Wege zum Sacrum Imperium, S. 183; ebd. S. 273 f.: „In der irdischen Begründung ihrer Herrschaft sahen die Staufer aber nur die Verwirklichung eines unmittelbar göttlichen Mandats. Die irdischen Vermittler treten gleichsam nur als die Vollzieher des göttlichen Willens auf. Dieser göttliche Rechtsgrund der Herrschaft wurde sowohl von der Stauferkanzlei selbst als auch von der Hofhistoriographie in immer neuen Wandlungen hervorgehoben.“; vgl. auch SCHLICK S. 176. MGH Const I., nr. 137, S. 191. Vgl. KOCH, Auf dem Wege zum Sacrum Imperium, S. 192 f. Im 16. Jahrhundert spottete der Kardinal Robert Bellarmin über die herrschaftstheoretische Konzeption, die Barbarossa in diesen Zeilen zum Ausdruck gebracht hatte. Denn entweder, so der Kardinal, habe Barbarossa sein Kaisertum a solo deo, oder aber von den Fürsten, aber beide könnten wohl kaum gleichzeitig die

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drückte dieses Zusammenwirken von Gott und Fürsten bei der Königswahl aus, wenn er anlässlich der Wahl Konrads III. im Jahre 1138 vermerkt: „Die Fürsten beschlossen auf Verabredung, zu Pfingsten eine allgemeine Versammlung in Mainz zu halten, um gemeinschaftlich denjenigen über das Reich zu setzen, den Gott dazu bestimmt haben würde.“229

Allerdings scheint hinter der Wahl Konrads III. zum römisch-deutschen König nach Ansicht des Annalisten nicht der göttliche, sondern der menschliche Wille, genauer gesagt der Wille des Erzbischofs Adalbero von Trier gestanden zu haben, denn er fährt fort: „Aber auf Antrieb des Erzbischofs Adalbero von Trier und einiger Fürsten folgte der schwäbische Konrad, des Herzog Friedrich Bruder, einst der Usurpator des Königstitels...“230

Immer wieder verweist der Annalist im folgenden auf die fehlende Einmütigkeit bzw. mangelnde Zustimmung der Wähler, so dass ihm Konrad III. letztlich nicht als ein von Gott erwählter König gilt. Der Staufer selbst sah dies freilich anders. Für ihn manifestierte sich in der Fürstenwahl der göttliche Wille, wie er in einer Urkunde an das Aachener Marienstift 1138 verlauten ließ231, und auch der „Königsmacher“ Adalbero von Trier versicherte dem Salzburger Erzbischof, „dass wir einzig der Sache Gottes zu dienen suchten, als wir die Wahl mit der römischen Kirche und den Reichsfürsten betrieben haben. Nachdem wir den Willen der dort vertretenen römischen Kirche und den einmütigen Wunsch der Fürsten über die Person des künftigen Königs erkannt hatten, haben wir nach Anrufung des Heiligen Geistes der Fügung Gottes unsere Zustimmung nicht versagt.“232

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Grundlage der Kaiserherrschaft bilden. Vgl. Robertus Bellarminus, De translatione imperii Romani a Graecis ad Germanos adversus Matthiam Flaccium Illyricum libri tres, in: Opera omnia Bd. 6, ed. J. Fevre, Paris 1873, S. 581; vgl. GOEZ, Translatio imperii, S. 309. Annalista Saxo (= MGH SS 6), S. 776: Principes communicato consilio decreverunt generalem conventum in pentecoste Mogontie fieri, ut conmuniter regno preficerent, quemcumque Deus ad id preordinasset. Ebd.: Sed Conradus Suevus, frater Friderici ducis, quondam usurpator regii nominis, factione Adalberonis Treverensis archiepiscopi et quorumdam principum [...] successit. DK III, 4: Quoniam divina ordinatio Romani regni solium per electionem principum sua misericordia nos conscendere voluit. Vgl. SCHMIDT, Königswahl, S. 89. Monumenta Bambergensia, ed. Jaffé (= Bibl. rer. Germ. V), Epistolae Bambergenses Nr. 32, S. 528 f.: Scire tamen sanctitatem vestram volumus - atque coram eo, cui omnia sunt aperta, loquimur - : quod cum ecclesia Romana et regni principibus haec agentes, nulla nisi quae Dei sunt quesivimus; sed, intellecta praesentis ibi ecclesiae Romanae (volun)tate et unanimi principum desiderio circa personam regiam, sancti Spiritus invocato nomine,ordniationi divinae consensimus.

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Dass man in der Verleihung der Herrschergewalt durch das Volk, so wie sie die lex regia verkündete, einen Widerspruch zur göttlichen Einsetzung des Herrschers erblicken konnte (quae est contra), oder zumindest das Nebeneinander von göttlicher und menschlicher Herrschaftsübertragung der näheren Erläuterung bedurfte, zeigt sich eigentlich erst in der Glossa ordinaria des Accursius (um 1230). Zu Nov. 73 pr. 1, einer Passage, in der das Imperium als propter Deus de coelo constituit bezeichnet wird, glossiert Accursius zu De coelo: Immo populus Romanus de terra: ut Inst. de iure na.§. sed et quod princ., que est contra. Sed deus constituit permittendo, et populus, Dei dispositione. Vel dic, Deus constituit auctoritate, populus ministerio233. Während also Gott die auctoritas, die Herrschergewalt als solche stiftete, wurde das kaiserliche Amt vom Volk eingerichtet. Was Accursius hier ausdrückt, ist allerdings weniger eine transpersonale Herrschaftsauffassung, die zwischen Herrschergewalt und Herrscher, zwischen Imperium und Imperator unterschied, er differenzierte vielmehr die abstrakte, von Gott stammende Herrschergewalt von ihrer konkreten Form, dem Kaisertum, dessen Einrichtung durch das Volk geschah. Die Errichtung des Kaisertums durch das Volk war aber nicht das Ergebnis einer freien Willensäußerung des Volkes, sondern geschah auf Anordnung Gottes. Die Deutung der lex regia als dei dispositione ist mithin reine legistische Interpretation, die zeigt, dass man sich die Einrichtung des Kaisertums durch das Volk letztlich doch nur so vorstellen konnte, als dass das Volk darin einer Anordnung Gottes folgte234. Das römische Recht im allgemeinen und die lex regia im besonderen beziehen sich im Grunde nur auf das Imperium, doch wurde das, was am Kaisertum exemplifiziert wurde, gleichsam nach dem Grundsatz rex imperator in regno suo, auf jegliche Form weltlicher Herrschaft übertragen. Was für das Kaisertum gelte, so formulierte es (wenn auch in anderem Zusammenhang) etwa der Bologneser Kanonist Alanus Anglicus in seinem Dekretalen-

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Accursius, Glossa in volumen, S. 244. Die Unterscheidung in zulassenden und anordnenden Willen Gottes bleibt in dieser Glosse unklar, vgl. zum besseren Verständnis daher auch Anm. 234. Vgl. auch Accursius, Glossa in volumen, S. 153, ad Nov. 6, praef., ad v. „imperium“: Immo a populo Romano videtur esse imperium: ut Insti. de iure na.§ sed quod principi. Resp. et illud Dei dispositione factum fuit, sine quo factum est nihil. Vgl. ANDRAE S. 19 f. Anm. 21. Unklar ist freilich, worin Accursius diese göttliche Anordnung erblickt, denn im Gegensatz zum Papsttum, dass sich mit dem Christuswort Tu es Petrus (Mt 16, 18) auf eine direkte göttliche Gründung berufen konnte, hatte das Kaisertum nichts vergleichbares zu bieten, es blieb nur der Verweis darauf, dass Christus die Existenz des heilsgeschichtlich notwendigen Imperiums durch sein Worte und Taten bestätigt habe.

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kommentar, gelte auch für andere Königreiche235. Dabei war das Imperium aufgrund seiner heilsgeschichtlichen Bedeutung und dem speziellen Verhältnis des Kaisers zu Papst und zur römischen Kirche eigentlich denkbar ungeeignet als Beispiel für weltliche Herrschaft im allgemeinen. Neben der lex regia formulierte das römische Recht – oder vielmehr die einflussreiche Glosse des Accursius – aber noch an anderer Stelle und in der Tat viel allgemeiner, dass das Volk das Recht zur Übertragung der Herrschaft besitze. In den Digesten 1, 1, 1 werden die verschiedenen Rechte – Naturrecht (ius naturale), Zivilrecht (ius civile), Völkerrecht (ius gentium) – definiert. Das ius gentium war demnach das Recht, das die menschlichen Völkerschaften befolgten, im Gegensatz zum Naturrecht also nicht für alle Lebewesen, sondern nur für die Menschen galt. In D. 1, 1, 5 wird der römische Rechtsgelehrte Hermogenian zur näheren Bestimmung des ius gentium zitiert. „Kraft dieses Völkerrechtes (ius gentium) wurde das Kriegsrecht eingeführt, wurden Völker unterschieden, Reiche gegründet, Eigentum anerkannt, Äckern Grenzsteine gesetzt, Bauplätze für Häuser zugewiesen, Handelsverkehr, Kauf, Miete, Pacht, Dienstund Werkverträge und weitere Schuldverhältnisse eingeführt, mit Ausnahme einiger Rechtsverhältnisse, die das Zivilrecht eingeführt hat.“236

Entscheidend ist hier die Feststellung, dass aufgrund des ius gentium Reiche gegründet (regna condita) werden. Accursius vermerkte dazu in seiner Glossa ordinaria ad v. „condita“: a singulis gentibus que sibi reges eligerunt, dass sich also aufgrund des ius gentium die einzelnen Völker Könige erwählten237. 235

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Alanus, 1 Comp., de appellationibus, si duobus (2. 20. 7 = X 2. 28. 7), ed. STICKLER, Alanus Anglicus, S. 364: Et quod dictum est de imperatore dictum habeatur de quolibet rege vel principe, qui nulli subest. D. 1, 1, 5: Ex hoc iure gentium introducta bella, discretae gentes, regna condita, dominia distincta, agris termini positi, aedificia collocata, commercium, emptiones venditiones, locationes conductiones, obligationes institutae: exceptis quibusdam quae iure civili introductae sunt. Accursius, Glossa in Digestum vetus, S. 6. Auch die (hierokratischen) Kanonisten erkannten mitunter das ius gentium als Grundlage königlicher Herrschaft, wenngleich ihrer Ansicht nach die im ius gentium grundgelegte Einteilung der Welt in einzelne Königreiche durch den Papst im nachhinein bestätigt werde. Vgl. Alanus Anglicus in seiner Glosse zu D. 96 c. 6 cum ad verum (2. Redaktion), ed. STICKLER, Alanus Anglicus, S. 363: Divisio enim regnorum iam iure gentium introductum a papa approbatur, licet antiquo iure gentium unus imperator in orbe esse deberet. Vgl. auch den Dekretalenkommentar des Alanus 1 Comp., de appellationibus, si duobus (2. 20. 7 = X 2. 28. 7), ebd. S. 363 f.; Vgl. Glosse S. Reverentia ss. canonum D. 96 c. 10 ad v. excommunicavit, ed. STICKLER, Imperator vicarius Papae, S. 204: immo etiam deposuerit ut infra XV, q. VI, alius; c. 11, ad v. a quo: scilicet a deo. Unde videtur gladium imperatori concessum esse proximo loco a deo, ut supra e. d., cum ad verum, de quo supra diximus d. X, quoniam idem. Quod et probabilius videtur, cum nec constantinus legatur beato Silvestro imperii resignasse potestatem et ab eo eam recepisse, cum tamen

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Das römische Recht lieferte also „neue“ (säkulare) Ansätze zur Herrschaftsbegründung, die im Volk (bzw. den deutschen Fürsten) und nicht im Papst – der natürlich im Corpus Iuris Civilis nur eine untergeordnete Rolle spielte – den wesentlichen Akteur bei der Konstituierung der Kaiserherrschaft bzw. weltlicher Herrschaft überhaupt sahen. Aber ebensowenig wie die antiken Rechtsgrundsätze des Corpus Iuris Civilis unbesehen auf die mittelalterlichen Verhältnisse übertragen werden konnten, konnte es rein legistische Theorien über ein papstfreies Kaisertum geben: Die Wirklichkeit des Mittelalters stand dem entgegen. Die Frage war, inwieweit das mittelalterliche Kaisertum noch in der Tradition des antiken Imperium Romanum gesehen werden konnte oder inwieweit die historische Entwicklung das Imperium verändert hatte, ja ob nicht sogar – so der papalistische Ansatz – mit der Ankunft Christi das Reich Christi in die Welt getreten sei und – spätestens seit der Konstantinischen Schenkung – vom Papst als successor Petri und vicarius Christi regiert werde. Das römische Recht wurde aber nicht nur für Könige und Kaiser, sondern auch für die Herrschaft der italienischen Stadtstaaten nutzbar gemacht, wie das Beispiel des wohl 1228 abgeschlossenen Liber de regimine civitatis zeigt, den der kaiserliche Assessor Johann von Viterbo für den Podestà von Florenz verfasste238. Während in dieser Schrift die Herrscherethik vor allem anhand der antiken Tugendlehre entwickelt wird, tritt die überragende Bedeutung des römischen Rechts als Quelle für die administrativen und verfassungsrechtlichen Bestimmungen zutage. Das herrschaftstheoretische Gerüst bleibt gleichwohl auch bei Johann von Viterbo die Herleitung der Gewalt aus Gott, die mit römisch-rechtlichen Grundsätzen in Einklang gebracht wird239. Obwohl das Werk primär über die Herrschaft des Podestà handelt, nehmen die grundlegenden – und ausdrücklich auch für die Herrschaft des Podestà geltenden – herrschaftstheoretischen Überlegungen ihren Ausgang in der Erörterung des Verhältnisses von imperium und sacerdotium. Johann vertritt einen ausgeprägten Gewaltendualismus. Zwei Gewalten und zwei Rechte sind von Gott zur Herrschaft über das Menschengeschlecht eingerichtet, und aus der Tatsache,

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primum ecclesiam dei egregie dotavit ut infra VII, q. 1, futuram. Antea etiam a iure gentium regia dignitas in multis claruit. Johannes von Viterbo, Liber de regimine civitatum, ed. Salvemini (= Bibliotheka Iuridica Medii Aevi. Scripta Anecdota Glossatorum vel Glossatorum aetate composita Bd. 3). Im folgenden wird die lateinisch-deutsche Teilausgabe von ANTON, FSGA 45, S. 230-283 zitiert. Vgl. insbesondere I, 4 De interpretatione potestatis, wo Johann die Herrschergewalt aus biblischen (Jo 19, 11; Ps 111, 2; Sap 6, 4; Rom 13, 2) und römisch-rechtlichen (D. I, 16, 9; D. I, 18; Cod. I, 28, 3; Cod. V, 7) Quellen herleitet.

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„dass zwei Schwerter an den Tisch des Herrn geschafft wurden, ist zu entnehmen, dass, da sie wegen unterschiedlicher Aufgaben voneinander verschieden sind, sie unterschiedliche Träger haben sollten; dass einer da sei, der die, die es verdienen, mit dem Schwert des Wortes durchbohre, der andere, dass er die Strafwürdigen mit dem Instrument aus Eisen bestrafe. Das Kaisertum und das Reich setzte Gott vom Himmel her ein, das Reich nämlich ist ewig. Die Kaiser haben daher ihre Gewalt, Gesetze zu geben, von Gott erhalten [...]. Gott schenkte den Kaisern die herrscherliche Zwangsgewalt.“240

Unverkennbar ist bei dieser dualistischen Auslegung der Zweischwerterlehre auch die Vorstellung vom Herrscher als „Rächer Gottes“ nach Röm. 13, 1 ff. leitend; eine Vorstellung, die Johann auch an anderer Stelle deutlich zum Ausdruck bringt, indem er erklärt, dass Gott nicht erst am Tage des Jüngsten Gerichts seinen strafenden Zorn walten lässt, sondern „auch durch seine Diener in diesem Leben Vergeltung übt“241. Dass die Herrschergewalt und die Gesetzgebungskompetenz des Kaisers von Gott ist, wird von Johann insgesamt sowohl mit „Vernunftgründen und Rechtssatzungen“ 242 wie auch mit Zeugnissen des Alten und Neuen Testaments bewiesen243. Ausdrücklich nimmt Johann auch die Unterscheidung von Amt und Person auf, und erläutert, dass die Herrschergewalt bzw. das Herrscheramt immer von Gott stammt und daher gut ist, während die Ausübung der von Gott gegebenen Gewalt bzw. des von Gott gegebenen Amtes durch den Amtsträger schlecht sein kann, „was dann nicht von Gott ist.“244 Dennoch verweist Johann ausdrücklich auch bei der von Menschen vollzogenen Einsetzung des Amtsträgers auf das Wirken Gottes hin, wenn er erklärt: „Ganz offen beweiskräftig liegt also dar, dass Gewalt von Gott verordnet wird und dass die kirchlichen und weltlichen Verleiher der Gewalt in Weihe und Wahl von Gott sind, da ja die einsetzende Ordnung, wie der Apostel sagt, von Gott ist.“245

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ANTON, FSGA 45, S. 276: Unde colligitur ex hoc, quod duo gladii in mensa Domini fuissent appositi, quod, cum sint ad invicem diversi propter diversa officia, diversos meruerunt habere ministros; ut alter esset, qui dignos verbi percuteret gladio, alter, qui meritos ferri puniret instrumento. Imperium enim Deus de celo constituit; imperium autem semper est. Imperatores vero proferendi leges a Deo licentiam acceperunt [...]; Deus sanciendi potestatem Imperatoribus donavit. ANTON, FSGA 45, S. 272 f. Wobei Johann sowohl weltliche als auch geistliche Machthaber als Strafwerkzeuge Gottes betrachtet. Vgl. auch c. 129, S. 280 ff. ANTON, FSGA 45, S. 276: Patet igitur supradictis rationibus et constitutionibus utramque potestatem et utrumque gladium a Deo esse. Vgl. ANTON, FSGA 45, S. 274 ff. Ebd. S. 278. ANTON, FSGA 45, S. 278: Patet igitur manifeste, quod potestas ordinatur a Deo et ordinatores sive electores potestatis a Deo sunt, quoniam ordinatio, ut dicendum est ab apostolo, a Deo est.

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Die Vorstellung vom Wirken Gottes durch menschliche Wähler wird auch in einer von Johann entworfenen Musterrede deutlich, wie sie der neu gewählte Podestà vor der Bürgerversammlung zu halten habe: „Dem Herrn, von dem jede Weisheit und Macht ausgeht, der nach seinem Wollen Ehren schenkt und Würden verteilt, hat es im weisen Ratschluss gefallen, dass wir durch die Ratsversammlung und die Gemeinde dieser Stadt in das Amt eures Podestà gewählt wurden [...]. Da ihr nicht von Bitten bewegt und auch nicht durch irgendeine Gewalt gezwungen, nicht um unserer Vedienste willen, sondern von göttlicher Eingebung inspiriert, glaubt, uns zu eurem Regenten wählen zu sollen ...“ 246

Während die Legisten und das römische Recht über das Verhältnis von imperium und sacerdotium zumeist jedoch nur am Rande handelten, befassten sich die Kanonisten seit der Mitte des 12. Jahrhunderts intensiver mit dieser Thematik und gingen der Frage nach, welche Rechte der Papst am Imperium besaß und ob der Kaiser seine Gewalt unmittelbar oder mediante ecclesia von Gott empfange.

1.4. Die Kanonistik: Num imperator habeat gladium a papa? – Die Einsetzung des Kaisers durch den Papst Ein Problem der papalistischen Position war, wie sie die Einsetzung der weltlichen Gewalt durch die Kirche oder den Papst mit der prinzipiellen Trennung der beiden Gewalten vereinbaren konnte. Wie bereits ausgeführt, hatten die Symbolisten darauf in ihren Schriften keine befriedigende Antwort gegeben. Bernhard von Clairvaux eröffnete allerdings mit seiner berühmt gewordenen Auslegung der Zwei-Schwerter Szene nach Luk. 22, 38 einen Ausweg aus diesem Dilemma. In der Mahnschrift De consideratione (1148/53), gerichtet an seinen langjährigen Weggefährten und Ordensbruder Bernhard Piguatelli, der 1145 als Papst Eugen III. die Cathedra Petri bestiegen hatte, heißt es: „Was greifst Du erneut nach diesem [sc. Schwert], das man dich in die Scheide stecken hieß? Wer behauptet, dass es Dir nicht gehört, hat wohl das Wort des Herrn nicht hinreichend bedacht: ,Stecke Dein Schwert in die Scheide.„ Dein ist es; es kann auf Deinen Wink hin, aber nicht durch Deine Hand aus der Scheide gezogen werden. Gebühre es 246

ANTON, FSGA 45, S. 250 ff.: Domino, a quo omnis sapientia progreditur et potestas, qui, prout vult, honores largitur et distribuit dignitates, et placuit sapienti consilio huius civitatis et communi nos in vestram debere eligi potestatem [...]. Sane cum non precibus inducti nec aliqua vi coacti, non nostris meritis sed divina inspiratione inspirati nos in vestrum rectorem duxeritis eligendum...

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Dir in keiner Hinsicht, so hätte der Herr auf das Wort der Apostel hin: ,Siehe, da sind zwei Schwerter„, nicht geantwortet: ,Es genügt„, sondern: ,es ist zuviel„. Beide Schwerter kommen also der Kirche zu: das geistliche und das weltliche; das letztere kann zur Verteidigung der Kirche, das erste nur von ihr selbst gezogen werden. Dieses gehört in die Hand des Priesters, jenes in die des Kriegers, und zwar auf einen Wink des Priesters und auf Befehl des Kaisers hin.“247

Die Forschung streitet seit langem, im Grunde schon seit dem Mittelalter248, über die rechte Bedeutung dieser Worte. Auf den ersten Blick spricht aus diesen Zeilen die hierokratische Position. Dieser Eindruck entsteht vor allem durch den Umstand, dass die Worte des Zisterzienserabtes später tatsächlich von den Hierokraten als zentrales Argument verwendet wurden und sich sogar in der bereits erwähnten Bulle Unam sanctam wiederfinden249. Die Bedeutung des Schwertes nicht zuletzt als Investitursymbol, das der Kaiser bei seiner Krönung und Weihe in St. Peter vom Altar des Heiligen Petrus aus der Hand des Papstes empfing, kann unter den Hierokraten nicht hoch genug veranschlagt werden250. Die Karriere, die Bernhards Schwerterlehre machte, lässt sich in den Quellen deutlich nachzeichnen251, allein ob der heilige Ordensgründer, der wie kaum ein zweiter die Verweltlichung der Papstkirche anprangerte, ihr tatsächlich diesen (hierokratischen) Sinn geben wollte, bleibt umstritten. Es war der Bologneser Magister Rufinus, der in seiner 1159/60 entstandenen Summa Decretorum für den Gedankengang Bernhards das kirchen247

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Bernhard von Clairvaux, De consideratione libri quinque ad Eugenium Tertium lib. 4, c. 3 (= PL 182), Sp. 776 B: Quid tu denuo usurpare gladium tentes, quem semel jussus es reponere in vaginam? Quem tamen qui tuum negat, non satis mihi videtur attendere verbum Domini dicentis sic: Converte gladium tuum in vaginam (Joan. XVIII, 11). Tuus ergo et ipse, tuo forsitan nutu, etsi non tua manu evaginandus. Alioquin si nullo modo ad te pertineret et is, dicentibus Apostolis, Ecce gladii duo hic; non respondisset Dominus, Satis est (Luc. XXII, 38); sed, Nimis est. Uterque ergo Ecclesiae et spiritualis scilicet gladius, et materialis; sed is quidem pro Ecclesia, ille vero et ab Ecclesia exserendus: ille sacerdotis, is militis manu, sed sane ad nutum sacerdotis, et jussum imperatoris. Vgl. etwa die unterschiedliche Auslegung von Aegidius Romanus und Johann Quidort. Quellen zur Geschichte des Papsttums und des römischen Katholizismus, ed. Mirbt/Aland, Bd. 1, Tübingen 61967, n. 746, S. 458-460. Die hierokratische Interpretation der Zweischwerterlehre zeigt ein Fresko in der Klosterkirche von Prüfening bei Regensburg aus der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts. Vgl. STEIN, Freskenzyklus; DIES., Wandmalereien. Vgl. LEVISON. Bernhard hatte noch davon gesprochen, dass das weltliche Schwert von den milites auf den Wink des Priesters und den Befehl des Kaisers geführt werden solle. LEVISON sieht in der Erwähnung des kaiserlichen Befehls „noch ein Zeichen der Mäßigung“ (S. 32). Die Hierokraten wandelten die Worte Bernhards dahingehend, dass der Kaiser das weltliche Schwert auf Befehl des Papstes führe.

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rechtliche Fundament schuf. In Dist. 22 c. 1 unterschied er die imperiale Gewalt nach dem ius auctoritate und dem ius administrationis252. Damit war die Möglichkeit gegeben, den Papst als Verleiher der weltlichen Herrschaft zu deuten, ohne die Kirche direkt in weltliche Angelegenheiten zu verstricken, denn die geforderte Trennung der beiden Gewalten wurde auf die Ebene des usus gladii oder, wie Rufinus es ausdrückte, des ius administrationis verlagert. Die Unterscheidung der weltlichen Gewalt in einen rechtsverleihenden (konstituierenden) und einen ausübenden Aspekt wurde schon bald kanonistisches Allgemeingut253 und auf die Schwertersymbolik angewandt, dabei aber z. T. über Rufinus hinaus weiterentwickelt und zum Ausgangspunkt weiterer Distinktionen, die nicht selten in juristischen „Spitzfindigkeiten“254 endeten und mehr Verwirrung (unter den Zeitgenossen ebenso wie unter der modernen Forschung) als Klarheit schufen. Die Quaestio Bambergensis von 1168-72 erweiterte beispielsweise die Unterscheidung Rufins, indem sie die Ausübung der Schwertgewalt (exercitium potestatis) nochmal in ein exercitium quoad praeceptum und ein exercitium quoad usum unterteilte und den Papst nicht nur als Inhaber der potestas gladii, sondern auch des exercitium quoad praeceptum ansah, während dem Kaiser lediglich das exercitium quoad usum

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Rufinus, Summa Decretorum zu D. 22 c. 1 ad v. „terreni simul et celestis imperii iura commisit“, ed. Singer S. 47: Celeste imperium celestium militum, i. e. clericorum universitatem cum his que ad eos pertinent, dicit; terrenum vero regnum vel imperium seculares homines secularesque res appellat. Per hoc ergo videtur quod summus pontifex qui beati Petri est vicarius, habet iura terreni regni. Sed animadvertendum est quod ius aliud est auctoritatis, aliud amministrationis. Et quidem ius auctoritatis quemadmodum in episcopo, ad cuius ius omnes res ecclesiastice spectare videntur, quia eius auctoritate omnia disponuntur, ius autem amministrationis sicut in yconomo: iste habet ius amministrandi, sed auctoritate caret imperandi; quicquid allis precipit, non sua, sed episcopi auctoritate indicit. Summus itaque patriarcha quoad auctoritatem ius habet terreni imperii, eo scil. modo quia primum sua auctoritate imperatorem in terreno regno consecrando confirmat et post tam ipsum quam reliquos seculares, istis secularibus abutentes, sola sua auctoritate pene addicti et ipsos eosdem post penitentes absolvit. Ipse vero princeps post ipsum auctoritatem habet seculares regendi et preter ipsum officium amministrandi. Die Unterscheidung zwischen potestas / iurisdictio / auctoritas und executio potestatis / administratio / ius executionis / usus gladii wurde von den Kanonisten in erster Linie im Zusammenhang mit der bischöflichen Gewalt erörtert, wobei hier noch eine begriffliche Verkomplizierung durch die Unterscheidung in Hirtengewalt (potestas iurisdictionis) und Weihegewalt (potestas ordinis) hinzukommt. Die vordringliche Frage war, ob ein Bischof, dem die potestas iurisdictionis entzogen worden war (Häresie, Exkommunikation), weiterhin die Weihegewalt hatte, und ob er sie auch ausüben könne bzw. dürfe. Vgl. dazu ZIRKEL. KEMPF, Papsttum und Kaisertum, S. 211.

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zugestanden wurde255. Auch der große Bologneser Kirchenrechtler Huguccio übernahm in seiner Glosse zu Dist. 63 c. 22 (1188/90) die Rufinsche Distinktion und erweiterte sie ähnlich wie der Verfasser der Quaestio Bambergensis, indem er zwischen einem Ausübungsrecht (ius executionis), das er ebenso wie die potestas gladii dem Papst zusprach, und einem Ausübungsakt (actum executionis), der vom Papst an den Kaiser deligiert werden muss, unterschied 256 . Die Dekretsumme Reverentia sacrorum canonum (1183/84-92) stellte angesichts solcher Distinktionen die Frage, ob der Papst, der zwar die potestas gladii besitze und auf den Kaiser übertrage, überhaupt als der Verleiher des usus gladii angesehen werden könne. Streng genommen verlieh er damit nämlich mehr, als er eigentlich besaß, und daher, so schließt der anonyme Glossator, habe der Kaiser zumindest den usus gladii direkt von Gott257. Konnte man mit der Rufinschen Distinktion die Einsetzung des Kaisers durch den Papst begründen, ohne die geforderte Trennung der beiden Gewalten gänzlich aufzugeben258, so kreiste doch die ganze Diskussion letztlich nur um die Frage, ob dem Kaiser die Herrschergewalt (oder ein Teil von ihr) direkt von Gott verliehen würde oder ob das weltliche Schwert (oder ein Teil von ihm) zuvor durch die Hand des Papstes ging bzw. bei ihm verblieb. Von einer Beteiligung des Volkes an der Konstituierung des Herrschers war hier nicht die Rede, und im Rahmen der Schwertertheorie konnte dieser Auffassung auch kein Platz eingeräumt werden. Andererseits konnte die Vorstellung 255

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STICKLER, Quaestio Bambergensis, S. 122: Attende, lector, quia non potestas secernitur, set officia separantur. Indecens enim apostolice celsitudini, ut que misericordie tota incumbit, nocentium cruore maculetur. Huiusmodi amministrationem a se prorsus reiecit quoad usum, set retinuit quoad preceptum. Quad tibi ex multis capitulis innotescat, si ultimam questionem XXIII cause fueris perscrutatus, ubi ab apostolico bellum indicitur et sanguis innoxius armorum violentia defensatur. [...] Ex eo autem quod spiritualis dumtaxat gladius apostolice sublimitati legitur attributus, callide posset presumi quod apostolicus dare non possit quod habere prohibetur, quia nemo non dat quod non habet. Hanc autem obiectionem facile elides, si ea que superius de auctoritate et amministratione iuris dicta sunt attendis. Vgl. KEMPF, Papsttum und Kaisertum, S. 210. Huguccio zu D. 63 c. 22 ad v. „patriciatus dignitatem“, ed. STICKLER, Schwerterbegriff, S. 220 Anm. 2: Habet ergo papa talem potestatem nudam et eius executionem et eam nudam concedit; set ex ea concessa alicui statim ei conceditur executio que ex ea pendet. Set credo quod papa et potestatem talem habeat et executionem, i. e. ius executionis, set non actum exequendi. Vgl. KEMPF, Papsttum und Kaisertum, S. 210. Summa Reverentia sacrorum canonum zu D. 10 c. 8 ad. v. „dignitatibus distinctis“, ed. STICKLER, Imperator vicarius Papae, S. 204 Anm. 69: Quibusdam tamen videtur quod a summo ponifice eam (gladii potestatem) habeat, usum autem eius a Deo. Vgl. KEMPF, Papsttum und Kaisertum, S. 209 f. Ob Rufin das tatsächlich so verstanden wissen wollte, darf freilich bezweifelt werden, so KEMPF, Papsttum und Kaisertum, S. 209 Anm. 40.

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von einer Gewaltübertragung durch das Volk, die sich ja das ganze Frühmittelalter hindurch belegen lässt und die sich seit den Tagen des sogenannten Investiturstreits in der herrschaftstheoretischen Debatte allmählich einen festen Platz erobert hatte, kaum noch ignoriert werden. Die lex regia war um die Mitte des 12. Jahrhunderts in den juristischen Kreisen Oberitaliens allgemein bekannt, und auch Rufinus kannte sie offenkundig259, doch verband er sie nicht mit der Schwerterlehre, die die Herrschaftsvergabe allein zwischen Kaiser und Papst (und natürlich Gott) regelte. Auch Gratian hatte sich in seinem Dekret nicht explizit über die Verleihung der Herrschergewalt durch das Volk geäußert. D. 93 c. 24 des Decretum handelt vom kirchlichen Ämterwesen und führt bezüglich der Wahl des Bischofs und des Archidiakons einen Brief des heiligen Hieronymus an, in dem die Wahl der kirchlichen Würdenträger durch den Klerus mit der Wahl des Kaisers durch das Heer verglichen wird260. Wollte Gratian mit dieser eher en passant gefallenen Äußerung auch keine Aussage hinsichtlich der Konstituierung mittelalterlicher Kaiserherrschaft treffen, so diente diese Stelle doch als Ausgangspunkt für spätere Glossatoren, um die Einsetzung des Kaisers durch die Wahl, dann freilich nicht des Heeres sondern der deutschen Fürsten261 oder ganz allgemein des Volkes, zu diskutieren. Zu Beginn des 13. Jahrhunderts jedenfalls hatte sich unter den Dekretisten die Lehre von der Kaiserwahl weitgehend etabliert262, wobei die lex regia in einigen Fällen ganz offenkundig Pate gestanden hatte263. Wie aber ließ sich

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Rufinus, Summa Decretorum, ed. Singer S. 13, D. 4: sicut enim hodie sine auctoritate vel consensu imperatoris leges non possunt statui, sic etiam nec infirmari, quia populus Romanus ei et in eum omne suum imperium et potestatem concessit. D. 93 c. 24: Nam Alexandriae a Marco evangelista usque ad Heraclam et Dionysium episcopos presbyteri semper unum ex se electum in excelsiori gradu collocatum episcopum nominabant, quomodo si exercitus imperatorem faciat; aut diaconi eligant de se, quem industrium noverint et archidiaconum vocent. Vgl. dazu HUGELMANN, Königswahl, S. 28 sowie den Aufsatz von STENGEL, bes. S.102 ff. Vgl. etwa Alanus Anglicus, Glosse (2. Redaktion) D. 93 c. 24 (Legimus) ad. v. exercitus, ed. STICKLER, Alanus Anglicus, S. 360: idest senatus quondam; hodie principes alamanie. Einige Hierokraten setzten sich mit ihr freilich nicht auseinander. Vgl. KÖLMEL, Regimen Christianum, S. 230. Vgl. Summa Et est sciendum (Stuttgarter Glossen) zu D. 22 c. 1 ad v. „terreni simul“, ed. GILLMANN, Dekretglossen, S. 213: Item hodie potest imperator uti gladio, antequam consecretur in imperatorem, populi electione, qui ei et in eum omne ius et potestatem contulit. Vgl. Bazianus, Questiones (ed. STICKLER, Sacerdotium et regnum, S. 610): Nam ante potest uti gladio, quam ab apostolico ungatur. Ex electione enim principum hoc sibi licet, qui in eum omne ius transtulerunt. Vgl. Summa Omnis qui iuste zu D. 22 c. 1 (S. Lipsiensis), ed. Juncker, ZRG KA 15, S. 492 Anm. 2: ... quem (gladium) con-

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eine Herrschaftsübertragung durch das Volk in die bestehende, im Grunde ganz auf den Papst zugeschnittene kanonistische Theorie intergrieren? Es bildeten sich im wesentlichen zwei Richtungen innerhalb der Kanonistik heraus264. Die Dualisten sahen den Kaiser unmittelbar von Gott, und das bedeutete durch die Wahl des Volkes, mit dem gladius materialis betraut, wie etwa Huguccio in seiner Glosse zu D. 93 c. 24. Danach ist die Wahl durch die Fürsten bzw. durch das Volk für Huguccio die Grundlage der Kaiserherrschaft, während die Krönung durch den Papst lediglich das nomen imperatoris hinzufüge265. Etwas ausführlicher noch erörtert er das Verhältnis von weltlicher und geistlicher Gewalt in seiner Glosse zu D. 96 c. 6, wobei er insbesondere seine Vorstellungen über die Bedeutung von Wahl und Weihe des Kaisers präzisiert266. Huguccio erklärt beide Gewalten für gottunmittelbar und weist die Behauptung zurück, der Kaiser empfange seine Gewalt (potestas gladii et imperium) vom Papst, indem er sowohl auf die grundsätzliche Trennung der beiden Gewalten nach Luk. 22, 38, auf den Umstand: ante erant imperatores quam summi pontifices, als auch auf eben jene Dekretstelle D. 93 c. 24 verweist und damit die Wahl durch die Fürsten und das Volk als herr-

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sequitur (imperator) in electione populi, quia populus ei et in eum omne ius et potestatem transfert. Vgl. auch KEMPF, Papsttum und Kaisertum, S. 214. Kempf unterscheidet weiter in gemäßigte Hierokraten und Dualisten, und versteht ohnehin Dualismus und Hierokratismus nur als die beiden Extremformen.Vgl. KEMPF, Zur politischen Lehre, S. 305 f. Huguccio zu D. 93 c. 24 ad. v. „quomodo“: Id est, sicut imperatorem eligit quidem populus imperatorem, et credo quod ex electione populi et principum sit imperator, licet non sic appelletur, antequam accipiat coronam a papa. (vgl. KEMPF, Papsttum und Kaisertum, S. 214 Anm. 53). Huguccio zu D. 96 c. 6 in: STICKLER, Schwerterbegriff, S. 210 f.: ... Hinc aperte colligitur quod utraque potestas, scil. apostolica et imperialis, sit a Deo et quod neutra pendeat ex altera et quod imperator gladium non habeat ab apostolico, ar. hic et infra eod. In scripturis, Duo, Si imperator (c. 8, 10, 11) et Di. 93 Legimus (c. 24) et 24 q. 4 Quaesitum (c. 45). Ar. contra 22 Di. c. 1 et Di. 63. Tibi domino, In synodo (c. 33, 23), et 15 q. 6 Alius, Nos sanctorum, Iuratos (c. 3, 4, 5) et 1 q. 4. Quia praesulalus (c. 5), et infra eod. Duo (c. 10), et Di. 21 Quamvis (c. 3). Ex his omnibus contrariis introductis colligi videtur, quod imperator potestatem gladii et imperium habeat ab apostolico et quod eum faciet imperatorem papa et quod posset eum deponere. Ego autem credo, quod imperator potestatem gladii et dignitatem imperialem habet non ab apostolico, sed a principibus et populo per electionem, ut di. 93 Legimus (c. 24). Ante enim fuit imperator quam papa, ante imperium quam papatus. Item in figura hujus rei, quod discretae et diversae sint illae duae potestates, scil. imperialis et apostolica, dictum fuit: ecce duo gladii. Si ergo alicubi inveniatur et innuatur, quod imperator habet potestatem gladii a papa, sic intelligo, i. e. unctionem et confirmationem, quam a papa accipit et jurat ei fidelitatem. Ante quidem imperator est quoad dignitatem, sed non quoad unctionem, licet ante non dicatur imperator; et ante habet potestatem gladii et eam exercet. Vgl. HUGELMANN, Kaiserweihe, S. 22 f.

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schaftskonstituierend erachtet. Die Bedeutung der päpstlichen Salbung und confirmatio bestehe nur in der Verleihung des nomen imperatoris, während der Kaiser bereits nach der Wahl die potestas gladii besitze und sie auch rechtmäßig ausüben dürfe. Nach dieser Glosse werden also potestas gladii und exercitium gladii dem Kaiser durch die Wahl des Volkes verliehen. Ähnlich äußerte sich Johannes Teutonicus in seiner um 1215 verfassten Glossa ordinaria zu D. 93 c. 24267. Allein durch die Wahl der Fürsten und schon vor der päpstlichen confirmatio sei der Kaiser verus imperator. Es fällt auf, dass in den Augen der Kanonisten die Wahl des Kaisers durch die Fürsten bzw. das Volk ein Argument für die Gottunmittelbarkeit des Kaisers darstellt und nicht etwa als mittelbar göttliche Einsetzung angesehen wurde, bei der eben nicht der Papst, sondern das Volk als mediator fungierte. Das Volk war in der durch die Schwerterlehre vorgegebene Fragestellung Num imperator habeat gladium a papa nicht als Akteur vorgesehen. Entweder hatte der Kaiser seine Gewalt / das Schwert unmittelbar von Gott oder durch päpstliche Vermittlung. Jedes Argument, das gegen eine päpstliche Verleihung angeführt wurde (wie die Wahl durch das Volk) war somit automatisch ein Argument für die Gottunmittelbarkeit des Kaisers 268 . Nur in wenigen Ausnahmefällen präzisierten die Kirchenrechtler dabei das Verhältnis von Gott und Volk, wobei sie sich eng an der legistischen Lehre orientierten. Laurentius Hispanus269 glossierte zu c. 1 Comp. III. de translat. episc. I, 5 (= c. 1 X I 7) ad. v. „privilegio“, der göttliche Ursprung der weltlichen Gewalt, wie er etwa in den Novellen Justinians und in D. 96 c. 6 bezeugt sei, stehe einer Vergabe der Kaiserherrschaft durch das Volk, wie sie in den Institiutionen (lex regia) verkündet werde, nicht entgegen. Denn Gott habe die weltliche Gewalt an sich (das imperium bzw. die iurisdictio in se inspecta) geschaffen, das Volk aber bestimme den Träger dieser Gewalt, d. h. Gott macht das Imperium, das Volk den Imperator, genau wie das Papsttum als Institution von Gott stamme, 267

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Glossa ordinaria zu D. 93 c. 24 (legimus): Ex sola enim electione Principum dico eum verum Imperatorem, antequam a papa confirmetur. Arg. hic licet non ita appelletur, ut dixi 63 dist. c. quanto. Der folgende Satz: contrarium est verum. extra de elect. Venerabilem, 23 dist. c. in nomine ist eine nachträgliche Ergänzung, die nicht von Johannes Teutonicus stammt und vermutlich auf Bartholomaeus Brixiensis zurückzuführen ist. Vgl. HUGELMANN, Kaiserweihe, S. 19 f. Raymund de Penafort, Summa iuris 1. 11, ed. José Rius Serra, S. 40: Sed numquid immediate an mediate habet imperator imperium a Deo? Quidam dicunt quod immediate. Pro eis est: X di. Quoniam, XCVI Cum ad verum et Authent preallegata: Quando oporteat episcopus; XCIII di. Legimus, vers. exercitus sibi faciat imperatorem. Alii dicunt quibus assentio quod mediate: papa enim habet a Domino utrumque gladium. Die Zuordnung der Glosse zu Laurentius Hispanus durch GILLMANN, Apparat, S. 22 f.; DERS., Tankred, bes. S. 221 f. Zuordnung der Glosse zu Silvester Hispanus durch POST, unpublished glosses, bes. S. 414 f.

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die Kardinäle aber durch ihre Wahl nur die Person bestimmen, die die auf Gott zurückgehende Gewalt ausüben darf270. In den juristischen Termini der Zeit ausgedrückt heißt dies: Die iurisdictio (was bei Laurentius sowohl für die Herrschergewalt an sich als auch für die konkrete Institution von Kaisertum oder Papsttum steht) stammt von Gott und wird von Gott an den Papst bzw. Kaiser verliehen (a deo data), die Kardinäle bzw. das Volk bestimmen den Träger dieser Gewalt und verleihen ihm die executio iurisdictionis, also das Recht sie auszuüben271. Laurentius begegnet der Frage nach dem Verhältnis von göttlichem und menschlichem Wirken bei der Konstituierung von Herrschaft also mit der juristischen Differenzierung in Gewalt (iurisdictio, potestas, auctoritas, gladius, etc. 272 ) und Ausübung der Gewalt 273 (ius executionis, usus gladii, executio iurisdictionis, etc.) und scheint damit ein nicht unerhebliches Problem umgehen zu können. Denn nach dem Grundsatz, dass man nur verleihen könne, was man selber auch besitzt, wäre bei einer Verleihung der Herrschergewalt (iurisdictio) durch das Volk zu erklären, wie das Volk in den Besitz der von Gott stammenden Gewalt gelangt sei274. Oder um im Bild der Schwertersymbolik zu bleiben: Man müsste annehmen, dass Gott das Schwert (die Gewalt, etc.) zunächst an das Volk verleihe, bevor es vom Volk an den Herrscher weitergegeben wird. Die Laurentiusglosse war nach Ansicht Franz Gillmanns von Tancred in seinen Dekretalenapparat übernommen worden. Der Bologneser Kanonist hat sie aber nicht nur verkürzt, wie Gillmann meinte, sondern auch in ihrer Aussage entscheidend verändert. Denn bei Tancred heißt es, die iurisdictio des Papstes unterscheide sich von der iurisdictio des Kaisers dahingehend, dass diese von Gott, jene vom Volk ausgehe275, während in der ursprünglichen 270 271

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Vgl. KEMPF, Papsttum und Kaisertum, S. 245. Glosse zu c. 1 Comp. III. de transl. ep. I 5 ad v. „privilegio“: Idem in imperio. Nam utrumque a Deo processit, ut auth. Quomo. opor. ep. in princ. coll. I (= Nov. 6), et D XCVI Cum ad verum. Set contra instit de iure na. § Set quod principi. Set dic quod aliud est ipsa iurisdictio in se inspecta que a Deo processit, et aliud quod ipsius iurisdictionis executionem consequatur aliquis per populum, ut ibi dicitur; et ita exaudi quod dicitur XCIII Legimus; nam populus per electionem facit imperatorem, set non imperium, sicut cardinales per electionem proferunt aliquem sibi ad iurisdictionem, que a Deo data est, exercendam. Vgl. KEMPF, Papsttum und Kaisertum, S. 244 f. Vgl. etwa Accursius, Glossa in Digestum vetus, S. 17, zu D. 1. 4. 1 ad v. „potestatem“: id est iurisdictionem. Wobei hier streng genommen nicht der Akt des Ausübens, sondern das Ausübungsrecht gemeint ist. Freilich wird das Problem letztlich nur auf die Ebene des usus gladii verlagert. KEMPF, Papsttum und Kaisertum, S. 245. In hoc differt imperium quoad iurisdictionem a papatu, quia imperator a populo habet iurisdictionem, in Inst. de iure naturali § „Set quod principi“ (§ 6 I, 1, 2), licet dicatur in aut. Quomodo oporteat episcopos quod ab

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Glosse die Parallelisierung von kaiserlicher und päpstlicher iurisdictio ohne diese Einschränkung versehen war, ja ausdrücklich beide von Gott abgeleitet wurden. Im Gegensatz zu den Dualisten schrieben die Hierokraten allein dem Papst die Verleihung der potestas et executio gladii an den Kaiser zu276. Dabei schien ihnen durchaus bewusst zu sein, dass ihre Position nicht unbedingt auf einer besseren theoretischen Basis stand, sondern letztlich eine Frage der Rechtgläubigkeit war. Der Verfasser der Summa Bambergensis konstatierte denn auch, dass die von ihm vertretene (hierokratische) Position im Grunde auf theoretischer Ebene nicht befriedigend bewiesen werden könne und man daher einfach aus Gründen der Frömmigkeit glauben müsse, dass der Kaiser sein Schwert vom Papst empfange277. Und Alanus Anglicus verkündete eindringlich, es sei eben schlicht die Wahrheit und katholischer Glaube, dass der Kaiser sein Schwert vom Papst empfange, da beide Schwerter im Besitz des Papstes seien278. Trotz intensiver Quellenstudien, die durch die mangelhafte Editionslage noch immer erheblich erschwert werden, ist es der modernen Forschung bis heute nicht gelungen, die Positionen einzelner Glossatoren in der Frage nach mittelbarer oder unmittelbarer göttlicher Einsetzung des Kaisers und der Rolle von Papst und Fürsten gänzlich zu erhellen. Eine gesicherte Zuordnung einzelner Glossen oder in ihr enthaltener Argumente zu bestimmten Autoren ist oft schwierig, da die Glossenwerke häufig überarbeitet wurden und dabei gekürzt, verändert, mit falschen Siglen oder durch Zusätze wie ein sed contrarium est verum am Ende der Glosse versehen wurden, die die Meinung des ursprünglichen Glossators häufig verschleiern. Aber selbst bei anscheinend gesicherten Zuordnungen treten oftmals Widersprüche innerhalb eines

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eodem principio sunt (Nov. 6 princ.), set ecclesia Romana nullis synodis statutis, set voce Domini prelata est, ut hic et XXI D. „Quamvis“ (c. 3). Laurentius. Vgl. Summa Imperatorie maiestati (S. Monacensis) zu D. 22 c. 1 ad. v. „terreni“, ed. STICKLER, Imperator vicarius Papae, S. 202 Anm. 69: Solutio: Dicimus quod apostolicus habet gladium materialem et spiritualem, set aliter et aliter; spiritualem auctoritate et usu, materialem tantum auctoritate, qui, quando inungitur imperator, datur ei ab apostolico potestas et executio gladii materialis; weitere Beispiele bei KEMPF, Papsttum und Kaisertum, S. 206 f. Anm. 34 und S. 211 Anm 44. Summa Bambergensis zu D. 96 c. 6 ad v. „Cum ad verum“, ed. STICKLER, Imperator vicarius Papae, S. 204 Anm. 69: Questio ista iudicem non habet, set solum executorem; tamen pium est credere, quod imperator gladium habeat a papa. Alanus Anglicus in seiner zweiten Redaktion der Glosse zu D. 96 c. 6 ad v. „cursu“, ed. STICKLER, Alanus Anglicus, S. 362: Set veritas est et fides catholica quod pape subest quoad spiritualia et etiam gladium suum habet ab eo, quia ius utriusque gladii est apud papam.

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Werkes auf, die von der Forschung nur schwer hingenommen werden können. Denn dass sich etwa ein Huguccio – unbestritten einer der bedeutendsten Kirchenrechtler des ausgehenden 12. Jahrhunderts, zu dessen Schülern bekanntlich auch Lothar von Segni, der spätere Papst Innozenz III., gehörte – ausgerechnet in einer so wichtigen Thematik wie der Schwerterlehre, die ein wesentlicher Baustein in der Frage des Verhältnisses von imperium und sacerdotium war, in Widersprüche verwickelte, galt als äußerst unwahrscheinlich. Aber das Urteil, das Teile der Forschung über ihn sprachen und das ihn – nicht zuletzt aufgrund der obigen Glosse D 63 c. 22, in der er die potestas gladii ebenso wie das ius exercitium dem Papst zugesprochen hatte279 – ins Lager der Hierokraten verwies, konnte angesichts der Glossen zu D. 93 c. 24 und D. 96 c. 6, in der dem Kaiser die potestas et executio gladii durch die Wahl der Fürsten verliehen wurde, kaum noch aufrecht erhalten werden. Der kürzlich verstorbene Alfons M. Stickler versuchte in zahlreichen Arbeiten nachzuweisen, dass in der frühen Dekretistik zwei unterschiedliche Begriffsinterperetationen bezüglich des gladius materialis existierten, die allmählich miteinander verschmolzen. Man müsse unterscheiden zwischen dem Kaiser, der einmal wie jeder Fürst und König im Besitz des gladius materialis sei, dass ihm unmittelbar von Gott (d. h. durch die Wahl der Fürsten) verliehen wurde, und dem Kaiser in seiner Funktion als advocatus ecclesiae, der den gladius materialis der Kirche bzw. des Papstes führe, den dieser selber nicht schwingen durfte. Gratian (und vor ihm auch schon Papst Gregor VII. und Bernhard von Clairvaux) hätten stets nur im letzteren Sinn vom gladius materialis gesprochen. Huguccio aber habe auch das rein weltliche, in antik römischer Tradition stehende Kaisertum (lex regia, Heerkaisertum) in seine Überlegungen mit eingeschlossen und – sehr zum Bedauern von Stickler – nicht eindeutig vom kirchlichen Kaisertum geschieden280. Die Trennung einerseits in ein weltliches Kaisertum, das in seiner mittelalterlichen Form auf der Fürstenwahl beruhte, und andererseits in ein kirchliches Kaisertum281, das seine Gewalt vom Papst empfing, hätten die Kanonisten im frühen 13. Jahrhundert endgültig aufgegeben bzw. vergessen, wodurch es zu einem Durcheinander der unterschiedlichen Traditionsströme gekommen sei,

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Anm. 256. Vgl. STICKLER, Schwerterbegriff, passim; KEMPF, Papsttum und Kaisertum, S. 202 f. Zu den verschiedenen Imperiumsbegriffen etwa bei Laurentius Hispanus vgl. KEMPF, Papsttum und Kaisertum, S. 241 ff.; STICKLER, Imperator vicarius Papae, S. 208 f.

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was wiederum zu einer terminologischen Verwirrung bezüglich des Schwerterbegriffs geführt habe282. Mochten die Kritiker Sticklers auch z. T. gewich282

STICKLER, Alanus Anglicus, S. 403. Kritiker wie Hartmut HOFFMANN, Schwerter, warfen Stickler vor, diese Unterscheidung in ein weltliches und ein kirchliches Kaisertum hätte von den frühen Dekretisten niemals getroffen werden können, da es der „geistigen Situation des Hochmittelalters“ widerspräche, ein rein weltliches Kaisertum bzw. eine weltliche Gewalt anzunehmen, die ihr Schwert führe, „ohne dass der Seelsorger sich irgendwie darum kümmert; und wo eine Gerechtigkeit zu verwirklichen ist, die mit der himmlischen Gerechtigkeit unmittelbar nichts zu tun hat“. Die von HOFFMANN behauptete „geistige Situation des Hochmittelalters“ ist jedoch zu hinterfragen. Wie gesehen, hatten die Symbolisten versucht, eine prinzipielle Trennung der Gewalten und ihrer Zuständigkeitsbereiche zu propagieren, eine Trennung von weltlicher und geistlicher Gewalt, die im 12. Jahrhundert noch nicht mit einer Trennung von Staat und Kirche gleichgesetzt werden sollte, zumindest aber als deren gedanklicher Vorläufer angesehen werden kann. Freilich hatten die Symbolisten versucht, diese Trennung in eine die Einheit der ecclesia bewahrende Ordnung mit dem Papst an der Spitze zu integrieren, was aber meist nur unzureichend gelang und ihnen im Urteil der Forschung häufig den Makel der Inkonsistenz einbrachte. Vor allem aber hatte die Ansicht von der Kontinuität des mittelalterlichen Kaisertums mit dem antiken, vom Papst unabhängigen Imperium durch die Beschäftigung mit dem römischen Recht zu Beginn des 12. Jahrhunderts einen enormen Aufschwung erfahren, ja es galt doch gerade als eine der größten Leistungen des römischen Rechts (in herrschaftstheoretischer Hinsicht), dem Kaisertum eine von Papst und Kirche unabhängige, gleichsam säkulare Legitimation zu verschaffen, wie es Walter Ullmann, den Hoffmann mit seiner Kritik an Stickler und Kempf zu verteidigen gedachte, hervorgehoben hatte. Natürlich: Die Tatsache, dass jeder christliche Herrscher seine Gewalt / sein Schwert in den Dienst des christlichen Glaubens und damit der Kirche stellen sollte, verstellte den Blick auf die von vielen Gelehrten des 12. und 13. Jahrhunderts vertretene prinzipielle Unabhängigkeit der weltlichen Gewalt und ist auch in den Augen Sticklers ein wesentlicher Grund für die Verwechslung von kirchlichem und weltlichem Kaisertum. Mochte auch die Ansicht einer unabhängigen weltlichen/staatlichen Sphäre erst mit der Aristotelesrezeption Ende des 13. Jahrhunderts allmählich zum Durchbruch gelangen, so war diese Entwicklung im 12. Jahrhundert zumindest so weit angebahnt, dass der Einwand Hoffmanns, es widerspräche völlig der „geistigen Situation des Hochmittelalters“, sich eine von Kirche und Papst unabhängige weltliche Gewalt vorzustellen, zwar nicht rundweg zurückzuweisen, in jedem Fall aber einzuschränken ist. Ein weiterer Kritikpunkt Hoffmanns an Sticklers These vom gladius materialis ecclesiae war, dass die von Stickler konstatierte Sprachverwirrung bezüglich des Schwerterbegriffs „im dinstinctionsfreudigen 12. Jahrhundert an sich schon unwahrscheinlich“ sei. Diesem Einwand ist jedoch nur teilweise zuzustimmen. Auch wenn man dem Erklärungsversuch Sticklers vom gladius materialis ecclesiae nicht folgen mag, so haben seine Arbeiten doch eindeutig gezeigt, dass gerade die Vielfalt der Distinktionen für die terminologische Unsicherheit der Kanonisten im frühen 13. Jahrhundert verantwortlich zu machen ist (Beispiele für die Begriffsverwirrung etwa bei KEMPF; außerdem: Distinktionen in executio, jurisdictio, etc. wurden selten einheitlich gehalten; vgl. Laurentius und die Wiedergabe seiner Glosse durch Tankred bei Kempf). Womit Hoffmann aber recht hat ist, dass es mehr als verwundert, dass weder Huguccio noch ein anderer der

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tige Argumente gegen die These vom gladius materialis ecclesiae anführen, eine eigene überzeugende Lösung für die ansonsten widersprüchlichen Aussagen Huguccios und anderer Kanonisten konnten sie nicht anbieten283. Sicher ist jedoch: Eine sorgfältige Unterscheidung in ein unmittelbar von Gott (was auch eine Wahl durch das Volk einschließt) an den Kaiser übertragenes weltliches Schwert und ein mittelbar von Gott durch den Papst übertragenes gladius materialis ecclesiae an den Kaiser in seiner Funktion als advocatus ecclesiae hätte ein Stück weit für Klarheit in der herrschaftstheoretischen Debatte sorgen können. Ob aber nun die Kanonisten des 12. und 13. Jahrhunderts zu dieser Unterscheidung entweder nicht fähig waren, wie Hoffmann meint, oder diese Unterscheidung anfänglich noch getroffen wurde, dann aber verloren ging, was Stickler behauptet, in jedem Fall wird deutlich, dass die Dekretisten (ebenso wie auch die Dekretalisten) kein in sich geschlossenes und widerspruchsfreies Modell anbieten konnten, das die verschiedenen Traditionsströme einer theokratischen, papalistischen und populistischen Kon-

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frühen Dekretisten, die ansonsten hinsichtlich des Schwerterbegriffs so ziemlich jeden Aspekt distinguierten (etwa exercitum quoad praeceptum etc.), gerade die von Stickler vermutete Unterscheidung in ein kirchliches und ein weltliches Kaisertum nicht deutlich herausgearbeitet haben. Es ist daher zu vermuten, dass sich Huguccio selbst dieser unterschiedlichen Traditionsströme nicht deutlich genug bewusst war. Stickler möchte das nicht glauben, deutet die Möglichkeit aber zumindest an. Darüber hinaus machte Hoffmann gegenüber Stickler geltend, dass dessen Unterscheidung in ein gladius materialis, also die weltliche Gewalt einerseits, und ein gladius materialis ecclesiae, die kirchliche Zwangsgewalt andererseits, im Grunde – nimmt man noch das gladius spiritualis hinzu – auf eine Dreischwerterlehre hinauslaufe. Tatsächlich aber dürfte der Vorwurf Hoffmanns auf seiner Fehlinterpretation der These Sticklers beruhen, denn was uns dieser mit seiner Theorie anbietet war, dass der Papst bzw. die Kirche ebenso wie jeder andere weltliche Herrscher auch im Besitz eines gladius materialis, also einer irdischen Zwangs- und Blutgewalt war. Hoffmann selbst gibt im Grunde die richtige Antwort, wenn er sagt, der gladius materialis sei ein Oberbegriff, der sich zu den einzelnen iura gladii wie species zu genus verhalte. Hoffmann allerdings, der ja für das Hochmittelalter die Vorstellung einer von der Kirche unabhängigien weltlichen Gewalt ablehnt, versteht unter dem Oberbegriff gladius materialis die Gewalt, die im Grunde alle Fürsten von der Kirche erhalten und in ihrem Auftrag führen. Sieht man aber im Oberbegriff gladius materialis jene prinzipiell von der Kirche unabhängige Zwangsgewalt, so bedeutet dies, dass ebenso wie der französische König, der spanische König, der Kaiser (als König) und jeder andere Fürst ein gladius materialis besitzt, so auch der Papst, dem eben, und das macht seine Sonderstellung aus, beide Schwerter (das geistliche/spirituale und das weltliche/materielle) nach Luk. 22, 38 zustehen, wobei er seinen gladius materialis aber nicht selber führen darf und daher dem Vogt der Kirche, also dem Kaiser, zur Ausübung anvertraut. HOFFMANN, Schwerter, deutet die gesamte kanonistische Entwicklung wie Walter Ullmann im hierokratischen Sinne und ignoriert die von Stickler aufgeworfenen Probleme konsequent.

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stituierung mittelalterlicher Kaiserherrschaft vereinte 284 . Das Problem war, und das zeigen die Arbeiten Sticklers wie auch die seiner Kritiker, dass die Schwerterallegorie letztlich nicht geeignet war, die Komplexität einer Unterscheidung von kirchlichem (vom Papst verliehenen) und weltlichem (vom Volk bzw. Gott verliehenen) Kaisertum und die damit verbundenen Distinktionen bezüglich des gladius materialis adäquat zu erfassen. In der kanonistischen Debatte des frühen 13. Jahrhunderts überwog insgesamt die hierokratische Position. Die Vorstellung einer Kaisererhebung durch das Volk bzw. das Heer, wie sie in der lex regia bzw. in D. 93 c. 24 verankert ist, wurde in der Kanonistik in Form der Kaiserwahllehre übernommen, die seit dem Ende des 12. Jahrhunderts immer stärker den formalen Kriterien der kanonischen Wahl unterworfen wurde. Dass die Wahl des weltlichen Herrschers mit der Wahl kirchlicher Würdenträger in Verbindung gebracht wird, war nicht neu. Abbo von Fleury hatte bereits im 10. Jahrhundert deutliche Parallelen zwischen der Wahl eines Königs oder Kaisers durch die Getreuen des Reiches, des Bischofs durch Klerus und Volk und des Abtes durch die klösterliche Gemeinschaft gezogen285. Auch Gratian hatte wie bereits angesprochen die Erhebung des Kaisers durch das Heer in Zusammenhang mit seinen Ausführungen über die Bischofswahl angeführt. Die Dekretisten erörterten insbesondere in ihren Glossen zu D. 63 c. 10 das kanonische Wahlverfahren und schlugen immer wieder eine Brücke zwischen Bischofs- und Kaiserwahl (bisweilen sogar zwischen Papst- und Kaiserwahl). Dies hatte zur Folge, dass neben der Wahl einerseits und der Weihe / Salbung / Krönung andererseits auch die päpstliche Wahlbestätigung (confirmatio) ins Blickfeld der herrschaftstheoretischen Diskussion geriet286. Um die Bedeutung der einzelnen Akte electio – confirmatio – coronatio wurde unter den Kanonisten wiederum heftig gerungen. Huguccio erklärte zu D. 63 c. 10287, der Klerus habe bei der Bischofswahl die gleichen Rechte wie die Fürsten bei der Wahl des Kaisers. Der Bischof besitze aufgrund der Wahl seine Amtsgewalt (potestas iurisdictionis 288 ), bedürfe aber – hier endet die Parallelisierung zwischen Bischofs- und Kaiserwahl – zu deren rechtmäßiger Ausübung (executio) die päpstliche Bestätigung (confirmatio). Der Kaiser hingegen be284 285 286 287

288

Vgl. STICKLER, Imperator vicarius Papae, S. 208. Vgl. Anm. 146. Vgl. dazu UNVERHAU. Huguccio zu D. 63 c. 10 ad v. „subscripta relatio“ ( HUGELMANN, Kaiserweihe, S. 24): Praeterea quis esset adeo stultus, qui diceret non esset clericorum sibi facere praelatum et pastorem, sicut principes imperatorem, licet postea confirmatur a papa, ut dicitur 93 legimus. Vgl. auch KEMPF, Papsttum und Kaisertum, S. 113; Mochi Onory, Fonti canonistiche dell‟ idea moderno dello stato (= Publicazioni della Università Cattolica del Sacro Cuore 38), S. 151, Anm. 1. Vgl. KEMPF, Papsttum und Kaisertum, S. 108.

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saß in den Augen Huguccios direkt nach der Wahl potestas und executio des gladius materialis, die confirmatio hingegen werde mit der Salbung/Krönung erteilt und verleihe nur das nomen imperatoris, besaß also keine rechtserhebliche Bedeutung289. Auch Johannes Teutonicus setzte in seiner Glosse zu D. 63 c. 10 die Wahl von kirchlichen Würdenträgern mit der Kaiserwahl in Beziehung290. So wie der Kaiser durch die Wahl der Fürsten, so empfange auch der Bischof seine Gewalt (ius administrandi) durch die Wahl des Klerus. Aber erst die päpstliche confirmatio ermögliche dem Bischof die rechtmäßige Ausübung (executio) der durch die Wahl verliehenen Rechte. Der Wortlaut dieser Glosse lässt zwar nicht klar erkennen, ob Johannes Teutonicus die Bedeutung der confirmatio, die ihr im Prozess der Erhebung kirchlicher Würdenträger zukommt, auch auf die Kaisererhebung übertragen wissen möchte, doch anhand seiner Glosse zu D. 93 c. 24291 wird deutlich, dass Johannes Teutonicus noch zur Ansicht Huguccios tendierte und die confirmatio als Voraussetzung zur rechtmäßigen Ausübung der kaiserlichen Rechte ablehnte. Andere Kanonisten aber orientierten die Kaiserwahl enger am kirchlichen Vorbild und übernahmen damit auch die Bedeutung der confirmatio als Voraussetzung zur rechtmäßigen executio. Die päpstliche Wahlbestätigung wandelte sich somit langsam von einer rechtsbekräftigenden zu einer rechtssetzenden Handlung 292 , womit es möglich geworden war, dem Papst entscheidenden Einfluss auf die Vergabe des Kaiserthrons zuzusprechen und gleichzeitig die Wahl des Kaisers durch das Volk bzw. die Fürsten prinzipiell anzuerkennen. Auch wenn der Kaiser durch die Fürsten gewählt wurde, so lag die endgültige Einsetzung des Kaisers letzten Endes doch in der Hand des Papstes, wie etwa Alanus Anglicus293 und die Glossa Palatina bemerkten294. 289 290

291 292 293

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Vgl. die Glosse zu D. 96 c. 6 in Anm.266. Vgl. FRIED S. 222. Glossa ordinaria zu D. 63 c. 10 [nach HUGELMANN, Kaiserweihe, S. 20 f.]: Sed tu dicas, quod per consensum eligentium jus est acquisitum electo: dum tamen ipse consentiat, vel consentire velit, ut extr. de ele. c. cum inter Canonicos. in fin. Jo. nec possunt post electionem variare: sed ante publicationem scrutinij possunt, ut extr. de elect c. publicato. B. Si quaeras, quale jus acquiritur electo per electionem? Dico quod jus praelaturae et jus administrandi: sed non exercitium praelaturae, vel administrationis. Per confirmationem enim nihil juris novi acquiritur: sed tantum exercitium extr. de rescr. c. pastoralis i. fi. 16q. 1 D. ecce. electio enim facit Imperatorem, ut. 93d. c. legimus. Anm. 267. So KEMPF, Papsttum und Kaisertum, S. 246. Alanus zu D. 96 c. 6 [nach FRIED S. 223]: Habet ergo [sc. imperator] gladium a papa. Papa tamen sibi non tribuit set eligentes. Set quilibet episcopus habet episcopatum a papa, set tamen papa non tribuit set canonica clericorum electio. Vgl. auch TIERNEY, Middle Ages, S. 230 f. STICKLER, Sacerdotium et regnum, S. 588: Solutio. Uterque gladius Petro fuit concessus, non autem executio utriusque, sicut video in episcopo quod res ecclesie potest allis tradere, set non retinere, XII q. 2 „Quattuor“ (c. 27). Non obstat illud: „quomodo ex-

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Aber auch wenn die hierokratische Position in der Kanonistik im Verlauf des 13. Jahrhunderts gegenüber der dualistischen Richtung die Oberhand gewann, so blieb dualistisches Gedankengut weiterhin präsent. Die Forschung schwankt selbst bei einer die Kanonistik des 13. Jahrhunderts so prägenden Gestalt wie dem Hostiensis († 1271) in ihrem Urteil, ihn dem hierokratischen oder dualistischen Lager zuzuordnen 295, ein Schicksal, das er mit anderen bedeutenden Gestalten der Kanonistik des 13. Jahrhunderts teilt.

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ercitus“ (D. 93 c. 24), ibi in contrario, quia sic innuitur quod sit confirmanda sicut clericorum. Vgl. KEMPF, Papsttum und Kaisertum, S. 250. Die päpstliche confirmatio erfuhr aber nicht nur einen Bedeutungswandel im Prozess der Kaisererhebung, sie wurde auch nach dem Vorbild der Bischofserhebung zu einem eigenen, von Krönung und Weihe unabhängigen Akt. Für Huguccio und andere Kanonisten war die confirmatio noch in der Krönung und Weihe gleichsam mit enthalten [Vgl. die Zusammenstellung einiger Glossen bei FRIED S. 226 Anm. 203], und auch Innozenz IV. hatte sich noch in diese Richtung geäußert (Vgl. Innocentius IV., Apparatus fol. 65va, Randnr. 1, s. v. „et coronamus“: et est ratio, quia in unctione et in consecratione fit manus imposito, quae non debet fieri sine inquisitione, supra eodem, Cum nobis (=X 1. 6. 19), et in coronacione tribuitur confirmacio, ut hic, et ea sine examinacione fieri non debet, supra eodem, Cum dilecti (= X 1. 6. 32). (zitiert nach Politische Schriften des Lupold von Bebenburg [= MGH Staatsschriften des späten Mittelalters 4], edd. MIETHKE/FLÜELER, Einleitung S. 67). Doch schon allein aus praktischen Gründen musste die päpstliche Wahlbestätigung, von der ja nach neuem Verständnis die rechtmäßige Ausübung der kaiserlichen Rechte abhing, von der Weihe und Krönung getrennt werden, denn es konnten erfahrungsgemäß Monate oder gar Jahre vergehen, bis der gewählte Kaiser seinen Zug nach Rom antreten konnte (vgl. die Erklärung Kardinals Hugo von S. Sabina zur Erhebung Wilhelms von Holland 1252, MGH Const. 2, S. 631 f. Nr. 459, bes. S. 631, Z. 25-28: Licet excellentissimus dominus W. Romanorum rex semper augustus olim fuisset a principibus quorum intererat legitime in regem electus, a summo pontifice, ad quem pertinet ipsius electionis confirmacio, confirmatus et in Aquis in regem solempniter consecratus et regali diademate coronatus ... zitiert nach MIETHKE/FLÜELER, Einleitung S. 68). Der Hostiensis widersprach schließlich offen der Meinung seines Lehrers (Hostiensis, Lectura fol. 60ra, Randnr. 9: ... et in coronatione tribuitur confirmatio, secundum dominum nostrum, sed non possumus istud comprehendere ex hoc textu. zitiert nach MIETHKE/FLÜELER, Einleitung S. 69). RIVERA DAMAS deutet Hostiensis rein dualistisch, ULLMANN, Medieval Papalism, rein hierokratisch. Zweifel an der hierokratischen Einstellung rufen etwa Passagen hervor, in denen der Hostiensis die Wahl des Volkes als Übertragung der iurisdictio an den Kaiser wertet: Vgl. die bei BLOCH S. 170 Anm. 3 aufgeführte Glosse „de iure“: Hec iura probant, quod imperator a populo eligitur et habet iurisdictionem. Alibi tamen dicitur quod deus misit ipsum legem animatam in terris, ut in auth. de consulibus. Unde sacerdotium et imperium ad eodem principio scilicet deo processerunt [...] et ideo non multum differunt scilicet quoad principium [vgl. auch HUGELMANN, Kaiserweihe, S. 35 Anm. 1]. Ebenso Hostiensis zu c. 1 X I 7 ad. v. „privilegio“ [nach HUGELMANN, Kaiserweihe, S. 35 Anm. 1]: (Die ecclesia sei von Christus gegründet,) imperium autem a populo Romano vires sumpsit Inst. de jure na. D. sed quod principi. ff. de orig. jur. 1. II § quia difficile plebs et sequ. C. de re. im. enu. 1. 1 § hoc etiam nihilominus ver. cum

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Aber nicht nur auf juristischer, auch auf historischer Argumentationsebene versuchte die päpstliche Seite, die Wahl des Kaisers durch die Fürsten maßgeblich unter ihre Oberhoheit zu bringen296. Eine entscheidende Stütze fand

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enim et 1. 11 antepe.; (largo tamen modo könne jede potestas auf Gott zurückgeführt werden). Unhierokratisch auch Comm. in Decr. IV, 17, 7 (ed. Venet. 1581 vol. IV fol. 36r, zitiert nach KEMPF, Papsttum und Kaisertum, S. 251 bzw. STICKLER, Concerning, S. 459 Anm. 15) ad. v. „attendentes“: ... Alanus et T. contra et dicunt quod, licet imperium a Deo processerit, tamen executionem gladii habet imperator ab ecclesia ... Hoc amplector, dico tamen quod papa non habet se intromittere de temporalibus in alterius preiudicium ... Sed imperator indistincte se intromittit, qui a Deo sibi est immediate commissum; Comm. in Decr. IV, 17, 13 (fol. 39r) ad v. „casualiter“: ... quasi dicat: imperator preest omnibus temporalibus immediate et a Deo hoc constitutum est ... Tamen et in his subest pape in casibus, et persona sua immediate Deo et pape nihilominus ... Sed et, quamvis persona imperatoris subsit pape et temporalia per quandam cconsequentiam, tamen imperator magis potest in temporalibus, que a Deo immediate tenet, ut supra dictum est, et ideo, dummodo caveat a peccato, de ipsis potest disponere, prout placet. Nicht nur die moderne Forschung, auch die Kanonisten des 14. Jahrhunderts fällten über den Hostiensis anhand ein und derselben Passage nahezu gegensätzliche Urteile, wie WATT S. 283 zeigen konnte. Die Unterschiede werden aber vor allem zwischen dem Dekretalenkommentar und der Summa des Hostiensis deutlich, die WATT dahingehend erklärt, dass die hierokratische Interpretation eher in theoretisch ausgerichteten Werken vertreten werde, während dualistische Interpretationen mit Blick auf praktische Erwägungen formuliert würden. Vgl. auch WALTHER, Imperiales Königtum, S. 65 Anm. 4. Im Zentrum der historischen Argumentation standen die Frage nach der Entstehung des Kurfürstenkollegs (Kurfürstenfabel) und die Ereignisse, die zu Weihnachten des Jahres 800 zur Kaiserkrönung Karls des Großen geführt hatten und die Frage, wer damals das Heft des Handelns de jure wie auch de facto in Händen gehalten hatte. Die eine, vorwiegend von kaiserlicher/legistischer Seite vertretene Deutung sah in der Akklamation des Volkes die konstituierende Handlung, während die kuriale Interpretation im Papst die zentrale Figur bei der Errichtung des abendländischen Kaisertums erblickte. Das Wahlrecht der deutschen Fürsten beruhe demzufolge auch auf einer päpstlichen Übertragung und könne ihnen, sollten sie ihrer Aufgabe nicht gerecht werden, vom Papst wieder entzogen werden, wie es in der berühmten Dekretale „Venerabilem“ (1202) Papst Innozenz III. hieß. Daneben wurde insbesondere die konstantinische Schenkung von kurialer Seite als Beginn des wahren, innerhalb der ecclesia befindlichen und vom Papst vergebenen Kaisertums gedeutet. Das heidnische, antik-römische Imperium fiel unter jene „Räuberbanden“, die nach Augustinus allenfalls von Gott geduldet, nicht aber von ihm eingesetzt würden. Die konstantinische Schenkung konnte freilich auch dahingehend interpretiert werden, dass die päpstliche Herrschaft auf einer kaiserlichen Schenkung beruhe, denn schließlich war es Konstantin, der Papst Silvester das Imperium übertrug um es anschließend aus den Händen des Papstes wieder zu empfangen. Die Kernfrage war jedoch, ob mit der konstantinischen Schenkung ein neues Kaisertum geschaffen worden war, oder ob die römische Tradition ungebrochen blieb. Wie gesehen hatte Honorius Augustodunensis in der Abfolge der auf Dan. c. 2 basierenden Weltreichslehre mit Konstantin das Ende des vierten und den Beginn des fünften Reiches gesehen, eine Interpretation, der im 14. Jahrhundert u. a. auch Tholomäus von

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die hierokratische Position letztlich aber v. a. in philosophisch-theologischen Überlegungen. Man griff auf den Gedanken der reductio ad unum zurück, der bereits von den Symbolisten in Anlehnung an die Hierarchienlehre des Pseudo Dionysius Areopagita entwickelt worden war. Bei der Konstruktion einer hierarchischen Ordnung mit monarchischer Spitze ist freilich immer der gedankliche Bezugsrahmen entscheidend. Hugo von St. Viktor hatte wie dargelegt den Hierarchiegedanken sowohl auf den ordo der Kleriker mit dem Papst an der Spitze, als auch auf den ordo der Laien mit dem Kaiser an der Spitze angewandt. Andere waren dieser Deutung gefolgt297. Sobald aber die beide Sphären und ordines umfassende ecclesia universalis bzw. die Christianitas als Rahmen genommen wurde, musste es auch zwischen Kaiser und Papst ein Verhältnis von Über- und Unterordnung geben, das mehr als den bloßen Würdevorrang ausdrückte. Der Pontifikat Innozenz‟ III. war in dieser Hisicht richtungsweisend. Wie sich Innozenz III. das Verhältnis von regnum/imperium und sacerdotium vorstellte, darüber hat die Forschung trotz intensiver Bemühungen noch immer keine allgemein akzeptierte Vorstellung entwickelt298. Die für die Beantwortung dieser Frage in erster Linie heranzuziehenden Bullen Venerabilem, Per venerabilem, und Novit bedienen sich zu sehr einer ausschmückenden Rhetorik299, als dass eindeutige, das allgemeine Verhältnis der beiden Gewalten klärende Schlussfolgerungen aus ihnen gezogen werden könnten. Nach Ansicht Hartmut Hoffmanns liebte Innozenz III. „die Halbtöne, die undurchsichtigen Formulierungen und war zu sehr Politiker, als dass er sein Denken in einem allseitig klaren System hätte preisgeben wollen“300. So waren nicht nur die moderne Forschung, sondern bereits die Zeitgenossen zur

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Lucca folgte. Die Legisten betonten hingegen die Kontinuität zwischen antikem und mittelalterlichen Kaisertum. Baldus de Ubaldis und Albericus de Rosciate († 1360) bezeichneten es als den entscheidenden Fehler der papalistischen Doktrin, diese Kontinuität zu leugnen und mit Konstantin ein neues Kaisertum anheben zu lassen (vgl. CANNING S. 34 f.). Der historische Wandel des Kaisertums, der durch die konstantinische Schenkung und die darauf basierenden Beziehungen zum Papsttum eingetreten war, wurde von legistischer Seite mithin als gering, von kurialistischer Seite jedoch als bedeutend eingestuft. So etwa William von Auvergne (William von Auxerre?), der in seinem 1231-35 niedergeschriebenen Werk Magisterium divinale sive sapientale ebenfalls die beispielhafte hierarchische Ordnung des Himmels sowohl auf die kirchliche als auch auf die weltlich-staatliche Organisation bezog. Vgl. LUSCOMBE S. 263. Vgl. dazu WALTHER, Das Reich in der politischen Theorie, bes. S. 36 mit Anm. 20. Aus der umfangreichen Literatur seien erwähnt: LAUFS; MOORE, Pope Innocent III; DERS., Pope Innocent III and his World. Vgl. MALECZEK S. 434 ff. HOFFMANN, Schwerter, S. 109 f.

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Interpretation dieser für die Kanonistik zentralen Dokumente aus der Feder Innozenz‟ III. und seiner Kanzlei gezwungen. Trotz dieser Unsicherheit sind die Leitmotive im Gedankengebäude Innozenz‟ III. erkennbar. Friedrich Kempf hat herausgearbeitet, dass die Idee der Christianitas, also die länderübergreifende Vereinigung aller Christen (populus Christianus) unter päpstlicher Führung, ein wesentlicher Baustein der Weltanschauung Innozenz‟ III. war. Die Idee der Christianitas war freilich nicht voraussetzungslos, sondern baute im wesentlichen auf der frühmittelalterlichen ecclesia universalis auf, in der die weltliche und geistliche Gewalt zwar funktional getrennt waren, aber doch am Auftrag der jeweils anderen partizipierten301. Die seit dem Zeitalter der Kirchenreform und des Investiturstreits eingetretenen Veränderungen hatten jedoch zu einer deutlicheren Trennung der beiden Sphären geführt und damit zu einem zunehmend von kirchlicher Kontrolle emanzipierten weltlichen Herrschaftsverständnis geführt. Dieser Entwicklung, an deren freilich noch fernem Ende die Trennung von Staat und Kirche stehen sollte, stand die seit Gregor VII. deutlich greifbare Vorstellung des päpstlichen Primats innerhalb der beide Sphären umfassenden Christianitas entgegen. Dieser Führungsanspruch gründete nicht zuletzt auf dem päpstlichen Christusvikariat, einer Vorstellung, die seit Innozenz III. in den Mittelpunkt päpstlichen Selbstverständnisses rückte. Nach dem Bibelwort Mt 16, 18 hatte Christus die ecclesia auf Petrus gegründet und diesen – so die päpstliche Interpretation – als seinen universalen Stellvertreter eingesetzt, während er die anderen Apostel nur in partem sollicitudinis302 berufen habe. Konnte damit der Papst als successor Petri seinen Primat und die damit einhergehende plenitudo potestatis innerhalb der Amtskirche gegenüber den anderen Bischöfen begründen, so weitete sich der aus dem Christusvikariat abgeleitete Führungsanspruch in Verbindung mit der Christianitasidee auf die gesamte Christenheit und damit auch auf die weltlichen Herrscher aus. Von da aus war es nur ein kleiner Schritt von der innerkirchlichen Vollgewalt des Papstes (plenitudo potestatis ecclesiasticae) zu einer plenitudo potestatis auch in temporalibus303, wie sie von Papst Innozenz IV. vertreten wurde. 301

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Man denke an die Formulierung im Mainzer Krönungsordo, in dem der König als Teilhaber am bischöflichen Amte bezeichnet wird (vgl. Anm. 415). Vgl. KEMPF, Christianitas, und SCHRAMM, Sacerdotium und Regnum. Vgl. KEMPF, Papsttum und Kaisertum, S. 282; TIERNEY, Foundations, S. 133. Ob Innozenz III. ihn bereits gegangen ist, wird von Teilen der Forschung mit guten Gründen bezweifelt. Tatsächlich scheint Innozenz III. das Konzept einer potestas indirecta in temporalibus vertreten zu haben. In seiner Dekretale „Novit“ verweist er darauf, dass der Papst nur ratione peccati in den Bereich weltlicher Jurisdiktion eingreifen dürfe, also nur dann, wenn der Tatbestand der Sünde erfüllt sei, wie im dieser Dekretale zugrunde liegenden Fall zwischen Philipp von Frankreich und Johann Ohneland, der an das päpstliche Gericht appelliert hatte. Der Bruch des von beiden

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Diese drei Aspekte – Christusvikariat, Christianitas und plenitudo potestatis – bildeten die Grundpfeiler des hierokratischen Gedankengebäudes, wie es von Alanus Anglicus sowohl in seinem Kommentar zum Dekret (1202), als auch in seinem Dekretalenkommentar entwickelt wurde304 und später von Aegidius Romanus und Papst Bonifaz VIII. zur Vollendung geführt werden sollte.

1.5. Zusammenfassung Der göttliche Ursprung weltlicher Gewalt ist ein zentraler Aspekt sakraler Herrschaftsvorstellungen. Lässt sich in der Spätantike noch ein transpersonales Verständnis von potestas nachweisen, so tritt diese Anschauung im frühen Mittelalter ganz hinter die Vorstellung einer persönlichen Einsetzung des Herrschaftsträgers durch Gott zurück. Es war allein der Wille Gottes, der hinter der Erhebung des Königs gesehen wurde, während der populus diesem göttlichen Willen in seiner Wahlhandlung lediglich Ausdruck verlieh. Die kirchliche Ausgestaltung der Königserhebung seit der Mitte des 8. Jahrhunderts und das gestiegene Selbstbewußtsein des fränkischen Episkopats ließ die Geistlichkeit zunehmend als exklusiven und unabdingbaren Verkünder des göttlichen Willens erscheinen. Dieser bereits im 9. Jahrhundert formulierte Anspruch wurde im frühen 12. Jahrhundert von den sogenannten Symbolisten aufgegriffen und bestimmte die seit dem Investiturstreit sich verschärfende theoretische Auseinandersetzung zwischen regnum und sacerdotium, die seit der Mitte des 12. Jahrhunderts maßgeblich von den aufkommenden Rechtswissenschaften geprägt wurde. Der im Grunde zu allen Zeiten anerkannte Würdevorrang der geistlichen Gewalt wandelte sich im hierokratischen Gedankengebäude zu einer politisch-juristisch definierten Überordnung gegenüber der weltlichen Gewalt, die sich nicht mehr nur in einer moralischen Beurteilung des Königs durch die Geistlichkeit ausdrückte, sondern in der Einund Absetzung des weltlichen Herrschers durch den Papst, der seinen

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Seiten beschworenen Friedens galt in den Augen des Papstes als eindeutige Sünde, die die Zuständigkeit des Papstes in dieser Angelegenheit rechtfertigtet. In „Per venerabilem“ erklärt Innozenz III., dass der Papst in gewissen Ausnahmefällen (casualiter), nämlich dann, wenn keine weltliche Instanz zuständig sei, auch in weltlichen Angelegenheiten die Jurisdition ausüben dürfe. Beide Einschränkungen, das ratione peccati wie auch das casualiter, sind letzten Endes dehnbare Prämissen für eine päpstliche Gewalt in temporalibus, eben jene von HOFFMANN angesprochenen Halbtöne, die Zeitgenossen und moderne Forschung vor entsprechende Probleme stellte. Vgl. Anm. 506.

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Suprematieanspruch sowohl in der sich ausbildenden Amtskirche als auch innerhalb der die Laien umfassenden Christianitas durchzusetzen bestrebt war. Die Zwei-Schwerterlehre – ursprünglich vom königlichen Kaplan Gottschalk von Aachen während des Investiturstreits zur Bekräftigung der Gottunmittelbarkeit Heinrichs IV. eingesetzt 305 – wurde in der Interpretation Bernhards von Clairvaux zur symbolischen Grundlage des hierokratischen Gewaltenverständnisses. Der Papst war demnach im Besitz beider Schwerter, führte jedoch das weltliche Schwert nicht selbst, sondern delegierte es an die weltlichen Herrscher. Die pseudo-dionysische Hierarchienlehre lieferte zudem eine theoretisch hinreichende Begründung für eine päpstliche Vermittlung der von Gott stammenden Gewalt an den Herrscher. Diesem päpstlichen Machtanspruch stand auch nach dem Investiturstreit die Auffassung der königlichen Gottunmittelbarkeit entgegen. Die zentrale Frage des herrschaftstheoretischen Diskurses war, ob der Kaiser (bzw. König) seine Gewalt immediate a deo oder a deo mediante papa erhalte. Neben die traditionellen biblisch-patristischen Argumente traten seit dem 12. Jahrhundert auch das römische und kanonische Recht als Argumentefundus, aus dem heraus freilich beide Positionen begründet werden konnten. Die Juristen zerlegten den im frühen Mittelalter noch weitgehend einheitlichen Herrschaftsbegriff in zahlreiche Einzelaspekte und untersuchten, wer (Gott, Papst, Fürsten oder Volk) durch welchen Akt (Wahl, Krönung, confirmatio etc.), welches Recht (potestas gladii, usus gladii, etc.) an den Herrscher verlieh. Das Wirken des Volkes (Konstituierung des Kaisers durch das Heer, die Fürsten, lex regia, etc.) wurde dabei stets als Argument für die Gottunmittelbarkeit der weltlichen Gewalt und gegen deren Verleihung durch den Papst gewertet, nicht aber als eine Verleihung der Gewalt a deo mediante populo. Accursius wies in seiner Glosse darauf hin, dass die Übertragung der Herrschergewalt durch das Volk gemäß der lex regia als Widerspruch zum Axiom des göttlichen Ursprungs der kaiserlichen Gewalt aufgefasst werden könnte, behalf sich aber damit, dass er zwischen der von Gott stammenden Gewalt an sich (auctoritas) und dem vom Volk eingerichteten kaiserlichen Amt (ministerio) unterschied, wobei er aber das Handeln des Volkes in der lex regia letztlich auch wieder auf eine göttliche Anordnung zurückführte. Diese Glosse des Accursius sollte ebenso wegweisend werden wie die Unterscheidung des spanischen Kanonisten Laurentius Hispanus in imperium (was bei ihm sowohl die abstrakte Gewalt an sich, als auch das konkrete Imperium Romanum bedeutete) und imperator. Das Volk bestimme in der Wahl lediglich die Person des Kaisers, der die von Gott stammende Gewalt ausüben dürfe, ähnlich wie die Kardinäle den Papst be305

MGH Const. 1, Nr. 63, S. 111 ff. = Die Briefe Heinrichs IV. (= MGH Deutsches Mittelalter Bd. 1), ed. Erdmann, Ep. 13, S. 17 ff.

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stimmten, der seine Gewalt aber nicht von den Kardinälen, sondern unmittelbar von Gott empfange. Die juristische Debatte um die mittelbar oder unmittelbar göttliche Verleihung der weltlichen Gewalt war im 12. und 13. Jahrhundert von einer uneinheitlichen Terminologie gekennzeichnet. Waren die kanonistischen und legistischen Argumente auch primär auf das Verhältnis von Papst und Kaiser ausgerichtet, so konnten die herrschaftstheoretischen Überlegungen mitunter auch nach dem Grundsatz rex imperator in regno suo auf die königliche Herrschaft ausgeweitet werden. Das römische Recht besaß zudem mit dem Begriff des ius gentium und der dazugehörigen Glosse des Accursius einen Ansatzpunkt, die Errichtung von Königreichen unabhängig von kirchlichem Einfluss allein auf den Willen des Volkes zurückzuführen. Aber erst die in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts einsetzende Aristotelesrezeption und die damit verbundene naturrechtliche Herrschaftsauffassung sollte die theoretischen Voraussetzungen schaffen, um die Vorstellung einer weltlichen Gewalt a deo mediante populo schlüssig zu formulieren, und die dispositio Dei bei der Konstituierung von weltlicher Herrschaft nicht mehr in einer geoffenbarten Anordnung Gottes an das Volk zu suchen, sondern in naturrechtlichen Konsequenzen.

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2.

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Der König als Abbild und Stellvertreter Gottes

Die Auffassung, der Herrscher sei Abbild oder Stellvertreter einer Gottheit, ist ein weiteres wesentliches Kernelement sakraler Herrschaftsvorstellungen und findet sich im Alten Orient und Ägypten ebenso wie im hellenistischen Kulturkreis306.

2.1 Hellenismus und christliche Spätantike In Griechenland hatte mit dem Aufkommen der Monarchie im 4. Jahrhundert v. Chr. die Vorstellung von der Göttlichkeit des Herrschers Einzug gehalten. Zwar waren die griechischen Städte gegenüber einer solchen Vorstellung – wie überhaupt der monarchischen Herrschaftsform – äußerst reserviert eingestellt, wie die bei Plutarch überlieferte Anekdote deutlich zum Ausdruck bringt, wonach die Spartaner im Jahre 324 v. Chr. auf das Verlangen Alexanders des Großen, ihm göttliche Ehren zu erweisen, eher lapidar geantwortet hätten: „Wenn Alexander ein Gott sein will, lass ihn ein Gott sein“307. Und nicht weniger nüchtern soll in Athen der große Redner Demosthenes mit der Bemerkung: „Lass ihn den Sohn des Zeus sein, und auch des Poseidon, wenn er will“ reagiert haben 308. Allerdings haben es die Griechen offenbar verstanden, sich mit der Monarchie relativ rasch „ideologisch und philosophisch zu versöhnen“309, wobei möglicherweise auch die Erinnerung an ein eigenes, von sakralen Zügen geprägtes frühes griechisches Königtum eine Rolle gespielt haben mag. Die im Zuge der hellenistischen Expansion zu beobachtende Adaption altorientalischer und ägyptischer Traditionen der Herrschervergötterung mochte auch dadurch begünstigt worden sein, dass der Gedanke einer Göttlichkeit von Personen einen festen Platz in der klassischen griechischen Philosophie und Literatur besaß310. Freilich: Das Attribut theios war im griechischen Sprachgebrauch häufig nicht mehr als ein stehendes Epitheton, das

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Zu altorientalischen und ägyptischen Vorstellungen vgl. etwa FAUTH; ERKENS, Herrschersakralität, S. 34-48, sowie die Beiträge von Sallaberger, Blumenthal und Wilcke in: Franz-Reiner Erkens (Hg.), Die Sakralität von Herrschaft. Herrschaftslegitimierung im Wechsel der Zeiten und Räume, Berlin 2002. Vgl. WALBANK S. 365. Vgl. ebd. WALBANK S. 368. Vgl. BIELER; dazu auch DU TOIT.

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„Helden und Herrscher, Sänger und Seher durch die Literatur“311 geleitete. Platon hatte in erster Linie den Philosophen-König als theios aner im Blick, „der durch den Umgang mit dem Schönen und Göttlichen selbst schön und göttlich wird“312, und sein Schüler Aristoteles formulierte in seiner Politeia, in einer Monarchie solle derjenige herrschen, der durch seine herausragende Tugendhaftigkeit dem göttlichen Ideal nahekomme und so gleichsam zum Gott unter Menschen wurde313. Diese Göttlichkeit des Monarchen leitete sich also nicht aus dem Amt oder gar von einer göttlichen Abstammung des Herrschers ab, sondern beruhte allein auf der herausragenden Tugendhaftigkeit des Menschen, der eben deshalb vom Gemeinwesen zum Alleinherrscher erhoben werden müsse 314 . Dieser Gedanke einer durch Nachahmung des Göttlichen erworbenen Gottähnlichkeit, der in der griechischen Philosophie stets als Metapher zu verstehen war315, verband sich mit den altorientalischen und ägyptischen Königsvorstellungung zum sakralen Herrscherbild hellenistischer Prägung, dessen Wirkmächtigkeit noch in Schriften antiker und spätantiker Autoren erkennbar ist316. In seinem Fürstenspiegel De clementia legte Lucius Seneca seinem kaiserlichen Schüler Nero nahe, sich den Sinn der Götter zu eigen zu machen und nach deren Vorbild zu bilden, um seiner Aufgabe als Stellvertreter der Götter, die Seneca in erster Linie mit der Funktion des Kaisers als oberstem Richter identifizierte, gerecht zu werden317. Plutarch sah Ende des ersten Jahrhunderts n. Chr. in seinen Moralia im Herrscher ein Abbild Gottes, da er auf Erden wie Gott im Himmel die Aufgabe habe, alles nach dem Gesetz zu ordnen und Gerechtigkeit walten zu lassen. Der Herrscher selbst bilde sich heran „... zur Gottähnlichkeit durch Tugend, errichtet und erschafft ein Standbild, das köstlich anzuschauen und in höchsten Maße geziemend ist. Wie nun der Gott Sonne und Mond am Himmel als ein wunderschönes Abbild seiner selbst ihren Platz gab, ein solches Abbild setzt, in Nachahmung [desselben] und als sein Abglanz, in Staaten ein Herr-

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BIELER S. 117. Platon, Staat VI, 500 C-D, S. 310. Aristoteles, Politik III, 13 [1284a10], S. 185 f. Oder aber ostrakisiert,da er gegen den in demokratisch verwalteten Gemeinwesen herrschenden Gleichheitsgrundsatz verstoße. Ebd. [1284a15 ff.] Vgl. WALBANK S. 372. Vgl. TAEGER. De clementia I, 5, 7; 7, 1; 19, 9. Aber keine ontologische Vergöttlichung. Vgl. ADAM S. 40-45.

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scher, der, Gott gleich, Gerechtigkeit hochhält, d. h. einer, der in seinem Denken die göttliche Vernunft und nicht das Szepter trägt“318.

Der Herrscher wird also zum Abbild Gottes, indem er sich selbst und sein Handeln an Gott als dem Herrscher des Himmels orientiert. Die nötige Erkenntnis dazu gewinnt der Monarch durch die Philosophie, mit deren Hilfe er, aber auch jeder andere Mensch, sich nach dem Bilde Gottes gestalten soll. Diotogenes, der Verfasser einer der sogenannten pythagoreischen Königstraktate, die bei Stobaeus fragmentarisch überliefert sind 319 und deren Datierung durch Delatte in das 2. nachchristliche Jahrhundert mit einigen Fragezeichen versehen bleiben muss320, erachtete den König deshalb als Abbild Gottes, weil die herrscherlichen Pflichten auf Erden denen Gottes im Universum entsprächen, der Herrscher also der Lenker und Gesetzgeber des Gemeinwesens sei. Diese Aufgaben wiederum verlangten vom Herrscher in erster Linie eine herausragende Tugendhaftigkeit, die ihn vor allen anderen Menschen auszeichnete und ihn in die Nähe Gottes rückte321. Sthenidas von Lokri, ebenfalls ein „Pythagoräer“, stellte die Tugend der Weisheit in den Mittelpunkt seiner Betrachtungen: „Der König muss ein weiser Mann sein, denn so wird er zum Nachahmer und Nacheiferer des ersten Gottes. Er [sc. der Gott] ist von Natur aus der erste König und Herrscher, der König nur durch Werden und Nachahmung. Der eine regiert im gesamten Universum, der andere auf Erden.“322

Ähnliche Gedanken finden sich bei Themistios, als er im Jahre 351 vor Kaiser Constantius erklärte, der Herrscher sei das vollkommene Abbild Gottes, nicht weil er sich gottgleiche Standbilder errichten ließe, sondern aufgrund seiner Tugendhaftigkeit. Die Möglichkeit, sich durch herausragende Tugendhaftigkeit in die Nähe Gottes zu stellen bzw. zum Abbild Gottes zu werden, war nach Themistios im Grunde allen Menschen, vor allem den Philosophen gegeben, doch besitze der König als einziger auch die Macht, seine Tugendhaftigkeit – Themistios hatte in erster Linie (wie auch Plutarch) die Philanthropia im Sinn – in gute Taten umzusetzen und damit das platonische Ideal des Philosophenkönigs zu erfüllen323 . 318

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Plutarch, Moralia, 779D ff., edd. Hubert/Pohlenz/Drexler, Bd. 5, 1, S. 11 ff. Übersetzung bei RITTER S. 43 ff. Ioannis Stobaei, Anthologium, edd. Wachsmuth/ Hense. Die Traktate sind ebenfalls kritisch ediert, kommentiert und ins Französische übersetzt bei DELATTE. Vgl. ADAM S. 13; GOODENOUGH; DELATTE. Stobaeus vii, 61, edd. Wachsmuth/Hense Bd. 4, S. 265; vgl. BARKER S. 363-367, 373; DELATTE S. 52-56 (Übersetzung), 243-273 (Kommentar). Stobaeus vii, 63, edd. Wachsmuth/Hense Bd. 4, S. 270 f.; KANTOROWICZ, Deus per naturam, S. 169; DELATTE S. 56 (Übersetzung), 274-281 (Kommentar). Themistios, Staatsreden, Rede 1, S. 29-46, bes. S. 36 f. Vgl. auch ebd. Rede 4, S. 83-99.

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Auch Eusebius von Caesarea erblickte im Herrscher, genauer gesagt in Kaiser Konstantin dem Großen, das Abbild Gottes, und auch für ihn beruhte diese Abbildhaftigkeit nicht zuletzt auf den herausragenden Tugenden des Kaisers, die Konstantin durch Selbsterkenntnis, vor allem durch die Erkenntnis, dass er seine Herrschaft allein der Gnade Gottes verdanke, erworben habe324. Der im Gegensatz zu seinen Vorgängern allein von Gott eingesetzte Konstantin herrsche, so Eusebius, auf Erden als Abbild und Stellvertreter Gottes, mit der Aufgabe, den Menschen ein Abbild des göttlichen Himmelreiches vor Augen zu führen. Das Himmelreich werde von Christus regiert, der gleichsam als Vermittler zwischen den Menschen und dem im Verborgenen bleibenden Gottvater fungiert. Während Christus als Stellvertreter Gottes im Himmelreich regiert, erfüllt Konstantin diese Aufgabe auf Erden, wobei er nach Ansicht des Eusebius Anteil an der Kraft und dem Geist Gottes besitzt. Das Herrscherlob des Eusebius erreichte an manchen Stellen durchaus die Schwelle zur ontologischen Vergöttlichung des Kaisers, da er möglicherweise, so vermutet jedenfalls Barker325, von den Gedanken des Ecphantos beeinflusst war, einem weiteren bei Stobaeus überlieferten „Pythagoräer“, der den König nicht nur hinsichtlich seiner herrscherlichen Stellung auf Erden und seiner überragenden Tugendhaftigkeit als gottähnlich ansah, sondern ihn darüber hinaus als überirdisches Wesen charakterisierte, das göttlicher als alle Menschen und von Gott höchstselbst nach seinem Archetypus gefertigt worden sei326. Derartige ontologische Konnotationen sind in den spätantiken Quellen jedoch eher selten greifbar, und mussten unter dem Einfluss des Christentums schließlich gänzlich in den Hintergrund treten. Das von Eusebius in seiner Tricennatsrede gezeichnete Kaiserbild, das Konstantin als christusähnlichen, wenn nicht gar christusgleichen Herrscher präsentierte, prägte die byzantinische Kaiseridee nachhaltig 327 . Konstantin selbst hatte seiner Christusähnlichkeit vielfältig Ausdruck verliehen, so etwa bei der Einberufung großer Konzile zur Klärung religiös-dogmatischer Fragen wie auch bei der Gestaltung seiner Grabeskirche, die wohl in Form eines Kreuzes angelegt war und den Sarkophag des Kaisers im Schnittpunkt dieses Kreuzes, umgeben von den Kenotaphien der zwölf Apostel, beherbergte328. Als Stellvertreter und Abbild des göttlichen Himmelsherrschers konnte der Kaiser einerseits umfassende Herrschaftsrechte beanspruchen, was aber im324 325 326

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Zu Eusebius vgl. BARKER S. 472-480; ERKENS, Herrschersakralität, S. 62 f. BARKER S. 478. Stobaeus vi, 22, edd. Wachsmuth/Hense Bd. 4, S. 254 und vii, 64, ebd. S. 271 ff.; vgl. BARKER S. 367-372; DELATTE S. 47-52 (Übersetzung), 164-244 (Kommentar); KANTOROWICZ, Deus per naturam, S. 169 ff. Vgl. immer noch TREITINGER. Vgl. MATSCHKE S. 147 ff.

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mer auch die Verpflichtung zur imitatio Dei oder Christi mit einschloss. Dieser Zusammenhang wird von Agapetos Diakonos in seinem Fürstenspiegel (527/528) an Kaiser Justinian an mehreren Stellen hervorgehoben. „Weil du, erhabener Kaiser, eine Würde besitzest, die jede Ehrenstellung weit übertrifft, ehrst du über alle anderen Gott, der dich dieser Ehre würdigte, weil er dir nach dem Vorbild der himmlischen Herrschaft das Szepter der irdischen Macht übergeben hat, damit du die Menschen die Wahrung der Gerechtigkeit lehrst und das Gekläff derer unterbindest, die gegen Gott wüten. Von seinen Gesetzen lass dich beherrschen und herrsche über deine Untertanen getreu dem Gesetz. [...] Als göttliches Urgebot erfahren wir Menschen, dass man sich selber erkennen soll. Denn wer sich selber erkannt hat, der wird Gott erkennen, und wer Gott erkannt hat, wird Gott ähnlich werden. Gott ähnlich werden kann aber nur, wer seiner würdig geworden ist. Gottes würdig ist aber nur, wer nichts tut, was Gottes unwürdig ist, sondern dessen Gedanken denkt, sagt, was er denkt, und tut, was er sagt. [...] Wer große Macht erhalten hat, soll nach Kräften den Spender dieser Machtfülle nachahmen. Denn er trägt in gewisser Weise das Bild Gottes, der über allen steht, und besitzt durch ihn die Gewalt über alle; er ahme aber Gott am meisten in der Überzeugung nach, dass es nichts Vorzüglicheres gibt, als sich zu erbarmen. [...] Durch Gottes Willen hast du die Herrschaft erhalten, folge ihm nach durch gute Werke, denn du gehörst zu denen, die Gutes tun können, nicht zu denjenigen, die darum bitten, dass ihnen Gutes widerfahre.“329

In seinem Lobgedicht auf Kaiser Justinus II. schilderte Flavius Corippus um 567 eine Szene, in der die besondere christusähnliche Milde des byzantinischen Imperators unterstrichen wird. Als einige verzweifelte Frauen für ihre inhaftierten Männer und Söhne unter Tränen vor dem Kaiser um Gnade flehten, gewährte der Herrscher ihnen diese Bitte und entließ die Männer in Freiheit. Diese Tat der Erlösung, die der Kaiser gewährte, wurde in enge Beziehung zum Erlösungswerk Christi gesetzt, weshalb der Kaiser von Flavius Corippus als imago Christi angesehen wurde330. Die antiken Kaiser wurden jedoch über ihre durch Nachahmung und Tugendhaftigkeit gewonnene Gottähnlichkeit hinaus vergöttlicht und zum Gegenstand kultischer Verehrung331, was seit der Konstantinischen Wende unter christlichen Vorzeichen ausgeschlossen war. Doch der Gedanke einer Gottähnlichkeit des Herrschers, einer göttlichen Abbildhaftigkeit und Stellvertretung des Kaisers aufgrund seiner Tugendhaftigkeit, Machtvollkommenheit 329

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Agapetos Diakonos, Der Fürstenspiegel für Kaiser Iustinianos, ed. Riedinger, cc. 1, 3, 37, 45. Flavius Cresconius Corippus, In laudem Iustini Augusti minori Libri IV, ed. Cameron, lib. 2, 422 ff, S. 60: Deus est, cui verbo conpetit uno iustificare malos mediaque a morte levare. Credite simpliciter: vox haec temeraria non est. Terrarum dominis Christus dedit omnia posse. Ille est omnipotens, hic omnipotentis imago. Neben der Vergöttlichung des Kaisers nach seinem Tod, wurde der Kaiser aber auch schon zu Lebzeiten als Deus praesens verehrt. Vgl. CLAUSS.

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und letztlich auch seiner göttlichen Erwähltheit konnte auch im christlich geprägten Imperium weiterhin vertreten werden. Eine frühe christliche Adaption dieser Vorstellung spiegelt sich beispielsweise im Werk des neuplatonischen Philosophen und Bischofs Synesios von Kyrene (um 400) wider. In seinem Traktat De regno vertritt er die allgemeine Gottesebenbildlichkeit jedes Menschen, doch komme dem Kaiser ein besonderer Anteil am göttlichen Wesen zu, da er Gott nachahme und aufgrund seine Tugendhaftigkeit ein Abbild Gottes darstelle332. Als eine entscheidende Gelenkstelle zwischen antik-heidnischem und christlich geprägtem rex imago / vicarius Dei-Gedanken hat die Forschung jedoch die Schriften des sogenannten Ambrosiaster ausgemacht333.

2.2 Der Ambrosiaster Ein zur Zeit Papst Damasus I. (366-384) veröffentlichter und im Mittelalter unter dem Namen des Ambrosius von Mailand in mehr als 30 Handschriften verbreiteter Kommentar zu den Paulusbriefen334 ist ebenso wie die im Mittelalter dem heiligen Augustinus zugeschriebenen Quaestiones Veteris et Novi Testamenti 335 das Werk eines Anonymus, der, nicht wie häufig behauptet schon von Erasmus von Rotterdam, sondern wohl erst seit dem späten 17. Jh. als Ambrosiaster bezeichnet wird336. Trotz zahlreicher Versuche ist es der Forschung bis heute nicht gelungen, die Identität des Ambrosiaster zu klären337. Dieser verband alttestamentarisch-biblische Vorstellungen vom Menschen als imago Dei (Gen 1, 26 ff.), mit heidnisch-hellenistischen Überlegungen vom Herrscher als Abbild Gottes. Der biblisch-alttestamentarische Ausgangspunkt der christlichen rex imago Dei-Lehre ist die allgemeine Gottesebenbildlichkeit des Menschen nach Gen 1, 26 ff.338, die nach Ansicht des Ambrosiaster jedoch nur dem Manne, nicht aber der Frau zuzusprechen ist339. 332

KOLB, Praesens Deus; DERS., Herrscherideologie, S. 126 ff. Zum Ambrosiaster vgl. BERGES S. 26 ff.; KANTOROWICZ, Deus per naturam, S. 166 f.; DÜRIG; VOGELS; AFFELDT S. 53-85; CARLYLE/CARLYLE vol. 1, S. 149 f.; KANTOROWICZ, zwei Körper, S. 109, Anm. 12; MERKT; STÜBEN; PATZOLD S. 255-259; BARDY; STUIBER. 334 Ambrosiaster, Commentarius (= CSEL 81, 1), ed. VOGELS; vgl. dazu ebd. S. 19-26. 335 Ambrosiaster, Quaestiones (= CSEL 50), ed. Souter. 336 Vgl. STÜBEN S. 22. 337 Vgl. BARDY; MERKT, passim. 338 Quaest. 106, 17 = CSEL 50, S. 243. 339 Vgl. LUNN-ROCKLIFFE S. 90 ff. 333

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Der Mann, Adam, wurde von Gott geschaffen, um als imago Dei auf Erden die Herrschaft des e i n e n Gottes im Kosmos zu verkörpern, als Symbol des principium unitatis, das durch den Abfall des Teufels in Gefahr geraten sei340. Daneben trat gleichsam als juristisches Element der Vikariatsgedanke, also die konkrete Aufgabe, die der Mann an Stelle Gottes auf Erden ausübt: die Herrschaft341. Entscheidend ist jedoch nicht die Herrschaft des Menschen über die Schöpfung nach Gen 1, 28 342 , wie der Ambrosiaster ausdrücklich anmerkt343, da diese Form der Herrschaft auch der Frau zukomme, sondern es ist die Herrschaft über Menschen, die nur der Mann ausüben könne344. Schwierigkeiten bereitet der Forschung die genaue Verbindung der homo imago Dei-Lehre nach Gen 1, 26 ff. mit den heidnisch-hellenistischen Wurzeln der Vorstellung vom König als Abbild und Stellvertreter Gottes. Nach Hans Wildberger345 und Werner H. Schmidt346 wurde Gen 1, 26 von altorientalischer Königsideologie beeinflusst, nach welcher der König Abbild und Stellvertreter Gottes auf Erden ist, und somit das biblische homo imago Dei einerseits als Vorbild der christlichen rex imago Dei Vorstellung, andererseits als Konsequenz des altorientalischen rex imago Dei Gedankens anzusehen ist347. Oswald Loretz hingegen sieht in Gen 1, 26 eine Übernahme der allgemeinen Gottesebenbildlichkeit des Menschen, wie sie in der altsyrisch-kanaanäischen Umwelt der biblischen Autoren zu finden war. Die Gottesebenbildlichkeit des Königs habe auch im altorientalischen und ägyptischen Raum die allgemeine Gottesebenbildlichkeit des Menschen zur Voraussetzung gehabt348. Für den Ambrosiaster gilt der König einmal – wie jeder Mann – als imago Dei und vicarius Dei, doch ist er dies in einem besonderem Maße aufgrund seines imperium, aufgrund seiner Herrscherstellung innerhalb des Men-

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Vgl. AFFELDT S. 69 f Zur Verbindung der Begriffe imago und vicarius Dei und ihren verschiedenen semantischen Bedeutungsinhalten vgl. SCHAEDE S. 28-40. So etwa im 5. Jh. Theodoret von Kyros und Diodorus von Tarsus oder im 7. Jh. Anastasius Sinaita; vgl. KANTOROWICZ, Deus per naturam, S. 165 ff. Quaest. 45, 3 = CSEL 50, S. 82 f. Quaest. 106, 17 = CSEL 50, S. 243: Haec ergo imago dei est in homine, ut unus factus sit quasi dominus, ex quo ceteri orirentur, habens imperium dei quasi uicarius eius, quia omnis rex dei habet imaginem. Vgl. auch In ep. I ad Cor. 6, 2 = PL 17, Sp. 211; dazu AFFELDT S. 69 f., PATZOLD S. 257 mit Anm. 69. WILDBERGER. SCHMIDT, Schöpfungsgeschichte. Vgl. AFFELDT S. 71; LORETZ S. 755 Anm. 808. LORETZ S. 757 ff.

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schengeschlechts, die ihm von Gott anvertraut wurde349. In diesem Zusammenhang kommt Röm. 13, 1-7 eine Schlüsselfunktion in der Argumentation der rex imago Dei-Lehre zu350. In seinem Kommentar zu Röm. 13, 3 erläutert der Ambrosiaster die unmittelbare Einsetzung des Herrschers durch Gott, der seinem irdischen Sachwalter sowohl die Verantwortung für die rechte Lebensführung des ihm anvertrauten Volkes, als auch die Sorge für dessen Schutz vor Gefahren überträgt351. Der Römerbriefkommentar bietet darüber hinaus weitere Hinweise zu Stellung und Aufgaben der weltlichen Gewalt. Der Ambrosiaster weist der Befolgung des weltlichen Gesetzes und damit der Unterordnung unter die weltliche Gewalt eine heilsgeschichtliche Bedeutung zu, indem diese Subordination als Voraussetzung für die Erlangung der himmlischen Gerechtigkeit und göttlichen Gnade gedeutet wird. Der heilsgeschichtliche Aspekt weltlicher Herrschaft wird im Kommentar zu Röm. 13, 4 deutlich erkennbar, wenn vom Fürsten als minister Dei und Vollstrecker des göttlichen Zorns die Rede ist352. Der Fürst soll den Menschen bei der Erlangung des ewigen Heils hilfreich zur Seite stehen, diese notfalls durch Strafandrohung auf den rechten Weg zurückführen und sie so vor Strafe im Gottesgericht bewahren353. Da die Fürsten in ihrer Aufgabe als Vollstrecker des göttlichen Zorns anstelle Gottes auf Erden regieren, muss man sich ihnen genauso unterwerfen wie Gott354. Diese bedingungslose Unterwerfung unter die weltliche Gewalt gilt für den Ambrosiaster ohne Ausnahme, da auch der Tyrann seine potestas von Gott hat. Auch diesem steht aufgrund seines ordo Verehrung und Gehorsam zu355. Ein Widerstandsrecht gegen den Fürsten gibt es nicht, denn wer sich der weltlichen Gewalt widersetzt, leistet in jedem Fall Widerstand gegen die göttliche Ordnung356. 349

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AFFELDT weist S. 71 darauf hin, dass beim Ambrosiaster aufgrund der Bedeutung des Herrschaftsgedankens in gewisser Weise die Gottesebenbildlichkeit des Menschen von der Vorstellung rex imago dei her begründet wird. Vgl. DÜRIG S. 182; PATZOLD S. 258; LUNN-ROCKLIFFE S. 136 ff. Ad romanos 13, 3 = CSEL 81, 1, S. 419: Principes hos reges dicit, qui propter corrigendam vitam et prohibenda adversa creantur, dei habentes imaginem, ut sub uno sint ceteri. Ad Romanos 13, 4 = CSEL 81, 1, S. 421: Dei enim minister est [sc. potestas], vindex in iram in eum, qui male agit. Quoniam futurum iudicium deus statuit et nullum perire vult, huic saeculo rectores ordinavit, ut terrore interposito hominibus velut paedagogi sint, erudientes illos quid servent, ne in poenam incidant futuri iudicii. Vgl. AFFELDT S. 78 f., 82, 84. Ad Romanos 13, 6 = CSEL 81, 1, S. 421: Principi enim suo, qui vicem dei agit ... subiciendi sunt sicut deo. Vgl. Quaest. 35 = CSEL 50, S. 63; dazu AFFELDT S. 77, 80 f.; CARLYLE/CARLYLE vol. 1, S. 150; LUNN-ROCKLIFFE S. 134 -136. Vgl. auch Ad Romanos 13, 2 = CSEL 81, 1, S. 419.

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In Quaest. 91, 8 erklärt der Ambrosiaster: Rex enim adoratur in terris quasi uicarius dei357. Auffällig ist hier der Ausdruck adorare, der ansonsten im Werk des Ambrosiaster nur gegenüber Personen der Trinität verwendet wird. Affeldt sieht in der Königs-Adoration – wie in der gesamten rex imago Dei–Lehre des Ambrosiaster – nur „notdürftig modifiziert(e)“ antike Herrschervorstellungen über den König als imago und vicarius Dei wirksam358, während Dürig die rex imago Dei-Lehre als einen geschickten Weg sieht, der antik-heidnischen Herrscherverehrung eine christliche Deutung entgegenzusetzen359. Die rex imago Dei-Lehre ist auch im Umfeld der Trinitätslehre zu deuten. Im Kommentar zu Kol. 1, 14 erörtert der Ambrosiaster die Wesensgleichheit Christi mit Gottvater360, die in der Formel Christus imago Dei zum Ausdruck gebracht wird. Christus ist imago Dei und auch vicarius Dei 361 und von Gottvater mit bestimmten – in erster Linie priesterlichen – Aufgaben in der Welt betraut worden362. So wird denn auch der Bischof (episcopus) als imago Christi und vicarius Christi bezeichnet, während der König aufgrund seiner herrschenden Stellung als Abbild und Stellvertreter Gottvaters erscheint363. Diese Unterscheidung in königliches Gottesvikariat und priesterliches Christusvikariat findet sich auch bei anderen Autoren der patristischen Epoche. Im vermutlich zu Beginn des 5. Jahrhunderts in Rom entstandenen Hoheliedkommentar des Apponius364 werden die „sehr religiösen Könige, die an Gottes Stelle auf Erden handeln“ als Haupt des Christenvolkes bezeichnet365, 357 358 359 360 361

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CSEL 50, S. 157. AFFELDT S. 74 mit Anm. 247. DÜRIG S. 182. Comm. in ep. ad. Col. I, 14 = PL 17, Sp. 422 f. Auf den engen Zusammenhang von imago und vicarius weisen AFFELDT S. 65 ff. und DÜRIG S. 182 ff. hin. Quaest. 109, 21 = CSEL 50, S. 268: Christus autem uicarius patris est et antestes ac per hoc dicitur et sacerdos. Quaest. 35 = CSEL 50, S. 63: Non nescius Dauid diuinam esse traditionem in officio ordinis regalis idcirco Saul in eadem adhuc traditione positum honorificat, ne deo iniuriam facere uidetur, qui his ordinibus honorem decreuit. Dei enim imaginem habet rex, sicut et episcopus Christi; Quaest. 127, 36 = CSEL 50, S. 415: Ipsius enim personam habere uidetur [sc. sacerdos] est enim uicarius eius, ut quod ceteris licet illi non liceat, quia necesse habet cotidie Christi uicem agere. Ob mit dieser innerhalb der Trinität aufgestellten Rangfolge eine Art Unterordnung der Kirche unter die weltliche Herrschaft einhergeht, wie WILLIAMS S. 7 andeutet, erscheint allerdings unwahrscheinlich. Vgl. auch die Ausführungen von LUNN-ROCKLIFFE S. 132-134. Aponius, In Canticum Canticorum, ed. Vregille/Neyrand (= CCL 19). In Canticum Canticorum (= CCL 19) S. 250 f. (X 33): Nam in tantum religiosissimi reges uices Dei agentes in terris caput christianae plebis esse noscuntur, ut, si quando morbo hereticae contagionis aut persecutionis corpus Ecclesiae coeperit infirmari, aut

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wobei ihnen in erster Linie der äußere Kampf gegen Häretiker und Christenverfolger zufällt, während den Bischöfen, Aposteln und Evangelisten als Stellvertreter Christi der innere Bereich der christlichen Lehre überantwortet ist 366 . Das Spektrum der bei Apponius geäußerten Vikariatsvorstellungen erschöpft sich nicht in der Zuordnung von Gottes- und Christusstellvertreterschaft an Könige und Bischöfe, es werden darüber hinaus die Priester und doctores als Nachfolger und Stellvertreter der Apostel charakterisiert, deren Aufgabe die Verbreitung, Lehre und Bewahrung des Glaubens umfasst, und die als vicarii apostolorum ausdrücklich auch zur imitatio apostolorum aufgefordert werden 367 . Der hier beschriebene und schon beim Ambrosiaster deutlich fassbare Zusammenhang von vicarius und imago/imitatio lässt sich auch in anderen Quellen der ersten christlichen Jahrhunderte nachweisen, so z. B. in einem Brief Cyprians, wonach nur d e r Priester stellvertretend für Christus handeln könne, der ihn auch nachahme368 oder in der Regula Magistri des frühen 6. Jahrhunderts, in der dem Abt als Stellvertreter Christi auch die Pflicht zur imitatio Christi angetragen wird369. In den Schriften des Ambrosiaster werden die Begriffe imago Dei und vicarius Dei auf eine Weise miteinander in Beziehung gesetzt, die für das mittelalterliche Herrschaftsverständnis richtungsweisend sein sollte. Die in der heidnisch-hellenistischen rex imago Dei Vorstellung zum Teil mit inbegriffenen ontologischen Konnotationen sind durch die Verbindung mit homo

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ipsorum auctoritate ad pristinam sanitatem reformatur, si sani fuerint in fide; aut, si insani, per ipsos infirmari necesse est. Vgl. JASPERT bes. 298 f.; HARNACK, Aponius. Vgl. JASPERT S. 299. Cyprian, Ep. LXIII, 14 (= CSEL 3, 2), ed. Hartel, S. 713: Nam si Christus Iesus Dominus et Deus noster ipse est summus sacerdos Dei patris et sacrificium patri se ipsum optulit et hoc fieri in sui commemorationem praecepit, utique ille sacerdos uice Christi uere fungitur qui id quod Christus fecit imitatur... Vgl. Des Heiligen Kirchenvaters Caecilius Cyprianus Briefe Bd. 2, hg. und übersetzt von Julius Baer (= Bibliothek der Kirchenväter 2, Reihe 1, Bd. 34, 2), S. 267: Denn wenn Christus Jesus, unser Herr und Gott, selbst der höchste Priester Gottes, des Vaters, ist und sich selber dem Vater als Opfer dargebracht und dargeboten hat, dass dies zu seinem Gedächtnis geschähe, so vertritt doch sicherlich nur jener Priester in Wahrheit Christi Stelle, der das, was Christus getan hat, nachahmt... La Règle du Maitre 14, 13-15, ed. Vogüé, Bd. 2, S. 50: Imitare pium magistrum apostolorum, cuius uices per doctrinam agis in monasterio, quia ipse post prophetas et apostolos posuit et uos pastores et disciplinae doctores quia et per beatum Petrum apostolorum demonstrauit uobis, dicens non septies, sed septuagies septies debere peccatum fratri dimitti. Auch in der Regula Benedicti erscheint der Abt als stellvertretend für Christi Handelnder, vgl. JASPERT S. 302, aber auch SCHAEDE S. 33 Anm. 86, der ausdrücklich die Wendung vice Dei agere nicht mit dem substantivischen Gebrauch des Begriffs vicarius gleichsetzen möchte.

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imago Dei nach Gen 1, 26 ihrer auf den König beschränkten und mit der christlichen Religion nicht zu vereinbarenden Exklusivität entkleidet. Die maßgebliche Verortung des rex imago/vicarius Dei Gedankens im Umfeld des Römerbriefs sowie die herausragende Bedeutung des Herrschaftsgedankens als primäre Eigenschaft der Gottesebenbildlichkeit wiesen dem König als Abbild und Stellvertreter Gottes auf Erden die Funktion des obersten Herrschers, Richters und Gesetzeshüters zu, der die göttliche Ordnung und Gerechtigkeit mit dem Schwert bewahren und verteidigen soll. Zugleich war damit die Brücke von rex imago/vicarius Dei zur Terminologie des Römerbriefs geschlagen, die den König als minister Dei charakterisierte, eine Bezeichnung, die im Verlauf des Mittelalters zweifellos am häufigsten verwendet wurde, um das Verhältnis zwischen Gott und König zu beschreiben. Das lag zum einen daran, dass die Bezeichnung des Herrschers als minister Dei im Gegensatz zu imago oder vicarius Dei direkt der Heiligen Schrift entnommen war, zum anderen, weil sie im Trio der „sakralen Herrscherepitheta“ zweifellos die schwächste, oder besser: dogmatisch unbedenklichste war und daher auch von Seiten der Kirche selbst in den hoch- und spätmittelalterlichen Auseinandersetzungen zwischen regnum und sacerdotium nicht in Zweifel gezogen werden konnte. Durch die christliche Deutung der heidnisch-hellenistischen rex imago bzw. vicarius Dei Vorstellung des Ambrosiaster konnte jedoch auch der Gedanke einer besonderen, aber keineswegs einzigartigen göttlichen Abbildhaftigkeit und Stellvertretung des Herrschers370 in die christliche Lehre eingebunden und von höchster Stelle verkündet werden. Papst Leo der Große erklärte in seinen Sermones, die 370

Es ist in den spätantiken und frühmittelalterlichen Quellen immer wieder der Versuch zu beobachten, die allgemeine Gottesebenbildlichkeit des Menschen auf den König zu beschränken. Wenn etwa Ecphantos erklärte: „Bei uns auf der Erde ist zwar der Mensch das Bestgeborene, das Göttlichere aber ist der König, der innerhalb der allen gemeinsamen Menschennatur am Besseren den Löwenanteil hat. Den übrigen Menschen gleicht er durch sein Gehäuse insofern, als er aus dem gleichen Stoffe gefertigt ist; aber er ist von dem höchsten Werkmeister geformt, der ihn fertigend sich selbst zu Vorbild nahm“, dann wandelte er eine Aussage des Pythagoräers Eurysos ab, die dieser für den Menschen im allgemeinen formuliert hatte: „ Sein Gehäuse hat er (der Mensch) mit den übrigen Geschöpfen (den Tieren) gemeinsam, insofern, als er aus dem gleichen Stoffe gefertigt ist. Aber er (der Mensch) ist von dem höchsten Werkmeister geformt, der ihn fertigend sich selbst zum Vorbild nahm“. Auch die Auslegung des Psalms 81 und dem darin enthaltenen Ausspruch „Dii estis“ war höchst kontrovers. Während etwa Johannes Chrysostomus und Eusebius unter „den Göttern“ allein die Herrscher verstehen möchten, kommentierte Hieronymus zu Psalm 81 (82): „Gott sagte nicht: ;Ich habe gesagt, ihr seid Götter„ in bezug auf Könige und Fürsten, sondern zu allen: all jenen, denen ich in gleicher Weise Körper, Seele und Geist gegeben habe, habe ich auch in gleicher Weise Göttlichkeit und Adoption gegeben. Gleich sind wir alle geboren, Kaiser und Arme.“ Vgl. dazu allg. KANTOROWICZ, Deus per naturam, S. 161 ff.

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imitatio Dei sei der eigentliche Sinn der Gottesebenbildlichkeit des Menschen, insbesondere aber der christlichen Fürsten371, und Papst Anastasius II. erinnerte Kaiser Anastasius in einem Schreiben des Jahres 497, dass dieser stellvertretend für Gott auf Erden handele372. Ontologische Konsequenzen aus der göttlichen Abbildhaftigkeit und Stellvertreterrolle des Herrschers (die schon in der [Spät-] Antike nicht unbedingt im Vordergrund standen) wurden in christlicher Zeit freilich deutlich zurückgewiesen373. Der König war lediglich aufgrund seiner Herrscherwürde als gottähnlich zu bezeichnen und allenfalls dem Namen, nicht aber dem Wesen nach ein Gott.

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Leo der Große, Sermo XII, De jejunio decimi mensis I (= PL 54), Sp. 168 f.: Quod et Romani orbis piissimi imperatores sancta dudum instituta observatione custodiunt, qui in honorem Dominicae Passionis et Resurrectionis altitudinem suae potestatis inclinant, et constitutionum suarum severitate mollita, multarum culparum reos faciunt relaxari; ut in diebus, quibus mundus salvatur miseratione divina, etiam ipsorum supernae bonitatis imitatrix sit aemulanda clementia. Imitentur igitur Christiani populi principes suos ... Auch: Leo I., Tractatus septem et nonaginta 1 (= CCL 138), ed. Chavasse, S. 48 f.: Si fideliter [...] creationis nostrae intelligamus exordium, inveniemus hominem ideo ad imaginem Dei conditum, ut imitator sui esse auctoris [...] non aliter in nobis erit dignitas divinae maiestatis, nisi imitatio fuerit voluntatis. Anastasius II., Epistola ad Anastasium Imperatorem, ep. 1, c. 6, ed. Thiel, Epistolae Romanorum Pontificum, S. 620: Pectus clementiae vestrae sacrarium est publicae felicitatis, ut per instantiam vestram, quam velut vicarium praesidere iussit in terris, evangelicis apostolicisque praeceptis non dura superbia resistatur, sed per obedientiam quae sunt salutifera compleantur. Vgl. Die Briefe der Päpste und die an sie gerichteten Schreiben von Linus – Pelagius II., ed. Wenzlowsky, Bd. 7, S. 552: Das Herz eurer Milde ist die heilige Stätte für die öffentliche Wohlfahrt, damit vermöge eures Eifers, dem Gott an Seiner statt die oberste Leitung auf Erden übertragen hat, den evangelischen und apostolischen Anordnungen nichtmit hartnäckigem Stolze widerstanden, sondern vielmehr Dasjenige, was heilsam ist, mit Gehorsam zur Ausübung gebracht werde. Agapetos Diakonos erklärte in seinem Fürstenspiegel für Kaiser Justinian (527/28) c. 21, ed. Riedinger, S. 39: „In seinem körperlichen Wesen gleicht der Kaiser einem jeden Menschen, in der Vollmacht seiner Würde aber ähnelt er Gott, der über allen steht, denn auf Erden gibt es niemanden, der höher stünde [...] Denn wenn er auch als göttliches Abbild geehrt wird, bleibt er doch mit Erdenstaub vermengt, durch den er seine Gleichheit mit allen Menschen vorgeführt bekommt.“(Vgl. auch RITTER S. 253). Hinkmar von Reims erinnert im Jahre 860 in seinem Traktat De Divortio Lotharii (= MGH Conc. 4, Suppl. I), ed. Böhringer, S. 188 ebenfalls daran, dass die Könige zwar Anteil am Namen Gottes haben, ansonsten aber nur Menschen wie alle anderen auch seien: ...participatione magni nominis domini et reges vocantur, cum sint homines sicut et caeteri.

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2.3. Karolingerzeit Während im Osten des Imperium Romanum die Anschauung einer göttlichen Abbildhaftigkeit und Stellvertretung des Kaisers nach der Konstantinischen Wende weitgehend nahtlos an die antik-heidnische Kaiservergöttlichung anschloss, übernahmen im Westen des Imperiums die Herrscher der zahlreichen germanischen Reiche zwar zum Teil imperiale Traditionen, zeigen sich deutliche Einflüsse spätantiker Herrschaftsvorstellungen374 und auch der Gedanke einer von Gott eingerichteten Königsherrschaft begegnet in den Quellen westgotischer, fränkischer und langobardischer Provenienz375 – wobei der von der älteren Forschung vertretenen Ansicht, der Same des spätantik-christlichen Gottesgnadentums sei auf einen bereits durch genuin germanische Königsheilvorstellungen beackerten Boden gefallen, bereits seit einigen Jahren mit äußerster Zurückhaltung begegnet wird376 –, die Bezeichnung des Königs als Abbild oder Stellvertreter Gottes oder Christi findet sich jedoch nur vereinzelt im westgotischen Reich gegen Ende des 7. Jahrhunderts. Um 650 bekannte sich der westgotische König Chindaswinth zur Herrschertugend der misericordia, die von ihm als Stellvertreter Gottes erwartet werde377, und das 16. Konzil von Toledo formulierte im Jahre 693 die allgemeine Pflicht zum Gehorsam gegenüber der Obrigkeit, die jure vicario von Gott bestellt sei378. Erst in karolingischer Zeit, gegen Ende des 8. Jahrhunderts, erscheint der König in den Quellen wieder häufiger als Abbild und Stellvertreter Gottes379. Um 775 fasst der angelsächsische Priester Cathwulf in einem fürstenspiegelartigen Brief an Karl den Großen die Pflichten des Herrschers zusammen und greift dabei offenkundig auch auf die Schriften des Ambrosiaster zurück. Während die Priester ihre Aufgabe in vice Christi erfüllen, stehe ihnen der

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Vgl. EHLERS, Grundlagen; ANTON, Sakralität, Sp. 1265. Als frühes Zeugnis eines Gottesgnadentums im germanischen Bereich gilt die Krone des Langobardenherrschers Agilulf (um 590), die mit der Umschrift Agilulf Gratia Dei vir gloriosus rex totius italiae versehen ist. Vgl. SCHNEIDER, Königswahl, S. 32. Etwas mehr als hundert Jahre später wird der Langobardenkönig Cunincpert in dem anonymen Carmen de Synodo Ticinensi als von Gott durch das Volk erwählter König bezeichnet. Vgl. Carmen de synodo Ticinensi (= MGH SS rer. Lang.), S. 190, 22 ff.: Elictus gente a Deo ut regeret Langobardorum. Vgl. dazu allgemein EWIG. Vgl. Anm. 31. Lex Visigothorum (= MGH LL nat. Germ. 1), IV, 2, 19, S. 188: Divini principatus quodam modo peragimus vicem, quum necdum genitis misericordie porrigimus opem. Toletanum XVI (= PL 84), Sp. 542 D f (Vives S. 507): Ita consequens bonum est post Deum regibus, utpote jure vicario ab eo praeelectis, fidem promissam quemque inviolabili cordis intentione servare. Vgl. zum folgenden auch MACCARRONE, Il sovrano.

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König als Stellvertreter Gottvaters voran380, was den König zwar nicht zum Priester im Vollsinne des Wortes werden ließ, ihn aber doch mit gewissen priesterlichen Pflichten betraute und zur Aufsicht über die Kirche und den christlichen Glauben berief. Diese von Cathwulf formulierte Trennung in ein königliches Gottesvikariat und ein priesterliches Christusvikariat blieb jedoch die Ausnahme. Auch die von Ernst Kantorowicz vorsichtig formulierte Vermutung, dass in der karolingischen Periode die Bezeichnung vicarius Dei und nicht vicarius Christi für den König die Regel gewesen sei381, wird letztlich nicht durch die Quellen gestützt. Otto Eberhardt hat in seiner eingehenden Analyse der Via regia, eines Fürstenspiegels des Smaragd von St. Mihiel (um 813?), gezeigt, dass die Bezeichnung des Herrschers als vicarius Christi in c. 18 aus dem Kontext des Kapitels zu erklären ist, denn wie einst Christus bei der Tempelreinigung, so solle auch der Herrscher im Eifer für die rechte Religion eine konsequente Aufsicht und Kritik über die Kirche führen382. Das Konzil von Arles 813 sah Karl den Großen als verus discipulus et imitator Christi383, 825 wurde Ludwig der Fromme von den Mitgliedern des Pariser Konzils als Abbild Jesu Christi auf dem Thron des Reiches bezeichnet384, und im Jahre 877 forderte Papst Johannes VIII. in einer in Ravenna gehaltenen Rede den anwesenden Kaiser Karl den Kahlen ebenfalls auf, dem Vorbild Christi nachzueifern, wobei er den gesalbten Kaiser gleich Christus zum Welterlöser (salvator) stilisierte385, der von Gott ad imitationem scilicet veri regis Christi filii sui Domini nostri als Fürst eingesetzt worden sei. Bereits 862 verzeichneten die Konzilsakten von Aachen den Kaiser als rex regum Christus, qui sui nominis vicem illi contulit in terris386. Die imago / imitatio Christi wurde dem König darüber hinaus 380

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Cathwulf, Epist. ad Carolum II, vers 775 (= MGH Epp. 4), S. 503: Memor esto ergo semper, rex mi, Dei regis tui cum timore et amore, quod tu es in vice illius super omnia membra eius custodire et regere ... Et episcopus est in secundo loco, in vice Christi tantum est ... Deus tuus dixit tibi, cuius vicem tenes, in Psalmo: Et nunc reges, intelligite... KANTOROWICZ, zwei Körper, S. 108 f. Smaragd, Via regia c. 18 (= PL 102), Sp. 958: Fac quicquid potes pro persona quam gestas, pro ministerio regali quod portas, pro nomine christiano quod habes, pro vice Christi qua fungeris. Analyse bei EBERHARDT S. 560 ff. MGH Conc. 2, 1, S. 249 Z. 6. MGH Conc. 2, 2, Nr. 44, S. 529: Nos quidem, o rex, non quasi ante divinitatem ante te prosternimur, sed illum adoramus, quem per imaginem tuam, quia homo es, dominum Iesum Christum hominem recordamur natum aut passum vel in throno sedentem, cuius imitator es tu sedens in throno. Vgl. DÜRIG S. 184. Sacrorum conciliorum nova et amplissima collectio 15, ed. Mansi, S. 611 D: Ad memoriam reduximus, ut non immemor vocationis suae, quod nomine censetur opere

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gleichsam indirekt auch über das vorbildhafte Davidkönigtum angetragen387, da David selbst als imago und typus Christi galt388. Die Bezeichnung rex imago D e i findet sich unter wörtlichem Bezug auf den Römerbriefkommentar des Ambrosiaster bei Hinkmar von Reims389 und Hrabanus Maurus390. Der oben zitierte Brief Papst Anastasius‟ II. 391 , in der der Herrscher als vicarius Dei charakterisiert wird, hat in die vermutlich von Jonas von Orléans zusammengestellten Konzilstexte von Aachen 836 Eingang gefunden392. Die Capitula Pistensia von 862 erachten den König als von Gott eingesetzten Herrscher, der Anteil am göttlichen Namen und Willen habe und stellvertretend für ihn auf Erden das Königtum innehabe393. Für Lupus von Ferrières war der König ebenso der Stellvertreter Gottes394 wie für Sedulius Scottus, der den König als vicarius Dei zur Herrschaft innerhalb der ecclesia berufen sah395,

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compleat, ut rex regum Christus, qui sui nominis vicem illi contulit in terris, dispensationis sibi creditae dignam remunerationem reddat in caelis. Der Vergleich des christlichen Herrschers mit alttestamentarischen Herrschergestalten, allen voran König David, hat eine lange Tradition und wurde auch in karolingischer Zeit gepflegt. Vgl. HERKOMMER. So etwa Amrosius von Mailand (Ambr, Apol. 12), Isidor von Sevilla und Hinkmar von Reims (= PL 83), Sp. 112 Nr. 89); vgl. ERKENS, Herrschersakralität, S. 71, 97, 104, 134. Zur imitatio David vgl. z. B. Sedulius Scottus, Liber de rectoribus christianis c. 19. MGH Epp. 8, 1, S. 85: Principes hos reges dicit, qui propter corrigendam vitam et prohibenda adversa creantur, Dei habentes imaginem, ut sub uno sint ceteri [...] Quoniam futurum iudicium Deus statuit et nullum perire vult, huic saeculo rectores ordinavit, ut terrore interposito hominibus velut pedagogi sint erudientes illos, quid servent, ne in paenam incidant futuri iudicii. Hrabanus Maurus, Enarrationumin Epistolas Beati Pauli (= PL 111), Sp.1562: Principes hos reges dicit, qui propter corrigendam vitam, et prohibenda adversa creantur, Dei habentes imaginem ut sub uno sint caeteri. Vgl. Anm. 372. ERDMANN S. 126 f.: Pectus clementiae vestrae sacrarium est publice felicitatis, ut per instantiam vestram, quem velut vicarium presidere iussit in terris, evangelicis apostolicisque preceptis non dura superbia resistatur, sed per oboedientiam, quae sunt salutifera compleantur. MGH Cap. II, 2, S. 305: ...quia nec omnes reges esse possumus nec regem super nos a Deo constitutum – quia, sicut scriptum est, „imposuit homines super capita nostra“ – habere sustinemus non attendentes, quia, sicut dicit apostolus, „non est potestas nisi a Deo, et qui potestati resistit, Dei ordinationi resistit“: quoniam Deus, qui essentialiter est „rex regum et dominis dominantium“, participatione nominis et numinis Dei, id est potestatis suae, voluit et esse et vocari regem et dominum pro honore et vice sua regem in terris. MGH Epp. 6, S. 64: Vicem vos gerere Dei quis ignorat? Sedulius Scottus, Liber de rectoribus christianis c. 19, in: Siegmund Hellmann, Sedulius Scottus (= Quellen und Untersuchungen zur lateinischen Philologie des Mittelalters 1), S. 1-91, S. 86, bzw. ANTON, FSGA 45, S. 138: Oportet Deo amabilem regnatorem,

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und Karl der Kahle verwies 871 auf seine besondere Gottesebenbildlichkeit, die ihm als König von Gottes Gnaden zukomme396. Als vicarius Dei / Christi stand der karolingische Herrscher an der Spitze des Reiches mit umfassender Verantwortung für die ihm von Gott anvertrauten Menschen – eine Verantwortung, der er nicht nur durch die Wahrung von Recht und Gerechtigkeit sowie den Schutz vor äußeren Gefahren gerecht wurde, sondern die auch den inneren Bereich der christlichen Glaubenslehre berührte und die dem König als pontifex in praedicatione 397 , rex et sacerdos 398 , rector totius christianae religionis 399 und episcoporum episcopus400 die Aufsicht über die fränkische Kirche übertrug, ohne dass damit die Grenze zum sakramentespendenden Priester überschritten wurde. Insgesamt gesehen zeigen jedoch die Gelehrten der karolingischen Epoche noch keine einheitliche Konzeption in der Frage des Gewaltenverhältnisses401. In jedem Fall aber kam dem König / Kaiser die Aufgabe zu, die äußeren Rahmenbedingungen zu schaffen, unter denen die Geistlichen ihren Dienst für das Seelenheil der Menschen verrichten konnten – eine Aufgabe, die nicht nur den Schutz vor äußeren Gefahren, sondern auch die Sorge um die rechte Ausbildung des Klerus mit einschloss 402 . Den karolingischen Herrschern war durchaus bewusst, dass sie zur Erfüllung ihrer Herrscheraufgaben die Unterstützung aller „Stände“, insbesondere der Geistlichkeit, bedurften, und so atmen die Kapitularien ebenso wie die Konzilsbeschlüsse des frühen 9. Jahrhunderts einen Geist des einträchtigen Miteinander von regnum und sacerdotium. Diese immer wieder auch in späteren Jahrhunderten geforderte Eintracht von weltlicher und geistlicher Gewalt zeigte jedoch bereits unter Ludwig dem Fromen erste Risse. Während der kaiserliche Bußakt von Attigny im Jahre 822 noch Ausdruck eines in der Herrschersakralität begründeten

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quem divina ordinatio tamquam vicarium suum in regimine Ecclesiae esse voluit ... ut singulis personis quae iusta sunt decernat. PL 124, Sp. 881 C/D:... ut tandem animadvertatis, quanquam perturbationibus humanis obnoxium, in imagine tamen Dei ambulantem esse nos hominem, habere sensum paterna et avita successione, Dei gratia, regio nomine ac culmine sublimatum... Alkuin, Traktat contra Elipandus (= PL 101), Sp. 251 D; vgl. auch MGH Epp. 4, Nr. 41, S. 84 f. So Paulus von Aquileja in einem Schreiben der italienischen Bischöfe an Karl den Großen aus dem Jahr 794 (= MGH Conc. 2, 1 Nr. 19 D, 142); vgl. ERKENS, Herrschersakralität, S. 136 f. Amalar von Metz, Liber officialis, praefatio c. 4, S. 20; vgl. auch MGH Conc. 2, 1 Nr. 36.S. 259, Z. 14 f. Notker Balbulus, Gesta Karoli Magni imperatoris I, 25 (= MGH SS rer. Germ. 12), S. 33 Z. 26. Vgl. STRUVE, Regnum und Sacerdotium, S. 193. So etwa Sedulius Scottus, vgl. STRUVE, Regnum und Sacerdotium, S. 198.

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kaiserlichen Verantwortungsbewusstseins darstellte, bei dem Ludwig aus eigener Einsicht und gemeinsam mit dem Klerus begangene Verfehlungen bekannte und bereute, stellte die von der Geistlichkeit auferlegte Buße Ludwigs in Soissons elf Jahre später eine Demütigung dar, die in der Tat, wie es Wilhelm von Giesebrecht in seiner romantisch gefärbten Schilderung seiner Geschichte des deutschen Kaisertums ausdrückte, die kaiserliche Würde beschimpfte403, wobei nicht so sehr die Buße an sich, sondern die Art, wie sie von den Bischöfen, die den Kaiser wenige Jahre zuvor in Paris noch als das Abbild Jesu Christi auf dem Thron des Reiches bezeichnet hatten, erzwungen wurde, trübe Spuren am sakralen Glanz des Kaisertums hinterließ. Damals wurde zum ersten Mal jene Frontstellung zwischen regnum und sacerdotium erkennbar, die seit dem ausgehenden 11. Jahrhundert immer wieder den Auseinandersetzungen der beiden Gewalten zugrunde lag. Ebenfalls schon im 9. Jahrhundert wurde diskutiert, ob und inwieweit der Kaiser aufgrund seiner sakralen Stellung überhaupt auf Erden gerichtet werden könne, oder ob er nicht vielmehr nur dem Urteil Gottes, dem er allein seine Herrschaft verdanke, unterstehe. Letzteres scheint im Umfeld Kaiser Lothars II. kolportiert worden zu sein, wie den Ausführungen Hinkmars in dem Traktat De divortio Lotharii zu entnehmen ist. Der Reimser Metropolit entgegnete diesem gleichsam absolutistischen Herrschaftsverständnis in seinen Schriften jedoch dadurch, dass er erklärte, der Kaiser, der auch in den Augen Hinkmars Abbild und Stellvertreter Gottes war, unterstehe sehr wohl dem Urteil der Bischöfe, sofern er gesündigt habe404. Freilich sei es nicht der Wille der Bischöfe, sondern der Wille Gottes, der im Urteil der Geistlichkeit verkündet werde405, und eigentlich habe der Kaiser ohnehin aufgehört Herrscher zu sein, wenn er gegen Gott gesündigt habe, so dass der Episkopat nicht über den Stellvertreter Gottes, sondern über einen sündigen Christen urteile. Die Bischöfe nahmen gewissermaßen das jenseitige Gottesgericht über den Herrscher im Diesseits vorweg, indem sie – ihrerseits stellvertretend für Gott auf Erden – zu Gericht über den sündigen Herrscher saßen. Auch wenn aus den Schriften Hinkmars nicht klar ersichtlich wird, inwieweit überhaupt die „geistliche Züchtigung staatsrechtliche und politische Folgen“406 haben sollte, so besteht doch kein Zweifel, dass das geistliche Urteil in letzter Konsequenz 403 404 405

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GIESEBRECHT S. 147. Vgl. KERN S. 206 f. Anm. 447, sowie die Anmerkung 441 im Anhang Nr. 32, S. 357 ff. Hinkmar von Reims, Epistola 19 (Ad Ludovicum III rege, Balbi filium) (= PL 126), Sp. 113 B; vgl. ANTON, Fürstenspiegel und Herrscherethos, S. 344. Das kirchliche Urteil als Ausdruck des göttlichen Willen betont auch KERN S. 348. KERN S. 189; ebd. S. 207 Anm. 447. ANTON, Fürstenspiegel und Herrscherethos, S. 308 sieht die Diskussion bei Hinkmar „von der politisch-staatsrechtlichen auf die moralisch-theologische Ebene“ verlagert.

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zum Thronverlust des Herrschers führen konnte, was offenbar selbst Karl der Kahle 859 einräumte, als er laut des Libellus proclamationis adversus Wenilonem erklärte, dass ein geweihter und gesalbter Herrscher nur durch das Urteil der Salbungsbischöfe wieder abgesetzt werden könne407. Auch Sedulius Scottus gestand dem König das Gottesvikariat und die damit verbundene Oberaufsicht über die Kirche und den Klerus nur solange zu, wie der Herrscher sein ihm von Gott anvertrautes Amt im Sinne der göttlichen Ordnung ausführe. Sollte der König zum Tyrannen werden, so könne Gott ihm dieses Amt wieder entziehen, wobei die göttliche Strafe gleichsam unmittelbar durch Naturkatastrophen und andere Unglücke, die über König und Reich hereinbrechen, erfolgen könne oder aber indirekt durch die Stimme der Bischöfe, die das göttliche Urteil über den Herrscher verkündeten408. Und nicht nur in der Beurteilung, auch bei der Einsetzung des Herrschers war die Geistlichkeit im 9. Jahrhundert bestrebt, sich zwischen Gott und dem König als notwendige Instanz zur Vermittlung des göttlichen Willens zu etablieren. Die Stellung des Königs als vicarius Dei war nach diesem Verständnis abhängig von der Beurteilung des Herrschers durch die Geistlichkeit und damit zu einem Aspekt geworden, der fortan im Zusammenhang mit der Problematik des Gewaltenverhältnisses zwischen regnum und sacerdotium erörtert werden konnte (und insbesondere seit Beginn des 13. Jahrhunderts auch erörtert wurde). Zwar besaßen letztlich die Herrscher in karolingischer Zeit die Führungsrolle innerhalb der ecclesia, setzten die Bischöfe in ihr Amt ein und ließen sich auch von der Geistlichkeit den Treueeid schwören, doch war Ende des 9. Jahrhunderts auf herrschafts t h e o r e t i s c h e r Ebene durchaus genügend Konfliktpotenzial vorhanden, um eine Auseinandersetzung zwischen regnum und sacerdotium zu führen, wie sie zweihundert Jahre später im sogenannten Investiturstreit die Welt erschüttern sollte. Die Worte Hinkmars, wonach sich der – weithin unbestrittene – Würdevorrang der Geistlichkeit gegenüber der weltlichen Gewalt nicht zuletzt auch darin ausdrücke, dass es die Bischöfe seien, die die Könige auf den Thron setzten und nicht umgekehrt409, spiegeln eines der zentralen Argumente für die Einsetzung des weltlichen Herrschers durch die Geistlichkeit und die allgemeine Superiorität des sacerdotium wider, 407

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MGH Capit. 2, 2, Nr. 300 c. 3, S. 451, 15 ff.: ... electione sua aliorumque episcoporum ac ceterorum fidelium regni nostri voluntate, consensu et acclamatione cum aliis archiepiscopis et episcopis Wenilo ... me secundum traditionem ecclesiasticam regem consecravit et in regni regimine chrismate sacro perunxit et diademate atque regni sceptro in regni solio sublimavit. A qua consecratione vel regni sublimitate subplantari vel proici a nullo debueram, saltem sine audientia et iudicio episcoporum, quorum ministerio in regem sum consecratus et qui throni dei sunt dicti. So etwa Ambrosius von Mailand im Falle Theodosius I. oder Nathan im Falle Davids. PL 125, Sp. 1071 C; PL 126, Sp. 119 C, vgl. STRUVE, Regnum und Sacerdotium, S. 200.

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wie es von päpstlicher Seite in den herrschaftstheoretischen Auseinandersetzungen des Hoch- und Spätmittelalters postuliert wurde.

2.4. Ottonisch-salisches Reich Im ostfränkischen Reich hatte die Entwicklung bereits im 9. Jahrhundert einen anderen Weg eingeschlagen als im Westen. Der ostfränkische Episkopat tat sich weitaus weniger durch herrschaftstheoretische Überlegungen hervor, und auch die Königssalbung wurde im Ostreich nicht praktiziert, was die Sakralität Ludwigs des Deutschen, der in den Quellen als minister Dei und gotes drut apostrophiert wurde, aber keineswegs schmälerte410. Als Abbild und Stellvertreter Gottes bzw. Christi wurden die ostfränkisch-ottonischen Herrscher allerdings erst in der zweiten Hälfte des 10. Jahrhunderts bezeichnet411. Es sind überwiegend Quellen aus dem liturgischen Bereich, die die Sakralität des ottonischen Herrschers hervorheben, wenngleich das besondere Nahverhältnis des Königs zu Gott auch in erzählenden Quellen thematisiert wird. Der wohl um 960 entstandene Mainzer Krönungsordo 412 schärfte dem Herrscher ein, als eifriger Schützer der Kirche Christi und des ihm von Gott anvertrauten Reiches aufzutreten und mahnte ihn zur Tugend der Gerechtigkeit, auf dass er gemeinsam mit Christus, dessen Namen, Stellvertretung und

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Vgl. ERKENS, gotes drut. Insgesamt ist zu beobachten, dass seit dem 9. Jahrhundert, insbesondere aber in der Ottonenzeit, das herrscherliche Christusvikariat stärker in den Vordergrund trat – was zum einen mit einem gewandelten Christusverständnis zusammenhängen dürfte, das im Sohn Gottes nun stärker den Himmelskönig und Triumphator erblickte (vgl. NITSCHKE, Christliche Reiche, S. 328), zum anderen durch die Königssalbung, die im Frankenreich im Jahre 751 aufkam, in Westfranken seit Karl dem Kahlen, in Ostfranken spätestens seit Otto dem Großen nahezu lückenlos belegt ist und den König augenfällig zum christus domini, zum Gesalbten des Herrn, werden ließ, befördert wurde – ohne freilich das Gottesvikariat zu verdrängen. Darüber hinaus konnten offenbar einige Herrschertugenden (clementia und misericordia) besser durch Christus exemplifiziert werden. Eine verbindliche Regel bezüglich der Verwendung von rex imago/vicarius Dei und rex imago/vicarius Christi lässt sich jedoch nicht ableiten, und auch eine tiefergehende Unterscheidung zwischen Gottesebenbildlichkeit bzw.-vikariat und Christusebenbildlichkeit bzw. -vikariat ist nicht auszumachen – und wäre ohnehin dogmatisch nur schwer vertretbar gewesen, vgl. DÜRIG S. 183 ff. Vogel/ Elze, Le pontifical romano-germanique du dixième siècle. Le texte I. (= Studi e testi 226), S. 246-261.

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Bildnis er trage, auf ewig herrschen möge413. Der König steht als caput et princeps regni ac populi auch der christlichen Kirche voran, die er im Sinne Gottes „fördern und lehren, festigen und anleiten“ und „gegen alle sichtbaren und unsichtbaren Feinde“ verteidigen solle414. Damit erfüllte der König eine gleichsam sazerdotale Funktion, die ihn zum Teilhaber am Bischofsamt (particeps ministerii nostri) werden ließ, wenngleich der innere Bereich der Glaubenslehre natürlich dem Priesteramt vorbehalten blieb415. Der Gedanke der königlichen imitatio Christi wird auch bei der Übergabe des Zepters mit der Mahnung zur Gerechtigkeitsliebe und dem Verweis auf die Salbung verbunden. Der König solle Christus nachahmen, „die Gerechtigkeit lieben und die Bosheit hassen; denn darum hat (ihn) Gott gesalbt als Ebenbild für den, den er vor Zeiten mit Freudenöl gesalbt hatte, mehr denn dessen Jünger, Jesus Christus unsern Herrn, der lebt und herrscht.416“ Wie in der karolingischen Epoche, so stand auch in ottonisch-frühsalischer Zeit der König als Stellvertreter Gottes bzw. Christi an der Spitze des Reiches und besaß damit umfassende Herrschaftsrechte und -pflichten auch bezüglich der Kirche, nicht zuletzt bei der Einsetzung der Bischöfe. Für Thietmar von Merseburg waren Könige und Kaiser durch den Glanz der Weihe und Krönung aus der Reihe der übrigen Sterblichen herausgehoben, und nur ihnen, nicht aber anderen weltlichen Fürsten, stehe als Stellvertreter Gottes das Recht zu, Bischöfe in ihr Amt zu investieren417. Die hierarchische Spitzenstellung des 413

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Vogel/Elze §22, S. 257: ...Iesu Christo, cuius nomen vicemque gestare crederis...; §19, S. 256:... quatinus hec in agendo virtutum triumpho gloriosus iustitieque cultor egregius, cum mundi salvatore, cuius typum geris in nomine... Vogel/Elze §11, S. 251: ... ecclesiamque tuam deinceps cum plebibus sibi annexis ita enutriat ac doceat, muniat et instruat, contraque omnes visibiles et invisibiles hostes eidem potenter regaliterque tuae virtutis regimen administret... Vogel/Elze § 22, S. 257:... et per hanc te participem ministerii nostri non ignores, ita ut, sicut nos in interioribus pastores rectoresque animarum intellegimur, tu quoque in exterioribus verus dei cultor strenuusque contra omnes adversitates aecclesie Christi, defensor regnique tibi a Deo dati ... Vogel/Elze §21, S. 257: Et imitando ipsum [sc. Jesus Christus] diligas iustitiam et odio habeas iniquitatem, quia propterea unxit te Deus, Deus tuus, ad exemplum illius, quem ante secula unxerat oleo exultationis prae participibus suis, Iesum Christum dominum nostrum, qui vivit. Thietmar, Chronicon I, 26 (= MGH SS rer. Germ. N. S. 9), S. 32 ff.: Eo tempore, quo supra memoratus rex maxime vigebat, fuit in Bawaria quidam dux, Arnulfus nomine, precluus in mente pariter et corpore, qui omnes episcopatus in hiis partibus constitutos sua distribuere manu singularem habuit potestatem; sed cum hic post varios virtutum suimet ornatus vitam hanc finisset, (non) successoribus suis tantum reliquit honorem. Quin potius reges nostri et imperatores, summi rectoris vice in hac peregrinacione prepositi, hoc soli ordinant meritoque pre caeteris pastoribus suis presunt, quia incongruum nimis est, ut hii, quos Christus sui memores huius terrae principes constituit, sub aliquo sint domino absque eorum, qui exemplo Domini benediccionis et coronae gloria

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Königs als Abbild und Stellvertreter Christi betonte auch der Hofkaplan Wipo, der den Kaiser als vicarius Christi und alter post Christum, secundum post dominum caeli, also in der Hierarchie hinter Christus an zweiter Stelle stehend, hervorhob418. Neben dem herrschaftslegitimierenden Aspekt war mit dem königlichen Gottes- bzw. Christusvikariat aber auch stets eine ethisch-moralische Verpflichtung verbunden. Das Christusvikariat, das in dem Bericht Wipos über die Krönung Konrads II. dem ersten Salierkaiser zugesprochen wurde419, diente an dieser Stelle weniger der Herrschaftslegitimierung, als vielmehr dazu, dem König seine Verpflichtung zur imitatio Christi, insbesondere zur Tugend der Barmherzigkeit, ins Gedächtnis zu rufen. Es war, wie Ludger Körntgen betont, keinesfalls eine ontologische Qualität, die mit dem Christusvikariat einherging, sondern eine dauerhafte ethisch-moralische Verpflichtung, welcher der König in seiner Amtsführung gerecht werden musste, die er aber auch verfehlen konnte. Der Gedanke der königlichen imitatio Christi drückte sich auch in zahlreichen bildlichen Herrscherdarstellungen des 10. und 11. Jahrhunderts aus – so etwa in den ottonischen Siegeltypen und den Evangeliaren – und war nicht zuletzt auch ein wesentliches Element der „Theologie der Reichskrone“420. Die Nachahmung Christi durch den König wurde zu bestimmten Anlässen (Herrscherbuße Heinrichs III421; Krönung Konrads II.) zwar durchaus auch für die Öffentlichkeit inszeniert, doch erschöpfte sich die imitatio Christi nicht nur in einer rituellen Christomimese, wie das die Untersuchung von Lothar Bornscheuer nahezulegen scheint 422 und wie es Treitinger für das spätbyzantinische Hofzeremoniell konstatierte423. Dahinter stand immer auch

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mortales cunctos precellunt. Auch in Chronicon VI, 11 (= MGH SS rer. Germ. N. S. 9), S. 288 wird der König als Stellvertreter Gottes bezeichnet. Propter hoc latente igniculo sub cinere, in hoc itinere ac postea sepissime regi suo cunctorum hostem fidelium brutis peiores animalibus preposuerunt, ignorantes, quod ab eorum fraude vicarium suimet in terris Deus pater ingenitus, speculator desuper, liberaturus erat e carlis. Wipo, Tetralogus, S. 76 Z. 18 f.: Tertius Heinricus , virtutum regnat amicus; Alter post Christum regit orbem circiter istum (Z. 19, S. 76, 21 und Zeilen 121 f., S. 79, 15 f.) Wipo, Gesta Chuonradi c. 3, S. 22 f.: Ad summam dignitatem pervenisti: vicarius es Christi. Nemo nisi illius imitator verus est dominator. Gesta Chuonradi c. 5, S. 26: Dum rex eorum causas audire coepisset (...) respiciens ad episcopos, ut vicarius Christi, christianissime respondebat... Vgl. KÖRNTGEN S. 138 ff.; KANTOROWICZ, zwei Körper, S. 106. So der Titel der ersten Auflage (1976) der Untersuchung von STAATS über die sogenannte Reichskrone. Vgl. WEINFURTER, Investitur und Gnade, S. 111. BORNSCHEUER; vgl. dazu KÖRNTGEN S. 143. Im byzantinischen Hofzeremoniell, das uns im wesentlichen durch das Zeremonienbuch Konstantins VII. (905-959) und den Traktat des Pseudo Kodinos aus der Mitte des 14. Jahrhunderts überliefert ist und damit freilich erst das mittel- und spätbyzantinische

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eine tiefere ethisch-moralische Verpflichtung, die den Herrscher in seinem Handeln leiten sollte. So betonte Bischof Werner von Magdeburg in dem Schreiben (1075?) an Siegfried von Mainz und Adalbero von Würzburg, in dem er seine Amtskollegen bat, bei König Heinrich IV. Fürsprache für die in der Schlacht bei Behringen besiegten Anhänger der sächsischen Adelsopposition einzulegen, dass mit der Stellung des Königs als vicarius Christi auch die imitatio Christi, insbesondere die Tugend der Barmherzigkeit, verbunden sei424. Dieses Beispiel zeigt zugleich, dass die Anschauung vom König als Abbild und Stellvertreter Gottes so fest in der mittelalterlichen Gedankenwelt verankert war, dass auch die Gegner Heinrichs IV. (zu denen Werner von Magdeburg zu zählen ist, wie Lampert von Hersfeld berichtete) sie unumwunden anerkannten425. Selbst in der Zeit des Investiturstreits wurde das königliche Gottes- bzw. Christusvikariat nicht nur von den Parteigängern des Saliers, sondern auch von Anhängern der kirchlichen Reformbewegung verkündet, freilich nicht mit Blick auf Heinrich IV., sondern bezogen auf die von den Fürsten erhobenen Gegenkönige. So erinnerte Abt Wilhelm von Hirsau den Gegenkönig Hermann von Salm daran, dass er nach Gottes Willen als vicarius Dei auf Erden regiere 426 ; und auch einem so kritischen Reformgeist wie Manegold von

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Kaiserverständnis ausdrückt, hat sich laut Treitinger der Gedanke der imitatio Christi zunehmend von einer ethisch-moralischen zu einer „rein nachbildende(n) Stellvertretung Christi“ (vgl. TREITINGER S. 128) gewandelt, zu einer Christomimese, die den Kaiser gewissermaßen das irdische Leben Christi nachspielen ließ. So etwa in der von Pseudo Kodinos überlieferten Feier des Peripatos, der „Einholung des Herrn“, die an Palmsonntag an den Einzug Christi in Jerusalem erinnert oder die rituelle Fußwaschung an Gründonnerstag, die der Kaiser an zwölf armen Männern vornimmt, während der Oberpriester die entsprechenden Worte des Evangeliums verliest. Vgl. TREITINGER S. 124 ff. Bruno, Sachsenkrieg c. 48 (= MGH Deutsches Mittelalter 2), S. S. 47: Deinde domino nostro regi dignetur almitas vestra suggerere, ut recordetur se coelestis regis vicem simul et nomen habere, qui dicit se misericordiam magis velle quam sacrificium et qui venit, non ut iudicet mundum, sed ut salvetur mundus per ipsum; quatenus, dum hoc regogitans eum, cuius membrum et cuius nomen habet, actibus studet imitari, mereatur in regno coelesti beatitudinis aeternae gloria coronari. Vgl. KOST S. 60 ff. Auch Bischof Hezilo von Hildesheim sah in Heinrich IV., zu dem er zumindest zeitweilig in Opposition stand, den Stellvertreter Christi. MGH Briefe der deutschen Kaiserzeit V, Nr. 53, S. 99 f.: Domno suo, regis regum insigni vicario, suus, quicquid se ipso esse potest pretiosus. [...] Interpretare tu, altera rerum maiestas, nomen tuum te ipsum regendo, ut virtus diu nomen inane per te quasi animata sibi in te et speret pręmium et polliceatur asilum, ut gratemur te hic et dici et esse patrem patrię et in futuro regnaturum cum eo, cuius vicem executus es strennue. MGH Briefe der deutschen Kaiserzeit V, Nr. 18, S. 41: Unam petii a Deo, hanc requiram, ut Deus et Dominus adaperiat cor vestrum in lege sua et in preceptis suis in om-

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Lautenbach sträubte sich nicht die Feder, als er aus dem Mainzer Krönungsordo zitierend den König als typus Christi charakterisierte427.

2.5. Investiturstreit Den Höhepunkt der Vorstellung des herrscherlichen Christusvikariats stellt ohne Zweifel die Schrift De consecratione Pontificum et regum des normannischen Anonymus dar428, der um 1100 zur Feder griff, zu einer Zeit also, als der Angriff des Reformpapsttums auf die sakrale Würde des Königtums im Rahmen des sogenannten Investiturstreits bereits weite Teile Europas erfasst hatte. Für den Anonymus besaß Christus sowohl königliche als auch priesterliche Eigenschaften. Der irdische König verkörpere Christus als Herrscher, der Bischof verkörpere Christus als Opferer, so dass beide als Ebenbild und Stellvertreter Christi bezeichnet werden können429, wobei der König jedoch die göttliche Natur, der Priester hingegen die Menschennatur Christi abbilde430. Die Königseigenschaft in Christus ist also ungleich höher zu bewerten, weswegen der König auch das Recht besitzt, die Bischöfe in ihr Amt zu investieren. Die Sonderstellung, die der Traktat in der Streitschriftenliteratur der Zeit einnahm, wird nicht zuletzt daran deutlich, dass er die aus der Salbung und der besonderen Christusbeziehung resultierende Sakralität des Herrschers bis an die Schwelle der Vergottung steigert und den König als Deus per gratiam – im Unterschied zu Christus als Deus per naturam – verehren lässt431. Diese alles überragende Stellung des Herrschers, die nicht zuletzt in der Ebenbildlichkeit und Stellvertretung Christi ihren Ausdruck findet, berechtigte den König zu einer nahezu unumschränkten Gewaltausübung innerhalb der ecclesia oder congregatio fidelium christianorum432. Er steht an deren Spitze,

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nibus operibus vestris clarescere faciat, quia ex ipso et per ipsum regnantis, et quod ex voluntate eius administrandam in terra vicem suam suscepistis. Vgl. ROBINSON S. 123 f. Manegold, Liber ad Gebehardum (= MGH Ldl 1), S. 371 f. Die Texte des Normannischen Anonymus, ed. Pellens. Die Texte des Normannischen Anonymus, ed. Pellens, S. 199: In hoc iste due persone, sacerdos videlicet et rex, vices Christi tenere videntur et imaginem.Vgl. PELLENS S. 227. Die Texte des Normannischen Anonymus, ed. Pellens, S. 132: Sacerdos quippe aliam prefigurabat in Christo naturam - id est: hominis - rex aliam - id est: Dei. Ille superiorem, qua equalis est Deo patri, iste inferiorem, que minor est patre. Zum Gedanken der imitatio Christi beim Yorker Anonymus vgl. PELLENS S. 237, 240. Vgl. KANTOROWICZ, Deus per naturam. Zum königlichen Kirchenregiment vgl. PELLENS S. 252 ff.

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investiert die Bischöfe, beruft Konzilien ein, besitzt die Schlüssel des Himmelreichs und die Administration über die Sakramente (!). Diese auf dem Christusvikariat beruhende Herrschaft des Königs innerhalb der Kirche und über den Klerus, die im Traktat des normannischen Anonymus zweifelsohne ihre extremste Formulierung gefunden hatte, war es, die bereits Mitte des 11. Jahrhunderts in reformerischen Kreisen der Kirche Anstoß erregt hatte. „Wo steht denn, dass der Kaiser die Stelle Christi einnehme?“ empörte sich schon der anonyme Verfasser des Ende 1047 entstandenen Traktats De ordinando pontifice433 und spielte damit auf die Ereignisse an, die sich 1046 auf den Synoden von Sutri und Rom zugetragen hatten, als Kaiser Heinrich III. gleich drei konkurrierende Päpste ihres Amtes enthob und den Weg bereitete für Bischof Suidger von Bamberg als Clemens II. auf die cathedra Petri. Der Ausruf des Anonymus zeigt, dass Heinrich III. sich gerade aufgrund seiner Stellung als vicarius Christi zu diesem Eingreifen berufen und berechtigt sah. Der Anonymus entwarf jedoch eine hierarchische Struktur der ecclesia, an deren Ende der Kaiser, der Papst hingegen – vor allen anderen Bischöfen – an der Spitze stand. Nur Christus gegenüber war der Papst Rechenschaft schuldig, nicht aber gegenüber dem Kaiser, dessen Anspruch auf das Christusvikariat eine bloße Anmaßung darstelle. Die Kritik am königlichen Kirchenregiment war eines der zentralen Anliegen der Gregorianer im Investiturstreit, der sich am Umgang Heinrichs IV. mit gebannten Ratgebern und an dem Streit um die Besetzung des Mailänder Bischofsstuhls entzündete und zu einem Konflikt um die „rechte Ordnung in der Welt“ entwickelte. Der Angriff auf das königliche Kirchenregiment wurde von den Gregorianern jedoch nicht mit einer generellen Diskussion um das königliche Gottesvikariat verknüpft, sondern erfolgte in erster Linie über die Zuordnung des Königs zum Laienstand und mit der damit verbundenen Bedeutungsminderung der Herrschersalbung. Als bloßer Laie stehe der König am Ende bzw. unterhalb der kirchlichen Ämterhierarchie und besitze daher keine Herrschaftsrechte innerhalb der sich ausbildenden Amtskirche. Der Begriff des vicarius Dei / Christi spielte bei Gregor und seinen Anhängern eine eher untergeordnete Rolle, statt dessen wurde der apostolische Primat mit der Stellung des Papstes als successor Petri begründet. Aufgrund der allgemeinen Überordnung des sacerdotium gegenüber dem regnum – Gregor stütze sich hier auf die gelasianische Zweigewaltenlehre –, stand es dem Papst nach Ansicht Gregors aber auch zu, den Kaiser in seiner Amtsführung zu beurteilen und gegebenenfalls abzusetzen – ein Anspruch, den Gregor 1075 in seinem

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De ordinando pontifice S. 14: Ubi enim inveniuntur imperatores locum Christi obtinere?

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Dictatus Papae unmissverständlich formuliert hatte434 und auf den Fastensynoden von 1076 und 1080 in die Tat umsetzte. Jeder König regierte für Gregor nur dann von und mit Gottes Gnade, wenn er sein Amt im Sinne der göttlichen Ordnung wahrnahm. Da die Beurteilung der königlichen Amtsführung ausschließlich der Papst treffen konnte, weil nur er als successor Petri über eine Amtsheiligkeit verfügte, die sein Urteil gleichsam unantatstbar werden ließ435, und Gregor darüber hinaus den Gehorsam gegenüber dem apostolischen Stuhl zu einem maßgeblichen Kriterium der königlichen Beurteilung machte, war der weltliche Herrscher letztlich zum König nicht von Gottes, sondern von Papstes Gnaden geworden. Mit dem Jurisdiktionsanspruch des Papstes über den Kaiser war in den Augen der Heinrizianer die göttliche Weltordnung in Frage gestellt worden. Heinrich IV. berief sich darauf, nur Gott gegenüber rechenschaftspflichtig zu sein und auf Erden von niemandem gerichtet werden zu können, ein Privileg, das seit dem 5. Jahrhundert für den Inhaber des Heiligen Stuhles postuliert wurde, aber schon einmal im 9. Jahrhundert von den Parteigängern Kaiser Lothars II. im Zusammenhang mit dessen Scheidungsaffäre auch für den weltlichen Herrscher in Anspruch genommen worden war. Sigebert von Gembloux verband den Gedanken der königlichen Unrichtbarkeit auf Erden in seiner Schrift Adversus Paschalem 1103 mit dem Hinweis auf das königliche Christusvikariat. Als vicarius Christi sei der Herrscher nur dem Urteil Christi unterstellt und dürfe daher nicht vom Papst exkommuniziert werden436. Auch der italienische Gelehrte und Bischof Benzo von Alba hob 1086 in seinem Traktat Ad Heinricum IV. imperatorem libri VII. die Rolle des Herrschers als vicarius Dei hervor, der von Gott mit der Aufgabe betraut worden sei, andere Menschen zu höheren Graden zu berufen, gleich Gott als zweiter Schöpfer auf Erden wirke, und nur Gott gegenüber für seine Amtsführung Rechenschaft ablegen müsse437. Dem Kaiser kam als vicarius Dei auch innerhalb der Kirche 434 435 436

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Gregorii VII. Registrum II, 55a, S. 204, 5: Quod illi liceat imperatores deponere. Vgl. NITSCHKE, Wirksamkeit, bes. S. 155 ff. Sigebert von Gembloux, Adversus Paschalem c. 7 (= MGH LdL 2), S. 459: Ammoneri quidem possunt, increpari, argui a timoratis et discretis viris; quia quos Christus in terris rex regum vice sua constituit dampnandos et salvandos suo iudicio reliquit. Ecce, quare excommunicati vocamur: eo quod sanctos et moderatos et antiquos patres tenemus et pro posse imitamur. Benzo von Alba, Ad Heinricum IV. imperatorem libri VII, I., c. 8 (26), (= MGH SS rer. Germ. 65), S. 172: ...quod ipse deus vice sua contulit ei ad superiores gradus ordinare homines, sicut ipse disponit supernorum civium ordines. Et quia vicarius est conditoris, non debet esse sine cotidiana sollicitudine suae prepositionis. Nam de prelaturae suae reddenda ratione non est ambiguum in ultima discussione. In tantam itaque sublimitatem divinitate propitia elevatus et super omnes potestates omniaque iura regnorum exaltatus iactet super dominum suos cogitatus et in cunctis actionibus suis habeat,

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eine herrschende Stellung zu; ihm verdanken die Bischöfe ihre Würde und schulden ihm daher uneingeschränkten Gehorsam 438 . Während die Gregorianer in ihren Traktaten kaum auf die Thematik des Gottesvikariats eingingen, griff die königliche Seite auf die Stellung des Herrschers als imago / vicarius Dei zurück, um die Gottunmittelbarkeit des Königs hervorzuheben. Neben Sigebert von Gembloux und Benzo von Alba wäre beispielhaft der italienische Jurist Petrus Crassus zu nennen, der sich bei seiner Verteidigungsschrift für Heinrich IV. (1084?) als erster auf Grundsätze des wiederentdeckten römischen Rechts (etwa des Familien- und Sachenrechts) stützte439, daneben aber auch mit dem Ambrosiasterkommentar zu Röm. 13, 2 den locus classicus der Vorstellung vom König als Abbild und Stellvertreter Gottes zitierte440. Auch Hugo von Fleury (1102) scheint den Ambrosiaster im Sinn gehabt zu haben, als er den König als imago Dei charakterisierte, während er dem Bischof die Funktion eines Abbildes Christi zuwies441.

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precor, nutricem virtutum discretionem reddens ei semper gloriam et honorem, qui eum ad similitudinem sui fecit in creaturis humanis alterum creatorem. Vgl. STRUVE, Regnum und Sacerdotium, S. 212. Vgl. STRUVE, Salier und das römische Recht, S. 47 f. Petrus Crassus, Defensio Heinrici c. 7 (= MGH Ldl 1), S. 450: Audi iterum apostolum dicentem: „Omnibus potestatibus sublimioribus subiecti estote; non enim potestas nisi a Deo.“ Et item: „Qui enim audientes legem peccant, inexcusabiles sunt; nam qui principantur, non sunt timori bonis, sed malis.“ Ambrosius: „Principes hos dicunt reges, qui propter corrigendam vitam et prohibenda adversa creantur; Dei enim habent imaginem, ut sub uno sint caeteri.“ Item ideo dicit apostolus subiectionem praestare regibus, per quam sciant non esse liberos, sed sub potestate agere, quae ex Deo est, id est sub principe suo, qui vicem Dei agit. Hugo von Fleury, Tractatus de regia potestate et sacerdotali dignitate I, 3 u. 5. (= LdL 2), S. 468, 472. c.3: Quod rex Dei patris imaginem optineat, et episcopus Christi: Verumptamen rex in regni sui corpore Patris omnipotentis optinere videtur imaginem, et episcopus Christi. Unde rite regi subiacere videntur omnes regni ipsius episcopi, sicut Patri Filius deprehenditur esse subiectus, non natura, sed ordine, ut universitas regni ad unum redigatur principium. Cuius mysterii sacramentum in Exodo Dominus evidenter aperit, ubi ad Moysen dicit: „Ecce constitui te deum Pharaonis, et Aaron erit propheta tuus.“ Porro Moyses in Ebraico populo regis imaginem, et Aaron sacerdotis obtinuisse visus est: salva alia sancta sacramenti sagnificatione. Unde Moyses sacrosancto mysterio tabernaculum aedificat atque sanctificat, et Aaron consecrat et populo legis divinae decreta proponit, et Aaron in virga, quam ei tradiderat Moyses, operatur signa et prodigia coram Pharaone et optimatibus eius. [...] c. 5: Rex enim, sicut iamdudum premissum est, Dei patris obtinere videtur imaginem, et episcopus Christi.

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2.6. Die Römerbriefkommentare des 12. und 13. Jahrhunderts Die Vorstellung vom König als Abbild und Stellvertreter Gottes findet sich aber auch noch im 12. Jahrhundert. Es waren vor allem die zahlreichen Römerbriefkommentare, die in dieser Zeit an den Domschulen verfasst wurden, die diese Vorstellung weiter transportierten, indem sie im wesentlichen den Kommentar des Ambrosiaster ausschrieben. Im 9. Jahrhundert von Hinkmar von Reims442 und Hrabanus Maurus443 benutzt, während des Investiturstreits von Petrus Crassus zitiert444, übernahmen im 12. Jahrhundert unter anderen Anselm von Laon445, Herveus von Bourg Dieu446, Gilbertus Porreta447, Petrus Lombardus in seiner einflussreichen Magna Glossatura448 und – zu Beginn des 13. Jahrhunderts – Stephan Langton449 die Formulierung des Ambrosiaster, der König trage das Abbild Gottes und sei der vicarius Dei, wobei der Begriff vicarius Dei bisweilen, etwa bei Anselm von Laon und Petrus Lombardus, mit der Wendung loco Dei vindicat [sc. princeps] umschrieben wird450. Werner 442 443 444

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Vgl. Anm. 389. Vgl. Anm. 390. Petrus Crassus, Defensio Heinrici c. 7, MGH Ldl 1, S. 450: Audi iterum apostolum dicentem: „Omnibus potestatibus sublimioribus subiecti estote; non enim potestas nisi a Deo.“ Et item: „Qui enim audientes legem peccant, inexcusabiles sunt; nam qui principantur, non sunt timori bonis, sed malis.“ Ambrosius: „Principes hos dicunt reges, qui propter corrigendam vitam et prohibenda adversa creantur; Dei enim habent imaginem, ut sub uno sint caeteri.“ Item ideo dicit apostolus subiectionem praestare regibus, per quam sciant non esse liberos, sed sub potestate agere, quae ex Deo est, id est sub principe suo, qui vicem Dei agit. Anselm von Laon, Parva glossatura, Marginalglosse zu Rom 13, 3: „Non sunt timori boni operis.“ Si bonus est princeps, bene operantem non punit, sed diligit. Si malus, non nocet bono, sed purgat eum; malus debet timere, quia instituti sunt principes, ut mala puniant. Ambrosius: „Principes dicit, qui propter corrigendam vitam et prohibenda adversa creantur, dei habentes ymaginem, ut sub uno sint ceteri.“ Vgl. AFFELDT S. 291. Herveus v. Bourg Dieu, PL 181, Sp. 776: Principes [...] qui propter corrigendam vitam et prohibenda adversa constituuntur, Dei habentes imaginem, ut sub uno sint caeteri homines. Gilbertus Porreta, media glossatura: Et merito: „Nam principes“, habentes dei imaginem ex eo, quod sub uno sunt multi, qui etiam propter corrigendam vitam et adversaprohibenda creantur, sive sint boni, sive sint mali. Vgl. AFFELDT S. 293. Petrus Lombardus, Magna glossatura, PL 191, Sp. 1505: Principes dicit illos quia propter corrigendam vitam, et prohibendo adversa creantur, Dei habentes imaginem, ut sub uno caeteri sint. Vgl. AFFELDT S. 156 ff. Stephan Langton, Römerbriefkommentar, ed. AFFELDT S. 296-300, bes. S. 299.: „Dei habentes ymaginem“; non eo modo, quo Lucifer voluit habere, ut scilicet preesset et non subesset, sed in hac principes habent ymaginem dei, ut scilicet sub uno principe sint „ceteri“, sicut ipsi principes sub deo. Vgl. AFFELDT S. 145. Anselm, Interlinearglosse zu Röm. 13, 4: Timendum est, quia habet gladium, id est iudicariam potestatem, non sine causa, sed ut malos puniat, et hoc

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Affeldt zeigte sich in seiner eingehenden Analyse der Römerbriefkommentare überrascht davon, dass „nicht einmal die Erschütterungen des Investiturstreits in den Stuben der gelehrten Exegeten registriert worden sind“451, und ging deswegen davon aus, dass man den rex imago/vicarius Dei – Gedanken „offenbar als Traditionsgut nur so mit-(schleppte), ohne darüber zu reflektieren“452. Freilich ist im einzelnen nicht zu bestimmen, inwieweit der Exeget in seinem Römerbriefkommentar tatsächlich auch seine eigenen, gleichsam „politischen“ Ansichten über die weltliche Gewalt mitteilt. Die Überraschung Affeldts beruht indes auf der Annahme, dass der Angriff des Reformpapsttums auf das königliche Kirchenregiment Ende des 11. Jahrhunderts auch mit einem völligen Negieren sakraler Herrschaftsvorstellungen einherging, doch standen Herrscher und Reich auch nach dem Investiturstreit in einem besonderen Nahverhältnis zu Gott, was eine Charakterisierung des Königs als Abbild und Stellvertreter Gottes auch im 12. Jahrhundert sowohl im Reich als auch in anderen europäischen Monarchien ermöglichte. Minister Dei und vicarius Dei wurden in der Auslegung des Römerbriefs nahezu austauschbare Begriffe453, die beide auf den König bezogen wurden, der anstelle Gottes (loco Dei) Recht und Gerechtigkeit auf Erden garantieren sollte. Die hierarchische Spitzenstellung, die dem König dabei zukam, wird mit der Feststellung ut sub uno sint caeteri des zitierten Ambrosiasterkommentars weiterhin betont, doch bleibt es offen, ob zu den caeteri auch die Geistlichkeit zu zählen ist, die unter dem Schwert des königlichen vicarius Dei steht. Aber auch wenn die Römerbriefkommentare immer wieder hervorheben, dass der Apostel in Röm. 13, 1 omnis anima zum Gehorsam gegenüber der weltlichen Gewalt verpflichtete und davon keine Ausnahme gelten ließ454,

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est „dei enim minister“: loco dei vindicat. Dass die Wendung loco Dei in der herrschaftstheoretischen Debatte tatsächlich auch eine synonyme Umschreibung für das Gottesvikariat (unabhängig davon, ob auf den Papst oder den König/Kaiser bezogen) darstellte, zeigen zahlreiche Beispiele aus der spätmittelalterlichen Literatur, z. B. Thomas von Aquin, SCG IV, 76: Eadem igitur ratione, quia praesentiam corporalem erat ecclesiae subtracturus, oportuit ut alicui committeret qui loco sui [sc. Christus] universalis ecclesiae curam gereret; Torquemada, Summa de ecclesia II, c. 37, ed. Venedig 1561, fol. 151r: Quod Romanus pontifex sit Christi vicarius et locum eius teneat in terris. AFFELDT S. 146. AFFELDT S. 144. Vgl. z. B. den von AFFELDT S. 145 in das Umfeld um Radulf von Laon eingeordneten Kommentar Cod. Paris. Nat. lat. 15601, fol. 18rb: „ .... et talis, qui sit ,minister dei„, id est vicarius, hic constituitur in loco dei... ,Ideoque„ quasi quia vicarius est dei constitutus [sc. princeps] in vindicandam iram ipsius [sc. dei]...“ Die Kommentare diskutieren dies stets nur unter dem Aspekt, dass sich Christen nicht mit dem Hinweis auf ihre Gehorsamspflicht gegenüber Gott der weltlichen Gewalt grundsätzlich entziehen können.

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so sind doch die mittelalterlichen Auslegungen von Röm. 13, 1-7 insgesamt gesehen keine geeignete Quelle zur Bestimmung des Verhältnisses von regnum und sacerdotium. Die Römerbriefkommentare des 13. Jahrhunderts verzichteten zwar schließlich weitgehend auf das Ambrosiasterzitat vom König als Abbild und Stellvertreter Gottes auf Erden455, doch blieb der Vikariatsgedanke, also die Vorstellung, der König handele als oberster Richter anstelle Gottes auf Erden, auch in ihnen greifbar. So etwa bei Petrus von Tarantaise, der im Jahre 1276 für wenige Monate als Papst Innozenz V. auf der cathedra Petri Platz nahm, und bei Nikolaus von Gorran. Beide zitieren im Zusammenhang mit Röm. 13, 1 ff. und der Rolle des Königs als minister Dei zwar nicht mehr den Ambrosiaster, dafür aber werden die weltlichen Herrscher unter Verweis auf Exod. XXII. als „Götter“ apostrophiert456, die loco dei auf Erden herrschen. Der König verkörperte letztlich durch seine Aufgabe als oberster Richter in seinem Reich in herausragender Weise das Gottesvikariat, das nach der Glossa ordinaria zu Dt. 1, 17 ganz allgemein jedem rechtsprechenden Menschen zukomme.457

2.7. Der Policraticus des Johannes von Salisbury Eine zentrale Rolle nimmt die Stellung des Königs als Abbild Gottes im Policraticus ein, dem von der Forschung nicht zuletzt aufgrund seines enormen Gedanken- und Quellenreichtums ein großer Einfluss auf theologische, philosophische wie auch juristische Schriften der folgenden Jahrhunderte sowohl in England als auch auf dem Kontinent bescheinigt wird. Auch wenn es vor allem die „zukunftweisenden Ideen“ wie die Anschauung vom „Staat als na455

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Dies dürfte mit dem von Papst Innozenz III. formulierten päpstlichen Anspruch auf das Christusvikariat und der daran anschließenden kanonistischen Diskussion zusammenhängen, die die Postulierung eines kaiserlichen Gottesvikariats unter Häresieverdacht stellte. Petrus von Tarantaise, Cod. Paris. Nat. lat. 15276 (XIII) fol. 48ra-49ra, ed. AFFELDT S. 306 f.: „Dei enim minister est“. Ideo etiam principes vocantur dii, quia ministri dei, Ex. XXII:“Diis non detrahes“. [...] Quod facit princeps, ut minister dei, deus facit; Nikolaus von Gorran, Cod. Paris. Nat. lat. 15277 (XIII) fol 67va-69va, ed. AFFELDT S. 311: „Dei enim minister est“, id est loco dei minister est. Ideo etiam principes vocantur dii, quia ministri dei, Exo XXII:“Diis tuis non detrahes“. Vgl. AFFELDT S. 218, 232. Biblia Latina cum glossa ordinaria, Strassburg 1480/81 [ND Turnhout 1992, S. 371, Dt. 1, 17 ad. v. „dei iudicium est“: Nota: Homines quasi iudicando Dei vicarii estis, qui personam non accipit.

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türlichem Organismus, vom König als caput corporis rei publicae und die weltliche Offizienlehre in der Tradition Ciceros“ 458 sind, die von der Forschung besonders hervorgehoben werden, so sind die traditionellen sakralen Elemente in der Herrschaftstheorie Johannes‟ von Salisbury nicht minder von Bedeutung. Der Policraticus459, das Hauptwerk des Johannes von Salisbury, entstand zwischen 1156 und 1159 in mehreren Redaktionsstufen und stellt eine Komposition aus ursprünglich vermutlich drei unabhängigen Einzelabhandlungen dar, die sich mit Fragen des Natur- und Aberglaubens, der Fürstenbelehrung und der Moralphilosophie befassten 460 . In dem von der Forschung häufig als eklektizistisch und unsystematisch bezeichneten Werk461 konnte Max Kerner als inneren Zusammenhalt eine moralische Ausrichtung nachweisen, die den Traktat als christlich-humanistische Lehrschrift über Politik und Ethik ausweist 462 . Die Staats- und Gesellschaftslehre des Policraticus ist von einem organologischen Grundgedanken geprägt, der auf der wohl in spätantiker Zeit entstandenen Institutio Traiani des Pseudo Plutarch beruht463. Dem Fürsten kommt als Haupt des Staatskörpers die Aufgabe zu, die übrigen Glieder mit Hilfe des Gesetzes zu lenken, Recht und Gerechtigkeit zu wahren und die Gesellschaft somit in einem Zustand allseitiger Harmonie zu halten, in dem jeder die ihm nach der aequitas – der göttlichen Welt- und Seinsordnung – zukommende Aufgabe zum Wohle der Allgemeinheit erfüllen kann. Zu diesem Zweck erhält der Fürst seine Gewalt im Sinne von Röm. 13, 1 ff. von Gott. Dieser setzt den Fürsten an die Spitze der Gemeinschaft, wobei sich der göttliche Wille in unterschiedlichen Formen der Herrschererhebung offenbaren kann, so etwa durch unmittelbares Walten der göttlichen Vorsehung, priesterlichen Ratschluss oder Wahl des Volkes464. Der Fürst ist der verlängerte Arm Gottes auf Erden und imago Dei465. Das Kö458 459

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ANTON, Art. Fürstenspiegel, Sp. 1045. Johannes von Salisbury, Policraticus, ed. Webb; DERS., Policraticus I-IV, ed. K. S. B. Keats-Rohan (= CC cont. Med. 118). Aus der umfangreichen Literatur seien erwähnt: DICKINSON; SCHUBERT, Staatslehre; GENNRICH; SIVERS; NEDERMAN/CAMPBELL; ROUSE/ROUSE; NEDERMAN, A duty to kill; LAARHOVEN; KERNER; STRUVE, organologische Staatsauffassung S. 123-148; DERS., Vita civilis. ULLMANN, Policraticus. Vgl. KERNER S. 111-119. Vgl. SCHUBERT, Staatslehre, S. 37; LEWIS, S. 522; MORRALL S. 55; DICKINSON, S. 337. Vgl. KERNER S. 189-193, 205-209. ANTON, Anfänge. Policr. V, 6, ed. Webb I, S. 298: Hunc itaque [...] dispositio diuina in arce rei publicae collocauit et eum nunc archano prouidentiae suae misterio ceteris praefert, nunc quasi suorum iudicio sacerdotum, nunc ad eum praeficiendum totius populi uota concurrunt. Policr. IV, 1, ed. Webb I, S. 235 f. = CC cont. Med. 118 S. 232.f.: Est ergo, ut eum plerique diffiniunt, princeps potestas publica et in terris quaedam diuinae maiestatis imago. Procul dubio magnum quid diuinae uirtutis declaratur inesse principibus, dum homines nutibus eorum colla submittunt et securi plerumque feriendas praebent ce-

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nigtum wird seinen Aufgaben gemäß traditionell als das Vikariat Gottes auf Erden verstanden466, wenngleich der Terminus rex vicarius Dei im gesamten Policraticus nicht vorkommt, ja vielmehr die Geistlichen an einer Stelle als jene bezeichnet werden, qui uices illius [sc. Deus] agunt in terris467. Die enge Verbindung des Herrschers zu Gott wird von Johannes mit dem Begriff rex imago Dei ausgedrückt und steht in Zusammenhang mit einer Kosmologie, die makrokosmische Strukturen auf die Ebene des Staates projiziert468. So erscheint die Herrschaft des Fürsten als Abbild der Herrschaft Gottes über das Universum, und das irdische Gesetz als Abbild des den Kosmos lenkenden göttlichen Willens469. Die legitimierende Kraft sakraler Herrschaftsvorstellungen wird deutlich, wenn Johannes mit Röm. 13, 2 jeden Widerstand gegen den König als Widerstand gegen die gottgewollte Ordnung deutet, und es nicht zuletzt wegen der göttlichen Abbildhaftigkeit des Königs auch fast zum Sakrileg (proximum

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ruices, et impulsu diuino quisque timet quibus ipse timori est. Quod fieri posse non arbitror nisi nutu faciente diuino. Omnis etenim potestas a Domino Deo est et cum illo fuit semper, et est ante aeuum ordinatae ratio potestatis. Quod igitur princeps potest ita a Deo est ut potestas a Domino non recedat, sed ea utitur per subpositam manum, in omnibus doctrinam faciens clementiae aut iustitiae suae. Qui ergo resistit potestati, Dei ordinationi resistit, penes quem est auctoritas conferendi eam et, cum uult, auferendi uel minuendi eam. Vgl. DICKINSON S. 333; SIVERS S. 63 f.; STRUVE, Vita civilis, S. 355. Policr. V, 2, ed. Webb I, S. 283. Vgl. STRUVE, Vita civilis, S. 354. Vgl. SCHUBERT, Staatslehre, S. 20; GENNRICH S. 39 ff.; NEDERMAN/CAMPBELL S. 577. Dass Johannes von Salisbury nicht den Begriff des vicarius, sondern den des imago wählte, um die Stellung des Königs zu charakterisieren, liegt nicht etwa daran, dass er, wie FESEFELDT S. 46 irrigerweise annahm, allein den ontologischen Bezug zwischen Gott und König hervorheben und den juristischen Aspekt, den der Vikariatsbegriff impliziere, vernachlässigen wollte, sondern dürfte schlicht an seinen Quellen liegen. Die Vorstellung, der König stelle das Abbild Gottes auf Erden dar, findet sich im Policraticus einerseits unter direktem Verweis auf Vegetius‟ De re militarii (Policr. VI, 7, ed. Webb II, S. 20: Conceptio uero iuramenti teste Vegetio huiusmodi est. Iurant equidem milites per Deum et Christum eius et Spiritum sanctum et per maiestatem principis quae secundum Deum humano generi diligenda est et colenda. Nam cum quis legitimum accipit principatum, tamquam praesenti et corporali Deo fidelis ei est praestanda deuotio ...), zum anderen dürfte der Gedanke vom König als imago Dei aus dem Paulinerkommentar des Ambrosiaster entnommen worden sein, die Johannes nachweislich gekannt und benutzt hat (Zur Benutzung des Paulinerkommentars des Ambrosiaster vgl. Policr., ed. Webb I, Einleitung S. 35, etwa Policr. III, 13, ed. Webb I, S. 221). Eine Vermittlung des rex imago Dei Gedankens ist darüber hinaus natürlich auch durch die zahlreichen Römerbriefkommentare denkbar, in die das Werk des Ambrosiaster eingeflossen ist.

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sacrilego) erklärt, die Hand gewaltsam gegen den König zu erheben470. Doch nicht nur der gute König, auch der Tyrann erfüllt als Werkzeug Gottes zur Strafe des sündigen Volkes (vgl. Augustinus, Isidor v. Sevilla, Gregor d. Gr.) eine Aufgabe, die ihn zum Diener und – quodammodo – zum Abbild Gottes macht, wie am Beispiel Sauls erläutert wird471. Dies ist umso erstaunlicher, da Johannes an anderer Stelle den Mord eines Tyrannen zu dulden, ja geradezu zu fordern scheint472, doch hat Jan van Laarhoven überzeugend gegen die Existenz einer expliziten Tyrannenmordlehre bei Johannes von Salisbury argumentiert. Entscheidend ist, dass der Tyrannenmord zwar eine gerechte und notwendige Sache sein kann, die Entscheidung darüber, ob, wann und wie der Tyrann mit dem Tode bestraft wird, aber allein Gott trifft, der als einziger über den König bzw. Tyrann richten darf473. Auch der Tyrann erhält seine potestas von Gott und muss wegen seiner Stellung geachtet und verehrt werden474, obwohl er nicht nach dem göttlichen Gesetz zum Wohle des Gemeinwesens handelt, sondern aus selbstsüchtigen Motiven. Er ist zwar als strafendes Werkzeug Gottes und aufgrund seiner herrscherlichen Stellung gewissermaßen auch imago Dei, doch stellt er aufgrund seiner persönlichen Verderbtheit gleichsam als Gegenstück zum guten Fürsten auf individueller Ebene auch ein Abbild der Bösartigkeit, ja gar ein Abbild des Teufels dar475. Johannes bedient 470

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Policr. VI, 25, ed. Webb II, S. 73 f.: Ceterum quod aduersus caput aut uniuersitatem membrorum dolo malo malitia praesumit, crimen est grauissimum et proximum sacrilego, quia, sicut illud Deum attemptat, ita et istud principem, quem constat esse in terris quandam imaginem deitatis. Et ex eo quidem maiestatis dicitur crimen, quod persequitur illius imaginem qui solus [...] uerae et ingenuae maiestatis retinet ueritatem. Policr. VI, 26, ed. Webb II, S. 80: Quis ergo in imaginem Dei, qui est princeps, malitia praesumente impune offendit? Policr. VIII, 18, ed. Webb II, S. 358 f.: Ministros Dei tamen tirannos esse non abnego, qui in utroque primatu, scilicet animarum et corporum, iusto suo iudicio esse uoluit per quos punirentur mali et corrigerentur et exercerentur boni. [...] Incussit enim Deus timorem omnibus, ut eum [sc. Saul] quasi ministrum Domini, cuius quodammodo gestabat imaginem, uenerarentur. Policr. III, 15, ed. Webb I, S. 232 = CC cont. Med. 118 S. 229 f. Policr. VIII, 21, ed. Webb II, S. 379: Punitur autem malitia semper a Domino; sed interdum suo, interdum quasi hominis utitur telo in penam impiorum. Vgl. NEDERMAN/CAMPBELL S. 583, 588; DICKINSON S. 329; ROUSE/ROUSE S. 252. Policr. VIII, 18, ed. Webb II, S. 358 f.: Idem tamen christus Domini dictus est [sc. Saul], et tirannidem exercens regium non amisit honorem. Policr. VIII, 17, ed. Webb II, S. 345: Imago quaedam diuinitatis est princeps et tirannus est aduersiae fortitudinis et Luciferianae prauitatis imago, siquidem illum imitatur qui affectauit sedem ponere ad aquilonem et similis esse Altissimo, bonitate tamen deducta [...] Imago deitatis, princeps amandus uenerandus est et colendus; tirannus, prauitatis imago, plerumque etiam occidendus. ibid. S. 348: Habet enim et res publica impiorum caput et membra sua, et quasi ciuilibus institutis legittimae rei publicae nititur esse conformis. Caput ergo eius tirannus est imago diaboli.

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sich hier der bereits bei Augustinus angelegten und im späteren Mittelalter häufig zu findenden (vgl. Johann v. Viterbo, Thomas v. Aquin, Aegidius Romanus) Unterscheidung zwischen der potestas, die von Gott stammt und daher gut ist, und dem zuweilen schlechten Gebrauch der potestas durch den Menschen, betont aber ausdrücklich, dass auch die Tyrannenherrschaft als Werkzeug Gottes letztlich zum Guten beiträgt476. Der Grund für jegliche Tyrannei liegt in der moralischen Unzulänglichkeit des Machthabenden, weswegen der moralischen Belehrung des Fürsten eine zentrale Bedeutung im Policraticus zukommt. Neben dem Studium der Philosophie dient dazu besonders die Unterweisung im göttlichen Gesetz, die vornehmlich durch die Priester erfolgt. Der Geistlichkeit wird in der organologischen Staats- und Gesellschaftsauffassung die Rolle der Seele zugewiesen, die außerhalb des Staatskörpers steht und somit der lenkenden und richterlichen Gewalt des Fürsten entzogen ist; der König andererseits ist als Haupt des Staatswesens den Weisungen der Seele, also den Geistlichen, unterworfen477. Auf diese Äußerung und auf die Auslegung der Zwei Schwerter Lehre 478 stützte sich die Forschung, die in Johannes von Salisbury einen Vorkämpfer der Hierokratie sah479, was jedoch – nicht zuletzt wegen der im Policraticus geäußerten sakralen Herrschaftsvorstellungen – stets Widerspruch erregte480. Nach Ansicht Walter Ullmanns stellte die Unterwerfung des Herrschers unter das göttliche Gesetz und damit unter die Geistlichkeit eine Reaktion Johannes‟ auf römisch-rechtliche Vorstellungen dar, die den Fürsten nach der lex regia als über dem Gesetz stehend betrachten und mit D. 1, 1, 1, 2 (Publicum ius in sacris, in sacerdotibus, in magistratibus consistit) eine ungehinderte Kirchenherrschaft des weltlichen Fürsten ermöglichen. Eine hierokratische Deutung des Verhältnisses von regnum und sacerdotium lag Johannes 476

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Policr. VIII, 18, ed. Webb II, S. 359: Ergo et tiranni potestas bona quidem est, tirannide tamen nichil est peius. Policr. V, 2, ed. Webb I, S. 282 f.: Illos uero, qui religionis cultui praesunt, quasi animam corporis suspicere et uenerari oportet. Quis enim sanctitatis ministros Dei ipsius uicarios esse ambigit? Porro, sicut anima totius habet corporis principatum, ita et hii, quos ille religionis praefectos uocat, toti corpori praesunt. [...] Princeps vero capitis in re publica optinet locum uni subiectus Deo et his qui uices illius agunt in terris, quoniam et in corpore humano ab anima uegetatur caput et regitur. Policr. IV, 3, ed. Webb I, S. 239 = CC cont. Med. 118 S. 236: Hunc ergo gladium de manu Ecclesiae accipit princeps, cum ipsa tamen gladium sanguinis omnino non habeat. Habet tamen et istum, sed eo utitur per principis manum, cui cohercendorum corporum contulit potestatem, spiritualiter sibi in pontificibus auctoritate seruata. Est ergo princeps sacerdotii quidem minister et qui sacrorum officiorum illam partem exercet quae sacerdotii manibus uidetur indigna. Vgl. SCHAARSCHMIDT; GIERKE; ULLMANN Vgl. SCHUBERT, Staatslehre; DICKINSON; NEDERMAN/CAMPBELL.

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gleichwohl fern, da die Unterwerfung des Fürsten unter die lex digna und die Geistlichkeit freiwillig und aus innerer Überzeugung des Herrschers geschehen müsse, so wie sich einst Christus – hier wird der Gedanke der imitatio Christi deutlich – freiwillig unter die Gesetze des römischen Kaisers stellte. Der Kirche wird lediglich das Recht auf Belehrung und Ermahnung des Fürsten zugewiesen, jedoch keinerlei weltliche Zwangsmittel etwa in Form eines Absetzungsrechts gegen den Fürsten 481 . Dahinter steht der zentrale Gedanke von der absoluten Trennung von weltlichem und geistlichem Bereich, der besonders auf rechtlicher Ebene gegen die Politik Heinrichs II. von England (Konstitutionen von Claredon 1163) verteidigt werden musste. Die große Bedeutung des weltlichen Herrscheramtes bei der Verwirklichung der göttlichen Weltordnung und seine Verantwortung für das göttliche Gesetz machen es letztlich zu einem religiösen Amt (officium religiosum). Der Fürst übt gemeinsam mit der Kirche ein sacrum officium aus, das von Gott zur Leitung der Menschheit eingerichtet worden ist482. Johannes betont zwar die höhere Würde der Geistlichkeit innerhalb des sacrum officium483, leitet aus diesem Würdevorrang jedoch keine konkrete juristische oder politische Konsequenz ab. Johannes Interpretation des gängigen Körper-Seele Vergleichs ermöglichte ihm die gewünschte Trennung der beiden Gewalten und ihrer Jursidiktionsbereiche, und gleichzeitig die Superiorität des sacerdotium im Verhältnis der Gewalten zueinander sicherzustellen. Damit war es für Johannes unproblematisch, den König in seinem Jurisdiktionbereich als Abbild (bzw. Stellvertreter) Gottes zu charakterisieren.

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Vgl. NEDERMAN/CAMPBELL S. 577 ff. Policr. IV, 3, ed. Webb I, S. 239: Est ergo princeps sacerdotii quidem minister et qui sacrorum officiorum illam partem exercet quae sacerdotii manibus uidetur indigna Sacrarum namque legum omne officium religiosum et pium est, illud tamen inferius, quod in penis criminum exercetur et quandam carnificii repraesentare uidetur imaginem. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch Policr. V, 4, ed. Webb I, S. 289 ff. (De reverentia personarum et rerum, et quot modis persona sit uenerabilis). Mit Pseudo-Plutarch erklärt Johannes, dass Personen, die Gott besonders ähnlich seien in Natur, Charakter, Rang und Amt auch besondere Verehrung seitens der Menschen verdienen, was christlich gewendet bedeutet, dass Heilige aufgrund ihrer Lebensweise, Priester und Könige aufgrund ihrers Amtes verehrt werden müssen, da sie darin Diener und Abbild Gottes seien. Priester freilich dienten Gott im geistlichen Bereich und stünden daher höher als Könige, die im Bereich der lex humana dienten.

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2.8. Henry Bracton und weitere Beispiele Der Einfluss des Policraticus auf das Werk des englischen Juristen Henri Bracton ist von der Forschung wiederholt hervorgehoben worden484, und auch wenn Bracton den König nicht wie Johannes von Salisbury als imago Dei, sondern als vicarius Dei bezeichnet, so sind doch gerade im Hinblick auf die von Gott gegebene Stellung des Herrschers innerhalb des Gemeinwesens die Gemeinsamkeiten zwischen dem Policraticus und Bractons De legibus et consuetudinibus Angliae unverkennbar. Die Vorstellung vom König als Abbild und Stellvertreter Gottes spielte in der Legistik – soweit ich sehen kann – bis in das späte 13. Jahrhundert hinein allenfalls eine untergeordnete Rolle485, so dass sie Bracton kaum dem römischen Recht486 entnommen haben dürfte. Dies spricht freilich nicht zwingend für eine Vermittlung des rex imago / vicarius Dei-Gedankens durch den Policraticus, da bereits seit dem frühen 13. Jahrhundert das herrscherliche Gottesvikariat auch in der Kanonistik intensiv diskutiert wurde487. Nach Bracton steht der König an der Spitze des Reiches und ist aufgrund seiner Stellung als oberster Richter und seiner umfassenden Sorge für Gerechtigkeit und Frieden der minister et vicarius Dei, durch den Gott gleichsam selbst zu Gericht sitzt und seine Urteile fällt488. Bei der Er484 485

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Vgl. etwa SCHULZ, Bracton on kingship, passim. Aus der Glossa ordinaria des Accursius wäre hier am ehesten zu denken an D. 35, 2, 1 ad. v. „Deo relinquuntur“: coelesti, idem in terreno [sc. Deo], in: Accursii Glossa in Digestum infortiatum, S. 367. Vgl. dazu ULLMANN, Policraticus, S. 540 Anm. 52. Die Glosse zu Cod. I, 2, 10 ad. v. „coeleste“, in: Corpus Iuris Civilis Iustinianei cum commentariis Accursii, Bd. 4, Lyon 1627 [ND Osnabrück 1965], Sp. 37: i. Principis, qui est quasi Deus. Coelestis enim Deus in coelis est, ita Princeps in terris, stammt nicht von Accursius. RIVIÈRE zitiert im Anhang seiner Untersuchung über das Verhältnis von Kirche und Staat zur Zeit Phillips des Schönen die Summa in libro Novellarum des Johannes Bassianus (†um 1200) Nov. 73, praef., 1: Propterea Deus de caelis imperatorem constituit in terris ut per eum tamquam per procuratorem leges factis emergentibus coapet. Ich konnte das Werk, das von RIVIÈRE leider ohne nähere Angaben zitiert wird, nicht ausfindig machen. Bezeichnungen wie vicarius Dei, imago Dei, deus in terris, deus praesens etc. treten erst Ende des 13. Jahrhunderts in der Legistik, die nun stärker vom kanonischen Recht befruchtet wird, in den Vordergrund. Vgl. die Auswahl bei KANTOROWICZ, zwei Körper, S. 110 f. Anm. 16. sowie GIERKE, Genossenschaftsrecht Bd. 3, S. 563 Anm. 122. Auf die Verwendung des römischen Rechts durch Bracton weist ausdrücklich hin SCHULZ, Bracton on kingship, passim. Einschränkend dazu jedoch TIERNEY, Bracton on government. Dass Bracton sich in seinem Werk auch auf kanonistische Arbeiten stützte zeigen SCHULZ, Bracton on kingship, passim, und RICHARDSON. Bracton, De legibus et consuetudinibus Angliae, edd. Woodbine/Thorne, Bd. 2, S. 305: Ad hoc autem creatus est rex et electus, ut iustitiam faciat universis, et ut in eo dominus sedeat, et per ipsum sua iudicia discernat, et quod iuste iudicaverit sustineat et defendat,

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füllung seiner Aufgabe soll sich der Herrscher am göttlichen Vorbild orientieren und sich insbesondere durch die Tugenden der Weisheit, Gerechtigkeit und Barmherzigkeit auszeichnen489. Nur dann, wenn der König sich für die Gerechtigkeit einsetze, sei er ein wahrer Diener und Stellvertreter Gottes, sollte er hingegen das Unrecht fördern, so müsse er als ein Diener des Teufels erachtet werden490. Die Pflicht des Königs zur imitatio Christi wird wie bei Johannes von Salisbury in der freiwilligen Unterwerfung unter das Gesetz deutlich. Wie im Policraticus ist auch für Bracton die Bindung des Königs an das Gesetz in erster Linie eine moralische Kategorie, da der König als vicarius Dei nur dem Urteil Gottes, aber keiner irdischen Instanz untersteht491. Gerade aber aufgrund seines Gottesvikariats müsse sich der König unter das Gesetz stellen, da er ad similitudinem Iesu Christi handeln müsse, cuius vices gerit in terris 492. Während Bracton hier das Gottes- und Christusvikariat synonym verwendet, entwirft er an anderer Stelle eine höchst eigentümliche Differenzierung zwischen vicarius Dei und vicarius Christi. So wie Christus der Stellvertreter Gottvaters sei, heißt es in Bractons De legibus et consuetudinibus Angliae I. 2. §6, so würden die Richter die Stellvertreter des obersten Richters, also des Königs sein, d. h. während der König als vicarius Dei gelte, komme den Richtern die Rolle des vicarius Christi zu493. Diese Interpretation hat jedoch keine Resonanz gefunden.

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qui si non esset, qui iustitiam faceret, pax de facili posset exterminari, et supervacuum esset leges condere et iustitiam facere nisi esset qui leges tueretur. Separare autem debet rex cum sit Dei vicarius in terrra ius ab iniuria, aequum ab iniquo, ut omnes sibi subiecti honeste vivat et quod nullus alium laedat, et quod unicuique quod suum fuerit recta contributione reddatur. [...] Nihil enim potest rex in terris, cum sit Dei minister et vicarius, nisi id solum, quod de iure potest ... Vgl. FESEFELDT S. 63 f. Bracton, De legibus Bd. 2, S. 305: Exercere igitur debet rex potestatem iuris sicut Dei vicarius et minister in terra ... Igitur, dum facit iustitiam, vicarius est Regis aeterni, minister autem diaboli dum declinet ad iniuriam. Vgl. FESEFELDT S. 62. Vgl. POST, Bracton, bes. S. 552 f. Bracton, De legibus Bd. 2, S. 33: Quod sub lege esse debeat [rex], cum sit Dei vicarius, evidenter apparet ad similitudinem Iesu Christi cuius vices gerit in terris. Bracton, De legibus Bd. 2, S. 20: Utilitas autem est, quia nobilitat addiscentes et honores conduplicat et profectus, et facit eos principari in regno et sedere in aula regia et in sede ipsius regis quasi throno Dei, tribus et nationes, actores et reos ordine dominabili iudicantes, vice regis quasi vice Ihesu Christi, cum rex sit vicarius Dei. Vgl. KANTOROWICZ, zwei Körper, S. 174 ff. Eine Unterscheidung, die an den Ambrosiaster, Cathwulf, Hugo von Fleury und später an Wyclif erinnert, die freilich nicht im Richter, sondern im Bischof den vicarius Christi erblickten. Insgesamt scheint, wie Kantorowicz bemerkte, die Unterscheidung in königliches Gottesvikariat und priesterliches bzw. richterliches Christusvikariat vornehmlich im insularen Raum verbreitet gewesen zu sein.

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Die Anschauung, der König sei Abbild und Stellvertreter Gottes bzw. Christi, findet sich in weiteren Quellen des 12. und 13. Jahrhunderts. Bereits unter Konrad III. hat der Gedanke der göttlichen Stellvertretung des Königs in die Kanzlei Einzug gehalten und wurde auch unter Friedrich I. verwendet, blieb jedoch insgesamt auf nur wenige Urkunden beschränkt494. Friedrich Barbarossa verband 1173 seine kaiserliche Verpflichtung zum Schutz des Glaubens und der Kirche mit dem Hinweis auf das Christusvikariat495, und auch in den Lebensbeschreibungen der Könige Knut von Dänemark (um 1120/24)496 und Ludwig VI. von Frankreich (um 1145)497 erscheint der Herrscher als Abbild und Stellvertreter Gottes auf Erden. Auch am Hofe Kaiser Friedrichs II. war diese Anschauung geläufig, wie etwa die Äußerungen des um die kaiserliche Huld bemühten Magisters und Priors Salvus von S. Nicola in Bari zeigen, der Friedrich II. als cohoperator et vicarius Dei bezeichnete498. Der wohl um 1250 in Norwegen entstandene „Kings Mirror“ sieht ebenfalls im König das Abbild und den Stellvertreter Gottes. Der König repräsentiere die Herrschaft Gottes und sitze wie Gott auf dem höchsten Richterstuhl. Um dieser Aufgabe auch gerecht zu werden, empfiehlt der anonyme Verfasser dem Herrscher, sich am göttlichen Vorbild zu orientieren, das ihm sowohl durch die Natur als auch durch die Geschichte gelehrt wird, wobei er insbesondere die Tugenden der Weisheit und Demut vorbildlich verkörpern solle499.

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DKIII 6, DFI 2, DFI 606. MGH Const. 1, S. 335 Nr. 240 (= DFI 606): Imperatoria maiestas, quae regis regum et domini dominantium vicem gerit in terris, in gubernatione universitatis hominum sue iurisdictioni attinentium illis, qui sunt de sorte Domini et de sanctuario Dei, motu pretatis et salutis sue intuitu specialem defensionis et protectionis gratiam debet impendere et iura sua inviolata eis conservare, ut ab omni perturbatione liberi et securi servicio Dei possint vacare, ita ut in monte contemplationis Deo mente excedant et pro his, qui in hac valle plorationis naufragosa tempestate flucturant, orationibus suis intercedant. Ailnoth, Gesta Swenomagni, S. 78: rex [...], cuius [sc. Christi] hic vicem tam dignitate quam et nominis participatione exequeris. Zum König als dem von Gott erwählten vicarius Dei vgl. HOFFMANN, Königserhebung, S. 71 ff; von SEE, Königtum, S. 53-65, bes. 55 f. Suger von St. Denis, ed. Lecoy de la Marche, S. 72: Partem Dei cujus ad vivificandum portat rex imaginem, vicarius ejus liberam restituat, suppliciter implorant. HUILLARD-BREHOLLES, S. 428 f. Nr. 109: Adest etiam cohoperator ejus [scil. Dei] et vicarius constitutus in terris, Romanus princeps nominis et honoris, cujus divina mens in manu Dei est et quo voluerit vertit illam. Vgl. auch SCHALLER S. 78, der in der Vorstellung des kaiserlichen Gottesvikariats einen wesentlichen Bestandteil der Kaiseridee Friedrichs II. erblickt. Vgl. BAGGE S. 63, 79, 92 ff., 119 f.; vgl. The King‟s Mirror, ed. Larson, S. 246-251, 262.

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Der Zusammenhang zwischen der göttlichen Abbildhaftigkeit oder Stellvertretung und der Pflicht zur imitatio Dei ist ebenfalls in Quellen des 12. und 13. Jahrhunderts greifbar. Johannes Valensis (um 1260?) verlangte, dass der König sich als Abbild und Stellvertreter Gottes auf Erden auch in seinem Verhalten, insbesondere im Hinblick auf die Tugend der Gerechtigkeit, am Vorbild Gottes ausrichten solle500. Gilbert von Tournai hebt in seiner Eruditio regum et principum (1259) ebenfalls die göttliche Abbildhaftigkeit des Herrschers im Zusammenhang mit den Tugenden der Gerechtigkeit und Barmherzigkeit hervor. Als Träger des weltlichen Schwertes nach Röm. 13, 4 erscheint der König „auf Erden gleichsam als Abbild der göttlichen Wahrheit“, dem mit der Bestrafung der Übeltäter und dem Schutz der Schwachen die traditionellen Herrscherpflichten nahegelegt werden 501 . Die herrscherliche Strenge soll jedoch durch die Tugend der Barmherzigkeit gemildert werden, denn „die Könige regieren nämlich mit Christus zusammen, ja sie verwalten durch die Herrschaft Christi das Irdische. Dessentwegen ist ihnen von dem Herrn gegenüber den Menschen Gewalt zur Schonung des Lebens und Verfügungsmacht zum Tod gewährt, ferner das Schwert, nicht so sehr vorrangig zum Betätigen wie zum Androhen, welche Gewalt sie wie ein Pfand dem Verleiher unbefleckt zurückzugeben haben! Wenn sie dem Schrecken Milde beizumischen sich bemühen, können sie mit Barmherzigkeit strengem Urteil zuvorkommen! [...] Der Herrscher trägt, wenn er Erbarmen übt, den Typus des göttlichen Bildes, aber der mit tyrannischer Grausamkeit verfahrende Tyrann trägt den vor sich her, der von Anfang an den Titel des Mörders für sich erlost hat.“ 502

Auch der anonyme, fälschlicherweise für Thomas von Aquin gehaltene Verfasser des Fürstenspiegels De eruditione principum erklärte Mitte des 13. Jahrhunderts, dass der Fürst, der auf Erden den Platz Gottes einnehme und als 500

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Johannes Valensis pars I, dist. 3, cap. 3: Cor enim eius debet esse ... divine equitatis conformior ... cordibus subditorum; [...] Ipse enim est vicarius et ymago Dei in terris ideo Deo conformior debet esse. (zitiert nach Erna BUSCHMANN S. 91). Gilbert von Tournai, Eruditio regum et principum, II, I, c. 6, ed. de Poorter (= Les Philosophes Belges. Textes et Études Bd. 9). Im folgenden zitiert nach der lateinisch-deutschen Teilausgabe von ANTON, FSGA 45, S. 364: Cum igitur publicae utilitatis minister et aequitatis servus sit princeps, incorruptus iudex, quem iura diffiniunt esse potestatem publicam et in terris quamdam esse divinae ymaginem veritatis... ANTON, FSGA 45, S. 442: Ob hoc enim Christo coregnant, imo Christi regno humana dispensant. Ob hoc eis a Domino in homines vitae venia et potestas mortis indulta est et gladiusnon tam principaliter ad operandum quam ad comminandum, quod utinam velut quoddam depositum commendanti restituant impollutum! Si autemmisceant terrori mansuetudinem, praeveniant in misericordia iudicium! [...] Princeps enim in exercitio mansuetudinis tipum divinae portat ymaginis, sed tyrannus fretus tirannide praefert eum, qui ab initio sortius est titulum homicidae. Die Charakterisierung des Tyrannen als Abbild des Teufels erinnert an Policraticus. Vgl. ANTON, Gesellschaftsspiegel, S. 97 ff.

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dessen Stellvertreter handele, Gott nachahmen müsse503, und Vinzenz von Beauvais fordert um 1260 in seinem Fürstenspiegel, „dass der König das Bild der Dreifaltigkeit darstellen muss, zuerst in Macht und moralischer Tugend.“504 „Wie der Herrscher aber die Übrigen überragt an Macht, so muss er sich auch auszeichnen durch Weisheit und Güte, auf dass diese beiden die Macht selbst mäßigend lenken, sie zurückdrängen und sie hinüberlenken zum Werk der Tugend. [...] In diesen drei Tugenden muss er dem Bild der heiligen Dreifaltigkeit nachgestaltet und angeglichen werden, denn dem Vater wird die Macht zugesprochen, dem Sohn die Weisheit, dem Heiligen Geist die Güte.“505

Überblickt man die angeführten Belege für die Vorstellung vom König als Abbild und Stellvertreter Gottes, dann zeigt sich, dass dem Herrscher im 12. und 13. Jahrhundert mit dieser Stellung nicht mehr, wie noch zum Teil im 11. Jahrhundert, unmittelbare Herrschaftsrechte innerhalb der Kirche zugestanden wurden, sondern dass sich das königliche Gottesvikariat primär auf die weltlichen Bereiche der Rechtswahrung und des Strafvollzugs bezog. Damit konnten auch kirchlich-reformerische Geister wie etwa Johannes von Salisbury, der nachdrücklich für eine von königlichem Einfluss unabhängige Kirche eintrat und dafür selbst das französische Exil auf sich nahm, den König ohne Bedenken als imago Dei bezeichnen. Die Funktion des königlichen Gottesvikariats erschöpfte sich aber nicht in der Legitimierung umfassender Herrschaftsrechte in temporalibus, es diente, wie schon im frühen Mittelalter, auch der moralischen Verpflichtung des Königs zur imitatio Dei, und damit zu einer gerechten und barmherzigen Regierung. Die – nicht zuletzt auch vom römischen Recht geforderte – Bindung des Königs an Recht und Gesetz 503

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Pseudo-Thomas, De eruditione principum I c. 2, ed. Stanislas Eduard Fretté, Doctoris Angelici Divi Thomae Aquinatis Opera omnia 27, Paris 1875, S. 552-673: Septimo, quia potestatem habens in hoc tenet locum Dei, et vices Dei debet agere; VI c. 7: Princeps qui locum Dei tenet, et eum imitari debet. Vgl. BERGES S. 195; ERKENS, Vicarius Christi, S. 29. Die aus dem Gottesvikariat erwachsende imitatio Dei im ethischen Handeln des Fürsten wird deutlich in: I c. 5, S. 560; c. 7, S. 563; II c. 2, S. 575; c. 6, S. 577; IV c. 1, S. 587; VI c. 7, S. 663 f.; VII c. 5, S. 666. Vgl. ANTON, Gesellschaftsspiegel, S. 116 mit Anm. 140. Vinzenz von Beauvais, De morali principis institutione (= CC cont. Med. 137), S. 54: Quod rex ymaginem trinitatis preferre debet et primo in potestate et uirtute. Ebd. S. 54-59: Sicut ergo princeps ceteros excellit potestate, sic etiam precellere debet sapientia et bonitate maximeque, ut ista duo potestatem ipsam moderentur ac reprimant et in opus virtutis inflectant. [...] In hiis tribus debet conformari sancte trinitatis ymagini, quia patri attribuitur potencia, filio sapiencia, spiritu sancto bonitas. Vgl. auch ebd.: Hiis ergo tribus hominum generibus debet princeps tantummodo dominari, si tamen quantum ad tria predicta sit formatus ad ymaginem Dei, videlicet quantum ad potestatem et sapientiam et bonitatem. Vgl. ANTON, Gesellschaftsspiegel, S. 107.

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wurde, da der König als vicarius Dei über dem Gesetz stand und von keiner irdischen Instanz gerichtet werden konnte, über die mit der Gottesebenbildlichkeit und Stellvertretung einhergehenden Pflicht zur imitatio Dei erreicht. Im Grunde schien damit der Weg offen für einen König/Kaiser, der als vicarius Dei/Christi in temporalibus dem päpstlichen vicarius Dei/Christi in spiritualibus zur Seite stand, doch rief dieses dualistische Gewaltenverständnis insbesondere unter den hierokratischen Vertretern der Kanonistik Widerspruch hervor. In den Augen der Hierokraten konnte die ecclesia universalis nur von e i n e m Stellvertreter Christi, dem Papst, geführt werden, der nicht nur in spiritualibus, sondern auch in temporalibus die höchste Autorität besaß, der gleichsam alle Gewalt in Händen hielt und somit auch für die Einsetzung der weltlichen Herrschaftsträger zuständig war.

2.9. Vicarius Dei in temporalibus? – Huguccio, Alanus Anglicus, Hostiensis In seiner Glosse zu D. 96 c. 6 ad. v. „cursu“ (2. Redaktion, 1202) argumentiert Alanus Anglicus, dass die Anschauungen der Gegenseite (also der Dualisten), wonach der Kaiser in der Führung des gladius materialis unabhängig vom Papst sei, bedeuten würden, dass der Kaiser in zeitlichen Angelegenheiten nicht gegen die Kirche sündigen könne, der Papst letztlich in temporalibus dem Kaiser unterworfen sei (vgl. Honorius Augustodunensis), die Kirche also zwei Stellvertreter Christi auf Erden habe – einen in temporalibus und einen in spiritualibus – und somit ein doppelköpfiges Ungeheuer sei506. Alanus wies diese Position als gegen den katholischen Glauben gerichtet zurück und erklärte den Papst zum alleinigen caput ecclesiae, vicarius Christi und iudex 506

Alanus zu D. 96 c. 6 ad. v. „cursu“ [ed. STICKLER, Alanus Anglicus, S. 362]: ... secundum eum habet gladium tantum a deo et non a papa quantum ad coronationem et confirmationem; ante quam habet totam imperialem iurisdictionem, licet imperator non vocetur. Set veritas est et fides catholica quod pape subest quoad spiritualia et etiam gladium suum habet ab eo, quia ius utriusque gladii est apud papam; quod probatur quia dominus in terris utrumque habuit et utroque usus est ut hic. Set petrum in terris vicarium constituit et omnes petri successores. Ergo et hodie innocentius habet de iure gladium materialem. Quod si negaveris dicas quod principem secularem in hoc sibi vicarium constituit et petri successores. Item petrus dixit domino: ecce gladii duo hic. Ergo et materialis apud petrum fuit. Item si quoad temporalia imperator pape non subesset, in temporalibus erga ecclesiam peccare non posset. Item unum est ecclesie corpus ergo unum caput tantum habebit vel monstrum erit. Ähnlich auch Alanus in seinem Decretalenkommentar 1 Comp., de appellationibus, si duobus (2. 20. 7 = X 2. 28. 7.), ebd. S. 363 f.

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ordinarius imperatoris et quoad temporalia et quoad spiritualia, dem der Kaiser und jeder andere König seine Gewalt verdanke507. Die Hierokraten konnten eine Stellung des Königs/Kaisers als vicarius Dei in temporalibus, der in zeitlichen Angelegenheiten die oberste Autorität besaß und ausschließlich Gott verantwortlich war, nicht akzeptieren. Die kontroverse Diskussion in der Kanonistik des 13. Jahrhunderts um das königliche Gottesvikariat in temporalibus spiegelt sich besonders gut im Dekretalenkommentar des Hostiensis wider508. Der Ansicht des Alanus, der sich auch der Kanonist Tancred angeschlossen hatte, stellt der Hostiensis die dualistische Konzeption 507 508

Ebd. Hostiensis, Comm. in Decr. vol. IV. fol. 36 r, decr. „Causam“ ad v. nos attendentes: ... Et patet hic quod iurisdictio temporalis et spiritualis distincta est et divisa una ab alia, nec habet se intromittere secularis de spiritualibus nec spiritualis iudex de secularibus, ut hic [...] et si dicis quod Papa a Deo potestatem habet, ut supra De translatione episcopi c. i, et XXII dist. sacro sancta, dico quod etiam imperator potestatem suam a Deo habet, ut in Auth. de instru. cau. in prima columna § quia igitur imperium; propterea Deus de celo constituit etc. col. VI. in Auth. quomodo oporteat episc. in prin. col. i. unde Deus misit ipsum legem animatam in terris in Auth. de consulibus § fi. col. IIII. Et sic papa non habet utramque iurisdictionem, unde non habet se intromittere de haereditatibus, vel aliis temporalibus, ut hic et s. eo. lator. XXIII q. V. regum, VIII di. quo iure, XXXIII q. ii. inter haec, XXIII q. iiii, quaesitum. Sed contra, j. eodem, c. i, et ii et c. pervenit, et c. ex tenore. XX q. iii, praesens, XV q. vi, aliud, XXIIII q. I. loquitur. Hugo dixit, quod Papa habet potestatem a Deo quo ad spiritualia solus, Imperator habet potestatem a Deo solus quo ad temporalia, nec subest in eis pape. Gladium tamen accipit ab altari, XCIII di., legimus. et ante fuit imperium, quod apostolatus. Et secundum hanc opinionem iurisdictiones divise sunt et distinctae. Et sunt duo vicarii Dei in terris, unus in spiritualibus, alius in temporalibus. Ala(nus) et T(ancredus) contra. et dicunt, quod licet imperium a Deo processerit, tamen executionem gladii habet imperator ab ecclesia, et ecclesia una et unum corpus est. vii q. i. Novatianus, xxiiii q. i. loquitur, unde et unus tantum vicarius est, nec habebit unum corpus duo capita quasi monstrum s. de offi. or. quoniam et dominus utroque gladio usus est s. de iud., novit et Moyses. Et papa approbat, et reprobat Imperatorem et ei manum imponit. s. de electione, venerabilem. Hoc amplector dico tamen quod Papa non habet se intromittere de temporalibus in alterius praeiudicium j. e. per venerabilem § rationibus, sed imperator indistincte se intromittit, quia a Deo hoc sibi est immediate commissum, ut supra in principio huius glossae, persona tamen Imperatoris, si excedat etiam in temporalibus corrigi poterit tanquam inferior per Papam, tanquam per superiorem. Vgl. STICKLER, Concerning, bes. S. 459 sowie RIVERA DAMAS S. 185 ff., die beide diese Stelle für die These vom gladius materialis ecclesiae heranziehen, da ihrer Meinung nach der Hostiensis hier zwischen dem gottunmittelbaren gladius materialis des Kaisers und dem vom Papst an den Kaiser vermittelten gladius materialis ecclesiae unterscheide. Die Vorstellung vom König als Abbild und Stellvertreter Gottes hatte auch in C. 33, qu. 5, c. 13 (ed. CJC Tom. I, Coloniae Munatianae 1718, Sp. 1101) in Form des Ambrosiasterzitats Einzug gehalten, vgl. ERKENS, Vicarius Christ, S. 28 f.; SCHUBERT, König und Reich, S. 36 Anm. 8. Die kanonistische Debatte des späten Mittelalters hat darauf jedoch soweit ich sehen kann keinen Bezug genommen.

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des Huguccio entgegen, wonach sowohl der Papst als vicarius Dei in spiritualibus als auch der Kaiser als vicarius Dei in temporalibus die Gewalt unmittelbar von Gott empfangen509. Die eigene Position des Hostiensis erscheint auf den ersten Blick – wie bereits ausgeführt – ambivalent. Auf der einen Seite erklärt auch er es für Häresie, zwei Stellvertreter Gottes in der einen ecclesia universalis anzunehmen510, auf der anderen Seite ist er mit Huguccio der Ansicht, dass der Kaiser in zeitlichen Angelegenheiten seine Gewalt unmittelbar von Gott empfange 511 und der vicarius Dei in temporalibus sei512. Entscheidend ist für den Hostiensis, dass ganz im Sinne Papst Innozenz‟ III., der Papst in gewissen Ausnahmefällen – nämlich dann, wenn die weltliche Gewalt versage – auch das Recht zum Eingriff in zeitliche Angelegenheiten besitze. Der Papst ist somit aufgrund seiner Jurisdiktionsgewalt in spiritualibus wie auch – in besonderen Fällen – in temporalibus, der einzige vicarius Christi generalis in der ecclesia universalis. Häretisch war es für den Hostiensis also nur, zwei gleichberechtigte vicarii Christi in der ecclesia universalis anzunehmen. Durch die hierarchische Abstufung in einen päpstlichen vicarius Christi generalis und einen kaiserlichen vicarius Dei in temporalibus war es eher möglich, die Gottunmittelbarkeit des Kaisers und seine Rolle als Stellvertreter Gottes beizubehalten, ohne die päpstliche Superiorität aufzugeben. Allein hinsichtlich der plenitudo potestatis war der Papst der einzige vicarius Christi.

509

510

511 512

Die Formulierung vicarius Dei in temporalibus hat Huguccio – soweit ich sehen kann – selbst nicht benutzt, doch gibt der Hostiensis der Sache nach die Ansicht Huguccios durchaus treffend wieder. Hostiensis, Comm. in Decr. vol. IV. fol. 40 ad v. plenitudo potestatis: ... Octavo ex vi fidei Orthodoxae, sicut enim ponere duo principia haereticum est. xxiiii quaestio. sina cap. quod autem § Cerdoniani. sic ponere duos vicarios generales, et sibi equales in terris haereticum videtur, quo ad ius pertinet. ne igitur videaris haeresiarcha iuris, haec sit fides tua catholica, quod sicut unus Deus est immutabilis s. de summa Trinita. capit. j. sic est unus vicarius legitimus generalis in terris, cui omnes Angeli, idest homines debent esse subiecti. Vgl. Anm. 266. Hostiensis, Comm. in Decr. vol. IV. fol. 38 A ad v. „recognoscat“: ...caute locutus est Papa, factum enim notavit, non dixit quin recognoscere debeat et proculdubio debet. vii q. i. in apibus lxiii distinct. Adrianus et qui Dei vicarius est in terris in temporalibus ut patet in his quae not. s. cod. tit. causam versic. Paulus. Vgl. WATT S. 287.

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2.10.

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Zusammenfassung

Die Vorstellung von der göttlichen Abbildhaftigkeit und Stellvertretung des Herrschers lässt sich bis in die Zeit der Hochkulturen des Alten Orients und Ägyptens zurückverfolgen. Der (Spät-) Antike ist sie vor allem über das hellenistische Königsbild vermittelt worden. Es waren im wesentlichen zwei Aspekte, die mit dem rex imago / vicarius Dei Gedanken einhergingen. Zum einen konnte der König mit umfassenden Herrschaftsrechten ausgestattet werden, da er als Abbild und Stellvertreter Gottes die Aufgabe hatte, die Herrschaft Gottes über das Universum abzubilden und der göttlichen Ordnung auch auf Erden die entsprechende Geltung zu verschaffen. Dieser gleichsam herrschaftslegitimierenden Funktion stand – gewissermaßen die Herrschaftsfülle des Monarchen reglementierend – die moralisch-verpflichtende Funktion der imitatio Dei zur Seite. Als Abbild und Stellvertreter Gottes war der Herrscher angehalten, Gott in seinem Handeln ähnlich zu werden, was insbesondere die Verkörperung der Tugenden der Gerechtigkeit und Barmherzigkeit erforderte. Diese beiden Aspekte konnten ebenso wie die Vorstellung einer Erwählung des Herrschers durch Gott ohne weiteres auch in den christlichen Ideenkosmos integriert werden, während weiterführende ontologische Implikationen, wonach der König als Abbild und Stellvertreter Gottes sich auch in seinem Wesen von den übrigen Menschen unterscheide, ausgeschlossen waren. Der rex imago / vicarius Dei Gedanke wurde dem christlichen Mittelalter vor allem durch die Schriften des Ambrosiaster vermittelt. Der Anspruch des Königs auf das Gottesvikariat geriet im 9. Jahrhundert, dann aber insbesondere während des Investiturstreits Ende des 11. Jahrhunderts in das Spannungsfeld der Auseinandersetzungen zwischen regnum und sacerdotium. Der königliche vicarius Dei, der nach den Worten des Ambrosiaster über allen anderen Menschen stehe (ut sub uno sint caeteri), sah sich mit dem gestiegenen Selbstbewusstsein der Geistlichkeit konfrontiert, die ihre Superiorität gegenüber der weltlichen Gewalt nicht mehr nur als bloßen Würdevorrang erachteten, sondern aus diesem Würdevorrang auch konkrete politisch-juristisch greifbare Konsequenzen – allen voran das Recht zur Ein- und Absetzung des Königs – ableiteten und eine Unterordnung ihrerseits unter den König als vicarius Dei / Christi ablehnten. Nach dem Investiturstreit verlor der König/Kaiser zwar weitgehend (zumindest auf theoretischer Ebene) seine Herrschaftsrechte innerhalb der Kirche, doch lässt sich der rex imago / vicarius Dei Gedanke auch in den Quellen des 12. und 13. Jahrhunderts nachweisen. Die Forschung ist der These von Ernst Kantorowicz weitgehend gefolgt, wonach im Zuge der Kirchenreform

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und „unter den Schlägen des Investiturstreits“513 das liturgisch-christologische Königtum zusammenbrach und in der Folgezeit die „Dekretalisten, Theologen und scholastischen Philosophen“ nicht mehr den Kaiser, sondern die Bischöfe, und seit dem Pontifikat Innozenz III. ausschließlich den Papst als vicarius Christi bezeichneten. Gleichsam als Ausgleich hätten „die weltlichen Juristen unter Berufung auf das Vokabular des römischen Rechts und einige römische Autoren wie Seneca und Vegetius [begonnen], den Kaiser fast ausnahmslos deus in terris, deus terrenus oder deus praesens zu nennen. An Hand ihrer Quellen hielten sie den Fürsten mit Selbstverständlichkeit vor allem für den Vikar Gottes; als Kaisertitel hätte der Ausdruck vicarius Christi überhaupt keinen Platz in ihrer Sprache gefunden. So geschah es, dass das christozentrische Herrscherideal auch unter dem Einfluss des römischen Rechts zurücktrat. Von nun an stand neben einem päpstlichen Christus in terris ein kaiserlicher deus in terris.“514 Zumindest bis ins 13. Jahrhundert hinein ist diese von Kantorowicz postulierte Verschiebung der Nomenklatur jedoch nicht zu beobachten. Das römische Recht und die Glosse des Accursius boten sich in der Tat als Grundlage für die Vorstellung vom Kaiser als Stellvertreter Gottes an, doch zeigen die Quellen des 12. und frühen 13. Jahrhunderts (abgesehen natürlich von den Glossen und Kommentaren zum römischen Recht) weniger das römische Recht, als vielmehr den Römerbrief als Basis des herrscherlichen Gottesvikariats. Auch nach der „Wende von Canossa“ übernahmen die Römerbriefkommentare des 12. Jahrhunderts die Formulierungen des Ambrosiaster und damit die Anschauung vom König als Abbild und Stellvertreter Gottes 515. Damit war die Möglichkeit gegeben, das königliche Gottesvikariat auf die im 513 514

515

KANTOROWICZ, zwei Körper, S. 109. KANTOROWICZ, zwei Körper, S. 110 f. Kantorowicz entwarf in seinen Untersuchungen im wesentlichen folgende Struktur: Während in karolingischer Zeit das herrscherliche Gottesvikariat die Regel gewesen sei, dominierte im liturgisch-christologischen Königtum der ottonisch-frühsalischen Zeit das Christusvikariat, welches wiederum infolge der Kirchenreform des 11. Jahrhunderts und der exklusiven Inanspruchnahme des Christusvikariats durch den Papst seit dem ausgehenden 12. Jahrhundert durch ein auf römisch-rechtlicher Grundlage basierendes Gottesvikariat abgelöst wurde. Eine signifikante Bevorzugung des Gottesvikariats in karolingischer Zeit ist jedoch bei genauer Betrachtung der Quellen nicht auszumachen, und auch die Dominanz des Christusvikariats im 10. und 11. Jahrhundert ist angesichts der ohnehin spärlichen Quellenbasis wohl von untergeordneter Bedeutung, zumal für diese Zeit auch Belege für das herrscherliche Gottesvikariat gefunden werden können. Letztlich ist immer der unmittelbare Kontext (und nicht zuletzt das in diesem Kontext angeführte Autoritätszitat) entscheidend, ob der Herrscher als vicarius Dei oder vicarius Christi bezeichnet wird. Im 13. Jahrhundert verzichteten die Römerbriefkommentare weitgehend auf das Ambrosiasterzitat, ohne jedoch die Vorstellung vom König als Stellvertreter Gottes aufzugeben.

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Römerbrief beschriebene Rolle des Herrschers als minister Dei, der als Vollstrecker des göttlichen Zorns das Schwert zu führen und für Recht und Gerechtigkeit zu sorgen habe, zu fokussieren. Auch die französischen Fürstenspiegler, der skandinavische Kings Mirror und Henri Bracton dürften in ihrer Auffassung vom König als vicarius Dei weniger vom römischen Recht, als vielmehr vom Römerbrief geleitet worden sein516. Eine Unterscheidung zwischen kaiserlichem vicarius Dei und priesterlichem vicarius Christi ist bei einigen Autoren des frühen und hohen Mittelalters durchaus mit Bedacht gewählt worden, um gewissermaßen den Aufgabenbereich des jeweiligen Vikariats näher zu charakterisieren und/oder eine Superiorität des weltlichen Herrschers (als Stellvertreter Gottvaters) gegenüber dem priesterlichen vicarius Christi abzuleiten. Zumeist jedoch wurde nicht konsequent zwischen vicarius Dei und vicarius Christi unterschieden517. Auch in der Kanonistik, in der seit dem späten 12. Jahrhundert eine intensive Debatte um das Gottesvikariat geführt wurde, ging es nicht um eine präzise Unterscheidung in vicarius Dei und vicarius Christi (auch der Papst wurde als vicarius Dei bezeichnet), sondern um die Frage, inwieweit zwischen einem Stellvertreter Gottes (Christi) in temporalibus und in spiritualibus differenziert werden könne. Wenngleich dem weltlichen Herrscher seit der Kirchenreform des ausgehenden 11. Jahrhunderts die göttliche Stellvertretung in spiritualibus nahezu einhellig abgesprochen wurde, so konnte doch das im Römerbrief gezeichnete Herrscherbild als Stellvertretung Gottes in temporalibus aufgefasst werden. Dieser Entwicklung des Königs hin zu einem vicarius Dei in temporalibus wurde jedoch von den Hierokraten, allen voran Alanus Anglicus, widersprochen. Sie sahen den Papst als Inhaber beider Gewalten und als alleinigen vicarius Christi an der Spitze der ecclesia universalis / christianitas. Eine vermittelnde Position vertrat der Hostiensis, der den Kaiser als vicarius Dei in temporalibus anerkannte, den Papst aber als obersten vicarius Christi generalis erachtete. Die rein dualistischen Position wird Huguccio zugeschrieben, der dem päpstlichen vicarius Dei in spiritualibus den Kaiser als vicarius Dei in temporalibus zur Seite stellte.

516

517

Zudem beriefen sich Konrad III. und Friedrich I. trotz ihres zunehmend auch von Legisten geprägten Umfelds nicht auf das Gottesvikariat, sondern – wenn auch nur in jeweils einer einzigen Urkunde – auf das Christusvikariat. Bracton etwa bezeichnete in seiner Schrift De legibus et consuetudinibus Angliae den König in ein und demselben Satz sowohl als vicarius Dei als auch als vicarius Christi, und verdeutlicht andererseits zugleich das Rangverhältnis zwischen dem König als oberstem Richter des Reiches und den übrigen judices mit einer hintergründigen Unterscheidung in königliches Gottesvikariat und richterliches Christusvikariat. Vgl. Anm. 492 und Anm. 493

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Ein konsequenter und durchdachter Wechsel vom kaiserlichen Christusvikariat der ottonisch-frühsalischen Zeit hin zu einem auf römisch-rechtlicher Grundlage basierenden kaiserlichen Gottesvikariat ist für das 12. und 13. Jahrhundert letztlich nicht festzustellen, doch sprach auch Kantorowicz von einer „Periode des Übergangs“518, ehe sich diese „Verschiebung in der spätmittelalterlichen Nomenklatur“519 vollends durchsetzte. Dies gilt es im folgenden zu prüfen.

518 519

KANTOROWICZ, zwei Körper, S. 112. KANTOROWICZ, zwei Körper, S. 111.

III. Die Vorstellung von der göttlichen Einsetzung des Herrschers und seiner Stellung als Abbild und Stellvertreter Gottes in herrschaftstheoretischen Traktaten des späten Mittelalters

1. Das Zeitalter der Traktate De potestate papae – von der Mitte des 13. Jahrhunderts bis zum Ende des 14. Jahrhunderts Mit dem Untergang der Staufer in der Mitte des 13. Jahrhunderts war das Ringen der beiden Universalgewalten vorerst zugunsten des Papsttums entschieden. Neue Gegner erwuchsen der Kurie in Rom jedoch in den aufstrebenden nationalen Monarchien, allen voran in Frankreich. Dabei wurden insbesondere die Auseinandersetzungen zwischen Papst Bonifaz VIII. und dem französischen König Philipp IV. in erheblichem Maße von einer politischen Publizistik begleitet520. Bereits die Umstände der Wahl Benedikt Caetanis zum Papst am 24.12.1294 zwangen die Kurie zu Rechtfertigungsschriften, die den Vorwurf gegen den neuen Papst entkräften sollten, dieser habe die cathedra Petri zu Unrecht bestiegen. Mit dem französischen Hof geriet Bonifaz VIII. erstmals 1296 in Konflikt, als er mit der Bulle Clericis laicos die Besteuerung des französischen Klerus durch den König untersagte. Die Antwort Philipps auf die seiner Ansicht nach unrechtmäßige Einmischung des Papstes in die französische Kirchenpolitik war ein Exportstop von Gold und Edelmetallen aus Frankreich, was schließlich Bonifaz VIII. zur Aufgabe seiner Position bewog, zumal er neben dem Einkommensverlust aus den französischen Pfründen auch ein Komplott der innerrömischen Opposition um die Kardinäle Petrus und Jakob Colonna fürchten musste. Schon diese Auseinandersetzung brachte auf französischer Seite einige Traktate hervor (Disputatio inter clericum et militem; Antequam essent clerici521), deren Zahl nach dem zweiten Konflikt zwischen Paris und Rom erheblich anschwoll. Mit Bernard Saisset hatte 520

521

Den Versuch, die Entstehung der einzelnen Traktate in den Verlauf der Ereignisse einzuordnen, unternahm bereits SCHOLZ, Publizistik, S. 1-31. Vgl. auch MIETHKE, De potestate papae, S. 57-82, FINKE, Bonifaz VIII.; RIVIÈRE. Die folgende Darstellung orientiert sich weitgehend an den Untersuchungen von Karl UBL, der mitunter eine neue Sicht auf den Entstehungszusammenhang der einzelnen Traktate liefert. Vgl. UBL, Sozialphilosophie; DERS., Genese. Beide Traktate sind ediert in: Three Royalist Tracts, ed. Dyson.

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Bonifaz VIII. 1295 einen Mann auf den neu geschaffenen Bischofsstuhl in Pamiers investiert, der bei Philipp IV. wenig Anklang gefunden hatte. Als Bernard im Jahre 1301 als päpstlicher Legat heftige Vorwürfe wegen der Verletzung kirchlicher Rechte an Philipp IV. richtete, wurde er von dem Kapetinger kurzerhand verhaftet und wegen Hochverrats angeklagt. Bonifaz VIII. reagierte prompt. Er forderte die Freilassung des Bischofs, hob in der Bulle Salvator mundi die dem König gewährten Steuerprivilegien wieder auf und kehrte zum Standpunkt von Clericis laicos zurück. In dem Schreiben Ausculta fili schließlich erhob der Papst – wenn auch in etwas verklausulierter Form – den Anspruch auf die Superiorität über alle Könige und Reiche der Welt und lud den französischen König zur Rechtfertigung seines Handelns nach Rom vor, damit dieser dort vernehmen möge, was Gott der Herr durch ihn, den Papst, verkünden werde. Philipp ließ Ausculta fili jedoch verbrennen und brachte statt dessen eine verschärfte Fassung (Deum time) in Umlauf, die den Anspruch auf päpstliche Oberherrschaft auch in weltlichen Angelegenheiten radikal und unzweideutig formulierte. Im Zusammenhang mit der Debatte um Deum time entstanden zahlreiche Traktate im Umfeld der Pariser Universität, die die vermeintlichen Thesen des Papstes zu widerlegen suchten, allen voran der Traktat De regia potestate et papali des Dominikanertheologen Johann Quidort. Die Kurie in Rom reagierte auf diese „umfassende Propaganda-Kampagne“522 mit Empörung. Kardinal Matteo d‟Acqua Sparta und Papst Bonifaz VIII. selbst wiesen Deum time als Fälschung zurück und versicherten, niemals habe der Papst die Überordnung des römischen Pontifex in weltlichen Angelegenheiten behauptet oder erklärt, der französische König habe seine Herrschergewalt von ihm. Bonifaz wiederholte lediglich die Auffassung einer päpstlichen Überordnung ratione peccati, insofern auch der französische König wie jeder Christ im Falle der Sünde dem Papst unterstellt sei523. Diese moderaten Töne Bonifaz VIII. überraschen nicht nur, weil der Papst wenig später mit der Bulle Unam sanctam dem päpstlichen Weltherrschaftsanspruch seinen wohl radikalsten Ausdruck verleihen sollte, sie passen auch schwerlich zu jenen Aussagen, die der Caetani-Papst bereits im Jahre 1300 gegenüber den deutschen Kurfürsten verlauten ließ, wonach Kaiser und Könige die weltliche Schwertgewalt aus den Händen des Papstes empfangen würden524. Nach Ansicht von Karl Ubl ist für die uneinheitliche Position des Papstes in der Gewaltenfrage nicht so sehr diplomatisches taktieren als vielmehr die noch unsichere Rechtsgrundlage der hierokratischen Position verantwortlich. Ver522 523 524

UBL, Genese, S. 133. Ebd. Vgl. Ebd. S. 141.

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suchte Bonifaz VIII. also noch im Frühjahr 1302 seine Ausführungen bezüglich des Gewaltenverhältnisses gewissermaßen „in der Schwebe zu halten und keine grundsätzliche Debatte zu eröffnen“525, so arbeiteten doch die päpstlichen Gelehrten ihrerseits bereits an einer Widerlegung der proköniglichen Traktate aus Frankreich, die für eine dualistische Gewaltentrennung eingetreten waren. Neben Heinrich von Cremona zählen die Augustinereremiten Jakob von Viterbo und Aegidius Romanus zweifellos zu den führenden Köpfen auf kurialer Seite. Aegidius hatte bereits um 1280 den Fürstenspiegel De regimine principum geschrieben, sowie 1295 mit seiner Schrift De renunciatione in der Auseinandersetzung mit den oppositionellen Kardinälen um Jakob Colonna Partei für Papst Bonifaz VIII. ergriffen. Nun, im Jahre 1302, lieferte er mit De ecclesiastica potestate eine vollendete Darstellung der hierokratischen Theorie, indem er die pseudo-dionysische Hierarchienlehre mit der Auffassung verband, dass Herrschaft und Eigentum nur durch die christliche Taufe und die Zugehörigkeit zur Papstkirche Legitimität beanspruchen können 526 . Auch Jakob von Viterbo unterstützte die hierokratische Position gegen den Dualismus der französischen Universitätstraktate. Bereits 1295 hatte er in einem Quodlibet die umfassende Superiorität des Papstes mit Hilfe von ausgewählten kanonistischen Zitaten sowie der Autorität des hl. Augustinus und Hugos v. St. Viktor propagiert und erklärt, dass die weltlichen Herrscher ihre Gewalt a deo mediante papa erhielten. Im Jahre 1302 verfasste Jakob sein Hauptwerk De regimine christiano, worin er abermals die umfassende Superiorität des Papstes in geistlichen und weltlichen Angelegenheiten konstatierte, diesmal jedoch maßgeblich auch aristotelisch-naturrechtliches Gedankengut in seine Untersuchung mit einbezog. Sowohl De regimine christiano (so Ubl), insbesondere aber De ecclesiastica potestate übten nachweislich Einfluss auf die Abfassung der bereits erwähnten Bulle Unam sanctam aus, die Bonifaz VIII. wohl schon im November 1302 verfasste, aber erst im August 1303 nach dem endgültigen Bruch mit Frankreich in das päpstliche Register eintragen ließ. Das Attentat von Anagni im 7. September 1303 und der bald darauf erfolgte Tod des Papstes markieren zweifellos einen Wendepunkt in den Auseinandersetzungen zwischen dem französischen König und dem Papsttum, das in der Folgezeit zunehmend in die Abhängigkeit des rex christianissimus geriet und schließlich 1309 seinen Sitz für beinahe 70 Jahre von Rom nach Avignon verlegen musste.

525 526

Ebd. S. 142. Vgl. ebd., S. 134.

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Das Verhältnis von imperium und sacerdotium war in der Zeit des Pontifikats von Bonifaz VIII. ebenfalls angespannt, aber keineswegs in vergleichbarem Maße. Nachdem Albrecht I. als Sieger aus den Thronstreitigkeiten mit Adolf von Nassau hervorgegangen war, zeigten die Kurfürsten dem Papst die Wahl des Habsburgers zum römischen König an und erbaten den favor apostolice sowie die baldige Kaiserkrönung. Bonifaz VIII. beharrte jedoch auf seinem Approbationsanspruch und untersagte Albrecht einstweilen die Ausübung der kaiserlichen und königlichen (!) Rechte. In diesem Zusammenhang dürfte die Determinatio compendiosa (um 1300) 527 des Dominikanertheologen und Thomasschülers Tholomäus von Lucca an der Kurie in Rom entstanden sein, in welcher er die Konsequenzen der hierokratischen Position gegenüber dem Imperium zusammenfasste, insbesondere die Notwendigkeit der päpstlichen Wahlbestätigung hervorhob und die weitreichenden Rechte des Papsttums am Imperium unterstrich. Das Werk rief jedoch zunächst kein hörbares Echo hervor und wurde erst gegen Ende des 14. Jahrhunderts intensiver rezipiert. Nach langen Verhandlungen zwischen der päpstlichen Kurie und dem Habsburger erteilte Bonifaz VIII. schließlich in dem berühmten öffentlichen Konsistorium vom 30. April 1303 die Approbation, wobei Albrecht I. dem Papst in einmaliger Weise politische und herrschaftstheoretische Zugeständnisse machte, die den Verzicht der kaiserlichen Gottunmittelbarkeit und die Anerkennung des päpstlichen Superioritätsanspruchs bedeuteten528. Damit einher ging jedoch die päpstliche Sanktionierung des kaiserlichen Universalherrschaftsanspruchs (freilich nur in Diensten der Kurie), denn nach dem Willen Bonifaz VIII. sollte der Kaiser als weltlicher Arm der ecclesia universalis über allen anderen Königen stehen und die Feinde der Kirche mit Waffengewalt in die Knie zwingen529. Den universalen Herrschaftsanspruch betonte auch Heinrich VII., der 1308 als Nachfolger des ermordeten Habsburgers Albrecht I. zum römischen König gewählt worden war und sein politisches Handeln alsbald auf den Erwerb der Kaiserkrone ausrichtete. Anfang Mai 1312 gelang es ihm gegen erhebliche Widerstände, vor allem von Seiten des von Frankreich protegierten neapolitanischen Herrschers Robert von Anjou, in Rom einzuziehen und sich am 29. Juni von drei Kardinälen im Lateran zum Kaiser krönen zu lassen. In seiner Krönungsenzyklika verkündete Heinrich VII. mit kühnen Worten den kaiserlichen Universalherrschaftsanspruch – der hier wieder auf dem Boden der dualistischen Gottunmittelbarkeit von imperium und sacerdotium stand – gegenüber den europäischen Königen, die darauf freilich mit höflicher Zu527 528 529

Zur Datierung vgl. MIETHKE, De potestate papae, S. 86 ff. mit Anm. 231. BAETHGEN, Promissio, bes. S. 207 ff.; LINTZEL S. 481 ff. Vgl. BAETHGEN, Weltherrschaftsidee S. 201; LINTZEL S. 482.

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rückhaltung (England)530 oder offener Ablehnung (Frankreich)531 reagierten. Mit dem Papsttum geriet Heinrich VII. in Konflikt, als er ein gegen den Anjou gerichtetes Bündnis mit Friedrich III. von Sizilien einging532. Der zunehmend unter französischem Einfluss stehende Papst Clemens V. warf Heinrich vor, Absprachen gebrochen zu haben, die vor der Kaiserkrönung getroffen worden waren und gebot dem Luxemburger, die Waffen in der Auseinandersetzung mit Robert von Anjou schweigen zu lassen. Heinrich VII. aber eröffnete gegen den König von Neapel ein Verfahren wegen Majestätsverbrechen, verurteilte den Anjou in Abwesenheit zum Tode und wies die päpstliche Waffenstillstandsforderung als unrechtmäßige Einmischung in die kaiserliche Rechtszuständigkeit zurück. Auf beiden Seiten wurde das Vorgehen durch juristische Gutachten vorbereitet und unterstützt533. Die päpstlichen und französischen Gutachter (allen voran Oldradus de Ponte) versuchten in erster Linie, die Rechtmäßigkeit einer kaiserlichen Universalmonarchie zurückzuweisen, um so den Jurisdiktionsanspruch Heinrichs VII. gegenüber Robert von Anjou zu untergraben. Nach dem plötzlichen Tod Heinrichs VII. am 24. August 1313 hob Papst Clemens V. schließlich die Verurteilung Roberts von Anjou durch den Kaiser als ungerechtfertigt auf und wies den kaiserlichen Anspruch auf Universalherrschaft offiziell zurück. Dieser Anspruch, den Heinrich VII. in seiner Krönungsenzyklika zum Ausdruck gebracht hatte, wurde auch vom Benediktinerabt Engelbert von Admont unterstützt, der in seinem Traktat De ortu et fine Romani imperii (1312/13) einen großangelegten Versuch zur Rechtfertigung der Universalmonarchie des Imperator Romanorum unternahm. Ungeachtet des völligen Scheiterns Heinrichs VII. lieferte einige Jahre nach dem Tod des Luxemburgers auch Dante Alighieri in seiner Monarchia eine umfassende philosophisch-theologische Begründung für die Notwendigkeit einer Universalmonarchie. Der Forschung erscheint dieses Werk des Florentiener Dichterfürsten wie ein prachtvoller Epitaph des mittelalterlichen Kaisertums534, der Verfasser als prophète du passé535, der den längst vergangenen Glanz des Kaisertums ein letztes Mal vor dem Hintergrund einer trostlosen Gegenwart beschwor. Wohl nicht zuletzt wegen seiner – verglichen mit anderen herrschaftstheoretischen Traktaten der Zeit – exzentrischen Position536 erregte Dantes Monarchia unter den Gelehrten jener Zeit, vor allem in Italien, große Aufmerksamkeit und 530 531 532 533 534 535 536

MGH Const. 4, 2, Nr. 812, S. 814. MGH Const. 4, 2, Nr. 811, S. 812 ff. Vgl. zum folgenden THILO. Vgl. THILO, bes. S. 104-115. Vgl. LÜDDECKE S. 567 mit Anm. 105; MIETHKE, De potestate papae, S. 159. DEMPF, Sacrum Imperium, S. 481. Vgl. MIETHKE, Weltanspruch, S. 396.

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provozierte schon bald entsprechende Gegenschriften von kurialer Seite, unter denen der Reprobatio Errorum des Dominikanertheologen Guido Vernani von der Forschung (weniger von den Zeitgenossen Guidos) die meiste Aufmerksamkeit geschenkt wird537. Das letzte große Ringen der beiden Universalgewalten entbrannte kurz nach dem Tod des großen Dichters. Nachdem Ludwig IV. in der Schlacht von Mühldorf 1322 seinen langjährigen Rivalen um den Thron, Friedrich den Schönen von Österreich, besiegt hatte, wandte er sich mit der Bitte um baldige Kaiserkrönung an Papst Johannes XXII., der seit 1317 die cathedra Petri inne hatte. Der Papst war jedoch nicht bereit, die mit Waffengewalt geschaffenen Fakten anzuerkennen und beharrte darauf, als Schiedsrichter zwischen den beiden Kandidaten zu fungieren, die aus der Doppelwahl von 1314 hervorgegangen waren. Am 8. 10. 1323 forderte Johannes XXII. den Wittelsbacher auf, die Herrschaft über das Reich niederzulegen, da ihm die erforderliche Approbation des Papstes noch nicht erteilt worden sei. Der Konflikt eskalierte rasch. Am 18. Dezember. 1323 wies Ludwig in der Nürnberger Appellation den Anspruch des Papstes auf Approbation zurück, woraufhin ihn am 23. März 1324 die päpstliche Exkommunikation ereilte, die er seinerseits mit der Appellation von Sachsenhausen beantwortete, in der er dem „Pseudo-Papst Johannes“ die Anerkennung entzog, ihn der Ketzerei beschuldigte und ihm vorwarf, das Römische Reich, „das von Gott dazu bestimmt sei, das Evangelium zu verkünden und den rechten Glauben zu schützen“538, vernichten zu wollen. Gelehrte Unterstützung in seinem Kampf mit der Kurie in Avignon sollte Ludwig alsbald von Seiten der Franziskanerspiritualen erhalten539, die ihrerseits mit dem Papst seit Jahren in den sogenannten theoretischen Armutsstreit verwickelt waren, den Johannes XXII. 1323 mit einem päpstlichen Machtwort entschieden hatte, indem er die Lehre von der Armut Christi für häretisch erklärte. Der radikalste Angriff auf die päpstliche Position erfolgte jedoch zunächst von einem Laien, dem an der Universität von Paris lehrenden Philosophen (und studierten Mediziner) Marsilius von Padua. Im Juni 1324 hatte er die Arbeit an seinem Defensor Pacis abgeschlossen und das Werk mit einer Widmung an Ludwig den Bayern versehen, obgleich der Konflikt zwischen dem Wittelsbacher und der Kurie in Avignon nur e i n (und vielleicht nicht einmal das entscheidende) Motiv zur Abfassung dieser umfangreichen Schrift gewesen sein dürfte. Marsilius wendet darin konsequent die politische Lehre des Aristoteles auf die Verhältnisse des 14. Jahrhunderts an und gelangt so zu 537 538 539

Vgl. MIETHKE, De potestate papae, S. 162 ff. THOMAS S. 164. Für deren Position Ludwig in der Sachsenhausener Appellation bereits Partei ergriffen hatte.

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einem Herrschafts- und Gesellschaftsentwurf, in dem – gewissermaßen der hierokratischen Position entgegengesetzt – die Kirche in den Staat integriert und diesem untergeordnet ist. Nachdem der Defensor Pacis zunächst einige Zeit an der Pariser Universität zirkulierte, ohne großes Aufsehen zu erregen, ergriffen Marsilius und sein Freund und Kollege Johannes von Jandun, der den Zeitgenossen als Mitverfasser des Defensor Pacis galt, 1326 schließlich Hals über Kopf die Flucht vor den päpstlichen Inquisitoren. Beide fanden Aufnahme am Hofe Ludwigs IV. in München und begleiteten den Wittelsbacher als politische Berater auf seinem Romzug 1327, wenngleich ihre Rolle bei der denkwürdigen Kaiserkrönung Ludwigs (17. Januar 1328) durch das römische Volk nicht so hoch zu veranschlagen ist, wie zuweilen angenommen wurde. Überhaupt scheint dem ganzen Italienunternehmen des Wittelsbachers kein wirklich durchdachter Plan zugrundegelegen zu haben, wie die Forschung mit Blick auf den politischen Zickzackkurs des Bayern festgestellt hat. Der Kaiserkrönung durch das Volk von Rom folgte einige Monate später (22. Mai) die erneute Krönung durch den von Ludwig erhobenen Gegenpapst Nikolaus V., um, wie es Heinz Thomas ausdrückte, „nunmehr das nachzuholen, was Ludwig im Januar hatte entbehren müssen, nämlich die ordnungsgemäße Weihe seines Kaisertums durch einen Papst“540. Damit sollte jedoch nicht die konstituierende Bedeutung der durch den Papst vorgenommenen Krönungszeremonie anerkannt werden, es war vielmehr ein feierlicher Bestätigungsakt seiner Kaiserherrschaft541, die ihm letztlich allein von Gott verliehen worden war. Das gab Ludwig bereits am 18. 4. 1328 in seinem Absetzungsdekret gegen Johannes XXII. zu verstehen542, und er formulierte seinen Standpunkt im Jahre 1338 – gestützt auf zahlreiche Aussagen des römischen und kanonischen Rechts – in seinem Mandat Fidem Catholicam543 und im Gesetz über die Königswahl Licet iuris weiter aus, wobei er vor allem die konstituierende Wahl der Fürsten unterstrich544. Vom juristischen Beistand in diesem Kampf gegen das Papsttum zeugen die zahlreichen Denkschriften römischer Rechtsgelehrter, die freilich auf kurialer Seite ihre Entsprechung fanden. So wurden am 23. Oktober 1327 die ketzerischen Lehren des Defensor Pacis von Papst Johannes XXII. verdammt, nachdem zuvor gleich mehrere Traktate im 540 541

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THOMAS S. 212. Vgl. hierzu MOST S. 468 f. Anm. 1 über den Traktat des Johannes Branchazolus, der das päpstliche Krönungsrecht „zu einem Bestätigungsakt für die Legitimität und Gottunmittelbarkeit des Wahlkaisertums herabmindert und damit versucht, den Widerspruch zwischen der Volkskrönung (Januar 1328) und der nachgeholten Kaiserweihe durch Nikolaus V. (Mai 1328) zu überbrücken.“ Vgl. THOMAS S. 208. Vgl. BECKER. Vgl. Zeumer, Quellensammlung zur Geschichte der Deutschen Reichsverfassung in Mittelalter und Neuzeit, Nr. 127, S. 156 f.

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Auftrag des Papstes die Irrlehren des Marsilius, der bereits am 3. April 1327 zusammen mit Johannes von Jandun der Exkommunikation verfallen war, aufgedeckt und widerlegt hatten545. In diese Zeit fällt auch die Entstehung der Summa de potestate ecclesiastica des Augustinus Triumphus (1326), der in seiner großangelegten und in der Folgezeit weit verbreiteten Summe – die sich methodisch an Thomas von Aquins theologischer Summe, inhaltlich an Aegidius Romanus De ecclesiastica potestate orientiert – noch einmal die hierokratische Lehre entfaltete und damit beim Papst verständlicherweise großes Wohlwollen erregte546. Marsilius von Padua genoss bis zu seinem Tode 1342/43 den Schutz des Kaisers und war für ihn als Arzt, politischer Berater und juristischer Gutachter tätig, doch stand er seit 1330 in Konkurrenz zu (und zunehmend wohl auch im Schatten von) Wilhelm von Ockham, der zweifellos als eine der herausragendsten Persönlichkeiten der abendländischen Philosophie- und Geistesgeschichte angesehen werden muss547 . Nachdem Wilhelm am 26. Mai 1328 gemeinsam mit dem Generalminister des Franziskanerordens Michael von Cesena, Bonagratia von Bergamo, dem Prokurator des Ordens und Franz von Marchia vor der drohenden Verurteilung in dem von Papst Johannes XXII. angestrengten Häresieprozess gegen die führenden Vertreter des franziskanischen Ordens aus Avignon geflohen war, hatte er mit seinen Gefährten Aufnahme am kaiserlichen Hofe Ludwigs des Bayern gefunden. Im Dienste des Kaisers hat der englische Gelehrte, der bis dato in erster Linie durch seine theologischen und philosophischen Schriften von sich Reden gemacht hatte, bis zu seinem Tode (1347/48) zahlreiche kirchenpolitische Traktate verfasst, in denen er immer wieder zu den drängenden Fragen seiner Zeit – dem Verhältnis der Kirche zu den zeitlichen Gütern, der innere Verfassung der Kirche, die Amtskompetenz des Papstes und dessen Verhältnis zur weltlichen Gewalt – Stellung bezog548. Er tritt dabei als scharfer Kritiker der hierokratischen Politik Papst Johannes XXII. auf (der in den Augen des Franziskanermönchs nichts anderes als ein Ketzer war), auch wenn Wilhelm gerade in seinen großen Schriften (Dialogus, Opus nonaginta dierum, Octo Quaestiones) die eigene Meinung hinter dem Bemühen um eine unparteiische Darstellung der Argumente zu verbergen suchte. Erst nach dem Tode Ludwigs des Bayern verlor der Konflikt der beiden Universalgewalten seine tagespolitische Dimension. Aber auch wenn das Verhältnis zwischen Papsttum und Kaisertum unter Kaiser Karl IV. in ruhig545

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Zu den zahlreichen papalitischen Antworten auf den Defensor Pacis in der Zeit von 1327-1340 vgl. TURLEY, sowie immer noch SCHOLZ, Streitschriften. MIETHKE, De potestate papae, S. 172. Zur Einführung empfiehlt sich die neueste Biographie von LEPPIN. Vgl. KÖLMEL, Ockham; MCGRADE.

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eres Fahrwasser geriet, so schadete doch insgesamt gesehen die Zeit in Avignon dem Ansehen des Papsttums in weiten Teilen Europas, insbesondere aber im Reich, da es vor allem hier zunehmend als Spielball französischer Interessen wahrgenommen wurde. Als Papst Gregor XI. 1378 kurz vor seinem Tode zurück an den Tiber kehrte, wurde dieser Schritt von vielen mit großen Hoffnungen auf eine spirituelle Erneuerung des Papsttums begleitet. Auch der englische Theologe John Wyclif setzte solche Hoffnungen in Papst Urban VI.549, die jedoch schon bald bitter enttäuscht werden sollten und Wyclif davon überzeugten, dass eine Reform von Kirche und Klerus nicht von dem verweltlichten Papsttum ausgehen könne, sondern in die Hände der weltlichen Herrscher gelegt werden müsse550. Auch in Frankreich wurden Ende des 14. Jahrhunderts die Bestrebungen, sich vom Papsttum zu lösen und die Kirchenhoheit in die Verantwortung des Königs zu legen, mit theoretischen Schriften untermauert, allen voran durch das Somnium viridarii (1378), das von weiten Teilen der Forschung als der Grundstein des Gallikanismus angesehen wird. Seit dem ausgehenden 13. Jahrhundert war neben die Autoritäten von Bibel und Patristik, dem römischen und kanonischen Recht, die Lehre des Aristoteles getreten. Aristoteles war dem lateinischen Mittelalter lange Zeit nur durch seine logischen Schriften, die „Kategorienschrift“ und De interpretatione in der Übersetzung und Kommentierung des Boethius († 526) bekannt gewesen. Erst im 12. Jahrhundert wurde das gesamte Organon vor allem durch die Übersetzungen des Jakob von Venetia der lateinischen Gelehrtenwelt zugänglich. Um 1200 waren schließlich auch die anderen aristotelischen Schriften zur Physik, Metaphysik und Ethik an den Universitäten in Umlauf. Doch wurde eine intensive Rezeption erschwert, da die aristotelische Lehre mit einigen Ansichten der christlichen Dogmatik unvereinbar schien. Eine Pariser Provinzialsynode verbot im Jahre 1210 Vorlesungen über die aristotelische Naturphilosophie; 1215 wurde auch die Lehre der Metaphysik des Stagiriten an der Universität in Paris untersagt. Reibungspunkte mit der Kirche gab es vor allem durch die heterodoxe arabisch-jüdische Auslegung, die das aristotelische Schrifttum durch Gelehrte wie Averroes (†1198) und Moses Maimonides (†1204) erfahren hatte. Doch ließ sich die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem großen antiken Denker, der gemeinhin als der philosophus bekannt war, auch durch kirchliche Lehrverbote nicht aufhalten. Bereits 1231 schränkte Papst Gregor IX. (1227-1241) das Verbot dahingehend ein, dass die Lehren des Aristoteles solange vom Uni549 550

Vgl. MOLLAT DU JOURDIN / VAUCHEZ S. 77. Vgl. ebd. S. 130.

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versitätsbetrieb ausgeschlossen bleiben sollten, „bis sie korrigiert seien“, also einer christlichen Auslegung unterzogen worden wären. Im Jahre 1255 schließlich wurde das gesamte Spektrum der bekannten Schriften des Aristoteles in den Lehrplan der Pariser Artistenfakultät aufgenommen. Die Nikomachische Ethik wurde 1246/47 von Robert Grosseteste († 1253), die Politik von dem Dominikaner Wilhelm Moerbeke († 1286) Anfang der 60er Jahre des 13. Jahrhunderts an der Kurie in Rom in die lateinische Sprache übertragen und diente Thomas von Aquin († 1274) als Vorlage für seinen Kommentar, den Peter von Auvergne nach dem Tod des Aquinaten vollendete551. Die politische Lehre des Aristoteles gilt bekanntlich als Meilenstein auf dem Weg zum säkularen Staat, weil der Mensch als animal sociale et politicum seiner Natur entsprechend zur Staatenbildung und zum gesellschaftlichen Leben ausgerichtet ist, der Staat also nicht mehr primär als göttliches Werkzeug gegen die Sündhaftigkeit des Menschen gedeutet wurde, und darüber hinaus dem Staat eine eigenständige, unabhängig von religiösen Zielen definierte diesseitige Daseinsberechtigung zugestanden wird: die felicitas huius vitae. Die Ableitung der weltlichen Herrschaft aus rein naturrechtlichen Gründen ließ auch, so formulierte es bereits Otto von Gierke, die Vorstellung von der unmittelbar göttlichen Einsetzung und Vollmacht der Person des Herrschers überflüssig werden552. Die Adaption und Integration der aristotelischen Lehre in die mittelalterlichen Überlegungen von Herrschaft, Staat und Kirche verlief freilich nicht eingleisig. Am Beginn des christlichen Aristotelismus steht das Werk des Thomas von Aquin, dessen Interpretationen allerdings von seinen Schülern und Enkelschülern weiterentwickelt wurden und schließlich zu den höchst unterschiedlichen Konzeptionen eines Dante Alighieri und Marsilius von Padua ebenso wie eines Jakob von Viterbo und Tholomäus von Lucca führen konnten. Im folgenden werden einige der erwähnten Gelehrten und ihre herrschaftstheoretischen Überlegungen vorgestellt. Der Fokus liegt dabei auf den Aspekten der Stellvertretung Gottes durch die weltlichen Herrscher sowie der Einsetzung des Herrschers durch Gott. Es kann hier natürlich keine Gesamt551

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Die Aristoteleskommentare des Thomas zur Politik sind ebenso grundlegend für den sogenannten christlichen Aristotelismus geworden wie die zur Ethik, Physik oder Metaphysik. Eine von Thomas abweichende Interpretation hatten die sogenannten radikalen Aristoteliker wie Siger von Brabant († 1286) oder Boethius von Dacien († 1284) entwickelt, die sich besonders auf die umfangreichen Aristoteleskommentare des Averroes stützten, und den sogenannten lateinischen Averroismus vertraten. Vgl. TISCHLEDER, S. 38.

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interpretation der einzelnen Werke geleistet werden, wenngleich zur besseren Einordnung der angesprochenen Teilaspekte mitunter eine ausführlichere Behandlung der Traktate geboten erscheint.

1.1.

Thomas von Aquin

Das umfangreiche Oeuvre des Thomas von Aquin umfasst dezidiert herrschaftstheoretische, wenn man so will politische Fragestellungen allenfalls am Rande. Mitte des 13. Jahrhunderts war Politik freilich noch keine eigenständige Wissenschaftsdisziplin, so dass politische Überlegungen bei Thomas noch eingebettet in das philosophische und theologische Gesamtsystem waren. Erst gegen Ende seines schaffensreichen Lebens verfasste er einen Fürstenspiegel (wohl für den König des Kreuzfahrerstaates Zypern Hugo II. oder III.), ein Werk, das jedoch ebenso Fragment blieb wie sein Kommentar zur Politik des Aristoteles. Die Erforschung der „Staats- und Herrschaftsauffassung des Thomas von Aquin“ ist daher mit einigen Schwierigkeiten verbunden. Denn der Fürstenspiegel De regimine principum553, in dem Thomas eine aristotelisch-naturrechtliche Herrschaftsauffassung entwickelte, beantwortet viele Fragen (etwa im Hinblick auf das Verhältnis von regnum und sacerdotium) nicht erschöpfend, so dass man immer wieder gezwungen ist, auf Äußerungen des Aquinaten in anderen Werken, allen voran der Summa theologica554, aber auch den Kommentaren zu den Sentenzen des Petrus Lombardus, des Römerbriefs und der aristotelischen Ethik und Politik zurückzugreifen. Die „thomasische Herrschaftsauffassung“ gewinnt man also nur, indem man das gesamte Werk des Thomas von Aquin gleichsam als Steinbruch benutzt, aus dem man einzelne Aspekte herausbricht und unter herrschaftstheoretischen Vorzeichen zu einem Bild zusammenfügt, das von Thomas aber selbst nie so gezeichnet worden ist. Insbesondere Theologen warnen davor, den Gehalt der primär theologischen Aussagen auf dem Gebiet der Politik überzustrapazieren555. Zudem sind immer wieder auch Zweifel an Thomas‟ Verfasserschaft von De regimine principum geäußert worden, die nicht zuletzt auch auf gewissen Unstimmigkeiten zwischen dem darin entworfenen Herrschaftsver553 554

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Thomas von Aquin, De regimine principum ad regem cypri, ed. Mathis. Insbesondere den Tractatus de legibus STh I-II qu. 90-105. Für DEMPF, Thomas von Aquin, bes. 73 ist die Summa theologica gar die zentrale Quelle der politischen Philosophie des Thomas von Aquin. Vgl. Otto Hermann Pesch in seinem Kommentar zur Deutschen Thomas Ausgabe Bd. 13 (1977) STh I-II qu. 90-105, S. 739-743; UTZ S. 182.

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ständnis und den herrschaftstheoretischen Aussagen der Summa theologica beruhen556. Bereits in seinem Sentenzenkommentar erkannte Thomas von Aquin dem Staat einen eigenen, von der Kirche unabhängigen Herrschaftsbereich zu, der ihm unmittelbar von Gott zugewiesen worden sei mit dem Ziel, das bonum civile zu erlangen. „Sowohl die geistliche wie die weltliche Gewalt stammt von Gott. Die weltliche Herrschaft steht insoweit unter der geistlichen, als sie ihr von Gott unterstellt ist, d. h. in den Dingen des Seelenheils. In diesen Dingen muss man der geistlichen Gewalt mehr gehorchen als der weltlichen. In Sachen der bürgerlichen Wohlfahrt muss man der weltlichen Gewalt mehr als der geistlichen gehorchen, nach Matth. 22: Gebt dem Kaiser, was der Kaiser ist.“557

Dieser Gewaltendualismus scheint jedoch in der Person des Papstes aufgehoben, der in zeitlichen wie geistlichen Angelegenheiten die oberste Autorität besitze. „Wenn nicht etwa mit der geistlichen auch die weltliche Gewalt vereinigt ist, wie beim Papst, der beide Gewalten in seiner Hand hat nach der Anordnung dessen, der Priester und König ist in Ewigkeit.“558

Dieser Zusatz lässt sich zweifellos im hierokratischen Sinne einer plenitudo potestatis auslegen, doch angesichts der facettenreichen Diskussion, die gerade von Seiten der Kanonistik über die Gewalt des Papstes auch in temporalibus geführt wurde, ist dies nicht zwingend. Denn: Bezieht sich die Autorität des Papstes in temporalibus auf die gesamte christianitas, oder womöglich nur auf den Bereich des Kirchenstaates? Ist die päpstliche potestas in temporalibus im direkten oder indirekten Sinne zu verstehen? Gibt es trotz der päpstlichen Superiorität in zeitlichen Angelegenheiten eine weltliche

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Vgl. MOHR. S. Thomae Aquinatis Opera Omnia Bd. 1, In quattuor libros sententiarum, ed. Robert Bursa, lib. II, Dist. 44, quest. 2 ar. 3, ex, S. 257: dicendum, quod potestas spiritualis et saecularis utraque deducitur a potestate divina; et ideo intantum saecularis potestas est sub spirituali, intantum est ei a Deo supposita, scilicet in his quae ad salutem animae pertinet; et ideo in his magis est obediendum potestati spirituali quam saeculari. In his autem quae ad bonum civile pertinet est magis obediendum potestati saeculari quam spirituali secundum illud Matth. XXII, 21, Reddite quae sunt Caesaris Caesari. Ebd.: Nisi forte potestati spirituali etiam saecularis potestas conjungatur,sicut in papa, qui utriusque potestatis apicem tenet, scilicet spiritualis et saecularis, hoc illo disponente qui est sacerdos et rex in aeternum, secundum ordinem melchisedech, rex regum, et dominus dominantium,cujus potestas non aufertur et regnum non corrumpetur in saecula saeculorum. amen.

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Gewalt, die unmittelbar von Gott eingesetzt ist? 559 In De regimine principum handelt Thomas eingehender, wenn auch letztlich nicht wesentlich erhellender560 über das Verhältnis von regnum und sacerdotium. Mit Aristoteles liefert Thomas eine naturrechtliche Begründung des Staates, wonach der Mensch als animal sociale et politicum zum Leben in der staatlichen Gemeinschaft bestimmt ist. Der Regent soll diese Gemeinschaft zu dem ihr naturgegebenen Ziel des guten, tugendhaften Lebens führen561, indem er die dafür nötigen Rahmenbedingungen schafft, insbesondere Frieden und Gerechtigkeit garantiert. Das Endziel des Menschen bestehe aber nicht im „guten Leben“ (bene vivere) sondern in der jenseitigen Gottesschau, wofür die Geistlichkeit (und damit letztlich der Papst) Sorge zu tragen habe562. Dies ist die berühmte Hierarchie der Zwecke, die ebenfalls an Aristoteles angelehnt ist563, der freilich im Staatsmann und dem tugendhaften Leben das höchste Ziel erblickte, während Thomas darin nur ein – wenn auch notwendiges – Zwischenziel auf dem Weg zur himmlischen Glückseligkeit sieht. Insofern kommt dem König auch ein gewisser Anteil an der Erreichung des letzten Ziels der himmlischen Seligkeit zu, denn: 559

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Über die unterschiedliche Auslegung des Gewaltenverhältnisses bei Thomas vgl. etwa ANTONIADES S. 100 ff.; SCHNEIDER, Thomas von Aquin, S. 51; WIELAND S. 75; FLASCH S. 332 f.; MEYER S. 580 ff.; ESCHMANN; BO. MIETHKE, De potestate papae, S. 43: „Am Ende seines Lebens, in seinem Fürstenspiegel, hat Thomas diese (wenigstens theoretisch) klare Unterscheidung [sc. des Sentenzenkommentars bezüglich geistlicher und weltlicher Gewalt] eher verdunkelt.“ Thomas von Aquin, De regimine principum I, 14, S. 17: Videtur autem finis esse multitudinis congregatae vivere secundum virtutem. Ad hoc enim homines congregantur, ut simul bene vivant, quod consequi non posset unusquisque singulariter vivens; bona autem vita est secundum virtutem. Thomas von Aquin, De regimine principum I, 15, S. 19: ... ad bonam vitam multitudinis instituendam tria requiruntur. Primo quidem, ut multitudo in unitate pacis constituatur. Secundo, ut multitudo vinculo pacis unita dirigatur ad bene agendum. Sicut enim homo nihil bene agere potest nisi praesupposita suarum partium unitatae, ita hominum multitudo pacis unitate carens, dum impugnat se ipsam, impeditur a bene agendo. Tertio vero requiritur, ut per regentis industriam necessariorum ad bene vivendum adsit sufficiens copia. Diese Hierarchie der Zwecke ist beeinflusst von der Nikomachischen Ethik, in der Aristoteles in I, 1 [1094a 6-18], S. 5 erklärt: „Da es aber viele Formen des Handelns, des praktischen Könnens und des Wissens gibt, ergibt sich auch eine Vielzahl von Zielen: Ziel der Heilkunst ist die Gesundheit, der Schiffsbaukunst das Schiff, das Ziel der Kriegskunst: Sieg [...]. Überall nun, wo solche ‚Künste„ einem bestimmten Bereich untergeordnet sind – so ist z. B. der Reitkunst untergeordnet das Sattlerhandwerk und andere Handwerke, die Reitzeug herstellen [...] – da ist durchweg das Ziel der übergeordneten Kunst höheren Ranges als das der untergeordneten: um des ersteren willen wird ja das letztere verfolgt. Vgl. auch BERGES S. 204 ff.; STRUVE, organologische Staatsauffassung; STEINBÜCHEL.

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„Da also der letzte Zweck eines guten Lebens [...] die himmlische Seligkeit ist, so gehört es zu dem Amt eines Königs, für ein gutes Leben des Volkes nach der Erwägung zu sorgen, inwieweit ihm zur Erreichung der himmlischen Seligkeit Bedeutung zukommt, damit er, was dazu förderlich ist, anordnet und das Gegenteil, soweit das eben möglich ist, verbietet“.564

Hinsichtlich der Herrschereinsetzung wird die Rolle des Papstes nicht näher definiert. In seinem Römerbriefkommentar (und auch im Sentenzenkommentar) differenziert Thomas die Aussage, dass alle Gewalt von Gott sei, im Hinblick auf die personale und transpersonale Bedeutung von potestas. „Die königliche Gewalt lässt sich in dreifacher Hinsicht betrachten: Erstens im Hinblick auf die Gewalt als solche; und so stammt sie von Gott, durch den die Könige herrschen. Zweitens lässt sie sich hinsichtlich des Weges betrachten, auf dem die Gewalt erlangt wird, und so kann die Gewalt von Gott sein, wenn nämlich jemand auf geordnetem Wege die Gewalt erlangt. [...] Manchmal dagegen stammt sie nicht von Gott, sondern aus dem verkehrten Verlangen des Menschen, der aus Ehrsucht oder auf irgend einem anderen unerlaubten Wege die Gewalt erlangt. [...] Drittens lässt sie sich im Hinblick auf ihren Gebrauch betrachten, und so kann sie wieder manchmal von Gott stammen, wenn z. B. jemand sich der ihm verliehenen Gewalt gemäß den Vorschriften der göttlichen Gerechtigkeit bedient: Durch mich herrschen Könige und verordnen Gesetzgeber, was recht ist [Pro. 8, 15]. Manchmal dagegen ist sie nicht von Gott, z. B. wenn sich die Menschen der ihnen gegebenen Gewalt wider die göttliche Gerechtigkeit bedienen.“565

Der Erwerb der Herrschergewalt sei also nur dann von Gott, wenn er auf „rechtem Wege“ erfolgt sei, wobei es Thomas an dieser Stelle jedoch unter564

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Thomas von Aquin, De regimine principum I, 15, S. 18 f.: Quia igitur vitae, qua in praesenti bene vivimus, finis est beatitudo coelestis, ad regis officium pertinet ea ratione vitam multitudinis bonam procurare, secundum quod congruit ad coelestem beatitudinem consequendam. Thomas von Aquin, Super Epistolas S. Pauli lectura n. 1022, ed. P. Raphaelis Cai, S. 190: Ad hoc dicendum est, quod regia potestas vel cuiuscumque alterius dignitatis potest considerari quantum ad tria. Uno quidem modo quantum ad ipsam potestatem, et sic est a Deo, per quem reges regnant, ut dicitur Prov. VIII, 15. Alio modo potest considerari quantum ad modum adipiscendi potestatem, et sic quandoque potestas est a Deo: quando scilicet aliquis ordinate potestatem adipiscitur, secundum illud Hebr. V, 4: Nemo sibi honorem assumit, sed qui vocatur a Deo tamquam Aaron. Quandoque vero non est a Deo sed ex perverso hominis appetitu, qui per ambitionem, vel quocumque alio illicito modo potestatem adipiscitur. Amos VI, 14: Numquid non in fortitudine nostra assumpsimus nobis cornua? Tertio modo potest considerari quantum ad usum ipsius: et sic quandoque est a Deo, puta cum aliquis secundum praecepta divinae iustitiae utitur concessa sibi potestate, secundum illud Prov. VIII, 15: Per me reges regnant, etc. Quandoque autem non est a Deo, puta cum aliqui potestate sibi data utuntur contra divinam iustitiam, secundum illud Ps. II, 2: Astiterunt reges terrae, et principes convenerunt in unum adversus Dominum, etc. Vgl. S. Thomae Aquinatis Opera Omnia Bd. 1, In quattuor libros sententiarum, ed. Bursa, lib. II, Dist. 44, quest. 2, ar. 2, co, S. 256.

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lässt, diesen „rechten Weg“ näher zu bestimmen. Entscheidend dürfte letztlich sein, dass der Erwerb der Herrschaft in Übereinstimmung mit den Gesetzen des jeweiligen Gemeinwesens erfolgt, die sich natürlich im Hinblick auf die Nachfolgeregelung (Wahlrecht, Erbrecht) unterscheiden können. Die Aristotelesrezeption ermöglichte es sogar, dass neben der Monarchie auch andere Regierungsformen zumindest theoretisch betrachtet werden konnten. Freilich plädiert auch Thomas letztlich für die Monarchie als beste Staatsverfassung, die jedoch insofern auch aristokratische und demokratische Elemente beinhalten solle (sog. regimen mixtum, aber nur in der Summa theologica, nicht im Fürstenspiegel), als dass dem König ein „Rat weiser Männer“ zur Seite stehen solle und der König aus allen und von allen Mitgliedern der Gemeinschaft erwählt werde566. An verschiedenen Stellen sowohl in seiner theologischen Summe als auch in seinem Fürstenspiegel plädiert Thomas für eine Wahl des Herrschers durch das Volk567. Außer mit eher praktischen Gründen – durch die Wahl des Volkes erhalten alle einen gewissen Anteil an der Herrschaft568 – wird das Wahlrecht des Volkes nach Ansicht Peter Tischleders in der Summa theologica auch philosophisch-aristotelisch begründet569. Denn das Volk wird als Inhaber der Gesetzgebungskompetenz bezeichnet: „Das Gesetz betrifft eigentlich in erster Linie und hauptsächlich die Hinordnung auf das Gemeinwohl. Etwas auf das Gemeinwohl hinordnen ist aber Sache entweder aller oder dessen, der die Stelle aller vertritt. Und deshalb steht die Gesetzgebung entweder allen zusammen zu oder der Amtsperson, welcher die Sorge für alle obliegt. Denn auch sonst überall ist auf das Ziel hinordnen Sache dessen, dem das Ziel sein eigenes Ziel ist.“ 570

Die menschliche Gemeinschaft, deren Ziel das gute, tugendhafte Leben ist, besitze demnach auch das Recht, sich auf ihr naturgegebens Ziel selbst hin auszurichten. Zwar sei es besser, wenn nur e i n e r die Führung des Gemeinwesens übernehme, doch erwächst ihm diese Führungsrolle aus der Übertragung der Gewalt durch die Gesamtheit. Das Wahlrecht des Volkes

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STh I-II, Qu. 105, a. 1, resp., ad 1. ad. 2 Vgl. die Zusammenstellung im Kapitel „Origine a populo della sovranità“ bei BO S. 27 ff. STh I-II qu. 105 a. 1 resp. Vgl. Aristoteles, Politik III, c. 11 [1281b], S. 176 ff. TISCHLEDER, Ursprung; SAUTER. STh I-II, Qu. 90 a. 3 resp.: Respondeo dicendum quod lex proprie, primo et principaliter respicit ordinem ad bonum commune. Ordinare autem aliquid in bonum commune est vel totius multitudinis, vel alicujus gerentis vicem totius multitudinis. Et ideo condere legem vel pertinet ad totam multitudinem, vel pertinet ad personam publicam quae totius multitudinis curam habet. Quia et in omnibus aliis ordinare in finem est ejus cujus est proprius ille finis.

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entspringe mithin diesem Selbstlenkungsrecht des Gemeinwesens auf sein naturgegebenes Ziel. Das Volk ist nach Ansicht Tischleders in der Theorie des Aquinaten also der naturrechtliche Träger der Staatsgewalt, der in einem freien Willensentschluss den Herrscher durch Wahl bestimmt und diesem die Gewalt überträgt. Tischleder gewinnt diese These der sogenannten gemäßigten oder scholastischen Volkssouveränität freilich auf die eingangs problematisierte Weise, indem er einzelne Aussagen aus dem Werk des Aquinaten herausgreift und zu einer in sich geschlossenen Herrschaftsauffassung zusammenfügt. Kritiker wiesen denn auch mit Blick auf das Gesamtwerk von Thomas auf Ungereimtheiten hin 571. Giorgio Bo stellte in seiner Untersuchung dem Kapitel „origine a Deo della sovranità in atto“, in dem er Aussagen des Aquinaten anführt, wonach der Ursprung der Gewalt bei Gott liege, das entsprechende Kapitel „origine a populo della sovranità“ gegenüber572. Wilhelm Müller wies Tischleder philologische und methodische Unsauberkeiten nach und warf ihm vor, aus der von Thomas durchaus anerkannten Möglichkeit der Volkssouveränität eine naturrechtliche Notwendigkeit zu machen573. Unabhängig davon, ob Thomas nun das Volk als möglichen oder notwendigen Souverän erachtet haben mag, kann das Zusammenwirken von Gott und Volk sowohl bei der Entstehung von Gemeinwesen wie auch bei der Einsetzung des Herrschers mit Hilfe der thomasischen Kausalitätslehre erfasst werden. Demnach lenkt Gott, der unbewegte Beweger, seine Schöpfung als causa prima, jedoch nicht unmittelbar, sondern durch Zweitursachen (causae secundae), denen er „natürliche Neigungen zu festbestimmten Zielen verliehen (hat), sie mit inneren Prinzipien ausgestattet (hat), aus denen ihre Bewe-

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Auch die Aussage in STh I-II, q. 95, wonach jegliche Herrschaft dem ius gentium quod est ius humanum entspringe, kann über das komplizierte Verhältnis von göttlichem, natürlichem und menschlichem Recht (wenn auch mit einiger intellektueller Anstrengung) in Einklang gebracht werden. Vgl. dazu RUBY, sowie unten S. 225 ff. Der Einwand Meyers S. 559, Thomas spreche in STh I-II, Qu. 90 a. 3 resp. gar nicht vom Träger der Staatsgewalt, sondern nur vom Inhaber der Gesetzgebungskompetenz überzeugt nicht, da die Ausrichtung des Gemeinwesens auf ihr naturgegebenes Ziel, also die Regierung, im wesentlichen durch die Gesetzgebung geschieht. Der Träger der Staatsgewalt ist auch der Inhaber der Gesetzgebungskompetenz, also das Volk bzw. der vom Volk gewählte Herrscher. Allerdings gesteht Thomas dem Herrscher in seinem Politikkommentar in der Tat auch herrscherliche Zwangsmittel zu, die unabhängig von der vom Volk übertragenen Gesetzgebungskompetenz sind, und nach STh I-II, qu. 96 a. 5 nimmt der Regent gar eine Stellung über dem Gesetz ein (Vgl. WALTHER, Imperiales Königtum, S. 134). BO, bes. S. 17-41. MÜLLER, Volkssouveränitätslehre, bes. S. 322.

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gungen und Tätigkeiten hervorgehen“574. Auf die Staatslehre übertragen bedeutet das: Der Mensch (= Zweitursache) hat aufgrund seines Vergesellschaftungstriebs die natürliche Neigung zur Staatenbildung, um so das festbestimmte Ziel (der Gemeinschaft), das bonum commune, mit Hilfe seines freien vernunftgeleiteten Willens575 (= inneres Prinzip) zu erreichen. Auf diese Weise erklärt sich zugleich das auf den ersten Blick widersprüchliche Nebeneinander von Naturtrieb und freiem Willen. Das Ziel der menschlichen Gemeinschaft, die Erreichung des bonum commune durch Staatenbildung, ist unabänderlich. Die Mittel zur Erreichung dieses festgesetzten Zieles, also die Wahl der Regierungsform, die Wahl des Herrschers, etc., unterliegen jedoch dem freien Willen der Menschen576. Tischleder selbst verweist ausdrücklich auf die Verbindung zwischen der Kausalitätslehre und deren Anwendung auf die politische Theorie durch Thomas. Diese Einschätzung fügt sich auf den ersten Blick in die Überlegungen der rechtshistorischen Forschung, wonach Gott bei der Konstituierung von Herrschaft aufgrund der aristotelischen Naturrechtslehre seit dem späten 13. Jahrhundert nur noch als causa remota erachtet wurde577. Die Frage aber nach dem Verhältnis von Gott (causa prima) und Mensch (causa secunda), die Frage nach der Mitwirkung Gottes an den Handlungen und Tätigkeiten der geschöpflichen Zweitursachen, die sogenannte Konkurslehre, war in erster Linie eine Thema, das nicht so sehr von Juristen, sondern von Theologen diskutiert wurde – und das höchst kontrovers, im 13. ebenso wie im 20. Jahrhundert578! Es stehen sich im wesentlichen zwei Anschauungen 574

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MEYER S. 340; STUFLER, erste Beweger, S. 2. Vgl. STh I-I, qu. 103 a. 6; ScG III, c. 69; vgl. BERTELLONI, bes. S. 96. Zum Verhältnis von Wille und Vernunft vgl. SCHÖNBERGER S. 134-149. Der Wechsel des Subjekts kann mit Hilfe der Hierarchie der Zwecke aufgefangen werden. Das bonum commune ist das Ziel der menschlichen Gesamtheit, nicht des einzelnen Menschen, es dient jedoch zur Erlangung des Endziels des Individuums. Tischleder sieht im Staat ein organisches Wesen, das ein selbsteigenes Ziel besitzt und sich dahin lenken darf. Seine Kritiker lehnen diese Sicht ab. Vgl. GIERKE, Althusius S. 63: „Dennoch erfuhr schon im Mittelalter die theokratische Idee eine dauernde Abschwächung und endliche Zersetzung. Es war die von der Antike beeinflusste philosophische Staatslehre, welche ihr allmälig den Boden entzog. Indem man zunächst die Entstehung des Staates auf den Naturtrieb oder auf menschliche Willensvorgänge zurückführt, verblasst die Idee der göttlichen Stiftung: der göttliche Wille wird zwar als wirkende Ursache festgehalten, allein er tritt in die Rolle der causa remota zurück.“ Literatur über die Kontroverse um die Konkurslehre vgl. MEYER S. 341. Im Grunde war der Ausgangspunkt der Debatte sogar weniger die Frage nach der Mitwirkung Gottes als vielmehr die Frage, ob die Zweitursachen überhaupt etwas wirken können. Avencebrol, Avicenna und andere arabische Theologen etwa schrieben alles Wirken allein Gott zu und leugneten jegliche kreatürliche Kausalität. Vgl. VOLLMER.

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gegenüber. Die Vertreter eines mittelbaren göttlichen Konkurses sehen die von Gott in den Zweitursachen grundgelegten inneren Prinzipien, den instinctus naturae, zur Handlung ausreichend, während die Anhänger eines unmittelbaren göttlichen Konkurses darüber hinaus einen gesonderten göttlichen Impuls zur Tätigkeit der causae secundae annehmen. Im ersten Fall ist Gott die causa remota, der Mensch die causa immediata der geschöpflichen Handlung, im zweiten Fall ist Gott die causa immediata, der Mensch jedoch bloß Werkzeug in der Hand Gottes. Auf die Staatslehre übertragen würde dies die Frage aufwerfen, ob allein der freie Wille des Menschen (als das von Gott gegebene innere Prinzip) den Herrscher bestimme, oder ob Gott bei der Herrscherwahl den Menschen (= causae secundae) einen Impuls etwa im Sinne einer Inspiration gebe579. 579

Ein Anhänger der unmittelbar göttlichen Konkurslehre war der Thomasschüler Aegidius Romanus. Er erklärte, dass Gott mit allen Tätigkeiten und Wirkungen der Geschöpfe unmittelbar verbunden sei. Alle Wirkungen seien letztlich unmittelbar ganz von Gott u n d unmittelbar ganz von der Natur, d. h. ihr Sein haben alle Dinge unmittelbar von Gott, ihr Sosein unmittelbar von der Natur (vgl. VOLLMER S. 457). Gott habe den Kreaturen nicht nur die Kraft zum Wirken verliehen, er sei auch bei jeder Tätigkeit der causae secundae als bewirkende Ursache unmittelbar zugegen, ja ohne seinen besonderen Einfluss komme kein Naturding zu einer Tätigkeit (vgl. VOLLMER S. 458 f.). Die Zweitursachen seien letztlich also wie ein Instrument, das von der Hand des Künstlers geführt und beherrscht werde (vgl. VOLLMER S. 458). Die Vertreter des mittelbaren göttlichen Konkurses wie etwa Durandus oder Petrus Olivi argumentierten u. a. damit, dass ein unmittelbares göttliches Wirken der menschlichen Willensfreiheit widerspräche. Wirke Gott bei jeder Handlung unmittelbar zusammen mit dem Willen des Menschen mit, indem er die Willenspotenz durch einen direkten Impuls zur Tätigkeit anrege, dann sei der menschliche Wille nicht frei, denn nur was durch sich selbst bewegt werde, könne frei genannt werden. Gott habe den Menschen aber mit der Fähigkeit zu Wollen zugleich auch die Möglichkeit gegeben, einen Akt zu unterlassen, was unter der Prämisse eines unmittelbaren göttlichen Konkurses unmöglich wäre. Vgl. STUFLER, Konkurslehre, bes. S. 418 ff. Die Annahme eines nur mittelbaren göttlichen Konkurses mindere nach Ansicht Olivis keineswegs den Einfluss Gottes, da die Tätigkeiten der causae secundae auch dann zumindest dem zulassenden Willen Gottes unterstünden. Vgl. ebd. S. 410 sowie KAUP, S. 317. Die im Kontext der Kausalitätslehre verwendeten Begriffe „mittelbar“ und „unmittelbar“ sind dem modernen Betrachter durch ihre oft hintergründige scholastische Differenzierung nicht immer leicht zugänglich. Placidus VOLLMER hat diese Problematik folgendermaßen beschrieben: „Zwei Gesichtspunkte kommen hauptsächlich in Betracht, nach denen alle Unmittelbarkeit näher charakterisiert werden kann: jedes unmittelbar wirkende Prinzip ist entweder agens principale et primum oder agens proximum et conjunctum. Die Unmittelbarkeit bestimmt sich also ganz nach dem Ausgangspunkt; denn immediate ist gleichbedeutend mit sine medio. Geht man von den Ursachen aus, dann muss als unmittelbare Ursache die causa principalis et prima angesehen werden; wird die Bestimmung jedoch vorgenommen von der Wirkung aus, dann ist als unmittelbare Ursache die causa proxima et conjuncta zu betrachten. [...] Wirken Schöpfer und Ge-

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Die scholastische Volkssouveränitätslehre, wie sie Tischleder aus dem Werk des Aquinaten herauslesen möchte, basiert letztlich auf der Übertragung der Lehre vom mittelbaren göttlichen Konkurs auf das Gebiet der Politik. Damit wäre eine theoretisch hinreichende Begründung gegeben, hinsichtlich der Konstituierung von weltlicher Herrschaft das göttliche und menschliche Wirken, das ascending und descending principle of government (Ullmann) zu harmonisieren. Ob Thomas nun ein Anhänger des mittelbaren oder unmittelbaren göttlichen Konkurses war, ist unter den Theologen allerdings ebenso umstritten wie unter den Historikern die Frage, ob er ein Vertreter (oder gar der Begründer) der scholastischen Volkssouveränitätslehre war. In seinem Werk sind die Eckpfeiler der scholastischen Volkssouveränitätslehre letztlich zwar grundgelegt, keinesfalls aber schon voll entwickelt. Erst im 16. Jahrhundert beriefen sich die spanischen Thomisten um Cajetan und Suarez in ihren herrschaftstheoretischen Überlegungen unzweifelhaft auf Thomas und das Selbstlenkungsrecht der staatlichen Gemeinschaft nach STh I-II, 90, 3 580 . Inwieweit aber bereits Anfang des 14. Jahrhunderts durch Johann Quidort und Marsilius von Padua schon die scholastische Volkssouveränitätslehre vertreten wurde, wie Tischleder, Otto von Gierke und Otto Schilling meinten581, wird noch zu untersuchen sein. Die Frage nach dem Zusammenwirken von Gott und Volk bei der Konstituierung weltlicher Herrschaft ist bei Thomas daher nicht mit letzter Klarheit zu beantworten582. Die causa prima - causa

580 581

582

schöpf zusammen, so ist Gott allein unmittelbar tätig im Sinne der obersten und ersten Ursache, das Geschöpf ist nur Werkzeug in der Hand Gottes [...]. Agens immediatum ist die Kreatur nur als causa proxima et conjuncta, sie ist direkt und zunächst mit der Wirkung verbunden, ohne Zwischenglied, das die Tätigkeit weiterleitet“ (vgl. VOLLMER S. 460). Für Aegidius als Vertreter eines unmittelbaren göttlichen Konkurses ist Gott aber nicht nur hinsichtlich der Ursache, sondern auch hinsichtlich der Wirkung unmittelbar tätig, so dass „Gott und Kreatur in Einheit dasselbe Produkt (wirken), und zwar beide als causa proxima et conjuncta.“ (vgl. VOLLMER S. 461 f.) Ähnlich äußerte sich Bonaventura, der ebenfalls in Gott die causa proxima et immediata erblickte (vgl. KAUP S. 320 f.). Richard von Mediavilla wiederum sah in Gott sowohl die causa immediata als auch die causa mediata der geschöpflichen Handlungen (vgl. KAUP S. 322). Wie VOLLMER einräumt, berge das innere Verhältnis der beiden Ursachen jedoch große Schwierigkeiten (S. 462), und letztlich seien die Erörterungen des Aegidius über das Zusammenwirken von „göttlicher und geschöpflicher Kausalität mehr ein Definieren von Geheimnissen in den Formeln des Meisters [sc. Thomas von Aquin] als ein Versuch, zu einer Lösung vorzudringen“ (VOLLMER S. 469). Das Verhältnis von göttlicher und menschlicher Kausalität sei ein „geheimnisvolles Ineinandergreifen zweier Prinzipien [...], deren innere Struktur nicht klargelegt werden“ könne (VOLLMER S. 469 f.). Vgl. TISCHLEDER, Ursprung, S. 119 f. GIERKE, Genossenschaftsrecht Bd. 3, bes. 578 ff.; SCHILLING, Staats- und Soziallehre; DERS., Volkssouveränität. Vgl. WALTHER, Imperiales Königtum, S. 169.

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secunda Interpretation ist im herrschaftstheoretischen Kontext ebenso wenig expressis verbis aus seinem Werk herauszulesen wie die Formulierung von Alessandro Passerin D‟Entrèves, wonach Thomas in Gott die causa formalis, in der Wahl des Volkes die causa materialis weltlicher Herrschaft erblicke583. Letztlich bleibt festzuhalten: Die göttliche Lenkung der Schöpfung durch die Natur (den Menschen) als causa secunda ist weithin unbestritten, jedoch keinesfalls zwingend mit einem bloß mittelbar göttlichen Wirken gleichzusetzen584. Angesichts der theologischen Debatte um die Mitwirkung Gottes an den Handlungen der causae secundae – die im ausgehenden 13. Jahrhundert überwiegend im Sinne des unmittelbaren göttlichen Konkurses entschieden wurde – ist die von der rechtshistorischen Forschung nahezu einhellige Interpretation, wonach Gott bei der Konstituierung von Herrschaft seit dem späten 13. Jahrhundert nur als causa remota wirksam sei, zu hinterfragen. Als Gewährsmann für die causa remota Lehre nennt Gierke u. a. auch Aegidius Romanus, der jedoch von theologischer Seite uneingeschränkt als Vertreter des unmittelbar göttlichen Konkurses angesehen wird. Der König steht bei Thomas jedoch nicht nur aufgrund des göttlichen Ursprungs seiner Herrschergewalt – unabhängig davon, wie (un-)mittelbar sich die Übertragung der Gewalt auch gestalten mag –, sondern auch aufgrund seiner Herrscheraufgaben in enger Beziehung zu Gott. In der Summa theologica steht für Thomas nicht der König, sondern ganz allgemein der Mensch als Abbild Gottes im Vordergrund585. Der Mensch hat als Abbild Gottes durch seine Vernunft Anteil an der göttlichen Vorsehung. Er kann durch Vernunftgebrauch Naturgesetzmäßigkeiten, mithin das ewige Gesetz, das Gott seiner Schöpfung gegeben hat, erkennen. Die göttliche Abbildhaftigkeit des Menschen zeigt sich nicht zuletzt daran, dass der Mensch wie Gott schöpferisch tätig ist, dass er sich selbst Gesetze gibt, und dass er diesen Gesetzen, die Ausfluss des ewigen Gesetzes Gottes sind, Geltung verschafft. Im Fürstenspiegel erscheint diese göttliche Abbildhaftigkeit freilich in besonderer Weise auf den König als den Leiter der menschlichen Gemeinschaft bezogen. Der König ist wie Gott der Schöpfer eines Reiches (Gott ist Schöpfer des Universums) und einer gesetzlichen Ordnung, sowie der Garant dieser von ihm geschaffenen Ordnung586. Da Herrschaft nicht grund583 584 585 586

PASSERIN D‟ENTREVES S. XXVI. Vgl. Anm. 579. Vgl. SCHMÖLZ S. 32. Vgl. Thomas von Aquin, De regimine principum I, 13, S. 16: Oportet igitur considerare, quid Deus in mundo faciat: sic enim manifestum erit quid immineat regi faciendum. Sunt autem universaliter consideranda duo opera Dei in mundo. Unum quo mundum instituit, alterum quo mundum institutum gubernat [...] Haec igitur sunt, ut summarie

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sätzlich monarchisch sein muss, wird die enge Verbindung von Herrscher und Gott, wie sie sich in der gedanklichen Verbindung von Monarchie und Monotheismus gestaltet, zwar prinzipiell aufgelockert. Im Fürstenspiegel, wo Thomas sich für die Monarchie als beste Verfassung ausspricht, treten diese kosmologischen Vergleiche freilich wieder in den Vordergrund. Die Beziehung des Königs zu Gott beruht jedoch nicht nur auf derartigen kosmologischen Vergleichen587, sondern gestaltet sich durchaus enger und persönlicher. Denn der König gilt Thomas als Diener und Vollstrecker (executor et minister) der Herrschaft Gottes, der durch die Wahrung der (menschlichen) gesetzlichen Ordnung auch der göttlichen Ordnung Geltung verschafft, der für sein Handeln vor Gott Rechenschaft ablegen muss und von ihm aufgrund der verantwortungsvollen Aufgabe als Herrscher besonderen Lohn (oder besondere Strafe) zu erwarten hat588. Der Gedanke einer Stellvertretung Gottes durch den König wird von Thomas insofern ausgesprochen, als dass er den Herrscher mit der Aufgabe betraut sieht, anstelle Gottes (loco Dei) auf Erden für Recht und Gerechtigkeit zu sorgen 589 . Alois Dempf möchte in diesem Gottesvikariat einen grundlegenden Unterschied zu dem Gottesvikariat in den früh- und hochmittelalterlichen Königsspiegeln ausmachen. Dort sei der König nur „durch seinen amtscharismatischen ordo Stellvertreter Gottes“ 590 gewesen, während er bei Thomas nun „durch die höchste menschliche Staatstüchtigkeit, die Regierungskunst, ausgezeichnetes Gleichnis Gottes (sei), loco dei judicium regno exercet, weil er nach der forma universalis regiminis, so wie Gott die Welt und wie die Seele den Leib regiert, das Gericht im Staate ausübt.“ 591 Dempf erblickt darin sogar einen Anklang an die Gedankenwelt

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590 591

dicatur, quae ad regis officium pertinent in institutione civitatis aut regni, ex similitudine institutionis mundi assumpta. Das zweite Buch von „De regno“ behandelt, worauf der König bei der Gründung von Städten und Reichen zu achten hat. BERGES S. 209 Anm. 8 versteht die Analogien zwischen Gott und König lediglich darart, dass in jeder Herrschaft auf der Welt sich etwas Göttliches auswirke. Die Beziehung des Königs zu Gott wird bei Thomas aber auch noch wesentlich konkreter gefasst. Vgl. Thomas von Aquin, De regimine principum I, 11, S. 15: Sicut enim terrenus rex gravius punit suos ministros, si invenit eos sibi contrarios; ita Deus magis puniet eos, quos sui regiminis executores et ministros facit, si nequiter agant. Thomas von Aquin, De regimine principum I, 8, S. 10: Est autem conveniens, ut rex praemium expectet a Deo. Minister enim pro suo ministerio praemium expectat a domino; rex autem, populum gubernando, minister Dei est. Vgl. auch ebd. I, 9. Thomas von Aquin, De regimine principum I, 12, S. 16: Sit [rex] in regno sicut in corpore anima, et sicut Deus in mundo. Quae si diligenter recogitet, ex altero iustitiae in eo zelus accenditur, dum considerat ad hoc se positum, ut loco Dei, iudicium regno exerceat. DEMPF, Sacrum Imperium, S. 382. Ebd.

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Friedrichs II., mit der Thomas „aus Familientradition und aus eigener Jugend“592 vertraut gewesen sei. Wie gesehen beruhte aber auch das früh- und hochmittelalterliche Gottesvikariat des Königs sowohl auf dessen hierarchischer Spitzenstellung in der Herrschaftsordnung als auch auf der Verpflichtung zur imitatio Dei, die für den Monarchen insbesondere mit den Herrschertugenden der Gerechtigkeit und Barmherzigkeit verbunden war. Auch die Übertragung makrokosmischer Strukturen auf das Staatswesen, der Vergleich der königlichen Herrschaft mit der göttlichen Weltregierung war dem Mittelalter schon vor Thomas geläufig. Und anstatt gewagte Verbindungslinien zur Herrschaftsauffassung Friedrichs II. zu ziehen – wobei Dempf hier ohnehin noch ganz im Bann des mittlerweile längst revidierten Friedrich-Bildes des jungen Ernst Kantorowicz stand – erscheint es naheliegender, das Gottesvikariat auch bei Thomas im Zusammenhang mit der verbreiteten Auslegung von Röm. 13, 1 ff. zu sehen, wonach der König anstelle Gottes (loco dei) für Recht und Gerechtigkeit auf Erden zu sorgen habe 593 . Als Herrscher und oberster Richter vertritt der König letztlich exzeptionell die göttliche Ebenbildlichkeit und Stellvertretung des Menschen im allgemeinen. Schon in der Summa theologica bemerkte Thomas, dass die Menschen ganz allgemein bei der Entscheidung gewisser Rechtsfragen stellvertretend für Gott auf Erden (vicem Dei gerunt) handelten. „So sind also die Gebote des Dekalogs, insofern sie die wesentliche Forderung der Gerechtigkeit enthalten, unabänderlich. Soweit jedoch im Zuge der Anwendung auf die Einzelakte näher bestimmt wird, ob dies oder jenes Mord, Diebstahl, Ehebruch ist oder nicht, so ist das wandelbar: und zwar manchmal nur durch göttliche Vollmacht, nämlich in den Dingen, die von Gott allein eingesetzt sind, wie die Ehe und anderes dieser Art; manchmal auch durch menschliche Vollmacht, wie in den Dingen, die der Rechtsgewalt des Menschen überlassen sind. Denn in diesen Angelegenheiten, nicht aber in allen Dingen, vertreten die Menschen Gottes Stelle.“ 594

Thomas liegt hier auf einer Linie mit seinem Lehrer Albertus Magnus, der in Gott die causa efficiens der Schöpfungsordnung und das erste Analogon der 592 593

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Ebd. In seinem eigenen Römerbriefkommentar greift Thomas diesen Gedanken gleichwohl nicht auf. STh I-II, Qu. 100, a. 8, ad. 3: Sic igitur praecepta ipsa decalogi, quantum ad rationem justitiae quam continent, immutabilia sunt. Sed quantum ad aliquam determinationem per applicationem ad singulares actus, ut scilicet hoc vel illud sit homicidium, furtum vel adulterium, aut non, hoc quidem est mutabile: quandoque sola auctoritate divina, in his scilicet quae a solo Deo sunt instituta, sicut in matrimonio, et in alii huiusmodi; quandoque etiam auctoritate humana, sicut in his quae sunt commissa hominum jurisdictioni. Quantum enim ad hoc, homines gerunt vicem Dei: non autem quantum ad omnia. Vgl. auch die Glossa ordinaria zu Dt. 1, 17 (oben Anm. 457), derzufolge Richter als Vikare Gottes gelten.

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übrigen Ordnungen (auch der politischen Ordnung) erblickte. Der Zusammenhang zwischen ordo naturae und ordo politicus bei Albert drückte sich auch in der Stellung des Menschen als vicarius Dei aus, wobei der König freilich als oberster Gesetzgeber der menschlichen bzw. politischen Ordnung in herausragender Weise die Stellvertretung Gottes besitze595. Der Mensch im allgemeinen, ganz besonders aber der König ist die causa secunda, mit der Gott seine Schöpfung lenkt596. In ihrer Bewertung der thomasischen Herrschaftstheorie hat sich insbesondere die historische Forschung freilich weniger mit dem Fortwirken traditioneller Momente wie etwa dem königlichen Gottesvikariat befasst, als vielmehr die Neuerungen in den Blick genommen, die durch die Rezeption der aristotelischen Politik auszumachen waren. Das zukunftsweisende Potenzial der aristotelischen Lehre lag ja insbesondere darin, dem Staat eine eigenständige, von kirchlich-religiösen Zwecken unabhängige Existenzberechtigung zu gewähren und damit im Grunde das auszubuchstabieren, was Thomas bereits im Sentenzenkommentar erklärt hatte (und vor ihm schon andere Gelehrte konstatiert hatten): In weltlichen Angelegenheiten ist der König/Kaiser unabhängig von der Kirche und die höchste Autorität597. Uneins ist sich die Forschung jedoch in ihrer Einschätzung, inwieweit Thomas das säkulare Potenzial der aristotelischen Lehre tatsächlich ausschöpfte, wie weit die staatliche Eigenständigkeit bei Thomas angesichts der geschilderten „Hierarchie der Zwecke“ 595

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Albertus Magnus, De bono, tr. 5, qu. 1, art. 4, ed. Alberti Magni Opera Omnia Bd. 28, S. 277, 88 - 278, 4: Ius naturale nunquam recipit dispensationem ab homine, sed a deo potest recipere dispensationem, et ab homine, qui vicarius dei est in auctoritate potestatis et ordine sapientiae et bonitate vitae, potest recipere interpretationem. Vgl. PIERPAULI, bes. S. 340. Vgl. auch Tholomäus von Lucca (Anm. 669). Wobei wie gesehen die Frage, inwieweit der König direkt oder indirekt von Gott seine Lenkungsgewalt erhält, unterschiedlich diskutiert wird. Vgl. MEYER S. 581: „Von Aristoteles her war ihm der Begriff eines selbständigen, nicht von Kirchengnaden, sondern auf naturrechtlicher Grundlage entstandenen Staates als einer societas perfecta geläufig. Schon bevor der Aquinate einen Einblick in die aristotelische Politik gewinnen konnte, hat er die Selbständigkeit beider Bereiche auf ihren Gebieten verfochten. An Aristoteles hat er seinen Blick für die Eigenständigkeit des Natürlichen und naturhaft gegebenen geschärft und der Verschiedenheit der Zwecke gemäß die Verschiedenheit der diese Zwecke verwirklichenden Gemeinschaften unterschieden.“ MIETHKE, De potestate papae, S. 42 verweist zurecht auf die praktische Schwierigkeit hin, die mit der Unterscheidung in einen weltlichen und geistlichen Zuständigkeitsbereich von bonum civile und salus animae gegeben ist, dass nämlich „jede Instanz von vorneherein die feine Unterscheidung zwischen Seelenheil (salus animae) und bürgerlichem Wohl (bonum civile) jederzeit unfehlbar zu treffen weiß und sich daran auch unverbrüchlich hält.“

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gedacht werden darf und ob man von einer prinzipiellen oder besser nur von einer relativen Unabhängigkeit des Politischen bei Thomas sprechen sollte598. Nach Ansicht von Clemens Baeumker rühren die Ungereimtheiten in den herrschaftstheoretischen Äußerungen des Aquinaten (etwa über das Gewaltenverhältnis) nicht zuletzt auch daher, dass Thomas konkreten politischen Fragestellungen mit eher geringem Interesse gegenüberstand 599 . Insgesamt lassen sich bei Thomas letztlich, wie Helmuth G. Walther es formulierte, mehr herrschaftstheoretische Denkansätze und -möglichkeiten als klare Lösungen finden600. Insofern verwundert es kaum, dass in der Folgezeit auf dem Boden der thomasischen Lehre sowohl hierokratische wie dualistische Traktate erwachsen konnten.

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WIELAND S. 71 f.: „Politik und menschliche Gesetzgebung liegen demnach außerhalb theologischer Zuständigkeit. Es gibt eine eigene, nicht in der Heilsordnung und Heilsgeschichte begründete Rechtfertigung menschlicher Autorität. Die prinzipielle Eigenständigkeit des Politischen wird nicht dadurch aufgehoben, dass Thomas auf dessen Grenzen verweist.“ FLASCH S. 333: „De regimine principum verteidigte die papalistische Theorie der Unterordnung aller weltlichen Macht unter den Papst. Nicht als hätte die weltliche Gewalt nicht ihren eigenen Ursprung und ihren eigenen Zweck. [...] Diese relative Autonomie war ein geschichtliches Novum, eine Folge der Aristoteles-Rezeption. [...] Viele Forscher überbetonen jedoch den Zugewinn an Selbständigkeit. Sie „retten“ Thomas für die Gegenwart, indem sie die Unterordnung aller politischen Gewalt unter den Papst unterbelichten.“ WALTHER, Imperiales Königtum, S. 131 f.: „Für den Aquinaten sind die Grundlagen von Kirche und politischer Gemeinschaft verschieden [...] Eine konsequente Trennung beider Bereiche vollzog der Aquinate freilich nicht.“ BAEUMKER S. 401 ff.: „Der geschichtlichen Ausgestaltung des Streites (zwischen Papsttum und Kaisertum, zwischen geistlicher und weltlicher Gewalt) und den einzelnen Phasen seiner konkreten Erscheinung steht Thomas freilich fern. [...] Und spezifisch juristische Streitfragen, wie die über die direkte und indirekte Gewalt des Papstes den weltlichen Regierungen gegenüber, über den direkten und indirekten göttlichen Ursprung der Gewalt des weltlichen Herrschers usw. kümmern ihn überhaupt nicht.“; vgl. auch SCADUTO S. 57. Ähnlich bemerkte auch MÜLLER, Volkssouveränitätslehre, S. 326 f. hinsichtlich der Frage nach der Volkssouveränitätslehre bei Thomas: „Hätte Thomas hier die Volkssouveränität lehren wollen, dann hätte er diesen Gedanken klar und bestimmt, wie es seine Art ist, zum Ausdruck gebracht. Ja, er hätte bei der Wichtigkeit der Sache dieser auch wohl irgend einmal einen eigenen Artikel gewidmet.“ WALTHER, Imperiales Königtum, S. 135.

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1.2.

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Aegidius Romanus

Über die frühen Jahre des Thomasschülers Aegidius Romanus (geb. um 1245) ist kaum etwas bekannt. Er gilt weithin als Begründer der sogenannten Augustinerschule, nicht zuletzt, da seine Lehre bereits 1287 zur Ordensdoktrin erklärt wurde. Er studierte und unterrichtete (mit Unterbrechungen) in Paris Theologie, wo er von 1292-95 auch als Ordensgeneral der Augustinereremiten fungierte. 1295 wurde er von Papst Bonifaz VIII. zum Erzbischof von Bourges ernannt und stand dem streitbaren Caetani-Papst in der Folgezeit immer wieder mit seinen Schriften hilfreich zur Seite. Aegidius starb 1316 an der päpstlichen Kurie in Avignon. In seiner Schrift De renunciatione pape601 verteidigte Aegidius 1297 die Rechtmäßigkeit des Pontifikats Bonifaz VIII., welche von dessen Gegnern mit dem Argument angezweifelt wurde, der Vorgänger, Papst Cölestin V., hätte im Dezember 1294 gar nicht zurücktreten dürfen, da er seine Gewalt ausschließlich von Gott habe und nur dieser sie ihm wieder entziehen könne. Im Zusammenhang mit seiner Verteidigung des päpstlichen Rücktrittsrechts liefert Aegidius einige interessante Anschauungen bezüglich des Verhältnisses von göttlichem und menschlichem Wirken bei der Bestellung des päpstlichen Amtes. Zwar sei alle Gewalt von Gott, ebenso wie auch das Papsttum als Institution von Gott stamme, doch schließe das eine menschliche Mitwirkung bei der Einsetzung des Papstes nicht aus. Das Wirken Gottes in der Welt geschehe vielfältig durch die Mitwirkung von Mensch und Natur, wie Aegidius am Beispiel von Seele und Körper erläutert. So stelle die Natur (d. h. der natürliche menschliche Zeugungsakt) den Körper als materielles Gefäß für die Seele bereit602. In vergleichbarer Weise wirken auch die Menschen durch ihre Wahl, indem sie eine Person zur Ausübung der von Gott stammenden Gewalt bestimmen, wobei der Gewählte seiner Wahl aber auch zustimmen müsse. Mit anderen Worten: Gott ist die causa formalis, der jeweilige Papst die causa materialis, die Entscheidung der Wähler und die Zustimmung des Gewählten die causa efficiens, das bonum commune bzw. die Leitung der Kirche die causa finalis der päpstlichen Gewalt603. Die causa formalis, also die von Gott stammende päpstliche Gewalt, sei zwar durch den Menschen unveränderbar, die causa materialis jedoch könne durch umgekehrtes Wirken der causa efficiens aufgehoben werden. 601

602 603

Aegidius Romanus, De renunciatione pape, ed. Eastman (= Text and studies in religion 52). Aegidius Romanus, De renunciatione c. 6, S. 174 f. Aegidius Romanus, De renunciatione c. 24, S. 342 ff.

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Aegidius liegt im Grunde mit Laurentius Hispanus auf einer Linie, der sinngemäß erklärt hatte: papatum a deo, papa a populo604. Das menschliche Wirken, die cooperatio humana, besteht in der Auswahl des Amtsträgers, in der Bestellung der Materie. Die Gewalt aber fließt unmittelbar von Gott in den Amtsträger, wie der Vergleich mit dem Körper zeigt, in den die Seele von Gott eingegossen wird605. Ein schlechter Papst sei letztlich auf die mangelhafte menschliche Wahlentscheidung zurückzuführen, nicht aber auf Gott606. Wie bereits angesprochen, war der Theologe Aegidius Romanus aber ein Vertreter der Lehre des unmittelbaren göttlichen Konkurses, also der unmittelbaren Mitwirkung Gottes bei den Handlungen der causae secundae607. Überträgt man diese im theologischen Zusammenhang entwickelte Lehre auf das herrschaftstheoretische Gebiet, dann muss man zu dem Ergebnis kommen, dass auch bei der von Menschen vorgenommenen Wahl des Herrschaftsträgers Gott unmittelbar mitwirke. Ist die cooperatio humana bei der Herrscherwahl also so zu verstehen, dass die Zweitursachen (= die menschlichen Wähler) nur das Instrument des göttlichen Willens sind, das von Gott beherrscht und geführt wird? So hatte Aegidius das Zusammenwirken von Gott und causae secundae im theologischen Kontext formuliert, doch eine explizite Übertragung der Konkurslehre auf herrschaftstheoretische Fragestellungen erfolgt bei Aegidius nicht. Er verweist allerdings darauf, dass das göttliche Wirken auch bei der Wahl des Herrschaftsträgers durch Menschen zwingend erforderlich sei. Nur wenn Gott der Wahl seine Zustimmung erteilt habe, dürfe der Papst sich auch Papst nennen und die päpstliche auctoritas ausüben, denn schließlich sei alle Gewalt von Gott, wie der Apostel im Römerbrief 13 zu verstehen gebe608. Die göttliche Wahlbestätigung geschehe freilich für gewöhnlich auf eine mit den Sinnen nicht fassbare Weise609 und letztlich behilft sich Aegidius in diesem 604 605

606

607 608 609

Vgl. Anm. 271. Vgl. dazu Ockhams Ausführungen unten Anm. 808. Aegidius vertrat also nicht die Ansicht einer Volkssouveränität im kirchlichen Bereich, wonach die Kardinäle stellvertretend für das gesamte Kirchenvolk die päpstliche Jurisdiktionsgewalt übertragen. Dennoch stellte die Ansicht vom umgekehrte Wirken der causa efficiens – die ja aus der Zustimmung des Gewählten u n d dem consensus eligentium bestand – einen prinzipiellen Ansatzpunkt für konziliaristisches Denken dar, nämlich in dem Moment, in dem das menschliche Wirken als causa efficiens nicht mehr im Sinne einer Auswahl der Person, sondern als tatsächliche Übertragung der Gewalt verstanden wurde. Vgl. schon Augustinus u. a., die erklärt hatten, die Gewalt an sich sein von Gott und daher immer gut, die Ausübung der Gewalt durch Menschen hingegen könne auch schlecht sein. Vgl. Anm. 579. Aegidius Romanus, De renunciatione c. 16, S. 292. Ebd. So auch Augustinus Triumphus, Summa I, 2 ad 2, S. 5; vgl. WILKS S. 466 f.

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Punkt mit der Unterscheidung in einen anordnenden und einen zulassenden Willen Gottes. So sei die Wahl Peters vom Morrone (Cölestin V.) keineswegs eine Inspirationswahl gewesen, wenngleich auch sie das Ergebnis einer speziellen göttlichen Erlaubnis gewesen sei, denn nullus ad potestatem ecclesiasticorum assumitur sine specialis divino opere vel sine speciali divina permissione610. Die Entscheidung Cölestins, als Papst zurückzutreten, habe aber nicht nur auf einer göttlichen Erlaubnis, sondern auf einer direkten göttlichen Eingebung/Anordnung beruht, da Gott sich um seine Kirche besonders sorge und die schlechte Wahlentscheidung der Kardinäle rückgängig machen wollte. Durch seinen Rücktritt (oder durch seine Absetzung im Häresiefall) verliere ein Papst aber nur die potestas iurisdictionis, nicht jedoch die potestas ordinis (Weihegewalt). Die päpstliche Jurisdiktionsgewalt fällt bei Sedisvakanz an das Kardinalskollegium, aber nicht in dem Sinne, als falle die Gewalt „zurück“ an die Kardinäle, diese fungieren vielmehr als Interimsträger der von Gott stammenden ewigen und unveränderlichen Gewalt. Inwieweit Aegidius seine Vorstellungen über das Verhältnis von göttlichem und menschlichem Wirken bei der Bestellung der kirchlichen Obrigkeit auch auf die weltliche Herrschaft übertragen wissen wollte – so wie Laurentius Hispanus dies getan hatte –, ist freilich aus De renunciatione nicht herauszulesen. Er dürfte Vergleiche von Papst- und Kaiserwahl aber wohl ebenso abgelehnt haben wie einige Jahre später (1326) sein Ordensbruder Wilhelm von Cremona611. In seinem um 1280 entstandenen Fürstenspiegel äußerte sich Aegidius nicht näher zu diesem Fragekomplex. De regimine principum612 liefert wie schon der Fürstenspiegel seines Lehrers Thomas von Aquin eine weithin aristotelische Herrschaftsauffassung, wobei die Aufgaben des Fürsten bei Aegidius noch bestimmter auf den irdischen Zweck des bonum commune reduziert bleiben. Aber auch für Aegidius weist das bonum commune auf das wahre und höchste Gut, die jenseitige Gottesschau, hin, und insofern habe sich der Herrscher in seiner Regentschaft auch an Gott auszurichten. Das monarchische Prinzip wird von Aegidius letztlich zum göttlichen Ordnungsprinzip der Natur und des gesamten Kosmos erhoben, und die Fürsten partizipieren in ihrer Eigenschaft als Herrscher mehr als andere Menschen an diesem göttlichen Ordnungsprinzip, so dass sie in besonderer Weise ein Abbild Gottes seien 613 . Aufgrund der Aufgabe, die Menschen zum bonum commune zu 610 611 612 613

Aegidius Romanus, De renunciatione c. 4, S. 161; vgl. auch ebd. c. 6, S. 183 f. Vgl. Anm. 786. Aegidius Romanus, De regimine principum libri III, Rom 1607 [ND Aalen 1967]. Aegidius Romanus, De regimine principum I, 1, c. 14, S. 40: Deus enim est remunerator omnium bonorum: et quia non remunerat nisi ex amore, cum semper amor sit ad similes,

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führen, muss sich der Herrscher durch eine herausragende Tugendhaftigkeit vor allen anderen Menschen auszeichnen, die ihn zum quasi semideus erhebe614. Die göttliche Abbildhaftigkeit des Herrschers wird von Aegidius also weitgehend aristotelisch bzw. ganz allgemein im Sinne der griechischen Philosophie begründet, wonach eine herausragende Tugendhaftigkeit einen Menschen gleichsam göttlich mache615. Ähnlich bezeichnen etwa auch Peter von Auvergne in seinem Politikkommentar und Engelbert von Admont in De regimine principum den Monarchen aufgrund seiner überragenden Tugendhaftigkeit als quasi deus bzw. deus terrestris616. Die Erreichung des bonum supernaturale wird nach Ansicht von Aegidius gleichwohl nur durch die Gnade Gottes, die Kirche und die lex evangelica et divina erreicht, da der weltliche Herrscher und die lex humana nicht alle Sünden bestrafen können 617 . Dass Aegidius in seinem Fürstenspiegel die kirchliche Gewalt weitgehend ausklammert und sich ebenso ausführlich wie ausschließlich mit der Darstellung des bonum commune und der weltlichen Gewalt befasst, hinderte ihn freilich nicht daran, „in einem zweiten Anlauf anzusetzen und die Gewichte [sc. zwischen weltlicher und kirchlicher Gewalt] neu zu verteilen“618 bzw. überhaupt erst näher zu erörtern. Diesen „zweiten Anlauf“ stellt der 1302 entstandene Traktat De ecclesiastica potestate dar 619 , in dem Aegidius Romanus dem päpstlichen Weltherrschaftsanspruch seinen wohl vollendetsten Ausdruck verlieh. Aegidius zeichnet mit Pseudo-Dionysius ein hierarchisch gegliedertes Bild der ecclesia, in der der Papst als vicarius Christi alle Gewalt in Händen hält. Totum posse, quod est in ecclesia reservatur in summo pontifice 620 . Diese

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et conformes, oportet esse similem, et conformem Deo, qui ab eo remunerari desiderat: quanto ergo quis magis gerit imaginem eius, et plus se conformat ei, maius meritum ab ipso suspiciet: Principis autem status requirit, vt sit Deo conformior, quam eius subditi. Immo eo ipso quod Rex studet per legem, et prouidentiam suum regnum regere, quomodo Deus totus vniuersum regit et gubernat, Rex maxime conformatur ei... Vgl. BERGES S. 211-228, bes. S. 216; STÜRNER S. 193 ff. Aegidius Romanus, De regimine principum III, 2, c. 32, S. 544: decet nobiles et ingenuos esse magis bonos et virtuosos quam ciues alios: propter quod regem ipsum tanquam omnibus excellentiorem decet esse optimum et quasi semideum...; ebd. I, 1, c. 6, S. 19: Dictum est enim, quod decet Principem esse supra Hominem et totaliter diuinum. Vgl. Anm. 313. Peter von Auvergne, Expositio in libros Politicorum III, I, 12 (165); ebd. III, I, 14 (177); ebd. IV, I, 4 (204) [zitiert nach UBL, Engelbert S. 100]; Engelbert von Admont, De regimine principum I, 11: [zitiert nach UBL, ebd. S. 108]. Vgl. STÜRNER S. 195 f. STÜRNER S. 196. Aegidius Romanus, De ecclesiastica potestate, ed. Scholz. Vgl. HOMANN.

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plenitudo potestatis ist aber nicht nur auf den engeren kirchlichen Bereich beschränkt, sondern bezieht sich auch auf die weltliche Gewalt, da es außerhalb der ecclesia universalis keine legitime, von Gott gegebene Herrschaft geben könne. Die weltlichen Fürsten waren somit in die ecclesia universalis integriert und empfingen ihre Gewalt aus den Händen der Kirche bzw. des Papstes. Die Überordnung der geistlichen gegenüber der weltlichen Gewalt wird von Aegidius ausführlich mit den bekannten Argumenten erwiesen. Neben dem Würdevorrang verweist er darauf, dass die geistliche Gewalt zeitlich vor der weltlichen Gewalt existiert habe, und dass die Könige im Alten Testament von den Priestern eingesetzt worden seien. Aegidius beruft sich mehrfach auf Hugo von St. Viktor, der in seinem Werk De sacramentis II, 2, c. 4 erklärt hatte: „Die geistliche Gewalt setzt die weltliche ein und richtet über sie, sollte sie sich als böse herausstellen“621. Im Unterschied zu Hugo aber ordnete Aegidius diese Worte unmissverständlich in das hierokratische Gedankengebäude einer umfassenden politischen und jurisdiktionellen Subordination der weltlichen unter die geistliche Herrschaft ein 622 . Dieser von der Heiligen Schrift und kirchlichen Lehrmeistern wie Hugo von St. Viktor formulierte Anspruch, die geistliche Gewalt setze die weltlichen Herrschaftsträger ein, sei nicht nur theoretischer Natur, sondern vom Papst etwa in der translatio imperii de oriente in occidentem623 auch in die Tat umgesetzt worden. Die Superiorität der geistlichen Gewalt wird für Aegidius auch in der Zwei-Schwerterlehre sinnfällig. Grundsätzlich existieren zwei Gewalten in der ecclesia universalis, die geistliche und die weltliche, die durch die beiden Schwerter in Luk. 22, 38 symbolisiert werden. Diese beiden Gewalten seien einem von Gott gewollten Ordnungsprinzip unterworfen, wie es ja schon der Apostel Paulus in seinem Brief an die Römer (Röm. 13, 1 ff.) verkündete: Quae [sc. potestates] autem sunt, a deo ordinata sunt.624 Dieses Ordnungsprinzip habe Pseudo-Dionysius in seiner Hierarchienlehre formuliert, wonach das Niedere durch das Mittlere zum Höchsten geleitet werde. Es sei demnach unmöglich, dass beide Gewalten unmittelbar zu Gott stünden, dass die weltliche Gewalt (das Niedere) ohne Vermittlung der geistlichen Gewalt (das Mittlere) zu Gott (dem Höchsten) geleitet bzw., so die Schlussfolgerung von Aegidius, eingesetzt werde. Diese Unterordnung der weltlichen Gewalt bezog sich nicht nur auf die geistlichen Angelegenheiten, sondern war allumfassend. Wie schon Alanus Anglicus 621

622 623 624

Aegidius verweist an mehreren Stellen auf Hugo von St. Viktor De sacr. II, 2, c. 4; Aegidius Romanus, De ecclesiastica potestate I, c. 4, S. 11 f.; ebd. II, c. 5, S. 55; ebd. II, c. 10, S. 93. Vgl. Aegidius Romanus, De ecclesiastica potestate II, c. 6, S. 61. Aegidius Romanus, De ecclesiastica potestate II, c. 5, S. 59. Vgl. Aegidius Romanus, De ecclesiastica potestate I, c.4, S. 12.

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einhundert Jahre zuvor in seinem Dekretalenkommentar625, so verweist auch Aegidius Romanus darauf, dass eine Überordnung des Papstes nur in spiritualibus, nicht aber in temporalibus bedeuten würde, dass die Ordnung in der ecclesia gestört sei. Die Attraktivität der pseudo-dionysischen Hierarchienlehre bestand für die Hierokraten gerade in ihrer Absolutheit. Demnach weist Aegidius auch die in der Kanonistik mitunter anzutreffenden herrschaftstheoretischen Schlussfolgerungen aus der Unterscheidung in einen konstituierenden und einen exekutiven Aspekt der Herrschergewalt626 zurück. Die konsequente Übertragung der pseudo-dionysischen Hierarchienlehre auf das Gewaltenverhältnis vereinfachte die komplexen Überlegungen bezüglich auctoritas, jurisdictio, executio und usus gladii radikal. „Aber du möchtest sagen – und in der Tat scheinen einige gelehrte Männer dieses behaupten zu wollen –, dass obwohl die Kirche beide Schwerter besitzt, sie doch nicht das Recht hat, beide Schwerter zu führen. Wenn es bei diesen Worten bleibt, dann besitzen sie tatsächlich eine gewisse Bedeutung. Aber nachdem sie dieses gesagt haben, fügen sie weiteres hinzu, nämlich, dass dem Kaiser das Recht zur Führung des materiellen Schwertes (executio gladii materialis) nicht vom Papst überlassen sondern von Christus übertragen werde. [...] Sie geben zu, dass die Gewalt des materiellen Schwertes (potestas gladii materialis) von der geistlichen Gewalt stammt, aber nicht die Ausübung dieser Gewalt (executio potestatis). Wir können aber sagen, dass so wie der Akt des Sehens von der Fähigkeit zu Sehen und der Akt des Hörens von der Fähigkeit zu Hören stammt [...], so stammt auch, bezüglich der Herrschaft über Menschen, der Akt des Herrschens und Lenkens von der Gewalt zu herrschen. [...] Daher, wenn die Kirche beide Schwerter besitzt, und wenn die weltliche Gewalt ihr Schwert und ihre Gewalt von der Kirche empfängt, dann folgt daraus, dass sie auch die Gewalt zu handeln und 627 auszuüben von der Kirche empfängt.“

Die weltlichen Herrscher empfangen also in jeder Hinsicht ihre Gewalt aus den Händen der Kirche. Wenn aber die Kirche beide Schwerter besitzt, wenn der Papst alle Gewalt in seiner Person vereinigt und alles könne, was die in der 625 626 627

Vgl. Anm. 506. Vgl. Anm. 257 und Anm. 702. Aegidius Romanus, De ecclesiastica potestate II, c. 14, S. 133 f.: Sed dices, ut et quidam doctores dicere videntur, quod licet utrumque gladium habeat ecclesia, execucionem utriusque gladii non habet: quod, si in hiis verbis staretur, bonum intellectum huiusmodi verba habere possent. Sed sic dicentes plus addunt, videlicet quod huiusmodi execucionem non habet materialis gladius sive imperator a papa concessam, sed a Christo commissam [...] Concedunt quidem, quod potestas gladii materialis est a gladio spirituali, sed non executio potestatis. Dicamus ergo, quod, sicut a virtute vivisa est actus videndi et ab auditiva actus audiendi [...] sic in regimine hominum a potencia gubernativa et ab auctoritate gubernandi est ipsum gubernare et ipsum agere. [...] Per hoc ergo [...] materialis gladius omnem potestatem quam habet, a spirituali habet; et si potestatem exequendi et agendi habet materialis gladius a spirituali, oportet, quod et ipsam execucionem et ipsum agere habeat a spirituali gladio.

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Hierarchie unter ihm stehenden Gewalthaber können, dann stellt sich die Frage, warum Gott überhaupt zwei Schwerter eingerichtet habe (und nicht nur eines). Aegidius beantwortet diese Frage ebenso prägnant wie pragmatisch. Im Grunde könne sich die geistliche Gewalt tatsächlich auch um zeitliche Angelegenheiten kümmern, doch werde das geistliche Schwert durch das weltliche Schwert gleichsam entlastet, um sich auf die eigentliche Aufgabe der Seelenführung konzentrieren zu können. Der Papst könne durchaus auch das weltliche Schwert führen, sich also um zeitliche Angelegenheiten einschließlich der Blutgerichtsbarkeit kümmern, doch herrsche eine bessere Ordnung, wenn diese Aufgabe die weltlichen Herrscher im Auftrag des Papstes übernehmen628. Außerdem werden die Laien durch das weltliche Schwert an der Würde der Herrschaft innerhalb der ecclesia mit beteiligt, und somit verhindert, dass aus Unzufriedenheit Streit entstehe zwischen Klerus und Laien629. Die weltlichen Herrscher – Aegidius unterscheidet hier nicht zwischen Kaiser und Königen630 – führen also das weltliche Schwert im Dienst und im 628

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Aegidius Romanus, De ecclesiastica potestate II, c. 13, S. 115: Non est ergo propter impotenciam spiritualis gladii, quod institutus est secundus gladius, qui dicitur materialis, sed propter beneficium executionis, quia non ita bene nec ita benefice posset spiritualis gladius exequi spiritualia, vacare circa spiritualia, si non haberet adiutorium materialis gladii, qui vacaret circa materialia. Non ergo fuit bonum spiritualem gladium esse solum, sed factus fuit materialis gladius in adiutorium sibi. Si ergo non esset materialis gladius, execucio gubernacionis hominum non fieret eque bene. Rursus non fieret eque decenter. Nam non esset decens, quod spiritualis gladius per ipsum exerceret iudicium sanguinis : ideo oportuit, quodhoc iudicium a spirituali gladio committeretur materiali gladio. Propter quod huiusmodi gladium exercentem iudicium sanguinis dicitur ecclesia habere non ad usum, sed ad nutum, quia tale iudicium ecclesia non exercet per se ipsam, sed per alium, qui in omnibus debet ecclesie famulari. ebd. II, 14, S. 135: Sic et in proposito non est potestas in gladio materiali, que non sit in summo sacerdote et a summo sacerdote; sed est potestas in huiusmodi sacerdote, quia potest immediate iudicium sanguinis exercere, quod sacerdos non posset vel non cum decenia posset. Aegidius Romanus, De ecclesiastica potestate II, c. 14, S. 136: Sexta eciam causa potest ad hoc idem adaptari, videlicet quod quantumcumque sit in ecclesia spiritualis gladius cuncta potens, bonum fuit statuere secundum gladium qui esset terrenus et materialis ad hoc, quod aliqua dignitas regiminis communicaretur laicis, ne in gubernacione populi laici totaliter se cernerent despectos et ex hoc esset murmur et litigium in ecclesia inter laicos et clericos. Lediglich in De ecclesiastica potestate II, c. 13, S. 127 äußert Aegidius eine hierarchische Gliederung innerhalb der weltlichen Herrschaftsträger mit dem Kaiser an der Spitze, verfolgt diesen Gedanken aber nicht weiter: Hiis visis dicamus, quod, sicut distinximus quasi tres ierarchias et quasi novem ordines sive novem gradus in clericis et in principatu ecclesiastico, ita possumus omnia hec qualiter invenire in laicis et in principatu imperiali, ut primus esset imperator, circa quem esset reges et principes et duces, qui facerent quasi ierarchiam primam, et sic de aliis qui facerent ierarchias. Sed de hoc non sit nobis cure.

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Auftrag der Kirche bzw. des Papstes, der über die Ein- und Absetzung der Fürsten entscheidet. Die Einsetzung weltlicher Herrscher durch die Geistlichkeit wird von Aegidius an zahlreichen Stellen seines Traktates konstatiert, wobei er sich wie gesehen insbesondere auf Hugo von St. Viktor und das Alte Testament beruft. Das Beispiel der Erhebung Sauls durch Samuel war jedoch ambivalent und konnte auch im Sinne einer direkten göttlichen Erwählung des Königs gedeutet werden, denn Samuel handelte auf Geheiß Gottes (jubente deo), wobei es eine Interpretationsfrage war, ob man das göttliche Geheiß auf die konkrete Auswahl der Person Sauls (Samuel wäre dann nur der Verkünder des göttlichen Willens gewesen) oder auf den prinzipiellen Vorgang einer Herrschererhebung durch die Geistlichkeit an sich bezieht631. Letzteres ist die Interpretation des Aegidius, der in der Aufforderung Gottes an Samuel gleichsam ein allzeit gültiges Prinzip formuliert sieht. Gott hätte die Könige auch direkt aus seinem Munde berufen können, doch wollte er, dass die Einsetzung weltlicher Herrscher generell durch die Geistlichkeit vollzogen werde632. Die Salbung und Weihe durch die Geistlichkeit ist für Aegidius, der sich auch hier auf Hugo von St. Viktor und Hebr. VII. stützt, das konstituierende Moment weltlicher Herrschaft. Welche Rolle dem Volk bei der Herrschererhebung zukam – eine Frage, die ja in der herrschaftstheoretischen Debatte seit langem intensiv diskutiert wurde und die ebenfalls anhand alttestamentarischer Beispiele positiv hätte gestützt werden können633 – wird bei Aegidius nicht näher angesprochen, da jedes Königtum, das nicht von der Kirche eingesetzt wird, zu den rechtlosen „Räuberbanden“ im Sinne des hl. Augustinus zähle. Hier zeigt sich mithin auch die Rigorosität, mit der er die hierokratische Position vertrat, die im wesentlichen auf der pseudo-dionysischen Hierarchienlehre aufbaute und derzufolge dem „Volk“, das in der Hierarchie

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633

Vgl. Anm. 202. Aegidius Romanus, De ecclesiastica potestate II, c. 13, S. 114: Potestas itaque terrena est sub spirituali et instituta per spiritualem et agit ex institutione spiritualis potestatis. Unde primus rex qui regnavit in populo fideli institutus fuit per Samuelem. Ideo dominus dixit Samueli: „Constitute super eos regem“, ut habetur I Regum VIII. Si ergo non est potestas nisi a Deo, eo modo se cognoscant institutos esse reges et principes, prout ore suo constituit eos Deus. Hoc autem modo voluit dominus esse institutum regem, quia dicit Samueli, quod ipse constitueret eum. [...] Sed sive dominus loqueretur ipsi Samueli sive angelus, qui representabat dominum, nihil ad propositum, quia quocumque modo factum fuit, constat, quod fuit expressa voluntas domini, quod potestas terrena constitueretur per spiritualem et potestas regia per sacerdotalem, cum dictum fuit Samueli a domino vel ab angelo in persona domini, quod constitueret Iudeis regem. Etwa Dt. 17, 15. Vgl. Thomas von Aquin, Johann Quidort, Vinzenz v. Beauvais.

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gewissermaßen den untersten Rang einnahm634, keine relevante Beteiligung an der Herrschererhebung zugestanden werden konnte. Es ist diese Rigorosität, die bei dem Leser des Traktates das Gefühl einer scheinbaren Logik und Folgerichtigkeit hinterläßt. Aber nicht nur die lex regia, auch der königliche Anspruch auf das Gottesvikariat (zumindest in temporalibus) oder eine besondere Gottesebenbildlichkeit aufgrund der Herrscherstellung und/oder herausragenden Tugendhaftigkeit – wie noch im Fürstenspiegel vertreten – wird in De ecclesiastica potestate von Aegidius mit keiner Silbe erwähnt, geschweige denn anerkannt. Die Stellung des weltlichen Herrschers zu Gott wird von Aegidius konsequent nur über die Vermittlung der Kirche erfasst, weshalb der König nicht als minister Dei, sondern als Diener der Kirche (famulus ecclesiae, adiutor ecclesiae) gilt635. Nicht der König oder Kaiser bilde die Herrschaft Gottes über das Universum ab, sondern der Papst in seiner Herrschaft über den populus christianus 636 . Auch die aristotelische Naturrechtslehre wurde von Aegidius, anders als noch in seinem Fürstenspiegel, nicht zur Begründung der weltlichen Herrschaftsordnung herangezogen. Aegidius vermeidet letztlich jede kontroverse Auseinandersetzung mit den Gelehrten der Pariser Artistenfakultät, indem er seiner Argumentation auf eine gänzlich andere autoritative Grundlage stellt637. Anders hingegen sein Ordensbruder Jakob von Viterbo, der versuchte, päpstliche Superiorität und aristotelische Lehre in einer geschlossenen Herrschaftskonzeption zu verbinden.

1.3.

Jakob von Viterbo

Geboren um 1250 im nördlich von Rom gelegenen Viterbo absolvierte Jakob das Studium der Theologie in Paris bei Aegidius Romanus. Zwischen 1288 und 1300 unterrichtete er selber Theologie in Paris, ehe er für zwei Jahre als 634

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Die letzte Triade der kirchlichen Hierarchie besteht nach Pseudo-Dionysius freilich aus den Mönchen, der Gemeinde und den Ständen der Reinigung (Taufanwärter, etc.). Vgl. Aegidius Romanus, De ecclesiastica potestate II, 6, S. 67: Sic et terreni domini, tamquam famulantes ecclesie in omnibus suis actibus et in omnibus que ad ipsos spectant, debent recognoscere ecclesiam catholicam et universalem idest universaliter dominantem. Aegidius Romanus, De ecclesiastica potestate I, c. 5, S. 16: Et quod videmus in ordine et in gubernacione universi debemus ymaginari in gubernacione rei publice et in gubernacione tocius populi christiani. Nam ipse Deus qui est universalis rector tocius machine mundi, est specialis gubernator sue ecclesie et suorum fidelium. Vgl. UBL, Genese, S. 134 f.

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primus lector am Generalstudium der Augustinereremiten in Neapel fungierte. 1302 wurde er zum Erzbischof von Neapel ernannt, wo er 1308 verstarb. Von den Schriften des sogenannten doctor speculativus sind neben den theologischen Werken (Sentenzenkommentar, Quaestiones de praedicamentis in divinis, Sermones de praedicamentis in divinis) auch die Quodlibeta IV parisii disputata und sein hier näher zu untersuchendes Hauptwerk De regimine christiano638 (1302) überliefert. Im ersten Buch seines Traktates De regimine christiano charakterisiert Jakob mit Hilfe der aristotelischen Politik die Kirche als das vollkommenste regnum, da es zum Gemeinwohl aller Menschen eingerichtet sei und die Bedürfnisse seiner Mitglieder in umfassender Weise erfüllen könne. Dieses kirchliche regnum bedürfe einer monarchischen Regierung, die durch den Papst als Stellvertreter Christi verwirklicht werde. Im zweiten Buch handelt Jakob über das Gewaltenverhältnis. Grundsätzlich unterscheidet er zwischen der priesterlichen und der königlichen Gewalt, die mithin beide von Gott stammten, den Menschen jedoch auf unterschiedliche Weise übertragen werde. Dies verdeutlicht Jakob durch eine Analogie: „So wie einige Einsichten, etwa die der Physik, durch menschliche Anstrengungen entdeckt werden, so werden andere Einsichten, wie etwa diejenigen der Heiligen Schrift, durch göttliche Offenbarung enthüllt. Beide aber kommen von Gott [...], doch in einer unterschiedlichen Weise. Denn die einen, die Physik betreffenden, kommen von Gott durch die Vermittlung des naturgegebenen menschlichen Intellekts [...], und da der menschliche Intellekt [...] von Gott stammt, werden diese Einsichten als von Gott kommend aufgefasst, denn die Werke der Natur sind die Werke Gottes. [...] Die anderen Einsichten, die der Heiligen Schrift, kommen von Gott, aber nicht durch das Medium des entdeckenden menschlichen Intellekts, sondern auf besondere Weise, nämlich 639 durch Offenbarung und Inspiration.“

Ebenso können hinsichtlich des Priestertums drei Arten unterschieden werden. Das Priestertum der Natur beruhe allein auf menschlicher Einrichtung, inso-

638

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Henri-Xavier Arquillière, Le plus ancien traité de l‟ Église. Jacques de Viterbe „De regimine christiano“. Etude de sources et éd. critique, Paris 1926. Jakob von Viterbo, De regimine christiano II, 3, S. 173: Videtur autem sic esse de hiis distinguendum, sicut et de scientia. Est enim quedam scientia humanitatus adinventa, ut scientia physica, quedam vero divinitus revelata, ut sacra Scriptura; et utraque a Deo est [...], tamen diversimode est utraque a Deo. Prima enim scilicet physica est a Deo, mediante natura intellectus humani, per quem adinventa est huiusmodi scientia [...]; et quia tam intellectus humanus, in quo est scientia, quam ipse res, de quibus est scientia, sunt opus Dei; ideo scientia huiusmodi esse dicitur ab ipso, quia opus nature est opus Dei. [...] Secunda vero scientia, scilicet sacra Scriptura, est a Deo, non mediante adinventione intellectus humani, sed est ab ipso speciali modo eam revelante et inspirante hominibus, per quos nobis est tradita.

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fern Gottesverehrung ein Grundsatz des Naturrechts darstelle. Aber diese Form des Priestertums sei unvollkommen. „Eine andere Art des Priestertums kommt durch göttliche Einrichtung, und zwar als göttliche Anordnung durch den Gesetzgeber Mose. Diese Art des Priestertums wird Priestertum des Gesetzes genannt und ist ebenfalls unvollkommen, aber es präfiguriert die dritte Art des Priestertums, die ebenfalls durch göttliche Einrichtung entsteht. Dieses Priestertum wurde der Menschheit von Gott durch Christus gegeben, und zwar nicht durch den vermittelnden Dienst eines Menschen [...], mithin ohne jede Vermitt640 lung, sondern durch die unsichtbare Ernennung der Gnade.“

Jakob interpretiert die historische Entwicklung des Priestertums als einen Weg der steten Vervollkommnung vom naturrechtlichen Priestertum bis hin zum Priestertum der Gnade seit der Zeit Christi. Dahinter steht der thomasische Grundsatz, wonach die Natur durch das Wirken der göttlichen Gnade nicht aufgehoben, sondern vervollkommnet werde641. Alle Formen des Priestertums sind gleichwohl von Gott, entweder 1. 2. 3.

auf dem Weg naturrechtlicher Vermittlung durch eine Anordnung Gottes, die unter menschlicher Mitwirkung umgesetzt wird durch unmittelbar göttliches Wirken ohne menschliche Mitwirkung

In vergleichbarer Weise sei auch hinsichtlich der königlichen Gewalt zu differenzieren: „Eine Art [des Königtums] entsteht aufgrund menschlicher Einrichtung, weil die Natur uns dazu anleitet. Ja sogar unter den Tieren [...] ist eine Art der Herrschaft zu finden. Umso mehr also unter den Menschen, denen es mehr als jedem anderen Tier von Natur aus gegeben ist, in Gemeinschaft zu leben. Eine andere Form des Königtums entsteht aus göttlicher Anordnung oder durch göttliches Gesetz, welches aus der Gnade hervorgeht. So sind also beide Arten des Königtums von Gott, aber auf unterschiedlichem Weg. Die erste Form der Königsherrschaft kommt von Gott vermittels der menschlichen Natur, welche daraufhin ausgerichtet ist, und vermittels menschlicher Einrichtung, die die Ausrichtung der Natur vervollkommnet; und daher wird diese Form des Königtums menschlich und natürlich genannt. Die zweite Form der Königsherrschaft aber kommt von Gott auf besondere Weise, nämlich durch Seine eigene Anordnung und Übertragung. Und daher ist diese Gewalt göttlich und übernatürlich geheißen. Die erste 640

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Ebd. S. 175: Et sic distingui potest triplex sacerdotium. Unum quidem quod est ex humana institutione, ratione naturali hoc dictante, sed hoc est imperfectum et quasi informe. Aliud est ex institutione divina, Deo illud per Moysen legislatorem ordinante: quod dicitur sacerdotium legale et istud etiam imperfectum est et figurativum. Tertium vero est ex institutione divina, Deo illud homini Christo dante non ministerio alicuius hominis [...] sed immediate ipsum ungendo invisibilis gratie plenitudine. STh I, q. 1, a. 8.

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Gewalt ist irdisch und zeitlich oder weltlich genannt, die zweite Gewalt bezieht sich auf die Herrschaft über geistliche und himmlische Dinge und wird daher göttlich und 642 himmlisch genannt.“

Dieses direkt von Gott übertragene geistliche Königtum ist die potestas iurisdictionis, die jeder Bischof neben seiner priesterlichen Gewalt (potestas ordinis) innehat, während es das weltliche Königtum ist, das von Gott vermittels der Natur des Menschen eingerichtet wird. Aber auch hinsichtlich dieses weltlichen Königtums trifft Jakob im Verlauf seines Werkes weitere Unterscheidungen. Eine Sonderform des weltlichen Königtums stellt etwa die Herrschaft der jüdischen Könige im Alten Testament dar. „Unter den Heiden kommt das weltliche Königtum nur [auf die oben beschriebene Weise von Gott vermittels der Natur] durch menschliche Einrichtung ins Dasein, aber bei den Juden im Alten Testament basiert es nicht in jeder Hinsicht auf menschlicher Einrichtung, sondern auf einer speziellen göttlichen Anordnung, derzufolge Richter und Könige bei diesem Volk eingerichtet wurden. Und so war bei den Juden eine 643 vollkommenere Form des weltlichen Königtums als bei den Heiden.“

Am vollkommensten aber sei das weltliche Königtum erst in christlicher Zeit, wo es von Gott vermittels der Geistlichen eingerichtet wird644. Da bei den 642

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Jakob von Viterbo, De regimine christiano II, 3, S. 176: Quoddam enim est ex humana institutione, natura inclinante ad hoc; nam et in brutis [...] invenitur quoddam regimen. Multo magis igitur in hominibus, quibus naturale est in societate vivere, magis quam cuilibet animali, naturalis inclinatio est ad institutionem regiminis et huiusmodi regimen dicitur esse a iure humano, quod a natura oritur. Quedam vero potestas regia est ex institutione divina vel a iure divino, quod procedit a gratia. Utraque autem potestas regia est a Deo, sed diversimode. Quia prima est a Deo, mediante natura hominum, que ad hanc inclinat et, mediante humana institutione, que inclinationem nature perficit, et ideo dicitur potestas humana et naturalis. Secunda vero est a Deo speciali modo ipsam instituente et tradente, et ideo dicitur potestas divina et supernaturalis. Et prima quidem potestas versatur circa regimen temporalium et terrenorum, et ideo terrena et temporalis vel secularis vocatur. Secunda vero versatur circa regimen spiritualium et celestium, ideo spiritualis et celestis vocatur et est, ut infra magis declerabitur. Jakob von Viterbo, De regimine christiano II, 3, S. S. 177: In hoc tamen differenter fuit huiusmodi regimen et potestas apud Iudeos et Gentiles, quia apud Gentiles fuit solum ex humana institutione, apud Iudeos non fuit aliquo modo ex institutione humana, sed interveniente speciali ordinatione divina, secundum quam et judices et reges instituti sunt in illo populo, et ideo multo melius regimen fuit apud Iudeos quam apud Gentiles. Jakob von Viterbo, De regimine christiano II, 10, S. 295: Ad id ergo quod obicitur, quod imperium est a solo Deo, dicendum est, quod si intelligatur esse a solo Deo, non mediante cooperatione creature, sic non est verum: immo est a Deo, mediante institutione humana, cuius natura inclinat ad regimen sicut et ad socialem vitam. Unde potest dici esse a Deo, mediante cooperatione naturalis inclinationis et institutionis. Est enim introductum regimen in hominibus ex iure humano, quod a natura oritur. Si autem in-

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Juden der König nicht vom Volk gewählt wurde, sondern Gott sich die Wahl vorbehalten habe, könnte man annehmen, so Jakob, dass auch in christlichen Gemeinwesen die Könige direkt von Gott ernannt würden, denn schließlich präfiguriere das Alte Testament die Verhältnisse des Neuen Testaments. Doch gelte: „Im Alten Testament wurde die Anordnung Gottes, wer zum König erhoben werden soll, von den Propheten und Priestern verkündet, durch die der König gesalbt wurde. Im Neuen Testament muss daher ebenfalls die Anordnung Gottes durch die Priester, die 645 Inhaber der geistlichen Gewalt, verkündet werden.“

In diesem Sinne sei der Ausspruch Hugos von St. Viktor zu verstehen, dass die weltliche Gewalt von der geistlichen Gewalt eingesetzt werde646. Doch im Gegensatz zu den Verhältnissen des Alten Testaments sind die Priester in christlicher Zeit offenbar mehr, als bloß die Verkünder des göttlichen Willens, wie Jakob im letzten Kapitel des Buches, in dem er zahlreiche Gegenargumente widerlegt, ausführt. Dort unterscheidet er nämlich nicht nur das von Gott vermittels der Natur kommende weltliche Königtum einerseits von dem Königtum der Juden, das auf einer göttlichen Anordnung beruhe, welche von Priestern/Propheten verkündet wird, andererseits, er unterscheidet darüber hinaus die Königsherrschaft in christlichen Gemeinwesen, die durch die Geistlichen eingerichtet werde647. Dies verdeutlicht er in seiner Auslegung von Deuteronomium 17: „Zunächst also müssen wir bedenken, was Gott in Deuteronomium 17 bezüglich der Könige angeordnet hat. Im Zusammenhang mit deren Wahl hat er zuerst vorgeschrieben, dass die Entscheidung Gottes bei der Auswahl des Königs abzuwarten ist, und dass keiner aus einem fremden Volk zum König erhoben werden soll. Diese Vorschriften werden nun von der Kirche bewahrt, insofern bei der Ernennung des Königs das Urteil

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telligatur esse a solo Deo, quia est solum ex iure naturali, et non est per spiritualem potestatem institutum: sic dicendum, sicut et supra dictum est, quod secundum esse informe et imperfectum est a solo Deo; sed secundum esse formatum et perfectum est a solo Deo, mediantibus hiis, qui habent spiritualem potestatem in ecclesia, que a gratia procedit et ad gratiam ordinatur. Jakob von Viterbo, De regimine christiano II, 7, S. 242: Hec autem Dei ordinatio declarabitur in veteri testamento per prophetas aut sacerdotes, a quibus ungebantur aliqui reges: quare in novo testamento etiam declarari debet per sacerdotes potestatem spiritualem habentes, et secundum hoc spiritualis potestas instituere dicitur temporalem, in quantum vice Dei agit. Hugo, De sacr. II, 2, 4; Vgl. Jakob von Viterbo, De regimine christiano II, 7, S. 231 f. Durch das Wirken der Geistlichkeit werde aber nicht das auf naturrechtlichen Grundsätzen bestehende Königtum aufgehoben, sondern nur vervollkommnet. Auch bei der Bischofserhebung (= geistliches Königtum) finde daher zuerst eine Wahl des Volkes statt, ehe der gewählte Bischof durch einen höheren Bischof investiert werde. Jakob von Viterbo, De regimine christiano II, 10, S. 296.

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derer hinzutritt, die die Stelle Gottes auf Erden einnehmen und keiner aus einem 648 nichtchristlichen Volk zum König erhoben werden darf.“

Die Geistlichen erscheinen demnach nicht mehr nur als Verkünder des göttlichen Willens, sie treffen in ihrer Funktion als Stellvertreter Gottes eigenständig die Entscheidung, wer zum König erhoben werden soll. Hinsichtlich des weltlichen Königtums unterscheidet Jakob also letztlich drei Formen: 1. 2. 3.

von Gott vermittels der Natur, insofern der Mensch von Natur aus ein gesellschaftliches Wesen ist (= Königtum der Heiden) durch eine direkte göttliche Anordnung, die von den Propheten verkündet wird. (= Königtum der Juden im Alten Testament) von Gott vermittels der Priester, wobei die Wahl des Königs nicht wie im Alten Testament von Gott, sondern von den stellvertretend für Gott auf Erden agierenden Geistlichen getroffen wird. (= Königtum in christlichen Gemeinwesen)

Das Urteil der Geistlichen betreffe aber nur die Auswahl der Herrscherperson und sei nicht gleichzusetzen mit der Übertragung der Herrschergewalt. Letzteres geschehe allein durch Gott. „Die geistliche Gewalt setzt nicht die weltliche Gewalt als solche ein, denn in diesem Sinne kommt weltliche Gewalt nur von Gott. Sie setzt sie aber hinsichtlich ihres Gegenstandes ins Dasein, insofern sie denjenigen einsetzt, der die weltliche Gewalt innehat und ausübt. Und wenn es heißt, dass die geistliche Gewalt die Aufgabe hat, die weltliche Gewalt einzusetzen, dann ist damit der Mensch gemeint, der die weltliche Gewalt innehat. Denn die Glosse sagt zum Apostelwort: Es gibt keine Gewalt außer von Gott: „Das Wort ,Gewalt„ bedeutet manchmal die Gewalt an sich, die jemandem von Gott gegeben wird, und manchmal die Person, die Gewalt hat.“ In diesem Sinne ist es zu verstehen, wenn wir sagen, die geistliche Gewalt setzt die weltliche Gewalt ein: dass nämlich der Mensch, der geistliche Gewalt hat, mit Gott zusammenarbeitet, um denjenigen zu bestimmen, der weltliche Gewalt hat und ausüben soll. Und genauso können wir die oben angeführte Aussage, dass das Imperium allein von Gott stamme, deuten. Denn es ist offensichtlich, dass das Wort ,Imperium„ als ,kaiserliche Gewalt an sich„ verstanden werden muss; wenn es jedoch als ,Mensch, der kaiserliche Gewalt hat„

648

Jakob von Viterbo, De regimine christiano II, 8, S. 259 f.: In primis igitur considerandum est id quod Deuteronomii XVII Dominus ordinavit circa reges. Primo enim quantum ad modum eligendi statuit, ut in electione regis expectaretur Dei iudicium, et ut non fieret rex alterius gentis quod nunc in ecclesia servandum est, ut videlicet in institutionem regum, illorum iudicium interveniat qui vicem Dei tenent in terris, et ut non fiat rex alterius gentis quam christiane.

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aufgefasst wird, dann kommt es nicht von Gott allein. Dann kommt es von Gott durch 649 die vermittelnde Kooperation eines Menschen mit geistlicher Gewalt.“

Jakob orientiert sich hier an der Lehre des Aegidius Romanus, die dieser in De renunciatione im Zusammenhang mit der Papstherrschaft entwickelt hatte – die Kardinäle bestimmen die Person (= Materie), Gott die Gewalt an sich (= Form) – und überträgt sie (anders als Aegidius) auf das Kaisertum, wobei die Bestimmung der Herrscherperson jedoch nicht dem Volk (oder den Fürsten), sondern „einem Menschen mit geistlicher Gewalt“ zukomme. Die kaiserliche Gewalt an sich stammt also unmittelbar von Gott, das Wirken des Papstes ist auf die Auswahl des Kaisers als Person beschränkt. Mit dieser Interpretation weicht Jakob somit deutlich von der Auffassung des Aegidius ab, der in De ecclesiastica potestate mit Hilfe der pseudo-dionysischen Hierarchienlehre auch die von Gott stammende kaiserliche Gewalt aus den Händen des Papstes an den Kaiser vermittelt sah. Das Christusvikariat wird in De regimine christiano an keiner Stelle auf die weltlichen Herrscher, sondern vorrangig auf den Papst bezogen, wenngleich Jakob einräumt, dass auch die übrigen Bischöfe als Nachfolger der Apostel Vikare Christi genannt werden können. An der Spitze der Kirche stehe jedoch allein der Papst, der als einziger Bischof in umfassender Weise (hinsichtlich der plenitudo potestatis) Christus, das eigentliche Haupt der Kirche, vertrete650.

649

650

Jakob von Viterbo, De regimine christiano II, 10, S. 299: Similiter potestas spiritualis non instituit ipsam potestatem temporalem secundum se, quia hoc modo est a solo Deo, sed instituit eam in hoc subiecto, dum instituit eos, qui talem potestatem habere et exercere debeant. Unde cum dicitur quod spiritualis potestas habet instituere temporalem ut sit, intelligendum est de homine habente potestatem, ut enim dicit glossa super illud Apostoli: „Non est potestas nisi a Deo. Nomine potestatis interdum accipitur potestas ipsa, que datur alicui a Deo, aliquando ipse homo habens potestatem“. Est igitur hoc modo exponendum, quod potestas spiritualis instituit temporalem potestatem: quia homo habens potestatem spiritualem cooperatur Deo, ut aliquis homo alius habeat et exerceat potestatem temporalem. Et secundum hoc potest aliter exponi id, quod supra inductum est, scilicet quod imperium a est solo Deo. Hoc enim verum est, prout imperium accipitur pro potestate ipsa imperiali secundum se; tamen si accipiatur pro homine qui habet huiusmodi potestatem, sic non est a solo eo, quia quod talis homo habeat et exerceat potestatem imperialem, est a Deo, mediante cooperatione hominis habentis potestatem spiritualem. Vgl. etwa Jakob von Viterbo, De regimine christiano II, 5, S. 206 f.; II, 10, S. 307 ff.

170

1.4.

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Tholomäus von Lucca

Der Dominikanertheologe und Kirchenhistoriker Tholomäus von Lucca war ein langjähriger Schüler, Begleiter und Vertrauter des Thomas von Aquin. Über sein Leben ist nur wenig bekannt. Er wirkte als Prior in den Konventen von S. Romano in Lucca und S. Maria Novella in Florenz, ehe er von 1309-1319 an der Kurie in Avignon in Diensten der Kardinäle Patrasso und William von Bayonne wirkte. Von Papst Johannes XXII. 1318 zum Bischof von Torcello ernannt, geriet er 1321 in Konflikt mit dem Patriarchen von Grado, der jedoch zwei Jahre später beigelegt werden konnte. 1327 verstarb Tholomäus mit über 90 Jahren in Torcello. Neben seinen naturphilosophisch-theologischen Schriften (Hexameron) und seinen kirchengeschichtlichen Werken (Annales, Historia ecclesiastica nova, Vitae paparum Avenionesium, Historia Tripartita) hat Tholomäus die Aufmerksamkeit der Forschung vor allem aufgrund seiner kirchenpolitischen Abhandlung Determinatio compendiosa651 und seiner Fortsetzung des thomasischen Fürstenspiegels652 auf sich gezogen. Die um 1300 verfasste Determinatio compendiosa geht vordergründig der Frage nach, ob der Kaiser seine imperiale Jurisdiktionsgewalt durch die Wahl der Fürsten oder erst nach der päpstlichen Salbung, Krönung und / oder confirmatio erhalte. Eingebettet ist diese Thematik jedoch in grundsätzliche Überlegungen über das Verhältnis von weltlicher und geistlicher Gewalt. Dabei vertritt Tholomäus die hierokratische Position. Er führt die bekannten historischen, juristischen und theologisch-philosophischen Argumente für eine päpstliche Superiorität an, wobei er aus dem allgemein akzeptierten Würdevorrang des sacerdotium stets eine juristisch-politisch greifbare Überordnung gegenüber der weltlichen Gewalt ableitet653. Tholomäus konstruiert ein hierarchisches Modell der ecclesia universalis mit Christus an der Spitze, der den Papst als seinen Stellvertreter eingesetzt und mit der gleichen plenitudo potestatis in geistlichen wie in zeitlichen Angelegenheiten ausgestattet habe654. Alle Gewalt geht nach Tholomäus von Gott bzw. Christus aus, der Papst habe als vicarius Christi den größten Anteil an der Kraft des „ersten Bewegers“ Christus655, und gemäß der pseudo-dionysischen Hierarchienlehre, wonach das Niedere durch das Mittlere zum Höheren geführt wird, hänge die Gewalt der weltlichen Fürsten vom Papst ab. Diese Abhängigkeit werde z. B. 651

652 653 654 655

Determinatio compendiosa de Iurisdictione imperii (= MGH Fontes Iuris 1), ed. Krammer. Anm. 553. Körper-Seele Vergleich in Determinatio c. 7, S. 18 f. Determinatio c. 6, S. 15 ff. Determinatio c. 15, S. 33 f.

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in der kaiserlichen Krönungszeremonie deutlich, wenn der Papst dem Kaiser Krone und Schwert übertrage 656 , aber schon im Alten Testament, dessen Aussagen nach Ansicht des Tholomäus gerade auch im Bezug auf die Herrschererhebung nach wie vor einen Vorbildcharakter für die eigene Gegenwart besitzen, seien die Herrscher von den Priestern eingesetzt worden, wie die Erhebung Sauls durch Samuel zeige, wobei insbesondere die konstituierende Bedeutung der Herrschersalbung gegenüber der Wahl hervorgehoben wird657. Darüber hinaus sieht Tholomäus die Argumente, wonach die kaiserlichen Rechte ohne päpstlichen Einfluss allein aus der Wahl der deutschen Fürsten abgeleitet werden dadurch entkräftet, dass den Fürsten das Wahlrecht vom Papst verliehen worden sei. Dem möglichen Einwand, dass – etwa nach der lex regia – das Kaisertum vom römischen Volk vergeben werde, verschweigt Tholomäus im Gegensatz zu Aegidius Romanus nicht, und er misst ihm offenbar auch einiges an Gewicht zu. Grundsätzlich, so räumt er ein, sei darüber eine ausführlichere Abhandlung angeraten, die an dieser Stelle aber nicht zu leisten sei. Er entgegnete lediglich, dass Gott den Römern die Herrschaft über das Imperium nicht auf ewig übertragen habe, sondern vielmehr im Sinne einer translatio imperii auf das antike römische Reich das Reich Christi gefolgt sei, welches vom Papst, dem vicarius Christi, regiert werde658. Das mittelalterliche Imperium ist für Tholomäus also nicht mit dem antiken Imperium Romanum gleichzusetzen – und demzufolge sind die legistischen Argumente über die Vergabe des Kaisertums hinfällig. Die Herrschaft von Königen und Fürsten entspringt aufgrund der Hierarchienlehre letztlich also nur mittelbar durch den Papst aus Gott. Im Vergleich mit Menschen, die keine Herrschaft ausüben (private persone) stehen die weltlichen Herrscher jedoch näher zu Gott und haben daher größeren Anteil an der göttlichen Influentia, was sich insbesondere bei den französischen roi thaumaturge in der Fähigkeit der Skrofelnheilung offenbare659. 656 657 658 659

Vgl. Anm. 654. Determinatio cc. 4. und 5, S. 9 ff. Determinatio c. 25, S. 48. ff. Determinatio c. 18, S. 38 f.: Omne ens per participationem reducitur ad ens per se, sed illi, qui habent dominium, plus vigent in natura entis quam private persone, quia gerunt vices quasi totius entis, cui presunt, unde merentur divinos honores et duplicatos, ut dicit Augustinus. [...] Ergo magis appropinquant ad suum principium vel plus participant de divina influentia ratione sui regiminis. Hinc est autem, quod de Saule scribitur, quod assumptus in regem per Samuelem ex hoc meruit divinam influentiam prophetie, unde missus ab ipso ad cuneum prophetarum insiluit in eum spiritus Domini et prophetavit cum eis, ut patet I. Regum X. Hoc et de Salomone legitur, quod ordinatus in regem divinam meruit sapientiam, ut patet III. Regum III. Hoc etiam apparet in modernis principibus viris catolicis et ecclesiasticis, quod ex speciali divina influentia super

172

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Der göttliche Ursprung jeder Herrschergewalt wird von Tholomäus weitgehend aristotelisch aufgrund des Seins660 (Gott als Ursache jeder Existenz), der Bewegung 661 (Gott als erster, unbewegter Beweger) und des Ziels 662 (jenseitige Gottesschau / himmlische Glückseligkeit als Ziel der menschlichen Existenz) begründet. Zu diesem letzten Ziel der himmlischen Glückseligkeit werden die Menschen von den weltlichen und geistlichen Herrschern, insbesondere dem Papst, geleitet, und zwar sowohl durch ein vorbildhaftes Leben der Herrschaftsträger, durch tägliche Anleitung und Belehrung sowie durch Androhung und Ausübung von Strafe 663 . Da Tholomäus an dieser Stelle Herrschaft in erster Linie auf ihren ultimativen Zweck hin betrachtet, unterscheidet er nicht einmal zwischen weltlichen und geistlichen Herrschaftsträgern, wenn er erklärt, dass Könige, Fürsten und kirchliche Prälaten als Beauftragte und Aufseher Gottes (dispensatores et provisores Dei) gelten664. Von

660 661 662 663

664

eos ex ampliori participatione entis singularem habent virtutem super populum egritudine laborantem, ut sunt reges Francie, dominus noster rex Karolus, et de rege Anglie fertur. Determinatio c. 18, S. 38 f. Determinatio c. 19, S. 39 ff. Determinatio c. 20, S. 41 f. Determinatio c. 20, S. 41 f.: Cum ergo creatura rationalis ordinata sit et producta, ut sit Dei capax, et hic est finis eius precipuus [...] ad hunc ergo finem consequendum, et si homo adiuvetur divina luce gratie, maxime vero manuducitur per mundi gubernatores tum per bone vite exempla, tum per cottidiana documenta, tum per correctionem continuam, ex qua ratione [...] mundi rectores Dei adiutores et cooperatores dicuntur sicut instrumenta principalis agentis. Hinc est, quod apostolus, cum dixisset: „Non est potestas nisi a Deo“, statim subdit: „que autem sunt, a Deo ordinata sunt. Itaque qui potestati resistit, Dei ordinationi resistit“, quia ad hoc Deus de eis huic mundo providit, ut uniuscuiusque statum prosequantur in debitum finem. Hinc rursus per Salomonem dicitur Proverbia VIII: „Per me reges regnant et legum conditores iusta decernunt, per me principes imperant et potentes decernunt iustitiam“. Vgl. Dante Alighieri, Monarchia, edd. IMBACH/FLÜELER, Einleitung S. 37 f. in der darauf verweisen wird, dass Tholomäus wie Thomas das irdische Ziel als Vorstufe zur himmlischen Glückseligkeit betrachtet. Determinatio c. 20, S. 41: Si ergo alias creaturas debito et ordinato fine concludit, multo magis creaturam rationalem ut hominem, quod manifeste apparet, quando ipsam gubernat per suos [sc. deus] dispensatores et provisores, ut sunt reges et principes et ecclesiarum prelati. Schon in c. 7 hatte Tholomäus weltliche und geistliche Fürsten als Werkzeuge des Papstes bezeichnet, durch deren Vermittlung dieser die Welt regiere und die Gläubigen zum Heil führe, gleichsam so, wie Gott das Universum durch Vermittlung der Engel regiere. Determinatio c. 7, S. 19: Sed melius loco huius anime [sc. die platonische Weltseele] ponimus Deum, cuius potentia efficienter omnia gubernantur, quia portat universa verbo virtutis sue, Hebre I. Quod quidem facit mediantibus angelis, qui sunt spirituales substantie, ut tradit idem doctor in III de Trinitate. Hic autem modus gubernandi et movendi orbem ad summum pontificem magis apte referetur, tum ex parte prime cause sive Dei, cuius vices gerit in terris, tum ex parte sanc-

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den drei Wegen, die Menschen zur himmlischen Glückseligkeit zu leiten, ist freilich insbesondere die Androhung und Ausübung der Strafgewalt auf die weltlichen Herrscher zu beziehen, die in dieser Funktion, die ja wesentlich durch den Römerbrief bestimmt ist, auch als Helfer und Mitarbeiter Gottes (adiutores et cooperatores Dei) angesehen werden müssen665. Die Bezeichnung vicarius Christi hingegen steht allein dem Papst zu666, der die oberste Verantwortung und Autorität in der ecclesia besitzt und dem daher alle kirchlichen wie weltlichen Gewalthaber ihre Macht verdanken. „Weil nun alle Gewalt von Gott stammt, wie schon oben gesagt wurde, hängt die Herrschaft des Papstes nicht vom Kaiser ab, sondern von Christus, der dem Apostel Petrus die Herrschaft übertrug, und welcher daher als Stellvertreter Christi (vicarius Christi) bezeichnet wird. Und so bezeichnete ihn auch Kaiser Konstantin (D. 96 c. 13, 14). Aber über keinen Kaiser wurde jemals gesagt, er sei der Stellvertreter Christi. Nun liegt es in der Natur eines ordentlichen Stellvertreters, der durch Wahl bestimmt wurde [...], dass er die gleiche Macht hat, wie der, den er vertritt (D. 93 [94] c. 1; c. 11 X de off. et pot. iud del.). Daher: wenn der Papst der Stellvertreter Christi ist, was nur ein ungebildeter Tor leugnen kann, und Christus die volle Gewalt über das gesamte Menschengeschlecht besitzt, wie schon an anderer Stelle mehrfach bewiesen wurde, so steht

665 666

torum spirituum, quibus mediantibus mundum regit, cuius typum representant offitiales ecclesie sive ecclesiastici et mundi principes secundum diversorum graduum dignitates, per quos summus pontifex actus ierarcicos ad salutem fidelium administrat, ut sic ecclesiastica ierarchia congrue et perfecte immitetur celestem. Vgl. auch Gilbert v. Tournai, ed. ANTON, FSGA 45, S. 430 ff., der ebenfalls die pseudodionysische Vermittlung des Göttlichen den weltlichen und geistlichen Fürsten gemeinsam zuschreibt. Dazu vgl. ANTON, Gesellschaftsspiegel, S. 97 ff. Vgl. Anm. 663. Lediglich in Kapitel 4 erscheint das Christusvikariat auch auf die Kaiserwürde bezogen, was jedoch an der etwas umständlichen und unklaren Formulierung durch Tholomäus liegen dürfte. Im Zusammenhang mit seinen Ausführungen über die Herrschaft Salomons, die den gegenwärtigen Fürsten als Vorbild dienen könne, hebt Tholomäus „zur Würde des Kaisertums“ (ad imperii dignitatem) hervor: „Zum einen: die Erhebung Salomons ist nicht aufgrund bloßer Blutsverwandschaft erfolgt, so als ob gleichsam die ganze Herrschaft nach Naturgesetzmäßigkeiten vergeben werden müsse, sondern vielmehr ist bei ihm auf die reinen Sitten, die Tapferkeit des Herzens und den rechten Glauben geachtet worden, die allein vor Gott den Adel ausmachen, wie Hieronymus sagt, und durch die man das Kaisertum und die Stellvertretung dessen, dem alle Herrschaft gebührt, nämlich Christus, erwirbt, was weiter unten bewiesen werden wird.“ (c. 4, S. 10: Unum est, quod in ipso non consideratur genealogia carnalis propaginis, quasi ex hoc sibi debeatur tale dominium quodam iure nature, sed magis elegantia morum, strenuitas cordis et fidei rectitudo, que sola sunt apud Deum nobilitas, ut ait Ieronimus, ex quibus quis meretur imperium ac merito vices gerit eius, cuius est omne dominium, videlicet Christi, ut infra probabitur.) Im weiteren Verlauf der Determinatio wird jedoch ein kaiserliches Christusvikariat ausdrücklich zurückgewiesen, so dass die hier angedeutete Verbindung von Kaiserwürde und Christusvikariat gleichsam isoliert steht.

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fest, dass auch sein [sc. Christi] Stellvertreter, also der Papst, die gleiche Gewalt besitzt.“667

Tholomäus gilt aber nicht nur als Verfasser der Determinatio, sondern auch als Autor der wohl kurz nach 1300 entstandenen Fortsetzung des Fragment gebliebenen thomasischen Fürstenspiegels668. Ausführlich beweist er auch hier den göttlichen Ursprung menschlicher Herrschaft aufgrund des Seins, der Bewegung und des Ziels. Dem König kommt gemäß der thomasischen Hierarchie der Zwecke die Aufgabe zu, die Menschen zu einem guten, tugendhaften Leben zu führen und damit den Weg zum letzten Ziel der himmlischen Glückseligkeit zu bereiten. Wie Thomas so zeichnet auch Tholomäus das Verhältnis zwischen Gott und König sowohl in kosmologischen Vergleichen als auch als direkte und persönliche Beziehung. Dabei greift er terminologisch auf den Römerbrief und die Charakterisierung des Königs als minister Dei zurück, formuliert aber auch explizit den Gedanken der göttlichen Stellvertretung. „Könige und Fürsten nehmen auf Erden die Stelle Gottes ein, und durch sie – gleichsam als zweite Ursache – regiert Gott die Welt. Einst, als das israelische Volk die Herrschaft des Propheten Samuel verachtete und dieser seine Klage vor Gott brachte, erhielt er die Antwort, dass das israelische Volk nicht ihn [Samuel], sondern Gott, dessen Stellvertreter er sei, verachtet habe. Und in Prov. 8, 15 heißt es: ,Durch mich regieren die Könige und setzen die Gesetzgeber das Recht‟. Die Armenfürsorge ist Gott ein besonderes Anliegen, [...] daher sind, gleichsam stellvertretend für Gott handelnd, Fürsten und geistliche Würdenträger der Sorge um die Armen besonders verpflichtet.“ 669

667

668 669

Determinatio c. 25, S. 47 f.: Cum enim omne dominium sit a Deo, ut iam dictum est supra, ideo dominium summi pontificis non dependet ab imperatoribus, sed a Christo, qui Petro apostolo contulit et vicarius Christi vocatur. Et sic Constantinus confitetur in c. Decreti di. 96 c. Constantinus. Hoc autem non invenitur de imperatore aliquo, quod sit vicarius Christi. De natura vero vicarii ordinarii, qui per electionem constituitur [...] est, quod idem possit quod ille, cuius vices gerit; argumentum ad hoc 93 di. c. 1. Extra de offitio delegati c. Sane. Ex hoc ergo concluditur, quod, si papa est vicarius Christi, quod nullus nisi desipiens contradicit, cum Christus, ut dictum est supra et multis rationibus probatum, plenam habeat potestatem super totum genus humanum, manifestum est eius vicarium, scilicet summum pontificem, eandem potestatem habere. Zum Anteil des Tholomäus am Fürstenspiegel vgl. DICKERHOF. Thomas von Aquin, De regimine principum II, c. 15, S. 35: Reges et principes vices Dei gerunt in terris, per quos Deus mundum gubernat sicut per causas secundas. Unde et Samuel propheta spretus in domino, cum querelam proponeret coram Deo, responsum habuit, quod non ipsum Israeliticus populus spreverat, sed Deum, cuius videlicet vices gerebat.. Et in Prover. c 8, vers.15 dicitur: Per me reges regnant, et legum conditores iusta decernunt. [...] Ergo ad istum defectum pauperum supplendum, sicut vices Dei gerentes in terris, principes et praelati sunt debitores ...

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Wie schon in der Determinatio, so nennt Tholomäus auch hier die weltlichen und geistlichen Machthaber im Hinblick auf ihre Verpflichtungen als Herrscher – hier speziell bezüglich der Armenfürsorge – in einem Atemzug, verwendet dazu allerdings den Begriff der Stellvertretung Gottes, den er in der Determinatio noch vermieden hatte. Der Gedanke des königlichen Gottesvikariats und der göttlichen Abbildhaftigkeit des Herrschers wird an weiteren Stellen des Fürstenspiegels formuliert. Laut Tholomäus besitzt der König in dreifacher Hinsicht eine herausgehobene Verantwortung für die christliche Religion bzw. den rechten Gottesdienst. Als Mensch, weil der Mensch das Abbild Gottes ist und somit Anteil an der göttlichen Natur hat. Als Herrscher, „... weil alle Macht von Gott stammt, wie Paulus im Römerbrief Kapitel 13 sagte. Daher handelt er auch stellvertretend für Gott auf Erden, wie oben bereits dargelegt. Und weil alle Macht des Herrschers von Gott abhängt, ist er der Diener Gottes. [...] Aber nicht nur als Mensch und als Herrscher, sondern auch als König ist er der christlichen Religion verpflichtet, da er mit geweihtem Öl gesalbt wird [...]. In dieser Salbung ist, wie der heilige Augustinus sagt, der wahre König und Priester dargestellt. [...] Daher, insofern die Könige durch ihre Salbung denjenigen verkörpern, der nach dem Wort der Apokalypse ,der König der Könige und Herr der Herren‟ ist, unsern Herr Jesus Christus, sind die Könige verpflichtet, ihn nachzuahmen, auf dass das Abbild im rechten Verhältnis zum Abgebildeten steht wie ein Schatten zu seinem Körper, was auch die Sorge um den wahren und rechten Gottesdienst mit einschließt.“670

Herrschaft, Salbung und die Pflicht zur imitatio Dei sind also für Tholomäus die Wurzeln der Vorstellung einer göttlichen Abbildhaftigkeit und Stellvertretung des Königs. Während Tholomäus in der Determinatio aber konsequent den Begriff der Stellvertretung Gottes im Zusammenhang mit der Königsbzw. Kaiserherrschaft vermeidet und stattdessen die weltlichen Herrscher als dispensatores, provisores, adiutores und cooperatores bezeichnet, greift er im Fürstenspiegel häufig auf das vice Dei agere zurück, ja an einer Stelle wird

670

Thomas von Aquin, De regimine principum II, c. 16, S. 37: Amplius autem, in quantum Dominus, quia „non est potestas nisi a Deo“, ut Apostolus dicit ad Rom. 13. Unde et vices Dei gerit in terris, ut dictum est supra. [...] Non solum autem sicut homo et dominus ad divinum obligatur cultum, sed etiam sicut et rex, quia inunguntur oleo consecrato [...] secundum quam unctionem consequebantur quamdam reverentiam et delationem honoris. [...] Amplius autem et in dicta unctione, ut Augustinus De civitate Dei, figurabatur rex verus et sacerdos [...] In quantum igitur figuram gerunt in hac unctione illius qui est „Rex regum, et Dominus dominantium“, ut dicitur in Apocalyp. c. 19: „Qui est Christus Dominus noster“, debitores sunt reges ad ipsum imitandum, ut sit debita proportio figurae ad figuratum, umbrae ad corpus: in quo verus ac perfectus cultus divinus includitur. Das Gottesvikariat wird also nicht, wie ANTON, Anfänge, S. 77 behauptet, nur aristotelisch begründet, sondern erfährt die traditionelle Begründung.

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sogar der heidnische Kaiser Augustus als erster vicarius Christi bezeichnet, der sich freilich dieser Stellung noch nicht bewusst gewesen sei671. Ob aus der unterschiedlichen Verwendung des Gottes- bzw. Christusvikariats in der Determinatio und im Fürstenspiegel für die Verfasserfrage neue Impulse ausgehen könnten, kann an dieser Stelle nicht weiter verfolgt werden. Inhaltlich zeichnen beide Werke das gleiche Königsbild. Der König steht als Herrscher im Dienste Gottes und ist angehalten, die Menschen durch die Wahrung von Frieden und Gerechtigkeit ein Stück weit auf den Weg zur himmlischen Glückseligkeit zu führen. Der Papst steht als vicarius Christi hierarchisch am nächsten zu Gott, ist Inhaber der plenitudo potestatis, und nur seine Herrschaft ist wie die von Christus priesterlich und königlich, so dass er allein der Vermittler aller irdischen Herrschaft ist.

1.5.

Johann Quidort

Gesicherte Daten über das Leben des Dominikaners Johann Quidort von Paris liegen erst für die Zeit nach 1300 vor. Der Zeitpunkt seiner Geburt wird in der Literatur äußerst schwankend, als zwischen 1250 672 und 1270 673 gelegen, angegeben. Nach einem erfolgreichen Studium an der Pariser Artistenfakultät wurde Johann Quidort im Jahre 1290 zur Promotion eines Lizentiaten der Philosophie vorgeschlagen. Wann er in den Dominikanerorden eintrat, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen674. Erst aus dem Jahr 1304 besitzen wir gesicherte Kenntnis über seine Zugehörigkeit zum Dominikanerkonvent St. Jacques zu Paris. Von 1292 bis 1296 ist eine Lehrtätigkeit an der Universität in Paris nachzuweisen, seine Promotion an der theologischen Fakultät in Paris erfolgte im Jahre 1304. Als er am 22. September 1306 in Avignon starb, befand sich Johann Quidort gerade an der Kurie, um gegen ein Lehrverbot zu 671

672 673

674

Thomas von Aquin, De regimine principum III, c. 13, S. 54: Et in hac descriptione solvebatur census, sive tributum, ut historiae tradunt, in recognitionem debitae servitutis, non sine mysterio, quia ille natus erat, qui verus erat mundi Dominus et Monarcha, cuius vices gerebat Augustus, licet non intelligens, sed nutu Dei, sicut Caiphas prophetavit. MIETHKE, Politische Theorien, S. 102. SCHOLZ, Publizistik, S. 276; BLEIENSTEIN, Einleitung zu Johannes Quidort, De regia potestate et papali S. 10. Für einen frühen Eintritt in den Dominikanerorden (um 1280) plädiert GRABMANN, Quidort, S. 9. Dagegen sprechen sich BLEIENSTEIN, Einleitung zu Johannes Quidort, De regia potestate et papali S. 11, SCHOLZ, Publizistik, S. 277 und MIETHKE, Politische Theorien, S. 102 für einen späteren Eintritt in den Orden aus.

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appellieren, das der Pariser Bischof 1305 aufgrund der Abhandlung De transsubstantiatione panis et vini in sacramento altaris über ihn verhängt hatte675. Neben dem Correctium Circa, einer Verteidigungsschrift der Lehren des Thomas von Aquin, gilt als Hauptwerk des Pariser Dominikanertheologen zum einen ein Kommentar zu den Sentenzen des Petrus Lombardus, zum anderen die hier zu untersuchende Schrift De regia potestate et papali, in der er die Unabhängigkeit des Königtums gegenüber den hierokratischen Ansprüchen Papst Bonifaz‟ VIII. verteidigte. Auch durch seine Unterschrift, die er 1303 zusammen mit weiteren 131 Brüdern des Dominikanerkonventes von St. Jacques unter die königliche Forderung nach Einberufung eines allgemeinen Konzils setzte, gab er sich als Streiter für die königliche Sache zu erkennen. Zentrales Anliegen Johanns ist es, das Verhältnis der Kirche zu den zeitlichen Gütern zu klären, wobei er seine Haltung gleich zu Beginn seines Traktats als Mittelweg zwischen der radikalen Armutsthese der Waldenser und der hierokratischen Ansicht eines Aegidius Romanus und Bonifaz VIII. definiert. Die Kirche könne durchaus über zeitliche Güter verfügen, sofern ihr diese durch Schenkungen weltlicher Herren überlassen worden seien. Bei der Erörterung dieser Thematik handelt Johann auch ausführlich über die königliche Gewalt und deren Verhältnis zu Gott, Kirche und Papst. Das Kernargument Johanns ist die Gottunmittelbarkeit des weltlichen Herrschers und seine Unabhängigkeit von päpstlichem Einfluss in zeitlichen Angelegenheiten. Während das Priestertum die menschliche Gemeinschaft auf das höchste Gut der himmlischen Glückseligkeit hinordnet, ist das Königtum die beste Regierungsform für die naturrechtlich bedingte staatliche Gemeinschaft und hat die oberste Sorge für die zeitlichen Güter und das bonum commune. In geistlichen Angelegenheiten seien die Priester, in zeitlichen Angelegenheiten die Könige höher zu achten. Aber auch wenn die Priester gemäß der thomasischen Hierarchie der Zwecke die Verantwortung für das letzte Ziel der menschlichen Gemeinschaft tragen, die Könige nur für das Zwischenziel des tugendhaften Lebens, so folge daraus nicht, dass die weltliche Gewalt der Ursache nach von der geistlichen Gewalt abhänge. „Das Verhältnis beider [sc.: der weltlichen und geistlichen Gewalt] entspricht vielmehr dem der Gewalt des römischen Familienoberhauptes zur Gewalt des magister militum, die nicht in einem gegenseitigen Abhängigkeitsverhältnis stehen, sondern deren beider Machtbefugnisse sich von einer (dritten) höheren Gewalt ableiten. So ist also auch die weltliche Macht in bestimmten Hinsichten größer als die geistliche, nämlich in zeitlichen Angelegenheiten, und in dieser Hinsicht in nichts untergeordnet, weil sie sich von ihr nicht herleitet, sondern beide von einer (dritten) höchsten Gewalt stammen, nämlich der göttlichen, und zwar unmittelbar, weshalb die geringere Macht der höheren nicht in 675

Dazu GRABMANN, Quidort, S. 13-19.

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jeder Hinsicht untergeordnet ist, sondern nur in dem, worin die höchste Gewalt sie der größeren unterstellte“.676

Damit wendet sich Johann gegen ein Abhängigkeitsverhältnis, wie es v. a. der Augustinereremit Aegidius Romanus in seiner Schrift De ecclesiastica potestate konstruiert hatte. Das Mittel der sogenannten reductio ad unum, das von den Befürwortern des päpstlichen Weltanspruches gebraucht wurde, um in ihrem Hierarchiegebäude letztlich alles auf den Papst als oberste Autorität zulaufen zu lassen677, findet bei Johann Quidort eher indirekt Anwendung. Die dualistische Konzeption mit dem Papst als Spitze der ecclesia und dem König als oberster weltlicher Autorität innerhalb des regnum (bzw. dem Kaiser als caput mundi 678 ), wird durch die Zurückführung beider Gewalten auf Gott letztlich doch zu einem Gebilde mit e i n e r Autorität an der Spitze. 676

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Johannes Quidort, De regia potestate et papali c.5, S. 88: sed se habet sicut potestas patrisfamilias ad potestatem magistri militum, quarum una ab alia non derivatur, sed ambae a quadam potestate superiori. Et ideo potestas saecularis in aliquibus maior est potestate spirituali, scilicet in temporalibus nec quoad hoc est ei subiecta in aliquo quia ab illa non oritur, sed ambae oriuntur ab una suprema potestate, scilicet divina, immediate, propter quod inferior non est subiecta superiori in omnibus sed in his solum, in quibus suprema supposuit eam maiori. Die reductio ad unum konnte nicht nur mit den himmlischen Hierarchien des Pseudo-Dionysius, sondern auch aristotelisch oder gar averroistisch begründet werden. Vgl. die Einleitung der Studienausgabe zu Dantes Monarchia von IMBACH/FLÜELER S. 36 ff. Während bei Johann die einheitliche Universalkirche im Papst als obersten Bischof ihre monarchische Spitze besitzt, sind im weltlichen Bereich die regna, die einzelnen Königreiche, die entscheidende Organisationsform, an deren Spitze ein König steht. Die Begriffe für die Machthaber der weltlichen Gewalt sind mitunter verwirrend und wechseln in Johanns Traktat häufig zwischen princeps, rex und imperator. Aufgrund der unterschiedlichen Gegebenheiten in Klima, Sprache, Sitten und Gebräuchen in den einzelnen Ländern könne, so Johann, gar kein alleiniger Weltmonarch die Aufgabe der weltlichen Regierung übernehmen. (Johannes Quidort, De regia potestate et papali c. 3, diese Anschauung ist zweifelsohne durch Aristoteles, Politik VII, 7 [1327b-1328a], S. 336 f. beeinflusst; dazu MIETHKE, Politische Theorien, S. 105 f.; Die unterschiedliche Organisationsstruktur zwischen der Einheit der Universalkirche auf geistlicher Seite – mit dem Papst als monarchischer Spitze – und der Vielheit der einzelnen regna auf weltlicher Seite wird mit der aristotelischen Anthropologie begründet, wonach die Seelen der Menschen aufgrund der gemeinsamen Wesensform grundsätzliche Ähnlichkeiten aufweisen, die Körper der Menschen aber in ihrer höchst unterschiedlichen Form eine differenzierte Lenkung benötigen. Dazu MIETHKE, Weltanspruch, S. 383. Dennoch „vermag sich auch Johannes Quidort nicht völlig von der im Mittelalter geläufigen Anschauung zu lösen, dass dem Papst als dem Oberhaupt der Kirche im weltlichen Bereich der Kaiser gleichsam als caput mundi gegenübersteht“ (STRUVE, organologische Staatsauffassung, S. 246. De regia potestate et papali c. 18, S. 164 f.: ... sed quilibet rex est in hoc caput regni, et imperator monarchia si fuerit est caput mundi.Vgl. auch SCHOLZ, Publizistik, S. 326 f.; KÖLMEL, Regimen Christianum, S. 489; MIETHKE, Politische Theorien, S. 108 bezeichnet die Verwendung des Kaisers in Johann Quidorts

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„[W]ie zum Beispiel der Arzt den Apotheker instruiert und über ihn urteilt, ob er seine Heilmittel richtig herstellt, aber ihn selbst weder einsetzt noch absetzt, sondern einer da ist, der über beiden steht, dem Arzt und dem Apotheker, und dem die Ordnung des ganzen Staatswesens obliegt, wie der König oder Staatsherr, und an dem es liegt, wenn der Apotheker die Heilmittel nicht zur Zufriedenheit des Arztes herstellt, ihn ein- oder abzusetzen. So ist bei unserer Frage die ganze Welt gleichsam ein Staatswesen, in dem Gott die höchste Gewalt darstellt, die beide, Papst und Fürst, einsetzt usw.“679

Als Stütze für seine Ansicht der Gottunmittelbarkeit des weltlichen Herrschers führt Johann die unterschiedlichsten Autoritäten ins Feld. Das römische Recht680 steht ihm ebenso zur Seite wie das kanonische Recht681 und die heilige Schrift682. Auch das Argument prior sit tempore bekräftigt die These von der Gottunmittelbarkeit der königlichen Gewalt ohne päpstliche Vermittlung. „Schließlich war die königliche Gewalt als solche und in bezug auf die Exekutive vor der päpstlichen da, und in Frankreich gab es eher Könige als Christen. [...] Denn zu behaupten, die königliche Gewalt sei früher von Gott unmittelbar ausgegangen, später aber vom Papst, ist äußerst lächerlich. [...] Somit stammt also die Königswürde ohne jeden Zweifel nach wie vor unmittelbar von Gott.“683

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Traktat lediglich als „traditionelles Versatzstück der Argumentation“). Von der Notwendigkeit eines Kaisertums aber distanziert sich Johann Quidort, für den das römische Weltreich unter Berufung auf Augustinus am Machtstreben seiner Herrscher und an ihrer Bosheit zugrunde gegangen ist. Auch liegt bei ihm, im Gegensatz zu Alexander von Roes und Engelbert von Admont, keinerlei heilsgeschichtliche Notwendigkeit in der Existenz des römischen Reichs. Johannes Quidort, De regia potestate et papali c. 17, S. 159: ... et sicut medicus pigmentarium informat et iudicat de ipso an debite conficiat pigmenta, sed ipsum non instituit nec destituit, sed est aliquis superiorutroque scilicet medico et pigmentario, apud quem est totus ordo civitatis, ut rex et dominus civitatis, et iste, si pigmentarius non conficiat pigmenta prout convenit medico, habet ipsum instituere vel destituere, sic in proposito totus mundus est quasi una civitas in qua Deus est suprema potestas, qui utrumque papam et principem instituit etc. Die Ansicht von BIELEFELDT, S. 89 f. mit Anm. 73, wonach Johann Quidort die Analogie der monarchischen Regierung Gottes über die Welt nicht als Vorbild für die monarchische Staatsauffassung benutze, was man „als Zeichen einer fortgeschritteneren ‚Säkularisierung„ der Staatsidee deuten“ könne, ist somit zu relativieren. Zwar stimmt es, dass sich Johann bei der Diskussion der monarchischen Regierungsform vornehmlich auf das Naturrecht und den organologischen Vergleich beruft, die Analogie zwischen dem König und der monarchischen Regierung Gottes über die Welt findet bei ihm aber, wie gesehen, an anderer Stelle Verwendung. Johannes Quidort, De regia potestate et papali c. 9. Johannes Quidort, De regia potestate et papali c. 10. Z. B. Johannes Quidort, De regia potestate et papali c. 16 mit Verweis auf Röm. 13, 1. Johannes Quidort, De regia potestate et papali c. 10, S. 113: Item prius fuit potestas regia secundum se et quantum ad executionem quam papalis, et prius fuerunt reges Franciae quam Christiani in Francia. [...] Dicere enim quod potestas regia prius esset a

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Unter den zahlreichen Argumenten für eine Gottunmittelbarkeit des weltlichen Herrschers bzw. gegen eine päpstliche Vermittlung findet sich immer wieder der Verweis auf die Einsetzung des Kaisers bzw. Königs (oder des Königsgeschlechts!) durch das Volk684. Alois Dempf sah in der Schrift Quidorts die Idee der Volkssouveränität zum erstenmal ausgesprochen685, Peter Tischleder sah Quidort als einen frühen Vertreter der scholastischen Volkssouveränitätslehre und für Friedrich August Heydte stand die Lehre der Volkssouveränität gar im Mittelpunkt des Traktats686. Dieser These hat jedoch schon Fritz Bleienstein zu Recht widersprochen 687 . Zwar rekurriert Johann häufig auf theologische, philosophische und juristische Autoritäten, die die Einsetzung des Königs bzw. Kaisers durch das Volk propagieren, doch geschieht dies keineswegs systematisch und durchdacht im Sinne der Volkssouveränität. Diese Verweise sind vielmehr Teil einer großangelegten Beweissammlung, die das Ziel hat, die Herrschaftsansprüche des Papstes gegenüber der weltlichen Gewalt zurückzuweisen. Tatsächlich diskutiert Johann auch nur die beiden Alternativen einer weltlichen Gewalt a deo mediante papa oder immediate a deo, wobei die wiederholten Hinweise auf eine Einsetzung des Herrschers durch das Volk auch bei ihm nur zum Beweis der Gottunmittelbarkeit des Herrschers dienen688. Welcher Anteil dem Volke dabei im einzelnen zukommt, scheint den Franzosen Quidort nicht zu interessieren689. Die Formulierung in c. 19, die Einsetzung des Kaisers geschehe populo faciente et deo inspirante 690 lässt Johann weniger als Vertreter der scholastischen

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Deo immediate et postea esset a papa est valde ridiculosum. [...] Unde indubitanter a Deo est, sicut ante. Vgl. MIETHKE, Weltanspruch, S. 382. Dies war ein am französischen Hof geläufiges Argument, vgl. MIETHKE, De potestate papae, S. 79. Johannes Quidort, De regia potestate et papali c. 7, S. 97: Fürst ist vom Volk eingesetzt, um die Güter der Allgemeinheit zu verwalten; ebd. c. 10, S. 111: Kaiser hat das Schwert nicht vom Papst, sondern das Heer macht nach D. 96 c. 24 legimus den Kaiser; ebd. S. 113: Sowohl potestas als auch executio stammen von Gott und vom Volke, das den König bzw. das Haus wählt; ebd. c. 15, S. 150 f.: Translatio imperii geschah nicht durch den Papst, sondern durch das Volk (Volk bzw. Heer macht den Kaiser); ebd. c. 17, S. 158: Gott und die Wahl des Volkes machen den König, nicht die Salbung des Papstes; ebd. c. 19, S. 172: Im Kaisertum gibt es keine Erbfolge, sondern Heer und Volk wählen den Kaiser. DEMPF, Sacrum Imperium, S. 426. HEYDTE S. 315 f. BLEIENSTEIN, Säkularisierung, S. 19-35. Vgl. S.64. BLEIENSTEIN, Säkularisierung, S. 28. Johannes Quidort, De regia potestate et papali c. 19, S. 172 f.: Quinto quia falsum est quod in fine argumenti insinuatur, quod imperatoribus debebatur ex privilegio. Hoc enim privilegium imperatoribus datum a clericis numquam audivimus, sed de iure eis debebatur imperium, populo seu exercitu faciente, XCIII D., Legimus, et a Deo

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Volkssouveränität erscheinen denn als Anhänger der traditionellen Vorstellung, das Zusammenwirken von Gott und Volk gestalte sich bei der Herrschererhebung im Sinne einer Inspirationswahl, bei der das Volk nur den konstituierenden Willen Gottes ausführe 691 . Im Zusammenhang mit dem Papsttum entwarf Johann jedoch ein differenzierteres Verhältnis von göttlichem und menschlichem Wirken bei der Bestellung der Obrigkeit, wobei er sich hier an der Auffassung des Aegidius Romanus orientiert, die dieser in seinem Werk De renunciatione entwickelt hatte692. Quidort zitiert Aegidius nahezu wörtlich: „Die päpstliche Gewalt kann in zweifacher Hinsicht betrachtet werden: Einmal in sich selbst, und so stammt sie von Gott allein, da niemand außer Gott allein diese Macht den Menschen verleihen kann, dass, wer durch sie auf Erden gelöst oder gebunden wurde, auch im Himmel gelöst oder gebunden ist. Zweitens kann sie betrachtet werden, wie sie in dieser oder jener Person gegenwärtig ist, und so betrachtet stammt sie von Gott allein in der Weise, wie wir alle Werke auf Gott zurückführen nach Isaias 26, 12: ,Alle unsere Werke tuest du in uns, o Herr„. Er selbst nämlich ist es, der all unser Wollen und Tun in uns bewirkt (Phil 2, 13). Aber was nur in der Weise von Gott allein ist, dass wir ihm allein all unser Tun anrechnen, wenn wir etwas zustande bringen, wenn wir aber im Werke fehlen, es von uns ist, schließt unsere Mitwirkung nicht aus, denn wir sind ja Mithandelnde Gottes. So ist auch das Papsttum, mag es auch als solches von Gott stammen, dennoch in der konkreten Person Ergebnis menschlicher Mitwirkung, durch die Zustimmung des Gewählten und der Wähler.“693

Und an anderer Stelle: „Es stimmt zwar, dass der Papst durch göttliches Gesetz Papst ist, doch kann er trotzdem aufhören Papst zu sein, da das göttliche Gesetz zwar formal und als solches unveränderlich ist, [...] Material jedoch veränderlich ist, d. h. sein Bezug zur jeweiligen Person, wie Coelestin oder Bonifaz, weil dabei ja das Geschöpf mitwirkt ...“ 694

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inspirante quia a Deo est, XXIII q. IV, Quaesitum et Commentator VIII. Ethicorum, cap. XI, dicit quod rex est a populi voluntate, sed, cum est rex, quod dominetur est naturale. Vgl. WALTHER, Imperiales Königtum, S. 169. Aegidius Romanus, De renunciatione pape. Vgl. PODLECH S. 482 f. Aegidius stützt sich seinerseits auf das kanonische Recht (vgl. PODLECH S. 483 Anm. 80). Johannes Quidort, De regia potestate et papali c. 25, S. 202: Dicendum est quod potestas papalis potest considerari dupliciter: Uno modo in se [...]. Alio modo potest considerari ut est in isto vel in illo [...]. Igitur quamvis papatus sit in se a solo Deo, tamen in hac persona vel illa est per cooperationem humanam, scilicet per consensum electi et eligentium ... Vgl. Aegidius Romanus, De renunciatione pape c. 6, S. 174. Übernahme der Passage auch durch Johannes Andrae, vgl. TIERNEY, Foundations, S. 149. Johannes Quidort, De regia potestate et papali c. 25, S. 208: ... non obstante quod papa sit papa per legem divinam, tamen potest non esse papa, quia licet lex divina sit im-

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Die Bestellung der (päpstlichen) Obrigkeit geschieht also stets unter menschlicher Mitwirkung, und nur dieses Moment ist reversibel, entweder, wenn der Gewählte seine Zustimmung zurückzieht (Abdankung) oder wenn die Wähler einen entsprechenden Beschluss fassen (Absetzung). Dieses Prinzip gilt in den Augen Johanns nicht nur im Falle des Papstes, sondern auch bei Bischöfen. „Aber auch die Macht der Prälaten stammt nicht von Gott durch Vermittlung des Papstes, sondern unmittelbar von Gott und dem Volk, das sie wählt bzw. seine Zustimmung erteilt. Denn Petrus, dessen Nachfolger der Papst ist, hat nicht die anderen Apostel ausgesandt, deren Nachfolger die Bischöfe sind, und auch nicht die 72 Jünger, deren Nachfolger die Gemeindepfarrer sind, sondern Christus hat sie nach Mt 10 und Lk 10 unmittelbar ausgeschickt.“695

Nach Aegidius Romanus De renunciatione ging, wie gesehen, die Gewalt unmittelbar von Gott auf die durch menschliche Wahl bezeichnete Person über. Auch Johann Quidort spricht in De regia potestate et papali stets von der unmittelbar göttlichen Übertragung der Gewalt an den Papst und jeden anderen Bischof696. Beide sehen also in der Wahl durch die Kardinäle letztlich nur die Designation der Person, die die Gewalt von Gott übertragen bekommt. Diese Anschauung ist prinzipiell auch auf den weltlichen Herrschaftsbereich übertragbar 697 , explizit aber geschieht dies weder bei Aegidius in De

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mutabilis formaliter in se, [...] tamen mutabilis est materialiter, in isto vel in illo, in Coelestino vel Bonifacio, quia ad hoc cooperatur creatura ... Johannes Quidort, De regia potestate et papali c. 10: Sed potestas praelatorum non est a Deo mediante papa, sed immediate, et a populo eligente vel consentiente. Non enim Petrus cuius successor est papa misit alios apostolos quorum successores sunt episcopi, sed nec septuaginta duo discipulos quorum successores sunt presbyteri curati, sed eos Christus immediate misit. Als Konsequenz notiert Johann: Somit ist die königliche Gewalt jedenfalls noch viel weniger vom Papst abhängig. WALTHER, Imperiales Königtum, S. 199 überbewertet die Rolle des Volkes als Verleiher der potestas jurisdictionis. Wie dies ja auch schon Laurentius Hispanus in seiner Glosse getan hatte. SEIDLMAYER sah bei Quidort sogar umgekehrt „Einflüssen aus dem Bereich der profanen Volkssouveränität“ im kirchlichen Bereich wirksam. (S. 169) Die Parallelisierung von weltlicher und geistlicher Gewalt und ihrer Einsetzung durch die Wahl des Volkes bzw. der Kardinäle wurde v. a. zur Zeit des Konziliarismus immer wieder vertreten, dann allerdings mit den vollen Implikationen einer Volkssouveränität, d. h. nicht nur Designation der Person, sondern auch Übertragung der Gewalt durch die Wähler. Von diesem Punkt ging auch die Kritik an dem Vergleich von weltlichem und geistlichem Herrschaftsbereich etwa bei Bellarmin aus, der auf den unterschiedlichen Charakter der von Gott stammenden geistlichen Gewalt zu binden und zu lösen und der weltlichen, vom Volk ausgehenden Gewalt, hinwies. Auf diese Unterscheidung braucht Quidort jedoch keine Rücksicht zu nehmen, da in seinen Augen eben beide, weltliche und geistliche (Bindeund Löse-) Gewalt direkt von Gott an den weltlichen bzw. geistlichen Herrscher übertragen werden.

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renunciatione – in De ecclesiastica potestate tritt Aegidius für eine Übertragung der Gewalt mediante papa ein – noch bei Joahnn Quidort, da beide mit ihren Traktaten letztlich andere Ziele verfolgen, als sich dieser Frage im weltlichen Bereich konkret zu widmen. Bei der Widerlegung der hierokratischen Argumente geht Johann Quidort auch auf die Herrschereinsetzungen des Alten Testaments ein, die er nicht als Beweis für ein priesterliches Recht zur Herrschererhebung, sondern – wie Thomas zitiert Johann Dt. 17 (18) – als Beispiel für die Gottunmittelbarkeit der jüdischen698 Könige wertet. Darüber hinaus seien die Verhältnisse des Alten Testaments ohnehin für die christlichen Völker, bei denen es auch ungesalbte Könige gebe, nicht mehr maßgeblich, und das hierokratische Argument nicht schlüssig, da „im Alten Bund die Priester, die die Könige salbten, zweifellos den Königen untergeben waren“699. Interessant ist auch der Umgang Johanns mit den Autoritäten Hugo von St. Viktor und Bernhard von Clairvaux, die in erster Linie Gewährsmänner der Hierokraten waren. „Auf die Behauptung nach der Ansicht Hugos, die geistliche Gewalt setze die zeitliche ein, kann man entgegnen, dass seine Äußerungen nicht maßgebend sind und nur wenig Gewicht haben. Dennoch kann man mit Augustinus noch anführen, es sei die Gewohnheit der Heiligen Schrift zu sagen, dass etwas entstehe, wenn es offenkundig werde. Demnach meinte Hugo mit den Worten, die geistliche Gewalt habe die königliche ins Dasein gesetzt, nicht etwa, sie habe deren Existenz erst bewirkt, da sie ja von Gott und durch Zustimmung und Wahl des Volkes zustandegekommen ist, sondern dass sie Einsetzung und Wahl durch ihre Salbung manifestiert habe.“700

Auch die Zwei-Schwerter Lehre wird von Johann zurückgewiesen. Grundsätzlich sei mystische Theologie nicht beweiskräftig, aber selbst wenn die beiden Schwerter die beiden Gewalten symbolisieren würden, so sei die hierokratische Interpretation von Luk. 22, 38 abzulehnen, da das weltliche Schwert ausdrücklich dem Befehl des Kaisers unterstehe. Johann trifft im Vergleich etwa zu Aegidius Romanus eine genauere Auslegung der Worte des heiligen Ordensgründers, dessen Autorität aber letztlich ebensowenig maß698

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Für Johann wird hier lediglich die spezielle Beziehung zwischen Gott und dem jüdischen Volk zum Ausruck gebracht. Vgl. auch Johannes Quidort, De regia potestate et papali c. 18, S. 162 f. Johannes Quidort, De regia potestate et papali c. 18. Johannes Quidort, De regia potestate et papali c. 17, S. 158: Quod vero vigesimo primo dicitur de Hugone dicente quod spiritualis potestas temporalem instituit, dici potest quod dicta Hugonis non sunt authentica, et modicum roboris afferunt. Tamen dici potest, ut dicit Augustinus: mos sacrae scripturae est dicere rem fieri quando manifestatur. Pro tanto ergo dicebat Hugo quod potestas spiritualis regiam instituebat ut esset non quidem ipsam efficiendo ut esset, cum sit a Deo et populo consentiente et eligente, sed quia inungendo ipsum institutem et electum manifestabat.

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geblich sei wie die Hugos von St. Viktor 701 . Eine Unterscheidung der Schwertergewalt in eine von Gott an den Papst verliehene potestas gladii und eine von Gott an den Kaiser verliehene executio gladii702 lehnt Johann (ähnlich wie Aegidius) ab. „Es gibt aber noch andere, die schreiben, der Papst habe von Gott die zeitliche Jurisdiktion kraft primärer Autorität, aber nicht die Exekutivgewalt, die dagegen der Kaiser besitze, nicht vom Papst, sondern von Gott [...] Aber diese Ausflucht ist völlig absurd.“703

Die Ableitung einer plenitudo potestatis des Papstes aus dessen Stellung als vicarius Christi weist Johann ebenfalls zurück, ohne freilich das päpstliche Christusvikariat an sich in Frage zu stellen. Grundsätzlich seien alle Priester als Nachfolger der Apostel mit der Stellvertretung Christi auf Erden betraut704. Die kirchliche Organisation bedarf jedoch einer hierarchischen Struktur, die in einem höchsten Bischof ihre Spitze hat, um bei eventuell auftretenden Streitigkeiten in Glaubensfragen die Einheit der Kirche wahren zu können. Dieser Höchste ist nach dem Willen des Herrn der römische Bischof, der Nachfolger Petri (successor Petri), der die Stellvertreterschaft Christi nicht nur wie ein Bischof in seiner Diözese, sondern in der ganzen Christenheit ausübt. Aus diesem Christusvikariat lassen sich für Johann aber ebenso wenig weltliche Herrschaftsansprüche des Papstes ableiten, wie aus der päpstlichen Stellung als Nachfolger Petri. Denn dem Papst als vicarius Christi steht nicht die Macht zu, die Christus als Gott hatte, sondern nur jene, die er als Mensch besaß. Als Mensch aber hat Christus ausdrücklich die Gewalt über zeitliche Dinge abgelehnt, was Johann anhand ausgewiesener Bibelzitate und patristischer Autoritäten nachweist705, und so zu dem Schluss kommt: 701

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Johannes Quidort, De regia potestate et papali c. 10. Zur Auslegung Bernhards durch Quidort vgl. UBL, Genese, S. 140. So etwa die Summa Reverentia sacrorum canonum (vgl. Anm. 257), oder auch Heinrich von Gent, Quodlibet VI, q. 23, ed. Wilson, Henrici de Gandavo Opera omnia 10, S. 210-222, S. 215 f.; vgl. UBL, Sozialphilosophie, S. 55 f. Johannes Quidort, De regia potestate et papali c. 10, S. 112: Sunt vero alii scribentes quod papa habet a Deo iurisdictionem temporalem secundum primam auctoritatem, sed executionem non habet. Sed imperator habet executionem non quidem a papa, sed a Deo, per quod volunt solvere aliqua praedictorum. [...] Sed ista evasio est omnino absurda. Johannes Quidort, De regia potestate et papali, Prooem. S. 72: ... praelatis ecclesiae [...] sunt vicarii Christii et apostolorum successores; ebd., c. 10, S. 109: ... ceteri episcopi in quantum sunt vicarii Christi et successores apostolorum. Über die Vorstellung der Stellvertreterschaft Christi durch die Gesamtheit der Bischöfe vgl. HARNACK, Aponius, sowie DERS., Christus praesens. Johannes Quidort, De regia potestate et papali c. 8, mit Verweisen etwa auf Joh. 18, 36, Luk. 12, 14-15.

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„Da Christus als Mensch kein Herrschaftsrecht über zeitliche Güter hatte, hat auch kein Priester als Stellvertreter Christi Machtbefugnisse darüber von Christus, da er ihm nicht übertragen hat, was er selbst nicht besaß.706“

Und weiter: „Selbst wenn man annimmt, Christus habe als Mensch die eben genannte Autorität und Machtbefugnis besessen [sc.: die Jurisdiktion über Laiengüter], so hat er sie dennoch nicht auf Petrus übertragen. Deshalb kommt dem Papst, insofern er Nachfolger Petri ist, diese Gewalt nicht zu. [...] Deshalb ist es auch, selbst wenn Christus seiner Menschheit nach beide Gewalten gehabt hat, nicht erforderlich anzunehmen, er habe beide dem Petrus übertragen, sondern er hat dann nur die geistliche Gewalt Petrus übertragen, die körperliche aber dem Kaiser zugeteilt, die er von Gott empfangen hat.“707

Der Papst ist letztendlich also nur Stellvertreter Christi in geistlichen Dingen, er ist vicarius Christi in spiritualibus708. Johann Quidort deutet zwar an, dass selbst dann, wenn Christus tatsächlich zeitliche Gewalt besessen haben sollte (wovon er nicht ausgeht), nicht der Papst, sondern der Kaiser diese Gewalt übertragen bekommen habe. Er unterlässt es jedoch, den Kaiser/König im folgenden als vicarius Christi in temporalibus zu charakterisieren. Möglicherweise fürchtete er den Häresievorwurf, den die Postulierung eines doppelten Christusvikariats nach sich ziehen konnte, doch wäre – folgt man Johanns Argumentation konsequent – ein königliches Christusvikariat in temporalibus ohnehin ein Widerspruch in sich, da Christus – wovon Johann und die Spiritualen ausgehen – gar keine zeitliche Gewalt besaß und also auch keinen Stellvertreter (auch nicht den König oder Kaiser) in zeitlichen Angelegenheiten benennen kann709. An dieser Stelle nun wäre eine Unterscheidung in ein königliches Gottes- und ein päpstliches Christusvikariat denkbar, denn die Beschränkung der Gewalt in temporalibus gilt freilich nur für Christus

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Johannes Quidort, De regia potestate et papali c. 8, S. 101 f.: ... Christus ut homo non habuit dominum in bonis temporalibus, quod sacerdos quicumque ut Christi vicarius non habet in praedictis potestatem a Christo, cum eis non contulerit quod in se non habuit. Johannes Quidort, De regia potestate et papali c. 10, S. 106: Dato etiam quod Christus ut homo praedictam autoritatem et potestatem habuerit, tamen Petro non commisit, et ideo papae ratione qua est successor Petri potestas praedicta non debetur. Johannes Quidort, De regia potestate et papali c. 18, S. 164: ... papa qui est Christi vicarius in spiritualibus ... Vgl. auch die wohl 1302 in Frankreich verfasste Quaestio in utramque partem, ed. Dyson, S. 108: Patet per dicta in corpore quaestionis quod Christus, triplicem potestatem habens, scilicet corporum, animarum et rerum temporalium, prima usus est sed non commisit, secunda usus est et commisit, tertia nec uti voluit nec commisit.

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(und auch nur für Christus als Mensch710), nicht aber für Gottvater, doch sieht Johann Quidort davon ab, diesbezüglich weitere Überlegungen anzustellen. Andere Autoren waren freilich weniger zurückhaltend, auch terminologisch diese rein dualistische Position zu vertreten und dem König das Gottesvikariat in temporalibus zuzuschreiben – und sollte Johann tatsächlich der Verfasser des Traktates Rex pacificus (1303) sein, so hat er selbst diese Zurückhaltung aufgegeben 711, wobei er aber auch in diesem Traktat die Begrifflichkeiten sorgsam gewählt hat. Denn während der Papst als vicarius C h r i s t i in spiritualibus bezeichnet wird, trägt der Inhaber der zeitlichen Gewalt hier das Vikariat Gottes (vice D e i )712. In De regia potestate et papali beschränkt sich 710

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Auch die Anschauung vom König als Abbild der göttlichen Natur Christi und dem Bischof als Abbild der menschlichen Natur Christi, wie sie etwa vom Normannischen Anonymus vertreten wurde, wäre an dieser Stelle zu erwarten. MACCARRONE, Vicarius Christi, S. 164. Sed quando dicitur papa est Christi vicarius, dico quod verum est in spiritualibus; sed bene habet alium vicarium in temporalibus, videlicet potestatem temporalem, quae, cum sit a Deo ... potest dici vices Dei gerere in regimine temporali. Auch hier wird die Bezeichnung vicarius C h r i s t i in temporalibus vermieden und statt dessen bezüglich der weltlichen Herrschaft das vice D e i agere verwendet. Vgl. SCHOLZ, Publizistik, S. 270 f. Dem Papst wird jedoch die weltliche Oberhoheit über den Kaiser zugestanden, nicht aber über den franz. König. Vgl. SCHOLZ, Publizistik, S. 271. Die dualistische Haltung, die göttliche Stellvertretung des Papstes auf die spiritualia zu beschränken und dem König das Gottesvikariat in temporalibus zuzuschreiben, übernahm man auch am französischen Königshof. In einer Rede, die wohl maßgeblich von Wilhelm von Nogaret verfasst worden ist und vom französischen Abgesandten Wilhelm von Plaisian vor Papst Clemens V. (1305-1314) 1308 in Poitiers gehalten wurde, heißt es, der französische König sei in seinem Reich der vicarius Dei in temporalibus, während dem Papst die Stellung des vicarius Christi in spiritualibus zukomme. Vgl. Heinrich FINKE, Templerorden Bd. 2, S. 142 f.: ... regem Francie, qui in regno suo est Dei vicarius in temporalibus, [...] papam, Christi vicarium in spiritualibus. Dazu auch FINKE, Templerorden Bd. 1, S. 200 ff. Über Nogaret als Verfasser der Rede vgl. WIERUSZOWSKI S. 104 f. mit Anm. 61 f. Auch hier scheint die Unterscheidung in vicarius D e i und vicarius C h r i s t i bewusst gewählt worden zu sein. Im Entwurf der Rede FINKE, Templerorden Bd. 2, S. 135 war der König noch als vicarius Christi in temporalibus charakterisiert: ... pater beatissime, qui estis urbis et orbis universalis episcopus, vicarius spiritualis in terris summi presulis Ihesu Christi, ac fratribus vestris, qui sunt columpne ecclesie sancte Dei ac per vos et ipsos omnibus Christicolis dominus noster Francie rex, dicti regis Iesu Christi in regno suo temporalis vicarius. Auch Kaiser Heinrich VII. berief sich in Urkunden auf die Vorstellung vom Imperator als Abbild und Stellvertreter Gottes in zeitlichen Angelegenheiten (MGH Const. 4, 1 Nr. 709, S. 688; vgl. DIECKMANN S. 40). Eindrucksvoll stellte er diesen Gedankengang ins Zentrum seiner Krönungsenzyklika, in der er mit Nachdruck seinen Universalherrschaftsanspruch gegenüber den Königen von England und Frankreich verkündete (MGH Const. 4, 2, Nr. 801, S. 802); vgl. DIECKMANN S. 38; BAETHGEN, Weltherrschaftsidee; LINDNER S. 247.

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Johann Quidort jedoch darauf, den König als minister Dei zu charakterisieren, so wie es der Apostel im Römerbrief getan hatte, was Johann im übrigen als weiteren Beweis für die königliche Gottunmittelbarkeit wertet, denn „Wenn der Papst weltliche Macht unmittelbar von Gott hat, und der Fürst die Exekutivgewalt vom Papst unmittelbar, so ist dann der Fürst Diener des Papstes wie der Papst Diener Gottes, was offenkundig kanonischer Schriftüberlieferung widerspricht. Der Apostel sagt nämlich im Römerbrief 13 (4-6) über König und Fürst: ,Wenn du Böses getan hast, fürchte dich! Denn er trägt nicht ohne Grund das Schwert. Er ist nämlich Diener Gottes, ein Rächer der Übeltaten im Zorn etc.„ Und weiter unten: ,Deswegen zahlt ihr Steuern. Sie sind nämlich Diener Gottes.„; es heißt also nicht ,des Papstes„, sondern ,Gottes„! ,Gerade dazu dient ihr nämlich„ (Rom 13, 6) – und wie die Glosse hinzufügt: ,Gott„.“713

Johann wendet sich also gegen eine Argumentation, wie sie später etwa Augustinus Triumphus in seiner Summa de potestate ecclesiastica führt, der aus dem königlichen minister Dei des Römerbriefs aufgrund der extrem hierokratischen Gleichsetzung von Gott und Papst einen minister papae macht.

1.6.

Dante Alighieri

Dante hat sich nicht nur als Dichter großer Werke wie der Divina commedia hervorgetan, sondern auch mit seiner Monarchia714 einen Traktat hinterlassen, der von einer außergewöhnlichen philosophischen Begabung zeugt. Dabei hat er nie ein ordentliches Studium an einer Universität absolviert, wenngleich kurze Aufenthalte in Bologna (1286/87) und Paris (1310) belegt sind. So blieb ihm, wie er selbst bescheiden sagte, nichts anderes übrig, als den Fürsten der Weisheit zu Füßen zu sitzen, und „das Brot der Engel“ zusammenzuklauben, das diesen bei ihrer Mahlzeit herunterfiel715. Die Entstehungszeit der Monarchia ist heftig umstritten. Bereits Friedrich Baethgen konstatierte, dass es „innerhalb des gesamten Zeitraums von etwa 713

714 715

Johannes Quidort, De regia potestate et papali c. 10, S. 112 f.: Item si papa habet a Deo potestatem saecularem immediate et princeps habet executionem a papa immediate, ergo princeps est minister papae sicut papa est minister Christi, quod videtur contra scripturam canonicam. Dicit Apostolus Ad Romanos XIII (4-6) de rege et principe: Si malefeceris, time! Non enim sine causa gladium portat. Dei enim minister est, vindex malorum in ira, etc. Et infra: Ideo praestatis tributa. Ministri enim Dei sunt. Non dicit „papae“ sed „Dei“! In hoc enim ipso servitis, Glossa: Deo. Dante Alighieri, Monarchia. Studienausgabe, edd. IMBACH/ FLÜELER. Dante Alighieri, Convivio I., c. i, 7-10, ed. Ricklin.

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1300 bis zum Tode Dantes [...] nur wenige Jahre (gibt), die man nicht für die Datierung in Betracht gezogen hätte716.“ Nachdem man lange Zeit annahm, sie sei 1310/13 oder sogar schon 1308 aus Anlass des bevorstehenden Italienzuges Heinrichs VII. entstanden, plädiert die neuere Forschung für das Jahr 1317717. Den Luxemburger hatte Dante 1310 jubelnd empfangen: „Freue dich nun, Italia, [...] denn dein Bräutigam, der Trost der Welt und der Stolz deines Volkes, der gnadenreiche Heinrich, der Göttliche und Augustus und Cäsar, eilt zur Hochzeit.718“ Doch musste der „unschuldig Verbannte“, wie Dante sich selbst immer wieder in seinen Briefen nannte, mit ansehen, wie Heinrich VII. in seinem Begehren, Italien zu befrieden, immer tiefer in die Wirren der norditalienischen Parteikämpfe zwischen Guelfen und Ghibellinen verstrickt wurde und der anfängliche Schwung des Italienunternehmens verebbte 719 . Welche Hoffnungen Dante in das Kaisertum Heinrichs VII. gesetzt hatte, wird aber nicht nur aus seinen zahlreichen Briefen ersichtlich, sondern lässt sich auch aus seinem Traktat Monarchia erkennen, in dem er die Idee des Kaisertums eindrucksvoll mit philosophischen Mitteln verteidigt. Die Monarchia ist in drei Bücher unterteilt, die mit einem kurzen Prolog beginnen, in dem Dante die Leitfrage des Buches formuliert. So soll im ersten Buch erörtert werden, ob die Monarchie für das Wohl der Welt notwendig sei720; im zweiten Buch wird der Frage nachgegangen, ob das römische Volk 716 717 718 719 720

BAETHGEN, Entstehungszeit, S. 4. Zur Frage der Entstehungszeit vgl. BAETHGEN, Entstehungszeit. KANNEGIESSER S. 175. Vgl. Dantes Brief an Heinrich VII. aus dem Jahre 1311, KANNEGIESSER S. 186-193. Auch für Dante gliedert sich die menschliche Gesellschaft in die aus der aristotelischen Politik entnommenen Formen von der häuslichen Gemeinschaft über das Dorf und die Stadt hin, bis – und das über Aristoteles hinaus – zum Königreich (regnum). Jede dieser Gemeinschaften ist auf ein von Gott bestimmtes Ziel hin ausgerichtet. Die originelle Leistung Dantes besteht darin, neben den genannten gesellschaftlichen Organisationsformen auch die menschliche Gesamtheit (universitas hominum) als politische Gemeinschaft zu postulieren und nach dem ihr eigentümlichen Ziel (finis universalis civilitatis humani generis) zu fragen. Nach Dante unterscheidet sich der Mensch von anderen Lebewesen dadurch, dass er mit Verstand begabt ist. Diese Fähigkeit erlaubt es ihm, ausgehend von gewissen Prinzipien der Erkenntnis neue Einsichten hinzu zu gewinnen. Die Verwirklichung oder Aktualisierung dieses menschlichen Vermögens, der Erkenntnisfähigkeit – des intellectus possibilis – ist somit das Ziel der menschlichen Gesamtheit. Doch kann ein einzelner Mensch und auch eine Gruppe von Menschen nur einen geringen Teil an Erkenntnissen gewinnen, niemals aber die Gesamtheit aller möglichen Erkenntnisse. Daher „ist es notwendig, dass es in der menschlichen Gattung eine Vielheit gibt, durch welche dieses ganze Vermögen verwirklicht wird“ (Dante, Monarchia I, iii, 8). Diese Vielheit ist eben die menschliche Gesamtheit, welcher wiederum der Monarch, d. h. der Kaiser, vorsteht, was Dante in den einzelnen Kapiteln des ersten Buches mit verschiedenen Vernunftargumenten nach streng syllogistischem Muster beweist. Damit aber der intellectus possibilis verwirklicht werden kann, ist der

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von Rechts wegen das Amt des Monarchen für sich in Anspruch genommen habe, und im dritten Buch will Dante zeigen, dass die Autorität des Monarchen unmittelbar von Gott abhängt und nicht durch einen Diener oder Stellvertreter Gottes – also den Papst – vermittelt wird 721 . Dabei widerlegt er zunächst Schritt für Schritt die gängigen Argumente der Papalisten722, ehe er im letzten

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Zustand des allgemeinen Friedens (pax universalis) eine Grundvoraussetzung; er ist sozusagen der Weg zum Ziel der Erkenntnisvollkommenheit. Die komplexe Intellekttheorie des Mittelalters geht auf eine Unterscheidung in Aristoteles, De anima III, 5, S. 83 f. zurück, wo von einem intellectus agens, der alles zu wirken vermag und einem intellectus possibilis, der alles zu werden vermag, die Rede ist. Die Problematik der Annahme eines dem Menschengeschlecht gemeinsamen intellectus possibilis durch Dante wird deutlich, wenn man bedenkt, dass sich der florentinische Dichterphilosoph nicht zuletzt wegen seiner Äußerung in Monarchia I, iii, 9: Et huis sententie concordat Averrois in comento super hiis que De anima dem Vorwurf des Averroismus aussetzte. Der Dominikaner Guido Vernani erhob diese Anschuldigung Jahrzehnte später in seinem Traktat De reprobatione Monarchie vehement. Der Vorwurf Averroist zu sein, war besonders gefährlich, weil die Intellekttheorie des Averroes mit der christlichen Auferstehungslehre in Konflikt kam. „Averroes verstand unter dem intellectus possibilis ein Einzelwesen, eine intellektuelle, von jeder Körperlichkeit freie Substanz, kurz das, was das Christentum einen Engel nennt, und er lehrte, dass für den einzelnen Menschen das Erkennen einfach darin bestehe, an dieser oder jener Erkenntnis dieses Intellekt teilzuhaben.“, GILSON S. 198. Durch diese Theorie drohte dem Subjekt der individuelle intellectus possibilis abhanden zu kommen, also quasi das, was ihm nach christlichem Verständnis bei der Auferstehung wieder geschenkt werden sollte. Vgl. auch IMBACH, für den die neue Auslegung der aristotelischen Intellekttheorie durch Dante auf „mehreren produktiven Mißverständnissen“ (S. 35) beruht. Zur aristotelisch-averroistischen Intellekttheorie vgl. SCHULTHESS/IMBACH S. 207-214. Zur Debatte, ob Dante Averroist oder Thomist war, vgl. GILSON S. 197-201; MACCARRONE, Il terzo libro; NARDI; OGOR. Dante, Monarchia I, ii, 3, S. 62: Maxime autem de hac tria dubitata queruntur: primo nanque dubitatur queritur an ad bene esse mundi necessaria sit; secundo an romanus populus de iure Monarche offitium sibi asciverit; et tertio an auctoritas Monarche dependeat a Deo immediate vel ab alio, Dei ministro seu vicario. Der Nachweis der Gottunmittelbarkeit des Kaisers kann wohl als Dantes wichtigstes Anliegen in seinem staatstheoretischen Traktat Monarchia angesehen werden. Ähnlich wie bei einer questio disputata, erreicht die Monarchia in ihrer determinatio nicht nur ihren Abschluss, sondern auch ihren Höhepunkt. Vgl. Monarchia III, xv, 2, S. 240: Et ideo, ad perfectam determinationem propositi, ‚ostensive‟ probandum est Imperatorem, sive mundi Monarcham, immediate se habere ad principem universi, qui Deus est. Über die Bedeutung der determinatio bei der questio disputata vgl. CHENU S. 93-97. So wendet er sich gegen Analogieschlüsse wie die Lichterallegorie, wonach Gott in der Genesis Sonne und Mond geschaffen habe und die Sonne mit dem Papst, der schwächer leuchtende Mond mit dem Kaiser personifiziert wird. Denn bei Analogieschlüssen sei zu beachten, „dass man sich hinsichtlich des mystischen Sinnes in zweifacher Weise täuschen kann, entweder, wenn man einen solchen sucht, wo es gar keinen gibt, oder wenn man ihn anders versteht, als er verstanden werden muß“ (Monarchia III, iv, 6, S.

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Kapitel des dritten Buches einen positiven Beweis für die Gottunmittelbarkeit des Kaisers aufstellt. Dante beschreibt den Menschen als das einzige Lebewesen, das in der Mitte zwischen Vergänglichem und Unvergänglichem stehe, somit an beiden Naturen teilhabe, und das von den zwei wesentlichen Teilen, nämlich dem Körper und der Seele, regiert werde. Bei dieser Konzeption des Menschen als Wesen der Mitte bedient sich Dante erneut der Lehre der Aristoteles. Da beide Naturen des Menschen auf ein bestimmtes letztes Ziel ausgerichtet sind, ist er in der Lage, ein zweifaches Ziel des Menschen zu postulieren723: die Erlangung der Glückseligkeit des irdischen wie des ewigen Lebens. Hatte Thomas von Aquin noch beide Ziele mit Hilfe seiner Hierarchie der Zwecke in ein gewisses Über- und Unterordnungsverhältnis gebracht und damit dem weltlichen Bereich letztlich nur eine relative Eigenständigkeit zugestanden, so trat Dante für die völlige Unabhängigkeit beider Ziele und Bereiche voneinander ein, ohne damit freilich dem Streben nach der ewigen Glückseligkeit die grundsätzlich größere Bedeutung absprechen zu wollen724. Hinsichtlich der Verwirklichung ihrer beiden Ziele braucht die Menschheit einen jeweils eigenen Lenker, den Kaiser bzw. den Papst. Das eine Ziel, die irdische Glückseligkeit, besteht in der Verwirklichung der eigenen Fähigkeiten, d. h. in der ständigen Aktualisierung des intellectus possibilis. Das andere Ziel, die ewige Glückseligkeit, besteht in der Schau Gottes. Die Mittel, die zur Verwirklichung dieser Ziele zur Verfügung stehen, sind für das irdische Ziel die philosophische Unterweisung und der Verstandesgebrauch725, für das ewige Ziel die geoffenbarten Wahrheiten und die geistliche Unterweisung. Der irdische Lenker, der Kaiser, hat nun die Aufgabe, mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln den Zustand der pax universalis herzustellen, der von Dante im

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192: ... quod circa sensum misticum dupliciter errare contingit: aut querendo ipsum ubi non est, aut accipiendo aliter quam accipi debeat). Im Falle der Lichterallegorie hätte Gott die Ordnung auf den Kopf gestellt, da der Mensch am sechsten Tag geschaffen worden ist, die Lichter aber, die gewisse Akzidenzen der Menschen darstellen sollen, schon früher, nämlich am vierten Tag. Dante, Monarchia III, xv, 6, S. 242: ... sic solus inter omnia entia in duo ultima ordinetur, quorum alterum sit finis eius prout corruptibilis est, alterum vero prout incorruptibilis. Thomas von Aquin, STh I-I, q. 23, a. 1, co.: Finis autem ad quem res creatae ordinatur a Deo est duplex. Unus qui excedit proportionem naturae creatae et facultatem; et hic finis est vita aeterna quae in divina visione consistit, quae est supra naturam cuiuslibet creaturae, ut supra habitum est. Alius autem finis est naturae creatae proportionatus quem scilicet res creata potest attingere secundum virtutem suae naturae. Über die Unterscheidung von duplex finis und duo ultima bei Thomas und Dante vgl. NARDI S. 66-96. Auch das ist ein fundamentaler Unterschied zu Thomas von Aquin, der dem König die heilige Schrift als Wegweiser für seine Handlungen empfahl: De reg. I, 15.

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ersten Buch als die Grundvoraussetzung für die Verwirklichung des intellectus possibilis der menschlichen Gesamtheit ausgemacht worden war. Entscheidend für die Gottunmittelbarkeit des Monarchen ist die Anwendung des metaphysischen Prinzips von der Nachahmung der Natur und des Himmels durch den Menschen. „Und da die Ordnung dieser Welt der Ordnung der himmlischen Bewegung folgt, ist es [...] notwendig, dass dieser Fürsorger [sc.: der römische Herrscher] von Jenem bestimmt werde, der die ganze Ordnung des Himmels ständig schaut.“726

Für Dante fungiert Gott nicht, wie Hans Kelsen irrtümlich meinte, nur als causa remota, indem er den Menschen mit einem natürlichen Vergesellschaftungstrieb ausgestattet hat727, der Kaiser wird vielmehr unmittelbar von Gott erwählt. Ausdrücklich verweist Dante darauf, dass sich die Gottunmittelbarkeit des Kaisers nicht nur auf das Amt, sondern auch auf die Person bezieht. Die Kurfürsten trügen ihren Namen zu unrecht, denn nicht ihr Wille, sondern der Wille Gottes stehe hinter der Wahl des Kaisers. „Wenn sich dies so verhält, dann wählt Gott allein, und er allein bestätigt, da er niemanden über sich hat. Daraus ergibt sich zudem, dass weder jene, die jetzt diesen Titel führen, noch andere, die in irgend einer Weise früher Kurfürsten genannt wurden, so zu nennen sind. Vielmehr sind sie eher als Verkünder der göttlichen Vorsehung anzusehen. Daher kommt es, dass jene, denen diese Würde des Verkündens aufgetragen ist, manchmal uneinig sind, entweder weil alle oder einer von ihnen vom Nebel der Begierde umnachtet sind und so das Angesicht der göttlichen Bestimmung nicht erkennen.“ 728

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Dante, Monarchia III, xv, 12, S. 244 ff.: Cumque dispositio mundi huius dispositionem inherentem celorum circulationi sequatur, necesse es [...], de curatore isto dispensari ab Illo qui totalem celorum dispositionem presentialiter intuetur. Zur Nachahmung von Natur und Himmel vgl. auch Monarchia I, viii, ebd. I, ix. Vgl. KELSEN S. 88 f., der in Dante gar einen Anhänger der Volkssouveränität sieht. Dante unterscheidet in seiner Argumentation überhaupt nur zwischen einem unmittelbar von Gott und einem mittelbar durch den Papst von Gott stammenden Kaisertum (Monarchia III, 15, 1-2). Das römische Volk wird im Zusammenhang mit der Übertragung der kaiserlichen Gewalt nicht erwähnt. Der Übergang von der Republik (als das römische Volk von Gott mit der Weltherrschaft beauftragt war, vgl. Monarchia II.) zur Kaiserzeit wird von Dante nicht mit Hilfe einer Gewaltübertragung durch das Volk begründet, wie es KELSEN S. 89 zumindest zwischen den Zeilen bei Dante vermuten möchte. Vielmehr sind sowohl das Volk (in der Republik) als auch der Kaiser (bis ins Mittelalter) unmittelbar von Gott zur Herrschaft erwählt worden. Dante, Monarchia III, xv, 13 f., S. 246: Quod si ita est, solus eligit Deus, solus ipse confirmat, cum superiorem non habeat. Ex quo haberi potest ulterius quod nec isti qui nunc, nec alii cuiuscunque modi dicti fuerint ‚electores„, sic dicendi sunt: quin potius ‚denuntiatores divine providentie„ sunt habendi. Unde fit quod aliquando patiantur

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Im Grunde nehmen die Kurfürsten damit eine Stellung ein, die mit der des Propheten Samuel bei der Erhebung Sauls vergleichbar ist. Auch dieser agierte damals als ein Bote, der den Willen Gottes verkündete, der aber selbst keinen substantiellen Anteil an der Entscheidung hatte, Saul zum König zu erheben (bzw. später wieder abzusetzen). Die Hierokraten hatten wie gesehen aus der Einsetzung Sauls durch Samuel die allgemeine Überordnung der geistlichen Gewalt abgeleitet und dem Papst das Recht zur Herrschereinsetzung zugesprochen. Dante jedoch wertet dieses Beispiel als einen Beweis der Gottunmittelbarkeit des weltlichen Herrschers und weist die hierokratischen Schlussfolgerungen zurück. Denn der Papst, so Dante, sei bekanntlich der Stellvertreter Gottes (vicarius Dei), Samuel aber habe bei der Erhebung (und Absetzung) Sauls nicht als Stellvertreter Gottes, sondern als Bote Gottes (nuntius Dei) gehandelt. Die Befugnisse eines Boten unterscheiden sich aber von denen eines Stellvertreters, denn: „Ein Stellvertreter ist derjenige, dem die Rechtsprechung nach dem Gesetz oder nach eigenem Gutdünken anvertraut ist; und deshalb kann er innerhalb der Grenzen der ihm anvertrauten Rechtsprechung nach dem Gesetz oder seinem Gutdünken in Fällen handeln, von denen der Herr gar nichts weiß. Ein Bote aber vermag dies als Bote nicht, sondern so wie der Hammer nur kraft des Handwerkers arbeitet, ebenso handelt der Bote auch nur nach dem Gutdünken dessen, der ihn schickt.“729

Dante deutet Samuel nur als Sprachrohr, als Überbringer des göttlichen Willens, dem selbst – ebensowenig wie nun den Kurfürsten – kein substantieller Anteil an der Entscheidung der Herrschererhebung zukomme. Mit dieser Deutung spricht Dante der Person Samuels jegliche konstituierende Bedeutung hinsichtlich der Erhebung Sauls ab und verhindert zugleich, dass sich der Papst als vicarius Dei in die Tradition des nuntius Dei Samuel stellen kann. Der Dominikanertheologe Guido Vernani ging in De reprobatione Monarchiae 730 , seiner um 1330 verfassten Widerlegungsschrift zu Dantes Monarchia, ausführlich auf die von Dante vorgenommene Unterscheidung zwischen nuntius und vicarius Dei ein und versuchte seinerseits zu zeigen, dass Samuel bei der Königserhebung Sauls – auch wenn er den Willen Gottes empfangen habe – letztlich doch auch auctoritate sacerdotii gehandelt habe,

729

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dissidium quibus denuntiandi dignitas est indulta, vel quia omnes vel quia quidam eorum, nebula cupiditatis obtenebrati, divine dispensationis faciem non discernunt. Dante, Monarchia III, vi, 5, S. 202: Nam vicarius est cui iurisdictio cum lege arbitrio commissa est; et ideo intra terminos iurisdictionis commisse de lege vel de arbitrio potest agere circa aliquid, quod dominus omnio ignorat. Nuntius autem non potest in quantum nuntius; sed quemadmodum malleus in sola virtute fabri operatur, sic nuntius in solo arbitrio eius qui mictit illum. Guido Vernani, De reprobatione Monarchiae, ed. Kaeppeli.

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dass er also nicht nur der nuntius Dei, sondern auch der eigenverantwortlich agierende vicarius Dei gewesen war731. Aufgrund der vollständigen Unabhängigkeit des weltlichen Herrschaftsbereichs von Kirche und christlicher Religion sieht Ernst Kantorowicz nicht zu unrecht in Dante einen „Vertreter der säkularen Staatsidee“732, und ebenso hat die Einschätzung von Francis Cheneval ihre Berechtigung, Dantes Monarchia „aufgrund ihrer philosophisch-politischen Relevanz als Legitimationsschrift säkularer Monarchie [...] in einer Darstellung der frühneuzeitlichen politischen Philosophie“733 zu berücksichtigen. Andererseits bedeutet diese Säkularisierung, also die Unabhängigkeit der weltlichen Herrschaft von Kirche und Papsttum, keine Entsakralisierung, wie Dirk Lüddecke zu Recht hervorhob734, und Heiner Bielefeldt und Charles T. Davis sprechen mit Blick auf Dantes Vorstellung einer unmittelbar von Gott vorgenommenen Kaiserwahl und seiner Charakterisierung der Kurfürsten als bloße Verkünder des göttlichen Willens von einer Sakralisierung des Kaisertums durch den Florentiner Dichterfürsten 735 . Bei dem Versuch einer philosophiegeschichtlichen Einordnung entzieht sich Dantes Monarchia letztlich so grundsätzlichen Kategorien wie „mittelalterlich“ und „neuzeitlich“, ebenso wie die darin entworfene Herrschaftskonzeption mit den Begriffen „sakral“ und „säkular“ nicht adäquat erfasst werden kann, oder anders ausgedrückt: Säkularisierende und sakralisierende Elemente stehen in der Monarchia gleichermaßen nebeneinander.

1.7.

Marsilius von Padua

Um 1280 in Padua geboren736, studierte Marsilius die artes in Paris, wo er der Universität von Dezember 1312 bis März 1313 als Rektor vorstand. Im Jahre 1319 ist er als Gesandter des Cangrande della Scala von Verona und des Matteo Visconti von Mailand an den Hof des Grafen de la Marché bezeugt, 731 732 733 734 735 736

Ebd. S. 140 f. KANTOROWICZ, zwei Körper, S. 450. CHENEVAL S. 401. LÜDDECKE S. 560. BIELEFELDT S. 95, 99, 101; DAVIS S. 67-79, S. 78. Zur Biographie vgl. immer noch HALLER. Einen Überblick über die reichhaltige Literatur zu Marsilius gibt MIETHKE, Literatur; vgl. DERS., De potestate papae, S. 206 Anm. 617.

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ehe er sich seit 1320 wieder in Paris dem Studium Philosophie und Medizin widmete. Hier entwickelte er eine freundschaftliche Beziehung zu Johannes von Jandun, dem damals führenden Kopf der Pariser Averroisten, der den Zeitgenossen und lange Zeit auch der modernen Forschung zu Unrecht als Mitverfasser des 1324 vollendeten Defensor Pacis galt, dem Hauptwerk des Marsilius737. 1326 mussten beide aufgrund der im Defensor Pacis geäußerten radikalen Kirchenkritik schließlich aus Paris an den Hof Kaiser Ludwigs des Bayern fliehen. Beide begleiteten Ludwig 1327 auf seinem Zug nach Rom, wo Marsilius bis 1328 als kaiserlicher Vikar fungierte. Johannes von Jandun starb bereits 1328, Marsilius blieb bis zu seinem Tode als Arzt und politischer Berater des Kaisers tätig. Gleich zu Beginn des Defensor Pacis erklärt Marsilius von Padua anhand ausgewählter Bibelzitate, dass Frieden und Ruhe die Ziele sind, nach der jede menschliche Gemeinschaft strebt. Ziel seiner Überlegungen ist es, die Gründe für die Störung des Friedens aufzuzeigen, um somit zu deren Beseitigung beizutragen. Die Ursachen der Friedensstörung können vielfältiger Natur sein, worauf schon Aristoteles in seiner Politik hingewiesen habe, doch gibt es eine, „an der das römische Reich schon lange gelitten hat und beständig leidet738“, die der große Philosoph noch nicht kennen konnte, da sie erst nach seiner Zeit entstanden ist. Damit zielt Marsilius auf das Papsttum und dessen Weltherrschaftsansprüche. Gewidmet ist der Defensor Pacis dem deutschen König Ludwig IV., der dieses Werk als Hilfe für seine Regierung verstehen soll. Der Grund für die Vergesellschaftung der Menschen liegt bei Marsilius in der Notlage, in der sich der Mensch als „Mängelwesen“ befindet. Er ist letztlich auf das Leben in der Gemeinschaft angewiesen, um überleben zu können. Der Zweck des menschlichen Zusammenschlusses ist aber nicht nur die sufficentia vitae, sondern auch das bene vivendi739, worunter Marsilius ein Leben versteht, in dem der Mensch „frei für die edlen Lebensaufgaben [ist], wie sie den Kräften einer praktisch wie theoretisch gerichteten Seele angemessen sind.740“ Zwar verzichtet Marsilius auf die Charakterisierung des Menschen als animal sociale et politicum und hebt stärker als etwa Thomas von Aquin in seinem Fürstenspiegel das voluntaristische Moment der Staa737 738 739

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Marsilius von Padua, Defensor Pacis, ed. Richard Scholz (= MGH Fontes iuris 7). Defensor Pacis I, i, 3, S. 5. Defensor Pacis I, iv, 1, S. 16: Quod autem dixit Aristoteles: vivendi gracia facta, existens autem gracia bene vivendi, significat causam finalem ipsius[ sc.: civitatis] perfectam, ... Ebd.: ... bene vivunt, vacantes scilicet operibus liberalibus, qualia sunt virtutum tam practice, quam speculative anime. Diese und folgende deutsche Übersetzungen aus dem Defensor pacis richten sich nach Kusch/ Kunzmann (Hgg.), Marsilius von Padua. Der Verteidiger des Friedens (= Leipziger Übersetzungen und Abhandlungen zum Mittelalter 2).

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tenbildung hervor, doch kann von einer Ablehnung der naturrechtlichen Staatsauffassung bei Marsilius nicht die Rede sein. An verschiedenen Stellen seines Defensor Pacis erklärt er in Anlehnung an Aristoteles, es lebe „von Natur aus in allen [Menschen] ein Trieb nach einer solchen staatlichen Gemeinschaft“741. Die Modernität, die die Konzeption des Marsilius auf den heutigen Betrachter ausstrahlt, beruht vor allem auf der Lehre der „Volkssouveränität“742. Marsilius identifiziert, wie schon die Glosse des Accursius, die Herrschaftsgewalt grundsätzlich mit der Gesetzgebungskompetenz, da das Gemeinwesen mittels des Gesetzes regiert und gelenkt wird. Dass die Gesetzgebungskompetenz (und damit die Herrschaftsgewalt) beim Volk liegt, wird von Marsilius aber nicht mit der lex regia begründet, obwohl er diese zweifelsohne gekannt hat. Felice Battaglia hat plausibel begründet, dass Marsilius bei seiner Konzeption der Volkssouveränität im Defensor Pacis in erster Linie die Verhältnisse der oberitalienischen Stadtrepubliken im Sinn hatte und daher wohl die lex regia, die primär nur auf den populus Romanus bezogen war, nicht herangezogen hat743. Erst in seinem Defensor minor, der 1342 entstanden sein dürfte, nimmt Marsilius in erster Linie das Imperium in den Blick und sieht den populus Romanus insofern zur Weltherrschaft berechtigt, als dass die von Rom unterworfenen Völker und Provinzen ihre Gesetzgebungskompetenz an das römische Volk übertragen hätten, welches seinerseits dann einen Kaiser eingesetzt habe744. Im Defensor Pacis führt Marsilius den Beweis der Volkssouveränität im wesentlichen aristotelisch, wobei deutliche Anklänge an die thomasische These vom Selbstlenkungsrecht der Gemeinschaft mittels der Gesetzgebungskompetenz zu verzeichnen sind, ohne dass sich Marsilius jedoch direkt auf den Aquinaten beruft745. Die zentrale Aussage ist, dass die Gesetzgebungskompetenz dem zustehe, von dem die besten Gesetze für den 741

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Defensor Pacis I, xiii, 2, S. 70: Propter quod eciam Aristoteles 1 Politice, capitulo 1 inquit: Natura quidem igitur in omnibus impetus est ad talem communitatem, civilem scilicet. Vgl. Defensor Pacis I, iv, 3, S. 17 f. Zur Diskussion um den Voluntarismus bei Marsilius vgl. MIETHKE, De potestate papae, S. 213; im Politikkommentar von Marsilius und J. v. Jandun wird der Mensch als animal sociale et politicum beschrieben, vgl. WALTHER, Imperiales Königtum, S. 172. Vgl. SYROS, bes. die Literaturverweise S. 237 Anm. 44; SCHOLZ, Publizistik, S. 452 f.; DERS., Genesis, bes. S. 99; DERS., Demokratie, bes. S. 80; Kritisch dazu BIELEFELDT S. 123-127, sowie KIELMANSEGG S. 63 ff. BATTAGLIA; vgl. BARON S. 328 f. Vgl. die vorige Anmerkung. Vgl. Defensor Minor c. 12, 1, ed. Jeudy/Quillet, Quevres mineures, S. 254.Vgl. STRUVE, Cola di Rienzo, S. 218. Was freilich nicht zwingend auf eine Benützung der STh durch Marsilius hinweist, da Thomas seinerseits diese These aus Aristoteles schöpfte. Vgl. STRUVE, Defensor pacis, S. 194 f.

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Staat und das Gemeinwohl ausgehen können746. Dies sei die Gesamtheit der Bürger oder deren Mehrheit, die die Gesamtheit vertritt. Denn: „Dessen Wahrheit wird am sichersten beurteilt und dessen Nutzen für die Allgemeinheit am sorgfältigsten beachtet, worauf die Gesamtheit der Bürger mit Verstand und innerer Anteilnahme ihre Aufmerksamkeit richtet. Einen Mangel an der Gesetzesvorlage kann nämlich eine größere Zahl eher bemerken als ein Teil von ihr. [...] Ferner wird aus dem ganzen Volk heraus der Nutzen des Gesetzes für die Allgemeinheit schärfer beachtet, weil niemand sich wissentlich schadet. Dort aber kann jeder beliebige überblicken, ob der Gesetzesentwurf mehr zum Vorteil eines einzelnen oder gewisser Leute 747 neigt als zu dem der anderen oder der Gemeinschaft, und kann Einspruch erheben.“

Mit anderen Worten: Die Gesetze dienen zur Lenkung des Staates und damit dem Wohl der Allgemeinheit. Das Wohl der Allgemeinheit hat am besten die Allgemeinheit selbst im Sinn, und nicht ein Monarch, der versucht sein könnte, mit seinen Gesetzen nur den eigenen Vorteil zu verfolgen. Konsequent entwickelt Marsilius eine organologische Staatsauffassung, in der die Gesamtheit der Bürger748 als das erste bewegende Prinzip – die Seele des staatlichen Körpers – erscheint749. Entsprechend der aristotelischen Organologie gilt: „Die Seele der Gesamtheit der Bürger oder ihrer Mehrheit bildet im Staate zuerst einen dem Herzen entsprechenden Bestandteil oder muss ihn bilden; in diesen Teil setzt die

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Vgl. SYROS, der S. 237 zurecht darauf hinweist, „that Aristotle‟s theory of the sovereignty of the multitude applies soley to the task of appointing and calling the ruler and the magistrates to account. Marsilius, on the other hand, extends the validity of this doctrine to legislation“. Defensor Pacis I, xii, 5, S. 66: quoniam illius veritas cercius iudicatur, et ipsius communis utilitas diligencius attenditur, ad quod tota intendit civium universitas intellectu et affectu. Advertere enim potes magis defectum circa propositam legem statuendam maior pluralitas quacumque sui parte [...]. Adhuc ex universa multitudine magis attenditur legis communis utilitas, eo quod nemo sibi nocet scienter. Ibi autem inspicere potest quilibet, an lex proposita magis declinet ad cuiusdam aut quorundam commodum, quam aliorum vel communitatis et in contrarium reclamare. Bürger sind für Marsilius in Anlehnung an Aristoteles, Politik III, cc. 1-3 [1274b-1276b], S. 154-160 diejenigen, „die in der staatlichen Gemeinschaft an der regierenden, beratenden oder richterlichen Gewalt teilhat, je nach sozialen Rang.“ (... eum qui participat in communitate civili, principatu aut consiliativo secundum gradum suum.). Dieser Bürgerbegriff ist für BIELEFELDT S. 124 f. auch der Grund, bei der Verwendung des Begriffs „Volkssouveränität“ im Defensor pacis Vorsicht walten zu lassen. Zur organologischen Staatsauffassung bei Marsilius vgl. STRUVE, organologische Staatsauffassung, S. 257-288.

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Seele eine gewisse Kraft oder Form und dazu eine aktive Gewalt oder Vollmacht, die 750 übrigen Bestandteile des Staates einzurichten. Dieser Bestandteil ist die Regierung.“

Und weiter: „Die Gewalt zur Einsetzung der Regierung oder deren Wahl kommt dem Gesetzgeber 751 oder der Gesamtheit der Bürger ebenso zu wie nach I, 12 die Gesetzgebung.“

Das Volk bestimmt also den Herrscher durch Wahl752 und überträgt ihm die Gesetzgebungskompetenz. Anders als etwa Laurentius Hispanus (und im kirchlichen Bereich auch Aegidius Romanus und Johann Quidort753) erachtete Marsilius die Wahl des Volkes aber nicht nur als eine Bestimmung der Herrscherperson, an die dann die Gewalt unmittelbar von Gott verliehen wird. Wie gesehen erblickte Aegidius Romanus die causa formalis (der päpstlichen Herrschaft) in Gott, die Bestimmung der Materie hingegen in der von Menschen durchgeführten Wahl. Marsilius hingegen erklärt mit Hilfe der aristotelischen Physik: „Wer die Form zu schaffen hat, der muss auch das Substrat bestimmen. [...] Da es also der Gesamtheit der Bürger zusteht, die Form zu erzeugen, nach der alles Handeln im Staate geregelt werden soll, das Gesetz, so wird es offenbar Aufgabe derselben Gesamtheit sein, die Materie oder das Substrat dieser Form zu bestimmen, das nach dieser Form das Handeln der Menschen im Staate zu ordnen hat, nämlich den regierenden 754 Bestandteil.“

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Defensor Pacis I, xv, 6, S. 88 f.: Nam ab anima universitatis civium aut eius valencioris partis formatur aut formari debet in ea pars una primum proporcionata cordi, in qua siquidem virtutem quandam seu formam statuit cum activa potencia seu auctoritate instituendi partes reliquas civitatis. Hec autem pars est principatus. Defensor Pacis I, xv, 2, S. 85: potestatem factivam institucionis principatus seu eleccionis ipsius ad legislatorem seu civium universitatem, quemadmodum ad eandem legumlacionem diximus pertinere 12... Zwar bevorzugt Marsilius deutlich die Wahlmonarchie als Regierungsform, setzt sich aber auch mit anderen Herrschaftsformen, die er im wesentlichen Aristoteles entnimmt, auseinander. In der Frage nach der Notwendigkeit einer Universalmonarchie scheint Marsilius eher der „nationalstaatlichen“ Argumentation eines Johann Quidort zu folgen als der imperialen Idee eines Engelbert von Admont oder Dante, äußert sich aber letztlich nicht definitiv zu diesem Thema. Defensor Pacis I, xvii, 10, S. 118: Utrum autem universitati civiliter vivencium et in orbe totali unicum numero supremum omnium principatum habere conveniat [...] racionabilem habet perscrutacionem, aliam tamen ab intencione presenti. Während Laurentius Hispanus die Verhältnisse im kirchlichen (Papstwahl) und weltlichen (Kaiserwahl) Bereich gleichsetzte, ist dies bei Quidort nicht zwingend zu schlussfolgern. Defensor Pacis I, xv, 3, S. 86: Cuius enim est generare formam aliquam, ipsius est determinare subiectum [...]. Cum igitur ad civium universitatem pertineat generare formam, secundum quam civiles actus omnes regulari debent, legem scilicet, eiusdem

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Freilich stand auch für Marsilius der göttliche Ursprung der Herrschergewalt außer Zweifel. Die Frage, auf welchem Wege Gott dem Volk die Gewalt/Gesetzgebungskompetenz überträgt, steht jedoch im Defensor Pacis nicht im Vordergrund, sie ist nicht Gegenstand der Untersuchung. Jean Quillet wies zurecht mit Nachdruck auf die auch bei Marsilius anzutreffende Lehre von Gott als causa remota der Herrschereinsetzung hin. „Aber weil wir uns in diesem Buche mit den Ursachen und Handlungen beschäftigen, die zumeist den führenden Bestandteil schaffen sollen, wollen wir zuvor ein Verfahren und eine Ursache nennen, durch die dieser Bestandteil tatsächlich schon geschaffen worden ist, wenn auch selten [...]. Diese Verfahrensweise [...] war der göttliche Wille, der dies unmittelbar gebot.“755.

Als Beispiel eines unmittelbar durch Gott berufenen Herrschers führt Marsilius „Moses und gewisse andere Richter nach ihm756“ an. Und auch heute noch verleihe Gott die weltliche Herrschaft, jedoch nicht mehr unmittelbar, sondern gleichsam als causa remota. „Anders aber ist die Einsetzung der Regierungen unmittelbar aus dem menschlichen Geiste, wenn auch aus Gott als der entfernten Ursache, der alle irdische Regierung auch verleiht [...]; das erfolgt jedoch nicht immer unmittelbar, vielmehr in den meisten Fällen und fast überall bildet Gott die Regierungen durch den Geist der Menschen, denen er die Entscheidung über eine solche Einsetzung überlassen hat.“757

Und an anderer Stelle: „Der Herrscher, zwingender Richter in dieser Welt nach Gottes Ordnung, obwohl unmittelbar infolge Einsetzung durch den menschlichen Gesetzgeber oder einen anderen menschlichen Willen...“758

755

756 757

758

universitatis esse videbitur huius forme determinare materiam seu subiectum, cuius, secundum hanc formam, est disponre civiles hominum actus, partem scilicet principantem. Defensor Pacis I, ix, 2, S. 39: Verum quia de causis et accionibus, a quibus secundum plurimum pars principans creari debet, intendimus in hoc libro, antea volumus dicere modum et causam, per quem iam creata fuit pars hec, licet raro [...]. Hic autem modus [...] fuit divina voluntas, immediate hoc precipiens ... Ebd.: ... Moysi et quorundam aliorum iudicum post ipsum ... Ebd., S. 40: Alia vero est principatuum institucio, que scilicet ab humana mente immediate provenit, licet a Deo tamquam a causa remota, qiu omnem principatum terrenum eciam concedit [...]; quod tamen non est immediate semper, quinimo ut in pluribus et ubique quasi hos statuit per hominum mentes, quibus talis institucionis concessit arbitrium. Defensor Pacis II, xxx, 4, S. 595: ... princeps iudex coactivus existens in hoc seculo Dei ordinatione, quamvis immediate humani legislatoris aut alterius cuiusvis humanae voluntatis institucione.

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Hinsichtlich der Einsetzung des regierenden Bestandteils (pars principans) rekurriert Marsilius mithin auf die thomasische Kausalitätslehre und ihre Unterscheidung in Erst- und Zweitursache. Der menschliche Wille ist die unmittelbar wirkende Zweitursache, Gott die – zumeist – nur entfernt wirkende Erstursache (causa remota) bei der Einsetzung des Herrschers. Marsilius gibt klar zu verstehen, dass er das Zusammenwirken von Gott und Volk bei der Erhebung des weltlichen Herrschers nicht – wie noch Johann Quidort – im Sinne einer Inspirationswahl, bei der das Volk nur den göttlichen Willen verkündet, versteht, sondern dass er den freien menschlichen Willen als die treibende Kraft der Herrscherwahl erachtet. Zwar schließt Marsilius eine Inspirationswahl nicht kategorisch aus, doch sei der hierbei wirkende göttliche Wille für den Menschen immer unergründlich, weshalb es sinnlos wäre, sich darüber in einer Abhandlung Gedanken zu machen, die die „Ursachen und Handlungen, die zumeist den pars principans schaffen sollen“759 zum Thema hat. „Von dieser Ursache [sc. dem Willen Gottes] und deren freier Tätigkeit nun können wir weder überliefern oder sagen, warum sie so oder anders ist, noch können wir über ihr Sosein oder ihr Gewordensein durch logischen Beweis auch nur das Geringste ausmachen.“760

Gott habe also die Wahl des Herrschers – und damit zugleich die Übertragung der Gewalt – nicht seinem Willen vorbehalten, sondern dem Willen des Volkes überlassen. Eine nähere (etwa naturrechtliche oder römisch-rechtliche) Bestimmung erfährt diese concessio des Herrscherwahlrechts von Gott an das Volk im Defensor Pacis nicht. Dies sollte wenige Jahre später erst durch Wilhelm Ockham geschehen. Mit Hilfe der vom Volk übertragenen Gesetzgebungskompetenz regelt nun der Herrscher das staatliche Zusammenleben der Menschen. Entscheidend ist

759 760

Defensor Pacis I, ix, 2, S. 39. Ebd. S. 40: De qua siquidem causa et ipsius accione libera tradera seu dicere, cur sic aut aliter nec sic esse aut fuisse factum, per demonstracionem nec quicquam dicere possumus... Der Ruf als laizistischer Staatstheoretiker und als Begründer einer säkularen Staatsidee, den Marsilius von Padua in der Forschung genießt (vgl. SEGALL S. 2-7 mit reichhaltigen Literaturverweisen.), basiert nicht nur darauf, dass er die Kirche letztlich vollständig in das Staatswesen integriert und unterordnet, sondern auch auf der dem Werk zugrundeliegenden Prämisse, dass über die jenseitige Welt keine vernünftigen Aussagen gemacht werden könnten und sie dementsprechend aus den Betrachtungen über Staat und Herrschaft weitgehend auszuschließen seien. Vgl. Defensor Pacis I, iv, 3, S. 17: Quodque istud secundum vivere, sempiternum scilicet, non potuit philosophorum universitas per demonstracionem convincere, nec fuit de rebus manifestis per se, idcirco de tradicione ipsorum que propter ipsum sint, non fuerunt solliciti.

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hierbei die zwingende Gewalt, die ein Gesetz erst zum Gesetz macht761. Damit vertritt Marsilius im Gegensatz zu Dante die Auffassung, Gesetze definierten sich nicht über ihren Inhalt, sondern über ihre Form. Dante hatte noch gesagt: „Wenn also die Gesetze für den Nutzen derer, die ihnen unterstehen, unmittelbar nichts beitragen, sind sie nur dem Namen nach Gesetze, in Wahrheit können dies keine Gesetze sein. Die Gesetze nämlich müssen die Menschen im Hinblick auf den gemein762 samen Nutzen verbinden.“

Marsilius dagegen betont, dass der richtige moralische Inhalt ein Gesetz nur besser mache, nicht aber dessen Voraussetzung sei. „Daher sind nicht alle wahren Erkenntnisse vom Gerechten und Nützlichen im Staatsleben Gesetze, vielmehr sind sie es nur dann, wenn über ihre Befolgung eine zwingende Vorschrift gegeben ist oder wenn sie als Vorschrift formuliert sind, mag auch eine solche wahre Erkenntnis vom Gerechten und Nützlichen notwendigerweise zu einem vollkommenen Gesetz erforderlich sein. Ja, manchmal werden sogar falsche Erkenntnisse vom Gerechten und Nützlichen Gesetze, wenn eine Vorschrift, sie zu befolgen gegeben wird oder wenn sie als Vorschrift formuliert werden.“763

Dieser Gesetzesbegriff ist der Dreh- und Angelpunkt für das Verhältnis von Staat und Kirche im Defensor Pacis. Das evangelische Gesetz, das durch Christus vermittelt wurde, besitzt nur für den Stand in der künftigen Welt zwingende Kraft im Urteil über die Taten des diesseitigen Lebens764. Da dem Priester keine zwingende Gewalt in dieser Welt zur Verfügung steht, kann er also nur an die Einhaltung der christlichen Gebote unter Hinweis auf Strafen im jenseitigen Leben appellieren. „Denn es wäre zwecklos, wenn er [sc.: der Priester] einen dazu [sc.: zur Einhaltung des göttlichen Gesetzes] zwingen wollte; denn Handeln unter Zwang würde für das ewige Heil nichts nützen. [...] Christus hat nicht angeordnet, jemanden in dieser Welt zur Befolgung des von ihm gegebenen Gesetzes zu nötigen, und deswegen hat er in dieser

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Zum Gesetzesbegriff bei Marsilius von Padua vgl. BIELEFELDT S. 116 ff. sowie STRUVE, Defensor Pacis. Monarchia II, v, 3, S. 132: Quod si ad utilitatem eorum qui sunt sub lege leges directe non sunt, leges nomine solo sunt, re autem leges esse non possunt: leges enim oportet homines devincire ad invicem propter comunem utilitatem. Defensor Pacis I, x, 5, S. 50: Unde iustorum et conferencium civilium non omnes vere cogniciones sunt leges, nisi de ipsiarum observacione datum fuerit preceptum coactivum, seu late fuerint per modum precepti, licet talis vera cognicio ipsorum necessario requiratur ad legem perfectam. Quinimo quandoque false cogniciones iustorum et conferencium leges fiunt, cum de ipsis datur observacionis preceptum, seu feruntur per modum precepti. Defensor Pacis II, viii, 5, S. 224: ... pro statu tamen sive fine futuri seculi, coactiva et distributiva pene vel premitti, et horum illativa in futuro seculo, non in isto, secundum merita vel demerita observatorum aut transgressorum illius in vita presenti.

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Welt auch keinen Richter eingesetzt mit der zwingenden Gewalt, die Übertreter dieses 765 Gesetzes zu nötigen.“

Jegliche Anmaßung einer zwingenden Gerichtsbarkeit in dieser Welt und über Angelegenheiten dieser Welt durch den Priesterstand sind demnach unrechtmäßig766. Genau eine solche Anmaßung zwingender Gerichtsbarkeit in zeitlichen Angelegenheiten geschieht aber bei der Inanspruchnahme einer päpstlichen plenitudo potestatis und des päpstlichen Reichsvikariats bei Vakanz des Kaiserthrones, wie an Beispielen aus der Zeit der Päpste Bonifaz VIII., Clemens V. und Johannes XXII. erläutert wird. „Denn allmählich haben die römischen Bischöfe eine Rechtsprechung nach der anderen sich angeeignet, besonders wenn der Kaiserthron unbesetzt war, so weit schließlich, dass sie nunmehr behaupten, in vollem Umfang die zwingende weltliche Recht767 sprechung über diesen Herrscher zu besitzen.“

Für Marsilius gilt der Priester lediglich als einer der sechs aristotelischen Berufsstände neben den Bauern, Handwerkern, Kriegern, Richtern und Händlern. Aufgabe der Priester ist es, die Menschen im Kult und der Verehrung Gottes zu unterrichten768 und so auf das jenseitige Leben vorzubereiten. Die Einsetzung dieser verschiedenen Stände, also auch des Priesterstandes769, die die einzelnen Glieder oder Organe des Staates darstellen, obliegt dem pars principans770, der für ein ausgewogenes Verhältnis dieser Berufsgruppen im Interesse und zum Wohle des Staates sorgen soll771. 765

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Defensor Pacis II, ix, 2, S. 232: Frustra enim ad hec quemquam cogeret, quoniam observatori talium coacto nihil ipsa proficerent ad eternam salutem [...] non enim ordinavit Christus arceri quemquam ad legis late per ipsum observacionem in hoc seculo, et propterea nec iudicem coactivam habentem potenciam huius legis transgressores arcendi statuit in eodem. Vgl. besonders Defensor Pacis II, iii-v, S. 152-198. Defensor Pacis I, xix, 11, S. 134: Paulative namque iurisdiccionem post aliam occupaverunt episcopi Romanorum, maxime imperiali sede vacante, sic tandem, ut iam sibi totalem supra eundem principem iurisdiccionem coactivam temporalem habere se dicant. Vgl. auch Defensor Pacis II, xxv, 20, S. 486 f. Defensor Pacis I, iv, 4, S. 18 f. Defensor Pacis II, xvii, 8-10, S. 362-365. Natürlich vollzieht der Herrscher nicht die kirchliche Weihe der Priester, vielmehr darf kein Priester ohne die Erlaubnis des menschlichen Gesetzgebers bzw. des Herrschers von einem anderen Priester geweiht werden. Defensor Pacis I, xv, 14, S. 94. Von einer freien Berufswahl kann bei Marsilius freilich keine Rede sein. Zwar verspürt das Individuum eine gewisse Neigung und Begabung, der es auch nachkommen darf ( Defensor Pacis I, vii, 1, S. 34 f.), solange ein ausgewogenes zahlenmäßiges Verhältnis unter den einzelnen Berufsgruppen besteht ( Defensor Pacis I, xv, 10, S. 92). Vgl. auch STRUVE, organologische Staatsauffassung, S. 269 f.

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Auch im Umgang mit dem Titel des vicarius Christi zeigt sich die radikale Entmachtung des Papstes in der Konzeption des Marsilius772, die Johannes XXII. in der Bulle Licet iuxta doctrinam vom 23. Oktober 1327 dazu veranlasste, einige Aussagen des Defensor Pacis zu verurteilen, darunter die Negation des päpstlichen Christusvikariats773. Zunächst bestreitet Marsilius den päpstlichen Titel des vicarius Christi nicht direkt, sondern nur, insofern aus ihm hierokratische Forderungen nach einer plenitudo potestatis abgeleitet werden774. Anschließend bestreitet er die Exklusivität, mit der der Papst sich diesen Titel aneignet, indem er nachweist, dass Petrus und seine Nachfolger zu Unrecht die führende Stellung innerhalb der Kirche für sich beanspruchten; vielmehr besitze jeder Bischof als Nachfolger der Apostel die gleichen Rechte775. Somit wird der exklusive Titel des vicarius Christi zu einer für alle Bischöfe geltenden Eigenschaft ausgeweitet. Da der Priester aber keine zwingende Gewalt in dieser Welt besitzt, zieht Marsilius im Hinblick auf das Christusvikariat die Schlussfolgerung: „Ferner: der römische Bischof oder jeder andere ist nicht dazu Christi Stellvertreter oder Diener, um jedes Amt in dieser Welt auszuüben, sondern nur für ein bestimmtes 776 Amt, das Priesteramt ...“

Marsilius unterscheidet – ganz im Stile der Römerbriefkommentare – nicht zwischen Stellvertreter und Diener Christi (vicarius seu minister Christi)777. Deshalb kann er nun mit Verweis auf Röm. 13, 1 und 4 den weltlichen Herrscher, den er ja schon als minister Dei apostrophiert hatte, auch als vicarius Dei bezeichnen: „Wer aber nach dem menschlichen Gesetz herrscht, ist Gottes Stellvertreter oder Diener im Amt der Regierung, bei dem ein Höheres und Untergeordnetes hinsichtlich der 772

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Zum Titel des vicarius Christi bei Marsilius vgl. MACCARRONE, Vicarius Christi, S. 180-188. Vgl. MACCARRONE, Vicarius Christi, S. 186; GEWIRTH. Die Verknüpfung des Christusvikariats mit der plenitudo potestatis wird deutlich, etwa in Defensor Pacis II, xx, 14, S. 401: ... Romanus episcopus habere se dicit, velut Christi vicarium, plenitudinem potestatis. Defensor Pacis II, xvi, S. 337: De apostolorum equalitate in officio sive dignitate quacumque per Christum illis immediate collata. Unde probatur, quod de successorum omnium equalitate dictum est capitulo precedenti, et qualiter episcopi omnes indifferenter successores sint apostoli cuiuscumque; Defensor Pacis II, xxviii, 19, S. 552: ... quod nullus episcopus aut sacerdos immediata Dei ordinacione seu lege divina inferior est aut subditus episcopo Romanorum auctoritate aliqua essencialiter aut accidentaliter debita sacerdoti. Defensor Pacis II, xxx, 5, S. 596 f.: Adhuc, quoniam Romanus aut quivis episcopus non est Christi vicarius seu minister ad omne officium exercendum in hoc seculo, sed secundum determinatum, verbi causa, sacerdotium, ... . Vgl. STRUVE, Defensor Pacis, S. 201.

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zwingenden Gewalt gemeint ist. Daher sagt der Apostel im Römerbrief im 13. Kap., ohne jemanden auszunehmen, Bischof oder Priester: Jedermann sei untertan den obrigkeitlichen Gewalten, und fügt als Grund hinzu: denn die Obrigkeit ist Gottes Dienerin. Beachte: Stellvertreter Gottes, nicht unbestimmter Art, sondern Strafvollstrecker 778 gegen die Bösen in der Welt.“

Und an anderer Stelle: „Wenn hinzugefügt wird, der römische Bischof sei es, der Gottes Stelle auf Erden einnehme, so ist zu sagen: Nach göttlicher Ordnung unmittelbar nimmt er nicht m e h r Gottes Stelle ein als ein anderer Bischof [...], und nähme er die Stelle Gottes auf Erden für geistliche Lehre und geistlichen Dienst ein, so wäre er deswegen nicht Gottes Stellvertreter bezüglich des zwingenden Gerichts über einen Kleriker oder Laien [...]; 779 sondern hierin sind Diener Gottes die Fürsten.“

Der Papst kann also nur noch im begrenzten Bereich der geistlichen Lehre und Sakramentsverwaltung als Stellvertreter Gottes bezeichnet werden, aber alles, was die Ausübung einer mit Zwangsgewalt ausgestattete Autorität angeht, stellt den ausschließlichen Bereich des weltlichen Herrschers dar, der von Gott dieses Amt übertragen bekommen hat und sich deswegen, so Michele Maccarrone, als der wahre und eigentliche Stellvertreter Gottes auf Erden bezeichnen dürfe780. Der Defensor Pacis erregte an der Kurie in Avignon verständlicherweise großen Unmut. Der Verurteilung des Werkes durch Papst Johannes XXII. am 23. 10. 1327 gingen mehrere Traktate von kurial gesinnten Gelehrten voraus, die sich – offenbar auf Anfrage des Papstes – um Widerlegung der Thesen des Marsilius bemühten. In diesem Kontext steht auch das Werk des Wilhelm von Cremona.

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Defensor Pacis II, xxx, 5, S. 597: principans vero secundum legem humanam Dei vicarius seu minister est, secundum principatus officium, in quo superius et subiectum attenditur quantum ad coactivam potestatem. Unde ad Romanos 13 neminem excipiens apostolus, episcopum aut presbyterium, inquit: Omnis anima subdita sit potestatibus sublimioribus, causam subiungens: Dei enim minister est. Ecce vicarium Dei, non qualemcumque, sed coactivum malorum in hoc seculo. Defensor Pacis II, xxviii, 19, S. 553: Et quod additur, Romanum episcopum esse vicem Dei gerentem in terris, dicendum, quod ordinacione divina immediate non plus ipse vicem Dei gerit, quam alter episcopus [...]. Neque, si vicem Dei gereret in terris quantum ad spiritualia docenda et ministranda, propter hoc Dei vicem gerit quantum ad iudicum coactivum super quemquam clericum aut laicum [...] sed in hoc ministri Dei sunt principes, ... MACCARRONE, Vicarius Christi, S. 188.

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1.8.

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Wilhelm von Cremona

Offenbar früh war Wilhelm (geb. um 1270?) in das Augustinerkloster seiner Heimatstadt Cremona eingetreten. Nachdem er in Paris zum Doktor der Theologie promoviert worden war, übernahm von 1326-42 das Generalpriorat seines Ordens. Am 17. Juli 1342 wurde er von Papst Clemens V. zum Bischof von Novara erhoben, wo er bis zu seinem Tode 1356 als tatkräftiger Reformer des Diözesanklerus wirkte. Neben zwei Quaestiones de quodlibeto und einigen Sermones ist vor allem sein Tractatus Reprobatio errorum781 überliefert, mit dem er sich in die Reihe der kurialen Gegenschriften zum Defensor Pacis eingliedert. Der Traktat des Wilhelm von Cremona ist in sechs Quaestiones eingeteilt, die jeweils mit einer zu widerlegenden Auffassung über die Stellung des Papstes innerhalb der Kirche und seinem Verhältnis zur kaiserlichen Gewalt überschrieben sind. Das Werk gewinnt seine Bedeutung für die Forschung nicht so sehr durch seine eigentliche Aussage – auch Wilhelm vertritt selbstverständlich die päpstliche Position –, sondern weil es eine umfangreiche Zusammenstellung von Argumenten bietet, die einen guten Überblick über den damaligen Stand der Debatte über die Frage De potestate papae und das Verhältnis von weltlicher und geistlicher Gewalt erlaubt. Letztlich allerdings liefert der Traktat kein einheitliches und geschlossenes Gedankengebäude, da die einzelnen Argumente oft zu wenig aufeinander abgestimmt sind. Im Zusammenhang mit der Frage nach der Gewalt des Kaisers über die Temporalien (Quaestio 1) scheint Wilhelm zunächst sogar die Position der Volkssouveränität zu befürworten. „Ein König nämlich oder Kaiser wird, sofern er rechtmäßig herrscht, durch die Wahl des Volkes oder Gottes eingesetzt. Aber es ist unwahrscheinlich und nicht anzunehmen, dass das Volk sein Eigentum dem Herrscher geben will und sich seines Besitztums berauben und zu Knechten machen will. Und da die Wahl freiwillig ist, hat der Fürst die Rechte am Eigentum der Untergebenen nicht von Natur aus, sondern – vorausgesetzt er herrscht wahrhaftig, gut und gerecht – vom Volk, das ihn selbst gewählt hat. Er ist kein wahrer Herrscher, wenn nicht durch den ausdrücklichen oder stillschweigenden Willen des Volkes. Also hat er offensichtlich nicht die Herrschaft über das Eigentum seiner Untergebenen derart, dass er damit umgehen kann, als wäre es sein Eigen. Und wenn der erste König auf diese Art gewählt worden ist, so gilt das auch für alle nachfolgenden Könige, gleichgültig, ob diese gewählt werden oder durch erbliche Nachfolgeregelung

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Wilhelm von Cremona, Tractatus cuis titulus Reprobatio errorum (= Corpus Scriptorum Augustinianorum 4), ed. Mac Fhionnbhairr.

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bestimmt werden. Denn der Sohn eines Königs hat nicht mehr Gewalt über die Sachen 782 als sein Vater.“

Wilhelm geht es an dieser Stelle jedoch nicht darum, dem Volk die Souveränität zwingend zuzuschreiben, sondern darum, dem Kaiser ein umfassendes, gewissermaßen naturgegebenes Recht an den Temporalien absprechen zu können. Die Volkssouveränität ist hier allenfalls eine Möglichkeit, aber keine Notwendigkeit, wie sich aus den anschließenden Worten erkennen lässt: „Wenn aber der Herrscher von Gott [sc. und nicht vom Volk] gewählt wird, folgt daraus das gleiche, denn Gott wählt nicht irgendjemand zum König über andere, damit er diesen ihren Besitz wegnehme, sondern vielmehr, damit er einen jeden in seinem Recht 783 bewahre.“

In anderem Kontext präsentiert Wilhelm ganz die kuriale Auffassung, wonach der Kaiser vom Papst eingesetzt werde. Dabei geht er auch auf die Argumente seiner Gegner ein, die u. a. mit Hilfe von Röm. 13, 1 und D. 93 c. 24 behaupteten, dass der Kaiser selbst und die kaiserliche Gewalt (imperator et eius potestas784) nicht vom Papst, sondern von Gott abhingen. Bei seiner Widerlegung dieser Position trifft Wilhelm eine klare Unterscheidung zwischen Papst- und Kaiserwahl, die ja vordergründig gewisse Parallelen (Kardinäle, Kurfürsten) aufzuweisen scheinen. Er greift dabei auf die Argumentation des Aegidius Romanus zurück, die dieser in De renunciatione entwickelt hatte785. Demnach wird die Person des Papstes (die Materie) zwar von den Kardinälen bestimmt, die Gewalt des Papstes (die Form) aber gibt allein Gott, so wie der Körper des Menschen durch die Natur/den Menschen bereitgestellt, die Seele aber allein von Gott in den Körper gegossen wird. Der Papst könne seine

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784 785

Wilhelm von Cremona, Reprobatio errorum q. 1, S. 30, Z. 856 ff.: Rex enim vel imperator, si legitimus est, incoepit esse per electionem a populo vel a Deo. Sed non est verisimile nec bene probabile, quod populus velit ei dare res suas proprias et se a suarum rerum proprio dominio exspoliare et facere se servos. Et quia electio est voluntaria, princeps non habet ius in rebus subditorum ex natura, dico, veri et boni et iusti regiminis, nisi in quantum accepit ex voluntate populi ipsum eligentis, nec est verus princeps nisi de eorum voluntate tacita vel expressis. Ergo non videtur, quod habeat dominium simpliciter in rebus subditorum sic, quod de ipsa re possit facere sicut de re sua. Et sicut est de primo rege sic electo, sic etiam est de omnibus sequentibus regibus, sive sint per electionem sive per naturalem successionem. Non enim filius regis plus habet de dominio in rebus ipsis quam eius pater. Ebd.: Si etiam esset electus a Deo, idem sequitur, quia Deus non eligit aliquem in regem aliquorum, ut auferat ab eis res ipsorum, sed magis ut conserveet unumquemque in suo iure. Wilhelm von Cremona, Reprobatio errorum q. 2, S. 51, Z. 297 f. Vgl. S. 149 f. Auch Quidort und Johannes Andrae hatten diese Argumentation übernommen, vgl. TIERNEY, Foundations, S. 149.

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Gewalt mithin nur von Gott erhalten, da auf Erden keine Macht über dem Papst stehe; weder das Kardinalskollegium noch der Kaiser. Das im Zusammenhang mit der Papstwahl skizzierte Verhältnis von Gott, Wählern und Gewähltem ist nach Ansicht Wilhelms aber nicht auf die Kaiserwahl übertragbar: „Die kaiserliche Gewalt nämlich, wenngleich sie hinsichtlich der weltlichen Herrschaft die höchste sein mag, ist dennoch nicht die höchste Gewalt überhaupt, und so ist es nicht gegen ihre Ordnung und Würde, wenn sie von einem Geistlichen, eben dem Papst, 786 eingegossen und übertragen wird.“

In aller Deutlichkeit unterscheidet Wilhelm zwischen der Auswahl der Herrscherperson und der Gewaltübertragung, wobei die ganze Diskussion bei ihm im Zusammenhang mit der Frage steht, inwieweit der Gewählte die Strafgewalt über seine Wähler besitzt, genauer gesagt, sie steht im Zusammenhang mit der marsilianischen These, dass der Kaiser die Strafgewalt über den Papst besitzt (Quaestio 2). Einige Gelehrte, so Wilhelm, würden nämlich argumentieren, dass der Kaiser auch dann die Strafgewalt über den Papst besitze, selbst wenn man annehme, dass er vom Papst gewählt werde787. Als Erläuterung werde von diesen Gelehrten angeführt, dass auch im weltlichen Bereich sich das Volk einen Fürsten erwähle, der dann aber die Strafgewalt über das Volk besitze, oder dass auch der Papst von den Kardinälen gewählt werde, nach seiner Wahl aber die Gewalt besitze, diese zu bestrafen. Wilhelm hält nun mit seiner Argumentation dagegen, dass die Kardinäle den Papst zwar als Person bestimmen, mit ihrer Wahl aber eben nicht die päpstliche Gewalt übertragen und daher unter der Strafgewalt des Papstes stehen, denn dieser erhalte seine Gewalt allein von Gott. Der Kaiser hingegen erhalte seine Gewalt vom Papst und könne daher von ihm auch abgesetzt und gestraft werden, nicht aber umgekehrt. Die Verleihung der Gewalt geht für Wilhelm letztlich einher mit der confirmatio, die stets von einem Oberen erteilt werde – im Falle des Papstes von Gott, im Falle des Kaisers vom Papst788.

786

787 788

Wilhelm von Cremona, Reprobatio errorum q. 2, S. 53, Z. 363 ff.: Potestas vero imperialis, etsi sit suprema respectu principum mundi, non est tamen suprema simpliciter, et ideo non est contra eius rationem et dignitatem, quod a spirituali homine, scilicet Papa, sibi infundatur et tribuatur. Wilhelm von Cremona, Reprobatio errorum q. 2, S. 51 ff. Wilhelm von Cremona, Reprobatio errorum q. 2, S. 55 f. Daher weist Wilhelm die Glosse in diesem Punkt energisch zurück, wonach ja die Wahl als Moment der Herrschaftsverleihung angesehen wurde, die confirmatio aber der kaiserlichen Gewalt nichts außer dem nomen imperatoris hinzufüge. Insgesamt ist das neuplatonische Moment in der Argumentation Wilhelms unverkennbar, wenn vom Ausgießen der Gewalt von Oben nach Unten die Rede ist.

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Der Papst überträgt aber nicht nur die kaiserliche Gewalt, er bestimmt auch die Person des Kaisers. Zu diesem Ergebnis führen die Überlegungen, die Wilhelm im Zuge der Auseinandersetzung mit den Argumenten der Gegenseite anstellt, die ja die Gottunmittelbarkeit des Kaisers mit Hilfe von Röm. 13, 1 und der Glosse zu D. 96 c. 11 ad. v. divinitus nachweisen wollte. Der Ausspruch des Apostels, es gebe keine Gewalt außer von Gott, schließt nach Ansicht Wilhelms ein Mitwirken der Kreatur an der Bestellung der Herrschaft nicht aus. Das Wirken des Papstes bei der Konstituierung der kaiserlichen Herrschaft sei dabei folgendermaßen aufzufassen: „Gegen das Argument, dass der Kaiser [nach D. 96 c.11] das Recht, Privilegien usw. von Gott habe: daraus folgt nicht, dass es [sc. dieses kaiserliche Recht] nicht vom Papst abgeleitet werde. Denn alles, was zur geistlichen und göttlichen Macht, die im Papst ist, gehört, kann göttlich (divinitus) genannt werden. Es ist offensichtlich, dass der Verfasser der Glosse schlecht hinzugefügt hat, göttlich, also nicht vom Papst, und so ist das Imperium allein von Gott. Wenn wir den Glossator in Schutz nehmen wollen, dann sagen wir, dass das Papsttum und das Kaisertum [...] unmittelbar von Gott sind und von niemand anderem abhängen. Denn nicht der Papst hat das Papsttum oder das Kaisertum eingerichtet, sondern Gott. Denn wie das Gebot der Vernunft von Gott ist, so ist sowohl das Kaisertum als auch die weltliche Herrschaft bei den Menschen. Und das gibt die natürliche Vernunft vor. Infolgedessen hängt das Kaisertum nicht vom Papst ab, sondern von Gott, so wie die natürlichen Seinsdinge (entia naturalia) von Gott und nicht vom bloßen Menschenwillen sind. Aber wenn auch das Kaisertum von Gott ist, so kann doch die Entscheidung darüber, ob dieser oder jener Kaiser sein soll, in der Gewalt 789 eines menschlichen Willens, wie dem des Papstes, liegen.“

Während also der Papst sowohl bei der Bestimmung des kaiserlichen Herrschaftsträgers als auch bei der Übertragung der kaiserlichen Gewalt die entscheidende Rolle spielt, ist der status imperii, also das Kaisertum, nicht vom Papst, sondern immediate a Deo. Wilhelm bezieht hier – wenn auch zaghaft – aristotelisch-naturrechtliche Gedanken in seine Überlegungen mit ein und beschreibt die Entstehung von weltlicher Herrschaft aufgrund der vernünftigen Natur des Menschen. Die Entstehung von weltlicher Herrschaft 789

Wilhelm von Cremona, Reprobatio errorum q. 2, S. 54, Z. 383: Ad illud, quod imperator privilegia et cetera „consecutus est divinitus“, concedatur ergo non a Papa, non sequitur. Nam omnia, quae sunt a potestate spirituali et divina, quae est in Papa, potest dici divinitus fuisse consecuta. Ex hoc apparet, quod glossator male infert, si divinitus ergo non a Papa, et sic imperium est a solo Deo. Vel si volumus salvare glossatorem, dicimus, quod papatus et imperium [...] sunt immediate a Deo et non ab aliquo alio. Non enim Papa instituit papatum nec etiam imperium, sed Deus. Nam sicut dictamen rationis est a Deo, ita et imperium et dominium saeculare in hominum multitudine. Et hoc dictat ratio naturalis. Quo ergo ad hoc imperium non dependet a Papa, sed a Deo, sicut entia naturalia a Deo sunt, non autem simpliciter a voluntate humana. Sed licet status imperii sit a Deo, tamen quod iste vel ille sit imperator, potest esse a voluntate humana habente auctoritatem, sicuti est voluntas summi pontificis.

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wird jedoch ausdrücklich als Naturnotwendigkeit gedeutet und nicht als Ergebnis einer freien Willensentscheidung des Menschen. Daher ist ihm das Imperium nicht a Deo mediante homines, sondern immediate a Deo, a solo Deo. Wilhelm von Cremona unterscheidet in seinem Traktat also nicht nur zwischen Abstraktum und Person, zwischen imperium und imperator, er trifft letztlich eine Dreiteilung: 1. Das imperium bzw. der status imperii, das kaiserliche Amt. Es ist zwar von Menschen eingerichtet, die aber dabei ihrer von Gott (der Natur) gegebenen Vernunft und nicht ihrem freien Willen folgen. Und da die Werke der Natur die Werke Gottes sind, ist das Imperium immediate a Deo, a solo Deo. 2. Die potestas imperii, die kaiserliche Gewalt. Sie wird von Gott vermittels des Papstes an den Kaiser gegeben. 3. Der imperator, der Kaiser. Er wird durch Menschen bestimmt, und zwar vom Papst. Der Papst freilich kann dieses Wahlrecht z. B. an die deutschen Fürsten delegieren. Diese Dreiteilung ist freilich weniger das Ergebnis einer durchdachten Konzeption, als vielmehr dem Ekklektizismus des Werks geschuldet790. Denn wie wenig die Argumentation in De reprobatione errorum mitunter aufeinander abgestimmt ist und statt dessen auf die unmittelbar zu beweisende These ausgerichtet ist, zeigt sich an der Einschätzung, die Wilhelm über die Königsherrschaft Sauls gibt. So verweist er auf das Beispiel Sauls, um die Unantastbarkeit und Unrichtbarkeit des Papstes zu unterstreichen. Denn obwohl König Saul sich als Tyrann herausgestellt habe, wagte es das Volk und selbst der Prophet und künftige König David nicht, Hand an ihn zu legen. Denn nicht das Volk (oder der Prophet) habe den König eingesetzt, sondern allein Gott! Wenn die Unantastbarkeit schon für Saul gelte, dann, so folgert Wilhelm, doch erst recht für den Papst791. Um sein unmittelbares Beweisziel zu erreichen, gesteht Wilhelm also sogar die Gottunmittelbarkeit des alttestamentarischen Königs und dessen Unabhängigkeit von den Propheten zu, obgleich doch die Hierokraten (und auch Wilhelm selbst!) mit dem Verhältnis von König und Propheten im Alten Testament für gewöhnlich die Superiorität der Geistlichen 790

791

In diesem Kontext sei auch auf den Tractatus de iurisdictione des Hervaeus Natalis und dessen Überlegungen zum status papalis ex institutione dei und der Bestimmung der Person ex institutione populi hingewiesen. Hervaeus Natalis, De iursidictione (= Mitteilungen des Grabmann-Instituts der Universität München, Heft 2), ed. Hödl; vgl. auch KÖLMEL, Regimen Christianum, S. 459 f. Wilhelm von Cremona, Reprobatio errorum q. 2, S. 64.

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gegenüber den weltlichen Herrschern hervorhoben und die Gottunmittelbarkeit des Königs zurückwiesen. Das Christusvikariat wird von Wilhelm mit den bekannten Argumenten auf den Papst bezogen. Der Papst ist ihm mit Exod. 22, 28 deus in terris, er ist der einzige vicarius Christi universalis792. Dennoch geht Wilhelm auch auf den kaiserlichen Anspruch auf das Christusvikariat ein. „Beharrlich wird auch gesagt, dass der Kaiser der Stellvertreter Christi ist. Dazu ist zu sagen, dass er nur teilweise ein Stellvertreter Christi ist, dessen Gewalt sich nicht über alle Schafe Christi, und auch nicht über alle Angelegenheiten erstreckt, sondern nur auf 793 bestimmte, nämlich die irdischen, wie Hugo im Buch über die Sakramente sagt.“

Abgesehen von diesen wenigen Zeilen bleibt die Erörterung des Christusvikariats zwar ganz auf den Papst beschränkt, zumindest aber wird die Auffassung vom kaiserlichen vicarius Christi in temporalibus – anders als noch bei Aegidius Romanus – aufgegriffen, freilich nicht im Sinne der französischen Thomisten, die den weltlichen Herrscher als vicarius Dei in temporalibus neben den päpstlichen vicarius Christi in spiritualibus stellten. Wilhelm liegt hier mehr auf einer Linie mit der Interpretation des Hostiensis, wonach der Kaiser zwar der Stellvertreter Christi/Gottes in zeitlichen Angelegenheiten sei, insgesamt aber dem Papst als einzigem vicarius Christi universalis untergeordnet blieb. Andere Gelehrte hatten ebenfalls versucht, den traditionellen Anspruch des Kaisers auf das Gottesvikariat in moderater Form in ihre grundsätzlich auf den Papst zentrierte Ekklesiologie zu integrieren. Bereits Petrus Johannis Olivi (†1296) beschrieb das Verhältnis des Königs zu Gott mit dem Begriff des Vikariats. So wie die Baiuli in richterlichen Angelegenheiten die Vikare des Königs seien, so sei der König der Vikar Gottes794, doch ließ auch Olivi keinen Zweifel daran, dass der Papst der alleinige vicarius Christi universalis sei795. 792

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Papst als einziger vicarius Christi universalis, vgl. Wilhelm von Cremona, Reprobatio errorum q. 2, S. 63, Z. 691 ff. Papst als deus in terra, vgl. ebd. S. 65, Z. 747 ff. Wilhelm von Cremona, Reprobatio errorum q. 2, S. 63 f., Z. 709 ff.: Forte pertinaciter dices, quod imperator est vicarius Christi. Dicendum, quod est vicarius particularis non habens potestatem super omnes oves Christi, nec se extendit ad omnes causas, sed determinatas, utpote terrena sapientes, ut dicit Hugo libro De sacramentis. DELORME S. 329 f.: Potestas regis dicitur esse alia a potestate Dei et potestas baiuli a potestate regis, quia sicut aliud est esse Deum vel regem et aliud tenere locum Dei vel regis, sic inter se differunt huiusmodi potestates, quia rex non ex alio potest nisi ex eo quod tenet locum Dei et ex eo quod Deus eum posuit et poni fecit quasi loco sui [...]. dicendum quod in potestate regis includitur increata potestas Dei, non secundum suam totam plenitudem, set quoad quid et usque ad aliquid datur. Vgl. MACCARRONE, Vicarius Christi, S. 147 f. Vgl. auch HÖDL; MACCARRONE, Vicarius Christi, S. 146.

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Der Dominikaner Hervaeus Natalis (†1323), einer der bedeutendsten Vertreter der älteren französischen Thomistenschule hatte sich in seinem Traktat De potestate papae zwar nur am Rande über das Verhältnis von weltlicher und geistlicher Gewalt geäußert, war dabei aber der Frage nachgegangen, ob denn neben dem Papst auch die weltlichen Fürsten als Stellvertreter Gottes bezeichnet werden könnten und kam zu dem Ergebnis: Die weltlichen Fürsten könnten zwar nicht explicite wohl aber implicite als Stellvertreter Gottes bezeichnet werden, insofern Gott den Menschen die natürliche Vernunft gegeben habe, mit der sie einen König an die Spitze des Staates setzen können, der das Gemeinwesen zum bonum humanum führen solle796. Die Hierokraten wiesen den Anspruch der weltlichen Herrscher auf das Gottesvikariat jedoch konsequent zurück. Augustinus Triumphus sieht in seiner Summa de potestate ecclesiastica 797 ausschließlich im Papst den 796

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Hervaeus Natalis, Tractatus de potestate papae, Paris 1506, fol. 139-173, fol. 142: Ad hoc dicendum, quod alii principes [sc. saeculares] non sunt vicarii Dei expresse et explicite per institutionem expressam et explicitam nisi aliqui reges fuerint instituti revelatione divina. Possunt tamen principes dici vicarii Dei implicite, inquantum Deus dedit naturae humanae rationem naturalem, per quam possit iudicare bonum esse aliquam potestatem esse in republica, que preesset omnibus de communitate et posset restringere malos et conservare bonos circa ea, que pertinent ad bonum humanum. Vgl. KÖLMEL, Regimen Christianum, S. 459 f.; GRABMANN, Einfluß, S. 34 f.; WILKS S. 186 Anm. 3. Auch der Augustinereremit Augustinus Triumphus entwarf in seiner Papst Johannes XXII. gewidmeten Summa (1327) ein Bild des Papsttums, das sich in weiten Teilen auf das Werk seines Ordensbruders Aegidius Romanus stützt. (Allerdings hat die Forschung bei Augustinis Triumphus auch die päpstliche Macht v. a. im innerkirchlichen Bereich einschränkende Momente ausgemacht. Vgl. MIETHKE, De potestate papae, S. 176; CHENEVAL S. 198 f.) Augustinus sieht aufgrund der konsequent angewandten Hierarchienlehre allein die Gewalt des Papstes als unmittelbar von Gott, während die anderen (geistlichen wie weltlichen) Gewalthaber nur mittelbar durch den in der Hierarchie höher stehenden ihre Macht von Gott besitzen. Das Gewaltenverhältnis von regnum/imperium und sacerdotium gestaltet sich ganz im hierokratischen Sinne. Die geistliche Gewalt übertreffe die weltliche Gewalt nicht nur der Würde nach, sondern stehe ihr auch ursächlich voran, was sich in der Ein- und Absetzung des weltlichen Herrschers durch die Geistlichkeit ausdrücke. Im zweiten Teil seines Werkes werden die Konsequenzen dieser hierokratischen Lehre auf das konkrete Verhältnis von Papst und Kaiser angewandt. So könne die Wahl des Kaisers grundsätzlich auch durch den Papst direkt erfolgen, sollten sich die Kurfürsten aus Nachlässigkeit oder Uneinigkeit nicht auf einen Kandidaten einigen können. Da der Papst den Kaiser einsetzen dürfe, könne er ihn natürlich auch absetzen, was ein Blick in die Geschichte ebenso beweise, wie die Lehre des Aristoteles, „wonach die Keime der Erzeugung einer Sache auch die der Zerstörung derselben sind, wenn sie umgekehrt einwirken“ (FRIEDBERG S. 107). Der Papst könne den Deutschen, denen er die Kurwürde zum Dank für die Befreiung der Kirche aus den Händen der Langobarden im 8. Jahrhundert übertragen habe, das Wahlrecht jederzeit wieder entziehen und einem anderen Volk übertragen, er könne

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vicarius Dei, der sowohl quoad spiritualia als auch quoad temporalia stellvertretend für Gott handelt. Der Kaiser hingegen ist der minister Dei, der aufgrund der weitgehenden Gleichsetzung von Gott und Papst ein Diener des Papstes ist und diesem demzufolge in jeder Beziehung (Ein- und Absetzung, Beurteilung, Bestätigung der kaiserlichen Gesetze durch den Papst) untergeordnet ist. Dieses Verhältnis von päpstlichem vicarius Dei und kaiserlichem minister Dei (papae) hatte schon Remigio dei Girolami in seinem Traktat Contra falsos ecclesie professores entwickelt. Da der Papst der Stellvertreter (vicarius), der Kaiser hingegen der Diener (minister) Gottes sei, der Stellvertreter aber eindeutig über dem Diener stehe, gestalte sich das Verhältnis der beiden Gewalthaber im Sinne einer Überordnung des Papstes über den Kaiser798.

1.9.

Wilhelm von Ockham

Geboren um 1285 im südwestlich von London gelegenen Ockham, trat Wilhelm schon früh in den Franziskanerorden ein. 1306 in Southwark zum Diakon geweiht, schlug er nach dem theologischen und philosophischen Grundstudium am Londoner Franziskanerkonvent wohl 1308 die akademische Laufbahn in Oxford ein. Vermutlich 1320/21 wechselte Ockham aus dem unruhigen Oxford – wo seit einigen Jahren ein erbitterter Streit zwischen der Universität und den Bettelmönchen, insbesondere den Dominikanern, um verschiedene Regelungen in den Universitätsstatuten herrschte – zurück nach London, um am dortigen Franziskanerkonvent zu lehren. Möglicherweise wollte Ockham auch der sich abzeichnenden Auseinandersetzung mit dem

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aber auch ein Erbkaisertum etablieren oder gar zwei oder mehr Kaiser bestellen. Der nahezu willkürliche Umgang mit der Kaiserwürde stehe dem Papst deshalb zu, weil der Kaiser als minister Dei in erster Linie ein minister des Papstes sei, und so wie ein Anführer sich die zu seinem Zwecke tauglichen Diener und Werkzeuge aussuchen könne, so könne der Papst sich auch den Kaiser erwählen. Die Verpflichtung, die der Kaiser als minister Dei (Röm. 13, 1 ff.) Gott gegenüber besitze, müsse er gegenüber dem Papst, der der Stellvertreter Gottes auf Erden sei, einhalten Remigio dei Girolami, Contra falsos ecclesie professores, ed. Tamburini, c. 18, S. 42 (fol. 160rb): Quinto sic. Dictum est pape Jo. ultimo: „Pasce oves meas et agnos meos“. Ex quo habetur quod Deus constituit papam suum vicarium super populum suum. Principes autem seculares sunt solum ministri Dei iuxta illud Rom. 13:„Non enim sine causa gladium portat, Dei enim minister est“. Unde, sicut vicarius preferetur ministro, ita etc. ebd., c. 26, fol. 162 v.: Ex quinto sic: quia vicarius est distinctus officialis a ministro. Vgl. GRABMANN, Einfluß, S. 21; MACCARRONE, Vicarius Christi, S. 150.

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Oxforder Kanzler Johannes Lutterell entgehen, die 1323 eskalierte, als Lutterell in Avignon ein Häresieverfahren gegen Ockham in Gang setzte. Seit 1324 befand sich Ockham im Avignoneser Franziskanerkloster in Arrest, wo er 1327 auf die Gruppe um den Ordensgeneral Michael von Cesena traf, deren Schicksal – Flucht aus Avignon an den Hofe Ludwigs des Bayern – er fortan teilte. In München begann Ockham, seinen sprichwörtlich rasiermesserscharfen Verstand in den Dienste des Kaisers zu stellen und verfasste bis zu seinem Tode 1347/48 zahlreiche kirchenpolitische Schriften, in denen er gegen Papst Johannes XXII., und dessen (nach Auffassung Ockhams) ketzerische Lehren Stellung bezog. Neben den Themen Armut und Eigentumsrecht stand auch die Frage nach dem Verhältnis von weltlicher und geistlicher Gewalt im Mittelpunkt zahlreicher Traktate. Im Kern vertritt Ockham eine prinzipielle Trennung von weltlicher und geistlicher Gewalt, die jedoch in Ausnahmefällen (casualiter) aufgehoben werden kann799. Im Gegensatz zu Marsilius erkennt Ockham durchaus die Superiorität der geistlichen Gewalt an, die sich jedoch nicht in einer direkten Verfügungsgewalt über die Temporalien ausdrückt, sondern eher im Sinne der potestas indirecta in temporalibus wirksam wird, indem der Papst aufgrund seiner Gewalt über die Spiritualien in Fällen, in denen die christliche Heilsordnung gefährdet ist, in den Bereich der Temporalien eingreifen darf. Trotz einer gewissen wechselseitigen Zuordnung sind für Ockham jedoch beide Ordnungen prinzipiell von einander unabhängig. Diese Unabhängigkeit zeigt sich für Ockham auch bei der Konstituierung der weltlichen Gewalt. Am eingehendsten handelt er über den Ursprung weltlicher Herrschaft im Breviloquium 800 (1340-1342) und in den Octo Quaestiones801 (1340/41). Die Frage lautet in beiden Schriften: Stammt das Imperium vom Papst, von Gott oder vom Volk? Eine Abhängigkeit des Imperiums vom Papst verneint Ockham konsequent, wobei er u. a. auch die von Dante getroffene Charakterisierung des Propheten Samuels als Bote Gottes bei der Königserhebung Sauls anführt. „Es widerspricht auch der Heiligen Schrift anzunehmen, dass Samuel als Hohepriester Saul zum König erhoben habe. Denn Samuel war kein Hohepriester, sondern nur ein 799

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Mit dieser These von der casualen Vollgewalt des Papstes nimmt Ockham gleichsam eine mittlere Stellung zwischen der päpstlichen Politik einerseits und der extremen Kirchenkritik seines Münchner Exilgefährten Marsilius von Padua andererseits ein. Vgl. KÖLMEL, Ockham, S. 217-226. Richard Scholz, Wilhelm von Ockham als politischer Denker und sein Breviloquium de principatu tyrannico (= Schriften des Reichsinstituts für ältere deutsche Geschichte [Monumenta Germaniae historica] 8). Guillelmi de Ockham, Octo Quaestiones de potestate papae, ed. Offler (= Opera politica 1), S. 1-217.

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Levite. Und Samuel hat weder Saul noch David zum König gesalbt aufgrund der Macht irgend eines Amtes, das er innehatte, sondern nur auf Gottes Anordnung hin, und auf diese Weise kann jeder Bauer jemanden zum König salben.“802

Weiterhin werden die Argumente für das imperium a deo angeführt803, dann die für das imperium a populo 804. Für alle drei Ansichten bringt Ockham letztlich die in der Debatte allgemein bekannten legistischen und kanonistischen Argumente, ohne diesbezüglich wesentlich neue Akzente zu setzen. „Mir scheint aber, dass diese beiden eben erwähnten Meinungen [sc. imperium a deo und imperium a populo] in Übereinstimmung gebracht werden können“805, versichert Ockham und entwickelt im folgenden seine Anschauung von der weltlichen Gewalt, die er bereits im Dialogus in der berühmten Formel a deo sed per homines verkürzt zum Ausdruck gebracht hatte806. Dort heißt es: „Wenn nämlich gesagt wird, die kaiserliche Macht, und überhaupt jegliche legitime Macht sei von Gott, so ist sie doch nicht von Gott allein, vielmehr ist sie eine bestimmte Macht von Gott durch Menschen. Derart ist auch die kaiserliche Macht: sie ist von Gott, aber durch Menschen807.“

Im Breviloquium versucht Ockham, das göttliche und menschliche Wirken bei der Konstituierung weltlicher Herrschaft in Einklang zu bringen, indem er der Aussage, das Imperium sei a solo deo, drei Bedeutungen zumisst. „[1] Einige Jurisdiktion ist von Gott allein ohne menschliche Wahl oder Mithilfe, so wie Moses seine Jurisdiktion von Gott allein hatte. So erhält auch der heilige Petrus von Gott allein die Gewalt, die er hat, durch Christi Worte: Weide meine Schafe! [2] In einem anderen Sinn kann die Jurisdiktion oder Macht von Gott allein kommend aufgefasst werden, insofern sie von Gott allein übertragen wird, aber nicht ohne Mithilfe des Menschen. So ist die Gnade im Sakrament der Taufe von Gott allein, weil sie von 802

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Breviloquium V, 7, S. 181: Contra sacram etiam scripturam accipitur,quod Samuel summus sacerdos constituit Saul regem, quia Samuel non erat summus sacerdos, sed solummodo levita; nec Samuel Saulem vel David unxit in regem auctoritate alicuius,qua erat preditus, dignitatis, sed solummodo de mandato Dei; quali modo quilibet rusticus posset ungere in regem quemcumque. Breviloquium IV, 2. Ebd. IV, 3. Ebd. IV, 4, S. 148: Michi autem videtur, quod opiniones predicte concordari possunt... Oder noch zum Ausdruck bringen wird. Die Abfassungszeit des III Dialogus I-II wird in der Literatur mit 1337-1347/48 angegeben. III Dial. II, i, c. 26, ed. MIETHKE, Wilhelm Ockham. Texte zur politischen Theorie. Exzerpte aus dem Dialogus, S. 278: Quia cum dicitur, quod potestas imperialis et universaliter omnis potestas licita et legitima est a deo, non tamen a solo deo, sed quedam est a deo per homines. Et talis est potestas imperialis, que est a deo, sed per homines. Ähnlich auch ebd. c. 27: ... quod Romanum imperium fuit primo institutum a deo, et tamen per homines scilicet per Romanos.

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Gott allein verursacht ist, aber nicht ohne den Dienst des die Taufe vollziehenden Priesters. So ist die Macht eines Priesters, den Leib des Herrn zu bereiten, von Gott allein, aber nicht ohne die Mithilfe des Weihenden. [...] So erhält auch der Bischof seine Jurisdiktion von dem alleine, der ihn bestätigt (confirmare; d. h. dem Papst), aber nicht ohne vorherige Wahl, obgleich die Wahl keine bischöfliche Jurisdiktion überträgt. Auf diese Art, so die Ansicht einiger, ist die päpstliche Gewalt allein von Gott in jedem Papst in der Nachfolge des heiligen Petrus. Obwohl Christus die Macht auf den heiligen Petrus ohne menschliche Mitwirkung übertragen hat, so hat er gleichwohl diese Gewalt nicht auf die Nachfolger Petri übertragen ohne kanonische Wahl. Aber die Wähler des obersten Bischofs übertragen keine Gewalt auf ihn; nur Gott gibt ihm Gewalt, aber nicht, solange die Wähler nicht auf kanonische Weise eine Person ausgesucht haben, die würdig/fähig ist, solche Gewalt zu erhalten, gerade so, wie – nach Ansicht einiger – allein Gott das Brot in den Leib Christi verwandelt, aber nur, wenn der Priester die geweihten Worte spricht. [3] Auf eine dritte Weise kann Jurisdiktion oder Gewalt als von Gott alleine kommend aufgefasst werden, und zwar nicht, wenn sie übertragen wird, sondern nachdem sie übertragen worden ist. D. h. wenn die Gewalt übertragen wird, ist sie nicht von Gott allein in der ersten oder zweiten Art und Weise, sondern sie ist wahrlich übertragen von jemand anderem als Gott. Aber sobald sie übertragen ist, hängt sie allein von Gott ab, so dass die Person, die die Gewalt ausübt, sie in der Regel nicht anders auffasst, als sei sie von Gott und nicht von jemand anderes über ihr stehenden übertragen worden. Nach Ansicht einiger hat der Papst in diesem Sinne die zeitliche Jurisdiktion allein von Gott in den Gebieten, die vom Kaiser oder anderen Gläubigen an die römische Kirche übertragen worden sind. Denn, so ihre Ansicht, obwohl diese Jurisdiktion dem Papst nicht von Gott allein gegeben wurde, sondern auch von den Gläubigen, denen sie gehörte, erkennt der Papst nichtsdestoweniger, nachdem sie einmal an ihn übertragen worden ist, keinen Übergeordneten an. Denn, so ihre Ansicht, nachdem die Jurisdiktion über diese Gebiete einmal übertragen wurde, hat niemand auch nur das geringste Recht an dieser Jurisdiktion außer Gott.“808

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Breviloquium IV, 5, S. 149 f.: Aliqua enim iurisdictio est a solo Deo absque omni ordinatione, electione et ministerio humano, quomodo Moyses habuit iurisdictionem a solo Deo. Sic etiam beatus Petrus potestatem, quam habuit per illa veba Christi: Pasce oves meas, a solo Deo dicitur. Aliter potest aliqua iurisdictio vel potestas intelligi esse a solo Deo, quia a solo Deo confertur, non tamen absque omni ministerio creature vel hominis. Sic gratia in baptismo est a solo Deo, quia a solo Deo causatur, non tamen absque ministerio baptizantis. Sic potestas conficiendi corpus Christi in sacerdote est a solo Deo, non tamen absque ministerio ordinantis. [...] Sic etiam iurisdictio episcopalis recipitur a solo confirmatore, non tamen absque electione prima, per quam tamen electionem non confertur episcopalis iurisdictio. Isto modo videtur aliquibus, quod potestas papalis est a solo Deo in omni summo pontifice post beatum Petrum; quia licet Christus absque omni ministerio hominis beato Petro papalem contulerit potestatem, tamen successoribus eius potestatem huiusmodi absque electione canonica minime confert. Electores enim summi pontificis nullam sibi tribuunt potestatem, sed Deus solus dat sibi potestatem, non tamen, nisi illi canonice eligant personam capacem huiusmodi potestatis; quemadmodum secundum ipsos solus Deus transsubstantiat panem in corpus Christi, non tamen, nisi quando sacerdos profert verba consecrationis. Tertio

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Die unter [2] angeführte Meinung gibt im wesentlichen die Ansicht wieder, die Aegidius Romanus in De renunciatione geäußert hatte809, wonach die Mitwirkung des Menschen in der Auswahl der Person, nicht aber in der Übertragung der Gewalt besteht. Die ersten beiden Möglichkeiten kommen für Ockham hinsichtlich der Vergabe der weltlichen Gewalt nicht in Betracht, da eine solche Einrichtung des Imperiums durch Gott weder aus der Erfahrung noch aus der Vernunft heraus abgeleitet werden könne, daher also einer göttlichen Offenbarung bedürfe, doch sei in den heiligen Schriften nichts dergleichen verzeichnet810. Dort sei lediglich besagt, dass Gott bzw. Christus das Römische Reich im nachhinein als das legitime Reich geehrt und anerkannt habe811. Das Römische Reich sei also insofern a solo deo [3], als dass es von Menschen gegründet wurde, die Herrschaftsträger aber nach der Gewaltübertragung nur noch von Gott abhingen. Dieses Recht, sich einen Herrscher zu erwählen, wie es beispielsweise das römische Volk in der lex regia zum Ausdruck gebracht hat, haben nach Ockham alle Menschen von Gott und der Natur, sofern sie frei geboren und nicht durch menschliches Recht jemand anderem unterworfen sind812.

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potest intelligi aliqua iurisdictio vel potestas esse a solo Deo, non quando datur vel confertur,sed postquam data est, ut scilicet, quando datur, non sit a solo Deo nec primo modo nec secundo, sed vere detur vel conferatur etiam ab alio, quam a Deo; tamen postquam collata est, a solo Deo dependet ita, quod fungens ea ipsam a nullo alio, quam a Deo, tamquam a superiori, regulariter recognoscit. Sic, secundum quosdam iurisdictionem temporalem in certis regionibus datis ab imperatore vel aliis Romane ecclesie habet papa a solo Deo, quia secundum ipsos, licet non solus Deus, sed etiam fideles, quorum erat iurisdictio huiusmodi, dederint eam pape,tamen, postquam collata est pape, papa non recognoscit superiuorem aliquem propter ipsam, quia secundum eos postquam collata est, nullus alius preter Deum habet quicquam iuris in iurisdictione huiusmodi. Vgl. Anm. 602. Breviloquium IV, 7; ebd. IV, 10; Octo Quaestiones 2, c. 6, S. 77. Vgl. REIBSTEIN, Volkssouveränität Bd. 1, S. 56. Vgl. auch Alexander von Roes bzw. Jordanus von Osnabrück (wie Anm.851). Für Ockham werden damit die Argumente derjenigen entkräftet, die das Römische Imperium auf Usurpation und Tyrannei gegründet sahen. Selbst wenn die Römer fremde Völker gewaltsam unterworfen haben, so hätte diese durch ihre stillschweigende Anerkennung die Herrschaft der Römer später anerkannt und damit die Herrschaft der Römer legitimiert. Ein Zeichen für die Gottunmittelbarkeit des Imperiums sieht Ockham aber, anders als später z. B. Baldus de Ubaldis oder Peter von Andlau, in dieser direkten Anerkennung durch Christus nicht (Breviloquium IV, 7). Breviloquium IV, 10, S. 161: A Deo enim et a natura habet omnes mortales, qui nascuntur liberi et iure humano nequaquam alteri sunt subiecti, quod sponte possunt sibi rectorem preficere, quemadmodum „quisque populus et queque civitas ius sibi constituere“ potest, dist. I. Ius civile (c. 8, dist I.).

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In den Octo Quaestiones greift Ockham die dreifache Bedeutung des a solo deo im Zusammenhang mit der Frage auf, inwieweit dem Herrscher seine Würde und die damit verbundene Sachherrschaft (proprietas sibi proprie propria) von Gott verliehen werden. Die zweite Möglichkeit, also die Verleihung der Gewalt von Gott unter menschlicher Mitwirkung, wird auch hier neben dem Beispiel der Sakramentevermittlung mit der Wahl des Papstes durch die Kardinäle erläutert. Die Wähler (Kardinäle) übertragen keine ihnen selbst eigene Gewalt, sondern vollziehen nur den Willen Gottes, der dem Gewählten unmittelbar die Macht verleiht. Ebenso könne man die Wahl des Kaisers durch die Kurfürsten deuten 813 (so wie es beispielsweise Dante in seiner Monarchia getan hatte). Doch auch in den Octo Quaestiones befürwortet Ockham hinsichtlich des Imperiums die dritte Bedeutung des a solo deo, also die Verleihung der Gewalt durch Menschen, anschließend jedoch ausschließliche Abhängigkeit des Herrschers von Gott. Die Wähler des Kaisers übertragen – im Unterschied zur zweiten Bedeutung (Papstwahl) – einige temporalia aus eigenem Besitz an den Herrscher814. An diesem Punkt wird deutlich, wie sehr Ockhams Eigentumslehre, die er ein seinem „90 Tage Werk“ grundlegend entworfen hatte, die Basis für seine weiteren politischen und herrschaftstheoretischen Reflexionen war815. Gott gestand den Menschen in der nach dem Sündenfall gewandelten Welt das Recht auf Eigentum – die

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Octo Quaestiones 2, c. 5, S. 75: Sicut enim quando papa eligitur, eligentes ipsum nullam sibi tribuunt potestatem, sed, celebrata electione et electo consentiente, Deus immediate sibi confert omnem potestatem, quam habet, ita celebrata electione imperatoris eligentes nichil conferunt sibi, sed ipso consentiente, omnem proprietatem, quae propria est imperatoriae dignitati, et potestatem sibi confert solus Deus. Octo Quaestiones 2, c. 6, S. 76 f.: Alia est opinio tenens quod nec primo modo nec secundo habet potestas laicalis suprema proprietatem aliquam sibi propriam a Deo immediate, sed solummodo tertio modo, quia habet eam ex donatione populi et non ex sola donatione Dei. Populus enim non solummodo ordinavit quod esset una suprema potestas laicalis, nec elegit solummodo imperatorem, quo modo cardinales eligunt solummodo papam, nulla sibi de bonis propriis temporalia tribuendo; sed ordinaverunt et statuerunt summam potestatem laicalem, certa ei temporalia de suis propriis largiendo, quae dignitati, non personae dederunt. [...] Cum enim per scripturam divinitus revelatam, ut habetur Genesis primo, constet quod Deus dederit humano generi in communi dominium temporalium rerum... Vgl. III Dial. II, ii, c. 24, ed. MIETHKE S. 324: Dicitur, quod illarum, que nullius hominis sunt, dominium principale post dominium divinum est penes totum genus humanum, quia dominium temporalium rerum dedit deus primis parentibus pro se et posteris suis, sicut ex Gen. c. 1 colligitur. Vgl. MIETHKE, Ockham, S. 219 f.; vgl. aber auch TIERNEY, Natural rights, S. 170 ff., der zurecht bemerkte, dass Ockham hinsichtlich der Eigentumslehre im Breviloquium einige nicht unbedeutende Änderungen im Vergleich zum Opus nonaginta dierum vornahm.

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Herrschaft über Sachen816 – wie auch die zeitliche Jurisdiktionsgewalt zu, die sie auf einen Herrscher übertragen können: „Denn wie das Kaisertum von Menschen ist, und zwar von Gott vermittels der Menschen, so ist auch die Sachherrschaft, die der Kaiser innehat, von Menschen. Folglich hat er seine Sachherrschaft über alle Güter kraft menschlichen Rechts. Und wenn man einwendet, dass menschliche Rechte doch Kaiserrecht sind, D. 8 c. 1, so ist die Antwort, dass zur Zeit Augustins, der in D. 8 c. 1 diese Formulierung gebraucht hat, menschliche Rechte Kaiserrechte waren, denn damals hatte das Volk seine Kompetenz zur Gesetzgebung auf den Kaiser übertragen. Aber zu anderer Zeit waren menschliche Rechte nicht Kaiserrechte, denn es gab ja früher menschliche Rechte als kaiserliche Rechte. Auf gewisse Weise aber ist er [der Kaiser] der Herr über alle Güter kraft eines Rechts des Volkes, denn das Volk hat auf den Kaiser solche Sachherrschaft über alle Dinge übertragen, wie es der Herr den Ureltern und ihren Nachkommen gegeben hat.“ 817

Und im Breviloquium heißt es: „Die Macht zum Erwerb von Eigentum durch einzelne oder mehrere Personen oder ganze Gemeinschaften ist dem Menschengeschlecht von Gott gegeben, und aus diesem Grund hat Gott ihm [dem Menschengeschlecht] – ohne den Dienst oder die Mitwirkung von Menschen – die Macht gegeben, Herrscher mit zeitlicher Jurisdiktionsgewalt einzusetzen, denn zeitliche Jurisdiktionsgewalt ist eines der Dinge, die notwendig und nützlich zum guten und politischen Leben sind.“818

Der Verweis darauf, dass Gott den Menschen die potestas instituendi rectores und die iurisdictio temporalis ohne menschliche Mitwirkung verliehen habe, ist freilich eine Spitze gegen den päpstlichen Anspruch, als Vermittler der von Gott stammenden weltlichen Gewalt aufzutreten. Es ist das Volk, das nach Ockham die Gesetzgebungskompetenz (Herrschaft über Menschen) wie auch die Befugnis zur Aneignung von Eigentum (Sachherrschaft) „von Gott und der 816

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Hier tritt die doppelte Bedeutung von dominium temporale zutage. Vgl. REIBSTEIN, Volkssouveränität Bd. 1, S. 51. Vgl. III Dial. II, ii, c. 24, ed. MIETHKE S. 328: Quia sicut imperium est ab hominibus et a deo mediantibus hominibus, ita dominium, quod habet imperator, est ab hominibus et per consequens iure humano habet dominium omnium huiusmodi rerum. Et cum dicitur, quod iura humana sunt iura imperatorum, di. 8, Quo iure, respondetur, quod tempore Augustini, qui dicit illa verba, que habentur di. 8, Quo iure, iura humana fuerunt iura imperatorum, quia tunc populus transtulit potestatem condendi leges in imperatorem. Sed aliquando iura humana non fuerunt iura imperatoris, quia prius fuerunt humana iura quam iura imperatorum. Sed est quodammodo dominus omnium iure populi; qui populus transtulit in imperatorem tale dominium omnium rerum, quod dedit dominus primis parentibus et posteris suis. Vgl. MIETHKE, De potestate papae, S. 285 f. Breviloquium III, 7, S. 128: Potestas ergo appropriandi res temporales persone et personis aut collegio data est a Deo humano generi; et propter rationem consimilem data est a Deo absque ministerio et cooperatione humana potestas instituendi rectores habentes iurisdictionem temporalem, quia iurisdictio temporalis est de numero illorum, que sunt necessaria et utilia ad bene et politice vivere.

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Natur“819 besitzt, und beide Rechte kann das Volk „beispielsweise in Rom oder anderswo auf bestimmte Personen, bisweilen auf Könige, bisweilen auf Personen geringerer Würde und Macht übertragen“ 820 . Wenngleich auch Ockham die prinzipielle Möglichkeit einer direkt von Gott vorgenommenen Berufung des Herrschers nicht kategorisch ausschließen will, so sei doch gegenwärtig, wie er im Breviloquium betont, jede königliche Herrschaft auf menschliche Einsetzung zurückzuführen821. Dabei sei es letztlich unerheblich, ob der Herrscher durch Wahl oder Erbrecht bestimmt wird und ob er gesalbt oder gekrönt wird, und ob mit der Salbung und Krönung eventuell auch Herrschaftsrechte übertragen werden (oder etwa bloß das nomen imperatoris), da die konkrete Form der Herrschererhebung stets auf menschlichen Konventionen beruhe, die im Einzelfall variieren können822. Die Vergabe der weltlichen Gewalt durch das Volk ist in der kirchenpolitischen Konzeption Ockhams ein Grundpfeiler, der gegen den päpstlichen Anspruch auf das Imperium und die Vergabe der Kaiserwürde gerichtet ist. Ockham stützt sich im wesentlichen auf die aus der legistischen und kanonistischen Tradition erwachsenen Argumente für ein imperium a populo. Neben der lex regia, die in unterschiedliche Glossen Einzug gehalten hatte, führt Ockham auch das ius gentium an, das den Völkern das Recht auf eine freie Herrscherwahl zuschreibt823, sowie die von Gott und der Natur gegebene 819

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Im Breviloquium führt Ockham in diesem Zusammenhang Eccl. 17, 3 an. Vgl. TIERNEY, Natural rights, S. 173. Breviloquium III, 14. Vgl. REIBSTEIN, Volkssouveränität Bd. 1, S. 51. Vgl. Breviloquium III, 11, S. 131 f.; vgl. TÖPFER, Sündenfall, S. 453 Anm. 185; Octo Quaestiones 5, 6, S. 158 f.: Nullus [...] principatus regalis est a natura, quamvis principatus regalis assimiletur in multis principatui naturali: sed omnis principatus regalis est ex institutione positiva, divina et humana. De divina patet in libro Regum in quo habemus quod Deus per Samuelem instituit principatum regalem pandendo quod deberet esse ius regis qui instituendus erat [...] Principatus regalis humanitus institutus, cuiusmodi est omnis principatus qui etiam in praesentia habetur, pendeat et procedat ex ordinatione humana quae ex causa rationabili variari potest. Vgl. MCGRADE S. 86, 197. Octo Quaestiones 5, c. 6, S. 159: ...potest principatus regalis institui. Uno modo per voluntatem et ordinationem populi; quia „quilibet populus carens rege“ proprio, qui non est subiectus imperatori vel alteri regi seu domino, „potest de iure gentium“ constituere „sibi regem“ [...]. Si primo modo instituitur principatus regalis, sicut in voluntate populi est ordinare quod reges fiant per generis successionem vel per electionem, sic in voluntate eiusdem populi est, si ordinaverit reges hereditarie successuros, quod defuncto rege alius hereditarie successurus statim ante omnem coronationem et quamcunque aliam sollemnitatem habeat omnem debitam super temporalia potestatem, vel quod solummodo huismodi potestatem accipiat per coronationem vel aliam sollemnitatem fiendam circa ipsum. Ockham stützt sich hier auf ein Argument Lupolds von Bebenburg, dessen Ansichten er ansonsten kritisch gegenübersteht. Lupold hatte in seine Tractatus de iuribus auf eben

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prinzipielle Freiheit der Menschen. Die Integration des göttlichen Wirkens in die Konstituierung weltlicher Herrschaft versucht Ockham neben seiner Konzeption a deo mediante populo auch dadurch zu erreichen, dass der Herrscher nach der Gewaltübertragung durch das Volk alleine von Gott abhängig ist. Auch wenn das Volk den Herrscher einsetzt, so steht es doch nicht über ihm, sondern hat sich dem Herrscherwillen zu beugen, denn der Kaiser ist der Herr des römischen Volkes und nicht dessen Vasall824. Das bedeutet jedoch nicht, dass das Volk der herrscherlichen Willkür ausgesetzt ist, denn: Regulariter hängt der Kaiser nach der Gewaltübertragung nur noch von Gott ab, casualiter jedoch, nämlich im Falle eines weltlichen Versagens oder Verbrechens (defectum vel crimen seculare) und im Falle eines kirchlichen Verbrechens (crimen ecclesiasticum), kann er auch wieder abgesetzt werden, und zwar in erster Linie von den Kurfürsten, die im Auftrag der Gesamtheit sowohl bei der Wahl als auch bei der Absetzung handelten, in zweiter Linie aber auch vom Papst, der – sollten die Kurfürsten und das römische Volk pflichtvergessen sein – von seinem fallweisen Eingriffsrecht in weltliche Angelegenheiten Gebrauch machen kann825. Wenngleich Ockham in seinen kirchenpolitischen Schriften zumeist das Verhältnis von Kaiser und Papst im Blick hat, so gelten die grundsätzlichen herrschaftstheoretischen Aussagen natürlich auch für königliche Herrschaft826. Die lex regia ist letztlich nur eine römische Umsetzung des im ius gentium grundsätzlich formulierten Anspruchs aller Völker, sich einen König zu geben. Dies zeigt sich explizit in dem Fragment gebliebenen Traktat An princeps (1337/40), eine Art Gutachten, mit dem die Politik des englischen Königs Eduard III. gestützt werden sollte, der seinen finanziellen Problemen durch den Zugriff auf Kirchengüter beikommen wollte. Darin heißt es: „Obgleich nämlich die vielen kirchlichen Gewalten von Gott vermittels der päpstlichen Autorität eingerichtet sind, so sind die weltlichen Gewalten – sowohl die kaiserliche als auch die königliche oder die anderer Fürsten – von Gott nicht durch den Papst, sondern durch die Menschen eingesetzt, die diese Gewalt dazu nicht vom Papst, sondern von Gott empfangen haben. Daher stammt die königliche Gewalt nicht vom Papst, sondern

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jenes Recht der Völker zur Herrscherwahl verwiesen, welches er der Glosse zu D. 1, 1, 5 ad v. condita entnommen hatte. Vgl. Anm. 858. Octo Quaestiones 2, c. 6, S. 79: Quia idem respectu eiusdem non potest esse vasallus et dominus, praesertim ratione eiusdem; Romani autem sunt inferiores et vasalli imperatoris, quorum ipse est dominus Breviloquium VI, 2; vgl. REIBSTEIN, Volkssouveränität Bd. 1, S. 60 f. Vgl. die häufigen Formulierungen wie imperatores vel regi vel alii principes, etc. Die Herrschaft über Sachen wie auch die Gesetzgebungskompetenz ist ja ein von Gott an die gesamte Menschheit gegebenes Vermögen, nicht nur an das römische Volk. Vgl. Anm. 818.

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von Gott vermittels des Volkes, das von Gott die Gewalt erhalten hat, sich einen König um des Gemeinwohls willen zu geben.“827

George de Lagarde sah in Ockhams Herrschaftstheorie eine „Desacralizazion“ der Herrscherwürde. Ockham habe den Prozess der Sakralisierung weltlicher Herrschaft, der von der Kirche seit fünf Jahrhunderten betrieben wurde (!), zurückgewiesen828. Lagarde, der also unter Sakralität die Vereinnahmung und Unterordnung weltlicher Herrschaft durch die Kirche verstand, sah dementsprechend in Ockhams Konzeption eine Entsakralisierung aufgrund der propagierten Unabhängigkeit der weltlichen Gewalt von kirchlich-päpstlichem Einfluss. Dies stellt jedoch nicht Ockhams eigentliche Leistung dar (die Unabhängigkeit der weltlichen Gewalt von der Kirche wird seit dem Investiturstreit vertreten), es ist vielmehr seine weithin durchdachte Konzeption vom Volk als naturrechtlichem Träger der Herrschergewalt829. Das Volk bezeichnet nicht nur den Träger der Gewalt, es ist auch aufgrund naturrechtlicher Konsequenzen im Besitz der Gewalt, die es an den Herrscher überträgt. Der Herrscher erhält also seine Gewalt a deo mediante populo. So wie der Papst im kirchlichen Bereich der Vermittler der von Gott stammenden Gewalt sei830, so fungiere das Volk im weltlichen Bereich als Vermittler. Ockham ist in seinen kirchenpolitischen Schriften stets bemüht, mit Argumenten aus Philosophie, Theologie, Kanonistik und Legistik eine in sich geschlossene Herrschaftstheorie zu entwerfen und die traditionellen Argumente des imperium a deo mit der primär legistischen Ansicht eines imperium a populo zu verbinden. Seine Konzeption des a deo sed per homines ist ungleich tiefsinniger als das imperium a deo, imperator a populo der Legisten831, denen 827

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Wilhelm von Ockham, An princeps, ed. Offler (= Opera politica 1), S. 219-267, c. 4, S. 240: Quamvis enim potestates plures ecclesiae institutae sunt a Deo mediante auctoritate papali, potestates tamen saeculares, imperialis scilicet et regalis et aliae principales, sunt a Deo non per auctoritatem papalem, sed per auctoritatem hominum, quam non a papa acceperunt, sed a Deo. Unde regalis potestas non est a papa, sed a Deo mediante populo, qui accipit potestatem a Deo praeficiendi sibi regem propter bonum commune. Vgl. TÖPFER, Sündenfall, S. 455 Anm. 196. Lagarde (zitiert nach MCGRADE S. 95 f.) Ockham beantwortet mit seiner Konzeption des a deo mediante populo jene Fragen hinsichtlich des Zusammenwirkens von Gott und Volk bei der Konstituierung von Herrschaft, die Marsilius in seinem Defensor Pacis weitgehend ausgeklammert hatte. Vgl. KÖLMEL, A deo sed per homines, S. 332 f. Dies ist ein fundamentaler Unterschied etwa zu Quidort, der die bischöfliche Gewalt als nicht vom Papst, sondern unmittelbar von Gott verliehen erachtet. Vgl. Anm. 695. Cynus da Pistoia ad D. 1, 1, 14 § 4 n. 1, in: Comm. in Cod. et aliquot titulos primi Pandectorum, f. 8rb: Imperium est a Deo [...] et ab ipso Deo immediate processit, unde Imperatorem et Deum non est ponere medium. [...] Vel melius dico quod Imperator a

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von Seite der Philosophen und Theologen stets der Vorwurf gemacht wurde, sie seien bloße „Techniker der Macht“, die allein mit ihren Gesetze und ohne Kenntnis der tiefen Einsichten eines Platon oder Aristoteles der Frage nach Begründung und Legitimität von Herrschaft nicht gerecht werden können832. Nur wenige Rechtsgelehrte wie Bartolus de Sassoferrato und Baldus de Ubaldis verspürten diese Defizit der gelehrten Jurisprudenz auf dem Gebiet der politischen Theorie und versuchten einen „terminologischen Brückenschlag zwischen Artisten/Theologen und Juristen, ohne damit jedoch ein nennenswertes Echo unter ihren Fachgenossen zu erzielen.“833

1.10.

Bartolus de Sassoferrato und Baldus de Ubaldis

Bartolus de Sassoferrato gilt als der bedeutendste Legist des Mittelalters. Er lehrte an den Universitäten von Pisa und Perugia, wo auch Baldus de Ubaldis zu seinen Schülern zählte. Sein Werk umfasst Kommentare zum gesamten Corpus Iuris mit Ausnahme der Institutiones, etwa 400 consilia sowie zahlreiche kleinere juristische Traktate. Bereits zu Lebzeiten berühmt, genoss sein Werk auch nach seinem frühen Tode 1357 noch für Jahrhunderte ein enormes Ansehen. In Spanien und Portugal wurde 1427/33 bzw. 1446 per Dekret festgesetzt, dass in Fällen, in denen das Corpus Iuris oder die Glosse des Accursius keine Klarheit brächten, auf das Werk des Bartolus zurückzugreifen sei, und noch bis ins 18. Jahrhundert hinein galt Bartolus in einigen Teilen Europas als maßgebliche Autorität des römischen Rechts. Das für ein kurzes Leben von nur 43 Jahren äußerst umfangreiche Oeuvre zeigt Bartolus als praktisch orientierten Juristen, nicht als politischen Philosophen. Bartolus war weniger an Fragen interessiert, die das Verhältnis der beiden Universalgewalten zueinander oder des Kaisers zu den nationalen Königtümern betrafen, als vielmehr an der Anwendung römischer Rechtsgrundsätze auf die oberitalienischen civitates, also am Verhältnis des Kaisers zu den Städten834. In der aktuellen Auseinandersetzung zwischen Papst und Kaiser hielt Bartolus sich weitgehend zurück835. Cecile N. Woolf hat in seiner Untersuchung über die politische Anschauung des Bartolus herausgearbeitet,

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populo est sed imperium, cuius presidatu Imperator dicitur divinus, a Deo. Vgl. WALTHER, Imperiales Königtum, S. 124, 175. Vgl. WALTHER, Rechtslehrer, S. 176 f. Ebd. S. 178; vgl. auch DERS., Verbis Aristotelis. Vgl. WALTHER, Bartolus von Sassoferrato und Baldus de Ubaldis. WOOLF S. 86.

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dass die Aussagen des Bartolus über das Verhältnis von Kaiser und Papst recht ambivalent, bisweilen gar widersprüchlich erscheinen. In den Passagen, in denen er die päpstliche Anschauung – etwa bezüglich der Konstantinischen Schenkung und dem daraus resultierenden päpstlichen Anspruch am Imperium – zu befürworten scheint, geschehe dies nach Ansicht Woolfs gleichwohl nicht aufrichtig. Bartolus vertrete vielmehr die Position, die man von einem Gelehrten in der päpstlichen Hochburg Perugia, in terris Ecclesiae amicis, erwartete836. Aufgrund dieser insgesamt eher zurückhaltenden Einstellung ist die Verortung des Bartolus in den „klassischen Parteiungen“ der Zeit kaum möglich, wie überhaupt seine Aussagen bezüglich des Verhältnisses von Papst und Kaiser ohnehin eher unoriginell sind. Grundsätzlich sah Bartolus sowohl das Papsttum als auch das Kaisertum als unmittelbar göttlich an, als getrennte und unabhängige Gewalten, die sich jedoch gegenseitig unterstützen sollten837. De iure ist der Kaiser für Bartolus bezüglich der temporalia der rex universalis und dominus mundi, de facto freilich erkennen einige regna und civitates den Kaiser nicht als ihren Herrn an. Der Rex Romanorum erhält die imperiale Jurisdiktion durch seine Wahl, bedarf aber zu deren Ausübung der päpstlichen Approbation; die Krönung und Weihe hingegen enthält lediglich die dona spiritualia, besitzt also keine rechtserhebliche Bedeutung. Bartolus bewegt sich bei diesen klassischen Themen der Legistik alles in allem in bekannten Bahnen, interessanter für unsere Fragestellung ist hingegen eine Aussage, die Bartolus in seinem Tractatus de regimine civitatis hinsichtlich der Einsetzung monarchischer Herrscher trifft. Bartolus erörtert im Sinne des Aristoteles, den er im wesentlichen aus dem Fürstenspiegel des Aegidius Romanus schöpft, die verschiedenen Herrschaftsformen (Politie/Demokratie, Aristokratie/Oligarchie, Monarchie/Tyrannis) und weist sie einem Gemeinwesen je nach dessen Größe zu. Kleinere Gemeinwesen oder Völker sollten von Vielen, Große von Wenigen, die Größten nur von Einem regiert werden. Als Beispiel zieht er die historische Entwicklung der Stadt Rom heran, die, nachdem sie enorm gewachsen war und mehrere Provinzen unter ihre Herrschaft gebracht hatte, nur noch von einem Kaiser regiert werden konnte. In diesem Zusammenhang nun beruft sich Bartolus u. a. auf Dt. 17, 14, wo das Volk Israel angewiesen wird, künftig denjenigen zum König zu erheben, den Gott erwählen werde. „Bezüglich der Worte ,den dein Gott erwählen wird‟ wird deutlich, dass alle Könige [sc. die gewählt werden] entweder von Gott unmittelbar oder von Wählern, die von Gott inspiriert sind, erwählt werden. Denn das Herz der Wähler ist in der Hand Gottes, und er lenkt es, wohin er will (Verweis auf C. 1, 1, 8, 3). Und daran zeigt sich, dass eine 836 837

WOOLF S. 98. Vgl. dazu WALTHER, Imperiales Königtum, S. 177 f. Vgl. WOOLF S. 72 f.

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Herrschaft, die auf Wahl beruht göttlicher ist als eine, die auf der Erbfolge basiert: Aus diesem Grund ist die Erbfolge auch in kirchlichen Angelegenheiten streng verboten (Verweis auf c. 7, X, 1, 17; c. 11, X, 1, 17). Und aus diesem Grund erfolgt die Auswahl eines Fürsten zum rex universalis durch die Wahl der Prälaten und Fürsten und geschieht nicht durch Erbfolge (Verweis auf c. 34, X, 1, 6 und c. 2, VI, 2, 14). ,Dieses Imperium ist nämlich von Gott eingerichtet‟ (Verweis auf Nov. VI, praef. und Nov. LXXIII, praef., 1), die partikularen Könige hingegen beruhen auf menschlicher Anordnung (Verweis auf D. 1, 1, 5, ius gentium).“838

In einer Wahlmonarchie, und das ist letztlich allein noch das Kaisertum, wird der Herrscher also von Gott eingesetzt. Die menschlichen Wähler (Kurfürsten) sind für Bartolus (genau wie für Dante) lediglich als Verkünder des göttlichen Willens anzusehen, was Bartolus durch eine gezielte Abwandlung von Prov 21, 1 treffend veranschaulicht, wonach nicht das Herz des Königs, wie es korrekt heißen müsste, sondern das Herz der Wähler in der Hand Gottes sei und von ihm gelenkt werde. Im Gegensatz zum dem durch Wahl bestimmten rex universalis basiert die Herrschaft der partikularen (Erb-)Könige, weil von geringerer Würde, nicht auf göttlicher, sondern auf menschlicher Anordnung, was Bartolus mit dem Verweis auf das ius gentium nach D. 1, 1, 5 unterstreicht. Dieses besondere Verhältnis des Kaisers zu Gott drückt Bartolus auch mit der durch die Glosse des Accursius in den allgemeinen legistischen Sprachgebrauch eingegangenen kaiserlichen Bezeichnung des quasi deus in terris aus839. Abgesehen davon hält sich Bartolus jedoch in der Verwendung sakraler Bezeichnungen hinsichtlich des Kaisers zurück; das Christusvikariat wird von ihm ausschließlich auf den Papst bezogen. Wesentlich fruchtbarer ist diesbezüglich das Werk des Baldus de Ubaldis, nicht zuletzt deshalb, weil dieser als doctor utramque legem neben dem rö838

839

Tractatus de regimine civitatis, ed. Quaglioni, Politica e Diritto nel trecento Italiano (= Il pensiero politico Bibliotheca 11), S. 166 f.: Ex eo quod dicit:,Quem Dominus Deus tuus elegerit‟, sciendum est quod omnis rex aut immediate a Deo eligitur, aut ab electoribus inspiciente Deo. Cor enim eligentium in manu Dei, et ubi voluerit inclinabit illud, ut dicitur de rege C. de summa Trinitate, epistola inter claras. Et ex hoc nota, quod regimen quod est per electionem est magis divinum, quam illud quod est per successionem: ideo in rebus ecclesiasticis successio omnino detestatur, extra, de filiis presbiterorum, c. ex transmissa et c. ad. extirpandas. Et ideo electio principis qui est rex universalis fit per electionem prelatorum et principum, non autem vadit per successionem, ut extra, de electione, c. venerabilem; et de re iudicata, c. ad apostolice, libro vi. ,Hoc‟ enim ,imperium Deus de celo constituit‟, ut in aut. quomodo oporteat episcopos in principio; et de instrumentorum cautela et fide, §. i. Reges vero particulares sunt magis ex constitutione hominum, ut ff. de iustitia et iure, l. ex hoc. Vgl. Bartolus, Tractatus super Constitutione ... Ad reprimendum, ed. Omnia quae extant opera X, S. 261 ff., Nr. 5: Princeps est Deus in terris. sv. Fidelitatis: quia tota fidelitas debetur principi. Est enim Deus in terris. Vgl. ERKENS, Vicarius Christi, S. 31 Anm. 133.

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mischen auch das kanonische Recht studiert und kommentiert hat. Geboren wohl um 1327, studierte er beide Rechte in Perugia, wo er auch bei Bartolus gehört haben dürfte. Anders als sein großer Lehrer nahm Baldus jedoch aktiver an der „großen Politik“ teil, wie ein Gutachten 1380 zeigt, in dem er im Großen Schisma Stellung für Papst Urban VI. bezog840. Neben seiner akademischen Tätigkeit in Perugia, Pisa, Florenz, Padua und Pavia befasste sich Baldus immer auch mit Fragen der Rechtspraxis, nicht zuletzt in seiner Zeit in Pavia (ab 1390) als „Hausjurist“ Giangaleazzo Viscontis. In dieser Zeit verfasste er zahlreiche Consilia841, in denen er unter anderem auch die ideellen Grundlagen des Kaisertums reflektierte. Anhand einiger Consilia 842 , allen voran „Rex Romanorum“ und „Ad intelligentiam“ 843 , sowie ausgewählter Passagen aus den Kommentaren zum römischen und kanonischen Recht844 lässt sich Baldus‟ Auffassung von weltlicher respektiver kaiserlicher Herrschaft in ihrem theoretischen Anspruch nachzeichnen. Auch Baldus sieht ganz im Sinne des römischen Rechts und der Glosse des Accursius im Kaiser de iure den dominus mundi und deus in terris845, während de facto auch territoriale Souveräne (Könige, civitates) existieren 846 . Die universelle de iure Souveränität des Kaisers beruht nicht zuletzt auf seiner Einsetzung durch Gott und seiner Stellung als vicarius Dei und corporalis mundi deus. „Beachte, dass wir alle an den Kaiser gebunden sind, weil Gott, der Fürst des Himmels, den Kaiser auf Erden als seinen Stellvertreter und Herrscher in Glauben, Wahrheit und Gerechtigkeit eingesetzt hat.“847

An anderer Stelle: „Beachte, dass jeder, der einen Eid schwört, ebenso wie er nicht auf Gott schwört, auch nicht auf das Imperium schwört. Deshalb ist bei allen Treueeiden der Kaiser ausgenommen, weil er der Fürst der Welt ist und sozusagen ein leiblicher Gott auf Erden.“848 840 841 842 843 844 845

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Vgl. WALTHER, Baldus als Gutachter. Vgl. Consiliorum sive Responsorum, 6 Bde., Venedig 1575 [ND Turin 1970]. Vgl. LANGE, Consilien; PENNINGTON, Consilia. Vgl. PENNINGTON, Authority; DERS., Allegationes. Baldus de Ubaldis, Commentaria omnia, 8 Bde, Venedig 1599 [ND Goldbach 2004]. Vgl. PENNINGTON, Allegationes, S. 49 f.: Quod imperator est dominus mundi, ff. ad legem Rod. de iactu l. Deprecatio. Item est Deus in terris, ut in aut. de consulibus. Unde Seneca De clementia ad Neronem in principio, describens Cesarem, sic ait in persona Cesaris loquentis de se: Ego ne ex omnibus mortalibus placui electusque sum qui in terris deorum uice fungere? Vgl. WALTHER, Bartolus von Sassoferrato und Baldus de Ubaldis, S. 124 f. De pace Constantine, ad v. Imperialis clementie: Nota quod omnes tenemur principi, quia ut deus princeps in celis, sic imperatorem [imperator ed. cit.] vicarium suum et dominatorem in fide ac veritate et iusticia constituit in terris. (zitiert nach CANNING S. 25).

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Die Vorstellung einer Einsetzung des Kaisers durch Gott wird auch von Baldus mit der lex regia und der Ansicht einer Gewaltübertragung durch das Volk verbunden. Zu C. 1. 14. 4 bemerkt er: „Beachte, dass die Macht (auctoritas) des Kaisers von der lex regia abhängt, die auf Geheiß Gottes erlassen wurde; und daher wird gesagt, dass das Imperium unmittelbar von Gott ist.“849

Zu C. 7. 37. 3 erläutert Baldus ausführlich die Gründung des Imperiums auf Geheiß Gottes, wobei er in einer Art historischen Abriss theokratische, papalistische und populistische Argumente in einem vier-Stufen Prozess miteinander zu verbinden sucht: „In dem Text hier ,auf Geheiß Gottes‟, beachte, dass der Kaiser wie der Papst von Gott eingesetzt wird und das Imperium von Gott stammt. Und daher sind das Imperium und die Kirche (ecclesia) Geschwister, wie die Konstitution ,Quomodo oporteat episcopos‟ [Nov. 6] besagt. Innozenz [IV.] jedoch sagt, dass er nicht wisse, worin das Imperium seinen Ursprung habe. Man kann sagen, dass es seinen Ursprung in der gewaltsamen Eroberung besitzt, freilich mit der Erlaubnis Gottes, der wollte, dass die ganze Welt dem römischen Volk untertan sei. Danach erhob das römische Volk einen Kaiser, dem sie alle Gewalt übertrugen und dies wurde hernach ausdrücklich durch das Wort Gottes bestätigt, als er sagte: ,Gebt Gott was Gottes ist und dem Kaiser was des Kaisers ist‟; und dies wurde später von der Kirche bestätigt (approbatum).“850

1. Die kriegerische Unterwerfung benachbarter Völker und Provinzen durch die Römer in der Antike war in der mittelalterlichen Debatte ein geläufiges Argument seitens der kaiserlichen Gegner, um das Imperium mit dem Makel der Gewalt und des Blutvergießens zu behaften – ein Umstand, der auch schwerlich zu leugnen war, der aber aufgrund der heilsgeschichtlichen Bedeutung, die dem Imperium Romanum 848

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Ad Feud., 2. 55: Nota quod omnis qui iurat, sicut non iurat contra deum, ita nec iurat contra imperium. Itaque ab omni iuramento fidelitatis excipitur imperator quia princeps mundi est, et, ut ita dixerim, corporealis mundo deus. (zitiert nach CANNING S. 25). Baldus, Commentaria Bd. 5, ad C. 1. 14. 4 (Digna vox), vol. 64 v: Nota quod auctoritas imperatoris pendet ex lege regia que fuit nutu divino promulgata et ideo imperium dicitur esse immediate a deo. Vgl. CANNING S. 26. Baldus, Commentaria Bd. 8, ad C. 7. 37. 3 (Bene), vol. 28 v: In textu ibi ,nutu divino‟, nota imperatorem constitui divinitus sicut apostolatus et processit a deo imperium. Et ideo imperium et ecclesia fraternizant ut in constitutione ,Quomodo oporteat episcopos‟, in principo. Innocentius tamen dixit quod nescit unde imperium habuit originem. Potes dicere quod habuit initium ab ense permisso divino; voluit enim populo Romano totum orbem subiugari. Deinde populus Romanus constituit imperatorem in quem transtulit potestatem omnem et postea confirmatum fuit expresso verbo divino dum dixit ,Imago dei reddatur deo et imago Cesaris reddatur Cesari‟; est etiam approbatum postea ab ecclesia. Vgl. CANNING S. 27.

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weithin zugesprochen wurde insofern erklärt wurde, dass man, wie es Baldus hier tut, eine (wenn auch stillschweigende) Erlaubnis Gottes voraussetzt. 2. Zur Zeit des Augustus wurde das Kaisertum durch das römische Volk aufgrund der lex regia errichtet. 3. Dieses römische Kaisertum wurde von Christus ausdrücklich anerkannt und bestätigt, wie Baldus durch das Christuswort Matth. 22, 21 verdeutlicht. Die Anerkennung und Würdigung des römischen Reiches durch Christus hat spätestens seit Alexander von Roes und Jordanus von Osnabrück Ende des 13. Jahrhunderts ihren festen Platz in der mittelalterlichen Diskussion um das Imperium851. 4. Die Kirche bestätigt die Confirmatio Christi. Daraus erwächst letztlich der Anspruch des päpstlichen vicarius Christi auf Approbation des Kaisers. Für Baldus geht damit durchaus auch ein gewisser Superioritätsanspruch des Papstes einher (jedoch kein rechtlicher), doch der Ursprung der kaiserlichen Gewalt bleibt allein Gott852. Diese Ausführungen beziehen sich jedoch – historisch wie auch rechtlich (lex regia, confirmatio/approbatio) – ausschließlich auf das Kaisertum. Die Übertragung gewisser römisch-rechtlicher Grundsätze wie z. B. die lex regia auf partikulare Königtümer war durchaus problematisch, was bereits von mittelalterlichen Gelehrten erkannt worden war. Baldus, der die Übertragung der kaiserlichen Gewalt durch das Volk auf der Basis der lex regia in C. 1. 14. 1 als gottunmittelbar bezeichnete, da diese auf Gottes Geheiß erfolgt sei, scheint in C. 7. 37. 3 die lex regia aber nur noch als spezifisch römischen Ausdruck des im ius gentium für alle Völker festgeschriebenen Rechtes, sich einen Herrscher zu erwählen, zu verstehen und die kaiserliche Gottun851

852

Vgl. Alexander von Roes, Memoriale de prerogativa Romani imperii, in: Alexander von Roes. Schriften (= MGH Staatsschriften des späteren Mittelalters 1, 1), ed. Grundmann/ Heimpel, S. 91-148. Wenn Baldus in C. 1. 1. 1 die ecclesia als mater imperii bezeichnet, so steht dahinter nicht der Gedanke der generatio, sondern der Gedanke der protectio. Vgl. CANNING S. 34. Baldus, Commentaria Bd. 5, ad. C. 1. 1. 1 (cunctos populos), vol 6r: Sed nunquid ecclesia sit mater imperii? Dic quod sic ... Unde ecclesia est mater conservans non generans; nam imperium immediate a populo processit, ut in Auth. ,De instrumentorum cautela et fide‟ [= Nov. 73], Auth. ,Quomodo oporteat episcopos‟ [= Nov. 6]. Ecclesia ergo mater est protectione, ut in Auth. ,Ut determinatus sit numerus‟ [= Nov. 3], et approbatione infule imperialis seu corone. Hervorgebracht wird das Imperium demnach immediate a populo, was Baldus mit dem Verweis auf ,Quomodo oporteat episcopos‟ belegt. Dies zeigt den mitunter verwirrenden Gebrauch der Begriffe mediate und immediate. ,Quomodo oporteat episcopos‟ wird für gewöhnlich (wie auch von Baldus, s. o.) als Beweis für die Gottunmittelbarkeit des Imperiums angeführt. Dazu auch REIBSTEIN, Althusius, S. 150 f., der das Problem von “unmittelbar” und “vermittelt” bei Vasquez untersucht.

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mitttelbarkeit allein auf die confirmatio Christi zurückzuführen. Bezüglich der k ö n i g l i c h e n Gewalt rekurriert Baldus ausdrücklich auf das ius gentium853, ohne dass eine unmittelbare Beziehung des Herrschers zu Gott, wie sie der Kaiser durch die confirmatio Christi besitzt, hervorgehoben wird. Jegliche Beziehung zu Gott erscheint daher für königliche Herrscher durch die Kirche vermittelt, der Kaiser hingegen steht wie der Papst unmittelbar zu Gott854. Wie Bartolus, so erachtet also auch Baldus die kaiserliche Herrschaft offenbar als „göttlicher“, während die königliche Herrschaft allein auf den menschlichen Bestimmungen des ius gentium beruht. Aufgrund der de facto Souveränität und dem Grundsatz rex imperator in regno suo sieht Baldus aber trotz des menschlichen Ursprungs königlicher Herrschaft auch im rex den vicarius Dei. Das Gottesvikariat ist für Baldus gleichsam der Ausdruck für die hierarchische Spitzenstellung und die damit verbundenen Rechte und Privilegien auch eines königlichen Herrschers, so dass der König, auch wenn er nicht wie der Kaiser unmittelbar zu Gott steht, als vicarius Dei und corporalis deus mundi bezeichnet werden kann855. Die Verwendung dieser „theocratic language“ (Canning) dient Baldus immer wieder dazu, primär jurstischen Sachverhalten (Aufbau der feudalen Eidesformel, Rechte des Königs/Kaisers als oberster Lehensherr, etc.) Ausdruck zu verleihen. Dieser pragmatische Umgang mit dem Begriff des vicarius Dei zeigt sich auch daran, dass Baldus sich um die auch zu seiner Zeit noch geführte Debatte darüber, ob die Postulierung eines doppelten Gottesvikariats häretisch sei, nicht weiter kümmert. König, Kaiser und Papst gelten ihm als Souveräne alle als vicarius Dei, wobei freilich auch Baldus eine Superiorität des Papstes bezüglich des Gottesvikariats hervorhebt, denn magis est vicarius dei papa quam imperator, quia papa equiperatur soli qui maior est quam luna quantitate, dignitate, officio, et situs sublimitate856. Die Berufung auf das ius gentium, wonach laut der Glosse des Accursius die Völker das Recht haben, sich einen König zu erwählen, ist etwa seit dem Ende des 13. Jahrhunderts ein fester Bestandteil der herrschaftstheoretischen De853 854 855

856

Vgl. CANNING S. 210. CANNING S. 28. König als vicarius Dei in Ad X. 1. 29. 38, n. 5; vgl. CANNING S. 213; im Hinblick auf das schwören eines Eides wird im Zusammenhang mit Feud., 2. 55 (vgl. Anm. 848) neben dem Kaiser auch der französische König erwähnt. In C. 2. 4. 41 jedoch wird nur ausschließlich verboten, auf den Namen des Kaisers und des Papstes zu schwören, nicht aber auf den König. Vltimo no. quod princeps indignatur quando nomen suum apponitur in iuramento et non servatur iuramentum; quod ipse equiparat se deo, quia est deus in terris. Nec habet locum nisi in monarcha, scilicet imperatore et papa, non in regibus. (CANNING S. 213). Consilium „Ad intelligentiam“, ed. PENNINGTON, Allegationes, S. 55.

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batte, insbesondere bei jenen Gelehrten, die eine Unabhängigkeit der weltlichen Gewalt von kirchlich-päpstlichem Einfluss vertraten, da die Bestimmungen des ius gentium ja nicht in den päpstlichen Zuständigkeitsbereich fielen. Hierokratische Autoren wie etwa Wilhelm von Sarazeno versuchten daher auch ausdrücklich, nicht das ius gentium, sondern das ius divinum als Grundlage weltlicher Herrschaft zu erweisen, um auf dieser Basis dem Papst ein Eingriffsrecht zu sichern. Insofern man das „eligere“ der Glosse nicht als Plädoyer für ein Wahlkönigtum verstand, sondern – wie etwa Johann Quidort – ganz allgemein auch die Auswahl der Dynastie darunter subsumierte, innerhalb derer die Herrschaft dann auch auf erbrechtlichem Wege vergeben werden konnte, insofern konnte das ius gentium und die Glosse ohne weiteres von (erb-)königlicher Seite gegen päpstliche Ansprüche ins Feld geführt werden. Aber auch kaiserliche Autoren beriefen sich auf das ius gentium, da man einerseits ganz allgemein jegliche Form weltlicher Herrschaft (kaiserlich wie königlich) mit Hilfe des ius gentium gegen päpstliche Einflussnahme verteidigen konnte, andererseits die speziell kaiserlichen Bezüge der lex regia oder der Erhebung des Kaisers durch das Heer als römische Umsetzung des im ius gentium begründeten Anspruchs eines jeden Volkes zur Wahl des Herrschers verstehen konnte. So etwa Lupold von Bebenburg, der in seinem Tractatus de iuribus regni et imperii romanorum bestrebt war, „die deutsche Situation als einen Sonderfall der allgemein gültigen Herrschaftstheorie zu erkennen, die Besonderheiten wohl präzise zu bestimmen, aber sie nicht das Allgemeine, das imperium und regnum Romanorum mit den westeuropäischen Königreichen teilte, verdecken zu lassen.“ 857 Bei der Parallelisierung des Imperiums mit anderen Formen monarchischer Herrschaft geht Lupold von der Zeit Karls des Großen aus, der das regnum francorum durch gerechte Kriege im Sinne des ius gentium erworben hatte, bevor er zum Kaiser gesalbt wurde. Nachdem das karolingische Geschlecht in Ostfranken / Deutschland ausgestorben war, „... wählten die Fürsten und Adligen der Franken, Alemannen, Bayern und Sachsen, die das gesamte Volk Deutschlands repräsentierten Heinrich I., den Herzog von Sachsen, zum König Deutschlands und der Franken. Damit handelten sie nach dem ius gentium, auf dessen Grundlage auch die Königreiche begründet sind. Danach kann nämlich jedes Volk für sich einen König wählen. [...] Mit dem ius gentium lässt sich meiner Meinung nach auch die Richtigkeit der Aussage des heiligen Hieronymus erweisen, nämlich dass das Heer den Kaiser wählt, wie aus D. 93 c. 24 deutlich wird. Denn zu dieser Zeit vertrat das Heer oder Volk der Römer das gesamte dem römischen Imperium unterworfene

857

MIETHKE/FLÜELER, Einleitung zu Lupold von Bebenburg, S. 105.

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Volk. Daher konnte es auch den Kaiser wählen, so wie heute die Kurfürsten aufgrund der genannten Einrichtung [sc. des Kurfürstenkollegs] das Volk vertreten.“ 858

Die Frage, wie eine solche durch das Volk begründete Herrschaft mit dem göttlichen Ursprung zu verbinden war, konnte dann wie gesehen in die – unterschiedlich präzise durchdachten und formulierten – Konzeptionen einer Herrschaft a deo inspirante, populo faciente oder a deo sed per homines münden859. Baldus de Ubaldis beruft sich ebenfalls auf das ius gentium als Grundlage königlicher, aber auch kaiserlicher Herrschaft. Denn die lex regia, die das Kaisertum begründete, gilt ihm wie Lupold gleichsam als Konkretisierung des ius gentium durch das römische Volk860. Im Unterschied aber zur Königsherrschaft besitzt das Kaisertum die unmittelbare Bestätigung durch Christus, weshalb der Kaiser unmittelbar zu Gott, der König allenfalls mittelbar zu Gott steht. Bartolus de Sassoferrato kam zwar zu einem vergleichbaren Ergebnis – das Kaisertum sei göttlichen, das Königtum menschlichen Ursprungs – aber auf anderem Wege. Für ihn basierte nur das Königtum auf dem ius gentium, das er als ex constitutione hominum (hier erbrechtliche Vorstellungen) versteht, während das Kaisertum auf der Wahl beruht, die ihm als göttliches Prinzip galt, und die letztlich auch von Gott vollzogen wurde. Die Identifizierung des ius gentium mit „menschlichen Anordnungen“ durch Bartolus ist der springende Punkt, um dem Königtum (zumindest theoretisch) jene sakrale, gottunmittelbare Stellung zu verweigern, die er dem Kaiser zuschreibt. Auch der Verfasser des Somnium viridarii beruft sich auf das ius gentium als Grundlage königlicher Herrschaft, und auch er differenziert zwischen 858

859

860

Lupold von Bebenburg, Tractatus c. 5, S. 288 f.: Quo genere deficiente principes et natu maiores Francorum, Alamannorum, Babarorum et Saxonum, qui representabant totum populum Germanie, elegerunt Heinricum primum ducem Saxonie in regem Germanie ac Francorum, ut ex prius dictis in predicto c. secundo apparet. Quod facere poterant de iure gencium, ex quo iure eciam regna condita sunt, scilicet quod quilibet populus potest sibi regem eligere, ut patet ex hiis, que leguntur et notantur ff. de iusticia et iure l. Ex hoc iure. [...] Et ex hoc iure gencium credo verificari dictum beati Jeronimi dicentis, quod exercitus facit imperatorem, ut patet in canone XCIII. di. Legimus, quia exercitus seu populum Romano imperio subiectum; unde eciam facere poterat imperatorem, sicut hodie principes electores racione dicte institucionis populum huiusmodi representant. Selbst ein in seinen Aussagen eher hierokratischer Autor wie Jakob von Viterbo gestand der weltlichen Herrschaft eine gewisse Eigenständigkeit zu und erklärte in diesem Zusammenhang, dass die Aussage des Römerbriefs, wonach jede Herrschaft von Gott sei, eine cooperatio humana bei der Konstituierung weltlicher Herrschaft nicht ausschließe. Gott habe den Menschen von Natur aus zum Leben in der Gemeinschaft geschaffen, so dass die Errichtung von Gemeinwesen zwar konkret auf menschlichen Gesetzen beruhe, die jedoch aus dem Naturrecht abgeleitet seien und somit letztlich auf Gott zurückgeführt werden können. Vgl. CANNING S. 26, 63.

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230

Königtum und Kaisertum, gelangt jedoch aufgrund eines anderen Verständnisses vom ius gentium zu nahezu gegensätzlichen Schlussfolgerungen hinsichtlich des Verhältnisses von Herrscher und Gott als Bartolus de Sassoferrato.

1.11

Somnium viridarii

Das Somnium viridarii861 ist 1376 am Hofe des französischen Königs Karl V. von einem anonymen Autor verfasst worden, den die neuere Forschung mit dem Juristen Évrart de Trémaugon identifiziert hat, der wenige Jahre später auch eine erweiterte französische Übersetzung, den Songe du Vergier862, anfertigte. Es gilt als der prägnanteste Ausdruck des französisch-gallikanischen Kirchen- und Herrschaftsverständnisses, welches vom Verfasser in der Form eines Dialogs zwischen einem Kleriker und einem Ritter gekleidet ist. Der Kleriker vertritt im wesentlichen die hierokratische Position, während der Ritter ein dualistisches Gewaltenverständnis offenbart, das sich im Kern an den Schriften aus der Zeit des Konfliktes zwischen Philipp dem Schönen und Papst Bonifaz VIII. sowie dem Defensor Pacis und dem Werk Ockhams orientiert und das letztlich als die Meinung des Verfassers gelten kann863: Die weltliche Gewalt hänge nicht ursächlich von der geistlichen Gewalt ab, sondern sei unmittelbar von Gott. Die Macht des Papstes beschränke sich auf die spiritualia, so dass es mithin zwei Stellvertreter Gottes auf Erden gebe. „Wenn daher gesagt wird, der Papst sei der Stellvertreter Christi, dann sage ich, dass das hinsichtlich der geistigen Angelegenheiten wahr ist, dass es aber einen anderen Stellvertreter in zeitlichen Angelegenheiten gibt, nämlich die weltliche Gewalt, die von Gott ist, da es bekanntlich keine Gewalt gibt außer von Gott, so dass man sagen kann, sie handelt stellvertretend für Gott in der zeitlichen Herrschaft.“864

861 862 863

864

Somnium viridarii, ed. Schnerb-Lièvre/Chatillon. Songe du Vergier, ed. Schnerb-Lièvre, 2 Bde. Den Eklektizismus des Somnium hat die Forschung früh erkannt, vgl. etwa die Zusammenstellung der Quellen bei MÜLLER, Somnium Viridarii, S. 139-152, sowie Einleitung und Apparat der Edition des Songe von Schnerb-Lièvre. Somnium I, 88, S. 89: Dum arguitis quod vera justicia non est in re publica cujus Christus non est rector potens et verax Deus, sed quando dicitur Papa est Christi vicarius, dico quod verum est in spiritualibus, sed bene habet alium vicarium in temporalibus, videlicet potestatem temporalem, que cum sit a Deo, cum non sit potestas nisi a Deo, potest dici vices Dei gerere in regimine temporali. Vgl. TÖPFER, Sündenfall, S. 492. Vgl. Songe I, c. 46, 3, S. 72. Der Herrscher als vicarius Dei in temporalibus auch

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Der Würdevorrang des sacerdotium begründe nicht, wie die Hierokraten behaupten, einen jurisdiktionellen Vorrang, die Salbung verleihe keine Gewalt in temporalibus865 und auch die Einsetzung Sauls durch den Propheten Samuel könne nicht als Grundlage für ein Recht des sacerdotium zur Konstituierung weltlicher Herrschaft herangezogen werden. Zum einen gelten die Verhältnisse des Alten Testaments nicht für den „neuen Bund“, in dem die Priester ausschließlich auf ihre geistlichen Aufgaben begrenzt werden. Zum anderen sei Saul nicht von Samuel, sondern von Gott ein- bzw. später wieder abgesetzt worden. Samuel haben bei der Absetzung (und vulgo auch bei der Einsetzung) lediglich den Willen Gottes verkündet866. Bei der argumentativ sehr traditionellen und hier nicht im einzelnen darzustellenden Ablehnung der hierokratischen Position spricht der Verfasser des Somnium viridarii hinsichtlich der weltlichen Gewalt zumeist ungeschieden von imperatores vel regi vel alii principes867, doch verteidigt der umfangreiche Traktat natürlich in erster Linie das französische Königtum, und zwar nicht nur gegen päpstliche, sondern auch gegen kaiserliche Suprematieansprüche. Während der Clericus bestrebt ist, weltliche Herrschaft zum Gegenstand des ius divinum zu erklären, und sowohl das ius naturae als auch das ius gentium als Grundlage ausschließen möchte, führt der Miles die königliche Herrschaft auf das ius gentium zurück868. Kaiserliche Herrschaft hingegen beruhe nicht auf dem ius gentium, denn in D. 1, 1, 5 sei nicht von der Universalherrschaft, sondern von der Einteilung königlicher Reiche die Rede, die auf dem Willen und der Wahl des Volkes beruhen. Kaiserliche Herrschaft beruhe aber auch nicht auf dem ius naturae oder gar dem ius divinum, wie es der Kleriker behauptet, sondern auf dem jederzeit veränderbaren ius civile869.

865 866

867

868 869

in Somnium I, prooem., S. 59; II, c. 181 f., S. 177 (mit dem Einwand des Clericus, der König sei minister Dei, nicht vicarius Dei); Songe I, c. 36, 16, S. 51. Somnium I, c. 169, S. 127: ... unctio regalis nullam tribuit potestatem in temporalibus. Somnium I, c. 153, S. 118: Samuel non constituit Saul Regem tanquam pollens gradu et dignitate eminentiori, praesertim in temporalibus, quam sit dignitas regalis; sed tanquam divino praecepto obediens. [...] Nec etiam esto, quod Samuel deposuisset de mandato Dei Saulem, fuisset eo quantum ad publicam potestatem et iurisdictionem temporalem superior: quia non deposuit eum tanquam superior, sed tanquam exercens in hoc mandatum Dei, qualiter rusticus de mandato Dei posset imperatorem, imo et Papam deponere [...]. Nam in libro regum non legitur quod Samuel deposuit Saulem, sed quod Deus eum deposuit, et quod hoc Samuel Sauli nunciavit... Was an der weitgehend unveränderten Übernahme seiner Quellen liegt, allen voran den Schriften Ockhams, der wie gesehen herrschaftstheoretisch nicht zwischen König und Kaiser unterschieden hatte. Songe I, c. 36, 25, S. 52 f. Somnium I, c. 36, S. 68 f.: De jure gencium quod eciam naturale dicitur, Instit., De rerum divisione § Quedam enim, cum ad utilitatem hominum Deus omnia creavit, ff. De usuris, l. In pecudum. Et de Jure isto distincta sunt dominia et regna condita, ff. De

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Die lex regia ist in den Augen des Verfassers ein Gesetz des römischen Volkes gemäß dem ius civile und nicht, wie Lupold oder Baldus es sahen, die Konkretisierung des im ius gentium grundgelegten Rechtes eines jeden Volkes, sich einen Herrscher zu erwählen. Und schon gar nicht stehe hinter der lex regia die Inspiration oder gar der ausdrückliche Wille Gottes. Weder im Alten noch im Neuen Testament gebe es Hinweise auf die Gottgewolltheit imperialer Herrschaft, vielmehr seien solche Weltreiche alsbald untergegangen. Auch die Christusworte Matth. 22, 21, die ja für Baldus ein zentrales Argument für die Gottgewolltheit des Imperiums bedeuten, seien nicht im Sinne einer göttlichen Anerkennung zu verstehen (was der Verfasser allerdings, wie Bernhard Töpfer treffend feststellte, in wenig überzeugender Weise zu erweisen versucht870). Während also die kaiserliche Universalherrschaft gegen die göttliche Ordnung sei 871 , entspreche die auf dem Willen des Volkes beruhende königliche Herrschaft dem Willen Gottes, da das ius gentium sich aus dem Naturrecht ableite, welches wiederum auf die ordenance divine zurückzuführen sei872. Bartolus hatte wie gesagt ebenfalls das Königtum auf das ius gentium zurückgeführt, das er aber als ex constitutio hominum verstand, während er das Kaisertum als göttlich erachtete, da es auf einer letztlich von Gott vollzogenen Wahl beruhe.

Exkurs: ius naturale und ius gentium, göttliches und menschliches Recht Die hier deutlich greifbare unterschiedliche Auffassung vom ius gentium einmal als Naturrecht und damit (gleichsam nach dem Grundsatz deus id est natura) als göttliches Recht und ein anderes Mal als menschliche Anordnung, als ius humanum, reicht in ihren Wurzeln bis in die Spätantike, ja letztlich bis in die Zeit Ciceros zurück873. Dieser hatte von einem höchsten, der Natur und dem Geiste Gottes entsprechenden Gesetz gesprochen, das sempiterna et immutabilis bei allen Völkern gelte und daher auch ius gentium genannt

870 871 872

873

justicia et jure, l. Ex hoc jure. Et sic cum de Jure isto sint Reges et de Jure civili solum sint Imperatores quia per populum Romanum, ut infra patebit, Reges titulum habent, cum a jure quodam modo naturali quadam providencia sint instituti, quod Jus semper firmum atque immutabile perseverat, Instit. De jure naturali, § Quod vero. Vgl. TÖPFER, Sündenfall, S. 492 Anm. 385. Vgl. Songe I, c. 36, 15, S. 51. Songe I, c. 36, 25, S. 52 f.: Puis, donques, que lez roys sont establis de droit dez genz, qui est appellé droit naturel, lez roys ont titre de droit naturel, qui est de l‟ordenance divine establi, touziours ferme et estable. Zum folgenden vgl. WEIGAND; TÖPFER, Sündenfall.

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werden könne874. Die Gleichsetzung von ius naturale und ius gentium zeigt sich auch bei dem römischen Rechtsgelehrten Gaius875 und beherrschte die römische Rechtsauffassung bis ins 3. Jahrhundert hinein. Ulpian aber grenzte in seiner bekannten Dreiteilung des Rechts (ius naturale, ius gentium, ius civile) das ius gentium deutlich vom ius naturale ab. Während das ius naturale für alle Lebewesen gelte, beträfe das ius gentium nur die menschliche Gemeinschaft und könne in seinen Normen (z. B. Privateigentum, Unfreiheit) ebenso wie das ius civile vom Naturrecht abweichen876. Unter christlichem Einfluss führte Justinians Corpus Iuris Civilis die bei allen Völkern geltenden naturalia iura auf die göttliche Vorsehung zurück und unterschied davon zwar das nur für die Menschen geltende ius gentium, das z. B. ebenso wie das ius civile für die Entstehung von Eigentumsrechten verantwortlich sei, das aber zugleich als ein den menschlichen Bedürfnissen angepasstes Naturrecht verstanden wurde877. Mit dieser teilweisen Trennung, teilweisen Annäherung des ius gentium an das Naturrecht entstanden nun „gewisse Ungereimtheiten“878, die „Anlass zu vielen terminologischen und sachlichen Schwierigkeiten“879 gerade auch in der mittelalterlichen Legistik boten. Isidor von Sevilla (†630) trug nicht unwesentlich zur Verkomplizierung bei, indem er in seinen Etymologien einerseits grundlegend eine Zweiteilung des Rechtes in menschliches und göttliches Recht traf, andererseits aber die aus der römischen Rechtstradition überkommene Dreiteilung des Rechts in ius naturale, ius gentium und ius civile aufgriff880. Nun lässt sich das ius naturale ohne größere Probleme unter das göttliche Recht (natura id est deus), das ius civile unter das menschliche Recht einordnen, doch das ius gentium entzieht sich einer klaren Zuordnung in das zweigeteilte Schema von göttlichem und menschlichem Recht – letztlich erscheint es bei Isidor eher dem ius humanum zugehörig. Isidor unterscheidet das ius naturale deutlich vom ius gentium, jedoch nicht, indem er wie Ulpian das Naturrecht auf alle Lebewesen, das ius gentium nur auf den Menschen bezog, sondern indem er erklärte, dass das Naturrecht bei a l l e n Völkern, das ius gentium nur bei f a s t allen Völkern gelte. Gratian nahm in seinem Decretum 1140 sowohl Isidors grundlegende Einteilung in göttliches und menschliches Recht auf als auch dessen Bestimmung des ius 874

875

876 877 878 879 880

Vgl. Cicero, De re publica III, 22, 33, S. 280; DERS., De legibus II, 4, 8, S. 78; DERS., De officiis III, 5, 23, S. 240; ebd. III, 6, 27, S. 242; vgl. TÖPFER, Sündenfall, S. 9 ff. Gaius kannte eine Zweiteilung des Rechtes in das ius civile einerseits und das ius gentium andererseits, das mit dem Naturrecht identisch war. Vgl. WEIGAND S. 8 ff. Vgl. TÖPFER, Sündenfall, S. 24 ff.; WEIGAND S. 12 ff. Vgl. TÖPFER, Sündenfall, S. 26 ff.; WEIGAND S. 14 ff. Ebd. WEIGAND S. 16. Vgl. TÖPFER, Sündenfall, S. 86 ff.

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gentium als ein bei fast allen Völkern geltendes Recht881. Die komplexe und vielschichtige Naturrechtslehre der Legisten und Kanonisten des 12. und 13. Jahrhunderts hat Rudolf Weigand in seiner Münchner Habilitationsschrift detailliert nachgezeichnet882. Ein Ergebnis dieser Untersuchung ist, dass sowohl Legisten als auch Kanonisten das ius gentium letztlich als ein den menschlichen Bedürfnissen und Notwendigkeiten angepasstes Naturrecht erachteten, gleichsam als ein sekundäres Naturrecht, wie es Placentinus ausdrückte883, auf das nicht zuletzt die dem primären Naturrecht widerstrebende Entstehung von Privateigentum und Unfreiheit zurückzuführen sei. Gleichwohl besitzt das ius gentium den ihm eigentümlichen Charakter eines „komplexen Rechts“884, da sein Ursprung einerseits in der natürlichen Vernunft des Menschen, andererseits im menschlichen Bemühen bzw. dem menschlichen Willen liegt885, so dass das ius gentium gemeinhin als ius humanum aufgefasst wird 886 , während das (primäre) Naturrecht gleichsam als göttliches Recht/Gesetz gilt, was von Kanonisten wie Legisten mitunter in der knappen Formel Natura id est deus zum Ausdruck gebracht wurde. Thomas von Aquin stellt im Tractatus de legibus seiner theologischen Summe nicht zu Unrecht die Frage, ob denn Isidor von Sevilla eine sinnvolle Einteilung des ius humanum getroffen hätte, da er sowohl das ius civile als auch das ius gentium darunter zähle, obwohl doch das ius gentium eher dem Naturrecht zuzuordnen sei und damit nicht unter das menschliche (gesetzte) Recht zählen dürfe887. Thomas antwortet mit dem Hinweis, dass grundsätzlich jedes menschliche Gesetz sich vom Naturrecht herleiten müsse (ansonsten ist es kein Gesetz), wobei sich aber das ius gentium im Sinne von logischen Folgesätzen aus den naturrechtlichen Grundsätzen herleite, während das ius civile „nach Art besonderer näherer Bestimmung“ vom Naturrecht abgeleitet sei 888 . Zum Beispiel: Der naturrechtliche Grundsatz, niemandem ein Leid anzutun, erscheint im ius gentium als Tötungsverbot, während der naturrechtliche Grundsatz, dass der Schuldige bestraft werden müsse, im ius civile eine nähere Bestimmung erfährt, die sich im (von Gemeinwesen zu Gemeinwesen unterschiedlichen) Strafmaß ausdrückt. Beide Rechte gehörten somit zum ius humanum, auch wenn sie sich letztlich (in unterschiedlicher 881 882 883 884 885 886

887 888

Vgl. WEIGAND S. 132 ff.; TÖPFER, Sündenfall, S. 164 ff. Vgl. Anm. 873 WEIGAND S. 43 ff. WEIGAND S. 30. WEIGAND S. 28 f. Ius gentium als ius humanum etwa bei Stephan v. Tournai u.a., vgl. TÖPFER, Sündenfall, S. 171; WEIGAND S. 339 f.; später etwa auch bei Hermann v. Schildesche, vgl. TÖPFER, Sündenfall, S. 410, und Thomas v. Aquin. STh I-II, q. 95, a. 4. Ebd.

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Weise) vom Naturrecht herleiten ließen. Thomas besitzt somit einen sehr weiten Begriff vom ius humanum, der auch „Normen des Naturrechts bzw. des diesem nahestehenden ius gentium“889 umfasst, wobei Thomas im ius gentium mithin jene Gesetze erblickt, die unerlässlich für das Zusammenleben des von Natur aus zum Leben in der Gemeinschaft veranlagten Menschen sind (das ius gentium ist also auch für Thomas ein den menschlichen Notwendigkeiten angepasstes Naturrecht). Auch Wilhelm von Ockham thematisiert in seinem Dialogus die Naturrechtsproblematik und die Frage nach der Einordnung des ius gentium in das menschliche oder göttliche Recht 890 . Ausgangspunkt ist die Frage des discipulus, ob die Römer das Recht zur Papstwahl kraft göttlichen oder menschlichen Rechts besäßen (oder weder noch). Die Antwort des Lehrers lautet, „dass man den Römern, wenn man das göttliche Recht auf jede Art des Naturrechts ausdehnt, aus göttlichem Recht das Recht der Papstwahl zugesteht“891. Im folgenden unterscheidet Ockham das Naturrecht in dreifacher Weise. In ein unveränderbares, ewiges Naturrecht, in ein veränderbares Naturrecht, worunter z. B. die ursprüngliche Gleichheit und Freiheit aller Menschen zählt, und in ein bedingtes Naturrecht. Dieses „Naturrecht unter bestimmten Bedingungen“ umfasst z. B. das Recht auf Selbstverteidigung, das nicht zum Naturrecht der ersten und zweiten Weise gehören kann, da es von einer Bedingung (hier einem tätlichen Angriff) ausgeht, die im ursprünglichen Naturzustand nicht möglich ist; man könnte sagen, dass diese „Bedingungen“ stets Ergebnis des Sündenfalls sind. Das Recht nun der Römer zur Papstwahl ist für Ockham aus dem Naturrecht in der dritten Bedeutung abgeleitet, nämlich unter der Bedingung, dass dem Menschen „irgend ein Prälat oder Fürst oder Leiter“892 voranzustellen ist, wobei deutlich wird, dass das, was hier im Zusammenhang mit der Papstwahl erörtert wird, ohne weiteres auf jede Form von Herrschaft übertragen werden kann. Die Wahl eines Herrschers ist also gemäß des Naturrechts in der dritten Bedeutung, und wenn man das göttliche Recht nun auf jede Form des Naturrechts ausdehnt – was man insofern tun könne, da Gott als Schöpfer der Natur auch das Naturrecht geschaffen habe893 – dann beruhe das Wahlrecht der Römer auf göttlichem Recht. Auf den Einwand des Schülers, warum man nicht wesentlich einfacher sage, das Wahlrecht sei im ius gentium begründet, antwortet der Lehrer (allerdings ohne allzu 889 890 891

892 893

TÖPFER, Sündenfall, S. 236. III Dial. II, iii, c. 6, ed. Goldast Bd. 2, S. 932-935. Vgl. MIETHKE, Ockham, S. 178 ff. III Dial. II, iii, c. 6, ed. Goldast Bd. 2, S. 932: Ad hoc respondetur, quod extendendo ius divinum ad omne ius naturale, Romani ex iure divino habent ius eligendi summum pontificem. III Dial. II, iii, c. 6, ed. Goldast Bd. 2, S. 934. Vgl. MIETHKE, Ockham, S. 182.

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großen Nachdruck), dass es hinsichtlich der P a p s t wahl894 „einfach besser sei zu sagen, das Wahlrecht gründe im göttlichen Recht, d. h. im Naturrecht in der dritten Weise seines Verständnisses, als zu sagen, sie [die Römer] hätten es aus dem ius gentium“895. Jedoch: „Die Vertreter dieser Auffassung sagen gleichwohl, weil sie nicht um Worte streiten wollen, dass es ihnen genüge, dass die Römer das Recht, ihren Bischof zu wählen, aus eben der Tatsache ziehen, dass sie einen Bischof haben müssen und dass von denjenigen, denen jemand zum Vorgesetzten bestellt werden soll, dieser auch gewählt werden muss [...]. Ob man aber im eigentlichen Sinn sagen soll, dass die Römer ihr Wahlrecht aus dem göttlichen Recht oder aus dem Naturrecht in der dritten Weise seines Verständnisses oder aus dem ius gentium oder zugleich aus göttlichem Recht und dem ius gentium haben, darauf legen sie nicht allzu großes Gewicht. Einige sind aber der Meinung, dass man im eigentlichen Sinn sagen müsse, dass sie ihr Wahlrecht aus göttlichem Recht und dem ius gentium zugleich haben. Wenn du daher fragst, ob sie das Wahlrecht aus göttlichem oder aus menschlichem Recht haben, sagen sie: weder allein aus göttlichem noch allein aus menschlichem Recht, sondern aus beiden zugleich, wobei sie den Begriff des menschlichen Rechts auch auf das ius gentium ausdehnen und nicht allein für das ius civile und das kanonische Recht gebrauchen.“896

Zusammengefasst bedeutet dies nach Ockham: 1. der Begriff des göttlichen Rechts kann (entsprechend weit gefasst) auf das Naturrecht ausgedehnt werden 2. das Recht, sich einen Herrscher zu erwählen ist ein Grundsatz des (bedingten) Naturrechts ebenso wie des ius gentium. 3. der Begriff des menschlichen Rechts kann (entsprechend weit gefasst) auf das ius gentium ausgedehnt werden Vor dem Hintergrund insbesondere dieses von Ockham in seinem Dialogus zusammengefassten Meinungsspektrums der mittelalterlichen Naturrechts894

895

896

Denn einen katholischen Bischof zu haben gehört nicht eigentlich zum ius gentium, sondern vielmehr zum göttlichen Recht. Vgl. MIETHKE, Ockham, S. 184. III Dial. II, iii, c. 6, ed. Goldast Bd. 2, S. 934: ... magis proprie dicitur, quod Romani habeant ius eligendi episcopum suum ex iure naturali tertio modo dicto, quam ex iure gentium. III Dial. II, iii, c. 6, ed. Goldast Bd. 2, S. 934 f.: Isti tamen, qui de verbis non curant contendere, dicunt quod sufficit eis, quod Romani habeant ius eligendi episcopum suum ex hoc ipso, quod debent habere episcopum: et quod illi, quibus est praeficiendus aliquis, ab illis debet eligi [...]. Utrum tamen debeat dici proprie loquendo, quod Romani habent ius eligendi ex iure divino, vel ex naturali tertio modo dicto, vel potius simul ex iure divino, et iure gentium, magnam vim non faciunt. Apparet tamen nonnullis, quod magis proprie dicitur, quod habeant ius eligendi simul ex iure divino et ex iure gentium. Et ideo cum quaeritur an habeant ius eligendi ex iure divino vel humano, dicunt, quod nec ex solo iure divino, nec humano, sed utroque simul, extendendo ius humanum ad ius gentium, et non solum civile, sive canonicum.

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auffassung wird ersichtlich, wie sich sowohl Bartolus mit seiner Ansicht vom ius gentium als menschliches Recht als auch Éverart mit seiner Anschauung, das ius gentium sei dem der göttlichen Weltordnung entsprechenden Naturrecht zugehörig, durchaus in diesem begrifflich weitgesteckten Rahmen bewegen897. Indem Évrart de Trémaugon das Kaisertum allein auf das ius civile zurückführt und die Universalherrschaft als gegen die göttliche Ordnung bestimmt, spricht er – verfolgt man diesen Gedanken konsequent – dem Kaiser die Stellung eines vicarius Dei in temporalibus ab, die er dem König (von Frankreich) attestiert. Der eklektizistische Charakter des Somnium birgt freilich hier die Gefahr der Widersprüchlichkeit, da insbesondere in den von Ockham übernommenen Passagen ausdrücklich Kaisern und Königen eine gottunmittelbare Stellung zugestanden wird.

1.12.

John Wyclif

Um 1320/26 geboren, erwarb John Wyclif im Jahre 1356 das Baccalaureat in Oxford. Seit 1361 hatte er Pfarrstellen in Fillingham, Ludgershall und Lutterworth inne. 1371 trat er in den Krondienst ein und machte am 26. April 1376 auf sich aufmerksam, als er im Parlament für die Säkularisierung des Kirchengutes zur Linderung der sozialen Nöte in England eintrat. Damit ist bereits die kirchenpolitische Grundposition charakterisiert, die Wyclif in seinen Schriften philosophisch und theologisch ausformulierte. Nachdem er 1380 seine akademische Stellung aufgeben musste – nicht wegen seiner kirchenpolitischen Ansichten, sondern wegen seiner umstrittenen Abendmahlslehre –, zog er sich nach Lutterworth zurück, wo er bis zu seinem Tode 1383 neben weiteren polemischen Streitschriften vor allem an seiner englischen Bibelübersetzung arbeitete. Wyclif sah im Streben der Kirche nach weltlichem Besitz und Herrschaft das Grundübel seiner Zeit. Zwar stehe die geistliche Gewalt der Würde nach höher als die weltliche Gewalt, doch gerade deshalb dürfe sie keine zeitliche Herrschaft ausüben, denn diese sei immer mit Sünde behaftet. Obwohl Wyclif weltliche Herrschaft als unvollkommen und mit Sünde behaftet erachtet, betont er doch deren Notwendigkeit und Gottgewolltheit in einer vom Sündenfall 897

Zur weiteren Entwicklung über die Gleichsetzung von ius gentium und ius naturae einerseits, der Zweiteilung des ius naturae in ein primäres und sekundäres Naturrecht vgl. REIBSTEIN, Althusius, passim (z. B. S. 75 ff.)

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gekennzeichneten Welt. Das Verhältnis von weltlicher und geistlicher Gewalt, das Wyclif in seinem Werk De Civili Dominio (1375/76) und insbesondere in seinem Tractat De officio regis898 (1379) entwickelt, erscheint auf den ersten Blick von den Lehren des Marsilius von Padua beeinflusst – ein Gedanke, den bereits Papst Gregor XI. in seiner Verurteilung vom Mai 1377 aussprach, als er Wyclifs De Civili Dominio verdammte, weil die Schrift offenkundig die „perversen Gedanken und verbotenen Lehren des Marsilius von Padua und Johannes von Jandun“899 wiedergebe. In der Tat: Wyclif ordnete wie Marsilius die Geistlichkeit jurisdiktionell dem König unter, der für den Zustand des Klerus Sorge zu tragen habe und letztlich in seinem Reich auch in kirchlichen Angelegenheiten die höchste Autorität darstelle900. Dennoch wird eine gezielte Verwendung des Defensor Pacis durch Wyclif von der Forschung insgesamt als unwahrscheinlich eingeschätzt901. Die Reform der Kirche und des Klerus konnte nach Ansicht Wyclifs nur unter Führung des Königs geschehen. Die Stellung des Königs (gerade auch im Hinblick auf sein Verhältnis zur Geistlichkeit) wird von Wyclif vor allem in De officio regis mit traditionellen sakralen Argumenten und bekannten Autoritäten begründet. Der göttliche Ursprung der königliche Gewalt wird bereits zu Beginn des ersten Kapitels anhand zahlreicher Bibelstellen nachgewiesen902. So wie Gott von den Menschen gefürchtet werden muss, so soll der König als Stellvertreter Gottes auf Erden verehrt werden, selbst wenn er als Tyrann herrscht, denn auch der schlechte Herrscher stellt das Abbild des göttlichen Himmelsherrschers dar903. Daher gilt Widerstand gegen den König als Sünde – eine Sünde, deren sich insbesondere die Kirche durch ihren wiederholten Ungehorsam schuldig gemacht habe und so das Übel in der ecclesia militans hervorgerufen habe 904 . Die Stellung des Königs als Abbild und Stellvertreter Gottes ist eines der zentralen Motive in De officio regis 905und wird explizit mit der Autorität des Pseudo-Augustinus (Ambrosiaster)906 und

898 899

900 901 902 903 904 905 906

John Wyclif, Tractatus de officio regis, ed. Pollard / Sayle. Thomas Walsingham, Historia Anglicana Bd. 1 (= Rerum Britannicarum Medii Aevi Scriptores 28), ed. Riley, S. 346: licet quibusdam mutatis terminis, sentire videntur perversas opiniones et doctrinam indoctam damnatae memoriae Marcilii de Padua et Johannis de Ganduno. Vgl. LAHEY S. 64 Anm. 133; HARVEY. Vgl. LAHEY S. 196. Vgl. LAHEY S. 63-67. Matth. 22, 12; 1. Petr. 2, 13 f.; Röm. 13, 1 ff. etc. Vgl. Wyclif, Tractatus de officio regis, c. 1, S. 17. Ebd. S. 10. Vgl. FÜRSTENAU S. 49-53. Ebd. S. 12: Unde Augustinus in de questionibus veteris et nove legis xx. capitulo: Rex, inquit, adoratur in terris quasi vicarius Dei. Et infra capitulo cui, exponens, illud Gen 1

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Nikolaus de Lyra 907 gestützt. Wyclif tritt grundsätzlich für ein doppeltes Gottesvikariat in der ecclesia ein, wobei er den Gedanken des Ambrosiaster von einem königlichen Gottes- und einem priesterlichen Chrsitusvikariat ebenso aufgreift wie die (schon vom normannischen Anonymus vertretene908) Unterscheidung in ein die göttliche Natur Christi abbildendens Königsamt und ein die menschliche Natur Christi abbildendes Priestertum. „Es ist so eingerichtet, dass Gott in der Ecclesia zwei Stellvertreter hat, nämlich den König in zeitlichen Angelegenheiten und den Priester in geistlichen Angelegenheiten. Der König muss mit aller Strenge aufständische Frevler in die Schranken weisen, so wie es Gott im Alten Testament getan hat. Der Priester hingegen muss in Demut dienen, nach dem Vorbild, das Christus, welcher zugleich König und Priester war, zur Zeit seiner Menschwerdung im Gesetz der Gnade gegeben hat. Und daher trägt nach dem Worte des heiligen Augustinus der König das Abbild Gottes, der Priester aber das Abbild Christi.“909

Daher, so Wyclif, müsse der priesterliche vicarius Christi vom königlichen vicarius Dei regiert werden, wenngleich die Geistlichkeit hinsichtlich ihrer dignitas über den weltlichen Herrschern stehe910. Die Pflichten des Monarchen ergeben sich aus seiner Stellung als Mann, als Vorsteher des königlichen Haushalts und als Herrscher. Er muss weise und gute, d. h. im göttlichen Recht bewanderte Ratgeber um sich versammeln und darauf achten, dass seine Diener – die Krieger ebenso wie die Minister und der Klerus – ihre Aufgaben korrekt erfüllen, was im Falle des Klerus bedeutet, dass sie frei von Simonie sind und sich nicht in weltliche Angelegenheiten

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faciamus hominem ad ymaginem et similitudinem nostram; hec, inquit, ymago dei est in homine, ut unus factus sit quasi vicarius, quia omnis rex dei habet ymaginem. Ebd. S. 12 f.: Item doctor de lira super capitulo XIII primi paralipomenon ita scribit: postquam descripta est ipsius David inunccio, hic communiter optima quando incipit a divinis, quia quando rex, qui in temporalibus est dei vicarius, bene se habet in erga deum, deus in agendo dirigit eum. Wenngleich eine direkte Benutzung des normannischen Anonymus durch Wyclif unwahrscheinlich ist. Vgl. LAHEY S. 183. Wyclif, Tractatus de officio regis, c. 1, S. 13: Oportet ergo deum habere in ecclesia duos vicarios, scilicet regem in temporalibus et sacerdotem in spiritualibus. Rex autem debet severe cohercere rebellem, sicut fecit deitas in veteri testamento. Sacerdos vero debet ministrare preceptum miti modo humilibus tempore legis gracie sicut fecit humanitas Cristi, qui simul fuit rex et sacerdos. Et hinc dicit Augustinus quod rex habet ymaginem dei sed episcopus ymaginem Cristi propter ministerium indubie. Nec est fingendum ministerium huius differencie verborum nisi quod rex gerit ymaginem deitatis Cristi, sicut episcopus ymaginem sue humanitatis. Vgl. auch ebd. S. 121, 137. Ebd. S. 14. Die konsequente Unterscheidung in priesterliches Christusvikariat und königliches Gottesvikariat wird deutlich in ebd. S. 121 f.: Ideo garriant adversarii veritatis, quicquid voluerint, necesse est matrem ecclesiam habere seculares dominos, ut reges, dei vicarios, qui potestative ipsam defendant ubi vicarii Cristi deficiunt...

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verstricken, sondern sich auf ihre geistlichen Aufgaben konzentrieren. Als König und Stellvertreter Gottes soll der Monarch – Wyclif greift hier offenkundig auf Vinzenz von Beauvais zurück911 – die Eigenschaften des dreifaltigen Gottes in seiner Herrschaft vereinen: So wie Gottvater als Schöpfer, Christus als Bewahrer und der Heilige Geist als gütiger Lenker der Schöpfung fungieren, so soll der König den seiner Herrschaft anvertrauten Menschen ihre Aufgaben innerhalb des Gemeinwesens zuweisen, sie und ihre zeitlichen Güter beschützen und weise regieren912. Das Gottesvikariat des Königs wird von Wyclif an zahlreichen Stellen seines Werkes in den Vordergrund gerückt, wobei stets neben der Verleihung von Herrschaftsrechten auch die Pflicht zur imitatio Dei, insbesondere der Tugenden Gerechtigkeit und Wahrhaftigkeit, eingefordert wird913. Der König hat für gerechte Gesetze zu sorgen, die sich am Gesetz Gottes orientieren sollen, wenngleich die weltlichen Gesetze auch niemals vollständig mit dem göttlichen Gesetz übereinstimmen können. Er soll den Willen Gottes achten, den Klerus ehren, ihn aber im Bedarfsfall auch bestrafen. Der König steht unmittelbar zu Gott, und weder Klerus noch Volk können den Herrscher richten, urteilen oder ihm Widerstand leisten. Diese Gottunmittelbarkeit bezieht sich nicht nur auf das Amt, sondern auch auf die Person des Königs. An dieser Stelle erfährt die Theorie Wyclifs ihre Besonderheit, denn die Frage, ob der König, der aufgrund seines Amtes stets das Abbild und der Stellvertreter Gottes ist, auch als Person ein guter und gerechter König ist, hängt allein davon ab, ob er der göttlichen Gnade teilhaftig ist. Diese wird dem König (wie jedem anderen Menschen auch) unmittelbar von Gott gewährt, d. h. kein kirchliches Zeremoniell, keine erbrechtliche Thronfolgeregelung und keine Wahl können garantieren, dass der auf diese oder jene Weise eingesetzte Herrscher von Gott ist. „Denn es folgt nicht, dass selbst wenn das gesamte Volk Petrus als weltlichen Herrscher haben möchte, dies auch gerecht ist. Tatsächlich, die Einmütigkeit des Volkes, jemanden zum weltlichen Herrscher zu erheben, der jedoch voller Sündhaftigkeit ist,

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Vgl. Anm. 504 und 505. Wyclif, Tractatus de officio regis, c. 3, S. 58: Sed pro tercio notandum quod licet rex non possit equiperari deo in regimine regni suitamen sit cum dei vicarius debet facere cum regno suo proporcionaliter quantum potest. Deus autem omnipotenter mundum creat correspondenter ad filium, et conservatum in suo esse benivolenter in suo processu gubernat correspondenter ad spiritum sanctum. Correspondenter rex debet facere proporcionabiliter quo ad corporalia comissa suo regimini, debet enim legios suos in gradibus suis statuere, in bonis nature eos defendere, et tercio quo ad bona temporalia eos in suo iure provide gubernare. Vgl. die Charakterisierung des königlichen Gottesvikariats in De officio regis, S. 4, 5, 12 ff., 17, 50, 54, 57 f., 77 ff., 104, 121, 137, 141, 192, 196 f., 241.

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kann nicht gerecht sein, solange die herrschende Person nicht von Gott in diesem Amt akzeptiert ist.“ 914.

Daher beschäftigt sich der Theologe Wyclif nicht weiter mit juristischen Fragen der Herrschereinsetzung, wie er überhaupt hinsichtlich Fragen der politischen Praxis weitgehend unspezifisch bleibt. Ob der König (oder der Papst oder jeder andere Mensch) der göttlichen Gnade teilhaftig ist und damit zu den Erwählten gehört, die nach Ansicht Wyclifs die eigentliche ecclesia bilden, lässt sich durch kein irdisches Verfahren sicherstellen915. Ein Kennzeichen ist jedoch die den Handlungen dieser Erwählten zugrundeliegende caritas, eine Tugend, die in der gesamten Theologie Wyclifs eine zentrale Rolle spielt916.

1.13.

Zusammenfassung

Die Vorstellung von der Einsetzung des Herrschers durch Gott und seiner Rolle als Abbild und Stellvertreter Gottes wird von den untersuchten Traktaten in unterschiedlicher Weise und Intensität aufgegriffen. Der Gebrauch beider Ideen ordnet sich dabei ganz dem übergeordneten Argumentationsziel der jeweiligen Schrift unter, das im Zeitalter der Traktate De potestate pape entweder hierokratisch oder dualistisch / anti-hierokratisch ausgerichtet war.

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Wyclif, Tractatus De civili dominio Liber Primus, ed. Poole, I, 18, 130: Nam non sequitur: Totus populus vult Petrum dominari civiliter, ergo iuste. Ymmo primus consensus populi ad aliquem civiliter dominandum, qui tamen fuit a peccato purior, non fuit iustus nisi presupposita racione, scilicet quod persona dominans sit a Deo accepta ad illud officium. Vgl. LAHEY S. 189. Von daher sind die Passagen im Werk Wyclifs, die eine Beteiligung des Volkes an der Konstituierung weltlicher Herrschaft erwähnen, nicht im Sinne der Volkssouveränität zu lesen. Vgl. dazu skeptisch schon FÜRSTENAU S. 67 ff. Die Gottunmittelbarkeit der königlichen Herrschaft in der Konzeption Wyclifs korrespondiert, wie Stephen Lahey herausgearbeitet hat, auch mit seiner metaphysischen Position eines strengen Universalienrealismus. Die göttliche Herrschaft besitzt gleichsam den Stellenwert eines Universals, von dem sich die königliche Herrschaft auf Erden ableitet und ihre Existenz erfährt. Wie das metaphysische Verhältnis der Universalien zu den Einzeldingen, so gestaltet sich auch das Verhältnis von göttlicher zu königlicher Herrschaft unmittelbar, d. h. die von Gott stammende Herrschergewalt des Königs wird letztlich weder durch das Volk noch durch die Kirche vermittelt.

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Einsetzung des Herrschers durch Gott: Lediglich Thomas von Aquin hat seine politischen Gedanken weitgehend abseits von tagespolitischer Aktualität entwickelt und lässt sich nicht eindeutig einer der beiden Gruppen zuordnen. Einen geschlossenen politischen Systementwurf hat der Aquinate nicht hinterlassen, weshalb es schwierig ist, seine Ansichten zu den in dieser Arbeit zu untersuchenden Ideen eindeutig zu bestimmen, ebenso wie es letztlich unmöglich scheint, eine thomasische Staatslehre widerspruchsfrei zu rekonstruieren. Hierokratische Positionen lassen sich bei Thomas ebenso finden wie eine aristotelisch-naturrechtlich geprägte Herrschaftsauffassung, wobei insbesondere der Gedanke eines Selbstlenkungsrechts der menschlichen (staatlichen) Gemeinschaft sowie Aspekte der Kausalitäts- und (überwiegend theologisch motivierten) Konkurslehre Potenzial für politisch-herrschaftstheoretische Überlegungen bereit hielt. Ob der Aquinate dieses Potenzial schon voll ausschöpfte und mit Peter Tischleder als Begründer der Scholastischen Volkssouveränitätslehre anzusehen ist, scheint zumindest fraglich. Aegidius Romanus lieferte mit De ecclesiastica potestate einen hierokratischen Systementwurf, der seine innere Folgerichtigkeit nicht zuletzt dadurch gewann, dass er aristotelisch-naturrechtliche und römisch-rechtliche Gegenargumente nahezu ausblendete. Auch Tholomäus von Lucca vertrat in seinen Schriften – der Determinatio compendiosa und der Fortsetzung des thomasischen Fürstenspiegels – die hierokratische Position. Insbesondere die Determinatio zeigt sich vom Grundgedanken der pseudo-dionysischen Hierarchienlehre beeinflusst. Die weltlichen Herrscher haben demzufolge als cooperatores Dei einen gewissen Anteil an der göttlichen Influentia, jedoch nicht in dem Maße wie der Papst, der die vermittelnde Instanz der von Gott stammenden weltlichen Herrschergewalt ist. Auch die Schriften von Jakob von Viterbo und Wilhelm von Cremona sind von einem hierokratischen Grundtenor gekennzeichnet, versuchen jedoch im Gegensatz zu Aegidius Romanus auch aristotelisch-naturrechtliche und römisch-rechtliche Argumente zu integrieren. Beide Schriften entwickeln dadurch eine differenzierte, jedoch keineswegs immer konsistente Herrschaftsauffassung. Jakob von Viterbo unterschied drei Wege, auf denen die Gewalt von Gott an den weltlichen Herrscher vermittelt werden könne: naturrechtlich, unter menschlicher Mitwirkung oder durch unmittelbar göttliches Wirken. Unter Rückgriff auf die Unterscheidung zwischen imperium als "kaiserliche Gewalt an sich" und "Mensch, der kaiserliche Gewalt hat", gelangte Jakob zu der Ansicht, dass in christlichen Gemeinwesen die weltliche Gewalt unmittelbar von Gott an den Herrscher übertragen werde, die Person des Regenten jedoch von Gott vermittels der Geistlichkeit erwählt werde.

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Der von Wilhelm von Cremona verfasste Traktat ist als Gegenschrift zu ausgewählten Thesen des Defensor Pacis konzipiert und nicht als geschlossener Systementwurf zu bewerten. Die Argumentation ist stets dem jeweiligen Beweisziel der einzelnen Quaestio untergeordnet, so dass sich trotz des grundsätzlich hierokratischen Gewaltenverständnisses keine widerspruchsfreie Konzeption hinsichtlich der Übertragung der weltlichen Herrschergewalt im Werk Wilhelms nachweisen lässt. So wird die Einsetzung des weltlichen Herrschers durch das Volk ebenso wie eine unmittelbar durch Gott vorgenommene Wahl in Quaestio 1 als Möglichkeit in Betracht gezogen, da es Wilhelm an dieser Stelle nicht primär um die Übertragung der weltlichen Gewalt geht, sondern um die generelle Zurückweisung des Anspruchs auf eine gleichsam umfassende Verfügungsgewalt des weltlichen Herrschers über die Temporalien, ganz gleich, auf welchem Wege dieser in sein Amt gekommen sei. In den Teilen seines Traktates, in denen Wilhelm sich explizit mit der Übertragung der weltlichen Herrschergewalt befasst, vertrat er weitgehend hierokratische Positionen, wies Parallelen zwischen Papst- und Kaiserwahl zurück und entwarf in Auseinandersetzung mit aristotelisch-naturrechtlichen und legistischen Gegenargumenten ein differenziertes Herrschaftsverständnis, in dem das kaiserliche Amt (status imperii) als von Gott vermittels der menschlichen Natur / Vernunft eingerichtet galt, während die kaiserliche Gewalt (potestas imperii) und die Person des Kaisers (imperator) von Gott vermittels des Papstes übertragen bzw. bestimmt werde. Der Dominikanertheologe Johann Quidort vertrat in seinem Traktat konsequent die dualistische Position. Hauptziel war es, dem Papst jegliche genuine Gewalt über die zeitlichen Güter abzusprechen und die Unabhängigkeit des weltlichen Herrschers durch den Nachweis seiner Gottunmittelbarkeit zu unterstreichen. Zu diesem Zweck führte Johann zahlreiche Stellen aus dem kanonistischen, legistischen und biblisch-patristischen Argumentefundus an, in denen die Einsetzung des weltlichen Herrschers durch menschliche Beteiligung (Wahl durch das Volk, Erhebung durch das Heer etc.) vertreten wird. Diese Zusammenstellung diente in erster Linie dem primären Beweisziel, den päpstlichen Einfluss auf die Verleihung der weltlichen Herrschergewalt zurückzuweisen; eine stringent durchdachte Konzeption etwa im Sinne der scholastischen Volkssouveränitätslehre ist bei Johann jedoch nicht auszumachen. Auch Dante Alighieri wollte in seiner Monarchia jeglichen Einfluss des Papstes auf den Bereich des Weltlichen zurückweisen. Das dualistische Gewaltenverständnis und der Grundgedanke der kaiserlichen Gottunmittelbarkeit gipfelten in der Auffassung, dass Gott den Kaiser unmittelbar erwähle, indem er sich der Kurfürsten als Werkzeug zur Verkündung seines Willens bediene.

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Marsilius von Padua griff in seinem radikal anti-hierokratischen Defensor Pacis den aristotelisch-thomasischen Gedanken des Selbstlenkungsrechts der menschlichen Gemeinschaft auf und machte ihn zur Grundlage seiner Herrschaftsauffassung. Die weltliche Gewalt wird demnach von Gott als causa remota vermittels des Volkes an den pars principans übertragen. In diesem Dreiklang richtete Marsilius sein Hauptaugenmerk auf das Verhältnis von Volk und Herrscher, während er den göttliche Ursprung der weltlichen Gewalt zwar anerkannte, sich damit aber in seinem Werk nicht näher auseinandersetzte. Wilhelm Ockham versuchte in seinen Schriften, die beiden Ansichten imperium a deo und imperium a populo durch die Konzeption des a deo sed per homines zu harmonisieren. Nicht der Papst, sondern das Volk ist demnach der Mediator der von Gott stammenden Herrschergewalt, insofern es von Gott das Recht zum Erwerb von Eigentum und zur Herrschaft über die zeitlichen Güter erhalten hat und diese Verfügungsgewalt an einen von ihm bestimmten Herrscher überträgt. Anders als Thomas von Aquin und Marsilius von Padua rekurrierte Ockham nicht auf das aristotelische Selbstlenkungsrecht der menschlichen Gemeinschaft zu dem ihr eigentümlichen Ziel, um das Volk als Inhaber der weltlichen Herrschaftsgewalt zu postulieren, er leitete seine Position des a deo sed per homines wesentlich über seine Eigentumslehre ab. Bartolus de Sassoferrato und Baldus de Ubaldis lassen sich weder dem hierokratischen noch dem dualistischen "Lager" eindeutig zuordnen. Ihre Äußerungen hinsichtlich der weltlichen Herrschergewalt sind vor allem aufgrund ihrer gezielten Unterscheidung von kaiserlicher und königlicher Herrschaft von Interesse – eine Unterscheidung, die ansonsten in den untersuchten Traktaten des 14. Jahrhunderts nur selten anzutreffen ist und dabei keine nennenswerten Auswirkungen auf die herrschaftstheoretischen Überlegungen hatte. Bartolus erachtete allein den Kaiser als von Gott eingesetzten weltlichen Herrscher, da nur er durch eine Wahl ermittelt werde, in der Gott seinem Willen Ausdruck verleihe. Die anderen Monarchen würden hingegen durch Erbfolge bestimmt, die auf dem ius gentium und damit auf menschlichem Recht beruhe. Baldus de Ubaldis sah die Gottunmittelbarkeit des Kaisers in der auf Gottes Geheiß vom römischen Volk erlassenen lex regia begründet, die ein spezieller Ausdruck der heilsgeschichtlichen Rolle des Imperium Romanum darstelle. Königliche Herrschaft aber basiere lediglich auf dem ius gentium, so dass ihr der unmittelbare Bezug zu Gott fehle. Eine entgegengesetzte Position zu den beiden bedeutendsten Rechtsgelehrten des 14. Jahrhunderts vertrat der Verfasser des Somnium Viridarii, der das französische Königtum sowohl gegen päpstliche wie auch kaiserliche Universalherrschaftsansprüche verteidigte. Während die nationalen Königtümer auf dem ius gentium beruhen, das als Ausdruck des ius naturale zu

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werten sei und damit der göttlichen Ordnung entspreche, sei die kaiserliche Herrschaft begründende lex regia dem Bereich des stets veränderlichen ius civile zuzuordnen und eine Bestimmung des menschlichen Rechts, die mit ihrem Universalherrschaftsanspruch gegen das ius gentium (und damit gegen die göttliche Ordnung) verstoße. Die Abwehr des hierokratischen Herrschaftsverständnisses erfolgte im Somnium Viridarii durch den üblichen Nachweis der Gottunmittelbarkeit weltlicher Herrschaft, wobei aufgrund des ekklektizistischen Charakters der Schrift (insbesondere in den von Ockham übernommenen Passagen) letztlich auch der kaiserliche Herrschaft Gottunmittelbarkeit zugestanden wird.

Abbild und Stellvertreter Gottes Die Stellung des Herrschers als oberster Bewahrer der Rechtsordnung ist die Grundlage für das königliche Gottesvikariat bei Thomas von Aquin. Der König vertritt als oberster Richter seines Reiches exzeptionell die göttliche Abbildhaftigkeit und Stellvertretung, die Gott dem Menschen in seiner Schöpfungsordnung zugedacht hat. Aegidius Romanus hatte in seinem frühen Fürstenspiegel noch den weltlichen Monarchen aufgrund seiner herrscherlichen Stellung und der damit verbundenen Aufgabe, die Menschen zum bonum commune zu leiten, als Abbild Gottes charakterisiert, der sich in Anlehnung an Aristoteles idealtypisch durch eine herausragende Tugendhaftigkeit auszeichnen solle, die ihn zum quasi semideus mache. In De ecclesiastica potestate jedoch wird der Anspruch des weltlichen Herrschers auf göttliche Abbildhaftigkeit und Stellvertretung ignoriert. Auch Jakob von Viterbo geht nicht auf ein königliches Gottesvikariat ein. Tholomäus von Lucca weist in seiner Determinatio compendiosa explizit darauf hin, dass noch nie ein Kaiser als vicarius Christi bezeichnet worden sei. In seiner Fortsetzung des thomasischen Fürstenspiegels jedoch greift er die Vorstellung von einem stellvertretend für Gott handelnden Herrscher wiederholt auf. Aufgrund seiner herrscherlichen Stellung und seiner Salbung mit heiligem Öl sei der König Abbild und Stellvertreter Gottes und besitze die Pflicht zur imitatio Dei. Und entgegen seiner Aussage in der Determinatio bezeichnet Tholomäus im Fürstenspiegel sogar den römischen Kaiser Augustus als vicarius Christi. Johann Quidort beschränkte den Papst entsprechend seines dualistischen Gewaltenverständnisses auf das Christusvikariat in spiritualibus, ohne ihm jedoch den weltlichen Herrscher als vicarius Christi in temporalibus entgegen (oder an die Seite) zu stellen, da Christus keine Gewalt im Zeitlichen beansprucht habe. Johann verzichtet in De regia potestate et papali darauf, dem weltlichen Herrscher durch eine differenzierte Verwendung von päpstlichem

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Christus- und königlichem Gottesvikariat doch noch die göttliche Stellvertretung im zeitlichen Angelegenheiten zuzusprechen, so wie dies etwa im möglicherweise ebenfalls von Johann verfassten Traktat Rex pacificus zu verzeichnen ist. Auch Marsilius von Padua reduzierte die Stellung des Papstes auf das Gottesvikariat in spiritualibus, der jedoch insofern den weltlichen principes untergeordnet sei, als dass allein sie als Diener und Stellvertreter Gottes (minister seu vicarius Dei) mit Zwangsgewalt auf Erden ausgestattet seien. Dante Alighieri und Wilhelm von Ockham verzichteten darauf, ihre Position des Gewaltendualismus durch Verwendung eines königlichen Gottesvikariats in temporalibus zu unterstreichen. Bartolus de Sassoferrato und Baldus de Ubaldis griffen die römisch-rechtliche Charakterisierung des Kaisers als deus in terris auf. Baldus rekurrierte wiederholt auf die Stellung des Kaisers als Stellvertreter Gottes (vicarius Dei, corporalis deus in mundo), sah aber letztlich auch die nationalen Könige als vicarii Dei, um deren hierarchische Spitzenstellung und Souveränität in ihren jeweiligen regna zu betonen. Den Papst erachtete Baldus zwar aufgrund seiner höheren Würde als Obersten unter den irdischen Stellvertretern Gottes, leitete daraus jedoch keine rechtlich relevanten Konsequenzen ab. Der Verfasser des Somnium Viridarii trat ebenso wie John Wyclif für ein doppeltes Gottesvikariat in zeitlichen und weltlichen Angelegenheiten ein. Wyclif sah den weltlichen Herrscher (ähnlich wie Marsilius) aufgrund seiner herrscherlichen Zwangsgewalt auf Erden als vicarius Dei in temporalibus über den priesterlichen vicarius Christi in spiritualibus gestellt. Unter Verweis auf Autoritäten wie den Ambrosiaster und Nikolaus de Lyra wurde wiederholt die Rolle des Königs als Abbild und Stellvertreter Gottes hervorgehoben, wobei damit sowohl die uneingeschränkte Verfügungsgewalt und Souveränität des Königs qua Amt, als auch die Verpflichtung des Herrschers zu einer gerechten, weisen und barmherzigen Herrschaftsausübung unterstrichen werden sollte.

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2.

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Das 15. Jahrhundert – Konziliarismus und Reichsreform

Das Somnium viridarii aus dem Jahr 1378 gilt als Ausdruck für das gewachsene Selbstbewusstsein des aufsteigenden französischen Königtums gegenüber den beiden Universalgewalten, die nach dem Tode Kaiser Karls IV. und Papst Gregors XI. schweren Zeiten entgegen gingen. Nach fast 70 Jahren war das Papsttum von Avignon wieder an den Tiber zurückgekehrt. Die damit in weiten Teilen der Christenheit verbundenen Hoffnungen auf eine grundlegende Kurskorrektur der päpstlichen Politik, auf eine spirituelle Erneuerung des Papsttums, sollten jedoch bitter enttäuscht werden. Papst Urban VI. konnte die in ihn gesetzten Erwartungen nicht erfüllen. Sein unberechenbares und herrisches Verhalten führte schon bald zu einem Zerwürfnis mit dem französisch dominierten Kardinalskollegium und endete mit der Wahl Roberts von Genf, der schließlich als Papst Clemens VII. in Avignon residierte. Das große abendländische Schisma bestimmte in den kommenden 30 Jahren nicht nur die Politik in Europa, sondern auch die gelehrten Traktate jener Zeit. Das Thema des Verhältnisses von regnum / imperium und sacerdotium, die Frage nach dem mittelbar oder unmittelbar göttlichen Übertragung der weltlichen Herrschergewalt sowie der Anspruch der weltlichen Herrscher auf das Gottesvikariat trat weitgehend in den Hintergrund. Neben den drei großen Problemen der Christenheit – Schisma, Hussitenbewegung und Reform der Kirche an Haupt und Gliedern – wurden auf dem Konzil von Konstanz (1414-1418) freilich auch andere aktuelle Fragen vor die wohl „größte Versammlung des Mittelalters überhaupt“917 gebracht und verhandelt. So etwa der Konflikt zwischen dem Deutschen Orden und dem polnischen König Wladislaw II. Jagiello918. Dieser hatte in den Kämpfen mit dem Orden immer wieder die Unterstützung heidnischer Hilftruppen in Anspruch genommen, was ihm nun in Konstanz zum Vorwurf gemacht wurde. In diesem Zusammenhang entstanden zahlreiche polemische Schriften und Traktate, die sich mit der Stellung der beiden christlichen Universalgewalten auseinanderzusetzen hatten, weil „die Ermächtigung [des Ordens] zum Einsatz gegen die heidnischen Preußen und Litauer und die Bestätigung des nach kanonischem Recht dem christlichen Eroberer zugefallenen Gebiets von Papst und Kaiser ausging“919, und diese Rechtsgrundlage von polnischer Seite durch den Titularrektor der Universität zu Krakau, Paulus Wladimiri, in Zweifel gezogen wurde. Aus der Reihe der Schriften, die den Deutschen Orden und seine auf 917 918 919

SCHATZ S. 134. Vgl. BOOCKMANN; WEISE, Staatsschriften. WEISE, Amtsgewalt, S. 8.

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Privilegien der beiden Universalgewalten beruhende Rechtsgrundlage verteidigten, ist an dieser Stelle besonders der Traktat des streitbaren Dominikaners Johannes Falkenberg von Interesse, da er die Rechtszuständigkeit des Kaisers auch über heidnische Völker mit Hilfe des kaiserlichen Gottesvikariats zu erweisen sucht. Das große Schisma wurde in Konstanz schließlich am 11. November 1417 durch die Wahl von Odo Colonna, der sich als Papst nach dem Tagesheiligen Martin V. nannte, beigelegt; die Frage der causa reformationis aber wurde auf künftige Konzile vertagt, die nach dem Dekret Frequens fortan regelmäßig abgehalten werden sollten. Das Konzil von Pavia 1423 ging jedoch schon bald nach seiner Eröffnung aufgrund von Streitigkeiten unter den Konzilsnationen unter. Auch das 1431 nach Basel einberufene Konzil920 sollte nach dem Willen des neuen Papstes Eugen IV. noch vor seiner ersten ordentlichen Sitzung aufgelöst und nach Bologna verlegt werden. Doch widersetzte sich das Konzil unter der Leitung Kardinal Cesarinis den päpstlichen Anweisungen und forderte Eugen IV. auf, in Basel zu erscheinen921. Der Papst antwortete auf die Drohungen aus Basel mit der Bulle Deus novit (1433), in der er die konziliaristische Lehre in die Nähe einer Häresie rückte und die Fürsten Europas aufforderte, sich dem Konzil zu widersetzen. Eugen IV. war von Anfang an bestrebt, die Auseinandersetzung mit dem Konzil zu einem Kampf zwischen monarchischem und demokratischem Prinzip zu stilisieren, um so die Solidarität der weltlichen Monarchen zu gewinnen922. Auf kurialer Seite entstanden in dieser Zeit zahlreiche Schriften mit dem Ziel, „auf die gemeinsame ideologische Fundierung von weltlicher und geistlicher Monarchie hinzuweisen“923. Zu nennen sind hier vor allem der Traktat De summi pontificis, generalis concilii et imperialis majestatis origine et potestate des humanistisch gebildeten Kanonisten und späteren Bischofs von Brescia, Petrus de Monte (1433), und die Monarchia von Antonio Roselli, der als spiritus rector der erwähnten Bulle Deus novit angesehen werden muss. Der spanische Kardinal Juan de Torquemada vertrat auf dem Konzil 1433 den päpstlichen Standpunkt ebenfalls mit Argumenten, die geistliche und weltliche Monarchie gleichermaßen stützte, und mit seinem Opusculum ad honorem Romani imperii et dominorum Romanorum (1468) legte er ein Bekenntnis von „Reichstreue und Papalismus“ gleichermaßen ab924. Anders als noch im 14. Jahrhundert fanden die herrschaftstheoretischen Auseinandersetzungen nicht mehr zwischen regnum/imperium und 920 921 922 923 924

Vgl. HELMRATH. Vgl. WEITZ S. 16. Vgl. CHENEVAL S. 298, sowie die Arbeiten von BLACK. CHENEVAL S. 299. Vgl. CHENEVAL S. 300; JEDIN, Torquemada.

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sacerdotium statt, sondern innerhalb der beiden Bereiche zwischen monarchischem und demokratischem Prinzip925. Zunächst jedoch waren die gemäßigten Vertreter des Konziliarismus bemüht, diese Frontstellung, die Ullmann mit dem Begriffspaar „descending“ und „ascending principle of government“ umschreibt926, zu vermeiden. Johannes von Segovia versuchte, den Vorwurf des Antimonarchismus zu widerlegen und die konziliaristische Lehre als Umsetzung von konstitutionellen Elementen im kirchlichen Bereich darzustellen, die im weltlichen Bereich bereits weithin anerkannt seien927. Nikolaus von Kues parallelisierte in seiner Concordantia Catholica ähnlich wie Antonio Roselli geistliche und weltliche Herrschaftsstruktur und sah in Papst und Kaiser durchaus die monarchische Spitze von Kirche und Reich, doch schränkte er die absolutistischen Tendenzen, wie sie mitunter in den kurialen Traktaten zutage traten, dadurch ein, dass er die monarchische Herrschaft in Kirche und Reich zwingend an den consensus omnium band. Im Ringen um die Gunst der Fürsten konnte zunächst das Konzil die größeren Erfolge verzeichnen, insbesondere, nachdem im November 1433 in den Prager Kompakten ein tragfähiger Kompromiss mit den Hussiten ausgehandelt worden war. Das Konzil hatte sich damit in einer drängenden Frage als handlungsfähig erwiesen, während Papst Eugen IV. seinerseits zunehmend in Rom unter Druck geriet und schließlich im Dezember 1433 in der Bulle Dudum sacrum seine Verdammung des Konziliarismus widerrufen musste und die Versammlung in Basel als rechtmäßiges Konzil anerkannte. Er musste in den folgenden Jahren mit ansehen, wie das Konzil durch die Abschaffung der weithin verhassten Annaten, Palliengelder und Kanzleitaxen die Grundlage der päpstlichen Finanzpolitik zerstörte und das Papsttum damit nachhaltig zu schwächen drohte. Eugen IV. gewann jedoch seine Handlungsfähigkeit zurück, als im Jahre 1437 die Griechen unter dem wachsenden Druck der Osmanen um Unionsverhandlungen mit der katholischen Kirche ersuchten, dabei jedoch einen Verhandlungsort in Italien gegenüber dem fernen Basel vorzogen. Eugen IV. entsprach nur allzu gerne diesem Wunsch und verlegte das Konzil von Basel nach Ferrara (1439 nach Florenz), wo er die byzantinische Delegation empfing. Damit war der endgültige Bruch zwischen Eugen IV. und dem Basler Konzil vollzogen und das Ringen um die Obödienz der weltlichen Fürsten neu entbrannt. In Basel setzten sich die radikalen Konziliaristen gegen die gemäßigte Minderheit um Cesarini durch. Während die maior pars in Basel verblieb und feierlich die Superiorität des Konzils gegenüber dem Papst 925

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Vgl. BLACK, Grundgedanken, S. 328; DERS. Monarchy, passim; ECKERMANN; HELMRATH S. 430 ff., 483 ff. Vgl. Anm. 133. Vgl. BLACK, Grundgedanken, S. 308 f.; HELMRATH S. 100 Anm. 91.

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erklärte, wechselte die sanior pars, darunter auch Nikolaus von Kues, ins päpstliche Lager über. Die europäischen Fürsten nutzten den Konflikt, der nach der Wahl Felix V. zum Gegenpapst erneut in ein Schisma geführt hatte, um aus „blankem Opportunismus“928 ihre kirchenpolitischen Interessen durchzusetzen929. Während der Herzog von Burgund sich seine Treue zu Papst Eugen IV. mit großzügigen Privilegien belohnen ließ, erkannte der französische König Karl VII. zusammen mit dem hohen Klerus in der sogenannten „Pragmatischen Sanktion von Bourges“ (7.8.1438) jene Dekrete des Basler Konzils an, die seinen Interessen entgegenkamen. Die deutschen Fürsten hatten sich am 17.3.1438 für neutral erklärt und erkannten ein Jahr später (26.3.1439) ebenfalls – gemeinsam mit König Albrecht II. – 26 Dekrete des Konzils an930. König Friedrich III., der Albrecht II. am 2.2. 1440 auf den Thron des Reiches gefolgt war, verhielt sich von Anfang an reservierter gegenüber dem Basler Konzil und Felix V.931 Wie Enea Silvio Piccolomini in (sicherlich verklärender) Rückschau im Jahre 1463 als Papst Pius II. in seiner Bulle In minoribus agentes schilderte, sei es diese ablehnende Haltung Friedrichs III. gewesen, die ihn, der damals noch Anhänger und Sekretär des Konzilspapstes gewesen war, habe zweifeln lassen, ob seine Position auf Seiten des Konzils die richtige sei932. Im Jahre 1443 trat Enea als Sekretär in den Dienst des Habsburgers und kehrte schließlich 1445 endgültig dem Konzil in Basel den Rücken, wobei neben dem persönlichen Sinneswandel „wohl auch Karriere-Kalkül“ 933 eine Rolle gespielt haben dürfte. Fortan bemühte sich Enea darum, Friedrich III. und die deutschen Fürsten auf die Seite Eugens IV. zu ziehen. Als im Frühjahr 1446 ein Reichstag nach Frankfurt anberaumt worden war, versuchte Enea den zögernden Friedrich III. mit der Epistola de ortu et auctoritate imperii Romani davon zu überzeugen, „gegebenen Falles auch gegen die Kurfürsten und Fürsten an Eugen festzuhalten“934, indem er den Habsburger daran erinnerte,

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934

SCHATZ S. 159. Sowohl die päpstliche Seite als auch das Konzil versuchten in ihren Traktaten, die kirchenpolitische Stellung der Fürsten aufzuwerten, was von diesen bereitwillig aufgegriffen wurde, „trafen sie [sc. die neuen Argumente] doch genau ins Zentrum eines (neuen?) fürstlichen Selbstbewußtseins, das zusehends auch die kirchliche Verantwortung umfaßte.“ (HELMRATH S. 100 Anm. 91). Vgl. dazu HELMRATH S. 289-306. KALLEN, Piccolomini, S. 18; zur königlichen und kurfürstlichen Kirchenpolitik 1440-1447 vgl. HELMRATH S. 306-313. Vgl. WIDMER S. 136. ESCH Sp. 2190; VOIGT schildert Piccolomini als puren Opportunisten, „in welchem viele Pfade des Denkens und Begehrens sich kreuzten“ (Bd. 3, S. 724). KALLEN, Piccolomini, S. 23.

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„wie unbeschränkt die Macht des römischen Königs ist“935. Mit dem Wiener Konkordat von 1448 gelang es schließlich endgültig, das Reich in die Obödienz des römischen Papstes – seit 1447 Nikolaus V. – einzureihen936, nachdem auch die deutschen Fürsten mit dem Papst eigene Vereinbarungen getroffen hatten, die ihnen z. T. nicht unerheblichen Einfluss auf die kirchenpolitischen Belange in ihren Territorien sicherte. Damit war das Schicksal des Basler Konzils besiegelt. Nachdem es sich bereits 1448 von Basel nach Lausanne zurückgezogen hatte, löste es sich 1449 selbst auf. Die drängenden Fragen der Kirchenreform blieben nach dem Sieg des monarchischen Prinzips gegen die konziliare Idee weitgehend unerledigt und daher auch in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts Gegenstand gelehrter Traktate und Abhandlungen, die jedoch nicht mehr vom kämpferischen Ton tagespolitischer Aktualität geprägt waren. Und auch das Thema des Gewaltenverhältnisses verschwand nicht aus den herrschaftstheoretischen Überlegungen, obwohl es längst nicht mehr die große Politik bestimmte wie noch im 13. und frühen 14. Jahrhundert. Mochten auch Gelehrte wie der Theologe Domenico de Domenichi in seinem Traktat De potestate pape et termino eius (1456) ihre zaghaften Reformbestrebungen 937 grundsätzlich innerhalb des hierokratischen Gedankengebäudes verorten, so war der Universalanspruch des Papsttums innerhalb der Kirche – und erst recht gegenüber den weltlichen Fürsten – nur mehr theoretischer Natur. Der Sieg des Papsttums über den Konziliarismus war letztlich „ein Pyrrhussieg, mit größeren Verlusten erkauft als er Gewinn war.“938 Denn die zum Teil umfassenden kirchenpolitischen Zugeständnisse des Papsttums an die weltlichen Fürsten bereiteten den Weg zum Staatskirchentum der Neuzeit unter der Führung des Landesherrn. Die Päpste des ausgehenden 15. und frühen 16. Jahrhunderts waren weit mehr damit beschäftigt, sich als Bauherren und Kunstmäzene einen Namen zu machen und innerhalb des Kirchenstaates die Position eines Renaissancefürsten einzunehmen, als sich um die innerkirchlichen Probleme der ecclesia universalis zu kümmern. Die Erkenntnis, die John Wyclif schon Ende des 14. Jahrhunderts in seinen Schriften leitete, galt auch 100 Jahre danach: Vom Papsttum war die ersehnte spirituelle Reform von Kirche und Klerus nicht mehr zu erwarten.

935 936 937 938

Ebd. Vgl. HELMRATH S. 314-322. Domenico nahm das göttliche Recht von der päpstlichen Dispensgewalt aus. SCHATZ S. 160.

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2.1. Johannes Falkenberg Über das Leben von Johannes Falkenberg ist nur wenig bekannt. Um 1365 in Denzig (Hinterpommern) geboren, studierte er Theologie in Wien. Die Hintergründe und Begleitumstände des sogenannten Traktatestreits zwischen dem polnischen König und dem Deutschen Orden sind von Erich Weise und Hartmut Boockmann hinreichend beleuchtet worden. Im Kern lief der Angriff des für die polnische Seite schreibenden Paulus Wladimiri darauf hinaus, die Rechtsgrundlage des Ordens – den Heidenkampf im Auftrag von Kaiser und Papst – in Zweifel zu ziehen. Die Verteidiger des Ordens verfolgten in ihren Gegenschriften letztlich alle das Ziel, die rechtliche Zuständigkeit der beiden Universalgewalten auch über die heidnischen Völker nachzuweisen, wobei sie dabei jedoch zum Teil höchst unterschiedliche Positionen etwa hinsichtlich des Verhältnisses von imperium und sacerdotium vertraten. Der Dominikanertheologe Johannes Falkenberg verwies in seinem Liber de doctrina potestatis pape et imperatoris (1416) mit den bekannten Argumenten aus Bibel, Patristik, römschem und kanonischem Recht sowie mit Hilfe des doctor sanctus (Thomas von Aquin) auf die Gottunmittelbarkeit des Imperiums und die prinzipielle Unabhängigkeit der kaiserlichen von der päpstlichen Gewalt hin. Insbesondere die Stellung des Kaisers als dominus mundi und vicarius Dei in temporalibus werden von Falkenberg als Beweis für die Oberhoheit des Kaisers auch über heidnische Völker und Territorien angeführt. Er greift zum einen die dualistische Richtung der kanonistischen Tradition auf, doch auch die Glosse zu Dt. 1, 17 und die Auslegung des Römerbriefs dienen ihm als Nachweis für das kaiserliche Gottesvikariat in temporalibus. „Der Kaiser ist der allgemeine Stellvertreter Gottes in zeitlichen Angelegenheiten. Dies wird durch die vorherige Schlussfolgerung bewiesen, wonach der Kaiser die zeitliche Herrschaft über den gesamten Erdkreis besitzt; aber er ist niemandes Stellvertreter außer Gottes, weil er von niemandem, außer von Ihm eingesetzt ist, und daher ist er ohne Zweifel der allgemeine Stellvertreter Gottes in zeitlichen Angelegenheiten. Und weiter: Wenn der Kaiser also die zeitliche Herrschaft über den gesamten Erdkreis von Gott hat, hat er ohne Zweifel auch die Gewalt von Gott, über den gesamten Erdkreis in zeitlichen Angelegenheiten zu richten, wie die Glosse zu Dt. 1, 17 Dei iudicium est besagt: Menschen sind in ihrer Eigenschaft Recht zu sprechen Stellvertreter Gottes, und daher kann ohne Sorge die Meinung vertreten werden, dass der Kaiser der allgemeine Stellvertreter Gottes in zeitlichen Angelegenheiten ist. Und weiter: Der Kaiser ist in zeitlichen Angelegenheiten der Herr über den gesamten Erdkreis, was mit Sicherheit auch aus der Schrift und deren Glosse zu Rom 13, 4 Dei enim minister est hervorgeht, wonach er anstelle Gottes im gesamten Erdkreis den Zorn Gottes über jene bringen soll, die in zeitlichen Angelegenheiten schlecht gehandelt haben. Zweifellos ist jeder, der

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anstelle Gottes Rache ausübt, auch sein Stellvertreter, und daher ist gewiss, dass der 939 Kaiser in zeitlichen Angelegenheiten der allgemeine Stellvertreter Gottes ist.“

Die Stellung des Kaisers als generalis vicarius Dei in temporalibus wird von Falkenberg in seiner Conclusio mit weiteren Autoritäten gestützt, um letztlich zu dem gewünschten Ergebnis zu gelangen, dass der Kaiser jene unrechtmäßig von Heiden in Besitz genommenen Länder und Gebiete beanspruchen und weiterverleihen könne940.

2.2. Cusanus Schon in seinem Frühwerk, der hier zu untersuchenden Concordantia Catholica941, tritt die umfassende juristische, theologische und philosophische Bildung des Nikolaus von Kues942 zutage, die ihn, der der Nachwelt auch bedeutende mathematische und astronomische Traktate hinterlassen hat, als einen der größten Universalgelehrten des ausgehenden Mittelalters ausweist. Zu Beginn des Jahres 1432 reiste der 1401 in Kues an der Mosel geborene Nikolaus zum Konzil nach Basel, um im Trierer Bistumsstreit die Sache seines Herrn, des Grafen Ulrich von Manderscheid, zu vertreten. In Basel angekommen, wurde er sogleich dem Konzil inkorporiert und dem Ausschuss für 939

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Johannes Falkenberg, Liber de doctrina potestatis pape et imperatoris, Concl. 6, ed. WEISE, Staatsschriften, S. 187 f.: Imperator est generalis vicarius Dei in temporalibus. Probatur ex concl. precedenti: Imperator tocius orbis in temporalibus habet imperium, sed nullus vice nisi Dei, dum a nullo nisi ab eo edificatus est, ex concl. 6, et ergo absque dubio est generalis vicarius Dei in temporalibus. Item sic imperator enim,dum a Deo ex concl. precedenti et 2 tocius orbis in temporalibus habet imperium, indubie a Deo habet potestatem, universum orbem in temporalibus iudicare; sed ex glossa Deut. 1, 17 [Quia] Dei iudicium est: Homines iudicando Dei sunt vicarii, et ergo absque formidine tenendum est, quod imperator est generalis vicarius Dei in temporalibus. Item sic imperator, dum est princeps universi orbis in temporalibus, certissimum est ex textu et eius glossa Rom 13, 4 Dei enim minister est, qui loco Dei per universum orbem habet exercere vindictam in eos, qui in temporalibus male agunt. Sed ex quid nominis omnis, qui loco Dei vindex est aut vindicat, est eius vicarius; et ergo certo cercius est, quod imperator est generalis vicarius Dei in temporalibus. Ebd. S. 188: Et quia imperator, dum est vicarius Dei generalis in temporalibus, potest terras iniuste occupantibus auferre et dare aliis colendas possidendasve absque alicuius iniuria. Nikolaus von Kues, De Concordantia Catholica Libri tres, ed. Gerhard Kallen (= Opera omnia 14). Aus der umfangreichen Literatur zu Nikolaus von Kues sei nur erwähnt MEUTHEN, Nikolaus von Kues.

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Glaubensfragen zugeteilt. Bereits 1431 hatte er mit der Arbeit an der Concordantia Catholica begonnen, die er 1433 abschloss. Darin vertritt er die Position eines gemäßigten Konziliarismus, doch als das Konzil wiederholt diese Mäßigung im Umgang mit dem Papst vermissen ließ, wechselte Nikolaus von Kues 1437 ins päpstliche Lager, wo er fortan Karriere machte. 1448 erhielt er die Kardinalswürde, zwei Jahre später wurde er von Papst Nikolaus V. zum Fürstbischof von Brixen ernannt, wo er jedoch aufgrund eines Streits mit dem Domkapitel und dem Herzog von Tirol nie Fuß fassen konnte. 1458 kehrte er schließlich nach Rom zurück, wo inzwischen sein Freund Enea Silvius Piccolomini als Papst Pius II. die cathedra Petri bestiegen hatte, und stand bis zu seinem Tode 1464 in Diensten der Kurie. Das Hauptanliegen des jungen Cusanus in seiner Concordantia Catholica war die Reform der Kirche. Dieses Ziel werde nur durch die Wiederherstellung allseitiger Harmonie innerhalb der Kirche und zwischen ihren Glieden erreicht. Die Grundstruktur des Werkes trägt unverkennbar Züge neuplatonischer Philosophie. So wie das Abbild der göttlichen Dreifaltigkeit in jedem Menschen zu finden ist (Geist, Seele, Körper), so auch in der Kirche (ecclesia militans), die sich aus den Sakramenten (= Geist), den Priestern (= Seele) und den gläubigen Laien (= Körper) zusammensetzt und den mystischen Leib Christi bildet, dessen unsichtbares Haupt Christus selbst ist. Die ersten beiden Bücher untersuchen das Priestertum, insbesondere das Verhältnis von Papst und Universalkonzil, das dritte Buch behandelt den Leib der Kirche und stellt im wesentlichen eine Abhandlung über die weltliche Herrschaft dar. Der Einfluss neuplatonischen Gedankenguts wird in der kirchlichen Hierarchiestruktur deutlich, die Cusanus im ersten Buch in enger Anlehnung an Pseudo-Dionysius entwickelt. Die Kirche sei letztlich durch den Heiligen Stuhl in Rom mit Christus verbunden, doch sei der Vorrang des römischen Bischofs in der Kirche gegenüber den anderen Bischöfen nicht mit erweiterten jurisdiktionellen Kompetenzen verbunden, sondern ausschließlich ein Ehrenvorrang. Der Papst gilt gleichsam als primus inter pares unter den Bischöfen943, seine Jurisdiktionsgewalt beruht wie die der übrigen Bischöfe auf der allen Aposteln von Christus verliehenen Binde- und Lösegewalt. Verbindliche Vorschriften in der Kirche kann nach Ansicht des Cusanus nur ein allgemeines Konzil erlassen, dessen Autorität auf dem Konsens der Konzilsteilnehmer beruht. In seiner Beweisführung, die Autorität des Konzils über die des Papstes zu stellen, erweist sich Cusanus ebenso als Kenner der Kirchenund Konzilsgeschichte wie als versierter Jurist und Theologe, etwa wenn er die konziliaristische Position mit dem römischen Rechtsgrundsatz Quod omnes similiter tangit, ab omnibus comprobetur (Cod. 5, 59, 5) untermauert, oder 943

Concordantia Catholica II, 13, S. 146 ff.

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wenn er – gestützt auf das Christuswort „Wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich mitten unter ihnen“ (Matth. 18, 20) – in dem einmütigen Konzilsspruch die Anwesenheit des heiligen Geistes erblickt944. Der Grundsatz, dass rechtlich bindende Beschlüsse stets der Zustimmung der betreffenden Gemeinschaft bedürfen, leitet sich für Cusanus aus dem göttlichen und natürlichen Recht ab und ist die zentrale Grundlage nicht nur der Konzilsidee, sondern auch der durch die Kardinäle vollzogenen Papstwahl. „Die Kardinäle haben im Namen der Gesamtkirche den Papst zu wählen, und weil sich durch diesen Akt die Gesamtkirche dem Gewählten unterwirft, machen die ihm verliehene Administration und die ihm zugleich durch die Wahl übertragene Jurisdiktion den Gewählten zum Papst.“945

Neben dem Wählerwillen wirkt aber auch Gott bei der Einsetzung des Papstes mit, denn es heißt weiter: „Doch leugne ich nicht, dass mit der Wahl auch eine von Gott stammende den Papst autorisierende und bestätigende Gewalt zusammentrifft. [...] Sonach ist klar, dass die Jurisdiktion beim römischen Bischof sich auch auf das göttliche Privileg und die Wahl gründet, ebenso wie bei anderen Inhabern kirchlicher Verwaltung. Und ebenso stammt jeder höhere Grad eines Vorranges aus göttlicher Einsetzung und aus der Wahl, beziehungsweise aus der Zustimmung der Unterworfenen.“946

Das Zusammenwirken von Gott und Menschen bei der Konstituierung päpstlicher (bzw. jeder kirchlichen) Herrschaft wird von Cusanus im Verlauf des 2. Buches näher erläutert. Nachdem er wiederholt die Wahl des Volkes als Ausgangspunkt jeder rechtmäßigen Herrschaft hervorgehoben hat, ergänzt er in II, 19: „Nicht, als ob die Gewalt der Vorsteherschaft, die bei dem Vorsteher liegt, zur Gänze vom Volk ihren Ausgang nähme, sondern es verhält sich folgendermaßen: Wie früher dargelegt, ist das Priestertum gleichsam die Seele der streitenden Kirche. Aber die Seele, betrachtet nach ihrer den Körper bewegenden und empfindenden Seite, wird aus den Kräften der Materie hergeleitet, jedoch ihrer denkenden Seite nach betrachtet, ist 944

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Vgl. Concordantia Catholica II, 3, S. 100 ff.; ebd. II, 9,S.136 ff. Einmütigkeit bedeutet freilich nicht Einstimmigkeit. Cusanus tritt insofern für ein Mehrheitsprinzip ein, als dass die Minderheit sich dem Spruch der Mehrheit zu beugen habe – ein Prinzip, das jeder Konzilsteilnehmer, auch der Papst, anerkennen müsse. Concordantia Catholica II, 13 (117), S. 153: Cardinales nomine universalis ecclesiae papam eligere et per hoc, quod se per illam subiectionem universalis ecclesia subicit electo, administratio illa in ipso cum illa translata iurisdictione in eum per electionem facit eum papam. Ebd.: Non nego tamen divinam potestatem concurrere auctorizantem et confirmantem [...]. Ex quibus patet iurisdictionem in Romano pontifice ita constitui ex divino privilegio et electione, sicut gradualis maioritat principatus etiam eodem modo constituitur ex divina ordinatione et electione sive consensu subiectorum.

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sie aus Gott. Ebenso nimmt das Priestertum seine Vorstehergewalt, soweit sie der bewegenden, belebenden und empfindenden Seite der Seele entspricht, von dem ihr untergebenen Volk – diese Gewalt geht gleichsam von den Kräften der Materie, der Unterworfenen, durch deren freiwillige Unterwerfung aus. Von Gott aber empfängt das Priestertum, soweit es der denkenden Seele entspricht, durch die Sakramente die Gewalt, die von oben kommt, auf dass also in wohltuender Konkordanz die Gewalt von oben in den Körper der Untergebenen einfließen könne durch Vermittlung eben der aus ihnen hervorgeholten und durch sie übertragenen Gewalt. Dies vollzieht sich zur heilsamen Vereinigung mit Christus, dem Haupte.“947

Mit anderen Worten: Die Menschen erschaffen durch ihre Wahl einen (kirchlichen) Herrschaftsträger und verleihen ihm die jurisdiktionelle und administrative Gewalt; Gott verleiht ihm die sakramentare Gewalt, die von oben kommend durch die priesterliche Vermittlung dem ganzen Körper der Kirche zuteil wird. Mit dieser Deutung gelingt Cusanus gewissermaßen die Integration des pseudodionysisch-hierarchischen Emanationsgedankens in eine grundsätzlich populistisch-konsensuale Herrschaftsauffassung, doch verzichtet er nicht darauf, das Wirken Gottes auch in der vom Volk vorgenommenen Wahl zu erblicken. Aus einem Brief von Papst Hormisdas († 523) an die spanischen Bischöfe zitierend, heißt es in II, 19 weiter: „ ,Lasst die Wahl [sc. und nicht Simonie] das entscheidende Kriterium für die zu weihenden Priester sein, eingedenk der Tatsache, dass die Entscheidung des Volkes auch dem Urteil Gottes entspricht. Denn Gott ist dort gegenwärtig, wo unverdorbene Einmütigkeit herrscht.„ Und obwohl Gott sich das Recht vorbehalten hat, den höchsten Bischof seines Amtes zu entheben, hat er den Gläubigen das Recht gegeben, ihn zu wählen, siehe D. 79 c. 11, und göttliche Gnade ernennt denjenigen, der durch einmütige Wahl gewählt worden ist, siehe C. 8, q. 2 Dilectissimi. Dazu später ausführlich mehr.“948

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Concordantia Catholica II, 19 (167), S. 204: Non quod potestas praesidentialis quae in praesidentibus est a populo ortum totaliter capiat, sed, sicut praehabitum est superius, tunc sacerdotium, quod est ut anima in ecclesia militanti – anima autem secundum eius motivam et sensitivam partem considerata educitur de potentia materiae, secundum autem rationalem eius partem considerata a deo est –, sic sacerdotium capit ab inferiori populo fidelium illam praesidentialem motivam, vegetativam et sensitivam potestatem – quae potestas exit de potentia materiae subditorum per voluntariam subiectionem –, a deo autem per sacramenta capit potestatem rationabilis animae, quae desursum venit, ut sic possit in dulci concordantia superna potestate per medium elicitae et traditae potestatis influere in corpus subiectorum, quae ad salutarem unionem cum Christo capite perficiunt. Ebd., S. 205: ,Iustam sacerdotibus ordinandis reverentiam servet electio, ut in gravi munere populorum divinum credatur esse iudicium. Ibi enim deus, ubi simplex sine pravitate consensus.„ Haec ille. Et quamquam summorum sacerdotum deiectionem sibi deus reservavit, electionem tamen eorum fideli populo concessit, 79 di. c. finale, et ille

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Im letzten Kapitel des zweiten Buches liefert Cusanus eine Zusammenfassung seiner bisherigen Untersuchung. Darin wiederholt er seine Auffassung von der Superiorität des Konzils, in dessen einmütigen Beschlüssen sich der Wille Christi und das Wirken des Heiligen Geistes offenbaren, und er betont nochmals ausdrücklich das Zusammenwirken von Gott und den Menschen bei der Konstituierung der päpstlichen (und jeder anderen kirchlichen) Herrschaft in einer einmütigen Wahl: „Obwohl aus vielen heiligen Schriften hervorgeht, dass die Gewalt des römischen Bischofs von Gott stammt, und aus anderen, dass sie von den Menschen und dem Universalkonzil stammt, so scheint doch die Wahrheit gleichsam in der Mitte zu liegen und aus den Schriften erschließbar zu sein, nämlich, dass die Gewalt des römischen Bischofs [...] von Gott vermittels der Menschen und der Konzilien stammt, d. h. durch den in einer Wahl gefundenen Konsens.“949

Freilich könne Gott auch unmittelbar einen Herrscher ernennen, doch grundsätzlich gilt das aus dem göttlichen und natürlichen Recht abgeleitete konsensuale Wahlprinzip, das auch von Christus bei der Ernennung des Petrus zu seinem Stellvertreter eingehalten worden sei, da er diesen mit der Zustimmung der übrigen Apostel berufen habe950. Am Ende des zweiten Buches resümiert Cusanus: „Ich versuchte dazulegen, dass jede kirchliche oder geistliche Herrschaft von Christus durch die Vermittlung des menschlichen Konsenses eingerichtet ist. [...] Und meines Erachtens nach sind die Argumente auf der einen Seite, wonach Herrschaft in der Kirche nur von Gott komme, und die Argumente auf der anderen Seite, wonach Herrschaft nur auf der Wahl und dem Konsens der Menschen und der Kirche beruhe, richtigerweise in der mittleren Position in Einklang zu bringen.“ 951

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gratia divina praefertur, qui communi consensu eligitur, 8 q. 2. Dilectissimi. De quo infra latius. Concordantia Catholica II, 34 (249), S. 292: ...quod, licet secundum plura sanctorum scripta potestas Romani pontificis a deo sit et secundum alia ab homine et conciliis universalibus, tamen videtur in veritate medium concordantiae per scripturas investigabile ad hoc demum tendere, quod ipsius pontificis Romani potestas [...] sit a deo per medium hominis et conciliorum, scilicet mediante consensu electivo. Concordantia Catholica II, 34 (261), S. 303: Unde ex hoc Anacletus papa et alii, ut superius continetur, dicunt Christum Petrum principem concurrente apostolorum consensu constituisse. Ebd. (262, 264), S. 304 f.: Hoc modo diffusius intendebam deducere omnem praesulatum ecclesiasticum et spiritualem a Christo mediante hominum assensu constitui. [...] Et quaecumque argumenta aut pro ea parte quod principatus coactivus a deo in ecclesia sit tantum, aut ex alia parte quod ipse coactivus principatus ex electione sive consensu hominum seu ecclesiae tantum exsistat, ad hoc medium concordantiae meo iudicio veraciter reducuntur.

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Das dritte Buch der Concordantia Catholica handelt schließlich vom Körper der Kirche und liefert eine Abhandlung über die weltliche Herrschaftsordnung, insbesondere über das Imperium. Im Unterschied zu den beiden vorangegangenen Büchern stellt Cusanus ein Prooemium an den Anfang des dritten Buches, in dem er allgemeine staatsphilosophische Grundüberlegungen anstellt, die im wesentlichen auf Platon, Aristoteles, Cicero sowie den Kirchenvätern beruhen952. Der Mensch wird als ein auf staatliches Zusammenleben angelegtes Lebewesen charakterisiert, das wegen seiner verderblichen Triebe Vorschriften und Gesetze zur Wahrung des Friedens innerhalb der Gemeinschaft erlassen muss. Die Gesetze des Gemeinwesens gründen dabei ebenso wie die Macht des Regenten auf der allgemeinen Zustimmung des Volkes, was Cusanus mit Beispielen aus der biblischen und römischen Geschichte belegt. Er diskutiert eher flüchtig die verschiedenen Herrschaftsformen und gibt letztlich der Monarchie den Vorzug, doch im Grunde müsse jede Herrschaft, „sei es eine monarchische oder eine aristokratische, [...] mit dem Willen der ihr Untergebenen, also durch Wahl, begründet werden.“ 953 Diesem Wahlmonarchen empfiehlt Cusanus, er solle sich als Heiler des Gemeinwesens verstehen, der jedes Übel mit der gebotenen Strenge des Gesetzes beseitigen und so für Harmonie und Gleichgewicht innerhalb des Staatskörpers sorgen soll. Am Ende der Vorrede rekurriert Cusanus – nachdem er sich bis dahin weitgehend auf herrschaftstheoretische Überlegungen antik-heidnischer Philosophen gestützt hatte – dezidiert auf die christliche Herrschaftsauffassung. „Doch neben all dem, was oben gesagt wurde, ist die wichtigste Voraussetzung, dass jeder Herrscher, der ein gläubiger Christ ist, sich nach dem Vorbild von Christus selbst gestaltet, dessen Abbild und Nachfolge er trägt. Er soll auf Christus schauen, der die Wahrheit selbst ist. Und so soll er an erster Stelle bedenken, dass Christus Herr und Meister ist, Gott und Mensch, so dass jede Herrschaft gleichsam aus göttlichen und menschlichen Elementen zusammengesetzt ist. Denn alle Gewalt ist von Gott eingerichtet, Röm. 13 [Es folgen weitere Belege für einen Ursprung der Herrschaft aus Gott]. Daher ist alle Herrschaft geheiligt und geistlich und kommt von Gott. Sie kommt aber auch vom Menschen, so wie Christus der wahre Sohn der Jungfrau Maria war. Als Christus von der reinen und unbefleckten Jungfrau als Gott und Mensch geboren wurde, geschah dies mit ihrer freien Zustimmung, als sie sagte: ,Mir geschehe nach deinem Wort„ (Luk. 1, 38). Nach diesem Vorbild soll wahre Herrschaft über die eine unversehrte Kirche – oder ganz allgemein über eine Vereinigung von Menschen – aus 952

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Das Prooemium ist den Untersuchungen Kallens zufolge als letzter Teil der Concordantia Catholica entstanden. Als Quelle diente Cusanus weitgehend Marsilius von Padua. Vgl. WALTHER, Imperiales Königtum, S. 249 f. Concordantia Catholica III, prooem. (282), S. 321: Omnem autem principatum monarchicum vel aristocraticum, cum volentibus subditis constituantur illi principatus, electione oportet...

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reinem Konsens hervorgehen, nicht aus Gewalt, Ehrgeiz oder verderblicher Simonie, sondern aus der Reinheit, mit der Christus aus Liebe zum Wohl der Menschen in die Welt getreten ist. Und wenn derjenige, der von Christus zur Herrschaft erwählt und berufen worden ist, das Vorbild Christi in Demut annimmt und als Herrscher den Spuren Christi folgt, dann wird die Gemeinschaft notwendigerweise in der besten Weise regiert und der Name des Herrschers wird für immer in Erinnerung bleiben. Denn Christus war unter dem Gesetz, er kam nicht, um das Gesetz zu zerstören, sondern um es mit demütigem und mildem Herzen wie ein sanfter Heiler zu erfüllen. Und es ist für einen Herrscher nur notwendig, den Fußspuren Christi zu folgen, denn dann wird er im Lichte der Wahrheit wandeln und das ewige Leben erhalten.“954

In diesem letzten Absatz verdichtet Cusanus gewissermaßen die christliche Herrschaftsauffasung auf ihre zentralen Aussagen 955 , wodurch das Prooemium, das bis dahin mehr „eine Paraphrase von Gedanken des Marsilius“956 war, dem dritten Buch der Concordantia Catholica die entscheidende Richtung vorgibt. Der Rekurs auf die Sakralität des Königs dient dabei nicht nur dem bekannten Zweck, dem Herrscher die christlichen Tugenden der Weisheit, Gerechtigkeit und Barmherzigkeit anzuempfehlen. Der Hinweis auf die sowohl göttliche als auch menschliche Natur Christi steht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Stellung des Königs als Abbild Christi, wodurch Cusanus gekonnt eine Überleitung zu seiner im zweiten Buch erarbeitete Kernthese vom Zusammenwirken göttlicher und menschlicher Elemente ge-

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Concordantia Catholica III, Prooem. (289), S. 325 f.: Sed haec radix nobis ad omnia cum hiis praemissis sufficit, quod quemlibet principantem inter Christi fideles se oportet Christo, cuius figuram et successionem gestat, in typo conformare. Respiciat itaque ad Christum, qui est ipsa veritas. Et primo consideret, quoniam ipse est dominus et magister, deus et homo, ita et omnis principatus ex quodam divino et humano exsurgit. Potestas enim omnis dei habet ordinationem, ad Romanos 13. [...] Quare sacra est omnis maiestas et spiritualis et a deo. Est etiam ab homine, ut Christus verus virginis Mariae filius. Unde ex incorrupta et intemerata Virgine eius liberali consensu interveniente, dum diceret: „Fiat mihi secundum verbum tuum.“, Christus nascitur, deus et homo. Ad instar huius ex unica incorrupta ecclesia sive congregatione hominum ex purissimo consensu prodire debet verus principatus, non ex aliqua violentia, non ex ambitione aut pravitate simoniaca, sed ex puritate, qua Christus in mundum per amorem salutis populi dignatus est venire. Et dum sic per Christum, qui est ostium verum, ad principatum quis eligitur et vocatur et secundum Christi exemplum cum humilitate acceptatur et per vestigia Christi princeps ambulaverit, necesse est rem publicam optime disponi et imperantis nomen perennari. Christus enim sub lege erat, non venit solvere legem, sed adimplere, humilis et mitis corde, medicus mansuetissimus. Et non est opus alia quacumque doctrina principanti quam eius vestigia insequi, quoniam tunc in luce veritatis ambulat et vitam aeternam consequetur. Herrschaft von Gott; ethisch-moralischer Aspekt des Königs als imago Christi; Verpflichtung zur Einhaltung der Gesetze; Belohnung für gute Herrschaft im Jenseits, etc. WALTHER, Imperiales Königtum, S. 249.

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lingt, die nun auch auf die weltliche Herrschaft übertragen werden kann957. Zudem liefert er mit der – zugegeben etwas gewagten – Deutung von Luk. 1, 38 als Zustimmung Mariens zur Geburt (und damit zur Herrschaft) Christi einen weiteren Brückenschlag zwischen sakraler und populistisch-konsensualer Herrschaftsauffassung, der im weiteren Verlauf des dritten Buches näher ausformuliert wird. In seiner Darstellung greift Cusanus im dritten Buch der Concordantia Catholica zunächst die zentralen Fragen auf, die die Legisten und Kanonisten der vergangenen Jahrhunderte intensiv erörtert hatten: Stammt das Imperium mittelbar oder unmittelbar von Gott? Fand eine Translatio Imperii durch den Papst statt? Welche Bedeutung hat die Konstantinische Schenkung? Welchen Stellenwert hat die Wahl des Königs bzw. Kaisers durch die Kurfürsten im Verhältnis zur päpstlichen confirmatio, der Weihe und Krönung?958 Cusanus diskutiert diese Fragen nicht mehr im Stile einer scholastischen Disputatio, sondern referiert in der Regel nur die Position, die er für überzeugender und mithin für „allgemein anerkannt“ hält. So etwa, wenn er die Gottunmittelbarkeit der imperialen Gewalt hervorhebt. „Zuerst können wir festhalten, was allgemein anerkannt ist, dass die imperiale Gewalt ihrer Natur nach unabhängig ist, an erster und höchster Stelle steht und geschieden von der geistlichen Gewalt und dem Priestertum ist (D. 96. Duo sunt), dass sie unmittelbar von Gott stammt (D. 97 Ecclesiae meae) und allem voransteht (C. 7, q. 1 In apibus; C. 11, q. 1 Hic si quis ad. v. volumus). Der Kaiser ist der Fürst und Herr der Welt, in dessen Gewalt alle Dinge sind (D. 13 [8] Quo iure; C. 24[23] q. 8 Convenior, D. 63 Ego Ludovicus), und der Papst steht hinsichtlich der kaiserlichen Rechte nicht über ihm (C. 23, q. 1 In summa; C. 2, q. 7 Nos si; D. 9 [10] De capitulis.“959

Die weltliche Ordnung ist also in ihrer Struktur völlig unabhängig von der geistlichen Ordnung und steht unmittelbar zu Gott. Beide sind hierarchisch geordnet, wobei die Stellung des Kaisers in der weltlichen Hierarchie vergleichbar mit der des Papstes in der kirchlichen Ordnung ist. Der Kaiser steht demnach über den Königen und näher zu Gott als diese. 957

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Bereits in Concordantia Catholica II, 19 (168), S. 205 hatte er erklärt, dass das Zusammenwirken von göttlichen und menschlichen Elementen nicht nur für die kirchliche, sondern auch für die weltliche Herrschaft gelte. Concordantia Catholica III, 2, S. 328 ff. Concordantia Catholica III, 5 (340), S. 353: Et primo praesupponiturid, quod vulgo notissimum est, quod imperialis celsitudo est independens quoad sui naturam, immo prima et suprema, distincta a spirituali sacerdotali potestate, 96 di. Duo sunt, habens dependentiam immediatam a deo, 97 di. Ecclesiae meae, et omnibus praeest, 7 q. 1 In apibus, 11 q. 1 § Hic si quis verbo volumus. Est princeps et dominus mundi, in cuius potestate omnia sunt, 13 di. Quo iure, 24 q. 8 Convenior, 63 di. Ego Ludovicus, et papa supra eum quoad ipsa imperialia iura non est,23 q. 1 In summa, 2 q. 7 Nos si, 9o di. De capitulis.

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„So wie Christus der König der Könige und Herr der Herren ist, so haben alle Könige etwas Göttliches in ihrer Herrschaft, weshalb ihnen Ehrerbietung und Gefolgschaft zu leisten ist. Aber wenn sie etwas anordnen, was gegen das göttliche Gesetz ist, so ist es offensichtlich, dass diese Anordnung keinen Anteil an der göttlichen Herrschaft besitzt und man sie daher nicht befolgen soll (C. 11, q. 3 Julianus und andere dort zusammengestellte Texte; D. 10). Und so steht der Kaiser über allen anderen Fürsten, weil er seine Herrschaft dem siegreichen und triumphierenden Christus unterstellte und sich in seinem Glauben Christus und dessen Gesetz unterwarf. Daher steht das christliche Imperium über allen anderen Herrschaften, weil es am nächsten zu Gott steht.“ 960

An anderer Stelle heißt es: „Aber so wie die kaiserliche Gewalt zur Herrschaft über alle berufen ist – vergleichbar mit der Allherrschaft Gottes –, so glauben wir, dass es graduelle Unterschiede gibt bezüglich der Würde eines Herrschers, je nach dem, wie nah oder fern er zu Gott steht. Der Herrscher, der Gott am wenigsten ähnelt, besitzt die geringste Würde, der ihm am meisten ähnelt, die größte. Daher besitzt ein König der Tartaren, der nach Gesetzen regiert, die mit den göttlichen am wenigsten übereinstimmen, die geringste Würde; ein mohammedanischer König steht an Würde höher, denn er achtet das Alte Testament und einige Bestimmungen des Neuen Testaments; ein christlicher König steht der Würde nach am höchsten, denn er befolgt die Naturgesetze, das Alte und Neue Testament und den orthodoxen Glauben. Aufgrund dieser Überlegungen bezüglich der Sakralität von Herrschaft, steht meines Erachtens nach die kaiserliche Gewalt am höchsten.“961

Allerdings kann der Kaiser weltliche Herrschaftsrechte nur in den Gebieten ausüben, über die er auch tatsächlich die Gewalt hat. Der Kaiser war auch schon zur Zeit des antiken Imperium Romanum lediglich de iure der dominus mundi, tatsächlich war auch ihm damals nicht die ganze Welt unterworfen. Im 15. Jahrhundert freilich waren die Grenzen des Reiches ungleich enger ge960

961

Concordantia Catholica III, 5 (342), S. 354 f.: Unde sicut Christus est rex regum, ita omnes reges in potestate regnantis dominii quid divini habent. Quapropter reverentia et oboedientia eis debetur. Unde dum quid praecipitur nihil participationis divini imperii habere. Quapropter ei non oboeditur impune, 11 q. 3 Julianus cum aliis ibi positis textibus et 10 di. per totum. Quare ille omnium principum principatum recte tenet, qui suumimperium substituit Christo victori et triumphatori et per fidem eidem Christo et suis legibus se subicit. Ex qua re imperium Christianorum supereminet cunctis dominiis tamquam deo proximus. Concordantia Catholica III, 7 (348), S. 359: Verum quia excellentia imperialis ex aliqua divina colligantia et approximatione ad deumcunctorum regem constituitur, graduationes consideramus secundum hanc excellentiam secundum accessum et recessum ad ipsum deum, dicendo hunc minimum, qui in publico regimine minus deo assimilatur, hunc maximum, quia plus. Et sic rex Tartarorum, quia per leges divinis institutis minime concordantes gubernat, minimus dicitur, rex sectae Mahometanae maior cum, veteris testamenti statuta ac certa novi veneretur, rex Christianorum maximus, cum tam leges naturae quam utriusque testamenti et orthodoxam fidem acceptet. Et secundum hanc considerationem sacri principatus dico maximam imperii potestatem consistere.

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zogen, wie Nikolaus mit Bedauern feststellt. Aufgrund der religiösen Verantwortung des Kaisers als advocatus ecclesiae universalis und seiner Verpflichtung, die Bestimmungen des Universalkonzils in der gesamten Christenheit durchzusetzen, seien jedoch auch die christlichen Königreiche – die die kaiserliche Oberhoheit (in zeitlichen Angelegenheiten) nicht anerkennen – dazu angehalten, den Anordnungen des Kaisers zu gehorchen, die er in seiner Funktion als advocatus ecclesiae zum Schutz der Kirche Christi erlässt962. Die herausragende Stellung des Kaisers drückt Cusanus auch mit dem Begriff des Gottesvikariats aus: „Aber sein [sc.: des Kaisers] höchstes Privileg ist es, der Diener Gottes (minister Dei) zu sein, wie Paulus in Röm. 13 sagt, und auf Erden als Stellvertreter Christi (vicarius Christi) zu handeln, wie Papst Anastasius in einem Brief an den Kaiser geschrieben hat: ,Euer gnädiges Herz ist das Heiligtum des öffentlichen Wohls. Dank euch, der von Gott angewiesen wurde, als sein Stellvertreter zu handeln, wird den heilsamen evangelischen und apostolischen Anordnungen nicht mit Hochmut begegnet, sondern ihnen folgegeleistet.„ Man beachte, dass der christliche Kaiser aufgrund seiner Herrschergewalt als Stellvertreter Christi (vicarius Christi), des Königs der Könige und Herrn der Herren, gilt.“963

In diesen Zeilen ist nichts mehr zu spüren von der kontroversen und zum Teil hitzigen Debatte, die im 13. und 14. Jahrhundert über das Gottesvikariat des weltlichen Herrschers geführt wurde. Auch das Christusvikariat scheint für Cusanus ein „allgemein anerkanntes“ Privileg des Kaisers zu sein, denn ein Konflikt mit dem päpstlichen Christusvikariat wird ebensowenig thematisiert, wie ein etwaiger Unterschied zwischen der Stellung eines minister Dei und eines vicarius Dei. Den Kern des kaiserlichen Christusvikariats erblickt Cusanus in der praesidentia, der herrscherlichen Stellung des Kaisers, doch besteht diese Herrschergewalt, so die wesentliche Aussage des Prooemiums (wie auch des zweiten Buches hinsichtlich der kirchlichen Herrschergewalt), aus göttlichen und menschlichen Elementen. Analog zum Kardinalskollegium hat das Kurfürstenkollegium stellvertretend für die Gesamtheit des Volkes die Aufgabe, den Kaiser zu wählen. Dieses Wahlrecht kommt den Fürsten nicht etwa, wie die kuriale Tradition behauptete, aufgrund eines päpstlichen Privi-

962 963

Concordantia Catholica III, 7, S. 361 ff. Concordantia Catholica III, 5 (341), S. 354: Sed hoc est supremum privilegium, quia minister Dei est, ut dicit Paulus ad Romanos 13, et est ut vicarius Iesu Christi in terris, ut scribit Anastasius papa ad imperatorem dicens: „Pectus clementiae vestrae sacrarium est publicae felicitatis, ut per instantiam vestram, quam velut vicarium praesidere iussit in teris, evangelicis apostolicisque praeceptis non dura superbia resistatur, sed per oboedientiam, quae sunt salutifera, compleantur.“ Ecce quod imperator Christianorum in sua praesidentia Christi vicarius, qui rex regum et dominus dominantium exsistit.

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leges zu, sondern – gemäß göttlichen und natürlichen Rechtes964 – von der Allgemeinheit respektive dem römischen Volk. Der konsensuale Gedanke ist mithin auch bei der Kaiserwahl leitend, wobei Cusanus ausdrücklich hervorhebt, dass eine solche Herrscherwahl letztlich als von Gott vorgenommen erachtet werden muss. „Wie schon an anderer Stelle gesagt basiert jedes recht geordnete Kaiser- oder Königreich auf einer Wahl, und ein solcher Herrscher kann wahrlich als von Gott ernannt angesehen werden. Daher haben die Kaiser Valentinian und Marcian gesagt, als sie an Papst Leo geschrieben haben um das Konzil einzuberufen: ,Die siegreichen und glorreichen Kaiser Valentinian und Marcian an Leo, den verehrten Erzbischof der Stadt Rom: Wir haben diese höchste Herrschergewalt durch die Vorsehung des wahren Gottes sowie durch die Wahl des Senates und des gesamten Heeres erhalten.„ “965

Und weiter: „Zusammenfassend kann gesagt werden, dass alle rechtmäßige Herrschaft auf einmütiger Wahl und freiwilliger Unterordnung basiert. Den Menschen ist gleichsam durch die Tugend ihrer naturrechtlichen Gleichheit, die allen Menschen von Geburt an gemein ist, ein göttlicher Same eingepflanzt, so dass alle Gewalt, die wie der Mensch selbst von Gott stammt, als göttlich erachtet werden kann, wenn sie aus der einmütigen Unterordnung der Untergeben herrührt.“966

Hinsichtlich der Entstehung des Kurkollegs orientiert sich Cusanus an der Kurfürstenfabel. Nachdem Otto I. „auf Verlangen der Römer“967 in Italien die Macht erlangt hatte, gestattete der populus Romanus ihm auf einer Synode, fortan einen Nachfolger im Kaisertum zu designieren, weshalb die Kaiserwürde unter den Ottonen auf erbrechtlichem Wege vergeben wurde968. Unter Heinrich II. erfolgte – wiederum mit Zustimmung der weltlichen und geistli964 965

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968

Vgl. Concordantia Catholica III, 5 (328), S. 346. Concordantia Catholica III, 4 (325), S. 345: Omne enim ordinatum imperium vel regnum, ut superius quodam loco dictum est, ex electione ortum capit, et tunc vera dei providentia censetur praelatus. Unde Valentinianus et Martianus imperatores ad Leonem papam de congreganda synodo scribunt: „Victores Valentinianus et Martianus, gloriosi triumphatores semper augusti, Leoni, reverendo archiepiscopo gloriosae civitatis Romae. Ad hoc maximum imperium veri dei providentia et electione senatus excellentissimi cunctaeque militiae profecti sumus.“ Concordantia Catholica III, 4 (331), S. 348: Ecce si ea, quae superius habentur, ad mentem revoces, quomodo omnis superioritas ordinata ex electiva concordantia spontaneae subiectionis exoritur, et quod populo illud divinum seminarium per communem omnium hominum aequalem nativitatem et aequalia naturalia iura inest, ut omnis potestas, quae principaliter a deo est sicut et ipse homo, zunc divina censeatur, quando per concordantiam communem a subiectis exoritur... Concordantia Catholica III, 3 (323), S. 343: ... urbis Romanae ac Italiae dominium per Ottonem Romanis desiderantibus armis acquisitum fuerit... Concordantia Catholica III, 4 (326), S. 345 f.

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chen Großen, darunter auch dem deutschen Papst Gregor V. – die Einrichtung des Kurfürstenkollegs, das fortan stellvertretend für die Gesamtheit den Kaiser wählte. Diese Wahl verleihe dem Kaiser alle administrativen und jurisdiktionellen Rechte, eine päpstliche confirmatio sei nicht nötig, und auch die Salbung und Krönung des Kaisers in Rom übertrügen keine weiteren Rechte, sondern nur das nomen imperatoris und seien gleichsam zeremonielle Symbole, die dem Volk die sacra maiestas von Kaiser und Reich vor Augen führen969. Im letzten Kapitel greift Cusanus noch einmal grundsätzlich die Notwendigkeit der gegenseitigen Unterstützung von weltlicher und geistlicher Sphäre zum Wohle der Christenheit auf. Er wiederholt den Aufbau der ecclesia militans als mystisches corpus Christi mit Christus als Haupt, den Priestern und Laien als Seele und Leib, die in getrennten aber gleichwohl aufeinander bezogenen Ordnungen mit Papst bzw. Kaiser eine hierarchische Spitze besitzen. Aus dem Würdevorrang der geistlichen Gewalt, den auch Cusanus hervorhebt 970 , leitet sich keine politisch-jurisdiktionelle Überordnung gegenüber der weltlichen Gewalt ab. In diesem Zusammenhang weist er ausdrücklich die kuriale Deutung der Zweischwerterlehre zurück, die im übrigen nicht beweise, dass – selbst wenn der Kaiser sein Schwert vom Papst empfinge (was Cusanus nicht annimmt) – der Kaiser auch im Hinblick auf den usus gladii vom Papst abhängig sei971. Nur wenn das gesamte corpus Christi im Zustand der „katholischen Eintracht“ und Harmonie existiere, werde er auch vom segensreichen Wirken des Heiligen Geistes erfasst. Zwietracht und Uneinigkeit hingegen sei Werk und Wille des Teufels. Der immer wieder eingeforderte consensus omnium ist für Cusanus letztlich „das wichtigste Grundgesetz der menschlichen Ordnung“972, das dem Verhältnis von weltlicher und geistlicher Gewalt ebenso zugrunde liegen muss wie dem menschlichen Gesetzgebungsverfahren und der Wahl von kirchlichen und weltlichen Würdenträgern. Gerhard Kallen hat ausdrücklich darauf hingewiesen, dass Cusanus kein Vertreter einer „nominalistischen Volkssouveränität“973 sei, wonach es genügen würde, den Willen des Volkes nach dem Maioritätsprinzip zu ergründen (so etwa Marsilius), sondern 969

970 971

972 973

Concordantia Catholica III, 4 (336), S. 351: Ex quibus patet unctionem et diadema nihil praestare imperialis potestatis. Insignia enim illa quasi ad maiestatem sacram, quae imperio inest, ostendendam materiali visibili subiecto imperii cum cerimoniis impenduntur...; vgl. POSCH S. 186. Concordantia Catholica III, 41, S. 460-474. Vgl. POSCH S. 204. Cusanus greift hier offensichtlich die Argumentation auf, die bereits Ende des 12. Jh. in einigen kanonistischen Summen (Reverentia Sacrorum canonum [vgl. Anm. 257]) und im 13. Jh. etwa von Heinrich von Gent vorgebracht wurde. Vgl. Anm. 702. KALLEN, Nikolaus von Cues, S. 256. Ebd. S. 258.

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dass er nur im einmütigen consensus omnium „die Gewähr der objektiven Wahrheit“974 und das Wirken Gottes und des Heiligen Geistes erblicke. Cusanus greift daher die traditionelle frühmittelalterliche Forderung nach einer einmütigen Wahl als Ausdruck des göttlichen Willens auf, er weist dem Einhelligkeitsprinzip einen zentralen Platz in seiner politischen Theorie zu, das Kirche und Reich, das gesamte corpus Christi, ja – so Kallen – das gesamte spätere philosophische System des Cusanus durchzieht975.

2.3. Antonio Roselli Antonio Roselli war bereits 50 Jahre alt, als er um 1430 als päpstlicher Rechtsberater an die Kurie nach Rom gerufen wurde, um in den folgenden Jahren die Anliegen des Papstes gegenüber den europäischen Fürsten und dem Basler Konzil zu vertreten976. Roselli gilt als der spiritus rector der Bulle Deus novit, mit der Papst Eugen IV. die konziliare Lehre entschieden verurteilte und damit auf die Drohungen reagierte, die von Basel aus gegen ihn geschleudert wurden, nachdem er Ende 1431 in der Bulle Quoniam alto das Konzil fomell für aufgelöst erklärt hatte. Der Papst musste jedoch – sehr zum Bedauern Rosellis – seine strikte Position von Deus novit Ende 1433 in der Bulle Dudum sacrum revidieren, nachdem er in Rom politisch und militärisch unter Druck geraten war. 1438 gab Roselli seine Tätigkeit an der Kurie aus nicht ganz geklärten Umständen auf und widmete sich fortan wieder der akademischen Lehrtätigkeit an der Universität in Padua. Nach dem Bericht von Giovanni Bertachini († um 1500) habe Roselli das päpstliche Lager aus Enttäuschung darüber verlassen, dass ihm die angeblich vom Papst in Aussicht gestellte Kardinalswürde verweigert worden war977. Einige Forscher legten den Bericht Bertachinis dahingehend aus, dass Roselli in diesem Zusammenhang sein bereits Anfang der 1430er Jahre verfasstes Hauptwerk, die Monarchia978, in antipäpstlichem Sinne überarbeitet habe, doch wird diese These durch die Erforschung der komplizierten Textgeschichte des umfangreichen Traktates nicht gestützt. Auch in ihrer überarbeiteten und erweiterten Fassung (1440-44) ist die Monarchia keineswegs eine antipäpstliche Schrift. Roselli ist weiterhin 974 975 976 977 978

Ebd. S. 257. Kritisch dazu WALTHER, Imperiales Königtum, S. 235 mit Anm. 76. Vgl. WEITZ S. 14 f. BURNS S. 337. Antonio Roselli, Monarchia, in: Monarchia S. Romani Imperii, ed. Goldast Bd. 1, S. 252-556.

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bestrebt, die päpstliche Monarchie gegen das im Konziliarismus wirkende ascending principle of government zu verteidigen, indem er die Gottunmittelbarkeit des Papstes und seine Unabhängigkeit gegenüber dem Konzil hervorhebt979. Das monarchische Prinzip wird von Roselli auch im weltlichen Bereich in gleichsam absolutistischer Weise vertreten980, wobei das Kaisertum mit weitgehend den gleichen Argumenten gestützt wird, wie das Papsttum im kirchlichen Bereich. Neben einer konsequent monarchischen Haltung im kirchlichen wie im weltlichen Bereich vertritt Roselli in seiner Monarchia bezüglich des Verhältnisses von imperium und sacerdotium einen rigorosen Gewaltendualismus 981 . Päpstliche und kaiserliche Gewalt sind ihm völlig unabhängig voneinander und stehen beide unmittelbar zu Gott. Der Traktat ist in die Bemühungen der römischen Kurie einzuordnen, eine gemeinsame monarchische Front von Papst und weltlichen Fürsten gegen das Konzil von Basel zu errichten. Nach Ansicht Eckermanns habe Roselli gleichsam aus realpolitischer Einsicht heraus die hierokratischen Ansprüche auf eine päpstliche potestas in temporalibus aufgegeben, um so das einträchtige Miteinander von weltlichen und geistlichen Monarchen, insbesondere Papst und Kaiser, gegen das Konzil zu befördern982. Ende des 15. Jahrhunderts, nachdem das monarchische Papsttum den Sieg gegen den Konziliarismus davongetragen hatte, war es genau dieser radikale Gewaltendualismus, der die Monarchia auf den päpstlichen Index brachte und damit ihren Ruf als antipäpstlicher Traktat beförderte. Die Monarchia ist – in der Ausgabe von M. Goldast aus dem Jahre 1611 – in fünf Bücher gegliedert, denen ein Prooemium vorangestellt ist, in dem Roselli seine Schrift König Friedrich III. (in der ersten Fassung Kaiser Sigismund) widmete mit der Absicht, dem Kaiser die ihm nach göttlichem Willen gebührende Ehre zuteil werden zu lassen. Ziel insbesondere des ersten Buches ist es, die Gottunmittelbarkeit des Kaisers gegenüber der hierokratischen Position zu erweisen. Dazu bedient sich Roselli des umfangreichen Arsenals an Argumenten und Gegenargumenten, die einem monarcha utriusque legis der Spätscholastik zur Verfügung standen. Rosellis dualistische Position gründet im wesentlichen auf der von Dante getroffenen Unterscheidung vom doppelten Ziel des Menschengeschlechts, der irdischen und der ewigen Glückseligkeit, zu deren Erreichen die beiden Universalgewalten von Gott eingerichtet seien. Innerhalb ihrer Sphären seien Papst und Kaiser die oberste Autorität, was Roselli u. a. mit der Hierarchienlehre des Pseudo-Dionysius zu erweisen sucht. Das principium 979 980 981 982

Zur Position Rosellis zwischen Papst und Konzil vgl. WEITZ. Vgl. ECKERMANN. Vgl. BURNS S. 346 f. ECKERMANN S. 46 f.

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unitatis, die der himmlischen Herrschaft Gottes nachgebildete monarchische Struktur von weltlichem und geistlichem Bereich sind ihm ein unverrückbares Axiom. Die Unabhängigkeit des Kaisers von päpstlichem Einfluss zeigt sich für Roselli nicht zuletzt daran, dass dem Papst keine konstituierende Rolle im Zusammenhang mit der Kaiserherrschaft zukomme 983 . Letztlich läuft die Argumentation Rosellis stets auf die Erkenntnis der kaiserlichen Gottunmittelbarkeit hinaus: Concluditur, imperium habere a Deo immediate suas iurisdictiones, et pro ipso a nemine dependere984. Die Unabhängigkeit des Kaisers wird von Roselli auch mit der lex regia und der Errichtung des Kaisertums durch den populus Romanus begründet. Dies ist für Roselli nicht nur ein Beweis für die Unabhängigkeit des Imperiums von päpstlicher Einflussnahme, sondern zugleich ein Beweis für die Gottunmittelbarkeit der kaiserlichen Herrschaft. Um die Lösung dieses Widerspruchs zwischen Gottunmittelbarkeit einerseits und Errichtung durch das römische Volk andererseits ist auch Roselli bemüht. Seine Argumentation vollzieht er in vier Schritten: 1. Die Herrschaft des populus Romanus ist von Gott gewollt und daher rechtmäßig! Bereits im ersten Buch hatte Roselli kurz auf den rechtmäßigen Charakter der römischen Universalherrschaft hingewiesen, im fünften Buch geht er ausführlich darauf ein. Dort setzt er sich mit jenen Thesen auseinander, die den römischen Universalherrschaftsanspruch zurückwiesen (z. B. Oldradus de Ponte)985 und zu dem Ergebnis gelangten, dass die Herrschaft des populus 983

984

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Roselli übernimmt hier u. a. die Argumentation Dantes, wonach der Prophet Samuel bezüglich des Königtums Sauls nicht als vicarius Dei, sondern als nuntius Dei fungiert habe, so dass letztlich jeder Rekurs auf das alttestamentarische Königtum nur die Gottunmittelbarkeit des weltlichen Herrschers beweise, nicht aber einen konstituierenden Einfluss der Geistlichkeit. Roselli wertet aber die Beweiskraft des Alten Testaments ohnehin nur gering. Antonio Roselli, Monarchia I, c. 28, S. 267, Z. 41 f.; vgl. ebd. I, c. 36, S. 270, Z. 33: Ex quo infertur, ab ecclesia ergo non dependere, sed a Deo immediate subsistere, dicente Christo. Ebd. I, c. 37, S. 271, Z. 5 ff.: Humanum regnum Caesaris a solo Deo immediate dependere subtilissime infinuatur. Ebd. S. 272, Z. 11: Ex quibus infertur conclusive, Caesarem a Deo immediate dependere, non per summi pontificis medium. Ebd. I. c. 38, S. 273, Z. 46 ff.: Ex quibus concluditur, imperium a solo Deo immediate esse in Caesarem. Im Kern lauten die Vorwürfe: die Römer hätten ihre Herrschaft auf Gewalt und Unterdrückung aufgebaut, ihr Anspruch auf Universalherrschaft widerspreche sowohl dem Naturrecht als auch dem ius gentium, insbesondere aber dem ius divinum, denn schließlich habe Gott die Herrschaft von Königen, nicht aber von Kaisern bestätigt (Antonio Roselli, Monarchia V, c. 9, S. 539).

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Romanus auf Unrecht basiere und somit auch nicht rechtens vom Volk in der lex regia auf den Kaiser übertragen werden konnte986. Roselli beweist hingegen die Rechtmäßigkeit der römischen Universalherrschaft, indem er sie auf den Willen Gottes zurückführt, wobei er ausdrücklich hervorhebt, dass Gott die Herrschaft des populus Romanus nicht bloß passiv geduldet, sondern aktiv und willentlich gefördert habe987. Freilich, so Roselli, sei der Wille Gottes – wie auch der menschliche Wille – letztlich eine unsichtbare Größe, die nur erschlossen werden könne. Ausführlich versucht Roselli daher zu zeigen, dass Gott das Römische Reich zum caput mundi erhoben habe. Schon allein die zahlreichen Erfolge auf dem Schlachtfeld seien als Gottesurteil zu werten und bewiesen, dass Gott das römische Volk zur Universalherrschaft auserwählt habe. In enger Anlehnung an das zweite Buch von Dantes Monarchia führt Roselli weitere Wunder an, durch die Gott das Römische Reich geehrt habe. 2. Der populus Romanus hat seine rechtmäßige und gottunmittelbare Gewalt in der lex regia vollständig und unwiderruflich an einen Monarchen übertragen und so das Kaisertum geschaffen! „Es wurde bewiesen, dass der Kaiser in der Verwaltung der zeitlichen Angelegenheiten von niemandem außer Gott abhängt. [...] Aber das römische Volk hat die Herrschaft, die es rechtmäßig besaß, auf einen Kaiser übertragen, als es notwendig wurde, dass einer allein die Sorge um die Respublica trage. Also hat der Kaiser rechtmäßig die Gewalt des 988 römischen Volkes von Gott vermittels des Volkes erhalten.“

Und an anderer Stelle: „Das römische Volk besitzt keine Gewalt mehr, nachdem es die gesamte Gewalt an den 989 Kaiser übertragen hat.“

986

987 988

989

Es wird von den Gegnern der römischen Universalherrschaft nicht die lex regia angezweifelt, sondern die Rechtmäßigkeit der Herrschaft, die der populus Romanus an den Kaiser übertragen hat. Vgl. CHENEVAL S. 321. Antonio Roselli, Monarchia I, c. 32, S. 268, Z. 46 ff.: Caesarem a nullo nisi a Deo pro administratione temporalium dependere probatur. [...] Sed populus Romanus, quod iuste habuit, in principem transtulit, insti. de iure. na. §. sed quod principi. l. 1 ff. de consti. prin. cum necesse foret reipublicae per unum consuli. Antonio Roselli, Monarchia II, c. 2, S. 305, Z. 63 ff.: ... Romanus populus post omnem iurisdictionem translatam in principem amplius iurisdictionem non habet. Vgl. auch Monarchia III, c. 19, S. 416, Z. 44 ff.: ... princeps Caesar habet iurisdictionem a iure, quod erat principaliter radicatum in personam Romani populi, qui condidit legem regiam et ius radicatum in personam ipsius populi transtulit in principem. Vgl. WEITZ S. 65.

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3. Der populus Romanus hat das Kaiserwahlrecht (ius eligendi) an die Kurfürsten übertragen! Die Errichtung des Kaisertums durch das römische Volk mittels der lex regia war ein einmaliger und unwiderruflicher Akt in der Vergangenheit. Daneben wird die lex regia von Roselli aber auch als Grundlage einer jeden Kaiserwahl gesehen, insofern der populus Romanus das ius eligendi an die deutschen Fürsten übertragen habe. „Denn die kaiserliche Gewalt wird nicht von den Priestern vergeben, sondern von Gott, und zwar vermittels (per medium) des Römischen Volkes, das die Gewalt auf den Kaiser übertragen hat, Insti. de iure naturali. § Sed quod principi. Und heute [erhält der Kaiser die Gewalt] von den Kurfürsten, die ihn wählen, welche das Wahlrecht durch ein approbiertes Gewohnheitsrecht besitzen, vgl. c. venerabilem. de elec. in c. ad Apostolica. dere. iu. in 6. [...] Die Kurfürsten haben ihr Wahlrecht von der Kirche, vgl. de elec. venerabilem, das heißt von der Gemeinschaft der Gläubigen, und somit vom 990 römischen Volk.“

Durch diese gewagte Gleichsetzung der Begriffe ecclesia universalis und populus Romanus versucht Roselli, auch der päpstlichen Kurfürstentheorie und der Dekretale Venerabilem gerecht zu werden991. Die Kurfürsten haben nach Ansicht Rosellis ihr Kaiserwahlrecht letztlich ebenso wie die Kardinäle das Papstwahlrecht von der ecclesia universalis, id est populus Romanus. 4. Eligere non est dare potestatem! Die Errichtung des Kaisertums a deo per medium populi Romani steht auch bei Roselli (wie schon bei Penafort, Ockham u. a.) in einem gewissen Spannungsverhältnis zur Hauptthese der Gottunmittelbarkeit des Kaisertums. Die maßgebliche Glosse des Johannes Teutonicus hatte bestimmt, dass die kaiserliche Gewalt allein durch die Wahl der Fürsten übertragen wird. Zahlreiche Kommentatoren waren dieser Ansicht gefolgt, und sie bildete die Grundlage des Rhenser Kurfürstenweistums 1338 und der Goldenen Bulle von 1356. Auch Roselli bewegt sich terminologisch in diesem von der Glosse vorgezeichneten Rahmen, wenn er erklärt:

990

991

Antonio Roselli, Monarchia I, c. 47, S. 277, Z. 34-38: Nam non est recipi potestatem imperii a pontificibus, sed a Deo, et per medium Romani populi, quia habet a Romano populo, qui hanc iurisdictionem transtulit in principem, insti. de ire naturali. § Sed quod principi. Et hodie per Electores qui eum elegerunt, qui habent ex consuetudine approbata, quae ius tribuit eligendi, ut in c. venerabilem. de elec. & in c. ad Apostolica. dere. iu. in 6. Ebd. I, c. 48, S. 279, Z. 32 ff.: Similiter electores imperii habent [sc. potestas eligendi] ab Ecclesia: ut de elec. venerabilem. id est ab universali collegio fidelium, et sic a populo Romano. Vgl. ECKERMANN.

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„Aber die Gewalt (potestas administrandi) erhält der Fürst allein durch die Wahl. Einst nämlich hat der populus Romanus die Gewalt (iurisdictio) durch Wahl an einen Fürsten 992 übertragen, und noch heute hat der Kaiser die Gewalt allein durch die Wahl.“

Roselli tritt jedoch möglichen Schlussfolgerungen bezüglich einer Volkssouveränität entgegen, in dem er die Bedeutung der Wahl wie folgt präzisiert: „Selbst wenn der Papst [den Kaiser] wählen würde, so würde er nicht die kaiserliche Gewalt übertragen, außer der Materie nach, wie ich in der Antwort auf das 10. Argument [im nächsten Kapitel] darlegen werde. Und auch die Kurfürsten übertragen keine Gewalt, sondern Gott, wie dort ebenfalls erläutert werden wird. Sie bestimmen nämlich die Person, die die Herrscherwürde erhalten soll, aber sie übertragen selbst keine Gewalt, ebenso wie das Kardinalskollegium die Person des Papstes bestimmt, aber durch 993 ihre Wahl nicht die Gewalt übertragen.“

Im nächsten Kapitel wiederholt und präzisiert Roselli seinen Gedankengang. Dabei lehnt er das Verfahren der Kaiserwahl explizit an das der Papstwahl an und übernimmt jene herrschaftstheoretische Konzeption, die Aegidius Romanus einst im Zusammenhang mit der Wahl des Papstes durch die Kardinäle entwickelt hatte. Es sei falsch, so Roselli, zu behaupten, dass allein Petrus seine Gewalt unmittelbar von Christus habe, nicht aber die nachfolgenden Päpste. Vielmehr habe jeder Papst seine Gewalt unmittelbar von Christus, und nicht von den Kardinälen, die ihn wählen. Unmissverständlich erklärt Roselli: Eligere non est dare potestatem. So habe auch jeder Kaiser seine Gewalt allein Gott und nicht den Kurfürsten (oder gar dem Papst) zu verdanken. Papsttum und Kaisertum seien ad officium et auctoritatem allein von Gott, die menschlichen Wähler würden bloß bestimmen, wer das Herrscheramt bekleiden solle. Kardinäle und Kurfürsten fungierten mithin als Werkzeuge Gottes und des römischen Volkes, um die Materie bereitzustellen; die Form der Herrschaft aber gebe allein Gott. Unklar bleibt in den Ausführungen Rosellis, ob und inwieweit Gott auch bei der Auswahl des Herrschers durch das Volk mitwirkt. Der Jurist Roselli hat diese primär theologische Frage der göttlichen Konkurslehre nicht näher im Blick, entscheidend ist für ihn, dass die Mitwirkung 992

993

Antonio Roselli, Monarchia I, c. 48, S. 278, Z. 46 ff.: Sed potestas administrandi in principem transit in ipsum ex sola electione. Nam in primaeuo iure ex sola electione Romanus populus iurisdictionem transtulit in principem, unde ex sola electione etiam hodie illam habet. Antonio Roselli, Monarchia c. 47, S. 277, Z. 38-42: Immo etiam si Papa eligeret, non tribueret ipse potestatem imperii, nisi materialiter, ut dicam in responsione decimae rationis. Nec etiam Electores tribuunt potestatem, sed Deus, ut ibi dicam. Determinant enim potius personam ad talem dignitatem, quam ipsi tribuant potestatem sicut et collegium Cardinalium determinat personam Papae, nec tamen per electionem ei ius tribuit. Und ebd. I, c. 48, S. 278, Z. 60 f.: Omnis Papa habeat a Deo immediate potestatem. Et licet cardinales eligant, tamen ei non praebent potestatem: quia eligere et confirmare non est dare potestatem: immo a se et immediate a Deo habet.

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der menschlichen Wähler den Herrscher nicht in jene Abhängigkeit bringt, wie sie die Lehre der Volkssouveränität nach sich ziehen würde994. Die Gottunmittelbarkeit des Kaisers drückt Roselli auch mit dem Begriff des Gottesvikariats aus. Er referiert die Ansicht der Hierokraten, derzufolge das Gottesvikariat nicht dem Kaiser, sondern allein dem Papst zustehe, und widerlegt sie anschließend mit dem Hinweis, das Reich Christi sei nicht von dieser Welt (de mundo), daher dürften sich auch die Priester und der Papst nicht in weltliche Angelegenheiten einmischen. Die Kirche sei non de mundo sed in mundo, d. h. sie trete zwar auf Erden in Erscheinung, ihre Aufgaben und Ziele aber seien auf die jenseitige Welt ausgerichtet. Daher könne allein der Kaiser als Dei vicarius in terrenis bezeichnet werden, der Papst hingegen sei der Dei vicarius in divinis. Mit dieser Spiritualisierung der Kirche und ihres irdischen Oberhauptes gelingt es Roselli, dem Häresievorwurf auszuweichen, den die Postulierung eines doppelten Gottesvikariats in den Augen einiger Kanonisten nach sich gezogen hätte. Dem Häresievorwurf, wie er einst von den Hierokraten formuliert worden war, lag noch die Vorstellung einer allumfassenden ecclesia universalis als Bezugsrahmen zugrunde, und auch Roselli gesteht zu, dass es häretisch sei, zwei Vikare Gottes innerhalb eines Bereiches anzunehmen. Sein konsequent ausgestaltetes dualistisches Gewaltenverhältnis und die Unterscheidung de mundo und in mundo ermöglichte es Roselli jedoch, den Kaiser als vicarius Dei/Christi in terrenis und vicarius Dei/Christi in temporalibus zu charakterisieren, dessen Herrschaft und Gottesvikariat de mundo isto terreno sei, während der Papst der vicarius Dei/Christi in divinis und vicarius Dei/Christi in spiritualibus sei, dessen Herrschaft und Gottesvikariat in divinis, non de mundo läge995. Im übrigen 994

995

Die Einschätzung Gierkes, die Monarchia Rosellis sei von Geist der Volkssouveränität durchwaltet, wurde schon von ECKERMANN S. 104 f. zurückgewiesen. Gierke wertete fälschlicherweise eine von Roselli referierte Aussage (derzufolge der populus Romanus die kaiserliche Gewalt als officium publicum verleihe und beim Tode des Kaisers wieder an ihn zurückfalle) als dessen eigene Meinung. Antonio Roselli, Monarchia I, xli, ed. GOLDAST S. 273 (sic. lies: 275): Nam si clerici et pontifex, prout se non immiscent terrenis, non sunt de mundo, sicut nec Christus fuit de mundo, unde solus imperator dici debet in terrenis Dei vicarius, et in divinis pontifex, quae non sunt de mundo licet sunt in mundo. Praeterea respectu eiusdem regiminis non possunt duo vicarii ordinari, sed respectu diversorum regiminum possunt duo vicarii distincti (...). Sed spiritualis et temporalis iurisdictio non sunt eiusdem rationis: igitur una ad aliam non est reducibilis. Et quae distincta sunt in se et ad distictos fines ordinantur, unum non est ab altero, ut est papatus et imperium distincta in fines diversos 96 di cum ad verum. et ideo unum non debet ab alio ordinari, immo immediate reducuntur ad aliquod certum. Et hic Deus est, a quo immediate sunt papatus et imperium. Et ideo Deus aeternus duos constituit vicarios, unum in spiritualibus, alium in temporalibus. Et cum dicis: ergo praesupponis in terris duos vicarios, et sic duo principia et hoc est

272

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unterscheidet Roselli in seiner Monarchia nicht näher zwischen Gottes- und Christusvikariat; beide Bezeichnungen werden sowohl für den Papst als auch für den Kaiser verwendet. So erklärt Roselli am Ende des 4. Buches: „Damit ist genügend über den Stellvertreter Christi in geistlichen Angelegenheiten gesagt; nun wollen wir vom Römischen Reich und dem Stellvertreter Christi in zeitlichen Angelegenheiten handeln.“ 996

Die Monarchia Rosellis ist zweifelsohne ein Beweis für die umfassende Gelehrsamkeit ihres Autors, der Mitte des 15. Jahrhunderts noch einmal das umfangreiche Material einer Jahrhunderte währenden Gewaltendiskussion in scholastischer Manier zusammenträgt und versucht, zu einer Systhese zu führen. Zugleich war der Traktat Rosellis Teil der publizistischen Offensive der päpstlichen Seite, um den deutschen König/Kaiser zu einer monarchischen Allianz gegen das Konzil zu bewegen. Dabei dürfte die Monarchia freilich insofern auf das politische Geschehen Einfluss genommen haben, als dass derartige scholastische Abhandlungen zumeist zur Vorbereitung von gelehrten Disputationen dienten (wie sie in Basel zwischen Juan de Torquemada und Johannes von Segovia stattgefunden haben) bzw. deren Ergebnis darstellten. Die Monarchia war zwar Kaiser Sigismund bzw. in ihrer überarbeiteten Fassung König Friedrich III. gewidmet, doch darf bezweifelt werden, dass die Herrscher diesen sperrigen Traktat tatsächlich persönlich wahrgenommen, geschweige denn, wenn dies der Fall gewesen sein sollte, wirklich verstanden haben.

2.4. Enea Silvio Piccolomini Gerhard Kallen und Berthe Widmer haben durch ihre Untersuchungen die Epistola de ortu et auctoritate imperii Romani in ihren historischen Kontext gestellt und die causa scribendi herausgearbeitet997. Dem Traktat ist deutlich die Abneigung seines Verfassers gegen das demokratische Prinzip anzumerken, das nach seiner Ansicht offenkundig die Schuld am Scheitern der in Basel angestrebten Kirchenreform trägt. Die Handlungsfähigkeit einer Gemein-

996

997

haereticum, sit praecedens responsio: quod licet vicariatus papae sit in mundo, non tamen censendus est de mundo per praedicta. Antonio Roselli, Monarchia IV, xl, ed. GOLDAST S. 535: Haec sufficiant dicta de vicario Christi in spiritualibus; nunc dicamus de Romano imperio et Christi vicario in temporalibus. KALLEN, Piccolomini; WIDMER.

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schaft sei letztlich nur gewährleistet durch das monarchische Prinzip. Es müsse e i n e n geben, von dessen Urteil nicht appelliert werden dürfe und dem die Gemeinschaft – notfalls auch widerwillig – Folge zu leisten habe. Im kirchlichen Bereich sei dies der Papst, im weltlichen Bereich der Kaiser. Um den deutschen König Friedrich III., den Enea bereits als dive Ceasar tituliert, zu einem entschiedenen Eintreten für die Partei Eugens IV. zu bewegen, trägt er in seiner Epistola Beweise für Ruhm, Macht und Ansehen des Imperium Romanum und seines Herrschers zusammen, ohne dabei sich und seinen Leser im Dickicht des scholastischen Pro und Contra zu verstricken. Zu Beginn liefert Enea eine aristotelisch-naturrechtliche Begründung der staatlichen Gemeinschaft. Als der Mensch aus dem Paradies vertrieben worden war, „da wurde der Mensch inne – denn Gott schuf ihn der Vernunft teilhaftig – dass ein Mensch dem anderen recht viel zu einem glücklichen Leben nützen könne und dass Gemeinschaft in höchstem Grade notwendig sei. So kam es, dass diejenigen, die vordem abgesondert in den Wäldern ein Leben nach Art der wilden Tiere führten – sei es unter der Führung der Natur oder nach dem Willen Gottes, des Herrn der ganzen Natur, 998 zusammenkamen und Gemeinschaften schufen.“

Diese Gemeinschaften benötigten einen Regenten, der im Sinne des Gemeinwohls für Frieden und Gerechtigkeit zu sorgen habe, wobei es für Enea unzweifelhaft ein Monarch ist, der das Gemeinwesen zu lenken hat. Andere Regierungsformen werden gar nicht diskutiert. „Dies [die Erhebung eines Königs] geschah jedoch nicht nur bei einem Volk, sondern 999 bei mehreren zugleich.“

Damit rekurriert Enea, ohne dies freilich explizit zu erwähnen, auf das ius gentium und die Glosse zu D. 1, 1, 51000. Da aber zwischen den einzelnen Königen Streit ausbrechen könne, sei es nötig, dass es einen obersten Monarchen gebe, der gewissermaßen als Schiedsrichter fungiere1001. Unter den vier großen Reichen der Weltgeschichte war jedoch einzig das römische Reich in seinem Herrschaftsanspruch universal.

998

De ortu et auctoritate imperii Romani S. 54: ... animadvertit homo, nam rationis participem illum deus creavit, hominem homini ad bene vivendum maxime conducere, societatemque fore plurimum necessariam. Sic ergo, qui segregati prius vitam in silvis more ferarum ducebant, sive docente natura, sive Deo volente totius nature magistro insimul convenere, societates instituerunt. 999 De ortu et auctoritate imperii Romani S. 54: Id nedum una in gente sed in pluribus factum est. 1000 Vgl. Anm. 237. 1001 So schon Dante und Roselli.

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„Aber da diese Reiche [das assyrische, das persische, das griechische] sich nie den ganzen Erdball unterjochten und deswegen einen universalen Frieden nicht bringen konnten, gefiel es der Natur, der Amme des Menschengeschlechts, oder dem Herrn und 1002 Lenker dieser Natur, Gott, das Römische Reich erstehen zu lassen.“

Der anschließende historische Überblick über die Entwicklung des Imperium Romanum ist im wesentlichen auf die Kaiserzeit fokussiert, die Phase der Republik wird mit dem Hinweis auf die Unruhen und Bürgerkriege dieser Zeit weitgehend ausgeklammert. Die Gottgewolltheit des Imperiums wird von Enea mit den hinlänglich bekannten Argumenten und Autoritäten nachgewiesen, wobei er auch die heilsgeschichtliche Dimension nicht verschweigt, ihr aber offensichtlich eher reserviert gegenübersteht. Auch wenn Enea in erster Linie bestrebt ist, die Gewalt des Kaisers auf Gott zurückzuführen, so verweist er doch auch auf den consensus hominum und die lex regia: „Diese höchste Autorität des römischen Herrschers also, die das gemeine Wohl ersehnte und die Natur erfand, die Gott gab und der Sohn bestätigte und die die Zustimmung der Menschen billigte, die wie Justinian sagt aus zweierlei Wurzel entsprang und seither ihre Gewalt festigte, ließ das glückliche Volk der Römer an die Spitze aller Nationen treten und über alle Völker herrschen. [...] Und obwohl eine Zeitlang die höchste Macht beim Volke war, – als die Einsetzung des Einherrschers erfolgt war, wie wir schon sagten, da übertrug das Volk ihm und auf ihn durch ein altes Gesetz, das das königliche 1003 heißt [lex regia], all seine Herrschaft und Macht.“

Das populistische Element blieb auch nach der Errichtung des Kaisertums durch die lex regia bestehen und drückt sich für Enea in der Wahl des (spät-) antiken Kaisers durch Senat, Volk und Heer ebenso aus, wie in der Verleihung der Patrizius- und Kaiserwürde an Karl den Großen durch das Volk von Rom, und auch der dive cesar Friedrich III. habe „durch rechtmäßige Wahl [...] die höchste weltliche Gewalt von oben her anvertraut“1004 bekommen. Eine nä1002

De ortu et auctoritate imperii Romani S. 58: Sed cum hec imperia nunquam sibi totum orbem subjectissent ac propterea pacem universalem parere non possent, placuit sive nature humani generis altrici sivi ipsius nature domino rectorique deo Romanum imperium excitare. 1003 De ortu et auctoritate imperii Romani S. 66: Hec igitur summa Romani principis auctoritas, quam communis utilitas desideravit, natura invenit, deus dedit, filius confirmavit, consensus hominum approbavit, de stirpe duarum rerum, sicut Justinianus ait, proveniens, vimque suam exinde muniens, felix Romanorum genus omnibus anteponi nationibus, omnibusque populis dominari fecit. [...] Et quamvis aliquando summa potestas penes populum fuerit, constituto tamen, ut diximus, principe, lege antiqua, que regia nuncupatur, populus ei, et in eum omne suum imperium ac potestatem contulit. 1004 De ortu et auctoritate imperii Romani S. 68:... ad te denique, dive cesar Friderice, per legitimam electionem derivatum est tibique suprema in temporalibus est ex alto commissa potestas...

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here Bestimmung des Verhältnisses von göttlichem und menschlichem Wirken bei der Begründung der auctoritas imperii unternimmt Enea jedoch nicht. Fest steht aber, dass der kaiserlichen Herrschaft durch das populistische Element keine Beschränkungen auferlegt werden. Der Kaiser ist allein Gott unterstellt und seinem Urteil unterworfen. Mit klaren Worten fasst Enea am Ende seiner Epistola sein gleichsam absolutistisches Kaiserbild zusammen: „Dies, göttlicher Cäsar Friedrich, was ich kurz und knapp über Deine höchste Gewalt schrieb, möge Dir genügen. Aus ihm kannst Du entnehmen, wie groß die bewundernswürdige Autorität Deines Thrones sei. Niemand ist im Zeitlichen über Dir, und Du zeichnest Dich aus vor allen andern. Niemand kann in weltlichen Dingen sich Deinem Regiment entziehen, und Du darfst allen befehlen. Niemand ist von Deinem Gericht exemt, und Du kannst alle Weltlichen richten. Niemand ist imstande, Einspruch gegen Dein Urteil zu erheben, und allen steht es frei, in zeitlichen Dingen an Dich zu appellieren. Du kannst Privilegien und Gesetze auferlegen und verbessern, Deinen Befehlen, die Majestät des Reiches zu schützen und den Bestand des Staates aufrechtzuerhalten, 1005 müssen alle Völker, Nationen, Könige und Fürsten gehorchen.“

Aufgrund dieser umfassenden Gewaltenfülle solle der Herrscher sich freilich stets seiner Verantwortung bewusst sein und seine Macht zum Wohle der Gemeinschaft einsetzen, auf dass er nicht zu einem Tyrann werde, „mit dem wir keine Gemeinschaft und keine Verbindung haben dürfen, von dem wir uns vielmehr gründlichst fernhalten sollen.“ 1006 Damit deutet Enea zwar die Möglichkeit eines Widerstandsrechts des Volkes an, geht aber nicht näher darauf ein, wie überhaupt alles ausgeblendet wird, was Enea in seinem „stürmischen Appell an die Tatkraft eines von Natur aus schwerfälligen Herrschers“1007 hinderlich erscheint. Auch das Thema des Gewaltenverhältnisses von imperium und sacerdotium steht nicht im Mittelpunkt des Traktates und wird demzufolge ohne großen Tiefgang behandelt. Enea tritt mit den bekannten Argumenten und Autoritäten für ein dualistisches Gewaltenverhältnis ein. In späteren Jahren vollzog Enea auch in dieser Frage einen Schwenk und vertrat zuneh-

1005

De ortu et auctoritate imperii Romani S. 96: Hec, tibi, divine cesar Friderice, de tua sufficiat suprema potestate breviter et succincte scripsisse, ex quibus percipere potes, quanta sit tui solii quamque admirabilis auctoritas, cum nemo in temporalibus tibi presit, et tu omnes precellas, cum nemo sit, qui tuum in temporalibus refugere possit imperium, et tuum sit omnibus imperare, cum nemo ex tuo judicio sit exemptus, et tu omnes temporales valeas judicare, cum nemo a te provocare queat et ab omnibus ad te liceat appellare temporalibus, cum privilegia legesque possis interpretari atque corrigere, cum ad tuendam imperii majestatem reique publice statum servandum omnes populi, nationes, principes, reges tuis debeant obedire mandatis. 1006 Ebd. 1007 KALLEN, Piccolomini, S. 26.

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mend hierokratische Positionen1008, die jedoch in der Epistola angesichts der Bemühungen, Friedrich III. zu einem gemeinsamen Bündnis mit dem Papst zu bewegen, kaum ihren Platz hätten finden können. Um die umfassende Gewaltenfülle des Kaisers zu unterstreichen, scheute Enea nicht davor zurück, diesem das Gottesvikariat in temporalibus zuzusprechen. „Den Willen des römischen Kaisers kann keiner anfechten. [...] Wenn du nämlich vom Kaiser appellieren willst, dann wirst du auch den Wunsch haben, gegen den, an den du nach dem Urteil des Kaisers appellierest, noch Einspruch zu erheben, falls er dich verdammt, und deine Appellationen würden kein Maß und kein Ziel finden können. Wenn du dich aber bei dem Urteil e i n e s beruhigen willst, warum willst du dich dann nicht lieber dem Gutdünken des Kaisers fügen, den Gott im Zeitlichen über alle Menschen setzte? Endlich sei ein Ende des Haders. Es sei e i n Haupt unter den Fürsten! Es sei e i n e r , der das Zeitliche begrenze! Weggenommen werde der ständige Grund zum Zank. Erkennen mögen die Menschen, dass sie dem Herrscher unterworfen sind, und den Kaiser als Herrn der Welt, gleichsam als Stellvertreter Gottes im Zeitlichen, verehren. Und gleichwie das, was Gott befiehlt, ohne Einwand zu erfüllen ist, so mögen sie 1009 auch die zeitlichen Gebote des Cäsar ohne Widerstand hinnehmen.“

Da Enea mit der Epistola nicht allzu tief in den gelehrten Diskurs eintreten wollte, konnte er das kaiserliche Gottesvikariat mit seiner ganzen herrschaftslegitimierenden Kraft postulieren, ohne auf die z. T. heftig geführte Gelehrtendebatte Rücksicht nehmen zu müssen, die seinen akademischer Lehrer Antonio Roselli noch zu hintergründigen Differenzierungen gezwungen hatte, um dem drohenden Häresievorwurf zu entgehen.

2.5. Domenico de Domenichi Der Venezianer Humanist Domenico de Domenichi kam nach dem Studium der Artes (in Padua) und der Theologie 1446 im Alter von 20 Jahren an die 1008 1009

WIDMER S. 161 ff. De ortu et auctoritate imperii Romani S. 94: Romani principis voluntatem nemo potest impugnare. [...] Si enim ab imperatore vis appellare, ab eo quoque provocare desiderabis condempnatus, quem post cesarem appellasti nec tuis inveniri poterit appellationibus modus. Quod si alterius judicio vis quiescere, quin potius arbitrio quiescis imperatoris, quem super omnes mundi homines in temporalibus deus constituit? Sit tandem finis litium, sit caput inter principes, sit qui temporalia terminet. Auferatur materia litigandi perpetua, cognoscant homines, se principi esse subjectos imperatoremque mundi dominum, tanquam dei vicem in temporalibus gerentem, veneretur. Et sicut, que deus jubet, implenda sunt nihilque contra replicandum est, sic temporalia cesaris mandata sine repugnatione suscipiant.

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Kurie nach Rom, wo er unter den Päpsten Nikolaus V., der ihn bereits 1448 zum Bischof von Torcello ernannte, Calixt III., Pius II. und Paul II. als vielgeachteter Theologe Karriere machte1010. 1463 ging er als päpstlicher Legat nach Deutschland an den Hof Friedrichs III., um im Zuge der Vorbereitungen für einen von Papst Pius II. geplanten Türkenkreuzzug dabei zu helfen, die Streitigkeiten zwischen dem Kaiser und dem ungarischen König Matthias Corvinus beizulegen. Auch im Konflikt Friedrichs III. mit den niederösterreichischen Ständen und Albrecht VI. von Österreich versuchte er einen Frieden zu vermitteln, was ihm dank des überraschenden Todes von Erzherzog Albrecht Ende 1463 auch gelang. Von Paul II. 1464 zum Vicarius Urbis und Bischof von Brescia ernannt, blieben ihm trotz der anhaltenden Fürsprache des Kaisers weitere päpstliche Gunsterweise versagt, nicht zuletzt, weil er offenbar „mit der Kardinals- und Humanistenopposition gegen das autokratische Regime Pauls II. sympathisierte“. Insbesondere mit Kardinal Ammanati verband ihn ein reger humanistischer und theologischer Gedankenaustausch, der Domenichi als Kritiker des Kardinalskollegiums zeigt. Am 17. Februar 1478 starb Domenichi in seiner Bischofsstadt Brescia. Aus Domenichis umfangreichen literarischen Werk sind insbesondere seine Predigten hervorzuheben, doch auch mit kanonistischen Texten verstand der dem Thomismus nahestehende Theologe sinnvoll umzugehen. In einem Calixt III. gewidmeten Traktat De potestate pape et termino eius1011 (1456) unternahm Domenichi den Versuch, das primär aus kanonistischer Perspektive beleuchtete Thema De potestate pape mit theologischen Argumenten auf eine breitere und aussagekräftigere Basis zu stellen. Nach eigener Aussage ist der Traktat das Ergebnis einer gelehrten Disputation mit kirchlichen Rechtsgelehrten über die päpstliche Dispensgewalt. Domenichi wollte die Position jener „Schmeichler“ zurückweisen, die dem Papst aus Gefallsucht heraus eine unbegrenzte Dispensgewalt auch über das göttliche Recht zustanden, ohne dabei jedoch in das andere Extrem verfallen zu wollen, das jene vertraten, die die Macht des Papstes um des eigenen Vorteils willen so weit wie möglich schmälern wollten. Domenichi sieht letztlich im göttlichen Recht die Grenze der päpstlichen Dispensgewalt. Eingebettet in diese Thematik stehen auch die Überlegungen Domenichis über die weltliche Gewalt, deren mittelbar oder unmittelbar göttliche Einsetzung und die Diskussion um die Stellung des Kaisers als vicarius Dei. Das Werk ist in fünf Teile untergliedert, die sich jeweils als in sich geschlossene Abhandlungen über das Verhältnis der päpstlichen Gewalt zur ecclesia universalis, dem Episkopat, dem Kardinalskollegium, der weltlichen 1010 1011

Zur Biographie vgl. JEDIN, Domenico. Domenico de Domenichi, De potestate pape et termino eius, ed. SMOLINSKY.

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Gewalt und dem Papsttum als Institution darstellen. Das Verhältnis zwischen regnum/imperium und sacerdotium beantwortet Domenichi im vierten Teiltraktat im hierokratischen Sinn. Er legt seinen Ausführungen die pseudo-dionysische Hierarchienlehre zugrunde und bezieht das principium unitatis auf die ecclesia universalis, die sowohl spiritualia als auch temporalia umfasse. Ausdrücklich wendet er sich gegen ein spiritualistisches Kirchenverständnis wie es etwa von Antonio Roselli entwickelt worden war. Da beide Gewalten in die ecclesia universalis integriert seien, müsse das Verhältnis der beiden durch Über- und Unterordnung gekennzeichnet sein, wobei Domenico die Superiorität der geistlichen Gewalt neben den hinlänglich bekannten Argumenten (Sonne-Mond Allegorie, Schwerterlehre, etc.) auch mit der aristotelisch-thomistischen Lehre der Hierarchie der Zwecke erweist. Das Gottesvikariat wird von Domenico (im universellen Verständnis) allein auf den Papst bezogen1012, der das Haupt der ecclesia militans sei. Im Unterschied zu Aegidius Romanus und anderen Vertretern des hierokratischen Gewaltenverständnisses setzt sich Domenico jedoch näher mit dem Anspruch des Kaisers auf das Gottesvikariat in temporalibus auseinander. Diejenigen, die behaupteten, dass Christus zwei Vikare auf Erden zurückgelassen habe – einen in spiritualibus, einen in temporalibus –, damit nicht beide Gewalten in einer Person vereinigt seien, werden damit widerlegt, dass in der Bibel nichts von einem doppelten Christusvikariat zu lesen sei. Die Stellen, die dahingehend interpretiert werden, müssten so verstanden werden, dass nur die potestas legittima von Gott sei, worunter das Imperium Romanum zur Zeit Christi jedoch nicht zu zählen sei, da es seine Gewalt auf Usurpation gegründet habe und daher als „Räuberbande“ im Sinne des hl. Augustinus aufzufassen sei. Christus habe das Imperium letztlich nur geduldet, nicht aber aktiv bestätigt, und außerdem könne ein heidnischer Kaiser ohnehin nicht der Stellvertreter Christi sein1013. Einige Gelehrte aber behaupteten, dass Christus ohnehin gar keinen Stellvertreter in temporalibus auf Erden eingesetzt habe, da er selbst keine Gewalt im Zeitlichen besessen habe1014. Domenico verweist hingegen darauf, dass Christus sehr wohl zeitliche Gewalt besessen habe, wie sein Vorgehen bei der Tempelreinigung zeige1015, und dass er ferner Petrus als seinem Stellvertreter lediglich die Ausübung der potestas temporalis untersagt habe. Daher delegiere der Papst die Ausübung der weltlichen Gewalt an den Kaiser, der deshalb aber nicht der vicarius Christi in temporalibus sei. 1012

Vgl. Domenico de Domenichi, De potestate pape et termino eius, S. 29 ff., S. 347 ff. Bischöfe sind lediglich in ihren Teilkirchen die Stellvertreter Christi. Ebd. S. 82 f., S. 351. 1013 Domenico de Domenichi, De potestate pape et termino eius, S. 195 f., 422 f. 1014 Vgl. Johann Quidort, oben S. 178. 1015 So schon Smaragd von St. Mihiel im 9. Jh. Vgl. Anm. 382.

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Die Auseinandersetzung mit den Argumenten und Autoritäten des dualistischen Gewaltenverhältnisses führt Domenico in erster Linie mit dem Hinweis, dass jene Stellen in Bibel, Patristik, den legistischen und kanonistischen Rechtsbüchern und Glossen, die das Imperium und die kaiserliche Gewalt auf Gott zurückführen, nicht als immediate a deo, sondern im Sinne von a deo mediante ecclesia zu interpretieren seien. „Dass aber [in 1. Petr. 2, 13-14] hinzugefügt wird gleichsam von Gott gesandt, ist so zu verstehen, dass dies mittelbar und nicht unmittelbar geschieht. Im Neuen Testament werden nämlich nur jene Fürsten als [von Gott] Gesandte bezeichnet, die ihr Schwert durch die Autorität der Kirche mittelbar oder unmittelbar auf ihren Befehl oder mit ihrer 1016 Zustimmung erhalten. Die anderen sind Usurpatoren und keine wahren Fürsten.“

Dies zeige auch die Schwerterlehre, denn wenn in Röm. 13, 4 den Fürsten das weltliche Schwert von Gott anvertraut werde, dann bedeute dies nicht immediate a deo, da ja die principes und duces das weltliche Schwert unmittelbar aus den Händen des Kaisers oder Königs erhalten, also gewissermaßen a deo mediante rege vel imperatore. Und dem Kaiser werde das weltliche Schwert a deo et tamen mediante apostolica auctoritate verliehen1017. Die Gewaltentrennung wird von Domenico auf die Ebene des usus gladii verlegt, wobei dem Papst jedoch in Ausnahmefällen auch die Ausübung der weltlichen Gewalt gestattet sei, außer in causis sanguinis1018. Damit scheint sich Domenico letztlich der Interpretation der Glossa Reverentia sacrorum canonum anzuschließen und zumindest den usus gladii in causis sanguinis als unmittelbar von Gott an den Kaiser verliehen zu werten1019.

1016

Domenico de Domenichi, De potestate pape et termino eius, S. 240: Quod autem additur tamquam a deo missi intelligitur ut dictum est mediate, non enim oportet quod immediate. In novo enim testamento illi principes missi dicuntur, qui auctoritate ecclesie mediate vel immediate iubente vel consenciente accipiunt gladium. Alias usurpatores sunt et non veri principes. 1017 Domenico de Domenichi, De potestate pape et termino eius, S. 241: Ad quintum cum allegatur quod hee potestates a deo concesse et gladium fuisse datum principibus dei ministerio intelliguntur, quod sunt concesse mediate vel immediate, sicut omnis potestas ibidema deo dicitur esse et tamen non immediate, quia periret potestas balinorum et delegatorum. Ad illud, quod papa non vult contra auctoritatem domini venire, intelligitur inquantum iste distincte sunt quo ad exercicia, et sic exercitium gladii temporalis in universali est de iure divino, non autem quo ad particulares dignitates regum vel ducum. Nam principes sunt sub imperatore et non accipiunt a deo gladium immediate, sed ab imperatore vel rege, et tamen dicuntur a deo missi ad vindictam malefactorum, laudem vero bonorum. Ergo eodem modo potest dici de imperatore vel rege, quod habent potestatem a deo et tamen mediante apostolica auctoritate. 1018 Vgl. SMOLINSKY S. 433. 1019 Vgl. Anm. 257.

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Die konsequente hierokratische Auslegung des Gewaltenverhältnisses ließ freilich keinen Raum für das ascending principle of government. Der Theologe Domenico ist sich durchaus bewusst, dass unter den Rechtsgelehrten eine Kontroverse geführt wurde über die Frage, ob der Kaiser bereits nach seiner Wahl durch die Fürsten und vor seiner Approbation und Krönung durch den Papst die kaiserliche Gewalt rechtmäßig ausüben könne. „Im Zusammenhang mit dem Kaiser wird angeführt, dass er seine Gewalt rechtmäßig schon vor der Bestätigung und Krönung [durch den Papst] ausüben könne. Dazu ist zu sagen, dass es in dieser Frage unter den Gelehrten verschiedene Ansichten gibt. [...] Wie dem auch sei, es wäre ohnehin kein Argument dagegen [dass der Kaiser seine Gewalt von der Kirche erhält], denn selbst wenn es so sein sollte, dass er [der Kaiser] die rechtmäßige Ausübung schon vor der Approbation und Krönung usw., dann ist das nur deshalb so, weil die Kirche es so will. Um das letztendlich zu bestätigen wird gesagt, dass die Wahl des Kaisers durch die Fürsten [einst nur] de facto war, jetzt aber de iure ist. Und dennoch geben die [fürstlichen] Wähler dem Kaiser nicht die Gewalt, sondern er hat sie vermittels dieser Wahl vom apostolischen Stuhl, ebenso wie auch die Kar1020 dinäle dem Papst nicht die Gewalt geben, der sie unmittelbar von Gott erhält, ...“

Domenico schließt sich also der Position an, die Antonio Roselli mit dem Satz: eligere non est dare potestatem treffend umschrieben hatte. So wie Gott die Kardinäle als Instrument zur Übertragung der Gewalt an den Papst gebraucht, so gebraucht der Papst die Kurfürsten zur Übertragung der kaiserlichen Gewalt1021. Der Grundsatz des eligere non est dare potestatem wird auch im fünften Teil des Traktats angeführt im Zusammenhang mit der Papstwahl und der Frage, ob die päpstliche Gewalt durch die menschlichen Wähler übertragen wird und daher nicht de iure divino sed de iure positivo sei. „Wenn der Gewählte ohne Bestätigung (confirmatio) eines anderen sofort die Gewalt ausüben darf (administratio), dann scheint es so zu sein, dass ihm diese Gewalt von den Wählern her zukommt, die sich ihm freilich unterwerfen, so wie es D. 93 c. 24 legimus 1020

Domenico de Domenichi, De potestate pape et termino eius, S. 243: Quod additur de imperatore, quod habet legittimam administracionem ante confirmacionem et coronacionem dicendum, quod in hoc varie fuerunt doctorum opiniones [...] Quidquid tamen sit, non facit argumentum ad propositum, quia eciam si haberet legittimam administracionem in omnibus ante etc., tamen hoc esset, quia ecclesia ita vellet. Ad ultimam confirmacionem dicitur, quod ellecio imperatorum a principio erat de facto, nunc autem est de iure. Nec tamen eligentes dant ei iurisdiccionem, sed mediante eleccione ipse a sede apostolica habet, sicut nec cardinales dant pape auctoritatem, qui illam habet immediate a deo quo ad dantem et accipientem mediante tamen hoc actu eligencium et consensu eius non tamquam causantibus auctoritatem in illo, sed sicut necessario requisitis tamquam illa sine quibus non. 1021 Roselli sah freilich die Kurfürsten als vermittelndes Instrument des göttlichen, nicht des päpstlichen Willens an.

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vom Heer sagt, wenn es sich einen Kaiser wählt. Auch der Papst übt sofort, nachdem er gewählt worden ist, die Gewalt aus, D. 23 c. 1 in nomine domini. Also hat er das Recht zur Ausübung der Gewalt (potestas administrandi) von den Wählern. Und daher ist die Gewalt des Papstes Gegenstand des positiven Rechts, denn sie wird ihm von Menschen 1022 gegeben.“

Diese Position wird von Domenico mit dem Hinweis abgelehnt, dass die ecclesia die päpstliche Gewalt zwar virtualiter besitze, indem Gott ihr das Recht zur Wahl eines Papstes überlassen habe, sie aber nicht eigentlich die päpstliche Gewalt in dieser Wahl übertrage1023, sondern gleichsam die Person bestimme, der Gott die Gewalt übertragen soll. Domenico vergleicht in diesem Zusammenhang die Rolle der Wähler mit der Funktion des Sakramente spendenden Priesters, dessen Tätigkeit zwar notwendig für die Verleihung der Gnade sei, ohne dass dieser deshalb jedoch als deren Ursache anzusehen sei1024. Um die Position des eligere non est dare potestatem weiter zu stützen, bringt Domenico auch einen Vergleich aus dem weltlichen Herrschaftsbereich.

1022

Domenico de Domenichi, De potestate pape et termino eius, S. 251: Si electus absque alia confirmatione statim habet administracionem, videtur quod illa adveniat ei ab eligentibus, qui scilicet ei se subiciunt, sicut XCIII d. c. legimus dicit de exercitu, si sibi facit imperatorem. Papa autem statim ut electus est administrat, d. XXIII in nomine domini. Ergo potestatem administrandi habet ab eligentibus, et sic iuris est positivi, quia ab homine ei datur. 1023 Domenico de Domenichi, De potestate pape et termino eius, S. 272: Relinquitur ergo, quod potestas pro ut dicitur esse in ecclesia virtualiter sit secundum quod ecclesia habet potestatem sibi eligendi papam ita quod deus sibi hoc concessit, ut ille ab eo haberet potestatem, quem ecclesia elegisset seu pro ecclesia deputazti scilicet cardinales, non quod ecclesia sibi hanc potestatem daret. 1024 Domenico de Domenichi, De potestate pape et termino eius, S. 270 f.: Unde et supra habitum est, quod non sacerdos non potest conferre ordinem sacerdotii ex quacumque commissione nec qui non est dyaconus dyaconatum. Eligentes ergo non dant ei potestatem, sed potestas illa a solo deo est. Item sicut requiritur consensus eius et tamen ipse non dat sibi potestatem, ita aliquid requiritur in eligentibus scilicet eleccio sive consensus in personam Petri vel Iohannis et tamen illi non sunt causa. Item apostoli imponebant manus et tamen non dabant spiritum sanctum, ut dicit Magister in primo d. XIIII. Requirebatur ergo manus imposicio apostolorum, et tamen ipsi non dabant. Item per sacramenta secundum illos qui dicunt, quod in eis non est aliqua virtus activa gracie, sed ex sola paccione sive institucione fit, quod homo recipiens illa consequatur graciam, et sic illa requiruntur et tamen non causant. Secus secundum eos qui dicunt, quod in eis est aliqua virtus activa et sic consensus coniugum est sacramentum vel pars sacramenti; unde iuxta eos aliquid efficit. Non autem consensus pape et ecclesie; unde non requiritur sicut aliquid efficiens. Est ergo hec potestas immediate a deo.

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„Wenn ein König jenen zu seinem Stellvertreter erhebt, den das Volk gewählt hat bzw. auf den sich die Mehrheit geeinigt hat, dann hat dieser Stellvertreter seine Gewalt 1025 [dennoch] vom König und nicht vom Volk.“

Domenico setzt sich im weiteren Verlauf des fünften Teiltraktates weiter mit der konziliaristischen Ansicht auseinander, derzufolge die Gewalt des Papstes trotzdem von der ecclesia sei, obwohl der Papst letztlich eine größere Macht als die Kirche habe. „Des weiteren kann gesagt werden, dass die Gewalt des Papstes von der Kirche stammt, obwohl die Macht der Kirche geringer ist als die des Papstes und der Papst die höhere Macht als die Kirche hat. Dies rührt daher, dass die Kirche sich dem Papst [freiwillig] unterwirft und ihn sich selbst voransetzt, genauso wie das Volk die geringere Macht als der König hat und dennoch die Gewalt des Königs vom Volk stammt, welches sich den König selbst vorangesetzt hat und sich ihm [freiwillig] unterwirft. Es entzieht sich quasi selbst die Gewalt und gibt sie dem König, und so unterwirft sich auch das Heer, indem 1026 es sich einen Kaiser macht, vgl. D. 93 c. 24 legimus.“

Domenico widerlegt diese Position, indem er den Vergleich zwischen weltlichem und geistlichem Bereich zurückweist1027. Die Menschen haben nicht die Macht, sich im geistlichen Bereich jemandem freiwillig zu unterwerfen und diesem die potestas spiritualis zu übertragen, denn sie besitzen diese potestas nicht. Die geistliche Gewalt sei vielmehr ein Geschenk Gottes, welches den kirchlichen Würdenträgern als privilegium reale non personale in ihrem Amt zukomme 1028 . Im zeitlichen Bereich hingegen sei es durchaus möglich, dass sich das Volk freiwillig einem König unterwirft und diesem die potestas temporalis überträgt. Dies widerspricht freilich der hierokratischen Herrschaftsauffassung des vierten Teiltraktates, wonach die Gewalt auch im Zeitlichen stets von Gott über den Papst an die weltlichen Herrschaftsträger verliehen werde.

1025

Domenico de Domenichi, De potestate pape et termino eius, S. 272: Sicut si rex institueret vicarium illum, quem populus eligeret sive in quem consentiret maior pars, ille haberet potestatem a rege non a populo. 1026 Domenico de Domenichi, De potestate pape et termino eius, S. 272 f.: Item tercio quis posset dicere, quod potestas pape est ab ecclesia, et tamen ecclesia minoris est potestatis quam papa et pape maior potestas quam ecclesie. Sed hoc evenit, quia ecclesia se illi subicit et ipsum sibi preficit, sicut in populo licet sit minor potestas quam in rege, tamen potestas regis est a populo, qui sibi ipsum preficit et se illi subicit. Et hoc est quasi subtrahere sibi potestatem et dare illam regi, et sic exercitus se submittendo facti sibi imperatorem, d. XCIII legimus. Vgl. SMOLINSKY S. 459. 1027 Zur Analogisierung von staatlichen und kirchlichen Verfassungsverhältnissen in Schriften während und nach dem Basler Konzil vgl. HELMRATH S.483-491. 1028 Vgl. SMOLINSKY S. 459.

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2.6. Peter von Andlau Peter von Andlau 1029 , 1420 als illegitimer Sohn eines elsässischen Ritters geboren, entschied sich im Alter von 18 Jahren für die wissenschaftliche Laufbahn und studierte kanonisches Recht in Heidelberg und Pavia. Nach der Auflösung der Baseler Konzilshochschule im Jahre 1448 trat Peter, der seit 1446 als Domkaplan am Basler Münster ein bescheidenes finanzielles Auskommen hatte, für die Gründung einer eigenständigen Baseler Universität ein. Er wurde der erste Vizekanzler dieser Alma Mater Basiliensis, die 1459 durch ein Privileg von Papst Pius II. ins Leben gerufen wurde, und lehrte – zunächst als lector extraordinarius, seit 1468 als ordentlicher Professor – kanonisches Recht bis zu seinem Tode 1480. Rainer Müller charakterisierte Peter von Andlau als Mann von kurial-konservativem Zuschnitt, der dennoch nicht polarisierend, sondern ausgleichend wirkte 1030 . Dieses Urteil findet schon im Libellus de Caesarea Monarchia1031, dem wissenschaftlichen Erstlingswerk Peters von 1460, seine Bestätigung. Im ersten Buch des Libellus behandelt Peter ausgehend von allgemeinen herrschaftstheoretischen Grundüberlegungen die Geschichte der vier großen Weltreiche nach Augustinus, insbesondere des Römischen Reiches einschließlich der translatio imperii von den Griechen auf die Deutschen. Das zweite Buch nimmt die Gegenwart des Imperium Romanum in den Blick und erörtert in erster Linie verfassungsrechtliche Fragen – die Bedeutung von Wahl, Weihe und Krönung des Kaisers sowie die Rolle des Adels für den status imperii stehen dabei im Vordergrund –, die in einem heilsgeschichtlichen Rahmen verstanden werden. Der Libellus de Caesarea Monarchia zeichnet sich wie die meisten spätscholastischen Traktate durch eine breite Quellenbasis aus, die dem Werk mitunter einen stark kompilatorischen Charakter verleiht. Auf den ersten Blick gelingt es Peter, die z. T. divergierenden Autoritäten zu einer harmonischen verfassungsrechtlichen Studie über die Geschichte und Gegenwart des Römischen Reiches zusammenzufügen. Ansichten, die sich über Jahrhunderte hindurch im Streit zwischen Hierokraten und Dualisten unversöhnlich gegenüberstanden, werden scheinbar mühelos in Einklang gebracht, so dass ein Werk entstand, das – dem dive Cesar Friedrich III. gewidmet1032 – seit seinem gedruckten Erscheinen im 17. Jahrhundert immer wieder als erste wissen1029

Zur Biographie vgl. HÜRBIN; SCHEFFELS; Rainer A. MÜLLER (Hg.), Peter von Andlau, Kaiser und Reich (= Bibliothek des deutschen Staatsdenkens 8), S. 317 ff.; WALTHER, Gelehrtes Recht. 1030 Peter von Andlau, Libellus S. 319. 1031 Peter von Andlau, Libellus, ed. MÜLLER. 1032 Peter von Andlau, Libellus, prooem, S. 12.

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schaftliche Darstellung des deutschen Staatsrechts gefeiert wurde1033, obwohl es von einem unüberhörbaren kurialistischen Unterton geprägt ist. Im ersten Kapitel schildert Peter zunächst die ursprüngliche Entstehung von Gewalt und Herrschaft im Sinne Augustins als letztlich mit dem Sündenfall entstandene Notwendigkeit zur Überwindung menschlicher Unzulänglichkeiten und beschreibt die Einrichtung von Königsherrschaften und Fürstentümern als „von Gott gestattet und völkerrechtlich eingeführt“ 1034 . Kapitel zwei erörtert die Frage, ob sich „weltliche Herrschaft von Gott, dem höchsten Herrscher der Welt, und seinem göttlichen Willen herleitet“. Nachdem Peter zunächst einige Argumente für die Ansicht, dass irdische Herrschaft dem göttlichen Willen gänzlich zuwiderläuft, angeführt hat, liefert er den positiven Beweis für den göttlichen Ursprung weltlicher Herrschaft, indem er auf Tholomäus von Lucca rekurriert – ohne freilich seine Quelle zu nennen – und jene Passage aus der Determinatio komplett übernimmt, in der Gott als Urheber jeglicher Herrschaft aufgrund des Seins, der Bewegung und des Ziels nachgewiesen wird1035. Damit übernimmt Peter auch die bei Tholomäus geäußerte Ansicht, dass Herrscher mehr als andere Menschen an der „göttlichen Einströmung“ teilhaben, und dass weltliche wie geistliche Herrscher als dispensatores, provisores und cooperatores Dei agierten, gleichsam als Werkzeuge Gottes, um die ihnen Untergebenen zur ewigen Glückseligkeit zu führen 1036 . Durch den von Tholomäus übernommenen dreifachen Beweis stehe zweifelsfrei fest, „dass die weltlichen Herrschaften sich vom höchsten Gott und seinem göttlichen Willen herleiten. Ebenso ist offenkundig, dass Christus, König und Priester in Ewigkeit, beide Monarchien, die geistliche und die weltliche, auf Petrus als seinen Stellvertreter übertragen hat. [...] Von ihm strömte in einer Art sekundärer Emanation die kaiserliche Herrschergewalt aus und von der kaiserlichen sodann die der übrigen Königreiche, der Herzog- und Fürstentümer sowie der nachgeordneten weltlichen Herrschaften, wie der Text unserer Abhandlung weiter unten noch deutlicher zeigen wird.“1037

Peter schließt also unmittelbar an den Nachweis des göttlichen Ursprungs weltlicher Herrschaft den das ganze Werk durchziehenden hierokra1033

Vgl. HÜRBIN; Peter von Andlau, Libellus, S. 321. Peter von Andlau, Libellus I, 1, S. 22. 1035 Peter von Andlau, Libellus I, 2, S. 24 ff. 1036 Vgl. Tholomäus von Lucca, oben S. 165 f. 1037 Peter von Andlau, Libellus I, 3, S. 32: Proinde nequaquam ambigendum, dominia orbis terrarum a summo Deo ejusque divina defluere voluntate. Apertissimum quoque illud est, a quo Christus rex et sacerdos in eternum utramque monarchiam, et spiritualem et temporalem, transtulit in Petrum uti vicarium suum. [...] A quo Imperialis auctoritas et deinceps ab Imperiali cetera regna, ducatus, principatus et dominia mundi subalterna quadam emanacione defluxuerunt, ut luculencius infra id nostre pagine series declarabit. 1034

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tisch-kurialen Standpunkt an, wonach Christus weltliche und geistliche Herrschaft besessen und auf Petrus und dessen Nachfolger übertragen habe. Durch die pseudo-dionysische bzw. neuplatonische Hierarchievorstellung erstellt Peter zudem eine Rangordnung unter den weltlichen Fürsten, die den Kaiser an die Spitze, und damit am nächsten zu Gott, setzt. Diese Gedanken werden in c. 8 („Über die Vorrangstellung und die Autorität des Römischen Kaisers über die anderen Könige“) und c. 9 („Fließt die Autorität der kaiserlichen Majestät direkt von Gott auf den Kaiser, oder empfängt er jene von dessen höchstem Stellvertreter?“) erneut aufgegriffen und vertieft, nachdem Peter in den ersten sieben Kapiteln des zweiten Buches zentrale verfassungsrechtliche Fragen der Kaisererhebung aus überwiegend kurialistischem Blickwinkel behandelt hat1038. Der Kaiser überragt nach Ansicht Peters die anderen Könige in dreifacher Hinsicht: „Zuerst also überragt der Kaiser alle Könige an Ansehen und Ehre, weil diese ihm nicht nur von Menschen, sondern auch von Gott erwiesene Ehre ihn mit Recht über die übrigen Fürsten stellt.“1039

Peter übernimmt an dieser Stelle zentrale Gedanken aus dem Memoriale des Jordanus von Osnabrück und Alexander von Roes1040 und führt die besonderen göttlichen Ehrerbietungen an, die Christus in den Tagen seines irdischen Daseins Kaiser und Reich zugedacht hatte. Papsttum und Kaisertum schließlich seien die beiden Gewalten, die von Gott zur heilsamen Führung des Menschengeschlechts bestimmt worden waren, während die anderen weltli1038

Er führt die Kurfürstenfabel an, wonach Papst Gregor V. nach dem Tod Ottos III. das Kurkolleg eingerichtet habe, um fortan die Kaiserwürde durch Wahl und nicht durch erb- bzw. geblütsrechtliche Bestimmungen zu Regeln. Die Wahl bedürfe der päpstlichen Approbation, und erst nachdem der rex Romanorum die Salbung, Weihe und Krönung aus den Händen des Papstes in Rom empfangen habe, dürfe er den Kaisertitel führen. Allerdings könne er bereits nach der Wahl und vor der päpstlichen Approbation und den kirchlichen Zeremonien in Rom die Regierungsgewalt ausüben, was sich „durch Gewohnheit zur communis opinio“ entwickelt habe und „von der Langmut des apostolischen Stuhls geduldet und durch Duldung gebilligt wurde.“ Ausführlich schildert Peter – unter Verweis auf Johannes Andreae – den Ablauf der Salbung und der drei Krönungen des Kaisers bzw. rex Romanorum mit der eisernen Krone durch den Kölner Erzbischof in Aachen, mit der silbernen Krone durch den Mailänder Erzbischof in Monza und mit der goldenen Krone – die bedeute, „dass der Kaiser die anderen Könige und Fürsten an Macht und Gerechtigkeit überragen muß“ – durch den Papst in Rom. 1039 Peter von Andlau, Libellus II, 8, S.218: Primo enim dignitate et honore cunctos reges antecedit imperator, quod non solum terrenus, sed et divinus sibi honor exhibitus ceteros principes merito facit anteire. 1040 Vgl. Anm. 851.

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chen Gewalten nur „in einer Art sekundärer Vermittlung vom Römischen Reich ausgehen.“ „Zweiter Hauptpunkt: Die kaiserliche Majestät überragt alle anderen Fürsten an Autorität und Macht.“1041

Hier führt Peter die im römischen Recht begründete Stellung des Kaisers als oberster Gesetzgeber der Welt an, der selbst als einziger „nicht an die Gesetze gebunden ist, selbst wenn er erklärt, nach den Gesetzen leben zu wollen“; ferner stehe allein dem Kaiser – im Gegensatz zu den übrigen Königen – die Leitung der Römischen Kirche (regimen Romane ecclesie) zu, und er sei der Fürst und Herr der Welt, von dem alle Gewalt der übrigen Könige „wie die Bäche von einem Fluss“ abgeleitet ist. Diese Überordnung werde heutzutage jedoch de facto von den meisten Königen, insbesondere vom spanischen und französischen König, nicht anerkannt, die ihrerseits die höchsten Rechte des Reiches usurpierten. Wie in diesem Zusammenhang allgemein üblich führt auch Peter von Andlau die Dekretale Venerabilem an sowie deren Interpretation durch den Hostiensis: „Innozenz [III.] sagt ebendort, dass er [sc. der König von Frankreich] dem Papst untersteht, Hostiensis, dass er in weltlichen Dingen den Kaiser als Herrn anzuerkennen habe. Er [sc. der Kaiser] nämlich ist der Stellvertreter Gottes nach der Anmerkung zu Lib. Extra IV, 17 Qui fili sint legitimi c. 2 quum inter. Allerdings untersteht der Kaiser dem Papst, wie dort bemerkt, und insofern, sagt Hostiensis, untersteht der König von Frankreich dem Papst, weil er jenem untersteht, der dem Papst untersteht.“1042

Auch im Zusammenhang mit den imperialen Hoheitszeichen wird die Stellung des Kaisers als Stellvertreter Gottes angeführt: „Dritter Hauptpunkt: Der Römische Kaiser überragt alle anderen Könige durch die Herrschaftszeichen, die die kaiserliche Majestät zieren. Es sind deren vier: das kaiserliche Diadem, das Schwert, das Szepter und der goldene Apfel bzw. die Erdkugel. [...] Das dritte Zeichen kaiserlicher Hoheit ist das Szepter, und obwohl auch andere Könige diese Auszeichnung für sich in Anspruch nehmen, kommt diese vornehmlich und eigentlich dem Kaiser zu, der in weltlichen Dingen der Stellvertreter dessen ist, von dem es im Buch Daniel heißt: ,Der du über dem Szepter deiner Göttlichkeit sitzt„ und im Psalm 44: ,Eine Rute der rechten Weisung ist die Rute deiner Herrschaft.„ Diese

1041

Peter von Andlau, Libellus II, 8, S. 220: Secundo principaliter ipsa majestas imperialis excellit omnes alios reges et principes auctoritate et potestate. 1042 Ebd. II, 8, S. 222 ff.: Innocent. ibidem dicit, quod subest Pape. Hostiensis dicit, quod in temporalibus debet recognoscere imperatorem in dominum; ille enim est Dei vicarius, ut not. in c. 2.Qui fil.sint legit. Subest tamen imperator Pape,ut ibi not. et hoc respectu (dicit Hostiens.) rex Francie subest Pape, quod subest illi qui subest Pape.

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Szepter-Rute hat nämlich eine zweifache Bedeutung, sie steht sowohl für gerechtes Recht als auch für milde Nachsicht.“1043

Als vicarius Dei in temporalibus nimmt der Kaiser also die höchste Stellung unter den weltlichen Herrschern ein, seine Gewalt empfängt er jedoch nicht unmittelbar von Gott, sondern durch päpstliche Vermittlung, wie Peter zu Beginn von II, c. 9 nochmals unmissverständlich erklärt: „Wir zeigten oben, dass unter den weltlichen Fürsten der kaiserlichen Gewalt größte Autorität und absoluter Vorrang zukommt. Doch pflegen die größten Universalgelehrten bisweilen darüber zu streiten, ob diese weltliche Macht und die Führung des weltlichen Schwertes direkt von Gott auf den Kaiser übergeht, oder ob er diese durch sekundäre Vermittlung vom Stellvertreter Jesu Christi erhält. Ich habe nun nicht die Absicht, in dieser Frage Zweifel zu äußern. Käme es doch einer Häresie nahe, hartnäckig zu leugnen, dass die weltliche Jursidiktion des Kaisers sich vom Papst herleitet, dem ohne jeden Zweifel von Christus die himmlischen wie die irdischen Herrschaftsrechte in vollem Umfang übergeben worden sind. Denn wie es häretisch ist, zwei Prinzipien anzunehmen ([Lib Extra I, 1] De summa trinitate et fide catholica, c. 1 [firmiter]), so scheint es auch häretisch zu sein, zwei gleichrangige Stellvertreter auf Erden anzunehmen (vgl. die bemerkenswerte Glosse zu Causae VII, q. 1, c.[12] non autem).“1044

Damit schließt sich Peter der Ansicht des Hostiensis an, nach welcher der Kaiser durchaus als vicarius Dei in temporalibus bezeichnet werden könne, solange ihm der Papst als einziger vicarius Dei generalis übergeordnet bleibe. Die folgende Darstellung der dualistischen und hierokratischen Argumente und Gegenargumente liefert die loci classici der mittelalterlichen Gewaltendiskussion, wobei Peter selbst natürlich den „glänzenden Argumenten“ der Kirche anhängt. Demnach sei es „die unbezweifelte Meinung aller Kanonis1043

Ebd. II, 8, S. 226: Tercio principaliter Romanorum imperator excellit omnes alios reges in insigniis imperialem gloriam decorantibus, et sunt quatuor: imperiale dyadema, gladius, sceptrum et pomum aureum seu globus. [...] Tercium insigne Cesaree majestatis est sceptrum, et quanquam alii reges hoc itidem sibi insigne vendicet, Cesaris tamen principaliter est proprium, qui in temporalibus gerit vicem ejus, de quo in Daniele dicitur: qui sedes super sceptrum divinitatis tue, et in psalmo 44: virga direccionis, virga regni tui. Est enim duplex hec virga sive sceptrum, scilicet juste severitatis et clemencie. 1044 Ebd. II, 9, S. 228: Auctoritatem et excellenciam imperatorie potestatis inter principes seculi maximam fore super ostendimus. Sed solet a scholasticis et doctissimis viris nonnunquam in concertacionem venire, an hec secularis potestas gladiique temporalis exercicium derivetur in Cesarem immediate a Deo, vel per subalternam emanacionem a vicario Iesu Christi illam accipiat. Et licet non intendam hanc questionem in dubium revocare, quod non longe foret ab heresi pertinaciter negare temporalem Cesaris jurisdiccionem a summo pontifice derivare, in quem haud cunctanter jura celestis et terreni imperii a Christo plenissime sunt translata. Nam sicut ponere duo principia hereticum est, ut de sum. trinit. et fide cathol. c. 1., sic eciam ponere duos vicarios equales in terris hereticum esse videtur, fac. gl. notab. in c. non autem 6 q. 1.

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ten“, dass der Papst als vicarius Christi beide Gewalten übertragen bekommen habe, die weltliche Gewalt allerdings nicht in actu, sondern nur in habitu. Deren Ausübung obliege dem Kaiser als minister ecclesiae. Die Argumente der dualistischen Gewaltenlehre, derzufolge der Kaiser ebenso wie der Papst unmittelbar zu Gott stehe, wird von Peter wie schon von Domenichi mit dem Hinweis entkräftet, dass die weltliche Gewalt „nicht direkt von Gott auf den Herrscher der Welt übergeht, sondern in vermittelter Weitergabe“1045, also a deo mediante papa. Der weitgehende Verzicht auf scholastisches Raffinement kommt zweifellos der Lesbarkeit des Libellus sehr zugute, mitunter freilich auf Kosten des gedanklichen Tiefgangs. Die Scharfsinnigkeit der Argumentation Peters ist letztlich nicht mit der eines Wilhelm von Ockham oder Marsilius von Padua zu vergleichen. Auch die bisweilen unreflektiert wirkende Übernahme der Quellen, die zum Teil eine gegensätzliche Haltung in der Gewaltenfrage einnahmen, hat dem Libellus in der neueren Forschung mitunter den Ruf einer „Gelegenheitsschrift“ eingebracht1046. Es irritiert in der Tat, wenn Peter an den von ihm ohne Einschränkung referierten hierokratischen Standpunkt in II c. 10 die Bestimmungen der Goldenen Bulle Karls IV. über die Wahrnehmung der kaiserlichen Rechte im Falle der Vakanz des Kaiserthrones durch die Kurfürsten anschließt. „Nun ist zu betrachten, wem bei einer Vakanz des Römischen Reiches die Wahrnehmung der Rechte und die Verwaltung des Reiches zukommt. Nach gemeinem Recht müsste der Papst in dessen Verwaltung eintreten nach Auffassung der Rechtslehrer [...], weil, wie bereits dargelegt, das Reich direkt von der Kirche abhängt. [...] Nun hat jedoch Karl IV. in seiner Konstitution [der Goldenen Bulle von 1356] festgelegt, dass bei 1047 Vakanz des Reiches der Pfalzgraf bei Rhein ...“

Der von Peter in anderem Zusammenhang vorgetragene Erklärungsversuch, der Papst habe durch stillschweigendes Tolerieren eine de facto Rechtsgewohnheit in einen de jure Rechtszustand überführt, ist, da die Vakanzregelung durch eine kaiserliche Konstitution erfolgt, in diesem Falle nicht anwendbar, so dass die Bestimmungen der Goldenen Bulle von Peter eigentlich als mit dem kanonischen Recht1048 unvereinbar angesehen werden müssten. Letztlich 1045

Ebd. II, 9, S. 235: Veruntamen hec potestas [sc. imperialis] non derivatur in principem seculi immediate a Deo, sed per subalternam emanacionem, ut predixi. 1046 Vgl. WALTHER, Gelehrtes Recht, S. 98 f. 1047 Peter von Andlau, Libellus II, 10, S. 236: Nunc videndum est, ad quem imperio Romano vacante administracio jurium et rerum imperii spectare dicatur. Et quidem de jure communi Papa in adminisracione hujusmodi succedere debet, secundum doctores [...]Veruntamen Karolus IIII. in sua constitucione. Tit. de jur. Com. Palat. et Duc. Saxon. determinat, quod vacante imperio comes Palatinus Reni, ... 1048 Etwa mit Bartolus, vgl. ANDRAE S. 21.

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bleibt auch hier nur die Einsicht, dass die hierokratische Theorie von Peter nicht mit der politischen Realität in Einklang gebracht werden kann. Mit der Goldenen Bulle ist im Libellus gleichwohl der Schwenk von der Gewaltendiskussion hin zur Rolle der Fürsten im Imperium Romanum und damit der Blick von der hierokratischen Theorie zur zeitgenössischen Situation des Reiches vollzogen. Und gerade jener Teil trug dem Libellus den Ruhm der Nachwelt ein, die erste Darstellung des deutschen Staatsrechts zu sein. Die Frage des Verhältnisses von imperium und sacerdotium hingegen wird von Peter im hierokratischen Sinne beantwortet, ohne dieser Thematik dabei neue Impulse zu geben. Dem Kaiser wird das Gottesvikariat in temporalibus zugestanden, er bleibt jedoch dem Papst, dem vicarius Christi generalis, untergeordnet. Die Übertragung der weltlichen Herrschaftsgewalt geschieht a deo mediante papa, die herrschaftstheoretische Rolle von Fürsten und Volk bei der Konstituierung der weltlichen Herrschaft, das ascending principle of government, bleibt bei Peter völlig ausgeklammert. Angesichts der von einigen Gelehrten genutzten Möglichkeit, strukturelle Parallelen zwischen weltlichem und geistlichem Bereich zu ziehen, war der Vizekanzler der Alma Mater Basiliensis offenkundig darauf bedacht, auch nicht die leiseste Erinnerung an den demokratischen furor concillii zu wecken, der wenige Jahre zuvor von gleicher Stätte ausgegangen war.

2.7. Zusammenfassung Einsetzung des Herrschers durch Gott: In den untersuchten Traktaten aus der Zeit des 15. Jahrhunderts tritt die Auseinandersetzung zwischen dualistischem und hierokratischem Gewaltenverständnis zunehmend in den Hintergrund, statt dessen sind die Schriften vor dem Hintergrund der konziliaristischen Herausforderung stärker von einem Ringen zwischen monarchischem und demokratischem Prinzip (descending and ascending principle of government) gekennzeichnet. Nikolaus von Kues versuchte in seiner Concordantia Catholica beide Prinzipien zu harmonisieren. Bei der Konstituierung von Herrschaft sei – im kirchlichen wie im weltlichen Bereich – sowohl die Zustimmung/Mitwirkung des Volkes als auch der Wille Gottes wirksam. Cusanus griff die Unterscheidung in Gewalt an sich und Person die Gewalt ausübt auf und sah im weltlichen Bereich die Gewalt unmittelbar von Gott an den Kaiser übertragen, während die Person des Kaisers durch den populus Romanus bzw. die von ihm beauftragten Kurfürsten bestimmt werde, wobei aber auch hier der Wille

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Gottes in der Einmütigkeit der Wähler zum Ausdruck gebracht werde. Innerhalb der weltlichen Hierarchie stehe der Kaiser – analog zum Papst im kirchlichen Bereich – am nächsten zu Gott. Antonio Roselli zeigte sich als vehementer Verfechter sowohl des dualistischen Gewaltenverständnisses als auch des monarchischen Prinzips. Gegenüber der hierokratischen Position stellt Roselli die Gottunmittelbarkeit des Kaisers heraus, die er in der auf Gottes ausdrückliche Anordnung erlassenen lex regia wirksam sieht. Der populus Romanus respektive die von ihm beauftragten Kurfürsten wählten den Kaiser als Person, die Gewalt an sich aber erhalte der Kaiser unmittelbar von Gott, so wie der Papst als Person von Kardinälen bestimmt werde, seine Gewalt aber unmittelbar von Gott empfange. Eine derartige Parallelisierung von Papst- und Kaiserwahl wurde von Domenico de Domenici entschieden zurückgewiesen. Der Grundsatz eligere non est dare potestatem, d.h. der Umstand, dass die menschlichen Wähler nur die Person erwählen, nicht aber die Gewalt übertragen, wurde von Domenico im 5. Teiltraktat seiner Schrift De potestate pape et termino eius nur für den kirchlichen Bereich anerkannt, im weltlichen Bereich hingegen könne das Volk durchaus dem König die potestats temporalis übertragen. Damit widersprach er freilich dem hierokratischen Gewaltenverständnis, das weite Teile seines Werkes kennzeichnete, demzufolge die weltliche Gewalt von Gott vermittels des Papstes an den Kaiser, und von diesem an die Könige und Fürsten übertragen werde. Peter von Andlau verzichtete in seinem Traktat auf weiterführende Unterscheidungen hinsichtlich abstrakter Herrschergewalt und der sie ausübenden Person und vertrat konsequent die hierokratische Position. Die weltliche Gewalt werde von Gott vermittels des Papstes an den Kaiser verliehen, der jedoch näher zu Gott stehe als die übrigen Könige und Fürsten.

Abbild und Stellvertreter Gottes: Johannes Falkenberg zog in seinem Liber de doctrina potestatis pape et imperatoris die Vorstellung vom Kaiser als vicarius Dei in temporalibus heran, um ihn auf Erden als obersten Herrscher und Richter in zeitlichen Angelegenheiten auszuweisen und auf diesem Wege die Rechtmäßigkeit der kaiserlichen Privilegien für den Deutschen Orden hinsichtlich ihrer Gültigkeit auch für die Gebiete heidnischer Völker zu stützen. Cusanus sah das Christusvikariat als höchstes Privileg des Kaisers an, das ihm aufgrund seiner herrscherlichen Vorrangstellung (praesidentia) zukomme und ihn zusammen mit seiner Position als advocatus ecclesiae mit der höchsten weltlichen Autorität innerhalb der ecclesia universalis ausstatte,

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weshalb die übrigen christlichen Herrscher seinen kirchenpolitischen Anordnungen Folge zu leisten hätten. Neben dem herrschaftslegitimierenden Aspekt des Christusvikariats weist Cusanus auch auf die mit dieser Stellung verbundene Pflicht des Kaisers zur imitatio Christi hin, auf dass der Kaiser seiner göttlichen Abbildhaftigkeit durch die Tugenden der Barmherzigkeit, Milde und Weisheit gerecht werde. Antonio Roselli unterstrich sein dualistisches Gewaltenverständnis, indem er dem Kaiser als vicarius Dei/Christi in temporalibus die höchste irdische Gewalt zuordnete, während der Papst als vicarius Dei/Christi in spiritualibus die höchste Gewalt hinsichtlich der auf das Jenseits bezogenen Angelegenheiten inne habe. Roselli versuchte sich gegen den drohenden Häresievorwurf, den die Postulierung eines doppelten Gottesvikariats nach sich zog, zu verteidigen, indem er durch die subtile Unterscheidung von de mundo und in mundo das Wirken von Papst und Kaiser in zwei völlig getrennten Sphären verortete, so dass das erforderliche principium unitatis innerhalb der jeweiligen Ordnung gewahrt bleibe. Enea Silvio Piccolomini zog die kaiserliche Stellung als vicarius Dei in temporalibus heran, um dem Kaiser die höchste Autorität in zeitlichen Angelegenheiten zuzusprechen und ihn, wie schon Cusanus, über die übrigen weltlichen Könige und Fürsten der (zum damaligen Zeitpunkt zerstrittenen) Christenheit zu stellen. Aufgrund seiner hierarchischen Spitzenstellung komme dem kaiserlichen vicarius Dei in temporalibus gewissermaßen die Rolle des höchsten Richters auf Erden zu, dessen Entscheidungen in weltlichen Angelegenheiten daher finalen und verbindlichen Charakter haben. Domenico de Domenichi setzte sich in seinem Werk explizit mit dem dualistischen Argument des doppelten Christusvikariats auseinander und wies es von seinem hierokratischen Standpunkt aus zurück, da der Papst beide Gewalten in Stellvertretung Christi besitze. Zwar delegiere der Papst zumeist die weltlichen Angelegenheiten an den Kaiser, der jedoch nicht als vicarius Christi in temporalibus bezeichnet werden könne, da er seine Gewalt a deo mediante papa besitze. Auch die Position der generellen Ablehung eines Christusvikariats in zeitlichen Angelegenheiten, wie es etwa von Johann Quidort vertreten worden war, weist Domenico zurück und verteidigte den päpstlichen Anspruch auch auf das Christusvikariat in temporalibus, der letztlich die Grundlage für die rechtmäßige Ausübung von weltlicher Gewalt durch der Kirche bildete.

IV.

Zusammenfassung

Die Vorstellungen von der Einsetzung des Herrschers durch Gott und seiner Stellung als Abbild und Stellvertreter Gottes waren – wie die vorliegende Untersuchung gezeigt hat – auch im späten Mittelalter fester Bestandteil des politisch-herrschaftstheoretischen Diskurses. Neben einer vordergründigen begrifflichen Kontinuität zeigte sich, dass unter diesen beiden Anschauungen ein breites Spektrum an Bedeutungen subsumiert werden konnte.

1. Einsetzung des Herrschers durch Gott a) Gott ernennt den Herrscher unmittelbar und überträgt ihm die Gewalt. Dies geschah nach Auffassung der spätmittelalterlichen Gelehrten jedoch nur bei einigen alttestamentarischen Herrschererhebungen, so wie Moses die Herrschaft über das israelische Volk von Gott in Gestalt des brennenden Dornbuschs empfangen habe; die Verhältnisse des Mittelalters werden damit nicht erklärt. b) Gott ernennt den Herrscher durch einen menschlichen Boten, der als Werkzeug des göttlichen Willens, als Sprachrohr Gottes fungiert, ohne selbst substantiellen Anteil an der Entscheidung zu haben. In diesem Sinne ließ sich die Rolle Samuels bei der Erhebung Sauls interpretieren, aber auch die Rolle der mittelalterlichen Kurfürsten (Dante). Ockham unterstrich die untergeordnete Bedeutung dieses nuntius Dei durch den Hinweis, dass Gott im Grunde auch einen einfachen Bauern als Werkzeug zur Verkündung seines Willens bestimmen könnte. c) Teile der Geistlichkeit hingegen sahen sich bereits seit der Karolingerzeit zunehmend als exklusiven Verkünder des göttlichen Willens. Aegidius Romanus wertete die Beispiele des Alten Testaments als verbindliche Anordnung Gottes, die weltlichen Herrscher fortan – insbesondere in christlicher Zeit – immer durch Geistliche zu erheben, wobei diese letztlich – wie Guido Vernani in seiner Auseinandersetzung mit der Position Dantes zu verstehen gab – nicht mehr nur als bloße Verkünder des göttlichen Willens fungierten, sondern aus eigener Machtvollkommenheit (auctoritate sacerdotii) die ihnen von Gott

Zusammenfassung

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gegebene weltliche Herrschaftsgewalt an Könige und Kaiser vermitteln würden. d) Mit dem allgemeinen wissenschaftlichen Aufschwung im 12. Jahrhundert, insbesondere auf dem Gebiet der Jurisprudenz, setzte ein differenziertes Verständnis über die Begründung weltlicher Herrschaft durch Gott und das Volk ein. Die juristischen Distinktionen des Herrschaftsbegriffs in ein rechteverleihendes, konstituierendes (auctoritas, potestas gladii, jursidictio, etc.) und ein administratives, exekutives Moment (administratio, usus gladii, ius executionis, etc.) sowie in die abstrakte Gewalt an sich und die Person des Herrschers 1049 bis hin zum bloßen nomen imperatoris ermöglichte es, die Verleihung der einzelnen Rechte und Rechtstitel auf die verschiedenen Akte der Herrschererhebung (Wahl, Krönung, confirmatio, etc.) aufzuteilen, die von verschiedenen Akteuren (dem Volk, den Fürsten, dem Papst, oder von Gott unmittelbar) vollzogen wurden1050. Das Wirken des Volkes wurde zunächst jedoch weiterhin als ein Agieren dispositione dei verstanden, geleitet von der divina ordinatio, und reihte sich bei der Beantwortung der von den Kanonisten aufgeworfenen Frage Num imperator habeat gladium a papa in die Argumente gegen eine päpstliche Vermittlung und für die Gottunmittelbarkeit des weltlichen Herrschers ein. Noch bei Baldus de Ubaldis im ausgehenden 14. Jahrhundert und Antonio Roselli im 15. Jahrhundert findet sich die Interpretation der lex regia als eine Anordnung Gottes und damit als Be1049 1050

Diese Unterscheidung fand sich auch in der Bibelglosse des Petrus Lombardus. Unter den Philosophen und Theologen zeigten sich zu Beginn des 14. Jahrhunderts deutliche Vorbehalte gegen die oft unübersichtlichen Begriffsdifferenzierungen durch die Juristen. Die Gewalt an sich und das Recht, diese Gewalt auch auszuüben, könne nicht in der von den Juristen vertretenen Weise auseinandergelegt werden. Wem Gott die Gewalt gibt, dem gibt er auch die Möglichkeit, diese Gewalt auszuüben, andernfalls hätte Gott die Dinge nicht recht geordnet (Aegidius Romanus, Johann Quidort). Freilich könne die executio potestatis delegiert werden, doch nur von demjenigen, der auch die Gewalt an sich von Gott übertragen bekommen habe (in den Augen der Hierokraten also vom Papst). Die Juristen jedoch schienen sich als „Techniker der Macht“ (WALTHER) oft nur wenig mit den herrschaftstheoretischen (metaphysischen) Konsequenzen ihrer Rechtsglossen und Kommentare über das Verhältnis von göttlichem und menschlichem Wirken bei der Herrschererhebung und bei der Frage nach dem Ursprung der Gewalt auseinanderzusetzen. Noch im 16. Jahrhundert formulierte der päpstliche Jurist Salomonius de Albertescis den Vorwurf, viele seiner Kollegen zögen aus ihren Quellen zwar praktische, aber nicht die entsprechenden herrschaftstheoretischen Schlüsse über den Ursprung der weltlichen Gewalt. Vgl. REIBSTEIN, Volkssouveränität Bd. 1, S. 104 ff. Zum Vorwurf der Philosophen und Theologen, die Juristen seien aufgrund ihrer mangelnden Kenntnisse nicht zuletzt des Aristoteles nicht in der Lage, die zentralen Fragen der politische Theorie zu beantworten vgl. WALTHER, Verbis Aristotelis.

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weis für die Gottunmittelbarkeit des Imperiums. Die Legisten verfielen bei dem Versuch, göttliches und menschliches Wirken in Einklang zu bringen, zumeist auf ihre „Patentlösung“ 1051 , wonach das Imperium von Gott sei, während der Imperator vom Volk bestimmt werde1052. Der Kanonist Laurentius Hispanus hatte bereits zu Beginn des 13. Jahrhunderts mit der Formulierung imperium a deo, imperator a populo zum Ausdruck gebracht, dass das Volk lediglich die Person bestimme, die die Gewalt ausüben dürfe (d. h. Verleihung der executio iurisdictionis), die Gewalt an sich aber empfange der vom Volk gewählte Kaiser unmittelbar von Gott, so wie auch der Papst als Person von den Kardinälen gewählt werde, seine Gewalt aber von Gott erhalte. e) In Verbindung mit der Rezeption der aristotelischen Politik und Naturrechtslehre seit dem Ende des 13. Jahrhunderts war es möglich geworden, dem Volk nicht nur die designatio personae zuzugestehen, sondern auch die Verleihung der weltlichen Gewalt als a deo mediante populo aufzufassen, in dem das aus Naturnotwendigkeit in Gemeinwesen organisierte Volk als Träger der von Gott stammenden potestas angesehen werden konnte, welches die Gewalt an einen von ihm bestimmten Herrschaftsträger verlieh. Hatten die Legisten die lex regia noch als eine (nicht näher bestimmte) Anordnung oder Erlaubnis Gottes aufgefasst, um auf diese Weise göttliches und menschliches Wirken zu harmonisieren, so ließ sich diese Anordnung Gottes nun auch auf naturrechtlichem Wege begreifen. Insbesondere Wilhelm Ockham formulierte diese Theorie in seinen kirchenpolitischen Schriften näher aus. Sofern die Wahl des Volkes1053 nicht nur als designatio personae, sondern als Übertragen der Gewalt a deo mediante populo begriffen wurde, konnte der Herrscher freilich in eine gewisse Abhängigkeit vom konstituierenden Volkswillen geraten, ähnlich wie er in der hierokratischen Position des a deo mediante papa in die Abhängigkeit des Papstes geriet. Sollte der König nicht im Sinne des Gemeinwohls handeln, dann, so etwa Marsilius von Padua, könne ihn die Gemeinschaft, die ihm die Gewalt verliehen habe, auch wieder absetzen.

1051

WALTHER, Imperiales Königtum, S. 175. Cynus da Pistoia ad D. 1, 1, 14 § 4 n. 1 (Comm. in Cod. et aliquot titulos primi Pandectorum, f. 8rb): Imperium est a Deo [...] et ab ipso Deo immediate processit, unde Imperatorem et Deum non est ponere medium. [...] Vel melius dico quod Imperator a populo est sed imperium, cuius presidatu Imperator dicitur divinus, a Deo. Vgl. WALTHER, Imperiales Königtum, S. 124, 175. 1053 Damit konnte nach Ansicht mittelalterlicher Gelehrter auch die Erbmonarchie gemeint sein, bei der das Volk das Herrschergeschlecht auswähle, während die Königswürde innerhalb dieses Geschlechts dann auf erbrechtlichem Wege weitervergeben werde. 1052

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Die Abhängigkeit des Herrschers vom Willen des Volkes machte die Konzeption der Gewaltverleihung a deo mediante populo auch für die Lehre des Konziliarismus interessant, die diese Auffassung aufgriff und auf den kirchlichen Bereich übertrug1054. Für die Kirche solle gelten, was im weltlichen Bereich weithin nicht nur theoretisch anerkannt sei, so Johannes von Segovia auf dem Konzil in Basel, sondern auch praktisch gelte: die Bindung des Herrschers an den consensus omnium. Die päpstlichen Gelehrten reagierten in Basel ihrerseits mit dem Verweis, dass sich das Wirken des (Kirchen-)Volkes nur auf die designatio personae beschränke, die päpstliche Gewalt hingegen unmittelbar von Gott verliehen werde. Unter Preisgabe der hierokratischen Position verfolgte der päpstliche Rechtsberater Antonio Roselli das Ziel, die Monarchie im weltlichen und geistlichen Bereich gegen eine Herrschaftsbegründung gleichsam „von unten“ durch das Volk (das ascending principle of government, Ullmann) zu verteidigen, und interpretierte das Wirken des Volkes auch im weltlichen Bereich nur als designatio personae, während der Herrscher seine Gewalt unmittelbar von Gott (und nicht vom Volk oder dem Papst) empfange. Diese Parallelisierung von weltlicher und geistlicher Herrschaftsbegründung fand jedoch stets ihre Kritiker. Wie schon Wilhelm von Cremona im 14. Jahrhundert so lehnte auch Domenico de Domenichi im 15. Jahrhundert diesen Vergleich ab und wies statt dessen auf den unterschiedlichen Charakter von weltlicher und geistlicher Gewalt hin. Das Prinzip der designatio personae galt für Domenico ausschließlich im kirchlichen Herrschaftsbereich, während er die weltliche Gewalt a deo mediante populo verliehen sah. Damit war aber auch von Domenico de Domenichi die konsequente hierokratische Linie verlassen worden. Das hierokratische Herrschaftsverständnis einer kaiserlichen Gewalt a deo mediante papa wurde zwar auch in Traktaten des ausgehenden 15. Jahrhunderts noch vertreten (Peter von Andlau), nahm jedoch in der herrschaftstheoretischen Diskussion der kommenden Jahrhunderte insgesamt nur noch einen eher untergeordneten Stellenwert ein1055. Biblisch-patristische Autoritäten, römisches und kanonisches Recht sowie die Lehre des Aristoteles boten den spätmittelalterlichen Gelehrten ein vielfältiges Spektrum an Argumenten, um die weltliche Gewalt immediate a deo, a deo mediante papa oder a deo mediante populo zu begreifen. Die Harmonisierung der oft divergierenden Autoritäten konnte freilich nicht immer reibungslos 1054

Freilich hat die konziliaristische Lehre ihre Wurzeln vor allem in der Kanonistik des 12. und 13. Jahrhunderts und basierte nicht auf einem bloßen Übertragen von herrschaftstheoretischen Grundsätzen aus dem weltlichen Bereich. Vgl. TIERNEY, Foundations, passim. 1055 Zur hierokratischen Position im 16. Jahrhundert vgl. BOSBACH S. 51 ff.

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verlaufen, und mitunter wurden um der inneren Folgerichtigkeit der eigenen Argumentation willen offenkundige Gegenargumente einfach verschwiegen. Die Stringenz der radikal hierokratischen Position eines Aegidius Romanus in De ecclesiastica potestate etwa beruhte nicht zuletzt auf dem schlichten Verzicht auf aristotelische und legistische Einwände, die eine Begründung der weltlichen Gewalt aus dem Volk heraus ermöglicht hätten. Beinahe symbolträchtig erscheint in diesem Zusammenhang das Vorgehen Papst Bonifaz VIII., der eine Bronzeplatte im Portikus des Lateran mit der Inschrift der antiken lex de Imperio Kaiser Vespasians, die als Grundlage oder Vorbild der lex regia angesehen wurde, angeblich mit der Schriftseite nach innen einmauern ließ1056. Nicht das Volk, sondern der Papst sollte als Verleiher der kaiserlichen Gewalt erscheinen. Jakob von Viterbo und Wilhelm von Cremona integrierten im Unterschied zu Aegidius auch aristotelische und legistische Argumentationsmuster, die sie durch feinsinnige, wenngleich nicht immer konsistente Differenzierungen hinsichtlich Kaiser, Kaisertum und kaiserlicher Gewalt und deren mittelbar oder unmittelbar göttlichen Bezug mit den Grundsätzen des hierokratischen Gewaltenverständnisses zu verbinden versuchten. Das Werk Wilhelms von Cremona zeigt dabei deutlich, wie wenig gerade in mittelalterlichen Quaestiones die Argumente im Sinne eines konsistenten Systementwurfs aufeinander abgestimmt, sondern in erster Linie auf das unmittelbare Beweisziel der einzelnen Quaestio ausgerichtet waren. Auch bei Domenico de Domenichi, dessen Werk in fünf Teiltraktate gegliedert ist, ergeben sich – betrachtet man das Werk als Ganzes – Ungereimtheiten hinsichtlich der Vorstellung von der Übertragung der weltlichen Gewalt an den Herrscher. Und auch Johann Quidort trug in seinem Traktat alles zusammen, was der scholastische Argumentefundus bereithielt, um den Einfluss des Papstes auf Vermittlung der weltlichen Gewalt zurückzuweisen, ohne dabei das Zusammenwirken von göttlichem und menschlichem Wirken bei der Konstituierung weltlicher Herrschaft näher zu beleuchten. Wilhelm von Ockham und Cusanus hingegen waren ausdrücklich bestrebt, nicht nur die hierokratische These vom imperium a papa zurückzuweisen, sondern darüber hinaus auch die Argumente imperium a deo und imperium a populo miteinander zu harmonisieren. Kennzeichnend für den politisch-herrschaftstheoretischen Diskurs des späten Mittelalters ist die Differenzierung in eine „mittelbar“ und „unmittelbar“ göttliche Einsetzung des Herrschers. Auffällig ist dabei die uneinheitliche Verwendung der beiden Begriffe. Die kanonistische Debatte des 12. und 13. Jahrhunderts hatte die Thematik unter der Fragestellung Num imperator habeat gladium a papa diskutiert und kannte letztlich nur die Alternativen immediate a deo oder a deo mediante papa. Dies tradierte sich in den poli1056

Vgl. STRUVE, Cola di Rienzo, S. 209 f.

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tisch-herrschaftstheoretischen Diskurs des 14. und 15. Jahrhunderts, in dem mitunter Argumente wie die Erhebung des Kaisers durch das Heer, die Wahl des Kaisers durch die Fürsten, die lex regia, naturrechtliche Herrschaftsbegründungen oder der Verweis auf das ius gentium unter dem Oberbegriff der potestas immediate et a solo deo vertreten werden konnte. Ja sogar die ausdrücklich auf dem freien Willen des Volkes beruhende Herrschererhebung konnte unter diesen Vorzeichen als Argument für die Gottunmittelbarkeit des weltlichen Herrschers aufgeführt werden, wie eine anonyme Antwort auf die Mitte des 14. Jahrhunderts in der Gelehrtenwelt kursierenden Octo Quaestiones zeigt1057. Der Anonymus führt in Quaestio 4 unter den Argumenten, die die Berechtigung zur Ausübung der kaiserlichen Gewalt in der Wahl und nicht der päpstlichen confirmatio sahen an, dass Gott den Menschen mit freiem Willen ausgestattet und ihm die Regelung seiner (des Menschen) Angelegenheiten überlassen habe. Insofern bedürfe es in jedem Fall einer freien Willensäußerung des Volkes (Wahl, freiwillige Unterwerfung, nachträgliche Anerkennung), bevor der Herrscher seine Gewalt rechtmäßig ausüben dürfe. Die Verleihung der potestas executionis vel amministrationis durch die Tätigkeit des freien Willens zeige demnach, dass die päpstliche confirmatio oder approbatio keine neuen Rechte an den Herrscher verleihe, sondern die bereits verliehenen Rechte lediglich bekräftige. Bezeichnenderweise ordnet der Anonymus die freie Willensäußerung des Volkes unter die Argumente für eine gottunmittelbare Stellung des Herrschers ein1058. Die in erster Linie von Legisten und Kanonisten gestellte Frage nach der mittelbar oder unmittelbar göttlichen Einsetzung des Herrschers besaß eine nicht unerhebliche thematische Schnittmenge mit dem gerade im 13. und 14. Jahrhundert intensiv geführten theologischen Diskurs über die sogenannte Konkurslehre, der sich mit der Frage nach der Mitwirkung Gottes an den menschlichen Handlungen auseinandersetzte. Inwieweit aber der theologische Diskurs tatsächlich – abgesehen von einer gemeinsamen Begrifflichkeit (causa prima, causa secunda, causa remota) – Einfluss nahm auf die Beantwortung der Frage, welche Bedeutung Gott, welche den Menschen bei der Einsetzung des Herrschers und der Verleihung der weltlichen Gewalt zukomme, bedarf weiterer Forschungsarbeit. Der Nachweis der Gottunmittelbarkeit diente also auch im späten Mittelalter in erster Linie der Abwehr päpstlicher Ansprüche auf Vermittlung der von Gott stammenden weltlichen Gewalt, doch konnte unter dem Oberbegriff 1057

Vgl. FLÜELER, mit Edition der Hs. Bremen, StUB Ms.b.35, f. 152v-156r. Eine überzeugende Identifizierung des anonymen Verfassers ist der Forschung bislang nicht gelungen, er dürfte jedoch ein Anhänger des kurialen Standpunktes gewesen sein. 1058 FLÜELER, S. 241: Utrum electio alicuius in regem Romanorum det sibi plenam amministrationem ex eo, quod sua potestas est immediate a deo.

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der Gottunmittelbarkeit ein breites Spektrum an Positionen vertreten werden, die eine (auf unterschiedliche Weise begründete) Beteiligung des Volkes bei der Konstituierung weltlicher Herrschaft vorsahen.

2. Abbild und Stellvertreter Gottes Auch die Anschauung vom Herrscher als Abbild und Stellvertreter Gottes blieb nach der „Wende von Canossa“ in den Quellen greifbar, wobei sie aus verschiedenen Traditionsströmen gespeist wurde. a) römisches Recht Die Legisten sahen unter Berufung auf die Glosse des Accursius im Kaiser den quasi deus in terris, der als oberster Gesetzgeber allein dem göttlichen Gesetz unterworfen ist. b) antike Autoren Die unmittelbare Reminiszenz an die antike Tradition des gottähnlichen Herrschers ist bereits in Quellen des 12. Jahrhunderts auszumachen. Schon Johannes von Salisbury rekurrierte auf Vegetius und dessen Formulierung vom Monarchen als tamquam corporalis deus, so wie später auch Dietrich von Niem [auch: Nieheim] (†1418) 1059 und Paris de Puteo (†1493?) 1060 . Der Charakterisierung des Königs als quasi semideus durch Aegidius Romanus lag ebenso die aristotelische Vorstellung von der Gottähnlichkeit durch herausragende Tugendhaftigkeit zu Grunde, wie auch bei Engelbert von Admont oder Peter von Auvergne. Baldus de Ubaldis berief sich bei der Verwendung des Begriffs vicarius Dei neben dem römischen und kanonischen Recht auch auf den Fürstenspiegel Senecas. Das kaiserliche Gottesvikariat im späten Mittelalter basierte jedoch nicht nur auf dem „Vokabular des römischen Rechts und einige[n] römische[n] Autoren wie Seneca und Vegetius“ (Kantorowicz). Insgesamt darf die Bedeutung des römischen Rechts als Grundlage des kaiserlichen Gottesvikariats im späten Mittelalter nicht überschätzt werden. Daneben wirkten auch weiterhin 1059

Dietrich von Nieheim, Cronica, ed. Colberg/ Leuschner (= MGH Staatsschriften des späteren Mittelalters 5, 2), S. 148: ... tamquam presenti et corporali deo. 1060 Paris de Pueto, De re militari, in; Tractatus Illustrium Iurisconsultorum 16, fol. 409ra, n. 2-3: ... potestas publica et in terris divinae majestatis imago, secundum policraticum,li. 4, c. 1, et tamquam sol habendus est, et idem li. 6, c. 26, sol eminet universis [...] inde dicitur [sc. princeps] Deus terrenus, ut ff. ad leg. Falcidiam, l. 1, § municipium. [zitiert nach ULLMANN, Policraticus, S. 527 f.]

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der Gottunmittelbarkeit ein breites Spektrum an Positionen vertreten werden, die eine (auf unterschiedliche Weise begründete) Beteiligung des Volkes bei der Konstituierung weltlicher Herrschaft vorsahen.

2. Abbild und Stellvertreter Gottes Auch die Anschauung vom Herrscher als Abbild und Stellvertreter Gottes blieb nach der „Wende von Canossa“ in den Quellen greifbar, wobei sie aus verschiedenen Traditionsströmen gespeist wurde. a) römisches Recht Die Legisten sahen unter Berufung auf die Glosse des Accursius im Kaiser den quasi deus in terris, der als oberster Gesetzgeber allein dem göttlichen Gesetz unterworfen ist. b) antike Autoren Die unmittelbare Reminiszenz an die antike Tradition des gottähnlichen Herrschers ist bereits in Quellen des 12. Jahrhunderts auszumachen. Schon Johannes von Salisbury rekurrierte auf Vegetius und dessen Formulierung vom Monarchen als tamquam corporalis deus, so wie später auch Dietrich von Niem [auch: Nieheim] (†1418) 1059 und Paris de Puteo (†1493?) 1060 . Der Charakterisierung des Königs als quasi semideus durch Aegidius Romanus lag ebenso die aristotelische Vorstellung von der Gottähnlichkeit durch herausragende Tugendhaftigkeit zu Grunde, wie auch bei Engelbert von Admont oder Peter von Auvergne. Baldus de Ubaldis berief sich bei der Verwendung des Begriffs vicarius Dei neben dem römischen und kanonischen Recht auch auf den Fürstenspiegel Senecas. Das kaiserliche Gottesvikariat im späten Mittelalter basierte jedoch nicht nur auf dem „Vokabular des römischen Rechts und einige[n] römische[n] Autoren wie Seneca und Vegetius“ (Kantorowicz). Insgesamt darf die Bedeutung des römischen Rechts als Grundlage des kaiserlichen Gottesvikariats im späten Mittelalter nicht überschätzt werden. Daneben wirkten auch weiterhin 1059

Dietrich von Nieheim, Cronica, ed. Colberg/ Leuschner (= MGH Staatsschriften des späteren Mittelalters 5, 2), S. 148: ... tamquam presenti et corporali deo. 1060 Paris de Pueto, De re militari, in; Tractatus Illustrium Iurisconsultorum 16, fol. 409ra, n. 2-3: ... potestas publica et in terris divinae majestatis imago, secundum policraticum,li. 4, c. 1, et tamquam sol habendus est, et idem li. 6, c. 26, sol eminet universis [...] inde dicitur [sc. princeps] Deus terrenus, ut ff. ad leg. Falcidiam, l. 1, § municipium. [zitiert nach ULLMANN, Policraticus, S. 527 f.]

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c) Bibel und Patristik Die Römerbriefkommentare des 12. Jahrhunderts übernahmen zumeist den Ambrosiaster und die Vorstellung vom Herrscher als Abbild und Stellvertreter Gottes. Seit dem 13. Jahrhundert verzichteten die Römerbriefkommentare zwar weitgehend auf das Ambrosiasterzitat, ohne jedoch die Vorstellung vom stellvertretend für Gott handelnden Herrscher aufzugeben. Das Gottesvikariat wird in vielen Traktaten des späten Mittelalters (wie schon in den Römerbriefkommentaren des 12. Jahrhunderts) häufig mit dem aus dem Römerbrief stammenden Begriff des minister Dei gleichgesetzt. Als minister seu vicarius Dei galt der Herrscher als der oberste Richter, der stellvertretend für Gott das Schwert zur Strafe gegen die Übeltäter schwingt. Der Zusammenhang von Gottesvikariat und richterlicher Aufgabe wurde zudem ganz allgemein auch in der Glosse zu Dt. 1, 17 formuliert. d.) Kanonisches Recht Das kanonische Recht diskutierte den kaiserlichen Anspruch auf das Gottesvikariat vor allem im Zusammenhang mit dem päpstlichen Christusvikariat. Die von den Dualisten postulierte Aufteilung in einen päpstlichen vicarius Dei/Christi in spiritualibus und einen kaiserlichen vicarius Dei/Christi in temporalibus wurde von den radikalen Hierokraten als Häresie gebrandmarkt, eine Verurteilung, die in der theoretischen Diskussion bis ins ausgehende 15. Jahrhundert nachwirkte. Die vermittelnde Position des Hostiensis ermöglichte es aber, den Kaiser als vicarius Dei in temporalibus zu charakterisieren und zugleich die Superiorität des päpstlichen vicarius Christi universalis/generalis aufrecht zu erhalten. Eine terminologisch präzise Unterscheidung zwischen päpstlichem C h r i s t u s vikariat und kaiserlichem G o t t e s vikariat ist in der kanonistischen Debatte nicht auszumachen, und auch die untersuchten Traktate zeigen in dieser Frage nur selten eine durchdachte Differenzierung. Lediglich im frühen 14. Jahrhundert (Johann Quidort) wurde im Kontext der Frage, ob und inwieweit Christus (bzw. der Papst als sein Stellvertreter) überhaupt zeitliche Macht besessen habe, bisweilen wohlüberlegt einem päpstlichen vicarius C h r i s t i in spiritualibus ein königlicher vicarius D e i in temporalibus gegenübergestellt. Und auch Wyclif trennte konsequent den königlichen vicarius Dei in temporalibus vom priesterlichen vicarius Christi in spiritualibus. Zumeist war es aber nicht so sehr die Unterscheidung in Gottes- oder Christusvikariat, sondern vielmehr der Zusatz in temporalibus und in spiritualibus, der die göttliche Stellvertretung von Kaiser/König und Papst in ihrem jeweiligen Aufgabenbereich präzisierte. Die These von Ernst Kantorowicz, wonach infolge der Rezeption des römischen Rechts der weltliche Herrscher im Spätmittelalter nicht mehr als

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vicarius Christi, sondern als vicarius Dei bezeichnet werde, muss mit Einschränkungen versehen werden. Zum einen ist das Christusvikariat auch im Spätmittelalter für den weltlichen Herrscher weiterhin in Gebrauch1061, zum anderen ist die Verwendung des Gottesvikariats wie gesehen nicht zwingend auf römisch-rechtlichen Einfluss zurückzuführen. Die Vorstellung vom Herrscher als Abbild und Stellvertreter Gottes bzw. Christi war im frühen und hohen Mittelalter sowohl mit herrschaftslegitimierenden, Herrschaftsrechte verleihenden als auch herrschaftsreglementierenden, ethisch-moralischen Konnotationen verknüpft gewesen. Im politisch-herrschaftstheoretischen Diskurs des späten Mittelalters war der Aspekt der ethischen Gottesebenbildlichkeit jedoch deutlich in den Hintergrund getreten. Nur selten waren Stimmen zu hören, die wie der Verfasser der Disputatio inter Clericum et Militem (hier allerdings im Zusammenhang mit dem päpstlichen Anspruch auf das Christusvikariat) darauf hinwiesen, dass mit der göttlichen Stellvertretung nicht nur Herrschaftsrechte verliehen werden, dass nicht nur der triumphierende Christus als Herrscher, sondern auch der demütige und barmherzige Christus als Diener verkörpert werde1062. Diese Entwicklung, zusammen mit der Vorstellung vom König als Stellvertreter Gottes qua Amt1063, konnte dem Herrscher letztlich eine geheiligte und sak1061

Vgl. etwa die Traktate von Tholomäus von Lucca, Wilhelm von Cremona, Cusanus und Antonio Roselli, in denen der Herrscher (mitunter neben dem Gottesvikariat auch) als vicarius Christi bezeichnet wurde. Auch Kaiser Ludwig der Bayer, in dessen Umfeld es nicht an legistischen Gelehrten mangelte, stilisierte sich in einer Urkunde für das Kloster Langheim nicht etwa als Stellvertreter Gottes, sondern als vicarius Christi. Vgl. ERKENS, Sol Iusticie, S. 817 f. Auch Kaiser Karl IV. sieht den weltlichen Herrscher in der Vita Caroli Quarti nicht als Stellvertreter Gottvaters, sondern als vicarius Christi. Vgl. Vita Caroli Quarti, ed. HILLENBRAND, c. 2, S. 74: Si igitur vultis [diejenigen, die nach Karl herrschen] effici filii dei, mandata patris vestri servate, que anunciavit vobis per filium suum, dominum nostrum Jesum Christum, regem celestem, cuius typum et vices geritis in terris. Ein weiteres Beispiele für die Verwendung der Bezeichnung vicarius Christi im späten Mittelalter wäre etwa Ludwig Strasold, Dialogus de regia ac papali potestate (1434): Inclite Auguste Christum regem tuum cuius vicem geris in terris. Vgl. dazu ECKERMANN S. 18. 1062 Disputatio inter Clericum et militem, ed. Dyson, Three Royalist tracts, S. 16: Petrus autem constitutus est Christi vicarius pro statu humilitatis, non pro statu gloriae sive potestatis et maiestatis. Non enim factus est vicarius ad ea quae modo agit Christus in gloria, quia nobis illa ignota sunt, sed ad ea imitanda quae Christus egit in terra, quia nobis illa necessasria sunt. Vgl. KÖLMEL, Regimen, S. 477. 1063 Vgl. SCHAEDE S. 40 ff., der hervorhebt, dass im Mittelalter „die Rede vom König als vicarius Christi [...] personal gefüllt oder amtsbetont distanziert“ sein kann. Vgl. dazu schon die Schriften des Ambrosiaster und Johannes von Salisbury; Jacques de Cessoles, Liber de moribus hominum et officiis nobilum, ed. Vetter, II, i, 236a: Cum enim ratione officii deo quadammodo sit similes, ipse autem deus sit ipsa veritas in se.

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rosankte Stellung verleihen, die unabhängig von seiner Tugendhaftigkeit und der Qualität seiner Herrschaftsausübung war. In letzter Konsequenz galt damit auch der tyrannische Herrscher als Abbild Gottes, gegen das kein Widerstand geleistet werden durfte, was Anton G. Weiler gar dazu veranlasste, in der mittelalterlichen Vorstellung vom Herrscher als deus in terris die Wurzel des modernen Totalitarismus zu erblicken1064. Aber: Das paränetische Moment des Gottesvikariats, die ethische Gottesebenbildlichkeit des Königs, war nicht gänzlich aus dem Blick der spätmittelalterlichen Gelehrten geraten, wie etwa die Schriften der französischen Fürstenspiegler des 13. Jahrhunderts, sowie die Traktate von Tholomäus von Lucca, John Wyclif und Nikolaus von Kues gezeigt haben. Die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit wurden überwiegend mit Methoden der traditionellen, hermeneutisch basierten Ideengeschichte gewonnen, wenngleich auch versucht wurde, die beiden Ideen von der Einsetzung des Herrschers durch Gott und seiner Stellung als Abbild und Stellvertreter Gottes in ihrem diskursiven Gebrauch zu beleuchten. Für eine umfassende Diskursanalyse jedoch ist das zugrunde gelegte Quellenmaterial – nicht zuletzt aufgrund der Beschränkung auf theoretisches Schrifttum – nicht ausreichend. Insofern bleibt abzuwarten, inwieweit etwa ein Forschungsvorhaben wie das laufende Leibniz-Projekt "Politische Sprachen im Mittelalter", die Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung bestätigen, modifizieren oder verwerfen wird, indem es seinerseits die Erkenntnisse der politischen Ideengeschichte um eine diskursgeschichtliche Perspektive erweitern, und (neben einer umfassenden soziopolitischen Kontextualisierung) mit Hilfe von computerbasierten quantifizierenden corpuslinguistischen Verfahren die hermeneutische Forschungstradition überprüfen will, wobei auch die Diversifizierung und der Bedeutungswandel politischer Leitvokabeln im Verlauf des späten Mittelalters verfolgt werden soll1065.

1064 1065

Vgl. WEILER. Vgl. Anm. 130, insbesondere das von Ulrich Meier geleitete Teilprojekt "Regimen" (Projektseite, Stand: 31.1.2010: http://web.uni-frankfurt.de/fb08/HS/jussen/semantik/teilprojekte2.html)

V. Ausblick

Das breite Spektrum an Bedeutungen, das den beiden in dieser Arbeit untersuchten Ideen im Verlauf des späten Mittelalters erwachsen war, ermöglichte es ihnen, auch in den folgenden Jahrhunderten fester Bestandteil des politisch-herrschaftstheoretischen Diskurses zu bleiben. Der folgende Ausblick soll zeigen, dass bis ins 20. Jahrhundert hinein von den Gelehrten die Frage diskutiert wurde, inwieweit der weltliche Herrscher seine Gewalt von Gott empfange und als Abbild und Stellvertreter Gottes zu verstehen sei, ohne dass dabei – so sei als Hypothese formuliert – wesentlich neue Akzente gesetzt wurden. Am 29. Juni 1881 erließ Papst Leo XIII. die Enzyklika Diuturnum illud, ein „Rundschreiben über die höchste Würde im Bereich des Staatswesens“1066. Darin wandte er sich gegen die Lehre der liberalistischen Volkssouveränität, nach der alle staatliche Gewalt vom Volke ausgehe. Diese Lehre habe bereits in den Tagen der Reformation während des 16. Jahrhunderts die Menschen verwirrt und greife seit der Aufklärung des 18. Jahrhunderts in weiten Teilen Europas um sich. „Dass also jene, die die Gewalt im Staate ausüben, dies nur tun im Auftrage des Volkes, und deshalb ebensowohl auch vom Volke ihnen dieselbe wieder genommen werden könne! Im entschiedenen Widerspruch gegen diese Ansicht leiten die katholischen Christen das Herrscherrecht von Gott ab als seinem ebenso natürlichen wie notwendigen Urquell.“ 1067

Die Ablehnung der liberalistischen Volkssouveränität durch das Oberhaupt der katholischen Kirche überraschte damals kaum jemanden. Dass Diuturnum illud dennoch unter den katholischen Gelehrten bis ins 20. Jahrhundert hinein eine heftige Kontroverse auslöste – in Deutschland insbesondere in den frühen Jahren der Weimarer Republik, deren Verfassung sich bekanntlich in Artikel 1 zur Volkssouveränität bekannte –, lag an den Worten, die auf das obige Zitat folgten: „Indessen ist auch hier wieder zu beachten, dass es mit der katholischen Lehre nicht im Widerspruch steht, wenn man sagt, dass diejenigen, welche einem Staatswesen vorzustehen haben, in gewissen Fällen nach dem Wunsche und Willen der Majorität des Volkes gewählt werden können; auf diese Weise wird nun allerdings der Betreffende 1066 1067

Deutsche Übersetzung mit kirchlicher Druckerlaubnis bei ULITZKA S. 151-162. ULITZKA S. 153.

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bezeichnet, der die Gewalt ausüben soll, das Recht dazu aber oder die Herrschaft selbst “1068 wird an diesen nicht vom Volke übertragen.

Nach Ansicht einiger Gelehrter habe der Papst mit diesen Worten nicht nur die liberalistische Volkssouveränität im Sinne Rousseaus, sondern auch die sogenannte scholastische Volkssouveränität abgelehnt, also eine Lehre, die seit dem frühen 16. Jahrhundert – in den Augen Peter Tischleders gar seit Thomas von Aquin – als herrschende Lehre der katholischen Kirche angesehen wurde. Die Worte Leos XIII. bedeuteten für den katholischen Theologen und Kirchenhistoriker Heinrich Schrörs letztlich eine Rückkehr zur Lehre der „früheren Scholastik“ (worunter er die Zeit des ausgehenden Mittelalters vor Bellarmin und Suarez verstand1069), die in der Wahl des Herrschers durch das Volk lediglich eine designatio personae sah, an die die staatliche Gewalt unmittelbar von Gott übertragen werde, „ähnlich wie im Kirchenrechte rücksichtlich der Papst- und Bischofswahlen“1070. Papst Leo XIII. vertrat also nach Ansicht von Schrörs eine Position, wie wir sie schon in der Glosse des Laurentius Hispanus Anfang des 13. Jahrhunderts kennengelernt haben. Freilich war, dessen war sich auch Heinrich Schrörs bewusst, das Spektrum der Ansichten jener „früheren Scholastiker“ über die mittelbare oder unmittelbare göttliche Einrichtung der weltlichen Gewalt im ausgehenden Mittelalter ebenso breit wie uneinheitlich, eine Einschätzung, die die hier vorliegende Untersuchung bestätigt hat. Die Idee des Konziliarismus hatte mit dem Scheitern von Basel zweifellos einen schweren Schlag erlitten, sie verschwand jedoch nicht auf Dauer aus der theoretischen Diskussion. Die Frage, ob der Papst seine Gewalt immediate a deo oder mediante ecclesia erhalte, war Gegenstand einer großen Disputation an der Pariser Sorbonne im März 1512, in welcher der Theologieprofessor Jacques Almain leidenschaftlich für die konziliaristische Position eintrat und dies noch im selben Jahr auch in seinem Werk De auctoritate ecclesiae et conciliorum schriftlich zum Ausdruck brachte1071. Die Grundlage seiner Position zeigt sich gleich im ersten Kapitel, „in welchem über den Ursprung der weltlichen Gewalt gehandelt wird, auf dass die kirchliche Gewalt auf vergleichbare Weise erläutert und so die Autorität der Kirche über den Papst aus 1068

Ebd. SCHRÖRS, Katholische Staatsauffassung, S. 22. vgl. TISCHLEDER, Ursprung, S. 221. 1070 SCHRÖRS, Beamtentum, S. 359. 1071 Thomas Caietan, De auctoritate ecclesiae et conciliorum generalium adversus Thomam de Vio, in: Johannes Gerson, Opera omnia Bd. 2, ed. L. Ellies Du Pin, Antwerpen 1706 [ND Hildesheim 1987], Sp. 976-1012. Eine ähnliche Position nahm auch der in Paris lehrende schottische Theologe Johannes Maior († 1550) ein, vgl. REIBSTEIN, Volkssouveränität Bd. 1, S. 89 ff.; OAKLEY, Constance. 1069

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dem Naturrecht abgeleitet werde.“ 1072 Unter ausdrücklicher Berufung auf Durandus de S. Porciano erklärt Almain: „Wir dürfen nicht annehmen, dass die Autorität eines weltlichen Königs in der Weise von Gott kommt, als hätte Gott sie direkt an jemanden übertragen, sondern dass sie an jemanden übertragen wird gemäß der rechten Vernunft, die Gott den Menschen gegeben hat. Und solange die weltliche Gewalt nicht direkt von Gott übertragen wird, ist es offensichtlich, dass sie dem Fürsten durch das Gemeinwesen übertragen wird. [...] Die ganze Gemeinschaft hat aber die Macht über einen Fürsten, den sie selbst eingesetzt hat, was bedeutet, dass sie ihn absetzen kann, wenn dieser nicht zum Wohle sondern zum Schaden der Gemeinschaft regiert. [...] Und obwohl einige [Könige Israels] ihre Gewalt über das Volk unmittelbar von Gott erhalten haben, wie im Fall Sauls oder Davids anzunehmen ist, so waren sie doch stets der Gemeinschaft unterworfen, wenn sie mit 1073 ihrer Regierung der Gemeinschaft geschadet haben.“

Analog dazu habe auch der Papst seine Gewalt a deo mediante ecclesia. Der Dominikanertheologe Thomas Cajetan wandte sich in seiner Auseinandersetzung mit Almain gegen diese in seinen Augen unzulässige Gleichsetzung von Natur- und Gnadenordnung, die er als Herabwürdigung des übernatürlichen Charakters der Kirche empfand 1074 . Wie Domenico de Domenichi wies auch er die Auffassung einer bloß mittelbar göttlichen Gewaltübertragung an den Papst zurück, erkannte aber zugleich im weltlichen Bereich die Übertragung der Gewalt an den Herrscher a deo mediante populo ausdrücklich an. „Es wird der Einwand erhoben, [...] der Papst sei in ebendem Sinne unmittelbarer Stellvertreter Christi, wie bei dem Apostel die Könige Diener Gottes heißen zur Bestrafung der Übeltäter, was sie doch nur durch die Vermittlung des Volkes werden. [...] Was die vergleichsweise Heranziehung der Könige anlangt, so ist darauf zu erwidern: Diese heißen nicht die nächsten und unmittelbaren Diener Gottes, sondern sie sind Diener Gottes zweifelsohne nur insoweit und deshalb, weil sie die Stelle des Volkes

1072

Thomas Caietan, De auctoritate ecclesiae et conciliorum generalium adversus Thomam de Vio, Sp. 977. Vgl. BURNS/IZBICKI S. 135. 1073 Thomas Caietan, De auctoritate ecclesiae et conciliorum generalium adversus Thomam de Vio, Sp. 978: Non est intelligendum, quod authoriats Regis secularis sit a Deo sic, quod eam immediate alicui commiserit regulariter, sed quia secundum rectam rationem quam Deus hominibus indidit, est alicui commissa. Et non videtur (cum non sit a Deo immediate commissa) q quo sit Principi collata, nisi ab ipsa Communitate. [...] Tota Communitas Potestatem habet super Principem ab ea constitutum, qua eum (si non in aedificationem, sed in destructionem Politiae regat) deponere potest [...]. Et quamvis super aliquem populum a Deo acceperint aliqui Jurisdictionem civilem immediate, ut videtur probabile de Saule et Davide, nihilominus semper toti Communitati fuerunt subjecti, casu quo in destructionem Communitatis regerent. Vgl. BURNS/IZBICKI S. 136. 1074 IZBICKI; OAKLEY, Conciliarist Tradition.

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vertreten. Ganz anders aber verhält es sich beim Papst, der nicht die Stelle des Volkes, 1075 sondern die Stelle Jesu Christi vertritt.“

Ganz gleich, ob der König als Person nun vom Volke gewählt (wie Saul) oder von Gott unmittelbar bestimmt werde (wie David), „... in beiden Fällen übt er des Volkes Gewalt aus und heißt mit Recht des Volkes und nicht Gottes unmittelbarer Stellvertreter, einerlei, ob er auf diese oder jene Weise König geworden ist. [...] Der Grund der Verschiedenheit [bezüglich der Gewaltübertragung] bei Papst und König liegt darin, dass die königliche Gewalt auf Grund des Naturrechts zunächst in der Hand des Volkes liegt und erst vom Volk auf den König übergeht; die päpstliche Gewalt dagegen ist ihrem Wesen nach übernatürlich und ist nach göttlichem Recht sofort und zunächst in der Hand einer Einzelperson, nicht bei der Gemeinschaft, 1076 gemäß der Anordnung Christi....“

Diese Lehre der sogenannten scholastischen Volkssouveränität wurde in der Folgezeit insbesondere von den spanischen Thomisten aufgegriffen und weiter ausgestaltet1077, der Jesuitengeneral Jakob Laynez machte sie zur Grundlage seiner Erklärung, die er am 20. Oktober 1562 in der Vollversammlung des Tridentiner Konzils über die bischöfliche Gewalt abgab1078. Die Kernaussagen der scholastischen Volkssouveränitätslehre sind: a) Die weltliche Gewalt an sich hat ihren Ursprung ausschließlich in Gott. b) Gott hat im Menschen den natürlichen Trieb zur Staatenbildung grundgelegt. c) Das staatlich organisierte Volk ist der naturrechtliche Träger der von Gott stammenden Staatsgewalt, die es an einen Regenten überträgt (a deo mediante 1075

Thomas Caietanus, Apologia de comparata auctoritate papae et concilii, c. 9, § 5 (558 ff.), S. 244 f.: Obicitur [...] quod Papa est immediatus vicarius Christi, sicut apud Apostolum reges sunt ministri Dei in vindictam malefactorum, qui tamen mediante populo fiunt. [...] Ad id vero quod additur de simili in regibus, dicitur quod non dicuntur proximi et immediati ministri Dei, sed vices multitudinis gerendo Dei ministri procul dubio sunt. Longe autem aliter est de Papa, qui non gerit vices multitudinis, sed Jesu Christi. Vgl. TISCHLEDER, Ursprung, S. 114 f. 1076 Thomas Caietanus, Apologia de comparata auctoritate papae et concilii, c. 9, § 5 (563 ff), S. 245 f. ... quod rex, tam creatus a populo quam datus a Deo, populum et eius potestatem repraesentat. [...] puta rex, cum est a Deo, perinde est ac si esset a populo, et propterea eius potestatem utroque modo factus repraesentat et exercet, illiusque vices gerere dicitur et non Dei immediate. [...] Et ratio diversitatis in rege et Papa est, quia potestas regia naturali iure est in populo primo, et ex populo derivatur ad regem; potestas autem papalis supra naturam est, et divino iure in persona unica, non in communitate primo est, statuente Christo Joan. X. Vgl. TISCHLEDER, Ursprung, S. 114 f. 1077 Vgl. die Darstellung der Lehre von Cajetan († 1534) bis Kardinal Manning († 1892) bei TISCHLEDER, Ursprung, S. 113-200. 1078 Vgl. REIBSTEIN, Althusius, S. 92 ff.

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populo), wobei die Formulierungen einiger Gelehrter (Bellarmin 1079 , Contzen1080, Molina1081) dahingehend interpretierbar sind, dass die Übertragung der Gewalt vom Volk an den Herrscher mit Naturnotwendigkeit geschehe, also keine Handlung des freien Willens der Gesamtheit darstelle. In jedem Fall aber galt die Entscheidung über die Verfassung des Gemeinwesens und die Auswahl der Person (Personen), die die Gewalt ausübt (ausüben), als dem Willen des Volkes unterworfen. d) Der König erhält seine Gewalt a deo mediante populo, der Papst hingegen immediate a deo. Die Parallelisierung von weltlichem und geistlichem Bereich hinsichtlich der Mitwirkung des Volkes an der Gewaltübertragung an den König bzw. Papst wurde entschieden zurückgewiesen. Während das Kirchenvolk mittels der Kardinäle lediglich eine designatio personae vornehme, übertrage der populus im weltlichen Bereich als naturrechtlicher Inhaber der Herrschaftsgewalt diese auf einen Regenten. Die Übertragung der Herrschergewalt a deo mediante populo war auch für die sog. Politica Christiana kennzeichnend, jene im Zeitalter der Reformation und Gegenreformation vorherrschende Konzeption, „die die politische Herrschaft, ihre Funktionen, Pflichten und Rechte als Teil der christlichen Schöpfungsund Heilsordnung verstand und behandelte“1082. Die Bestimmung des Verhältnisses von göttlichem und menschlichem Wirken bei der Konstituierung weltlicher Herrschaft erschöpfte sich dabei keineswegs immer darin, das Königtum bzw. die Gewalt an sich auf Gott, den König als Person aber auf das Volk zurückzuführen. Der calvinistische Monarchomach Stephanus Iunius Brutus etwa, hinter dem sich vermutlich die beiden französischen Diplomaten und Gelehrten Hubert Languet und Philippe Duplessis-Mornay verbargen, lieferte in seiner Schrift Vindiciae contra tyrannos (1579) eine eigenwillige, der scholastischen Volkssouveränitätslehre im Grunde entgegengesetzte Interpretation für die gemeinsame Begründung der königlichen Gewalt durch Gott und Volk. „Oben haben wir gezeigt, dass Gott die Könige einsetzt, ihnen die Reiche gibt und die Könige erwählt. Nunmehr behaupten wir, dass das Volk die Könige bestimmt, ihnen die Herrschaft überträgt und die Wahl durch seine Abstimmung bestätigt. Gott wollte das so eingerichtet wissen, dass die Könige Macht und Gewalt, wie groß diese auch sein mögen, nächst ihm vom Volk erhalte. [...] Einige Jahrhunderte bevor das Volk Israel Gott um einen König bat, hat Gott das Gesetz ihres Reiches festgelegt, wie es im 5. 1079

Zu Bellarmin vgl. ARNOLD bes. S. 181-228. Zu Contzen vgl. SEILS, bes. S. 47-81. 1081 Zu Molina vgl. KLEINHAPPL, bes. S. 16 ff., 47-52, 82-91. 1082 DREITZEL S. 484. 1080

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Buch Moses, im 17. Kapitel steht: ‚Wenn du in das Land kommst, das der Herr, dein Gott, dir zum Besitz gegeben hat, und wohnst darin, spricht Moses, und du erklärst dann, ich möchte einen König über mich gesetzt sehen, wie alle Völker um mich her ihn haben, dann sollst du den zum König einsetzen, den der Herr aus der Mitte deiner Brüder erwählt.„ Hieraus ersiehst du, dass die Wahl des Königs Gott zukommt, seine Einsetzung dem Volk.“ 1083

Als Samuel den Wunsch des israelischen Volkes nach einem König vor Gott brachte, so heißt es weiter, „eröffnete ihm dieser, er habe Saul dazu erwählt, das Volk zu regieren. [...] Aber dies würde recht als Zufall erscheinen, wenn Samuel nur den von Gott Erwählten als König vor das Volk geführt und dieses ermahnt hätte, ihm zu gehorchen. Damit auch der König wüsste, dass er vom Volk eingesetzt sei, setzte Samuel eine Wahl in Mizba fest. Wie wenn die Sache noch völlig offen und unentschieden wäre, wie wenn, sage ich, die Wahl Sauls noch nicht feststände, bestimmte hier nun das Los [...] eben den, welchen Gott erwählt hatte. [...] Und wie steht es mit David? Noch offensichtlich hat Samuel, nachdem Saul verworfen war, zunächst auf Geheiß Gottes David, welchen Gott erwählt hatte, zum König von Israel gesalbt. [...] War David aber deshalb schon König? Keineswegs [...]. Nicht eher wurde er König, als bis er nach dem Tode Sauls mit Zustimmung des ganzen Volkes Juda zum König von Juda [...] gesalbt wurde. Demnach wurde er zweimal gesalbt, zuerst vom Propheten auf Geheiß Gottes zum Zeichen seiner Wahl, dann auf Befehl des Volkes, wodurch er zum König eingesetzt war. Deshalb sollen die Könige immer daran denken, dass sie zwar von Gott aber durch das Volk und wegen des Volkes die Herrschaft innehaben.“ 1084

1083

Stephanus Iunius Brutus, Vindiciae contra tyrannos, o. O. 1580, S. 70 f.: Ostendimus antea, Deum Reges instituere, Regna Regibus dare, Reges eligere. Dicimus iam, populum reges constituere, regna tradere, electionem suo suffragio comprobare. Quod quidem ita fieri voluit Deus, ut quantamcunque authoritatem et potestatem haberent, populo, secundum ipsum, acceptam ferrent. [...] Aliquot ante seculis, quam populus Israeliticus regem a Deo peteret, Deus legem regni sanxerat, quae extat Deuteronomii XVII. Cum perveneris in terram, quam Dominus Deus tibi possidendam dedit, in eaque habitaveris, ait Moses, tu dices, constitutam regem super me, ut caeterae gentes, quae sunt in circuitu tum vero eum regem constitutes, quem Dominus tuus elegerit e medio fratrum tuorum etc. Hic vides electionem regis tribui Deo, constitutionem populo. 1084 Ebd. S. 72 f.: Consulenti Samueli retegit Deus, se Saulem elegisse, qui populum regeret. [...] Ac satis forte fuisse videretur, si Samuel electum a Deo regem populo adduxisset, et ei parendum esse, monuisset. Nihilominus tamen quo se rex a populo constitutum sciat, Samuel indicit comitia in Maspha, ibique quasi re adhuc plane integra et infecta, quasi, inquam, nondum constaret Saulis electio, sors iacitur [...] eum ipsum, quem Deus elegerat, seligit. [...] Quid vero David? Evidentius adhuc, Saule reprobato, Samuel Dei iussu Davidem, quem Deus elegerat, in regem Israel ungit [...]. Regnante vero David propterea? [...] Nec prius rex existit, quam mortuo Saule, universi populi Iehudae suffragiis, rex Iudae [...] ungatur. Itaque bis ungitur, primum a propheta, Dei iussu in electionis signum, deinde, iussu populi, dum rex constituitur. Quo semper recordentur reges, se a Deo quidem, sed per populum, et propter populum regnare.

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Für Brutus haben die Verhältnisse des Alten Testaments gleichsam Vorbildcharakter für die eigene Gegenwart, so dass ihm zufolge auch zu seiner Zeit die Person des Herrschers von Gott bestimmt wird1085, und er letztlich auch seine Herrschergewalt von Gott erhält, dass es aber stets einer zeremoniellen Einsetzung durch das Volk bedürfe. Obwohl das Volk weder die Person des Herrschers bestimme noch diesem die Gewalt übertrage, habe Gott einen vom Volk geleiteten Einsetzungsakt vorgeschrieben, um dem König seine Verpflichtung gegenüber dem Volk augenscheinlich werden zu lassen. Brutus leitete aus der Rolle des Volkes letztlich ein Recht auf Widerstand gegen einen Herrscher ab, der zum Tyrannen geworden war und damit den Vertrag gebrochen hatte, den er mit dem Volk eingegangen war1086. Gegen Brutus und andere Monarchomachen polemisierte der schottische Legist William Barclay in seiner Schrift De regno et regali potestate (1600), in der er ein absolutistisches Verständnis der Königsherrschaft entwickelte. Dabei griff er auf das von Brutus beschriebene Verhältnis von göttlichem und menschlichem Wirken bei der Konstituierung königlicher Herrschaft zurück und übernahm bereitwillig dessen Auffassung, dass die Person des Herrschers durch Gott ausgewählt1087 und unter Mitwirkung des Volkes zum König erhoben werde, sah jedoch den König mit einer unmittelbar göttlichen Autorität ausgestattet, die den Monarchen unantastbar über das Volk erhebe1088. Der König habe seine Gewalt von Gott, daher könne das Volk sie ihm nicht nehmen. Das Volk fungiere lediglich als Werkzeug Gottes, als causa secunda, durch die Gott die Dinge seiner Schöpfung ordne, wobei Barclay allerdings beim Thema der Konkurslehre, also der Frage nach der mittelbaren oder unmittelbaren Mitwirkung Gottes an den geschöpflichen Handlungen, keine präzise Stellung bezieht. Vertreter des sogenannten theokratischen Absolutismus wie Barclay wandten 1085

Für Brutus steht hinter jedem irdischen Einsetzungsverfahren allein der Wille Gottes. Seine Ausführungen erinnern an Bartolus, De regimine civitatis, wonach in Abwandlung des Bibelwortes Prov 21, 1 Gott die Herzen der Wähler lenke (vgl. S. 216). Stephanus Iunius Brutus, Vindiciae contra tyrannos S. 17 f.: [Reges] sunt tamen eius vasalli et ab eo uno potentiam suam acceperunt seu forte, seu alia quavis forma eligantur. Si suffragio: Deus regit corda hominum et dirigit quo ipse vult. Si vel forte: sors coniicitur in finum, inquit Salomon,, et iudicium eius a Domino. („Wenn sie [die Könige] durch Wahl ins Amt gekommen sind, dann lenkt Gott die Herzen der Menschen und bestimmt sie in dem Sinne, wie er selbst will; wenn durch das Los, dann wird dies irgendeinem in den Schoß geworfen, wie Salomo sagt, aber seine Entscheidung kommt vom Herrn.“) 1086 Die Lehre vom doppelten Vertrag zwischen Gott und König/Volk sowie zwischen König und Volk war ein wesentliches Kennzeichen fast aller monarchomachischen Traktate. 1087 In seiner Schrift De potestate pape 1609 gesteht er allerdings zu, dass die Wahl der Person durch das Volk geschähe. Vgl. CARLYLE /CARLYLE vol. 6, S. 450. 1088 Vgl. REIBSTEIN, Althusius, S. 183 ff.

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sich mithin gegen die Vorstellung von einer Verleihung der Gewalt an den Herrscher a deo mediante populo und die daraus erwachsende Bindung des Monarchen an den Willen des Volkes1089. Sie propagierten die gottunmittelbare Übertragung der herrscherlichen Gewalt an den König und sahen mitunter gar den König als Person von Gott direkt bestimmt1090. Neben Barclays De regno et regali potestate zählen der Traktat The trew law of free monarchies (1598) aus der Feder des späteren englischen Königs James I.1091 und die Politique Tirée des Propres Paroles de l’ Ecriture Sainte (1677) von Jacques-Bénigne Bossuet1092, dem Hofprediger des französischen Königs Ludwig XIV., wohl zu den grundlegenden Werken des theokratischen Absolutismus. Auch im Reich kursierten – wenn auch nur vereinzelt – Schriften mit vergleichbaren Positionen, in denen mitunter auch die parallele Ausgestaltung von päpstlicher und kaiserlicher Gottunmittelbarkeit wieder aufgegriffen wurde1093. Insgesamt dominierte im Reich des 16. und 17. Jahrhunderts jedoch jene Richtung der Politica Christiana, die für eine antiabsolutistische monarchia limitata auf Grundlage der königlichen Gewalt a deo mediante populo eintrat1094. Gegen die Lehre der königlichen Gottunmittelbarkeit wurde innerhalb des herrschaftstheoretischen Diskurses zum Teil heftig polemisiert. Der Kopenhagener Hofprediger Hector Gottfried Masius versuchte 1688 den dänischen König davon zu überzeugen, dass nur die lutheranische Orthodoxie die Herrschaft eines Fürsten sichern könne, während die Reformierten mit ihrer monarchomachischen Lehre das Gemeinwesen in 1089

Vgl. die Position des Leipziger Theologen Valentin Alberti (gest. 1697), der die Gottunmittelbarkeit der königlichen Gewalt hervorhebt, während die Person des Königs „mediante seu intercedente populi suffragio“ geschähe, wobei das Volk als causa secunda fungiere. Eine Abhängigkeit des Herrschers vom Volkswillen sei daraus jedoch nicht abzuleiten. Vgl. DREITZEL S. 504 f. Dabei haben die Vertreter der scholastischen Volkssouveränität oft diese Abhängigkeit ebenfalls zurückgewiesen (vgl. schon Ockham) oder zumindest stark eingeschränkt und letztlich nur im Falle der Tyrannei ein Widerstandsrecht erlaubt (vgl. Vitoria). Ihre Position war diesbezüglich also weit weniger radikal, als dies die Polemik der Absolutisten glauben machen wollte. Die Absolutisten entwarfen jedoch das Schreckgespenst der Pöbelherrschaft, sofern man eine andere Position als die der Gottunmittelbarkeit vertrat. 1090 In diesem Punkt ergaben sich bereits im Mittelalter Berührungspunkte mit der theologischen Konkurslehre, die sich die Frage nach der Mitwirkung Gottes an den geschöpflichen Handlungen stellte und damit letztlich auf das weite und komplizierte Feld von Freiheit und Determination des menschlichen Willens durch Gott gelangte; eine Debatte, die in der Reformation erneut auflebte. 1091 Ed. SOMMERVILLE S. 62-84. 1092 Jacques-Bénigne Bossuet, Politique Tirée des Propres Paroles de l‟ Ecriture Sainte, ed. Le Brun (= Les classiques de la pensée politique 4). 1093 Vgl. DREITZEL S. 499 ff. 1094 Vgl. DREITZEL S. 523.

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Aufruhr versetzen würden. Die Kernaussagen seiner Ausführungen waren, dass der König als Stellvertreter Gottes seine Gewalt unmittelbar von Gott erhalte1095. Das Volk hingegen bestimme allenfalls die Person des Herrschers – sofern dieser nicht ohnehin seinen Thron auf erbrechtlichem Wege besteige –, weshalb dem Volk keinerlei Recht auf Widerstand zukomme, auch nicht gegen einen Tyrannen. Seinen Gegnern – in erster Linie dem Theologen Johann Christoph Becmann und dem Rechtsprofessor Christian Thomasius – warf er vor, sie würden mit ihrer Kritik an der Lehre der königlichen Gottunmittelbarkeit die fürstliche Majestät beleidigen, und es gelang ihm, den dänischen König zu einem Protestschreiben an den sächsischen Kurfürsten (der Thomasius protegierte) zu bewegen, in dem Thomasius vorgehalten wurde, er habe sich in „vermessentlicher Weise unterstanden [...] von der Majestät und gewalt, so alle Potentaten und Prinzen immediate von Gott haben, gantz verkleinerlich zu schreiben.“1096 In einem Brief an den gescholtenen Thomasius drückte Samuel Pufendorf seine Verwunderung über den Tadel aus, den die Kritik des Leipziger Rechtsphilosophen an der Lehre der königlichen Gottunmittelbarkeit ausgelöst habe, „denn kein potentat von der welt glaubet sie selbst; und weis ja der könig von Dennemark wohl, auf was weiße könig Fridrich 3. Shl. zu der souverainité gelanget.“1097 Thomasius trat wie Pufendorf für eine naturrechtliche Herrschaftsbegründung ein1098. Gott war ihm der Schöpfer des Naturgesetzes, wonach die Menschen zu einem staatlichen Leben angehalten waren. Insofern komme die königliche Gewalt (die Majestät) ursprünglich zwar von Gott, die unmittelbare Ursache aber seien die menschlichen Zwischeninstanzen, die notwendigerweise zwischen Gott und dem König vorhanden seien1099. Der von Masius ebenfalls angegriffene reformierte Theologe Becmann reagierte auf die Vorwürfe bezeichnenderweise mit dem Hinweis, dass nicht nur die Lehre Luthers, sondern auch der Calvinismus sehr wohl die Gottunmittelbarkeit der weltlichen Obrigkeit vertrete. Dennoch räumte Becmann in seinen Meditationes Politicae der immediate a deo Vorstellung keinen Platz ein sondern erklärte, die Errichtung der weltlichen Gewalten gehe auf menschliches Handeln zurück, das von Gott gebilligt und im Nachhinein approbiert wurde. 1095

Vgl. GRUNERT, Gottfried Masius, S. 127 ff. Zitiert nach GRUNERT, Gottfried Masius, S. 146. 1097 Ebd. S. 139. Die dänische Lex regia von 1665, die den Absolutismus in Dänemark unter König Friedrich III. begründete, formulierte in der Tat die königlichen Herrschaftsrechte nicht als eine unmittelbar von Gott kommende Gewalt, sondern als eine freiwillige Übertragung der Souveränität an den König durch die Stände. Vgl. ebd. S. 129. 1098 Vgl. GRUNERT, Kritik, S. 73. 1099 Vgl. GRUNERT, Kritik, S. 71. 1096

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Seit der Aufklärung des frühen 18. Jahrhunderts dürfte der Chor derer, die in das Urteil des Naturrechtsphilosophen Nicolaus Hieronymus Gundling († 1729) einstimmten, wonach nur ein „Narre“ das imperium „immediate a deo deduciren will“ 1100 , noch gewachsen sein. Im 19. Jahrhundert erlebte die Politica Christiana jedoch eine gewisse Renaissance, und auch die These von der Gottunmittelbarkeit königlicher (staatlicher) Gewalt wurde innerhalb des herrschaftstheoretischen Diskurses wieder selbstbewusster vertreten1101. Dies dürfte nicht unerheblich durch die negativen Begleiterscheinungen der Revolutionen von 1789, 1831, und 1848 gefördert worden sein. Die Furcht vor der „Volksjustiz mit Metzgermessern“ und „der Volksmajestät mit Laternenpfählen“ 1102, das generelle Misstrauen gegenüber einer politischen Verantwortung des Volkes führte zu einer Ablehnung nicht nur der liberalistischen Volkssouveränitätslehre, sondern auch zur Zurückweisung einer Gewaltübertragung a deo mediante populo, sofern damit der Herrscher an den Willen des Volkes gebunden erschien. Noch 1924 lehnte Otto Schilling die scholastische Lehre der Volkssouveränität mit der Begründung ab, dass damit „das Recht des Herrschers [...] auf eine schwache und schwankende Grundlage gestellt (werde); es darf nur im Volke das Bewusstsein geweckt werden, dass es der natürliche und ursprüngliche Träger der Gewalt sei, alsdann werden die gefährlichen Konsequenzen bald gezogen sein.“1103 Der katholische Moraltheologe und Naturrechtsphilosoph Viktor Cathrein (†1931) führte jede staatliche Obrigkeit unmittelbar auf Gott zurück, versicherte aber zugleich, dass „kein Besonnener behauptet, Gott bezeichnet allgemein unmittelbar die Träger der Staatsgewalt; nur die Staatsgewalt selbst kommt unmittelbar von ihm.“1104 In seiner epochalen „Moralphilosophie“1105 wie auch in einer Spezialstudie1106 unterzog Cathrein die christliche Staatslehre einer ausführlichen Untersuchung und wandte sich dabei nicht nur gegen die liberalistische 1100

Vgl. GRUNERT, Gottfried Masius, S. 122. Christian Maaßlieb erklärte 1830, dass „der König nicht durch Menschen hingestellt wird, sondern als von Gott selbst Erwählter erscheint [...] wie beim König David, wenn ihn das Loos zum Herrscher bestimmte.“ (zitiert nach DREITZEL S. 524). 1102 Vgl. DREITZEL S. 522. 1103 SCHILLING, Volkssouveränität, S. 191. 1104 CATHREIN, Moralphilosophie, S. 491. Damit wandte sich Cathrein gegen den Vorwurf einiger Gelehrter (wie Bluntschli), dass diejenigen, die die Gottunmittelbarkeit der Herrschergewalt behaupteten, die Monarchen zu „Halbgötter für die Erde“ machen wollten. Die Auseinandersetzung Cathreins mit seinen Kritikern zeigt, wie wenig bzw. unterschiedlich die z. T. komplexen begrifflichen Differenzierungen in Staat, Staatsgewalt und Träger der Staatsgewalt in der Forschungsliteratur verstanden wurden bzw. wie sie gezielt zum Zwecke der Polemik missverstanden werden wollten. 1105 CATHREIN, Moralphilosophie. 1106 CATHREIN, Staatsgewalt. 1101

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Volkssouveränitätslehre, sondern auch gegen die „Vertragstheorie der Scholastiker“ (d. h. die scholastische Lehre der Volkssouveränität), die eine Übertragung der Gewalt a deo mediante populo vertraten und kam zu dem Ergebnis: „Die Staatsgewalt kommt aber – wenn wir sie in sich und abgesehen von ihrem Träger betrachten – nicht bloß irgendwie von Gott, wie jedes irdische Recht, sondern sie hat Gott zum unmittelbaren Urheber. Der Schöpfer der Natur verleiht sie unmittelbar aus sich ohne Dazwischenkunft eines menschlichen Willens, allerdings nicht durch übernatürliche Offenbarung, sondern sofern sie sich als notwendige Folgerung aus Verhältnissen ergibt, die er geschaffen hat und von ihm gewollt sind. [...] Das Naturrecht 1107 (verleiht) unmittelbar aus sich die Staatsgewalt dem dazu bezeichneten Träger.“

Mit anderen Worten: Das Volk bestimmt mit seiner Wahl den Träger der Gewalt, die Übertragung der Gewalt hingegen geschieht unmittelbar durch Gott, wenn auch nicht im Sinn eines direkten (geoffenbarten) göttlichen Mandats wie etwa im Alten Testament, „sondern auf dem Wege natürlicher Konsequenz aus Verhältnissen, die wir als von Gott gewollt erkennen.“1108 Hatte Papst Leo XIII. in seiner Enzyklika Diuturnum illud also ähnlich wie Viktor Cathrein die Lehre der scholastischen Volkssouveränität ablehnen wollen? Dies sei angesichts der langen Tradition dieser Lehre innerhalb der katholischen Kirche „mehr als fraglich“ 1109 , meint Peter Tischleder, und verweist in seiner Darstellung der Staatslehre Leos XIII. auf die Korrespondenz des französischen Theologieprofessors Pierre Féret mit der römischen Kurie, in der die Anfrage aus Paris, „ob der Heilige Vater in den betreffenden Worten die scholastische Lehre habe beanstanden wollen“, von einem französischen Kurienkardinal mit den Worten erwidert wurde: „Der Papst hat nicht die ganz und gar unschädlichen Lehrmeinungen der katholischen Gelehrtenwelt, sondern die verderblichen Lehren der Neuerer ins Auge gefasst, welche jedes Band zwischen Himmel und Erde zu zerreißen suchen, und nachweisen wollen, dass der Ursprung der staatlichen Gewalt nicht in Gott, sondern in dem Willkürbeschluss der Menschen zu suchen sei. Diesen ruft er mit Fug und Recht zu: ‚Die Gewalt kommt von Gott„. Darum übergeht er bei seiner tiefen und ausführlichen Erhärtung dieses seines eigentlichen Beweiszieles die zwei Worte ‚unmittelbar, mittelbar„ mit 1110 Stillschweigen“.

Der Papst hatte demnach die Begriffe „mittelbar und unmittelbar göttlich“ im Zusammenhang mit der Frage der Gewaltübertragung bewusst umgangen, um die Stoßkraft seiner Kritik an der liberalistischen Volkssouveränitätslehre 1107

CATHREIN, Moralphilosophie, S. 467 f. Ebd. S. 471. 1109 TISCHLEDER, Staatslehre Leos XIII., S. 216. 1110 Ebd. S. 217. 1108

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nicht in einem seit Jahrhunderte währenden und komplexen herrschaftstheoretischen Diskurs darüber, ob die Gewaltübertagung nun immediate a deo oder a deo mediante populo erfolge, abzuschwächen, was angesichts der mitunter uneinheitlichen Verwendung dieser Begriffe in diesem von Juristen, Theologen und Philosophen geführten Diskurs durchaus verständlich erscheint1111. Die Begriffe „mittelbar“ und „unmittelbar“ waren letztlich immer nur Interpretationen der Gelehrten, da sie in den zentralen Quellen und Autoritäten von Bibel, Patristik, römischem und kanonischem Recht im untersuchten Kontext überhaupt nicht auftauchten. Während die Vertreter der Gottunmittelbarkeit im Mittelalter den Römerbrief 13, 1 ff. als Beweis für ihre Position werteten, interpretierten ihn ihre Gegner aus dem päpstlichen Lager im Sinne des a deo mediante papa. Und noch im 20. Jahrhundert stritten die Gelehrten um die rechte Auslegung der traditionellen Autoritäten, wobei nun nicht mehr eine Auslegung im Sinne des a deo mediante papa zur Disposition stand, sondern darüber diskutiert wurde, ob Paulus mit seinen Worten die Position der Gottunmittelbarkeit oder der scholastischen Volkssouveränität (a deo mediante populo) propagiert habe. Peter Tischleder hielt seinem Kritiker Heinrich Schrörs entgegen: „Den Versuch, den Schrörs unternimmt [zu zeigen], dass Röm. 13, 1 ff. nicht nur die Herkunft der staatlichen Gewalt von Gott als ihren letzten und höchsten Quellgrund, sondern auch ihre unmittelbare Übertragung an den einzelnen Träger als Glaubenssatz dartue, halte ich für nicht gelungen. Denn der Nachweis baut sich lediglich auf dem argumentum e silentio auf. Mit dem selben Recht, mit dem Schrörs sagt: Paulus deutet nirgendwo an, dass er den Satz: Es gibt keine Gewalt außer von Gott... im Sinne einer nur mittelbaren Übertragung verstanden wissen wollte, kann man entgegnen, Paulus deutet auch ebensowenig an, dass er ihn im Sinne unmittelbarer Übertragung gemeint hat. Auch wenn man ‚die Worte in ihrer natürlichen, eigentlichen und zunächstlie-

1111

Vgl. S. 289 f.; vgl. auch REIBSTEIN, Althusius, S. 150 f., der auf die unterschiedliche Verwendung der Begriffe bei Vasquez hinweist. Die Zuordnung einzelner Positionen als mittelbare oder unmittelbare göttliche Gewaltübertragung durch die Forschung wandelt oft auf schmalem Grad. Die Ansicht Kardinal Bellarmins († 1621) etwa, wonach das Volk als ursprünglicher Träger der staatlichen Gewalt diese gleichsam aus Naturnotwendigkeit an einen von ihm bestimmten Herrscher übertragen müsse, es also nicht im willentlichen Ermessen des Volkes liege, die von Gott stammende Gewalt in den eigenen Händen zu behalten, ist der Position Viktor Cathreins im Grunde nicht unähnlich, derzufolge die herrschaftliche Gewalt auf naturrechtlichem Wege „ohne Dazwischenkunft eines menschlichen Willens“ (Cathrein) an einen vom Volk bezeichneten Träger verliehen werde. Dennoch wird das Werk Bellarmins als Ausdruck einer mittelbar göttlichen Gewaltübertagung verstanden, während Cathrein zu den Befürwortern der Gottunmittelbarkeit gerechnet wird.

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genden Bedeutung„ nimmt, besteht keine Notwendigkeit, sie im Sinne einer unmittelbaren Übertragung zu verstehen.“ 1112

So sehr das Bestreben Papst Leos XIII. also verständlich erscheint, sich nicht in diesem in Jahrhunderten gewachsenen terminologischen Dickicht verstricken zu wollen, so sehr fühlten sich die Gelehrten des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts freilich dennoch zu einer Interpretation der päpstlichen Worte herausgefordert und waren bestrebt, sie innerhalb des traditionsreichen Diskurses zu verorten. Während Peter Tischleder versuchte, die Staatslehre Leos XIII. als Bestätigung der scholastischen Volkssouveränitätslehre zu deuten, wertete Heinrich Schrörs sie wie bereits erwähnt als Rückkehr zur früheren Scholastik und zur Lehre der Gottunmittelbarkeit königlicher (staatlicher) Gewalt. Er kann sich in seiner Einschätzung auf die Enzyklika Notre Charge Apostolique (15.8.1910) Papst Pius‟ X. stützen, in der das Oberhaupt der katholischen Kirche die Lehren des französischen Sillon, einer sozialpolitisch engagierten „christlich-demokratischen Jugendbewegung“ (H. Platz)1113, verurteilte. In ihr verwarf er unter anderem die These, wonach Gott die staatliche Gewalt zunächst in die Hände des Volkes gelegt habe, und erklärte, dass „Leo XIII. schon im voraus diesen Versuch, die katholische Lehre mit dem Irrtum der falschen Philosophie zu versöhnen, zurückgewiesen habe.“1114 Schrörs forderte daher als Konsequenz aus dieser offiziellen Position der katholischen Kirche seit Papst Leo XIII., dass kein Katholik die Verfassung der Weimarer Republik anerkennen dürfe. Der bedeutende Moraltheologe und Zentrumspolitiker Joseph Mausbach, der als Mitglied der Nationalversammlung maßgeblich an der Ausarbeitung der Weimarer Verfassung beteiligt war, versuchte den für Katholiken so problematischen Artikel 1 zu entschärfen, indem er zwischen der Gewalt an sich und der Ausübung der Gewalt unterschied. Seine Erklärung, dass die Verfassung nur die Ausübung der Gewalt regele, nichts aber über den eigentlichen Ursprung der Gewalt aussage (der daher nach wie vor in Gott zu sehen sei), erinnert freilich sehr an die Interpretation jener mittelalterlichen Juristen, die die Wahl des Herrschers durch das Volk als Verleihung des ius executionis bewerteten, die iurisdictio per se aber allein auf Gott zurückführten. Zwar werde, so Mausbach, der „fundamentale Satz christlicher Rechtsanschauung [sc. dass nach Röm. 13, 1 alle Gewalt von Gott sei] in der Verfassung nicht genannt, er wird aber auch nicht bestritten.“1115 Im übrigen 1112

TISCHLEDER, Ursprung, S. 251 Anm. 8. Schrörs hatte seine von Tischleder kritisierte Position vor allem entwickelt in diversen Beiträgen der Historisch-politische Blätter für das katholische Deutschland. Vgl. u. a. SCHRÖRS, Volkssouveränität. 1113 Vgl. MARON S. 253. 1114 SCHRÖRS, Volkssouveränität S. 562. 1115 MAUSBACH S. 24.

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müsse eine Verfassungsurkunde „nicht unbedingt zu den letzten, metaphysischen Gründen aufsteigen, sie darf sich im Rahmen des staatsrechtlich Notwendigen halten.“1116 Während Salomonius de Albertescis im 16. Jahrhundert den Juristen noch vorwurfsvoll entgegenhielt, sie seien nicht an den metaphysischen Fragen nach dem Ursprung der Fürstenherrschaft interessiert1117, nutzt Joseph Mausbach dieses Desinteresse der Staatsrechtler, um dem Zentrum und der katholischen Bevölkerung Deutschlands eine Brücke zu bauen, über die sie zur Anerkennung der jungen Republik gelangen sollten. Damit das Fundament dieser Brücke nicht nur aus einem argument e silentio besteht, stellt er den Artikel 1 der Weimarer Verfassung zudem in die Tradition der scholastischen Volkssouveränitätslehre. „Man sieht, wie nach dieser Theorie [der scholastischen Volkssouveränitätslehre] der Wortlaut unseres Artikels sich in eine echt philosophische und christliche Überlieferung einordnen lässt. [...] Vielleicht ist sogar diese Theorie [...] noch dazu berufen, in unserer Zeit eine ehrenvolle Auferstehung zu erleben und den Weg zu zeigen, wie man den demokratischen Gedanken, der unwiderstehlich die moderne Welt durchzieht, läutern und mit der christlichen Auffassung von Staat und Staatsgewalt versöhnen kann.“ 1118

Papst Leo XIII. griff in seiner Enzyklika Diuturnum illud auch die Vorstellung von der weltlichen Gewalt als Abbild Gottes auf. In einem wohl geordneten und recht geführten Staatswesen sei „jedem Aufruhr und jeder Neigung dazu der Boden entzogen [...]. Man sieht nämlich dann ein [...], dass man deshalb untertan und gehorsam den Fürsten ist, weil diese in 1119 gewisser Beziehung das Abbild Gottes sind, dem zu dienen, herrschen bedeutet.“

Die göttliche Abbildhaftigkeit sei im wesentlichen durch das Moment des Herrschens begründet, so dass „in dieser Weise [...] die verschiedenen Arten der Gewalt wunderbare Ähnlichkeit untereinander (haben), insofern nämlich, als alles, was immer nur irgendwo Macht und Ansehen hat, von dem einen Schöpfer und Herrn, nämlich Gott, seinen Ursprung her1120 leitet.“

Die Herrschaftsrechte, die Autorität und Unantastbarkeit, die der Staatslenker als Abbild Gottes genießt, gehen für Leo XIII. jedoch mit der Verpflichtung zu einer gerechten, dem göttlichen Gesetz entsprechenden, Regierung einher.

1116

Ebd. S. 25. Vgl. Anm. 1050. 1118 MAUSBACH S. 27 f. 1119 ULITZKA S. 157. 1120 Ebd. S. 155. 1117

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„Denn wenn die Gewalt der Staatslenker auf einer Anteilnahme an der göttlichen Gewalt beruht, so erlangt sie gerade deswegen eine beständige, eine über der menschlichen stehende höhere Würde; allerdings nicht jene gottlose und höchst unsinnige, wie die heidnischen Kaiser verlangten, die nach göttlichen Ehrungen lüstern waren, sondern 1121 jene wahre und bleibende, die Gottes Geschenk und Wohltat ist.“

Papst Leo XIII. steht damit in der Tradition der christlichen Spätantike, die ontologische Konsequenzen aus der Stellung des Herrschers als Abbild Gottes zurückwies und die Rechte und Pflichten des vicarius Dei gleichermaßen betonte. Die Vorstellung vom Herrscher als Abbild und Stellvertreter Gottes schlug sich im späten Mittelalter wie gesehen in zentralen Quellen unterschiedlicher Provenienz nieder und konnte daher mit den verschiedensten Autoritäten begründet werden. Geradezu beispielhaft verknüpfte der französische Legist Guillaume Budé zu Beginn des 16. Jahrhunderts die unterschiedlichen Traditionsströme im Kontext seiner Analyse des römisch-rechtlichen Grundsatzes princeps legibus solutus. Schon Aristoteles habe in seiner Politica vom Monarchen aufgrund dessen unvergleichlicher Tugendhaftigkeit als Gott unter Menschen (deus inter homines) gesprochen. Als joves humani im Sinne Homers seien die Könige von edler Geburt, herausragend an Tugend in Körper und Seele und müssten gleichsam für Heroen gehalten werden. Derartige homines sacrosancti könnten nicht Gesetzen unterstehen, die nur für das gemeine Volk gedacht seien. Und indem der König den Menschen das ihnen nach der göttlichen Ordnung zustehende zuteil werden lasse, fungiere er gleichsam als Diener und Abbild Gottes, wie es schon der Apostel im Römerbrief Kapitel 13 beschrieben habe1122. Die Vorstellung vom Herrscher als Abbild und Stellvertreter Gottes konnte aufgrund ihres mehrdimensionalen Bedeutungsgehalts 1123 und ihrer breiten Traditionsbasis von allen herrschaftstheoretischen Richtungen aufgegriffen werden. Die Vertreter des theokratischen Absolutismus etwa unterstrichen damit die unantastbare Stellung und uneingeschränkte Machtfülle des Herrschers. Doch auch das paränetische Moment des herrscherlichen Gottesvikariats blieb im frühneuzeitlichen Diskurs präsent. Der große Humanist Erasmus 1121

Ebd. S. 155 f. Budé, Annotationes in Pandectas, (ad D. I, 3, 31) S. 67 f. Vgl. CARLYLE/CARLYLE vol. 6, S. 294 ff. Eine derartige „Ideenmischung“ (JACKSON S. 102) aus heidnischen und christlichen, antiken und mittelalterlichen Vorstellungswelten war dem Mittelalter wie auch der frühen Neuzeit keineswegs anstößig. Erst die Moderne, so Jackson, hatte damit ihre Probleme. 1123 Vgl. auch SCHAEDE S. 33-40, der anhand des päpstlichen Anspruchs auf das Gottesvikariat die unterschiedliche Betonung der subordinierenden Implikationen des Vikariatsbegriffs einerseits, des aus dem Gottesvikariat abgeleiteten Vollmachtsanspruchs andererseits hervorhebt. 1122

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von Rotterdam lieferte mit seiner Institutio Principis Christiani (1515)1124 ein eindringliches Plädoyer gegen die absolutistischen Konsequenzen des aufkommenden Machiavellismus, der Herrschaft allein unter dem Aspekt von Machterhalt und Staatsräson betrachtete und jegliche Fürstenethik vermissen ließ. Neben seinem ausführlichen Rekurs auf die antike Tugendlehre führte Erasmus den Fürsten immer wieder auch Gott und Christus als Vorbild für eine gute und gerechte Regierung vor Augen. „Ein guter Fürst ist nach einem klugen Wort des Plutarch wie ein lebendes Abbild Gottes, in dem Güte und Macht gleich überragend sind, der aus Güte allen nützen will und aus seiner Machtfülle denen nützen kann, denen er nützen will. Umgekehrt stellt ein schlechter und unheilbringender Fürst ein Bild des Teufels dar, in dem sich viel an Macht mit einem Höchstmaß an Bosheit vereinigt. [...] Du aber, der Du ein christlicher Fürst bist und hörst und liest, dass du Ebenbild und Stellvertreter Gottes bist, hüte Dich vor aller Überheblichkeit. Gerade diese Tatsache sollte Dich vielmehr anspornen, es Deinem Urbild gleichzutun, das so unvergleichlich schön ist, das zu erreichen aller1125 größte Schwierigkeiten macht, das zu verfehlen größte Schande bringt.“

Erasmus unterstreicht mit allem Nachdruck die notwendige Verbindung von großer Macht und herausragender Tugendhaftigkeit als Voraussetzung für eine gute Regentschaft. Immer wieder greift er dabei neben antiken Quellen auch die christliche Tradition auf. 1124

Erasmus von Rotterdam, Fürstenerziehung. Institutio Principis Christiani. Die Erziehung eines christlichen Fürsten, ed. Gail; zu Erasmus vgl. GELDNER; KOERBER. 1125 Erasmus, Fürstenerziehung c. 1, S. 70 ff.: Princeps salutaris, ut erudite dictum est a Plutarcho, vivum quoddam est Dei simalacrum, qui simul et optimus est et potentissimus, cui bonitas hoc praestat, ut omnibus prodesse velit, potentia, ut quibus velit, possit quoque. E diverso malus ac pestilens Princeps, mali Daemonis imaginem repraesentat, cui multum adsit potentiae cum summa malitia coniunctum. [...] At tu qui Christianus etiam es Princeps, cum audis aut legis te Dei simulacrum esse, te Dei vicarium esse, cave ne quid hinc intumescas animo: quin potius ea res te magis sollicitum reddat, ut respondeas archetypo tuo, pulcerrimo quidem illi, sed quod adsequi sit difficillium, non adsequi turpissimum. Der Fürst als Abbild und Stellvertreter Gottes auch ebd. S. 96: Primitus Reges non ob aliud constituti sunt, populi consensu, quam ob eximiam virtutem, quam heroicam vocant, velut divinae proximam et humana maiorem. [...]Cum multae sint formae Rerumpublicarum Philosophorum omnium ferme consensus est, saluberrimam esse Monarchiam, nimirum, ad exemplar Dei, ut rerum summa penes unum sit, verum ita, si is ad imaginem item Dei, sapientia bonitateque caeteris omnibus antecellat...; ebd. S. 122: Ad Princeps Dei simulacrum quoddam est, si vere Princeps sit. Vgl. auch Erasmus, Adagiorum Chilias prima (= Desiderii Erasmi Roterodami, Opera omnia II, 1), edd. van Poll / van de Lisdonk, Adagium 201, S. 309: Denique Dei moderantis vniversa salutaris princeps viuam imaginem referet. Atque eo magnificentior est princeps, quo proprius ad archetypi sui formam accessit...; ebd. S. 314: ... qui dei vicem gerens omnibus debuit esse salutaris. Vgl. auch Erasmus, Adagiorum Chilias tertia (= Desiderii Erasmi Roterodami, Opera omnia II, 5), edd. Heinimann/ Kienzle, Adagium 2201, S. 172, Z. 270-277. Vgl. AUER.

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„Die christliche Theologie schreibt Gott drei Eigenschaften zu: höchste Macht, höchste Weisheit und höchste Güte. Diesen dreifachen Lehrgang musst Du mit aller verfügbaren Kraft absolvieren. [...] Das scheint der heilige Dionysius erkannt zu haben, der drei Ordnungen unterschied: Was Gott unter den himmlischen Heerscharen, das ist der Bischof in der Kirche und der Fürst im Staat [...]. Von ihm kommt alles, was er Gutes an sich hat, wie aus einem Quell zu den anderen. [...] So sollte ein rechter Fürst sich nach dem Bild des ewigen Fürsten richten ohne Anspruch auf Gegenleistung für alle wirken, ohne nach Vorteil oder Ruhm zu schielen. So wie Gott am Himmel als schönstes Gleichnis seiner selbst die Sonne geschaffen hat, hat er unter den Menschen als ein 1126 sichtbares und lebendiges Bild seiner selbst den Regenten eingesetzt.“

Ein Prinzenerzieher solle seinem Zögling auf vielfältige Art und Weise den Unterschied zwischen einem guten Herrscher und einem Tyrann vor Augen führen und letztlich mit Hilfe der antiken und christlichen Tugendlehre „ein gleichsam himmlisches Wesen entwerfen, mehr einem Gott als einem Menschen ähnlich, in allen Tugenden geübt, zum Wohle aller geboren, ja sogar von den Himmlischen dazu ausersehen, dem Fortschritt der Menschheit zu dienen [...]. Von allen Bestrebungen [eines Tyrannen aber] soll sich der Fürst, vor allem ein christlicher Fürst, freihalten, ja sich sogar bewusst entgegengesetzt verhalten. Wenn selbst der Philosoph Aristoteles, der immerhin Heide war, den Fürsten so schildert, Aristoteles, der unter den Philosophen nicht gerade ein Urbild heiliger Gelehrsamkeit darstellt, wieviel mehr muss sich danach ein Fürst richten, der als Stellvertreter Christi seines Amtes wal1127 tet?“

Auch Francis Bacon hob in einem seiner Essays zu Beginn des 17. Jahrhunderts das paränetische, die Herrschaft des Fürsten beschränkende Moment des Gottesvikariats hervor: „Alle guten Lehren, die man Königen geben kann, lassen sich in Wahrheit in folgenden zwei Mahnungen zusammenfassen: Bedenke, dass du ein Mensch bist und Bedenke, 1126

Erasmus, Fürstenerziehung c. 1, S. 72 f.: Theologia Christiana tria praecipua quaedam in Deo ponit, summam potentiam, summam sapientiam, summam bonitatem. Hunc ternarium pro viribus absolvas oportet. [...] Pespexisse videtur haec divus ille Dionysius, qui treis fecit hierarchias, ut quod Deus est inter Coelitum ordines, id Episcopus sit in Ecclesia, id Princeps in Republica [...] et ab eo velut a fonte manat in alios, quidquid boni possidet. [...] Ita veri magni Principis est, ut aeterni Principis imaginem referentis, vel gratis bene mereri de omnibus, nullo vel emolumenti vel gloriae respectu. Deus ut pulcerrimum sui simulacrum in coelo constituit solem, ita inter homines evidentem ac vivam sui collocavit imaginem Regem. 1127 Erasmus, Fürstenerziehung c. 1, S. 78-84: Deliniet igitur coeleste quoddam animal, Numini quam homini similibus, omnibus virtutum numeris absolutum, omnium bono natum, imo datum a Superis sublevandis rebus mortalium, quod omnibus prospiciat, omnis consulat. [...] Ab his omnibus studiis Princeps quam longissime absit oportet [...] quod dici solet, dissideat, praesertium Princeps Christianus. Etenim si talem pinxit Aristoteles, primum Ethnicus, deinde Philosophicus, inter illos quoque non perinde sanctus ac doctus, quanto magis id praestare oportet eum, qui Christi fungatur vice?

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dass du ein Gott bist, oder ein Stellvertreter Gottes. Die eine zügelt ihre Macht, die andere ihren Willen.“ 1128

Der englische Philosoph stand damit in gewissem Gegensatz zu König James I. – als dessen Gefolgsmann er im Rahmen der Krönungsfeierlichkeiten 1603 zum Ritter geschlagen wurde –, der 1610 seine bereits in The trew law of free monarchies (1598) geäußerten theokratisch-absolutistischen Ansichten (divine right of kings) vor dem englischen Parlament wiederholte und dabei nicht gerade voll Demut erklärte: „Könige werden nicht nur Stellvertreter Gottes genannt und sitzen auf Gottes Thron, sondern werden sogar von Gott selbst Götter genannt.“ 1129

Auch die Politica Christiana des 16. bis 18. Jahrhunderts war von kosmologischen Vergleichen zwischen dem irdischen und himmlischen Monarchen gekennzeichnet1130. Diese Gegner der absolutistischen Lehre verbanden die Stellung des Herrschers als Abbild und Stellvertreter Gottes jedoch (wie auch Erasmus) mit der Forderung an eine gute und gerechte Herrschaftsausübung. Für sie machte nicht so sehr das Herrscheramt als vielmehr die persönliche Tugendhaftigkeit den guten und gerechten Herrscher zum imago Dei, während der Tyrann ein Abbild des Teufels darstelle. Auch die primär naturrechtlich argumentierenden Anhänger der scholastischen Volkssouveränitätslehre sahen im weltlichen Herrscher das Abbild und den Stellvertreter Gottes. Cajetan hatte in seiner Auseinandersetzung mit Almain zwar den König als Stellvertreter des Volkes bezeichnet1131, um ihn auf diese Weise deutlich vom päpstlichen vicarius Christi abzugrenzen, doch schon Francisco de Vitoria, der wohl bedeutendste Vertreter der scholastischen Volkssouveränitätslehre, konnte ohne große Probleme den Königen und Kaisern die Stellung eines vicarius Christi in temporalibus zuschreiben, denn schließlich hatte dies auch die für Vitoria (und die Vertreter der scholastischen Volkssouveränität) maßgebliche Autorität des Thomas von Aquin getan. In seiner Schrift De potestate civili konstatiert Vitoria: „Als er [sc. Thomas] den dritten Teil seiner Summa theologica schrieb, war er der Auffassung, dass die Kaiser in weltlichen Angelegenheiten der Stellvertreter Christi 1132 gewesen sind, zumal er das in seiner Schrift De regimine principum gesagt hat. [...] 1128

Francis Bacon, Essays oder praktische und moralische Ratschläge, S. 68. SOMMERVILLE S. 181: For kings are not onely GODS Lieutenants vpon earth, and sit vpon GODS throne, but euen by GOD himselfe they are called Gods. Vgl. FLOR S. 124. 1130 Zur Politica Christiana vgl. DREITZEL S. 484 ff. 1131 Vgl. Anm. 1075. 1132 Francisco de Vitoria, Über die staatliche Gewalt. De potestate civili (= Collegia. Philosophische Texte), ed. Schnepf, S. 92: Immo ego credo quod quando sanctus Thomas scripsit Tertiam partem erat illius phantasiae quod imperatores erant vicarii Christi 1129

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Ebenda wird auch gesagt, dass der Kaiser Augustus das Amt des Stellvertreters Christi 1133 ausübe, welcher der wahre Alleinherrscher war.“

Ernst Reibstein zeigte sich überrascht, dass der spanische Jurist und Humanist Fernando Vasquez aus der Schule von Salamanca 1563 in der Vorrede seiner Controversiae illustres den spanischen König Philipp II. als Gottes Stellvertreter auf Erden pries1134, wo er doch anschließend mit Hilfe der scholastischen Volkssouveränitätslehre jeglichen Fürstenabsolutismus zurückwies. Reibstein vermutete dahinter eine der Etikette geschuldete Höflichkeit mit durchaus zynischem Unterton, wodurch sich der Autor „völlige Bewegungsfreiheit für die zusammenhängende, wissenschaftlich rücksichtslose Darstellung der ihm am Herzen liegenden Lehre von der Volkssouveränität“ 1135 verschaffte. Wenngleich diese Vermutung auch nicht auszuschließen ist, so war beides – die scholastische Volkssouveränität ebenso wie die Auffassung vom Herrscher als Abbild und Stellvertreter Gottes – nach damaliger Auffassung doch fest in der thomistischen Lehre verankert, die dem theologisch und philosophisch umfassend gebildeten Juristen Vasquez hinreichend bekannt gewesen sein dürfte. Sofern das königliche Gottesvikariat mit den entsprechenden ethischen Implikationen der imitatio Dei konnotiert wurde, ließ es sich im Grunde problemlos mit der scholastischen Volkssouveränitätslehre vereinbaren. So erachtete auch der calvinistische „Königsbekämpfer“ (Monarchomach) Stephanus Iunius Brutus in seinen Vindiciae contra tyrannos die Könige als Stellvertreter Gottes, „und zwar immer dann, wenn sie Gott dienen und ihn nicht bekämpfen, wenn sie Gottes Rechte beachten und sie nicht gewaltsam an sich reißen.“1136 Auch in Schriften der frühen Neuzeit wurde also immer wieder auf die Pflicht des Monarchen zur imitatio Dei hingewiesen, womit neben der Bequantum ad temporalia, licet hoc dixerit in opusculo De regimine principum. Interessant sind die weiteren Ausführungen im Zusammenhang mit der Sticklerschen These vom gladius materialis ecclesiae. 1133 Francisco de Vitoria, De potestate civili S. 90: Ibidem autem dicitur quod Augustus Caesar gessit vices Christi, qui erat verus monarcha. Tatsächlich muss diese Passage freilich Tholomäus von Lucca zugeschrieben werden, vgl. Anm. 671. 1134 REIBSTEIN, Althusius, S. 138. 1135 Ebd. 1136 Stephanus Iunius Brutus, Vindiciae contra tyrannos, S. 8: Cum itaque reges, Dei vicarii tantum sint, in Dei solio ipso authore constituit, populusque sit Dei populus, nec vero vicariis, nisi eorum, quorum personam gerunt, causa honos deferatur; sequitur proculdubio, regibus propter Deum, non adversus Deum; Deo servientibus, non adversantibus, Dei iura tuentibus, non invadentibus, obtemperandum. Dass nur der gute Herrscher als Stellvertreter Gottes anzusehen ist, verdeutlicht auch 1584 Johannes Schuwardt in seiner "Regententaffell", S. 28: Bonus Princeps est Minister et Vicarius Dei in terris. Vgl. ERKENS, Herrschersakralität, S. 224-

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folgung der typischen Herrschertugenden wie Gerechtigkeit, Großmütigkeit und Frömmigkeit aber auch – wie etwa im Fürstenspiegel Mundus Christiano Bavaro Politicus des bayrischen Hofrats Franz Caspar Schmid (1711) – die Pflicht des Fürsten ausgedrückt werden konnte, die Macht und Herrlichkeit der himmlischen Majestät im prunkvollen Hofzeremoniell nachzubilden, denn: „Gott selbst befilcht, dass sey sich sollen ehren lassen, so Ihnen zuesteht, und sich erhalten in dem ansehn, welches Ihre Maiestet erfordert [...], weillen Gott gleichsamb selbsten sein Ebenbild an die Stirn der Regenten getrucket, Ihnen etwas mehreres als was Menschlich mitgethaillet, und mit einem wortt will Gott selbsten in denen Königen und Fürsten geehret werden.“ 1137

Der Rechtsprofessor Johannes Stephanus Dancko erklärte in seiner Dissertation De jure principis aereo (1687), dass der König seine alles und jeden überragende Stellung als vicarius Dei durch den Bau von prunkvollen und bis an den Himmel reichenden Palästen zum Ausdruck bringen solle, um so seinen Untertanen den entsprechenden Respekt abzuverlangen 1138. Und der Jesuit Adam Contzen ließ 1629 in seinem Widmungsbrief zu den Politicorum libri decem verlauten, dass der Fürst als Abbild und Stellvertreter Gottes eine Mittlerstellung zwischen Gott und den Menschen einnehme und dadurch sakrosankt sei1139. Doch es fehlte nie an Stimmen, die nachdrücklich auch auf das paränetische Moment des herrscherlichen Gottesvikariats hinwiesen. So erinnerte selbst der große Aufklärer Immanuel Kant in seinen Betrachtungen „Zum ewigen Frieden“ (1795): „Man hat den hohen Benennungen, die einem Beherrscher oft beigelegt werden (die eines göttlichen Gesalbten, eines Verwesers des göttlichen Willens auf Erden und Stellvertreter desselben) als grobe, schwindligmachende Schmeicheleien oft getadelt: aber mich dünkt, ohne Grund. – Weit gefehlt, dass sie den Landesherrn sollten hochmütig machen, so müssen sie ihn vielmehr in seiner Seele demütigen, wenn er Verstand hat (welchen man doch voraussetzen muss) und es bedenkt, dass er ein Amt übernommen hat, was für einen Menschen zu groß ist, nämlich das Heiligste, was Gott auf Erden hat, das Recht der Menschen zu verwalten, und diesem Augapfel Gottes irgend 1140 worin zu nahe getreten zu sein jederzeit in Besorgnis stehen muss.“

Und Veit Ludwig von Seckendorff betonte 1686 in seinem Christenstaat, dass die Stellung des Herrschers als vicarius Dei sowohl herrschaftslegitimierend 1137

Zitiert nach STRAUB S. 200 f.; zum Mundus Christiano Bavaro Politicus vgl. neben STRAUB auch SCHMID, Mundus. 1138 Johannes Stephanus Dancko, De jure principis aereo, c. 3, S. 14. 1139 Adam Contzen, Politicorum libri decem, epistola dedicatora: ... Dei imago eminentissima est Princeps, qui immensam numinis maiestatem, media quadam, inter Deum et homines maiestate representat; quocirca Deus etiam dicitur, quia Dei vicariatus sublimis est, et sacrosanctus. Vgl. ERKENS, Herrschersakralität, S. 224. 1140 Immanuel Kant, Werkausgabe VI, ed. Weischedel, S. 207.

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als auch herrschaftsreglementierend zu interpretieren sei, dass der königlichen Obrigkeit daraus sowohl Hoheit als auch Schuldigkeit erwachse: „Die Hoheit weil sie weiß, sie sitze an Gottes Statt, und habe ihr Amt nach Gottes Ordnung zu führen, also sei sie an und für sich selbst zuförderst Gott Rechenschaft zu geben schuldig und habe auch dessen Schutz zu erhoffen. [...] Die Schuldigkeit aber lernet sie eben auch aus dieser Betrachtung und merket, weil sie von Gottes Gnaden geordnet, so liege ihr ob, göttlichen Gesetzen Folge zu leisten und also des untergebenen volkes Wohlfahrt zu fördern.“ 1141

Im 18. und 19. Jahrhundert rückte anstelle des Gottesvikariats zunehmend der allgemeine Begriff der Herrschaft „von Gottes Gnaden“ in den Vordergrund der Diskussion, die im Zeitalter der Restauration primär im Zeichen des Legitimismus stand. Geradezu beispielhaft wurde noch 1848 in der preußischen Nationalversammlung um die herrschaftslegitimierende und herrschaftsreglementierende Bedeutung des Gottesgnadentums debattiert. Im Oktober beschloss die Versammlung mit großer Mehrheit, die Worte „von Gottes Gnaden“ im Titel des Königs zu streichen, „weil dieselben an den Absolutismus und an diejenige Zeit erinnern, in welcher der Grundsatz galt, dass man der von Gott eingesetzten Obrigkeit in allen Stücken Folge leisten müsse, in welcher man annahm, dass Land und Volk als Erbschaft vom Vater auf den Sohn überging.“ 1142

Der Abgeordnete Walter hingegen entgegnete: „Ich halte es im Interesse der Völker selbst für zuträglich, einen Ausdruck [sc. von Gottes Gnaden] beizubehalten, der unsere Fürsten stets erinnern soll, dass, wenn wir sie auch gegen uns für unverantwortlich erklären, auf ihnen doch eine Verantwortlichkeit nach oben lasten bleibt, wovon nicht wir, nicht unsere Konstitution und keine Macht der Erde sie entbinden kann.“ 1143

Das Gottesgnadentum blieb letztlich in der deutschen Verfassung bis 1918 verankert, doch war die den Herrschern daraus erwachsende herrschaftsreglementierende Verantwortlichkeit vor Gott für die modernen, laizistischen Staatsrechtler nur schwer zu fassen. Der Begriff der Herrschaft „von Gottes Gnaden“ sei nurmehr eine leere Formel, wie Otto Hintze 1911 bemerkte, da die Monarchie insbesondere „bei uns in Preußen nicht auf der religiösen, sondern auf einer politischen Grundlage“ stehe1144. Die Polemik aus der Zeit des Kulturkampfes schwingt auch in den Aussagen Georg Jellineks aus dem Jahre 1900 noch mit, als er in seiner „Allgemeinen Staatslehre“ kurzerhand 1141

Vgl. DREITZEL S. 518. Vgl. FLOR S. 143. 1143 Zitiert nach DANIEL S. 65;vgl. DREITZEL S. 528. 1144 HINTZE, Prinzip, S. 388; vgl. DREITZEL S. 527. 1142

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jegliche Zurückführung der Staatsgewalt auf Gott mit der Annahme eines „den Staat gründenden positiven göttlichen Willensaktes“1145 gleichsetzte. In der dritten Auflage aus dem Jahre 1922 differenzierte er immerhin insofern, als dass er diese „Exzesse der religiösen Theorie“ nur noch „auf die theologische Staatslehre katholischer Fassung der klerikalen Partei“ beschränkte, die ihr „als theoretische Grundlage zu ihren staatsfeindlichen Bestrebungen [diene], indem sie das selbständige Recht des Staates heute wie vor Jahrhunderten negiert“ 1146 . Naturrechtliche Staatsauffassungen, die in Gott gleichsam die causa remota erblickten, nimmt Jellinek von seinem Urteil zwar aus, ohne diesen Lehren jedoch eine wissenschaftlich befriedigende Einsicht über die Frage nach dem Ursprung staatlicher Gewalt zuzugestehen. Obwohl jene deutschen Staatsrechtler letztlich kein positives Bekenntnis zum göttlichen Ursprung der Staatsgewalt abgaben, griffen sie doch bereitwillig das herrschaftslegitimierende Potenzial des Gottesgnadentums auf, um es gegen die Lehre der Volkssouveränität aufzubieten. Die Frage nach dem letzten Grund der Herrschergewalt wurde von ihnen jedoch – sofern sie sich diese überhaupt stellten – recht nebulös beantwortet, da sie im Grunde sowohl Gott als auch das Volk als Quelle der Staatsgewalt ablehnten: „Unser Königtum nennt sich von Gottes Gnaden [...]. Diese Bezeichnung bedeutet bei uns staatsrechtlich nichts anderes, als dass die königliche Gewalt nicht vom Volk übertragen ist, sondern vielmehr auf altem, historischem Recht beruht, das in und mit der Geschichte unseres Volkes erwachsen ist und also auch aus einem Zusammenhang stammt, den frommer Sinn wohl einer höheren Fügung zuschreiben mag.“ 1147

Die Ausführungen Jellineks stehen stellvertretend für eine ganze Reihe von Staatsrechtlern und Rechtsphilosophen des späten 19. Jahrhunderts, die eine ähnliche Auffassung über die katholische Staatslehre vertraten. Jene Gelehrte wie Cathrein, Tischleder oder Schrörs, die noch um die tiefgründige und traditionsreiche Debatte um den mittelbar oder unmittelbar göttlichen Ursprung weltlicher Gewalt wussten, konnten angesichts „soviele[r] Worte, soviel Blößen und Missverständnisse und [...] Gehässigkeiten, die einem Wissenschaftler keine Ehre machen“1148, angesichts der „unglaubliche[n] Unkenntnis katholischer Lehren [, die] sich auch in den wissenschaftlichen Werken vieler Katholiken breit mach[e]1149“, mitunter nur schwer die Fassung wahren. Das differenzierte Bedeutungsspektrum, das sich hinter der Vorstellung von einer göttlichen Einsetzung des Herrschers und seiner Rolle als Abbild und Stell1145

JELLINEK (1.Auflage) S. 193. JELLINEK (3. Auflage) S. 191 f. 1147 HINTZE, Weltkrieg, S. 13; vgl. DREITZEL S. 527. 1148 TISCHLEDER, Ursprung, S. 229 f. Anm. 4. Vgl. auch CATHREIN, Moralphilosophie, S. 469 ff. 1149 CATHREIN, Moralphilosophie, S. 470 Anm.1. 1146

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vertreter Gottes verbarg, war Ende des 19. Jahrhunderts den meisten Teilnehmern des politisch-herrschaftstheoretischen Diskurses nicht mehr geläufig. Nach dem ersten Weltkrieg wurde die Volkssouveränität in der Weimarer Verfassung festgeschrieben, wenngleich der Artikel 1 wie überhaupt die gesamte Republik und ihre Verfassung in breiten Schichten auf wenig Gegenliebe stieß. Jene deutschen Katholiken um Joseph Mausbach und Peter Tischleder, die bereit waren, aktiv und konstruktiv an der Gestaltung der jungen Demokratie in Deutschland mitzuwirken, versuchten ein letztes Mal mit Hilfe der scholastischen Volkssouveränitätslehre göttliches und menschliches Wirken bei der Begründung der Staatsgewalt in Einklang zu bringen. Mausbach erhoffte sich eine „ehrenvolle Auferstehung“ der scholastischen Lehre 1150 , und Robert von Nostitz-Rieneck sah 1919 gar die Chance und Notwendigkeit, auf diese Weise „den Siegeszug der Demokratie“ mit christlichen Werten und Idealen zu begleiten, und zwar „durchaus nicht allein oder vorab deshalb, weil man vorbeugen, verhindern will, dass die verderbendrohenden Schatten als finstere Macht sich über die Kulturwelt ausbreiten [, sondern] deshalb zumal und zumeist, weil nun oder nie endlich zu Klarheit und Reife kommen sollte, was christliche Demokratie ist und will.“ 1151 Im konservativ-katholischen Lager galten Männer wie Tischleder hingegen als „Modedemokraten“, die wohl „ebenso eilfertig wie die deutsche Republik auch die bolschewistische Republik für legitim erklärt hätten, wenn sie in Deutschland zum Siege gekommen wäre.“1152 Diese Auseinandersetzungen am Beginn des 20. Jahrhunderts bedeutete den (vorerst) letzten Höhepunkt in dem überzeitlichen Diskurs um die Frage, ob die weltliche Gewalt nun a deo immediate oder a deo mediante populo verliehen werde1153. Aber auch nach dem zweiten Weltkrieg bekannte sich Papst Pius XII. ausdrücklich zur scholastischen Volkssouveränitätslehre, „die hervorragende christliche Denker zu jeder Zeit vertreten haben“1154, und noch der Kölner Erzbischof Joseph Kardinal Höffner machte sie 1986 zur Grundlage seines Eröffnungsreferats auf der Herbstvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz in Fulda 1155 . Mit seiner Verurteilung der „individualistisch-aufklärerischen“ Deutung des Staates à la Hobbes und Rousseau1156 und 1150

Vgl. Anm. 1118. NOSTITZ-RIENECK S. 302. Vgl. MAUSBACH S. 28. 1152 ENGERT, Legitimität S. 1030 f. Vgl. WALTER. Die Anfeindungen Engerts gegen Tischleder durchziehen auch den Beitrag ENGERT, Ursprung. Zum sogenannten "Verfassungsstreit" im deutschen Katholizismus vgl. MORSEY S. 236-242. 1153 Vgl. dazu auch den Beitrag von EGGER in der Theologisch-praktischen Quartalschrift aus dem Jahre 1920. 1154 A.A.S. 1945 S. 259. 1155 HÖFFNER S. 12 f. 1156 Ebd. S. 9 f. 1151

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seiner Rückführung der Staatsgewalt auf Gott vertrat er im wesentlichen die Position, die schon Papst Leo XIII. eingenommen hatte. Höffner sah im Volksganzen den ursprünglichen Träger der von Gott stammenden Staatsgewalt, wobei er freilich klug genug war, sich – abgesehen von dem Verweis auf Röm. 13, 1 ff. und einem Zitat des spanischen Theologen Dominikus Banez (†1604) – nicht weiter in die Untiefen des traditionsreichen Diskurses um die mittelbar oder unmittelbar göttliche Übertragung der weltlichen Gewalt zu begeben und damit möglicherweise wie einst Papst Leo XIII. (ob nun beabsichtigt oder nicht) für Irritationen zu sorgen1157. Die Regierenden als Abbilder und Stellvertreter Gottes zu bezeichnen und sie aufgrund ihrer herrscherlichen Stellung zur imitatio Dei aufzufordern, so wie das Papst Leo XIII. noch 100 Jahre zuvor getan hatte, war dem Kölner Erzbischof sicherlich zu keinem Zeitpunkt in den Sinn gekommen. Dies hätte vermutlich bei den meisten seiner in Fulda versammelten Kollegen, mit Sicherheit aber in der breiten Öffentlichkeit und auch bei den so Angesprochenen selbst nur noch Befremden ausgelöst. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts sind die beiden in der vorliegenden Arbeit untersuchten Ideen nurmehr Bestandteil eines Diskurses, der in mehr oder weniger obskuren katholisch-sedisvakantistischen Blättern geführt wird, wobei sie hier – entgegen der zu Beginn des 20. Jahrhunderts geäußerten Hoffnung von Mausbach und Nostitz-Rieneck – nicht Ausdruck eines konstruktiven christlichen Demokratieverständnisses sind, sondern Sinnbild für die im negativen Sinne "mittelalterliche" Staats- und Gesellschaftsauffassung der an diesem Diskurs beteiligten Protagonisten 1158.

1157

Höffners Anliegen war denn auch nicht die Klärung des Verhältnisses von göttlichem und menschlichem Wirken bei der Begründung der Staatsgewalt, er wollte vielmehr Politikern und Staatsbürgern gleichermaßen ihre Pflichten und Verantwortungen innerhalb von Staat und Gesellschaft ins Stammbuch schreiben. Zu diesem Zweck entwarf er auch einen „Politiker-Spiegel“, der in seinen Forderungen nach Charakterfestigkeit, Gelassenheit, Mut zu unpopulären Entscheidungen und der Bereitschaft zum Miteinander den Bedürfnissen der Zeit entsprach. Ebd. S. 19 ff. 1158 Vgl. SCHMIDBERGER, der in seinen "Grundsätze(n) einer christlichen Gesellschaftordnung" S. 43 erklärte: "Die Gewalt in Staat und Gesellschaft geht nicht vom Volk, von der Basis aus sondern von Gott; non est enim potestas nisi a Deo - es gibt keine Gewalt, die nicht von Gott käme (Röm. 13, 1). Folglich bezeichnet das Volk in Wahlen allein diejenigen, die es regieren sollen, verleiht ihnen aber nicht die Autorität; ebenso wenig kann es Regierung beliebig absetzen. Darüber hinaus gibt es legitime Regierungen, die nicht durch Wahlen hervorgegangen sind, z.B. eine Erbmonarchie." Eine kritische Antwort auf Schmidbergers "Grundsätze" versucht HELLER; das Abdriften eines Diskurses in den kulturellen oder politischen Untergrund ist ein der modernen Diskursanalyse nicht unbekanntes Stadium, vgl. SARASIN S. 209.

Abkürzungsverzeichnis

A.A.S. = Acta Apostolicae Sedis AKG = Archiv für Kulturgeschichte CC cont. Med. = Corpus Christianorum continuatio Medievalis CCL = Corpus Christianorum, Series Latina CIL = Corpus Inscriptionum Latinarum CSEL = Corpus Scriptorum Ecclesiasticorum Latinorum DA = Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters DS = De sacramentis christiane fidei EDG = Enzyklopädie Deutscher Geschichte EHR = English Historical Review FMSt = Frühmittelalterliche Studien FSGA = Freiherr vom Stein Gedächtnisausgabe HJb = Historisches Jahrbuch der Görres-Gesellschaft HZ = Historische Zeitschriften JEH = Journal of Ecclesiastical History LMA = Lexikon des Mittelalters MGH = Monumenta Germaniae Historica Capit. = Capitularia regum Francorum Conc. = Concilia Const. = Constitutiones et acta publica imperatorum et regum Epp. = Eppistolae Epp. sel. = Eppistolae selectae LdL = Libelli de lite imperatorum et pontificum LL = Leges LL nat. Germ. = Leges nationum Germanicarum SS = Scriptores SS rer. Germ. = Scriptores rerum Germanicarum in usum scholarum separatim editi SS rer. Germ. N. S. = Scriptores rerum Germanicarum, Nova series SS rer. Lang. = Scriptores rerum Langobardicarum et Italicarum NA = Neues Archiv der Gesellschaft für ältere deutsche Geschichtskunde ND = Nachdruck PL = J. P. Migne, Patrologiae cursus completus sive bibliotheca universalis ... Series Latina PVS = Politische Vierteljahresschrift QFIAB = Quellen und Forschungen aus italienischen Archiven und Bibliotheken RGA = Reallexikon der Germanischen Altertumskunde ScG = Summa contra Gentiles

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Abkürzungsverzeichnis

STh = Summa Theologica TRE = Theologische Realenzyklopädie VuF = Vorträge und Forschungen ZBLG = Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte ZHF = Zeitschrift für historische Forschung ZKG = Zeitschrift für Kirchengeschichte ZkTh = Zeitschrift für katholische Theologie ZRG GA = Zeitschrift der Savigny Stiftung für Rechtsgeschichte, Germanistische Abteilung ZRG KA = Zeitschrift der Savigny Stiftung für Rechtsgeschichte, Kanonistische Abteilung ZThK = Zeitschrift für Theologie und Kirche

Quellenverzeichnis

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Register

Abbo v. Fleury 76 Accursius 60, 61, 83, 84, 119 (A), 128, 197, 221, 223, 224, 227, 298 Adalbero, EBf. v. Trier 59 Adalbero, Bf. v. Würzburg 106 Adam 47, 54, 91 Adolf v. Nassau, röm.-dt. Kg. 134 Aegidius Romanus, EBf. v. Bourges 20, 65 (A), 82, 117, 133, 149 (A), 150, 155-163, 169, 171, 177, 178, 181-184, 197, 209, 210 (A), 215, 222, 242, 245, 270, 278, 292, 293 (A), 296, 298 Affeldt, Werner 92 (A), 93, 111, 112 Agapetos Diakonos 89, 96 (A) Agilulf 97 (A) Alanus Anglicus 60, 72, 77, 82, 124, 125, 129, 159 Albericus de Rosciate 80 (A) Alberti, Valentin 309 (A) Albertus Magnus 152, 153 Albrecht I., röm.-dt. Kg. 134 Albrecht II., röm.-dt. Kg. 250 Albrecht VI., Hz. v. Österreich 277 Alexander d. Große 85 Alexander v. Roes 179 (A), 215 (A), 226, 285 Almain, Jacques 303, 304, 319 Althoff, Gerd 23, 33 (A) Ambrosiaster 90-97, 99, 110-113, 115 (A), 120 (A), 127, 128, 238, 239, 246, 299 (A), 300 (A) Ammanati, Jacopo 277 Anastasios I., oström. Ks. 46, 96 Anastasius II., Papst 96, 99, 262 Anastasius Sinaita 91 (A) Anselm v. Laon 111 Anton, Hans Hubert 13, 21 (A), 175 (A) Apponius 93, 94 Aristoteles 20, 21, 86, 136, 139-143, 153 (A), 178 (A), 188 (A), 190, 194, 195, 196 (A), 197 (A), 210 (A), 221, 222, 245, 258, 293 (A), 295, 316, 318

Arnold v. Brescia 57 Atto, Bf. v. Vercelli 40 (A), 42 Augustinus 32, 79 (A), 90, 116, 117, 133, 156 (A), 162, 175, 179 (A), 183, 217, 239, 278, 283, 284 Augustinus Triumphus 138, 156 (A), 187, 210 Avencebrol 147 (A) Averroes 139, 140 (A), 189 (A) Avicenna 147 (A) Azo 56 (A) Bacon, Francis 318 Baeumker, Clemens 154 Baldus de Ubaldis 80 (A), 215 (A), 221, 223-229, 232, 244, 246, 293, 298 Banez, Dominikus 325 Barclay, William 308, 309 Barker, Ernest 88 Bartholomäus v. Brixen 70 (A) Bartolus de Sassoferrato 221-224, 227, 229, 230, 232, 237, 244, 246, 288 (A), 308 (A) Basileios I., byzant. Ks. 41 Battaglia, Felice 195 Becmann, Johann Christoph 310 Bellarmin, Robert 58 (A), 182 (A), 303, 306, 313 (A) Benzo, Bf. v. Alba 109, 110 Berges, Wilhelm 151 (A) Bernhard v. Clairvaux 50, 64, 65, 73, 83, 183, 184 (A) Bertachini, Giovanni 265 Beumann, Helmut 32, 33 Bielefeldt, Heiner 179 (A), 193, 196 (A) Bleienstein, Fritz 176 (A), 180 Bluntschli, Johann Caspar 311 (A) Bo, Giorgio 146 Boethius 139 Boethius v. Dacien 140 (A) Bonagratia v. Bergamo 138 Bonaventura 149 (A)

Register

Bonifaz VIII., Papst 50, 51 (A), 82, 131-134, 155, 177, 181, 201, 230, 296 Boockmann, Hartmut 252 Bornscheuer, Lothar 105 Boshof, Egon 13 Bossuet, Jacques-Bénigue 309 Bracton, Henry 119, 120, 129 Brunner, Otto 27 Brutus, Stephanus Iunius 306-308, 320 Budé, Guillaume 316 Cajetan, Thomas 149, 304, 319 Calixt III., Papst 277 Cangrande della Scala 193 Canning, Joseph 227 Cathrein, Victor 311, 312, 313 (A), 323 Cathwulf 97, 98, 120 (A) Cesarini, Giuliano 248, 249 Cheneval, Francis 193 Chindaswinth 97 Cicero 114, 232, 258 Clemens II., Papst 108 Clemens V., Papst 135, 186 (A), 201, 204 Clemens VII., Papst 247 Cölestin V., Papst 155, 157, 181 Colonna, Jakob 131, 133 Colonna, Petrus 131 Constantius II., röm. Ks. 87 Contzen, Adam 306, 321 Cunincpert 97 (A) Cyprian 94 Damasus I., Papst 90 Dancko, Johannes Stephanus 321 Dante Alighieri 34, 135, 140, 172 (A), 187-193, 197 (A), 200, 212, 216, 223, 243, 246, 266, 267 (A), 268, 273 (A), 292 David 99, 102 (A), 208, 213, 304, 305, 307, 311 (A) Davis, Charles T. 193 Delatte, Louis 87 Demosthenes 85 Dempf, Alois 49, 53, 141 (A), 151, 152, 180 Dietrich v. Niem 298 Diggins, John P. 28 Diodorus, Bf. v. Tarsus 91 (A)

359 Diotogenes 87 Domenico de Domenichi, Bf. v. Torcello u. Brescia 251, 276-282, 288, 290, 291, 295, 296, 304 Dormeier, Heinrich 33 (A) Duplessis-Mornay, Philippe →Brutus, Stephanus Iunius Durandus, Guielmus 19 Durandus de S. Porciano 148 (A), 304 Dürig, Walter 93 Eberhardt, Otto 98 Eckermann, Karla 266, 271 (A) Ecphantos 88, 95 (A) Eduard III., Kg. v. England 219 Ehlers, Joachim 26 Eigil v. Fulda 39 Enea Silvio Piccolomini 250, 254, 272-277, 283, 291 Engelbert v. Admont 135, 158, 179 (A), 197 (A), 298 Engert, Joseph 324 (A) Erasmus v. Rotterdam 90, 316-319 Erkens, Franz-Reiner 13, 26, 33 (A) Eugen II., Papst 52 (A) Eugen III., Papst 58, 64 Eugen IV., Papst 248-250, 265, 273 Eurysos 95 (A) Eusebius 11, 88, 95 (A) Évrart de Tremaugon 230, 237 Felix V., Gegenpapst 250 Féret, Pierre 312 Flasch, Kurt 154 (A) Flavius Corippus 89 Foucault, Michel 30 (A), 32 Franz v. Marchia 138 Friedrich d. Schöne, Hz. v. Österreich 136 Friedrich I., Ks. 17, 57, 58, 121, 129 (A) Friedrich II., Ks. 121, 152 Friedrich III., Kg. v. Dänemark 310 Friedrich III., Ks. 250, 266, 272-277, 283 Friedrich III., Kg. v. Sizilien 135 Gaius 233 Gelasius I., Papst 46 Gerhoh v. Reichersberg 47, 53, 54

360 Gierke, Otto v. 140, 149, 150, 271 (A) Giesebrecht, Wilhelm 101 Gilbert v. Tournai 122, 173 (A) Gilbertus Porreta 111 Gillmann, Franz 71 Goldast, Melchior 266 Görich, Knut 32 (A) Gottschalk v. Aachen 83 Gratian 68, 73, 76, 233 Gregor d. Große, Papst 116 Gregor V., Papst 264, 285 (A) Gregor VII., Papst 10, 43-46, 73, 81, 108, 109 Gregor IX., Papst 139 Gregor XI., Papst 139, 238, 247 Guido Vernani 136, 189 (A), 192, 292 Gundling, Nicolaus Hieronymus 311 Gunnell, John 28 Hadrian I., Papst 55 Hartmann, Wilfried 15 Hauck, Albert 50 (A) Heer, Friedrich 17 Heinrich I., ostfränk.-dt. Kg. 23, 43, 228 Heinrich II., Kg. v. England 118 Heinrich II., Ks. 23, 43, 263 Heinrich III., Ks. 22, 23, 105, 108 Heinrich IV., Ks. 10-12, 23, 24, 43, 44, 57, 83, 106, 108-110 Heinrich V., Ks. 25 (A), 57 Heinrich v. Cremona 133 Heinrich v. Gent 184 (A), 264 (A) Heinrich VII., Ks. 134, 135, 188 Hermann, Gf. v. Salm, Gegenkg. 106 Hermann v. Schildesche 234 (A) Hermogenian 61 Hervaeus Natalis 208 (A), 210 Herveus v. Bourg Dieu 111 Heydte, Friedrich August 180 Hezilo, Bf. v. Hildesheim 106 (A) Hinkmar, Bf. v. Reims 40 (A), 41-43, 49, 96 (A), 99, 101, 102, 111 Hintze, Otto 322 Hobbes, Thomas 21 (A), 324 Hoffmann, Hartmut 74 (A), 75, 80, 82 (A) Höffner, Joseph 324, 325 Honorius Augustodunensis 45, 47-53, 79 (A), 124

Register

Hormisdas, Papst 38, 256 Hostiensis 78, 79 (A), 124-126, 129, 209, 286, 287, 299 Hrabanus Maurus 99, 111 Hugo II., Kg. v. Zypern 141 Hugo III., Kg. v. Typern 141 Hugo v. Cluny 39 Hugo v. Fleury 110, 120 (A) Hugo v. S. Sabina 78 (A) Hugo v. St. Viktor 10, 49-53, 80, 133, 159, 162, 167, 183, 184, 209 Hugolinus 56 (A) Huguccio 67, 69, 73-78, 124, 126, 129 Iggers, Georg 29 Imbach, Ruedi 189 (A) Innozenz III., Papst 73, 79 (A), 80, 81, 113 (A), 126, 128, 286 Innozenz IV., Papst 78 (A), 81, 225 Innozenz V., Papst 113 Irnerius 56 (A) Isidor, Bf. v. Sevilla 116, 233, 234 Jackson, Richard A. 316 (A) Jacobus de Ravennais 56 (A) Jakob v. Venetia 139 Jakob v. Viterbo, EBf. v. Neapel 21 (A), 133, 140, 163-169, 229, 242, 245, 296 James I., Kg. v. England 309, 319 Jellinek, Georg 322, 323 Johann Ohneland, Kg. v. England 81 (A) Johann Quidort 65 (A), 132, 149, 162 (A), 176-187, 197, 199, 205 (A), 209, 220, 228, 243, 245, 246, 291, 293, 296, 299 Johann v. Viterbo 62-64, 117 Johannes Althusius 21 (A) Johannes Andrae 181 (A), 205 (A), 285 (A) Johannes Bassianus 56 (A), 119 (A) Johannes Branchazolus 137 (A) Johannes Chrysostomus 17, 19, 55, 95 (A) Johannes Falkenberg 248, 252, 290 Johannes Maior 303 (A) Johannes Teutonicus 70, 77, 270 Johannes v. Jandun 138, 194, 195 (A), 238 Johannes v. Salisbury 40 (A), 113-120, 123, 298, 301 (A) Johannes v. Segovia 249, 272, 295 Johannes Valensis 122

Register

Johannes VIII., Papst 98 Johannes XXII., Papst 136-138, 170, 201-203, 210 (A), 212 John Wyclif 120 (A), 139, 237-241, 246, 251, 299, 301 Jonas v. Orléans 99 Jordan, Karl 17 Jordanus v. Osnabrück 215, 226, 285 Justinian I., oström. Ks. 11, 19, 54 (A), 70, 89, 96 (A), 233, 274 Justinus I., oström. Ks. 38 Justinus II., oström. Ks. 89 Kallen, Gerhard 258 (A), 264, 265, 272 Kant, Immanuel 321 Kantorowicz, Ernst 10, 17, 26 (A), 98, 120 (A), 127, 128, 130, 152, 193, 299, 300 Karl der Große, Ks. 17, 47, 55, 79 (A), 97, 98, 100 (A), 228, 274 Karl der Kahle, Ks. 41, 98, 100, 102, 103 (A) Karl IV., Ks. 25, 138, 247, 288, 300 (A) Karl V., Kg. v. Frankreich 230 Karl VII., Kg. v. Frankreich 250 Karl X., Kg. v. Frankreich 26 Keller, Hagen 22 (A), 23 Kelsen, Hans 191 Kempf, Friedrich 46 (A), 67 (A), 70 (A), 74 (A), 81 Kern, Fritz 14 (A), 24 (A), 27, 37, 38 Kerner, Max 114 Knut IV., Kg. v. Dänemark 121 Koch, Bettina 21 Koch, Gottfried 10,11, 16 Kölmel, Wilhelm 38 Konrad II., Ks. 105 Konrad III., röm.-dt. Kg. 57, 59, 121, 129 (A ) Konstantin d. Große, röm. Ks. 11, 79 (A), 80 (A), 88, 173 Konstantin VII., byzant. Ks. 105 (A) Körntgen, Ludger 14, 24, 25, 105 Koselleck, Reinhart 28, 31, 34 Krieger, Karl Friedrich 22 (A) Laarhoven, Jan van 116 Lagarde, George de 220 Lahey, Stephen 241 (A)

361 Lampert v. Hersfeld 106 Languet, Hubert →Brutus, Stephanus Iunius Laurentius Hispanus 70, 71, 73 (A), 83, 156, 157, 182 (A), 197, 294 Laynez, Jakob 305 Leo d. Große, Papst 95, 263 Leo, Bf v. Vercelli 32 (A) Leo VIII., Papst 55 Leo XIII., Papst 302, 303, 312, 314-316, 325 Liudprand v. Cremona 42 Llanque, Marcus 31 Loretz, Oswald 91 Lothar I., Ks. 24 (A), 39 Lothar II., fränk. Kg. 101, 109 Lothar III., Ks. 57 Lüddecke, Dirk 193 Ludwig d. Deutsche, fränk. Kg. 103 Ludwig der Fromme, Ks. 39, 52, 98, 100, 101 Ludwig II. 41 Ludwig IV., Ks. 136-138, 194, 212, 300 (A) Ludwig VI., Kg. v. Frankreich 121 Ludwig XIV., Kg. v. Frankreich 309 Lupold v. Bebenburg 218 (A), 228, 229, 232 Lupus v. Ferrières 99 Luther, Martin 310 Lutterell, Johannes 212 Maaßlieb, Christian 311 (A) Maccarrone, Michele 203 Machiavelli, Niccolo 30 Manegold v. Lautenbach 56 (A), 106, 107 Marsilius v. Padua 34, 136-138, 140, 149, 193-203, 212, 220 (A), 238, 244, 246, 258 (A), 259, 264, 288, 294 Martin V., Papst 248 Marx, Karl 30 Masius, Hector Gottfried 309, 310 Matteo d' Acqua Sparta 132 Matthias Corvinus, Kg. v. Ungarn 277 Mausbach, Joseph 314, 315, 324, 325 Mayer, Theodor 16 Meier, Ulrich 301 (A) Michael v. Cesena 138, 212

Register

362 Miethke, Jürgen 153 (A), 178 (A) Molina, Luis 306 Mose 165, 198, 213, 292, 307 Moses Maimonides 139 Müller, Rainer A. 283 Müller, Wilhelm 146, 154 (A) Nathan 102 (A) Nelson, Janet 14 Nero, röm. Ks. 86 Nikolaus V., Papst 137, 251, 277 Nikolaus v. Gorran 113 Nikolaus v. Kues 249, 250, 253-265, 289-291, 296, 300 (A), 301 Nikolaus v. Lyra 239, 246 Nostitz-Rieneck, Robert v. 324, 325 Oldradus de Ponte 135, 267 Otto I., Ks. 22, 23, 43, 55, 103 (A), 263 Otto III., Ks. 32 (A), 285 (A) Otto, Bf. v. Freising 16, 57 Paravicini Bagliani, Agostino 17 Paris de Pueto 298 Passerin d' Entrèves, Alessandro 150 Patzold, Steffen 24 Paul II., Papst 277 Paulus 45, 159, 175, 262, 313 Paulus, Patriarch v. Aquileja 100 (A) Penafort, Raymund de 269 Peter v. Andlau 215, 283-290, 295 Peter v. Auvergne 140, 158, 298 Petrus 45, 47, 65, 81, 173, 182, 202, 213, 214, 240, 257, 270, 278, 284, 285 Petrus Crassus 110, 111 Petrus de Monte, Bf. v. Brescia 248 Petrus Johannis Olivi 148 (A), 209 Petrus Lombardus 18, 111, 141, 177, 293 (A ) Philipp II., Kg. v. Spanien 320 Philipp II. August, Kg. v. Frankreich 81 (A) Philipp IV., Kg. v. Frankreich 131, 132, 230 Piper, Josef 13 Pius II., Papst →Enea Silvio Piccolomini Pius X., Papst 314 Pius XII., Papst 324 Placentius 56 (A), 234

Platon 30, 86, 87, 221, 258 Plutarch 85-87 Pocock, John 29, 30 Pseudo-Dionysus Aeropagita 51, 80, 158, 159, 163 (A), 178 (A), 254, 266, 278, 318 Pseudo-Kodinos 105 (A) Pseudo-Plutarch 114, 118 (A), 317 Pufendorf, Samuel 310 Quillet, Jean 198 Radulf v. Laon 112 (A) Rather, Bf. v. Lüttich 42 Reibstein, Ernst 226 (A), 313 (A), 320 Remigio dei Girolami 211 Richard v. Mediavilla 149 (A) Robert Grosseteste 140 Robert v. Anjou, Kg. v. Neapel, 134, 135 Rogerius 56 (A) Roselli, Antonio 248, 249, 265-272, 283 (A), 276, 278, 280, 290, 291, 293, 295, 300 (A) Rousseau, Jean-Jacques 303, 324 Rufinus 65-68 Saisset, Bernard, Bf. v. Pamiers 131, 132 Salomon 173 (A), 308 Salomonius de Albertescis 293 (A), 315 Salvus v. S. Nicola 121 Samuel 162, 171, 174, 192, 212, 213, 231, 267 (A), 292, 307 Saul 116, 162, 171, 192, 208, 212, 213, 231, 267 (A), 292, 304, 305, 307 Schaller, Hans Martin 19 Schilling, Otto 149, 311 Schmid, Franz Caspar 321 Schmidt, Werner H. 91 Schneidmüller, Bernd 22, 23 (A), 33 Schramm, Percy Ernst 32 (A) Schrörs, Heinrich 303, 313, 314, 323 Schubert, Ernst 26 Schuwardt, Johannes 320 (A) Seckendorff, Veit Ludwig v. 321 Sedulius Scottus 99, 100 (A), 102 Seneca 86, 128, 298 Sigebert v. Gembloux 109, 110 Siger v. Brabant 140 (A)

Register

Siegfried, EBf. v. Mainz 106 Sigismund, Ks. 266, 272 Silvester I., Papst 79 (A) Silvester II., Papst 32 (A) Silverster Hispanus 70 (A) Skinner, Quentin 29-31, 35 (A) Smaragd v. St. Mihiel 98, 278 (A) Stephan Langton 111 Stephan v. Tournai 234 (A) Sthenidas v. Lokri 87 Stickler, Alfons M. 16 (A), 46 (A), 73-76 Stobaeus 87, 88 Strasold, Ludwig 300 (A) Struve, Tilman 20 Suarez, Francisco 149, 303 Synesios v. Kyrene, Bf. v. Ptolemais 90 Tancred 71, 125 Tellenbach, Gerd 9, 12, 22 (A), 38, 42, 45 Themistios 38, 87 Theodoret, Bf. v. Kyrus 91 (A) Theodosius I., röm. Ks. 102 (A) Thietmar, Bf. v. Merseburg 104 Tholomäus v. Lucca, Bf. v. Torcello 79 (A), 134, 140, 153 (A), 170-176, 242, 245, 284, 300 (A), 301, 320 (A) Thomas v. Aquin 117, 122, 138, 140-154, 157, 162 (A), 170, 172 (A), 174, 177, 183, 190, 194, 195 (A), 234, 235, 242, 244, 245, 252, 303, 319 Thomas, Heinz 137 Thomasius, Christian 310 Tierney, Brian 216 (A) Tischleder, Peter 145-149, 180, 242, 303, 312-314, 323, 324 Töpfer, Bernhard 232 Torquemada, Juan de 248, 272 Treitinger, Otto 105 Ubl, Karl 131 (A), 132, 133 Ullmann, Walter 10, 16, 17, 20, 37, 74 (A), 75 (A), 117, 149, 249, 295 Ulpian 233

363 Ulrich, Gf. v. Manderscheid 253 Urban VI., Papst 139, 224, 247 Valens, röm. Ks. 38 Vasquez, Fernando 226 (A), 313 (A), 320 Vauchez, André 17 Vegetius 115 (A), 128, 298 Vespasian, röm. Ks. 54 (A), 296 Vinzenz v. Beauvais 40 (A), 123, 162 (A), 240 Visconti, Matteo 193 Visconti,Giangaleazzo 224 Vitoria, Francisco de 309 (A), 319 Vollmer, Placidus 148 (A) Walther, Helmuth G. 154, 184 (A) Weigand, Rudolf 234 Weiler, Anton G. 301 Weinfurter, Stefan 23 Weise, Erich 252 Werner, EBf. v. Magdeburg 106 Widmer, Berthe 272 Widukind v. Corvey 43 Wildberger, Hans 91 Wilhelm v. Cremona, Bf. v. Novara 157, 203-209, 242, 243, 295, 296, 300 (A ) Wilhelm v. Hirsau 106 Wilhelm v. Holland, röm.-dt. Kg. 78 (A) Wilhelm v. Moerbeke 20, 140 Wilhelm v. Nogaret 186 (A) Wilhelm v. Ockham 138, 156, 199, 211-221, 230, 231 (A), 235-237, 244-246, 269, 288, 292, 294, 296, 309 (A) Wilhelm v. Plaisian 186 (A) Wilhelm v. Sarazeno 228 Williams, George H. 93 (A) William v. Auvergne 80 (A) William von Auxerre 80 (A) Wipo 105 Wladimiri, Paulus 247, 252 Wladislaw II. Jagiello, Kg. v. Polen 247 Woolf, Cecile N. 221, 222