Zur Fachsprache in der Juristenausbildung: Sprachkritische Analysen anhand ausgewählter Textbeispiele aus juristischen Lehr- und Lernbüchern [1 ed.] 9783428437795, 9783428037797

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Zur Fachsprache in der Juristenausbildung: Sprachkritische Analysen anhand ausgewählter Textbeispiele aus juristischen Lehr- und Lernbüchern [1 ed.]
 9783428437795, 9783428037797

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THOMAS-MICHAEL SEIBERT

Z u r Fachsprache in der Juristenausbildung

Schriften zur

Rechtstheorie

Heft 57

Z u r Fachsprache in der Juristenausbildung Sprachkritische Analysen anhand ausgewählter Textbeispiele aus juristischen Lehr- u n d Lernbüchern

Von D r . Thomas-Michael Seibert

DUNCKER &

HUMBLOT/BERLIN

Seibert, Thomas-Michael Z u r Fachsprache i n der Juristenausbildung: sprachkrit. Analysen anhand ausgew. Textbeispiele aus jur. Lehr- u. Lernbüchern. - 1. Aufl. - Berlin: Duncker u n d H u m b l o t , 1977. (Schriften zur Rechtstheorie; H. 57) I S B N 3-428-03779-0

Alle Rechte vorbehalten © 1977 Duncker & Humblot, Berlin 41 Gedruckt 1977 bei Zippel-Druck in Bürotechnik GmbH, Berlin 36 Printed in Germany ISBN 3 428 037790

Die dritte Einbruchsstelle der T o p i k i n das System ist der Gebrauch der genuinen Sprache. Daß sie eine fast unübersehbare Fülle von fortgesetzt variierenden Verständnishorizonten i n sich vereinigt, t r i t t heute immer deutlicher in unser Bewußtsein.

Theodor Viehweg, T o p i k u n d Jurisprudenz

Vorwort

Theorie und Methode sprachkritischer Analyse sind Anfang der siebziger Jahre in Kolloquien und Seminaren Theodor Viehwegs in Mainz intensiv diskutiert worden. Sprachanalyse ist dabei als Mittel zur Klärung rhetorischer Überzeugungs- und Meinungsbildungsprozesse verstanden worden. Das Attribut „sprachkritiscb" verstehe ich nicht als Modewort. Unter Aspekten juristischer Topik steht eine auf technische Verwertbarkeit beschränkte „Rechtslinguistik" nicht im Vordergrund des Interesses. Gleichwohl gebrauche ich für die vorliegenden Analysen in der Linguistik entwickelte und diskutierte Methoden. Ich habe mich bemüht, mit der möglichen Genauigkeit am sprachlichen Detail zu arbeiten, ohne daß der Bezug der analysierten Studientexte zur Rechts- und Ausbildungspraxis verlorenginge. Da die Arbeit - soweit ich sehe - auf dem Gebiet der Rechtstheorie neu ansetzt, kann und will sie keine Zusammenschau bieten. Ich hoffe statt dessen, daß die Veröffentlichung nicht nur rechtswissenschaftliche Kritik herausfordert, sondern auch Philosophen und Linguisten wie Pädagogen und anderen Sozialwissenschaftlern zur Diskussion dienen kann. Wissenschaftlicher Dialog beförderte Entstehung und Vollendung der Arbeit. Siegfried J. Schmidt und Roland Posner danke ich für sprachtheoretische Hinweise. Rechtstheorie und Ausbildungspraxis standen in klärenden Gesprächen mit Ottmar Ballweg, Winfried Hassemer und Klaus Lüderssen im Vordergrund. Theodor Viehweg hat den Fortgang der Arbeit betreut und das notwendige Zweitstudium von Philosophie und Sprachwissenschaft angeregt und befördert. Mit seinem Assistenten Hubert Rodingen habe ich in Grundsatzfragen ebenso wie am sprachlichen Detail in andauernder und fruchtbarer Weise zusammenarbeiten können. Die Arbeit lag dem Fachbereich Rechts- und Wirtschaftswissenschaften der Johannes-Gutenberg-Universität in Mainz im Wintersemester 1974/75 als Dissertation vor. Die Studienstiftung des deutschen Volkes hat das Promotionsvorhaben großzügig gefördert. Meinen Eltern danke ich für ihre Unterstützung bei Abfassung und Drucklegung der Arbeit. Wiesbaden, im Januar 1976

Thomas-Michael Seibert

Inhalt

Einleitung

11

I.

Fachsprache, Sprachtheorie u n d S p r a c h k r i t i k

15

1. Fachsprache in juristischen Studientexten

15

a) Fachsprache als Lehrmittel

15

b) Rechtssprache u n d Textrezeption

19

c) Sprachform u n d Handlungssituation

23

2. Sprachtheorie zur Analyse fachsprachlicher Verständigung: Syntaktische Muster in juristischen Sprachhandlungen

27

a) Thematische Progression

28

b) Subordination u n d Koordination in Sätzen

28

3. Sprachkritik an syntaktischen Erscheinungen in juristischen Studientexten...

36

a) Sprache u n d Sozialverhalten: Forschungsrichtungen u n d Hypothesen

36

b) Kriterien der K r i t i k

43

I I . Sprachanalysen anhand juristischer Lehr- und Lernbücher

46

1. Begründungen aus der Basisdoktrin deuten: K a r l Latenz, Allgemeiner Teil des deutschen Bürgerlichen Rechts, 1. Aufl., München 1967

46

a) S. 338 in: § 25. Die Willenserklärung; ihre Auslegung

46

b) S. 68/69 in: § 6. Die zivilrechtliche Verantwortung

53

2. „Klausurenstil" einüben: Köln/Berlin/Bonn/München

Dieter

Medicus,

Bürgerliches

Recht, 62

a) 3. Auflage 1970, S. 44/45 in: § 6 IL Handlungs-, ErklärungsGeschäftswille

und

b) 2. Auflage 1969, S. 53/54 in: § 6 II. Handlungs-, ErklärungsGeschäftswille

und

3. Begriffe wiederholen: Alpmann/Schmidt/Falckenberg: AT/Karteikarte ( K K ) 1 (vervielfältigtes Arbeitspapier)

Kurs

im

62 69 BGB

4. Topoi zweiter Stufe auswendig hersagen: Olaf Werner, Examens wichtige Klausurprobleme, hrsgg. v. Uwe Diederichsen. 20 Klausurprobleme aus dem B G B Allgemeiner Teil, Frankfurt/Berlin 1970, S. 23 - 25 . .

74

79

8

Inhaltsverzeichnis 5. Begriffe lehren u n d lernen: Schwind/Hassenpflug/Nawratil, gemacht, 8. Auflage, München 1973, S. 21/22

BGB -

leicht 88

6. Begriffssysteme fallbezogen begründen: Karl Latenz, Allgemeiner Teil des deutschen Bürgerlichen Rechts, 2. Auflage, München 1972, S. 275/276

96

7. Probleme lösen, die man kennt: A l p m a n n u n d Schmidt, Juristische Lehrgänge, Skriptum Strafrecht Allgemeiner Teil, Heft 1 1973, S. 87 - 89

102

8. „Sauber" subsumieren: A l p m a n n u n d Schmidt, Klausur i m Strafrecht Β 247 (ν. 10. 1. 1972), Omnibus-Fall, S. 2 (vervielfältigtes Arbeitspapier)

110

9. Problemlösen lernen: A l b i n Eser, Studienkurs Strafrecht 1, Frankfurt/M. 1971, Obstdieb-Fall 9

119

a) Abschnitte 12 - 15 (S. 74 f.)

119

b) Abschnitte 17/18 (S. 75)

127

10. Programmiert lernen - ohne Programm: Hermann Blei, Prüfe dein Wissen: Strafrecht Allgemeiner Teil, 6. Auflage, München 1970, Fragen 100, 102, 103.

133

I I I . L e h r b u c h j u r i s p r u d e n z u n d Juristenausbildung

141

Zusammenfassung

154

Literaturverzeichnis

158

Register der zu sprachkritischer T h e o r i e b i l d u n g v e r w e n d e t e n Begriffe

165

Abkürzungsverzeichnis

Sprachanalytische Abkürzungen Κ

Kernsatz (bzw. Kernsätze)

R

Rhema (Kommentar)

S

Satzstufe (η)

η. v. S

nichtverknüpfte Satzstufe(n)

Sa

Satz

SU

Summe

Th

Thema

VE

Verknüpfungselement

ZwS

Zwischensumme

Sonstige Abkürzungen Literatur,

auf die in den Anmerkungen verwiesen wird, ist regelmäßig durch den Verfas-

sernamen, die Seitenzahl u n d - bei mehreren Werken desselben Autors - durch eine Titelkurzfassung benannt. Stellenangaben aus fremdsprachiger Literatur entsprechen den Seitenzahlen der deutschen Übersetzung (soweit vorhanden). Vollständige bibliographische Angaben befinden sich i m abschließenden Literaturverzeichnis. Folgende Abkürzungen beziehen sich auf AcP

Zeitschriften:

Archiv für civilistische Praxis

ARSP

Archiv für Rechts- u n d Sozialphilosophie

JA

Juristische Arbeitsblätter

JuS

Juristische Schulung

JZ

Juristenzeitung

NJW

Neue Juristische Wochenschrift

Auf

Gesetze

beziehen sich die Abkürzungen:

BGB

Bürgerliches Gesetzbuch

GG

Grundgesetz

ZPO

Zivilprozeßordnung

Einleitung Die folgenden Sprachanalysen untersuchen am sprachlichen Detail, wie Rechts lehrer die juristische Verarbeitung alltäglicher Konfliktsituationen darstellen und damit Studenten zu eigener fachsprachlicher Argumentation anleiten. Im Mittelpunkt juristischer Arbeit steht die situationsgerechte Wiedergabe von Texten, d. h. eine spezifische Paraphrasierungsleistung. Paraphrasenbildung wird in der Juristenausbildung anhand sprachlich besonderer Lehrparaphrasen gelernt. Dieser Prozeß doppelter Paraphrasierung ist Gegenstand von Sprachanalyse und Sprachkritik. Teil I führt in Methodik und Forschungshypothesen ein, Teil II versucht anhand von 13 Textbeispielen zu 2 dogmatischen Problemkreisen unterschiedliche Paraphrasierungsleistungen deutlich zu machen, während Teil III schließlich aus der Summe der Einzelanalysen mögliche Konsequenzen für die Juristenausbildung andeutet. Rechtstexte verstehen sich nicht von selbst. Das BGB ist weder ein „Volksbuch" noch gehört es zu den Werken, die in stillen Stunden weiterbilden. Denn es gehört offenbar Fachkunde dazu, aus Rechtsbüchern „sinnvolle" Aussagen zu entnehmen. Die Hausfrau fragt lieber den Jurastudenten im 5. Semester, ob mündliche Abmachungen in jedem Fall bindend seien, als daß sie im BGB nachschlüge; und der Jurastudent lernt, daß entgegen dem schlichten Wortlaut des § 125 BGB auch bei mangelhafter Form nicht in jedem Fall Nichtigkeit anzunehmen ist 1 . Die angesprochene Fachkunde ist also großenteils Sprachkunde. Diese Sprachkunde wird in der Juristenausbildung vermittelt - und zwar durch bereits Sprachkundige, die sich in eben dieser Sprache ausdrücken. Dieser doppelte sprachliche Bezug bestimmt die Problemlage fachsprachlicher Juristenausbildung. Daß Fachliches mitgeteilt wird, kann man aus jedem Studientext ersehen. Solche Texte teilen mit, wie Normen, Leitsätze oder Auslegungsanweisungen herkömmlich paraphrasiert werden, und leiten den Studenten an, selbst Paraphrasen über einen bestimmten Rechtstext zu bilden. Sie formulieren die fachsprachliche Mitteilung mit den Mitteln der Fachsprache. Die abwandelnde Wiedergabe des § 119 BGB soll etwa im Zusammenhang einer Fallösung zeigen, unter welchen Voraussetzungen man davon reden kann, eine Willenserklärung sei wirksam, aber anfechtbar. Dabei bemerkt der Student, daß der anscheinend so eindeutige Begriff „Willenserklärung" gelegentlich nur scheinbar 1 Enthält die U r k u n d e nicht alle notwendigen Angaben, so gestattet die Rechtsprechung eine sehr weitgehende Auslegung m i t H i l f e außerhalb der U r k u n d e gebliebener Umstände, je nachdem, wessen Interessen durch die Vornahme des Rechtsgeschäftes berührt werden (Erman-Westermann, K o m m e n t i e r u n g zu § 125, A n m . 2).

12

Einleitung

mit tatsächlich erklärtem Willen verbunden ist; oder daß scheinbare Leerformeln - wie das „Treu- und Glauben"-Gebot des § 242 BGB - zu einer anscheinend eindeutigen Kasuistik führen. Der Erwerb juristischer Fachsprache vollzieht sich demnach als Prozeß doppelter Paraphrasenbildung: Paraphrasierung lernen anhand von Paraphrasen 2. Jeder Rechtslehrer weiß, daß sich beides nicht anhand beliebiger Beispiele praktizieren läßt 3 . Die sprachliche Komplexität erschwert oder verhindert zuweilen das Verständnis der fachlichen Mitteilung. Welche kommunikative Bedeutung die Paraphrasis hat, lehrt die Rhetorik seit alters her. Quintilian erklärt sie in seiner institutio oratoria und gibt für persuasive Sprachgestaltung praktische Winke 4 . Die Arbeit verfolgt dementsprechend ein doppeltes Ziel. Die Realisation fachlicher Mitteilungen mit Hilfe des zur Verfügung stehenden fachsprachlichen Wirkungspotentials ist Gegenstand der Sprachanalyse. Sprachanalyse zeigt, welche Inhalte Rechtslehrer in welcher Weise vermitteln. Analysiert wird also das Sprachverhalten der Textautoren. Gegenstand der Sprachkritik ist die Wirkung der so strukturierten Texte auf die studentischen Leser. Sprachkritik bewertet den kommunikativen Verständigungserfolg und gibt Antwort auf die Frage, welches Sprachverhalten, welche Paraphrasierungsleistungen, Rechtslehrer von ihren Lesern nach der Lektüre erwarten können. Ich untersuche zu diesem Zweck Studientexte verschiedener Herkunft und unterschiedlichen Anspruchs. Sie alle werden oder wurden 5 in der Juristenausbil2 Dabei scheint m i r der pragmatische Aspekt der Paraphrasenbildung i m Vordergrund des Interesses zu stehen. Andere Wege geht - trotz ähnlicher Bezugspunkte bei Heinz, A d o m e i t u n d B r i n c k m a n n - die Arbeitsgruppe zur „Analyse der juristischen Sprache", insbesondere H a r t m a n n u n d Rieser i n ihrem Versuch der Generierung von Paraphrasen (Paraphrasen, 87 ff.). H a r t m a n n u n d Rieser behandeln einen Satz dann als Paraphrase eines anderen Satzes, wenn er i n syntaktischen Variationen dieselbe Bedeutung z u m Ausdruck bringt. Aus dieser syntaktisch-semantischen Sicht können sie „ d i e g r a m m a t i k i m manente D e f i n i t i o n von Paraphrasenrelationen" (92) i m Rahmen des Transformationsteils einer Textgrammatik fordern. - Daß von Paraphrasen nur i n Zusammenhang u n d unter Berücksichtigung pragmatisch bestimmter Handlungssituationen geredet werden kann, betont demgegenüber Ungeheuer (195 ff., m i t Klassifikationen der Paraphrasen).

3 Dazu aus linguistischer Sicht Hartmann: „ E n t j u r i d i f i z i e r u n g zwecks Lehrbarkeit nötig? . . . Welche Form der Beschreibung m u ß für eine Lehre Voraussetzung sein?" (Sprachwissenschaft, 51). 4 Q u i n t i l i a n i i n s t i t u t i o oratoria 10.5.5., 9.1.1. u n d Kopperschmidt, 163 f. D i e von m i r i n dieser Arbeit verwendeten, sprachanalytisch operationalisierten Prädikate für juristische Paraphrasenbildung weisen Parallelen zu den von Q u i n t i l i a n vorgestellten m o d i auf. D i e paraphrastische Erweiterung sprachlicher Elemente (adiectio) ähnelt der situativen Redeweise, während Beschränkung in den Sprachmitteln (detrectatio) der nichtsituativen A r g u m e n t a t i o n nahekommt. D i e U m s t e l l u n g sprachlicher Einheiten (transmutatio) i n der Form linearer thematischer Progression w i r k t restriktiv, während Sprachvariationen ( i m m u t a t i o ) zur nichtrestriktiven Rede gehören (zu alledem vgl. T e i l 1.2.).

5 D i e Analyse erfolgt ungeachtet der Tatsache, daß die meisten analysierten Studientexte schnell durch Neuauflagen ersetzt werden. Es g i n g m i r nicht darum, aktuelle Rezensionen zu verfertigen. Das wäre angesichts der geringen Breite des Materials auch gar nicht möglich. D i e Analysen sollen statt dessen Sorten oder T y p e n der Sprachgestaltung erkennbar machen, die nicht nur i n dem gerade analysierten Textbeispiel vorkommen. Deshalb werden zwei Texte (Larenz u n d Medicus), bei denen der Auflagen Wechsel auch einen gewissen Sprechwandel anzeigt, zweimal untersucht.

Einleitung

dung verwendet. Da ich die Textverarbeitung insbesondere auf die möglichen kommunikativen Wirkungen hin analysiere, stehen die vermittelten dogmatischen Inhalte mehr im Hintergrund. Um das Phänomen der Paraphrasierung zu verdeutlichen, konzentrieren sich dreizehn Textbeispiele aus zehn Studienbüchern um zwei gleichbleibende Probleme. Der Inhalt der Mitteilungen liegt damit im groben fest: Die Probleme geben Anlaß dazu, inhaltlich sowohl dogmatische Grundlagen (Erklärung eines rechtlichen Willens, Abwehr eines rechtswidrigen Angriffs) als auch deren juristisch-technische Lösung (Bestandteile einer wirksamen Willenserklärung, Prüfungsfolge beim Rechtfertigungsgrund „Notwehr") zu erörtern. Die Argumentationsinhalte haben also eine gewisse semantische Reichweite. Die Textpragmatik charakterisiere ich in der Folge mit den Prädikaten „situativ" und „restriktiv" sowie ihren jeweiligen Negaten „nichtsituativ" und „nichtrestriktiv". Teil I beginnt damit, die möglichen Unterschiede in lehrbuchmäßiger Darstellungsweise zu umreißen und auf fachsprachliche „Rezeptionskonstituenten" hinzuweisen (1.1). Ich schlage vor, juristische Sprachanalyse in einer an sprachlichem Handeln orientierten Texttheorie zu fundieren und die oben erwähnten sprachpragmatischen Merkmale zu operationalisieren (1.2). Die Sprachkritik schließt dann an Hinweise an, die Theodor Viehweg in „Topik und Jurisprudenz" gegeben hat. Es heißt dort, der Gebrauch der „genuinen Sprache" sei eine „Einbruchsstelle der Topik" und eröffne als solche fortgesetzt variierende Verständigungsmöglichkeiten 6. Welche Variationen die juristische Lehrsprache hervorbringt und wie durch Textverarbeitung Systembildung gesteuert wird, läßt sich anhand einer Formalanalyse zeigen. Sie erlaubt es, den sprachlichen Situationsbezug zu operationalisieren und anhand von Kriterien zu beurteilen. Teil II erprobt dann die in I methodisch fundierte Sprachkritik an Textbeispielen. Die einzelnen Analysen erörtern für jeweils ein Textbeispiel didaktischen Anspruch, Ergebnisse der Formalanalyse und kommunikative Wirkung. Sie sollten in Verbindung mit den Erläuterungen zur Formalanalyse (in 1.2 und I.3b) auch für sich allein genommen verständlich sein. Im übrigen habe ich mich bemüht, die jeweilige sprachliche Charakterisierung nicht einfach deduktiv abzuleiten oder definitorisch zu verorten, sondern anhand des Textbeispiels zu entwickeln. Wer im Verlauf der Lektüre terminologische Klärung wünscht, mag auf das Register am Schluß der Arbeit zurückgreifen. Teil III skizziert schließlich auf der Grundlage der Einzelanalysen die mögliche Wirkung von Texten in der Juristenausbildung. Die Wirkungsmöglichkeiten bewegen sich zwischen den dort näher charakterisierten Verständigungsmustern Ableitung und Anreihung. Während Ableitungen den Allgemeinheitsanspruch der Rechtssprache betonen und isoliertem „Textverstehen" dienen, wahren Anreihungen den Bezug zur Umgangssprache und umgangssprachlichem „Geschichtenerzählen". 6

Vieh weg ( T o p i k ) , 89; dazu auch Esser (Vorverständnis), 49 f.

14

Einleitung

Da Juristenausbildung sich gewöhnlich anhand ableitender Texte vollzieht, ist rechtssprachliche Übung in der Gefahr, den Zusammenhang zwischen Textverarbeitung und Rechtshandeln vergessen zu lassen. Diese „Lehrbuchjurisprudenz" ist Gegenstand der Sprachkritik. Herkömmliche Lehrbücher sind wie die ausschließlich an Studenten adressierten Lernbücher in unterschiedlicher Weise für solche Sprachisolierung anfällig. Der Lehrbuchstil verfährt nichtsituativ, insofern er nicht an die Ausbildungssituation des Lernenden anknüpft, sondern Fachsprache im System des jeweiligen Autors vermittelt. Dafür stellen Lehrbücher die vorgegebenen begrifflichen Restriktionen in Frage (vgl. die Larenz-Textbeispiele in ILL). Lernbücher referieren hingegen vorfindliche Restriktionen, ohne sie zu problematisieren. Der Lernbuchstil kommt durch geringe Komplexität dem Verständnis des Studenten entgegen. Eine solche situativ-restriktive Darstellungsweise ermöglicht es jedoch nicht, den Zusammenhang von Fachsprache und Rechtshandeln bewußt werden zu lassen. Situationsvorgänge werden sofort in juristischen Termini geschildert, so daß der Lernende Fachsprache nicht mit eigenen Erfahrungen verbinden kann. Die individuelle Aufarbeitung gesellschaftlicher Erfahrungen ist nur im Medium der Anreihung möglich. Ein Anreihungsstilkönnte Fachsprache in der Form topischer Prämissensuche7 einüben und damit Forschen, Lernen und praktisches Handeln in einer Weise verbinden, die zur inhaltlichen Reform der Juristenausbildung beiträgt.

7 Ich meine damit eine vortheoretische, umgangssprachliche Diskussion von Problemen, die i m jeweiligen sozialen U m f e l d der Lernenden tatsächlich als Probleme erfahrbar sind; z u m Verhältnis von „dogmatisch differenzierten Schularbeiten" u n d Vorverständnisfragen vgl. Esser (Dogmatisches Denken), 106, 127 u n d zur Form der T o p i k als prämissensuchendem Verfahren Theodor Vieh weg ( T o p i k ) , 31 ff.

I. Fachsprache, Sprachtheorie und Sprachkritik 1. Fachsprache in juristischen Studientexten a) Fachsprache als Lehrmittel Daß eine juristische Fachsprache existiert, ist juristischen Laien gewöhnlich weniger zweifelhaft als den Juristen selbst1. Wer „Eigentumsübertragungen" kennt und den landläufig bekannten „Hausbesitzer" „Grundstückseigentümer" nennt, redet offenbar juristisch. Ein Blick in die juristische Literatur bestätigt, daß dort Worte vorkommen, die der Gemeinsprache oder Umgangssprache fremd sind. Rechts spräche ist zunächst als terminologisch bestimmte Sondersprachform ausgezeichnet 2 . Nun dient die dogmatische Unterscheidung zwischen Eigentum und Besitz mehr der abkürzenden Verständigung unter Juristen. Ein bestimmter Stand redet so, und soweit es sich nur um standessprachlich gesonderte Terminologie handelt3, läßt sich Fachsprache leicht rückübersetzen. „Besitz" ist „tatsächliche Sachherrschaft" und hat etwas mit „Draufsitzen" zu tun, „Eigentum" heißt dagegen die rechtliche Verfügungsmacht. Eine „Willenserklärung" kommt meist als erklärter Wille vor. Aber man kann Nichtjuristen sogar daran gewöhnen, daß jemand „erklärt", wenn er stumm in den Autobus steigt und an das Wetter von gestern denkt; daß eine offene Plattform ein „umschlossener Raum" im Sinne des Gesetzes ist; daß jemand „ausbaut", obwohl er zuschüttet. Hier liegen sicher sprachliche Sonderformen vor, die Heiterkeit auslösen können, weitreichende Verständigungsprobleme entstehen daraus jedoch noch nicht. 1 So meint Rottleuthner, die juristische Redeweise rechtstheoretisch als bloße „Sondersprache" deuten zu müssen, die als Resultat einer einheitlichen Professionalisierung J u r i sten zumindest das G e f ü h l vermittele, „ u n t e r sich", „ u n t e r kompetenten Leuten" zu sein (Richterliches Handeln, 196). I m übrigen w i r d meist funktionsbezogen gerechtfertigt, daß Juristen gewissermaßen gezwungen seien, anders zu reden als Normalbürger (so ausd r ü c k l i c h u n d m i t theoretischem Anspruch: L u h m a n n (Rechtssoziologie 1), 104 f.). - Programmatische Forderungen u n d phänomenologische Bestandsaufnahmen der gegenwärtigen Diskussion u m juristische Fachsprache u n d Umgangssprache bieten (in: Petöfi/Podlech/v. Savigny): Rieser (in Fortführung textgrammatischer Überlegungen, vgl. Fn. 2/Einleitung), Podlech ( m i t der Folgerung, juristische Fachsprache sei gegenwärtig zwar gesellschaftlich unentbehrlich, aber N i c h t j u r i s t e n nur eingeschränkt übersetzbar) - kritisiert von Garstka - u n d B r i n c k m a n n ( m i t Anregungen zur sprachtheoretischen Reformulierung eines juristischen Handlungsmodells), ergänzt durch Stichworte v o n Adomeit. 2

Z u den Abstraktionsanforderungen 82-95. 3 Vgl. Brinckmann, 62.

fachbezogener

Sprachformen

vgl.

Schnelle,

16

I. Fachsprache, Sprachtheorie und Sprachkritik

Schwieriger wird es schon, wenn man entscheiden soll, ob (1) A kann gegenüber dem Eigentumsherausgabeanspruch des Β einen Anspruch gem. § 812 B G B haben.

ein juristischer Satz ist oder nicht. Das Institut der Einrede ist hier nämlich übersehen. Juristische Termini werden nicht fachgerecht verwendet 4. Die gelernten Sprachmittel können nicht beliebig kombiniert werden. Ihre Verwendung ist normiert. Ich zähle solche Verwendungsregeln zur fachsprachlichen Syntax, während besondere Ausdrucksformen der Semantik zuzurechnen sind. Beide Phänomene, die Zeichenbedeutung (Semantik) und die Regeln der Zeichenverwendung (Syntax)5, hängen regelmäßig zusammen und werden als Dogmatik gelernt. So ist die Stellung, die man dem „Eigentumserwerb durch Verarbeitung" im Normensystem zumißt (abdingbar oder nicht), verbunden mit der Bedeutung des Wortes „herstellt" in § 950 BGB. Der BGH etwa hält § 950 für zwingend, bezieht aber den Partei willen in den Herstellerbegriff mit ein 6 . Innerhalb der Dogmatik gibt es also schematisierte syntaktisch-semantische Muster. Ein solches Sprachmuster ist auch schon durch die Prüfung in Anspruchsgrundlagen festgelegt. (2) A könnte das Buch gem. § 985 B G B von Β herausverlangen. Dann müßte A Eigentümer sein. Er könnte durch Einigung u n d Übergabe von C Eigentum erworben haben.

Unter Verzicht auf sprachliche Vielfältigkeit sind hier bestimmte Formulierungen zwingend zu verwenden (... müßte Eigentümer sein/... könnte Eigentum erworben haben). Juristensprache ist also nicht nur terminologisch bestimmt, sondern auch grammatisch schematisiert. Es handelt sich um eine reglementierte Sprachform, die im engeren Sinne Fachsprache genannt werden kann 7 . Dabei wird schon deutlich, daß die Verflechtung syntaktisch-semantischer Erscheinungen größere Sprachprobleme aufwirft, als es die bloß besondere Terminologie vermuten ließe. Wer „Besitz" zu definieren weiß, vermag deshalb noch nicht seine Umwelt in Eigentümer und Nichteigentümer, Besitzer und Nichtbesitzer einzuteilen, wie es das Prüfungsschema des § 985 BGB verlangt 8. Anwendungsprobleme kommen dazu: Ist der Verleiher noch Besitzer? Hat der Entleiher ein Recht zum Besitz? Die syntaktisch-semantischen Probleme, die sich bei der Verwendung von Rechtssprache ergeben, werden in der Juristenausbildung gelernt und geprüft. Den richtigen Gebrauch juristischer Fachsprache lehren Studientexte. Rechtsrelevante Vorgänge können nun in Studientexten in verschiedener Weise geschildert werden: 4

Diederichsen (BGB-Klausur), 180.

5 Charles Morris hat die Semiotik terminologisch begründet. N a c h Syntax u n d Semant i k ist die Pragmatik als Bezug des Zeichens z u m Zeichenbenutzer die dritte v o n Morris erwähnte semiotische Dimension (Morris, 52). D i e einfache D r e i t e i l u n g dürfte jedoch für eine kommunikationsbezogene Begründung juristischen Sprachverhaltens nicht genügen, dazu Ball weg (Rechtsphilosophie), 49 sowie Schreckenberger, 561 ff. D i e Pragmatik w i r d i n diesen Beiträgen als Argumentationsgrundlage vorgestellt. 6

Erman-Hefermehl, K o m m e n t i e r u n g zu § 950, Rdnr. 3b.

7

Schnelle, 86.

8 D i e binäre Sprachschematisierung, die das Prüfungsschema aufzwingt, faßt L u h m a n n gleichzeitig als wirksame Handlungssteuerung auf (Rechtssystem, 61 ff.).

1. Fachsprache in juristischen Studientexten

17

(3a)

1 Der Schaffner warf einen Fahrgast aus dem Autobus. 2 Der Mann sprang nämlich auf, nachdem der Bus schon abgefahren war u n d obwohl der Schaffner i h m dies verboten hatte. 3 U m ihn wieder hinauszubefördern, versetzte i h m der Schaffner einen Faustschlag ins Gesicht. 4 Das war nicht notwendig. 5 Der Mann hätte aus dem Bus fallen u n d tot sein können.

(3b)

1 2 3 4

(3c)

U m die zwangsweise Entfernung des A aus dem Omnibus durchzusetzen u n d damit den noch andauernden A n g r i f f des A zu brechen, war eine für A weniger einschneidende Verteidigungsmaßnahme möglich als der m i t der Gefahr eines Sturzes von der Plattform des Omnibusses u n d daher m i t einer Lebensgefahr für A verbundene Faustschlag.

A mußte zwangsweise aus dem Omnibus entfernt werden. Sein Angriff dauerte nämlich noch an u n d sollte gebrochen werden. Dazu war aber ein Faustschlag nicht notwendig. A hätte von der Plattform fallen u n d sich lebensgefährlich verletzen können.

Vergleicht man (3a-c), so fällt auf, daß alle drei Beispiele offenbar denselben Situationszusammenhang bewerten (zur Herkunft der Textbeispiele s. u., S. 112). Das Werturteil betrifft die Behandlung eines Fahrgastes durch einen Schaffner. Es ist in formal unterschiedlichen Paraphrasen ausgedrückt. Interessant sind dabei mögliche Variationen in der Verständigung. Man könnte in der obigen Weise Tests durchführen, um die pragmatische Dimension von Sprachmitteln zu bestimmen. Versuchspersonen würden in diesem Fall aufgefordert, ausgewählte Paraphrasen nach vermuteter Herkunft und „Verständlichkeit" zu ordnen; oder man könnte sie bitten, in eigenen Worten den Inhalt des gerade gelesenen Textes zu wiederholen. Die Variationen zwischen den berichteten Inhalten würden dann das unterschiedliche Maß der Verständigung verdeutlichen. Mit solchen Sprachtests läßt sich die Wirkungsweise von Fachsprache empirisch bestimmen. Der Sprachstatistik muß aber Sprachanalyse vorausgehen. Bevor gewichtet wird, muß man wissen, worauf es bei Sprachwirkungen ankommt. Diese Sprachpragmatik ist Gegenstand der Einzelanalysen in Teil II. (3a-c) nehmen mögliche Verständigungsunterschiede vorweg und deuten an, worauf es im folgenden ankommt. (3a) fällt nach unseren vorläufigen Überlegungen aus dem Bereich juristisch-fachsprachlicher Texte überhaupt heraus. Es fehlen terminologische Besonderheiten und grammatische Schemata, mit denen in gleicher Form über eine Vielzahl von Sachverhalten berichtet werden kann. Der „Stil", den ich als Inventar der in einem Text gebrauchten Sprachmittel verstehen möchte9, ist narrativ. Er vermittelt umgangssprachlich einen Vorgang aus dem täglichen Leben, indem in einfachen Sätzen angereiht wird. Satz 1 berichtet über die Handlungsweise des Schaffners. Die Sätze 2 und 3 thematisieren eine Information aus Satz 1 (einen Fahrgast - der Mann - ihn). Satz 4 hat dann einen Kommentar von 3 zum Thema, während 5 das Thema von 3 erneut aufnimmt. Die Abstraktionsleistung des Textes 9 Vgl. Benes (Fachtext), 126. 2 Seibert

18

I. Fachsprache, Sprachtheorie und Sprachkritik

läßt sich graphisch so veranschaulichen (die waagerechten Linien kennzeichnen Ableitungen, die senkrechten Anreihungen 10 ): Satz 1 Der Schaffner — > einen Fahrgast

1 2

Der M a n n — > sprang auf, nachdem . . .

3

U m i h n . . . — > versetzte der Schaffner

I 4

Das — > war nicht notwendig

5

Der M a n n — > hätte d a b e i . . .

(3b) weist eine ganz ähnliche Textstruktur auf. Satz 1 A — > zwangsweise entfernt

i 2 Sein A n g r i f f — > dauert an soll gebrochen werden

i Dazu — > Faustschlag nicht notwendig 4 A — > fallen u n d verletzen

Anreihungen überwiegen, die Ableitungszusammenhänge sind klein. Sie enthalten aber fachsprachliche Termini wie „Angriff 4 und „Zwang". Auf diese Weise können größere Ableitungen vorbereitet werden. (3 c) präsentiert diesen großen Ableitungszusammenhang. Er läßt sich verdeutlichen, wenn man innerhalb des Satzes den syntaktischen Rahmen (Zu χ war y möglich) und seine Ausfüllung (x: um die zwangsweise Entfernung . . . zu brechen; y: eine weniger einschneidende Verteidigungsmaßnahme ...) unterscheidet. zwangsweise Entfernung — > durchsetzen andauernden A n g r i f f — > brechen

1

ι

i Verteidigungsmaßnahme - > Verteidigungsmaßnahme — > Faustschlag — > Faustschlag — >

weniger einschneidend Faustschlag Sturzgefahr Lebensgefahr

(3c) läßt erkennen, daß in einen Satz ein ganzer Text mit sehr verschiedenen Situationscharakterisierungen eingehen kann. Bei solcher Darstellung dominieren Ableitungen. Anreihungen kommen nur an zwei Stellen vor (innerhalb des Satzes: Entfernung durchsetzen und Angriff brechen, Sturzgefahr und Lebensgefahr). 10 D i e horizontale u n d vertikale Gliederung habe ich i n die sprachanalytischen Tabellen übernommen (vgl. (3c) m i t Tabelle 10 unten). Thematische Progression u n d Subord i n a t i o n in Sätzen, die hier vortheoretisch skizziert sind, erscheinen dort i n vollständiger u n d formal abgekürzter Form.

1. Fachsprache in juristischen Studientexten

19

(3b) und (3c) stellen verschiedene grammatische Muster dar, die beide in juristischer Fachsprache vorkommen - und zwar in Ausbildungstexten. (3c) stammt aus einer Klausurlösung der Juristischen Lehrgänge Alpmann und Schmidt (vgl. unten II.8), (3b) ist - wie (3a) - eine selbstverfertigte Paraphrase, ähnelt aber der Diktion in Schriften wie „BGB - leicht gemacht" (vgl. unten II.5). Die Beispiele zeigen, daß Einübung in Fachsprache nicht nur als Lernziel juristische Texterzeugung leitet. Fachsprache wird gleichzeitig in verschiedenen Variationen als Lehrmittel eingesetzt. Informationen über Fachsprache werden gleichzeitig fachsprachlich vermittelt. Daraus entstehen für die Juristenausbildung Verständigungsprobleme. Denn man kann bezweifeln, ob das Lehrmittel Fachsprache auch ein geeignetes Arbeits- oder Lernmittel für Studenten abgibt. Studenten, die mit Texten arbeiten - sei es ein Larenz-Lehrbuch oder ein Alpmann/Schmidt-Repetitorium -, können dies nur dann erfolgreich tun, wenn ihnen die Ubersetzung von Fachsprache in Umgangssprache und umgekehrt gelingt 11 . Sie sollen ja nach Lektüre zur Verwendung von Fachsprache in anderen Situationen befähigt sein. Pädagogische Arbeitsmittel haben einschlägige Anforderungen zu erfüllen: - Sie sollen Motivationsbildung fördern (Problemdenken) - Sie sollen entwicklungsgemäß sein (dem Kenntnisstand entsprechen) - Sie sollen Selbstkontrolle ermöglichen (Wiederholung) - Sie sollen dem Ausbildungsplan entsprechen (der fachsprachlichen Lernzielbestimmung). Ob Fachsprache als Lehr- und Arbeitsmittel diesen Merkmalen gerecht wird, ist eine Frage der Sprachpragmatik. Kennt man die Ausbildungssituation, kann man bestimmte Lehrbücher empfehlen. Das setzt voraus, daß der Berater weiß, wie Sprache mit Lernverhalten korreliert. Er muß wissen, wie Syntax und Semantik die Rezeption des Lesers beeinflussen. Die dogmatischen Sprachmittel sind also in ihrer Funktion als „Rezeptionskonstituenten" zu beurteilen 12.

b) Rechtssprache und Textrezeption Daß Sprache im Rahmen eines Kommunikationsprozesses auf den jeweiligen Partner „wirkt", ihm also nicht nur Dinge und Vorgänge der Außenwelt 11 D i e vorliegende Arbeit setzt voraus, daß Studenten überhaupt Lehrbücher oder Repetitorien als A r b e i t s m i t t e l gebrauchen. Hier fehlt es noch an empirischen Untersuchungen. Aber die allgemeine Tendenz scheint dafür zu sprechen, daß ein Larenz-Lehrbuch eher genutzt w i r d als eine Larenz-Vorlesung. 12 Z u r Theorie textueller Instruktoren vgl. Schmidt (Texttheorie), 85 ff., 161; zur empirisch-literarischen Wirkungsforschung vgl. Ansätze bei D e h n , 189 ff. (insbesondere Bauer u. a., Text u n d Rezeption) m i t dem Versuch experimenteller Quantifizierung.

2*

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I. Fachsprache, Sprachtheorie und Sprachkritik

„beschreibt", gehört zu den Grundannahmen der neueren Sprachforschung 13. Dabei herrscht weitgehend Ubereinstimmung, soweit es sich um die Wirkung der Wortauswahl 14 handelt. (4a) Würdest d u mal das Fenster schließen

wirkt anders als (4b) Ich befehle dir, das Fenster zu schließen

obwohl beide Sätze - je nach den Situationsumständen (soziale Abhängigkeit der Partner u. a.) - dieselbe zwingende Aufforderung ausdrücken können. Der Ton macht die Musik: Dieser Alltagssatz umschreibt die sprachtheoretische Erkenntnis, daß die Wortauswahl die Rezeption des Lesers konstituiert. (4b) weist darüber hinaus eine syntaktische Struktur auf, die nicht nur für die Sprachtheorie, sondern auch für das Verständnis von Rechtssprache bahnbrechende Bedeutung erlangt hat. (4b) ist eine „performative Äußerung", an der John Austin die unmittelbare Einheit von Wirkung und Bedeutung feststellte 15. Mit der Äußerung bestimmter Worte, insbesondere bestimmter Verben werde die Bedeutung dieser Worte unmittelbar konstituiert. Die Äußerung (5) Ich verkünde jetzt i m Namen des Volkes folgendes Urteil: . . .

bedeutet dementsprechend - kraft Vollzugs der Äußerung - „Verkündung", nicht „Beratung" oder „Vorschlag". Von einer solchen performativen Äußerung ging Forsthoff 16 in der später häufig zitierten Schrift „Recht und Sprache" aus. 13 Dazu Schmidt (Bedeutung), 146: „ M a n kann allgemein davon ausgehen, daß Sprache in der menschlichen Gesellschaft zwei bedeutsame Aufgaben erfüllt: (1) Kontaktherstellung, Beeinflussung u n d Veränderung sozialer Verhaltensweisen; u n d (2) Informationsk o m p l e x i o n u n d -Vermittlung. D . h. Sprache kann allgemein aufgefaßt werden als Anweisungsmechanismus zu einem bestimmten Handeln sprachlicher oder nichtsprachlicher A r t . " Inwiefern sich diese sprachtheoretische Grundannahme historisch gegen eine herrschende ontologische Auffassung hat durchsetzen müssen, verdeutliche die von Cloeren u n d Schmidt herausgegebene Anthologie „Philosophie als Sprachkritik i m 19. Jahrh u n d e r t " ; vgl. etwa in Cloeren, 61 ff.: O t t o Friedrich Gruppe, W e n d e p u n k t der Philosophie i m 19. Jahrhundert, Berlin 1834, sowie in Schmidt (Hrsg.), 52 (aus: Gustav Gerber, D i e Sprache u n d das Erkennen, Berlin 1884): „ K a n t hat die Sprache einer K r i t i k nicht unterzogen; wie er sie vorfindet, bedient er sich ihrer unbefangen zur K o n s t r u k t i o n seiner Denkgerüste. Er zieht nicht i n Betracht, daß, wenn sie i h m dabei einerseits wie selbstverständlich zu Diensten ist, sie andererseits doch seine Denkbewegung umgrenzt u n d bedingt, so daß er sie nur beherrscht, i n d e m er ihr folgt." Daß diese A r t grundsätzlicher philosophischer Sprachkritik sich auch heute nicht etwa gegen längst verlassene Positionen richtet, belegt - unter Bezug auf die aktuelle sprachtheoretische Relevanz von Leibniz u n d Nietzsche - Rodingen (Aussage), 95 ff. 14 D i e traditionelle Semantiktheorie unterscheidet insoweit denotierte u n d konnotierte Bedeutung; siehe dazu Lyons, 459, m i t K r i t i k von Simon, 102 f.

A u s t i n , 27: „ W e n n ich vor dem Standesbeamten oder am Altar sage „ J a " , dann berichte ich nicht, daß ich die Ehe schließe; ich schließe sie"; Searle, 38 ff.; zur philosophischen Rezeption: Eike v. Savigny (Sprache), 127 ff., zur juristischen: Dubischar, 48 ff. u n d - m i t Bezügen zur zivilrechtlichen Handlungsdogmatik - B r i n c k m a n n in: Petöfi u. a., 197 ff. 16 Forsthoff, 5 ff. zieht dabei spekulative Parallelen zwischen rechtlicher u n d religiöser Verkündung.

1. Fachsprache in juristischen Studientexten

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Sie bildet die Grundlage der Erkenntnis, daß Handlungsweisen in die Rechtssprache eingehen und umgekehrt auch Rechtssätze zum Handeln anweisen. Für eine Normlehre wie die Jurisprudenz scheint dies der selbstverständliche Ansatzpunkt zum Verständnis ihrer Fachsprache zu sein. Dennoch blieben - in der Nachfolge von Forsthoff - genauere Bestimmungen der Frage, wie Rechtssprache Handlungen zu steuern vermag 1 7 , außerhalb des juristischen Selbst Verständnisses. Entsprechend

blieb die Frage, wie Fachsprache in der Juristenausbildung das Lernvermögen der Studenten beeinflußt, außerhalb der didaktischen Aufmerksamkeit 18. Für beide Bereiche hat Dieter Horn in der 1966 erschienenen Schrift über „Rechtssprache und Kommunikation" Wirkungsregelmäßigkeiten herausgearbeitet, von denen eine fachsprachliche Rezeptionsanalyse ausgehen sollte. Der Verwendung von Fachsprache im Rechtsbereich schreibt Horn - wie allen Sprachhandlungen - „Imperativischen" Charakter z u 1 9 . Er beseitigt damit die geläufige Trennung

zwischen performativen Verben (verkünden, versprechen, beantragen u. ä.) und Berichtssätzen (daß der Beklagte an den Kläger 2000.- D M zahlt). Vielmehr schärft Horn das Bewußtsein dafür, daß einem deskriptiv anmutenden Wort wie „widerrechtlich" Aufforderungscharakter zukommt 20 . Horn folgert aus solchen und ähnlichen Wortforschungen, daß auch der Lernende nicht über die Definition eines Rechtsverhältnisses juristische Tatsachen kennenlernt oder aufgrund von Darstellungen „richtiger" Subsumtionen zu künftiger Rechtsanwendung befähigt wird 2 1 . Horns sprachtheoretische Folgerung hat Dieter Medicus didaktisch bestätigt. Medicus hat 1968 ein Lehrbuch konzipiert, das die zivilrechtliche Dogmatik, nach Anspruchsgrundlagen geordnet, einübt 22 . Wenn die Anspruchsgrundlage, die gewünschte Rechtsfolge also (Erfüllung, Schadensersatz, Herausgabe u. ä.), die Fragerichtung bestimmt, so müßte konsequenterweise auch die Normauswahl von der Rechtsfolgeseite her erfolgen. Man würde also eine Zusammenstellung der Normen erwarten, die jeweils die Worte - . . . kann verlangen,... ist zur Herausgabe verpflichtet u. a. - . . . ist zum Ersatz des entstandenen Schadens verpflichtet, . . . ist für den Schaden verantwortlich u. a. 17 Dölle, 12, äußert dazu die Ansicht, der Gegenstand regiere die A r t der Aussage. Neumann-Duesberg, 85 ff. spricht von bestimmten W i r k u n g e n der Sprache, die noch zu präzisieren seien (105). Hätz, 9 ff., referiert zustimmend Forsthoff u n d hält den juristischen Begriff für das „ K r i s t a l l " , i n dem sich die Perspektiven von Rechtssprache u n d Verstehen schneiden. A u c h Hassemer (Tatbestand) vermag den Zusammenhang zwischen Rechtsdingen u n d Rechtssprache nur m i t vagen Metaphern zu beschreiben; vgl. dazu die K r i t i k von Lüderssen, 90 f. 18 Vgl. Hassemers Forderung, die argumentative Basis juristischer Problemlösungen m i t der Unterweisung i n der Technik der Problemlösung zusammenzudenken ( D i d a k t i k , 73). Dieter H o r n (Rechtssprache), 63 ff. 20

Ebd., 110 ff. 21 Ebd., 145. 22 Z u m Anspruch: Medicus, Vorwort zur 1. Auflage; zur sprachlichen Gestaltung vgl. unten II.2.

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I. Fachsprache, Sprachtheorie und Sprachkritik

enthalten. Tatsächlich verfährt Medicus vergleichsweise traditionell, indem er nacheinander vertragliche Ansprüche, Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag, dingliche, deliktische und bereicherungsrechtliche Ansprüche systematisch abhandelt. Medicus begründet dies damit 23 , daß von den Normen mit passender Rechtsfolge jeweils diejenigen auszusondern seien, deren Tatbestandsmerkmale im Sachverhalt nicht vorlägen. Diese Prüfung sei dann die eigentliche Subsumtion. Eine solche Darstellungsweise setzt einiges voraus. 1. Der Student muß zunächst einen Überblick über alle in Frage kommenden Anspruchs normen haben (Kenntnis der Oberbegriffe Kauf, Miete, Geschäftsführung ohne Auftrag, Herausgabe usw.). 2. Er muß dann im einzelnen zu entscheiden wissen, worauf sich einzelne Anspruchsnormen in ihrer Rechtsfolge beziehen (Kann man ein verliehenes Buch verkaufen, eine „Briefmarkensammlung" heraus verlangen?). 3. Schließlich fordert das Subsumtionsschema die Kenntnis der einzelnen Tatbestandsvoraussetzungen (Ist ein Hilfeschrei ein „Auftrag"? Kann Schweigen eine „Willenserklärung" darstellen?). Die Prüfung in Anspruchsgrundlagen setzt sowohl die Kenntnis rechtsrelevanter Situationsmerkmale als auch Wissen über deren Bedeutung in Rechtsfolgebeziehungen voraus. Sie abstrahiert - und ist insofern „nichtsituativ" - und erfordert darüberhinaus einschränkendes Zweckdenken, d. h. sie ist „restriktiv" 24 . Medicus hat auf diese Weise ein rechtstechnisch anspruchsvolles, von Fachkollegen gerühmtes Lehrbuch für „Vorgerückte" geschrieben. Denn die inhaltlichen Erschwernisse schlagen sich auch in der Darstellungsweise nieder. Es ist das Ziel der in II.2 vorgestellten Sprachanalyse, die Rezeptionskonstituenten der von Medicus gewählten Lehrbuchform deutlich zu machen. Die im wesentlichen nichtsituative und restriktive Darstellungsweise drückt sich nicht primär in semantischen Besonderheiten - etwa in der Wahl besonders ausgefallener Fachworte - aus, sondern in der Kombination der syntaktischen Mittel. Syntax als Sinngebungstechnik25 zu untersuchen, dazu dienen die in der Folge vorgestellten sprachanalytischen Operationen. Dabei werden die handlungsmäßigen Konsequenzen der einzelnen Textkonstituenten danach bemessen, in welcher Weise sie den Leser zur sprachlichen Verarbeitung einer „rechtsrelevanten" Situation anleiten. 2

3 Medicus (3. A u f l . ) , 13 f.

24

Restriktive A r g u m e n t a t i o n ist nicht m i t der restriktiven Auslegung gleichzusetzen, die einst Friedrich K a r l von Savigny für den Bereich der Methodenlehre verworfen hat (F. Κ . v. Savigny, 40). Ich folge hier dem von Theodor Viehweg eingeführten Sprachgebrauch (vgl. Viehweg (Argumentation), 70 u n d ders. ( T o p i k ) , 112). Dabei ist zu berücksichtigen, daß Unterschiede bestehen zwischen Restriktionen i n der Sprache praxisorientierter juristischer D o g m a t i k u n d wissenschaftssprachlichen Restriktionen. W a h r e n d dort die Beschränkung in der Beschreibungsebene der einschränkenden Z u r i c h t u n g auf Meßbarkeit in der Objektebene entspricht, handelt es sich i m juristischen Bereich u m gleichsam verselbständigte Sprachreduktionen (vgl. zu beidem Ball weg (Jurisprudenz), 55 u n d 116). Daß hier eine Sprechweise Restriktionen erst erzeugt, die dann praktische Konsequenzen haben, demonstriert Rodingen (Rechtstheorie), 167; vgl. zur Verdinglichung durch Rechtssprache auch Seibert (Sprachgegenstände), 48, 50. 25 H a r t m a n n (Syntax), 136.

1. Fachsprache in juristischen Studientexten

c) Sprachform

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und Handlungssituation

Wie Textgliederung und Handlungssituation ineinandergreifen, zeigt sich in Dialogen meist deutlicher als in beschreibenden Texten. Juristische Aussagesätze werden dann im Rahmen eines Handlungszusammenhangs problematisiert 26. (6)

A: B: A: B: A:

Karl w i l l meine Stereoanlage versteigern. Wie k o m m t er denn dazu? Sie steht bei Emil, dem ich sie geliehen habe. Dann gehört sie doch dir? Aber E m i l wohnt bei Karl u n d hat seine Miete nicht bezahlt. N u n w i l l sich Karl an die Sachen in Emils Z i m m e r halten.

A fordert mit dem ersten Satz zunächst auf, zu seiner Aussage Stellung zu nehmen. Β fragt nun nach deren Voraussetzungen, nämlich nach den Umständen, die zu der geplanten Versteigerung führen. Natürlich sind auch andere Reaktionsweisen denkbar, die die Handlungssituation u. U. beendet hätten („Da wird er nicht viel Geld bekommen" o. ä.). Im Verlauf von (6) fragt der Gesprächspartner jedenfalls weiter nach den Bedingungen des Berichtssatzes (um beraten oder beurteilen zu können). Die differenzierende Information über den Sachverhalt hilft Verhaltenskonsequenzen vorzubereiten 27. Ist Β juristisch versiert, kann er A's letzten Satz mit § 559 Satz 1 BGB beantworten: (7)

Der Vermieter eines Grundstücks hat für seine Forderungen aus dem Mietverhältnis ein Pfandrecht an den eingebrachten Sachen des Mieters.

Wenn Β diesen Satz zitiert, wird A ihn noch lange nicht als Antwort „verstehen" 2 8 . A wird weiter nach den Voraussetzungen dieses Aussagesatzes fragen, es sei denn, er studierte in seiner Freizeit juristische Kommentare. Das liegt daran, daß die Norm Abstraktionen enthält, die entfaltet werden müssen. Es heißt dort: der Vermieter eines Grundstücks. Das bedeutet zunächst: Ein Vermieter hat ein Grundstück. A kann sich jetzt erklären lassen, daß „hat" hier regelmäßig für „ist Besitzer" steht 29 . Eine solche Frage berührt die als Merkmal einer Fachsprache schon erwähnte besondere Terminologie. Mißverständlich kann 26 D i e handlungsbezogene Problematisierung von Aussagesätzen ist der (axiomatisch darstellbaren) Systematisierung dieser Sätze entgegengesetzt. Axiomatisch-deduktive Darstellung verdrängt den Handlungsbezug auf w i l l k ü r l i c h wählbare Prämissen. D i e T r e n n u n g des systematisierten Sprachsystems von den frei gewählten Prämissen i m m u nisiert die abgeleiteten Sätze u n d verweist auf die Axiome. D a m i t w i r d m. E. eine Überredungs-, keine Klärungsstrategie eingeführt. Vgl. zu einer möglichen sprachtheoretischen D e u t u n g der T o p i k : Seibert ( T o p i k ) , 52 f. gegenüber Eike v. Savigny (Rolle), z u m Zusammenhang von Logik u n d Rhetorik außerdem: K a p p u n d i m Ansatz: Dieter H o r n (Perzeption), 23 sowie Perelman, 137 f. 27 Information kann rechtstheoretisch nicht als bloße Maßgröße für die Wahrschein-. l i c h k e i t beim Auftreten bestimmter Zeichen definiert werden. Eine Zeichenfolge ist vielmehr erst dann informativ, wenn sie Verhalten neu orientiert; vgl. dazu gesellschaftstheoretisch: Krallmann/Soeffner, 63 ff., i m Rahmen der Rechtsinformatik: Steinmüller, 379 u n d für die hier interessierende Textanalyse: Dressier, 56. 28 U t z Maas schlägt vor, „Verstehen" als „probeweises Akzeptieren" von Verhaltenskonsequenzen zu begreifen, in: Maas/Wunderlich, 298. 29 Pfandgläubiger kann also neben dem Eigentümer u n d Vermieter auch der Mieter u n d Untervermieter sein, vgl. Erman-Schopp, K o m m e n t i e r u n g zu § 559, A n m . 1.

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I. Fachsprache, Sprachtheorie und Sprachkritik

in dieser Hinsicht auch „Grundstück" sein. Darauf antwortet § 580 BGB: Die Vorschriften über die Miete von Grundstücken gelten, soweit nichts anderes bestimmt ist, auch für die Miete von Räumen. Die semantische Frage nach „Grundstück" im Sinne von § 559 ist also im BGB syntaktisch geregelt durch die Nachschaltung eines neuen Satzes. § 580 BGB erweitert die Bedeutung von § 559. Verständnisschwierigkeiten können dabei daraus entstehen, daß § 580 seinerseits wieder Restriktionen (soweit nicht ein anderes - nämlich durch die Mietrechtsänderungsgesetze bestimmt ist) enthält. § 559 faßt daneben in sprachlichen Ableitungen noch weitere Voraussetzungen zusammen, und zwar: (7a)

1. Stufe: für seine Forderungen aus dem Mietverhältnis = 2. Stufe: Aus dem Mietverhältnis besteht eine Forderung. 1. Stufe: ein Pfandrecht an den eingebrachten Sachen des Mieters 2. Stufe: A n den eingebrachten Sachen des Mieters besteht ein Pfandrecht = 3. Stufe: Der Mieter hat eingebrachte Sachen. A n ihnen besteht ein Pfandrecht. 4. Stufe: Der Mieter hat Sachen. Die Sachen sind eingebracht. A n ihnen besteht ein Pfandrecht.

Die Zerlegung in (7a) macht Satz (7) faßbar, indem sie die zuvor im Normsatz gebundenen Situationsbestandteile entfaltet. A könnte nun leichter ersehen, ob er seine Stereoanlage aus Emils Wohnung freibekommen kann. Daneben bleiben noch terminologische Schwierigkeiten; „hat Sachen" ist hier zu verstehen als „ist Eigentümer von Sachen". „Eingebracht" sind alle Sachen, die im Zusammenhang mit dem Mietgebrauch - wenn auch nur für vorübergehende Zeit - in die Wohnräume gestellt werden 30 . Diese juristische Semantik 31 kann man auswendig lernen. Studenten repetieren in dieser Weise ihr Begriffswissen. (8)

Frage: Wie unterscheiden sich Bürgschaft u n d Fahrnispfandrecht hauptsächlich? Antw.: Bei der Bürgschaft erhält der Gläubiger einen zweiten Schuldner - einen Hilfsschuldner - , an den er sich halten kann. Bei der Verpfändung w i r d eine bewegliche Sache in der Weise belastet, daß der Gläubiger berechtigt ist, Befriedigung aus der Sache zu verlangen (§ 1204 I ) 3 2 .

Akzeptiert man solche Angaben bereits als praktische Antworten, werden Rechtssätze nicht als „Kompromißformular" 33 für soziale Konfliktverarbeitung erfahren. Die Antwort bleibt dann in der Dogmatik befangen, die Studenten kaum als Ausdruck eigener Wertentscheidung nachvollziehen können. Es gibt zahlreiche Fragen, die den juristisch-dogmatischen Kontext verlassen, obwohl entsprechende Antworten dort regelmäßig vorausgesetzt werden. Der Student könnte ζ. B. fragen, weshalb der Vermieter Gebrauchsgegenstände des Mieters zur Versteigerung brin30

Vgl. Erman-Schopp, K o m m e n t i e r u n g zu § 559, A n m . 3.

31

D i e G e l t u n g solcher von ihren situativen Entstehungsbedingungen Semantik behandelt Lampe, 29 ff. 32

Beispiel aus Atzler (Bürgschaft), 218 - Prüfungsfrage N r . 12.

33

Dazu de Lazzer, 103.

losgelösten

1. Fachsprache in juristischen Studientexten

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gen will, obwohl der zu erwartende Erlös seine Mietforderung bei weitem unterschreiten wird; er könnte fragen, inwiefern der juristisch feststellbare und festgestellte Geschäftswille eines Käufers mit dessen Interessen übereinstimmt; kurz: Er kann Rechtsnormen auf ihre Tauglichkeit zur praktischen Befriedung untersuchen. Dabei sind Situationsumstände wichtig, die fachsprachlich zwar potentiell bedacht, aber aktuell möglichst ausgeblendet werden. So gibt es ζ. B. Mieterschutzregelungen oder das teilweise Pfändungsverbot des § 559 S. 3 BGB. Innerhalb der Dogmatik lassen sich also auch (restriktive) Antworten auf situative, nichtrestriktive Fragen geben. In Rechtssätzen sind bestimmte Problematisierungen symbolisch gebunden34. Wer in Verbindung mit § 559 S.3 BGB auf die §§ 811,812 ZPO verweist, faßt damit Antworten zusammen auf Fragen der Art: Kann man dem Mieter auch Tisch und Stuhl wegnehmen? Vergegenwärtigen wir uns auf diese Weise Leistungen der Rechtssprache, so werden für fachsprachliche Verständigung wichtige Kategorien einsichtig. Rechtssprache korreliert mit sozialen Handlungsweisen, und zwar - wie (6) zeigt - insbesondere mit differenzierenden Behauptungshandlungen. Die Behauptungen lassen sich von der Kommunikationssituation ablösen; sie sind dann gebunden in Aussagesätzen, und zwar an bestimmten Stellen des Satzes in fachsprachlicher Symbolisierung. Die Ausdrücke „Vermieterpfandrecht" oder noch genereller: „Fahrnispfandrecht" fassen (6-7a) zusammen. Die symbolische Bindung, die mögliche Ablösung aus der konstitutiven Handlungssituation, kann eine deduktiv-axiomatische Formalisierung 35 vorbereiten, die das Vermieterpfandrecht im fachsprachlichen Ableitungszusammenhang verorten würde. Die kleinsten begrifflichen Bestandteile, die für eine Subsumtion gelernt und erinnert werden müssen, lauten in einem möglichen Prüfungsschema: — gültiger Mietvertrag zustandegekommen? — Sachen eingebracht? — die i m Eigentum des Mieters sind?

Im übrigen begleitet den Studenten die oft wiederholte Mahnung, ein Blick ins Gesetz erleichtere die Rechtsfindung. Solche Mahnungen sind notwendig, denn die Verbindungen zwischen Gesetzestext und Rechtssprache einerseits sowie Sprachhandlung und Problemlösung andererseits sind kaum jemals aktuell erfahren worden. Der Gesetzestext läßt sich aber nur dann als Antwort auf soziale Fragen verstehen, wenn Studenten selbst Fragen gestellt haben. Das kommt nicht häufig vor. Atzlers „Praktische Rechtswissenschaft" ζ. B. fragt — aber in umgekehrter Richtung. Die Skripten und Studienbücher sind zwar durch34 D a m i t w i r d i m Rahmen juristischer A r g u m e n t a t i o n eine allgemeine Sprachbestimm u n g eingeführt, vgl. M^as (Grundkurs), 41: „Sprache ist die symbolische B i n d u n g von Situations-(Handlungs-)Zusammenhängen". Diese Formel verbindet Sprachtheorie m i t der Organisation praktischer Erfahrungen u n d ermöglicht situationsbezogene Sprachkrit i k bzw. Ideologiekritik, vgl. Maas (Sprachtheorie) u n d weitergehehend N e g t / K l u g e , 87 ff. 35 Siehe oben, A n m . 26 u n d vgl. zur Ideologiekritik Maas in: Maas/Wunderlich, 254 ff.; zur E r k e n n t n i s k r i t i k Simon, 38 ff.

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I. Fachsprache, Sprachtheorie und Sprachkritik

gängig als Dialog zwischen einem Vortragenden (V) und einem Hörer (H) geschrieben. Fragen stellt aber immer nur V, der nach der Darstellungsregel ohnehin über die gesamten dogmatischen Kenntnisse verfügt. Gefragt wird also nur nach ergänzungsbedürftigen Merkmalen im Begriffssystem. Aus der Syntax des Gesetzes lassen sich dabei gelegentlich pragmatische Handlungsaspekte rekonstruieren - wenn etwa unterschiedliche Formen des gutgläubigen Erwerbs von Fahrnis und Liegenschaften erörtert werden 36 . Die Atzler-Lehrgänge erreichen hier, wo es nach eigener Diktion um den „inneren Aufbau des Gesetzes"37 geht, ihre größte Prägnanz. Wo allerdings Gesetzesbegriff und Bedeutungsgeschichte38 noch nicht strukturiert ineinander übergehen - wie bei der umstrittenen Definition dessen, was eine „Gewerkschaft" sei - wirkt der fingierte Dialog eher komisch als einprägsam (frei nach dem Motto: Ich weiß ein Wort, das du nicht weißt): (9)

V: . . . Wann kann nun aber von einer „Gewerkschaft" u n d einem „Arbeitgeberverband" i m Sinne des § 2 T V G gesprochen werden? H : Ich weiß nicht, was daran noch problematisch sein kann. V: Dann werde ich Ihnen die Voraussetzungen nennen: 1. Es muß sich u m freigebildete privatrechtliche Vereinigungen handeln, also u m einen rechtsfähigen oder nicht rechtsfähigen Verein. . . . 7. Die Vereinigung muß das geltende Tarif- u n d Schlichtungsrecht als für sich verbindlich anerkennen. Vielfach w i r d noch die Fähigkeit, auf die Gegenseite D r u c k auszuüben, insbesondere die Bereitschaft zum Arbeitskampf, als Voraussetzung für die Tariffähigkeit genannt. Was meinen Sie dazu? H : Ich sehe nicht ein, warum man nicht auch solchen Vereinigungen den Abschluß von Tarifverträgen erlauben soll, deren Mitglieder von vornherein auf den Streik als Kampfmittel verzichten oder, wie Beamte, nicht streiken dürfen. V: Dieser Auffassung ist auch das Bundesverfassungsgericht. Zurück zu unserem Fall:

... 3 9)

V zählt nur unverbundene Definitionsmerkmale auf, liefert Material zum Gedächtnistraining. H's zweite, als richtig qualifizierte Antwort zeugt dabei eigentlich nur von Differenzierungsun Willigkeit. „Ich sehe nicht ein, daß . . . " appelliert an emotionale Evidenz.

36

Vgl. Atzler (Bürgschaft), 119 ff.

37

Ebd., S. 242.

38 D e n Unterschied zwischen Begriff u n d Bedeutung faßt Schmidt (Sprache), 86, so zusammen: „ W ä h r e n d als Begriff ein allgemeines u n d situationsunspezifisches A n w e i sungsschema zu einem (beschreibbaren) cognitiven Verhalten angesehen werden kann, kann als „ B e d e u t u n g " die informative u n d soziale Relevanz der A n w e n d u n g dieses Schemas in Kontexten u n d Situationen betrachtet werden, wo durch K o n t e x t u n d Situation die situationsspezifische (die M e i n u n g des Sprechers zeigende) A u s w a h l aus den semantischen M ö g l i c h k e i t e n eines Begriffs realisiert w i r d " . Beides fällt bei sozial umstrittenen Rechtsbegriffen meist nicht zusammen; vgl. z u m sprachtheoretischen Zusammenhang i m einzelnen: Schmidt (Bedeutung). 3 ? Atzler/Löwisch, 170 f.

2. Sprachtheorie/Syntaktische Muster

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(9) lehrt mithin, daß Fragen als syntaktisch verselbständigte Muster noch keine problematisierenden Fragehandlungen ausmachen40. Dazu ist eine Gesprächssituation oder Darstellungsweise notwendig, die die juristische Form der Sinnkonstitution als Antwort auf nichtjuristische Probleme ausweist. Eine juristische Begriffsaussage ist dann insoweit zu verstehen, als die dazugehörige soziale Frage erkannt und ihre Voraussetzungen akzeptiert sind. Soll Dogmatik auf die Problemsituation bezogen sein, so genügt es nicht, bloß fertige Aussagen zu präsentieren. Ganz vorläufig haben wir bisher versucht, den Anweisungsgehalt eines Satzes zu bestimmen. Das sprachtheoretische Postulat dazu heißt: Ein situatives Lernziel läßt sich nur in situativer Lehrweise einüben. Der Anweisungscharakter der Sätze muß dabei deutlich werden. Fragen können Aussagen auf mögliche Anweisungen zurückführen. In komplexen Sätzen läßt sich die Verbindung zwischen Anweisungen, Fragen und Behauptungen nämlich nur schwierig herstellen. Ein Text der folgenden Art enthält Restriktionen und Abstraktionen: (10)

Hier n u n ist zunächst zu bedenken, daß es sich bei der Willenserklärung, wie bei jeder »Erklärung', u m einen A k t zwischenmenschlicher K o m m u n i k a t i o n handelt. Die Möglichkeit solcher K o m m u n i k a t i o n beruht allgemein darauf, daß in der Umgangssprache oder in einem bestehenden Sprach- u n d Verkehrsgebrauch bestimmten Worten, W o r t verbindungen u n d Verhaltensweisen (wie dem Aufheben der H a n d bei einer Abstimmung) eine bestimmte Bedeutung zugeordnet ist, die jeder Angehörige dieser Sprachgemeinschaft oder dieses Verkehrskreises in gleicher oder doch ähnlicher Weise versteht 4 1 .

Restriktiv wirkt die Satzfolge auf Textebene. Die Abfolge zwingt dazu, sich über das Thema „Kommunikation" Gedanken zu machen, und zwar Gedanken recht abstrakter Art und Weise. Die Sätze vereinigen in einem komplexen Satzgefüge eine Vielzahl von koordinierten und subordinierten, von Kommunikationssituationen abgelösten Behauptungen. Der einzelne Satz ist seinem Aufbau wie seinem Inhalt nach nichtsituativ. 2. Sprachtheorie zur Analyse fachsprachlicher Verständigung: Syntaktische Muster in juristischen Sprachhandlungen Die Sprachprädikate „restriktiv" und „nichtsituativ" sind als pragmatische Argumentationsmerkmale eingeführt worden. So gekennzeichnete Texte müßten bei einer Kommentarprobe 1 das Hörerverstehen empirisch signifikant festlegen. Beide Kennzeichnungen lassen sich nun - wie ihre Negate (nichtrestriktiv, situativ) - als 4 0 Vgl. Maas in: Maas/Wunderlich, 214: Fragehandlungen befragen Aussagen auf die Voraussetzungen der zugrundeliegenden Handlungsaufforderung; zur sprachtheoretischen G r u n d l e g u n g einer Imperativischen Theorie der Rechtshandlungen: Maas in: Maas/Wunderlich, 224, u n d Rodingen (Rechtstheorie), 177. 41 1

Aus: Latenz ( A T , 1. A u f l . ) , 338; vgl. unten I l l a).

Z u den Voraussetzungen einer pragmatischen Analyse durch Kommentarprobe (die m i t ähnlichen M i t t e l n arbeitet wie die hier vorgeschlagene Textanalyse): Posner, 125 ff.

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I. Fachsprache, Sprachtheorie und Sprachkritik

syntaktische Muster in juristischen Studientexten nachweisen. Die bisher vorgenommenen Textcharakteristiken sind operationalisierbar. a) Thematische Progression „Restriktiv" ist eine Satzfolge, die den im Vorsatz gegebenen Kommentar im Nachsatz thematisiert. Der Text erhält dann eine „konzentrierte" Struktur und ermöglicht die Einführung von Obersätzen. (11)

Der Kläger hat einen sechzehnbändigen juristischen Kommentar gekauft. Dieser K a u f bindet Käufer u n d Verkäufer. Eine solche Bindung ist aus dem Vertragsgedanken zu erklären. Der Vertragsgedanke lautet: Verträge sind zu halten. Das gilt auch für unpraktische Käufe.

Die Restriktion in den Verständigungsmöglichkeiten braucht aber nicht aus begrifflichen Ableitungen zu folgen. Auch die Aufschichtung von Situationsmerkmalen erzeugt einen restriktiven Text. (12)

Jemand war ein großer König. Der hatte nur eine einzige Tochter. Die hatte noch keinen Mann. Das machte ihn sehr traurig 2 .

„Nichtrestriktiv" wirkt hingegen ein Text, der ein einmal eingeführtes Thema (konstant) beibehält. Der Text ist dann dezentriert 3 auf ein oder mehrere Themen ausgerichtet. Insbesondere personalisierende Erzähltexte folgen einer solchen Struktur. (13)

Der Arbeiter Schmidt begibt sich durchs Werktor zum Lokal „Schmutziger Löffel". Er hat Appetit. Von der Karte bestellt er eine Schweinshaxe u n d zwei Bier. Als abgeräumt wird, zahlt er 9,50 D M . Er ist vollgegessen, aber alles andere als zufrieden 4 .

b) Subordination und Koordination in Sätzen „Nichtsituativ" wirken Sätze, die bereits fachsprachlich verortete Begriffe in einem komplexen Satzgefüge verwenden. Als Beispiel kann jeder Leitsatz dienen, der Problemlösung in einer Vielzahl von Situationen steuern soll. 2

Beispiel aus: Posner, 190.

3

Nach Silman, 20 ff. erzeugen die syntaktischen Relationen zwischen Sätzen einen solchen Unterschied. Sie unterscheidet „ A u t o s e m a n t i e " (eine Textorganisation m i t weitgehend verselbständigten Sätzen) u n d „Synsemantie", die direkte u n d enge Kontextverflechtung, die durch lexiko-syntaktische Verflechtungen nach A r t der thematischen Progression am deutlichsten realisiert ist. Silman g i b t i m übrigen detaillierte analytische H i n weise über den Zusammenhang von Satzstruktur u n d „ V e r h ä l t n i s " u n d „ E i n s t e l l u n g zur W e l t " (Silman, 11). 4 Beispiel nach Kluge, 68. Kluges Geschichten demonstrieren, daß ein Sprachschema ( m i t i m übrigen von m i r i m „ A n r e i h u n g s s t i l " - siehe unten III. - befürworteten Charakteristika) durch Festlegung auf personalisierte Inhalts- u n d Erzählformen zu einer unpersönlichen, gesellschaftlich bestimmten Erfahrungsunfähigkeit beiträgt. Was dabei herauskommt, ironisiert Kluge m i t dem M o t t o : eine Armada erstklassiger Individualisten in einer Zeit kollektiver Kämpfe.

2. Sprachtheorie/Syntaktische Muster (14)

29

Eine wirksame Willenserklärung liegt vor, wenn der Erklärende sich darüber i m klaren ist, durch seine Handlung eine rechtsgeschäftliche Erklärung irgendeines Inhalts abzugeben 5 .

Ich verstehe Situationsbezug insoweit als syntaktisch zunächst auf Satzebene ausgewiesenes Merkmal, während Restriktionen den Satzzusammenhang auf Textebene charakterisieren 6. Die fachsprachliche Verständigung - sowohl zwischen Fachleuten als auch zwischen Fachleuten und Laien - wird durch komplexe Sätze beeinträchtigt. Zwischen Begriffserklärung und Problemlösung entsteht ein Abstraktionsabstand, der regelmäßig durch Schulfälle überbrückt werden muß. (15)

Z u unterscheiden sind: Äußerer (objektiver) Tatbestand, d. h. eine Erklärung, die objektiv den Schluß auf einen bestimmten Geschäftswillen zuläßt. Schulbeispiel: A hebt bei einer Weinversteigerung in Trier die Hand, u m seinen Freund zu begrüßen. Er bekommt den Zuschlag. Der objektive Tatbestand einer Erklärung liegt v o r 7 .

Die „situative" Fallveranschaulichung ist notwendig, weil Begriffsdeduktionen nicht nur den Kommunikationspartner zur Distanz nötigen, sondern auch die eigene Arbeit mit Rechtssprache erschweren. Der Redende muß sich immer der sprachlichen Über- und Unterordnungen bewußt sein, der direkten und indirekten Nebenwirkungen 8. Denn den gedanklichen Ableitungen entsprechen sprachliche Subordinationen. Ein terminologisch gestimmtes Nomen wird ergänzt durch Adjektive, Nebensätze u. ä.: eine Erklärung, die objektiv den Schluß auf einen bestimmten Geschäfts willen zuläßt (. . . ist eine Willenserklärung). Billigkeitslösungen werden dadurch zugunsten systembezogener Allgemeinbegründungen eingeschränkt. Situative Argumentation bindet demgegenüber die verwendeten Begriffe in einfachen Satzreihen an die Kommunikationssituation. Im einzelnen läßt sich folgendes sagen: zu a) Thematische Progression: Wenn Begriffe mit bestimmten syntaktischen Mustern verbunden sind, so hängt die aktuelle Bedeutung in einer Argumentation von einer mehrschichtigen Instruktionsstruktur ab, die von den Kommunikationspartnern realisiert wird. Ein Text mit semantisch scheinbar vagen Begriffen muß also nicht gleichermaßen vage verwendet und verstanden werden. Das Textverstehen wird durch syntaktische Konstituenten geleitet. Syntax und Semantik eines Textes werden zudem in einer Kommunikationssituation realisiert, die durch eine Anweisungslage bestimmt ist, in der also bestimmte Fragen gestellt undpassende Antworten verstanden werden. Ob und wie ein Text im Einzelfall verstanden wird, kann 5 Werner, 24; Textanalyse unten II.4. 6

Es handelt sich in beiden Fällen u m das gleiche analytische Schema. Dabei w i r d lediglich berücksichtigt, daß in Sätze (durch Satzeinbettung) bereits Situationszusammenhänge eingehen können, die ihrerseits kommentierte Themen bilden; vgl. dazu Benes (Thema-Rhema-Gliederung), 49, 52; H e n n i g / H u t h , 163 f.; Posner, 163 ff. 7 8

Beispiel aus: Alpmann/Schmidt/Falckenberg; Textanalyse unten II.3.

Vgl. Clauss, 80 ff. m i t lesenswerten Beispielen für ungewollte rechtssprachliche N e b e n w i r k u n g e n (91).

30

I. Fachsprache, Sprachtheorie und Sprachkritik

man deshalb nicht aus der Zeichenfolge (dem Textformular 9) allein ersehen, ohne die Kommunikationssituation zu berücksichtigen. Allerdings legen syntaktische und lexematische Merkmale des Textformulars die Kommunikationspartner auf bestimmte Verstehensmöglichkeiten fest. Die Analyse dieser (pragmatischen) Festlegungen ist Gegenstand des im folgenden vorgestellten texttheoretischen Gliederungsverfahrens. Dabei ist zu berücksichtigen, daß die Art der thematischen Progression oder die Satzkomplexität das jeweilige Hörerverstehen graduell unterschiedlich konstituieren 10. Ein Dozent liest einen Text anders als ein Studienanfänger. Ziel der Textanalyse kann deshalb nur sein, Instruktionsrichtungen herauszuarbeiten. Eine der augenfälligsten Festlegungen läßt sich mit Hilfe der „Funktionellen Satzperspektive" (FSP) beschreiben11. Die FSP erfaßt den Einzelsatz im Hinblick auf das Textganze. In jedem Satz lassen sich dann das Thema, über das berichtet wird, und das, was darüber berichtet wird (Rhema, Kommentar), unterscheiden. Diesem mehr inhaltsbezogenen, thematischen Aspekt der Thema/Rhema-Gliederung wird ein kontextuelles Moment beigefügt: Das Thema soll sich aus dem Vortext erschließen lassen, das Rhema die Neuinformation (den Kommentar) geben12. Verfolgt man einen Text unter dieser Mitteilungsperspektive, so läßt sich jeder Satz zunächst in kommentierte Satzbegriffe auflösen - am Beispiel (11): Der Kläger

| hat einen sechzehnbändigen juristischen Kommentar

Dieser K a u f

| bindet Käufer u n d Verkäufer.

gekauft. Eine solche Bindung

| ist aus dem Vertragsgedanken zu erklären.

Der Vertragsgedanke lautet:

| Verträge sind zu halten.

Das g i l t auch

| für unpraktische Käufe.

9 „ T e x t f o r m u l a r " heißt nach Schmidt (Texttheorie), 150, „ d i e aus einem k o m m u n i k a t i v e n Handlungsspiel linguistisch-analytisch isolierte kohärente Sprachzeichenmenge bzw. Satzmenge ( = linguistischer Textbegriff)". - Ich versuche auch i m übrigen, der von Schmidt (Texttheorie) erläuterten Terminologie zu folgen, die ich i m wesentlichen für adäquat halte. w W u n d e r l i c h (Rolle der Pragmatik), 23, hat gegen soziolinguistische Versuche, die „ W a h r n e h m u n g s k o m p l e x i t ä t eines Satzes" zu messen, schon früh eingewendet, die K o m plexität der Satzwahrnehmung sei keine homogene Funktion, sondern hänge von der jeweiligen „Erkenntnisstrategie" ab. Posner, 197, behauptet insoweit, auch oberflächensyntaktisch einfache Sätze könnten komplexe Informationen repräsentieren. H y p o thesen zur Genese u n d R e d u k t i o n komplexer Sätze k o m m e deshalb lediglich heuristischer W e r t zu. 11 Danes (Textstruktur) hat Operationalisierung u n d Fragestellung meiner Textanalyse i m wesentlichen geleitet. W i c h t i g ist dabei auch die differenzierende K r i t i k von Benes, die von Danes eingeführte Typisierung der Thema/Rhema-Gliederung sei i n einfach u n d müsse für die Analyse komplexer Sätze ergänzt werden (Thema-Rhema-Gliederung, 48 ff.). 12 Beide Aspekte betont Danes (Textstruktur; Functional Analysis). D i e analytische Einordnung hängt dann von situativen (textbezogenen) Ergänzungsfragen ab; siehe unten Ergänzungsfragen lOa-c. Demgegenüber fixiert Halliday (1967, 212: „ t h e m e " means „ w h a t I am t a l k i n g about") die Position des Themas als „ w h a t comes first in the clause"; vgl. i n der Zusammenfassung u n d zur englischsprachigen Terminologie von theme/rheme u n d topic/comment: Fries, 227 f.

2. Sprachtheorie/Syntaktische Muster

31

Diese Textgliederung reduziert Sätze auf kommentierte Prädikatfunktionen. Über eine Argumentstelle (Kläger, Kauf usw.) wird jeweils Neues prädiziert. Eine solche Reduktion von Sätzen auf Subjekt-Prädikat-Fügungen 13 soll „Satzbegriff 4 heißen14. Die Satzbegriffe sind in (12) bereits auf eine Kommunikationssituation hin orientiert und kommentiert. Ihre Modalrelationen und Temporalauszeichnungen sind schon festgelegt. An Argumentstelle erscheint jeweils das Prädikat des vorhergehenden Satzbegriffs. Lediglich der Anfang ist frei bestimmt 15 . Die Satzbegriffe bilden also eine thematische Sequenz (thematische Progression), die linear hierarchisiert (Implikationen fortsetzt). Tbf>



>

Rf>

(Kommentierung)

«1 = Th 2 R2 Th 2 -H*

(thematische Progression)

R2 = 7*3

(thematische Progression)

Tb,

R} = Th 4

a) b)

(Kommentierung) (Kommentierung) (thematische Progression)

Thema (Topik) Rhema (Kommentar)

In (3 a, b) ist diese Gliederungsweise bereits zur Charakterisierung der Textstruktur verwendet worden. Was Puchta einst metaphorisch schilderte (die „Genealogie der Begriffe" vom einzelnen Satz bis zum Prinzip und von den Prinzipien zurück zu den äußersten „Sprossen" 16), läßt sich als textuelle Instruktion formal ausweisen. Lineare thematische Progression kennzeichnet einen Ableitungszusammenhang. Das Prädikat „restriktiv" wird damit im Text operational nachgewiesen. Wesentliche Operation ist die Bestimmung von Thema und Rhema. Diese läßt sich vornehmen, wenn man den Anweisungsbezug der fraglichen Aussage berücksichtigt und überlegt, was der Kommunikationspartner als Ulema kennt und wonach er ergänzend fragt. Die Frage problematisiert den Aussagesatz17. Als Antwort steht die im Satz neue Information (das Rhema); am Beispiel (10): (10a)

Aussagesatz:

Hier n u n ist zunächst zu bedenken, daß es sich bei der Willenserklärung, wie b e i . . .

Frage nach dem Problem: Was soll bei der Willenserklärung (Thema) bedacht werden? Antwort: Daß es sich u m einen A k t zwischenmenschlicher K o m m u n i k a t i o n handelt (Rhema).

13 A u c h hier zeigt sich die von Rodingen näher beschriebene Schwierigkeit, die Objektstelle i n eine strukturelle Gliederung adäquat einzubeziehen (Aussage, 2 ff.). 14

Vgl. Schmidt (Texttheorie), 164 u n d 88 ff., m. w. N .

15

Vgl. Rodingen (Rechtstheorie), 167. Puchta, 22.

16 17

Danes (Textstruktur), 73; vgl. auch H e n n i g / H u t h , 160 f.

32

I. Fachsprache, Sprachtheorie und Sprachkritik

An (10) kann man auch verdeutlichen, daß die Thema/Rhema-Gliederung in besonderer Weise von der Kommunikationssituation abhängt. Die getroffene Einteilung ist nicht zwingend 18 . Denn Kommunikationspartner können den Aussagesatz in verschiedener Weise befragen, möglicherweise so: (10b)

Frage: Was soll bedacht werden? A n t w o r t : Daß es sich bei der Willenserklärung, wie b e i . . .

oder aber (was meinem Textverständnis zuwiderliefe): (10c)

Frage:

Was ist, wenn es sich bei der Willenserklärung, wie bei jeder „Erklärung", u m einen A k t . . . A n t w o r t : Das ist nun zunächst zu bedenken.

Will man Texte von der Kommunikationssituation her in ihrer Instruktionsstruktur erfassen, muß man mögliche Instruktionsrichtungen aus dem Kontext entnehmen. Die erste textanalytische Operation heißt dann: (I) Frage bei jedem Satz nach der relevanten Information (dem Neuen). Relevant (neu) sind Ergänzungen (Kommentare) aus dem Kontext bekannter Themen. Die analytisch isolierte Zeichenmenge, das Textformular (TF), wird dann in kommentierte Satzbegriffe (SBkom) aufgelöst 19: TF

H ^ n

SBkom Sprachkritisch wichtig ist auch diejenige Textorganisation, die Satzbegriffe „nichtrestriktiv" auf die Kommunikationssituation hin orientiert. In nichtrestriktiver Sprechweise bleibt der Sprecher „beim Thema". Er assoziiert verschiedene Neuigkeiten zu einem bekannten Ausgangspunkt. Der Text ist dann nichtrestriktiv insofern, als er Begriffsbildung nicht präformiert, sondern die rhematischen Folgerungen immer wieder ins Thema zurücknimmt. Nichtrestriktives Sprechen stellt also nicht etwa inhaltliche Beliebigkeit her. Die Ergänzungsmöglichkeiten sind aber weitaus offener und vielgestaltiger als bei linearer thematischer Progression. Larenz 20 bietet ein Beispiel dafür: (16)

Es ist die Vorwegnahme des gewünschten Erfolgs in der Vorstellung u n d die Orientierung des Handelns an dem vorgesetzten Zweck, die den Menschen in seinem Bewußtsein dazu nötigt, sich den von i h m willentlich herbeigeführten Erfolg als seine Tat, sein Werk zuzurechnen, d. h. sich m i t i h m zu identifizieren. Er weiß sich als derjenige, der den Erfolg nicht nur kausal bewirkt hat, so wie der Regen die Nässe der Straße bewirkt, sondern der ihn aus eigenem Entschluß, den er auch anders oder nicht hätte fassen können, wissentlich u n d willentlich herbeigeführt hat. D a r u m kann er ihn nicht als etwas Fremdes u n d Äußerliches von sich weisen, so als ginge er ihn nichts an. Daß er sich, in der Reflexion auf sein Tun, in seinem Bewußtsein dazu genötigt sieht, sich als Person m i t seiner Tat u n d dem bezweckten Erfolg zu identifizieren, ist die Grundlage der Verantwortung.

18 A m Beispiel: H e n n i g / H u t h , 160. 19

Z u m analytischen Programm: Schmidt (Texttheorie), 163 ff. 20 Larenz ( A T , 1. Aufl.), 68; vgl. unten II. 1 b).

2. Sprachtheorie/Syntaktische Muster

33

(16) weist eine Mischform von linearer und konstanter thematischer Progression 21 auf, nämlich: Tb x

—>

R{ Tb 2

=

—>

Th 2 = Tb 4

Tb 2

—>

Th 2 = Tb ò

R\ (Kommentierung: Vorwegnahme und Vorstellung —> nötigen den Menschen ...) (lineare thematische Progression) R2 (Kommentierung: Mensch als derjenige —> der Tb 5

(konstante thematische Progression) R3 (Kommentierung: Darum kann er ihn nicht —> als . . . von sich weisen)

T/63 = Tb 4 (konstante thematische Progression)

—>

#4 (Kommentierung: Daß er sich... genötigt sieht... —> Verantwortung) Die analytische Gliederung von Sätzen in kommentierte Satzbegriffe wird künftig durch einen senkrechten Strich angezeigt werden. (10a) wird dann notiert: Hier nun ist zunächst zu bedenken, daß es sich bei der Willenserklärung, wie bei jeder „Erklärung", | um einen Akt zwischenmenschlicher Kommunikation handelt. Bei Satzgliederungen ohne besondere Kennzeichnung (z. B. R/Tb) geht das Tb wie in fachsprachlichen Sätzen üblich - dem R voran. zu b) Subordination und Koordination in Sätzen: Tb und R sind in den meisten Fällen komplex gestaltet. Sie lassen sich dann stufenweise in einfachere Satzformen zerlegen, die selbst wieder in Tb und Rgegliedert sind. In (7a) ist diese Zerlegung bereits vorgeführt worden. Sie würde für (10) so erfolgen: (102)

1. Stufe: (10) Satz 1 in seiner Ausgangsform (s. o.) 2. Stufe: Tb Bei der Willenserklärung ist, wie bei jeder „Erklärung", zunächst etwas zu bedenken. R Sie ist ein A k t zwischenmenschlicher Kommunikation.

Tb wie R können noch weiter in einfachere syntaktische Formen zerlegt werden: (103)

3. Stufe: Thema: 1. Bei der Willenserklärung ist etwas zu bedenken. 2. Eine Willenserklärung (gleicht) jeder (anderen) „Erklärung". Rhema: 1. Die Willenserklärung ist ein A k t . 2. Der A k t (beinhaltet) zwischenmenschliche Kommunikation.

Das Thema läßt sich nun nicht mehr weiter vereinfachen, wohl aber das Rhema: (104) 4. Stufe: Rhema: 2a. Der A k t (beinhaltet) Kommunikation. 2b. K o m m u n i k a t i o n ist zwischenmenschlich.

(10 3 ) Satz 2 des Themas und (10 4 ) Satz 2b weisen alle Merkmale eines Satzbegriffs einfachster syntaktischer Form auf. Beide Sätze enthalten außerdem ^en semantischen „Kern" einer (drei- bzw. vierstufigen) Ableitungskette. Solche Satzbegriffe sollen „Kernsätze" (abgekürzt: K) heißen. 21 Danes (Textstruktur), 76 f. kennt insgesamt f ü n f Progressionstypen, von denen drei auf K o m b i n a t i o n e n von linearer u n d konstanter thematischer Progression beruhen.

3 Seibert

34

I. Fachsprache, Sprachtheorie und Sprachkritik

In der Abfolge von (10) bis (10 4 ) erkennt man das Zerlegungsprinzip. Jede durch Zerlegung gewonnene Einzelform wird darauf überprüft, ob sich zwei weitere selbständige Sätze einfacherer syntaktischer Form bilden lassen. Jeder Satz wird binär in einfachere Satzbegriffe zerlegt 22. Durch Paraphrasen der vorstehenden Art läßt sich der Satzbegriff dann als normalsprachlicher Satz ausweisen. Als heuristisches Verfahren liegt dieser Vorgang jeder Konstituentenstruktur-Grammatik zugrunde^. Kernsätze zeigen in unserer Gliederung an, daß eine weitere Zerlegung nicht möglich ist. So stellt in (13) „Er hat Appetit" einen Kernsatz dar: Über eine ProForm an Argumentstelle (Subjekt) wird prädiziert. Der Kernsatz enthält damit regelmäßig die semantischen Grundeinheiten („Informationskerne"). Das hat die Zerlegung von (7) deutlich gemacht. Die Κ der 4. Stufe brauchten nur noch terminologisch erklärt zu werden. An ihnen ließ sich der Situationsbezug von (7) zeigen, d. h. die Voraussetzungen des Behauptungssatzes (7) konnten in (7a) expliziert werden. Dabei zeigte sich, daß (7) ziemlich viele Voraussetzungen zusammenfaßt. Die Anzahl der Situationen, in denen (7) ein „wahrer" Satz sein könnte, wird durch die Vielzahl von Voraussetzungen eingeengt. Das wird praktisch daran deutlich, daß wahrscheinlich viele Mieter gar nicht wissen, daß an ihren Sachen ein Vermieterpfandrecht entstehen kann. (7) wird in alltäglichen Situationen selten thematisiert. Juristen benutzen (7), um - ohne selbst über Situationserfahrung zu verfügen - die Situation gleichwohl beurteilen zu können. Ähnliches läßt sich über (10) sagen. Jemand, der in eine Straßenbahn einsteigt, wird sich über die nichtsituative Beurteilung dieses Vorgangs keine Sorgen machen. Für diese Beurteilung kann aber der Gedankengang in (10) von Interesse sein. Ich meine, daß diese kleinen und vorläufigen Beispiele einen Zusammenhang von Satzgebrauch und Satzform verdeutlichen, der sich verallgemeinern läßt. Die entsprechende textanalytische Operation heißt dazu: (II) Teile jeden Satz binär in (normalsprachlich paraphrasierbare) Satzbegriffe einfacher syntaktischer Form. Stelle fest, wieviel Zerlegungen möglich sind, und markiere die einfachsten syntaktischen Formen als K. Als Strukturprinzip wird damit die Hypotaxe oder Subordination von Satzbegriffen in Sätzen festgestellt. Damit drängt sich der Gegenbegriff sozusagen zwangsläufig auf: die Parataxe oder Koordination von Satzbegriffen oder Teilen von Satzbegriffen 24 . (10) Satz 2 bietet dafür Beispiele: Satzanalyse auf der 2. Stufe: Solche K o m m u n i k a t i o n ist möglich. Die Möglichkeit beruht auf etwas. 22 Das entspricht dem S t r u k t u r p r i n z i p der Immediate Constituents Analysis (vgl. Bloomfield, l o i ff., u n d i m Überblick Lyons, 212 ff.). Eine strukturelle Textanalyse (Discourse Analysis) auf der Grundlage der Konstituentenzerlegung führt Harris vor. M i t H i l f e einer ( i m Zerlegungsprinzip ähnlichen) „ A b s t r i c h m e t h o d e " analysiert Posner, 163 ff., H a u p t - u n d Nebeninformation eines Satze,s. 2 3 So Ungeheuer, 213 ff., 221. 24

Vgl. den operationeilen Ansatz bei Rodingen (Aussage), 42 ff.

2. Sprachtheorie/Syntaktische Muster

35

Worten ist in der Umgangssprache eine . . . Bedeutung . . . zugeordnet. Wortverbindungen i s t . . . Verhaltensweisen i s t . . .

Durch die Konjunktion „und" ist auf der 2. Zerlegungsstufe eine dreifache Parataxe angezeigt. Die Situationsbeschreibung wird dadurch angereichert. Streng informatorische und direktive Sätze wie (11) weisen überhaupt keine Gleichordnungen auf. Literarische und umgangssprachliche Schilderungen enthalten hingegen oft eine Fülle von Anreihungen. (16) unterscheidet sich durch diesen parataktischen Reichtum beispielsweise von gewöhnlichen juristischen Texten. Wir operationalisieren: (III) Markiere in jedem Satz die koordinierten Teile. Diese Teile nenne ich in der Folge „T-Fügungen" und kennzeichne ihren Anfang durch Überstreichung (und das Symbol T), während subordinierte Satzbegriffe je nach der Anzahl der Subordinationsstufen gar nicht (1. Stufe), einfach (2. Stufe) oder mehrfach (3., 4. etc. Stufe) unterstrichen werden. Die textanalytische Notation sieht am Beispiel (10) dann so aus:

1 Hier nun ist zunächst zu bedenken, daß es sich bei der Willenserklärung, wie bei K3.S jeder ,Erklärung', | um einen Akt zwischenmenschlicher Kommunikation handelt. K4.S 2 Die Möglichkeit solcher Kommunikation | beruht allgemein darauf, daß in Κ 2.S

Κ 3.S

der Umgangssprache oder in einem bestehenden Sprach- und Verkehrsgebrauch T3.S

K3.S

T3.S

bestimmten Worten, Wortverbindungen und Verhaltensweisen (wie dem AufheK3.S

T2.S

T2.S

T2.S

ben der Hand bei einer Abstimmung) eine bestimmte Bedeutung zugeordnet ist, die Κ 4.S

Κ 3.S

jeder Angehörige dieser Sprachgemeinschaft oder dieses Verkehrskreises in gleicher Κ 4.S oder doch ähnlicher Weise versteht. T4.S 3»

Τ 4.S

Κ 4.S

I. Fachsprache, Sprachtheorie und Sprachkritik

36

Die Aufgliederung von Sätzen in hypotaktische und parataktische Satzbegriffe führt zur „Texttiefenstruktur" (773). Der Ausdruck wird benutzt, um den analytischen Charakter einer solchen Textgliederung anzuzeigen25. Ein gewöhnlicher Sprecher kann und wird sich nicht in Kernsätzen äußern, denn die Verschränkung der Satzteile, ihre adverbiale und attributive Anreicherung u. ä. wären durch solche Rede gar nicht wiederzugeben 26. Eine Texttiefenstruktur in unserer Notation ist nicht im Kopf des Sprechers zu finden, sondern nur im analytischen Rekonstruktionsversuch. Textuelle Instruktionsmittel werden rekonstruiert. Daran setzt im folgenden die Sprachkritik an. TF a ) SBkom b )

1 SB Gegenstand formaler Sprachkritik a)

b)

I

ITS

Textformular Kommentierte Satzbegriffe

3. Sprachkritik an syntaktischen Erscheinungen in juristischen Studientexten a) Sprache und Sozialverhalten: Forschungsrichtungen und Hypothesen Untersuchungen zum Zusammenhang von Sprachform und Sprachverwendung bzw. Sprach- und Sozialverhalten gibt es in der Linguistik erst seit neuerem. Empirische Überprüfungen dieses Zusammenhangs konnten erst auf der Grundlage eines theoretischen Ansatzes erfolgen, der den gegenseitigen1 Bezug von Sprache und Sozialverhalten oder im weiteren Sinne: Sprache und Welt thematisierte. Solange die ältere Sprachtheorie Sprachbeschreibung von Tatsachenbeschreibungen trennte, beschränkten sich linguistische Untersuchungen darauf, grammatische Regularitäten festzustellen und festzulegen. Ihre letzte maßgebliche Ausprägung hat diese Forschungsrichtung in Noam Chomskys Hypothese gefunden, die grammatische „Kompetenz" eines idealen Sprecher/Hörers sei von der aktuellen Sprachperformanz eines tatsächlichen Sprechers zu unterscheiden2. Performanz als bloße „Aufführung" eines Kompetenzmusters läßt Sprachkritik 3 nur beschränkt in 25

Vgl. dazu Schmidt (Texttheorie), 92, 163.

2 6

Posner, 196.

1 Das A d j e k t i v „gegenseitig" ist hier wichtig, vgl. Schmidt (Texttheorie), 44. D i e in der vorkritischen Sprachtheorie implizierte einseitige Bezugnahme formuliert Mittelstraß, 168, so: „ W ö r t e r . . . sind N a m e n für Ideen oder Vorstellungen, die ihrerseits Bilder von Weltausschnitten s i n d " ; vgl. auch Dieter H o r n (Rechtssprache), 28 ff. 2

Zuerst in: Chomsky (Skinner); vgl. auch: ders. (Aspekte), 21 ff.

3 Vgl. Simon, 104; W u n d e r l i c h in: Maas/Wunderlich, 90 ff.

3. Sprachkritik an syntaktischen Erscheinungen

37

psychologischen Dimensionen zu. Man kann dann untersuchen, inwieweit und warum tatsächliche Äußerungen unvollständig, von der Norm abweichend etc.4 sind. Die Kritik ist restriktiv (indem sie auf ideale Sprachdaten rekurriert) und nichtsituativ zugleich (indem sie die aktuelle unter dem Maßstab potentieller Sprachverwendung sieht 5 ). Zwischen die Unterscheidung von Kompetenz und Performanz wird neuerdings ein Begriff geschoben, der seine Verbindung zur älteren, ontologisch fundierten Sprachtheorie nicht verleugnen kann, aber diese gleichwohl in wesentlichen Momenten abändert. Ich meine die „Theorie der kommunikativen Kompetenz"6. Am Anfang dieser Forschungen steht allgemein die These, bestimmte sprachliche Bestandteile kehrten (unter Standardbedingungen) in jeder möglichen Redesituation wieder und erzeugten dadurch ein korrespondierendes Sozialverhalten7. Es gibt demnach nicht bloß grammatische und ungrammatische, akzeptable und inakzeptable Sätze, wie in Anlehnung an Chomsky zu vermuten wäre 8. Über die Kompetenz eines Sprechers können vielmehr erst dann sozial relevante Aussagen gemacht werden, wenn die kommunikative Wirkung ζ. B. normalsprachlich inakzeptabler Sätze gewichtet werden kann. Fachsprachliche Sätze können grammatisch sein, aber für „normale" Hörer in mancher Hinsicht inakzeptabel wirken. Man 4 D i e pragmatischen Voraussetzungen der Rede werden als psychologische Restriktionen der Kompetenz gedacht; vgl. zur wissenschaftstheoretischen K r i t i k des Chomsky schen Ansatzes: Apel, 296; Simon, 103 ff.; Maas (Grundkurs), 236. Maas verortet die Generative G r a m m a t i k dementsprechend als psychologische Teiltheorie, die (interne) Mechanismen erklärt, die zur P r o d u k t i o n von Äußerungen führen. L i n g u i s t i k sei aber nicht notwendig, „was sie i s t " (Grundkurs, 286 ff.); ihre Aufgaben m ü ß t e n i m Interesse einer Argumentationstheorie neu bestimmt werden. - Das Selbstverständnis v o n L i n g u i sten beginnt^ sich i n dieser Weise auf Kommunikationspraxis u n d Erfahrungsverarbeit u n g zu verlagern; vgl. Rossi-Landi, 7 ff. u n d W u n d e r l i c h (Grundlagen), 38 ff. 5 Vgl. D i t t m a r , 126 f. 6 D e n Begriff „ c o m m u n i c a t i v e competence" hat offenbar D e l l Hymes z u m erstenmal i n die soziolinguistische Diskussion eingeführt (vgl. D i t t m a r , 200). I m deutschsprachigen Raum hat W u n d e r l i c h anhand der Chomskyschen Begriffe „ K o m p e t e n z " u n a „Perform a n z " die unzureichende Erfassung des sprachlichen Problemfeldes kritisiert (Pragmatik/Sprechsituation, 153 ff.). I m Anschluß daran versucht Jürgen Habermas i n einer „Theorie der k o m m u n i k a t i v e n K o m p e t e n z " die Leistungen zu erklären, „ d i e Sprecher oder Hörer m i t H i l f e pragmatischer U n i Versalien vornehmen, wenn sie Sätze i n Äußerungen transformieren" (Bemerkungen, 103). D i e V e r b i n d u n g zur älteren, v o n Chomsky artikulierten Sprachtheorie verleugnet Habermas dabei nicht. Sie w i r d schon an der Satzvorstellung deutlich: Sätze sind nach Habermas zunächst v o r k o m m u n i k a t i v e Produkte, die der Transformation durch besondere Redeteile bedürfen (Bemerkungen, 109 f f ) . G l e i c h w o h l bereitet Habermas den Rahmen für eine praxisbezogene Neuorientierung der Sprachforschung vor, i n der dann nicht mehr linguistische u n d außerlinguistische Größen bloß k o m b i n i e r t werden; vgl. dazu W u n d e r l i c h (Soziolinguistik), 297 ff.

ι Vgl. Habermas' B e s t i m m u n g der „pragmatischen Universalien" (Bemerkungen, 103 u n d 109 ff.) oder die explizite Thematisierung der „ K o n v e n t i o n a l i t ä t v o n Sprechhandlung e n " durch W u n d e r l i c h (Konventionalität, 5 ff.). 8 Apel, 300, schlägt deshalb vor, überhaupt nicht v o n einer (monologischen) sprachlichen Kompetenz zu sprechen, sondern eine sprachlich geprägte k o m m u n i k a t i v e K o m petenz anzunehmen. Eine Analyse fachsprachlicher Verständigung kann dann auch nicht i m Rahmen einer Grammatiktheorie erfolgen, sondern erfordert eine sprachkritische Rechtstheorie.

38

I. Fachsprache, Sprachtheorie und Sprachkritik

denke an die berühmte Definition der „Eisenbahn", an § 2 des Parteiengesetzes oder andere Ableitungsungetüme. Der Vorwurf, Juristen seien „Wort ver derber", „Satzverdreher" u. ä., besagt in diesem Zusammenhang noch nichts über die kommunikative Kompetenz der so charakterisierten Juristen. Als Frage bleibt: Wie prägt Sprachverhalten und wie wird der Sprecher selbst durch dieses Sprachverhalten festgelegt? Im Rahmen der Juristenausbildung ist deshalb sprachkritisch zu überprüfen, in welcher Weise eingeübte Sprachmuster mit juristischem Handeln korrespondieren. Da Juristenausbildung regelmäßig an Texten abläuft, kommt deren formaler Gestaltung eine besondere Bedeutung zu, die z. B. über schulische Sprachvermittlung noch hinausgehen kann. Denn ist die Schule nur eine Sozialisationsinstanz neben anderen, die Umgangssprache einübt 9 , so fällt die Vermittlung juristischer Fachsprache ausschließlich Juristen zu, also Lehrern, die selbst in dieser Sprache reden und denken. Die oben vorgestellten analytischen Operationen beschreiben Aspekte des Zusammenhangs zwischen Fachsprache und Textrezeption. Sie zeigen den Anweisungsgehalt juristischer Sätze. Für die Kritik an juristischer Spracheinübung ist nun wichtig, in welcher Richtung kritisiert werden soll. Auch hier bestehen Parallelen zur soziolinguistischen Forschung. An deren Anfang steht die normativ geprägte „Defizit-Hypothese" 10 . Diesem Forschungsansatz zufolge läßt sich ein Unterschied zwischen „elaboriertem" und „restringiertem" Kode nachweisen. Das „Defizit" der restringierten gegenüber der elaborierten Mitteilungsweise soll den unterschiedlichen gesellschaftlichen Erfolg von Unterschicht- und Mittelschichtkindern bewirken, Der elaborierte Kode wird als „besseres", variationsreicheres, situationsspezifisches Sprachmittel interpretiert. Untersucht wurden dementsprechend vor allem Varietäten in der sprachlichen Komplexität. Oevermann, dessen sprachstatistische Untersuchungen in dieser Hinsicht Beispiel und - positiv wie negativ - Maßstab zugleich geworden sind, formuliert als erstes Kriterium: „Komplexität der syntaktischen und grammatischen Konstruktion, aufgegliedert in a) Komplexität der Satzbeziehungen und b) Komplexität innerhalb der Satzgerüste"11. Das sind eben die Aspekte, die unsere oben erläuterten analytischen Operationen ebenfalls beleuchten können. Analysiert man unter einer auf Fachsprache zugeschnittenen DefizitHypothese, so kann man kritisch sagen, daß die Besonderheiten der juristischen Fachsprache (elaborierte Auffüllung des Kernsatzes, nominale Ausdrucksweise, 9 Sprachpraktisch, ohne soziolinguistische Begriffsapparate berichtet K o n r a d Wünsche aus der „ W i r k l i c h k e i t des Hauptschülers". D i e W i r k l i c h k e i t des Jurastudenten ist i n die Rechtstheorie bisher nur spärlich eingedrungen (vgl. etwa Kaupen; Lautmann, 98 ff.; u n d W i e t h ö l t e r , D i d a k t i k u n d Rechtswissenschaft, in: Neue Juristenausbildung, 25 ff.). 10 Vgl. D i t t m a r , 34 ff. 11

Oevermann, 185. - Trotz zweifelhafter Theorie-Grundlage scheinen m i r die empirischen Untersuchungen zur Defizit-Hypothese dennoch analytische Ansätze für juristische Sprachkritik v e r m i t t e l n zu können. Was Oevermann zur Satzkomplexität, H a w k i n s zur V e r k n ü p f u n g durch Pronomina oder Bernstein zu Subordination i n Sätzen, K o m p l e xität des Verbalstamms, Passivgebrauch u. a. ausgeführt haben (vgl. am besten i m Überb l i c k bei D i t t m a r , 51-81), erhellt recht genau, welche sprachlichen Bestandteile ableitende Verständigung konstituieren, vgl. dazu auch unten, T e i l III.

3. Sprachkritik an syntaktischen Erscheinungen

39

enge Verbindung der Satzbegriffe und explizite textuelle Verknüpfung) genau der erstrebten Vollständigkeit und Genauigkeit des Ausdrucks entsprechen. Eine solche These dürfte bei manchen Linguisten und Juristen Zustimmung finden 12 . Sie scheint mit allerdings schon deshalb zweifelhaft zu sein, weil juristische Argumentation beides nicht erstrebt - zumindest nicht in der Funktion, die das Prädikat „elaboriert" meint. Eine elaborierte Argumentation könnte einer rein begrifflich-systematischen Auslegung entsprechen. Begriffliches Argumentieren geschieht in juristischem Kontext aber nicht um des Begriffs willen. So metaphorisch die Rede von der „Weisungs-Bedeutung" eines Rechtstextes auch sein mag 13 , sie klärt doch, daß Begriffsauslegung entscheidungsbezogenes Problemdenken fordert und deduktive Differenzierung nicht genügen läßt. Eine losgelöste begriffliche Argumentation wird insbesondere für die Juristenausbildung von niemandem empfohlen. Zentralproblem ist in Klausuren immer die Beantwortung der „Fallfrage", und auch allgemeinbegriffliche Darstellungen bieten Lösungsvorschläge für konkrete Streitfragen. Sprachliche Komplexität ist also zuweilen durchaus unangebracht. Weite Anerkennung dürfte daher die These finden, daß in problembezogener Argumentation eine Differenz in der Sprechweise notwendig ist und auch nachgewiesen werden kann. Juristische Argumente sind immer in spezifischer Weise auf die Situation bezogen. Methodisch umstritten ist jedoch die Frage, an welcher Stelle man argumentativ situative Gesichtspunkte aufnehmen soll und an welcher Stelle nichtsituative Abstraktion vonnöten ist 1 4 ; und diesbezüglich wählen Textautoren auch verschiedene Darstellungsformen. Man kann z. B. - wie Karl Larenz - der Meinung sein, daß die Bestandteile einer Willenserklärung nur im Rahmen allgemeinbegrifflicher Erörterungen geklärt werden können. Dem entspricht eine nichtsituative Darstellungsweise wie in (10). Andere Autoren wollen mehr juristisches „Handwerkszeug" vermitteln und am Fall sagen, wie man aus einem Handaufheben eine wirksame Willenserklärung herauslesen kann. Das erfordert eine situative und restriktive Argumentation. Wieder andere scheuen komplexe Begriffsdefinitionen und schnelle Fallösungen. Sie werden die Frage nach dem Vorliegen einer Willenserklärung zum nichtrestriktiven Topos machen, zu dem Argumente der Parteien situativ gehört werden. 12 Vgl. linguistisch Benes (Fachtext), 128, u n d Schnelle, 78 ff. D i e Auffassung, der juristische Fachstil sei an Genauigkeit der umgangssprachlichen K o m m u n i k a t i o n überlegen, beherrscht i m übrigen die ältere Rechtssprachliteratur; vgl. ζ . B. Forsthoff, 10 f.; Dölle, 11 f.; Neumann-Duesberg, 76 ff., 121 ff.; Hätz, 65 ff., 91 ff. - Einen Meinungs- u n d M e t h o denwechsel vollzieht hier Dieter H o r n (Logik) u n d ders. (Rechtssprache). 13 So Esser (Vorverständnis), 138. Hassemer (Tatbestand), 120, formuliert: „Es handelt sich nie u m ein Verstehen schlechthin, sondern immer nur u m ein ,Verstehen woraufhin', w e i l der Tatbestand nur i n der Polarität zu einem Sachverhalt verstanden werden kann u n d umgekehrt - u n d beide nur in ihrem jeweiligen Bezug." Vgl. auch Kaufmann, Analogie u n d N a t u r der Sache, in: ders., 272 ff. (insbes. 286 f.). 14 Dazu Kriele, 150.

40

I. Fachsprache, Sprachtheorie und Sprachkritik

Welche Funktion Darstellungsweisen bei der Konstitution juristischer Probleme haben, wird am Beispiel der Notwehr recht deutlich. Nach allen Ansichten unterliegt das Notwehrrecht (im Ergebnis) Einschränkungen. Regel/Ausnahme-Argumentationen erfordern sprachliche Komplexität. Die Darstellungsfrage heißt nun: mit dem Grundsatz anfangen und ihn schrittweise einschränken oder fallweise beginnen und Grundsatzformulierungen hinauszögern und problematisieren? Die Antwort ist für Spracheinübung und Sprachverständnis des Studenten von großer Wichtigkeit. Ich werde im folgenden damit beginnen, signifikante Darstellungsdifferenzen herauszuarbeiten und kritisch zu beurteilen. Als different können im wesentlichen eine mehr deduktive, nichtsituative, grundsatzbezogene Redeweise und eine mehr assoziative, situative, topische Sprechweise unterschieden werden. Die Darstellungsdifferenz deckt sich nicht mit Frontstellungen, die manche Autoren (Larenz, Diederichsen) im Streit um Deduktivsystem und Xopik bezogen haben. Das spricht allerdings eher dafür, daß der sprachliche Bezug im Methodenstreit unreflektiert geblieben ist, als daß die Topik der Rechtssprache fremd wäre 15. Theodor Viehweg hat im Gegenteil darauf verwiesen, gerade die nichtformalisierte („genuine") Rechtssprache mit ihren umgangssprachlichen Bezügen zwinge dazu, sich immer wieder auch auf die alltäglichen Argumentationen einzulassen und hindere die axiomatisch-deduktive Verselbständigung des Rechtssystems16. Das heißt nicht, daß Topik systemfeindlich ist und überhaupt auf Ableitungen verzichtet. Aber Ableitungen haben innerhalb topisch-pragmatischer Argumentation einen anderen Stellenwert. Norbert Horn hat den Unterschied mit der Behauptung gekennzeichnet, einer Fülle von Prämissen stünden topisch nur kurze Ableitungen gegenüber 17. Sprachanalytisch übersetzt heißt das: Bei geringem deduktiven Gehalt wird eine topische Argumentation viele Kernsätze und Anreihungen aufweisen. Mit diesen Mitteln läßt sich der fachsprachliche Verständigungshorizont ständig situativ variieren. Diese besondere Art des Situationsbezugs hat Viehweg neuerlich wieder betont 18 . Denn es geht nicht bloß darum, daß Probleme überhaupt im Hinblick auf die Handlungssituation diskutiert werden. Eine sprachkritische Rechtstheorie entsteht erst 15 Eine solche These ist i n dieser Form noch nicht aufgestellt worden; man findet aber allgemeine Aussagen der A r t , die T o p i k verfehle „das Wesen der Jurisprudenz" (so Canaris, 144). W i e T o p i k sich sprachlich äußert u n d welche juristischen Argumentationsformen topisch sind, verbleibt als Forschungsaufgabe, vgl. Seibert ( T o p i k ) , 53 f. 16 17

Vieh weg ( T o p i k ) , 88 f.

Norbert H o r n , 603. W a n n Ableitungszusammenhänge umgekehrt davor bewahren, daß T o p o i zu Leerformeln degenerieren, klärt i n h a l t l i c h Struck (Topische Jurisprudenz), 78 ff. - Weinberger, 25 f. versucht m i t diesem Aspekt (topisch-rhetorisches D e n k e n enthalte selbst deduktive Schritte) zwischen „ L o g i s t e n " unci „ T o p i k e r n " neu zu v e r m i t t e l n - o b w o h l ein Streit darüber gar nicht zur Debatte steht. Das Mißverständnis, T o p i k sei system- u n d deduktionslos, entspringt v e r m u t l i c h d e m auf lange Sicht zweifelhaften Bemühen, T o p i k gerade als Methode „aporetischen" Denkens einzuführen (so Coing, 437). D e n n damit r ü c k t die situative Frage i n den H i n t e r g r u n d , welche T o p o i die Problementscheidung bestimmen, also zugelassen oder abgewiesen werden; vgl. die Korrekt u r von Kriele, 142 ff.

3. Sprachkritik an syntaktischen ^Erscheinungen

41

aus der Frage: Wie wird die Situation fachsprachlich aufbereitet, um sie als Ausgangspunkt der Problemlösung zu nehmen? Unmittelbare, erlebnismäßige Situationserfahrungengewährt die herkömmliche Juristenausbildung schließlich in den seltensten Fällen. Unter diesen Umständen werden die Strukturen der juristischen Universalpragmatik von Bedeutung. Wie gelingt es, situative Begründungen ohne Situationsanschauung zu vermitteln? Wenn die Sprache der künftigen Juristen sich neuen Erfahrungen nämlich verschließt, dienen neue Situationen auch nur der Bestätigung und Legitimation tradierter Inhalte. Eine sprachkritisch fortentwikkelte Topik muß also zweierlei unterscheiden: 1. Jede juristische Argumentation ist auf ihre Weise situationsbezogen. Jede geht mit mehr oder weniger deduktiv aufbereiteten Topoi um. 2. Will Sprachkritik selektiv sein, muß sie dieses „Mehr oder Weniger" thematisieren. Es ist zu zeigen, an welcher Stelle in juristischen Studientexten Begründungen welcher Art eingeübt werden. Analytisch lassen sich zwei Verständigungsmuster 19 unterscheiden: a) Anreihungen (durch konstante thematische Progression, T-Fügungen u. ä.) bewegen sich innerhalb der besprochenen Redesituation und nehmen Gedankenprodukte in ihren situativen Ursprung zurück, um sie von dort aus neu zu erklären. Sie sind konstitutives Element topisch-pragmatischer Argumentation. b) Ableitungen (durch lineare thematische Progression, Satzkomplexion u. ä.) haben ebenfalls die Kommunikationssituation und das Verhältnis der Kommunikationspartner in ihr zum Gegenstand. Sie weisen ebenfalls an. Erklärt wird die Situation jedoch durch Begriffe, die nicht aus ihr selbst stammen und von den Beteiligten weder erfahren noch thematisiert werden müssen. Ableitungen legitimieren Begriffe aus ihrem systematischen Zusammenhang. Sie ermöglichen eine abgekürzte Erörterung von eventuell bei der Problemlösung in Frage kommenden Gesichtspunkten. Die Prädikate situativ/nichtsituativ und restriktiv/nichtrestriktiv erscheinen damit als Anweisungsmomente der Kommunikationssituation. Die ursprünglich semantische Bestimmung läßt sich sprachlich operationalisieren, und zwar kehrt die analytische Operation den Prozeß der Texterzeugung um. An dem von Siegfried J. Schmidt eingeführten „Texterzeugungsmodell" läßt sich das verdeutlichen 20. In der Kommunikationssituation erfüllt der juristische Textautor selbst die Anforderungen kommunikativer Kompetenz; er verfügt über Kenntnisse der UmgangsVgl. Vieh weg (Notizen), 442: „ D i e fortentwickelte Rhetorik s t i m m t n u n m i t denjenigen überein, die den Einsatz der semiotischen Überlegungen umzukehren versuchen. D e n n es erscheint ihr ratsam, das Unterreden (dialegesthai) d. h. die beiderseitigen Sprachhandlungen z u m Ausgang zu nehmen, also die Verflechtung der A r g u m e n t a t i o n i n eine k o m m u n i k a t i v e Situation gedanklich zu wahren u n d von vornherein i m Auge zu behalten, m i t anderen W o r t e n , m i t der Pragmatik zu beginnen." 19 Vgl. dazu Rodingen/Seibert. 20 Schmidt (Texttheorie), 165.

42

I. Fachsprache, Sprachtheorie und Sprachkritik

und Fachsprache, arbeitet auf der Grundlage einer angebbaren Dogmatikkonzeption etc. Seine eigene Voraussetzungssituation ist mit dem möglichen Leserkreis vorstellungsmäßig vermittelt. Der Autor stellt in Vorwort, Einschüben und Kommentaren Hypothesen über die fachliche Kommunikationsfähigkeit, den Ausbildungsstand, seiner Leser auf. Er macht sich außerdem ein bestimmtes Bild über Lernziele und Begründungsanforderungen in der Juristenausbildung. All das wird in der hier zu übenden formalen Sprachkritik zur Kenntnis genommen, aber nicht weiter untersucht. Untersucht werden Programm und Realisation des Kommunikationsakts. Im Kommunikationsprogramm interessiert analytisch insbesondere die pragmatische Wirkungsabsicht. Sie ist bestimmt und bedingt durch den Texttyp und die syntaktischen Potentiale, die als Ableitung und Anreihung fachsprachlich zur Verfügung stehen. Beide Verständigungsmuster gehören texttheoretisch dem von Schmidt so bezeichneten „Illokutionspotential" an. Es ergibt sich folgendes Modell 21 :

21 Meine N o t i e r u n g weicht v o n Schmidts Schema geringfügig ab, w e i l die Ebene der „ T e x t ä u ß e r u n g " i n schriftlichen Texten nicht erreicht w i r d u n d das „stilistische Repert o i r e " juristisch vor allem semantische Faktoren ( W o r t w a h l , W o r t k o m b i n a t i o n e n u. ä.) umfaßt, die i n der älteren Rechtssprachliteratur diskutiert werden (s. o., Fußnote 12). Es k o m m t m i r hier i m wesentlichen auf die k o n s t i t u t i v e n syntaktischen Muster an.

3. Sprachkritik an syntaktischen Erscheinungen

b) Kriterien

43

der Kritik

Wenn Sprachkritik darauf abzielt, nicht bloß generell Aussagen über sprachliche Komplexität zu machen, sondern selektive Kritik an Komplexitätsvariationen zu üben, so sind Ansatzpunkte dafür der Aufbau und die Verflechtung juristischer Sätze. Unsere Sprachkritik betrifft speziell das Verhältnis zwischen pragmatischer Wirkungsabsicht und syntaktischer Expandierung der Texttiefenstruktur in miteinander verknüpften Satzbegriffen; m. a. W.: Was will der Lehrbuchautor und wie realisiert er es sprachlich? Anhand der sprachanalytischen Notierung gehe ich im einzelnen so vor: Zunächst werden in einer Tabelle für jeden Satz die Anzahl der Satzstufen verzeichnet. Stufe

1

2

3

4

Stufen pro Satz

Satz 1

2 3

Die Anzahl der Stufen indiziert bereits grob die sprachliche Komplexität, den Grad der Subordination im Einzelsatz. Um Unterordnung und Gleichordnung nebeneinander festzustellen, trage ich für jede Stufe subordinierte und koordinierte Satzbegriffe ein. Sprachkritisch interessant sind diejenigen Satzbegriffe, die das Ende einer Ableitungskette markieren (K), und die T-Fügungen. Dabei wird deutlich, ob ein Satz etwa verschiedene Ableitungsketten aufweist, die in einem oder mehreren (angereihten) Κ enden. Den kommunikativen Status dieser Κ und Τ bestimme ich außerdem dadurch, daß ich vermerke, ob diese Elemente in thematischer oder kommentierender Funktion auftreten (Thema/Rhema-Gliederung). Für jede Stufe ist damit eine vierfache Kombination von Elementen einzutragen. Art des Satzbegriffs Kernsatz

Κ Funktion im Satz

T-Fügung

Τ

Thema Th Rhema R

Wichtig für die kommunikative Wirkung ist außerdem die Art der thematischen Progression. Progressionen werden in die Tabelle durch Pfeile eingetragen. Ein Pfeil, der Elemente in Rhema und Thema verbindet, bezeichnet demnach einen linearen Progressionsschritt. Sind nur thematische Elemente miteinander verbunden, so handelt es sich um eine konstante thematische Sequenz. Eine explizite thematische Progression kann natürlich auch überhaupt fehlen. Ich habe sie immer dann als vorliegend angenommen und gekennzeichnet, wenn Lexeme eines vorher-

44

I. Fachsprache, Sprachtheorie und Sprachkritik

gehenden Satzes wieder verwendet (Kommunikation . . . Kommunikation), transformiert (kommunikativ, kommunizieren) oder pronominalisiert (diese) werden oder in relationeller Weise 22 (dazu, dabei) auf sie Bezug genommen wird. Der Grad des Verknüpfungszusammenhangs beeinflußt Verständlichkeit und Anschaulichkeit eines Textes. Satzbegriffe, die neue Information enthalten, aber nicht in die thematische Progression einbezogen sind, erschweren das Textverständnis. Die Korrelation zwischen Syntax und Semantik wird hier wichtig. Die syntaktische Position eines Bedeutungsträgers ist aus der Tabelle abzulesen. Für (10) ergibt sich (vgl. ILl.a): Stufe Satz

1 Κ Τ

Th R

00 00

Th R

00 00

Th R

0 1 00

2 Κ Τ

3 Κ Τ

4 Κ Τ

S pro Sa

n.v.S

VE

Die Möglichkeit solcher K o m m u n i k a t i o n

Die Tabelle sagt im Klartext: Für Satz 1 ist viermal eine binäre Zerlegung in einfachere Strukturen notwendig, um alle Satzbegriffe in Kernsätze (K) aufzulösen. Das Thema (Th) ist dreistufig und enthält eine Ableitungskette, die in einem Κ endet. Das Rhema (R) ist vierstufig und weist ebenfalls nur eine Ableitungskette auf. Satz 1 ist mit Satz 2 durch eine lineare thematische Progression verknüpft. Verknüpfungselement (VE) ist die Phrase: die Möglichkeit solcher Kommunikation. Es gibt in Satz 1 keinen Satzbegriff, der außerhalb der thematischen Progression steht, also nicht verknüpft ist. - Das ändert sich in Satz 2. Dieser weist auf der 4. Stufe 3 Κ und 2 T, also Unter- und Gleichordnungen auf, die in die thematische Progression nicht einbezogen sind. Satz 2 enthält im Thema zwar ebenfalls nur eine (zweistufige) Ableitungskette, der Kommentar läßt hingegen vier dreistufige und drei vierstufige Κ erkennen. Die formale Notierung indiziert somit mehrere Ableitungsketten, die auf jeweils verschiedener Stufe zudem von sieben Anreihungen begleitet sind. Ohne damit schon die Interpretation von ILI. vorwegzunehmen, möchte ich andeuten, daß sich schon in dieser Miniaturtabelle ein signifikantes Merkmal der Sprachverwendung abzeichnet. Die große textuelle Ableitung (lineare thematische Progression) wird durch viele innersatzmäßige Ableitungen und Anreihungén aufgelockert. Der Autor sagt das, was er will, offenbar komplex, aber variationsreich. Ich möchte generalisierend sechs Kriterien angeben, denen in den folgenden Analysen mein Hauptaugenmerk gilt. Was diese Kriterien im einzelnen anzeigen,

22 Oder: referentieller Weise, vgl. die terminologische K l ä r u n g v o n „ R e l a t i o n " , „Referenz" u n d „Konsequenz" bei Schmidt (Texttheorie), 77.

3. Sprachkritik an syntaktischen Erscheinungen

45

wird dort erläutert. Sie thematisieren allgemein das Spannungsfeld zwischen den Verständigungsmustern Ableitung und Anreihung und weisen auf textuelle Subund Koordination hin. Es sind: 1. der deduktive Gehalt eines Satzes (Satzkomplexität, Verschachtelung) — zu bestimmen mit Hilfe der analytischen Operation II — zu messen anhand der Anzahl der Stufen pro Satz (Der Durchschnittswert wird errechnet als Quotient von Gesamtzahl der Stufen \ Anzahl der Sätze 2. die relative Häufigkeit der Kernsätze (der Argumentationsschwerpunkt) — zu bestimmen mit Operation II — zu messen anhand der Anzahl der Κ pro Satzstufe (Durchschnittswert als Quotient von ^

^

Κ

^

' >

ζΓ

3. die thematische Wiederaufnahme (Komplexität des Themas) — zu bestimmen mit den Operationen I und II — zu messen anhand der Anzahl der thematischen Κ pro Satzstufe (Durchschnittswert als Quotient von ^ X ^ i V k z e ^

' >

4. eine mögliche Thema/Rhema-Differenz (in der Satzkomplexität) — zu bestimmen mit den Operationen I und II — zu messen anhand des Unterschieds in der Anzahl der thematischen und rhematischen Κ pro S im Verhältnis zur Anzahl der Sätze 5. der assoziative Gehalt eines Satzes — zu bestimmen mit den Operationen II und III — zu messen anhand der Τ pro Satzstufe (Durchschnittswert als Quotient von ^ ^ f f d e ^ S â t z ?

0 S

)

— weiter zu differenzieren in thematische und rhematische Τ 6. der Verknüpfungszusammenhang (Grad der thematischen Progression) — zu bestimmen mit den Operationen I, II und III — zu messen (negativ) anhand der Anzahl der nicht verknüpften Satzstufen (Durchschnittswert als Quotient von ^ S m z a h f d e r S

S

}

II. Sprachanalysen anhand juristischer Lehr- und Lernbücher 1. Begründungen aus der Basisdoktrin deuten: Karl Larenz, Allgemeiner Teil des deutschen Bürgerlichen Rechts, 1. Auflage, München 1967 a) S. 338 in: § 25. Die Willenserklärung;

ihre Auslegung

1 Hier nun ist zunächst zu bedenken, daß es sich bei der Willenserklärung, wie bei K3.S jeder ,Erklärung', | um einen Akt zwischenmenschlicher Kommunikation handelt. K4.S 2 Die Möglichkeit solcher Kommunikation | beruht allgemein darauf, daß in Κ 2.S

Κ 3.S

der Umgangssprache oder in einem bestehenden Sprach- und Verkehrsgebrauch Τ 3.S

Κ 3.S

Τ 3.S

bestimmten Worten, Wortverbindungen und Verhaltensweisen (wie dem AufheK3.S

T2.S

T2.S

T2.S

ben der Hand bei einer Abstimmung) eine bestimmte Bedeutung zugeordnet ist, die Κ 4.S

Κ 3.S

jeder Angehörige dieser Sprachgemeinschaft oder dieses Verkehrskreises in gleicher K4.S

T4S

K4.S

oder doch ähnlicher Weise versteht. T4.S 3 Wer solche Worte gebraucht oder ein solches Verhalten zeigt, weiß im allgeK 2.S

Τ 2.S

Κ 2.S

meinen oder muß doch wissen, | welcher Sinn mit ihnen (überhaupt oder in einer Tl.S derartigen Situation) verbunden ist. Κ 3.S

T3.S

1. Larenz

47

4 So wie nun der Mensch, weil er Person ist, sich seine Handlungen, die AuswirTl.S

K2.S

kungen auf andere haben, in gewissen Grenzen zurechnen lassen und die VerantK3.S

K2.S

Τ l.S

wortung für sie tragen muß (oben § 6 I), | so muß er auch die Verantwortung für Τ s. ο. die von anderen zu verstehende rechtsgeschäftliche Bedeutung seiner Worte und Κ 4.S

Τ 3.S

Verhaltensweisen tragen, wenn sie ihm in der konkreten Situation, in der er sich K4.S befindet, zurechenbar ist (oben § 7 II).

5 Sie ist ihm zurechenbar, | wenn er selbst bei Anwendung derjenigen Auf-

merksamkeit, die man in einer solchen Situation von einem verständigen VerkehrsK5.S

K5.S

teilnehmer erwarten darf, hätte erkennen können, daß sein Verhalten für andere

den Sinn einer Geltungserklärung hatte. K4.S 6 In diesen Grenzen, soweit also die Verantwortung des Handelnden für den von T2.S anderen zu verstehenden Geltungssinn seines Verhaltens reicht, | muß daher die K5.S „objektive Finalität" des Verhaltens genügen. K3.S

Th R Sa

0

03 00 03

0 0,5 0 0 0 0,5

03 5 5

20

00

11

3 KT

I I

-0_0 LO -— . 4 2

KT

0

0,83 0,33 0,5 1 0,83 0,83

10 25 30

5

- -

4

5

3

Ä

4

. υ

*

Λ

S VE

0,33 0 0 0 0,17 0 0,67 1,17 0,33 0,33 0 4,17 1,33 0,67 1,17 0,33 0,5 0

5 220 00 64 72 20 84 72

0

A

- -

II

A

- — 3 2

5 n.v.S

--

4 pro Sa

0

1

λ

υ

A

S1C

20%

der Geltungssinn seines Verhaltens Λ

Λ

solche Worte

die Möglichkeit solcher 1 Kommunikation

* Anm. zur Tabelle: Die erste formalanalytische Summe (SU) gibt die absolute Anzahl der Einheiten (pro Textbeispiel) an, die zweite Summe den für einen Satz errechneten Durchschnittswert (vgl. die Bildung der Quotienten oben, I.3 b).

SU

Th S U R Sa

^

c

02

Th R Th R Th R

a

2 KT

00 10 0 0 0 0 0 0 1^5 0 0 0

1 KT

10 - -0 Ol 20 -Ο^Γ^ ^ - - 20 00 00 00 0 0 Ol 0 0 0 0 00 00 10 ---

00

00

KT

R

Th R Th R

Stufe

3

9

1

τ

Satz

Tabelle 1*

48 II. Sprachanalysen

1. Larenz

49

Eine Einführung in das bürgerliche Recht sei eine „pädagogische Crux ersten Ranges", stellte Wolfgang Thiele fest, als er Karl Larenz' „Allgemeinen Teil des deutschen Bürgerlichen Rechts" rezensierte 1. Der Allgemeine Teil des BGB wirkt aufgrund der viel zitierten „strengen Begrifflichkeit" und „großen Abstraktionshöhe" 2 für den Studienanfänger unanschaulich. Die Abstraktionshöhe spiegelt sich in der Textanalyse im deduktiven Gehalt der Sätze. Mit durchschnittlich 4,17 S pro Satz hält der vorliegend analysierte Larenz-Textausschnitt den „Abstraktionsrekord" (Vergleichsgrößen für diese und andere Texteinstufungen bietet Tab. 14, unten S. 144 f.). Die Abstraktion im Einzelsatz wird von einer Vielzahl von Κ getragen. Die sechs untersuchten Sätze weisen auf der 2. bis 5. S insgesamt 23 Κ auf. Der argumentative Schwerpunkt liegt auf der 3. S (1,33 Κ ) 3 . Die Κ sind aber im übrigen ziemlich gleichmäßig auf die oberen und unteren Stufen verteilt. Anzahl der Stufen und Kernsatzverteilung allein geben deshalb noch kein klares Bild über die Informationsstruktur des Textes. Viele S lassen regelmäßig nichtsituative Unanschaulichkeit vermuten, während viele Κ für Assoziationen und Situationsnähe sprechen. Für die Anschaulichkeit ist neben der aufschichtenden oder anreihenden Argumentationsweise im Einzelsatz auch der Verknüpfungsgrad im Satzzusammenhang bedeutsam. Restriktiv und nichtsituativ, also besonders unanschaulich wirken solche Texte, die bei hohem deduktiven Gehalt in sich kaum verknüpft sind, wenn also kompliziert abgeleitete Begriffe im nächsten Satz nicht wiederaufgenommen werden 4 . Im vorliegenden Beispiel sind lediglich 20 % der Satzstufen nicht verknüpft. Dieser Befund deutet auf eine geschlossene Ableitungskette hin. Ob diese Ableitungskette unanschaulich wirkt, richtet sich nach dem Inhalt der nicht verknüpften Satzbegriffe. Die syntaktische Stufung im Verhältnis zum Informationswert der einzelnen Stufen steuert die Textrezeption. Wenn die nicht verknüpften Stufen semantisch vernachlässigt, „vergessen" werden können, würden sie die Anschaulichkeit der Ableitungskette nicht mindern. Denn dann wirkt die thematische Progression auf Textebene der Ableitung auf Satzebene entgegen. Als nicht verknüpfte Κ finden wir ζ . B. in Satz 2: - das Aufheben der Hand „bei einer Abstimmung", - jeden Angehörigen „dieser Sprachgemeinschaft oder dieses Verkehrskreises", der die Bedeutung in - „gleicher oder doch ähnlicher Weise" versteht; Satz 3 bringt dann, aus dem Zusammenhang gelöst, den Klammerausdruck:

ι Thiele, 405. 2

Ebd. 3 D i e formalanalytische Annahme, daß viele Kernsätze auf einer Stufe dort einen „ A r g u m e n t a t i o n s s c h w e r p u n k t " bildeten, hängt m i t der sprachtheoretischen Annahme zusammen, Kernsätze seien Träger von Einzelinformation, vgl. oben 1.1. c) u n d 1.2. b). 4 Vgl. dazu Silmans Ausführungen zu Synsemantie u n d Autosemantie i m Großkontext, 20 ff., 25, 26.

4 Seibert

50

II. Sprachanalysen

- „(überhaupt oder in einer derartigen Situation)"; in Satz 4 schließlich ist nicht verknüpft die - „rechtsgeschäftliche" Bedeutung - „in der konkreten Situation, in der er sich befindet". Die Beispiele wiederholen sich bereits. Sie zeigen, daß die nicht verknüpften Phrasen Beispielsfälle behandeln, um einen Grundgedanken zu verdeutlichen. Larenz entfaltet den Satz: Die Verantwortung für eigenes Verhalten kann die Zurechnung einer Willenserklärung begründen. Was dieser Satz im Einzelfall voraussetzt, erläutern die nicht verknüpften K. Der Text stellt damit auf gehobener Abstraktionsebene durchaus Anschaulichkeit her. Dafür spricht auch die starke thematische Wiederaufnahme, die auf der 2. Stufe erfolgt, während der rhematische K-Schwerpunkt auf der 4. S liegt (Thema/Rhema-Differenz). Larenz wiederholt vorangegangene komplizierte Sätze im nächsten Thema: - Die Möglichkeit solcher Kommunikation . . . - Wer solche Worte gebraucht. . . - Sie ist ihm zurechenbar, wenn . . . Die hohe Anzahl der Kernsätze, die extrem häufige thematische Wiederaufnahme bei signifikanter Th/R-Differenz machen also unanschauliche Abstraktionen verständlich. Larenz redet konkret über Abstraktes, anschaulich über Unanschauliches. In Umrissen kündigt sich der „konkret-allgemeine Begriff 4 an. Die Deduktionshöhe ist auch keineswegs in allen Sätzen gleich. In Satz 3 weist Larenz mit Κ auf den unteren S zur Interpretation an, hier formuliert er seinen Grundgedanken: Wer solche Worte gebraucht....... muß... wissen, welcher Sinn mit ihnen . . . verbunden ist. Dieser Satz wirkt zunächst einmal unanschaulich. Er klärt sich aber im Kontext der Larenzschen Deduktion, ja, hier gewinnt er axiomatische Evidenz. Anhand der reich geschilderten Lehrbeispiele erscheint Larenz' Folgerung zwingend. Man kommt (in Satz 2) nicht auf den Gedanken, das der Deduktion zugrundegelegte Axiom könne falsch sein. Wollte man es in kleinste semantische Bestandteile zerlegen, so lauteten diese: 1. Jedem Wort entspricht eine Bedeutung. 2. Jeder Verkehrsteilnehmer kennt diese. „Ohne Eindeutigkeit könne sprachliche Verständigung nicht funktionieren, ist seit Aristoteles das schlagende Argument. Die Begründung ist rein spekulativer Art, auf wissenschaftliche Untersuchungen kann sie sich nicht stützen..." faßt Dieter Horn 5 im Gegensatz dazu seine kommunikationstheoretischen Überlegungen zusammen. Die Larenzsche Evidenz gerät hier zur Spekulation. An dieser Stelle braucht nicht untersucht zu werden, ob Horns wissenschaftliche These (vgl. dazu oben, S. 21) Larenz' prudentielles Axiom ersetzen sollte. Denn die Meinung, was wir redeten, sei unklar, erscheint dem Dogmatiker so abwegig, wie sich der Kommu5 Dieter H o r n (Rechtssprache), 158.

1. Larenz

51

nikationsforscher hüten muß, mit der These, Verständigung beruhe auf dem Austausch eindeutiger Bedeutungen, den jeweiligen kommunikativen Entwicklungsprozeß zu überspielen. Hier bestimmen sich Lehrinhalte aus dem Unterschied von Forschen und Meinen, einer Rechtswissenschaft als Zetetik und einer Rechtswissenschaft als Dogmatik 6 . Nun läßt sich die (wissenschaftliche) Differenzierung zwischen Zetetik und Dogmatik, zwischen Doktrin und Theorie selbst wieder zu Legitimationszwecken gebrauchen. Juristisches Meinen wird dann als in jedem Fall eigenständig behauptet, als Meinungsart, die nur Juristen konservieren können: Jurisprudenz als Zuflucht des Juristenstandes. Darauf zielt eine solche Differenzierung nicht ab. An Larenz' Kommunikationsdoktrin läßt sich gut vorführen, was gemeint ist. Der gewitzte Jurastudent, der aus der „Leihbücherei" ein Buch „ausleihen" will - es also mitnimmt, aber nicht bezahlt - hat dennoch objektiv „gemietet". Juristen bemühen dazu die Auslegungsgrundsätze der §§ 133, 157 BGB. Wer in einer Leihbücherei „ausleiht", muß - unter Berücksichtigung des Empfängerhorizonts - wissen, daß er (juristisch) „mietet". Der Zusammenhang, der im Alltagsbewußtsein zwischen Wort und Tun besteht, wird in die juristische Auslegung übernommen als Bezug Wort - „wirkliche" Bedeutung. Horn kommt zu einem vergleichbaren Ergebnis: Die Bedeutung eines Wortes ergibt sich aus seiner Reproduktion in identischen Handlungen7. In der Kommunikationstheorie dürfte aber auch das Ergebnis (Wortbedeutung) nicht von seiner Entwicklung (Wortgebrauch in Situationen) getrennt werden. Larenz tut das, er verkürzt einen Problemzusammenhang auf einen subsumtionsfähigen Leitsatz und dient damit juristischer Praxis. Zwar bleibt verborgen, durch welche sprachlichen Bestandteile Rechtshandlungen normalerweise schutzwürdige Erwartungen wecken8, aber im Regelfall - d. h. solange der vorausgesetzte Zusammenhang zwischen Rechtsbegriff und Lebenspraxis besteht - kann ohne Schaden auf das Larenz sche Axiom verwiesen werden. Rechtsdogmatik kürzt ab. Ihre Lösungsvorschläge sind begrenzt, „miteinander unverträgliche Lösungen sind nicht zugelassen, würden im Augenblick der Entscheidung auch nur zur Störung der Entscheidbarkeit führen" 9. Larenz sucht solchen Störungen vorzubeugen. Denn daß es nicht nur den Regelfall gibt, gesteht auch er zu. Aber Larenz nimmt Ausnahmen nicht zum Anlaß, die Regel in Frage zu stellen. Er befestigt die Norm sprachlich. Um Zweifel an der generellen Gültigkeit zu unterdrücken, reiht er an den fraglichen Stellen eine Vielzahl von Worten aneinander: - Wer solche Worte gebraucht oder ein solches Verhalten zeigt 6

Vgl. Vieh weg (Systemprobleme).

7

Dieter H o r n (Rechtssprache), 94 f.

8

Dies versucht B r i n c k m a n n (in: Petöfi, 204 f.) m i t H i l f e einer juristisch interpretierten Sprechakttheorie zu erklären. 9 Ballweg (Jurisprudenz), 116 f.

4*

. Sprachanalysen

52

- weiß im allgemeinen oder muß doch wissen - welcher Sinn mit ihnen (überhaupt oder in einer derartigen Situation) verbunden ist. Dagegen läßt sich nichts sagen, weil fast nichts gesagt ist. Larenz begründet die dogmatische Entscheidung noch einmal, er gibt sich mit bloßer Dezision nicht zufrieden, sondern bietet eine „Deutung" an. Die Sprache der juristischen Basisdoktrin weist nun besondere Charakteristika auf, um Begriffe zu sichern. Larenz versucht durch Wortreichtum (repräsentiert in der absoluten Anzahl von K), lockere Assoziationen über Probleme (in T-Fügungen) und ständige Wiederholungen (thematische Wiederaufnahme) das Alltagsbewußtsein für seine Dogmatik einzunehmen. Er redet nichtrestriktiv über Nichtsituatives und bezweckt damit zweierlei: Er macht nicht nur schwierige Inhalte kommunikabel, mitteilbar, lesbar, er begründet diese Inhalte auch gleichzeitig mit schon Kommuniziertem, Mitgeteiltem, Gelesenem. Larenz begründet seine Deutung mit „Setzungen"10. Didaktisch wie juristisch ist dieser Versuch, die Entscheidung mit der Entscheidungssituation rückzukoppeln, nicht gering zu schätzen; die Rezensenten haben die umfassende Begründung gewürdigt. Thiele hebt hervor, daß der Student befähigt werden müsse, neue Probleme mit überkommenen Rechtsfiguren oder mit passenden neuen zu lösen 11 . Larenz liefere die notwendigen Voraussetzungen hierfür. Unter Aspekten juristischer Topik hat Gerhard Struck die Berührungspunkte von Rechtssprache und Alltagssprache hervorgehoben 12. Juristische Begründung erweise sich dort als konsensfähig, wo Topoi alltäglichen Sprichworten und Gemeinplätzen entsprächen. Selbst für Generaltopoi („da könnte ja jeder kommen") fänden sich im Alltag mitunter passende Fälle. Die Larenzsche „Verantwortung für Wort und Verhalten" dürfte einen solchen Generaltopos darstellen. Man muß ihn nicht erwähnen, um zu begründen, daß auch bei potentiellem Erklärungsbewußtsein die erklärte Willenserklärung (unter Umständen) gültig ist. Da sich aber Verbindungen zum Alltagsbewußtsein finden lassen, sollte man sie pflegen 13 . Dennoch argumentiert Larenz keineswegs topisch. Er erklärt aus scheinbar evidenten Inhalten und argumentiert formal deduktiv. Struck erwähnt an anderer Stelle, daß Larenz eine Entwicklung nicht mitgemacht hätte, die „durch Worte wie System, Logik, Dogmatik und Subsumtion gekennzeichnet werden kann" 14 . Man bekommt eine Vorstellung davon, inwieweit Struck Recht hat, wenn man sich Larenz' Argumentationsweise ansieht. Larenz erarbeitet kein formal nachprüfbares System. Seine Argumentation zielt auf kommunikative Redundanz ab, nicht auf logische Information. Daß er Dogmatik und Subsumtion problematisiere, läßt sich 10 Ebd., 122. 11

Thiele, 40.

12

Struck (Topische Jurisprudenz), 71 ff. Vgl. Struck, ebd., 72; Strucks Arbeit ist selbst ein solcher Versuch, die V e r b i n d u n g zwischen T o p i k u n d dogmatischer Praxis zu pflegen. 13

14

Struck (Rechtswissenschaft), 16.

1. Larenz

53

weniger schlüssig behaupten. In gesteigerter Deduktion liegt immer auch die Gefahr, dem Studenten aus problematischen Prinzipien glatt subsumtionsfähige Leitsätze zu liefern. Larenz tut das, wenn er in Satz 5 die Voraussetzungen der Zurechenbarkeit folgert. Auch hier zeigt sich wieder eine schon bekannte Korrelation von Inhalt und Form: Höchster Deduktionsgrad (5 S), minimale Anzahl von Κ (3) auf den obersten S, keine T-Fügungen - alles das zeichnet formal einen dogmatischen Obersatz aus. Für die Einzelfallwertung erhält der Leser nur „Gemeinplätze" (im Struckschen Sprachgebrauch) : Was ein „verständiger Verkehrsteilnehmer" „in einer solchen Situation" an „Aufmerksamkeit" erbringt, weiß nur der „Palandt". Situative Trennschärfe haben Larenz' Formeln nicht. Sie verbinden Dogmatik und Praxis nur begrifflich und bleiben auf ihre sprachliche Deduktion festgelegt. Der Student lernt bei der Lektüre einen für die Jurisprudenz klassischen Begründungsstil, er lernt nicht, rechtspolitisch bewußt zu entscheiden. Larenz ersetzt rechtspolitische durch semantische Argumentation 15 . b) S. 68/69 in: § 6. Die zivilrechtliche

Verantwortung

1 Es ist die Vorwegnahme des gewünschten Erfolgs in der Vorstellung und die Κ 3.S

Τ l.S

Orientierung des Handelns an dem vorgesetzten Zweck, | die den Menschen in Κ 3.S

Κ3

seinem eigenen Bewußtsein dazu nötigt, sich den von ihm willentlich herbeigeführK4.S ten Erfolg als seine Tat, sein Werk zuzurechnen, d. h. sich mit ihm zu identifizieren. Τ 3.S

Τ 3.S

2 Er weiß sich als derjenige, | der den Erfolg nicht nur kausal bewirkt hat, so Κ 2.S

Τ 2.

wie der Regen die Nässe der Straße bewirkt, sondern der ihn aus eigenem Entschluß, Κ 3.S

Τ 2.S

Κ 4.S

den er auch anders oder nicht hätte fassen können, wissentlich und willentlich herT 3.S

Τ 2.S

beigeführt hat. 15 Vgl. die Charakterisierung beider Argumentationsweisen bei Rottleuthner (Rechtswissenschaft), 191 u n d 194.

54

II. Sprachanalysen

3 Darum kann er ihn nicht | als etwas'Fremdes und Äußerliches von sich weiK2.S

T2.S

sen, so als ginge er ihn nichts an. Τ l.S Κ l.S 4 Daß er sich, in der Reflexion auf sein Tun, in seinem Bewußtsein dazu genötigt Τ 2.S

Κ 3.S

sieht, sich als Person mit seiner Tat und dem bezweckten Erfolg zu identifizieren, Κ 4.S

Τ 3.S

Κ 4.S

I ist die Grundlage der Verantwortung. K2.S 5 Hinzu kommt, | daß der Mensch die Fähigkeit hat, nicht nur sein Handeln

durch seinen Entschluß zu bestimmen, sondern auch eine Norm zu erfahren und K3.S

T2.S

K2.S

T2.S

seinen Willen an dieser Norm auszurichten. K2.S 6 Die Norm, die dem Menschen sagt, wie er sich in einer bestimmten Lage verK4.S halten soll, welche Zwecke er sich setzen, welche Mittel er gebrauchen darf, welche T3.S K3.S

T3.S

K3.S

Τ 3.S

nicht, I besagt damit zugleich etwas über den Wert oder den Unwert seines HanTl.S

K2.S

delns. 7 Der Mensch, der um die Normgemäßheit oder die Normwidrigkeit seines Τ 2.S

Κ 3.S

Handelns weiß, | mißt sich den Wert oder den Unwert seiner Handlung selbst zu, Τ l.S

K2.S

1. Larenz

55

eben weil er sich für sie verantwortlich weiß. K2.S 8 Im Falle der negativen Bewertung | gibt er sich die „Schuld". K3.S

9 Das Bewußtsein der Verantwortung und das Bewußtsein der Schuld | sind K2.S

Τ l.S

K2.S

mehr als nur metaphysische Spekulationen oder bloße Gedankengebilde, für die sie Κ 3.S

Τ l.S

freilich mancher hält; | sie sind, | mit dem Philosophen Nicolai Hartmann !u spreR/neues Th

Κ 3.S

chen, „reale Tatsachen des sittlichen Lebens". K3.S

K3.S

10 Wer sich etwas zurechnet, wer Verantwortung auf sich nimmt, sagt Hartmann, Κ 3.S

Τ 3.S Κ 3.S

I der tue das eben „wirklich", so wie er hernach die Last auch „wirklich", und oft Τ 2.S

Κ 2.S

Τ 2.S

sehr fühlbar, tragen müsse.

11 Menschliches Leben | ist ohne Verantwortung - vor sich selbst und gegenK 2.S

Κ 2.S

Τ 2.S

über anderen - nicht denkbar.

12 Wer das nicht wahrhaben will, wer glaubt, verantwortungslos leben zu könK2.S

T2.S

K3.S

nen, | dem wird das früher oder später vor Augen geführt. Τ l.S

r

KT

1 KT

KT

2

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1

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die negative Bewertung

Normgemäßheit oder die Normwidrigkeit

die Norm

KT

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er

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Verantwortung, Schuld .. Λ 0 Verantwortung λ λ 7 0 Verantwortung . n 3 0 verantwortungslos 2

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0,83 0,42 0,67 0,25 1,5 0,67

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0 0,17 0,33 0,25 0,08 0,42 0,83 0,75 0,08 0,58 1,17 1

Th 0 2 43 10 5 R 1 5 10 9 Sa 17 14 13 18 8

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Satz

Tabelle 2 56 II. Sprachanalysen

1. Larenz

57

Larenz hat seinem Lehrbuch in der 1. Auflage ein „rechtstheoretisches Strukturmodell" von 125 Seiten Länge vorangestellt. Diese Art der Einfuhrung ist - auch für Lehrbücher klassischen Typs - ungewöhnlich. Daß sie nichtsdestoweniger sinnvoll sei, begründet Larenz im Vorwort mit dem Satz, ein volles Verständnis des geltenden Rechts verlange die Kenntnis der dem positiven Recht vorgegebenen Grundprinzipien und des durch sie gestifteten Sinnzusammenhangs16. Thiele hat dem in seiner Besprechung beigepflichtet und in Larenz' Strukturmodell einen Beitrag zur „methodischen und systematischen Sicherheit im Privatrecht" gesehen17. Hans-Martin Pawlowski schließlich hat rechtstheoretische Überlegungen in seiner „Einführung" für angehende Rechtsstudenten zum didaktischen Prinzip erhoben 18. Der Anfänger müsse den Zusammenhang dessen, was gerecht sei, erkennen. Erst dann könne er „bewußt" und sinnvoll lernen. Larenz hat in seinem „Allgemeinen Teil" einen solchen Sinnzusammenhang gestiftet. Bei der Darstellung des positiven Rechts wird ständig auf die rechtstheoretischen Prinzipien verwiesen (vgl. Satz 4 des Textbeispiels La). Einem dieser Verweise soll hier nachgegangen werden. Die ausgesuchte Textstelle erläutert, weshalb Menschen Verantwortung tragen müssen. Die Analyse beginnt mit einem eigentlich erstaunlichen Befund: Der deduktive Gehalt des rechtstheoretischen Textabschnitts liegt niedriger als der Abstraktionsgrad bei der Darstellung des positiven Rechts. Denn man müßte „der Natur der Sache" nach vermuten, daß rechtstheoretische Argumentation situationsferner und formal komplexer sein müßte als fallbezogene Begriffsentwicklung 19. Larenz redet also über „Verantwortung" offenbar anschaulicher als über fehlendes Erklärungsbewußtsein. Der Argumentationsschwerpunkt, den ich formal anhand der Anzahl der Κ pro S bestimme, liegt auf der 3. S. Wie bei der positivrechtlichen Darstellung besteht eine Komplexitätsdifferenz zwischen Thema und Rhema. Der thematische Schwerpunkt liegt mit 0,83 Κ auf der 3. S, im Kommentar erscheinen 10 Κ (= 0,83 Κ pro S) bereits auf der 2.S und 8 Κ auf der 3.S. Larenz legt augenscheinlich großen Wert darauf, bekannte Themen in Wiederholungen auszuarbeiten, während die kommentierende Information vergleichsweise wenig komplex ist und außerdem von vielen T-Fügungen begleitet wird. Aus der Fülle (die relativ größte Anzahl im Textvergleich, vgl. Tabelle 14, S.144 f.) sei nur Satz 2 herausgegriffen: - so wie der Regen die Nässe der Straße bewirkt - der den Erfolg nicht nur kausal bewirkt hat, . . s o n d e r n der . . . - auch anders oder nicht . . . - wissentlich und willentlich herbeigeführt... Neben situativen Beispielen beinhalten die T-Fügungen Wiederholungen und Abwandlungen fast beschwörenden Charakters. Diese Argumentationstechnik war 16

Larenz ( A T , 1. A u f l . ) , V.

17

Thiele, 40.

18

Vgl. Pawlowski, 60 f. Vgl. Rodingens analytische Hypothese (Aussage, 40 f.)

19

II. Sprachanalysen

58

schon im vorhergehenden Beispiel zu bemerken. Bei relativ gleichbleibenden Themen wird durch Wortreichtum, thematische Wiederaufnahmen und bildhafte Veranschaulichung Redundanz erzeugt. Die Tendenz, Grundsätze in einem für unproblematisch gehaltenen Alltagsbewußtsein zu verankern, zeigte sich bereits im positivrechtlichen Teil. Verstärkt erscheint diese Bemühung im vorliegenden Text. Dessen Verknüpfungszusammenhang ist relativ gering (34 % n. v. S.). Um aus „zwischenmenschlicher Kommunikation" die„objektive Finalität des Verhaltens" zu abstrahieren, wechselte Larenz von Satz zu Satz das Thema. Lineare thematische Progression prägt einen restriktiven Gedankengang. Rechtstheoretisch bevorzugt Larenz hingegen konstante thematische Sequenzen. Der vorliegende Text beinhaltet drei Themen: „der Mensch", „die Norm", „die Verantwortung". Die thematische Abfolge legt schon die inhaltliche Tendenz fest. Neben den konstant verknüpften Themen stehen beispielsweise folgende nicht verknüpfte K: - Der Erfolg ist gewünscht, - Der Zweck ist vorgesetzt, - Der Mensch rechnet sich den Erfolg als sein Werk zu, - Er hat den Erfolg willentlich herbeigeführt, - Er hat den Erfolg nicht nur kausal bewirkt. An dieser Aufzählung wird schon deutlich, daß Larenz unablässig Information wiederholt, also Redundanz erzeugt. Angesichts der abstrakten Themen muß man es als Meisterschaft des Textes, als die oft gerühmte Brillanz Larenzschen Stils ansehen, solche Abstrakta situativ zu veranschaulichen und durch konstante Progression zum Gedankeninhalt zu machen. Man ist versucht, Larenz insoweit als Topiker anzusprechen. Daß er es nicht ist, zeigte sich schon oben an der Art seiner Deduktion. Larenz' systematische Lösungen sind zwar „vom Problem bestimmt", aber nicht an es „gebunden", um in Viehwegschen Termini 20 zu reden. Die Probleme werden in vorausgesetzten Begriffen abgehandelt. Das „Person-Sein des Menschen" hat Larenz bereits im ersten Satz des § 6 als Problem eingeführt und mit seiner begrifflichen Lösung zusammengefaßt: „Zum Person-Sein des Menschen gehört, so hatten wir gesagt, seine Fähigkeit zu selbstbestimmten Handlungen und das sich daraus ergebende Bewußtsein, für seine Handlungen und deren Folgen verantwortlich zu sein". Die Veranschaulichung füllt also gleichsam das Axiom bloß auf. Die Hypothese wird festgehalten, die situationsbezogenen Sätze wechseln. Aus dem Begriff lassen sich dann viele situative Konkretisierungen gewinnen. Larenz selbst hat diese Argumentation als Rückführung auf den „konkret-allgemeinen Begriff 4 bezeichnet21. Der konkret-allgemeine Begriff stiftet nach Larenz den viel berufenen Zusammenhang zwischen Einzelfallösung und dogmatischem Typus. Larenz betrachtet schon den Typus als Erkenntnisform, die Merkmale nicht bloß aneinanderreiht, 20 Vgl. Viehweg ( T o p i k ) , 97. 21

Larenz (Methodenlehre), 473 ff.

1. Larenz

59

sondern sinnvoll miteinander verbindet. Aber auch typologische Sprache müsse notwendig abstrahieren 22. Der konkret-allgemeine Begriff soll nun Abstraktionen an die Situation binden. Er heißt „konkret", weil er im Unterschied zum Allgemeinbegriff der Logik den Gegenständen nicht bloß äußerlich und als äußerliches Merkmal „abgezogen" sei, sondern der Wirklichkeit als gestaltendes Prinzip zugrundeliege 23 . Jedes einzelne Moment verweise auf den ganzen Begriff zurück und entwikkele dadurch das Begriffsganze aus sich heraus. Die Allgemeinheit entspringe also der Allgemeinheit der Formen und Gegenstände. Bei solch allgemeiner Allgemeinheit scheiden sich die Geister. Dogmatiker wie Claus Roxin loben den Überblick, den solche Begrifflichkeit gewähre. Sie erlaube ein „Durchschreiten des Rechtsstoffes" 24. Thiele hat das „Vorgegebene und Vorausgesetzte" des „Allgemeinen Teils" als „unzweifelhaft" empfunden und Ernst Hirschs Vorwurf zurückgewiesen, es werde ausgelegt, was hineingelegt sei 25 . Thiele will dem Begriffsinhalt glauben. Gegen die Larenzsche Begrifflichkeit hatte Hirsch nämlich die „wirklichkeitsbezogene" Methode soziologischer Jurisprudenz gesetzt26. Soziologiebewußte Rechtstheoretiker haben diesen Angriff wiederholt. So wirft Rottleuthner Larenz vor, sich durch reichhaltige (copiose) Argumentation gegen Kritik zu immunisieren. Larenz verspreche zwar eine Garantie gegen sprachliche Beliebigkeit, löse dieses Versprechen aber nicht ein. Die Momente des konkret-allgemeinen Begriffs könnten je nach dem Grade der Entfaltung gegeneinander ausgespielt werden. Auf diese Weise wandele Larenz - so Rottleuthner - den völkischen „Vollgenossen" zur Person „im ethischen Sinne" 27 . Daß die Larenzsche Argumentation solche Wandlungen ermöglicht hat, steht außer Frage. Es ging Larenz jedoch ersichtlich nicht darum, Wandlungen auszuschließen, sondern „eine Weise des Erkennens" zu finden, „die es möglich macht, die Fülle des Sinnes unverkürzt in Gedanken zu erfassen, sie zu begreifen, d. h. uns auch im Denken ihrer zu bemächtigen.27a" Denken verkürzt monologisch. Es entwickelt Sprache ohne Gesprächspartner, an Texten. Wir haben nun gesehen, daß es Larenz tatsächlich gelingt, im Denken Situationen zu veranschaulichen. Er benutzt in signifikanter Häufigkeit solche sprachlichen Elemente, die innerhalb des Textes auf Situationen verweisen und dadurch Verständlichkeit erzeugen. Eine Vielzahl von K, T-Fügungen und konstante thematische Progressionen verbinden sich aber gleichwohl mit Allgemeinbegriffen wie „Verantwortung". Larenz benutzt diese später, um aus ihnen Fallösungen abzuleiten. Es läßt sich also zunächst feststellen, daß situative, nichtrestriktiv verknüpfte Sätze von allgemein verwendbaren Inhal22

Ebd., 423 ff., 449.

23

Ebd., 476.

24

Roxin, 580 ff.

25

Thiele, 406. Hirsch, 329 ff.

2 6 27 27a

Rottleuthner (Rechtswissenschaft), 240. Larenz (Methodenlehre), 475.

60

II. Sprachanalysen

ten handeln. Nun nimmt Larenz zusätzlich für sich in Anspruch, Merkmale nicht bloß beliebig zu reihen und alsdann aus der Situation abzuziehen, sondern verspricht dialektische Wechselbezüglichkeit (der Merkmale). Die Larenzsche „Dialektik" läßt sich am Text studieren. § 6 „Die zivilrechtliche Verantwortung" beginnt im ersten Satz mit dem „Person-Sein" des Menschen, das Selbstbestimmung und Verantwortung umfasse. Mit der Berufung auf Selbstbestimmung (Orientierung des Handelns) und Verantwortung (Vorwegnahme des gewünschten Erfolgs) fängt auch die bereits untersuchte Textstelle an. Generellere Aussagen als diese macht Larenz im Verlauf des Textes nicht mehr. Er könnte also mit dem Anfangssatz sein Kapitel auch beenden, wenn es nur um Aufweis und Definition der Oberbegriffe ginge. Für eine Axiomatisierung etwa sind weitere Angaben nicht notwendig. Rationalistisches Räsonnement schließt einführende Betrachtungen regelmäßig 2 8 mit dem eingeführten Allgemeinbegriff ab. Wenn Larenz' Einführung den umgekehrten Weg geht, ist damit zunächst ein Merkmal „dialektischer" Allgemeinheit erfaßt. Den Allgemeinbegriff füllt Larenz dann mit Einzelaussagen, oder formal: Die Komplexität der Einzelsätze sinkt, die thematische Progression auf Textebene wird konstant. „Der Mensch und nur er vermag zu handeln, weil er nicht nur getrieben wird, sondern einen Willen zu betätigen vermag". In denselben Inhalt führte bereits § 5 ein, allerdings in noch allgemeinerer, mehr definitorischer Fassung. § 6, 3. Abs. wiederholt den Gedanken dann wieder als „Orientierung des Handelns an dem vorgesetzten Zweck". Der Allgemeinbegriff taucht also vor und nach seiner Explikation auf. Dazwischen stehen, thematisch mit ihm verbunden, Assoziationen und Kernsätze. Welcher Art diese Κ sind, läßt sich am oben analysierten Text präzisieren. Für diesen Teil führt Satz 1 definitorisch den Allgemeinbegriff ein. Die Sätze 2-5 thematisieren dann konstant „den Menschen". Sie enthalten viele T-Fügungen und auf allen Stufen K. Die thematische Wiederaufnahme in Satz 5 ist wieder mit dem Allgemeinbegriff „Verantwortung" verbunden. Larenz verwirklicht das Vor- und Rückverweisen auf das „Begriffsganze" durch viele thematische K. Die inhaltliche Verschränkung der Begriffe stellt Larenz syntaktisch durch thematische Wiederaufnahme her. Mit Satz 6 beginnt dann ein neuer Gedanke. Die Sätze 2-5 beinhalten zwar schon eine These, die Verantwortung notwendig charakterisiert (nach Larenz' Meinung). Diese Charakteristik ist aber noch nicht hinreichende Bedingung, um den dogmatischen Gehalt der Begriffe zu veranschaulichen. Zwecke setzen und danach handeln war Inhalt der These. Nun kommt noch etwas „hinzu", nämlich der Inhalt der Sätze 6-8: Es ist geboten, sich bestimmte Zwecke zu setzen. Der Mensch orientiert seinen Willen an einer Norm. Um die Parellele zum Larenzschen Anspruch zu wah28 Z u r Argumentationsstruktur rationalistischer Rede vgl. Rodingen (Rechtstheorie), 165 ff.

1. Larenz

61

ren, sei hier der dialektische Begriff „Antithese" erwähnt. Man könnte nun zweifeln, ob denn „Norm erfahren" und „Zweck setzen" entgegengesetzte begriffliche Momente seien. Larenz zeigt das jedenfalls formal durch den thematischen Bruch und die Konjunktion „sondern". Er will beide Themen offenbar als antithetisch verstanden wissen. Inhaltlich sei auf die Hegeische Dialektik verwiesen. Die „Phänomenologie" entwickelt ihre Begriffe auch nicht durch Widersprüche der Art: schön und häßlich zugleich. These und Antithese sind - etwa auf der Stufe der „sinnlichen GeXvißheit" - unabhängige Eigenschaften desselben Dinges: Weiß-Sein ist nicht Kubisch-Sein. „Das Ineinssetzen dieser Eigenschaften kommt nur dem Bewußtsein zu, welches sie daher an dem Ding nicht in Eins fallen zu lassen hat" 2 9 . Nun führt Larenz seine Dialektik selbst als „Dialektik" ein 30 . Den „bekannten Dreischritt" (These - Antithese - Synthese) will er nicht als universell gelten lassen. Dieser gedankliche Dreischritt erfolgt bei Hegel sprachlich als Vierschritt. Rodingen 31 hat das ins sprachkritische Bewußtsein gebracht. So wird das Ineinssetzen dinglicher Eigenschaften, die Synthese, neu benannt: Es ist die „sinnliche Wahrnehmung". Larenz hingegen benennt nicht neu. Begriffe wie „Verantwortung" sind vorgegeben. Sie werden gedanklich entwickelt, veranschaulicht oder - in Larenz schen Worten - „aus- und eingegliedert" 32. Diese doppelte Bewegung kann prinzipiell an beliebiger Stelle im System erfolgen. So thematisiert Larenz „Willenserklärung" und „Verantwortung" in § 7 II erneut. Der Leser kann sich denkend des Begriffsinhalts bemächtigen, indem vorgegebene Termini „dialektisch" entfaltet werden. Es fehlt aber - wie Rottleuthner, mit Hegel vergleichend, sagt - „der Zusammenhang mit der Selbstbestimmung der freien Persönlichkeit" 33 oder formal: die sprachliche Anweisung, die Neubenennung. Der Begriff „erstarrt in der juristischen Verwendung zur kompakten SeinsGegebenheit"34. Die Art und Weise, in der das geschieht, ist allerdings nicht so mystisch, wie es die „Methodenlehre" zuweilen vermuten läßt. Es handelt sich um ein lehr- und lernbares Verfahren; und man weiß, daß Larenz Schule gemacht hat. Die texttheoretischen Überlegungen können verdeutlichen, für wen Larenz, Canaris, Diederichsen u. a. argumentieren: auch für Studenten, aber nicht nur, und man möchte hinzufügen - auch nicht in erster Linie. In Buchbesprechungen wird das gemeinhin nicht klar. Die Interessen des Studenten werden meist mit denen der etablierten dogmatischen Rechtswissenschaft gleichgesetzt. Westermann ζ. B. faßt beides in einem Satz zusammen: „Der entscheidende Wert des Lehrbuchs ist jedenfalls, daß mit ihm dem Studenten ein Buch in die Hand gegeben wird, das mit der Auffassung „der Rechtswissenschaft als Geisteswissenschaft" ernst macht..." 3 5 . Larenz veranschaulicht 29 3

Hegel, 101.

0 Larenz (Methodenlehre), 479.

31

Vgl. Rodingen (Ostrechtsforschung) 459 ff., 461.

32

Larenz (Methodenlehre), 478.

33

Rottleuthner (Rechtswissenschaft), 241.

34

Ebd.

35

Westermann (Larenz), 1949.

62

. Sprachanalysen

anhand von Allgemeinbegriffen, die dem dogmatikinteressierten Studenten nicht vorrangiges Problem sind. Er liest Lehrbücher, um Begriffsverwendung zu studieren; und der forschungsinteressierte Student mißtraut den „kompakten Seinsgegebenheiten". Aber der bereits mit den Begriffen vertraute, zweifelnde „Rechtspraktiker" wird die gebotene systematische Sicherheit im Privatrecht zu schätzen wissen. Dieses Lehrbuch macht in seiner Konzeption den vielschichtigen Charakter der Rechtsdogmatik deutlich. Dogmatik belehrt Studenten #WRichter, sie übt in Argumentation ein und denkt Argumente aus - was üblicherweise mit „Forschung und Lehre" umschrieben wird. Diese Termini sind insofern irreführend, als es sich bei Larenz' rechtstheoretischem Strukturmodell nicht um Rechtsforschung (Zetetik) handelt. Larenz befragt Basissätze nicht auf ihre Voraussetzungen, um zu zeigen, daß Dogmatik veränderbar ist, sondern im Gegenteil: Er schildert Grundbegriffe der dogmatischen Entscheidung als konkrete Allgemeinheiten. Daß die Larenzsche Argumentation damit der sprachlichen Beliebigkeit nicht abhilft, wird man ihr nicht zum Vorwurf machen können. Wer „Ausdenken" erstrebt, monologische Begriffsgründung, der kann der interpretativen Beliebigkeit nicht entgehen. Daß Larenz durch „reichhaltige" Argumentation ganz besonders gegen Kritik immunisiere 36 , erscheint allerdings zweifelhaft. Larenz schildert die Kommunikationsgemeinschaft, die er zur Problemlösung voraussetzt, er zieht sich nicht auf „formalistische" Positionen zurück und setzt sich damit gerade der Kritik aus; „so bin ich und so werte ich", mit Scheuerle37 gesprochen. Für dogmatische Fallentscheidungen hat seitdem niemand mehr in dieser Weise „Doktrinbildung" betrieben. Man übergeht Legitimation lieber stillschweigend, nachdem man sie kennengelernt hat. Larenz stellt Jurisprudenz noch als gesellschaftliche Rechtskünde im alten Sinne dar. Sein Lehrbuch enthält Inhalte, nicht bloß Techniken, mit Inhalten zu verfahren. 2. „Klausurenstil" einüben: Dieter Medicus, Bürgerliches Recht, Köln/Berlin/Bonn/München a) 3. Auflage 1970, S. 44/45 in: § Z7. Handlungs-, Erklärungs- und Geschäftswille 1 Im Schrifttum wird für das Vorliegen einer zunächst wirksamen und daher erst K 3.S

Τ 3.S

durch Anfechtung zu vernichtenden Willenserklärung | als Mindestvoraussetzung K3.S eine gewisse Willensgrundlage verlangt. 2 Im einzelnen bestehen dabei freilich | K 3.S

K 2.S

36

So Rottleuthner (Rechtswissenschaft), 240.

37

Scheuerle, 396 ff., 424.

2. Medicus

63

viele Unklarheiten (vgl. Flume § 4,2; Larenz, AT § 25 I). 3 Man wird sagen dürfen: |

1.) Die Erklärungshandlung muß überhaupt auf einem Willen des Erklärenden K2.S beruhen (Handlungswillen). 4 Fehlt es daran (ζ. B. Bewegungen im Schlaf), | so Κ 2.S

Τ 2.S

Κ 3.S

liegt nur der rechtsunwirksame Schein einer Erklärung vor. 4a Meist greift in solK 3.S

Κ 2.S

Κ 2.S

chen Fällen | zudem § 105 II ein. 5 Unnötig ist der Handlungswille aber, | wo das

Gesetz die Rechtsfolgen einer Willenserklärung an das Schweigen knüpft: | Bei Κ 3.S

R/neues Th

§ 362 HGB I wird auch der schlafende Kaufmann Vertragspartner. Κ 2.S

Κ 2.S

2.) 6 Der die Erklärungshandlung tragende Wille muß auch darauf gerichtet K2.S sein, I etwas rechtlich Bedeutsames zu erklären (Erklärungswille oder ErklärungsK 3.S

Τ 2.S

bewußtsein). 7 Schulfall für das Fehlen dieses Willens | ist das Handheben bei K3.S einer Weinversteigerung, um einen Freund zu begrüßen, wenn das Handheben

objektiv ein Mehrgebot bedeutet. 8 Auch das ungewollte Absenden eines dazu Κ 4.S

Κ 3.S

nicht bestimmten Briefes | wird hierhin gerechnet. 9 Oder der um ein Autogramm K3.S

Tl.S

K2.S

gebetene Schauspieler | unterschreibt in der Meinung, das Autogramm zu geben, K3.S

64

II. Sprachanalysen

einen ihm hingehaltenen Wechsel. 10 Die Rechtsfolgen aus dem Fehlen eines solK 2.S

K 4.S

chen Erklärungs willens | sind streitig: | Die h. M. (zuletzt Wieacker, JZ 1967, R/neues Th 385/389; Thiele JZ 1969, 405/407) | nimmt in Analogie zu § 118 Nichtigkeit an. K2.S 11 Demgegenüber wird die Tragfähigkeit dieser Analogie | jetzt immer häufiger K2.S geleugnet: | Die Erklärung ohne Erklärungswillen | soll regelmäßig (Flume, §§ 20,3; R/neues Th

K 2.S

K 2.S

23,1) oder doch jedenfalls dann unter § 1191 fallen, wenn der Handelnde ihre rechtT 2.S

K 4.S

liehe Bedeutung hätte erkennen können (Larenz, AT § 25,1, ähnlich Gudian, AcP

169, 1969, 232 ff.). 12 Ich neige jetzt (anders die Voraufl.) | der Ansicht Flumes K 2.S

K 2.S

zu: I Bei § 118 ist Nichtigkeit | die angemessene Rechtsfolge. 13 Denn der ErkläR/neues Th

K 2.S

K 2.S

rende | hatte die Nichtgeltung gewollt und soll daher auch nicht die Möglichkeit Κ l.S

Τ l.S

haben, das Geschäft durch Unterlassen der Anfechtung gelten zu lassen. 14 DemiIC 3.S gegenüber hat sich der Erklärende ohne Erklärungswille

n | über das Geschäft zunächst

K 2.S

K 2.S

keine Meinung gebildet: | Er mag deshalb ebenso wie der Irrende | noch nachträgR/neues Th

K 2.S

K 2.S

lieh über die Geltung entscheiden dürfen. 15 Dem widerspricht auch nicht | die

2. Medicus

65

in der Vorauf!, angeführte Parallele zwischen dem unbefugt abgesendeten Brief und Κ 2.S

Κ 3.S

dem Boten ohne Botenmacht (oben § 5 12 ä): | Dessen Erklärung kann der angebK 2.S

R/neues Th

Κ 2.S

liehe Absender | ja gleichfalls wirksam machen, indem er sie entsprechend § 177 Κ 2.S

Κ 3.S

genehmigt.

Medicus' Lehrbuch „Bürgerliches Recht" führt einen neuen Stil in die Lehrbuchliteratur ein. Larenz hat zwar ebenfalls einen Beitrag zum „Bürgerlichen Recht" geliefert; und Rezensent Thiele konnte dementsprechend feststellen, dieses Lehrbuch handele eben vom „Recht", nicht bloß vom Gesetz. Der Titel sei Programm 1. Bei Medicus ist der Titel Inhaltsangabe. Das Buch handelt vom gesamten Bürgerlichen Recht und ist nach Anspruchsgrundlagen geordnet. Nun sind Kurzlehrbücher zu Studienzwecken nicht neu. Relevante Gesamtdarstellungen hat es vor Medicus allerdings nicht gegeben. Vollends neu ist die Tatsache, daß sich ein Lehrbuch nach Anspruchsgrundlagen gliedert. Die Fallösungstechnik steuert hier die Darstellungsweise. Die Darstellungsform fällt dementsprechend weniger komplex aus als bei Larenz. Der deduktive Gehalt des Textes beträgt 2,98 S. Der Argumentationsschwerpunkt liegt ebenfalls niedriger (auf der 2. S).Die relative Anzahl der Κ ist dabei vergleichsweise hoch (1,63 auf der 2. S, 0,88 auf der 3. S). Der textuelle Ableitungszusammenhang ist etwas weniger geschlossen (27 % n. v. S.), die Komplexität auf Satzebene geringer als bei Larenz. Dies spricht zunächst dafür, daß Medicus mehr dem Verständnis von Studenten entgegenzukommen versucht, und deutet darauf hin, daß seine Begriffe weniger weit als die Larenzschen auf Basisdoktrinen zurückgreifen. Wie Medicus im einzelnen Information vermittelt, bedarf nun noch genauerer Untersuchung. Dabei fällt zunächst auf, daß die thematische Wiederaufnahme ziemlich hoch, aber für die K-Verteilung nicht signifikant ist (keine Th/R-Differenz). Assoziationen kommen fast gar nicht vor. Rückbezüge und Verweise scheinen also häufig zu erfolgen, Wiederholungen hingegen selten zu sein. Zur Beurteilung der Verständlichkeit hat es sich anhand der Larenz-Texte als wichtig erwiesen zu prüfen, welche Phrasen nicht verknüpft sind, also sozusagen einen „Argumentationsüberschuß" bilden. Medicus läßt unverbunden: ι Thiele, 405. 5 Seibert

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Tabelle S

66 II. Sprachanalysen

2. Medicus

67

- in Satz 5 die Erwähnung von § 362 HGB, - in Satz 8 ein Beispiel für fehlenden Er klär ungs willen, - in Satz 11 seine Ablehnung der Analogie zu § 118, - in Satz 13 die Begründung für seine Meinungsänderung, - in Satz 15 den Bezug auf die Vorauflage. Die nicht verknüpften Satzbegriffe haben eine andere semantische Relevanz als die Larenzschen Argumentationsüberschüsse. Während Larenz einen Leitsatz auf Anwendungsbeispiele hin modifiziert, liefert Medicus in den fraglichen Stellen tragende Begründungen. Die Sätze 11-15 formulieren nämlich eine von der h. M. abweichende Stellungnahme. Bei zum Gesamttext relativ hohem Deduktionsgehalt können die „am Rande" bemerkten Phrasen für ein volles Verständnis nicht überlesen werden. Hinzu kommt, daß die thematische Progression sich ändert. Wahrend zu Beginn des Textabschnitts konstante thematische Progression herrscht (Fehlen eines Handlungs willens, Fehlen eines Erklärungsbewußtseins), weisen die Sätze 12-15, die Medicus' geänderte Meinung wiedergeben, lineare Progression auf. Diese Befunde schränken die obige Annahme (geringe Komplexität) erheblich ein. Der Medicus-Text besitzt lediglich eine andere Art von Komplexität. Wahrend es sich bei Larenz um nichtrestriktiv verknüpfte, komplexe Sätze handelt, formuliert Medicus restriktive Texte aus einfacheren Sätzen. Die erste Methode führt zu umfänglichen Lehrwerken, die zweite zu vergleichsweise schmalen Bändchen. Dafür kann die erste Verständnis erzeugen, die zweite muß Verständnis voraussetzen. Medicus weiß das. Er hat sein Buch an „Vorgerückte" gerichtet. Ziele sollen „Wiederholung und Vertiefung" sein. Nun sind wir mit formalen Methoden in der Lage, genauer zu bestimmen, ob ein Text wiederholt und vertieft. Nach den angegebenen Kriterien ist Wiederholung primär repräsentiert in Anreihungen, formal in signifikanten Werten bei den Kriterien 3-5. Signifikant ist hier aber nur die Höhe der thematischen Wiederaufnahme, die auf vielfältige Verweise hindeutet; und gemeint hat Medicus wohl auch: Wiederholung bereits gelesener Texte. Welche Bücher der Medicus lesende Student außerdem kennt, kann der Autor nicht wissen. Immerhin wird er voraussetzen wollen, daß der Leser die zitierte Literatur - wenigstens teilweise - gelesen haben möge. Wir kennen nun Larenz und finden ihn bei Medicus in einem Nebensatz wiederholt. Wichtig dabei ist, woran Medicus anknüpft: ans Ergebnis, die Begründung wird nicht wiederholt. Das zweite Ziel hieß „Vertiefung". Vertiefung läßt sich formal herstellen durch längere Ableitungsketten, die die Argumentationsbasis offenlegen, von der aus auch andere Fälle beurteilt werden können. Larenz vertieft demnach. Im untersuchten Beispiel vertieft Medicus lediglich die Begründung seiner eigenen Meinung. Karl Michaelis hat dies in seiner Besprechung des Lehrbuchs gelobt. Gerade die kritische und nicht bloß referierende Stellungnahme erhöhe den Wert eines Lehrbuchs gegenüber den Repetitorien 2. Medicus stellt Referat und Kritik nebeneinander und 2

5

Michaelis, 1289 f.

68

. Sprachanalysen

will sich nach eigener Aussage bei der Formulierung eigener Lehren möglichst zurückhalten 3a. Wesentlich ist, wie referiert und kritisiert wird. Medicus referiert Kasuistik im Ableitungszusammenhang. Ob bei dieser Technik etwa Satz 6 durch die Sätze 7-10 in der gewünschten Weise veranschaulicht wird, erscheint zweifelhaft. Medicus hat nämlich alle Fälle bereits deduktiv aufbereitet. Er begründet dies im Vorwort: „Aber diese Fälle sind immer nur als Beispiel zu verstehen: Mir scheint die Gefahr allzu groß, daß die oft nur dunkle Erinnerung an den irgendwo schon einmal gehörten oder gelesenen Fall den Blick auf das Gesetz verstellt" 3b . Rezensent Michaelis hat diese Überlegung zum Ausgangspunkt für seine positive Bewertung einer systematischen, gleichwohl klausurbezogenen Darstellung gemacht. Er lobt, daß Medicus von Sachproblemen und nicht von Einzelfällen ausgehe, und betont, diese Methode habe größeren Schulungswert als die „Anhäufung von Stoffmassen" 4. In dieser Formulierung mag man Michaelis nicht widersprechen. Für den Studenten ist es aber wichtig, konkret zu wissen, wie er auf das Gesetz blicken soll. Denn der bloße Blick ins Gesetz sagt ja am Problem gerade nicht, wie zu entscheiden sei. Problemlösung erfordert situative Argumentation. Nun thematisiert Medicus gerade die sich aus der Gesetzesanwendung ergebenden Probleme und will seinen Hinweis sicher nicht in deduktiv-systematischer Weise verstanden wissen: „Konzentriert habe ich mich auf die Fragen, deren Lösung dem Gesetzeswortlaut nicht ohne weiteres entnommen werden kann. Gerade deshalb bildet das Gesetz die unentbehrliche Basis für das Verständnis des Buches: Das sorgfältige Nachschlagen der angeführten Vorschriften kann dem Leser nicht warm genug ans Herz gelegt werden" 3c . Dieser Rat gehört zum didaktischen Standardrepertoire. Michaelis hat ihn in seiner Besprechung verdeutlicht: Anstatt den Begriff zu differenzieren (semantisch zu argumentieren), stellen Studenten oft einfach einen Sachverhalt einem anderen gleich, dessen dogmatische Einordnung sie beherrschen („Tatbestandsquetsche"). Der Blick aufs Gesetz hilft dagegen, die Norm im Lichte der Vorentscheidung zu interpretieren und so das eigene Gesetzesverständnis dem Fall anzupassen. Hassemer hat diese Technik hermeneutisch interpretiert und gefolgert, es scheine so, als würde sich der Sachverhalt selber entscheiden, „und zwar mit dem Teil der Norm, der dem Tatbestand durch diese Sachverhaltsentscheidung hinzugefugt wird" 5 . Hassemer hat daher die Bildung von Falltypen für wesentlich erachtet, um den Blick aufs Gesetz zu schärfen. Daß Medicus nun zur tatbestandlichen Typisierung anrege, läßt sich nicht unbedingt sagen. Im Unterschied zu Larenz führt er dogmatische Probleme gerade nicht auf alltäglich akzeptierte Prinzipien zurück. Wie etwa menschliche Kommunikation funktioniert, diskutiert Medicus nicht. Er interpretiert statt dessen in dogmatisch-technischen Begriffen. Hier werde die Analogie zu § 118 behauptet, dort werde sie geleugnet. Solche Begründungen erfordern weniger 3a-c Medicus, V o r w o r t zur 1. Auflage (vgl. i n der 2. Aufl., 5 f.). 4

Michaelis, 1289.

5

Hassemer (Tatbestand), 102.

2. Medicus

69

Sätze und insgesamt auch weniger Ableitungsstufen als die Larenzsche „Dialektik" im Konkret-Allgemeinen. Medicus wird an keiner Stelle allgemein im Sinne der juristischen Methodenlehre. Wie ein Analogieschluß zu konstruieren, ob das Gesetz lückenhaft sei, sich ein gemeinsamer Oberbegriff finden lasse, alles das übergeht Medicus oder setzt es als bekannt voraus. Wer aber an jeder Stelle ins Gesetz blicken soll, muß solche Überlegungen anstellen. Medicus wird auch an keiner Stelle konkret. Ein pauschaler Hinweis auf mangelnde „Tragfähigkeit" soll den Analogieschluß zweifelhaft erscheinen lassen. Flume- und* Larenzlesern wird dieser Hinweis genügen. Diese haben aber Vertiefung nicht mehr nötig. Allen anderen prägen sich Ergebnisse ein; und damit erreicht Medicus genau das, was er im Vorwort zu verhüten verspricht. Denn der Blick ins Gesetz nutzt ja nur, wenn er verdeutlicht, wie Ergebnisse zu ändern sind. „Die Befragung eines Begriffes geschieht ja in einem bestimmten Zusammenhang und mit der Voraussetzung, daß der Begriff für die hier erwartete Entscheidung etwas »hergibt4 " 6 . Josef Esser betont mit diesem Satz, wie wichtig es ist zu wissen, woraufhin, in welchem Ordnungszusammenhang untersucht wird. Da interessiert es zu verfolgen, wie Medicus selbst seine Meinung ändert. Er will nämlich in der 3. Auflage dem Erklärenden die Möglichkeit der Anfechtung geben. Das Gegenargument der Vorauflage (Parallele zum Boten ohne Botenmacht) erscheint jetzt als Argument für die geänderte Meinung. Eine solche Meinungsänderung lohnt, auch ihre Modalitäten syntaktisch zu untersuchen.

b) 2. Auflage 1969; £ 53/54 in: § 6 II. Handlungs-, Erklärungs- und Geschäftswille 4a (entfällt) 5 Das gilt aber nicht, | wo . . .

9 Weiteres Beispiel: Der um ein Autogramm gebetene Schauspieler | unterTl.S

K2.S

schreibt unwissentlich den ihm hingehaltenen Wechsel. Κ 2.S

Κ 2.S

10 Wußte er dagegen, daß er eine rechtlich'irgendwie bedeutsame Urkunde K4.S 6 Esser (Vorverständnis), 102, u n d m i t Konsequenzen für Forschung u n d Lehre ders. (Dogmatisches Denken), 126 ff.

70

II. Sprachanalysen

unterschreibt, | so gehört dieser Fall nicht hierher, sondern zu § 119 I. Τ l.S 11 Die Rechtsfolgen des Fehlens eines Erklärungswillens | sind streitig; Flume K3.S §23,1 I nimmt in der Regel eine gültige, aber nach § 119 I wegen Erklärungsirrtums K 2.S

Τ 2.S K 3.S

anfechtbare Willenserklärung an.

12 Larenz AT § 25 I folgt dem, | wenn der Handelnde die rechtliche Bedeutung K3.S hätte erkennen können; nur bei Fehlen dieser Erkenntnismöglichkeit | soll NichK2.S tigkeit vorliegen. 13 Anders die h. M.: | Die Erklärung sei jedenfalls nichtig, doch hafte der ErkläKl.S

Τ l.S

rende bei Verschulden aus culpa in contrahendo (milder als § 122, der kein Ver-

schulden des Irrenden voraussetzt!). K5.S 14 Für die h. M. spricht: | Bei § 118 ist die Erklärung selbst dann nichtig, wenn

der Erklärende erkannt hat, daß er den Schein einer rechtlich bedeutsamen ErkläK5.S rung setzt; wo er das nicht erkannt hat, | muß daher erst recht Nichtigkeit eintreten. K3.S 15 Zudem gleicht der von einem unbefugten Dritten abgesandte Brief | dem K3.S

2. Medicus

71

Boten ohne Botenmacht, dessen Erklärung gleichfalls schon ohne Anfechtung nicht K4.S gegen den angeblich Erklärenden wirkt (oben § 5 12a). Demgegenüber verknüpft K4.S Larenz aaO. die Frage nach dem Vorliegen einer Willenserklärung | m. E. unzuläsK 3.S

Κ 2.S

sig mit der Verschuldensfrage (vgl. oben § 5 III 3b, c). Die Vorauflage unterscheidet sich in den ersten neun Sätzen nur unwesentlich von der Neufassung. Die Sätze 10-16 sind dann inhaltlich und formal völlig anders. Wahrend die 2. Auflage insgesamt einen deduktiven Gehalt von 3,25 S aufweist, steigt dieser Wert in den geänderten Sätzen auf 3,86 S. Der K-Schwerpunkt liegt auf der 3. S. Der Verknüpfungszusammenhang differiert auffallend: 46 % n. v. S (resp. 63 % in den Sätzen 10-16) stehen 27 % n. v. S. in der 3. Auflage gegenüber. Diese formalen Ergebnisse lassen sich wie folgt zusammenfassen: Die Vorauflage weist bei relativ höherem Deduktionsgehalt und weniger Informationseinheiten (K) einen geringeren Grad an thematischer Progression auf. Die Darstellung scheint schwerer verständlich zu sein. Hohen Deduktionsgehalt bei minimalem Verknüpfungszusammenhang finden wir vor allem in den Sätzen, in denen die streitigen Rechtsfolgen begründet werden. Jeder Satz bringt einen neuen Autor. Deren Kenntnis und Verständnis wird vorausgesetzt. Ausführlicher, d. h. durch thematische Progression über die Satzebene ausgedehnt, begründet Medicus nur die Argumente für die h.M., der er folgt. Larenz wird nur so weit besprochen, wie er von der h.M. abweicht. Weshalb die Verknüpfung von Willenserklärung und Verschulden „unzulässig" sei, wird an dieser Stelle nicht klar. Medicus verweist auf § 5 III 3 b, c. Dort setzt er sich mit Duldungs- und Anscheinsvollmacht auseinander. Medicus lehnt die Konstruktion einer Anscheinsvollmacht ab und folgt darin der Mindermeinung von Flume. Er begründet seine Entscheidung damit, die Ungleichbehandlung von Duldungsvollmacht (die vertragliche Ansprüche gewährt) und Anscheinsvollmacht (die nach Medicus und Flume lediglich Schadensersatz begründet) sei „sachgerecht", denn Willenserklärung und Verschulden seien „verschiedene Kategorien" 7. Nur eine Willenserklärung soll vertragliche Erfüllungsansprüche nach sich ziehen, während Verschulden zu Schadensersatz verpflichte. Für eine Vermengung gebe es keinen „stichhaltigen Grund". Medicus begründet mit Argumenten, die eigentlich begründungsbedürftig wären. Denn es gehört zwar zu den wesentlichen Kennzeichen dogmatischer Begründung, Sachverhalte auf nicht weiter diskutierte Sätze der Basisdoktrin zurückzuführen. Genau das tut Medicus 7

Medicus (2. A u f l . ) , 49.

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72 II. Sprachanalysen

2. Medicus

73

aber nicht, es sei denn, man akzeptierte den Unterschied zwischen Kategorien als Axiom. Daß Medicus' Begründung gleichwohl Plausibilität besitzt, beruht im wesentlichen auf zwei Faktoren: 1. Wer sich Inhalte vorstellen möchte, kann sich selbst überlegen, daß Wollen und Verschulden im Alltag verschieden wirken. Die Reduktion auf Basissätze läßt sich also noch nachvollziehen. Sie durchzuführen heißt aber auch, sich auf die Ebene des alltäglichen Meinens zu begeben, die Medicus ansonsten nirgends betritt. Larenz hat diese Berührungsscheu im Vorwort zum „Allgemeinen Teil" so umrissen: „Die das Privatrecht als solches fundierenden Sinnzusammenhänge werden dann wohl noch vorausgesetzt, aber nicht hinreichend sichtbar gemacht" (Vgl. die 1. Auflage, S. V). 2. In dieser Begründungstechnik zeichnet sich eine Dogmatik neuen Typs ab. Sie erklärt Dogmatik nicht dogmatisch, sondern „wissenschaftlich". Medicus tut das, indem er sich - bei der Anscheins Vollmacht wie bei der Erklärungsfahrlässigkeit - gegen die Vermengung von Kategorien wendet. Die Scheu, sich auf weitreichende Begründungszusammenhänge einzulassen, gewinnt im Laufe der Zeit eine eigene Art von Plausibilität. Denn eine solche Dogmatik versucht augenscheinlich, sich auf das juristische Positivum, den scheinbar abstrakten Gesetzestext, zu beschränken. Was hier und jetzt unter „Rechtspositivismus" zu verstehen sei, hat Theodor Vieh weg 8 vor längerem so beantwortet: Es sei dies nicht eine dezidierte wissenschaftstheoretische Position, sondern mehr das Gefühl des praktisch tätigen Juristen, sich an die verfassungsmäßig gültigen positiven Gesetze und ihre Äquivalente zu halten und das Gefühl, dies sei auch durchführbar. „Dabei läßt sich folgendes feststellen: Das wesentliche ist wohl, daß die verständliche Einschränkung, die sich der praktische Rechtspositivismus auferlegt, zwei Punkte beinhaltet: 1. Skepsis gegen weiterreichende Interpretationen und 2. - damit eng zusammenhängend Skepsis gegen weitergreifende Legitimierungen". Wir erkennen darin Parallelen zu unseren textanalytischen Schlußfolgerungen. Wir bemerken weiterhin, daß diese Art von Rechtspositivismus formal unscheinbar bleibt. Larenz hat einen Stil geprägt, Medicus hält sich in hochinformativen, aber untereinander wenig verbundenen Sätzen zurück. Da Medicus zunächst scheinbar neutral darstellt, kann er anschließend ganz explizit werten. Unabhängig vom gegebenen Beispiel lernen Studenten damit für künftige Fallösungen folgendes: - Unabdingbar ist die Kenntnis differierender Meinungen zu einem Problem. - Die Ergebnisse sind darzustellen und es ist zu zeigen, daß jede Meinung zu einem verschiedenen Ergebnis führt.

8 Vieh weg (Rechtspositivismus?), 16; vgl. i n allgemeinerem K o n t e x t auch Vieh weg (Positivismus), 110 f.

II. Sprachanalysen

74

- Alsdann ist zu werten. Wertungen können verschieden ausfallen. Sie sind Meinungssache und werden begründet mit Worten wie: sachgerecht, unzulässig, widerspricht auch nicht, gibt keinen stichhaltigen Grund, angemessen etc. Im so charakterisierten „Klausurenstil" gerät das Ergebnis zum aus anderen Texten bekannten, textlich neu bearbeiteten Meinungsgegeneinander. Am Beispiel Medicus wird nicht klar, weshalb 1969 die herrschende Meinung, 1970 Flume Recht haben soll. Die Darstellung hat zwar formal an Stringenz gewonnen, indem Medicus eine neue inhaltliche Überlegung einführt: Soll der Erklärende das unbewußt herbeigeführte Geschäft gelten lassen können? In Anbetracht der Beispielsfälle muß dem Studenten dieses Argument allerdings seltsam vorkommen. Wer nicht einmal die Gebräuche einer Weinversteigerung kennt, soll trotzdem den versehentlich gesteigerten Wein kaufen wollen? Die dogmatischen Argumente haben zur konkreten Situation, zum Ordnungszusammenhang, den Esser betont, keinen Bezug mehr. Das in der Vorauflage angeführte Gegenargument - verschiedene Haftung - erwähnt Medicus gar nicht mehr. Hat man die Meinungen ausreichend gewürdigt, ist die eigene Meinung Meinungssache9.

3. Begriffe wiederholen: Alpmann/Schmidt/Falckenberg: Kurs im BGB AT/Karteikarte (KK) 1 (vervielfältigtes Arbeitspapier) K K (AT 1) Rechtsgeschäft, Willenserklärung, geschäftsähnliche Handlung und Realakt I. Rechtsgeschäft. . . II. 1 Willenserklärung

(WE) | ist eine Willensäußerung, die auf einen vom Gesetz K3.S

anerkannten Rechtserfolg gerichtet ist. 2 Zu unterscheiden sind: |

1. Äußerer (objektiver ) Tatbestand, d. h. eine Erklärung, die objektiv den Schluß auf K2.S

Tl.S

9 Diese Schlußfolgerung ist einseitig. Sie spitzt allerdings Überlegungen zu, die i n den zahlreichen Besprechungen zu diesem „Bürgerlichen Recht" regelmäßig fehlen, vgl. statt anderer Richardi, 273 f.: „ D u r c h die außergewöhnliche Dichte erreicht der Verfasser, auf k l e i n e m Raum ein M a x i m u m anzubieten. Dabei bleibt er immer leicht verständlich, didaktisch eine Meisterleistung, deren Bewunderung dadurch vertieft w i r d , daß die verschiedenen Auffassungen i n Lehre u n d Rechtsprechung, m i t denen der Student vertraut sein muß, klar u n d sorgfältig dargestellt werden." Medicus' Zusammenschau zeigt vor, was jemand an fertigem Problemdenken erbringen kann. Wer allerdings noch nicht v ö l l i g vorverständigt ist u n d noch fachsprachliche Verständigung erwartet, dürfte m i t der von Medicus gebotenen Verständlichkeit Schwierigkeiten haben.

3. Alpmann und Schmidt (Karteikarte)

75

einen bestimmten Geschäftswillen zuläßt. 3 Schulbeispiel: A hebt | bei einer Κ 4.S

Κ 2.S

Weinversteigerung in Trier die Hand, um seinen Freund zu begrüßen. 4 Er | K2.S bekommt den Zuschlag. 5 Der objektive Tatbestand einer Erklärung | liegt vor. Κ l.S

K3.S

2. zu 2 innerer (.subjektiver ) Tatbestand, d. h. der auf einen Rechtserfolg gerichtete K2.S

Τ l.S

K2.S

Wille. 6 Er setzt voraus: | a) Handlungswillen - bewußter Willensakt (fehlt ζ . B. bei Reflexhandlungen) K2.S b) Erklärungsbewußtsein

Κ l.S Τ l.S - Bewußtsein, irgendwie rechtsgeschäftlich zu handeln K2.S

fehlt im Trierer Weinversteigerungsfall. 7 Ob bei fehlendem ErklärungsbewußtK 2.S

Κ 3.S

sein eine wirksame WE vorliegt, | ist sehr streitig. Κ 3.S aa) 8 Die noch hM | lehnt eine wirksame WE unter Berufung auf den RechtsgeK 2.S

Κ 2.S

danken des § 118 ab (Lehmann-Hübner § 24 IV 1 b; § 34 III 1 b; Palandt-DanckelK3.S mann 3 vor § 116; Staudinger-Coing 3 f. zu § 116; Thiele JZ 69, 405; Wieacker JZ 67, 389). 9 Sie I läßt den Erklärenden analog §§ 118, 122 ohne Verschulden (so DanckelK2.S mann a. a. O) oder über die Grundsätze der cic* mit Verschuldenserfordernis (so Τ 2.S * cic: Rechtsinstitut der „culpa in contrahendo".

Κ 3.S

76

II. Sprachanalysen

Hübner und Coing a. a. Ο.; auch Enn.-Nipperdey § 145 η. 26) auf das negative InterK2.S esse haften. bb) 10 Die Gegenmeinung | nimmt eine wirksame WE an, da die Analogie zu K 2.S

K 3.S

§ 118 nicht passe (Flume § 23,1; Medicus § 6 II; Soergel-Hefermehl 8 vor § 116).

cc) 11 Nach einer vermittelnden Meinung steht das fehlende ErklärungsbewußtK 2.S

K 2.S

sein I einer wirksamen WE nicht entgegen, wenn der Erklärende hätte erkennen K2.S müssen, daß sein Verhalten als WE gedeutet werden kann, sog. ErklärungsfahrläsK 3.S

K 3.S

sigkeit (Ausdruck von Manigk, Das rechts wirksame Verhalten, 1939, S. 238; Larenz

§ 25 I, Gudian AcP 169,232; Schmidt-Salzer JR 69,285). 12 Nach den Meinungen K2.S bb) und cc) muß der Erklärende | seine ungewollte Erklärung nach § 119 mit der Τ 2.S

K 2.S

Rechtsfolge des § 122 beseitigen. K3.S

Karl Michaelis beginnt seine Besprechung des Medicusschen Lehrbuchs mit einem Blick auf Geschichte und Leistung der Repetitorien Die Lehrbuchentwicklung ist - wie man weiß - begleitet von einer offiziell unbeachteten, unbesprochenen, gleichwohl oft gescholtenen Gattung von Büchern, deren Rang und Qualität bislang nur pauschal bestimmt worden ist. Michaelis nennt diese Un-Gattung „Hilfsbücher"; und manchmal - wie bei den hier vorliegenden Alpmann/SchmidtKarteikarten - handelt es sich überhaupt bloß um Blätter, „Hilfsblätter". Denn zu ι Michaelis, 1289.

1

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10. Blei (Prüfe dein Wissen)

138

II. Sprachanalysen

zweiten Stufe, die verhältnismäßig viele Κ enthält. Auch die Anzahl der K, die das Thema wiederaufnehmen, ist mit 0,62 relativ hoch. Κ sind überall dort notwendig, wo abkürzend Situationsbestandteile referiert werden. Denn der Sachverhalt wird regelmäßig nicht entwickelt, sondern illustriert nur in systematisch aufbereiteter Form die Prüfungsfrage. So wird in Beispiel 100, Satz 1, das Verhalten des Diebes bereits thematisiert. Er war zu später Nachtstunde in eine Villa eingedrungen. Auch Redlichs Reaktion hat Voraussetzungen, die ein rhematischer Κ schildert. Redlich schoß nicht nur, nein: Der Kopfschuß war sorgfältig gezielt. Die Fallfrage gibt damit schon Hinweise, in welcher Richtung die Antwort zu suchen ist: „Kann er sich auf Notwehr berufen?" „Nein, wenn Sie so fragen" weiß der rhetorisch erfahrene Examenskandidat zu überlegen. Denn ein redlicher Herr schießt zumindest nicht sorgfältig auf einen in später Nachtstunde eingedrungenen Dieb. Die gestuften Κ indizieren die Lösung. Blei erreicht damit jenseits offizieller Lernziele einen offiziösen Lernerfolg, den er stellenweise genüßlich ausweitet. Wir kennen die in Beispiel 102 zitierte Entscheidung RG 71,133 schon aus Esers Darstellung. Eser hat sie in einen organisierenden Problemzusammenhang gestellt: Sind normative Zumutbarkeitserwägungen notwendig2? Blei entnimmt der Entscheidung statt dessen einen Teilaspekt und glossiert das Ergebnis in der Fallfrage. 4 Κ sind notwendig, um eine Vielzahl von Attributen auf den verdächtigen Herrn Sprinter zu häufen. Satz 2 thematisiert in einer Anreihung noch einmal das Problem:... statt eilig davonzulaufen. Was der Sachverhaltsautor in Kernsätzen aufgetürmt hat, muß der Klausurenschreiber wieder dogmatisch abbauen. Kein Attribut ist zufällig. Denn prüfungsrelevante Sachverhalte enthalten ja keineswegs die „Lebens Wirklichkeit", die Juristen gelegentlich als Gegenstand der Subsumtion vermuten. Lehr- und Lernbuchsachverhalte enthalten regelmäßig keine Angaben über Alter und Beruf der Täter, ihre Schichtenzugehörigkeit oder ihre Familie; und wenn der neunzehnjährige Student A, der in den Semesterferien bei der Bundespost Pakete sortiert, ein solches mit nach Häuse nimmt, so weiß der geübte Klausurenleser, daß die Beamteneigenschaft des A und die Anwendung von Jugendstrafrecht zu prüfen ist: kein Wort ohne Grund 3 . „Der Sachverhalt ist genau zu lesen" fordern Übungsanleitungen regelmäßig auf. Blei übt das ein, ohne aufzufordern. Der Student weiß, wo der Subsumtionszug abfährt, wenn der Blei-bekannte Unhold Emil Kulicke auftritt (so hier in Beispiel 98) oder die Herren Redlich und. Sprinter ihre Tugenden walten lassen. Der Juristenwitz besteht im Sachverhalts witz, und Bleis Fragekomplexitäten erzeugen gewitzte Aufmerksamkeit: Man kann bei Blei lernen, an welcher Stelle ein Sachverhalt Rechtsprobleme erzeugt. Die humorige Art und Weise, in der sich PdW charakterisieren läßt, sollte den problematischen Hintergrund der solcherart erlernten Aufmerksamkeit nicht ver2

Siehe oben, S. 121.

3 Als G r u n d für solche Sachverhaltskonstellationen nennt Jäger, 305 - m i t leiser Ironie - den „Subsumtions- u n d Systemtrieb".

10. Blei (Prüfe dein Wissen)

139

decken. Denn diese Sachverhalte dienen ja nur dazu, Subsumtionsprobleme zu veranschaulichen. Eine kurze einstufige Frage führt in Beispiel 100/Satz 2 und 102/3 in den fraglichen Begriff „Notwehr" ein. „Notwehr" wird dann in 100/4 bzw. 102/4-6 thematisiert. Beide Antworten enthalten signifikant viele nicht verknüpfte Stufen. So konkretisiert Beispiel 100 das Thema „Notwehr" rhematisch als „die zur Abwehr erforderliche Handlung". Satz 4 vertieft in ableitende Überlegungen über den Sachverhalt: War die Verwendung der Schußwaffe überhaupt notwendig? Der Schuß durfte keinen größeren als den zur Herbeiführung der Angriffsunfähigkeit erforderlichen Schaden anrichten! Th und R des letzten Satzes bleiben unverknüpft gegenüber den übrigen Sätzen des Textes. Dabei handelt es sich um den Merksatz des Beispiels, das Wissen, das erfragt werden sollte. Konsolidiert würde es allerdings nur, wenn problemorientierte Sätze das Prüfungsergebnis mit der Frage verbänden. In Beispiel 100, Satz 1, deuten die Inhalte auf das Ergebnis hin („sorgfältig gezielt", „zu später Nachtstunde"), in 102/3 schwankt der Leser. Muß ein Sprinter nicht doch davonlaufen? Zumal, wenn man weiß, das RG 71,133 die Erforderlichkeit gerade auch von der normativen Zumutbarkeit abhängig gemacht hat? Blei hat aus der Entscheidung aber gerade den anderen, den das vermeintliche Notwehrrecht bestätigenden Teil herausgegriffen. Er präsentiert als analytische Frage, was für problembewußte Studenten an ein problematisches Urteil gebunden bleiben muß. Gleichwohl werden aus der „Erforderlichkeit" Sätze hervorgeholt, die ihr vermeintlich für jeden Jura studierenden Leser immanent sein müssen. Daß sie es nicht sind, zeigt der deduktive Aufwand, der notwendig ist, den Begriff zu entfalten. 100/4 benötigt 4 S, um die „Herbeiführung der Angriffsunfähigkeit" zu zitieren, 102/5 ebenfalls 4 S, um das einzige Mittel für das „bedrohte Gut" zu umreißen. Die Merksätze sind komplex, ihre Komplextität ließe sich nur senken, wenn man daraus viele Sätze machte und den textuellen Verknüpfungszusammenhang vergrößerte. Aber das ist bei der Darstellungsweise von PdW gar nicht möglich. Hier werden zwar „feed-backs" 4 formuliert, aber die „black box" ist - um im Bild zu bleiben - leer. Prüfen und Lernen haben keinen Bezug zueinander. Die Programmierung bleibt in der Alltagstheorie eines routinierten Examensprüfers befangen. Hermann Dilcher hat dagegen in seinem programmierten Lehrbuch an jede Lerneinheit anschließend Fragen formuliert. Diese Fragen könnten auch in PdW stehen, haben bei Dilcher aber einen anderen Kontext. F: Kann der 15 jährige A Besitz an einem Fahrrad erwerben, das i h m seine Eltern zur freien Verfügung überlassen wollen? A: Ja, da er die Bedeutung der tatsächlichen Sachherrschaft an diesem Gegenstand einzusehen vermag 5 .

In Dilchers programmiertem Sachenrecht haben solche Prüfungseinheiten eine ganz andere Funktion. Sie sind textuell mit Einführungen verbunden und fragen auf 4

Vgl. die Ergebnisse der Lernpsychologie bei Blankertz, 57 ff. 5 Dilcher, 16 f.

II. Sprachanalysen

140

den Begriff zurück - in Kapitel I/Lerneinheit 13 (Besitzerwerb) auf die „Geschäftsfähigkeit des Besitzers". Da heißt der Lernsatz: „Der Besitzerwerb ist nicht von der Geschäftsfähigkeit des Besitzers abhängig, weil Besitz ein tatsächliches Verhältnis bezeichnet; allerdings muß beim Besitzerwerber die zum Verständnis des tatsächlichen Vorgangs erforderliche geistige Reife vorhanden sein 6 ." Darauf aufbauend können dann auch Zusammenfassungen mit Lückentexten sinnvoll wiederholen. Das gesuchte Wort ist im Kontext noch erinnerbar. Aber trotz dieser gründlichen Verweisungstechnik bleibt sich Dilcher seiner Grenzen bewußt. Seine Fragen zielen tatsächlich auf Gelerntes und nicht haarscharf daran vorbei, um auf diese Weise „Probleme" zu prüfen. Konkurrierende Meinungen (etwa zur Frage des Besitzwillens beim Besitzerwerb) werden getrennt gelernt und abgefragt. Wer Problemdenken in der Weise erstrebt, die Eser vorführt, wird mit dieser Präsentation juristischen Meinungsdenkens nicht zufrieden sein können. Aber er kann auch Dilchers Denkbeschränkung nicht einfach hintergehen, indem er so tut, als ließen sich beliebige Zusammenhänge „prüfen". In PdW ist alles prüfbar. Jeder Aussagesatz läßt sich schließlich in einen Fragesatz transformieren. Mehr Lerntheorie scheint dahinter nicht zu stecken. Denn wie könnte Blei sonst Zweckmäßigkeit und Verhältnismäßigkeit als Erforderlichkeit ausweisen, ohne in der Frage die Problematik überhaupt erkennbar zu machen? PdW faßt alle Prüfungsantworten als analytische Urteile auf. Im analytischen Urteil ist das Rhema immer schon im Thema enthalten, das Prädikat gehört dem Subjekt an als etwas, was im Begriff (denknotwendig) vorfindlich ist. Aber während Kant analytische Urteile nur dort zugelassen hat, wo ein Rückgriff auf Erfahrungswissen nicht notwendig ist 7 , halten Examensprüfer fast jeden Begriff für analytisch. In der Erforderlichkeit steckt sozusagen schon immer das Prädikat, keinen größeren als den zur Herbeiführung der Angriffsunfähigkeit erforderlichen Schaden anzurichten. Der Begriff der Notwehr enthält auf der einen Seite die unbedingte Gegenwehr, auf der anderen das verständige Ausweichen. Was eine Rechtsprechungstradition jahrzehntelang als Begriffsinhalt gebildet hat, wirkt in PdW als durch bloße Begriffseinsicht analysierbar; wohlgemerkt: „wirkt", und zwar aufgrund der Textorganisation mit systematisch aufbereiteten Fallfragen und komplexen Antwortsätzen bei offenem Verknüpfungszusammenhang. Daß Verfasser Blei diese Wirkung nicht erstrebt, steht außer Frage. Er mag auf sein Strafrechtslehrbuch verweisen, auf konkurrierende Werke mit anderer Meinung. Aber gerade wenn man sie kennt, fallen analytische Prüfungsantworten schwer. Es sind nicht die problembewußten Kandidaten, die auf die Frage „Wie ist die Hypothek?" auf Anhieb sagen „akzessorisch".

6 7

Ebd., 16.

Vgl. diesen philosophischen Exkurs bei Klaus/Buhr, Stichwort „analytische U r t e i l e " u n d „synthetische Urteile".

III. Lehrbuchjurisprudenz und Juristenausbildung Juristische Sprachanalyse beginnt mit der Erkenntnis, daß Rechtssprache sich von Umgangssprache unterscheidet 1. Diese praktische Erfahrung läßt sich schnell analytisch fundieren. Kritik am juristischen Sprachgebrauch beginnt dagegen mit dem Bewußtsein, Rechtssprache und Rechts Verständnis hätten sich in bemerkenswerter und merkwürdiger Weise von Umgangssprache und Alltagsverständnis entfernt 2 . Denn auf das Verständnis oder den Konsens der Rechtsbeteiligten kann die Jurisprudenz nicht verzichten 3. Fachliches In-Sich-Spiel hat Jhering als „Begriffsjurisprudenz" 4 bezeichnet. Die Wortschöpfung ist praktisch-polemisch, nicht wissenschaftlich-analytisch zu verstehen. Denn eine Jurisprudenz ohne Begriffe wäre ihrer gesellschaftlichen Aufgabe enthoben, die Rede der Verfahrensbeteiligten mit allgemeingesellschaftlichen Vorstellungen zu vermitteln. Diese allgemeine Funktionsbestimmung ist auch bei Sprachkritik an Studientexten im Auge zu behalten. Denn ansonsten kommt die Meinung auf, die in der Juristenausbildung vermittelte Fachsprache sei lediglich „professionsmonopolistisches Handwerkszeug" 5. Bevor die oben analysierten juristischen Sprachmittel hinsichtlich ihrer sozialen Wirkung und ihrer Funktion in der Juristenausbildung klassifiziert werden können, muß deshalb Klarheit über das Spektrum der Wirkungsmöglichkeiten bestehen. Ich habe die Wirkungsmöglichkeiten sprachlichen Handelns mit den Prädikaten „situativ" und „restriktiv" sowie ihren jeweiligen Negaten erfaßt. Die theoretischen 1

Vgl. die unterscheidenden Merkmale oben I.l.a).

2

Struck stellt solche M e r k w ü r d i g k e i t e n fest (Topische Jurisprudenz, 106): „Beamte müssen i n besonderer Weise der W ü r d e des Staates entsprechen, weshalb ein Vorbestrafter bei der M ü l l a b f u h r nicht beschäftigt werden kann; die Elite m u ß eben i m Hochethos leben' 4 . 3 Z u r Konsensfähigkeit vgl. Esser (Vorverständnis), 27: „ G e m e i n t ist damit die Rückf ü h r u n g eines jeden Urteils m i t H i l f e einsichtiger, ,topisch 4 argumentierender oder schlicht »feststellender 4 W e r t u n g auf eine Plausibilität, die ein von den anerkannten A u f gaben des Rechts u n d der hier fraglichen I n s t i t u t i o n ausgehendes Bewußtsein schlechterdings nicht mehr bestreiten kann' 4 . 4 Als „Begriffsjurisprudenz" bezeichnete Jhering, 237, einst „ d i e Scholastik in der heutigen romanistischen Wissenschaft", gegen die sich seine satirischen Spitzen richteten. A r t h u r Kaufmann sieht i m historischen Rückblick nicht nur bei der „Begriffsjurisprudenz", sondern auch i n soziologisch-zweckbezogenen Vorstellungen der Freirechtslehre fachbegriffliche Verselbständigung (vgl. Kaufmann, Freirechtsbewegung - lebendig oder tot? in: ders., 251 ff.). 5 So Schelsky, 412. Schelsky diagnostiziert eine Motivationskrise, die Rechtsbelehrung zur „organisationstechnologischen A b r i c h t u n g " degenerieren läßt. - Konsequenterweise schalten daher diejenigen, für die juristische A r g u m e n t a t i o n nur noch „ A r g u m e n t a t i o n s Strategien 44 bereithält, vor die rechtliche Qualifizierung eine Analyse der „ i n der rechtlichen Regelung z u m Ausdruck k o m m e n d e n Interessen" (so Blanke, 19).

142

III. Lehrbuchjurisprudenz und Juristenausbildung

Bestimmungen umschreiben jeweils entgegengesetzte sprachpraktische Verhaltensweisen. Situative, nichtrestriktive Sprache kennzeichnet „Geschichtenerzählen". Diese Kommunikationsart ist nicht zielgerichtet oder unmittelbar zweckbestimmt, die Erzählenden kommentieren bekannte Themen und bestätigen sich durch Aktion und Reaktion in ihrer gegenseitigen Praxis 6. Indem sie merken, daß andere so reden und handeln wie sie selbst und indem diese anderen das gegebene Thema aufnehmen und variieren, entsteht Verhaltenssicherheit. Diese Art des Geschichtenerzählens ist ersichtlich nicht Aufgabe der Rechtspraxis, obwohl Rechtspraktiker es immer wieder mit anreihend erzählten „Geschichten" Rechtssuchender zu tun haben7. Der situative, restriktive Ansatzpunkt juristischer Sprachpraxis liegt im Symbolverstehen, in der Textverarbeitung. Der Jurist gleicht, indem er Geschichten aus der sozialen Wirklichkeit wie Texte unbekannter Autoren aus ferner Vergangenheit behandelt, dem Germanisten oder Historiker, der fremdes Sprachmaterial zu verstehen versucht, ohne die fremde Lebenspraxis zu kennen. Jurisprudenz beschränkt sich jedoch in der Textverarbeitung nicht auf nachvollziehendes Sinnverstehen. Im Bemühen zu verstehen, ohne schon vorverstanden zu haben, greift der praktische Jurist auch in den Kommunikationsprozeß der Textautoren ein, die ja regelmäßig Verfahrensbeteiligte sind. Die juristische Sprachpraxis enthält also beide Elemente: „idealistisches", von den Kommunikationspartnern losgelöstes Textverstehen und dennoch einen festen Bezug zur Verfahrensrealität der Kommunikationspartner 8. Damit ist allgemein die kommunikative Aufgabe umrisssen, die der Rechtssprache als Fachsprache zukommt. Begrifflich-systematische Textverarbeitung vermittelt die privatsprachliche Besonderung der Streitbeteiligten mit dem allgemeinen Sprachhorizont und benötigt dazu Begriffe, die eine allgemeine Annäherung an verschiedene besondere Bedeutungen e r l a u b e n 9 . Die fachsprachliche Abstraktion ist 6 Vgl. Aspekte nichtrestriktiver sprachlicher Praxis in: D e h n , 109 ff. (Geschichtenerzählen als Praxis), insbesondere die Beiträge von Peter Stromberger u n d W i l h e l m Dehn. 7 W i e juristisches Ableitungsvermögen aus der Geschichte über eine Rattenjagd einen „ F a l l " produziert, schildert - aus Täterperspektive - Steffen (vgl. 18, 22, 44, 64). 8 Vgl. Esser (Vorverständnis), 118: „ I m Verständlich- u n d Verständigmachen als Rechtfertigung des Normgehalts liegt also ein Rückgriff sowohl auf die unhistorische Rationalität des Textes als auch auf den Konsens über die Vernünftigkeit zwischen Wertungsvorstellungen des Rechtsanwenders u n d des Rechtsbetroffenen". Diesen Doppelcharakter t e i l t das Gerichtsverfahren m i t dem psychoanalytischen Verfahren, dessen Theorie Lorenzer, 203, als „ V e r w a n d l u n g von Teilhabe i n begriffene Teilnahme an der Szene des Patient e n " zusammenfaßt. Trotz deutlicher Funktionsähnlichkeiten (vgl. Lorenzer, 196 ff.) galt es bisher als selbstverständlich, „ d e n Rechtsweg i m Gerichtsweg aufgehen zu lassen" (so Rotter, 542). Rotter rührt an dieses Selbstverständnis, allerdings i n d e m er „sozialwissenschaftliche" u n d „sprachkritische" Ansätze polarisiert - sicher vorschnell, w e n n man an Lorenzers (sprachkritische) Theorie des psychoanalytischen Verfahrens denkt. 9 Diese allgemeine Annäherung kann praktisch-dogmatisch i n der Form erfolgen, daß Rechtssätze als Mittel-Zweck-Beziehungen aufgefaßt werden. W i e das geschieht, zeigt Lüderssen, 107 ff. Lüderssen benutzt dazu den Peirce'schen Abduktionsschluß. Danach w i r d von einem gesetzten Z w e c k über eine bekannte, meist gesetzlich vorformulierte Regel auf den Fall geschlossen (ebd., 64). A u f diese Weise lassen sich Sachverhaltsmerkmale aufbereiten, die für eine allgemeinverbindliche Rechtsanwendung relevant sind.

III. Lehrbuchjurisprudenz und Juristenausbildung

deshalb legitim. Auf der anderen Seite muß aber verhindert werden, daß Juristen Alltagsbedeutungen in einer pseudokommunikativen Standessprache entfremden 10 . Dazu ist ständige Kritik am juristischen Sprachgebrauch notwendig. Für Studientexte heißt das: Lehrschriften vermitteln dem Lernenden Begriffe, die in der Umgangssprache nicht gebraucht werden. Sie konstituieren Rechtswirklichkeit im Medium der Rechtssprache und verrücken damit die gewohnte Perspektive auf Alltagsprobleme. Diese Wirklichkeitsbehandlung ist regelmäßig in der Gefahr, „verrückte" Lehrbuchfälle 11 zu produzieren. Es entsteht dann eine Weise der Textbehandlung, die zwischen problemorientierter Dogmatik und praktischer Jurisprudenz eine dritte Disziplin einrichtet, die in dieser Weise nur in Lehrbüchern zu finden ist: „Lehrbuchjurisprudenz" 12. Der Ausdruck meint nicht nur Lehrbücher, wenngleich sich dort eine noch näher zu charakterisierende Form des „Lehrbuchstils" herausgebildet hat, die für idealistische Handlungsferne besonders anfällig ist. „Lehrbuchjurisprudenz" bezeichnet allgemein eine Verwendungsweise von Studientexten in der Juristenausbildung, charakterisiert also einen Teilbereich der Ausbildungspraxis. Der Begriff ist mit der Wertung verbunden, diese Art der Textbildung trage zu den wünschenswerten Lernzielen der Juristenausbildung 13 wenig bei, weil autonome Begriffsbildung die Handlungsfolgen 14 verschleiert. 10 Dazu Struck (Rechtswissenschaft), 26: „ D e r Richter stellt sich vor, was ein D u r c h schnittsbürger (seiner Vorstellung!) denkt, u n d entscheidet danach." - m i t dem Effekt: „ D i e erfundene Realität ermöglicht Realitätsferne, ohne daß das utopische Element deklariert werden müßte . . (ebd., 29). 11 Daß „ v e r r ü c k t e " Lehrbuchfälle von Jhering (Scherz u n d Ernst in der Jurisprudenz) bis zu Jägers Glosse über Lehrbuchkriminalität lediglich Anlaß für ironisch-satirische Attacken gewesen sind, dürfte m i t dem Fehlen brauchbarer Fachdidaktik u n d theoriebewußter Sprachkritik zu erklären sein. 12 Diese Begriffsfügung w i l l ihre Verwandtschaft zu „Begriffsjurisprudenz" u n d „ L e h r b u c h k r i m i n a l i t ä t " nicht leugnen. Beides kann i n Studientexten eine unglückliche V e r b i n d u n g eingehen. 13 Vgl. das Wiesbadener M o d e l l für eine einstufige Juristenausbildung in Hessen, 11: Z i e l einer juristischen Ausbildungsreform ist der kritische, aufgeklärt-rational handelnde Jurist, der (nach Mehrheitsmeinung:) sich der Realität der Gesellschaft bewußt ist u n d seine eigene F u n k t i o n sowie die des Rechts reflektiert/ (nach Auffassung der Minderheit:) sich seiner Verpflichtung als Wahrer des freiheitlich demokratischen u n d sozialen Rechtsstaats bewußt ist u n d der in der Lage ist, die Aufgaben der Rechtsfortbildung zu erkennen. 14 D i e damit implizierte These, daß die Folgen einer Begriffsverwendung Kriterien der (juristischen) Begriffsbildung sein sollten, hat Niklas L u h m a n n neuerdings grundsätzlich bezweifelt (Luhmann, Rechtssystem, 30 ff.). Die sprachliche Folge einer Folgenreflexion streift L u h m a n n dabei nur kurz: „ D i e zur Klassifikation von Tatbeständen u n d Rechtsproblemen erforderliche Breite der Typisierung geht verloren, sobald fallweise nach Folgen gefragt w i r d . " Diese Komplexitätsabnahme ist aber gerade die Voraussetzung, u m eine k o m m u n i k a t i v e K l ä r u n g von Werturteilen zu ermöglichen, also Handlungsalternat i v e n verständlich zu machen u n d sich über sie zu verständigen. Hoerster, 40, empfiehlt, daß Z a h l u n d K o m p l e x i t ä t der i n Frage stehenden Regeln so gering zu halten seien, daß die Annahme dieser Regeln („d. h. der ernsthafte Versuch ihrer Befolgung") noch optimale Folgen habe. Handlungsleitende Verständigung ist nur über verständliche Regeln möglich!

144

III. Lehrbuchjurisprudenz und Juristenausbildung

Anm. zur Tabelle: Kriterium 1 : deduktiver Gehalt eines Satzes (Satzkomplexität) Kriterium 2: relative Häufigkeit der Kernsätze (Argumentationsschwerpunkt) Kriterium 3: thematische Wiederaufnahme (Komplexität des Themas) Thema Kriterium 4: mögliche Komplexitätsdifferenz zwischen (Thema/Rhema-Differenz) Rhema Kriterium 5: assoziativer Gehalt eines Satzes Kriterium 6: Verknüpfungszusammenhang (Grad der thematischen Progression), angegeben durch die Anzahl der nicht verknüpften Satzstufen (n. v. S) Die Tabelle enthält die jeweiligen Durchschnittswerte (vgl. zum Berechnungsverfahren oben, L3-b).

III. Lehrbuchjurisprudenz und Juristenausbildung

10 Seibert

146

III. Lehrbuchjurisprudenz und Juristenausbildung

Dabei sind zunächst die Umstände zu erläutern, unter denen Lehrbücher Begriffslernen vermitteln. Ich möchte dabei auf den vorangegangenen Einzelanalysen aufbauen und aus der Summe der Textbeispiele Verwendungsmöglichkeiten in der Juristenausbildung skizzieren. Möglichkeiten der Sprachverwendung hat S. J. Schmidt als „Illokutionspotential" bezeichnet und im textanalytischen Modell 15 verortet. Die illokutive 16 Wirkung von Sprache läßt sich an einfachen Sprachhandlungen leicht deutlich machen. Wer grüßt, veranlaßt sein Gegenüber zu einem Gegengruß. Sprache übt dabei eine genau umrissene kommunikative Wirkung aus und veranlaßt zu Verhaltenskonsequenzen. Die Sprachanalyse von Lehrbüchern trifft auf weniger selbstverständliche Wirkungen. Ich habe das sprachliche Wirkungsfeld mit sechs Kriterien umschrieben, die den Gegensatz von Ableitung und Anreihung thematisieren. Dieser Gegensatz scheint mir den Allgemeinheitsanspruch und gleichzeitig die Verbindung der Rechtssprache zu konkreten Streitlagen zu erfassen. Ableitung und Anreihung sind in den untersuchten Texten in unterschiedlicher Weise ausgeprägt und kombiniert. Dementsprechend lassen sich auch unterschiedliche „Textsorten" 17 bestimmen. Die Unterschiede zeigen sich, wenn man die für die einzelnen Kriterien ermittelten Werte nebeneinanderstellt und vergleicht (Tabelle 14). Beim Vergleich ist zu beachten, daß die Verständigungsmuster Anreihung und Ableitung auf Satz- wie auf Textebene bestimmt werden. Die allein mit den analytischen Operationen II und III ermittelten Kriterien bezeichnen die Satzebene18. Kriterium 1 zeigt anhand der durchschnittlichen Anzahl der Satzstufen den deduktiven Gehalt im Einzelsatz an. Extremwerte hier sind ein deutliches Zeichen für ableitende Redeweise, denn der Grad der Verschachtelung beschränkt das Verständnis schon beim ersten, oberflächlichen Lesen deutlich auf begriffliche Zusammenhänge. Weniger evident ist die Wirkung des Argumentationsschwerpunkts. Ich habe ihn formal anhand der relativen Häufigkeit der Kernsätze ermittelt. Da Kernsätze Informationsträger sind, könnte man vermuten, viele Kernsätze im Einzelsatz erhöhten dessen Komplexität. Tatsächlich ist meist das Gegenteil der Fall. (17) Die A n t w o r t ergibt sich aus dem Gedanken der Verantwortung des Erklärenden für die i h m zurechenbare Bedeutung seiner Erklärung.

15 Siehe oben I.3.a) u n d Schmidt (Texttheorie), 148 ff. 16 Hier sind i m G r u n d e „ i l l o k u t i v e " u n d „ p e r l o k u t i v e " A k t e zu unterscheiden. D i e Begriffsbildung bei A u s t i n u n d Searle u n d ihre Bedeutung für eine pragmatikorientierte Sprachtheorie erörtert W u n d e r l i c h in: Maas/Wunderlich, 119 ff.

1 7 D i e linguistische „Textsortendifferenzierung" hat i m Rahmen einer speziellen „ T e x t l i n g u i s t i k " eine eigene Terminologie entwickelt, u m die Z u o r d n u n g v o n Handlungszielen zu sprachlichen Ausdrücken vorzunehmen, vgl. Textsorten. D i e Textsortendiskussion hat jedoch bisher noch kein Ergebnis erbracht, das mehr als phänomenologische Klassifikation ermöglichte. A u f dem Wege zur angestrebten Textanalyse scheint m i r die Analyse nach T y p e n der thematischen Progression u n d nach A r t e n der Satzkomplexität weiterzuführen als etwa die beliebig anmutende M a t r i x von Barbara Sandig (in: Textsorten, 113 ff., 118). 18 Vgl. die sprachanalytische Operationalisierung oben 1.2. u n d die Liste der Kriterien, 45.

III. Lehrbuchjurisprudenz und Juristenausbildung

147

wirkt (mit nur einem Kernsatz auf der 5. Satzstufe) komplexer als (18) Wie es i m sozialen Raum kein Handeln ohne Verantwortung gibt, so trifft auch den, der einem anderen gegenüber eine Geltungserklärung abgibt, eine Verantwortung für die von i h m gewählten Ausdrucksmittel.

Dabei enthält (18) 4 Κ auf der 2. S 18 . Viele Kernsätze auf derselben Satzstufe erhöhen die Anknüpfungspunkte für das Verständnis dieses Satzes. Damit ist nicht behauptet, daß ein etwaiger Leser (18) sofort wörtlich wiederholen könnte. Das ist in Anbetracht der Satzlänge nicht zu erwarten. (18) vermittelt aber leichter als (17) eine syntaktisch einfache Paraphrase der Art: Jeder trägt für sein Handeln die Verantwortung. Viele Kernsätze auf niedriger Satzstufe ermöglichen sprachliche Anreihung. Extremwerte bei Kriterium 5 kennzeichnen ebenfalls die Anreihung. Streng informatorische Texte weisen hingegen nur einen minimalen assoziativen Gehalt auf. Die Kriterien, die aufgrund der analytischen Operation I, der Thema/RhemaGliederung, ermittelt worden sind, umschreiben die sprachliche Komplexität auf Textebene. Enthält das Thema eines Satzes viele Kernsätze (Kriterium 3: thematische Komplexität), wird damit auf Textebene regelmäßig schon Bekanntes ausgearbeitet, erweitert oder vertieft. Die besten Beispiele dafür finden sich bei Larenz (vgl. insbesondere II.l.a). Larenz macht auch deutlich, inwiefern die Komplexität eines Themas die Komplexität des informierenden Kommentars (Rhemas) relativieren kann, indem auf abstrakter Ebene Variationsreichtum hergestellt wird (vgl. etwa im Textzusammenhang Satz 6 von Il.l.a): Die Bedeutung der thematischen Progression für das Verhältnis von Ableitung und Anreihung ist bereits sprachtheoretisch erörtert worden 20 . Der Verknüpfungszusammenhang (Kriterium 6) bezeichnet ganz allgemein die gegenseitige Verflechtung von Sätzen. Ob ein Text bei gelockertem Verknüpfungszusammenhang nichtrestriktiv wirkt, kann nur unter Berücksichtigung der Progressionsart bestimmt werden. Hat man in dieser Weise Übersicht über Unterschiede in der Darstellungsweise gewonnen, so lassen sich für die Textpragmatik signifikante Erscheinungen klassifizieren. Klassifikation ist in vierfacher 21 Weise möglich, denn Ableitung und Anreihung können auf Satz- und Textebene jeweils unterschiedlich ausgebildet sein. Daraus ergibt sich Tabelle 15. In Tabelle 16 sind die untersuchten Textbeispiele, nach Signifikanzen geordnet, eingetragen. Je deutlicher sich ein Text einer der ausgewiesenen Textsorten zuordnen läßt, desto weiter ist er vom gedachten „Nullpunkt" des „Koordinatenkreuzes" entfernt. Die Matrix verdeutlicht, daß die meisten Textbeispiele restriktiv und 19 D i e Beispiele (17) u n d (18) sind die Sätze 14 u n d 15 aus der Analyse II.6. (Larenz, A T , 2. Auflage). 20

Siehe oben I.2.a).

21

Vgl. dazu auch Rodingen/Seibert.

10*

148

III. Lehrbuchjurisprudenz und Juristenausbildung

dabei teils situativ, teils nichtsituativ formuliert sind. Der Argumentationsgang beschränkt das Verständnis also auf abstrakte Begriffe. Die unterschiedliche Weise, in der diese Begriffe in Sätzen eingeführt werden, macht eine merkliche Stildifferenz aus. Tabelle 15 Anreihung einfache, merkmalreiche Satzreihen

Ableitung verschachtelte, merkmalbeschränkte Satzgefüge

themabezogene redundante Arg. ketten

situativ

nichtsituativ

nichtrestriktiv

nichtrestriktiv

kommentarbez. informative Arg. hiérarchie

situativ

nichtsituativ

restriktiv

restriktiv

Satzebene Textebene

Anreihung

Ableitung

Herkömmliche Lehrbücher beginnen gewöhnlich nicht mit situativen Gesichtspunkten, aus denen die Begriffe erst entwickelt werden. Der Lehrbuchstil setzt die Kenntnis relevanter Topoi regelmäßig schon voraus; er verfährt nichtsituativ, insofern er nicht an die Ausbildungssituation des Lesers anknüpft, sondern ein Sprachsystem vermittelt, das möglicherweise jeden, insbesondere auch den Rechtspraktiker interessieren kann und Begründungsangebote für viele Problemlagen bereithält. Das Lehrbuch - hier etwa am Beispiel Medicus und Larenz (mit besonderen Unterschieden) zu verfolgen - beginnt also mit syntaktisch-semantisch vorgeprägten Sprachfiguren, stellt aber deren Restriktionen in Frage. Nichtsituative, nichtrestriktive Redeweise zeichnet das erste Larenz-Textbeispiel (II.l.a) aus. Dieser kritische Ansatz, den auch Medicus in den Lerntext einbringt, unterscheidet Lehrbuchdarstellungen von den an Studenten adressierten, fast ausschließlich referierenden Lernbüchern. Liegt Lehrbüchern die Absicht zugrunde, Fachsprache - im Verständnis des jeweiligen Autors - systematisch zu vermitteln, so verfolgen Lernbücher das Ziel, vorfindliche Systembestandteile dem Verständnis des Lesers anzupassen. Lernbücher führen in das Verständnis fachsprachlicher Topoi ein und verzichten aus didaktischen Gründen fast ganz auf Systembildung. Dieser situative Ansatz schlägt sich in einfachen, merkmalreichen Satzkonstruktionen nieder. Als Prototyp des Lernbuchstils kann Nawratils Darstellungsweise gelten. Es ist das Verdienst der Lernbuchliteratur, hehre Lehrbuchworte greifbar oder sprachlich besser verwendbar zu machen. Sie berichten über den dogmatischen „Meinungsstand" und liefern fertige Begründungsformeln. Wer sich darüber im klaren ist, zu welchem Zweck er argumentieren will, findet dort die Argumentationsgrundlage. Die Jurisprudenz hat damit eine gewisse Neuorientierung vorgenommen, die sich in der Umorientierung klassischer Lehrwerke nachzeichnet (vgl. am Beispiel

**

5 Nawratil 1:1,94 S 3:0,33 Κ (2.S) 6:9 % η. v. S (lin. th. Prpgr.)

t Nichtrestriktiv

4

Restriktiv

1:3,25 S

Nichtsituativ

4 Werner 1:3,71 S 2:1,0 Κ (2.S) 3:0,35K(2.S) 5: _

2b Medicus 2 7 Alpmann-Skript 2:0,8KÎ2.S) 2: 1,0 Κ (3.S) 3:0,3K(2.S) 5: 5: -

2a Medicus 3 8 Alpmann-Klausur 5: 2:0,83 Κ (2.S) 6: 27 % η. ν. S 3:0,33 Κ (2.S) (konst.+lin. tP) 6: 23 % n. v. S (konst. th. Pr.)



9b Eser la Larenz, S. 338 1:3,09 S 1:4,17 S 4: Th/R-Diff. 3:0,83 Κ (3.S) 4: Th/R-Differenz 6: 20 % η. v. S (lin. th. Progr.)

6 Larenz 2:1,06 Κ (2.S) 6:41 % η. v. S (konst. +lin. tP)

lb Latenz 1, S. 68/. 2:1,5 Κ (3.S) 3:0,83 Κ (3.S) 4: Th/R-Differenz 5: 1 Τ (2.S) (konst. th. Progr.)

3 Alpmann KK 10 Biei (PdW) 1:2,75 S 1:2,46 S 2:1,5 Κ (2.S) 6:50 % η. ν. S 3:0,33 Κ (2.S) (Un. th. Pr.)

Situativ

9a Eser 2: 2,36 Κ (2.S) 3:0,91 Κ (2.S) 5: 0,82 T(l.S) 6: 57 % η. ν. S (konst. th. Pr.)

Tabelle 16



III. Lehrbuchjurisprudenz und Juristenausbildung

150

III. Lehrbuchjurisprudenz und Juristenausbildung

Larenz, oben II.6.). Damit haben sich auch die Anforderungen an die Juristenausbildung verändert. Gefordert ist weniger die Kenntnis allgemein sinnstiftender Zusammenhänge als die Fähigkeit zu konkreter Subsumtion. Deutungen der Basis doktrin, die nach klassischer Vorstellung zur Verwendung von Fachsprache motivieren sollte, werden in den Hintergrund gedrängt 22. Geblieben sind Bekenntnisse allenthalben - bis hinein in die Alpmann/Schmidt-Lehrgänge, deren Sachenrechtskurs mit der Bemerkung beginnt, Privateigentum sei die unerläßliche Voraussetzung persönlicher Freiheit, und danach auf die Eigentums Vindikation gemäß § 985 BGB übergeht. Im Lernbuchstil wirken Letztbegründungen aufgesetzt. Die Unterschiede zwischen Lehr- und Lernbuchstil werden in der formalen Sortierung der Tabelle 16 nur bedingt deutlich. Deutlich lassen sich lediglich die situativ-restriktive Sprechweise bei Nawratil und die nichtsituativ-restriktive Darstellung von Werner zuordnen. Die formalen Grenzen zwischen Lehr- und Lernbuch sind im übrigen fließend (vgl. Larenz). Die Matrix weist Alpmann/Schmidt-Texte neben Medicus- und Larenz-Beispielen aus. Die Textsortenbestimmung zeigt damit sicher auch einen Wandel in der Lehrbuchkonzeption an. Auf der anderen Seite muß die hier grob charakterisierte Differenz zwischen Lehr- und Lernbuchstil ein sprachkritischer Vorgriff auf weitere Textanalysen bleiben. Denn die hier untersuchten Textbeispiele können nur beispielhaft Tendenzen in der Darstellungsweise verdeutlichen. Das Material reicht im übrigen nicht aus, um schon anhand von Tabelle 16 Repräsentativitätsüberlegungen anzustellen. Mit der gebotenen Vorsicht möchte ich jedoch abschließend eine Tendenz charakterisieren, die analytisch relativ gesichert ist und für die Praxis künftiger Juristenausbildung relevant zu sein verspricht. In der Textsortenbestimmung fallen die Textbeispiele von Eser und Larenz auf, insbesondere Eser, Fall 9/Abschnitt 12-15 (oben II.9 a) und Larenz, 1. Auflage, Seite 68 (oben Il.l.b). Eser sammelt dort Topoi, um die Kriterien einer Verteidigungshandlung zu charakterisieren, und Larenz deutet Setzungen der Basisdoktrin. Eser führt ein, Larenz gibt Letztbegründungen. Wichtiger als die inhaltlichen Unterschiede scheinen mir Gemeinsamkeiten in der Darstellungsweise zu sein, die beide Texte aus der Vielzahl nichtsituativ-restriktiver Texte herausheben. Beide Autoren liefern in den genannten Textbeispielen nämlich nicht konkrete Subsumtionsanweisungen, sie sammeln vielmehr Gesichtspunkte, um normative Obersätze zu entfalten. Larenz meint, bestimmte Inhalte als allgemeingültig vorzufinden, während Eser nur vorfindet, was andere Dogmatiker in anderen Entscheidungssituationen für gültig befunden haben. Larenz wie Eser motivieren damit - in freilich ganz unterschiedlicher Mitteilungsabsicht - zur Verwendung von Fachsprache. Ich möchte dabei als Motivation die sprachpraktische Möglichkeit bezeichnen, vorgegebene Sprachformen mit eigenen Erfahrungsinhal-

22 D i e Motivationsgrundlage des alten Lehrbuchstils k o m m t am besten z u m Ausdruck bei Engisch (Einführung) (vgl. etwa K a p i t e l V I I I „ V o m Gesetz z u m Recht, von der Jurisprudenz zur Rechtsphilosophie").

III. Lehrbuchjurisprudenz und Juristenausbildung

ten zu verbinden, Bekanntes und Neues zu assoziieren23. Das ist nur im sprachlichen Medium der Anreihung möglich. Wo Sprache Lückenlosigkeit vorspiegelt, wo Ableitungen das Bewußtsein erzeugen, jeder Sprachgebrauch könne nur „richtig" oder „falsch" sein, entfällt die Möglichkeit, eigene Erfahrungen mit Sprachtraditionen zu verbinden 24 . Dogmatik ist dann Technik, deren Regeln zwar erlernbar sind, aber fremd bleiben. Ein Anreihungsstilzntbäk damit noch keine Garantie für „kritische Rationalität", wie sie als Ziel dogmatischer Übung oft gefordert wird 2 5 . Die Inhaltsunterschiede zwischen Larenz und Eser belegen das. Larenz stiftet durch eine Basisdoktrin Systemzusammenhang26. Eser hingegen vermeidet fragwürdige Letztbegründungen und entfaltet dafür einen Topoikatalog, der in Fallschilderungen vorhandene Gesichtspunkte aufnimmt. Ein methodisches Konzept, wie Anreihungen in der Juristenausbildung allgemein zu verwenden seien, läßt sich aus beiden Texten noch nicht entnehmen. Dazu bedarf es offenbar auch einer Juristenausbildung, die mehr Situationsbezug ermöglicht, als Eser ihn vorfindet. Die bisherige Juristenausbildung hat sich ja damit begnügt, Studenten in der Arbeit an Textformularen 27 zu schulen. 23 Der Ausdruck „ M o t i v a t i o n " verweist juristisch-didaktisch auf die Fähigkeit, Handlungsnormen auf k o m m u n i k a t i v e s Handeln zurückführen u n d problematisieren zu können. Eine solche Fähigkeit macht die „ k o m m u n i k a t i v e K o m p e t e n z " i n juristischen Gesprächssituationen aus. U m die Parallelen zu Habermas' „Theorie der k o m m u n i k a t i ven K o m p e t e n z " zu vertiefen: W e n n Habermas den „ D i s k u r s " als K o m m u n i k a t i o n s f o r m darstellt, deren Struktur sicherstellt, daß ein Konsens nur über k o m m u n i k a t i v verständliche u n d verständige („verallgemeinerungsfähige") Interessen gebildet w i r d , dann m u ß die sprachliche A n r e i h u n g ein S t r u k t u r m o m e n t dieser K o m m u n i k a t i o n s s i t u a t i o n sein, vgl. Habermas (Legitimationsprobleme), 148 f. u n d zur Bedeutung der „intersubjektiv geteilten Umgangssprache" schon ders. (Technik u n d Wissenschaft), 63 f. - Umgekehrt belegt Rottleuthner seine These, D o g m a t i k sei nicht „ m o t i v f ä h i g " , an Ableitungen, die auf eigentlich „begründungsbedürftige" Anfänge verweisen (Richterliches Handeln, 104 ff., 107). 24 N e g t / K l u g e , 87, sprechen davon, daß alle „bürgerlichen" Formen der Öffentlichkeit i m G r u n d e ein Spezialtraining voraussetzen: „ I n der öffentlichen Gerichtsverhandlung, i m Behördenverkehr w i r d von allen Beteiligten erwartet, daß sie knapp u n d m i t Ausdrucksmitteln, die in die behördliche Situation passen (ζ . Β.,sachlich',,antragsbezogen'), ihre Interessen vortragen". 25 § 2 Abs. 2 des Bremischen Juristenausbildungsgesetzes normiert, die A u s b i l d u n g vermittele durch „Erarbeitung eines kritischen Verständnisses der wissenschaftlichen M e t h o d e n die Kenntnisse u n d die Lernfähigkeit, die der Jurist für seine Berufspraxis b r a u c h t " ; u n d die Hessische Reformkommission für eine einstufige Juristenausbildung war sich über Gegensätze h i n w e g einig, Ausbildungsziel solle „ d e r kritische, aufgeklärtrational handelnde Jurist sein" (Wiesbadener M o d e l l , 11). Diese über Parteigrenzen hinweg geforderte rechtspolitische K r i t i k f ä h i g k e i t w i r d i m Rahmen der T o p i k oft vermißt. Struck (Topische Jurisprudenz), 104, stellt lapidar fest, T o p i k scheine sich m i t P o l i t i k n u r schwer zu verbinden, u n d Kopperschmidt, 148, sagt allgemein, die Rationalität der T o p i k sei eine methodische Rationalität, die erst dann zur kritischen werde, w e n n „ d i e i n diese Methode eingegangenen Bewertungsstandards selbst m i t in die Reflexionsbewegung einbezogen werden". D i e vermittelte methodische Rationalität sehe ich dabei in den Strukturmerkmalen anreihender Rede. 26

W o b e i „System" als Gefüge von Ableitungszusammenhängen zu verstehen ist. Der linguistisch-technische Begriff (s. ο. I.2., A n m . 9) scheint m i r hier am Platz zu sein. D e n n der Klausursachverhalt ζ . B. ist ja kein k o m m u n i k a t i v entstandener u n d verwendbarer Text, sondern lediglich analytisches Objekt studentischer Subsumtionsarbeit. 27

152

III. Lehrbuchjurisprudenz und Juristenausbildung

Geschickte Formulierungen, die dem Ausbildungsstand des Studenten entsprechen und nicht mit komplexen juristischen Begriffen beginnen, sind dann das didaktische Optimum. Diese Aufgabe erfüllt auch eine situativ-restriktive Darstellungsweise, wie sie dem Lernbuchstil entspricht. Nun verstärken sich allerdings die Tendenzen, mit der Einübung in juristische Fachsprache auch Berufsmotivation zu vermitteln 28 . Mehr als nur technische Rechtsbehandlung soll eine Didaktik vermitteln, die nicht vom Gesetz, sondern vom sozialen Konflikt ausgeht, Fachsprache also nicht abstrakt vermittelt, sondern mit der konkreten Umwelt des Lernenden verbindet. In dessen Erfahrungsbereich soll zunächst die Regelungsbedürftigkeit von Konflikten diskutiert werden, ehe mögliche Rechtsmaßnahmen und schließlich das Gesetz als Versuch sozialer Konfliktregelung eingeführt werden 29 . Wahrend Lernbücher jedes Problem - handele es sich um fiktive „Lehrbuchfälle" oder „echte" Konflikte - sofort in juristischen Termini beschreiben, sollen in einer neukonzipierten juristischen Didaktik umgangssprachlich anreihende Beobachtungen am Anfang der Rechtsdiskussion stehen. Das „Projektstudium" scheint hier die größten Aussichten zu bieten, Forschen, Lernen und praktisches Handeln so intensiv wie möglich aufeinander zu beziehen30. Denn sieht man die individuelle Aufarbeitung gesellschaftlicher Erfahrungen als inhaltliches Ziel des Sprachbildungsprozesses an 31 , dann enttäuscht eine in Lernbüchern fortgeführte Lehrbuchjurisprudenz die gestellten Erwartungen. Lernbücher geben zwar Antwort auf die Frage, welchen Inhalt ein Rechtsproblem hat. Daß ein Problem aber gerade dieser rechtlichen Behandlung bedarf, wird auf der Grundlage bereits formulierter Antworten vorausgesetzt. Texte sind mit anderen Texten, aber nicht mit möglichen Handlungsweisen verbunden. Eine Lehrbuchmeinung, als „examenswichtiges Klausurproblem" referiert, gibt sich neutral. Sie ist in Begründungen nicht wegen ihrer Handlungsrelevanz zu berücksichtigen, sondern aus Gründen der Sprachvollständigkeit 32 („Rechtssicherheit"). 28 Vgl. die Formulierung von Rainer Eckertz, D i e Aufgaben einer D i d a k t i k der Rechtswissenschaft (in: Neue Juristenausbildung, 42 ff., 51), Z i e l sei „ d i e Überführung des i n den Studien- u n d Berufserwartungen versteckten emanzipativen Gehalts i n primäre M o t i v a t i o n e n " . Josef Esser erläutert am Einzelfall: „ D . h. auch der schulmäßig zu lösende Fall m u ß genügend Spielraum für Gerechtigkeits- u n d Zweckmäßigkeitsüberlegungen lassen u n d deutlich machen, daß der Bearbeiter nicht hilflos auf begrifflichen Z w a n g reagieren m u ß " (Dogmatisches Denken, 127). 29 Vgl. die Fragerichtungen einer argumentationstheoretisch neukonzipierten juristischen D i d a k t i k bei Hassemer ( D i d a k t i k ) , 477. 30 A l f r e d Rinken, Das Juristenausbildungsgesetz - G r u n d r i ß u n d Rahmen einer Reform als Planungs- u n d Lernprozeß (in: Der neue Jurist, 11 ff., 25), sagt dazu allgemein, die Ansprüche an eine inhaltliche Ausbildungsreform fänden i n der Idee des Projektstudiums ihr adäquates M e d i u m . Schelsky, 415, argumentiert von einer entgegengesetzten politischen Position her, konzediert jedoch, die Theorie/Praxis-Vermittlung i n Projektstudien sei „ a n sich g u t " , werde nur durch „ideologische Täuschung" vereitelt. 31 Vgl. Kubier, 24: „ A l s ein Svstem sozialer K o m m u n i k a t i o n u n d Interaktion ist Recht verfestigte Überlieferung, die fiir jede A r t juristischer Praxis erlernt werden m u ß " . 32 Solche Vollständigkeitsregeln zählt Hassemer z u m „juristischen Sprachritual", das Sprachunterschiede fordert, ohne d a m i t Handlungsunterschiede zu verbinden (Strafrechtsdogmatik, 47 ff., 53).

III. Lehrbuchjurisprudenz und Juristenausbildung

Dieser beliebige Bezug von Begriffen auf Handlungen ist Gegenstand der Sprachkritik, die auf Handlungsrelevanz und nicht auf Begriffsrichtigkeit achtet. Das Ergebnis der Kritik lautet für die Juristenausbildung: Sollen Spracherwerb und Situationsverarbeitung zusammenhängen und auf diese Weise zur Verwendung von Fachsprache motivieren, kann Juristenausbildung 33 nicht schon fachsprachlich beginnen. Ansonsten bleibt es beim bekannten Dilemma der Lernbuchjurisprudenz: Der Lernende kann Begriffe verstehen, wenn er weiß, worauf es ankommt; worauf es ankommt, weiß er aber erst, wenn er das Begriffsystem schon verstanden hat. Im Anschluß daran läßt sich sprachkritisch ein konstruktiver Hinweis geben: Situative Ansatzpunkte schafft ein nicht mit Ableitungen beginnender Anreihungsstil. „Geschichtenerzählen" ist dabei dem abstrakten „Textverstehen" vorgelagert. Ein solcher Anreihungsstil bezieht ein Diskussions verfahren in die Ausbildungspraxis ein, das Theodor Viehweg als „Prämissensuche" 34 bezeichnet hat. Wenn Topoi Anweisungen zur Argumentsuche 35 geben, ist es konsequent, diesen Suchprozeß auch in der Ausbildung stattfinden zu lassen und nicht auf Fachdiskussionen unter Fachleuten zu beschränken 36. Inwieweit diese anreihende Redeweise in der Juristenausbildung tatsächlich neuen Situationsbezug vermittelt und sich mit dem notwendigen Begriffsverständnis verbinden läßt, kann nur eine entsprechende Sprech- und Ausbildungspraxis erweisen. Die Arbeit möchte diesen Bereich der inhaltlichen Ausbildungsreform analytisch vorbereiten.

33 A n der A r t dieses Zusammenhangs erhalten Vorschläge, Soziologie i n die Juristenausbildung zu integrieren, ihre didaktischen Konturen. D e n n es besteht Einigkeit darüber, daß ein „allseitig einarbeitungsfähiger J u r i s t " zumindest sozialwissenschaftlicher „ K e n n t n i s s e " bedarf, u m „Führungsaufgaben i n Staat u n d Gesellschaft" zu übernehmen (so B r o h m , 19). W ä h r e n d B r o h m konsequent die Sozialwissenschaften als Spezialdisziplinen gelehrt sehen w i l l , die wirklichkeitsbezogene Begriffsrestriktionen vermitteln, betont Lautmann, 101, mehr das durch Sozialwissenschaften vermittelte „Problembewußtsein". 34

Vieh weg ( T o p i k ) , 39.

35

Vgl. Viehweg ( T o p i k ) , 115; Lausberg, § 260, u n d Kopperschmidt, 141.

36

D i e Einbeziehung v o n Nicht-Fachleuten i n fachbezogene Diskussionen w i r d dann i n der A u s b i l d u n g praktiziert u n d für die Berufspraxis erstrebt. - D i e v o n A p e l geforderte „Realisierung der idealen Kommunikationsgemeinschaft" würde dadurch näherrücken, daß die „endlichen, politisch-juristischen Bedingungen" ihr nicht mehr entgegenständen, sondern Juristen diese Forderung z u m M o m e n t ihrer eigenen A r g u m e n t a t i o n machten. D i e Fachkunde des Juristen bestände dann darin, Nicht-Fachkundige so anzuleiten, daß sie sich auch i n einer Diskussion m i t fachsprachlichen Begriffen verständlich machen k ö n n e n - der Jurist als Fachmann für A r g u m e n t a t i o n (vgl. dazu A p e l , Das A p r i o r i der Kommunikationsgemeinschaft u n d die Grundlagen der E t h i k , in: ders., 358 ff., 4 2 6 , 4 3 4 , u n d Theodor Viehwegs Hinweise auf den ethischen Aspekt juristischer Begründung in: T o p i k , 118 f.).

Zusammenfassung I.l.a) Juristische Studientexte verwenden Fachsprache in mehr oder weniger komplexen Argumentationsgängen. Wahrend Ableitungen fachliche Abstraktionen vermitteln, kommen sprachliche Anreihungen dem allgemeinen Verständnis entgegen und wahren den Bezug zur Umgangssprache. Fachdidaktische Beratung bei der Frage, inwieweit anreihende Verständigung möglich und ableitende Komplexion notwendig sind, setzt die Kenntnis fachsprachlicher Rezeptionskonstituenten voraus. 1 .b) Das Problem, in welcher Weise Sprache - insbesondere Rechtssprache - die Textrezeption bestimmt, ist bislang vor allem anhand institutionalisierter performativer Sätze (Befehl, Urteilsverkündung etc.) erörtert worden. Darüber hinaus beeinflussen insbesondere Sprachmittel der fachlichen Syntax das Textverständnis. Die Rechtsfolgenprüfung in Anspruchsgrundlagen fordert sprachlich nichtsituative Handlungsbeurteilung und restriktives Zweckdenken. 1 .c) Sprachliche Restriktionen der juristischen Dogmatik können stufenweise in handlungsleitende Informationen zerlegt werden. Um den Handlungs- und Anweisungscharakter von Rechtssätzen zu vermitteln, müßten Studenten Rechtssätze als Behauptungen erfahren, die auf Fragen nach den Voraussetzungen einer situativen Anweisung antworten. Für die Verständigung im juristischen Lehrdialog ist dabei entscheidend, inwieweit der Lernende selbst situative Gesichtspunkte einführen und problematisierende Fragen stellen kann. Das ist nur möglich, wenn Abstraktionsgrad und Restriktivität der Texte solche Fragestellungen noch zulassen. 2. Die Form des jeweiligen Satzes gibt Anhaltspunkte für die Art des Verständigungserfolges. Abstraktionsgrad und Restriktivität eines Textes lassen sich sprachlich operationalisieren: a) Eine Satzfolge wird nach Bestand und Airt ihrer thematischen Progression gegliedert (Thema/Rhema-Gliederung). b) Ein Satz wird in seine Konstituenten zerlegt (Aufgliederung in Kernsätze und T-Fügungen). Anhand des analytischen Ergebnisses läßt sich der sprachliche Situationsbezug charakterisieren. 3.a) Der gegenseitige Bezug von Sprache und Sozialverhalten kann unter verschiedenartigen Hypothesen kritisiert werden. Unter den Voraussetzungen einer regulativen Grammatiktheorie (Chomsky) lassen sich Sätze nach Grammatikalität und Akzeptabilität beurteilen. Die Grade der Akzeptabilität wiederum werden

Zusammenfassung

155

soziolinguistisch aufgrund einer mehr normativ geprägten „Defizit-Hypothese" und einer mehr analytisch orientierten „Differenz-Hypothese" gewichtet. Für die Kritik an juristischer Fachsprache stellt sich in ähnlicher Weise die Frage, ob die kommunikative Leistung eines elaborierten Fachstils höher einzuschätzen ist als umgangssprachliche Anreihung. Die juristische Topik mißt nämlich gerade „dem Gebrauch der genuinen Sprache" (Viehweg) eine besondere Bedeutung zu. Die Verflechtung von Fachstil und Umgangssprache ist Gegenstand der Einzelanalysen in Teil II. 3.b) Die Sprachkritik setzt anhand von 6 Kriterien ein, die mit Hilfe der in 1.2. vorgestellten sprachanalytischen Operationen ermittelt werden. Die Kriterien thematisieren das Spannungsfeld zwischen den Verständigungsmustern Ableitung und Anreihung. ILl.a) Analyse: Karl Larenz, Allgemeiner Teil des deutschen Bürgerlichen Rechts, 1. Aufl., München 1967, S. 338: Larenz leitet seine dogmatische Begründung, die Wirksamkeit einer Willenserklärung beruhe auf der „objektiven Finalität" des Verhaltens, aus vorausgesetzten Begriffen der juristischen Basisdoktrin ab. Die Satzfolge ist komplex (nichtsituativ), aber variationsreich. Sie deduziert Dogmatik aus Alltagsbewußtsein. ILl.b) Analyse: Karl Larenz, ebd., S. 68/69: Larenz fundiert seine Begründung in einem „rechtstheoretischen Strukturmodell" anhand der eingeführten Oberbegriffe. Die Larenzsche „Dialektik" veranschaulicht Allgemeinbegriffe in situativen, nichtrestriktiven Sätzen. Dogmatik erscheint nicht als Technik, sondern als Setzung. II.2.a) Analyse: Dieter Medicus, Bürgerliches Recht, 3. Aufl., lin/Bonn/München 1970, S. 44/45:

Köln/Ber-

Medicus begründet Dogmatik technisch. Er folgt inhaltlich der Mindermeinung von Flume, wonach eine ohne Erklärungswillen abgegebene Willenserklärung nicht nichtig, sondern anfechtbar sei. Die Deduktionsketten sind kürzer und zahlreicher als bei Larenz, der Textzusammenhang wirkt jedoch restriktiv und erschwert dadurch das Verständnis. 11.2.b) Analyse: Dieser Medicus, Bürgerliches Recht, 2. Aufl., Köln usw. 1969, S. 53/54: In der Vorauflage vertritt Medicus zum gleichen Problem den Standpunkt der herrschenden Meinung. Den Meinungs wechsel macht Medicus nicht plausibel. Die dogmatische Begründung einer Meinung und die praktische Entscheidung für diese Meinung sind nicht - wie bei Larenz - aufeinander bezogen. 11.3. Analyse: Alpmann/Schmidt/Falckenberg: Kurs im BGB AT/Karteikarte 1: Es handelt sich um einen reinen Lerntext, der den Inhalt von Lehrmeinungen referiert und als Begründungsmaterial nebeneinanderstellt. Ein allgemeines Gerüst redundant dargebotener Information wird mit Lerndetails angereichert. Da sich das

156

Zusammenfassung

Referat nicht - wie bei Medicus - mit Kritik verbindet, bleibt die sprachliche Komplexität des Textes auf mittlerer Ebene und steht dem Verständnis nicht entgegen. 11.4. Analyse: Olaf Werner, Examens wichtige Klausurprobleme, hrsgg. v. Uwe Diederichsen. 20 Klausurprobleme aus dem BGB Allgemeiner Teil, Frankfurt/Berlin 1970, S. 23-25: Die Abstraktion von Konfliktentscheidungen in „examenswichtige Klausurprobleme" löst Dogmatik ganz aus ihrem situativen Entstehungszusammenhang. Werner referiert verschiedene Meinungen in hochkomplexen, untereinander kaum verbundenen Sätzen. Diese Problemwiederholung verleitet mehr zum Hersagen des Gelernten als zu kenntnisreicher Argumentation. 11.5. Analyse: Schwind/Hassenpflug/Nawratil, BGB - leicht gemacht, 8. Aufl., München 1973, S. 21/22: Dieser Lerntext bietet eine voraussetzungslose Einführung in die „Anatomie einer Willenserklärung". Nawratil verknüpft einfache, situative Sätze in einem restriktiven Argumentationsgang zu voraussetzungsreichen Begriffskonstruktionen. Eine derartige „Prädikation" von Begriffen (Lorenz) setzt allerdings die Verläßlichkeit der Umgangssprache voraus. Sie vermittelt kein Problembewußtsein. 11.6. Analyse: Karl Larenz, Allgemeiner Teil des deutschen Bürgerlichen Rechts, 2. Aufl., München 1972, S. 275/276: Larenz vollzieht im Auflagenwechsel gleichzeitig einen Stilwandel seines Lehrbuchs. Er verbindet jetzt bei der dogmatischen Behandlung der Willenserklärung begriffliche „Dialektik" und fallbezogene Veranschaulichung von Begriffen. Die Darstellungsweise spiegelt die Inhaltsunterschiede in Komplexitätsdifferenzen. 11.7. Analyse: Alpmann und Schmidt, Juristische Lehrgänge, Skriptum Strafrecht Allgemeiner Teil, Heft 1, 1973, S. 87-89: Dieses Skriptenbeispiel veranschaulicht auf dem Hintergrund einer komplexen Fallösung die Prüfungsfolge des Rechtfertigungsgrunds Notwehr. Die Einführung in neue Begriffe steht neben voraussetzungsreichen Problemzusammenhängen. Die Darstellung beginnt mit einfach formulierten Grundsätzen, die in Ableitungen nach und nach eingeschränkt werden. Sie vermittelt Problemübersicht, setzt aber Problemeinsicht voraus. 11.8. Analyse: Alpmann und Schmidt, Klausur im Strafrecht Β 247 (ν. 10.1.1972), Omnibus-Fall, S. 2: Die Anwendung des Lehrstoffs üben Alpmann und Schmidt in ausgewählten Klausuren ein. Der Klausurenstil zeichnet sich durch die deduktive Aufbereitung von Situationsmerkmalen aus. Die Anreihung von Ableitungen macht „saubere" Subsumtion aus. II.9a) Analyse: Albin Eser, Studienkurs Strafrecht 1, Obstdieb-Fall 9, Abschnitte 12-15 (S. 74 f.):

Zusammenfassung

157

Eser verbindet in seiner Darstellung der Notwehrprüfung die kritische Sicht des traditionellen Lehrbuchs mit der einführenden Sprechweise von Lerntexten. Das analysierte Textbeispiel beginnt mit der einführenden Anreihung von Situations merkmalen und zögert Grundsatzformulierungen hinaus. Die Komplexitätsabstufung innerhalb des Textes entspricht den lerntheoretisch notwendigen Lernschritten (Gagné). II.9b) Analyse: Albin Eser, ebd., Abschnitte 17-18 (S. 75): In seinem insgesamt relativ umfänglichen Fallbeispiel gelingt es Eser, Problemübersicht und Problemeinsicht gleichzeitig zu vermitteln. Vorbereitende Strukturierung des Problemfeldes und Wiederholungen des Gelernten unterbrechen durch Anreihungen den deduktiven Aufbau. Sein eigenes dogmatisches Ergebnis macht Eser im vergleichenden Referat plausibel. ILIO. Analyse: Hermann Blei, Prüfe dein Wissen: Strafrecht, Allgemeiner Teil, 6. Aufl., München 1970, Fragen 100, 102, 103: Fragen und Antworten zum Komplex Notwehrhandlung sollen der Wiederholung schon gelernten Wissensstoffs dienen. Die Darstellungsweise ähnelt neueren programmierten Lehrbüchern (Dilcher). Der sprachliche Bezug zum Lernstoff wird in den Wissensfragen allerdings nicht deutlich. Sie wiederholen nicht Probleme, sondern geben neue Probleme auf. III. Die Kritik am juristischen Sprachgebrauch richtet sich auf die mögliche Verselbständigung juristischer Fachsprache gegenüber Rechtshandeln und Umgangssprache. Rechtssprache kann zwar auf ableitende Begriffsbildung nicht verzichten, sofern sie ihre kommunikative Aufgabe erfüllen will, privatsprachliche Besonderung mit gesellschaftlichen Allgemeinvorstellungen zu vermitteln. Die isolierte Subsumtion unter Allgemeinbegriffe ( „Lehrbuch jurisprudenz") verfehlt jedoch regelmäßig die konkrete Problemlage. Zur situationsgerechten Textverarbeitung sind Anreihungen notwendig. Juristische Studientexte tendieren dazu, den kommunikativen Aspekt gegenüber der differenzierten Behandlung von Allgemeinbegriffen zu vernachlässigen. Diese Art der Lehrbuchjurisprudenz zeigt sich im Lehrbuchstil und im Lernbuchstil. Als „Lehrbuchstil" wird eine nichtsituative, aber auch nichtrestriktive (und insofern „begriffskritische") Redeweise bezeichnet. Der Lernbuchstil ist hingegen regelmäßig restriktiv, aber stärker situationsbezogen (also sprachlich weniger komplex) als der Lehrbuchstil. Ein Anreihungsstil könnte hingegen im Rahmen einer reformierten Juristenausbildung eine adäquate Sprachpraxis prägen. Anreihungen motivieren dazu, die im Recht gebundene Sprachtradition mit eigenen Erfahrungen zu verbinden. Fachsprachlich schon verortete Topoi könnten ihre kommunikative Leistungsfähigkeit in konkurrierenden Formen der Situationsbetrachtung ausweisen.

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Register der zu sprachkritischer Theoriebildung verwendeten Begriffe

Diese terminologische Übersicht soll i m Verlauf der Lektüre die Orientierung erleichtern. Die Begriffsbestimmungen beziehen sich lediglich auf den Sprachgebrauch in dieser Arbeit. - Ziffern bezeichnen die Seitenzahlen des Textes. Ableitung,

nichtsituatives, restriktives Verständigungsmuster; formal ausgezeichnet durch hohe Satzkomplexität, dichten Verknüpfungszusammenhang (lineare thematische Progression) u n d wenig TFügungen 18, 24, 41, 49, 68, 93,147 ff.

Anreihung,

situatives, nichtrestriktives Verständigungsmuster; formal ausgezeichnet durch geringe Satzkomplexität, gelockerten Verknüpfungszusammenhang (konstante thematische Progression) u n d eine Vielzahl von T-Fügungen (hohen assoziativen Gehalt) 18, 27, 40, 41, 60, 67, 123 f., 151

Anweisung,

der sprachlich direktive Bezug auf Sozialverhalten. Die Anweisung liegt als sprachlicher Imperativ den Behauptungen in Aussagesätzen zugrunde. 27, 31, 41, 61, 101

ArgumentationsSchwerpunkt,

Textebene m i t den meisten handlungsrelevanten Informationen; formal bestimmt durch die relative Häufigkeit von Kernsätzen auf einer Satzstufe 4 5 , 4 9 , 57, 92, 123, 130, 137,146 f.

Aussage,

die sprachlich konstative Schilderung von Sozialverhalten. Die Aussage antwortet ( i m Aussagesatz) auf Fragen nach den Situationsumständen einer Anweisung. 23, 31

sprachliches Handeln,

in Sprachsymbolen gebundene Anweisung zu einem situativen Verhalten 13,17,19 ff., 23, 25, 27, 37, 42,146

Kernsatz,

Satzbegriff einfacher syntaktischer Struktur, der sich nicht in zwei weitere Sätze m i t jeweils getrenntem Informationsgehalt zerlegen läßt 33, 36, 40, 43, 49, 50, 58, 92,109,116,138,146 f.

Komplexität,

Verschachtelung i m Satz u n d Abstraktionen i m Text, s. Ableitung u n d Satzkomplexität

166 thematische Progression,

Progressionstypen: thematisch konstant,

Register m i t Hilfe der Funktionellen Satzperspektive (FSP) ermittelter Verknüpfungszusammenhang: In einem Satz werden der Informationsgegenstand, das Thema (topic), u n d die Neuinformation, das Rhema (comment, Kommentar), unterschieden. 28, 29 ff., 43, 49 f., 67, 93,109,147 Anreihung von Informationen an ein gleichbleibendes Thema

thematisch linear,

Thema/Rhema-Wechsel: Die Information des einen Satzes ist Informationsgegenstand des folgenden. 3 3 , 4 3 , 58, 60, 67,101,117,124,130, 149

nichtrestriktiv,

Merkmal sprachlichen Handelns: Rede paßt sich dem Verständnis der Kommunikationspartner an: formal bestimmt durch konstante thematische Progression 25, 28, 32, 39, 59,142, 148

nichtsituativ,

Merkmal sprachlichen Handelns: Rede ist auf Beherrschung der Kommunikationssituation angelegt; formal bestimmt durch hohe Satzkomplexität 22, 28 f., 39, 49, 87,109, 142,148

restriktiv,

Merkmal sprachlichen Handelns: Rede fordert Vorverständnis u n d legt künftiges Verstehen fest; formal bestimmt durch lineare thematische Progression 22, 25, 27, 28, 31, 39, 67, 93, 95, 142, 148

Satzbegriff,

Reduktion eines normalsprachlichen Satzes auf eine Prädikatfunktion (Subjekt-Prädikat-Fügung) 30 f., 32, 34, 36

Satzkomplexität,

mehrfache Verschachtelung in einem Satzgefüge, die Verständnis erschwert; formal nachweisbar anhand der Anzahl der Satzstufen, die notwendig sind, u m einen gegebenen Satz durch binäre Teilung in Kernsätze zu zerlegen 38, 45, 57, 67, 85,101, 105,113,130, 146

Satzstufe,

Ebene in der Hierarchie eines Satzgefüges; formal bestimmt durch Zerlegung eines gegebenen Satzes in zwei Sätze m i t selbständigem Informationsgehalt 33 f., 43, 45, 49,139,146

situativ,

Merkmal sprachlichen Handelns: Rede ist auf die K o m m u n i k a tionssituation bezogen; formal bestimmt durch geringe Satzkomplexität 25, 29, 39 f., 59, 142, 148

Sprachanalyse,

Aufweis der Sprachelemente, die Sozialverhalten beeinflussen 12,27-36 (Methode), 43-45 (Kriterien), 46-140 (Beispiele), 141, 146

Sprachkritik,

Bewertung des gegenseitigen Bezugs von Sprache u n d Sozialverhalten 12, 14, 36, 41 f., 86, 95, 123, 141 f., 153

Register Stufe,

s. Satzstufe

T-Fügung,

angereihter Satzteil; die Anzahl der T-Fügungen bestimmt formal den assoziativen Gehalt eines Satzes 3 5 , 4 3 , 45, 51 f., 57, 92, 117,125

Verknüpfungszusammenhang,

wechselseitige Bezugnahme in Sätzen eines Textes, formal angezeigt durch die Art der Wortverwendung, Pronominalisierungen, Relationen u. a. Transformationen; s. a. thematische Progression 44 f., 49 f., 58, 65, 71, 78, 85, 101,109,116,131, 147