Zugangsprobleme des digitalen Fernsehens [1 ed.] 9783428505609, 9783428105601

Die Regulierung von Zugangsfragen zählt zu den drängenden Fragestellungen unserer Zeit. So beschreibt Jeremy Rifkin unse

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Zugangsprobleme des digitalen Fernsehens [1 ed.]
 9783428505609, 9783428105601

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Schriften zu Kommunikationsfragen Band 33

Zugangsprobleme des digitalen Fernsehens Von

Claudia Rinke

Duncker & Humblot · Berlin

CLAUDIA RINKE

Zugangsprobleme des digitalen Fernsehens

Schriften zu Kommunikationsfragen Band 33

Zugangsprobleme des digitalen Fernsehens

Von

Claudia Rinke

Duncker & Humblot · Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Rinke, Claudia: Zugangsprobleme des digitalen Fernsehens / Claudia Rinke. Berlin : Duncker und Humblot, 2002 (Schriften zu Kommunikationsfragen ; Bd. 33) Zugl.: Tübingen, Univ., Diss., 2001 ISBN 3-428-10560-5

D 21 Alle Rechte vorbehalten © 2002 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: Selignow Verlagsservice, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0935-4239 ISBN 3-428-10560-5 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 θ

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2000/2001 von der Juristischen Fakultät der Universität Tübingen als Dissertation angnommen. Sie wurde 1999 abgeschlossen. Literatur, Rechtsprechung und Regulierung wurden bis zu diesem Zeitpunkt berücksichtigt. Da das Medienrecht laut Cristoph Engel aufgrund seiner geringen Halbwertszeit in die Liste der radioaktiven Substanzen aufgenommen werden müßte, könnte die Arbeit mittlerweile komplett überarbeitet werden. Dies würde jedoch an der grundsätzlichen Aussage und den Ergebnissen der Arbeit nichts ändern und würde wiederum einer ebenso geringen Halbwertszeit unterliegen. So hoffe ich, daß das Buch auch in seiner vorliegenden Fassung einen Beitrag zur Lösung der medienrechtlichen Zugangsfragen leistet. Unabhängig von der weiteren Entwicklung des digitalen (Bezahl-)Fernsehens zählt die Gewährung des Zugangs zu Inhalten und Übertragungseinrichtungen und -leitungen nicht zuletzt seit Jeremy Rifkin's „The age of access - how the shift from ownership to accès is transforming modern life" zu den drängenden Fragestellungen unserer Zeit. An dieser Stelle möchte ich mich ganz herzlich bei meinem Doktorvater Prof. Dr. Michael Ronellenfitsch für die engagierte Betreuung der Arbeit bedanken. Danken möchte ich auch Herrn Prof. Dr. Dr. h. c. Thomas Oppermann für seine gründliche Durchsicht der Arbeit und rasche Erstellung des Zweitgutachtens. Für unzählige konstruktive Hinweise und anregende Gespräche über die Zukunft des digitalen Fernsehens möchte ich Frau Dr. Anja Bundschuh, Herrn Hartmut Schultz und Herrn Mathias Benduli danken. Für ihre Hilfe bei der Textverarbeitung möchte ich Frau Birgit Haslinger danken. Meiner Großmutter danke ich schließlich für ihre Unterstützung. Ihr ist dieses Buch gewidmet. München, September 2001

Claudia Rinke

Inhaltsverzeichnis Einleitung

13 Erstes Kapitel Einführung

15

A. Entwicklung in den von Konvergenz betroffenen Teilmärkten I. Rundfunk II. Telekommunikation III. Informationstechnologie IV. Printmedien

15 15 18 19 20

B. Zusammenwachsen der medialen Teilbereiche durch Konvergenz I. Digitalisierung II. Integration und Interoperabilität der Netze III. Endgeräte IV. Verschlüsselung V Inhalte VI. Vertikale und horizontale Konzentration VII. Zusammenfassung

21 21 22 23 24 24 25 26

C. Digitales Fernsehen I. Historie II. Inhalte 1. Inhalte der ersten Phase 2. Inhalte der zweiten Phase III. Digitale Vertriebsdienstleistungen 1. Playout 2. Set-top-Boxen 3. Ver- und Entschlüsselung 4. Elektronische Programmführer 5. Paketbildung 6. Abonnentenverwaltung IV. Zusammenfassung

27 27 31 31 33 35 35 37 40 42 43 45 46

D. Gang und Zielrichtung der Untersuchung

48

Zweites Kapitel Zugang zu den Vertriebsdienstleistungen A. Die bestehende Rechtslage

50 51

8

Inhaltsverzeichnis I. Multiplexing 1. Rundfunkrechtlicher Lösungsansatz a) Die verfassungsrechtliche Ausgangslage - Positive Rundfunkordnung ... b) Rundfunkstaatsvertrag aa) § 53 RStV bb) Gesetzgebungskompetenz der Länder (1) Rundfunkkompetenz (2) Regelungskompetenz für Tätigkeiten der Sendetechnik c) Mediendienstestaatsvertrag d) Pilotklauseln in den Landesrundfunkgesetzen e ) l . M V V O in Nordrhein-Westfalen aa) Regelungskompetenz des Verordnungsgebers bb) Verpflichtung zur Gewährung diskriminierungsfreien Zugangs cc) Zuweisung der Multiplexkapazitäten durch die Landesmedienanstalten dd) Anzeigepflicht f) Kanalbelegungssatzung Hessen g) Beschlüsse der Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten aa) Eckwerte für die Erprobung und Einführung von Digital Video Broadcasting (DVB) vom 13. Februar 1996 bb) Vorkehrungen zur Sicherung des chancengleichen Zugangs gegenüber technischen und Programmplattformen vom 17. Juni 1997 cc) Weiterentwicklung der Vorkehrungen zur Sicherung des chancengleichen Zugangs gegenüber technischen und Programmplattformen vom 16. Dezember 1997 h) Pilotprojektszulassungen i) Entwurf des 4. Rundfunkänderungsstaatsvertrages j) Zwischenresümee 2. Telekommunikationsrechtlicher Lösungsansatz a) Die verfassungsrechtliche Ausgangslage - Die neue Telekommunikationsfreiheit b) Telekommunikationsgesetz aa) Anwendbarkeit des TKG bb) Lizenzpflicht für Telekommunikationsdienstleistungen cc) Anzeigepflicht dd) Offenheitssicherungen (1) Verpflichtung zu diskriminierungsfreiem Zugang (a) Marktbeherrschende Stellung (b) Geschützter Unternehmerkreis (c) Wesentliche Leistungen (d) Rechtsfolgen des Mißbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung (2) Offener Netzzugang und Zusammenschaltung (3) Entbündelungsgebot (4) Entgelteregulierung c) Teledienstegesetz d) Ergebnis

51 51 51 54 54 54 55 56 63 64 66 67 67 69 70 71 72 72 73

75 76 76 77 78 78 78 79 81 83 83 85 85 86 87 88 89 90 91 93 94

Inhaltsverzeichnis II. Conditional Access 1. EU-Fernsehsignal-Übertragungsrichtlinie 2. § 53 RStV a) Umsetzung der Vorgaben der EU-Fernsehsignal-Übertragungsrichtlinie . b) Gesetzgebungskompetenz der Länder für Zugangsberechtigungssysteme c) Inhaltliche Bewertung 3. Fernsehsignalübertragungs-Gesetz a) Übertragungssystem b) Empfangsgeräte, Verwürfelungsalgorithmus c) Chancengleicher Zugang zu Verschlüsselungssystemen d) Schlichtungsverfahren e) Inhaltliche Bewertung 4. l . M V V O a) Zugang des Zuschauers zu allen zugelassenen Rundfunkangeboten b) Diskriminierungsfreier Zugang für alle Teilnehmer des Modellversuchs . 5. Kanalbelegungssatzung Hessen 6. Beschlüsse der Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten 7. Entwurf des Vierten Rundfunkänderungsstaatsvertrages III. Navigationssysteme und Application Programming Interfaces 1. §53 RStV a) Gesetzgebungskompetenz b) Diskriminierungsfreier Zugang 2. Mediendienstestaatsvertrag, Teledienstegesetz 3. 1. MVVO, Kanalbelegungssatzung Hessen 4. Beschlüsse der Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten 5. Pilotprojektszulassungen 6. Entwurf des vierten Rundfunkänderungsstaatsvertrages IV. Paketbildung V. Zusammenfassung

95 95 96 97 97 99 100 100 101 102 103 104 105 105 106 106 106 108 109 110 110 111 112 112 113 114 114 115 116

B. Verfassungsrechtliche Vorgaben für eine zukünftige Regulierung I. Rundfunkspezifische Offenheitspflege II. Telekommunikationsrechtliche Infrastrukturgewährleistung für technische Vertriebsdienstleistungen III. Abstimmung zwischen Bund und Ländern bei der Regulierung der Vertriebsdienstleistungen

118 118

122

C. Ergebnis

123

121

Drittes Kapitel Die Regulierung des digitalen Fernsehens in Großbritannien

125

A. Die Ausgangslage in Großbritannien

125

B. Ausgewählte Regelungsfelder I. Lizenzen für Inhalteanbieter II. Multiplexlizenzen III. Conditional Access

127 127 128 132

10

Inhaltsverzeichnis IV. Navigationssysteme V. Application Programming Interfaces VI. Paketbildung

C. Ergebnis

137 139 139 140

Viertes Kapitel Eigener Regulierungsvorschlag

142

A. Regulierungsgrundsätze

142

B. Einzelne Regelungsfelder I. Zugang II. Zusammenschaltung III. Aufsichtsverfahren IV. Rundfunkrechtliche Aufbaustufe

143 143 144 144 145

C. Regelungsrahmen

145

Literaturverzeichnis

147

Sach wort Verzeichnis

155

Abkürzungsverzeichnis ACC ALM API Β DB BLM BMPT DLM DNH DTI DTT DVB EBU ECM ELG

EMM EPG EU FSK ftp FÜG IP IRC ISDN ITC IuKDG KB S

KEK LfR Mbit/s MMBG MSG MStV MUD

1. M W O

NVoD OFTEL

ONP

Authorisation Control Center Arbeitsgemeinschaft der Landesmedienanstalten Application Programming Interface British Digital Broadcasting PLC Bayerische Landeszentrale für neue Medien Bundesministerium für Post und Telekommunikation Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten Department of National Heritage Department of Trade and Industry Digital Terrestrical Television Digital Video Broadcasting European Broadcast Union Entitlement Control Message European Launching Group Entitlement Management Message Electronic Programme Guide Europäische Union Freiwillige Selbstkontrolle Kino Datei-und Programmtransfer Fernsehsignalübertragungs-Gesetz Internetprotokoll Internet Relay Chat Integrated Services Digital Network Independent Television Commission Informations- und Kommunikationsdienste-Gesetz Kanalbelegungssatzung Hessen Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich Landesanstalt für Rundfunk Nordrhein-Westfalen Megabit pro Sekunde Multi Media Betriebsgesellschaft Media Service GmbH Mediendienstestaatsvertrag Multiple User Dungeon 1. Verordnung zur Durchführung eines Modellversuchs mit digitalem Femsehen und neuen digitalen Kommunikationsdiensten in Nordrhein-Westfalen Near Video on Demand Office for Telecommunication Open Network Provision

12 RStV RStV-E SES SI SigG SMS TDDSG TDG Telekom TKG VoD VPRT

Abkürzungsverzeichnis Rundfunkstaatsvertrag Entwurf des Vierten Rundfunkänderungsstaatsvertrages Société Européenne des Satellites Service Information Signaturgesetz Subscriber Management System Teledienstedatenschutzgesetz Teledienstegesetz Deutsche Telekom AG Telekommunikationsgesetz Video on Demand Verband privater Rundfunk und Telekommunikation e. V.

Einleitung Die Kommunikations- und Medienlandschaft steht vor enormen Umbrüchen, die bereits als dritte technologische Revolution bezeichnet werden1. Ermöglicht und beschleunigt wird diese Entwicklung durch die digitale Verarbeitung, Speicherung, Vervielfältigung und den Transport von Daten aller Art (Text, Ton, Bild, Bewegtbild und Graphik). Die Gesamtheit der damit verbundenen technischen Entwicklungen wird mit dem Begriff der Konvergenz2, die Gesamtheit der davon zu erwartenden gesellschaftlichen Entwicklungen wird mit dem Begriff der Informations- bzw. Kommunikationsgesellschaft 3 zusammengefaßt. Die Auswirkungen dieser Entwicklungen sind weitreichend, da die neuen digitalen Techniken die Informationsübermittlung in allen Lebensbereichen erfassen. Es ist zu erwarten, daß neue Dienste entstehen und bestehende Dienste weiterentwikkelt werden, die den gesamten Informationsmarkt erweitern. Das gilt für die Wirtschafts- und Arbeitswelt, die Wissenschaft und den Alltag der Bürger. Als Teil der Organisation von Betrieben, Unternehmen und Verwaltungen setzen sich die neuen Kommunikationstechniken immer mehr durch. Man spricht von Telearbeit, virtuellen Unternehmen und Electronic Commerce. In allen Bereichen ist festzustellen, daß der körperliche Transport und die Wahrnehmung von bisher nur vor Ort verfügbaren Informationen zunehmend durch den Austausch von „bits" ersetzt wird. Zu den Tätigkeitsfeldern, in denen die technologischen Innovationen am schnellsten zu einschneidenden Veränderungen geführt haben und weiterhin führen werden, gehört der Rundfunkbereich. In Deutschland hat die KirchGruppe Mitte 1996 mit „DF1" die erste digitale Fernsehplattform in Deutschland gestartet. Digitales Fernsehen verspricht eine Vielzahl neuer Kanäle, neue Formen der Programmver1

Ring, Rundfunk im Umbruch: Anforderungen an eine Neuordnung der elektronischen Medien im Medienmarkt der Zukunft, ZUM 1996, 448, 448. 2 Der Begriff „Konvergenz" ist nicht genau zu definieren, wird aber im allgemeinen beschrieben als die Fähigkeit verschiedener Netzplattformen ähnliche Dienste zu übermitteln. Weiterhin wird damit die Verschmelzung von Endgeräten wie Telefon, Fernseher und PC bezeichnet; vgl. Europäische Kommission, Grünbuch zur Konvergenz der Branchen Telekommunikation, Medien und Informationstechnologie und ihren ordnungspolitischen Auswirkungen, KOM-(97) 623, 03.12.1997, S. 1. 3 Der Begriff der „Informationsgesellschaft" stammt aus den USA. In Abgrenzung zu einer Gesellschaft, die primär auf der Produktion, Distribution und Konsumption industrieller Güter basiert, dominieren in einer Informationsgesellschaft die Erzeugung, Verwaltung, Verwertung und die kommunikative Vermittlung von „Information". Der Akzent von „Kommunikationsgesellschaft" liegt demgegenüber auf den sozialen Verständigungsprozessen; vgl. Lange/Seeger, Technisierung der Medien, 1997, S.3.

14

Einleitung

marktung und die Verwandlung des Fernsehers in einen Multimedia-Terminal. Damit sollen in Zukunft nicht nur Rundfunkangebote empfangen werden können, sondern auch der Zugang zum Internet, zu Online-Diensten und zur virtuellen Bibliothek und Videothek möglich sein. Die Einführung des digitalen Fernsehens wirft somit eine Vielzahl von Rechtsproblemen auf. Diese folgen zum einen daraus, daß das digitale Fernsehen neue Angebotsformen mit sich bringt. Zum anderen wird der Zugang zu diesen neuen Angeboten künftig ähnlich wie beim Vertrieb der Presse durch eine Reihe von Dienstleistungen vermittelt, die sich aus den besonderen Realisierungsbedingungen des digitalen Rundfunks ergeben. Diese Arbeit befaßt sich mit den Regulierungsfragen, die durch die Einführung des digitalen Fernsehens aufgeworfen wurden. Dabei soll die konvergente Entwicklung berücksichtigt werden. Diese Notwendigkeit folgt zum einen daraus, daß das digitale Fernsehen bereits ein „Symptom" der beginnenden Konvergenz ist. Die regulatorischen Probleme können daher nur sinnvoll gelöst werden, wenn das digitale Fernsehen in den Gesamtzusammenhang der Konvergenz eingeordnet wird. Zum anderen sollte eine zu Beginn des digitalen Zeitalters geschaffene Rundfunk- oder Wirtschaftsordnung den noch zu erwartenden konvergenten Entwicklungen standhalten und diesen Prozeß außerdem durch günstige rechtliche Rahmenbedingungen fördern und beschleunigen.

Erstes Kapitel

Einführung A. Entwicklung in den von Konvergenz betroffenen Teilmärkten Die gegenwärtige Situation der von der konvergenten Entwicklung betroffenen Medien (Rundfunk, Telekommunikation, Informationstechnologie und Printmedien) ist gekennzeichnet von unterschiedlichen Angebotsformen, technischen Infrastrukturen und Marktverhältnissen. Zum besseren Verständnis der konvergenten Entwicklungen und der daraus resultierenden Probleme soll zunächst die bisherige Entwicklung in den Teilmärkten kurz skizziert werden.

I. Rundfunk Nach dem zweiten Weltkrieg wurde der Rundfunk in Deutschland in der Zuständigkeit der Länder durch die Gründung der Landesrundfunkanstalten zunächst ausschließlich öffentlich-rechtlich organisiert. Auf der Grundlage des Fernsehvertrages von 1953 wurde die ARD gegründet, 1961 unterzeichneten die Länder den Staatsvertrag über die Einrichtung des ZDF. Rundfunk wurde als angebotsorientierte, gleichsam hoheitliche Aufgabe betrachtet. Technisch gesehen ist diese Phase durch die terrestrische Verbreitung geprägt. Die zweite Phase Anfang der 80er Jahre war gekennzeichnet durch eine Ausweitung der Übertragungsmöglichkeiten in Form der wachsenden Bedeutung der Übertragungswege Kabel und Satellit und damit einhergehend einer Liberalisierung bestehender rechtlicher Zugangsschranken und einem daraus resultierenden Auftreten privater Rundfunkunternehmen, die in Konkurrenz zu den öffentlich-rechtlichen Rundfunkprogrammen traten. Die Entwicklung hat von einem gebührenfinanzierten Oligopol der öffentlich-rechtlichen Rundfunkveranstalter zum dualen System mit werbefinanzierten privaten Rundfunkanbietern geführt. In Deutschland kann die Mehrzahl der Haushalte inzwischen über 30 Fernsehprogramme 1 „frei" 2 empfangen. Die Hälfte dieser Programme wird inzwischen von privaten Anbietern veranstaltet. Das Verhältnis zwischen den privaten und den öffentlich-rechtlichen Sen1

Meyn, Massenmedien in der Bundesrepublik Deutschland, 1996, S.5. Sog. Free-TV, d. h. Fernsehprogramme, die entweder durch Rundfunkgebühren oder Werbeeinnahmen finanziert werden, aber kein unmittelbares Entgelt von den Zuschauern erhalten. 2

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1. Kap.: Einführung

dem hat sich - wenn man die Einschaltquoten vergleicht - in den vergangenen Jahren umgekehrt. Noch 1992 lagen ARD und ZDF vor den Privaten, heute wird das Ranking von RTL angeführt 3. Viele Fernsehprogramme sind sog. Vollprogramme, d. h. Programme, die ein ausgewogenes Verhältnis an Informations-, Unterhaltungs- und Sportsendungen bieten (ARD, ZDF, RTL, SAT 1, Pro Sieben und RTL 2). Daneben gibt es eine zunehmende Zahl von sogenannten Spartenprogrammen, die ausschließlich eine Programmfarbe abdecken ζ. B. MTV (Musik), DSF (Sport) und η-tv (Nachrichten). Auch hinsichtlich der Fernsehnutzung ist ein Trend zu Spartenprogrammen zu beobachten. Diese Programme konnten in ersten Halbjahr 1997 mit zusammen knapp 20 Prozent Marktanteil deutlich mehr Zuschauer auf sich vereinigen als der langjährige Marktführer RTL 4 . Anfang 1991 kam der analoge Pay-TV-Sender „Premiere" hinzu, dessen Angebot im wesentlichen aus aktuellen Spielfilmen und Sportsendungen besteht. Anfang 1997 hatte „Premiere" nach eigenen Angaben 1,5 Millionen Abonnenten. Seit Mitte 1996 gibt es in Deutschland digitales Fernsehen. Erster Anbieter war der Pay-TV-Sender „DF1". Digitales Fernsehen ist gekennzeichnet durch ein Ineinandergreifen von (teilweise) neuen Angebotsformen und neuer Technik. Inhaltlich wird dem Zuschauer eine Vielzahl von Spartenprogrammen geboten, die in ihrer Gesamtheit ein Vollprogramm ersetzen. Zusätzlich werden im sog. Near-Video-onDemand-Verfahren auf mehreren Kanälen zeitversetzt Spielfilme oder besondere Events, wie etwa Konzerte oder Sportübertragungen, gesendet. Die Nutzung dieser Angebote wird dem Zuschauer zusätzlich zu den monatlichen Abonnementgebühren pro gesehene Sendung berechnet (sog. Pay-per-View). Die Vielzahl von Spartenprogrammen und die zeitversetzte Ausstrahlung werden möglich durch digitale Technik. Die Digitalisierung wird die Kapazitäten für die Übertragung deutlich erweitern und somit die Kosten senken. Der Satellit Astra IE, der Anfang 1996 als erster von drei Satelliten der gleichen Baureihe (Astra ID, E und F) in Betrieb genommen wurde, kann auf jedem seiner achtzehn Kanäle sechs bis acht digitale Fernsehprogramme ausstrahlen. Darüber hinaus plant die Société Européenne des Satellites (SES), die Betreibergesellschaft des Astra-Systems, die Inbetriebnahme von Astra IG und 1H. Dabei soll Astra I H als Back-up für Astra 1E-G dienen5. Insgesamt wird die SES über 100 Satellitentransponder betreiben, mit denen die Übertragung von über 400 digitalen Programmen möglich ist6. Bisher war jeweils ein Kanal erforderlich, um ein analoges Fernsehprogramm zu verbreiten. 3

Meyn, Massenmedien in der Bundesrepublik Deutschland, 1996, S.5. Stolte, Bleibt Femsehen Femsehen?, epd vom 05.11.1997, 3, 7. 5 Bartosch, Digital Video Broadcasting (DVB) im Kabel, CR 1997, 517, 518. 6 Dodel, Weltweite Satellitensysteme für die persönliche Telekommunikation, Unterhaltung und Funkortung, CR 1997, 567, 569. 4

Α. Entwicklung in den von Konvergenz betroffenen Teilmärkten

17

Angesichts der Tatsache, daß in Deutschland 16,6 Millionen Haushalte an das Breitbandkabelnetz der Deutschen Telekom AG (Telekom) angeschlossen sind und nur ungefähr 9 Millionen Haushalte über eine Satellitenschüssel verfügen, sind die Breitbandfernsehkabel für die Übertragung digitaler Programme unabdingbar. Bisher war der Hyperbandbereich dieses Netzes weitgehend ungenutzt7. Insgesamt stehen im Hyberband 18 Kanäle zur Verfügung, von denen bisher lediglich drei Kanäle belegt sind. Die übrigen 15 Kanäle stehen für die Übertragung von digitalen Fernsehprogrammen oder anderen Angeboten zur Verfügung. Die durch die digitale Datenkompression freiwerdenden Kapazitäten in den Kabelnetzen oder in den ohnehin verfügbaren Telefonleitungen können als Rückkanal verwendet werden, über den eine interaktive Fernsehnutzung möglich ist 8 . Die Digitaltechnik erlaubt zudem eine preisgünstige Verschlüsselung der Programme, so daß mit einer Ausweitung des entgeltfinanzierten Rundfunks zu rechnen ist 9 . Insgesamt ist im Zuge der Digitalisierung eine Entwicklung zu einem trialen Gesamtsystem mit der dritten Finanzierungsform eines Entgeltfernsehens absehbar10. Das neugewonnene Nutzungs- und Übertragungspotential wird zu einer starken Ausweitung und weiteren Differenzierung der audiovisuellen Angebote führen. Neben der Einführung weiterer Spartenkanäle - auch als Pay-TV bzw. Pay-per-Channel - ist damit zu rechnen, daß vermehrt einzelne Sendungen im Near-Video-on-Demand-Verfahren/Pay-per-View angeboten werden. Beim Video-on-Demand, das sich noch im Erprobungsstadium befindet, kann der Empfänger von einem externen VideoServer ohne zeitliche Vorgaben des Veranstalters ein Angebot abrufen, das ihm auf sein Empfangsgerät eingespielt wird. Hierbei wird er künftig auch auf Funktionen, wie sie vom Videorecorder bekannt sind (ζ. B. Vor- und Rücklauf, Zeitlupe, Standbild) zurückgreifen können11. Die privaten Rundfunksender werden von einer relativ kleinen Zahl Medienunternehmen betrieben. Im wesentlichen sind dies die KirchGruppe, CLT/Ufa und die Presseunternehmen Axel Springer, Holtzbrinck, Heinrich Bauer Verlag und Westdeutsche Allgemeine Zeitung12. 7

Aufgrund des Fehlschlages der TV-Norm D2MAC, die ursprünglich für den Hyperbandbereich der Koaxialkabel vorgesehen war, sind heute lediglich neuere Fernsehgeräte technisch für den Empfang von TV-Programmen in PAL-Norm ausgerüstet; vgl. Bartosch, Digital Video Broadcasting (DVB) im Kabel, CR 1997, 517, 518. 8 Holznagel, Probleme der Regulierung im Multimedia-Zeitalter, ZUM 1996, 16, 17. 9 Hege, Offene Wege in die digitale Zukunft, 1995, S. 11. 10 Stolte , Bleibt Fernsehen Fernsehen?, epd vom 05.11.1997, 3, 5. 11 Holznagel, Probleme der Regulierung im Multimedia-Zeitalter, ZUM 1996,16, 17; Müller-Using/Lücke, Neue Teledienste und alter Rundfunkbegriff, Archiv PT, Sonderdruck, 1995, 32, 42. 12 Vgl. zu den Beteiligungsverhältnissen im einzelnen Röper, Formationen deutscher Medienmultis 1996, MP 1997, S. 226ff. 2 Rinke

18

1. Kap.: Einführung

II. Telekommunikation In allen europäischen Ländern ist aufgrund der Liberalisierungspolitik der EUKommission eine Öffnung der Telekommunikationsmärkte zu beobachten. In Deutschland wurden die Schritte zur Liberalisierung des Telekommunikationsbereiches 1989 mit der sog. Postreform I eingeleitet, die eine Lockerung des Monopols der Deutschen Bundespost und eine Zulassung privater Mobilfunkanbieter ermöglichte. Die Postreform I I wurde 1994/95 verabschiedet, die u.a. die Umwandlung der Telekom in eine Aktiengesellschaft regelt. Seit Anfang 1996 sind „corporate networks" auch für den Telefonverkehr Dritter freigegeben. Am 1. Januar 1998 endete das bisherige Monopol der Deutschen Telekom auch für den allgemeinen Telefondienst. Die Wettbewerbssituation in der deutschen Telekommunikation nach der Marktöffnung stellt sich zunächst folgendermaßen dar: Die beiden existierenden Ortsnetze wurden per Gesetz der Telekom übertragen. Durch diese Ortsnetze sind die Teilnehmer mit den Fernübertragungsnetzen verbunden. Zusätzliche private Netze werden zunächst auf dem Markt der Fernübertragung entstehen. Die Ortsnetze werden auf absehbare Zeit von der Telekom kontrolliert bleiben, da die Kosten für den Aufbau weiterer Ortsnetze zu hoch sind und drahtlose Alternativen erst entwickelt werden13. Das zentrale Problem für das Entstehen von Wettbewerb ist daher die Frage, wie neue Wettbewerber den Telefonkunden erreichen. Die Kontrolle des sogenannten „Local Loop" zum Haus- oder Büroanschluß bildet den kritischen Engpaß, der darüber entscheidet, ob neue Wettbewerber zum Kunden kommen und damit darüber, ob sie eine Chance erhalten sich am Markt zu etablieren 14. Private Netz- und Diensteanbieter sind neben der Telekom die Deutsche Bahn (DBKom) und vor allem große Energieversorgungs- und Mischkonzerne, die ihrerseits wiederum untereinander und mit ausländischen Partnern strategische Allianzen eingehen15. Zur Signalübertragung werden neben Fernmeldesatelliten16 schmalbandige Kabelnetze verwendet, die im Gegensatz zu Fernsehkabelnetzen17 eine Sterntopologie aufweisen und daher eine zweispurige Point-to-Point-Kommunikation ermöglichen. 13 Wilmer, Cutler & Pickering, Zukunftsmarkt Telekommunikation: Vom Monopol zum Wettbewerb, 1996, S.9. 14 Meyer-Arndt, Der Zutritt neuer Wettbewerber zu den lokalen Märkten der Telekommunikation, ZUM 1996, 757, 759. 15 Ζ. B. VIAG-Interkom (VIAG AG und British Telecom), CNI (Mannesmann, Deutsche Bank und AT & T) undVebacom (VEBA und Cable & Wireless). 16 Vgl. dazu im einzelnen Dodel, Weltweite Satellitensysteme für die persönliche Telekommunikation, Unterhaltung und Funkortung, CR 1997, 567 ff. 17 Das Femsehkabelnetz ist nach einer sog. Baumtypologie aufgebaut und ermöglicht daher nur Point-to-Multipoint-Kommunikation (vgl. Müller-Using/Lücke, Neue Teledienste und alter Rundfunkbegriff, Archiv PT 1995, Sonderdruck, 3, 10).

Α. Entwicklung in den von Konvergenz betroffenen Teilmärkten

19

I I I . Informationstechnologie Seit Anfang der 90er Jahre ist mit Computern über das „Internet" Kommunikation möglich. Der Begriff „Internet" hat dabei keinen inhaltlichen Bezug. Es ist als technisches System zunächst eine Plattform zur Vermittlung von Informationen. Das Netz bestimmt nicht, was kommuniziert werden soll. Zur Zeit gleicht das Internet noch einem Marktplatz, dessen Vorhandensein nichts darüber aussagt, wer ihn betreten darf, wer dort unter welchen Bedingungen was sagen darf und wem zugehört wird 18 . Die an das Netz angeschlossenen Rechner kommunizieren über Telekommunikationsverbindungen, die aber zum Teil aus normalen Telefonleitungen bestehen. Weiterer Bestandteil des Netzes ist ein „Backbone"-Netz. Dieses ist ein System von durch Breitband-Standleitungen verbundenen Hochleistungsrechnern (Knotenbzw. Gateway-Rechner). Durch dieses „Backbone"-Netz wird die Datenübertragung im Internet beschleunigt, da die Übermittlung ausschließlich über gewöhnliche Telefonleitungen zu langsam wäre. Das Internet ist vollständig interaktiv, d. h. jeder Empfänger kann auch zum Sender werden. Der Anschluß des eigenen Computers an das Internet geschieht typischerweise durch Verbindung mit einem Providerrechner über das Telefonnetz. Der Zugang zum Internet beinhaltet in der Regel das Recht, alle Programme und Ressourcen des Providercomputers zu nutzen. Dazu zählen insbesondere Internet- oder Online-Dienste19 (e-Mail, USENET-Newsgroups, Internet Relay Chat [IRC] und Multiple User Dungeon [MUD], Informationsangebote [Gopher], Datei- und Programmtransfer [ftp], Bedienung entfernter Rechnersysteme [telnet] und das World Wide Web). Praktische Nutzungsformen sind Teleshopping, Telelearning, Telearbeit, Telemedizin, Datenbankabfrage und sonstige Informationsdienste 20. Es ist also zu unterscheiden zwischen dem eigenständigen Dienst der Bereitstellung der Zugangsverschaffung zum Internet (Access) und den im Internet angebotenen Diensten (Content)21. Alle Internet-Dienste funktionieren nach dem Client-Server-Prinzip. Ein Client ist ein Programm, das ein anderes Programm, den Server, um einen Dienst bittet. Mit der Eingabe eines Kommandos aktiviert der Nutzer auf seinem Bildschirm das Client-Programm, das nunmehr vom Server (auf dem Host-Computer) Informationen abruft. Der Server übermittelt daraufhin diese Informationen zur Nutzung22. 18

Mecklenburg, Internetfreiheit, ZUM 1997, 525, 527. „Online" ist eine Kurzformel für eine Vielzahl von nachrichtentechnisch, d.h. mittels Telekommunikationsnetzen, ermöglichten Prozessen der Individuai-, Gruppen- und Massenkommunikation. Die Informationsübermittlung „Online" steht im Gegensatz zur Datenübertragung „Offline", bei der Informationen körperlich, ζ. B. als CD-ROM, als Zeitung oder als Buch, vertrieben werden; vgl. Scherer, „Online" zwischen Telekommunikations- und Medienrecht, AfP 1996,213,213. 20 Scherer, „Online" zwischen Telekommunikations- und Medienrecht, AfP 1996,213,213. 21 Kröger/Moos, Mediendienst oder Teledienst?, AfP 1997, 675, 679. 22 Kröger!Moos, Mediendienst oder Teledienst?, AfP 1997, 675, 679. 19

2*

20

1. Kap.: Einführung

Obwohl das Netz zur Zeit noch eine anarchische Struktur aufweist, wird die technische Infrastruktur bereits kommerziell genutzt. Solche Online-Dienste zeichnen sich durch eine klare Unternehmensstrukur der Betreiber, durch registrierte Content-Anbieter und Nutzer sowie durch vertragliche Vereinbarungen aus. Die Vorteile dieser Dienste liegen vor allem in der übersichtlicheren Struktur, in der redaktionellen Betreuung inhaltlicher Angebote sowie in einem höheren Sicherheitsstandard. Die wichtigsten Anbieter zur Zeit sind CompuServe, AOL-Europe (Bertelsmann, Springer-Verlag, T-Online und America Online), Europe Online (Burda Verlag, Vebacom und AT & T) und MSN (Microsoft, TCI und MCI). Die Möglichkeiten des Internet werden in zunehmendem Maße auch von Rundfunkanstalten für Online-Angebote genutzt. So startete z.B. das ZDF am 19. Juli 1996 in Kooperation mit der Firma Microsoft Network (MSN) den über das Internet verbreiteten Dienst „ZDF.online".

IV. Printmedien Der Markt der Tagespresse ist in Deutschland über lange Jahre stabil gewesen. Nach der Konzentrationswelle in den 60er und 70er Jahren gab es in Westdeutschland keine wesentlichen Verschiebungen mehr, weder durch Konzentration noch durch Neugründungen. Auch der Markt für Publikumszeitschriften gilt als weitgehend ausgereizt. Seit 1975 stieg die Zahl der verfügbaren Titel von 590 auf 1.673 im Jahr 1994. Hinzu kommen 3.500 Fachzeitschriften, 126 Kundenzeitschriften und nahezu 1.500 Anzeigenblätter. Im deutschen Tageszeitungsmarkt versorgen 135 Zeitungen mit eigenen Redaktionen die Bürger mit 1.600 redaktionellen Ausgaben. Zur publizistischen Vielfalt tragen darüber hinaus 8 Sonntagszeitungen und 26 Wochenzeitungen bei 23 . Die Reichweite der Printmedien aber hat in Deutschland während des letzten Jahrzehnts kontinuierlich abgenommen: Nur 65 Prozent der Bevölkerung lesen täglich eine Zeitung. Die Reichweite des Fernsehens liegt mit 83 Prozent deutlich höher. Die Werbeeinnahmen gehen daher bei den Printmedien zugunsten der elektronischen Medien zurück. Der Anteil der Zeitungen an den Netto-Werbeeinnahmen ist von 38 Prozent im Jahr 1984 auf 30 Prozent im Jahr 1995 gesunken. Die Folge ist ein intramediärer VerdrängungsWettbewerb 24. Es besteht daher bei fast allen Verlagen ein großes Interesse, mit einem eigenen Angebot ins Internet einzusteigen oder mit kommerziellen Online-Diensten zusammenzuarbeiten, um auf diese Weise an 23 Kohlstedt! SeegerIWoldt in: Lange/Seeger, Technisierung der Medien, S. 172; Schneider, Ausgewählte Daten zur Angebotsvielfalt im deutschen Medienmarkt, in VPRT\ Kommunikations- und Medienordnung 2000 plus, Anhang I. 24 Meyn, Massenmedien in der Bundesrepublik Deutschland, 1996, S.3.

Β. Zusammenwachsen der medialen Teilbereiche durch Konvergenz

21

der positiven Entwicklung der elektronischen Medien teilzuhaben25. Gleiches gilt für Fachverlage, die ebenfalls Online-Angebote und Datenbanken installieren 26. Zur Erweiterung ihrer Geschäftsfelder setzen viele Verlage weiterhin auf Beteiligungen an Hörfunk- und Fernsehsendern 27. Diese Verflechtungen bringen den Presseunternehmen insbesondere Vorteile im Hinblick auf zu erzielende Synergieeffekte. So ist heute die „Cross-Promotion" von Rundfunkprogammen und Presseerzeugnissen an der Tagesordnung.

B. Zusammenwachsen der medialen Teilbereiche durch Konvergenz I. Digitalisierung Die grundlegende technische Neuerung in allen von Konvergenz betroffenen Bereichen ist die Möglichkeit zur Übertragung von digitalisierten Daten. Unter Digitalisierung versteht man die Umsetzung von Daten in eine Folge der Zahlen Null und Eins, also in einen binären Zahlencode. Im Gegensatz dazu werden bei der analogen Übermittlung sich ständig verändernde Schwingungen ζ. B. von Bildern oder Tönen übertragen 28. Digitale Signale können sowohl über breitbandige Fernsehkabel und Rundfunksatelliten als auch über schmalbandige Telefonleitungen übertragen werden 29. Alle Arten von Informationen (Texte, Fotos, bewegte Bilder, grafische Darstellungen und Sprache) können in digitale Signale umgewandelt werden. Auch Computersoftware wird in digitaler Form verschlüsselt30. Durch die Gleichartigkeit des Übertragungsprinzips ergibt sich die prinzipielle Integrationsfähigkeit verschiedener Angebote in Übertragungswegen, Empfangseinrichtungen und Endgeräten31.

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Vgl. zu der Entwicklung im einzelnen: Riefler; Zeitungen online - Chance oder Risiko, MP 1996, S. 537 ff. 26 Vogel, Fachverlage: Behutsame Schritte zum Electronic Publishing, MP 1996, 256ff. 27 Vgl. dazu im einzelnen Röper, Formationen deutscher Medienmultis 1996, MP 1997, S. 226 ff. 28 Das Prinzip der Digitalisierung im einzelnen erklärt Negroponte, being digital, S. 14ff. 29 Dodel, Weltweite Satellitensysteme für die persönliche Telekommunikation, Unterhaltung und Funkortung, CR 1997, 567, 569. 30 KPMG , Public Policy Issues arising from Telecommunications and Audiovisual Convergence, S. 50. 31 Schrape, Wirtschaftliche Chancen digitalen Fernsehens, 1994, S.7.

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1. Kap.: Einführung

II. Integration und Interoperabilität der Netze Die Digitalisierung der Daten macht es möglich, grundsätzlich alle Daten über alle Netze zu übertragen 32. Man rechnet damit, daß in spätestens 25 Jahren Telefonund Fernsehkabelnetze zu einem digitalen Universalnetz zusammengewachsen sein werden, welches alle bisherigen Kommunikations- und Fernmeldedienste einschließlich der Rundfunkübertragung integriert 33. Als Modell für ein solches Universalnetz kann das Internet gelten, in dem mit Hilfe des Internet-Protokolls (IP) unterschiedliche Daten koordiniert und befördert werden können34. In der Anfangsphase des digitalen Zeitalters steht dieses Netz jedoch noch nicht in zufriedenstellender Qualität für die Übertragung aller Elemente einer Multimediadienstleistung (Text, Bild, bewegte Bilder und Ton) zur Verfügung. Es ist zu beachten, daß jede Art von digitalisierter Information in unterschiedlichem Maße Kapazität, d. h. Bandbreite benötigt. So bedarf die Übertragung von bewegten Bildern mehr als 500mal mehr Kapazität als die Übermittlung von Sprache35. Zur Zeit hat nur das breitbandige Fernsehkabelnetz die für die Übertragung von Programmsignalen nötige Bandbreite. Für den Ausbau des Telefonnetzes, das auch Bestandteil des Internets ist, sind erhebliche Kapazitätserweiterungen der Verbindungen zwischen den Vermittlungsstellen (Server) und die flächendeckende Verwendung von Glasfaserkabeln erforderlich. Die Höhe der dafür zu tätigenden Investitionen wird zwischen ca. 870 DM und ca. 2000 D M pro Haushalt geschätzt36. Somit ist im voraus ein enormes Investitionsvolumen aufzubringen, da der Ausbau des Telefonnetzes zweckmäßigerweise nicht sukzessive Haushalt für Haushalt erfolgt 37. Es wird somit noch mindestens fünf Jahre dauern, bis über Telefonleitungen die Übermittlungen von bewegten Bildern in nennenswertem Umfang und in guter Qualität möglich ist 38 . Es ist jedoch heute schon möglich, breitbandige Fernsehkabel über die Weiterverbreitung der herkömmlichen Rundfunkprogramme hinaus auch für die Übertragung aller Arten von Telekommunikations- und Online-Diensten, wie z.B. interaktive Videodienste, und insbesondere auch des normalen Sprachtelefondienstes zu nutzen.39 Die konvergente Entwicklung wird daher ihren Ausgangspunkt mit der Verknüpfung von digitalen Set-top-Boxen und Fernsehkabelnetzen nehmen.40 32

Recke, Medienpolitik im digitalen Zeitalter, 1998, S.24f. Negroponte, being digital, 1995, S. 34. 34 Recke, Medienpolitik im digitalen Zeitalter, 1998, S.45f. 35 Lehman Brothers, European Pay-TV, S. 20. 36 Meyer-Arndt, Der Zutritt der neuen Wettbewerber zu den lokalen Märkten der Telekommunikation, ZUM 1996, 757, 758. 37 Ovum, Interactive Multimedia Services To The Home - The Competetive Challenge (London: Ovum Reports, 1996). 38 KPMG , Public Policy Issues arising from Telecommunications and Audiovisual Convergence, S.53. 39 Bartosch, Digital Video Broadcasting (DVB) im Kabel, CR 1997, 517, 519; Lehman Brothers , European Pay-TV, S.20. 33

Β. Zusammenwachsen der medialen Teilbereiche durch Konvergenz

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I I I . Endgeräte Mit der digitalen Datenübertragung ist der Grundstein für eine Konvergenz der Informationstechnologien gelegt worden. Es ist allerdings mehr als fraglich, ob am Ende der Entwicklung tatsächlich das PC-TV oder der TV-PC stehen wird. Zur Zeit sind jedoch auch hinsichtlich der Endgeräte in mehreren Einzelbereichen konvergente Entwicklungen zu beobachten. Wie bereits dargestellt, ist es zum aktuellen Zeitpunkt nur über breitbandige Fernsehkabel möglich, alle in den unterschiedlichen Teilbereichen benötigten Daten (Sprache, bewegte Bilder, graphische Darstellungen und Texte) zu übertragen. Andererseits bietet nur die Computertechnologie eine ausreichende Verarbeitungsgeschwindigkeit und Speicherkapazität, die sich durch die rasante technische Entwicklung in diesem Bereich zudem noch spätestens alle zwei Jahre verdoppelt. Es wird daher zur Zeit daran gearbeitet, Rundfunkübertragungswege und Computertechnologie zu verknüpfen. Es wurden bereits Mikroprozessoren entwickelt, die sowohl in Computer als auch in Set-top-Boxen eingebaut werden können41. Darüber hinaus können die für die Übertragung von digitalen Fernsehprogrammen genutzten Dekoder zum Teil (ζ. B. die d-box) bereits mit anderen Bausteinen zu einem Multimedia-Terminal verknüpft werden. So können diese Geräte mit PC, Hifi-Anlage, Videorekorder (mit automatischer Steuerung durch die d-box, ζ. B. für Aufnahme), Spielekonsole, zweiter Antenne usw. verbunden werden. In diesem Fall werden alle angeschlossenen Bausteine zentral über die Fernbedienung oder die schnurlose Tastatur des Dekoders gesteuert. In die Boxen ist außerdem ein Modem integriert, das den Zugang zum Internet und zu anderen interaktiven Diensten ermöglicht 42 . Andererseits wird daran gearbeitet, den herkömmlichen PC durch Verknüpfung mit Rundfunkübertragungswegen für die Übertragung von Fernsehangeboten zu nutzen. Allen voran haben sich die Unternehmen Microsoft und Intel des sogenanten Web-TV angenommen. Es wurde eine neue Technik „Intercast" 43 entwickelt, die sowohl Elemente des weltumspannenden Informations- und Kommunikationsnetzes als auch des Fernsehsendebereiches zusammenfaßt. Bei der Intercast-Technologie werden die von einem Fernsehsender im Internet recherchierten und vorselektierten Informationen über Kabel, Antenne oder Satellit - wie herkömmliche Fern40

„Fernsehen, Computer und Internet sollen verschmelzen", FAZ vom 06.01.1998, S. 16; ITC, EC Green Paper on the convergence of the Telecommunications, Media and Information Technology sectors and the implications for regulation - The Independent Television Commission's view, 1998, S.7. 41 KP MG, Public Policy Issues arising from Telecommunications and Audiovisual Convergence, S.56. 42 BetaDigital , d-box Network, 1997, S. 10f.; „Das Innenleben bleibt geheim", Der Spiegel vom 01.06.1998, S.llOff. 43 Eine Wortsynthese aus Internet und Broadcast.

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1. Kap.: Einführung

sehprograme auch - auf das Empfangsgerät in Form eines PCs übertragen. Intercast ist eine Push-Technologie. Der Fersehsender erstellt Informationen im Internet-Format, die zum Beispiel eine Nachrichtensendung, eine Sport- und Unterhaltungssendung ergänzen können. Sobald der Konsument per Mouseklick den Fernsehkanal wählt, beginnt der Fernsehsender damit, die vorselektierten Informationen auf den PC zu transportieren und dort auf der Festplatte abzulegen. In den so erhaltenen Informationen kann der Zuschauer surfen wie im Internet 44.

IV. Verschlüsselung Einen Trend zur Verschmelzung gibt es auch hinsichtlich des Einsatzes von Verschlüsselungstechnologien (Conditional Access). Vor der digitalen Übertragung von Pay-TV-Programmen werden die Programmdaten verschlüsselt, um sicherzustellen, daß sie nur Empfänger erreichen, die ein entsprechendes Abonnement abgeschlossen haben. Gleiches gilt für alle anderen Dienste, die nur gegen Entgelt den Nutzern zur Verfügung gestellt werden. Darüber hinaus kann bei individualkommunikativer Datenübermittlung durch Verschlüsselung die Vertraulichkeit der Information sichergestellt werden. In Verbindung mit digitalen Signaturen45 werden elektronische Vertragsabschlüsse möglich. Für alle Formen der Verschlüsselung kann dieselbe Technologie verwendet werden 46.

V. Inhalte Anders als bei den Technologien wird es bei den Inhalten keine Verschmelzung geben. Da die Übertragung digitaler Daten nicht mehr an ein bestimmtes Übertragungsmedium gebunden ist, werden in Zukunft jedoch alle Inhalte quer über alle Medien verteilt sein47. Festzuhalten bleibt daher, daß es keinen neuen, multimedialen „Universalinhalt" geben wird. Die neuen Mediendienste unterscheiden sich inhaltlich zum Teil stark 44

„Wichtig ist, was innen drin ist", SZ-Technik Telekommunikation vom 11.11.1997, S.

B19. 45

Auch digitale Signaturen sind elektronische „Schlüssel". Nach §2 Abs. 1 des Gesetzes zur digitalen Signatur (SigG) ist eine digitale Signatur ein mit einem privaten Siganturschlüssel erzeugtes Siegel zu digitalen Daten, das mit Hilfe eines zugehörigen öffentlichen Schlüssels, den Inhaber des Signaturschlüssels und die Unverfälschheit der Daten erkennen läßt. Im SigG (Art. 3 des Informations- und Kommunikationsdienste-Gesetzes) wurden die Rahmenbedingungen für die Zertifizierung digitaler Signaturen geregelt, s. dazu Engel-Flechsig, Das Informations- und Kommunikatiosdienstegesetz des Bundes und der Mediendienstestaatsvertrag der Länder, ZUM 1997, S. 231 ff.; Engel-Flechsig/Maennel/Tettenborn, Das neue Informations- und Kommunikationsdienste-Gesetz, NJW 1997, 2981 ff. 46 KPMG , Public Policy Issues arising from Telecommunications and Audiovisual Convergence, S.57; BetaDigital , d-box Network, 1997, S.9. 47 Williams , Multimedia: Contracts, Rights and Licensing, 1996, S.9.

Β. Zusammenwachsen der medialen Teilbereiche durch Konvergenz

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und können daher nur formal unter dem Oberbegriff „Multimedia" 48 zusammengefaßt werden. Sie stellen aber keine homogene Nutzungsart dar 49 . In näherer Zukunft werden zunächst die bisher über den Computer übermittelten Inhalte, wie z.B. Online-Dienste, mittels Set-top-Boxen auch über den Fernseher zu empfangen sein und so das herkömmliche Fernsehangebot ergänzen50. Die umgekehrte Entwicklung wird länger auf sich warten lassen, da der Ausbau der Telefonnetze noch nicht weit genug für den Transport großer Mengen bewegter Bilder fortgeschritten ist.

VI. Vertikale und horizontale Konzentration Es wird erwartet, daß im Zuge der Konvergenz eine branchenübergreifende Liefer- oder Wertschöpfungskette entstehen wird, die sich über folgende Bereiche erstreckt: Inhalteherstellung, Inhaltebündelung, Dienstleistungserbringung (einschließlich der digitalen Plattform) und die Übermittlung an die Kunden51. Bisher sind Unternehmen ausschließlich in einem oder mehreren Gliedern der Wertschöpfungskette tätig. Viele dieser Marktteilnehmer sind jedoch bemüht, ihre Aktivitäten außerhalb ihrer Kerngeschäfte in Marktsegmente mit höherer Wertschöpfung auszuweiten oder durch horizontale Partnerschaften das Risiko zu verteilen. Es bringen jedoch nur wenige der heutigen Marktteilnehmer (falls überhaupt) die Fertigkeiten oder Ressourcen mit, die gesamte Wertschöpfungskette des konvergierenden Umfeldes abzudecken. Um bestehende und neue Märkte zu erschließen, werden daher Partnerschaften, Fusionen und Joint Ventures eingegangen, die auf dem technischen und kommerziellen Know-how der Partner aufbauen. Dieses Phänomen wird auch als Industriekonvergenz bezeichnet. So wurden 1996 mehr als 15 Prozent des Gesamtwertes weltweiter Fusionen und Übernahmen in der Informations- und Kommunikationsindustrie getätigt52. Beispiele für diese Industriekonvergenz sind die beschriebenen Beteiligungen von Presseunternehmen an Rundfunksendern oder der Anteilserwerb von Telekommunikationsunternehmen an Service-Providern für das Internet.

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Unter dem Begriff „Multimedia" wurden zunächst die technischen Kombinations- und Integrationsmöglichkeiten von dynamischen Medientypen (Audio/Video) mit statischen (z.B. Text und Grafik) zusammengefaßt. Später wurde dieser Begriff auf die „multimedial" ausgestalteten Inhalte ausgedehnt; vgl. Langel Seeger, Technisierung der Medien, 1997, S.3. 49 Kröger!Moos, Mediendienst oder Teledienst?, AfP 1997, 675, 676; Hoeren, Multimedia als noch nicht bekannte Nutzungsart, CR 1995, 710, 712. 50 Schrape, Wirtschaftliche Chancen des digitalen Fernsehens, 1994, S. 11. 51 Vgl. Europäische Kommission, Grünbuch zur Konvergenz der Branchen Telekommunikation, Medien und Informationstechnologie und ihren ordnungspolitischen Auswirkungen, KOM-(97) 623, 03.12.1997, S.2. 52 Vgl. Europäische Kommission, Grünbuch zur Konvergenz, KOM-97 (623), 03.12.1997, S.7.

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1. Kap.: Einführung

VII. Zusammenfassung Die Reise auf dem „Information Superhighway" 53 ist eine Fahrt mit bisher unbekanntem Ausgang. So ist es mehr als ungewiß, ob am Ende der Entwicklung ein Multigerät stehen wird, mit dem alle bisher auf Fernsehen, Telefon, Computer und Presse verteilten Inhalte empfangen werden können. Absehbar ist nur, daß sich die Entwicklung des Multimediamarktes in zwei Phasen vollziehen wird. In der ersten Phase (Dauer ca. 5 bis 10 Jahre) erfolgt die Markteinführung des digitalen Fernsehens über Satellit und Kabel. Die Angebote werden den klassischen TV-Angeboten ähnlich sein, ergänzt um zeitversetzt ausgestrahlte Programme und Teleshopping. Parallel dazu werden in anderen Bereichen digitale Entwicklungen stattfinden, die mit dem digitalen Fernsehen konkurrieren. Die zweite Phase beginnt Ende des Jahrtausends und wird angebotsseitig durch die Zunahme interaktiver Online-Dienste (z. B. Video-on-Demand) gekennzeichnet sein. Technologisch wird eine zunehmende Integration (z.B. von Verschlüsselungstechnologien) und Interoperabilität der verschiedenen Telekommunikationsnetze zu beoachten sein54. Parallel zu dieser technischen Konvergenz wird eine Konvergenz der beteiligten Industriezweige und Unternehmen einsetzen. Da das digitale Fernsehen Startpunkt der konvergenten Entwicklung sein wird, müssen zunächst für diesen Bereich gesetzliche Regelungen geschaffen werden, die zum einem sicherstellen, daß sich ein Wettbewerb in diesem Markt entwickeln kann, und zum anderen eine zukünftige konvergente Entwicklung nicht behindern 55. Bevor zu den vorhandenen Regulierungsansätzen Stellung genommen wird, sollen daher zunächst im einzelnen die Besonderheiten und Neuerungen des digitalen Fernsehens unter Herausarbeitung der speziellen Problembereiche erläutert werden.

53 Der Begriff „Information Superhighway" oder „Datenautobahn" steht für die technische Infrastruktur von verbundfähigen, digitalisierten Netzen mit Rückkanaloptionen und von interoperablen Diensten, die in unterschiedlichen Anwendungsfeldern genutzt werden können; vgl. Langel Seeger, Technisierung der Medien, S.4. 54 Schrape, Wirtschaftliche Chancen des digitalen Fernsehens, 1994, S. 16; KP MG, Public Policy Issues arising from Telecommunications and Audiovisual Convergence, S. 132. 55 So auch die Stellungnahme der ITC zum Grünbuch zur Konvergenz, EC Green Paper on the convergence of the Telecommunications, Media and Information Technology sectors and the implications fro regulation - The Indepent Television Commissions's view, April 1998, S. 14.

C. Digitales Fernsehen

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C. Digitales Fernsehen I. Historie Zum besseren Verständnis der Gesamtproblematik des digitalen Fernsehens wird zu Beginn ein Überblick über die bisherige Entwicklung gegeben. Die kurze Geschichte des digitalen Fernsehens in Deutschland ist gekennzeichnet durch die Formation von Allianzen, deren Zersplitterung und Neubildung. Ursache für diese verzweifelte Suche nach dem richtigen Partner ist der enorme Finanzbedarf für die digitalen Projekte. Nach einer Studie des Senders Premiere sind für den Start ins Digital-TV-Zeitalter Investitionen von 6,7 Milliarden DM zu leisten56. Andererseits verheißt die Entwicklung des digitalen Fernsehmarktes ein erhebliches Gewinnpotential, da bereits für das Jahr 2004 ca. 4 Millionen Pay-TV-Abonnenten in Deutschland vorhergesagt werden 57, wovon jeder Haushalt ca. 90 D M im Monat für digitale Programme ausgeben soll 58 . Ausgangspunkt der Entwicklung war die Gründung der Media Service GmbH (MSG) im Jahr 1994. An der MSG sollten die Telekom, Bertelsmann und die KirchGruppe jeweils zu einem Drittel beteiligt sein. Ihre Aufgabe bestand darin, Dekoder zur Verfügung zu stellen und die Zugangskontrolle sowie die Abonnentenverwaltung für Pay-TV-Veranstalter durchzuführen. Die Europäische Kommission hat dieses Vorhaben jedoch nach Art. 8 Abs. 3 FusKontrVO im Rahmen eines wettbewerbsrechtlichen Verfahrens untersagt 59. Die Kommission hatte Bedenken gegen die Zulässigkeit dieser Unternehmensgründung, weil durch die Kombination der spezifischen Stärken der einzelnen Gesellschafter eine Abschottung des sich gerade entwickelnden Marktes zu erwarten sei. Nach Ansicht der EU-Kommission sei jedes der an der MSG beteiligten Unternehmen auch allein zum Aufbau einer Infrastruktur für digitales Pay-TV und zur Erbringung entsprechender Dienstleistungen in der Lage gewesen, da hierfür insbesondere Pay-TV-Veranstalter oder Kabelnetzbetreiber in Betracht kommen. Durch den beabsichtigteten Zusammenschluß dieser potentiellen Konkurrenten sei daher ein Wettbewerb von vornherein ausgeschlossen. Die an der MSG beteiligten Unternehmen versuchten nach dieser Entscheidung die digitalen Projekte zunächst im Alleingang weiter voranzutreiben. Die BetaDigital, ein Tochterunternehmen der KirchGruppe, entwickelte in Zusammenarbeit mit derfinnischen Firma Nokia ein eigenes Dekodersystem einschließlich eines elektronischen Programmführers und eines proprietären Conditional Access-Systems 56

Vgl. „Da bleibt ein gewisses Risiko", Stem vom 24.08.1995. Lehman Brothers (Hrsg.), European Pay-TV, S. 26. 58 Sehr ape, Wirtschaftliche Chancen des digitalen Femsehens, 1994, S. 14. 59 Entscheidung der Kommission vom 09.11.1994 in einem Verfahren nach der Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 des Rates (Sache Nr. IV/M. 469 - MSG Media Service), Abi. Nr. L 364 vom 31.12.1994, 1 [4 ff.]. 57

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1. Kap.: Einführung

(„d-box"), welches im Spätsommer 1995 auf der Internationalen Funkausstellung in Berlin der Öffentlichkeit vorgestellt wurde 60. Parallel dazu arbeitete Bertelsmann zusammen mit ARD und ZDF, der Telekom, RTL, seinem französischen Partner Canal Plus und der damaligen RTL-Muttergesellschaft CLT im Rahmen der Multimedia Betriebsgesellschaft (MMBG) an einer eigenen Programmplattform mit einem proprietären Verschlüsselungs-Standard. Der Dekoder wurde „media-box" genannt. Es gab viele Gespräche zwischen der KirchGruppe und der MMBG über eine Beteiligung der KirchGruppe an der MMBG und einen einheitlichen Dekoderstandard, die jedoch nicht zum Erfolg führten. Im Frühjahr 1996 entschloß sich die KirchGruppe endgültig gegen eine Beteiligung an der MMBG und für ein gemeinsames Vorgehen mit dem Netzanbieter VEBA. Die MMBG wurde zwar kartellrechtlich genehmigt, aber, nachdem auch die Telekom aussgestiegen war, faktisch nicht mehr fortgeführt 61. Aufbauend auf der Entwicklung der für das digitale Fernsehen benötigten technischen Infrastruktur versuchten beide Seiten eigene Programmplattformen zu etablieren. Das digitale Pay-TV-Projekt von CLT/Ufa, „Club RTL", wurde jedoch bereits im Sommer 1996 nach hohen Anlaufinvestitionen wegen der großen ökonomischen Risiken wieder eingestellt. Die KirchGruppe gründete im Frühjahr 1996 den Sender DF1, der seit dem 28. Juli 1996 digitale Pay-TV-Programme über Satellit ausstrahlt. Die Kabeleinspeisung der Programme erfolgte erst über ein Jahr später, da sich die Telekom weigerte, die Programme von DF1 in ihre Kabelnetze zu übernehmen. Die Telekom wollte vielmehr einen eigenen Dekoder auf den Markt bringen und auch das Kundenmanagement im digitalen Pay-TV-Bereich ausführen. Als Ersatz für „Club RTL" versuchte die CLT/Ufa den analogen Pay-TV Sender „Premiere" zu einer digitalen Programmplattform als Konkurrenz zu DF1 auszubauen. Dies scheiterte jedoch zunächst am Veto der KirchGruppe, die an Premiere zu diesem Zeitpunkt zu einem Viertel beteiligt war und sich weigerte, Premiere weiterhin mit Filmrechten zu versorgen. Das Ziel der KirchGruppe war es hingegen, das Programm von Premiere als Premiumangebot auf ihrer digitalen Plattform auszustrahlen. Zunächst sah es so aus, als ob sich die KirchGruppe durchsetzen könnte. Sie sicherte sich durch Verträge mit den meisten großen Hollywood-Studios ein umfangreiches Paket an Pay-TV-Filmrechten. Der dadurch entstehende Finanzbedarf schien durch eine angekündigte 49 %-Beteiligung von BSkyB an DF1 gesichert zu sein. Im Frühjahr 1997 erklärte BSkyB jedoch die Verhandlungen über eine Beteiligung als gescheitert. Wesentliche Gründe waren die geringe Abonnentenzahl und 60

„Der große Wettlauf um die Schürfrechte von morgen", SZ vom 31.08.1995. CLT/Ufa (Hrsg.), Baldige Marktdurchdringung und -Öffnung, Positionspapier, abgedruckt in epd vom 13.09.1997. 61

C. Digitales Fernsehen

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die hohen Anlaufverluste 62. Die KirchGruppe mußte somit das finanzielle Risiko für DF1 wieder allein tragen. Die Anlaufverluste bis Mitte 1998 werden mit 1,4 Milliarden DM beziffert 63. In Zukunft werden mindestens noch weitere 3 Milliarden DM in das Projekt zu investieren sein64. Aufgrund dieser Pattsituation für DF1 und Premiere sahen sich die KirchGruppe und CLT/Ufa zu einer Einigung gezwungen. DF1 und Premiere 65 sollten zu einer gemeinsamen Programmplattform Premiere/DFl mit paritätischer Gemeinschaftsstruktur zusammengeführt werden 66. Darüber hinaus wollten die Unternehmen auch beim digitalen Dekoder d-box zusammenarbeiten und die d-box so zur Standardtechnik zur Verbreitung digitaler Programme machen. Die CLT/Ufa und die Telekom sollten an der BetaResearch Gesellschaft für Entwicklung und Vermarktung digitaler Infrastrukturen mbH (BetaResearch) beteiligt werden. Die BetaResearch ist ein 100%iges Tochterunternehmen der KirchGruppe und soll die Verschlüsselungs- und Betriebssoftware für die d-box-Technologie weiterentwickeln und diese Technologie an Pay-TV-Anbieter, Anbieter technischer Dienstleistungen für digitales Fernsehen und Decoderhersteller lizenzieren. Die Telekom sollte in die Vereinbarung einbezogen werden, um die Kabelweiterverbreitung der digitalen Programme sicherzustellen. Sie sollte daher eine digitale Plattform für die Kabelnetze betreiben 67. Die EU-Kommision hat die geplante Fusion sowohl hinsichtlich der Programmplattform als auch hinsichtlich der technischen Zusammenarbeit am 27. Mai 1998 einstimmig untersagt. Bei einer Allianz von der KirchGruppe und Bertelsmann sei nicht gewährleistet, daß Mitbewerber zu dem neuen Markt Zugang zu fairen Bedingungen haben68. Die Kombination der Programmressourcen der KirchGruppe und CLT/Ufa mit dem Abonnentenstamm von Premiere hätte dazu geführt, daß sich keine weiteren Programm- und Vermarktungsanbieter im deutschen Pay-TV-Markt etablieren können. Auch in der Dekoder-Technik der d-box sah die EU-Kommission für die beiden Unternehmen die Möglichkeit, durch Setzen von technischen Standards über den Marktzugang von Konkurrenten zu bestimmen. Zudem hätten die 62 CLT/Ufa (Hrsg.), Baldige Marktdurchdringung und -Öffnung, Positionspapier, abgedruckt in epd vom 13.09.1997. 63 „Wir lassen Kirch nicht allein", Der Spiegel vom 01.06.1998, S. 109. 64 „Enttäuschung bei den Unternehmen, aber keine Überraschung"; FAZ vom 28.05.1998, S.23. 65 Bisher waren die KirchGruppe zu 25 %, CLT-Ufa zu 37,5 % und Canal Plus zu 37,5 % an Premiere beteiligt. Canal Plus hatte im Juli 1997 erklärt, seine Anteile verkaufen zu wollen. Die Anteile wurden von der KirchGruppe gekauft, werden zur Zeit aber treuhänderisch gehalten; vgl. „Canal Plus sieht sich von der Brüsseler Entscheidung nicht betroffen", FAZ vom 28.051998, S.23. 66 Vgl. „Verständigung zum digitalen Fernsehen", abgedruckt in epd vom 02.08.1998. 67 Pressemitteilung der EU-Kommission „Kommission leitet eingehende Untersuchung im Fall Deutsche Telekom/BetaResearch ein" vom 30.01.1998. 68 „Medienallianz Bertelsmann/Kirch findet nicht statt", FAZ vom 28.05.1998, S. 17.

1. Kap.: Einführung

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KirchGruppe, CLT/Ufa und die Telekom die Kontrolle über die weitere Entwicklung der Dekoder-Technik ausgeübt69. Zuvor hatte sich auch das Bundeskartellamt in mehreren Stellungnahmen kritisch gegen die Fusion geäußert. Es sei damit zu rechnen, daß die Unternehmen als alleinige Premiere-Eigentümer andere Anbieter blockierten, um den Erfolg ihres Vorhabens nicht zu gefährden 70. Welchen Verlauf die Entwicklung des digitalen Fernsehmarktes in Deutschland nach dieser Entscheidung nehmen wird ist zur Zeit unklar. Die EU-Kommission hatte die Hoffnung geäußert, daß durch ihr Veto der Markt neue Freiheiten gewinne. Es sei Aufgabe der Unternehmen, nun nach anderen Möglichkeiten für seine Erschließung zu suchen71. Als wahrscheinlichste Variante für die zukünftige Entwicklung wird erachtet, daß die KirchGruppe DF1 mittelfristig einstellen und CLT/Ufa und die KirchGruppe gemeinsam Premiere zur digitalen Programmplattform ausbauen werden 72. Als technischer Standard soll von Premiere die d-box verwendet werden73. Im Gegenzug wird die KirchGruppe 75 Prozent der in Hollywood erworbenen Programmrechte an Premiere lizenzieren 74. Die zur Zeit erneut stattfindende Suche nach potentiellen Investoren und Allianzen macht deutlich, daß in der Anfangsphase des digitalen Fernsehens nur wenige Unternehmen die Bereitschaft aufbringen, „in dieses Geschäft die erforderlichen Beträge zu werfen". 75 Angesichts des Fehlens potentieller Wettbewerber ist es daher wenig erfolgversprechend, zu versuchen, durch das Untersagen von Allianzen eine marktbeherrschende Situation erst gar nicht entstehen zu lassen. Vielmehr gilt es, durch Regulierung sicherzustellen, daß der Marktzutritt für andere Wettbewerber, die zu einem späteren Zeitpunkt ihre Aktivitäten aufnehmen wollen, möglich bleibt. Basierend auf dieser Ausgangslage wird im folgenden untersucht, welche Regulierungsprobleme sich im einzelnen im Zusammenhang mit der Einführung des digitalen Fernsehens in Deutschland stellen.

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„Van Miert: Dem Wettbewerb eine Chance", FAZ vom 28.05.1998, S.22. „Kartellamt gegen Bündnis beim Zahlfernsehen", FAZ vom 10.01.1998, S. 18. 71 „Medienallianz Bertelsmann/Kirch findet nicht statt", FAZ vom 28.05.1998, S. 17. 72 „Nun dreht sich alles um Premiere", FAZ vom 28.05.1998, S.22; „DF1 bleibt vorerst auf Sendung", SZ vom 29.05.1998, S.28; „Das Monopol ist da", SZ vom 30.05.1998, S.29; „Lassen Sie doch das Gerede vom Monopol", SZ vom 26.06.1998, S.23. 73 „DF1 bleibt vorerst auf Sendung", SZ vom 29.05.1998, S.28; „Wir lassen Kirch nicht allein", Der Spiegel vom 01.06.1998, S. 109. 74 „Lassen Sie doch das Gerede vom Monopol", SZ vom 26.06.1998, S.23. 75 „Das Monopol ist da", SZ vom 30.05.1998, S.29. 70

C. Digitales Fernsehen

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II. Inhalte Zur Ermittlung des Regelungsbedarfs für digitales Fernsehen wird zunächst untersucht, welche Angebotsformen über das digitale Fernsehen transportiert werden. Wie bereits beschrieben, wird sich die konvergente Entwicklung und somit auch die Entwicklung des digitalen Fernsehens in zwei Phasen vollziehen76. Dies gilt insbesondere für das inhaltliche Angebot, das erst mit fortschreitender technischer Entwicklung zu einem vollen multimedialen Angebot anwachsen wird. 1. Inhalte der ersten Phase Die digitalen Programme der ersten Phase sind hinsichtlich ihres publizistischen Inhaltes gleichzusetzen mit den Inhalten des analogen Fernsehens. Wirklich „neue" Angebote sind nur Multikanal-/Multiperspektivprogramme und Near-Video-on-Demand. Alle anderen Angebote existieren bereits zumindest in Vorformen und werden entweder analog oder über andere Distributionswege angeboten. Das Programm des ersten digitalen Pay-TV Anbieters „DF1" setzt sich zum überwiegenden Teil aus Spartenprogrammen zusammen. Jedes einzelne dieser Programme deckt ein bestimmtes Programmgenre ab. So gibt es spezielle Programme für Sport (Formel 1, Wrestling und Golf), Spielfilm (Filmklassiker, Action, Western, Komödien, Romantic Movies, Heimatfilme, Star-Kino und Science fiction) für Dokumentationen, Nachrichten, Serien (Sitcom, Cartoon und Western) und Musik (Klassik, POP und Country). Außerdem werden werbefreie Kinderprogramme für unterschiedliche Altersgruppen angeboten. Das Programm dieser Spartensender besteht ausschließlich aus Sendungen der jeweiligen Programmsparte. In der Regel wird täglich sechs Stunden originäres Programm ausgestrahlt, das in drei oder vier Blöcken wiederholt wird. Für den Zuschauer hat das Verspartungskonzept den Vorteil, daß nahezu jede Programmfarbe zu jeder Tages- und Nachtzeit verfügbar ist. Eine noch individuellere zeitliche Verfügbarkeit wird erreicht durch Ausstrahlung einzelner Sendungen im sogenannten Near-Video-on-Demand-Verfahren. Hierbei werden aktuelle Spielfilme oder sonstige besondere Events (ζ. B. Sportereignisse oder Konzerte) in 30- bis 60minütigem Anfangsrhythmus ausgestrahlt. Eine Sendung läuft also gleichzeitig zeitversetzt auf mehreren Kanälen. Anders als bei den Spartenprogrammen zahlt der Zuschauer nicht für die Möglichkeit der Nutzung, sondern nur für jede gesehene Sendung. Daher wird diese Angebotsform auch als „Pay-per-View" bezeichnet. Eine weitere neue Angebotsform ist die gleichzeitige Ausstrahlung einer Sendung aus mehreren Kameraperspektiven (sog. Multikanal-/Multiperspektivprogramm). Für jede Perspektive wird ein Kanal bereitgehalten, so daß der Zuschauer 76

Vgl. dazu auch Wagner, Rechtsfragen digitalen Kabelfemsehens, 1996, S. 12.

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1. Kap.: Einführung

durch Hin-und Herschalten zwischen den Kanälen die jeweils von ihm gewünschte Perspektive einstellen kann. Diese Übertragungsform wird bisher genutzt für die Übertragung von Formel 1-Rennen oder Grand Slam-Turnieren. Denkbar ist jedoch auch jedes andere Sportereignis oder auch die Ausstrahlung eines Spielfilms mit unterschiedlichen Schlußversionen. Die neuen digitalen Möglichkeiten werden nicht nur von den privaten Rundfunkveranstaltern sondern auch von den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten genutzt. Sie schnüren aus ihrem Programmfundus zwei digitale Bouquets und übertragen diese seit September 1997 über Astra. Dazu gehören die Hauptprogramme ARD und ZDF, das österreichische Fernsehen ORF, alle Dritten Fernseh- und zahlreiche Hörfunkprogramme. Darüber hinaus gibt es den neuen Kinderkanal, den Ereignisund Dokumentationskanal „Phoenix" für Hintergrundinformationen und kulturelle Themen, 1-Muxx (eine zeitversetzte Ausstrahlung des ARD-Gemeinschaftsprogramms), 1-Extra (eine zweieinviertelstündige Info-Programmschleife zwischen „Tagesschau" und „Tagesthemen") und 1-Festival, eine rund fünfstündige Programmschleife mit Spielfilmen aus eigener Produktion. Außerdem will die ARD Online-Seiten verbreiten 77. In der ersten Phase ist somit insgesamt eine zunehmende Verspartung des Programmangebotes und damit einhergehend eine Ausdifferenzierung der Nutzung zu beobachten. Anders als bisher wird es nicht nur Spartenprogramme für die einzelnen Programmbereiche wie „Musik", „Unterhaltung", „Information" und „Sport" geben. Vielmehr werden innerhalb dieser Programmsparten wiederum eine Vielzahl von „Untersparten" durch einzelne Programme abgedeckt. Die Programmfarbe „Sport" teilt sich bei DF1 z. B. auf in eigene Programme für Formel 1, Golf und Wrestling. Angesichts dieser Entwicklung wird bereits heute die Frage gestellt, ob überhaupt und in welchem Umfang und in welcher Form die - bisher als unverzichtbar ausgewiesenen - (öffentlich-rechtlichen) Vollprogramme weiterhin als notwendig angesehen werden müssen78. Darüber hinaus ist fraglich, ob und wie die bestehende Rundfunkordnung im Hinblick auf die zunehmende Verspartung und Vervielfachung des Programmangebotes zu modifizieren ist. Zu berücksichtigen ist dabei auch, daß die digitale Technik dem Zuschauer eine individuellere Auwahl ermöglicht. Dies gilt insbesondere hinsichtlich der zeitlichen Verfügbarkeit der unterschiedlichen Programmgenres 79. 77

„Heiße Technik-Debatten mit der Brisanz von Medienpolitik"; FAZ vom 30.07.1997,

S.T1. 78

Vgl. Stolte , Bleibt Fernsehen Femsehen?, epd vom 05.11.1997, 3, 8; s.dazu auch Kiefer, Unverzichtbar oder überflüssig?, RuF 1996, S.6ff. 79 Aus dieser unbeschränkten zeitlichen Verfügbarkeit aller Inhalte folgen insbesondere Probleme im Hinblick auf den Jugendschutz, da bisher die Ausstrahlung von Sendungen mit einer FSK-Freigabe ab 16 bzw. 18 Jahren nur zu bestimmten Zeiten zulässig ist (§ 3 RStV). Etwas anderes gilt nur, wenn der Rundfunkveranstalter auf andere Weise Vorkehrung trifft, daß diese Sendungen von Kindern oder Jugendlichen üblicherweise nicht wahrgenommen werden (§ 3 Abs. 2 RStV). Die digitalen Set-top-Boxen sind mit einer sog. Kindersperre ausgerüstet,

C. Digitales Fernsehen

33

2. Inhalte der zweiten Phase Auch wenn in der ersten Phase die technischen Möglichkeiten nur für eine individuellere zeitliche Verfügbarkeit der Programme genutzt werden, sind die Gesamtperspektiven aufgrund der zu erwartenden konvergenten Entwicklung im Auge zu behalten. Das gilt - im Zusammenhang mit der Identifizierung von ordnungspolitischem Regelungsbedarf - gerade hinsichtlich der geplanten, angedachten oder denkbaren Programm- und Diensteangebote. In der zweiten Phase wird das digitale Fernsehangebot ergänzt durch Angebote und Dienste, die bisher nur mit einem Personal Computer mit Modem genutzt werden konnten. In Deutschland verfügten jedoch im Jahr 1996 nicht einmal 7 Prozent aller Haushalte über einen PC mit Modem, so daß diese Angebote bisher nur eine geringe Anzahl von Menschen erreichten. Andererseits haben die meisten Haushalte jedoch einen oder mehrere Fernsehgeräte, die nun mittels der digitalen Set-topBoxen zu einem Multimedia-Terminal umgerüstet werden können80. Als Weiterentwicklung der Near-Video-on-Demand-Angebote wird es in Zukunft Video-on-Demand geben. Dieser Dienst zeichnet sich dadurch aus, daß der Zuschauer nicht mehr auf eine vom Veranstalter bestimmte Anfangszeit einer Sendung angewiesen ist, sondern individuell das von ihm gewünschte Angebot mittels der Fernbedienung von einem externen Video-Server abrufen kann. Dieses Verfahren wird es nicht nur für Video- oder Audiodienste geben, sondern - als sogenannten Data-Broadcast - auch für Textdateien, Datenbanken, Softwareapplikationen usw.81. Inhaltlich können damit alle Formen von schriftlicher oder graphischer Darstellung, wie Videotext, Electronic Publishing82 oder Spiele übermittelt werden. Darüber hinaus wird es Informations- und Schulungsangebote geben. Im Vergleich zu herkömmlichen Übertragungsmedien können im Wege des DataBroadcast auch größte Datenmengen um ein Vielfaches schneller übertragen werden. Bei einer Bandbreite von ζ. B. 8 Mbit/s dauert die vollständige Übertragung des gesamten Inhaltes einer CD-ROM nur 11 Minuten. Über eine ISDN-Verbindung mit 64 Kbit/s würde die Übertragung derselben Datenmenge etwa 23 Stunden dauern 83. die es den Eltern ermöglicht, einzelne Sendungen oder ganze Programme für ihre Kinder zu blockieren (BetaDigital, d-box Network, S.20). Es wird zur Zeit intensiv diskutiert, ob dieses System als Maßnahme des Jugendschutzes im digitalen Femsehen ausreicht; vgl. Positionspapier der LfR zu Fragen digitalen Rundfunks vom 26.09.1997, S. 8, und Stellungnahme der KirchGruppe zum 4. Rundfunkänderungsstaatsvertrag vom 16.01.1998. 80 BetaDigital, d-box Network, 1997, S. 10. 81 BetaDigital, d-box Network, 1997, S. 17. 82 Electronic Publishing bezeichnet die Herstellung, Vervielfältigung und Verbreitung von geistigen Erzeugnissen (Mehr-Wert-Diensten) mit Hilfe elektronischer Technologien bzw. Medien. Beispiele sind die elektronische Zeitung oder Enzyklopädie; vgl. Schrape, Wirtschaftliche Chancen des digitalen Femsehens, 1994, S.5. 83 BetaDigital, d-box Network, 1997, S. 17. 3 Rinke

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1. Kap.: Einführung

Für den Zuschauer besteht darüber hinaus die Möglichkeit zum ebenfalls schnellen Data-Downloading84. Mit den digitalen Set-top-Boxen sind außerdem interaktive Multimedia-Dienstleistungen, wie interaktives Homeshopping und -banking, interaktives Lernen und Online-Datenbankrecherche, möglich. Beim interaktiven Homeshopping blättert der Zuschauer menügesteuert am heimischen Bildschirm in einem elektronischen Versandhauskatalog und ruft für ihn interessante Produktpräsentationen ab. Die Bestellung erfolgt per Fernbedienung85. Im Bankenbereich kann der Kunde über seinen Fernseher online mit seiner Bank in Verbindung treten, Überweisungen tätigen, die neuesten Anlageformen abfragen oder sich über Lebensversicherungen informieren 86. Die digitale Technologie kann auch zur Schulung eingesetzt werden. Die Interaktion mit dem Vortragenden ist über einen Rückkanal möglich. So können zum Beispiel Schulungsvideos mit einem Test über den Unterrichtsstoff abgeschlossen werden, wobei nur nach dessen Bestehen die nächste Schulungsveranstaltung angesehen werden kann 87 . Die Set-top-Boxen sind weiterhin mit einem Modem für Internetzugang versehen, so daß die Nutzung interaktiver Telekommunikationsdienste, wie z.B. e-Mail und Electronic Commerce, möglich ist 88 . Die erste Phase des digitalen Fernsehens ist dadurch gekennzeichnet, daß herkömmliche Rundfunkinhalte vielfältiger als bisher zeitlich verfügbar sind. In der zweiten Phase werden die Zuschauer zum einen völlig frei von zeitlichen Vorgaben durch Rundfunkveranstalter die Inhalte indivduell abrufen können und zum anderen über das Fernsehgerät Inhalte empfangen können, die sie bisher nur in gedruckter Form vorfanden oder als Online-Angebote mittels eines Computers nutzen konnten. Hinzu kommen die über das Internet möglichen Formen der Individualkommunikation. Andererseits werden nach dem Ausbau des Telefonnetzes die klassischen Rundfunkinhalte über an das Internet angeschlossene Computer zu empfangen sein89. Daher stellt sich die Frage, welche Angebote in Zukunft noch als Rundfunk einzuordnen sein werden und wie diese Rundfunkordnung in Zukunft auszugestal84 Sehr ape, Wirtschaftliche Chancen des digitalen Femsehens, 1994, S. 13; BetaDigital, d-box Network, 1997, S. 18. 85 Ridder, Teleshopping - elektronisches Versandhaus oder Fernsehprogramm?, MP 1995, 414,416. 86 BetaDigital, d-box Network, 1997, S. 18. 87 BetaDigital, d-box Network, 1997, S. 14. 88 BetaDigital, d-box Network, 1997, S. 11, 19; Schrape, Wirtschaftliche Chancen des digitalen Femsehens, S. 13. 89 Es wird daher diskutiert, ob für Computer mit Internet-Zugang Rundfunkgebühren erhoben werden sollen; s. dazu Ricker, Rundfunkgebühren für Computer mit Internet-Zugang?, NJW 1997, 3199 ff.

C. Digitales Fernsehen

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ten sein wird. Im Hinblick auf Angebotsformen, die nicht als Rundfunk zu qualifizieren sind, ist ebenfalls fraglich, welcher Ordnungsrahmen gelten soll 90 .

I I I . Digitale Vertriebsdienstleistungen Der Empfang analoger Hörfunk- und Fernsehangebote setzt keine komplexe Vertriebs- und Vermarktungsstrukur voraus. Terrestrischer Rundfunk wird regelmäßig an eine beliebige Zahl von Zuschauern bzw. Zuhörern ausgestrahlt, die die Sendungen mit einer Antenne und einem geeigneten Endgerät empfangen können. Soweit die Programme durch Werbung finanziert werden, gibt es keine Vertrags- bzw. Kundenbeziehung zwischen Veranstalter und Rezipienten. Diese Lage hat sich mit Einführung des Pay-TV, insbesondere des digitalen Fernsehens, grundlegend verändert. Der Zugang zu den neuen Angeboten wird zukünftig, ähnlich wie beim Vertrieb der Presse, durch eine Reihe von Dienstleistungen vermittelt. Diese Dienstleistungen werden als zugangsrelevante Dienstleistungen91 oder als Vertriebsdienstleistungen 92 bezeichnet. Im folgenden werden die einzelnen Vertriebsdienstleistungen dargestellt und auf ihr Risikopotential untersucht. 1. Playout In einem ersten Schritt werden die Programm- und SI93-Datenströme digital aufbereitet und mittels MPEG2-Verfahren komprimiert 94. Dieses Verfahren ist im Rahmen des Digital Video Broadcasting (DVB)-Projektes 95 als Standard festgelegt wor90 Durch die Angebote des Electronic Commerce wie Teleshopping oder elektronische Verkaufskataloge und die Möglichkeit für elektronische Vertragsabschlüsse ergeben sich darüber hinaus neue Fragestellungen im Bereich des Datenschutzes und des Verbraucherschutzes. 91 Wagner; Rechtsfragen digitalen Kabelfernsehens, 1996, S. 13. 92 Weisser, Dienstleistungen zum Vertrieb digitaler Pay-TV-Angebote, ZUM 1997, 877, 878. 93 SI steht für Service Information. Damit sind Daten gemeint, die Zusatzinformationen zu dem übertragenen Programm liefern, z.B. für einen elektronischen Programmführer (EPG); vgl. BetaDigital, d-box Network 1997, S.20. 94 Weisser, Dienstleistungen zum Vertrieb digitaler Pay-TV-Angebote, ZUM 1997, 877, 878; BetaDigital, d-box Network, 1997, S.9. 95 Um die Entwicklung europäischer digitaler Fernsehstandards voranzutreiben, konstituierte sich bereits 1991 auf Initiative des Bundesministeriums für Post- und Telekommunikation (BMPT) die European Launching Group (ELG). Sie erarbeitete einen Kooperationsvertrag, der die gemeinsamen Ziele der Mitglieder festlegte. Die Unterzeichnung dieser Vereinbarung im September 1993 gilt als Start des europäischen DVB-Projektes (DVB = Digital Video Broadcasting). Die mittlerweile nahezu 200 Mitglieder, unter ihnen Gerätehersteller, Netzbetreiber, Fernsehsender und Behörden, bilden das Plenum des DVB-Projektes. Das Büro des DVB-Projektes befindet sich in der Zentrale der European Broadcast Union (EBU) in Genf. Es nimmt gemeinsam mit dem BMPT die allgemeinen Verwaltungsaufgaben des durch Mitgliedsbeiträ-

3*

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1. Kap.: Einführung

den und ermöglicht im Fernsehbereich eine effektive Datenreduktion von 1:33 (bisherige digitale Studioqualität: 165.9 Mbit/s; Kompression für digitale Übertragung der Fernsehsignale in PAL-Qualität auf 5 Mbit/s). Das bedeutet, daß das Fernsehbild nicht mehr wie bei der analogen Technik 33mal pro Sekunde aufgebaut wird, sondern nur diejenigen Veränderungen zum vorangegangenen Bild übertragen werden, die durch das menschliche Auge wahrnehmbar sind 96 . Danach findet das sogenannte Multiplexing statt. Hierunter versteht man die Verwirbelung der komprimierten Datenströme zu einem gemeinsamen Transportdatenstrom 97. In der Regel werden sechs Programmdatenströme zuzüglich der jeweiligen SI-Daten in einem gemultiplexten Datencontainer zusammengefaßt. Ein gemultiplexter Datenstrom belegt jeweils einen Kabelkanal im Hyperband 98 oder einen Satellitentransponder 99. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang, daß die sechs in einem Transportdatenstrom zusammengefaßten Programme grundsätzlich in der durch das Multiplexverfahren herbeigeführten Zusammenstellung über Satellit und Kabel weitertransportiert werden müssen100. Eine veränderte Zusammenstellung im Kabel wäre nur möglich mit regionalen Multiplex-Centern, in denen die Programme nach ihrem Downlink vom Satelliten neu paketiert und in die Kabel eingeleitet werden 101. Als letzten Schritt, bevor die Programmsignale die Sendeanlage verlassen, passieren die Daten den Modulator. Je nachdem, ob die Übertragung über Satellit oder Kabel erfolgt, werden die auszustrahlenden Daten QPSK- oder QAM-moduliert 102 . Im Anschluß daran werden die Datenströme auf die bereits genannten Astra-Satelliten übermittelt (sogenannter Uplink), die die Programme entweder direkt zu den Satelliten-Haushalten transportieren oder zu den Kabelkopfstationen heranführen. Alle diese Tätigkeiten (Kompression, Multiplexing, ggfs. Verschlüsselung), Modulation und Uplink werden unter dem Begriff „Playout" zusammengefaßt 103. In Deutschland gibt es zur Zeit zwei digitale Playout-Centren. Eines wird von der BetaDigital Gesellschaft für digitale Fernsehdienste mbH (BetaDigital) in Unterge finanzierten Projektes wahr; vgl. „Set-top-Boxen für Digital-TV", Funkschau vom 27.10.1995. 96 BetaDigital, d-box Network, 1997, S.9. 97 Bartosch, Digital Video Broadcasting (DVB) im Kabel, CR 1997, 517. 98 Ausgehend von einer Transportleistung von 30 Mhz/S.; vgl. BetaDigital, d-box Network, S.7. 99 Bartosch, Digital Video Broadcasting (DVB) im Kabel, CR 1997, 517. 100 Wagner, Rechtsfragen digitalen Kabelfemsehens 1996, S. 14. 101 102 103

878.

Hege, Offene Wege in die digitale Zukunft, 1995, S.73, 76, 77. BetaDigital, d-box Network, 1997, S.9. Weisser, Dienstleistungen zum Vertrieb digitaler Pay-TV-Angebote, ZUM 1997, 877,

C. Digitales Fernsehen

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föhring betrieben. Die BetaDigital ist ein 100%iges Tochterunternehmen der KirchGruppe. Im Zuge der Fusion von DF1 und Premiere sollte die BetaDigital ebenfalls zu einem paritätischen Gemeinschaftsunternehmen der KirchGruppe und CLT/Ufa umgestaltet werden 104. Diese Fusion wurde jedoch von der EU-Kommission nicht genehmigt. Ein weiteres Playout-Center wird von Studio Hamburg betrieben, welches bisher für die Verbreitung des digitalen Angebotes von Premiere genutzt wurde. Die weitere Verwendung dieses Playout-Centers ist bisher ungewiß. Die BetaDigital ist in der Lage, bis zu 200 Fernsehprogramme oder sonstige Dienste digital aufzubereiten, zu multiplexen und zu verschlüsseln 105. Bisher wurde nur ein Teil der verfügbaren Sendekanäle für die Verbreitung der DF1-Programme genutzt, so daß die übrigen Kapazitäten grundsätzlich anderen Interessenten zur Verfügung gestellt werden können. Aufgrund des fehlenden Wettbewerbs in diesem Bereich besteht jedoch durchaus die Gefahr, daß das Mutterunternehmen der BetaDigital konkurrierende Programmanbieter von der digitalen Verbreitung ausschließt oder durch eine ungerechtfertigte Preisstruktur behindert. Ziel ordnungspolitischer oder normativer Bemühungen muß es daher sein, freien Zugang zu diesen Dienstleistungen zu angemessenen, chancengleichen und diskriminierungsfreien Bedingungen zu gewährleisten. Weiterhin sollte vertikalen Konzentrationsprozessen entgegengetreten werden. Problematisch ist auch, daß mit dem Multiplexing bereits eine Vorentscheidung für die Kabelverbreitung getroffen wird, da die durch das Multiplex-Verfahren zusammengestellten Transportdatenströme bis zur Verfügbarkeit von regionalen Playout-Centren unverändert ins Kabel übernommen werden müssen. Dies bedeutet, daß bei Kapazitätsknappheit im Kabel nicht mehr, wie bisher im analogen Bereich, einzelne Programme, sondern nur noch ein kompletter Transponder mit sechs Programmen von der Kabelverbreitung ausgeschlossen werden kann. Da die Kabelnetze der Telekom noch nicht voll digitalisiert sind, ist auch mittelfristig mit einer Kanalknappheit im Hyperband zu rechnen 106. Hinsichtlich des zu schaffenden ordnungsrechtlichen Rahmens ist daher zu berücksichtigen, daß das Multiplexing für die Belegung der Kabelkanäle entscheidend ist.

2. Set-top-Boxen Die digitalisierten und gemultiplexten Signale können mit den herkömmlichen Fernsehgeräten nur sichtbar gemacht werden, wenn sie zuvor in analoge Signale zurückverwandelt werden. Diese Funktionen der Digital-Analog-Umwandlung und 104 Vgl. Ziffer 4 der Verständigung zum digitalen Fernsehen, abgedruckt in epd vom 02.08.1997. 105 BetaDigital, d-box Network, 1997, S.7. 106 Vgl. Bartosch, Digital Video Broadcasting (DVB) im Kabel, CR 1997, 517, 519.

1. Kap.: Einführung

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der Auflösung der Datenströme durch De-Multiplexing werden von einem Zusatzgerät, der „Set-top-Box", übernommen 107. Da die Signale für Pay-TV Programme und andere entgeltpflichtige Dienstleistungen (ζ. B. Spiele und Telebanking) verschlüsselt werden, sind die Boxen mit einer Technologie ausgestattet, die es ermöglicht, die Signale wieder zu entschlüsseln. Daher werden sie auch als Dekoder bezeichnet108. Hinsichtlich dieser Dekoder hat es vor Einführung des digitalen Fernsehens bis Mitte 1997 einen „Kampf der Systeme" gegeben. Die KirchGruppe hatte zunächst angekündigt, sich an der MMBG 1 0 9 zu beteiligen und die media-box für die Verbreitung ihrer digitalen Programme verwenden zu wollen. Anfang 1996 hat sie ihren Austritt aus der MMBG verkündet und einen eigenen Dekoder, die d-box, auf den Markt gebracht. Diese Set-top-Box mußte zunächst von den Zuschauern zu einem zwar subventionierten, aber dennoch verhältnismäßig hohen Preis (ca. DM 900,-) käuflich erworben werden. Später wurde die Miete der Box in Verbindung mit dem Abschluß eines DF1-Abonnements angeboten. Mitte 1997 haben sich die KirchGruppe, CLT/Ufa und die Telekom geeinigt, in Zukunft - auch im Fall einer ablehnenden Entscheidung der EU-Kommision - ausschließlich die d-box-Technologie zu verwenden 110. So will die Telekom ab Oktober 1998 die d-box als Standard für den digitalen Kabelempfang einsetzen111 Mit dieser Einigung ist jedoch hinsichtlich der Set-top-Boxen kein Friede auf dem digitalen Fernsehmarkt eingekehrt. Umstritten ist zur Zeit insbesondere die Frage des Application Programming Interface (API) der Set-top-Boxen112. Digitale Empfangsgeräte sind letzlich nichts anderes als SpezialComputer für die Darstellung von Fernsehbildern, und als solche brauchen sie eine Software, die ihre Funktionen steuert. Das API muß wiederum mit Anwendungsprogrammen harmonieren, die die Dekoder ausführen sollen, beispielsweise mit elektronischen Programmführern, die dem Zuschauern helfen sollen, durch das vielfältige Angebot zu navigieren 113. Die KirchGruppe, CLT/Ufa und die Telekom haben sich auch darauf geeinigt, daß der API der d-box zum Standard erhoben wird. Die Telekom ist lediglich frei, für die Weiterverbreitung im Kabel auf der Grundlage des API weitere Anwendungen 107

Holznagel, Probleme der Rundfunkregulierung im Multimediazeitalter, ZUM 1996, 16,

22.

108

Weisser,

Dienstleistungen zum Vertrieb digitaler Pay-TV-Angebote, ZUM 1997, 877,

879. 109 Die MMBG (Multimedia-Betriebsgesellschaft) war ein Zusammenschluß von ARD, ZDF, RTL, CLT/Ufa, der Telekom und Canal Plus, um mit einem gemeinsam entwickelten Dekoder (media-box) den Markt für digitales Femsehen zu bereiten. 1,0 Vgl. Ziffer 3 Verständigung zum digitalen Femsehen, abgedruckt in epd vom 02.08.1997. 111 „Kirch gibt Digital-TV-Technik an Telekom", Handelsblatt vom 21.09.1998, S. 16. 112 Weisser, Dienstleistungen zum Vertrieb digitaler Pay-TV-Angebote, ZUM 1997, 877, 878; „Das Innenleben bleibt geheim", Der Spiegel vom 01.06.1998, S. 1 lOf. 113 „Heiße Technik-Debatten mit der Brisanz von Medienpolitik", FAZ vom 30.09.1997, T1.

C. Digitales Fernsehen

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selbst neu- oder fortzuentwickeln und einzusetzen114. Die von der BetaResearch entwickelte Betriebssoftware ist jedoch - ähnlich wie ein Betriebssystem für Computer - kein offener Standard. Sie ermöglicht daher nur die Übertragung von Anwendungsprogrammen, die auf ihre Schnittstellen hin programmiert wurden 115. Betroffen von dieser Problematik sind insbesondere die öffentlich-rechtlichen Programmanbieter, die gemeinsam mit Sun und Thomson das eigene API „Open TV" entwickelt haben. Dieses Betriebssystem ist die Basis eines Empfängerkonzeptes, auf das sich ARD, ZDF und die werbefinanzierten privaten Programmanbieter im Rahmen des Free-TV-Projekts geeinigt haben. Auch das API der Open TV-Box ist derzeit nicht frei zugänglich und kann nur als Lizenz erworben werden 116. Zur Lösung dieser Probleme hat die BetaResarch angeboten, bis Dezember 1998 eine offene Schnittstelle zu entwickeln, die es anderen Veranstaltern ermöglicht, eigene Programmführer über das System der d-box zu verbreiten bzw. Vernetzungssysteme aufzubauen. Die technischen Parameter dieser Schnittstelle sollen offengelegt und jedem potentiellen Nutzer zur Verfügung gestellt werden 117. In technischer Hinsicht kann eine Abänderung des Betriebssystems grundsätzlich unproblematisch erfolgen, ohne daß der Benutzer der Dekoder hierzu Disketten oder CD-ROMs benötigt. Neue Betriebssysteme mit erweiterten Funktionsmöglichkeiten und Anwendungsprogrammen werden mittels elektronischer Datenübertragung auf die Boxen geladen. Der „Download" und der „Upgrade" der Applikationen und der Betriebssystem-Software erfolgt direkt über Satellit oder Kabel 118 . Bemerkenswert ist weiterhin, daß die Set-top-Boxen über einen Rückkanal verfügen, so daß die digitale Datenübertragung keine Einbahnstraßenlösung ist. Die d-box hat ein integriertes Modem, über welches der Benutzer Informationen mit dem Sender austauschen kann. Dieser Rückkanal ist die Basis für die interaktiven Anwendungen der Set-top-Box. Auf diese Weise werden zum Beispiel Bestellungen aufgenommen, aber auch Abrechnungen erstellt (ζ. B. bei Homeshopping oder Near-Video-on-Demand)119.

114 Vgl. Ziffer 8 der Verständigung zum digitalen Fernsehen, abgedruckt in epd vom 02.08.1997. 115 „Heiße Technik-Debatten mit der Brisanz von Medienpolitik", FAZ vom 30.09.1997, Τ1. 1,6 „Das Innenleben bleibt geheim", Der Spiegel vom 01.06.1998, S. 112. 117 Vgl. Staatskanzlei Rheinland-Pfalz, Ergebnisniederschrift über die Sitzung der Rundfunkkommission der Länder am 09.10.1997 in Mainz, S.7; „Das Innenleben bleibt geheim", Der Spiegel vom 01.06.1998, S. 112. 118 BetaDigital, d-box Network, 1997, S. 12. 119 BetaDigital, d-box Network, 1997, S. 12.

40

1. Kap.: Einführung

3. Ver- und Entschlüsselung Wie bereits beschrieben, werden die meisten der neuen Angebote nur gegen Entgelt an die Zuschauer übermittelt. Die Veranstalter wollen daher sicherstellen, daß ihre Programme ausschließlich von Zuschauern empfangen werden können, die entsprechende Abonnementverträge abgeschlossen haben und die Gebühren entrichten. Deshalb werden die Programme in den Playout-Centren vor dem Multiplexing in einem Scrambler verschlüsselt. Diese Verschlüsselung der zu übertragenden Daten erfolgt mittels Kontrollwörtern. Die Kontrollwörter selbst werden in sogenannten ECMs (Entitlement Control Messages) vom Playout Center zu den Dekodern übertragen. Diese Übertragung wird wiederum mit einem Produktschlüssel kodiert, welcher die Zugangsberechtigung für den Empfänger abbildet. Die Übertragung der Produktschlüssel erfolgt in EMMs (Entitlement Management Messages) und kann an einzeln definierte Benutzer oder ganze Benutzergruppen gerichtet werden. Sobald dieser Zuschauer den für ihn vorgesehen Produktschlüssel empfangen hat, ist er in der Lage, die für ihn bestimmten Daten zu entschlüsseln120. Damit nur der Berechtigte die verschlüsselten Angebote nutzen kann, sind die Set-top-Boxen mit einem System der Zugangskontrolle (Conditional Access-System) 121 ausgestattet. Dieses System prüft die Nutzungsberechtigung und stellt so sicher, daß nur die jeweils bestellten Dienste empfangen werden können. Die zur Prüfung der Nutzungsberechtigung benötigten Informationen liest das Gerät von Chipkarten (sogenannten SmartCards), die der Zuschauer zusammen mit dem Dekoder erhält und die er in das entsprechende Modul des Gerätes einführen muß. Die SmartCards sind mit individuellen Kennziffern versehen, welche den Programmveranstaltern bei Abschluß oder Änderung eines Abonnements mitgeteilt werden. Mittels der EMMs überträgt der Programm Veranstalter auf die Set-top-Box des Abonnenten Informationen darüber, für welche Programme oder Dienste der Zuschauer zugangsberechtigt ist. Die Kennziffer und die im Empfangsgerät gespeicherten EMMs autorisieren das Gerät, die zur Entschlüsselung benötigten Kontrollwörter zu erzeugen. Diese werden in den Descrambler der Box geladen und lösen damit die Entschlüsselung aus 122 . Die Verschlüsselungstechnologien sind proprietäre Systeme. Daher war die Frage, welches Conditional Access-System in Deutschland zum Standard erhoben werden sollte, zentrales Thema der Auseinandersetzung bei der Einführung des digitalen Fernsehens zwischen der KirchGruppe und CLT/Ufa. Die Hersteller bzw. Ver120 „Set-top-Boxen für Digital-TV", Funkschau vom 27.10.1995; BetaDigital, d-box Network, 1997, S.8. 121 Unter dem Begriff „Conditional Access" (CA) werden alle technischen und kommerziellen Systemkomponenten des digitalen Femsehens subsumiert, die den Zugang zu den verschlüsselten Angeboten regeln; vgl. „Set-top-Boxen für Digital-TV", Funkschau vom 27.10.1995. 122 BetaDigital, d-box Network, S. 8.

C. Digitales Fernsehen

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wender dieser Systeme konnten sich bisher auf europäischer Ebene im Rahmen des DVB-Projektes nicht auf einheitliche Verschlüsselungsstandards einigen 123 . Die einzigen deutschen Veranstalter digitalen Pay-TVs haben sich auf die Verwendung des Beta-Irdeto-Systems auf der Basis der d-box festgelegt 124. Bisher wurde von Premiere das von Seca/Canal Plus entwickelte Verfahren verwendet 125. Premiere hat sich jedoch im Zuge der Einigung mit der KirchGruppe - auch für den Fall einer ablehnenden Entscheidung der EU-Kommission - bereit erklärt, auf dieses System zu verzichten. Auch die öffentlich-rechtlichen Programme, ARD und ZDF, haben sich mittlerweile verpflichtet, die d-box als technische Basis für die Verbreitung digitaler Angebote zu nutzen126. Damit gibt es in Deutschland faktisch nunmehr nur noch ein System für die Verschlüsselung von Fernsehsignalen. Für dieses System hält die BetaResearch ausschließliche und unbefristete Lizenzen für Deutschland, Österreich und die deutschsprachige Schweiz. Lizenzgeber der Zugangstechnologie ist DigCo Β. V., an der Kirch und die zur südafrikanischen MIHGruppe gehörende Irdeto Β. V. mit 50 Prozent beteiligt sind. BetaResearch soll die Verschlüsselungs- und Betriebssoftware für die d-box-Technologie weiterentwikkeln und diese Technologie an Pay-TV-Anbieter, Anbieter technischer Dienstleistungen für digitales Fernsehen und Decoderhersteller lizenzieren 127. Grundsätzlich ist somit der Empfang aller digitalen Programme und Dienste über die d-box der BetaResearch möglich. Dies gilt jedoch nur, soweit alle Programme mit dem Beta-Irdeto-Standard verschlüsselt werden. Für den Fall, daß in Zukunft andere Veranstalter einen anderen Verschlüsselungsstandard als den Beta-IrdetoStandard verwenden sollten, gibt es außerdem verschiedene technische Lösungen, mit denen eine Interoperabilität der unterschiedlichen Systeme herbeigeführt werden kann. Dafür kommen insbesondere die Ausstattung der Dekoder mit einem Common Interface und die Verwendung des Simulcryptverfahrens in Betracht. Beim Simulcryptverfahren werden die Verschlüsselungssignale der unterschiedlichen Conditional Access-Systeme zu einem Verschlüsselungsdatenstrom gemischt. Anschließend werden die unterschiedlichen Informationen an die Set-topBox übermittelt, die automatisch die für ihren Entschlüsselungsstandard passenden Informationen heraussucht128. Dieses Verfahren hat für die Zuschauer den Vorteil, daß sie mit einem Dekoder, ohne Veränderungen an dem Gerät vornehmen zu müs123

Weisser,

Dienstleistungen zum Vertrieb digitaler Pay-TV-Angebote, ZUM 1997, 877,

879.

124

Vgl. Ziffer 3 der Verständigung zum digitalen Fernsehen, abgedruckt in epd vom 02.08.1997. 125 „Der Start des digitalen Fernsehens vom Streit zweier Systeme belastet", FAZ vom 24.11.1995. 126 „Für alle offen - ARD zeichnet Vertrag zum digitalen TV", FAZ vom 26.02.1998, S. 34. 127 „Kommission leitet eingehende Untersuchung im Fall Deutsche Telekom/BetaResearch ein", Pressemitteilung der EU-Kommission vom 30.01.1998. 128 Bartosch, Digital Video Broadcasting (DVB) im Kabel, CR 1997, 517, 518.

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1. Kap.: Einführung

sen, sämtliche Programme unabhängig von dem verwendeten Verschlüsselungsstandard empfangen können. Für die Veranstalter besteht jedoch der Nachteil, daß sie ihren Konkurrenten die von ihnen verwendeten Verschlüsselungsalgorithmen mitteilen müssen, damit diese die fremden Verschlüsselungssignale reproduzieren und mit ihren eigenen Signalen vermischen können129. Beim Common Interface sind die Boxen entweder mit mehreren Modulen für unterschiedliche SmartCards (2-slot Common Interface) versehen oder verfügen über eine austauschbare Vorrichtung (1-slot Common Interface). Diese Lösung hat für die Verbraucher den Nachteil, daß sie technische Veränderungen an den Dekodern vornehmen müssen, um sie an unterschiedliche Verschlüsselungsstandards anzupassen. Die Veranstalter müssen jedoch, anders als beim Simulcrytverfahren, ihre Verschlüsselungsinformationen nicht offenlegen.

4. Elektronische Programmführer Die Ausdifferenzierung und die große Anzahl der neuen digitalen Angebote und Programme bringt zwangsläufig einen erheblichen Orientierungsbedarf für den Zuschauer mit sich. Wie bereits beschrieben, sind die Set-top-Boxen, ähnlich wie ein Computer, in der Lage, Anwendungsprogramme zu verarbeiten. Daher wurden Anwendungsprogramme entwickelt, mit deren Hilfe der Zuschauer sich in dem umfangreichen Angebot zurechtfinden kann. Diese Programme werden als Elektronische Progammführer (EPGs) oder Navigationssysteme bezeichnet130. Die Programmführer sind in der Regel so ausgestaltet, daß der Zuschauer auf der ersten Seite - der sogenannten Kanalliste - einen Überblick über sämtliche mittels des Dekoders empfangbaren Programme erhält. Auf den folgenden Seiten sind die Programme nach Themen geordnet. Zukünftig ist auch die Zusammenstellung von Programmvorschlägen nach den persönlichen Vorlieben des jeweiligen Zuschauers geplant131. Weiterhin können Informationen zu einzelnen Sendungen abgerufen werden. Als weitere Funktion bietet der Programmführer eine Tages- oder Wochenvorschau. Außerdem kann der Zuschauer mittels des Programmführers den Videorekorder programmieren, die Kindersperre aktivieren oder andere Einstellungen an der Set-top-Box vornehmen. Wie bereits angedeutet, ist auch der Elektronische Programmführer ein Streitpunkt zwischen den Anbietern digitaler Programme. Die öffentlich-rechtlichen Programmanbieter haben auf der Grundlage von „Open-TV" ein eigenes Navigationssystem entwickelt, das jedoch mit dem System der d-box nicht kompatibel ist. Bis 129 130

„Das Innenleben bleibt geheim", Der Spiegel vom 01.06.1998, S. 111. Holznagel, Probleme der Rundfunkregulierung im Multimediazeitalter, ZUM 1996, 16,

24. 131

24.

Holznagel, Probleme der Rundfunkregulierung im Multimediazeitalter, ZUM 1996, 16,

C. Digitales Fernsehen

43

zur Entwicklung einer universellen Schnittstelle sind die öffentlich-rechtlichen Anbieter daher darauf angewiesen, entweder ein neues Programm basierend auf dem API der d-box zu entwickeln oder ebenfalls den Programmführer der d-box zu verwenden. Auch bei Nutzung eines einheitlichen EPGs ist streitig, wer über die Rangfolge der Programme in der Kanalliste und über die Auswahl von Sendungen zu bestimmten Themenkomplexen entscheidet. Wegen der Fülle des zu erwartenden Angebotes ist es von großer Bedeutung, im Navigationssystem vorteilhaft piaziert zu sein, da anderenfalls mit erheblichen Akzeptanz Verlusten zu rechnen ist 132 . Hinsichtlich der Kanalliste wurde dieser Konflikt bisher von der KirchGruppe dadurch gelöst, daß die Zuschauer beim EPG der d-box die Reihenfolge der Programme nach persönlichen Präferenzen selbst festgelegen können133. Dieses Verfahren bietet jedoch keine Lösung hinsichtlich der vom Anbieter des Navigationssystems auszuwählenden Vorschläge für bestimmte Themenkomplexe. Insofern ist die Tätigkeit des Anbieters zu vergleichen mit der eines Redakteurs einer Programmzeitschrift, der den Tagestip zu einem bestimmten Programmgenre aus einer Fülle von Angeboten nennt.

5. Paketbildung Wie bereits beschrieben, werden die digitalen Pay-TV-Programme in sogennanten Paketen oder Bouquets vermarktet. Das Verfahren der Paketbildung ist in den USA bereits seit längerem bekannt, da dort die an das Kabelnetz angeschlossenen Fernsehzuschauer aus mehreren Paketen mit analogen Rundfunkprogrammen wählen können. In Deutschland war die Paketierung für die analoge Verbreitung bisher unbekannt, da sich die Telekom als der maßgebliche Netzbetreiber darauf beschränkt hat, ein einheitliches Programmangebot zu einem festen Preis zu verbreiten. Auch der Pay-TV-Veranstalter „Premiere" hat bis zum Start von „Premiere digital" nur ein einzelnes Programm und kein Programmbouquet angeboten. Die neuen digitalen Pay-TV-Pakete setzten sich in der Regel aus Programmen zusammen, die vom jeweiligen Bouquetanbieter produziert oder betrieben werden, und sogenannten „Third Party Channels", die von dritten Veranstaltern zugeliefert werden. So bietet DF1 ein Basispaket134 zum Preis von DM20,-, ein Moviepaket135 132

Holznagel, Probleme der Rundfunkregulierung im Multimediazeitalter, ZUM 1996, 16,

24. 133

Vgl. „Kanäle sortieren mit Τ. Ο. Ν. I", DF1 Magazin 02/98, S. 16f. Das Basispaket enthält die folgenden Programme: Filmpalast, Heimatkanal, Krimi & Co, Comedy & Co, Herz & Co, K-toon, Junior, Clubhouse, Discovery Channel, Planet, NBC, CNBC, Sky News, BBC Prime, MTV, VH-1, CMT und MCE; vgl. DF1 Magazin 02/98, S. 20. 135 Das Moviepaket enthält alle Programme des Basispaketes und zusätzlich die folgenden Spielfilmkanäle: Star*Kino, Cine Action, Cine Comedy, Western Movies und Romantic Movies; vgl. DF1 Magazin 02/98, S. 20. 134

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1. Kap.: Einführung

zum Preis von DM 3 5 - und ein Sportpaket 136 zum Preis von DM 30,- monatlich an. Weiterhin kann der Zuschauer alle Programme in einem sogenannten Superpaket zum Preis von DM40,- monatlich abonnieren 137. Es besteht auch die Möglichkeit, ausgewählte Programme als sogenannte „Stand Alone Channels" einzeln, quasi „à la carte", zu abonnieren. Dieses sind die Kanäle „Classica" (ein Spartenprogramm für klassische Musik), „DSF Golf" (ein Golf-Spartenprogramm), „Cine Classics" (ein Spartenprogramm mit Spielfilmklassikern) und „Seasons" (ein Programm für Fischer und Angler). Für diese Programme ist monatlich ein Preis zwischen DM 15,- und DM20,- zu entrichten 138. Über die Zusammensetzung der Pakete entscheidet der Paketanbieter, der in der Regel gleichzeitig Programmveranstalter ist. Dies gilt auch für die Positionierung von Third Party Channels, soweit ihre Stellung nicht so stark ist, daß sie die Vermarktung in einem bestimmten Bouquet zur Bedingung für die Lizenzierung ihres Programmes machen können. Die Paketvermarktung hat auf der Anbieterseite den Nachteil, daß einzelne Programmveranstalter bezüglich der Aufnahme in ein solches Paket vom Wohlwollen des Bouquet vermarkters abhängig sind. Diese stellen die Programmpakete nach ausschließlich ökonomischen Gesichtspunkten zusammen. Es besteht daher die Gefahr, daß weniger marktgängige Angebote, an denen die Paketanbieter nur ein geringes ökonomisches Interesse haben, die aber einen Beitrag zur Meinungsvielfalt leisten, nicht in Pakete aufgenommen werden. Da das Medienbudget in den meisten Haushalten beschränkt ist, gibt es für diese Programme faktisch kaum eine Möglichkeit, als sogenannter „Stand Alone Channel" die Zuschauer zu erreichen. Weiterhin besteht die Gefahr, daß besonders attraktive Angebote diskriminiert werden. So hat das US-Filmstudio „Universal" im Dezember 1997 eine Beschwerde bei der Kartellbehörde der Europäischen Kommission mit der Begründung eingereicht, daß sich die KirchGruppe weigere, einen Vertrag aus dem Jahr 1996 über die Ausstrahlung zweier Universal-Kanäle in Deutschland zu erfüllen. Vereinbart worden sei, daß die KirchGruppe im Rahmen der DF1-Programmpakete zwei Universal-Kanäle mit Filmen, Krimis und Abenteuern ausstrahlt und Universal dafür einen festen Anteil an den Abonnementerlösen erhalte. Universal vermutet, daß die Kirch-Gruppe und CLT/Ufa nach ihrer Einigung die Vormachtsstellung dazu mißbrauchen wollten, die eigenen Film- und Sportkanäle bestmöglich zu verkaufen und konkurrierende Angebote vom deutschen Markt fernzuhalten 139. Mittlerweile haben sich die beiden Unternehmen geeinigt, und der Universal Action-Kanal „13 th Street" wird ab August 1998 über DF1 vermarktet 140. 136

Das Sportpaket enthält alle Programme des Basispaketes und zusätzlich die folgenden Sportprogramme: DSF Plus und DSF Action; vgl. DF1 Magazin 02/98, S. 21. 137 Das Superpaket enthält zusätzlich zu den Programmen des Basis-, Movie und des Sportpaketes den „science fiction kanal"; vgl. DF1 Magazin 02/98, S.21. 138 Vgl. DF1 Magazin 02/98, S.21. 139 „Hollywood-Studio fühlt sich diskriminiert", SZ vom 09.12.1997, S. 19. 140 DF1-Magazin 07/98, S.40.

C. Digitales Fernsehen

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Auch für die Rezipienten ist die Paketbildung mit Nachteilen verbunden, da sie faktisch die Auswahlmöglichkeiten beschränkt. Anders als bei der Presse, bei der Angebote einzeln vermarktet werden, können die Zuschauer nicht mehr ohne weiteres auf die Angebote aller Veranstalter zugreifen 141. Von der EU-Kommission wurde die Paketbildung weiterhin unter dem Gesichtspunkt der Kabeleinspeisung als problematisch angesehen. Es war geplant, daß die Kabelnetzbetreiber die Pakete in denselben Kombinationen anbieten müssen wie DF1/Premiere. Die EU-Kommission favorisierte hingegen eine Lösung, nach der die Kabelnetzbetreiber Zugriff auf die einzelnen Programme von DF1/Premiere erhalten hätten. Auf diese Weise sollten sie in die Lage versetzt werden, selbst digitale Programme und Pay-TV anbieten zu können142.

6. Abonnentenverwaltung Als letzte Stufe der digitalen Vertriebsstrukur wird ein sogenanntes Subscriber Management System (SMS) zur Information, Erfassung und Verwaltung der Abonnenten benötigt. Auch für ein SMS ist eine umfangreiche Infrastruktur notwendig, die in der Regel aus einem CallCenter und einem System für Billing, Lettershop und Mahnwesen besteht143. Eine telefonische Hotline eines solchen CallCenters ist grundsätzlich für Anrufer reserviert, die noch nicht Abonnent eines digitalen Programmpaketes sind und die Fragen zu den Angeboten oder der Technik haben. Die Mitarbeiter des CallCenters beantworten in diesen Fällen die Fragen der Interessenten und erfassen die Daten der Anrufer. Eine zweite Hotline steht Abonnenten zur Verfügung, die Bestellungen für Pay-per-View-Programme aufgeben möchten. Diese Bestellungen können zwar in Zukunft auch mittels der Fernbedienung über den Rückkanal der Set-top-Boxen getätigt werden, den Kunden wird jedoch alternativ die Möglichkeit der telefonischen Bestellung angeboten. Außerdem können die Abonnenten telefonisch ihre Pakete erweitern (ζ. B. Movie- statt Basispaket). Das CallCenter nimmt die für die Ausführung der Bestellung notwendigen Informationen auf und leitet diese an das Authorisation Control Center (ACC) weiter. Dieser Vorgang wird auch als Freischaltung bezeichnet. Im ACC werden die vom SMS erfaßten Abonnenten- und Produktdaten in die bereits beschriebenen Berechtigungs- und Produktschlüssel (EMMs) übersetzt 144. Dieser Vorgang kann bereits als Teil des VerschlüsselungsVorgangs betrachtet werden. Außerdem gibt das CallCenter die Daten an diejenige Abteilung des SMS weiter, die für die Abrechnungen verantwortlich ist. Die Abrech141 Kuch, Digitale Zukunftstechniken und ordnungspolitischer Regelungsbedarf, in: Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten (Hrsg.), Jahrbuch 1993/4, S.45, 50. 142 „Medienallianz Bertelsmann/Kirch findet nicht statt"; FAZ vom 28.05.1998, S. 17. 143 BetaDigital, d-box Network, 1997, S. 10. 144 BetaDigital, d-box Network, 1997, S. 8.

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1. Kap.: Einführung

nungen werden vom SMS monatlich auf der Grundlage der Abonnementgebühr und der jeweils genutzten Pay-per-View-Angebote erstellt. Ähnlich wird beim Neuabschluß eines Abonnements verfahren. Die Abonnementverträge gehen schriftlich beim SMS ein. Dort werden die persönlichen Daten des Abonnenten, das gewünschte Abonnement und die Nummer der Smartcard erfaßt. Die Smartcardnummer und die Produktinformationen werden wiederum an das ACC zur Freischaltung übermittelt. Sollte ein Abonnent sein Abonnement kündigen oder seinen Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommen, wird wiederum vom SMS die jeweilige Smartcard gesperrt. Auch das SMS war ein Streitpunkt im Rahmen des Fusionskontrollverfahrens vor der EU-Kommission. Nach der Vereinbarung zwischen der KirchGruppe, CLT/Ufa und der Telekom wollten die Programmanbieter die adminstrativen Dienstleistungen für die Verbreitung der Programme über Satellit und Kabel wie bisher selbst erbringen 145 . Die EU-Kommision bestand jedoch darauf, daß die Kabelnetzbetreiber ihre eigenen Kunden betreuen können146. Die Übernahme der Subscriber Management Services war zwischen den Beteiligten umstritten, da der unmittelbare Kontakt zu den Abonnenten und der unmittelbare Zugriff auf die Abonnentendaten für die Programmveranstalter im Hinblick auf die Ermittlung der Wünsche und Bedürfnisse der Zuschauer von großer Bedeutung ist. Andererseits wollten Kabelnetzbetreiber, insbesondere die Telekom, das SMS für ihre Kunden nicht aus der Hand geben.

IV. Zusammenfassung Die Untersuchung hat bisher gezeigt, daß nicht nur im Hinblick auf die unterschiedliche konvergente Entwicklung sondern auch hinsichtlich der Problemlagen zwischen digitalen Inhalten und digitaler Vertriebsstruktur zu unterscheiden ist. Hinsichtlich der Inhalte stellt sich die - bereits hinreichend diskutierte - Frage, welche Inhalte dem Rundfunk zuzuordnen sind 147 . Daraus ergeben sich wiederum Konsequenzen für die Regelungskompetenzen und die Ausgestaltung der Regulie145

Vgl. Ziffern 4 und 5 der Verständigung zum digitalen Femsehen, abgedruckt in epd vom 02.08.1997. 146 „Medienallianz Bertelsmann/Kirch findet nicht statt", FAZ vom 28.05.1998, S. 17. 147 Zur Diskussion um den Rundbegriff s. etwa Bullinger, Der Rundfunkbegriff in der Differenzierung kommunikativer Dienste, AfP 1996, 1 ff.; Hoffmann-Riem, Der Rundfunkbegriff in der Differenzierung kommunikativer Dienste, AfP 1996, 9 ff.; Gersdorf \ Der verfassungsrechtliche Rundfunkbegriff im Lichte der Digitalisierung der Telekommunikation, 1995; Schulz, Jenseits der „Meinungsrelevanz", ZUM 1996, 487ff.; Engel, Medienordnungsrecht, 1996; Pieper/Wiechmann, Der Rundfunkbegriff, ZUM 1995, 82ff.; Scherer, „Online" zwischen Telekommunikations- und Medienrecht, AfP 1996, 213ff.; Eberle , Digitale Rundfunkfreiheit zwischen Couch-Viewing und Online-Nutzung, CR 1996, 193ff.; Kresse! Heinze, Rundfunkdynamik am Morgen des digitalen Zeitalters, AfP 1995, 574ff.

C. Digitales Fernsehen

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rung. Um den Rahmen dieser Arbeit nicht zu sprengen, sollen diese Fragen hier nicht behandelt werden und auch Fragen der Kabeleinspeisung sollen keine Erwähnung finden 148. Unbehandelt bleibt weiterhin die Rolle der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten im Zuge der konvergenten Entwicklung der multimedialen Welt 149 . Von zentraler Bedeutung in der digitalen Welt - zunächst für alle Rundfunkveranstalter, später auch für die Anbieter anderer Dienste - ist die Frage des Zugangs zu den Vertriebsdienstleistungen 150. Aufgrund des großen finanziellen Aufwandes, der für die Bereitstellung dieser Dienstleistungen erforderlich ist, ist unwahrscheinlich, daß es in diesem Bereich auf absehbare Zeit eine Vielzahl konkurrierender Anbieter geben wird. Daher ist auch ohne die von der EU-Kommission abgelehnte Fusion zwischen DF1 und Premiere auf dem digitalen Fernsehmarkt in Deutschland eine Situation eingetreten, die bereits als „Digitalkartell" bezeichnet wurde 151 . Es ist wahrscheinlich, daß es mittelfristig nur eine einzige Vermarktungsplattform in Deutschland geben wird 152 . Die einzige technische Plattform wird zur Zeit von der BetaDigital/BetaResearch zur Verfügung gestellt. Weiterhin ist zu berücksichtigen, daß, ausgehend von den Entwicklungen auf dem Programmrechtemarkt, der vertikale Bereich insgesamt durch ein hohes Maß an Konzentration gekennzeichnet ist. Diese sogenannte Industriekonvergenz 153 umfaßt weitgehend alle Verwertungsstufen im digitalen Bereich. So beabsichtigen die KirchGruppe und CLT/Ufa alleinige Gesellschafter der Programmplattform Premiere zu werden. Die Unternehmen, die die technische Plattform bilden, sind gleichzeitig 100%ige Tochtergesellschaften der KirchGruppe 154. Die sich abzeich148

Zur Kabelbelegung s. etwa Bartosch, Digital Video Broadcasting (DVB) im Kabel, CR 1997, 517ff.; Bullinger, Verbreitung digitaler Pay-TV-Pakete in Fernsehkabelnetzen, ZUM Sonderheft 1997, 281 ff.; Engel, Verbreitung digitaler Pay-TV-Pakete in Fernsehkabelnetze, ZUM Sonderheft, 309ff.; Gersdorf \ Regelungskompetenzen bei der Belegung digitaler Kabelnetze, 1996; Stettner, Der Kabelengpaß, 1997; Wagner, Rechtsfragen digitalen Kabelfernsehens, 1996. 149 S. dazu etwa Stolte , Bleibt Femsehen Femsehen?, epd vom 05.11.1997, 3 ff.; Kiefer, Unverzichtbar oder überflüssig?, RuF1996,7 ff.; Bleckmann/Pieper, Zulässigkeit von Spartenprogrammen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk, Rechtsgutachten, 1996; Degenhardt, OnlineAngebote öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten, Rechtsgutachten, 1997; Jarass, OnlineDienste und Funktionsbereich des Zweiten Deutschen Femsehens, Rechtsgutacten 1997. 150 Vgl. OFTEL response to the European Commission on the Green paper on the convergence of the telecommunications, media and information technology sectors, and the implication for regulation (Com[97]623), 1998, S.5; Neumann, Pay-TV in Deutschland, 1998, S. 3. 151 Stellungnahme der ARD im Rahmen der Anhörung der Rundfunkkommission der Länder zu einem medienrechtlichen Ordnungsrahmen für Kabelfemsehen einschließlich möglicher Übergangslösungen sowie Fragen der Regulierung des digitalen Femsehens, S. 3; vgl. auch „Das Monopol ist da", SZ vom 30.05.1998, S.29. 152 Vgl. Holznagel/Schulz/Seufert, Zusammenfassung der Ergebnisse des Projekts „Regulierungsziele und -konzepte für digitales Femsehen in Deutschland", 1998, S.81. 153 s. dazu oben 1. Kapitel B. VI. 154 Vgl. „Die KirchGruppe: Wichtige Unternehmen und Beteiligungen", FAZ vom 28.05.1998, S.22.

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1. Kap.: Einführung

nende oligopolistische Konfiguration wirft insgesamt konzentrationsrechtliche Fragen auf, die gelöst werden müssen, wenn es nicht zu Einschränkungen der Meinungsvielfalt im digitalen Rundfunk kommen soll.

D. Gang und Zielrichtung der Untersuchung Vor dem Hintergrund der vorstehenden Analyse der Problemlage im Hinblick auf die Einführung des digitalen Fernsehens in Deutschland und die nachfolgend zu erwartende konvergente Entwicklung soll zunächst untersucht werden, welche einfachgesetzlichen - rundfunkrechtliche und telekommunikationsrechtliche - Regulierungsansätze für den Zugang zu den Vertriebsdienstleistungen bereits geschaffen wurden. Den Schwerpunkt der Erörterungen wird dabei das Verhältnis von Rundfunk- und Telekommunikationsrecht bei der Ausgestaltung der Zugangsfragen des digitalen Fernsehens bilden. Außerdem gilt es herauszuarbeiten, ob die Regulierungsansätze der Problematik des digitalen Fernsehens unter Berücksichtigung der Konvergenz in vollem Umfang gerecht werden, oder ob Regelungslücken bestehen. Weiterhin wird geprüft, ob die Regulierungsansätze den verfassungsrechtlichen Vorgaben genügen. In einem weiteren Schritt wird die englische Regulierung des digitalen Fernsehens beschrieben und analysiert. In Großbritannien sind die Überlegungen zur Regulierung der mit der Einführung digitalen Fernsehens zusammenhängenden Fragen von allen europäischen Ländern am weitesten gediehen. Während in Italien, Spanien und Frankreich dem Start des digitalen Fernsehens keine umfangreichen Novellierungen der nationalen Rundfunkgesetze vorausgegangen sind 155 , wurde in Großbritannien ein anderer Weg beschritten. Dort hat sich die Regierung bereits vor Aufnahme der digitalen Fernsehaktivitäten durch Programmveranstalter und Dienstleistungsunternehmen entschlossen, einen einheitlichen Rechtsrahmen für die Einführung von DVB zu schaffen. Daher soll dieser Rechtsrahmen daraufhin untersucht werden, inwieweit er als Modell für ein Steuerungskonzept des digitalen Fernsehens in Deutschland dienen kann. Aufbauend auf diesen Überlegungen soll schließlich ein Lösungsvorschlag für die Regulierung des digitalen Fernsehens entwickelt werden. Berücksichtigt werden soll auch, daß ein zunehmendes Maß an horizontaler und vertikaler Konzentration zu beobachten ist. Erforderlich sind daher zum einen Medienkonzentrationsregeln und Vorschriften zur Sicherung des Marktzugangs. Weiterhin ist zu überlegen, wie die Einhaltung dieser Vorschriften effektiv kontrolliert werden kann. Andererseits ist zu berücksichtigen, daß die Entwicklung der multimedialen Informationsgesellschaft enorme Investitionen in die für die Informationsübermittlung benötigte (technische) Infrastruktur erforderlich macht, die zum überwiegenden Teil von privaten 155

Vgl. dazu Holznagel, Multimedia per Antenne, ZUM 1997, 417.

D. Gang und Zielrichtung der Untersuchung

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Unternehmen getragen werden. Die Regulierung muß daher sicherstellen, daß sich diese Investitionen wirtschaftlich lohnen und darüber hinaus ein großes Maß an Rechtssicherheit gewährleisten 156.

156 Vgl. OFTEL response to the European Commission on the Green Paper on the convergence of the telecommuniacations, media and information technology sectors, and the implications for regulation (Com[97]623).

4 Rinke

Zweites Kapitel

Zugang zu den Vertriebsdienstleistungen Den Vertriebsdienstleistungen kommt bei der Entwicklung des digitalen Fernsehmarktes aber auch bei der zu erwartenden konvergenten Entwicklung eine große Bedeutung zu. Insbesondere die drei technischen Komponenten - Multiplexing, Conditional Access und Navigationssysteme - machen den Betreiber dieser Einrichtungen zum sogenannten „Gatekeeper" der digitalen Welt. Derjenige, der über diese technischen Schlüsselfunktionen verfügt, kann bestimmen, welches Programmangebot die von ihm besetze Position auf dem Weg zum Rezipienten passieren darf und welches nicht. So entscheidet der Betreiber eines Playout-Centers darüber, welche Programme in eine digitale Sendeform transformiert werden und dadurch die Vorteile einer digitalen Übermittlung nutzen können. Der Inhaber eines Conditional Acces-Systems bestimmt, welche Angebote verschlüsselt werden und von welchen Zuschauern wieder entschlüsselt werden können. Schließlich ist die Aufnahme und Präsentation in einem Navigationssystems entscheidend dafür, welche digitalen Programme von den Zuschauern in der Vielzahl der Angebote überhaupt wahrgenommen werden. Mindestens ebenso entscheidend für einen Programmanbieter wie die Verfügbarkeit dieser technischen Einrichtungen ist die Aufnahme in ein Programmbouquet. Es ist zu erwarten, daß die meisten digitalen Programme nur gegen Entgelt von den Zuschauern empfangen werden können. Da das Medienbudget in den meisten Haushalten begrenzt ist, wird - wenn überhaupt - nur ein Programmpaket abonniert werden. Wenig massenattraktive Angebote haben daher nur eine Chance, von den Zuschauern wahrgenommen zu werden, wenn sie in ein attraktives Bouquet eingebunden sind. Im folgenden wird untersucht, welche Lösungsansätze bisher für die Problematik der Vertriebsdienstleistungen des digitalen Fernsehens entwickelt wurden. Weiterhin wird überprüft, inwieweit diese Regulierung verfassungsrechtlichen Vorgaben genügt und wie eventuell bestehende Regelungslücken zu schließen sind.

Α. Die bestehende Rechtslage

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Α. Die bestehende Rechtslage I. Multiplexing 1. Rundfunkrechtlicher Lösungsansatz a) Die verfassungsrechtliche

Ausgangslage - Positive Rundfunkordnung

Das Multiplexing bildet den ersten Schritt in der digitalen Verbreitungs- bzw. Vertriebskette. Es ist daher unerläßlich für die Verwirklichung der Rundfunkfreiheit der (digitalen) Rundfunkveranstalter. An die Ausgestaltung der Rundfunkordnung hat das Bundesverfassungericht stets besondere Anforderungen gestellt. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist seit dem ersten Rundfunkurteil vom 28. Februar 1961 von der Ausgestaltung der durch Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG gewährten Rundfunkfreiheit als institutionelle Freiheitsgarantie geprägt1. Der Rundfunk gehöre zu den unentbehrlichen Massenkommunikationsmitteln, durch die Einfluß auf die öffentliche Meinung genommen und diese gebildet wird; er sei ein „Medium" und „Faktor" dieser Meinungsbildung2. Die Rundfunkfreiheit sei daher in ihren subjektiv- und objektivrechtlichen Elementen eine der individuellen und öffentlichen Meinungsbildung dienende Freiheit 3. Die Rundfunkfreiheit unterscheidet sich von den meisten anderen Freiheitsgrundrechten dadurch, daß nicht primär Freiheit zugunsten einzelner gewährt wird. Vielmehr wird der Freiheitsgebrauch in eine Verantwortungsbeziehung gegenüber der Allgemeinheit gerückt. Die dienende Funktion des Rundfunks, freie und umfassende Meinungsbildung zu gewährleisten, beherrscht alle anderen Grunddaten der Rechtsprechung zur Rundfunkfreiheit. Sie schafft den Rahmen, innerhalb dessen sich Rundfunkfreiheit realisieren soll. Im einzelnen bedeutet dies, daß der Rundfunk weder vom Staat noch einer gesellschaftlichen Gruppe beherrscht werden darf. Die Rundfunkordnung hat alle faktisch vorhandenen Meinungen in möglichst gleichgewichtiger Vielfalt zu repräsentieren 4. Insbesondere ist vom Gesetzgeber zu gewährleisten, daß die Veranstaltung von Rundfunk zu gleichen Bedingungen zugelassen wird 5 . Diese Aussagen des Grundgesetzes zur Rundfunkfreiheit und Rundfunkordnung werden mit dem Stichwort „Gebot zur Chan1 BVerfGE 12, 205 [260f.]; vgl. zu den Einzelheiten der Entwicklung der Rechtsprechung Seelmann-Eggebert, Die Dogmatik der Rundfunkfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG aus der Sicht des Bundesverfassungsgerichts, ZUM 1992, 79ff. 2 BVerfGE 12, 205 [260] und seitdem ständige Rechtsprechung. 3 BVerfGE 57, 295 [320]. 4 Ständige Rspr., BVerfGE 12, 205 [262]; 31, 314 [326]; 57, 295 [322]; 73, 118 [152]; 74, 297 [324f.]; 83, 238 [296]. 5 BVerfGE 74, 297 [345].

4*

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2. Kap.: Zugang zu den Vertriebsdienstleistungen

cengleichheit" zusammengefaßt 6. So ist auch ein Anspruch aller Rundfunkveranstalter auf chancengleichen Zugang zu Rundfunkübertragungskapazitäten durch Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG verbürgt 7. Angesichts der Entwicklungen in der digitalen Fernsehlandschaft besteht in der Literatur Einigkeit darüber, daß dieser Grundsatz des chancengleichen Zugangs auch auf die digitalen Vertriebsstrukturen übertragen werden muß8. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hat der Gesetzgeber dafür Sorge zu tragen, daß die Vielfalt der bestehenden Meinungen im Rundfunk in möglichst großer Breite und Vollständigkeit Ausdruck findet. Das Bundesverfassungsgericht betont in seiner Rundfunkrechtsprechung zwar die Staatsfreiheit des Rundfunks und hebt somit die abwehrrechtlichen Aspekte der Rundfunkfreiheit hervor 9. Eine rein subjektiv-rechtliche Gestaltung wird jedoch als nicht ausreichend gesehen, die freie und öffentliche Meinungsbildung durch den Rundfunk zu sichern. Hinzutreten müsse eine positive Ordnung, „ welche sicherstellt, daß die Vielfalt der bestehenden Meinungen im Rundfunk in möglichster Breite und Vollständigkeit Ausdruck findet und daß auf diese Weise umfassende Information geboten wird" 10. Das Bundesverfassungsgericht begründet die Notwendigkeit einer positiven Rundfunkordnung zunächst mit der im Gegensatz zur Presse bestehenden Sondersituation des Rundfunks aufgrund der Frequenzknappheit und des hohen finanziellen Aufwandes für die Veranstaltung von Rundfunk 11. Die Rechtsprechung zur Sondersituation wird auch im dritten Rundfunkurteil vom 16. Juni 198112 aufrecht erhalten. Das Gericht stellt weiterhin fest, daß „auch bei einem Forlfall der bisherigen Beschränkungen... nicht mit hinreichender Sicherheit erwartet werden (könnte), daß das Programmangebot in seiner Gesamtheit kraft der Eigengesetzlichkeit des Wettbewerbs den Anforderungen der Rundfunkfreiheit entsprechen werde.... Bei dieser Sachlage würde es dem verfassungsrechtlichen Gebot, die Freiheit des Rundfunks zu gewährleisten, nicht gerecht werden, wenn nur staatliche Eingriffe ausgeschlossen würden und der Rundfunk dem freien Spiel der Kräfte überlassen würde (vgl. BVerfGE 31,314 [325]); dies um so weniger, als ein6

Herrmann, Rundfunkrecht, § 7 Rdnr. 7; Weisser, Dienstleistungen zum Vertrieb digitaler Pay-TV-Angebote, ZUM 1997, 877, 885; Wagner, Rechtsfragen digitalen Kabelfernsehens, 1996, S.36ff. 7 BVerfGE 74, 297 [340f.]. 8 Vgl. nur Gersdorf, Chancengleicher Zugang zum digitalen Fernsehen, 1998, S. 137 ff.; HolznageliSchulz/Seufert, Zusammenfassung der Ergebnisse des Projekts „Regulierungsziele und -konzepte für digitales Fernsehen in Deutschland", 1998; S. 114, Weisser, Dienstleistungen zum Vertrieb digitaler Pay-TV-Angebote, ZUM 1997, 877, 885. 9 BVerfGE 12, 205 [259f.]; 57, 295 [320]. 10 BVerfGE 57, 295 [320]. 11 BVerfGE 12, 205 [261]. 12 BVerfGE 12, 205 [261 f.].

Α. Die bestehende Rechtslage

53

mal eingetretene Fehlentwicklungen - wenn überhaupt - nur bedingt wieder rückgängig gemacht werden könnten" 13. Mit dieser Entscheidung hat das Bundesverfassungsgericht grundsätzlich festgelegt, daß auch im Falle des völligen Wegfalls der Sondersituation des Rundfunks eine positive Rundfunkordnung erforderlich ist. Diese Rechtsprechung hat das Gericht bisher beibehalten14. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist in der Literatur auf vielfältige Kritik gestoßen. Zum einen wird die Auffassung vertreten, daß Art. 5 Abs. 1 GG ein allgemeines Kommunikationsgrundrecht konstituiere 15. Andere sind der Auffassung, daß alle Medienfreiheiten mit einer originär subjektivrechtlichen Schutzrichtung versehen seien16. Viele Autoren gehen spätestens zum Zeitpunkt des dritten Rundfunkurteils von einem Wegfall der Sondersituation aus17. Bereits zum damaligen Zeitpunkt wurde eingewandt, daß die neuen Medien eine publizistische Bandbreite ermöglichen, die mit der Presse vergleichbar sei. Im Zuge der Entwicklung von Multimedia und der Einführung des digitalen Fernsehens wurden die Rufe nach einer Abänderung der Rundfunkrechtsprechung zunehmend lauter 18. Die Frage, ob und wie die Rundfunkordnung angesichts der rasch fortschreitenden digitalen und konvergenten Entwicklung ausgestaltet werden sollte, kann jedoch noch nicht an dieser Stelle, sondern quasi erst als Ergebnis der folgenden Untersuchung beantwortet werden 19. Bei der Ausgestaltung der positiven Ordnung zur Konkretisierung der Rundfunkfreiheit besitzt der Gesetzgeber einen erheblichen Gestaltungsspielraum20. Das Grundgesetz schreibt dem Gesetzgeber kein bestimmtes Modell der Rundfunkordnung oder bestimmte Mittel der Zielerreichung vor. Es kommt allein darauf an, „daß freie, umfassende und wahrheitsgemäße Meinungsbildung gewährleistet 13

BVerfGE, 57, 295 [322ff.]. Vgl. BVerfGE 13, 118; 74, 324; BverfG, ZUM 1997, 202; BVerfG, Urteil vom 17.02.1998, - 1 BvF 1/91 - , S. 56. 15 Bullinger, Kommunikationsfreiheit im Strukturwandel der Telekommunikation, 1980, S.59. 16 Schmitt Glaeser, Kabelkommunikation und Verfassung, S. 140 ff.; Starck in: v. Mangoldt/ Klein/Starck, Das Bonner Grundgesetz, Bd. 1, 3. Aufl., 1985, Art. 5, Rdnr. 12ff. 11 Kuli, Rundfunkgleichheit statt Rundfunkfreiheit, AfP 1981, 378, 382; Scholz, Das 3. Fernsehurteil des Bundesverfassungsgerichts, JZ 1981, 561; Pestalozza, Der Schutz vor der Rundfunkfreiheit in der Bundesrepublik Deutschland, NJW 1981, 2158. 18 Vgl. insbesondere Bullinger, Strukturwandel von Rundfunk und Presse, NJW 1984, 378, 382; ders., Ordnung oder Freiheit für Multimediadienste, JZ 1996,385; Engel, Multimedia und das deutsche Verfassungsrecht, in: Hoffmann-Riem/Vesting (Hrsg.), Perspektiven der Informationsgesellschaft, 1995, S. 155; Scholz, Zukunft von Rundfunk und Femsehen: Freiheit der Nachfrage oder reglementiertes Angebot, AfP 1995, 357; Stammler, Paradigmenwechsel im Medienrecht, ZUM 1995, 104. 19 s. dazu unten 2. Kapitel B.I. 20 BVerfGE 57, 297 [321 f.], 83, 238 [296]. 14

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2. Kap.: Zugang zu den Vertriebsdienstleistungen

ist ..." 21 . Dabei ist Meinungsbildung im weiten Sinne - nicht beschränkt auf politisch relevante Informationen, sondern auch im Sinne kultureller Prägung - zu verstehen22. Die erforderliche rechtliche Ausgestaltung unterliegt weiterhin dem Gesetzesvorbehalt als Parlamentsvorbehalt. Das Parlament hat das zur Gewährleistung der Rundfunkfreiheit Wesentliche selbst zu bestimmen und darf die Entscheidung hierüber nicht der Exekutive überlassen, da die erforderlichen Entscheidungen im grundrechtsrelevanten Bereich ergehen und wesentlich für die Verwirklichung des Grundrechts sind 23 . b) Rundfunkstaatsvertrag In Erfüllung des verfassungsrechtlichen Regulierungsgebotes zur Gewährleistung der Rundfunkfreiheit haben die Länder in Form des Rundfunkstaatsvertrages (RStV) eine positive Rundfunkordnung geschaffen. 1996 wurde der RStV durch den Dritten Rundfunkänderungsstaatsvertrag angepaßt. Der Schwerpunkt dieser Novellierung lag in der Umgestaltung der Vorschriften zur Konzentrationskontrolle 24 . aa) § 53 RStV Umfassende Regelungen für den sich zu diesem Zeitpunkt der Ratifizierung des RStV bereits entwickelnden digitalen Fernsehmarkt wurden nicht eingeführt. Man wollte die Diskussionen nicht auch noch durch die Einbeziehung einer bundesweiten Pilotklausel belasten25. Der Staatsvertrag enthält daher nur eine einzige Regelung zum digitalen Fernsehen, nämlich § 53. Dieser hat jedoch nur Navigations- und Conditional Access-Systeme zum Gegenstand. Das Playout oder Multiplexing ist in § 53 hingegen nicht geregelt. bb) Gesetzgebungskompetenz der Länder Fraglich ist daher, ob die Tätigkeiten des Playouts im RStV überhaupt geregelt werden sollten. Dies setzt zunächst voraus, daß die Länder zur Gesetzgebung in diesem Fall befugt sind. 21

BVerfGE 57, 295 [321]. Vgl. Schulz, Regulierung der Medienwirtschaft durch Recht in: Altmeppen (Hrsg.), Ökonomie der Medien und des Mediensystems, 1996, S.221, 224; Vesting , Prozedurales Rundfunkrecht, 1997, S.241. 23 BVerfGE 57, 295 [320fJ. 24 2. Unterabschnitt, §§25 ff. RStV. 25 Die Landesmedienanstalten hatten eine bundesweite Erprobungsklausel in ihren DVBEckwerten vom 13.02.1996 ausdrücklich angeregt. 22

Α. Die bestehende Rechtslage

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(1) Rundfunkkompetenz Gemäß Art. 70 GG liegt die Kompetenz zur Gesetzgebung im Rundfunkbereich bei den Ländern, da das Grundgesetz dem Bund diesbezüglich keine spezielle Befugnis einräumt. Nach Art. 73 Nr. 7 GG unterliegt hingegen die Telekommunikation der ausschließlichen Gesetzgebung des Bundes. Nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 und 16 GG erstreckt sich weiterhin die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes unter anderem auf das Recht der Wirtschaft und die Verhütung wirtschaftlicher Machtstellung. Gegen eine rundfunkrechtliche Regulierung der Vertriebsdienstleistungen spricht zunächst, daß der Vertrieb audiovisueller Produkte als solcher keinen Beitrag zum öffentlichen Meinungsbildungsprozeß leistet, auf den die Rundfunkfreiheit des Art. 5 Abs. 1 S. 2 bezogen ist, ja um dessentwillen ihr verfassungsrechtlicher Schutz überhaupt nur zukommt26. Hinsichtlich der Vertriebsdienstleistungen geht es nicht um die publizistische Aufbereitung von Rundfunksendungen, sondern um die wirtschaftliche und technische Abwicklung von Pay-TV-Angeboten. Das bedeutet jedoch nicht notwendigerweise, daß ein solches Vertriebssystem grundsätzlich aus dem Gewährleistungsbereich der verfassungsrechtlich geschützten Rundfunkfreiheit ausgenommen ist. Zwar kann nicht jede selbständige Dienstleistung, die dem Rundfunk zugute kommt und für diesen funktionswichtig ist, in den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG fallen. Eine Einbeziehung von nicht publizistischen Tätigkeiten ist vielmehr nur bei „ausreichendem Inhaltsbezug" möglich 27 . Dieser liegt bei Hilfstätigkeiten innerhalb eines Rundfunkveranstalters wegen der organisatorischen Verklammerung eines Rundfunkunternehmens regelmäßig vor 28 . Rundfunkveranstalter, die Dienstleistungen selbst oder durch verbundene Unternehmen zum Vertrieb digitaler Pay-TV-Angebote ausführen, fallen bereits aufgrund der engen organisatorischen Anbindung auch hinsichtlich ihrer nicht-publizistischen Tätigkeit unter die Rundfunkfreiheit 29. Demgegenüber vollziehen sich die rundfunkexternen Hilfstätigkeiten grundsätzlich außerhalb der verfassungsrechtlich geschützten Rundfunkfreiheit. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz hat das Bundesverfassungsgericht für den PresseGrosso entwickelt30 und diese Grundsätze später auch auf den Rundfunkbereich übertragen 31. Danach können medienexterne Hilfstätigkeiten ausnahmsweise insoweit den Schutz der Kommunikationsgrundrechte des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG beanspruchen, als sie typischerweise medienbezogen sind, in enger organisatorischer 26 27 28 29 30 31

Vgl. Gersdorf, Multi-Media: Der Rundfunkbegriff im Umbruch?, AfP 1995, 565, 573. BVerfGE 78, 101 [103]; BVerfGE 77, 346 [354]. BVerfGE 77, 346 [354]. Vgl. Gersdorf \ Chancengleicher Zugang zum digitalen Femsehen, 1998, S.70. BVerfGE 77, 346 [354]. BVerfGE 78, 101 [103].

2. Kap.: Zugang zu den Vertriebsdienstleistungen

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Bindung an die Medien erfolgen, für die Funktionsfähigkeit freier Medien notwendig sind und eine staatliche Regulierung der Tätigkeit sich zugleich erschwerend auf die Meinungsbildung auswirkt 32. Daher fallen auch Vertriebsdienstleistungen, die zukünftig von rundfunkexternen Dienstleistern, wie ζ. B. der Telekom, erbracht werden aufgrund ihrer Unentbehrlichkeit für die Verbreitung digitaler Rundfunkfunkprogramme ebenfalls in die Rundfunkfreiheit 33. (2) Regelungskompetenz für Tätigkeiten der Sendetechnik Eine Sonderrolle unter den nicht-publizistischen Tätigkeiten spielt jedoch der Bereich der Sendetechnik. Gemäß Art. 73 Nr. 7 GG hat der Bund die ausschließliche Kompetenz für die Regulierung des Telekommunikationsbereiches. Wie das Bundesverfassungsgericht im ersten Rundfunkurteil feststellte, umfaßt diese Zuständigkeit auch die sendetechnische Seite des Rundfunks, da zur Rundfunkübertragung fernmeldetechnische 34 Anlagen genutzt werden 35. Das Gericht führt dazu aus: „Fernmeldewesen ist ein technischer; am Vorgang der Übermittlung von Signalen orientierter Begriff. Das Fernmeldewesen hat es mit Fernmeldeanlagen, also mit technischen Einrichtungen zu tun, mit deren Hilfe Signale in die Ferne gemeldet oder übermittelt werden. " Bei der Übertragung von Rundfunkprogrammen beginnt das Fernmeldewesen „mit der Übermittlung der sendefertigen Ton- oder Bildsignale vom Studio zu einem oder mehreren Sendern" 36. Fraglich ist, was diese grundsätzliche Grenzziehung zwischen Fernmeldewesen bzw. Telekommunikation und Rundfunk für die Einordnung der Tätigkeiten des Playouts bedeutet, da durch die digitale Kompression und das Multiplexing die Signale nicht „in die Ferne" übermittelt werden, sondern die digitale Übermittlung via Satellit oder Kabel lediglich vorbereitet wird. Aufbauend auf der grundsätzlichen Grenzziehung im ersten Rundfunkurteil hat das Bundesverfassungsgericht im Jahr 1977 in der Direktruf-Entscheidung den Zusammenhang zwischen der Telekommunikation und den Telekommunikationseinrichtungen näher bestimmt37. Danach beschränkt sich die Reichweite des Begriffes Fernmeldewesen nicht auf den unmittelbaren Netzbereich, sondern erstreckt sich 32

BVerfGE 77, 346 [354]. Gersdorf, Chancengleicher Zugang zum digitalen Fernsehen, 1998, S. 72; Weisser, Dienstleistungen zum Vertrieb digitaler Pay-TV-Angebote, ZUM 1997, 877, 884. 34 An die Stelle des Begriffs„Fernmeldewesen" ist durch die Verfassungsänderung im Jahre 1994 der Begriff „Telekommunikation" getreten, ohne daß damit eine sachliche Änderung beabsichtigt war; Gersdorf, Regelungskompetenzen bei der Belegung digitaler Fernsehnetze, 1996, S. 39. 35 BVerfGE 12, 205 [226]. 36 BVerfGE 12, 205 [227]. 37 Von Petersdorff, Medienfunktionen und Fernmeldewesen, 1984, S. 105. 33

Α. Die bestehende Rechtslage

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auf alle Einrichtungen, die die Übertragung erst ermöglichen. Als Beispiele werden im Fernsprechverkehr der Sprechapparat und im Fernschreibverkehr die Fernschreibmaschine genannt38. Das Gericht hat den Bereich des Fernmeldewesens weiterhin nicht auf damals bekannte Übertragungstechniken beschränkt. Der Begriff der Fernmeldeanlage umfasse nicht nur die bei der Entstehung des Fernmeldeanlagengesetzes (FAG) bekannten Arten der Nachrichtenübertragung, sondern ebenso neuartige Übertragungstechniken, sofern es sich um körperlose Übertragung von Nachrichten in der Weise handele, daß diese am Empfangsort wiedergegeben würden 39. Somit kann auch die Schaffung neuer Übertragungstechniken für Rundfunksendungen in den Bereich der Telekommunikation fallen 40. Datenkompression, Multiplexing und Playout sind daher als neue Übertragungstechniken unter den Begriff der Sendetechnik zu subsumieren, da sie als vorbereitende Tätigkeiten die digitale Datenübertragung ermöglichen. Das Playout und die Datenkompression umfassen die Signalaufbereitung und Sendeabwicklung und sind somit Teil der Sendetechnik. Auch das Multiplexing zählt zur Sendetechnik, da durch die Zusammenstellung der Programme zu Datencontainern die effiziente Nutzung der digitalen Übertragungskapazitäten erreicht wird. Diese Vorgänge sind daher als Telekommunikation einzustufen 41. Kompression, Playout und Multiplexing fallen somit grundsätzlich in die Zuständigkeit des Bundes nach Art. 73 Nr. 7 GG zur Regelung der Telekommunikation. Dies muß jedoch nicht notwendigerweise bedeuten, daß das Multiplexing der Rundfunkgesetzgebung völlig entzogen ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts im ersten Fernsehurteil umfaßt die Telekommunikation „nur den sendetechnischen Bereich des Rundfunks..., nicht aber den des Rundfunks als Ganzes. Art. 73 Nr. 7 GG gibt dem Bund insbesondere nicht die Befugnis, die Organisation der Veranstaltung und die innere Organisation der Veranstalter von Rundfunksendungen zu erlassen. Die von Art. 5 GG geforderte Normierung der in ihm zur Sicherung der Rundfunkfreiheit enthalten Leitgrundsätze, und zwar sowohl in materieller als auch in organisatorischer Hinsicht, fällt in die Gesetzgebungskompetenz der Länder..." 42. Der Fernmeldetechnik kommt gegenüber dem Rundfunk somit nur eine untergeordnete, dienende Funktion zu 43 . Es war in der Vergangenheit aufgrund der Entwicklung neuer Techniken mehrfach streitig, welche Auswirkungen die dienende Funktion der Telekommunikation 38

BVerfGE 46, 120 [144]. BVerfGE 46, 120 [143]. 40 Gabriel-Bräutigam, Rundfunkfreiheit und Rundfunkkompetenz, 1990, S.79. 41 So auch Weisser, Dienstleistungen zum Vertrieb digitaler Pay-TV-Angebote, ZUM 1997, 877, 885 f. 42 BVerfGE 12, 205 [225]. 43 BVerfGE 12, 205 [227]. 39

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2. Kap.: Zugang zu den Vertriebsdienstleistungen

für die konkrete Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern hat. Im Hinblick auf direktstrahlende Satelliten, deren Sendebereiche sich nicht auf das Gebiet eines Landes oder Staates begrenzen lassen, wurde die Rundfunkkompetenz der Länder hinsichtlich der Verteilung dieser Satellitenkapazitäten angegriffen. Das Bundesverfassungsgericht hat im vierten Rundfunkurteil (Niedersachsen-Entscheidung) 44 die Problematik dahingehend gelöst, daß auch für diesen Fall die Kompetenz grundsätzlich bei den einzelnen Ländern liegt, aber nur in Kooperation aller Länder ausgeübt werden kann. Ähnlich liegt die Problematik bei der Vergabe von Kabelkapazitäten. Ausschlaggebend für die Kompetenz der Länder war hier die Qualifikation als „rundfunkrechtlich relevanter Vorgang". Danach handelt es sich bei der Einspeisung nicht um einen rein technischen Vorgang, der die Zuständigkeit des Bundes begründen würde, sondern um eine rundfunkorganisatorische Frage, für die nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die Länder zuständig sind45 . Von der Frage, ob ein Rundfunkveranstalter die (knappen) Kabelkapazitäten nutzen darf, ist jedoch die Problematik der wirtschaftlichen Bedingungen für die Nutzung der Kabelnetze zu unterscheiden. Der BGH hatte in der sog. „PREMIERE"-Entscheidung46 darüber zu befinden, ob ein Kabelnetzbetreiber von dem Anbieter eines Pay-TV-Angebotes ein Entgelt für die Durchleitung dieses Programmes verlangen kann, obwohl er sein Kabelnetz für Free-TV-Angebote unentgeltlich zur Verfügung stellt. Der BGH stellte zunächst in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts klar, daß der Kabelnetzbetreiber nicht darüber entscheiden könne, welche Programme in sein Kabelnetz eingespeist werden. Dafür seien ausschließlich die Landesmedienanstalten zuständig47. Hinsichtlich der Rechtfertigung des Entgeltes für die Durchleitung sei jedoch zunächst das Wettbewerbsrecht heranzuziehen. Daneben sei zu prüfen, ob die Ungleichbehandlung von Free- und Pay-TV-Anbietern durch die Landesmediengesetze gerechtfertigt ist. Eine sich aus den Landesmediengesetzen ergebende Verpflichtung zur Gleichbehandlung sei dann wiederum mittelbar bei der Interessenabwägung nach § 26 II GWB zu berücksichtigen" 48. Hinsichtlich der Kabelübertragung von Rundfunkprogrammen ist also zwischen der Frage des „ob" der Durchleitung und der Frage des „wie" bzw. „zu welchen Bedingungen" zu unterscheiden. Für den erstgenannten Problemkreis sind die Länder als Rundfunkgesetzgeber zuständig. Die letztgenannten Themenkomplexe unterfallen grundsätzlich der telekommunikations- bzw. wirtschaftsrechtlichen Gesetzge44

BVerfGE 73, 118. Vgl. dazu insbesondere Ricker, Die Einspeisung von Rundfunkprogrammen in Kabelanlagen aus verfassungsrechtlicher Sicht, S.39ff.; Oermann, Rundfunkfreiheit und Funkanlagenmonopol, 1997, S. 108. 46 BGH, NJW 1996, 2656. 47 BGH, NJW 1996, 2656, 2658. 48 BGH, NJW 1996, 2656, 2659. 45

Α. Die bestehende Rechtslage

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bungskompetenz des Bundes. Bei der Auslegung der entsprechenden Normen sind wiederum die Rundfunkgesetze zu berücksichtigen. Es kann daher bei der Durchleitung von Rundfunkprogrammen in Kabelnetzen davon gesprochen werden, daß telekommunikations- und rundfunkrechtliche Regelungen in Form einer telekommunikationsrechtlichen Basisstufe und einer rundfunkrechtlichen Aufbaustufe miteinander verzahnt sind 49 . Die Diskussion um die Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen zwischen Bund und Ländern wurde im Hinblick auf die Vertriebsdienstleistungen für digitales Fernsehen wieder neu belebt. Gegen eine wettbewerbsrechtliche Ausgestaltung wird angeführt, daß sich die rundfunkverfassungsrechtlich geforderte chancengleiche Zugangsgewährleistung über wettbewerbsrechtliche Kontrollmechanismen nicht verläßlich sichern ließe. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts stelle das Rundfunkgrundrecht des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG an die Ausgestaltung der Rundfunkordnung unverzichtbare Mindestanforderungen. Von den Befürwortern einer rundfunkrechtlichen Regelung wird daher eingewandt, daß das Wettbewerbsrecht keine „positive Ordnung" im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sondern nur wettbewerbserhaltende Vorkehrungen enthalte. Demgegenüber setze die rundfunkverfassungsrechtlich geforderte Chancengleichheit früher an. So schließe es die Gewährleistung chancengleichen Zugangs aus, daß ein Programmveranstalter überhaupt in eine Situation gerät, in der die Verbreitung seiner Programme von marktdominierenden Anbietern abhängig ist 50 . Gegen eine rundfunkrechtliche Ausgestaltung spreche auch nicht die Tatsache, daß dabei Regelungen innerhalb des Rundfunkrechts zu treffen sind, die sich in der Wirkung als wettbewerbsrechtliche Regelungen darstellen können51. Vielmehr sei bei Materien, die sowohl rundfunkrechtlich als wettbewerbsrechtlich erfaßt werden können, grundsätzlich von einem „Primat des Rundfunkrechts" auszugehen52. Allenfalls könne der Rundfunkgesetzgeber dabei zur Herstellung gleichgewichtiger Vielfalt das Wettbewerbsrecht als „Mittel zum Zweck" einsetzen53. Andererseits wird die Auffassung vertreten, daß im digitalen Zeitalter eine positive Ausgestaltung der Rundfunkordnung ohnehin nicht (mehr) erforderlich sei54. 49

So Bullinger, Verbreitung digitaler Pay-TV Pakete in Kabelfemsehnetzen, ZUM Sonderheft 1997, 281, 294. 50 Wagner, Rechtsfragen digitalen Kabelfemsehens, 1996, S.38; Holznagel, Probleme der Rundfunkregulierung im Multimedia-Zeitalter, ZUM 1996, 16, 23. 51 Vgl. dazu zuletzt Buchholtz, Gibt es einen Fernsehzuschauermarkt im Sinne des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen?, ZUM 1998, 108, 113. 52 Stock, Rundfunkrecht und Kartellrecht, AfP 1989, 627, 630. 53 Gersdorf \ Chancengleicher Zugang zum digitalen Femsehen, 1998, S.55f. 54 Vgl. insbesondere Bullinger, Strukturwandel von Rundfunk und Presse, NJW 1984, 385; ders., Ordnung oder Freiheit für Multimediadienste, JZ 1996, 385; Engel, Multimedia und das deutsche Verfassungsrecht, in: Hoffmann-Riem/Vesting (Hrsg.), Perspektiven der Informationsgesellschaft, 1995, S. 155; Scholz, Zukunft von Rundfunk und Femsehen: Freiheit der Nachfrage oder reglementiertes Angebot, AfP 1995, 357; Stammler, Paradigmenwechsel im Medienrecht, ZUM 1995, 104.

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2. Kap.: Zugang zu den Vertriebsdienstleistungen

Die durch Frequenzknappheit und Kostenaufwand begründete Sondersituation des Rundfunks löse sich durch Einsatz der digitalen Übertragungstechnik zunehmend auf 55 . Die anwendbaren Verfahren der Datenkompression und Datenreduktion führten im Vergleich zur analogen Datentechnik zu einer Vervielfachung der über Satellit und Kabel übertragbaren Programme 56. Darüber hinaus werde die finanzielle Eintrittschwelle durch die Entgeltfinanzierung der meisten digitalen Programme gesenkt57. Die Sondersituation könne auch zunehmend weniger mit dem besonderen Einfluß des Rundfunks auf die öffentliche Meinungsbildung begründet werden. Die bisherige Massensuggestivwirkung entfalle mit dem digitalen Fernsehen, da durch die zielgruppenorientierten Spartenprogramme und die zeitversetzte Ausstrahlung im Near-Video-on-Demand-Verfahren die Rezeption der Angebote zunehmend auf individueller Basis erfolge 58. Somit entfalle die Rechtfertigung für eine positive Ordnung des Rundfunks 59 bzw. des digitalen Segments des Rundfunkmarktes 60. Daher sei insbesondere hinsichtlich der Vertriebsdienstleistungen eine ausschließlich kartell- und wettbewerbsrechtliche Mißbrauchskontrolle ausreichend61. An die Stelle der rundfunkmäßigen Ausgewogenheitspflege könne bei Multimediadiensten die telekommunikationsrechtliche Offenheitspflege treten 62. Es ist sicherlich zu weitgehend bereits zu Beginn des digitalen Zeitalters von einem Wegfall der Sondersituation zu sprechen bzw. auf eine positive Ordnung des Rundfunks völlig zu verzichten 63. Beim digitalen Rundfunk können sogar neue Gefährdungslagen für die pluralistische Vielfalt entstehen, die eine positive Rundfunkordnung erforderlich machen. Problematisch ist insbesondere der Zugang der Anbieter zu den technischen Infrastrukturen und der Zugang der Nutzer zu den neuen 55 Scholz, Zukunft von Rundfunk und Femsehen: Freiheit der Nachfrage oder reglementiertes Angebot, AfP 1995, 357, 358; Herzog in: Maunz-Dürig-Herzog-Scholz, GG, Art.5 Abs. 1, 2, Rdnr. 227; Ladeur, Regulierung des Information Superhighway, CR 1996, 614, 615. 56 Bereits jetzt können 6 bis 8 digitale Programme auf einem Satellitentransponder bzw. durch einen Kabelkanal transportiert werden, der bisher für die Übertragung eines analogen Programmes genutzt wurde. 57 Engel, Multimedia und das deutsche Verfassungsrecht, S. 155, 161. 58 Weisser, Dienstleistungen zum Vertrieb digitaler Pay-TV-Angebote, ZUM 1997, 877,

882.

59 Engel, Multimedia und das deutsche Verfassungsrecht, 1995, S. 155, 160ff.; Scholz, Zukunft von Rundfunk und Femsehen: Freiheit der Nachfrage oder reglementiertes Angebot, AfP 1995, 537, 539. 60 Weisser; Dienstleistungen zum Vertrieb digitaler Pay-TV-Angebote, ZUM 1997, 877, 883. 61 Engel, Medienordnungsrecht, 1996, S. 104ff.; Weisser, Dienstleistungen zum Vertrieb digitaler Pay-TV-Angebote, ZUM 1997, 877, 885. 62 BullingerlMestmäcker, Multimediadienste, 1996, S. 181. 63 So auch Holznagel, Probleme der Rundfunkregulierung im Multimedia-Zeitalter, ZUM 1996, 16, 19; Hoffmann-Riem/Vesting, Ende der Massenkommunikation?, MP 1994, 382, 389; Ladeur, Die Regulierung von Multimedia als Herausforderung des Rechts, AfP 1997, 598, 603.

Α. Die bestehende Rechtslage

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Angeboten64. Das Bundesverfassungsgericht hat seit dem dritten Rundfunkurteil 65 keinen Zweifel daran gelassen, daß auch nach Fortfall der Sondersituation des Rundfunks eine positive Rundfunkordnung erforderlich sei. Dies gelte um so mehr, wenn mit einem echten „Markt" auf absehbare Zeit nicht gerechnet werden könne66. Es ist nicht davon auszugehen, daß das Bundesverfassungsgericht diese Rechtsprechung zur Sondersituation zu einem Zeitpunkt aufgeben wird, in dem sich der digitale Fernsehmarkt gerade erst entwickelt67. Zum einen herrscht auch zu Beginn des digitalen Zeitalters noch Frequenzknappheit68. Zum anderen wurden neue Zugangshürden durch die für die Verbreitung notwendige Infrastruktur geschaffen. Weiterhin ist zu berücksichtigen, daß bereits eingetretene und und verfestigte Fehlentwicklungen im Medienbereich nur unter erschwerten Bedingungen - wenn überhaupt - wieder rückgängig gemacht werden können. Eine positive Rundfunkordnung ist daher weiterhin erforderlich und kann nicht ohne weiteres grundsätzlich durch wettbewerbsrechtliche Mechanismen ersetzt werden. Dies bedeutet jedoch nicht, daß die Vertriebsdienstleistungen einer ausschließlich rundfunkrechtlichen Regulierung unterworfen werden müssen. Ein „Primat des Rundfunkrechts" ist nur gerechtfertigt, wenn die zu regelnde Tätigkeit schwerpunktmäßig oder allenfalls in gleichem Maße publizistische und ökonomische Elemente aufweist. Dies ist bei der klassischen Veröffentlichungstätigkeit der Fall, die stets beiden Systemen angehört 69. Aufgrund der besonderen gesellschaftlichen Funktion des Rundfunks hält das Bundesverfassungsgericht bei einer solchen Konstellation das Vertrauen in den ökonomischen Wettbewerb nicht für ausreichend und daher spezifische rundfunkrechtliche Maßnahmen für erforderlich 70. Die Vertriebsdienstleistungen sind hingegen - soweit sie Teil der Sendetechnik sind - keine publizistischen Tätigkeiten. Vielmehr handelt es sich dabei um ausschließlich ökonomische Betätigungen mit Auswirkungen auf die Rundfunkfreiheit. Weiterhin ist zu berücksichtigen, daß die für die digitale Verbreitung erforderliche technische Infrastrur im Zuge der konvergenten Entwicklung nicht ausschließlich rundfunkbezogen genutzt wird. Unabhängig von den jeweils übermittelten Inhalten sollten die wirtschaftlichen und technischen Bedingungen für die Nutzung der digitalen Plattform weitestgehend einheitlich geregelt sein. 64

Holznagel, Probleme der Rundfunkregulierung im Multimedia-Zeitalter, ZUM 1996,16, 19; Hoffmann-Riem, Der Rundfunkbegriff in der Differenzierung kommunikativer Dienste, AfP 1996, 9, 15. 65 BVerfGE 57, 295 [322]. 66 BVerfGE 73, 118 [158]. 67 So Gersdorf \ Chancengleicher Zugang zum digitalen Femsehen, 1998, S.23. 68 Zur Zeit stehen im Hyperband fünfzehn digitale Kabelkanäle zur Verfügung, die nicht für alle Programmangebote ausreichen; s.zu den neuen Knappheiten der Kommunikations-Infrastruktur auch Recke, Medienpolitik im digitalen Zeitalter, 1998, S. 53 ff. 69 Vgl. Schulz, Regulierung der Medienwirtschaft durch Recht in: Altmeppen (Hrsg.) Ökonomie der Medien und des Mediensystems, 1996, 221. 70 BVerfGE 73, 118(174).

2. Kap.: Zugang zu den Vertriebsdienstleistungen

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Es spricht daher viel dafür, im Fall der Vertriebsdienstleistungen kein grundsätzliches „Primat des Rundfunk- oder des Wettbewerbsrechts" auszurufen, sondern zunächst anhand des jeweils in Frage stehenden Teilbereiches der Vertriebsdienstleistungen den Regelungszusammenhang zu ermitteln. Ist dieser Regelungszusammenhang verfassungsrechtlich dem Rundfunk zuzuordnen oder liegt hinsichtlich des Schwerpunktes der Regelung eine „enge Verzahnung" 11 mit diesem Bereich vor, so wird der Zugang zu dieser Vertriebsdienstleistung durch die Ländergesetzgeber rundfunkrechtlich geregelt. Für jene Vertriebsdienstleistungen, die als Teil der Sendetechnik grundsätzlich der Telekommunikation zuzurechnen sind, kommt hingegen zunächst eine telekommunikations- bzw. wettbewerbsrechtliche Regulierung durch den Bund in Betracht. Bezüglich der Vertriebsdienstleistungen ist also in kompetenzrechtlicher Hinsicht zwischen „inhaltsbezogenen" und „fernmeldetechnischen" Angeboten zu unterscheiden72. Diese Trennung muß nicht notwendigerweise zu einer „gesellschaftslosen Betrachtung von Technik führen" 73. Es ist zu berücksichtigen, daß zur Verwirklichung der rundfunkrechtlichen Chancengleichheit - ebenso wie bei der Kabelverbreitung - die telekommunikationsrechtliche Basisstufe gegebenenfalls durch eine rundfunkrechtliche Aufbaustufe ergänzt werden muß und daß die Stellung eines Marktteilnehmers als Rundfunkveranstalter die Anforderungen an die wettbewerbsrechtliche Ausgestaltung oder Auslegung74 beeinflussen kann. Grundsätzlich ist in diesem Fall jedoch zunächst das Wettbewerbsrecht oder das Telekommunikationsrecht zur Lösung der Zugangsfragen heranzuziehen75. Hinsichtlich einer Regulierung des Multiplexings im Rahmen des Rundfunkstaatsvertrages bedeutet dies somit, daß dieser Themenkomplex der Gesetzgebungskompetenz der Länder zunächst entzogen ist. Das Multiplexing ist als Teil der Sendetechnik der Telekommunikation zuzuordnen. In diesem Bereich kann grundsätzlich der Bund die technischen und wirtschaftlichen Bedingungen für die Nutzung der Infrastruktur regeln 76. Die Länder müssen andererseits dafür Sorge tragen, daß bei der Nutzung der technischen Infrastrukuren des digitalen Fernsehens Vielfaltsgesichtspunkte berücksichtigt werden. Anders als bei der Kabelverbreitung sind jedoch die Kapazitäten in diesem Bereich nicht besonders knapp, so daß fraglich ist, ob hinsichtlich des Multiplexings überhaupt eine rundfunkrechtliche Zuteilungsentscheidung erfolgen muß. Das Be71

s. dazu zuletzt BVerfGE vom 17.02.1998, - 1 BvF 1/91 - , S. 33 des amtlichen Ausdrucks. Vgl. Scherer, Telekommunikationsrecht und Telekommunikationspolitik, S.578, 604. 73 So Recke, Medienpolitik im digitalen Zeitalter, 1998, S.42. 74 Vgl. dazu BGH, NJW 1996, 2656, 2658. 75 So auch Wagner, Rechtsfragen digitalen Kabelfernsehens, 1996, S.79; Ladeur, Zur Notwendigkeit einer flexiblen Abstimmung von Bundes- und Landeskompetenz auf den Gebieten des Telekommunikations- und des Rundfunkrechts, ZUM 1998, 261, 268. 76 So auch Ladeur, Abstimmung von Kompetenzen auf den Gebieten des Telekommunikations- und Rundfunkrechts, ZUM 1998, 261, 267. 72

Α. Die bestehende Rechtslage

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dürfnis für eine derartige Regelung könnte sich jedoch daraus ergeben, daß mit der Zusammenstellung der Multiplexe eine Vorentscheidung über die Kabeleinspeisung der Programme getroffen wird 77 . Zu berücksichtigen ist bei einer Regelung des Multiplexings im RStV weiterhin, daß diese Dienstleistung im Zuge der Konvergenz nicht notwendigerweise rundfunkbezogen genutzt werden muß, da sie nicht nur für Rundfunkübertragung, sondern für alle Arten von Datenübertragungen eingesetzt werden kann. Auch die nicht rundfunkbezogene Art der Datenfernübertragung ist in den Begriff der Telekommunikation einbezogen78. So ist das Bereitstellen von Online-Diensten und Datenbankdiensten mit passiven oder interaktiven Abrufmöglichkeiten für Informationen in Daten- oder Textform als Telekommunikationsdienstleistung einzuordnen 79. Die Übertragung dieser Angebote unterfällt jedoch nicht wie die Übermittlung von Rundfunkprogrammen der Rundfunkgesetzgebung. Das Multiplexing kann daher in Form einer rundfunkrechtlichen Aufbaustufe im RStV nur soweit geregelt werden, wie es ein Glied in der Distributionskette digitaler Rundfunkangebote bildet 80 .

c) Mediendienstestaatsvertrag Für den Zugang der sogenannten „rundfunkähnlichen Kommunikation" zu den Vertriebsdienstleistungen kommt eine Regelung des am 1. August 1997 in Kraft getretenen Mediendienstestaatsvertrag (MDStV) der Länder in Betracht. Mit dem MDStV sollte ein Regelungswerk geschaffen werden für jene Erscheinungsformen des „Rundfunks" im verfassungsrechtlichen Sinne, die sich vom klassischen Rundfunk so unterscheiden, daß ein anderer rechtlicher Regelungsrahmen angemessen erscheint 81. Der MDStV regelt diese sogenanten Mediendienste, die bisher als rundfunkähnliche Kommunikation bezeichnet wurden. Diese Angebote sind zwar, wie der Rundfunk, an die Allgemeinheit gerichtet sind, stellen also keine Individualkommunikation dar, müssen aber nicht dem Ordnungsrahmen des RundfunkstaatsVertrages unterworfen werden 82. Als Beispiel für Mediendienste werden in § 2 Abs. 1 MDStV insbesondere Verteildienste in Form von Homeshopping, Data Broadcast und Fernsehtext genannt. Außerdem erfaßt sind Abrufdienste, bei denen Text-, Ton- oder Bilddarbietungen auf Anforderung aus elektronischen Speichern übermittelt werden, mit Ausnahme von solchen Diensten, bei denen der individuelle 77

2. Kapitel A.I.l.e). Vgl. von Petersdorff" Medienfunktionen und Femmeldewesen, 1984, S. 107. 79 Schuster in: Büchner u.a. (Hrsg.), Telekommunikationsgesetz, 1997, §4 Rdnr.5. 80 Ladeur, Regulierung des Information Superhighway, CR 1996,614; Holznagel, Zugangsprobleme beim digitalen Femsehen, Gesprächskreis Politik und Wissenschaft, S. 11 f. 81 Der MDStV ist eine Weiterentwicklung der sog. Negativliste der Rundfunkrefenten; vgl. dazu im einzelnen Kuch, Der Staatsvertrag für Mediendienste, ZUM 1997, 225 f. 82 Hochstein, Teledienste, Mediendienste und Rundfunkbegriff, NJW 1997, 2977, 2979; Kuch, Der Staatsvertrag über Mediendienste, ZUM 1997, 225, 228. 78

2. Kap.: Zugang zu den Vertriebsdienstleistungen

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Leistungsaustausch oder die reine Übermittlung von Daten im Vordergrund stehen, ferner von Telespielen. Der MDStV enthält für diese Angebotsformen im Wesentlichen Bestimmungen über Zulassungs- und Anmeldefreiheit 83, Impressumspflicht 84 sowie Daten- und Jugendschutz85. Zugangsfragen des digitalen Fernsehens werden vom MDStV nicht erfaßt. Für das Multiplexing kann jedoch auch für Mediendienste eine rundfunkrechtliche Aufbaustufe im Hinblick auf die Problematik der Kabeleinspeisung erforderlich sein. Nach § 53 Abs. 2 Nr. 3 des RStV-E ist vorgesehen, daß die Kanalplätze für Mediendienste in Zukunft nicht mehr von den Landesmedienanstalten zugewiesen werden. Ersetzt wird diese Zuweisung durch die Verpflichtung des Kabelbetreibers, Mediendienste bei der Belegung des Kabelnetzes angemessen zu berücksichtigen. Dieses Verfahren kann jedoch nur umgesetzt werden, wenn die Multiplexbetreiber - als entscheidende Vorstufe der Kabeleinspeisung - entsprechend verpflichtet werden. d) Pilotklauseln in den Landesrundfunkgesetzen Obwohl eine einheitliche Regelung des digitalen Fernsehens im RStV bisher im Wesentlichen fehlt, sind die einzelnen Länder angesichts der Entwicklung des digitalen Fernsehmarktes nicht untätig geblieben. Die meisten Bundesländer haben inzwischen in ihre Landesrundfunkgesetze Klauseln aufgenommen, die die Durchführung von zeitlich befristeten Modellversuchen oder Pilotprojekten mit neuen Rundfunktechniken, Rundfunkprogrammen oder rundfunkähnlichen sonstigen Diensten ermöglichen (sog. Pilot- oder Versuchsklauseln)86. Die Besonderheit dieser Modellversuche besteht darin, daß die einzelnen Länder für die von den Pilotprojekten erfaßten Angebotsformen in einem vereinfachten Verfahren eine Zulassung erteilen können. Insbesondere verzichten die Länder bei der Vergabe dieser Zulassungen auf das sonst im Rahmen der Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten (DLM) übliche Abstimmungsverfahren 87. Außerdem wird keine konzentrationsrechtliche Überprüfung durch die Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich (KEK) durchgeführt. Weiterhin sind in den meisten Modellversuchen die im Rahmen des Zulassungsverfahrens vom 83

§4 MDStV. §6 MDStV. 85 §§ 12 bis 17 sowie § 8 MDStV. 86 § 8 a Landesmediengesetz Baden Württemberg, Art. 35 a Bayerisches Mediengesetz, § 47 Medienstaatsvertrag Berlin-Brandenburg, § 70 Hamburgisches Mediengesetz, § 67 a Hessisches Privatrundfunkgesetz, § 48 a Niedersächsisches Landesrundfunkgesetz, § 72 Rundfunkgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen, § 55 Landesrundfunkgesetz Rheinland-Pfalz, § 78 a Landesrundfunkgesetz Saarland, § 5 Abs. 3 Gesetz über privaten Rundfunk in Sachsen-Anhalt, § 11 Abs. 4 Landesrundfunkgesetz Thüringen. 87 Herrmann, Rundfunkrecht, § 17, Rdnr. 106, S.427. 84

Α. Die bestehende Rechtslage

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Veranstalter zu erfüllenden Voraussetzungen und zu erbringenden Nachweise gegenüber dem üblichen Zulassungsverfahren teilweise erheblich reduziert. Diese Pilotklauseln waren vor Verabschiedung des 3. Rundfunkänderungsstaatsvertrages erforderlich, um die Veranstaltung digitaler Programmbouquets überhaupt zu ermöglichen 88 . Zuvor war konzentrationsrechtlich nur die Veranstaltung einer bestimmten Anzahl von Voll- und Spartenprogrammen zulässig89. Das Bundesverfassungsgericht hat die Zulässigkeit von Versuchsklauseln im Rundfunkbereich grundsätzlich bestätigt. Zwar gelte auch für zeitlich und örtlich begrenzte Versuche der aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG folgende Ausgestaltungsauftrag für den Gesetzgeber, da diese Versuche den gleichen Grundrechtsbezug haben wie eine definitive Regelung90. Das Gericht erkennt jedoch bei solchen Versuchen eine größere Ausgestaltungsfreiheit des Gesetzgebers an, da solche Versuche der Aufgabe dienen, Erfahrungen zu gewinnen91. Diese Erleichterung für Versuchsgesetze hat das Gericht dann anläßlich der Versuchsklausel des baden-württembergischen Mediengesetzes bestätigt92. Allen Pilotklauseln zum digitalen Fernsehen ist jedoch gemeinsam, daß sie sich auf die Erteilung von rundfunkrechtlichen Lizenzen zur Programmveranstaltung und die Zuweisung von Übertragungskapazitäten im Rahmen dieser Pilotprojekte beschränken. Keine der Vorschriften enthält Regelungen über Fragen des Multiplexings, des Conditional Access oder sonstiger Vertriebsdienstleistungen. Antworten auf die Zugangsfragen des digitalen Fernsehens können den landesrechtlichen Pilotklauseln daher nicht entnommen werden. Da die Versuchsklauseln somit keine spezifizierten Vorgaben für die zu treffenden Entscheidungen im Hinblick auf eine zukünftige digitale Rundfunkordnung enthalten, werden sie für verfassungswidrig erachtet 93. Ladeur stellt darüber hinaus die Zweckmäßigkeit von Versuchsklauseln im Bereich des digitalen Fernsehens insgesamt in Frage. Angesichts der in diesem Bereich zu tätigenden enormen Investitionen und der bereits erfolgten Einführung des digitalen Fernsehens in anderen Ländern, ginge es in Deutschland nicht mehr um das „ob" sondern nur noch um das „wie" der Einführung. Es sei daher naiv zu glauben, daß nach Ende der Versuchsphase „frei" über die zukünftige Regulierung entschieden werden könnte. Die Situa88 Mayer/Motz, Ermessensspielraum einer Landesmedienanstalt bei der Durchführung landesrechtlicher Erprobungsprojekte und medienrechtliche Einordnung eines Teleshopping-Programms, ZUM 1998, 133. 89 Zu digitalen Pilotprojekten vgl. auch Arbeitsgemeinschaft der Landesmedienanstalten (ALM), Jahrbuch der Landesmedienanstalten 1995/96, 1996, S.300ff. 90 BVerfGE, 57, 295 [319, 321]. 91 BVerfGE 57, 295, 324. 92 BVerfGE 74, 297, 338 f. 93 Ladeur, Die Regulierung von Multi-Media als Herausforderung des Rechts, AfP 1997, 598, 604; Weisser, Dienstleistungen zum Vertrieb digitaler Pay-TV-Angebote, ZUM 1997, 877, 891.

5 Rinke

2. Kap.: Zugang zu den Vertriebsdienstleistungen

66

tion sei insofern vergleichbar mit den Kabelpilotprojekten, die der Einführung des Privatfernsehens dienen sollten. Auch diese Versuche erfüllten ihre Funktion aufgrund der durch die bereits getätigten Investitionen nicht gegebene Rückholbarkeit nicht 94 .

e) 1. MWO in Nordrhein-Westfalen Angesichts der bestehenden Regelungslücken wurden in einigen Bundesländern Verordnungen oder Satzungen verabschiedet. So enthalten die Landesrundfunkgesetze von Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen Ermächtigungen für die Landesregierung, Einzelheiten der Versuchsbedingungen, das Versuchsgebiet entsprechend dem Versuchszweck und die Versuchsdauer durch Rechtsverordnung zu regeln 95. Andere Versuchsklauseln sehen eine Ermächtigung für die jeweilige Landesmedienanstalt vor, Einzelheiten, durch Satzung zu regeln 96. Nordrhein-Westfalen hat mit der 1. Verordnung zur Durchführung eines Modellversuchs mit digitalem Fernsehen und neuen digitalen Kommunikationsdiensten in Nordrhein-Westfalen (1. M W O ) eine Vorschrift geschaffen, die zum einen Einzelheiten für die Vergabe einer rundfunkrechtlichen Zulassung im Rahmen des Modellversuchs regelt und zum anderen Pflichten für technische Dienstleister vorsieht. Eine Vorschrift, die sich speziell an Multiplexbetreiber richtet, enthält die 1. M W O nicht. Sie spricht jedoch in § 3 Abs. 2 von „technischen Dienstleistern". Dazu zählt gemäß der Legaldefinition in § 3 Abs. 2 jeder, der ein technisches System betreibt, das der Übermittlung von Angeboten im Rahmen des digitalen Fernsehens dient. Der Betreiber eines Playout-Centers ist daher ein technischer Dienstleister im Sinne der 1. M W O . Ein Multiplexbetreiber ist in Nordhein-Westfalen in mehrfacher Hinsicht verpflichtet. Zum einen darf er nur an der Verbreitung von Programmen mitwirken, die ihrerseits rundfunkrechtlich zugelassen sind. Zum anderen muß er seine Dienstleistungen allen Teilnehmern des Pilotprojekts zu chancengleichen und diskriminierungsfreien Bedingungen anbieten. Weiterhin liegt die Multiplexbelegung insgesamt in den Händen der LfR, die den verschiedenen Programmveranstaltern einzelne Kapazitäten direkt zuordnet. Schließlich ist ein technischer Dienstleister verpflichtet, die Aufnahme seines Dienstes der LfR anzuzeigen.

94

Hiegemann, Die Entwicklung des Mediensystems in der Bundesrepublick Deutschland, in: Privat-kommerzieller Rundfunk in Deutschland, Bonn 1992, 31, 57. 95 § 48 a Abs. 2 Niedersächsisches Landesrundfunkgesetz, § 72 Abs. 2 Rundfunkgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen. 96 § 11 Abs. 4 Landesrundfunkgesetz Thüringen.

Α. Die bestehende Rechtslage

67

aa) Regelungskompetenz des Verordnungsgebers Die Regelungen in der 1. MVVO sind bereits aus formellen Gründen abzulehnen. Im Rahmen seiner Wesentlichkeitstheorie hat das Bundesverfassungsgericht die Voraussetzungen, unter denen der formelle Gesetzgeber tätig werden muß, sehr eng gefaßt. Dies gilt vor allem im Rundfunkbereich, wie das Bundesverfassungsgericht insbesondere bei der Einführung des privaten Rundfunks betonte97. Die Ausgestaltung der positiven Rundfunkordnung unterliegt dem Gesetzesvorbehalt als Parlamentsvorbehalt. Das Parlament hat das zur Gewährleistung der Rundfunkfreiheit Wesentliche selbst zu bestimmen und darf die Entscheidung hierüber nicht der Exekutive überlassen98. Auch für Pilotprojekte im Bereich des Rundfunks hat das Gericht festgestellt, daß die Grundlinien der Rundfunkordnung in einem formellen Gesetz zu regeln sind 99 . Bisher enthalten weder der RStV noch die landesrechtlichen Pilotklauseln Regelungen zum Multiplexing oder anderen technischen Dienstleistungen (mit Ausnahme von Conditional Access- und Navigationssystemen). Ohne diese gesetzliche Grundlage darf die Exekutive jedoch keine Ausgestaltung der Rundfunkordnung vornehmen. bb) Verpflichtung zur Gewährung diskriminierungsfreien Zugangs Im folgenden wird dennoch auf die inhaltliche Ausgestaltung der 1. MVVO eingegangen, da die in dieser Verordnung geregelte Verpflichtung zur Zugangsgewährung zu chancengleichen und nicht diskriminierenden Bedingungen sich - mit nahezu identischem Wortlaut - wie ein roter Faden durch alle rundfunkrechtlichen Regelungen der Vertriebsdienstleistungen zieht 100 . Es soll daher bereits an dieser Stelle untersucht werden, ob das allgemein formulierte Gebot zur Zugangsgewährung den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts muß der Gesetzgeber aufgrund der besonderen gesellschaftlichen Bedeutung der Rundfunkfreiheit gewährleisten, daß die Veranstaltung von Rundfunk zu gleichen Bedingungen zugelassen wird. Dazu gehört auch der chancengleiche Zugang zu Rundfunkübertragungskapazitäten101. Der Zugang zu den Vertriebsdienstleitungen ist für die Veranstalter für die Verwirklichung ihrer Rundfunkfreiheit von ebenso großer Bedeutung wie die Übertragung ihrer Programme in Kabelnetzen. Es besteht daher Übereinstimmung, daß die digitalen Dienstleister allen Rundfunkveranstaltern den Zugang 97

BVerfGE 57, 295 [314]. BVerfGE 12, 205 [228]; 35, 202 [222]. 99 BVerfGE 57, 295 [324]. 100 Vgl. nur §53 RStV. 101 BVerfGE 74, 297 [340f.]. 98

*

2. Kap.: Zugang zu den Vertriebsdienstleistungen

68

zu den Vertriebsdienstleistungen zu chancengleichen und diskriminierungsfreien Bedingungen gewähren müssen102. Die in der 1. M W O und den übrigen rundfunkrechtlichen Regelungen vorgesehene Verpflichtung zur Diskriminierungsfreiheit läßt jedoch offen, welche Bedingungen für die Nutzung der Multiplexe im einzelnen als chancengleich und diskriminierungsfrei angesehen werden können. Diese allgemeine Formulierung hat einerseits den Vorteil, daß sie auslegungsfähig ist und daher prinzipiell geeignet, derzeit noch nicht absehbare Problemlagen zu bewältigen103. Andererseits sind auch die Ausgestaltungen der Rundfunkordnung am Bestimmtsheitsgebot des Art. 20 Abs. 1 GG zu messen104. So muß der Rundfunkgesetzgeber bei der Zuordnung von Übertragungskapazitäten die wesentlichen Kriterien hinreichend bestimmt festlegen und darf dies nicht der Landesregierung oder der Landesmedienanstalt überlassen105. Bei „bottlenecks" wie den digitalen Vertriebsdienstleistungen ist insbesondere die Regulierung der Entgelte für die Nutzung dieser Infrastrukur wesentlich106. Die Verpflichtung, den Zugang zu den Vertriebsdienstleistungen zu diskrimnierungsfreien und chancengleichen Bedingungen zu gewähren, ist auch bzw. in erster Linie in wirtschaftlicher Hinsicht zu interpretieren 107. Die Regelung enthält jedoch keine Berechnungsgrundlage für ein nach dieser Vorschrift gerechtfertigtes Entgelt. Es ist daher für die Anbieter und Nutzer der technischen Dienstleistungen nicht möglich, im Vorfeld zu kalkulieren, welche Kosten für die Nutzung der Infrastrukuren verlangt werden können. Angesichts der Anlaufinvestitionen für ein digitales Spartenprogramm von 100 bis 700Millionen D M 1 0 8 und den ebenfalls immensen Kosten für den Aufbau einer digitalen Plattform, sollten jedoch im Interesse der Rechtssicherheit für Anbieter und Nutzer die Anforderungen an die Diskriminierungsfreiheit und Chancengleichheit konkretisiert werden 109. Dies gilt insbesondere hinsichtlich der wirtschaftlichen Bedingungen, da diese bei der Nutzung der Vertriebsdienstleistungen für die Rundfunkveranstalter von besonderer Bedeutung sind. 102 Vgl. Hege, Offene Wege in die digitale Zukunft, 1995, S.29f.; Holznagel/Daufeldt, Zugangssicherungen bei digitaler Fernsehübertragung, CR 1998,151,153; Wagner, Rechtsfragen digitalen Kabelfernsehens, 1996, S.37; Weisser, Dienstleistungen zum Vertrieb digitaler PayTV-Angebote, ZUM 1997, 877, 885; s.dazu auch oben 2. Kapitel A.I. l.a). 103 So Holznagel/Daufeldt, Zugangssicherungen bei digitaler Fernsehübertagung, CR 1998, 151,153; Holznagel/Schulz/Seufert, Zusammenfassung der Ergebnisse des Projekts „Regulierungsziele und -konzepte für digitales Fernsehen in Deutschland", 1998, S. 156; Gersdorf, Chancengleicher Zugang zum digitalen Femsehen, 1998, S. 126. 104 Vgl. BVerfGE 73,118 [168], 83,238 [322]; s.dazu auch Gabriel-Bräutigam, Rundfunkkompetenz und Rundfunkfreiheit, 1990, S. 106. 105 BVerfGE 83, 238 [324]. 106 Ygi Schwintowski, Ordnung und Wettbewerb auf Telekommunikationsmärkten, CR 1997, 630, 637. 107

Gersdorf, Chancengleicher Zugang zum digitalen Femsehen, 1998, S. 126. Neumann, Pay-TV in Deutschland, 1998, S.235. 109 Die Konkretisierungsbedürftigkeit des Begriffes der „Chancengleichheit" räumt auch Gersdorf, Chancengleicher Zugang zum digitalen Femsehen, 1998, S. 148 ein. 108

Α. Die bestehende Rechtslage

69

cc) Zuweisung der Multiplexkapazitäten durch die Landesmedienanstalten In der 1. MVVO ist weiterhin vorgesehen, daß die Multiplexbetreiber nicht selbst über die Vergabe der Kapazitäten entscheiden dürfen, sondern daß diese Zuweisung von der LfR vorgenommen wird. Dadurch werden die technischen Dienstleister in ihrer Verfügnisbefugnis und somit in ihrer Eigentumsposition stark eingeschränkt 110. Berührt ist weiterhin der Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG, da sowohl Rundfunkveranstalter, die das Multiplexing selbst ausführen, als auch externe Dienstleister vom Schutzbereich der Rundfunkfreiheit umfaßt werden 111. Nach der Wesentlichkeitstheorie können solche Eingriffe nur durch den Gesetzgeber und nicht im Rahmen einer Verordnung geregelt werden 112. In inhaltlicher Hinsicht kann durch diese Zuweisung der Multiplexkapazitäten sichergestellt werden, daß die Zusammenstellung der Multiplexe entsprechend der Belegung des Hyperbandbereiches der Kabelnetze erfolgt. Es steht außer Frage, daß die Länder Übertragungskapazitäten zuordnen dürfen, soweit dies zur Herstellung von Meinungsvielfalt ζ. B. aufgrund von Kapazitätsknappheiten erforderlich ist 113 . Da die Programme in der durch das Multiplexing herbeigeführten Konstellation in das Kabel eingespeist werden müssen, sind entsprechende Zuweisungen auch für das Multiplexing als der entscheidenden Vorstufe der Kabeleinspeisung zu treffen 114 . Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, daß für das Multiplexing umfassendere Kapazitäten zur Verfügung stehen, als für die Kabel Verbreitung. Daher kann die rundfunkrechtliche Zuteilung von Multiplexkapazitäten auf den Bereich beschränkt werden, der mit den von der Zuweisungsproblematik betroffenen Kabelkanälen korrespondiert. So sieht der Entwurf des Vierten Rundfunkänderungsstaatsvertrages (RStV-E) in § 52 Abs. 2 vor, daß die Landesmedienanstalten nur noch ein Drittel der verfügbaren digitalen Kanäle an Rundfunkveranstalter zuweisen dürfen. Über die Belegung der restlichen Kanäle soll grundsätzlich der Kabelnetzbetreiber unter Beachtung bestimmter, in § 52 Abs. 2 RStV-E normierter Voraussetzungen entscheiden. Sinnvollerweise sollte daher bei Belegung der Multiplexe entsprechend zwischen einem „must-carry" und einem „non-must-carry" Bereich unterschieden werden. Dabei ist zu berücksichtigen, daß die Belegung der Multiplexe aufgrund fehlender Playout-Centren zur Zeit nur bundeseinheitlich vorgenommen werden kann.

110

Vgl. BVerfGE 52, 1 [30], 61, 82 [198], 88, 366 [377]. s. dazu oben 2. Kapitel A.I. l.b). 1,2 Vgl. Jarass/Pieroth, GG, 4. Aufl., 1997, Art. 20, Rdnr. 30. 113 BVerfGE 83,238 [323 f.]; s.dazu auch Bullinger, Verbreitung digitaler Pay-TV-Pakete in Kabelnetzen; Engel, Verbreitung digitaler Pay-TV-Pakete in Fernsehkabelnetzen, ZUM-Sonderheft 1997, S. 309 ff.; Gersdorf \ Regelungskompetenz bei der Belegung digitaler Kabelnetze, 1996. 114 Vgl. Holznagel/Schulz/Seufert, Zusammenfassung der Ergebnisse des Projekts „Regulierungsziele und -konzepte für digitales Femsehen in Deutschland", 1998, S. 153. 111

2. Kap.: Zugang zu den Vertriebsdienstleistungen

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dd) Anzeigepflicht Schließlich sieht die 1. M W O vor, daß technische Dienstleister die Aufnahme des Dienstes der Landesmedienanstalt anzuzeigen haben. Wie bereits dargestellt unterfällt das Multiplexing einem Doppelregime aus rundfunk- und telekommunikationsrechtlicher Gesetzgebung. Diese Aufspaltung hat auch Auswirkungen auf das Aufsichtsverfahren. Gemäß Art. 87 f Abs. 2 GG ist der Bund dazu berufen, die Hoheitsaufgaben im Bereich der Telekommunikation in bundeseigener Verwaltung auszuführen. Zur Wahrnehmung dieser Hoheitsaufgaben ist die Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post als Bundesoberbehörde im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft mit Sitz in Bonn eingerichtet worden 115. Nach der hier vertretenen Auffassung ist also grundsätzlich die Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post und nicht eine Landesmedienanstalt für die Aufsicht über die Einhaltung der Regulierung der Zugangsfragen des Multiplexings zuständig. Dies gilt zumindest, soweit diese Regulierung technische oder wirtschaftliche Fragestellungen betrifft. Andererseits ist für das Multiplexing aufgrund der weiterhin bestehenden Kapazitätsknappheiten im Kabel neben der telekommunikationsrechtlichen Regulierung eine rundfunkrechtliche Aufbaustufe - mit einer entsprechenden Kontrolle durch die Landesmedienanstalten - erforderlich. Der Gesetzgeber (und nicht der Verordnungsgeber) kann im Rahmen dieser Aufbaustufe grundsätzlich eine Anzeigepflicht für die Dienstleister des digitalen Fernsehens vorsehen 116. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kommt es bei der gesetzlichen Ordnung des Rundfunks lediglich darauf an, daß eine vorherige Überprüfung stattfindet, ob den Anforderungen der Rundfunkfreiheit Genüge getan ist 117 . Ein förmliches Zulassungsverfahren hält das Gericht dabei nur für die Veranstaltung von Rundfunksendungen für erforderlich 118, so daß eine vorherige Überprüfung im Rahmen einer Anzeigepflicht grundsätzlich ausreichend sein kann. Beim Multiplexing ist zu bedenken, daß aufgrund einer Anzeige über die Aufnahme des Dienstes noch keine Rückschlüsse darüber möglich sind, ob bei der Belegung der Multiplexe die Rundfunkfreiheit in ausreichendem Maße berücksichtigt werden wird. Zweckmäßiger wäre es daher, anstelle der Anzeige des Dienstes eine Anzeige der geplanten Belegung der Multiplexe vorzusehen. Eine entsprechende Regelung ist mit § 52 Abs. 3 RStV-E für die Belegung des Hyperbandbereiches der Kabelnetze geplant. Danach ist der Betreiber einer Kabelanlage verpflichtet, die Weiterverbreitung von Programmen der zuständigen Landesmedienanstalt vor ih115 116 117 118

Badura in: Bonner Kommentar, Art. 87 f GG, Rdnr. 12. Vgl. Gersdorf \ Chancengleicher Zugang zum digitalen Fernsehen, 1998, S. 158. BVerfGE 73, 118 [198f.]. BVerfGE 57, 295 [326], 73, 118 [198].

Α. Die bestehende Rechtslage

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rem Beginn anzuzeigen. Die Landesmedienanstalt soll daraufhin überprüfen, ob die vom Kabelnetzbetreiber nach § 52 Abs. 2 RStV-E bei der Belegung des Kabelnetzes zu berücksichtigenden Voraussetzungen eingehalten wurden. Wurden die Voraussetzungen nicht erfüllt, kann die Landesmedienanstalt die Belegung der digitalen Kanäle zuweisen. Da das Multiplexing die Vorstufe der Kabeleinspeisung bildet, kann dieses Verfahren auch für die Belegung der Multiplexe sinnvoll sein. Voraussetzung ist jedoch, daß die Kriterien für die Belgung der Kabelnetze und der Multiplexe aufeinander abgestimmt werden. f) Kanalbelegungssatzung Hessen In Hessen wurden in der auf der Grundlage des § 42 Abs. 7 S. 3 des Hessischen Privatrundfunkgesetzes von der Landesmedienanstalt erlassenen Satzung über die Grundsätze der Kanalbelegung in Kabelanlagen in Hessen (KBS) im 4. Abschnitt die Grundsätze und die Teilnahmebedingungen des Hessischen Modellversuches geregelt. Bezüglich der Zulässigkeit der Regelung von grundrechtsrelevanten Fragen durch eine Satzung gilt, wie bereits im Rahmen der Prüfung der 1. MVVO festgestellt, daß dies allenfalls zulässig ist, wenn die Grundlinien bereits in einer gesetzlichen Grundlage festgeschrieben wurden. Da dies im Hessischen Privatrundfunkgesetz nicht geschehen ist, hätte eine Regelung in der KBS grundsätzlich nicht erfolgen dürfen. In inhaltlicher Hinsicht sieht die KBS folgende Regelungen für das Multiplexing vor: Das Multiplexing wird zunächst in der allgemeinen Zugangsverpflichtung des § 9 Abs. 3 der KBS geregelt. Danach müssen alle technischen Dienstleister und Vertriebsunternehmen ihre Leistungen diskriminierungsfrei anbieten. Zusätzlich zu diesen allgemeinen Verpflichtungen für alle Dienstleister normieren die §§5, 13 KBS spezielle Verpflichtungen für Multiplexbetreiber. Danach sollen Veranstalter oder Dienstleister Programmpakete, die gemeinsam vermarktet werden, auf einem Satellitenkanal für die Heranführung an die Kabelanlagen in möglichst kleinen Paketen zusammenfassen und auf die kleinstmögliche Anzahl von Kanälen verteilen. Diese Regelung zielt darauf ab, daß durch die Zusammenfassung von Signalen mehrerer Rundfunkprogramme in einem gemultiplexten Transportdatenstrom bereits eine Vorentscheidung über die Kabeleinspeisung dieser Programme getroffen wird. Die in der KBS vorgenommene Regelung ist jedoch zur Lösung dieses Problems nicht zweckmäßig. Die Hessische Landesmedienanstalt geht in der KBS unzutreffend davon aus, daß möglichst kleine Multiplexe gebildet und dementsprechend Transportdatenströme mit einer möglichst geringen Anzahl an Programmen über einen Satellitenkanal übertragen werden können. Zur optimalen Ausnutzung der Kapazitäten werden jedoch stets 6 Programme mit den dazu gehörenden SI-Daten zu einem gemultiplexten Datenstrom zusammengefaßt. Dieser wird dann wiederum 1:1 in das Kabelnetz eingespeist. Der von der Hessischen Landesmedienanstalt ver-

72

2. Kap.: Zugang zu den Vertriebsdienstleistungen

folgte Zweck könnte daher nur erreicht werden, wenn die Belegung jedes Multiplexes entsprechend der Kanalverteilung geregelt würde. Dazu ist es ausreichend, wenn der Multiplexbetreiber verpflichtet wird, bei der Aufteilung der Transportdatensröme die ihm von den Landesmedienanstalten mitzuteilende Belegung der Kabelkanäle zu beachten. g) Beschlüsse der Direktorenkonferenz

der Landesmedienanstalten

In den letzten Jahren sind die Landesmedienanstalten zunehmend dazu übergegangen, gemeinsame Positionen innerhalb der Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten (DLM) in Beschlüssen festzuhalten. Diese Beschlüsse sind in der Regel unverbindlich 119, aber oft wegweisend für die spätere Praxis der Landesmedienanstalten in dem von der Beschlußfassung betroffenen Bereich 120 . aa) Eckwerte für die Erprobung und Einführung von Digital Video Broadcasting (DVB) vom 13. Februar 1996 Für das digitale Fernsehen sind zunächst hervorzuheben die „Eckwerte für die Erprobung und Einführung von Digital Video Broadcasting (DVB)" durch Beschluß der D L M vom 13. Februar 1996121. Ausgangspunkt dieser Beschlußfassung war, daß durch die Konvergenz zwischen den Medien und den Abbau der Trennung der Netze für Rundfunk- und andere Dienste Regelungen in das Rundfunkrecht integriert werden sollten, die einen offenen Zugang von Rundfunkveranstaltern zu den neuen Distributionsformen gewährleisten. Auf der Grundlage von Feststellungen zur Konvergenz und der mit dem digitalen Fernsehen verbundenen Problematik verständigten sich die Landesmedienanstalten im Februar 1996 zunächst über „10 Thesen für die Erprobung und Einführung von DVB". Diese Thesen umfassen alle Bereiche des digitalen Fernsehens vom Playout über die Kabeleinspeisung bis zur Vermarktung in Paketen. Die Landesmedienanstalten stellten insbesondere fest, daß ein Wettbewerb zwischen unterschiedlichen Dienstleistern wünschenswert sei. Weiterhin sollten die Diensteanbieter verpflichtet werden, offenen und diskriminierungsfreien Zugang zu Dienstleistungen und digitalen Angeboten zu gewähren. Abschließend empfiehlt die DLM den Landesmedienanstalten, die Eckwerte bei der Erprobung und Einführung von DVB in den einzelnen Ländern zugrundezule119 Die Landesmedienanstalten dürfen aufgrund der Wesentlichkeitstheorie ohne gesetzliche Grundlage keine Regelungen mit Grundrechtsrelevanz treffen; vgl. zur Regulierungskompetenz der Landesmedienanstalten, Bornemann/Kraus/Lörz, Bay MG, 1996, Art. 10 Rdnr. 5; Bumke, Die öffentliche Aufgabe der Landesmedienanstalten, 1995, 431. 120 Bumke, Die öffentliche Aufgabe der Landesmedienanstalten, 1995, 333 f. 121 Im Internet abrufbar unter http://www.alm.de/positio2.htm.

Α. Die bestehende Rechtslage

73

gen und Entscheidungen über Zulassung und Kanalbelegung auf der Grundlage der Eckwerte zu treffen. Diese Empfehlung zeigt bereits auf, daß die Landesmedienanstalten versuchen werden, die Erteilung von rundfunkrechtlichen Zulassungen von der Erfüllung bestimmter Voraussetzungen hinsichtlich der Erbringung von Vertriebsdienstleistungen abhängig zu machen. bb) Vorkehrungen zur Sicherung des chancengleichen Zugangs gegenüber technischen und Programmplattformen vom 17. Juni 1997 Einen weiteren Schritt in diese Richtung ist die DLM mit ihrem Beschluß vom 17. Juni 1997 über „Vorkehrungen zur Sicherung des chancengleichen Zugangs gegenüber technischen und Programmplattformen" gegangen122. In diesem Beschluß macht die DLM zunächst wieder allgemeine Ausführungen für alle Dienstleistungen des digitalen Fernsehens. In Anlehnung an die Eckwerte für die Erprobung und Einführung von DVB geht die D L M davon aus, daß Zugangsfreiheit zu diesen Dienstleistungen am besten durch Wettbewerb zu realisieren sei. Dies zeige sich auch an den Standards und Schnittstellen, die für das digitale Fernsehen bereits durch das DVB-Projekt geschaffen worden sind. Im Falle einer marktbeherrschenden Stellung eines Anbieters müßten hingegen zusätzliche Maßnahmen zur Sicherung des Zugangs zu Vertriebsdienstleistungen getroffen werden. In einigen Bereichen könne zwar in der Anfangsphase des digitalen Fernsehens wegen der noch geringen Marktrelevanz von Regelungen abgesehen werden. Die Schwelle der Marktrelvanz sei jedoch bei 1,5 Millionen digital empfangenden Haushalten erreicht. Soweit bei Erreichen dieser Schwelle zusätzliche Regelungen erforderlich seien, solle zunächst das jeweilige Unternehmen Gelegenheit haben, Vorkehrungen für den Zugang von Drittveranstaltern zu treffen. Für den Fall, daß dies nicht zum Erfolg führt, wollen die Landesmedienanstalten über Auflagen zur rundfunkrechtlichen Zulassung durchsetzen, daß Dienstleistungen gegenüber Drittveranstaltern zu angemessen und diskriminierungsfreien Bedingungen zur Verfügung zu stellen sind. Im zweiten Teil des Beschlusses werden „vorläufige Regeln für den chancengleichen Zugang zu Dienstleistungen im Zusammenhang mit dem digitalen Fernsehen" aufgestellt. Hinsichtlich der technischen Bündelung in Multiplexen und des Zugangs zu Playout-Centren sollen zunächst die Veranstalter frei über die Belegung der Multiplexe und die Vergabe der Playout-Center-Kapazitäten entscheiden. Die Landesmedienanstalten wollen zusätzlich Vorkehrungen für den Zugang von Drittveranstaltern treffen, wenn weniger als drei Unternehmen diese Dienstleistungen für die bundesweite Verbreitung anbieten und sofern bundesweit mehr als 1,5 Millionen Haushalte digitales Fernsehen empfangen können 123 . 122 123

Abrufbar im Internet unter http://www.alm.de/positio8.htm. Vgl. Ziffer 2.1.1 des Beschlusses.

74

2. Kap.: Zugang zu den Vertriebsdienstleistungen

Zuzustimmen ist den Landesmedienanstalten zunächst darin, daß bei marktbeherrschenden Anbietern durch gesetzliche - nicht aber notwendigerweise rundfunkrechtliche - Regulierung sichergestellt werden muß, daß sie ihre marktbeherrschende Stellung nicht diskriminierend gegenüber Konkurrenten ausnutzen. Diese wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sollten jedoch in einem möglichst frühen Marktstadium festgelegt werden, um eine Abschottung des Marktes zu verhindern und Rechtssicherheit für die betroffenen Unternehmen zu schaffen. Die von der DLM vorgeschlagene Relevanzschwelle von 1,5 Millionen Zuschauern ist daher zu hoch angesetzt. Problematisch sind die Vorschläge der DLM jedoch, weil die Landesmedienanstalten vorsehen, die rundfunkrechtliche Zulassung als repressives Intsrument zur Lösung der Zugangsfragen des digitalen Fernsehens einzusetzen. Dies erscheint zum einen wenig sinnvoll, da auf diese Weise nur Dienstleister erreicht werden können, die gleichzeitig Rundfunkveranstalter sind. Die Landesmedienanstalten wollen jedoch - wie in diesem Beschluß mehrfach betont - erreichen, daß in Zukunft möglichst viele unabhängige Dienstleistungsunternehmen ihre Angebote zur Verfügung stellen. Zum anderen gibt es für die Verknüpfung der rundfunkrechtlichen Zulassung mit Voraussetzungen, die nicht mit der Rundfunkveranstaltung in unmittelbarem Zusammenhang stehen, keine Ermächtigungsgrundlage im Rundfunkstaatsvertrag oder den Landesmediengesetzen. Auch nach § 36 Abs. 1 VwVfG dürfen rundfunkrechtliche Zulassungen als gebundenene Verwaltungsakte 124 nicht mit Nebenbestimmungen verknüpft werden, wenn diese in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit den gesetzlichen Voraussetzungen der Rundfunkerlaubnis stehen125. Die DLM sieht in ihrem Beschluß vom 17. Juni 1997 weiterhin vor, daß das Problem der Vorentscheidung über die Kabeleinspeisung der digitalen Angebote durch die Zusammenstellung in gemultiplexten Datenströme gelöst werden soll, indem die Dienstleistungsunternehmen zu einer möglichst effektiven Nutzung der zur Verfügung stehenden Datenraten aufgefordert werden 126. Diese Regelung kann nur als Minimallösung betrachtet werden, da auf diese Weise lediglich sichergestellt wird, daß möglichst viele Programme in einem Multiplex zusammengefaßt und in dieser Konstellation ins Kabel eingespeist werden. Ein effektives Kapazitätsmanagement wird von den Dienstleistern jedoch bereits aus ökonomischen Gründen betrieben. Eine Einflußnahme auf die Rangfolge der Kabeleinspeisung kann hingegen nur über die konkrete Belegung der Multiplexe im einzelnen genommen werden. Im dritten Teil des Beschlusses macht die DLM Vorschläge zum Verfahren, mit dem die Verpflichtungen zur Gewährung chancengleichen Zugangs - auch hinsichtlich des Multiplexings - durchgesetzt werden sollen. Zunächst soll die Arbeitsgruppe DVB der DLM die Aufgaben der Arbeitsgruppe Zugangsfreiheit (AGZ) wahr124 VGH Baden-Württemberg, ZUM 1994,195,197; s.dazu auch Ricker/Schiwy, verfassungsrecht, S.39ff., 20f. 125 Bumke, Die öffentliche Aufgabe der Landesmedienanstalten, 1995, S.377. 126 Vgl. Ziffer 2.1.2 des Beschlusses vom 17.06.1997.

Rundfunk-

Α. Die bestehende Rechtslage

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nehmen. Die AGZ soll die Bedingungen für den chancengleichen Zugang konkretisieren, die betroffenen Unternehmen beraten und Empfehlungen in Streit- und Konfliktfällen vorbereiten. Die Arbeitsgruppe soll sowohl von Amts wegen als auch auf Antrag eines betroffenen Veranstalters tätig werden 127. Die DLM möchte in diesem Verfahren die Nutzungsbedingungen für alle digitalen Plattformen - auch solche, die nicht von Rundfunkveranstaltern betrieben werden - festsetzen. Auf diese Weise soll gewährleistet werden, daß konkurrierende Plattformen gleich behandelt werden 128 . Die betroffenen Unternehmen sollen „von sich aus" die von der D L M vorgeschlagenen Nutzungsbedingungen und andere Empfehlungen umsetzen. Anderenfalls sollen die Verpflichtungen gegenüber dem Veranstalter durch die für die Zulassung zuständige Landesmedienanstalt konkretisiert werden 129. Unklar ist, wie diese Konkretisierung erfolgen soll. Denkbar ist, daß rundfunkrechtliche Zulassungen erteilt werden, die Auflagen bezüglich Vertriebsdienstleistungen enthalten, oder daß bestehende Zulassungen nachträglich mit Auflagen versehen werden 130. Die Rechtswidrigkeit der Verknüpfung der rundfunkrechtlichen Zulassung mit Bedingungen, die wie die digitalen Vertriebsdienstleistungen nicht unmittelbar mit der Rundfunveranstaltung in Zusammenhang stehen, wurde bereits erörtert. Offensichtlich sind sich die Landesmedianstalten dieser Problematik bewußt, da sie zusätzlich vorgesehen haben, daß die Veranstalter den Landesmedienanstalten zusagen müssen, an dem beschriebenen Verfahren mitzuwirken. Diese Zusage soll zur Grundlage der Sendeerlaubnis werden 131. cc) Weiterentwicklung der Vorkehrungen zur Sicherung des chancengleichen Zugangs gegenüber technischen und Programmplattformen vom 16. Dezember 1997 Im Hinblick auf die Einigung zwischen CLT/Ufa, der KirchGruppe und der Telekom und auf die daraus resultierende Problematik, hat die DLM den Beschluß vom Sommer 1997 in einem Beschluß zur „Weiterentwicklung der Vorkehrungen zur Sicherung des chancengleichen Zugangs gegenüber technischen und Programmplattformen" am 16. Dezember 1997 konkretisiert 132. Dieses Papier enthält jedoch im Hinblick auf das Multiplexing keine neuen Vorschläge der Landesmedienanstalten, sondern wiederholt in Ziffer 3.3 die bereits erörterten Forderungen hinsichtlich des Zugangs zu den Playout-Centren und der Belegung der Multiplexe. 127

Vgl. Ziffer 3.1 des Beschlusses vom 17.06.1997. Vgl. Ziffer 3.3 des Beschlusses vom 17.06.1997. 129 Vgl. Ziffer 3.2 des Beschlusses vom 17.06.1997. 130 So Weisser, Dienstleistungen zum Vertrieb digitaler Pay-TV-Angebotem ZUM 1997, 877, 893. 131 Vgl. Ziffer 3 des Beschlusses vom 17.06.1997. 132 Im Internet abrufbar unter http://www.alm.de/DLMDVB_2.HTM. 128

2. Kap.: Zugang zu den Vertriebsdienstleistungen

76

h) Pilotprojektszulassungen Auf der Grundlage der Pilotklauseln in den Landesmediengesetzen und in Umsetzung der Beschlüsse der D L M wurden in den meisten Bundesländern zwischenzeitlich Pilotprojektszulassungen erteilt. Veröffentlicht wurde bisher nur der öffentlich-rechtliche Vertrag für die Erprobung digitaler Fernsehangebote zwischen DF1 und der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM) vom 17. Februar 1997 133 , so daß nur diese Zulassung für eine inhaltliche Bewertung zur Verfügung steht. Der Vertrag enthält in § 3 Regelungen zum Multiplexing. Danach ist DF1 grundsätzlich frei, eigene und Drittprogramme zu Multiplexen zusammenzufassen. Der Anbieter ist jedoch verpflichtet, soweit dies für ihn zumutbar ist, auf Verlangen der BLM dritte Veranstalter zu marktüblichen Bedingungen aufzunehmen. Angesichts dieser Regelung zeigt sich in der Praxis, daß die rundfunkrechtliche Zulassung nicht das richtige Instrument ist, um die Pflichten der technischen Dienstleister zu regeln. Das Multiplexing der von DF1 ausgestrahlten Programme wird nicht von DF1 sondern von der BetaDigital ausgeführt. Diese ist wiederum eine 100%ige Tochter der KirchGruppe 134. Ein an DF1 gerichteter Verwaltungsakt oder ein mit DF1 abgeschlossener öffentlich-rechtlicher Vertrag kann die BetaDigital somit nicht wirksam verpflichten. Die Regelungen zum Multiplexing laufen daher ins Leere. In inhaltlicher Hinsicht wurde in der Literatur kritisiert, daß sich das Zugangsrecht für Drittveranstalter zu marktüblichen Bedingungen als „eine stumpfe Waffe" erweisen könnte. Solange es auf dem digitalen Fernsehmarkt nur einen Anbieter technischer Dienstleistungen gibt, bestimmt dieser letztlich auch, was unter marktüblichen Konditionen zu verstehen ist 135 .

i) Entwurf des 4. Rundfunkänderungsstaatsvertrages Die Rundfunkreferenten der Länder haben am 16. Januar 1998 einen ersten Entwurf zur Änderung des Rundfunksstaatsvertrages (RStV-E) vorgelegt, der zur Zeit in einer weiterentwickelten Fassung vom 3. März 1998 vorliegt. Dieser Entwurf beschäftigt sich neben Fragen des Jugendschutzes (§ 3), der Werbung, des Sponsorings und des Teleshoppings (§§7, 8,44,45,45 a, 45 b) in §§ 52 und 53 auch mit Problemkreisen des digitalen Fernsehens. 133 134

Abgedruckt in epd vom 26.02.1997, 25 ff. „Die KirchGruppe: Wichtige Unternehmen und Beteiligungen", FAZ vom 28.05.1998,

S.22.

135

Holznagel/Daufeldt, 151, 154.

Zugangssicherungen bei digitaler Fernsehübertragung, CR 1998,

Α. Die bestehende Rechtslage

77

In § 53 Abs. 3 sieht der RStV-E vor, daß der Grundsatz der chancengleichen, angemessenen und nichtdiskriminierenden Behandlung aller Programme und Angebote gewährleistet sein muß, wenn Programme und Angebote zum Zwecke der Vermarktung gebündelt werden. Die Formulierung „Bündelung von Programmen zu Vermarktungszwecken" spricht dafür, daß von dieser Vorschrift nur der Vertrieb von Pay-TV-Programmen in Form von Bouquets und nicht die technische Paketbündelung im Rahmen des Multiplexings erfaßt ist 136 . Der RStV-E enthält somit keine Vorschrift zur Regelung des Multiplexings.

j) Zwischenresümee Die Analyse der rundfunkrechtlichen Regelungsansätze hinsichtlich des Multiplexings hat gezeigt, daß auf diesem Wege bisher keine zufriedenstellende Lösung dieser Problematik gefunden wurde. Zum einem sind die Länder für die Regulierung der Zugangsfragen des Multiplexings grundsätzlich nicht zuständig, da diese Materie in die telekommunikationsrechtliche bzw. wirtschaftsrechtliche Kompetenz des Bundes fällt. Soweit dennoch rundfunkrechtliche Lösungsversuche unternommen wurden, beschränken sich diese Versuche darauf, für Rundfunkveranstalter diskriminierungsfreien und chancengleichen Zugang zu diesen Einrichtungen zu verlangen. Dabei bleiben jedoch Fragen hinsichtlich der konkreten wirtschaftlichen und technischen Parameter für die Nutzung der technischen Einrichtungen offen. Diese Fragestellungen sind jedoch von entscheidender Bedeutung. Im digitalen Zeitalter hängt die Möglichkeit des Zugangs zu den technischen Infrastrukuren nur zu einem geringen Maße davon ab, ob Dienstleistungen allen interessierten Unternehmen angeboten werden. Die im Rahmen einer digitalen Plattform zur Verfügung stehenden Kapazitäten sind ausreichend für die Verbreitung von mindestens 250 Programmen, die von den Anbietern dieser Dienstleistungen nicht mit ausschließlich eigenen Angeboten gefüllt werden können. Bereits aus ökonomischen Gründen besteht daher die Notwendigkeit, die zusätzlichen Übertragungskapazitäten Dritten anzubieten. Entscheidend für die Frage des Zugangs ist vielmehr zu welchen Konditionen und Entgelten dies geschieht. Dazu enthalten die rundfunkrechtlichen Lösungsansätze keine ausreichenden Antworten.

136

So auch Holznagel/Schulz/Seufert, Zusammenfassung der Ergebnisse des Projekts „Regulierungsziele und -konzepte für digitales Femsehen in Deutschland", 1998, S. 153; anders Gersdorf \ Chancengleicher Zugang zum digitalen Femsehen, 1998, S. 166, der unter „Bündelung" auch den Vorgang des Multiplexings versteht. Gersdorf hält diese Vorschrift im Ergebnis jedoch ebenfalls für ungenügend, da sie keine Sanktionsmöglichkeiten für den Fall vorsieht, daß ein Dienstleister seinen Verpflichtungen nicht nachkommt.

78

2. Kap.: Zugang zu den Vertriebsdienstleistungen

2. Telekommunikationsrechtlicher Lösungsansatz a) Die verfassungsrechtliche Ausgangslage Die neue Telekommunikationsfreiheit Im Zuge der zweiten Postreform wurde die Vorschrift des Art. 87 f GG in das Grundgesetz eingefügt. Nach Art. 87 f Abs. 2 GG werden die Tätigkeiten des Postwesens und der Telekommunikation als privatwirtschaftliche Tätigkeiten erbracht. Art. 87 Abs. 1 S. 1 GG a. F. hatte demgegenüber vorgesehen, daß die Wahrnehmung der Aufgaben auf dem Gebiet des Post- und Fernmeldewesens durch den Bund den Charakter von Leistungsverwaltung hatten. Die Verfassungsreform basierte auf zum einen auf den europarechtlichen Grundentscheidungen zugunsten einer Liberalisierung der Telekommunikationsmärkte. Zum anderen brachte sie die Hoffnung zum Ausdruck, daß durch die privatwirtschaftliche Erbringung von Telekommunikationsdienstleistungen Entwicklungsmöglichkeiten freigesetzt werden, die im Rahmen der staatlichen Daseinsvorsorge nicht zu erwarten waren 137 . Dies bedeutet jedoch nicht, daß der Gesetzgeber hinsichtlich der Entwicklung dieser Märkte ausschließlich auf den Wettbewerb vertrauen darf 138 . Vielmehr muß der Bund gemäß Art. 87 f Abs. 1 GG nach Maßgabe näherer gesetzlicher Regelung flächendeckend angemessene und ausreichende Dienstleistungen gewährleisten. Damit wurde dem Bund ein Verfassungsauftrag zu Regulierungsmaßnahmen erteilt 139 , die dafür sorgen, daß konkurrierende Anbieter offenen Zugang zu den Netzen erhalten und marktbeherrschende Unternehmen den Informationsfluß nicht einengen können140. Die neue Telekommunikationsfreiheit entspricht somit dem Modell eines regulierten Wettbewerbs. b) Telekommunikationsgesetz Im folgenden wird untersucht, ob das am 1. August 1996 auf der Grundlage des Art. 87 f GG erlassene Telekommunikationsgesetz (TKG) Regelungen bzw. Lösungsansätze für die Zugangsfragen der technischen Vertriebsdienstleistungen des digitalen Fernsehens enthält. Das TKG soll durch Regulierung im Bereich der Telekommunikation den Wettbewerb in diesem Bereich fördern und flächendeckend angemessene und ausreichende Dienstleistungen gewährleisten sowie eine Frequenzordnung festlegen 141. Beim TKG handelt es sich somit um sektorspezifische Rege137 138 139

309.

Vgl. Gersdorf Chancengleicher Zugang zum digitalen Fernsehen, 1998, S.35f. Badura in: Bonner Komentar, Art. 87 f GG, Rdnr. 20. Stern, Postreform zwischen Privatisierung und Infratrukurgewährleistung, DVB1. 1997,

140 BullingerlMestmäcker, Multimediadienste, 1996, S. 182; Oermann, Rundfunkfreiheit und Funkanlagenmonopol, 1997, S. 111. 141 Einen Überblick über die Regelungen des TKG gibt Scherer, Das neue Telekommunikationsgesetz, NJW 1996, 2953 ff.

Α. Die bestehende Rechtslage

79

lungen zum allgemeinen Wettbewerbsrecht 142. Mit der Verabschiedung des TKG hat der Gesetzgeber die gesetzlichen Voraussetzungen für die Erfüllung des Verfassungsauftrages aus Art. 87 f GG geschaffen, wonach die Dienstleistungen im Bereich der Telekommunikation als privatwirtschaftliche Tätigkeiten durch private Anbieter zu erbringen sind 143 . aa) Anwendbarkeit des TKG Fraglich ist zunächst, ob das TKG auf das Multiplexing anwendbar ist. Verfassungsrechtlich sind Digitalisierung, Multiplexing und Uplink als Teil der Sendetechnik der Telekommunikation zuzuordnen. Gegen eine Anwendbarkeit des TKG auf die Übertragung von Rundfunkprogrammen wird eingewandt, daß diese Regelungen zum Teil auf die ONP-Richtlinie 144 zurückgehen, die in Art. 2 Nr. 4 eine besondere Vorbehaltsklausel für Rundfunkübertragung enthält. Danach sind Telekommunikationsdienste ,/nit Ausnahme von Rundfunk 145 und Fernsehen'" zu verstehen. Bullinger ist daher der Auffassung, daß die Offenheitsregeln des TKG nicht auf die Verbreitung von Rundfunkprogrammen anwendbar seien146. Dies bedeutet jedoch nicht notwendigerweise, daß das TKG grundsätzlich auf die Übertragung von Rundfunkprogrammen über Telekommunikationseinrichtungen unanwendbar ist. Für eine Anwendbarkeit der Vorschriften des TKG spricht, daß in § 3 Nr. 14 TKG auch Satellitenfunkdienstleistungen - also die Übertragung von Rundfunk- und Fersehprogrammen mittels Satellitenfunkanlagen - anders als in der ONP-Richtlinie ausdrücklich als Telekommunkationsdienstleistungen bezeichnet werden. Die Anwendung des TKG auf die Übertragung von Rundfunkprogrammen ist auch nicht aufgrund der unterschiedlichen Strukturprinzipien von Rundfunk und Telekommunikation ausgeschlossen147. Die Vorschriften des TKG geben lediglich Auskunft darüber, zu welchen Bedingungen Telekommunikationsdienstleistungen - auch von Rundfunkveranstaltern - in Anspruch genommen werden können148. Nicht vom TKG erfaßt ist hingegen die Fragestellung, welche Rundfunkveranstalter, insbesondere bei Kapazitätsknappheit, aus rundfunkrechtlicher Sicht die technischen Dienstleistungen in Anspruch nehmen dürfen. Dieser Problemkreis untersteht 142

BT-Drs. 13/3609, S. 33. Das Übertragungswegemonopol der Telekom hat am 01.08.1996 geendet; das Sprachtelefondienstmonopol wurde zum 01.01.1998 aufgehoben (§ 100 Abs. 1 TKG). 144 Richtlinie des Rates vom 28.06.1990 zur Verwirklichung des Binnenmarktes für Telekommunikationsdienste durch Einführung eines offenen Netzzugangs („ONP-Richtlinie"), AB1.I. 192/1 vom 24.07.1990. 145 Gemeint ist Hörfunk. 146 Bullinger, Verbreitung digitaler Pay-TV Pakete in Kabelfemsehnetzen, ZUM Sonderheft 1997, 281,294. 147 So Bullinger, Verbreitung digitaler Pay-TV Pakete in Kabelfemsehnetzen, ZUM Sonderheft, 1997, 281,292. 148 Vgl. Gersdorf Chancengleicher Zugang zum digitalen Femsehen, 1998, S.52, 57. 143

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2. Kap.: Zugang zu den Vertriebsdienstleistungen

auch bei Anwendung des TKG ausschließlich der landesrechtlichen Rundfunkregulierung. Zur Klarstellung sollte erwogen werden, diesen Vorbehalt ausdrücklich in das TKG aufzunehmen. Für den Fall eines solchen Vorbehaltes erkennt auch Bullinger an, daß auf diese Weise telekommunikations- und medienrechtliche Regelungen so miteinander verzahnt werden könnten, daß ein aufeinander abgestimmtes Miteinander einer telekommunikationsrechtlichen Basisstufe und einer medienrechtlichen Aufbaustufe entsteht149. Die Anwendbarkeit des TKG auf Vertriebsdienstleistungen für die Verbreitung von digitalen Rundfunkprogrammen ist also grundsätzlich nicht ausgeschlossen. Andererseits darf nicht verkannt werden, daß das TKG nicht geschaffen wurde, um einen Ordnungsrahmen für die Übertragung von Rundfunkprogrammen mittels Telekommunikationseinrichtungen zu bilden. Vornehmliches Regelungsziel war die Liberalisierung der Telekommunikationsmärkte und der Privatisierung von Dienstleistungen der Telekommunikation150. Daraus folgt, daß das TKG in unmittelbarer Anwendung auf die Übertragung von Rundfunkprogrammen eigentlich nicht „paßt". Selbst wenn man daher die Anwendung des TKG - entgegen der hier vertretenen Auffassung - auf die Übertragung von Rundfunkprogrammen verneint, können der telekommunikationsrechtlichen Regelung Anregungen für die Lösung der Zugangsfragen des digitalen Fernsehens entnommen werden. Wendet man das TKG auf die Übertragung von Rundfunkprogrammen an, ist zunächst fraglich, ob das Gesetz überhaupt Regelungen für die technischen Vertriebsdienstleistungen enthält. Nach § 3 Nr. 16 TKG ist Telekommunikation der technische Vorgang des Aussendens, Übermitteins und Empfangens von Nachrichten jeglicher Art in der Form von Zeichen, Sprache, Bildern und Tönen mittels Telekommunikationsanlagen. Eine Telekommunikationsanlage ist gemäß § 3 Nr. 17 TKG eine technische Einrichtung oder ein System, das als Nachrichten identifizierbare elektromagnetische oder optische Signale senden, übertragen, vermitteln, empfangen, steuern oder kontrollieren kann. Dazu zählen gemäß § 3 Nr. 14 TKG auch Satellitenfunkanlagen. Der Begriff der Satellitenfunkanlage ist im Gesetz wiederum nicht definiert. Fraglich ist im Zusammenhang mit der Übermittlung digitaler Fernsehsignale, ob nur der Uplink der Programmsignale oder auch Digitalisierung, Kompression und Multiplexing als Teil einer Satellitenfunkanlage vom TKG erfaßt sind. Bislang wurde unter einer Satellitenfunkanlage in der Genehmigungspraxis eine terrestrische technische Einrichtung verstanden, die zur Kommunikation über Satelliten bestimmt ist und in der Regel die Antennenanlage, die Sende- oder Empfangseinrichtungen, die Modulations-/Demodulationseinrichtungen, die zur Signalaufbereitung und -Wandlung notwendigen Einrichtungen sowie Steuerungs- und Kontrolleinheiten umfaßt 151. Der Kompressor und Multiplexer sind jedoch der Mo149 Bullinger, Verbreitung digitaler Pay-TV Pakete in Kabelfernsehnetzen, ZUM Sonderheft, 1997, 281,294. 150 Vgl. nur Scherer, Das neue Telekommunikationsgesetz, NJW 1996, 2953. 151 Schütz in: Büchner u.a. (Hrsg.), Telekommunikationsgesetz, §6, Rdnr.43.

Α. Die bestehende Rechtslage

81

dulation vorgeschaltet 152 und daher von der Definition der Satellitenfunkanlage nicht umfaßt. Es kommt jedoch eine Einordnung als Telekommunikationseinrichtung in Betracht. Als Telekommunikationsanlage sind alle Einrichtungen zu qualifizieren, die der Übermittlung der Signale dienen153. Somit sind auch Kompressoren und Multiplexer Telekommunikationsanlagen im Sinne des TKG 1 5 4 . Gemäß § 3 Nr. 18 TKG ist das gewerbliche Angebot von Telekommunikation einschließlich des Angebots von Übertragungswegen für Dritte eine Telekommunikationsdienstleistung. Von besonderer Bedeutung sind Telekommunikationsdienstleistungen für die Öffentlichkeit, d. h. das gewerbliche Angebot von Telekommunikationsdienstleistungen für beliebige natürliche oder juristische Personen und nicht lediglich für die Teilnehmer geschlossener Benutzergruppen (§ 3 Nr. 19 TKG). Wird die Telekommunikationsdienstleistung unter Zuhilfenahme von Satellitenfunkanlagen erbracht, so liegt nach § 3 Nr. 14 TKG eine Satellitenfunkdienstleistung vor. Im Hinblick auf die technischen Vertriebsdienstleistungen für digitales Fernsehen ist also zu unterscheiden zwischen allen Tätigkeiten, die unmittelbar mit dem Uplink der Signale im Zusammenhang stehen, und der Kompression und dem Multiplexing. Letztgenannte Tätigkeiten sind als Telekommunikationsdienstleistung gemäß § 3 Nr. 19 TKG einzuordnen, während der Uplink eine Satellitenfunkdienstleistung im Sinne des § 3 Nr. 14 TKG ist. Dem Wortlaut nach sind die Vorschriften des TKG also auch auf die digitalen Vertriebsdienstleistungen anwendbar, soweit diese Telekommuniaktionseinrichtungen darstellen. Dennoch verbleiben Zweifel bei der Anwendbarkeit des TKG, da dieses Gesetz nicht für die Regulierung des digitalen Fernsehmarktes sondern in erster Linie für die Liberalisierung des Marktes für Sprachtelefonie geschaffen wurde. Unabhängig davon, ob man nun das TKG unmittelbar auf das Multiplexing digitaler Rundfunksignale anwendet oder diese Vorschriften lediglich aufgrund einer ähnlichen Problemlage als Anregung für eine entsprechende telekommunikationsrechtliche Regulierung der digitalen Vertriebsdienstleistungen heranzieht, soll im folgenden untersucht werden, welche Lösungen das TKG für die Zugangsfragen bietet. bb) Lizenzpflicht für Telekommunikationsdienstleistungen Das TKG sieht eine Lizenzpflicht nur für diejenigen Telekommunikationsdienstleistungen vor, die bislang Gegenstand des Netz- und Telefondienstmonopols waren. Lizenzpflichtig ist gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 TKG das Angebot von Sprachtelefondienst auf der Basis selbstbetriebener Kommunikationsnetze. Nach Nr. 2 außerdem der Betrieb von Übertragungswegen, die die Grenze eines Grundstücks überschrei152 153 154

6 Rinke

Beta Digital, d-box Network, S. 5. Vgl. Ehmer in: Büchner u.a. (Hrsg)., Telekommunikationsgesetz, §87, Rdnr. 17. Vgl. Schütz in: Büchner u.a. (Hrsg.), Telekommunikationsgesetz, §6, Rdnr. 13.

82

2. Kap.: Zugang zu den Vertriebsdienstleistungen

ten und für Telekommunikationsdienstleistungen für die Öffentlichkeit genutzt werden. Für den Bereich des digitalen Fernsehens kommen ausschließlich die Lizenzen nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 TKG in Betracht, die auch als Infrastrukturlizenzen bezeichnet werden. Die Infrastrukurlizenzen werden in die folgenden Lizenzklassen eingeteilt (§6 Abs. 2 Nr. 1 TKG): Mobilfunkleistungen für die Öffentlichkeit (Lizenzklasse 1 : Mobilfunklizenz), Satellitenfunkdienstleistungen für die Öffentlichkeit (Lizenzklasse 2: Satellitenfunklizenz) und Telekommunikationsdienstleistungen für die Öffentlichkeit, für deren Angebot nicht die Lizenzklasse 1 oder 2 bestimmt ist (Lizenzklasse 3). Lizenzpflichtig sind Tätigkeiten in allen drei Klassen jedoch nur, soweit die Lizenz nach § 6 Abs. 1 TKG erforderlich ist, d. h. wenn Übertragungswege betrieben werden, die die Grenze eines Grundstückes überschreiten und für Telekommunikationsdienstleistungen für die Öffentlichkeit genutzt werden. Daraus folgt hinsichtlich der technischen Dienstleistungen für digitales Fernsehen zunächst, daß eine Satellitenfunklizenz für die Verbreitung der digitalen Angebote über Satellit 155 und für den Betrieb von Breitbandkabelnetzen erforderlich ist. Fraglich ist ob auch für Digitalisierung und Multiplexing, die die Verbreitung der digitalen Sendesignale über Satellit und Kabel vorbereiten, eine Lizenz erforderlich ist. Diese Problematik stellt sich insbesondere im Hinblick auf die digitale Plattform, die von der Telekom für die Kabelnetze betrieben werden soll. In der Literatur wird eine Lizenzpflicht für die technischen Dienstleistungen verneint. Der lizenzpflichtige Netzbereich sei vielmehr von dem lizenzfreien Bereich der End- und Vermittlungseinrichtungen abzugrenzen. Diese Abgrenzung entspricht der bisherigen Unterscheidung zwischen Monopol- und Wettbewerbsbereich. Der Lizenzpflicht unterfallen solche Funktionseinheiten, die für die diensteneutrale transparente Punkt-zu-Punkt- oder Punkt-zu-Mehrpunkt-Übertragung von Informationen innerhalb des Übertragungswegnetzes technisch-physikalisch erforderlich sind und nicht von Endeinrichtungen oder Vermittlungseinrichtungen wahrgenommen werden können. Die Abschlußeinrichtungen bilden die Trennstelle zwischen dem lizenzpflichtigen Netzbereich und dem freien Wettbewerbsbereich der Endeinrichtungen und der Vermittlungseinrichtungen. Sie zählen selbst noch zum Lizenzbereich. Von den beschriebenen Funktionen gelten allerdings nur diejenigen als Abschlußeinrichtungen im Sinne der Lizenzpflicht, die dazu dienen, dem Nutzer die Leistung des Übertagungsweges bereitzustellen. Digitalisierung und Multiplexing sind daher nicht lizenzpflichtig, da sie für die Funktionsfähigkeit des Netzes nicht unbedingt notwendig sind 156 . 155 Satellitenfunklizenzen wurden bisher für folgende Bereiche erteilt: Datenübertragung, Business TV, Satellite News Gathering (Punkt-zu-Punkt-Bild- und Tonübertragung), Fernsehprogrammübertragung und -Verteilung und landmobile Dienste; vgl. Schütz in: Büchner u. a. (Hrsg.), Telekommunikationsgesetz, § 6, Rdnr. 42.

Α. Die bestehende Rechtslage

83

cc) Anzeigepflicht Anbieter von Telekommunikationsdienstleistungen sind gemäß § 4 TKG verpflichtet, die Aufnahme, Änderung und Beendigung des Betriebes innerhalb eines Monats bei der Regulierungsbehörde schriftlich anzuzeigen. Für die Anbieter von Digitalisierung, Kompression und Multiplexing besteht also keine Lizenz- sondern lediglich eine Anzeigepflicht.

dd) Offenheitssicherungen Von besonderer Bedeutung für die Liberalisierung der Telekommunikationsmärkte war die Frage, ob und zu welchen Bedingungen Netzinhaber und Anbieter von Telekommunikationsdienstleistungen Interessenten ihre Leistungen zur Verfügung stellen müssen. Das TKG regelt im vierten Teil (§§ 33-39 TKG) das Prinzip des offenen Zugangs zu Telekommunikationsdienstleistungen. Die Vorschriften zum Netzzugang umfassen auf der Grundlage der europäischen ONP-Richtlinie Regeln über technische Schnittstellen für den Netzzugang, Benutzungsbedingungen für Telekommunikationsdienste oder -netze und Tarifgrundsätze 157. Diese Offenheitsregeln wurden geschaffen, da der Bund nach Art. 87 f Abs. 1 GG verpflichtet ist, eine flächendeckende Grundversorgung mit Telekommunikationsdienstleistungen zu gewährleisten. Daher muß der Bund für die Schaffung bzw. Aufrechterhaltung einer entsprechenden Infrastruktur sorgen 158, die jedoch nach Art. 87 f Abs. 2 GG in privatwirtschaftlicher Tätigkeit zu erbringen ist. Durch die Offenheitsregeln werden die Beziehungen und Verpflichtungen der privaten Marktteilnehmer untereinander geregelt. In ihrer inhaltlichen Ausgestaltung stellen die Offenheitsregeln eine Umsetzung der sog. Essential-Facilities-Doktrin dar 159 . Danach können marktbeherrschende Unternehmen unter bestimmten Voraussetzungen verpflichtet sein, Wettbewerbern den Zugang zu bestimmten „wesentlichen Einrichtungen" (z.B. Häfen, Flughäfen, Telekommunikations- und Schienennetze, aber auch Produkte oder besondere bzw. kommerzielle Informationen), die diese Wettbewerber benötigen, um auf einem bestimmten Markt tätig zu werden, auch dann einzuräumen, wenn diese Einrichtungen durch Ausschließlichkeitsrechte wie ζ. B. das Eigentum geschützt sind. Die Essential-Facilities-Doktrin wurde im Jahr 1912 vom US Supreme Court entwickelt, der entschied, daß ein marktbeherrschendes Unternehmen verpflichtet sein 156

Schütz, Lizenzen und Wegerechte: Chancen für den Wettbewerb?, Vortrag im Rahmen derEUROFORUM-Konferenz „Telekommunikationsrecht", 03./04.06.1997 in Frankfurt, Vortragsmanuskript S.5. 157 Scherer, Das neue Telekommunikationsgesetz, NJW 1996, 2953, 2960. 158 Badura in Bonner Kommentar zum GG, Art. 87 f, Rdnr. 26 f. 159 Vgl. Piepenbrock in: Büchner u. a. (Hrsg.) TKG-Kommentar, § 33, Rdnr. 20. 6*

2. Kap.: Zugang zu den Vertriebsdienstleistungen

84

kann, einem Wettbewerber den Zugang zu seinen wesentlichen Einrichtungen einzuräumen 160. Im europäischen Kartellrecht fand die Essential-Facilities-Doktrin erstmals 1992 und 1993 in den Hafen-Entscheidungen der Kommission Anwendung 161 . Die Kommission hat hier entschieden, daß ein Unternehmen, das für die Gestaltung einer wesentlichen Einrichtung marktbeherrschend ist, gegen Art. 86 EGV verstößt, wenn es diese Einrichtungen selbst nutzt und anderen Unternehmen den Zugang zu diesen Einrichtungen verweigert oder nur zu Bedingungen gewährt, die ungünstiger sind als die Bedingungen für seine eigenen Dienste162. Die durch diese Entscheidungspraxis erfolgte faktische Einführung der Essential-Facilities-Doktrin in das europäische Kartellrecht ist durch das Magill-Urteil des Europäischen Gerichtshof 1995 zumindest teilweise bestätigt worden 163 . Die „wesentlichen Einrichtungen" waren hier keine Häfen, sondern Informationen einer irischen und zwei britischen Fernsehanstalten, die die Firma Magill benötigte, um in Irland eine Fernsehzeitschrift mit den Programmen dieser Anstalten anbieten zu können. Seit diesem Urteil steht fest, daß ein marktbeherrschendes Unternehmen auch im europäischen Kartellrecht verpflichtet sein kann, Wettbewerbern den Zugang zu einem bestimmten Markt zu eröffnen. Der deutsche Gesetzgeber hat mit Art. 87 f Abs. 1 GG die Ermächtigung erhalten, durch gesetzliche Maßnahmen für eine flächendeckende Versorgung mit ausreichenden und angemessenen Telekommunikationsdienstleistungen zu sorgen. Nach Maßgabe der Gesetze werden also im Allgemeininteresse Bindungen der Unternehmen begündet164. Diese Bindungen können auch dazu führen, daß Anbieter von Telekommunikationsdienstleistungen im Interesse des Aufbaus der verfassungsmäßig 160

United States vs. Terminal Railroad Association, 224 US 383 (1912). In diesem Fall hatten einige Eisenbahngesellschaften den Bahnhof von St. Louis aufgekauft und sich anschließend geweigert, anderen Eisenbahngesellschaften Zugang zu gewähren. Das Gericht entschied, daß diese Weigerung gegen Section 2 Sherman Act verstieß, da der Zugang zu diesem Bahnhof für die abgelehnten Eisenbahngesellschaften „essential" gewesen sei; vgl. zu der Fortentwicklung dieser Rechtsprechung in den USA Esser-Wellié , Das Verfassungs- und Wirtschaftsrecht der Breitbandkommunikation in den Vereinigten Staaten von Amerika, 1995, S. 145 ff. Danach wurden in den USA folgende Voraussetzungen für die Entscheidung einer auf die Essential-Facilities-Doktrin gestützen Klage entwickelt: 1. Der Beklagte hat Monopolkontrolle über eine Einrichtung. 2. Die Nutzung dieser Einrichtung muß für die wettbewerblichen Aktivitäten des Klägers auf dem relvanten Markt notwendig sein. 3. Der Kläger hat keine Möglichkeit, eine solche Einrichtung für sich selbst zu schaffen. 4. Der Beklagte verweigert den Zugang zu dieser Einrichtung. 5. Der Kläger wird durch die Inanspruchnahme nicht unzumutbar beinträchtigt. 161 5 common law reports 255 (1992) - Sea Link I; ABl. EG 1994 Nr. L15, S. 8 - Sea Link II; ABl. EG 1994 Nr. L55, S. 52 - Hafen von Rödby. 162 Sea Link II, ABl. EG 1994 Nr. L55 Tz. 66. 163 EUGH, EuZW 1995,339 - RTE u. ITP/Kommission; s. zu diesem Urteil auch Deselaers, Die „Essential-Facilities"-Doktrin im Lichte des Magill-Urteils des EuGH, EuZW 1995, 563. 164 Badura in: Bonner Kommentar, Art. 87 f GG, Rdnr. 28.

Α. Die bestehende Rechtslage

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garantierten Infrastrukur gezwungen sind, Konkurrenten Zugang zu ihren Einrichtungen zu gewähren 165. Diese Ausführungen lassen bereits deutlich werden, daß die Offenheitssicherungen des TKG zumindest Anregungen für die Lösung der Zugangsfragen der digitalen Vertriebsleistungen bieten können. Die digitale Vertriebsstruktur ist unabdingbar für die Veranstaltung und Verbreitung digitaler Fernsehprogramme. Ohne die Nutzung dieser Infrastrukur können digitale Rundfunkveranstalter ihre Kunden nicht erreichen. Die bisherige Entwicklung des digitalen Fernsehens in Deutschland hat zudem gezeigt, daß der Aufbau eines solchen Systems enorme Investitionen erfordert. Zur Zeit befindet sich diese Infrastruktur in der Hand eines Unternehmens. Es besteht daher die Gefahr einer Abschottung des digitalen Fensehmarktes, die eine Geschäftsaufnahme für andere technische Dienstleister wirtschaftlich sinnlos erscheinen läßt. Somit handelt es sich auch bei den digitalen Vertriebsdienstleistungen um Essential-Facilities166. Die Übertragung der Grundsätze der Essential-Facilities-Doktrin auf die digitalen Vertriebsdienstleistungen könnte daher eine sinnvolle Lösung zur Förderung wirksamen Wettbewerbs in diesem Bereich bieten. Das TKG enthält im einzelnen die folgenden Zugangsverpflichtungen: (1) Verpflichtung

zu diskriminierungsfreiem

Zugang

Gemäß § 33 Abs. 1 TKG hat ein marktbeherrschender Anbieter von Telekommunikationsdienstleistungen für die Öffentlichkeit Wettbewerbern den Zugang zu seinen intern genutzten und zu seinen am Markt angebotenen, wesentlichen Leistungen zu den Bedingungen zu ermöglichen, die er sich selbst bei der Nutzung dieser Leistungen einräumt. Etwas anderes gilt nur, wenn die Auferlegung ungünstigerer Bedingungen sachlich gerechtfertigt ist. (a) Marktbeherrschende Stellung Die Bewertung, ob ein Betreiber marktbeherrschend ist, erfolgt nach den allgemeinen Regeln des GWB. Nach § 22 GWB 1 6 7 ist ein Unternehmen marktbeherr165

Zur Verfassungsmäßigkeit dieser Eingriffe in das Eigentumsrecht gemäß Art. 14 GG vgl. Markerty Die Verweigerung des Zugangs zu „wesentlichen Einrichtungen" als Problem der kartellrechtlichen Mißbrauchsaufsicht, WuW 1995, 560ff.; Schmidt- Ρ re uß, Die Gewährleistung des Privateigentums durch Art. 14 GG im Lichte aktueller Probleme, AG 1996, Iff.; Fuhr/Kerkhoff, Entbündelter Zugang - Vereinbarkeit mit der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG?, MMR 1998, 6ff. 166 Vgl. Holznagel/Schulz/Seufert, Zusammenfassung der Ergebnisse des Projekts „Regulierungsziele und -konzepte für digitales Femsehen in Deutschland", 1998, S. 148. 167 Zur überragendenden Marktstellung gem. § 22 Abs. 1 Nr. 2 GWB im einzelnen Immenga/Mestmäcker-Möschel, GWB-Kommentar, § 22 Rdnr. 52-70; Engel, Verbreitung digitaler Pay-TV-Pakete in Femsehkabelnetzen. Kartellrechtliche und medienrechtliche Überlegungen, ZUM Sonderheft 1997, 309, 311 ff.

2. Kap.: Zugang zu den Vertriebsdienstleistungen

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sehend, wenn es ohne Wettbewerber ist oder keinem wesentlichen Wettbewerb ausgesetzt ist oder eine im Verhältnis zu seinen Wettbewerbern „überragende Marktstellung" hat. Diese wird nach § 22 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 GWB grundsätzlich vermutet, wenn das Unternehmen einen Marktanteil von mindestens einem Drittel hält. Es wird zwar davon ausgegangen, daß in der frühen Marktphase hohe Marktanteile weniger deutlich für eine marktbeherrschende Stellung sprechen als etwa in der Ausreifungsphase 168, so daß die Alleinstellung der BetaDigital im Bereich der technischen Dienstleistungen169 während der Anfangsphase des digitalen Fernsehens nicht notwendigerweise zu einer marktbeherrschenden Stellung führen muß. Angesichts der technischen, finanziellen und logistischen Stärken der KirchGruppe ist jedoch davon auszugehen, daß dieser hohe Marktanteil nicht nur eine vorübergehende Erscheinung sein wird und ein Abschottungseffekt eintritt 170 .

(b) Geschützter Unternehmerkreis Die Verpflichtung zur Einräumung diskriminierungsfreien Zugangs besteht nach § 33 Abs. 1 TKG nur gegenüber Wettbewerbern. Daher kann sich nicht jeder Nachfrager von Telekommunikationsdienstleistungen auf diese Vorschrift berufen. Ob ein Nutzer in den Schutzbereich des § 33 TKG fällt, hängt davon ab, ob er ein Wettbewerber des marktbeherrschenden Anbieters auf einem Markt für Telekommunikationsdienstleistungen für die Öffentlichkeit ist 171 . Rundfunkveranstalter, die selbst keine technischen Dienstleistungen anbieten oder zukünftig anbieten wollen, gehören daher nicht zum geschützen Unternehmerkreis. Das TKG weicht insofern von der Essential-Facilities-Doktrin ab, die sich typischerweise auf Fälle bezieht, in denen Unternehmen, die auf nachgeordneten Märkten tätig werden wollen, zwingend den Zugang zu einer vom marktbeherrschenden Unternehmen auf einem vorgelagerten Markt kontrollierten wesentlichen Einrichtung benötigen172. Diese Abweichung liegt darin begründet, daß § 33 TKG nicht auf die Verwirklichung des allgemeinen Regulierungsziels des § 2 Abs. 2 Nr. 1 TKG - Wahrung der Interessen der Nutzer auf dem Gebiet der Telekommunikation - sondern ausschließlich auf die Vorgabe des § 2 Abs. 2 Nr. 2 TKG - Sicherstellung eines chancengleichen und funktionierenden Wettbewerbs auf den Märkten der Telekommunikation - abzielt 173 . 168

1,6.

Vgl. Ebenroth/Lange, Zukunftsmärkte in der europäischen Fusionskontrolle, EWS 1995,

169 Es ist auf die Stellung im produkt- oder dienstleistungsbezogenen Markt abzustellen; vgl. Piepenbrock in: Büchner u.a. (Hrsg.), Telekommunikationsgesetz, §33, Rdnr.7. 170 s. dazu auch MSG Media Service, 09.11.1994, Az.: IV/M, 469, Tz.95-99. 171 Piepenbrock in: Büchner u.a. (Hrsg.), Telekommunikationsgesetz, §33, Rdnr. 11. 172 Vgl. Deselaers, Die „Essential-Facilities"-Doktrin im Lichte des Magill-Urteils des EuGH, EuZW 1995, 563, 565. 173 Piepenbrock in: Büchner u.a. (Hrsg.), Telekommunikationsgesetz, §33, Rdnr.2.

Α. Die bestehende Rechtslage

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Für die Nachfrager der technischen Vertriebsstrukturen bietet daher § 33 TKG keine Lösung der Zugangsprobleme, da sie nicht mit der BetaDigital bzw. der KirchGruppe auf dem Markt für Vertriebsdienstleistungen konkurrieren, sondern lediglich deren Infrastrukur zur Verbreitung ihrer Programme nutzen wollen. Auch wenn § 33 Abs. 1 TKG in seiner aktuellen Fassung für den digitalen Fernsehmarkt somit praktisch bedeutungslos ist, sollen dennoch die weiteren Voraussetzungen dieser Vorschrift untersucht werden, da sie Anhaltspunkte für eine sinnvolle Regelung der Zugangsproblematik geben können. Weiterhin ist nicht auszuschließen, daß es im Zuge der weiteren Entwicklung des digitalen Fernsehens Konkurrenten für die BetaDigital auf dem Gebiet der technischen Vertriebsdienstleistungen geben wird, auf die die Vorschrift des § 33 TKG anwendbar ist. (c) Wesentliche Leistungen Den durch § 33 TKG geschützten Wettbewerbern ist der Zugang zu Telekommunikationsdienstleistungen, soweit sie wesentlich sind, diskriminierungsfrei zu gewähren, insbesondere muß der marktbeherrschende Anbieter Wettbewerbern die gleichen Bedingungen einräumen, wie sich selbst oder eigenen Tochterunternehmen. Welche Leistungen wesentlich sind, definiert das Gesetz nicht. Nach der Essential-Facilities-Doktrin, auf der das TKG basiert, ist entscheidendes Merkmal, daß das marktbeherrschende Unternehmen Leistungen am Markt anbietet oder insbesondere intern nutzt, bezüglich der es aufgrund seiner Eigentümer- oder sonstigen Rechtsstellung ausschließliche Verfügungsrechte besitzt, während andere Unternehmen, die bestimmte Leistungen anbieten wollen, auf die Nutzung dieser Leistungen zur Erbringung ihrer eigenen Leistungen angewiesen sind 174 . Bezüglich der Voraussetzungen der Diskriminierungsfreiheit ist auf die Definitionen in §26 Abs. 2 GWB zurückzugreifen 175. Danach dürfen marktbeherrschende Unternehmen ein anderes Unternehmen in einem Geschäftsverkehr, der gleichartigen Unternehmen üblicherweise zugänglich ist, weder unmittelbar noch mittelbar unterschiedlich behandeln. Das Diskriminierungsverbot gilt insbesondere auch im Hinblick auf die Bedingungen, die sich das marktbeherrschende Unternehmen selbst einräumt. Der nach § 33 Abs. 1 TKG zu gewährende diskriminierungsfreie Zugang darf nur beschränkt werden, soweit dies sachlich gerechtfertigt ist. Ob bestimmte Verhaltensweisen eines marktbeherrschenden Anbieters mit dieser Vorschrift vereinbar sind, muß im Rahmen einer Abwägung der Interessen der Beteiligten beurteilt werden 176. Grundsätzlich können daher ζ. B. Rabatte für Sonderabnehmer mit dem GWB vereinbar sein 177 . Im Zusammenhang mit digitalen Rund174

Piepenbrock in: Büchner u.a. (Hrsg.), Telekommunikationsgesetz, §33, Rdnr. 19. Haar, Offener Netzzugang in der Telekommunikation, CR 1996, 713, 718. 176 St. Rspr. des BGH, Β GHZ 38,90 [102]; vgl. auch ImmengalMestmäckerlMarken, GWB, §26, Rdnr. 196 m.w.N. 177 Vgl. ImmengalMestmäckerlMarkert, GWB, §26, Rdnr. 173. 175

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2. Kap.: Zugang zu den Vertriebsdienstleistungen

funkprogrammen wird diese Möglichkeit kritisiert und zum Anlaß genommen, für die digitalen Vertriebsdienstleistungen spezielle rundfunkrechtliche Zugangsvorschriften zu verlangen. Der chancengleiche Zugang zum Rundfunk erfordere mehr als eine diskriminierungsfreie Behandlung, da sich auch ein Anbieter diskriminierungsfrei verhalte, der ζ. B. einem Großunternehmen einen Mengenrabatt einräume. Der chancengleiche Zugang zum Rundfunk hingegen sei nur gewährleistet, wenn auch solche Meinungen zum Ausdruck kommen, die nicht schon vorherrschend sind 178 . Zu berücksichtigen ist jedoch, daß im Rahmen der wettbewerbsrechtlichen Bewertung auch die Vorgaben des Rundfunkrechts zu berücksichtigen sind. Das allgemeinere GWB tritt dabei hinter die Regulierungsziele der Spezialgesetze zurück 179 . Selbst wenn kein Mißbrauch nach § 26 GWB vorliegt, kann sich daher ein Zwang zur Gleichbehandlung aus den Spezialgesetzen ergeben. So hat der BGH in der „PREMIERE-Entscheidung" der Vorinstanz aufgegeben zu prüfen, ob sich aus den Landesmediengesetzen eine Verpflichtung zur unentgeltlichen Durchleitung der Fernsehsignale auch für Pay-TV-Veranstalter ergibt 180 . (d) Rechtsfolgen des Mißbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung Im Falle eines Verstoßes gegen die Pflichten aus § 33 Abs. 1 TKG kann die Regulierungsbehörde gemäß § 33 Abs. 2 TKG dem betreffenden Anbieter ein Verhalten auferlegen oder untersagen und Verträge ganz oder teilweise für unwirksam erklären, sofern eine entsprechende vorherige Aufforderung zur Abstellung des Mißbrauchs erfolglos blieb. Die Möglichkeiten der Regulierungsbehörde gehen dabei über die Befugnisse der Kartellbehörden hinaus, da die Regulierungsbehörde für Post- und Telekommunikation Wettbewerbern den Zugang zu den intern genutzen oder den am Markt angebotetenen Leistungen erzwingen kann 181 . So können ζ. B. Gebotsverfügungen über Bedingungen zur Sicherstellung des Wettbewerbs, Tarife und Liefer- und Nutzungsbedingungen erlassen werden 182. Ein Mißbrauch wird nach § 33 Abs. 2 TKG vermutet, wenn ein marktbeherrschender Anbieter sich selbst oder verbundenen Unternehmen den Zugang zu seinen Leistungen zu günstigeren Bedingungen einräumt als Wettbewerbern. Diese Verteilung der Darlegungs- und Beweislast beruht darauf, daß das betroffene Unternehmen im allgemeinen leichter darlegen und beweisen kann, wodurch die Ungleichbehandlung gerechtfertigt ist, als es der Behörde möglich sein wird, den Negativbeweis zu erbringen. 178 Ziffer 1.3 des Beschlusses der DLM vom 16.12.1997 zur „Weiterentwicklung der Vorkehrungen zur Sicherung des chancengleichen Zugangs gegenüber technischen und Programmplattformen". 179 Vgl. Piepenbrock in: Büchner u. a. (Hrsg.), Telekommunikationsgesetz, § 33, Rdnr. 29. 180 BGH NJW 1996, 2656. 181 Leo/Schellenberg, Die Regulierungsbehörde für Post- und Telekommunikation, ZUM 1997, 188, 196; Haar, Offener Netzzugang in der Telekommunikation, CR 1996, 713, 718. 182 Ygi piepenbrock in: Büchner u. a. (Hrsg.), Telekommunikationsgesetz, § 33, Rdnr. 57.

Α. Die bestehende Rechtslage

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(2) Offener Netzzugang und Zusammenschaltung Das TKG regelt nicht nur, zu welchen wirtschaftlichen Bedingungen der Zugang zu Telekommunikationsdienstleistungen zu gewähren ist, sondern auch die Lösung technischer Zugangsfragen. In Konkretisierung der Verpflichtung aus § 33 TKG bestimmt § 35 Abs. 1 TKG, daß ein marktbeherrschender Betreiber eines Telekommunikationsnetzes, der Telekommunikationsdienstleistungen für die Öffentlichkeit anbietet, anderen Nutzern den Zugang zu seinem Netz ganz oder in Teilen zu ermöglichen hat. Insbesondere muß die Zusammenschaltung seines Telekommunikationsnetzes mit öffentlichen Telekommunikationsnetzen anderer Betreiber ermöglicht werden. Die Bedingungen für den Netzzugang müssen gemäß § 35 Abs. 2 TKG auf objektiven Maßstäben beruhen, nachvollziehbar sein und einen gleichwertigen Zugang zu den Telekommunikationsnetzen des Betreibers gewährleisten. Eine Beschränkung des Netzzugangs kommt nach § 35 Abs. 2 S. 2 TKG nur aus Gründen in Betracht, die auf den grundlegenden Anforderungen der ONP-Richtlinie beruhen. Diese sind die Gewährleistung der Sicherheit des Netzbetriebes, die Aufrechterhaltung der Netzintegrität, die Interoperabilität der Dienste in begründeten Einzelfallen, sowie Erfordernisse des Datenschutzes. Die Regelung des § 35 TKG beruht darauf, daß neue Wettbewerber im Telekommunikationsmarkt nur eine Chance haben, wenn für sie die Möglichkeit des direkten Zugangs zum Kunden besteht. Der Kontrolle des sogenannten „Local Loop" kommt daher für die Marktöffnung eine zentrale Bedeutung zu. In Deutschland wird der direkte Anschluß zum Kunden auf absehbare Zeit von der Telekom kontrolliert bleiben, da die Kosten für den Aufbau weiterer Ortsnetze zu hoch sind. Es mußte daher durch Regulierung sichergestellt werden, daß die neuen Wettbewerber von der Telekom Zusammenschaltung mit deren Netz an jeder gewünschten und technisch machbaren Schnittstelle erhalten können (Interconnection), und daß ihnen diskriminierungsfrei räumlicher Zugang für die erforderlichen technischen Einrichtungen an den jeweiligen Netzschnittstellen ermöglicht wird (Kollakation) 183 . Zur Erreichung diese Ziels setzt das TKG wiederum auf Verhandlungen zwischen den beteiligten Unternehmen unter behördlicher Aufsicht (§ 35 Abs. 2 und 5 TKG). Anders als § 33 TKG, der sich an alle marktbeherrschenden Anbieter von Telekommunikationsdienstleistungen wendet, erfaßt § 35 TKG nur Unternehmen, die ein Telekommunikationsnetz betreiben. Gegenüber § 33 TKG ist jedoch der geschützte Unternehmerkreis erweitert, da nach dieser Vorschrift nicht nur Wettbewerber sondern alle Nutzer Zugang begehren können. Daher können sich auch Programmveranstalter auf diese Vorschrift berufen, die selbst keine Vertriebsdienstleistungen anbieten. In inhaltlicher Hinsicht ist § 35 TKG für diese Veranstalter hingegen nicht sonderlich hilfreich, da die Vorschrift ausschließlich Fragen des physischen Zugangs zu Telekommunikationsnetzen behandelt. Interconnection und Kol183

Wilmer, Cutler & Pickering (Hrsg.), Zukunftsmarkt Telekommunikation: Vom Monopol zum Wettbewerb, 1996, S.9f.

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2. Kap.: Zugang zu den Vertriebsdienstleistungen

lakation werden für Fernsehveranstalter unmittelbar keine Rolle spielen, da sie nicht über eigene Kabelnetze verfügen, die mit denen der Telekom zusammengeschaltet werden müßten. Probleme des physischen Zugangs stellen sich im Zusammenhang mit digitalem Fernsehen allenfalls im übertragenen Sinne im Hinblick auf unterschiedliche Verschlüsselungssysteme und APIs. In beiden Fällen sind die Verwender unterschiedlicher Standards darauf angewiesen, daß der Konkurrent ihnen Zugang zu seiner Set-top-Box gewährt 184. Die Vorschriften der § 35 ff. TKG könnten insofern als Vorbild für eine Regulierung dieser Problemkreise gelten.

(3) Entbündelungsgebot Wichtig ist es für die Nutzer von Telekommunikationsdienstleistungen weiterhin, entbündelte Leistungen verlangen zu können. Das Entbündelungsgebot zählt zu den zentralen Regelungsproblemen sowohl im Telekommunikations- als auch im (digitalen) Medienrecht, da in beiden Bereichen die Neutralität des technischen Dienstleisters von entscheidender Bedeutung ist. Das Dienstleistungsangebot des Netzbetreibers oder Diensteanbieters muß in beiden Fällen so weit entbündelt werden, wie dies technisch möglich und wirtschaftlich zumutbar ist, um die Gleichheit der Zugangschancen und Dienstleistungsvielfalt zu gewährleisten 185. Gemäß § 2 Netzzugangsverordung (NZV) gilt daher für besondere Netzzugänge 186 ein Entbündelungsgebot. Danach muß der Netzbetreiber Netzzugang unabhängig von der Abnahme weiterer, vom Nutzer nicht nachgefragter Leistungen gewähren. Gemäß § 2 S. 3 NZV besteht die Entbündelungspflicht ausnahmsweise nicht, wenn der Netzbetreiber Tatsachen nachweisen kann, aufgrund derer die Verpflichtung sachlich nicht gerechtfertigt ist. Für den allgemeinen Netzzugang folgt das Entbündelungsgebot gleichermaßen - soweit der Netzbetreiber eine marktbeherrschende Stellung einnimmt - aus dem wettbewerbsrechtlichen Koppelungsgebot. Für die Telekom besteht das Ent184 pü r Verschlüsselungsysteme besteht die Möglichkeit der Verwendung von Common Interfaces oder des Simulcryptverfahrens (s.dazu im einzelnen oben 1. Kapitel C.III.3.). Für APIs sind Schnittstellen zu entwickeln, die Verwendbarkeit unterschiedlicher Anwendungsprogramme gewährleisten. 185 Scherer, „Online" zwischen Telekommunikations- und Medienrecht, AfP 1996, 213, 215; Fuhr-Kerkhoff, Entbündelter Zugang - Vereinbarkeit mit der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG?, MMR 1998, 6, 7. 186 § 35 Abs. 1 TKG unterscheidet zwischen für sämtliche Nutzer bereitgestellten Anschlüssen (allgemeiner Netzzugang) und besonderen Anschlüssen (besonderer Netzzugang). Nach § 1 Abs. 2 TKG benötigt ζ. B. ein Nutzer, der selbst Telekommunikationsdienstleistungen anbietet oder ein Telekommunikationsnetz betreibt, einen besonderen Netzzugang. Gemäß § 53 Abs. 3 TKG müssen diese Nutzer die für den besonderen Netzzugang erforderliche Zuverlässigkeit, Leistungsfähigkeit und Fachkunde besitzen.

Α. Die bestehende Rechtslage

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bündelungsgebot für alle Formen des Netzzugangs aus § 7 TelekommunikationsKundenschutzverordnung. Für alle übrigen Telekommunikationsdienstleistungen ergibt sich das Entbündelungsgebot darüber hinaus aus der nach § 33 TKG bestehenden Verpflichtung zur Gewährung diskriminierungsfreien Zugangs. Das Gebot zu entbündelten Leistungen bedeutet in diesem Zusammenhang, daß einem Interessenten die Erbringung einer Telekommunikationsdienstleistung nicht deshalb verweigert werden darf, weil er es ablehnt, weitere Dienstleistungen dieses Anbieters ebenfalls abzunehmen. Auch hinsichtlich des Entbündelungsgebotes ergeben sich folglich wiederum Probleme für Rundfunkveranstalter, die ausschließlich Telekommunikationsdienstleistungen nachfragen, ohne selbst Anbieter zu sein. Das aus § 33 TKG folgende Entbündelungsgebot ist auf sie nicht anwendbar und das mit den Fragen des Netzzugangs in Zusammenhang stehende Gebot für sie praktisch nicht relevant. In inhaltlicher Hinsicht ist eine solche Regelung für den digitalen Fernsehmarkt jedoch sehr sinnvoll, da ebenfalls ein ganzer „Korb" von Dienstleistungen angeboten wird. Die Nutzer dieser Dienstleistungen sollten ebenfalls nicht gezwungen sein, stets die Gesamtheit dieser Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen. Nur auf diese Weise wird ihnen die Gelegenheit gegeben, die Dienstleistungen zumindest zum Teil selbst zu erbringen oder bei anderen Anbietern nachzufragen. (4) Entgelteregulierung In Konkretisierung der Vorschriften zum diskriminierungsfreinen Zugang sieht das TKG weiterhin Regelungen zur Preisregulierung vor, um den marktbeherrschenden Anbieter an mißbräulichem Verhalten und insbesondere daran zu hindern, die Nachfrager auf Teilmärkten mit niedriger Preiselastizität durch hohe Preise auszubeuten, um auf anderen Teilmärkten durch systematische Preisunterbietung Wettbewerb zu beeinträchtigen 187. Marktbeherrschende Anbieter unterliegen daher nach dem TKG hinsichtlich der von ihnen verlangten Preise für Telekommunikationsdienstleistungen einer zweistufigen Kontrolle durch die Regulierungsbehörde. Alle Entgelte, die von marktbeherrschenden Unternehmen für das Angebot von Übertragungswegen und Sprachtelefondienst im Rahmen der Lizenzklassen 3 und 4 erhoben werden, sind von der Regulierungsbehörde für Post und Telekommunikation zuvor zu genehmigen (§ 25 Abs. 1 TKG). Anbieter von Satellitenfunkdienstleistungen (Lizenzklasse 2) fallen jedoch nicht unter diese Regelung. Die „ex-ante" Überprüfung der Entgelte hat sich bisher als sehr effektiv erwiesen. So hat die Aufsichtsbehörde bisher 11 der 19 von der Telekom beantragten Preise abgelehnt 188 . 187 188

S. 17.

Vgl. Scherer, Das neue Telekommunikationsgesetz, NJW 1996, 2953, 2959f. „Telekom kann weitere Preisforderungen nicht durchsetzen", FAZ vom 11.03.1998,

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2. Kap.: Zugang zu den Vertriebsdienstleistungen

Gemäß § 25 Abs. 2 TKG unterliegen Anbieter von sonstigen Telekommunikationsdienstleistungen dem Verfahren der nachträglichen Regulierung von Entgelten nach § 30 TKG, wenn sie auf dem jeweiligen Markt über eine marktbeherrschende Stellung verfügen. Hinsichtlich der Vertriebsdienstleistungen für digitales Fernsehen bedeutet dies, daß die Entgelte in jedem Fall - auch hinsichtlich der Verbreitung der Signale über Satellit - nur der „ex-post"-Regulierung 189 unterliegen. Die Regulierungsbehörde ist bei ihrer Entscheidung über die Entgeltegenehmigung und bei der nachträglichen Regulierung von Entgelten an die in § 24 TKG festgesetzten Maßstäbe für die Entgelteregulierung gebunden. Nach § 24 Abs. 1 TKG haben sich die Entgelte an den Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung zu orientieren 190. Ausschlaggebend sind dabei die Kosten, die ein gut organisierter, dem Wettbewerb unterliegender und wirtschaftlich handelnder Unternehmer kalkulieren müßte 191 . Für deren Ermittlung kann die Regulierungsbehörde sowohl auf die ihr von den regulierten Unternehmen bereitzustellenden Informationen (§31 Abs. 1, § 72 Abs. 1 TKG), als auch auf Informationen aus vergleichbaren Märkten zurückgreifen. Im übrigen dürfen Entgelte gemäß § 24 Abs. 2 TKG keine Aufschläge enthalten, die nur aufgrund der marktbeherrschenden Stellung des Anbieters durchsetzbar sind. Abschläge, die Wettbewerbsmöglichkeiten anderer Unternehmen auf einem Markt der Telekommunikation beeinträchtigen, sind unzulässig. Entgelte dürfen weiterhin einzelnen Nachfragern keine Vorteile gegenüber anderen Nachfragern gleichartiger oder ähnlicher Telekommunikationsdienstleistungen auf dem jeweiligen Markt der Telekommunikation einräumen. Es wird daher damit gerechnet, daß marktbeherrschende Unternehmen ihre Leistungen konkurrierenden Nachfragern zu weitgehend einheitlichen Konditionen werden anbieten müssen192. Bei der Übertragung von Rundfunkprogrammen kann sich diese Pflicht zur Gleichbehandlung auch aus den Wertungen der Landesmediengesetze ergeben 193. Für die Genehmigungserteilung nennt das TKG zwei mögliche Regulierungsarten. Nach § 27 Abs. 1 TKG kann die Regulierungsbehörde die Entgelte zum einem auf der Grundlage der auf die einzelne Dienstleistung entfallenden Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung genehmigen. Zum anderen kann eine Genehmigung erteilt werden auf der Grundlage der von der Regulierungsbehörde vorzugebenden Maßgrößen für die durchschnittlichen Änderungsraten der Entgelte für einen Korb zusammengefaßter Dienstleistungen (sog. „Price Cap"-Regulierung). Kriterien für die Anwendung der beiden Preisregulierungsarten, ihre Ausgestaltung und das Re189

s. dazu Fuhr/Kerkhoff\ Entgelte für die Gewährung von Netzzugang gemäß § 39 TKG, NJW 1997, 3209, 3210. 190 s. zur Kostenbasierung im einzelnen Stürmer, Netzzugang und Eigentumsrecht in der Telekommunikation, 1997, S.71 ff. 191 Vgl. GroßkopfI Rit gen, Entgeltegenehmigung nach dem Telekommunikationsgesetz, CR 1998, 86, 88. 192 Großkopf/Ritgen, Entgeltegenehmigung nach dem Telekommunikationsgesetz, CR 1998, 86, 88. 193 Vgl. BGH, NJW 1991, 2656, 2659.

Α. Die bestehende Rechtslage

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gulierungsverfahren im einzelnen regelt die EntgelteregulierungsVerordnung (§27 IV TKG). Zum Zweck der Preiskontrolle sind der Regulierungsbehörde umfangreiche Befugnisse erteilt worden. Sie kann insbesondere Auskunft auch über sensible Unternehmensdaten verlangen (§31 Abs. 1 TKG) 1 9 4 . Dieses Recht ist nur insoweit eingeschränkt, als die Auskünfte zur sachgerechten Ausübung der Preiskontrolle benötigt werden 195 Gelangt die Regulierungsbehörde zu der Auffassung, daß die Entgelte nicht den Maßstäben des § 24 Abs. 2 TKG genügen, fordert sie das betroffene Unternehmen auf, die Entgelte anzupassen. Kommt das Unternehmen dieser Anpassungsaufforderung nicht nach, kann die Behörde gemäß § 30 Abs. 5 TKG die beanstandeten Entgelte für unwirksam erklären. Die Folge dieser Unwirksamkeitserklärung wirkt auf den Zeitpunkt zurück, in dem das unrechtmäßige Entgelt erstmals erhoben wurde. An die Stelle des unzulässigen Entgeltes tritt das zulässige Entgelt 196 . Auf diese Weise soll vermieden werden, daß Unternehmen aus unzulässigen Entgelten bis zur Unwirksamkeitserklärung durch die Behörde Vorteile erlangen. c) Teledienstegesetz Zur Regulierung der Telekommunikation hat der Bund weiterhin am 1. August 1997 das Informations- und Kommunikationsdienste-Gesetz (IuKDG) verabschiedet, das in Art. 1 das Teledienstegesetz (TDG) enthält. Teledienste im Sinne dieses Gesetzes sind alle elektronischen Informations- und Kommunikationsdienste, die für eine individuelle Nutzung von kombinierbaren Daten wie Zeichen, Bilder oder Töne bestimmt sind und die mittels Telekommunikation übertragen werden. Nach § 2 Abs. 2 TDG sind Teledienste insbesondere Angebote im Bereich der Individualkommunikation (ζ. B. Telebanking, Datenaustausch), Angebote zur Information und Kommunikation, soweit nicht die redaktionelle Gestaltung zur Meinungsbildung für die Allgemeinheit im Vordergund steht (ζ. B. Verkehrs-, Wetter-, Umwelt- und Börsendatendienste), Angebote zur Nutzung des Internet, Angebote zur Nutzung von Telespielen und interaktives Teleshopping. In inhaltlicher Hinsicht regelt das TDG ebenso wie der MDStV im Wesentlichen die Zulassungsfreiheit von Telediensten und die Verantwortlichkeit der Diensteanbieter. Der Zugang zu der für die Verbreitung der Teledienste notwendigen technischen Infrastrukur ist im TDG nicht geregelt. Für die Regulierung von Telekomunikationsdienstleistungen verweist das TDG vielmehr in § 2 Abs. 4 auf das TKG. Systematisch ist daher zu unterscheiden zwischen dem Zugang zu der inhaltlichen 194

Daneben besteht die allgemeine Auskunftsbefugnis gemäß § 72 Abs. 1 Nr. 1 TKG. Leo!Schellenberg, Die Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post, ZUM 1997, 188,196. 196 Schuster!Stürmer in: Büchner u.a. (Hrsg.), Telekommunikationsgesetz, §30, Rdnr.45. 195

2. Kap.: Zugang zu den Vertriebsdienstleistungen

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Seite der digitalen Angebote, die für Dienste der Individualkommunikation im TDG geregelt ist, und dem Zugang zu Telekommunikationsdienstleistungen nach dem TKG 1 9 7 . Für die technischen Vertriebsdienstleistungen ist daher nur das TKG einschlägig. d) Ergebnis Mit dem TKG wurde ein Regelungsrahmen geschaffen, der für viele Zugangsprobleme der technischen Dienstleistungen und somit auch des Multiplexings sinnvolle Lösungsansätze enthält. Die telekommunikationsrechtlichen Regelungen sind zwar auf die Datenkompression, das Multiplexing und den Uplink zum Teil unmittelbar anwendbar, führen jedoch im Ergebnis in der momentanen Marktsituation nicht zu einem befriedigenden Ergebnis, da Nutzer der technischen Dienstleistungen nicht zum geschützten Unternehmerkreis der Vorschriften zum offenen Netzzugang gehören. Anders als die rundfunkrechtlichen Lösungsansätze zum Multiplexing enthält das TKG detaillierte und sinnvolle Regelungen zur Preisgestaltung und zu technischen Fragestellungen. Diese Regelungen zum Netzzugang, zur Zusammenschaltung und zur Preiskontrolle sollten auch für die digitalen Vertriebsdienstleistungen - in entsprechend abgeänderter Form - übernommen werden. Insbesondere die Vorschriften zur „ex-ante"-Preisüberprüfung haben sich als effektiv erwiesen. Für eine Übernahme oder Ausweitung der Vorschriften des TKG auf die technischen digitalen Vertriebsdienstleistungen spricht auch, daß die Ausgangssituation in beiden Bereichen durchaus vergleichbar ist. Im Telekommunikationsbereich ist die Regulierung eine Folge des Umstandes, daß Wettbewerbschancen nur bestehen, wenn es gelingt, den marktmächtigen Dominant Carrier zu bändigen und Wettbewerbern Zugang zu seinen Einrichtungen zu verschaffen. Im Rundfunksektor geht es bei der Regulierung des digitalen Fernsehens um die Sicherung des Zugangs zu vielfältigen Informationen und der zur Verbreitung der Programme benötigten technischen Infrastrukur, die sich ebenfalls in der Hand eines marktbeherrschenden Unternehmens befindet 198. Das TKG zeigt, daß zur Bewältigung dieser Situation eine staatlich regulierte Selbstregulierung der richtige Weg sein kann. Die Steuerungsformen des Telekommunikationsrechts beruhen nicht auf staatlichen Verhaltensanweisungen durch Geund Verbote, sondern ermöglichen die Lösung der anstehenden Probleme im Wege der Selbstregulierung durch die betroffenen Unternehmen. Beispiele für diese rechtlich gesteuerte Selbstregulierung sind insbesondere die Regeln zum offenen Netzzugang und zur Interconnection. Die Regulierungsbehörde kann in diesen Berei197 198

219.

Gersdorf \ Chancengleicher Zugang zum digitalen Fernsehen, 1998, S.52. Scherer, „Online" zwischen Telekommunikations- und Medienrecht, AfP 1996, 213,

Α. Die bestehende Rechtslage

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chen erst eingreifen und - als ultima ratio - die Bedingungen für die Inanspruchnahme dieser Leistungen festlegen, wenn eine Verhandlungslösung zwischen den Beteiligten nicht zustande kommt. Andererseits ist durch weitreichende Auskunftsrechte zugunsten der Aufsichtsbehörde gewährleistet, daß diese ihrer Kontroll- und Lenkungsfunktion bei der Beaufsichtigung der Selbstregulierung durch die Marktteilnehmer nachkommen kann.

II. Conditional Access Von besonderer Bedeutung unter den digitalen Vertriebsdienstleistungen ist die Verschlüsselung oder der Conditional Access. Der Betreiber dieser Einrichtungen nimmt im wahrsten Sinne des Wortes eine „Schlüsselposition" ein. Zum einen setzt jede Form des digitalen Vertriebs die Verschlüsselung der Angebote voraus. Nur auf diese Weise kann sichergestellt werden, daß ausschließlich Berechtigte auf die Inhalte zugreifen können. Zum anderen sind die Verschlüsselungstechnologien proprietäre Systeme, die demjenigen einen Wettbewerbsvorsprung verschaffen, der über das entsprechende technische Know-How verfügt. Das System der Zugangskontolle umfaßt dabei sowohl technische als auch kundenbezogene Dienstleistungen. Der technische Vorgang wird von der Verschlüsselung und der Entschlüsselung der Programmsignale gebildet. Zu den kundenbezogenen Dienstleistungen zählen alle im Rahmen der Abonnentenverwaltung anfallenden administrativen Dienstleistungen199. 1. EU-Fernsehsignal-Übertragungsrichtlinie Für Conditional Access-Systeme gibt es bereits - anders als für die übrigen Vertriebsdienstleistungen - einen europäischen Regelungsansatz in Form der Richtlinie des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 24. Oktober 1995 von Normen für die Übertragung von Fernsehsignalen (Fernsehsignalrichtlinie) 200. Die zur Bewältigung der Problematik der Conditional Access-Systeme geschaffenen Regulierungsansätze sind somit auch an dieser Richtlinie zu messen. Daher soll der Inhalt der Fernsehsignalrichtlinie kurz dargestellt werden. Die Fernsehsignalrichtlinie definiert technische Standards für Kabelfernsehen, einschließlich digitaler Dienste, um einen möglichst offenen, chancengleichen Zugang für alle Anbieter zu gewährleisten. Bei volldigitalen Diensten muß ein Übertragungssystem verwendet werden, das von einer anerkannten europäischen Normungsorganisation genormt worden ist 201 . Soweit die Übertragungssysteme der Öf199 200 201

Vgl. Gersdorf \ Chancengleicher Zugang zum digitalen Femsehen, 1998, S. 150. ABl. EG Nr. L281/51 (23.11.1995). Art. 2 c Fernsehsignalrichtlinie.

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2. Kap.: Zugang zu den Vertriebsdienstleistungen

fentlichkeit für die Verteilung von Fernsehdiensten zur Verfügung stehen, müssen sie für die Verteilung von Breitbanddiensten geeignet sein. Darüber hinaus werden Anforderungen an die in der Gemeinschaft angebotenen Fernsehgeräte und die Settop-Boxen für die Dekodierung der digitalen Fernsehsignale sowie für die Weiterverteilung von Breitbildschirm-Fernsehdiensten im Format 16:9 in Kabelfernsehsystemen festgelegt 202. Von besonderer Bedeutung für Conditional Access-Systeme ist Art. 4 der Fernsehsignalrichtlinie. Nach Art. 4 a) müssen alle Dekoder verwürfelte Fernsehsignale entsprechend dem gemeinsamen europäischen Verwürfelungs-Algorithmus, für den eine anerkannte europäische Normungsorganisation als Verwalter fungiert, entwürfein können. Damit wurde die Grundlage für die Einführung des Simulcrypt-Verfahrens geschaffen. Es wurde jedoch weder ein einheitlicher Verschlüsselungsstandard noch eine Verpflichtung der Zugangssystemanbieter auf den Einbau eines Common Interface vorgesehen. Art. 4 c) bestimmt, daß alle Anbieter von Diensten mit Zugangberechtigung, die selbst Zugangsberechtigungssysteme herstellen und vermarkten, allen Rundfunkveranstaltern die zugangsrelevanten Dienstleistungen zu chancengleichen, angemessenen und nichtdiskriminierenden Bedingungen anbieten müssen. In Art. 4 c) wurde weiter zur Erleichterung der Kontrolle eine getrennte Rechnungslegung für die Anbieter von Diensten mit Zugangsberechtigung vorgeschrieben. Art. 4 d) verpflichtet die Inhaber von gewerblichen Schutzrechten zur Vergabe von Lizenzen für den Bau von Dekodern ebenfalls zu chancengleichen, angemessenen und nichtdiskriminierenden Bedingungen. Außerdem ist es untersagt, an diese Lizenzvergabe Bedingungen zu knüpfen, mit denen der Einbau einer gemeinsamen Schnittstelle oder von Elementen eines anderen Zugangssystems untersagt, verhindert oder entmutigt werden soll. Schließlich ist den Mitgliedsstaaten in Art. 4e) aufgegeben, den leichten und kostengünstigen Zugang zu geeigneten Schlichtungsverfahren sicherzustellen.

2. § 53 RStV Der RStV enthält mit § 53 eine Umsetzung der Fernsehsignalrichtlinie 203. § 53 Abs. 1 RStV verpflichtet Anbieter von Diensten mit Zugangsberechtigung, die Zugangsdienste zu Fernsehdiensten herstellen oder vermarkten, die notwendigen technischen Dienste allen Fernsehveranstaltern auf der Grundlage chancengleicher, angemessener und nicht diskriminierender Bedingungen zu gewähren. Für die Anbieter dieser Systeme besteht gemäß § 53 Abs. 3 eine Anzeigepflicht bei der zuständigen Landesmedienanstalt.

202

Art. 5 Fernsehsignalrichtlinie. Weisser, Dienstleistungen zum Vertrieb digitaler Pay-TV-Angebote, ZUM 1997, 877, 890; Gersdorf \ Die dienende Funktion der Telekommunikationsfreiheiten: Zum Verhältnis von Telekommunikations- und Rundfunkordnung, AfP 1997,424,426. 203

Α. Die bestehende Rechtslage

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a) Umsetzung der Vorgaben der EU-Fernsehsignal-Übertragungsrichtlinie Hinsichtlich der Umsetzung der inhaltlichen Vorgaben der Fernsehsignalrichtlinie ist zunächst festzustellen, daß die Länder mit § 53 RStV die Richtlinie im Hinblick auf Zugangsberechtigungssysteme nicht vollständig transformiert haben. So fehlen Regelungen zur getrennten Rechnungsführung und zu einer Schlichtungsstelle 204 . Weiterhin enthält der RStV keine Umsetzung von Art. 4 a) der Fernsehsignalrichtlinie, der einen gemeinsamen europäischen Verwürfelungsalgorithmus für die Kodierung von Fernsehsignalen vorschreibt. Ohne die Verpflichtung der Anbieter zu einem gemeinsamen Standard ist jedoch die von den Ländern vorgenommene Regelung zu Zugangsfragen sinnlos, da die Nutzung eines fremden Conditional Access-Systems nur bei Verwendung desselben Algorithmus überhaupt möglich ist. b) Gesetzgebungskompetenz der Länder für Zugangsberechtigungssysteme Fraglich ist weiterhin, ob die Länder überhaupt die Gesetzgebungskompetenz für die Umsetzung der Fernsehsignalrichtlinie und die Regulierung der Zugangsberechtigungssysteme besitzen. Die Verschlüsselung von Rundfunksignalen könnte als nicht-publizistische Hilfstätigkeit dem Rundfunk und somit der Gesetzgebungskompetenz der Länder zuzuordnen sein. Zunächst ist festzuhalten, daß diese Tätigkeit in der Regel nicht von den Rundfunkveranstaltern selbst, sondern von externen Dienstleistern erbracht wird. Sie wird jedoch bis auf absehbare Zeit in enger organisatorischer Anbindung erfolgen, da die KirchGruppe sowohl an der Programmveranstaltungsplattform als auch an der technischen Plattform beteiligt ist. Mit der Verschlüsselungstechnik besteht erstmals die Möglichkeit, Rundfunkprogramme als Dienstleistung nur gegen Gegenleistung zu erbringen. Aus der Sicht der Rezipienten hat die Verwendung von Verschlüsselungstechnologien darüber hinaus den Nachteil, daß sie beim Einsatz unterschiedlicher Standards auf unterschiedliche Dekodersystme zurückgreifen müßten, um das verfügbare Gesamtangebot in Anspruch nehmen zu können205. Der Einsatz dieser Technologie hat somit unmittelbaren Einfluß auf die Meinungsbildung und somit auf die Rundfunkfreiheit 206. Die Verschlüsselung ist daher eine rundfunkbezogene, nicht-publizistische Hilfstätigkeit. 204

Die Länder beabsichtigen jedoch, bei der nächsten Änderung des RStV die noch fehlenden Umsetzungen hinsichtlich der getrennten Rechnungsführung und der Veröffentlichung einer Tarifliste vorzunehmen; so ausdrücklich die Stellungnahme des Bundesrates zum FÜG-E, BT-Drucks. 13/7337, Anlage 2, S. 11 f. (25.03.1997). Die Einführung eines Schlichtungsverfahrens wurde in der Stellungnahme hingegen nicht angekündigt. 205 Holznagel, Probleme der Rundfunkregulierung im Multimedia-Zeitalter, ZUM 1996,16,

22.

206

886. 7 Rinke

Weisser,

Dienstleistungen zum Vertrieb digitaler Pay-TV-Angebote, ZUM 1997, 877,

98

2. Kap.: Zugang zu den Vertriebsdienstleistungen

Dies bedeutet jedoch nicht, daß aufgrund des Rundfunkbezuges ausschließlich die Länder zur Gesetzgebung berufen sind. Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes folgt letztlich daraus, daß Conditional Access-Systeme ebenso wie Kompression, Multiplexing und Playout der Sendetechnik zuzurechnen sind. Mit der Verschlüsselung wird mittels eines technischen Vorgangs die Vermittlung und der Empfang der Sendesignale digitaler Pay-TV Programme vorbereitet, indem die Daten mit ECMs 207 und EMMs 2 0 8 versehen werden. Auch die Ausstrahlung vorbereitende Tätigkeiten gehören zur Sendetechnik209. Daher sind auch Conditional Access-Systeme der Sendetechnik und somit der Telekommunikation zuzurechnen 210. Gleiches gilt, wenn die Zugangsberechtigungsdienste im Zuge der konvergenten Entwicklung für die Verschlüsselung von Online-Diensten und individuellen Nachrichten verwendet werden. Für eine Regelung durch den Bund spricht ferner, daß hinsichtlich der Regulierung von Conditional Access-Systemen die Fernsehsignalrichtlinie umzusetzen ist. Diese Richtlinie ist als telekommunikations- und wettbewerbsrechtliche Richtlinie konzipiert 211 . Die Umsetzung telekommunikations- und wettbewerbsrechtlicher Richtlinien des Gemeinschaftsrechts fällt nach der grundgesetzlichen Kompetenzverteilung ausschließlich dem Bund als zuständigen Kompetenzträger (Art. 71, 73 Nr. 7 GG und Art. 74 Abs. 1 Nr. 16, Art. 72 Abs. 2 GG) zu 212 . Grundsätzlich fällt also die Regulierung der technischen und wirtschaftlichen Nutzungsbedingungen der Conditional Access-Systeme in die Kompetenz des Bundes. Zusätzlich können die Länder jedoch zur Sicherung der Meinungsvielfalt eine rundfunkrechtliche Aufbaustufe schaffen. In § 53 RStV haben sich die Länder jedoch darauf beschränkt, eine mit der europäischen Fernsehsignalrichtlinie und dem Fernsehsignalübertragungsgesetz des Bundes213 wortgleiche Regelung zu verabschieden. Auch führt sowohl die telekommunikationsrechtliche als auch die rundfunkrechtliche Verpflichtung zur Gewährung chancengleichen Zugangs, zu dem Ergebnis, daß die Dienstleister ihren Service allen Nachfragern zu denselben Bedingungen anbieten müssen214. Der Bedeutungsinhalt der rundfunkrechtlichen und der 207

Encryption Control Messages (Programmschlüssel). Entitlement Managment Messages (Berechtigungsschlüssel). 209 Vgl. Maunz in: Maunz/Dürig/Herzog, Art. 73, Rdnr. 117. 210 Ladeur, Abstimmung von Kompetenzen auf den Gebieten des Telekommunikations- und des Rundfunkrechts, ZUM 1998, 261, 267. 211 Gersdorf \ Die dienende Funktion der Telekommunikationsfreiheiten: Zum Verhältnis von Telekommunikations- und Rundfunkordnung, AfP 1997, 424, 426. 212 Bartosch, Digital Video Broadcasting (DVB) im Kabel, CR 1997, 517, 525. 213 2. Kapitel A.II.3. 214 Gersdorf Chancengleicher Zugang zum digitalen Fernsehen, 1998, S. 148 f.; Weisser, Dienstleistungen zum Vertrieb digitaler Pay-TV-Angebote, ZUM 1997, 877, 890; s.zur Auslegung der telekommunikationsrechtlichen Diskriminierungsfreiheit auch 2. Kapitel A.I.2.b) dd). 208

Α. Die bestehende Rechtslage

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telekommunikationsrechtlichen Regelungen ist also gleich 215 . Daraus folgt, daß die Länder die Regelung des § 53 Abs. 1 RStV aufgrund des Prinzips der gegenständlichen Kompetenzabgrenzung216 in der vorliegenden Form nicht hätten erlassen dürfen. Bei Regelungsmaterien, die wie die Zugangsberechtigungssysteme in die Kompetenz von Bund und Ländern fallen, ist erforderlich, daß sich die Regelungen zumindest in ihrer Akzentuierung unterscheiden 217. Unterschiedliche Regelungsziele reichen hingegen zur kompetenzrechtlichen Differenzierung nicht aus 218 .

c) Inhaltliche Bewertung Die in § 53 Abs. 1 RStV geregelte Verpflichtung zur Gewährung chancengleichen und nichtdiskriminierenden Zugangs ist grundsätzlich erforderlich, um sicherzustellen, daß die Anbieter von Rundfunkangeboten Zugang zu Verschlüsselungsystemen haben. Die Nutzung dieser Dienste ist für alle Rundfunkveranstalter, die PayTV anbieten wollen, von essentieller Bedeutung. Andererseits verfügt in Deutschland zur Zeit nur die KirchGruppe über die nötige Infrastrukur. Es wurde jedoch bereits dargestellt, daß mit dieser allgemeinen Verpflichtung zur Gewährung diskriminierungsfreien Zugangs noch viele Fragen offen bleiben. Auch bezüglich der Conditional Access-Systeme ist insbesondere die Frage der zulässigen Preisgestaltung für die Nutzung dieser Angebote zu klären. Weiterhin problematisch ist die Festlegung von technischen Standards und die Vergabe von Lizenzen. Sinnvoll ist hingegen, daß mit der Regelung in § 53 RStV zunächst auf eine Einigung zwischen Diensteanbieter und Nutzer gesetzt wird 219 . Damit wird den Marktteilnehmern ermöglicht, flexible Vereinbarungen über die Nutzung von Zugangsberechtigungssystemen zu schließen. Vermissen läßt die Regelung jedoch Sanktionen für die Nichteinhaltung dieser Bestimmungen und Gestaltungsbefugnisse der Aufsichtsbehörde ζ. B. hinsichtlich der Festsetzung von Preisen. Ein solches Instrumentarium ist dringend erforderlich, falls sich die Vertragsparteien nicht einigen können oder ein Anbieter von Conditional Access-Systemen gegen die gesetzliche Bestimmung verstößt. Notwendig zur Überprüfung der Einhaltung der Bestimmungen sind weiterhin Auskunftsrechte zugunsten der Aufsichtsbehörde. 215

So auch Gersdorf \ Chancengleicher Zugang zum digitalen Femsehen, 1998, S. 149. Jarass/PierotK GG, 4.Aufl., 1997, Art. 70 Rdnr. 4; Degenhardt in: Sachs (Hrsg.), GG, 1996, Art.70, Rdnr. 22; s.dazu auch 2. Kapitel A.I. l.b)bb). 217 Ladeur, Zur Notwendigkeit einer flexiblen Abstimmung von Bundes- und Landeskompetenzen auf dem Gebiet des Telekommunikations- und des Rundfunkrechts, ZUM 1998,261, 263. 218 So aber Gersdorf \ Chancengleicher Zugang zum digitalen Femsehen, 1998, S. 149. 219 So auch Weisser, Dienstleistungen zum Vertrieb digitaler Pay-TV-Angebote, ZUM 1997, 877, 890. 216

7*

100

2. Kap.: Zugang zu den Vertriebsdienstleistungen

Weiterhin ist es im Hinblick auf die konvergente Entwicklung nicht zweckmäßig, daß mit dem § 53 RStV eine Regelung geschaffen wurde, die nur Zugangsberechtigungssysteme für die Verschlüsselung von Rundfunkprogrammen erfaßt. In Deutschland wird zur Zeit nur das von der KirchGruppe entwickelte Conditional Access-System verwendet, das auch für die Verschlüsselung von individualkommunikativen Inhalten wie ζ. B. für Telebanking eingesetzt werden kann 220 . Hinsichtlich des Zugangs zu diesem System für Anbieter von Runkfunkangeboten, aber auch von sonstigen Diensten sollten daher einheitliche Regelungen entwickelt werden.

3. Fernsehsignalübertragungs-Gesetz Nach Aufnahme des § 53 in den RStV durch die Länder hat auch der Bund am 14. November 1997 ein Gesetz mit einer ähnlichen Zielrichtung verabschiedet. Mit dem Gesetz über die Anwendung von Normen für die Übertragung von Fernsehsignalen (Fernsehsignalübertragungs-Gesetz - FÜG) soll ebenfalls die Fernsehsignalrichtlinie der EU in nationales Recht umgesetzt werden (§1 FÜG). Im Hinblick auf digitales Fernsehen hat das FÜG im einzelnen die Zielsetzung, Vorschriften über die Verwendung gemeinsamer Normen für die digitale Übertragung von Fernsehdiensten zu schaffen. Weiterhin sollen Festlegungen hinsichtlich der Zugangsberechtigung zu digitalen Fernsehdiensten getroffen werden. Außerdem wurden Vorschriften wettbewerbsrechtlicher Art über den angemessenen, chancengleichen und diskriminierungsfreien Zugang zu der entsprechenden Technologie, insbesondere im Hinblick auf den Empfang digitaler Fernsehdienste mit Zugangsberechtigung mittels Dekodern, und die Vergabe von Lizenzen für die Technologie der Zugangsberechtigung aufgenommen 221.

a) Übertragungssystem Die im FÜG enthaltenen Regelungen entsprechen im Wesentlichen der Fernsehsignalrichtlinie. In § 3 Abs. 1 Nr. 3 FÜG wird festgelegt, daß für volldigitale Fernsehdienste ein Übertragungssystem zu verwenden ist, das von einer anerkannten europäischen Normungsorganisation genormt worden ist. Dadurch kann grundsätzlich sichergestellt werden, daß alle in der EU verwendeten digitalen Dekoder Programmsignale empfangen können, die diesem Standard entsprechen. Dies gilt jedoch nur, wenn die Signale unverschlüsselt sind. Die Verwendung unterschiedlicher Verschlüsselungsstandards kann wiederum dazu führen, daß nicht mit jedem Dekoder alle Programme zu empfangen sind. 220

Vgl. BetaDigital, d-box Network, 1997, S. 13. Begründung der Bundesregierung, Allgemeiner (25.03.1997), S.7. 221

Teil, BT-Drucksache

13/7337

Α. Die bestehende Rechtslage

101

Weiterhin ist zu berücksichtigen, daß Standards einer europäischen Normungsorganisation für Übertragungssysteme bisher nicht existieren 222. Es gibt lediglich DVB-Standards für Übertragungssysteme, die sich die Veranstalter digitaler Fernsehprogramme und technische Dienstleister in Eigenverantwortung gegeben haben und auf deren Grundlage bereits europaweit digitale Programme gesendet werden. Es spricht daher viel dafür, diese Standards als europäische Normen zu übernehmen. Dies ist jedoch bisher nicht geschehen. Die Vorschrift des § 3 FÜG ist daher so zu verstehen, daß das zuständige Bundesministerium als Verordnungsgeber für die Schaffung einer entsprechenden Rechtsverordnung an die Übernahme der noch zu verabschiedenden europäischen Normen gebunden werden soll 223 .

b) Empfangsgeräte,

Verwürfelungsalgorithmus

Diese Vorschrift faßt unterschiedliche Vorschriften der Fernsehsignalrichtlinie zusammen in Bezug auf Eigenschaften, welche die zum Fernsehempfang erforderlichen Kundengeräte aufweisen müssen. Gemeinsames Ziel dieser Bestimmungen ist es, den Anbietern digitaler Fernsehdienste die Möglichkeit zu eröffnen, durch die Benutzung entsprechend genormter Technik einen breiten Zuschauerkreis erreichen zu können224. Zu diesem Zweck sieht Abs. 1 vor, daß alle zum Verkauf oder zur Miete angebotenen Fernsehgeräte mindestens mit einer von einer anerkannten europäischen Normungsoranisation genormten Anschlußbuchse für offene Schnittstellen ausgerüstet sein müssen, die den Anschluß von Dekodern oder Digitalempfängern ermöglicht. § 5 Abs. 2 schreibt vor, daß Fernsehempfänger mit einem integrierten Dekoder den Anschluß von Zugangsberechtigungssystemen und anderen Elementen eines digitalen Fernsehdienstes an den digitalen Dekoder ermöglichen. Mit dieser Vorschrift wird gewährleistet, daß an alle Fernsehgeräte digitale Dekoder bzw. Zugangsberechtigungssysteme angeschlossen werden können. Zusätzlich bedurfte es einer Vorschrift, die sicherstellt, daß Anbieter von digitalen Fernsehprogrammen - auch von verschlüsselten Angeboten - grundsätzlich allen Zuschauern, die über digitale Empfangsgeräte verfügen, ihre Programme liefern können. Zu diesem Zweck wurde § 5 Abs. 3 in das FÜG aufgenommen 225. § 5 Abs. 3 FÜG entspricht Art. 4 a) der Fersehsignalrichtlinie. Die Regelung sieht vor, daß alle Geräte der Unterhaltungselektronik, die verwürfelte digitale Fernsehsiganle dekodieren können, in der Lage sein müssen, solche Signale entsprechend einem Verwürfelungsalgorithmus zu dekodieren, der innerhalb des gemeinsamen europäischen Marktes allgemein verwendbar ist und dem Stand der Technik entspricht. 222 223 224 225

Begründung Begründung Begründung Begründung

der der der der

Bundesregierung Bundesregierung Bundesregierung Bundesregierung

zu zu zu zu

§ 3, §3, §5, §5,

BT-Drucksache BT-Drucksache BT-Drucksache BT-Drucksache

13/7337 13/7337 13/7337 13/7337

(25.03.1997), (25.03.1997), (25.03.1997), (25.03.1997),

S. 8. S.8. S.8. S.8.

102

2. Kap.: Zugang zu den Vertriebsdienstleistungen

Diese Anforderungen gelten als erfüllt, wenn das Gerät einen Verwürfelungs-Algorithmus anwendet, der von einer anerkannten europäischen Normungsorganisation verwaltet wird. Hinsichtlich der Normung von Verwürfelungsalgorithmen stellt sich jedoch das gleiche Problem, wie für die Übertragungssysteme. Diese technischen Regelungen existieren derzeit noch nicht - auch nicht in Form von DVB-Standards - , so daß mit einer konkreten Rechtsverordnung gewartet werden muß, bis entsprechende Normen von einer europäischen Organisation festgelegt wurden 226 . Doch auch nach Bestimmung solcher Standards ist nicht notwendigerweise gewährleistet, daß einheitliche Verschlüsselungssysteme verwendet werden, da auf der Grundlage eines gemeinsamen europäischen Verwürfelungsalgorithmus unterschiedliche Conditional Access-Systeme denkbar sind. Mit der Festlegung eines standardisierten Algorithmus wird lediglich die Grundlage für die Einführung des Transcontrol- oder Simulcrypt-Verfahrens geschaffen 227. c) Chancengleicher Zugang zu Verschlüsselungssystemen § 7 Abs. 1 FÜG setzt die Anforderungen der Fernsehsignalrichtlinie an Anbieter von Zugangsberechtigungssystemen um. Die Vorschrift soll insgesamt eine Monopolisierung der neuen digitalen Fernsehtechnik bei einzelnen Diensteanbietern verhindern und damit deren breite Verwendung fördern 228. In einem ersten Entwurf war zunächst in § 7 Abs. 1 Nr. 1 FÜG eine Verpflichtung für Anbieter von Diensten mit Zugangsberechtigung - unabhängig vom Übertragungsweg - vorgesehen, allen Rundfunkveranstaltern zu chancengleichen, angemessenen und nichtdiskriminierenden Bedingungen technische Dienste anzubieten, die es gestatten, daß deren digitale Fernsehdienste von zugangsberechtigten Fernsehzuschauern mit Hilfe von Dekodern, die von den Anbietern dieser Dienste verwaltet werden, empfangen werden können. Die in § 7 Abs. 1 Nr. 1 FÜG genannten Bedingungen können sowohl wirtschaftlicher als auch technischer Art sein. In wirtschaftlicher Hinsicht ist der Betreiber des Conditional Access-Systems nach § 7 Abs. 1 FÜG verpflichtet, seine Dienstleistungen allen Rundfunkveranstaltern zu denselben Konditionen anzubieten 229 . Die Anbieter sind außerdem gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 2 FÜG zu einer getrennten Rechnungslegung verpflichtet. Dadurch soll die Transparenz der Angebotsbedingungen und die Nachprüfbarkeit ihrer Angemessenheit sichergestellt werden 230. Zu226

Begründung der Bundesregierung zu §5, BT-Drucksache 13/7337 (25.03.1997), S.8. EBU (Hrsg.), Functional model of a conditional access System, Sonderdruck EBU Technical Review Nr. 266 (Winter 1995/6), S. 12. 228 Begründung der Bundesregierung zu §7, BT-Drucksache 13/7337 (25.03.1997), S. 9. 229 Gersdorf \ Chancengleicher Zugang zum digitalen Femsehen, 1998, S. 149. 230 Begründung der Bundesregierung zu §7, BT-Drucksache 13/7337 (25.03.1997), S.9. 227

Α. Die bestehende Rechtslage

103

sätzlich besteht nach § 7 Abs. 1 Nr. 3 eine Verpflichtung zur Beachtung der nationalen und europäischen Wettbewerbsvorschriften. Der Bundesrat hat in seiner Stellungnahme zum FÜG unter anderem die Streichung von § 7 FÜG verlangt. Diese Regelung betreffe Fragen der Verbreitung digitaler Fernsehprogramme, und der Bund besitze für diesen Bereich keine Gesetzgebungskompetenz231. Die Bundesregierung hat daraufhin betont, daß ihr die Gesetzgebungskompetenz für Zugangsberechtigungssysteme auch für den Fall zustehe, daß sich ein Rundfunkveranstalter nicht eines technischen Dienstleisters bediene, um seine Programme zu verbreiten, sondern selbst als Dienstleister wirtschaftlich tätig werde. Die Verpflichtung aus § 7 Abs. 1 FÜG treffe in diesem Fall den Rundfunkveranstalter lediglich in seiner Rolle als Diensteanbieter und regele seine Tätigkeit ausschließlich in dieser Funktion. Die Bundesregierung hat dennoch dahingehend eingelenkt, daß durch die Regelung des § 7 FÜG keine Verhaltenspflichten von Rundfunkveranstaltern geregelt werden. Die Formulierung „Anbieter von Diensten mit Zugangsberechtigung" wurde daher durch die Formulierung „Anbieter und Verwender von Zugangsberechtigungssystemen" ersetzt 232. Auch diese neue Formulierung macht nicht deutlich, daß Rundfunkveranstalter von dieser Vorschrift nicht erfaßt sein sollen, da auch Rundfunkveranstalter gleichzeitig Anbieter und Verwender von Zugangsberechtigungssystemen sein können. Eine Aufspaltung der Regulierung in Rundfunkveranstalter und Nicht-Rundfunkveranstalter als Anbieter und Verwender von Zugangsberechtigungssystemen ist auch nicht zweckmäßig. Im übrigen ist dies im Hinblick auf die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes zur Festlegung der wirtschaftlichen Bedingungen für die Nutzung von Telekommunikationseinrichtungen nicht erforderlich. d) Schlichtungsverfahren Das FÜG verzichtet ebenso wie die Fernsehsignalrichtlinie auf Instrumente des Verwaltungsrechts in Form von umfangreichen behördlichen Zwangsmaßnahmen zur Verwirklichung seiner Ziele. Der Bund hat mit dem FÜG stattdessen auf das Prinzip gesetzt, daß die Marktteilnehmer unter bestimmten Bedingungen selbst im Eigeninteresse auf die Einhaltung der Bestimmungen achten233. So wurde in § 10 FÜG die Möglichkeit besonderer, erleichtert geltend zu machender Schadensersatzansprüche geschaffen. Nach § 10 Abs. 1 und 2 FÜG sind Anbieter von Waren, Rechten oder Dienstleistungen, die vorsätzlich oder fahrlässig gegen die Bestimmungen des FÜG verstoßen, ihren Vertragspartnern zu einem pauschalen Schadensersatz von 15 Prozent des vertraglich vereinbarten Entgeltes verpflich231 232

Stellungnahme des Bundesrates zu §7, BT-Drucksache 13/7337 (25.03.1997), S. 11. Gegenäußerung der Bundesregierung zu Nr. 2, BT-Drucksache 13/7337 (25.03.1997),

S. 14. 233

Stellungnahme der Bundesregierung zu § 10, BT-Drucksache 13/7337 (25.03.1997), S.9.

104

2. Kap.: Zugang zu den Vertriebsdienstleistungen

tet 234 . Die Geltendmachung eines höheren Schadens bleibt davon unberührt. Für den Fall, daß die Schadensersatzregelung des § 10 FÜG alleine mangels eines unmittelbar materiell Geschädigten keinen Anreiz zur Beachtung der Vorschriften bietet, wurden in § 12 FÜG OrdnungsWidrigkeitstatbestände eingeführt. Die Fernsehsignalrichtlinie schreibt in Art. 4e) die Einführung eines Schlichtungsverfahrens vor. Daher wurde in § 11 FÜG die Einrichtung einer Schlichtungsstelle beim Bundesministerium für Post und Telekommunikation vorgesehen. Die Schlichtungsstelle kann gemäß § 11 Abs. 1 FÜG zur Beilegung ungelöster Streitfragen von jedem angerufen werden, der aus den §§ 5 bis 9 FÜG berechtigt oder verpflichtet ist. Der Schlichtungsspruch hat die Wirkung eines Gütevergleiches im Sinne von § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO, sofern das Ergebnis von den Parteien akzeptiert wird. Das Schlichtungsverfahren schließt jedoch gemäß Abs. 7 die Geltendmachung von Ansprüchen auf dem Rechtsweg nicht aus.

e) Inhaltliche Bewertung Der Entwurf des FÜG enthält einen grundsätzlich ausreichenden Regulierungsrahmen für den Zugang zu Verschlüsselungssystemen. Die Vorschriften zu Conditional Access-Systemen beinhalten auf der einen Seite Mindestanforderungen an die Transparenz und Diskriminierungsfreiheit des Angebots von Zugangsberechtigungsdiensten/-systemen. Auf der anderen Seite lassen sie den Kräften des Marktes genügend Freiraum zur Entwicklung, indem sie auf Selbstregulierung verbunden mit einer staatlichen Schlichtungsstelle setzen. Im Interesse der Rechtssicherheit für Anbieter und Nutzer von Verschlüsselungssystemen sollten jedoch die Anforderungen an die Zugangsgewährung insbesondere hinsichtlich der Kosten konkretisiert werden. Der Schwachpunkt des FÜG - aber auch der zugundeliegenden Fernsehsignalrichtlinie - sind die Vorschriften hinsichtlich der technischen Standards für Conditional Access-Systeme. Aufgrund der Einigung zwischen der KirchGruppe und der CLT/Ufa wird in Deutschland zwar zunächst ausschließlich das Beta/Irdeto-Verfahren zur Verschlüsselung verwendet, wodurch zur Zeit faktisch ein einheitlicher Standard gewährleistet ist. Im Zuge der Marktentwicklung soll sich jedoch möglichst ein Wettbewerb hinsichtlich der Verschlüsselungssysteme einstellen. Bei der Verwendung unterschiedlicher Systeme ist jedoch dringend die Festlegung eines einheitlichen Verwürfelungsalgorithmus durch eine europäische Normungsorganisation erforderlich, da anderenfalls keine Grundlage für die Anwendung des Transcontrol- oder Simulcrypt-Verfahrens besteht. 234 Gegen die Einführung dieses Schadensersatzanspruches bestehen aus zivilrechtlichen Gründen erhebliche Bedenken, vgl. dazu die Stellungnahme des Bundesrates zu § 10, BTDrucksache 13/7337 (25.03.1997), S. 12.

Α. Die bestehende Rechtslage

105

4. 1. M W O

a) Zugang des Zuschauers zu allen zugelassenen Rundfunkangeboten Die 1. M W O enthält mehrere Regelungen für Conditional Access-Systeme. Zunächst ist, ebenso wie für das Multiplexing, der § 5 Abs. 4 1. M W O einschlägig. Danach darf das Angebot nur mit einem System verbreitet werden, das den Fernsehzuschauern alle im Modellversuch zugelassenen Fernsehprogramme zugänglich macht. Dies bedeutet für den Einsatz von Verschlüsselungssystemen, daß die Anbieter propietärer Standards die Kompatibilität ihrer Systeme durch die Verwendung von Common Interfaces oder des Simulcrypt-Verfahrens sicherstellen müssen. Dies ist ein wesentlicher Eingriff in die Rechte der technischen Dienstleister, da beide Verfahren voraussetzen, daß die Dienstleister Informationen über die von ihnen verwendeten Standards austauschen. Eine entsprechende rundfunkrechtliche Regulierung könnte jedoch unter dem Gesichtspunkt der Rundfunkempfangsfreiheit geboten sein. Unter die Rundfunkfreiheit fällt nicht nur die massenmediale Betätigung über den Rundfunk unter dem Schutz der Verfassung, sondern auch die Freiheit des Einzelnen, sich aus der allgemeinzugänglichen Quelle „Rundfunk" zu informieren 235. Das Bundesverfassungsgericht hebt dazu ausdrücklich hervor, daß freie Meinungsbildung „auf der einen Seite die Freiheit voraus (setzt), Meinungen zu äußern und zu verbreiten, auf der anderen Seite die Freiheit, geäußerte Meinungen zur Kenntnis zu nehmen, sich zu informieren. Indem Art. 5 Abs. 1 GG Meinungsäußerungs-, Meinungsverbreitungs- und Informationsfreiheit als Menschenrechte gewährleistet, sucht er zugleich diesen Prozeß verfassungsrechtlich zu schützen. Er begründet insoweit subjektive Rechte; im Zusammenhang damit normiert er die Meinungsfreiheit als objektives Prinzip der Gesamtrechtsordnung, wobei subjektiv- und objektivrechtliche Elemente einander bedingen und stützen". 236 Nach allgemeinem Verständnis gewährleistet die Rundfunkempfangsfreiheit jedoch nur die Freiheit, sich aus allgemeinzugänglichen Quellen zu informieren. Sie gibt keinen Anspruch, auch nicht gegenüber staatlichen Organen, Programme am gewünschten Empfangsort technisch empfangbar zu machen237. Der Gesetzgeber ist daher auch nicht verpflichtet, durch Regulierung die mit unterschiedlichen Standards verschlüsselten Angebote allgemein zugänglich zu machen. 235 236 237

Ricker/Schiwy, Rundfunkverfassungsrecht, 1997, S.85. BverfGE 57, 295 [320]. Vgl. Herrmann, Rundfunkrecht, 1994, §7, Rdnr. 49 ff.

2. Kap.: Zugang zu den Vertriebsdienstleistungen

106

b) Diskriminierungsfreier

Zugang für alle Teilnehmer des Modellversuchs

Zusätzlich folgt aus § 6 1 . M V V 0 eine Anzeigepflicht für alle technischen Dienstleister und die Verpflichtung, diese Dienstleistungen den übrigen Teilnehmern des Modellversuchs diskriminierungsfrei und chancengleich anzubieten. Von dieser Regelung sind auch Conditional Access-Systeme erfaßt, da auch diese Systeme technische Dienstleistungen zur Verbreitung digitaler Fernsehprogramme darstellen. Dazu ist zunächst wiederum festzuhalten, daß die Länder zur Regelung der Zugangsfragen zu Verschlüsselungssystemen grundsätzlich nicht zuständig sind. Selbst wenn man jedoch die Zuständigkeit des Ländergesetzgebers und somit auch des Verordnungsgebers unterstellt, wäre die Regelung mit § 53 RStV nicht vereinbar, da dieser nur eine Anzeigepflicht für Navigationssysteme vorsieht.

5. Kanalbelegungssatzung Hessen Auch § 9 Abs. 4 der KBS sieht vor, daß alle Kabelanschlußinhaber Zugang zu vielfältigen Informationen und Angeboten aus unterschiedlichen Quellen haben müssen. Diese Verpflichtung kann nur als Aufforderung an die Anbieter verstanden werden, ihre Programme mit einem System zu verbreiten, das den Empfang aller Angebote unabhängig von dem verwendeten Verschlüsselungssystem ermöglicht. Nach § 9 Abs. 4 KBS dürfen Technik und Vermarktung außerdem nicht dazu benutzt werden, eine umfassende Angebotsnutzung zu verhindern (Grundsatz des offenen Zugangs für den Nutzer). Diese Vorschrift hat zur Konsequenz, daß Anbieter technischer und Vermarktungsdienstleistungen Dritten die Inanspruchnahme ihrer Dienste nicht ungerechtfertigt versagen dürfen. Auf diese Weise soll im Ergebnis gewährleistet werden, daß die Zuschauer ein möglichst umfassendes Angebot nutzen können.

6. Beschlüsse der Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten Die DLM geht erstmals in ihrem Beschluß vom 17. Juni 1997 ausführlich auf die Regelung von Conditional Access-Systemen ein. Ziffer 2.2 verweist zunächst auf § 53 RStV, der die Anbieter von Conditional Access-Sytemen verpflichtet, diese Dienstleistung allen Rundfunkveranstalten zu chancengleichen, angemessenen und nichtdiskriminierenden Bedingungen anzubieten. In Weiterentwicklung dieser Vorschrift haben die Landesmedienanstalten folgende Kriterien aufgestellt, die zur Konkretisierung dieser Bedingungen dienen sollen: Transparenz der Bedingungen, getrennte Kostenrechnung für die einzelnen Dienstleistungen, organisatorische Trennung der Dienstleistungen in den Bereichen SMS 238 und SAS 239 , Entbündelung 238

Subscriber Management Systems.

Α. Die bestehende Rechtslage

107

von Dienstleistungen, Datenschutz und Mitwirkung an Verfahren, die den Empfang aller Angebote über eine Set-top-Box ermöglichen (Simulcrypt, Common Interface). Als Instrumentarium zur Durchsetzung dieser Bedingungen sieht der Beschluß wiederum Auflagen zur rundfunkrechtlichen Zulassung vor. Es wurde bereits festgestellt, daß der Begriff des chancengleichen und diskrimierungsfreien Zugangs der Konkretisierung bedarf 240. Insofern ist der Versuch der DLM zur Entwicklung dieser Kriterien zu begrüßen, obwohl die Landesmedienanstalten als Teil der Exekutive aufgrund der Grundrechtsrelevanz dieser Bedingungen für die Regelung nicht zuständig sind und die Verknüpfung mit der rundfunkrechtlichen Zulassung unzulässig ist 241 . In inhaltlicher Hinsicht sind die von der DLM gefundenen Kriterien in den wesentlichen Punkten unzureichend. Die Beschränkung auf die Verpflichtung zur Transparenz der Bedingungen für die Inanspruchnahme von Conditional AccessServices läßt Anbieter und Nutzer weiterhin darüber im Unklaren, zu welchen Konditionen diese Dienstleistungen in Anspruch genommen werden können. Lediglich das Gebot zur Entbündelung der einzelnen Dienstleistungen stellt konkret sicher, daß Rundfunkveranstalter, die nur einzelne Vertriebsdienstleistungen nachfragen, weil sie andere Dienstleistungen selbst oder mit Hilfe dritter Unternehmen erbringen, nicht diskriminiert werden. Die weiteren Kriterien betreffen insbesondere die organisatorische Aufspaltung der Geschäftsbereiche, die von den Anbietern aus buchhalterischen Gründen ohnehin befolgt wird. Diese Auflagen wurden von der DLM im Beschluß der DLM vom 16. Dezember 1997 darin konkretisiert, daß die Anbieter technischer Dienstleistungen verpflichtet werden, kleinen und regionalen Rundfunkveranstaltern Sonderkonditionen einzuräumen, „die ihnen reale Chancen auf den Zugang zur digitalen Welt eröffnen". Den Landesmedienanstalten ist darin zuzustimmen, daß die „Chance" auf Zugang zur digitalen Welt nahezu ausschließlich davon abhängt, zu welchen wirtschaftlichen Bedingungen die Nutzung der digitalen Infrastrukur möglich ist. Wie bereits dargestellt, ist es daher anerkannt, daß marktbeherrschende Anbieter solcher Dienstleistungen verpflichtet werden können, ihre Infrastrukturen zu angemessenen Bedingungen zur Verfügung zu stellen. Hingegen kann von den Anbietern dieser Dienstleistungen nicht erwartet werden, daß sie Konkurrenten subventionieren 242. Zur Unterstützungfinanzschwächerer Programmanbieter kann daher allenfalls an einen Finanzausgleich zwischen allen digitalen Rundfunkveranstaltern 243 oder nach dem 239

Subscriber Authorisation Systems. s. dazu oben 2. Kapitel A.I. l.e)bb). 241 Vgl. Weisser, Dienstleistungen zum Vertrieb digitaler Pay-TV-Angebote, ZUM 1997, 877, 893; s.dazu auch 2. Kapitel A.I. l.g). 242 Vgl. Gersdorf \ Chancengleicher Zugang zum digitalen Fernsehen, 1998, S. 166; SchmidtPreuß, Die Gewährleistung des Privateigentums durch Art. 14 GG im Lichte aktueller Probleme, AG 1996, 1,7. 243 Vgl. Herrmann, Rundfunkrecht, 1994, §7, Rdnr. 15. 240

108

2. Kap.: Zugang zu den Vertriebsdienstleistungen

Vorbild der §§ 17 ff. TKG an einen finanziellen Ausgleich für das Erbringen von „Universaldienstleistungen" 244 gedacht werden.

7. Entwurf des Vierten Rundfunkänderungsstaatsvertrages Die Länder haben in den Entwurf des 4. Rundfunkänderungsstaatsvertrages im Hinblick auf Conditional Access-Systeme die Regelung des § 53 RStV unverändert übernommen. Die Länder zeigen sich demnach unbeeindruckt davon, daß der Bund inzwischen das FÜG verabschiedet hat, das in § 7 Abs. 1 für Conditional Access-Systeme eine mit § 53 Abs. 1 RStV-E wortgleiche Regelung enthält. Danach müssen Anbieter von Diensten mit Zugangsberechtigung - soweit diese für die Verbreitung digitaler Fernsehprogramme genutzt werden - diese Dienste allen Veranstaltern zu chancengleichen, angemessenen und nichtdiskriminierenden Bedingungen anbieten. Dadurch soll gewährleistet werden, daß die Angebote dieser Veranstalter von allen Zuschauern, die über einen Dekoder des jeweiligen Dienstleisters verfügen, empfangen werden können. In § 53 Abs. 4 RStV-E ist für Anbieter von Zugangsberechtigungs- und Navigationssystemen außerdem wie bisher eine Anzeigepflicht 245 vorgesehen. Hinzugefügt wurde, daß die Anbieter zusammen mit der Anzeige alle technischen Parameter offenlegen müssen, deren Kenntnis erforderlich ist, um den Zugang zu diesen Diensten zu ermöglichen. Weiterhin sind die Entgelte für die Inanspruchnahme dieser Dienstleistungen der zuständigen Landesmedienanstalt offenzulegen. Weiter haben haben die Anbieter gemäß § 53 Abs. 4 RStV-E die für die einzelnen Dienstleistungen geforderten Entgelte offenzulegen sowie diesbezügliche Entgelte unverzüglich mitzuteilen. In Ergänzung dieser Auskunftspflichten sieht der RStV-E Sanktionsmöglichkeiten für die Landesmedienanstalten vor. Zunächst soll die zuständige Landesmedienanstalt überprüfen, ob der Dienstleister den Anforderungen an die Chancengleichheit und Diskriminierungsfreiheit gerecht wird (§53 Abs. 5 RStV-E). Sie stellt dies durch Bescheid fest und kann den Bescheid gegebenfalls mit Auflagen versehen. Als ultima ratio kann die Landesmedienanstalt den Dienst untersagen (§53 Abs. 6 RStV-E). Zu dieser verfahrensrechtlichen und organisatorischen Regelung ist festzustellen, daß die Verpflichtung zur Offenlegung der technischen Parameter und Entgelte grundsätzlich notwendig ist, um den Behörden die Gelegenheit zu geben, zu überprüfen, ob der Zugang zu den Vertriebsdienstleistungen diskriminierungsfrei gewährt wird, oder ob ζ. B. technische Schwierigkeiten vorgeschoben werden, um Konkurrenten den Zugang nicht gewähren zu müssen. Fraglich ist jedoch, ob die Landesmedienanstalten als Aufsichtsbehörde für die digitalen Vertriebsdienstleistungen - zumindest soweit ausschließlich telekommunikationsrechtliche Zugangs244 245

Vgl. Bullinger/Mestmäcker, s. dazu 1. Kapitel A.I.l.b).

Multimediadienste 1996, S. 181.

Α. Die bestehende Rechtslage

109

fragen betroffen sind - fungieren können. Art. 87 f Abs. 2 S. 2 GG sieht für Hoheitsaufgaben im Bereich der Telekommunikation eine bundeseigene Verwaltung vor. Der Bund muß demnach alle Tätigkeiten, die die Regulierung der Telekommunikation betreffen, selbst ausführen 246. Soweit also die Vertriebsdienstleistungen der telekommunikationsrechtlichen Regulierung unterfallen, ist gemäß §§ 66 ff. TKG die Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post zur Wahrnehmung der Aufsichtsfunktion berufen 247. So wurde auch im FÜG die Rgeluierungsbehörde für Post und Telekommunikation als Aufsichtsbehörde über Zugangberechtigungssysteme vorgesehen (§§ 11 Abs. 2 und 12 Abs. 3 FÜG).

I I I . Navigationssysteme und Application Programming Interfaces Weitere Zugangsprobleme werfen die EPGs oder Navigationssysteme auf. Zumindest theoretisch sind zwei verschiedene Arten von Navigationssystemen denkbar. Zum einen könnte jeder Programmveranstalter einen individuellen EPG entwickeln und dort nur seine eigenen Programme verzeichnen. Zum anderen könnte über jedes Dekodersystem jeweils ein zentraler Programmführer angeboten werden, der über alle Angebote informiert, die mittels der Set-top-Box zu empfangen sind. Die konvergente Entwicklung bringt es mit sich, daß es sich dabei nicht nur um Rundfunkangebote sondern auch um rundfunkähnliche Dienste oder um Individualkommunikation handeln wird. Die bisherige Marktentwicklung hat dazu geführt, daß DF1, Premiere und die öffentlich-rechtlichen Programmanbieter eigene Navigationssysteme anbieten, die - in unterschiedlicher Ausgestaltung - über das jeweils empfangbare Angebot Auskunft geben. Ähnlich wie bei den bisher untersuchten Dienstleistungen, Multiplexing und Conditional Access, besteht bei den Navigationssystemen die Gefahr, daß ein Systembetreiber den Nutzern überwiegend seine eigenen Programme präsentiert. Eine gewisse Sicherheit ist diesbezüglich zwar durch die DVB-Standards geboten, die vorsehen, daß in den Navigationssystemen alle im DVB-Standard ausgestrahlten Programme abgebildet werden müssen248. Dennoch besteht ein Manipulationspotential durch die Möglichkeit, die eigenen Programme mittels einer besonders günstigen Plazierung oder Präsentation aus dem Angebotsspektrum hervorzuheben. Probleme gibt es jedoch nicht nur hinsichtlich der Präsentation der einzelnen Programmangebote in den Navigationssystemen sondern auch hinsichtlich der Abbildung der EPGs auf unterschiedlichen Dekodersystemen. Aus technischen Gründen 246

Vgl. Badura in: Bonner Kommentar, Art. 87 f., Rdnr. 14. Vgl. auch Ladeur, Abstimmung der Kompetenzen auf den Gebieten des Telekommunikations- und des Rundfunkrechts, ZUM 1998, 261, 267. 248 Vgl. Weisser, Dienstleistungen zum Vertrieb digitaler Pay-TV-Angebote, ZUM 1997, 877, 887. 247

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2. Kap.: Zugang zu den Vertriebsdienstleistungen

kann der Programmführer der ARD mit der d-box nicht dargestellt werden, da das API der d-box nicht mit dem System der ARD kompatibel ist 249 .

1. §53 RStV § 53 Abs. 2 RStV bestimmt, daß alle Anbieter von Systemen, die die Auswahl von Fernsehprogrammen steuern und die als übergeordnete Benutzerfläche für alle über das System angebotenen Dienste verwendet werden (Navigationssysteme), anderen Rundfunkanbietern zu chancengleichem, angemessenen und nichtdiskriminierenden Bedingungen den Zugang zu ihrem Dienst gewähren müssen. Außerdem sind die Dienstleister nach § 53 Abs. 3 verpflichtet, die Aufnahme des Dienstes bei der zuständigen Landesmedienanstalt anzuzeigen.

a) Gesetzgebungskompetenz Angesichts dieser rundfunkrechtlichen Ausgestaltung stellt sich zunächst wiederum die Frage, ob die Landesgesetzgeber für die Regelung der Zugangsproblematik zu Navigationssystemen überhaupt zuständig sind. Wie bereits dargestellt, unterfallen rundfunkbezogene Hilfstätigkeiten der Rundfunkgesetzgebung. Davon ausgenommen sind lediglich alle Vorgänge der Sendetechnik, die wiederum grundsätzlich in die Telekommunikationskompetenz des Bundes fallen. Für eine rundfunkrechtliche Regelung von Navigationssystemen spricht, daß sich Rundfunkveranstalter dieser Systeme bedienen, um auf ihre Sendungen aufmerksam zu machen. Die Navigationssystme sind quasi die Programmzeitschriften des digitalen Fernsehens250. Anders als die technischen Dienstleistungen zur Verbreitung der digitalen Programme, sind die Navigationssystme nicht inhaltsneutral. Vielmehr bringt diese Form der Nutzerführung ein erhebliches Manipulationspotential für die Meinungsbildung des Zuschauers mit sich. Eine ungünstige Positionierung eines Programmes im Navigationssystem kann dazu führen, daß der Zuschauer auf dieses Angebot nicht aufmerksam wird. Weitere Einflußmöglichkeiten ergeben sich aufgrund der Möglichkeit, aus einer früheren Programmauswahl den Geschmack des jeweiligen Rezipienten zu ermitteln und hieraus individuelle Vorschläge für die Mediennutzung zu unterbreiten. Dadurch kann mittels des Navigationssystems ein wesentlicher Einfluß auf den publizistischen Wettbewerb genommen 249

„Das Innenleben bleibt geheim", Der Spiegel vom 01.06.1998, S. 112. Auch die von den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten herausgegebenen Programmzeitschriften unterfallen der Rundfunkgarantie des Art. 5 Abs. 1 S.2 GG; vgl. BVerfGE 83, 238 [312]. 250

Α. Die bestehende Rechtslage

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werden. Aufgrund dieses Rundfunkbezuges sind die Länder grundsätzlich für die Regulierung von Navigationssystemen zuständig251. Dies gilt jedoch nur, soweit die zu regelnden Fragestellungen die Aufnahme oder Darstellung eines Rundfunkprogrammes in ein Navigationssystem betreffen. Die elektronischen „Programmzeitschriften" werden anders als ihre gedruckten Vorbilder nicht in Papierform sondern mittels Telekommunikationseinrichtungen verbreitet. Die für die Navigationssysteme erforderlichen Daten werden als Teil des gemultiplexten Datenstroms ausgestrahlt. Insofern unterfällt auch die Verbreitung dieser Daten den bereits vorliegenden bzw. noch zu schaffenden (telekommunikationsrechtlichen) Vorschriften über das Multiplexing, so daß diesbezüglich keine zusätzlichen rundfunkrechtlichen Zugangsregelungen erforderlich sind 252 . Eine weitere Notwendigkeit zur telekommunikationsrechtlichen Regulierung ergibt sich im Hinblick auf die APIs, die entscheidend sind für die Kompatibilität der Navigationssysteme mit den unterschiedlichen Set-top-Boxen. Diese Schnittstellen sind als Teil der Dekoder - und somit als Teil der Sendetechnik - grundsätzlich der Gesetzgebungskompetenz des Bundes unterworfen. Es ist auch zu bedenken, daß im Zuge der konvergenten Entwicklung in Zukunft über das Fernsehgerät sowohl Rundfunkprogramme als auch Angebote, die der Individualkommunikation zuzuordnen sind, zu empfangen sind. Die Orientierung innerhalb aller Angebote wird wahrscheinlich mittels eines Gesamt-Navigationssystems mit entsprechenden Unterverzeichnissen erfolgen 253. Die Navigatoren von nicht dem Rundfunk zuzuordnenden Diensten unterfallen ebenfalls der Gesetzgebungskompetenz des Bundes254. Auch hinsichtlich der EPGs besteht also eine „Doppelkompetenz" von Bund und Ländern. Dabei sind die Länder für Regelungen zuständig, die die Aufnahme und Präsentation von Rundfunkveranstaltern in Navigationssysteme betreffen. b) Diskriminierungsfreier

Zugang

§ 53 RStV bestimmt, daß die Betreiber eines Navigationssystems alle Rundfunkangebote zu chancengleichen, angemessenen und nichtdiskriminierenden Bedingungen in ihr Verzeichnis aufnehmen müssen. Mit dieser Verpflichtung ist zunächst gewährleistet, daß alle Rundfunkangebote Zugang zu EPGs haben. Damit sind je251

Gersdorf \ Der verfassungsrechtliche Rundfunkbegriff im Lichte der Digitalisierung der Telekommunikation, 1995, S. 161; Weisser, Dienstleistungen zum Vertrieb digitaler Pay-TVAngebote, ZUM 1997, 877, 887. 252 Im Rahmen der rundfunkrechtlichen Zuweisung der Multiplexkapazitäten ist jedoch zu beachten, daß für die Übertragung der Daten der Navigationssysteme (sog. SI-Daten) Kapazitäten benötigt werden. 253 Negroponte, being digital, 1995, S.97ff. 254 Vgl Weisser, Dienstleistungen zum Vertrieb digitaler Pay-TV-Angebote, ZUM 1997, 877, Fn. 109.

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2. Kap.: Zugang zu den Vertriebsdienstleistungen

doch noch nicht alle Fragen bezüglich der Navigatoren geklärt. Anders als die Betreiber der technischen Plattform, deren Einflußmöglichkeiten im Wesentlichen darauf beschränkt sind, konkurrienden Programmanbietern den Zugang zu ihren Dienstleistungen zu verweigern, ist das Manipulationspotential eines EPG-Anbieters differenzierter. So hat insbesondere der Rangplatz und die Präsentation eines Programmes in der sog. Kanalliste Einfluß auf seinen publizistischen Erfolg. In § 53 RStV bleibt jedoch offen, welche Kriterien bei der Festlegung der Reihenfolge innerhalb der Kanalliste durch den Anbieter des Navigationssystems zu berücksichtigen sind. Weiterhin bleibt unklar, inwieweit die Anbieter von Navigationssystemen eigene Programme optisch hervorheben dürfen. Das Navigationssystem von DF1 ist zur Zeit so ausgestaltet, daß die Rangfolge der Programme in der Kanalliste vom Zuschauer selbst festgelegt werden kann. Dieses Verfahren ist zu vergleichen mit der vor der ersten Inbetriebnahme eines Fernsehgerätes vorzunehmenden Einstellung der Kanäle. Dieses Verfahren kann als diskriminierungsfrei angesehen werden, da nicht der Anbieter des Navigationssystems sondern der Zuschauer die Reihenfolge der Programme festlegt. Alternativ wird in der Literatur vorgeschlagen, die Systembetreiber zu verpflichten, Free-TV-Programme und Pay-TV-Angebote gleich zu behandeln. Außerdem sollen die öffentlich-rechtlichen Programme aus Gründen der Vielfaltssicherung eine besonders günstige Plazierung erfahren 255.

2. Mediendienstestaatsvertrag, Teledienstegesetz Die Navigationssysteme des digitalen Fernsehens erfassen nicht nur Rundfunkprogramme im Sinne des Rundfunkstaatsvertrages sondern auch Mediendienste wie ζ. B. Teleshoppingprogramme. Der MDStV enthält jedoch keine Regelungen die für diese Angebote den Zugang zu Navigationssystemen sichern. Auch diese Angebote der rundfunkähnlichen Kommunikation haben jedoch einen Anspruch auf chancengleichen Zugang. Für Teledienste stellt sich dieses Problem zur Zeit noch nicht. Über das gesamte Angebot des Internets informieren zur Zeit sogenannte veranstalterunabhängige „Suchmaschinen"256. Es bleibt jedoch abzuwarten, welche Folgen die Kommerzialisierung des Internets mit sich bringen wird.

3. 1. MVVO, Kanalbelegungssatzung Hessen § 5 Abs. 3 der 1. MVVO sieht vor, daß die Benutzerführung alle Angebote gleichgewichtig, gleichrangig und gleichdifferenziert unter Berücksichtigung des öffent255

Holznagel/Daufeldt, Zugangssicherungen bei digitaler Fernsehübertragung, CR 1998, 151, 155. 256 Beispielsweise http://www.yahoo.com.

Α. Die bestehende Rechtslage

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lich-rechtlichen Grundversorgungsauftrages und unter Wahrung des Grundsatzes der Gleichbehandlung darstellen muß. Aus dieser Formulierung wird die Unzulässigkeit von optischen Hervorhebungen und ein ausdrückliches Zugangsrecht für die öffentlich-rechtlichen Programmveranstalter abgeleitet257. Die hessische Landesmedienanstalt hat sich hingegen in § 9 Abs. 3 der KBS darauf beschränkt, für Navigationssysteme die auch für die übrigen Vertriebsdienstleistungen geltende Verpflichtung zur Gewährung diskriminierungsfreien Zugangs zu konstituieren. Zusätzlich ist auch für Navigationssysteme das Entbündelungsgebot zu berücksichtigen.

4. Beschlüsse der Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten Die DLM sieht erstmals in ihrem Beschluß vom 17. Juni 1997 Regelungen zu Navigationssysteme vor. Nach Ziffer 2.4 des Beschlusses sollen Programmanbieter verpflichtet werden, ihre SI-Daten entsprechend den DVB-Standards auszustrahlen. Auf diese Weise wird in technischer Hinsicht sichergestellt, daß die Daten aller Programme in jedem Navigationssystem abgebildet werden können. Weiterhin sind Programmveranstalter, die eigene Navigationssysteme anbieten, verpflichtet, allen Veranstaltern die Benutzeroberfläche zu chancengleichen, angemessen und nichtdiskriminierenden Bedingungen anzubieten. Diese Regelung beschränkt sich auf die Wiederholung des Wortlauts des § 53 Abs. 2 RStV und legt darüber hinaus keine weiteren Kriterien fest. Die Begriffe der „Chancengleichheit" und „Diskriminierungsfreiheit" bleiben weiterhin ausfüllungsbedürftig. Insbesondere ist zu klären, ob sich diese Kriterien ausschließlich auf den Zugang zu EPGs beziehen oder auch Einfluß auf die Reihenfolge haben, in der die Sender in diesen Systemen abgebildet werden. Im Beschluß vom 16. Dezember 1997 wird die Forderung nach Diskriminierungsfreiheit in Ziffer 3.7 wiederholt. Ergänzt werden diese Anforderungen durch eine zusätzliche Regelung zu APIs 258 . Im Hinblick auf die aufgetretenen Kompatibilitätsprobleme mit den Navigationssystemen der öffentlich-rechtlichen Programmanbieter befürworten die Landesmedienanstalten, daß sich die Anbieter von Vertriebsdienstleistungen hinsichtlich der technischen Grundlagen des digitalen Fernsehens (einschließlich der Software) nicht nur an den Interessen der Anbieter von Großbouquets orientieren dürfen 259. Außerdem sollen die Anbieter zusagen, die APIs so zu entwickeln und offenzulegen, daß andere Unternehmen ebenfalls die 257 Holznagel/Daufeldt, Zugangssicherungen bei digitaler Fernsehübertragung, CR 1998, 151, 154. 258 Application Programing Interface (Schnittstelle zum Betriebssystem der Dekoder). Die Set-top-Boxen können nur Anwendungsprogramme (ζ. B. Navigationssysteme) verarbeiten, die mit dem jeweiligen Betriebssystem kompatibel sind. 259 Vgl. Ziffer 3.1.1 des Beschlusses vom 16.12.1997.

8 Rinke

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2. Kap.: Zugang zu den Vertriebsdienstleistungen

Chance haben, auf dieser Grundlage eigene Anwendungsprogramme (z.B. Navigationssysteme) zu entwickeln 260 . Es besteht Einigkeit darüber, daß es Rundfunkveranstaltern, die ein proprietäres Navigationssystem anbieten wollen ohne selbst eine technische Plattform zu betreiben, ermöglicht werden muß, ihr System auf den Standard der verwendeten Dekoder auszurichten 261. Zur Erreichung dieses Ziels ist jedoch die von den Landesmedienanstalten vorgeschlagene Verpflichtung nicht zweckmäßig. Es kann von den Entwicklern und Anwendern der APIs nicht erwartet werden, daß sie die Schnittstellen auf alle denkbaren Systeme ausrichten, zumal ihnen die notwendigen technischen Informationen in aller Regel nicht bekannt sein dürften. Die Verwender der APIs sollten vielmehr verpflichtet werden, offene Schnittstellen zu entwickeln und die entsprechenden Standards den Anbietern von Anwendungsprogrammen offenzulegen, damit diese wiederum ihre Programme darauf ausrichten können.

5. Pilotprojektszulassungen Auch der zwischen der BLM und DF1 abgeschlossene öffentlich-rechtliche Vertrag enthält eine Regelung zu Navigationssystemen. § 13 Abs. 3 der Vereinbarung beschränkt sich jedoch darauf, DF1 zu verpflichten, seinen Programmführer so zu gestalten, daß alle digitalen Angebote dem Nutzer gleichrangig dargestellt werden. Auch dieser Formulierung ist nicht zu entnehmen, wie diese Gleichrangigkeit im einzelnen gewährleistet werden soll.

6. Entwurf des vierten Rundfunkänderungsstaatsvertrages Auch der Entwurf des vierten Rundfunkänderungsstaatsvertrages bringt keine Klärung hinsichtlich der offenen Fragen. § 53 Abs. 2 RStV-E übernimmt lediglich die bereits aus § 53 Abs. 2 RStV bekannte Verpflichtung zur Gewährung diskriminierungsfreien Zugangs, ohne deren Voraussetzungen zu konkretisieren. Im Hinblick auf Navigationssysteme wurde der § 53 - ebenso wie für Conditional AccessSysteme - lediglich bezüglich der Anzeigepflicht ergänzt. So ist in § 53 Abs. 4 RStV-E vorgesehen, daß mit der Anzeige alle technischen Parameter offengelegt werden müssen, deren Kenntnis erforderlich ist, um den Zugang zu diesen Diensten zu ermöglichen. Außerdem sind die Entgelte für diese Dienstleistung der zuständigen Landesmedienanstalt bekannt zu geben. Beide Faktoren spielen jedoch für Navigationssysteme - anders als für Conditional Access-Systeme - eine untergeordnete Rolle. In technischer Hinsicht ist für den Empfang der Programminformationen 260

Vgl. Ziffer 3.5.1 des Beschlusses vom 16.12.1997. Gersdorf\ Chancengleicher Zugang zum digitalen Femsehen, 1998, S. 162; Holznagel/ Schulz!Seufert, Zusammenfassung der Ergebnisse des Projekts „Regulierungsziele und -konzepte für digitales Femsehen in Deutschland", 1998, S.6; Weisser, Dienstleistungen zum Vertrieb digitaler Pay-TV-Programme, ZUM 1997, 877, 879. 261

Α. Die bestehende Rechtslage

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nur erforderlich, daß die Signale im DVB-Standard ausgestrahlt werden. Den Aussstrahlungsstandard kann jedoch nur der Programmveranstalter und nicht der Anbieter des Navigationssystems beeinflußen. Da zwischen den Programmanbietern und dem Betreiber des EPGs in der Regel keine vertraglichen Beziehungen bestehen, ist auch kein Entgelt für die Inanspruchnahme dieser Dienstleistung zu zahlen. Notwendig sind vielmehr Regelungen zur Festlegung der Reihenfolge innerhalb der Kanalliste und zur graphischen Präsentation der Programme.

IV. Paketbildung Eine weitere Hürde auf dem Weg zum Zuschauer stellt für die Veranstalter digitaler Fernsehprogramme die Aufnahme in ein Programmpaket dar. Die digitalen Pay-TV-Programme werden nicht einzeln, wie bisher im analogen Bereich üblich, angeboten, sondern in sog. Bouquets vermarktet. Diese Praxis hat für die Zuschauer den Vorteil, daß sie mit einem Abonnement ein ganzes Bündel von Programmen beziehen. Für die Programmveranstalter ist dieses Verfahren jedoch nachteilhaft, da sich die Zuschauer aus Kostengründen in der Regel nur für ein Paket entscheiden. Es ist daher von großer Bedeutung für die Veranstalter, in einem besonders beliebten Bouquet vertreten zu sein 262 . Die Problematik der Paketbildung hat bisher keine Regelung erfahren. Mit der Entwurf des 4. Rundfunkänderungsstaatsvertrages liegt nun erstmals ein Regelungsvorschlag vor. Nach § 53 Abs. 3 RStV-E müssen marktbeherrschende Vermarktungsunternehmen bei der Paketierung die chancengleiche, angemessene und nichtdiskrimierende Behandlung aller Programme und Angebote gewährleisten. Unklar bleibt, ob sich dieser Grundsatz der Chancengleichheit und Diskriminierungsfreiheit nur auf die Zusammenstellung der Programmpakete oder auch auf die Aufnahme einzelner Programme in die Pakete bezieht. Weiterhin wird nicht deutlich, welche Konsequenzen sich aus dem Grundsatz der Chancengleichheit für die Zusammenstellung der Pakete ergibt. Zur Zeit werden von DF1 fünf Pakete in unterschiedlichen Zusammenstellungen und zu unterschiedlichen Preisen angeboten. Ebenso variieren die Abonnentenzahlen für diese Pakete. Der Einfluß eines Programmes auf die Meinungsbildung hängt somit entscheidend davon ab, daß es in einem Paket angeboten wird, welches für eine große Zahl von Abonnenten interessant ist. Andererseits ist es aufgrund der Vermarktungsstruktur im digitalen Pay-TV unmöglich, alle Programme gleich zu behandeln und demselben Bouquet zuzuordnen. Die Vermarktung in unterschiedlichen Paketen bringt stets per se eine bestimmte Ungleichbehandlung mit sich. Auch bezüglich der Paketbildung sollten daher Konkretisierungen zu den Voraussetzungen der Diskriminierungsfreiheit erfolgen. Angesichts der geplanten Neuregelung des § 53 Abs. 3 RStV-E wird jedoch in der Literatur in Frage gestellt, ob die Paketanbieter überhaupt dazu verpflichtet werden 262

8*

Vgl. auch Engel, Medienordnungsrecht, 1996, S. 105.

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2. Kap.: Zugang zu den Vertriebsdienstleistungen

können, Programme von Drittveranstaltern in ihre Bouquets aufzunehmen 263. Anders als die rein technischen Dienstleistungen, sei die Paketbündelung durch Programmveranstalter eine publizistische Tätigkeit. Es stelle daher einen Eingriff in die grundrechtlich geschütze Programmautonomie der Veranstalter dar, wenn sie verpflichtet werden, andere Angebote in ihre Pakete aufzunehmen. Dieser Eingriff sei auch nicht durch den Anspruch auf chancengleichen Zugang sämtlicher Rundfunkveranstalter zum digitalen Fernsehen gerechtfertigt, da sich dieser staatliche Gewährleistungsauftrag in erster Linie auf den technischen Distributionsvorgang und nicht auf die Vermarktung der Programme beziehe264. Andererseits ist zu berücksichtigen, daß in der digitalen Welt für Programmveranstalter der Zugang zum Zuschauer faktisch ausschließlich davon abhängt, daß das Programm Bestandteil eines populären Bouquets ist. Anderenfalls bleibt der Anspruch auf Zugang zu den übrigen digitalen Vertriebsdienstleistungen für jene Veranstalter, die keine eigenen Pakete anbieten können, wertlos. Daher sollten, zumindest solange nur ein oder wenige Programmbouquets angeboten werden, die Vermarktungsplattformen verpflichtet werden, auch Rundfunkprogramme anderer Anbieter in ihre Pakete aufzunehmen 265 . Im Zusammenhang mit der vorgesehenen Neuregelung des § 53 Abs. 3 RStV-E ist letztlich wiederum fraglich, ob die Ländergesetzgeber überhaupt für die Regulierung der Programmpakete zuständig sind. Die Bündelung der Programmpakete wird in der Regel von den Rundveranstaltern wie ζ. B. von DF1 selbst erbracht und ist daher eine rundfunkinterne Tätigkeit. Aber auch im Hinblick auf die Vermarktung von sogenannten Third Party Channels, die sich externer Dienstleister für die Vermarktung ihrer Programme bedienen, ist die Paketbündelung als rundfunkbezogene Dienstleistung zu werten. Die Regulierung untersteht daher der Rundfunkkompetenz der Länder 266 .

V. Zusammenfassung Im Ergebnis läßt sich feststellen, daß die dargestellten einfachgesetzlichen Regelungsansätze und die auf dieser Grundlage durch die Landesmedienanstalten betriebene Rechtsfortentwicklung keinen befriedigenden Rechtsrahmen für die Probleme des digitalen Fernsehens und die zu erwartende konvergente Entwicklung bietet. 263

Gersdorf\ Chancengleicher Zugang zum digitalen Femsehen, 1998, S. 165; Holznageli Schulz/Seufert, Zusammenfassung der Ergebnisse des Projekts „Regulierungsziele und -konzepte für Digitales Femsehen in Deutschland", 1998, S.7. 264 Gersdorf \ Chancengleicher Zugang zum digitalen Femsehen, 1998, S. 165. 265 So auch Holznagel/Schulz/Seufert, Zusammenfassung der Ergebnisse des Projekts „Regulierungsziele und -konzepte für digitales Femsehen in Deutschland", 1998, S. 154. 266 Weisser, Dienstleistungen zum Vertrieb digitaler Pay-TV-Angbeote, ZUM 1997, 877, 887.

Α. Die bestehende Rechtslage

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Dies liegt zum einen daran, daß zwischen Bund und Ländern bisher keine Übereinstimmung bezüglich der Gesetzgebungskompetenzen erzielt wurde. Es hat sich gezeigt, daß der im Hinblick auf die Inhalte und die Vertriebsstrukturen des digitalen Fernsehens entstandene Regulierungsbedarf im Schnittfeld von Telekommunikation, Rundfunk und Wirtschafts- und Wettbewerbsrecht liegt. Im einzelnen folgt aus der verfassungsrechtlichen Einordnung der einzelnen Vertriebsdienstleistungen folgende Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern: Die Länder sind zur Regulierung der Navigationssysteme und der Paketbündelung befugt, soweit diese Vertriebsdienstleistungen als nicht-publizistische Hilfstätigkeiten rundfunkbezogen eingesetzt werden. Der Bund ist aufgrund seiner Zuständigkeit für Telekommunikation und Wirtschaft regelungsbefugt für die Tätigkeiten des Playouts, für Conditional Access-Syteme und APIs. Diese Tätigkeiten sind zwar ebenfalls nicht-publizistische Hilfstätigkeiten, fallen jedoch andererseits in den Bereich der Sendetechnik, die der Telekommunikation zugeordnet wird. Hinsichtlich der Kompetenzverteilung für die Sendetechnik ist zu beachten, daß die Telekommunikation gegenüber dem Rundfunk nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur eine dienende Funktion einnimmt. Soweit also über die Regelung der technischen oder wirtschaftlichen Bedingungen hinaus organisatorische rundfunkrechliche Fragestellungen auftreten, wie z.B. die Zuweisung von knappen Kapazitäten an Rundfunkveranstalter, sind dafür wiederum die Länder aufgrund ihrer Rundfunkkompetenz zuständig. Diese Aufsplitterung der Kompetenzen für die Regulierung der Vertriebsdienstleistungen macht deutlich, daß es angesichts der zu regelnden Gesamtproblematik wenig hilfreich ist, wenn Bund und Länder - auf ihre Kompetenzen pochend - aneinander vorbei oder sogar gegeneinander arbeiten. So führt die mit dem FÜG und dem RStV bestehende Doppel-Regulierung für Zugangsberechtigungssysteme lediglich zu Unsicherheiten bei den Anbietern dieser Systeme und bei den Rundfunkveranstaltern, die diese Infrastrukur für die Verbreitung ihrer Programme nutzen wollen. Auch in inhaltlicher Hinsicht bleiben angesichts der bestehenden Regulierungsansätze einige Fragen offen. Die rundfunkrechtlichen Lösungsansätze beschränken sich darauf, für Rundfunkveranstalter chancengleichen und diskriminierungsfreien Zugang zu den Vertriebsdienstleistungen zu fordern. Diese Kriterien sind jedoch ausfüllungsbedürftig hinsichtlich der konkreten wirtschaftlichen und technischen Bedingungen, zu denen die Anbieter dieser Dienstleistungen Dritten den Zugang zu ihren Einrichtungen gewähren müssen. Das TKG enthält zwar dem Prinzip der „regulierten Selbstregulierung" folgend sinnvolle Lösungsansätze insbesondere für die Entgelteregulierung und zur Zusammenschaltung unterschiedlicher technischer Systeme (Interconnection). Zum Teil sind diese Vorschriften unmittelbar auf die zum Playout gehörenden Tätigkeiten anwendbar, werden jedoch im Ergebnis der zur Zeit bestehenden Marktsituation des digitalen Fernsehens nicht gerecht, da in den Schutzbereich der telekommunikationsrechtlichen Zugangsvorschriften nur andere

118

2. Kap.: Zugang zu den Vertriebsdienstleistungen

Anbieter von Telekommunikationsdienstleistungen und nicht die Nutzer dieser Dienstleistungen fallen. Unzureichend geregelt ist weiterhin die Bündelung von Programmpaketen und die Abbildung von Rundfunkprogrammen und rundfukähnlichen Diensten in EPGs. Im folgenden soll daher untersucht werden, welche verfassungsrechtlichen Vorgaben für ein Tätigwerden der Gesetzgeber zur Ausfüllung dieser Regelungslücken bestehen.

B. Verfassungsrechtliche Vorgaben für eine zukünftige Regulierung I. Rundfunkspezifische Offenheitspflege Im Zuge der digitalen und konvergenten Entwicklung wird die Rundfunklandschaft einschneidenden Veränderungen unterworfen sein. Die Digitalisierung bietet im Vergleich zur analogen Übertragung eine kapazitätssparende und somit kostengünstige Verbreitungsmöglichkeit. Es wird daher zu einer Vervielfachung und Fragmentisierung des Programmangebotes kommen. Ein herkömmliches Vollprogramm wird durch eine Reihe von Spartenprogrammen ersetzt werden. Auch innerhalb einer Programmfarbe wie ζ. B. „Sport" wird eine weitere Aufteilung stattfinden. So bietet DF1 bereits heute je ein Programm für Golf, Wrestling und Formel 1 an. Ein weiterer Trend zur Individualisierung ist hinsichtlich der zeitlichen Verfügbarkeit des Programmangebotes zu beobachten. Near-Video-on-Demand und später Videoon-Demand gewährleisten den individuellen Zugriff bzw. Abruf für einzelne Sendungen zu jeder Tages- und Nachtzeit. Diese Vervielfachung des Programmangebotes kann nur erfolgen, weil günstige Kosten und in größerem Umfang verfügbare Übertragungskapazitäten zunehmende Möglichkeiten für die Veranstaltung von Rundfunkprogrammen eröffnen. Dies bedeutet jedoch nicht, daß in der digitalen Welt paradiesische Verhältnisse für Rundfunkveranstalter herrschen. Die bisherigen Hürden werden vielmehr ersetzt bzw. ergänzt durch die „Flaschenhälse" der digitalen Vertriebsdienstleistungen. Der Zugang zu diesen Infrastrukturen ist für die Veranstalter von ebenso essentieller Bedeutung wie der Zugang zu den Übertragungskapazitäten. Aufgrund ihrer Bedeutung für Rundfunklandschaft unterliegen diese Vertriebsdienstleistungen auch einer rundfunkrechtlichen Regulierung. Zum Teil sind die Dienstleistungen als nicht-publizistische Hilfstätigkeiten unmittelbar dem Rundfunk zuzuordnen. Die Tätigkeiten der Sendetechnik, die grundsätzlich in die Regelungskompetenz des Bundes für die Telekommunikation fallen, erfordern zusätzlich eine rundfunkrechtliche Aufbaustufe.

Β. Verfassungsrechtliche Vorgaben für eine zukünftige Regulierung

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Es wurde bereits eingangs erörtert, daß zu Beginn der konvergenten Entwicklung weiterhin von einer Sondersituation des Rundfunks gegenüber der Presse auszugehen ist. Zum einen sind zu Beginn des digitalen Zeitalters weiterhin die Übertragungswege knapp, was wiederum Auswirkungen auf die Belegung der Multiplexe haben muß. Eine weitere Knappheitssituation zeichnet sich auf dem Programmrechtemarkt ab 267 . Zum anderen ist die Rundfunkordnung angesichts der raschen und kaum vorhersehbaren Entwicklung der Medienlandschaft in zunehmendem Maße vor Komplexitätsprobleme gestellt268. Diese tatsächlichen Voraussetzungen lassen auch in (absehbarer) Zukunft den Schutz des ökonomischen Wettbewerbs für eine publizistische Konkurrenz nicht ausreichend erscheinen, sondern machen spezifische rundfunkrechtliche Maßnahmen in Form einer positiven Ordnung erforderlich. Dabei besteht die gesetzgeberische Aufgabe im einzelnen darin, zum einen der Nivellierung des Mediensystems entgegen zu wirken und zum anderen dafür zu sorgen, daß unterschiedliche Kommunikationsinteressen berücksichtigt werden 269. Bisher ist jedoch der Gesetzgeber nicht bzw. in unzureichendem Maße zur Regulierung der Vertriebsdienstleistungen tätig geworden. Angesichts der Komplexität und des schnellen Wandels der zu regelnden Materie ist es zwar schwierig vorherzusagen, welche Entwicklung die Rundfunklandschaft in Zukunft nehmen wird und welche rundfunkrechtlichen Regelungen erforderlich sein werden. Es besteht durchaus die Gefahr, daß Regelungen, die heute den Status quo erfassen, morgen überholt sein werden. Dies bedeutet jedoch nicht, daß die Gesetzgeber untätig bleiben dürfen, bis sich der digitale Rundfunkmarkt voll entwickelt hat. Die Rundfunkgesetzgeber müssen vielmehr gerade in der Anfangsphase durch Regulierung sicherstellen, daß Fehlentwicklungen, die die Meinungsvielfalt bzw. die kulturelle Vielfalt gefährden, gar nicht erst eintreten 270. Erforderlich sind daher rundfunkrechtliche Regelungen, die eine Evolution 271 bzw. einen Lernprozeß 272 ermöglichen. Diese prozedurale Ausgestaltung des Rundfunkrechts bedeutet jedoch nicht, daß die Regelungen - wie die vorhandenen rundfunkrechtlichen Regulierungsansätze zum digitalen Fernsehen - möglichst allgemein gehalten werden sollten, um auch noch nicht absehbare Problemlagen zu bewältigen. Zu allgemeine Regelungen führen zu einer Rechtsunsicherheit bei den Betroffenen und behindern dadurch eine Entwicklung. Andererseits kann sich auch eine Überregulierung als Planungshindernis erweisen. Es gilt daher Regelungen zu schaffen, die im Rahmen der verfassungsrechtlichen Vorgaben den Marktteilnehmern relative Freiheit gewähren, sie aber gleich267 Vgl. zu den neuen Knappheiten der Kommunikations-Infrastruktur Recke, Medienpolitik im digitalen Zeitalter, 1998, S.53. 268 Recke, Medienpolitik im digitalen Zeitalter, 1998, S. 59; Vesting , Prozedurales Rundfunkrecht, 1997,S.217. 269 v g l Vesting, Prozedurales Rundfunkrecht, 1997, S.223, 227. 270

BVerfGE, 57, 295 [322]. Vesting , Prozedurales Rundfunkrecht, 1997, S.217. 272 Ladeur, Die Regulierung von Multimedia als Herausforderung des Rechts, AfP 1997, 598, 604. 271

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2. Kap.: Zugang zu den Vertriebsdienstleistungen

zeitig am Mißbrauch dieser Freiheit hindern. Für die digitalen Vertriebsdienstleistungen muß daher möglichst schnell - durch hinreichend detaillierte Regelungen - gewährleistet werden, daß Rundfunkveranstalter chancengleichen Zugang zu den Dienstleistungen haben273. Andererseits dürfen die Zugangsregeln die Dienstleistungsunternehmen nicht völlig in ihrer Dispositionsfreiheit beschränken, um Investitionen zu fördern und somit in faktischer Hinsicht eine Entwicklung zu ermöglichen. Zur Ausgestaltung der Zugangsfragen im Rahmen dieser rundfunkspezifischen Offenheitspflege 274 können dabei einerseits Regelungsansätze herangezogen werden, die sich bereits in anderen Bereichen wie ζ. B. der Telekommunikation beim Übergang vom Monopol zu einem regulierten Wettbewerb bewährt haben275. Andererseits sind rundfunkspezifische Regelungen erforderlich, die die kulturellen Auswirkungen der digitalen Technologien erfassen. Aufgrund der Kompetenzverteilung hinsichtlich der Vertriebsdienstleistungen obliegt es dabei den Rundfunkgesetzgebern, insbesondere sicherzustellen, daß beim Multiplexing die Belegung der Kabelnetze berücksichtigt wird und daß die Navigationssyteme und Programmpakete den Programmveranstaltern zu chancengleichen und nichtdiskriminierenden Bedingungen unter Berücksichtigung der Programmautonomie der Dienstleister offenstehen. Eine (entwicklungs-)offene Ausgestaltung des Rundfunkrechts sollte jedoch nicht dazu führen, daß der Gesetzgeber zu Beginn des digitalen Zeitalters die zu regelnden Fragen zunächst ausschließlich in „provisorischen" Versuchsklauseln erfaßt. In Anbetracht der für die Entwicklung des digitalen Fernsehens erforderlichen Investitionen in Milliardenhöhe konnte von Anfang an nicht von einem Modellversuch sondern nur von einer bundesweiten Markteinführung des digitalen Pay-TV gesprochen werden. Versuchsregeln sind daher zur Regulierung dieses Bereiches völlig unangemessen. Die Versuchsklauseln dienten lediglich zur Überbrückung der Zeit bis zur Verabschiedung des Dritten Rundfunkstaatsvertrages, mit dem die für das digitale Fernsehen typische Veranstaltung einer Vielzahl von Fernsehprogrammen möglich wurde 276 . Vor diesem Hintergrund erklärt sich auch, daß die Pilotklauseln ausschließlich Zulassungsfragen regeln. Konsequenterweise sollten die Pilotklauseln so schnell wie möglich durch Regelungen im RStV ersetzt werden.

273 Vgl. Hege, Offene Wege in die digitale Zukunft, 1995, S.29f.; Vesting, Prozedurales Rundfunkrecht, 1997, S. 341; Wagner, Rechtsfragen digitalen Kabelfemsehens, 1996, S.37; Weisser, Dienstleistungen zum Vertrieb digitaler Pay-TV-Angebote, ZUM 1997, 877, 885. 274 Begriff in Anlehnung an Gersdorf, Chancengleicher Zugang zum digitalen Femsehen, 1998, S. 140. 275 Vgl. Ladeur, Grundrechtskonflikte in der „dualen Rundfunkordnung", AfP 1998, 141, 143. 276 Mayer!Motz, Ermessensspielraum einer Landesmedienanstalt bei der Durchführung landesrechtlicher Erprobungsprojekte und medienrechtliche Einordnung eines Teleshopping-Programms, ZUM 1998, 133.

Β. Verfassungsrechtliche Vorgaben für eine zukünftige Regulierung

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II. Telekommunikationsrechtliche Infrastrukturgewährleistung für technische Vertriebsdienstleistungen Eine abschließende Regelung der Problematik der Vertriebsdienstleistungen kann jedoch nur erreicht werden, wenn die rundfunkrechtlichen Regelungen durch telekommunikationsrechtliche Vorschriften ergänzt werden, da die Regulierung der technischen Dienstleistungen grundsätzlich in die Telekommunikationskompetenz des Bundes fällt. Nach Art. 87 f Abs. 1 GG ist der Bund verpflichtet, eineflächendeckende angemessene und ausreichende Versorgung mit Telekommunikationsdienstleistungen sicherzustellen. Dieser Handlungsauftrag ist dabei nicht auf den Aufbau einer optimalen Infrastruktur ausgerichtet sondern zielt auf die Gewährleistung einer flächendeckenden Grundversorgung 277. Fraglich ist, was dieser Handlungsauftrag für den Aufbau einer technischen Infrastruktur für die Verbreitung digitaler Rundfunkprogramme und anderer Angebote bedeutet. Nach einer Ansicht in der Literatur wurde der Bund mit Art. 87 f GG verpflichtet, dasjenige an technischen Dienstleistungen sicherzustellen, das erforderlich ist, um die rundfunkspezifische „Grundversorgung" sicherzustellen 278. Nach einer anderen Ansicht besteht die Regelungsaufgabe des Bundesgesetzgebers darin, ein komplexes „Netzwerk der Netzwerke" 279 zu schaffen. Dabei erstecke sich der Handlungsauftrag des Bundes insgesamt auf die Erhaltung der Produktivität, Innovationsfähigkeit und Offenheit der neuen Informationstechnologien und ihrer Infrastrukur 280. Der Aufassung von Ladeur ist zuzustimmen. Die digitale Infrastrukur ist von entscheidender Bedeutung für die zukünftige Medienlandschaft. Im digitalen Zeitalter wird die Grundversorgung nicht mehr im Empfang der öffentlich-rechtlichen Programmangebote bestehen, sondern der Zuschauer wird aus einer Fülle von Diensten - Rundfunk und Nicht-Rundfunk - wählen können. Damit dies möglich ist, muß der Gesetzgeber die Voraussetzungen für den Zugang zu den neuen Angeboten für Diensteanbieter und Zuschauer schaffen. Art. 87 f GG stellt daher in seinen Auswirkungen auf die digitalen Vertriebsdienstleistungen das strukturgerechte Gegenstück zur Rundfunkfreiheit des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG dar 281 . Beide verfassungsrechtliche Garantien fordern die Gesetzge277

BR-Drs. 114/94, S. 3. Lerche, Infrastrukturelle Verfassungsaufträge (zu Nachrichtenverkehr, Eisenbahnen), Festschrift für Karl Heinrich Friauf, 1996, 251, 256. 279 Der Begriff stammt von Noam, Beyond Liberalization: From the Network of Networks to the Systems of Systems in: Hoffmann-Riem/Vesting (Hrsg.), Perspektiven der Informationsgesellschaft, 1995, S. 49ff., und meint ein System von Netzebenen für die Übertragung aller Daten, das über Knotenpunkte miteinander verbunden ist. 280 Ladeur, Abstimmung von Kompetenzen auf den Gebieten des Telekommunikations- und des Rundfunkrechts, ZUM 1998, 261, 266. 281 Vgl. BullingerlMestmäcker, Multimediadienste, 1996, S. 183. 278

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2. Kap.: Zugang zu den Vertriebsdienstleistungen

ber auf, für Rundfunkveranstalter und für die Anbieter von Medien- und Telediensten den chancengleichen Zugang zu den digitalen Infrastrukturen zu sichern 282.

I I I . Abstimmung zwischen Bund und Ländern bei der Regulierung der Vertriebsdienstleistungen Trotz dieses Handlungsdrucks sind Landes- und Bundesgesetzgeber zur Reglierung der digitalen Vertriebsstrukturen im Wesentlichen bisher untätig geblieben oder nur unzureichend tätig geworden. Der Grund dafür sind nicht zuletzt die Kompetenzverflechtungen zwischen Bund und Ländern, die diese Regelungsmaterie prägen 283 . Die Unsicherheit über die Zuständigkeiten aber auch mangelnde Kooperationbereitschaft haben zu einer Lähmung des Gesetzgebungsprozesses geführt. Ziel muß es hingegen sein, möglichst schnell Regelungen zu schaffen, die mit denen des jeweils anderen Entscheidungsträgers ein sinnvolles Ganzes ergeben. Ein Beispiel für komplementäre Regelungen dieser Art gibt es im Bund-LänderVerhältnis etwa beim Jugendschutz, der grundsätzlich dem Bund, für den Rundfunk aber kraft Sachzusammenhanges den Ländern zugewiesen ist 284 . § 3 RStV berücksichtigt bei der Festlegung von Zeitgrenzen für die Fernsehausstrahlung von Filmen die Altersfreigaben sowie Indizierungsentscheidungen des Gesetzes über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften (GjS). Diese komplementären Regelungen setzen jedoch eine starke Abstimmung und gegebenfalls Zusammenarbeit der Kompetenzträger voraus. Bund und Länder haben diese Abstimmungsbereitschaft jedoch angesichts der Anforderungen der Informationsgesellschaft bisher nicht gezeigt. Fraglich ist daher, ob Bund und Länder zur Kooperation verpflichtet werden können, mit der Folge, daß Entscheidungen eines einzelnen Kompetenzträgers verfassungsrechtlich unzulässig sind. Im Rundfunkbereich hat das Bundesverfassungsgericht in der Niedersachsen-Entscheidung die Länder zur Zusammenarbeit bei der Regelung des Satellitenrundfunks verpflichtet. Die Notwendigkeit einer solchen Kooperation ergebe sich „ nicht bereits aus der Eigenart der Aufgabe und den für deren Wahrnehmung maßgebenden Grundsätzen; sie folgt aber, soweit das für ein funktionierendes System erfoderlich ist, jedenfalls aus dem Grundsatz bundesfreundlichen Verhaltens, der auch die Länder untereinander zu gegenseitiger Abstimmung, Rücksichtnahme und Zusammenarbeit verpflichtet. " 285 282

Vgl. Gersdorf, Chancengleicher Zugang zum digitalen Femsehen, 1998, S.47. s. dazu oben 3. Kapitel Α. I. 284 Vgl. dazu Schuler-Harms, Informationsgesellschaft im Bundesstaat - Der kooperative Föderalismus vor neuen Herausforderungen in: Haratsch u. a. (Hrsg.), Herausforderungen an das Recht der Informationsgesellschaft, 1996, S.97, 101 f. 285 BVerfGE 73, 118 [197]. 283

C. Ergebnis

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Diese Entscheidung zeigt, daß gerade im Rundfunkbereich, in dem die Ausgestaltung der Rundfunkfreiheit hohen verfassungsrechtlichen Anforderungen unterliegt, solche Kooperationspflichten naheliegen286. Angesichts der Bedeutung der Vertriebsdienstleistungen für die Entwicklung der digitalen Rundfunklandschaft und der Informationsgesellschaft ist ein Zusammenwirken von Bund und Ländern zur Schaffung einheitlicher Rahmenbedingungen dringend erforderlich, da nur auf diese Weise eine Chance zur politischen Steuerung des Kommunikationswesens besteht. Bund und Länder müssen hinsichtlich des Zusammentreffens von Inhalten, Übertragungstechnik und Vertriebsstrukturen gemeinsam ordnungspolitische Vorgaben für die daraus resultierenden Problembereiche machen287. Wenig hilfreich ist es daher, wenn beide Gesetzgeber - auf ihre Kompetenzen pochend - aneinander vorbei oder sogar gegeneinander arbeiten. Es ist also hinsichtlich der Zugangsprobleme des digitalen Fernsehens auch von einer Kooperationspflicht der Kompetenzträger auszugehen. In der Literatur wird daher vorgeschlagen, das erforderliche Zusammenwirken von Bund und Ländern bei der Vorbereitung der Informationsgesellschaft künftig als Gemeinschaftsaufgabe auszugestalten288. Anknüpfungspunkt dafür könnte Art. 91 b GG sein. Ergänzend zur Bildungsplanung könnte dort die Zusammenarbeit bei der „Planung des Ausbaus und der Regulierung des Kommunikationswesens" als neue Gemeinschaftsaufgabe eingeführt werden. Die rechtliche Konkretisierung und Ausgestaltung könnte durch eine Bund-Länder-Vereinbarung in Gestalt eines Staatsvertrages erfolgen.

C. Ergebnis Als Ergebnis dieser Erörterungen ist festzuhalten, daß sowohl die Pflicht zur Ausgestaltung einer positiven Ordnung zur Sicherung der Meinungsvielfalt im Rundfunkwesen als auch die Infrastrukturgarantie im Telekommunikationsbereich Bundund Ländergesetzgeber zur Regelung der Zugangsfragen des digitalen Fernsehens zwingt. Weiterhin sind die Kompetenzträger zu enger Kooperation verpflichtet, um 286 Hoffmann-Riem, Massenmedien in: Benda/Maihofer/Vogel (Hrsg.), Handbuch des Verfassungsrechts, 1994, S.389, 417; Kreile, Kompetenz und kooperativer Föderalismus im Bereich des Kabel- und Satellitenrundfunks, 1986, S.214; Schuler-Harms, Informationsgesellschaft im Bundesstaat - Der kooperative Föderalismus vor neuen Herausforderungen, 1996, S. 109. 287 Vgl. Ladeur, Abstimmung von Kompetenzen auf den Gebieten des Telekommunikations- und des Rundfunkrechts, ZUM 1998, 261, 268. 288 Schuler-Harms, Informationsgesellschaft im Bundesstaat - Der kooperative Föderalismus vor neuen Herausforderungen, 1996, S. 112; Stammler, Kein Hindernis, keine Hilfe - das Mutimedia-Gesetz des Bundes und der Länder, epd vom 02.07.1997,4,6; Pieper, Medienrecht im Spannungsfeld von „Broadcasting und Multimedia", ZUM 1995, 552, 558; ablehnend Hochstein, Teledienste, Mediendienste und Rundfunkbegriff - Anmerkungen zur praktischen Abgrenzung multimedialer Erscheinungsformen, NJW 1997, 2977, 2981.

124

2. Kap.: Zugang zu den Vertriebsdienstleistungen

auf diese Weise sich ergänzende - und nicht wie bisher widerstreitende - Regelungen zu schaffen. In inhaltlicher Hinsicht muß das zu schaffende Reglungswerk zum einen gewährleisten, daß Rundfunkveranstalter chancengleichen Zugang zu den Vertriebsdienstleistungen haben. Parallel dazu müssen auch die Rahmenbedingungen für die Telekommunikation so ausgestaltet werden, daß sich im Bereich der technischen Dienstleistungen ein chancengleicher Wettbewerb entfalten kann. Diesbezüglich enthält das TKG bereits sinnvolle und ausreichende Regelungsansätze, die grundsätzlich auch für Rundfunkveranstalter chancengleichen Zugang zu den technischen Dienstleistungen sichern. Zusätzlich sind in Form einer rundfunkrechtlichen Aufbaustufe Regelungen für die Belegung der Multiplexe erforderlich. Rundfunkrechtlicher Regelungsbedarf besteht weiterhin für die Navigationssysteme und die Bündelung von Programmpaketen. Diese Analyse des Regelungsbedarf kann natürlich nur eine „Momentaufnahme" zu Beginn der Entwicklung des digitalen Fernsehens und des zu erwartenden konvergenten Verlaufs sein. Dies bedeutet jedoch nicht, daß eine positive Ordnung - insbesondere hinsichtlich der rundfunkrechtlichen Elemente - zur Zeit noch nicht erfolgen könnte oder sollte. Erforderlich ist vielmehr eine sachlich offene und der Dynamik angepaßte Regulierung, die gleichzeitig so bestimmt ist, daß sie Fehlentwicklungen verhindern kann.

Drittes Kapitel

Die Regulierung des digitalen Fernsehens in Großbritannien A. Die Ausgangslage in Großbritannien In Großbritannien sind die Überlegungen zur Regulierung der mit der Einführung digitalen Fernsehens1 zusammenhängenden Fragen am weitesten gediehen. Die ersten Vorschläge des zuständigen Ministeriums (Department of National Heritage) für digitales Fernsehen sind bereits im August 1995 als Diskussionspapier erschienen2. Mit dem neuen Broadcasting Act 3 , der am 1. November 1996 in Kraft trat, wurde erstmals in Europa eine umfassende Regelung digitaler Fernsehaktivitäten vorgelegt 4. Ein Vergleich mit diesen Regelungen ist unter mehreren Gesichtspunkten lohnend. Zum einen soll die Regulierung dem Gesichtspunkt Rechnung tragen, daß aufgrund ausgeprägter vertikaler Konzentration ebenso wie in Deutschland die Gefahr für eine Gatekeeping-Funktion bestimmter technischer Dienstleister besteht5. Zum anderen soll langfristig mit der Regulierung digitaler Fernsehangebote auch die Konvergenz zwischen Rundfunk, Telekommunikation und Computertechnologie gefördert, die Etablierung des sogenannten „Information Superhighway" beschleunigt und damit die internationale Wettbewerbssituation Großbritanniens gefördert werden6 In Großbritannien wird der analoge Pay-TV-Markt dominiert von BSkyB, einem Unternehmen an dem die News Corporation Rupert Murdochs zu 40 Pozent beteiligt ist 7 . BSkyB hat auch bereits umfassende Vorbereitungen getroffen für den Start 1 Einen Überblick über die Entwicklung des analogen Rundfunks in Großbritannien gibt Holznagel, Rundfunkrecht in Europa: auf dem Weg zu einem Gemeinrecht europäischer Rundfunkordnungen, 1996, S.52ff. 2 DNH, Digital Terrestrical Broadcasting: The Government's Proposals (Cm2946), 1995. 3 Her Majesty's Stationary Office (HMSO), London 1996; im Internet abrufbar unter http://www.hmso.gov.uk/acts/actsl996/96055-aj.htm. 4 Zur Entsstehungsgeschichte des Broadcasting Act s. Steemers, Digitale Medienpolitik in Großbritannien, MP 1996, 402ff.; Libertus, Zum Stand der Rundfunkgesetzgebung in Großbritannien, ZUM 1997, 101 ff. 5 Vgl. MABB (Der Direktor), Die geplante Regulierung zusätzlicher Dienstleistungen für die Verbreitung von DVB in Großbritannien, 1996. 6 Vgl. Libertus, Zum Stand der Rundfunkgesetzgebung in Großbritannien, ZUM 1997,101. 7 Vgl. Libertus, Zum Stand der Rundfunkgesetzgebung in Großbritannien, ZUM 1997,101.

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3. Kap.: Die Regulierung des digitalen Fernsehens in Großbritannien

seiner digitalen Pay-TV-Aktivitäten, der am 1. Oktober 1998 erfolgen soll 8 . So hat BSkyB Lizenzverträge mit den großen Hollywood-Studios abgeschlossen, die BSkyB 90 Prozent aller Pay-TV-Rechte sichern. Eine ebenso dominierende Stellung nimmt BSkyB im Bereich der Sportrechte ein. Weiterhin hat BSkyB 40 Prozent der Großbritannien zur Verfügung stehenden Transponder auf den Astra-Satelliten gemietet und verfügt mit „VideoCrypt" über eine proprietäre Verschlüsselungstechnologie und außerdem über die größte Abonnentenservicezentrale in Europa 9. Es wird daher davon ausgegangen, daß BSkyB der einzige britische Fernsehveranstalter ist, der den Willen und das Potential hat, digitales Fernsehen in Großbritannien überhaupt zu realisieren 10. Insofern ist die Ausgangslage in Großbritannien zu vergleichen mit der deutschen Situation. Unterschiede bestehen jedoch hinsichtlich der geplanten Verbreitungsart für digitale Fernsehprogramme. Während in Deutschland digitale Angebote bisher ausschließlich über Kabel und Satellit verbreitet werden, wird in Großbritannien zunächst auf die terrestrische Ausstrahlung gesetzt. Diese Verbreitungsart hat den Vorteil, daß so rund 90 Prozent der britischen Bevölkerung erreicht werden können, da dort die Satelliten- und Verkabelungsdichte verhältnismäßig gering ist. Nachteilig ist hingegen, daß durch die beschränkten terrestrischen Kapazitäten nur 18 digitale Programmplätze verfügbar sind, während bei einer Übertragung per Satellit und Kabel von einigen hundert digitalen Angeboten ausgegangen werden kann11. Trotz dieser Nachteile wird in England die Einführung des digitalen Fernsehens über die terrestrische Verbreitung erfolgen, da die britische Regierung erkannt hat, daß die konvergente Entwicklung hin zu einem voll ausgebauten „Information Superhighway" vom digitalen Fernsehen ausgehen wird 12 . Es kommt daher entscheidend darauf an, daß möglichst viele Zuschauer mit dieser neuen Technologie in Berührung kommen und auf diese Weise auch Zugang zu weiteren digitalen Angeboten (ζ. B. onlineDienste, e-mail) finden. Es ist das erklärte Ziel des britischen Gesetzgebers, die analoge Verbreitung zumindest mittelfristig ganz durch die digitale Technik zu ersetzen13. Zur weiteren Beschleunigung der Verbreitung der digitalen Technik ist daher vorgesehen, daß bei einer digitalen Reichweite von 50 Prozent der britischen Haushalte oder spätestens 5 Jahre nach Erteilung der ersten Multiplexlizenz über die endgültige Abschaltung analoger Programme entschieden werden wird. 14 8

„Murdoch verschenkt seine Dekoder", SZ vom 31.07.1998, S. 17. s. dazu Office of Fair Trading , The Director General's Review of BSkyB's Postion in the Wholesale Pay-TV Market, Dezember 1996, im Internet abrufbar unter http://www.open. gov.uk/oft/frames/bskyb.htm; Krönig, Wieder die Nase vorn - Murdoch beherrscht auch das britische Digital-TV, epd vom 06.11.1996, 8 ff. 10 Steemers, Digitale Medienpolotik in Großbritannien, MP 1996,402,406. 11 Holznagel/Grünwald, Multimedia per Antenne, ZUM 1997, 417. 12 ITC , EC Green Paper on the convergence of the Telecommunications, Media and Information Technology sectors and the implications for regulation - The Independent Television Commission's view, 1998, S.7; vgl. auch Libertus , Zum Stand der Rundfunkgesetzgebung in Großbritannien, ZUM 1997, 101. 13 Broadcasting Act 1996, section 33(1). 9

Β. Ausgewählte Regelungsfelder

127

Β. Ausgewählte Regelungsfelder I. Lizenzen für Inhalteanbieter Das britische Rundfunkrecht sieht für digitales Fernsehen eine Vielzahl von Lizenzen vor. Veranstalter von Fernsehprogrammen, die mit Hilfe des digitalen Multiplexverfahrens verbreitet werden, benötigen eine Digital Programme Service Licence von der Independent Television Commission (ITC) 15 . Neu im Vergleich zu den Lizenzen für analoge Satellitensender ist, daß digitale Programmlizenzen nicht mehr ausgeschrieben werden, sondern auf Anforderung für eine unbefristete Zeit erteilt werden. Die Zulassungsvoraussetzungen sind gegenüber den deutschen Anforderungen minimal. Es darf kein Ausschlußgrund für die Veranstaltung vorliegen, d. h. der Bewerber muß zuverlässig sein („a fit and proper person"), außerdem müssen die Konzentrationsvorschriften eingehalten sein.16 Die Lizenz hat die Einhaltung der rundfunkrechtlichen Vorschriften insbesondere bezüglich Jugendschutz, Werbung, Sponsoring und der Programmquoten für unabhängige Produktionen zum Inhalt 17 . Weiterhin sind Lizenzinhaber zu einem Bericht über ihr Verhältnis zum jeweiligen Multiplex-Betreiber verpflichtet. Sie haben dabei anzugeben, mit welchem Angebot sie über welches Playout-Centrum verbreitet werden, welche Laufzeit die Vereinbarungen haben und welche Kapazitäten in Anspruch genommen werden. Auch diese Einzelheiten werden zum Bestandteil der Programmlizenz 18. Anbieter von Zusatzdiensten wie z.B. Fernsehtext, elektronische Programmführer und Data Broadcast Services 19 benötigen eine Additional Service Licence20. Die Bedingungen für die Vergabe dieser Lizenzen sind im Wesentlichen die gleichen wie für Digital Programme Service Licences. Eine Besonderheit besteht hinsichtlich des Mutiplexing. Für Additional Services gilt eine Begrenzung von 10 Prozent 14 Vgl. Department of National Heritage , The Broadcasting Act 1996 - A guide to the provisions of the Act and main changes since publication, DNH 220/96, S.2; in den USA hat die Federal Communications Commission (FCC) am 03.04.1997 entschieden, daß ab 2006 in den USA die Ausstrahlung von Fernsehprogrammen nur noch digital möglich sein wird. Bereits ab 1999 müssen die vier führenden TV-Networks - ABC, CBS, NBC und Fox - außer analog auch digital senden („Ab 2006 soll es nur noch digitales Femsehen geben", epd vom 16.04.1997); einen Überblick über die amerikanische Regulierung für digitales Femsehen geben Wemmer, Das elektronische Medienrecht der USA unter besonderer Berücksichtigung des Telecommunications Act von 1996, AfP 1996,241 ff., und Gewessler, Das neue US-Telekommunikationsgesetz, CR 1996, 626 ff. 15 Broadcasting Act 1996, sections 3 to 5 and 18 to 23. 16 Broadcasting Act 1996, section 3(3). 17 Broadcasting Act 1996, sections 4 and 19. 18 Broadcasting Act 1996, section 19. 19 DNH, Digital Terrestrical Broadcasting: An explanatory guide to the provisions introduced by the Broadcasting Act 1996, 1996; im Internet abrufbar unter http://www.heritage. gov.uk7dttl.htm. 20 Broadcasting Act 1996, sections 3 to 5 and 24 to 27.

128

3. Kap.: Die Regulierung des digitalen Fesehens in Großbritannien

der Kapazität des jeweiligen Multiplexes, um eine ausreichende Kapazität für Rundfunkdienste zu gewährleisten21.

II. Multiplexlizenzen Wie bereits beschrieben, sind die Kapazitäten für Digital Terrestrical Television (DTT) begrenzt. Für die sechs zur Verfügung stehenden Multiplexe sieht der Broadcasting Act daher besondere Lizenzen vor, deren Laufzeit 12 Jahre beträgt 22. Nach Maßgabe des Broadcasting Act schreibt die ITC die Multiplexfrequenzen öffentlich aus23. Dabei hat sie zunächst zu beachten, daß die Belegung der Multiplexe nicht völlig frei erfolgen darf. Die britischen Bestimmungen über Multiplexe sehen eine Kapazitätszuweisung zugunsten der Public-Service-Anbieter vor, um diese in besonderem Maße in die Entwicklung des digitalen Fernsehens einzubeziehen24. Danach haben sowohl BBC 1 und 2 als auch Channel 3,4 und 5 einen Anspruch auf die Kapazität je eines halben Multiplexes. Die BBC kann also einen Multiplex allein nutzen, während sich Channel 3 (ITV) und 4 2 5 einen Multiplex teilen müssen. Der Multiplex für Channel 5 wird hingegen in die Ausschreibung der vier übrigen Multiplexe einbezogen werden 26. Diese Zuweisungsregeln sind so zu verstehen, daß der Lizenznehmer des jeweiligen Multiplexes verpflichtet ist, seine Kapazitäten zwingend den berechtigten Public-Service-Anbietern zur Verfügung zu stellen27. Sie sind also „Must-Carry-Rules", die jedoch nicht alle Multiplexanbieter gleichermaßen treffen, sondern nur Auswirkungen für die Lizenznehmer der „Public-Service"-Multiplexe haben. Die Antragsteller für die Multiplexlizenzen müssen nach der Ausschreibung umfassende technische und redaktionelle Ablaufpläne einreichen. Diese sollen erkennen lassen, wann der Mulitplex mit welchen Programminhalten und in welchem Verbreitungsgebiet seinen Sendebetrieb aufnehmen würde. Ferner werden Angaben darüber erwartet, auf welche Weise der potentielle Multiplexbetreiber dazu beitragen will, die Fernsehhaushalte innerhalb der Reichweite des Multiplex mit Set-topBoxen zu versorgen 28. Hinsichtlich ihrer Finanzplanung müssen die Bewerber eine 21

Broadcasting Act 1996, section 12(l)(h). Broadcasting Act 1996, sections 3 to 17; vgl. auch Multiplex A, Independent Television Commission, Broadcasting Act 1990 and Broadcasting Cat 1996, Licence granted to SDN Ltd to provide a multiplex service under part I of the Broadcasting Act 1996, im Internet abrufbar unter http://www.itc.org.uk. 23 Broadcasting Act 1996, section 7(1). 24 Broadcasting Act 1996, section 28. 25 Zu Programm und Aufgabe von Channel 3 und 4 s. ITC, Factfile 1997, im Internet abrufbar unter http://www.itc.co.uk/factfile . 26 Vgl. Libertus, Zum Stand der Rundfunkgesetzgebung in Großbritannien, ZUM 1997, 22

101, 102. 27

Vgl. Holznagel/Grünwald, Multimedia per Antenne, ZUM 1997, 417, 421. Ursprünglich war für Multiplexbetreiber vorgesehen, daß sie die Haushalte mit günstigen Dekodern versorgen müßten. Inzwischen reichen auch andere Formen der Marktöffnung, wie 28

Β. Ausgewählte Regelungsfelder

129

umfassende Prognose der Geschäftstätigkeit für die gesamte Lizenzperiode vorlegen. Zusätzlich kann die ITC weitere Informationen verlangen, die sie für erforderlich hält, um über den Antrag zu entscheiden29. Diese Angaben werden erhoben, um sicherzustellen, daß die Lizenzen an diejenigen Bewerber vergeben werden, die wahrscheinlich von allen Antragstellern den größten Beitrag zur Weiterentwicklung des digitalen Fernsehens in Großbritannien zu leisten vermögen 30. Die ITC hat ihre Vergabeentscheidung aufgrund der genannten technischen und finanziellen Angaben der Bewerber um eine Multiplexlizenz zu treffen. 31 Auch für Multiplexlizenzen kommt es darüber hinaus darauf an, daß der Bewerber seine Zuverlässigkeit nachweist32. Bei der Bewerberauswahl wird weiterhin die geplante Zusammenstellung von Angeboten auf dem jeweiligen Mutiplex berücksichtigt. Auswahlkriterium ist die Vielfalt des auf dem Multiplex insgesamt gebotenen Angebotes unter besonderer Berücksichtigung lokaler und regionaler Elemente33. Von entscheidender Bedeutung ist außerdem, ob der Bewerber vermuten läßt, daß er im Hinblick auf die Nutzung seiner Dienste durch Inhaber von Digital Programme and Additional Service Licences diskriminierungsfreie Bedingungen gewährleistet. Die Bedeutung der Prognose hinsichtlich der Gewährleistung freien Wettbewerbs 34 durch den Multiplexbetreiber hat sich daran gezeigt, daß die ITC die Vergabe der Lizenzen für die Multiplexe Β, C und D an British Digital Broadcasting PLC (BDB) zunächst abgelehnt hatte, da an diesem Unternehmen neben Carlton Communications und der Granada Group auch BSkyB beteiligt war. Die ITC hatte Bedenken im Hinblick auf die Gewährung freien Wettbewerbs durch BDB, weil BSkyB nicht nur an dem Multiplexbetreiber BDB beteiligt war, sondern darüber hinaus in großem Umfang Programme an BDB liefern wollte. Verschärfend kam BSkyB's starke Stellung auf dem analogen Pay-TV-Markt und die ebenfalls marktbeherrschende Position auf dem Film- und Sportrechtemarkte hinzu. Die ITC hat daher die Empfehlung an BSkyB ausgesprochen, die Beteiligung an BDB aufzugeben. BSkyB ist dieser Aufforderung nachgekommen und beschränkt sich nunmehr auf die Programmzulieferung an BDB. Die ITC hat daraufhin BDB die Lizenz für die Multiplexe Β, C und D erteilt 35 . Auch die vierte Lizenz für Multiplex A wurde etwa die Bereitstellung von Mitteln für Marketing und Promotion der neuen Angebote; vgl. Steemers, Digitale Medienpolitik in Großbritannien, MP 1996,401, 404. 29 Broadcasting Act 1996, section 7(4)(a) to (h). 30 Broadcasting Act 1996, section 8(1); s. dazu auch DNH, The Broadcasting Act 1996 - A guide to the provisions of the Act and main changes since publication, DNH 220/96, S.4. 31 Broadcasting Act 1996, section 8(1) and (2). 32 Broacasting Act 1996, section 3(3)(a). 33 Broadcasing Act 1996, section 8(2)(d). Hat sich ein Unternehmen um mehr als eine Multiplexlizenz beworben, ist die Bandbreite des Gesamtangebotes zugrunde zu legen (Broadcasting Act 1996, section 9(3)(c)). 34 S. dazu auch OFTEL, Submission to the ITC on competition issues arising from the award of digital terrestrial television multiplex licences, 1997. 35 Pressemitteilung der ITC, ITC announces its decision to award Multiplex Service Licences for Digital Terrestrical Television, 24.06.1997, im Internet abrufbar unter 9 Rinke

1 3 0 3 .

Kap.: Die Regulierung des digitalen Fernsehens in Großbritannien

erst erteilt, nachdem der Antragsteller SDN Ltd. durch Vorlage des Gesellschaftsvertrages nachgewiesen hatte, daß die Beteiligung von S4C 50,1 Prozent nicht übersteigt36. Bei der Entscheidung über die Erteilung von Multiplexlizenzen sind weiterhin die novellierten 37 Konzentrationsregeln des Broadcasting Act 199638 zu beachten. Sie schließen einige gesellschaftliche Gruppen prinzipiell vom Medieneigentum aus39 und legen der Beteiligungsbegrenzung ansonsten ein Zuschauermarktanteilsmodell zugrunde, das kommerziellen Fernsehunternehmen die Kontrolle von bis zu 15 Prozent des gesamten Zuschauermarktes unter Einschluß der BBC gestattet40. Nicht in die 15 Prozent-Grenze eingerechnet werden Beteiligungen an örtlichen Kabelbetreibern sowie das Innehaben einer Multiplexlizenz41 . Die Multiplexlizenzen werden jedoch in die Konzentrationskontrolle insofern einbezogen, als daß sich grundsätzlich nicht mehr als drei Multiplexlizenzen in einer Hand befinden dürfen 42. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, daß bereits die Beteiligung von mehr als 20 Prozent an dem Inhaber einer Multiplexlizenz so zu behandeln ist, als ob das beteiligte Unternehmen die Multiplexlizenz selbst hielte 43 . Weitere Einschränkungen ergeben sich daraus, daß für Fernseh Veranstalter der Besitz von mehr als einer Multiplexlizenz nur zulässig ist, wenn eine nach einem speziellem System berechnete Punktzahl nicht überschritten wird 44 . Auf der Grundlage dieses Systems werden zunächst jedem digitalem Einzelangebot grundhttp://www.itc.couk/factfile/dttnr.htm . Die Telekommunikationsbehörde OFTEL teilte die Bedenken der ITC im Hinblick auf die Beteiligung von BSkyB; s. dazu OFTEL, Oftel submission to the ITC on competetion issues arising from the award of Digital Terrestrical Television Multiplexiences, 1997, im Internet abrufbar unter http://www.oftel.gov.uk/broadcast/dtt.htm. 36 Pressemitteilung der ITC, ITC grants Multiplex A licence to SDN, 26.05.1998, im Internet abrufbar unter http://www.itc.org.uk/news. 37 Zur bisherigen Rechtslage auf der Grundlage des Broacasting Act 1990; s. Libertus, Zum Stand der Rundfunkgesetzgebung in Großbritannien, ZUM 1997, 101, 103 f. 38 Broadcasting Act 1996, section 5(1) and paragraph 6(3) in Part II of Schedule 2. 39 Broadcasting Act 1996, paragraph 9 in Part II of Schedule 2. 40 Broadcasting Act 1996, paragraph 2(1) in Part III of Schedule 2; s.dazu ausführlich Holznagel/Grünwald, Britisches Medienkonzentrationsrecht im Wandel in: Stock/Röper/Holznagel, Medienmarkt und Meinungsmacht, 1997, 109, 131 f. und Libertus, Zum Stand der Rundfunkgesetzgebung in Großbritannien, ZUM 1997,101, 104. 41 Vgl. Libertus, Zum Stand der Rundfunkgesetzgebung in Großbritannien, ZUM 1997, 101, 104. 42 Broadcasting Act 1996, paragraph 5(1) in Part III of Schedule 2; zunächst war vom DNH (Digital Terrestrical Broadcasting. The Gorvernments Proposals) vorgesehen, daß niemand mehr als zwei Multiplexe kontrollieren sollte und daß der Betrieb von Multiplexen und Programmangebot zu trennen sei. Aufgrund dieser Vorschläge war jedoch kein Unternehmen bereit, sich im DTT zu engagieren. Daher wurden die Anforderungen im Broadcasting Act 1996 gelockert; vgl. dazu ausführlich Steemers, Digitale Medienpolitik in Großbritannien, MP 1196, 402,403. 43 Broadcasting Act 1996, paragraph 5(2) in Part III of Schedule 2; s.dazu auch Henle, Fingerzeige aus London, epd vom 26.02.1997,4, 6. 44 Broadcasting Act 1996, paragraph 7 in Part III of Schedule 2.

Β. Ausgewählte Regelungsfelder

131

sätzlich zwei Punkte zugewiesen. Nur einen Punkt erhalten allerdings Angebote, deren technische Reichweite auf maximal die Hälfte der Einwohner beschränkt ist, die im Verbreitungsgebiet des jeweiligen Multiplexes wohnen. Ebenfalls nur einen Punkt erhalten außerdem Angebote, deren wöchentliche Sendezeit zwischen 12 und 50 Stunden beträgt, während Digital Programme Services mit einer Sendezeit von weniger als 12 Stunden pro Woche gar nicht von dem Punktesystem erfaßt werden. Die eigentliche Konzentrationsbegrenzung für Programmveranstaltung und Multiplexing erfolgt in Großbritannien dann dergestalt, daß eine Obergrenze der pro Unternehmen zulässigen Punkte zu bestimmen ist, die sich nach den von allen Digital Programme Services erreichten Gesamtpunkten richtet. Beträgt diese Gesamtpunktzahl 10 oder weniger, sind für jedes Medienunternehmen zwei Punkte erlaubt. Bis zu einer Gesamtpunktzahl von 24, darf jedes Unternehmen maximal 4 Punkte kontrollieren. Bei einer höheren Gesamtpunktzahl, darf der einzelne Programmanbieter bis zu einem Viertel der Gesamtpunkte auf sich vereinigen 45. Mit diesem Punktesystem wurde in Anbetracht des erst im Aufbau befindlichen digitalen Fernsehmarktes ein flexibles Regulierungsmodell entwickelt, das den zulässigen Marktanteil eines Unternehmens für Multiplex-Dienstleistungen nicht anhand einer starren Grenze bestimmt sondern von der Gesamtsituation abhängig macht. Der Schwachpunkt dieses Systems besteht hingegen darin, daß nur die Veranstaltung von Digital Programme Services und nicht die übrigen digitalen Dienstleistungen in die Bewertung einbezogen werden. Auf diese Weise wird von der Konzentrationskontrolle nach dem Broadcasting Act nur ein Teilbereich des digitalen Fernsehmarktes erfaßt. Nachdem sich die ITC im Hinblick auf eine Multiplexlizenz für einen Bewerber entschieden hat, darf sie die Lizenz nur unter den folgenden Auflagen erteilen: Der Dienst muß entsprechend dem zusammen mit der Bewerbung eingereichten Zeitplan eingerichtet werden. Ebenso müssen die weiteren in dem Antrag gemachten Vorhersagen eingehalten werden. Ferner hat der Lizenznehmer seine Multiplexkapazitäten Dritten zu fairen, angemessenen und diskriminierungsfreien Bedingungen anzubieten. Auch darf er nicht verhindern, daß seine Vertragspartner die gemieteten Kapazitäten ihrerseits an Dritte untervermieten. Darüber hinaus muß der Multiplexbetreiber einen gleichbleibend hohen Übertragungsstandard seines Mutliplexsignals gewährleisten und dafür sorgen, daß das Signal die technische Sendereichweite optimal ausnutzt. Außerdem sind mindestens 90 Prozent der Multiplexkapazität für Inhaber von Digital Programme Licences zur Verfügung zu stellen46. Schließlich sind die Lizenznehmer verpflichtet, einen von der ITC festzusetzenden Prozentsatz ihrer Einnahmen aus dem Multiplexbetrieb als eine Art Sonderabgabe zu zahlen47. 45 Zu dem Punktesystem s. auch Henle, Fingerzeige aus London - das neue britische Rundfunkgesetz, epd vom 26.02.1997, 4, 6 und Holznagel, Zugangsprobleme beim digitalen Femsehen in: Friedrich Ebert Stiftung (Hrsg.), Gesprächskreis Politik und Wissenschaft, 1997, S.25. 46 Broadcasting Act 1996, section 12(l)(a) to (h). 47 Broadcasting Act 1996, section 7(1) and 13.

9*

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3. Kap.: Die Regulierung des digitalen Fesehens in Großbritannien

Angesichts der hohen Anlaufkosten wird jedoch für die Dauer der ersten Lizenzperiode auf diese Gebühr verzichtet 48. Hält ein Multiplexbetreiber diese Auflagen nicht ein, kann die ITC mehrere Maßnahmen ergreifen. Sie kann die Lizenzdauer um zwei Jahre verkürzen oder gegen den Lizenznehmer ein Bußgeld von maximal 50000 Pfund verhängen49. Außerdem kann die Lizenz widerrufen werden, wenn der Multiplexbetreiber den reklamierten Lizenzverstoß nicht innerhalb einer von der ITC zu bestimmenden Frist abstellt50. Im Ergebnis ist festzustellen, daß das britische Lizenzierungsverfahren für Multiplexe eine effektive Belegung der Multiplexe und eine Kontrolle der Einhaltung der Bedingungen, zu denen Dritten der Zugang zu diesen Einrichtungen gewährt wird, ermöglicht. Andererseits ist das Verfahren mit einem erheblichen Aufwand für Unternehmen und Behörden verbunden. Dieses Lizenzverfahren ist vor dem Hintergrund zu sehen, daß in England die digitalen Kapazitäten aufgrund der terrestrischen Verbreitung sehr begrenzt sind. Ein rigides Kapazitätsmanagment für Multiplexe ist in Deutschland daher grundsätzlich nicht erforderlich, da Multiplexeinrichtungen für die Verbreitung von mindestens 250 Programmen zu Verfügung stehen. Es geht daher ausschließlich darum, sicherzustellen, daß die Einrichtungen zu angemessenen und nichtdiskriminierenden Bedingungen von Dritten genutzt werden können. Dies muß nicht notwendigerweise nach britischem Vorbild über Lizenzen mit den entsprechenden Aufalgen geschehen. Ausreichend ist vielmehr eine gesetzliche Verpflichtung der Anbieter und eine Kontrolle hinsichtlich der Einhaltung dieser Bedingungen. Der Schwachpunkt der britischen Regulierung zum Multiplexing besteht weiterhin darin, daß die Vorschriften ausschließlich die terrestrische Verbreitung erfassen. So hat BSkyB bereits angekündigt, eine digitale Satellittenplattform betreiben zu wollen 51 . Diese Aktivitäten werden vom Broadcasting Act 1996 nicht erfaßt und finden insofern im rechtsfreien Raum statt.

I I I . Conditional Access Die englische Regulierung sieht auch ein Lizenzsystem für Condtional AccessServices vor. In Großbritannien bedürfen die Anbieter von Zugangsberechtigungssystemen einer telekommunikationsrechtlichen Lizenz des Departments of Trade 48

Vgl. Holznagel/Grünwald, Multimedia per Antenne, ZUM 1997, 417,420. Broadcasting Act 1996, section 17(1)(2). 50 Broadcasting Act 1996, section 17(6) with a reference to Broadcasting Act 1990, section 42(1 )(a). 51 Steemers , Digitale Medienpolitik in Großbritannien, MP 1996,402,408; Krönig, Wieder die Nase vom - Murdoch beherrscht das britische Digital-TV, epd vom 06.11.1996, 8. 49

Β. Ausgewählte Regelungsfelder

133

and Industry (DTI), die am 7. Januar 1997 als sog. „Class Licence" 52 erteilt wurde 53. Dabei handelt es sich um eine Rahmengenehmigung auf der Grundlage des Telecommunications Act 198454 und der Advanced Television Service Regulations55, die jedermann den Betrieb eines Conditional Access-Systemes erlaubt, sofern er eine Reihe von Auflagen (Conditions) beachtet. Das Office of Telecommunications (OFTEL), dem die Überwachung von Conditional Access-Anbietern obliegt, hat dazu Ausführungsbestimmungen (OFTEL Guidelines) verabschiedet56. Diese Bestimmungen entfalten zwar keine Außenwirkung, die Behörde will sie ihrer Aufsichtstätigkeit jedoch zugrunde legen57. Dieser telekommunikationsrechtlichen Regulierung von Conditional Access Systemen waren Kompetenzstreitigkeiten zwischen der ITC und OFTEL vorausgegangen. Die ITC hatte die Auffassung vertreten, daß es sich beim Conditional Access ebenso wie beim Multiplexing um Fragen der Rundfunk- und nicht der Telekommunikationsaufsicht handelte, da die Bedingungen für die Nutzung der Zugangsberechtigungssysteme unmittelbaren Einfluß auf die verschlüsselt ausgestrahlten Programme habe58. OFTEL hingegen hatte argumentiert, daß bereits die analoge Übertragung von Rundfunksignalen telekommunikationsrechtlich geregelt sei und daß darüber hinaus bei der Telekommunikationsbehörde der erforderliche Sachverstand für die Zugangsfragen des digitalen Fernsehens, wie z.B. Interconnection, versammelt sei 59 . Schließlich wurde der telekommunikationsrechtlichen Regulierung der Vorzug gegeben, insbesondere da mit den zu schaffenden Vorschriften zum Conditional Access die Fernsehsignalrichtlinie der EU umzusetzen war 60 . OFTEL hat je52

Eine Class Licence ist eine telekommunikationsrechtliche Rahmengenehmigung für eine bestimmte Art („Class") von Telekommunikationssystemen. Die Erlaubnis wird pauschal für alle Unternehmen erteilt, die Systeme anbieten, die von der jeweiligen Class Licence erfaßt sind. Der einzelne Anbieter bedarf daraufhin grundsätzlich keiner eigenen Zulassung; vgl. Landau, The regulation of Conditional Access for Digital Television Services, Communications Law 1997, 1,3; Holznagel, Zugangsprobleme beim digitalen Fernsehen in: Friedrich Ebert Stiftung (Hrsg.), Gesprächskreis Politik und Wissenschaft, 1997, S. 17. 53 DTI, Class Licence for the running of conditional telecommunications systems for the provision of Conditional Access-Services granted by the Secretary of State under section 7 of the Telecommunications Act 1984 on 7 January 1997 („Class Licence"). 54 Telecommunications Act 1984, section 7(3). 55 The Advanced Television Services Regulations 1996, SI 1996 No. 3151 and No. 3191, 07.01.1997. 56 OFTEL, The Regulation of Conditional Access for Digital Television Services - OFTEL Guidelines, 1997, im Internet abrufbar unter http://www.oftel.gov.uk/broadcast/conacc.htm. 57 OFTEL Guidelines, Section 1: Introduction and Background, A3. 58 ITC, Media Ownership: ITC Response to the Government's proposals, 1995, paragraph 42. 59 Vgl. Landau , The Regulation of Conditional Access for Digital Television Services, Communications Law 1997, 1, 2f. 60 Explanatory Note to the Advanced Television Services Regulations 1996, SI 1996 No. 3151; s.dazu auch Holznagel, Zugangsprobleme beim digitalen Fernsehen in: Friedrich Ebert Stiftung (Hrsg.), Gesprächskreis Politik und Wissenschaft, 1997, S.20.

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3. Kap.: Die Regulierung des digitalen Fernsehens in Großbritannien

doch zugesagt, bei der Ausgestaltung der Guidelines und bei der Lizenzerteilung für Conditional Access-Systeme mit der ITC zu kooperieren 61. Ziel der Regulierung war zum einen die Entwicklung des digitalen Fernsehens in Großbritannien zu beschleunigen. Da die möglichst frühe Verfügbarkeit von Dekodern mit Zugangsberechtigungssystemen dabei von entscheidender Bedeutung ist, sollten frühe Investitionen in diesem Bereich durch die Regulierung belohnt werden. Zum anderen sollte jedoch sichergestellt werden, daß es nicht zu einer Abschottung dieses Bereiches kommt, um zukünftigen Wettbewerb zu ermöglichen 62. Dabei war insbesondere zu berücksichtigen, daß BSkyB durch seine exklusive Lizenz für das Verschlüsselungssystem „VideoCrypt" eine marktbeherrschende Stellung im Bereich der Conditional Access-Systeme einnimmt und außerdem die größte Abonnentenservicezentrale in Europa betreibt 63. Unter den Begriff „Conditional Access" fallen nach der britischen Regulierung die folgenden vier Einzeldienstleistungen: der Verschlüsselungsprozeß (Encryption), die Freischaltung der SmartCards (Subscriber Authorisation), die Versorgung der Abonnenten mit ihren individuellen SmartCards (Subscriber Management) und schließlich die kundenbezogenen Dienstleistungen wie z.B. die Entgegennahme, Bearbeitung und Abrechnung von Abonnementverträgen 64. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang jedoch, daß zur Zeit nur Conditional Access-Systeme erfaßt sind, die für die Verschlüsselung von Fernsehsignalen verwendet werden. Im Hinblick auf die konvergente Entwicklung, bei der Zugangsberechtigungssysteme eine entscheidende Rolle spielen, sollen die Regelungen schnellst möglich auf alle Conditional Access-Systeme ausgeweitet werden. Auf diese Weise soll gewährleistet werden, daß für alle Systeme die gleichen Bedingungen gelten65. Im Mittelpunkt der britischen Class Licence für Conditional Access-Systeme steht die Verpflichtung aller Anbieter, ihre Dienstleistungen zu fairen, angemessenen Bedingungen zu offerieren (Service obligation for operators of conditonal access services to provide technical services on a fair, reasonable and nondisriminatory basis) 66. Mit der Verpflichtung zur Diskriminierungsfreiheit ist eng die Bedin61 OFTEL Guidelines, Section 1, A24; Gemeinsame Pressemitteilung von ITC und OFTEL, Joint statement by ITC/OFTEL resolving communications issues with cross regulatory boundaries, 21.05.1998, im Internet abrufbar unter http://www.itc.org.uk/news. 62 DTI, The Regulation of Conditional Access Services for Digital Television, Final Consultation Paper, 27.11.1996, paragraph 9. 63 Vgl. Steemers , Digitale Medienpolitik in Großbritannien, MP 1996, 402, 407. 64 The Advanced Television Services Regulations 1996, SI 1996 No 3151, Regulation 8(1) and paragraph 1(a) of Schedule 1, Class Licence, paragraph 4(c). 65 Joint OFTEL and DTI Notice and Consultation, Juli 1997, Chapter 1 and 3; im Internet abrufbar unter http://www.oftel.gov.uk/Broadcast/caccdti.htm. 66 Advanced Television Standards Regulations, SI 1996 No. 3151, Regulation ll(l)(a); Class Licence, Condition 1 ; s. dazu auch OFTEL, Digital and Interactive Services: ensuring access on fair, reasonable and non-discrimnatory terms - Consultative Document, März 1998, im Internet abrufbar unter http://www.oftel.gov.uk/broadcast/dig398.htm.

Β. Ausgewählte Regelungsfelder

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gung des Fair Trading verbunden 67. Danach darf ein marktbeherrschender Anbieter 68 seine starke Stellung nicht dazu ausnutzen, um Wettbewerb zu verhindern. Von zentraler Bedeutung für die Gewährleistung der Diskriminierungsfreiheit ist wiederum die Preisgestaltung der Anbieter. Der Bereich der Preisgestaltung in Verträgen über die Nutzung von Conditional Access-Systemen wird zunächst den freien Verhandlungen zwischen den Parteien überlassen. Allerdings wurden die folgenden Mindestanforderungen für die Preisgestaltung in den Guidelines normiert: die Preise müssen sich an den Kosten für den Betrieb des Services orientieren; die Gewinne aus dem Betrieb eines Conditional Access-Systems dürfen die Kosten nicht wesentlich übersteigen, die Preise für jedes einzene Programm dürfen die Kosten für einen Stand Alone Channel nicht überschreiten; allen Kunden (auch verbundenen Unternehmen) müssen die gleichen Preise eingeräumt werden und schließlich müssen alle Mengenrabatte durch geringere Kosten gerechtfertigt sein69. Zum anderen wurden Richtlinien für die Bestimmung der den Preisen zugrundezulegenden Kosten entwickelt70. Insbesondere darf ein Anbieter seinem Vertragspartner nur Kosten in Rechnung stellen, die unmittelbar aus den gewährten Conditional Access-Dienstleistungen resultieren, und nicht etwa solche, die seinem sonstigen (möglicherweise auch Programm-)Geschäft entstammen71. Um die Unternehmen zu Investitionen im Bereich der Zugangsberechtigungssysteme zu animieren, werden andererseits im Rahmen der Berechnung der Kosten nicht nur die Anschaffungs- und Betriebskosten berücksichtigt, sondern auch das mit den Investitionen verbundene wirtschaftliche Risiko (Cost of Capital) 11. Weiterhin folgen aus dem Gebot der Diskriminierungsfreiheit Pflichten für die Anbieter in technischer und sonstiger Hinsicht auf. So muß der Betreiber des Systems gewährleisten, daß seine Serviceleistungen in technischer Hinsicht mit dem System des Nachfragers verbunden werden können (Interconnection und Interoperability] )73. Die Geräteanbieter sind verpflichtet, diese Anforderung bereits bei der Konstruktion und Produktion der Set-top-Boxen zu berücksichtigen 74. Dabei werden jedoch keine technisch oder wirtschaftlich unmöglichen Vorkehrungen von den Betreibern der Zugangsberechtigungssysteme verlangt 75. 67

Class Licence, condition 3. Vgl. zur marktbeherrschenden Stellung OFTEL, Guidelines on the operation of the Fair Trading Condition, Annex Β zu den OFTEL Guidelines. 69 OFTEL Guidelines, Section 4: Obligation to offer technical Conditional Access-Services on a fair, reasonable and non-discriminatory basis:pricing issues, A62. 70 OFTEL Guidelines, Section 4, A62 to A80. 71 OFTEL Guidelines, Section 4, A48. 72 OFTEL Guidelines, Section 4, A78 to 80. 73 Class Licence, Condition 1.2. 74 OFTEL Guidelines, Section 3: The obligation to offer technical Conditional Access-Services on a fair, reasonable and non-disriminatory basis: terms and conditions other than prices, A36. 75 OFTEL Guidelines, Section 3, A36. In diesem Bereich sieht die ITC noch weiteren Klärungsbedarf; vgl. dazu ITC, Digital Television: Interorerability and Open Access - A consul68

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3. Kap.: Die Regulierung des digitalen Fernsehens in Großbritannien

Hinsichtlich der Interoperabilität unterschiedlicher Verschlüsselungsstandards ist in Großbritannien noch keine Entscheidung zugunsten der Verwendung von Common Interfaces oder des Simulcrypt Verfahrens gefallen, da die Fernsehsignalrichtlinie keine entsprechende Ermächtigung für die Mitgliedstaaten vorsieht 76. In die Class Licence wurde daher lediglich eine Verpflichtung zu Essential Interfaces aufgenommen, wonach der Betreiber des Conditional Access-Systems verpflichtet ist, technische Details offenzulegen, die von Konkurrenten zur Entwicklung einer Schnittstelle (Interface) mit seinem System benötigt werden 77. Diese Verpflichtung ist für die beteiligten Unternehmen weniger belastend als die Verwendung des Simulcrypt Verfahrens, da die Verschlüsselungscodes nicht offen gelegt werden müssen. Weiterhin ist es sinnvoller - da nicht alle Dekoder nachträglich mit Schnittstellen ausgerüstet werden können - den Unternehmen in Form von Essential Interfaces die Wahlfreiheit über die Verwendung eines Interfaces zu belassen und nicht Common Interfaces zwingend für alle Set-top-Boxen vorzuschreiben. Darüber hinaus verlangt OFTEL zur Gewährleistung der Diskriminerungsfreiheit, daß der Conditional Access-Betreiber einem Dritten seine Leistungen auf Wunsch auch getrennt anbietet (Unbundling oder Prohibition of linked sales) 1*. Das Prinzip des Unbundling verhindern, daß ein Anbieter von Zugangsberechtigungsdiensten seine Vertragspartner nötigt, sein gesamtes Angebotspaket zu erwerben. Ein Programmveranstalter darf auch nicht gezwungen werden, sein Programm über ein Bouquet zu vermarkten, das von einem mit dem Conditional Access-Betreiber verbundenen Unternehmen angeboten wird 79 . Um der Telekommunikationsbehörde die Möglichkeit zur Überwachung dieser Auflagen zu geben, bestehen umfassende Informationspflichten zugunsten des Director General of Telecommunications. Die Lizenznehmer müssen auf seinen Wunsch hin alle Unterlagen, insbesondere auch technische Details80, offenlegen 81. Verstößt der Betreiber eines Conditional Access-Sytems gegen seine Lizenzauflagen und schadet dadurch einem Dritten, kann dieser Verstoß in dreifacher Hinsicht geahndet werden: Erstens durch eine Beschwerde an OFTEL, die ein Einschreiten des Director General of Telecommunications gemäß seiner Befugnisse aus dem Telecommunications Act 1984 zur Folge haben kann82. Weiterhin wurde entspretation document issued by the Independent Television Commission, Mai 1998, im Internet abrufbar unter http://www.itc.org.uk. 76 DTI, The Regulation of Conditional Access-Services for Digital Television, 1996, paragraph 80. 77 Class Licence, condition 5. 78 Class Licence, condition 4; OFTEL Guidelines, Section 3, A55. 79 OFTEL Guidelines, Section 3, A56(b). 80 Class Licence, Condition 11.5. 81 Class Licence, Condition 11.1. 82 Telecommunications Act 1984, section 16. Dies gilt insbesondere auch im Hinblick auf Essential Interfaces. Sollten die Parteien die Verhandlungen abbrechen, kann der Director General eine technische Lösung vorschlagen (Class Licence, condition 5; OFTEL Guidelines, Section 7: Other licence conditions, A129).

Β. Ausgewählte Regelungsfelder

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chend der Vorgabe der Fernsehsignalrichtlinie ein besondereres Schlichtungsverfahren eingeführt 83. Dabei wird der unabhängige Schlichter entweder einvernehmlich von den streitenden Parteien vorgeschlagen oder vom Director General bestimmt, wenn die Parteien diesbezüglich keine Einigkeit erzielen können. Sofern nicht vorab eine abweichende Vereinbarung getroffen wurde, gilt das Schlichtungsverfahren nach zwei Monaten als beendet. Es ist gescheitert, wenn der der Schlichter bis zu diesem Zeitpunkt keinen Konfliktlösungsvorschlag präsentieren konnte84. Dann bleibt den Parteien schließlich nur noch der Weg einer gerichtlichen Klärung ihrer Streitfrage 85. Zusammenfassend ist festzustellen, daß die englische Regulierung für Conditional Access-Systeme im Wesentlichen mit der deutschen Regulierung für Telekommunikationsdienstleistungen vergleichbar ist. Die Advanced Televisions Standards Regulation enthält im Zusammenspiel mit den OFTEL Guidelines ebenso wie das TKG detaillierte Vorgaben zur Preisgestaltung, zur Interconnection und zum Entbündelungsgebot, die zu einer entsprechenden Rechtssicherheit bei den betroffenen Unternehmen führt und insofern Investitionen fördert. Die konkrete Ausgestaltung der Zugangsvereinbarungen wird ebenfalls zunächst den Vertragsparteien überlassen. Erst im Fall von Unstimmigkeiten zwischen den Parteien steht die Aufsichtsbehörde als Schlichtungsstelle zur Verfügung.

IV. Navigationssysteme In Großbritannien sind die Navigationssystme einem Doppelregime aus Rundfunk- und Telekommunikationsrecht unterstellt. Diese Zweiteilung beruht darauf, daß EPGs in gleichem Maße technische und rundfunkgezogene Fragestellungen aufwerfen. In telekommunikationsrechtlicher Hinsicht sind insbesondere die Betriebssysteme (APIs) der Dekoder zu regulieren, die darüber entscheiden, welche EPGs mit dem jeweiligen Dekoderystem abgebildet werden können86. Die Rundfunkbezogenheit der Navigationssysteme folgt daraus, daß die Reihenfolge und die Art der Abbildung der Rundfunkprogramme einen entscheidenden Einfluß auf die Akzeptanz der Zuschauer hat. Nach britischem Recht gilt weiterhin die Übermittlung der SIDaten in einem gemultiplexten Datenstrom als rundfunkbezogen 87. Dies folgt jedoch daraus, daß das Multiplexing insgesamt dem Rundfunk zugeordnet wird. 83

Advanced Television Standards Regulations, SI 1996, No. 3151, Regulation 15. Advanced Television Standards Regulations, Regulation 15(7). 85 Advanced Television Standards Regulations, Regulation 15(2). 86 Diese Frage wird nach englischem Recht nur dem Telekommunikationsrecht zugeordnet, wenn die APIs in den Dekodern installiert sind. Werden die Betriebssysteme, wie z.B. bei der d-box, per Data Broadcast übertragen und aktualisiert, sind sie wiederum rundfunkrechtlich geregelt (ITC, Code of Conduct on Electronic Programme Guides [Code of Conduct], 1997, paragraph 10). 87 ITC, Code of Conduct 1997, paragraph 10; vgl. dazu auch Holznagel, Multimedia per Antenne, ZUM 1997, 417, 422. 84

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3. Kap.: Die Regulierung des digitalen Fernsehens in Großbritannien

In Großbritannien besteht daher für Navigationssysteme zunächst eine rundfunkrechtliche Lizenzpflicht als Digital Additional Services nach dem Broadcasting Act 199688. Die ITC hat hierzu im Juni 1997 einen Code of Conduct on Electronic Programme Guides beschlossen, nach dessen Maßgabe sie die Lizenzen beaufsichtigen will 8 9 . Danach ist der Betreiber eines Navigationssystems verpflichtet, alle Angebote gleich zu behandeln; Public Service Channels ist dabei jedoch ,4ue prominence " einzuräumen90. Außerdem darf ein Anbieter eines Navigationssystems seine eigenen Programme nicht gegenüber fremden Angeboten optisch hervorheben 91. Sollte die Marktentwicklung nicht nur ein zentrales, veranstalterübergreifendes Navigationssystem hervorbringen, sondern vielmehr eine Anzahl anbieterspezifischer Systeme, dann darf kein Betreiber einen Veranstalter daran hindern, seine Programmdaten gleichzeitig mehreren Anbietern zur Verfügung zu stellen92. Allgemein besteht schließlich die Pflicht, Verträge über die Aufnahme in ein Navigationssystem nur zu chancengleichen, angemessenen und nichtdiskriminierenden (fair; reasonable and non-discriminatory) Bedingungen abzuschließen93. Eine Ausnahme besteht nur für Rundfunkveranstalter, die einen EPG ausschließlich für ihre eigenen Programme anbieten. Diese Veranstalter sind nicht verpflichtet, Drittprogrammen Zugang anzubieten94. Auch hinsichtlich der EPGs wurde bei der Regulierung die zukünftige, konvergente Entwicklung berücksichtigt. Mit dem Code of Conduct soll sichergestellt werden, daß alle Angebote, unabhängig davon, ob sie dem Rundfunk zuzordnen sind, diskriminierungsfreien Zugang zu Navigationssystemen haben. Angebote, die keiner ITC Lizenz bedürfen, werden daher als „