Zivilprozessordnung und Nebengesetze: Band 9 §§ 724-802l [5., neu bearb. Auflage] 9783110443073, 9783110443158, 9783110435252

Volume 9 provides commentary on the general provisions on compulsory enforcement. Mit Änderungen zum elektronischen Zi

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Zivilprozessordnung und Nebengesetze: Band 9 §§ 724-802l [5., neu bearb. Auflage]
 9783110443073, 9783110443158, 9783110435252

Table of contents :
Die Bearbeiter der 5. Auflage
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur
ACHTES BUCH Zwangsvollstreckung
ABSCHNITT 1 Allgemeine Vorschriften
§ 724 Vollstreckbare Ausfertigung
§ 725 Vollstreckungsklausel
§ 726 Vollstreckbare Ausfertigung bei bedingten Leistungen
§ 727 Vollstreckbare Ausfertigung für und gegen Rechtsnachfolger
§ 728 Vollstreckbare Ausfertigung bei Nacherbe oder Testamentsvollstrecker
§ 729 Vollstreckbare Ausfertigung gegen Vermögens- und Firmenübernehmer
§ 730 Anhörung des Schuldners
§ 731 Klage auf Erteilung der Vollstreckungsklausel
§ 732 Erinnerung gegen Erteilung der Vollstreckungsklausel
§ 733 Weitere vollstreckbare Ausfertigung
§ 734 Vermerk über Ausfertigungserteilung auf der Urteilsurschrift
Vorbemerkungen zu §§ 735–749
§ 735 Zwangsvollstreckung gegen nicht rechtsfähigen Verein
§ 736 Zwangsvollstreckung gegen BGB-Gesellschaft
§ 737 Zwangsvollstreckung bei Vermögens- oder Erbschaftsnießbrauch / § 738 Vollstreckbare Ausfertigung gegen Nießbraucher
§ 739 Gewahrsamsvermutung bei Zwangsvollstreckung gegen Ehegatten und Lebenspartner
§ 740 Zwangsvollstreckung in das Gesamtgut
§ 741 Zwangsvollstreckung in das Gesamtgut bei Erwerbsgeschäft
§ 742 Vollstreckbare Ausfertigung bei Gütergemeinschaft während des Rechtsstreits
§ 743 Beendete Gütergemeinschaft
§ 744 Vollstreckbare Ausfertigung bei beendeter Gütergemeinschaft
§ 744a Zwangsvollstreckung bei Eigentums- und Vermögensgemeinschaft
§ 745 Zwangsvollstreckung bei fortgesetzter Gütergemeinschaft
§ 746 (aufgehoben durch GleichberechtigungsG vom 18.6.1957, BGBl. I S. 609) / § 747 Zwangsvollstreckung in ungeteilten Nachlass
§ 748 Zwangsvollstreckung bei Testamentsvollstrecker
§ 749 Vollstreckbare Ausfertigung für und gegen Testamentsvollstrecker
§ 750 Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung
§ 751 Bedingungen für Vollstreckungsbeginn
§ 752 Sicherheitsleistung bei Teilvollstreckung
§ 753 Vollstreckung durch Gerichtsvollzieher
§ 753a Vollmachtsnachweis / § 754 Vollstreckungsauftrag und vollstreckbare Ausfertigung
§ 754a Vereinfachter Vollstreckungsauftrag bei Vollstreckungsbescheiden
§ 755 Ermittlung des Aufenthaltsorts des Schuldners
§ 756 Zwangsvollstreckung bei Leistung Zug um Zug
§ 757 Übergabe des Titels und Quittung
§ 757a Auskunfts- und Unterstützungsersuchen
§ 758 Durchsuchung; Gewaltanwendung
§ 758a Richterliche Durchsuchungsanordnung; Vollstreckung zur Unzeit
§ 759 Zuziehung von Zeugen
§ 760 Akteneinsicht; Aktenabschrift
§ 761 (weggefallen) / § 762 Protokoll über Vollstreckungshandlungen
§ 763 Aufforderungen und Mitteilungen
§ 764 Vollstreckungsgericht
§ 765 Vollstreckungsgerichtliche Anordnungen bei Leistung Zug um Zug
§ 765a Vollstreckungsschutz
§ 766 Erinnerung gegen Art und Weise der Zwangsvollstreckung
§ 767 Vollstreckungsabwehrklage
§ 768 Klage gegen Vollstreckungsklausel
§ 769 Einstweilige Anordnungen
§ 770 Einstweilige Anordnungen im Urteil
§ 771 Drittwiderspruchsklage
§ 772 Drittwiderspruchsklage bei Veräußerungsverbot
§ 773 Drittwiderspruchsklage des Nacherben
§ 774 Drittwiderspruchsklage des Ehegatten oder Lebenspartners
§ 775 Einstellung oder Beschränkung der Zwangsvollstreckung
§ 776 Aufhebung von Vollstreckungsmaßregeln
§ 777 Erinnerung bei genügender Sicherung des Gläubigers
§ 778 Zwangsvollstreckung vor Erbschaftsannahme
§ 779 Fortsetzung der Zwangsvollstreckung nach dem Tod des Schuldners
§ 780 Vorbehalt der beschränkten Erbenhaftung
§ 781 Beschränkte Erbenhaftung in der Zwangsvollstreckung
§ 782 Einreden des Erben gegen Nachlassgläubiger
§ 783 Einreden des Erben gegen persönliche Gläubiger
§ 784 Zwangsvollstreckung bei Nachlassverwaltung und -insolvenzverfahren
§ 785 Vollstreckungsabwehrklage des Erben
§ 786 Vollstreckungsabwehrklage bei beschränkter Haftung
§ 786a See- und binnenschifffahrtsrechtliche Haftungsbeschränkung
§ 787 Zwangsvollstreckung bei herrenlosem Grundstück oder Schiff
§ 788 Kosten der Zwangsvollstreckung
§ 789 Einschreiten von Behörden
§ 790 (weggefallen)
§ 791 (weggefallen) / § 792 Erteilung von Urkunden an Gläubiger
§ 793 Sofortige Beschwerde
§ 794 Weitere Vollstreckungstitel
§ 794a Zwangsvollstreckung aus Räumungsvergleich
§ 795 Anwendung der allgemeinen Vorschriften auf die weiteren Vollstreckungstitel
§ 795a Zwangsvollstreckung aus Kostenfestsetzungsbeschluss
§ 795b Vollstreckbarerklärung des gerichtlichen Vergleichs
§ 796 Zwangsvollstreckung aus Vollstreckungsbescheiden
§ 796a Voraussetzungen für die Vollstreckbarerklärung eines Anwaltsvergleichs
§ 796b Vollstreckbarerklärung durch das Prozessgericht
§ 796c Vollstreckbarerklärung durch einen Notar
§ 797 Verfahren bei vollstreckbaren Urkunden
§ 797a Verfahren bei Gütestellenvergleichen
§ 798 Wartefrist
§ 798a (aufgehoben) / § 799 Vollstreckbare Urkunde bei Rechtsnachfolge
§ 799a Schadensersatzpflicht bei der Vollstreckung aus Urkunden durch andere Gläubiger
§ 800 Vollstreckbare Urkunde gegen den jeweiligen Grundstückseigentümer
§ 800a Vollstreckbare Urkunde bei Schiffshypothek
§ 801 Landesrechtliche Vollstreckungstitel
§ 802 Ausschließlichkeit der Gerichtsstände
ABSCHNITT 2 Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen
TITEL 1 Allgemeine Vorschriften
§ 802a Grundsätze der Vollstreckung; Regelbefugnisse des Gerichtsvollziehers
§ 802b Gütliche Erledigung; Vollstreckungsaufschub bei Zahlungsvereinbarung
§ 802c Vermögensauskunft des Schuldners
§ 802d Weitere Vermögensauskunft
§ 802e Zuständigkeit
§ 802f Verfahren zur Abnahme der Vermögensauskunft
§ 802g Erzwingungshaft
§ 802h Unzulässigkeit der Haftvollstreckung
§ 802i Vermögensauskunft des verhafteten Schuldners
§ 802j Dauer der Haft; erneute Haft
§ 802k Zentrale Verwaltung der Vermögensverzeichnisse
§ 802l Auskunftsrechte des Gerichtsvollziehers
Sachregister

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Großkommentare der Praxis

Wieczorek/Schütze Zivilprozessordnung und Nebengesetze Großkommentar 5., neu bearbeitete Auflage begründet von Dr. Bernhard Wieczorek weiland Rechtsanwalt am BGH herausgegeben von Professor Dr. Dr. h.c. Rolf A. Schütze, Rechtsanwalt in Stuttgart und Professor Dr. Martin Gebauer, Universität Tübingen, Richter am OLG Stuttgart Neunter Band §§ 724–802l

Bearbeiter: §§ 724–730, §§ 739–749, §§ 758–758a, § 765a, §§ 777–787, §§ 789–792, §§ 794–802: Christoph G. Paulus §§ 731–738, §§ 750–757a, §§ 759–765: David-Christoph Bittmann §§ 766–776, § 793: Frank Spohnheimer § 788: Stefan Smid §§ 802a–802l: Christoph G. Paulus, Felix Loth

Stand der Bearbeitung: Mai 2023 Zitiervorschlag: z.B.: Wieczorek/Schütze/Bittmann § 731 Rdn. 5 Sachregister: Christian Klie

ISBN 978-3-11-044307-3 e-ISBN (PDF) 978-3-11-044315-8 e-ISBN (E-PUB) 978-3-11-043525-2 Library of Congress Control Number: 2023939788 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2024 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Satz: Meta Systems Publishing & Printservices GmbH, Wustermark Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck www.degruyter.com

Die Bearbeiter der 5. Auflage Professor em. Dr. Hans-Jürgen Ahrens, Universität Osnabrück, Richter am OLG Celle a.D. Professor a.D. Dr. Dorothea Assmann, Universität Potsdam Dr. David-Christoph Bittmann, Vorsitzender Richter am LG Kaiserslautern Professor Dr. Wolfgang Büscher, Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof a.D., Honorarprofessor Universität Osnabrück Professor Dr. Florian Eichel, Universität Bern Univ.-Professor Dr. Thomas Garber, Karl-Franzens-Universität Graz Professor Dr. Martin Gebauer, Universität Tübingen, Richter am OLG Stuttgart Uwe Gerken, Vorsitzender Richter am OLG Oldenburg a.D. Professor, Dr. Helge Großerichter, Rechtsanwalt, Honorarprofessor Ludwig-MaximiliansUniversität, München Dr. Sabine Hartmann, Rechtsanwältin in Kiel Jens Joachim Haubold, Rechtsanwalt, Stuttgart Professor Dr. Stefan Huber, LL.M., Universität Tübingen Sabine Hufschmidt, Rechtsanwältin/Mediatorin (zertifiziert) Professor Dr. Volker Michael Jänich, Universität Jena, Richter am OLG Jena Professor Dr. Christoph A. Kern, LL.M. (Harvard), Universität Heidelberg, Direktor des Instituts für ausländisches und internationales Privat- und Wirtschaftsrecht Dr. Ferdinand Kruis, Rechtsanwalt, München Dr. Felix Loth, Richter am LG Berlin Professor Dr. Florian Loyal, Universität Leipzig Professor Dr. Wolfgang Lüke, LL.M. (Chicago), Universität Leipzig, Richter am OLG Dresden a.D. Professor Dr. Robert Magnus, Universität Bayreuth Professor Dr. Dr. h.c. Heinz-Peter Mansel, Universität Köln, Direktor des Instituts für internationales und ausländisches Privatrecht Univ.-Professor Dr. Matthias Neumayr, Vizepräsident des OGH, Universität Salzburg Dr. Carl Friedrich Nordmeier, Richter am LG Frankfurt am Main Professor a.D. Dr. Christoph G. Paulus, LL.M. (Berkeley), Humboldt-Universität zu Berlin Professor Dr. Dr. h.c. mult. Hanns Prütting, Universität zu Köln, Direktor des Instituts für Verfahrensrecht (1986–2006) Dr. Hartmut Rensen, Richter am Bundesgerichtshof Dr. Fabian Reuschle, Richter am LG Stuttgart Professor Dr. Mathias Rohe, M.A., Universität Erlangen, Richter am OLG Nürnberg a.D. Dr. Anastasia Schreiber, LL.M., Rechtsanwältin in Dortmund Professor Dr. Christoph Schreiber, Universität Witten/Herdecke Professor Dr. Dr. h.c. Rolf A. Schütze, Rechtsanwalt, Stuttgart, Honorarprofessor Universität Tübingen Professor Dr. Götz Schulze, Universität Potsdam † Professor Dr. Stefan Smid, Universität Kiel Dr. Frank Spohnheimer, Lehrstuhlvertreter, Habilitand an der FernUniversität Hagen Professor Dr. Felipe Temming, LL.M. (LSE), Leibniz Universität Hannover Professor Dr. Christoph Thole, Universität zu Köln, Direktor des Instituts für Verfahrensrecht und Insolvenzrecht Professor Dr. Roderich C. Thümmel, LL.M. (Harvard), Rechtsanwalt, Stuttgart, Honorarprofessor Universität Tübingen Dr. Eyk Ueberschär, Rechtsanwalt, Referent und Justitiar Gemeinde Rüdersdorf bei Berlin Professor Dr. Barbara Völzmann-Stickelbrock, FernUniversität Hagen Dr. Andreas Wax, Maître en Droit, Rechtsanwalt, Stuttgart Professor Dr. Matthias Weller, Mag. rer. publ., Universität Bonn Univ.-Professor Dr. Matthias Wendland, LL.M. (Harvard), Karl-Franzens-Universität Graz V https://doi.org/10.1515/9783110443158-202

Die Bearbeiter der 5. Auflage

Professor Dr. Stephan Weth, Universität des Saarlandes Dr. Thomas Winter, Rechtsanwalt beim BGH Dr. Wolfgang Winter, Rechtsanwalt, München Professor Dr. Mark Zeuner, Rechtsanwalt/Insolvenzverwalter Hamburg, Honorarprofessor Universität Kiel

VI

Inhaltsverzeichnis Die Bearbeiter der 5. Auflage V XI Abkürzungsverzeichnis Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur

XXVII

ACHTES BUCH Zwangsvollstreckung ABSCHNITT 1 Allgemeine Vorschriften 1 § 724 Vollstreckbare Ausfertigung 14 § 725 Vollstreckungsklausel 25 § 726 Vollstreckbare Ausfertigung bei bedingten Leistungen 39 § 727 Vollstreckbare Ausfertigung für und gegen Rechtsnachfolger 59 § 728 Vollstreckbare Ausfertigung bei Nacherbe oder Testamentsvollstrecker 62 § 729 Vollstreckbare Ausfertigung gegen Vermögens- und Firmenübernehmer 67 § 730 Anhörung des Schuldners 69 § 731 Klage auf Erteilung der Vollstreckungsklausel 76 § 732 Erinnerung gegen Erteilung der Vollstreckungsklausel 85 § 733 Weitere vollstreckbare Ausfertigung 90 § 734 Vermerk über Ausfertigungserteilung auf der Urteilsurschrift 91 Vorbemerkungen zu §§ 735–749 94 § 735 Zwangsvollstreckung gegen nicht rechtsfähigen Verein 98 § 736 Zwangsvollstreckung gegen BGB-Gesellschaft 105 § 737 Zwangsvollstreckung bei Vermögens- oder Erbschaftsnießbrauch 105 § 738 Vollstreckbare Ausfertigung gegen Nießbraucher § 739 Gewahrsamsvermutung bei Zwangsvollstreckung gegen Ehegatten und Lebenspart111 ner 120 § 740 Zwangsvollstreckung in das Gesamtgut 125 § 741 Zwangsvollstreckung in das Gesamtgut bei Erwerbsgeschäft 129 § 742 Vollstreckbare Ausfertigung bei Gütergemeinschaft während des Rechtsstreits 133 § 743 Beendete Gütergemeinschaft 135 § 744 Vollstreckbare Ausfertigung bei beendeter Gütergemeinschaft 138 § 744a Zwangsvollstreckung bei Eigentums- und Vermögensgemeinschaft 144 § 745 Zwangsvollstreckung bei fortgesetzter Gütergemeinschaft 146 § 746 (aufgehoben durch GleichberechtigungsG vom 18.6.1957, BGBl. I S. 609) 146 § 747 Zwangsvollstreckung in ungeteilten Nachlass 150 § 748 Zwangsvollstreckung bei Testamentsvollstrecker 154 § 749 Vollstreckbare Ausfertigung für und gegen Testamentsvollstrecker 156 § 750 Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung 176 § 751 Bedingungen für Vollstreckungsbeginn 183 § 752 Sicherheitsleistung bei Teilvollstreckung 186 § 753 Vollstreckung durch Gerichtsvollzieher 197 § 753a Vollmachtsnachweis 197 § 754 Vollstreckungsauftrag und vollstreckbare Ausfertigung 210 § 754a Vereinfachter Vollstreckungsauftrag bei Vollstreckungsbescheiden 211 § 755 Ermittlung des Aufenthaltsorts des Schuldners 217 § 756 Zwangsvollstreckung bei Leistung Zug um Zug 228 § 757 Übergabe des Titels und Quittung 231 § 757a Auskunfts- und Unterstützungsersuchen 236 § 758 Durchsuchung; Gewaltanwendung VII

Inhaltsverzeichnis

§ 758a § 759 § 760 § 761 § 762 § 763 § 764 § 765 § 765a § 766 § 767 § 768 § 769 § 770 § 771 § 772 § 773 § 774 § 775 § 776 § 777 § 778 § 779 § 780 § 781 § 782 § 783 § 784 § 785 § 786 § 786a § 787 § 788 § 789 § 790 § 791 § 792 § 793 § 794 Anhang § 794a § 795 § 795a § 795b § 796 § 796a § 796b § 796c § 797 § 797a § 798 § 798a

Richterliche Durchsuchungsanordnung; Vollstreckung zur Unzeit 243 254 Zuziehung von Zeugen 257 Akteneinsicht; Aktenabschrift 259 (weggefallen) 259 Protokoll über Vollstreckungshandlungen 263 Aufforderungen und Mitteilungen 265 Vollstreckungsgericht 268 Vollstreckungsgerichtliche Anordnungen bei Leistung Zug um Zug 270 Vollstreckungsschutz 294 Erinnerung gegen Art und Weise der Zwangsvollstreckung 325 Vollstreckungsabwehrklage 368 Klage gegen Vollstreckungsklausel 376 Einstweilige Anordnungen 389 Einstweilige Anordnungen im Urteil 393 Drittwiderspruchsklage 418 Drittwiderspruchsklage bei Veräußerungsverbot 423 Drittwiderspruchsklage des Nacherben 426 Drittwiderspruchsklage des Ehegatten oder Lebenspartners 429 Einstellung oder Beschränkung der Zwangsvollstreckung 445 Aufhebung von Vollstreckungsmaßregeln 451 Erinnerung bei genügender Sicherung des Gläubigers 457 Zwangsvollstreckung vor Erbschaftsannahme 461 Fortsetzung der Zwangsvollstreckung nach dem Tod des Schuldners 465 Vorbehalt der beschränkten Erbenhaftung 474 Beschränkte Erbenhaftung in der Zwangsvollstreckung 477 Einreden des Erben gegen Nachlassgläubiger 481 Einreden des Erben gegen persönliche Gläubiger 483 Zwangsvollstreckung bei Nachlassverwaltung und -insolvenzverfahren 485 Vollstreckungsabwehrklage des Erben 488 Vollstreckungsabwehrklage bei beschränkter Haftung 493 See- und binnenschifffahrtsrechtliche Haftungsbeschränkung 496 Zwangsvollstreckung bei herrenlosem Grundstück oder Schiff 499 Kosten der Zwangsvollstreckung 528 Einschreiten von Behörden 529 (weggefallen) 530 (weggefallen) 530 Erteilung von Urkunden an Gläubiger 533 Sofortige Beschwerde 543 Weitere Vollstreckungstitel 585 zu § 794: EuGVVO und Lugano-Übereinkommen 591 Zwangsvollstreckung aus Räumungsvergleich 596 Anwendung der allgemeinen Vorschriften auf die weiteren Vollstreckungstitel 601 Zwangsvollstreckung aus Kostenfestsetzungsbeschluss 602 Vollstreckbarerklärung des gerichtlichen Vergleichs 603 Zwangsvollstreckung aus Vollstreckungsbescheiden 608 Voraussetzungen für die Vollstreckbarerklärung eines Anwaltsvergleichs 615 Vollstreckbarerklärung durch das Prozessgericht 619 Vollstreckbarerklärung durch einen Notar 621 Verfahren bei vollstreckbaren Urkunden 629 Verfahren bei Gütestellenvergleichen 632 Wartefrist 635 (aufgehoben) VIII

Inhaltsverzeichnis

§ 799 § 799a § 800 § 800a § 801 § 802

Vollstreckbare Urkunde bei Rechtsnachfolge 635 Schadensersatzpflicht bei der Vollstreckung aus Urkunden durch andere Gläubiger 639 Vollstreckbare Urkunde gegen den jeweiligen Grundstückseigentümer 644 Vollstreckbare Urkunde bei Schiffshypothek 645 Landesrechtliche Vollstreckungstitel 646 Ausschließlichkeit der Gerichtsstände

ABSCHNITT 2 Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen TITEL 1 Allgemeine Vorschriften § 802a Grundsätze der Vollstreckung; Regelbefugnisse des Gerichtsvollziehers § 802b Gütliche Erledigung; Vollstreckungsaufschub bei Zahlungsvereinbarung 659 § 802c Vermögensauskunft des Schuldners 668 § 802d Weitere Vermögensauskunft 674 § 802e Zuständigkeit 677 § 802f Verfahren zur Abnahme der Vermögensauskunft 685 § 802g Erzwingungshaft 692 § 802h Unzulässigkeit der Haftvollstreckung 695 § 802i Vermögensauskunft des verhafteten Schuldners 699 § 802j Dauer der Haft; erneute Haft 702 § 802k Zentrale Verwaltung der Vermögensverzeichnisse 708 § 802l Auskunftsrechte des Gerichtsvollziehers Sachregister

IX

717

650 653

636

Abkürzungsverzeichnis A a.A. A.C. a.E. a.F. a.M. a.a.O. Abk. ABl. abl. Abs. Abschn. Abt. abw. AbzG AcP ADSp. AEUV AG AGB AGBG AGS AHK ähnl. AktG AktO All E.R. Allg. Allg.M. Alt. Am. J. Comp. L. Am. J. Int. L. AMBl BY AMG amtl. ÄndVO AnfG Anh. Anl. Anm. AnwBl. AO AöR AP App. Arb. Int. ArbG ArbGG ArbR ArbuR Art. art. AuA

Euro anderer Ansicht The Law Reports, Appeal Cases am Ende alter Fassung anderer Meinung am angegebenen Ort Abkommen Amtsblatt ablehnend(e/er) Absatz Abschnitt Abteilung abweichend Abzahlungsgesetz Archiv für die civilistische Praxis [Band (Jahr) Seite] Allgemeine Deutsche Spediteurbedingungen Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union Aktiengesellschaft, auch Amtsgericht, auch Ausführungsgesetz, auch Die Aktiengesellschaft, Zeitschrift für das gesamte Aktienwesen (Jahr, Seite) Allgemeine Geschäftsbedingungen Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen Anwaltsgebühren spezial Alliierte Hohe Kommission ähnlich Aktiengesetz Aktenordnung All England Law Reports Allgemein (e/er/es) allgemeine Meinung Alternative American Journal of Comparative Law American Journal for International Law Amtsblatt des Bayerischen Staatsministeriums für Arbeit und soziale Fürsorge Arzneimittelgesetz amtlich Änderungsverordnung Anfechtungsgesetz Anhang Anlage Anmerkung Anwaltsblatt Abgabenordnung Archiv des öffentlichen Rechts Arbeitsrechtliche Praxis, Nachschlagewerk des Bundesarbeitsgerichts „Corte d’appello (Italien); Cour d’appel (Belgien, Frankreich)“ Arbitration International Arbeitsgericht Arbeitsgerichtsgesetz Arbeit und Recht Arbeit und Recht Artikel Article Arbeit und Arbeitsrecht

XI https://doi.org/10.1515/9783110443158-204

Abkürzungsverzeichnis

Aufl. AUG ausf. AusfG AusfVO Ausg. ausl. AuslInvestmG AVAG AWD AWG

Auflage Auslandsunterhaltsgesetz ausführlich Ausführungsgesetz Ausführungsverordnung Ausgabe ausländisch Gesetz über den Vertrieb ausländischer Investmentanteile und über die Besteuerung der Erträge aus ausländischen Investmentanteilen Anerkennungs- und Vollstreckungsausführungsgesetz Außenwirtschaftsdienst des Betriebsberaters Außenwirtschaftsgesetz

BAföG BAG BAGE BAnz. BauR bay. BayObLG BayObLGZ BayVBl. BB BBergG BBl. Bd. Bearb. BeckOK BeckRS BEG begr. Beil. Bek. belg. Bem. Ber. ber. BerDGVR bes. Beschl. bestr. betr. BeurkG BezG BfA BFH BFH/NV BFHE BFH-PR BG BGB BGBl. BGE BGH BGHR

Bundesausbildungsförderungsgesetz Bundesarbeitsgericht Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts, Amtliche Sammlung Bundesanzeiger Baurecht bayerisch Bayerisches Oberstes Landesgericht Entscheidungen des Bayerischen Obersten Landesgerichts in Zivilsachen, Amtliche Sammlung Bayerische Verwaltungsblätter Betriebs-Berater Bundesberggesetz Bundesblatt der Schweizerischen Eidgenossenschaft Band Bearbeitung Beck’scher Online-Kommentar Beck-Rechtsprechung Bundesentschädigungsgesetz begründet Beilage Bekanntmachung belgisch Bemerkung(en) Bericht berichtigt Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht besonders Beschluss bestritten betreffend Beurkundungsgesetz Bezirksgericht Bundesanstalt für Arbeit Bundesfinanzhof Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Sammlung der Entscheidungen und Gutachten des Bundesfinanzhofs Entscheidungen des Bundesfinanzhofs für die Praxis der Steuerberatung Bundesgericht (Schweiz) Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Entscheidungen des schweizerischen Bundesgerichts, Amtliche Sammlung Bundesgerichtshof Systematische Sammlung der Entscheidungen des BGH

XII

Abkürzungsverzeichnis

BGHZ BinSchG BinSchVerfG Bl. BMF BNotO BörsG BPatG BR(-Drucks.) BRAGO BRAK-Mitt. BRAO Breith. brit. Brüssel I-VO Brüssel Ia-VO

BSG BSGE BSHG bspw. BStBl. BT(-Drucks.) Buchst. BVerfG BVerfGE BVerfGG BVerwG BVerwGE BW BWNotZ BYIL bzw. C.A. C.M.L.R. Cahiers dr. europ. Cass. (Italien) S.U. Cass. Civ. (com., soc.) Cc (cc) ch. Ch.D. CIM CISG CIV Civ. J. Q. Clunet CML Rev.

XIII

„Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen; Amtliche Sammlung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs“ Binnenschifffahrtsgesetz Gesetz über das gerichtliche Verfahren in Binnenschifffahrtssachen Blatt Bundesministerium der Finanzen Bundesnotarordnung Börsengesetz Bundespatentgericht Bundesrat(-sdrucksache) Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte Bundesrechtsanwaltskammer Mitteilungen Bundesrechtsanwaltsordnung Sammlung von Entscheidungen aus dem Sozialrecht. Begr. v. Breithaupt britisch Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, EuGVVO a.F. Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (Neufassung) Bundessozialgericht Entscheidungen des Bundessozialgerichts, Amtliche Sammlung Bundessozialhilfegesetz beispielsweise Bundessteuerblatt Bundestag(-sdrucksache) Buchstabe Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, Amtliche Sammlung Gesetz über das Bundesverfassungsgericht Bundesverwaltungsgericht Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts, Amtliche Sammlung Baden-Württemberg Mitteilungen aus der Praxis, Zeitschrift für das Notariat in Baden-Württemberg The British Yearbook of International Law beziehungsweise Court of Appeal (England) Common Market Law Reports Cahiers de droit européen Corte di cassazione, Sezioni Unite „Cour de Cassation (Frankreich/Belgien); Chambre civile (commerciale, sociale)“ „Code civil (Frankreich/Belgien/Luxemburg); Codice civile (Italien)“ Chapter Chancery Divison „Convention internationale concernant le transport des marchandises par chemins de fer; Internationales Übereinkommen über den Eisenbahnfrachtverkehr“ Convention on the International Sale of Goods (Wiener Übereinkommen über Verträge über den internationalen Warenkauf) Einheitliche Rechtsvorschriften für den Vertrag über die internationale Eisenbahnbeförderung von Personen und Gepäck (Anlage A zum COTIF) Civil Justice Quarterly Journal du droit international (Frankreich) Common Market Law Review

Abkürzungsverzeichnis

CMR COTIF Cour sup. CPC, cpc CPO CPR CR

Übereinkommen über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßenverkehr Übereinkommen über den internationalen Eisenbahnverkehr Cour supérieure de justice (Luxemburg) „Codice di procedura civile (Italien); Code de procédure civile (Frankreich/Belgien/Luxemburg)“ Civilprozeßordnung Civil Procedure Rules Computer und Recht

d.i.p. D.S. d.h. DAR das. DAVorm DB Dem. Rep. ders./dies./dass. DGVZ DGWR diff. Dir. Com. Scambi int. Dir. Comm. Int. DIS DiskE Diss. DJ DJT DJZ DNotV DNotZ doc. DöV DR DRiZ DRpfl Drucks. DRZ DStR DStZ dt. DTA DtZ DuR DVBl. DVO DZWIR

Droit international privé Receuil Dalloz Sirey das heißt Deutsches Autorecht daselbst Der Amtsvormund Der Betrieb (Jahr, Seite) Demokratische Republik der-, die-, dasselbe Deutsche Gerichtsvollzieherzeitung Deutsches Gemein- und Wirtschaftsrecht differenzierend Diritto communitario negli scambi internazionali Diritto del commercio internationale Deutsche Institution für Schiedsgerichtsbarkeit Diskussionsentwurf Dissertation Deutsche Justiz, Zeitschrift für Rechtspflege und Rechtspolitik Deutscher Juristentag Deutsche Juristenzeitung Zeitschrift des Deutschen Notarvereins Deutsche Notarzeitschrift (früher: Zeitschrift des Deutschen Notarvereins, DNotV) Document Die öffentliche Verwaltung Deutsches Recht Deutsche Richterzeitung Der Deutsche Rechtspfleger Drucksache Deutsche Rechts-Zeitschrift Deutsches Steuerrecht Deutsche Steuerzeitung deutsch Datenträgeraustausch Deutsch-Deutsche Rechtszeitschrift Demokratie und Recht Deutsches Verwaltungsblatt Durchführungsverordnung Deutsche Zeitschrift für Wirtschafts- und Insolvenzrecht

E E.C.C. ecolex EDV EFG EFTA EG EG-BewVO

Entwurf European Commercial Cases ecolex – Fachzeitschrift für Wirtschaftsrecht Elektronische Datenverarbeitung Entscheidungen der Finanzgerichte European Free Trade Association „Einführungsgesetz; Europäische Gemeinschaft“ Europäische Beweisaufnahmeverordnung

XIV

Abkürzungsverzeichnis

EGBGB EGGVG EGMR EG-PKHVV EGStGB EGV EGZPO EheG Einf. EinfG EingV Einl. EMRK ENA entspr. Entw. EO ErbbauVO ErbR Erg. Erl. ESA EStG EU EÜ EuAÜ EuBagatellVO/ EuBagVO EuBVO

EuErbVO

EuGH EuGHE EuGüVO

EuGVÜ EuGVVO (a.F.)

EuGVVO (n.F.)

EuInsVO EuInsVO a.F. EuKontPfVO

EuMahnVO

XV

Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch Einführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte EG-Prozesskostenvordrucksverordnung Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch Vertrag zur Europäischen Gemeinschaft Einführungsgesetz zur Zivilprozessordnung Ehegesetz Einführung Einführungsgesetz Einigungsvertrag Einleitung (Europäische) Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten Europäisches Niederlassungsabkommen entsprechend Entwurf Österreichische Exekutionsordnung Verordnung über das Erbbaurecht Zeitschrift für die gesamte erbrechtliche Praxis Ergebnis Erläuterungen Europäisches Übereinkommen über die Staatenimmunität Einkommenssteuergesetz Europäische Union (Genfer) Europäisches Übereinkommen über die internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit Europäisches Rechtsauskunftsübereinkommen Verordnung (EG) Nr. 861/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2007 zur Einführung eines europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen Verordnung (EG) Nr. 1206/2001 des Rates vom 28. Mai 2001 über die Zusammenarbeit zwischen den Gerichten der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der Beweisaufnahme in Zivil- oder Handelssachen Verordnung (EU) Nr. 650/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2012 über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Annahme und Vollstreckung öffentlicher Urkunden in Erbsachen sowie zur Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses Europäischer Gerichtshof Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaft, Amtliche Sammlung Verordnung (EU) 2016/1103 des Rates vom 24. Juni 2016 zur Durchführung einer Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der Zuständigkeit, des anzuwendenden Rechts und der Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Fragen des ehelichen Güterstands Brüsseler EWG-Übereinkommen vom 27.9.1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, Brüssel I-VO Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (Neufassung), Brüssel Ia-VO Verordnung (EU) 2015/848 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2015 über Insolvenzverfahren Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates vom 29. Mai 2000 über Insolvenzverfahren VO (EU) Nr. 655/2014 v. 15.5.2014 zur Einführung eines Verfahrens für einen Europäischen Beschluss zur vorläufigen Kontenpfändung im Hinblick auf die Erleichterung der grenzüberschreitenden Eintreibung von Forderungen in Zivil- und Handelssachen Verordnung (EG) Nr. 1896/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 zur Einführung eines Europäischen Mahnverfahrens

Abkürzungsverzeichnis

EuPartVO

EuR EuroEG Europ. L. Rev. EuÜHS EuUhVO

EuVTVO EuZPR EuZustVO/EuZuVO

EuZVR EuZW EV evtl. EVÜ EWG EWGV EWiR EWIV EWR EWS EzA EzFamR aktuell f. FA FamFG FamG FamR FamRÄndG FamRZ FamS FF ff. FG FGG FGO FGPrax FLF Fn. Foro it. FoVo franz. FS Fundst. FuR

Verordnung (EU) 2016/1104 des Rates vom 24. Juni 2016 zur Durchführung der Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der Zuständigkeit, des anzuwendenden Rechts und der Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Fragen güterrechtlicher Wirkungen eingetragener Partnerschaften Europarecht Euro-Einführungsgesetz European Law Review Europäisches Übereinkommen über die Handelsschiedsgerichtsbarkeit 1961 Verordnung (EG) Nr. 4/2009 des Rates vom 18. Dezember 2008 über die Zuständigkeit, das anwendbare Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Zusammenarbeit in Unterhaltssachen Verordnung (EG) Nr. 805/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 zur Einführung eines europäischen Vollstreckungstitels für unbestrittene Forderungen Europäisches Zivilprozessrecht Verordnung (EG) Nr. 1393/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. November 2007 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten („Zustellung von Schriftstücken“) und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 des Rates Europäisches Zivilverfahrensrecht Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands – Einigungsvertrag – eventuell Europäisches Schuldvertragsübereinkommen Europäische Wirtschaftsgemeinschaft Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung Europäischer Wirtschaftsraum Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht Entscheidungssammlung zum Arbeitsrecht Entscheidungssammlung zum Familienrecht aktuell folgend(e) Fachanwalt Arbeitsrecht [Zeitschrift] Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der Freiwilligen Gerichtsbarkeit Familiengericht Familienrecht Familienrechtsänderungsgesetz Zeitschrift für das gesamte Familienrecht Familiensenat Forum Familienrecht folgende „Finanzgericht; Festgabe; Freiwillige Gerichtsbarkeit“ Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit Finanzgerichtsordnung Praxis der Freiwilligen Gerichtsbarkeit Finanzierung, Leasing, Factoring Fußnote Foro italiano Forderung & Vollstreckung französisch Festschrift Fundstelle(n) Familie und Recht

XVI

Abkürzungsverzeichnis

G. g.E. GA Gaz. Pal. GBBerG GBl. GBO GbR geänd. GebrMG gem. GenfA GenfP GenG GeschMG GewO GG ggf. ggü. Giur it. GK GKG GmbH GmbHG GmbHR GmS-OGB GPR gr. GrS Gruchot GRUR GS GSZ GVBl. GVBl. RhPf. GVG GVGA GVKostG GVO GWB

Gesetz gegen Ende Generalanwalt La Gazette du Palais (Frankreich) Grundbuchbereinigungsgesetz Gesetzblatt Grundbuchordnung Gesellschaft bürgerlichen Rechts geändert Gebrauchsmustergesetz gemäß Genfer Abkommen zur Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche 1927 Genfer Protokoll über die Schiedsklauseln 1923 Genossenschaftsgesetz Geschmacksmustergesetz Gewerbeordnung Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland gegebenenfalls gegenüber Giurisprudenza italiana Großkommentar Gerichtskostengesetz Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung GmbH-Rundschau Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes Zeitschrift für das Privatrecht der Europäischen Union griechisch Großer Senat Beiträge zur Erläuterung des Deutschen Rechts, begründet v. Gruchot Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht Gedächtnisschrift Großer Senat in Zivilsachen Gesetz- und Verordnungsblatt Gesetz- und Verordnungsblatt Rheinland-Pfalz Gerichtsverfassungsgesetz Geschäftsanweisungen für Gerichtsvollzieher Gesetz über die Kosten der Gerichtsvollzieher Gerichtsvollzieherordnung Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen

H H.C. H.L. H.R. h.M. HaftpflG HausTWG HBÜ Hdb. HessVGRspr HGB HinterlO Hinw. HKO h.L.

Heft High Court House of Lords Hoge Raad (Niederlande) herrschende Meinung Haftpflichtgesetz Haustürwiderrufsgesetz Haager Übereinkommen über die Beweisaufnahme im Ausland in Zivil- und Handelssachen Handbuch Rechtsprechung der Hessischen Verwaltungsgerichte Handelsgesetzbuch Hinterlegungsordnung Hinweis Haager Landkriegsordnung herrschende Lehre

XVII

Abkürzungsverzeichnis

HmbGVBl. HO HRR Hrsg./hrsg. Hs. HZPA HZPÜ HZÜ

Hamburger Gesetz- und Verordnungsblatt Hinterlegungsordnung Höchstrichterliche Rechtsprechung Herausgeber, herausgegeben Halbsatz Haager Zivilprozessabkommen 1905 Haager Übereinkommen über den Zivilprozess Haager Übereinkommen über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivil- oder Handelssachen

i.Zw. i.A. i.d.F. i.d.R. i.d.S. i.E. i.e.S. i.H.v. i.R.v. i.S.d. i.S.v. i.Ü. i.V.m. i.w.S. ICC ICLQ IGH ILM ILR insb. int. InVo IPRax IWB IWF IZPR IZVR

im Zweifel im Auftrag in der Fassung in der Regel in dem/diesem Sinne im Ergebnis im engeren Sinne in Höhe von im Rahmen von im Sinne des im Sinne von im Übrigen in Verbindung mit im weiteren Sinne International Chamber of Commerce (Internationale Handelskammer) The International and Comparative Law Quarterly Internationaler Gerichtshof International Legal Materials International Law Reports insbesondere international Insolvenz und Vollstreckung Praxis des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts Internationale Wirtschaftsbriefe Internationaler Währungsfonds Internationales Zivilprozessrecht Internationales Zivilverfahrensrecht

J. Bus. L. J. Int. Arb. JA JbEuR JbIntR JBl. JbRR JFG

The Journal of Business Law (England) Journal of International Arbitration Juristische Arbeitsblätter Jahrbuch Europarecht Jahrbuch für internationales Recht „Justizblatt; Juristische Blätter (Österreich)“ Jahrbuch für Rechtssoziologie und Rechtstheorie Jahrbuch für Entscheidungen in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit und des Grundbuchrechtes Justizministerialblatt Justizministerialblatt von Nordrhein-Westfalen Jurisdiktionsnorm (Österreich) Jahrbuch für Ostrecht Jahrbuch für die Praxis der Schiedsgerichtsbarkeit Juristische Rundschau Vierteljahresschrift für die gesamte Zivilrechtspflege Juristische Ausbildung Das juristische Büro

JMBl. JMBlNrw JN JOR JPS JR Judicium JURA JurBüro

XVIII

Abkürzungsverzeichnis

JurTag(s) JuS Justiz JVBl. JVEG JW JZ

Juristentag(es) Juristische Schulung Die Justiz, Amtsblatt des Justizministeriums Baden-Württemberg Justizverwaltungsblatt Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetz Juristische Wochenschrift Juristenzeitung

KAGG Kap. KG KGaA KGBl.

Gesetz über Kapitalanlagegesellschaften Kapitel Kammergericht, Kommanditgesellschaft Kommanditgesellschaft auf Aktien Blätter für Rechtspflege im Bezirk des Kammergerichts in Sachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit, in Kosten-, Stempel- und Strafsachen Konkursordnung Konsulargesetz Kostenordnung Kostenrechtsänderungsgesetz Kreisgericht kritisch Zeitschrift für Konkurs-, Treuhand- und Schiedsgerichtswesen (Jahr, Seite) Kostenverzeichnis Gesetz über das Kreditwesen

KO KonsulG KostO KostRÄndG KrG krit. KTS KV KWG LAG Lb LG Lit. LJ LJV LM LMK LQR LS LSG LuftfzRG LuftVG LUG LugÜ I

LwVfG LZ

„Gesetz über den Lastenausgleich; auch Landesarbeitsgericht“ Lehrbuch Landgericht Buchstabe The Law Journal (England) Landesjustizverwaltung Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofs, hrsg. v. Lindenmaier und Möhring Lindenmaier-Möhring – Kommentierte BGH-Rechtsprechung, hrsg. v. Pfeiffer Law Quarterly Review Leitsatz Landessozialgericht Gesetz über Rechte an Luftfahrzeugen Luftverkehrsgesetz Gesetz betr. das Urheberrecht an Werken der Literatur und der Tonkunst (LiteratururheberG) Lugano-Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 16. September 1988 Lugano-Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 30.10.2007 luxemburgisch Gesetz über die strukturelle Anpassung der Landwirtschaft an die soziale und ökologische Marktwirtschaft in der Deutschen Demokratischen Republik (Landwirtschaftsanpassungsgesetz) Gesetz über das gerichtliche Verfahren in Landwirtschaftssachen Leipziger Zeitschrift für Deutsches Recht

m. m. ausf. N. m.w.N. m.a.W. MDR MittBayNot. MittRhNotK MittRuhrKn

mit mit ausführlichen Nachweisen mit weiteren Nachweisen mit anderen Worten Monatsschrift für Deutsches Recht Mitteilungen des Bayerischen Notarvereins Mitteilungen der Rheinischen Notarkammer Mitteilungen der Ruhrknappschaft Bochum

LugÜ II lux. LwAnpG

XIX

Abkürzungsverzeichnis

Mot. MSA MünchArbR MünchKomm MünchKomm-BGB MünchKomm-InsO MuW

Motive Haager Minderjährigenschutzabkommen Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht Münchener Kommentar zur Zivilprozessordnung Münchener Kommentar zum BGB Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung Markenschutz und Wettbewerb (Jahr, Seite)

N.C.p.c. n.F. Nachw. Nds.Rpfl NdsVBl NEhelG NJOZ NJW NJW-CoR NJWE WettR NJW-RR Nordic J Int L NotBZ Nov. Nr. NRW NTS NVwZ NVwZ-RR NZA NZA-RR NZG NZI NZM

Nouveau Code de procédure civile „neue Fassung; neue Folge“ Nachweis(e/n) Niedersächsische Rechtspflege Niedersächsische Verwaltungsblätter Gesetz über die rechtliche Stellung der nichtehelichen Kinder Neue Juristische Online-Zeitschrift Neue Juristische Wochenschrift Computerreport der Neuen Juristischen Wochenschrift NJW-Entscheidungsdienst Wettbewerbsrecht Neue Juristische Wochenschrift – Rechtsprechungsreport Zivilrecht Nordic J Int L Zeitschrift für die notarielle Beratungs- und Beurkundungspraxis Novelle Nummer NW Nordrhein-Westfalen NATO-Truppenstatut Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Rechtsprechungs-Report Verwaltungsrecht Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht – Rechtsprechungsreport Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht Neue Zeitschrift für das Recht der Insolvenz und Sanierung Neue Zeitschrift für Mietrecht

o. OFD öffentl. OGH OGHZ öGZ OHG öJBl ÖJZ OLG OLG-NL OLGR OLGRspr OLGZ OrderlagerscheinV ÖRiZ österr. OVG

oben Oberfinanzdirektion öffentlich Oberster Gerichtshof (für die britische Zone, Österreich) Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs für die britische Zone in Zivilsachen (österr.) Gerichts-Zeitung Offene Handelsgesellschaft Österreichische Juristische Blätter Österreichische Juristen-Zeitung Oberlandesgericht OLG-Rechtsprechung Neue Länder OLG-Report: Zivilrechtsprechung der Oberlandesgerichte Die Rechtsprechung der Oberlandesgerichte auf dem Gebiete des Zivilrechts Entscheidungen der Oberlandesgerichte in Zivilsachen Orderlagerscheinverordnung Österreichische Richterzeitung österreichisch Oberverwaltungsgericht

PA PAngV PatAnwO PatG

Patentamt Preisangabenverordnung Patentanwaltsordnung Patentgesetz

XX

Abkürzungsverzeichnis

PersV PflVG PKH PKHRL ProdHG Prot. ProzRB PStG PStV

Die Personalvertretung Pflichtversicherungsgesetz Prozesskostenhilfe Prozesskostenhilfe-Richtlinie Produkthaftungsgesetz Protokoll Der Prozess-Rechts-Berater Personenstandsgesetz Personenstandsverordnung

RabelsZ RAG Rb. Rbeistand RBerG RdA RdL Rdn. Recht RefE RegBl. RegE ReichsschuldenO Rev. int y integr RFH RG RGBl. RGes. RGRK RGSt RGZ Rh.-Pf RIDC Riv. dir. int. RIW RL ROW Rpfl. RpflG Rs Rspr. RuS RuStAG RVG RzW

Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht Reichsarbeitsgericht Rechtsbank (Niederlande) Der Rechtsbeistand Rechtsberatungsgesetz Recht der Arbeit Recht der Landwirtschaft (Jahr, Seite) Randnummer Das Recht, Rundschau für den Deutschen Juristenstand Referentenentwurf Regierungsblatt Regierungsentwurf Reichsschuldenordnung Revista internacional y de la integración „Reichsfinanzhof; amtliche Sammlung der Entscheidungen des RFH“ Reichsgericht Reichsgesetzblatt Reichsgesetz Reichsgerichtsrätekommentar „Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen (1.1880–77.1944; Band, Seite)“ „Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen; amtliche Sammlung der Reichsgerichtsentscheidungen in Zivilsachen“ Rheinland-Pfalz Revue internationale de droit comparé Rivista di diritto internazionale privato e processuale Recht der Internationalen Wirtschaft Richtlinie Recht in Ost und West Der Deutsche Rechtspfleger Rechtspflegegesetz Rechtssache Rechtsprechung Recht und Schaden Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz Rechtsanwaltsvergütungsgesetz Rechtsprechung zum Wiedergutmachungsrecht

s. S. S.C. s.a. s.o. s.u. SaBremR SachenRBerG Sachg

siehe Seite/Satz Supreme Court siehe auch siehe oben siehe unten Sammlung des bremischen Rechts Sachenrechtsbereinigungsgesetz Sachgebiet

XXI

Abkürzungsverzeichnis

SächsVBl. SAE ScheckG SchiedsVZ SchlHA SchRegO SchRG SchuldR schw. SchwJbIntR Sch-Ztg Sec. SeeArbG SeemG Sess. SeuffArch SeuffBl. SGB SGG SJZ sog. SozG Sp. SRÜ StAZ StB StGB StIGH StPO str. StRK stRspr. StuB StuW StVG StVZO Suppl. SZIER

Sächsische Verwaltungsblätter Sammlung arbeitsrechtlicher Entscheidungen der Vereinigung der Arbeitgeberverbände Scheckgesetz Zeitschrift für Schiedsverfahren Schleswig-Holsteinische Anzeigen Schiffsregisterordnung Schiffsregistergesetz Schuldrecht schweizerisch Schweizer Jahrbuch für Internationales Recht Schiedsmannszeitung Section Seearbeitsgesetz Seemannsgesetz Session Seufferts Archiv für Entscheidungen der obersten Gerichte in den deutschen Staaten Seufferts Blätter für Rechtsanwendung in Bayern Sozialgesetzbuch Sozialgerichtsgesetz Süddeutsche Juristenzeitung sogenannte Sozialgericht Spalte Seerechtsüberkommen der VN von 1982 Zeitschrift für Standesamtswesen Der Steuerberater Strafgesetzbuch Ständiger Internationaler Gerichtshof Strafprozessordnung strittig Steuerrechtsprechung in Karteiform. Höchstgerichtliche Entscheidungen in Steuersachen ständige Rechtsprechung Steuern und Bilanzen Steuer und Wirtschaft Straßenverkehrsgesetz Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung Supplement Schweizer Zeitschrift für internationales und europäisches Recht

T.P.R. teilw. ThürBl. Tit. TranspR TRG Trib. Trib. com.

Tijdschrift voor Privaatrecht (Niederlande) teilweise Blätter für Rechtspflege in Thüringen und Anhalt Titel Transportrecht Gesetz zur Neuregelung des Fracht-, Speditions- und Lagerrechts „Tribunal; Tribunale“ Tribunal de commerce (Belgien/Frankreich)

u.a. u.Ä. u.U. Übers. Übk. UFITA UmweltHG UN

und andere(m) und Ähnliche(s) unter Umständen Übersicht Übereinkommen Archiv für Urheber-, Film-, Funk- und Theaterrecht Umwelthaftungsgesetz United Nations

XXII

Abkürzungsverzeichnis

unstr. UNTS UNÜ UNUVÜ Urt. usw. UWG v. VA VAG Var. VBlBW verb. VerbrKrG Verf. VerfGH VerglO Verh. VerlG VerlR VermA VerschG VersR VerwAO Vfg. VG VGH vgl. VIZ VO VOB/B VOBl. Voraufl. Vorb. vorl. VR VV VVaG VVG VwGO VwVfG VwVG VZS W.L.R. w.N. WahrnG Warn. WarnRspr

XXIII

unstreitig United Nations Treaty Series New Yorker UN-Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche vom 10. Juni 1958 New Yorker UN-Übereinkommen über die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen im Ausland vom 20. Juni 1956 Urteil und so weiter Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb versus Versicherungsaufsicht Gesetz über die Beaufsichtigung der privaten Versicherungsunternehmen und Bausparkassen (Versicherungsaufsichtsgesetz) Variante Verwaltungsblätter für Baden-Württemberg verbunden(e) Verbraucherkreditgesetz Verfassung Verfassungsgerichtshof Vergleichsordnung Verhandlungen Gesetz über das Verlagsrecht Verlagsrecht Vermittlungsausschuss Verschollenheitsgesetz Versicherungsrecht, Juristische Rundschau für die Individualversicherung Verwaltungsanordnung Verfügung Verwaltungsgericht Verwaltungsgerichtshof vergleiche Zeitschrift für Vermögens- und Immobilienrecht Verordnung Verdingungsordnung für Bauleistungen Teil B Verordnungsblatt Vorauflage Vorbemerkung vorläufige(r) Verwaltungsrundschau Vergütungsverzeichnis Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit Gesetz über den Versicherungsvertrag (Versicherungsvertragsgesetz) Verwaltungsgerichtsordnung Verwaltungsverfahrensgesetz (Bundes-)Verwaltungsvollstreckungsgesetz Vereinigte Zivilsenate Weekly Law Reports weitere Nachweise Gesetz über die Wahrnehmung von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten (Urheberrechtswahrnehmungsgesetz) Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen, als Fortsetzung der von Otto Warneyer hrsg. Rechtsprechung des Reichsgerichts Warneyer, Rechtsprechung des Reichsgerichts, soweit sie nicht in der amtlichen Sammlung der Entscheidungen des RG abgedruckt ist, hrsg. v. Warneyer

Abkürzungsverzeichnis

WBÜ WEG WertpBG WG WiB WieDÜ WieKÜ WiGBl. WM WRP WuB WÜD WÜK WuM WuW WVRK WZG

Washingtoner Weltbankübereinkommen für Investitionsstreitigkeiten Gesetz über das Wohnungseigentum und das Dauerwohnrecht (Wohnungseigentumsgesetz) Wertpapierbereinigungsgesetz Wechselgesetz Wirtschaftsrechtliche Beratung Wiener Übereinkommen 1961 (Diplomaten) Wiener Übereinkommen 1963 (Konsuln) Gesetzblatt der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebiets Wertpapier-Mitteilungen Wettbewerb in Recht und Praxis Entscheidungssammlung zum Wirtschafts- und Bankrecht Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen Wiener Übereinkommen über konsularische Beziehungen Wohnungswirtschaft und Mietrecht Wirtschaft und Wettbewerb Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge Warenzeichengesetz

Yb. Eurp. L. Yb. PIL

Yearbook of European Law Yearbook of Private International Law

z.B. z.T. ZAkDR ZAP ZBB ZBinnSch ZBlFG ZBlJugR ZBR ZEuP ZfA ZfB ZfG ZfRV ZfS ZfSH ZGB ZGR ZHR Ziff. ZIP ZIR ZLR ZMR ZnotP ZöffR ZPO ZPOuaÄndG ZPR ZRHO ZRP ZS ZSEG ZSR zust.

zum Beispiel zum Teil Zeitschrift der Akademie für Deutsches Recht Zeitschrift für die Anwaltspraxis Zeitschrift für Bankrecht und Bankwirtschaft Zeitschrift für Binnenschifffahrt Zentralblatt für die freiwillige Gerichtsbarkeit und Notariat Zentralblatt für Jugendrecht und Jugendwohlfahrt Zeitschrift für Beamtenrecht Zeitschrift für Europäisches Privatrecht (Jahr, Seite) Zeitschrift für Arbeitsrecht Zeitschrift für Betriebswirtschaft Zeitschrift für Gesetzgebung Zeitschrift für Rechtsvergleichung (Österreich) Zeitschrift für Schadensrecht (Jahr, Seite) Zeitschrift für Sozialhilfe Zivilgesetzbuch (DDR/Schweiz) Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht Ziffer Zeitschrift für Wirtschaftsrecht und Insolvenzpraxis Niemeyers Zeitschrift für internationales Recht Zeitschrift für Luftrecht und Weltraumrechtsfragen Zeitschrift für Miet- und Raumrecht Zeitschrift für die Notarpraxis Zeitschrift für öffentliches Recht Zivilprozessordnung Gesetz zur Änderung der Zivilprozeßordnung und anderer Gesetze Zivilprozessrecht Rechtshilfeordnung in Zivilsachen Zeitschrift für Rechtspolitik Zivilsenat Gesetz über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen Zeitschrift für Schweizer Recht zustimmend

XXIV

Abkürzungsverzeichnis

ZustDG ZustErgG ZustRG zutr. ZVersWiss ZVG ZVglRWiss ZVI zzgl. ZZP ZZPInt

XXV

EG-Zustellungsdurchführungsgesetz Zuständigkeitsergänzungsgesetz Zustellreformgesetz zutreffend Zeitschrift für die gesamte Versicherungswissenschaft Gesetz über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung (Zwangsversteigerungsgesetz) Zeitschrift für vergleichende Rechtswissenschaft Zeitschrift für Verbraucher- und Privat-Insolvenzrecht zuzüglich Zeitschrift für Zivilprozess Zeitschrift für Zivilprozess International

Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur Abel Aden Adolphsen Anders/Gehle/Bearbeiter Anders/Gehle ZivilR AK/Bearbeiter Bachmann Fremdwährungsschulden Bamberger/Roth/Bearbeiter Baumann/Brehm Baur Studien Baur/Stürner/Bruns BeckOK/Bearbeiter BeckOK-BGB/Bearbeiter BeckOK-KostenR/Bearbeiter Bernhardt Besse Blomeyer ZPR Blomeyer VV Böhm Borges/Meents/Bearbeiter Bork Insolvenzrecht Braun Brox/Walker Bruns ZPR Bruns/Peters ZVR Bülow/Artz Verbraucherprivatrecht Bülow Kreditsicherheiten Bunge Burgstaller/Neumayr/u.a./ Bearbeiter IZVR Calliess/Ruffert/Bearbeiter

Zur Nichtigkeitsklage wegen Mängeln der Vertretung im Zivilprozeß, 1995 Internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit, 2. Aufl. 2002 Zivilprozessrecht, 7. Auflage 2021 Anders/Gehle, Zivilprozessordnung, vormals Baumbach/Lauterbach/Hartmann/Anders/ Gehle, 81. Aufl. 2023 Das Assessorexamen im Zivilrecht, 15. Auflage 2022 Alternativkommentar zur Zivilprozeßordnung, hrsg. v. Ankermann/Wassermann, 1987 Fremdwährungsschulden in der Zwangsvollstreckung, 1994 s. Beck’scher Online-Kommentar zum BGB Zwangsvollstreckung, 2. Aufl. 1982 Studien zum einstweiligen Rechtsschutz, 1967 Zwangsvollstreckungsrecht, 14. Aufl. 2022 Beck’scher Online-Kommentar ZPO, Stand: 1.3.2022, 44. Edition Beck’scher Online-Kommentar BGB, Stand: 1.2.2022, 61. Edition Dörndorfer/Wendtland/Gerlach/Diehn (Hrsg.), BeckOK Kostenrecht, 41. Edition, Stand: 1.4.2023 Das Zivilprozeßrecht, 3. Aufl. 1968 Die Vergemeinschaftung des EUGVÜ, 2001 Zivilprozeßrecht, Erkenntnisverfahren, 2012 Zivilprozeßrecht, Vollstreckungsverfahren, 1975 Ungerechtfertigte Zwangsvollstreckung und materiellrechtliche Ausgleichsansprüche, 1971 Borges/Meents Cloud Computing Rechtshandbuch, 1. Auflage 2016 Einführung in das Insolvenzrecht, 10. Aufl. 2020 Eberhard Braun (Hrsg.), Insolvenzordnung, 9. Aufl. München 2022 Zwangsvollstreckungsrecht, 12. Aufl. 2021 Zivilprozeßrecht, 2. Aufl. 1979 Zwangsvollstreckungsrecht, 3. Aufl. 1987 Verbraucherprivatrecht, 6. Aufl. Heidelberg 2018

Recht der Kreditsicherheiten, 10. Aufl. 2021 Zivilprozess und Zwangsvollstreckung in England und Schottland, 2. Aufl. 2005 Internationales Zivilverfahrensrecht: 21. Lieferung Loseblattsammlung Stand: Dezember 2020 EUV/AEUV Das Verfassungsrecht der Europäischen Union mit Europäischer Grundrechtecharta-Kommentar, 6. Auflage 2022 Czernich/Kodek/Mayr/ Europäisches Gerichtsstands- und Vollstreckungsrecht Brüssel Ia-Verordnung (EuGVVO Bearbeiter 2012) und Übereinkommen von Lugano 2007, 4. Aufl. 2015 Dasser/Oberhammer/Bearbeiter Lugano-Übereinkommen (LugÜ) Kommentar, 3. Auflage 2021 ErfK/Bearbeiter Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 23. Aufl. 2023 Fasching Lehrbuch des österreichischen Zivilprozeßrechts, 2. Aufl. 1990 Fasching/Konecny/Bearbeiter Kommentar zu den Zivilprozessgesetzen – Band V/1 u. V/2, Internationales ZPG Band Zivilprozessrecht (EuGVVO, EuBVO, §§ 39, 39a JN, §§ 63 bis 73, 283, 291a bis 291c ZPO) 2. Aufl. 2008 Flume AT II Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts Band II 4. Aufl. Berlin 1992 Frank/Helms Erbrecht, 7. Aufl. 2018 Furtner Urteil im Zivilprozess Das Urteil im Zivilprozeß, 5. Aufl. 1985 Furtner Vorläufige VollstreckDie vorläufige Vollstreckbarkeit, 1953 barkeit Gaul/Schilken/Becker-Eberhard Zwangsvollstreckungsrecht, 12. Aufl. 2010 ZVR Gaupp/Stein Die Zivilprozeßordnung für das Deutsche Reich, 5. Aufl. 1902 Gebauer/Wiedmann/Bearbeiter Europäisches Zivilrecht, 3. Aufl. 2021

XXVII https://doi.org/10.1515/9783110443158-205

Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur

Geimer Anerkennung Geimer IZPR Geimer/Schütze Internationale Urteilsanerkennung Geimer/Schütze/Hau Bearbeiter IRV Geimer/Schütze EuZVR Gerhardt Gerlach Ungerechtfertigte Zwangsvollstreckung Glossner/Bredow/Bühler Gloy/Loschelder/Erdmanns Gottwald Gutachten 61. DJT

Götz Zivilrechtliche Ersatzansprüche Grüneberg/Bearbeiter Grunsky/Jacoby Grunsky Grundlagen Habersack/Mülbert/Schlitt/ Bearbeiter Häsemeyer Schadenshaftung Hahn/Mugdan

Hahn/Stegemann

Hellhake Hellwig Lehrbuch Hellwig System Hertel Urkundenprozess Hess HK-ZPO/Bearbeiter HK-ZV/Bearbeiter Jacoby Jaeckel lex fori Jauernig/Bearbeiter Jauernig/Hess ZPR Jauernig/Berger/Kern ZVR Junker IZPR jurisPK-BGB Katholnigg Kallmann KassKomm/Bearbeiter SGB IV Kegel/Schurig IPR

Anerkennung ausländischer Entscheidungen in Deutschland, 1995 Internationales Zivilprozessrecht, 8. Aufl. 2019 Internationale Urteilsanerkennung, Bd. I/1 1983, Bd. I/2 1984, Bd. II 1982 Internationaler Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen, Loseblattsammlung, hrsg. v. Geimer/Schütze/Hau, Stand: 65. Ergänzungslieferung 5/2022 Europäisches Zivilverfahrensrecht, 4. Aufl. 2020 Vollstreckungsrecht, 2. Aufl. 2012 Ungerechtfertigte Zwangsvollstreckung und ungerechtfertigte Bereicherung, 1986 Das Schiedsgericht in der Praxis, 3. Aufl. 1990 Handbuch des Wettbewerbsrechts, 5. Aufl. 2019 Empfehlen sich im Interesse eines effektiven Rechtsschutzes Maßnahmen zur Vereinfachung, Vereinheitlichung und Beschränkung der Rechtsmittel und Rechtsbehelfe des Zivilverfahrensrechts?: Gutachten A für den 61. Deutschen Juristentag/erstattet von Peter Gottwald. – München, 1996 Zivilrechtliche Ersatzansprüche bei schädigender Rechtsverfolgung, 1989 Bürgerliches Gesetzbuch, 82. Aufl. 2023 s. Jacoby Grundlagen des Verfahrensrechts, 2. Aufl. 1974 Habersack/Mülbert/Schlitt (Hrsg.) Handbuch der Kapitalmarktinformation, 3. Aufl. 2020 Schadenshaftung im Zivilrechtsstreit, 1979 Die gesamten Materialien zu den Reichsjustizgesetzen, Neudruck 1983 unter: Hahn/ Mugdan Die gesamten Materialien zu den Reichs-Justizgesetzen; Band 2 Materialien zur Zivilprozeßordnung Abt. 1, Hrsg. Stegemann, 2. Aufl. 1881; Band 2 Materialien zur Zivilprozeßordnung Abt. 2, Hrsg. Stegemann, 2. Aufl. 1881; Band 8 Materialien zum Gesetz betr. Änderungen der Zivilprozeßordnung, Gerichtsverfassungsgesetz und Strafprozeßordnung, fortgesetzt von Mugdan, 1898 Die gesamten Materialien zu den Reichsjustizgesetzen, 2. Band, Die gesammelten Materialien zur Civilprozeßordnung und dem Einführungsgesetz zu derselben vom 30.1.1877, 1. und 2. Abt. 1881, Neudruck 1983 unter dem Titel: Hahn/Mugdan, Die gesamten Materialien zu den Reichs-Justizgesetzen, Bd. 2 Einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung nach §§ 707, 719 Abs. 1 ZPO in direkter und analoger Anwendung, 1998 Lehrbuch des deutschen Zivilprozeßrechts, Band 1 (1903), Band 2 (1907), Band 3 (1909) System des deutschen Zivilprozeßrechts, 2 Bände, 1912 Der Urkundenprozeß unter besonderer Berücksichtigung von Verfassung (rechtliches Gehör) und Vollstreckungsschutz, 1992 Europäisches Zivilrecht, Ius Communitatis, 2. Aufl. 2020 Zivilprozessordnung, Handkommentar, hrsg. v. Saenger, 9. Aufl. 2021 Kindl/Meller-Hannich (Hrsg.), Gesamtes Recht der Zwangsvollstreckung, Handkommentar, 4. Aufl., 2021 Zivilprozessrecht, 18. Aufl. 2022 Die Reichweite der lex fori im internationalen Zivilprozeßrecht, 1995 Bürgerliches Gesetzbuch, 18. Aufl. 2021 Zivilprozessrecht, 30. Aufl. 2011 Zwangsvollstreckungs- und Konkursrecht, 24. Aufl. 2021 Internationales Zivilprozessrecht, 5. Aufl. 2020 Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger (Hrsg.), juris Praxiskommentar BGB Strafgerichtsverfassungsrecht, 3. Aufl. 1999 Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Zivilurteile und Vergleiche, 1946 Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht SGB I, SGB IV, SGB V, SGB VI, SGB VII, SGB X, SGB XI, Loseblatt-Ausgabe, 118. Auflage 2022 Internationales Privatrecht, 9. Aufl. 2004

XXVIII

Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur

Kerwer Erfüllung Keßler Vollstreckbarkeit Kindl/Meller-Hannich/Bearbeiter Kissel/Mayer KK-KapMuG/Bearbeiter

Die Erfüllung in der Zwangsvollstreckung, 1996 Die Vollstreckbarkeit und ihr Beweis gem. Art. 31 und 47 Nr. 1 EuGVÜ, 1998 Gesamtes Recht der Zwangsvollstreckung, Handkommentar, 4. Aufl. 2021 Gerichtsverfassungsgesetz, 10. Aufl. 2021 Kölner Kommentar zum Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz (KapMuG), hrsg. v. Hess/ Rimmelspacher, 2. Aufl. 2014 KK-WpÜG/Bearbeiter Kölner Kommentar zum Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG) hrsg. v. Hirte/Mock/Schwarz/Seibt, 3. Aufl. 2022 Knöringer Assessorklausur Die Assessorklausur im Zivilprozess, 18. Aufl. 2020 Koch Unvereinbare Entscheidungen i.S.d. Art. 27 Nr. 3 und 5 EuGVÜ und ihre Vermeidung, 1993 Koenig Koenig (Hrsg.), Abgabenordnung 4. Aufl. München 2021 Kondring Die Heilung von Zustellungsmängeln im internationalen Zivilrechtsverkehr, 1995 Kreindler/Schäfer/Wolff Schiedsgerichtsbarkeit. Kompendium für die Praxis, 2006 Kropholler/von Hein Europäisches Zivilprozessrecht, 10. Aufl. 2022 Lachmann Handbuch für die Schiedsgerichtspraxis, 3. Aufl. 2008 Lackmann ZVR Zwangsvollstreckungsrecht, 12. Aufl. 2021 Langendorf Prozessführung im Ausland und Mängelrüge im ausländischen Recht, 1956 ff. Lenenbach Die Behandlung von Unvereinbarkeiten zwischen rechtskräftigen Zivilurteilen nach deutschem und europäischem Zivilprozessrecht, 1997 Linke/Hau IZPR Internationales Zivilverfahrensrecht, 8. Aufl. 2021 Lionnet/Lionnet Handbuch der internationalen und nationalen Schiedsgerichtsbarkeit, 3. Aufl. 2005 Lippross/Bittmann Zwangsvollstreckungsrecht, 13. Aufl. 2021 Lörcher/Lörcher Das Schiedsverfahren – national und international – nach neuem Recht, 2. Aufl. 2001 Lüke ZPR I Zivilprozessrecht, Bände I und II, 11. Aufl. 2020 f. Maier Handbuch der Schiedsgerichtsbarkeit, 1979 Martiny Handbuch Anerkennung ausländischer Entscheidungen nach autonomem Recht, in: Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. III/1, 1984 Mayer/Kroiß Mayer/Kroiß (Hrsg.), Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, 8. Aufl. Baden-Baden 2021 Mayr Europäisches Zivilprozessrecht, 2. Aufl. 2020 Maurer Einstweilige AnordEinstweilige Anordnungen in der Zwangsvollstreckung nach Einlegung zivilprozessualer nungen Rechtsbehelfe, 1981 Merkt Abwehr der Zustellung von „punitive damages“-Klagen, 1995 Müller Grenzüberschreitende Beweisaufnahme im Europäischen Justizraum, 2004 MünchAnwHbArbR/Bearbeiter Münchener Anwaltshandbuch Arbeitsrecht, 5. Auflage 2021 MünchArbR/Bearbeiter Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, Individualarbeitsrecht I und II + Kollektives Arbeitsrecht I und II, 4. Auflage 2019, 5. Auflage 2021 f. MünchKomm/Bearbeiter Münchener Kommentar zur ZPO, 6. Aufl. 2020 ff. MünchKomm-BGB/Bearbeiter Münchener Kommentar zum BGB, 8. Aufl. 2018ff., 9. Aufl. 2021 f. MünchKomm-FamFG/Bearbeiter Münchener Kommentar zum FamFG, §§ 1–491 IZVR EuZVR Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) mit Internationalem und Europäischem Zivilverfahrensrecht in Familiensachen, 3. Auflage 2019 MünchKomm-HGB Drescher/Fleischer/K. Schmidt (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch, 5. Aufl. München 2022 ff. MünchKomm-InsO Stürner/Eidenmüller/Schoppmeyer (Hrsg.), Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, 4. Aufl. München 2019 ff. MünchKomm-InsO/Bearbeiter Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, 4. Aufl. 2020f. Grundkurs ZPO, 16. Aufl. 2022 Musielak/Voit Grundkurs Musielak/Voit/Bearbeiter Kommentar zur Zivilprozessordnung, 18 Aufl. 2021 Nagel/Gottwald IZPR Internationales Zivilprozessrecht, 8. Aufl. 2020 Neuner Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, 12. Aufl. 2020 Niederelz Rechtswidrigkeit Die Rechtswidrigkeit des Gläubiger- und Gerichtsvollzieherverhaltens in der Zwangsvollstreckung unter besonderer Berücksichtigung der Verhaltensunrechtslehre, 1974 Nikisch ZPR Zivilprozeßrecht, 2. Aufl. 1952 NK-GA/Bearbeiter Boecken/Düwell/Diller/H. Hanau (Hrsg.) Gesamtes Arbeitsrecht, Kommentar, Bd. 2, 2016

XXIX

Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur

Oberhammer/Bearbeiter Oetker/Bearbeiter Oetiker/Weibel/Bearbeiter Pape/Reichelt/Schultz/VoigtSalus InsR Paulus ZPR Paulus/Peiffer/Peiffer Pecher Schadensersatzansprüche Pfennig Prütting/Gehrlein/Bearbeiter Pukall/Kießling ZPR Rauscher/Bearbeiter Raeschke-Kessler/Berger Reithmann/Martiny/Bearbeiter Riezler IZPR Rosenberg/Schwab/Gottwald ZPR von Sachsen Gessaphe Saenger/Bearbeiter Saenger Einstweiliger Rechtsschutz Saenger/Ullrich/Siebert Schack Schack IZVR Schellhammer Schilken/Brinkmann ZPR Schlosser Schlosser ZPR I Schlosser ZPR II Schlosser/Hess Schmidt Schönke/Kuchinke ZPR Scholz Schröder Schuschke/Walker/Kessen/ Thole/Bearbeiter Schütze DIZPR Schütze IA Schütze/Bearbeiter Schütze RV Schütze Schiedsverfahren Schütze/Thümmel Schiedsgericht und Schiedsverfahren Schütze/Tscherning/Wais Schwab ZPR Schwab/Walter Simons/Hausmann/Bearbeiter Staub/Bearbeiter

Schweizerische Zivilprozessordnung, 3. Aufl. 2021 Handelsgesetzbuch, 7. Auflage 2021 Basler Kommentar, Lugano-Übereinkommen (LugÜ), 2. Auflage 2016 Insolvenzrecht, 3. Aufl. München 2022 Zivilprozessrecht, 6. Aufl. 2017 Europäische Gerichtsstands- und Vollstreckungsverordnung (Brüssel Ia), Sonderdruck aus Geimer/Schütze, IRZH, 2017 Die Schadensersatzansprüche aus ungerechtfertigter Vollstreckung, 1967 Die internationale Zustellung in Zivil- und Handelssache, 1998 ZPO, 14. Aufl. 2022 Der Zivilprozess in der Praxis, 7. Aufl. 2013 Europäisches Zivilprozess- und Kollisionsrecht (EGVollstrTitelVO, EG-MahnVO, EGBagatellVO, EG-ZustVO 2007, EG-BewVO, EG-InsVO), 5. Aufl. 2021 f. Recht und Praxis des Schiedsverfahrens, 4. Aufl. 2007 Internationales Vertragsrecht, 9. Aufl. 2022 Internationales Zivilprozeßrecht und prozessuales Fremdenrecht, 1949 (Nachdruck 1995) Zivilprozessrecht, 18. Aufl. 2018 Zwangsvollstreckungsrecht, 2014 s. HK-ZPO/Bearbeiter Einstweiliger Rechtsschutz und materiellrechtliche Selbsterfüllung, 1998 Saenger/Ullrich/Siebert (Hrsg.), Zivilprozessordnung. Kommentiertes Prozessformularbuch, 5. Aufl. Baden-Baden 2022 Einführung in das US-amerikanische Zivilprozessrecht, 5. Aufl. 2020 Internationales Zivilverfahrensrecht, 8. Aufl. 2021 Zivilprozess, 16. Aufl. 2020 Zivilprozessrecht, 8. Aufl. 2022 Das Recht der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit, 2. Aufl. 1989 Zivilprozeßrecht I, Erkenntnisverfahren, 2. Aufl. 1991 Zivilprozeßrecht II, Zwangsvollstreckungs- und Insolvenzrecht, 1984 EuZPR- EU-Zivilprozessrecht: EuZPR, EuGVVO, EuVTVO, EuMahnVO, EuBagVO, HZÜ, EuZVO, HBÜ, EuBVO, EuKtPVO, 5. Aufl. 2021 Europäisches Zivilprozessrecht in der Praxis, 2004 Zivilprozeßrecht, 9. Aufl. 1969 Das Problem der autonomen Auslegung des EuGVÜ, 1998 Internationale Zuständigkeit, 1988 Vollstreckung und Vorläufiger Rechtsschutz – Kommentar, 7. Aufl. 2020 Deutsches Internationales Zivilprozessrecht unter Einschluss des Europäischen Zivilprozessrechts, 2. Aufl. 2005 Institutional Arbitration – Commentary, 1. Aufl., 2013 Institutionelle Schiedsgerichtsbarkeit – Kommentar, 3. Aufl. 2018 Rechtsverfolgung im Ausland, 5. Aufl. 2016 Ausgewählte Probleme des deutschen und internationalen Schiedsverfahrensrechts, 2006 Schiedsgericht und Schiedsverfahren, 7. Aufl. 2021 Handbuch des Schiedsverfahrens, 2. Aufl. 1990 Zivilprozessrecht, 5. Aufl. 2016 Schiedsgerichtsbarkeit, 7. Aufl. 2005 unalex Kommentar Brüssel I-Verordnung, Kommentar zur VO (EG) 44/2001 und zum Übereinkommen von Lugano, 1. Aufl. 2012 Kommentar zum Handelsgesetzbuch, 6. Aufl. 2021 f.

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Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur

Staudinger/Bearbeiter Stein/Jonas/Bearbeiter Stein/Jonas/Bearbeiter21 Stein/Jonas/Bearbeiter20 Stein/Jonas/Pohle Stickelbrock Stolz Einstweiliger Rechtsschutz Thomas/Putzo/Bearbeiter Uhlenbrock (Hrsg.) Vogg Einstweiliger Rechtsschutz Vorwerk/Wolf/Bearbeiter Waldner Walker Einstweiliger Rechtsschutz Werner Rechtskraft Westermann/Gursky/Eickmann Wolf Wolf/Neuner Zeiss/Schreiber ZPR Zimmermann Zöller/Bearbeiter

XXXI

Kommentar zum BGB ZPO, 22. Aufl. 2002 ff./23. Aufl. 2014 ff. ZPO, 21. Aufl. 1993–1999 ZPO, 20. Aufl. 1977–1989 ZPO, 19. Aufl. 1964–1975 Inhalt und Grenzen richterlichen Ermessens im Zivilprozeß, 2002 Einstweiliger Rechtsschutz und Schadensersatzpflicht, 1948 ZPO, 43. Aufl. 2022 Insolvenzordnung, 15. Aufl. München 2019 Einstweiliger Rechtsschutz und vorläufige Vollstreckbarkeit, 1991 Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz, 2. Aufl. 2020 Der Anspruch auf rechtliches Gehör, 2. Aufl. 2000 Der einstweilige Rechtsschutz im Zivilprozeß und im arbeitsgerichtlichen Verfahren, 1993 Rechtskraft und Innenbindung zivilprozessualer Beschlüsse im Erkenntnis- und summarischen Verfahren, 1983 Sachenrecht, 8. Aufl. Heidelberg 2011 Gerichtliches Verfahrensrecht, 1978 s. Neuner Zivilprozessrecht, 12. Aufl. 2014 Zivilprozessordnung, 10. Aufl. 2015 Kommentar zur ZPO, 34. Aufl. 2022

ACHTES BUCH Zwangsvollstreckung ABSCHNITT 1 Allgemeine Vorschriften § 724 Vollstreckbare Ausfertigung (1) Die Zwangsvollstreckung wird auf Grund einer mit der Vollstreckungsklausel versehenen Ausfertigung des Urteils (vollstreckbare Ausfertigung) durchgeführt. (2) 1Die vollstreckbare Ausfertigung wird von dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Gerichts des ersten Rechtszuges erteilt. 2Ist der Rechtsstreit bei einem höheren Gericht anhängig, so kann die vollstreckbare Ausfertigung auch von dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle dieses Gerichts erteilt werden.

Übersicht I. 1. 2.

Gesetzesgeschichte, Normzweck 1 Geschichte 2 Zweck

II. 1. 2.

Vollstreckbare Ausfertigung 3 Bedeutung 6 Mängel

III.

Anwendungsbereich

1. 2. 3. 4.

Allgemeine Voraussetzungen Die in Frage kommenden Titel 34 Ausnahmen 39 Beispiele

IV.

Verfahren

V.

Rechtsbehelfe

10 15

44 45

I. Gesetzesgeschichte, Normzweck 1. Geschichte Der dem heutigen § 724 ZPO inhaltsgleiche § 662 CPO von 1879 löste die bis dahin gültige Praxis 1 des Gemeinen Rechts ab, der zufolge dem Schuldner nach Erlass des Urteils und vor dem Beginn der Zwangsvollstreckung eine Erfüllungs-(Paritions-)Frist aufgetragen wurde.1 Eine solche, von Gesetzes wegen zuerkannte Begünstigung des Schuldners gibt es heute nur noch etwa in den §§ 750 Abs. 3;2 798; 802f Abs. 1; 882a Abs. 1;3 § 1003 Abs. 2 BGB; § 66 Abs. 4 S. 2 SGB X.4 Durch das

1 Vgl. etwa Bergmann Grundriß einer Theorie des deutschen Civilprozesses (1827) 271 f.; W. Endemann Das deutsche Zivilprozeßrecht (1868, Neudr. 1969) 1005 f.; Osterloh Lehrbuch des gemeinen, deutschen ordentlichen Civilprozesses (1856) 151 f. („Vom Hülfspräcepte“). Zum § 662 CPO Hahn S. 78, 433 f., 806 ff., 935, 1020, 1240. Vgl. auch Entwurf einer Zivilprozeßordnung (1931) 179, 421 f. zu § 793. 2 Die Zwei-Wochen-Frist wird nur in Gang gesetzt, wenn Titel und Klausel zugestellt worden sind, LG Berlin NJW-RR 1987, 1211; LG Mönchengladbach JurBüro 1987, 925; LG Ravensburg JurBüro 1989, 260 m. Anm. Mümmler (dort auch Nachw. zur Gegenansicht). 3 Zur der in dieser Norm enthaltenen Begünstigung staatlicher Behörden s. auch BVerfG NJW 1999, 778. 4 Nicht auch in § 1193 BGB, zutreffend OLG München FGPrax 2018, 201. 1 https://doi.org/10.1515/9783110443158-001

Paulus

§ 724

Achtes Buch – Zwangsvollstreckung

Gesetz zum Ausbau des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten und zur Änderung weiterer Vorschriften5 wurde die Zuständigkeitsregelung in Abs. 2 zum 1.1.2022 erweitert.

2. Zweck 2 Während das Erkenntnisverfahren der Prüfung des Streitstoffes nach Maßgabe der materiellrechtlichen Voraussetzungen dient, soll im Klauselerteilungsverfahren die Vollstreckbarkeit in dieser Sache nach der prozessualen Lage dokumentiert und bezeugt werden.6 Die Norm ist Ausdruck des Bestrebens, zum Schutz des Schuldners vor Doppelvollstreckungen eine klare Trennungslinie zwischen dem Erkenntnis- und dem Vollstreckungsverfahren zu ziehen.7 Indem das Gesetz allerdings in den §§ 724–729 verschiedene Klauselarten vorsieht, schafft es neue Unklarheiten und eröffnet damit ein bisweilen gern (weil zur Verzögerung beitragend) genutztes, eigenständiges Gefechtsfeld im Vorfeld einer jeden Vollstreckung. Dabei bildet die Erteilung der vollstreckbaren Ausfertigung unbeschadet ihrer Regelung im 8. Buch der ZPO und ihrer Erwähnung in § 788 Abs. 1 den Abschluss des Erkenntnisverfahrens – und nicht etwa den Anfang der Zwangsvollstreckung.8 Das ergibt sich aus der in Abs. 2 geregelten Zuständigkeit zur Klauselerteilung und, deutlicher noch, aus dem Schutzzweck des § 89 InsO: Diese Norm untersagt Zwangsvollstreckungen während eines laufenden Insolvenzverfahrens. Da vorbereitende Handlungen keine Gefährdung der Gläubigerbelange9 bedeuten, ist die Klauselerteilung noch keine Zwangsvollstreckung und daher dem Erkenntnisverfahren zuzuordnen.10 Aber auch innerhalb der Singularexekution ist die Frage nach dem Ende des Erkenntnis-, bzw. dem Anfang des Vollstreckungsverfahrens nicht bloß akademisch; sie ist vielmehr maßgeblich etwa für die Anwendbarkeit etwa des § 779 (s. dort Rdn. 3).

II. Vollstreckbare Ausfertigung 1. Bedeutung 3 Aus dem Gesetz ergibt sich, dass notwendige11 Grundlage der Vollstreckung die vollstreckbare Ausfertigung ist; sie ist „maßgeblich für Inhalt und Umfang der zu vollstreckenden Verpflichtung.“12 Sie vertritt als eine genaue Reproduktion die bei den Akten verbleibende Urschrift nach

5 BGBl I 2021, 4607. Zum Entwicklungspotential der Digitalisierung in der Zwangsvollstreckung s. Stamm Die Digitalisierung der Zwangsvollstreckung, NJW 2021, 2563. Zu handfesten Reformbestrebungen, die bis hin zur Abschaffung der vollstreckbaren Ausfertigung reichen, s. etwa Müller/Gomm Die Digitalisierung der Justiz am Beispiel des Zivilprozesses, jM 2021, 266, 267. 6 BGHZ 190, 172 = NJW 2011, 2803, 2805, unter Hinweis auf Hahn/Mugdan Die gesamten Materialien zu den ReichsJustizgesetzen, 2. Aufl. Bd. 2, Abt. 1, S. 433 f. 7 Zur Zeugnis- und Schutzfunktion der Vollstreckungsklausel Hess. LAG BeckRS 2020, 39924. 8 BGH NJW-RR 2020, 934, 935 (ein Vollstreckungsverbot wie das des § 294 Abs. 1 InsO steht der Klauselerteilung daher nicht entgegen); Windel Die Rechtsbehelfe des Schuldners gegen eine Vollstreckung aus einer unwirksamen notariellen Urkunde (§ 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO) – zugleich ein Beitrag zum Rechtsschutzsystem des 8. Buches der ZPO, ZZP 102 (1989) 188. 9 Nach Beendigung eines Insolvenzverfahrens kann gleichfalls wieder eine vollstreckbare Ausfertigung erteilt werden, auch wenn die sog. Wohlverhaltensperiode der §§ 286 ff. InsO noch läuft, AG Göttingen NZI 2008, 756. 10 Inkonsequent insoweit also BGH NJW 2008, 918, wonach in diesem Abschnitt keine Unterbrechung nach § 240 erfolgen soll; Jaeger/Eckardt § 89 Rdn. 55; Gottwald/Gerhardt Insolvenzrechts-Handbuch, § 33 Rdn. 6. Anders für das Verfahren zur Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Schiedsspruchs BayObLG NZI 2022, 122. 11 BGH WM 2022, 1341, Tz. 25. 12 BGH GRUR 2014, 606. Paulus

2

Abschnitt 1. Allgemeine Vorschriften

§ 724

außen,13 und bezeugt die Vollstreckbarkeit des Titels,14 verhilft ihm aber nicht zu einem vollstreckbaren Inhalt.15 Ihre Bedeutung in Bezug auf das Vollstreckungsorgan besteht darin, dass es aufgrund der Klauselerteilung grundsätzlich der Verpflichtung (und gegebenenfalls auch der Möglichkeit) enthoben ist, den titulierten Anspruch auf seine über das Formale der Zwangsvollstreckung, d.h. seine Ordnungsgemäßheit, hinausgehende Berechtigung hin zu überprüfen.16 Dies ist besonderen Verfahren vorbehalten, §§ 732, 768 etc.17 Zum Prüfungsumfang im Einzelnen unten Rdn. 7. Durch die einheitliche, zentralisierte Feststellung der Vollstreckbarkeit werden uner- 4 wünschte widersprüchliche Beurteilungen verschiedener Vollstreckungsorgane vermieden. Darüber hinaus kann das Vollstreckungsorgan sicher sein, mit der ihm ausgehändigten vollstreckbaren Ausfertigung die Zwangsvollstreckung wirklich einleiten und durchführen zu dürfen.18 Und doch kann erhöhte Aufmerksamkeit erforderlich sein, wenn etwa für einen Teil der titulierten Forderungen ein anderer Titel geschaffen wird – etwa als Auszug aus einer Insolvenztabelle, § 178 Abs. 3 InsO; dann ist eine Weiternutzung des ursprünglichen Titels für die von dem Auszug nicht erfassten Forderungen (aber eben nur für diese) zulässig.19 Ein weiterer Vorteil der durch die Klauselerteilung erreichten klaren Trennungslinie liegt 5 darin, dass der Schuldner durch sie weitgehend vor einer ungerechtfertigten Vollstreckung geschützt ist; er muss den Zugriff allein aufgrund der vollstreckbaren Ausfertigung dulden und hat (wie die anderen Beteiligten auch) die Rechtsbehelfe im weiteren Verfahren nunmehr dem 8. Buch zu entnehmen.20 Demgemäß obliegt es nach der Erteilung der Ausfertigung ihm, darzutun, dass deren (also der Vollstreckbarkeit) Voraussetzungen nicht vorliegen.21 Der Gläubiger trägt die Beweislast nur bis zur Fertigstellung.22

2. Mängel Umstritten ist, wie sich Mängel der vollstreckbaren Ausfertigung auf eine nachfolgende Zwangs- 6 vollstreckung auswirken. Ist etwa eine einfache Klausel statt einer qualifizierten erteilt worden, hat also der Urkundsbeamte seine funktionelle Zuständigkeit überschritten, folgt hieraus nach zutreffender Ansicht die Unwirksamkeit der Klauselerteilung;23 sie ist im Wege einer Klauselerinnerung ge-

13 14 15 16

BGH NJW 1981, 2345 = Rpfleger 1981, 393; LAG Hessen BeckRS 2020, 39924, Tz. 23. Grundlegend Bettermann Die Vollstreckung des Zivilurteils in den Grenzen seiner Rechtskraft, 1948, 57. BayVGH BeckRS 2021, 1663, Tz. 18. OLG Düsseldorf NJW 1958, 227; OLG Frankfurt JurBüro 1976, 1122. Vgl. auch Motive zum Entwurf III, S. 403. Auf Grund dieser Funktion kann die vollstreckbare Ausfertigung auch als Nachweis der Vertretungsverhältnisse etwa einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts dienen, BGH ZIP 2011, 2355. 17 Statt vieler KG HRR 1931, 463; OLG Brandenburg Beschluss vom 16. Mai 2017 – 13 WF 114/17 –, juris; LG Traunstein DGVZ 1993, 157. 18 Zu einem Sonderfall der Herausgabepflicht nach Erledigung der Vollstreckung über § 371 BGB s. BGH NJW-RR 2008, 1512. Zur Wertberechnung einer Klage auf Herausgabe des Titels s. BGH NJW 2004, 2904. Zu den Voraussetzungen eines Herausgabeanspruchs OLG Hamm FamRZ 2008, 2225; OLG Hamm JurBüro 2003, 379. 19 AG Aahaus DGVZ 2022, 141; AG Neresheim DGVZ 2019, 41. 20 OLG Frankfurt OLGRspr 1931, 84 f. Zu den Rechtbehelfen in der Zwangsvollstreckung Vor § 732. Zum Normzweck allg. außer Hahn S. 433 f., etwa Wach Vorträge über die Reichs-Civilprozeßordnung, 2. Aufl. 1896, 319 ff. 21 Zu dieser Umkehr der Klagelast Nakano Umkehr der Klagelast, FS Baumgärtel 1990, 403 ff. s. auch BGH WM 2013, 43, 44 zum Zusammenhang zwischen Klauselinhalt, Zustellung und Verteidigungsmöglichkeit des Schuldners. 22 § 725 Rdn. 21 und RGZ 82, 35. 23 A.A. BGH NJW-RR 2012, 1146, 1147 f. sowie NJW-RR 2012, 1148; OLG Zweibrücken Rpfleger 2003, 599. Wie hier OLG Celle, Beschl. v. 25.5.2011 – 4 W 66/11, juris.; OLG Dresden MDR 2010, 1491; OLG Frankfurt OLG-Report 2004, 119; OLG München FamRZ 2002, 405, 406; OLG Hamm Rpfleger 2011, 621; InVo 2001, 29; DGVZ 1990, 21 und NJW-RR 1987, 957; OLG Frankfurt MDR 1991, 162; KG InVO 2000, 65, 67; Zöller/Seibel, § 726 Rdn. 10; Benner Zur erforderlichen Klausel beim Vergleich mit Widerrufsvorbehalt, Rpfleger 2004, 89, 91. Differenzierend Lamberz Klauselerteilung durch den Urkundsbeamten statt durch den Rechtspfleger, Rpfleger 2013, 371. 3

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mäß § 732 geltend zu machen.24 In diesem Kontext erhebt sich allerdings die von der soeben getroffenen Feststellung getrennt zu beantwortende Frage nach dem Umfang der Prüfungskompetenz des Vollstreckungsorgans (zum Prüfungsumfang des die Ausfertigung ausstellenden Urkundsbeamten s. § 725 Rdn. 21).25 Wie schon erwähnt, ist ihm eine materielle Beurteilung des Titels26 und der Klauselerteilung versagt, nicht aber die Überprüfung der Formalien, ob eine wirksame vollstreckbare Ausfertigung vorliegt; s. insbes. § 42 Abs. 1 GVGA. Fehlt also etwa die Klausel27 oder der Titel, oder wird Erteilung und Umfang der Vollmacht des Vertreters, der die Unterwerfungserklärung für eine vollstreckbare Urkunde abgegeben hat, nicht nachgewiesen,28 so kann und muss das Vollstreckungsorgan von sich aus die Durchführung der Vollstreckung verweigern;29 Gleiches gilt etwa auch, wenn der vollstreckbaren Ausfertigung nicht der dazu gehörige Auszug aus dem Insolvenzplan beigefügt ist,30 oder wenn mehrere Blätter eines einheitlichen Titels bloß mit Heftklammer aneinandergefügt sind.31 Demgegenüber kommt ihm ein derartiges Verweigerungsrecht dann nicht zu, wenn er den Titel als verfassungswidrig erlangt32 ansieht; denn diese Beurteilung ist ihrer juristischen Komplexität wegen dem Richter vorzubehalten, dem seinerseits das Grundgesetz in Art. 100 ein bestimmtes, einzuhaltendes Verfahren vorschreibt. Es liegt auf dieser Argumentationslinie, dass es dem Vollstreckungsorgan auch verwehrt sein muss, eine titulierte Forderung von sich aus als eine deliktische zu behandeln, wenn der Titel dazu nichts verlautbart.33 Im Einzelnen gilt dabei folgendes: Das Vollstreckungsorgan34 hat die Tatsache, dass eine 7 Klausel erteilt worden ist, hinzunehmen;35 eine Überprüfung von deren Rechtmäßigkeit ist ihm ebenso untersagt,36 wie die der Kompetenz dessen, der die Klausel erteilt hat.37 Es hat auch nicht zu prüfen, ob ein zu vollstreckender Vergleich dem Inhalt des § 794 Abs. 1 Nr. 1 entspricht,38 ob der Inhalt eines klarstellenden Vermerks des Gerichts („Beischreibung“) inhaltlich zutrifft,39 ob eine vom Urkundsbeamten zu prüfende Voraussetzung nachträglich weggefallen ist,40 oder ob 24 LG Kassel BeckRS 2021, 32647, Tz. 11. 25 Zur Klagemöglichkeit der Parteien nach § 732 s. etwa OLG Saarbrücken OLG-Report 2005, 682. 26 BGH BWNotZ 2022, 426; BGH DGVZ 2020, 257; BGH DGVZ 2016. 179; BGH DGVZ 2012, 181; BGH NJW 2009, 1887; BGH DNotZ 2005, 132; KLG Hamburg BeckRS 2020, 35354. Zu möglichen Einzelkorrekturen vgl. etwa BGH NJW 1967, 821; NJW 1980, 784; Paulus Die Gesellschaft des bürgerlichen Rechts als Schuldner und Drittschuldner, DGVZ 1992, 69. 27 Dazu BGH NJW-RR 2017, 510; BGH NJW-RR 2021, 1504; LAG Berlin-Brandenburg PflR 2017, 642 – Tz. 24; OLG Zweibrücken InVo 2004, 115 (nachträgliche Klauselerwirkung im Beschwerdeverfahren möglich). 28 BGH NJW-RR 2004, 1718, 1719; a.A. LG Mannheim MittBayNot 2009, 392 mit abl. Anm. Stöber. 29 S. auch § 725 Rdn. 15. Nach Ansicht des BGH darf das Vollstreckungsorgan die Vollstreckung nicht mit der Begründung verweigern, statt der einfachen Klausel hätte eine qualifizierte nach § 726 erteilt werden müssen, BGH DGVZ 2013, 33; OLG Zweibrücken Rpfleger 2003, 599. S. allerdings Alff Klauselprobleme in der Immobiliarvollstreckungspraxis, Rpfleger 2001, 385 mit Hinweis auf OLG Hamm OLGZ 1985, 218. 30 App DGVZ 2003, 49, 50. 31 AG Pankow/Weißensee Rpfleger 2008, 586. Zur nachträglichen Trennung LG Neubrandenburg, Beschluss vom 25. April 2019 – 2 T 36/19 – juris. 32 Zu dem als verfassungswidrig erkannten Selbsttitulierungsrecht bestimmter öffentlich-rechtliche Kreditinstitute s. BVerfG NJW 2013, 1797. 33 BGHZ 152, 166. 34 Zur Prüfungspflicht des klauselerteilenden Beamten § 725 Rdn. 21 ff. 35 BGH FamRZ 2013, 127; BGH NJW-RR 2012, 1148; BGH MDR 2012, 367; OLG Frankfurt FamRZ 2019, 627; LG Hamburg Rpfleger 2016, 305. Nach BGH NJW-RR 2012, 1146, soll sich diese fehlende Überprüfungsbefugnis auch noch ins Erinnerungsverfahren nach § 766 hinein erstrecken. 36 BGH WM 2017, 590 (dazu etwa Dötsch IBR 2019, 287); KG JW 1937, 1509; KG OLGZ 1925, 264; 37, 196; OLG Breslau OLGZ 1918, 395; 20, 332 f.; OLG Rostock OLGZ 1942, 32; OLG Düsseldorf NJW 1958, 227. 37 BGH FamRZ 2013, 127; VG Gießen JurBüro 2007, 381; LG Göttingen Nds.Rpfl 1962, 59; OLG Frankfurt JurBüro 1976, 1122; AG Friedberg DGVZ 1991, 47; a.A. (wohl) AG Oldenburg DGVZ 1989, 142; OLG Hamm DGVZ 1990, 21; AG Wetzlar DGVZ 1994, 31. 38 KG OLGRspr 1937, 196. 39 AG Schöneberg Jur Büro 2021, 331; AG Strausberg, DGVZ 2020, 31. Zur Beischreibung s. § 725 Rdn. 30. 40 OLG Rostock OLGRspr 1942, 32. Paulus

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die fehlende Bestimmtheit eines Titels41 mittels einer Auslegung etwa des Urteilstenors korrigiert werden kann.42 Zwar darf das Vollstreckungsorgan bis zu einem gewissen Grad43 die Bestimmtheit des Titels mittels Auslegung herbeiführen;44 doch muss diese Auslegung allein aus dem Inhalt des Titels herleitbar sein oder doch „sämtliche Kriterien für seine Bestimmbarkeit eindeutig festlegen.“45 Freilich sollte man diese Verbote in der Praxis mit einer gewissen Flexibilität anwenden: Ist die Klausel mit einem Fehler behaftet, der in Anbetracht der durchaus zu unterstellenden juristischen Kenntnisse der jeweiligen Vollstreckungsorgane46 als evident zu bezeichnen ist bzw. durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden nachgewiesen wird,47 so können diese die Durchführung der Vollstreckung verweigern. So beispielsweise, wenn die Klausel gegen § 704 Abs. 2 verstößt, oder wenn der Inhalt des Titels ergibt, dass er nicht für vollstreckbar erklärt wurde.48 Darüber hinaus ist die Ausfertigung grundsätzlich auch (in engen Grenzen)49 auslegungsfähig50 – etwa wenn sich der Namen bzw. die Firma des Schuldners geändert hat.51 Aus Gründen der Risikoverteilung ist es auch angemessen, dem Vollstreckungsorgan die Befugnisse des § 419 zuzuerkennen.52 Unrichtig ist es aber, vom Gerichtsvollzieher zu verlangen, das Vorliegen eines qualifizierten Arbeitszeugnisses zu prüfen.53 Hat etwa ein Insolvenzverwalter ein obsiegendes Urteil erstritten, ist er im Grundbuch als Gläubiger der Zwangshypothek einzutragen.54 Problematisch ist, welche Wirkungen es hat, wenn die Vollstreckung gleichwohl durchge- 8 führt wird – etwa weil das Vollstreckungsorgan den Mangel übersehen hat –, obwohl die Klausel fehlt.55 Hier setzen sich konsequenterweise diejenigen Abweichungen fort, die der gesetzliche Regelungsplan durch die öffentlich-rechtliche Betrachtungsweise des Pfändungsvorgangs erfahren hat. So ging etwa die 2. Aufl. dieses Kommentars (A II B) davon aus, dass die Verstrickungswirkungen eintreten, dass aber das Pfändungspfandrecht nicht entsteht. Dem ist etwa Wolfsteiner56 insoweit entgegengetreten, als er zwischen der verfahrensmäßigen und der materiellrechtlichen Wirkung unterscheidet: Die ordnungsgemäß erteilte Klausel sei für die verfahrens41 Dazu außer § 725 Rdn. 13 etwa BGH NJW-RR 2004, 472, 473; OLG Koblenz WM 2003, 405; OLG Stuttgart JurBüro 1998, 324 (betr. vertragliche Freistellungsverpflichtung). Speziell zur Bestimmtheit hinsichtlich der üblichen Zinszahlungsverpflichtungen Frühauf Zinsprognose und zivilrichterliche Verantwortung, NJW 1999, 1217; Volmer Bestimmtheit der Vollstreckungsunterwerfung wegen Zinsansprüchen, ZfIR 2001, 79, 81. S. auch BGH DNotZ 2001, 696 mit Anm. Wolfsteiner (betreffend eine vollstreckbare Urkunde). 42 BGH NJW 2012, 530. 43 Zur Unklarheit eines Forderungsübergangs LG Hannover DGVZ 2019, 262. 44 BGH GRUR 2014, 606. 45 BGHZ 165, 223, 228. 46 Vgl. Zeiss Vollstreckungsautomat der Entscheidungsträger? – Ein Beitrag zum Beurteilungsspielraum des Gerichtsvollziehers, DGVZ 1987, 145 ff. 47 LG Leipzig MittRhNotK 2000, 406. 48 OLG Rostock OLGZ 1931, 94; vgl. 2. Aufl. A IIIb 2. Vgl. aber auch OLG Düsseldorf NJW 1958, 227: Der Eintritt einer Verfallklausel in einem Vergleich ist vom Vollstreckungsorgan nicht zu beachten. Ähnl. wie hier Jaspersen Sinn und Zweck der Vollstreckungsklausel, Rpfleger 1995, 4. 49 Schüler Die Problematik hinsichtlich der Vollstreckungsfähigkeit von Schuldtiteln, die fehlerhaft oder ungenau sind, DGVZ 1982, 65 ff. 50 KG JW 1937, 1509; LG Hannover DGVZ 1978, 61 (zur Gegenleistung bei Zug um Zug Verurteilung); dazu Schneider Prüfung der Gegenleistung durch den Gerichtsvollzieher, DGVZ 1978, 65 ff.; ders. Vollstreckung von Zahlungstiteln Zug um Zug gegen Ausführung handwerklicher Leistungen, DGVZ 1982, 37 ff. 51 S. auch § 727 Rdn. 40; s. auch Hintzen Die Entwicklung im Zwangsvollstreckungsrecht seit 2010, Rpfleger 2012, 604, 605 mit BGH NJW-RR 2011, 1335. 52 OLG Marienwerder OLGRspr 1929, 169; LG Göttingen Nds.Rpfl 1962, 59. 53 So aber AG Stuttgart DGVZ 1986, 121; dazu Geißler Der Anspruch auf Erteilung eines Arbeitszeugnisses in der Vollstreckungspraxis des Gerichtsvollziehers, DGVZ 1988, 17 ff. 54 OLG München ZIP 2010, 2371. 55 Für den Fall des Fehlens des Titels s. BGH NJW-RR 2004, 472, 473. 56 Nachw. bei MünchKomm/Wolfsteiner Rdn. 4 ff. 5

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mäßige Wirksamkeit der Vollstreckung erforderlich, der ordnungsgemäße Titel dagegen für die materiellen Wirkungen – insbes. also für das Entstehen des Pfändungspfandrechts. Zu dieser Differenzierung kommt er, indem er in dem genannten Sinn eine Gewichtung des „Doppeltatbestandes“ – als einen solchen sieht er die vollstreckbare Ausfertigung – vornimmt. Folge seiner Ansicht ist danach, dass bei ordnungsgemäßer Klausel und mangelhaftem Titel keine Erinnerung nach § 766 möglich ist. Unklar ist, ob im umgekehrten Fall ein Pfandrecht entsteht, weil dafür „zumindest auch“ der Titel erforderlich ist. 9 Mangels Anhaltspunkten im Gesetz ist diese Ansicht jedoch abzulehnen. Im Gegenteil setzt dieses für eine Zwangsvollstreckung die aus Titel und Klausel zusammengesetzte vollstreckbare Ausfertigung voraus, gerade ohne eine differenzierende Gewichtung vorzunehmen. Der Zweck der Klauselerteilung beschränkt sich auf den oben erwähnten (Rdn. 2) definitiven Abschluss des Erkenntnisverfahrens, ohne noch zusätzlich eine besondere Legitimation für die anschließende Vollstreckung abzugeben. Die kommt vielmehr nur der vollstreckbaren Ausfertigung als verbundener Einheit zu. Überdies ergibt sich aus der von Wolfsteiner vorgeschlagenen Unterscheidung das unerfreuliche Ergebnis, dass das ohnedies schon höchst unübersichtliche, komplizierte Rechtsbehelfsystem der Zwangsvollstreckung noch weiter ziseliert wird.57 Infolgedessen sind Mängel der vollstreckbaren Ausfertigung einheitlich mit Hilfe der Erinnerung aus § 766 anzugreifen.

III. Anwendungsbereich 1. Allgemeine Voraussetzungen 10 Die Klauselerteilung ist wegen des vorbeschriebenen Zwecks, die Vollstreckbarkeit zu bezeugen und den Schuldner vor Doppelvollstreckungen zu schützen, für alle Arten der Zwangsvollstreckung erforderlich, s. § 795, und auch grundsätzlich unabhängig davon, wie das „Erkenntnisverfahren“ durchgeführt worden ist. Demnach macht es keinen Unterschied, ob der Titel bloß vorläufig oder endgültig vollstreckbar ist, ob der Anspruch auf Geldleistung oder eine sonstige Handlung gerichtet ist, ob das Urteil streitig oder als (erstes) Versäumnisurteil erlangt worden ist. Es bedürfen demzufolge auch solche Titel der Klauselerteilung, die auf die Abgabe einer Willenserklärung nach § 894 Abs. 1 S. 2,58 auf Eintragung einer Zwangssicherungshypothek,59 auf ein Unterlassen oder die Vornahme einer unvertretbaren Handlung gerichtet sind. Eine Ausnahme gilt im letztgenannten Fall nur für die Fälle des § 888 Abs. 2,60 weil solche Titel keine vollstreckbare Ausfertigung erhalten. Eine weitere Ausnahme wird nach verbreiteter Ansicht für die Eintragung einer Vormerkung oder eines Widerspruchs nach § 895 angenommen.61 Dem ist deswegen beizupflichten, weil auch andernorts die vorläufige Sicherung einer Anspruchsverwirklichung einer Klauselerteilung nicht bedarf, §§ 929; 23 Abs. 3 InsO. 11 Darüber hinaus muss die Klausel sowohl für Schiedssprüche nach § 1060,62 Schiedsvergleiche nach § 1053, als auch für die Vollstreckungsurteile des § 72263 und die ausländischen Urteile, die vom Regelungsbereich des § 3 Abs. 1 AVAG erfasst sind, erteilt werden.64 57 Zur Kritik am vorliegenden Rechtsbehelfsystem etwa Gaul Das Rechtsbehelfssystem der Zwangsvollstreckung – Möglichkeiten und Grenzen einer Vereinfachung, ZZP 85 (1972) 251 ff. 58 Dazu Noack Die verschiedenen Funktionen einer Zustellung, DGVZ 1978, 56. 59 OLG Hamm NJOZ 2017, 1630. 60 Wegen § 888 Abs. 1 s. etwa LAG Rheinland-Pfalz JurBüro 2009, 329. 61 KG JW 1938, 2848; BayObLG MDR 1953, 562; BGH Rpfleger 1969, 425. 62 Zu den geringeren Bestimmtheitsanforderungen bzw. zur erweiterten Auslegungsbefugnis bei ausländischen Schiedssprüchen BGH MDR 2012, 186. 63 Für die Klauselerteilung auf der Grundlage einer Eintragung in die Konkurstabelle eines Gerichts der früheren DDR, KG DGVZ 1977, 57. Für die Entscheidung im Rahmen eines ausländischen Insolvenzverfahrens s. § 353 InsO; dazu etwa KPB-InsO/Paulus, § 353 Rdn. 3 ff. 64 Dazu etwa OLG Köln FamRZ 2001, 177. Paulus

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Wegen der nach den §§ 1, 35 AVAG zu vollstreckenden Titel gelten die besonderen Verfah- 12 rensbestimmungen der §§ 7 und – insbes. – 9 AVAG; s. dazu § 723 Rdn. 1 ff.65 Für die im Zuge der zunehmenden vereinheitlichenden Titel des Europäischen Zivilprozessrechts sind die im 11. Buch der ZPO geregelten Besonderheiten zu beachten, etwa die §§ 108266 (betr. sog. unbestrittene Forderungen), 1093 (betr. europäische Zahlungsbefehle), 1107 (betr. sog. geringfügige Forderungen); sie entfalten weitgehend Wirkung und Vollstreckbarkeit auch ohne Vollstreckungsklausel.67 S. überdies § 1112 für Bescheinigungen nach den Artikeln 53 und 60 der Verordnung (EU) Nr. 1215/ 2012. Für das arbeitsgerichtliche Verfahren s. § 62 Abs. 2, S. 1 ArbGG. 13 Zu weiteren Besonderheiten und Ausnahmen s. die nachfolgende Auflistung sowie unten 14 Rdn. 34 ff.

2. Die in Frage kommenden Titel Als bundeseinheitlich geltende Titel, vgl. § 801, die einer vollstreckbaren Ausfertigung bedürfen, vgl. auch §§ 36 ff. GVGA, kommen demnach zusätzlich zu den Urteilen des § 704 Abs. 1 insbes. in Frage: Allgemein gesprochen die in § 794 Abs. 1 aufgelisteten Titel, für die § 795 die allgemeinen Vorschriften und damit auch § 724 grundsätzlich als anwendbar erklärt. Im Einzelnen gilt dabei: Arreste benötigen nur unter bestimmten, in § 929 aufgelisteten Voraussetzungen eine Vollstreckungsklausel. Über § 936 gilt das gleiche für einstweilige Verfügungen68 und über § 53 Abs. 1 FamFG für einstweilige Anordnungen.69 Schiedssprüche, deren Vollstreckbarkeit erklärt worden ist, §§ 1060 ff.; beachte auch § 1061. Eintragungen in eine vom Insolvenzverwalter nach § 174 InsO erstellte Tabelle70 bzw. in einen bestätigten Insolvenzplan, § 257 InsO, sofern nicht der Schuldner in dem Prüfungsverfahren die Forderung bestritten hat, § 201 Abs. 2 InsO. Hat er das nicht, findet die Vollstreckung – nach Beendigung des Insolvenzverfahrens71 und vorbehaltlich des § 294 Abs. 1 InsO – nach Maßgabe der §§ 724 ff. statt. Sie erstreckt sich nur auf die festgestellte Forderung, auf die rückständigen Zinsen nur im Fall des § 174 Abs. 1 InsO. Ähnliches gilt nach § 257 InsO für die Vollstreckung aus einem Insolvenzplan72 und nach § 71 StaRUG für den Restrukturierungsplan. Über § 794 Abs. 1 Nr. 3 ist auch der Eröffnungsbeschluss nach § 148 Abs. 2 InsO als ein vollstreckbarer Titel anzusehen.73

65 Zur Klauselerteilung eines mitgliedstaatlichen Titels, der unbeziffert gesetzliche Zinsen und Mehrwertsteuer zuspricht, OLG Zweibrücken InVo 2005, 108 mit Anm. Roth IPRax 2006, 22. Vgl. damit den Verweis auf mangelnde Bestimmtheit in OLG Köln NJW-RR 2005, 932. 66 Zur Auslegung derartiger Titel BGH Rpfleger 2010, 222. 67 Hierzu etwa Hesterberg Arbeitshilfen für die Zwangsvollstreckung aus Entscheidungen innerhalb der EU, DGVZ 2011, 200. 68 A.A. freilich OLG München MDR 2013, 422, 423; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 18.5.2015 – 2 U 2/15 Rdn. 9; OLG Hamburg BeckRS 2018, 17282, Rdn. 20; überdies etwa Maatsch, jurisPR-WettbR 5/2019 Anm. 5. Wie hier etwa LAG Berlin-Brandenburg NJ 2019, 543. 69 Dazu etwa AG Ibbenbüren DGVZ 2001, 12. 70 Vgl. Jaeger/Meller-Hannich InsO-Komm, 1. Aufl. § 201 Rdn. 16. Zuständig für die Klauselerteilung ist das Insolvenzgericht. 71 OLG Braunschweig Rpfleger 1978, 220. 72 Dazu etwa App DGVZ 2003, 49. 73 Vgl. § 794 Rdn. 78. Hierzu etwa Kor Das Betreten und Durchsuchen der Privat- und Geschäftsräume des Schuldners durch den Insolvenzverwalter nach § 148 Abs. 2 InsO, DZWIR 2020, 393. 7

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Die im Rahmen von Nachlass- und Teilungssachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit getroffenen vorgängigen und rechtskräftig bestätigten Vereinbarungen oder Auseinandersetzungen, §§ 366, 368 FamFG. Auf sie finden nach Maßgabe des § 371 Abs. 2 FamFG die Vorschriften der §§ 795, 797 und damit auch § 724 Anwendung. Dasselbe gilt gem. § 373 Abs. 1 FamFG auch bei der Auseinandersetzung einer ehelichen Gütergemeinschaft der §§ 1415 ff. BGB.74 Auf Vollstreckungen in Familiensachen (dazu § 111 FamFG) finden über § 120 Abs. 1 FamFG gleichfalls die Vorschriften der §§ 704 ff. Anwendung.75 Gleiches gilt über § 95 FamFG für alle weiteren Vollstreckungen im Rahmen der sonstigen FamFG-Verfahren, wobei allerdings bezüglich des Klauselerfordernisses § 86 Abs. 3 FamFG zu beachten ist.76 Bezüglich der Zwangsvollstreckung aus einer rechtskräftig bestätigten Dispache77 finden über § 95 FamFG gleichfalls die §§ 724 ff. Anwendung.78 21 Nachdem § 31 LwVfG79 mit dem Inkrafttreten des FamFG gestrichen worden ist, gilt § 95 FamFG nunmehr auch für gerichtliche Beschlüsse und Vergleiche in Landwirtschaftssachen, vgl. § 9 LwVfG. Von der Verweisung auf die vollstreckungsrechtlichen Vorschriften erfasst sind außer den Entscheidungen in der Hauptsache die Kostenentscheidungen der §§ 34 Abs. 1, 44, 45 LwVfG, die einstweiligen Anordnungen des § 18 LwVfG und die gerichtlichen Vergleiche, §§ 19, 20 Abs. 2, 15 Abs. 5 LwVfG i.V.m. § 160 Abs. 3, Ziff. 1 ZPO.80 Nach zumindest früherer einhelliger Auffassung seien auf sie alle § 724 anzuwenden. Hinsichtlich der vorläufigen Anordnungen ist das jedoch zu bezweifeln. Denn die pauschale Verweisung in § 95 FamFG auf die „Vorschriften der Zivilprozessordnung“ erfasst sehr wohl auch § 929. Dessen Regelung wird dem Beschleunigungszweck einer vorläufigen Anordnung wesentlich besser gerecht als der schwerfällige § 724. Die gegen diese Ansicht sprechende Argumentation, für eine Heranziehung der Vorschriften der ZPO über einstweilige Verfügungen und Arreste bestehe kein Anlass, da § 18 LwVfG eine Spezialregelung enthalte,81 vermag nicht zu überzeugen. Während es nämlich in den angegebenen Fundstellen nur um die Frage geht, ob der einstweilige Rechtsschutz der ZPO neben der vorläufigen Anordnung des LwVfG zugelassen werden sollte, geht es im vorliegenden Problemzusammenhang um das technische Problem der Vollstreckbarkeit der Anordnung. Eine Kumulation der Behelfe ist hier gar nicht denkbar. Der kategorische Ausschluss der §§ 916 ff. geht daher zu weit, so dass der dem Gesetzeszweck des § 18 LwVfG gerecht werdende § 929 angewendet werden kann. Vorläufige Anordnungen bedürfen daher grundsätzlich keiner Vollstreckungsklausel. 22 Nachdem das Wohnungseigentumsgesetz durch Änderungsgesetz 200782 nicht mehr als Materie der freiwilligen Gerichtsbarkeit, sondern als solche des regulären Zivilprozesses anzusehen sind, sind damit automatisch rechtskräftige Entscheidungen und gerichtliche Vergleiche nach diesem Gesetz nach den Vorschriften der §§ 704 ff. vollstreckbar.83

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74 S. dazu noch die besonderen Zuständigkeiten nach § 487 Abs. 1 Nrn. 2 und 3 FamFG. 75 OLG Brandenburg BeckRS 2017, 156127. 76 OLG Brandenburg FamRZ 2019, 1268. Nach Ansicht des OLG Schleswig, MDR 2010, 752, ist eine Klauselerteilung unzulässig, wenn in einem vereinfachten Unterhaltsverfahren wegen künftig fällig werdender Unterhaltsforderungen vollstreckt werden sollen. Zur Vollstreckung eines Informationsanspruchs eines GmbH-Gesellschafters nach §§ 51a, 51b GmbHG s. Fluck/Weber GmbHR 2022, 729. 77 Zum Begriff Heinemann/Keidel, FamFG-Komm, 17. Aufl. § 375 Rdn. 38. 78 Vgl. MünchKomm/Postler FamFG § 409 Rdn. 9 ff. 79 Gesetz über das gerichtliche Verfahren in Landwirtschaftssachen (BGBl III, 317-1), zuletzt geändert durch Artikel 17 des Gesetzes vom 23. Juli 2013 (BGBl. I S. 2586). 80 OLG Celle Rpfleger 1953, S. 82. 81 BGHZ 13, 218, 220; Barnstedt/Steffen § 18 Rdn. 42; Hense Das Bundesgesetz über das gerichtliche Verfahren in Landwirtschaftssachen v. 21.7.1953, DNotZ 1953, 583 f. 82 Artikel 1 des Gesetz zur Änderung des Wohnungseigentumsgesetzes und anderer Gesetze vom 26. März 2007 (BGBl. I S. 370). 83 S. nur Bärmann/Pick WEG 19. Aufl. Einführung zum III. Teil, Rdn. 25. Paulus

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Da auch Haushaltssachen (früher: Hausratssachen) nunmehr gemäß § 200 FamFG in das Gesamtgefüge der freiwilligen Gerichtsbarkeit eingebunden sind, gelten auch hier die oben, unter Rdn. 20, angesprochenen Regelungen über Familiensachen. Nachdem das Gesetz über Vertragshilfesachen84 mit Gesetz über Fernabsatzverträge und andere Fragen des Verbraucherrechts sowie zur Umstellung von Vorschriften auf Euro vom 27.6.200085 zum 30.6.2000 aufgehoben worden ist, kann bezüglich eventuell noch einschlägiger Fragen auf die 2. Auflage verwiesen werden. Die im Verfahren bei Todeserklärungen ergangenen Kostenfestsetzungs- und Kostenerstattungsbeschlüsse, § 38 VerschG; s. auch die Verweisungen auf diese Vorschrift in den §§ 13, 40 VerschG. Eine Ausnahme nach § 795a kommt hierbei trotz der grundsätzlich analogen Anwendbarkeit der §§ 103 ff. auf die Interpretation der §§ 34 ff. VerschG86 nicht in Betracht, weil der Hauptbeschluss keinen vollstreckbaren Inhalt haben kann. Zuschlagsbeschlüsse im Zwangsversteigerungsverfahren nach den §§ 93, 118, 132 ZVG87 wie überhaupt die Anordnung einer Vollstreckungsmaßnahme nach dem ZVG, etwa § 15.88 Vollstreckungen aus diesen Beschlüssen bedürfen einer vollstreckbaren Ausfertigung nach § 724.89 Dabei folgt aus der Formalisierung der Zwangsvollstreckung, vgl. Einl. v. § 704 Rdn. 35, dass die Person des Gläubigers feststehen muss. Das AG Düsseldorf90 hat daher zu Recht die Erteilung einer Ausfertigung verweigert, als in einem Zuschlagsbeschluss nach § 118 ZVG wegen eines Widerspruchs, § 115 ZVG, zwei Personen nicht als kumulativ, sondern alternativ Berechtigte genannt waren.91 Vergütungsfestsetzungen nach den §§ 35 Abs. 3, 85 Abs. 3, 104 Abs. 6, 142 Abs. 7, 147 Abs. 2, 258 Abs. 5, 265 Abs. 4 AktG; 318 Abs. 5 HGB; 102, 121 Abs. 2, 185 Abs. 2 KAGB; 28 Abs. 2 KWG; 155 Abs. 3 InsO; § 10 Abs. 1 UmwG; § 23 Abs. 2 ZAG; § 6 Abs. 1 PublG; § 34 Abs. 4 DMBilG. Die nach § 108 Abs. 2 S. 1 GenG für vollstreckbar erklärten Vorschuss-, Zusatz- und Nachschussberechnungen für die Zahlungsverpflichtungen der Genossen in der Insolvenz der Genossenschaft, §§ 109, 113 Abs. 1 S. 2, 114 Abs. 3 GenG.92 Die vom Strafrichter getroffene Entscheidung, dass eine von einem Dritten für den Beschuldigten geleistete Sicherheit, § 116a StPO, verfallen ist. Diese Entscheidung wirkt nach § 124 Abs. 3 StPO gegenüber dem Dritten wie ein vollstreckbares Zivilendurteil und bedarf mithin der vollstreckbaren Ausfertigung. Nach nicht unbestrittener, aber zutreffender Ansicht gilt dasselbe, wenn nicht ein Dritter, sondern der Beschuldigte selbst die Sicherheit gestellt hat.93 Ebenfalls einer vollstreckbaren Ausfertigung bedarf die im strafprozessualen Adhäsionsverfahren, §§ 403 ff. StPO, ergangene, zusprechende Entscheidung über den zivilrechtlichen Entschädigungsanspruch des Verletzten, §§ 406 Abs. 3, 406b StPO. Über § 794 Abs. 1 Nr. 2, 795 findet § 724 schließlich noch Anwendung auf die Kostenfestsetzungsbeschlüsse in Strafsachen, § 464b StPO, sowie in Bußgeldsachen, § 46 Abs. 1 OWiG.

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Zum Verfahren etwa BGH NJW 1962, 636; MDR 1977, 822; BFHE 84, 130. BGBl. I 897, 908. Vgl. Schubart/Völker Verschollenheitsrecht 1950, § 35 Rdn. 1. BGH FamRZ 2021, 309. S. auch Fischer Forderungsübertragung und Sicherungshypothek im Zwangsversteigerungsverfahren, NJW 1956, 1097. 88 Vgl. BGHZ 188, 177 (Tz. 7). 89 S. Böttcher, ZVG 7. Aufl. § 132 Rdn. 6 ff. 90 MDR 1961, 697. 91 Wie hier Dassler/Schiffhauer/Hintzen Gesetz über die Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung, 16. Aufl. 2020, § 132 Rdn. 11; Steiner/Eickmann/Hagemann/Sterz/Teufel Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung, 9. Aufl. 1986, § 132 Rdn. 18. A.A. Mohrbutter/Drischler et al. Die Zwangsversteigerungs- und Zwangsverwaltungspraxis, 7. Aufl. 1990, Bd. 2, Rdn. 145, sub 4. 92 Vgl. Lang/Weidmüller/Cario Genossenschaftsgesetz, 37. Aufl. 2011, § 109 Rdn. 2. 93 Vgl. Löwe/Rosenberg/Hilger Die Strafprozeßordnung und das Gerichtsverfassungsgesetz, 26. Aufl. 2013, § 124 Rdn. 50; Schultheis in: Karlsruher Kommentar zur StPO, 6. Aufl. 2008, § 124 Rdn. 14. 9

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Aus der Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit die Entscheidungen der Gerichte gemäß §§ 62 Abs. 2,94 85, 87 Abs. 2, 92 Abs. 2 ArbGG;95 198,96 199 Abs. 1 Nr. 1 SGG.97 Desgleichen gerichtliche Vergleiche, §§ 54 Abs. 3, 83a Abs. 1 sowie Schiedssprüche und Schiedsvergleiche nach § 109 ArbGG.98 Die gerichtlichen Vergleiche, § 195 SGG, Anerkenntnisse, § 185 SGG, und Kostenfestsetzungsbeschlüsse der Sozialgerichtsbarkeit gehören wegen § 199 Abs. 1 Nr. 2 und 3 SGG ebenfalls hierher. Verwaltungsakte99 nach dem Sozialgesetzbuch100 können gem. § 66 Abs. 4101 SGB X nach den Vorschriften über die zivilprozessuale Zwangsvollstreckung vollstreckt werden;102 sie bedürfen dann einer vollstreckbaren Ausfertigung.103 Vergleiche, die vor Einigungsstellen bei der IHK über den unlauteren Wettbewerb, bzw. 31 daraus resultierenden bürgerlichen Rechtstreitigkeiten zustande gekommen sind, § 15 Abs. 7 UWG; nach dessen S. 2 ist § 797a entsprechend anzuwenden. Widerrufsbescheide der Entschädigungsbehörde nach § 205 Abs. 1 BEG, sofern sie unter den 32 in § 200 BEG genannten Voraussetzungen zu Unrecht Begünstigten eine Rückzahlungspflicht auferlegen. Die Zwangsvollstreckung aus diesen, durch das Gesetz für vorläufig vollstreckbar erklärten Bescheiden erfolgt gem. §§ 205 Abs. 2, 207 BEG nach den Vorschriften der ZPO; zuständig für die Erteilung ist nach S. 2 die Entschädigungsbehörde. Kostenfestsetzungsbeschlüsse gem. § 11 RVG,104 durch die die gesetzliche Vergütung vom 33 Mandanten eingefordert wird. Bei ihrer Vollstreckung ist die Wartefrist des § 798 zu beachten, nicht aber § 795a, weil der Beschluss nach § 11 RVG nicht mit einem Urteil verbunden ist.105 Die Erteilung einer Klausel ist aber notwendig; sie erfolgt durch die Geschäftsstelle des Gerichts des ersten Rechtszuges.

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94 Speziell zur Klauselerteilung bei einem titulierten Weiterbeschäftigungsanspruch Leydecker/Heider/Fröhlich Die Vollstreckung des Weiterbeschäftigungsanspruchs BB 2009, 2703, 2705.

95 Bei allen genannten Normen ist § 929 kraft ausdrücklicher Verweisung unstreitig anwendbar, Grunsky Arbeitsgerichtsgesetz, 5. Aufl. 1987, § 62 Rdn. 18, § 85 Rdn. 13; vgl. auch Heinze Einstweiliger Rechtsschutz im arbeitsgerichtlichen Verfahren, RdA 1986, 273. Allgemein zum arbeitsgerichtlichen Verfahren Ahmad/Horcher Fragen der Zwangsvollstreckung im arbeitsgerichtlichen Urteilsverfahren NZA 2018, 1234. 96 Sächs. LSG vom 9. August 2018 – L 3 AS 653/16 –, juris. 97 Anders dagegen in dem Fällen des § 201 SGG, vgl. Bay. LSG NZS 2016, 354. 98 Speziell zur Prozessstandschaft, Titelberechtigung und Klauselberechtigung der Zusatzversorgungskasse des Baugewerbes BAG NZA-RR 2009, 201, 203. 99 Hierzu etwa AG Celle DGVZ 2021, 121 (Klausel erforderlich); AG Dresden BeckRS 2020, 54690 (bloße Abschrift des Leistungsbescheids ohne Klausel); AG Dippoldiswalde v. 29.5.2020 – 1 M 36/20 – juris (Mehrfertigungen von Beitragsbescheid). 100 Hierzu wird man auch die fingierten Leistungsbescheide gemäß § 28f Abs. 3 SGB IV zählen können, AG Vaihingen DGVZ 2020, 102; zu ihrer insolvenzrechtlichen Behandlung AG Düsseldorf ZInsO 2022, 272. S. dazu auch BGH WM 2008, 1074. 101 Zur Wissenszurechung bei Vollstreckungen nach Abs. 1 s. BGH ZIP 2013, 685. 102 BGH DGVZ 2016, 179; AG Dresden BeckRS 2020, 54690; AG Hannover NJOZ 2011, 62; AG Augsburg DGVZ 2004, 77. Allgemein Wulffen/Roos SGB X, 7. Aufl. 2010, § 66 Rdn. 12; May DGVZ 2012, 88 (insbesondere auf S. 89 zu dem begrenzten Umfang der in Frage kommenden Titulierungen). 103 BGH MDR 2008, 712 (beachte die Abgrenzung hinsichtlich der Überprüfungsrechte des Vollstreckungsorgans durch BGH DGVZ 2016, 179); SG Berlin BeckRS 2013, 69942; AG Augsburg DGVZ 2004, 77; AG Lehrte DGVZ 2009, 112; LG Ravensburg NJW 1981, 2524; LG Aachen JurBüro 1983, 621; LG Bielefeld JurBüro 1982, 1584 m.Anm. Mümmler; LG Kassel DGVZ 1984, 40; AG Rastatt, LG Baden-Baden DGVZ 1984, 59. Teilweise a.A. AG Obernburg DGVZ 1983, 94; dagegen zurecht Schulz Die vollstreckbare Ausfertigung bei der Vollstreckung nach § 66 IV SGB X, DGVZ 1983, 133; Jakobs Mobiliar-Zwangsvollstreckung für soziale Leistungsträger (§ 66 SGB X), DGVZ 1984, 166 ff.; vgl. auch Polzius Aufgaben des Gerichtsvollziehers im Verwaltungszwangsverfahren, DGVZ 1981, 136 f. 104 Hierzu Hansens Die gerichtliche Durchsetzung des Vergütungsanspruchs des Rechtsanwalts gegen den eigenen Mandanten, NJW 1989, 1131 ff. s. auch § 795 Rdn. 15. 105 Riedel/Süßbauer/Fraunholz Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, 9. Aufl. 2005, § 19 Rdn. 50; Mayer/Kroiß, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, 6. Aufl. 2013, § 11 Rdn. 128. Paulus

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Eine entsprechende Anwendung finden die vorliegenden Vorschriften schließlich auch auf 33a Vollstreckungen, die im Rahmen der Verwaltungsgerichtsbarkeit, § 167 VwGO,106 ergehen.107

3. Ausnahmen Eine Klauselerteilung ist zusätzlich zu den zuvor angedeuteten Ausnahmen in den folgenden Fällen nicht erforderlich: Wenn der betreffende Titel eine Zwangsvollstreckung entweder grundsätzlich ausschließt oder nur auf Zeit – wie in den Fällen der §§ 704 Abs. 2 oder 712 Abs. 1 S. 2, 1. Alt. Darüber hinaus bedarf es einer Vollstreckungsklausel dann nicht, wenn das Gesetz dies ausdrücklich anordnet wie z.B. bei Kostenfestsetzungsbeschlüssen, die nach Maßgabe des § 105 auf das Urteil oder eine Ausfertigung gesetzt sind, § 795a; bei Vollstreckungsbescheiden, sofern nicht die in § 796 Abs. 1 genannten besonderen Bedingungen erfüllt sind, bei der Vorpfändung nach § 845 Abs. 1 S. 3,108 bei bestimmten Arrestbefehlen nach § 929 Abs. 1 oder bei § 30 Abs. 1 AUG. Darüber hinaus wird eine Klausel auch dann nicht benötigt, wenn schon die Anordnung der Vollstreckungsmaßnahme ihrerseits ein Vollstreckungsakt ist;109 also etwa bei der Wegnahme des Hypothekenbriefs nach §§ 830 Abs. 1 S. 2,110 857 Abs. 6, auf der Grundlage des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses; oder wenn der Schuldner eine Urkunde nach Maßgabe des § 836 Abs. 3 S. 2 herauszugeben hat. Dasselbe gilt bei der Haftanordnung, die auf der Grundlage der §§ 807, 883 gem. § 802g erfolgt. Trotz seiner starken Angleichung an das zivilrechtliche Zwangsvollstreckungsrecht ist für ein Verwaltungszwangsverfahren eine Klausel nicht erforderlich.111 Dagegen gilt für die Zwangsmaßnahmen der §§ 887–890 wegen §§ 891, 793 i.V.m. § 794 Abs. 1 Nr. 3 (§ 795), dass zu ihrem (erstmaligen) Erlass eine Klausel sehr wohl erforderlich ist.112 Dabei ist entgegen der wohl h.M. nicht nach den einzelnen Maßnahmen zu differenzieren – etwa dergestalt, dass für eine Ermächtigung nach § 887 Abs. 1 keine vollstreckbare Ausfertigung erforderlich sei, wohl aber für die Erteilung des Vorschusstitels nach Abs. 2.113 Wegen der einheitlichen Regelung in § 891 ist diese Ansicht abzulehnen; maßgeblich ist auch hier die Trennungslinie (Rdn. 2), die der zwangsweisen Durchsetzung der im Titel genannten Leistungsverpflichtung vorausgeht. Die wegen der besonderen Stärke des Eingriffs in § 890 Abs. 2 angeordnete Androhung ist als der eine Klausel erfordernde Beginn der Vollstreckung anzusehen.

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4. Beispiele Wie schon angedeutet (Rdn. 2), eröffnet das Erfordernis einer Vollstreckungsklausel dadurch 39 eigenständige Unsicherheiten – und damit Streitpotential114 –, dass es eben nicht nur die eine Klausel gibt, sondern verschiedene, vgl. die §§ 726–729. Die richtige Klausel anhand der im Titel selbst enthaltenen Angaben zu ermitteln, obliegt jedem Klauselerteilungsorgan.115 Da aber mit 106 Zu § 153 FGO s. etwa BFH BeckRS 2014, 94079. 107 S. etwa VGH München BeckRS 2003, 31333 und NVwZ 2000, 1312 (zu einer Klauselumschreibung nach § 727). S. noch § 794 Rdn. 1. S. allerdings auch § 171 VwGO sowie OVG Berlin-Brandenburg KommJur 2019, 49: VG Sigmaringen zur analogen Anwendung im Fall der Androhung eines Zwangsgeldes, § 172 Abs. 1 VwGO, BeckRS 2022, 3997, Tz. 5. 108 OLG Köln DGVZ 1989, 39; Gilleßen Die Übertragung der Vorpfändung auf den Gerichtsvollzieher, DGVZ 1979, 103 ff. 109 LG Kiel DGVZ 1983, 55. 110 MünchKomm/Wolfsteiner Rdn. 13. 111 Polzius Probleme zum Heimstättenerbrecht, Rpfleger 1981, 129 ff. 112 RGZ 53, 181; a.A. LG Kiel DGVZ 1983, 156. 113 So Kindl/Meller-Hannich/Wolf//Giers/Haas Rdn. 3; MünchKomm/Wolfsteiner Rdn. 13. 114 S. etwa OLG Hamm, Beschl. v. 7.4.2011 – 5 WF 61/11, juris; OLG Brandenburg, Beschl. v. 8.6.2010 – 3 W 57/09, juris. 115 BGH Beschl. v. 7.10.2020 NJW 2020, 3600 (Tz. 15). 11

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dieser Verschiedenheit unterschiedliche funktionelle Zuständigkeiten116 einhergehen, deren Verletzung gravierende vollstreckungsrechtliche Konsequenzen hat, s. oben Rdn. 6 ff., stellt es eine wichtige Information für sämtliche Betroffene dar, welche Klausel im konkreten Einzelfall zu erteilen ist. Da die praktische Vielfalt natürlich grenzenlos ist,117 kann an dieser Stelle nicht mehr als eine höchst selektive Leitlinie an die Hand gegeben werden, die um einige Beispiele118 ergänzt ist. 40 Danach gilt als Faustregel, dass die einfache Klausel der §§ 724, 725 immer dann zu erteilen ist, wenn keine Qualifikation nach den §§ 726–729 vorliegt. Bei der titelergänzenden Klausel des § 726 muss der Gläubiger noch eine im Titel offen gelassene Tatsache – genauer: deren Eintritt – nachweisen,119 während in den Fällen der titelübertragenden Klauseln der §§ 727–729 andere120 als die im Ausgangstitel genannten Personen zum Schuldner oder Gläubiger transformiert werden sollen. Die Abgrenzung verlangt dem Urkundsbeamten mithin durchaus beträchtliche juristische Kenntnisse ab. Wie immer bei Faustregeln, helfen sie in einer Vielzahl der Fälle, aber nicht in allen. So ist 41 etwa der unter Widerrufsvorbehalt geschlossene Vergleich umstrittener, aber richtiger Ansicht nach mit einer qualifizierten Klausel nach § 726 zu bedenken;121 ist dagegen eine Verfallklausel „mit Belohnungscharakter“ in dem Vergleich vereinbart, bedarf es lediglich einer einfachen Klausel nach § 724.122 Gleiches gilt bei einem auf Zug um Zug-Leistung gerichteten Titels.123 Gesellschaftsrechtlich ist bei einem bloßen Formwechsel einer juristischen Person (Umwandlung) – etwa von einer GmbH in eine AG oder Personengesellschaft124 – dagegen die einfache Klausel angezeigt, weil die Identität der Person gewahrt bleibt;125 Entsprechendes gilt für eine Firmen(generell gesprochen: Namens-)126änderung.127 Bei einer Verschmelzung liegt für die übertragende Gesellschaft eine Gesamtrechtsnachfolge vor, so dass in diesem Fall eine Umschreibung nach § 727 erforderlich wird,128 während im entgegengesetzten Fall für die übernehmende Gesellschaft die Inkorporierung der übertragende Gesellschaft keinerlei Auswirkungen auf ihre Identität hat (also

116 S. auch Keller/Rellermeyer Kap. I Rdn. 294 ff. 117 S. etwa BGH ZIP 2020, 2228 betr. Verzicht auf Nachweis der Fälligkeit einer Grundschuld, dazu etwa die Anm. von Blum WuB 2021, 113; Clemente ZfIR 2021, 258; Cranshaw DZWIR 2021, 8.

118 Zu ihnen s. vornehmlich Soutier Die Umschreibung von Vollstreckungsklauseln MittBayNot 2011, 181, 275, 366. S. auch die nachfolgende Auflistung. 119 Eines solchen Nachweises bedarf es nicht, wenn ein Prozessvergleich die hinreichend präzisen Pflichten zum Abschluss eines Vertrages enthält, so dass dieser bereits als Vorvertrag angesehen werden kann, OLG Köln OLG-Report 2004, 260. Fehlt dagegen der Vermerk des § 162 Abs. 1 S. 3, ist der Vergleich nach Ansicht des OLG Düsseldorf unwirksam und kann nicht mit einer Vollstreckungsklausel versehen werden, FamRZ 2020, 1396. 120 Eine Person wird freilich nicht dadurch zu einer „anderen Person“, dass sie den Namen ändert, BGH ZInsO 2012, 98; LG Hannover JurBüro 2005, 275; Zöller/Seibel § 750 Rdn. 9. 121 S. § 726 Rdn. 15 und, zur Zuständigkeit im Sonderfall, § 795b Rdn. 1. 122 BGH NJW 2010, 859, 861. 123 S. außer § 726 Rdn. 18 ff. (mit Modifikationen der hier getroffenen, pauschalen Aussage) auch LG Hamburg Rpfleger 2004, 159. 124 BGH Rpfleger 2016, 494. 125 Vgl. BGH WM 2021, 405 zu den Nachweisanforderungen, dazu etwa Schörnig MDR 2021, 600. Ferner BGH DGVZ 2016, 176; BGH MDR 2004, 640; LG Braunschweig Beschl. v. 22.6.2020, DGVZ 2020, 261; AG Stuttgart DGVZ 2009, 206; AG Wuppertal DGVZ 2008, 28. Zur Umbenennung der Treuhandanstalt in Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben OLG Celle JurBüro 2001, 376. Zu einem klarstellenden Vermerk („Beischreibung“) s. BGH WM 2021, 405 – Tz. 10. 126 Etwa auf Grund der Namensannahme des Ehegatten, vgl. LG Koblenz FamRZ 2003, 1483; Bielau Identität der Vollstreckungsparteien, DGVZ 2009, 193, 196. S. auch AG Dresden DGVZ 2005, 129. 127 OLG Zweibrücken MDR 1988, 418; OLG Bremen MDR 1977, 172. 128 S. § 727 Rdn. 21. Paulus

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verbleibt es da bei § 724).129 Sofern man in einer Ausgliederung einer Gesellschaft130 aus derjenigen eines Vollstreckungsschuldners eine Gesamtrechtsnachfolge sieht, wird man wegen der gesamtschuldnerischen Haftung des § 133 Abs. 1 UmwG eine Klauselerteilung nach § 729 in Betracht ziehen müssen. Ist Schuldner eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, deren Immobilie der Zwangsverwaltung unterworfen werden soll, bedarf es eines alle Gesellschafter benennenden Titels; Änderungen des Bestands müssen über § 727 nachgetragen werden.131 Eine Zweigniederlassung ist unbeschadet eines eigenständigen Namens, § 50 Abs. 3 HGB, ein Teil des Unternehmens ohne eigene Rechtspersönlichkeit.132 In insolvenzrechtlichem Kontext133 ist für den vorliegenden Themenkomplex bedeutsam, 42 dass der in § 80 InsO134 angeordnete Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis wie eine Rechtsnachfolge i.S.d. § 727 behandelt wird.135 Das wird man bei einem vorläufigen Insolvenzverwalter nur annehmen können, wenn ihm die vollen Rechte des § 22 Abs. 1 InsO eingeräumt worden sind.136 Auf Grund der besonderen Vermögensbezogenheit wird man eine Rechtsnachfolge auch bezüglich des eigenverwaltenden Schuldners annehmen müssen, es sei denn, dass lediglich ein einzelnes Mitglied (oder eine begrenzte Anzahl) des Vorstands ausgewechselt worden ist mit dem sog. „CRO“ (Chief Restructuring Officer). Angesichts des Rückfalls der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis vom Insolvenzverwalter auf den Schuldner nach beendetem Insolvenzverfahren wird man auch in diesem Fall von einer Rechtsnachfolge i.S.d. § 727 sprechen müssen.137 Es ist zu beachten, dass auch solche Forderungen, die vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens 43 tituliert worden sind, reine Insolvenzforderungen gemäß § 38 InsO sind und als solche in dem Verfahren anzumelden sind, § 89 InsO; sie dürfen also nicht mittels einer Umschreibung auf den Insolvenzverwalter zu Masseforderungen erhoben werden.138 Für den wohl nur selten einschlägi-

129 Speziell für die Fälle von Bankenfusionen etwa Allf Klauselprobleme in der Immobiliarvollstreckungspraxis, Rpfleger 2001, 385, 396 ff. Für bloße Umwandlungen s. etwa BGH MDR 2004, 640. Zum Wechsel der Zuordnung von einer Zweigniederlassung auf die andere OLG Hamm Rpfleger 2001, 190. 130 Ausführlicher zur Spaltung Soutier MittBayNot 2011, 367. 131 Speziell zu Unterlassungsschulden im Verhältnis zu Umwandlungen BGH GRUR 2007, 995; dazu etwa Mels/Franzen Rechtsnachfolge in die gesetzliche Unterlassungsschuld des Wettbewerbsrechts, GRUR 2008, 968, 973. 132 OLG Hamm Rpfleger 2001, 190. 133 S. zusätzlich die Ausführungen bei § 727 Rdn. 28, 36 f. etwa Soutier Die Umschreibung von Vollstreckungsklauseln MittBayNot 2011, 366, 367 ff.; Hintzen in: Kölner Schrift zum Insolvenzrecht, 3. Aufl. 2009, Kap. 20 Rdn. 13–33; App Unzulässige und noch zulässige Maßnahmen von Insolvenzgläubigern nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners, DGVZ 2004, 67, 68 f.; Stöber Insolvenzverfahren und Vollstreckungs-Zwangsversteigerung, NZI 1998, 105. 134 Gleiches muss zumindest im Bereich der EuInsVO auch für Verfahrenseröffnungen im Ausland gelten, vgl. BGH ZIP 2011, 927. Zur Nachfolge in einen Neuerwerb BAG ZInsO 2014, 2038. 135 BGHZ 188, 177 (Tz. 8); BGH DNotZ 2005, 840, 841; LG Stendal NotBZ 2022, 76; Kesseler Nachweiserfordernisse bei der Umschreibung einer Vollstreckungsklausel gegen den Insolvenzverwalter, ZInsO 2005, 918. Für den Fall der Gläubigerinsolvenz während einer laufenden Vollstreckung gilt Gleiches, vgl. Alff Klauselprobleme in der Immobiliarvollstreckungspraxis, Rpfleger 2001, 385, 390. Für einen Anspruch aus §§ 51a, 51b GmbHG s. allerdings OLG Hamm Rpfleger 2008, 374. Zur Berücksichtigung anfechtungsrechtlicher Erwägungen im Klauselerteilungsverfahren OLG Rostock OLG-Report 2007, 661. 136 Vgl. BGHZ 151, 353; LG Cottbus WM 2001, 535. 137 S. auch LAG Düsseldorf ZIP 2005, 2176 = KTS 2006, 468 mit Anm. Heese; AG Hamburg-Altona DGVZ 2012, 55. Allerdings soll es bei einer bloßen Freigabe eines Gegenstandes aus der Insolvenzmasse keiner erneuten Umschreibung bedürfen, so (wenig überzeugend) BGH DNotZ 2005, 840, dazu Kesseler DNotZ 2006, 84; ferner LG NürnbergFürth DGVZ 2012, 53; LG Dresden DGVZ 2012, 54; skeptisch dagegen AG Hamburg-Altona DGVZ 2012, 55. S. auch Schreinert Erteilung der Vollstreckungsklausel durch den Notar gegen den Schuldner im Insolvenzverfahren RNotZ 2013, 161. 138 OLG München MDR 1999, 1524. S. auch Fischer Vollstreckungstitel von Insolvenzgläubigern nach Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens, ZInsO 2005, 69 ff. 13

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gen Fall, dass ein Titel gegen den vorläufigen schwachen Verwalter erlangt wird,139 die Vollstreckung dagegen im eröffneten Insolvenzverfahren beginnt, bedarf es grundsätzlich der Titelumschreibung; denn es handelt sich bei beiden Verfahren um separate Geschehensabläufe. Dies wird man aus der Ansicht des BGH140 folgern können und müssen, der zufolge selbst bei Personenidentität das ursprünglich Hauptinsolvenzverfahren bei nachfolgender Umwandlung in ein Parallelverfahren unterschiedliche Verfahren i.S.d. EuInsVO sind.

IV. Verfahren 44 Zum Klauselerteilungsverfahren im Einzelnen s. § 725 Rdn. 16 ff.

V. Rechtsbehelfe 45 Der Schuldner kann sich gegen die Erteilung der Klausel141 nach Maßgabe des § 732 zur Wehr setzen, der Gläubiger gegen die Nichterteilung mit der (befristeten) Erinnerung nach § 573 Abs. 1. Im einen wie im anderen Fall schließt sich die sofortige Beschwerde der §§ 576, 573 Abs. 2 an; eine weitere Beschwerde ist wegen § 568 Abs. 2 S. 1 ausgeschlossen.142 § 793 ist dagegen nicht anwendbar, weil die Klauselerteilung nicht „im Zwangsvollstreckungsverfahren“ erfolgt.143 An die Stelle der Erinnerung nach § 573 tritt die sofortige Beschwerde, § 567, wenn die 46 Entscheidung von einem Gericht gefällt wurde – die des § 11 RpflG,144 wenn der Rechtspfleger,145 § 725 Rdn. 16, tätig geworden ist. Bei den weiteren Titeln des § 794 ergeben sich teilweise abweichende Rechtsbehelfsverfahren; s. dort. Als zusätzlicher Rechtsbehelf steht dem Schuldner die unter den besonderen Voraussetzun47 gen des § 768 gestattete Klage zu, dem Gläubiger die des § 731. Gibt die vollstreckbare Ausfertigung den Originalwortlaut des Titels unrichtig wieder und 48 beruht dieser Fehler auf einem Verschulden des ausstellenden Beamten, so liegt darin eine nach § 839 BGB erhebliche Amtspflichtverletzung.146 Durch eine solche Klausel wird eine Rechtsbehelfsfrist nicht in Gang gesetzt.

§ 725 Vollstreckungsklausel Die Vollstreckungsklausel: „Vorstehende Ausfertigung wird dem usw. (Bezeichnung der Partei) zum Zwecke der Zwangsvollstreckung erteilt“ ist der Ausfertigung des Urteils am Schluss beizufügen, von dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu unterschreiben und mit dem Gerichtssiegel zu versehen. 139 Beachte überdies die sog. Rückschlagsperre des § 88 InsO. 140 BGH WM 2008, 1404; dazu Paulus WuB VI A. § 129 InsO 6.08, S. 851. 141 Materiell-rechtliche Einwendungen sind in diesem Verfahren unzulässig, BGH Beschl. v.7.10.2020, DGVZ 2020, 257; BGH NJW-RR 2006, 567. OLG Köln NJW-RR 1992, 632. OLG Köln FamRZ 1985, 626; OLG Hamm JurBüro 1990, 1352 = NJW-RR 1990, 1277. KG Rpfleger 1998, 65. Dazu, dass dessen Entscheidungen immer einer richterlichen Kontrolle zugeführt werden können muss, BVerfGE 101, 397 mit Anm. Dümig Rpfleger 2000, 248. 146 BGH NJW 1981, 2345 = Rpfleger 1981, 393 = VersR 1981, 932; dort auch zur Schadensberechnung.

142 143 144 145

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Abschnitt 1. Allgemeine Vorschriften

Übersicht I.

Bedeutung

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II.

Urteil

III. 1. 2. 3.

Inhalt der Klausel 9 Mussinhalt 14 Sollinhalt 15 Mängel

4 8

IV. 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.

Verfahren 16 Zuständigkeit 18 Antrag Prüfungsumfang des Beamten 27 Rechtliches Gehör 28 Urteilsausfertigung 31 Unterschrift, Siegel 34 Kosten

21

I. Bedeutung Die vorgeschlagene Formulierung der Klausel beansprucht ausweislich der Entwurfsbegründung1 1 keine definitive Verbindlichkeit für sich; der Wortlaut kann auch abweichend gewählt werden, auch wenn sich seine Verwendung aus Gründen der Eindeutigkeit natürlich empfiehlt. Auf alle Fälle muss nur erkenntlich sein, dass überhaupt und an wen eine Klausel erteilt wird (genauer unten Rdn. 9). Ansonsten lässt die Formel den notwendigen Spielraum zur Anpassung an den Einzelfall. In der Begründung zum damaligen § 603 wird dazu beispielhaft ausgeführt: „die Beschränkung auf einen Teil des Streitgegenstandes, die Bezeichnung des Rechtsnachfolgers der einen oder der anderen Partei, für oder gegen welche die Vollstreckung stattfinden soll, die Konstatierung der Notorietät [= der heutige § 727 Abs. 2], die Bezeichnung der produzierten öffentlichen Urkunden (§ 727 Abs. 1) oder des in concreto vorliegenden Rechtsnachfolgeverhältnisses (Erbe, Cedent, etc.), die Beschränkung der Vollstreckung auf Sicherheitsleistung, die Bezeichnung der Vollstreckung als einer vorläufigen oder definitiven, falls ein solcher Unterschied von Bedeutung ist.“ Diese Aufzählung lässt sich nach Maßgabe des Zweckes des Vollstreckungstitels (§ 724 Rdn. 2) 2 verallgemeinern: Titel und Klausel zusammen legen als gerichtliches Zeugnis über die Vollstreckbarkeit den Umfang und das Ausmaß des Vollstreckungsauftrags oder -programms fest. Beide zusammen dienen dazu, dem mit dem Streitstoff vollkommen unvertrauten Vollstreckungsorgan die Durchführung der Vollstreckung zu ermöglichen. Daraus folgt zweierlei: Zum einen gehört in die konkret zu erteilende Klausel all das hineingeschrieben, was zur Realisierung des titulierten Rechts vollstreckungsrechtlich von Bedeutung ist. Wenn eine entsprechende Information bereits im Titel enthalten ist, braucht sie nicht notwendigerweise in die Klausel aufgenommen zu werden. Beispiele hierfür sind etwa, wenn eine Haftungsbeschränkung wie die nach § 780 bereits im Tenor enthalten ist, oder wenn das Urteil auf Duldung der Zwangsvollstreckung in ein bestimmtes Grundstück lautet (Einzelheiten unten Rdn. 9 ff.). Zum anderen muss Grundlage der Vollstreckung immer die vollstreckbare Ausfertigung als Papierurkunde i.S.d. § 317 Abs. 2 sein; Abschriften – auch elektronisch angefertigte – genügen aus Gründen der zu gewährleistenden Authentizität dafür nicht.2 Die Klausel bezeugt also einmal die Vollstreckbarkeit des Titels,3 und zum anderen legt sie 3 das endgültige Vollstreckungsprogramm fest. Demgemäß sehen die §§ 733, 734 einen gesonderten Schutz für den Schuldner vor – und zwar sowohl bei der ersten Aushändigung der vollstreckbaren Ausfertigung, die auf der Urteilsurschrift zu vermerken ist, als auch bei Erteilung weiterer Ausfertigungen; von ihnen ist der Schuldner auf jeden Fall zu unterrichten.

1 Hahn 434. 2 OLG Schleswig BeckRS 2022, 13275, Tz. 13. 3 Stein/Jonas/Münzberg Rdn. 1. Infolgedessen muss die Klausel so angebracht werden, dass ihr Bezug zu dem zu vollstreckenden Tenor eindeutig ist, AG Bremen-Blumenthal DGVZ 1973, 59. 15

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II. Urteil 4 Aus dem funktionellen Zusammenspiel von Titel und Klausel ergibt sich des weiteren, welches Urteil die Vorschrift meint, dem die Klausel beizufügen ist: Es muss immer dasjenige sein, das den zu vollstreckenden Leistungsbefehl ausspricht – und sei es auch nur in der Form, dass sich der Tenor auf die Feststellung beschränkt, dass dem klägerischen Begehren stattzugeben ist. Denn diese Aussage, die das Vollstreckungsverfahren in Gang setzt und um derentwillen das Vollstreckungsrecht überhaupt existiert, ist dem Richter vorbehalten; sie ist gewissermaßen der Kernpunkt der richterlichen Aufgabe und Kompetenz, die infolgedessen keinesfalls dem Urkundsbeamten übertragen werden darf. 5 Der Urkundsbeamte der zweiten Instanz hat daher die Klausel dem erstinstanzlichen Urteil beizufügen, wenn sich das Berufungsurteil in seinem Tenor darauf beschränkt, die Berufung des Beklagten zu verwerfen.4 Dasselbe gilt etwa auch für ein Versäumnisurteil, das durch ein den Einspruch als unzulässig verwerfendes Urteil bestätigt wird. Ändert dagegen die zweite Entscheidung, z.B. das Berufungsurteil, die Vorentscheidung nur teilweise ab, ist also – allgemein formuliert – der vollständige Vollstreckungsinhalt nicht auf einer, sondern auf mehreren Urkunden enthalten, so wird der Urkundsbeamte zweckmäßigerweise diejenige Urkunde zur Grundlage der Ausfertigung hernehmen, auf der der Hauptinhalt der Vollstreckung festgehalten ist.5 Den zu ergänzenden Teil wird er dann in die Klausel selbst aufnehmen. Weil es sich hierbei aber um reine Zweckmäßigkeitserwägungen handelt, ist der Beamte nicht gehindert, die Ausfertigungen zu verbinden und ihnen dann eine nicht ergänzte Klausel beizufügen.6 Aus dem Voranstehenden lässt sich als allgemeine Regel ableiten, dass der ausstellende Be6 amte unter Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten die Klausel an denjenigen Titel anfügen sollte, der die umfangreichste Beschreibung des Vollstreckungsprogramms bereits enthält. Die weiteren Modifikationen sind in der Klausel zu vermerken. Sofern ein Urteil allerdings – wie etwa in den Fällen der §§ 722, 723, 731, 1060, 1062 Abs. 1 Nr. 4 – nur verweisenden Inhalt hat, ist gegebenenfalls das gesamte Programm in die Klausel aufzunehmen. Befinden sich die Vollstreckungsunterwerfung und der von ihr betroffene, materielle Inhalt in 7 verschiedenen Urkunden, so kann für die erstere – vorbehaltlich des § 51 Abs. 2 BeurkG – nur dann eine vollstreckbare Ausfertigung verlangt werden, wenn beide Urkunden eine Einheit darstellen.7

III. Inhalt der Klausel 8 Der Inhalt der Klausel ist außer als Grundlage für das vollstreckungsrechtliche Vorgehen auch und insbesondere deswegen bedeutsam, weil der Schuldner im Hinblick auf den ihm durch § 732 eingeräumten Rechtsschutz seine Verteidigungschancen erkennen können muss, § 724 Rdn. 5. Auf dieses Rechtsschutzziel hin sind daher die formellen Anforderungen auszurichten, bzw. ihr Fehlen zu beurteilen. Im Einzelnen gilt dabei Folgendes:

1. Mussinhalt 9 Zu dem notwendigen Inhalt einer jeden Klausel gehört zunächst einmal, dass der Schuldner unzweifelhaft erkennen kann, dass es sich bei dem ihm vorgelegten Schreiben um eine vollstreckba-

4 RG JW 1903, 374; BGH MDR 1998, 119 (unter Hinweis darauf, dass es einer Prüfung durch den Urkundsbeamten bedürfe, ob „ein anerkennenswertes Bedürfnis für eine vollstreckbare Ausfertigung des Berufungsurteils besteht“).

5 Vgl. BGH MDR 1998, 119, 120; OLG Celle JurBüro 1985, 1731. 6 OLG München NJW 1956, 996. 7 LG Frankfurt DNotZ 1985, 479 m. Anm. Wolfsteiner. Vgl. auch OLG Hamm JurBüro 1988, 250 = NJW-RR 1987, 1404. Vgl. auch AG Bremen-Blumenthal DGVZ 1973, 60. Paulus

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re Ausfertigung handelt.8 Als Grundlage des zwangsweisen, vom Staat sanktionierten Vorgehens des Gläubigers muss sie gerade auch im Hinblick auf die Rechtsschutzmöglichkeit unzweideutig sein. Das ergibt sich in letzter Konsequenz aus dem verfassungsrechtlichen Rechtsstaatsprinzip und gilt selbstverständlich unabhängig davon, dass es sich bei der Klauselerteilung nicht um einen sog. Justizverwaltungsakt i.S.d. § 23 EGGVG handelt; denn die Klausel erteilende Tätigkeit ist Rechtsprechung im funktionellen Sinne.9 Erreicht wird die erforderliche Erkennbarkeit in formeller Hinsicht regelmäßig durch die vorgeschriebene Unterschrift und die Anbringung des Gerichtssiegels (zu beiden Rdn. 31). Die Klausel muss die Parteien, für und gegen die vollstreckt wird, eindeutig erkennen las- 10 sen, sofern sie sich nicht schon aus dem Titel10 ergeben, § 750.11 Im letzteren Fall ist die Bezeichnung ,Kläger‘ oder ,Beklagter‘ ausreichend. Sofern freilich die Klausel den Kreis der von der Vollstreckung Betroffenen über die Formulierung des Titels hinaus – etwa gemäß § 93 ZVG „der Besitzer“ – erweitert und die in der Wohnung mitlebenden Familienangehörigen mit benennt, ist eine qualifizierte Klausel nach § 727 erforderlich.12 Die namentliche Angabe lediglich eines Parteienvertreters oder sonstigen Bevollmächtigten13 genügt nicht. Der gesetzliche Vertreter braucht, wenn er nicht Partei kraft Amtes (wie etwa der Testamentsvollstrecker oder Insolvenzverwalter)14 ist, gar nicht genannt zu werden.15 Wird versehentlich nur er genannt, ist der Titel nach § 319 zu berichtigen. Die Ansicht des BayObLG,16 es genüge, wenn auf Gläubigerseite eine Sammelbezeichnung der Gläubiger („Eigentümer der X-Wohnungsanlage“), vertreten durch den Verwalter, stehe, ist abzulehnen. Der Schuldner soll, selbst wenn er die geschuldete Summe (Wohngeld) an alle zu entrichten hat, mit der in § 750 geforderten Namensnennung nicht nur die Möglichkeit bekommen, die Gläubiger zu ermitteln, sondern er soll deren Namen direkt aus der Ausfertigung entnehmen können. Hat ein Prozessstandschafter den Titel errungen, ist richtiger Ansicht nach dieser der voll- 11 streckungsbefugte Gläubiger;17 will etwa der materiell Berechtigte (im Falle einer gewillkürten Prozessstandschaft) vollstrecken, bedarf es einer Klauselerteilung nach Maßgabe des § 727.18 8 KG JW 1937, 1509. 9 AA MünchKomm/Papst EGGVG § 23 Rdn. 7; Schilken Gerichtsverfassungsrecht, 4. Aufl., Rdn. 47, 70 ff. 10 Zu rigide daher OLG Karlsruhe NJW-RR 2001, 67. 11 Hierzu Schüler Die Problematik hinsichtlich der Vollstreckungsfähigkeit von Schuldtiteln, die fehlerhaft oder ungenau sind, DGVZ 1982, 65 ff.

12 OLG Hamm Rpfleger 1989, 165; a.A. AG Westerburg DGVZ 2005, 46 mit Anm. Seip. Zur Problematik insgesamt Cranshaw/Gietl Titel oder Klausel – Räumung gegen Mit„besitzer“ nach § 93 ZVG? ZfIR 2010, 753, 758.

13 Eine isolierte Vollstreckungsstandschaft, die einem Dritten allein die Vollstreckungsbefugnis einräumt (s. noch Rdn. 11), ist nach Ansicht des BGH nicht zulässig, BGH, Beschl. v. 28.7.2011 – ZR VII 126/10 – juris; BGHZ 92, 347; BGH NJW-RR 1992, 61 = JuS 1992, 260 (K. Schmidt); § 727 Rdn. 25; vgl. aber BGH JZ 1985, 343 f. m.Anm. Brehm. A.A. OLG Dresden NJW-RR 1996, 444 (isolierte Vollstreckungsstandschaft ist zulässig). 14 Hat die Partei kraft Amtes den Titel erwirkt bzw. ist er gegen sie als solche ergangen, bedarf es nur einer einfachen Klausel nach § 724, vgl. Alff Klauselprobleme in der Immobiliarvollstreckungspraxis, Rpfleger 2001, 385, 391. 15 LG Mönchen-Gladbach MDR 1966, 1067. 16 NJW-RR 1986, 564. 17 BGHZ 148, 392 = JZ 2002, 357 mit Anm. Münzberg; BGH NJW 1983, 1678; KG NJW-RR 2000, 1409; OLG Hamm NZG 2000, 200; LG Konstanz NJW-RR 2002, 6; LG Darmstadt Rpfleger 1999, 125. Zur Problematik der Vollstreckungsstandschaft insgesamt Schmidt Vollstreckung im eigenen Namen durch Rechtsfremde – Zur Zulässigkeit einer „Vollstreckungsstandschaft“, 2001; P. Huber Die isolierte Vollstreckungsstandschaft, FS Schumann (2001) 227 ff.; Petersen Die gewillkürte Vollstreckungsstandschaft, ZZP 114 (2001) 485; Becker-Eberhard Die Prozeßstandschaft erstrittener Leistungstitel in der Zwangsvollstreckung, ZZP 104 (1991) 413; sowie Scherer Zulässigkeit einer Vollstreckungsstandschaft? Rpfleger 1995, 89. Zur speziellen Frage der Prozessstandschaft aus § 1626 BGB und ihre Auswirkung auf die Vollstreckung bei volljährig gewordenem Kind s. außer der Kommentierung von § 786 noch Wolf/Lecking Auswirkungen der Beendigung der gesetzlichen Prozessstandschaft auf die Zwangsvollstreckung, MDR 2011, 1. 18 Wolf/Lecking Auswirkungen der Beendigung der gesetzlichen Prozessstandschaft auf die Zwangsvollstreckung, MDR 20011, 1; Alff Klauselprobleme in der Immobiliarvollstreckungspraxis, Rpfleger 2001, 385, 391; Scheel Zur Umschreibung von Vollstreckungsklauseln NotBZ 2001, 248, 256 ff. 17

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Grundsätzlich ist also ihm gegenüber die Vollstreckungsgegenklage zu erheben.19 Seine Vollstreckungsbefugnis kann allerdings durch außerhalb des Titels liegende, besondere Umstände entfallen – etwa wenn das dem in Prozessstandschaft, § 1629 Abs. 3 BGB, erstrittenen Urteil zugrunde liegende Sorgerecht nachträglich entfällt.20 12 Bei mehreren Parteien (Gesamtschuldner oder -gläubiger etwa) ist in der Klausel eine entsprechende Präzisierung vorzunehmen, wenn nur einzelne von dem Zugriff betroffen sein sollen.21 Bei einem späteren Vorgehen gegen die anderen ist § 733 zu beachten. Im Übrigen erhalten Gesamtgläubiger und Gesamthandsgläubiger zusammen nur eine Ausfertigung. Darüber hinaus muss bereits22 der Titel bestimmt23 oder durch Auslegung24 bestimmbar25 13 den Inhalt, Art und Umfang der Vollstreckung erkennen lassen.26 Bei Zahlungstiteln muss also der zu vollstreckende Betrag beziffert sein oder sich doch aus dem Titel ohne weiteres errechnen lassen.27 Hat sich der Umfang des Vollstreckungsanspruchs reduziert, ist das in der Klausel zu vermerken. Der Nachweis einer zwischenzeitlichen, teilweisen Erfüllung durch den Schuldner, bzw. einen Dritten (§ 267 BGB) muss dem Beamten allerdings mittels Urkunden (arg.: §§ 726 ff.)28 erbracht werden. Überhaupt sind ganz generell Einschränkungen und Modifikationen der Vollstreckung aufzunehmen, sofern sie das Vollstreckungsprogramm beeinflussen. Nach dem AVAG sind entsprechende Ausfertigungen unter den Voraussetzungen des § 9 Abs. 2 als „Teil-Vollstreckungsklausel“ zu kennzeichnen. Die Verpflichtung zur Sicherheitsleistung, § 726 Rdn. 22 f., ist nicht in die Klausel aufzunehmen; ändert also das zweitinstanzliche Urteil die Vorentscheidung nur insoweit ab, hat das auf die Klauselerteilung keinen Einfluss.

2. Sollinhalt 14 Nicht notwendiger, sondern allenfalls Sollinhalt der Klausel ist etwa der Hinweis auf die Offenkundigkeit der Rechtsnachfolge in den Fällen des § 727 Abs. 2 oder zwischenzeitlich erfolgte

19 BGH NJW 1993, 1396. 20 KG (und AG Berlin-Charlottenburg) FamRZ 1984, 505; OLG Schleswig, FamRZ 1990, 189; a.A. OLG Hamburg FamRZ 1984, 927; Staudinger/Peschel-Gutzeit § 1629 Rdn. 383; Jaeger in: Johannsen/Henrich, Familienrecht, 5. Aufl. 2010, § 1629 BGB Rdn. 13. 21 Vgl. etwa RG JW 1899, 5. 22 Die Klauselerteilung kann also keinesfalls dazu dienen, einen unzulänglichen Titel erst vollstreckungsfähig zu machen, BGH NJW 1993, 1801, 1802. 23 Zu den Bestimmtheitsanforderungen an einen Titel umfassend § 704 Rdn. 7. Für den vorliegenden Kontext s. etwa BGHZ 122, 16; OLG Köln BeckRS 2009, 13430. Zu den Bestimmtheitsanforderungen an einen Prozessvergleich OLG Saarbrücken NJW-RR 2010, 95; LAG Düsseldorf Rpfleger 2009, 517; OLG Frankfurt InVo 2005, 63; LAG Düsseldorf MDR 2003, 1380, an eine Grundbucheintragung BayObLG NJW-RR 2005, 665, an einen englischen Titel, der hierzulande vollstreckt werden soll, OLG Nürnberg WM 2011, 700; an einen ausländischen Schiedsspruch BGH MDR 2012, 186. 24 Beachte allerdings die einschränkende Tendenz des BGH in DGVZ 2010, 34; auf dieser Linie auch etwa AG Leonberg DGVZ 2011, 173. Zur Reichweite der Auslegung s. auch BGH WM 2021. 405 – Tz. 19 ff. 25 Von der h.M. zu Recht angenommen bei Wertsicherungsklauseln mit Bezug auf den Lebenshaltungspreisindex, s. Nachweise bei Reul Zwangsvollstreckung bei Wertsicherungsklauseln in notariellen Urkunden, MittBayNot 2005, 265, 267 (dort auch zum Bezug auf Beamtenbesoldung und die „Düsseldorfer Tabelle“ – hierzu etwa AG Altenkirchen Rpfleger 2002, 164); s. noch § 726 Rdn. 10. 26 LAG Düsseldorf JurBüro 1988, 1738. Zu den aus diesem Gebot ggf. resultierenden Problemen OLG München ZIP 1990, 1128; dazu etwa Paulus Zivilprozessrecht, 6. Aufl. 2016, Rdn. 723. 27 OLG Zweibrücken MDR 2002, 541; LG Saarbrücken Rpfleger 2003, 416. Deshalb sind Unterhaltstitel mit konkret festgelegter Zahlungsverpflichtung nicht vollstreckbar, wenn sie die Weiterung enthalten: „unter Anrechnung bereits geleisteter Zahlungen“, OLG Zweibrücken FamRZ 2003, 692. Großzügiger für das aus dem Gesetz entnehmbare Kindergeld dagegen OLG Dresden NJW-RR 2011, 1305; OLG Düsseldorf FuR 2004, 308. 28 Vgl. LG Düsseldorf MittBayNot 1977, 252. Paulus

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Änderungen des Namens: sie können, müssen aber nicht in die Klausel aufgenommen werden – wenn dann allerdings nach § 727.29

3. Mängel Ist der Inhalt einer Klausel unvollständig oder stimmt er nicht mit dem Titel überein, so ist 15 hinsichtlich der Rechtsfolgen zwischen notwendigem und Sollinhalt zu unterscheiden: Liegt der Mangel in Letzterem, ist das für den Fortgang unschädlich. Fehlt dagegen eines der notwendigen Klauselbestandteile (Parteienbezeichnung, Unterschrift, Siegel, oder ist fälschlicherweise der Titel als nicht vorläufig vollstreckbar bezeichnet),30 ist die Klausel mithin unvollständig, dürfen die Vollstreckungsorgane mit der Vollstreckung nicht beginnen,31 und es wird eine gegebenenfalls eingeräumte Rechtsbehelfsfrist nicht in Gang gesetzt, vgl. o. § 724 Rdn. 6 ff.

IV. Verfahren 1. Zuständigkeit Die Klausel wird nach § 724 Abs. 2 (beachte §§ 26 i.V.m. 20 Nr. 12 RPflG: Zuständigkeit des Rechts- 16 pflegers) durch den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle, § 153 GVG,32 des Gerichts erster Instanz; seit dem 1.1.2022 möglicherweise auch durch den Urkundsbeamten einer höheren Instanz erteilt, sofern und soweit der Prozess dort anhängig ist.33 Das gilt auch dann, wenn die Klausel aufgrund einer Klage nach § 731 erteilt werden muss.34 Im Falle eines Mahnverfahrens ist das Mahngericht zuständig für die Klauselerteilung,35 nach einem Einspruch jedoch das Prozessgericht.36 Handelt statt des Beamten ein Angestellter, führt das nicht notwendigerweise zur Unwirksamkeit der Klausel.37 In den Fällen der §§ 726 Abs. 1, 727–729, 733, 738, 742, 744, 745 Abs. 2 sowie 749 überträgt § 20 Nr. 12 RpflG diese Aufgabe jedoch dem Rechtspfleger, der freilich gem. §§ 27, 8 Abs. 5 RPflG auch in den „einfacheren“ Fällen tätig werden darf. Weil es in „umgekehrter Richtung“ – statt des Rechtspflegers der Urkundsbeamte – keine gesetzliche Grundlage gibt, ist eine vom unzuständigen Urkundsbeamten ausgestellte Klausel – entgegen der Ansicht des BGH38 –

29 Weitere Beisp. für den Sollinhalt in der 2. Aufl., A III. 30 BGH NJW 1981, 2345 = Rpfleger 1981, 393. 31 Stein/Jonas/Münzberg Rdn. 11. S. auch MünchKomm/Wolfsteiner Rdn. 1 zur Nichtigkeit, wenn die Klausel nicht auf einer Ausfertigung des Titels abgesetzt ist bzw. sich nicht auf diesen bezieht.

32 Zu ihm s. allgemein Schilken Gerichtsverfassungsrecht, 4. Aufl., Rdn. 553 ff. 33 Es gibt (naturgemäß) Ausnahmen von dieser Grundregel: Etwa die Zuständigkeit eines Notars nach §§ 797 Abs. 2, 27 Abs. 1 IntErbRVG, dazu eta OLG Köln ZEV 2022, 231, oder des Bundesministeriums der Justiz (sic!) für zahlungsverpflichtende Rechtsakte des Europäischen Rates, der Kommission oder der Europäischen Zentralbank nach Art. 299 AEUV; vgl. Bekanntmachung über die Zuständigkeit für die Erteilung der Vollstreckungsklausel zu Entscheidungen von Organen der EWG und der EAG vom 3.2.1961, BGBl. II S. 50; dazu etwa Paulus Europäische Kartellbußen in deutscher Zwangsvollstreckung und Insolvenz, FS Schütze (2014) 411, 413. 34 Napierala/Napierala Vollstreckungsklausel nach erfolgreicher Klauselklage, Rpfleger 1989, 493, gegen Wüllenkemper Vollstreckungsklausel nach erfolgreicher Klauselklage, ebda, 87. 35 BGH NJW 1993, 3141; OLG Stuttgart InVo 2005, 31; AG St. Ingbert DGVZ 2012, 165 (zur Klauselumschreibung nach § 727 bei unterlassenem Einspruch); AG Unna DGVZ 2012, 214. A.A. OLG Hamm (I-32 SA 30/12, 16.6.2012: juris); AG Leutkirch DGVZ 2011, 93. 36 BGH NJW-RR 2006, 1575; OLG Hamm BeckRS 2016, 5998. 37 LG Göttingen Nds.Rpfl 1962, 59. 38 BGH Rpfleger 2012, 321 (bloße Angreifbarkeit). 19

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unwirksam.39 Da die Abgrenzung aber nicht immer ganz einfach ist, ist bei einem Kompetenzkonflikt der Richter in Analogie zu § 5 Abs. 1 Nr. 2 RpflG anzurufen. Laut § 9 AVAG ist wieder der Urkundsbeamte für die Klauselerteilung der in § 3 AVAG genannten Titel zuständig – freilich nach Anordnung durch den Richter. 17 Befindet sich der Rechtsstreit in einer höheren Instanz, ist zusätzlich deren Urkundsbeamter zur Ausstellung zuständig. Das gilt auch für den BGH.40 Aus der in den §§ 541, 565 angeordneten beschleunigten („unverzüglich“, der § 544 a.F. sah noch eine Frist von 24 Stunden vor) Einforderungspflicht der Akten41 ist zu folgern, dass sich der Streit ab dem Moment in der höheren Instanz befindet, in dem die Berufungs- oder Revisionsschrift eingereicht worden ist.42 Indem die Kürze dieser Frist die Erteilung eines Rechtskraftzeugnisses verhindern soll, ist weiterhin zu schließen, dass ab diesem Moment die Klauselerteilungskompetenz auch des höheren Gerichts beginnt; darauf, wo sich die Akten gerade befinden, kommt es also insoweit nicht an.43 Ist der Rechtsstreit in zwei Instanzen anhängig, ist der Urkundsbeamte des höheren Gerichts zuständig. Beschränkt sich ein in der Berufungsinstanz geschlossener Vergleich darauf, sich der endgültigen Entscheidung in einem anderen Rechtsstreit zu unterwerfen, so ist zur Klauselerteilung der Urkundsbeamte der ersten Instanz dann weiterhin zuständig, wenn das auf jenen Rechtsstreit bezogene Berufungsurteil der erstinstanzlichen Entscheidung stattgibt.44 S. auch die Kommentierung zu § 706.

2. Antrag 18 Der Antrag ist von dem im Titel genannten Gläubiger zu stellen,45 d.h. von derjenigen Person, zu deren Gunsten die Verurteilung46 lautet.47 Zulässig ist auch ein Antrag auf Erteilung einer Teilklausel, also die Beschränkung auf einen dann freilich präzise bestimmt in der Ausfertigung anzugebenden Teil des dem Antragsteller zugewiesenen Anspruchs. Sofern Antragsteller ein Rechtsnachfolger des Klägers ist – etwa über § 26548 –, muss er nach zutreffender Ansicht des BGH49 allerdings selbst dann nach § 727 vorgehen, wenn der Titel die Leistung an ihn vorschreibt; anderenfalls würden die eigenständigen Voraussetzungen des § 727, die den (bislang noch nicht erbrachten) Nachweis der Rechtsnachfolge verlangen, obsolet.50 Sind mehrere Titelgläubiger vorhanden, hat jeder von ihnen das Antragsrecht und den Anspruch auf eine Ausfertigung.51 Wollte man danach differenzieren, ob einfache oder notwendige Streitgenossenschaft vorgelegen hat,52 bzw. ob eine Gesamt- oder eine Teilberechtigung vorliegt,53 wäre der Urkundsbeamte gegebenenfalls mit schwierigen Rechtsfragen befasst, für die das Gesetz sogar beim Rechtspfleger 39 Vgl. § 724 Rdn. 6; ferner OLG Hamm Rpfleger 2011, 621; OLG Dresden MDR 2010, 1491; OLG Hamm JurBüro 1987, 1255 NJW-RR 1987, 957 (unter Hinw. auf § 8 Abs. 4 RPflG); OLG Frankfurt JurBüro 1991, 438; AG Wetzlar DGVZ 1994, 31; a.A. LG Kassel JurBüro 1986, 1255; AG Oldenburg DGVZ 1989, 142. 40 BGH NJW 1984, 806. 41 S. dazu MünchKomm/Rimmelpacher 4 § 541 Rdn. 3. 42 BGH JR 1956, 345. 43 S. aber immerhin BGH NJW-RR 2006, 1575, für den Fall einer erneuten Erteilung eines Vollstreckungsbescheids. 44 LAG Düsseldorf MDR 1999, 441. 45 BGHZ 92, 349 = NJW 1985, 809; OLG Celle InVo 2003, 238; KG Rpfleger 1971, 103; KG FamRZ 1984, 505; OLG Hamburg FamRZ 1984, 928; OLG Köln FamRZ 1985, 626; OLG Nürnberg FamRZ 1987, 1173; OLG Schleswig FamRZ 1990, 189; Loritz Die Umschreibung der Vollstreckungsklausel, ZZP 95 (1982) 310, 312. 46 Nach Ansicht des BGH: die Prozesspartei, JZ 1984, 199, 200. 47 Zum Recht auf Erteilung einer weiteren vollstreckbaren Ausfertigung OLG München DGVZ 2012, 209. 48 Zu einem nach Rechtshängigkeit an den Insolvenzverwalter abgetretenen Anspruch s. BGH MDR 2017, 542. 49 NJW 1984, 806. 50 Vgl. auch KG JW 1933, 1779. 51 KG NJW-RR 2000, 1409; LG Rostock NotBZ 2004, 78. 52 MünchKomm/Wolfsteiner § 724 Rdn. 25. 53 Stein/Jonas/Münzberg § 725 Rdn. 5. Paulus

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qualifizierte Nachweise verlangt, §§ 726 Abs. 1, 727–729. Freilich sollten materiell-rechtliche Beschränkungen wie etwa die aus §§ 719, 203954 (dazu § 727 Rdn. 20) BGB möglichst in die Klausel aufgenommen werden, um Streitigkeiten während des Vollstreckungsverfahrens zu reduzieren. Wolfsteiners Argumentation,55 hierbei handele es sich um Bedingungen, die grundsätzlich nicht im Klauselerteilungsverfahren zu beachten seien, ist allzu begrifflich. Zum rechtlichen Gehör in diesen Fällen Rdn. 27. Der Antrag bedarf keiner besonderen Form, insbesondere braucht er nicht vom Anwalt 19 gestellt zu werden, § 78 Abs. 3. Vertretungsverhältnisse bei der Antragsstellung müssen nachgewiesen werden,56 sofern sie nicht schon aus dem Titel selbst ersichtlich sind – dann allerdings braucht ihre Richtigkeit nicht nachgeprüft zu werden.57 Nach § 8 AVAG bedarf die Klauselerteilung noch der Anordnung durch das Gericht. In der 20 ZPO ist ein derartiges Vorgehen nicht mehr vorgesehen.

3. Prüfungsumfang des Beamten Bei der Abfassung der Klausel ist zwischen dem Prüfungsumfang und den Gestaltungsbefugnissen 21 zu unterscheiden: a) Was den ersteren anbelangt, so prüft der Urkundsbeamte oder der sonst zuständige Beam- 22 te selbständig aufgrund der ihm vorgelegten und der im Gericht vorliegenden Akten, ob die (formellen)58 Vollstreckungsvoraussetzungen vorliegen; der Gläubiger trägt hierbei die Beweislast. Zu prüfen ist also insbesondere, ob überhaupt ein Titel vorliegt59 bzw. ob ihn gerade der Antrag stellende Gläubiger vorlegen kann,60 ob der richterliche Bescheid (Urteil oder Beschluss) vom Richter unterschrieben (hierbei ist auch § 130b in Rechnung zu stellen) worden ist,61 ob er wirksam62 und (bereits oder noch) in Kraft – wichtig bei § 717 Abs. 1 – ist,63 ob er zugestellt worden ist,64 ob er einen vollstreckbaren Inhalt hat,65 ob (endgültige oder vorläufige) Vollstreckbarkeit vorliegt, ob die gemäß § 794 Abs. 1 Nr. 5 „zu bestimmende“ Forderung den Konkretisierungsanforderungen genügt66 oder ob nicht seine, sondern die Zuständigkeit des Rechtspflegers eröffnet ist,67 weil die besonderen Voraussetzungen der §§ 726 ff. erfüllt sind, vgl. die Kommentierung dort. Kommt er zu einem negativen Ergebnis, darf er die Klausel nicht erteilen. Zu den Prüfungspflich54 Hierzu BGHZ 227, 336, Tz. 15 ff. gegen BGH NJW 1995, 1162: Jeder Miterbe kann für einen Anspruch der Miterbengemeinschaft die vollstreckbare Ausfertigung zu seinen Gunsten verlangen. 55 A.a.O. 56 BayObLG 1964, 75. Eine fehlende Vollmacht des Gläubigers für den Inkassodienstleister macht die Vollstreckung nicht unwirksam, BGH FoVo 2022, 156. 57 OLG Köln MDR 1969, 150. 58 Eine Ausnahme von dieser Beschränkung des Prüfungsumfangs auf rein formelle Voraussetzungen ergibt sich in begrenztem Umfang aus § 726, vgl. BGH NJW 2011, 2803, 2805, 2806. Es ist nicht ersichtlich, dass im deutschen Recht eine Situation auftreten könnte wie die vom EuGH, Urt. v. 4.5.2023 – C-200/21, ZIP 2023, 1299 – Tz. 34 ff. adressierte. 59 Das schließt allerdings nicht auch die verfassungsrechtliche Frage ein, ob ein Selbsttitulierungsrecht (etwa bestimmter öffentlich-rechtlicher Kreditinstitute) auf gleichheitswidrigem Gesetz beruht, vgl. dazu BVerfG, NJW 2013, 1797, sowie § 724 Rdn. 6. 60 OLG Düsseldorf InVo 2002, 28. 61 Zu einem „Scheinbeschluss“ s. BGH NJW 2010, 2748. Zur Entbehrlichkeit einer Unterschrift im Mahnverfahren s. § 703b Abs. 1. 62 Das ist etwa zu verneinen, wenn zwischenzeitlich eine Zweitausfertigung des Titels unter Ungültigerklärung der vorgelegten Erstausfertigung ausgegeben worden ist, AG Hannover DGVZ 2009, 79. 63 OLG Breslau 1926, 375. 64 Zu weit gehende Anforderungen diesbezüglich allerdings OLG Koblenz JurBüro 2010, 154. 65 RG JW 1903, 374; OLG Düsseldorf JurBüro 1987, 927 = NJW-RR 1987, 640; LG Düsseldorf MittBayNot 1977, 252; LG Frankfurt JurBüro 1989, 1314 (für einen Notar; vgl. auch LG Bochum DNotZ 1990, 571). 66 BGH DGVZ 2013, 55, 56; s. auch § 794 Rdn. 32 ff. 67 Hierzu etwa Dörndorfer Qualifizierte Vollstreckungsklausel, DGVZ 2000, 82. 21

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ten des Urkundsbeamten gehört auch, wie schon erwähnt, die nach seiner Zuständigkeit; er muss also überprüfen, ob die zu erteilende Klausel nicht möglicherweise dem Rechtspfleger überantwortet werden muss, weil eine qualifizierte Klausel erforderlich ist.68 Für den Rechtspfleger69 folgt die Prüfungspflicht aus § 9 RpflG, dessen Regelungsgehalt insoweit auf die anderen zuständigen Personen übertragen werden kann. Ebenso wird man in Anlehnung an § 5 RpflG auch dem Urkundsbeamten eine Vorlagebefugnis an den Richter einräumen können. 23 Bei alledem trifft den ausstellenden Beamten die u.U. nach § 839 BGB erhebliche Amtspflicht, die Ausfertigung so herzustellen, dass sie die Urschrift des Titels wortgetreu und richtig wiedergibt.70 Zur Amtspflicht eines ausstellenden Notars, § 19 BNotO.71 Nicht zum Prüfungsumfang gehören dagegen zunächst einmal materielle Rechtsfragen wie 24 die Berechtigung des Urteils72 oder das zwischenzeitliche Erlöschen des Anspruchs bzw. sein Bestehen überhaupt,73 es sei denn, dass der Fortfall bzw. das Nichtbestehen des titulierten Anspruchs durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden nachgewiesen ist.74 Aber auch über prozessuale Zusatzfragen wie die, ob ein Duldungstitel gegen einen Dritten notwendig ist, um die beabsichtigte Vollstreckung durchführen zu können, hat der Beamte ebensowenig zu befinden75 wie darüber, ob die in der Insolvenztabelle als unbestritten ausgewiesene Forderung eine solche aus unerlaubter Handlung ist.76 Ihm obliegt allein die Ausstellung des Zeugnisses, dass (bzw. ob) der vorgelegte Titel vollstreckungsfähig ist. Freilich ist diese Tätigkeit nicht rein mechanischer Art, sondern erfordert durchaus rechtliche Kenntnisse – z.B. bei der Auslegung der §§ 76, 77, 856; § 132 ZVG; vgl. u. § 727 Rdn. 7 f. Es ist daher nur folgerichtig, § 139 Abs. 1 und 2 auch in diesem Verfahrensabschnitt anzuwenden. Der ausstellende Beamte braucht sich jedoch nicht um die Eröffnung77 des schuldnerischen Insolvenzverfahrens zu kümmern. Weil die Klauselerteilung noch nicht den Beginn der Zwangsvollstreckung markiert, § 724 Rdn. 2, fällt auch die Einstellung nach den §§ 707, 719 nicht in seine Prüfungskompetenz; hierfür ist ein Vorgehen nach § 775 erforderlich. Das Gleiche gilt hinsichtlich des nachträglichen Verlustes der Prozessfähigkeit,78 des Eintritts der Liquidation,79 oder des Wechsels des Mitgliederbestands einer Gesamtpartei.80

68 So BGH DGVZ 2013, 33, 34. Diesen Aspekt der eigenen Zuständigkeitsprüfung übersieht der BGH in BeckRS 2022, 14738, Tz. 6.

69 Bezüglich eines Notars s. zusätzlich zu § 797 Rdn. 10 ff. BGHZ 190, 173 (Tz. 19, 21); BGH NJW 2012, 3518; BGH NJW 2009, 1887, 1888; BGH MDR 2005, 1718, 1719; KG MDR 2008, 440, 441; LG Leipzig MittRhNotK 2000, 406; LG Zwickau NotBZ 2000, 200. Fragwürdig in seiner Weite BayObLG DNotZ 1998, 194; enger dagegen BayObLG NJW-RR 2000, 1663. Dem Notar darf durch die Urkunde ein weiterer Prüfungsumfang zuerkannt werden, LG Wuppertal ZMR 2000, 836. 70 BGH NJW 1981, 2345 = Rpfleger 1981, 393 = VersR 1981, 932 (dort auch zum Schaden, der aus einer Verletzung dieser Pflicht resultieren kann). Freilich ist § 839 Abs. 3 BGB zu beachten, der vom Betroffenen ein vorheriges Vorgehen nach § 732 voraussetzt; MünchKomm/Wolfsteiner § 724 Rdn. 54. 71 Etwa OLG Nürnberg DNotZ 1990, 61. 72 KG JW 1934, 1862. Hierzu gehört auch etwa die Frage, ob der im Titel bezeichnete Schuldner überhaupt der deutschen Gerichtsbarkeit unterliegt nach den Vorschriften der §§ 18–20 GVG, BAG NZA 2013, 468. 73 LG Kleve DNotZ 1978, 680 (für den Notar; m. abl. Anm. Wolfsteiner); OLG Köln Rpfleger 1991, 149 (für das Grundbuchamt). 74 Vgl. BayObLG NJW-RR 2000, 1663, 1664. Dort wie auch in BayObLG MittBayNot 2005, 63 mit Anm. Apfelbaum, heißt es ferner, dass das Nichtbestehen des titulierten Anspruchs „zweifelsfrei“ sein müsse. 75 Vgl. 2. Aufl. B IIIb 2. S. auch BGH DGVZ 2016, 179; LG Stuttgart Rpfleger 2000, 537. 76 AG Göttingen Rpfleger 2008, 441. 77 Eine nach Urteilserlass eingetretene Restschuldbefreiung muss er dagegen sehr wohl berücksichtigen, LSG NRW, Urt. v. 15.3.2019 – L 19 AS 1286/17, ZInsO 2018, 1280. 78 OLG Köln FamRZ 1985, 626. 79 KG OLGZ 14, 166. 80 OLG Dresden OLGZ 13, 184; LG Berlin MDR 1970, 244. Vgl. auch KG NJW 1973, 2032. Paulus

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b) Die Frage nach den Gestaltungsbefugnissen ergibt sich daraus, dass die in § 725 angegebe- 25 ne Formel nicht als zwingender Text vorgeschrieben ist, Rdn. 1, dass sie vielmehr die Möglichkeit bietet, den Text an den jeweiligen Titel anzupassen. Darf der ausstellende Beamte die Klausel so „anreichern“, dass die im Titel nur unzulänglich ausgesprochene Leistungspflicht vollstreckbar wird?81 Aus Gründen der Kompetenzverteilung wird man die Frage generell verneinen müssen. Bei einem Urteil ergibt sich das aus der allgemeinen Kompetenzverteilung: sie ordnet an, dass eine Korrektur dem Gericht (dem Richter) obliegt. Unzulänglichkeiten anderer Titel, § 795, unterfallen in der einen oder anderen Weise dem Parteibetrieb: So liegt es etwa allein im Verantwortungsbereich des Gläubigers, einen vollstreckbaren Anspruch in Händen zu halten. Hilfestellung für den einen bedeutet immer Benachteiligung des anderen. Die Gestaltungsmöglichkeit des Beamten beschränkt sich demzufolge darauf, die ihm vorge- 26 legten und vorliegenden Dokumente zusammenzufassen. Im Regelfall wird das das Urteil sein, das durch weitere, für die Vollstreckung wichtige Urkunden ergänzt werden kann – etwa Namensänderung, Grundbuchauszug über eine Änderung, etc. Bezugnahmen auf den zugrundeliegenden Titel sind zulässig.

4. Rechtliches Gehör Aus dem Umkehrschluss zu § 730, insbesondere aber aus § 733 Abs. 1 folgt, dass der Schuldner 27 vor der Erteilung der Klausel nicht zu hören ist; das rechtliche Gehör ist ihm über § 732 ex post gewährt. Gleichwohl empfiehlt sich die Anhörung zumindest immer dann, wenn die Sachlage zweifelhaft ist. Dazu gehört insbesondere der Fall, wenn fraglich ist, ob die Klausel vom Urkundsbeamten oder nach den §§ 726 Abs. 1, 727–729 vom Rechtspfleger zu erstellen ist. Aber auch dann, wenn von dem Vollstreckungsrecht mehr als nur ein Gläubiger und nur ein Schuldner betroffen ist, Rdn. 17, sollte grundsätzlich rechtliches Gehör gewährt werden. S. hierzu auch § 730 Rdn. 2 ff.

5. Urteilsausfertigung Die Ausfertigung des Urteils, auf der die Vollstreckungsklausel vermerkt wird, ist die des § 317 28 Abs. 2,82 3 und 4. Sie enthält also im Regelfall (Ausnahme: § 317 Abs. 2 S. 2 aE) nur das Rubrum und den Tenor, § 313 Abs. 1, Ziff. 1–4. Sofern ein Berufungsurteil die erstinstanzliche Entscheidung bestätigt oder nur unwesentlich abändert, ist die Klausel auf das erstinstanzliche Urteil zu setzen, ansonsten auf das Urteil zweiter Instanz.83 Durch Erteilung der Klausel auf einer Urteilsabschrift wird diese zur vollstreckbaren Ausfertigung.84 Als Ausfertigungsvermerk genügt, wenn der Beamte zusätzlich zu dem Klauseltext in einer einzigen Verlautbarung schreibt: „Ausfertigung wird erteilt“,85 bzw. „Ausgefertigt“;86 einer ausdrücklichen Identitätsbescheinigung der Abschrift mit dem Titeloriginal bedarf es nicht.87 Es ist unschädlich, wenn die Klausel nicht – wie es das Gesetz formuliert – „am Schluss“ der 29 Ausfertigung angebracht ist, sondern am Rand oder gar am Kopf, sofern dies der Eindeutigkeit des gemeinten, zu vollstreckenden Tenors keinen Abbruch tut.88 81 82 83 84 85 86 87 88 23

Vgl. RG HRR 1937, 1555. Auch die vollstreckbare Ausfertigung ist deswegen immer eine Papierurkunde, OLG Schleswig FGPrax 2022, 156. BGH FamRZ 2022, 298 – Tz. 29. BGH NJW 1963, 1307. BGH LM Nr. 13 zu § 198 ZPO = NJW 1963, 1307. RGZ 164, 56. Ungenau daher (und von der vorstehenden Entscheidung präzisiert) BGH LM Nr. 6 zu § 317 ZPO. AG Bremen DGVZ 1973, 59. Paulus

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Offenbare Unrichtigkeiten89 der Klausel können analog § 319 jederzeit vom erteilenden Beamten berichtigt werden. Hierzu gehören auch der etwa durch Heirat (oder Scheidung) eingetretene Namenswechsel, die personelle Änderung bei gleichbleibender Identität einer Gesellschaft, s. dazu § 724 Rdnrn. 7 und 41 sowie § 727 Rdn. 4090 oder der aufgrund der modifizierten Sitztheorie eintretende (etwa Brexit-bedingte) Wandel einer ausländischen juristischen Gesellschaft in eine Personengesellschaft.91 Zur Klärung von Ungewissheiten kann der Klausel eine sog. Beischreibung92 hinzugefügt werden; ihre Erstellung unterliegt den Formerfordernissen der §§ 726, 727.93

6. Unterschrift, Siegel 31 Der die Ausfertigung erstellende Beamte hat diese zumindest im Original94 zu unterschreiben und mit dem Gerichtssiegel (s. auch § 317 Abs. 4) eigens zu versehen – die Verwendung eines bloßen Vordrucks genügt mithin nicht.95 Dies sind für die Wirksamkeit der Ausfertigung unabdingbare Voraussetzungen,96 weil sie die Eindeutigkeit dessen gewährleisten müssen, dass die vollstreckbare Ausfertigung nach der abschließenden Klauselerteilung als Grundlage für den zwangsweisen Befriedigungszugriff verwendet werden darf. Infolgedessen muss die Unterschrift eigenhändig sein, darf also nicht mittels eines Stempels oder eines Faksimile erfolgen; für die zugestellte Abschrift genügt nach Ansicht des BGH jedoch der bloße Vordruck: „gez. Unterschrift“.97 Eine Ausnahme98 von dem Erfordernis einer Unterschrift soll sich allerdings aus dem angestrebten Entlastungszweck des § 703b ergeben.99 Als Siegel genügt eine auf der Ausfertigung befestigte Siegelmarke100 oder auch ein Stempel, der aber nicht bereits im Briefkopf eingedruckt sein darf.101 Sofern nicht schon die Ausfertigung selbst das ausstellende Gericht eindeutig erkennen lässt, muss es zumindest das Siegel tun. Der Schuldner muss wissen, bei welchem Gericht er seine Rechtsbehelfe geltend zu machen hat. 32 Die Unterschrift sollte unter Angabe der Dienstbezeichnung erfolgen, weil sich je nachdem, ob ein Urkundsbeamter oder ein Rechtspfleger tätig geworden ist, unterschiedliche Rechtsbehelfs-

89 Hierzu wird man auch einen „Buchstabendreher“ zählen dürfen, wenn sich im Wege der zulässigen Auslegung des Titels ergibt, dass keine Verwechslungsgefahr besteht, OLG Düsseldorf MDR 2011, 321. S. auch OLG Karlsruhe ZIP 2010, 2526. 90 Vgl. auch BayObLG DNotZ 1979, 55; LG Rottweil DGVZ 2022, 243. Zu den Nachweisanforderungen hierbei Lindemeier Fragen der „Umschreibung“ der Vollstreckungsklausel ohne Rechtsnachfolge, RNotZ 2002, 41. 91 LG Berlin, Urteil vom 28. November 2022 – 101 O 57/22 –, juris – Tz. 53 ff. 92 Hierzu Müller Möglichkeiten der nachträglichen Änderung der Parteienbezeichnung in der Zwangsvollstreckung, DGVZ 2023, 65. 93 S. etwa AG Hamburg BeckRS 2019, 43895. 94 RGZ 164, 56. 95 BGH NJW 2017, 1951; LG Würzburg 52 T 1823/19 – juris, mit Anm. Stark, Stark, jurisPR-InsR 12/2020 Anm. 4. 96 BGH NJW-RR 1998, 141. 97 BGH LM Nr. 13 zu § 198 ZPO (3). 98 So AG St. Ingbert DGVZ 2012, 165. Das verträgt sich allerdings nur schwer mit der richtigerweise anzunehmenden Notwendigkeit, dass die vollstreckbare Ausfertigung eines Verwaltungsaktes nach § 66 Abs. 4 SGB X auch dann eigenhändig unterschrieben sein muss, wenn der Verwaltungsakt nach § 33 Abs. 5 SGB X nicht unterschrieben zu sein braucht. 99 Hierzu BGH FamRZ 2021, 1913 – Tz. 20; dazu etwa Elzer Mahnverfahren: Anwendbarkeit der Sonderregelungen für maschinelle Bearbeitung auf Rechtsnachfolgeklausel, MDR 2021, 1450. 100 RG GruchBeitr 45, 1901, 103. 101 LG Hildesheim BeckRS 2004, 17953; A.A. LG Kassel DGVZ 1984, 175. Paulus

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möglichkeiten ergeben, § 724 Rdn. 40 ff.; ein Verstoß gegen die Angabe der Amtsbezeichnung führt jedoch102 nicht zur Unwirksamkeit der Ausfertigung. Infolgedessen ist nicht grundsätzlich zu beanstanden, wenn die Unterschrift mit einem „i.A.“ versehen ist.103 Die Aushändigung der vollstreckbaren Ausfertigung ist nach § 734 (§ 795) auf der Urschrift 33 des Titels zu vermerken. Erfolgt eine Zustellung durch das Gericht, so sollte dies zumindest im Hinblick auf eventuelle Wartefristen, § 724 Rdn. 1, in der Klausel vermerkt werden.

7. Kosten Für das Verfahren werden keine Gerichtskosten erhoben. Allerdings gilt das nicht für Titel nach 34 § 3 AVAG, Nr. 1510 der Anlage 1 zum GKG. Aus §§ 18 Abs. 1 Nr. 5, 19 Abs. 1 Nr. 13 RVG ergibt sich, dass für die erstmalige Ausstellung der 35 vollstreckbaren Ausfertigung keine gesonderte Gebühr verlangt werden kann; Gleiches gilt auch für die Umschreibung einer Klausel.104 Wenn dagegen der Anwalt nur zum Zwecke des Antrags eingeschaltet wird, gibt es dafür eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2301 VV.

§ 726 Vollstreckbare Ausfertigung bei bedingten Leistungen (1) Von Urteilen, deren Vollstreckung nach ihrem Inhalt von dem durch den Gläubiger zu beweisenden Eintritt einer anderen Tatsache als einer dem Gläubiger obliegenden Sicherheitsleistung abhängt, darf eine vollstreckbare Ausfertigung nur erteilt werden, wenn der Beweis durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden geführt wird. (2) Hängt die Vollstreckung von einer Zug um Zug zu bewirkenden Leistung des Gläubigers an den Schuldner ab, so ist der Beweis, dass der Schuldner befriedigt oder im Verzug der Annahme ist, nur dann erforderlich, wenn die dem Schuldner obliegende Leistung in der Abgabe einer Willenserklärung besteht.

Übersicht I. 1. 2.

Gesetzesgeschichte, Normzweck 1 Geschichte 3 Zweck

II.

Bedeutung

III. 1.

Anwendungsbereich Abs. 1 8 a) Urteil 9 b) Beispiele 14 c) Beweislast Abs. 2

2.

3.

a) Zug um Zug 18 b) Materiell-rechtliche Wertungen Ausnahmen 22 a) Abs. 1 26 b) Abs. 2

IV. 1. 2. 3. 4. 5.

Verfahren 28 Zuständigkeit 29 Qualifizierte Urkunde 37 Rechtliches Gehör 38 Angaben in der Klausel 40 Rechtsbehelfe

4

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102 Entgegen KG JR 1925, 109. 103 Zweifelnd aber LG Kassel DGVZ 1984, 41. 104 Vgl. Mayer/Kroiß/Rohn Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, 6. Aufl. 2013, § 18 Rdn. 59. 25 https://doi.org/10.1515/9783110443158-003

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I. Gesetzesgeschichte, Normzweck 1. Geschichte 1 Der Entwurf der CPO von 1877 enthielt – mit geringfügigen Abweichungen – von der vorliegenden Norm nur deren ersten Absatz, § 664. Ihr Vorbild waren ausweislich der Begründung das hannoversche und das bayerische Gesetz sowie der hannoversche und der norddeutsche Entwurf.1 Abs. 2 ist anlässlich der BGB-Gesetzgebung mit der Novelle von 1898 eingeführt worden. 2 Mit ihm wurde zum Zwecke der Klarstellung die seinerzeit in Rechtsprechung und Literatur herrschende Auffassung festgeschrieben, derzufolge die Verpflichtung zur Zug um Zug Leistung grundsätzlich nicht wie eine nach Abs. 1 zu beweisende Tatsache zu behandeln sei.2

2. Zweck 3 Der Zweck der Vorschrift besteht darin, die Richtigkeit der Vollstreckungsklausel zu gewährleisten. Da nämlich einerseits der Beweis einer in Abs. 1 genannten Tatsache – z.B. Erbringung einer Vorleistung – unter Umständen juristische Kenntnisse des Adressaten dieses Beweises voraussetzt, und da andererseits der Urkundsbeamte des § 724 Abs. 2 auch in den hier behandelten Fällen zur Klauselerteilung zuständig bleibt – gem. § 20 Nr. 12 RpflG ist diese Aufgabe allerdings dem Rechtspfleger übertragen –, ist es geboten, das Wissensdefizit des ausstellenden Beamten dadurch wettzumachen, dass der beantragende Gläubiger den Beweis durch öffentliche, § 418, oder öffentlich beglaubigte Urkunden, § 129 BGB, zu führen hat; s. auch u. Rdn. 29 ff. Durch sie ist die juristische Prüfung des Beweises hinreichend gewährleistet.3 In Anbetracht dieser Begrenzung der Beweismittel ist es beispielsweise für Vorüberlegungen zu einem denkbaren Prozessvergleich4 (oder Anwaltsvergleich und notarielle Urkunde)5 ratsam, die sich hieraus ergebenden Probleme einzukalkulieren, weil nicht alle Vorgänge dem Nachweis gerade durch die geforderten Beweismittel zugänglich sind; auf diese Weise kann sich in praxi aus einer etwa intendierten Beschleunigung6 leicht eine durch das Klageerfordernis nach § 731 bedingte Verzögerung ergeben.7

II. Bedeutung 4 Aus der Vorschrift ergibt sich, dass die Voraussetzungen für die Vollstreckbarkeit grundsätzlich (Ausnahme etwa: § 751;8 s. noch Rdn. 20) zum Zeitpunkt der Klauselerteilung (daher die verbrei1 Hahn 434. 2 Mat. zu den Reichs-Justizgesetznovellen, Bd. I, Die Materialien zur CPO, 1898, S. 206 f. A.A. etwa Wach Vorträge über die Reichs-Civilprocessordnung, 2. Aufl., 1896, 322 ff. m.w.N. in der ersten Fn. auf S. 326.

3 Vgl. allerdings Münzberg Geständnis, Geständnisfiktion und Anerkenntnis im Klauselerteilungsverfahren? NJW 1992, 207, mit dem zutreffenden Hinweis auf das hohe Niveau der Rechtspflegerausbildung. Zusätzlich Zeiss Vollstreckungsautomat oder Entscheidungsträger? – Ein Beitrag zum Vollstreckungsspielraum des Gerichtsvollziehers, DGVZ 1987, 145 ff. 4 Richtig AG Brandenburg BeckRS 2020, 35637. 5 Dass diese Erwägungen auch bei Klagen eine Rolle spielen können, zeigt LAG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 3.9.2008 – 17 Sa 913/08, juris. 6 v.Wietersheim Erteilung von Vollstreckungsklauseln bei Vergleichen mit Beschleunigungsklausel, MDR 1999, 976. 7 Freilich lässt sich aus der Tatsache, dass eine nicht mit den erforderlichen qualifizierten Beweismitteln nachweisbare Vollstreckungsbedingung vereinbart worden ist, nicht ohne Weiteres rückschließen, dass die Vollstreckung nur eingeschränkt möglich sein solle, BGH NJW-RR 2011, 424, 426 = DNotZ 2011, 264 mit differenzierender Anm. Rebhahn. 8 LG Hamburg BeckRS 2020, 35354 – Tz. 24. Paulus

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tete Bezeichnung als titelergänzende Klausel) vorliegen müssen.9 Bei den vollstreckbaren Titeln des § 794 ist das schwerlich anders denkbar,10 bei Urteilen aber ergeben sich hieraus weiterreichende Konsequenzen. So hebt etwa Wolfsteiner die besondere Bedeutung dieser Norm für das Erkenntnisverfahren hervor (MünchKomm Rdn. 1). Indem sie nämlich auch für Urteile gilt, die ihrerseits wegen § 308 nichts anderes als das Beantragte zusprechen dürfen und somit mit dem Bestimmtheitsgebot11 des § 253 Abs. 2, S. 2 korrelieren, ist dieses oftmals als unverrückbar apostrophierte Gebot zu modifizieren. Offenbar schreibt es nämlich nicht vor, dass alle vollstreckungserheblichen Tatsachen bereits in der Klageschrift (bzw. der vollstreckbaren Urkunde) genannt sind. Dabei ist die Formulierung des § 726 zu beachten, der von einer „Tatsache“ und damit nicht 5 von einer „Bedingung“ spricht, d.h.: einem zukünftigen,12 ungewissen Ereignis.13 Während letzterenfalls tatsächlich nur künftige Ansprüche gemeint sein könnten,14 ist die gesetzliche Formulierung weiter,15 weil eine Tatsache beispielsweise auch in der Konkretisierung einer unbedingten Schuld16 liegen kann (vgl. noch unten Rdn. 7).17 Freilich ist die Bedingung i.S.d. § 158 BGB der Prototyp solcher Tatsachen, da vornehmlich sie nach dem Inhalt eines Urteils beweisbedürftig sein wird. Aus diesem Befund folgt die hier nur anzudeutende Fragestellung, wie weit die Modifikatio- 6 nen des Bestimmtheitsgebotes18 reichen sollen oder dürfen.19 Geht man allein vom § 726 aus, müsste eine Klage diesem Gebot genügen, die der künftige Erbe eines Schwerkranken gegen dessen Schuldner auf Leistung erhebt. Sobald er tatsächlich Erbe geworden ist, könnte er gem. § 726 die Klausel beantragen und die Vollstreckung beginnen. Aus prozessualen Gründen ist ein solches Vorgehen freilich insoweit eingeschränkt, als es sich bei ihm um eine Klage auf künftige Leistung handelt, für das die §§ 258 und 259 zu beachten bleiben;20 nicht dagegen § 257, weil diese Vorschrift eine vollstreckungsrechtliche Sonderbehandlung durch § 751 erfährt. Eine Klage auf künftige Leistungen ist daher unbeschadet der Modifikationen des § 726 nur unter den (engen) Voraussetzungen der §§ 258, 259 möglich.21 Materiell-rechtlich wirft der Beispielsfall die Frage auf, inwieweit die fehlende Sachlegitimation mit Hilfe einer Bedingung überbrückt werden kann. Ist, mit anderen Worten, die Klage begründet, wenn der Noch-nicht-Erbe den Anspruch unter der Bedingung einklagt, dass er Erbe wird?22 Die Frage weist auf das grundlegende Problem, ob ein materiell-rechtlich bedingter, 7 schuldrechtlicher Anspruch einklagbar ist.23 Diese Problematik ist hier nicht weiter zu vertie9 BGH Rpfleger 1972, 397. Diese Ansicht hat der BGH jedoch zwischenzeitlich revidiert, Rpfleger 1993, 206. 10 Vgl. KG DNotZ 1993, 681. 11 BGH DZWIR 2018, 486 – Tz. 48. S. auch Stürner Prinzipien der Einzelzwangsvollstreckung, ZZP 99 (1986), 291 ff. 12 Zum Nachweis vergangener Tatsachen (freilich bezogen auf einen Prozessvergleich) OLG Köln InVo 2000, 102. 13 BGH ZInsO 2018, 1404. 14 So MünchKomm/Wolfsteiner Rdn. 2. 15 Das übersieht etwa das LAG Hessen BeckRS 2016, 116551. 16 OLG Koblenz Rpfleger 2005, 37, sieht auch die teilweise eingetretene Rechtskraft im Zusammenhang mit § 14 AnfG als eine solche Tatsache an.

17 Der BGH ordnet auch den Bestand einer Vollmacht diesem Begriff zu, um die erhöhten Nachweisanforderungen des § 726 auch im Falle einer durch einen Vertreter abgegebenen Unterwerfungserklärung nach § 794 Abs. 1 Nr. 5 verlangen zu können, WM 2008, 944; a.A. etwa LG Braunschweig NotBZ 2006, 328. 18 Hierzu Eichel Künftige Forderungen, 2014, S. 315 ff.; MünchKomm/Wolfsteiner Rdn. 3. Beachtenswert auch Säcker Der Streit um die Rechtsnatur des Pfändungspfandrechts, JZ 1971, 161 (mit fehlerhaftem Hinw. auf Savigny): „Man (darf) nie die geringste Einzelnorm einer prätendierten Regel opfern.“. 19 Bezüglich eines schweizerischen Unterhaltstitels OLG Karlsruhe IPRax 2002, 527 mit Anm. Atteslander-Dürrenmatt Vollstreckung bedingter Unterhaltstitel nach schweizerischem Recht in Deutschland, IPRax 2002, 508. 20 BGHZ 5, 342. 21 Sofern man sich nicht damit behelfen will, für Fälle wie die hier vorgetragenen nur die Feststellungsklage zuzulassen. 22 S. dazu etwa Eichel (wie Fn. 14); Kuchinke Zur Sicherung des erbvertraglich oder letztwillig bindend Bedachten durch Feststellungsurteil, Vormerkung und Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes, Festschrift Henckel, 1995, 475 ff. 23 Andeutungsweise BAG ZIP 2022, 1347; BAG NZA-RR 2009, 79. 27

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fen, weil § 726 auf jeden Fall Urteile voraussetzt, die auf eine Leistung gerichtet sind, deren Entstehungsvoraussetzungen noch nicht vollständig erfüllt sind;24 s. auch § 916 Abs. 2. Daraus ergibt sich, dass die Unsicherheit hinsichtlich der Entstehung sowohl auf den Zeitpunkt (incertus quando) als auch auf das „ob überhaupt“ (incertus an) bezogen sein kann.

III. Anwendungsbereich 1. Abs. 1 8 a) Urteil. Wie schon erwähnt, findet die Vorschrift Anwendung auf Urteile und über § 795 auf die weiteren Titel des § 794,25 von denen vornehmlich Vergleiche und vollstreckbare Urkunden26 von einschlägiger Bedeutung sind. Die Tatsache, von deren Vorliegen die Vollstreckbarkeit27 abhängt, muss sich aus dem „Inhalt“ des Urteils, bzw. des Titels28 ergeben.29 Aufgrund der systematischen Stellung der vorliegenden Norm ist unter dem genannten Urteil die in § 724 näher spezifizierte Ausfertigung des Urteils zu verstehen, § 725 Rdn. 2, so dass die Tatsache aus dem Tenor ersichtlich sein muss. Diese Ersichtlichkeit kann in beschränktem Umfang aus einer Auslegung „der Zwecke und Interessen der Parteien“ hergeleitet werden, wenn sich die Auslegung allein auf den Titel selbst oder dem beigefügte Unterlagen bezieht.30 Diese Weiterung wird man nicht so verstehen dürfen, dass es genügen würde, wenn sich die fragliche Tatsache aus der vollständigen Ausfertigung i.S.d. § 317 Abs. 2, S. 2, letzter HS, ergibt; darin läge eine unzulässige Erweiterung der Interpretationsbefugnisse des Urkundsbeamten. Es ist nämlich die ureigene und spezifische Aufgabe des Richters, in einem Urteil den Leistungsbefehl mitsamt seinen Voraussetzungen festzulegen, vgl. § 725 Rdn. 23. Infolgedessen vermag auch der Hinweis auf die vorerwähnten Titel des § 794 eine erweiterte Beurteilungskompetenz nicht zu begründen. Bei ihnen genügt es freilich, wenn sich die Tatsache aus der Urkunde insgesamt ergibt.31

9 b) Beispiele für entsprechende Urteile sind solche, in denen die Leistung etwa vom Tod oder der Volljährigkeit einer bestimmten Person abhängen bzw., generell gesprochen, in denen eine künftige Leistung zugesprochen wird;32 wenn das Urteil in einem anderen Verfahren Rechtskraft 24 BAG JZ 1986, 598. 25 RGZ 72, 22. Der BGH betont wiederholt, dass der Schuldner auf den Schutz des § 726 verzichten kann, zusätzlich zu unten Rdn. 14 s. BGH NJW 1981, 2756; Rpfleger 1991, 376.

26 Zu dem nach jetziger Rechtslage wieder erforderlichen Umstand, dass sich die in Frage stehende „Vollstreckungsbedingung“ aus dem Text der Urkunde ergeben muss und nicht etwa im Wege einer Interessenabwägung herbei-interpretiert werden darf, BGHZ 190, 172 = NJW 2011, 2803, 2805 f., mit instruktiver Beschreibung der vorhergehenden Entwicklung etwa von Piekenbrock Das Sicherheitenpaket der Realkreditgläubiger: Ein juristisches Schauspiel, ZZP 125 (2012) 171. 27 Dazu gehört auch die Wirksamkeit des Anspruchs oder des Titels selbst, weil sich entsprechende Differenzierungen in praxi nicht umsetzen lassen, MünchKomm/Wolfsteiner Rdn. 8; a.A. OLG Braunschweig Rpfleger 1972, 421. 28 Infolgedessen fallen weder unter Abs. 1 noch Abs. 2 diejenigen Fälle, in denen der Gläubiger Nebenleistungen wie etwa die Aushändigung einer Urkunde, Art. 39 WG; Art. 34 ScheckG; §§ 410, 785, 797, 808 Abs. 2 BGB, oder Quittung, § 368 BGB, zu erbringen hat. Sie sind erst im Vollstreckungsstadium zu erfüllen, RGZ 36, 96, 105; RGZ 56, 302; OLG Frankfurt DGVZ 1981, 84 (dagegen Treysse DGVZ 1983, 36 f.); OLG Stuttgart SeuffA 51, Nr. 128; OLG Hamburg 8, 48. 29 BGH NJW 2011, 2803, 2805 f.; DNotZ 2012, 53; BGH DNotZ 2012, 288 (mit Anm. Everts, S. 245 ff.); RGZ 72, 22; 81, 299; OLG Oldenburg Nds.Rpfl 1968, 64. 30 BGH NJW 2020, 3600; BGH NJW 2011, 2803, 2806. Eine weitere Auslegungsbefugnis besteht allerdings dann, wenn das Vollstreckungsorgan selbst den Titel erlassen hat, BGH NJW 2010, 2137; NJW 2004, 506. 31 BGH NJW 2020, 3600; OLG Düsseldorf MittRhNotK 1988, 172 m. Anm. Kistgen. Zur Auslegung von notariellen Unterwerfungserklärungen BGH MittBayNot 2012, 312. 32 BAG NZA 2002, 1232. Paulus

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erlangt hat;33 in denen der Gläubiger zu einer Vorleistung34 verpflichtet wird; wenn er eine Genehmigungserteilung,35 den zwischenzeitlichen Eintritt der Rechtskraft eines Urteils36 oder den Eintritt eines nicht kalendermäßig bestimmten Umstandes zu beweisen hat; wenn er den Annahmeverzug des Schuldners,37 den Erhalt einer naturschutzrechtlichen Genehmigung zum Abschneiden eines Astes nach § 910 BGB38 oder die nach § 1193 Abs. 1 BGB ausgesprochene Kündigung39 nachweisen muss. Freilich ist im letztgenannten Beispielsfall für die Anwendbarkeit des § 726 Abs. 1 darauf zu achten, dass sich diese Notwendigkeit gerade aus dem Inhalt des Titels ergibt, Rdn. 8. Kein Anwendungsfall des § 726 liegt vor, wenn die Vertretungsmacht des Unterwerfungserklärenden (§ 794 Abs. 1 Nr. 5) ungeklärt,40 die Notwendigkeit dieses Nachweises aber nicht im Titel vermerkt ist.41 Zum Räumungsvergleich mit Ersatzraumbeschaffung s.u. Rdn. 16. Umstritten ist die vollstreckungsrechtliche Behandlung von titulierten Ansprüchen, deren 10 Umfang an äußere Faktoren geknüpft ist, z.B. eine Wertsicherungsklausel42 oder einen Index.43 Die endgültige Festlegung kann entweder das Vollstreckungsorgan vornehmen oder der für die Klauselerteilung zuständige Rechtspfleger, weil § 726 Abs. 1 auch auf diese Titel anwendbar ist.44 Eine dritte Möglichkeit gibt es noch bei ausländischen Titeln in Gestalt des Exequaturverfahrens, §§ 722 f.45 Wolfsteiner46 ist zuzugestehen, dass § 726 Abs. 1 die nach dem gesetzlichen Regelungsplan einschlägige Norm ist,47 weil sie den Zeitpunkt endgültiger Bestimmtheit des Vollstreckungsanspruchs normiert, Rdn. 4. Demgemäß ist die Umrechnung im Zweifel im Klauselerteilungsverfahren vorzunehmen, insbesondere dann, wenn es sich um einen nicht dynamisierten Titel handelt.48 Doch kann eine solche Einheitslösung dann zu Ungerechtigkeiten führen, wenn zwischen Klauselerteilung und endgültiger Vollstreckung ein längerer Zeitraum liegt und sich das Berechnungsergebnis dadurch überholt hat. Das ist besonders untragbar dann, wenn der zu voll-

33 RGZ 81, 299, 300; BGH ZInsO 2018, 1404. 34 OLG Hamm Rpfleger 1989, 466; Schilken Wechselbeziehungen zwischen Vollstreckungsrecht und materiellem Recht bei Zug um Zug Leistungen, AcP 181 (1981) 381 ff.

35 OLG Rostock OLGRspr 1942, 32 (zur behördlichen Genehmigung noch Rdn. 24). 36 OLG Koblenz Rpfleger 2005, 37; OLG Frankfurt OLGR Frankfurt 2004, 119; OLG München FamRZ 2002, 405, 406; KG NJWE-FER 2000, 297.

37 RG GruchBeitr. 49, 1055; OLG Karlsruhe MDR 1975, 938. 38 BGH MDR 2019, 1309 – Tz. 15. 39 BGH Urt. v. 7.10.2020, ZIP 2020, 2228 (dort auch zum Nachweisverzicht, der die Bedingung und damit § 726 entfallen lässt, vgl. auch § 725 Rdn. 39); zu dem Urteil etwa Roth JZ 2021, 133; Clemente ZfIR 2021, 168; Cranshaw. DZWIR 2021, 8. Für nichtig ist ein derartiger angesehen vom LG Düsseldorf mit AG Langenfeld, RNotZ 2020, 102; LG Münster ZfIR 2020, 211. 40 OLG Köln MDR 1969, 150. 41 Weiteres Beispiel etwa OLG Hamm, Beschl. v. 7.4.2011 – 5 WF 61/11, juris (die Vollstreckung künftiger Unterhaltszahlungen hängt nach dem Titel nicht von der tatsächlichen Gewährung von Unterhaltsvorschüssen durch die Unterhaltsvorschusskasse ab); zur selben Thematik OLG Schleswig MDR 2010, 752; OLG Köln FamRZ 2003, 107; OLG Stuttgart FamRZ 2006, 1769. Zur Nachweispflicht des Forderungsübergangs als Tatsache i.S.v. § 726 OLG Schleswig FamRZ 2008, 1092. 42 Zur nunmehr angenommenen Zulässigkeit einer Bezugnahme auf den Lebenshaltungsindex des Statistischen Bundesamts BGH NJW-RR 2005, 366; BGH DNotZ 2004, 644 (zuvor dagegen noch offen gelassen durch BGH NJW-RR 1989, 318); dazu etwa Reul Zwangsvollstreckung bei Wertsicherungsklauseln in notariellen Urkunden, MittBayNot 2005, 265. 43 Vgl. nur die Nachw. bei MünchKomm/Wolfsteiner Rdn. 11 ff. 44 BGH RIW 1990, 497; KG OLGZ 1983, 213, 216. Vgl. auch H. Koch, in: Schlosser Materielles Recht und Prozeßrecht und die Auswirkungen der Unterscheidung im Recht des internationalen Zwangsvollstreckung, 1992, S. 184 f. 45 BGH NJW 1993, 1801 = EWiR Art. 31 EuGVÜ 1/94, 149 (Otte). 46 AaO. 47 Zweifelnd Stürner/Münch Die Vollstreckung indexierter ausländischer Unterhaltstitel, JZ 1987, 185. 48 OLG Stuttgart JZ 1987, 579. 29

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streckende Anspruch dem Lebensunterhalt des Gläubigers dient (ausländische Unterhaltsansprüche sind der Prototyp indexierter Titel). Infolgedessen sollte in diesen Fällen die eingefahrene und vom BGH49 gebilligte Praxis beibehalten werden, die endgültige Konkretisierung dem Vollstreckungsorgan zu überlassen.50 11 Das Reichsgericht hielt § 726 Abs. 1 für anwendbar, wenn die Verurteilung auf einen von mehreren Gegenständen (Alternativverhältnis) lautet, zwischen denen ein Dritter die Auswahl zu treffen hat; obliege die Auswahl dagegen Gläubiger oder Schuldner, sei die vollstreckbare Ausfertigung ohne weiteres zu erteilen.51 Denn im ersten Fall obliegt dem Gläubiger der Nachweis, dass und wie sich der Dritte entschieden hat; in den anderen Fällen ist die Entscheidung erst bei der Vollstreckung zu treffen.52 Desgleichen ist die vollstreckbare Ausfertigung ohne weiteres zu erteilen, wenn die Verurtei12 lung auf mehrere Leistungen lautet, die in einem Eventualverhältnis zueinander stehen.53 Ob der die Eventualität auslösende Umstand eingetreten ist, kann zwangsläufig erst im Vollstreckungsverfahren, nicht also schon bei der Klauselerteilung geprüft werden. Das muss selbst dann gelten, wenn die primäre Leistungspflicht in einem Unterlassen besteht, oder wenn die Hauptleistungspflicht nicht vollstreckbar ist, § 888 Abs. 2, bzw. wenn sie auf die Abgabe einer Willenserklärung nach § 894 Abs. 1 S. 1 gerichtet ist (zu § 894 Abs. 1 S. 2 s. § 724 Rdn. 10), obgleich in den beiden letztgenannten Fällen für die Primärpflicht eine Klauselerteilung nicht erforderlich ist.54 Wollte man in diesen Fällen dennoch den qualifizierten Nachweis des § 726 verlangen, würde man den Gläubiger in der überwiegenden Anzahl der Fälle in einen zweiten Prozess nach § 731 treiben.55 Denn der Nachweis der Vornahme einer zu unterlassenden Handlung oder der Nichterfüllung einer dienstvertraglichen Pflicht bzw. Erklärungsverpflichtung wird nur selten mittels qualifizierter Beweismittel, s.u. Rdn. 28 ff., erbracht werden können.56 Eine solche Zwangsläufigkeit kann, ganz abgesehen von ihrer prozessökonomischen Widersinnigkeit, nicht die Folge einer Titelerteilung sein (Wiederbelebung der actio iudicati). S. auch die Kommentierung zu § 510b. Dieses Ergebnis ist also anhand einer Auslegung des Titels abzuleiten und nicht, wie es das AG Friedberg, a.a.O., tut, anhand einer Negierung der Bedingtheit (die Sekundärpflicht bestehe von Anfang an, sei aber noch nicht fällig); denn selbst dann wäre diese Vorschrift wegen der Weite des Begriffs ,Tatsache‘ anzuwenden, s.o. Rdn. 5. Bei den vorstehenden Fällen ist jedoch immer vorab durch Auslegung des Titels festzustellen, 13 ob die beiden Leistungen auch wirklich vollstreckungsrechtlich in einem Eventualverhältnis zueinander stehen.57 Wird beispielsweise eine Vertragsstrafe für jeden Fall des Überschreitens eines bestimmten Phonpegels versprochen,58 dann ergibt sich daraus, dass die primär geschuldete Unterlassungspflicht gerade nicht erzwungen werden kann. In einem solchen Fall ist die Klausel

49 BGH NJW-RR 2005, 366; NJW 2004, 649; DNotZ 1957, 200; s. auch BGH NJW 1993, 1801, 1802 (grundsätzlich liege die Festlegung beim Klauselerteilungsorgan). 50 A.A. Smid Die Priviligierung der Vollstreckung aus Forderungen wegen vorsätzlicher unerlaubter Handlung, ZZP 102 (1989) 51, der die für die Anwendung des § 850d (und § 850f Abs. 2) erforderlichen Konkretisierungen in das Klauselerteilungsverfahren verlegen will. 51 RGZ 27, 382, ebenso Levy Die Zwangsvollstreckung aus disjunktiv vollstreckbaren Schuldtiteln nach der Deutschen ZPO, Gruch 36, S. 40 ff. 52 RGZ 27, 383; RG JW 1900, 155. 53 KG OLGRspr 1918, 394; OLG Hamburg MDR 1972, 1040 (nur im Ergebnis zutr.); wenn der Schuldner also etwa primär zur Ausbesserung, sekundär zur Gesamtsanierung verpflichtet ist, BGH EWiR § 767 ZPO 1/93, 203 (Paulus). 54 AG Friedberg DGVZ 1991, 47. 55 Entsprechende Argumentation bei OLG Celle DNotZ 1969, 106. 56 Vgl. nur OLG Frankfurt Rpfleger 1975, 326. 57 Vgl. LG Arnsberg DGVZ 2002, 123; AG Rottweil, das eine Abgrenzung gegenüber einer Zug um Zug Leistungspflicht vornimmt, DGVZ 1992, 62 (m. wichtiger Anm. der Schriftleitung). 58 AG Limburg DGVZ 1971, 94. Paulus

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nach § 726 zu erteilen.59 Das ist zugleich ein Beispielsfall für das oben genannte „ob überhaupt“ (incertus an), Rdn. 7.60

c) Beweislast. Die Tatsache muss gerade vom Gläubiger zu beweisen sein.61 Grundsätzlich 14 ist für die Beweispflicht des Gläubigers die gesetzliche Beweislastverteilung maßgeblich,62 doch unterliegt dieses Erfordernis nach Ansicht des BGH63 zumindest dann der Parteidisposition, wenn der Titel eine vollstreckbare Urkunde i.S.d. § 794 Abs. 1 Nr. 5 ist;64 hier dient insbesondere der Nachweisverzicht „der Vereinfachung des Nachweises der problemlos gegebenen Vollstreckungsvoraussetzungen, die sonst in einer oft nicht praktikablen Weise nach § 726 ZPO durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden gegenüber dem Notar nachgewiesen werden müssten“.65 Das OLG Nürnberg hält eine entsprechende, formularmäßige Abrede allerdings wegen Verstoß gegen § 11 Nr. 15 AGBG (heute § 309 Nr. 12 BGB) für unwirksam;66 es ist in jedem Fall sorgfältig zu prüfen, ob die vertragliche Regelung tatsächlich die Beweislast berührt.67 Die frühere Ansicht,68 nach der die allgemeine gesetzliche Beweislastverteilung durchgängig maßgeblich sein soll, die sich aus dem materiellen oder aus dem Prozessrecht, z.B. § 14,69 ergeben kann, erweist sich demgegenüber als zu eng. Denn wenn im Klauselerteilungsverfahren wenigstens im begrenzten Umfang Geständnisse und Anerkenntnisse berücksichtigt werden dürfen, Rdn. 30, und somit auch hier Parteidisposition möglich ist, muss dies folgerichtig auch für die Beweislastverteilung gelten;70 sie ist also aus dem Titel zu ermitteln.71 Hat der Schuldner die fragliche Tatsache bereits

59 Vgl. auch Seuffert Zivilprozeßordnung, 11. Aufl., 1911, 1c; MünchKomm/Wolfsteiner Rdn. 7. 60 Vgl. auch BayObLG DNotZ 1976, 366, hinsichtl. der Klauselerteilung für die Zinsen allein, nachdem die Hauptschuld bereits getilgt war. Unrichtig dagegen OLG Köln JmBl. NRW 1950, 38: Dort war Herausgabe und ersatzweise Ersatzzahlung geschuldet; gleichwohl solle die Klausel für die Eventualleistung nach § 726 zu erteilen sein; ebenso OLG Oldenburg bei Unterlassungspflicht und unselbständigem Strafversprechen, Nds.Rpfl 1968, 64. 61 OLG Brandenburg, Beschl. v. 8.6.2010 – 3 W 57/09, juris. 62 AG Göppingen DGVZ 1993, 115; s. auch Dörndorfer Qualifizierte Vollstreckungsklausel, DGVZ 2000, 82, 83 (mit Beispielen). Zur Beweispflichtigkeit des Schuldners bezüglich rechtzeitiger Leistungserbringung AG Weißenfels DGVZ 2011, 191. 63 NJW 1981, 2756. S. nunmehr auch OLG München Rpfleger 2017, 23 (insbesondere zum Nachweisverzicht bei § 1193 Abs. 1 BGB). 64 BGH Beschl. v. 7.10.2020 NJW 2020, 3600; BGH NJW-RR 2006, 567, 568; OLG Stuttgart NJW-RR 1986, 549; OLG Koblenz WM 2003, 405; KG JW 1934, 1631; OLG Celle Nds.Rpfl 1954, 48. Zur Bedeutung dieser Erleichterung im Kontext der Vollstreckungsunterwerfung bei Sicherungsgrundschulden s. Dieckmann Zur Frage der Erteilung der vollstreckbaren Ausfertigung(en) der Grundschuldbestellungsurkunde nach dem Risikobegrenzungsgesetz (insbesondere § 1193 BGB n.F.), BWNotZ 2009, 144, 150; Sommer Das Risikobegrenzungsgesetz in der notariellen Praxis, RNotZ 2009, 578; Böhringer Aktuelle Entwicklungen im Grundstücks- und Grundbuchrecht, BWNotZ 2009, 61, 62; Schmid/Voss Die Sicherungsgrundschuld nach dem Risikobegrenzungsgesetz, DNotZ 2008, 740; Ruzik Risikoerhöhung durch Risikobegrenzung? ZInsO 2008, 1225, 1227 ff.; Böttcher Zwangsvollstreckungsunterwerfung durch einen Vertreter BWNotZ 2007, 109, 110. 65 BGH NJW 2008, 3208, 3210; s. auch BGH NJW 2001, 2096; LG Lübeck Rpfleger 2009, 451 mit Anm. Schulz. Zur früher umstrittenen Zulässigkeit eines Nachweisverzichts etwa Drasdo Vollstreckungsunterwerfung mit Nachweisverzicht im notariellen Bauträgervertrag, NZM 1998, 256. 66 DNotZ 1990, 564; ebenso OLG München NJW-RR 2001, 130; LG Köln DNotZ 1990, 577; a.A. BGH NJW 2002, 138, 139; LG München II DNotZ 1990, 574; LG Köln MittRhNotK 1998, 138; AG Köln DNotZ 1990, 579. 67 Das ist bei einem Nachweisverzicht gerade nicht der Fall, BGH NJW 2008, 3208, 3210; BGH NJW 2001, 2096, 2098; Staudinger/Coester-Waltjen § 308 Nr. 12 Rdn. 5; Dieckmann Zur Frage der Erteilung der vollstreckbaren Ausfertigung(en) der Grundschuldbestellungsurkunde nach dem Risikobegrenzungsgesetz (insbesondere § 1193 BGB), BWNotZ 2009, 144, 152. 68 RGZ 72, 22; 81, 299. Vgl. auch 2. Aufl. sub B Ia 1. 69 Von OLG Stuttgart übersehen, HRR 1931, 1183. 70 Vgl. auch OLG Hamm JurBüro 1991, 870. 71 BGH DGVZ 2012, 181, 182. 31

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zugestanden, § 288, ist die Klausel ohne weiteres zu erteilen.72 Eine Änderung der Beweislast liegt folglich auch dann vor, wenn sich der Schuldner der sofortigen Zwangsvollstreckung unterworfen hat, oder wenn er (in der vollstreckbaren Urkunde) beantragt, eine vollstreckbare Ausfertigung dem Gläubiger zu erteilen.73 15 Gleichwohl gilt als Faustregel, dass für den Eintritt einer aufschiebenden Bedingung der Gläubiger,74 für den einer auflösenden Bedingung dagegen der Schuldner beweispflichtig ist.75 Für den Fall, dass gerade unklar ist, ob eine auflösende oder eine aufschiebende Bedingung gewollt ist, wird man den Gläubiger für beweispflichtig erachten müssen.76 Aus diesem Grund wird man für die Vollstreckung aus einem Vergleich mit Widerrufsvorbehalt77 grundsätzlich78 eine qualifizierte Klausel nach § 726 verlangen müssen.79 Freilich ist in allen diesen Fällen vorab im Wege der Auslegung80 der entsprechenden Klausel zu überprüfen, ob die Bestimmung des einschlägigen zukünftigen Ereignisses dem Gläubiger als gleichsam letzte Voraussetzung für seinen Vollstreckungszugriff zugedacht ist, oder ob es dem Schuldner einen letzten Aufschub (eine Belohnung)81 gewähren soll; letzterenfalls liegt die Beweislast beim Schuldner.82 Diese Differenzierung ist wichtig beispielsweise bei Ratenzahlungsvereinbarungen (etwa in Prozessvergleichen oder vollstreckbaren Urkunden), deren Nichteinhaltung durch den Schuldner sanktioniert ist83: Bei einer Verfalls-,84 oder Wegfallklausel liegt die Beweislast beim Schuldner, bei einer Erlass- bzw. Wiederauflebensklausel85 dagegen beim Gläubiger. 16 Weitere Beispiele für die dem Gläubiger obliegende Beweispflichtigkeit sind etwa der Nachweis seiner Vorleistung (beachte § 322 Abs. 2 BGB),86 die Kündigung oder ein Fristablauf (sofern nicht § 751 eingreift), im Regelfall auch ein Räumungsvergleich mit Ersatzraumbeschaffungsklausel,87 sofern nicht die Beweislast für die Ersatzbeschaffung beim Schuldner liegt; in dem Fall muss er Vollstreckungsgegenklage erheben. Aber auch ein unter Eheleuten für den Fall rechtskräftiger

72 OLG Frankfurt Rpfleger 1975, 326. 73 OLG Celle DNotZ 1969, 102; BGH NJW 1981, 2756; a.A. Wolfsteiner Beweislastumkehr durch Zwangsvollstreckungsunterwerfung? NJW 1982, 2851.

74 Dazu KG MDR 1967, 848; OLG Hamburg Rpfleger 1965, 276. Vgl. auch OLG Düsseldorf JW 1931, 2167, und OLG Karlsruhe JW 1931, 2168 zu einem bestätigten Vergleich nach § 7 VerglO. Zum Ablauf der 6-Monatssfrist des § 1193 Abs. 1 S. 3 BGB Derleder Die neue Sicherungsgrundschuld, ZIP 2009, 2221, 2228 f. Ruzik Risikoerhöhung durch Risikobegrenzung? ZInsO 2008, 1225, 1227. 75 Dazu unten Rdn. 24 und OLG Hamburg OLGRspr 1929, 170; OLG Dresden SächsA 4, 1894, 221. 76 OLG Karlsruhe JurBüro 1983, 776; BGH NJW 1985, 497. Bei einer Leibrente folgt aus der herrschenden Einheitstheorie, dass dem Schuldner der Beweis obliegt, dass die Person, von deren Lebensdauer die Rente abhängt, verstorben ist, Staudinger-Liebrecht, Vorbemerkungen zu §§ 759–761 Rdn. 28. 77 Anders dagegen bei einem Vergleich mit einer Verfallsklausel „mit Belohnungscharakter“, BGH NJW 2010, 859, 861; s. auch § 724 Rdn. 40. 78 S. auch § 795b Rdn. 1, sowie LG Koblenz Rpfleger 2011, 389. 79 BGH NJW 2006, 776; BAG DGVZ 2004, 90; OLG Köln InVo 2005, 471; OLG Saarbrücken NJW 2004, 2908; LG Koblenz Rpfleger 2001, 389 und JurBüro 2003, 444; Benner Zur erforderlichen Klausel beim Vergleich mit Widerrufsvorbehalt, Rpfleger 2004, 89, 91; Giers Die Klausel beim Widerrufsvergleich, DGVZ 2004, 177. A.A. OLG Stuttgart NJW 2005, 909 (bei nicht erfolgtem Widerruf); LG Leipzig (16 T 3839/03); Sauer/Meiendresch Widerrufsvergleich und Erteilung der Vollstreckungsklausel, NJW 2004, 2870. 80 Vgl. BayLSG NZS 2012, 879. 81 Zur Frage, ob eine derartige Belohnung einmal Vertragsstrafencharakter haben kann, BGH NJW 2010, 859. 82 BGH DGVZ 2012, 181, 182. 83 S. hierzu Kaiser Rechtsbehelfe von Gläubiger und Schuldner bei Streitigkeiten im Rahmen von Verfall-, Wegfallund Wiederauflebensklauseln, NJW 2010, 39; v. Wietersheim Vollstreckungsklauseln bei Vergleichen mit Beschleunigungsklausel, MDR 1999, 976, 977. 84 BGH DNotZ 1965, 544. 85 KG MDR 1967, 848; AG Rastatt RPfleger 1997, 75. 86 OLG Koblenz NJW 1992, 378. 87 A.A. LG Ellwangen NJW 1964, 671. Paulus

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Scheidung geschlossener Unterhaltsvergleich erlegt dem Unterhaltsberechtigten gegebenenfalls die Beweislast auf.88 Analoge Anwendung: In einigen Fällen findet die Titelergänzung des § 726 Anwendung, ob- 17 wohl dessen Tatbestandsvoraussetzungen nicht vollständig erfüllt sind.89 Etwa wenn die Räumungsvollstreckung aus einem Zuschlagbeschluss nach §§ 82, 93 ZVG erfolgt und mitbesitzende Familienangehörigen (nicht auch Mieter) dort nicht aufgeführt sind; hier erfolgt die Ergänzung durch die in Analogie zu § 726 zu erstellenden Klausel.90 Entsprechendes gilt bezüglich der Angehörigen und Lebenspartner des Wohnungseigentümers, gegen den ein Urteil nach Maßgabe des § 17 Abs. 4 WEG erstritten wurde. Desgleichen wird eine Analogie zu § 726 bemüht, wenn im Klauselerteilungsverfahren zu einer Vollstreckungsunterwerfung nach § 794 Abs. 1 Nr. 5 durch einen Vertreter die formell ordnungsgemäße Abgabe der Unterwerfungserklärung durch den Vertreter sowie dessen Vollmacht geprüft wird.91

2. Abs. 2 a) Zug um Zug. Hat der Vollstreckungsgläubiger ein obsiegendes Urteil mit der Einschränkung 18 erlangt, dass er seinen Anspruch nur gegen Erfüllung Zug um Zug seiner Leistungspflicht92 durchsetzen darf, ist die vollstreckbare Ausfertigung ohne weitere Einschränkung – also nach Maßgabe des § 724 – zu erteilen.93 Zu diesem Zweck muss der Titel aber natürlich vom Richter in eindeutiger und hinreichend bestimmter94 Form abgefasst sein, s. bereits Rdn. 8; so ist die Leistung gegen Aushändigung einer Urkunde regelmäßig95 keine Zug um Zug-Verpflichtung.96 Wie schon oben (Rdn. 2) angedeutet, gibt Abs. 2 die seinerzeit herrschende Auffassung wieder, derzufolge die Zug um Zug zu bewirkende Leistung keine Tatsache im Sinne des Abs. 1 sein konnte, weil die dem Schuldner mit dieser Leistungsmodalität eingeräumte Vergünstigung, §§ 274, 322, 348 (über diese Vorschrift sind folglich auch etwa die Rücktrittsrechte im jeweiligen Mängelgewährleistungsrecht erfasst), 1217 Abs. 2, 1144 BGB; § 369 HGB, sich in der Zwangsvollstreckung nicht verstärken dürfe. Da er nämlich aufgrund dieser Vorschriften nur leisten muss, wenn er auch die Gegenleistung angeboten bekommt, bzw. wenn er sich seinerseits im Annahmeverzug befindet, § 274 Abs. 2 BGB, wäre er über Gebühr bevorzugt, wenn der Gläubiger bereits im Zeitpunkt der Klauselerteilung die Befriedigung oder den Verzug des anderen nachweisen müsste. Das ist vielmehr erst dann gerechtfertigt, wenn die Vollstreckung unmittelbar bevorsteht. Ganz in diesem 88 OLG Frankfurt OLG-Report 2004, 119. 89 Hierzu Schuschke Kostensenkungsmodelle bei der Zwangsräumung sowie Räumungsvollstreckung gegen Mitbewohner, NZM 2005, 681, 687. 90 Schuschke a.a.O., mit Hinweis auf OLG Celle (Urt. v. 11. Februar 2003 – 16 U 180/02 – juris). 91 BGH NJW 2008, 2266; s. auch OLG Zweibrücken InVo 1999, 185. 92 Zu den Anforderungen an deren Präzisierung BGHZ 45, 287; OLG Frankfurt Rpfleger 1979, 432; BGH NJW 1993, 324. Dazu Blunck Die Bezeichnung der Gegenleistung bei der Verurteilung zur Leistung Zug um Zug, NJW 1967, 1598 f. Vgl. auch BGH MDR 1977, 133; LG Hannover DGVZ 1978, 61 f.; Schneider Prüfung der Gegenleistung durch den Gerichtsvollzieher, DGVZ 1978, 65 ff.; ders. Vollstreckung von Zahlungstitel Zug um Zug gegen Ausführung handwerklicher Leistungen, DGVZ 1982, 37 (handwerkliche Leistungen, dazu LG Arnsberg DGVZ 1983, 151). 93 OLG Frankfurt JurBüro 1981, 938; OLG München OLGRspr 1933, 90; LG Hamburg Rpfleger 2004, 159. 94 Verneint etwa vom OLG Koblenz NJW 2009, 3619, oder auch OLG Saarbrücken NJW-RR 2010, 95. 95 BGHZ 177, 178 = NJW 2008, 3144. Eine Ausnahme von dem Grundsatz besteht, wenn die Urkunde nicht in der bloßen Dokumentation der Leistungserbringung liegt, sondern einen eigenständigen Leistungsgegenstand bildet. Letzteres soll bei Wechseln nicht gelten, OLG Frankfurt DGVZ 1981, 84, 85; LG Aachen DGVZ 1983, 75, 76; Fichtner Die Vollstreckung aus Titeln auf Leistung Zug um Zug nach der Zweiten Zwangsvollstreckungsnovelle und dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz, DGVZ 2004, 1, 2 m.w.N. in Fn. 21 (s. aber LG Wiesbaden DGVZ 2011, 70); wohl aber bei der Aushändigung eines Hypothekenbriefs nach § 1144 BGB (beachte hierbei § 62 Abs. 4 S. 5 GVGA). 96 Zutreffend Fichtner Die Vollstreckung aus Titeln auf Leistung Zug um Zug nach der Zweiten Zwangsvollstreckungsnovelle und dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz, DGVZ 2004, 1, 2. 33

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Sinne sind die ebenfalls durch die Novelle von 1898 eingefügten §§ 756, 765 formuliert; sie fordern die (verzugsbegründende) Leistungshandlung, bzw. den entsprechenden urkundlichen Nachweis bei Vollstreckungsbeginn. 19 Diese Begründung für Abs. 2 ist auch heute noch beifallswürdig. Denn ihr liegt ein Verständnis vom Verhältnis des materiellen zum Prozessrecht97 zugrunde, das beide als gleichstufig einschätzt, vgl. Vor § 704 Rdn. 7. Während der in Abs. 1 ausgesprochene Grundsatz das prozessuale Erfordernis eines qualifizierten Nachweises statuiert, erfährt er in Abs. 2 eine Ausnahme, weil anderenfalls die materiell-rechtlichen Wertungen nicht beibehalten werden könnten. Ihnen zufolge soll der Schuldner einerseits nicht vorleisten müssen, doch soll er andererseits den Gläubiger nicht vorleistungspflichtig machen dürfen. Letzteres Verbot würde aber vereitelt, wenn die für den Vollstreckungsbeginn erforderliche Klauselerteilung von dem Nachweis der eigenen Leistungserbringung, bzw. dem entsprechenden Versuch, § 294 BGB, abhängig gemacht wäre. Diese Positionierung innerhalb des Vollstreckungsverfahrens bedingt freilich, dass das handelnde Vollstreckungsorgan, Gerichtsvollzieher oder Vollstreckungsgericht, die Feststellung überantwortet bekommt, ob bzw. dass die in Frage stehenden Rechtsinstitute „Befriedigung“ bzw. „Annahmeverzug“98 auch tatsächlich vorliegen.99 Das Vollstreckungsorgan muss mithin ggf. recht komplexe Rechts- und Tatsachenfragen100 zutreffend beurteilen.101

20 b) Materiell-rechtliche Wertungen. Besonders deutlich wird diese Fortsetzung der materiell-rechtlichen Wertungen anhand der beiden aufgezählten Tatsachen ‚Befriedigung‘ und ‚Annahmeverzug‘. Denn selbstverständlich darf sich der Schuldner seiner Leistungsverpflichtung regelmäßig nicht länger entziehen, wenn er seinerseits vom Gläubiger bereits befriedigt worden ist. Und nach § 274 Abs. 2 BGB darf sich der Gläubiger unbeschadet eines auf Zug um Zug lautenden Urteilsbefehls schon dann zwangsweise befriedigen, wenn sich der Schuldner im Annahmeverzug befindet; der Nachweis dessen muss in der qualifizierten Form erbracht werden;102 dem genügt nicht eine mit dem Angebotsschreiben verbundene Zustellungsurkunde, weil die Urkunde nur die Zustellung und die Übereinstimmung der Abschrift mit dem Schreiben beglaubigt, nicht aber den Gläubigerverzug.103 Das Vorgesagte gilt gem. § 322 Abs. 3 BGB auch für § 348 BGB.104 21 Ist der Annahmeverzug bereits im Titel105 festgestellt,106 darf materiell-rechtlich gesehen keine Zug um Zug Verpflichtung ausgesprochen werden, weil deren Voraussetzung gerade nicht vorliegt.107 97 Hierzu bes. Schilken Wechselbeziehungen zwischen Vollstreckungsrecht und materiellem Recht bei Zug um Zug Leistungen, AcP 181 (1981) 355 ff. 98 Hierzu Geißler Der Annahmeverzug des Schuldners bei der Vollstreckung von Zug-um-Zug-Titeln, DGVZ 2012, 1. 99 LG Hamburg Rpfleger 2004, 159 mit Anm. Alff. 100 Etwa die ordnungsgemäße Beseitigung von Mängeln, vgl. OLG Celle NJW-RR 2000, 828 (mit Hinweis auf gegebenenfalls erforderliche Bestellung eines Sachverständigen). 101 Zu den Bestimmtheitsanforderungen an den Titel Fichtner Die Vollstreckung aus Titeln auf Leistung Zug um Zug nach der Zweiten Zwangsvollstreckungsnovelle und dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz, DGVZ 2004, 1, 3 f. 102 BGH NJW 1966, 1753, LG Düsseldorf DGVZ 1980, 187. 103 OLG Posen OLGRspr 1915, 276; BayObLG OLGRspr 1931, 136. 104 Huber Die Parteifähigkeit der Personalgesellschaft des Handelsrechts und ihr Wegfall während des Prozesses, ZZP 82 (1969) 422. 105 Weil die vollstreckbare Ausfertigung das für das Vollstreckungsorgan maßgebliche Vollstreckungsprogramm festlegt, § 725 Rdn. 2, reicht es nicht, wenn der Annahmeverzug aus den Urteilsgründen oder dem Urteilstatbestand ersichtlich wird; so aber AG Berlin-Schöneberg DGVZ 1951, 25; LG Bonn NJW 1963, 722; LG Berlin DGVZ 1972, 44; LG Hagen DGVZ 1973, 75; KG OLGZ 1974, 311. Wie hier aber OLG Frankfurt Rpfleger 1979, 432; LG Düsseldorf DGVZ 1980, 187; Schilken Wechselbeziehungen zwischen Vollstreckungsrecht und materiellem Recht bei Zug um Zug Leistungen, AcP 181 (1981) 372 ff. 106 RG JW 1909, 463; AG Berlin DGVZ 1951, 25; LG Hagen DGVZ 1973, 75. 107 2. Aufl. D IIa. A.A. Hüffer Leistungsstörungen durch Gläubigerhandeln, 1976, S. 25 f., 195 f. Weitere Nachw. zum Meinungsstand bei Schilken, a.a.O., S. 376 Fn. 104. Paulus

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Ist sie gleichwohl im Titel enthalten,108 hindert das die Klauselerteilung wegen Abs. 2 nicht, und der Titel fungiert bei Vollstreckungsbeginn als der nach den §§ 756, 765 erforderliche Nachweis.109

3. Ausnahmen a) Abs. 1. Die Regelung des Abs. 1 findet keine Anwendung, d.h. die vollstreckbare Ausfertigung 22 ist ohne weiteres und unbedingt zu erteilen, wenn die für den Vollstreckungsbeginn notwendige Tatsache eine Sicherheitsleistung ist (dazu sogleich Rdn. 23). Der Grund hierfür liegt in § 751 Abs. 2, demzufolge der entsprechende Nachweis erst bei Vollstreckungsbeginn (dazu § 724 Rdn. 2), d.h. vom Vollstreckungsorgan, erbracht werden muss. Dasselbe gilt auch für dessen Abs. 1, wenn also die Leistung vom Eintritt eines Kalendertages abhängig ist, und für die §§ 798 und 798a. Hinsichtlich der Sicherheitsleistung ist zu beachten, dass die prozessuale der §§ 708 ff. gemeint ist. Das folgt nicht nur aus der Systematik des Gesetzes, sondern vor allem daraus, dass sie – anders als die materiell-rechtliche etwa des § 273 Abs. 3 BGB – an § 717 auszurichten ist, der seinerseits Ausdruck der fehlenden Endgültigkeit des Titels ist. Die aus diesem Unterschied resultierende Sonderbehandlung der prozessualen Sicherheitsleistung in § 751 Abs. 2 rechtfertigt es, den Schuldner auf § 767 zu verweisen, wenn sein Gläubiger die Sicherheitsleistung nach § 273 Abs. 3 BGB noch nicht erbracht hat. Dieselbe uneingeschränkte Klauselerteilung hat auch dann zu erfolgen, wenn die die Vollstreckbarkeit markierende Tatsache nicht vom Gläubiger, sondern vom Schuldner zu beweisen ist.110 Ein Beispiel hierfür liegt etwa dann vor, wenn der Titel den Leistungsanspruch des Gläubigers unter eine auflösende Bedingung stellt,111 oder an einen Endtermin bindet (etwa eine Rente auf Lebenszeit) oder von sonst einer vom Schuldner vorzunehmenden Handlung abhängig macht; so hat bei vollstreckbaren Urkunden nach § 794 Abs. 1 Nr. 5 meistens der Schuldner zu beweisen, dass er (rechtzeitig) bezahlt habe.112 Das gilt auch und gerade für die Entschädigungsleistung nach § 510b.113 In diesen Fällen erhält der Gläubiger die Klausel, und der Schuldner muss sich im Wege der Vollstreckungsgegenklage (für die vollstreckbare Urkunde s. § 797 Abs. 4)114 zur Wehr setzen.115 Das gleiche gilt, wenn der Gläubigeranspruch an eine Verfallsklausel gebunden ist; hier hat der Schuldner die rechtzeitige und vereinbarungsgemäße Erfüllung seiner Verpflichtung darzutun,116 während bei einer Wiederauflebensklausel die Vermutung dafür spricht, dass die Beweislast für den Eintritt dieser Umstände dem Gläubiger auferlegt ist; s. auch Rdn. 15. Die Klausel ist aber auch immer dann ohne weiteres zu erteilen, wenn außerprozessuale Umstände die Zwangsvollstreckung beeinflussen (könnten). Hierunter fällt etwa die – fehlende, § 724 Rdn. 2 – Berücksichtigungsfähigkeit von § 89 InsO,117 weil es sich bei der Klauselerteilung gerade noch nicht um „Zwangsvollstreckung“ handelt (vgl. § 725 Rdn. 24); für das (frühere) Vergleichsverfahren s. § 47 VerglO. Aber auch § 240 findet keine Anwendung, wenn über das Vermögen des Schuldners ein Insolvenzverfahren eröffnet wird; denn weil das Klauselerteilungsverfahren allein vom Gläubiger beantragt werden kann, § 725 Rdn. 18, hat der Insolvenzverwalter keine Aufnahmemög108 109 110 111 112 113 114 115

KG NJW 1972, 2052 (zu den Voraussetzungen). LG Bonn NJW 1963, 721; KG OLGZ 1974, 310 f. OLG Nürnberg MDR 1960, 318. OLG Marienwerder OLGRspr 1926, 375, sowie o. Rdn. 15. BGH WM 1981, 1140. OLG Hamburg MDR 1972, 1040. Dazu KG HRR 1935, 210. Gerlach Vollstreckungsklausel bei Urteilen auf Zahlung von Alimenten, ZZP 18 (1892) 396 (für die Zahlung künftiger Unterhaltsleistungen). 116 RGZ 134, 156; BGH WM 1965, 1215; OLG Hamburg MDR 1972, 1040; BayObLG OLG 1917, 186 (unter Hinw. auf C.c. 1315); KG MDR 1967, 848. 117 Dazu und zu weiteren Fällen die 2. Aufl. C I–C IV. 35

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lichkeit nach den §§ 85 ff. InsO. Desgleichen hindert die Veränderbarkeit des Titels nach den §§ 323, 324 die sofortige Klauselerteilung nicht.118 Ebensowenig ist dies der Fall, wenn die endgültige Vollstreckung noch von einer behördlichen Genehmigung abhängt, die im Titel nicht vermerkt ist.119

26 b) Abs. 2. Gem. Abs. 2 ist der dort aufgestellte Grundsatz dann nicht anzuwenden, wenn die vom Schuldner Zug um Zug zu erbringende Gegenleistung in der Abgabe einer Willenserklärung besteht. Der Grund für diese Ausnahme liegt in § 894 Abs. 1, S. 2, der die Abgabe einer Zug um Zug zu erteilenden Willenserklärung auf den Zeitpunkt fingiert, in dem der Gläubiger die vollstreckbare Ausfertigung nach § 726 erhält.120 Infolgedessen fällt der Termin der Klauselerteilung mit dem „Vollstreckungsbeginn“ zusammen, so dass der Schuldner die durch die §§ 274, 322, 348 BGB eingeräumte Vergünstigung gar nicht verlieren kann. Daher muss es in diesem Fall bei der Ausgangsregel des § 726 Abs. 1 verbleiben; der Gläubiger hat demnach die Erfüllung der ihm obliegenden Leistung an den Schuldner, bzw. dessen Annahmeverzug mittels der genannten Urkunden zu beweisen.121 27 Dagegen ist in den Fällen des § 895, d.h. bei der fingierten Bewilligung einer Vormerkung oder eines Widerspruchs, die Anwendbarkeit des § 726 ausgeschlossen. Denn zur Vollstreckung eines solchen Urteils ist mangels einer Verweisung auf § 894 Abs. 1 S. 2 eine Ausfertigung nicht erforderlich.122 Ist demnach eine dieser Willenserklärungen Zug um Zug gegen eine vom Gläubiger zu erbringende Leistung abzugeben, so ist diese oder der Annahmeverzug dem Vollstreckungsorgan, also dem Grundbuchamt gegenüber nachzuweisen. Von einer Nichtanwendbarkeit des § 726 Abs. 2 ist auch dann auszugehen, wenn eine titulierte Verpflichtung zur Abgabe einer Willenserklärung besteht, die jedoch nicht Zug um Zug erfüllt werden muss; hier ist also der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle zur Erteilung der Klausel verpflichtet.123

IV. Verfahren 1. Zuständigkeit 28 Zuständiger Beamter für die Erteilung der Ausfertigung des Abs. 1 ist gem. § 20 Nr. 12 RPflG der Rechtspfleger.124 Wegen § 27 RpflG ist es allerdings unschädlich, wenn er eine Klausel ausstellt, nachdem sich aufgrund der nicht immer ganz einfachen, von Amts wegen vorzunehmenden, allerdings auf die Angaben im Titel selbst beschränkenden125 Prüfung herausgestellt hat, dass die Voraussetzungen des Abs. 1 gerade nicht vorliegen, Rdn. 22 ff. Zum umgekehrten Fall s. § 725 Rdn. 16.

2. Qualifizierte Urkunde 29 Der Begriff öffentliche Urkunde nimmt Bezug auf die Legaldefinition in § 415,126 der der öffentlich beglaubigten Urkunde auf die Vorschrift des § 129 Abs. 1 und 2 BGB.127 Weil es demnach auf 118 OLG Schleswig SchlHA 1957, 306. 119 BGHZ 28, 153. 120 OLG Hamm NotBZ 2014, 257. Beachte, dass § 894 nicht anwendbar ist etwa bei einem Prozessvergleich, vgl. OLG Koblenz FamRZ 2017, 739 – Tz. 11. 121 BGHZ 46, 288; OLG Düsseldorf OLG Düsseldorf, Beschluss vom 17. Dezember 2019 – 3 Wx 242/19 –, juris – Tz. 21. 122 BGH Rpfleger 1969, 425; Zöller/Seibel § 895 Rdn. 1. 123 AG Weißenfels DGVZ 2011, 191; Zöller/Seibel, § 726 Rdn. 13. 124 Zum Wiederrufsvorbehalt BGH NJW 2006, 776; BAG NJW 2004, 701. 125 BGH Beschl. v. 7.10.2020 NJW 2020, 3600. 126 Zur Gleichstellung der öffentlichen Urkunden mit Urteilen in Art. 57 EuGVVO, Art. 46 Brüssel IIa-VO, Art. 48 UnterhaltsVO s. Wagner Anerkennung von Personenstandsurkunden – was heißt das?, DNotZ 2011, 176, 180. 127 S. etwa OLG Brandenburg BeckRS 2016, 124529. Paulus

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den Urkundenbeweis ankommt, unterfällt eine Zeugenaussage auch dann nicht dem erforderlichen Urkundsbeweis, wenn sie beurkundet worden ist.128 Umstritten ist, ob diesen Nachweisformen die Offenkundigkeit129 i.S.d. § 291,130 das Geständ- 30 nis131 (dieses ist mangels Erklärungslast des Schuldners nicht mit einem Nichtbestreiten gemäß § 138 Abs. 3 gleichzusetzen)132 nach § 288133 und das Anerkenntnis i.S.d. § 307 gleich zu erachten sind. Die ablehnende Ansicht134 beruft sich vornehmlich auf die Systematik des Gesetzes sowie die Formalisierung des Vollstreckungsverfahrens. Die bejahende Ansicht135 betont demgegenüber Prozessökonomie und Praktikabilität. Sie ist grundsätzlich vorzugwürding, beeinflusst allerdings das Klauselerteilungsverfahren insofern, als das Klauselerteilungsorgan gehalten sein kann, sich gemäß § 730 den Schuldner und gegebenenfalls Dritte anzuhören.136 Dabei können Geständnis und Anerkenntnis auch mündlich ausgesprochen oder schriftlich fixiert werden; ansonsten bedarf es dafür der öffentlich beglaubigten Form, §§ 39 f. BeurkG.137 Es ist allerdings hinsichtlich des Geständnisses und Anerkenntnisses zu differenzieren:138 31 Weil die Klausel ein Zeugnis über die Vollstreckungsfähigkeit des Titels ist, ist sie grundsätzlich der Parteiendisposition und damit dem Anwendungsbereich von Geständnis und Anerkenntnis entzogen. Nachdem aber das Rechtsbehelfssystem, insbesondere also die §§ 731 und 768 in den meisten Fällen gleichwohl eine Überleitung in ein kontradiktorisches Verfahren ermöglicht, ist dieses Argument nicht stichhaltig. Die genannten Nachweisformen sind daher mit der Maßgabe zuzulassen, dass sie nicht in Rechte Dritter eingreifen und sich nicht auf von Amtswegen zu prüfende Umstände beziehen – etwa die Erteilung einer behördlichen Genehmigung.139 Offenkundig sind solche Ereignisse und Zustände,140 die von so vielen wahrgenommen wor- 32 den sind oder wahrgenommen werden, dass die individuelle Wahrnehmung des einzelnen außer 128 BayObLG JW 1923, 81 m. Anm. Schultz. Ebenso BayObLG OLGRspr 1931, 136 für Privaturkunden, die zugestellt worden sind; vgl. auch OLG Posen OLGRspr o. Rdn. 19. LG Lübeck IBR 1999, 263, sieht zu Recht in einer behördlichen Schlussabnahme eines Bauvorhabens keine Vergleichbarkeit mit einer qualifizierten Urkunde. 129 Hierzu gehören nicht die nur aktenkundigen Tatsachen, LG Hamburg Rpfleger 1965, 276. Die Ablage einer notariell beglaubigten Abschrift einer Abtretungsurkunde in der Generalakte soll nach (zweifelhafter) Ansicht des BGH nicht zur Offenkundigkeit führen, DGVZ 2020, 252 – Tz. 22 ff. Ein Abdruck einer notariell beglaubigten Abtretungserklärung im Bundesanzeiger ist dagegen eine offenkundige Tatsache, OLG Hamm, Beschl. v. 29.10.2007 – 31 W 45/07, juris. Zu den Anforderungen an eine Offenkundigkeit OLG Jena InVo 2002, 422. Unrichtig, weil durch die Entwicklung überholt, ist es dagegen, in der kostenfreien Einsichtsmöglichkeit im Internet keine Offenkundigkeit annehmen zu wollen, so aber OLG Naumburg NJW-RR 2012, 638; s. auch noch § 727 Rdn. 47. 130 OLG Hamburg OLGRspr 1917, 186. 131 Bejahend BGH JurBüro 2009, 163; BGH MDR 2006, 52; OLG Nürnberg JurBüro 2006, 272. Abl. etwa Joswig Nichtbestreiten, Geständnis und Anerkenntnis im Klauselerteilungsverfahren, Rpfleger 1991, 144, 146. 132 Zutreffend BGH JurBüro 2009, 163 sowie DNotZ 2005, 917; OLG Stuttgart Rpfleger 2005, 207; OLG Saarbrücken Rpfleger 2004, 430 und VersR 2002, 971; OLG Dresden Rpfleger 2003, 673. A.A. OLG Hamburg MDR 2004, 835; OLG Koblenz MDR 2003, 1014; OLG Bamberg MDR 1999, 56. 133 BGH DNotZ 2005, 917; OLG München ZMR 1955, 682; OLG Celle Nds.Rpfl 1954, 48; KG OLGRspr 1983, 218, (nicht aber die Geständnisfiktion des § 138 Abs. 3, die bevorzugt von Rechtsschutzversicherern hinsichtlich Kostenfestsetzungsbeschlüssen bemüht wird, OLG Karlsruhe JurBüro 1991, 275; Stuttgart MDR 1990, 1021; OLG Zweibrücken Rpfleger 1990, 520; OLG Nürnberg Rpfleger 1993, 500; OLG Hamm Rpfleger 1994, 72 f.; a.A. OLG Köln Rpfleger 1990, 264 = MDR 1990, 452; JurBüro 1991, 999; OLG Koblenz JurBüro 1990, 1675; OLG Düsseldorf Rpfleger 1991, 465; Deubner Aktuelles Zivilprozeßrecht, JuS 1991, 504. 134 OLG Stuttgart Rpfleger 1990, 519; OLG Zweibrücken NJW-RR 1991, 638; OLG Köln JurBüro 1991, 1001. 135 OLG Celle Rpfleger 1989, 467; OLG Köln Rpfleger 1990, 264; OLG Koblenz Rpfleger 1990, 518. 136 BGH MDR 2006, 52; s. auch OLG Zweibrücken Rpfleger 2005, 612. 137 Zutreffend Sikora Notarkosten bei der Klauselumschreibung vollstreckbarer Sicherungsgrundschulden, DNotZ 2010, 585, 588 f. 138 Vgl. Münzberg Geständnis, Geständnisfiktion und Anerkenntnis im Klauselerteilungsverfahren? NJW 1992, 207. 139 Mit diesen Maßgaben ist daher eine Klausel als zulässig anzusehen, die auf den Nachweis der die Vollstreckbarkeit begründenden Tatsachen gänzlich verzichtet; vgl. Rdn. 14. 140 S. zusätzlich zu Fn. 125 noch § 727 Rdn. 47. 37

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Betracht bleiben kann, sowie allgemein verbreitete Tatsachen.141 Infolgedessen kann eine privatschriftliche Quittung nicht eine Offenkundigkeit begründen;142 das gilt auch dann, wenn sie von einer Behörde vorgelegt wird.143 Gleiches muss dann allerdings auch wegen des Umkehrschlusses zu § 32 GBO für das Handelsregister144 gelten.145 Obgleich § 726 ganz neutral davon spricht, dass der Beweis durch diese „Urkunden geführt wird“, muss sie doch gerade der Gläubiger dem Urkundsbeamten vorlegen, § 420.146 Freilich wird man wegen der weiten Formulierung („zum Zwecke der Zwangsvollstreckung“) § 792 bereits im Klauselerteilungsverfahren heranziehen können – ebenso wie (in vorsichtiger Analogie) § 421.147 Denn die Alternative dazu ist die aus Gründen der Prozessökonomie zurückzudrängende Klage nach § 731. Das bedeutet, dass der Urkundsbeamte unter den Voraussetzungen des § 425 den Schuldner zur Urkundsvorlage auffordern darf. Leistet dieser Folge, ist der Beweis i.S.d. § 726 erbracht. Verweigert der Schuldner jedoch seine Mitwirkung, so ist das weitere Vorgehen nach den §§ 426 f. so sehr an das Erkenntnisverfahren gebunden, dass der Gläubiger die Klauselerteilungsklage erheben muss. Ist die vom Gläubiger nachzuweisende Tatsache eine Kündigung, so sind – materiell-rechtlich gesehen – zwei Dinge zu beweisen: einmal die Erklärung und zum zweiten deren Zugang. Eine am Wortlaut fixierte Auslegung müsste daher den Urkundsbeweis für beide Tatsachen verlangen, doch genügt allein der qualifizierte Nachweis des Zugangs, weil nach § 130 Abs. 1 BGB hieran die Wirksamkeit einer Willenserklärung geknüpft ist.148 Der Gläubiger ist auf die Klage nach § 731 verwiesen, wenn er den Nachweis nicht in der vorgeschriebenen Form erbringen kann. Das ist auch dann der Fall, wenn der Schuldner die Aussagen des Gläubigers nachhaltig in Frage stellt. Das muss freilich ebenfalls in der qualifizierten Nachweisform der öffentlichen Urkunden erfolgen. Anderenfalls muss der Schuldner nach § 768 vorgehen.149 Weil § 726 und die nachfolgenden Vorschriften den Nachweis gerade in qualifizierter Form verlangen, kann vom Rechtspfleger nicht verlangt werden, die von einem Dritten vorgenommene Bestimmung der Zug um Zug zu erbringenden Gegenleistung auf ihre offenbare Unbilligkeit hin zu überprüfen.150

3. Rechtliches Gehör 37 Zur Antragsberechtigung § 725 Rdn. 18. Dem Schuldner ist in den Fällen des Abs. 1 rechtliches Gehör nach Maßgabe des § 730 zu gewähren, d.h. die Entscheidung darüber steht im pflichtgemäßen Ermessen des ausstellenden Beamten.151

141 142 143 144 145

KG FamRZ 1985, 628. OLG Stuttgart NJW-RR 1986, 1505; OLG Saarbrücken VersR 1989, 955. A.A. OLG Hamburg FamRZ 1982, 425; KG a.a.O. Zum Genossenschaftsregister s. BGH NJW 2007, 3357. Vgl. Soutier Die Umschreibung von Vollstreckungsklauseln MittBayNot 2011, 181, 182. Allgemein zur Beweiskraft des Handelsregisters Koch/Rudzio Die Beweiskraft des Handelsregisters nach seiner Modernisierung, ZZP 122 (2009), 37, 45 ff. 146 Diese Vorlage reicht dann allerdings auch, um die Ausfertigung zu erhalten, OLG Bamberg NJW 2008, 2928. 147 A.A. MünchKomm/Wolfsteiner Rdn. 54, 59. 148 BayObLG OLGRspr 1931, 136; vgl. auch OLG Frankfurt Rpfleger 1973, 323; OLG Stuttgart NJW-RR 1986, 549; MünchKomm-BGB/Lieder § 1193 Rdn. 4. 149 OLG Koblenz JurBüro 1991, 1270. 150 So aber BGH Rpfleger 1972, 398. 151 Hierzu Joswig Nichtbestreiten, Geständnis und Anerkenntnis im Klauselerteilungsverfahren, Rpfleger 1991, 144, 147; Münzberg Anhörung der Beteiligten, insbes. des Schuldners, durch das Gericht im Verfahren auf Erteilung der Vollstreckungsklausel für die Rechtsnachfolge auf der Aktivseite und auf der Passivseite, Rpfleger 1991, 162 f. sowie § 730 Rdn. 4 ff. Paulus

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4. Angaben in der Klausel Der oben, § 724 Rdn. 5, genannte Rechtsschutzcharakter der vollstreckbaren Ausfertigung macht 38 es erforderlich, dass die nach Abs. 1 erteilte Klausel einen Hinweis darauf erhält, dass die Tatsache mittels beweiskräftiger Urkunden bzw. aufgrund Offenkundigkeit, Geständnisses oder Anerkenntnisses, Rdn. 29, nachgewiesen worden ist. Nur dann kann die Zustellung den ihr laut § 750 Abs. 2 zugedachten Zweck erfüllen, den Schuldner über seine Verteidigungsmöglichkeiten aufzuklären.152 Darüber hinaus muss das Vollstreckungsorgan wissen, welche Urkunden noch zuzustellen sind. Die Erbringung der Sicherheitsleistung braucht nicht angegeben zu werden.153 39

5. Rechtsbehelfe Die qualifizierten Beweisanforderungen dienen dazu, den Eintritt der Tatsache sicher zu stel- 40 len. Deswegen darf die Klausel nicht erteilt werden, solange die Tatsache nicht eingetreten ist.154 Deswegen kann ein nachträglicher Eintritt nicht zur Heilung der Klausel führen, wenn sie einmal versehentlich schon vorher erteilt worden war.155 Der Schuldner kann hiergegen nach den §§ 732, 768 vorgehen – nicht dagegen nach § 766, weil durch die fehlerhafte Ausfertigung die Art und Weise des Vollstreckungsverfahrens nicht betroffen wird.156 Wenn der Schuldner allerdings materielle Einwände – etwa Erfüllung seiner Ratenzahlungspflichten im Falle einer Wiederauflebensklausel (s. Rdn. 15) – erheben will, muss er auf § 768 (ggf. i.V.m. § 795) zurückgreifen.157 Sofern der Gläubiger den erforderlichen Nachweis in der vorgeschriebenen Form nicht erbringen kann, kann er Klage auf Erteilung der Vollstreckungsklausel nach § 731 erheben. Ist dagegen eine Vollstreckungsklausel erteilt worden, bestreitet der Schuldner aber den vom Rechtspfleger oder Notar als bewiesen angenommenen Eintritt der materiell-rechtlichen Vollstreckungsbedingung, kann der Schuldner Klage gegen die Vollstreckungsklausel nach § 768 erheben.158

§ 727 Vollstreckbare Ausfertigung für und gegen Rechtsnachfolger (1) Eine vollstreckbare Ausfertigung kann für den Rechtsnachfolger des in dem Urteil bezeichneten Gläubigers sowie gegen denjenigen Rechtsnachfolger des in dem Urteil bezeichneten Schuldners und denjenigen Besitzer der in Streit befangenen Sache, gegen die das Urteil nach § 325 wirksam ist, erteilt werden, sofern die Rechtsnachfolge oder das Besitzverhältnis bei dem Gericht offenkundig ist oder durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden nachgewiesen wird. (2) Ist die Rechtsnachfolge oder das Besitzverhältnis bei dem Gericht offenkundig, so ist dies in der Vollstreckungsklausel zu erwähnen.

152 153 154 155 156 157

A.A. KG JW 1922, 499, Stöber Urteilssammlung zu LG Hamburg v. 30.4.1964, Rpfleger 1965, 276. RG WarnRspr. 12, 188. BGH Rpfleger 1972, 398; OLG Nürnberg MDR 1960, 318. RGZ 81, 299; OLG Köln OLGRspr 1904, 139; vgl. auch KG NJW-RR 1987, 1230. A.A. offenbar KG DNotZ 1983, 699. OLG Breslau OLGRspr 1918, 395. Hierzu Kaiser Rechtsbehelfe von Gläubiger und Schuldner bei Streitigkeiten im Rahmen von Verfall-, Wegfallund Wiederauflebensklauseln, NJW 2010, 40. 158 BGHZ 190, 172 = NJW 2011, 2803, 2806; a.A. AG Bad Segeberg, Beschl. v. 14.10.2011 – 17 C 88/11, juris. 39 https://doi.org/10.1515/9783110443158-004

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§ 727

Achtes Buch – Zwangsvollstreckung

Übersicht I.

Gesetzesgeschichte

II.

Bedeutung

III. 1.

Rechtsnachfolge Allgemeines 6 a) Für und gegen 7 b) Rechtsnachfolge 10 c) Zeitpunkt 13 d) Weiterungen 15 e) Keine Anwendung 19 f) Titel Auf Seiten des Gläubigers 20 a) Gesamtnachfolge

2.

1

2

3.

IV. 1. 2. 3. 4. 5. 6.

b) c) Auf a) b) c)

22 Einzelnachfolge 28 Analogie 29 Seiten des Schuldners 30 Gesamtnachfolge 32 Einzelnachfolge 36 Analogie

Verfahren 42 Zuständigkeit 43 Antragsberechtigung Gebundene Entscheidung 46 Nachweisform 51 Rechtsbehelfe 52 Kosten

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I. Gesetzesgeschichte 1 Die Vorschrift ist wie die beiden nachfolgenden Paragraphen durch die Novelle von 1898 eingefügt worden. Sie stellt das vollstreckungsrechtliche Pendant zu § 325 dar, der die Rechtskrafterstreckung auf andere Personen als die Prozessparteien regelt. Dies war bis zum Ende des 19. Jahrhunderts vornehmlich landesrechtlich geregelt. Der enge Zusammenhang dieser Problematik mit dem materiellen Recht ließ es angebracht erscheinen, mit der Vereinheitlichung des BGB auch die prozessualen Auswirkungen in die CPO aufzunehmen.1

II. Bedeutung 2 Die Bedeutung des § 7272 erschließt sich aus § 750; demnach ist die exakte Kennzeichnung derjenigen Personen in der vollstreckbaren Ausfertigung3 erforderlich, „für und gegen die“ die Zwangsvollstreckung betrieben wird. Fehlt eine solche Kennzeichnung im Titel, ist dieser nach Ansicht des BayObLG4 unwirksam. Fehlt sie dagegen nicht, soll aber eine andere als die im Titel genannte Partei5 die Vollstreckung durchführen bzw. von ihr betroffen sein, so wird unter den Voraussetzungen der vorliegenden Vorschrift der Umweg über eine erneute Klage vermieden.6 Einer entsprechenden Klage fehlt das Rechtsschutzbedürfnis zumindest dann, wenn der vorhandene Titel rechtskraftfähig ist.7 Das LG

1 Mat. zur Civilprocessordnung, 1898, S. 153 zu § 293c (= § 325 heutiger Fassung) und S. 208 zu § 665 (= § 727). 2 Zum Kontext der Norm mit den §§ 265 und 325 vgl. Dinstühler Die prozessuale Wirkungsweise des § 265 ZPO, ZZP 112 (1999) 61 ff.

3 Eine Dinglichkeit nach § 800 macht also die Notwendigkeit einer Umschreibung nicht entbehrlich, BGH MDR 2018, 1275 – Tz. 7; dazu etwa Clemente Rechtsnachfolgeklausel bei im Grundbuch eingetragener dinglicher Unterwerfungserklärung und Vollstreckung gegen späteren Grundstückseigentümer, NotBZ 2018, 422. 4 NS 1/463; vgl. 2. Aufl. A II; s. auch BGH ZInsO 2018, 1576. Das OLG Hamm Rpfleger 2000, 171, geht jedoch von einer Heilbarkeit aus. 5 Eine Änderung in der Person des Vertreters unterfällt nicht dem § 727, Rdn. 18. 6 Genauer: Der Schuldner muss sich gegen die Klauselerteilung zur Wehr setzen; zu dieser Umkehr der Klagelast Nakano Umkehr der Klagelast, FS Baumgärtel (1990) S. 403 ff. Zur sog. isolierten Vollstreckungsstandschaft s. § 725 Rdn. 11. 7 RGZ 88, 267; RG JW 1930, 148 m. Anm. Rosenberg; RG WarnRspr. 1926, Nr. 199; OLG Frankfurt SJZ 1947, 189; BGH NJW 1957, 1111; BGH MDR 1958, 215; BGH NJW 1961, 1116; BGH LM § 117 KO Nr. 2; BGH BB 1964, 195; OLG Hamburg MDR 1967, 849; KG FamRZ 1969, 213. Hüffer Das Rechtsschutzinteresse für eine Leistungsklage des Gläubigers und die subjektiPaulus

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Hamburg8 bejaht zumindest bei einer einstweiligen Verfügung ein generelles Rechtsschutzbedüfnis. Zur Frage, ob der Rechtsnachfolger alternativ eine weitere vollstreckbare Ausfertigung beantragen und erhalten kann, vgl. § 733.9 Die Erleichterung zur Beschaffung eines vollstreckbaren10 Titels11 ist freilich an erhöhte Nachweisanforderungen geknüpft, die – der Formenstrenge des Vollstreckungsrechts insgesamt gemäß12 – nicht beliebig aufgeweicht werden dürfen.13 Allerdings darf diese Einschätzung nicht zu einer Petrifizierung traditioneller Informationsmedien führen, vgl. noch Rdn. 47. Es ist aber bei der vorliegenden, wie auch bei der Erteilung der „einfachen“ Vollstreckungsklausel, vgl. § 725 Rdn. 21, zu beachten, dass die materielle Rechtslage – und damit die substantielle Richtigkeit des Titels – nicht Gegenstand des Verfahrens ist.14 Die Norm ist über § 795 auch auf die weiteren Titel des § 794 anzuwenden, Rdn. 19. Daher reicht die Bedeutung des § 727 weit über die bloß formale Umschreibung der sich aus § 325 ergebenden Rechtskrafterstreckung hinaus.15 Mit Wolfsteiner16 ist § 727 als eine prozessuale Grundnorm anzusehen, die – in Parallele zu der bei § 325 verwendeten Terminologie – die subjektiven Grenzen der Vollstreckungswirkungen festlegt. Darüber hinaus sind diese Grenzen auch in sachlicher Hinsicht weit gesteckt, weil vorläufig vollstreckbare Urteile – und damit auch Vorbehaltsurteile nach §§ 302, 599 – ebenfalls eine titelübertragende Klausel erhalten können;17 das ergibt sich aus einem Umkehrschluss zu den §§ 729, 738.18 Dagegen lässt sich aus der Vorschrift keine Anspruchsgrundlage, etwa auf Nachlasspflegschaft, herleiten.19 Die subjektiven Grenzen der Rechtskraft sind nach alledem nicht deckungsgleich mit den subjektiven Grenzen der Vollstreckungswirkungen.20 Denn einmal sind von der Rechtskrafterstreckung auch Personen betroffen, gegen die nicht vollstreckt werden kann (z.B. beim Feststellungsurteil), und zum anderen werden von den Vollstreckungswirkungen auch solche Personen erfasst, denen gegenüber eine Rechtskrafterstreckung ausgeschlossen ist, vgl. nur § 729. Überdies sind die in § 794 aufgelisteten Titel zwar nicht rechtskraft-, sehr wohl aber vollstreckungsfähig.

ven Grenzen der Rechtskraft in den Fällen unmittelbarer und entsprechender Anwendungen des § 727 ZPO, ZZP 85 (1972) 229 ff. 8 MDR 1967, 54. 9 S. auch Bartels ZZP 116 (2003), 57. 10 Dazu, dass der umzuschreibende Titel überhaupt einen vollstreckbaren Inhalt haben muss, etwa MünchKomm(Wolfsteiner Rdn. 5. 11 Sie ist insbesondere dann geboten, wenn der Schuldner missbräuchlich die Formalitäten des Vollstreckungsrechts – etwa bei einer Räumungsvollstreckung oder bei einer GbR als Schuldner – zu seinen Gunsten einsetzt, dazu etwa Schuschke Erleichterte Räumungsvollstreckung gegen Mit- und Nachbesitzer, DGVZ 2009, 160, 163. S. auch § 940a Abs. 2. 12 Vgl. Vorbem. § 704 Rdn. 35 f. 13 Zutreffend OLG Frankfurt OLG-Report 2004, 236 (keine Korrektur über § 727, wenn Klage gegen eine GmbH erhoben wurde, die aber nicht im Handelsregister eingetragen war). 14 Zutreffend Alff Klauselprobleme in der Immobiliarvollstreckungspraxis, Rpfleger 2001, 285, 286. 15 Sie gilt richtiger Ansicht nach allerdings nicht bei einem Prätendentenstreit auf Gläubigerseite, OLG Stuttgart Rpfleger 2000, 282. 16 MünchKomm/Wolfsteiner Rdn. 1. Vgl. auch Bettermann Die Vollstreckung des Zivilurteils in den Grenzen seiner Rechtskraft, 1948, S. 56 ff.; Gaul Zur Struktur der Zwangsvollstreckung, Rpfleger 1971, 81, 90; Loritz Die Umschreibung der Vollstreckungsklausel, ZZP 95 (1982) 310, 314. 17 KG OLGRspr 1929, 171. 18 BayObLGZ 1914, 705; OLG Rostock OLGRspr 1909, 112; OLG Braunschweig OLGRspr 1915, 158; OLG Hamburg OLGRspr 1918, 44; OLG Kassel ZZP 45 (1915) 212; KG OLGRspr 1929, 171. A.A. etwa OLG Jena ZZP 27 (1900) 345 m. Anm. Unger. 19 Zutreffend OLG Hamburg FamRZ 2020, 1031. 20 A.A. Bettermann Die Vollstreckung des Zivilurteils in den Grenzen seiner Rechtskraft (1948) 43 ff. (S. 46: Ohne Rechtskrafterstreckung keine Vollstreckbarkeitserstreckung). 41

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III. Rechtsnachfolge 1. Allgemeines 6 a) Für und gegen. Aus dem Wortlaut der Norm ergibt sich eine nicht immer beachtete Unterscheidung. Bezüglich des Gläubigers heißt es, dass eine Ausfertigung „für“ den Rechtsnachfolger erteilt werden darf; bezüglich des Schuldners heißt es: „gegen“. Dass das Gesetz hier in seiner Diktion sehr präzise ist, ergibt sich aus den §§ 265, 325, 728, 729, 738, 742, 744, 745, 749. Diese Präzision im Wortlaut macht klar, dass sich die Rechtskrafterstreckung des § 325 nur auf den Schuldner, nicht auch auf den Gläubiger21 bezieht;22 denn der Halbsatz verweist mit seinem erneuten „gegen“ nur auf jenen. Daraus folgt, dass auf Gläubigerseite jede Rechtsnachfolge zur Erteilung der Ausfertigung genügt, während auf Schuldnerseite die Voraussetzungen des § 325 vorliegen müssen. Freilich wäre es allzu positivistisch, hieraus ableiten zu wollen, dass die Titelübertragung im Falle der Schuldner-Rechtsnachfolge nur bei rechtskraftfähigen Titeln, mithin also bei Urteilen, möglich wäre. Ein solches Ergebnis ist deswegen untragbar, weil es den Schuldner der nicht rechtskraftfähigen Titel, § 794, zu Manipulationen gewissermaßen einladen würde. Immerhin folgt aber aus dem Wortlaut, dass § 727 nicht die Ausfertigung gegen den Rechtsnachfolger des Gläubigers und für den des Schuldners erfasst, und dass die Rechtsnachfolge auf der Betroffenenseite an strengere Voraussetzungen geknüpft sein soll als auf der Begünstigtenseite.

7 b) Rechtsnachfolge. Rechtsnachfolge bedeutet i.S.d. § 727, dass jemand die Ansprüche des Gläubigers im eigenen Namen und im eigenen Interesse geltend machen darf23 und auf Grund dessen an die Stelle des im Titel genannten Schuldners oder Gläubigers tritt.24 Sie kann auf Gesetz,25 Staatsakt, richterlichem Bescheid26 oder Rechtsgeschäft beruhen.27 Sie braucht nicht das ganze Recht zu umfassen; sie liegt vielmehr auch dann vor, wenn etwa bei einer fehlerhaften Übereignung lediglich der Besitz übergeht,28 wenn eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts in eine OHG gewandelt ist,29 oder wenn der Eigentümer, der sich der sofortigen Zwangsvollstreckung unterworfen hat, nachträglich einen Nießbrauch bestellt hat.30 Infolgedessen ist es nur konsequent, wenn Rechtsnachfolge auch dann bejaht wird, wenn der Nachfolger des Gläubigers übergeordneter Besitzer ist:31 Der Eigentümer32 kann also den vom Mieter erlangten Titel nach Beendigung des Mietverhältnisses auf sich umschreiben lassen. Üblicherweise wird die Inhaltsbestimmung dessen, was eine Rechtsnachfolge 21 So aber statt vieler MünchKomm/Wolfsteiner Rdn. 6; oder auch KG OLG-Report 2009, 670. 22 OLG Rostock OLGRspr 1909, 112. 23 Zum Begriff der Rechtsnachfolge: KG KGJ 1949, 20. Er ist erfüllt etwa im Fall der Änderung der Deutsche Bundespost Telekom in die selbständig, originär gegründete Deutsche Telekom AG, AG Solingen DGVZ 1995, 59; LG Wuppertal DGVZ 1995, 118. 24 BGH NJW 2011, 2803; BGH NJW-RR 2012, 1297. 25 Soutier Die Umschreibung von Vollstreckungsklauseln MittBayNot 2011, 366, 370 ff. Zu Bankenfusionen s. BGH NJW-RR 2019, 1274; Alff Klauselprobleme in der Immobiliarvollstreckungspraxis, Rpfleger 2001, 385, 386 ff. 26 Zum (vorläufigen) Insolvenzverwalter als Rechtsnachfolger des Schuldners s. Hintzen in: Kölner Schrift zum Insolvenzrecht, 3. Aufl., 2009, Kap. 20 Rdn. 13–33; überdies unten Rdn. 28, 36 f. und § 724 Rdn. 42 f. 27 Hierzu etwa Soutier Die Umschreibung von Vollstreckungsklauseln MittBayNot 2011, 181, 183 ff., sowie MittBayNot 2011, 275 ff., MittBayNot 2011, 366 ff. Dazu, dass diese Klassifikation fließende Grenzen hat, K. Schmidt Universalsukzession kraft Rechtsgeschäfts, AcP 191 (1991) 495 ff. 28 RGZ 82, 35. 29 LG Verden DGVZ 2017, 130; AG Wuppertal DGVZ 2016, 240. S. allerdings auch § 725 Rdn. 30. 30 BGH NJW 2014, 1740 – Tz. 15OLG Dresden Rpfleger 2006, 92. 31 A.A. 2. Aufl. C IIb. 32 Bezüglich der früher geltenden Besonderheiten bei der Umschreibung von Wohnungseigentum (dazu etwa Bärmann/Pick/Merk WEG, 6. Aufl., § 54 Rdn. 10 f.) sind nunmehr die allgemeinen ZPO-Vorschriften anzuwenden, vgl. BTDrucks. 16/887, S. 42. Paulus

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ist, aus – dem mitunter sehr weit verstandenen33 – § 265 hergeleitet;34 auf Gläubigerseite ist das jedoch zu eng, Rdn. 10. Tritt neben die aus einer Rechtsnachfolge resultierende Verpflichtung eine eigene, originäre Pflicht, bedarf es insoweit keiner Umschreibung.35 Eine Nachfolge liegt nicht allein bei dem ersten entsprechenden Übertragungsvorgang vor, sondern kann auch gestaffelt erfolgen, so dass eine Klausel auch auf den (zeitlich) zweiten Nachfolger überschrieben werden kann.36 Unbefugte Nachfolge, wie etwa aufgrund verbotener Eigenmacht, unterfällt demgegenüber 8 nicht dem § 727, wie überhaupt die materiell-rechtliche Wertung grundsätzlich zu beachten ist:37 So ist beispielsweise aus dem Besitzrecht der Besitzdiener, § 855 BGB, kein Rechtsnachfolger – 9 wohl aber der nichteheliche Lebenspartner des räumungsverpflichteten Mieters,38 der Untermieter,39 der Nießbraucher40 oder bloß Nutzungsberechtigte41 hinsichtlich des von ihm (mit-)besessenen42 Raumes, s.u. Rdn. 33. Ebenso ist Rechtsnachfolge in höchstpersönliche Verpflichtungen ausgeschlossen,43 zu denen auch grundbuchrechtliche Eintragungsbewilligungen zählen.44 Genauso verhält es sich mit der Mehrzahl der Unterlassungspflichten – etwa auf Patentverletzung.45 Führen die Gutglaubensvorschriften (etwa des § 892 BGB) zum wirksamen Erwerb eines (Grund-)Pfandrechts, wird man den wahren Eigentümer als Rechtsnachfolger des Scheineigentümers ansehen müssen.46 Der Ersteher eines Grundstücks in der Zwangsversteigerung ist kraft des originären Erwerbs weder Rechtsnachfolger des vorigen Eigentümers47 noch eines vor dem Zuschlag agierenden Zwangsverwalters.48 Bei einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts führt das Versterben eines Gesellschafters über § 1148 BGB nicht zur Notwendigkeit einer Rechtsnachfolgeklausel, wenn der Gesellschaftsanteil auf den Erben übergegangen und nicht den anderen Gesellschaftern angewachsen ist;49 gleichwohl bedingt die durch den BGH zuerkannte Rechtsfähigkeit der GbR, dass etwa ein Mitgliederwechsel nicht mehr

33 BGHZ 46, 251; OLG Köln MDR 1972, 332. Die Ansicht des RGZ 153, 210, der Besitz an einer streitbefangenen Sache könne sich gem. § 90 BGB nur auf körperliche Gegenstände beziehen, erfasse also Patente nicht, erweist sich heute als zu eng. 34 Baumgärtel Probleme der Rechtskraft und Vollstreckbarkeitserstreckung im Falle einer Firmenübertragung während eines schwebenden Zivilprozesses, DB 1990, 1905. 35 KG NJW-RR 1987, 1229. 36 Zutreffend LG Mühlhausen DGVZ 2012, 13; OLG Brandenburg FamRZ 2007, 62 (der zweite Nachfolger war dort wieder der Ausgangsgläubiger – dazu aA LG Gießen ZIP 2022, 2033); zum Erbeserben OLG Koblenz FamRZ 2004, 557. Bei fehlender vorheriger Umschreibung der Klausel s. LG Nürnberg-Fürth DGVZ 2012, 53. 37 Zum Vertrag zu Gunsten Dritter vgl. BGH NJW 2012, 2354, 2355. 38 BGH NJW 2008, 1959, dort auch zu (volljährigen) Kindern in der Wohnung (sie seien keine Mitbesitzer). 39 Vgl. BGH WuM 2008, 678; BGH NJW-RR 2003, 1450. S. auch Schuschke Erleichterte Räumungsvollstreckung gegen Mit- und Nachbesitzer, DGVZ 2009, 160, 163, zu weiteren Mietrechtskonstellationen, ebenso ders. Aktuelle Probleme zur Räumungsvollstreckung, NZM 2012, 209; Caspers Die Räumungsklage des Vermieters gegen mehrere Mieter/Besitzer: Einstweiliger Rechtsschutz und flankierende Rechtsbehelfe, ZAP 2020, 401. 40 S. dazu (bezogen auf die Titulierung) BGH BKR 2003, 423. 41 LG Darmstadt MDR 1960, 407. 42 Zum Erfordernis gerade des „klar und deutlich“ aus den Gesamtumständen erkennbaren Mit-Besitzes des Rechtsnachfolgers BGH FamRZ 2021, 121 – Tz. 28. 43 OLG München Rpfleger 1987, 109. 44 RGZ 62, 375 (zu § 888 BGB). 45 RGZ 153, 210 ff.; Baumgärtel a.a.O. Zu BGH WPR 2007, 1354 („Schuldnachfolge“) s. Mels/Franzen Rechtsnachfolge in die gesetzliche Unterlassungsschuld des Wettbewerbsrechts, GRUR 2008, 968; Foerste Umschreibung des Unterlassungstitels bei Betriebserwerb, GRUR 1998, 450. 46 Alff Klauselprobleme in der Immobiliarvollstreckungspraxis, Rpfleger 2001, 385, 392. 47 Das gilt auch für die Störereigenschaft i.S.d. § 1004 BGB, OLG Frankfurt InVo 2004, 28. 48 Zu beiden Fällen BGH NJW-RR 2012, 1297. 49 BGH NJW 2011, 1149, 1150. Nach Ansicht des BGH bleibt es dabei, selbst wenn die Gesellschaft durch den Tod eines Gesellschafters aufgelöst worden ist, ZIP 2016, 24. 43

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unbedingt zu einer Umschreibung nötigt.50 Demgegenüber sieht der BGH die in § 1586b BGB angesprochene Nachfolge als eine Rechtsnachfolge i.S.d. § 727 an.51

10 c) Zeitpunkt. Was den Zeitpunkt der Rechtsnachfolge52 anbelangt, so muss er bei Urteilen vor dem Ende der Vollstreckung53 und grundsätzlich (im Hinblick auf den Schuldner, Rdn. 12) nach dem Eintritt der Rechtshängigkeit54 liegen. Hinsichtlich des Anfangstermins ergibt sich das aus § 265, der die Veräußerung und damit das Herbeiführen einer Rechtsnachfolge bezüglich der streitbefangenen Sache erlaubt. Auch wenn der Titel nach Maßgabe der Relevanztheorie, s. die Kommentierung zu § 265, den Namen des Neugläubigers bereits enthält, ist die Klausel für ihn nach § 727 zu erstellen, § 725 Rdn. 10.55 Damit wird zwar der Vereinfachungseffekt dieser Theorie zunichte gemacht, doch ergibt sich die Richtigkeit dieser Vorgehensweise daraus, dass § 727 nun einmal den qualifizierten Nachweis der Rechtsnachfolge verlangt, s. auch Rdn. 12.56 11 Wegen des Endtermins ist es für die Anwendbarkeit des § 727 unerheblich, wenn die Rechtsnachfolge erst nach Beendigung des Rechtstreits eingetreten ist.57 Ebenso wenig hindert die Notwendigkeit der Anwendung des § 727, wenn die Rechtsnachfolge im Urteil bereits berücksichtigt worden ist.58 Ist die Rechtsnachfolge im Urteil übersehen worden, gilt das gleiche; wollte man dem Rechtsnachfolger des Gläubigers in diesen Fällen eine erneute Klage aufbürden, würde genau der Umweg beschritten, den § 727 abschneiden will, s. Rdn. 2. 12 Ist die Rechtsnachfolge schon vor Rechtshängigkeit eingetreten, ist das im Klageantrag bzw. im Urteil zu berücksichtigen. Nach Ansicht des KG59 kann der neue Gläubiger aber selbst dann, wenn er im Urteil als Leistungsempfänger benannt ist, eine Titelumschreibung auf sich nicht verlangen. Dem ist jedoch die weite Fassung der Rechtsnachfolge auf der Gläubigerseite entgegenzuhalten, Rdn. 6: Dadurch, dass sie nicht durch § 325 eingegrenzt und somit nicht an den Zeitpunkt der Rechtshängigkeit geknüpft wird, rechtfertigt auch die früher eingetretene Rechtsnachfolge eine Umschreibung;60 für den Schuldner s.u. Rdn. 29. Dementsprechend hat das OLG Dresden61 § 727 in dem Fall (allerdings in Analogie) angewandt, in dem eine bereits vor Prozessbeginn eingetretene Gesamtrechtsnachfolge übersehen worden war. Konsequenz dieser aus dem Wortlaut der Norm abgeleiteten Ansicht ist freilich, dass damit der Missbrauch betrieben werden kann, der bei der gewillkürten Prozessstandschaft zum Erfordernis des eigenen Interesses geführt hat: So kann etwa die bereits eingetretene Rechtsnachfolge im Prozess verschwiegen werden, um Prozesskostenhilfe zu erhalten. Einen eventuellen Missbrauch lässt sich jedoch entgegensteuern, indem man

50 Dazu der BGH NJW 2001, 1056, 1059, selbst in seiner diese Ansicht einleitenden Entscheidung; überdies OLG Saarbrücken FoVo 2008, 207.

51 BGHZ 160, 186. 52 Zum Zeitpunkt der Umschreibung etwa BFH DB 2019, 2279 (das Gericht hatte die Klage bereits als unbegründet abgewiesen).

53 Vgl. OLG Frankfurt FamRZ 1998, 967. 54 OLG Hamburg SeuffA 48, Nr. 162; OLG Hamburg OLG-Report 2005, 68; KG Rpfleger 2009, 251 (zu einer einstweiligen Anordnung); LG Stuttgart ZIP 2012, 731; OLG Dresden FamRZ 2022, 1296. 55 A.A. 2. Aufl. C Ib mit KG JR 1956, 303. 56 Lieder Die rechtsgeschäftliche Sukzession, 2015, S. 862. 57 OLG Kiel ZZP 53 (1940) 164; LAG BW DB 1966, 1934. S. auch die Darstellung der Meinungsvielfalt bei Alff Klauselprobleme in der Immobiliarvollstreckungspraxis, Rpfleger 2011, 385, 386 ff. 58 OLG Kassel ZZP 41 (1911) 202; OLG Breslau OLGRspr 1920, 332 (zum Kostenfestsetzungsbeschluß; a.A. OLG Hamburg Büro 1974, 1035. S. aber auch Peters Rechtsschutzversicherung und prozessuale Kostenerstattung, ZZP 118 (2005), 47, 54 ff.). 59 Rpfleger 1973, 103; OLG Düsseldorf JurBüro 1967, 256. 60 LAG München NJW-RR 1987, 956; a.A. OLG Köln DAVorm 1989, 100; LG Frankfurt JuS 1991, 1037 m. abl. Anm. Deubner. 61 Sächs Ann 1919, 86 f. Paulus

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einen rechtlich anerkennenswerten Grund für das Verschweigen der Rechtsnachfolge verlangt, den der Rechtspfleger (oder der Richter nach § 731) zu prüfen hat.

d) Weiterungen. Zu den Weiterungen des Anwendungsbereichs durch Analogie s. unten 13 Rdn. 28 und 36 ff. Hierher gehört auch die (nicht notwendig vorzunehmende, § 724 Rdn. 7) Namenskorrektur, etwa infolge Heirat, etc.62 Sonderregelungen enthalten die §§ 728, 729, 742, 744, 745, 749; s. auch § 724 Rdn. 41 f. Sie sind 14 bei den häufigen Bemühungen zu beachten, den Anwendungsbereich des § 727 auszudehnen. Dabei geht es immer darum, Dritte in die Vollstreckungsbeziehung zwischen den im Titel genannten Parteien einzubeziehen. Das Gesetz verfährt dabei auf der Gläubigerseite großzügiger als auf der Schuldnerseite, Rdn. 6, doch dürfen Billigkeitserwägungen nicht an die Stelle juristischer Methodik treten.63 Wenn also der Inhaber einer Einzelhandelsfirma64 wechselt, kann der neue Inhaber nur bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 729 Abs. 2 als Schuldner in der Klausel vermerkt werden; anderenfalls ist eine Umschreibung unzulässig;65 s. auch § 729 Rdn. 14 ff. Der Titel kann gleichwohl zur Vollstreckung gegen den alten Inhaber verwendet werden.66 Ist sein Name in der Firma enthalten, § 18 HGB, ergibt sich diese Befugnis aus der Auslegung des Titels,67 ansonsten ist eine Klarstellung in der (einfachen) Klausel des § 724 anzufügen.68 Grundsätzlich bedarf es einer Titelumschreibung auch dann nicht, wenn sich bei gleichbleibender Inhaberschaft und damit gewahrter Identität lediglich der Gesellschafterbestand ändert,69 bzw. wenn eine Gesellschaft in Liquidation tritt und dadurch der Liquidator zum vertretungsberechtigten Gesellschafter wird.70 Vorauszusetzen ist allerdings, dass im Titel die Gesellschaft genannt ist. Eine solche Konstellation liegt auch im Verhältnis Vorgesellschaft zur GmbH71 sowie bei einer bloß formwechselnden Umwandlung vor;72 zur übertragenden Umwandlung Rdn. 21.

e) Keine Anwendung. Es stellt keinen Anwendungsfall des § 727 dar, wenn im Gesetz aus- 15 drücklich eine Wirkungserstreckung des Urteils angeordnet ist; denn die Notwendigkeit des qualifizierten Nachweises wird durch das Gesetz ersetzt. So etwa bei der Urheberbenennung der §§ 76 Abs. 4, 77, einer Klage bei mehrfacher Pfändung gem. § 856 Abs. 4,73 oder bei der Mithaftung des Bürgen oder Meistbietenden in den Fällen des § 132 ZVG. Enthält der Titel in diesen Fällen nicht schon den Namen des unmittelbaren Besitzers bzw. der anderen von der Wirkungserstreckung erfassten Personen, ist dieses Versäumnis über § 319 nach Maßgabe der Akten zu berichti62 Vgl. auch BayObLG DNotZ 1979, 55 und AG Otterndorf DGVZ 2017, 247 zur Firmenänderung bei gleichbleibender Identität der Gesellschaft; s. auch § 724 Rdn. 41.

63 Die Grenze liegt allerdings bei arglistiger Vereitelung der Vollstreckung, OLG Köln MDR 1972, 332 (der auf Unterlassung von Taubenhaltung verurteilte Nachbar überlässt die Tiere seinem im selben Haus wohnenden Vater).

64 Unrichtig daher LG Ravensburg NJW 1957, 1325, demzufolge die Vollstreckung auch ohne Umschreibung durchgeführt werden kann, wenn er unter seiner Firma verklagt worden ist. Allgemein zur Zwangsvollstreckung gegen eine „Firma“ Schüler Zwangsvollstreckung gegen eine Firma, DGVZ 1981, 65 ff.; Winterstein Die Zustellung und Zwangsvollstreckung gegen Einzelfirmen, DGVZ 1985, 85 ff. 65 OLG Dresden OLGRspr 1929, 227; BGH WM 1974, 395. 66 AG Mönchen-Gladbach DGVZ 1961, 158. 67 Vgl. BayObLG NJW 1956, 1800. Schüler Die Problematik hinsichtlich der Vollstreckungsfähigkeit von Schuldtiteln, die fehlerhaft oder ungenau sind, DGVZ 1982, 65 ff. 68 KG OLGZ 1907, 147; OLG Braunschweig OLGRspr 1923, 206. A.A. OLG Hamburg OLGRspr 1913, 185; 1929, 171. 69 LG Berlin MDR 1970, 244; LG Berlin DGVZ 1970, 56; OLG Zweibrücken GRUG 1988, 485. S. auch § 724 Rdnrn. 7 (zur Beischreibung), 41 sowie § 725 Rdn. 30. 70 AG Hannover DGVZ 1975, 79. 71 OLG Stuttgart NJW-RR 1989, 637. 72 Dazu auch BGH NZG 2016, 517; LG Gießen ZIP 2022, 2033. 73 A.A. OLG Saarbrücken NJW-RR 1990, 1472. 45

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gen. Die Klausel selbst ist aber auch dann nach § 724 auszustellen, wenn sich die Namen aus den Akten nicht ergeben.74 Wollte man hier die qualifizierten Beweisanforderungen nach den §§ 727, 731 verlangen, wäre dem Gläubiger eine (Kosten-)Last aufgebürdet, die ihm das Gesetz gerade abnehmen will. Infolgedessen muss es bei den einfacheren Anforderungen des § 724 verbleiben, vgl. § 725 Rdn. 21. Eine neue Klageerhebung ist dagegen ausgeschlossen.75 16 Beruht die Wirkungserstreckung allerdings auf einer Parteivereinbarung und begrenzt das Gesetz wie in § 800 Abs. 2 deren Konsequenzen darauf, dass die Notwendigkeit zur Zustellung entfällt, ist die Umschreibung der Klausel erforderlich.76 Eine Umschreibung ist dagegen dann nicht möglich, wenn das Gesetz die Wirkungserstre17 ckung auf materiell-rechtliche Konsequenzen beschränkt, bzw. prozessuale Folgerungen gerade ablehnt; ersteres findet sich etwa in §§ 328, 546 Abs. 2 BGB, letzteres bei § 425 Abs. 2 BGB hinsichtlich der kumulativen, durch Gesetz oder Vertrag begründeten Schuldübernahme (Schuldbeitritt77).78 Daher können etwa der Mieter oder Arbeitnehmer nicht eine Titelübertragung aufgrund der §§ 546, 613a BGB erhalten,79 wohl aber insoweit, als der neue Vermieter oder der Betriebsübernehmer die allgemeinen Kriterien der Rechtsnachfolge, Rdn. 29 ff. erfüllt. Weitere Anwendungsfälle sind § 129 Abs. 4 HGB80 und – trotz § 773 BGB – § 767 BGB.81 Zur befreienden Schuldübernahme s.u. Rdn. 35. 18 Ein Wechsel in der Person des gesetzlichen Vertreters bedarf schon allein deswegen keiner Klauselumschreibung, weil er – wenn er nicht Partei kraft Amtes ist, s.u. Rdn. 28 und 36 – in der Klausel überhaupt nicht genannt zu sein braucht, § 725 Rdn. 10. Für den Prozessbevollmächtigten gilt das ebenso82 (im Todesfall ist allerdings die Wiederaufnahmeanzeige des § 244 Abs. 1 zu beachten)83 wie für den Liquidator einer juristischen Person.84 Bleibt dagegen umgekehrt der Prozessbevollmächtigte unverändert, wechselt aber wie im Fall des § 86 die Partei, muss der Titel umgeschrieben werden.

19 f) Titel. Seinem Wortlaut nach bezieht sich § 727 allein auf Urteile, auch auf nur vorläufig vollstreckbare.85 Weil die weiteren, in § 794 aufgelisteten Titel nicht rechtskraftfähig sind, dürften sie eigentlich einer Titelumschreibung nicht zugänglich sein.86 Doch ist eine solche Sichtweise zu eng; der Vereinfachungs- und Entlastungseffekt muss auch bei diesen Titeln zum Tragen kommen. An die Stelle der Rechtshängigkeit tritt der jeweilige Entstehungszeitpunkt – bei der vollstreckbaren Urkunde also die Errichtung der Urkunde87 und bei einem Prozessvergleich dessen Abschluss.88 Rechtsnachfolge ist auch bei Schiedssprüchen nach § 106089 oder bei Arresten und einstweiligen 74 75 76 77 78

A.A. noch 2. Aufl. B III b. RGZ 88, 267; BGH NJW 1957, 1111. OLG München HRR 1936, Nr. 1373. Entsprechendes gilt für die Schuldübernahme, vgl. Staudinger/Rieble, 2022, § 418 Rdn. 41. RG HRR 1930 Nr. 2021; BGH NJW 1957, 420; WM 1974, 395; a.A. LG Hamburg DNotZ 1969, 704; OLG Frankfurt MDR 1985, 60 (dagegen Selb Die neuere zivilrechtliche Rechtsprechung zu Gläubiger- und Schuldnermehrheiten, JZ 1986, 486 f.). S. ferner MünchKomm-BGB/Heinemeyer § 421 Rdn. 36 m.w.N. zur Gegenansicht; ders. § 425 Rdn. 12. 79 Grunsky (Buchbesprechung) ZZP 102 (1989) 125; a.A. BAG NJW 1977, 1119. 80 Dazu LG Kassel MDR 1970, 57. 81 Bettermann Die Vollstreckung des Urteils in den Grenzen seiner Rechtskraft, 1948, 140. 82 AG Köln JurBüro 1968, 750. 83 KG OLGRspr 1925, 216. 84 Noack Die Reform des GmbHG durch die GmbH-Novelle vom 4.7.1980 und die Vollstreckung gegen die GmbH, insbes. die Ein-Mann-GmbH. Die Stellung des Geschäftsführers der GmbH, DGVZ 1982, 146 f. 85 BGH NJW-RR 2001, 1362. 86 So in der Tat Becker-Eberhard, Zu den vollstreckungsrechtlichen Konsequenzen der Einzelrechtsnachfolge hinsichtlich der Inhaberschaft einer titulierten Forderung ZZP 107, 1994, 81, 87. 87 KGJ 1949, 22. 88 Etwa Althammer, Anm. zu BGH JZ 2019, 310, JZ 2019, 286, 292. 89 BGH NJW-RR 2007, 1366. Paulus

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Verfügungen möglich,90 nicht aber bei Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen.91 Ein Pfändungsbeschluss nach § 829 stellt keinen Titel dar.92 Eine Umschreibung kann nicht im Kostenfestsetzungsverfahren vorgenommen werden,93 wohl aber bei der Erwirkung eines solchen Beschlusses94 oder auch bei Anwaltsvergleichen.95

2. Auf Seiten des Gläubigers a) Gesamtnachfolge. Bei der Gesamtnachfolge handelt es sich um solche Fälle, in denen der 20 Übergang der Aktiven und Passiven von einer Person auf die andere vom Gesetz zwingend vorgeschrieben ist; Hauptbeispiel dafür ist der Erbfall. Stirbt der Gläubiger vor Vollstreckungsbeginn,96 kann sein Prozessbevollmächtigter wegen der §§ 81, 86 die Ausfertigung für den Erben verlangen. Die Rechtsnachfolge muss aber nach Maßgabe des § 727 festgestellt und in der Klausel vermerkt werden.97 Sind mehrere Erben vorhanden und haben sie sich noch nicht auseinandergesetzt, kann die Klausel für alle gemeinsam, § 2032 BGB, oder aber jedem einzelnen allein erteilt werden;98 letzteren Falls muss jedoch die Einschränkung des § 2039 BGB in die Klausel aufgenommen werden, und es ist § 733 zu beachten, wenn mehrere Erben die Umschreibung beantragen. Hat die Auseinandersetzung bereits stattgefunden, ist der einzelne Erbe Rechtsnachfolger der Erbengemeinschaft. Ist Testamentsvollstreckung angeordnet, gilt § 749. Weitere Beispiele für Gesamtnachfolge sind etwa99 der Übergang des Vermögens öffentlich-rechtlicher Körperschaften bzw. Anstalten (z.B. Eingemeindungen), oder die Übertragung des Vermögens einer Gesellschaft oder Gesamthandsgemeinschaft auf einen einzelnen.100 Neben diese gesetzlich begründete Gesamtnachfolge tritt die aufgrund Rechtsgeschäfts er- 21 folgte.101 Hierher zählen etwa die Vereinbarung der Gütergemeinschaft unter Eheleuten, die Übernahme des Vermögens einer OHG, KG oder BGB-Gesellschaft durch einen Gesellschafter;102 ferner die Verschmelzung, §§ 2 ff. UmwG,103 Spaltung, §§ 123 ff. UmwG,104 oder auch Vermögensübertragung, §§ 174 ff. UmwG;105 zur formwechselnden Umwandlung nach den §§ 190 ff. UmwG s. § 724 Rdn. 41. 90 Zweifelnd noch OLG Dresden OLGRspr 1913, 184. Baur Rechtsnachfolge in Verfahren und Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes? FS Schiedermair (1976) 19 ff.; Loritz Rechtsnachfolge und Umschreibung der Vollstreckungsklausel in den Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, ZZP 106 (1993) 3 ff. 91 Bei ihnen handelt es sich nicht um einen Titel, BGH ZInsO 2016, 2221. 92 BGH ZIP 2017, 399; MünchKomm/Smid, § 829 Rdn. 5. 93 OLG München Rpfleger 1993, 207. Zur Kostenforderung eines Notars nach § 155 KostO LG Dortmund DNotZ 1984, 554. 94 BGH MDR 2010, 838. 95 Geimer Notarielle Vollstreckbarerklärung von Anwaltsvergleichen, DNotZ 1991, 283, der freilich für den Nachweis der Rechtsnachfolge auf die qualifizierten Anforderungen des § 727 verzichten will. 96 Stirbt er nach Vollstreckungsbeginn, s. § 779 Rdn. 2. 97 OLG Dresden SeuffA 43, Nr. 313 (zur hereditas iacens). 98 BGHZ 227, 336, Tz. 15 ff. (gegen BGH NJW 1995, 1162); zur erforderlichen Bestimmtheit ebenda Tz. 27. 99 Der in der Vorauflage hier noch erwähnte § 11 TreuhG wird wohl in praxi keine Rolle mehr spielen. 100 Zu den Nachweisanforderungen dabei LG Schwerin NotBZ 2001, 308. 101 K. Schmidt Universalsukzession kraft Rechtsgeschäfts, AcP 191 (1991) 495 ff. S. hierzu etwa OLG Köln WRP 2021, 536. 102 Die Umwandlung einer Personengesellschaft in eine andere – etwa OHG in KG – bemisst sich als Namensänderung allein nach § 724; vgl. MünchKomm/Wolfsteiner Rdn. 19. 103 Hierzu etwa BGH DGVZ 2017, 12; LG Braunschweig Beschl. v. 22.6.2020, DGVZ 2020, 261. Auch wenn Namensgleichheit von Titelerwerber und neuer juristischer Person besteht, ist eine Umschreibung erforderlich, OLG Jena MDR 2012, 1121; OLG Köln NZG 2009, 477. 104 Vgl. OLG Frankfurt BB 2000, 1000. Zur Abspaltung durch Neugründung in steuerlicher Hinsicht s. allerdings BFHE 226, 492; s. ferner BFHE 209, 30. 105 Hierzu etwa Soutier Die Umschreibung von Vollstreckungsklauseln MittBayNot 2011, 366 f. Zur formwechselnden Umwandlung AG Stuttgart DGVZ 2009, 206. 47

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22 b) Einzelnachfolge. Einzelnachfolge tritt nicht nur aufgrund Rechtsgeschäfts106 – zum Eintritt in den Sicherungsvertrag im Kontext einer Rechtsnachfolge in eine Sicherungsgrundschuld s. noch § 795107 –, sondern auch dann ein, wenn der (derivative)108 Erwerb unmittelbar aufgrund Gesetzes oder richterlicher Anordnung erfolgt. Ein pfändender Gläubiger kann also die Umschreibung auf sich verlangen, wenn sein Schuldner einen Titel gegen den Drittschuldner hat und ihm die Forderung überwiesen worden ist.109 Das gilt gleichfalls für Ansprüche,110 die der Träger der Sozialhilfe nach §§ 93 f. SGB XII auf sich übergeleitet hat,111 wie auch für solche, die durch § 7 UVG übergeleitet werden.112 Eine Rechtsnachfolge liegt dagegen auf Grund der öffentlich-rechtlichen Betrachtungsweise dann nicht vor, wenn der Ersteigerer die Räumung von Immobilien aus einem Titel betreiben will, den zuvor noch der Zwangsverwalter vor der Zwangsversteigerung erstritten hat.113 23 Bei teilweiser Pfändung und Überweisung114 ist in der Klausel die Beschränkung zu vermerken, § 725 Rdn. 13, und dementsprechend nur für diesen Teil umzuschreiben.115 Werden auf diese Weise zwei (oder mehrere) Ausfertigungen benötigt, ist § 733 zu beachten.116 24 Unmittelbar kraft Gesetzes entsteht eine Rechtsnachfolge in den Fällen der Legalzession, etwa §§ 268 Abs. 3, 426 Abs. 2, 774 BGB.117 Dabei ist freilich zu beachten, dass eine Umschreibung nur möglich ist, wenn etwa der Gläubiger einen Titel gegen den Hauptschuldner hat – nicht aber gegen den Bürgen; denn § 727 erlaubt nicht die Auswechslung des Schuldners in die Gläubigerposition und zusätzliche Umschreibung eines Schuldners (er wäre auch nicht Rechtsnachfolger des Bürgen). Dadurch reduziert sich der Anwendungsbereich der umstrittenen Nachfolge bei § 426 Abs. 2: Gegen die Zulässigkeit einer Umschreibung wird eingewandt, der leistende Gesamtschuldner erhalte nur in aus106 Dazu Scheel Zur Umschreibung von Vollstreckungsklauseln NotBZ 2001, 248 ff. Zu § 3 UKlaG s. etwa Staudinger/ Piekenbrock, 2022, § 3 UKlaG Rdn. 30.

107 S. vorerst auch BGH NJW 2012, 2354; BGH JZ 2010, 791 mit Anm. Stürner, ebenda S. 774; Heinze Die Rechtsnachfolge auf Gläubigerseite gemäß § 727 Abs. 1 ZPO bei vollstreckbaren Sicherungsgrundschulden, ZIP 2010, 2030. 108 S. oben Rdn. 9. 109 RGZ 57, 326; OLG Kiel ZZP 53 (1940) 164; OLG Hamburg MDR 1967, 849; Scheel Zur Umschreibung von Vollstreckungsklauseln NotBZ 2001, 286, 291 ff.; Scheld Vollstreckung übergeleiteter Urteilsforderungen (§§ 775, 776 ZPO), DGVZ 1984, 49 ff.; Christmann Arrestaturium und Inhibitorium (§ 829 Abs. 1 ZPO) bei der Vollstreckung gepfändeter Urteilsforderungen, DGVZ 1985, 81 ff. Vgl. auch Eckhardt Die sogenannte „Umschreibung einer Vollstreckungsklausel“ wegen Rechtsnachfolge auf der Gläubigerseite infolge Pfändung, ZNot i. BW 1989, 76 ff. sowie DIV-Gutachten DAVorm 1988, 785; 1004. 110 OLG Düsseldorf FamRZ 1972, 402; LG Hannover Rpfleger 1968, 195; LG Frankenthal DAVorm 1970, 151; LG Stade Rpfleger 1975, 67. Vgl. auch LAG München NJW-RR 1987, 956 (Übergang nach § 141m AFG); OLG Stuttgart NJW-RR 1990, 126 = Justiz 1990, 22 (UVG, zu den Nachweisanforderungen OLG Stuttgart Rpfleger 1993, 167); LAG SchlH Rpfleger 1989, 162. S. auch Derleder/Bartels Die Neuordnung des Unterhaltsprozesses bei Sozialhilfebezug, FamRZ 1995, 1111. 111 Schleger/Voelzke/Armbruster – jurisPK-SGB XII, 2020, § 93 Rdn. 192. Vergleichbares gilt für übergeleitete Ansprüche nach § 33 SGB II. Zur Nachweispflicht, dass der Sozialhilfeträger auch tatsächlich gezahlt hat, OLG Stuttgart NJWRR 1986, 1504. Allgemein Knittel Rechtsnachfolge von Sozialleistungsträgern in Unterhaltsansprüche, JAmt 2022, 174 ff. und 246 ff. Münder Der sozialhilferechtliche Übergang von Ansprüchen gegen zivilrechtlich Unterhaltspflichtige, NJW 2001, 2201. 112 Hierzu etwa BGH MDR 2015, 1442; OLG Düsseldorf FamRZ 2012, 1909; OLG Hamm FamRZ 2012, 910; OLG Köln FamRZ 2003, 107; OLG Dresden DAVorm 1999, 714; Everts Die Erteilung vollstreckbarer Ausfertigungen beim Vollzug des Unterhaltsvorschussgesetzes, ZNotP 2004, 436. Zur Frage der Umschreibung für ein minderjähriges Kind s. OLG Stuttgart JAmt 2012, 534; OLG Schleswig MDR 2010, 752 und FamRZ 2010, 1592; OLG Karlsruhe FamRZ 2004, 1796. Zum zeitlich nachgelagerten Fall, in dem das Kind volljährig wird, BGH NJW 2015, 3659; OLG Stuttgart FamRZ 2021, 1137; OLG Brandenburg NJW-RR 2020, 1480. 113 BGH DGVZ 2012, 182; OLG Celle NZI 2010, 878; s. überdies oben Rdn. 9. 114 Paulus Umfang der Beschlagnahme bei der Vorpfändung und Pfändung von Geldforderungen, DGVZ 1993, 129. 115 KG OLGRspr 1931, 85. 116 Vgl. auch LG Hamburg DAVorm 1967, 170. 117 OLG Hamburg OLGRspr 1918, 44 = SeuffA 62, 479; KG OLGRspr 1925, 219; OLG Frankfurt MDR 1985, 60; OLG Düsseldorf FG Prax 1995, 210. Umfassend zur Legalzession Scheel Zur Umschreibung von Vollstreckungsklauseln NotBZ 2001, 286 ff. Paulus

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gleichsberechtigter Höhe Teilansprüche.118 Das widerspricht der allseits anerkannten Teilbarkeit der Ausfertigungen, Rdn. 23.119 Überdies verlangt § 727 nur den Nachweis der Rechtsnachfolge, nicht aber den des Umfangs. Infolgedessen brauchen die Teilungsquoten auch nicht in der qualifizierten Form nachgewiesen werden;120 sie sollten aber aus Praktikabilitätserwägungen heraus in der Klausel vermerkt werden. Ein Streit über ihre Höhe ist nach § 767 auszutragen. Zu dem rechtsgeschäftlichen Erwerb zählt außer dem Eigentumserwerb121 beispielsweise 25 die Bestellung, aber auch das Erlöschen122 eines Nießbrauchs; die Verpfändung einer titulierten Forderung, § 1282 BGB;123 der Eigenbesitzerwerb nach unwirksamer Übereignung;124 die Freigabe eines Massegegenstandes durch den Insolvenzverwalter;125 die Abtretung126 einer Forderung,127 auch einer solchen in Gemäßheit des § 265 Abs. 2.128 Bei einer Abtretung ist freilich zu beachten, dass eine isolierte Vollstreckungsstandschaft nach Ansicht des BGH nicht zulässig ist.129 Ob nach einem Rückerwerb der Sache (durch Übereignung oder Abtretung) eine Nachfolgeklausel erforderlich ist, ist umstritten,130 richtiger Ansicht nach aber zu verneinen. Hat der Zedent allerdings eine eigene materiell-rechtliche Einziehungsermächtigung, darf er auch nach Ansicht des BGH131 die Zwangsvollstreckung durchführen – wie umgekehrt der Zessionar die Umschreibung verlangen kann, wenn der Zedent nicht oder nur zögerlich die Vollstreckung betreibt.132 Ein rücklaufender Wechsel, §§ 28 Abs. 2, 49 WechselG, bewirkt nach wohl h.M. keine Rechts- 26 nachfolge.133 In dem Verfahren nach den §§ 727, 731 kann nicht ein Streit zwischen Alt- und Neugläubi- 27 ger ausgetragen werden; das richtige Verfahren dafür ist zutreffender Ansicht nach (wie bei der Prüfung der Gutgläubigkeit, Rdn. 34) das des § 732.134 118 KG NJW 1955, 913; LG Bonn MDR 1965, 493; BayObLG NJW 1970, 1800. 119 Vgl. auch Loritz Die Umschreibung der Vollstreckungsklausel, ZZP 95 (1982) 335, der allerdings die Anwendbarkeit des § 727 mit der h.M. wegen fehlender Rechtsnachfolge i.S.d. § 325 ablehnt. Dabei wird jedoch das oben, Rdn. 6, Gesagte übersehen. 120 So aber OLG Karlsruhe OLGRspr 1933, 91; KG OLGRspr 1931, 86; OLG Hamburg MDR 1968, 248, 1014; dazu Christmann Der Gesamtschuldner als Vollstreckungsschuldner, DGVZ 1987, 83. 121 LG Berlin Rpfleger 1969, 395. 122 OLG Celle Rpfleger 1953, 82. 123 BayObLG 22, 359; KG KGJ 1942, 4. 124 RGZ 82, 35; KG JW 1932, 191. 125 BGH DGVZ 2017, 74; LG Hannover KTS 1955, 123; LG Köln ZInsO 2013, 198. 126 LG Essen Rpfleger 1972, 320 – hinsichtlich der dabei noch nicht festgesetzten Kosten des Titels OLG Breslau OLGRspr 1920, 332; OLG Hamburg Büro 1974, 1035: Der Verpflichtete ist durch Auslegung zu ermitteln. s. auch Böttcher/ Behr Klauselumschreibung bei der Inkassozession, JurBüro 2000, 64, sowie unten Rdn. 46. 127 Sofern die Forderung etwa durch eine Grundschuld gesichert ist und die Unterwerfungserklärung abstrakt auf den jeweiligen Gläubiger erstreckt wird, ist Rechtsnachfolger nur, wer zugleich Gläubiger des gesicherten Anspruchs und der Grundschuld ist, BGH DNotZ 2008, 833. 128 Dazu etwa BGH DGVZ 2017, 74 mit dem Hinweis, dass zwischen konkurrierend beantragenden Gläubigern der Prioritätsgrundsatz gilt; s. auch oben § 265 Rdn. 80. 129 S. auch § 725 Rdn. 11: BGH DGVZ 2017, 74; BGH, Beschl. v. 28.7.2011 – ZR VII 126/10 – juris; BGHZ 92, 347; NJWRR 1992, 61; OLG Bremen MDR 1989, 460 = NJW-RR 1989, 574; LG Darmstadt WuM 1995, 679 (krit. dazu Münzberg Vollstreckungsstandschaft und Einziehungsermächtigung, NJW 1992, 1867; K. Schmidt Urteilszusammenfassung: BGH NJW 1993, 1396, JuS 1993, 872; Scherer Zulässigkeit einer Vollstreckungsstandschaft? Rpfleger 1995, 89), sowie § 725 Rdn. 11 zum Prozessstandschafter. 130 Dafür etwa LG Braunschweig Beschl. v. 22.6.2020, DGVZ 2020, 261; dagegen LG Dresden DGVZ 2012, 54; AG Herzberg Beschl. v. 16.4.2020, DGVZ 2020, 262; LG Gießen ZIP 2022, 2033. 131 NJW 1993, 1396; vgl. auch LG Mannheim Rpfleger 1988, 490. 132 OLG Köln EWiR § 727 ZPO 1/93, 1247 (Becht). 133 OLG Hamburg MDR 1968, 248 und 1014; Greilich Titelumschreibung nach § 727 ZPO für den einlösenden Wechselaussteller? MDR 1982, 15. A.A. LG Münster MDR 1980, 1030; K. Schmidt Titelumschreibung im wechselrechtlichen Rembourgregreß? ZZP 86 (1973) 188 ff. 134 Schlosser ZPR II, Rdn. 83; a.A. RG JW 1936, 1126 m. abl. Anm. Jonas; KG OLGRspr 1926, 376. 49

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28 c) Analogie. In Anbetracht des oben, Rdnrn. 8 f., zur grundsätzlichen Beachtung materiell-rechtlicher Wertungen Gesagten ist eine analoge Anwendung etwa dann gerechtfertigt, wenn der wahre Eigentümer seine Eintragung im Grundbuch erreicht hat, aber mit einer aus § 1148 BGB resultierenden Gefährdung seines Grundstücks konfrontiert ist;135 oder aber wenn der Erwerber eines verpachteten bzw. vermieteten Grundstück in die Rechte des Überlassungsvertrages eingetreten ist.136 Parteien kraft Amtes müssen eine Umschreibung der Ausfertigung erlangen, da sie nicht Vertreter des Gemeinschuldners, Erben, etc. sind. Da sie aber auch nicht dessen Rechtsnachfolger137 sind, kommt nur eine analoge Anwendung in Betracht; sie ist heute allgemein anerkannt.138 Das gilt für den Testamentsvollstrecker,139 Nachlassverwalter140 und Kanzleiabwickler.141 Es gilt nicht für das aus eigenem Recht handelnde Elternteil in § 1629 Abs. 3 BGB142 oder für den keine analogiefähige Rechtsnachfolge143 darstellenden Wechsel in der Person des Insolvenzverwalters144 (etc.). Wohl aber, wenn an die Stelle des jetzigen Insolvenzschuldners oder eines nach dem AnfG erfolgreichen Gläubigers145 nunmehr der Insolvenzverwalter nach § 16 ff. AnfG tritt.146 Aber auch dann, wenn der Insolvenzschuldner nach Beendigung des Verfahrens die volle Verfügungsgewalt wiedererhält, ist er nicht Rechtsnachfolger im technischen Sinne.147 Gleichwohl kann er die Umschreibung auf sich verlangen, wenn der Verwalter während des Verfahrens einen Titel erstritten hat.148 Die Umschreibung ist ebenfalls erforderlich, wenn der Gläubiger aufgrund eines Titels vollstrecken will, den er während des Insolvenzverfahrens als Verwalter erstritten hat.149

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OLG Hamm NJW 1999, 1038; Zöller/Seibel § 727 Rdnr. 17a. Denn nach Ansicht des BGH NJW-RR 2022, 736 – Tz. 20 ff., führt § 566 BGB zu keiner Rechtsnachfolge. S. BGH DZWIR 2019, 235 – Tz. 17. BGH ZInsO 2017, 596; OLG Stuttgart NJW 1958, 1353 m. abl. Anm. Kleiybolte; für den Konkursverwalter etwa RGZ 57, 8; OLG Hamburg OLGRspr 1905, 450; OLG Celle OLGRspr 1914, 161; OLG Kiel OLGRspr 1916, 322; OLG Breslau JW 1918, 145; LG München I Zeitschr. f. Rpfleger in Bayern 2, 107; LG Bremen KTS 1977, 124; vgl. nur Loritz Die Umschreibung der Vollstreckungsklausel, ZZP 95 (1982) 310 ff., 327 ff.; die Gegenansicht etwa bei K. Schmidt Titelumschreibung nach Konkurseröffnung und nach Konkursbeendigung, JR 1991, 309 ff. m.w.N. 139 Zum Testamentsvollstrecker s. § 748 Abs. 2, zum Kanzleiabwickler OLG Karlsruhe Rpfleger 2005, 36 (s. auch § 748 Rdn. 15), zum Nachlasspfleger Zimmermann Der Nachlasspfleger im Zivilprozess, ZEV 2011, 631, 635 f. oder auch OLG Frankfurt, Beschluss vom 2. Juni 2022 – 20 W 264/20 –, juris; zum Verwalter einer Wohnungseigentümergemeinschaft Schuschke Geltendmachung von Ansprüchen der Gesamtheit der Wohnungseigentümer durch Dritte im Wege gewillkürter Prozessstandschaft, NZM 2005, 81, 87. 140 BGH JZ 1991, 731 ff.; Jaspersen Vollstreckung und Anordnung der Nachlaßverwaltung, Rpfleger 1995, 243; vgl. überdies die Kommentierung zu § 728 und § 749. 141 Vgl. Nachweise bei OLG Nürnberg NJW-RR 2006, 1434; OLG Karlsruhe Rpfleger 2005, 36 (Analogie zu § 748 Abs. 2). 142 LG Konstanz NJW-RR 2002, 6; OLG Köln FamRZ 1985, 626 m.w.N. auch zur Gegenansicht; Bullmann in: Herberger/ Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 10. Aufl., 2023, § 1629 Rdn. 81. MünchKomm-BGB/Huber § 1629 Rdn. 98 zur Umschreibung auf das Kind; für einen Sonderfall (Wechsel des Sorgeberechtigten) OLG Schleswig FamRZ 1990, 189. S. auch OLG Saarbrücken zum umgekehrten Fall, in dem das volljährig gewordene Kind die Vollstreckung betreiben will, NJW-RR 2007, 1307. 143 LG Hannover NJW 1970, 436 m. Anm. Diester (betr. Wohnungseigentumsverwalter); LG Essen NJW-RR 1992, 576; a.A. OLG Breslau JW 1918, 145 m. abl. Anm. Jaeger. 144 Zum insolvenzrechtlichen Kontext s. auch § 724 Rdn. 42 f.; Scheel Zur Umschreibung von Vollstreckungsklauseln NotBZ 2001, 286, 294 ff. 145 Dazu OLG München ZIP 2017, 239 (Umwandlung eines Zahlungsanspruchs des Gläubigers in einen auf Rückauflassung beim Insolvenzverwalter gem. § 894), dazu EWiR 2017, 313 (Kesseler). 146 RGZ 30, 70; OLG Frankfurt ZIP 2009, 784. 147 Vgl. BGH Rpfleger 2006, 423, 424 (zur Freigabe eines Massegegenstands); RGZ 79, 30. S. auch BGH NJW 2019, 517 – Tz. 17. 148 OLG Kiel OLGRspr 1916, 322; KG OLGRspr 1925, 219. 149 BGH ZIP 1992, 850 = JZ 1993, 94 mit Anm. Münzberg. Paulus

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3. Auf Seiten des Schuldners Die Titelumschreibung auf Seiten des Schuldners erfolgt gegen denjenigen Rechtsnachfolger 29 sowie Besitzer der streitbefangenen Sache, gegen den sich die Rechtskraft des Urteils gem. § 325 erstreckt.150 Wegen dieses Zusatzes sind nach der hier vertretenen Ansicht die Möglichkeiten auf der Betroffenenseite weniger weit gespannt als auf der Gläubigerseite. Ist die Rechtsnachfolge also etwa schon vor Rechtshängigkeit eingetreten, kommt eine Umschreibung nicht in Betracht; die Titelübertragung dient nicht dazu, dem Gläubiger das Risiko abzunehmen, seine Klage gegen den richtigen Schuldner zu richten.151

a) Gesamtnachfolge. Ist der Schuldner gestorben, ist eine Umschreibung auf seinen Erben 30 wegen § 1958 BGB erst dann möglich, wenn dieser die Erbschaft angenommen hat oder die Ausschlagungsfrist hat verstreichen lassen, § 1943 BGB. Der Nachweis der Annahme obliegt dem Gläubiger. Handelt es sich um eine Miterbengemeinschaft, kann der Gläubiger die Klausel sowohl gegen alle als auch gegen einen der Erben richten.152 Solange jedoch die Auseinandersetzung zwischen den Erben noch nicht stattgefunden hat, tritt die aus § 747 abzuleitende Besonderheit hinzu, dass die Klausel die Namen aller Miterben enthalten muss. Will sich der in der Klausel genannte Erbe nach der Auseinandersetzung unter Berufung auf die Haftungsbeschränkung nach § 2060 BGB gerade gegen die Klauselerteilung zur Wehr setzen, muss er das im Wege der Klage nach §§ 732, 768 tun. Ansonsten gelten die §§ 785, 767, und zwar auch dann, wenn der Erbe nur und erst durch das Klauselerteilungsverfahren in die Zwangsvollstreckung involviert wurde; eine Aufnahme des Haftungsbeschränkungsvorbehalts in die Klausel ist nicht möglich und zur Rechtswahrung auch nicht erforderlich.153 Zu beachten sind die materiell-rechtlichen Besonderheiten154 für die Frage nach der Rechtsnachfolge, die sich aus der Zugehörigkeit der Vollstreckungsobjekte (insbesondere Grundstücke) hinsichtlich einer Bruchteilsgemeinschaft oder Gesamthandsgemeinschaft ergeben können.155 Zu weiteren Fällen der Gesamtnachfolge s. zusätzlich Rdn. 20; sie kann beispielsweise auch dann eintreten, wenn im Wege einer gesetzlich angeordneten Anwachsung das Gesellschaftsvermögen kraft Gesetzes auf den einzigen Gesellschafter übergeht, also etwa bei einer GmbH & Co KG, wenn die Komplementärgesellschaft nach § 394 FamFG liquidationslos vollbeendigt worden ist und am Ende nur ein Gesellschafter verbleibt.156 Hatte der Gläubiger die Zwangsvollstreckung gegen den Erblasser bereits begonnen, darf sie 31 gem. § 779 ohne Umschreibung in den Nachlass weitergeführt werden.157 Anders ist dies nur im Falle von dessen Abs. 2.

b) Einzelnachfolge. Einzelnachfolge, s. zusätzlich Rdn. 22 sowie die Kommentierung zu § 325 32 und die zu § 265 für die ,streitbefangene Sache‘. Danach wirkt das Urteil gegen denjenigen Sonderrechtsnachfolger, der die streitbefangene Sache nach dem Eintritt der Rechtshängigkeit bzw. deren

150 Zu den sich aus § 325 ergebenden Einschränkungen im Falle eines Prozessvergleichs s. BGH BJW 2019, 310; dazu etwa Althammer JZ 2019, 286. Vgl. auch BGH NJW-RR 1992, 61. Vgl. LG Leipzig JurBüro 2003, 657. OLG Köln JW 1932, 1405 und § 780 Rdn. 10. S. dazu allerdings auch oben Rdn. 9. Hierzu Alff Klauselprobleme in der Immobiliarvollstreckungspraxis, Rpfleger 2001, 285, 289. BAG NJW 2019, 1242 mit Anm. D. Paulus EWiR 2019, 619. Dort auch zu der vom BAG wiederholt bemühten Parallele von erb- und gesellschaftsrechtlicher Gesamtrechtsnachfolge, s. auch BGH ZIP 2018, 1826. 157 Vgl. § 779 Rdn. 3; Goebel Der Schuldner verstirbt: Was nun?, FoVo 2022, 81 ff.; Behr Zwangsvollstreckung in den Nachlass, Rpfleger 2002, 2, 3 f.

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Besitz in solcher Weise erworben hat, dass der Schuldner oder sein Rechtsnachfolger mittelbarer Besitzer, § 868 BGB, geworden ist – unabhängig davon, ob er im Titel genannt ist oder nicht.158 33 Beispiele für Rechtsnachfolge sind: der Nießbraucher nach § 1036 BGB;159 der überlebende Mieter des § 563a BGB;160 der Vorbehaltskäufer161 wie überhaupt jeder Besitzmittler des Schuldners der streitbefangenen Sache – für den Untermieter (vorausgesetzt, dass er erst nach Rechtshängigkeit dazu geworden ist);162 der Sicherungseigentümer, wenn sich die Sache bei ihm befindet; der Erwerber einer hypothekarisch163 gesicherten Forderung hinsichtlich der durch einstweilige Verfügung, § 885 BGB, zugesprochenen Löschungsvormerkung;164 der Erwerber des Alleinbesitzes nach Trennung165 oder Scheidung166 der Eheleute. Durch die Gesamtverweisung auf § 325 ist derjenige Rechtsnachfolger (oder Besitzer) ge34 schützt, der nach Maßgabe des § 325 Abs. 2 gutgläubig gewesen ist;167 für die Sonderregelung eines belasteten Grundstückes in § 325 Abs. 3 und 4, s. die Kommentierung dort. Beruft sich der (von der Titelübertragung betroffene) Schuldner auf seine Gutgläubigkeit, muss der Gläubiger sie widerlegen. Doch das geschieht aus Gründen der Effizienz des Umschreibungsverfahrens nicht im Klauselerteilungsverfahren,168 – hier müsste die fehlende Gutgläubigkeit durch Urkunden nachgewiesen werden! –, sondern in dem vom Schuldner anzustrengenden Rechtsstreit nach den §§ 732, 768, bzw., wenn der Gläubiger nach § 731 vorgeht, in diesem Prozess. Will der Gläubiger aus einer Sicherungshypothek die Zwangsversteigerung des Grundstückes seines Schuldners betreiben, kann der entsprechende Titel nicht auf den rechtsgeschäftlichen Erwerber umgeschrieben werden, es sei denn, dass dieser die titulierte Zahlungsverpflichtung mit übernommen hat.169 Anders dagegen, wenn ein Dienstbarkeitsberechtigter dem betreibenden Gläubiger im Rang nachgeht; dann kann der Gläubiger den gegen den Eigentümer bestehenden Titel im Wege der Titelaufspaltung auf den Dienstbarkeitsberechtigten erstrecken.170 Des weiteren folgt aus der Verweisung auf § 325 und damit auf § 265, dass eine Rechtsnach35 folge in eine Schuld – sofern sie nicht aus einem dinglichen Recht oder einer Gesamtrechtsnachfolge resultiert – grundsätzlich nicht von § 727 erfasst sein kann.171 Insoweit enthalten die §§ 729, 738, 742 und 743 gesetzliche Ausnahmen. Es ist jedoch umstritten, ob nicht der Gläubiger im Falle einer befreienden (zur kumulativen s.o. Rdn. 17) Schuldübernahme die Umschreibung auf den übernehmenden Dritten bewirken kann.172 Das ist zu verneinen:173 Erfolgte die Übernahme bereits 158 159 160 161 162

OLG Kassel ZZP 41 (1911) 204. BGH Rpfleger 2003, 378; OLG Dresden Rpfleger 2006, 92; KG OLGZ 1925, 264. Der bloße Erbenbesitz des § 857 BGB reicht dafür allerdings nicht, BGH, Beschl. v. 30.4.2020, DGVZ 2020, 220. Zwischen ihm und dem Verkäufer besteht ein Besitzmittlungsverhältnis, Grüneberg/Herder § 868 Rdn. 15. LG Karlsruhe NJW 1953, 30, mit Anm. von Berg a.a.O., der für eine analoge Anwendung plädiert. Vgl. auch Schilken Stellungnahme zu einigen Vorschlägen der Länderarbeitsgruppe zur Überarbeitung des Vollstreckungsrechts, ZZP 105 (1992) 427. 163 Zur Abtretung einer Grundschuld Scheel Zur Umschreibung von Vollstreckungsklauseln NotBZ 2001, 248 ff. 164 Vgl. 2. Aufl. C IIIa 2. 165 LG Mannheim ZMR 1967, 315. 166 LG Münster MDR 1973, 934. 167 Zu diesem Gutglaubenserfordernis G. Paulus Schranken des Gläubigerschutzes aus relativer Unwirksamkeit, FS Nipperdey I, 1965, S. 909, 916 f.; v. Olshausen Der Schutz des guten Glaubens an die Nicht-Rechtshängigkeit, JZ 1988, 584 ff.; BGHZ 114, 309; C. Paulus Zum Redlichkeitserfordernis in § 325 ZPO, Festgabe zu Ehren Nikolaus Klamaris, 2016, S. 547 ff. 168 RGZ 79, 165. 169 BGH NJW-RR 2021. 1145. Der Gläubiger bedarf danach eines eigenen Duldungstitels gemäß §§ 1147 BG gegen den Erwerber. 170 OLG Dresden RPfleger 2006, 92; Staudinger/Reymann, 2021, § 1190 Rdn. 36. 171 OLG Hamm OLGRspr 1915, 274; a.A. etwa LG Hamburg DNotZ 1969, 704. Die Gegenansicht wird von MünchKomm/ Wolfsteiner Rdn. 26 als unstreitig behandelt. 172 OLG Dresden OLGRspr 1913, 184; KG JW 1938, 1916; OLG Schleswig SchlHA 1959, 198. 173 A.A. Blomeyer Rechtskrafterstreckung infolge zivilrechtlicher Abhängigkeit, ZZP 75 (1962) 22; Loritz Die Umschreibung der Vollstreckungsklausel, ZZP 95 (1982) 334 m.w.N. Fn. 156; wie hier Stein/Jonas/Münzberg Rdn. 21. Paulus

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vor Rechtshängigkeit, steht der Umschreibung der unverrückbare Anfangstermin der Erstreckungswirkung des § 727, Rdn. 10, entgegen. Ein Anerkenntnis oder Geständnis des Dritten, Rdn. 48, kann über dieses Datum genauso wenig hinweghelfen wie eine Auslegung des der Schuldübernahme zugrundeliegenden Vertrages. Wird die Schuld nach Eintritt der Rechtshängigkeit übernommen, ist eine Umschreibung deswegen nicht gerechtfertigt, weil die Übernahme notwendigerweise im Einverständnis des Gläubigers erfolgte, §§ 414 ff. BGB. Die prozessuale Konsequenz dieser Handlung ist, dass er einen Rechtsstreit gegen den falschen Schuldner führt;174 sie kann nicht mit Hilfe des § 727 überspielt werden. Wenn A. Blomeyer175 demgegenüber anführt, dass der Schuldner kein schützenswertes Interesse an der erneuten Aufnahme des Rechtsstreits hat, ändert er damit in einer vom Gesetz gerade nicht unterstützten Weise die Blickrichtung: Die §§ 414 ff. BGB stellen allein auf die Gläubigerentscheidung, nicht aber auf die Interessenlage des Schuldners ab. Anders ist nur dann zu entscheiden, wenn sich der Schuldübernehmer der sofortigen Zwangsvollstreckung, § 794 Abs. 1 Nr. 5, unterworfen hat.176

c) Analogie.177 Eine analoge Anwendung der Titelübertragung ist allgemein anerkannt für die 36 Parteien kraft Amtes, Rdn. 28.178 Ebenso ist eine Analogie in denjenigen Fällen angebracht, in denen der aus- oder absonderungsberechtigte Gläubiger oder auch der Massegläubiger einen Titel gegen den Insolvenzverwalter erstritten hat und aus ihm nach Verfahrensbeendigung die Zwangsvollstreckung betreiben will; nachdem der Schuldner seine Verfügungsbefugnis zurückerhält, muss er in der Klausel genannt werden.179 Das gilt ebenso, wenn der Schuldner nach Abschluss eines Insolvenzverfahrens die Verfügungsbefugnis wiedererlangt, nachdem im Feststellungsverfahren eine Forderung ohne seinen Widerspruch eingetragen worden ist, § 201 Abs. 2 InsO (es ist allerdings ggf. § 294 Abs. 1 InsO zu beachten).180 Sofern er allerdings widersprochen hat, muss der Gläubiger Feststellungsklage erheben. Die Tatsache, dass das Vermögen des Schuldners einem Insolvenzverfahren unterzogen ist, 37 hindert die Erteilung der Klausel grundsätzlich181 nicht; sie erfolgt nach § 724, s. dort Rdn. 2. Jedoch kann der Gläubiger weder auf das insolvenzbefangene noch auf das beschlagsfreie Vermögen zugreifen, wenn er ein Insolvenzgläubiger ist, § 89 InsO. Ist er dagegen Ab- oder Aussonderungsberechtigter, kann und muss er seinen gegen den Schuldner erstrittenen Titel nach § 727 Abs. 1 auf den Verwalter182

174 175 176 177

Vgl. BGHZ 61, 143 (zu § 265). A.a.O. OLG München HRR 1936, Nr. 704. S. hierzu (und zu den kostenrechtlichen Aspekten) Lindemeier Fragen der „Umschreibung“ der Vollstreckungsklausel ohne Rechtsnachfolge, RNotZ 2002, 41. 178 Zum ausländischen Insolvenzverwalter Schall/Wiegand Die Zwangsvollstreckung gegen die englische Limited in Deutschland, DGVZ 2011, 193, 194; zum Zwangsverwalter LG Gießen InVo 1999, 94 (modifizierend); KG OLGRspr 1923, 205. § 741 Rdn. 5 zur Gütergemeinschaft außerhalb des durch § 742 eingeräumten Rahmens. 179 KGJ 1942, 4, 7; OLG Celle OLGRspr 1914, 161; OLG Kiel OLGRspr 1916, 322; OLG München OLGRspr 1922, 359; OLG Breslau OLGRspr 1935, 113; LG Hannover KTS 1955, 123; OLG Stuttgart NJW 1958, 1353; OLG Celle NJW-RR 1988, 448. 180 OLG Hamm EWiR § 146 KO 1/93, 279 (Pape). Das OLG behandelt jedoch diesen Fall nicht als Analogie, sondern als einen Sonderfall der Gesamtrechtsnachfolge. 181 Das OLG Hamm, 10.1.2008 ZIP 2008, 899 (ebenso etwa Lutter/Hommelhoff/Bayer, § 51a GmbHG Rz. 89; Geißler, InsBüro 2021, 115, 119), lehnt eine Umschreibung der Pflicht zur Informationsbeschaffung nach § 51a GmbHG auf den Insolvenzverwalter deswegen ab, weil dessen Pflichtenkreis durch die Insolvenzzweckwidrigkeit beschränkt sei. Das freilich ist wenig überzeugend, weil mit dieser Begründung kaum ein Titel je auf den Insolvenzverwalter umgeschrieben werden könnte. 182 Dazu, dass es sich hierbei auch um einen ausländischen Amtsträger handeln kann, s. Schall/Wiegand Zur Zwangsvollstreckung gegen die englische Limited in Deutschland, DGVZ 2011, 193, 194. 53

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umschreiben lassen.183 Bestreitet der Verwalter oder Gemeinschuldner die Vorzugsberechtigung des Gläubigers, müssen sie hiergegen in Anlehnung an § 179 Abs. 2 InsO vorgehen. Weil es in diesem Verfahren nicht um die Berechtigung der Klauselerteilung geht, sondern um die materielle Frage des Zugriffsrechts, ist die richtige Klageart die der Vollstreckungsgegenklage.184 Das Gleiche gilt, wenn die Zwangsvollstreckung nach Insolvenzverfahrensbeginn fortgesetzt werden soll. Der Vertreter des Aneignungsberechtigten nach § 787, s. auch dort Rdn. 10 ff., ist ebenfalls Partei kraft Amtes, so dass auf ihn umgeschrieben werden muss. 38 Eine analoge Anwendung ist auch dann geboten, wenn sich der streitbefangene Gegenstand im Mitbesitz eines Dritten befindet,185 oder wenn dieser Mitbesitz zwischenzeitlich zum Alleinbesitz geworden ist.186 Dasselbe muss wegen § 891 BGB auch für einen gegen den Bucheigentümer gerichteten Titel gelten, wenn das Grundbuch vor dem Ende der Vollstreckung berichtigt wird.187 Die wohl h.M.188 hält die analoge Anwendung des § 727 dann für möglich, wenn der Gläubiger 39 einen Titel gegen alle Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) erstritten hat, § 736,189 und vor Vollstreckungsbeginn ein neuer Gesellschafter aufgenommen wird.190 Einer Klauseländerung bedarf es dann aber nicht, wenn die GbR aufgrund einer Zweckänderung zu einer OHG (bzw. andersherum die OHG zur GbR) wird.191 In einem solchen Fall hat der BGH es als eine „Förmelei“ bezeichnet, wollte man die Vollstreckung deswegen scheitern lassen.192 Einer in Analogie zu § 727 zu erteilenden Klarstellungsklausel bedarf es daher nicht.193 Ist eine der Parteien unter einem Pseudonym aufgetreten, dessen Richtigstellung sich nicht 40 über § 319 erreichen lässt, s. § 725 Rdn. 30, oder ist sie im Titel mit einer zwischenzeitlich erloschenen bzw. geänderten Firma194 bezeichnet, so ist in beiden Fällen eine Umschreibung analog zu § 727 möglich.195 Freilich sind die Anlehnungen an das materielle Recht, vgl. oben Rdn. 8, arg strapaziert, wenn man die hinter der verklagten Niederlassung (sic!) stehende juristische Person als Rechtsnachfolger ansehen will, um auf diese Weise zu einer analogen Anwendung des § 727 zu kommen;196 hierbei wird der Verfahrensökonomie sehr großzügiger Tribut gezollt. Zur Änderung des Namens197 aufgrund Heirat oder Scheidung bzw. bei bestimmten Änderungen einer Gesellschaft wie etwa identitätswahrender Rechtsformänderung s. § 724 Rdn. 41 sowie § 725 Rdn. 30.

183 Dasselbe gilt auch dann, wenn der Gläubiger ein Urteil erstritten hat, das ihn im nachfolgenden Insolvenzverfahren des Schuldners als Aus- oder Absonderungsberechtigten ausweist, K. Schmidt Titelumschreibung nach Konkurseröffnung und nach der Konkursbeendigung, JR 1991, 309 m.w.N. 184 So auch MünchKomm/Wolfsteiner Rdn. 39. 185 OLG Hamm Rpfleger 1989, 165; vgl. auch LG Krefeld Rpfleger 1989, 259 m. Anm. Meyer-Stolte. 186 LG Münster MDR 1973, 934. 187 OLG Hamm Rpfleger 1990, 215. 188 Baumbach/Lauterbach/Hartmann/Anders/Gehle § 736 Anm. 2; Zöller/Seibel § 736 Rdn. 2; Rosenberg/Gaul/Schilken § 19 I 2. A.A. Stein/Jonas/Münzberg § 736 Rdn. 2; Brox/Walker Rdn. 33; Baur/Stürner Rdn. 309. 189 Zur neuen Rechtslage durch das MoPeG ab dem 1.1.2024 s. die Kommentierung dort. 190 BGH NJW 2011, 615; dazu Reymann Immobiliarvollstreckung gegen GbR(-Gesellschafter), NJW 2011, 1412. Differenzierend Paulus Die Gesellschaft des bürgerlichen Rechts als Schuldner und Drittschuldner, DGVZ 1992, 65, 68 f. 191 Paulus a.a.O., S. 69 f. 192 NJW 1967, 821; NJW 1980, 784; a.A. BayObLG DNotZ 1991, 598. 193 So auch AG Hamburg DGVZ 1982, 158, für den Wechsel einer OHG zur KG. Anders dagegen Eickmann Vollstreckungstitel und Vollstreckungsklausel gegen Personengesellschaften, Rpfleger 1970, 113; ders. Vollstreckungstitel und Vollstreckungsklausel gegen den Vollkaufmann, Rpfleger 1968, 384; Winterstein Probleme der Zwangsvollstreckung gegen Personen- und Kapitalgesellschaften, DGVZ 1984, 1. 194 Schüler Zwangsvollstreckung gegen eine Firma, DGVZ 1981, 65 ff. 195 KG OLGRspr 1913, 152 (Pseudonym); OLG Hamburg OLGRspr 1913, 185; LG Köln Büro 1968, 160; AG Kiel DGVZ 1982, 173 (Firma). Nach BGH NJW-RR 2011, 1335, ist eine solche Änderung bei Firmen- oder Namensänderung allerdings nicht erforderlich, wenn der Gläubiger dem Vollstreckungsorgan die Personenidentität durch Urkunden zweifelsfrei nachweisen kann. 196 So etwa OLG Düsseldorf OLG-Report 1997, 148. 197 Vgl. LG Verden DGVZ 14. Paulus

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Einer analogen Anwendung gleichfalls nicht zugänglich ist der gegen eine OHG gerichtete 41 Titel, wenn nach deren Vollbeendigung einer der Gesellschafter in Anspruch genommen werden soll.198 Aufgrund der strikten Trennung von Gesellschafts- und Gesellschafterschuld fehlt es an der für eine Analogie erforderlichen Vergleichbarkeit der Interessenlage. Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Gesellschafter die streitbefangene Sache von der Gesellschaft erworben hat und dadurch die allgemeinen Voraussetzungen des § 727 Abs. 1 erfüllt;199 zu dieser Konstellation wird es regelmäßig kommen, wenn bei einer GmbH & Co. KG die Komplementärgesellschaft (etwa wegen Insolvenz200) entfällt und das Gesellschaftsvermögen durch gesetzlich angeordnete Anwachsung auf den Alleingesellschafter (ehemaligen Kommanditisten) übergeht.201

IV. Verfahren 1. Zuständigkeit Zuständiger Beamter ist gem. § 20 Nr. 12 RPflG der Rechtspfleger.202 Zu seiner Zeichnungspflicht 42 als „Rechtspfleger“ s. § 12 RPflG sowie § 725 Rdn. 32. Die von ihm unter die Rechtsnachfolgeklausel zu setzende Unterschrift muss den herkömmlichen Anforderungen an Individualisierbarkeit genügen.203 Zuständiges Gericht bei einem umzuschreibenden Mahnbescheid ist das Gericht, das ihn erlassen hat.204

2. Antragsberechtigung Zur Antragsberechtigung s. zunächst § 725 Rdn. 18. Beantragt der ursprüngliche, im Titel genann- 43 te Gläubiger die Klausel (im Verfahren nach den §§ 724, 725), ist sie ihm selbst dann zu erteilen, wenn die Rechtsnachfolge offenkundig ist.205 Denn durch den Antrag wird die Zeugnisfunktion der Klausel, dass nämlich der ausgefertigte Titel vollstreckbar ist, vgl. § 724 Rdn. 3, nicht berührt; vielmehr verbleibt die Frage nach dem „ob“ der Umschreibung der Parteidisposition. Beantragt der neue Gläubiger die Umschreibung, muss er den qualifizierten Nachweis selbst dann erbringen, wenn er im Titel als Gläubiger genannt ist (zur Relevanztheorie s.o. Rdn. 10).206 Zusätzlich muss er in dem Fall, dass dem Altgläubiger bereits eine Ausfertigung erteilt worden war, diese vorlegen, um den Schuldner vor doppeltem Zugriff zu schützen.207 Der Anspruch auf Herausgabe gegen den Altgläubiger ergibt sich aus dem Innenverhältnis,208 oder aus dem Gesetz, etwa § 836 Abs. 3. Ob die Umschreibung nach dieser Vorlage auf der alten oder einer neuen Ausfertigung vermerkt

198 BGHZ 62, 131; OLG Düsseldorf Rpfleger 1976, 327; OLG Frankfurt BB 1982, 399; Fischer Die Personenhandelsgesellschaft im Prozeß, FS Hedemann (1958) 85 ff.; a.A. RGZ 124, 146; 141, 280; noch offen gelassen BGH BB 1969, 892. Vgl. zum Ganzen noch H. P. Westermann Die BGB-Gesellschaft als Partei eines Schiedsgerichtsverfahrens oder eines Schiedsvertrages, FS Baur (1981) 730. 199 So – für eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts – LG Hannover AnwBl. 1972, 133. 200 BGH NZG 2004, 611. 201 S. auch BAG NJW 2019, 1242 mit Anm. D. Paulus EWiR 2019, 619. 202 Im Falle einer Beurkundung durch einen Notar muss die Umschreibung durch den Notar vorgenommen werden, § 52 BeurkG, vgl. Staudinger/Hertel, 2023, BeurkG Rdn. 710. 203 AG Bremen DGVZ 1981, 61 f. (nicht erfüllt bei einem „waagerecht liegenden Fleischerhaken“). 204 BGH Rpfleger 1994, 72. Zum Vollstreckungsbescheid vgl. § 725 Rdn. 16. 205 OLG Karlsruhe OLGRspr 11, 183; KG HRR 30, Nr. 1163; KG FamRZ 1984, 505; OLG Köln FamRZ 1985, 626. 206 RGZ 167, 321. Vgl. auch Gerhardt Vollstreckung aus dem Vertrage zugunsten Dritter, JZ 1969, 691; Scheld Der Drittempfänger in der Zwangsvollstreckung, DGVZ 1983, 164; OLG Hamm OLG Hamm-Rp 1995, 239. 207 Vgl. BGH NJW 1984, 806; OLG München FamRZ 2005, 1102, 1103. 208 KG OLGRspr 1931, 85. 55

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wird, ist Ermessenssache des Rechtspflegers.209 Die Umschreibung gegen den Rechtsnachfolger kann schon erfolgen, bevor die Urkunden dem Vollstreckungsschuldner zugestellt worden sind.210 44 Beantragt der neue Gläubiger die Umschreibung, ohne dass der Altgläubiger an dem Verfahren beteiligt wird, ist diesem rechtliches Gehör zu gewähren,211 weil er seines Vollstreckungsrechts verlustig zu gehen droht.212 Bei Gefahr im Verzug kann hiervon abgesehen werden.213 Zum rechtlichen Gehör des Schuldners § 730 Rdn. 4. Wegen der in § 853 vorausgesetzten mehrfachen Pfändbarkeit wird der Drittschuldner allerdings nicht mit dem Einwand gehört, die Übertragung müsse unterbleiben, weil die gepfändete Titelforderung zuvor schon von anderen Gläubigern gepfändet worden sei.214

3. Gebundene Entscheidung 45 Nach vorübergehenden Irritationen, die durch divergierende Entscheidungen des BGH ausgelöst worden waren,215 ist hinsichtlich des Prüfungsumfangs des Rechtspflegers festzuhalten, dass ihn keine über die in dieser Kommentierung beschriebenen hinausgehenden Pflichten, insbesondere keine materiell-rechtlichen Recherchen auferlegt sind.216 Die Formulierung des Abs. 1 ist mit ihrem „kann … erteilt werden“ insofern irreführend, als sie ein Ermessen des ausstellenden Beamten impliziert. Das Reichsgericht hat jedoch bereits 1904 richtig gestellt, dass bei Vorliegen der Voraussetzungen die Klausel zu erteilen ist.217 Der Gläubiger hat hierauf einen Anspruch. Der BGH geht noch einen Schritt weiter und erlaubt die Annahme eines erfolgreichen Nachweises selbst dann, wenn sich dieser aus der Verbindung der Beweiskraft der Urkunde mit dem „gewöhnlichen Geschehensablauf“ ergibt.218

4. Nachweisform 46 Der Nachweis der Rechtsnachfolge219 muss den vollstreckungsrechtlichen Präzisionsanforderungen220 genügen (s. schon oben Rdn. 2), darf also nicht etwa mittelbar durch Vorlage je für sich nicht den Anforderungen entsprechender Urkunden oder mittels einer dem Gericht suggerierten, tatsächlich aber nicht gegebenen Offenkundigkeit erfolgen,221 und er muss eine im Einzelnen

209 KG JW 1933, 1779 m. Anm. Bley. 210 LG Nürnberg-Fürth JurBüro 1982, 138. 211 Musielak/Voit/Lackmann § 727 Rdn. 4; Lackmann Probleme der Klauselumschreibung auf einen neuen Gläubiger, FS Musielak, 2004, S. 286, 291. 212 Zur Beantragung der Klausel im Inland eines ausländischen Urteils BGH ZInsO 2019, 2336. 213 Schlosser ZPR II, Rdn. 83. 214 RGZ 57, 326; OLG Karlsruhe OLGRspr 1911, 183. 215 BGHZ 185, 133 sowie BGH BKR 2011, 291 gegen BGH NJW 2011, 2803. Hierzu statt vieler etwa Herrier Grenzen des Schuldnerschutzes beim Forderungsverkauf, NJW 2011, 2762; Kesseler „Rechtsnachfolge“ in Vollstreckungsklauseln, WM 2001, 486. 216 BGH DNotZ 2012, 53; BGH DNotZ 2012, 287; AG Hoyerswerda DGVZ 2021, 71. 217 RGZ 57, 329 f.; KG OLGRspr 1915, 274. 218 BGH DGVZ 2018, 13 (betr. Löschung eines Insolvenzvermerks im Grundbuch). 219 S. hierzu auch BGH NZI 2017, 910 zu einem im Grundbuch gelöschten Recht. Zum Umfang der dabei nachzuweisenden Tatsachen im Falle des § 33 Abs. 2 SGB II OLG Stuttgart NJW-RR 2008, 309. S. auch OLG Zweibrücken NJW 2007, 2779. 220 Bei einem maschinell erstellten Vollstreckungsbescheid genügt für den Nachweis die Anwendung des § 703b, BGH MDR 2021, 1450. Eine weitere Erleichterung erlaubt BGH JAmt 2019, 412, bezüglich des Nachweises nach § 33 Abs. 2 Satz 3 SGB II im Rahmen des § 120 Abs. 1 FamFG (zu Gunsten eines Jobcenters). 221 Für den Nachweis der Rechtsnachfolge eines Insolvenzverwalters genügt allerdings der Eröffnungsbeschluss, so zutreffend Kesseler Erteilung einer Vollstreckungsklausel aus einer Grundschuld gegen den Insolvenzverwalter, RNotZ 2004, 462, gegen LG Bonn RNotZ 2004, 340; s. auch LG Stuttgart Rpfleger 2008, 222. Dass sich eine Offenkundigkeit vornehmlich („insbesondere“) allein aus dem Bundesgesetzblatt oder dem Grundbuch ergeben könne, so LG Konstanz ZInsO 2012, 328, dürfte allerdings überholt sein, vgl. LG Bonn RNotZ 2015, 368. Paulus

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umstrittene Aktualität aufweisen.222 Es müssen also die Nachweise durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden – zu ihnen zählt etwa ein Urteil,223 ein Pfändungs- und Überweisungsbeschluss,224 eine öffentlich beglaubigte Abtretung,225 ein Bewilligungsbescheid der Bundesanstalt für Arbeit,226 oder ein Erbschein,227 nicht aber eine Veröffentlichung im Bundesanzeiger,228 ein amtlicherseits eröffnetes privatschriftliches Testament229 oder amtliche Beglaubigungen öffentlicher Urkunden230 – erfolgen; s. dazu § 726 Rdn. 29, sowie, zur Beschaffung der erforderlichen Urkunden, § 792.231 Der BGH232 stellt zutreffend richtig, dass der Nachweis nicht allein in der Weise erbracht werden kann, dass der Vorgang der Rechtsnachfolge (z.B. Abtretung) in der gebotenen Form vorgelegt wird, sondern dass es genügt, wenn eine „öffentlich beglaubigte Abtretungsbestätigung“ vorgelegt wird, die „hinreichend konkret auf die erfolgte Abtretung“ Bezug nimmt. Ganz auf dieser Linie liegt es, wenn er in einer weiteren Entscheidung den Nachweis als erbracht ansieht, wenn aufgrund der Beweiskraft dieser Urkunden mit dem Eintritt der nachzuweisenden Tatsachen dem gewöhnlichen Geschehensablauf nach gerechnet werden kann.233 Anders als in § 726 ist als Ausnahme hiervon ausdrücklich die Offenkundigkeit234 bei Gericht, 47 § 291, genannt. Was darunter zu verstehen ist, kann sich je nach Tatsache durchaus von Gericht zu Gericht unterscheiden.235 Der BGH hat folgende Klärung unterbreitet: Offenkundigkeit liegt in Fällen der Allgemeinkundigkeit oder doch der Gerichtskundigkeit vor. Eine Tatsache ist allgemeinkundig, „wenn sie zumindest am Gerichtsort der Allgemeinheit bekannt oder ohne besondere Fachkunde – auch durch Information aus allgemein zugänglichen zuverlässigen Quellen – wahrnehmbar ist.“236 Gerichtskundig ist diejenige Tatsache, die „bei dem für die Erteilung der Rechtsnachfolgeklausel zuständigen Gericht aufgrund seiner jetzigen oder früheren amtlichen Tätigkeit, jedoch nicht erst aus Anlass des aktuellen Antrags, bekannt geworden ist, wenn also der jeweilige Entscheidungsträger aus amtlicher Veranlassung ein zuverlässiges Bild von den tatsächlichen Verhältnissen, Ereignissen oder Zuständen gewonnen hat, die es ihm erlauben, dieses Wissen in späteren Verfahren ohne Beweisführung zu verwerten.“237 Aufgrund dieser Engfassung soll die Ablage einer notariell beglaubigten Abtretungsurkunde in der Generalakte – sie wird beim Gericht 222 Strikt etwa BGH DNotZ 2013, 190; großzügiger dagegen BGH JR 2018, 32; OLG Karlsruhe NZG 2021, 565 – Tz. 7 ff. 223 KG OLG-Report 2009, 670. 224 RGZ 57, 328; beachte allerdings oben Rdn. 19. S. auch Fromm Formfehlerhafte Klauselumschreibung nach Abtretung kreditvertraglicher Sicherheiten, ZfIR 2008, 664, 666 f. Zur Beweiskraft einer titelübertragenden Klausel s. OLG Köln NotBZ 2009, 180; LG Mosbach Rpfleger 2010, 153. 225 § 403 BGB: OLG Hamm Rpfleger 1994, 73; LG Hagen (Westfalen), Beschluss vom 4. Mai 2018 – 3 T 81/18 –, juris. 226 LAG Düsseldorf Rpfleger 2005, 456. 227 OLG Frankfurt DNotZ 2005, 384; KG DNotZ 1978, 425. Die Entscheidung des BGH, ZEV 2005, 388, derzufolge der Nachweis der Erbschaft gegenüber einer Bank auch mittels eines eröffneten öffentlichen Testaments erbracht werden könne, lässt sich nicht auf das Klauselerteilungsverfahren übertragen. 228 LG Konstanz Rpfleger 2012, 267; Hintzen Die Entwicklung im Zwangsvollstreckungsrecht seit 2010, Rpfleger 2012, 604, 606. A.A. OLG Hamm, Beschl. v. 29.10.2007 – juris. 229 KG OLGRspr 1926, 377. 230 Großzügiger allerdings LAG Düsseldorf JurBüro 2005, 441 bezüglich der Kopie eines Bescheids der Bundesagentur für Arbeit nach § 314 SGB III. S. auch OLG Karlsruhe FamRZ 2004, 556. 231 S. dazu noch Soutier Die Umschreibung von Vollstreckungsklauseln MittBayNot 2011, 181, 182 f. 232 BGH ZIP 2019, 2374. 233 BGH WM 2021, 405; dazu etwa Schörnig MDR 2021, 600. 234 Die Rechtsnachfolge der Rechtsschutzversicherung gem. § 86 VVG wird als nicht offenkundig angesehen von OLG Karlsruhe VersR 1989, 363 (zur Vorgängervoschrift, § 67); OLG Nürnberg Rpfleger 1993, 500; OLG Hamm Rpfleger 1994, 72; OLG Karlsruhe RuS 1995, 184; wohl aber der Eigentumserwerb, wenn das Grundbuch beim Prozessgericht geführt wird, LG Berlin Rpfleger 1969, 395. Im Prozess unbestrittene Tatsachen sind nicht allein aufgrund dieses Umstandes offenkundig, OLG Celle MDR 1995, 1262; s. auch § 726 Rdn. 30. Zur fehlenden Offenkundigkeit einer Haushaltsgemeinschaft OLG Hamm FamRZ 2011, 1318. 235 S. etwa OLG München ZEV 2014, 367. 236 Vgl. BGH MDR 2006, 52 – Tz. 8. 237 Vgl. BGH JurBüro 2009, 163. 57

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geführt(!)238 – nicht zur Offenkundigkeit bei Gericht führen. Fraglich ist, ob dem Nachweis der Offenkundigkeit genügt, wer auf eine Eintragung in einem öffentlichen Register verweist,239 oder wer sich darauf beschränkt, dem Gericht eine Internetrecherche anzuregen oder allgemein auf Medienberichte zu verweisen. Wenn aber (zuverlässige und vertrauenswürdige) Informationen im Internet240 frei zugänglich (unverschlüsselt) sind und die nachweispflichtige Partei darauf verweist, wird man dies schon heute als „offenkundig“ ansehen müssen.241 So hat denn auch tatsächlich der BGH gerade erst in diesem Sinne entschieden, NJW 2023, 2489. 48 Der Offenkundigkeit ist aus den gleichen Erwägungen und im selben Umfang wie im Falle der titelergänzenden Klauselerteilung nach § 726 das Geständnis,242 § 288,243 und Anerkenntnis244 hinzuzurechnen, s. § 726 Rdn. 30 f.245 Unter den Begriff ,Urkunde‘ fallen wegen der unverzichtbaren Richtigkeitsgewähr, § 726 Rdn. 3, nur die Originale, nicht aber Durchschriften oder Auszüge,246 oder von der Behörde beglaubigte Kopien eines Fallauszuges.247 Das Original bietet den Nachweis aber selbst dann, wenn es nicht in der gesetzlich vorgeschriebenen Form abgefasst ist.248 Der Umschreibungsgrund ist in der Klausel zu vermerken.249 Für den Urkundenbeweis folgt 49 das aus § 750 Abs. 2,250 für die Offenkundigkeit zusätzlich aus Abs. 2;251 Entsprechendes muss für Geständnis und Anerkenntnis schon deswegen gelten, weil die vollstreckbare Ausfertigung die Verteidigungsmöglichkeiten des Schuldners offenbaren muss, § 724 Rdn. 5. Kann der Gläubiger den Beweis auf eine der vorgenannten Weisen nicht erbringen, muss er 50 Klage nach § 731 erheben.252

5. Rechtsbehelfe 51 Als Rechtsbehelf steht dem neuen Gläubiger bei Ablehnung der Klauselerteilung die Erinnerung nach § 573 zur Verfügung; bei bestätigter Ablehnung durch das Amtsgericht (Rechtspfleger) findet die sofortige Beschwerde nach §§ 11 Abs. 1 RPflG, 567 ff. an das Beschwerdegericht statt, bevor es von dort eventuell mittels der Rechtsbeschwerde253 in die Revisionsinstanz geht.254 § 793 ist in diesem Verfahrensab-

238 239 240 241

Vgl. LG Hamburg zfm 2019, 71. Ablehnend etwa OLG Jena InVo 2002, 422, 423; offen gelassen durch BGH WM 2013, 43, 44. Hierzu etwa Greger Der surfende Richter, FS Stürner Bd. I, S. 289 ff. S. auch LG Bonn RNotZ 2015, 368. S. § 726 Rdn. 30; a.A. BGH MDR 2006, 53 (betreffend www.insolvenzbekanntmachungen.de mit sehr gekünstelter Argumentation); OLG Naumburg Rpfleger 2012, 398 (zu „Handelsregister.de“); LG Konstanz ZInsO 2012, 328. 242 Hierzu auch Lackmann Probleme der Klauselumschreibung auf einen neuen Gläubiger, FS Musielak, 2004, S. 286, 293 ff. zu den Anforderungen OLG München ZEV 2014, 367. 243 BGH MDR 2006, 52; OLG Stuttgart Rpfleger 2005, 207; LG München, Beschl. v. 4.6.1997 – 13 T 10318/97, dazu Kesseler Einhaltung von Formvorschriften des § 727 Abs. 1 ZPO für den Nachweis der Rechtsnachfolge des Titelgläubigers bei der Vertrauensschadensversicherung, VersR 1998, 165. 244 OLG Saarbrücken Rpfleger 1991, 161. Sofern er hinsichtlich des Titelgegenstands verfügungsbefugt ist, kann auch das Anerkenntnis des Schuldners genügen, Zöller/Seibel § 727 Rdn. 20. 245 Vgl. auch LAG BW DB 1966, 1934; OLG Düsseldorf FamRZ 1972, 402; LG Berlin DAVorm 1971, 160; OLG Zweibrücken OLGZ 1991, 93; OLG Düsseldorf Rpfleger 1991, 465; Schlosser Die Vollstreckungsklausel der ZPO, JURA 1984, 92 f. 246 OLG Düsseldorf FamRZ 1972, 402. 247 OLG Stuttgart NJW-RR 1986, 1504 und 1505; LAG München NJW-RR 1987, 956; a.A. LG Mannheim Rpfleger 1973, 64 (Erbscheinsabschrift). 248 KG NJW-RR 1987, 3. 249 BGH WM 2013, 43, 44. 250 LG Berlin JW 1939, 181; AG und LG Aachen DGVZ 1991, 42. 251 Hierzu BGH DGVZ 2020, 252 t- Tz. 18. 252 RG WarnRspr. 1917, 37. 253 Ausweislich des BGH DGVZ 2020, 252 – Tz. 18, liegt eine zulässige Rechtsmittelbeschwer darin, dass eine Offenkundigkeit entgegen der Anordnung in Abs. 2 nicht in dem Titel vermekrt ist. 254 Dazu BGH DGVZ 2020, 252 – Tz. 12 f. Paulus

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§ 728

schnitt nicht anwendbar,255 weil dieser noch nicht zum Vollstreckungsverfahren gehört, § 724 Rdn. 2. Für den Gläubiger steht darüber hinaus § 731256 zur Verfügung, für den alten wie neuen Schuldner §§ 732, 768 (die sog. Klauselgegenklage).257, 258 Die letztgenannten Vorschriften sind analog auf den Fall anzuwenden, in dem der Altgläubiger die Rechtsnachfolge bestreitet, bzw. der Neugläubiger sie behauptet.259 Droht oder wird eine Vollstreckung vollzogen, obwohl eine Umschreibung nicht stattgefunden hat, ist dieses Defizit grundsätzlich im Rahmen einer Erinnerung nach § 766 geltend zu machen.260 Wird es während dieses Verfahrens behoben, ist die Pfändung nicht aufzuheben.261

6. Kosten Zu den Kosten s. §§ 730 Rdn. 8 und 725 Rdn. 34 f.

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§ 728 Vollstreckbare Ausfertigung bei Nacherbe oder Testamentsvollstrecker (1) Ist gegenüber dem Vorerben ein nach § 326 dem Nacherben gegenüber wirksames Urteil ergangen, so sind auf die Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung für und gegen den Nacherben die Vorschriften des § 727 entsprechend anzuwenden. (2) 1Das gleiche gilt, wenn gegenüber einem Testamentsvollstrecker ein nach § 327 dem Erben gegenüber wirksames Urteil ergangen ist, für die Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung für und gegen den Erben. 2Eine vollstreckbare Ausfertigung kann gegen den Erben erteilt werden, auch wenn die Verwaltung des Testamentsvollstreckers noch besteht.

Übersicht I.

Gesetzesgeschichte, Normzweck

II.

Gemeinsames

4

III.

Nacherbschaft

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1

IV.

Testamentsvollstreckung

V.

Verfahren

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I. Gesetzesgeschichte, Normzweck Der Grund für die Einfügung dieser Vorschrift durch die CPO-Novelle von 1898 entspricht dem 1 des § 727, s. dort Rdn. 1. So wie die §§ 326 und 327 als Sondervorschriften von § 325 eigens formuliert werden mussten, ist dies auch bei § 728 gegenüber § 727 notwendig. Denn weder ist der Nacherbe Rechtsnachfolger des Vorerben, noch der Erbe der des Testamentsvollstreckers. Vielmehr ist die Nacherbfolge eine – zeitlich gestaffelte – Sonderform einer Mehrheit von Erben, bei der die Erben Rechtsnachfolger des Erblassers werden, nicht aber untereinander. Die Verweisung 255 OLG Düsseldorf FamRZ 1972, 402; OLG Hamm NJW-RR 1990, 1277. 256 Das KG bejaht das Rechtsschutzbedürfnis für diese Klage schon dann, wenn der Gläubiger die nach § 727 vorzulegenden Urkunden nicht ohne Schwierigkeiten beschaffen kann, JW 1932, 191 m. zust. Anm. Schultz. Etwa BGH NJW 2012, 2354, 2355. Diese Möglichkeiten schließen nicht eine Herausgabeklage nach durchgeführter Vollstreckung aus, BGHZ 4, 283. Stein/Jonas/Münzberg Rdn. 54 ff. BGH NJW 1992, 2159. LG Bielefeld DGVZ 1987, 9.

257 258 259 260 261 59

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§ 728

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auf § 727 besagt, dass die entscheidenden Umstände wie Eintritt der Nacherbschaft, Zugehörigkeit zum entsprechenden Nachlass (im Falle des Abs. 2: Ende der Testamentsvollstreckung), etc. entweder gerichtsbekannt sein oder durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden nachgewiesen werden müssen. 2 Ähnlich verhält es sich mit dem Testamentsvollstrecker, der zwar sein Amt kraft letztwilliger Einsetzung des Erblassers erhalten hat, aber dennoch nicht dessen Rechtsnachfolger i.S.d. §§ 327, 728 ist. Das ist vielmehr allein der Erbe; § 2197 BGB lässt die Grundregel des § 1922 BGB unberührt. Daher folgt der Erbe dem Testamentsvollstrecker nicht im Rechte nach. Dieser hat lediglich für die Dauer seines Amtes die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über die der Testamentsvollstreckung unterfallenden Nachlassgegenstände, vgl. zu den Einzelheiten die §§ 2203 ff. BGB. Die sich daraus für die Prozessführungsbefugnis ergebenden Besonderheiten regeln die §§ 2212 f. BGB. Demnach ist zu Aktivprozessen der Testamentsvollstrecker allein, zu Passivprozessen er sowie der Erbe alternativ befugt, § 2213. Letzteres hängt damit zusammen, dass der Erbe unbeschadet der Testamentsvollstreckung der materiell Haftende ist. § 327 zieht hieraus die die Rechtskrafterstreckung betreffenden Konsequenzen und § 728 Abs. 2 diejenigen für die Klauselerteilung. 3 Während bei jenem Problem aber nur der Fall regelungsbedürftig ist, in dem der Testamentsvollstrecker Prozesspartei gewesen ist, muss § 728 Abs. 2 auch der materiell-rechtlichen Haftungsvorgabe des § 2213 BGB Rechnung tragen. Infolgedessen lässt der zweite Satz die Klauselerteilung gegen den Erben auch schon zu, wenn die Testamentsvollstreckung noch andauert. Im Umkehrschluss heißt das für den Fall eines obsiegenden Testamentsvollstreckers, dass der Erbe die Ausfertigung erst nach Ablauf der Testamentsvollstreckung erteilt bekommt.1

II. Gemeinsames 4 Anders als bei § 727, der die Titelübertragung bezüglich beider Parteien zum Gegenstand hat, betreffen die §§ 728 und 729 nur eine Partei; dabei macht § 728 keinen Unterschied zwischen Aktiv- und Passivrolle des Nacherben, bzw. Erben, während die nachfolgende Norm, § 729, aus materiell-rechtlichen Gründen nur darauf abstellt, dass der Vermögens-, bzw. Firmenübernehmer Schuldner ist. 5 § 728 ist über § 795 auch auf die weiteren Titel des § 794 anzuwenden; vgl. § 727 Rdn. 3.2

III. Nacherbschaft 6 Zur Frage, welche Urteile gegenüber dem Nacherben wirksam sind, s. die Kommentierung zu § 326. Aus ihr ergibt sich, dass die Rechtskraft zugunsten des Nacherben – also als Titelgläubiger – erstreckt wird, wenn das Urteil noch vor dem Nacherbfall rechtskräftig geworden ist und Gegenstand des Rechtsstreits entweder eine Nachlassverbindlichkeit oder ein Nachlassgegenstand gewesen ist, § 326 Abs. 1.3 Diese, den Nacherben begünstigende Regelung wird in Fortsetzung der materiell-rechtlichen Vorgaben nur dann durchbrochen, wenn der streitgegenständliche Nachlassgegenstand zur befreiten Verfügungsgewalt, vgl. §§ 2112 ff., insbes. § 2136 BGB, des Vorerben gehört. In diesem Fall, und nur in diesem, findet eine Rechtskrafterstreckung auch gegen den Nacherben statt, § 326 Abs. 2. 7 Tatbestandlich knüpft § 326 Abs. 1 also an die noch vor dem Nacherbfall eingetretene Rechtskraft des von dem Vorerben erstrittenen Urteils an; ist sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht

1 Vgl. u. Rdn. 11 f. sowie die Materialien zur CPO, 1898, 208 f. 2 LG Duisburg DNotZ 1984, 758. 3 Eine persönliche Haftungsübernahme des Vorerben in einer notariellen Urkunde etwa kann infolgedessen nicht im Wege des § 728 Abs. 1 umgeschrieben werden, Soutier Die Umschreibung von Vollstreckungsklauseln – eine Anleitung für die Praxis, MittBayNot 2011, 275, 276. Paulus

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eingetreten, tritt keine Erstreckung ein. Auch eine analoge Anwendung des § 728 scheidet aus,4 weil kein materieller Grund dafür ersichtlich ist, den Nacherben auf diese Weise zu bevorzugen. Bei § 326 Abs. 2 ist zu unterscheiden: Ist das Urteil bereits rechtskräftig, wirkt es gegen den Erben; ist es noch nicht rechtskräftig, wird der Rechtsstreit nach Maßgabe der §§ 242, 239 (beachte §§ 246, 86) unterbrochen. Nimmt der Nacherbe den Streit auf, § 250, kann er in ihm seine Zweifel an der befreiten Verfügungsmöglichkeit vortragen oder auch die Rechtskraft und damit deren Erstreckung auf sich herbeiführen. Soweit demgemäß das Urteil für oder gegen den Nacherben wirkt, wird der Titel auf ihn 8 umgeschrieben. War das gegen ihn wirkende Urteil beim Nacherbfall bereits rechtskräftig, kann er allerdings nicht im Klauselerteilungsverfahren die nur beschränkte Verfügungsbefugnis des Vorerben vortragen. Diese materiell-rechtliche, nicht ganz einfache Problematik sollte vom Rechtspfleger, Rdn. 15, nur dann entschieden werden, wenn Offenkundigkeit, ein Geständnis oder Anerkenntnis des Nacherben vorliegt, bzw. wenn ein Urkundenbeweis geführt werden kann. In den übrigen, umstrittenen Fällen muss der Nacherbe gem. den §§ 732, 768 vorgehen. Ebenso wenig gehört der Streit zwischen Nach- und Vorerben über die Zugehörigkeit des 9 betroffenen Gegenstandes zum Nachlass in das Verfahren des § 728. Der Sache nach geht es dabei um ein Herausgabe- oder Abtretungsverlangen des Nacherben, das aufgrund der besonderen prozessualen Situation dahingehend abzuändern ist, dass der Vorerbe seine Einwilligung, § 894, in die Titelumschreibung erklären muss.5 Ein für oder gegen den Erblasser ergangenes Urteil kann sowohl auf den Vorerben als 10 auch, ab Eintritt des Nacherbfalles, gegen den Nacherben umgeschrieben werden; weil dem eine Gesamtnachfolge zugrunde liegt, erfolgt die Umschreibung unmittelbar nach § 727.

IV. Testamentsvollstreckung Zur Frage, welche Urteile gegenüber dem Erben wirksam sind, s. die Kommentierung zu § 327. Voraussetzung ist demnach, dass der Testamentsvollstrecker einen Prozess nach Maßgabe des § 2212 BGB bzw. des § 2213 BGB geführt hat, sofern er nach den Vorschriften der §§ 2205 ff. BGB zur Führung dieses Prozesses berechtigt gewesen ist und nicht die Sonderfälle des § 2213 Abs. 1 S. 2 und 3 BGB vorliegen. Sind diese Bedingungen erfüllt, erstreckt sich die Rechtskraft des Urteils für und gegen den Erben6 und kann infolgedessen auf diesen umgeschrieben werden, § 728. Aus § 2212 BGB ist zu folgern, dass die Umschreibung zu Gunsten des Erben erst nach Beendigung der Testamentsvollstreckung vorgenommen werden darf,7 zu seinen Ungunsten dagegen auch schon währenddessen, Abs. 2 S. 2 i.V.m. § 2213 Abs. 1 BGB. Der Erbe braucht sich dabei nicht die Haftungsbeschränkung in der Klausel vorbehalten lassen; er kann auch so nach §§ 785, 7678 vorgehen, s. § 780 Rdn. 11. Bestreitet der Erbe die Zugehörigkeit des umstrittenen Rechts zum Nachlass (§ 327 Abs. 1) oder die Prozessführungsberechtigung des Testamentsvollstreckers (§ 327 Abs. 2), kann er diese Einwände nicht im Klauselerteilungsverfahren verfolgen; vielmehr muss er sie nach den §§ 732, 768 vortragen, vgl. Rdn. 8. Zur Titelübertragung auf den Testamentsvollstrecker, s. § 749; zu den Titelerfordernissen bei (teilweiser) Testamentsvollstreckung s. § 748. Für den Fall, dass der Erbe verklagt worden ist und Testamentsvollstreckung erst nachfolgt, gilt, dass die Verurteilung des Erben nicht gegen den Testamentsvollstrecker wird, sehr wohl aber für ihn.9 4 5 6 7 8 9 61

Loritz Die Umschreibung der Vollstreckungsklausel, ZZP 95 (1982) 316; a.A. noch 2. Aufl. A II. RGZ 163, 51, 56. MünchKomm/Wolfsteiner § 728 Rdn. 7. Scheel Zur Umschreibung von Vollstreckungsklauseln – Teil II, NotBZ 2000, 146, 153; Musielak/Voit/Lackmann Rdn. 2. Zöller/Seibel § 728 Rdn. 3. RGZ 109, 166; Staudinger-Dutta, § 2313 Rdn. 6. Paulus

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Achtes Buch – Zwangsvollstreckung

V. Verfahren 15 Zuständiger Beamter zur Klauselerteilung ist der Rechtspfleger, § 20 Nr. 12 RPflG. 16 Zur Frage des rechtlichen Gehörs s. § 727 Rdn. 44 sowie § 730. 17 Der urkundliche und sonstige Nachweis, § 726 Rdn. 28 ff., bezieht sich (sofern sich die betreffenden Angaben nicht bereits dem Titel selbst direkt oder im Wege der Auslegung10 entnehmen lassen)11 bei Abs. 1 auf die Zugehörigkeit des betreffenden Gegenstands zum Nachlass, einen Nacherbschein oder ein öffentliches Testament mitsamt Eröffnungsprotokoll plus Eintritt des Nacherbfalls; § 35 Abs. 1 GBO12 ist hierbei entsprechend anzuwenden. Im Falle des Abs. 2 unterliegt der Nachweispflicht die Testamentsvollstreckung bzw. ihr Wegfall, die Zugehörigkeit des betreffenden Gegenstands zum Nachlass13 und zur Verwaltungsbefugnis des Testamentsvollstreckers sowie die Erbenstellung – etwa durch Einziehung des mit dem Testamentsvollstreckungsvermerk versehenen und Präsentation eines neuen, einschränkungslosen Erbscheins Der Nachweis muss spätestens bis zum Abschluss einer nach § 732 angestrengten Klage erbracht werden.14 18 Bei teilweisem Obsiegen ist in der Klauselumschreibung eine entsprechende Beschränkung anzugeben, s. § 725 Rdn. 13.

§ 729 Vollstreckbare Ausfertigung gegen Vermögens- und Firmenübernehmer (1) Hat jemand das Vermögen eines anderen durch Vertrag mit diesem nach der rechtskräftigen Feststellung einer Schuld des anderen übernommen, so sind auf die Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung des Urteils gegen den Übernehmer die Vorschriften des § 727 entsprechend anzuwenden. (2) Das gleiche gilt für die Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung gegen denjenigen, der ein unter Lebenden erworbenes Handelsgeschäft unter der bisherigen Firma fortführt, in Ansehung der Verbindlichkeiten, für die er nach § 25 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 des Handelsgesetzbuchs haftet, sofern sie vor dem Erwerb des Geschäfts gegen den früheren Inhaber rechtskräftig festgestellt worden sind.

Übersicht I.

Gesetzesgeschichte

1

II.

Gemeinsames

III.

Vermögensübernahme

IV.

Firmenübernahme

2 10

V. 1. 2.

Analogie Abs. 1 Abs. 2

VI.

Verfahren

16 17 18

14

10 S. § 725 Rdn. 13. 11 Stein/Jonas/Münzberg § 728 Rdn. 4. 12 Zutreffend Soutier Die Umschreibung von Vollstreckungsklauseln – eine Anleitung für die Praxis, MittBayNot 2011, 275, 276.

13 Diese Zugehörigkeit wird sich bei einem Aktivprozess regelmäßig aus dem Titel ergeben. 14 KG NJW-RR 1987, 3. Paulus https://doi.org/10.1515/9783110443158-006

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Abschnitt 1. Allgemeine Vorschriften

§ 729

I. Gesetzesgeschichte Wie die beiden vorhergehenden Paragraphen ist auch diese Vorschrift durch die CPO-Novelle von 1 1898 eingefügt worden; sie statuiert die vollstreckungsrechtliche Ergänzung der materiell-rechtlich angeordneten Haftung des Vermögens- und Firmenübernehmers nach den §§ 419 BGB, 25 HGB. Nach Ansicht des Gesetzgebers entspricht diese Bestimmung einem Billigkeitsgebot.1 Das ist dahingehend zu verstehen, dass der mit den § 25 HGB verfolgte gläubigerschützende Zweck verstärkt wird, indem § 729 eine weitere Klage gegen den Übernehmer überflüssig macht, bzw. die Prozesslast dem Übernehmer auferlegt, vgl. unten Rdn. 21.2 Hinsichtlich des Abs. 1 ist nunmehr fast nur noch von rechtshistorischem Interesse, dass mit Einführung der InsO am 1.1.1999 § 419 BGB ersatzlos gestrichen worden ist, da dessen Gläubigerschutz durch das ebenfalls reformierte und deutlich verschärfte AnfG kompensiert wird. Die nachfolgenden Ausführungen betreffen daher nur mehr die wenigen, noch nach altem Recht zu behandelnden Fälle, vgl. Art. 223a EGBGB.

II. Gemeinsames In den beiden Fällen des § 729 liegt grundsätzlich keine Rechtsnachfolge i.S.d. § 7273 vor; s. dort Rdn. 17 (ausnahmsweise ist dies dann einmal der Fall, wenn das Urteil einen dinglichen Anspruch oder eine solche persönliche Verbindlichkeit betrifft, die sich an den Besitz einer bestimmten Sache knüpft);4 die eigentliche Besonderheit der angesprochenen Fallkonstellationen liegt darin, dass im Falle der Vermögensübernahme das Haftungssubstrat dem Gläubigerzugriff entzogen wird, und im Falle der Firmenübernahme zusätzlich der das Haftungssubstrat kennzeichnende Name. Auf diese Gläubigergefährdung reagiert das Gesetz in beiden Fällen mit einer Verdoppelung der Zugriffsmöglichkeiten.5 Anders als bei § 728 Abs. 26 erfordert die Titelübertragung bei § 729, dass der Gläubiger bei Antragstellung bereits einen rechtskräftigen Titel (darin sind auch Vorbehaltsurteile eingeschlossen, §§ 302, 599) gegen seinen ursprünglichen Schuldner erlangt hat. Dieses zusätzliche Erfordernis lässt sich – ähnlich wie im Falle des § 738 – damit erklären, dass durch den zivilrechtlichen, keine Rechtsnachfolge i.S.d. §§ 325 ff. auslösenden Übertragungsakt eine eigene und neue Rechtsposition des Dritten begründet wurde. Sie rechtfertigt den erhöhten Schutz der Betroffenen. Freilich versagt diese Erklärung angesichts der weiteren, in § 794 genannten Titel. Bei ihnen tritt an die Stelle der Rechtskraft ihr Entstehungszeitpunkt. Aus der Beschränkung auf rechtskräftige Titel lässt sich entnehmen, dass eine vor Rechtskraft erfolgende Vermögens-, bzw. Firmenübernahme nicht zur Titelübertragung berechtigt, s.

1 Mat. zur CPO, 1898, 209. 2 Zu dieser Umkehr der Klagelast Nakano FS Baumgärtel (1990) 403 ff. 3 Das ist freilich umstritten: vgl. nur die Nachw. bei Dötsch Rechtsnachfolgelösungen bei der Haftung kraft Firmenfortführung, MDR 2011, 701, 702 (er sieht, mit K. Schmidt, die Besonderheit der vorliegenden Norm in der Haftungsverdoppelung). Hüffer Das Rechtsschutzinteresse für eine Leistungsklage des Gläubigers und die subjektiven Grenzen der Rechtskraft in den Fällen unmittelbarer und entsprechender Anwendung des § 727 ZPO, ZZP 85 (1972) 235 ff. Baumgärtel Probleme der Rechtskraft und Vollstreckbarkeitserstreckung im Falle einer Firmenübertragung während eines schwebenden Zivilprozesses, DB 1990, 1906 f. Aus § 729 ergibt sich mit seiner Normierung des Rechtskrafterfordernisses, dass das Vollstreckungsrisiko des jeweiligen Übernehmers nur in diesem Fall bestehen soll. Dazu, dass auch die kumulative Schuldübernahme keine Rechtsnachfolge begründet, BGH BB 1989, 1364 – Tz. 13. 4 Unter solchen Umständen kann § 727 ausnahmsweise mit § 729 konkurrieren. Denn nach h.M. konnte eine Vermögensübernahme i.S.d. § 419 BGB auch in der Übernahme nur eines einzigen Gegenstandes liegen, sofern dieser das im Wesentlichen ganze Vermögen ausmacht, RGZ 134, 125; BGHZ 33, 125; 43, 174 ff. 5 Zutreffend OLG Brandenburg BeckRS 2009, 07228. 6 Zum Rechtskrafterfordernis bei Abs. 1 s. § 728 Rdn. 7. 63

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allerdings u. Rdn. 8. Positiv gewendet bedeutet das, dass der Gläubiger unter diesen Umständen gegen den Übernehmer im Wege einer eigenständigen Klage vorgehen muss.7 Nachdem die beiden, in § 729 angesprochenen Übertragungsakte materiell-rechtlich eine Mithaftung des Übernehmers auslösen, d.h. also: das Einstehenmüssen für eine fremde Schuld, ist die Beschränkung der Titelübertragung auf diejenigen Fälle, in denen das Urteil oder der Leistungsbefehl „gegen“ den Veräußerer gerichtet ist, zwangsläufig. Ein Anspruch „für“ den Übernehmer gegen den Kläger kann aus diesen Rechtsgeschäften nicht entstehen. Aus der materiell-rechtlichen Rechtsfolge ergibt sich ebenso wie aus dem Wortlaut des § 729, dass eine Titelübertragung nur dann möglich ist, wenn die Vermögens-, bzw. Firmenübernahme bereits erfolgt ist, wenn also bereits verfügt worden ist; die bloß schuldrechtliche Vereinbarung löst demgegenüber noch nicht die Rechtsfolge aus. Die Ausfertigung gegen den Vermögens- oder Geschäftsübernehmer kann zusätzlich zu der des ursprünglichen Schuldners erteilt, oder es kann die eine Ausfertigung als gegenüber beiden vollstreckbar erklärt werden. In beiden Fällen ist jedoch die Gesamthaftung in der Klausel zu vermerken.8 Hat der Gläubiger die Möglichkeit, die Klausel auf den Übernehmer gem. § 729 umschreiben zu lassen, fehlt ihm grundsätzlich für eine Klage gegen diesen das Rechtsschutzbedürfnis,9 vgl. § 727 Rdn. 2; dagegen stehen nach Ansicht des BGH10 die Möglichkeit zu einer neuen Klage oder der aus § 731 in freier Konkurrenz zueinander; dabei wird freilich methodologisch der Vorrang der spezielleren Regelung außer Acht gelassen. Die Regelungsmaterien der beiden Absätze sind völlig separat; es kann also ein Sachverhalt, der von dem einen Absatz nicht erfasst ist, sehr wohl dem anderen unterfallen. So kann in einer Firmenübertragung häufig auch eine Vermögensübernahme vorliegen. Ist das nicht der Fall, wird die Anwendbarkeit des Abs. 2 dadurch nicht ausgeschlossen.11

III. Vermögensübernahme 10 Der Anwendungsbereich des (seit 1999 gestrichenen, s. Rdn. 1) § 419 BGB war im Bereich des materiellen Rechts schon lange umstritten. Dieser Streit ist deswegen für die Interpretation des § 729 von Bedeutung, weil in dieser Vorschrift die vollstreckungsrechtliche Fortsetzung der materiell-rechtlich vorausgesetzten Rechtsfolge normiert ist. Die Titelübertragung kommt infolgedessen nur dann in Frage, wenn nach § 419 BGB feststeht, dass der Vermögensübernehmer für die Schuld des Veräußerers tatsächlich einzustehen hat. Die Einstandspflicht des Übernehmers entsteht demnach dann, wenn das (im Wesentlichen) 11 gesamte Vermögen aufgrund eines12 Vertrages,13 §§ 145 ff. BGB – nicht also ein einseitiges Rechtsgeschäft14 –, übernommen wird. Über den Wortlaut dieser Norm hinausgehend ist die Kenntnis des Vermögensübernehmers erforderlich,15 dass es sich bei der von ihm erworbenen Sache oder Sachgesamtheit um das gesamte Vermögen des Veräußerers handelt.16 7 OLG Dresden SächsAnn 1924, 553. 8 OLG Rostock OLGRspr 1931, 87. 9 A.A. etwa Brehm/Brößke Bürgerliches Recht und Zivilprozeßrecht: Rechtskraftwirkungen bei Vermögens- und Firmenübernahme, JuS 1990, 210 Fn. 10. 10 NJW 1987, 2863. 11 Beispielsfall hierfür bei Baumgärtel Probleme der Rechtskraft und Vollstreckbarkeitserstreckung im Falle einer Firmenübertragung während eines schwebenden Zivilprozesses, DB 1990, 1905. 12 Gegebenenfalls auch mehrerer, zeitlich zusammenhängender Verträge, BGHZ 93, 135. 13 Zur Anwendbarkeit des § 419 BGB auf Sicherungsübereignungen BGHZ 80, 296; ZIP 1986, 636; auf Veräußerungen durch den Sequester BGHZ 104, 151. 14 LG München MDR 1952, 44. 15 BGH NJW 1971, 505. 16 OLG Düsseldorf JuS 1993, 496 (sub IV). Zur Frage, ob die Haftung den Übernehmer auch dann trifft, wenn er eine Gegenleistung erbracht hat, BGHZ 66, 217. Paulus

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Abschnitt 1. Allgemeine Vorschriften

§ 729

Rechtsfolge des § 419 BGB ist nach h.M.17 die Schuldmitübernahme des Vermögensüberneh- 12 mers. Weil dieser also als Gesamtschuldner neben den Schuldner tritt, liegt kein Fall der Rechtsnachfolge i.S.d. § 727 vor, s. dort Rdn. 17. Gleichwohl eröffnet § 729 die Möglichkeit, den Titel auf ihn umschreiben zu lassen.18 Der Übernehmer hat nach § 419 Abs. 2 BGB die Möglichkeit, seine Haftung auf das übernom- 13 mene Vermögen zu begrenzen.19 Er kann dies aber nicht im Klauselerteilungsverfahren durchsetzen, sondern muss klageweise nach den §§ 785, 786 vorgehen.20 Eines Vorbehalts in der Klausel gem. § 780 Abs. 1 bedarf es dazu jedoch nicht, vgl. § 728 Rdn. 12. Die wohl hM wendet § 729 Abs. 1 auf den Erbschaftskauf gemäß § 2371 ff. BGB an.21 13a

IV. Firmenübernahme Wer das unter einer Firma betriebene Handelsgeschäft eines Unternehmers22 unter Lebenden 14 erwirbt23 und es unter der bisherigen Firma (mit oder ohne Nachfolgezusatz) fortführt (bzw. den Eindruck der Identität von alter und neuer Firma erweckt),24 haftet gem. § 25 Abs. 1 HGB neben dem ursprünglichen Inhaber für die im Geschäftsbetrieb begründeten Verbindlichkeiten, beachte § 344 HGB. Weitere Voraussetzung ist allerdings, dass diese Mithaftung vertraglich nicht ausgeschlossen und im Handelsregister eingetragen und bekanntgemacht, beachte § 15 Abs. 1 HGB, bzw. dem Gläubiger vom Veräußerer oder Erwerber mitgeteilt worden ist. Tritt demnach die gesamtschuldnerische Haftung des Erwerbers nach rechtskräftiger Verur- 15 teilung des Veräußerers ein, kann die Klausel auf den Erwerber umgeschrieben werden.25 Dabei spielt es keine Rolle, ob der Titel auf die Firma oder den Namen des Veräußerers lautet. Tritt die Rechtskraft dagegen erst später ein, muss eine neue Klage gegen den Erwerber angestrengt werden.26 Aus der in Abs. 2 genannten Beschränkung auf die Haftung nach § 25 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 HGB ergibt sich, dass die Umschreibung nicht statthaft ist, wenn der Erwerber lediglich aufgrund § 25 Abs. 3 HGB haftet.

V. Analogie 1. Abs. 1 Die analoge Anwendung des § 729 Abs. 1 ist wegen der vergleichbaren Interessenlage gerechtfer- 16 tigt gegen den Erbschaftskäufer, § 2382 BGB,27 sowie gegen den Vermögensnießbraucher der 17 RGZ 69, 283, 287 f.; BGHZ 90, 269, 272; a.A. etwa G. Paulus Der Anwendungsbereich des § 419, masch.-geschr. Diss. Freiburg 1947. BGH JZ 1981, 704. RGZ 69, 283, 291. OLG Rostock OLGRspr 1931, 88; s. auch § 786 Rdn. 15. S. nur Grüneberg/Weidlich, § 2371 Rz. 6; Staudinger/Olshausen, Einleitung zu §§ 2371–2385 Rdn. 40; MüKo-BGB/Musielak, § 2382 Rdn. 9 mwN in Fn. 24. 22 Dazu etwa OLG Celle JurBüro 2005, 609; MünchKomm-HGB/Thiessen § 25 Rdn. 38. 23 § 25 HGB ist bei einer Veräußerung durch einen Insolvenzverwalter nicht anzuwenden, so wohl hM seit BGHZ 104, 151. Gleiches muss für den eigenverwaltenden Schuldner gelten, BGH NZG 2020, 318, nicht aber für den vorläufigen Insolvenzverwalter, vgl. BGH NZG 2014, 511 in Bezug auf den früheren Sequester. 24 BGH NJW 1992, 911; OLG Koblenz NJW-RR 2006, 408; MünchKomm-HGB/Thiessen § 25 Rdn. 59; K. Schmidt Unternehmerkontinuität und Erwerberhaftung nach § 25 I HGB, ZGR 1992, 621. 25 OLG Brandenburg BeckRS 2009, 07228. 26 RGZ 153, 210; a.A. Winterstein Die Zustellung und Zwangsvollstreckung gegen Einzelfirmen, DGVZ 1985, 86. 27 Dazu Loritz Die Umschreibung der Vollstreckungsklausel, ZZP 95 (1982) 333 f.; Staudinger/Olshausen BGB, Einl. zu §§ 2371–2385 Rdn. 40. Stein/Jonas/Münzberg Rdn. 6.

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§§ 1085 ff. BGB. Denn in beiden Fällen wird – genauso wie bei der Vermögensübernahme – das als Haftungssubstrat fungierende Vermögen durch Rechtsgeschäft auf einen Dritten übertragen. Nachdem es ausweislich der Gesetzesbegründung, Rdn. 1, ein Gebot der Billigkeit ist, unter diesen Umständen die Titelübertragung zuzulassen, ist es nur folgerichtig, die Analogie auch auf denjenigen Fall auszudehnen, in dem ein Dritter durch Rechtsgeschäft in anfechtbarer Weise einen Gegenstand des verurteilten Schuldners erworben hat.28 Weil nämlich § 2 AnfG als Voraussetzung des Anfechtungsanspruchs ausdrücklich einen missglückten bzw. voraussichtlich missglückenden Vollstreckungsversuch nennt, liegt ein ebensolcher Entzug des Haftungssubstrats vor wie bei der Übertragung des gesamten Vermögens. Wertungsmäßig vermag die unterschiedliche Quantität keine Differenzierung der Billigkeit zu rechtfertigen. Ebenso wenig kann ein Hindernis die unterschiedliche, rechtstechnische Ausgestaltung der Verpflichtung des Dritten sein: Schuldmitübernahme bei § 419 BGB, und Duldungspflicht beim Anfechtungsgesetz.

2. Abs. 2 17 Abs. 2 wird analog auf den Eintritt eines persönlich haftenden Gesellschafters oder Kommanditisten in das Geschäft eines Einzelkaufmanns29 nach § 28 HGB angewendet.30 Da diese Vorschrift nach Ansicht des BGH31 eng auszulegen ist, wird man eine weitere Analogie auf die Gründung einer Partnerschaftsgesellschaft32 ebenso wie (und unbeschadet des § 130 HGB) auf den Eintritt in eine rechtsfähige Gesellschaft bürgerlichen Rechts33 ablehnen müssen. Der Gläubiger erleidet in letzteren Fällen dadurch keinen übermäßigen Nachteil, dass der neue Gesellschafter über § 129 Abs. 1 HGB an das rechtskräftige Urteil gebunden ist und damit allein die in seiner Person begründeten Einwendungen erheben kann. Mangels einer vergleichbaren Interessenlage scheitert eine Analogie ferner in den Fällen des § 7 Abs. 4 S. 1 UVG im Falle der Annahme, dass die Unterhaltsvorschussklage des Landes ein gegenüber der Klage des Kindes eigenständiger Streitgegenstand34 ist.35

VI. Verfahren 18 Zuständiger Beamter für die Klauselerteilung ist nach § 20 Nr. 12 RPflG der Rechtspfleger. 19 Der antragstellende Gläubiger muss, wenn weder Offenkundigkeit36 noch ein Geständnis oder Anerkenntnis, vgl. § 726 Rdn. 30, vorliegt, die Vermögens- bzw. Geschäftsübernahme sowie die Fortführung des Unternehmens (zumindest in ihrem wesentlichen Bestand)37 mittels Urkunden, § 726 Rdn. 29, beweisen. Für das Verfahren nach Abs. 2 ist das regelmäßig der Handelsregis-

28 Zu dieser Parallele G. Paulus /Fn 17). 29 Nicht also etwa eine Anwaltskanzlei, BGH NJW-RR 2012, 239. 30 OLG Naumburg LZ 1919, 1032; OLG Kiel HRR 31, 2081; BGH WM 1974, 395. MünchKomm/Wolfsteiner Rdn. 10; Soutier Die Umschreibung von Vollstreckungsklauseln – eine Anleitung für die Praxis, MittBayNot 2011, 275, 282; Winterstein Zustellung und Zwangsvollstreckung gegen Personen- und Kapitalgesellschaften, DGVZ 1991, 18 f. 31 BGH NJW 2010, 3720, 3721. 32 BGH NJW 2010, 3720; MünchKomm/Wolfsteiner Rdn. 11. 33 Deckenbrock/Dötsch Titelumschreibung analog § 729 ZPO auf den eintretenden Gesellschafter? Rpfleger 2003, 644. 34 So etwa OLG Stuttgart JAmt 2017, 419. 35 So aber Knittel Geltendmachung eines künftigen Unterhaltsanspruchs für das Land nach § 7 Abs. 4 S. 1 UVG, JAmt 2022, 2. 36 Nach Ansicht des OLG Naumburg NJW-RR 2012, 638, ergibt sich aus der Einsichtsmöglichkeit im Internet (Handelsregister.de) keine Offenkundigkeit. Das ist nach heutigem Stand der Internetverbreitung und -nutzung freilich abzulehnen. 37 OLG Schleswig InVo 2000, 208. Paulus

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terauszug38 – der durch Offenkundigkeit ersetzt wird, wenn das Register beim klauselerteilenden Gericht geführt wird –, für das nach Abs. 1 die notarielle Beurkundung des § 311b BGB. Da dieser Vertragstyp in der Rechtspraxis des § 419 BGB so gut wie keine Rolle spielt, kann der qualifizierte Nachweis nur selten erbracht werden, was somit eine erneute Klage gegen den Übernehmer erforderlich macht, s. auch Rdn. 8. 20 Zum rechtlichen Gehör des Vermögens- oder Firmenübernehmers vgl. § 730. Bestreitet der Vermögensübernehmer oder der Erwerber des Handelsgeschäfts im Klauseler- 21 teilungsverfahren das Vorliegen der Haftungsvoraussetzungen, wird die Klausel gleichwohl umgeschrieben. Die Einwendungen sind in einem Verfahren nach den §§ 732, 768 zu klären.39 Das Klauselerteilungsverfahren nach den §§ 727, 729 kann in Einzelfällen dazu führen, dass 22 eine Klage nach § 767 wegen des möglicherweise entfallenden Rechtsschutzbedürfnisses auszusetzen ist.40

§ 730 Anhörung des Schuldners In den Fällen des § 726 Abs. 1 und der §§ 727 bis 729 kann der Schuldner vor der Erteilung der vollstreckbaren Ausfertigung gehört werden.

I. Gesetzesgeschichte § 730 geht auf einen in erster Lesung der Kommission gefassten Beschluss zurück, demzufolge in 1 den Fällen der heutigen §§ 726 Abs. 1, 727 der Urkundsbeamte (damals noch Gerichtsschreiber) zur Erteilung der Vollstreckungsklausel die Ermächtigung des Gerichts einholen sollte.1 Als Grund wird die Erwägung angeführt, dass die Prüfung der Voraussetzungen nicht ganz einfach sei. Daraus entstand der § 666, der in seinem Abs. 1 aus der Ermächtigung des Gerichts eine Anordnung des Vorsitzenden machte, in Abs. 2 die fakultative Anhörung des Schuldners vor der Entscheidung einführte und in Abs. 3 die Erwähnung der Anordnung in der Klausel vorschrieb. Die Novelle von 1898 erstreckte die Anordnungspflicht auf die neu hinzugekommenen jetzigen §§ 728, 729. Erst 1950 wurde § 730 auf die heutige Form reduziert, d.h. die Anordnung des Vorsitzenden wurde gestrichen.

II. Anwendungsbereich § 730 ist aufgrund Verweisung auch in den Verfahren nach den §§ 738 Abs. 1, 742, 744, 745 Abs. 2 2 und 749 anzuwenden; s. überdies den parallel strukturierten § 1111 Abs. 1 S. 2. Dasselbe muss trotz fehlender Verweisung im Falle des § 726 Abs. 2 gelten, wenn die dem Schuldner Zug um Zug zu erbringende Leistung gerade in der Abgabe einer Willenserklärung besteht, § 894 Abs. 1, S. 2.2 Dagegen gilt die Vorschrift nicht bei der Erteilung einer einfachen Klausel nach den §§ 724, 725.3

38 Allerdings ist der Registereintrag für § 25 HGB nicht konstitutiv, BGH NJW 1987, 1633. 39 Zur Beweislastverteilung im einzelnen Baumgärtel Probleme der Rechtskraft und Vollstreckbarkeitserstreckung im Falle einer Firmenübertragung während eines schwebenden Zivilprozesses, DB 1990, 1908.

40 OLG Saarbrücken IBRRS 2018, 2491. 1 Hahn S. 806 ff., 935, 1020 f., 1240. 2 OLG Celle ZZP 33, 543; OLG München MittBayNot 2015, 129, Tz. 23. 3 Für ein Anhörungsverbot etwa MünchKomm/Wolfsteiner Rdn. 5. 67 https://doi.org/10.1515/9783110443158-007

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§ 730

Achtes Buch – Zwangsvollstreckung

Der von § 730 genannte Schuldner ist der, gegen den sich die Zwangsvollstreckung richten soll – bei § 726 also der im Titel ausgewiesene, bei den anderen Paragraphen der Nachfolger auf der Schuldnerseite. 4 Nach dem Wortlaut der Norm ist die Anhörung des Schuldners fakultativ.4 Das ist auch insoweit gerechtfertigt, als die Klauselerteilung lediglich die Vollstreckbarkeit des Titels bezeugt, vgl. § 724 Rdn. 3, und dem Schuldner das Recht auf Gehör in Gestalt des ex post-wirkenden Mechanismus des § 732 eingeräumt ist.5 Jedoch ist diese Grundaussage im Hinblick auf die erhöhten Anforderungen an die verfassungsrechtlichen Implikationen im Vollstreckungsrecht6 teilweise zu modifizieren: Immer dann, wenn gerade durch die Klauselerteilung in die Rechtsposition eines bislang noch nicht betroffenen Dritten eingegriffen wird, muss7 nach Art. 103 GG (bzw. Artt. 2 Abs. 1 i.V.m. 20 Abs. 3 GG)8 rechtliches Gehör gewährt werden.9 Man kann diese Pflicht insoweit einschränken, dass sie nur dann bestehen soll, wenn keine den §§ 917 f. vergleichbare Eilbedürftigkeit vorliegt.10 Ein eklatantes Beispiel für den Dritteingriff gerade durch die Klauselerteilung sind die Fälle des § 729: Erfolgt die Vermögens- oder Firmenübertragung noch vor Eintritt der Rechtskraft, ist der Gläubiger auf eine eigene Klage mit all ihren der Waffengleichheit und dem rechtlichen Gehör dienenden Mechanismen angewiesen, § 729 Rdn. 3, während er sich mit einer titelübertragenden Klausel begnügen darf, wenn das Vermögen nach Eintritt der Rechtskraft übertragen wird. Die Zufälligkeit des Übertragungsaktes darf jedoch hinsichtlich des grundgesetzlich garantierten Rechts auf Gehör keine Rolle spielen. 5 Freilich darf über diesen schuldnerschützenden Aspekt nicht vergessen werden, dass der ZPO-Gesetzgeber das Klauselerteilungsverfahren in bewusster Abkehr der gemeinrechtlich gewährten Paritionsfrist gestaltet hat, § 724 Rdn. 1.11 Eine solche „Gnadenfrist“ verführt die Schuldner nur allzu leicht zu vollstreckungsvereitelnden Maßnahmen.12 Infolgedessen ist die Äußerungsfrist grundsätzlich kurz zu bemessen. Der Zweck der Anhörung ist im Zusammenhang mit § 732 zu ermitteln. Gewissermaßen 6 im Vorfeld einer möglichen Erinnerung soll der Schuldner Gelegenheit bekommen, sich über 3

4 Dadurch kann „(d)er Überraschungseffekt der Zwangsvollstreckung“, vgl. Schlosser RIW 2002, 809, je nachdem, reduziert oder verstärkt werden. Nicht erfolgt ist eine Anhörung etwa im Fall BGHZ 4, 283, dazu Sieg ZZP 66, 23.

5 MünchKomm/Wolfsteiner Rdn. 1. S. auch Knittel Rechtsnachfolge von Sozialleistungsträgern in Unterhaltsansprüche, JAmt 2022, 246, der rein praktisch darauf hinweist, dass sich das rechtliche Gehör vielfach darin erschöpft, das dem Schuldner mitgeteilt wird, dass jemand eine Umschreibung verlangt habe. 6 Vgl. Vor § 704 Rdn. 87. 7 Ein Verstoß ist über § 732 anfechtbar. 8 Dem Rechtspfleger gegenüber habe man, so das BVerfG BVerfGE 101, 397, einen Anspruch auf ein faires Verfahren, nicht aber auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG. Vor dem Hintergrund des Art. 6 Abs. 1 EMRK dürfte diese Differenzierung allerdings keine Rolle spielen; s. auch Gottwald Vom Amtsgericht zum „Gerichtsamt“, FamRZ 2000, 1477. 9 Vgl. auch Lackmann Probleme der Klauselumschreibung auf einen neuen Gläubiger, FS Musielak (2004) S. 286, 305 f.; Münzberg Anhörung der Beteiligten, insbes. des Schuldners, durch das Gericht im Verfahren auf Erteilung der Vollstreckungsklausel für die Rechtsnachfolge auf der Aktivseite und der Passivseite, Rpfleger 1991, 161 ff., Knittel JAmt 2022, 174 (im Kontext mit § 37 BAföG); sowie Schlosser ZPR II, Rdn. 83 (für das spiegelbildliche Problem auf Gläubigerseite). Von einer generellen Anhörungspflicht sprechen Sieg Die Rechtskrafterstreckung bei Rechtsnachfolge und ihre Bedeutung für die Vollstreckung nach § 883 ZPO, ZZP 66 (1953) 31; Amelung Zur Frage der Vereinbarkeit vollstreckungsrechtlicher Durchsuchungen mit dem Richtervorbehalt des Art. 13 Abs. 2 GG, ZZP 88 (1975) 88; Smid Die Privilegierung der Vollstreckung aus Forderungen wegen vorsätzlicher unerlaubter Handlung, ZZP 102 (1989) 51; Eickmann Das rechtliche Gehör in Verfahren vor dem Rechtspfleger, Rpfleger 1982, 454. Zusätzlich OLG Hamm JurBüro 1990, 1350 m. Anm. Mümmler; ders. JurBüro 1991, 276. 10 BVerfGE 9, 89. 11 Zu dem Beschleunigungseffekt vgl. auch KG DNotZ 1978, 425; AG Göttingen Rpfleger 2008, 441. Das OLG Hamm FamRZ 2000, 1590, sieht eine Notwendigkeit einer Anhörung dann als gegeben an, wenn die Gefahr einer Doppelvollstreckung „besonders groß“ ist. 12 Vgl. Vollkommer Verfassungsmäßigkeit des Vollstreckungszugriffs, Rpfleger 1982, 1; Eickmann Das rechtliche Gehör in Verfahren vor dem Rechtspfleger, Rpfleger 1982, 449. Paulus

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den Beweis der die titelergänzenden bzw. -übertragenden Umstände zu äußern.13 Die Anhörung dient seinem Schutz,14 nicht aber – zumindest nicht primär – einer Erleichterung der Rechtsverfolgung des Gläubigers.15 Wann immer also die Beweisführung nicht eindeutig ist – etwa weil sich aus ihr Bedenken ergeben, ob die Klausel erteilt werden darf16 –, empfiehlt17 sich die Anhörung, ohne deswegen zwingend geboten zu sein. Das gilt selbst dann, wenn die vom Gläubiger vorgebrachten Beweismittel unzulänglich sind, weil eine Heilung durch Geständnis oder Anerkenntnis des Schuldners möglich ist.18 In Fortführung dieses Gedankens ist eine Anhörung also insbesondere dann geboten, wenn der Vollstreckungsgläubiger substantiiert vorträgt, dass der Schuldner im Zuge der Anhörung ein Geständnis oder Anerkenntnis aussprechen werde.19 Nach Maßgabe der vorstehend wiedergegebenen Kautelen ist es also dem Rechtspfleger bzw. dem Klausel erteilendem Organ grundsätzlich unbenommen, die Anhörung von Zweckmäßigkeitserwägungen abhängig zu machen. Da der Schuldner in diesem Verfahrensabschnitt jedoch nicht zu materiellen Fragen20 gehört wird, wird sich eine entsprechende Zweckmäßigkeit regelmäßig allein dann ergeben, wenn Zweifel an der Überzeugungskraft der erbrachten Nachweise bestehen.21

III. Verfahren Im Gegensatz zu § 733, dessen Anordnung einer fakultativen Anhörung dem Schutz des Schuldners 7 vor einer Ausweitung der Vollstreckung dient, beabsichtigt § 730 sozusagen einen „Primärschutz“, d.h. den Hinweis an den Schuldner, dass die Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung nunmehr vorliegen. Die Anhörung kann persönlich oder schriftlich erfolgen.22 Beweist der Schuldner in qualifizierter Form, § 726 Rdn. 28 ff., dass das dem Titel zugrundeliegende Rechtsgeschäft (§ 794 Abs. 1 Nr. 5) nichtig ist, muss der Notar die Klauselerteilung ablehnen.23 Gerichtsgebühren werden für die Umschreibung nicht erhoben. Für Anwaltsgebühren s. 8 § 725 Rdn. 35.

§ 731 Klage auf Erteilung der Vollstreckungsklausel Kann der nach dem in § 726 Abs. 1 und den §§ 727 bis 729 erforderliche Nachweis durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden nicht geführt werden, so hat der Gläubiger bei dem Prozessgericht des ersten Rechtszuges aus dem Urteil auf Erteilung der Vollstreckungsklausel Klage zu erheben.

13 OLG Hamm Rpfleger 1991, 161 m. Anm. Münzberg. Zur grundsätzlichen Bedeutung einer Anhörung Eickmann a.a.O., 449. 14 OLG Hamm FamRZ 2018, 1938. Tz. 48 (in Beziehung zum § 30 AUG). 15 OLG Hamm Rpfleger 1994, 73. 16 LG Hagen (Westfalen) v.4.5.2018 – 3 T 81/18. Juris, Tz. 23. 17 So auch Zöller/Seibel Rdn. 1. 18 Vgl. § 726 Rdn. 29 sowie OLG Hamm Rpfleger 1991, 161 m. Anm. Münzberg; OLG München ZEV 2014, 367; OLG Koblenz JurBüro 2017, 600. 19 BGH WM 2005, 1914; OLG Stuttgart Rpfleger 2005, 207; LG Regensburg WM 2010, 2309, 2311. 20 Auch nicht zur zur Überprüfung von Einkommensverhältnissen, so zutreffend OLG Dresden FamRZ 2017, 740, Tz. 15. 21 MünchKomm/Wolfsteiner Rdn. 10. 22 Zöller/Seibel Rdn. 1. 23 LG Düsseldorf DNotZ 1978, 677. Vgl. auch § 797 Rdn. 9 ff. 69 https://doi.org/10.1515/9783110443158-008

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Schrifttum Barkam Erinnerung und Klage bei qualifizierten vollstreckbaren Ausfertigungen, 1989; Hüffner Das Rechtsschutzinteresse für eine Leistungsklage des Gläubigers und die subjektiven Grenzen der Rechtskraft in den Fällen unmittelbarer und entsprechender Anwendung des § 727 ZPO, ZZP 85 (1972), 229; Jungbauer Die Zwangsvollstreckungsklausel – Rechtsmittel und Rechtsbehelfe nach der ZPO-Reform, JurBüro 2002, 285; Münzberg Anmerkung zu BGH v. 21.5.1973 (BGHZ 61, 25 = NJW 1973, 1328 = JR 1973, 424), ZZP 87 (1974), 450; ders. Geständnis, Geständnisfunktion und Anerkenntnis im Klauselerteilungsverfahren? NJW 1992, 201; Napierala/Napierala Vollstreckungsklausel nach erfolgreicher Klauselklage, Rpfleger 1989, 493; Palm Erinnerung und Beschwerde bei Erteilung und Verweigerung einer Vollstreckungsklausel, Rpfleger 1967, 365; Schultheis Rechtsbehelfe bei vollstreckbaren Urkunden, 1996; Wetzel Grundfälle zu den Klagen und Rechtsbehelfen im Zwangsvollstreckungsrecht, JuS 1990, 198; Wüllenkemper Vollstreckungsklausel nach erfolgreicher Klauselklage, Rpfleger 1989, 87.

Übersicht I. 1. 2. 3.

Allgemeines 1 Zweck der Vorschrift Rechtsnatur, Antrag und Urteilsformel 4 Verfahren

II. 1. 2.

Anwendungsbereich und Konkurrenzen 5 Anwendungsbereich Konkurrenz mit anderen Rechtsbehelfen

III. 1. 2.

Zulässigkeit 10 Zuständigkeit Rechtsschutzbedürfnis a) Unvermögen zur förmlichen Beweisfüh12 rung? b) Erfolgloses Durchlaufen des Erteilungsver14 fahrens?

3.

16 c) Fehlende Klauselerteilung Entgegenstehende Rechtskraft/Rechtshängig17 keit

IV. 1. 2. 3.

Begründetheit Voraussetzungen Passivlegitimation 21 Beweis

V. 1. 2. 3. 4.

Sonstiges 22 Vollstreckung 23 Anfechtung Urteilswirkungen/Rechtskraft Kosten, Gebühren, Streitwert

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I. Allgemeines 1. Zweck der Vorschrift 1 § 731 beantwortet die Frage, wie zu verfahren ist, wenn der Gläubiger im Klauselerteilungsverfahren nicht in der Lage ist, den von §§ 726 ff. geforderten Nachweis zu erbringen. Im Mittelpunkt der Vorschrift steht dabei der Gesichtspunkt der Prozessökonomie. Gelingt dem Gläubiger im Klauselerteilungsverfahren nicht der in §§ 726 ff. geforderte förmliche Beweis, verweist ihn das Gesetz nicht darauf, aus dem ursprünglichen Rechtsverhältnis erneut zu klagen, sondern das Klageverfahren wird auf die Überprüfung der Klauselerteilungsvoraussetzungen beschränkt.

2. Rechtsnatur, Antrag und Urteilsformel 2 Umstritten ist die Rechtsnatur der Klauslerteilungsklage nach § 731. Die h.M. geht von einer Feststellungsklage aus.1 Überzeugender ist hingegen die Ansicht, die eine prozessuale Gestaltungsklage annimmt. Während die Klagen nach §§ 767 f. und 771 das Rechtsbehelfsziel haben, auf 1 LG Hildesheim NJW 1964, 1232; HK-ZV/Giers/Haas § 731 Rdn. 3; Thomas/Putzo/Seiler § 731 Rdn. 1; Zöller/Seibel § 731 Rdn. 4; Musielak/Voit/Lackmann § 731 Rdn. 2; Wüllenkemper Rpfleger 1989, 87 ff.; wohl auch BGHZ 120, 387, 392. Bittmann

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das Verhalten der Justizorgane in der Zwangsvollstreckung einzuwirken, ist die Klage aus § 731 auf Durchführung des die Zwangsvollstreckung einleitenden Klauselerteilungsverfahrens gerichtet. Sie ist somit ebenfalls prozessuale Gestaltungsklage.2 Dies wird noch dadurch unterstrichen, dass auch die Vertreter der Gegenansicht3 im Rahmen der Begründetheit § 767 Abs. 2 und Abs. 3 entsprechend anwenden (vgl. unten Rdn. 19), was zugleich zur Folge hat, dass der Meinungsstreit letztlich von nur geringer praktischer Bedeutung ist.4 Der Klageantrag sowie die Urteilsformel sind auf Anordnung der Erteilung der Vollstre- 3 ckungsklausel zu richten, wobei Titel, Parteien und (in der Urteilsformel) mögliche Einschränkungen (z.B. nach §§ 780, 786) genau zu bezeichnen sind.5 Im Klageantrag braucht sich der Kläger nicht in Bezug auf die Streitfrage festzulegen, welcher Gerichtsrepräsentant die Klausel zu erteilen hat (s. dazu unten Rdn. 22). Klageantrag bzw. Urteilstenor lauten daher wie folgt: „Dem Kläger ist zum Zwecke der Zwangsvollstreckung zu dem [Bezeichnung des Titels] die Vollstreckungsklausel gegen den Beklagten zu erteilen.“6

3. Verfahren Die Klage leitet einen selbständigen und neuen Prozess ein. Es gelten daher die allgemeinen 4 Vorschriften der §§ 253 ff. Für das frühere Titelverfahren erteilte Prozessvollmachten gelten fort.7 Die Klage muss daher nach § 172 dem Prozessbevollmächtigten dieses Verfahrens zugestellt werden.8 Der Urkundenprozess ist hier unzulässig, da es nicht um die Geltendmachung des vollstreckbaren Anspruchs, sondern die Erteilung der Klausel geht. Die Klage nach § 731 kann als Widerklage i.S.v. § 33 erhoben werden, insbesondere gegen eine Vollstreckungsgegenklage nach § 767.9

II. Anwendungsbereich und Konkurrenzen 1. Anwendungsbereich Gemäß der abschließenden Aufzählung der §§ 726 Abs. 1, 727 bis 729 in § 731 und nach den 5 Verweisungen in den §§ 738, 742, 744, 745 Abs. 2 und 749 auf die Vorschrift ist die Klagemöglichkeit des § 731 nur in den dort genannten Fällen eröffnet. Zu beachten ist aber, dass durch die Ausnahmeregelung in § 726 Abs. 2 für die Vollstreckung der Abgabe von Zug-um-Zug abzugebenden Willenserklärungen insoweit der Anwendungsbereich des § 726 Abs. 1 und damit indirekt auch derjenige des § 731 erweitert ist. Nicht anwendbar ist die Klagemöglichkeit des § 731 somit für die einfache Klausel nach § 724 sowie für die Erlangung einer weiteren Ausfertigung nach § 733.10

2 Stein/Jonas/Münzberg § 731 Rdn. 8; Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Schuschke/Hake § 731 Rdn. 2; BeckOK/Ulrici § 731 Rdn. 4. 3 Musielak/Voit/Lackmann § 731 Rdn. 7; Zöller/Seibel § 731 Rdn. 4; HK-ZV/Giers/Haas § 731 Rdn. 3. 4 Hierauf weist MünchKomm/Wolfsteiner § 731 Rdn. 5 zutreffend hin. 5 Vgl. den Formulierungsvorschlag bei Thomas/Putzo/Seiler § 731 Rdn. 3; ferner Anders/Gehle/Gehle § 731 Rdn. 13 f. 6 HK-ZV/Giers/Haas § 731 Rdn. 5. 7 Stein/Jonas/Münzberg § 731 Rdn. 10. 8 Stein/Jonas/Münzberg § 731 Rdn. 10. 9 BeckOK/Ulrici § 731 Rdn. 14; MünchKomm/Wolfsteiner § 731 Rdn. 9. 10 HK-ZV/Giers/Haas § 731 Rdn. 7. 71

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Die Klage nach § 731 findet auf vollstreckbare Beschlüsse nach dem FamFG entsprechende Anwendung.11 Für Familienstreitsachen folgt dies bereits aus § 120 FamFG, aber auch in den übrigen Familiensachen kann nichts anderes gelten.12 § 731 ZPO findet grundsätzlich auch im arbeitsgerichtlichen Verfahren Anwendung. Einzelne 7 Betriebsratsmitglieder können jedoch weder in unmittelbarer noch in analoger Anwendung von § 731 ZPO die Erteilung einer Vollstreckungsklausel gegen andere Betriebsratsmitglieder zu einem im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren zustande gekommenen Vergleich erwirken, mit dem sich der Betriebsrat gegenüber den antragstellenden Betriebsratsmitgliedern zur Vornahme bestimmter unvertretbarer Handlungen verpflichtet hat.13

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2. Konkurrenz mit anderen Rechtsbehelfen 8 Eine erneute Klage aus dem ursprünglichen Rechtsverhältnis wird nach zutreffender Auffassung durch § 731 als spezialgesetzliche Regelung im Wege der verdrängenden Gesetzeskonkurrenz ausgeschlossen.14 Auch rechtliche Zweifel über die Zulässigkeit einer Umschreibung können daher allein durch eine Klage aus § 731 geklärt werden.15 Das Prozessgericht hat – da es für beide Klagen zuständig ist – jedenfalls die Möglichkeit, auf eine (sachdienliche) Klageänderung gemäß §§ 139, 263 hinzuwirken. 9 Die Konkurrenz zum Umschreibungsgesuch an den Rechtspfleger und die Erinnerung bzw. Beschwerde gegen die Ablehnung wird im Allgemeinen als Problem des Rechtsschutzbedürfnisses angesehen (s.u. Rdn. 14).

III. Zulässigkeit 1. Zuständigkeit 10 Bei Urteilen und (über § 795) bei gerichtlichen Vergleichen und Entscheidungen gemäß § 794 ist das Prozessgericht erster Instanz ausschließlich (§ 802) zuständig. Aus Gründen der Rechtssicherheit und Prozessökonomie verbleibt es auch dann bei der Zuständigkeit des Gerichts, das tatsächlich entschieden hat, wenn es ursprünglich für die Entscheidung in erster Instanz unzuständig war.16 Nach dem RG17 kann die Klage aus § 731 im Wege der Klageänderung auch noch in der zweiten Instanz eines neuen Rechtsstreits erhoben werden, sofern dieser in der ersten Instanz bei dem nach § 731 zuständigen Gericht anhängig gemacht wurde; dem kann allenfalls dann gefolgt werden, wenn in erster Instanz auch ein entsprechender Spruchkörper (z.B. Kammer für Handelssachen oder ein Familiengericht) wie im früheren Titelverfahren entschieden hat.18 11 Bei Vollstreckungsbescheiden gilt § 796 Abs. 3, bei vollstreckbaren Urkunden §§ 797 Abs. 5 bzw. 800 Abs. 3 und 800a Abs. 2, bei Gütestellenvergleichen § 797a Abs. 3, und bei nach § 796c vollstreckbaren Anwaltsvergleichen § 797 Abs. 6 i.V.m. § 797 Abs. 5. Weitere Zuständigkeitsregeln finden sich ua in § 202 Abs. 1 Nr. 1 InsO für Insolvenztabellenauszüge, in § 257 Abs. 1 S. 3 InsO für 11 12 13 14

MünchKomm/Wolfsteiner § 731 Rdn. 2; HK-ZV/Giers/Haas § 731 Rdn. 2. HK-ZV/Giers/Haas § 731 Rdn. 2; MünchKomm/Wolfsteiner § 731 Rdn. 2. BAG MDR 2020, 739. BGH NJW 1957, 1111; Stein/Jonas/Münzberg § 731 Rdn. 6; Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Schuschke/Hake § 731 Rdn. 1; Musielak/Voit/Lackmann § 731 Rdn. 1; a.A. BGH NJW 1987, 2863; BAG NJW 1995, 73; Thomas/Putzo/Seiler § 731 Rdn. 1. 15 A.A. RGZ 124, 146, 151; BGH BB 1969, 892. 16 RG JW 1899, 5 und WarnRspr. 25 Nr. 74; Stein/Jonas/Münzberg § 731 Rdn. 11; a.A. Thomas/Putzo/Seiler § 731 Rdn. 4. 17 RGZ 157, 159. 18 HK-ZV/Giers/Haas § 731 Rdn. 9. Bittmann

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Insolvenzpläne sowie in § 406b S. 2 StPO für das strafrechtliche Adhäsionsverfahren. Für Schiedssprüche ist mangels gesonderter Regelung das in § 1062 Abs. 1 Nr. 4 genannte Gericht zuständig.19

2. Rechtsschutzbedürfnis a) Unvermögen zur förmlichen Beweisführung? Die allgemeine Meinung20 sieht in diesem 12 Passus eine gesetzliche Umschreibung des Rechtsschutzbedürfnisses. Das die Klage dem Gläubiger erst eröffnende Unvermögen wird dabei nicht nur dann verneint, wenn er die Urkunden tatsächlich besitzt, sondern auch dann, wenn er sie „leicht“ beschaffen kann.21 Wann Beschaffungsschwierigkeiten als Unvermögen in diesem Sinne anzuerkennen sind und was der Kläger zum Nachweis dieser von Amts wegen zu prüfenden Prozessvoraussetzung beibringen muss, bleibt jedoch weitgehend unklar.22 Dies zwingt den Kläger u.U. in eine widersprüchliche Situation: Auf Ebene der Zulässigkeit 13 der Klage muss er den Erfolgsaussichten seines Klagebegehrens tendenziell zuwiderlaufend darlegen, dass ihm bestimmte, für die Begründetheit hilfreiche Beweismittel nicht zur Verfügung stehen. Denn wenn er diesbezüglich nicht ausreichend vorträgt, riskiert er die Abweisung der Klage als unzulässig. Da ein solches Prozessurteil im Erteilungsverfahren nicht i.S. einer Klauselerteilung bindet,23 kann die Situation entstehen, dass der Kläger unter Zeit- und Geldverlust in das Erteilungsverfahren getrieben wird, wo sich (zu Recht oder zu Unrecht) herausstellt, dass die Sache eben doch im Prozesswege entschieden werden muss. Derartige mit den Grundsätzen der Prozessökonomie und Rechtssicherheit augenfällig unvereinbare Ergebnisse können nur vermieden werden, wenn man die Entscheidung darüber, ob der Versuch einer förmlichen Beweisführung erfolgversprechend ist oder nicht, allein dem Gläubiger überlässt. Diese Interpretation stößt freilich an die Grenze des Wortlauts der Norm.24

b) Erfolgloses Durchlaufen des Erteilungsverfahrens? Aus den vorgenannten Gründen 14 kann jedenfalls das Durchlaufen des Klauselerteilungsverfahrens nicht zur Prozessvoraussetzung gemacht werden.25 Die Aussicht darauf, dass der Schuldner vielleicht gesteht (§ 288), kann schon deshalb kein Grund sein, den Gläubiger ins Erteilungsverfahren zu zwingen,26 da ein Geständnis des Schuldners den Nachweis durch Urkunden in vielen Fällen keineswegs entbehrlich macht.27 Hinzu kommt, dass sich Erteilungs- und Klageverfahren durch die Erweiterung des Streitgegenstands des letzteren um den des § 767 (s.u. Rdn. 19) gar nicht als gleichwertige Alternativen darstellen, deren Konkurrenz durch Subsidiarität der aufwendigeren Klage lösbar wäre.28 U.U. rechnet der Gläubiger ohnehin mit einer Vollstreckungsabwehrklage und möchte bereits frühzeitig für 19 Vgl. RGZ 85, 391, 396 zu §§ 1045 f. aF; MünchKomm/Wolfsteiner § 731 Rdn. 8. 20 Vgl. Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, Zwangsvollstreckungsrecht, § 17 Rdn. 14 und Stein/Jonas/Münzberg § 731 Rdn. 1; Zöller/Seibel § 731 Rdn. 2.

21 OLG Kiel OLGRspr. 16, 323; LG Ravensburg JurBüro 2017, 604; Stein/Jonas/Münzberg § 731 Rdn. 2; Thomas/Putzo/ Seiler § 731 Rdn. 6; Zöller/Seibel § 731 Rdn. 2.

22 Vgl. dazu RG JW 1900, 155; OLG Hamburg OLGRspr. 15, 132; OLG Kiel OLGRspr 16, 323; KG JW 1932, 191; Stein/Jonas/ Münzberg § 731 Rdn. 2 und Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Schuschke/Hake § 731 Rdn. 6; danach muss der Kläger wohl mindestens substantiiert behaupten, dass einer Klage vergleichbare Mühen und Kosten bei der Beschaffung auf ihn zukommen würden. 23 So zu Recht Stein/Jonas/Münzberg § 731 Rdn. 4. 24 MünchKomm/Wolfsteiner § 731 Rdn. 4. 25 Vgl. Stein/Jonas/Münzberg § 731 Rdn. 3; Zöller/Seibel § 731 Rdn. 2; HK-ZV/Giers/Haas § 731 Rdn. 8; Brox/Walker Zwangsvollstreckungsrecht Rdn. 133. 26 So aber Thomas/Putzo/Seiler § 731 Rdn. 6. 27 Vgl. Joswig Rpfleger 1991, 144 und Münzberg NJW 1992, 201, 203. 28 So aber Stein/Jonas/Münzberg § 731 Rdn. 1 f. 73

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Klarheit auch in diesem Punkt sorgen. Der Gläubiger kann daher jederzeit vom Erteilungs- auf das Klageverfahren übergehen oder diese parallel betreiben. Mit Erlass des rechtskräftigen Urteils im Klageverfahren wird allerdings die Fortführung des Erteilungsverfahrens unzulässig (s.u. Rdn. 25). Die von der h.M. vertretene Ansicht, dass der Gläubiger in jedem Fall das Erteilungsverfahren durchlaufen muss,29 überzeugt daher nicht. Hat der Gläubiger jedoch bereits das Erteilungsverfahren erfolglos durchlaufen, so ist im Klageverfahren unwiderlegbar zu vermuten, dass er die Nachweise nach §§ 726 ff. nicht in der geforderten Form erbringen konnte.30 In diesem Zusammenhang ist weiter umstritten, ob der Gläubiger sogar sofortige Beschwerde 15 nach § 11 Abs. 1 RpflG, § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO eingelegt haben muss. Dies wird von einer im Schrifttum vertretenen Ansicht so gefordert.31 Da die Beschwerde an das Erteilungsverfahren unmittelbar anschließt, kann für sie nach der hier vertretenen Meinung jedoch nichts anderes als für den Erteilungsantrag gelten. Dem Gläubiger vor Beschreiten des Klageweges auch noch das Durchlaufen der Beschwerdeinstanz zuzumuten, ist mit dem Grundsatz der Prozessökonomie kaum in Einklang zu bringen.32

16 c) Fehlende Klauselerteilung. Solange die Klausel erteilt ist, scheidet eine (vorbeugende) Klage aus § 731 aus, auch wenn der Schuldner Erinnerung nach § 732 und/oder Klage nach § 768 androht und/oder eingelegt hat. Sie kann somit auch nicht als Widerklage gegen die Klage aus § 768 erhoben werden, außer wenn diese noch vor der Umschreibung gegen einen Vollstreckung androhenden Gläubiger erhoben wird.33

3. Entgegenstehende Rechtskraft/Rechtshängigkeit 17 Sofern noch der Rechtsstreit über den materiellen Anspruch zwischen Gläubiger und Schuldner anhängig ist, steht der Klage nach § 731 dessen anderweitige Rechtshängigkeit gem. § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO entgegen.34 Mangels materieller Rechtskraft können dem Gläubiger nachteilige Entscheidungen nach § 732 keine Auswirkungen auf das Klageverfahren haben; es sind daher erneut auch die formellen Erteilungsvoraussetzungen im Klageverfahren uneingeschränkt überprüfbar.35 Dagegen kann ein in einem Verfahren nach § 768 unterlegener Gläubiger mit einer Klage aus § 731 nur Erfolg haben, wenn er sie auf nachträgliche Tatsachen stützt.

IV. Begründetheit 1. Voraussetzungen 18 Die Richtigkeitsgewähr der zusprechenden Entscheidung mit der Anweisung, die Vollstreckungsklausel zu erteilen, erfordert es, dass nicht nur der Eintritt der nach §§ 726 ff. maßgeblichen

29 OLG Hamburg OLGRspr. 29, 170; LG Ellwangen NJW 1964, 671; Thomas/Putzo/Seiler § 731 Rdn. 6; Musielak/Voit/ Lackmann § 731 Rdn. 5; einschränkend Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Schuschke/Hake § 731 Rdn. 6; Stein/Jonas/Münzberg § 731 Rdn. 4. 30 MünchKomm/Wolfsteiner § 731 Rdn. 13. 31 Thomas/Putzo/Seiler § 731 Rdn. 6. 32 So auch Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, Zwangsvollstreckungsrecht, § 17 Rdn. 11; Musielak/Voit/Lackmann § 731 Rdn. 5; MünchKomm/Wolfsteiner § 731 Rdn. 13; differenzierend Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Schuschke/Hake § 731 Rdn. 6; Gottwald/Mock, Zwangsvollstreckung, § 731 Rdn. 7. 33 Vgl. RG JW 1888, 329 = Gruch 33, 1202. 34 MünchKomm/Wolfsteiner § 731 Rdn. 10; Musielak/Voit/Lackmann § 731 Rdn. 3; a.A. BeckOK/Ulrici § 731 Rdn. 9. 35 OLG Marienwerder OLGRspr. 10, 395. Bittmann

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Tatsachen, sondern auch das Vorliegen aller sonstigen (auch formellen) Klauselerteilungsvoraussetzungen festgestellt wird.36 Darüber hinaus ist nach allgemeiner Meinung der Streitgegenstand aus prozessökonomischen 19 Gründen um den des § 767 erweitert, so dass keine nach § 767 vorzubringenden Einwendungen gegen den vollstreckbaren Anspruch vorliegen dürfen.37 Dies ist jedoch für den Schuldner eine zweischneidige Sache, da er nicht nur alle Einwendungen gegen die Zulässigkeit der Klauselerteilung, sondern hier auch schon diejenigen nach § 767 zur Vermeidung ihres Verlustes vorbringen muss. Dies ergibt sich aus der Analogie zu § 767 Abs. 3,38 die auch beim Vorbehalt beschränkter Haftung nach §§ 785 f. zu beachten ist.39

2. Passivlegitimation Gemäß der Rechtsnatur prozessualer Gestaltungsklagen wird zwar ein bestimmtes Verhalten der 20 Justizorgane erstrebt, zu verklagen ist dennoch nicht die staatliche Körperschaft als Träger der Justizverwaltung, sondern der Schuldner, gegen den vollstreckt werden soll.40

3. Beweis Im Gegensatz zum Erteilungsverfahren folgt die Beweisführung den allgemeinen Regeln und ist 21 nicht auf die in den §§ 726 ff. vorgesehenen Formen beschränkt. Auch Geständnis (§ 288), Geständnisfiktion (§ 138 Abs. 3)41 und Anerkenntnis (§ 307) sind ohne Einschränkung zu beachten.42 Die Beweislast liegt beim Kläger.43

V. Sonstiges 1. Vollstreckung Das Urteil ist nach Maßgabe der §§ 708 ff. für vorläufig vollstreckbar zu erklären, sodass die 22 Klausel ohne weitere Prüfung zu erteilen ist. Denn die Vollstreckungsreife des Titels ist zugleich Voraussetzung für die Begründetheit der Klage aus § 731 (s.o. Rdn. 18) und braucht daher bei Erteilung nicht mehr geprüft zu werden. Dies kann vielmehr dem Vollstreckungsverfahren überlassen werden44 Für eine Rechtspflegerzuständigkeit nach § 20 Abs. 1 Nr. 12 RPflG entfällt folglich jeder Grund (teleologische Reduktion), weshalb der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle entspre-

36 HK-ZV/Giers/Haas § 731 Rdn. 10; BeckOK/Ulrici § 731 Rdn. 12. 37 Vgl. nur Stein/Jonas/Münzberg § 731 Rdn. 13 und Thomas/Putzo/Seiler § 731 Rdn. 7. 38 OLG Düsseldorf NJW-RR 1992, 1216; Stein/Jonas/Münzberg § 731 Rdn. 14; MünchKomm/Wolfsteiner § 731 Rdn. 5; a.A. RGZ 34, 347, 350; OLG Posen OLGRspr. 25, 170; Musielak/Voit/Lackmann § 731 Rdn. 7, die den Einwendungsausschluss auf § 767 Abs. 2 stützen, wobei jedoch verkannt wird, dass § 731 gerade keine erneute Hauptsacheklage ist. 39 OLG Celle und OLG Posen OLGRspr. 15, 280 und 29, 197; Anders/Gehle/Gehle § 731 Rdn. 15; a.A. OLG Kiel OLGRspr. 16, 323. 40 Stein/Jonas/Münzberg § 731 Rdn. 8. 41 LG Ravensburg JurBüro 2017, 604; BeckOK/Ulrici § 731 Rdn. 14; Lippross/Bittmann, Zwangsvollstreckungsrecht, § 5 Rdn. 69; insoweit a.A. Thomas/Putzo/Seiler § 731 Rdn. 7, § 726 Rdn. 6 mit Hinweis auf BGH Rpfleger 2005, 611. 42 Vgl. Anders/Gehle/Gehle § 731 Rdn. 14; Zöller/Seibel § 731 Rdn. 4; Musielak/Voit/Lackmann § 731 Rdn. 6; und wohl auch OLG Hamm Rpfleger 1991, 161; einschränkend jedoch Münzberg NJW 1992, 201, 206. 43 HK-ZV/Giers/Haas § 731 Rdn. 10. 44 LG Stuttgart Rpfleger 2000, 537; Zöller/Seibel § 731 Rdn. 6; a.A. HK-ZV/Giers/Haas § 731 Rdn. 14. 75

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Achtes Buch – Zwangsvollstreckung

chend der praktischen Handhabung vieler Gerichte die urteilsgemäße Klauselerteilung gemäß § 26 RPflG vollziehen kann.45

2. Anfechtung 23 Es gelten die allgemeinen Vorschriften (§§ 338, 511, 542).

3. Urteilswirkungen/Rechtskraft 24 Ein stattgebendes Urteil weist die hierfür zuständige Stelle an, die Vollstreckungsklausel zu erteilen, ersetzt diese also nicht.46 Da im Rahmen der Begründetheit nicht nur über das Vorliegen der besonderen Erteilungsvo25 raussetzungen der §§ 726 ff., sondern sämtlicher Voraussetzungen der Klauselerteilung sowie über nach § 767 vorzubringende Einwendungen gerichtlich entschieden wird (s.o. Rdn. 19), schließt das stattgebende Urteil in den zeitlichen Grenzen der Rechtskraft Erinnerungen und Klagen des Schuldners gegen die Zulässigkeit der Klausel bzw. der Zwangsvollstreckung nach §§ 732, 767, 768 aus.47 Umgekehrt macht auch die Rechtskraft des abweisenden Urteils eine erneute Klage oder 26 eine spätere Klauselerteilung durch den Rechtspfleger aus bis zum maßgeblichen Zeitpunkt der materiellen Rechtskraft entstandenen Tatsachen unzulässig.48

4. Kosten, Gebühren, Streitwert 27 Für die Kostenentscheidung gilt nicht § 788, sondern es gelten die §§ 91 ff., insbesondere die §§ 93 f.49 Der Streitwert entspricht dem Wert des zu vollstreckenden Anspruchs; ein Abschlag wegen vermeintlicher Feststellung darf nicht vorgenommen werden.50 Die Rechtsanwaltsgebühren bestimmen sich nach Nrn. 3100 ff. VV RVG; die Gerichtsgebühren berechnen sich nach Nrn. 1210, 1211 KV GKG.

§ 732 Erinnerung gegen Erteilung der Vollstreckungsklausel (1)

1

Über Einwendungen des Schuldners, welche die Zulässigkeit der Vollstreckungsklausel betreffen, entscheidet das Gericht, von dessen Geschäftsstelle die Vollstreckungsklausel erteilt ist. 2Die Entscheidung ergeht durch Beschluss. (2) Das Gericht kann vor der Entscheidung eine einstweilige Anordnung erlassen; es kann insbesondere anordnen, dass die Zwangsvollstreckung gegen oder ohne Sicherheitsleistung einstweilen einzustellen oder nur gegen Sicherheitsleistung fortzusetzen sei.

45 Thomas/Putzo/Seiler § 731 Rdn. 8; Baur/Stürner/Bruns § 18 Rdn. 18.19; Napierala/Napierala Rpfleger 1989, 493; a.A. Stein/Jonas/Münzberg § 731 Rdn. 16; Musielak/Voit/Lackmann § 731 Rdn. 8; Wüllenkemper Rpfleger 1989, 87 ff., nach denen es nach dem Wortlaut des § 20 Abs. 1 Nr. 12 RPflG bei der Zuständigkeit des Rechtspflegers verbleibt. 46 HK-ZV/Giers/Haas § 731 Rdn. 14. 47 LG Braunschweig, JZ 1956, 660; Stein/Jonas/Münzberg § 731 Rdn. 17. 48 Stein/Jonas/Münzberg § 731 Rdn. 6; a.A. Thomas/Putzo/Seiler § 731 Rdn. 2. 49 Thomas/Putzo/Seiler § 731 Rdn. 8. 50 OLG Köln Rpfleger 1969, 247; LG Hildesheim NJW 1964, 1232. Bittmann https://doi.org/10.1515/9783110443158-009

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Schrifttum Barkam Erinnerung und Klage bei qualifizierten vollstreckbaren Ausfertigungen, 1989; Barnert Klauselerinnerung und Vollstreckungsabwehrklage in der neueren Rechtsprechung des BGH, MDR 2004, 605; Gaul Das Rechtsbehelfssystem der Zwangsvollstreckungsmöglichkeiten und Grenzen der Vereinfachung, ZZP 85 (1972), 251; Jungbauer Die Zwangsvollstreckungsklausel – Rechtsmittel und Rechtsbehelfe nach der ZPO-Reform, JurBüro 2002, 285; Palm Erinnerung und Beschwerde bei Erteilung und Verweigerung einer Vollstreckungsklausel, Rpfleger 1967, 365; Schultheis Rechtsbehelfe bei vollstreckbaren Urkunden, 1996; Wetzel Grundfälle zu den Klagen und Rechtsbehelfen im Zwangsvollstreckungsrecht, JuS 1990, 198; Windel Die Rechtsbehelfe des Schuldners gegen eine Vollstreckung aus einer unwirksamen materiellen Urkunde (§ 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO) – zugleich ein Beitrag zum Rechtsschutzsystem des 8. Buches der ZPO, ZZP 102 (1989), 175.

Übersicht I. 1. 2. 3. 4.

Allgemeines 1 Zweck 2 Rechtsnatur Antrag und Beschlussformel 5 Verfahren

II. 1. 2.

3.

Anwendungsbereich und andere Rechtsbehelfe 8 Anwendungsbereich Abgrenzung zu anderen Rechtsbehelfen a) Klage gegen die Vollstreckungsklausel 11 (§ 768) 12 b) Vollstreckungsabwehrklage (§ 767) 14 c) Vollstreckungserinnerung (§ 766) d) Spätere Klage bei Unterlassen der Einle15 gung des Rechtsbehelfs aus § 732 16 Konkurrenz mit anderen Rechtsbehelfen

III.

Zulässigkeit der Erinnerung

1. 2. 3.

19

4.

Statthaftigkeit, Form, Frist und Beschwer 20 Zuständigkeit Entgegenstehende Rechtskraft 22 a) Urteile nach § 768 23 b) Urteile nach § 731 24 Rechtsschutzbedürfnis

IV.

Begründetheit

V. 1. 2.

Sonstiges 28 Vollstreckung Rechtskraft/Auswirkung der Entscheidung auf an29 dere Rechtsbehelfe 30 Rechtsbehelfe 31 Einstweilige Anordnungen Kosten und Gebühren 33 a) Kostentscheidung 34 b) Kosten 35 c) Anwaltsgebühren

3

3. 4. 5.

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I. Allgemeines 1. Zweck Der Schuldner hat keine vorbeugenden Rechtsbehelfe gegen die Klauselerteilung.1 Im Falle der 1 Erteilung einfacher Klauseln durch den Urkundsbeamten nach § 724 Abs. 2 darf er nicht einmal gehört werden (argumentum e contrario § 730), er kann lediglich von sich aus den Urkundsbeamten auf Erteilungshindernisse hinweisen. Lediglich bei Erteilung qualifizierter Klauseln durch den Rechtspfleger (§ 20 Abs. 1 Nr. 12 RPflG) kann er gemäß § 730 gehört werden und Einwendungen erheben. Da somit eine obligatorische Beteiligung des Schuldners im Rahmen des Klauselerteilungsverfahrens nicht vorgesehen ist, muss er die von den Vollstreckungsorganen als solche hinzunehmende Klausel wenigstens im Nachhinein durch Erinnerung (oder gegebenenfalls Klage nach § 768) beseitigen können. Dies verlangt der Grundsatz des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1

1 Vgl. nur Stein/Jonas/Münzberg § 732 Rdn. 8. 77

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GG).2 Das Erinnerungsverfahren nach § 732 kann daher als Fortsetzung des Klauselerteilungsverfahrens nach §§ 724 ff. angesehen werden.3

2. Rechtsnatur 2 Der Rechtsbehelf des § 732 ist seiner Eigenart nach Erinnerung, da die zugunsten einer Klauselerteilung getroffene Entscheidung des Urkundsbeamten oder Rechtspflegers im gleichen Rechtszug durch beschwerdefähigen Beschluss desselben Gerichts nachgeprüft wird. Auch wenn der Rechtspfleger entschieden hat, ist § 11 RPflG nicht anwendbar, wird also durch § 732 als spezialgesetzlich geregelten Rechtsbehelf verdrängt.4 Verdrängt ist ferner der Rechtsbehelf der Erinnerung nach § 573 ZPO.5

3. Antrag und Beschlussformel 3 Um die Wirkung der Einstellung der Zwangsvollstreckung und Aufhebung eventueller Vollstreckungsmaßregeln nach §§ 775 Nr. 1, 776 zu erreichen, muss die Zwangsvollstreckung gegen den Erinnerungsführer aus der genau zu bezeichnenden vollstreckbaren Ausfertigung für unzulässig erklärt werden. Eine ausdrückliche Aufhebung der Klausel und schon erfolgter Vollstreckungsmaßregeln ist daneben weder erforderlich noch statthaft. Da gesetzlich nicht vorgesehen, kann auch eine Einziehung der mit der unzulässigen Klausel versehenen Ausfertigung nicht beantragt und verfügt werden.6 Der Antrag bzw. der Tenor der gerichtlichen Entscheidung sollte daher wie folgt lauten: „Die vom (klauselerteilende Stelle/Gericht) am (Datum) gegen den Erinnerungsführer erteilte vollstreckbare Ausfertigung zum (genaue Bezeichnung des Titels) und die Zwangsvollstreckung aus ihr sind unzulässig“.7 Wird den Einwendungen des Schuldners nicht entsprochen, erfolgt Zurückweisung als unbegründet. 4 Zweifelhaft ist die Behandlung uneingeschränkt erteilter Vollstreckungsklauseln bei beschränkt vollstreckbaren Titeln, insbesondere bei notariellen Urkunden. Die Rechtsprechung8 wählt hier z.T. den Weg der Gesamtaufhebung der Klausel, weil sie der Ansicht ist, ansonsten in die Zuständigkeit der erteilenden Stelle einzugreifen. Die Möglichkeit, die fehlerhafte Klausel teilweise aufrechtzuerhalten, scheidet dann aus,9 obwohl mit der Erinnerung die funktionelle Zuständigkeit unwiderruflich auf den Richter übergeht.10 Aus Gründen der Praktikabilität und Rechtsklarheit ist die Gesamtaufhebung mit anschließender Neuerteilung unter Berücksichtigung der vernachlässigten Beschränkungen vorzugswürdig, da sich sonst die Vollstreckungsorgane nicht auf die einmal erteilte Klausel verlassen können, sondern mit der Ermittlung der Reichweite ihrer eingeschränkten Wirksamkeit unter Berücksichtigung eines eventuell auslegungsbedürftigen Gerichtsbeschlusses belastet sind. Um den Rang etwaiger aufgrund der fehlerhaften Klausel ausgebrachter, aber auch bei Beachtung der Beschränkungen gerechtfertigter Pfändungen zu wahren (und eventuellen Amtshaftungsansprüchen vorzubeugen), kann das Gericht die Vollziehung der Entscheidung bis zur Neuerteilung der Klausel aussetzen; eine

2 Vgl. MünchKomm/Wolfsteiner § 732 Rdn. 2. 3 MünchKomm/Wolfsteiner § 732 Rdn. 3. 4 OLG Naumburg FamRZ 2003, 695; OLG Karlsruhe Rpfleger 1983, 118; OLG Stuttgart NJW-RR 1986, 549. 5 BeckOK/Ulrici § 732 Rdn. 5; Prütting/Gehrlein/Hanewinkel § 732 Rdn. 7. 6 Vgl. auch Windel, ZZP 102 (1989) 175, 207: „Das Gericht kann die Rückgabe des Titels nicht fordern“. 7 Formulierung nach Thomas/Putzo/Seiler § 732 Rdn. 2. 8 LG Essen NJW 1972, 2050, 2051. 9 Dafür aber die wohl h.M.: vgl. Stein/Jonas/Münzberg Rdn. 12; MünchKomm/Wolfsteiner § 732 Rdn. 13. 10 Vgl. MünchKomm/Wolfsteiner § 732 Rdn. 10. Bittmann

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Aufhebung im Ergebnis berechtigter Vollstreckungsmaßnahmen nach § 776 S. 1 wird so verhindert.11

4. Verfahren Abhilfe scheidet entgegen der Ansicht der wohl h.M.12 aus, da es an einer rechtlichen Grundlage 5 für den Urkundsbeamten bzw. den Rechtspfleger fehlt, die einmal erteilte vollstreckbare Ausfertigung zurückzufordern.13 Entschieden wird durch das Gericht in freigestellter mündlicher Verhandlung durch Be- 6 schluss (§ 732 Abs. 1 S. 2). Wird mündliche Verhandlung anberaumt, so herrscht vor den Kollegialgerichten Anwaltszwang (§ 78 Abs. 1); Entscheidungen sind dann gemäß § 329 Abs. 1 zu verkünden; ansonsten ist der Beschluss nach § 329 Abs. 3 zuzustellen. Dem Gläubiger ist – jedenfalls für den Fall einer für ihn nachteiligen Entscheidung – zuvor 7 rechtliches Gehör zu gewähren.14

II. Anwendungsbereich und andere Rechtsbehelfe 1. Anwendungsbereich Mit der Erinnerung kann die Zulässigkeit aller Vollstreckungsklauseln überprüft werden. § 732 8 gilt also sowohl im Normalfall des § 724 als auch in den in § 20 Abs. 1 Nr. 12 RPflG erwähnten Fällen qualifizierter Klauseln und bei jeder Art von Vollstreckungstiteln. Keine Anwendung findet § 732 bei einem Streit zwischen Gläubigerprätendenten, da die 9 Erinnerung nur dem Schuldner, also demjenigen eröffnet ist, gegen den laut Titel oder Vollstreckungsklausel der im Titel enthaltene Anspruch vollstreckt werden soll.15 Da grundsätzlich die Erteilung einer weiteren Ausfertigung i.S.v. § 733 aus Gründen des Schuldnerschutzes ausscheidet, muss der die vollstreckbare Ausfertigung nicht besitzende Gläubiger auf Herausgabe (z.B. nach § 952 BGB) klagen. Ein Verfahren nach § 732 kommt hier nicht in Betracht. Weitere Einschränkungen des Anwendungsbereichs ergeben sich aus der nachfolgenden Ab- 10 grenzung zu anderen Rechtsbehelfen in der Zwangsvollstreckung.

2. Abgrenzung zu anderen Rechtsbehelfen a) Klage gegen die Vollstreckungsklausel (§ 768). Die Anwendungsbereiche der Klage nach 11 § 768 und der Erinnerung nach § 732 decken sich teilweise, was Abgrenzungsfragen aufwirft. Mit beiden Rechtsbehelfen kann der Schuldner einwenden, dass die materiellen Voraussetzungen zur Erteilung einer qualifizierten Klausel nach §§ 726 ff. nicht vorliegen. § 768 a.E. gibt dem Schuldner insoweit ein Wahlrecht zwischen der Klage nach § 768 und der Erinnerung nach § 732.16 Die Erinnerung nach § 732 ZPO ist insgesamt auf Einwendungen formaler Art beschränkt, die das Prüfungsverfahren des zuständigen Organs betreffen, nicht umfasst sein sollen hingegen materielle Einwendungen, die 11 Vgl. Stein/Jonas/Münzberg § 732 Rdn. 12. 12 OLG Naumburg NJOZ 2003, 343; OLG Koblenz JurBüro 2002, 550; OLG Stuttgart Rpfleger 1997, 521; LAG Düsseldorf Rpfleger 1997, 119; Zöller/Seibel § 732 Rdn. 14; HK-ZV/Giers/Haas § 732 Rdn. 7. MünchKomm/Wolfsteiner § 732 Rdn. 12; BeckOK/Ulrici § 732 Rdn. 15. Musielak/Voit/Lackmann § 732 Rdn. 9; BeckOK/Ulrici § 732 Rdn. 16. Vgl. RG HRR 1937 Nr. 1555; RGZ 163, 51, 56 f.; MünchKomm/Wolfsteiner § 727 Rdn. 71 ff. Vgl. Stein/Jonas/Münzberg § 732 Rdn. 6; Brox/Walker § 7 Rdn. 143; Baur/Stürner/Bruns, Zwangsvollstreckungsrecht, § 18 Rdn. 18.25; Lippross/Bittmann, § 5 Rdn. 75 f.

13 14 15 16

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Achtes Buch – Zwangsvollstreckung

außerhalb der Prüfungskompetenz des jeweiligen Organs liegen.17 Zugleich kann der Schuldner allein mit der Erinnerung das Fehlen von formellen Voraussetzungen der Klauselerteilung rügen.18 Umstritten ist, ob der Schuldner, der materielle wie formelle Einwendungen vorbringt, gezwungen ist, beide Rechtsbehelfe zu erheben. Eine Ansicht gestattet dem Schuldner in diesem Fall, Klage nach § 768 zu erheben und dabei auch das Vorliegen der formellen Voraussetzungen der Klauselerteilung überprüfen zulassen. Gestützt wird diese Ansicht auf den Grundsatz der Prozessökonomie.19 Diese Ansicht ist jedoch weder mit dem Wortlaut von § 768 noch mit der eindeutigen Systematik der vollstreckungsrechtlichen Rechtsbehelfe vereinbar.20

12 b) Vollstreckungsabwehrklage (§ 767). Da Einwendungen gegen den vollstreckbaren Anspruch nach überwiegender Ansicht nicht gegen die Klauselerteilung als solche geltend gemacht werden können,21 sind Überschneidungen des Rechtsbehelfs nach § 767 mit dem nach § 732 ausgeschlossen; derartige Einwendungen können daher auch nicht durch Nichterhebung im Erinnerungsverfahren des § 732 nach § 767 Abs. 3 entsprechend verlorengehen. Unhaltbar war die früher vorherrschende Rechtsprechungsmeinung, eine Vollstreckungsab13 wehrklage sei stets unzulässig, wenn der Titel – insbesondere die notariell beurkundete Unterwerfungserklärung nach § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO – unwirksam ist, da dem Schuldner dann ausschließlich die Klauselerinnerung gemäß § 732 zustehe.22 Dies hatte die ebenso unbillige wie unsystematische Konsequenz, dass der Schuldner trotz begründeter Einwendungen gegen den vollstreckbaren Anspruch in dem dafür gesetzlich vorgesehenen Klageverfahren keinen Erfolg hatte und stattdessen auf ein Erinnerungsverfahren ohne materiell rechtskräftige Entscheidung über die Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung verwiesen wurde. Auch hier darf es dem Schuldner in keinem Fall verwehrt werden, sein gesamtes Einwendungspotential auszuschöpfen, zumal materiellrechtliche Einwendungen klar auf der Hand liegen können, während die Unwirksamkeit des Titels aber ungewiss ist. Der BGH hat nunmehr abweichend von seiner früheren Rechtsprechung anerkannt, dass im Falle der Unwirksamkeit des Titels aus materiellrechtlichen Gründen der Schuldner diese über einen Rechtsbehelf sui generis in entsprechender Anwendung von § 767 ZPO geltend machen kann.23 Die Vollstreckungsabwehrklage ist daher in solchen Fällen des Doppelmangels nach Wahl des Schuldners neben der Erinnerung aus § 732 zulässig.24

14 c) Vollstreckungserinnerung (§ 766). Da eine wirksame Klauselerteilung von den Vollstreckungsorganen als solche hinzunehmen ist, kann im Vollstreckungsverfahren die Zulässigkeit

17 BGH DGVZ 2020, 257; NJW 2009, 1887; NJW-RR 2006, 567; NJW-RR 2004, 1718; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, Zwangsvollstreckungsrecht, § 17 Rdn. 26; BeckOK/Ulrici § 732 Rdn. 12. 18 BGH NJW 2012, 3518; NJW-RR 2006, 567; OLG Koblenz NJW 1992, 378, 379; Brox/Walker § 7 Rdn. 143; Musielak/Voit/ Lackmann § 732 Rdn. 4. 19 HK-ZV/Giers/Haas § 732 Rdn. 3. 20 OLG Koblenz NJW 1992, 378; Musielak/Voit/Lackmann § 732 Rdn. 6. 21 OLG Hamm NJW-RR 1991, 1151; LG Bonn MDR 1961, 153; Stein/Jonas/Münzberg § 732 Rdn. 3; Thomas/Putzo/Seiler § 732 Rdn. 9; a.A. LG Duisburg KTS 1964, 187 für den Fall der Stundung; grundsätzlich anders Wolfsteiner Die vollstreckbare Urkunde, 1978 Rdn. 59.5 ff.: auch Einwendungen nach § 732 sollen im Rahmen einer Vollstreckungsabwehrklage zulässig sein. 22 Vgl. BGH NJW-RR 1987, 1149 = LM § 767 ZPO Nr. 73 = WM 1987, 1232 und NJW-RR 1990, 247; OLG Düsseldorf OLGZ 1978, 248; OLG Koblenz BauR 1988, 748; LG Mainz DNotZ 1990, 567; a.A. aber bereits OLG Nürnberg WM 1991, 426, 427 mit dem allerdings verfehlten Hinweis auf § 768 sowie der überwiegende Teil der Literatur: vgl. ua Baur/Stürner/ Bruns, § 45 Rdn. 45.4; Brox/Walker § 43 Rdn. 1333; Rieble/Rumler MDR 1989, 499; Windel ZZP 102 (1989) 175; Wolfsteiner DNotZ 1990, 531. 23 BGH NJW 2010, 2041; NJW 2006, 695; NJW 2004, 1718. 24 BGH NJW-RR 2007, 1724 f.; BGH NJW-RR 2004, 1718 f.; HK-ZV/Giers/Haas § 732 Rdn. 4. Bittmann

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Abschnitt 1. Allgemeine Vorschriften

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der Klauselerteilung nicht mehr überprüft werden.25 Zur Unwirksamkeit der Klauselerteilung führende Mängel sind mit Rücksicht auf den Rechtsbehelfsgegenstand in Gestalt der Klauselerteilung ausschließlich nach § 732 – nicht etwa nach § 766 – zu rügen, obwohl diese von Amts wegen vom Vollstreckungsorgan bei der Vollstreckung zu beachten sind.26 Dasselbe gilt auch bei Erteilung vollstreckbarer Ausfertigungen trotz Fehlens eines wirksamen Vollstreckungstitels, da es sich hierbei ebenfalls um – u.U. zugleich zur Unwirksamkeit der Vollstreckungsklausel führende – Mängel des Erteilungsverfahrens handelt, deren Rüge ausschließlich dem Rechtsbehelf aus § 732 zugewiesen ist.27 § 766 kommt daher bei fehlenden Vollstreckungsvoraussetzungen im Ergebnis nur zum Zuge, soweit nicht schon § 732 eingreift.28 Dieser grundsätzliche Vorrang des § 732 ist auch dann zu beachten, wenn die Klauselerteilung erst nachträglich dadurch fehlerhaft wird, dass der Vollstreckungstitel seine Eigenschaft als geeignete Vollstreckungsgrundlage verliert.

d) Spätere Klage bei Unterlassen der Einlegung des Rechtsbehelfs aus § 732. Wie auch 15 sonst steht es dem Schuldner grundsätzlich frei, die Zwangsvollstreckung trotz der Möglichkeit zur Einlegung eines vollstreckungsrechtlichen Rechtsbehelfs über sich ergehen zu lassen, um erst nach deren Beendigung materiellrechtliche Ausgleichsansprüche im gewöhnlichen Gerichtsstand geltend zu machen.29 Allein auf die Verletzung formeller Klauselerteilungsvoraussetzungen können derartige Ansprüche allerdings nicht gestützt werden. Im Gegensatz zu den vorstehend zu lit. a–c behandelten Fällen erfolgt hier die Abgrenzung des Rechtsbehelfs zu § 732 nicht nach einem sachlichen, sondern nach einem zeitlichen Gesichtspunkt: Die Erinnerung ist nur bis zur Beendigung der Vollstreckung zulässig (s.u. Rdn. 24), die Klage erst nach deren Beendigung möglich.

3. Konkurrenz mit anderen Rechtsbehelfen Die Erinnerung aus § 732 trifft mit den an sich dem Gläubiger eröffneten Rechtsbehelfen 16 bei Versagung der Klausel zusammen: Wie einleitend bereits ausgeführt (vgl. oben Rdn. 2), geht die Erinnerung nach § 732 den Rechtsbehelfen nach § 11 RPflG und § 573 als speziellere Regelung vor. Im Falle der Erteilung von Vollstreckungsklauseln für ausländische Titel durch den Ur- 17 kundsbeamten auf Anordnung des Vorsitzenden der zuständigen Kammer des LG nach §§ 7, 8 AVAG sind hingegen allein die dafür spezialgesetzlich für den Schuldner vorgesehenen Rechtsbehelfe der Beschwerde und der Rechtsbeschwerde gemäß §§ 11 ff. AVAG einschlägig. Für die Einlegung einer Erinnerung nach § 732 bleibt kein Raum. Eine negative Feststellungsklage mit dem Ziel der Feststellung der Unzulässigkeit der Klau- 18 selerteilung ist in keinem Fall in Konkurrenz zur Erinnerung nach § 732 zulässig,30 wohl aber die

25 KG OLGRspr. 37, 196; OLG Oldenburg MDR 1955, 488; OLG Nürnberg NJW 1957, 1268; OLG Hamm FamRZ 1981, 199 m.w.N.; LG Berlin DGVZ 1970, 151.

26 BGH NJW-RR 2017, 510; NJW-RR 2012, 1146; LG Detmold JurBüro 2011, 274; Thomas/Putzo/Seiler § 732 Rdn. 1; a.A. OLG Hamm DGVZ 1990, 21; Stein/Jonas/Münzberg § 732 Rdn. 2.

27 Ebenso Stein/Jonas/Münzberg § 766 Rdn. 15 m.w.N. mit der aus Gründen der Rechtssicherheit abzulehnenden Einschränkung, dass „offensichtliche“ Unwirksamkeit auch unter § 766 falle; a.A. Anders/Gehle/Vogt-Beheim § 766 Rdn. 29 „Vollstreckungstitel“. 28 Vgl. OLG Düsseldorf NJW-RR 1988, 698, 699. 29 BGHZ 4, 283; vgl. auch zur Rechtslage bei der Vollstreckungsabwehrklage: § 767 Rdn. 29. 30 Windel ZZP 102 (1989) 175, 223. 81

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§ 732

Achtes Buch – Zwangsvollstreckung

Klage auf Feststellung der Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung wegen Unwirksamkeit des Titels, um dem Schuldner die Herbeiführung einer entsprechenden rechtskräftigen Entscheidung zu ermöglichen.31

III. Zulässigkeit der Erinnerung 1. Statthaftigkeit, Form, Frist und Beschwer 19 Statthaftigkeit ist gegeben bei allen Fällen, in denen eine vollstreckbare Ausfertigung erteilt wurde (s.o. Rdn. 8). Für die Form gilt § 569 Abs. 2 und 3 entsprechend;32 die Einlegung unterliegt gemäß § 78 Abs. 3 nicht dem Anwaltszwang. Eine Frist ist nicht vorgeschrieben. Beschwert ist derjenige, gegen den die Klausel erteilt ist.

2. Zuständigkeit 20 Die durch Abs. 1 S. 1 festgelegte Zuständigkeit gilt unabhängig davon, ob Urkundsbeamter oder Rechtspfleger die Klausel erteilt haben, und ist gemäß § 802 eine ausschließliche, auch wenn gerade die Unzuständigkeit des Gerichts gerügt wird. Zuständig ist der Richter und nicht der Rechtspfleger, da § 732 in § 20 Abs. 1 Nr. 12 RPflG nicht aufgeführt ist.33 Abs. 1 S. 1 umfasst als Zuständigkeitsvorschrift neben Urteilen über § 795 auch gerichtliche 21 Vergleiche und Entscheidungen nach § 794. Bei vollstreckbaren Urkunden gilt § 797 Abs. 3, bei Gütestellenvergleichen § 797a Abs. 2, Abs. 4 S. 3 und bei nach § 796c vollstreckbaren Anwaltsvergleichen § 797 Abs. 6 i.V.m. § 797 Abs. 3. Das Familiengericht ist zuständig, falls die Klausel für einen Titel erteilt ist, der Familiensache ist.34

3. Entgegenstehende Rechtskraft 22 a) Urteile nach § 768. Rechtskraft und Präklusionswirkung (§§ 768 i.V.m. 767 Abs. 3) einer rechtskräftigen Entscheidung nach § 768 schließen die Erinnerung insoweit aus, als diese auf die (auch) klageweise vorzubringenden sachlichen Einwendungen gestützt werden kann.35 Wenn schon rechtskräftig feststeht, dass die Tatsachen nach §§ 726 ff. tatsächlich eingetreten sind, kann die Klausel nicht mehr wegen mangelnder Beweisführung beseitigt werden. Dies muss auch im umgekehrten Fall gelten, wenn rechtskräftig festgestellt wird, dass die Tatsachen nach §§ 726 ff. nicht gegeben sind.

23 b) Urteile nach § 731. Da im Klageverfahren nach § 731 sämtliche (auch die formellen Erteilungsvoraussetzungen) geprüft werden,36 schließt die Rechtskraft eines stattgebenden Urteils im Rahmen ihrer zeitlichen Grenzen alle Einwendungen nach § 732 aus.

31 32 33 34 35 36

So wohl auch BGH NJW 1992, 2160, 2162. Brox/Walker § 7 Rdn. 137. OLG Frankfurt InVo 2002, 421; HK-ZV/Giers/Haas § 732 Rdn. 7. OLG Naumburg FamRZ 2003, 695; OLG Köln Rpfleger 1979, 28; OLG Hamburg FamRZ 1981, 980. Stein/Jonas/Münzberg § 732 Rdn. 8: „[…] soweit ihre Rechtskraft bzw. die Präklusionswirkung […] reicht“. § 731 Rdn. 23.

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§ 732

4. Rechtsschutzbedürfnis Das Rechtsschutzbedürfnis tritt unabhängig vom Beginn der Vollstreckung bereits mit Klauseler- 24 teilung ein.37 Es fällt weg bei Beendigung der Vollstreckung,38 nicht jedoch schon nach Vornahme von Vollstreckungsmaßnahmen, deren weitere Vollziehung noch offen ist.39 Da Klage nach § 768 und Erinnerung nach § 732 nebeneinander eingelegt werden können, 25 nimmt die Möglichkeit zur Klageerhebung der Erinnerung nicht das Rechtsschutzbedürfnis und umgekehrt.40

IV. Begründetheit Begründet ist die Erinnerung nach § 732, wenn es an den Voraussetzungen der für die jeweilige 26 Klauselerteilung maßgeblichen Vorschriften (§§ 724 ff.) fehlt, da das Erinnerungsverfahren die Fortsetzung des Klauselerteilungsverfahrens darstellt.41 Nach dem oben Gesagten kann die Erinnerung auf den Mangel einer jeden Erteilungsvoraussetzung, ob formell oder materiell, gestützt werden (s.o. Rdn. 11). Eine sachliche Einwendung ist der Begründetheitsprüfung jedoch dann entzogen, wenn sie durch Urteil nach § 768 bereits rechtskräftig abgewiesen oder gemäß §§ 768, 767 Abs. 3 präkludiert ist.42 Im Übrigen können sämtliche formellen Mängel der Klausel gerügt werden, einschließlich des fehlenden oder nicht genügenden förmlichen Beweises der nach §§ 726 ff. als erwiesen angenommenen Tatsachen (s.o. Rdn. 11). Dabei kommt es nach zutreffender aber bestrittener Ansicht auf den Zeitpunkt der Entscheidung über die Erinnerung, nicht den der Erteilung an.43 Als Mängel, die mit der Erinnerung nach § 732 ZPO geltend gemacht werden können, sind 27 beispielsweise zu nennen: Fehlen eines vollstreckbaren und wirksamen Titels,44 fehlende Kongruenz zwischen Titel und Klausel,45 fehlende Erkennbarkeit des Vollstreckungsgläubigers46 oder -schuldners,47 fehlende Zuständigkeit der erteilenden Stelle48 sowie Erteilung durch den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle an Stelle des Rechtspflegers,49 unbestimmter Inhalt des Titels,50 fehlender Nachweis durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden,51 etwa eine fehlende Vollmacht zur Vollstreckungsunterwerfung,52 oder auch nur Unterlassen der Erwähnung von Ur-

37 38 39 40 41 42 43

AllgM.: vgl. nur Thomas/Putzo/Seiler § 732 Rdn. 5. BGH, Beschluss vom 24.7.2008 – VII ZB 7/08, juris. LG Hildesheim NJW 1962, 1256. OLG Dresden ZZP 32 (1904) 357, 363; Stein/Jonas/Münzberg § 732 Rdn. 6. Musielak/Voit/Lackmann § 732 Rdn. 8; MünchKomm/Wolfsteiner § 732 Rdn. 3. Vgl. Thomas/Putzo/Seiler § 732 Rdn. 7; Musielak/Voit/Lackmann § 732 Rdn. 8. OLG München MDR 1955, 682 (nachträgliches Geständnis des Schuldners); KG NJW-RR 1987, 3 m.w.N.; LG Verden Rpfleger 1953, 137 (nachträgliche Behebung formeller Mängel); Stein/Jonas/Münzberg § 732 Rdn. 10; Thomas/Putzo/Seiler § 732 Rdn. 7; a.A. OLG Nürnberg MDR 1960, 318 bei nachträglicher Erteilung der im Vergleich vorbehaltenen Genehmigung und allgemein MünchKomm/Wolfsteiner § 732 Rdn. 4 (Zeitpunkt der Klauselerteilung). 44 BGH WuM 2015, 41, 42; BGHZ 15, 190 = NJW 1955, 182 und 55, 255 = NJW 1971, 705; OLG Hamburg OLGRspr. 20, 233; OLG Oldenburg MDR 1955, 488; LG Osnabrück MDR 1951, 755; LG Braunschweig JZ 1956, 660. 45 KG OLGRspr. 37, 196; OLG München NJW 1956, 996; LG Dresden JW 1934, 1197. 46 BGH NJW 2010, 2041, 2042. 47 BGH WuM 2015, 41, 42. 48 LG Darmstadt NJW 1967, 1570. 49 Nach BGH MDR 2012, 367; OLG Zweibrücken MDR 1997, 593; OLG Koblenz NJW 1992, 378, 379 und LG Kassel JurBüro 1986, 1255 führt dies zur Unwirksamkeit der Klausel; a.A. OLG Hamm NJW-RR 1987, 957 und AG Wetzlar DGVZ 1994, 31. 50 BGH WRP 2023, 589, 590; WuM 2015, 41, 42; BGHZ 22, 54 = NJW 1957, 23. 51 BGH NJW-RR 2012, 1146, 1147 f.; BGH NJW-RR 2011, 424, 426; OLG Köln NJW 1997, 1450. 52 BGH NJW 2012, 3518. 83

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§ 732

Achtes Buch – Zwangsvollstreckung

kunden bei qualifizierter Klauselerteilung,53 Verstoß gegen §§ 16 Abs. 1, 20 Abs. 1 S. 1 BNotO.54 Der Mangel des Vorliegens eines wirksamen Titels wird nicht dadurch unbeachtlich, dass dem Gläubiger eine andere als die Titelforderung zusteht.55 Die Frage, ob der Mangel auch zur Unwirksamkeit der Klausel führt, ist ohne Bedeutung. Nicht zu den i.R.v. § 732 zu prüfenden Einwendungen gehören die Rüge eines Verstoßes einer Vollstreckungsunterwerfung gegen § 307 Abs. 1 BGB56 oder Einwendungen des Schuldners betreffend die materiellen Voraussetzungen der Grundschuldverwertung.57

V. Sonstiges 1. Vollstreckung 28 Die Entscheidung bedarf keiner Vollstreckbarerklärung; sie wirkt unmittelbar nach §§ 775 Nr. 1, 776 und führt zur Einstellung der Zwangsvollstreckung und zur Aufhebung bereits getroffener Vollstreckungsmaßnahmen.58

2. Rechtskraft/Auswirkung der Entscheidung auf andere Rechtsbehelfe 29 Eine Entscheidung nach § 732 erwächst in materielle Rechtskraft.59 Dennoch wird die Klagemöglichkeit aus § 768 nach allgemeiner Meinung nicht dadurch berührt, dass eine Erinnerung nach § 732 rechtskräftig zurückgewiesen oder die Klausel sogar auf Beschwerde (s.u. Rdn. 30) hin aufrechterhalten ist.60 Auch die Stattgabe der Erinnerung soll die Klage nach § 768 nicht ausschließen.61 Das Rechtsschutzbedürfnis des Schuldners auf Erlangung eines rechtskraftfähigen Erkenntnisses nach § 768 bleibt daher bestehen.

3. Rechtsbehelfe 30 Gegen die Zurückweisung der Einwendungen kann der Schuldner sofortige Beschwerde nach § 567 Abs. 1 Nr. 2 einlegen,62 bei stattgebender Entscheidung der Gläubiger.63 Die Zulässigkeit einer Rechtsbeschwerde bestimmt sich nach § 574.

4. Einstweilige Anordnungen 31 Da die Einlegung der Erinnerung keine aufschiebende Wirkung hat, kann das Gericht auch schon vor seiner endgültigen Entscheidung nach Maßgabe des Abs. 2 die dort beispielhaft erläuterten einstweiligen Anordnungen (auch ohne Antrag) erlassen. Dies gilt auch in Räumungssachen, wo 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62

Vgl. § 750 Rdn. 33. Thomas/Putzo/Seiler § 732 Rdn. 7. BGH WM 1964, 1125. BGH NJW 2009, 1887 1888. BGH NJW-RR 2011, 424, 426. Zöller/Seibel § 732 Rdn. 15; HK-ZV/Giers/Haas § 732 Rdn. 11; Musielak/Voit/Lackmann § 732 Rdn. 9. MünchKomm/Wolfsteiner § 732 Rdn. 17. Vgl. nur RGZ 50, 372; BGH MDR 1976, 838; Stein/Jonas/Münzberg § 732 Rdn. 6. OLG Dresden OLGRspr. 35, 118. Vgl. BVerfG NJW 1997, 2167; OLG München OLGRspr. 33, 90; LG Köln JurBüro 1968, 160; Thomas/Putzo/Seiler § 732 Rdn. 10. 63 KG OLGRspr. 31, 88 und NJW 1962, 2162; a.A. OLG Stuttgart SeuffArch. 80 Nr. 69: sofortige Beschwerde nach § 793. Bittmann

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§ 733

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eine Räumungsfrist angeordnet werden kann.64 Die einstweiligen Anordnungen sind über § 775 Nr. 2 sofort vollstreckbar,65 eine Aufhebung von Vollstreckungsmaßnahmen ist jedoch – anders als in § 707 Abs. 1 S. 1 – nicht vorgesehen.66 Sie treten ohne weiteres mit Erlass der endgültigen Entscheidung (auch der noch nicht rechtskräftigen) außer Kraft. Bei Zurückweisung der Erinnerung entfällt der Grund für eine etwa vom Gläubiger aufgrund einstweiliger Anordnung geleistete Sicherheit, bei Stattgabe die für eine vom Schuldner geleistete. Nach h.M. sind Rechtsbehelfe gegen die einstweilige Anordnung oder ihre Versagung ana- 32 log § 707 Abs. 2 S. 2 in gleichem Umfang wie bei Anordnungen nach dieser Vorschrift ausgeschlossen.67

5. Kosten und Gebühren a) Kostentscheidung. Für die Kostenentscheidung gelten die §§ 91 ff., nicht etwa § 788.68

33

b) Kosten. Gerichtsgebühren werden für das Erinnerungsverfahren nicht erhoben. Im Beschwer- 34 deverfahren fallen Gerichtsgebühren gemäß Nr. 1811 KV-GKG nur an, wenn die Beschwerde erfolglos bleibt. c) Anwaltsgebühren. Da das Erinnerungsverfahren eine besondere Angelegenheit i.S.v. § 18 35 Abs. 1 Nr. 4 RVG darstellt, fällt auch eine Gebühr nach Nr. 3309 VV-RVG an. Im Beschwerdeverfahren gelten die Nrn. 3500, 3513 VV-RVG.69 Der Gegenstandswert bestimmt sich nach § 25 RVG.70

§ 733 Weitere vollstreckbare Ausfertigung (1) Vor der Erteilung einer weiteren vollstreckbaren Ausfertigung kann der Schuldner gehört werden, sofern nicht die zuerst erteilte Ausfertigung zurückgegeben wird. (2) Die Geschäftsstelle hat von der Erteilung der weiteren Ausfertigung den Gegner in Kenntnis zu setzten. (3) Die weitere Ausfertigung ist als solche ausdrücklich zu bezeichnen.

Übersicht I.

Allgemeines

1

II. 1. 2.

Erteilungsvoraussetzungen 2 Erfasste Titel Abgrenzung zur ersten Ausfertigung

3.

Berechtigtes Interesse des Gläubigers/überwiegen8 de Interessen des Schuldners

III.

Verfahren

3

64 65 66 67

LG Wuppertal NJW 1967, 2267. Und daher auch gemäß § 329 Abs. 3 zuzustellen. Vgl. dazu OLG Hamburg MDR 1958, 44 und Thomas/Putzo/Seiler § 732 Rdn. 11. OLG Köln Rpfleger 1996, 324; OLG Celle MDR 1954, 426; OLG Hamburg MDR 1958, 44; OLG Köln Rpfleger 1996, 324; Stein/Jonas/Münzberg § 732 Rdn. 15; a.A. LG Landshut NJW 1954, 277. 68 Vgl. BGH Rpfleger 1989, 79 zur Rechtslage bei § 766 und OLG Hamburg JurBüro 1995, 547; bei Rücknahme der Erinnerung wendet OLG Bamberg JurBüro 1973, 348 § 516 Abs. 3 entsprechend an. 69 Vgl. hierzu eingehend HK-ZV/Giers/Haas § 732 Rdn. 16. 70 Musielak/Voit/Lackmann § 732 Rdn. 11. 85 https://doi.org/10.1515/9783110443158-010

Bittmann

§ 733

1. 2. 3.

Achtes Buch – Zwangsvollstreckung

Zuständigkeit 11 Rechtliches Gehör 13 Form

12

IV. 1. 2.

Sonstiges 14 Rechtsbehelfe Kosten, Gebühren, Streitwert

16

I. Allgemeines 1 Die Vorschrift enthält – zusammen mit § 734 – lediglich einige Verfahrensbesonderheiten zum Schutz des Schuldners vor wiederholter Zwangsvollstreckung aus demselben Titel. Es soll eine Überpfändung durch den Gläubiger verhindert werden. Immerhin lässt sich daraus schließen, dass die Erteilung mehrfacher Ausfertigungen grundsätzlich zulässig ist. § 733 stellt einen Kompromiss her zwischen einer effektiven Zwangsvollstreckung und Schuldnerschutz.1 Nicht gesetzlich geregelt – und damit der richterlichen Rechtsfortbildung überlassen – ist jedoch das Hauptproblem, unter welchen Voraussetzungen weitere Ausfertigungen überhaupt zu erteilen sind.

II. Erteilungsvoraussetzungen 1. Erfasste Titel 2 Anwendungsvoraussetzung des Verfahrens nach § 733 ist zunächst, dass es sich um einen Titel handelt, der zur Zwangsvollstreckung der Erteilung einer Vollstreckungsklausel bedarf. Nach zutreffender Ansicht gilt die Vorschrift jedoch entsprechend für solche Titel, die ohne eine Klausel vollstreckbar sind. Dies gilt etwa für den Vollstreckungsbescheid oder Titel nach § 86 Abs. 3 FamFG.2

2. Abgrenzung zur ersten Ausfertigung 3 Eine weitere vollstreckbare Ausfertigung liegt vor, wenn über denselben Anspruch, für den eine zweite oder mehrere weitere Ausfertigungen erteilt werden sollen, bereits eine erste Ausfertigung besteht und sich noch im Verkehr befindet oder bei der zumindest ungewiss ist, ob sie noch im Umlauf oder für jedermann verloren ist.3 Auch wenn es sich vom Wortsinn her um „weitere“ Ausfertigungen handelt, werden sie im Rechtssinne nicht als solche angesehen, wenn die erste Ausfertigung zurückgegeben wird (vgl. Abs. 1). Diese Fälle werden vielmehr der Erteilung erster Ausfertigungen gleichgestellt, dh es wird ohne weiteres bei Vorliegen der allgemeinen Voraussetzungen nach §§ 724 ff. erteilt.4 4 Die Vorschrift gilt auch dann nicht, wenn nach einer Teilklausel5 eine zweite hinsichtlich des anderen Anspruchsteils oder einer anderen Partei (für einen anderen Teilgläubiger oder gegen einen anderen Teilschuldner) erteilt wird. Hierbei handelt es sich ebenfalls um erste Ausfertigungen.6 Bei Teilabtretung ist § 733 dagegen anwendbar, wenn – wie häufig – der Zedent die zuerst erteilte Ausfertigung für eigene Vollstreckungszwecke behält.7 Weiterhin handelt es sich um erste Ausfertigungen bei Divergenz zwischen Gesuch und zuerst erteilter Ausfertigung8 sowie bei allen 1 2 3 4 5 6 7 8

OLG Saarbrücken Rpfleger 2007, 673; HK-ZV/Giers/Haas § 733 Rdn. 1. MünchKomm/Wolfsteiner § 733 Rdn. 10. Vgl. OLG Hamm Rpfleger 1988, 508; MünchKomm/Wolfsteiner § 733 Rdn. 2. RGZ 50, 366; Zöller/Seibel § 733 Rdn. 3. Vgl. zum Begriff MünchKomm/Wolfsteiner § 733 Rdn. 3. BGH NJW-RR 2014, 195, 196; KG OLGRspr. 4, 432 und OLGZ 1976, 133; HK-ZV/Giers/Haas § 733 Rdn. 2. Thomas/Putzo/Seiler § 733 Rdn. 1; vgl. auch unten Rdn. 10. KG JW 1937, 2050.

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anderen Berichtigungsfällen. Ein Fall des § 733 liegt allerdings vor, wenn bei Wechsel des Firmeninhabers eine Ausfertigung gegen den gemäß § 25 Abs. 1 S. 1 HGB haftenden neuen Inhaber erteilt werden soll und gegen den früheren Inhaber schon eine vollstreckte Ausfertigung erteilt ist.9 Beantragt der Gläubiger eine weitere vollstreckbare Ausfertigung nach der Aushändigung 5 der ersten Ausfertigung an den Schuldner ist zu unterscheiden: Wird nach Aushändigung gemäß § 757 Abs. 1 die Befriedigung des Gläubigers wieder beseitigt (z.B. nach §§ 771, 805 oder durch Anfechtung nach §§ 129 ff. InsO oder AnfG), ist die Erteilung einer weiteren Ausfertigung mangels Verbrauches des Titels zulässig.10 Entsprechendes gilt für gemäß § 757 Abs. 1 auf dem Titel vermerkte Teilleistungen, da der Vermerk aufgrund nachträglicher Entziehung der Teilleistungen nicht beseitigt werden kann. Auch wenn der Titel versehentlich vor (vollständiger) Befriedigung des Gläubigers ausgehändigt wird, kommt grundsätzlich die Erteilung einer Zweitausfertigung in Betracht.11 Bei Bestreiten des Schuldners (der in diesen Fällen grundsätzlich immer zu hören ist) muss der Gläubiger allerdings beweisen, dass weitere Ansprüche vollstreckt werden können, da bei regelmäßigem Ablauf der Dinge davon auszugehen ist, dass dem Schuldner die vollstreckbare Ausfertigung nicht vor Eintritt der vollständigen Befriedigung ausgehändigt wird.12 Eine vergleichbare Situation ist gegeben, wenn die erste Ausfertigung bei Teilerledigung an den Schuldner einvernehmlich mit dem Ziel herausgegeben wird, die Erteilung einer weiteren Ausfertigung für den Restbetrag zu erreichen.13 Als vollstreckbar gelten dabei (selbstverständlich) nur die titulierten Ansprüche14 einschließlich weiterer Kosten als Restforderung.15 Gesamtgläubigern ist i.d.R. schon aus Gleichbehandlungsgründen jeweils eine vollstreckbare 6 Ausfertigung zu erteilen.16 Dasselbe gilt für die Fälle des § 432 BGB, wo ebenfalls jeder Mitgläubiger eine vollstreckbare Ausfertigung verlangen kann.17 Bei Gesamthandsgläubigern kommt hingegen grundsätzlich nur die Erteilung einer Ausfertigung in Betracht, da hier die Vollstreckung durch einen Gläubiger immer auch den anderen Gläubigern unmittelbar zu Gute kommt.18 Je eine vollstreckbare Ausfertigung ist bei Gläubigermehrheit auch dann zu erteilen, falls jeder einzelne Gläubiger zur Durchsetzung seines Anspruchs ohne Rücksicht auf die übrigen Gläubiger und unabhängig von ihnen befugt ist.19 Im Falle einer Schuldnermehrheit ist nach allgemeiner Ansicht gegen jeden Schuldner eine eigene vollstreckbare Ausfertigung zu erteilen, wenn diese wegen unterschiedlicher Ansprüche oder anteilig verurteilt wurden.20 Ob dies auch bei Gesamtschuldnern der Fall ist, ist umstritten. Entgegen einer verbreiteten Ansicht21 ist hier die Erteilung einer weiteren Ausfertigung nach § 733 erforderlich, sofern der Gläubiger ein Interesse daran hat, gegen die einzelnen Schuldner selbständig durch mehrere Vollstreckungsorgane zu vollstrecken.22 Zwar trifft es zu, dass eine Titu-

9 OLG Hamburg SeuffArch. 53 Nr. 110; Schuler NJW 1957, 1537, 1541. 10 Gaul AcP 173 (1973), 323, 339; Kaehler JR 1972, 451; a.A. OLG Hamburg SeuffArch. 65 Nr. 477. 11 RGZ 110, 117, 118; OLG Rostock OLGR 2001, 485; OLG Stuttgart Rpfleger 1978, 144; OLG Hamm Rpfleger 1979, 431. 12 LG Hechingen DGVZ 1984, 116; LG Zweibrücken DGVZ 1991, 13; LG Dortmund Rpfleger 1994, 308; a.A. MünchKomm/ Wolfsteiner § 733 Rdn. 17, der § 775 Nr. 4 anwenden und den Schuldner auf § 767 verweisen möchte.

13 Vgl. BGH WM 1974, 59. 14 LG Essen DGVZ 1977, 125. 15 A.A. OLG Frankfurt Rpfleger 1978, 104, das den Gläubiger in ein weiteres Kostenfestsetzungsverfahren zwingen will.

16 OLG Köln OLGZ 1991, 72, 74; Musielak/Voit/Lackmann § 733 Rdn. 3; einschränkend Zöller/Seibel § 733 Rdn. 7: Erteilung bei Interesse an selbständiger Vollstreckung.

17 KG NJW-RR 2000, 1409; HK-ZV/Giers/Haas § 733 Rdn. 3; Musielak/Voit/Lackmann § 733 Rdn. 3; vgl. dazu auch OLG Hamm Rpfleger 1992, 258. 18 Musielak/Voit/Lackmann § 733 Rdn. 3. 19 OLG Köln Rpfleger 1990, 82 (Geltendmachung von Eigentumsstörungen durch Miteigentümer). 20 HK-ZV/Giers/Haas § 733 Rdn. 4; Musielak/Voit/Lackmann § 733 Rdn. 4. 21 Musielak/Voit/Lackmann § 733 Rdn. 4; HK-ZV/Giers/Haas § 733 Rdn. 4. 22 LG Leipzig JurBüro 2004, 559; Stein/Jonas/Münzberg § 725 Rdn. 5; Zöller/Seibel § 724 Rdn. 12; Thomas/Putzo/Seiler § 724 Rdn. 11. 87

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lierung auch gegen jeden der Gesamtschuldner einzeln hätte erfolge können.23 Dies ist jedoch gerade nicht geschehen, so dass konsequenter Weise § 733 Anwendung finden muss. Nicht um eine weitere vollstreckbare Ausfertigung i.S.v. § 733 handelt es sich im Falle zu Gunsten oder zu Lasten einer Streitgenossenschaft. Hier kann für oder gegen jeden der Streitgenossen eine selbständige erste Ausfertigung erteilt werden.24 7 Dagegen stellt der Fall der Rechtsnachfolge (§ 727) für sich genommen noch keinen hinreichenden Grund für die Erteilung weiterer vollstreckbarer Ausfertigungen dar. Hier kommt grundsätzlich nur eine „Umschreibung“ oder Rückgabe der ersten Ausfertigung in Betracht.25 Bestreitet der ursprüngliche Gläubiger nachvollziehbar die Rechtsnachfolge, kommt die Erteilung einer weiteren vollstreckbaren Ausfertigung nicht in Betracht.26 Hat es der Zessionar versäumt, sich den Besitz der vollstreckbaren Ausfertigung vom Zedenten zu verschaffen, kann dies keine Schuldnergefährdung rechtfertigen;27 der Zessionar muss dann eben seine Herausgabeansprüche (§ 402 BGB) gegen den Zedenten geltend machen. Etwas anderes gilt aber dann, wenn diese Ansprüche erkennbar ins Leere laufen, weil die vollstreckbare Ausfertigung gar nicht mehr in den Besitz des Zedenten gelangt, z.B. gemäß § 757 Abs. 1 vom Gerichtsvollzieher an den Schuldner unbeschadet des Fortbestehens der Rechte Dritter ausgeliefert werden muss.28 Für Teilabtretungen besteht ein praktikabler Ausweg darin, bei Herstellung neuer Teilausfertigungen für die Rechtsnachfolger einen einschränkenden Vermerk auf der ersten Ausfertigung anzubringen, wodurch die neuen Teilausfertigungen als erste Ausfertigungen angesehen werden können.29

3. Berechtigtes Interesse des Gläubigers/überwiegende Interessen des Schuldners 8 Im Anwendungsbereich des § 733 müssen nicht nur die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen der §§ 724 ff. vorliegen. Es muss vielmehr ein besonderes schutzwürdiges Interesse des Gläubigers an der nochmaligen Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung vorliegen, das mit der Gefährdung des Schuldners abzuwägen ist; es dürfen mithin keine überwiegenden Interessen des Schuldners entgegen stehen.30 Die Einhaltung der Verfahrensregeln der Vorschrift wird also nicht als ohne weiteres ausreichender Schuldnerschutz angesehen. Ein schutzwürdiges Gläubigerinteresse ist regelmäßig anzuerkennen bei Herausgabeverwei9 gerung durch den früheren Prozessbevollmächtigten31 und bei Verlust der vollstreckbaren Ausfertigung.32 Der Gläubiger muss nach zutreffender Ansicht den Verlust nicht dadurch glaubhaft machen, dass er darlegt, wann, wie und wo der Verlust eingetreten ist, da dies oftmals kaum möglich sein wird.33 Ein berechtigtes Interesse ist ferner dann zu bejahen, wenn der Gläubiger an verschiedenen Orten die Zwangsvollstreckung betreiben möchte und verschiedene Vollstre23 24 25 26 27

BeckOK/Ulrici § 733 Rdn. 3.3. MünchKomm/Wolfsteiner § 733 Rdn. 5; BeckOK/Ulrici § 733 Rdn. 3.3. Stein/Jonas/Münzberg § 727 Rdn. 54; a.A. OLG Hamm FamRZ 1991, 965. OLG München FamRZ 2005, 1102, 1103. Anders aber die gerichtliche Praxis: vgl. OLG München Rpfleger 1972, 264; KG Rpfleger 1972, 447; OLG Stuttgart Rpfleger 1980, 304; OLG Stuttgart NJW-RR 1990, 126; LG Koblenz DNotZ 1970, 409; zurückhaltender jedoch OLG Frankfurt NJW-RR 1988, 512. 28 Vgl. § 757 Rdn. 5. 29 KG Rpfleger 1972, 447; Zöller/Seibel § 733 Rdn. 2; jedenfalls im Ergebnis zustimmend OLG Köln Rpfleger 1994, 172; Stein/Jonas/Münzberg § 733 Rdn. 7. 30 BGH DNotZ 1994, 471; OLG Düsseldrf MDR 2013, 427, 428; OLGR Saarbrücken 2007, 837; OLG Jena Rpfleger 2000, 76, 77; MünchKomm/Wolfsteiner § 733 Rdn. 12. 31 OLG Schleswig MDR 2010, 292; LG Hannover Rpfleger 1981, 444; a.A. OLG Stuttgart Rpfleger 1995, 220. 32 OLGR Saarbrücken 2007, 837; OLG Zweibrücken JurBüro 1989, 869; OLG Düsseldorf FamRZ 1994, 1271; vgl. auch LG Köln JurBüro 1969, 1218 zu dem Fall, dass die von der Geschäftsstelle abgesandte Ausfertigung erst gar nicht in den Verfügungsbereich des Gläubigers gelangt ist. 33 Ebenso OLG Düsseldorf FamRZ 1994, 1271, 1272; HK-ZV/Giers/Haas § 733 Rdn. 5; a.A. OLG Celle OLGR 1995, 216. Bittmann

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ckungsorgane zuständig sind.34 Hinsichtlich des schutzwürdigen Interesses trifft den Gläubiger die Behauptungslast. Die maßgeblichen Umstände müssen von ihm mindestens glaubhaft gemacht werden (§ 294).35 Förmliche Beweiserhebung findet zwar im Rahmen des § 733 nicht statt,36 doch können angebotene Beweise des gehörten Schuldners den Gläubiger dazu zwingen, über die Glaubhaftmachung hinaus weitere Beweise anzubieten.37 Zu berücksichtigende Interessen des Schuldners liegen nur dann vor, wenn konkrete Tatsa- 10 chen vorhanden sind, dass die weitere vollstreckbare Ausfertigung als Mittel zu einer rechtsmissbräuchlichen Mehrfachvollstreckung dienen soll.38 Ist der Schuldner umgekehrt mit der Erteilung einer weiteren vollstreckbaren Ausfertigung einverstanden, ist das berechtigte Interesse des Antragstellers zu vermuten.39

III. Verfahren 1. Zuständigkeit Da es sich um die Erteilung vollstreckbarer Ausfertigungen handelt, ist die Zuständigkeit dieselbe 11 wie für erste Ausfertigungen40 mit der Besonderheit, dass der Rechtspfleger gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 13 RPflG auch dann entscheidet, wenn sich seine Zuständigkeit nicht schon aus § 20 Abs. 1 Nr. 12 RPflG (Erteilung sog. qualifizierter Klauseln) ergibt;41 dies gilt über § 797 Abs. 3 und 6 auch bei weiteren Ausfertigungen notarieller Urkunden,42 sowie gemäß § 797a Abs. 1 und Abs. 4 S. 2 bei Gütestellenvergleichen. § 36b Abs. 1 S. 1 Nrn. 3 und 4 RPflG eröffnet den Bundesländern die Möglichkeit, die Aufgabe zur Erteilung einer weiteren Ausfertigung dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu übertragen.43

2. Rechtliches Gehör Der Schuldner darf nach Abs. 1 nur gehört werden, wenn die erste Ausfertigung nicht zurückgege- 12 ben wird. Unter dieser Voraussetzung ist Gehör in all den Fällen geboten, die eine wiederholte Zwangsvollstreckung aus demselben Titel nicht völlig ausgeschlossen erscheinen lassen;44 das rechtliche Gehör kann dann schriftlich oder mündlich gewährt werden. In jedem Fall ist die (formlose) Verständigung des Schuldners nach Abs. 2 vorgeschrieben. Im Rahmen des rechtlichen Gehörs durch den Schuldner vorgebrachte materiell-rechtliche Einwendungen, wie etwa die Erfüllung, sind im Verfahren nach § 733 unbeachtlich; hier ist auf den Rechtsbehelf nach § 767 zurückzugreifen.45

34 KG JAmt 2012, 173; OLG Karlsruhe InVo 2000, 353, 354; OLG Koblenz MDR 1987, 676; Thomas/Putzo/Seiler § 733 Rdn. 5. OLG Düsseldorf MDR 2013, 427, 428; OLGR Saarbrücken 2007, 837, 838; Gottwald/Mock § 733 Rdn. 4 m.w.N. KG JW 1938, 969. Vgl. Stein/Jonas/Münzberg § 733 Rdn. 14. OLG Koblenz NJW-RR 2013, 1019; MünchKomm/Wolfsteiner § 733 Rdn. 14. MünchKomm/Wolfsteiner § 733 Rdn. 15; a.A. Zöller/Seibel § 733 Rdn. 9. Vgl. § 725 Rdn. 16 f. Auch bei Vollstreckungsbescheiden erteilt der Rechtspfleger die weitere Ausfertigung, ohne dass es eines Ausfertigungsvermerks des Urkundsbeamten bedarf: AG Birkenfeld/Nahe DGVZ 1992, 159. 42 Thomas/Putzo/Seiler § 733 Rdn. 2. 43 Vgl. hierzu kritisch HK-ZV/Giers/Haas § 733 Rdn. 8. 44 Vgl. Musielak/Voit/Lackmann § 733 Rdn. 8. 45 OLG Koblenz FamRZ 2010, 1366.

35 36 37 38 39 40 41

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§ 734

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3. Form 13 Die Ausfertigung ist entgegen dem Wortlaut des Abs. 3 nicht nur allgemein als „weitere“, sondern als „zweite“, „dritte“ etc. in Überschrift und Klausel zu bezeichnen.46 Die Beschlussform ist nur in dem Fall erforderlich, dass der Antrag zurückgewiesen wird.47

IV. Sonstiges 1. Rechtsbehelfe 14 Dem Schuldner steht gegen die Erteilung der vollstreckbaren Ausfertigung der Rechtsbehelf der Erinnerung nach § 732 ZPO offen, auch wenn sie vom Richter erteilt wurde.48 Weiterhin kann er sachliche Einwendungen nach §§ 767 f. geltend machen. Die Einziehung zu Unrecht erteilter weiterer Ausfertigungen kann ebenso wenig ausgesprochen werden wie bei unzulässigen ersten Ausfertigungen. Gegebenenfalls sind jedoch Amtshaftungsansprüche erfüllt.49 15 Im Falle der Ablehnung des Antrags steht dem Antragsteller die Beschwerde nach § 11 Abs. 1 RpflG i.V.m. § 567 zur Verfügung. Ferner kann er sich auf die Klage nach § 731 stützen, wenn die Erteilung einer weiteren vollstreckbaren Ausfertigung mit Hinweis auf das Nichtvorliegen der besonderen Klauselerteilungsvoraussetzung nach §§ 726 ff. abgelehnt wird.50

2. Kosten, Gebühren, Streitwert 16 Die Kosten für die Erteilung der weiteren vollstreckbaren Ausfertigung sind solche der Zwangsvollstreckung gemäß § 788 Abs. 1 und grundsätzlich vom Schuldner zu tragen.51 Die Erteilung einer weiteren vollstreckbaren Ausfertigung löst die Gerichtsgebühr nach 17 Nr. 2110 KV-GKG aus. Für den antragstellenden Rechtsanwalt stellt das Verfahren eine besondere Angelegenheit 18 nach § 18 Abs. 1 Nr. 5 RVG dar.52 Dieser erhält eine Gebühr nach Nr. 3404/3309 VV-RVG. Der Streitwert bemisst sich nach dem Wert des vollstreckbaren Anspruchs.53 19

§ 734 Vermerk über Ausfertigungserteilung auf der Urteilsurschrift 1

Vor der Aushändigung einer vollstreckbaren Ausfertigung ist auf der Urschrift des Urteils zu vermerken, für welche Partei und zu welcher Zeit die Ausfertigung erteilt ist. 2Werden die Prozessakten elektronisch geführt, so ist der Vermerk in einem gesonderten elektronischen Dokument festzuhalten. 3Das Dokument ist mit dem Urteil untrennbar zu verbinden.

46 Thomas/Putzo/Seiler § 733 Rdn. 7. 47 HK-ZV/Giers/Haas § 733 Rdn. 9; a.A. Musielak/Voit/Lackmann § 733 Rdn. 9. 48 OLG Karlsruhe Rpfleger 2013, 535; KG, Beschluss vom 16.3.2011 – 17 WF 32/11, juris; a.A. OLG Hamm NJW-RR 1990, 1277.

49 Vgl. RG SeuffArch. 88 Nr. 28. 50 BeckOK/Ulrici § 733 Rdn. 11/Zöller/Seibel § 733 Rdn. 14; a.A. Thomas/Putzo/Seiler § 733 Rdn. 8. 51 Anders aber, wenn der Verlust der ersten Ausfertigung in die Risikosphäre des Gläubigers fällt: OLG Karlsruhe FamRZ 2005, 49, 50; OLG München JurBüro 1992, 431 und Hansens JurBüro 1985, 1121 ff.

52 Vgl. HK-ZV/Giers/Haas § 733 Rdn. 14. 53 OLG Düsseldorf MDR 2013, 427; HK-ZV/Giers/Haas § 733 Rdn. 9 m.w.N. Bittmann https://doi.org/10.1515/9783110443158-011

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Abschnitt 1. Allgemeine Vorschriften

Vor §§ 735–749

Die Vorschrift dient wie § 733 dem Schutz des Schuldners vor einer mehrfachen Vollstre- 1 ckung; er soll jederzeit bei Gericht erfragen können, wie viele vollstreckbare Ausfertigungen im Umlauf sind, die mit Abschluss der Vollstreckung vom Gläubiger zurückzufordern sind. Sie gilt über § 795 auch für alle anderen Titel. Der Vermerk ersetzt jedoch nicht die Vorlage der vollstreckbaren Ausfertigung beim zuständigen Vollstreckungsorgan vor Beginn der Zwangsvollstreckung.1 Im Falle von Teilklauseln und bei Schuldnermehrheit ist auch zu vermerken, für welchen 2 Teil bzw. gegen welche Partei erteilt ist. Wird die vollstreckbare Ausfertigung gemäß § 724 Abs. 2 von der Geschäftsstelle der höheren Instanz erteilt, kommt der Vermerk auf die dem Untergericht nach § 541 Abs. 2 bzw. § 565 zu übersendende Urteilsabschrift, die dann auch bei der Geschäftsstelle der unteren Instanz als Urschrift zu behandeln ist. Der Vermerk nach § 734 ist auf die Urschrift des Urteils zu setzen;2 bei elektronisch geführ- 3 ten Akten ist das Anlegen eines gesonderten Dokuments erforderlich, das dann mit dem Urteilsdokument untrennbar zu verbinden ist (Sätze 2 und 3). Hier ist § 298a zu beachten.3

Vorbemerkungen zu §§ 735–749 Schrifttum Geib Die Zwangsvollstreckung ins eingebrachte Gut, insbesondere nach § 741 ZPO, AcP 94 (1903), 334; Hoffmann Muß das Zwangsvollstreckungsorgan in den Fällen der §§ 736 ff. ZPO ausnahmsweise prüfen, ob das Vollstreckungsobjekt zum Schuldnervermögen gehört? DGVZ 1973, 97; Jänsch Prozessuale Auswirkungen der Übertragung der Mitgliedschaft, 1996; Lent Das Urteil auf Duldung der Zwangsvollstreckung, ZZP 70 (1957), 401.

Übersicht I.

Zweck und Einteilung der Vorschriften

1

II.

Rechtszuständigkeit mehrerer am Vollstreckungs3 objekt

III.

Nutzungs- und Verwaltungsrechte Dritter am Voll6 streckungsobjekt

IV.

Rechtsbehelfe

8

I. Zweck und Einteilung der Vorschriften Ausgehend von dem in § 750 Abs. 1 S. 1 niedergelegten Grundsatz, dass die Zwangsvollstreckung 1 nur gegen den stattfinden darf, der in Titel oder – falls davon abweichend1 – Klausel als Vollstreckungsschuldner bezeichnet ist, enthalten die §§ 735–749 Vorschriften darüber, gegen wen Titel erforderlich sind, um in ein Vermögen zu vollstrecken, das der Rechtszuständigkeit mehrerer oder Nutzungs- und Verwaltungsrechten Dritter unterliegt. Zur zuerst genannten Gruppe (Rechtszuständigkeit mehrerer) gehören die §§ 735, 736 und 740, zur zuletzt genannten (Nutzungsoder Verwaltungsrechte Dritter) die §§ 737 und 748. Ergänzend regeln die §§ 738, 742, 744, 745 Abs. 2 und 749 (vgl. die Aufzählung in § 750 Abs. 2) unter welchen Voraussetzungen sich der Gläu-

1 2 3 1

OLG Köln NJW-RR 2000, 1580. Musielak/Voit/Lackmann § 734 Rdn. 2. Schmieder/Ulrich NJW 2015, 3452; BeckOK/Ulrici § 734 Rdn. 1. Vgl. § 750 Rdn. 5.

91 https://doi.org/10.1515/9783110443158-012

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Vor §§ 735–749

Achtes Buch – Zwangsvollstreckung

biger die demnach gegen bestimmte Personen erforderlichen Titel im Klauselverfahren verschaffen kann.2 2 Nicht in den Zusammenhang der §§ 735–749 passt § 739, da dort das Problem des Alleinoder Mitgewahrsams des anderen Ehegatten bei Vollstreckung gegen den einen Ehegatten geregelt ist, also eine Frage, die systematisch zu den §§ 808 f., 883, 886 gehört.

II. Rechtszuständigkeit mehrerer am Vollstreckungsobjekt 3 Die §§ 735–749 decken mit ihren Regelungen betreffend Gesellschaft bürgerlichen Rechts einschließlich nicht rechtsfähiger Verein (§§ 735, 736), Gütergemeinschaft (§§ 740 ff.) und Erbengemeinschaft (§ 747) alle drei Gesamthandsgemeinschaften des BGB3 sowie kraft Verweises in § 744a auch die Eigentums- und Vermögensgemeinschaft nach §§ 13–16 DDR-FGB ab. Für Bruchteilsgemeinschaften i.S. der §§ 741 ff. BGB, insbesondere Miteigentumsgemeinschaften, verbleibt es bei der Grundregel des § 750 Abs. 1 S. 1, also der Erforderlichkeit eines Titels gegen alle Gemeinschafter zur Vollstreckung in den Gegenstand selbst, da Titel gegen einzelne Gemeinschafter nur zur Vollstreckung in deren Anteil nach § 857 berechtigen.4 Eine der Behandlung der Bruchteilsgemeinschaften entsprechende, im Ergebnis den Grund4 satz des § 750 Abs. 1 S. 1 klarstellende Regelung enthalten die §§ 736 und 747 für die BGB-Gesellschaft und die Erbengemeinschaft, indem sie einen Titel gegen sämtliche Gesellschafter bzw. Erben für erforderlich erklären. Damit wird jeder Beteiligte Vollstreckungsschuldner, gegen den Vollstreckungsmaßnahmen gerichtet werden können. Diese Streitgenossenschaft in der Zwangsvollstreckung bedeutet aber keineswegs, dass ein auf einem einheitlichen Verfahren beruhender Titel gegen alle Beteiligten vorliegen müsste; vielmehr können die Titel in verschiedenen Prozessen und/oder unterschiedlichen Titelerzeugungsverfahren (z.B. durch Urteil, gerichtlichen Vergleich, vollstreckbare Urkunde etc.) erwirkt werden.5 Fehlt der Titel gegen einen Beteiligten, liegt ein mit Widerspruch (§ 771) angreifbarer Übergriff in die von den einzelnen Gesellschaftern bzw. Erben abgesonderte Vermögensmasse der Gesamthand vor.6 Dieses Widerspruchsrecht einzelner Beteiligter kommt andererseits beim nicht rechtsfähigen Verein schon deshalb nicht in Betracht, weil diesem durch § 735 in der Zwangsvollstreckung passive Parteifähigkeit und damit notwendig auch Rechtszuständigkeit für das gesamthänderisch gebundene Vereinsvermögen verliehen ist.7 Es liegt daher eine Erstreckung der Vollstreckbarkeit des gegen den nicht rechtsfähigen Verein ergangenen Titels gegen die einzelnen Vereinsmitglieder ebenso wenig vor wie im Falle der Mitglieder eines rechtsfähigen Vereins oder der Gesellschafter einer rechtsfähigen Handelsgesellschaft bei Titeln gegen die Körperschaft,8 sodass andererseits auch ihr Gewahrsam als Drittgewahrsam gemäß §§ 809, 766 geschützt ist.9 Eine nach den jeweiligen Verhältnissen differenzierende Lösung sehen die §§ 740 ff. für die 5 Gütergemeinschaft vor. Zunächst verlangt § 740 Abs. 2 – entsprechend der Grundregel des § 750 Abs. 1 S. 1 – einen Titel gegen beide Ehegatten bei gemeinschaftlicher Verwaltung des Gesamtguts; ebenso § 743 bei beendeter, aber noch nicht auseinander gesetzter Gütergemeinschaft. Hier kann gegen den Übergriff in das Gesamtgut aufgrund eines Titels nur gegen einen Ehegatten von beiden 2 In den §§ 742 und 749 ist darüber hinaus auch die umgekehrte Situation, unter welchen Voraussetzungen für die Gütergemeinschaft bzw. den Testamentsvollstrecker eine Umschreibung erfolgen kann, geregelt.

3 Vgl. zu den Gesamthandsgemeinschaften des HGB § 736 Rdn. 19 ff. 4 Vgl. MünchKomm/Smid § 857 Rdn. 15. 5 Dieser Grundsatz gilt generell, wenn im Regelungszusammenhang der §§ 735–749 Leistungs- oder Duldungstitel gegen mehrere Beteiligte für erforderlich erklärt werden. 6 Vgl. § 736 Rdn. 7. 7 Vgl. § 735 Rdn. 6. 8 Zöller/Seibel § 735 Rdn. 1; a.A. Stein/Jonas/Münzberg Vor § 735 Rdn. 2. 9 § 735 Rdn. 6. Bittmann

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Abschnitt 1. Allgemeine Vorschriften

Vor §§ 735–749

Erinnerung (§ 766) eingelegt werden, bzw. der Ehegatte, gegen den der Titel fehlt, hat die Klage aus § 771.10 Bei Alleinverwaltung des Gesamtguts durch einen Ehegatten (§ 740 Abs. 1), bei selbständig betriebenem Erwerbsgeschäft eines Ehegatten ohne Rücksicht auf die (Mit-)Verwaltung des anderen Ehegatten (§ 741) sowie bei fortgesetzter Gütergemeinschaft (§ 745 Abs. 1) genügt jedoch zur Zwangsvollstreckung in das gesamthänderisch gebundene Gesamtgut der Titel gegen den betreffenden bzw. überlebenden Ehegatten. Das bedeutet, dass als Ausnahme zur Grundregel des § 750 Abs. 1 S. 1 hier der Titel gegen einen Beteiligten auch gegen im Titel nicht genannte Dritte vollstreckbar ist. Der im Titel nicht berücksichtigte Ehegatte bzw. die anteilsberechtigten Abkömmlingen des verstorbenen Ehegatten müssen die Vollstreckung in das auch ihnen zustehende Gesamthandsvermögen dulden und können ihr daher nicht oder nur eingeschränkt (vgl. §§ 741, 774) widersprechen. Da sich die Vollstreckbarkeit des Titels auf die im Titel nicht berücksichtigten Beteiligten erstreckt, können diese auch nicht als Dritte i.S. der §§ 809, 886 angesehen werden, sodass der Gewahrsam des anderen Ehegatten bzw. der anteilsberechtigten Abkömmlinge kein Vollstreckungshindernis darstellt; eines Rückgriffs auf § 739 bedarf es insoweit nicht (vgl. § 70 Abs. 4 GVGA).11

III. Nutzungs- und Verwaltungsrechte Dritter am Vollstreckungsobjekt Zu dieser Fallgruppe gehören die Regelungen über den Vermögens- bzw. Erbschaftsnießbrauch 6 (§§ 737 f.) und über die Testamentsvollstreckung (§§ 748 f.). Damit sind bei weitem nicht alle denkbaren Nutzungs- oder Verwaltungsrechte Dritter abgedeckt. Insofern als eine besondere Regelung in den §§ 735–749 unterblieben ist, verbleibt es bei den allgemeinen Regeln. Das bedeutet, dass sonstige dingliche Nutzungsrechte Dritter (Beispiel: Nießbrauch an einzelnen beweglichen Sachen)12 grundsätzlich zum Widerspruch (§ 771) gegen die Zwangsvollstreckung berechtigen, während andere Verwaltungsrechte Dritter grundsätzlich ohne Bedeutung für die Zwangsvollstreckung sind, es sei denn, es handelt sich ebenso wie beim Testamentsvollstrecker um Rechte von Parteien kraft Amtes, wie z.B. solche des Insolvenzverwalters.13 Im Übrigen ist die Regelung der Nutzungsrechte Vermögens- und Erbschaftsnießbrauch einer- 7 seits und des Verwaltungsrechts Testamentsvollstreckung andererseits durchaus unterschiedlich ausgefallen. Während § 737 einen Duldungstitel gegen den Nießbraucher in jedem Fall zur Vollstreckungsvoraussetzung macht, enthält § 748 in seinem Abs. 2 nur für den Fall beschränkter Verwaltung eine vergleichbare Regelung (Leistungstitel gegen Erbe, Duldungstitel gegen Verwalter) und lässt in Abs. 1 im Regelfall der unbeschränkten Verwaltung einen Titel gegen den Testamentsvollstrecker genügen. § 748 Abs. 1 ermöglicht somit aufgrund eines die Rechtszuständigkeit des Erben nicht berücksichtigenden Titels die Zwangsvollstreckung in das ihm zustehende Vermögen; es liegt daher insoweit ein Fall der Erstreckung der Vollstreckbarkeit des Titels gegen Dritte vor. Dem Erben ist folgerichtig in den Fällen des § 748 Abs. 1 bei Vorliegen eines Titels gegen den Testamentsvollstrecker nicht nur das Widerspruchsrecht (§ 771) genommen, sondern auch der Schutz seines Gewahrsams als Drittgewahrsam i.S. der §§ 809, 886 nach § 766.14

IV. Rechtsbehelfe Soweit die §§ 735–749 nicht ausnahmsweise eine Vollstreckung ohne Berücksichtigung der Rechte 8 Dritter am Vermögen im Titel zulassen (vgl. §§ 740 Abs. 1, 741, 745 Abs. 1, 748 Abs. 1), stellt die Voll10 11 12 13 14 93

§ 740 Rdn. 15. KG OLGRspr. 5, 329 und 25, 197; a.A. Stein/Jonas/Münzberg Vor § 735 Rdn. 3 f. m.w.N. Vgl. §§ 737, 738 Rdn. 1. Vgl. § 727 Rdn. 36. § 748 Rdn. 13; a.A. Stein/Jonas/Münzberg Vor § 735 Rdn. 3 f. Bittmann

§ 735

Achtes Buch – Zwangsvollstreckung

streckung in das betroffene Vermögen regelmäßig einen mit Widerspruch (§ 771) angreifbaren Übergriff in ihre Rechte dar, bis die erforderlichen Titel gegen alle Beteiligten vorliegen. Dies gilt unabhängig davon, ob Leistungs- oder Duldungstitel erforderlich oder genügend sind. Insbesondere kann auch der Duldungstitel nicht durch formlose Zustimmung der Beteiligten zur Zwangsvollstreckung ersetzt werden. Grundsätzlich ist er auch nicht nach Art eines argumentum a fortiori ad minus durch einen Leistungstitel ersetzbar.15 Im Hinblick darauf, dass etwa erforderliche Titel nicht in einem einheitlichen Verfahren ergehen müssen (s.o. Rdn. 4), können fehlende Titel jedoch nachträglich besorgt werden, wodurch sich eine bereits erhobenen Widerspruchsklage mangels Aktivlegitimation des Klägers regelmäßig erledigen wird.16 Das Vorliegen der in den §§ 735–749 geforderten Titel stellt zugleich eine vom Vollstre9 ckungsorgan von Amts wegen zu prüfende formelle Zulässigkeitsvoraussetzung der Zwangsvollstreckung dar,17 sofern die Rüge des fehlenden Titels gegen einen Beteiligten nicht als materiellrechtliche Einwendung notwendig der Klage aus § 771 vorbehalten ist.18 Das Fehlen notwendiger Titel stellt daher grundsätzlich einen mit Erinnerung (§ 766) zu rügenden formellen Vollstreckungsfehler dar. Die Erinnerungsbefugnis steht jedenfalls dem Schuldner bzw. dem Leistungsverpflichteten zu, da niemand eine gegen sich gerichtete fehlerhafte Vollstreckung hinnehmen muss.19 Erinnerung kann aber auch der betroffene Dritte einlegen, da durch die jeweils einschlägige Vorschrift der §§ 735–749, die einen Titel gegen ihn fordert, das Vorliegen rechtlich geschützter Interessen nachgewiesen ist. Wird der fehlende Titel nachträglich beschafft, tritt jedoch Heilung des anfechtbaren Vollstreckungsakts ein, sodass eine bereits eingelegte Erinnerung unbegründet wird.20

§ 735 Zwangsvollstreckung gegen nicht rechtsfähigen Verein Zur Zwangsvollstreckung in das Vermögen eines nicht rechtsfähigen Vereins genügt ein gegen den Verein ergangenes Urteil. § 54 GVGA Zwangsvollstreckung in das Vermögen eines nicht rechtsfähigen Vereins (§§ 735, 736, 50 Abs. 2 ZPO) (1) Zur Zwangsvollstreckung in das Vermögen eines nicht rechtsfähigen Vereins genügt ein Schuldtitel gegen den Verein, vertreten durch den Vorstand. Aus einem solchen Schuldtitel findet jedoch die Zwangsvollstreckung in das in Gewahrsam der Vereinsmitglieder befindliche Vereinsvermögen nur statt, soweit sie den Gewahrsam als Organ des Vereins haben. (2) Hat der Gläubiger wegen einer Vereinsschuld einen Schuldtitel gegen alle Vereinsmitglieder erwirkt, so erfolgt die Zwangsvollstreckung nach den Bestimmungen über die Vollstreckung gegen die Gesellschaft bürgerlichen Rechts (§ 55).

Schrifttum Jänsch Prozessuale Auswirkungen der Übertragung der Mitgliedschaft, 1996; Jung Zur Partei- und Grundbuchunfähigkeit nicht rechtsfähiger Vereine, NJW 1986, 157; Schmidt Die Partei- und Grundbuchunfähigkeit nicht rechtsfähiger Vereine, NJW 1984, 2249.

15 16 17 18 19

§§ 737, 738 Rdn. 5. Vgl. z.B. § 736 Rdn. 9. A.A. Hoffmann DGVZ 1973, 97. Vgl. z.B. zur Frage des Gesellschafterbestands einer GbR bei Vollstreckungsbeginn § 736 Rdn. 5. § 766 Rdn. 33; a.A. Stein/Jonas/Münzberg Vor § 735 Rdn. 12 für die Rüge des fehlenden Duldungstitels m.w.N.; wie hier jedoch OLG München HRR 40 Nr. 560; Thomas/Putzo/Seiler § 748 Rdn. 5 (Erinnerung des Erben bei fehlendem Titel gegen den Testamentsvollstrecker) und Geib AcP 94 (1903), 334, 359 ff. 20 Vgl. zur Frage des Rangs des zunächst fehlerhaften und nachträglich geheilten Vollstreckungsakts gegenüber konkurrierenden Gläubigern § 878 Rdn. 31. Bittmann https://doi.org/10.1515/9783110443158-013

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§ 735

Abschnitt 1. Allgemeine Vorschriften

Übersicht I.

Normzweck

1

II. 1. 2.

Vollstreckung aus Titel gegen den Verein 4 Anwendungsbereich 7 Einzelheiten der Vollstreckung

III.

Vollstreckung aus Titel gegen die Vereinsmitglie9 der

IV.

Vollstreckung aus Titel gegen Handelnde

11

I. Normzweck Die Vorschrift zieht die Konsequenz aus der dem nicht rechtsfähigen Verein durch § 50 Abs. 2 1 verliehenen aktiven und passiven Parteifähigkeit, um dem Gläubiger aufgrund eines gegen den Verein als solchen erwirkten Titels den Zugriff auf das Vereinsvermögen zu ermöglichen. Von Bedeutung war die Norm des § 735 in deutlich erhöhtem Maße vor der einschneidenden Entscheidung des BGH, mit welcher er der (Außen-)Gesellschaft bürgerlichen Rechts die Rechts- und Parteifähigkeit zuerkannt hat.1 Da § 54 S. 1 BGB für den nicht rechtsfähigen Verein ergänzend auf die Vorschriften über die Gesellschaft bürgerlichen Rechts verweist, ist es nur konsequent, nun auch dem nicht rechtsfähigen Verein denselben Status zuzubilligen.2 Denkt man diese Ansicht konsequent zu Ende, bedarf es § 735 an sich überhaupt nicht, da ein Titel gegen den Verein auch einen Zugriff auf das Vereinsvermögen im Wege der Zwangsvollstreckung ermöglicht.3 § 735 entfaltet seinen vollen Sinn und Zweck hingegen, wenn man mit der früher wohl vor- 2 herrschenden Ansicht die Rechtsfähigkeit des nicht rechtsfähigen Vereins verneint.4 Das Vereinsvermögen steht dann nicht dem Verein selbst, sondern im Hinblick auf den im Außenverhältnis weitgehend zwingenden Charakter des § 54 S. 1 BGB den Mitgliedern zur gesamten Hand als dem Vereinszweck gewidmetes Sondervermögen zu.5 Dieses gemeinsame Vermögen der Gesamthand ist dann i.d.R. (zu den Ausnahmen s.u. Rdn. 9 ff.) das einzige Haftungsobjekt für die Vereinsgläubiger, weil beim nicht rechtsfähigen Verein entgegen §§ 54 S. 1, 714, 427, 421 BGB lediglich eine Haftung der Mitglieder mit dem Vereinsvermögen, nicht aber persönlich mit ihrem Privatvermögen besteht; eine Klage gegen einzelne Mitglieder mit dem Ziel des Haftungszugriffs auf ihr Privatvermögen (sogenannte Gesamtschuldklage) ist daher nicht gegeben.6 Die Vereinsgläubiger sind somit auf die Gesamthandsschuldklage gegen die Vereinsmitglieder verwiesen, um deren Haftung mit dem gesamthänderisch gebundenen Vereinsvermögen für die Vereinsschulden als „gemeinschaftliche Schulden“ i.S. der §§ 54 S. 1, 733 Abs. 1 S. 1, 734, 735, 738 Abs. 1 S. 2 und 3, 739 BGB zu verwirklichen. Aufgrund der Verweisung des § 54 BGB auf das Gesellschaftsrecht müssten Vereinsgläubiger zur Durchsetzung von Ansprüchen gegen den Verein daher an sich einen Titel gegen sämtliche Mitglieder erwirken, was zumindest bei Vereinen mit größerem Mitgliederbestand praktisch unmöglich wäre.7 Als rechtstechnisches Mittel zur Erleichterung der Rechtsverfolgung ermöglichen es §§ 50 Abs. 2, 735 dann, die jeweiligen Mitglieder unter dem Sammelnamen des nicht rechtsfähigen Vereins als Vollstreckungsschuldner (ebenso wie als Beklagte im Prozess) zusammenzufassen.8

1 BGHZ 146, 341 = NJW 2001, 1056. 2 BGH NJW 2008, 69, 74; Grüneberg/Ellenberger § 54 Rdn. 7. 3 So auch BeckOK/Ulrici § 735 Rdn. 2; keinen Einfluss der Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung sieht hingegen MünchKomm/Heßler § 735 Rdn. 1. 4 Vgl. nur BeckOK-BGB/Schöpflin § 54 Rdn. 20 m.w.N. 5 Vgl. für alle BGHZ 50, 325, 329 = NJW 1968, 1830. 6 So schon RGZ 63, 62, 65; 74, 371, 374; 90, 173, 176; 143, 212, 216. 7 Vgl. zu diesem Aspekt bei der Entstehungsgeschichte der §§ 50 Abs. 2 und 735 Jung NJW 1986, 157, 159. 8 Vgl. Stein/Jonas/Münzberg § 735 Rdn. 3. 95

Bittmann

§ 735

3

Achtes Buch – Zwangsvollstreckung

Mit Wirkung zum 1.1.2024 wird die Vorschrift aufgehoben durch das Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts vom 10.8.2021 (MoPeG).9 Hintergrund ist die Anerkennung der Rechtsfähigkeit des nicht rechtsfähigen Vereins in § 54 Abs. 1 Satz 1 BGB n.F. und die Aufhebung von § 50 Abs. 2 ZPO durch dasselbe Gesetz. Als Konsequenz hieraus bedarf es für eine Zwangsvollstreckung in das Vermögen des Vereins eines Titels gegen den Verein selbst. Die Regelung des § 735 wird dementsprechend obsolet.10

II. Vollstreckung aus Titel gegen den Verein 1. Anwendungsbereich 4 Die Vorschrift betrifft nur die Stellung des nicht rechtsfähigen Idealvereins als Vollstreckungsschuldner. Die Unterscheidung zwischen Ideal- und Wirtschaftsverein (§§ 21, 22 BGB) ist auch bei nicht rechtsfähigen Vereinen zu beachten. Im Falle des Betriebs eines Handelsgewerbes nach § 1 HGB im Einvernehmen aller Mitglieder wird der Verein mit Geschäftsbeginn gemäß § 123 Abs. 2 HGB zwingend als OHG behandelt;11 seine prozessrechtliche Stellung richtet sich dann nach § 124 HGB, dessen Abs. 2 § 735 verdrängt. Bei Aufnahme eines kleingewerblichen Betriebs i.S.v. § 2 HGB greift dagegen das Recht der Gesellschaft bürgerlichen Rechts ein,12 sodass insoweit § 736 für die Stellung des Vereins als Vollstreckungsschuldner anwendbar wird. Diese Unterscheidung ist auch maßgeblich für die Behandlung der „Vorgründungsgesellschaft“ einer juristischen Person, die bereits vor Abschluss des Gesellschaftsvertrages Aktivitäten entfaltet.13 Dagegen ist § 735 (ebenso wie § 50 Abs. 2) auf Vorgesellschaften als Vorform juristischer Personen unabhängig von der Einordnung ihrer Tätigkeit analog anwendbar.14 5 Entgegen dem zu eng gefassten Wortlaut gilt § 735 auch für die Zwangsvollstreckung nach §§ 883 ff., jedoch können im Hinblick auf die körperschaftliche Verfassung des Vereins Vollstreckungsmaßnahmen nur gegen die Vereinsorgane gerichtet werden.15 Nach Auflösung des Vereins findet eine Zwangsvollstreckung wegen Handlungen oder Unterlassungen daher nur statt, solange noch Vereinsorgane bestehen.16 I.Ü. findet nach Vereinsauflösung die Zwangsvollstreckung gemäß § 735 nur statt, wenn noch Vereinsvermögen vorhanden ist, also in der Regel bis zur Vollbeendigung der Liquidation.17 Später, d.h. nach Verteilung des Vereinsvermögens, ist ein neuer Titel gegen alle ehemaligen Mitglieder erforderlich, um dann in das Privatvermögen zu vollstrecken, wenn sich nicht die Beschränkung der Haftung auf das Vereinsvermögen aus dem Titel ergibt (s.u. Rdn. 10).18 Der alte Titel ist ausreichend, wenn ausnahmsweise eine Titelumschreibung wegen Rechtsnachfolge (§ 727) oder Vermögensübernahme (§ 729) in Betracht kommt. Anders verhält es sich jedoch dann, wenn der Verein durch Eintragung Rechtsfähigkeit erlangt; in diesem wie auch im umgekehrten Fall der Registerlöschung eines tatsächlich fortbestehenden Vereins liegt keine Rechtsnachfolge, sondern Personenidentität vor, so dass sich sogar eine Titelumschreibung erübrigt.19 6 Die Zwangsvollstreckung in das Privatvermögen der Mitglieder (einschließlich der Organe) findet aufgrund eines Titels nach § 735 nicht statt. Dies gilt auch dann, wenn ein nicht zum Ver-

9 BGBl. I S. 3436. 10 Vgl. BT-Drs. 19/27635, 202. 11 BGHZ 22, 240, 244. 12 Vgl. nur K. Schmidt Gesellschaftsrecht § 25 III 2b. 13 Vgl. BGH GmbHR 1985, 115; OLG Oldenburg BB 1953, 713; Noack DGVZ 1974, 6. 14 BayObLGZ 1987, 448 m.w.N. (Vor-GmbH); OLG Hamm WM 1985, 658; Stein/Jonas/Münzberg § 735 Rdn. 6 m.w.N. 15 H.M. seit KG OLGRspr. 25, 19. 16 Anders/Gehle/Gehle § 735 Rdn. 4. 17 BGH NJW 1979, 1592; KG OLGRspr. 25, 19; BeckOK/Ulrici § 735 Rdn. 3. 18 Musielak/Voit/Lackmann § 735 Rdn. 1; MünchKomm/Heßler § 735 Rdn. 17. 19 Ganz h.M.: vgl. nur Stein/Jonas/Münzberg § 735 Rdn. 5. Bittmann

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Abschnitt 1. Allgemeine Vorschriften

§ 735

einsvermögen gehörender Gegenstand zufällig allen Mitgliedern gemeinsam zusteht, weil ein derartiger Gegenstand nicht zu dem von § 735 betroffenen Gesamthandsvermögen der Vereinsmitglieder gehört.20

2. Einzelheiten der Vollstreckung Die Zwangsvollstreckung erfolgt nicht nur aus Urteilen, sondern auch aus anderen Titeln nach 7 §§ 794, 795. Gegenstand der Zwangsvollstreckung ist das gesamte Vereinsvermögen. Hierzu zählen neben körperlichen Gegenständen insbesondere Forderungen des Vereins, z.B. Mitgliedsbeiträge, die nach den allgemeinen Vorschriften pfändbar sind.21 Als Folge der körperschaftlichen Verbandsstruktur wird der Verein auch in der Zwangsvollstreckung von den Vereinsorganen vertreten. Das bedeutet für die Vollstreckung in körperliche Sachen, dass es iS des § 808 auf den Gewahrsam des Vorstands (bzw. der Liquidatoren nach Vereinsauflösung) ankommt.22 Pfändungsvoraussetzung ist demnach Gewahrsam des Organs. Der Gerichtsvollzieher darf aber nur solche Sachen pfänden, die das Vereinsorgan als solches in Gewahrsam hat (§ 54 Abs. 1 S. 2 GVGA). Wird dennoch beim Vereinsorgan nicht dem Verein, sondern ihm selbst gehörendes Vermögen gepfändet, kann es sich nur nach § 771 dagegen zur Wehr setzen. Da die §§ 50 Abs. 2, 735 Ausdruck der Verleihung passiver Parteifähigkeit sind, werden andererseits die Mitglieder nicht als Vollstreckungsschuldner angesehen mit der Folge, dass ihr Drittgewahrsam nach den §§ 809, 766 geschützt ist;23 der Gläubiger muss dann insoweit den Herausgabeanspruch des Vereins gegen das Mitglied pfänden lassen.24 Da andererseits aber passive Parteifähigkeit des Vereins auch seine ausschließliche Rechtszuständigkeit für das gesamthänderisch gebundene Vereinsvermögen in der Zwangsvollstreckung bedeutet, ist den Mitgliedern Widerspruchsklage (§ 771) zum Schutze ihres Gesamthandsanteils am Vereinsvermögen verwehrt.25 Umstritten ist die Grundbuchfähigkeit des nicht rechtsfähigen Vereins.26 Nach Anerkennung 8 der Grundbuchfähigkeit der GbR durch den BGH27 muss dies auf den nicht rechtsfähigen Verein durchschlagen.28 Damit kann auch der nicht rechtsfähige Verein Grundeigentum erwerben; es gilt aber wegen § 54 S. 1 BGB die Einschränkung des § 47 Abs. 2 S. 1 GBO zu beachten.29

III. Vollstreckung aus Titel gegen die Vereinsmitglieder Dem Vereinsgläubiger steht es offen, statt von der Rechtsverfolgungserleichterung der §§ 50 Abs. 2, 9 735 Gebrauch zu machen, alle Vereinsmitglieder namentlich zu verklagen. Beide Wege stehen ihm wahlweise oder kumulativ zur Verfügung. Falls der Gläubiger einen Titel gegen die Vereinsmitglieder erwirkt, erfolgt die Vollstreckung nach Maßgabe des § 736 (§ 54 Abs. 2 GVGA). Das gilt auch bei einem Aktivprozess der Vereinsmitglieder für ihre Verurteilung zu den Prozesskosten.30 Eine 20 21 22 23

HK-ZV/Giers/Haas § 735 Rdn. 7; Stein/Jonas/Münzberg § 735 Rdn. 2 (Fn. 15). RGZ 76, 278; MünchKomm/Heßler § 735 Rdn. 10. Ganz h.M.: vgl. für alle Zöller/Seibel § 735 Rdn. 1. § 54 Abs. 1 S. 2 GVGA; a.A. Beitzke ZZP 68 (1955) 258; anders jedoch, wenn ein Mitglied als Besitzdiener eines Organs anzusehen ist: Brüggemann DGVZ 1961, 33. 24 MünchKomm/Heßler § 735 Rdn. 11. 25 Stein/Jonas/Münzberg § 735 Rdn. 2 (das „Miteigentum“ der Vorstandsmitglieder berechtigt nicht zum Widerspruch nach § 771); HK-ZV/Giers/Haas § 735 Rdn. 6; Musielak/Voit/Lackmann § 735 Rdn. 3. 26 Offen gelassen von BGH NZG 2016, 666. 27 BGH NZG 2009, 137, 138. 28 Vgl.Grüneberg/Ellenberger § 54 Rdn. 8; BeckOK-BGB/Schöpflin § 54 Rdn. 28 ff.; MünchKomm-BGB/Leuschner § 54 Rdn. 22 ff. 29 BGH NZG 2016, 666. 30 Stein/Jonas/Münzberg § 735 Rdn. 1. 97

Bittmann

§ 736

Achtes Buch – Zwangsvollstreckung

Vollstreckung in das Vereinsvermögen ist allerdings nur möglich, wenn ein Titel gegen sämtliche Vereinsmitglieder vorliegt. Da in diesem Fall jedes Vereinsmitglied Vollstreckungsschuldner ist, wird im Gegensatz zur Vollstreckung aus einem Titel nach § 735 der Gewahrsam der Mitglieder nicht als Drittgewahrsam gemäß § 809 geschützt, es kann also bei allen Mitgliedern, nicht nur bei den Organen vollstreckt werden.31 10 Als weitere Folge der Anwendbarkeit des § 736 ermöglichen Titel gegen sämtliche Vereinsmitglieder grundsätzlich auch die Vollstreckung in das Privatvermögen der einzelnen Mitglieder. Da eine derartige Vollstreckung mit der materiellrechtlichen Haftungsbeschränkung auf das Vereinsvermögen unvereinbar ist, stellt sich die Frage, wie diese Beschränkung auch in der Zwangsvollstreckung durchzusetzen ist. Unstreitig dürfte dabei zunächst sein, dass diese Haftungsbeschränkung auf eine bestimmte Vermögensmasse ein Anwendungsfall der Vollstreckungsabwehrklage ist. Eine Ansicht32 geht von einer Anwendbarkeit des § 767 mit der Folge aus, dass über den Einwand der Haftungsbeschränkung bereits im Urteil entschieden werden müsste. Wie eine derartige Entscheidung aussehen soll (Verurteilung zur Duldung der Zwangsvollstreckung in das Vereinsvermögen oder einschränkende Verurteilung zur Leistung oder Klarstellung der Haftungsbeschränkung in den Gründen?) bleibt jedoch unklar. Vorzugswürdig ist die von einem Teil des Schrifttums33 befürwortete analoge Anwendung der §§ 786, 780, wonach durch einen Vorbehalt entsprechend § 786 die Entscheidung über die Haftungsbeschränkung aufgeschoben werden kann (Beispiel für die Urteilsformel: „Die Beschränkung der Haftung der Vereinsmitglieder auf das Vereinsvermögen bleibt vorbehalten.“). Denn aus Gründen der Prozessökonomie ist es nicht sinnvoll, über die zum Teil schwierigen faktischen und rechtlichen Probleme der Haftungsbeschränkung zu entscheiden, wenn nach Sachlage (z.B. dann, wenn ausreichendes Vereinsvermögen vorhanden ist) mit Vollstreckungsversuchen in das Privatvermögen der Vereinsmitglieder ohnehin nicht zu rechnen ist. Jedenfalls muss aber das beklagte Vereinsmitglied den Einwand der Haftungsbeschränkung vor Urteilserlass rechtzeitig geltend machen, um eine Präklusion gemäß § 767 Abs. 2 zu vermeiden.34

IV. Vollstreckung aus Titel gegen Handelnde 11 Gemäß der Rechtsnatur der durch § 54 S. 2 BGB begründeten Gesamtschuld der Handelnden als Zusatzhaftung35 erfolgt die Zwangsvollstreckung aus solchen Titeln ausschließlich in das Privatvermögen der Verurteilten, nicht in das gesamthänderisch gebundene Vereinsvermögen.

§ 736 Zwangsvollstreckung gegen BGB-Gesellschaft Zur Zwangsvollstreckung in das Gesellschaftsvermögen einer nach § 705 des Bürgerlichen Gesetzbuchs eingegangenen Gesellschaft ist ein gegen alle Gesellschafter ergangenes Urteil erforderlich. § 55 GVGA Zwangsvollstreckung in das Gesellschaftsvermögen einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) (§ 736 ZPO) Zur Zwangsvollstreckung in das Gesellschaftsvermögen einer nach §§ 705 bis 740 BGB begründeten Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) ist entweder ein Schuldtitel gegen die Gesellschaft als solche oder gegen jeden einzelnen Gesellschafter erforderlich. Die Verurteilung aller einzelnen Gesellschafter muss nicht in einem einzigen

31 32 33 34 35

Thomas/Putzo/Seiler § 735 Rdn. 2. Vgl. Stein/Jonas/Münzberg § 766 Rdn. 28 sowie Zöller/Seibel § 735 Rdn. 2 (ohne ausdrückliche Erwähnung des § 767). Z.B. Kornblum BB 1970, 1445, 1452; Noack MDR 1974, 811, 813 f. BGH ZZP 68 (1955), 101. Vgl. Grüneberg/Ellenberger § 54 Rdn. 13.

Bittmann https://doi.org/10.1515/9783110443158-014

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Abschnitt 1. Allgemeine Vorschriften

§ 736

Urteil erfolgen. Der Titel gegen die Gesellschaft als solche muss nicht die namentliche Bezeichnung aller Gesellschafter enthalten. Die Gesellschaft kann unter einem eigenen Namen verurteilt werden. Aus einem Schuldtitel, in dem nur die Gesellschaft unter ihrem eigenen Namen verurteilt worden ist, kann nicht in das Privatvermögen der Gesellschafter vollstreckt werden. § 56 GVGA Zwangsvollstreckung in das Gesellschaftsvermögen einer offenen Handelsgesellschaft (OHG) oder einer Kommanditgesellschaft (KG) (§ 124 Absatz 2, § 129 Absatz 4, § 161 Absatz 2 HGB) Zur Zwangsvollstreckung in das Gesellschaftsvermögen einer offenen Handelsgesellschaft (OHG) oder einer Kommanditgesellschaft (KG) ist ein Schuldtitel gegen die Gesellschaft erforderlich. Die Verurteilung sämtlicher Gesellschafter genügt nicht. Andererseits findet aus einem Schuldtitel gegen die Gesellschaft die Zwangsvollstreckung in das Privatvermögen der Gesellschafter nicht statt.

Schrifttum Baumgärtel Probleme der Rechtskraft und Vollstreckbarkeitserstreckung im Falle einer Firmenübertragung während eines schwebenden Zivilprozesses, DB 1990, 1905; Behr Die Vollstreckung in Personengesellschaften, NJW 2000, 1137; Brehm Die Haftung des Vermögens einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts für private Schulden des Gesellschafters, KTS 1983, 21; Brüggemann Die Vollstreckung gegen Personengesellschaften des BGB und HGB, DGVZ 1961, 33; Deckenbrock/Dötsch Titelumschreibung analog § 729 ZPO auf den eintretenden Gesellschafter? Rpfleger 2003, 644; Eickmann Vollstreckungstitel und Vollstreckungsklausel gegen Personengesellschaften, RPfleger 1970, 113; Eckhardt Die Vor-GmbH im zivilprozessualen Erkenntnisverfahren und in der Einzelvollstreckung, 1990; Göckeler Die Stellung der Gesellschaft des bürgerlichen Rechts im Erkenntnis-, Vollstreckungs- und Konkursverfahren, 1992; Habersack Die Anerkennung der Rechts- und Parteifähigkeit der GbR und der akzessorischen Gesellschafterhaftung durch den BGH, BB 2001, 477; Heinze Die Zwangsvollstreckung in Immobiliarvermögen einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, DB 2011, 460; Heller Der Zivilprozess der Gesellschaft bürgerlichen Rechts, 1989; Hüffer Die Gesamthandsgesellschaft in Prozess, Zwangsvollstreckung und Konkurs, FS Stimpel, 1985, 165; Jungbauer Das aktuelle BGH-Urteil zur BGB-Gesellschaft, JurBüro 2001, 284; Kornblum Die Rechtsstellung der BGB-Gesellschaft und ihrer Gesellschafter im Zivilprozeß – Erkenntnisverfahren und Zwangsvollstreckung, BB 1970, 1445; Kunz Die Vorgesellschaft im Prozess und in der Zwangsvollstreckung, 1994; Lenenbach Die verdeckte Repräsentation der BGB-Gesellschaft bei einer Klage gegen alle Gesellschafter nach § 736 ZPO? WM 2011, 385; Lindacher Die Scheinhandelsgesellschaft im Prozeß und in der Zwangsvollstreckung, ZZP 96 (1983), 486; Paulus Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts als Schuldner und Drittschuldner, DGVZ 1992, 65; Prütting Ist die Gesellschaft bürgerlichen Rechts insolvenzfähig?, ZIP 1997, 1725; Pohlmann Rechts- und Parteifähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts, WM 2002, 1421; Reymann Immobiliarvollstreckung gegen GbR(-Gesellschafter), NJW 2011, 1412; K. Schmidt Die BGB-Außengesellschaft – rechts- und parteifähig, NJW 2001, 993; K. Schmidt Personengesellschaft und Grundstücksrecht, ZIP 1998, 2; Schwab Das Prozeßrecht gesellschaftsinterner Streitigkeiten, 2004; Timm Die Rechtsfähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts und ihre Haftungsverfassung, NJW 1995, 3209; Wertenbruch Die Haftung von Gesellschaften und Gesellschaftsanteilen in der Zwangsvollstreckung, 2000; ders. Die Parteifähigkeit der GbR – die Änderungen für die Gerichts- und Vollstreckungspraxis, NJW 2002, 324; ders. Die BGB-Gesellschaft in der Zwangsvollstreckung, DGVZ 2001, 97; Winter Haftung des Gesamthandsvermögens der Gesellschaft bürgerlichen Rechts für Gesellschafterschulden?, KTS 1983, 349; Winterstein Zustellung und Zwangsvollstreckung gegen Personen- und Kapitalgesellschaften, DGVZ 1991, 17.

Übersicht I. 1.

99

Vollstreckung gegen Gesellschaft bürgerlichen Rechts Bedeutung des § 736 1 a) Allgemeines b) Titel gegen die Gesellschaft als sol2 che c) Titel gegen einzelne oder mehrere Gesell6 schafter

2. 3.

12 Anwendungsbereich der Vorschrift Einzelheiten und Voraussetzungen der Zwangs14 vollstreckung

II.

Vollstreckung gegen Personenhandelsgesellschaf19 ten

Bittmann

§ 736

Achtes Buch – Zwangsvollstreckung

I. Vollstreckung gegen Gesellschaft bürgerlichen Rechts 1. Bedeutung des § 736 1 a) Allgemeines. Nach nunmehr h.M. ist die Gesellschaft bürgerlichen Rechts rechtsfähig und damit auch parteifähig.1 Diese höchstrichterlich bestätigte Ansicht hat unmittelbare Auswirkung auch auf die Auslegung von § 736. Die Norm ist nunmehr so zu verstehen, dass der Gläubiger nicht nur mit einem gegen die Gesellschaft als Partei gerichteten Titel in das Gesellschaftsvermögen vollstrecken kann, sondern auch mit einem Titel gegen alle einzelnen Gesellschafter aus ihrer persönlichen Mithaftung.2 Diese veränderte Auslegung ist indes für die Bedeutung der Norm an sich zweitrangig und macht diese nicht entbehrlich.3 § 736 führt nicht zu einer Rechtskrafterstreckung eines für oder gegen alle Gesellschafter ergangenen Urteils auf die Gesellschaft.4 Mit der ab dem 1.1.2024 geltenden Neurgelung der Norm5 wird der anerkannten Rechtsfähigkeit der GbR nunmehr vom Gesetzgeber Rechnung getragen. § 736 wird hiernach folgenden Wortlaut haben: „Die Zwangsvollstreckung für oder gegen eine im Gesellschaftsregister eingetragene Gesellschaft bürgerlichen Rechts findet auch aus einem Vollstreckungstitel für oder gegen eine nicht im Gesellschaftsregister eingetragene Gesellschaft bürgerlichen Rechts statt, wenn 1. der in dem Vollstreckungstitel genannte Name und Sitz oder die Anschrift der Gesellschaft identisch sind mit dem Namen und Sitz oder der Anschrift der im Gesellschaftsregister eingetragenen Gesellschaft und 2. die gegebenenfalls in dem Vollstreckungstitel aufgeführten Gesellschafter der Gesellschaft identisch sind mit den Gesellschaftern der im Gesellschaftsregister eingetragenen Gesellschaft.“ Ausweislich der Gesetzesbegründung soll mit der Neufassung eine Erleichterung des Nachweises der Identität einer nachträglich in das Gesellschaftsregister eingetragenen Gesellschaft bürgerlichen Rechts geschaffen werden. Ist eine Gesellschaft in das Gesellschaftsregister eingetragen und soll die Zwangsvollstreckung aufgrund eines bereits für oder gegen die nicht registrierte Gesellschaft erwirkten Titels durchgeführt werden, so ist eine Umschreibung des Vollstreckungstitels hiernach nicht erforderlich. Dem Vollstreckungsgericht ist dann lediglich nachzuweisen, dass die unter Nummer 1 und 2 genannten Voraussetzungen erfüllt sind.6

2 b) Titel gegen die Gesellschaft als solche. Erfasst sind alle Titel nach der ZPO gemäß §§ 794, 795. Nach dem einleitend Gesagten genügt für eine Vollstreckung in das Gesellschaftsvermögen nach der Rechtsprechung des BGH und der h.M. ein Titel gegen die Gesellschaft, ohne dass es sich dabei um einen gegen alle Gesellschafter gerichteten Titel handeln muss.7 3 Ein Titel gegen die Gesellschaft als solche liegt auch dann vor, wenn ein gegen eine parteifähige Personenvereinigung (OHG, KG, GmbH etc.) gerichteter Titel durch Vollstreckung in das Vermögen einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts verwirklicht werden soll. Die damit verbundene Diskrepanz zwischen Titel und Vollstreckungssubstrat kann entweder auf einer fehlerhaften Beurteilung der Rechtsform des Schuldners im Erkenntnis- oder sonstigen Titelerzeugungsverfahren oder auf Änderungen tatsächlicher Verhältnisse seit Titelerlass beruhen.8 Der Titel geht jedoch ins Leere, wenn er einen nicht oder nicht mehr existenten Schuldner betrifft.9 1 2 3 4 5 6 7 8

Vgl. nur BGH NJW 2001, 1056; Thomas/Putzo/Seiler § 736 Rdn. 4; Zöller/Seibel § 736 Rdn. 3. BGH NJW 2011, 2048, 2049; NJW 2004, 3632, 3634. Ebenso HK-ZV/Giers/Haas § 736 Rdn. 1. BGH NJW 2011, 2048. Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts vom 10.8.2021, BGBl. I 3436. BT-Drucks. 19/27635, 202. BGH NJW 2004, 3632, 3634; HK-ZV/Giers/Haas § 736 Rdn. 2. Änderungen nach Beginn der Vollstreckung sind ohne Bedeutung, da ab diesem Zeitpunkt für Vollstreckungszwecke eine Fixierung des Rechtszustandes eintritt. 9 Laut Eickmann RPfleger 1970, 113, 116 handelt es sich dabei um „wirkungslose Urteile“. Bittmann

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Wird der Titel aufgrund nachträglicher Änderungen obsolet, z.B. eine verurteilte OHG infol- 4 ge Absinkens auf einen kleingewerblichen Geschäftsbetrieb (§ 2 HGB) oder Zweckänderung zur Gesellschaft bürgerlichen Rechts, wird es sich regelmäßig um eine Außen-GbR handeln mit der Folge, dass eine Identität gewahrt bleibt. Es ist daher weder eine Titelumschreibung noch eine neue Klage für eine Zwangsvollstreckung in das Gesellschaftsvermögen erforderlich.10 Umstritten ist indes die Frage, ob eine Vollstreckung gegen die Gesellschafter möglich wäre. Teilweise wird hier die Erteilung einer Nachtrags- oder „Klarstellungs“-Klausel entsprechend § 727 befürwortet.11 Dabei wird jedoch übersehen, dass in diesen Fällen der Rechtspfleger (§ 20 Abs. 1 Nr. 12 RPflG) die Vollstreckbarkeit des Titels auf das Privatvermögen der Gesellschafter ausdehnen würde, was vom Gericht mangels Prüfung persönlicher Einwendungen (§ 129 Abs. 1 HGB)12 vorenthalten wurde (§ 129 Abs. 4 HGB). Mit der h.M.13 ist daher eine „Titelumschreibung“ hier abzulehnen, so dass sich der Gläubiger einen neuen Titel gegen die Gesellschafter bzw. die Gesellschaft beschaffen muss. Praktisch wird dies aber selten erforderlich sein, da eine fortbestehende Handelsregistereintragung dem Formwechsel in die Gesellschaft bürgerlichen Rechts entgegensteht, sofern noch (irgend-)ein (auch kleingewerbliches) Gewerbe bzw Vermögensverwaltung betrieben wird (§§ 105 Abs. 2, 2 HGB). Jedenfalls greift aber § 5 HGB, der auch im Vollstreckungsverfahren gilt.14 Änderungen in der Gesellschafterzusammensetzung sind für die Zwangsvollstreckung in 5 das Gesellschaftsvermögen unerheblich, da sich die Identität der Gesellschaft nicht geändert hat.15

c) Titel gegen einzelne oder mehrere Gesellschafter. Sofern die Außengesellschaft nicht 6 selbst verklagt wird, ist für eine Zwangsvollstreckung in das Gesellschaftsvermögen ein Titel gegen alle Gesellschafter gemäß § 736 erforderlich, unabhängig davon, ob einzelne Gesellschafter leistungsbereit sind oder nicht.16 Weitere Voraussetzung ist jedoch, dass sich der Titel gegen diese als Gesamtschuldner richtet und nicht lediglich als Teilschuldner.17 Ein Titel gegen einzelne oder einen Teil der Gesellschafter berechtigt hingegen nicht zur Zwangsvollstreckung in das Gesellschaftsvermögen. In Rechtsprechung wie Literatur ist umstritten, ob eine Zwangsvollstreckung in das Gesellschaftsvermögen zulässig ist, wenn alle Gesellschafter für eine Verbindlichkeit als Gesamtschuldner verurteilt werden, es sich bei dieser Verbindlichkeit jedoch nicht um eine Gesellschaftsschuld handelt. Dies ist zu verneinen, da § 736 das Vorliegen einer Gesellschaftsschuld voraussetzt, was in derartigen Fällen nicht anzunehmen ist. Anderenfalls wäre das Gesellschaftsvermögen unüberschaubaren Risiken ausgesetzt.18 Das Gesellschaftsvermögen ist dem Zugriff solcher Gläubiger aber mittelbar ausgesetzt, da der Gesellschaftsanteil als Privatvermögen des Gesellschafters gemäß § 859 Abs. 1 S. 1 der Pfändung unterworfen ist.19 Ein Titel gegen die Gesellschaft kann keine Grundlage für eine Zwangsvollstreckung in das 7 Privatvermögen eines Gesellschafters sein.20 Wird die Vollstreckung in das Privatvermögen eines Gesellschafters aufgrund eines Titels in das gesamthänderisch gebundene Gesellschaftsvermö10 MünchKomm/Heßler § 736 Rdn. 44. 11 Eickmann RPfleger 1970, 113, 115; Lindacher ZZP 96 (1983), 486, 497 f. 12 Differenzierend daher Stein/Jonas/Münzberg § 736 Rdn. 3: Erteilung der Klausel gegen die Gesellschafter mit der Einschränkung, dass nur in das Gesellschaftsvermögen vollstreckt werden darf.

13 Vgl. OLG Düsseldorf RPfleger 1976, 327; OLG Hamm NJW 1979, 51 m.w.N.; LG Kiel SchlHA 1975, 164; Stein/Jonas/ Münzberg § 736 Rdn. 3; Thomas/Putzo/Seiler § 736 Rdn. 5; Baumgärtel DB 1990, 1905. Vgl. Eickmann RPfleger 1970, 113, 116. Vgl. BeckOK/Ulrici § 736 Rdn. 9. Vgl. hierzu MünchKomm/Heßler § 736 Rdn. 10; a.A. Blomeyer JR 1971, 397, 403. BGH NJW 2007, 1813, 1814. BGH NJW 2008, 1378, 1379; NJW 2007, 1813, 1814; OLG Hamburg Rpfleger 2011, 426; HK-ZV/Giers/Haas § 736 Rdn. 6; Musielak/Voit/Lackmann § 736 Rdn. 4; BeckOK/Ulrici § 736 Rdn. 12; a.A. OLG Schleswig Rpfleger 2006, 261; Zöller/Seibel § 736 Rdn. 3; MünchKomm/Heßler § 736 Rdn. 24 ff.; Noack MDR 1974, 811; Brehm KTS 1983, 21. 19 Vgl. dazu BGH NJW 1992, 830. 20 MünchKomm/Heßler § 736 Rdn. 30; Zöller/Seibel § 736 Rdn. 1.

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gen, z.B. im Gewahrsam des betreffenden Gesellschafters befindliche Sachen der Gesamthand, ausgedehnt, steht „der Gesellschaft“ das Widerspruchsrecht nach § 771 gegen einen derartigen Übergriff in das schuldnerfremde Sondervermögen zu; es kann nach Zuerkennung der Rechtsund Parteifähigkeit der BGB-Gesellschaft von dieser selbst ausgeübt werden. Da es um die Geltendmachung von dem Gesellschaftsvermögen unterfallenden Rechten geht, steht dem einzelnen Gesellschafter das Widerspruchsrecht nur ausnahmsweise als Einzelklagebefugnis („externe actio pro socio“) zu.21 Die Widerspruchsklage ist gemäß § 736 begründet, wenn der Vollstreckungstitel lediglich einen oder mehrere, aber eben nicht alle Gesellschafter im Zeitpunkt des Vollstreckungsbeginns aufführt. 8 Die fehlende Abdeckung des Gesellschafterbestands im maßgeblichen Zeitpunkt des Vollstreckungsbeginns durch den (oder die) Titel ist daher zutreffend als materiell-rechtliche Einwendung durch Klage (§ 771) geltend zu machen. § 736 enthält demgegenüber ein von den Vollstreckungsorganen zu beachtendes formelles Vollstreckungsverbot nur insoweit, als ihnen untersagt ist, aufgrund eines gegen Einzelpersonen gerichteten Titels in das Vermögen einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts zu vollstrecken. Eine Nachprüfung, ob sämtliche Gesellschafter zur Zeit des Vollstreckungsbeginns auch als Vollstreckungsschuldner benannt sind, kann von den Vollstreckungsorganen schon deshalb nicht verlangt werden, weil nicht einmal der Titel in irgendeiner Weise die Schuldner als Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts ausweisen muss, sondern sogar mehrere und verschiedenartige Titel ausreichen.22 Insoweit muss sich der Gerichtsvollzieher daher auf die Angaben des Gläubigers verlassen können, sofern diese nicht offenkundig unzutreffend sind. Insofern hat § 736 eine ähnliche Zwitterstellung wie § 741, der einerseits formelle Vollstreckungsvoraussetzungen aufstellt, deren Verletzung mit Erinnerung (§ 766) geltend zu machen ist,23 andererseits aber den Widerspruch nach § 774 gegen eine formell ordnungsgemäße Vollstreckung wegen fehlender materiell-rechtlicher Haftung zulässt.24 Verstöße gegen die formelle Vollstreckungsvoraussetzung des § 736 führen daher zur Anfechtbarkeit25 (§ 766) der Vollstreckungsmaßnahme, während der Verstoß gegen die sachliche Vollstreckungsvoraussetzung des Bestehens eines Titels gegen sämtliche Gesellschafter bzw. die Gesellschaft als solche bei Vollstreckungsbeginn allein durch Widerspruch (§ 771) der Gesellschaft geltend zu machen ist.26 Umstritten ist, wie die streitigen Fälle des Gesellschafterwechsels oder -beitritts nach Titel9 erlass zu lösen sind. Als Lösungsversuche werden die Notwendigkeit des Erstreitens eines eigenen Titels gegen den neuen Gesellschafter27 und die Möglichkeit der Klauselumschreibung nach § 727 bzw. entsprechend §§ 729, 73828 angeboten. In jedem Fall wird jedoch unterstellt, dass zunächst ein von § 736 statuiertes formelles Vollstreckungshindernis vom Gläubiger beseitigt werden muss.29 Den materiell-rechtlichen Einwand des Gesellschafterwechsels muss der Gerichtsvollzieher jedoch gar nicht beachten, sondern darf in das Gesellschaftsvermögen vollstrecken, und die Gesellschafter auf die Widerspruchsklage (§ 771) verweisen. Diese wird unbegründet, sobald eine Klauselumschreibung nach § 727 gegen den neuen Gesellschafter wegen Rechtsnachfolge entsprechend der h.M. erfolgt, da dann der klagenden Gesamthand die Rechtsstellung als Dritter genommen ist, und sie gemäß § 736 zum für den Widerspruch nicht aktiv legitimierten Vollstreckungsschuldner wird. 21 Vgl. dazu allg. BGHZ 39, 14 und NJW 1973, 2198; demgegenüber möchte Stein/Jonas/Münzberg § 736 Rdn. 6 ohne weitere Beschränkungen allen Gesellschaftern die Widerspruchsklage zugestehen. 22 S. unten Rdn. 13; dies wird wohl vom AG Gelsenkirchen DGVZ 1988, 45 übersehen. 23 § 741 Rdn. 8. 24 § 774 Rdn. 3 f. 25 Nicht Unwirksamkeit: BGH WM 1977, 840. 26 A.A. (§ 766 immer dann, wenn es an einem Titel gegen alle Gesellschafter fehlt) allerdings die h.M.: vgl. MünchKomm/Heßler § 736 Rdn. 37; Musielak/Voit/Lackmann § 736 Rdn. 6. 27 Vgl. Baur/Stürner/Bruns § 20 Rdn. 20.27. 28 H.M.: BGH NJW 2011, 615, 617; MünchKomm/Heßler § 736 Rdn. 17; Anders/Gehle/Gehle § 736 Rdn. 5; Winter KTS 1983, 349, 364. 29 A.A. Paulus DGVZ 1992, 65 für „organisierte“ Gesellschaften bürgerlichen Rechts. Bittmann

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Das ersatzlose Ausscheiden eines Gesellschafters hindert eine Vollstreckung in das Gesell- 10 schaftsvermögen nicht. Dies beruht auf § 738 BGB, wonach der Anteil des ausscheidenden Gesellschafters den übrigen Gesellschaftern automatisch zuwächst.30 Macht ein Gesellschafter gegen die übrigen Gesellschafter sog. „Sozialverbindlichkeiten“, dh 11 Ansprüche aus dem Geschäftsverhältnis, die aus dem Gesellschaftsvermögen zu erfüllen sind, geltend, so hat er selbstverständlich die Möglichkeit, wie jeder andere Gläubiger auch, die Gesellschaft als solche zu verklagen. Entscheidet er sich dafür, einen Titel gegen die Gesellschafter zu erstreiten, so muss er sich selbst nicht mit verklagen.31

2. Anwendungsbereich der Vorschrift Die Vorschrift gilt nicht für Innengesellschaften,32 da diese kein Gesellschaftsvermögen bilden, 12 auf das ein Gläubiger zugreifen könnte. Es verbleibt insoweit bei dem Zugriff auf das Vermögen der Gesellschafter, zu dem auch die Rechte aus dem Gesellschaftsverhältnis (Gewinnanspruch, Ausscheidensguthaben etc.) gehören.33 Nicht anwendbar ist § 736 ferner bei Gesellschaften, bei denen die Gesellschafter vereinbart haben, dass ihnen das Vermögen nicht zur gesamten Hand, sondern als Bruchteilseigentum zusteht.34 Schon nach seinem Wortlaut verlangt § 736 nicht, dass der Titel auf einem einheitlichen 13 Verfahren beruht. Die Titel gegen die Gesellschafter können daher in verschiedenen Prozessen und unterschiedlichen Titelerzeugungsverfahren erwirkt werden (§ 55 S. 2 GVGA).35 Das bedeutet aber auch, dass kein Titel erforderlich ist, der die Schuldner als Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts verurteilt. Zu verlangen sind allerdings inhaltsgleiche Titel gegen sämtliche Gesellschafter in der Form, dass jeder auf das Ganze haftet.36 Das Erfordernis inhaltsgleicher Titel auf das Ganze gilt dabei auch bei Gesellschaftsschulden.

3. Einzelheiten und Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung Die BGB-Gesellschaft muss in dem Titel jedoch hinreichend konkret bezeichnet werden gemäß 14 § 750 Abs. 1 S. 1. Dies kann einmal dadurch geschehen, dass sie unter dem Namen bezeichnet wird, mit welchem sie nach außen im Rechtsverkehr auftritt. Möglich ist aber auch die Bezeichnung über die Nennung aller Gesellschafter, wenn dabei deutlich wird, dass es sich nicht um einen Titel gegen diese selbst handelt, sondern gegen die Gesellschaft.37 Die Zustellung nach § 750 Abs. 1 hat an den geschäftsführenden Gesellschafter oder, wenn 15 ein solcher nicht bestellt ist, an einen anderen Gesellschafter zu erfolgen.38 Alternativ kann die Zustellung natürlich an alle Gesellschafter erfolgen.39 Die Zwangsvollstreckung findet in das Gesellschaftsvermögen statt, das sich i.S.v. § 808 im Ge- 16 wahrsam eines Gesellschafters befindet. Ob dieser ob er mit der Geschäftsführung betraut ist oder nicht, ist unerheblich, selbst dann, wenn der Titel gegen alle Gesellschafter und nicht gegen die Ge-

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MünchKomm/Heßler § 736 Rdn. 18. Stein/Jonas/Münzberg § 736 Rdn. 1; MünchKomm/Heßler § 736 Rdn. 19. Vgl. zum Begriff Grüneberg/Sprau § 705 Rdn. 33. Vgl. K. Schmidt KTS 1977, 2. MünchKomm/Heßler § 736 Rdn. 6. Ganz h.M.: RGZ 68, 222; OLG Colmar OLGRspr. 9, 113; LG Mainz DGVZ 1973, 157; AG Koblenz DGVZ 1980, 172; Zöller/ Seibel § 736 Rdn. 3; Thomas/Putzo/Seiler § 736 Rdn. 2. 36 BGH NJW 2011, 2048, 2049. 37 BeckOK/Ulrici § 736 Rdn. 8. 38 BGH NJW 2006, 2191; Musielak/Voit/Lackmann § 736 Rdn. 6; Behr NJW 2000, 1137, 1138. 39 BGH NJW 2011, 1449, 1450. 103

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sellschaft gerichtet ist.40 Auch eine auf die Vornahme einer Handlung oder Unterlassung nach §§ 883 ff. gerichtete Zwangsvollstreckung ist nach § 736 trotz des zu engen Wortlauts zulässig.41 Eine Zwangsvollstreckung zur Abgabe einer von der Gesellschaft zu äußernden Willenserklärung nach § 894 erfordert einen Titel gegen die Gesellschaft selbst und nicht gegen die Gesellschafter.42 17 Titel gegen alle Gesellschafter i.S.v. § 736 gestatten auch dann die Zwangsvollstreckung in das Privatvermögen der einzelnen Gesellschafter, wenn sie diese ausdrücklich als Mitglieder einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts ausweisen. Hier kann indes die Vollstreckung auf das Gesellschaftsvermögen beschränkt werden.43 Die Vollstreckung in das Gesellschaftsvermögen nach § 736 wird durch den die Insolvenz 18 aller Gesellschafter oder der Gesellschaft selbst gemäß § 89 Abs. 1 InsO unzulässig; die Insolvenz einzelner Gesellschafter genügt hingegen nicht.44

II. Vollstreckung gegen Personenhandelsgesellschaften 19 OHG und KG sind zwar ebenso wie die Gesellschaft bürgerlichen Rechts Gesamthandsgemeinschaften45 ohne eigene Rechtspersönlichkeit.46 Die §§ 124 Abs. 1, 161 Abs. 2 HGB verschaffen diesen Gesellschaften jedoch Parteifähigkeit, weshalb die §§ 124 Abs. 2, 161 Abs. 2 HGB (entsprechend § 7 Abs. 2 PartGG für die Partnerschaft) folgerichtig anordnen, dass zur Zwangsvollstreckung in das Gesellschaftsvermögen ein gegen die Gesellschaft als solche unter ihrer Firma gerichteter Titel erforderlich und genügend ist. Entsprechendes gilt für die GmbH & Co. KG.47 § 736 wird durch diese Regelung verdrängt. Auch ein Titel gegen sämtliche Gesellschafter genügt daher nicht (§ 56 S. 2 GVGA). Im Hinblick auf die Formenstrenge des Vollstreckungsrechts duldet dieser Grundsatz keine 20 Durchbrechungen. Er gilt auch dann, wenn der Gläubiger keine Kenntnis von der Umwandlung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts in eine OHG nach Titelerlass, z.B. durch Aufnahme eines kaufmännischen Handelsgewerbes, hat.48 In solchen Fällen ist es aber durchaus nicht erforderlich, den Gläubiger auf erneute Klageerhebung nach Maßgabe des § 124 Abs. 2 HGB oder klageweise Klarstellung des Titelinhalts49 in Bezug auf die Bezeichnung des Vollstreckungsschuldners zu verweisen. Es genügt vielmehr eine klarstellende Titelumschreibung entsprechend § 727 gegen die OHG.50 Es handelt sich dabei nicht um einen Fall der Rechtsnachfolge, sondern um eine lediglich formwechselnde Umwandlung unter Wahrung der Identität der Gesellschaft, weshalb eine direkte Anwendung des § 727 ausscheidet.51 Bezogen auf die einzelnen Gesellschafter liegt jedoch weder Identität mit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts noch Rechtsnachfolge nach der Gesellschaft bürgerlichen Rechts vor, sodass eine Klauselumschreibung insoweit nicht in Betracht kommt;52 der Gläubiger hat hier folglich nur die Wahl, entweder aufgrund des umgeschriebenen Titels in das Gesellschaftsvermögen oder aufgrund des ursprünglichen Titels in das Gesellschaftervermögen zu vollstrecken. 40 41 42 43 44 45

Stein/Jonas/Münzberg § 736 Rdn. 2; MünchKomm/Heßler § 736 Rdn. 29; a.A. BeckOK/Ulrici § 736 Rdn. 14. H.M.: vgl. nur Anders/Gehle/Gehle § 736 Rdn. 10. BGH NJW 2008, 1348; Zöller/Seibel § 736 Rdn. 4; a.A. K. Schmidt NJW 2008, 1841. MünchKomm/Heßler § 736 Rdn. 30. BGHZ 23, 307 = NJW 1957, 751; HK-ZV/Giers/Haas § 736 Rdn. 6. Bei der Gesellschaft bürgerlichen Rechts kann allerdings vereinbart werden, dass nicht eine Gesamthands-, sondern eine Bruchteilsgemeinschaft oder aber nur eine reine Innengesellschaft ohne gemeinschaftliches Vermögen der Gesellschafter entstehen soll. 46 H.M.: vgl. nur Baumbach/Hopt/Roth, HGB, Einl Vor § 105 Rdn. 1. 47 Zöller/Seibel § 736 Rdn. 8. 48 A.A. BGH NJW 1967, 821 („Förmelei“); vgl. auch § 750 Rdn. 12. 49 Vgl. dazu allg. BGH NJW 1962, 110. 50 Eickmann Rpfleger 1970, 113; zustimmend Thomas/Putzo/Seiler § 736 Rdn. 5. 51 Eickmann Rpfleger 1970, 113; insoweit a.A. Stein/Jonas/Münzberg § 736 Rdn. 12. 52 Zöller/Seibel § 736 Rdn. 8; a.A. Stein/Jonas/Münzberg § 736 Rdn. 12. Bittmann

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Im Gegensatz zur Situation bei der Gesellschaft bürgerlichen Rechts sind hier jedoch die Fälle 21 des Austritts, Eintritts und Wechsels von Gesellschaftern unproblematisch, da diese Vorgänge für den gegen die Gesellschaft gemäß § 124 Abs. 2 HGB ergangenen Titel bedeutungslos sind. Dasselbe gilt für die Liquidation der Gesellschaft53 und im Hinblick auf die Parteifähigkeit beider Gesellschaftsformen auch für die formwechselnde Umwandlung von OHG in KG oder umgekehrt; ist im zuletzt genannten Fall die Feststellung der Identität des Vollstreckungsschuldners durch Titelauslegung des Gerichtsvollziehers nicht möglich, ist eine klarstellende Nachtragsklausel analog § 727 zu beantragen. Mit dem Titel gegen die Gesellschaft kann andererseits nicht in das Privatvermögen der 22 Gesellschafter vollstreckt werden (§ 129 Abs. 4 HGB). Da die Gesellschafter somit nicht etwa selbst Vollstreckungsschuldner sind, muss bei der Pfändung beweglicher Sachen (vergleichbar der Situation beim nicht rechtsfähigen Verein)54 Gewahrsam eines geschäftsführenden Gesellschafters, bei der KG also eines Komplementärs, gegeben sein.

§ 737 Zwangsvollstreckung bei Vermögens- oder Erbschaftsnießbrauch (1) Bei dem Nießbrauch an einem Vermögen ist wegen der vor der Bestellung des Nießbrauchs entstandenen Verbindlichkeiten des Bestellers die Zwangsvollstreckung in die dem Nießbrauch unterliegenden Gegenstände ohne Rücksicht auf den Nießbrauch zulässig, wenn der Besteller zu der Leistung und der Nießbraucher zur Duldung der Zwangsvollstreckung verurteilt ist. (2) Das Gleiche gilt bei einem Nießbrauch an einer Erbschaft für die Nachlassverbindlichkeiten.

§ 738 Vollstreckbare Ausfertigung gegen Nießbraucher (1) Ist die Bestellung des Nießbrauchs an einem Vermögen nach der rechtskräftigen Feststellung einer Schuld des Bestellers erfolgt, so sind auf die Erteilung einer in Ansehung der dem Nießbrauch unterliegenden Gegenstände vollstreckbaren Ausfertigung des Urteils gegen den Nießbraucher die Vorschriften der §§ 727, 730 bis 732 entsprechend anzuwenden. (2) Das Gleiche gilt bei dem Nießbrauch an einer Erbschaft für die Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung des gegen den Erblasser ergangenen Urteils. § 57 GVGA Zwangsvollstreckung in ein Vermögen, an dem ein Nießbrauch besteht (§§ 737, 738 ZPO) (1) Bei dem Nießbrauch an einem Vermögen ist wegen der Verbindlichkeiten des Bestellers, die vor der Bestellung des Nießbrauchs entstanden sind, die Zwangsvollstreckung in die dem Nießbrauch unterliegenden Gegenstände ohne Rücksicht auf den Nießbrauch zulässig, wenn der Besteller zur Leistung und der Nießbraucher zur Duldung der Zwangsvollstreckung verurteilt ist. Dasselbe gilt bei dem Nießbrauch an einer Erbschaft für die Nachlassverbindlichkeiten (§ 737 ZPO). § 794 Absatz 2 ZPO ist zu berücksichtigen. (2) Ist der Nießbrauch an einem Vermögen oder an einer Erbschaft bestellt worden, nachdem die Schuld des Bestellers oder des Erblassers rechtskräftig festgestellt war, so muss der Schuldtitel zum Zweck der Zwangsvollstreckung in die dem Nießbrauch unterworfenen Gegenstände auch mit der Vollstreckungsklausel gegen den Nießbraucher versehen sein (§ 738 ZPO).

53 Eine Umschreibung des Titels auf die Gesellschafter bei aufgelöster oder schon auseinandergesetzter OHG oder KG scheidet aber schon wegen § 129 Abs. 4 HGB aus.

54 § 735 Rdn. 6. 105 https://doi.org/10.1515/9783110443158-016

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Achtes Buch – Zwangsvollstreckung

Übersicht I. 1. 2.

II. 1.

Allgemeines Zwangsvollstreckung gegen Besteller bei Nieß1 brauch an einzelnen Gegenständen Zwangsvollstreckung gegen Besteller bei Vermö4 gens- oder Erbschaftsnießbrauch (§ 737) Erlangung des Titels gegen Nießbraucher Bestellung des Nießbrauchs vor Entstehung des 8 Anspruchs

2. 3. 4.

III.

Bestellung des Nießbrauchs vor Eintritt der 10 Rechtshängigkeit des Anspruchs Bestellung des Nießbrauchs nach Eintritt der 11 Rechtshängigkeit des Anspruchs Bestellung des Nießbrauchs nach rechtskräftiger 12 Feststellung des Anspruchs (§ 738) Rechtsbehelfe

16

I. Allgemeines 1. Zwangsvollstreckung gegen Besteller bei Nießbrauch an einzelnen Gegenständen 1 Der Nießbrauch ist das nach Eigentum bzw. Inhaberschaft umfassendste Recht an Sachen und Rechten (vgl. § 1030 Abs. 1 BGB). Auch bei Vollstreckungsmaßnahmen gegen den Besteller gewährt es daher dem Nießbraucher das Widerspruchsrecht nach § 771,1 sodass die Gläubiger den Nießbrauch gegen sich gelten lassen müssen, falls sie nicht ausnahmsweise die in der Nießbrauchsbestellung liegende Veräußerung2 nach dem AnfG angreifen oder sich auf Rechtsnachfolge nach §§ 265 Abs. 1, 325, 727 (s.u. Rdn. 11) berufen können. Falls sich der Nießbraucher auch im Besitz der beweglichen Sache befindet (vgl. § 1036 Abs. 1 BGB), ist darüber hinaus sein Drittgewahrsam nach §§ 809, 766 geschützt. Macht der Nießbraucher keinen Gebrauch von seinen Rechten und kommt es zu einer Zwangsversteigerung der gepfändeten beweglichen Sache, erlischt damit allerdings der Nießbrauch, ohne dass es auf die Gutgläubigkeit des Erwerbers ankommt. 2 Anders verhält es sich dann, wenn der Nießbrauch an einem Grundstück besteht. Bei der Zwangsversteigerung bleibt der bereits bestehende und damit rangbessere Nießbrauch auch nach Zuschlag bestehen (§§ 44, 52 Abs. 1 ZVG). Geht das Nießbrauchsrecht (ausnahmsweise) dem Anspruch des betreibenden Gläubigers im Range nach, erlischt es mit Zuschlag (§ 91 Abs. 1 ZVG); an seine Stelle tritt aber ein Anspruch auf Zahlung einer Geldrente aus dem übrigbleibenden Versteigerungserlös (§ 92 Abs. 2 ZVG). Da somit ein Schutz des Nießbrauchers bereits durch das Vollstreckungsverfahren selbst gewährleistet ist, kann er der Zwangsversteigerung des belasteten Grundstücks als solcher nicht nach § 771 widersprechen.3 Die Zwangsversteigerung kann daher (auch wegen einer persönlichen Forderung) ohne Duldungstitel gegen den Nießbraucher angeordnet werden.4 3 Die Zwangsverwaltung kann unabhängig vom Bestehen eines Nießbrauchs angeordnet werden, da das Nießbrauchsrecht dadurch in seinem Bestand nicht berührt wird. Auch bei einem rangbesseren Nießbrauch wird die Zwangsverwaltung zunächst unbeschränkt angeordnet,5 weshalb der Nießbraucher durch Erinnerung (§ 766) eine Beschränkung der Befugnisse des Zwangsverwalters auf die dem Eigentümer gegenüber dem Nießbraucher zustehenden Rechte (mittelbarer Besitz, Überwachung) herbeiführen muss.6 Ist das Nießbrauchsrecht nachrangig, scheidet diese Beschränkung aus und der Zwangsverwalter erhält die Nutzungen zum Zwecke 1 2 3 4 5 6

Vgl. § 771 Rdn. 51 ff. Vgl. hierzu Thomas/Putzo/Seiler § 265 Rdn. 7. Stein/Jonas/Münzberg § 737 Rdn. 2. MünchKomm/Heßler § 737 Rdn. 14. KG JW 1933, 2348; OLG Köln NJW 1957, 1769; a.A. Haegele DNotZ 1976, 10 ff. RGZ 56, 389; OLG Köln NJW 1957, 1769.

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der Befriedigung des betreibenden Gläubigers; hierfür bedarf es allerdings neben des Leistungstitels gegen den Eigentümer eines Duldungstitels gegen den besitzenden Nießbraucher.7

2. Zwangsvollstreckung gegen Besteller bei Vermögens- oder Erbschaftsnießbrauch (§ 737) § 737 umfasst von seinem Anwendungsbereich her die oben geschilderten Konstellationen der 4 Zwangsvollstreckung im Hinblick auf ein bestehendes Nießbrauchsrecht jedoch nicht umfassend, sondern nur im Hinblick auf Nießbrauch am Vermögen (§ 1085 BGB) und an einer Erbschaft (§ 1089 BGB). Dementsprechend ist die praktische Bedeutung von §§ 737, 738 begrenzt.8 Der Sinn und Zweck von §§ 737, 738 ist in folgenden Erwägungen zu suchen: Die für die Gläubiger des Bestellers nachteilige Rechtslage, im Ergebnis auf die Pfändung von dessen Anspruch auf Herausgabe nach Beendigung des Nießbrauchs (vgl. § 1055 BGB) verwiesen zu sein, ist beim Nießbrauch an einzelnen Gegenständen noch hinnehmbar, beim Vermögensnießbrauch würde sie aber zu einer faktischen Rechtlosstellung der Gläubiger führen. Besonders deutlich wird das Problem am Beispiel des vermächtnisweise (§§ 2147 ff. BGB) an einer Erbschaft zugewendeten Nießbrauchs, da hier die Nachlassgläubiger allein aufgrund des Erbfalls der ihnen zur Verfügung stehenden Zugriffsmasse verlustig gingen. Für die Fälle des Vermögens- und Erbschaftsnießbrauchs sehen §§ 1086 S. 1, 1089 BGB daher vor, dass die Gläubiger des Bestellers bzw. die Nachlassgläubiger einen Anspruch gegen den Nießbraucher auf Duldung der Zwangsvollstreckung in die dem Nießbrauch unterliegenden Gegenstände haben, soweit die Forderungen vor der Bestellung entstanden sind bzw. es sich um Nachlassverbindlichkeiten handelt. § 737 enthält die entsprechende vollstreckungsrechtliche Umsetzung,9 wonach die Zwangsvollstreckung in die dem Nießbrauch unterliegenden Gegenstände ohne Rücksicht auf den Nießbrauch unter der vorgenannten Voraussetzung der zeitlichen Priorität10 zulässig ist, falls neben dem Leistungstitel gegen den Besteller bzw. Erben auch ein Duldungstitel gegen den Nießbraucher vorliegt. § 737 verlangt zum einen einen Leistungstitel gegen den Besteller, wobei dieser nicht zwin- 5 gend auch Eigentümer des betreffenden Vollstreckungsgegenstands sein muss.11 Zum anderen ist ein Duldungstitel gegen den Nießbraucher erforderlich. Bei diesem Titel muss es sich nicht um ein Urteil handeln, es kommt auch jeder andere Titel i.S.v. § 794 in Betracht. Der Duldungstitel gegen den Nießbraucher ist nicht nur formelle Vollstreckungsvoraussetzung und dient auch nicht nur der Überwindung des Gewahrsamschutzes des Nießbrauchers nach §§ 809, 766, sondern auch der Beseitigung seines Widerspruchsrechts nach § 771 aufgrund seines dinglichen Rechts. Ist der Nießbraucher trotz fehlenden Duldungstitels zur Herausgabe nach § 809 bereit, verliert er nicht automatisch auch sein Widerspruchsrecht aus § 771. Der demnach zur Vollstreckung gegen den Besteller jedenfalls erforderliche Duldungstitel gegen den Nießbraucher kann auf zwei verschiedenen Wegen erlangt werden: Durch besonderes Klageverfahren oder vollstreckbare Urkunde einerseits (s.u. Rdn. 10) oder durch Klauselerteilung nach § 738 andererseits (s.u. Rdn. 12). Bei Titelumschreibung gegen den Nießbraucher wegen Rechtsnachfolge nach §§ 265 Abs. 1, 325, 727 (s.u. Rdn. 11) wird dieser zum Vollstreckungsschuldner, sodass es eines Duldungstitels nicht bedarf.

7 BGH NJW 2003, 2164; BGH NJW 2014, 1740. 8 HK-ZV/Giers/Haas § 737 Rdn. 1. 9 BGH NJW 2003, 2164, 2165. 10 Vgl. zum Bestellungszeitpunkt § 737 Abs. 1 und zur ausdrücklichen Beschränkung auf Nachlassverbindlichkeiten beim Erbschaftsnießbrauch § 737 Abs. 2.

11 HK-ZV/Giers/Haas § 737 Rdn. 2. 107

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§ 738

Achtes Buch – Zwangsvollstreckung

Im Gegensatz zur Klauselerteilung gegen den Nießbraucher wegen Rechtsnachfolge, die lediglich die Vollstreckung in die streitbefangene Sache betrifft,12 erlauben die vorgenannten Duldungstitel gegen den Nießbraucher die Zwangsvollstreckung in sämtliche dem Nießbrauch unterliegenden Gegenstände. Was dazu im einzelnen z.B. auch kraft Surrogation (§ 1075 BGB) gehört, bestimmt sich nach bürgerlichem Recht. Von Bedeutung für die Interpretation von § 737 sind insbesondere § 1085 BGB13 und § 1089 BGB.14 Zu beachten ist allerdings, dass der Nießbraucher grundsätzlich zur Ziehung aller Nutzungen berechtigt ist (§ 1030 BGB), und deshalb Früchte der dem Nießbrauch unterworfenen Sachen und Rechte mit der Trennung in sein Eigentum fallen (§§ 100, 99 BGB). Eine gegen den Besteller gerichtete Vollstreckung in dem Nießbraucher nach § 99 Abs. 3 BGB zustehende fällige Miet- oder Pachtzinsforderungen geht daher auch bei Vorliegen eines Duldungstitels gegen den Nießbraucher ins Leere und ist ungültig. Die Vollstreckung in künftig fällig werdende Miet- oder Pachtzinsen ist hingegen möglich.15 7 Besonderheiten ergeben sich bei verbrauchbaren Sachen (§ 92 BGB) insofern, als diese zwar in das Eigentum des Nießbrauchers fallen, er jedoch zum Wertersatz gegenüber dem Besteller nach der Beendigung des Nießbrauchs verpflichtet ist (§ 1067 BGB). Hierzu ordnet § 1086 S. 2, 2. Hs. BGB bei Vermögens- und Erbschaftsnießbrauch die sofortige Fälligkeit des Ersatzanspruchs gegenüber dem Gläubiger an. Da der Nießbraucher in jedem Fall gegenüber dem Besteller verpflichtet bleibt, benötigt der Gläubiger weder einen Duldungs- noch einen Leistungstitel gegen den Nießbraucher, da dieser Drittschuldner des Bestellers ist, sondern kann aufgrund seines Titels gegen den Besteller dessen Anspruch gegen den Nießbraucher pfänden und sofortige Fälligkeit geltend machen.16 Eine weitere Besonderheit ergibt sich aus § 1088 BGB, wonach der Nießbraucher persönlich im Wege des gesetzlichen Schuldbeitritts für die Dauer des Nießbrauchs für Zinsen und andere wiederkehrende Leistungen einer vor Bestellung des Nießbrauchs entstandenen Forderung haftet. Insoweit ist daher ein Leistungstitel gegen den Nießbraucher erforderlich und genügend, aus dem die Vollstreckung in sein ganzes Vermögen stattfindet. Andererseits scheidet hier eine Titelumschreibung nach § 727 aus, da der Nießbraucher nicht Rechtsnachfolger, sondern eben nur Schuldbeitretender ist.17

6

II. Erlangung des Titels gegen Nießbraucher 1. Bestellung des Nießbrauchs vor Entstehung des Anspruchs 8 Grundvoraussetzung dafür, dass Forderungen in das dem Nießbrauch unterliegende Vermögen vollstreckbar sind, ist nach §§ 1086 S. 1 BGB, 737 Abs. 1 die Entstehung der Gläubigerforderung gegen den Besteller vor Nießbrauchsbestellung bzw. das Bestehen einer Nachlassverbindlichkeit nach §§ 1089 BGB, 737 Abs. 2.18 Zu den Nachlassverbindlichkeiten gehören auch hier sämtliche Erblasser- und Erbfallschulden.19 Für die Festlegung des maßgeblichen Entstehungszeitpunkts von Forderungen sind im Übrigen dieselben Grundsätze zu beachten, die für die „Begründung“ von Insolvenzforderungen nach § 38 InsO gelten.20 Das bedeutet z.B., dass auch aufschiebend bedingte und

12 13 14 15 16

Vgl. BGH NJW 2014, 1740; § 727 Rdn. 33 m.w.N. Zum Begriff des „Vermögens“ i.S.v. § 1085 BGB/§ 737 vgl. MünchKomm-BGB/Pohlmann § 1085 Rdn. 2 ff. Zum Begriff der „Erbschaft“ i.S.v. § 1089 BGB/§ 737 vgl. MünchKomm-BGB/Pohlmann § 1089 Rdn. 2 ff. MünchKomm/Heßler § 737 Rdn. 21; Stein/Jonas/Münzberg § 737 Rdn. 5. Stein/Jonas/Münzberg § 737 Rdn. 5 m.w.N. auch zur Gegenmeinung; Zöller/Seibel § 737 Rdn. 6; Grüneberg/Herrler § 1086 Rdn. 2. 17 A.A. Zöller/Seibel § 737 Rdn. 7. 18 S. aber oben bei Rdn. 1 zu der die Immobiliarvollstreckung betreffenden Ausnahme. 19 Vgl. § 28 Rdn. 2 ff. 20 Stein/Jonas/Münzberg § 737 Rdn. 2; HK-ZV/Giers/Haas § 737 Rdn. 2. Bittmann

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betagte Forderungen als bereits „entstanden“ anzusehen sind, sofern nur der Vertragsschluss zeitlich vor der Nießbrauchsbestellung liegt.21 Wann allerdings der Nießbrauch tatsächlich bestellt ist, ist fraglich, weil der Nießbrauch an 9 einem Vermögen die Summe der Nießbrauchsrechte an den einzelnen Gegenständen ist22 und deshalb die Bestellung in aller Regel nicht durch eine einheitliche Rechtshandlung erfolgt. Würde man darauf abstellen, dass die Bestellung vollständig durchgeführt ist, wäre der Nießbraucher bei großen und unübersichtlichen Vermögensmassen praktisch nahezu unbegrenzt dem Zugriff der Gläubiger des Bestellers ausgesetzt. Maßgeblich kann daher nur der jeweilige Bestellungsakt am einzelnen Vermögensgegenstand sein, sodass diejenigen Gegenstände der Haftung entzogen sind, an denen ein Nießbrauch zum Zwecke der Bestellung eines Vermögensnießbrauchs bereits vor Entstehung der jeweiligen Gläubigerforderung bestellt ist.23 Dass überhaupt ein Nießbrauch als an dem Vermögen bestellt gilt, bestimmt sich – zumindest im Verhältnis zum Gläubiger – danach, ob bereits die Nießbrauchsbestellung am ersten Vermögensgegenstand in der Absicht, noch das ganze Vermögen zu belasten, vorgenommen wird.24

2. Bestellung des Nießbrauchs vor Eintritt der Rechtshängigkeit des Anspruchs Nach § 737 ist es erforderlich, dass sich der Inhaber der noch nicht rechtshängigen, aber bereits 10 entstandenen Forderung neben dem Leistungstitel gegen den Besteller einen Duldungstitel gegen den Nießbraucher verschafft. Obwohl eine formlose Zustimmung zur oder bloße Hinnahme der Zwangsvollstreckung seitens des Nießbrauchers nicht ausreicht (s.o. Rdn. 5), bedarf es nicht in jedem Fall eines streitigen Klageverfahrens. Denn der Nießbraucher kann auch durch vollstreckbare Urkunde gemäß § 794 Abs. 2 (freiwillig) die sofortige Zwangsvollstreckung in das dem Nießbrauch unterliegende Vermögen bewilligen (§§ 57 Abs. 1 S. 3 GVGA).25 Der Duldungstitel wird allerdings nicht durch einen Leistungstitel gegen den Nießbraucher ersetzt, da ein Leistungstitel nur das eigene Vermögen des Nießbrauchers, nicht aber das Vermögen des Bestellers der Zwangsvollstreckung unterwirft; der Vollstreckung aus einem gegen den Nießbraucher gerichteten Titel in sein Eigentum könnte daher der Besteller gemäß § 771 widersprechen.

3. Bestellung des Nießbrauchs nach Eintritt der Rechtshängigkeit des Anspruchs Ist ein Anspruch über einen streitbefangenen Gegenstand i.S.d. § 265 Abs. 1 rechtshängig, stellt die 11 Nießbrauchsbestellung an diesem Gegenstand – auch wenn sie zum Zwecke der Bestellung des Nießbrauchs an einem Vermögen erfolgt – eine Veräußerung der Streitsache dar.26 Unter den Voraussetzungen der §§ 325, 727 kann daher das Urteil gegen den Nießbraucher als unmittelbaren Besitzer (§§ 868, 1036 Abs. 1 BGB) umgeschrieben werden. Hierbei handelt es sich um einen Fall von Rechtsnachfolge des Nießbrauchers nach dem beklagten und nunmehr mittelbar besitzenden Besteller,27 sodass die Klausel gegen den Nießbraucher – im Unterschied zu § 738 (s.u. Rdn. 12) – nicht etwa nur zur Duldung der Zwangsvollstreckung, sondern gegen ihn als Schuldner des (dinglichen) Herausgabeanspruchs hinsichtlich der beweglichen Sache zu erteilen ist. Der Gläubiger ist deshalb auch gezwungen, von der Umschreibungsmöglichkeit nach §§ 265, 325, 727 Gebrauch zu machen, und kann sich nicht etwa darauf beschränken, sich gemäß § 737 einen 21 22 23 24 25 26 27

Vgl. RGZ 152, 322; BGHZ 38, 371. RGZ 153, 31. Vgl. Grüneberg/Herrler § 1085 Rdn. 2. Vgl. MünchKomm/Heßler § 737 Rdn. 8. BGH NJW 2014, 1740, 1741. Vgl. HK-ZV/Giers/Haas § 737 Rdn. 2. BGH NJW 2014, 1740, 1741; Stein/Jonas/Münzberg § 737 Rdn. 4.

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Achtes Buch – Zwangsvollstreckung

Duldungstitel gegen den Nießbraucher zu verschaffen.28 Die Vorschrift des § 737 ist nur auf solche bereits rechtshängige Ansprüche anwendbar, die nicht unter § 265 Abs. 1 fallen, also insbesondere auf Geldforderungen und persönliche Herausgabeansprüche.

4. Bestellung des Nießbrauchs nach rechtskräftiger Feststellung des Anspruchs (§ 738) 12 Die Vorschrift bezweckt, dem Gläubiger auf einfachem Weg ohne Klageverfahren eine auf Duldung der Zwangsvollstreckung gerichtete vollstreckbare Ausfertigung gegen den Nießbraucher nach Maßgabe des § 737 zu verschaffen. Es liegt daher keine „Umschreibung“ im eigentlichen Sinne vor, da eine gegen den Besteller auf Leistung gerichtete Ausfertigung gemäß § 737 erforderlich bleibt.29 Dies unterscheidet die entsprechende Anwendung des § 727 nach § 738 grundlegend von der direkten Anwendung des § 727 bei Rechtsnachfolge des Nießbrauchers hinsichtlich einer streitbefangenen Sache i.S.v. § 265 Abs. 1 (s.o. Rdn. 11). Es handelt sich dabei um streng voneinander getrennt zu haltende, stets nur alternativ und keinesfalls kumulativ zur Verfügung des Gläubigers stehende Möglichkeiten. Daher ist § 738 auch dann nicht anwendbar, wenn ein Urteil über eine streitbefangene Sache i.S.v. § 265 Abs. 1 vor Nießbrauchsbestellung rechtskräftig geworden ist. § 738 gilt somit nur für Geldforderungen und andere persönliche Ansprüche unter Beschränkung auf die dem Nießbrauch unterliegenden Gegenstände. Diese Beschränkung ist in die Klausel in allgemeiner Form, d.h. ohne Bezeichnung der einzelnen Vermögensgegenstände, aufzunehmen.30 13 Die in § 738 Abs. 1 angeordnete entsprechende Anwendung des § 727 bedeutet, dass in der dort geforderten Form anstelle der Rechtsnachfolge die Nießbrauchsbestellung und die Rechtskraft i.S.v. § 705 nachzuweisen sind. Hinsichtlich der Nießbrauchsbestellung bedarf es des Nachweises der formgültigen Verpflichtung des Bestellers nach § 311b BGB,31 wobei der Gläubiger von den Möglichkeiten des § 792 Gebrauch machen kann. Des von der h.M.32 geforderten weiteren Nachweises des Zeitpunkts der Bestellung des Nießbrauchs bedarf es schon deshalb nicht, weil die Nießbrauchsbestellung aus einer Summe von Einzelbestellungen besteht (s.o. Rdn. 9), sodass ein bestimmter Bestellungszeitpunkt i.d.R. gar nicht existiert; ausreichend ist vielmehr der Nachweis des Zeitpunkts der formgültigen Verpflichtung zur Bestellung durch Vorlage der entsprechenden Notarurkunde (§ 311b BGB), zumal die Bestellung in aller Regel nicht vor einer formgültigen Verpflichtung stattfindet, sondern der Beurkundung nachfolgt. Die Zugehörigkeit der einzelnen Gegenstände zu dem dem Nießbrauch unterliegenden Vermögen und damit auch die Frage, inwieweit die Verpflichtung des Bestellers zur Einräumung eines Vermögensnießbrauchs bereits erfüllt ist, prüft das Vollstreckungsorgan. Schließlich ist auch der Zeitpunkt der Rechtskraft oder ggf. der Entstehungszeitpunkt eines sonstigen Titels nach § 794 nachzuweisen, der zeitlich vor der Beurkundung des Vertrags nach § 311b BGB liegen muss. 14 Bei einem Erbschaftsnießbrauch (§ 738 Abs. 2) ist statt der Notarurkunde nach § 311b die Verfügung von Todes wegen vorzulegen, durch die die vermächtnisweise Zuwendung des Nießbrauchs angeordnet ist; auch insoweit kann von den Möglichkeiten des § 792 Gebrauch gemacht werden. Allerdings genügt es, wenn die Rechtskraft des gegen den Erblasser gerichteten Titels noch vor dem ebenfalls nachzuweisenden Zeitpunkt des Erbfalls eingetreten ist, da erst dadurch die Verpflichtung zur Nießbrauchsbestellung wirksam wird.

28 Ebenso wohl Stein/Jonas/Münzberg § 737 Rdn. 4 aE und MünchKomm/Heßler § 737 Rdn. 11. 29 Vgl. auch § 57 Abs. 2 GVGA: Der Schuldtitel muss „auch“ mit der Vollstreckungsklausel gegen den Nießbraucher versehen sein.

30 Vgl. den Formulierungsvorschlag bei Zöller/Seibel § 738 Rdn. 3. 31 A.A. wohl MünchKomm/Heßler § 738 Rdn. 3. 32 Vgl. nur OLG Zweibrücken NJOZ 2005, 2568, 2569; Stein/Jonas/Münzberg § 738 Rdn. 2 und Zöller/Seibel § 738 Rdn. 3. Bittmann

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§ 739

Entsprechende Anwendung des § 727 bedeutet andererseits nicht, dass guter Glaube des 15 Nießbrauchers gemäß § 325 Abs. 2 von Bedeutung ist, da die Haftung des Nießbrauchers nach § 1086 BGB auf Duldung der Zwangsvollstreckung unabhängig von derartigen Umständen eintritt.33 Im Übrigen, also insbesondere hinsichtlich der Zuständigkeit des Rechtspflegers nach § 20 Abs. 1 Nr. 12 RPflG und der Kostenpflicht des Schuldners nach § 788 Abs. 1, verbleibt es bei den allgemein auf das Klauselverfahren anwendbaren Regeln.

III. Rechtsbehelfe Wird unter Verstoß gegen § 737, also ohne Duldungstitel gegen den Nießbraucher, vollstreckt, 16 kann dieser der Vollstreckung aufgrund seines dinglichen Rechts nach § 771 widersprechen (s.o. Rdn. 1). Gegen die Widerspruchsklage kann sich der Gläubiger – falls die Nießbrauchsbestellung vor der Pfändung erfolgt ist – nur mit dem Einwand verteidigen, dass es sich nicht um einen Nießbrauch an einem einzelnen Gegenstand, sondern um einen Vermögens- oder Erbschaftsnießbrauch handelt, und dass seine Forderung noch vor Bestellung des Nießbrauchs an dem gepfändeten Gegenstand entstanden ist (s. dazu oben Rdn. 9) bzw. es sich bei seiner Forderung um eine Nachlassverbindlichkeit handelt. Denn in diesem Fall kann dem Kläger entgegengehalten werden, dass er materiellrechtlich nach § 1086 S. 1 BGB bzw. § 1089 BGB zur Duldung der Zwangsvollstreckung verpflichtet ist, und dadurch die Geltendmachung des Nießbrauchs als veräußerungshinderndes Recht ausgeschlossen wird.34 Die Befugnis des Gläubigers, sich noch im Klageverfahren nach § 771 auf die materielle Haf- 17 tung des Nießbrauchers zu berufen, lässt jedoch die ebenfalls in § 737 enthaltene formelle Vollstreckungsvoraussetzung des Vorliegens eines Duldungstitels gegen den Nießbraucher unberührt. Auch bei unstreitiger Verpflichtung des Nießbrauchers zur Duldung der Zwangsvollstreckung nach § 1086 S. 1 BGB bleibt die Vollstreckung ohne Duldungstitel daher verfahrensrechtlich fehlerhaft und anfechtbar. Die Anfechtung erfolgt durch Erinnerung (§ 766). Erinnerungsbefugt ist nicht nur der Besteller als Vollstreckungsschuldner,35 sondern auch der Nießbraucher36 und – im Fall der Rechtspfändung – Drittschuldner als Dritte, deren rechtliche Interessen durch die fehlerhafte Vollstreckung beeinträchtigt werden.37 Der Duldungstitel kann jedoch noch bis zur Aufhebung des Vollstreckungsaktes nachgebracht werden.

§ 739 Gewahrsamsvermutung bei Zwangsvollstreckung gegen Ehegatten und Lebenspartner (1) Wird zugunsten der Gläubiger eines Ehemanns oder der Gläubiger einer Ehefrau gemäß § 1362 des Bürgerlichen Gesetzbuches vermutet, dass der Schuldner Eigentümer beweglicher Sachen ist, so gilt, unbeschadet der Rechte Dritter, für die Durchführung der Zwangsvollstreckung nur der Schuldner als Gewahrsamsinhaber und Besitzer. (2) Absatz 1 gilt entsprechend für die Vermutung des § 8 Abs. 1 des Lebenspartnerschaftsgesetzes zugunsten der Gläubiger eines der Lebenspartner.

33 34 35 36 37

Stein/Jonas/Münzberg § 738 Rdn. 2; Zöller/Seibel § 738 Rdn. 2; vgl. aber Grüneberg/Herrler § 1087 Rdn. 3. Vgl. auch § 771 Rdn. 54. Vgl. § 766 Rdn. 60; a.A. MünchKomm/Heßler § 737 Rdn. 16. Insoweit wird regelmäßig schon § 809 einschlägig sein. Vgl. § 766 Rdn. 66.

111 https://doi.org/10.1515/9783110443158-017

Paulus

§ 739

Achtes Buch – Zwangsvollstreckung

Übersicht I. 1. 2.

Gesetzesgeschichte, Normzweck 1 Geschichte 2 Normzweck

II. 1. 2. 3.

Anwendungsbereich 3 § 1362 BGB Bewegliche Sache 9 Weitere Titel

III. 1.

Analoge Anwendung Immobiliarvollstreckung

8

10

11

2. 3.

Faktische Lebensgemeinschaft 12 Wohngemeinschaften

IV.

Rechtsfolge

V. 1. 2.

Verfahren Prüfungspflichten des Gerichtsvollziehers 20 Rechtsbehelfe

VI. 1.

Übergangsregelungen Gleichberechtigungsgesetz

13

16

23

I. Gesetzesgeschichte, Normzweck 1. Geschichte 1 Die mit der Novelle von 1898 eingeführte Norm regelte die Zwangsvollstreckung in das eingebrachte Gut der Ehefrau, und zwar in Anlehnung an die in § 737 getroffene Regelung.1 Ihre heutige Gestalt hat die Vorschrift durch das Gleichberechtigungsgesetz vom 18.6.1957 (BGBl. I, S. 609) erhalten, durch das das eheliche Güterrecht insgesamt grundlegend neu und in Anpassung an Art. 3 Abs. 2 GG geschaffen wurde. Durch diese Änderung ist jedoch der systematische Zusammenhang der §§ 735 bis 748 durchbrochen worden; im Gegensatz zur alten Regelung stellt § 739 n.F. nämlich keine besonderen Anforderungen an den Titelinhalt, was die übrigen Vorschriften dieser Normengruppe aber weiterhin tun. Der neuen Systematik entsprechend gehört § 739 nunmehr zu den §§ 808, 883 ff. Abs. 2 wurde durch das LPartG vom 16.1.2001 (BGBl. I, S. 266) eingefügt, um die in dessen § 8 vorgenommene Parallelisierung mit § 1362 BGB auf das Vollstreckungsrecht zu übertragen.

2. Normzweck 2 Hintergrund der Regelung ist die auch schon in § 2325 Abs. 3, 2. HS BGB, § 3 Abs. 2 AnfG sowie § 138 Abs. 1 InsO zum Ausdruck gebrachte Einschätzung des Gesetzgebers, dass die besondere Verbundenheit der Ehegatten zu erhöhten Schwierigkeiten der Gläubiger bei der Durchsetzung ihrer Rechte führen kann.2 Indem § 739 den Gewahrsam des Schuldners fingiert und somit von dem Erfordernis eines eigenen Duldungstitels gegen den anderen Ehegatten absieht, bezweckt die Vorschrift eine Erleichterung des zwangsweisen Gläubigerzugriffs. Wie auch schon § 1362 BGB ein Auseinanderhalten der in einer Ehegemeinschaft typischerweise nur sehr schwer nachvollziehbaren Eigentumslage entbehrlich macht, setzt die vorliegende Norm diese Erleichterung hinsichtlich der Gewahrsamslage fort. Freilich geht der durch § 739 gewährte Schutz insofern noch weiter, als er zu einer Umkehr der Prozesslast führt, Rdn. 13.3

1 Begründung der Novelle, S. 151. 2 BGH FamRZ 2015, 400 – Tz. 9; BGH JZ 1987, 154 m. Anm. Paulus; Schwarz Versteckte Risiken des zwangsvollstreckungsrechtlich motivierten Hausratsverzeichnisses in Beglaubigungsform, DNotZ 1995, 115.

3 Zur Kritik an der darin liegenden Bevorzugung der Gläubiger, die bei Beweisnot der Ehegatten zu einer unverdienten Vermehrung der Haftungsmasse führt, Gernhuber/Coester-Waltjen Lehrbuch des Familienrechts6, § 22 II 1, 203. Paulus

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II. Anwendungsbereich 1. § 1362 BGB 3 Wegen der Übergangsregelungen für vor dem 1.7.1958 geschlossenen Ehen s. Rdn. 23 f. Aufgrund seiner systematischen Stellung ist § 1362 BGB grundsätzlich4 sowohl auf den gesetzli- 4 chen Güterstand (Zugewinngemeinschaft) als auch auf die vertraglich vereinbarten (Gütergemeinschaft, Gütertrennung) sowie die nach näherer Maßgabe des Art. 234 § 4 EGBGB fortgeltenden Güterstände des FGB (DDR; Eigentums- und Vermögensgemeinschaft)5 anzuwenden.6 Zugunsten der Gläubiger7 eines zur Zeit des Vollstreckungszugriffs in wirksamer Ehe lebenden Ehepartners wird danach widerleglich8 vermutet, dass „die im (unmittelbaren wie mittelbaren)9 Besitz eines Ehegatten oder beider Ehegatten befindlichen beweglichen Sachen dem Schuldner gehören.“ Diesen beweglichen Sachen, zu denen auch Bargeld10 gehört, werden Inhaberpapiere und Orderpapiere, die mit Blankoindossament versehen sind, zugerechnet, § 1362 Abs. 1 S. 3 BGB. Nachdem diese Vorschrift keinerlei Einschränkungen in räumlicher Hinsicht trifft, sind von der Eigentumsvermutung nicht nur die in der gemeinsamen Wohnung befindlichen Mobilien erfasst, sondern etwa auch ein Kfz11 auf der Straße, an Kinder oder sonstige Dritte weggegebene Gegenstände sowie – entgegen der h.M.12 – diejenigen beweglichen Sachen, die in einem von einem der Ehegatten allein betriebenen Erwerbsgeschäft13 oder in einem allein genutzten Büro bzw. Hobbyraum untergebracht sind. Das rechtfertigt sich daraus, dass § 1362 BGB die Möglichkeit zu gläubigergefährdenden Vermögensverschiebungen nicht an das räumliche Näheverhältnis, sondern an die Ehe als solche knüpft, Rdn. 2. Infolgedessen ist ein nur vorübergehendes Getrenntleben – etwa weil sich der Schuldner in Haft oder auf Reisen befindet – für die Anwendbarkeit der Vorschrift unbeachtlich.14 Gem. Abs. 2 gilt die Eigentumsvermutung jedoch nicht für solche Sachen, die – wie etwa 5 Damenschmuck,15 Schuhe, Rasierapparat, Musikinstrument, etc. – ausschließlich zum persönlichen Gebrauch16 eines Ehegatten bestimmt sind. Bei ihnen spielt die vom Gerichtsvollzieher angetroffene Besitzlage keine Rolle – im Gegensatz zu der anderen, in Abs. 1 S. 2 geregelten Ausnahme: 4 Zur Vermutung der Zugehörigkeit zum Gesamtgut bei vereinbarter Gütergemeinschaft s. allerdings § 1416 BGB und § 740 Rdn. 3. Für die Geltung des § 1362 BGB im Bereich der vereinbarten Gütertrennung etwa AG Siegen DGVZ 1977, 11; OLG Bamberg DGVZ 1978, 9; AG Wedding DGVZ 1988, 44; LG München II JurBüro 1989, 1311. Vgl. auch die Beiträge von Beitzke und Pohle Zur Zwangsvollstreckung gegen Ehegatten bei Gütertrennung, ZZP 68 (1955) 231 ff., 260 ff. Für die Zugewinngemeinschaft LG Limburg DGVZ 1981, 11. Vgl. auch Christmann Die Gütertrennung bei der Zwangsvollstreckung gegen Ehegatten, DGVZ 1986, 107. 5 Art. 234 § 1 EGBGB; überdies Anl. I Kap. III Sachgeb. A Abschn. II Nr. 1 EinigungsV. 6 S. auch MünchKomm/Heßler § 739Rdn. 2 f., sowie § 740 Rdn. 1 bis 3. Die Vorschrift gilt auch bei ausländischen Güterständen, Geimer Internationales Zivilprozessrecht, 2020, Rdn. 3237. 7 Dazu zählt auch der Insolvenzverwalter eines der Ehegatten, BGH NJW 1955, 20. 8 LG Verden DGVZ 1978, 136 f.; AG Mönchengladbach DGVZ 1981, 27 f. 9 BGH NJW 1993, 936: Es reiche u.U. sogar, dass gar keine Besitzposition mehr vorliege. 10 AG Offenbach DGVZ 1992, 59 f.; Zöller/Seibel Rdn. 3. S. auch AG Pinneberg JurBüro 2022, 218, LG Lübeck JurBüro 2020, 389, AG Wesel JurBüro 2018, 434 (je zur Kassenpfändung im Geschäftslokal). 11 BGH NJW 1955, 20; AG Elmshorn DGVZ 1994, 12 f. Vgl. auch Pardey Der Vollstreckungsschutz des Kraftfahrzeughalters nach §§ 811, 812, 850 ZPO, DGVZ 1987, 162. Der Eigentümervermerk im Kfz-Brief besagt zum persönlichen Gebrauch nichts, LG Essen NJW 1962, 2307. 12 Stein/Jonas/Münzberg Rdn. 18; Zöller/Seibel Rdn. 6 – je m.w.N. 13 Eine Sonderregelung für ein Erwerbsgeschäft sieht § 741 im Einklang mit §§ 1431, 1464 BGB nur für den Fall der Gütergemeinschaft vor. Unrichtig daher LG Mosbach MDR 1972, 518; LG Itzehohe DGVZ 1972, 91; OLG Koblenz v. 11.12.1981 4 W 567/81. 14 A.A. AG Weilburg DGVZ 2004, 30. 15 Handelt es sich bei den Schmuckstücken um eine Kapitalanlage für die Familie, gilt wieder die Eigentumsvermutung des § 1362 Abs. 1 S. 1 BGB, BGH NJW 1959, 142. 16 Da es nur auf den Gebrauch ankommt, gilt die Vermutung auch zugunsten desjenigen, der sie nicht erworben hat, RGZ 99, 152; BGH NJW 1959, 142. 113

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Danach gilt die Vermutung auch dann nicht, wenn die Ehegatten dauerhaft getrennt leben, dazu Rdn. 17, und sich die fraglichen Sachen im Besitz des (anderen) Ehegatten befinden. Unter „getrennt leben“ versteht die h.M. eine „rein tatsächliche, nicht nur vorübergehende räumliche Trennung“,17 wobei ein Getrenntleben innerhalb der Wohnung für die Aufhebung der Vermutung nicht genügen soll.18 6 Voraussetzung für die Anwendbarkeit des § 739 ist infolgedessen, dass sich die Zwangsvollstreckung gegen einen in Ehegemeinschaft lebenden Schuldner19 richtet, dass die Ehepartner nicht getrennt leben, Rdn. 17, und dass sich der Zugriff auf eine bewegliche Sache20 richten soll, die nicht zum persönlichen Gebrauch des anderen Ehegatten bestimmt ist, § 1362 Abs. 2 BGB. Dabei macht es keinen Unterschied, ob die Vollstreckung wegen eines Herausgabeanspruchs oder wegen einer Geldforderung durchgeführt wird; letzterenfalls ist jedoch zu beachten, dass sich der Zugriff auf körperliche Gegenstände richtet, Rdn. 8.21 Sind diese Bedingungen erfüllt, kann der Gläubiger – bei fehlender Klärung im Urteil – selbst dann auf eine Sache zwangsweise zugreifen, wenn die Beweisaufnahme im Erkenntnisverfahren zuvor ergeben hat, dass sie dem nicht schuldenden Ehepartner gehört;22 denn eine Überprüfung der Eigentumslage findet während der Zwangsvollstreckung grundsätzlich nicht statt, Rdn. 17. Insoweit besteht also zwischen den Regelungsbereichen der beiden Normen keine Überschneidung.23 7 Der Anwendungsbereich des § 739 wird auch nicht durch § 89 InsO eingeschränkt, wenn das Vermögen des nicht schuldenden Ehegatten einem Insolvenzverfahren unterzogen ist;24 vielmehr muss der Insolvenzverwalter versuchen, die Freigabe über § 771 zu erreichen.25 Ebenso wenig wird die (unwiderlegliche) Vermutung des Gewahrsams dadurch beeinträchtigt, dass sich nur einer der Ehegatten – sei es auch der nicht schuldende – zur Zeit der Pfändung in der Wohnung aufhält.26 Darüber hinaus ist es auch unerheblich, welchen der Ehegatten die Räumlichkeit, in der die Zwangsvollstreckung stattfindet, gehört, oder wer sie gemietet hat.27

2. Bewegliche Sache 8 Was die von der Vorschrift erfassten Gegenstände anbelangt, so ist in den §§ 1362 BGB und 739 einheitlich von ‚beweglichen Sachen‘ die Rede. Im BGB-Kontext ist auf diese Weise klargestellt, dass damit nur Mobilien gemeint sind, § 90 BGB; im 8. Buch der ZPO dagegen zählen ausweislich der Titelüberschrift Vor § 803 zum beweglichen Vermögen nicht nur körperliche Sachen, sondern auch Forderungen und andere Vermögensrechte, s. Überschrift Vor § 828. Was das BGB als beweg17 OLG Düsseldorf MDR 1960, 234; OLG Köln FamRZ 1965, 510; MünchKomm/Weber-Monecke § 1362 Rdn. 13; Soergel/ Lipp § 1362 Rdn. 12; Erman/Kroll-Ludwigs § 1362 Rdn. 7.

18 MünchKomm/Weber-Monecke § 1362 Rdn. 13; Staudinger/Voppel § 1362 Rdn. 25. 19 Auf Ehen, die nach ausländischem Recht geschlossen sind, für die also ein ausländischer Güterstand besteht, ist § 739 über Art. 16 Abs. 2 EGBGB analog anzuwenden, s. auch AG Menden FamRZ 2006, 1471. Vgl. ferner neben § 740 Rdn. 7 noch BGH JZ 1999, 204 mit Anm. Stoll; OLG Düsseldorf NJW-RR 2010, 1662; OLG Zweibrücken MittBayNot 2007, 421 mit Anm. Süß ebenda, S. 385. Ausführlich hierzu MünchKomm/Heßler Rdn. 22 ff. 20 OLG Bamberg FamRZ 1962, 391. 21 Bei der Vollstreckung in Forderungen und bei Ansprüchen auf Abgabe einer Willenserklärung ist § 739 nicht anzuwenden, MünchKomm/Heßler Rdn. 4; Stein/Jonas/Münzberg Rdn. 19. 22 Freilich kann sich der Gläubiger dadurch gegebenenfalls schadensersatzpflichtig machen, RG JW 1911, 368. 23 Das ist nach Maßgabe des lex fori-Prinzips für die Anwendung von § 739 in Fällen mit Auslandsberührung von Bedeutung, vgl. MünchKomm/Heßler Rdn. 22 ff. 24 LG Frankenthal MDR 1985, 64. Vgl. auch RGZ 120, 109; BGH NJW 1955, 20. 25 App Unzulässige und noch zulässige Maßnahmen von Insolvenzgläubigern nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners, DGVZ 2004, 67, 68. 26 LG Berlin DGVZ 1991, 57; ebenso OLG Düsseldorf v. 13.5.1994 3 W 371/93 (Schuldner im Gefängnis). Vgl. auch AG Opladen DGVZ 1975, 371. 27 LG Kaiserslautern DGVZ 1986, 63. Paulus

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liche Sachen bezeichnet, sind in der Zwangsvollstreckung ‚körperliche Sachen‘, § 803. Wegen der ausdrücklichen Bezugnahme auf § 1362 BGB ist diese terminologische Ungenauigkeit dahingehend zu korrigieren, dass auch § 739 nur körperliche bewegliche Sachen erfasst. Dieses Ergebnis folgt zwangsläufig auch aus dem verwendeten Gewahrsamsbegriff, der allein bei den §§ 808 ff., 883 ff. (s. insbes. § 886 zur Unterscheidung) eine Rolle spielt und überall dort einheitlich zu verstehen ist.

3. Weitere Titel Über § 795 ist die vorliegende Vorschrift auch auf die weiteren, in § 794 genannten Titel sowie 9 auf einstweilige Anordnungen28 anzuwenden. Es ist also kein vorhergehender Prozess vorausgesetzt, in dem die Vermutung des § 1362 BGB tatsächlich zum Tragen gekommen wäre; vielmehr genügt es, wenn die bei Rdn. 6 genannten Merkmale gegeben sind.

III. Analoge Anwendung 1. Immobiliarvollstreckung Eine analoge Anwendung29 auf Immobiliarvollstreckungen (insbes. eine Räumung der von den 10 Ehegatten benutzten Ehewohnung nach § 885)30 scheitert nicht nur wegen des eindeutigen Wortlauts von § 739, sondern auch – und vor allem – daran, dass nur bei Mobilien die spezifische Schwierigkeit der Eigentumszuordnung zu den einzelnen Ehegatten besteht,31 Rdn. 2. Das gilt wegen der besonderen Schutzbedürftigkeit des räumlich-gegenständlichen Ehebereichs auch dann, wenn nur einer der Ehegatten Vertragspartner (Mieter) ist.32

2. Faktische Lebensgemeinschaft Ferner wird eine Analogie vielfach für die faktischen Lebensgemeinschaften vorgeschlagen.33 11 Dafür spricht an und für sich der oben, Rdn. 2, beschriebene Normzweck des § 739. Doch steht 28 KG OLGRspr 1919, 396. 29 Dagegen Schreiber Die Räumungsvollstreckung gegen Ehegatten, JURA 1987, 555 ff.; Eichenhofer Die Auswirkungen der Ehe auf Besitz und Eigentum der Eheleute, JZ 1988, 330 f.; Schilken Probleme der Herausgabevollstreckung, DGVZ 1988, 56. Dafür OLG Celle Nds.Rpfl 1955, 215; OLG Hamm NJW 1956, 1682; OLG Köln NJW 1958, 593; OLG Düsseldorf MDR 1960, 234; Stein/Jonas/Münzberg Rdn. 19. 30 Zur Problematik H. Schneider Schutzloser Mitbesitz bei der Räumungsvollstreckung, DGVZ 1986, 4 ff.; Rabl Die Zwangsräumung der Ehewohnung, DGVZ 1987, 38 ff.; Geißler Die Dienstaufgaben des Gerichtsvollziehers bei der Zwangsräumung von Wohnraum, DGVZ 1987, 65 ff. 31 H. Schneider Schutzloser Mitbesitz bei der Räumungsvollstreckung, DGVZ 1986, 6. 32 Zutr. OLG Oldenburg NJW-RR 1994, 715; vgl. auch OLG Oldenburg MDR 1991, 968, sowie Winderlich ZMR 1990, 125. 33 Statt vieler Gernhuber/Coester-Waltjen des Familienrechts6, § 43 II 2, 497; Weimar JR 1982, 323; Diederichsen Die nichteheliche Lebensgemeinschaft im Zivilrecht, NJW 1983, 1017; Arnold Reform des Zwangsvollstreckungsrechts, Diskussionsbeitrag: Anregungen zur Reform, ZZP 105 (1992), 431; Wacke Reform des Zwangsvollstreckungsrechts, Diskussionsbeitrag: Zur Pfändung bei nichtehelichen Partnerschaften und zum Prioritätsprinzip, ZZP 105 (1992), 437; Schilken Vereinfachung und Beschleunigung der Zwangsvollstreckung, Rpfleger 1994, 139 (= Änderungsvorschlag der Arbeitsgruppe zur Überarbeitung des Verfahrens der Zwangsvollstreckung). Vgl. auch OLG Düsseldorf NJW 1992, 1706. Brox hält die Vorschrift für verfassungswidrig, FamRZ 1981, 1125; wohl auch BGH JZ 1990, 761 m. Anm. H. Roth. Zum Thema insges. Knoche Die Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft als „Familienangehörige“? 1987; Thran Die analoge Anwendung der §§ 1362 BGB, 739 ZPO auf nichteheliche Lebensgemeinschaften, NJW 1995, 1458. Die zweite Zwangsvollstreckungsnovelle enthält sich bewusst einer Regelung, BT-Drucks. 13/341 (sub II 5 a.E.). 115

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dem einmal die wenig fassbare Ausgestaltung der Erscheinungsformen dieses Zusammenlebensphänomens entgegen – soll die Analogie beispielsweise auch für Verlobte oder für eine „Ehe auf Probe“ gelten? Darüber hinaus ist zu bedenken, dass der Gesetzgeber bei der Abfassung der §§ 1362 BGB, 739 auf die Ehe abgestellt hat, nicht aber auf das Näheverhältnis als solches. Dabei liegt für die Gläubiger vornehmlich in letzterem die Gefährdung – handele es sich um eine nichteheliche Lebensgemeinschaft, eine Wohngemeinschaft oder um eine Eltern-Kind-Beziehung. Wollte man also eine für jeden Analogieschluss erforderliche Regelungslücke postulieren, müsste sie konsequenterweise durch alle Näheverhältnisse gefüllt werden – nicht nur durch die nichteheliche Lebensgemeinschaft.34

3. Wohngemeinschaften 12 Dieselben Argumente sprechen gegen eine analoge Anwendung auf die Pfändung bei Schuldnern, die in Wohngemeinschaften35 leben, obgleich auch hier die Gefahr von gläubigerschädigenden Transaktionen groß erscheint und in der Praxis wohl auch ist.36 Aber auch hier kann die mit dem Abstellen auf die Ehe falsch akzentuierte Regelung des § 739 nicht einspringen; vielmehr ist für eine Lückenfüllung der Gesetzgeber aufgerufen.

IV. Rechtsfolge 13 Soweit die Eigentumsvermutung reicht, gilt der Schuldner für die Pfändung, § 808, wie für die Herausgabevollstreckung, §§ 883 ff., im Wege einer unwiderleglichen Vermutung37 als Besitzer und Gewahrsamsinhaber der beweglichen Sachen. Die Unwiderleglichkeit gilt selbst dann, wenn die Eigentumsvermutung des § 1362 BGB widerlegt ist.38 Damit verstärkt § 739 noch die durch die materiellrechtliche Vermutung gewährte Vergünstigung. Denn die in § 1362 BGB vorgesehene Eigentumsvermutung impliziert einen vom Gläubiger geführten Prozess, in dem ihm die nach den allgemeinen Regeln obliegende Beweislast hinsichtlich des schuldnerischen Eigentums abgenommen und auf den Schuldner übertragen wird.39 Indem § 739 den in der Zwangsvollstreckung materiell zu Unrecht betroffenen Ehegatten wie jeden anderen Drittbetroffenen auf eine Klage verweist, impliziert die Vorschrift zusätzlich eine Umkehr der Klagelast.40 Infolgedessen ist die Beweislastumkehr des § 1362 BGB insoweit überflüssig, als der klagende Ehegatte nach den allgemeinen Grundsätzen in diesem Prozess ohnedies die Beweislast hinsichtlich des von ihm behaupteten Rechts hat. 14 Gleichwohl ist die Eigentumsvermutung auch in dem Prozess der Drittwiderspruchsklage deswegen bedeutsam, weil sich der Kläger ohne sie auf die Eigentumsvermutung etwa des § 1006 BGB berufen könnte. Das Verhältnis beider Normen zueinander ist umstritten:41 Wollte 34 Die mit der hier vertretenen Ansicht verbundene Besserstellung, § 809, von nichtehelichen Partnern kommt öfters vor; s. nur die weiteren Beispiele in der Urteilsanm. BGH JZ 1985, 91 m. Anm. von H. Lange. Gegen eine analoge Anwendung auf nichteheliche Lebensgemeinschaften auch LG Frankfurt/M. NJW 1986, 729; OLG Köln NJW 1989, 1737; AG Siegen DGVZ 1993, 61. 35 Hierzu etwa Guntau Verfassungsrechtliche Probleme der Vollstreckung gegen Schuldner in Wohngemeinschaften, DGVZ 1982, 17 ff. 36 Jakobs Arbeitstagung des deutschen Gerichtsvollziehers in Loccum, DGVZ 1986, 35 f. 37 OLG Celle InVo 2000, 57; LG München II JurBüro 1989, 1311; Christmann Die Gütertrennung bei der Zwangsvollstreckung gegen Ehegatten, DGVZ 1986, 107. 38 OLG Celle InVo 2000, 57; Zöller/Seibel, Rdn. 7. 39 Zum weiteren Anwendungsbereich des § 1362 BGB Gernhuber/Coester-Waltjen a.a.O., § 22 II 2. 40 Dazu Nakano Umkehr der Klagelast, FS Baumgärtel, 1990, 403 ff. 41 Für eine Verdrängung des § 1006 BGB durch § 1362 BGB RG Gruch. 51, 1006. Dagegen Baur Zwangsvollstreckungsund konkursrechtliche Fragen zum Gleichberechtigungsgesetz, FamRZ 1958, 254; Gernhuber/Coester-Waltjen a.a.O., § 22 II 2 Fn. 43. Paulus

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man § 1006 BGB uneingeschränkt für anwendbar halten, müsste der Gläubiger in der gegen ihn angestrengten Klage nach § 771 letzten Endes doch den Beweis dafür erbringen, dass die gepfändete Sache seinem Schuldner gehört; genau davor will ihn aber § 1362 BGB bewahren. Folglich ist § 1006 BGB insoweit eingeschränkt. Nachdem aber der Gesetzgeber hinsichtlich des mit den §§ 1362 BGB, 739 bezweckten Gläubigerschutzes nicht auf das (besser passende) Näheverhältnis als solches, sondern auf die Ehe abgestellt hat, Rdn. 2 f., ist es wegen der damit verbundenen Benachteiligung von Ehegatten angebracht, die Zurückdrängung des § 1006 BGB auf den Zeitraum der ehelichen Partnerschaft zu beschränken. Macht also der klagende Ehegatte geltend, dass er die gepfändete Sache vor der Ehe erworben habe, kann er sich auf § 1006 Abs. 2 BGB berufen42 – und zwar folgerichtig selbst dann, wenn die Ehepartner bereits zuvor außerehelich zusammengelebt hatten. Pfänden jeweils Gläubiger der beiden Ehegatten ein und denselben Gegenstand, sprechen 15 die Eigentumsvermutung des § 1362 BGB und die Gewahrsamsvermutung des § 739 für jeden von ihnen. Obsiegt der Eigentümer-Ehegatte43 mit der Drittwiderspruchsklage, Rdn. 20, ist der Zugriff des Gläubigers des anderen Ehegatten unzulässig. Gelingt dagegen der Nachweis nicht, wirkt § 1362 BGB insofern weiter, als das Pfändungspfandrecht eines jeden der Gläubiger rechtens besteht; doch neutralisiert sich seine Vermutung. Infolgedessen gelten die allgemeinen Regeln, d.h. vorliegend § 804 Abs. 3.44

V. Verfahren 1. Prüfungspflichten des Gerichtsvollziehers Der Gerichtsvollzieher ist durch § 739 von der Prüfung u.U. schwieriger besitzrechtlicher Fragen 16 entbunden. Allerdings können sich aus der in Rdn. 5 mitgeteilten Definition dessen, was herkömmlicherweise unter Getrenntleben verstanden wird, andere Probleme ergeben:45 Sie liegen nicht so sehr in der räumlichen Trennung, weil § 1362 Abs. 1 S. 1 BGB auch dann anzuwenden ist, wenn die Trennung innerhalb der Wohnung stattfindet, Rdn. 5. Freilich ist für die vollstreckungsrechtlichen Belange zu unterscheiden: Ist die Trennung so säuberlich vollzogen, dass für den Gerichtsvollzieher nach Maßgabe des § 71 Abs. 2 GVGA die Zuordnung zum Vermögen des anderen, nicht schuldenden Ehegatten erkennbar46 ist – etwa eine Aufteilung nach Zimmern –, findet § 739 innerhalb der Wohnung nur für Gemeinschaftsräume (Küche, Bad) Anwendung. Unter solchen Umständen müssen die Ehegatten allerdings erhöhte Anforderungen an den ihnen obliegenden Beweis für ihre Trennung treffen. Der Gerichtsvollzieher muss aber entscheiden, ob die Trennung eine nur vorübergehende 17 oder eine dauernde ist. Nur im letzteren Fall fehlt eine Voraussetzung für die Anwendung des § 739, Rdn. 6. Aus dem Regel-Ausnahme-Verhältnis in § 1362 Abs. 1 BGB ergibt sich, dass den Ehe-

42 KG OLGRspr 1912, 129; BGH NJW 1992, 1162; 1993, 936. Das vom BGH vorgetragene Argument, für den Gläubiger bestünden gerade hinsichtlich der während der Ehe erworbenen Gegenstände besondere Zuordnungsschwierigkeiten, vermag freilich wenig zu überzeugen, sofern es sich nicht ohnedies um Dinge handelt, die bereits in der Zeit vor der Ehe ausschließlich für den persönlichen Gebrauch bestimmt waren. 43 Der Gläubiger ist nicht klagebefugt, kann aber im Verteilungsverfahren nach §§ 872 ff. widersprechen, MünchKomm/Heßler § 739 Rdn. 17. 44 Baur Zwangsvollstreckungs- und konkursrechtliche Fragen zum Gleichberechtigungsgesetz, FamRZ 1958, 254; Boennecke Zur Problematik des § 739 ZPO und des § 1362 BGB in der Fassung des Gleichberechtigungsgesetzes, NJW 1959, 1260; Erman/Kroll-Ludwigs § 1362 Rdn. 11 (analoge Anwendung). 45 S. auch H. Schneider Form, Strenge und Wertung in der Vollstreckungstätigkeit des Gerichtsvollziehers, DGVZ 1986, 135 f. 46 Ebenfalls auf die Erkennbarkeit stellen ab: LG Münster DGVZ 1978, 14; AG Königstein DGVZ 1987, 94; Stein/Jonas/ Münzberg Rdn. 16. 117

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gatten der Beweis für ihre Trennung obliegt.47 Das gilt gleichermaßen für den Nachweis der Bestimmung ausschließlich zum persönlichen Gebrauch.48 Dagegen obliegt dem Gerichtsvollzieher nicht die Prüfung der tatsächlichen Eigentumslage, § 71 Abs. 1 GVGA; wegen der mit § 739 herbeigeführten Umkehr der Klagelast, Rdn. 13, muss das selbst dann gelten, wenn dem Gerichtsvollzieher Urkunden vorgelegt werden, aus denen sich das Eigentum des nicht schuldenden Ehegatten ergibt.49 Diese Erkenntnis ist von Gesetzeswegen dem Richter vorbehalten. Mit dieser Ansicht ist die unerfreuliche Konsequenz verbunden, dass den Geboten der Prozessökonomie zuwider der nicht schuldende Ehegatte in einen Prozess hineingetrieben wird;50 sie lässt sich dadurch ein wenig mildern, dass der Gerichtsvollzieher in völlig unzweideutigen Fällen von einer Pfändung absehen darf. Der hierbei anzulegende Maßstab sollte höher als die Offensichtlichkeit des § 71 Abs. 2 GVGA sein. 18 Der Gerichtsvollzieher muss sich des Weiteren davon überzeugen, dass der Schuldner mit dem anderen Partner verheiratet ist; denn eine Übertragung des § 739 auf nichteheliche Lebensgemeinschaften ist nach der hier vertretenen Ansicht ausgeschlossen, Rdn. 11. Da es keine Vermutung dafür gibt, dass ein zusammenlebendes Paar verheiratet ist, muss sich der Gerichtsvollzieher von dem Vorliegen der Ehe bzw. Lebenspartnerschaft selbständig überzeugen. Beweiserleichterungen wie der Anscheinsbeweis können ihn dabei unterstützen. 19 Im Übrigen muss der Gerichtsvollzieher den ihm auch sonst angesonnenen Prüfungspflichten nachkommen – ob also der betroffene Gegenstand etwa zu dem Katalog der unpfändbaren Gegenstände gehört, § 811, oder ob er als Zubehör des Grundstückes nach § 865 Abs. 2 der Immobiliarvollstreckung unterfällt.51

2. Rechtsbehelfe 20 Der nicht schuldende Ehegatte muss sein Recht, das er an der gepfändeten Sache hat, im Wege der Drittwiderspruchsklage nach § 771 geltend machen. Sie kann innerhalb des Anwendungsbereichs des § 1362 BGB, § 739, Rdn. 6, nicht darauf gestützt werden, dass das Besitzrecht dieses Ehegatten verletzt worden sei, weil es sich dabei nicht um ein „die Veräußerung hinderndes Recht“ handelt;52 vielmehr muss er sein Eigentum oder sonstiges Recht beweisen, das ihm die Sache haftungsrechtlich zuordnet.53 Dabei genügt es, wenn der Erwerb des Eigentums nachgewiesen wird;54 einen behaupteten Fortfall des Eigentums hat der Gläubiger zu beweisen. Dem Erfolg 47 AG Bonn MDR 1963, 681; AG Gießen DGVZ 1986, 140 f. Nach AG Wedding genügt die für den Gerichtsvollzieher glaubhafte Darstellung der Trennung, DGVZ 1979, 189 f.; s. allerdings auch dasselbe Gericht, DGVZ 1998, 127, zum Beweismaß, wenn der Schuldner noch in der ehelichen Wohnung gemeldet ist. AG Warendorf und LG Münster, DGVZ 1978, 12 ff., lassen zu Recht die Behauptung eines Fluchtversuchs durch den Ehegatten des Schuldners nicht genügen. 48 BGH FamRZ 1971, 24. S. auch AG Wedding DGVZ 1988, 44: Die Vorlage eines Gütertrennungsvertrages widerlegt nicht die Eigentumsvermutung des § 1362 BGB; ebenso AG Siegen DGVZ 1977, 11; OLG Düsseldorf ZIP 1981, 538; LG Verden FamRZ 1981, 778; Christmann Die Gütertrennung bei der Zwangsvollstreckung gegen Ehegatten, DGVZ 1986, 108; a.A. LG Koblenz DGVZ 1968, 124. 49 Unrichtig daher AG Syke und LG Verden DGVZ 1978, 136 f.; AG Mönchengladbach DGVZ 1981, 27. Wie hier LG Mönchengladbach und OLG Düsseldorf DGVZ 1981, 114 f. 50 Eine Parallele hierzu bildet § 785; zur Kritik vgl. dort Rdn. 2 f. 51 LG Coburg FamRZ 1962, 387; OLG Bamberg FamRZ 1962, 391. 52 Eichenhofer Die Auswirkungen der Ehe auf Besitz und Eigentum der Eheleute, JZ 1988, 330. A.A. Zöller/Seibel Rdn. 11 für außerhalb der ehelichen Lebensgemeinschaft besessene Gegenstände. Stein/Jonas/Münzberg will die Interventionsklage dem nicht schuldenden Gatten auch dann gewähren, wenn er sein Besitzrecht etwa aus einem Mietvertrag mit dem schuldenden Ehegatten herleitet, Rdn. 30. Das steht aber im Widerspruch zu der von § 739 angeordneten Unwiderlegbarkeit der fingierten Besitzlage, so auch MünchKomm/Heßler Rdn. 12. 53 Hierher zählt etwa Miteigentum: LG Aachen NJW-RR 1987, 712; OLG Schleswig FamRZ 1989, 88 f., oder das Zustimmungserfordernis des § 1365 BGB, Stein/Jonas/Münzberg Rdn. 31. 54 RG Gruch. 51, 1007; BGH NJW 1976, 238; Firsching/Graba Familienrecht5, Rdn. 153. Paulus

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einer Klage steht zumindest grundsätzlich nicht entgegen, dass der klagende Ehegatte ebenfalls haftet;55 solange jedenfalls der Gläubiger gegen ihn keine Zwangsvollstreckung betreiben kann, steht fest, dass sein Vermögen dem Gläubigerzugriff nicht ausgesetzt sein darf. § 739 erweitert nicht den allgemeinen Haftungsrahmen, sondern erleichtert nur die Durchführung der Zwangsvollstreckung. Infolgedessen setzt sich das ursprüngliche, durch die Zwangsvollstreckung verlorene Recht gegebenenfalls als ein Bereicherungsanspruch gegen den Gläubiger fort. Darüber hinaus kann der nicht schuldende Ehegatte wie jeder andere Dritte auch die Verlet- 21 zung von Verfahrensnormen im Wege der Erinnerung, § 766, rügen, die zu seinem Schutze dienen.56 Er hat dabei die Wahl, ob er nach § 771 oder § 766 vorgeht.57 Zu den schützenden Normen gehören etwa § 811 oder § 809, soweit die Voraussetzungen von § 1362 BGB, Rdn. 6, nicht gegeben sind.58 Ob auch § 758 zu diesen Vorschriften zählt, ist streitig.59 Richtigerweise wird man diese Frage differenzierend zu beantworten haben: Soweit der Anwendungsbereich von § 1362 BGB und § 739 reicht, Rdn. 6, kann der Gerichtsvollzieher durchsuchen und öffnen nach näherer Maßgabe des § 758. Dagegen darf er das nicht etwa bei den ausschließlich zum persönlichen Gebrauch bestimmten Gegenständen; so darf er nicht das Schmuckkästchen der Ehefrau des Schuldners durchsuchen. Der Gläubiger kann sich mit Hilfe der Erinnerung, § 766 Abs. 2, dagegen wehren, dass der 22 Gerichtsvollzieher einen Vollstreckungsauftrag etwa deswegen nicht vornimmt, weil er § 1362 BGB im Bereich der Gütertrennung fälschlicherweise nicht für anwendbar hält.60

VI. Übergangsregelungen 1. Gleichberechtigungsgesetz Die vorliegende Norm nimmt auf den durch das GleichberechtigungsG v. 18.6.1957 geschaffenen 23 Rechtszustand der Ehe Bezug. § 739 a.F. wurde dagegen wegen Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 2 GG von den Gerichten mit Ablauf des 31.3.1953 nicht mehr angewandt;61 er lautete: Bei dem Güterstand der Verwaltung und Nutznießung, der Errungenschaftsgemeinschaft oder der Fahrnisgemeinschaft ist die Zwangsvollstreckung in das eingebrachte Gut der Ehefrau nur zulässig, wenn die Ehefrau zu der Leistung und der Ehemann zur Duldung der Zwangsvollstreckung in das eingebrachte Gut verurteilt ist.

In dieser Vorschrift wie auch in den alten Fassungen der §§ 740 bis 745 gab es also das grundsätz- 24 liche Erfordernis zweier (zu Beginn der Zwangsvollstreckung vorliegender)62 Titel gegen die Ehegatten. Es besteht auch heute noch, soweit Ehen betroffen werden, in denen es eingebrachtes Gut der Ehefrau gibt. Das sind diejenigen Errungenschafts- oder Fahrnisgemeinschaften, die noch vor dem 1.7.1958 vereinbart worden sind. Sie bleiben nach Maßgabe des Art. 8 Abs. 1 Nr. 7 GleichberechtigungsG im alten Rechtszustand bestehen. Zu den Einzelheiten s. die 2. Aufl. sub A bis F. 55 A.A. Soergel/Lipp § 1362 Rdn. 22. 56 AG Warendorf, LG Münster DGVZ 1978, 12 ff. 57 Baur FamRZ 1958, 253; Gernhuber/Coester-Waltjen § 22 II 6, 267. A.A. Grüneberg/Götz § 1362 Rdn. 10; MünchKomm/ Weber-Monecke § 1362 Rdn. 32.

58 Zu der ihn dabei treffenden Beweislast s. AG Duisburg ZVI 2004, 622. 59 OLG Stuttgart Rpfleger 1981, 152; LG Hannover DGVZ 1983, 23 f. (verneinend). LG München DGVZ 1981, 117 (bejahend).

60 OLG Bamberg DGVZ 1978, 9. 61 BGHZ 10, 266. Vgl. auch BFH v. 26.6.1986 IV R 177/84. 62 OLG Breslau OLGRspr 1918, 395; BGHZ 2, 164 = NJW 1951, 837 mit Anm. Lauterbach. 119

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§ 1409 BGB schließt die Möglichkeit aus, dass die Ehegatten einen der abgeschafften Güterstände dadurch zur Anwendung bringen, dass sie im Rahmen einer vertraglichen Vereinbarung auf das nicht mehr geltende Recht verweisen. Selbst wenn man dieses ,verweisen‘ im strengen Wortsinne versteht („Stichwortvertrag“) und eine insgesamt im Vertrag niedergelegte Regelung für zulässig erachtet, die der Sache nach eine Fahrnis- oder Errungenschaftsgemeinschaft darstellt, ist auf sie § 739 a.F. nicht mehr anzuwenden. 26 § 21 LPartG enthielt eine Übergangsvorschrift, die jedoch zum 31.12.2010 abgeschafft wurde, vgl. Art. 7 LPartRÜG vom 15.12.2004 (BGBl I 3396). 27 Art. 234 EGBGB. Wegen der Zwangsvollstreckung in Eigentums- und Vermögensgemeinschaften nach Art. 234 § 4 Abs. 2 EGBGB s. § 744a.63 25

§ 740 Zwangsvollstreckung in das Gesamtgut (1) Leben die Ehegatten in Gütergemeinschaft und verwaltet einer von ihnen das Gesamtgut allein, so ist zur Zwangsvollstreckung in das Gesamtgut ein Urteil gegen diesen Ehegatten erforderlich und genügend. (2) Verwalten die Ehegatten das Gesamtgut gemeinschaftlich, so ist die Zwangsvollstreckung in das Gesamtgut nur zulässig, wenn beide Ehegatten zur Leistung verurteilt sind.

Übersicht I.

Allgemeines

1

II. 1. 2. 3.

Anwendungsbereich 3 Gütergemeinschaft Haftung des Gesamtgutes 6 Übergangsrecht

4

III. 1. 2. 3. 4.

Rechtsfolge Vollstreckung in Gesamtgut Gemeinschaftliche Verwaltung 10 Alleinverwaltung 13 Vollstreckungsarten

IV.

Rechtsbehelfe

7 9

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I. Allgemeines 1 Zur Gesetzesgeschichte der Norm s. § 739 Rdn. 1. Ihr Zweck besteht in der Umsetzung der durch das materielle Recht vorgegebenen Besonderheiten der Gütergemeinschaft in die vollstreckungsrechtlichen Anforderungen. Dabei ist kritisch anzumerken, dass der Gesetzgeber in den §§ 740 bis 745 einen Aufwand getätigt und eine Detailfreude entwickelt hat, die angesichts des heutigen gesetzlichen Güterstandes der Zugewinngemeinschaft und seiner weiten Verbreitung außer Relation zu der praktischen Bedeutsamkeit der Materie stehen. Systematisch gesehen gehört die vorliegende Vorschrift in den Kontext der §§ 736 und 747, 2 weil in ihnen die Zwangsvollstreckung gegen eine Gesamthandsgemeinschaft geregelt ist. Dementsprechend ordnet Abs. 2 an, dass ein Titel gegen beide Gesamthänder erforderlich ist. Abs. 1 durchbricht diese Regel für den Fall, dass einer der Ehegatten Alleinverwalter ist, §§ 1422 ff. Dies rechtfertigt sich daraus, dass die Prozessführungsbefugnis gem. § 1422 S. 1 BGB – anders als bei gemeinschaftlicher Verwaltung, § 1450 Abs. 1 S. 1 BGB – nur dem Alleinverwalter zusteht. Diese Regelung knüpft ihrerseits an die Verfügungsbefugnis an, die nach den §§ 1437 Abs. 2, 1459 Abs. 2 BGB mit einer persönlichen Haftung korrespondiert. Das Vollstreckungsrecht vervollständigt da63 Anl. I Kap. III Sachgeb. A Abschn. II Nr. 1 EinigungsV. Paulus https://doi.org/10.1515/9783110443158-018

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mit die bereits vom BGB vorgenommene Parallelisierung von Verfügungsbefugnis und Haftung. Infolgedessen ist Vollstreckungsschuldner des Abs. 1 nur der Alleinverwalter.

II. Anwendungsbereich 1. Gütergemeinschaft Die in den §§ 1415 ff. BGB geregelte Gütergemeinschaft wurde durch das GleichberechtigungsG 3 am 1.7.1958 eingeführt; nach Art. 8 Abs. 1 Nr. 6 dieses Gesetzes gelten die Vorschriften auch für solche Ehen, die vor diesem Zeitpunkt in allgemeiner Gütergemeinschaft gelebt haben. Dabei sind fünf Vermögensmassen zu unterscheiden: Das Sonder- und das Vorbehaltsgut jeder der Ehegatten, §§ 1417, 1418 BGB, sowie das Gesamtgut, § 1416 BGB, wobei sich nach allgemeiner Ansicht aus der Gesetzestechnik ergibt, dass eine Vermutung für die Zugehörigkeit zum Gesamtgut besteht. Es unterliegt der Disposition der Ehegatten, wer mit der Verwaltung des Gesamtgutes beauftragt wird; im Zweifel sind das beide gemeinschaftlich, § 1421 S. 2 BGB. § 740 bezieht sich ganz allgemein – zu den Sonderregelungen der nachfolgenden Vorschriften s. die §§ 741 bis 744 – auf die Vollstreckung in das Gesamtgut, genauer: auf den Inhalt des Titels, der dafür erforderlich ist.

2. Haftung des Gesamtgutes Vorausgesetzt ist, dass ein Gläubiger nach näherer Maßgabe der §§ 1437 Abs. 1 und 1459 Abs. 1 4 BGB überhaupt in das Gesamtgut der Ehegatten vollstrecken darf, dass also eine Gesamtgutsverbindlichkeit vorliegt. Für den Zugriff auf die Sonder- und Vorbehaltsgüter der Ehegatten gilt § 739, s. dort Rdn. 4; hinsichtlich dessen bedarf es gegenüber dem nicht verwaltenden Ehegatten eines gegen ihn als Schuldner gerichteten Titels. Die Haftung des Gesamtgutes richtet sich bei Alleinverwaltung eines der Ehegatten nach § 1438 BGB, bei gemeinschaftlicher Verwaltung nach §§ 1460 Abs. 1 und 2, 1462 S. 2 BGB. § 1412 BGB macht bestimmte Außenwirkungen eines vereinbarten Güterstandes von einer 5 Eintragung ins Güterrechtsregister abhängig. Das muss auch in der Zwangsvollstreckung beachtet werden,1 sofern eine Einwendung durchgesetzt werden soll, deren Erheblichkeit sich aus dieser Norm ergibt, d.h. eine Einwendung gegen ein mit einem Dritten geschlossenes Rechtsgeschäft oder gegen ein (rechtskräftiges) Urteil. Soweit demnach die Vollstreckung aufgrund eines solchen Urteils oder aufgrund eines durch Rechtsgeschäft zustandegekommenen Titels, § 794 Abs. 1 Nrn. 1 und 5, erfolgt, gilt die allgemeine Regel der §§ 1362 BGB und 739, wenn die Gütertrennung nicht im Register eingetragen ist.

3. Übergangsrecht Zum Übergangsrecht der noch weiterbestehenden Fahrnis- und Errungenschaftsgemeinschaften 6 s. 2. Aufl. A, A IIb;2 für sie gilt das alte materielle und Verfahrensrecht fort.

1 So auch AG Fürstenfeldbruck, DGVZ 1982, 188. A.A. LG Frankenthal Rpfleger 1975, 371; LG München II DGVZ 1982, 188 = FamRZ 1983, 172; MünchKomm/Heßler Rdn. 7. 2 Zusätzlich Zöller/Seibel Rdn. 12. 121

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III. Rechtsfolge 1. Vollstreckung in Gesamtgut 7 Der Gläubiger kann in das Gesamtgut vollstrecken, wenn die Ehegatten im Zeitpunkt der Pfändung in Gütergemeinschaft3 leben,4 und er im Falle des Abs. 1 einen Titel gegen den Alleinverwalter, im Falle des Abs. 2 einen auf dem gleichen Lebenssachverhalt5 beruhenden Titel gegen jeden der beiden Ehegatten6 hat. Weitere Erfordernisse brauchen nicht erfüllt zu sein, insbes. nicht die gesonderte Ausweisung im Urteil, dass das Gesamtgut hafte.7 Abs. 1 und 2 sind auch dann zu beachten, wenn im Inland gegen ein Ehepaar vollstreckt wird, dessen ausländischer Güterstand der deutschen Gütergemeinschaft vergleichbar ist.8 Soweit das materielle Recht zusätzlich zur Gesamtgutshaftung die persönliche Haftung anordnet, §§ 1437 Abs. 2, 1459 Abs. 2 BGB, kann der Gläubiger auch noch auf das jeweilige Vorbehalts- und Sondergut zugreifen. 8 Hinsichtlich der Anforderungen an den Titel ist die Terminologie der §§ 740 ff. uneinheitlich. Während § 740 Abs. 1 lediglich ein „Urteil“ nennt, verlangt Abs. 2 eine Verurteilung „zur Leistung“; § 743 schließlich erwähnt noch eigens, dass der andere „zur Duldung“ verurteilt sein müsse. Aus diesen Differenzierungen resultieren Meinungsverschiedenheiten, die jedoch zum einen angesichts der unzweideutigen Aussage in Abs. 2 und zum anderen deswegen unberechtigt sind, weil der vom Gesetzgeber beabsichtigte Gleichlauf von vollstreckungsrechtlicher Verantwortlichkeit und materiell-rechtlicher Verfügungsbefugnis und Haftung angestrebt werden muss.9

2. Gemeinschaftliche Verwaltung 9 Da § 740 ganz generell an die durch § 1421 BGB abverlangte Entscheidung zugunsten einer Alleinoder einer gemeinschaftlichen Verwaltung anknüpft und nicht an die jeweiligen Besonderheiten des Einzelfalls, bedarf es bei gemeinschaftlicher Verwaltung auch dann eines gegen beide Ehegatten gerichteten Titels (bzw. zweier Titel), wenn einer der Ehegatten ausnahmsweise alleinverfügungsbefugt ist; beispielsweise in den Fällen der §§ 1454, 1455 Nrn. 7 bis 10 BGB. Gleiches gilt hinsichtlich einer (gleichgültig ob im Aktiv- oder Passivprozess auferlegten) Kostenentscheidung, § 1460 Abs. 2 BGB,10 und hat auch die öffentliche Hand zu beachten, wenn sie aus einem gegen nur einen der Ehegatten gerichteten Verwaltungsakt die Vollstreckung betreiben will.11 Eine Titelumschreibung nach den §§ 727 ff. genügt – mit Ausnahme des in § 742 geregelten Falles – dem Erfordernis eines gegen beide Ehegatten gerichteten Titels nicht: Denn auch wenn durch diese Vorschriften die Vollstreckungswirkungen erweitert werden, § 727 Rdn. 3, ersetzen sie nicht das bei jeder Gesamthandsgemeinschaft aufgestellte Erfordernis, Rdn. 2, eines gegen alle gerichteten Titels. Der Gläubiger benötigt also einen gegen beide Ehegatten gerichteten Titel bzw. zwei vollstreckbare Ausfertigungen, mögen sie auch 3 Deren Nachweis obliegt dem bzw. den Ehegatten, VG München v. 24.5.2011 – M 10 E 11.2155, juris. 4 OLG Koblenz Rpfleger 1956, 164: Spätere Änderungen des Güterstandes heben die Wirksamkeit der Vollstreckung nicht auf. Zur Änderung der Verwaltungsbefugnis, § 1421 BGB, vor Pfändungsbeginn s. § 742. OLG München FamRZ 2013, 1403. Wie auch bei § 736 müssen diese Titel nicht in ein und demselben Verfahren erstritten sein, BGH FamRZ 1975, 405. KG HRR 32, 1984 – in Abkehr von der früheren Rspr., GJ 26 A 260; 29 A 150. BGH JZ 1999, 204 mit Anm. Stoll; OLG München FamRZ 2021, 630 (betr. Dänemark); OLG Düsseldorf NJW-RR 2010, 1662; LG Ulm BWNotZ 1993, 124; Rauscher Immobiliarzwangsvollstreckung bei fremdem Güterstand, Rpfleger 1988, 89. S. auch noch § 739 Rdn. 6 mit Verweis auf OLG Zweibrücken MittBayNot 2007, 421. 9 Dieser Gleichlauf wird erst mit Beendigung der Gütergemeinschaft aufgehoben, §§ 1437, 1459 BGB – jeweils Abs. 2 S. 2. Erst dann ist es folgerichtig, sich mit einem Duldungstitel zu begnügen; zu den Einzelheiten vgl. die Kommentierung zu den §§ 743 f. 10 OLG Stuttgart OLGZ 1987, 252; zur Titelumschreibung in diesen Fällen § 742 Rdn. 4. Zum Umfang der Haftung des Gesamtgutes hinsichtl. der Kosten MünchKomm/Heßler Rdn. 25 ff. 11 VGH München NJW-RR 1988, 454.

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in separaten Dokumenten tituliert sein.12 Mit ihnen kann aufgrund der in Rdn. 3 erwähnten Zugehörigkeitsvermutung zum Gesamtgut in alle im Mit- oder Alleingewahrsam eines der Ehegatten befindlichen Gegenstände vollstreckt werden, ohne dass dieser Gewahrsam dem Zugriff entgegengehalten werden könnte. Es besteht insoweit eine Duldungspflicht des Ehegatten.

3. Alleinverwaltung Vollstreckt der Gläubiger aus einem Urteil gegen den Alleinverwalter, muss er den Nachweis der 10 Gütergemeinschaft und der Alleinverwaltung erbringen.13 Da die in Rdn. 3 genannte Vermutung auch in diesem Fall gilt, kann der Gläubiger auf alle in Rdn. 9 a.E. bezeichneten Güter zugreifen. Das gilt auch hinsichtlich der Vollstreckungen, durch die der Erfolg herbeigeführt werden soll, den die §§ 1423 bis 1425 BGB materiell-rechtlich untersagen; denn nach h.M. setzt sich der Mangel der Verfügungsbefugnis nicht in der Prozessführungsbefugnis fort;14 zu den Rechtsbehelfen des nicht verwaltenden Ehegatten Rdn. 15. Hat der Gläubiger ein Urteil gegen den nicht verwaltenden Ehegatten erstritten, ermöglicht 11 ihm das den Zugriff auf dessen Sonder- und Vorbehaltsgut, mit Ausnahme der Sonderregelung in § 741, aber nicht auf das Gesamtgut – auch nicht im Rahmen des Notverwaltungsrechts des § 1429 BGB; vielmehr ist zu differenzieren: Sofern das Gesamtgut für die Verbindlichkeit nach Maßgabe der §§ 1438 bis 1440 BGB nicht haftet, bleibt es bei der alleinigen Zugriffsmöglichkeit auf das Vorbehalts- oder Sondergut seines Schuldners. Haftet es dagegen (etwa hinsichtlich der Kosten nach § 1438 Abs. 2 BGB; dazu Rdn. 9 mit Fn. 9), benötigt der Gläubiger einen Duldungstitel gegen den Alleinverwalter,15 um in das Gesamtgut vollstrecken zu können,16 bzw. einen Leistungstitel (Rdn. 8), um auch noch auf dessen Eigenvermögen zugreifen zu können. In den soeben genannten Fällen der ausschließlichen Zugriffsmöglichkeit auf das Vorbehalts- 12 oder Sondergut des nicht verwaltenden Ehegatten ergeben sich praktische Schwierigkeiten, wie das Vollstreckungsorgan diese Vermögensgüter erkennen kann. Sie beginnen bereits bei der Frage, wem die Beweislast für die Zugehörigkeit zu diesem Sondervermögen auferlegt sein soll: Nachdem die Vermutung zugunsten des Gesamtgutes spricht, obläge der Beweis eigentlich dem Gläubiger des nicht verwaltenden Ehegatten. Doch dürfte er damit im Regelfall überfordert sein, so dass eine solche Beweislastverteilung einer Rechtsverweigerung nahekäme. Infolgedessen ist den Ehegatten zu untersagen, dass sie sich auf die sie grundsätzlich belastende Vermutung berufen können, wenn sie ausnahmsweise einmal zu ihren Gunsten ausschlagen würde. Dogmatisch gesehen ist die Konsequenz dieser Ansicht, dass die Beweislast den Ehegatten trifft, jedoch deswegen unbefriedigend, weil die Vermutung zugunsten einer der Vermögensmassen insoweit aufgehoben wird und die Ehegatten je nach Gläubiger die Zugehörigkeit zur einen oder zur anderen Vermögensmasse nachweisen müssen. Angesichts dieser Aporie ist es ein pragmatischer Kompromiss, im Anschluss an Münzberg17 die bei Sonder- und Vorbehaltsgut an und für sich anwendbare Gewahrsamsvermutung des § 739, Rdn. 3, dahingehend einzuschränken, dass man zwischen Vollstreckungsobjekten unterscheidet, die sich im Alleingewahrsam des Schuldners befinden, und sol12 OLG Zweibrücken Rpfleger 2009, 467; VG Regensburg, Beschluss vom 18. Januar 2022 – RN 2 V 20.367 –, juris – Tz. 62.

13 LG Frankenthal Rpfleger 1975, 371. 14 MünchKomm/Heßler Rdn. 22. 15 Bei einer Klage gegen beide Ehegatten sind sie hinsichtlich der Frage, ob eine Gesamtgutsverbindlichkeit vorliegt, notwendige Streitgenossen. MünchKomm/Heßler Rdn. 24, will anstelle des Duldungstitels eine Titelumschreibung in Analogie zu § 742 genügen lassen. Doch fehlt dafür die bei jeder Analogie erforderliche Vergleichbarkeit der gesetzlichen Wertungen; denn während der Prozessgegner im Falle des § 742 von der neuen güterrechtlichen Situation überrascht wird, § 742 Rdn. 1, konnte sich der Gläubiger des nicht verwaltenden Ehegattens durch das Güterrechtsregister Klarheit verschaffen, vgl. § 1412 BGB. 16 RG SeuffA 65, 33 (Nr. 16). 17 Stein/Jonas Rdn. 18 f. 123

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chen, an denen der andere, allein verwaltende Ehegatte Mit- oder Alleingewahrsam hat. Auf die ersteren kann das Vollstreckungsorgan, vornehmlich der Gerichtsvollzieher, zugreifen, hinsichtlich der letzteren ist der Gläubiger auf die Pfändung der Herausgabeansprüche nach § 846 zu verweisen. Zu den jeweiligen Rechtsbehelfen Rdn. 18.

4. Vollstreckungsarten 13 Die systematische Stellung des § 740 bedingt, dass diese Vollstreckungsarten nicht nur bei Geldvollstreckungen18 anzuwenden sind, sondern bei allen in Frage kommenden, §§ 883 ff., einschließlich der Vermögensauskunft nach den §§ 802 f., 807. Denn auch wenn die vollstreckungsrechtliche Ausgestaltung der Wegnahmevollstreckung an dem Gewahrsam ausgerichtet ist, verlangt § 740 den Gleichlauf von Verfügungsbefugnis und Titeladressat, Rdn. 2. Das gilt auch für die in § 894 angeordnete Fiktion: Damit sie eingreift, benötigt der Gläubiger bei gemeinschaftlicher Verwaltung auch dann zwei Leistungstitel, wenn eine auf einen Gegenstand des Gesamtgutes bezogene Willenserklärung abzugeben ist;19 bei Alleinverwaltung ersetzt der Titel weder die materiell-rechtlich erforderliche Zustimmung des nicht verwaltenden Ehegatten, §§ 1423 bis 1425 BGB – ihr Fehlen beeinträchtigt allerdings nicht die Wirksamkeit der Vollstreckung, Rdn. 1620 – noch die gegebenenfalls erforderliche Voreintragung im Grundbuch, §§ 39 GBO, 17 ZVG.21 14 § 740 ist überdies bei allen weiteren Titeln des § 79422 sowie bei einstweiligen Anordnungen23 zu beachten.

IV. Rechtsbehelfe 15 Der Zugriff auf das Gesamtgut ist zunächst dann unzulässig, wenn es gemeinschaftlich verwaltet wird und der Gläubiger nicht zwei Titel hat.24 Infolgedessen können beide Ehegatten hiergegen nach § 766 erinnern, der nicht im Titel ausgewiesene Ehegatte zusätzlich klagen, § 771, sofern nicht das Gesamtgut haftet. Eine Grundbucheintragung, die in einem solchen Fall aufgrund nur eines Titels vorgenommen worden ist, ist nach § 53 Abs. 1 S. 2 GBO von Amts wegen zu löschen;25 dagegen genügt ein Amtswiderspruch nach S. 1, wenn der zweite Titel zwar vorhanden, versehentlich aber dem Grundbuchamt nicht vorgelegt worden war.26 Der Zugriff auf das Gesamtgut ist ferner auch dann unzulässig, wenn ein Gläubiger des nicht verwaltenden Ehegatten hinein vollstreckt; auch hier können beide nach § 766 erinnern; der Alleinverwalter kann zusätzlich nach § 771 klagen, der Gläubiger gegebenenfalls einwenden, es handele sich um eine Gesamtgutsverbindlichkeit.27 16 Der nicht verwaltende Ehegatte muss die Zwangsvollstreckung grundsätzlich dulden, Rdn. 9, ohne auf seinen Gewahrsam oder auf ein Getrenntleben verweisen zu können.28 Jedoch 18 So auch Zöller/Seibel Rdn. 2; Stein/Jonas/Münzberg Rdn. 3; App Zwangsvollstreckung bei in ehelicher Gütergemeinschaft lebenden Schuldnern, JurBüro 2000, 570, 571. Hinsichtl. der nach § 39 GBO erforderlichen Voreintragung der Ehegatten, § 47 GBO, s. § 14 GBO. 19 KG OLGRspr 1909, 113. 20 KG OLGRspr 1909, 113; BGHZ 48, 371, 372. MünchKomm/Heßler Rdn. 23 hält aufgrund fingierter Einwilligung eine Zustimmung in diesem Fall nicht mehr für erforderlich. 21 KG OLGRspr 1911, 283; OLG München OLGRspr 1925, 18. 22 BGHZ 48, 369 (vollstreckbare Urkunde); KG RJA 1907, 215. 23 Für § 885 BGB (Vormerkung) KG OLGRspr 1911, 283; OLG München OLGRspr 1925, 18. 24 RGZ 32, 290; 68, 424; vgl. auch GruchB 36, 889, 1044. 25 LG Heilbronn Rpfleger 1991, 108. S. allgemein hierzu Holzer Die Richtigstellung des Grundbuchs, 2005, 248 ff. 26 Zur möglichen Beschwerdebefugnis nach § 71 Abs. 1 GBO s. OLG München NJW-RR 2011, 668. 27 Stein/Jonas/Münzberg Rdn. 7. 28 A.A. die früher h.M.: Nachw. bei Seuffert § 740 Anm. 5b, etwa OLG Hamburg OLGRspr 1905, 131, in Abkehr von der zuvor und hier vertretenen Meinung. Paulus

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kann er sein in § 1428 BGB eingeräumtes Klagerecht über § 771 geltend machen, wenn die Zwangsvollstreckung wegen eines mangels Zustimmung unwirksamen Rechtsgeschäftes, §§ 1423 ff. BGB, erfolgt. Der beklagte Gläubiger kann im Rahmen dieser Klage allerdings entgegenhalten, dass die Zustimmung nach § 1426 BGB hätte erteilt werden müssen – nicht aber, dass das Urteil gegen den Alleinverwalter inzwischen in Rechtskraft erwachsen sei und sich diese auf den nicht verwaltenden Ehegatten erstrecke;29 dadurch würde das Vollstreckungsrecht einen Zustand schaffen, der im Widerspruch zu der in § 1412 BGB implizit mitformulierten Grundregel stünde. Der nicht verwaltende Ehegatte kann ferner Drittwiderspruch gegen Übergriffe auf sein Son- 17 der- oder Vorbehaltsgut erheben. Weil hinsichtlich dieser Vermögensgegenstände die allgemeine Regelung des § 739 eingreift, Rdn. 4, der seinerseits tatbestandlich auf § 1362 BGB zurückgreift, muss der nicht verwaltende Ehegatte für eine erfolgreiche Klage nicht nur die Zugehörigkeit des gepfändeten Gegenstandes zu seinem Sondergut nachweisen, sondern darüber hinaus auch noch sein Eigentum. Die Rechtsbehelfe in der Rdn. 12 a.E. genannten Situation, in der ein Gläubiger des nicht 18 verwaltenden Ehegatten auf dessen Sonder- und Vorbehaltsgut zugreift, sind folgende: Gehört die im Alleingewahrsam des Schuldners befindliche Sache zum Gesamtgut, ist in formell-rechtlicher Hinsicht die Titelvoraussetzung des § 740 Abs. 1 nicht erfüllt, und materiell-rechtlich greift der Gläubiger auf ihm nicht haftendes Vermögen zu. Folglich können beide Ehegatten wegen des formellen Mangels nach § 766 erinnern; der Alleinverwalter kann darüber hinaus Drittwiderspruch erheben, § 771. Bei der Pfändung eines Herausgabeanspruchs muss der Gläubiger gegebenenfalls klageweise vorgehen und dabei die Zugehörigkeitsvermutung zugunsten des Gesamtgutes widerlegen.

§ 741 Zwangsvollstreckung in das Gesamtgut bei Erwerbsgeschäft Betreibt ein Ehegatte, der in Gütergemeinschaft lebt und das Gesamtgut nicht oder nicht allein verwaltet, selbständig ein Erwerbsgeschäft, so genügt zur Zwangsvollstreckung in das Gesamtgut ein gegen ihn ergangenes Urteil.

Übersicht I.

Normzweck

1

II. 1. 2.

Materielle Vorgaben 2 §§ 1431, 1456 BGB Erwerbsgeschäft selbständig betreiben

III.

Rechtsfolge

3

1. 2. 3.

Vollstreckung wegen welcher Forderung 5 Vollstreckung in welches Vermögen 6 Übergangsrecht

IV. 1. 2.

Verfahren, Rechtsbehelfe 7 Prüfungspflicht 8 Rechtsbehelfe

4

I. Normzweck Zur Gesetzesgeschichte s. § 739 Rdn. 1. Die Vorschrift knüpft an die in den §§ 1431, 1440 S. 2, 1456, 1 1462 S. 2 BGB getroffene Regelung an, der zufolge der nicht verwaltende oder einer der gemeinschaftlich verwaltenden Ehegatten im Wege einer partiellen Emanzipation1 selbständig ein Erwerbsgeschäft betreiben darf. In Durchbrechung des in § 740 aufgestellten Grundsatzes, dass im 29 So aber MünchKomm/Heßler Rdn. 22. 1 Gernhuber/Coester-Waltjen Lehrbuch des Familienrechts6, § 38 VII 4. 125 https://doi.org/10.1515/9783110443158-019

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Titel der (oder die) verfügungsberechtigte(n) Ehegatte(n) als Schuldner ausgewiesen sein müssen, lässt die vorliegende Norm einen Titel gegen den Geschäftsbetreiber genügen, um auf das Gesamtgut zugreifen zu können. Zweck der Vorschrift ist damit die Begünstigung der Geschäftsgläubiger: „Die Rücksicht auf den Rechtsverkehr verlangt, dass, wenn die Frau selbständig ein Erwerbsgeschäft betreibt, die Zwangsvollstreckung in das Gesamtgut erleichtert wird. Die Gläubiger der Frau dürfen nicht genötigt werden, vor dem Beginne der Zwangsvollstreckung ihre Forderungen auch dem Manne gegenüber zur Feststellung zu bringen“.2 Da mit dem 1. Januar 2023 das Güterrechtsregister abgeschafft worden ist,3 ist die vorliegende Vorschrift verschlankt worden.4

II. Materielle Vorgaben 1. §§ 1431, 1456 BGB 2 Betreiben der allein verwaltende oder beide gemeinschaftlich verwaltende Ehegatten zusammen ein Erwerbsgeschäft, gelten gegenüber den allgemeinen Regeln keine Besonderheiten; für eine Zwangsvollstreckung ist § 740 anzuwenden.5 Für den nicht (allein) verwaltenden Ehegatten wäre dagegen das selbständige Betreiben eines Erwerbsgeschäfts ohne die in den §§ 1431, 1456 BGB vorgesehenen Befreiungsmöglichkeiten wegen der gesamthänderischen Bindungen des Gesamtgutes, § 1419 BGB, schwerfällig und unpraktikabel. Die genannten Vorschriften heben diese Bindungen auf, sofern der andere Ehegatte seine Einwilligung – sie kann auch in einem Dulden liegen, §§ 1431 Abs. 2, 1456 Abs. 2 BGB – erteilt. Solange diese Einwilligung nicht in der Form des § 1412 BGB widerrufen ist, benötigt der Geschäftsbetreiber keiner Zustimmung des allein oder mitverwaltenden Ehegattens zu allen (auch außergewöhnlichen)6 Rechtsgeschäften und Rechtsstreitigkeiten, die im Zusammenhang mit dem Erwerbsgeschäft stehen. Er ist befugt, all diese Rechtshandlungen im eigenen Namen vorzunehmen. Dabei spielt es keine Rolle, ob das Erwerbsgeschäft selbst zum Vorbehalts- (§ 1440 S. 2, 1. Alt. BGB) oder Gesamtgut gehört, oder ob der von der Verfügung betroffene Gegenstand gerade dem Geschäftsbetrieb gewidmet ist.7

2. Erwerbsgeschäft selbständig betreiben 3 Unter Erwerbsgeschäft ist jede berufliche, d.h. auf Regelmäßigkeit angelegte und zum Zwecke eines materiellen Verdienstes ausgeübte Tätigkeit zu verstehen,8 die nicht auf einem Dienst- oder Arbeitsverhältnis beruht; letzteres ergibt sich aus der Gegenüberstellung der §§ 112 und 113 BGB. Es ist gleichgültig, ob die Tätigkeit gewerblich, handelsgewerblich, künstlerisch, wissenschaft2 Begründung der Novelle v. 1898, 152 f. 3 S. Gesetz zur Abschaffung des Güterrechtsregisters und zur Änderung des COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetzes (GüRegAbG) v. 31.10.2023, BGBl I, S. 1966. 4 Bis zum 31.12.2022 galt noch die Einschränkung: „es sei denn, dass zur Zeit des Eintritts der Rechtshängigkeit der Einspruch des anderen Ehegatten gegen den Betrieb des Erwerbsgeschäfts oder der Widerruf seiner Einwilligung zu dem Betrieb im Güterrechtsregister eingetragen war.“. 5 Das BayObLG FamRZ 1983, 1128 = Rpfleger 1983, 407, will demgegenüber § 741 auch dann anwenden, wenn beide Ehegatten das Erwerbsgeschäft betreiben, vgl. auch OLG Breslau JW 1927, 131; Zöller/Seibel Rdn. 5. Doch damit wird der Gläubigerschutz gerade im Verhältnis zu der in § 736 für die Gesellschaft bürgerlichen Rechts getroffenen Regelung über Gebühr ausgedehnt. Vgl. zum gemeinsam betriebenen Erwerbsgeschäft auch Beck Der Betrieb eines Handelsgewerbes in Gütergemeinschaft, DNotZ 1962, 348. 6 BayObLG OLGRspr 1943, 356. Die Geschäfte setzen allerdings den Bestand des Erwerbsgeschäfts voraus, so dass die Einwilligung nicht mehr die Veräußerung des Geschäfts erfasst, RGZ 87, 110; KG KGJ 1932, A 192, oder die Auflösung einer OHG, RGZ 127, 110; a.A. Stein/Jonas/Münnzberg Rdn. 5 a.E. 7 Gernhuber/Coester-Waltjen a.a.O. (Fn. 1). 8 RGZ 144, 1 (Vereingte ZivSen). Paulus

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lich oder landwirtschaftlich ausgerichtet ist. Selbständigkeit setzt lediglich voraus, dass das Geschäft auf eigene Kosten, d.h. unternehmerisch,9 nicht dagegen, dass es in eigener Person betrieben wird; infolgedessen kann die Geschäftsführungsbefugnis einem anderen, auch dem Ehegatten, übertragen sein. Ebenso wenig ist Alleininhaberschaft erforderlich; die gesellschaftsrechtliche Beteiligung an einer OHG erfüllt daher das Kriterium des selbständigen Betreibens eines Erwerbsgeschäfts.10 Weitere Beispiele aus der Rechtsprechung11 in der das Vorliegen eines Erwerbsgeschäftes bejaht wird, sind: ein landwirtschaftlicher Betrieb,12 eine Arztpraxis,13 Berufsschauspieler.14 Betrieben wird ein Erwerbsgeschäft so lange, als es nicht vollbeendet ist; die Phase der Liquidation wird also noch davon erfasst.

III. Rechtsfolge 1. Vollstreckung wegen welcher Forderung § 741 enthält sich ausweislich der Novellenbegründung15 bewusst eines expliziten Verweises auf 4 die §§ 1431, 1456 BGB, weil deren Beschränkung auf solche Rechtshandlungen, „die der Geschäftsbetrieb mit sich bringt“, zu schwierigen Abgrenzungsfragen zwischen Geschäfts- und sonstiger Schuld führen würde. Davor soll das Vollstreckungsorgan bewahrt werden, nicht aber die Ehegatten. Sie können gegen die Vollstreckung des Gläubigers mit der Begründung vorgehen, es läge keine „Geschäftsschuld“ vor, Rdn. 9 f.

2. Vollstreckung in welches Vermögen Mit dem gegen den Geschäftsbetreiber gerichteten Titel, §§ 704, 794, kann der Gläubiger vorbehalt- 5 lich vertraglich vereinbarter Haftungsbeschränkungen nicht nur auf dessen Sonder- und Vorbehaltsgut zugreifen, § 740 Rdn. 11, sondern auch auf das Gesamtgut;16 ein weiterer, etwa ein Duldungstitel gegen den Allein- oder Mitverwalter ist nicht erforderlich, sehr wohl aber möglich.17 Eine noch von der 2. Aufl. (B I) befürwortete Titelumschreibung in Analogie zu § 727 ist jedoch aus denselben Gründen nicht angängig, aus denen sie auch bei § 740 abzulehnen ist, § 740 Rdn. 11. 9 OLG Düsseldorf OLGRspr 1922, 161. 10 RGZ 127, 110. Vgl. auch OLG Breslau JW 1927, 131. Die Gläubigerbegünstigung, Rdn. 1, korrespondiert mit dem Risiko des Geschäftsbetreibers, mehr als nur eine von vornherein festgesetzte Summe zu verlieren. Infolgedessen ist die Beteiligung an einer KG als Kommanditist mit Ausnahme von Einlagestreitigkeiten, §§ 171 ff. HGB, keine Erwerbstätigkeit i.S.d. § 1431 BGB. Das gilt gleichermaßen für eine stille Beteiligung nach den §§ 230 ff. HGB sowie die Tätigkeit als GmbH-Gesellschafter, Zöller/Seibel Rdn. 5; MünchKomm/Heßler Rdn. 8, sofern nicht eine Durchgriffsmöglichkeit durchgesetzt werden soll. Weigert sich der Gerichtsvollzieher in einem solchen Fall, die Vollstreckung vorzunehmen, muss der Gläubiger im Rahmen der Erinnerung nach § 766 Abs. 2 darlegen, dass ein Durchgriff statthaft ist, bzw. dass eine Einlagestreitigkeit vorliegt. Denn das Vollstreckungsorgan soll eine Qualifikation der einzutreibenden Schuld gerade nicht vornehmen, Rdn. 4. 11 BayObLG a.a.O. (Fn. 3). 12 BGHZ 83, 76 = NJW 1982, 1810; OLG Karlsruhe OLGZ 1976, 333. Einschr. RGZ 144, 1. 13 RGZ 28, 278: fraglich, sofern ein Dienstverhältnis besteht. 14 Zu der unter diesen Umständen gegebenenfalls bestehenden Nachweispflicht des Gläubigers im Falle der Eintragung einer Zwangshypothek OLG Düsseldorf NotBZ 2021, 55; OLG Zweibrücken FamRZ 2009, 1910; BayObLG BayObLGZ 1995, 249. 15 AaO (Fn. 2). 16 KG OLGRspr 1906, 413; 25, 197; OLG Dresden OLGRspr 1910, 374; OLG Rostock SeuffA 70, 250 (Nr. 137); a.A. RG JW 1931, 1345; KG OLGRspr 1917, 188; MünchKomm/Heßler Rdn. 5. 17 A.A. die früher h.M.: KG JW 1933, 188 mit Anm. Lemberg; weitere Nachweise bei v. Seiffert11, § 741 Anm. 3 und Beitzke Zwangsvollstreckung gegen Ehegatten bei Gütertrennung, ZZP 68 (1955) 257, Fn. 49 und 50. 127

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§ 741

Achtes Buch – Zwangsvollstreckung

Unbeschadet der in den §§ 1437 Abs. 2, 1459 Abs. 2 BGB angeordneten persönlichen Haftung ist es dem Gläubiger allerdings versagt, ohne Titel gegen den anderen Ehegatten in dessen Sonder- und Vorbehaltsgut zu vollstrecken. Dem Zugriff auf das Gesamtgut darf der allein- oder mitverwaltende Ehegatte jedoch nicht seinen Gewahrsam entgegenhalten; ihn trifft vielmehr die in § 740 Rdn. 9 erwähnte Duldungspflicht.18

3. Übergangsrecht 6 Zum Fortwirken des vor dem GleichberechtigungsG geltenden Rechts bezüglich der früher vereinbarten Errungenschafts- und Fahrnisgemeinschaft s. 2. Aufl. A.19

IV. Verfahren, Rechtsbehelfe 1. Prüfungspflicht 7 Das Vollstreckungsorgan hat zu prüfen, ob der Schuldner in Gütergemeinschaft lebt, § 740 Rdn. 10, ob er nicht (allein) verwaltender Ehegatte ist, und ob er zur Zeit der Vollstreckung20 ein Erwerbsgeschäft selbständig betreibt. Weitere Prüfungspflichten erlegt ihm das Gesetz nicht auf. Denn in der überwiegenden Zahl der Fälle wird das Vollstreckungsorgan nicht feststellen können, wann die Rechtshängigkeit, §§ 261, 270 Abs. 3 („demnächst“!), 696 Abs. 3 („alsbald“!), 700 Abs. 2, eingetreten bzw. wann das Rechtsgeschäft vorgenommen worden ist. Bei der Vollstreckung in das Gesamtgut gilt auch hier die Vermutung zugunsten der Zugehörigkeit zu diesem Vermögen, § 740 Rdn. 3.

2. Rechtsbehelfe 8 Gegen Übergriffe auf sein Sonder- und Vorbehaltsgut kann der allein- oder mitverwaltende Ehegatte sowohl Drittwiderspruch nach § 771 erheben, weil auf nichthaftendes Vermögen zugegriffen wird, als auch nach § 766 erinnern, weil der erforderliche Titel fehlt. Weil hinsichtlich des Sonder- und Vorbehaltsgutes § 739 Anwendung findet, § 740 Rdn. 4, muss der Ehegatte zusätzlich sein Eigentum nachweisen. Dieser Ehegatte muss überdies die Vollstreckung nur in dem Umfang hinnehmen, in dem 9 das Gesamtgut tatsächlich für die Schuld haftet; für die Abgrenzung dieser Frage ist ihm eine eigene Klage, § 774, eingeräumt.21 Mit ihr kann er vortragen, dass die Vollstreckungsforderung keine Geschäftsschuld sei,22 dass die Tätigkeit seines Ehegatten nicht selbständig, bzw. nicht das Betreiben eines Erwerbsgeschäfts sei, oder dass seine Zustimmung zum Betrieb des selbständigen Erwerbsgeschäftes nicht vorgelegen habe – sei es, dass er davon gar nichts gewusst 18 Zusätzlich Stein/Jonas/Münzberg Rdn. 10. 19 OLG Dresden SächsAnn 21, 275. 20 Zum Umfang der Prüfungspflicht BayObLG BB 1984, 1071 = Rpfleger 1984, 232: Die Bestätigung des Finanzamtes, dass ein selbständiges Erwerbsgeschäft betrieben werde, hat das Vollstreckungsorgan als bindend hinzunehmen. Eine für das Vollstreckungsorgan vergleichbar schwierige Feststellung der Erwerbstätigkeit gibt es im Zusammenhang mit der Vollstreckung in das Vermögen einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts, dazu Paulus Die Gesellschaft des bürgerlichen Rechts als Schuldner und Drittschuldner, DGVZ 1992, 68. Das Vollstreckungsorgan braucht nicht weitreichende Nachforschungen anzustellen, sondern kann sich mit äußeren Anzeichen wie Handelsregister, Firmenschilder, etc., begnügen, Stein/Jonas/Münzberg Rdn. 5. 21 Vgl. BGH BGH, Beschluss vom 18. Februar 2010 – IX ZA 30/08 –, juris; sowie FG Nürnberg EFG 2018, 1931. 22 Bei fehlender Eintragung kann der andere Ehegatte vortragen, dass dem Gläubiger das Fehlen der Zustimmung bekannt gewesen sei, §§ 1431 Abs. 3, 1456 Abs. 3, 1412 Abs. 1 BGB. Paulus

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Abschnitt 1. Allgemeine Vorschriften

§ 742

habe, sei es, dass er Einspruch erhoben oder widerrufen habe. Dieser Hinweis wird allerdings durch die vorliegende Vorschrift eingeschränkt, indem der 2. HS die Eintragung im Güterrechtsregister zur Zeit des Eintritts der Rechtshängigkeit – bei den Titeln des § 794 entspricht dem die Vornahme des jeweiligen Rechtsaktes – verlangt.23 Zu den Einzelheiten s. die Kommentierung zu § 774. Die genannten Einwendungen können darüber hinaus von beiden Ehegatten auch im Wege 10 der Erinnerung, § 766, vorgetragen werden, weil sie gleicherweise die Formalien der Vollstreckung betreffen.

§ 742 Vollstreckbare Ausfertigung bei Gütergemeinschaft während des Rechtsstreits Ist die Gütergemeinschaft erst eingetreten, nachdem ein von einem Ehegatten oder Lebenspartner oder gegen einen Ehegatten oder Lebenspartner geführter Rechtsstreit rechtshängig geworden ist, und verwaltet dieser Ehegatte oder Lebenspartner das Gesamtgut nicht oder nicht allein, so sind auf die Erteilung einer in Ansehung des Gesamtgutes vollstreckbaren Ausfertigung des Urteils für oder gegen den anderen Ehegatten oder Lebenspartner die Vorschriften der §§ 727, 730 bis 732 entsprechend anzuwenden.

Übersicht I.

Allgemeines

1

II. 1. 2. 3.

Anwendungsbereich 2 Voraussetzungen 5 Andere Titel Analoge Anwendung

6

III. 1. 2. 3.

Rechtsfolge Obsiegender Gegner Obsiegender Ehegatte Rechtsschutzbedürfnis

IV.

Verfahren

7 8 9

10

I. Allgemeines Zur Gesetzesgeschichte der Norm s. § 739 Rdn. 1; die gegenwärtige Fassung resultiert aus Art. 14 G 1 zur Bereinigung des Rechts der Lebenspartner v. 20.11.2015.1 Ihr Zweck liegt ausweislich der Novellenbegründung von 1898 im Gläubigerschutz: „so kann dem Gegner, der ein obsiegendes Urtheil erstreitet, nicht zugemutet werden, behufs Herbeiführung der Zwangsvollstreckung in das eingebrachte Gut (= Gesamtgut) erst noch nach §§ (739, 740) eine besondere Klage gegen den Mann zu erheben. Durch die Anwendung dieser Vorschriften würden hier lediglich zwecklose Weiterungen und Kosten entstehen“.2 Die Ratio dieser Entscheidung ist, dass sich die aus § 740 ergebenden, geänderten Anforderungen an den Titelinhalt nicht zum Nachteil des Gegners auswirken sollen,

23 Bettermann Von der Zwangsvollstreckung gegen die Handelsfrau, ZZP 62 (1941) 210, will demgegenüber Alternativität der beiden Rechtsbehelfe annehmen; wegen der unterschiedlichen Grundlagen (formell, materiell) sprechen jedoch die besseren Gründe für die Kumulation; wie hier MünchKomm/Heßler Rdn. 19; Stein/Jonas/Münzberg Rdn. 8. Zur Klagemöglichkeit eines der Ehegatten bei kollusivem Zusammenspiel des anderen mit dem Gläubiger OLG Karlsruhe OLGZ 1976, 333. 1 BGBl. I 2010. 2 Ebda. S. 153. 129 https://doi.org/10.1515/9783110443158-020

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§ 742

Achtes Buch – Zwangsvollstreckung

wenn sie erst nach Prozessbeginn eintreten;3 diese Überlegung ist bei jedem Vorschlag einer analogen Anwendung des § 727 mitzubedenken, vgl. § 740 Rdn. 11, § 741 Rdn. 5.4

II. Anwendungsbereich 1. Voraussetzungen 2 Wird die Prozesspartei, die während des Verfahrens in den Güterstand der Gütergemeinschaft eintritt, nach § 1421 BGB zum allein verwaltenden Ehegatten bestimmt, genügt der Titel den Anforderungen des § 740 Abs. 1 und macht die Anwendung der vorliegenden Vorschrift überflüssig. Sie greift vielmehr als vollstreckungsrechtliche5 Ergänzung zu der in den §§ 1433, 1455 Nr. 7 BGB vorgesehenen Befugnis, einen bereits anhängigen Rechtsstreit im eigenen Namen weiterzuverfolgen, nur dann ein, wenn die Partei nicht oder nicht allein verwaltender Ehegatte ist; die subjektiven Grenzen der Vollstreckbarkeit, § 727 Rdn. 3,6 werden auf den oder die Verwaltungsberechtigten des Gesamtgutes erstreckt. Wird eine entsprechende, Alleinverwaltungsbefugnis einräumende Vereinbarung getroffen, § 1421 BGB, ist § 742 anzuwenden – vorausgesetzt, dass die Gütergemeinschaft erst nach Rechtshängigkeit eingetreten ist; maßgeblich ist allein die vertragliche Vereinbarung des §§ 1408, 1415 BGB – und zwar unabhängig davon, ob die Ehegatten zuvor entweder gar nicht verheiratet waren oder in einem anderen Güterstand gelebt hatten,7 und auch, ob der andere Ehegatte Kenntnis von dem rechtshängigen Verfahren hatte. 3 Unter Rechtshängigkeit ist der in § 261 Abs. 1 und 2 dargelegte Begriff zu verstehen, aber auch dessen Modifikationen durch die §§ 696 Abs. 3, 700 Abs. 2. Darüber hinaus genügt sogar schon das Anhängigmachen8 des Rechtsstreits: Weil nämlich die vorliegende Norm den Gläubigerschutz bezweckt, Rdn. 1, und weil die Zustellungen von Amtswegen erfolgen, § 270, ist der Verfahrensfortgang bereits von diesem Zeitpunkt an den Parteien aus der Hand genommen. Diesem, für die Anwendbarkeit des § 742 maßgeblichen Anfangstermin steht als Endtermin der Beginn der Zwangsvollstreckung i.S.d. § 750 gegenüber; eine erst danach eintretende Gütergemeinschaft hat auf den Fortgang der Vollstreckung keinen Einfluss mehr.9 Eine Titelübertragung ist mithin auch dann zulässig, wenn das zugrunde liegende Urteil zum Zeitpunkt des Eintritts der Gütergemeinschaft bereits rechtskräftig war. 4 Indem das Gesetz allein auf die Rechtshängigkeit abstellt, macht es keinen Unterschied, ob die Klage zulässig oder unzulässig, begründet oder unbegründet ist. Maßgeblich ist nur, dass Kosten entstanden sind, wegen derer möglicherweise eine Zwangsvollstreckung erfolgen kann. Das ergibt sich daraus, dass der Titel „für und gegen“ den anderen Ehegatten umgeschrieben werden kann. 3 S. auch BGH FamRZ 1975, 405, 406; OLG Stuttgart FamRZ 1987, 304. 4 Ebenso (bzgl. eines Kostenfestsetzungsbeschlusses) OLG Stuttgart OLGZ 1987, 252 = NJW-RR 1987, 258 m.w.N. zu den widerstreitenden Ansichten (statt OLG Bamberg muss es OLG Nürnberg heißen). Unbeschadet der zweifellosen Zweckmäßigkeit einer weiten Zulassung der Titelübertragung findet diese Ansicht jedoch keinerlei Stütze im Gesetz und ist daher abzulehnen. S. auch LAG Nürnberg, Beschluss vom 8. Juli 2005 – 2 Ta 118/05 –, juris. 5 Prozessual ist nach h.M. keine Umstellung eines Leistungsantrages auf Leistung an den Verwalter erforderlich, Arg.: § 1416 Abs. 1 S. 2, Staudinger/Thiele/Thiele § 1433 Rdn. 5; MünchKomm/Kanzleiter § 1433 Rdn. 2; Soergel/Gaul § 1433 Rdn. 2; Gernhuber/Coester-Waltjen Lehrbuch des Familienrechts6, § 38 VII 12. A.A. Grüneberg/Siede § 1433 Rdn. 1. 6 Hinsichtlich der materiellen Rechtskraft gilt, dass sie sich auf den anderen Ehegatten erstreckt – freilich nur „in Ansehung des Gesamtgutes“ (dazu Rdn. 13), Hüffer Das Rechtsschutzinteresse für eine Leistungsklage des Gläubigers und die subjektiven Grenzen der Rechtskraft in den Fällen unmittelbarer und entsprechender Anwendung des § 727 ZPO, ZZP 85 (1972) 234; MünchKomm/Heßler Rdn. 2. 7 Entscheidend ist, dass die Gütergemeinschaft mit demjenigen Ehepartner vereinbart wird, auf den der Titel übertragen werden soll; vgl. KG JW 1922, 1532. 8 So auch §§ 1433, 1455 Nr. 7 BGB. 9 OLG Koblenz Rpfleger 1956, 164; § 740 Rdn. 7. Zu einer späteren Aufhebung der Gütergemeinschaft s. §§ 743 f. Paulus

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Abschnitt 1. Allgemeine Vorschriften

§ 742

2. Andere Titel § 742 ist auch auf die anderen, in § 794 genannten Titel sowie alle weiteren Vollstreckungstitel 5 anzuwenden; hinsichtlich der Vergleiche und vollstreckbaren Urkunden tritt jedoch an die Stelle der Rechtshängigkeit die Errichtung dieser Urkunden, hinsichtlich der Schiedssprüche die Erfüllung der von § 1039 geforderten Formalien (s. § 1040), und hinsichtlich des Titels aus § 201 Abs. 2 InsO der Prüfungstermin, §§ 29 Abs. 1 Nr. 2, 176 InsO.

3. Analoge Anwendung Eine analoge Anwendung kommt dann in Frage, wenn bei bestehender Gütergemeinschaft inner- 6 halb des maßgeblichen Zeitraums, Rdn. 3, die Verwaltungsbefugnis geändert wird und der zuvor allein berechtigte Ehegatte und Prozessgegner seine Rolle als Alleinverwalter verliert.10 Das muss gleicherweise bei einem aus der Notverwaltungsbefugnis der §§ 1429 S. 2, 1454 S. 2 BGB abgeleiteten Prozess gelten, wenn dieser im eigenen Namen geführt wird und der Verhinderungsgrund des verwaltungsberechtigten Ehegatten vor Vollstreckungsbeginn entfällt. Dagegen ist eine analoge Anwendung ausgeschlossen, wenn der verwaltungsbefugte Ehegatte seine Zustimmung zu dem selbständig betriebenen Erwerbsgeschäft während eines rechtshängigen Prozesses widerruft;11 denn aus § 741 ergibt sich, dass dieser Widerruf hinsichtlich der Vollstreckungsmöglichkeit in das Gesamtgut ohnehin zu spät erfolgt ist. Wäre er dagegen rechtzeitig (d.h.: vor Eintritt der Rechtshängigkeit) erfolgt, gäbe es keine innere Rechtfertigung, dem Gläubiger mit einer Titelübertragungsmöglichkeit zu Hilfe zu kommen.

III. Rechtsfolge 1. Obsiegender Gegner Obsiegt der Gegner, kann er seinen Titel übertragen lassen, um ihn an die Anforderungen des 7 § 740 anzupassen. Mit ihm kann er sowohl auf das Gesamtgut als auch auf das Sonder- und Vorbehaltsgut des im Prozess unterlegenen Ehegatten zugreifen. Das gilt sowohl dann, wenn der andere Ehegatte das Gesamtgut allein verwaltet, als auch dann, wenn beide Ehegatten dies gemeinsam tun. Im letzteren Fall ergibt sich allerdings gegenüber § 740 Abs. 2 die (mit Ausnahme von § 744) nicht verallgemeinerungsfähige Besonderheit, dass zur Vollstreckung in das Gesamtgut nur ein Titel genügt, vgl. § 740 Rdn. 9. Hat der Gegner bereits eine vollstreckbare Ausfertigung erlangt, bevor die Gütergemeinschaft eingetreten ist, und verlangt er nunmehr eine neue, so ist diese – streng genommen – keine weitere Ausfertigung i.S.d. § 733. Gleichwohl sollte sie als eine solche behandelt werden, weil der mit dieser Norm bezweckte Schuldnerschutz, § 733 Rdn. 1, auch in der vorliegenden Fallkonstellation benötigt wird: Denn zu der verbleibenden Haftung des nicht mehr (allein) verwaltungsbefugten Prozessverlierers mit seinem Sonder- und Vorbehaltsgut tritt diejenige der Gesamthand mit dem Gesamtgut, so dass zwischen den Ehegatten faktisch eine Art der Gesamthaftung besteht.12

10 2. Aufl. B I. 11 A.A. MünchKomm/Heßler Rdn. 6. 12 So auch Stein/Jonas/Münzberg Rdn. 9. Ein Formulierungsvorschlag für die Klausel bei Zöller/Seibel Rdn. 8, oder bei Kindl/Meller-Hannich/Wolf/Giers/Haas Rdn. 7. 131

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§ 742

Achtes Buch – Zwangsvollstreckung

2. Obsiegender Ehegatte 8 Unterliegt der Gegner, kann der Alleinverwalter oder können die gemeinschaftlich verwaltenden Ehegatten die Titelübertragung auf sich verlangen. Das ist wegen § 750 notwendig, sofern die Forderung zum Gesamtgut gehört: „in Ansehung des Gesamtgutes“. Hatte der obsiegende Ehegatte bereits eine vollstreckbare Ausfertigung erlangt, und beantragen nunmehr der andere oder beide Ehegatten zusammen eine neue, handelt es sich dabei um eine nach § 733 zu beurteilende weitere Ausfertigung. Freilich ist es auch möglich und in der Praxis weit verbreitet, die bereits vorhandene Ausfertigung dahingehend abzuändern, dass der (oder die) Verwalter eingetragen wird; auf diese Praxis findet § 733 keine Anwendung.

3. Rechtsschutzbedürfnis 9 Soweit nach den vorstehenden Ausführungen eine Titelumschreibung möglich ist, fehlt das Rechtsschutzbedürfnis für eine entsprechende Klage.13

IV. Verfahren 10 Zuständiger Beamter für die Klauselerteilung ist der Rechtspfleger, § 20 Nr. 12 RPflG. Der Antrag kann formlos gestellt werden;14 er unterliegt nicht dem Anwaltszwang, § 78 Abs. 3. Zur Anhörung des Schuldners § 730 Rdn. 2 ff. Aus der Verweisung auf § 727 ergibt sich, dass der Eintritt der Gütergemeinschaft durch öf11 fentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden,15 i.d.R. also durch den Vertrag selbst, §§ 1408 ff. BGB, oder durch den Auszug aus dem Güterrechtsregister, nachzuweisen ist, wenn nicht (in der Praxis nur schwer vorstellbare) Offenkundigkeit16 vorliegt. Sofern der Eintritt der Rechtshängigkeit nicht aktenkundig ist, sondern – wie in den, § 741 Rdn. 7, aufgezeigten Fällen – nicht problemlos festgestellt werden kann, muss der Gläubiger auch das Vorliegen dieses Tatbestandsmerkmales beweisen.17 Als Rechtsbehelfe stehen die Klage nach § 731 sowie Erinnerung oder Klage nach den §§ 732, 12 768 zur Verfügung. Das gilt auch für den unterlegenen Ehegatten; vgl. insgesamt § 727 Rdn. 51 sowie § 741 Rdn. 8 (Übergriff des Gläubigers auf Sonder- und Vorbehaltsgut des anderen, alleinoder mit verwaltungsbefugten Ehegatten). Die Klausel wird nach ausdrücklicher Anordnung des Gesetzes nur „in Ansehung des Gesamt13 gutes“ umgeschrieben. Für den obsiegenden Ehegatten bedeutet das, dass die vollstreckbare Forderung zum Gesamtgut gehören muss, Rdn. 8, und für den obsiegenden Gegner, dass er nur auf das Gesamtgut zugreifen darf, sofern sich sein Anspruch nicht ohnedies auf das Sonder- oder Vorbehaltsgut seines Prozessgegners richtet; für die Kosten s. allerdings §§ 1439 Abs. 2, 1460 Abs. 2 BGB. Der Zugriff auf das Sonder- und Vorbehaltsgut des anderen Ehegatten ist ihm dagegen verwehrt. Um dieses ausdrückliche Verbot einhalten zu können, ist in der Klausel zu vermerken, dass die Vollstreckung „nur in das Gesamtgut“ zulässig ist.

13 14 15 16 17

Baumbach/Lauterbach/Hartmann/Albers/Gehle Rdn. 1. Zöller/Seibel Rdn. 3. Sie können entweder gem. § 1563 BGB oder nach § 792 vom Gläubiger beantragt werden, vgl. dort Rdn. 4. Zum Geständnis und Anerkenntnis vgl. § 726 Rdn. 29 f. Stein/Jonas/Münzberg Rdn. 6.

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Abschnitt 1. Allgemeine Vorschriften

§ 743

§ 743 Beendete Gütergemeinschaft Nach der Beendigung der Gütergemeinschaft ist vor der Auseinandersetzung die Zwangsvollstreckung in das Gesamtgut nur zulässig, wenn 1. beide Ehegatten oder Lebenspartner zu der Leistung verurteilt sind oder 2. der eine Ehegatte oder Lebenspartner zu der Leistung verurteilt ist und der andere zur Duldung der Zwangsvollstreckung.

Übersicht I.

Allgemeines

1

II.

Materiell-rechtliche Vorgaben

III.

Rechtsfolge

2

1. 2. 3.

3 Titel Besondere Gestaltungen Vollstreckungsobjekte

IV.

Rechtsbehelfe

7 9

10

I. Allgemeines Zur Gesetzesgeschichte s. § 739 Rdn. 1; die gegenwärtige Fassung resultiert auf Art. 14 G zur Berei- 1 nigung des Rechts der Lebenspartner v. 20.11.2015.1 Die §§ 743–745 (ohne § 744a) treffen Sonderregelungen für die Zwangsvollstreckung nach beendigter Gütergemeinschaft. Wie schon die vorangegangenen Vorschriften dient auch § 743 der vollstreckungsrechtlichen Umsetzung materiellrechtlicher Vorgaben – genauer: der in § 1472 Abs. 1 BGB angeordneten gemeinschaftlichen Verwaltung nach Beendigung der Gütergemeinschaft. Weil die Gesamthand bis zur endgültigen Auseinandersetzung fortbesteht, § 1471 Abs. 2 BGB, verlangt § 743 – im Einklang mit der Regelung des § 740 Abs. 2 – zwei Leistungstitel, wobei die Erwähnung des Duldungstitels von der Novellenbegründung von 1898 folgendermaßen erläutert wird: „Je nachdem einer der Ehegatten für die Gesammtgutsverbindlichkeit persönlich haftet oder nicht, muß das Urtheil auf Leistung oder auf Duldung der Zwangsvollstreckung lauten (vgl. BGB § 1459 Abs. 2)“. Der BGH2 leitet aus dem Wortlaut der vorliegenden Norm (zusätzlich aus § 748 Abs. 2) her, dass ein Titel den vollstreckungsrechtlichen Bestimmtheitsanforderungen genüge, wenn er auf das „Gesamtgut“ verweist.

II. Materiell-rechtliche Vorgaben Die §§ 1471 ff. BGB regeln die Auseinandersetzung des Gesamtgutes. Sie muss vorgenommen wer- 2 den, wenn die Gütergemeinschaft auf eine der drei vom Gesetz eingeräumten Möglichkeiten – Auflösung der Ehe, vertragliche Vereinbarung (beachte § 1414 S. 2 BGB) oder Gestaltungsurteil nach § 1470 BGB – beendigt worden ist. Die verfahrensmäßige Ausgestaltung in den §§ 1474 bis 1481 BGB stellt die Schutzbedürftigkeit der Gläubiger in Rechnung, indem vor jeder Aufteilung unter den Ehegatten „zunächst die Gesamtgutsverbindlichkeiten zu berichtigen“ sind, § 1475 Abs. 1 BGB. Daneben dient dem Schutz der Ehegatten bzw. Lebenspartner voreinander, zunächst dass sie unbeschadet einer vertraglichen Vereinbarung gemeinschaftliche Verwalter des Gesamtgutes werden. Das beinhaltet nach § 1450 Abs. 1 BGB auch, dass Prozesse nur von beiden oder gegen beide Ehegatten geführt werden können. Weiterhin schützt sie, dass ab Beendigung die persönli-

1 BGBl. I 2010. 2 BGH NJW-RR 1998, 1377. 133 https://doi.org/10.1515/9783110443158-021

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§ 743

Achtes Buch – Zwangsvollstreckung

che Haftung für die den anderen Ehegatten im Innenverhältnis, §§ 1463 bis 1466 BGB, treffenden Schulden entfällt, § 1459 Abs. 2 S. 2 BGB.

III. Rechtsfolge 1. Titel 3 Bis die Auseinandersetzung vollzogen und der nach Berichtigung der Gesamtgutsverbindlichkeiten verbliebene Überschuss unter den Ehegatten nach näherer Maßgabe der §§ 1476 f. BGB aufgeteilt worden ist, benötigt der Gläubiger gegen jeden der Ehegatten einen Titel3 i.S.d. §§ 704, 794.4 Dabei richtet sich die Unterscheidung zwischen Leistungs- und Duldungstitel nach dem materiell-rechtlich geregelten Umfang der Haftung, § 1459 Abs. 2 S. 2 BGB (Rdn. 2 a.E.). Gegen denjenigen Ehegatten, der nur mit dem Gesamtgut haftet, genügt der Duldungstitel, während gegen den auch mit seinem Sonder- und Vorbehaltsgut, also persönlich haftenden Gatten ein Leistungstitel erforderlich ist.5 Ausnahmsweise benötigt der Gläubiger zwei Leistungstitel, wenn ein dinglicher Anspruch, 4 der sich auf einen zum Gesamtgut gehörenden Gegenstand richtet, vollstreckt werden soll.6 Weil nach ganz h.M. für die während der Liquidationsphase vorgenommenen Rechtsgeschäfte keine neuen Gesamtgutsverbindlichkeiten7 entstehen können,8 ist dagegen die Anwendung des § 743 hinsichtlich der zwangsweisen Durchsetzung solcher Verbindlichkeiten ausgeschlossen. Dagegen genügt nur ein Leistungstitel,9 wenn beide Ehegatten bzw. Lebenspartner gesamt5 schuldnerisch haften; das ist bezüglich solcher Gesamtgutsverbindlichkeiten der Fall, die erst nach der Teilung des Gesamtgutsüberschusses berichtigt werden. § 1480 BGB ordnet (als Ersatz für den Fortfall des Gesamtgutes) die persönliche Haftung auch desjenigen Ehegatten an, der während der Auseinandersetzung nur den Zugriff auf das Gesamtgut zu dulden gehabt hätte.10 Freilich kann dieser Ehegatte seine Haftung in analoger Anwendung der Dürftigkeitseinrede nach den §§ 1990 f. BGB auf die ihm zugeteilten Gegenstände beschränken; vgl. dazu §§ 781 Rdn. 12, 785 Rdn. 8 ff. Weil § 743 nur auf den Zeitpunkt der Vollstreckung abstellt, gilt das Gesagte auch für einen bereits vor Beendigung der Gütergemeinschaft erlangten Leistungstitel;11 zur Titelumschreibung in diesen Fällen: § 744. Aus dem Voranstehenden folgt, dass der für die Anwendung des § 743 maßgebliche Zeit6 raum derjenige zwischen Beendigung der Gütergemeinschaft12 und endgültiger Teilung des Überschusses ist. Der Endtermin ergibt sich unbeschadet der ungenauen Diktion des § 1480 BGB13 aus § 743, der die „Auseinandersetzung“ erwähnt. Diese umfasst nach Maßgabe des § 1474 BGB sowohl die Berichtigung der Gesamtgutsverbindlichkeiten als auch die Teilung. Solange die Auseinandersetzung nicht durchgeführt ist, existiert gem. § 1471 Abs. 2 noch gesamthänderisch gebundenes Gesamtgut. Ausnahmsweise kann die Vollstreckung über den Endtermin hinaus fortgesetzt werden, wenn die Pfändung bereits vor der Vollbeendigung erfolgt war;14 denn danach kann die

3 Die Titel müssen nicht im selben Verfahren erstritten werden, RGZ 59, 234. Vgl. auch RGZ 39, 306. 4 Die 2. Aufl. verwies diesbezüglich versehentlich auf RGZ 89, 360; dort lagen aber zwei Urteile als Titel vor. Zum Duldungstitel nach § 794 s. dort Abs. 2.

5 RGZ 89, 360; 108, 281. 6 Die 2. Aufl. wollte hier wohl zwei Duldungstitel genügen lassen, A IIb; das kann aber allenfalls für eine Hypothekenbzw. Grundschuldvollstreckung zutreffen, § 1147 BGB. 7 Ausgenommen werden Kosten und Lasten des Gesamtgutes, Boehmer NJW 1950, 71 (= Anm zu OLG Stuttgart). 8 S. nur Gernhuber/Coester-Waltjen Lehrbuch des Familienrechts6, § 38 X; Musielak/Voit/Lackmann Rdn. 1. 9 Ein Duldungstitel genügt nicht, Stein/Jonas/Münzberg Rdn. 4. 10 Für die Haftung im Innenverhältnis gilt § 1481 BGB. 11 Vgl. OLG Colmar OLGRspr 1913, 186. 12 Auf die Rechtshängigkeit des Streites kommt es nicht an, 2. Aufl. B IIIb. 13 Sie impliziert den Beginn der Überschussteilung nach den §§ 1476 f. BGB. 14 So auch MünchKomm/Heßler Rdn. 9; Zöller/Seibel Rdn. 4; Stein/Jonas/Münzberg Rdn. 2. Paulus

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Abschnitt 1. Allgemeine Vorschriften

§ 744

Gesamtgutszugehörigkeit wegen des mit der Pfändung einhergehenden Verfügungsverbotes, §§ 135, 136 BGB, nicht mehr aufgehoben werden.

2. Besondere Gestaltungen Im Falle der Auflösung durch den Tod eines der Ehegatten ist für die Anwendung des § 743 zu 7 unterscheiden: Wird die Gütergemeinschaft fortgesetzt, gilt § 745; soll sie aufgelöst werden, ist die Erbfolge zu berücksichtigen. Ist der Ehegatte Alleinerbe, bedarf es naturgemäß nur eines Titels, weil die gesamthänderische Bindung ohne Auseinandersetzung aufgelöst wird. Gibt es dagegen weitere Erben, überlagert sich die Gesamthandsgemeinschaft der Gütergemeinschaft mit der der Erbengemeinschaft: Der Anteil des verstorbenen Ehegattens gehört letzterer, § 1482 BGB, so dass der zweite Titel gegen diese gerichtet sein muss. Sofern der Ehegatte Mitglied der Erbengemeinschaft ist, bedarf es zweier Titel gegen ihn als Gesamtgutsberechtigten. Eine Titelübertragung in Analogie zu § 727 ist deswegen ausgeschlossen, weil in einer Erinnerung nach § 732 nicht diejenigen Einwendungen vorgetragen werden können, die der verstorbene Ehegatte bzw. die jetzige Erbengemeinschaft gegen den eingeklagten Anspruch gegebenenfalls geltend machen kann. Wird die Gütergemeinschaft dadurch beendigt, dass die Ehe insgesamt nach näherer Maßga- 8 be der §§ 1313 ff. BGB aufgehoben wird, bemessen sich die Konsequenzen daraus gem. § 1318 Abs. 1 BGB nach den Scheidungsfolgevorschriften. Die Frage, ob hierzu auch § 743 zählt, ist wegen der vergleichbaren Interessenlage zu bejahen.

3. Vollstreckungsobjekte Der Gläubiger kann mit einem Duldungstitel auf das Gesamtgut zugreifen. Darüber hinaus eröff- 9 net ihm § 860 Abs. 2 noch die Möglichkeit, den Anteil des zur Duldung Verpflichteten am Gesamtgut insgesamt zu pfänden; insoweit genügt dem Gläubiger nur ein Titel.15 Der zusätzliche Leistungstitel eröffnet den Zugriff auf das Sonder- und Vorbehaltsgut des Verpflichteten.

IV. Rechtsbehelfe Wie auch in den Fällen des § 740 Abs. 2 können beide Ehegatten nach § 766 (§ 793) erinnern, 10 dass nicht zwei Titel vorliegen; der nicht im Titel Ausgewiesene kann darüber hinaus auch nach § 771 klagen, vgl. § 740 Rdn. 15.16 Der Gläubiger kann dem entgegenhalten, dass der Ehegatte zur Duldung der Vollstreckung verpflichtet sei. Der lediglich zur Duldung Verpflichtete kann gegen Übergriffe in sein Privatvermögen Dritt- 11 widerspruch erheben, § 771, und nach § 766 erinnern, weil die Titelerfordernisse für einen solchen Übergriff nicht erfüllt sind.

§ 744 Vollstreckbare Ausfertigung bei beendeter Gütergemeinschaft Ist die Beendigung der Gütergemeinschaft nach der Beendigung eines Rechtsstreits des Ehegatten oder Lebenspartners eingetreten, der das Gesamtgut allein verwaltet, so sind auf die Ertei-

15 Diese Vorschrift dient vornehmlich dem Schutz der Neugläubiger, die sich nur auf diese Weise aus dem Gesamtgut befriedigen können; vgl. Seuffert GruchB 43, 142.

16 Zusätzlich RGZ 79, 345; 89, 360; OLG Königsberg OLGRspr 1906, 281; OLG Colmar OLGRspr 1913, 186. 135 https://doi.org/10.1515/9783110443158-022

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§ 744

Achtes Buch – Zwangsvollstreckung

lung einer in Ansehung des Gesamtgutes vollstreckbaren Ausfertigung des Urteils gegen den anderen Ehegatten die Vorschriften der §§ 727, 730 bis 732 entsprechend anzuwenden.

Übersicht I.

Allgemeines

1

II. 1. 2.

Anwendungsbereich 2 Voraussetzungen Beendigung der Gütergemeinschaft

5

3.

Beendigung des Rechtsstreites

III. 1. 2.

Verfahren Klauselerteilung Rechtsbehelfe

6

9 13

I. Allgemeines 1 Zur Gesetzesgeschichte s. § 739 Rdn. 1. Die Vorschrift dient wie auch schon § 742 dem Gläubigerschutz, s. dort Rdn. 1, indem sie anstelle des nach § 743 an sich erforderlichen zweiten Titels eine Umschreibung des erstrittenen Titels in entsprechender Anwendung der §§ 727, 730 bis 732 genügen lässt.1 „Eine Gefährdung der Frau (= des nicht verwaltenden Ehegatten seit 1.7.1958) durch die Prozessführung des Mannes oder seiner Erben ist in einem solchen Falle ausgeschlossen“, konstatiert die Begründung der Novelle (S. 154).

II. Anwendungsbereich 1. Voraussetzungen 2 Die Norm setzt zunächst einmal einen Gläubiger voraus, der einen (rechtskräftigen, Rdn. 6) Titel gegen den allein verwaltenden Ehegatten erstritten hat und nunmehr die Zwangsvollstreckung betreiben will. Rechtsfolge ist, dass eine Titelumschreibung gegen den anderen Ehegatten erfolgen kann, um den nach den §§ 740 Abs. 2, 743 erforderlichen Duldungstitel gegen beide Ehegatten zu erhalten. 3 Ist im umgekehrten Fall der allein verwaltende Ehegatte siegreich, kommt wegen des eindeutigen Gesetzeswortlauts („gegen“) eine Titelumschreibung nicht in Frage;2 vielmehr kann er die Leistung in entsprechender Anwendung des § 2039 BGB3 allein einfordern bzw. vollstrecken. Sie fällt in das Gesamtgut, wenn es sich dabei um eine zum Gesamtgut gehörende Forderung handelt. Nach der Auseinandersetzung bedarf derjenige Ehegatte Titel und Klausel, dem die Forderung zugeteilt worden ist. Eine Anwendung der vorliegenden Norm ist auch in dem Fall ausgeschlossen, in dem ein 4 Gläubiger einen Titel gegen den nicht verwaltenden Ehegatten erstritten hat. Will er gleichwohl in das Gesamtgut nach Beendigung der Gütergemeinschaft vollstrecken, benötigt er gem. § 743 einen eigenen Duldungstitel gegen den anderen Ehegatten.

2. Beendigung der Gütergemeinschaft 5 Zu der Beendigung der Gütergemeinschaft s. § 743 Rdn. 2. Eine Sonderregelung enthält § 745 für den Fall, dass die Ehe durch den Tod eines der Ehegatten aufgelöst, die Gütergemeinschaft 1 Wie auch bei § 742 wird die neue Verfügungsbefugnis als ein Sonderfall der Rechtskrafterstreckung behandelt, vgl. Loritz Die Umschreibung der Vollstreckungsklausel, ZZP 95 (1982) 319. 2 A.A. Zöller/Seibel Rdn. 9; Stein/Jonas/Münzberg Rdn. 6; MünchKomm/Heßler Rdn. 11 (s. auch 12). 3 Gernhuber/Coester-Waltjen Lehrbuch des Familienrechts6, § 38 X 5. Paulus

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Abschnitt 1. Allgemeine Vorschriften

§ 744

jedoch nach Maßgabe der §§ 1483 ff. BGB fortgesetzt wird, und der Gläubiger einen Titel gegen den überlebenden Ehegatten hat. Wird die Gütergemeinschaft dagegen nicht fortgesetzt, gilt § 744 mit der Maßgabe, dass die Übertragung des Titels auf die Erben vorzunehmen ist, § 1482 BGB.4

3. Beendigung des Rechtsstreites Der Rechtsstreit ist beendigt, wenn das Urteil rechtskräftig ist.5 Für die beurkundeten Parteier- 6 klärungen des § 794 (Vergleich, vollstreckbare Urkunde)6 ist erforderlich, dass sie vor Beendigung der Gütergemeinschaft wirksam geworden sind. Ist also beispielsweise ein bedingter Vergleich geschlossen worden, ist § 744 nicht anwendbar, wenn die Bedingung erst nach Beendigung der Gütergemeinschaft eintritt. Diese strikte Begrenzung rechtfertigt sich aus der oben, Rdn. 1, in der Novellenbegründung angedeuteten gesetzgeberischen Absicht, die Möglichkeit einer Benachteiligung oder Schädigung des nicht verwaltenden Ehegatten zu verhindern.7 Infolgedessen darf der Titel nicht mehr mit ordentlichen (im Gegensatz zu den außerordentlichen etwa der §§ 578 ff.) Rechtsmitteln angreifbar sein. Vorläufige Vollstreckbarkeit genügt nach dem Voranstehenden grundsätzlich nicht;8 die 7 nachfolgende Vollstreckung richtet sich nach § 743. Allerdings wird man dann eine Ausnahme machen können, wenn eine Gefährdung des zuvor nicht verwaltenden Ehegattens weitgehend reduziert ist: Dann nämlich, wenn ausschließlich um einen dinglichen Anspruch gestritten wird, der sich auf einen zum Gesamtgut gehörenden Gegenstand richtet. Ist in einem solchen Fall bereits ein für den Gläubiger günstiges Urteil ergangen, erscheint es ungerechtfertigt, ihm die Titelübertragung zu versagen. Methodologisch ist diese Ausnahme deswegen unbedenklich herleitbar, weil § 744 anders als etwa § 729 das Rechtskrafterfordernis nicht ausdrücklich erwähnt.9 Für einen zur Zeit der Beendigung der Gütergemeinschaft noch rechtshängigen Prozess eines 8 Dritten gegen den allein verwaltenden Ehegatten gilt, dass der Kläger seinen Leistungsantrag auf einen Duldungsantrag umstellen muss,10 § 264 Nr. 2, wenn die eingeklagte Verbindlichkeit im Innenverhältnis der Ehegatten, §§ 1441 f. BGB, dem anderen Ehegatten zur Last fällt, § 1437 Abs. 2 S. 2 BGB.

III. Verfahren 1. Klauselerteilung Der Gläubiger muss, um die Übertragung des Titels zu erlangen, dem Rechtspfleger, § 20 Nr. 12 9 RpflG, durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden nachweisen, dass zur Zeit des Eintritts der Rechtskraft des Urteils Gütergemeinschaft bestand, dass der Schuldner allein verwaltender Ehegatte war und dass die Gütergemeinschaft nunmehr beendigt ist. Die Übertragung der Klausel erfolgt nur „in Ansehung des Gesamtgutes“, s. dazu § 742 10 Rdn. 13; sie muss also auf Duldung der Zwangsvollstreckung lauten, § 743 Rdn. 3. Daraus folgt

4 Vgl. OLG Posen OLGRspr 1910, 375. 5 Begründung der Novelle S. 154: „Für den Fall, daß ein gegen den Ehemann (s. Zitat Rdn. 1) geführter Rechtsstreit bei Beendigung der Gütergemeinschaft schon durch rechtskräftiges Urteil erledigt ist “. Vgl. auch Seuffert Gruch 43, 142. 6 Vgl. OLG Dresden OLGRspr 1902, 295; KG KGBl. 1902, 105. 7 Vgl. auch Motive zum 1. Entwurf d. BGB IV, S. 407. 8 OLG Marienwerder OLGRspr 1904, 140. 9 Die Annahme einer Rechtskrafterstreckung gem. § 727 ist daher gar nicht erforderlich; so aber Stein/Jonas/Münzberg Rdn. 4; Zöller/Seibel Rdn. 8. 10 Unterlässt der Kläger dies, kann das Gericht auch ohne Antrag auf Duldung erkennen, § 308 Abs. 1, weil Duldung gegenüber Leistung ein Minus ist, 2. Aufl. B I. 137

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streng genommen, dass die Titelübertragung nicht mehr möglich ist, sobald kein Gesamtgut mehr vorhanden ist und anstelle dessen die in § 1480 BGB angeordnete gesamtschuldnerische Haftung der Ehegatten tritt.11 Mit der Teilung entfällt die gesamthänderische Gebundenheit der einzelnen Vermögensgegenstände, so dass der Vollstreckungszugriff nunmehr nach den allgemeinen Regeln zu erfolgen hat; zu der nach § 1480 BGB möglichen Haftungsbeschränkung s. § 743 Rdn. 5. Freilich bedingt diese zeitliche Begrenzung, dass der Gläubiger durch eine vorzeitige Teilung benachteiligt wird, indem er nunmehr einen weiteren Titel erstreiten muss, wenn er auf den Gesamtbestand des Gesamtgutes zugreifen will. Der mit der vorliegenden Regelung beabsichtigte Gläubigerschutz (Rdn. 1) könnte durch ein nicht ordnungsgemäßes Vorgehen – vgl. § 1475 BGB: „zunächst“ – unterlaufen werden. Infolgedessen ist es ein Gebot effizienter Zweckverwirklichung, wenn die Titelübertragung auch noch nach endgültiger Aufteilung des Gesamtgutes zugelassen wird.12 Sie muss dann aber angesichts der in § 1480 BGB angeordneten persönlichen Haftung auf Leistung lauten. 11 Bei der Ausstellung der Ausfertigung gegen den anderen Ehegatten ist § 733 zu beachten, wenn gegen den Prozessschuldner bereits eine solche ausgegeben worden ist. Falls das nicht geschehen ist, sollte die Klausel gegen beide Ehegatten möglichst zusammengefasst werden.13 Soweit nach der vorliegenden Norm eine Titelübertragung möglich ist, nimmt sie einer even12 tuellen Klage grundsätzlich das Rechtsschutzbedürfnis.14

2. Rechtsbehelfe 13 Der Gläubiger kann sich gegen die Nichterteilung der Klausel mit Hilfe der §§ 731, 768 wenden, die Ehegatten gegen die Erteilung mit Hilfe des § 732. Übergriffe auf nicht haftendes Vermögen können mit Hilfe der §§ 766, 771 abgewehrt werden.

§ 744a Zwangsvollstreckung bei Eigentums- und Vermögensgemeinschaft Leben die Ehegatten gemäß Artikel 234 § 4 Abs. 2 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch im Güterstand der Eigentums- und Vermögensgemeinschaft, sind für die Zwangsvollstreckung in Gegenstände des gemeinschaftlichen Eigentums und Vermögens die §§ 740 bis 744, 774 und 860 entsprechend anzuwenden.

Schrifttum Arnold Zwangsvollstreckung bei fortgeltendem Güterstand der Eigentums- und Vermögensgemeinschaft (§ 744a ZPO), DtZ 1991, 80 ff.; Brudermüller-Wagenitz Das Ehe- und Ehegüterrecht in den neuen Bundesländern FamRZ 1990, 1294 ff.; Grandke Familienrecht in der ehemaligen DDR nach dem Einigungsvertrag, DtZ 1990, 321 ff.; o.A. Unterhaltsvollstreckung in anteiligen Grundbesitz des Kindesvaters (Erbengemeinschaft, eheliche Gütergemeinschaft in der vormaligen DDR nach dortigem Recht begründet – Überleitungsfragen: DIV-Gutachten v. 20.1.1992, DAVorm 1992, 162 ff.; Rauscher Die Überleitung des Ehegüterrechts im Einigungsvertrag (Art. 234 § 4 EGBGB); DNotZ 1991, 209 ff.; Rellermeyer Zwangsversteigerung zum Zwecke der Aufhebung der ehelichen Eigentums- und Vermögensgemeinschaft des DDR-FGB? Rpfleger 1993, 469 ff.; Schwab (Hrsg.) Familienrecht und deutsche Einigung (1991); Stankewitsch Vollstreckung gem. § 744a ZPO in eheliches Eigentum und Vermögen, das dem FGB-Güterstand unterliegt, NJ 1991, 534 ff.; Wassermann Die Zwangsvollstreckung gegen Ehegatten nach § 744a ZPO, FamRZ 1991, 507 ff.

11 12 13 14

So Zöller/Seibel Rdn. 6; MünchKomm/Heßler Rdn. 13. So auch Stein/Jonas/Münzberg Rdn. 3. MünchKomm/Heßler Rdn. 7. OLG Posen OLGRspr 1910, 375 (das Rechtsschutzbedürfnis kann nach dieser Entscheidung nur ausnahmsweise vorliegen, „wenn ganz besondere Umstände (vorliegen), die anderenfalls die Vollstreckung etwa für den Gläubiger besonders erschwert erschienen ließen“. Vgl. auch OLG Hamburg SeuffA 61, 375 (Nr. 211). Paulus https://doi.org/10.1515/9783110443158-023

138

Abschnitt 1. Allgemeine Vorschriften

§ 744a

Übersicht I.

Gesetzesgeschichte

1

II. 1. 2.

Voraussetzungen 2 Art. 234 § 4 EGBGB Güterstand des FGB-DDR

III.

Rechtsfolge

4

1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.

Gemeinschaftliche Verbindlichkeiten 8 Persönliche Verbindlichkeiten 10 § 740 13 § 741 16 § 742 19 §§ 743, 744 20 § 860

7

I. Gesetzesgeschichte Die Vorschrift ist durch den Einigungsvertrag vom 31.8.1990 – Anl. I Kap. III Sachgeb. A Abschn. II 1 Nr. 1 – eingeführt worden, um die in Artikel 234 § 4 EGBGB getroffene Regelung über die Fortgeltung des früheren Güterstandes der DDR in vollstreckungsrechtlicher Hinsicht zu vervollständigen. Die allgemeine (und zweifellos unvermeidbare) Hast der damaligen Gesetzgebungsaktivitäten spiegelt sich in der nur bei oberflächlicher Betrachtung passenden Rechtsfolgenverweisung der vorliegenden Norm wider.1

II. Voraussetzungen 1. Art. 234 § 4 EGBGB Nach Art. 234 § 1 EGBGB finden auf alle familienrechtlichen Verhältnisse, die am Tag des Wirk- 2 samwerdens des Beitritts – 3.10.1990 – bestehen, die Vorschriften des BGB Anwendung. Auf den Güterstand bezogen bedeutet diese Regelung, dass der DDR-Güterstand der Eigentums- und Vermögensgemeinschaft am Stichtag in den bundesrepublikanischen gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft über- bzw. eingeleitet2 worden ist; so ausdrücklich Art. 234 § 4 Abs. 1 EGBGB. Angesichts der weit verbreiteten Nichtbeachtung güterrechtlicher Fragen bzw. der zu vermutenden Unkenntnis der Abänderbarkeit des gesetzlichen Güterstandes3 dürfte die Mehrzahl der betroffenen Ehegatten heute in Zugewinngemeinschaft leben.4 Die Zwangsvollstreckung richtet sich unter diesen Umständen ausschließlich nach den Regeln der ZPO i.V.m. §§ 1363 ff. BGB.5 Art. 234 § 4 Abs. 4 EGBGB adressiert ein Problem, das auch im Zusammenhang mit einer 3 solchen Zwangsvollstreckung Bedeutung erlangen kann: Wie nämlich vermögensrechtlich das Verhältnis zwischen den beiden gesetzlichen Güterständen zu beurteilen ist. Die Vorschrift verweist hinsichtlich der Auseinandersetzung des bis zum Stichtag erworbenen gemeinschaftlichen Vermögens auf § 39 FGB-DDR („gilt sinngemäß“), demzufolge die Auseinandersetzung durch gleichmäßige Verteilung der Güter erfolgen soll; mangels einer Einigung kann die Teilung durch das (Kreis-)Gericht6 (mit großer diskretionärer Freiheit) vorgenommen werden. Der genannte Abs. 4 verlautbart jedoch nichts darüber, wann die Auseinandersetzung vollzogen werden soll: möglich 1 Zur Krit. vgl. nur und insbes. Stankewitsch a.a.O. 2 Rauscher a.a.O., 210. 3 Das Gesetz zur Änderung des Familiengesetzbuches der DDR v. 20.7.1990 führte zum 1.10.1990 erstmalig die Möglichkeit einer ehevertraglichen Änderung des in den §§ 13 ff. FGB-DDR geregelten Güterstandes ein; zwei Tage später wurde diese Neuerung durch den Einigungsvertrag abgelöst. 4 Vgl. auch Wassermann a.a.O., 512. 5 Erläuterungen zu den Anlagen des Einigungsvertrages Anl. I Kap. III Sachgeb. A Abschn. II Nr. 1 – § 744a ZPO – BTDrucks. 17, 8. 6 Rauscher a.a.O., 219, plädiert für eine ausdehnende Interpretation auf alle Kreis- und Amtsgerichte. 139

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ist daher der Zeitpunkt der Eheauflösung7 oder der des Beitrittstages am 3.10.1990.8 Da mit ersterer Ansicht die Konsequenz verbunden ist, dass eine u.U. noch lang andauernde Doppelung der Güterstände innerhalb einer Ehe besteht und damit zu Unübersichtlichkeiten führt, die Art. 234 § 4 EGBGB evidentermaßen vermeiden will, sprechen die besseren Gründe für die zweitgenannte Ansicht. Demzufolge trat am 3.10.1990 eine zumeist wohl stillschweigend vorgenommene Teilung zu gleichen Teilen ein, so dass die jeweilige Hälfte das Anfangsvermögen i.S.d. § 1374 BGB darstellt.

2. Güterstand des FGB-DDR 4 Art. 234 § 4 Abs. 2 und 3 EGBGB gewährte den betroffenen Ehegatten die bis zum Ablauf des 2.10.1992 befristete Möglichkeit, für die Fortgeltung des Güterstandes der Eigentums- und Vermögensgemeinschaft zu optieren.9 Die Option hatte nach näherer Maßgabe des Abs. 2 S. 3 und 4 rückwirkende Kraft. Damit gilt der frühere, in den §§ 13 ff. FGB-DDR geregelte Güterstand10 weiter. Er zeichnet sich gleich einer Errungenschaftsgemeinschaft dadurch aus, dass das während der Ehe erworbene Vermögen beiden Ehegatten gemeinsam gehört; diese gemeinschaftliche Zuordnung11 ist in einer Weise ausgestaltet, die mit Gesamthandseigentum gleichgestellt werden kann.12 Gegenstand des gemeinsamen Vermögens, § 13 Abs. 1 FGB-DDR, sind etwa Arbeitseinkünfte der Ehegatten, Renten oder sonstige laufende Zahlungen wie Krankengeld, Stipendien, etc. einschließlich der damit angeschafften Vermögenswerte (Surrogation)13 sowie Immobilien. Nicht zum gemeinschaftlichen Vermögen gehört das jeweilige Alleineigentum der Ehegatten, § 13 Abs. 2 FGBDDR, das sich aus dem vorehelichen Vermögen zusammensetzt sowie denjenigen, während der Ehe erworbenen Gegenständen, die ein Ehegatte im Wege des Erbgangs oder als individuelle und einmalige Auszeichnung (etwa eine Geldprämie) erwirbt. Zum Alleineigentum rechnen ferner die zur Befriedigung persönlicher Bedürfnisse dienenden14 sowie die zur Berufsausübung benötigten Gegenstände, sofern der Wert der letzteren im Verhältnis zu dem gemeinschaftlichen Vermögen nicht unverhältnismäßig ist.15 Demnach sind bei optierter Fortsetzung der Eigentums- und Vermögensgemeinschaft drei 5 Vermögensmassen zu unterscheiden: Die beiden im Alleineigentum stehenden Massen der Ehepartner sowie das gesamthänderisch gebundene gemeinschaftliche Eigentum, s. aber auch die auf Bruchteilseigentum abstellende Vermutung in Art. 234 § 4a Abs. 3 EGBGB. Die Unterscheidung der Massen ist haftungsrechtlich bedeutsam, weil grundsätzlich das jeweilige Alleineigentum für die persönlichen Verbindlichkeiten und das gemeinschaftliche Vermögen für die gemeinsamen Schulden haftet.16 Darüber hinaus ordnet(e) § 16 Abs. 1 FGB-DDR an, dass das gemeinschaftliche Vermögen subsidiär – d.h. wenn bei der Vollstreckung nicht hinreichendes Alleineigentum vorgefunden wird – auch für diejenigen persönlichen Verbindlichkeiten haftet, die während der Ehe entstanden sind, sowie für alle Unterhaltsschulden – unabhängig von ihrem Entstehungszeitpunkt. 6 § 16 Abs. 2 FGB-DDR räumte dem anderen Ehegatten ein Widerspruchsrecht gegen die Inanspruchnahme des gemeinschaftlichen Vermögens wegen einer vorgenannten, persönlichen Schuld 7 So BezG Meiningen NJ 1993, 373. 8 BezG Frankfurt/Oder FamRZ 1993, 1205; Rauscher a.a.O., 214 f.; Arnold a.a.O., 80. 9 Dazu Böhringer Die Güterstands-Optionserklärung nach Art. 234 § 4 EGBGB, DNotZ 1991, 223. 10 Und nur dieser: Die flankierenden Vorschriften der ZPO-DDR, dazu Arnold a.a.O., 82 f., gelten nicht weiter, sondern sind durch die ZPO zu ersetzen.

11 Sie ist Gesamteigentum i.S.v. § 34 Abs. 2 i.V.m. § 42 Abs. 3 ZGB-DDR; vgl. Wassermann a.a.O., 508. 12 Grandke Familienrecht, 1976, 170; Wirsing Das eheliche Güterrecht der DDR – Teil einer sozialistischen Gesetzgebung, 1973, 189 f.

13 MünchKomm/Heßler Rdn. 9. 14 Hierzu wird man die unter § 739 Rdn. 5 aufgelisteten Gegenstände rechnen dürfen. 15 Die Ehegatten können gem. § 14 FGB-DDR Abweichungen von dieser gesetzlichen Vermögenszuordnung vereinbaren.

16 FGB-Kommentar (Autorenkollektiv unter Leitung von Eberhardt)5, 1982, § 16 Anm. 1.3. Paulus

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ein. Damit sollte verhindert werden, dass das grundsätzlich beiden Ehegatten zu gleichen Teilen zustehende Vermögen von einem übermäßig beansprucht wird. § 16 Abs. 3 FGB-DDR sah sogar als Schutz der Interessen eines Ehegattens oder minderjährigen Kindes vor, dass die vorzeitige Aufhebung der Eigentums- und Vermögensgemeinschaft beantragt werden konnte. Dieser subsidiäre Rechtsbehelf eröffnete dem Gericht erneut weitgehende Gestaltungsmöglichkeiten bei der Verteilung.

III. Rechtsfolge 1. Gemeinschaftliche Verbindlichkeiten § 744a statuiert, dass die Zwangsvollstreckung gegenüber Ehegatten, die innerhalb der Zweijahres- 7 frist für die Fortführung der Eigentums- und Vermögensgemeinschaft optiert haben, entsprechend den für die Gütergemeinschaft aufgestellten Regeln durchzuführen ist. Angesichts dieses Nebeneinanders von fortgeltenden DDR-Rechtsregeln und bundesrepublikanischer ZPO17 ist hinsichtlich solcher Güterstandsvorschriften, die einen prozessualen Gehalt aufweisen, eine Übertragung auf die sachnächsten und -ähnlichsten bundesrepublikanischen Normen vorzunehmen. Da die §§ 740 ff. gegenüber § 739 Sonderregelungen für den Zugriff auf das Gesamtgut enthalten, ist auch für die Anwendung des § 744a vorauszusetzen, dass der Gläubiger auf das gemeinschaftliche Vermögen zugreifen kann, sofern eine gemeinschaftliche Verbindlichkeit besteht.

2. Persönliche Verbindlichkeiten Fraglich ist, ob dieser Anwendungsbereich auch auf persönliche Verbindlichkeiten ausgedehnt 8 werden soll, für die die erwähnte (Rdn. 5) subsidiäre Haftung des gemeinschaftlichen Vermögens, § 16 Abs. 1 FGB-DDR, besteht. Wollte man dies bejahen, wäre die materiell-rechtliche Unterscheidung der Vermögensmassen hinfällig, weil mit jeder persönlichen Schuld die potentielle Haftung des gemeinschaftlichen Vermögens verbunden ist18 und damit vollstreckungsrechtlich als gemeinschaftliche Verbindlichkeit zu behandeln wäre. Das verträgt sich jedoch nicht mit der in Art. 234 § 4 Abs. 2 gerade anerkannten Fortgeltung der materiell-rechtlichen FGB-DDR Regelung der Eigentums- und Vermögensgemeinschaft. Infolgedessen ist die Zwangsvollstreckung wegen einer persönlichen Schuld nach den allgemeinen Vorschriften abzuwickeln. Es gilt die Gewahrsamsvermutung des § 739 für die im Alleineigentum des Schuldners stehenden Vermögensgegenstände, § 739 Rdn. 4 i.V.m. Art. 234 § 1 EG-BGB.19 Reicht das private Vermögen zur Befriedigung nicht aus, kann die Zwangsvollstreckung 9 gleichwohl auf das gemeinschaftliche Vermögen erstreckt werden. Die Situation ist derjenigen eines Eigengläubigers vergleichbar, dessen Schuldner eine Erbschaft angenommen hat. Auch dort vergrößert sich die Haftungsmasse, ohne dass die endgültige Zugriffsmöglichkeit des Gläubigers damit bereits gewährleistet ist. Hier wie dort ist dem Schuldner in Analogie zu § 786, vgl. dort Rdn. 14, die Prozesslast für die Haftungsbegrenzung auferlegt bzw. aufzuerlegen. Der andere Ehegatte kann dagegen das ihm durch § 16 Abs. 2 FGB-DDR eingeräumte Widerspruchsrecht im Wege der Drittwiderspruchsklage geltend machen und dadurch seinen Anteil am gemeinschaftlichen Vermögen vor dem Gläubigerzugriff bewahren. S. auch Rdn. 14.

17 Zur ausschließl. Geltung der ZPO MünchKomm/Heßler Rdn. 4. 18 Das gilt freilich dann nicht, wenn man für den Zugriff auf das gemeinschaftliche Vermögen einen einzigen Leistungstitel, § 740 Abs. 1, genügen lassen will; so Wassermann a.a.O., 510. Doch passt diese Verweisung nicht: Rdn. 10. 19 Zöller/Seibel Rdn. 3. Dasselbe gilt auch dann, wenn die Option erst nach Vollstreckungsbeginn ausgeübt worden ist, ebda. Rdn. 10. 141

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3. § 740 10 Liegt eine gemeinschaftliche Verbindlichkeit vor, ist die Verweisung auf § 740 insofern problematisch, als sie zur Entscheidung darüber nötigt, welcher der beiden Absätze anzuwenden ist. Die unterschiedliche Ausgestaltung der Verwaltungsbefugnis in den §§ 1422 ff. BGB und §§ 1450 ff. BGB findet im FGB-DDR keine Entsprechung. Stattdessen sieht § 15 FGB-DDR vor, dass Verfügungen über Sachen und Vermögensrechte des gemeinschaftlichen Eigentums20 und Vermögens in beiderseitigem Einverständnis zu treffen sind. Das spricht für eine gemeinschaftliche Verwaltung i.S.d. § 740 Abs. 2. Allerdings nähert § 11 FGB-DDR die Rechtsstellung der einzelnen Ehegatten der alleinigen Verwaltungsbefugnis an, indem er eine weitgehende gesetzliche Vertretungsmacht gewährt, die auch im Außenverhältnis nach Maßgabe des § 15 Abs. 1 S. 2 FGB-DDR Bestand hat.21 Danach ist zur Wirksamkeit einer ohne Einverständnis des anderen Ehegatten vorgenommenen Verfügung erforderlich, dass der Verfügungsempfänger keine Kenntnis von einem entgegenstehenden Willen des anderen Ehegatten hat. Diesem wird also ein Widerspruchsrecht eingeräumt. Infolgedessen sprechen die besseren Gründe dafür, für die Zwangsvollstreckung einen Titel gegen jeden der beiden Ehegatten zu verlangen, § 740 Abs. 2.22 Denn die in Abs. 1 vorausgesetzte Alleinverwaltungsbefugnis zeichnet sich gerade dadurch aus, dass dem nicht verwaltenden Ehegatten im Außenverhältnis keine Interventionsbefugnis zusteht. Eine Titelübertragung analog §§ 727, 730 bis 732 wegen der weitreichenden Vertretungsmacht23 kommt deswegen nicht in Betracht, weil anderenfalls die mit der Verweisung in § 744a gerade angestrebte Gleichstellung von Eigentums- und Vermögensgemeinschaft mit der Gütergemeinschaft aufgehoben würde, vgl. § 740 Rdn. 9. § 740 Abs. 2 verlangt deswegen zwei Leistungstitel, weil neben der Haftung des Gesamtgutes 11 noch die persönliche Haftung beider Ehegatten besteht, § 1459 Abs. 2 BGB. Eine vergleichbare Regelung enthält das FGB-DDR jedoch nicht. Gleichwohl sind wegen der intendierten Angleichung der Güterstände auch hier zwei Leistungstitel zu verlangen, freilich ohne dass damit eine Zugriffsmöglichkeit auf das jeweilige Privatvermögen eröffnet wäre. Zugunsten des Gläubigers besteht die Vermutung der Zugehörigkeit zum gemeinschaftli12 chen Vermögen. Das galt bereits vor dem 3.10.1990 hinsichtlich der Mobilien – allerdings gemäß dem derogierten Prozessrecht der DDR, § 118 Abs. 1 S. 3 ZPO-DDR. Heute wird man dieses Ergebnis aus der angestrebten Gleichstellung von Eigentums- und Vermögensgemeinschaft mit der Gütergemeinschaft herleiten können, § 740 Rdn. 3.24 Übergriffe auf das Privatvermögen der Ehegatten können diese mit der Drittwiderspruchsklage nach § 771 abwehren.

4. § 741 13 Die entsprechende Anwendung des § 741 setzt das Betreiben eines Erwerbsgeschäfts durch einen der (jeweils nicht allein verwaltenden) Ehegatten voraus. Bei dem Erwerbsgeschäft braucht es sich keineswegs nur um einen kleineren (Handwerks-)Betrieb zu handeln;25 zwischenzeitlich kann dies vielmehr durchaus auch ein „kapitalistischer“ Betrieb sein. Freilich ist angesichts der weitreichenden Vertretungsbefugnisse des § 11 FGB-DDR sorgfältig zu prüfen, ob dieses Geschäft tatsächlich von einem Ehegatten allein betrieben wird. Falls das nicht der Fall ist, ergeben sich gegenüber dem zuvor zu § 740 Geäußerten, Rdn. 10 ff., keine Besonderheiten.

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Vgl. Zöller/Seibel Rdn. 5. Eine Ausnahme gilt nach § 15 Abs. 2 FGB-DDR für Häuser, Grundstücke und Gegenstände des ehelichen Haushalts. So auch Rauscher a.a.O., 222; Arnold a.a.O., 83; Im Ergebnis a.A. Wassermann a.a.O., 509; Stankewitsch a.a.O., 534. Arnold a.a.O., 83. MünchKomm/Heßler Rdn. 4. So aber Arnold a.a.O., 84. Vgl. auch ders. DGVZ 1992, 26. Man sollte die Fortgeltung der §§ 15 ff. FGB-DDR insoweit wohl dynamisieren, weil anderenfalls Brüche der inneren Stimmigkeit dieser Regelung heraufbeschworen werden. Paulus

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Abschnitt 1. Allgemeine Vorschriften

§ 744a

Wird das Erwerbsgeschäft dagegen von einem Ehegatten allein betrieben, sind die daraus 14 erwachsenden Verbindlichkeiten persönliche Verbindlichkeiten, für die – wie gezeigt, Rdn. 5 – nach der materiell-rechtlichen Ausgestaltung das Privatvermögen dieses Ehegatten und nur subsidiär das gemeinschaftliche Vermögen haftet. Im Einklang mit dem dort unterbreiteten Vorschlag, für die Vollstreckung wegen solcher Verbindlichkeiten nur einen Titel genügen zu lassen, ordnet § 741 dasselbe für die vorliegende Fallkonstellation an. Infolgedessen kann der Gläubiger auch in das gemeinschaftliche Vermögen vollstrecken, während es Sache der Ehegatten ist, einen zu weit reichenden Zugriff abzuwehren. Der ebenfalls entsprechend anzuwendende § 774 räumt diese Möglichkeit dem anderen Ehegatten ausdrücklich ein. Die in § 741 angefügte Einschränkung, die sich aus der Eintragung des Einspruchs oder Wider- 15 rufs in das Güterrechtsregister ergibt, wird von der Verweisung des § 744a nicht erfasst. Denn ein dem § 1456 BGB entsprechendes Einwilligungserfordernis ist im FGB-DDR unabhängig von dem grundsätzlich angestrebten Einvernehmen nicht vorgesehen. Der Widerspruch des § 16 Abs. 2 FGB-DDR richtet sich nicht gegen das Betreiben des Erwerbsgeschäftes, sondern gegen den Übergriff auf mehr als die Hälfte des gemeinschaftlichen Vermögens.

5. § 742 Die entsprechende Anwendung des § 742 erfordert einen Rechtsstreit,26 in dessen Verlauf die 16 Eigentums- und Vermögensgemeinschaft zustande gekommen ist. Die hierunter fallenden Fälle sind zeitlich durch den in Art. 234 § 4 Abs. 2 S. 1 EGBGB angesprochenen Termin des 2.10.1992 begrenzt. Nach diesem Stichtag verhindert § 1409 BGB, dass der FGB-DDR Güterstand vertraglich vereinbart wird.27 Das gilt auch für die in den davor liegenden zwei Jahren geschlossenen Neuehen. Infolgedessen sind Anwendungsfälle für § 742 nur mehr diejenigen Ehen, die innerhalb der 17 Zweijahresfrist für die Fortgeltung des früheren Güterstandes optiert haben. Die in Art. 234 § 4 Abs. 2 S. 3 EGBGB angeordnete Rückwirkung steht der Anwendung deswegen nicht entgegen, weil der durch § 742 intendierte Gläubigerschutz, § 742 Rdn. 1, auch anlässlich der Option für die Eigentums- und Vermögensgemeinschaft benötigt wird: Während eines Rechtsstreites wird der Zugriff auf die Haftungsmasse dadurch erschwert, dass diese nicht mehr der anderen Prozesspartei, sondern einer gesamthänderisch gebundenen Gemeinschaft zugewiesen ist. Voraussetzung ist also, dass ein Ehegatte vor Ausübung der Option aktiv oder passiv in einen Rechtsstreit involviert war, der sich auf einen Anspruch bezogen hat (oder bezieht), der sich auf einen zum gemeinschaftlichen Vermögen gehörenden Gegenstand (im weitesten Sinne) gerichtet hat (oder richtet). Rechtsfolge der entsprechenden Anwendung des § 742 ist, dass der obsiegende Gläubiger 18 seinen errungenen Titel auf den anderen Ehegatten umschreiben lassen kann, da er für den Zugriff auf das gemeinschaftliche Vermögen zwei Titel benötigt; zu den Einzelheiten § 742 Rdn. 7, 10 ff. Gewinnt dagegen der Ehegatte den Rechtsstreit, stellt sich angesichts der weitgespannten alleinigen Vertretungsbefugnis beider Ehegatten28 die Frage, ob er überhaupt einer Titelübertragung bedarf. Denn jeder der Ehegatten ist je für sich berechtigt, sogar ohne das Einverständnis des anderen, § 15 Abs. 1 S. 2 FGB-DDR, Verfügungen über Gegenstände des gemeinschaftlichen Vermögens zu treffen. Diese Position kommt einer gesetzlichen Prozessstandschaft gleich, so dass eine Titelübertragung ausgeschlossen ist, § 725 Rdn. 10.

26 Zum Begriff der Rechtshängigkeit § 742 Rdn. 3. 27 MünchKomm-BGB/Münch § 1409 Rdn. 2. 28 Arnold a.a.O., 83, weist zutr. darauf hin, dass diese Vertretungsbefugnis zumindest insoweit als Bestandteil des übernommenen Rechts bestehen bleiben wird, als sie güterrechtliche Auswirkungen haben, d.h. für die Verwaltung des Vermögens und für Verfügungen über die Gegenstände. 143

Paulus

§ 745

Achtes Buch – Zwangsvollstreckung

6. §§ 743, 744 19 Die Verweisung auf die §§ 743, 744 geht insoweit ins Leere, als nach dem Voranstehenden ohnedies zwei Titel benötigt werden, um in das gemeinschaftliche Vermögen vollstrecken zu können. Mangels einer persönlichen Haftung genügen Duldungstitel.

7. § 860 20 Während der Auseinandersetzung besteht die subsidiäre Haftung des gemeinschaftlichen Vermögens für persönliche Verbindlichkeiten des § 16 Abs. 1 FGB-DDR fort;29 infolgedessen besteht keine mit der Auflösung einer Gütergemeinschaft vergleichbare Interessenlage, den Anteil am gemeinschaftlichen Vermögen gem. § 860 Abs. 2 pfänden zu können. Gleichwohl ordnet § 744a die entsprechende Anwendung des § 860 an. Das bedeutet, dass die Gläubiger vor Aufhebung des Güterstandes den gesamthänderisch gebundenen Anteil eines Ehegatten nicht, danach aber sehr wohl pfänden können. Aufgrund des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses kann der Gläubiger die Auseinandersetzung betreiben,30 die nach näherer Maßgabe der §§ 39, 40 FGB-DDR erfolgt, und die Einziehung der seinem Schuldner zugewiesenen Gegenstände verlangen.

§ 745 Zwangsvollstreckung bei fortgesetzter Gütergemeinschaft (1) Im Falle der fortgesetzten Gütergemeinschaft ist zur Zwangsvollstreckung in das Gesamtgut ein gegen den überlebenden Ehegatten oder Lebenspartner ergangenes Urteil erforderlich und genügend. (2) Nach der Beendigung der fortgesetzten Gütergemeinschaft gelten die Vorschriften der §§ 743, 744 mit der Maßgabe, dass 1. an die Stelle des Ehegatten oder Lebenspartners, der das Gesamtgut allein verwaltet, der überlebende Ehegatte oder Lebenspartner tritt und 2. an die Stelle des anderen Ehegatten oder Lebenspartners die anteilsberechtigten Abkömmlinge treten.

Übersicht I.

Allgemeines

II.

Gemeinsames

III. 1.

Absatz 1 Voraussetzungen

1 2

2.

Haftungsverwirklichung

4

IV. 1. 2.

Absatz 2 5 Voraussetzungen Haftungsverwirklichung

7

3

I. Allgemeines 1 Zur Gesetzesgeschichte s. § 739 Rdn. 1. Die Vorschrift setzt die in § 1487 Abs. 1, 2. HS BGB getroffene Parallelisierung der fortgesetzten Gütergemeinschaft mit der Alleinverwaltung nach §§ 1422 ff. 29 FGB-Kommentar (Autorenkollektiv unter Leitung von Eberhardt)5, 1982, § 39 Anm. 4; Wassermann a.a.O., 511. 30 Zu den Einzelheiten bei der Zwangsversteigerung von Grundstücken vgl. Rellermeyer a.a.O. Paulus https://doi.org/10.1515/9783110443158-024

144

Abschnitt 1. Allgemeine Vorschriften

§ 745

BGB auch für das Vollstreckungsrecht fort, indem sie in Abs. 1 dieselben Anforderungen an den Zwangszugriff stellt wie § 740 Abs. 1. „Mit Rücksicht hierauf (= die erwähnte Parallele) erscheint es sachgemäß, die Vorschrift des § 740 auf die fortgesetzte Gütergemeinschaft zu übertragen. Die gleiche Erwägung muß aber weiterhin dazu führen, auch die Vorschriften der §§ 743, 744 mit der Maßgabe Anwendung finden zu lassen, daß an die Stelle des Ehemanns (vgl. § 744 Rdn. 1) der überlebende Ehegatte, an die Stelle der Ehefrau die anteilsberechtigten Abkömmlinge treten (§ 745 Abs. 2)“.1

II. Gemeinsames § 745 eröffnet den Zugriff auf das Gesamtgut der fortgesetzten Gütergemeinschaft; zum Umfang 2 dieses Vermögens s. §§ 1485, 1486 BGB. Folglich muss eine Gesamtgutsverbindlichkeit vorliegen, § 740 Rdn. 4, für die das Gesamtgut haftet. Gem. § 1488 BGB gehören zu diesen Verbindlichkeiten nicht solche der Abkömmlinge. Das Betreiben eines selbständigen Erwerbsgeschäfts mit der prozessualen Konsequenz des § 741 ist ihnen untersagt.

III. Absatz 1 1. Voraussetzungen Die Ehegatten können entgegen § 1482 BGB ehevertraglich vereinbaren, dass die zwischen ihnen 3 bestehende Gütergemeinschaft nach dem Tod eines von ihnen zwischen dem überlebenden Ehegatten und den gemeinschaftlichen Abkömmlingen (nicht: Erben!) fortgesetzt wird. Diese, in den §§ 1483 ff. BGB ausdrücklich vorgesehene Dispositionsbefugnis ist für die vor dem Inkrafttreten des GleichberechtigungsG am 1.7.1958 geschlossenen Eheverträge gesetzliche Folge, die ihrerseits jedoch vertraglich ausgeschlossen werden konnte. Sofern der überlebende Ehegatte die Fortsetzung nicht ablehnt, § 1484 BGB, besteht die Gütergemeinschaft mit der Besonderheit fort, dass der überlebende Ehegatte die rechtliche Stellung eines allein verwaltenden, die Abkömmlinge die des anderen Ehegattens einnehmen, § 1487 Abs. 1 BGB.

2. Haftungsverwirklichung Es ist daher folgerichtig, die Zugriffsmöglichkeiten der Gläubiger entsprechend der bei § 740 4 Abs. 1 auszugestalten; zu den Einzelheiten s. dort, insbes. Rdn. 10 ff. Wegen der in § 1489 BGB angeordneten persönlichen Haftung des überlebenden Ehegattens benötigt der Gläubiger einen Leistungstitel.

IV. Absatz 2 1. Voraussetzungen Die Beendigung einer fortgesetzten Gütergemeinschaft vollzieht sich auf folgende Arten: Indem 5 der überlebende Ehegatte die Aufhebung gem. § 1492 Abs. 1 BGB erklärt, indem er erneut heiratet, § 1493 BGB, oder im Falle seines Todes,2 § 1494 BGB; dasselbe muss gelten, wenn alle Abkömmlinge ohne Hinterlassung eigener Abkömmlinge versterben, § 1490 S. 2 a.E. BGB, oder verzichten, § 1491 1 Begründung der Novelle, S. 154. 2 Stirbt der überlebende Ehegatte, ist ein gegen das Gesamtgut gerichteter Anspruch gegen seine Erben (oder deren Vertreter) auf Leistung und gegen die Abkömmlinge auf Duldung zu richten, OLG Hamburg HansGZ 1920, Beiblatt S. 51 (Nr. 27). 145

Paulus

§ 746

Achtes Buch – Zwangsvollstreckung

BGB. Darüber hinaus kann ein Abkömmling die Aufhebung betreiben, sofern die Voraussetzungen des § 1495 BGB erfüllt sind; beachte § 1496 BGB. Schließlich ist auch noch ein Aufhebungsvertrag zwischen dem überlebenden Ehegatten und den Abkömmlingen möglich, § 1492 Abs. 2 BGB. 6 Die Folge der Beendigung der fortgesetzten Gütergemeinschaft ist wie auch bei der allgemeinen Gütergemeinschaft, dass die Gemeinschaft nicht sofort aufgelöst wird, dass sie vielmehr in ein – nach wie vor gesamthänderisch gebundenes, § 1497 BGB – Liquidationsstadium3 mit gemeinschaftlicher Verwaltung des überlebenden Ehegatten und der Abkömmlinge übergeht. Auch hier (vgl. § 743 Rdn. 2) sind zunächst die Gesamtgutsverbindlichkeiten zu berichtigen, §§ 1498, 1475 BGB, bevor der Überrest verteilt werden darf.

2. Haftungsverwirklichung 7 Die entsprechende Anwendung des § 743 erfordert einen Titel gegen den überlebenden Ehegatten und einen solchen gegen alle anteilsberechtigten Abkömmlinge. Zu den Einzelheiten s. § 743 Rdn. 3 ff. sowie die Kommentierung zu § 744, wenn die fortgesetzte Gütergemeinschaft beendigt worden ist, nachdem ein Gläubiger ein rechtskräftiges Urteil (oder einen wirksamen Titel i.S.d. § 794) erstritten hat und nunmehr die Zwangsvollstreckung beginnen will.

§ 746 (aufgehoben durch GleichberechtigungsG vom 18.6.1957, BGBl. I S. 609) Die Vorschrift betraf „die Zwangsvollstreckung in das der elterlichen Nutznießung unterliegende Vermögen des Kindes“.

§ 747 Zwangsvollstreckung in ungeteilten Nachlass Zur Zwangsvollstreckung in einen Nachlass ist, wenn mehrere Erben vorhanden sind, bis zur Teilung ein gegen alle Erben ergangenes Urteil erforderlich.

Übersicht I.

Allgemeines

1

II.

Anwendungsbereich

III.

Rechtsfolge

1. 2.

5 Titelvoraussetzungen „Vertretung“ des Nachlasses

IV.

Rechtsbehelfe

9

2 13

I. Allgemeines 1 Die Vorschrift ist mit der Novelle von 1898 eingefügt worden. Ihr Zweck wird in der Begründung1 folgendermaßen umschrieben: „Die Vorschrift entspricht der Regelung, welche die Zwangsvollstre-

3 Vgl. Boehmer (Urteilssammlung) NJW 1950, 70 ff. 1 S. 154 f. Paulus https://doi.org/10.1515/9783110443158-026

146

Abschnitt 1. Allgemeine Vorschriften

§ 747

ckung in das Gesellschaftsvermögen zufolge § 670b des Entwurfs (= 736) gefunden hat und rechtfertigt sich dadurch, dass nach dem BGB (§ 2033 Abs. 2) ein Miterbe über seinen Anteil an den einzelnen Nachlassgegenständen nicht verfügen kann.“

II. Anwendungsbereich In materiell-rechtlicher Hinsicht ist für die Anwendung der vorliegenden Norm erforderlich, 2 dass eine Miterbengemeinschaft an einem ungeteilten Nachlass, §§ 2032 ff. BGB, besteht.2 Das ist solange der Fall, als noch gesamthänderisch3 gebundener Nachlass vorhanden ist, die Erben also noch nicht alles unter sich aufgeteilt haben.4 Ob das der Fall ist, haben die Vollstreckungsorgane zu prüfen;5 eine Vermutung für gesamthänderische Gebundenheit wie bei § 740 Rdn. 3 besteht hier allerdings nicht. Die nach der Teilung weiterbestehende gesamthänderische Haftung, §§ 2060 f. BGB, liegt außerhalb des Anwendungsbereichs des § 747; sie ist durch den erkennenden Richter festzustellen, vgl. § 780 Rdn. 10 sowie § 727 Rdn. 30 (im Klauselerteilungsverfahren). Dagegen setzt die Vorschrift ihrem Wortlaut nach nicht voraus, dass der Gläubiger eine Nach- 3 lassforderung (vgl. § 778 Rdn. 6) geltend macht.6 Auch der in Rdn. 1 wiedergegebene Hinweis des Gesetzgebers auf die Parallele zu § 736 spricht gegen ein solches Erfordernis. Denn die §§ 736 bis 749 beschränken sich insgesamt darauf, inhaltliche Anforderungen an den Titel als Zwangsvollstreckungsvoraussetzung zu stellen, ohne die materiell-rechtliche Haftungsordnung zu berühren oder zu beeinflussen. Das ist besonders augenfällig bei § 740 Abs. 2, der ebenfalls die Formalien für den Zugriff auf ein gesamthänderisch gebundenes Vermögen adressiert und die Feststellung, unter welchen Bedingungen dieser erfolgen kann, den §§ 1459 ff. BGB überlässt. Infolgedessen ist die Ansicht des BGH7 abzulehnen, der die Zwangsvollstreckung in den ungeteilten Nachlass zwar allen, nicht nur den Nachlassgläubigern gestattet, dabei aber einschränkend hinzufügt, dass alle Miterben aus einem einheitlichen Rechtsgrund – als Beispiel wird § 840 BGB genannt – gesamtschuldnerisch haften müssten. Diese Einschränkung ist weder durch den Wortlaut noch den „Sinn und Zweck der Vorschrift“ a.a.O. (S. 114) nahegelegt. Vielmehr ist die Zwangsvollstreckung in den ungeteilten Nachlass immer schon dann zulässig, wenn der Gläubiger einen Anspruch gegen jeden Miterben, gleich aus welchem (auch unterschiedlichem) Rechtsgrund, hat.8 Ebenso wenig kommt es auf die Person des Nachlassgläubigers an. Auch ein Miterbe kann, 4 etwa wenn er zugleich Vermächtnisnehmer ist,9 nach Maßgabe der vorliegenden Norm vollstrecken;10 ihm genügt jedoch ein Titel gegen die anderen Miterben.

2 Ist nur ein Erbe vorhanden, sind für den Zugriff auf den Nachlass die §§ 778 ff. einschlägig, vgl. OLG Frankfurt ZEV 1998, 192 mit Anm. Stein, S. 178 ff.

3 Zu der seit 2001 relevanten Frage der Rechtsnatur der Erbengemeinschaft etwa Eberl-Borges Die Rechtsnatur der Erbengemeinschaft nach dem Urteil des BGH vom 29.1.2001 zur Rechtsfähigkeit der (Außen-)GbR, ZEV 2002, 125; dagegen etwa Heil Ist die Erbengemeinschaft rechtsfähig?, ZEV 2002, 296. Seit 2006 hat der BGH für Klärung gesorgt, NJW 2006, 3715, die Erbengemeinschaft könne nicht mit der (Außen-)GbR gleichgesetzt werden. 4 Kindl/Meller-Hannich/Wolf/Giers Rdn. 6. 5 A.A. für das Vollstreckungsgericht 2. Aufl. B; wie hier MünchKomm/Heßler Rdn. 17. 6 Zu der Ausnahme bei angeordneter Nachlassverwaltung oder -konkurs Rdn. 11 f. 7 BGHZ 53, 110. 8 So auch die 2. Aufl. A Ib; Stein/Jonas/Münzberg Rdn. 2; Anm. Reichel ZZP 36 (1907) 350 ff. 9 RGZ 93, 196 (unter Beschränkung auf die Gesamthandsklage). 10 Früher str.: RG Gruch 57, 158; OLG Dresden SächsAnn 1925, 364. W. Nachw. bei Seuffert11, Anm. 5. Heute h.M.: BGH NJW-RR 1988, 710. 147

Paulus

§ 747

Achtes Buch – Zwangsvollstreckung

III. Rechtsfolge 1. Titelvoraussetzungen 5 Hat der Gläubiger11 einen Titel nur gegen einen der Miterben, ist er auf die Anteilspfändung nach § 859 Abs. 212 beschränkt.13 Auf die einzelnen Nachlassgegenstände kann er erst und nur dann zugreifen, wenn er zu Beginn der Zwangsvollstreckung, § 750 Rdn. 1 Fn. 1, (Leistungs-) Titel gegen jeden einzelnen der Miterben14 hat,15 s. auch § 2059 Abs. 2 BGB. Dabei braucht wie auch in den Fällen der §§ 736, 740 Abs. 2 das Urteil nicht gegen die Erben16 gemeinschaftlich oder einheitlich17 ergangen zu sein; im Erkenntnisverfahren18 sind die Miterben als Gesamtschuldner, § 2058 BGB, nicht notwendige Streitgenossen. Es reicht vielmehr aus, dass gegen jeden der Erben ein Titel vorliegt – gleichgültig ob es sich um Urteile und/oder andere Titel i.S.d. § 794 handelt.19 6 Hatte der Gläubiger bereits einen Titel gegen den Erblasser errungen, muss die Klausel mit Hilfe des § 727 alle Miterben nennen.20 Etwas anderes ergibt sich nach § 779 nur dann, wenn er noch zu Lebzeiten des Erblassers bereits mit der Vollstreckung begonnen hatte, § 779 Rdn. 3. 7 § 747 gilt für alle Arten der Zwangsvollstreckung, einschließlich der Abgabe einer Willenserklärung21 sowie der Arrestvollziehung.22 Dabei ist immer zu beachten, dass die Vorschrift nur die Voraussetzungen für den Titel aufstellt, nicht aber für die einzelnen Vollstreckungsakte wie den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss.23 Zur vorzubehaltenden Haftungsbeschränkung jedes einzelnen der Erben s. §§ 780 ff. (sowie 8 § 727 Rdn. 30).

2. „Vertretung“ des Nachlasses 9 Haben die Erben insgesamt (oder auch nur einzelne von ihnen)24 die Erbschaft noch nicht angenommen, oder ist ihre Existenz ungewiss, § 1960 Abs. 1 BGB, und hat das Nachlassgericht infolge11 Ist der Gläubiger zugleich Miterbe, bedarf es nicht eines Titels gegen sich selbst, BGH NJW-RR 1988, 710; OLG Koblenz ZEV 2021, 789; OLG München ErbR 2017, 664.

12 Dazu Mümmler Pfändung eines Miterbenanteils, JurBüro 1983, 817. S. auch OLG München Rpfleger 2017, 694 – Tz. 16. 13 KG KGJ 1931 A 263; RJA 10, 69 (betr. Eintragbarkeit dieser Pfändung im Grundbuch). Das gilt sogar dann, wenn einer der Erben sich zur Leistung von vornherein bereit erklärt – mit Ausnahme der Abgabe einer Willenserklärung, vgl. 2. Aufl. A Ib. 14 Diese Voraussetzung, sowie die Zustellung des/der Ausfertigungen an jeden einzelnen der Miterben ist vom Vollstreckungsorgan zu überprüfen. An die Stelle des Miterben tritt der Erwerber des Nachlassanteils, Zöller/Seibel Rdn. 5; Titelumschreibung nach § 727. 15 M. Wolf will in Analogie zu § 124 Abs. 2 HGB einen Titel genügen lassen, der sich gegen die nach § 22 HGB fortgeführte Firma eines Handelsgeschäfts richtet, wenn dieses nach dem Erbfall von einer Erbengemeinschaft weiterbetrieben wird. In: Die Fortführung eines Handelsgeschäfts durch die Erbengemeinschaft, AcP 181 (1981) 494 f.; a.A. Fischer Fortführung eines Handelsgeschäftes durch eine Erbengemeinschaft, ZHR 144, 10. 16 Die Erben brauchen in der Urteilsformel nicht als Erben ausgewiesen sein, LG Leipzig ZZP 36 (1907) 343 sowie Reichel (Fn. 6) ebda., 350 f. 17 RGZ 68, 222. 18 Wohl aber in der Zwangsvollstreckung, RGZ 68, 223. 19 RGZ 71, 371; BGHZ 53, 113. S. auch BGH NotBZ 2021, 215; BGH NJW 1963, 1611. 20 BayObLG NJW 1970, 1801. 21 Denn auch dabei handelt es sich unbeschadet der Fiktion des § 894 um Zwangsvollstreckung: RGZ 143, 274; KG KGJ 26 A 262; BayObLG MDR 1953, 561 m.w.N.; MünchKomm/Heßler Rdn. 2. A.A. Stein/Jonas/Münzberg Rdn. 2. 22 MünchKomm/Heßler Rdn. 2; wohl auch Zöller/Seibel Rdn. 2. 23 OLG Rostock OLGRspr 1935, 131. 24 Vgl. § 778 Rdn. 5. Paulus

148

Abschnitt 1. Allgemeine Vorschriften

§ 747

dessen einen Nachlasspfleger bestellt, genügt für die Zwangsvollstreckung in den Nachlass, § 778, ein gegen ihn allein gerichteter Titel,25 sofern der Anspruch des Gläubigers eine Nachlassverbindlichkeit ist, § 778, § 1961 BGB. Wenn die 2. Aufl., a.a.O., darüber hinaus unter diesen Umständen auch einen Titel gegen alle Erben für die Zwangsvollstreckung in den Nachlass genügen lassen will, so dürften damit – von ganz exzeptionellen Fällen abgesehen – die Voraussetzungen für die Pflegschaftsbestellung bereits entfallen sein; denn dann kann es keine Unsicherheit mehr über die Personen der Miterben geben. Ist für den Nachlass ein Testamentsvollstrecker bestellt, sind die §§ 748 ff.26 anzuwenden. 10 Ist Nachlassverwaltung angeordnet, schließt das nicht die Zwangsvollstreckung von Nach- 11 lassgläubigern in den Nachlass aus, §§ 1984 Abs. 2 BGB e contrario, 784. Doch ergibt sich aus der Verweisung in § 1984 Abs. 1 BGB auf die §§ 85 und 86 InsO, dass der Titel nicht gegen die Miterben, sondern gegen den Nachlassverwalter als Partei kraft Amtes27 gerichtet sein muss; das gilt selbst dann, wenn die Erben bekannt sind.28 Allerdings wirkt diese Einschränkung nur hinsichtlich derjenigen Vermögensgegenstände, die der Nachlassverwaltung unterliegen: Der jeweilige Nachlassanteil der Erben zählt nicht dazu und kann daher nach § 859 Abs. 2 gepfändet werden. Ist über den Nachlass ein Insolvenzverfahren eröffnet worden, §§ 1975 BGB, 315 ff. InsO, ist 12 zu differenzieren: Hatte der Gläubiger mit der Zwangsvollstreckung gegen den Erblasser bereits begonnen und ein Pfändungspfandrecht erlangt, kann er nach Erbfall und Insolvenzeröffnung abgesonderte Befriedigung verlangen; einen Titel benötigt er dafür selbstverständlich nicht. Erfolgt die Zwangsvollstreckung dagegen erst nach dem Erbfall, aber noch vor Verfahrenseröffnung, benötigt der Gläubiger einen dem § 747 genügenden Titel. Aus einem Pfändungspfandrecht kann er jedoch in einem anschließenden Nachlasskonkursverfahren keine abgesonderte Befriedigung erlangen, § 321 InsO, wenn er überhaupt ein Nachlassgläubiger ist,29 § 325 InsO. Hat er gegen die Erben (oder den Erblasser) einen Titel erlangt, und wird das Insolvenzverfahren eröffnet, ist er auf die Anmeldung seiner Forderung mit dem Vorteil des § 179 Abs. 2 InsO beschränkt, s. auch § 727 Rdn. 37.

IV. Rechtsbehelfe Vollstreckt ein Nachlassgläubiger in den Nachlass, ohne einen Titel gegen alle Erben zu haben, 13 können alle Erben hiergegen nach § 766 erinnern und wegen ihrer materiellen Mitberechtigung klagen, § 771.30 Letzteres ist auch dann der richtige Rechtsbehelf für den betroffenen Miterben, wenn ein Gläubiger unzulässigerweise auf Eigenvermögen der Erben zugreift. Bei der Wegnahme beweglicher, körperlicher Sachen trifft hinsichtlich des Gewahrsams alle Miterben eine Duldungspflicht. Dasselbe gilt auch dann, wenn ein Eigengläubiger eines der Miterben in den Nachlass voll- 14 streckt. Zur Titelumschreibung, wenn ein Miterbe als Gesamtschuldner geleistet hat und Rückgriff 15 bei den anderen Miterben nehmen will, § 727 Rdn. 24.

25 2. Aufl. A IId. 26 Zur Anwendbarkeit auch der vorliegenden Norm, des § 747, s. Garlichs Titelerfordernisse bei der Vollstreckung in den ungeteilten Nachlass, JurBüro 1998, 243.

27 Zutr. Staudinger/Dobler § 1984 Rdn. 27; Grüneberg/Weidlich § 1984 Rdn. 4; w. Nachw. bei MünchKomm-BGB/Küpper § 1984 Rdn. 9. 28 OLG Breslau OLGRspr 1918, 411 (das „Nachlassverfahren ist ein abgeschwächtes Konkursverfahren“). 29 Ist er das nicht, gilt § 89 InsO. 30 A.A. Stein/Jonas/Münzberg Rdn. 5. 149

Paulus

§ 748

Achtes Buch – Zwangsvollstreckung

§ 748 Zwangsvollstreckung bei Testamentsvollstrecker (1) Unterliegt ein Nachlass der Verwaltung eines Testamentsvollstreckers, so ist zur Zwangsvollstreckung in den Nachlass ein gegen den Testamentsvollstrecker ergangenes Urteil erforderlich und genügend. (2) Steht dem Testamentsvollstrecker nur die Verwaltung einzelner Nachlassgegenstände zu, so ist die Zwangsvollstreckung in diese Gegenstände nur zulässig, wenn der Erbe zu der Leistung, der Testamentsvollstrecker zur Duldung der Zwangsvollstreckung verurteilt ist. (3) Zur Zwangsvollstreckung wegen eines Pflichtteilsanspruchs ist im Falle des Absatzes 1 wie im Falle des Absatzes 2 ein sowohl gegen den Erben als gegen den Testamentsvollstrecker ergangenes Urteil erforderlich.

Übersicht I.

Gesetzesgeschichte, Normzweck

II. 1. 2. 3. 4.

Gemeinsames 2 Prozessuales Nachlassverwaltung 5 Sonderformen 7 Gläubiger

III. 1.

Gesamtverwaltung Anwendungsbereich

1

4

12

2.

Rechtsfolge

IV. 1. 2.

Teilverwaltung Anwendungsbereich 15 Rechtsfolge

14

V.

Pflichtteilsanspruch

17

VI.

Rechtsbehelfe

18

10

I. Gesetzesgeschichte, Normzweck 1 Die Norm ist mit der Novelle von 1898 eingeführt worden und bezweckt ausweislich der Begründung, S. 155, die vollstreckungsrechtliche Umsetzung der im BGB getroffenen materiell-rechtlichen Vorgaben: Abs. 1 zieht die Konsequenz aus der umfassenden Verwaltungsbefugnis des Testamentsvollstreckers, §§ 2205, 2211 sowie 2213 Abs. 1 S. 1 BGB, und verlangt einen Titel nur gegen ihn. Zu Abs. 2 heißt es ebenda: „Ist die Verwaltung des Testamentsvollstreckers auf einzelne Nachlaßgegenstände beschränkt, so ist nach § 2213 Abs. 1 S. 2 des BGB die Geltendmachung eines Anspruchs, der sich gegen den Nachlaß richtet, nur gegen den Erben zulässig. Hieraus ergiebt sich von selbst, daß für den bezeichneten Fall die Zwangsvollstreckung in die der Verwaltung des Testamentsvollstreckers unterliegenden Gegenstände unbedingt davon abhängig gemacht werden muß, daß der Erbe zu der Leistung verurtheilt ist. Da aber das Verfügungsrecht hinsichtlich jener Gegenstände ausschließlich dem Testamentsvollstrecker zusteht (BGB § 2205 S. 2, § 2208 Abs. 1 S. 2, § 2211), so kann andererseits die Zwangsvollstreckung nur zulässig sein, wenn zugleich der Testamentsvollstrecker nach Maßgabe des § 2213 des BGB zur Duldung der Zwangsvollstreckung verurtheilt ist.“ Abs. 3 vervollständigt in weiterführender Konsequenz des Voranstehenden § 2213 Abs. 1 S. 3 BGB.

II. Gemeinsames 1. Prozessuales 2 Testamentsvollstrecker und Erbe können gemeinsam verklagt werden; sie sind in diesem Prozess jedoch nicht notwendige Streitgenossen, weil sie unterschiedliche Haftungsmassen „repräsentieren“. Paulus https://doi.org/10.1515/9783110443158-027

150

Abschnitt 1. Allgemeine Vorschriften

§ 748

Gleichwohl erstreckt sich die Rechtskraft des Urteils unter den Voraussetzungen des § 327 Abs. 2 auf den Erben,1 wenn der Testamentsvollstrecker allein verurteilt wird.2 Für den umgekehrten Fall, in dem allein der Erbe verurteilt wird, gibt es keine entsprechende Vorschrift in Bezug auf den Testamentsvollstrecker.3 Der Gläubiger benötigt in diesem Fall noch einen Duldungstitel4 gegen den Testamentsvollstrecker, § 2213 Abs. 3 BGB, um in den Nachlass vollstrecken zu können; anderenfalls steht ihm nur der Zugriff auf das Eigenvermögen des Erben offen5 – gegebenenfalls nach näherer Maßgabe der §§ 780 ff. Die Klage gegen den Erben ist erst ab dessen Erbschaftsannahme möglich, § 1958 BGB, die gegen 3 den Testamentsvollstrecker ab seiner Annahme, § 2202 BGB.6 Der gleichwohl schon ab dem Erbfall anzuwendende § 748 kann demnach insbes. in solchen Fällen zu einer (zeitlichen) Rechtsschutzlücke des Gläubigers führen, in denen der Testamentsvollstrecker7 sein Amt nicht sogleich annimmt, § 2202 BGB, oder auch überhaupt annehmen kann – etwa als Testamentsvollstrecker des Nacherben. Entgegen der 2. Aufl. (B II), die dem Gläubiger in dieser Situation nur dadurch helfen will, dass er auf die Ernennung des Testamentsvollstreckers drängen kann, wird man ihm in Analogie zu § 1961 BGB darüber hinaus auch das Recht zuzubilligen haben, einen Nachlasspfleger zu bestellen.8

2. Nachlassverwaltung Sofern ein Nachlassverwalter gem. §§ 1975, 1981 ff. BGB bestellt ist, genügt zur Zwangsvollstre- 4 ckung in den Nachlass (im Einklang mit § 748 Abs. 1) ein Titel allein gegen ihn, § 747 Rdn. 11.9

3. Sonderformen Hatte der Gläubiger einen Titel gegen den Erblasser errungen,10 aber zu dessen Lebzeiten noch 5 nicht mit der Vollstreckung begonnen, ist nicht § 778, sondern § 749 anzuwenden. Hat der Gläubiger noch zu Lebzeiten des Erblassers mit der Zwangsvollstreckung begon- 6 nen, kann er sie nach § 779 fortsetzen, ohne den Titel (auf den Testamentsvollstrecker) umschreiben lassen zu müssen, § 779 Rdn. 2.

4. Gläubiger Eigengläubiger des Erben können nicht in Gegenstände vollstrecken, die der Verwaltung des 7 Testamentsvollstreckers unterliegen, § 2214 BGB. 1 RGZ 109, 166. Zur Umschreibung des Titels auf den Erben § 728 Abs. 2 S. 2. 2 Der Erbe kann in diesem Fall seine Haftungsbeschränkung auch ohne Urteilsvorbehalt geltend machen, § 780 Abs. 2. Sind mehrere Testamentsvollstrecker eingesetzt, muss ein Titel, gleich welcher Art (§ 794), gegen sie alle vorliegen, § 2224 BGB. S. auch § 749 Rdn. 5. 3 Zur Titelumschreibung eines gegen den Erben erstrittenen Urteils auf einen rechtsnachfolgenden Testamentsvollstrecker § 727 Rdn. 36; auf den Erben nach beendigter Testamentsvollstreckung § 727 Rdn. 28. 4 Weil die Duldung als Minus in einem Leistungsbefehl mit enthalten ist, kann der gegen den Testamentsvollstrecker gerichtete Titel ebenfalls ein Leistungstitel sein, RG HRR 32, 1453; 2. Aufl. A II; Stein/Jonas/Münzberg Rdn. 2. A.A. KG OLGRspr 3, 12. Zum Duldungstitel des § 748 insges. Lent Das Urteil auf Duldung der Zwangsvollstreckung, ZZP 70 (1957) 405. 5 Oder er muss das Ende der Testamentsvollstreckung abwarten. 6 KG KGJ 40, 196; BGHZ 25, 282. 7 Die Erbschaftsannahme des Erben ist im Fall des Abs. 1 unerheblich. 8 MünchKomm-BGB/Leipold § 1961 Rdn. 8. 9 Zu dem Fall, dass über das Vermögen des Erben nach dem Erbfall das Insolvenzverfahren eröffnet wird, s. BGHZ 167, 352 (der vom Testamentsvollstrecker verwaltete Nachlass bildet gegenüber der Insolvenzmasse eine Sondermasse). 10 Für eine eventuelle Prozessfortsetzung gilt § 243. 151

Paulus

§ 748

Achtes Buch – Zwangsvollstreckung

Hat der Erbe selbst einen Anspruch gegen den Nachlass, der durch den Erbfall nicht erloschen ist,11 muss er ihn gegen den Testamentsvollstrecker als Partei kraft Amtes verwirklichen. Macht der Erbe dagegen einen Anspruch geltend, der ihm als (Nach-)Erbe zustehen soll, so kann seine Berechtigung grundsätzlich nicht in dem Streit mit dem Testamentsvollstrecker nachgeprüft werden, wenn andere Erbprätendenten auf dasselbe Anspruch erheben.12 Sofern ein Rechtsstreit zwischen diesen anhängig ist, kann der Richter nach § 148 verfahren; anderenfalls muss er die Klage des Erben als unbegründet abweisen. Für einen Schadensersatzanspruch gegen den Testamentsvollstrecker haftet nach § 2219 BGB nicht der Nachlass, sondern dessen Eigenvermögen. Ist der Testamentsvollstrecker zugleich Erbe und hat er einen gegen den Nachlass gerichte9 ten Leistungsanspruch, kann (muss) er die restlichen Miterben verklagen.13

8

III. Gesamtverwaltung 1. Anwendungsbereich 10 Abs. 1 setzt einen Gläubigerzugriff auf einen Nachlass voraus, über den ein Testamentsvollstrecker mit umfassenden, d.h. nicht i.S.d. § 2208 S. 2 BGB beschränkten Befugnissen bestellt ist. Dadurch entsteht gewissermaßen ein Sondervermögen,14 das der alleinigen Verwaltungsbefugnis des Testamentsvollstreckers unterfällt15 und damit eine mit § 740 Abs. 1 vergleichbare Ausgangslage schafft. § 2213 Abs. 1 BGB bezieht sich auf einen „Anspruch, der sich gegen den Nachlass richtet“. 11 Damit sind dingliche Ansprüche in Ansehung von Nachlassgegenständen sowie Nachlassverbindlichkeiten,16 § 778 Rdn. 6, einschließlich der durch den Testamentsvollstrecker für den Nachlass eingegangenen Verpflichtungen, §§ 2206 ff. BGB, gemeint. Für sie hat der Testamentsvollstrecker Prozessführungsbefugnis, so dass auch nur hinsichtlich dieser Ansprüche ein gegen ihn gerichteter Titel möglich ist. Ansprüche, die nicht von § 2213 BGB erfasst sind, ermöglichen die Zwangsvollstreckung nur in das Eigenvermögen des Erben.

2. Rechtsfolge 12 Der Gläubiger benötigt (nur) einen (Leistungs-)Titel gegen den Testamentsvollstrecker.17 Hinsichtlich eines Urteils ergibt sich dessen Prozessführungsbefugnis aus § 2213 Abs. 1 S. 1 BGB, hinsichtlich der sonstigen Titel, § 794 Abs. 1 Nrn. 1 und 5, ergibt sich seine Dispositionsbefugnis aus § 2205 BGB. Der Erbe ist zur Duldung der Wegnahme im Wege der Zwangsvollstreckung verpflichtet;18 13 das ergibt sich aus der Verwaltungs- und Inbesitznahmebefugnis des Testamentsvollstreckers. Die daraus für den Gerichtsvollzieher entspringenden Probleme, feststellen zu müssen, ob die besitzende Person Erbe ist oder nicht, nötigen keineswegs zu der gegenteiligen Auffassung. Denn mit solchen, teilweise gewiss schwierigen Abgrenzungsfragen ist der Gerichtsvollzieher nicht nur hier konfrontiert; s. etwa § 70 GVGA insgesamt, aber auch insbes. dessen Abs. 3: die Feststellung, ob eine Person Besitzdiener ist. Wegen der Person des Erben kann sich der Gerichtsvollzieher auch an den Testamentsvollstrecker wenden. 11 12 13 14 15 16 17 18

Vgl. BGHZ 48, 220. RG HRR 32, 1453. RGZ 82, 149 ff.; BGHZ 30, 67 = JZ 1960, 173 m. Anm. v. Lübtow S. 151 ff. S. auch oben Fn. 9. Ulmer Testamentvollstreckung an Kommanditanteilen, ZHR 146, 560. S. auch OLG München AG 2012, 220. Für Schenkungssteuerschulden des Erblassers BFHE 151, 460; dazu HFR 88, 208. RGZ 56, 329. Wohl h.M.: Zöller/Seibel Rdn. 3; a.A. Stein/Jonas/Münzberg Rdn. 3; MünchKomm/Heßler Rdn. 23.

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Abschnitt 1. Allgemeine Vorschriften

§ 748

IV. Teilverwaltung 1. Anwendungsbereich Sofern dem Testamentsvollstrecker die Verwaltung nur einzelner Nachlassgegenstände obliegt, 14 können Ansprüche, die sich gegen den Nachlass richten, Rdn. 11, gerichtlich nur gegen den Erben verfolgt werden, § 2213 Abs. 1 S. 2 BGB. Der Testamentsvollstrecker hat Prozessführungsbefugnis nur insoweit, als gegen ihn auf Duldung geklagt wird, § 748 Abs. 2. Infolgedessen ist diese Vorschrift selbst dann anzuwenden, wenn ein Gläubiger die Zwangsvollstreckung wegen eines dinglichen Anspruchs betreibt, der sich auf einen der Verwaltung des Testamentsvollstreckers unterliegenden Nachlassgegenstand bezieht.

2. Rechtsfolge Will der Gläubiger in einen von der Testamentsvollstreckung erfassten Gegenstand vollstrecken, 15 benötigt er einen Leistungstitel gegen den/die Erben und19 einen Duldungstitel gegen den Testamentsvollstrecker;20 zu Letzterem beachte § 794 Abs. 2. Eine Auflistung der der Verwaltung unterliegenden Gegenstände in dem Titel ist nicht erforderlich, gleichwohl aber zu empfehlen, weil der Vollstreckungsvorgang dadurch erleichtert wird. Hat der Testamentsvollstrecker dagegen nach Maßgabe des § 2208 Abs. 1 S. 1 BGB gar keine 16 Verwaltungsbefugnis,21 oder will der Gläubiger auf andere Gegenstände des Nachlasses oder auf Eigenvermögen des Erben zugreifen, benötigt er einen Titel allein gegen den/die Erben. Diese Konstellation lässt sich nicht auf den Fall ausdehnen, in dem der Testamentsvollstrecker von vornherein die Leistungspflicht des Nachlasses anerkennt und ein Rechtsstreit daher allein gegen den Erben auszutragen ist; für die sich eventuell daran anschließende Zwangsvollstreckung sind beide Titel erforderlich, wobei § 794 Abs. 2 die Handhabe gewährt, den Titel außerhalb eines Rechtsstreites zu erlangen.

V. Pflichtteilsanspruch Gem. § 2213 Abs. 1 S. 3 BGB können Pflichtteilsansprüche22 nur gegen den Erben23 geltend gemacht 17 werden. Der nach Abs. 3 der vorliegenden Norm gleichwohl erforderliche Titel24 gegen den Testamentsvollstrecker kann daher im Einklang mit der in Abs. 2 getroffenen Regelung nur ein Dul-

19 Das OLG Karlsruhe, Rpfleger 2005, 36, will genügen lassen, dass ein gegen den Erben erwirkter Titel auf den Testamentsvollstrecker – in Analogie zu § 748 Abs. 2 – umgeschrieben wird; das ist zumindest eine prozessökonomische Lösung, die jedoch der rechtlichen Selbständigkeit der beiden Personen nicht gerecht wird (anders nur im Falle des § 749, vgl. dort, Rdn. 2). 20 H.M. MünchKomm/Heßler Rdn. 4. A.A. mit beachtenswerten Argumenten Garlichs/Mankel Passive Prozessführungsbefugnis des Testamentsvollstreckers, MDR 1998, 511 ff.; Garlichs Passivprozesse des Testamentsvollstreckers (1994) S. 21 ff. 21 Hinsichtlich dennoch in seinem Besitz befindlicher Gegenstände ist er Dritter. 22 Hierzu zählen auch Pflichtteilsergänzungsansprüche, §§ 2325 ff. BGB, und – wegen der vergleichbaren innerfamiliären Spannungslage – Erbersatzansprüche nach § 1934a (vgl. § 1934b Abs. 2 S. 1) BGB; MünchKomm/Heßler Rdn. 7. 23 RGZ 50, 225. 24 Bei Gesamtverwaltung wird er immer benötigt, bei Teilverwaltung dann, wenn in die der Verwaltung unterfallenden Gegenstände vollstreckt werden soll; vgl. OLG Celle MDR 1967, 46. Das OLG Dresden, ZEV 2003, 289, will demgegenüber einen Titel allein gegen den Erben für Vollstreckungen gemäß § 888 genügen lassen; das ist nur richtig, wenn in Gegenstände vollstreckt wird, die nicht der Testamentsvollstreckung unterliegen. 153

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§ 749

Achtes Buch – Zwangsvollstreckung

dungstitel sein;25 nur insoweit ist er prozessführungsbefugt. Dieses Verfahren ist unabhängig von dem gegen die Erben, indem weder in die eine noch in die andere Richtung Rechtskrafterstreckung wirkt, noch der Rechtsstreit gegen den Testamentsvollstrecker von einem vorher ergangenen Titel gegen die Erben abhängig ist.26

VI. Rechtsbehelfe 18 Der Testamentsvollstrecker kann das Fehlen eines gegen ihn gerichteten Titels mit der Erinnerung, § 766,27 und – wegen seiner Verfügungsbefugnis über die Nachlassgegenstände, § 2205 S. 2 BGB – der Widerspruchsklage, § 771, rügen. Der Gläubiger kann ihm hierbei jedoch seine materiell-rechtliche Duldungspflicht entgegenhalten.28 Dem Erben stehen in den Fällen des Abs. 2 und 3 die gleichen Rechte zu, wenn der Titel 19 gegen ihn fehlt; das Fehlen des Titels gegen den Testamentsvollstrecker kann auch er, allerdings nur mit der Erinnerung, § 766, vortragen.29 Das folgt aus der in Rdn. 1 mitgeteilten gesetzgeberischen Intention wechselseitiger Abhängigkeit der beiden Titel.

§ 749 Vollstreckbare Ausfertigung für und gegen Testamentsvollstrecker 1

Auf die Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung eines für oder gegen den Erblasser ergangenen Urteils für oder gegen den Testamentsvollstrecker sind die Vorschriften der §§ 727, 730 bis 732 entsprechend anzuwenden. 2Auf Grund einer solchen Ausfertigung ist die Zwangsvollstreckung nur in die der Verwaltung des Testamentsvollstreckers unterliegenden Nachlassgegenstände zulässig.

Übersicht I.

Gesetzesgeschichte, Normzweck

II. 1.

Anwendungsbereich 2 Voraussetzungen

1

2.

Sondergestaltungen

III.

Verfahren

6

9

I. Gesetzesgeschichte, Normzweck 1 Wie auch schon die vorangehenden Normen ist auch diese mit der Novelle von 1898 eingefügt worden. Sie erleichtert sowohl den Gläubigern als auch dem Testamentsvollstrecker das zwangsweise Vorgehen, indem sie eine neue Klage dadurch überflüssig macht, dass sie beide wie Rechtsnachfolger des Erblassers behandelt:1 „es (würde) für den Gläubiger eine ungerechtfertigte Erschwerung seiner Lage bedeuten, wenn er genöthigt würde, erst noch Klage gegen den Testamentsvollstrecker zu erheben. Auf der anderen Seite legt aber der Entwurf, entsprechend der 25 Vgl. BGH FamRZ 2021, 1243 – Tz. 9; BGH DZWIR 2006, 506. 26 RGZ 109, 166. 27 Ausführlich hierzu Garlichs Die Befugnis zur Vollstreckungserinnerung bei Testamentsvollstreckung, Rpfleger 1999, 60.

28 Stein/Jonas/Münzberg Rdn. 7. 29 Zöller/Seibel Rdn. 10; a.A. MünchKomm/Heßler Rdn. 30; Stein/Jonas/Münzberg Rdn. 7. 1 Vgl. Loritz Die Umschreibung der Vollstreckungsklausel, ZZP 95 (1982), 325. Paulus https://doi.org/10.1515/9783110443158-028

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Abschnitt 1. Allgemeine Vorschriften

§ 749

Stellung des Testamentsvollstreckers, diesem die Befugniß bei, seinerseits in gleicher Weise aus einem zu Gunsten des Erblassers ergangenen Urtheile die Ertheilung einer vollstreckbaren Ausfertigung zu erwirken“.2 Weil der Testamentsvollstrecker nicht Rechtsnachfolger des Erblassers ist, allerdings im Rahmen seiner Verwaltungsbefugnisse den Erben in seiner Verfügungsfreiheit beschränkt, § 2211 BGB, bedurfte es der vorliegenden Norm, um die bezweckte Vereinfachung zu erzielen.

II. Anwendungsbereich 1. Voraussetzungen Die Umschreibung des Titels, §§ 704, 794, auf den Testamentsvollstrecker3 setzt voraus, s. auch § 748 Rdn. 5, dass das geltend gemachte Recht in den Bereich seiner Verwaltungstätigkeit4 gehört; für das obsiegende Urteil folgt das aus § 2212 BGB, für das verurteilende aus § 748, an dessen Regelungsbereich die vorliegende Vorschrift anknüpft. Wenn der Gläubiger also in den Fällen des § 748 Abs. 2 und 3 einen Titel gegen den Erben und den Testamentsvollstrecker benötigt, erfolgt die Klauselumschreibung dementsprechend auf beide – auf den Erben auf Leistung nach § 727, auf den Testamentsvollstrecker auf Duldung nach § 749. Denn Zweck des § 749 ist es gerade, den Gläubiger vor einem erneuten Rechtsstreit zu bewahren, Rdn. 1. Das für oder gegen den Erblasser ergangene Urteil braucht nur vollstreckbar, nicht aber (wie in den Fällen der §§ 728 Abs. 1, 729) rechtskräftig zu sein. Die Vollstreckungsklausel gegen den Testamentsvollstrecker kann bereits vor Annahme der Erbschaft durch den Erben erteilt werden, § 2213 Abs. 2, nicht aber vor Annahme der Testamentsvollstreckung, § 2202 BGB. Für den Fall einer verzögerlichen Annahme des Amtes durch die zum Testamentsvollstrecker bestimmten Person s. § 748 Rdn. 3. Der Testamentsvollstrecker kann die aufschiebenden Einreden der §§ 2014, 2015 BGB geltend machen, § 782 Rdn. 3. Sind mehrere Testamentsvollstrecker eingesetzt, muss im Einklang mit § 748 die Klausel auf sie alle umgeschrieben werden, wenn sie gemeinschaftlich das Amt führen, §§ 2224 BGB.5

2

3 4

5

2. Sondergestaltungen Stirbt der Erblasser vor Urteilserlass, scheidet eine Titelumschreibung aus. Stattdessen bemisst 6 sich das weitere Procedere nach den §§ 239, 243, 241; d.h. der Rechtsstreit wird bis zur Aufnahme durch den Testamentsvollstrecker unterbrochen, sofern der Erblasser nicht durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten war, § 246. Dieser hat die Umschreibung des Titels auf den Testamentsvollstrecker zu erwirken.6 Hatte die Zwangsvollstreckung im Zeitpunkt des Erbfalls bereits begonnen, bedarf es eben- 7 falls keiner Titelübertragung. Zugunsten des Gläubigers ergibt sich das unmittelbar aus § 779, vgl. 2 Begründung der Novelle, S. 155 f. 3 Das wird auch den Nachfolger des Testamentsvollstrecker erfassen. Für den Nachlassverwalter s. § 727 Rdn. 28. A.A. (analoge Anwendung des § 749) MünchKomm/Heßler Rdn. 7 m.w.N. in Fn. 2.

4 Bei einer reinen Abwicklungsvollstreckung bzw. bei Gegenständen, die nicht der Verwaltungsbefugnis des Testamentsvollstreckers unterliegen, gilt § 749 mithin nicht, vgl. Soutier Die Umschreibung von Vollstreckungsklauseln, MittBayNot 2011, 275, 278. Dort auch für den Fall, dass der Erbe zu Unrecht eine Umschreibung auf sich betreibt: Der Testamentsvollstrecker habe dann einen Herausgabeanspruch gemäß § 2205 BGB, um daraufhin eine Neuerteilung an sich erwirken zu können. 5 Soweit sie die Verwaltung über je bestimmte Bereiche ausüben, ist die Umschreibung gegen denjenigen Testamentsvollstrecker vorzunehmen, der das mit der Vollstreckung anvisierte Haftungsobjekt verwaltet, MünchKomm/Heßler Rdn. 11; Kindl/Meller-Hannich/Wolf/Giers/Haas Rdn. 5. 6 RGZ 50, 364. 155

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§ 750

Achtes Buch – Zwangsvollstreckung

§ 748 Rdn. 6, während sich dasselbe Ergebnis zugunsten des Erben mittelbar aus dieser Vorschrift sowie dem mit der Universalsukzession verbundenen Übergang des Rechts- und Pflichtenlebens des Erblassers auf den Erben erschließen lässt, § 779 Rdn. 2, bzw. – bezogen auf den Testamentsvollstrecker – zusätzlich aus den §§ 2205 ff. BGB. 8 Hat der Gläubiger einen Titel gegen den Erben, findet eine Titelübertragung auf den Testamentsvollstrecker nicht statt. Zu dieser Situation kann es kommen, wenn das die Testamentsvollstreckungsanordnung enthaltende Testament, § 2197 BGB, erst später aufgefunden wird und der Gläubiger zuvor eine Klauselumschreibung auf den Erben gem. § 727 vorgenommen bzw. einen Titel gegen ihn erstritten hat. Sowohl der Erbe als auch der Testamentsvollstrecker können mit Hilfe der Erinnerung, § 766, gegen die Vollstreckung vorgehen, soweit sie sich auf den der Verwaltung des Testamentsvollstreckers unterliegenden Nachlass erstreckt hat. In das Eigenvermögen des Erben kann der Gläubiger nach wie vor mit dem gegen den Erben gerichteten Titel vollstrecken – vorbehaltlich dessen Abwehrrechten aus der beschränkten Erbenhaftung, §§ 780 ff.

III. Verfahren 9 S. zunächst die Kommentierung zu § 730. Für die Klauselerteilung zuständig ist der Rechtspfleger, § 20 Nr. 12 RpflG. Der Testamentsvollstrecker muss, sofern nicht Offenkundigkeit vorliegt, die Anordnung der Testamentsvollstreckung und seine Ernennung nachweisen, was er regelmäßig mit dem Zeugnis des § 2368 Abs. 1 BGB7 (alternativ durch öffentliches Testament plus Eröffnungsprotokoll und Antrittsbescheingung) erreichen kann. Für die Klauselumschreibung muss ferner feststehen, gegebenenfalls im Wege des § 731, dass der Erbfall eingetreten ist, und wie weit die Verwaltungsbefugnis des Testamentsvollstreckers reicht. Sie braucht in der Klausel, die auf den Testamentsvollstrecker erfolgt,8 nicht erwähnt zu werden, weil sich diese Begrenzung bereits aus dem Gesetz, S. 2, ergibt. 10 Zu den Rechtsbehelfen von Gläubiger und Schuldner s. § 727 Rdn. 51. Ein Streit zwischen Erben und Testamentsvollstrecker ist in einem gesonderten Verfahren auszutragen, etwa wenn der Erbe bereits eine Ausfertigung erhalten hat und der Testamentsvollstrecker sie herausverlangt.9

§ 750 Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung (1)

1

Die Zwangsvollstreckung darf nur beginnen, wenn die Personen, für und gegen die sie stattfinden soll, in dem Urteil oder in der ihm beigefügten Vollstreckungsklausel namentlich bezeichnet sind und das Urteil bereits zugestellt ist oder gleichzeitig zugestellt wird. 2Eine Zustellung durch den Gläubiger genügt; in diesem Fall braucht die Ausfertigung des Urteils Tatbestand und Entscheidungsgründe nicht zu enthalten. (2) Handelt es sich um die Vollstreckung eines Urteils, dessen vollstreckbare Ausfertigung nach § 726 Abs. 1 erteilt worden ist, oder soll ein Urteil, das nach den §§ 727 bis 729, 738, 742, 744, dem § 745 Abs. 2 und dem § 749 für oder gegen eine der dort bezeichneten Personen wirksam ist, für oder gegen eine dieser Personen vollstreckt werden, so muss außer dem zu vollstreckenden Urteil auch die ihm beigefügte Vollstreckungsklausel und, sofern die Vollstreckungsklausel aufgrund öffentlicher oder öffentlich

7 Dieses Zeugnis kann auch der Gläubiger beantragen, § 792 Rdn. 4. 8 A.A. noch 2. Aufl. A II: Auf den Erben unter Beschränkung der Testamentsvollstreckung. 9 Zöller/Seibel Rdn. 11. Bittmann https://doi.org/10.1515/9783110443158-029

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§ 750

Abschnitt 1. Allgemeine Vorschriften

beglaubigter Urkunden erteilt ist, auch eine Abschrift dieser Urkunden vor Beginn der Zwangsvollstreckung zugestellt sein oder gleichzeitig mit ihrem Beginn zugestellt werden. (3) Eine Zwangsvollstreckung nach § 720a darf nur beginnen, wenn das Urteil und die Vollstreckungsklausel mindestens zwei Wochen vorher zugestellt sind.

Schrifttum Aden Identitätsprüfung durch Gerichtsvollzieher bei Namensänderung des Schuldners, MDR 1979, 103; Alff Massenhafte Vollstreckungsmängel bei umwandlungsbedingter Rechtsnachfolge auf Gläubigerseite? Rpfleger 2013, 183; Bauer Unwesentlich unrichtige Bezeichnung des Schuldners im Schuldtitel, JurBüro 1967, 71; Berner Verzicht auf Zustellung des Schuldtitels? Rpfleger 1966, 134; Bielau Identität der Vollstreckungsparteien, DGVZ 2009, 193; Christmann Der „namenlose“ Besitzstörer als Verfügungsbeklagter, Zustellungsadressat und Vollstreckungsschuldner, DGVZ 1984, 101; Eickmann Die Versteigerung eines Erbanteils durch den Gerichtsvollzieher, DGVZ 1984, 65; ders. Vollstreckungstitel und Vollstreckungsklausel gegen den Einzelkaufmann, Rpfleger 1968, 382; Gaul Die Struktur der Zwangsvollstreckung (III), Rpfleger 1971, 81; Gerland Räumungsvollstreckung gegen Unbekannt, DGVZ 1991, 182; Kleffmann Unbekannt als Parteibezeichnung, Diss. Tübingen 1983; Lisken Räumungstitel gegen „Unbekannt“? NJW 1982, 1136; Mager Zwangsvollstreckung für und gegen Einzelfirmen und Gesellschaften, DGVZ 1967, 97 und 192; Noack Vollstreckung für und gegen den Kaufmann, JR 1966, 18; Petermann Wann ist die Partei im vollstreckbaren Titel „namentlich“ richtig bezeichnet? Rpfleger 1973, 153; Petermann Zweifel an der Identität des Schuldners, DGVZ 1976, 84; Schalhorn An wen muß ein Urteil zweiter Instanz zugestellt sein? JurBüro 1971, 569; Scheld Der Drittempfänger in der Zwangsvollstreckung, DGVZ 1983, 161; Scherer Räumungsvollstreckung gegen Hausbesetzer, DGVZ 1993, 132; Schilken Verzicht auf Zustellung und Wartefrist in vollstreckbaren Urkunden? DGVZ 1997, 81; E. Schneider Firma des Einzelkaufmannes im Vollstreckungsrubrum, JurBüro 1979, 489; Schüler Zwangsvollstreckung gegen eine „Firma“, DGVZ 1981, 65; ders. Die Problematik hinsichtlich der Vollstreckungsfähigkeit von Schuldtitel, die fehlerhaft oder ungenau sind, DGVZ 1982, 65; Stephan Zustellungsnachweis gem. § 750 Abs. 2 ZPO bei Zwangsvollstreckung aus bedingten oder kündigungsbedürftigen Vollstreckungstiteln, Rpfleger 1968, 106; Wieser Buchbesprechung Othmar Jauernig: Zwangsvollstreckung und Konkursrecht, ZZP 99 (1986), 41; Winterstein Probleme der Zwangsvollstreckung gegen Personen- und Kapitalgesellschaften, DGVZ 1984, 1; ders. Die Zustellung und Zwangsvollstreckung gegen Einzelfirmen, DGVZ 1985, 85; ders. Zustellung und Zwangsvollstreckung gegen Personen- und Kapitelgesellschaften, DGVZ 1991, 17.

Übersicht I.

Allgemeines

II. 1.

3.

Namentliche Bezeichnung der Parteien Identitätsfeststellung durch die Vollstreckungsor3 gane Erforderliche Angaben 8 a) Grundsatz der Einzelbezeichnung 9 b) Personenmehrheiten 10 c) Natürliche Personen d) Parteifähige Personenvereinigungen und ge12 setzliche Vertretungsverhältnisse 17 Berichtigung und Nachtragsklausel

III.

Zustellung des Titels

2.

157

1

1. 2. 3.

Grundsätzliche Voraussetzung für den Vollstre20 ckungsbeginn 25 Empfänger der Zustellung 28 Zustellungsverfahren

IV.

Zustellung von Klausel und Urkunden 31 (Abs. 2)

V.

Wartefristen (Abs. 3)

VI. 1. 2. 3.

Verstöße und Rechtsbehelfe Grundsatz der Anfechtbarkeit 43 Anfechtungsbefugnis 45 Verzicht auf Befolgung

37

39

Bittmann

§ 750

Achtes Buch – Zwangsvollstreckung

I. Allgemeines 1 Die Vorschrift regelt zusammen mit §§ 751, 756, 765, 798–800a die Voraussetzungen für den Beginn der Zwangsvollstreckung.1 Diese sind der Disponibilität der Parteien entzogen.2 Das Vorliegen dieser Voraussetzungen (Titel, Klausel, Zustellung, und gegebenenfalls besondere Bedingungen für den Vollstreckungsbeginn)3 ist vom Vollstreckungsorgan von Amts wegen zu prüfen.4 Auch nach Beginn der Zwangsvollstreckung sind ausnahmsweise Zustellungen erforderlich, nämlich bei Fortsetzung der Zwangsvollstreckung in den Fällen des § 751 Abs. 2 (Zustellung des Nachweises der nach Vollstreckungsbeginn erforderlich gewordenen Sicherheitsleistung)5 und bei nachträglichem Eintritt eines Personenwechsels i.S.v. §§ 727 ff. gemäß § 750 Abs. 2 (Zustellung der Vollstreckungsklausel und der den Personenwechsel nachweisenden Urkunden).6 Dies gilt für Personenwechsel sowohl auf der Gläubigerseite7 als auch auf der Schuldnerseite.8 2 § 750 gilt für alle Titel und Arten der Zwangsvollstreckung, also z.B. auch für die Vollziehung von Arresten und einstweiligen Verfügungen (§§ 928, 936),9 die Zwangsvollstreckung durch das Prozessgericht nach §§ 887 ff. und die Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen (§ 16 Abs. 2, 146 ZVG).10 Ausnahmsweise kann allerdings das Erfordernis der Zustellung entfallen (s.u. Rdn. 21) oder eine in Abs. 3 nicht geregelte Wartefrist zu beachten sein (s.u. Rdn. 37). § 750 ist maßgeblich auch für Titel, die auf der Grundlage des FamFG (vgl. § 95 FamFG) ergangen sind, ferner für arbeitsrechtliche (vgl. §§ 62 Abs. 2, 85 Abs. 1 ArbGG) oder verwaltungsrechtliche (vgl. § 167 Abs. 1 VwGO)11 Titel. Bei Titeln, die nicht aufgrund der ZPO ergehen, sind indes z.T. eigenständige Regelungen betreffend die Voraussetzungen des Vollstreckungsbeginns zu beachten (vgl. z.B. § 254 AO).

II. Namentliche Bezeichnung der Parteien 1. Identitätsfeststellung durch die Vollstreckungsorgane 3 Der Vollstreckungseingriff ist ausschließlich zugunsten des Vollstreckungsgläubigers und zu Lasten des Vollstreckungsschuldners zulässig. Wer das ist, ergibt sich im Regelfall aus dem Original des Titels (vgl. §§ 313 Abs. 1 Nr. 1, 692 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. 690 Abs. 1 Nr. 1),12 in den in Abs. 2 aufgeführten Fällen der §§ 727–729, 738, 742, 744, 745 Abs. 2, 749 aus der Vollstreckungsklausel. Wer nicht durch Titel bzw Klausel als Partei bezeichnet ist, erlangt auch dadurch keine Parteistellung nach

1 Die Zwangsvollstreckung beginnt mit der Vornahme der ersten Vollstreckungshandlung durch den Gerichtsvollzieher bzw. mit der Existenz der ersten Vollstreckungsmaßnahme des Gerichts: vgl. Thomas/Putzo/Seiler Vorbem § 704 Rdn. 28. 2 Stein/Jonas/Münzberg § 750 Rdn. 8 f.; Thomas/Putzo/Seiler § 750 Rdn. 1. 3 Nicht dagegen die Richtigkeit ihres Zustandekommens: Thomas/Putzo/Seiler § 750 Rdn. 1. 4 Vgl. z.B. OLG Frankfurt Rpfleger 1973, 323 und 1977, 416. 5 Vgl. § 751 Rdn. 8. 6 Stein/Jonas/Münzberg § 750 Rdn. 1. 7 BGH DNotZ 1963, 673; a.A. OLG Breslau OLGRspr. 26, 380 für den Fall des Todes des Gläubigers nach Beginn der Zwangsvollstreckung, wobei jedoch übersehen wird, dass es an einer § 779 entsprechenden Ausnahmevorschrift für die Gläubigerseite gerade fehlt. 8 BGH NJW 2007, 3357, 3358. 9 § 750 wird hier allerdings insofern modifiziert, als die Vollziehung bereits vor Zustellung erfolgen darf: §§ 929 Abs. 3, 936; vgl. BGH NJW 2018, 399. 10 Vgl. BGHZ 195, 292. 11 Vgl. OVG Greifswald NJW 2012, 3801. 12 Vollstreckungsgläubiger ist der den Titel erwirkende Kläger z.B. auch dann, wenn der Schuldner verurteilt ist, an einen am Prozess nicht beteiligten Dritten zu leisten: vgl. AG Augsburg DGVZ 1992, 189. Bittmann

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Abs. 1 S. 1, dass er die Zwangsvollstreckung beantragt oder diese gegen ihn beantragt wird.13 Ebenso wenig kann man durch bloße Ermächtigung des Titelgläubigers ohne Abtretung des titulierten Anspruchs und Titelumschreibung Vollstreckungsgläubiger werden.14 Jede Vollstreckung für oder gegen andere als in Titel bzw. Klausel bezeichnete Personen ist daher unzulässig,15 auch wenn ihnen der Titelanspruch materiell-rechtlich zusteht, sie für die Titelschuld haften oder sich gegenüber dem Gläubiger zur Duldung der Zwangsvollstreckung verpflichtet haben.16 Hintergrund ist die Formalisierung des Vollstreckungsverfahrens.17 Dieser Grundsatz kann nicht durch Billigkeitserwägungen überwunden werden.18 § 739 stellt keine Ausnahme von diesem Grundsatz dar, da die Fiktion des Gewahrsams des Schuldners die Vollstreckung nicht etwa zu einer solchen (auch) gegen den Ehegatten bzw. Lebenspartner macht,19 § 779 nur insofern, als es ausreichend ist, wenn wenigstens bei Beginn der Vollstreckung der Erblasser in Titel oder Klausel als Vollstreckungsschuldner aufgeführt ist.20 Da allein die titelerzeugende oder klauselerteilende Stelle bestimmt, für und gegen wen der 4 Titel vollstreckbar ist, ist die Festlegung der Parteien (Vollstreckungsgläubiger und -schuldner) den Vollstreckungsorganen entzogen.21 Zur Vermeidung einer unzulässigen Zwangsvollstreckung für oder gegen Dritte22 haben diese (einschließlich des Grundbuchamts)23 lediglich sicherzustellen, dass die in Titel oder gegebenenfalls abweichend in der Klausel als Parteien aufgeführten Personen mit denjenigen identisch sind, für und gegen welche tatsächlich vollstreckt wird. Zur Sicherung dieser Identitätsfeststellung verlangt Abs. 1 S. 1 eine namentliche Bezeichnung der Parteien. Diese ist erforderlich, aber auch genügend, weshalb bei Titeln, die auf Leistung an einen Dritten lauten, der Dritte nicht etwa neben dem Gläubiger als Leistungsempfänger namentlich bezeichnet zu sein braucht.24 Entgegen dem insoweit etwas unscharfen Wortlaut des Gesetzes kommt es dabei allein auf 5 die Bezeichnung in der vollstreckbaren Ausfertigung an, da allein deren Inhalt für die Vollstreckungsorgane maßgeblich ist.25 Damit steht auch fest, dass Diskrepanzen zwischen Titel und Vollstreckungsklausel, die z.B. auf einer Umschreibung gem. §§ 727 ff., aber auch auf einer Berichti13 MünchKomm/Heßler § 750 Rdn. 7; a.A. Wieser ZZP 99 (1986), 41. 14 BGHZ 92, 347 = NJW 1985, 809; BGH NJW-RR 1992, 61: Ausschluss der sogenannten isolierten Vollstreckungsstandschaft; a.A. wohl Brehm JZ 1985, 343. 15 Vgl. u.a. BGH NJW-RR 2003, 1450 (Räumungsvollstreckung gegen Untermieter); hierzu ferner BGH NJW 2008, 3287; RGZ 38, 399 (Vollstreckung eines gegen den Grundstückseigentümer gerichteten Titels gegen den Besitzer); BGH NJW 1957, 1877 (Vollstreckung eines Titels gegen den Alleingesellschafter in das GmbH-Vermögen); BayObLG NJW 1986, 2578 (Vollstreckung eines gegen die GmbH gerichteten Titels gegen die GmbH & Co. KG); OLG Naumburg JW 1925, 282 (Vollstreckung eines gegen die Gesellschafter gerichteten Titels gegen die OHG entgegen § 124 Abs. 2 HGB); LG Kassel und AG Melsungen DGVZ 1970, 57 (Vollstreckung eines Titels gegen die OHG in das Privatvermögen der Komplementäre entgegen § 129 Abs. 4 HGB); AG Dresden DGVZ 1995, 10 (Vollstreckung eines Räumungstitels bei teilweiser Vermietung des Objekts an Dritte; mit ablehnender Anm. Müller zur Frage der Ermittlung der vom Schuldner genutzten Objektteile durch den Gerichtsvollzieher); AG Hamburg DGVZ 1995, 11 (Vollstreckung eines gegen die GmbH gerichteten Titels gegen den ehemaligen Geschäftsführer). 16 BGH NJW 2008, 3287; NJW 2004, 3041; MünchKomm/Heßler § 750 Rdn. 32. 17 BGH WM 2023, 1275, 1276; NJW 2018, 399; Musielak/Voit/Lackmann § 750 Rdn. 1. 18 BGH NJW-RR 2003, 1450, 1451; Musielak/Voit/Lackmann § 750 Rdn. 4. 19 Auch die Tatsache, dass Ehegatten (nicht aber Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft: AG Bad Segeberg DGVZ 1992, 42 und AG Sobernheim DGVZ 1995, 47) u.U. von der Herausgabevollstreckung des § 885 betroffen sind (vgl. z.B. LG Heidelberg DGVZ 1994, 9; grds. ablehnend aber z.B. OLG Köln DGVZ 1997, 119, 121 m.w.N.), bedeutet keine Durchbrechung dieses Grundsatzes, weil es sich auch hier ausschließlich um eine Vollstreckung gegen den zur Räumung verurteilten Ehegatten handelt (verfehlt daher AG Gelsenkirchen DGVZ 1995, 172). 20 § 779 Rdn. 3. 21 BGH NJW 2018, 399. 22 Vgl. BGH NJW 2018, 399, 400. 23 RGZ 85, 163, 166. 24 AG Schwetzingen DGVZ 1989, 26; Scheld DGVZ 1983, 161. 25 BGHZ 67, 284 = NJW 1977, 298. 159

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gung oder einer klarstellenden Auslegung durch die erteilende Stelle26 beruhen können, von den Vollstreckungsorganen nicht nachgeprüft zu werden brauchen, und auch nicht zum Anlass für eine Ablehnung der Zwangsvollstreckung genommen werden dürfen. Maßgeblich ist insoweit entgegen der überwiegenden Ansicht stets die Vollstreckungsklausel27 Die alleinige Maßgeblichkeit der namentlichen Bezeichnung laut Klausel für die Vollstreckungsorgane ergibt sich auch daraus, dass die wirksame Klauselerteilung als solche von ihnen hinzunehmen ist, und daher Einwendungen des Schuldners oder Dritter gegen die Zulässigkeit der Klauselerteilung nicht im Vollstreckungsverfahren durch Vollstreckungserinnerung (§ 766), sondern nur gemäß §§ 732, 768 geltend gemacht werden können.28 Ausgehend vom Inhalt der vollstreckbaren Ausfertigung hat sich das Vollstreckungsorgan 6 nicht nur von der Identität der dort namentlich bezeichneten Personen mit denjenigen, für und gegen die Zwangsvollstreckung betrieben wird bzw. betrieben werden soll, zu überzeugen, sondern auch davon, dass die identifizierten Personen durch Titel bzw. Klausel als Parteien der Zwangsvollstreckung festgelegt sind.29 Gegen Komplementäre einer OHG darf beispielsweise nur dann vollstreckt werden, wenn sie zweifelsfrei nicht nur als gesetzliche Vertreter der OHG sondern (auch) als Schuldner in der vollstreckbaren Ausfertigung des Titels aufgeführt sind.30 Die Aufführung einer GmbH-Geschäftsführerstellung als Berufsbezeichnung begründet jedoch noch keine Zweifel an der Parteistellung als Schuldner.31 7 Bei Zweifeln an der Identität und/oder Parteistellung32 darf das Vollstreckungsorgan trotz Weisung des Gläubigers nicht tätig werden,33 und muss ihn auf Berichtigung gemäß § 319, Erteilung einer Nachtragsklausel analog §§ 727, 731 (s.u. Rdn. 17) oder notfalls erneute Klageerhebung34 verweisen.35 Der Gläubiger kann die Berechtigung der Weigerung durch Vollstreckungserinnerung gemäß § 766 Abs. 2 gerichtlich überprüfen lassen.36 Dabei gilt der Grundsatz, dass das Vollstreckungsorgan nicht bei jedem Fehler oder bei jeder Ungenauigkeit in der Parteibezeichnung die Vollstreckung verweigern darf. Vorrangig muss das Vollstreckungsorgan durch Auslegung versuchen, eine unklare Bezeichnung zu beseitigen, wobei jedoch nicht auf solche Umstände zurückgegriffen werden kann, die außerhalb des Titels liegen.37 Ist aber das Prozessgericht zugleich Vollstreckungsorgan, kann es Erkenntnisse aus dem Hauptverfahren im Vollstreckungsverfahren berücksichtigen.38 Gelingt mit Hilfe ergänzender Angaben im Titel oder aufgrund ergänzender Erkundigungen des Gerichtsvollziehers39 oder ergänzender Nachweise einer Partei eine zweifelsfreie Identitätsfeststellung, muss die beantragte Zwangsvollstreckung durchgeführt werden.40 Die 26 Vgl. z.B. OLG Oldenburg MDR 1955, 488: Erteilung der Klausel für die minderjährigen Kinder bei Verurteilung zur Zahlung „zu Händen der Mutter“ in einer Unterhaltssache.

27 Musielak/Voit/Lackmann § 750 Rdn. 4; Thomas/Putzo/Seiler § 750 Rdn. 2; a.A. LG Berlin MDR 1977, 236; Gottwald/ Mock § 750 Rdn. 11; MünchKomm/Heßler § 750 Rdn. 57; Stein/Jonas/Münzberg § 750 Rdn. 20; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard § 22 I 1 a. 28 BGH NJW-RR 2004, 1135; vgl. auch § 732 Rdn. 14; § 766 Rdn. 48. 29 BGH WM 2023, 1275, 1276. 30 Vgl. LG Kassel und AG Melsungen DGVZ 1970, 57; AG Berlin-Wedding DGVZ 1978, 14. 31 A.A. LG Hamburg Rpfleger 1960, 20 (mit ablehnender Anm. Bull). 32 Dies gilt (selbstverständlich) auch für die Gläubigerseite: vgl. LG Hamburg Rpfleger 1958, 276. 33 BGH WM 2023, 1275, 1276. Das Erfordernis der genauen Identitätsfeststellung ist iÜ der Parteidisposition entzogen (MünchKomm/Heßler § 750 Rdn. 60), auch wenn dies im Einzelfall bei unterlassener Schuldnerrüge (§ 766) faktisch anders sein mag. 34 Vgl. AG Varel DGVZ 1966, 156. 35 MünchKomm/Heßler § 750 Rdn. 61 ff.; Musielak/Voit/Lackmann § 750 Rdn. 14. 36 Vgl. Petermann DGVZ 1976, 84. 37 BGH NJW 2018, 399; NJW 2010, 2137; HK-ZV/Giers/Haas § 750 Rdn. 9. 38 BGH NJW 2010, 2137. 39 Vgl. etwa die Sachverhalte bei LG Görlitz DGVZ 2009, 1001; LG Lübeck DGVZ 1997, 140; LG Braunschweig Rpfleger 1995, 306; AG Westerburg DGVZ 1998, 79. 40 BGH NJW 2012, 3518, 3519; NJW-RR 2011, 1335; OLG Düsseldorf MDR 2011, 321. Bittmann

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Ermittlungen des Vollstreckungsorgans können im Wege des Freibeweises durchgeführt werden.41 Ein Anspruch auf eigenen Ermittlungsaufwand der Vollstreckungsorgane besteht jedoch nicht.42 Nachträgliche Änderungen bzgl. der Bezeichnung des Gläubigers oder Schuldners (z.B. Name, Firma, Anschrift etc.) sind für eine Zwangsvollstreckung unschädlich, wenn die Identität gewahrt bleibt und das Vollstreckungsorgan durch eigene Ermittlungen diese bestimmen kann.43

2. Erforderliche Angaben a) Grundsatz der Einzelbezeichnung. Namentliche Bezeichnung bedeutet im Wortsinn zu- 8 nächst, dass die Parteien in der vollstreckbaren Ausfertigung einzeln mit Namen aufgeführt sein müssen. Unzulässig sind hiernach Titel gegen Unbekannt, was insbesondere im Fall von namentlich nicht bekannten Hausbesetzern diskutiert wird.44 Aufgrund von Sammelbezeichnungen wie z.B. „Rechtsanwälte X & Co.“,45 „Mitglieder der Anwaltssozietät X“,46 „Rechtsanwalt X & Partner“47 oder „Erben des Z“ (Erbengemeinschaft)48 darf daher die Zwangsvollstreckung nicht stattfinden.49 Eine Ausnahme von diesem Grundsatz ist lediglich für den Fall zuzulassen, dass aufgrund besonderer Umstände die einzelnen Personen sowie – soweit es darauf ankommt – auch ihr Beteiligungsverhältnis zweifelsfrei festgestellt werden können und sich die Personengruppe bis Vollstreckungsbeginn in ihrem Bestand nicht mehr ändert.50 Die Anforderungen an die „namentliche Bezeichnung“ i.S.v. Abs. 1 S. 1 sind damit strenger als diejenigen an die „Bezeichnung der Parteien“ nach den §§ 130 Nr. 1, 253 Abs. 2 Nr. 1, da diese Vorschriften das „wie“ der Parteibezeichnung nicht zwingend vorschreiben.51

b) Personenmehrheiten. Bei mehreren Gläubigern und/oder Schuldnern müssen sämtliche 9 Personen, für und gegen die vollstreckt werden soll, nach Maßgabe des Abs. 1 S. 1 namentlich aufgeführt werden. Wer das ist, ergibt sich aus dem materiell-rechtlichen Beteiligungsverhältnis, das in dem jeweiligen Titel anzugeben ist.52 Bei Gesamtgläubigerschaft (§ 428 BGB) muss nur der den Vollstreckungsauftrag erteilende Gläubiger, bei Mitgläubigerschaft (§ 432 BGB) – und insbesondere im Fall einer Gesamthand – müssen alle Gläubiger im Titel ausreichend bezeichnet sein.53 Entsprechendes gilt für Teilgläubigerschaft (§ 420 BGB), wenn die Vollstreckung auf das Ganze gerichtet werden soll.54 Nachträgliche Abtretungs- oder Verzichtserklärungen eines Teilgläubigers 41 MünchKomm/Heßler § 750 Rdn. 26. 42 BGH NJW-RR 2011, 1335, 1336; OLG München KTS 1971, 289; LG Osnabrück DGVZ 1971, 175; LG München DGVZ 1975, 92.

43 AG Ellwangen DGVZ 1965, 136; AG Mönchengladbach DGVZ 1961, 92. 44 BGH NJW 2018, 399; HK-ZV/Giers/Haas § 750 Rdn. 6; MünchKomm/Heßler § 750 Rdn. 51; a.A. LG Kassel NJW-RR 1991, 381; Geißler DGVZ 2011, 37, 40.

45 Vgl. OLG München NJW 2017, 2420. 46 Vgl. OLG Saarbrücken Rpfleger 1978, 228; LG Hamburg AnwBl. 1974, 166. 47 Vgl. LG Bonn Rpfleger 1984, 28; ebenso zur Bezeichnung „Rechtsanwälte Dr. N.N. u.a., Gießen“ in einem Festsetzungsbeschluss nach § 19 BRAGO: LG Gießen DGVZ 1995, 88.

48 Vgl. RG Gruch. 45, 1157; LG Berlin DGVZ 1978, 59. 49 HK-ZV/Giers/Haas § 750 Rdn. 6. 50 OLG Oldenburg NJW-RR 1995, 1164; LG Berlin Rpfleger 1977, 109 (Anwaltssozietät, wenn sich die Namen aller Partner aus dem Urteil im Übrigen ergeben); MünchKomm/Heßler § 750 Rdn. 50; Musielak/Voit/Lackmann § 750 Rdn. 7.

51 Vgl. z.B. BGH NJW 1977, 1686 zur Bezeichnung der Beklagten in der Klage als „Wohnungseigentümergemeinschaft F-Straße 24“.

52 Vgl. MünchKomm/Heßler § 750 Rdn. 47 m.w.N. 53 AG Berlin-Wedding DGVZ 1978, 31; vgl. auch BGH BB 1990, 1085 zum Erkenntnisverfahren und § 754 Rdn. 5 zum Vollstreckungsantrag.

54 AG Berlin-Wedding DGVZ 1975, 172 und DGVZ 1977, 25. 161

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oder Gesamthandsgläubigers zugunsten des anderen sind dabei unbeachtlich, und können dem betreibenden Gläubiger nicht den Umweg über die Titelumschreibung (§ 727) ersparen.55 Entsprechendes gilt bei Schuldnermehrheit: Falls laut Titel eine Gesamthandsschuld (vgl. z.B. § 736) vorliegt, oder eine Teilschuld insgesamt eingetrieben werden soll, müssen sämtliche Schuldner namentlich bezeichnet sein.56 Bei Gesamtschuld (§ 421 BGB) genügt hingegen die Bezeichnung des Schuldners, gegen den vollstreckt werden soll, unbeschadet der Gläubigerbefugnis, sich zum Zwecke der gleichzeitigen Vollstreckung gegen mehrere Gesamtschuldner weitere Ausfertigungen erteilen zu lassen.57 Sind weitere Ausfertigungen erteilt oder bestehen gegen Gesamtschuldner (von vornherein) mehrere Titel, erfordert die Vollstreckung gegen einen Gesamtschuldner jedoch nicht die Vorlage der gegen die anderen Gesamtschuldner erteilten Ausfertigungen bzw. bestehenden Titel.58 Nach zutreffender Ansicht führt die fehlende Angabe des materiell-rechtlichen Beteiligungsverhältnisses im Titel dazu, dass dieser wegen fehlender bzw. ungenauer Festlegung der Vollstreckungsparteien für die Zwangsvollstreckung ungeeignet ist.59 Die Gegenmeinung greift hier auf § 420 BGB zurück.60 Hiergegen spricht jedoch, dass es sich um eine Vorschrift des materiellen Rechts handelt, die sich nur an den Richter, nicht aber an das Vollstreckungsorgan wendet. Zudem ist fraglich, was bei Anwendung von § 420 BGB dann etwa im Falle einer unteilbaren Leistungen gelten soll.

10 c) Natürliche Personen. Die demnach erforderliche Einzelaufführung der Parteien mit Namen hat den Zweck, eine eindeutige Feststellung der Personenidentität durch die Vollstreckungsorgane zu ermöglichen.61 Welche Angaben zur Erfüllung dieser Vorgabe erforderlich sind, hängt vom Einzelfall ab. Zu verlangen ist aber bei natürlichen Personen grundsätzlich die korrekte Angabe von Familienname, Vorname62 und Adresse mit Straße und Hausnummer.63 Fehler und Mängel bei diesen Elementen führen regelmäßig zu einer die Vollstreckung unzulässig machenden Falschbezeichnung. Schädlich ist beispielsweise die Angabe eines falschen Familiennamens64 oder auch eines falschen Vornamens,65 nicht aber die falsche Schreibweise des Namens,66 die falsche Bezeichnung als „Herr“ oder „Frau“,67 oder als „Eheleute“ bei Mutter und Sohn,68 wenn dadurch die Identitätsfeststellung nicht beeinträchtigt ist. Das Fehlen des vollen bzw. richtigen Vornamens oder der genauen Adresse kann durch weitere Angaben und/oder durch besondere Umstände kompensiert werden, die ausnahmsweise auch ohne diese Angaben eine genaue Identi-

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AG Berlin-Wedding DGVZ 1975, 172 und DGVZ 1977, 25. Vgl. auch OLG Düsseldorf FGPrax 2013, 12, 13. § 733 Rdn. 6. LG Bremen DGVZ 1982, 76; LG Stuttgart Justiz 1983, 76; AG Arnsberg DGVZ 1978, 188; a.A. AG Günzburg DGVZ 1983, 168; AG Mönchengladbach DGVZ 1982, 79. 59 OLG Hamburg Rpfleger 1962, 382; LG Hamburg Rpfleger 1966, 338, 339. 60 MünchKomm/Heßler § 750 Rdn. 47; HK-ZV/Giers/Haas § 750 Rdn. 6; Musielak/Voit/Lackmann § 750 Rdn. 13. 61 Vgl. OLG Karlsruhe NJW-RR 2001, 67, 68; Petermann Rpfleger 1973, 153 m.w.N. 62 RGZ 85, 166; OLG Hamm DGVZ 1963, 27 = MDR 1962, 994; LG Hamburg MDR 1961, 239; LG Bielefeld Rpfleger 1958, 278 = DGVZ 1959, 11; LG Münster Rpfleger 1962, 176. 63 RG JW 1899, 537; LG Hamburg Rpfleger 1958, 276 = MDR 1958, 925 (Vereinsanschrift); AG Berlin-Wedding DGVZ 1992, 123; a.A. HK-ZV/Giers/Haas § 750 Rdn. 5; Musielak/Voit/Lackmann § 750 Rdn. 5. 64 A.A. Aden MDR 1979, 103, 104; vgl. zur Namensänderung aber unten bei Rdn. 18. 65 Nach LG Hamburg Rpfleger 1957, 257 genügt auch der Anfangsbuchstabe statt des vollen Vornamens nicht; a.A. LG Hanau DGVZ 1959, 12. 66 LG Hannover JurBüro 1980, 774 (Abwandlung des Namens infolge Automatisierung der Bearbeitung); AG Hannover DGVZ 1976, 64. 67 LG Bielefeld JurBüro 1983, 1411. 68 AG Mönchengladbach JurBüro 1964, 696. Bittmann

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tätsfeststellung ermöglichen.69 Der volle Vorname kann daher bei sehr seltenen Familiennamen oder aufgrund der zusätzlichen Unterscheidungskraft einer minderkaufmännischen Firma,70 Vorname und genaue Adresse im ländlichen Raum verzichtbar sein. Auch eine Namensänderung (z.B. infolge Eheschließung) ist ohne Belang, wenn weiterhin die Identitätsfeststellung durch das Vollstreckungsorgan gewährleistet ist.71 U.U. sind andererseits auch zusätzliche Angaben wie z.B. Berufsbezeichnungen, Titel, oder der Zusatz „jun.“ oder „sen.“ zur Unterscheidbarkeit von anderen Personen (z.B. namensgleichen, die unter derselben Anschrift wohnen) erforderlich. Falls wie ein bürgerlicher Name verwendet, ist auch ein Deck- oder Künstlername zur Identitätsfeststellung geeignet, und damit für Zwecke des Abs. 1 S. 1 ausreichend.72 Wird ein Einzelkaufmann gemäß § 17 Abs. 2 HGB unter seiner Firma Partei, steht damit nur 11 fest, dass er i.S. der §§ 130 Nr. 1, 253 Abs. Nr. 1 ausreichend bezeichnet, nicht aber, dass er auch für Zwecke des Abs. 1 S. 1 eindeutig identifizierbar ist.73 Denn das Urteil schafft nur Vollstreckbarkeit für und gegen den Inhaber im Zeitpunkt der Klageerhebung,74 keinesfalls aber für und gegen den jeweiligen Inhaber.75 Da die mit der Firma verbundene Inhaberschaft vielerlei Änderungen zwischen Klageerhebung und Vollstreckung unterliegen kann,76 kann die Angabe der Firma nur genügen, wenn keine Zweifel an der Person der durch sie bezeichneten Partei, insbesondere des Schuldners, verbleiben.77 Dies gilt insbesondere dann, wenn bei einer erloschenen oder ohne Umschreibungsmöglichkeit nach § 729 Abs. 2 übergegangenen Firma der Titel gegen den früheren Inhaber in dessen Privatvermögen vollstreckt werden soll. Die Identitätsfeststellung ist zwar Aufgabe der Vollstreckungsorgane, jedoch gehen Zweifel zu Lasten des Gläubigers, da die Vollstreckung voraussetzt, dass das Vollstreckungsorgan von Identität und Parteistellung des Betroffenen überzeugt ist (s.o. Rdn. 3). Da das Vollstreckungsorgan kein Ermittlungsorgan ist, kann von ihm in solchen Situationen nicht verlangt werden, eigene Nachforschungen, z.B. in Form einer Handelsregistereinsicht (§ 9 HGB), vorzunehmen.78 Es ist vielmehr Sache des Gläubigers, dem Vollstreckungsorgan, z.B. durch Vorlage beglaubigter Handelsregisterauszüge, die nötige Gewissheit zu verschaffen.79 Dies kann auch bei bloßen Änderungen des Firmennamens erforderlich werden. Die Einholung einer Nachtragsklausel (s.u. Rdn. 18) ist andererseits nicht schon bei widersprüchlicher Angabe von Firma und Inhaberschaft im Titel erforderlich, da hier die Namensangabe grundsätzlich vorrangig ist.80 Entsprechendes gilt bei Kleingewerbetreibenden, wenn neben der oder durch die „Firma“ die betreffende Person hinreichend genau bezeichnet ist,81 und bei sogenannten Geschäfts- und Etablissementbezeichnungen, wenn sie lediglich die Identifizierung des Inhabers erleichtern.82 69 Vgl. BGH WuM 2015, 41, 42; OLG Düsseldorf MDR 2011, 321 für den Fall eines „Buchstabendrehers“ (Brigitta statt Birgitta) sowie AG Bonn DGVZ 1994, 95 für den Fall, dass trotz falschen Vornamens (Hubert statt Herbert) keine Zweifel an der Identität der bezeichneten Partei bestehen. 70 LG Berlin DGVZ 1964, 9. 71 BGH NZG 2011, 1073, 1074; LG Bielefeld JurBüro 1987, 930. 72 HK-ZV/Giers/Haas § 750 Rdn. 5; Thomas/Putzo/Seiler § 750 Rdn. 3. 73 AG Aschaffenburg NJW 1953, 110; a.A. LG Köln OLGR 2004, 179; MünchKomm/Heßler § 750 Rdn. 35; Musielak/Voit/ Lackmann § 750 Rdn. 5; vgl. zum Problem E. Schneider JurBüro 1979, 489. 74 Vgl. für die Beklagtenseite KG Rpfleger 1982, 191 m.w.N. (Inhaberschaft im Zeitpunkt der Rechtshängigkeit i.S.v. § 261 Abs. 1 maßgeblich). 75 Vgl. § 727 Rdn. 14. 76 Vgl. z.B. BayObLG NJW 1956, 1800 = DNotZ 1956, 596 (Schweyer); OLG Köln DB 1977, 1184; LG Berlin Rpfleger 1978, 106. 77 Zöller/Seibel § 750 Rdn. 10; Stein/Jonas/Münzberg § 750 Rdn. 21. 78 BayObLG NJW 1956, 1800 = DNotZ 1956, 596; OLG München KTS 1971, 289; LG Mainz DGVZ 1973, 170; a.A. LG Ravensburg NJW 1957, 1325; Aden MDR 1979, 103. 79 Vgl. Zöller/Seibel § 750 Rdn. 10. 80 Vgl. RGZ 159, 337, 350 und OLG Köln NJW-RR 1996, 292. 81 AG Mönchengladbach DGVZ 1961, 158. 82 LG Frankenthal InVo 2007, 72; MünchKomm/Heßler § 750 Rdn. 43. 163

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12 d) Parteifähige Personenvereinigungen und gesetzliche Vertretungsverhältnisse. Auch juristische Personen und parteifähige Personenvereinigungen wie z.B. OHG und KG (§§ 124 Abs. 1, 161 Abs. 2 HGB), nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nunmehr auch die GbR,83 müssen korrekt und eindeutig bezeichnet sein. Dazu gehört auch hier die Adressen- und Namensangabe, wobei für letztere bei Handelsgesellschaften (einschließlich OHG und KG) die Angabe der Firma erforderlich und genügend ist.84 Die Angabe der Gesellschafter statt der Firma muss hier notwendig zur Ablehnung der Vollstreckung in das Gesellschaftsvermögen durch das Vollstreckungsorgan führen, da es nicht Aufgabe des Vollstreckungsorgans sein kann, die materiell-rechtliche Frage zu klären, ob sich dahinter eine bestimmte Handelsfirma „verbirgt“.85 Etwas anderes muss hingegen in dem Fall gelten, dass die Firma einer OHG oder KG zur Parteibezeichnung im Titel aufgeführt ist, es jedoch für das Vollstreckungsorgan erkennbar ist, dass es sich bei der Gesellschaft z.B. mangels Aufnahme oder infolge Aufgabe eines Handelsgewerbes (noch) um eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts handelt. Dies ergibt sich aus der nunmehr vorzunehmenden Auslegung von § 736.86 Lässt sich nicht zweifelsfrei feststellen, wer Gläubiger bzw. Schuldner ist, muss neu geklagt werden, falls nicht Berichtigung (§ 319) oder Titelumschreibung analog § 727 möglich ist.87 Unschädlich sind dagegen unrichtige, aber der Identifizierbarkeit nicht entgegenstehende Zusätze.88 Anderseits gehört zur ausreichenden Identifizierbarkeit einer Handelsgesellschaft auch die Angabe der Adresse ihrer Geschäftsleitung oder ihres Sitzes (vgl. § 30 HGB), sodass dahingehende Zweifel zur Ablehnung der Zwangsvollstreckung führen.89 Eine GbR ist unter der Bezeichnung ihres Auftretens im Rechtsverkehr zu bezeichnen. Es 13 gelten hier die Vorgaben des § 736.90 Danach kann aufgrund eines Titels gegen die GbR nicht in das Privatvermögen eines ihrer Gesellschafter vollstreckt werden.91 Die Angabe „gesetzlich vertreten durch den Geschäftsführer“ im Rubrum eines Vollstreckungsbescheids kann dahin ausgelegt werden, dass sie den geschäftsführenden Gesellschafter bezeichnet. Die Zwangsvollstreckung aus einem solchen Titel kann daher nicht abgelehnt werden.92 Nach § 9a Abs. 1 Satz 1 WEG ist auch die Wohnungseigentumsgemeinschaft als rechts- und 14 dementsprechend auch parteifähig anzusehen.93 Um den Anforderungen an § 750 zu genügen, ist sie gemäß § 9a Abs. 1 Satz 3 WEG als „Gemeinschaft der Wohnungseigentümer“ oder „Wohnungseigentümergemeinschaft“ gefolgt von der bestimmten Angabe des gemeinschaftlichen Grundstücks zu bezeichnen.94 Die Frage der Angabe gesetzlicher Vertretungsverhältnisse stellt sich stets bei juristischen 15 Personen und parteifähigen Personenvereinigungen, fallweise aber auch bei natürlichen Personen. Da die Identität der Parteien von derjenigen der gesetzlichen Vertreter zu unterscheiden ist,

83 Vgl. § 736 Rdn. 1. 84 LG Mönchengladbach BB 1960, 996; Noack DB 1973, 1157. 85 A.A. BGH NJW 1967, 821 für den Fall, dass eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts ohne Kenntnis des Gläubigers OHG wurde (Auslegung des Titels durch das Vollstreckungsorgan als „Titel gegen die OHG“); vgl. auch BGH NJW 1980, 784. 86 Vgl. § 736 Rdn. 1; ebenso Musielak/Voit/Lackmann § 750 Rdn. 10; HK-ZV/Giers/Haas § 750 Rdn. 7; vgl. zur früheren Rechtslage: LG Berlin Rpfleger 1973, 104 (Petermann); AG Biedenkopf DGVZ 1971, 126; Petermann Rpfleger 1973, 153, 155. 87 S.u. Rdn. 18 f. und § 736 Rdn. 4. 88 OLG Köln Rpfleger 1975, 102 („Regionaldirektion“ bei einer Versicherungs-AG); LG Berlin Rpfleger 1974, 407 (Anführung eines nicht vorhandenen Firmenzusatzes). 89 Vgl. LG Saarbrücken DGVZ 1997, 183; AG Burg/Fehmarn DGVZ 1972, 75, 76. 90 Vgl. § 736 Rdn. 14. 91 Vgl. LG Bonn DGVZ 2004, 75. 92 BGH NJW-RR 2005, 119. 93 Vgl. BGH NJW 2005, 2061. 94 Zur früheren Rechtslage BGH NJW 2010, 1007 f.; NJW-RR 2007, 955, 956. Bittmann

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und Abs. 1 S. 1 nur auf die namentliche Bezeichnung der Parteien abstellt, ist die korrekte und namentliche Angabe der gesetzlichen Vertreter für die Vollstreckbarkeit des Titels ohne Bedeutung.95 Führen Formulierungsfehler jedoch dazu, dass auch die zweifelsfreie Feststellung von Schuldner oder Gläubiger darunter leidet, muss die Zwangsvollstreckung vom Vollstreckungsorgan abgelehnt werden. Das gilt beispielsweise für die Verurteilung „als gesetzlicher Vertreter“ eines Minderjährigen, da zweifelhaft ist, ob hier der Minderjährige oder sein gesetzlicher Vertreter Schuldner sein soll.96 Es kann sich hier nicht nur um einen Formulierungs-, sondern auch um einen inhaltlichen Fehler handeln, z.B. wenn die titelerzeugende Stelle tatsächlich davon ausgegangen ist, dass die Eltern für die Verbindlichkeit ihres Kindes im konkreten Fall (z.B. nach § 832 BGB) einzutreten haben. Auch wenn demnach namentliche Bezeichnung der gesetzlichen Vertreter im Titel nicht erfor- 16 derlich ist, kann die Vollstreckung ohne solche Angabe schon deshalb nicht beginnen, weil der Gerichtsvollzieher wissen muss, an welche Person(en) die Zustellung gemäß § 171 zu erfolgen hat. Im Gegensatz zur Festlegung der Parteien ist die Festlegung der gesetzlichen Vertreter den Vollstreckungsorganen nicht zugunsten der titelerzeugenden Stelle entzogen. Eine im Titel vorgegebene namentliche Bezeichnung einer Person als gesetzlicher Vertreter bindet die Vollstreckungsorgane daher nicht.97 Sie haben somit nicht nur die Identität der Partei, sondern gegebenenfalls auch die Person des oder der gesetzlichen Vertreter selbständig festzustellen.98 Dies ändert jedoch nichts an dem Grundsatz, dass die Vollstreckungsorgane nicht von sich aus Ermittlungen anstellen müssen, sondern es Sache des Gläubigers ist, „entsprechende Ergänzungen“ seiner bisherigen Angaben und Nachweise vorzunehmen, falls es an einer hinreichenden („namentlichen“) Bezeichnung der gesetzlichen Vertreter fehlt.99 Wird in Titel/Klausel oder im Vollstreckungsauftrag eine bestimmte Person als gesetzlicher Vertreter (namentlich) bezeichnet, darf sich das Vollstreckungsorgan andererseits darauf verlassen und braucht nicht von sich aus nachzuprüfen, ob diese Angaben die gesetzlichen Vertretungsverhältnisse zutreffend wiedergeben (§ 18 Abs. 4 S. 1 GVGA).100 Dies kann jedoch im Hinblick auf die Verpflichtung zur selbständigen Prüfung und Feststellung der Vertretungsverhältnisse nur so lange gelten, wie nicht begründete Zweifel an diesen Angaben auftauchen.101 Trotz der Ermittlungsobliegenheit des Gläubigers ist in solchen Fällen vom Vollstreckungsorgan zu verlangen, dass es die ihm ohne eigenen Ermittlungsaufwand gegebenen Möglichkeiten zur Feststellung der gesetzlichen Vertretungsverhältnisse ausschöpft (vgl. auch § 18 Abs. 4 S. 5 GVGA). Etwas anderes gilt indes, wenn das Prozessgericht über das Vorliegen der Prozessfähigkeit im Urteil befunden hat. In diesem Fall besteht eine Bindung des Vollstreckungsorgans an diese Feststellung.102 Hingegen darf das Vollstreckungsorgan nicht von einer „stillschweigenden Entscheidung“ über die Prozessfähigkeit ausgehen.103

95 Ganz h.M.: OLG Braunschweig MDR 1959, 848; LG Essen JurBüro 1972, 76; AG Hannover InVo 1997, 139; MünchKomm/Heßler § 750 Rdn. 18; Thomas/Putzo/Seiler § 750 Rdn. 6; Schüler DGVZ 1974, 98; a.A. LG Bielefeld DGVZ 2003, 92; LG Hamburg MDR 1958, 925. 96 Im Ergebnis richtig daher LG Essen Rpfleger 1975, 372; ähnlich LG Berlin Rpfleger 1966, 21 (Verurteilung des Oberkreisdirektors statt des Landkreises vertreten durch jenen). 97 OLG Frankfurt Rpfleger 1976, 27 (GmbH-Geschäftsführer). 98 AG Cochem DGVZ 1974, 122; Stein/Jonas/Münzberg § 750 Rdn. 23. 99 § 18 Abs. 4 S. 3 GVGA; ebenso u.a. AG Hannover DGVZ 1974, 121, 122; Schüler DGVZ 1974, 98, 101; Mümmler DGVZ 1970, 85. 100 Im Ergebnis ebenso OLG Oldenburg MDR 1975, 489. 101 So zu Recht Stein/Jonas/Münzberg § 750 Rdn. 23; a.A. wohl OLG Oldenburg MDR 1955, 488, das von einer grundsätzlichen Bindung des Vollstreckungsorgans an die Angaben des Gläubigers ausgeht. 102 MünchKomm/Heßler § 750 Rdn. 19. 103 RGZ 56, 212, 214; OLG Celle NdsRpfl 1953, 163; LG Bielefeld DGVZ 2003, 92; LG Bonn NJW 1974, 1387, 1388; LG Landau DGVZ 1967, 88; MünchKomm/Heßler § 750 Rdn. 20; a.A. LG Essen MDR 1956, 236. 165

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3. Berichtigung und Nachtragsklausel 17 Ist die Parteibezeichnung nicht hinreichend genau, um eine eindeutige Identitätsfeststellung zu ermöglichen, z.B. weil namensgleiche Personen in demselben Haus wohnen,104 bleibt dem Gläubiger als letzte Möglichkeit nur die erneute Klage (s.o. Rdn. 3). Wenn die fehlende Identifizierbarkeit aber nur auf einer offenbaren Unrichtigkeit der vollstreckbaren Ausfertigung, z.B. auf einem den Namen entstellenden Schreibfehler beruht, kann der weniger kosten- und zeitintensive Weg des § 319 beschritten werden. Eine Berichtigung von Titel oder Klausel scheidet jedoch aus, wenn unklar und zweifelhaft ist, für und gegen wen der Titel überhaupt vollstreckbar ist, da dann erst durch „Berichtigung“ die Festlegung der Parteien erfolgen müsste.105 Berichtigung ist aber beispielsweise dann möglich, wenn dieselben Personen nur unter unzutreffender rechtlicher Bezeichnung verurteilt wurden.106 Eine unzulässige Berichtigung ist unschädlich, falls sich die Identität der Parteien bei Nichtbeachtung des Berichtigungsvermerks zweifelsfrei feststellen lässt.107 18 Nach h.M. soll dann, wenn § 319 nicht anwendbar ist, die Möglichkeit gegeben sein, im Wege der Erteilung einer sogenannten Nachtragsklausel analog §§ 724 f.108 oder §§ 727, 731109 einen klarstellenden Vermerk auf der Klausel zur Person der Parteien zu erlangen. Anwendungsbereich und Erteilungsvoraussetzungen der Nachtragsklausel sind jedoch nicht vollständig geklärt. Ausgangspunkt muss sein, dass auf diese Weise nicht das im Rahmen des § 319 geltende Verbot, unklaren Titeln einen für Zwecke des § 750 eindeutigen Inhalt zu geben, unterlaufen werden darf.110 Weiterhin ist davon auszugehen, dass die Analogie dort nicht eingreift, wo die gesetzliche Regelung des § 319 einschlägig ist. Eine Berichtigung ist daher ausgeschlossen, wenn es einen zu berichtigenden Fehler, d.h. eine Abweichung der gerichtlichen Willenserklärung von der gerichtlichen Willensbildung, gar nicht gibt. Ein klarstellender Vermerk ist somit analog § 727 dann möglich, wenn es um eine Ergänzung der Parteibezeichnung geht, z.B. der bürgerliche Name des früheren Firmeninhabers hinzugefügt wird.111 Ein zu berichtigender Fehler liegt andererseits auch nicht bei nachträglichen, d.h. nach Titelerlass entstehenden, Änderungen der Parteienbezeichnung vor. Zu dieser Fallgruppe gehören insbesondere nachträgliche Namens-, Firmen-, und Adressänderungen.112 Auch insoweit ist analog § 727 ein klarstellender Vermerk auf der vollstreckbaren Ausfertigung erteilbar.113 Theoretisch ist erforderlichenfalls auch eine Klage analog § 731 denkbar,114 doch dürften die zum Nachweis erforderlichen Urkunden i.d.R. ohne Weiteres zugänglich sein (z.B. Handelsregisterauszüge gemäß § 9 HGB). 19 Die Erteilung einer Nachtragsklausel wird allerdings in vielen Fällen unnötig sein, da auch die Vollstreckungsorgane zur Identitätsprüfung115 verpflichtet sind und tätig werden müssen, wenn der Gläubiger ausreichende Nachweise für die Identität der im Titel bezeichneten Partei

104 Vgl. die Sachverhalte bei LG Münster Rpfleger 1962, 176; LG Mainz DGVZ 1973, 170. 105 LG Koblenz Rpfleger 1972, 458 (Petermann); HK-ZV/Giers § 750 Rdn. 11; Petermann DGVZ 1976, 84. 106 BGHZ 22, 240, 246 (Berichtigung einer nicht existenten GmbH in OHG); OLG Düsseldorf MDR 1977, 144 (Berichtigung bei umgewandelter OHG in GmbH & Co. KG); OLG Frankfurt MDR 1990, 639 (Berichtigung einer nicht existenten GmbH in GbR). 107 LG Berlin Rpfleger 1973, 31. 108 AG Mönchengladbach MDR 1962, 138. 109 OLG Frankfurt Rpfleger 1973, 64 m.w.N.; Stein/Jonas/Münzberg § 750 Rdn. 28; Thomas/Putzo/Seiler § 750 Rdn. 5; Schüler DGVZ 1982, 65. 110 So zu Recht auch Stein/Jonas/Münzberg § 750 Rdn. 27. 111 OLG Frankfurt Rpfleger 1973, 64; vgl. auch LG Stuttgart MDR 1968, 504. 112 BGH NJW-RR 2011, 1335 (Umfirmierung). 113 OLG Hamburg OLGRspr. 29, 171 (Firmenänderung); LG Kaiserslautern Rpfleger 1953, 527; LG Mannheim Rpfleger 1958, 277 (Namensänderung gem. § 1618 BGB); LG Köln JurBüro 1968, 160; obiter AG Burg/Fehmarn DGVZ 1972, 75 (Adressänderung); AG Krefeld MDR 1977, 762. 114 Stein/Jonas/Münzberg § 750 Rdn. 29. 115 Nicht aber zu eigenen Ermittlungen: vgl. oben Rdn. 7. Bittmann

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mit derjenigen Person, gegen die die Zwangsvollstreckung gerichtet werden soll, vorlegt.116 Dem Gläubiger muss im Sinne effektiver Rechtsverfolgung dennoch stets die Möglichkeit eingeräumt werden, zu erwartende Schwierigkeiten bereits im Vorhinein durch einen klarstellenden Vermerk analog § 727 auszuräumen.117 Das Fehlen einer Nachtragsklausel führt indes lediglich dazu, dass das zuständige Vollstreckungsorgan die Durchführung der Vollstreckung mit der Begründung verweigern kann, diese Identität lasse sich nicht zweifelsfrei feststellen.118

III. Zustellung des Titels 1. Grundsätzliche Voraussetzung für den Vollstreckungsbeginn Abs. 1 S. 1 begründet aus Gründen des rechtlichen Gehörs und zur Warnung des Schuldners das 20 grundsätzliche Erfordernis der Zustellung des Titels,119 die spätestens mit Beginn120 der Zwangsvollstreckung vorzunehmen ist. Der Fall der gleichzeitigen Zustellung kommt allerdings praktisch nur bei der Vollstreckung durch den Gerichtsvollzieher in Frage, da den anderen Vollstreckungsorganen (Vollstreckungsgericht, Prozessgericht, Grundbuchamt) die Zustellung mit dem Vollstreckungsantrag bereits nachgewiesen werden muss. Grundsätzlich ist in dem Vollstreckungsauftrag zugleich der Zustellungsauftrag zu sehen.121 Ist der Titel Urteil, bedarf es auch der Zustellung eines die Vollstreckbarkeit erst herbeiführenden oder modifizierenden Rechtsmittelurteils;122 der Zustellung des Rechtsmittelurteils bedarf es also nicht bei voller Bestätigung der Verurteilung durch die Rechtsmittelinstanz.123 Bei anderen Titeln (z.B. Vollstreckungsbescheiden, wenn das Mahnbescheidsformular nicht ausreicht), müssen auch die Anlagen zugestellt werden, sofern diese den vollstreckungsfähigen Inhalt mitbestimmen.124 Nicht erforderlich ist es, dass die beglaubigte Abschrift des zuzustellenden Vollstreckungsbescheids mit den Hinweisen (insbesondere Rechtsbehelfsbelehrung) versehen ist, die sich auf der Rückseite des amtlichen Vordrucks der für den Antragsgegner vorgesehenen Ausfertigung befinden.125 Von dem Erfordernis der Titelzustellung spätestens mit Beginn der Zwangsvollstreckung gibt 21 es für den Gläubiger verschärfende und erleichternde Ausnahmen, nämlich die Vorgabe von Wartefristen einerseits (s.u. Rdn. 37) und den gänzlichen Verzicht auf die Zustellung als Vollstreckungsvoraussetzung andererseits. Die Zustellung des Titels ist z.B. entbehrlich bei Arrest (§ 929 Abs. 3), einstweiliger Verfügung (§§ 936, 929 Abs. 3), Vorpfändung (§ 845 Abs. 2) und Zwangsvoll-

116 BGH NJW 2017, 2917 (Rechtsform- und Firmenänderung); NZG 2016, 517 (formwechselnde Umwandlung von einer Kapital- oder einer Personenhandelsgesellschaft in eine GbR); NJW-RR 2011, 1335 (Firmenänderung); vgl. ferner LG Braunschweig Rpfleger 1995, 306 (Auszug aus dem Melderegister); LG Frankenthal DGVZ 1997, 75 (Handelsregisterauszug bei Umfirmierung); AG Mönchengladbach MDR 1962, 139 (Namensänderung durch Verheiratung); AG Merzig DGVZ 1975, 13 (Firmenänderung); im Fall des AG Neustadt DGVZ 1995, 155 („Kerl“ statt „Bernd Kerl“) hätte daher keine Titelberichtigung verlangt werden dürfen. 117 H.M.: vgl. OLG Hamburg OLGRspr. 29, 171; OLG Frankfurt Rpfleger 1973, 64; AG Krefeld MDR 1977, 762; Stein/Jonas/ Münzberg § 750 Rdn. 28; a.A. AG Mönchengladbach JurBüro 1963, 714; Aden MDR 1979, 103 (die Vollstreckungsorgane trifft Ermittlungspflicht, sodass es am Rechtsschutzbedürfnis für einen Antrag analog § 727 fehlt). 118 BGH NJW-RR 2011, 1335, 1336. 119 Vgl. für den zwischenstaatlichen Bereich Art. 43 Abs. 1 EuGVVO, § 10 AVAG. 120 Vgl. zum Begriff Fn. 1. 121 LG München I DGVZ 1996, 77. 122 Vgl. MünchKomm/Heßler § 750 Rdn. 70 m.w.N. 123 Vgl. BGH ZEV 2022, 23, 25; WuM 2015, 41, 42; KG JW 1922, 627; fragwürdig daher BGHZ 75, 167: Aus dem Sachverhalt ergibt sich, dass in der Rechtsmittelinstanz die Verurteilung zu Zinseszinsen aufgehoben wurde. 124 OLG Saarbrücken OLGZ 1967, 34, 38; AG Berlin-Wedding DGVZ 1974, 158. 125 Vgl. OLG Karlsruhe NJW-RR 1987, 895; a.A. LG Darmstadt DGVZ 1996, 62. 167

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streckung in das Grundstück gegen den Ersteher (§ 133 ZVG). Ein vorheriger Verzicht des Schuldners auf Zustellung ist unbeachtlich.126 22 Die Vollstreckungsorgane haben vor der Vornahme von Vollstreckungshandlungen von Amts wegen zu prüfen, ob die Zustellung des Titels nach Abs. 1 und gegebenenfalls der Klausel und der Urkunden nach Abs. 2 ordnungsgemäß erfolgt ist,127 und ob ausnahmsweise vorgeschriebene Wartefristen abgelaufen sind. Auch insoweit trifft das Vollstreckungsorgan jedoch keine Ermittlungspflicht, vielmehr muss ihm der Gläubiger die geschehene Zustellung nachweisen, wenn nicht das Vollstreckungsorgan selbst für die Zustellung zuständig ist.128 Falls die Zustellung nicht auf Betreiben der Parteien (§§ 166 ff.) erfolgt, und der Gläubiger 23 deshalb nicht automatisch im Besitz von Zustellungsnachweisen ist, wird er den Nachweis der Zustellung durch den Vermerk nach § 169 oder die Vorlage der Zustellungsurkunde zu erbringen haben.129 Bei Zustellung im Parteibetrieb erfolgt der Nachweis in erster Linie über die Zustellungsurkunde, wobei der Nachweis auch durch andere Beweismittel nicht ausgeschlossen ist.130 Der Nachweis der einmaligen Zustellung des Titels genügt für die gesamte (wiederholte) 24 Zwangsvollstreckung aus demselben Titel, selbst wenn später aus anderen Ausfertigungen vollstreckt wird.131

2. Empfänger der Zustellung 25 Adressat der Zustellung ist entweder der Schuldner oder sein gesetzlicher Vertreter (§ 170 Abs. 1 S. 1).132 Die Zustellung an eine prozessunfähige Person ist gemäß § 170 Abs. 1 S. 2 unwirksam.133 Es genügt aber, dass durch den Schuldner an den Gläubiger zugestellt wurde, da die zustellende Partei mindestens ebenso sichere Kenntnis vom Titel hat, wie wenn ihr selbst zugestellt worden wäre.134 Keine wirksame Zustellung stellt hingegen die vom Schuldner veranlasste Aushändigung einer vollstreckbaren Ausfertigung der von ihm errichteten Urkunde durch den Notar dar. Bei einer Mehrheit von Schuldnern hängt die Notwendigkeit der Zustellung an sie vom materiell-rechtlichen Beteiligungsverhältnis laut Titel ab.135 Ist danach eine Zwangsvollstreckung gegen mehrere Schuldner erforderlich oder begehrt, muss allen Betroffenen zugestellt werden (z.B. bei § 740 Abs. 2 beiden Ehegatten, bei § 747 sämtlichen Erben). Entsprechendes gilt für den Fall, dass neben dem Schuldtitel auch Duldungstitel gegen Dritte erforderlich sind (§§ 737, 743, 745 Abs. 2, 748 Abs. 2) mit der Maßgabe, dass jedem nur der gegen ihn gerichtete Titel zuzustellen ist, nicht also z.B. dem Schuldner auch der Duldungstitel.136 Ist die Vollstreckung gegen einzelne Schuldner möglich und beantragt (z.B. bei Gesamtschuld), muss vor Ausweitung der Vollstreckung auf weitere Schuldner auch an diese zugestellt werden.137 Zur Zustellung an einer GbR vgl. die Kommentierung bei § 736.138

126 127 128 129 130 131 132 133 134 135 136 137 138

S.u. Rdn. 45. Vgl. OLG Frankfurt Rpfleger 1973, 323. OLG Hamm DGVZ 1968, 81. OLG München NJW 2009, 1358, 1360; BayObLG NotBZ 2002, 184; BeckOK/Ulrici § 750 Rdn. 21.1. Vgl. MünchKomm/Heßler § 750 Rdn. 67 m.w.N. RG JW 1890, 372; OLG Hamburg NJW-RR 1986, 1501; Stein/Jonas/Münzberg § 750 Rdn. 37. HK-ZV/Giers/Haas § 750 Rdn. 19. BGH NJW 2014, 937; LG Bielefeld DGVZ 2003, 92. OLG Frankfurt OLGZ 1982, 251 = MDR 1981, 591. S.o. Rdn. 9. Stein/Jonas/Münzberg § 750 Rdn. 38. BFH DStR 1972, 281 (gesamtschuldnerisch haftende Ehegatten). § 736 Rdn. 15.

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War im Erkenntnisverfahren ein erstinstanzlicher Prozessbevollmächtigter bestellt, muss 26 gemäß § 172 an ihn zugestellt werden.139 Wird für die Zwangsvollstreckung ein neuer Prozessbevollmächtigter bestellt, ist § 172 auf diesen anzuwenden.140 Das Vollstreckungsorgan hat jedoch von Amts wegen die Legitimation des Prozessbevollmächtigten zu prüfen,141 und insbesondere ein etwaiges Erlöschen der Vollmacht nach § 87142 zu beachten, wobei der Widerruf schon darin liegen kann, dass die Partei in der Zwangsvollstreckung selbst Prozesshandlungen vornimmt.143 Wird der Schuldner durch rechtskraftfähigen Titel als prozessfähig behandelt, haben die 27 Vollstreckungsorgane dies bis zur etwaigen Aufhebung des Titels auch für Zwecke der Zustellung nach § 750 hinzunehmen. Eine Prüfungspflicht oder -befugnis des Gerichtsvollziehers, ob die Zustellung an den vermeintlich Prozessunfähigen wegen fehlender Prozessfähigkeit gemäß § 170 Abs. 1 S. 2 unwirksam ist, entfällt nur dann, wenn diese Frage (ausdrücklich) durch das Prozessgericht geprüft und entschieden ist,144 nicht bereits dann, wenn die Entscheidungsgründe zu diesem Punkt nicht Stellung nehmen.145 Dies gilt insbesondere dann, wenn ein Minderjähriger nur für Zwecke des Erkenntnisverfahrens (z.B. nach §§ 167 Abs. 3, 275, 316 FamFG) prozessfähig ist146 sowie bei Vollstreckungsbescheiden, da ein stillschweigendes Unterstellen der Prozessfähigkeit hier von vornherein ausscheidet.147 Bei Eintritt der Prozessunfähigkeit nach Ende der letzten mündlichen Verhandlung und bei nicht rechtskraftfähigen Titeln verbleibt es auch für die Zustellung bei der Pflicht der Vollstreckungsorgane zur Prüfung der Prozessfähigkeit als allgemeine Zulässigkeitsvoraussetzung der Zwangsvollstreckung von Amts wegen. Die Zustellung ist dann wegen Verstoßes gegen § 170 Abs. 1 S. 2 unwirksam, die Vollstreckung unzulässig, wenn nicht die wirksame Zustellung an den gesetzlichen Vertreter gelingt oder an einen minderjährigen Schuldner, der gemäß § 112, 113 BGB geschäfts- und prozessfähig ist. Die Annahme oder die Ablehnung des Eingreifens der §§ 112, 113 BGB muss durch das Vollstreckungsorgan daher in solchen Fällen erforderlichenfalls im Erinnerungsverfahren (§ 766) als Vorfrage geprüft werden.148 Eine unwirksame Zustellung an Minderjährige wird nicht allein durch den zwischenzeitlichen Eintritt der Volljährigkeit geheilt, doch kann der Schuldner dann wirksam auf erneute Zustellung und die Einhaltung eventueller Wartefristen verzichten (s.u. Rdn. 45).

3. Zustellungsverfahren Grundsätzlich erfolgt die Zustellung vollstreckungsfähiger Entscheidungen von Amts wegen (vgl. 28 §§ 310 Abs. 3, 317 Abs. 1 S. 1, 329 Abs. 3, 699 Abs. 4 S. 1). Dies reicht – wie sich indirekt Abs. 1 S. 2 Halbs. 1 entnehmen lässt – stets aus, also auch bei verkündungsersetzenden Zustellungen (z.B. gemäß § 310 Abs. 3). Das Zustellungsverfahren richtet sich nach den §§ 166 ff.149 Auf die Kommentierung dieser Normen darf daher im Grundsatz verwiesen werden. Zustellung im Parteibe139 Vgl. LG Köln JurBüro 1990, 916; Schalhorn JurBüro 1971, 596; von einer Bestellung ist bereits dann auszugehen, wenn ein Prozessbevollmächtigter im zuzustellenden Titel aufgeführt ist: BGHZ 61, 308, 311.

140 OLG Zweibrücken Rpfleger 2001, 558; OLG München Rpfleger 1979, 465; LG Trier Rpfleger 1988, 29; Anders/Gehle/ Vogt-Beheim § 172 Rdn. 17; Zöller/Schultzky § 172 Rdn. 17. 141 Das Vollstreckungsorgan darf sich aber grundsätzlich auf die Titelangaben verlassen: LG Berlin DGVZ 1973, 140; iÜ gilt auch hier § 88 Abs. 2. 142 Vgl. zur Anwendbarkeit in der Zwangsvollstreckung OLG München MDR 1958, 927. 143 LG Trier Rpfleger 1988, 29. 144 LG Bonn NJW 1974, 1387, 1388; Kirberger FamRZ 1974, 637; Schneider DGVZ 1989, 145; MünchKomm/Heßler § 750 Rdn. 85. 145 So aber Stein/Jonas/Münzberg § 750 Rdn. 24 m.w.N. 146 AG Wolfratshausen DGVZ 1975, 47. 147 AG Ansbach DGVZ 1994, 93. 148 LG Bonn NJW 1974, 1387, 1388; vgl. zur (zu bejahenden) Streitfrage, ob das Vollstreckungsorgan überhaupt die Voraussetzungen der §§ 112, 113 BGB selbständig feststellen darf Mager DGVZ 1970, 33 und Kirberger FamRZ 1974, 637. 149 Ganz h.M., vgl. nur Musielak/Voit/Lackmann § 750 Rdn. 18; a.A. OLG Dresden MDR 1996, 1184. 169

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trieb (§§ 166 ff.) ist erforderlich bei Titeln, die nicht von Amts wegen zugestellt werden wie z.B. Vergleiche nach § 794 Abs. 1 Nr. 1,150 Urkunden nach § 794 Abs. 1 Nr. 5, Arrestbeschlüsse und einstweilige Verfügungen (§§ 922 Abs. 2, 936) sowie Vollstreckungsbescheide in den Fällen des § 699 Abs. 4 S. 2. Sie kommt aber auch fakultativ im Bereich der Amtszustellung in Betracht (Abs. 1 S. 2), zum Beispiel zum Zwecke der Verfahrensbeschleunigung.151 29 Die Titelzustellung kann erfolgen und ist genügend, auch wenn die Vollstreckungsklausel noch nicht erteilt ist. Bei der Amtszustellung ist dies ohnehin regelmäßig der Fall, aber auch bei der Zustellung durch den Gläubiger ohne weiteres zulässig. Ein von Amts wegen zugestellter Titel muss deshalb auch im Anwendungsbereich des Abs. 3 nicht nochmals zusammen mit der Klausel zugestellt werden. Vielmehr kann auch hier die Klausel einzeln zugestellt werden, um den Lauf der Frist in Gang setzen; Voraussetzung ist lediglich, dass die Beziehung zum Vollstreckungstitel eindeutig klargestellt ist.152 Das Vorliegen der Vollstreckungsklausel ist nur dann erforderlich, wenn durch den Gerichtsvollzieher gleichzeitig zugestellt und mit der sofortigen Mobiliarvollstreckung begonnen werden soll.153 30 Nach Abs. 1 S. 2, Halbs. 2 genügt bei Parteizustellung eine Urteilsausfertigung ohne Tatbestand und Entscheidungsgründe bzw. eine beglaubigte Abschrift, während im Falle der Amtszustellung grundsätzlich (vgl. §§ 313a, 313b) das vollständige Urteil zugestellt werden muss. Abgesehen von den in Abs. 2 genannten Ausnahmen (s.u. Rdn. 31 ff.) bedarf es grundsätzlich nicht der Zustellung weiterer Urkunden, wie z.B. des Hypotheken- oder Grundschuldbriefs bei Titeln nach § 800. Hat indes ein Vertreter die Unterwerfung des Schuldners unter die sofortige Zwangsvollstreckung aus einer Urkunde erklärt, ist die Zwangsvollstreckung nur zulässig, wenn die Vollmacht des Vertreters oder – bei vollmachtlosem Handeln – die Genehmigung von dessen Erklärungen seitens des Vertretenen durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden dem Schuldner zugestellt worden sind oder mit dem Beginn der Vollstreckung zugestellt werden.154

IV. Zustellung von Klausel und Urkunden (Abs. 2) 31 Der Zustellungsnachweis für die Vollstreckungsklausel ist nur in den in Abs. 2 ausdrücklich genannten Fällen der §§ 726 Abs. 1, 727–729, 738, 742, 744, 745 Abs. 2 und 749 Voraussetzung für den Vollstreckungsbeginn. Nicht erfasst ist daher insbesondere der von § 726 Abs. 1 ausgenommene Fall der Abhängigkeit der Zwangsvollstreckung von einer Sicherheitsleistung, für den § 751 Abs. 2 gilt.155 Abs. 2 gilt nach seinem Wortlaut auch nicht für Klauseln, die aufgrund eines Urteils nach § 731 vom Urkundsbeamten gemäß § 724156 erteilt werden. Die Zustellung der Klausel und des Urteils nach § 731 als der Erteilung zugrunde liegender Urkunde ist daher nicht Vollstreckungsvoraussetzung i.S.v. Abs. 2,157 weshalb z.B. der gegen den Schuldner im Verfahren nach § 731 obsiegende Rechtsnachfolger des Gläubigers diesem die auf ihn umgeschriebene vollstreckbare Ausfertigung nicht nochmals zustellen lassen muss, wenn das zu vollstreckende Urteil dem Schuldner vor Umschreibung bereits von Amts wegen (z.B. nach § 317) zugestellt wurde. 32 Abs. 2 gilt dagegen grundsätzlich auch bei analoger Anwendung der dort aufgeführten Vorschriften, so z.B. bei anderen Tatsachen als aufschiebenden Bedingungen oder ungewissen Befristungen i.S.v. § 726 Abs. 1, von deren Bestehen aber in gleicher Weise die Zulässigkeit der 150 151 152 153 154 155 156 157

Vgl. aber OLG Brandenburg NJW-RR 2015, 520. Vgl. Beispiele bei Seip AnwBl. 1977, 235. Vgl. unten Rdn. 33; a.A. Noack DGVZ 1978, 56, 57 und wohl auch Thomas/Putzo/Seiler § 750 Rdn. 18. Vgl. oben Rdn. 20. BGH NJW-RR 2007, 358 f. § 751 Rdn. 1. Vgl. Napierala/Napierala Rpfleger 1989, 493. Musielak/Voit/Lackmann § 750 Rdn. 21; HK-ZV/Giers/Haas § 750 Rdn. 22; a.A. wohl Stein/Jonas/Münzberg § 750 Rdn. 46. Bittmann

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Vollstreckung abhängt.158 Auch bei Klauselerteilung für oder gegen dritte Personen über die gesetzlich angeordnete entsprechende Anwendung des § 726 hinaus (Beispiel: Parteien kraft Amtes) ist Klauselzustellung gemäß Abs. 2 erforderlich. Da dies (Erteilung der Klausel für oder gegen andere Personen als im Titel bezeichnete) bei lediglich klarstellenden sogenannten Nachtragsklauseln gerade nicht zulässig ist,159 erübrigt sich insoweit das Zustellungserfordernis.160 Die Zustellung der Vollstreckungsklausel ist andererseits bei ausländischen Titeln nach § 10 Abs. 1 AVAG stets erforderlich. Da die Vollstreckungsklausel von Amts wegen grundsätzlich nicht zugestellt wird, muss die 33 Zustellung an den Schuldner entweder im Parteibetrieb oder dadurch erfolgen, dass eine von Amts wegen zuzustellende, aber noch nicht zugestellte Entscheidung (denkbar z.B. bei Anwendung des § 317 Abs. 1 S. 3) auf Antrag des Gläubigers oder Rechtsnachfolgers mit der Klausel versehen dem Schuldner zugestellt wird.161 Bei Zustellung auf Betreiben des Gläubigers bzw. Rechtsnachfolgers wird i.d.R. eine beglaubigte Abschrift der mit der Vollstreckungsklausel versehenen vollstreckbaren Ausfertigung des Titels übergeben. Die Zustellung der Klausel kann aber auch einzeln erfolgen, wenn die Vollstreckungsklausel aus sich heraus verständlich, d.h. der Zusammenhang mit dem Titel eindeutig erkennbar ist.162 Unabhängig davon, dass alle erforderlichen Urkunden bis Vollstreckungsbeginn zugestellt sein müssen, gilt das zur Zustellung der Klausel Ausgeführte auch für deren Zustellung, die also ebenfalls grundsätzlich einzeln vorgenommen werden kann.163 Die Zustellung von Urkunden ist Voraussetzung der Zwangsvollstreckung nicht nur unter der 34 in Abs. 2 genannten Voraussetzung, dass die zuzustellende Klausel „aufgrund“ öffentlicher oder öffentlich beglaubigter Urkunden erteilt ist, sondern auch in den Fällen der §§ 751 Abs. 2, 756, 765. Da diese Vorschriften im Gegensatz zu Abs. 2 jedoch nicht an die Klauselerteilung durch den Rechtspfleger anknüpfen, sondern gerade die Fälle des § 726 behandeln, in denen die vollstreckbare Ausfertigung sofort erteilt werden kann, erübrigt sich in ihrem Anwendungsbereich die Zustellung der Klausel, wenn nicht ausnahmsweise auch eine der in Abs. 2 genannten Bestimmungen (zusätzlich) eingreift. An der Voraussetzung der Klauselerteilung „aufgrund“ von Urkunden fehlt es auch dann, wenn die urkundliche Nachweisführung wegen Offenkundigkeit (vgl. § 727 Abs. 2) oder Geständnis des Schuldners entbehrlich war. Eine Zustellung urkundlicher Nachweise scheidet daher in diesen Fällen unter der Voraussetzung aus, dass sich Offenkundigkeit bzw. Schuldnergeständnis aus der Klausel ergeben.164 Gleichlautend in Abs. 2 und § 751 Abs. 2, 756, 765 ist das Erfordernis geregelt, dass eine „Ab- 35 schrift“ der Urkunden zuzustellen ist. Die beglaubigte Abschrift muss den Inhalt der Urkunde vollständig (einschließlich des Beglaubigungsvermerks) wiedergeben.165 Die vorgeschriebene Erwähnung der für die Erteilung maßgeblichen Urkunden in der Klausel rechtfertigt es daher nicht, in den Fällen des Abs. 2 von der Zustellung abzusehen. Auch die Aufnahme des wesentlichen Urkundsinhalts in die Vollstreckungsklausel genügt nicht, sondern nur die vollständige Wiedergabe des Wortlauts der Urkunde macht ihre Zustellung entbehrlich.166 Gesetzlich angeordnete Ausnahmen vom Zustellungserfordernis ergeben sich aus den §§ 799, 800 Abs. 2 und 800a für registrierte Rechte. 158 LG Bonn Rpfleger 1990, 374 (Vollmacht des Schuldners bei Vollstreckungsunterwerfung gemäß § 794 Abs. 1 Nr. 5). 159 Vgl. oben Rdn. 18 f. 160 LG Wuppertal DGVZ 1938, 342; Stein/Jonas/Münzberg § 750 Rdn. 42; Noack MDR 1967, 640; a.A. AG Berlin DGVZ 1937, 57.

161 Vgl. Stein/Jonas/Münzberg § 750 Rdn. 42. 162 Anders/Gehle/Vogt-Beheim § 750 Rdn. 26; a.A. Zöller/Seibel § 750 Rdn. 19. 163 AG Kaiserslautern DGVZ 1990, 74; Anders/Gehle/Vogt-Beheim § 750 Rdn. 27; a.A. wohl Stein/Jonas/Münzberg § 750 Rdn. 43 („wenn möglich gleichzeitig mit der Klausel“). 164 MünchKomm/Heßler § 750 Rdn. 74; Zöller/Seibel § 750 Rdn. 19. 165 Vgl. VGH München NVwZ-RR 2013, 75, 76; OLG Hamm Rpfleger 1994, 173; AG Schöneberg DGVZ 1995, 190. 166 BGH NZG 2013, 33, 34; OLG Frankfurt Rpfleger 1977, 416; LG Berlin JR 1964, 346 = DGVZ 1964, 107; Stein/Jonas/ Münzberg § 750 Rdn. 45; Thomas/Putzo/Seiler § 750 Rdn. 17; Zöller/Seibel § 750 Rdn. 21; Stöber Rpfleger 1966, 22; Stephan Rpfleger 1968, 106; a.A. LG Berlin Rpfleger 1966, 21. 171

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Vollstreckt der Rechtsnachfolger eines Grundpandrechtsgläubigers aus einer notariellen Urkunde, in der sich der Schuldner als Grundstückseigentümer der sofortigen Zwangsvollstreckung unterworfen hat, ist eine Zustellung der die Rechtsnachfolge nachweisenden Urkunden nicht erforderlich, wenn die Rechtsnachfolge des Gläubigers im Grundbuch eingetragen wurde.167 Auch bei Urkunden genügt, falls ausnahmsweise in Betracht kommend,168 Zustellung von Amts wegen. 36 Die Vollstreckungsorgane dürfen die Anwendbarkeit des § 750 Abs. 2 nicht von sich aus dadurch ausschließen oder herbeiführen, dass sie nachprüfen, ob eine Klausel zu Recht oder zu Unrecht als einfache gemäß § 724 oder qualifiziert erteilt wurde. Diese Entscheidung ist allein der klauselerteilenden Stelle vorbehalten, wogegen sich der Betroffene durch Erinnerung (§ 732) zur Wehr setzen kann. Die Vollstreckungsorgane haben daher die Klausel so hinzunehmen wie sie erteilt ist, und können nicht von sich aus die Zustellung von Urkunden verlangen, wenn die Klausel gemäß § 724 erteilt ist,169 oder auf die Zustellung von in der Klausel als Erteilungsgrundlage aufgeführten Urkunden verzichten.170 Da die zum Nachweis benötigten Urkunden in der Vollstreckungsklausel genannt werden müssen, gilt dieser Grundsatz auch für Urkunden, die von der klauselerteilenden Stelle fälschlicherweise nicht in der Klausel erwähnt sind; auch diese Frage ist der Prüfung der Vollstreckungsorgane entzogen, sie müssen und dürfen daher nur die in der Klausel erwähnten Urkunden zustellen.171 Tritt etwa eine Rechtsnachfolge aufgrund Erbfolge ein und ist die qualifizierte Klausel aufgrund einer Erbscheinsausfertigung erteilt worden, muss eine beglaubigte Abschrift hiervon zugestellt werden. Es genügt nicht die Zustellung der Abschrift einer beglaubigten Erbscheinsabschrift.172

V. Wartefristen (Abs. 3) 37 Grundsätzlich kann die Zwangsvollstreckung beginnen,173 sobald die Voraussetzungen des § 750 vorliegen, bei Zwangsvollstreckung durch den Gerichtsvollzieher also gleichzeitig mit Zustellung.174 Wartefristen zwischen Zustellung und Beginn der Zwangsvollstreckung sind nur dann zu beachten, wenn dies ausnahmsweise und ausdrücklich vorgeschrieben ist. Eine Sicherungsvollstreckung nach § 720a darf nach Abs. 3 erst beginnen, wenn Urteil und Klausel mindestens zwei Wochen vorher zugestellt sind. Abgesehen von Abs. 3 enthalten weitere derartige von Amts wegen zu beachtende Ausnahmen (wenn auch aus anderen Gründen) § 798 und vereinzelte Vorschriften außerhalb der ZPO (z.B. § 89 GNotKG, § 254 Abs. 1 S. 1 AO). Die Fristberechnung bestimmt sich nach § 222 i.V.m. §§ 187, 188 BGB. Die Frist ist keine Notfrist i.S.v. § 224 Abs. 1 S. 2, sondern uneigentliche Frist.175 Als gesetzliche Frist kann sie nicht verlängert werden (argumentum e contrario § 224 Abs. 1 S. 1).176 38 Zweck der Zwei-Wochen-Frist des Abs. 3 ist es, dem Schuldner bei Sicherungsvollstreckung Gelegenheit zu geben, seinerseits Sicherheit zur Abwendung der Vollstreckung nach § 720a Abs. 3 zu leisten. Nach dem Wortlaut des Abs. 3 beginnt die Wartefrist erst mit Zustellung von Titel und 167 BGH DGVZ 2019, 34. 168 ZB die Zustellung des Scheidungsurteils als Nachweis des Eintritts einer aufschiebenden Bedingung i.S.v. § 726 Abs. 1 bei Prozessvergleichen in Scheidungssachen (vgl. OLG München Rpfleger 1984, 106). 169 OLG Frankfurt JurBüro 1976, 1122; Stein/Jonas/Münzberg § 750 Rdn. 44; a.A. OLG Frankfurt Rpfleger 1973, 323; LG Bonn Rpfleger 1968, 125. 170 So nunmehr BGH NZG 2019, 1274 f.; NJW 2017, 411, a.A. noch BGH NZG 2013, 33, 34; kritisch hierzu Alff Rpfleger 2013, 183, 186. 171 BGH DGVZ 2019, 34, 36; LG Berlin JW 1939, 181; einschränkend MünchKomm/Heßler § 750 Rdn. 73; Musielak/Voit/ Lackmann § 750 Rdn. 22; wohl auch Stein/Jonas/Münzberg § 750 Rdn. 43, Fn. 198 (Fehler der klauselerteilenden Stelle unschädlich, wenn nicht erwähnte Urkunde tatsächlich zugestellt ist). 172 AG/LG Aachen Rpfleger 1990, 520; MünchKomm/Heßler § 750 Rdn. 73. 173 Vgl. zum Begriff Fn. 1. 174 S.o. Rdn. 20. 175 Also keine solche zur Vornahme einer Prozesshandlung oder zur Vorbereitung auf einen Termin. 176 Vgl. LG Itzehoe MDR 1974, 1024 (zu § 798). Bittmann

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Klausel zu laufen. Das gilt nach zutreffender Ansicht jedoch nur für qualifizierte Klauseln i.S.v. §§ 726 ff., nicht jedoch für einfache Klauseln. Die mit der Regelung des § 750 Abs. 3 dem Gläubiger auferlegte Wartefrist von zwei Wochen rechtfertigt sich mit Blick auf die besondere Vollstreckungsbedingung des § 751 Abs. 2, von der der Gläubiger befreit ist, und die dem Schuldner Gelegenheit geben soll, die nach § 720a Abs. 1 und Abs. 2 auch ohne Sicherheitsleistung durch den Gläubiger statthafte Sicherungsvollstreckung abzuwenden. Der Wortlaut von § 750 Abs. 3 erklärt sich daraus, dass die Norm nicht isoliert zu betrachten ist, sondern im Zusammenhang mit § 750 Abs. 1 und Abs. 2 steht. Diese Auslegung entspricht darüber hinaus dem Sinn und Zweck des § 720a, der dem in erster Instanz obsiegenden Gläubiger die Durchsetzung des vorläufig vollstreckbaren Urteils erleichtern soll.177

VI. Verstöße und Rechtsbehelfe 1. Grundsatz der Anfechtbarkeit Das Fehlen von Vollstreckungsvoraussetzungen des § 750 (namentliche Parteibezeichnung, Zustel- 39 lung des Titels oder gegebenenfalls auch der Klausel und weiterer Urkunden, Einhaltung der Wartefrist des Abs. 3) führt zur Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung. Dennoch vorgenommene Vollstreckungsmaßnahmen sind fehlerhaft. Die Fehlerhaftigkeit führt bei Vollstreckungsakten jedoch nur ausnahmsweise, nämlich bei grundlegenden und schweren Mängeln, zur Nichtigkeit; grundsätzlich ist der fehlerhafte Vollstreckungsakt nur (regelmäßig nach § 766) anfechtbar und bleibt bis zur Aufhebung (regelmäßig infolge eines Rechtsbehelfs) wirksam.178 Außerdem steht einer Aufhebung eine zwischenzeitliche Heilung des Mangels entgegen.179 Diese allgemeinen Grundsätze gelten unter Berücksichtigung bestimmter Ausnahmen auch 40 bei Verstößen gegen die Vollstreckungsvoraussetzungen des § 750. Sie gelten insbesondere für Vollstreckungsakte, die vorgenommen werden, obwohl eine erforderliche Zustellung fehlt oder nicht ordnungsgemäß durchgeführt wurde. Derartige Akte sind bis zur Aufhebung wirksam, begründen also Verstrickung, Pfandrecht, Überweisung nach §§ 829, 835 etc, und dürfen nur dann auf Vollstreckungserinnerung (§ 766) hin aufgehoben werden, wenn nicht zwischenzeitlich Heilung z.B. durch nachträgliche Zustellung oder gemäß § 189180 eingetreten ist.181 Heilung bedeutet hier den Übergang von „schwebender Wirksamkeit“182 zu unbedingter Wirksamkeit, was nicht nur Schuldner,183 sondern auch Dritte184 und Insolvenzverwalter185 selbst dann gegen sich gelten lassen müssen, wenn die Heilung nach Einleitung des Erinnerungsverfahrens nach § 766 erfolgt.186 177 BGH Rpfleger 2005, 547; LG Frankfurt Rpfleger 1982, 296; LG Verden MDR 1985, 330; LG Münster JurBüro 1986, 939; Zöller/Seibel § 750 Rdn. 23; Musielak/Voit/Lackmann § 750 Rdn. 23; a.A. KG Rpfleger 1988, 359; OLG Schleswig NJWRR 1988, 700; OLG Hamm Rpfleger 1989, 378; OLG Karlsruhe Rpfleger 1991, 51; OLG Düsseldorf DGVZ 1997, 42; LG Göttingen DGVZ 1995, 73; HK-ZV/Giers/Haas § 750 Rdn. 23. 178 Vgl. Thomas/Putzo/Seiler Vorbem § 704 Rdn. 57 ff. 179 BGH NZG 2013, 33, 34; NJW-RR 2010, 1100, 1102; NJW-RR 2008, 1018, 1019; BGHZ 66, 79, 82; OLG Hamm NJW 1974, 1516; laut OLG Hamburg MDR 1974, 321 (zu § 751 Abs. 2) gilt dies auch für den Zeitraum bis zur Heilung, die Heilung hat somit auch rückwirkenden Effekt. 180 Vgl. LG Berlin DGVZ 1964, 185; Bähr KTS 1969, 1. 181 Vgl. BGHZ 66, 79 = NJW 1976, 851. 182 Vgl. zum Begriff Blomeyer VV § 41 III 5. 183 RGZ 25, 368. 184 RG JW 1891, 552 und SeuffArch. 49, 222 (Drittschuldner); vgl. zur Streitfrage, ob die Heilung einer zunächst fehlerhaften Pfändung für Zwecke der §§ 804 Abs. 3, 878 mit ex-nunc-Wirkung gegenüber konkurrierenden Gläubigern erfolgt: § 878 Rdn. 31. 185 LG München I NJW 1962, 2306 = KTS 1963, 122 (nachträgliche Zustellung an Konkursverwalter); a.A. Behr DGVZ 1977, 49, 55. 186 § 766 Rdn. 84. 173

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Ein völlig anders geartetes System von Rechtsfolgen greift dagegen bei Missachtung von Wartefristen ein. Auch hier ist der Vollstreckungsakt zwar nicht nichtig, sondern heilbar, bringt jedoch zunächst ein Pfändungspfandrecht im Hinblick auf den Verbotscharakter des Gesetzes („darf nur“) nicht zur Entstehung.187 Da die nachträgliche Zustellung ein leerer Formalismus wäre, erstarkt die Pfändung jedoch bedingungslos mit Ablauf der Wartefrist, und verschafft auch von diesem Zeitpunkt an dem Pfandrecht den Rang gegenüber Rechten Dritter.188 Die vorzeitige Pfändung ist zwar demnach bis zur Heilung anfechtbar, eine Vollstreckungserinnerung wird jedoch automatisch durch Ablauf der Wartefrist unbegründet.189 Diese zu § 798 entwickelten Regeln gelten auch für die Wartefrist nach Abs. 3.190 42 Wird gegen das Gebot der genauen Parteibezeichnung verstoßen, ist wie folgt zu unterscheiden: Der in der vollstreckbaren Ausfertigung zu Unrecht als Partei namentlich Bezeichnete kann keinen Verstoß gegen Abs. 1 S. 1 durch Vollstreckungserinnerung rügen, sondern muss nach § 732 oder § 768 vorgehen.191 Wird aufgrund eines Titels ohne namentliche Parteibezeichnung vollstreckt, dürfte i.d.R. von einem schwerwiegenden, zur Nichtigkeit führenden Mangel des Vollstreckungsakts auszugehen sein. Bei unklarer oder lückenhafter Bezeichnung sind dagegen die allgemeinen Grundsätze ebenso wie bei Verstößen gegen Zustellungserfordernisse anwendbar. Der Vollstreckungsakt ist zunächst wirksam und seine Aufhebbarkeit (Anfechtbarkeit) kann durch Heilung, z.B. nachträgliche Beseitigung von Ungenauigkeiten bei der Parteibezeichnung, beseitigt werden.192 41

2. Anfechtungsbefugnis 43 Anfechtungsbefugt sind diejenigen, die i.S.v. § 766193 beschwert sind, also der Schuldner, der Insolvenzverwalter des Schuldnervermögens zur Abwehr von Absonderungsrechten, Drittschuldner, nachstehende Pfandgläubiger und spätere Eigentümer einer gepfändeten Sache.194 44 Die Vollstreckungserinnerung kann auch hier mit Rechtsbehelfen zur Geltendmachung materiell-rechtlicher Einwendungen (z.B. § 771 bei Vollstreckung in das Vermögen eines Dritten infolge unklarer Parteibezeichnung) konkurrieren. Nach Beendigung der Vollstreckung können Verstöße gegen § 750 als solche Bereicherungsansprüche des Schuldners gegen den Gläubiger nicht begründen. Hier kommt es allein auf den materiell-rechtlichen Bestand des Anspruchs an.195 Aus demselben Grund scheiden auch Amtshaftungsansprüche wegen verfrühter Vollstreckung aus, da der Schuldner in der Hauptsache lediglich leistet, wozu er ohnehin verpflichtet ist, sodass ihm insoweit kein Schaden entstehen kann.196 Das gilt auch für die Kosten der Zwangsvollstreckung, da diese ohnehin der Gläubiger nach § 788 Abs. 1 S. 1 zu tragen hat, wenn der Schuldner freiwillig geleistet hätte, falls erst zum zulässigen Zeitpunkt vollstreckt worden wäre;197 andernfalls treffen den Schuldner Kosten, die ihm auch bei nicht vorzeitiger Vollstreckung entstanden wären.

187 RGZ 125, 286, 287; OLG Hamm NJW-RR 1998, 87, 88. 188 H.M. seit RGZ 125, 286, 288 f.; einschränkend für den Fall, dass der Schuldner seine Sicherheit nach § 720a Abs. 3 innerhalb der First noch rechtzeitig leistet: OLG Hamm NJW-RR 1998, 87, 88. 189 Vgl. OLG Hamm OLGZ 1974, 314 = NJW 1974, 1516 = Rpfleger 1974, 204. 190 Noack DGVZ 1977, 33, 35; a.A. Stein/Jonas/Münzberg § 750 Rdn. 13 (Rangverschaffung nicht erst mit Fristablauf). 191 OLG Hamm FamRZ 1981, 199 m.w.N.; evtl. a.A. BGH JZ 1978, 263 = Rpfleger 1978, 307. 192 Vgl. BGHZ 30, 173, 175. 193 Vgl. dort Rdn. 59 ff. 194 RGZ 20, 433, 436. 195 OLG Hamburg MDR 1961, 329; Schulz AcP 105 (1909), 424 f. 196 A.A. Stein/Jonas/Münzberg § 750 Rdn. 17. 197 Vgl. LG Bonn DGVZ 1981, 155 (zu § 798). Bittmann

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3. Verzicht auf Befolgung Ob und wie weitgehend ein Verzicht auf die Vollstreckungsvoraussetzungen des § 750 möglich ist, 45 ist nicht abschließend geklärt. Die frühere Rechtsprechung nahm mit Hinweis auf die zwingende Natur der Vorschriften über den Vollstreckungsbeginn198 eine restriktive Haltung ein.199 Für die Gewinnung einer sachgerechten Lösung muss man davon ausgehen, dass die Zwangsvollstreckung Ausübung des staatlichen Gewaltmonopols ist, deren Voraussetzungen auch dann nicht durch Parteivereinbarung modifiziert werden können, wenn die hoheitlichen Befugnisse der Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche dienen.200 Ein vorheriger Verzicht auf die Einhaltung der Vollstreckungsvoraussetzungen des § 750 würde demnach auf eine unzulässige vollstreckungserweiternde Abrede201 hinauslaufen.202 Anders verhält es sich ab dem Zeitpunkt, zu dem der Vollstreckungsakt abgeschlossen ist, da dann Parteiabreden nicht mehr in das Verhalten der Vollstreckungsorgane bei Ausübung hoheitlicher Befugnisse einwirken können. Abgesehen von dem Ausnahmefall der Nichtigkeit, wird man es insoweit den Parteien überlassen können, eigenständige Folgerungen aus der Fehlerhaftigkeit des bereits erfolgten Vollstreckungsaktes zu ziehen, da die Bestimmungen der ZPO nicht Selbstzweck, sondern auf eine schnelle und zweckmäßige Erledigung des Rechtsstreits gerichtet sind.203 Der h.M.204 ist daher zuzustimmen, wenn sie den vorherigen Verzicht auf Zustellung für 46 unbeachtlich hält.205 Ist unter Missachtung von Zustellungserfordernissen nach Abs. 1 und/oder Abs. 2 vollstreckt worden, kann der Schuldner den Vollstreckungsfehler aber im Nachhinein durch Rügeverzicht heilen; sein zu Beginn der Vornahme der Vollstreckungshandlung erklärter Verzicht ist andererseits ebenfalls unbeachtlich, da das Vollstreckungsorgan von Amts wegen die zwingenden Voraussetzungen des § 750 zu beachten hat.206 Ein Vollstreckungsauftrag an den Gerichtsvollzieher dergestalt, in erster Linie eine unzulässige sofortige Vollstreckung zu versuchen, und nur hilfsweise, für den Fall der Weigerung des Schuldners, erforderliche Zustellungen vorzunehmen oder Wartefristen einzuhalten, ist daher schon im Hinblick auf das Fehlen strafrechtlichen Schutzes für den Gerichtsvollzieher207 von diesem abzulehnen.208 Die für Zustellungsmängel geltenden Regeln sind auch sonst für die Einhaltung der Wartefristen einschlägig; das bedeutet insbesondere, dass der Schuldner bei einem Verstoß den Mangel (nur) im Nachhinein durch Verzicht heilen kann, was jedoch von geringer praktischer Bedeutung ist, da Heilung ohnehin automatisch mit Fristablauf eintritt.209 Auch wenn ein Vollstreckungsakt wegen unklarer oder lückenhafter Bezeichnung des 47 Schuldners anfechtbar ist, wird die Möglichkeit eines Verzichts auf die Beanstandung oder Behebung der Ungenauigkeit in Erwägung gezogen.210 Für die Heilung eines derartigen Mangels durch Verzicht dürfte indessen kein Raum sein. Falls trotz ungenauer Bezeichnung „zufällig“ gegen die 198 199 200 201 202 203 204

Vgl. dazu z.B. OLG Frankfurt Rpfleger 1977, 416. Vgl. z.B. RGZ 83, 336, 339 (zu § 798); ähnlich Furtner MDR 1964, 460. Vgl. dazu grundlegend RGZ 128, 85; OLG Hamm MDR 1968, 334. Vgl. dazu Gaul/Schilken/Becker-Eberhard § 33 Rdn. 23. MünchKomm/Heßler § 750 Rdn. 86; Musielak/Voit/Lackmann § 750 Rdn. 15. Vgl. BGHZ 10, 359. Vgl. z.B. Gutachten des KG, mitgeteilt in DGVZ 1962, 5; LG Flensburg Rpfleger 1960, 303; Stein/Jonas/Münzberg § 750 Rdn. 9; Thomas/Putzo/Seiler § 750 Rdn. 1 sowie Schilken DGVZ 1997, 81 ff. für vollstreckbare Urkunden. 205 MünchKomm/Heßler § 750 Rdn. 86; Musielak/Voit/Lackmann § 750 Rdn. 15; HK-ZV/Giers/Haas § 750 Rdn. 15; a.A. LG Ellwangen Rpfleger 1966, 145; AG Montabaur DGVZ 1975, 92; Zöller/Seibel § 750 Rdn. 22, Berner Rpfleger 1966, 134; Emmerich ZZP 82 (1969), 425. 206 Insoweit a.A. Stein/Jonas/Münzberg § 750 Rdn. 8 f. 207 Vgl. dazu KG DGVZ 1975, 57. 208 Vgl. Schilken DGVZ 1997, 81, 85; a.A. Stein/Jonas/Münzberg § 750 Rdn. 10. 209 Vgl. oben Rdn. 41; u.U. kommt es aber im Verhältnis zu konkurrierenden Gläubigern auf den früheren Zeitpunkt der Heilung kraft Verzichts an: OLG Naumburg OLGRspr. 13, 195 (zu § 798). 210 Stein/Jonas/Münzberg § 750 Rdn. 8. 175

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Achtes Buch – Zwangsvollstreckung

richtige Person vollstreckt wurde, liegt in deren Einverständnis mit der Zwangsvollstreckung regelmäßig bereits eine nachträgliche Beseitigung von Zweifeln bei der Parteibezeichnung, die für sich genommen den Mangel heilt (s.o. Rdn. 42). Wurde jedoch gegen die falsche Person vollstreckt, liegt trotz deren Einverständnis eine unzulässige Vollstreckung gegen Dritte vor.211 48 Ein demnach unter gewissen Umständen möglicher Verzicht des Schuldners kann in allen im Rahmen der Anwendung des § 295 anerkannten Formen erfolgen, insbesondere auch stillschweigend durch schlüssiges Verhalten. Das bloße Unterlassen der Beanstandung ist aber nur dann einem Verzicht gleichzustellen, wenn eine fakultative mündliche Verhandlung anlässlich des Erinnerungsverfahrens (§ 766) stattfindet.212

§ 751 Bedingungen für Vollstreckungsbeginn (1) Ist die Geltendmachung des Anspruchs von dem Eintritt eines Kalendertages abhängig, so darf die Zwangsvollstreckung nur beginnen, wenn der Kalendertag abgelaufen ist. (2) Hängt die Vollstreckung von einer dem Gläubiger obliegenden Sicherheitsleistung ab, so darf mit der Zwangsvollstreckung nur begonnen oder sie nur fortgesetzt werden, wenn die Sicherheitsleistung durch eine öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunde nachgewiesen und eine Abschrift dieser Urkunde bereits zugestellt ist oder gleichzeitig zugestellt wird. § 48 GVGA Abhängigkeit der Zwangsvollstreckung von einer Sicherheitsleistung des Gläubigers (§ 751 Abs. 2, § 752 ZPO) (1) Ist die Zwangsvollstreckung von einer Sicherheitsleistung des Gläubigers abhängig und beabsichtigt dieser nur wegen eines bezifferten oder ohne weiteres bezifferbaren Teilbetrages einer Geldforderung zu vollstrecken, so hat er die entsprechende Teilsicherheitsleistung nachzuweisen. Der Gerichtsvollzieher prüft, ob die geleistete Teilsicherheit für die beantragte Teilvollstreckung ausreicht, andernfalls führt er die Teilvollstreckung nur in der Höhe aus, die der Teilsicherheit entspricht. Bei der Berechnung ist von der in dem Urteil angegebenen Gesamtsicherheit (auch bei weiteren Teilvollstreckungen) und von dem Gesamtbetrag der Vollstreckungsforderung zur Zeit der Auftragserteilung, der sich aus der von dem Gläubiger vorzulegenden Forderungsaufstellung ergibt, auszugehen. Der Gläubiger kann mehrfach Teilvollstreckung bei Nachweis weiterer Teilsicherheiten verlangen. Ist bei einer Verurteilung zu verschiedenartigen Leistungen die Gesamtsicherheit für die Geldleistung nicht gesondert ausgewiesen, kommt eine Teilvollstreckung gegen Teilsicherheitsleistung nicht in Betracht. Die Höhe des zulässigen Betrages für eine Teilvollstreckung errechnet sich wie folgt: Teilsicherheitsleistung × Gesamtbetrag der zu vollstreckenden Forderung Gesamtsicherheitsleistung Die Höhe einer Teilsicherheitsleistung kann wie folgt errechnet werden: Zu vollstreckender Teilbetrag × Gesamtsicherheitsleistung Gesamtbetrag der zu vollstreckenden Forderung Soweit der Gerichtsvollzieher die Teilvollstreckung durchführt, vermerkt er dies zusammen mit Art, Höhe und Datum der geleisteten Sicherheit und – bei der ersten Teilvollstreckung – mit dem Gesamtbetrag der zu vollstreckenden Forderung auf dem Titel. Eine Teilvollstreckung ist auch bei einer entsprechenden Gegensicherheitsleistung des Gläubigers im Falle des § 711 Satz 1 ZPO möglich.

211 S.o. Rdn. 5. 212 Vgl. OLG Saarbrücken OLGZ 1967, 34, 38; weitergehend Stein/Jonas/Münzberg § 750 Rdn. 10: Unterlassen auch dann beachtlich, wenn Erinnerungsverfahren ohne mündliche Verhandlung endet, und der Schuldner den Mangel nicht gerügt hat. Bittmann https://doi.org/10.1515/9783110443158-030

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(2) Von dem Nachweis der Sicherheitsleistung hat der Gerichtsvollzieher abzusehen: 1. wenn die Entscheidung rechtskräftig geworden ist und der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle dies auf dem Schuldtitel bescheinigt hat, 2. wenn ihm ein vorläufig vollstreckbares Berufungsurteil gegen das Urteil erster Instanz vorgelegt wird (§ 708 Nummer 10 ZPO), 3. wenn ihm die Entscheidung eines Gerichts vorgelegt wird, durch die gemäß §§ 537, 558 und 718 ZPO die vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung angeordnet worden ist, 4. wenn die Sicherungsvollstreckung betrieben wird (§§ 720a, 795 Satz 2 ZPO).

Schrifttum Baer Die Rechtsgrundlage der Vorratspfändung, NJW 1962, 547; Berner Dauerpfändungen und Vorzugs-(Vorrats-)Pfändungen, Rpfleger 1962, 237; Jakobs Vorläufige Vollstreckbarkeit gegen Sicherheitsleistung und Prozeßbürgschaft, DGVZ 1973, 107, 129; Christmann Arrestvollziehung gegen Sicherheitsleistung, DGVZ 1993, 109; Kotzur Zum Nachweis der als Sicherheitsleistung erbrachten Bankbürgschaft in der Zwangsvollstreckung, DGVZ 1990, 65; Mayer Sicherheitsleistung durch Bankbürgschaft im Zivilprozess (2009); Noack Prozeßbürgschaft als Sicherheitsleistung und für Zwangsvollstreckung, MDR 1972, 287; E. Schneider Sicherheitsleistung durch Prozessbürgschaft, MDR 1969, 487; Thönnissen Die Sicherheitsleistung durch Bankbürgschaft im Bereich der vorläufigen Vollstreckbarkeit, Dissertation Bonn (2000); Vogel Schutzschriften im Zwangsvollstreckungsverfahren? NJW 1997, 554.

Übersicht I.

Allgemeines

II.

III.

1

Eintritt eines bestimmten Kalendertags 4 (Abs. 1)

1. 2. 3. 4.

8 Zweck und Anwendungsbereich 10 Nachweis der Sicherheitsleistung 14 Zustellung der Nachweisurkunden Auswirkung der Rechtskraft des Urteils

Sicherheitsleistung (Abs. 2)

IV.

Verstöße und Rechtsbehelfe

16

17

I. Allgemeines Die Vorschrift deckt zusammen mit den §§ 756, 765 die Fälle ab, die vom Anwendungsbereich des 1 § 726 in dem Sinne ausgenommen sind, dass trotz „gehemmter“ Durchsetzbarkeit bzw. Vollstreckbarkeit des Anspruchs die Klausel sofort erteilt und nicht von Nachweisen der Beseitigung des Grundes für die Hemmung abhängig gemacht wird.1 § 726 Abs. 1 gilt nur für den Eintritt von Tatsachen, die nicht im Eintritt eines bestimmten Kalendertages (dann gilt § 751 Abs. 1) oder einer dem Gläubiger obliegenden Sicherheitsleistung (dann gilt § 751 Abs. 2) bestehen, § 726 Abs. 2 gilt nicht bei Zug-um-Zug-Titeln, die den Schuldner zu einer anderen Leistung als der Abgabe einer Willenserklärung verpflichten (dann gelten §§ 756, 765).2 Gemeinsamer Zweck der §§ 751, 756, 765 ist daher, dass auf Ebene der Vollstreckung sichergestellt wird, was infolge sofortiger Erteilung auf Ebene des Klauselerteilungsverfahrens nicht möglich ist, nämlich die Verhinderung eines vorzeitigen Beginns der Zwangsvollstreckung. Das Vollstreckungsorgan muss daher selbständig von Amts wegen prüfen, ob die jeweiligen besonderen Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung (Ablauf des bestimmten Kalendertags nach § 751 Abs. 1, Sicherheitsleistung nach § 751 Abs. 2, Befriedigung oder Annahmeverzug des Schuldners nach §§ 756, 765) vorliegen.

1 Bei der Vollstreckung ausländischer Titel wird die Frage der Sicherheitsleistung als Vollstreckungsvoraussetzung hingegen bereits auf der Ebene des Klauselerteilungsverfahrens geklärt: § 7 AVAG. 2 Auch bei Urteilen auf Leistung nach Empfang der Gegenleistung ist die Klausel sofort zu erteilen: OLG Karlsruhe MDR 1975, 938. 177

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Im Anwendungsbereich des § 751 erfolgt die Sicherstellung der Verhinderung eines vorzeitigen Vollstreckungsbeginns dadurch, dass einerseits durch Abs. 1 die dem materiellen Recht zuzuordnende Fälligkeit des Anspruchs als formelle Vollstreckungsbedingung ausgestaltet wird.3 Als formelle Vollstreckungsvoraussetzung ist andererseits auch die Sicherheitsleistung des Gläubigers anzusehen; dabei ist aber zu beachten dass sie rein prozessualer Natur ist, und auch durch Abs. 2 nicht zu einer Bedingung des zu vollstreckenden Anspruchs selbst wird.4 § 751 gilt für die Zwangsvollstreckung aus allen Titeln und ist von allen Vollstreckungsorganen 3 zu beachten.5 2

II. Eintritt eines bestimmten Kalendertags (Abs. 1) 4 Der Kalendertag muss vor Beginn der Zwangsvollstreckung abgelaufen sein. Vollstreckung ist also frühestens am darauffolgenden Tag möglich. Dies spielt insbesondere eine Rolle bei Verurteilung auf künftige bzw. fortlaufende Leistungen gemäß §§ 257–259, bei bedingter Verurteilung mit Fristsetzung gem. § 510b, bei Räumungsfristen gemäß §§ 721, 794a sowie bei vergleichsweise (Beispiel: Ratenzahlungsvergleich) oder in vollstreckbaren Urkunden vereinbarter Fälligkeit (§ 794 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 5). Ein Kalendertag ist entweder bestimmt nach dem Kalender bezeichnet („11. Mai 2022“) oder 5 wenigstens allein mit Hilfe des Kalenders bestimmbar (z.B. „Monatsultimo“, „Ende der 21. KW 2021“, „10 Tage nach Pfingsten 2022“). Fällt der letzte Tag der Frist auf einen Samstag, Sonntag oder Feiertag, ist nach zutreffender Ansicht eine Friststreckung gemäß § 193 BGB grundsätzlich zu beachten,6 diese kann aber z.B. im Rahmen einer im Prozessvergleich vereinbarten Fälligkeit abbedungen werden. Die Geltendmachung des Anspruchs ist nicht kalendermäßig bestimmt i.S.v. Abs. 1, wenn der betreffende Tag sich nur mit anderen Hilfsmitteln außer dem Kalender, z.B. den Prozessakten, bestimmen lässt. In diesem Fall scheidet eine sofortige Klauselerteilung aus, § 726 Abs. 1 findet Anwendung. Eine Fristberechnung kann vom Vollstreckungsorgan aber dann erwartet werden, wenn der Fristbeginn mit der Titelzustellung zusammenfällt, da dann für die Bestimmung des Zeitpunkts des Vollstreckungsbeginns nichts anderes gilt als bei Wartefristen nach §§ 750 Abs. 3, 798, 798a, die die Vollstreckungsorgane auch selbständig und von Amts wegen zu beachten haben.7 Eine Gleichstellung mit kalendermäßigen Fristen ist in diesem Fall also ausnahmsweise geboten.8 Es gilt grundsätzlich die sofortige Fälligkeit i.S.v. § 271 Abs. 1 BGB, wenn sich dem Titel nichts anderes entnehmen lässt. Hieran ist das Vollstreckungsorgan gebunden.9 Abs. 1 der Vorschrift gilt im Übrigen auch für den Fall, dass sich die Fälligkeit auf eine bestimmte Tageszeit bezieht; die Vollstreckung darf dann erst beginnen, wenn die bestimmte Stunde abgelaufen ist. Die Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung ändert nichts daran, dass die Vereinbarung in einer notariellen Urkunde zur Zahlung von Darlehensraten an kalendermäßig bestimmten Daten, unter § 751 Abs. 1 fällt.10

3 Fälle des Vollstreckungsaufschubs bereits fälliger Ansprüche (Beispiele: §§ 721, 765a, 750 Abs. 3, 798, 798a) unterfallen dagegen nicht dem Anwendungsbereich von Abs. 1, auch wenn die Auswirkungen vergleichbar sind: Der Ablauf einer mit Hilfe des Kalenders bestimmbaren Frist ist vom Vollstreckungsorgan von Amts wegen zu beachten. 4 Vgl. OLG Hamm DGVZ 1976, 117 = Rpfleger 1975, 261 = NJW 1975, 2025 (Leitsatz). 5 Zur Anwendbarkeit auf die Eintragung einer Vormerkung auf der Grundlage des § 895 S. 1 ZPO vgl. OLG Schleswig NJW-RR 2010, 1103; zur Anwendbarkeit auf die Vollstreckbarerklärung eines Schiedsspruchs nach § 1060 vgl. OLG Naumburg NJOZ 2010, 2127, 2128. 6 Stein/Jonas/Münzberg § 751 Rdn. 2; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard § 22 Rdn. 30; a.A. Zöller/Seibel § 751 Rdn. 2. 7 Vgl. § 750 Rdn. 37. 8 Stein/Jonas/Münzberg § 751 Rdn. 3. 9 MünchKomm/Heßler § 751 Rdn. 11. 10 MünchKomm/Heßler § 751 Rdn. 10; a.A. LG Wiesbaden Rpfleger 1987, 118 mit ablehnender Anmerkung von MeyerStolte Rpfleger 1987, 118; Gottwald/Mock § 751 Rdn. 4. Bittmann

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Eine gesetzliche Ausnahme von Abs. 1 stellt die Möglichkeit der Vorratspfändung nach § 850d 6 Abs. 3 dar, da bei bestimmten Unterhaltsansprüchen und Renten mit der Pfändung wegen bereits fälliger Ansprüche auch künftig fällig werdendes Arbeitseinkommen wegen noch nicht fälliger Ansprüche gepfändet werden kann. Eine Ausdehnung des Anwendungsbereichs dieser Vorschrift kraft analoger Anwendung im Sinne rangwahrender Vorauspfändung ist weder hinsichtlich des Pfändungsgegenstands11 noch hinsichtlich der vollstreckbaren Ansprüche möglich.12 Zulässig ist allerdings eine nicht rangwahrende Vorauspfändung („Dauerpfändung“) von For- 7 derungen und Rechten13 dergestalt, dass sie aufgrund eines bereits fälligen Teilanspruchs14 und aufschiebend bedingt in der Weise erfolgt, dass sie jeweils mit dem auf den Fälligkeitszeitpunkt folgenden Tag und in der entsprechenden Höhe wirksam wird.15 Zwischenzeitliche Verfügungen des Schuldners bleiben daher möglich, Pfändungen Dritter erhalten gemäß § 804 Abs. 3 Vorrang.16 Pfändungsgegenstand können unter diesen Voraussetzungen nicht nur wiederkehrende Leistungen, sondern auch Ansprüche auf eine einmalige – teilbare – Leistung sein.17 Auch die Dauerpfändung eines Nachlassanteils ist möglich,18 da Miterben gemäß § 2033 Abs. 1 BGB auch über Bruchteile davon verfügen können.19

III. Sicherheitsleistung (Abs. 2) 1. Zweck und Anwendungsbereich Solange eine vom Gläubiger zu erbringende Sicherheit nicht geleistet ist, darf die Zwangsvollstre- 8 ckung nicht beginnen. Eine Ausnahme gilt nur für die Sicherungsvollstreckung nach § 720a. Ohne (geeignete) Sicherheitsleistung durchgeführte Pfändungen können daher als Sicherungsvollstreckung aufrechterhalten werden, sofern auch die sonstigen Voraussetzungen des § 750 Abs. 3 vorliegen.20 Für alle anderen Fälle einer vom Gläubiger zu erbringenden Sicherheit regelt Abs. 2 die von den Vollstreckungsorganen vor Beginn der Vollstreckung selbständig festzustellenden Voraussetzungen, deren Erfüllung eine Vollstreckung ohne Sicherheitsleistung verhindern soll. Abs. 2 gilt hingegen nicht für vom Vollstreckungsschuldner zur Abwendung der Zwangsvollstreckung erbrachte Sicherheitsleistungen, etwa nach §§ 711, 712 oder 720a. Die Zwangsvollstreckung darf daher vor Erfüllung der Voraussetzungen des Abs. 2 weder in 9 den Fällen der §§ 707 Abs. 1 S. 1, 709 S. 1, 712 Abs. 2 S. 2 noch in den Fällen der §§ 711 S. 1, 720a Abs. 3, wenn der Schuldner noch vor Vollstreckungsbeginn Sicherheit geleistet und in gehöriger Form (vgl. § 775 Nr. 3) nachgewiesen hat, begonnen werden. Die Zwangsvollstreckung darf im Fall des § 709 S. 3 vor Erfüllung der Voraussetzungen des Abs. 2 nicht fortgesetzt werden; dasselbe gilt dann, wenn die Sicherungsvollstreckung über die Pfändung hinaus erstreckt werden soll (§ 720a 11 Vgl. z.B. LG Hannover JurBüro 1967, 463 (Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit). 12 H.M.: OLG Celle NdsRpfl. 1952, 152; OLG Hamm MDR 1963, 226 = Rpfleger 1963, 19 (Berner); OLG Schleswig SchlHA 1964, 149; OLG Köln FamRZ 1983, 1259; Stein/Jonas/Münzberg § 751 Rdn. 4, Gaul/Schilken/Becker-Eberhard § 22 Rdn. 33; Baur DB 1968, 252; a.A. Baer NJW 1962, 574 f. 13 Nicht von Sachen: LG Berlin Rpfleger 1978, 335; zustimmend Anders/Gehle/Vogt-Beheim § 751 Rdn. 7; im Ergebnis ebenso Stein/Jonas/Münzberg § 751 Rdn. 7. 14 Insoweit wohl a.A. LG Düsseldorf Rpfleger 1985, 119. 15 H.M.: BGH NJW 2004, 369; OLG Hamm FamRZ 1994, 454; LG Saarbrücken Rpfleger 1973, 373; LG Düsseldorf Rpfleger 1985, 119; LG Karlsruhe FamRZ 1986, 378; Musielak/Voit/Lackmann § 751 Rdn. 2; Thomas/Putzo/Seiler § 751 Rdn. 4; offengelassen von OLG Düsseldorf FamRZ 1981, 67, 69; a.A. LG Berlin Rpfleger 1978, 331 und Rpfleger 1982, 434. 16 OLG München Rpfleger 1972, 321; LG Saarbrücken Rpfleger 1973, 373; LG Essen NJW 1966, 1822; Brox/Walker § 9 Rdn. 163. 17 LG Saarbrücken Rpfleger 1973, 373; LG Düsseldorf Rpfleger 1985, 119. 18 OLG Hamm Rpfleger 1994, 222; LG Düsseldorf Rpfleger 1985, 119; a.A. LG Stuttgart ZZP 71 (1958) 287, 288. 19 BGH NJW 1963, 1610. 20 OLG Düsseldorf DGVZ 1990, 156. 179

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Abs. 1 S. 2), der Schuldner nach Vollstreckungsbeginn Sicherheit gemäß § 775 Nr. 3 i.V.m. § 711 S. 1, 720a Abs. 3 leistet, oder wenn die Vollstreckung gem. § 775 Nr. 2, 2. Alt. durch gerichtliche Entscheidung nachträglich von Sicherheitsleistung abhängig gemacht wird.21

2. Nachweis der Sicherheitsleistung 10 Wie die Sicherheitsleistung dem Vollstreckungsorgan formgerecht nachzuweisen ist, hängt zunächst von der Art der zu leistenden Sicherheit ab. Hierfür ist vorrangig eine etwa getroffene Parteivereinbarung maßgeblich.22 Ist die Vereinbarung nicht schon in der gerichtlichen Anordnung berücksichtigt, muss sie in der Form des Abs. 2 (z.B. durch notariell beurkundete oder beglaubigte Erklärung) nachgewiesen werden,23 wenn nicht der Schuldner die Angaben des Gläubigers gegenüber dem Vollstreckungsorgan ohnehin bestätigt.24 In zweiter Linie ist die Bestimmung laut Schuldtitel maßgeblich. Hierbei bildet die Zulassung der Beibringung einer Bankbürgschaft den praktischen Hauptfall,25 der die vom Gesetzgeber in § 108 als Normalfall vorgesehene und früher auch regelmäßig befolgte Hinterlegung von Geld und Wertpapieren weitgehend verdrängt hat. 11 Das Vollstreckungsorgan hat selbständig zu prüfen, ob eine vereinbarte, gerichtlich angeordnete oder nach Maßgabe des § 108 durch Hinterlegung zu erbringende Sicherheit nach Art und Höhe erbracht ist (vgl. § 48 Abs. 1 S. 2 GVGA). Ist (ausnahmsweise) Sicherheit durch Hinterlegung zu erbringen, genügt nur die Bescheinigung der Hinterlegungsstelle über die Annahme, keinesfalls also bloße Nachweise über Verausgabung des Geldbetrags durch den Gläubiger, wie z.B. ein Postschein oder die Quittung einer anderen als der zuständigen Gerichtszahlstelle.26 Nicht zu prüfen hat das Vollstreckungsorgan hingegen die materiell-rechtliche Wirksamkeit des Zustandekommens der Sicherheit, ebenso wenig deren Werthaltigkeit.27 Für den praktisch wichtigsten Fall der Sicherheitsleistung durch Bankbürgschaft ist zu12 nächst zu beachten, dass Abs. 2 schon von seinem Wortsinn her nur die Nachweisform, nicht etwa die Form des zwischen Bank und zu sicherndem Schuldner zu schließenden Bürgschaftsvertrags behandelt. Die Bürgschaftserklärung bedarf daher auch nicht zum Zwecke des Nachweises der Sicherheitsleistung in der Zwangsvollstreckung der Form des Abs. 2 (z.B. einer Unterschriftsbeglaubigung), sondern nur der Schriftform des § 766 BGB.28 Abs. 2 verlangt somit lediglich, dass das Zustandekommen des Bürgschaftsvertrags durch 13 öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunde nachgewiesen wird. Der Vertrag kommt zwischen Bank und Schuldner nach zutreffender Auffassung in jedem Fall durch Übergabe der schriftlichen Bürgschaftserklärung an den Schuldner zustande, dessen Annahmeerklärung durch die gerichtli-

21 Vgl. zum Zeitpunkt, ab dem derartige Entscheidungen vom Vollstreckungsorgan zu beachten sind, und dazu, um welche Entscheidungen es sich dabei im Einzelnen handeln kann: § 775 Rdn. 11 ff. 22 § 108 Rdn. 4. 23 Vgl. Jakobs DGVZ 1973, 107, 110 (zur Hinterlegung außerhalb der HinterlO). 24 Stein/Jonas/Münzberg § 751 Rdn. 9. 25 Falls das Gericht – wie üblich – eine selbstschuldnerische und unwiderrufliche Bankbürgschaft verlangt, ist ausreichender Nachweis i.S.v. Abs. 2 auch dann erbracht, wenn sich die Bank lediglich das Recht vorbehält, sich von der Bürgschaft durch Hinterlegung zu befreien: OLG Koblenz DGVZ 1995, 25; a.A. OLG Düsseldorf DGVZ 1990, 156; AG Oberkirch DGVZ 1992, 14. Falls Sicherheit durch die Prozessbürgschaft einer Großbank zu leisten ist, soll diejenige einer Volksbank nach zweifelhafter Ansicht des OLG Düsseldorf ZIP 1982, 366 nicht ausreichen. 26 OLG Schleswig SchlHA 1958, 9. 27 MünchKomm/Heßler § 751 Rdn. 17. 28 Vgl. OLG Frankfurt NJW 1966, 1521; OLG Hamm DGVZ 1976, 117 = Rpfleger 1975, 261 = NJW 1975, 2025 (Leitsatz); OLG Koblenz Rpfleger 1993, 355; Stein/Jonas/Münzberg § 751 Rdn. 13; Zöller/Seibel § 751 Rdn. 6; Kotzur DGVZ 1990, 65, 67; vgl. dazu, dass trotz § 350 HGB auch bei Bankbürgschaften Schriftform für Nachweiszwecke erforderlich ist Jakobs DGVZ 1973, 107, 113 f. Bittmann

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che Anordnung ersetzt wird.29 Auf die Vertragsabschlussbereitschaft des Vollstreckungsschuldners kommt es also im Ergebnis nicht an. Die Übergabe der schriftlichen Bürgschaftserklärung kann grundsätzlich durch Zustellung einer beglaubigten Abschrift der Bürgschaftsurkunde an den Vollstreckungsschuldner nachgewiesen werden.30 Die Zustellung der Originalurkunde ist jedoch erforderlich, wenn die Bürgschaft nach ihrem Inhalt mit der Rückgabe der Urkunde erlischt.31 Der formgerechte Nachweis i.S.v. Abs. 2 wird in beiden Fällen durch Vorlage der Zustellungsurkunde geführt.32 Die Beachtung des § 172 ist zwar nicht Voraussetzung für das Zustandekommen des Bürgschaftsvertrags,33 andererseits genügt aber das schriftliche Empfangsbekenntnis des Anwalts nach § 195 dem Formerfordernis des § 751 Abs. 2, sodass auch die Zustellung durch Übermittlung der Urkunde von Anwalt zu Anwalt ausreicht.34 Die Vollstreckungsorgane sind nicht befugt, vom Gläubiger außer dem Nachweis der Übergabe der Bürgschaftserklärung weitere Nachweise (z.B. der Vertretungsmacht der die Bürgschaftserklärung unterzeichnenden Person(en)) zu verlangen.35 Andererseits muss die Bürgschaftserklärung durchaus nicht schon vorab zugestellt werden, sondern kann im Falle der Vollstreckung durch den Gerichtsvollzieher durch diesen dem Schuldner (oder dessen Prozessbevollmächtigtem)36 bei Vollstreckungsbeginn zugestellt werden.37 In diesem Fall erübrigt sich der Nachweis der Sicherheitsleistung, da das Vollstreckungsorgan selbst bei der Erbringung derselben mitwirkt.38

3. Zustellung der Nachweisurkunden Neben dem formgerechten Nachweis der Sicherheitsleistung verlangt Abs. 2 auch die vorherige 14 oder wenigstens gleichzeitige Zustellung der Nachweisurkunde. Hierfür gelten dieselben Grundsätze wie für die Zustellung von Urkunden gemäß § 750 Abs. 2, insbesondere ist auch hier die Zustellung einer vollständigen Abschrift erforderlich.39 Im Unterschied zu den in § 750 Abs. 2 aufgeführten Fällen bedarf es einer Zustellung der Klausel jedoch nicht.40 Das Zustellungserfordernis betrifft im Falle der Sicherheitsleistung durch Hinterlegung die 15 Bescheinigung der Hinterlegungsstelle über die Annahme. Bei Bankbürgschaften würde die Beachtung des Zustellungserfordernisses jedoch in aller Regel einen überflüssigen Formalismus darstellen. Denn hier ist die Sicherheitsleistung mit einem Akt gegenüber dem Schuldner in Form der Herbeiführung des Zugangs der Bürgschaftserklärung verbunden, der für Nachweiszwecke ohne29 BGH NJW 2008, 3220, 3221; BayObLG Rpfleger 1976, 67; Kotzur DGVZ 1990, 65 m.w.N.; kritisch hingegen Foerste NJW 2010, 3611; vgl. auch zur Gegenmeinung § 108, Rdn. 18. 30 BGH NJW 2008, 3220, 3221; bei Bankbürgschaften ist dies im Hinblick auf die Formfreiheit der Bürgschaftserklärung auch materiell-rechtlich für das Zustandekommen des Vertrags unbedenklich: Foerste NJW 2010, 3611, 3612; Kotzur DGVZ 1990, 65, 67. 31 OLG München MDR 1979, 1029; OLG Hamm WM 1993, 2050, 2051; LG Mannheim WM 2009, 1976; LG Berlin Rpfleger 1972, 421 = DGVZ 1973, 117; LG Kassel DGVZ 1977, 173; Kotzur DGVZ 1990, 65, 67 m.w.N. 32 OLG München OLGZ 1965, 292; OLG Hamm DGVZ 1976, 117 = Rpfleger 1975, 261 = NJW 1975, 2025 (Leitsatz); Kotzur DGVZ 1990, 65, 67. 33 BGH NJW 2008, 3220, 3221; OLG Düsseldorf MDR 1978, 489; LG Bochum Rpfleger 1985, 33 m.w.N.; vgl. aber unten Rdn. 15. 34 Vgl. OLG Frankfurt NJW 1978, 1441; OLG Koblenz Rpfleger 1993, 355; OLG München Rpfleger 2019, 23; LG Aachen Rpfleger 1983, 31; LG Mannheim DGVZ 1988, 187; LG Hannover DGVZ 1989, 141; AG Freiburg DGVZ 1989, 46; Kotzur DGVZ 1990, 65, 67; a.A. LG Aurich DGVZ 1990, 10; Zöller/Seibel § 751 Rdn. 6 (kein Zustandekommen des Bürgschaftsvertrags). 35 Vgl. LG Itzehoe DGVZ 1980, 156, Thomas/Putzo/Seiler § 751 Rdn. 6; a.A. Vogel NJW 1997, 554, 555. 36 Vgl. OLG Hamm DGVZ 1975, 305, 309; Mümmler JurBüro 1971, 217, 221. 37 OLG Düsseldorf MDR 1978, 489; OLG Frankfurt NJW 1966, 1521; LG Berlin DGVZ 1973, 90; LG Berlin Rpfleger 1982, 348; Stein/Jonas/Münzberg § 751 Rdn. 12. 38 OLG Koblenz MDR 1993, 470; Stein/Jonas/Münzberg § 751 Rdn. 12; Zöller/Seibel § 751 Rdn. 6. 39 Vgl. § 750 Rdn. 35. 40 § 750 Rdn. 31. 181

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hin in Form einer Zustellung erfolgt. Eine gesonderte Zustellung von Nachweisurkunden ist daher nicht nur dann entbehrlich, wenn die Zustellung der Bürgschaftserklärung bei Vollstreckungsbeginn durch den Gerichtsvollzieher erfolgt, sondern auch dann, wenn die Bürgschaftserklärung vorher zugestellt worden ist.41 Zu beachten ist, dass § 172 für Zustellungserfordernisse nach Abs. 2 nicht gilt.42 Es ist daher unerheblich, wenn die Bürgschaftserklärung nicht dem Prozessbevollmächtigten des Schuldners, sondern dem Schuldner selbst zugestellt wurde; dem Prozessbevollmächtigten muss vor Vollstreckungsbeginn keine Nachweisurkunde über die Zustellung an seinen Mandanten zugestellt werden.43

4. Auswirkung der Rechtskraft des Urteils 16 Bei Eintritt der Rechtskraft wird die Sicherheitsleistung entbehrlich. Das Vollstreckungsorgan hat daher vom Nachweis der Sicherheitsleistung bei Vorlage des Rechtskraftzeugnisses (§ 706 Abs. 1) abzusehen. Eine bereits erbrachte Sicherheitsleistung ist nach § 715 zurückzugeben. Einer nochmaligen Zustellung des mit Rechtskraftnachweis gemäß § 706 Abs. 1 versehenen Titels analog Abs. 2 bedarf es auch dann nicht, wenn vor Rechtskraft keine Sicherheitsleistung erfolgt war.44

IV. Verstöße und Rechtsbehelfe 17 Hinsichtlich der Rechtsfolgen von Verstößen ist zwischen verfrühter Vollstreckung nach Abs. 1 und Verstößen gegen Abs. 2 zu unterscheiden. Ein Verstoß gegen Abs. 1 ist ebenso zu behandeln wie die Nichteinhaltung von Wartefristen.45 Das bedeutet, dass zunächst kein Pfandrecht entsteht, die Pfändung aber – unabhängig von der Einlegung eines Rechtsbehelfs (regelmäßig § 766) – automatisch mit Ablauf des Kalendertags ex-nunc wirksam wird, und von diesem Zeitpunkt an auch den Rang gegenüber Dritten verschafft.46 18 Demgegenüber sind Verstöße gegen Abs. 2 (Mängel der Sicherheitsleistung wie z.B. Leistung einer anderen als der vom Prozessgericht zugelassenen Sicherheit, fehlende Vertretungsmacht bei zugelassener Bankbürgschaft, Nachweismängel und Mängel bei der Zustellung von Nachweisurkunden) nach allgemeinen Grundsätzen zu behandeln.47 Vollstreckungshandlungen sind daher zunächst wirksam und lediglich anfechtbar.48 Die Anfechtung geht jedoch ins Leere, wenn vor Entscheidung über den Rechtsbehelf Heilung eintritt.49 Heilung ist möglich durch Nachleistung der Sicherheit, nachträglichen Verzicht des Schuldners auf Sicherheitsleistung,50 nachträgliche Erbringung des erforderlichen Nachweises der Sicherheit, Nachholung der Zustellung von Nachweisurkunden,51 Eintritt der Rechtskraft des Urteils.52 Die Heilung erfolgt „rückwirkend“ in dem 41 OLG Frankfurt NJW 1966, 1521; OLG Hamm DGVZ 1976, 117 = Rpfleger 1975, 261 = NJW 1975, 2025 (Leitsatz); AG Freiburg DGVZ 1989, 46. 42 BGH NJW 2008, 3220, 3221; Thomas/Putzo/Seiler § 751 Rdn. 6; a.A. Kotzur DGVZ 1990, 65, 68 m.w.N. 43 BGH NJW 2008, 3220, 3221; OLG Düsseldorf MDR 1978, 489; LG Itzehoe DGVZ 1980, 156, 157; LG Bochum Rpfleger 1985, 33; a.A. Noack MDR 1972, 287, 288; Jakobs DGVZ 1973, 107, 116. 44 Stein/Jonas/Münzberg § 750 Rdn. 46; a.A. OLG Schleswig SchlHA 1968, 216. 45 Vgl. dazu § 750 Rdn. 41. 46 Stein/Jonas/Münzberg § 751 Rdn. 14; Bähr KTS 1969, 15, 20. 47 Vgl. § 750 Rdn. 39 f. 48 Gottwald/Mock § 751 Rdn. 9; BeckOK/Ulrici § 751 Rdn. 8; a.A. BayObLGZ 1975, 398, 406 f. bei Eintragung einer Zwangshypothek gemäß § 867. 49 § 766 Rdn. 84; dann ist laut OLG Hamburg MDR 1974, 321 auch keine Aufhebung für den Zeitraum bis zur Heilung möglich. 50 OLG Frankfurt MDR 1956, 111. 51 OLG Celle NdsRpfl 1954, 7. 52 OLG Hamburg MDR 1974, 321. Bittmann

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Sinne, dass der Vollstreckungsakt unbedingt wirksam wird, und er aufgrund seiner anfänglich „schwebenden Wirksamkeit“53 als von Anfang an rechtsbeständig angesehen werden kann.54 Rechtsbehelf mit dem die Anfechtbarkeit geltend zu machen ist, ist grundsätzlich Vollstre- 19 ckungserinnerung (§ 766).55 Bei Vollstreckungsmaßnahmen des Grundbuchamts in den Fällen der §§ 866, 867, die unter Verstoß gegen § 751 ergehen, ist Grundbuchbeschwerde gemäß § 71 GBO gegeben.56 Hingegen fällt es in die Zuständigkeit des Prozessgerichts seine Anordnung nach § 108 zu ändern oder zu ergänzen, falls sich ein von ihm zugelassener Bürge als ungeeignet erweist, dem Schuldner ausreichende Sicherheit zu bieten.57 Der Vollstreckungsschuldner kann ab dem Vollstreckungsbeginn auf die Einhaltung der Vor- 20 gaben von § 751 verzichten, nicht jedoch vor diesem Zeitpunkt.58

§ 752 Sicherheitsleistung bei Teilvollstreckung 1 Vollstreckt der Gläubiger im Fall des § 751 Abs. 2 nur wegen eines Teilbetrages, so bemisst sich die Höhe der Sicherheitsleistung nach dem Verhältnis des Teilbetrages zum Gesamtbetrag. 2Darf der Schuldner in den Fällen des § 709 die Vollstreckung gemäß § 712 Abs. 1 S. 1 abwenden, so gilt für ihn S. 1 entsprechend.

Übersicht I.

Allgemeines

1

II.

Ermäßigung der Sicherheitsleistung (S. 1)

2

III.

Teilabwendungsbefugnis (S. 2)

IV.

Verstöße und Rechtsbehelfe

4 7

I. Allgemeines Hintergrund von § 752 ist die Erleichterung einer Teilvollstreckung. Im Falle einer Teilvollstre- 1 ckung soll der Gläubiger die Möglichkeit haben, auch nur eine verringerte Sicherheitsleistung zu erbringen.1 Voraussetzung ist, dass ein Fall des § 751 Abs. 2 vorliegt. Die Norm betrifft ausdrücklich zwar nur Fragen der Sicherheitsleistung, sie hat aber darüber hinausgehende Bedeutung. Zum einen wird im Sinne der bisher herrschenden Meinung2 die grundsätzliche Zulässigkeit teilweiser Vollstreckung bestätigt. Dies gilt über den Wortlaut der Vorschrift („Teilbetrages“) hinaus nicht nur für die Vollstreckung von Geldforderungen, sondern auch im Übrigen, sofern der titulierte Anspruch bei natürlicher Betrachtung auch durch Teilleistungen erfüllt werden kann.3 Die zum Schutz des Rechtes des Schuldners, die titulierte Forderung insgesamt befreiend an den Gerichtsvollzieher zu leisten, erforderlichen Einschränkungen von Teilvollstreckungsanträgen4

53 Vgl. Blomeyer VV § 41 III 5. 54 Vgl. § 750 Rdn. 40; offengelassen von OLG Hamburg MDR 1974, 321. 55 Stellt sich die fehlerhafte Vollstreckungsmaßnahme ausnahmsweise als „Entscheidung“ gegenüber dem Anfechtungsberechtigten dar, ist sofortige Beschwerde (§ 793) einzulegen: § 766 Rdn. 12.

56 BayObLGZ 1975, 398. 57 MünchKomm/Heßler § 751 Rdn. 35. 58 HK-ZV/Giers/Haas § 751 Rdn. 1; Musielak/Voit/Lackmann § 751 Rdn. 2. 1 MünchKomm/Heßler § 752 Rdn. 1. 2 Vgl. § 754 Rdn. 11. 3 A.A. Thomas/Putzo/Seiler § 752 Rdn. 2. 4 Vgl. § 754 Rdn. 12 f. 183 https://doi.org/10.1515/9783110443158-031

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Achtes Buch – Zwangsvollstreckung

bleiben allerdings unberührt. Zum anderen hat die gesetzliche Anerkennung der Zulässigkeit teilweiser Vollstreckung zur Folge, dass – jedenfalls grundsätzlich – auch die für die Vollstreckung von Teilbeträgen anfallenden Kosten als notwendig im Sinne des § 788 Abs. 1 S. 1 anzusehen sind.5

II. Ermäßigung der Sicherheitsleistung (S. 1) 2 Über die gesetzliche Verankerung der früher nicht außer Streit stehenden Anerkennung der Zwangsvollstreckung wegen Teilbeträgen hinaus enthält S. 1 der Vorschrift eine Erleichterung für den Fall, dass die Vollstreckung von einer Sicherheitsleistung abhängig ist. Hintergrund ist das Dilemma des Gläubigers selbst dann hinsichtlich des vollen Betrages Sicherheit mit den damit zusammenhängenden Kosten (z.B. Avalprovision im Falle einer Bankbürgschaft) leisten zu müssen, wenn er nur einen Teil des titulierten Betrages (insbesondere wegen Aussichtslosigkeit einer weitergehenden Vollstreckung) vollstrecken möchte. Die Möglichkeit der Sicherungsvollstreckung ohne Sicherheitsleistung erschien dem Gesetzgeber nicht ausreichend6 da dem (teilweise) Befriedigung suchenden Gläubiger damit nicht gedient ist (§ 720a Abs. 1 S. 2). Zu berücksichtigen ist indes, dass aufgrund der Möglichkeit für die Gerichte nach § 709 Satz 2 zu verfahren, § 752 nur wenig praktische Bedeutung zukommt.7 3 Macht der Gläubiger von der Möglichkeit der Vorschrift Gebrauch, ist die Sicherheitsleistung verhältnismäßig herabzusetzen. Auszugehen ist also von der in der Urteilsformel ausgeworfenen Höhe der Sicherheitsleistung, die sich nach dem Verhältnis des zu vollstreckenden Betrages zum titulierten Betrag herabsetzt. Die Berechnungsformel für die Bestimmung der Teilsicherheit lautet daher wie folgt (vgl. § 48 Abs. 1 GVGA): Gesamtsicherheitsleistung × Teilanspruch/gesicherter Gesamtanspruch.8 Beispiel: Falls EUR 10.000.– tituliert sind, aber nur EUR 3.000.– vollstreckt werden sollen, beträgt die Sicherheitsleistung 30 % der in der Urteilsformel ausgeworfenen Sicherheitsleistung; beträgt diese beispielsweise EUR 13.000.–, kann der Gläubiger mit einer Sicherheitsleistung in Höhe von EUR 3.900.– einen Teilbetrag von EUR 3.000.– vollstrecken. Es findet demnach keine Neuberechnung der Sicherheitsleistung auf Grundlage des niedrigeren zu vollstreckenden Teilbetrages statt. Dies ist schon aus Gründen der Vereinfachung zu begrüßen, im Übrigen aber auch wegen der dem Gläubiger unbenommenen Möglichkeit zur wiederholten Teilvollstreckung, also zur Vollstreckung auch des Restbetrags nach jeweils weiterer Sicherheitsleistung, sachlich zwingend. Der Gläubiger darf den aus der Teilvollstreckung erlangten Betrag für die weitere Sicherheitsleistung einsetzen. Eine gegenteilige Einschränkung der Dispositionsfreiheit des Gläubigers ist weder dem Gesetz zu entnehmen noch wäre sie praktikabel.9 Bei der Berechnung ist von der Hauptforderung ohne Zinsen und Kosten auszugehen; ein bereits vollstreckter Teilbetrag ist nicht zu berücksichtigen;10 anderes gilt nur bei isolierter Vollstreckung von Kosten und Zinsen.11

III. Teilabwendungsbefugnis (S. 2) 4 Die in S. 2 enthaltene Teilabwendungsbefugnis des Schuldners führt zu praktischen Schwierigkeiten. Gewollt ist seitens des Gesetzgebers die Herstellung von Waffengleichheit, da die Abwehr

5 Vgl. dazu § 754 Rdn. 11 m.w.N. 6 BT-Drucks. 13/341 S. 14. 7 HK-ZV/Giers/Haas § 752 Rdn. 1. 8 Vgl. BeckOK/Ulrici § 752 Rdn. 2.1; HK-ZV/Giers/Haas § 752 Rdn. 3. 9 Thomas/Putzo/Seiler § 752 Rdn. 4; a.A. MünchKomm/Heßler § 752 Rdn. 4. 10 MünchKomm/Heßler § 752 Rdn. 3. 11 Musielak/Voit/Lackmann § 752 Rdn. 4; HK-ZV/Giers § 752 Rdn. 5; MünchKomm/Heßler § 752 Rdn. 3; a.A. BeckOK/ Ulrici § 752 Rdn. 2.3. Bittmann

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der Teilvollstreckung durch entsprechende Teilsicherheit ermöglicht werden soll.12 Diese gesetzgeberische Absicht ist aber – bewusst – unvollkommen verwirklicht. Während die Erleichterung der Teilvollstreckung für alle Anwendungsfälle des § 751 Abs. 2 ZPO gilt,13 ist die Teilabwendungsbefugnis des Schuldners ausdrücklich auf die Fälle des § 709 begrenzt. Teilabwendungsbefugnis besteht also nur dann, wenn der Gläubiger von vornherein nur gegen Sicherheitsleistung vollstrecken (§ 709 S. 1) oder die Vollstreckung nur gegen Sicherheitsleistung fortsetzen darf (§ 709 S. 3) und es dem Schuldner nach § 712 Abs. 1 S. 1 gerichtlich gestattet ist, die Vollstreckung trotz Sicherheitsleistung des Gläubigers seinerseits durch Sicherheitsleistung abzuwenden.14 In allen anderen Anwendungsfällen des § 751 Abs. 2 gilt die Teilabwendungsbefugnis des 5 Schuldners nicht. Dies betrifft insbesondere die Fälle, in denen der Gläubiger von vornherein auch ohne Sicherheit vollstrecken darf (§ 708). Leistet der Gläubiger also die (Gegen-)Sicherheit im Fall des § 711 S. 1 nur in Höhe des zu vollstreckenden Teilbetrags, kann der Schuldner, falls ihm dies nach § 712 Abs. 1 S. 1 nachgelassen ist, die Teilvollstreckung nicht etwa durch Teilsicherheit, sondern nur durch volle Sicherheitsleistung abwenden (es handelt sich dann eben nicht um einen Fall des § 709, sondern um einen solchen des § 708). Eine derartige „offensive“ Teilabwendungsbefugnis sollte durch S. 2 gerade nicht eröffnet werden.15 Des weiteren greift die Teilabwendungsbefugnis des Schuldners nicht in den Fällen der §§ 707 Abs. 1 S. 1, 712 Abs. 2 S. 2, 720a Abs. 1 S. 2, 720a Abs. 3 ein. Die praktische Wirksamkeit der Teilabwendungsbefugnis des Schuldners ist dadurch ein- 6 geschränkt, dass er vorsorglich Abwendungssicherheit in voller Höhe bereithalten muss. Zunächst kennt er die Höhe der erforderlich werdenden Teilabwendungssicherheit nicht, falls der Gläubiger die Teilvollstreckung mit gleichzeitigem Nachweis der Teilsicherheit nach § 751 Abs. 2 betreibt.16 Selbst wenn der Nachweis der Sicherheitsleistung bereits zugestellt ist, muss der Schuldner mit weiteren Teilvollstreckungen des Gläubigers rechnen, kann sich also auf das Ausreichen einer einmal erforderlich gewordenen Teilabwendungssicherheit nicht verlassen. Der in der Gesetzesbegründung17 vorgeschlagene Ausweg der Stellung einer Höchstbetragsbürgschaft durch den Schuldner mit variabler Inanspruchnahme ist angesichts der Gebührengestaltung der Banken nicht ohne weiteres attraktiv. Die mit S. 2 verbundene Verkomplizierung der Bestimmung – auch vor dem Hintergrund des eingeschränkten Anwendungsbereichs der Teilabwendungsbefugnis auf die Fälle des § 709 – ist angesichts der Geringfügigkeit der Vorteile des Schuldners kritisch zu sehen.18

IV. Verstöße und Rechtsbehelfe Verstöße gegen die Bestimmung (beispielsweise Vollstreckung eines Teilbetrags aufgrund (auch) 7 insoweit unzureichender Sicherheitsleistung oder Vollstreckung trotz geleisteter Teilsicherheit des Schuldners) führen nach allgemeinen Grundsätzen nicht zur Unwirksamkeit, sondern zur Anfechtbarkeit der Vollstreckungshandlungen.19 Heilung ist auch hier möglich durch Nachleistung der Sicherheit etc.20 Heilung tritt auch denn ein, wenn der Schuldner die zulässigerweise geleistete Teilsicherheit zur Abwendung der Zwangsvollstreckung zurückzieht.

12 13 14 15 16

Vgl. BT-Drucks. 13/341 S. 14 und Funke NJW 1998, 1029, 1030. Vgl. hierzu § 751 Rdn. 8 f. Sog. defensive Abwendungsbefugnis: BT-Drucks. 13/341 S. 14; vgl. HK-ZV/Giers § 752 Rdn. 6. BT-Drucks. 13/341 S. 14. Vgl. zur Möglichkeit der Zustellung der Bürgschaftserklärung im Falle der Vollstreckung durch den Gerichtsvollzieher erst bei Vollstreckungsbeginn: § 751 Rdn. 13. 17 Vgl. BT-Drucks. 13/341 S. 14. 18 Ebenso HK-ZV/Giers § 752 Rdn. 6. 19 Vgl. § 750 Rdn. 39 f. 20 Vgl. § 751 Rdn. 18. 185

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Auch eine mehrfache Vollstreckung des Gläubigers aufgrund derselben Teilsicherheit führt lediglich zur Anfechtbarkeit der Folgevollstreckung, wobei dieser Fall aufgrund der in § 751 Abs. 2 angelegten Vorkehrungen (Zustellung einer Abschrift der die Sicherheitsleistung erweisenden Urkunde) praktisch kaum vorkommen wird. Da das Vollstreckungsorgan die Sicherheitsleistung als formelle Vollstreckungsvoraussetzung von Amts wegen zu prüfen hat, kann es nur bei einer Täuschung über eine bereits erfolgte Gebrauchmachung der Teilsicherheit für eine Teilvollstreckung zu dieser Situation kommen.21 Der Schuldner kann sich gegen einen derartigen Vollstreckungsmangel – wie auch im Übrigen bei Verstößen gegen die Bestimmung – mit dem Rechtsbehelf der Vollstreckungserinnerung (§ 766) zur Wehr setzen.22

§ 753 Vollstreckung durch Gerichtsvollzieher (1) Die Zwangsvollstreckung wird, soweit sie nicht den Gerichten zugewiesen ist, durch Gerichtsvollzieher durchgeführt, die sie im Auftrag des Gläubigers zu bewirken haben. (2) 1Der Gläubiger kann wegen Erteilung des Auftrags zur Zwangsvollstreckung die Mitwirkung der Geschäftsstelle in Anspruch nehmen. 2Der von der Geschäftsstelle beauftragte Gerichtsvollzieher gilt als von dem Gläubiger beauftragt. (3) 1Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates verbindliche Formulare für den Auftrag nach Absatz 2 einzuführen. 2Für elektronisch eingereichte Aufträge können besondere Formulare vorgesehen werden. (4) 1Schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen der Parteien sowie schriftlich einzureichende Auskünfte, Aussagen, Gutachten, Übersetzungen und Erklärungen Dritter können als elektronisches Dokument beim Gerichtsvollzieher eingereicht werden. 2Für das elektronische Dokument gelten § 130a, auf dieser Grundlage erlassene Rechtsverordnungen sowie § 298 entsprechend. 3Die Bundesregierung kann in der Rechtsverordnung nach § 130a Absatz 2 Satz 2 besondere technische Rahmenbedingungen für die Übermittlung und Bearbeitung elektronischer Dokumente in Zwangsvollstreckungsverfahren durch Gerichtsvollzieher bestimmen. (5) § 130d gilt entsprechend. § 31 GVGA Auftrag zur Zwangsvollstreckung (§§ 753–758 ZPO) (1) Der Auftrag zur Zwangsvollstreckung wird dem Gerichtsvollzieher unmittelbar vom Gläubiger oder seinem Vertreter oder Bevollmächtigten erteilt. Der Auftraggeber darf die Vermittlung der Geschäftsstelle in Anspruch nehmen. Der durch Vermittlung der Geschäftsstelle beauftragte Gerichtsvollzieher wird unmittelbar für den Gläubiger tätig; er hat insbesondere auch die beigetriebenen Gelder und sonstigen Gegenstände dem Gläubiger unmittelbar abzuliefern. Ist eine einstweilige Anordnung nach dem Gewaltschutzgesetz ohne mündliche Verhandlung erlassen, so gelten der Auftrag zur Zustellung durch den Gerichtsvollzieher unter Vermittlung der Geschäftsstelle und der Auftrag zur Vollstreckung als im Antrag auf Erlass der einstweiligen Anordnung enthalten (§ 214 Absatz 2 FamFG). (2) Weisungen des Gläubigers hat der Gerichtsvollzieher insoweit zu berücksichtigen, als sie mit den Gesetzen oder der Geschäftsanweisung nicht in Widerspruch stehen. (3) Der Prozessbevollmächtigte des Gläubigers ist auf Grund seiner Prozessvollmacht befugt, den Gerichtsvollzieher mit der Zwangsvollstreckung zu beauftragen und den Gläubiger im Zwangsvollstreckungsverfahren zu vertreten. Der Gerichtsvollzieher hat den Mangel der Vollmacht grundsätzlich von Amts wegen zu berücksichtigen (zum Beispiel bei Inkassodienstleistern). Ist Auftraggeber jedoch ein Rechtsanwalt oder Kammerrechtsbeistand (§ 16 Absatz 3 Satz 3), hat er dessen Vollmacht nur auf ausdrückliche Rüge zu überprüfen. Zum Nachweis der Vollmacht genügt die Bezeichnung als Prozessbevollmächtigter im Schuldtitel. Jedoch ermächtigt die bloße Pro-

21 Vgl. BT-Drucks. 13/341 S. 14. 22 Vgl. zu evtl. eingreifenden alternativen Rechtsbehelfen § 751 Rdn. 19. Bittmann https://doi.org/10.1515/9783110443158-032

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zessvollmacht den Bevollmächtigten nicht, die beigetriebenen Gelder oder sonstigen Gegenstände in Empfang zu nehmen; eine Ausnahme besteht nur für die vom Gegner zu erstattenden Prozesskosten (§ 81 ZPO). Der Gerichtsvollzieher darf daher die beigetriebenen Gelder oder sonstigen Gegenstände nur dann an den Prozessbevollmächtigten abliefern, wenn dieser von dem Gläubiger zum Empfang besonders ermächtigt ist. Die Ermächtigung kann sich aus dem Inhalt der Vollmachtsurkunde ergeben. Der Gläubiger kann sie auch dem Gerichtsvollzieher gegenüber mündlich erklären. (4) Aufgrund eines entsprechenden Auftrags hat der nach § 17 GVO zuständige Gerichtsvollzieher den Aufenthalt des Schuldners nach Maßgabe des § 755 ZPO zu ermitteln. Der Gläubiger kann dem Gerichtsvollzieher zum Nachweis, dass der Aufenthaltsort des Schuldners nicht zu ermitteln ist (§ 755 Absatz 2 Satz 2 ZPO), eine entsprechende Auskunft der Meldebehörde vorlegen, die der Gläubiger selbst bei dieser eingeholt hat. Die Negativauskunft sollte in der Regel bei der Auftragserteilung nach § 755 Absatz 2 Satz 1 ZPO nicht älter als ein Monat sein. Soweit es für die Durchführbarkeit des Auskunftsersuchens auf die Höhe der zu vollstreckenden Ansprüche ankommt (siehe § 74a Absatz 2 Satz 1 SGB X bezüglich der Träger der gesetzlichen Rentenversicherung), sind die zu vollstreckenden Ansprüche desselben Gläubigers innerhalb eines Auftrags zusammenzurechnen, auch wenn sie in unterschiedlichen Urkunden tituliert sind. (5) Die vollstreckbare Ausfertigung des Schuldtitels muss dem Gerichtsvollzieher übergeben werden. Der schriftliche oder mündliche Auftrag zur Zwangsvollstreckung in Verbindung mit der Übergabe der vollstreckbaren Ausfertigung ermächtigt und verpflichtet den Gerichtsvollzieher – ohne dass es einer weiteren Erklärung des Auftraggebers bedarf –, die Zahlung oder die sonstigen Leistungen in Empfang zu nehmen, darüber wirksam zu quittieren und dem Schuldner die vollstreckbare Ausfertigung auszuliefern, wenn er seine Verbindlichkeit vollständig erfüllt hat. Der Besitz der vollstreckbaren Ausfertigung ist demnach für den Gerichtsvollzieher dem Schuldner und Dritten gegenüber der unerlässliche, aber auch ausreichende Ausweis zur Zwangsvollstreckung und zu allen für ihre Ausführung erforderlichen Handlungen. Der Gerichtsvollzieher trägt deshalb bei Vollstreckungshandlungen die vollstreckbare Ausfertigung stets bei sich und zeigt sie auf Verlangen vor (§ 754 ZPO). (6) In den Fällen des § 754a ZPO bedarf es der Übergabe einer Ausfertigung des Schuldtitels nicht, soweit der Gerichtsvollzieher die Ausfertigung nicht gemäß § 754a Absatz 2 ZPO nachgefordert hat. (7) Hat der Schuldner nur gegen Aushändigung einer Urkunde zu leisten, zum Beispiel eines Wechsels, einer Anweisung oder eines Orderpapiers, so muss sich der Gerichtsvollzieher vor Beginn der Zwangsvollstreckung auch diese Urkunde aushändigen lassen. (8) Bei der Zwangsvollstreckung aus einer Urteilsausfertigung, auf die ein Kostenfestsetzungsbeschluss gesetzt ist (§§ 105, 795a ZPO), hat der Gläubiger zu bestimmen, ob aus beiden oder nur aus einem der beiden Schuldtitel vollstreckt werden soll. Hat der Gläubiger keine Bestimmung getroffen, so vollstreckt der Gerichtsvollzieher aus beiden Schuldtiteln. (9) Verlangen der Gläubiger oder sein mit Vollmacht versehener Vertreter ihre Zuziehung zur Zwangsvollstreckung, so benachrichtigt der Gerichtsvollzieher sie rechtzeitig von dem Zeitpunkt der Vollstreckung. In ihrer Abwesenheit darf der Gerichtsvollzieher erst nach Ablauf der festgesetzten Zeit mit der Zwangsvollstreckung beginnen, es sei denn, dass gleichzeitig für einen anderen Gläubiger gegen den Schuldner vollstreckt werden soll. Der Gläubiger oder sein Vertreter sind in der Benachrichtigung hierauf hinzuweisen. Leistet der Schuldner gegen die Zuziehung des Gläubigers Widerstand oder verwehrt der Schuldner dem Gläubiger den Zutritt zur Wohnung, so gelten die §§ 61 und 62 entsprechend. Ein selbständiges Eingreifen des Gläubigers oder seines Bevollmächtigten in den Gang der Vollstreckungshandlung, zum Beispiel das Durchsuchen von Behältnissen, darf der Gerichtsvollzieher nicht dulden. (10) Der Gerichtsvollzieher kann die zuständige Polizeidienststelle um Auskunft dahingehend, ob nach polizeilicher Einschätzung eine Gefahr für Leib und Leben des Gerichtsvollziehers oder einer weiteren an der Vollstreckung beteiligten Person besteht, sowie Unterstützung bei einer durchzuführenden Vollstreckungshandlung ersuchen (§ 757a ZPO). Der notwendige Inhalt eines Auskunftsersuchens ist in § 757a Absatz 2 ZPO geregelt. Ein Unterstützungsersuchen kann darüber hinaus entweder sogleich mit einem Auskunftsersuchen verbunden werden (§ 757a Absatz 3 Satz 2 ZPO), erst nach einer polizeilichen Auskunft (§ 757a Absatz 3 Satz 1 ZPO) oder unter besonderen Voraussetzungen auch isoliert von einem Auskunftsersuchen (§ 757a Absatz 4 Satz 1 ZPO) gestellt werden. Der notwendige Inhalt eines isoliert gestellten Unterstützungsersuchens ist in § 757a Absatz 4 Satz 2 ZPO normiert. Nach Erledigung des Vollstreckungsauftrages hat der Gerichtsvollzieher die betroffenen Personen unverzüglich über das oder die vorangegangenen Ersuchen zu informieren (§ 757a Absatz 5 Satz 1 ZPO).

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§ 64 GVGA Einstellung, Beschränkung und Aufhebung der Zwangsvollstreckung in anderen Fällen (§§ 753, 775 bis 776 ZPO) (1) Der Gerichtsvollzieher muss die getroffenen Zwangsvollstreckungsmaßnahmen aufheben oder die Zwangsvollstreckung einstellen oder beschränken, wenn ihn der Gläubiger hierzu anweist. (2) Durch den Widerspruch des Schuldners oder dritter Personen darf er sich von der Durchführung der Zwangsvollstreckung nicht abhalten lassen (§ 61 bleibt hiervon unberührt). Nur in den Fällen der §§ 775 und 776 ZPO hat er die Zwangsvollstreckung von Amts wegen einzustellen oder zu beschränken. 3In den Fällen des § 775 Nummer 1 und 3 ZPO sind zugleich die bereits erfolgten Vollstreckungsmaßregeln aufzuheben. (3) Der Gerichtsvollzieher hat hierbei Folgendes zu beachten: 1. Er hat die Vollstreckbarkeit der vorgelegten Entscheidung zu prüfen, wenn sie nicht schon in Form einer vollstreckbaren Ausfertigung vorgelegt wird. Vollstreckbar ist eine Entscheidung, wenn sie für vorläufig vollstreckbar erklärt oder wenn sie mit dem Zeugnis der Rechtskraft versehen ist (§ 706 ZPO); es ist nicht erforderlich, dass die Entscheidung mit der Vollstreckungsklausel versehen oder nach § 750 ZPO zugestellt ist. Urteile, die in der Revisionsinstanz erlassen sind, sind auch ohne Zeugnis als rechtskräftig anzusehen, es sei denn, dass es sich um Versäumnisurteile handelt. Eine in der Beschwerdeinstanz erlassene Entscheidung sowie eine Entscheidung, durch die ein vorläufig vollstreckbares Urteil oder dessen vorläufige Vollstreckbarkeit aufgehoben wird, ist in jedem Fall geeignet, die Einstellung der Zwangsvollstreckung zu begründen. 2. Im Fall der einstweiligen Einstellung der Vollstreckung ist es nicht erforderlich, dass die gerichtliche Entscheidung rechtskräftig oder vorläufig vollstreckbar ist. Bei einer Einstellung auf unbestimmte Zeit ist der Schuldtitel zurückzugeben und der Antrag des Gläubigers auf Fortsetzung der Vollstreckung abzuwarten, es sei denn, dass mit der alsbaldigen Fortsetzung der Zwangsvollstreckung zu rechnen ist. (4) Die für Urteile getroffenen Bestimmungen finden auf die sonstigen Schuldtitel entsprechende Anwendung (§ 795 ZPO). Die Einstellung der Vollstreckung aus einem Titel hat von selbst auch dieselbe Wirkung für einen auf dem Titel beruhenden Kostenfestsetzungsbeschluss. (5) Die Einstellung oder Beschränkung sowie gegebenenfalls die Aufhebung der Zwangsvollstreckung ist – sofern sie nicht bei der Vollstreckungshandlung erfolgt und in dem über die Vollstreckungshandlung aufzunehmenden Protokoll zu erwähnen ist – unter genauer Bezeichnung der zugrunde liegenden Schriftstücke zu den Vollstreckungsakten zu vermerken. Der Gläubiger ist von der Einstellung, Beschränkung oder Aufhebung von Vollstreckungsmaßregeln unverzüglich zu benachrichtigen. Besteht die Gefahr einer beträchtlichen Wertverringerung oder unverhältnismäßiger Kosten der Aufbewahrung der gepfändeten Sachen, so soll der Gerichtsvollzieher die Beteiligten darauf aufmerksam machen und dies in den Akten vermerken. (6) Ohne die Voraussetzungen der §§ 775 und 776 ZPO darf der Gerichtsvollzieher nur dann die Zwangsvollstreckung einstellen oder durchgeführte Vollstreckungsmaßnahmen aufheben, wenn es besonders bestimmt ist (vergleiche § 60 Absatz 2 und 5, §§ 75, 95 Absatz 4, § 103 Absatz 4). Ein Entscheidungsrecht darüber, ob er die Zwangsvollstreckung aufschieben darf, steht ihm nur in den gesetzlich bestimmten Fällen zu (vergleiche § 65). Der Gerichtsvollzieher weist deshalb einen Beteiligten, der den Aufschub, die Einstellung oder die Aufhebung der Zwangsvollstreckung begehrt, auf die zulässigen Rechtsbehelfe hin. (7) Für die Akten- und Listenführung gelten die Vorschriften der Gerichtsvollzieherordnung über die Behandlung und Überwachung ruhender Vollstreckungsaufträge.

Schrifttum Baumgart Der Gerichtsvollzieher (1964); Birmanns Die Staatshaftung für das fehlerhafte Verhalten des Vollstreckungsgehilfen, DGVZ 1984, 105; Christmann Der Gerichtsvollzieher und sein Amt, DGVZ 1985, 33; Däumichen Gedanken zum Thema: Modernisierung des Gerichtsvollziehersystems in Deutschland, DGVZ 2005, 63; Dütz Freiheit und Bindung des Gerichtsvollziehers, DGVZ 1975, 49, 65, 81; Dütz Der Gerichtsvollzieher als selbständiges Organ der Zwangsvollstreckung (1973); Eickmann Die Rationalisierung der Zwangsvollstreckung und ihre Auswirkungen auf den Gerichtsvollzieher, DGVZ 1977, 103; Fahland Die freiwillige Leistung in der Zwangsvollstreckung und ähnliche Fälle, ZZP 92 (1979), 432; Fechter Neue Formulare für die Zwangsvollstreckung, Rpfleger 2013, 9; Fischer Forderungsmanagement oder „Gerichtsvollzug“? DGVZ 2008, 49; Fischer Der Gerichtsvollzieher – zukunftsorientiert im Zentrum der Zwangsvollstreckung, DGVZ 2011, 158; Gaul Zur Struktur der Zwangsvollstreckung (III), RPfleger 1971, 81; Gaul Zur Reform des Zwangsvollstreckungsrechts, JZ 1973, 478; Gaul Der Gerichtsvollzieher – ein organisationsrechtliches Stiefkind des Gesetzgebers, ZZP 87 (1974), 241; Gaul Die erneute Gesetzesvorlage zur Reform des Gerichtsvollzieherwesens, ZZP 124 (2011), 271; Gilleßen/Jakobs Auswirkungen der Vereinfachungsnovelle auf die praktische Tätigkeit des Gerichtsvollziehers, DGVZ 1977, 110; Gilleßen/Polzius Der Gerichtsvollzieher als gesetzlicher Vertreter des Landes, DGVZ 2001, 5; Glenk Unverzichtbares Allerlei – Amt und Haftung des Gerichtsvollziehers, NJW 2014, 2315; Götze/Schröder Der GeBittmann

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richtsvollzieher zwischen Selbständigkeit und Weisungsgebundenheit, DGVZ 2009, 1; Hasenjäger Weisungsbefugnisse des Gläubigers? Diss. Bochum (1993); Hess Rechtspolitische Perspektiven der Zwangsvollstreckung, JZ 2009, 662; Kaminski Die GVGA als Prüfungsmaßstab im Erinnerungsverfahren, Diss. Bochum (1992); Kühn Die besondere Haftung des Gerichtsvollziehers, DGVZ 1993, 71; Mroß Der Gläubiger ist der Herr des Verfahrens, der Gerichtsvollzieher aber nicht sein Knecht, DGVZ 2011, 103; Nesemann Gerichtsvollzieher in Vergangenheit und Zukunft, ZZP 119 (2006), 87; Noack Einheitliche Vollstreckung nach der ZPO und den Verwaltungsvollstreckungsgesetzen, DGVZ 1974, 135; Oerke Gerichtsvollzieher und Parteiherrschaft, Diss. Frankfurt/Main (1991); Paschold Recht und Pflicht des Gerichtsvollziehers zur Sachverständigen-Befragung, DGVZ 1995, 52; Pawlowksi Wirtschaftlichkeit der Zwangsvollstreckung, ZZP 90 (1977), 345; Scherer Vollzugsbeendigung durch Scheckübergabe an den Gerichtsvollzieher, DGVZ 1994, 129; Schilken Der Gerichtsvollzieher als Vermittler zwischen Gläubiger und Schuldner bei der Realisierung titulierter Geldforderungen, DGVZ 1989, 161; Schneider Die Ermessens- und Wertungsbefugnis des Gerichtsvollziehers (1989); Seip Der Versuch einer Änderung des Gerichtsvollziehersystems, DGVZ 1997, 103; Seip Die Zwangsvollstreckung durch den Gerichtsvollzieher, NJW 1994, 352; Seip Wie soll der Vollstreckungsauftrag aussehen? DGVZ 1971, 102; Stolte Aufsicht über Vollstreckungshandlungen des Gerichtsvollziehers, Diss. Bochum (1987); Stolte Der Gerichtsvollzieher – Vollstreckungsorgan zwischen Selbständigkeit und Weisungsgebundenheit, DGVZ 1987, 97; Stojek Beweisaufnahme durch den Gerichtsvollzieher? MDR 1977, 456; Strehlau-Weise Rechtsstellung und Aufgabenbereich des Gerichtsvollziehers unter besonderer Berücksichtigung seiner Befugnisse bei Vollstreckungen nach § 756 ZPO (1996); Uhlenbruck Das Bild der Gerichtsvollziehers, DGVZ 1993, 97; Wieser Die Dispositionsbefugnis des Vollstreckungsgläubigers, NJW 1988, 665; Zeiss Aktuelle vollstreckungsrechtliche Fragen aus der Sicht des Gerichtsvollziehers, JZ 1974, 564; Zeiss Beachtung des Datenschutzes bei Ersatzzustellungen, DGVZ 1984, 81.

Übersicht I. 1. 2. 3. 4.

Der Gerichtsvollzieher als Vollstreckungsorgan 1 Allgemeines 4 Zuständigkeit (Abs. 1) 6 Verfahren 7 Haftung

II.

Rechtsverhältnis zwischen Gerichtsvollzieher und Gläubiger 9 Rechtsnatur 13 Weisungsbefugnis des Gläubigers

1. 2.

III.

Mitwirkung der Geschäftsstelle (Abs. 2)

IV.

Formblätter (Abs. 3)

V.

Elektronische Kommunikation (Abs. 4, 18 Abs. 5)

VI.

Rechtsbehelfe

VII. Kosten

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I. Der Gerichtsvollzieher als Vollstreckungsorgan 1. Allgemeines Der Gerichtsvollzieher betreibt die Zwangsvollstreckung ebenso wie die anderen Organe der 1 Zwangsvollstreckung (Vollstreckungsgericht, Prozessgericht, Grundbuchamt)1 in eigener Verantwortung, selbständig und grundsätzlich weisungsfrei.2 Das „Ob“ und das „Wie“ seines Vollstreckungshandelns, also die Prüfung der Zulässigkeit und die Bestimmung der Zweckmäßigkeit der von ihm vorzunehmenden Vollstreckungsmaßnahmen, sind vorbehaltlich zulässiger Gläubigerweisungen (s.u. II 2) seiner Entscheidung vorbehalten. Daran ändert auch die Besonderheit nichts, dass der Gerichtsvollzieher in seinem Handeln der Nachprüfung durch ein anderes Vollstre-

1 Vgl. zur Aufgabenverteilung unter den Vollstreckungsorganen Vor § 704 Rdn. 57 ff. 2 Vgl. RGZ 140, 429; Dütz DGVZ 1975, 49, 65, 81; Pawlowski ZZP 90 (1977) 348, 353 m.w.N. auch zu abweichenden Meinungen. 189

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ckungsorgan – das Vollstreckungsgericht – gemäß § 766 unterzogen ist.3 Nach zutreffender Auffassung handelt es sich dabei nämlich um eine reine Rechtsaufsicht, die insbesondere vorbeugende Eingriffe in die Ermessensausübung des Gerichtsvollziehers oder in seine Geschäftsverhältnisse nicht zulässt.4 Da auch die anderen Vollstreckungsorgane allein einer rechtlichen, nicht fachlichen Nachprüfung ihrer Maßnahmen unterliegen (z.B. Entscheidungen des Vollstreckungsgerichts nach § 793), lässt sich im Ergebnis keine mindere Selbständigkeit des Gerichtsvollziehers als Vollstreckungsorgan begründen. 2 Auch eine Fachaufsicht der Justizverwaltung in Ergänzung zur Rechtsaufsicht des Vollstreckungsgerichts nach § 766 scheidet aus, da die Dienstaufsicht des Aufsicht führenden Richters am Amtsgericht nach § 1 GVO nur der allgemeinen Überwachung des Geschäftsgangs dient, also nicht als ein Mittel zum Eingriff in ein konkretes Vollstreckungsverfahren missverstanden werden darf.5 Eine bestimmte Reihenfolge der Erledigung von Vollstreckungsanträgen kann daher auch nicht durch Dienstaufsichtsbeschwerde erwirkt werden, sondern bleibt allein dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichtsvollziehers gemäß § 5 GVGA vorbehalten.6 Bei Ermessensfehlern, z.B. bei Verletzung des in § 5 GVGA niedergelegten Dringlichkeitsgrundsatzes, kommen allerdings Amtshaftungsansprüche des benachteiligten Gläubigers in Betracht (s.u. Rdn. 7). 3 Auch wenn der Gerichtsvollzieher nur auf Vollstreckungsantrag (in §§ 753 ff. „Vollstreckungsauftrag“ genannt) des Gläubigers hin tätig wird, übt er als Beamter (§§ 154 GVG, 3 GVO) hoheitliche Gewalt aus,7 und ist dementsprechend bei Interessenkollision von der Amtsausübung ausgeschlossen (§ 155 GVG).8 Dieser Ausschluss kraft Gesetzes führt bei Nichtbeachtung entsprechend § 579 Nr. 2 zur Nichtigkeit der jeweiligen Vollstreckungshandlung.9 In Ausübung des staatlichen Gewaltmonopols kann der Gerichtsvollzieher keinem generellen Weisungsrecht des Gläubigers unterliegen (s.u. Rdn. 9 ff.), und ist an die bundeseinheitlich ergangenen Vorschriften zur Regelung seiner Dienst- und Geschäftsverhältnisse (GVGA, GVO) nebst landesrechtlichen Ergänzungen gebunden (§ 1 GVGA).10 Als Beamter erhält der Gerichtsvollzieher Dienstbezüge und Entschädigungen (§§ 7 ff. GVO), da die nach dem GVKostG anfallenden Kosten nicht für eigene Rechnung, sondern für die Landeskasse erhoben werden; seinen Geschäftsbetrieb regelt er jedoch nach eigenem pflichtgemäßen Ermessen auf eigene Kosten (§§ 29 ff. GVO).11

2. Zuständigkeit (Abs. 1) 4 Der Gerichtsvollzieher ist gemäß Abs. 1 sachlich und funktionell für die Zwangsvollstreckung zuständig, soweit sie nicht dem Vollstreckungsgericht, dem Prozessgericht oder dem Grundbuchamt zugewiesen ist. Die Vorschrift hat im Wesentlichen nur deklaratorische Bedeutung, da die Zuständigkeit des Gerichtsvollziehers in den jeweiligen Vorschriften i.d.R. gesondert bestimmt ist (vgl. z.B. §§ 755, 808, 829 Abs. 2, 830 Abs. 1, 831, 883 ff., 892).12 Angesichts des Umfangs der dem 3 Maßnahmen des Gerichtsvollziehers außerhalb der Zwangsvollstreckung sind als Justizverwaltungsakte gem. §§ 23 f. EGGVG anfechtbar: § 766 Rdn. 15. Verfehlt daher insoweit KG NJW-RR 1986, 201, 202, wo von „Fachaufsicht des Vollstreckungsgerichts“ die Rede ist. Ausdrücklich offen gelassen von BVerwGE 65, 260, 264. LG München II DGVZ 1974, 157; MünchKomm/Heßler § 754 Rdn. 25. Gaul Rpfleger 1971, 81, 82. Darüber hinaus kann der Gerichtsvollzieher nicht wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden: vgl. BVerfG NJW-RR 2005, 365; BGH NJW-RR 2005, 149; LG Coburg DGVZ 1990, 89. 9 Blomeyer VV 4 I 3; a.A. (Maßnahme lediglich anfechtbar) Stein/Jonas/Münzberg § 753 Rdn. 4 und Thomas/Putzo/ Seiler § 753 Rdn. 7. 10 Die Bindung erstreckt sich laut Niedersächs. OVG DGVZ 1997, 73 auch auf generelle Anordnungen der Dienstaufsicht, in Vollstreckungssachen in bestimmter Weise zu verfahren; dies ist bedenklich im Hinblick auf die Eigenverantwortlichkeit des Gerichtsvollziehers bei seiner Tätigkeit als Vollstreckungsorgan. 11 Vgl. auch allgemein zur rechtlichen Stellung des Gerichtsvollziehers Gaul ZZP 87 (1974) 241 ff. 12 Vgl. die Aufzählungen bei HK-ZV/Sternal § 753 Rdn. 6 ff.; BeckOK/Ulrici § 753 Rdn. 2.1.

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Gerichtsvollzieher zugewiesenen Aufgaben (vgl. § 30 GVGA) gibt Abs. 1 zutreffend das Regel-Ausnahme-Verhältnis von Gerichtsvollzieher- und Gerichtszuständigkeit wieder. Verstöße gegen die funktionelle Zuständigkeitsverteilung zwischen den Vollstreckungsorganen führen grundsätzlich zur Nichtigkeit der Maßnahme.13 Die örtliche Zuständigkeit des Gerichtsvollziehers bestimmt sich nach dem ihm gemäß 5 §§ 10 ff. GVO zugewiesenen Gerichtsvollzieherbezirk (§ 14 Abs. 1 GVO). Maßgeblich ist der Ort, wo die Vollstreckung durchgeführt werden soll, also regelmäßig der Wohnort des Schuldners.14 Bei unbekanntem Aufenthaltsort des Schuldners greift § 755. Sind bei einem AG mehrere Gerichtsvollzieher beschäftigt, ist die Zuweisung des Gerichtsvollzieherbezirks eine Frage der Geschäftsverteilung (vgl. § 10 Abs. 1 GVO). Erfordert die Durchführung eines Vollstreckungsantrags das Tätigwerden in mehreren Gerichtsvollzieherbezirken eines Gerichtsbezirks, ist jeder Gerichtsvollzieher eines der beteiligten Gerichtsvollzieherbezirke örtlich zuständig (§ 18 GVO). Handelt ein nach der Geschäftsverteilung innerhalb desselben Gerichtsbezirks unzuständiger Gerichtsvollzieher, wird dadurch die Gültigkeit der Amtshandlung nicht berührt (§ 10 Abs. 4 GVO), und der Verstoß gegen die Geschäftsverteilung führt – wie bei anderen Verstößen gegen die Geschäftsverteilung auch – nicht zur Anfechtbarkeit der Vollstreckungsmaßnahme.15 Betrifft der Verstoß gegen die örtliche Zuständigkeit nicht nur die Geschäftsverteilung innerhalb eines Gerichtsbezirks, sondern die Zuständigkeit des Gerichtsvollziehers eines anderen Gerichtsbezirks, führt dies zwar auch nicht zur Unwirksamkeit (vgl. §§ 14 Abs. 2, 18 Abs. 2 GVO), wohl aber nach allgemeinen Regeln zur Anfechtbarkeit der Maßnahme.16 Die Anfechtung erfolgt durch Rechtsbehelf (§ 766) derjenigen, die bloße Verfahrensverstöße rügen können, also insbesondere des Schuldners und nachstehender Pfandgläubiger.17 Eine Heilung des Mangels ist durch nachträglichen Verzicht des Schuldners auf Beachtung der Regeln über die örtliche Zuständigkeit möglich,18 nicht aber durch Wiederholung der Pfändung, die eine (nicht rangwahrende) Neuvornahme darstellt.

3. Verfahren Der Gerichtsvollzieher hat vor Beginn der Zwangsvollstreckung das Vorliegen der allgemeinen 6 und besonderen Vollstreckungsvoraussetzungen sowie das Vorhandensein von Vollstreckungshindernissen zu prüfen.

4. Haftung Für Amtspflichtverletzungen des Gerichtsvollziehers haftet gem. § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG das 7 Bundesland, in dessen Dienst er steht.19 Eine dem Gerichtsvollzieher i.S.v. § 839 Abs. 1 S. 1 BGB obliegende Amtspflicht kann zum Nachteil des Gläubigers,20 des Schuldners21 und Dritter, wie z.B. des Erstehers in der Versteigerung,22 verletzt werden. Die Amtspflichten in der Zwangsvollstreckung ergeben sich aus der ZPO, aus Vorschriften anderer Gesetze, die auf das Vollstreckungshan13 14 15 16 17 18 19

Gottwald/Mock § 753 Rdn. 7. HK-ZV/Sternal § 753 Rdn. 8. Ebenso wohl Stein/Jonas/Münzberg § 753 Rdn. 4; a.A. Anders/Gehle/Vogt-Beheim § 753 Rdn. 20. Zöller/Seibel § 753 Rdn. 3; MünchKomm/Heßler § 753 Rdn. 12. Vgl. § 766 Rdn. 59 ff. Vgl. dazu allgemein § 750 Rdn. 45 ff. H.M. seit RGZ 82, 85; vgl. OLG Frankfurt Rpfleger 1976, 367; LG Dortmund NJW-RR 1986, 1498; Glenk NJW 2014, 2315. 20 Vgl. z.B. RGZ 137, 153 (Verweigerung der Versteigerung von Pfandstücken); BGH MDR 1959, 282 und OLG Hamburg MDR 1967, 763 (Belassung von Pfandstücken im Gewahrsam des Schuldners entgegen § 808 Abs. 2 S. 1). 21 Vgl. z.B. BGH NJW 1959, 1775 (ungenügende Kenntlichmachung der Pfändung). 22 RGZ 153, 257, 262 (Abführung des Versteigerungserlöses vor Ablieferung der zugeschlagenen Sache). 191

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deln des Gerichtsvollziehers einwirken,23 aus den GVGA,24 und aus Anweisungen des Vollstreckungsgerichts nach § 766.25 Als Verwaltungsrichtlinie der Landesjustizverwaltung ist die GVGA zwar für die Gerichte nur beachtlich, falls mit dem Gesetz vereinbar,26 doch dürfte Verschulden des Gerichtsvollziehers in aller Regel ausscheiden, wenn er sich an die Geschäftsanweisung hält.27 Falls es die Landesjustizverwaltungen versäumen, die Geschäftsanweisungen an neuere Rechtsentwicklungen anzupassen, kann zwar ein pflichtwidriges Hoheitshandeln vorliegen, es dürfte in solchen Fällen aber an einer geeigneten Anspruchsgrundlage der am Vollstreckungsverfahren Beteiligten fehlen. 8 Der betreibende Gläubiger haftet Schuldnern oder Dritten für schädigendes Verhalten des Gerichtsvollziehers bei der Zwangsvollstreckung grundsätzlich nicht, da dieser weder als sein Erfüllungsgehilfe (§ 278 BGB) noch als sein Verrichtungsgehilfe (§ 831 BGB) anzusehen ist, sondern in Amtsstellung handelt.28 Das gilt auch dann, wenn der Gerichtsvollzieher bei Ausübung seiner Amtsbefugnisse den Gläubiger i.S. der §§ 164 ff. BGB vertritt (s.u. Rdn. 9).29 Denn die Selbständigkeit und Eigenverantwortlichkeit des Gerichtsvollziehers (s.o. Rdn. 1) entlastet den Gläubiger von der Obliegenheit, die Rechtmäßigkeit der von ihm veranlassten Vollstreckungsmaßnahmen des Gerichtsvollziehers zu überprüfen.30 Ausnahmsweise kommt jedoch eine Haftung des Gläubigers nach §§ 823, 826 BGB in Betracht, wenn er schuldhaft eine sachgemäße Prüfung der Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung durch den Gerichtsvollzieher durch falsche Tatsachenangaben vereitelt oder in sonst missbilligenswerter Weise auf die Ermessensausübung des Gerichtsvollziehers Einfluss nimmt.31 In derartigen Fällen kann sich der Gläubiger nicht dadurch freizeichnen, dass der gegebenenfalls gutgläubig handelnde Gerichtsvollzieher selbst keine schuldhafte Amtspflichtverletzung begeht. Falls der Gerichtsvollzieher ausnahmsweise32 außerhalb des u.a. durch § 754 gesetzlich bestimmten Aufgabenbereichs tätig wird, handelt er auch insoweit in Amtsstellung aufgrund des durch Weisung des Gläubigers konkretisierten Vollstreckungsantrags, sodass auch insoweit eine Haftung nach § 831 BGB ausscheidet.33

II. Rechtsverhältnis zwischen Gerichtsvollzieher und Gläubiger 1. Rechtsnatur 9 Der Gerichtsvollzieher übt bei der Zwangsvollstreckung hoheitliche Gewalt durch Eingriffe in Freiheit und Eigentum des Schuldners aus (s.o. Rdn. 1). Es handelt sich bei dem Gerichtsvollzieher um ein selbständiges Organ der Rechtspflege.34 Der Vollstreckungsantrag („Auftrag“) schafft daher seinerseits ausnahmslos eine öffentlich-rechtliche Beziehung zwischen Gerichtsvollzieher und Gläubiger, die den Gerichtsvollzieher zur Durchsetzung des Titels auf gesetzlichem Weg im Rahmen der Geschäftsanweisungen verpflichtet; für den Abschluss eines privatrechtlichen Dienst-

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Vgl. OLG Köln DGVZ 1988, 137 (zu § 352 StGB). BGH LM § 839 BGB (Fi) Nr. 12; OLG Köln DGVZ 1988, 137, 139. Thomas/Putzo/Seiler § 753 Rdn. 16b. OLG Hamm DGVZ 1977, 41; AG Berlin-Charlottenburg DGVZ 1981, 43; AG Berlin-Wedding DGVZ 1981, 88; Eich-Lübbig DGVZ 1991, 35. 27 Das gilt erst recht, wenn ihn das Vollstreckungsgericht nach § 766 angewiesen hat. 28 Vgl. RGZ 104, 283, 285. 29 Stein/Jonas/Münzberg § 755 Rdn. 5; a.A. OLG Hamm OLGRspr. 1925, 182 (Haftung nach § 831 BGB). 30 Zu weitgehend daher RGZ 143, 118, 123, da die Prüfung der Einhaltung des § 803 Abs. 1 S. 2 Amtspflicht des Gerichtsvollziehers ist (vgl. § 132 Abs. 6 GVGA). 31 RG JW 1912, 201 (Inaussichtstellen einer „besonderen Vergütung“ für die Beschleunigung der Versteigerung). 32 Vgl. § 754 Rdn. 24. 33 A.A. Stein/Jonas/Münzberg § 755 Rdn. 5. 34 BGH NJW 1985, 1711. Bittmann

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oder Auftragsverhältnisses ist kein Raum,35 sodass es einer Annahmeerklärung des Gerichtsvollziehers nicht bedarf. Das gilt auch insoweit, als der Gerichtsvollzieher gemäß § 754 oder aufgrund besonderer Weisung des Gläubigers rechtsgeschäftliche Handlungen bzw. nicht mit hoheitlicher Gewaltausübung verbundene Realakte für diesen vorzunehmen befugt ist. Hierbei handelt es sich nur um eine gesetzliche bzw. fallweise Inhaltsbestimmung und Modifizierung des Vollstreckungsantrags, der einerseits Anlass für die Amtstätigkeit des Gerichtsvollziehers ist, andererseits aber auch Umfang und Inhalt dieser Tätigkeit – soweit rechtlich zulässig – festlegt. Es besteht daher keine Notwendigkeit das Verhältnis zwischen Gerichtsvollzieher und Gläubiger in ein hoheitliches Grundverhältnis und ein privatrechtlich bzw. rechtsgeschäftlich geprägtes Vertretungsverhältnis außerhalb des Vollstreckungsverfahrens aufzuspalten.36 Denn der Gerichtsvollzieher ist – wie § 754 belegt – vermöge seiner Amtsstellung aufgrund des Vollstreckungsantrags auch zur Abgabe bestimmter rechtsgeschäftlicher Erklärungen mit Wirkung für und gegen den Gläubiger gemäß §§ 164 ff. BGB befugt.37 Auch dies ist integrierter Bestandteil der Amtshandlung „Zwangsvollstreckung“.38 Entgegen dem insoweit irreführenden Wortlaut des § 754 Abs. 2 S. 1 („Ermächtigung“ zur Zwangsvollstreckung „und“ zu den in § 754 bezeichneten Handlungen) handelt es sich insbesondere auch bei der Empfangnahme der aus dem Titel geschuldeten Leistung durch den Gerichtsvollzieher in Vertretung des Gläubigers um eine Vollstreckungshandlung.39 Die Frage, ob der Gerichtsvollzieher im Rahmen des § 754 bzw. aufgrund darüber hinausge- 10 hender Weisungen des Gläubigers als Amtsperson i.S. der sog. Amtstheorie oder als Vertreter des Gläubigers i.S. der sog. Vertretertheorie40 handelt, ist daher i.S. eines „sowohl als auch“ zu beantworten. Denn der Gerichtsvollzieher kann den Gläubiger in diesen Fällen zwar rechtsgeschäftlich vertreten, sein Handeln bleibt jedoch amtlich in Vollzug des Vollstreckungsantrags, auch wenn es nicht mit der Anwendung von Zwangsmaßnahmen verbunden ist.41 Die Abgrenzung zum „rein hoheitlichen“ Handeln, d.h. zur Ausübung staatlichen Zwangs, erfolgt nicht etwa danach, ob das Handeln des Gerichtsvollziehers unmittelbare Rechtswirkungen für den Gläubiger hat (dies trifft z.B. gleichermaßen auf eine Pfändung wie auf das Angebot der Gegenleistung nach § 756 zu), sondern danach, ob die jeweilige Amtshandlung auch vom Gläubiger als Rechtsgeschäft oder geschäftsähnliche Handlung vorgenommen werden könnte, wenn er zugegen wäre.42 Als rechtsgeschäftliche Vertretung sind daher neben der Empfangnahme bestimmter Schuldnerleistungen nach § 754 Abs. 1 und darüber hinausgehender Handlungen des Gerichtsvollziehers aufgrund besonderer Weisung des Gläubigers43 auch das wörtliche Angebot der Gegenleistung nach § 756, die Vorlegung und Protesterhebung bei nach § 831 gepfändeten Schecks und Wechseln (§ 123 GVGA), und wohl auch die Entgegennahme der Schuldnererklärung gemäß § 840 Abs. 344 anzusehen. Anders verhält es sich bei dem tatsächlichen Angebot der Gegenleistung nach § 75645 und der Quit35 H.M.: BGH NJW-RR 2009, 658, 659; RGZ 82, 85; 104, 283, 285; LG Kiel Rpfleger 1970, 71 m.w.N.; Anders/Gehle/VogtBeheim § 753 Rdn. 10 „Sachlichrechtlicher Vertrag“; Zöller/Seibel § 753 Rdn. 4; Baur/Stürner/Bruns § 5 Rdn. 5.13; zumindest als Grundsatz wohl auch von den Anhängern der sogenannten Vertretertheorie akzeptiert: vgl. OLG Frankfurt NJW 1963, 773, 774. 36 So aber im Ergebnis wohl die sogenannte Vertretertheorie: vgl. OLG Frankfurt NJW 1963, 773, 774; LG Hildesheim NJW 1959, 537 für nicht durch § 754 abgedeckte rechtsgeschäftliche Handlungen; Fahland ZZP 92 (1979) 432, 456. 37 Insoweit a.A. die sogenannte Amtstheorie: vgl. LG Kiel Rpfleger 1970, 71, 72; LG Gießen DGVZ 1991, 173 (kein Anspruch des Gläubigers auf Herausgabe eines vom Schuldner auf den Gerichtsvollzieher ausgestellten Schecks); Anders/Gehle/Vogt-Beheim § 753 Rdn. 10 „Gegenleistung“; Zöller/Seibel § 753 Rdn. 4; Geißler DGVZ 1991, 166, 168. 38 Dass rechtsgeschäftliche Erklärungen wohl nicht zur Zwangsvollstreckung i.S.v. § 88 InsO gehören, ist hier ohne Bedeutung, da diese Vorschrift nach ihrem Sinn und Zweck ohnehin nur Zwangsmaßnahmen meinen kann. 39 Vgl. auch § 60 GVGA. 40 Vgl. zum Theorienstreit Brox/Walker § 12 Rdn. 313; Lippross/Bittmann Teil 1 Rdn. 190. 41 Stein/Jonas/Münzberg § 753 Rdn. 3. 42 Stein/Jonas/Münzberg § 753 Rdn. 3. 43 Vgl. § 754 Rdn. 24. 44 Hier ist nämlich bereits der Zugang beim Gerichtsvollzieher fristwahrend: OLG Düsseldorf WM 1980, 203. 45 Realakt (§ 294 BGB); zu weitgehend daher insoweit Stein/Jonas/Münzberg § 753 Rdn. 3. 193

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§ 753

Achtes Buch – Zwangsvollstreckung

tung und Aushändigung der vollstreckbaren Ausfertigung gemäß §§ 754 Abs. 1, 757 Abs. 1 (Wissenserklärung bzw. Realakt). 11 Außerhalb der somit lediglich punktuell gegebenen rechtsgeschäftlichen oder geschäftsähnlichen Vertretungsmöglichkeiten des Gläubigers durch den Gerichtsvollzieher sind die §§ 164 ff. BGB nicht anwendbar, insbesondere ist Kenntnis oder Kennenmüssen des Gerichtsvollziehers nicht ohne weiteres dem Gläubiger gemäß § 166 Abs. 1 BGB zurechenbar.46 Aus strafrechtlicher Sicht kommt dem Gerichtsvollzieher gegenüber dem Vollstreckungsgläu12 biger eine Vermögensbetreuungspflicht i.S.v. § 266 StGB zu.47

2. Weisungsbefugnis des Gläubigers 13 Der Vollstreckungsantrag verpflichtet den Gerichtsvollzieher (öffentlich-rechtlich) zur Vornahme aller zulässigerweise begehrten Vollstreckungsmaßnahmen. Beanstandet er Teile des Vollstreckungsauftrages, so hat er den Auftrag auf Verlangen des Gläubigers in dem von ihm für unbedenklich gehaltenen Umfang auszuführen.48 Obwohl stets in Amtsstellung handelnd, wird der Gerichtsvollzieher im Interesse des Gläubigers tätig, und muss daher eine Konkretisierung des Vollstreckungsantrags durch Gläubigerweisung im Rahmen der Gesetze und der Geschäftsanweisungen beachten (§ 31 Abs. 2 GVGA). Der Gläubiger darf grundsätzlich sowohl die Art der Vollstreckungsmaßnahme, den Gegenstand, in den vollstreckt werden soll, als auch den Zeitpunkt bestimmen, zu dem die Vollstreckung gegen den Schuldner erfolgen soll, soweit nicht zwingende Pfändungsschutzvorschriften oder sonstige zwingende gesetzliche Vorschriften entgegenstehen.49 Der Gläubiger kann danach eine beantragte Vollstreckungsmaßnahme inhaltlich beschränken oder zurücknehmen, die Aufhebung einer Vollstreckungsmaßnahme oder die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung ganz oder teilweise bewilligen oder auf die durch eine bewirkte Pfändung erlangten Rechte ganz oder teilweise verzichten, § 843 ZPO.50 Zulässig sind daher Weisungen hinsichtlich der Auswahl der Pfandstücke, sofern nicht gesetzliche Beschränkungen (z.B. nach § 803 Abs. 1 S. 2, Abs. 2) durch ihre Befolgung verletzt würden.51 Ebenso kann der Gläubiger eine unterlassene oder unzureichende Kenntlichmachung der Pfändung rügen, und den Gerichtsvollzieher z.B. zur Erhaltung der Erkennbarkeit der Pfändung anweisen.52 Vermöge seiner Parteiherrschaft über das Vollstreckungsverfahren kann der Gläubiger auch das Ruhen des Verfahrens anordnen.53 Der Gläubiger ist jedoch nicht befugt, die Rechtswirkungen der nach dem Gesetz vorgesehenen Zwangsvollstreckungsmaßnahmen durch eine einseitige Anordnung dahin zu modifizieren, dass unter Aufrechterhaltung der Verstrickung die sich aus dem Pfandrecht ergebenden Rechtswirkungen vorübergehend entfallen.54 Ferner darf der Gerichtsvollzieher auch auf Gläubigerweisung hin weder von einer durch § 829 Abs. 2 S. 2 vorgeschriebenen Zustellung an den Schuldner absehen,55 noch unter Verstoß gegen § 756 anstelle des tatsächlichen Angebots der Gegenleistung die Aufrechnung erklären.56 Der Gläubiger darf dem Gerichtsvollzieher auch nicht

46 47 48 49

RGZ 90, 154; JW 1914, 863 (zu § 30 KO). BGH NStZ-RR 2013, 344, 345; NJW 2011, 2149, 2150. Vgl. LG München I DGVZ 1995, 91 zur Forderungsberechnung. BGH NJW-RR 2016, 319; OLG Stuttgart NJW 2015, 2513; Musielak/Voit/Lackmann § 753 Rdn. 12; Glenk NJW 2014, 2315, 2316; strenger BeckOK/Ulrici § 754 Rdn. 5.1. 50 BGH NJW-RR 2016, 319. 51 Vgl. LG Augsburg DGVZ 1995, 154; AG Waldbröl DGVZ 1990, 29; MünchKomm/Heßler § 753 Rdn. 35; a.A. wohl LG Berlin DGVZ 1976, 185 = MDR 1977, 146. 52 RGZ 161, 109, 114 f. 53 AG Straubing Rpfleger 1979, 72; Wieser NJW 1988, 665, 667. 54 BGH NJW-RR 2016, 319. 55 KG DGVZ 1966, 163. 56 § 756 Rdn. 11. Bittmann

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Ort und Zeit der Vollstreckungshandlung vorschreiben.57 Schließlich trifft der Gerichtsvollzieher die Wahl zwischen der Zustellung durch ihn selbst (§§ 192, 193) oder durch die Post (§§ 192, 194) nach pflichtgemäßem Ermessen.58 Andererseits obliegt die Beurteilung der Erfolgsaussichten von Vollstreckungsversuchen allein dem Gläubiger. Der Gerichtsvollzieher ist daher nicht berechtigt, Pfändungsgesuche des Gläubigers allein wegen mangelnder Erfolgsaussichten zurückzuweisen.59 Das gilt selbst dann, wenn sich die Weisung auf die Wiederholung eines erfolglosen Vollstreckungsversuchs, z.B. in Form eines Dauerauftrages für die Kassenpfändung,60 richtet, da der Gerichtsvollzieher insoweit ausreichend durch das Kostenrecht, insbesondere die Befugnis zur Einforderung eines Kostenvorschusses (§ 4 GVKostG) und die Verpflichtung zur Abarbeitung der Vollstreckungsanträge nach Priorität (§ 5 Abs. 1 S. 3 GVGA), vor insoweit unsachgemäßen Gläubigerweisungen geschützt ist.61 Sonstige Wünsche und Anregungen des Gläubigers, z.B. betreffend die Annahme von Schecks und die Verwertung von gepfändeten Sachen, hat der Gerichtsvollzieher im Rahmen von Gesetz und Geschäftsanweisung zu berücksichtigen.

III. Mitwirkung der Geschäftsstelle (Abs. 2) Die Vorschrift entspricht § 166 Abs. 2. § 168 gilt jedoch nicht, da stets ein gesonderter Antrag des 14 Gläubigers erforderlich ist. Zuständig ist die Geschäftsstelle des Vollstreckungsgerichts (§ 764), wobei der Urkundsbeamte zwar in Amtsstellung, nach Abs. 2 S. 2 aber in (gesetzlicher) Vertretung des Gläubigers handelt.62 Die Entgegennahme und Weiterleitung von Vollstreckungsanträgen, die durch die Vermittlung der Geschäftsstelle gestellt werden, erfolgt – soweit vorhanden – durch die Verteilungsstellen des Amtsgerichts (§ 22 GVO).

IV. Formblätter (Abs. 3) Gemäß Abs. 3 S. 1 wird das BMJV ermächtigt, verbindliche Formulare für den Vollstreckungsauf- 15 trag an den Gerichtsvollzieher einzuführen. Dem ist der Gesetzgeber mit der Schaffung der Gerichtsvollzieherformular-Verordnung63 nachgekommen. § 1 S. 1 und § 5 GVFV sehen für Vollstreckungsaufträge seit dem 1.4.2016 verbindlich das in der Anlage vorgegebene Formular vor. Dieses umfasst neben dem in der Anlage befindlichen eigentlichen Formular das in Anl. 1 gem. § 1 S. 2 Nr. 2 GVFV vorgesehene Formular für eine Forderungsaufstellung.64 Hält sich der Antragsteller nicht an den Formularzwang kann der Gerichtsvollzieher die Ausführung des Antrags verweigern.65 Zu beachten ist, dass das Formular der GVFV Aufträge zur Zwangsvollstreckung wegen Geldforderunggen gem. §§ 802a-882i erfasst, nicht hingegen Aufträge zur Durchführung der Herausgabevollstreckung nach §§ 883 ff., sofern nicht zugleich die Zwangsvollstreckung wegen der Kosten beantragt wird66 § 1 Abs. 2 GVFV nimmt Aufträge von dem Formularzwang aus, die ausschließlich die Zustellung eines Schriftstücks zum Gegenstand haben sowie Aufträge zur Beitreibung öffentlich-rechtlicher Forderungen. Ebenfalls nicht dem Formularzwang unterliegen unter-

57 AG Memmingen DGVZ 1989, 27 unter Verweis auf die eigenverantwortliche Organisationsbefugnis des Gerichtsvollziehers. OLG Stuttgart NJW 2015, 2513. LG Essen DGVZ 1981, 22; LG Göttingen DGVZ 1986, 174. Vgl. zur Zulässigkeit LG Bonn DGVZ 1974, 56. A.A. LG Hannover DGVZ 1984, 90; AG Frankfurt DGVZ 1975, 95; AG Geilenkirchen DGVZ 1976, 188. Vgl. AG Worms DGVZ 1998, 46; Stein/Jonas/Münzberg § 753 Rdn. 12. BGBl. I 1586. Vgl. BGH NJW 2019, 441; BeckOK/Ulrici § 753 Rdn. 9b. LG Ulm DGVZ 2019, 18; MünchKommZPO/Heßler § 753 Rdn. 52 m.w.N. AG Dülmen DGVZ 2020, 237; Musielak/Voit/Lackmann § 7563 Rdn. 15a; BeckOK/Ulrici § 753 Rdn. 9a.1.

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stüzende Tätigkeiten des Gerichtsvollziehers, etwa Maßnahmen nach § 755.67 Ferner ist ein (erneuter) Antrag mittels Formulars nicht erforderlich, wenn der Gläubiger lediglich die Fortsetzung eines ruhenden Vollstreckungsverfahrens begehrt.68 16 Der Antragsteller ist vom Formularzwang entbunden, soweit das Formular unzutreffend, fehlerhaft oder missverständlich ist69 Soweit für den beabsichtigten Vollstreckungsauftrag in dem Formular keine zweckmäßige Möglichkeit zur Eintragung vorgesehen ist, kann gem. § 2 Abs. 2 S. 1 GVFV ein geeignetes Freitextfeld oder eine zusätzliche Anlage verwendet werden.70 Umstritten ist, ob es einer Unterschrift des Formulars bedarf. Die verneinende Ansicht stellt 17 darauf ab, dass die Unterschriftszeile nicht Bestandteil des eigentlichen Formulars sei. Ferner fehle es an einer Kompetenznorm zur Einführung eines Schriftformerfordernisses.71 Diese Auffassung ist abzulehnen.72 Dies zeigt bereits ein Vergleich mit der Rechtslage beim elektronischen Rechtsverkehr nach § 130a, auf den Abs. 4 S. 2 verweist und dessen Abs. 3 eine elektronische Signatur oder einen sicheren Übermittlungsweg verlangt. Angesichts dessen kann bei einem, nicht elektronisch eingereichten Auftrag kein geringeres Formerfordernis greifen.73 Nach zutreffender Auffassung ist zudem eine Originalunterschrift erforderlich, nicht genügend ist daher eine eingescannte Unterschrift74 oder eine Unterschrift mittels Stempel.75

V. Elektronische Kommunikation (Abs. 4, Abs. 5) 18 Abs. 4 enthält nunmehr Vorgaben für eine elektronische Kommunikation mit dem Gerichtsvollzieher. Hiernach können nicht nur schriftlich einzureichende Anträge, sondern auch sonstige Erklärungen etc. als elektronisches Dokument eingereicht werden. Die Vorschrift verweist insoweit konsequenter Weise auf die §§ 130a, 298. Abs. 5 erklärt ferner § 130d für anwendbar, sodass der dort genannte Personenkreis seit dem 1.1.2022 verpflichtet ist, die entsprechenden Anträge und Erklärungen auf elektronischem Wege zu übermitteln.76

VI. Rechtsbehelfe 19 Gegen die Ablehnung eines Vollstreckungsantrags und bei Nichtbeachtung von Gläubigeranweisungen ist die Erinnerung (§ 766 Abs. 2) gegeben. Ebenso bei Verzögerung der Erledigung von Vollstreckungsanträgen. Ein Verstoß gegen die Pflichten des Gerichtsvollziehers laut GVGA, die über das Gesetz hinausgehen, kann allerdings nicht mit Vollstreckungserinnerung beanstandet werden, da die GVGA für das Gericht nicht verbindlich ist.77 Der Schuldner kann einen Verstoß des Gläubigers gegen den Formularzwang nach Abs. 3 nicht mit der Erinnerung nach § 766 angreifen, da die Vorschriften der GVFV nicht seinem Schutz dienen, sondern allein der erleichterten Bearbeitung durch die Justiz.78 67 68 69 70 71 72

BGH NJW-RR 2019, 1531; Musielak/Voit/Lackmann § 753 Rdn. 15a. BGH NJW-RR 2019, 1531, 1532. BGH NJW 2019, 441. BGH NJW 2019, 441. LG Frankfurt (Oder) DGVZ 2019, 103; LG Heilbronn DGVZ 2021, 238; LG Freiburg DGVZ 2021, 238. So auch LG Heilbronn DGVZ 2017, 54; AG Dresden DGVZ 2021, 26; BeckOK/Ulrici § 753 Rdn. 9b; Musielak/Voit/ Lackmann § 753 Rdn. 6. 73 BeckOK/Ulrici § 753 Rdn. 9b; Musielak/Voit/Lackmann § 753 Rdn. 6. 74 LG Heilbronn DGVZ 2017, 54; Musielak/Voit/Lackmann § 753 Rdn. 6; a.A. LG Konstanz DGVZ 2021, 143; BeckOK/Ulrici § 753 Rdn. 9b. 75 AG Ludwigsburg JurBüro 2017, 384; BeckOK/Ulrici § 753 Rdn. 9b. 76 Vgl. hierzu BGH WM 2023, 1271. 77 OLG Oldenburg JurBüro 1989, 261; LG Bonn DGVZ 1993, 41, 43; Nidderhoff DGVZ 1983, 4 ff. 78 Vollkommer NJW 2013, 3681, 3683; Musielak/Voit/Lackmann § 753 Rdn. 15c. Bittmann

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Abschnitt 1. Allgemeine Vorschriften

§ 754

VII. Kosten Für die Tätigkeit des Gerichtsvollziehers fallen Gebühren nach dem GVKostG sowie den dazu 20 ergangenen Durchführungsbestimmungen an.

§ 753a Vollmachtsnachweis 1

Bei der Durchführung der Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen in das bewegliche Vermögen haben Bevollmächtigte nach § 79 Absatz 2 Satz 1 und 2 Nummer 3 und 4 ihre ordnungsgemäße Bevollmächtigung zu versichern; des Nachweises einer Vollmacht bedarf es in diesen Fällen nicht. 2Satz 1 gilt nicht für Anträge nach § 802g. Die seit dem 1.1.2021 geltende Regelung ist an die des § 703 angelehnt und soll der Verfahrensver- 1 einfachung dienen.1 Sie gilt für alle Vollstreckungsorgane, jedoch nur für die Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen in das bewegliche Vermögen. Anträge auf Erlass eines Haftbefehls nach § 802g ZPO werden aufgrund ihrer besonderen Bedeutung von der Vorschrift nicht erfasst.2 Aus dieser Anordnung folgt zugleich, dass auch die allgemeinen Regelungen 1. Titels des 2. Abschnitts des 8. Buches der ZPO erfasst sein sollen.3 Rechtsmittel des Zwangsvollstreckungsrechts sind ebenfalls nicht umfasst.4 Die Vorschrift gilt für die folgenden Bevollmächtigten: Rechtsanwälte (§ 79 Abs. 2 S. 1), Ver- 2 braucherzentralen und -verbände (§ 79 Abs. 2 S. 2 Nr 3) und Inkassodienstleister (§ 79 Abs. 2 S. 2 Nr 4). Nicht erfasst sind hingegen Personen, die für ihren Arbeitgeber oder Familienangehörige auftreten (§ 79 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 und 2). Diese müssen somit nach wie vor eine Originalvollmacht vorlegen.5 Handeln Bevollmächtigte, die keine natürlichen Personen sind, findet § 79 Absatz 2 Satz 3 Anwendung.6 Die von der Vorschrift genannten Bevollmächtigten brauchen ihre Vollmacht nur noch zu 3 versichern und gerade keine Originalvollmacht mehr vorlegen.7 Sofern verbindliche Formulare (vgl. § 753 Abs. 3) zur Anwendung kommen, ist die Versicherung hierauf vorzunehmen.8 Nicht ausreichend ist die bloße Vorlage einer eingescannten Vollmachtsurkunde.9 Von der Vorschrift erfasst wird nach dem weiten Wortlaut und ihrem Sinn und Zweck nicht nur die Prozessvollmacht, sondern auch eine Geldempfangsvollmacht.10

§ 754 Vollstreckungsauftrag und vollstreckbare Ausfertigung (1) Durch den Vollstreckungsauftrag und die Übergabe der vollstreckbaren Ausfertigung wird der Gerichtsvollzieher ermächtigt, Leistungen des Schuldners entgegenzunehmen

1 BT-Drucks. 19/20348, 72. 2 BT-Drucks. 19/20348, 72; vgl. hierzu AG Kiel NJW-RR 2022, 353. 3 Zöller/Seibel § 753a Rdn. 2; Musielak/Voit/Lackmann § 753a Rdn. 1. 4 BeckOK/Ulrici § 753a Rdn. 1; Musielak/Voit/Lackmann § 753a Rdn. 2. 5 BT-Drucks. 19/20348, 72. 6 BT-Drucks. 19/20348, 72. 7 AG München DGVZ 2023, 51. 8 Musielak/Voit/Lackmann § 753a Rdn. 4; Zöller/Seibel § 753a Rdn. 4. 9 AG Calw DGVZ 2022, 244. 10 AG Burg DGVZ 2022, 198; AG Lübeck JurBüro 2022, 329; a.A. LG Itzehoe, Beschluss vom 14.11.2022 – 4 T 177/22, juris. 197 https://doi.org/10.1515/9783110443158-034

Bittmann

§ 754

Achtes Buch – Zwangsvollstreckung

und diese zu quittieren sowie mit Wirkung für den Gläubiger Zahlungsvereinbarungen nach Maßgabe des § 802b zu treffen. (2) 1Dem Schuldner und Dritten gegenüber wird der Gerichtsvollzieher zur Vornahme der Zwangsvollstreckung und der in Absatz 1 bezeichneten Handlungen durch den Besitz der vollstreckbaren Ausfertigung ermächtigt. 2Der Mangel oder die Beschränkung des Auftrags kann diesen Personen gegenüber von dem Gläubiger nicht geltend gemacht werden. § 4 GVGA Form des Auftrags (§ 161 GVG, §§ 168, 192, 753 Abs. 2, 3 und 4, §§ 754, 754a, 802a Abs. 2 ZPO) Aufträge an den Gerichtsvollzieher bedürfen keiner Form, soweit nicht durch Rechtsverordnung gem. § 753 Absatz 3 der Zivilprozessordnung (ZPO) verbindliche Formulare für den Auftrag eingeführt sind. Aufträge zur Vollstreckung einer Geldforderung sind unter Verwendung des nach § 5 der Verordnung über das Formular für den Vollstreckungsauftrag an den Gerichtsvollzieher (GVFV) verbindlich zu nutzenden Formulars zu stellen. Einer Verwendung des Formulars bedarf es nicht für einen Auftrag, der ausschließlich die Zustellung eines Schriftstücks zum Inhalt hat oder für einen Auftrag zur Beitreibung von öffentlich-rechtlichen Forderungen (§ 1 Absatz 2 GVFV). Ein elektronisch eingereichter Auftrag muss den Anforderungen des § 130a Absatz 2 bis 4 ZPO und denjenigen der Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung (ERVV) genügen; § 130a Absatz 6 ZPO gilt entsprechend. Der nach § 298 Absatz 2 und 3 ZPO anzufertigende Aktenvermerk kann durch den Ausdruck des Prüfvermerks ersetzt werden. Mündlich erteilte Aufträge sind aktenkundig zu machen.

Schrifttum Behr Effektive Sachpfändung durch den Gerichtsvollzieher, NJW 1992, 2738; Braun Vollstreckung von Minimalforderungen, DGVZ 1979, 129; Braun/Raab-Gaudin Auswirkungen des § 11 VerbrKrG auf die Zwangsvollstreckung, DGVZ 1992, 1; Cirullies Verbindung von Pfändungs- und Verhaftungsauftrag, DGVZ 1986, 83; Eich/Lübbig Teilerfolg und Effektivität der Zwangsvollstreckung, DGVZ 1991, 33; Gaul Grundüberlegungen zur Neukonzipierung und Verbesserung der Sachaufklärung in der Zwangsvollstreckung, ZZP 108 (1995), 3; Glenk Unverzichtbares Allerlei – Amt und Haftung des Gerichtsvollziehers, NJW 2014, 2315; Goebel Die Einführung der ratenweisen Forderungseinziehung Zwangsvollstreckung, Rpfleger 1995, 189; Guntau Zahlung an Gerichtsvollzieher zur Abwendung der Zwangsvollstreckung aus vorläufig vollstreckbaren Zahlungstiteln, DGVZ 1984, 17; Hergenröder Gütliche Erledigung der Zwangsvollstreckung als Leitprinzip, DGVZ 2012, 105; Kirchner Rechtsschutz bei Bagatellforderungen, Rpfleger 2004, 395; Krauthausen Aktuelles aus dem Gerichtsvollzieher-Kostenrecht, DGVZ 1988, 163; Müller Bedarf der Auftrag an den Gerichtsvollzieher der handschriftlichen Unterzeichnung? DGVZ 1993, 7; Mümmler Die Pfändung gegen Gesamtschuldner, DGVZ 1971, 108; Noack Die Verpflichtung des Gerichtsvollziehers zur Aufklärung und Berücksichtigung des im Einzelfall gegebenen Sachverhalts, DGVZ 1984, 33; Oerke Ratenweise Forderungseinziehung trotz erfolgloser Pfändung, DGVZ 1992, 161; Pawlowski Rechtliche Grundlagen der ratenweisen Vollstreckung, DGVZ 1991, 177; Reinert/Burkhardt Verzugszinsen nach Scheckübergabe an den Gerichtsvollzieher, DGVZ 1993, 49; Riecke Entbehrlichkeit der handschriftlichen Unterzeichnung bei Vollstreckungsaufträgen an Gerichtsvollzieher, DGVZ 2002, 49; Stolte Bestimmungsrecht des Schuldners contra § 168 Abs. 2 GVGA, DGVZ 1988, 145; Schilken Kosten der Zwangsvollstreckung nach Verrechnung von Teilleistungen, DGVZ 1991, 1; E. Schneider Vollstreckungsmißbrauch bei Minimalforderungen, DGVZ 1978, 166; E. Schneider Bemerkungen zur kostenträchtigen Beitreibung von Minimalforderungen, DGVZ 1983, 132; E. Schneider Prüfungspflicht des Gerichtsvollziehers bei Vollstreckung von Restforderungen, DGVZ 1982, 149; H. Schneider Prüfung des Gerichtsvollziehers bei Vollstreckung von Restforderungen, DGVZ 1982, 149; Wieser Die freiwillige Zahlung des Vollstreckungsschuldners an den Gerichtsvollzieher, DGVZ 1988, 129; Wieser Rateninkasso des Gerichtsvollziehers, DGVZ 1991, 129.

Übersicht I.

Antragsform und Antragsbefugnis

II. 1. 2. 3.

Inhalt des Vollstreckungsantrags 7 Mindestinhalt 10 Teilweise Vollstreckung Vollstreckung von Restforderungen

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1

III. 1. 2. 3. 14

Pflichten und Befugnisse des Gerichtsvollziehers 17 Allgemeines Vornahme von Handlungen im Rahmen der Vor20 schrift Rechtsgeschäftliches Handeln außerhalb des An24 wendungsbereichs der Vorschrift

198

§ 754

Abschnitt 1. Allgemeine Vorschriften

IV.

Erlöschen des Vollstreckungsantrags

V.

Befugnisse des Gerichtsvollziehers gegenüber 29 dem Schuldner sowie Dritten (Abs. 2) Vollstreckbare Ausfertigung als Vertretungs- und 30 Befugnisnachweis (Abs. 2 S. 1)

1.

27

2.

Bedeutung des Vollstreckungsantrags im Verhält32 nis zu Schuldner und Dritten (Abs. 2 S. 2)

VI.

Rechtsbehelfe

VII. Kosten

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I. Antragsform und Antragsbefugnis Als Ausdruck der die ZPO beherrschenden Dispositionsmaxime erfolgt die Durchführung der Zwangsvollstreckung nur auf Antrag des Gläubigers.1 Der in §§ 753 ff. als „Auftrag“ bezeichnete Vollstreckungsantrag kann entweder unmittelbar an den Gerichtsvollzieher oder an die Verteilungsstelle des Amtsgerichts (§ 22 GVO) oder unter Vermittlung der Geschäftsstelle des Vollstreckungsgerichts gemäß § 753 Abs. 22 an die Verteilungsstelle oder den Gerichtsvollzieher gerichtet werden. Der Vollstreckungsantrag kann nach dem Wortlaut der Vorschrift schriftlich oder mündlich (auch fernmündlich) gestellt werden.3 Wegen § 130a ist auch eine elektronische Antragstellung möglich, auch durch Email.4 Der Antrag ist aber nach allgemeiner Meinung5 auch durch schlüssiges Handeln möglich, insbesondere durch Übersendung der vollstreckbaren Ausfertigung. Im Anwendungsbereich des § 753 Abs. 3 ist nunmehr allerdings die verbindliche Verwendung des Antragsformulars der GVFV zu beachten.6 Hinsichtlich der elektronischen Übermittlung gelten § 753 Abs. 4 und Abs. 5.7 Insbesondere bei konkludent gestellten Vollstreckungsanträgen bedarf es der Auslegung durch den Gerichtsvollzieher nach pflichtgemäßem Ermessen. Im Zweifel hat er allerdings Rücksprache mit dem Gläubiger zu nehmen.8 Der dem Gerichtsvollzieher erteilte Verhaftungsantrag enthält – da auf das einschneidendste Vollstreckungsmittel gerichtet – in aller Regel zugleich einen Pfändungsantrag („argumentum a maiori ad minus“),9 zumal der Verhaftungsantrag ohne weiteres mit dem Pfändungsantrag auch ausdrücklich verbunden werden kann.10 Der bei dem Gerichtsvollzieher gestellte Vollstreckungsantrag enthält zugleich die Bitte um Zustellung gemäß § 750 Abs. 1 S. 2, falls ein Zustellungsnachweis nicht beigefügt ist und für den Gerichtsvollzieher keine Anhaltspunkte dafür gegeben sind, dass das Fehlen eines Zustellungsnachweises auf Versehen beruht (wie z.B. bei einer Urteilsausfertigung mit Tatbestand und Entscheidungsgründen: § 750 Abs. 1 S. 2, Halbs. 2). Antragsberechtigt ist der im Titel oder – falls vom Titel abweichend – in der Klausel namentlich bezeichnete Gläubiger (§ 750 Abs. 1 S. 1), also z.B. auch eine Partei kraft Amtes, insbesondere der Insolvenzverwalter.11 Keine Antragsberechtigung hat dagegen der bei Gütergemeinschaft zur Allein- oder Mitverwaltung berufene Ehegatte, wenn im Titel der andere Ehegatte als Gläubiger aufgeführt ist; das muss zur Vermeidung der Prüfung materiell-rechtlicher Fragen des Güterstandes durch den Gerichtsvollzieher auch dann gelten, wenn die Vollstreckung allein zugunsten des

1 Vgl. BGH NJW 2011, 2149, 2150. 2 Vgl. § 753 Rdn. 14. 3 Vgl. BGH DGVZ 2012, 46; BeckOK/Ulrici § 753 Rdn. 8. 4 MünchKomm/Heßler § 754 Rdn. 6. 5 Vgl. nur LG Berlin DGVZ 1985, 59, 60; Stein/Jonas/Münzberg § 754 Rdn. 1; MünchKomm/Heßler § 754 Rdn. 7. 6 § 753 Rdn. 15 ff. 7 § 753 Rdn. 18. 8 Schumacher DGVZ 1959, 102. 9 Im Ergebnis ebenso LG Essen DGVZ 1981, 187; AG Mettmann DGVZ 1989, 75; zu eng LG Berlin DGVZ 1985, 59. 10 Cirullies DGVZ 1986, 83. 11 Vgl. § 727 Rdn. 20 ff. 199

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laut Titel berechtigten Ehegatten erfolgen, also dieser den Gegenstand der Zwangsvollstreckung für das Gesamtgut in Empfang nehmen soll.12 Die Antragsberechtigung steht auch dann allein dem Vollstreckungsgläubiger zu, wenn der Titel auf Leistung an Dritte lautet. 5 Stellvertretung durch gesetzliche Vertreter und Bevollmächtigte ist möglich; der Prozessbevollmächtigte erster Instanz ist gemäß § 81 Halbs. 1 bis zum Erlöschen der Vollmacht zur Antragstellung ermächtigt (§ 31 Abs. 1 S. 1 GVGA). Sofern der Antrag von einem Prozessbevollmächtigten ausgeht, darf der Gerichtsvollzieher die Vollmacht nur auf ausdrückliche Rüge hin überprüfen, §§ 88, 80 Abs. 1. Der Antrag muss allerdings vom Prozessbevollmächtigten auch selbst unterschrieben sein; die Unterschrift eines Angestellten genügt nicht.13 Bei Gläubigermehrheit kommt es ebenso wie bei der Notwendigkeit namentlicher Parteibe6 zeichnung nach § 750 Abs. 1 S. 114 auf das materiell-rechtliche Beteiligungsverhältnis laut Titel an. Wird die Vollstreckung bei Teilgläubigerschaft (§ 420 BGB) auf das Ganze gerichtet, ist ein Antrag aller Gläubiger erforderlich, bei Gesamtgläubigerschaft (§ 428 BGB) genügt dagegen der Antrag eines Gläubigers. Bei Mitgläubigerschaft (§ 432 BGB) müssen zwar alle Gläubiger i.S.v. § 750 Abs. 1 S. 1 ausreichend bezeichnet sein, da der Schuldner nur an alle gemeinschaftlich leisten kann. Falls jedoch aus dem Titel hervorgeht, dass jeder Gläubiger Leistung an alle fordern kann, genügt der Vollstreckungsantrag eines Gläubigers.15 Dasselbe gilt bei Titelforderungen, die einer Gesamthand zustehen, für den Fall, dass ein Gesamthänder ausnahmsweise (vgl. § 714 BGB) berechtigt ist, allein Leistung an die Gesamthand, wie z.B. gemäß § 2039 BGB, zu verlangen.16 Schuldnermehrheit ist kein Problem der Antragsberechtigung, sondern eine Frage der Erforderlichkeit verschiedener Vollstreckungsanträge durch den oder die antragsberechtigten Gläubiger. Bei Gesamthandsschuld genügt ein Antrag, während bei Vollstreckung wegen Teilschuld (§ 420 BGB) oder Gesamtschuld (§ 421 BGB) auch verschiedene Vollstreckungsanträge zu stellen sind,17 die andererseits aber (selbstverständlich) in einem Auftragsschreiben zusammengefasst werden können.18

II. Inhalt des Vollstreckungsantrags 1. Mindestinhalt 7 Vorrangig zu beachten ist der Formularzwang des § 753 Abs. 3. Insoweit sind die in dem zu verwendenden Antragsformular der GVFV verbindlich. Der Auftrag muss inhaltlich bestimmt sein im Hinblick auf die Nennung von Gläubiger und Schuldner, auf die Vollstreckungsforderung (zusammengesetzt aus Hauptforderung, Nebenforderungen sowie den Kosten für den Prozess und die Zwangsvollstreckung) sowie die begehrte Vollstreckungshandlung.19 Dabei darf auf Titel und Klausel Bezug genommen werden.20 Bereits die Tatsache, dass der Vollstreckungsantrag auch durch schlüssiges Handeln gestellt werden kann, zeigt, dass die Anforderungen an seinen Inhalt nicht überspannt werden dürfen. Es genügt die bestimmte Bezeichnung des zu vollstreckenden Titels, worin auch der Grund dafür zu sehen ist, dass bereits die Titelübersendung regelmäßig

12 A.A. Stein/Jonas/Münzberg § 754 Rdn. 11, der unter dieser Bedingung den Ehegatten eine Titelumschreibung nach § 742 ersparen will. AG Seligenstadt DGVZ 1995, 12; a.A. AG Amberg Rpfleger 2006, 90; Gottwald/Mock § 753 Rdn. 8. Vgl. § 750 Rdn. 9. Musielak/Voit/Lackmann § 753 Rdn. 7. BGH NJW 2021, 634, 635; KG NJW 1957, 1154; Musielak/Voit/Lackmann § 753 Rdn. 7; andernfalls verbleibt es dabei, dass alle Gesamthänder den Auftrag erteilen müssen: AG Wedding DGVZ 1978, 31. 17 LG Hagen DGVZ 1976, 31; Mümmler DGVZ 1971, 108 m.w.N. 18 MünchKomm/Heßler § 753 Rdn. 18. 19 Vgl. HK-ZV/Sternal § 754 Rdn. 4. 20 BeckOK/Ulrici § 753 Rdn. 9.1.

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eine konkludente Antragstellung beinhaltet (s.o. Rdn. 1).21 Umgekehrt ist eine (auch schriftliche) Antragstellung ohne Titelübersendung für den Vollstreckungsbeginn nicht ausreichend. Der Gerichtsvollzieher darf den Antrag erst nach Übergabe der vollstreckbaren Ausfertigung erledigen (§ 31 Abs. 5 S. 2 GVGA); allerdings genügt die Übergabe einer einfachen Ausfertigung des Titels, wenn die Klauselerteilung entbehrlich ist.22 Vollstreckungshandlungen des Gerichtsvollziehers ohne den Besitz des Titels sind formell fehlerhaft und mit Erinnerung anfechtbar (§ 766).23 Freiwillige Schuldnerleistungen sind allerdings nicht anfechtbar, wenn sich die Vollstreckungswirkung – z.B. durch Übereignung des vom Gerichtsvollzieher vom Schuldner in Empfang genommenen Geldes an den Gläubiger (s.u. Rdn. 21) – erledigt hat. In derartigen Fällen ist der Schuldner auf die Durchsetzung materiell-rechtlicher Ansprüche gegen den Gläubiger verwiesen. Hängt der Beginn der Vollstreckung von der Vorlage weiterer Unterlagen (z.B. nach §§ 750 Abs. 2, 751 Abs. 2, 756) ab, so sind diese spätestens zu Beginn der Vollstreckungsmaßnahme dem Gerichtsvollzieher zu übergeben (vgl. § 31 Abs. 7 GVGA). Zum Mindestinhalt des Vollstreckungsantrags gehört der unbedingte Auftrag zur Vollstre- 8 ckung des Titels. Beginn oder Fortsetzung der Vollstreckung können nicht vom Eintritt einer Bedingung i.S.v. § 158 BGB abhängig gemacht werden.24 Auch hier sind indessen innerprozessuale Bedingungen zulässig, wie z.B. ein hilfsweiser Verhaftungsantrag für den Fall eines erfolglosen Pfändungsversuchs.25 Im Rahmen einer Sachpfändung muss der Gläubiger nicht angeben, welche Gegenstände des 9 Schuldners konkret vom Gerichtsvollzieher zu pfänden sind. Diese Auswahl ist dem Gerichtsvollzieher zugewiesen.26

2. Teilweise Vollstreckung Falls sich der Vollstreckungsantrag (zulässigerweise) in der Bezeichnung des Titels erschöpft, hat 10 der Gerichtsvollzieher den vollen Titelbetrag einzutreiben. Außerdem muss der Gerichtsvollzieher nach dem Titel geschuldete Zinsen und die Kosten der Zwangsvollstreckung (§ 788) selbst berechnen und vollstrecken.27 Der Gläubiger kann den Antrag aber auch (ausdrücklich) auf teilweise Vollstreckung richten, 11 insbesondere auf den (betragsmäßig bestimmten) Teilbetrag einer Geldforderung beschränken.28 Da-

21 Der Gläubiger muss die zutreffende Adresse des Schuldners (falls vom Titel abweichend) angeben; Kosten, die durch die Angabe einer falschen Adresse entstehen, hat der Gläubiger zu tragen: AG Augsburg DGVZ 1994, 78.

22 ZB in den Fällen der §§ 699, 796, 929, 936. 23 Dies bedeutet aber nicht, dass bereits eine Vollstreckung „ohne den Titel in der Hand“ zur Fehlerhaftigkeit der Vollstreckungsakte führt; iÜ dürfte Heilung eintreten und die Erinnerung unbegründet werden, sobald der Gerichtsvollzieher die Ausfertigung vom Gläubiger (zurück-)erhält. 24 Musielak/Voit/Lackmann § 753 Rdn. 9; vgl. aber LG Neubrandenburg NJOZ 2015, 418, 419. 25 Vgl. LG Kassel DGVZ 1985, 122; LG Koblenz DGVZ 1996, 12; vgl. auch Wieser NJW 1985, 672 zur Vollstreckungsaussetzung in Abhängigkeit von Ratenzahlungen des Schuldners. 26 MünchKomm/Heßler § 754 Rdn. 22. 27 Vgl. OLG Köln DGVZ 1983, 9; der Gerichtsvollzieher kann allerdings unter „besonderen Umständen“ (§ 80 Abs. 3 GVGA) vom Gläubiger eine Berechnung des beizutreibenden Betrags verlangen, wobei aber allein der Umfang der erforderlichen Berechnung solche Umstände solange nicht begründen kann, wie die Berechnungsgrundlagen (z.B. Diskontsatz der Bundesbank bei gleitenden Zinssätzen) allgemein verfügbar sind; insoweit wohl a.A. LG Darmstadt DGVZ 1995, 45, 46. 28 H.M.: vgl. nur LG Oldenburg Rpfleger 1980, 236 m.w.N.; der Fall der Teilschuld (§ 420 BGB) gehört nicht hierher, da die Vollstreckung gegen jeden Teilschuldner eines eigenen Antrags bedarf: s.o. Rdn. 5; die grundsätzliche Zulässigkeit teilweiser Vollstreckung ist – falls sie jemals ernsthaft zweifelhaft war – spätestens mit der Einfügung des § 752 durch die 2. Zwangsvollstreckungsnovelle geklärt, da sie in dieser Bestimmung vorausgesetzt wird. 201

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rin kann kein Rechtsmissbrauch liegen,29 da der Schuldner die auf die Vollstreckung nur einer Teilforderung abzielende Beschränkung des Antrags wegen § 754 Abs. 2 S. 2 nicht gegen sich gelten lassen muss, und die titulierte Forderung insgesamt befreiend an den Gerichtsvollzieher gemäß § 754 Abs. 1 leisten kann.30 Diese Möglichkeit des Schuldners zeigt auch, dass die für die Vollstreckung von Teilbeträgen anfallenden Kosten in aller Regel notwendig i.S.v. § 788 Abs. 1 S. 1 sind.31 12 Allerdings ist die Zulässigkeit von Teilvollstreckungsanträgen nur unter der Voraussetzung zu bejahen, dass das gemäß § 754 Abs. 2 S. 2 uneinschränkbare Recht des Schuldners durch vollständige Erfüllung und Auslieferung des Titels (§§ 754 Abs. 1, 757 Abs. 1) von weiteren Vollstreckungsmaßnahmen verschont zu bleiben, nicht wegen fehlender Kenntnis der Gesamtforderung unterlaufen wird. Vor allem die bereits entstandenen Kosten der Zwangsvollstreckung wird der Schuldner nur schwer überschauen können.32 Hieraus darf indes entgegen einer Ansicht in Literatur und Rechtsprechung33 nicht der Schluss gezogen werden, dass der Gläubiger verpflichtet ist, dem Gerichtsvollzieher eine Forderungsaufstellung zu liefern, und dieser eine solche vom Gläubiger verlangen kann. Das Gesetz kennt eine solche Vollstreckungsvoraussetzung nicht. Auch § 80 Abs. 3 GVGA hilft hier nicht weiter, da es sich nicht um eine Vorschrift handelt, die im Verhältnis zwischen Gerichtsvollzieher und Gläubiger Wirkung entfaltet, sondern lediglich um eine Verwaltungsvorschrift.34 Allenfalls in extremen Ausnahmefällen, in denen es dem Gerichtsvollzieher schlicht unzumutbar ist, selbst eine eigenständige Forderungsberechnung vorzunehmen, kann dieser eine Forderungsaufstellung des Gläubigers verlangen.35 13 Im Ergebnis ist daher eine Zwangsvollstreckung unzulässig, bei der Zweifel des Gerichtsvollziehers an der Vollständigkeit einer Tilgungsleistung mit der Folge verbleiben, dass auch eine tatsächlich vollständige Tilgung nicht zur Auslieferung des Titels führen kann. Die Feststellung des erforderlichen Tilgungsbetrags ist im Innenverhältnis Gläubiger/Gerichtsvollzieher sicherzustellen, wobei der Gerichtsvollzieher grundsätzlich nur bei erstmaliger Stellung eines Teilvollstreckungsantrags zur eigenständigen Berechnung verpflichtet ist (§ 80 Abs. 1 GVGA), da er dazu auch bei Stellung eines gewöhnlichen Vollstreckungsantrags auf den vollen Titelbetrag verpflichtet wäre.

3. Vollstreckung von Restforderungen 14 Der Gerichtsvollzieher muss den vollen oder – nach Maßgabe vorstehender Erläuterungen – teilweisen Titelbetrag vollständig eintreiben. Der Vollstreckungsantrag wirkt also so lange fort, bis sämtliche, auch geringfügige, Restbeträge getilgt sind.36 Zur Berücksichtigung etwaiger Abschlagszahlungen des Schuldners ist der Gerichtsvollzieher ohne Einverständnis des Gläubigers nur dann berechtigt und verpflichtet, wenn diese in den gesetzlich bestimmten Formen der §§ 757 Abs. 1,

29 Vgl. LG Darmstadt DGVZ 1974, 118; LG Hamburg DGVZ 1974, 139; LG Frankfurt DGVZ 1974, 174; AGe Opladen und Wattenscheid DGVZ 1974, 93 f.; a.A. AG Darmstadt DGVZ 1974, 13; AG Frankfurt DGVZ 1974, 92 („uferlose und u.U. schikanöse Belästigung“ von Schuldner und Gerichtsvollzieher). 30 Vgl. KG NJW 1977, 2271; LG Kassel DGVZ 1974, 176; Zeiss DGVZ 1976, 137. 31 U.U. a.A. AG Siegen DGVZ 1974, 175. 32 Dies wird u.U. von Stein/Jonas/Münzberg § 754 Rdn. 7 übersehen, der allein auf die dem Schuldner stets bekannte Titelforderung abstellt. 33 LG Lübeck DGVZ 1978, 76; LG München I DGVZ 1978, 170 LG Darmstadt DGVZ 1984, 88; LG Bad Kreuznach DGVZ 1991, 177; LG Tübingen DGVZ 1990, 43; Thomas/Putzo/Seiler § 753 Rdn. 12; Klein DGVZ 1974, 83. 34 BGH DGVZ 2012, 46; OLG Schleswig DGVZ 1976, 135 (m. abl. Anm. Zeiss); LG Bonn DGVZ 1978, 117; LG Kaiserslautern DGVZ 1982, 157; AG Leonberg DGVZ 1995, 157; MünchKomm/Heßler § 753 Rdn. 27; Musielak/Voit/Lackmann § 753 Rdn. 11. 35 In diese Richtung auch MünchKomm/Heßler § 753 Rdn. 28. 36 LG München II DGVZ 1984, 28; LG Berlin DGVZ 1986, 153; s. zum Problem der Bagatellbeträge auch u. Rdn. 17. Bittmann

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775 Nrn. 4, 5 geleistet wurden.37 Andere Schuldnerleistungen auf den Titel können ausschließlich durch Klage (§ 767) geltend gemacht werden, und ihre Behauptung führt entgegen dem insoweit zu weit gehenden Wortlaut des § 80 Abs. 2, 3 GVGA auch nicht zu einer Abrechnungsobliegenheit des Gläubigers gegenüber dem Gerichtsvollzieher oder dem Schuldner.38 Anders verhält es sich jedoch dann, wenn sich der Gläubiger mit dem Abzug von Abschlags- 15 zahlungen einverstanden erklärt, da diese dann unstreitig feststehen.39 Üblicherweise erfolgt die Einverständniserklärung des Gläubigers dadurch, dass er selbst den Vollstreckungsantrag auf einen Restbetrag richtet, indem er den Abzug vom Schuldner geleisteter Teilbeträge zulässt. Dabei ergibt sich entsprechend der Situation bei Teilvollstreckungsanträgen das Problem, dass die Zwangsvollstreckung nur unter der Voraussetzung zulässig ist, dass sich der Schuldner durch vollständige Tilgung vor weiteren Vollstreckungsmaßnahmen schützen können muss (s.o. Rdn. 10). Auch hier dürfen daher keine Zweifel des Gerichtsvollziehers über die Vollständigkeit der möglichen Tilgung verbleiben, die ihn zu einem Zurückhalten des Titels zwingen würden.40 Der Gerichtsvollzieher darf und muss schon aus diesem Grund die Zwangsvollstreckung ablehnen, solange keine Klarheit über die Höhe der Restforderung besteht;41 auf ein angebliches Verbot der Vollstreckung der Hauptleistung vor Zinsen und Kosten nach § 367 Abs. 1 BGB braucht dabei nicht abgestellt zu werden.42 Vom Gläubiger muss daher verlangt werden, dass er die abzuziehenden Teilleistungen des 16 Schuldners genau bezeichnet, insbesondere bei Geldforderungen genau beziffert und datiert. Denn unter dieser Voraussetzung kann der Gerichtsvollzieher gemäß § 80 Abs. 1 GVGA die beizutreibende Geldsumme selbst berechnen und davon die bezifferten Teilbeträge richtig abziehen. Wie der Abzug zu erfolgen hat, ergibt sich andererseits aus §§ 366 Abs. 2, 367 Abs. 1 BGB.43 Bei Forderungen, die unter §§ 491 ff. BGB fallen, ist allerdings die Tilgungsreihenfolge des § 497 Abs. 3 BGB zu beachten.44 Eine schuldnergünstigere Anrechnung von Teilleistungen gemäß § 367 Abs. 2 BGB (z.B. auf die Hauptleistung vor den Zinsen) darf der Gerichtsvollzieher nur zugrunde legen, falls sich diese aus dem Vollstreckungsantrag ergibt oder sonst vom Gläubiger bestätigt wird. Andernfalls ist der Schuldner auch insoweit auf die Klage nach § 767 verwiesen. Da der Gerichtsvollzieher auch feststellen kann und muss, ob Kosten der Zwangsvollstreckung (§ 788) durch die Abschlagszahlung des Schuldners abgedeckt oder in die Restforderung eingegangen sind,45 ist kein Grund ersichtlich, weshalb dieser vom Gläubiger neben der Bezifferung und Datierung der geleisteten Teilbeträge in jedem Fall auch die Vorlage einer prüfbaren Abrechnung nach Maßgabe

37 Gaul/Schilken/Becker-Eberhard § 26 Rdn. 6; falls diese Formen allerdings eingehalten sind, kann der Gläubiger die Vollstreckung insoweit nicht vom Gerichtsvollzieher verlangen (insoweit a.A. MünchKomm/Heßler § 754 Rdn. 15 für Nachweise nach § 775 Nrn. 4, 5). 38 Münzberg DGVZ 1971, 167; a.A. wohl LG Kassel DGVZ 1971, 23. 39 Würde – theoretisch – der Schuldner seinerseits die Zahlung bestreiten, wäre allerdings der Fall des Teilvollstreckungsantrags gegeben. 40 Vgl. § 757 Rdn. 3. 41 Im Ergebnis ebenso LG Tübingen DGVZ 1971, 157; LG Frankfurt DGVZ 1976, 27; LG Gießen DGVZ 1977, 91; LG Nürnberg DGVZ 1977, 93; a.A. Stein/Jonas/Münzberg § 754 Rdn. 6 und Münzberg DGVZ 1971, 167, wonach der Gerichtsvollzieher die Vollstreckung nur ablehnen darf, soweit die Unklarheit reicht; damit bestünde jedoch die Gefahr der Belästigung des Schuldners mit weiteren Vollstreckungshandlungen trotz Leistungsbereitschaft. 42 Insoweit zutreffend Münzberg DGVZ 1971, 167. 43 LG Hannover DGVZ 1979, 72; Burkhardt JurBüro 1965, 674; Stolte DGVZ 1988, 145, 148; Schilken DGVZ 1991, 1 m.w.N. auch zu abweichenden Lösungsvorschlägen. Das Tilgungsbestimmungsrecht nach § 366 Abs. 1 BGB steht dem Schuldner in der Zwangsvollstreckung hingegen nicht zu. 44 Einschränkend jedoch Braun/Raab-Gaudin DGVZ 1992, 1 zur Rechtslage nach dem VerbrKrG; vgl. auch Münzberg WM 1991, 170. 45 Vgl. dazu AG Berlin-Schöneberg DGVZ 1991, 77; H. Schneider DGVZ 1982, 149; Johannsen DGVZ 1990, 51. 203

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der §§ 366 Abs. 2, 367 Abs. 1 BGB verlangen darf.46 Dies ist im Verhältnis Gläubiger/Gerichtsvollzieher vielmehr grundsätzlich Sache des Gerichtsvollziehers, da dieser auch bei Schuldnerteilleistungen in der Form des § 757 Abs. 1 selbständig und eigenverantwortlich bereits erbrachte Teilleistungen bei weiteren Vollstreckungsversuchen aufschlüsseln und den Restbetrag feststellen muss.47 Der zusätzliche Arbeitsaufwand ist hier regelmäßig auch nicht vom Gläubiger zu verantworten. „Besondere Umstände“ i.S.v. § 80 Abs. 3 GVGA, unter denen der Gerichtsvollzieher den Gläubiger bei Abschlagszahlungen des Schuldners zur nachprüfbaren Bezifferung der Restschuld veranlassen darf, sind daher in diesen Fällen nur ausnahmsweise, nämlich bei Unzumutbarkeit48 zu bejahen.

III. Pflichten und Befugnisse des Gerichtsvollziehers 1. Allgemeines 17 Der Vollstreckungsantrag verpflichtet den Gerichtsvollzieher öffentlich-rechtlich zur Durchsetzung des Titels im Rahmen der Gesetze, der Geschäftsanweisungen und zulässiger Gläubigerweisungen unter Einschluss der Ausübung hoheitlicher Gewalt.49 Hierbei ist er zur persönlichen Amtsausübung verpflichtet (§ 3 GVO), kann sich aber zur Gewaltanwendung der Unterstützung der Polizei (§ 758 Abs. 3), zur Durchführung nicht hoheitlicher Handlungen, wie z.B. des Abtransports von Pfandstücken, der Unterstützung auch von anderen Hilfspersonen bedienen.50 Beigetriebene Gelder und sonstige Gegenstände, die im Rahmen der Vollstreckung in seinen Gewahrsam gelangt sind, muss der Gerichtsvollzieher unmittelbar dem Gläubiger aushändigen (§ 89 Abs. 1 S. 1 GVGA), und kann dazu durch Erinnerung (§ 766) auch gerichtlich angehalten werden.51 18 Der Gerichtsvollzieher darf die Erledigung von Vollstreckungsanträgen nicht verzögern oder zurückstellen, auch wenn ihm dies zweckmäßig oder sozial angemessen erscheint.52 Erfolgt die erste Vollstreckungshandlung nicht innerhalb eines Monats nach Antragstellung, ist der Grund für die Verzögerung aktenkundig zu machen (§ 5 Abs. 1 S. 2 GVGA). Mehrere unerledigte Vollstreckungsanträge gegen denselben Schuldner sind gleichzeitig, unabhängig von ihrem Eingang, zu erledigen.53 Der Gerichtsvollzieher hat den Gläubiger über den Ausgang des Verfahrens, etwa eine Erfolglosigkeit des Vollstreckungsversuchs, zu informieren.54 Der Gerichtsvollzieher darf einen Vollstreckungsauftrag ablehnen, wenn der Ausführung 19 gesetzliche Vorschriften (einschließlich der GVGA) entgegenstehen. Aus § 803 Abs. 2 folgt das Verbot der nutzlosen Pfändung, wenn diese also keine Aussicht auf Erfolg bietet und lediglich zusätzliche Kosten verursacht.55 Die Ablehnung eines Vollstreckungsantrags wegen Überlastung ist unzulässig. Der Gerichtsvollzieher ist nicht berechtigt, die Beitreibung sogenannter Bagatellbeträge

46 BGH DGVZ 2012, 46; MünchKomm/Heßler § 753 Rdn. 27; Musielak/Voit/Lackmann § 753 Rdn. 11; a.A. OLG Hamm DGVZ 1977, 169; LG Hamburg DGVZ 1975, 91; LG Gießen Rpfleger 1985, 245; LG Hagen DGVZ 1994, 91; Stein/Jonas/ Münzberg § 754 Rdn. 6; Thomas/Putzo/Seiler § 753 Rdn. 12. 47 Auf der vollstreckbaren Ausfertigung kann dagegen die Teilleistung gemäß § 757 Abs. 1 pauschal vermerkt werden. 48 Vgl. z.B. LG Tübingen DGVZ 1971, 157; AG Frankfurt DGVZ 1971, 25 und AG Gelsenkirchen DGVZ 1976, 139 zur Aufschlüsselung maschinell erstellter Belege. 49 Vgl. § 753 Rdn. 9 ff. 50 Bei der Auswahl von Transportunternehmen hat sich der Gerichtsvollzieher aus Kostengründen auf die in vertretbarer Nähe des Ortes der Amtshandlung vorhandenen Unternehmen zu beschränken: AG Gotha DGVZ 1995, 119. 51 LG Kiel Rpfleger 1970, 72. 52 § 5 Abs. 1 S. 1 GVGA; vgl. auch LG Bochum MDR 1954, 431. 53 MünchKomm/Heßler § 753 Rdn. 38 mit dem Hinweis darauf, dass ein derartiges „Aufstapeln“ von Vollstreckungsanträgen möglichst von vornherein zu vermeiden ist. 54 BGH NJW-RR 2004, 788. 55 Vgl. auch § 32 GVGA. Bittmann

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zu verweigern;56 dass die Vollstreckungskosten den beizutreibenden Betrag übersteigen, ist dabei ohne Bedeutung. Eine Mindestgrenze würde zu dem widersinnigen Ergebnis führen, dass zwar Erkenntnis- und Mahnverfahren als Titelerzeugungsverfahren eröffnet sind, die Vollstreckung geringfügiger Ansprüche aber blockiert wäre. In der Vollstreckung von Kleinstforderungen kann auch deshalb kein Rechtsmissbrauch gesehen werden,57 weil dies auch bei der Vollstreckung höherer Beträge zu einem entsprechenden, vom Gläubiger stets hinzunehmenden „Einbehalt“ seitens der Schuldner führen würde. Im Hinblick auf die erfolgte Durchführung titelerzeugender Verfahren und die Warnfunktion der Titelzustellung als allgemeiner Vollstreckungsvoraussetzung (§ 750 Abs. 1), kann vom Gläubiger sogenannter Bagatellforderungen auch nicht verlangt werden, dass er den Schuldner nochmals gesondert zur Zahlung auffordert.58 Die Sittenwidrigkeit des Titels kann eine Ablehnung des Auftrags in keinem Fall rechtfertigen, da es sich dabei um eine materiellrechtliche Frage handelt, die vom Gerichtsvollzieher nicht zu prüfen ist.59

2. Vornahme von Handlungen im Rahmen der Vorschrift Die Vorschrift trägt der Tatsache Rechnung, dass Ziel der Zwangsvollstreckung nicht etwa die 20 Ausübung staatlicher Befugnisnormen im Interesse des Gemeinwohls, sondern ausschließlich die Durchsetzung und Befriedigung des privatrechtlichen Anspruchs des Gläubigers ist. Sie ist weiterhin Ausdruck des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes im weiteren Sinne, wonach ua staatliche Zwangsmaßnahmen zu unterbleiben haben, wo sie zur Durchsetzung des mit ihnen verfolgten Ziels nicht erforderlich sind, weil weniger einschneidende Mittel zur Verfügung stehen. Dies wird durch die Regelungsbefugnis des Gerichtsvollziehers nach § 802a und die Möglichkeit der Herbeiführung einer gütlichen Einigung auch im Vollstreckungsverfahren nach § 802b unterstrichen. Der Gerichtsvollzieher hat daher den Schuldner zunächst zur freiwilligen Leistung aufzufor- 21 dern (§ 59 Abs. 2 S. 1 GVGA). Selbst bei entgegenstehenden Gläubigerweisungen darf er nicht sofort Pfändungen, Verhaftungen etc. vornehmen, sondern muss freiwillig60 oder zur Abwendung der Zwangsvollstreckung61 angebotene Schuldnerleistungen in Empfang nehmen, nach Maßgabe des § 757 Abs. 1 quittieren und bei vollständiger62 Leistung die vollstreckbare Ausfertigung an den Schuldner ausliefern. Hierzu ist der Gerichtsvollzieher dem Gläubiger gegenüber kraft Vollstreckungsantrag ermächtigt,63 dem Schuldner gegenüber durch den Besitz der vollstreckbaren Ausfertigung legitimiert und verpflichtet (§ 754 Abs. 2 S. 1). Dies gilt auch für die Empfangnahme und Hinterlegung der im Arrestbefehl bestimmten Lösungssumme, da sich dadurch das Sicherungsbedürfnis des Gläubigers erledigt (§ 923).64 Auch bei auf Befriedigung gerichteten Titeln darf der Gerichtsvollzieher vom Schuldner lediglich zur Hinterlegung zum Zwecke der Abwendung der 56 H.M.: LG Koblenz DGVZ 2009, 113; LG Wuppertal NJW 1980, 297 m.w.N.; AG Flensburg MDR 1975, 765; AG Braunschweig DGVZ 1981, 186; AG Karlsruhe DGVZ 1986, 92. 57 Anders aber H. Schneider DGVZ 1978, 166 und 1983, 132 m.w.N.; differenzierend Braun DGVZ 1979, 109 und 129; wie hier AG Flensburg MDR 1975, 765 (kein Missbrauch bei Vollstreckung wegen DM 3,21 Zinsen). 58 So aber LG Dortmund JurBüro 2007, 219; Gottwald/Mock § 753 Rdn. 13; Sibben DGVZ 1988, 181. 59 Vgl. MünchKomm/Heßler § 753 Rdn. 50 m.w.N. auch zur Gegenansicht. 60 Vgl. zum Begriff der Freiwilligkeit in diesem Zusammenhang Fahland ZZP 92 (1979) 432 und Guntau DGVZ 1974, 17. 61 Selbst wenn damit ein Vorbehalt im Sinne eines zeitlichen Aufschubs der Erfüllungswirkung verbunden sein sollte: vgl. Vor §§ 708–720a Rdn. 19; zum Ende des Zinslaufs vgl. § 757 Rdn. 4 m.w.N. 62 Bei Teilleistungen ist der Pfändungsumfang entsprechend dem verbleibenden Befriedigungsbedürfnis des Gläubigers zu beschränken (§ 803 Abs. 1 S. 2); der Schuldner ist allerdings gemäß § 754 Abs. 2 S. 2 stets zur vollständigen Leistung berechtigt: s.o. Rdn. 11. 63 Auch wenn der Titel auf Leistung an einen Dritten lautet: Stein/Jonas/Münzberg § 754 Rdn. 18. 64 Entgegen dem insoweit ungenauen Wortlaut des § 153 Abs. 6 GVGA ist der Gerichtsvollzieher daher nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet, die vom Schuldner angebotene Lösungssumme zuzüglich Kosten anzunehmen und von Zwangsmaßnahmen abzusehen. 205

Bittmann

§ 754

Achtes Buch – Zwangsvollstreckung

Vollstreckung angebotenes Geld schon aufgrund von § 754 ohne besondere Gläubigerermächtigung entgegennehmen.65 Denn auch im Falle der Pfändung wäre Gläubigerbefriedigung nicht möglich, sondern das Geld gemäß § 720 ähnlich der Situation bei der Arrestvollziehung (§ 930 Abs. 2) zu hinterlegen. 22 Im Übrigen darf der Gerichtsvollzieher jedoch nur Leistungen annehmen, die vom Schuldner ohne Bedingungen und Vorbehalte angeboten werden (§ 60 Abs. 1 S. 2 GVGA). Unschädlich sind jedoch der kraft Gesetzes ohnehin bestehende „Vorbehalt“ der Rückforderungsbefugnis nach § 717 Abs. 2 und der ausdrückliche Vorbehalt zum Ausschluss der Wirkungen des § 814 BGB, da Leistungen unter dem Druck einer sonst zu befürchtenden Zwangsvollstreckung ohnehin als vorbehaltlich im Sinne des § 814 BGB anzusehen sind.66 Keine vom Gerichtsvollzieher in Empfang zu nehmende freiwillige Leistung liegt allerdings in der Aufrechnung gegen den zu vollstreckenden Anspruch, da der Gerichtsvollzieher den Bestand der Gegenforderung nicht prüfen kann.67 Vollstreckt der Gerichtsvollzieher gleichzeitig für mehrere Gläubiger, muss sich der Schuldner bei Geldbeträgen, die nicht sämtliche Forderungen abdecken, zusätzlich mit einer Verteilung nach dem Verhältnis der beizutreibenden Forderungen einverstanden erklären, um die Pfändung des Geldes für sämtliche Gläubiger abzuwenden.68 Vgl. im Übrigen insoweit § 117 GVGA. 23 Auch wenn die Pflichten und Befugnisse des Gerichtsvollziehers nach § 754 unmittelbarer Ausfluss seiner öffentlich-rechtlichen Amtsstellung in Vollzug des Vollstreckungsantrags sind, kann er rechtsgeschäftliche Handlungen für den Gläubiger vornehmen.69 Bei Zahlungs- und anderen auf Übereignung von Sachen gerichteten Titeln liegt in der Empfangnahme der freiwilligen Schuldnerleistung die Annahme des Übereignungsangebots des Schuldners durch den Gerichtsvollzieher als Vertreter (§§ 164 ff., 929 ff. BGB) und Besitzmittler (§ 868 BGB) des Gläubigers.70 Bei nicht dem Schuldner gehörigen Sachen kommt es daher für gutgläubigen Erwerb (§ 932 BGB) auf die Person des Gerichtsvollziehers an (§ 166 Abs. 1 BGB).71 Der sofortige Eigentumsübergang führt materiell-rechtlich zur Befreiung des Schuldners (§ 362 Abs. 1 BGB)72 und vollstreckungsrechtlich dazu, dass Anschlusspfändungen in die vom Gerichtsvollzieher in Vertretung des Gläubigers in Empfang genommene Sache und Widerspruchsklagen (§ 771) ausscheiden. Eine nur vorläufige Vollstreckbarkeit des Titels steht diesen Wirkungen nicht entgegen, da der Gläubiger auch dann das Recht auf volle Befriedigung hat.73 Im Gegensatz dazu liegt bei Geldpfändung (§ 815) und Übereignungsvollstreckung (§ 897 Abs. 1) eine zwangsweise „Wegnahme“ durch den Gerichtsvollzieher vor, die anders als die freiwillige Leistungserbringung und Übergabe nach §§ 929 ff. BGB i.d.R. nicht zum sofortigen Eigentumsübergang führt. Auch die bloße Empfangnahme von freiwillig übergebenen Sachen zur Vermeidung der Herausgabevollstreckung (§§ 883 ff.) erfordert kein rechtsgeschäftliches Handeln des Gerichtsvollziehers namens des Gläubigers, sodass die vorbeschriebenen Wirkungen auch bei diesen Fällen nicht eintreten.74

65 H.M.: vgl. nur Stein/Jonas/Münzberg § 754 Rdn. 18 und Schmidt-v. Rhein DGVZ 1981, 145 m.w.N. 66 RGZ 147, 17; unschädlich ist selbstverständlich auch der in der Leistung zur Abwendung der Zwangsvollstreckung liegende zeitliche Aufschub der Erfüllungswirkung, da der Schuldner sonst auch bei nur vorläufig vollstreckbaren Titeln stets zur sofortigen Erfüllung zur Abwendung von Zwangsmaßnahmen gezwungen wäre. 67 Anders/Gehle/Vogt-Beheim § 754 Rdn. 32. 68 Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Walker/Vuia § 754 Rdn. 5; BeckOK/Ulrici § 754 Rdn. 6.1. 69 Vgl. § 753 Rdn. 11. 70 Insoweit zutreffend OLG Frankfurt NJW 1963, 774; vgl. auch Wieser DGVZ 1988, 129. 71 Stein/Jonas/Münzberg § 755 Rdn. 2; anders insoweit die Amtstheorie: MünchKomm/Heßler § 754 Rdn. 44 m.w.N. 72 Verfehlt daher die Entscheidung des AG Bad Homburg DGVZ 1991, 121 (keine Erfüllungswirkung bei freiwilliger Zahlung und anschließendem Diebstahl des Geldbetrags im Büro des Gerichtsvollziehers), die darauf hinausläuft, dass der Schuldner bei freiwilliger Zahlung schlechter als bei Geldpfändung (vgl. § 815 Abs. 3) stünde. 73 Ist allerdings vom Schuldner ausdrücklich nur zur Abwendung der Zwangsvollstreckung geleistet, ist ein zeitlicher Aufschub der Erfüllungswirkung bis zur Rechtskraft des Titels zu beachten. 74 Stein/Jonas/Münzberg § 754 Rdn. 17. Bittmann

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Abschnitt 1. Allgemeine Vorschriften

§ 754

3. Rechtsgeschäftliches Handeln außerhalb des Anwendungsbereichs der Vorschrift Zur Abgabe oder Entgegennahme rechtsgeschäftlicher Erklärungen für den Gläubiger, die über 24 die mit der Empfangnahme von Titelleistungen verbundenen Handlungen hinausgehen, ist der Gerichtsvollzieher aufgrund der Vorschrift nicht befugt. Das gilt insbesondere für solche Erklärungen, die die materiell-rechtliche Stellung des Gläubigers beeinträchtigen, wie z.B. den Abschluss eines Vergleichs (§ 779 BGB),75 die Annahme von anderen als nach dem Titel geschuldeten Leistungen an Erfüllung statt (§ 364 Abs. 1 BGB), die Gewährung eines Nachlasses auf die Titelschuld (§ 397 Abs. 1 BGB), die Stundung der Titelschuld gegen Ratenzahlung, die Entgegennahme oder Abgabe einer Aufrechnungserklärung (§ 388 BGB), die Ausübung eines dem Gläubiger i.S. der §§ 262 ff. BGB zustehenden Wahlrechts. Ausdrücklich von § 802b vorgesehen und damit zulässig ist hingegen das Treffen von Zahlungsvereinbarungen mit dem Schuldner. Im Gegensatz dazu ist die Annahme vom Schuldner erfüllungshalber angebotener Ersatz- 25 leistungen stets unter der Voraussetzung zulässig, dass der Gerichtsvollzieher dennoch pfändet, da damit eine Schmälerung der Rechtsposition des Gläubigers nicht verbunden ist.76 Dennoch berechtigen erfüllungshalber hingegebene Leistungen (mit Ausnahme von Bar- und Verrechnungsschecks) und auch sonstige Umstände den Gerichtsvollzieher keinesfalls – auch wenn es ihm zweckmäßig erscheint – ohne ausdrückliche Erlaubnis des Gläubigers von der sofortigen Pfändung abzusehen.77 Vermutliches Einverständnis oder stillschweigende Zustimmung des Gläubigers sind im Hinblick auf die Bedeutung möglichst frühzeitiger Pfändung und Rangsicherung für den Erfolg der Vollstreckung keinesfalls ausreichend.78 Eine ausdrückliche Ermächtigung durch den Gläubiger zum Verzicht auf sofortige Pfändung 26 und/oder zur Abgabe die Titelforderung betreffender materiell-rechtlicher Erklärungen stellt eine den Vollstreckungsantrag ergänzende und modifizierende Weisung auf öffentlich-rechtlicher Grundlage dar. Ebenso wie im Anwendungsbereich des § 754 gelten zwar die §§ 164 ff. BGB, jedoch besteht auch insoweit kein vom Vollstreckungsantrag zu unterscheidendes privatrechtliches Auftragsverhältnis.79 Der Gerichtsvollzieher kann daher die Abgabe oder die Entgegennahme von rechtsgeschäftlichen Erklärungen nur ablehnen, wenn eine darauf gerichtete Gläubigerweisung rechtswidrig ist, z.B. weil die nach § 756 vom Gläubiger nachzuweisende Gegenleistung nicht durch Aufrechnung erbracht werden kann,80 oder wenn das vom Gläubiger begehrte rechtsgeschäftliche Handeln in keinem unmittelbarem Zusammenhang mit der Titelforderung steht. Da derartige Handlungen nicht mit Ausübung hoheitlicher Gewalt verbunden sind, liegt in der Zulassung darauf gerichteter Gläubigerweisungen auch keine vom Gesetzesvorbehalt nicht mehr gedeckte Erweiterung der Eingriffsbefugnisse des Gerichtsvollziehers zu Lasten des Schuldners. Vielmehr wird in vielen Fällen eine schnelle und prozessökonomische Beendigung des Vollstreckungsverfahrens erst ermöglicht.

IV. Erlöschen des Vollstreckungsantrags Der Vollstreckungsantrag erlischt mit (teilweiser) Rücknahme, wozu der Gläubiger aufgrund sei- 27 ner Parteiherrschaft jederzeit berechtigt ist.81 Solange der Gerichtsvollzieher noch in Besitz der 75 RG JW 1889, 203. 76 Die grundsätzliche Beschränkung auf Bar- und Verrechnungsschecks in § 60 Abs. 3 S. 3, Abs. 5 GVGA ist daher zu eng.

77 MünchKomm/Heßler § 754 Rdn. 52; Musielak/Voit/Lackmann § 754 Rdn. 5. 78 § 32 Abs. 2 GVGA bezieht sich nur auf die Verwertung von Pfandstücken nach erfolgter Pfändung. 79 A.A. LG Hildesheim NJW 1959, 537, das konsequenterweise gegen die Weigerung des Gerichtsvollziehers die Erinnerung nach § 766 Abs. 2 nicht zulässt.

80 Insoweit zutreffend LG Hildesheim NJW 1959, 537. 81 BGH NJW-RR 2016, 319; Wieser NJW 1988, 665. 207

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§ 754

Achtes Buch – Zwangsvollstreckung

vollstreckbaren Ausfertigung ist, bleibt er Schuldner und Dritten gegenüber zur Zwangsvollstreckung einschließlich der in § 754 Abs. 1 bezeichneten Handlungen ermächtigt (§ 754 Abs. 2 S. 1). Die Rücknahme sollte daher mit dem Gesuch um Rückgabe der Ausfertigung verbunden werden. Die Rücknahme führt zum Erlöschen des Auftrags. Etwaige Vollstreckungsmaßnahmen sind ggf. aufzuheben (§ 64 Abs. 1 GVGA). Nach der Rücknahme kann – anders als bei Verzicht – aus demselben Titel erneut ein Vollstreckungsantrag gestellt werden. Hier ist jedoch Vorsicht geboten, da eine wiederholte Antragstellung rechtsmissbräuchlich sein kann, etwa wenn sie dazu dienen soll, den Schuldner unter Druck zu setzen.82 Von der Rücknahme des Vollstreckungsantrags ist die Anordnung des Ruhens des Vollstre28 ckungsverfahrens durch den Gläubiger zu unterscheiden.83 In diesem Fall bleiben die Vollstreckungsmaßnahmen zwar bestehen, der Vollstreckungsantrag wird aber als büromäßig erledigt behandelt. Das Ruhen gilt als angeordnet, wenn der Gläubiger dem Schuldner eine Frist von unbestimmter Dauer oder von mehr als zwölf Monaten gewährt (§ 27 Abs. 1 S. 1 GVO).

V. Befugnisse des Gerichtsvollziehers gegenüber dem Schuldner sowie Dritten (Abs. 2) 29 Während § 754 Abs. 1 das Verhältnis zwischen Gerichtsvollzieher und Gläubiger betrifft, regelt § 754 Abs. 2 die Befugnisse des Gerichtsvollziehers gegenüber dem Schuldner und Dritten.84

1. Vollstreckbare Ausfertigung als Vertretungs- und Befugnisnachweis (Abs. 2 S. 1) 30 Im Verhältnis Gläubiger/Gerichtsvollzieher ist der Gerichtsvollzieher allein aufgrund des Vollstreckungsantrags zur Durchsetzung des Titels berechtigt und verpflichtet. Im Verhältnis des Gerichtsvollziehers zu Schuldnern und Dritten kann es schon aus Gründen der Rechtssicherheit nicht auf derartige, für sie nicht ohne weiteres überprüfbare Handlungen des Gläubigers ankommen. Abs. 2 S. 1 sieht daher vor, dass ihnen gegenüber der Besitz der vollstreckbaren Ausfertigung85 als notwendiger und hinreichender Ausweis den Gerichtsvollzieher zur Ausübung hoheitlicher Gewalt (hier „Zwangsvollstreckung“ genannt) und der Empfangnahme von Titelleistungen nach § 754 Abs. 1 ermächtigt. Die gesetzliche Festlegung der Duldungspflicht Dritter bei der Durchsuchung von Wohnraum (§ 758a Abs. 3) ist eine Konkretisierung dieser Vollstreckungsberechtigung des Gerichtsvollziehers auch gegenüber Dritten.86 § 754 Abs. 2 gilt selbst dann, wenn der Gerichtsvollzieher die vollstreckbare Ausfertigung ohne Vollstreckungsantrag erlangt hat.87 Diese unwiderlegbare gesetzliche Vermutung gilt für die Empfangnahme von Leistungen auch dann, wenn diese in Anwesenheit des Gläubigers erfolgt.88 Sie hat dort insbesondere die Bedeutung, dass materiellrechtlich die Befreiungswirkung der freiwilligen Schuldnerleistung an den Gerichtsvollzieher sichergestellt ist. 31 Für den Bereich der Zwangsvollstreckung mittels Ausübung hoheitlicher Gewalt (Zwangsvollstreckung im engeren Sinne) muss der Vorschrift entnommen werden, dass Schuldnern und Dritten gegenüber die Vollstreckung ohne Besitz der Ausfertigung unzulässig und formell fehler-

82 83 84 85

Vgl. MünchKomm/Heßler § 753 Rdn. 43. Vgl. zur Zulässigkeit AG Straubing Rpfleger 1979, 72; Wieser NJW 1988, 665, 667. Musielak/Voit/Lackmann § 754 Rdn. 1. Bei Vollstreckungstiteln, die keiner Klausel bedürfen (z.B. §§ 699, 796, 929, 936), genügt der Besitz einer einfachen Ausfertigung. 86 Vgl. BT-Drucks. 13/341 S. 18. 87 Vgl. MünchKomm/Heßler § 754 Rdn. 68. 88 Stein/Jonas/Münzberg § 755 Rdn. 1. Bittmann

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§ 754

Abschnitt 1. Allgemeine Vorschriften

haft ist.89 Das bedeutet aber nicht, dass Vollstreckungsakte bereits dann anfechtbar (§ 766) sind, wenn der Gerichtsvollzieher zwar im Besitz der Ausfertigung ist, diese aber nicht bei sich trägt, und sie daher auf Verlangen nicht vorzeigen kann.90 Insofern handelt es sich um eine reine Ordnungsvorschrift, zumal der Gerichtsvollzieher das Vorzeigen der Ausfertigung – sofern er in ihrem Besitz ist – jederzeit nachholen kann.91

2. Bedeutung des Vollstreckungsantrags im Verhältnis zu Schuldner und Dritten (Abs. 2 S. 2) Abs. 2 S. 2 ergänzt und sichert Abs. 2 S. 1 gleichsam ab, indem die Erteilung, Beschränkung und 32 Rücknahme des Vollstreckungsantrags im Verhältnis zu Schuldner und Dritten für unbedeutend erklärt wird, solange der Gerichtsvollzieher im Besitz der vollstreckbaren Ausfertigung ist. Der Schuldner kann daher in jedem Fall gemäß § 754 Abs. 1 befreiend an den Gerichtsvollzieher leisten, und dieser wirksam quittieren,92 falls diese Voraussetzung gegeben ist. Selbst Kenntnis des Schuldners oder des Dritten vom Mangel des Antrags schadet nicht, da S. 2 insoweit § 169 BGB verdrängt. Denkbar sind jedoch Schadensersatzansprüche des Gläubigers bei kollusivem Zusammenwirken von Gerichtsvollzieher und Schuldner. Auch wenn der Wortlaut der Vorschrift insoweit unzureichend ist („kann diesen Personen 33 gegenüber vom Gläubiger nicht geltend gemacht werden.“) können Schuldner und Dritte umgekehrt auch nicht Mängel des Vollstreckungsantrags nach § 766 rügen, solange sich der Gerichtsvollzieher im Besitz der Ausfertigung befindet; dies wäre ein unzulässiges Eindringen in die Rechtsstellung des Gläubigers.93 Da Leistung mit befreiender Wirkung möglich ist, und damit auch Zwangsmaßnahmen zur Durchsetzung des titulierten Anspruchs vermieden werden können, fehlt es am Rechtsschutzbedürfnis.

VI. Rechtsbehelfe Für die Folge von Verstößen gegen die sachliche, funktionelle oder örtliche Zuständigkeit vgl. die Ausführungen bei § 753 Rdn. 4 f. Gegen die Ablehnung eines Vollstreckungsantrags und bei Nichtbeachtung von Gläubigeranweisungen ist die Erinnerung (§ 766 Abs. 2) gegeben. Ebenso bei Verzögerung der Erledigung von Vollstreckungsanträgen. Ein Verstoß gegen die Pflichten des Gerichtsvollziehers laut GVGA, die über das Gesetz hinausgehen, kann allerdings nicht mit Vollstreckungserinnerung beanstandet werden, da die GVGA für das Gericht nicht verbindlich ist.94 Wird der Gerichtsvollzieher tätig, ohne dass dem Antrag ein nach § 753 Abs. 3 verbindliches Formular zu Grunde liegt, macht dies die getroffenen Vollstreckungsmaßnahmen weder unwirksam noch anfechtbar.95 Gegen die Art und Weise der Zwangsvollstreckung kann sich der Schuldner mit der Erinnerung gemäß § 766 Abs. 1 wehren. Zur Folge einer Vollstreckung durch den Gerichtsvollzieher ohne vollstreckbare Ausfertigung vgl. oben Rdn. 27 sowie Rdn. 31.96 89 Vgl. Musielak/Voit/Lackmann § 754 Rdn. 12. 90 Vgl. zu dieser „Ausweispflicht“ § 31 Abs. 5 S. 4 GVGA. 91 Offengelassen von BGH DGVZ 2019, 36, 38; a.A. Zöller/Seibel § 754 Rdn. 6; Stein/Jonas/Münzberg § 755 Rdn. 1 und MünchKomm/Heßler § 754 Rdn. 75. 92 OLG Dresden OLGRspr. 1916, 314. 93 A.A. Stein/Jonas/Münzberg § 755 Rdn. 4; MünchKomm/Heßler § 754 Rdn. 76. 94 OLG Oldenburg JurBüro 1989, 261; LG Bonn DGVZ 1993, 41, 43; Nidderhoff DGVZ 1983, 4 ff. 95 § 753 Rdn. 19. 96 Vgl. ferner Musielak/Voit/Lackmann § 754 Rdn. 12. 209

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Achtes Buch – Zwangsvollstreckung

VII. Kosten 38 Für die Tätigkeit des Gerichtsvollziehers fallen Gebühren nach dem GVKostG sowie den dazu ergangenen Durchführungsbestimmungen an.97 Erteilt ein Rechtsanwalt für den Gläubiger den Vollstreckungsauftrag, so fällt eine Gebühr nach Nr. 3309 VV RVG an.

§ 754a Vereinfachter Vollstreckungsauftrag bei Vollstreckungsbescheiden 1 Im Fall eines elektronisch eingereichten Auftrags zur Zwangsvollstreckung aus einem Vollstreckungsbescheid, der einer Vollstreckungsklausel nicht bedarf, ist bei der Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen die Übermittlung der Ausfertigung des Vollstreckungsbescheides entbehrlich, wenn 1. die sich aus dem Vollstreckungsbescheid ergebende fällige Geldforderung einschließlich titulierter Nebenforderungen und Kosten nicht mehr als 5 000 Euro beträgt; Kosten der Zwangsvollstreckung sind bei der Berechnung der Forderungshöhe nur zu berücksichtigen, wenn sie allein Gegenstand des Vollstreckungsauftrags sind; 2. die Vorlage anderer Urkunden als der Ausfertigung des Vollstreckungsbescheides nicht vorgeschrieben ist; 3. der Gläubiger dem Auftrag eine Abschrift des Vollstreckungsbescheides nebst Zustellungsbescheinigung als elektronisches Dokument beifügt und 4. der Gläubiger versichert, dass ihm eine Ausfertigung des Vollstreckungsbescheides und eine Zustellungsbescheinigung vorliegen und die Forderung in Höhe des Vollstreckungsauftrags noch besteht. 2 Sollen Kosten der Zwangsvollstreckung vollstreckt werden, sind dem Auftrag zusätzlich zu den in Satz 1 Nummer 3 genannten Dokumenten eine nachprüfbare Aufstellung der Kosten und entsprechende Belege als elektronisches Dokument beizufügen. (2) Hat der Gerichtsvollzieher Zweifel an dem Vorliegen einer Ausfertigung des Vollstreckungsbescheides oder der übrigen Vollstreckungsvoraussetzungen, teilt er dies dem Gläubiger mit und führt die Zwangsvollstreckung erst durch, nachdem der Gläubiger die Ausfertigung des Vollstreckungsbescheides übermittelt oder die übrigen Vollstreckungsvoraussetzungen nachgewiesen hat.

(1)

I. Zweck und Anwendungsbereich 1 Die 2016 eingefügte Regelung1 des § 754a ist an § 829a angelehnt und zielt auf eine Verfahrensverinfachung durch Ausbau des elektronischen Rechtsverkehrs ab.2 Um dieses Ziel zu erreichen lässt die Norm im Fall eines elektronisch eingereichten Vollstreckungsauftrags (§ 753 Abs. 3, § 130a) unter bestimmten kumuklativ vorzuliegenden3 Voraussetzungen die Pflicht zur Übermittlung der Ausfertigung eines Vollstreckungsbescheids, der einer Vollstreckungsklausel nicht bedarf entfallen.

97 Hierzu ausführlich HK-ZV/Sternal § 754 Rdn. 20 ff. 1 BGBl. I, S. 2591. 2 Vgl. Hergenröder, DGVZ 2019, 69, 70; Ulrici, NJW 2017, 1142; Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Walker/Vuia § 754a Rdn. 1; Zöller/Seibel § 754a Rdn. 1.

3 Zöller/Seibel § 754a Rdn. 2. Bittmann https://doi.org/10.1515/9783110443158-035

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Abschnitt 1. Allgemeine Vorschriften

§ 755

Der Anwendungsbereich ist beschränkt auf die Zwangsvollstreckung wegen Geldforderun- 2 gen, soweit sie dem Gerichtsvollzieher obliegt (§§ 802a-882h).4 Keine Anwendung findet die Vorschrift daher etwa im Haftbefehlsverfahren.5

II. Voraussetzungen (Abs. 1) Zunächst muss es sich um einen Vollstreckungsbescheid handeln, der einer Vollstreckungsklau- 3 sel nicht bedarf. An dieser Voraussetzung fehlt es, wenn die Zwangsvollstreckung für oder gegen einen Rechtsnachfolger erfolgen soll (§ 796 Abs. 1). Nach zutreffender Auffassung fällt die Zwangsvollstreckung aus einer weiteren vollstreckbaren Ausfertigung nach § 733 darunter, da insoweit zwar eine Vollstreckungsklausel erforderlich ist, dieser jedoch keine solche Bedeutung zukommt, dass sie dem Verfahrensziel des § 754a entgegenstünde.6 Die Norm findet ferner auf die Zwangsvollstreckung aus Europäischen Zahlungsbefehlen Anwendung.7 Die zu vollstreckende Geldforderung darf 5.000 E nicht übersteigen. Die Bagatellgrenze um- 4 fasst nicht nur die Hauptforderung, sondern gilt einschließlich Nebenforderungen und Verfahrenskosten, nicht jedoch der Kosten der Zwangsvollstreckung nach § 788, sofern diese nicht selbständig beigetrieben werden sollen.8 Maßgeblich ist der titulierte Betrag, sodass es dem Gläubiger nicht möglich ist, im Wege der Teilvollstreckung die Bagatellgrenze zu halten.9 Allerdings gilt es eine Umgehung derselben durch die Aufteilung eines Vollstreckungsbescheides mittels mehrerer Vollstreckungsaufträge durch den Gläubiger zu vermeiden. Diese sind daher zu addieren.10

§ 755 Ermittlung des Aufenthaltsorts des Schuldners (1)

1

Ist der Wohnsitz oder gewöhnliche Aufenthaltsort des Schuldners nicht bekannt, darf der Gerichtsvollzieher auf Grund des Vollstreckungsauftrags und der Übergabe der vollstreckbaren Ausfertigung zur Ermittlung des Aufenthaltsorts des Schuldners bei der Meldebehörde die gegenwärtigen Anschriften sowie Angaben zur Haupt- und Nebenwohnung des Schuldners erheben. 2Der Gerichtsvollzieher darf auch beauftragt werden, die gegenwärtigen Anschriften, den Ort der Hauptniederlassung oder den Sitz des Schuldners zu erheben 1. durch Einsicht in das Handels-, Genossenschafts-, Partnerschafts-, Unternehmensoder Vereinsregister oder 2. durch Einholung einer Auskunft bei den nach Landesrecht für die Durchführung der Aufgaben nach § 14 Absatz 1 der Gewerbeordnung zuständigen Behörden.

4 BGH WM 2021, 2292; LG Berlin DGVZ 2022, 218. 5 BGH WM 2021, 2292; LG Essen, Beschluss vom 26.10.2022 – 7 T 270/22, juris Rdn. 52; AG Düsseldorf, Beschluss vom 16.12.2022 – 666 M 1788/22, juris Rdn. 49. 6 Ulrici, NJW 2017, 1142, 1143; Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Walker/Vuia § 754a Rdn. 3; a.A. Musielak/Voit/Lackmann § 754a Rdn. 3. 7 HK-ZV/Sternal § 754a Rdn. 2; Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Walker/Vuia § 754a Rdn. 3; Ulrici, NJW 2017, 1142, 1143. 8 Zöller/Seibel § 754a Rdn. 2a; Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Walker/Vuia § 754a Rdn. 5; Musielak/Voit/Lackmann § 754a Rdn. 4. 9 MünchKomm/Heßler § 754a Rdn. 3; Musielak/Voit/Lackmann § 754a Rdn. 4; HK-ZV/Sternal § 754a Rdn. 3; a.A. Ulrici, NJW 2017, 1142, 1143. 10 Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Walker/Vuia § 754a Rdn. 5; Ulrici, NJW 2017, 1142, 1143. 211 https://doi.org/10.1515/9783110443158-036

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§ 755

(2)

Achtes Buch – Zwangsvollstreckung

1

Soweit der Aufenthaltsort des Schuldners nach Absatz 1 nicht zu ermitteln ist, darf der Gerichtsvollzieher 1. zunächst beim Ausländerzentralregister die Angaben zur aktenführenden Ausländerbehörde sowie zum Zuzug oder Fortzug des Schuldners und anschließend bei der gemäß der Auskunft aus dem Ausländerzentralregister aktenführenden Ausländerbehörde den Aufenthaltsort des Schuldners, 2. bei den Trägern der gesetzlichen Rentenversicherung und bei einer berufsständischen Versorgungseinrichtung im Sinne des § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch die dort bekannte derzeitige Anschrift, den derzeitigen oder zukünftigen Aufenthaltsort des Schuldners sowie 3. bei dem Kraftfahrt-Bundesamt die Halterdaten nach § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Straßenverkehrsgesetzes erheben. 2Ist der Schuldner Unionsbürger, darf der Gerichtsvollzieher die Daten nach Satz 1 Nummer 1 nur erheben, wenn ihm tatsächliche Anhaltspunkte für die Vermutung der Feststellung des Nichtbestehens oder des Verlusts des Freizügigkeitsrechts vorliegen. 3Eine Übermittlung der Daten nach Satz 1 Nummer 1 an den Gerichtsvollzieher ist ausgeschlossen, wenn der Schuldner Unionsbürger ist, für den eine Feststellung des Nichtbestehens oder des Verlusts des Freizügigkeitsrechts nicht vorliegt. 4Die Erhebung nach Satz 1 Nummer 2 bei einer berufsständischen Versorgungseinrichtung darf der Gerichtsvollzieher nur durchführen, wenn der Gläubiger die berufsständische Versorgungseinrichtung bezeichnet und tatsächliche Anhaltspunkte nennt, die nahelegen, dass der Schuldner Mitglied dieser berufsständischen Versorgungseinrichtung ist. (3) Nach Absatz 1 oder Absatz 2 erhobene Daten, die innerhalb der letzten drei Monate bei dem Gerichtsvollzieher eingegangen sind, darf dieser auch in einem Zwangsvollstreckungsverfahren eines weiteren Gläubigers gegen denselben Schuldner verarbeiten, wenn die Voraussetzungen für die Datenerhebung auch bei diesem Gläubiger vorliegen.

Schrifttum Büttner Die Unzulässigkeit der isolierten Aufenthaltsbestimmung nach § 755 ZPO, DGVZ 2014, 189; Dierck/Griedl Das neue Vollstreckungsmanagement, NJW 2013, 3201; Ehmann Ermittlung von Schuldneranschriften – Unerwartete Möglichkeiten bei Meldebehörde und Gerichtsvollziehern, NJW 2013, 1862; Harnacke/Bungardt Das neue Recht – Probleme über Probleme, DGVZ 2013, 1; Mroß Sachaufklärung in der Zwangsvollstreckung: Ecken und Kanten der Reform – Vorschläge für runde Verfahrensabläufe, DGVZ 2012, 169; Waldschmidt Entwurf eines Gesetzes zur Ausweitung der Auskunftsrechte der Gerichtsvollzieher, JurBüro 2019, 228; dies. Gesetzesentwurf des Bundesrates zur Ausweitung der Auskunftsrechte der Gerichtsvollzieher, JurBüro 2019, 620.

Übersicht 2.

I.

Allgemeines

II.

Anwendungsbereich

III.

Zuständigkeit

IV.

Voraussetzungen der Aufenthaltsermittlung 4 durch den Gerichtsvollzieher

V. 1.

1 2

3

Befugnisse des Gerichtsvollziehers Aufenthaltsermittlung über die Meldebehörden 7 (Abs. 1)

Bittmann

3. VI.

Ermittlungen über sonstige Behörden (Abs. 2) 8 10 Sonstige Ermittlungen Umfang der Nutzung der erhobenen Daten 11 (Abs. 3) 12

VII. Verstöße und Rechtsbehelfe VIII. Kosten und Gebühren

14

212

Abschnitt 1. Allgemeine Vorschriften

§ 755

I. Allgemeines § 755 n.F. entstand durch das Gesetz zur Reform der Sachaufklärung in der Zwangsvollstreckung.1 1 Die Norm überträgt dem Gerichtsvollzieher die Befugnis zur Aufenthaltsermittlung des Schuldners. Sie stellt die Rechtsgrundlage für die damit verbundenen Eingriffe in die grundrechtlich geschützten Rechtspositionen des Schuldners dar.2 Vor der Neufassung des § 755 lag die Aufenthaltsermittlung beim Gläubiger, der jedoch nicht die nun dem Gerichtsvollzieher übertragenen Ermittlungsmöglichkeiten hatte. Dementsprechend soll Rechtsposition des Gläubigers gestärkt und eine effizientere Vollstreckung ermöglicht werden.3 Dabei lässt sich folgendes Stufenverhältnis erkennen: Vorrangig hat der Gerichtsvollzieher nach Abs. 1 die Befugnis zur Einholung von Auskünften beim Meldeamt hinsichtlich Haupt- und Nebenwohnung des Schuldners. Nur wenn dies zur Aufenthaltsermittlung ungenügend ist, kann er auf die weiter reichenden Maßnahmen nach Abs. 2 zurückgreifen.4 Der Umfang der Nutzung der einmal vom Gerichtsvolzieher erhobenen Daten regelt Abs. 3 der Vorschrift.5

II. Anwendungsbereich Die Befugnisse des § 755 gelten ausschließlich für die Fälle, dass der Gerichtsvollzieher als 2 Vollstreckungsorgan tätig wird. Eine Begrenzung auf Vollstreckungsmaßnahmen wegen Geldforderungen ist abzulehnen.6 Nicht ausreichend ist es hingegen, dass dieser von anderen Vollstreckungsorganen unterstützend herangezogen wird, wie sich der Formulierung „auf Grund des Vollstreckungsauftrags“ entnehmen lässt.7 Hieraus folgt auch, dass ein „isolierter“ Antrag auf Aufenthaltsermittlung nicht zulässig ist.8 Erforderlich ist stets ein Zusammenhang mit einem konkreten Vollstreckungsverfahren.9 Aufgrund der Neuregelung von Abs. 1 S. 2 ist nunmehr klargestellt, dass die Anwendung der Vorschrift nicht auf Vollstreckungshandlungen gegen natürliche Personen beschränkt ist, sondern auch juristische Personen als Schuldner erfasst sind.10

III. Zuständigkeit Die sachliche Zuständigkeit ergibt sich nach dem oben Gesagten aus der Zuständigkeit des Gerichts- 3 vollziehers für die konkrete Vollstreckungsmaßnahme. Die örtliche Zuständigkeit bestimmt sich grundsätzlich nach dem letzten bekannten Aufenthaltsort des Schuldners.11 Für den Fall jedoch, dass der Gläubiger keinerlei Informationen über frühere Aufenthalte des Schuldners hat, ist von einer Zuständigkeit aller Gerichtsvollzieher im Bundesgebiet auszugehen. Ergibt sich nach der Aufenthaltsermittlung, dass wegen des tatsächlichen Wohn- bzw. Aufenthaltsortes ein anderer Gerichtsvollzieher zuständig ist, so ist der Vollstreckungsantrag an diesen von Amts wegen abzugeben.12 1 BGBl. I 2009 Nr. 48, S. 2258; geändert durch BGBl. I 2016 Nr. 55, S. 2591 und BGBl. I 2021 Nr. 20, S. 850. 2 BT-Drucks. 16/10069, 23. 3 BT-Drucks. 16/10069, 23; LG Frankenthal Rpfleger 2013, 631; MünchKomm/Heßler § 755 Rdn. 2. 4 AG Offenbach DGVZ 2013, 188; HK-ZV/Sternal § 755 Rdn. 9; MünchKomm/Heßler § 755 Rdn. 3. 5 Thomas/Putzo/Seiler § 755 Rdn. 1. 6 Dierck/Griedl NJW 2013, 3201, 3203; Harnacke/Bungardt DGVZ 2013, 1, 3; BeckOK/Ulrici § 755 Rdn. 3. 7 AG Wiesloch DGVZ 2014, 20; AG Leipzig DGVZ 2013, 245; Ehmann NJW 2013, 1862, 1863. 8 Harnacke/Bungardt DGVZ 2013, 1, 2. 9 BGH DGVZ 2014, 257; BGH NJW-RR 2017, 960; LG Heidelberg DGVZ 2014, 93. 10 BeckOK/Ulrici § 755 Rdn. 3; vgl. schon zur vorherigen Rechtslage Harnacke/Bungardt DGVZ 2013, 1, 3; Mroß DGVZ 2012, 169, 177; a.A. insoweit die Vorauflage.

11 Vgl. § 753 Rdn. 5. 12 Vgl. insoweit auch § 17 Abs. 1 GVO; LG Frankenthal Rpfleger 2013, 631; Thomas/Putzo/Seiler § 755 Rdn. 2. 213

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§ 755

Achtes Buch – Zwangsvollstreckung

IV. Voraussetzungen der Aufenthaltsermittlung durch den Gerichtsvollzieher 4 Neben dem Vorliegen der allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen, fordert § 755 Abs. 1 die Erteilung eines Vollstreckungsauftrags an den Gerichtsvollzieher sowie die Übergabe einer vollstreckbaren Titelausfertigung.13 Umstritten ist, ob neben dem Vollstreckungsauftrag ein gesonderter Auftrag zur Aufent5 haltsermittlung erforderlich ist. Entgegen einer starken Ansicht in der Literatur14 ist dies zu verneinen. Zum einen verlangt der Wortlaut der Norm einen solchen nicht. Aber auch Sinn und Zweck der Norm – eine effizientere und zügigere Zwangsvollstreckung – machen ein solches Erfordernis überflüssig. Der Gerichtsvollzieher als das zur Vollstreckung berufene Organ ist besser als der Gläubiger in der Lage zu beurteilen, ob eine Aufenthaltsermittlung erforderlich und sinnvoll ist.15 Weiter ist Voraussetzung, dass der Wohnsitz oder der gewöhnliche Aufenthalt des Schuldners 6 unbekannt ist. Dem lässt sich entnehmen, dass eine Aufenthaltsermittlung zu unterbleiben hat, wenn der Gerichtsvollzieher auf einfacherem Weg an die Adresse des Schuldners gelangen kann, sei es über den Gläubiger oder auf anderem Weg. Ferner hat der Gerichtsvollzieher von einer Aufenthaltsermittlung Abstand zu nehmen, wenn eine Durchführung der Vollstreckungshandlung auch auf anderem Wege gesichert werden kann.16 Ist hiernach eine Aufenthaltsermittlung erforderlich, hat der Gerichtsvollzieher hinsichtlich ihrer Durchführung keinen Ermessensspielraum, ihn trifft eine Ermittlungspflicht.17

V. Befugnisse des Gerichtsvollziehers 1. Aufenthaltsermittlung über die Meldebehörden (Abs. 1) 7 Vorrangig hat sich der Gerichtsvollzieher nach Abs. 1 zur Ermittlung des Wohn- oder Aufenthaltsorts des Schuldners an die Meldebehörden zu wenden. Der Gerichtsvollzieher ist „sonstige öffentliche Stelle“ i.S.v. § 18 Abs. 1 S. 1 MRRG. Auch eine Auskunftssperre nach § 21 Abs. 5 MRRG steht der Datenerhebung des Gerichtsvollziehers nicht entgegen. Dieser hat die erlangten Daten allerdings nur zum Zwecke der Vollstreckungshandlung zu verwenden und vor dem Gläubiger (und Dritten) geheim zu halten.18 Eine entsprechende Regelung wurde in § 90 Abs. 6 AufenthG geschaffen. Der Gerichtsvollzieher darf indessen die ihm von der Meldebehörde mitgeteilte Anschrift des Schuldners zur Erledigung der beauftragten Zwangsvollstreckungsmaßnahmen solange und soweit verwenden, als dem die Auskunftssperre nicht entgegensteht und er die schutzwürdigen Interessen des Schuldners an der Geheimhaltung seiner Anschrift durch geeignete Maßnahmen wahren kann.19 Der Umstand, dass lediglich eine Bagatellforderung vollstreckt werden soll, rechtfertigt es nicht, geringere Anforderungen an die Ermittlungspflicht des Gerichtsvollziehers zu stellen.20 In Abs. 1 S. 2 wird der Gerichtsvollzieher nunmehr21 ausdrücklich ermächtigt, Einsicht in Handels-, Genossenschafts-, Partnerschafts-, Unternehmens- oder Vereinsregister zu nehmen

13 Vgl. hierzu die Kommentierung bei § 754 sowie BeckOK/Ulrici § 755 Rdn. 4 ff. 14 Zöller/Seibel § 755 Rdn. 4; MünchKomm/Heßler § 755 Rdn. 2; Musielak/Voit/Lackmann § 755 Rdn. 2; Ehmann NJW 2013, 1862, 1863; Harnacke/Bungardt DGVZ 2013, 1, 2. 15 HK-ZV/Sternal § 755 Rdn. 2; BeckOK/Ulrici § 755 Rdn. 6; Anders/Gehle/Vogt-Beheim § 755 Rdn. 5. 16 BeckOK/Ulrici § 755 Rdn. 5 m.w.N. 17 Musielak/Voit/Lackmann § 755 Rdn. 4; BeckOK/Ulrici § 755 Rdn. 8. 18 BGH NJW-RR 2018, 1535; AG Marbach DGVZ 2014, 70. 19 BGH NJW-RR 2018, 1535; Musielak/Voit/Lackmann § 755 Rdn. 3. 20 LG Verden NJW-RR 2016, 1209: MünchKomm/Heßler § 755 Rdn. 4. 21 BGBl. I 2021 Nr. 20, S. 850. Bittmann

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Abschnitt 1. Allgemeine Vorschriften

§ 755

oder Auskünfte bei den nach Landesrecht für die Durchführung der Aufgaben nach § 14 Abs. 1 GewO zuständigen Behörden einzuholen.

2. Ermittlungen über sonstige Behörden (Abs. 2) Wenn die Ermittlungen nach Abs. 1 erfolglos bleiben, kann sich der Gerichtsvollzieher an die 8 in Abs. 2 S. 1 genannten Stellen wenden, um den Aufenthalt des Schuldners zu ermitteln. Grundsätzlich wird man verlangen müssen, dass der Gerichtsvollzieher selbst Ermittlungen nach Abs. 1 vornimmt. Wenn jedoch der Gläubiger diesem bereits eine Negativauskunft der Meldebehörden überreicht, stellt es eine unnötige Förmelei dar, wenn man dem Gerichtsvollzieher ein unmittelbarers Vorgehen nach Abs. 2 versagt. Allerdings ist einschränkend zu fordern, dass die vom Gläubiger vorgelegte Auskunft aktuell ist, mithin nicht älter als maximal zwei Wochen.22 Die Ermittlungen über die in Abs. 2 Satz 1 genannten Stellen stehen in keinem Rangverhält- 9 nis zueinander.23 So kann sich der Gerichtsvollzieher nach Abs. 2 S. 1 Nr. 1 an das Ausländerzentralregister wenden zur Ermittlung bzgl. der aktenführenden Ausländerbehörde, sowie dem Zu- und Fortzug des Schuldners. Schließlich kann sich der Gerichtsvollzieher an die zuständige Ausländerbehörde mit dem Ersuchen nach Auskunft über den Aufenthaltsort des Schuldners wenden. Hier sind jedoch die Einschränkungen der Sätze 2 und 3 hinsichtlich EU-Bürgern zu berücksichtigen.24 Ferner kann er den Aufenthaltsort des Schuldners über die Träger der gesetzlichen Rentenversicherung und bei einer berufsständischen Versorgungseinrichtung im Sinne des § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI (Abs. 2 S. 1 Nr. 2) sowie dessen Halterdaten nach § 33 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 StVG beim Kraftfahrt-Bundesamt (Abs. 2 S. 1 Nr. 3) ermitteln. Aus dem eindeutigen Wortlaut von Abs. 2 S. 1 Nr. 2 folgt, dass private Rentenversicherungen nicht auskunftspflichtig sind.25 Im Falle von Abs. 2 S. 1 Nr. 2 sind die einschränkenden Voraussetzungen nach Abs. 2 S. 4 zu berücksichtigen. So muss der Gläubiger in seinem Antrag die Versorgungseinrichtung bezeichnen sowie tatsächliche Anhaltspunkte nennen, die nahelegen, dass der Schuldner Mitglied der anzufragenden berufsständischen Versorgungseinrichtung ist. Dadurch sollen nach dem Willen des Gesetzgebers26 Erhebungen „ins Blaue hinein“ ausgeschlossen werden. An die tatsächlichen Anhaltspunkte sind dabei keine zu geringen Anforderungen zu stellen. Vielmehr muss es anhand der genannten tatsächlichen Anhaltspunkte ohne Weiteres nachvollziehbar sein, dass der Schuldner Mitglied einer bestimmten Versorgungseinrichtung ist. Die tatsächlichen Anhaltspunkte müssen sich dabei sowohl auf den Beruf als auch auf den Ort der Versorgungseinrichtung beziehen. Nicht ausreichend sind allgemeine Rückschlüsse, die einen Bezug zum konkreten Einzelfall vermissen lassen.

3. Sonstige Ermittlungen Die Befugnisse des Gerichtsvollziehers in § 755 sind abschließend aufgezählt. Eine analoge An- 10 wendung oder eine erweiternde Auslegung ist aufgrund der mit solchen Eingriffen verbundenen Rechtsbeeinträchtigungen des Schuldners verfassungsrechtlich (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) kritisch zu sehen. Der Gerichtsvollzieher kann jedoch solche Aufenthaltsermittlungen durchfüh22 AG Offenbach DGVZ 2013, 188 (ein Monat); Harnacke/Bungardt DGVZ 2013, 1, 2 (zwei bis vier Wochen); ebenso Thomas/Putzo/Seiler § 755 Rdn. 2; Dierck/Griedl NJW 2013, 3201, 3203; a.A. BeckOK/Ulrici § 755 Rdn. 14.1. 23 Musielak/Voit/Lackmann § 755 Rdn. 5; BeckOK/Ulrici § 755 Rdn. 13; a. A. Anders/Gehle/Vogt-Beheim § 755 Rdn. 7; Büttner, DGVZ 2014, 189, 190. 24 Zum Hintergrund vgl. Musielak/Voit/Lackmann § 755 Rdn. 5b. 25 HK-ZV/Sternal § 755 Rdn. 11. 26 Vgl. BT-Drucks. 19/29398, S. 5. 215

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§ 755

Achtes Buch – Zwangsvollstreckung

ren, die auch der Gläubiger zulässiger Weise durchführen kann, z.B. einfache Nachfragen bei Nachbarn.27 Insoweit wird man auch von einer entsprechenden Verpflichtung des Gerichtsvollziehers auszugehen haben.28

VI. Umfang der Nutzung der erhobenen Daten (Abs. 3) 11 Die vom Gerichtsvollzieher nach Maßgabe der Abs. 1 und 2 ermittelten Daten bzgl. des Schuldners darf jener auch für Vollstreckungsanträge weiterer Gläubiger verwenden, wenn auch insoweit die Voraussetzungen für eine Datenermittlung gegeben sind. In zeitlicher Hinsicht ist die Nutzung jedoch auf drei Monate beschränkt. Die Regelung dient der Arbeitserleichterung des Gerichtsvollziehers und begründet keine Pflicht für diesen, einmal ermittelte Daten in jedem Fall zu speichern für den Fall weiterer Vollstreckungsaufträge.29 Die allgemeinen Regelungen zur Löschung personenbezogener Daten bleiben unberührt.30

VII. Verstöße und Rechtsbehelfe 12 Der Gläubiger kann sich mit der Erinnerung (§ 766 Abs. 2) gegen eine Verweigerung der Aufenthaltsermittlung wehren. Verstößt der Gerichtsvollzieher31 gegen die Vorgaben des § 755 kann der Schuldner die Erinnerung nach § 766 Abs. 1 einlegen. Problematisch ist hier indes das Rechtsschutzbedürfnis, wenn die Ermittlung bereits abgeschlossen ist.32 13 Unter Verstoß gegen § 755 erlangte Auskünfte unterliegen einem Verwertungsverbot. Da hier letztlich verfassungsrechtliche Positionen des Schuldners betroffen sind, führt die Verletzung von § 755 nicht nur dazu, dass der Gerichtsvollzieher die Auskünfte nicht zur Erledigung des ihm erteilten Vollstreckungsauftrags verwenden darf.33 Darüber hinausgehend wird man auch von der Unwirksamkeit einer aufgrund der unzulässigen Aufenthaltsermittlung durchgeführten Vollstreckungsmaßnahme auszugehen haben. Die Vollstreckungsmaßnahme kann nicht getrennt gesehen werden von der sie erst ermöglichenden Aufenthaltsermittlung.34 § 755 statuiert gerade keine eigenständige Vollstreckungsmaßnahme, sondern lediglich eine die Vollstreckung unterstützende Maßnahme.35

VIII. Kosten und Gebühren 14 Rechtsanwaltsgebühren fallen für eine Aufenthaltsermittlung nicht gesondert an. Diese ist durch die Gebühr für die Erteilung des Vollstreckungsauftrags (Nr. 3309 VV-RVG) bereits abgegolten.36 Die Aufenthaltsermittlung durch den Gerichtsvollzieher löst jedoch Gebühren nach Nrn. 440, 441 KV-GvKostG aus und fällt für jede Ermittlung gesondert an (§ 10 Abs. 2 S. 3 GvKostG). Die Kosten,

27 Harnacke/Bungardt DGVZ 2013, 1, 2; vgl. auch Thomas/Putzo/Seiler § 755 Rdn. 5. 28 LG Verden NJW-RR 2016, 1209; AG Wuppertal JurBüro 2019, 660; a.A. BeckOK/Ulrici § 755 Rdn. 8; HK-ZV/Sternal § 755 Rdn. 13. 29 Thomas/Putzo/Seiler § 755 Rdn. 5a; BeckOK/Ulrici § 755 Rdn. 20. 30 BeckOK/Ulrici § 755 Rdn. 20. 31 Bzgl Verstößen der Auskunftsbehörden vgl. BeckOK/Ulrici § 755 Rdn. 22. 32 Vgl. Musielak/Voit/Lackmann § 755 Rdn. 6. 33 Vgl. BeckOK/Ulrici § 755 Rdn. 23. 34 A.A. Anders/Gehle/Vogt-Beheim § 755 Rdn. 18; BeckOK/Ulrici § 755 Rdn. 23. 35 Vgl. Ehmann NJW 2013, 1862, 1863; Mroß DGVZ 2012, 169, 177. 36 Thomas/Putzo/Seiler § 755 Rdn. 6. Bittmann

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§ 756

Abschnitt 1. Allgemeine Vorschriften

welche die nach Abs. 2 genannten Stellen erheben, kann der Gerichtsvollzieher als Auslagen nach Nr. 708 KV-GvKostG geltend machen.37

§ 756 Zwangsvollstreckung bei Leistung Zug um Zug (1) Hängt die Vollstreckung von einer Zug um Zug zu bewirkenden Leistung des Gläubigers an den Schuldner ab, so darf der Gerichtsvollzieher die Zwangsvollstreckung nicht beginnen, bevor er dem Schuldner die diesem gebührende Leistung in einer den Verzug der Annahme begründenden Weise angeboten hat, sofern nicht der Beweis, dass der Schuldner befriedigt oder in Verzug der Annahme ist, durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden geführt wird und eine Abschrift dieser Urkunden bereits zugestellt ist oder gleichzeitig zugestellt wird. (2) Der Gerichtsvollzieher darf mit der Zwangsvollstreckung beginnen, wenn der Schuldner auf das wörtliche Angebot des Gerichtsvollziehers erklärt, dass er die Leistung nicht annehmen werde.

Schrifttum Bittmann Die Bestätigung von Titeln, denen eine Zug-um-Zug zu erfüllende Forderung zugrunde liegt, als Europäische Vollstreckungstitel, Rpfleger 2015, 1; Christmann Die Tenorierung des Annahmeverzugs bei der Zug-um-Zug-Verurteilung des Schuldners, DGVZ 1990, 1; Doms Vereinfachung der Zwangsvollstreckung bei Zug-um-Zug-Leistung, NJW 1984, 1340; Fichtner Die Vollstreckung aus Titeln auf Leistung Zug um Zug nach der Zweiten Zwangsvollstreckungsnovelle und dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz, DGVZ 2004, 1; Gabius Die Vollstreckung von Urteilen auf Leistung nach Empfang der Gegenleistung, NJW 1971, 866; Geißler Der Annahmeverzug des Schuldners bei der Vollstreckung von Zug-um-Zug-Titeln, DGVZ 2012, 1; Gilleßen/Jakobs Das wörtliche Angebot bei Zug-um-Zug-Vollstreckung, DGVZ 1981, 49; Günther Die Vollstreckung von Urteilen auf Leistung Zug um Zug, 2010; Günther Probleme bei der Vollstreckung von Zug-um-Zug-Urteilen aufgrund der Verklammerung von Leistung und Gegenleistung, DGVZ 2008, 177; Kaiser Rechtsbehelfe bei der Zwangsvollstreckung aus Zug-um-Zug-Titeln, NJW 2010, 2330; Körner Rechtsbehelf bei Mangelhaftigkeit der Gegenleistung nach Zug-um-Zug-Urteil, DGVZ 2006, 129; Noack Die Kosten der Zwangsvollstreckung und ihrer Vorbereitung, ihre Beitreibung ohne besonderen Titel und andere Einzelfragen aus § 788 ZPO, DGVZ 1975, 145; Pauly Zug-um-Zug-Verurteilung wegen Baumängeln bei der Werklohnklage und Ablehnung der Nachbesserung durch den Auftraggeber, DGVZ 2007, 177; E. Schneider Das „Angebot“ bei Zwangsvollstreckung Zug um Zug, JurBüro 1966, 817; E. Schneider Beweis des Annahmeverzugs in §§ 756, 765 ZPO durch Urteil des Prozeßgerichts, JurBüro 1966, 914; E. Schneider Prüfung der Gegenleistung durch Gerichtsvollzieher, DGVZ 1978, 65; Stojek Beweisaufnahme durch Gerichtsvollzieher, MDR 1977, 456.

Übersicht I. 1. 2. 3.

Allgemeines 1 Zweck Anwendungsbereich 5 Verfahren

II.

Selbständige Prüfung durch den Gerichtsvollzie6 her

III.

Angebot der Gegenleistung durch den Gerichtsvollzieher (einschließlich wörtliches Angebot 10 nach Abs. 2)

IV.

Nachweis der Gegenleistung oder des Annahmeverzugs 17

V.

Verstöße und Rechtsbehelfe

VI.

Kosten

2

217 https://doi.org/10.1515/9783110443158-037

21

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§ 756

Achtes Buch – Zwangsvollstreckung

I. Allgemeines 1. Zweck 1 Die Vorschrift behandelt zusammen mit § 765 die Frage, wie in der Vollstreckung zu verfahren ist, wenn bei Zug-um-Zug-Titeln die Vollstreckungsklausel ohne Rücksicht auf die vom Gläubiger zu erbringende Gegenleistung erteilt wird (§ 726 Abs. 2). Generell hat das Vollstreckungsorgan (nach § 756 der Gerichtsvollzieher, nach § 765 das Vollstreckungsgericht)1 zum Zwecke des Schuldnerschutzes die im Klauselverfahren unterlassene Prüfung nachzuholen, ob der Gläubiger den Schuldner befriedigt oder in Annahmeverzug versetzt hat (vgl. §§ 274 Abs. 2, 322 Abs. 3 BGB). Damit wird in noch weit stärkerem Ausmaß als in den Fällen ebenfalls „gehemmter“ Durchsetzbarkeit des zu vollstreckenden Anspruchs nach § 751 von den Vollstreckungsorganen die selbständige Prüfung schwierig festzustellender, da auf das materielle Recht verweisender, besonderer Vollstreckungsvoraussetzungen verlangt. Den Gerichtsvollzieher trifft also die Pflicht zur umfänglichen Prüfung auch materiell-rechtlicher Fragen (s.u. Rdn. 6 ff.). Der Gesetzgeber schafft hierdurch die Verzahnung von materiellem Recht und Vollstreckungsrecht.

2. Anwendungsbereich 2 Ausgehend von ihrem Zweck, all diejenigen Fälle abzudecken, in denen gemäß § 726 die Klausel sofort erteilt wird, gilt die Vorschrift auch für Titel auf Leistung nach Empfang der Gegenleistung, also bei Vorleistungspflicht des Gläubigers.2 Die Geltung der Vorschrift bedeutet, dass auch hier die Leistung vom leistungspflichtigen Gläubiger in der Vollstreckung erneut anzubieten oder urkundlich nachzuweisen ist, selbst wenn im Urteil der Annahmeverzug des Schuldners festgestellt ist.3 Sie ist auch zu beachten, die Erbringung der Gegenleistung insgesamt nachzuweisen oder anzubieten, wenn der Gläubiger lediglich einen Teilbetrag vollstrecken will,4 es sei denn, der Titel lässt ausdrücklich etwas anderes zu.5 § 756 ist schließlich in dem Fall anwendbar, dass die Gegenleistung des Gläubigers in der Abgabe einer Willenserklärung besteht und diese nicht als mit der Rechtskraft des Titels erbracht gilt.6 Ansonsten gilt insoweit § 726 Abs. 2. Keine Anwendung findet § 756 auf die Zahlung von Prozesskosten durch den Schuldner. Diese stehen nicht in einem Zug-um-Zug-Verhältnis zu eine vom Gläubiger geschuldeten Leistung.7 Der Schuldner kann nicht verlangen, dass die von ihm geschuldete Leistung vom Gerichtsvollzieher in einer den Annahmeverzug des Gläubigers begründenden Weise angeboten wird.8 3 Bei der Vollstreckung ausländischer Urteile gelten die §§ 756, 765 nach Maßgabe des § 7 AVAG. Entgegen einer verbreiteten Ansicht9 findet § 756 (genau wie § 765) hingegen keine Anwendung bei der Erteilung eines Europäischen Vollstreckungstitels (EuVT). Das Verfahren zur 37 Vgl. HK-ZV/Sternal § 755 Rdn. 17. 1 Für das Prozessgericht und das Grundbuchamt gilt § 765 entsprechend, falls diese als Vollstreckungsorgan tätig werden: vgl. § 765 Rdn. 1.

2 OLG Karlsruhe MDR 1975, 938 m.w.N.; OLG Köln DGVZ 1989, 152; Thomas/Putzo/Seiler § 756 Rdn. 1. 3 Vgl. aber zur Möglichkeit des urkundlichen Nachweises durch Urteil unten Rdn. 17; vgl. zur Frage, ob nach § 726 Abs. 1 oder § 726 Abs. 2 zu verfahren ist, wenn das Urteil entgegen § 322 Abs. 2 BGB den Annahmeverzug des Schuldners nicht feststellt: § 726 Rdn. 21. 4 LG Wuppertal DGVZ 1986, 90. 5 Vgl. Richert DGVZ 1967, 165 für den Fall teilweiser Räumung. 6 Praktisch bedeutsam ist dies insbesondere bei gerichtlichen Vergleichen: vgl. OLG Koblenz DGVZ 1986, 138; AG Offenbach DGVZ 1995, 76 (mit ablehnender Anmerkung der Schriftleitung). 7 Thomas/Putzo/Seiler § 756 Rdn. 3; Musielak/Voit/Lackmann § 756 Rdn. 3. 8 Vgl. LG Koblenz DGVZ 1998, 58. 9 OLG Karlsruhe IPRax 2014, 287; MünchKomm/Adolphsen § 1080 Rdn. 15; HK-ZV/Stürner, Art. 4 EuVTVO Rdn. 10; Rellermeyer Rpfleger 2005, 389, 399. Bittmann

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Abschnitt 1. Allgemeine Vorschriften

§ 756

Bestätigung eines nationalen Titels als EuVT im Erststaat ist abschließend in Art. 6 EuVTVO geregelt. Anforderungen nach §§ 756, 765 finden sich dort nicht. Darüber hinaus handelt es sich bei Zug um Zug zu erfüllenden Forderungen bereits nicht um solche i.S.v. Art. 4 Nr. 2 EuVTVO.10 Die Vorschrift findet ferner keine Anwendung bei Verurteilung zur Leistung schlechthin. Um 4 eine solche handelt es sich auch dann, wenn der Schuldner nur gegen Aushändigung von den Gläubiger legitimierenden Urkunden (z.B. nach Art. 39 WechselG, Art. 34 ScheckG, §§ 785, 797, 808 Abs. 2 BGB, 364 Abs. 3 HGB) leisten muss, da hier keine Gegenleistung, sondern lediglich eine besondere Ausgestaltung des Rechts auf Quittung (§ 368 BGB) in Frage steht.11 Dies kann jedoch dann nicht gelten, wenn die Urkunde nicht nur dem Nachweis des Gläubigerrechts dient, sondern – insbesondere im Falle von Wertpapieren – selbst Gegenstand eines Zug um Zug zu erfüllenden Austauschverhältnisses (z.B. als Kaufobjekt) ist.12 Da das Vollstreckungsorgan nicht übersehen kann, welche Situation die titelerzeugende Stelle vor Augen hatte, ist es von sich aus nicht befugt, von der Anwendung der §§ 756, 765 bei Verurteilung „Zug um Zug“ oder „gegen Aushändigung“ abzusehen.13 Derartige in der Gerichtspraxis nicht unübliche Zusätze sollten daher weggelassen werden, wenn nicht ein echtes Zug-um-Zug-Verhältnis gemeint ist. Denn auch wenn das Zahlungsurteil solche Klauseln nicht enthält, ist es dahin auszulegen, dass der Schuldner nur gegen Aushändigung z.B. des quittierten Wechsels (Art. 39 Abs. 1 WechselG) zu leisten braucht.14 In jedem Fall muss die Urkunde dem Vollstreckungsorgan zusammen mit dem Titel ausgehändigt werden, da nur „mit der Urkunde in der Hand“ vollstreckt werden darf.15

3. Verfahren Das tatsächliche Angebot der Gegenleistung durch den Gerichtsvollzieher nach Abs. 1 bzw. das 5 (ausdrückliche) wörtliche Angebot nach Abs. 2 ist ebenso wie die Erklärung des Schuldners darüber im Pfändungsprotokoll oder in einem besonderen Protokoll zu vermerken (§ 763 Abs. 1).16

II. Selbständige Prüfung durch den Gerichtsvollzieher Der Gerichtsvollzieher hat zunächst in einem ersten Schritt von Amts wegen zu prüfen, ob ein 6 Fall des § 756 überhaupt vorliegt. Dabei ist allein vom Inhalt der vollstreckbaren Ausfertigung auszugehen. Dies bedeutet, dass weder eine Abhängigkeit des Anspruchs von einer Gegenleistung vom Gerichtsvollzieher berücksichtigt werden kann, die sich nicht ausdrücklich17 aus dem Tenor

10 Gebauer/Wiedmann/Bittmann Europäisches Zivilrecht, Kap. 32, Art. 4 Rdn. 6; Kropholler/v. Hein Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 5 Rdn. 5; Rauscher/Pabst Europäisches Zivilprozess- und Kollisionsrecht, Art. 4 Rdn. 14; Zöller/Geimer, Art. 4 EuVTVO Rdn. 2; Musielak/Voit/Lackmann Art. 4 EuVTVO, Rdn. 1a; Bittmann Rpfleger 2015, 1; Wagner IPRax 2005, 189, 192. 11 BGH NJW 2008, 3144, 3145; LG Bochum DGVZ 1958, 92; LG Düsseldorf DGVZ 1972, 59; Thomas/Putzo/Seiler § 756 Rdn. 2. 12 Vgl. OLG Frankfurt Rpfleger 1979, 144 (Wechsel ist gemäß Urteil auf Widerklage als echte Gegenleistung herauszugeben). 13 BGH NJW 2016, 588; NJW 2008, 3144, 3145; Musielak/Voit/Lackmann § 756 Rdn. 2; a.A. OLG Frankfurt a.M. OLGZ 1981, 261, 263 f.; OLG Hamm DGVZ 1979, 122, 123; LG Düsseldorf DGVZ 1972, 59. 14 Vgl. RGZ 37, 5. 15 AG Bergheim DGVZ 1984, 15 m.w.N.; vgl. auch § 31 Abs. 5 GVGA; a.A. OLG Frankfurt OLGZ 1981, 261 = DGVZ 1981, 84 m.w.N. (Vorlage genügt). 16 Vgl. auch § 63 Abs. 1 S. 5 GVGA. 17 LG Hamburg DGVZ 1992, 41. 219

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des Titels ergibt,18 noch eine entsprechende Abhängigkeit laut Titel vom Gerichtsvollzieher ignoriert werden darf.19 7 In einem zweiten Schritt muss der Gerichtsvollzieher feststellen, welche Gegenleistung des Gläubigers durch den Titel in das Zug-um-Zug-Verhältnis einbezogen ist. Andere Gegenleistungen brauchen nicht angeboten oder erbracht werden. Besteht die Zug um Zug geschuldete Gegenleistung in der Nachbesserung eines bestimmten Mangels, kann sich der Schuldner daher nicht auf andere Mängel berufen, sofern die Nachbesserung ordnungsgemäß erfolgt ist.20 Zur vom Schuldner Zug um Zug zu bewirkenden Leistung gehören nicht die Prozesskosten, wohl aber die Vollstreckungskosten und die Kosten des Angebots der Gegenleistung; der Schuldner gerät daher gemäß § 298 BGB nicht in Annahmeverzug, wenn er die Bezahlung der Prozesskosten nicht anbietet, wohl aber dann, wenn er nicht bereit ist, die Vollstreckungskosten und die Kosten des Angebots zu bezahlen.21 8 Der Gerichtsvollzieher prüft schließlich außerdem, ob die urkundlich nachgewiesene oder von ihm selbst dem Schuldner anzubietende Gegenleistung richtig und vollständig und demgemäß zur Begründung von Annahmeverzug (§§ 293 ff. BGB) bzw. zur Befriedigung (§§ 362 ff. BGB) des Schuldners geeignet ist. Auch insoweit kann und darf er sich nur an der vollstreckbaren Ausfertigung orientieren.22 Die Gegenleistung muss sich daher nach Art und Umfang aus dem Titel ohne Rückgriff auf Umstände und Unterlagen außerhalb des Titels23 ebenso bestimmt oder bestimmbar ergeben, wie die zu vollstreckende Leistung.24 Insbesondere muss die Identität des angebotenen Gegenstands der Gegenleistung mit dem im Titel bezeichneten feststellbar sein.25 Sofern der Titel oder Tatbestand und Entscheidungsgründe des zu vollstreckenden Urteils keine gesonderten Angaben zur Beschaffenheit der von dem Gläubiger zu erbringenden Gegenleistung enthalten, kommt es nur darauf an, dass der angebotene mit dem bezeichneten Gegenstand identisch ist. Die Prüfungskompetenz des Vollstreckungsorgans wird nach dem Grundsatz der Formalisierung der Zwangsvollstreckung durch den Titelinhalt begrenzt. Enthält der Titel nur die Angabe, dass ein individueller Gegenstand anzubieten ist, ist nur die Identität zu prüfen.26 Der Gerichtsvollzieher muss sich von der Ordnungsgemäßheit der Gegenleistung „so, wie sie zu bewirken ist“ (§ 294 BGB) überzeugen. Im Hinblick auf die Eigenverantwortlichkeit der Führung des Vollstreckungsbetriebs durch den Gerichtsvollzieher,27 bleibt es seiner Ermessensentscheidung vorbehalten, welcher Mittel er sich zur Erlangung dieser Überzeugung bedient. Dies umfasst auch die Hinzuziehung eines Sachverständigen,28 die sich insbesondere bei Nachbesserungen und Gattungsschulden (§§ 243 BGB, 360 HGB) anbietet. Solange der Gerichtsvollzieher die damit eröffneten Erkenntnismöglichkeiten nicht ausgeschöpft hat, darf er die Vollstreckung nicht mit der formalistischen Begründung verweigern, er könne die Gegenleis-

18 Vgl. AG Schwandorf JurBüro 2015, 47. Unter Beachtung der Beschränkungen zu § 767 Abs. 2 kann die fehlende Einschränkung „Zug-um-Zug“ vom Schuldner nur durch Vollstreckungsabwehrklage geltend gemacht werden: § 767 Rdn. 65. 19 S. z.B. o. Rdn. 4 m.w.N. 20 LG Bonn DGVZ 1989, 12; vgl. zu den materiellen Erfordernissen einer den Annahmeverzug begründenden Nachbesserung LG Stuttgart DGVZ 1990, 92. 21 LG Altona DGVZ 1937, 312; LG Hildesheim NJW 1959, 537. 22 BGH NJW-RR 2021, 251; KG OLGZ 1968, 180 = MDR 1968, 504; OLG Oldenburg DGVZ 1974, 87; LG Berlin Rpfleger 1978, 64 = DGVZ 1978, 25; Sebode DGVZ 1958, 34; Schmidt JurBüro 1964, 415; E. Schneider DGVZ 1978, 65. 23 Vgl. BGH NJW-RR 2021, 251; OLG Köln Rpfleger 1992, 527; KG DGVZ 1994, 114; LG Berlin DGVZ 1994, 8. 24 Vgl BGH NJW 1993, 324 und 3206; KG NJW-RR 1998, 424; OLG Frankfurt Rpfleger 1979, 432 m.w.N. 25 Vgl. KG Rpfleger 1994, 309 (Rückabwicklung eines Vertrags über die Lieferung eines EDV-Programms); LG Kleve DGVZ 1991, 12; LG Landau DGVZ 1995, 87. 26 BGH NJOZ 2005, 3395, 3396; Musielak/Voit/Lackmann § 756 Rdn. 4; MünchKomm/Heßler § 756 Rdn. 27. 27 § 753 Rdn. 1. 28 Vgl. OLG Stuttgart MDR 1982, 416; LG Heidelberg DGVZ 1977, 91; a.A. LG Hamburg DGVZ 1984, 10 (Verweis des Schuldners auf die Klage nach § 767 wegen fehlender oder mangelhafter Gegenleistung?). Bittmann

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tung (z.B. handwerkliche Arbeiten) nicht anbieten und ihre bereits erfolgte Durchführung sei urkundlich nicht nachzuweisen.29 Sieht sich der Gerichtsvollzieher auch nach Ausschöpfung der ihm erforderlich und angemes- 9 sen erscheinenden Erkenntnismittel außerstande, die Ordnungsgemäßheit der Gegenleistung auf Grundlage der Titelangaben festzustellen, hat er die Vollstreckung abzulehnen, und den Gläubiger auf den Klageweg zu verweisen,30 es sei denn, der Schuldner erkennt die ihm angebotene Leistung als ordnungsgemäß an.31 Regelmäßig kommt eine Klage auf Feststellung des Titelinhalts oder – falls die Gegenleistung bereits bewirkt, aber nicht formgerecht nachweisbar ist – auf Feststellung der Vollstreckungsvoraussetzungen in Betracht,32 notfalls muss erneut mit dem Ziel bestimmter Festsetzung der Gegenleistung geklagt werden.33 Der Gläubiger kann grundsätzlich auch Verpflichtungserinnerung (§ 766 Abs. 2) gegen die Ablehnung der Vollstreckung durch den Gerichtsvollzieher einlegen. Wie auch sonst bei Verpflichtungserinnerungen,34 hängt ein Erfolg des Rechtsbehelfs aber davon ab, dass die Weigerung des Gerichtsvollziehers auf gerichtlich nachprüfbaren Rechtsgründen beruht. Dies ist z.B. dann der Fall, wenn der Gerichtsvollzieher Anforderungen an die Gegenleistung stellt, die dem Schuldner nach dem Titel nicht gebühren.35 Sonst kann das Vollstreckungsgericht im Erinnerungsverfahren nur nachprüfen, ob der Gerichtsvollzieher im Rahmen seines Ermessens gehandelt hat,36 wovon im Regelfall auszugehen ist, wenn er eine zureichende Begründung für sein Verhalten angibt.37

III. Angebot der Gegenleistung durch den Gerichtsvollzieher (einschließlich wörtliches Angebot nach Abs. 2) Falls dem Gläubiger nicht zur Überzeugung des Gerichtsvollziehers (s.o. Rdn. 6 ff.) der formgerech- 10 te Nachweis der Gegenleistung oder des Annahmeverzugs des Schuldners gelingt (s.u. Rdn. 17 ff.), ist als besondere Voraussetzung der Zwangsvollstreckung das Angebot der Gegenleistung durch den Gerichtsvollzieher nötig (Abs. 1). Hierzu ist die Bevollmächtigung des Gerichtsvollziehers durch den Gläubiger erforderlich, die auch konkludent erfolgen kann.38 Das Angebot muss „in einer den Verzug der Annahme begründenden Weise“ erfolgen, also nach Maßgabe der §§ 293– 299 BGB.39 Da sich der Gerichtsvollzieher als Vollstreckungsorgan von Amts wegen vom Vorliegen der Vollstrekungsvoraussetzungen zu überzeugen hat, bewirkt der Verweis auf die Regelungen des BGB zum Annahmeverzug den Zwang zur weitgehenden Prüfung materiell-rechtlicher Fragen im Vollstreckungsverfahren. Ob die nachfolgend erörterten Voraussetzungen eines gehörigen Angebots der Gegenleistung erfüllt sind, hat der Gerichtsvollzieher zwar anhand des Titels selbstän29 Vgl. BGH NJW 2013, 2287; OLG Stuttgart DGVZ 1989, 11; OLG Hamm DGVZ 1995, 182; LG Stuttgart DGVZ 1990, 92; a.A. Stojek MDR 1977, 456 ff.: Klage des Gläubigers analog § 731 bei Mängelrüge des Schuldners.

30 Vgl. BGHZ 45, 287 = NJW 1966, 1755 = WM 1966, 861; WM 1966, 1207; KG HRR 1936 Nr. 1339; LG Bonn NJW 1963, 56; vgl. ferner Geißler DGVZ 2012, 1, 2.

31 LG Wuppertal DGVZ 1986, 90. 32 Vgl. BGH MMR 2011, 351, 352; OLG Koblenz Rpfleger 1993, 28; LG Frankenthal MDR 1982, 61; LG Darmstadt DGVZ 1989, 71; LG Mainz Rpfleger 1993, 253 (zu § 765); LG Landau DGVZ 1995, 87; vgl. allgemein zur Zulässigkeit dieses Klagetyps RGZ 147, 29 und BGH NJW 1972, 2268; a.A. AG Pirmasens MDR 1975, 62 (nur § 766 Abs. 2). 33 Bei Titeln, deren vollstreckungsfähiger Inhalt hinsichtlich der Leistung auch durch Auslegung nicht festgestellt werden kann, ist das ohne weiteres anerkannt: vgl. z.B. Thomas/Putzo/Seiler Vorbem § 704 Rdn. 22. 34 Vgl. § 766 Rdn. 47 f. 35 Vgl. z.B. KG OLGZ 1968, 180 = MDR 1968, 504 (Prüfung der vom Gläubiger geschuldeten Abrechnung auf Vollständigkeit und inhaltliche Richtigkeit). 36 LG Hannover DGVZ 1984, 152 m.w.N.; Thomas/Putzo/Seiler § 756 Rdn. 8; a.A. MünchKomm/Heßler § 756 Rdn. 55; Musielak/Voit/Lackmann § 756 Rdn. 11. 37 E. Schneider DGVZ 1978, 65. 38 Vgl. BeckOK/Ulrici § 756 Rdn. 6; MünchKomm/Heßler § 756 Rdn. 15. 39 Vgl. OLG Düsseldorf NJOZ 2019, 538, 539. 221

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dig festzustellen; dies darf jedoch nicht zu einer Ergänzung oder Korrektur des Erkenntnisverfahrens im Vollstreckungsverfahren führen.40 11 Das Angebot hat gemäß § 294 BGB grundsätzlich tatsächlich zu erfolgen, es sei denn, es ergibt sich aus Tenor oder Urteilsgründen etwas anderes.41 Der Gerichtsvollzieher muss daher die von ihm als titelgemäß erkannte Gegenleistung bei Vollstreckungsbeginn dem Schuldner in Vertretung des Gläubigers so anbieten, dass dieser nichts weiter zu tun braucht, als die Leistung anzunehmen.42 Die Gegenleistung muss der geschuldeten entsprechen und überdies zur rechten Zeit (§§ 271 BGB, 358 HGB)43 und am rechten Ort (§§ 269, 270 BGB)44 angeboten werden.45 Maßgeblich ist somit, ob es sich um eine Hol-, Bring- oder Schickschuld handelt. Bei der Bring- und Schickschuld hat der Gerichtsvollzieher die Gegenleistung am jeweiligen Ort, im Zweifel am Wohnort des Schuldners, tatsächlich anzubieten.46 Bei der Holschuld hat der Schuldner die Gegenleistung beim Gläubiger abzuholen. Hierzu hat der Gerichtsvollzieher dem Schuldner in der Aufforderung zur Abholung eine angemessene Frist zu setzen.47 Die Gegenleistung ist auch dann grundsätzlich vollständig anzubieten, wenn der Gläubiger lediglich eine Teilvollstreckung durchführen will.48 Ein derartiges Angebot kann auch einem empfangsberechtigten Vertreter des Schuldners,49 nicht aber sonstigen Personen gegenüber, erfolgen, da § 130 BGB im Rahmen des § 294 BGB nicht gilt.50 Da der Gerichtsvollzieher ohnehin nur als Vertreter des Gläubigers handelt, bestehen keine Bedenken, wenn entgegen dem Wortlaut des Gesetzes das Angebot durch den bei der Vollstreckung anwesenden Gläubiger51 erfolgt. Auch Angebote Dritter können zwar materiellrechtlich unter den Voraussetzungen der §§ 267, 268, 1150, 1249 BGB Annahmeverzug begründen;52 falls diese Möglichkeit durch die titelerzeugende Stelle jedoch nicht geprüft und ausdrücklich zugelassen wurde, muss sie im Vollstreckungsverfahren als unzulässige Titelergänzung ausscheiden. Dasselbe gilt für die nicht ausdrücklich zugelassene Übereignung durch Abtretung eines Herausgabeanspruchs (§ 931 BGB) statt unter Übergabe der Sache oder die Übergabe von Traditionspapieren statt der laut Tenor geschuldeten Sache.53 Erst recht darf der Gerichtsvollzieher nicht hinsichtlich des Inhalts der vom Gläubiger zu erbringenden Gegenleistung vom Titel abweichen. Der Gläubiger ist daher nicht befugt, den Gerichtsvollzieher anzuweisen, zwecks Erfüllung der von ihm Zug um Zug zu bewirkenden Zahlungsverpflichtung die Aufrechnung mit einer Gegenforderung zu erklären.54 Etwas anderes gilt demgegenüber bei der Abgabe einer vom Gläubiger geschuldeten Abtretungserklärung, wenn hierin die nach dem Titel geschuldete Gegenleistung liegt.55 Andererseits kann der Titel die Möglichkeit zur Konkretisierung der Gegenleistung ausnahmsweise offenlassen, wie z.B. bei Vorbehalt eines Wahlrechts des Schuldners; in diesem Fall ist so zu verfahren, dass der Gerichtsvollzieher den Schuldner zunächst unter Fristsetzung auffordert, von seinem Wahlrecht Gebrauch zu machen (vgl. § 264 Abs. 2 BGB). Der Gerichtsvollzieher 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53

OLG Stuttgart DGVZ 1991, 8, 9. Vgl. LG Berlin DGVZ 1993, 28. Vgl. RGZ 109, 328 und BGHZ 90, 359. Vgl. RGZ 91, 67 und 92, 211. Vgl. LG Dortmund DGVZ 1977, 10 und LG Aachen DGVZ 1977, 88. BGH MMR 2011, 351, 352. MünchKomm/Heßler § 756 Rdn. 16 f. MünchKomm/Heßler § 756 Rdn. 39. AG Schönau DGVZ 1990, 45, 46; BeckOK/Ulrici § 756 Rdn. 8.3; Geißler DGVZ 2012, 1, 4. Vgl. Sebode DGVZ 1958, 34. Grüneberg/Grüneberg § 294 Rdn. 2. Vgl. dazu § 758 Rdn. 24. Grüneberg/Grüneberg § 294 Rdn. 6. Vgl. OLG Köln Rpfleger 1992, 527; LG Wiesbaden DGVZ 2011, 70; a.A. LG Charlottenburg DGVZ 1923, 88; Sebode JW 1939, 613. 54 LG Hildesheim NJW 1959, 537; die Aufrechnungserklärung würde nämlich erfolgen, ohne dass der Gerichtsvollzieher den Bestand der Forderung überprüfen kann. 55 BGH NJW 2016, 3455, 3456; OLG Hamm JurBüro 1955, 487; MünchKomm/Heßler § 756 Rdn. 14. Bittmann

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hat schließlich das tatsächliche Angebot so zu bewirken, dass sich der Schuldner nicht auf vorübergehende Annahmeverhinderung gemäß § 299 BGB berufen kann. Ist das tatsächliche Angebot des Gerichtsvollziehers zur Erbringung der Gegenleistung nicht 12 geeignet und wird es deshalb vom Schuldner zurückgewiesen, ist der Vollstreckungsversuch ohne den Mangel zu wiederholen. Ist das Angebot vollständig und richtig, darf der Gerichtsvollzieher an den annahmebereiten Schuldner nur leisten, wenn dieser seinerseits sämtliche in das Zug-umZug-Verhältnis laut Titel einbezogenen56 Leistungen erbringt. Ist er dazu nicht bereit, gerät er gemäß § 298 BGB in Annahmeverzug, sodass er die Vollstreckung dulden muss, ohne in den Genuss der Gegenleistung zu kommen. Eine Erklärung des Schuldners, freiwillig die Vollstreckung zu dulden, ist nicht (titelgemäße) Leistung i.S.v. § 298 BGB, sodass der Gerichtsvollzieher die Gegenleistung auch dann nicht erbringen darf, wenn er genügend Pfandstücke vorfindet.57 Führt die Vollstreckung nicht zur vollständigen Befriedigung, besteht der Annahmeverzug für weitere Vollstreckungshandlungen fort. Auf eine ebenfalls unzulässige Titelkorrektur würde es hinauslaufen, wenn der Gerichtsvoll- 13 zieher den Einwand des Schuldners, die als Gegenleistung bestimmt bezeichnete Sache sei mangelhaft, berücksichtigen würde.58 Zwar begründet das Angebot einer mangelhaften Leistung grundsätzlich keinen Annahmeverzug, weshalb der Gerichtsvollzieher bei Gattungsschulden in der Tat den Einwand schlechter Ware prüfen muss (vgl. §§ 243 BGB, 360 HGB). Bei Stückschulden bedeutet der Einwand jedoch eine unzulässige Durchbrechung der Rechtskraft des Titels, wenn die behauptete Mangelhaftigkeit bereits im Zeitpunkt des Titelerlasses vorhanden war oder laut Titel eine bestimmte Sache in dem jeweiligen Zustand zu liefern ist. Der materiell-rechtliche Einwand der nachträglichen Verschlechterung der Zug um Zug vom Gläubiger zu leistenden Sache kann dann nur durch Vollstreckungsabwehrklage im zeitlichen Rahmen des § 767 Abs. 2 geltend gemacht werden.59 Besteht die Gegenleistung in der Nachbesserung eines Werkes, kann der Gläubiger nicht die Hinterlegung des geschuldeten Betrags beim Gerichtsvollzieher verlangen, sondern muss den Mangel im Rahmen des tatsächlichen Angebots beseitigen,60 falls nicht ein wörtliches Angebot genügt (s.u. Rdn. 14). Ebenfalls um eine zwar zur materiell-rechtlichen Begründung des Annahmeverzugs gehörige aber der Prüfung durch den Gerichtsvollzieher entzogene Voraussetzung handelt es sich beim Leistungsvermögen des Gläubigers (§ 297 BGB).61 Denn die Zug-um-Zug-Verurteilung setzt das Leistungsvermögen des Gläubigers inzident voraus. Beruft sich der Schuldner auf Beendigung des Annahmeverzugs durch nachträgliche Unmöglichkeit der an ihn zu erbringenden Gegenleistung des Gläubigers,62 muss er diesen materiell-rechtlichen Einwand gemäß § 767 geltend machen.63 Ob auf Mangelhaftigkeit oder Unmöglichkeit der Gegenleistung gestützte Vollstreckungsabwehrklagen zum Erfolg, d.h. zur gänzlichen Unzulässigerklärung der Vollstreckung führen, hängt von den materiellen Rechtsfolgen ab, die im Klageverfahren zu klären sind.64 Entfällt auch der zu vollstreckende Anspruch (z.B. durch Rücktritt, Aufrechnung etc.) ist der Klage stattzugeben, bleibt er bestehen, muss sie abgewiesen werden. Der Gläubiger kann aber auch seinerseits die Unmöglichkeit seiner Leistung durch erneute Klage auf Verurteilung des Schuldners zur Leistung schlechthin geltend machen, wenn eine Vollstreckung gemäß

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S. dazu o. Rdn. 7. BGHZ 73, 320 = NJW 1979, 1204 bei II 2 b; Stein/Jonas/Münzberg § 756 Rdn. 6. OLG Stuttgart DGVZ 1991, 8; LG Bremen DGVZ 1977, 158. BGH NJOZ 2005, 3395, 3396; LG Bremen DGVZ 1977, 158; a.A. OLG Königsberg OLGRspr. 1920, 338 (§ 766) und wohl auch E. Schneider DGVZ 1978, 65 (Einwand rechtlich unerheblich). 60 LG Stuttgart DGVZ 1990, 92. 61 A.A. wohl Sebode DGVZ 1958, 35 (Leistungsbereitschaft des Gläubigers stets vom Gerichtsvollzieher zu prüfen). Anders nur in den Fällen des § 295 S. 1, 2. Alt. BGB (s.u. Rdn. 15): vgl. OLG Oldenburg DGVZ 1991, 172 und LG Berlin DGVZ 1998, 26. 62 Vgl. dazu BGHZ 24, 96 und BAG JZ 1962, 68. 63 OLG Hamburg SeuffArch. Band 50 Nr. 139; Stein/Jonas/Münzberg § 756 Rdn. 21. 64 Vgl. BGH NJW 1962, 2004; OLG Hamburg HRR 29 Nr. 666. 223

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§ 756 sonst nicht möglich wäre (z.B. weil der Gerichtsvollzieher noch nicht angeboten hat).65 Dieselbe Klagemöglichkeit besteht für den Gläubiger, wenn der Gegenanspruch des Schuldners aus sonstigen Gründen nachträglich weggefallen oder abgetreten ist. 14 Ein wörtliches Angebot des Gerichtsvollziehers genügt gemäß § 295 BGB u.a. dann, wenn der Schuldner bereits erklärt hat, dass er die Gegenleistung nicht annehmen werde. Dies ergibt sich durch den Verweis auf die §§ 293 ff. BGB bereits aus Abs. 1 („dem Schuldner die diesem gebührende Leistung in einer den Verzug der Annahme begründenden Weise angeboten hat“). Eine aus diesem Anlass erklärte Annahmeverweigerung ist urkundlich nachzuweisen (§ 763 Abs. 1), weshalb dann ohne Angebot der Gegenleistung vollstreckt werden konnte. Die praktische Bedeutung des Abs. 2 besteht somit darin, dass auch dann ein wörtliches Angebot des Gerichtsvollziehers genügt, wenn der Schuldner die Annahmeverweigerung nicht vorher, sondern erst nach dem Angebot während des Vollstreckungsverfahrens erklärt.66 Bloßes Schweigen des Schuldners. wozu auch die bloße Abwesenheit zählt – rechtfertigt die Anwendbarkeit von Abs. 2 indessen nicht.67 Der Schuldner kann zwar auf das wörtliche Angebot des Gerichtsvollziehers auch dadurch reagieren, dass er die Annahmebereitschaft erklärt, was an sich zur Abwendung der Vollstreckung führen würde, da dann weder die Voraussetzungen des Abs. 2 noch diejenigen des Abs. 1 erfüllt sind: Der Gerichtsvollzieher kann den Schuldner mangels tatsächlichen Angebots nicht befriedigen, und das lediglich wörtliche Angebot führt bei Fehlen einer vorherigen Annahmeverweigerung des Schuldners schon materiell-rechtlich nicht zum Annahmeverzug. Die Erklärung der Annahmebereitschaft ist aber nur beachtlich, falls sie vom Schuldner substantiiert wird, er also insbesondere dazu in der Lage ist, die eigene Leistungsbereitschaft und -fähigkeit (§ 298 BGB) glaubwürdig nachzuweisen. Andernfalls darf und muss der Gerichtsvollzieher die Vollstreckung beginnen bzw. fortsetzen. 15 Ein wörtliches Angebot genügt auch dann, wenn zur Bewirkung der Leistung des Gläubigers eine Handlung des Schuldners erforderlich ist, er z.B. die geschuldete Sache abzuholen oder eine Werkleistung abzunehmen68 hat. Diese Alternative greift trotz § 269 BGB nur dann Platz, wenn sich die Holschuld eindeutig aus dem Titel ergibt.69 Aus der Natur des Schuldverhältnisses70 oder der zu erbringenden Leistung71 oder aus der Höhe der Transportkosten72 darf der Gerichtsvollzieher nicht von sich aus auf das Vorliegen eines Ausnahmefalls nach § 295 BGB schließen.73 Selbst bei ausreichender Bezeichnung der Gegenleistung als Holschuld des Schuldners durch den Titel darf der Gerichtsvollzieher nicht auf Grundlage eines wörtlichen Angebots vollstrecken, wenn der Gläubiger endgültig die Erfüllung verweigert oder die Sache nicht beim Gläubiger oder Gerichtsvollzieher zur Abholung bereitsteht. Er hat vielmehr sicherzustellen, dass der Gläubiger zum Erbringen der geschuldeten Gegenleistung tatsächlich in der Lage wäre.74 16 Ein besonderer Auftrag an den Gerichtsvollzieher zur Abgabe des wörtlichen Angebots ist nicht erforderlich, da der Gerichtsvollzieher mit dem Vollstreckungsantrag ermächtigt ist, auch diese Erklärung abzugeben.75

65 RGZ 96, 184, 185; vgl. auch OLG Celle Nds.Rpfl 1959, 19 (Schuldner hat sich die vom Gläubiger geschuldeten Sachen selbst verschafft). 66 Vgl. BT-Drucks. 13/341, S. 15. 67 Stein/Jonas/Münzberg § 756 Rdn. 9; Musielak/Voit/Lackmann § 756 Rdn. 8. 68 Vgl. Noack DGVZ 1972, 149. 69 Vgl. LG Berlin Rpfleger 1978, 63 = DGVZ 1978, 25; LG Ravensburg DGVZ 1986, 88; AG Sinzig NJW-RR 1987, 704; Gilleßen/Jakobs DGVZ 1981, 49 m.w.N.; a.A. LG Bochum DGVZ 1979, 123 (selbständige Prüfung des Leistungsorts durch den Gerichtsvollzieher). 70 So aber LG Bochum DGVZ 1979, 123, 124. 71 So aber OLG Dresden OLGRspr. 1909, 117. 72 So aber AG Düsseldorf DGVZ 1953, 75. 73 Vgl. auch E. Schneider JurBüro 1966, 817, 819. 74 Musielak/Voit/Lackmann § 756 Rdn. 8; a.A. Stein/Jonas/Münzberg § 756 Rdn. 9 (Fn. 51); Zöller/Seibel § 756 Rdn. 13. 75 LG Augsburg DGVZ 1995, 8; a.A. Zöller/Seibel § 756 Rdn. 13. Bittmann

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IV. Nachweis der Gegenleistung oder des Annahmeverzugs Das Angebot der Gegenleistung durch den Gerichtsvollzieher ist entbehrlich, wenn der Gläubiger 17 die Befriedigung oder den Annahmeverzug des Schuldners hinsichtlich der Gegenleistung durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden76 nachweist. Eines Nachweises bedarf es ausnahmsweise nicht, wenn die Befriedigung des Schuldners – für den Gerichtsvollzieher erkennbar – unstreitig ist.77 Der erforderliche Nachweis kann ua geführt werden durch notariell beglaubigte Schuldnerquittung, durch Hinterlegungsschein bei Hinterlegung der Gegenleistung unter Ausschluss der Rücknahme, durch Gerichtsvollzieherprotokoll über einen früheren Vollstreckungsversuch nach Maßgabe des § 756 (vgl. § 765 S. 2),78 durch Urteil auf unbedingte Duldung der Zwangsvollstreckung79 und durch Urkunden, die einen Zeitablauf i.S.v. § 296 BGB beweisen. Der Nachweis kann auch mit Hilfe des zu vollstreckenden Urteils als öffentlicher Urkunde geführt werden.80 Voraussetzung ist allerdings, dass Tatbestand und den Urteilspruch mittragende Entscheidungsgründe den Annahmeverzug klar erkennbar nachweisen, sodass dem Gerichtsvollzieher keine schwierigen rechtlichen Überlegungen abverlangt werden.81 Der im Tatbestand wiedergegebene Antrag des Schuldners auf Abweisung des Klageantrags auf Zug-um-Zug-Verurteilung genügt daher nicht.82 Vorsorglich kann der Gläubiger von der Möglichkeit Gebrauch machen, den Annahmeverzug im Tenor nach § 256 gesondert feststellen zu lassen.83 Auch aus Formel oder Tatbestand und Entscheidungsgründen eines anderen Urteils kann sich der Annahmeverzug hinreichend klar ergeben.84 Die Möglichkeit der Vorabfeststellung des Annahmeverzugs im Urteil zeigt, dass sich der 18 Nachweis nicht auf einen Zeitpunkt nach Titelerlass zu beziehen braucht.85 Denkbar ist daher jeder Zeitpunkt vor und nach Klagerhebung bzw. vor und nach Erlass des Urteils.86 Dann muss aber andererseits der Schuldner auch die Möglichkeit haben, die zwischenzeitliche Beendigung des Annahmeverzugs noch im Vollstreckungsverfahren gegenüber dem Gerichtsvollzieher geltend zu machen, falls diese nicht auf Umständen, insbesondere dem Unmöglichwerden der Gegenleistung, beruht, deren Geltendmachung einer Klage gemäß § 767 vorbehalten ist.87 Vom Gerichtsvollzieher von Amts wegen88 zu beachten ist daher z.B. die nachträgliche Vornahme einer gemäß § 295 BGB erforderlichen Mitwirkungshandlung des Schuldners oder die Rücknahme des Angebots zur Gegenleistung durch den Gläubiger. Dies gilt selbst dann, wenn der Annahmeverzug im zu

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Vgl. zum Begriff § 726 Rdn. 29. LG Stuttgart DGVZ 2007, 69; LG Düsseldorf DGVZ 1991, 39; zustimmend Münzberg DGVZ 1991, 88. Vgl. OLG Düsseldorf NJOZ 2019, 538, 539; OLG Köln NJW-RR 1991, 383. Vgl. BGH NJW 1962, 2003. AllgM.: vgl. nur OLG Colmar OLGRspr. 1917, 188; KG OLGZ 1972, 481 = NJW 1972, 2052 = Rpfleger 1972, 322; OLG Köln NJW-RR 1991, 383; LG Hagen DGVZ 1973, 75; E. Schneider JurBüro 1966, 914. 81 KG OLGZ 1972, 481; AG Mönchengladbach DGVZ 1992, 124; Stein/Jonas/Münzberg § 756 Rdn. 12; Gaul/Schilken/BeckerEberhard § 16 Rdn. 39. 82 KG OLGZ 1972, 481; LG Dortmund DGVZ 1977, 10; LG Düsseldorf DGVZ 1980, 187 m.w.N.; LG Wuppertal Rpfleger 1988, 153 (zu § 765); a.A. LG Bonn NJW 1963, 721; offen gelassen von LG Bochum DGVZ 1979, 123. 83 Vgl. BGH NJW 2000, 2663, 2664; RG JW 1909 463; KG OLGZ 1972, 481; Brox/Walker § 10 Rdn. 173; Doms NJW 1984, 1340; Christmann DGVZ 1990, 1. 84 Vgl. KG OLGZ 1974, 310 = MDR 1975, 149 und OLG Koblenz Rpfleger 1993, 28 (Klage auf Feststellung der Vollstreckungsvoraussetzungen). 85 RG JW 1909, 463; OLG Colmar OLGRspr. 1917, 188; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard § 16 Rdn. 54; E. Schneider JurBüro 1966, 914. 86 Christmann DGVZ 1990, 1, 2. 87 Stein/Jonas/Münzberg § 756 Rdn. 19 m.w.N.; vgl. auch oben Rdn. 13. 88 Insoweit offenbar a.A. MünchKomm/Heßler § 756 Rdn. 46: Schuldner muss Erinnerung (§ 766) einlegen oder qualifizierte Urkunden vorlegen. 225

Bittmann

§ 756

Achtes Buch – Zwangsvollstreckung

vollstreckenden Urteil festgestellt ist.89 Denn selbst die gesonderte Feststellung des Annahmeverzugs im Tenor stellt lediglich einen urkundlichen Nachweis und eine durch spätere Tatsachen widerlegbare Vermutung für die Fortdauer des Annahmeverzugs dar. Dass der Kläger durch diese Feststellung im Urteil von der Nachweisführung nach § 756 befreit wäre,90 kann schon deshalb nicht richtig sein, weil sich die Rechtskraft auch eines Feststellungsurteils nicht auf neu entstehende Tatsachen erstreckt.91 Die Feststellung des Annahmeverzugs des Schuldners im zu vollstreckenden Urteil (z.B. gemäß § 322 Abs. 2 BGB bei Vorleistungspflicht des Gläubigers), ändert somit nichts daran, dass dieser noch bei Vollstreckungsbeginn fortbestehen oder der Schuldner inzwischen befriedigt sein muss.92 Im Ergebnis kann daher in allen Fällen sofortiger Klauselerteilung gemäß § 726 Abs. 2 vom Schuldner noch im Vollstreckungsverfahren die Beendigung des Annahmeverzugs geltend gemacht werden, sofern die Einwendung nicht der Klage (§ 767) vorbehalten ist. Nach Vollstreckungsbeginn ist der Schuldner allerdings mit der Einwendung der Beendigung des Annahmeverzugs ausgeschlossen.93 Der Gerichtsvollzieher hat auch im Falle urkundlicher Nachweise zu prüfen, ob die vom 19 Gläubiger geschuldete Gegenleistung richtig und vollständig erbracht bzw. angeboten wurde (s.o. Rdn. 6 ff.). Es gelten die Grundsätze der Eigenverantwortlichkeit des Gerichtsvollziehers einerseits, und der strikten Bindung an den Titel andererseits. Der Gerichtsvollzieher muss zwar auf lückenloser Beweisführung bestehen, ist aber auch hier nicht befugt, titelergänzende oder titelkorrigierende Feststellungen zu treffen, wie z.B. den Nachweis der Verität einer laut Titel vom Gläubiger als Gegenleistung abzutretenden Forderung zu verlangen.94 Er darf sich andererseits auch nicht mit dem Nachweis einer anderen als der im Titel bezeichneten Gegenleistung, wie z.B. Aufrechnung statt Zahlung begnügen. Dagegen ist der Nachweis der Befriedigung durch Hinterlegung unter Verzicht auf das Recht der Rücknahme ohne weiteres möglich, da die Hinterlegung bei ausgeschlossener Rücknahme gemäß § 378 BGB der Leistungserbringung gleichgestellt ist. Der Nachweis der Unmöglichkeit der Gegenleistung genügt in keinem Fall, da der Gerichtsvollzieher nicht übersehen kann, ob dies nicht zum Wegfall des Anspruchs des Gläubigers führt.95 Diese Frage muss durch Klage geklärt werden, und zwar grundsätzlich durch Klage des Gläubigers auf Verurteilung des Schuldners zur Leistung schlechthin, oder ggf. durch Vollstreckungsabwehrklage des Schuldners, falls dieser die Beendigung des Annahmeverzugs durch Unmöglichwerden der Gegenleistung geltend macht.96 Der Gerichtsvollzieher hat neben der inhaltlichen Prüfung der vom Gläubiger vorgelegten 20 Urkunden auch deren formelle Korrektheit und die ordnungsgemäße Zustellung97 ihrer vollständigen Abschrift spätestens im Zeitpunkt des Vollstreckungsbeginns98 festzustellen. Genügen die Urkunden dem Gerichtsvollzieher aus formellen Gründen nicht, weil sich z.B. der Annahmeverzug des Schuldners nicht mit hinreichender Eindeutigkeit aus dem vorgelegten Urteil ergibt oder die Schuldnerquittung nicht beglaubigt ist, oder ist nicht zu seiner Überzeugung die Richtigkeit und Vollständigkeit des Gläubigerangebots aus den Urkunden ersichtlich, muss er die Zwangsvollstreckung ablehnen. Falls der Gläubiger nicht ausnahmsweise kraft Verpflichtungserinnerung

89 A.A. Christmann DGVZ 1990, 1, 2 f. bei tenorierter Feststellung des Annahmeverzugs und Gabius NJW 1966, 866, 870 bei Verurteilung zur Leistung nach Empfang der Gegenleistung, die jeden Unterschied zum unbedingten Leistungsurteil verneinen. 90 So aber wohl RG JW 1909, 463. 91 Vgl. z.B. BGH NJW 1988, 2524. 92 OLG Karlsruhe MDR 1975, 938 bei Verurteilung zur Leistung nach Empfang der Gegenleistung. 93 MünchKomm/Heßler § 756 Rdn. 46. 94 OLG Hamm JurBüro 1955, 487. 95 RGZ 96, 184, 185; Schmidt JurBüro 1964, 415. 96 S.o. Rdn. 13. 97 Nach § 172 muss diese an einen etwa bestellten Prozessbevollmächtigten erster Instanz erfolgen: KG JW 1936, 3335. 98 Auch hier ist somit gleichzeitige Zustellung möglich: § 750 Rdn. 20. Bittmann

226

Abschnitt 1. Allgemeine Vorschriften

§ 756

(§ 766 Abs. 2) eine Durchführung der Vollstreckung erzwingen kann, bleibt ihm nur die Beschaffung geeigneter Nachweise (vgl. z.B. § 368 S. 2 BGB) oder die erneute Klage.99

V. Verstöße und Rechtsbehelfe Die Vollstreckung eines Zug-um-Zug-Titels unter Missachtung der besonderen Vollstreckungsvo- 21 raussetzung des § 756 durch den Gerichtsvollzieher macht die Zwangsvollstreckung unzulässig und damit nach § 766 anfechtbar. Dies gilt auch dann, wenn nicht (nur) formelle Mängel wie z.B. die fehlende Zustellung von Nachweisurkunden, sondern auch die Verkennung durch den Gerichtsvollzieher selbständiger festzustellender Annahmeverzugsvoraussetzungen gerügt wird, da diese kraft Verweises auf das materielle Recht der §§ 293 ff. BGB durch § 756 das Verfahren betreffen.100 Zu beachten ist allerdings, dass materiell-rechtliche Einwendungen des Schuldners dann der Klage nach § 767 vorbehalten sind, wenn ihre selbständige Berücksichtigung durch den Gerichtsvollzieher auf eine Titelkorrektur im Vollstreckungsverfahren hinausliefe.101 Im Übrigen gelten die allgemeinen Grundsätze zur Fehlerhaftigkeit von Vollstreckungsakten, 22 wonach u.a. der Vollstreckungsakt vorbehaltlich ausnahmsweise zur Nichtigkeit führender schwerwiegender Mängel bis zur Aufhebung wirksam bleibt.102 Eine zwischenzeitliche Heilung von Mängeln, beispielsweise von Zustellungsmängeln bei Nachweisurkunden, ist auch hier möglich. Falls ein Angebot des Gerichtsvollziehers den Voraussetzungen der §§ 293 ff. BGB nicht genügt, dürfte jedoch regelmäßig keine Heilung, sondern nur mangelfreie Neuvornahme in Betracht kommen.

VI. Kosten Die Kosten des Angebots bzw. der Ausfertigung und Zustellung von Nachweisurkunden fallen 23 unter § 788. Zu den Kosten des Angebots gehören auch die Kosten für einen vom Gerichtsvollzieher (nicht aber für einen vom Gläubiger) beauftragten Sachverständigen zur Beurteilung der Korrektheit der Gegenleistung. Bei den Kosten des Angebots ist im Übrigen aber die Einschränkung zu beachten, dass der Gläubiger sich nicht zum Nachteil des Schuldners über § 788 heraus hinsichtlich solcher Aufwendungen entlasten darf, die ihn bei ordnungsgemäßer Erbringung der Gegenleistung ohnehin treffen würden.103 Diese Einschränkung betrifft nicht die gemäß § 10 Abs. 1 GVKostG zu berechnenden Gebühren des Gerichtsvollziehers, wohl aber Transportkosten, soweit sie nicht diejenigen Kosten übersteigen, die dem Gläubiger auch ohne Angebot nach § 756 im Rahmen der Zwangsvollstreckung entstanden wären.104 Entsprechend fallen mit der Erfüllung des zu vollstreckenden Anspruchs zusammenhängende Kosten nur unter § 788, wenn der Titel dem Schuldner die Kosten verursachende Maßnahme (z.B. die Versendung der Ware) auferlegt.105

99 S.o. Rdn. 9. 100 BGH NJW 2016, 3455; OLG Rostock OLGRspr. 1931, 92; KG OLGZ 1968, 180 = MDR 1968, 504 (obiter dictum). 101 S.o. Rdn. 13, 18. 102 Vgl. § 750 Rdn. 39 ff. 103 H.M.: vgl. nur OLG Hamburg DGVZ 1971, 42 = NJW 1971, 387 m.w.N.; vgl. ferner BGH NJW 2014, 2508, 2509. 104 Vgl. Noack DGVZ 1975, 145, 148. 105 Noack DGVZ 1975, 145, 148. 227

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§ 757

Achtes Buch – Zwangsvollstreckung

§ 757 Übergabe des Titels und Quittung (1) Der Gerichtsvollzieher hat nach Empfang der Leistungen dem Schuldner die vollstreckbare Ausfertigung nebst einer Quittung auszuliefern, bei teilweiser Leistung diese auf der vollstreckbaren Ausfertigung zu vermerken und dem Schuldner Quittung zu erteilen. (2) Das Recht des Schuldners, nachträglich eine Quittung des Gläubigers selbst zu fordern, wird durch diese Vorschriften nicht berührt.

Schrifttum Eickmann Quittung des Gerichtsvollziehers im Grundbuchverfahren, DGVZ 1978, 145; Lüke Klage auf Herausgabe des Vollstreckungstitels, JZ 1956, 475; Münzberg Anspruch des Schuldners auf Herausgabe der vollstreckbaren Urteilsausfertigung nach Leistung, KTS 1984, 193; Saum Aushändigung der vollstreckbaren Ausfertigung des Titels an den Schuldner, JZ 1981, 695.

Übersicht I.

Quittung des Gerichtsvollziehers

1

II.

Auslieferung der vollstreckbaren Ausferti4 gung

III.

Quittung des Gläubigers (Abs. 2)

IV.

Verstöße und Rechtsbehelfe

V.

Kosten und Gebühren

8 9

7

I. Quittung des Gerichtsvollziehers 1 Der Gerichtsvollzieher muss jede Empfangnahme von Schuldnerleistungen gemäß Abs. 1 quittieren. Dies dient dem Schutz des Schuldners vor einer mehrfachen Inanspruchnahme und damit einer Überpfändung. Ob der Schuldner nach Maßgabe des § 754 freiwillig oder zur Abwendung der Zwangsvollstreckung oder zwangsweise z.B. nach §§ 808 Abs. 1, 815 Abs. 3, 819 leistet, spielt keine Rolle. Schuldnerleistungen nach § 754 müssen allerdings vorbehaltlos sein, da sie der Gerichtsvollzieher sonst nicht annehmen darf.1 Als Leistungsgegenstand kommen nur Geld und andere bewegliche Sachen (insbesondere bei nach §§ 883 f. zu vollstreckenden Titeln) in Frage. Empfangnahme von Schuldnerleistungen durch den Gerichtsvollzieher bedeutet, dass Schuldnerleistungen an den Gläubiger nicht genügen, und nur nach Maßgabe der §§ 775 Nrn. 4, 5 und 767, 769, 775 Nrn. 1, 2 zur Einstellung der Zwangsvollstreckung führen. Ausreichend sind jedoch Leistungen an den Gläubiger unter den Augen des Gerichtsvollziehers,2 also bei Anwesenheit des Gläubigers oder seines Vertreters bei der Zwangsvollstreckung. 2 Der Gerichtsvollzieher hat nach Maßgabe des § 267 BGB auch Leistungen Dritter anzunehmen und zu quittieren. Widerspricht daher der Schuldner, muss der Gerichtsvollzieher in jedem Fall den Gläubiger befragen, bevor er die Leistung in Empfang nehmen darf (§ 267 Abs. 2 BGB). Denn die materiell-rechtliche Prüfung eigener Ablösungsrechte Dritter nach § 268 BGB ist dem Gerichtsvollzieher i.d.R. weder möglich noch zumutbar. Falls der Titel dagegen auf Leistung an

1 § 754 Rdn. 22. 2 Stein/Jonas/Münzberg § 757 Rdn. 2 m.w.N. Bittmann https://doi.org/10.1515/9783110443158-038

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Abschnitt 1. Allgemeine Vorschriften

§ 757

Dritte lautet, darf und muss der Gerichtsvollzieher Schuldnerleistungen ohne weiteres entgegennehmen und quittieren.3 Abs. 1, Halbs. 2 der Vorschrift lässt sich entnehmen, dass in der Zwangsvollstreckung entgegen 3 § 266 BGB eine Pflicht zur Annahme von Teilleistungen besteht. Diese sind vom Gerichtsvollzieher ohne Aufschlüsselung4 oder Feststellung der verbleibenden Restforderung5 auf der vollstreckbaren Ausfertigung zu vermerken. Die Ausfertigung selbst darf bei Teilleistungen in keinem Fall ausgeliefert werden, also auch dann nicht, wenn alle bereits fälligen Beträge geleistet sind, aber noch nicht fällige (wie z.B. bei wiederkehrenden Leistungen) offen bleiben. Ergänzend ist eine – in jedem Fall vom Gerichtsvollzieher zu unterschreibende6 – besondere Quittung über die Teilleistung zu erteilen, da auf der zurückbehaltenen Ausfertigung nicht quittiert werden kann. Die Quittung ist öffentliche Urkunde i.S.v. § 418 auch wenn sie freiwillige Leistungen nach § 754 betrifft.7 Sie ist daher auch als Eintragungsunterlage i.S.v. § 29 Abs. 1 GBO geeignet.8

II. Auslieferung der vollstreckbaren Ausfertigung Die vollstreckbare Ausfertigung ist als Nachweis der Vollstreckungsermächtigung des Gerichts- 4 vollziehers (§ 754) an den Schuldner auszuliefern, sobald er und/oder ein Dritter nach Maßgabe des § 267 BGB (s.o. Rdn. 2) die nach dem Inhalt der vollstreckbaren Ausfertigung geschuldete Leistung vollständig an den Gerichtsvollzieher erbracht hat,9 wobei nachträgliche Erhöhungen der Schuldtitelforderung durch Parteivereinbarung unbeachtlich sind.10 Die aufgrund des betreffenden Titels ausgebrachten Pfändungen sind aufzuheben und sämtliche Zwangsmaßnahmen einzustellen. Diese gesetzliche Verpflichtung des Gerichtsvollziehers kann vom Gläubiger nicht beschränkt werden.11 Nicht herausgeben muss der Gerichtsvollzieher Titel ohne Vollstreckungsklausel mit Ausnahme des Vollstreckungsbescheids. Dieser kann Grundlage einer weiteren (unzulässigen) Vollstreckungsmaßnahme sein, sodass der Sinn und Zweck von § 757 auch hier eingreift.12 Zur Vollständigkeit gehört die Erfüllung von Nebenforderungen, insbesondere Zinsen, und die Bezahlung der Vollstreckungskosten i.S.v. § 788. Auch die Zahlung zur Vollstreckungsabwendung mit der Maßgabe zeitlich aufgeschobener Erfüllung ist unter diesen Voraussetzungen vollständig, da Verzugszinsen nicht weiterlaufen.13 Leistet der Schuldner direkt an den Gläubiger in einer Weise, die den Gerichtsvollzieher nicht zur Quittung berechtigt und verpflichtet (s.o. Rdn. 1), z.B. durch Aufrechnung, darf der Gerichtsvollzieher die Ausfertigung nur mit Zustimmung des Gläubigers dem Schuldner ausliefern (§ 60 Abs. 3 S. 2 GVGA). Verweigert der Gläubiger die Zustimmung, muss der Schuldner gemäß §§ 767, 769 vorgehen. Bis zur tatsächlichen Gutschrift auf dem Konto des Gerichtsvollziehers (§ 60 Abs. 3 S. 3 GVGA) ist die Zustimmung des Gläubigers auch erforderlich bei Empfangnahme von Schecks durch den Gerichtsvollzieher.

3 Keil ZZP 45 (1915), 152. 4 Vgl. AG Reinbek DGVZ 1997, 61; materiell-rechtlich erfolgt die Aufschlüsselung grundsätzlich nach Maßgabe der §§ 366 f. BGB: § 754 Rdn. 14.

5 LG Bad Kreuznach DGVZ 1991, 117. 6 Unterschrift des Gläubigers genügt selbst dann nicht, wenn an ihn im Beisein des Gerichtsvollziehers geleistet wurde: vgl. RGZ 74, 72 und Eckstein ZZP 39 (1909), 464. 7 Für freiwillige Leistungen von KG OLGRspr. 10, 391 offengelassen. 8 Vgl. Eickmann DGVZ 1978, 145. 9 LG Limburg DGVZ 2011, 114. 10 Vgl. LG Dortmund DGVZ 1996, 74. Diese Grundsätze gelten auch dann, wenn eine Verwaltungsbehörde die Zwangsvollstreckung durch Einschaltung des Gerichtsvollziehers betreibt: LG München DGVZ 1990, 76. 11 MünchKomm/Heßler § 757 Rdn. 4. 12 Ebenso MünchKomm/Heßler § 757 Rdn. 6; a.A. Zöller/Seibel § 757 Rdn. 4. 13 BGH NJW 1981, 2244; vgl. auch Braun DGVZ 1976, 19. 229

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§ 757

Achtes Buch – Zwangsvollstreckung

Die Auslieferung des Titels erfolgt ausnahmslos an den Schuldner; das gilt auch dann, wenn ein Dritter nach Maßgabe des § 267 BGB geleistet hat. Eine Auslieferung an den leistenden Dritten scheidet auch dann aus, wenn dieser ein Ablösungsrecht nach § 268 BGB geltend macht, weil der Gerichtsvollzieher das materielle Bestehen solcher Rechte weder prüfen kann noch prüfen muss (s.o. Rdn. 2). Auch Weisungen des Gläubigers auf Auslieferung an einen Dritten sind unbeachtlich, weil der Gläubiger in das Innenverhältnis Schuldner/Dritter nicht eingreifen darf.14 Der materiellrechtliche Anspruch des Dritten gegen den Gläubiger aus §§ 268 Abs. 3, 412, 402 BGB auf Übergabe von Urkunden erfasst wegen der zwingenden Auslieferung an den Schuldner durch den Gerichtsvollzieher dann eben nicht die Ausfertigung, da dieser Anspruch nur insoweit bestehen kann, wie sich der Gläubiger den Urkundsbesitz überhaupt rechtmäßig verschaffen kann.15 Die gemäß Abs. 1 vorgeschriebene Auslieferung nebst Quittung an den Schuldner wird demnach auch nicht durch Widerspruch eines Dritten wegen behaupteter Umschreibungsmöglichkeit nach §§ 727, 731 gehindert. Da der Gläubiger als eventueller Rechtsvorgänger des Dritten die quittierte und an den Schuldner ausgelieferte Ausfertigung nicht mehr i.S.v. § 733 Abs. 1 „zurückgeben“ kann, muss der Dritte die „Umschreibung“ vielmehr mit dem Antrag auf Erteilung einer weiteren vollstreckbaren Ausfertigung verbinden, so dass die materiell-rechtliche Frage des Bestehens eines Ablösungsrechts nach § 268 BGB nicht im Vollstreckungs-, sondern im Klauselverfahren ohne die Notwendigkeit erneuter Klageerhebung vom Rechtspfleger geprüft werden kann.16 Bei einer Mehrheit von Schuldnern kommt es auf das materiell-rechtliche Beteiligungsver6 hältnis laut Titel an. Im Falle der Teilschuld (§ 420 BGB) hat der Gläubiger das Wahlrecht, sich entweder eine vollstreckbare Ausfertigung gegen sämtliche Schuldner oder Teilausfertigungen gegen einzelne Schuldner erteilen zu lassen.17 Vorhandene Teilausfertigungen sind dem jeweiligen Teilschuldner auszuliefern, doch kann der Gläubiger nicht gezwungen werden, sich solche nur zum Zwecke der Auslieferung zu besorgen.18 Bei Vollstreckung aufgrund einer einheitlichen Ausfertigung erhalten die Teilschuldner daher lediglich Quittung unter Vermerk der Leistung auf der Ausfertigung (Abs. 1, Halbs. 2); die Ausfertigung wird dann demjenigen Teilschuldner ausgeliefert, der die Restleistung erbringt.19 Falls eine Gesamthandsschuld vollstreckt werden soll, ist danach zu unterscheiden, ob die Vollstreckung aufgrund eines einheitlichen oder aufgrund mehrerer Titel20 stattfindet. Im zuletzt genannten Fall dürfen die gegen den jeweiligen Gesamthänder gerichteten Titel nur an diese ausgehändigt werden. Andernfalls erfolgt die Auslieferung „an die Gesamthand“, also an alle Gesamthänder gemeinschaftlich. Können sich diese nicht über den Verbleib einigen, bleibt die Ausfertigung bei den Akten. Auch bei Gesamtschuld muss zunächst festgestellt werden, ob aufgrund einer oder mehrerer Ausfertigungen vollstreckt wird. Auch hier hat im zuletzt genannten Fall ausschließlich der Gesamtschuldner Anspruch auf Auslieferung, gegen den die Ausfertigung gerichtet ist;21 falls ein Gesamtschuldner die Forderung einschließlich der Kosten begleicht, sind auch alle anderen Ausfertigungen verbraucht und an die jeweiligen Gesamtschuldner auszuliefern.22 Bei Vollstreckung aufgrund einer Ausfertigung ist weiter zu unterscheiden, ob 5

14 A.A. Musielak/Voit/Lackmann § 757 Rdn. 5; Stein/Jonas/Münzberg § 757 Rdn. 3. 15 A.A. Stein/Jonas/Münzberg § 757 Rdn. 3: zur Sicherung des Anspruchs des Dritten keine Auslieferung an den Schuldner, sondern Verwahrung der quittierten Ausfertigung durch den Gerichtsvollzieher; so auch Zöller/Seibel § 757 Rdn. 6; Musielak/Voit/Lackmann § 757 Rdn. 5. 16 Vgl. auch § 733 Rdn. 7. 17 Vgl. § 733 Rdn. 6. 18 Stein/Jonas/Münzberg § 757 Rdn. 5. 19 Anders/Gehle/Vogt-Beheim § 757 Rdn. 5; a.A. Stein/Jonas/Münzberg § 757 Rdn. 5: Ausfertigung verbleibt bei den Akten, wenn sich die Schuldner nicht einigen können. 20 Vgl. dazu § 736 Rdn. 13. 21 Vgl. dazu § 733 Rdn. 6; zur Vollstreckung gegen einen Gesamtschuldner muss nicht etwa auch der gegen andere Gesamtschuldner bestehende Titel vorgelegt werden, da sonst der Sinn der Erteilung mehrerer Ausfertigungen (Erleichterung der Vollstreckung) zunichte gemacht würde: LG Stuttgart Rpfleger 1983,1; LG Marburg DGVZ 1986, 77; Thomas/Putzo/Seiler § 757 Rdn. 3; a.A. AG Günzburg DGVZ 1983, 168. 22 Vgl. AG Darmstadt DGVZ 1993, 45. Bittmann

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Abschnitt 1. Allgemeine Vorschriften

§ 757a

ein Gesamtschuldner voll leistet oder mehrere einen Teil des titulierten Anspruchs befriedigen. Der Alleinleistende hat analog Art. 39 Abs. 1 WechselG Anspruch auf Auslieferung,23 während sich die Gesamtschuldner sonst über den Verbleib des Titels einigen müssen, der in Ermangelung einer Einigung bei den Akten verbleibt. Keine Schuldnermehrheit liegt vor, wenn eine Dritter zur Duldung der Zwangsvollstreckung verurteilt ist, um die Vollstreckung in das seiner Nutzung oder Verwertung unterliegende Vermögen zu ermöglichen (§§ 737, 743, 745 Abs. 2, 748 Abs. 2). In diesen Fällen ist der Titel stets an den (zur Leistung verurteilten) Schuldner auszuliefern.

III. Quittung des Gläubigers (Abs. 2) Die Vorschrift stellt lediglich klar, dass der Anspruch des Schuldners aus § 368 BGB, Quittung 7 vom Gläubiger selbst zu verlangen, durch die Quittierung seitens des Gerichtsvollziehers nach Abs. 1 nicht berührt wird. Der Anspruch ist erforderlichenfalls durch eigenständige Klage zu verfolgen. Abs. 2 erwähnt den analog § 371 BGB bestehenden Anspruch des Schuldners gegen den Gläubiger auf Herausgabe des Titels zwar nicht, er bleibt aber ebenso wie der Anspruch auf Quittung unberührt.24

IV. Verstöße und Rechtsbehelfe Bei Verstößen des Gerichtsvollziehers gegen die Vollstreckungsverfahrensvorschrift des § 757 8 Abs. 1 ist der Rechtsbehelf der Erinnerung (§ 766) gegeben. Für den Schuldner kommt er in Betracht, falls der Gerichtsvollzieher sich weigert, eine titelgemäße Leistung zu quittieren bzw. die Ausfertigung auszuliefern. Falls der Gerichtsvollzieher zu Unrecht quittiert oder ausliefert, z.B. eine Ersatzleistung (§ 364 Abs. 1 BGB) ohne Ermächtigung des Gläubigers annimmt, stellt dies zwar auch einen Verstoß gegen § 757 Abs. 1 dar; dieser kann aber auch nicht mittels Vollstreckungserinnerung ungeschehen gemacht werden, weshalb es insoweit am Rechtsschutzbedürfnis des Gläubigers fehlten dürfte. Dieser wird in solchen Fällen daher regelmäßig auf Amtshaftungsansprüche gegen den Gerichtsvollzieher verwiesen sein.25 Da Dritte in keinem Fall Anspruch auf Quittung oder Auslieferung haben (s.o. Rdn. 2, 5), fehlt es für diese Personengruppe an der für die Erhebung einer Erinnerung erforderlichen Beschwer.

V. Kosten und Gebühren Quittung und Titelauslieferung sind als Nebengeschäfte des Gerichtsvollziehers nicht gesondert 9 gebührenpflichtig.

§ 757a Auskunfts- und Unterstützungsersuchen (1) Der Gerichtsvollzieher kann die zuständige Polizeidienststelle um Auskunft ersuchen, ob nach polizeilicher Einschätzung bei einer durchzuführenden Vollstreckungshandlung eine Gefahr für Leib oder Leben des Gerichtsvollziehers oder einer weiteren an der Vollstreckungshandlung beteiligten Person besteht. 23 Stein/Jonas/Münzberg § 757 Rdn. 5. 24 OLG Köln FamRZ 1984, 1089; Lüke JZ 1956, 475; Saum JZ 1981, 695; vgl. aber Münzberg KTS 1984, 193 zum Vorrang eines Antrags auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung nach § 719 Abs. 1. 25 MünchKomm/Heßler § 757 Rdn. 38; vgl. § 753 Rdn. 7. 231 https://doi.org/10.1515/9783110443158-039

Bittmann

§ 757a

Achtes Buch – Zwangsvollstreckung

(2) In dem Auskunftsersuchen nach Absatz 1 ist Folgendes anzugeben: 1. Art und Ort der Vollstreckungshandlung, 2. Vornamen und Name des Schuldners, 3. soweit bekannt Geburtsname, Geburtsdatum und Geburtsort des Schuldners sowie 4. Wohnanschrift des Schuldners. (3) 1Erteilt die Polizeidienststelle die Auskunft, dass nach polizeilicher Einschätzung eine Gefahr nach Absatz 1 besteht, so kann der Gerichtsvollzieher um Unterstützung durch die polizeilichen Vollzugsorgane bei der durchzuführenden Vollstreckungshandlung nachsuchen. 2Ein Unterstützungsersuchen kann der Gerichtsvollzieher auch zusammen mit einem Auskunftsersuchen nach Absatz 1 stellen. (4) 1Der Gerichtsvollzieher kann auch ohne Auskunftsersuchen ein Unterstützungsersuchen stellen, wenn 1. tatsächliche Anhaltspunkte für das Bestehen einer Gefahr nach Absatz 1 vorliegen oder 2. sich die Gefahr aus der Art der Vollstreckungshandlung ergibt. 2 Auf Unterstützungsersuchen nach Satz 1 ist Absatz 2 entsprechend anzuwenden; bei Unterstützungsersuchen nach Satz 1 Nummer 1 hat der Gerichtsvollzieher zusätzlich die tatsächlichen Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Gefahr nach Absatz 1 und, sofern die Gefahr von einer dritten Person ausgeht, die ihm bekannten Daten nach Absatz 2 Nummer 2 bis 4 über die dritte Person anzugeben. (5) 1Über die Durchführung eines Auskunfts- oder eines Unterstützungsersuchens setzt der Gerichtsvollzieher den Schuldner oder, sofern Daten einer dritten Person nach Absatz 4 Satz 2 Halbsatz 2 übermittelt worden sind, die dritte Person unverzüglich nach Erledigung des Vollstreckungsauftrags in Kenntnis. 2Abweichend von § 760 Satz 1 darf in Bezug auf Inhalte der Akten des Gerichtsvollziehers, die in Zusammenhang mit einem Auskunfts- oder einem Unterstützungsersuchen stehen, neben dem Schuldner nur der dritten Person, deren Daten übermittelt worden sind, Akteneinsicht gestattet und eine Abschrift erteilt werden; § 760 Satz 2 bleibt unberührt.

Schrifttum Fischer „Gerichtsvollzieher 2022“ – Anmerkungen aus der (Prozess-)Rechtswissenschaft zu aktuellen und fehlenden Reformen im Gerichtsvollzieherwesen (Teil 1), DGVZ 2022, 145; Mock Besserer Schutz von Gerichtsvollziehern, VE 2021, 100; Mroß Gerichtsvollzieherschutzgesetz und Änderung weiterer zwangsvollstreckungsrechtlicher Vorschriften, DGVZ 2021, 229.

Übersicht I.

Gesetzesgeschichte, Normzweck

1

II.

Voraussetzungen des Auskunftsersuchens 2 (Abs. 1)

III.

Formalitätem des Auskunftsersuchens 5 (Abs. 2)

IV.

Voraussetzungen des Unterstützungsersuchens 9 (Abs. 3)

Bittmann

V.

Formalitätem des Unterstützungsersuchens (Abs. 4) 10

VI.

Datenschutz (Abs. 5)

VII. Rechtsbehelfe

12

15

232

Abschnitt 1. Allgemeine Vorschriften

§ 757a

I. Gesetzesgeschichte, Normzweck Die Vorschrift des § 757a trat mit dem „Gesetz zur Verbesserung des Schutzes von Gerichtsvollzie- 1 hern vor Gewalt sowie zur Änderung weiterer zwangsvollstreckungsrechtlicher Vorschriften und zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes“ am 1.1.2022 in Kraft.1 Hintergrund ist die Verbesserung des Schutzes der Gerichtsvollzieher vor Angriffen durch Schuldner oder Dritte bei der Vornahme von Vollstreckungshandlungen. Ziel des Gesetzes ist es, den Gerichtsvollziehern Informationen über bestehende Bedrohungslagen zur Verfügung zu stellen. § 757a soll die rechtliche Grundlage bilden zur Einholung von Auskünften des Gerichtsvollziehers über die Polizei (Abs. 1, 2) sowie – unter Erweiterung der Kompetenzen nach § 758 Abs. 32 – für polizeilichen Schutz und Unterstützung bei der Vornahme von Vollstreckungshandlungen (Abs. 3, 4).3 Die Neuregelung umfasst ferner die erforderlichen datenschutzrechtlichen Aspekte (Abs. 5). Die Vorschrift ist nicht nur für die Zwangsvollstreckung durch den Gerichtsvollzieher nach den Regelungen der ZPO anwandbar, sondern auch, soweit andere gesetzliche Regelungen auf § 757a verweisen (z.B. §§ 35 Abs. 4, 87 Abs. 3, 96 Abs. 1 FamFG; § 167 Abs. 1 S. 1 VwGO; § 249 Abs. 3 AO).4

II. Voraussetzungen des Auskunftsersuchens (Abs. 1) In Abs. 1 findet sich die Rechtsgrundlage für den Gerichtsvollzieher, vor der Durchführung von 2 Vollstreckungshandlungen bei den Polizeidienststellen Auskünfte einzuholen, ob eine Gefahr für Leib oder Leben für den Gerichtsvollzieher oder eine andere an der Maßnahme beteiligte Person besteht. Voraussetzung ist hiernach zunächst, dass das Auskunftsersuchen im Hinblick auf eine bevorstehende Vollstreckungshandlung gestellt wird. Ein Ersuchen, das einem anderen Zweck dient, ist unzulässig.5 Erfast sind sämtliche Vollstreckungshandlungen des Gerichtsvollziehers, die dieser nach dem Gesetz auszuführen hat, wozu auch bloße Unterstützungshandlungen anderer Vollstreckugnsorgane (z.B. gem. § 829 Abs. 2 S. 2) zählen, nicht jedoch sonstige Tätigkeiten wie etwa die Vornahme von Zustellungen.6 Ferner muss sich das Auskunftsersuchen auf eine Gefahrenlage für Leib oder Leben bezie- 3 hen. Ob für andere materielle oder gar immaterielle Güter besteht, ist unerheblich.7 Entsprechende Auskünfte dürfen weder erfragt noch erteilt werden. Nicht erforderlich hingegen, dass bereits Anhaltspunkte für eine solche Gefahrenmlage vorliegen.8 Die Vorschrift soll es gerade ermöglichen, eine verdeckte Gefahr offenzulegen und ihr effektiv zu begegnen. Dem liefe es entgegen, wenn man verlangen würde, dass Informationen nur eingeholt werden dürfen, wenn bereits Anhaltspuntke für eine Gefahr für Leib oder Leben besteht.9 Die Gefahrenlage muss für den Gerichtsvollzieher oder andere an der Vollstreckungs- 4 handlung beteilgite Personen (z.B. Schlosser oder Spediteur) bestehen.10 Unerheblich ist, von wem die Gefahr ausgeht. Dies kann der Schuldner sein, in Betracht kommen jedoch auch Mitbewohner, Angehörige, sogar Tiere im Umfeld der genannten Personen (z.B. Kampfhunde).11

1 BGBl. I 2021 850 vom 7.5.2021. 2 BT-Drucks. 19/27636, S. 23. 3 BT-Drucks. 19/27636, S. 17. 4 BeckOK/Ulrici § 757a Rdn. 1. 5 BT-Drucks. 19/27636, S. 23. 6 BeckOK/Ulrici § 757a Rdn. 1. 7 BT-Drucks. 19/27636, S. 23. 8 BeckOK/Ulrici § 757a Rdn. 3; Mroß DGVZ 2021, 229, 230; Fischer DGVZ 2022, 145, 147. 9 So aber wohl Zöller/Seibel § 757a Rdn. 4; Thomas/Putzo/Seiler § 757a Rdn. 2. 10 BT-Drucks. 19/27636, S. 23. 11 BT-Drucks. 19/27636, S. 23. 233

Bittmann

§ 757a

Achtes Buch – Zwangsvollstreckung

III. Formalitätem des Auskunftsersuchens (Abs. 2) 5 Antragsberechtigt ist ausschließlich der Gerichtsvollzieher. Adressat ist die nach landesrechtlichen spezialgesetzlichen oder allgemeinen polizeirechtlichen Vorschriften zuständige Polizeibehörde.12 Abs. 2 Nr. 1 verlangt von dem Gerichtsvollzieher die Angabe von Art und Ort der Vollstre6 ckunghandlung, damit die Polizeibehörden die erforderliche Gefahreneinschätzung durchführen können.13 Die Angaben zur Person des Schuldners regelt Abs. 2 Nr. 2 bis 4. Erfasst ist lediglich der im 7 Titel bzw. der Vollstreckungsklausel genannte Vollstreckungsschuldner. Bzgl. anderer Personen kann ein Ersuchen nach Abs. 1 nicht gestellt werden, wie sich dem Vergleich mit der Regelung in Abs. 4 entnehmen lässt.14 Die Angaben nach Abs. 2 Nr. 3 sind nur dann erforderlich, wenn sie dem Gerichtsvollzieher bekannt sind; eine entsprechende Nachforschungspflicht besteht nicht.15 Die Entscheidung, ob ein Auskunftsersuchen eingeholt wird, liegt im pflichtgemäßen Ermes8 sen des Gerichtsvollziehers. Das Ersuchen ist nicht an eine besondere Form gebunden, sodass es grundsätzlich auch mündlich gestellt werden kann. Erforderlich ist jedoch stets, dass die in Abs. 2 genannten Informationen übermittelt werden können.16 Aus Abs. 5 S. 1, wonach der Gerichtsvollzieher den Schuldner nach Erledigung des Vollstreckungsauftrags über die Durchführung einer Auskunftseinholung informiert, folgt, dass eine vorherige Anhörung des Schuldners nicht erforderlich ist.17

IV. Voraussetzungen des Unterstützungsersuchens (Abs. 3) 9 Nach Abs. 3 kann der Gerichtsvollzieher für die anstehende Vollstreckungsmaßnahme Unterstützung durch die Polizeistellen anfordern, wenn das Ersuchen nach Abs. 1 ergeben hat, dass eine entsprechende Gefahrenlage gegeben ist. Im Gegensatz zum Auskunftsersuchen nach Abs. 1 ist nunmehr jedoch Voraussetzung, dass nach der polizeilichen Auskunft eine Gefahr für Leib oder Leben eines Beteiligten tatsächlich besteht.18 Ob der Gerichtsvollzieher nach der Auskunft eine Unterstützung beantragt, ist seiner Entscheidung überlassen.19 Ausdrücklich zulässig ist nach Abs. 3 S. 2 jedoch auch eine Kombination der Anträge nach Abs. 1 und Abs. 3.

V. Formalitätem des Unterstützungsersuchens (Abs. 4) 10 Adressat des Unterstützungsersuchens ist wiederum die nach den jeweiligen landesrechtlichen Regelungen zuständige Polizeibehörde, wobei die für die Unterstützungshandlung zuständige Behörde von derjenigen, an die das Ersuchen zu richten ist, verschieden sein kann.20 Es besteht eine Pflicht der Polizeibehörde zur unterstüzenden Amtshilfe.21 Hinsichtlich der an das Ersuchen zu stellenden Voraussetzungen ist mit Abs. 4 danach zu 11 unterscheiden, ob es sich um ein Unterstützungsersuchen handelt, dem kein Auskunftsersuchen 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21

Vgl. BeckOK/Ulrici § 757a Rdn. 5. BT-Drucks. 19/27636, S. 23 f. BeckOK/Ulrici § 757a Rdn. 6. BT-Drucks. 19/27636, S. 24. BT-Drucks. 19/27636, S. 23; Zöller/Seibel § 757a Rdn. 7; BeckOK/Ulrici § 757a Rdn. 8; a.A. Mroß DGVZ 229, 230. BeckOK/Ulrici § 757a Rdn. 14. Thomas/Putzo/Seiler § 757a Rdn. 4; BeckOK/Ulrici § 757a Rdn. 18. BT-Drucks. 19/27636, S. 24. BeckOK/Ulrici § 757a Rdn. 22. Musielak/Voit/Lackmann § 757a Rdn. 3.

Bittmann

234

Abschnitt 1. Allgemeine Vorschriften

§ 757a

nach Abs. 1 vorausging oder um ein solches nach vorheriger Auskunft. Abs. 4 S. 1 bestimmt, dass der Gerichtsvollzieher auch ohne vorheriges Auskunftsersuchen um eine Unterstützung durch die Polizei nachsuchen kann, wenn 1. tatsächliche Anhaltspunkte für eine Gefahrenlage bestehen oder 2. sich die Gefahr aus der Art der Vollstreckungshandlung ergibt. Die tatsächlichen Anhaltspunkte müssen objektiv nachvollziehbar und auf den Einzelfall bezogen sein sowie das Vorliegen einer Gefahr nahelegen. Sie dürfen nicht auf diskriminierenden Annahmen beruhen.22 Diese Gefahrenlage aufgrund konkreter Anhaltspunkte kann alternativ mit einer Gefahrenlage aufgrund abstrakter Betrachtung der Art der Vollstreckungshandlung begründet werden. Der Gesetzgeber nennt insoweit als besonders gefahrgeneigte Tätigkeiten Räumungen, Durchsuchungen von Räumen auf Grund einer richterlichen Anordnung oder Verhaftungen, aber auch die Sperrung von Energieversorgungseinrichtungen.23 Als weitere gefahrgeneigte Vollstreckungshandlungen sind etwa Kindeswegnahmen oder Gewaltschutzsachen nach dem FamFG zu nennen.24 Handelt es sich um ein solches isoliertes Unterstützungsersuchen hat der Gerichtsvollzieher gem. Abs. 4 S. 2 die Formalien nach Abs. 2 einzuhalten (Rdn. 5 ff.). Zusätzlich hat der Gerichtsvollzieher die Voraussetzungen nach Abs. 4 S. 1 Nr. 1 anzugeben, wenn es sich um ein darauf gestütztes Ersuchen handelt. Geht die Gefahr von einer dritten Person aus und nicht vom Vollstreckungsschuldner hat er zudem die von Abs. 2 Nr. 2 bis 4 geforderten Angaben bzgl. dieser dritten Person zu machen. Keine inhaltlichen Vorgaben für das Ersuchen enthalten Abs. 3 und Abs. 4, wenn es bereits ein Auskunftsersuchen gab oder dieses zeitglich mit dem Ersuchen nach Abs. 3 gestellt wird. Die Polizei verfügt insoweit bereits über die entsprechenden Informationen.25

VI. Datenschutz (Abs. 5) Abs. 5 regelt die Inforamtionspflichten gegenüber den von den Ersuchen betroffenen Personen 12 sowie deren Rechte auf Akteneinsicht und auf Erteilung von Abschriften. Die Dokumentation und Löschung der entsprechenden Daten erfolgt nach der GVO.26 Nach Abs. 5 S. 1 hat der Gerichtsvollzieher die betroffene Person, deren Daten er zu Zwecken eines Auskunfts- oder eines Unterstützungsersuchens an die Polizei übermittelt hat, unverzüglich nach Erledigung des Vollstreckungsauftrags über die Durchführung dieses Ersuchens in Kenntnis zu setzen. Dies bedeutet zum einen, dass eine vorherige Anhörung der Betroffenen aus Gründen der Effektivität der Maßnahmen zu unterbleiben hat (Rdn. 8). Zum anderen soll hierdurch die Möglichkeit der datenschutzrechtlichen Überprüfung der Maßnahme durch die Betroffenen gewährleistet werden.27 Zu beachten ist, dass die Informationspflicht erst mit Erledigung des Vollstreckungsauftrags greift, also nicht bereits bei Erledigung einer von mehreren erforderlichen Vollstreckungshandlungen.28 Die von den Ersuchen nach Abs. 1 bis 4 betroffenen Personen steht gem. Abs. 5 S. 2 ein Recht 13 auf Akteneinsicht zu sowie das Recht, Abschriften zu verlangen. Dies bedeutet eine Einschränkung des Personenkreises nach § 760 S. 1.29 Zugleich folgt aus der Regelung, dass auch den von den Ersuchen betroffenen Personen ein Akteneinsichtsrecht nicht zusteht, sofern die Aktenbe-

22 23 24 25 26 27 28 29 235

BT-Drucks. 19/27636, S. 24. BT-Drucks. 19/27636, S. 24. Mroß DGVZ 2021, 229, 230. Vgl. BeckOK/Ulrici § 757a Rdn. 29; Mroß DGVZ 2021, 229, 230. Vgl. Zöller/Seibel § 757a Rdn. 18. BT-Drucks. 19/29398, S. 5. Zöller/Seibel § 757a Rdn. 16; BeckOK/Ulrici § 757a Rdn. 35. BT-Drucks. 19/29398, S. 6; BeckOK/Ulrici § 757a Rdn. 38; Zöller/Seibel § 757a Rdn. 17; Fischer DGVZ 2022, 145, 147. Bittmann

§ 758

Achtes Buch – Zwangsvollstreckung

standteile mit den entsprechenden Ersuchen in keinem Zusammenhang stehen. Insoweit hat es bei der Regelung des § 760 S. 1 zu verbleiben.30 14 Die Verweisung auf § 760 S. 2 stellt klar, dass im Falle einer elektronischen Aktenführung die Gewährung der Akteneinsicht durch Erteilung von Ausdrucken, Übermuittlung von elektronischen Dokumenten oder durch Wiedergabe auf einem Bildschirm erfolgt.31

VII. Rechtsbehelfe 15 Verstöße gegen die Voraussetzungen der Abs. 1 bis 4 können der Schuldner oder betroffene Dritte mit der Erinnerung gem. § 766 Abs. 1 geltend machen. Die Wirksamkeit der jeweiligen Vollstreckungshandlung ist jedoch nicht betroffen, insbesondere liegt keine Nichtigkeit vor.32 Werden Informationsrechte nach Abs. 5 verletzt, können die betroffenen Personen ebenfalls Erinnerung nach § 766 Abs. 1 einlegen. Stets zulässig bleibt danaben eine datenschutzrechtliche Überprüfung.33 Die Wirksamkeit der betroffenen Vollstreckungshandlung ist auch insoweit in keinem Fall betroffen.34

§ 758 Durchsuchung; Gewaltanwendung (1) Der Gerichtsvollzieher ist befugt, die Wohnung und die Behältnisse des Schuldners zu durchsuchen, soweit der Zweck der Vollstreckung dies erfordert. (2) Er ist befugt, die verschlossenen Haustüren, Zimmertüren und Behältnisse öffnen zu lassen. (3) Er ist, wenn er Widerstand findet, zur Anwendung von Gewalt befugt und kann zu diesem Zwecke die Unterstützung der polizeilichen Vollzugsorgane nachsuchen.

Übersicht I.

Gesetzesgeschichte, Normzweck

II.

Anwendungsbereich

III. 1. 2.

Räumlichkeiten, Behältnisse 6 Wohnung 9 Behältnisse

IV. 1. 2.

Durchsuchen, Öffnen 10 Durchsuchen 15 Öffnen

30 31 32 33 34

4

1

16

3.

Schadensersatz

V.

Gewaltanwendung

VI. 1.

Verfahren Allgemeines 20 a) Vollstreckungsversuch b) Anwesenheit von Schuldner und Gläubi23 ger 26 Rechtsbehelfe

2.

17

BT-Drucks. 19/29398, S. 6; Zöller/Seibel § 757a Rdn. 17; BeckOK/Ulrici § 757a Rdn. 40. BT-Drucks. 19/29398, S. 6. Musielak/Voit/Lackmann § 757a Rdn. 8; BeckOK/Ulrici § 757a Rdn. 33. Zöller/Seibel § 757a Rdn. 19. BeckOK/Ulrici § 757a Rdn. 45.

Paulus https://doi.org/10.1515/9783110443158-040

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Abschnitt 1. Allgemeine Vorschriften

§ 758

I. Gesetzesgeschichte, Normzweck Die Vorschrift ist mit Ausnahme der im dritten Absatz seinerzeit noch mit erwähnten „militäri- 1 schen Hülfe“ gleichlautend mit dem ursprünglichen § 678 der CPO von 1877. Dieser war wortgleich mit dem Entwurfsvorschlag in § 672, dessen Norminhalt man mit dem Zweck der Vollstreckung begründete und für geboten erachtete.1 Der Normzweck ergibt sich allein schon aus der Tatsache, dass es überhaupt eine Zwangs- 2 Vollstreckung gibt. Sie impliziert die Notwendigkeit, einen verurteilten Schuldner mittels Zwanges zur Leistung zu veranlassen bzw. diese an seiner Statt vorzunehmen. Mit ihrer Hilfe wird der Grundsatz verwirklicht, dass die Vermögensgegenstände einer Person nicht nur Verfügungsobjekte sind, sondern grundsätzlich auch als Haftungssubstrat dem Gläubigerzugriff ausgesetzt sind.2 Weil dieser Grundsatz für das gesamte Vermögen gilt – einschließlich des versteckten oder verschlossenen –, bedarf es im Falle des zwangsweisen Vorgehens der vorliegenden Norm. Sie bringt somit wertungsmäßig das uneingeschränkte Übergewicht des Gläubigerinteresses daran zum Ausdruck, das gesamte Gut des Schuldners vorgelegt zu bekommen, um den konkreten, für die Haftungsrealisierung einzusetzenden Gegenstand auswählen zu können. Dieses Übergewicht entbindet den Gläubiger bzw. Gerichtsvollzieher allerdings nicht von der Verpflichtung, die Interessen des Schuldners dadurch zu wahren, dass er möglichst schonend vorgeht.3 Das kommt im Gesetzeswortlaut darin zum Ausdruck, dass die jeweilige Maßnahme vom Zweck der Vollstreckung gedeckt sein muss.4 Rechtsgeschichtlich bzw. rechtsvergleichend hebt sich diese Präponderanz der Gläubigerinte- 3 ressen von dem aus England stammenden und von dort aus den anglo-amerikanischen Rechtskreis beeinflussenden Satz: ‚my home is my castle‘ ab, der gerade den Schutz des Schuldners vor dem Gläubigerzugriff innerhalb der, eigenen vier Wände‘ zum Ausdruck bringt. Freilich ist dieser Rechtsgrundsatz keine insulare Besonderheit; eine entsprechende Unantastbarkeit des Heimes hat es (wenigstens in der Frühneuzeit) auch auf dem Kontinent, etwa in den Niederlanden, gegeben.5 Das Bundesverfassungsgericht hat mit seiner Rechtsprechung zur Notwendigkeit einer richterlichen Durchsuchungsanordnung, die durch den eingefügten § 758a Gesetz geworden ist, bewusst oder unbewusst an diese alte Tradition angeknüpft.

II. Anwendungsbereich § 758 findet seinem Wortlaut und seiner systematischen Stellung nach Anwendung auf alle Arten 4 der Zwangsvollstreckung, also auch auf Herausgabevollstreckungen,6 Einsichtsnahme7 und die Verhaftung des Schuldners nach § 802g; s. auch § 758a Abs. 2. Zur Gewaltanwendung in den Fällen der Vollstreckung wegen einer Duldungspflicht s. § 892, 5 der auf § 758 Abs. 3 verweist.8

1 2 3 4 5

Hahn S. 440. Vgl. Vorbem v. 704 Rdn. 75. Stein/Jonas/Münzberg Rdn. 1 m.w.N. in Fn. 1. S. etwa LG Leipzig DGVZ 2019, 85 – Tz. 5; LG Berlin DGVZ 2016, 256 – Tz. 4. Soweit ersichtlich, fehlt bislang eine Darstellung dieses Themas. Vgl. aber immerhin Gentz Die Unverletzlichkeit der Wohnung, Diss. Berlin 1967, oder Blecher Aspects of Privacy in the Civil Law, Tijdschrift voor Rechtsgeschiedenis 43, 1975, 279. 6 LG Kaiserslautern DGVZ 1981, 87. 7 OLG Frankfurt MDR 2018, 765. 8 Vgl. auch Rilling RdE 1984, 281; Grüne Zur Vollstreckung eines Urteils auf Duldung des Ausbaus eines Stromzählers, RdE 1988, 191; Brackhahn Vollstreckung von Duldungstiteln durch den Gerichtsvollzieher? DGVZ 1992, 145. OLG Köln NJW-RR 1988, 832; AG Berlin-Wedding DGVZ 1991, 46. 237

Paulus

§ 758

Achtes Buch – Zwangsvollstreckung

III. Räumlichkeiten, Behältnisse 1. Wohnung 6 Unter Wohnung i.S.d. § 758 ist zunächst einmal der Wohnbereich im engeren Sinne zu verstehen, den § 721 mit „Wohnraum“ umschreibt, § 721 Rdn. 6.9 Dabei braucht es sich allerdings nicht um eine feste Bleibe zu handeln; Wohnung i.S.v. Abs. 1 kann auch ein flüchtiger Unterbringungsort wie ein Hotelzimmer, Wohncontainer oder Wohnwagen sein, oder überhaupt umfriedete Behausungen wie z.B. ein Hausboot – nicht aber ein Marktstand, der nur eine vorübergehende Zeit am Tag auf verschiedenen Wochenmärkten benutzt wird,10 oder ein nur vorübergehend benutztes, nicht auf Dauer aufgebautes Zelt. Da es sich bei § 758 um eine Vorschrift handelt, die dem öffentlich-rechtlich agierenden Ge7 richtsvollzieher ganz generell Zugang zu Räumlichkeiten und Behältnissen verschaffen muss, der dem Gläubiger als Privatperson verweigert werden könnte, muss der hier verwendete Begriff ,Wohnung’ weiter als der des Wohnraums in § 721 sein. Die Durchsuchungsbefugnis erstreckt sich daher auch auf die Wohnung im weiteren Sinne; zu ihr gehören andere, nicht einmal mit dieser Wohnung verbundene Räumlichkeiten, die – wie beispielsweise Garagen, Keller- oder Dachbodenabteile, Scheunen, Magazine oder sonstige Abstellräume – nicht eigentlich zu Wohnzwecken benutzt werden, der Wohnung aber zu dienen bestimmt sind. Dazu gehört das „angrenzende befriedete Besitztum“, § 61 Abs. 1 GVGA, wie Hofraum und Hausgarten, ganz ebenso wie Geschäftsräume – egal ob frei zugänglich oder nicht –, sofern nur der Gerichtsvollzieher zu den gebräuchlichen Büro- oder Geschäftszeiten erscheint,11 anderenfalls können diese Räume zur Wohnung im engeren Sinne gehören.12 Wegen der bei einer Wohnungsdurchsuchung gegebenenfalls erforderlichen richterlichen Durch8 suchungsanordnung s. § 758a.

2. Behältnisse 9 Unter Behältnissen des Schuldners (Abs. 1 und 2) sind sämtliche umhüllende, d.h. andere Gegenstände tatsächlich oder potentiell in sich (oder auf sich) aufnehmende Raumkörper zu verstehen. Also Schubladen, Koffer, Kommoden, Schränke, Safes, Schachteln, Aktenordner,13 Briefumschläge (beachte Art. 10 GG), aber auch beispielsweise Autos, Mantel- oder Hosentaschen von Kleidern, die der Schuldner gerade trägt,14 sowie Computerfestplatten oder andere Speichermedien von Datenverarbeitungsanlagen.15 9 A.A. etwa OLG Koblenz DGVZ 1985, 167; Schneider Die vollstreckungsrechtliche Durchsuchungsanordnung, NJW 1980, 2380.

10 AG Hamburg DGVZ 1981, 63. 11 Hövel „Gefahr im Verzuge“ durch die bloße Weigerung des Schuldners zur Wohnungsdurchsuchung, Art. 13 II GG, NJW 1993, 2032; Behr Vollstreckung ohne Durchsuchungsanordnung, Art. 13 II GG, NJW 1992, 2126; Langheid Durchsuchung gem. § 758 ZPO nur auf Grund richterlichen Durchsuchungsbefehls, MDR 1980, 21; a.A. LG Düsseldorf DGVZ 1981, 115; OLG Hamburg NJW 1984, 2898. Zur Unterscheidung auch BFH BStBl. II 1989, 55 m. Anm. von Harenberg Zur Notwendigkeit eines richterlichen Durchsuchungsbeschlusses bei Sachpfändungen, DGVZ 1989, 84, sowie (ohne Namen) DGVZ 1989, 171. 12 Diese Unterscheidung ist im Hinblick auf das Erfordernis des § 758a erforderlich, eine Durchsuchungsanordnung vorweisen zu müssen; s. da Rdn. 21 ff. 13 Beachte hierzu allerdings OLG Stuttgart ZVertriebsR 2020, 51. 14 RGSt. 16, 220; OLG Köln NJW 1980, 1531. Freilich ist insbes. hier das oben in Fn. 2 angesprochene Gebot der größtmöglichen Schonung dergestalt zu beachten, dass dieser Eingriff nur als ultima ratio und unter Wahrung der gebotenen Diskretion vorgenommen wird; s. auch Rdn. 14. 15 Paulus Die Pfändung von EDV-Anlagen, DGVZ 1990, 154; ders. in: M. Lehmann (Hrsg.) Rechtsschutz und Verwertung von Computerprogrammen, 2. Aufl., 1993, 839 f.; ders. Software in Vollstreckung und Insolvenz, ZIP 1996, 2 ff. Paulus

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Abschnitt 1. Allgemeine Vorschriften

§ 758

IV. Durchsuchen, Öffnen 1. Durchsuchen Durchsuchen bedeutet ein zielgerichtetes und zweckorientiertes Suchen, um etwas aufzuspüren, 10 was der Gewahrsamsinhaber von sich aus nicht offenbaren oder herausgeben will.16 Der Gerichtsvollzieher nimmt eine derartige Durchsuchung nach seinem Ermessen vor,17 dessen Ausübung allerdings immer im Hinblick auf den Zweck der Vollstreckung auszurichten ist.18 Infolgedessen reduziert sich das Ermessen zur Pflicht,19 wenn sich der bisherige Ertrag als noch nicht ausreichend für die Gläubigerforderung erweist,20 oder wenn ein bestimmter Gegenstand aufzufinden oder auch nur wegzunehmen ist, § 883, sofern der Standort des Gegenstandes dem Gerichtsvollzieher bekannt ist.21 Die Höhe der beizutreibenden Forderung spielt dagegen keine Rolle.22 Der Gerichtsvollzieher darf sämtliche Räumlichkeiten (auch in Straßenschuhen23) durchsu- 11 chen, die sich in dem vom Schuldner als unmittelbaren Besitzer, § 854 BGB, beherrschten Herrschaftsbereich befinden. Soweit der Schuldner dagegen Besitzdiener ist oder sein Behältnis sich in einem Raum befindet, der völlig außerhalb seines Besitzbereiches liegt (Bankschließfach, etc.), ist § 758 nicht anwendbar.24 Während vor der Einführung des § 758a umstritten war, inwieweit nicht duldungswillige Ehe- 12 gatten, Familienmitglieder, Mitbesitzer oder unmittelbare Besitzer, die ihr Besitzrecht vom Schuldner herleiten, die Durchsuchungsbefugnisse des Gerichtsvollziehers begrenzen,25 wird man nunmehr in Anlehnung an § 758a Abs. 3 sagen können, dass es nicht auf die Besitz-, sondern auf die Gewahrsamsverhältnisse ankommt, und dass Mitgewahrsamsinhaber kategorisch eine schonungsvoll26 zu berücksichtigende Duldungspflicht trifft. Es ist nämlich kein stichhaltiger Grund dafür ersichtlich, dass die in § 758a Abs. 3 den Mitgewahrsamsinhabern auferlegte Duldungspflicht gerade aus der richterlichen Durchsuchungsanordnung abgeleitet sein soll. Infolgedessen darf der Gerichtsvollzieher nicht nur die Räumlichkeiten des Ehegatten27 (vor28 oder während der Ehe) oder der in der Wohnung separiert lebenden Verwandten29 durchsuchen, sondern auch in einer

16 BVerfG NJW 1975, 130; BGH NJW-RR 2011, 1095. S. auch Ewers Das Verhalten des Gerichtsvollziehers …, DGVZ 1999, 65.

17 18 19 20 21

AG Schöneberg JurBüro 2016, 490; AG Berlin-Neukölln DGVZ 1971, 139. Hierzu Wieser Der Grundsatz der Geeignetheit in der Zwangsvollstreckung, ZZP 98 (1985), 427. LG Berlin JR 1948, 341. Diese Pflicht geht mithin dem Unterbleiben des § 803 Abs. 2 zeitlich vor. Nach BFHE 154, 435, soll in einer solchen gezielten Wegnahme kein Durchsuchen liegen. Gleiches gilt nach BGH NJW 2006, 3352, für die bloße Durchführung einer Versorgungssperre (Gas, Strom, Wasser o.Ä.), dazu Scheidacker Der Zutritt zu Räumen zwecks Durchführung einer Versorgungssperre, NZM 2007, 591. S. auch Paulus/Matzke Smart Meter and Smart Conctracts – Versorgungssperre per Fernzugriff, NJW 2018, 1905. 22 AG Hannover DGVZ 1973, 190; Baumbach/Lauterbach/Hartmann/Albers/Gehle Rdn. 27 (freilich mit einschränkendem Hinweis auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz). 23 LG Limburg NJW-RR 2012, 649. 24 AG Hamburg DGVZ 1967, 141; LG Aurich NJW-RR 1991, 192. A.A. LG Stuttgart MDR 1969, 675; AG Opladen DGVZ 1975, 127. 25 Vgl. MünchKomm/Heßler Rdn. 5. 26 Nach LG Hannover NJW-RR 1986, 288 soll die erkrankte, nicht bettlägerige Ehefrau vom Schuldner aus der Wohnung gebracht werden, wenn sie der Anblick der Durchsuchung gesundheitlich gefährdet. 27 Gegen die hier befürwortete Anwendbarkeit des § 739 etwa Christmann Die Gütertrennung bei der Zwangsvollstreckung gegen Ehegatten, DGVZ 1986, 109. 28 Also auch der Freund (die Freundin) und der nichteheliche Lebenspartner, ebenso Scheld Ledigbund, Ersatzzustellung, Zwangsvollstreckung, DGVZ 1983, 71. 29 Vgl. AG Ludwigshafen DGVZ 1978, 62 (Schuldner, der im Haushalt seiner Eltern lebt). 239

Paulus

§ 758

Achtes Buch – Zwangsvollstreckung

Wohnungsgemeinschaft30 die gemeinschaftlich genutzten Räume (Eingangsbereich,31 Bad, Küche, etc.). Mit dieser weiten Interpretation der Duldungspflichtigen werden die mit der – auch nur kurzfristigen – Aufnahme eines Dritten verbundenen Missbrauchsmöglichkeiten32 des Schuldners33 wenn nicht beseitigt, so doch in wünschenswertem Umfang eingeschränkt. 13 Andere Dritte, die Alleingewahrsamsinhaber sind, trifft die aus § 758a abgeleitete Duldungspflicht demnach nicht.34 Davon ist in Wohngemeinschaften also der den Mitbewohnern allein zugewiesene Bereich betroffen,35 aber auch das Bankschließfach oder der in einer Gaststätte aufgestellte Spielautomat.36 Wird dem Gerichtsvollzieher der Zugang durch die Räumlichkeiten der Bank oder Gaststätte gestattet, ergeben sich keine Probleme; wird er dagegen verweigert, kann richtiger Ansicht nach nicht einmal eine richterliche Durchsuchungsanordnung dieses Defizit überbrücken.37 Es gibt nämlich keine dem § 758 entsprechende Norm, die dem Dritten eine Duldungspflicht auferlegen würde.38 In derartigen Fällen verbleibt dem Gläubiger daher nur der mühselige Weg der Pfändung des jeweiligen Herausgabeanspruchs gegen den verweigernden Dritten. 14 Bei der Durchsuchung einer Frau ist eine „zuverlässige weibliche Hilfsperson“ zu Hilfe zu nehmen, § 61 Abs. 11 GVGA.39

2. Öffnen 15 Die Befugnis des Gerichtsvollziehers, „öffnen zu lassen“, impliziert zunächst ein Öffnen durch den Schuldner. Er hat mithin diesen darum zu ersuchen. Weigert sich der Schuldner, obwohl ihm der Gerichtsvollzieher zuvor noch die Anwendung von Gewalt angedroht hat, ist danach zu unterscheiden, ob es sich überhaupt erst um den Zugang40 zur Wohnung des Schuldners handelt, oder ob sich der Gerichtsvollzieher innerhalb der Wohnung (oder auch außerhalb dieses Bereiches; etwa der Kofferraum des auf der Straße stehenden Autos) Zugang zu Räumen oder Behältnissen zu verschaffen sucht. Im ersteren Fall bestimmt sich das weitere Vorgehen zunächst nach § 758a; im zweiten dagegen kann er dagegen sofort unter Anwendung von Gewalt (Rdn. 17) öffnen. Freilich steht diese Öffnungsbefugnis unter dem Vorbehalt der Schonungspflicht, Rdn. 2; d.h. sie ist nicht wahrzunehmen, wenn die Zwangsvollstreckung auch auf andere, weniger einschneidende Art und Weise zum Erfolg zu kommen verspricht. Gibt es eine

30 Zur Problematik insges. Gross Die Zulässigkeit der zivilprozessualen Zwangsvollstreckung wegen einer Geldforderung bei einem in einer Wohngemeinschaft lebenden Schuldner, Diss. Bonn 1984.

31 Der Gerichtsvollzieher durfte auch schon nach der früheren Rechtslage den Gemeinschaftsbereich (auch gegen den Widerspruch Dritter, nicht aber unter Anwendung von Gewalt) durchschreiten, um zu dem Eigenbereich des Schuldners zu gelangen; eine Durchsuchung i.S.d. Art. 13 Abs. 2 GG lag darin nicht. Zum ganzen Esmek Der Durchsuchungsbegriff nach Art. 13 Abs. 2 GG in der Zwangsvollstreckung, Diss. Marburg 1989. 32 Vgl. etwa LG München JurBüro 1981, 1103 mit Anm. Mümmler; ders. in Anm. zu AG und LG München JurBüro 1982, 1095; LG Koblenz DGVZ 1982, 90. 33 Seip Die Personalsituation der Gerichtsvollzieher, DGVZ 1981, 120. 34 LG München JurBüro 1981, 1103; AG und LG München JurBüro 1982, 1095 ff.; MünchKomm/Heßler Rdn. 7. 35 Ebenso Pawlowski Zur Vollstreckung in Wohngemeinschaften, NJW 1981, 670. A.A. Guntau Verfassungsrechtliche Probleme der Zwangsvollstreckung gegen Schuldner in Wohngemeinschaften, DGVZ 1982, 17; Schneider Die vollstreckungsrechtliche Durchsuchungsanordnung, NJW 1980, 2377. 36 AG Wiesloch DGVZ 2002, 61. 37 So aber Christmann Die Verhaftung des Schuldners in fremden Räumen, DGVZ 1988, 93. 38 Zutr. daher LG Aurich NJW-RR 1991, 192. Dagegen LG Düsseldorf JurBüro 1987, 454. 39 Vgl. allerdings AG Freiburg DGVZ 1968, 108. 40 Betr. die Eingangstür eines Mietshauses zutreffend AG Kaiserslautern DGVZ 2016,109. Paulus

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derartige Aussicht nicht, kann also der Safe, dessen Geheimnummer der Schuldner verschweigt, notfalls gesprengt werden.41

3. Schadensersatz Für Schäden, die bei dem gewaltsamen Öffnen entstehen, haftet nicht der Staat,42 sie fallen viel- 16 mehr dem Schuldner zur Last. Das gilt über § 788 auch dann, wenn der Schaden bei einem Dritten entsteht,43 dem der Gläubiger gegenüber nach § 904 BGB ersatzpflichtig ist. Das gilt allerdings nur für diejenigen Schäden, die unter Beachtung des Erforderlichkeits- und Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes entstanden sind. Als Träger öffentlicher Gewalt ist der Gerichtsvollzieher verpflichtet, die Schäden so gering wie möglich zu halten.44

V. Gewaltanwendung Bei der Ausübung der in Abs. 3 eingeräumten Befugnis, Gewalt gegenüber einem Widerstand45 17 leisten zu dürfen, ist in besonderem Maße auf möglichst schonendes Vorgehen, Rdn. 2, zu achten. Sie muss grundsätzlich unter Hinweis auf eventuelle strafrechtliche Konsequenzen (§§ 113, 288 StGB) angekündigt werden. Grundsätzlich ist der Gerichtsvollzieher zur Gewaltanwendung nur gegen die Sachen des Schuldners und gegen ihn persönlich berechtigt. Gegen Dritte ausnahmsweise dann, wenn sie dem Schuldner zu Hilfe kommen, ohne eine ihm gebührende Rechtsposition (sein Eigentum, seinen unmittelbaren Besitz, etc.) zu verteidigen.46 Der Gerichtsvollzieher kann,47 anstatt selbst handgreiflich zu werden, polizeiliche Hilfe48 anfordern. Die nach § 759 als Zeugen anwesenden Beamten dürfen diese Hilfe erbringen.49 Die Gewaltanwendung selbst hat nach § 759 in Gegenwart von Zeugen zu erfolgen. Sind 18 diese nicht bereits zugegen, muss der Gerichtsvollzieher sie herbeirufen und zu diesem Zweck die Vollstreckung unterbrechen. Diese „Ruhepause“ gibt – entgegen der (widersprüchlichen) Ansicht der Zweitauflage (D II) – keinen Anlass, für das nachfolgende Eindringen in den Wohnraum eine erneute richterliche Durchsuchungsanordnung zu fordern. Wenn sich nämlich der Schuldner nach dem Hinweis auf die bevorstehende Gewaltanwendung nunmehr gegen das Öffnen zur Wehr setzt, besteht eine Gefährdung des Vollstreckungserfolgs, die nach § 758a Abs. 1 von der Notwendigkeit einer solchen Anordnung entbindet. Die Gegenwart des Schuldners bei der Gewaltanwendung ist grundsätzlich weder erforder- 19 lich noch erzwingbar,50 es sei denn, der Gerichtsvollzieher will die von ihm gerade getragene Kleidung, Taschen oder sonstigen Behältnisse untersuchen. In diesem Fall kann der Gerichtsvollzieher ein Fortgehen des Schuldners gewaltsam unterbinden.51

S. auch Paulus Zivilprozessrecht6, Rdn. 801. S. auch AG Münster DGVZ 2019, 263 – Tz. 5. 2. Aufl. C m. Hinw. auf OLG Stuttgart WürttZ 1911, 355. Zutreffend AG Aalen DGVZ 2022, 113. BGH NJW 1957, 544. Zur Definition s. § 62 Abs. 3 GVGA sowie etwa AG Bühl DGVZ 2010, 61 mit zustimmender Anm. Goebel (Widerstand sei bereits eine verschlossene Tür trotz vorheriger Ankündigung des Erscheinens). 46 OLG Hamburg OLGRspr 1922, 359. 47 Zu dieser Ermessensausübung etwa LG Stendal DGVZ 2020, 97 – Tz. 11; VG Stuttgart GewArch 2012, 76 – Tz. 62. 48 Dazu BayVGH FamRZ 2023, 224; OLG Frankfurt NJW-RR 2022, 1006 – Tz. 28 (dort ist zu Unrecht ein Vorrang des § 758 Abs. 2 gegenüber § 759 eingeräumt). 49 RGSt. 55, 216. 50 OLG Dresden HRR 1928, 186; a.A. AG und LG Kiel DGVZ 1981, 40. 51 OLG Hamburg JR 1955, 272.

41 42 43 44 45

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VI. Verfahren 1. Allgemeines 20 a) Vollstreckungsversuch. Der in der Vorschrift angesprochene Schuldner ist derjenige, der im Titel als solcher ausgewiesen ist,52 im Falle einer Schuldnermehrheit (z.B. §§ 736, 747) also jeder einzelne von ihnen. Trifft der Gerichtsvollzieher niemanden in der schuldnerischen Wohnung an, muss er sein 21 erneutes Erscheinen unter Androhung der eventuellen Gewaltanwendung schriftlich ankündigen. Ist bei diesem Mal wiederum niemand anwesend, kann bzw. muss er nach Maßgabe des § 759 vorgehen. Inwieweit der Gerichtsvollzieher öffentlich-rechtliche Verbote bei seinem Vorgehen zu be22 rücksichtigen hat, richtet sich nach dem Gebots- bzw. Verbotscharakter der jeweiligen Vorschrift;53 so ist auch ihm der Zutritt etwa dann versperrt, wenn die Wohnung wegen (Vieh-)Seuchengefahr geschlossen ist.54

23 b) Anwesenheit von Schuldner und Gläubiger. Die Gegenwart des Schuldners bei der Durchsuchung und Öffnung verlangt das Gesetz nicht.55 Er muss also nicht hinzugezogen, darf allerdings auch nicht fortgeschickt werden, sofern er sich nicht störend in den Weg stellt. Dass der Gläubiger bei dem Vorgang zugegen ist, ist zwar ebenfalls gesetzlich nicht gere24 gelt, wird aber von der h.M.56 als zulässig angesehen, § 31 Abs. 6 GVGA. Gegenüber dieser Ansicht ist jedoch Zurückhaltung geboten: Denn der vollstreckungsrechtliche Bestimmtheitsgrundsatz, § 726 Rdn. 4 ff., erfährt seine innere Rechtfertigung aus dem Umstand, dass der Zwangszugriff allein mit Hilfe der vollstreckbaren Ausfertigung, d.h. also in Abwesenheit des Gläubigers, vorgenommen werden kann. Er spricht daher gerade gegen die von der h.M. angenommene Zulässigkeit. Die bisweilen gleichwohl erwünschte Anwesenheit des Gläubigers bei der Durchsuchung57 und Öffnung58 der Wohnung sollte aber immer von dem Einverständnis des Schuldners abhängig gemacht werden.59 Da es aufgrund der hier vertretenen Ansicht an einer Pflicht des Schuldners fehlt, die Anwesenheit des Gläubigers zu dulden, ist auch insoweit § 31 Abs. 6 GVGA nicht anzuwenden, als er die Gewaltrechte des Gerichtsvollziehers in § 758 Abs. 3 auch auf den Schutz des Gläubigers erstreckt.

52 53 54 55 56

RG JW 1909, 321. Stein/Jonas/Münzberg Rdn. 13. LG Frankfurt/O. JW 1927, 1439; KG DGVZ 1931, 390. Vgl. AG Neuwied DGVZ 1998, 78. Zuletzt etwa Wertenbruch Zum Anwesenheitsrecht des Gläubigers bei der Durchsuchung im Rahmen der Mobiliarvollstreckung, DGVZ 1994, 19 ff. mit ausführlicher Darstellung des Meinungsstandes. Ablehnend außer Wertenbruch etwa Christmann Die Anwesenheit des Gläubigers bei der Mobiliarpfändung in der Wohnung des Schuldners, DGVZ 1984, 83; AG Berlin-Schöneberg und LG Berlin DGVZ 1991, 140; LG Bochum DGVZ 1991, 172 = JurBüro 1992, 57; LG Stuttgart NJW-RR 1992, 511. Das AG Berlin-Charlottenburg verpflichtet den Gerichtsvollzieher dazu, dem Gläubiger den Zeitpunkt der Vollstreckung mitzuteilen, wenn dieser anwesend sein will, DGVZ 1986, 141; ebenso LGe Hof und Münster DGVZ 1991, 123 m.w.N. auf S. 124 (Anm. d. Schriftleitung); a.A. AG Reinbek DGVZ 2005, 44. 57 Für die Durchsuchung eines Software-directorys Paulus Die Pfändung von EDV-Anlagen, DGVZ 1990, 154; Stein/ Jonas/Münzberg § 808 Rdn. 3 m. Fn. 8; für die Herausgabevollstreckung Wertenbruch a.a.O. In diesen wenigen Fällen sind die Kosten des Gläubigers, die er für sein Erscheinen aufzuwenden hat, notwendige i.S.v. § 788. 58 Selbst wenn der Gläubiger einen Schlüsseldienst betreibt, hat er keinen Anspruch auf Hinzuziehung, richtig LG Nürnberg-Führt DGVZ 2000, 27. 59 Etwas großzügiger noch die Zweitauflage BII. OLG Dresden OLGRspr 1915, 275, will dem Gläubiger ein generelles Anwesenheitsrecht einräumen. Paulus

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Abgesehen von den in Abs. 3 eigens angesprochenen polizeilichen Vollzugsbeamten können 25 Fälle auftreten, in denen der Gerichtsvollzieher die Hilfe weiterer Personen und damit deren Anwesenheit in den Räumlichkeiten des Schuldners benötigt. Beispiele sind Handwerker,60 Spediteure oder sonstige Spezialisten (etwa zum Öffnen eines Tresors). Ihre Anwesenheit hat der Schuldner in jedem Fall zu dulden. Wehrt er sich dagegen, darf der Gerichtsvollzieher die ihm für seine Person in Abs. 3 zugedachte Gewalt zu deren Schutz ebenfalls anwenden.

2. Rechtsbehelfe Gegen Verletzungen des § 758 können sich, je nach Betroffenheit, der Gläubiger, der Schuldner 26 oder weitere Dritte61 mit Hilfe der Erinnerung nach § 766 zur Wehr setzen. Das gilt auch für die Fälle des § 758a, wenn der Mitgewahrsamsinhaber die Grenzen seiner Duldungspflicht überschritten glaubt. Die Wirksamkeit der Pfändung wird durch entsprechende Übertretungen oder Verfehlungen nicht berührt.

§ 758a Richterliche Durchsuchungsanordnung; Vollstreckung zur Unzeit (1)

(2) (3)

(4)

(5) (6)

1

Die Wohnung des Schuldners darf ohne dessen Einwilligung nur auf Grund einer Anordnung des Richters bei dem Amtsgericht durchsucht werden, in dessen Bezirk die Durchsuchung erfolgen soll. 2Dies gilt nicht, wenn die Einholung der Anordnung den Erfolg der Durchsuchung gefährden würde. Auf die Vollstreckung eines Titels auf Räumung oder Herausgabe von Räumen und auf die Vollstreckung eines Haftbefehls nach § 802g ist Absatz 1 nicht anzuwenden. 1 Willigt der Schuldner in die Durchsuchung ein oder ist eine Anordnung gegen ihn nach Absatz 1 Satz 1 ergangen oder nach Absatz 1 Satz 2 entbehrlich, so haben Personen, die Mitgewahrsam an der Wohnung des Schuldners haben, die Durchsuchung zu dulden. 2 Unbillige Härten gegenüber Mitgewahrsamsinhabern sind zu vermeiden. 1 Der Gerichtsvollzieher nimmt eine Vollstreckungshandlung zur Nachtzeit und an Sonn- und Feiertagen nicht vor, wenn dies für den Schuldner und die Mitgewahrsamsinhaber eine unbillige Härte darstellt oder der zu erwartende Erfolg in einem Missverhältnis zu dem Eingriff steht, in Wohnungen nur auf Grund einer besonderen Anordnung des Richters bei dem Amtsgericht. 2Die Nachtzeit umfasst die Stunden von 21 bis 6 Uhr. Die Anordnung nach Absatz 1 ist bei der Zwangsvollstreckung vorzuzeigen. 1 Das Bundesministerium der Justiz wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates Formulare für den Antrag auf Erlass einer richterlichen Durchsuchungsanordnung nach Absatz 1 einzuführen. 2Soweit nach Satz 1 Formulare eingeführt sind, muss sich der Antragsteller ihrer bedienen. 3Für Verfahren bei Gerichten, die die Verfahren elektronisch bearbeiten, und für Verfahren bei Gerichten, die die Verfahren nicht elektronisch bearbeiten, können unterschiedliche Formulare eingeführt werden.

60 AG Berlin-Charlottenburg DGVZ 1990, 13 (Schlosser). 61 KG DGVZ 1986, 114. 243 https://doi.org/10.1515/9783110443158-041

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§ 758a

Achtes Buch – Zwangsvollstreckung

Übersicht I.

Gesetzesgeschichte, Kritik

II. 1. 2. 3.

Anwendungsbereich 3 Vollstreckungsarten 4 Wohnung Nicht erfasste Vollstreckungen, Abs. 2 5 a) Räumungsvollstreckung, § 885 b) Vollstreckung eines Haftbefehls, 7 § 802g c) Herausgabe von beweglichen Sachen, 8 § 883?

III.

1

Verfahren

1. 2. 3. 4.

IV.

10 Einverständnis Gefährdung des Vollstreckungserfolgs 18 Mitgewahrsamsinhaber Durchsuchungsanordnung 21 a) Vollstreckungsversuch 22 b) Zuständigkeit 23 c) Entscheidung 25 d) Weiteres Vorgehen 27 e) Umfang 28 f) Kosten g) „Unzeitige“ Vollstreckung, Abs. 4 Formulare (Abs. 6)

12

29

34

I. Gesetzesgeschichte, Kritik 1 Die Vorschrift ist durch die zweite Zwangsvollstreckungsnovelle eingefügt worden. Sie enthält eine Festschreibung der durch das Bundesverfassungsgericht seit der Entscheidung vom 3. April 1979 (BVerfGE 51, 97) angeordneten Notwendigkeit, die Durchsuchungsbefugnisse des Gerichtsvollziehers in § 758 mit den grundrechtlichen Vorgaben des Art. 13 GG zu harmonisieren. Mit der Gesetzesänderung sind jedoch keineswegs sämtliche Streitfragen beantwortet, die sich aus der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung ergeben haben; sie sind teilweise – wie beispielsweise bei der Herausgabevollstreckung in bewegliche Sachen – bewusst unbeantwortet geblieben, um das Ergebnis der als notwendig erachteten Diskussion in Wissenschaft und Praxis nicht vorwegzunehmen. Insoweit ist die Literaturflut, die sich mit diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen auseinandergesetzt hat,1 keineswegs zur „Makulatur“ geworden, sondern nach wie vor von aktueller Bedeutsamkeit.2 2 Das gilt insbes. für diejenigen Stellungnahmen, die sich aufgrund der Kritik an der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung um einen möglichst einschränkenden Anwendungsbereich des Erfordernisses einer Durchsuchungsanordnung bemüht haben.3 Denn diese Kritik ist unbeschadet der nunmehr Gesetz gewordenen Regelung durchaus berechtigt:4 Die dem Bundesverfas-

1 BVerfGE 51, 97 ff.; vgl. auch BVerfGE 48, 396; 56, 37; 61, 126; 75, 318; 76, 83. Zuvor dagegen BVerfGE 16, 239. Aus der umfangreichen Literatur vgl. nur Kühne Grundrechtlicher Wohnungsschutz und Vollstreckungsdurchsuchungen, 1979; Ehlers Grenzen der Verfassungsmäßigkeit bei Vollstreckung und Beitreibung, BB 1979, 1758; Anm. Wochner NJW 1979, 2509; Seip Die Durchsuchung der Wohnung des Schuldners nach der Entscheidung des BVerfG v. 3.4.1979, DGVZ 1979, 97; ders. Vollstreckungsdurchsuchung und Grundgesetz keine Aussicht auf Änderung, DGVZ 1980, 60, 82; Gusy Grundrechtsschutz gegen Wohnungsdurchsuchungen durch den Gerichtsvollzieher, JuS 1980, 718. Vgl. auch den Überblick über die frühere Literatur und Rechtsprechung bei Ewers Ist es mit Art. 13 GG vereinbar, wenn der Gerichtsvollzieher ohne richterlichen Beschluss auf Grund des § 758 ZPO die Wohnung des Schuldners zwangsweise öffnen lässt und/ oder eine Durchsuchung vornimmt? DGVZ 1978, 17. 2 S. insbesondere Schilken Grundrechtlicher Wohnungsschutz und Vollstreckung, FS Beys (2003), 1447. 3 Etwa Paulus Deutschland ist ein Paradies für Vollstreckungsschuldner DGVZ 2004, 65 ff.; G. Behr Vollstreckung ohne Durchsuchungsanordnung, Art. 13 II GG, NJW 1992, 2125; Werner Erschweren rechtliche Schranken den Vollstreckungserfolg? DGVZ 1986, 67; Schneider Die vollstreckungsrechtliche Durchsuchungsanordnung, NJW 1980, 2377. 4 Die Begründung der zweiten Zwangsvollstreckungsnovelle formuliert selbst einen gewissen Vorbehalt: „Auch die in der Praxis gewonnene Erfahrung, dass die richterlichen Durchsuchungsanordnungen nahezu ausnahmslos formularmäßig erteilt werden, wirft die Frage auf, ob der verfassungsrechtlich garantierte Richtervorbehalt sinnvoll ist.“ BT-Drucks. 13/341, S. 15. S. auch die nunmehr Gesetz gewordene Formularisierung in Abs. 6 sowie Vor § 704 Rdn. 87 ff. Paulus

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sungsgericht gerade in seiner „zivilrechtlichen Rechtsprechung“ immer wieder vorgeworfene Vernachlässigung des Gesamtzusammenhangs zugunsten einer isolierten, als gerecht empfundenen Einzelfallentscheidung5 (und unter weitgehender Ausblendung einer an sich nicht nur wünschenswerten, sondern unbedingt zu fordernden Rechtsfolgenberücksichtigung),6 ist hier deutlicher noch als andernorts zu erkennen. Das gilt etwa für die Gewichtung der Gläubiger- und der Schuldnerinteressen; dass der Gläubiger strukturbedingt in einem Zwangsvollstreckungsverfahren der „Stärkere“ ist, ist diesem Verfahren denknotwendig immanent und die logische Konsequenz aus dem Verhalten des Schuldners, der sich trotz titulierter Verpflichtung zu einer freiwilligen Leistung nicht versteht. Dem Schuldner gleichwohl den grundrechtlichen Schutz zu gewähren – und zwar auch, wenn der Titel bereits einen richterlichen Befehl enthält (Urteil7) –, bedeutet, ihm einen weiteren Aufschub einzuräumen, den der Gesetzgeber der CPO von 1877 in der Gestalt der „Paritionsfrist“ (§ 724 Rdn. 1) bewusst abgeschafft hatte; es bedeutet aber auch, dass die nicht minder grundrechtlich geschützte und abgesicherte Position des Gläubigers, Art. 14 GG (vgl. Vor § 704 Rdn. 88), in der an sich erforderlichen Abwägung erst dann berücksichtigt wird, wenn Gefahr im Verzug ist. Das ist aber deswegen ungerechtfertigt, weil der Schuldner mit dem Vollstreckungszugriff nicht etwa „überfallen“ wird; seine Leistungsverpflichtung ist vielmehr tituliert – gegebenenfalls aufgrund eines Erkenntnisverfahrens –, und gleichwohl weigert er sich zu leisten. Damit kommt sein Verhalten einem venire contra factum proprium gleich, das angesichts des Grundsatzes, dass nun einmal das gesamte Vermögen des Schuldners dem Geldgläubiger haftet, keinen erhöhten Schutz verdient. Infolgedessen ist bei der Anwendung des § 758a grundsätzlich eine restriktive Interpretation vorzuziehen.8

II. Anwendungsbereich 1. Vollstreckungsarten Die systematische Stellung des § 758a im allgemeinen Teil des Vollstreckungsrechts bedingt, dass 3 diese Vorschrift – ebenso wie § 758 – auf grundsätzlich alle vom Gerichtsvollzieher durchzuführende Vollstreckungsarten anzuwenden ist – nicht also nur auf Vollstreckungen wegen einer Geldforderung, sondern auch auf Herausgabevollstreckungen, Verhaftungen nach § 802g sowie Arrestbefehle;9 allerdings nimmt Abs. 2 explizit hiervon einige Vollstreckungsarten aus, s. Rdn. 5. Nach mehreren höchstrichterlichen Entscheidungen sind bestimmte Handlungen eines Gerichtsvollziehers, die dieser in den Räumen eines Schuldners vorzunehmen verpflichtet ist, keine Durchsuchungen i.S.d. Art. 13 Abs. 2 GG – etwa weil eine gezielte Wegnahme10 in Frage steht

5 Statt vieler K. Hesse Verfassungsrechtsprechung im geschichtlichen Wandel, JZ 1995, 265. 6 Zur Rechtsfolgenberücksichtigung Hellgardt Regulierung und Privatrecht (2016), 403 ff.; Coles Folgenorientierung im richterlichen Entscheidungsprozeß (1991); Deckert Folgenorientierung in der Rechtsanwendung (1995); Wälde Folgenorientierung (1979). S. auch Prütting Prozessuale Aspekte richterlicher Rechtsfortbildung, FS 600-Jahrfeier der Universität Köln (1988), 317. 7 Das AG Lampertheim, DGVZ 2013, 218, entbindet den Vollstreckungsrichter wenigstens vom Formularzwang gemäß Abs. 6. 8 So auch Stein/Jonas/Münzberg § 758 Rdn. 1. 9 OLG Köln NJW-RR 1988, 832 (einstweilige Verfügung); Herdegen Arrestvollziehung und richterliche Durchsuchungsanordnungen, NJW 1982, 368; a.A. Amelung Zur Vereinbarkeit vollstreckungsrechtlicher Durchsuchungen mit dem Richtervorbehalt des Art. 13 Abs. 2 GG, ZZP 88 (1975), 91; Bittmann Arrestvollziehung und richterliche Durchsuchungsanordnung, NJW 1982, 2421; MünchKomm/Heßler Rdn. 2. 10 BFHE 154, 435. Diese Aussage ist allerdings in Frage gestellt durch BVerfG NJW 2000, 943, das eine Kindsherausgabe wohl immer von einer richterlichen Durchsuchungsanordnung abhängig machen will. 245

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oder die Duldung einer Versorgungssperre (etwa nach § 89211).12 Das hat zur Folge, dass diese Handlungen nicht dem Richtervorbehalt unterfallen.13

2. Wohnung 4 Der in dieser Vorschrift gebrauchte Wohnungsbegriff deckt sich zwangsläufig mit dem des § 758; dort Rdn. 6 ff. Gleichwohl ist der Anwendungsbereich beider Vorschriften nicht deckungsgleich; vielmehr sind entgegen der h.M.14 Personenvereinigungen oder juristische Personen von dem Schutz des § 758a auszunehmen.15 Dafür spricht der Wortlaut, der Geschäfts- oder sonstige Räume, die mit der Wohnung i.S.d. § 758 überhaupt nicht oder in einem trennbaren Zusammenhang stehen, zumindest während der üblichen Zusammenkunftszeiten (Geschäftszeiten) nicht mit umfasst. Im Übrigen hat der Gerichtsvollzieher, wenn er eine Zwangsvollstreckungsmaßnahme innerhalb einer Wohnung durchzuführen hat, nunmehr neben den Vorgaben des § 758 zusätzlich die des § 758a zu beachten – sofern nicht eine der nachstehend aufgezählten Ausnahmen eingreift. Freilich sind diese Änderungen nicht sonderlich gravierend, weil sich die Praxis ohnedies schon seit langem mit dem § 61 GVGA auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eingestellt hatte.

3. Nicht erfasste Vollstreckungen, Abs. 2 5 a) Räumungsvollstreckung, § 885. § 758a Abs. 2 macht von dem Erfordernis einer Durchsuchungsanordnung eine ausdrückliche Ausnahme für den Fall, dass der Titel auf Räumung oder Herausgabe von Räumen gerichtet ist – etwa aufgrund eines Zuschlagsbeschlusses nach § 93 ZVG oder aufgrund eines Räumungsvergleichs.16 Das rechtfertigt sich daraus, dass in derartigen Fällen schon begrifflich keine Durchsuchung vorliegt. Zwar ist mit dem „aus dem Besitz setzen“ des § 885 Abs. 1 regelmäßig ein Betreten der Wohnung verbunden, doch handelt es sich dabei nicht um einen verfassungsrechtlich schützenswerten Vorgang, weil eben das, was der Schuldner mit seiner eventuellen Zutrittsverweigerung schützen will, dem Titel zufolge gerade dem Gläubiger in toto gebührt. Auch wenn ein erst-recht-Schluss nahezuliegen scheint („wenn der Gerichtsvollzieher schon für die Suche nach einzelnen Vermögensgegenständen eine richterliche Erlaubnis zum Betreten der Wohnung benötigt, dann doch erst recht, wenn er die ganze Wohnung wegnehmen will“), ist die Zutrittsverweigerung im Falle einer Räumungsvollstreckung die eklatanteste Form des oben, Rdn. 2, schon erwähnten, verfassungsrechtlich nicht schützenswerten venire contra factum proprium. Die gleichen Erwägungen gelten auch im Rahmen einer angestrebten Zwangs-

11 Hierzu BGH NJW-RR 2021, 1146. 12 BGH NJW 2006, 3352; hierzu etwa Paulus/Matzke Smart Meter und Smart Contracts – Versorgungssperre per digitalem Fernzugriff, NJW 2018, 1905; LG Potsdam und LG Dessau, beide DGVZ 2006, 59; LG Weiden DGVZ 2008, 120; AG Kaiserslautern DGVZ 2016, 109; AG Bühl DGVZ 2010, 62; AG Erkelenz DGVZ 2007, 74; AG Wiesbaden DGVZ 1998, 45. A.A. Kannowski/Keil Wohnungsöffnung und Widerstand des Schuldners beim Ausbau von Energiezählern: Ein Fall der Duldungsvollstreckung? DGVZ 2008, 109. S. auch § 758 Fn. 17 sowie umfassender Wesser Der Schutz der räumlichen Privatsphäre bei Wohnungsdurchsuchungen nach §§ 758, 758a ZPO, NJW 2002, 2138. 13 S. auch Papier in: Maunz/Dürig, GG, Art. 13 Rdn. 22. 14 LG Düsseldorf JurBüro 1981, 1104; Schubert Nochmals – Durchsuchung gem. § 758 ZPO nur auf Grund richterlichen Durchsuchungsbefehls, MDR 1980, 366; Zöller/Seibel Rdn. 4; Stein/Jonas/Münzberg Rdn. 6; Keller/Keller Kap. 2 Rdn. 227. Distanzierend auch Thomas/Putzo/Seiler Rdn. 7. 15 S. auch EuGH NJW 1989, 3080. 16 So schon die früher h.M.: OLG Düsseldorf NJW 1980, 458; LG Berlin JurBüro 1982, 619 mit Anm. Mümmler; MünchKomm/Heßler Rdn. 41. Vgl. auch § 107 Nr. 8 Abs. 2 GVGA. A.A. AG Bad Segeberg NJW-RR 1989, 61. Paulus

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verwaltung, wenn der designierte Zwangsverwalter die Immobilie im Wege des § 150 Abs. 2 ZVG vom Gerichtsvollzieher erhalten soll.17 Letzteres hebt die Begründung (S. 16) selbst hervor, wenn sie die Erstreckung dieser Ausnah- 6 meregelung auch auf die weiteren Titel des § 795 am Beispiel des Räumungsvergleichs verdeutlicht und darauf verweist, dass sich der Schuldner hier „der konkreten Besitzentziehung unterworfen hat.“18 Wegen dieses „Totalentzuges“ der Wohnung ist es auch gerechtfertigt, von der Zulässigkeit einer Durchsuchung auch ohne richterliche Durchsuchungsanordnung auszugehen, wenn der Gerichtsvollzieher im Zusammenhang mit der Zwangsräumung auch noch eine Vollstreckung wegen solcher Forderungen vornimmt, die (wie die Vollstreckungskosten, Schadensersatz für Beschädigung der Räumlichkeiten oder Ersatz unberechtigter Raumnutzung) im Zusammenhang mit dem Räumungsanspruch stehen.19

b) Vollstreckung eines Haftbefehls, § 802g. Die in § 758a Abs. 2 von dem Erfordernis der 7 richterlichen Durchsuchungsanordnung ebenfalls ausgenommene Vollstreckung eines Haftbefehls beruht ebenfalls auf einem Titel, der die Berufung auf die Unverletzlichkeit der Wohnung als missbräuchlich und damit verfassungsrechtlich nicht schützenswert erscheinen lässt.20 Denn der freiheitsberaubende Charakter dieser Vollstreckungshandlung ist so gravierend, dass er den Schutz der Wohnung vor ungewollter Durchsuchung gewissermaßen kompensiert. Eventuell schützenswerte Belange sind bereits bei der Anordnung der Verhaftung zu berücksichtigen, so dass für eine gesonderte richterliche Durchsuchungsanordnung, um den Schuldner in seiner Wohnung aufzuspüren, kein eigenständiger Schutzbereich verbleiben würde. Infolgedessen umfasst die „Verhaftungsausnahme“ auch den Anspruch des Gläubigers darauf, dass der Gerichtsvollzieher die Wohnung gewaltsam öffnet, wenn das bisherige Verhalten des Schuldners Anlass zu der Annahme gibt, er öffne die Wohnung deswegen nicht, weil er seiner Verhaftung entkommen will.21 c) Herausgabe von beweglichen Sachen, § 883? Der letztgenannte Aspekt verdeutlicht die 8 Absicht des Gesetzgebers, von dem Erfordernis der Durchsuchungsanordnung tunlichst dann abzusehen, wenn deren Erstellung ohnedies ein „Selbstläufer“ wäre und damit gewissermaßen „am Fließband“ erfolgen würde. Darüber hinaus zeigen aber auch die beiden Ausnahmen des § 758a, dass das Betreten der Wohnung durch den Gerichtsvollzieher nicht per se ein schützenswerter Vorgang ist,22 sondern erst dann, wenn er zu dem Zweck erfolgt, eine Durchsuchung (§ 758 Rdn. 10) vorzunehmen. Vor diesem Hintergrund ist die vom Gesetzgeber bewusst der Diskussion überlassene Frage 9 zu beantworten, ob die Zwangsvollstreckung wegen der Herausgabe einer beweglichen Sache nach § 883 dem Anwendungsbereich des § 758a Abs. 1 oder Abs. 2 unterfällt. Rein äußerlich unterscheidet sich die Suche nach einem bestimmten, herauszugebenden Gegenstand in nichts von der Suche nach einem unbestimmten Gegenstand, der im Wege der Versilberung zur Befriedigung des Gläubigers dienen könnte. Andererseits zeigt die Verhaftungsausnahme des Abs. 2, dass selbst ein Durchsuchen der Wohnung nicht automatisch den grundrechtlichen Schutz des Art. 13 GG auslösen soll, wenn es nur dem Auffinden einer konkreten Person23 dient. Da diese Ausnahme jedoch 17 18 19 20

BGH NJW-RR 2011, 1095. So schon LG Düsseldorf JurBüro 1987, 1578. Zöller/Seibel Rdn. 11. So schon LG Berlin DGVZ 1979, 171; LG Detmold NJW 1986, 2261; vgl. auch § 61 Abs. 8 GVGA. A.A. LG Saarbrücken NJW 1979, 2571. 21 Entgegen LG Berlin DGVZ 2016, 256. 22 BVerwGE 47, 37; LG München I DGVZ 1984, 118. 23 S. aber zur Herausgabepflicht eines Kindes BVerfG NJW 2000, 943, sowie oben Fn. 8. 247

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ausdrücklich mit der Schwere der Vollstreckungsmaßnahme begründet wird, wird man bei der Mobiliarherausgabe nicht umhinkommen, für sie eine Durchsuchungsanordnung zu verlangen.24 Auch wenn hierbei nur schwerlich vorstellbar ist, dass eine solche Anordnung nicht automatisch erlassen wird, ist die Parallelität zwischen der Geldforderungs- und der Mobiliarherausgabevollstreckung zu groß, als dass eine unterschiedliche Behandlung gerechtfertigt wäre. Das muss folgerichtigerweise selbst dann gelten, wenn der herauszugebende, bewegliche Gegenstand nicht versteckt ist, sondern sich – wie etwa die in der Novellenbegründung genannte Küchenmaschine oder das Auto in der Garage – an seinem bestimmungsgemäßen Platz befindet; denn die Feststellung, dass sich der Gegenstand an seinem bestimmungsgemäßen Platz befindet, kann der Gerichtsvollzieher regelmäßig nicht durch ein bloßes Betreten der Wohnung, sondern nur durch ein entsprechendes Aufspüren herausfinden.25

III. Verfahren 1. Einverständnis 10 Der in der Vorschrift angesprochene Schuldner ist derjenige, der im Titel als solcher ausgewiesen ist;26 im Falle einer Schuldnermehrheit (z.B. § 736, 747) also jeder einzelne von ihnen. Trifft der Gerichtsvollzieher nur einzelne von ihnen an,27 kommt es hinsichtlich des Einverständnisses mit der Durchsuchung auf deren geäußerte Ansicht an, § 164 BGB. Widersprechen sich die Aussagen, muss der Gerichtsvollzieher vorgehen, als wäre ihm der Zutritt insgesamt verweigert. Sofern der Schuldner nicht zugegen ist, ist es ein Gebot der Zweckmäßigkeit (auch für den 11 Schuldner, der dadurch Kosten eines erneuten Vollstreckungsversuchs spart), dass auch Dritte die Einverständniserklärung abgeben (oder verweigern) können. Wer zu diesem Personenkreis gehört, ist umstritten und vom Gesetzgeber erneut bewusst nicht geregelt worden. Doch lassen sich Anhaltspunkte zur Beantwortung dieser Frage aus § 758a Abs. 3 entnehmen: Wenn dort nämlich den Mitgewahrsamsinhabern eine Duldungspflicht auferlegt wird, sofern der Schuldner sein Einverständnis zur Durchsuchung erklärt hat, wird man aus dieser Verbundenheit und Mit-Betroffenheit auf eine Befugnis zur Einverständniserklärung schließen können. Sofern es sich dabei um minderjährige Kinder handelt, kommt es jedoch auf deren für den Gerichtsvollzieher erkennbare Fähigkeit an, die Tragweite des Einverständnisses ermessen zu können.28 Wie beim Gewahrsamsbegriff des § 808 auch ist auch hier der bloße Besitzdiener auszunehmen; er kann also keine verbindliche Erklärung abgeben. Freilich kann dieses Defizit wie auch insgesamt der Kreis der Erklärungsberechtigten durch eine Bevollmächtigung behoben bzw. erweitert werden.29

24 Ebenso etwa Keller/Keller Kap. 2 Rdn. 231. 25 So auch Stein/Jonas/Münzberg § 758a Rdn. 6. Für einen Fall wie der des LG Berlin DGVZ 1992, 11, in dem der PKW für jeden sichtbar auf dem schuldnerischen Gelände stand, bedarf es jedoch mangels Durchsuchung keiner Durchsuchungsanordnung, Münzberg a.a.O. Rdn. 5. 26 RG JW 1909, 321. 27 Zum Umfang seiner Prüfungspflichten hinsichtlich der Vollstreckungsformalien KG DGVZ 1975, 57 m. Anm. Schüler Zur Rechtmäßigkeit des Handelns des Gerichtsvollziehers, wenn er bei der Beurteilung einer Frage einem Irrtum unterliegt, DGVZ 1976, 49. 28 Weimar Unverletzlichkeit der Wohnung und Vollstreckungsdurchsuchung, DGVZ 1980, 137. 29 Auch wenn ein schriftlicher Nachw. der Vollmacht nicht verlangt werden kann, muss der Gerichtsvollzieher eine bloß behauptete Vollmacht sorgfältig auf ihre Richtigkeit überprüfen. Paulus

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2. Gefährdung des Vollstreckungserfolgs § 758a Abs. 1 S. 2 übernimmt die in Art. 13 Abs. 2 GG bereits enthaltene Einschränkung des Anordnungserfordernisses („Gefahr im Verzuge“) in der vom Bundesverfassungsgericht konkretisierten Form, der zufolge die Gefährdung des Vollstreckungserfordernisses von der Notwendigkeit eines Durchsuchungsbeschlusses entbindet. Es geht nach der nunmehrigen gesetzlichen Ausgestaltung nicht an, bereits in der bloßen Zutrittsverweigerung des Schuldners zu seiner Wohnung eine solche Gefährdung zu sehen.30 Vielmehr müssen weitere Umstände hinzutreten. Diese sind in so vielfältiger Variabilität denkbar, dass eine umfassende Beschreibung nicht möglich sein dürfte.31 Infolgedessen muss man sich mit einer Auflistung von Regelbeispielen beschränken: – Vorrangig ist dafür natürlich die dem Gerichtsvollzieher erkennbare oder glaubhaft vorgetragene Fluchtgefahr des Schuldners32 oder, was dem gleichkommt, das Beiseiteschaffen von Vermögensgegenständen; – des Weiteren ergibt sich eine Gefährdung des Vollstreckungserfolgs aus einem widerspüchlichen Verhalten des Schuldners; so, wenn er den Zutritt zunächst gewährt, ihn aber – wie in dem in § 758 Rdn. 18 gegebenen Beispielsfall – nach der Androhung des gewaltsamen Öffnens eines Zimmers oder Behältnisses verweigert33 oder wenn der Gerichtsvollzieher lediglich bereits gepfändete und beim Schuldner belassene Gegenstände abholen will; – bei einem Nacht- oder Feiertagsbeschluss nach § 761;34 – bei einer Taschenpfändung.35 Ob das schuldnerische Verhalten unter eine dieser Fallgruppen fällt, prüft der Gerichtsvollzieher vor Ort. Freilich muss er dabei beachten, dass diese Fallgruppen nicht im Sinne eines strikten wenn-dann-Schemas zu verstehen sind; dass also im Falle einer Bejahung immer und ausnahmslos zugleich die Vollstreckungsgefährdung anzunehmen ist. Vielmehr ist insoweit stets noch auf die Umstände des Einzelfalles abzustellen, aus denen sich gegebenenfalls die Beachtlichkeit der Zutrittsverweigerung des Schuldners ergeben kann.

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3. Mitgewahrsamsinhaber Die früher umstrittene Frage, ob Dritte, die von dem Durchsuchungs- und Vollstreckungsvorgang 18 betroffen werden, eine Duldungspflicht trifft oder ob gegen sie eine eigenständige Durchsuchungsanordnung ergehen muss, hat der Gesetzgeber mit § 758a Abs. 3 im erstgenannten Sinne gelöst. Maßgeblich war dabei die Erwägung, dass eine Grundlage für eine derartige Anordnung gegen einen außerhalb des Gläubiger-Schuldner-Verhältnisses Stehenden nicht ersichtlich ist, dass ein gleichwohl aufgestelltes Erfordernis mit Hilfe einer ständigen Präsentation neuer Mitbewohner zu Missbrauch verleiten würde, und dass die sonst noch vorgeschlagenen Alternativen36 für den Gläubiger zu umständlich wären. 30 So hat bereits die 2. Aufl. unter A. darauf hingewiesen, dass die Vollstreckungsnormen Bestandteil der öffentlichen Ordnung und Sicherheit seien. Der Schuldner, der sich ihnen widersetze, „setze“ daher eine dringliche Gefahr, die nach Maßgabe des Art. 13 Abs. 2 GG zu beurteilen sei. Weitere Nachweise bei Hövel „Gefahr im Verzuge“ durch die bloße Weigerung des Schuldners zur Wohnungsdurchsuchung, Art. 13 II GG, NJW 1993, 2032. 31 S. etwa LG Berlin DGVZ 2019, 83. 32 LG Kaiserslautern v. 21.8.1985 1 T 113/85. Hält sich der Schuldner allerdings in der Wohnung eines Dritten auf, bedarf der Gläubiger eine Duldungsanordnung gegen diesen, um den Schuldner verhaften lassen zu können, dazu Christmann Die Verhaftung des Schuldners in fremden Räumen, DGVZ 1988, 91. 33 A.A. wohl Stein/Jonas/Münzberg § 758a Rdn. 33, der von der jederzeitigen Widerrufbarkeit der einmal erklärten Einwilligung ausgeht. 34 Bischof RBeistand 1987, 115. 35 OLG Köln ZIP 1980, 368 = NJW 1980, 1531; abl. Anm. Lippross JA 1980, 677. 36 Etwa Pawlowski Zur Vollstreckung in Wohngemeinschaften, NJW 1981, 670 (Hilfspfändung der schuldnerischen Mitbesitzrechte). S. auch Gaul/Schilken/Becker-Eberhard § 26 Rdn. 64 ff. sowie BT-Drucks. 13/341, S. 17. 249

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Zu dem Begriff des Mitgewahrsamsinhaber vgl. § 808 Rdn. 25. Die dem Mitgewahrsamsinhaber nunmehr auferlegte Duldungspflicht besteht nicht uneingeschränkt. Vielmehr trägt § 758a Abs. 3 dem Gerichtsvollzieher ausdrücklich eine Schonungspflicht auf, indem er „unbillige Härten“ vermeiden soll. Derartige Härten wird man nicht schon dann unterstellen können, wenn für den Dritten Unannehmlichkeiten (längeres Warten, Herbeischaffen eines Schlüssels, aufgebrochene Haus- (nicht Wohnungs-)tür,37 etc.) entstehen, sondern erst dann, wenn etwa die Gesundheit eines Bettlägerigen betroffen ist.38 Solche Fälle können in Ausnahmefällen auch dazu führen, dass der Gerichtsvollzieher von der Vollstreckungsmaßnahme ganz absehen muss. Wegen des Rechtsschutzes, falls der Dritte die Grenzen seiner Duldungspflicht überschritten glaubt, § 758 Rdn. 26.

4. Durchsuchungsanordnung 21 a) Vollstreckungsversuch. Die Tatsache, dass der Schuldner die Durchsuchung gestatten kann, bedingt, dass der Gerichtsvollzieher grundsätzlich einen39 Vollstreckungsversuch starten muss, sobald er einen entsprechenden Gläubigerauftrag erhalten hat. Fälle, in denen er diesen ersten Versuch unterlassen kann, weil etwa der Schuldner nie Zutritt ohne Durchsuchungsanordnung gewährt, dürften die Ausnahme sein; nur dann sollte der Vollstreckungsbeamte beim Gläubiger anregen, eine Durchsuchungsanordnung sogleich zu beantragen.40 Der Gerichtsvollzieher, der den Schuldner in seiner Wohnung aufsucht, braucht ihn nicht auf sein Weigerungsrecht hinzuweisen.41 Ein schlichtes „Nichtantreffen“ ist für sich noch keine Verweigerung des Zutritts; dazu wird es vielmehr erst nach mehrmaligen vergeblichen Vollstreckungsversuchen.42 Im Falle einer ausdrücklichen Zutrittsverweigerung befragt der Gerichtsvollzieher den Schuldner über die Gründe seiner Weigerung43 und schreibt diese im Protokoll im Wesentlichen nieder, § 61 Abs. 2 GVGA. Daraufhin übersendet er eine Abschrift des Protokolls an den Gläubiger, dem für sein weiteres Vorgehen die Alternative offen steht, entweder einen Antrag44 auf eidesstattliche Versicherung nach § 802c45 zu stellen oder den Erlass einer Durchsuchungsanordnung46 zu beantragen.47 Freilich kann der Antrag 37 38 39 40

AG Kaiserslautern DGVZ 2016, 109. LG Hannover NJW-RR 1986, 288. Gegen eine erste, unangekündigte Aufsuchung Stein/Jonas/Münzberg Rdn. 1. In derartigen Ausnahmefällen besteht das üblicherweise auch für den Antrag auf eine Durchsuchungsanordnung geforderte Rechtsschutzbedürfnis, OLG Köln DGVZ 1986, 151; OLG Bremen NJW-RR 1989, 1407. Im Übrigen ist die Erwirkung der Durchsuchungsanordnung immer Sache des Gläubigers, § 61 Abs. 3 GVGA. 41 Langheid Durchsuchung gem. § 758 ZPO nur auf Grund richterlichen Durchsuchungsbefehls, MDR 1980, 21. A.A. Schubert Durchsuchung gem. § 758 ZPO nur auf Grund richterlichen Durchsuchungsbefehls, MDR 1980, 365; Frank Vollstreckungsdurchsuchung und Grundgesetz, JurBüro 1983, 806. Die unterstellte Unwirksamkeit der Einverständniserklärung, wenn sich der Schuldner nicht über die Tragweite seiner Erklärung im klaren ist, Gaul/Schilken/BeckerEberhard Rdn. 43, ist angesichts der zugestellten und titulierten Forderung des Gläubigers kaum nachvollziehbar. 42 OLG Bremen DGVZ 1989, 40; LG Potsdam LurBüro 2019, 102. S. auch noch unten Rdn. 26. 43 Aus Gründen der Beschleunigung sollte der Gerichtsvollzieher bereits in diesem Stadium dem Schuldner schriftlich anzeigen, dass er sich, wenn eine Durchsuchungsanordnung vorgelegt werden sollte, den Zutritt gewaltsam zu verschaffen gedenke, § 61 Abs. 7 GVGA. 44 Dazu etwa Keller/Keller Kap. 2 Rdn. 240. 45 LG Detmold NJW 1986, 2261; LG Paderborn JurBüro 1989, 273 m.w.N. zu den divergierenden Ansichten. A.A. LG Aschaffenburg DGVZ 1991, 74; Leisner Durchsuchungsverweigerung und Unpfändbarkeit, Rpfleger 1989, 443 m.w.N. Zu den Voraussetzungen insgesamt noch OLG Köln MDR 1976, 53; NJW-RR 1986, 863. Selbstverständlich setzt diese Alternative die bereits erfolgte Zustellung des Titels voraus, LG Düsseldorf JurBüro 1983, 142. 46 Das LG Darmstadt verlangte nach dem alten, durch die Novelle jedoch als überholt anzusehenden Recht vor der Antragsstellung noch einen Vollstreckungsversuch zur Nachtzeit, JurBüro 1980, 775 mit Anm. Mümmler. 47 Vgl. zum folgenden auch Noe Gerichtsvollziehervollstreckung: Vollstreckung mit Durchsuchungsbeschluss fortsetzen: kein Formularzwang, VE 2017, 001; Hansens Verfahrensrechtliche und kostenrechtliche Betrachtungen zur Durchsuchungsanordnung nach § 758 ZPO in Verbindung mit Art. 13 II GG, JurBüro 1987, 179. Paulus

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auch vom Gerichtsvollzieher als Bevollmächtigter des Gläubigers gestellt werden,48 nicht aber vom Gläubiger schon im Erkenntnisverfahren oder vor Beginn der Vollstreckung.49

b) Zuständigkeit. Die ausschließliche Zuständigkeit, § 802, zur Erteilung der Durchsuchungsan- 22 ordnung liegt bei dem Amtsrichter desjenigen Gerichts, § 764, in dessen Bezirk die Durchsuchung stattfinden soll.50 Das gilt auch dann, wenn die Anordnung im Zusammenhang mit einer vom Prozessgericht angeordneten Inverwahrnahme steht.51 c) Entscheidung. Das Gericht prüft, ob die Vollstreckungsvoraussetzungen vorliegen und ob der 23 Eingriff verfassungsrechtlich geboten ist; neben dem Grundrecht des Schuldners aus Art. 13 GG ist auch der Verhältnismäßigkeits- und Erforderlichkeitsgrundsatz52 mit zu berücksichtigen sowie Art. 14 GG,53 der dem Gläubiger das Recht auf volle Befriedigung gewährleistet (,pacta sunt servanda‘).54 Dabei sollte bedacht werden, dass das Zwangsvollstreckungsrecht des achten Buches der ZPO in bewusster Abkehr des historischen Vorbildes eines ,gradus executionis‘ (Vor § 704 Rdn. 27) dem Gläubiger das Recht einräumt, auf jeden haftenden Gegenstand zuzugreifen,55 ohne an eine Reihenfolge gebunden zu sein. Mit dem Hinweis allein, dass der Gläubiger auf Forderungen des Schuldners zugreifen könne, kann der Erlass einer Anordnung daher nicht abgelehnt werden. Angesichts der mit der zweiten Zwangsvollstreckungsnovelle insgesamt angestrebten Effizi- 24 enzsteigerung56 ist – entgegen dem Bundesverfassungsgericht57 – eine Anhörung des Schuldners nicht erforderlich.58 Die Entscheidung des Gerichts ist daher eine solche des § 793, die infolgedessen mit der sofortigen Beschwerde angegriffen werden kann.59 Der Gläubiger wird von der

48 Brox/Walker Rdn. 328 etwa nehmen an, dass in dem Vollstreckungsauftrag bereits die Vollmachtserteilung enthalten sei. Dem ist im Hinblick auf die vom Gesetzgeber angestrebte Effizienzsteigerung und die in § 755 ohnedies vorgesehene Drittwirkung zuzustimmen. 49 So die überwiegende Ansicht zum deutschen Recht, vgl. LG Düsseldorf JurBüro 1983, 142 mit Anm. Mümmler. Weitere Nachweise bei Frank Vollstreckungsdurchsuchung und Grundgesetz, JurBüro 1983, 807. Anders der EuGH Slg. 1989, 2920; dazu Münzberg Das Verfahren des EuGH im Vergleich zum deutschen Zivilprozeß: Ansätze für einen europäischen Prozeß, in: Grunsky/Stürner/Walter/Wolf (Hrsg.) Wege zu einem europäischen Zivilprozeßrecht (1992), 79 f. Vgl. auch Schubert Durchsuchung gem. § 758 ZPO nur auf Grund richterlichen Durchsuchungsbefehls, MDR 1980, 366 f. 50 Vgl. OLG Hamm MDR 2015, 485; OLG Hamburg CR 2015, 608. 51 OLG Frankfurt JurBüro 1995, 609 (betr. Maßnahmen zur Sicherung eines Vernichtungsanspruchs nach § 18 MarkenG). 52 BVerfGE 57, 346. S. etwa AG Wittenberg BeckRS 2019, 54568 (betr. minderjährigen Schuldner). 53 S. auch Vor § 704 Rdn. 88. 54 Minimalforderungen sind daher kein Ablehnungsgrund für eine Durchsuchungsanordnung, OLG Düsseldorf NJW 1980, 1171; Stein/Jonas/Münzberg § 758 Rdn. 24; differenzierend Zöller/Seibel Rdn. 20. 55 Vgl. LG Bonn, Beschluss vom 16. Oktober 2017 – 4 T 347/17 –, juris. 56 Hierzu etwa Gehrlein Effektive Durchsetzung des Rechts des Gläubigers bei der zivilrechtlichen Vollstreckung, DZWIR 2019, 516. 57 BVerfG NJW 1981, 2111; OLG Hamm OLG-Report 2001, 317; OLG Celle vom 15.2.1983 8 W 78/83; LG Hannover DGVZ 1986, 62; LG Würzburg, Beschluss vom 9. August 2019 – 3 T 1223/19 –, juris; s. auch (zur Feststellung der Rechtswidrigkeit) BVerfG NJW 1999, 273; BVerfG NJW 1997, 2163; BGH NJW 1999, 739. 58 Wie hier Keller/Keller Kap. 2 Rdn. 244; Frank Vollstreckungsdurchsuchung und Grundgesetz, JurBüro 1983, 811 m.w.N. in Fn. 50. Diff. Stein/Jonas/Münzberg § 758 Rdn. 24. S. auch BVerfG WM 2015, 1968, wonach zumindest nachträglicher Rechtsschutz eingeräumt sein muss; s. auch LG Berlin, LG Berlin, Beschluss vom 1. September 2014 – 51 T 742/ 14 –, juris. 59 LG München JurBüro 1980, 776; OLG Hamm NJW 1984, 1972 (dazu – zust. – Cirullies Rechtsbehelf, Zustellung und rechtliches Gehör im Verfahren nach §§ 758, 761 ZPO, JurBüro 1984, 1297, und Anm. Drischler Rpfleger 1984, 152); OLG Stuttgart NJW-RR 1987, 759; Stein/Jonas/Münzberg § 758 Rdn. 23. A.A. KG NJW 1986, 1180; LG Karlsruhe NJW-RR 1986, 251

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Entscheidung, die einer kurzen Begründung bedarf60 formlos benachrichtigt wird, § 329 Abs. 2. Die (erlassene) Durchsuchungsanordnung wird dem Schuldner nicht zugestellt,61 sondern ist gemäß der nunmehr ausdrücklichen Anordnung des § 758a Abs. 5 lediglich bei Vollstreckungsbeginn vorzuzeigen. Zu der Anordnung nach Abs. 4 vgl. unten, Rdn. 33.

25 d) Weiteres Vorgehen. Sofern die Anordnung vorliegt, kann sich der Gerichtsvollzieher nunmehr – innerhalb eines angemessenen Zeitraums62 – Zugang zu der Wohnung des Schuldners verschaffen. Wird ihm jedoch erneut der Zutritt verweigert, kann er gewaltsam vorgehen, wenn er nur schon zuvor dies schriftlich angekündigt hat, § 61 Abs. 7 GVGA,63 vgl. Rdn. 21.64 Liegt eine Durchsuchungsanordnung bereits von einem früheren, nicht gescheiterten Vollstreckungsversuch vor,65 so ist diese zwar regelmäßig bereits verbraucht, doch kann sie dann ein weiteres Mal verwendet werden, wenn die vom Schuldner angegebenen Gründe für seine Zutrittsverweigerung im Wesentlichen die gleichen sind wie beim vorangegangenen Versuch. Der Gerichtsvollzieher vermerkt dies im Protokoll und zeigt sie dem Schuldner bei dem erneuten Vollstreckungsversuch vor. 26 Trifft der Gerichtsvollzieher den Schuldner nicht an, soll er mehrmals66 – und zu verschiedenen Tageszeiten67 – wiederkommen, bevor er dem Schuldner eine (postalische) Nachricht über die Durchsuchungsanordnung zukommen lassen kann. Ist der Schuldner zwischenzeitlich verzogen, kann die Durchsuchungsanordnung für die neue Wohnung verwendet werden.68

27 e) Umfang. Die richterliche Durchsuchungsanordnung berechtigt den Gerichtsvollzieher zur Vornahme aller Vollstreckungsmaßnahmen, die für die Ausführung des Gläubigerauftrages notwendig sind.69 Nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts ist ihm jedoch ein längeres Verweilen in der Wohnung ohne Einverständnis des Schuldners nicht gestattet, er kann also insbes. nicht zusätzlich für Gläubiger Pfändungsmaßnahmen vornehmen, die ihrerseits keine Durchsuchungs-

550. Zur selbständigen Anfechtbarkeit einer „verbrauchten“ Anordnung KG NJW-RR 1987, 126 (bejahend); LG Frankfurt NJW-RR 1987, 1343 (verneinend). 60 LG Köln DGVZ 1982, 91; KG DGVZ 1983, 72. 61 KG DGVZ 1986, 59, 114; LG Darmstadt DGVZ 1987, 86. 62 Zutreffend AG Kamenz DGVZ 2022, 266 – Tz. 8. Das LG Nürnberg-Fürth verlangt gar eine zeitliche Befristung der Entscheidung, BeckRS 2017, 152405. 63 Vgl. nur AG Königstein DGVZ 1987, 94. 64 Das Gebot der schriftlichen Anzeige gilt nur für den Zugang zur Wohnung als solcher. Verweigert der Schuldner dagegen den Zutritt zu einem Zimmer oder das Öffnen eines Behältnisses (Safe, Schmuckkassette, etc.), so bedarf es keiner schriftlichen Vorankündigung, wohl aber des vorwarnenden mündl. Hinw., dass Gewalt angewendet werde. Das verlangt der Erforderlichkeitsgrundsatz; dazu Wieser Der Grundsatz der Erforderlichkeit in der Zwangsvollstreckung, ZZP 100 (1987), 146. 65 Nach verbreiteter, etwa Zöller/Seibel Rdn. 19, jedoch abzulehnender Ansicht müssen zwischen den Versuchen sechs Monate liegen, und zwar selbst dann, wenn die frühere Durchsuchung gegen den Ehegatten des jetzigen Schuldners erfolgt, LG Hannover JurBüro 1987, 1568. 66 LG Düsseldorf DGVZ 1998, 157; LG Aachen DGVZ 1989, 172. 67 LG Hanau DGVZ 2006, 76; OVG Lüneburg SchlHA 1989, 194; vgl. auch LG Berlin DGVZ 1991, 90. 68 A.A. LG Köln DGVZ 1985, 91; Zöller/Seibel Rdn. 25. Zur Problematik Frank Vollstreckungsdurchsuchung und Grundgesetz, JurBüro 1983, 811; Bischof Die vollstreckungsrichterliche Durchsuchungsanordnung (§ 758 ZPO) – acht Jahre gerichtliche Praxis, RBeistand 1987, 135. 69 A.A. Kühne Wohnungsschutz bei der sogenannten gleichzeitigen Pfändung und der Räumungsvollstreckung nach der Entscheidung des BVerfG vom 3.4.1979, DGVZ 1979, 146; Frank Vollstreckungsdurchsuchung und Grundgesetz, JurBüro 1983, 807; Stein/Jonas/Münzberg § 758a Rdn. 27; Keller/Keller Kap. 2 Rdn. 243. Diese Autoren halten eine Beschränkung auf einzelne Gegenstände oder Räume für geboten. Paulus

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anordnung vorgelegt haben.70 Er kann Zimmer und sonstige Behältnisse öffnen, ohne dafür jeweils eine Durchsuchungsanordnung vorweisen zu müssen.

f) Kosten. Der Antrag auf Erlass der Durchsuchungsanordnung berechtigt nicht zu einer geson- 28 derten Anwaltsgebühr; er ist vielmehr von § 19 Abs. 2 Nr. 1 RVG erfasst.71 Desgleichen fallen keine Gerichtsgebühren an,72 wohl aber Zustellungsauslagen, für die jedoch keine Vorschusspflicht besteht,73 und sonstige Auslagen wie die für die hinzugezogenen Handwerker.74 g) „Unzeitige“ Vollstreckung, Abs. 4. Die Regelung des Abs. 4 tritt an die Stelle des bisherigen 29 § 761. Unbeschadet dieser wenig glücklichen systematischen Einordnung geht ihr Anwendungsbereich infolgedessen über den der Wohnungsvollstreckung hinaus und erfasst sämtliche Vollstreckungen – gleich ob sie innerhalb oder außerhalb der Wohnung bzw. gegen eine natürliche oder eine juristische Person vorgenommen werden. Im Einzelnen ist dabei zu beachten: Welche Tage zu den Sonn- und Feiertagen zählen, ergibt sich aus § 222; s. die Kommentierung 30 dort.75 Was unter Nachtzeit zu verstehen ist, ist nunmehr in Abs. 4 S. 2 eigens festgelegt. Die Vollstreckung zwischen 21 und 6 Uhr ist danach nur unter eingeschränkten, vom Gerichtsvollzieher eigenständig zu prüfenden Voraussetzungen zulässig;76 ein Verstoß hiergegen betrifft die durch § 766 sanktionierte Art und Weise der Zwangsvollstreckung. Soweit es sich demnach um eine Vollstreckung handelt, die außerhalb einer Wohnung vorzunehmen ist, darf sie uneingeschränkt vorgenommen werden, sofern nicht eine der beiden nachfolgenden Voraussetzungen erfüllt ist: Sie stellt eine unbillige Härte für den Schuldner und die Mitgewahrsamsinhaber dar. Das „und“ 31 ist nicht als ein kumulatives Erfordernis zu verstehen, sondern als ein alternatives; eine unbillige Härte allein gegenüber den Mitgewahrsamsinhabern genügt demnach, um das Verbot auszulösen. Die Vollstreckung zu den genannten Zeiten stellt für sich genommen ärgstenfalls eine Härte dar; unbillig – und damit verbotsbegründend – wird sie erst und nur durch das Hinzutreten weiterer Umstände. Diese lassen sich schwerlich in Form einer festgelegten Stufenabfolge erfassen; vielmehr sind sie einzelfallbezogen in die jeweils erforderliche Abwägung der involvierten Interessen einzustellen. So wird man bei bereits mehrfach ergebnislos verlaufenen Vollstreckungsversuchen die Hürde der Unbilligkeit höher zu stecken haben als bei einem ersten oder zweiten Versuch; ebenso bei einem Schuldner, der auf Grund seiner Arbeitszeit die „Schonzeiten“ dringender benötigt als bei einem, der diese Vorschrift offensichtlich zum Nachteil des Gläubigers instrumentalisiert. Zu den Umständen der genannten Art wird man schwerere Krankheiten77 oder Trauerfälle zu rechnen haben.

70 BVerfG JZ 1987, 834. Dazu etwa Gaul/Schilken/Becker-Eberhard § 26 Rdn. 53; Bittmann DGVZ 1989, 136. Zur „Verweildauer“ auch Rubel Grenzen der Unverletzlichkeit der Wohnung, JA 1988, 285; kritisch-satirisch Eich Der Gerichtsvollzieher, eine Pfändung, die Wohnung, das Bundesverfassungsgericht und die Zeit, DGVZ 1988, 9. Zum „trauten Heim“ Zuck Die Rechtsprechung des BVerfG im Jahre 1979, AnwBl. 1980, 478. Stein/Jonas/Münzberg § 758a Rdn. 17 hält eine Mitpfändung für die weiteren Gläubiger für zulässig. 71 AG Meldorf mit Anm. Mümmler JurBüro 1980, 388; vgl. auch ders. ebda., 834. Rechtspolitische Zweifel bei Hansens Des Anwalts Müh’ ist oft umsonst – Gebührenfrage zur Durchsuchungsanordnung nach § 758 ZPO, JurBüro 1984, 961. 72 Frank Vollstreckungsdurchsuchung und Grundgesetz, JurBüro 1983, 817. 73 Hansens Verfahrensrechtliche und kostenrechtliche Betrachtungen zur Durchsuchungsanordnung nach § 758 ZPO i.V.m. Art. 13 II GG, JurBüro 1987, 182. 74 Für finanzielle Verluste, die der Gläubiger dadurch erleidet, dass die Obdachlosenbehörde die Wiedereinweisung in die zu räumende Wohnung zu spät vornimmt, haftet diese aus § 839 BGB; zutr. LG Limburg DGVZ 1991, 75. A.A. LG Flensburg DGVZ 1991, 118. 75 Zur Abgrenzung von Feier- und Gedenktagen s. etwa VerfGH Thüringen, Beschluss vom 29. Juli 2021 – VerfGH 104/ 20 –, juris. 76 S. dazu auch BVerfG FamRZ 2022, 726 – Tz. 8; OVG NRW DVBl 2021, 1332 – Tz. 15. 77 Einfache Krankheiten genügen dagegen nicht; a.A. Thomas/Putzo/Seiler Rdn. 28. 253

Paulus

§ 759

Achtes Buch – Zwangsvollstreckung

Der zu erwartende Erfolg steht in einem Missverhältnis zu dem Eingriff. Um diese Relation abschätzen zu können, wird regelmäßig zuvor ein Vollstreckungsversuch stattgefunden haben müssen. Ist das nicht der Fall, müssen eindeutige Hinweise den Gerichtsvollzieher von der zu erwartenden Verhältnismäßigkeit überzeugen. Aber auch hier kann es richtigerweise keine starren Grenzen geben: Denn gewisslich wird man zu vollstreckende Kleinbeträge als den in dieser Alternative angesprochenen Prototyp eines Missverhältnisses zu verstehen haben. Abgesehen von der Relativität dessen, was verschiedene Schuldner und/oder Gläubiger unter Kleinbeträgen verstehen, kann auch ein derartiger Betrag zu den genannten Zeiten vollstreckt werden, wenn der Schuldner etwa nur zu diesem Zeiten präsent ist; anderenfalls würde die Realisierung des Vollstreckungstitels insgesamt in Frage gestellt.78 Freilich müssen in einem solchen Fall mehrere anderzeitige Vollstreckungsversuche vergeblich verlaufen sein. 33 Sofern die Vollstreckung jedoch in einer Wohnung, vgl. Rdn. 4, vorgenommen werden soll, benötigt der Gerichtsvollzieher zusätzlich zu der in Abs. 1 vorgesehenen richterlichen Anordnung eine weitere, die ihm den Zugang79 zu den genannten Zeiten ermöglicht. Beide Anordnungen können gleichzeitig beantragt und auch erlassen werden, müssen aber getrennt voneinander stehen – zweckmäßigerweise also auf verschiedenen Formularen.80 Obwohl das Gesetz keine besonderen Anforderungen an die in Abs. 4 genannte Anordnung stellt, ist sie auf den Antrag des Gläubigers hin doch nur dann zu erlassen, wenn dieser nachweist, dass eine Vollstreckung zu einer anderen Zeit keinen Erfolg verspricht; das ergibt sich aus der grundsätzlichen Unverletzlichkeit der Wohnung. Auch diese Anordnung bedarf keiner eigenen Zustellung, sondern es genügt für sie ebenfalls, dass der Gerichtsvollzieher sie bei der Zwangsvollstreckung dem Schuldner vorweist. Zwar widerspricht das dem Wortlaut des Abs. 5, der ausschließlich auf die Anordnung nach Abs. 1 verweist; doch ist unter dem Gebot der Effizienz kein Grund für eine unterschiedliche Handhabung der beiden richterlichen Verlautbarungen ersichtlich. 32

IV. Formulare (Abs. 6) 34 Zu der genannten elektronischen Bearbeitung s. § 298a. Das Bundesministerium der Justiz (BMJ) hat von der ihm eingeräumten Befugnis in Gestalt der Zwangsvollstreckungsformular-Verordnung (ZVFV)81 Gebrauch gemacht. Die Formulare sind über die Website des BMJ82 abrufbar. Deren Verwendung ist nicht obligatorisch.83

§ 759 Zuziehung von Zeugen Wird bei einer Vollstreckungshandlung Widerstand geleistet oder ist bei einer in der Wohnung des Schuldners vorzunehmenden Vollstreckungshandlung weder der Schuldner noch ein erwachsener Familienangehöriger, eine in der Familie beschäftigte Person oder ein er-

78 Zutreffend Zimmermann, Rdn. 4. 79 Restriktiver noch LG Berlin, wonach bereits für das Klingeln zur „Unzeit“ ein richterlicher Beschluss erforderlich sein soll, DGVZ 2016. 256.

80 A.A. etwa Keller/Keller Kap. 2 Rdn. 255. 81 Zuletzt geändert am 16.12.2022 BGBl. I S. 2368 (Nr. 52). 82 S. https://www.bmj.de/DE/Themen/FinanzenUndAnlegerschutz/ZwangsvollstreckungPfaendungsschutz/Formulare_ Zwangsvollstreckung.html?nn=6712350. 83 AA etwa AG Bad Segenberg SchlHA 2018, 388. S. auch BGH MDR 2019, 14; BGH MDR 2014, 801 (für das Verwaltungsvollstreckungsverfahren); dazu Sturm Entbindung vom Formularzwang – der BGH zeigt Praxisnähe, JurBüro 2014, 284. Bittmann https://doi.org/10.1515/9783110443158-042

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Abschnitt 1. Allgemeine Vorschriften

§ 759

wachsener ständiger Mitbewohner anwesend, so hat der Gerichtsvollzieher zwei erwachsene Personen oder einen Gemeinde- oder Polizeibeamten als Zeugen zuzuziehen. § 62 GVGA Widerstand gegen die Zwangsvollstreckung und Zuziehung von Zeugen (§§ 758 Abs. 3, 759 ZPO) (1) Findet der Gerichtsvollzieher Widerstand, so darf er unbeschadet der Regelung des § 61 Gewalt anwenden und zu diesem Zweck polizeiliche Unterstützung anfordern (§ 758 Absatz 3 ZPO). (2) Der Gerichtsvollzieher muss zu einer Vollstreckungshandlung zwei erwachsene Personen oder einen Gemeinde- oder Polizeibeamten als Zeugen zuziehen (§ 759 ZPO), wenn 1. Widerstand geleistet wird, 2. bei einer Vollstreckungshandlung in der Wohnung des Schuldners weder der Schuldner selbst noch eine zur Familie gehörige oder in seiner Familie beschäftigte erwachsene Person gegenwärtig ist. Als Zeugen sollen unbeteiligte und geeignet erscheinende Personen ausgewählt werden, die möglichst am Ort der Vollstreckung oder in dessen Nähe wohnen sollen. Die Zeugen haben das Protokoll mit zu unterschreiben (vergleiche § 63 Absatz 3). Den Zeugen ist auf Verlangen eine angemessene Entschädigung zu gewähren. Die Entschädigung richtet sich nach den Bestimmungen des Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes (JVEG). (3) Widerstand im Sinne dieser Bestimmungen ist jedes Verhalten, das geeignet ist, die Annahme zu begründen, die Zwangsvollstreckung werde sich nicht ohne Gewaltanwendung durchführen lassen. (4) Für die Anwendung unmittelbaren Zwangs zur Vollstreckung von Entscheidungen über die Herausgabe von Personen und die Regelung des Umgangs gilt § 156. § 133 GVGA (§§ 758 und 759 ZPO) Einen unberechtigten Widerstand des Schuldners muss der Gerichtsvollzieher unter Beachtung der §§ 758 und 759 ZPO – nötigenfalls mit Gewalt, jedoch unter Vermeidung jeder unnötigen Härte – überwinden. Die Zwangsmaßnahmen dürfen nicht über das zur Beseitigung des Widerstandes notwendige Maß hinausgehen.

I. Tatbestand Die Vorschrift erfasst zwei unabhängig voneinander zu sehende Fälle, die sich jedoch ohne 1 weiteres überschneiden können. Denn Widerstandsleistung ist innerhalb und außerhalb der Wohnung des Schuldners und auch durch andere Personen als den Schuldner, seine Familienangehörigen und Dienstpersonen denkbar. Widerstand bedeutet jedes Verhalten des Schuldners oder anderer Personen, das geeignet ist, 2 die Annahme zu begründen, die Zwangsvollstreckung werde sich nicht ohne Gewaltanwendung durchführen lassen (§ 62 Abs. 3 GVGA). Ausreichend ist es daher, wenn der Gerichtsvollzieher nach seiner Einschätzung mit Widerstand ernstlich rechnen muss, z.B. der Schuldner glaubhaft erklärt, er werde die Vollstreckungsmaßnahmen nicht dulden.1 Wird der Gerichtsvollzieher erst bei der Vornahme der Vollstreckungshandlung von Widerstandsleistung überrascht, ist die Vollstreckung zunächst, z.B. bis zum Eintreffen der Zeugen, abzubrechen.2 Ist Gefahr in Verzug (Vereitelung des Vollstreckungserfolgs) darf der Gerichtsvollzieher jedoch erforderliche Sicherungsmaßnahmen ergreifen, z.B. den Schuldner an der Flucht auch ohne Zeugen hindern.3 Sind Sicherungsmaßnahmen untunlich, weil eine Zuziehung von Zeugen in der gegebenen Situation unmöglich ist, darf der Gerichtsvollzieher bei Gefahr im Verzug die Vollstreckungshandlung auch ohne Zeugen vornehmen. Rein vorsorglich darf der Gerichtsvollzieher Zeugen nur hinzuziehen, um bei Widerstand die Vollstreckung nicht abbrechen zu müssen, wenn konkrete Umstände vorliegen, die es ausnahmsweise

1 Vgl. RGSt 24, 389. 2 OLG Frankfurt a.M. NJW-RR 2022, 1006, 1008. 3 BGHSt. 5, 93 = NJW 1954, 200 m.w.N. und OLG Hamburg JR 1955, 272. 255

Bittmann

§ 759

Achtes Buch – Zwangsvollstreckung

erforderlich erscheinen lassen, Zeugen hinzuzuziehen.4 Geschieht dies allerdings ohne konkrete Anhaltspunkte für einen zu erwartenden Widerstand, müssen die Zeugenentschädigungen weder vom Gläubiger noch vom Schuldner erstattet werden.5 3 In der Wohnung des Schuldners6 bedarf es der Zuziehung von Zeugen, wenn weder der Schuldner noch erwachsene Familienmitglieder oder erwachsene Dienstpersonen7 bei der Vollstreckungshandlung anwesend sind. Auch das Familienmitglied muss also erwachsen, aber nicht notwendig volljährig sein.8 In Ermangelung einer vom Gesetzgeber vorgegebenen festen Altersgrenze9 kommt es auf die im Einzelfall vom Gerichtsvollzieher festzustellende Einsichtsfähigkeit nach dem körperlichen und geistigen Entwicklungsstand an. Anwesenheit bedeutet Beobachtung der Vollstreckungshandlung, sodass bloße Anwesenheit in der Wohnung des Schuldners nicht ausreicht, wenn die bezeichneten Personen nicht dazu in der Lage oder nicht gewillt sind, der Vollstreckungshandlung selbst beizuwohnen.

II. Rechtsfolgen, Verstöße 4 Als Zeugen kommen nur „unbeteiligte“ Personen (§ 62 Abs. 2 S. 2 GVGA) in Betracht, daher nicht der Gläubiger als Partei oder dessen Vertreter.10 Gegen die Zuziehung sonstiger Personen, wie z.B. des die Wohnung öffnenden Schlossers oder Fotografen,11 beim Gerichtsvollzieher beschäftigter Personen, Polizeibeamte12 oder anderer Gerichtsvollzieher bestehen dagegen keine Bedenken. Die Unterschrift der Zeugen unter das Protokoll ist gemäß § 762 Abs. 2 Nrn. 3, 4 entsprechend dem Sicherungszweck der Vorschrift erforderlich; sie gehören demnach zu den Personen, mit welchen im Sinne des § 762 Abs. 2 Nr. 3 „verhandelt“ wird (§ 63 Abs. 3 S. 3 GVGA). § 759 ist einerseits zwingend („hat“), Verstöße bleiben aber andererseits im Hinblick auf den 5 reinen Ordnungscharakter der Vorschrift sanktionslos. Dies entspricht h.M. soweit die Vollstreckung betroffen ist: Verstöße bewirken weder Nichtigkeit noch Anfechtbarkeit der ohne erforderliche Zuziehung von Zeugen vorgenommenen Vollstreckungshandlungen.13 Es muss aber auch für den Bereich des Strafrechts in dem Sinne gelten, dass das Verhalten des Gerichtsvollziehers unter Verstoß gegen § 759 nicht als (strafbar) rechtswidrig angesehen werden kann, gegen das sich der Schuldner unter Berufung auf Notwehr mit Gewalt widersetzen dürfte.14 Denn der Gerichtsvollzieher ist berechtigt – und dem Gläubiger gegenüber zur Vermeidung der Amtshaftung auch verpflichtet – bei Gefahr der Vereitelung des Vollstreckungserfolgs und Unmöglichkeit der rechtzeitigen Beiziehung von Zeugen die Vollstreckung auch ohne Beiziehung durchzuführen (s.o. Rdn. 2). 4 OLG Frankfurt a.M. NJW-RR 2022, 1006, 1008; LG Bremen JurBüro 2016, 552; MünchKomm/Heßler § 759 Rdn. 5; BeckOK/Ulrici § 759 Rdn. 1.1.

5 LG Bremen JurBüro 2016, 552; LG Koblenz DGVZ 1987, 58; a.A. AG Berlin-Neukölln DGVZ 1986, 78. 6 Vgl. zum Begriff § 758 Rdn. 6 f. 7 Diese Begriffe haben hier dieselbe Bedeutung wie bei der Anwendung des § 178 Abs. 1 Nr. 1; nichteheliche Lebensgefährten sind keine Familienmitglieder, auch nicht im Sinne des § 759 (a.A. MünchKomm/Heßler § 759 Rdn. 11).

8 AG Limburg DGVZ 1975, 174. 9 Schüler DGVZ 1970, 81 ff. will dennoch Kinder unter 15 Jahren generell als nicht erwachsen i.S. der Vorschrift einstufen. 10 Vgl. Thomas/Putzo/Seiler § 759 Rdn. 3; MünchKomm/Heßler § 759 Rdn. 20; a.A. die wohl h.M.: Stein/Jonas/Münzberg § 759 Rdn. 3; Anders/Gehle/Vogt-Beheim § 759 Rdn. 8; Zöller/Seibel § 759 Rdn. 3 (Zuziehung des Gläubigers „sollte“ allerdings vermieden werden). 11 Anders/Gehle/Vogt-Beheim § 759 Rdn. 8; a.A. AG Brühl DGVZ 2017, 21 mit ablehnender Anmerkung Hippeli. 12 A.A. MünchKomm/Heßler § 759 Rdn. 14: Konfliktsituation. 13 Vgl. Stein/Jonas/Münzberg § 759 Rdn. 2 m.w.N. auch zur früher herrschenden Gegenmeinung; MünchKomm/Heßler § 759 Rdn. 28 f. (Hinweis auf Fehlen einer fortwirkenden Beschwer); Thomas/Putzo/Seiler § 759 Rdn. 5; a.A. Gaul/Schilken/Becker-Eberhard § 26 Rdn. 75. 14 So aber im Anschluss an BGHSt 5, 93 = NJW 1954, 200 die h.M.: vgl. LG Konstanz DGVZ 1984, 119; Stein/Jonas/ Münzberg § 759 Rdn. 2; MünchKomm/Heßler § 759 Rdn. 27. Bittmann

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Abschnitt 1. Allgemeine Vorschriften

§ 760

Er würde einem unzumutbaren Risiko ausgesetzt, wenn sich der Schuldner dagegen vermeintlich auf ein Notwehrrecht berufen könnte.

III. Gebühren, Kosten Bei der Hinzuziehung von Zeugen handelt es sich um ein gebührenfreies Nebengeschäft des 6 Gerichtsvollziehers. Zeugen können nicht zwangsverpflichtet werden, und stehen daher (mit Ausnahme der Gemeinde- und Polizeibeamten und der Angestellten im öffentlichen Dienst) regelmäßig nur gegen angemessene Entschädigung zur Verfügung. Diese orientiert sich am JVEG (vgl. § 62 Abs. 2 S. 5 GVGA). Die hierdurch entstehenden Auslagen (Nr. 703 KV-GvKostG) fallen unter § 788.

§ 760 Akteneinsicht; Aktenabschrift 1

Jede Person, die bei dem Vollstreckungsverfahren beteiligt ist, muss auf Begehren Einsicht der Akten des Gerichtsvollziehers gestattet und Abschrift einzelner Aktenstücke erteilt werden. 2Werden die Akten des Gerichtsvollziehers elektronisch geführt, erfolgt die Gewährung von Akteneinsicht durch Erteilung von Ausdrucken, durch Übermittlung von elektronischen Dokumenten oder durch Wiedergabe auf einem Bildschirm; dies gilt auch für die nach § 885a Absatz 2 Satz 2 elektronisch gespeicherten Dateien.

Schrifttum Elias Abschriftliche Übersendung von Protokollen der Zwangsvollstreckung an nicht anwesenden Gläubiger von Amts wegen, DGVZ 1975, 33; Ewers Protokollabschrift für nicht anwesenden Gläubiger von Amts wegen, DGVZ 1974, 104; Krauthausen Die Protokollabschrift und § 168 Nr. 3 GVGA nF, DGVZ 1991, 139; Nies Unbeantragte Erteilung von Protokollabschriften bei der Anheimgabe von Beschlußerwirkungen gem. §§ 758, 761 ZPO, DGVZ 1994, 51; Paschold/Paschold Sind die Abschriften des Zwangsvollstreckungsprotokolls des Gerichtsvollziehers nur auf Antrag zu beglaubigen? DGVZ 1992, 34.

Übersicht I.

Allgemeines

1

II.

Anspruchsinhaber und Anspruchsgegen2 stand

III.

Antragserfordernis

IV.

Sonstiges

4

5

I. Allgemeines Hintergrund von § 760 ist die Gewährleistung des Rechts der Beteiligten des Vollstreckungsverfah- 1 rens, über den Verfahrensstand informiert zu sein und den Gerichtsvollzieher zu kontrollieren. Dieses Recht wird flankiert durch die Vorschrift des § 763.1

1 Vgl. BGH NJW-RR 2004, 788; LG Tübingen DGVZ 2020, 150; Musielak/Voit/Lackmann § 760 Rdn. 1; BeckOK/Ulrici § 760 Rdn. 1. 257 https://doi.org/10.1515/9783110443158-043

Bittmann

§ 760

Achtes Buch – Zwangsvollstreckung

II. Anspruchsinhaber und Anspruchsgegenstand 2 Anspruch auf Akteneinsicht und -abschrift haben nur Beteiligte (und deren Bevollmächtigte), also die Parteien der Zwangsvollstreckung (Vollstreckungsgläubiger und -schuldner), ihre Rechtsnachfolger sowie Dritte, deren Rechtsstellung durch die Vollstreckung betroffen ist. Dabei handelt es sich um solche Personen, die ihre Rechte als Widerspruchs- oder Vorzugskläger (§§ 771 f., 805, 810 Abs. 2) oder als Erinnerungsführer (§ 766) geltend machen könnten. 3 Die Akten des Gerichtsvollziehers bestehen aus den General-, Sonder- und Sammelakten (§§ 38–40 GVO), wobei jedoch in aller Regel nur eine Einsichtnahme in die die einzelnen Aufträge betreffenden Sonderakten in Frage kommen dürfte.2 Das Einsichts- und Abschriftsrecht der Beteiligten bezieht sich auf alle Bestandteile der Akten, also auch auf Parteischriftstücke. Die Einsichtnahme muss in Anwesenheit des Gerichtsvollziehers geschehen (§ 42 Abs. 1 S. 4 GVO), Aufzeichnungen dürfen aber gemacht werden, zumal eine Aktenversendung nicht möglich ist.3 Nach verbreiteter Meinung4 gehören auch die (Dienst-)Register (§ 47 GVO) des Gerichtsvollziehers zu den Akten, obwohl diese nach der Systematik der GVO Bestandteil der Buchführung sind (§§ 44 ff. GVO). Im Hinblick auf das informationelle Selbstbestimmungsrecht der Beteiligten anderer Aufträge kann dem nur für Registereinträge gefolgt werden, für die der Antragsteller selbst Beteiligter ist; aus dem Register dürfen daher nur Auszüge, keine Abschriften erteilt werden.5 Die vom Gerichtsvollzieher zu erteilenden Abschriften sind von ihm aus Gründen der Zweckmäßigkeit generell zu beglaubigen.6

III. Antragserfordernis 4 Nach dem klaren Wortlaut der Vorschrift („auf Begehren“) werden Abschriften einzelner Aktenstücke nur auf Antrag erteilt. Das gilt auch für das Pfändungsprotokoll (§ 86 Abs. 5 GVGA). Auch an den Gläubiger darf daher nicht von Amts wegen – verbunden mit einer entsprechenden Belastung mit Schreibgebühren (Nr. 700 KV-GvKostG) – übersendet werden (argumentum e contrario § 763 Abs. 2).7 In der Stellung des Vollstreckungsantrags darf nicht zugleich ein (stillschweigender) Antrag auf Übersendung einer Abschrift des Vollstreckungsprotokolls gesehen werden, da ein solcher Antrag ausdrücklich erfolgen muss.8 Da der Gläubiger aber andererseits auch formlose (nicht gebührenpflichtige) Bescheinigungen über das Vollstreckungsergebnis nicht verlangen kann,9 empfiehlt es sich, dass der Gläubiger bereits im Vollstreckungsantrag die Übersendung des Protokolls nach § 762 beantragt. Wird für mehrere Gläubiger vollstreckt, muss jeder einen gesonderten Antrag stellen, um eine Teilabschrift des gemeinsamen10 Protokolls mit den ihn betreffenden Daten zu erhalten; will ein Gläubiger eine vollständige Protokollabschrift auch mit den Namen und Forderungen der anderen beteiligten Gläubiger erhalten, muss er dies ausdrücklich 2 MünchKomm/Heßler § 760 Rdn. 4 befürwortet auch die Einsichtnahme in Sammelakten, soweit sich dort mehrere Angelegenheiten betreffende Unterlagen befinden.

3 Vgl. AG Berlin-Charlottenburg DGVZ 1978, 159. 4 Stein/Jonas/Münzberg § 759 Rdn. 1; Thomas/Putzo/Seiler § 760 Rdn. 2; a. A. MünchKomm/Heßler § 760 Rdn. 4; Zöller/ Seibel § 760 Rdn. 1 .

5 So auch Stein/Jonas/Münzberg § 759 Rdn. 1. 6 Paschold/Paschold DGVZ 1992, 34, 39. 7 Vgl. OLG Hamm Rpfleger 1971, 112 und DGVZ 1977, 40; LG Hamburg DGVZ 1974, 140; LG Köln MDR 1974, 1024; a.A. Elias DGVZ 1975, 33; Mager DGVZ 1989, 182; davon unberührt bleibt allerdings die Pflicht des Gerichtsvollziehers zur Unterrichtung des Gläubigers über die Auftragserledigung (§ 34 GVGA). 8 Vgl. § 63 Abs. 6 GVGA; a.A. AG Ludwigshafen DGVZ 1971, 91; Seip DGVZ 1974, 170 ff.; Nies DGVZ 1994, 51 ff., für den Fall, dass Beschlüsse nach §§ 758, 761 vom Gläubiger zu erwirken sind. 9 Vgl. OLG Hamm DGVZ 1977, 41; LG Dortmund DGVZ 1975, 74 (formlose Fruchtlosigkeitsbescheinigung); Ewers DGVZ 1974, 104 ff.; a.A. LG Hannover DGVZ 1981, 39; LG Köln DGVZ 1995, 171; Mümmler DGVZ 1973, 149, 154. 10 Vgl. § 762 Rdn. 3. Bittmann

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Abschnitt 1. Allgemeine Vorschriften

§ 762

beantragen.11 Auf die Möglichkeit der Antragstellung nach § 760 ist der Gläubiger vom Gerichtsvollzieher ggf. hinzuweisen.12

IV. Sonstiges Gegen die Ablehnung von Akteneinsicht und Erteilung von Abschriften kann der Beteiligte Voll- 5 streckungserinnerung (§ 766) einlegen. Gegen die Gewährung von Akteneinsicht und Erteilung von Abschriften kann ein Beteiligter Erinnerung einlegen, wenn der Gerichtsvollzieher dadurch gegen seine Pflicht verstößt, die Akten vor Einsichtnahme durch Unbeteiligte zu schützen (§ 43 Abs. 1 GVO).13 Die Akteneinsicht beim Vollstreckungsgericht (§ 764) bestimmt sich entsprechend der das Erkenntnisverfahren betreffenden Vorschrift des § 299.

§ 761 (weggefallen) § 762 Protokoll über Vollstreckungshandlungen (1) Der Gerichtsvollzieher hat über jede Vollstreckungshandlung ein Protokoll aufzunehmen. (2) Das Protokoll muss enthalten: 1. Ort und Zeit der Aufnahme; 2. den Gegenstand der Vollstreckungshandlung unter kurzer Erwähnung der wesentlichen Vorgänge; 3. die Namen der Personen, mit denen verhandelt ist; 4. die Unterschrift dieser Personen und den Vermerk, dass die Unterzeichnung nach Vorlesung oder Vorlegung zur Durchsicht und nach Genehmigung erfolgt sei; 5. die Unterschrift des Gerichtsvollziehers. (3) Hat einem der unter Nummer 4 bezeichneten Erfordernisse nicht genügt werden können, so ist der Grund anzugeben. § 63 GVGA Protokoll (§§ 762, 763 ZPO) (1) Der Gerichtsvollzieher muss über jede Vollstreckungshandlung ein Protokoll nach den Vorschriften der §§ 762 und 763 ZPO aufnehmen; dies gilt auch für versuchte Vollstreckungshandlungen und vorbereitende Tätigkeiten. Vollstreckungshandlungen sind alle Handlungen, die der Gerichtsvollzieher zum Zweck der Zwangsvollstreckung vornimmt, auch das Betreten der Wohnung des Schuldners und ihre Durchsuchung, die Aufforderung zur Zahlung (§ 59 Absatz 2) und die Annahme der Zahlung, die nachträgliche Wegschaffung der gepfändeten Sachen und ihre Verwertung. Das Protokoll muss den Gang der Vollstreckungshandlung unter Hervorhebung aller wesentlichen Vorgänge angeben. Die zur Vollstreckungshandlung gehörenden Aufforderungen und Mitteilungen des Gerichtsvollziehers und die Erklärungen des Schuldners oder eines anderen Beteiligten sind vollständig in das Protokoll aufzunehmen (zum Beispiel das Vorbringen des Schuldners zur glaubhaften Darlegung seiner Ratenzahlungsfähigkeit nach § 802b ZPO). Ist die Zwangsvollstreckung von einer Zug um Zug zu bewirkenden Gegenleistung abhängig, beurkundet der Gerichtsvollzieher das Angebot und die Erklärung des Schuldners in dem Pfändungsprotokoll oder in einem besonderen Protokoll (§§ 756, 762, 763 ZPO).

11 § 117 Abs. 2 S. 3, 2. Hs. GVGA; einschränkend Krauthausen DGVZ 1991, 133, der das Erfordernis einer ausdrücklichen Antragstellung nur für die Fälle der erfolglosen Vollstreckung gelten lassen will.

12 OLG Bremen DGVZ 1971, 8. 13 MünchKomm/Heßler § 760 Rdn. 18. 259 https://doi.org/10.1515/9783110443158-045

Bittmann

§ 762

Achtes Buch – Zwangsvollstreckung

(2) Der Schuldtitel, auf Grund dessen vollstreckt wird, ist genau zu bezeichnen. Bleibt die Vollstreckung ganz oder teilweise ohne Erfolg, so muss das Protokoll erkennen lassen, dass der Gerichtsvollzieher alle zulässigen Mittel versucht hat, dass aber kein anderes Ergebnis zu erreichen war. Bei dem erheblichen Interesse des Gläubigers an einem Erfolg der Zwangsvollstreckung darf der Gerichtsvollzieher die Vollstreckung nur nach sorgfältiger Prüfung ganz oder teilweise als erfolglos bezeichnen. (3) Das Protokoll ist im unmittelbaren Anschluss an die Vollstreckungshandlungen und an Ort und Stelle aufzunehmen. Werden Abweichungen von dieser Regel notwendig, so sind die Gründe hierfür im Protokoll anzugeben. Das Protokoll ist auch von den nach § 759 ZPO zugezogenen Zeugen zu unterschreiben (§ 762 Nummer 3 und 4 ZPO). Nimmt das Geschäft mehrere Tage in Anspruch, so ist das Protokoll an jedem Tage abzuschließen und zu unterzeichnen. (4) Im Übrigen sind die allgemeinen Bestimmungen über die Beurkundungen des Gerichtsvollziehers zu beachten (vergleiche § 7). Der Dienststempelabdruck braucht dem Protokoll nicht beigefügt zu werden. (5) Kann der Gerichtsvollzieher die zur Vollstreckungshandlung gehörenden Aufforderungen und sonstigen Mitteilungen nicht mündlich ausführen, so übersendet er demjenigen, an den die Aufforderung oder Mitteilung zu richten ist, eine Abschrift des Protokolls durch gewöhnlichen Brief. Der Gerichtsvollzieher kann die Aufforderung oder Mitteilung auch unter entsprechender Anwendung des § 191 ZPO in Verbindung mit §§ 173, 178 bis 181 ZPO zustellen. Er wählt die Zustellung jedoch nur, wenn andernfalls ein sicherer Zugang nicht wahrscheinlich ist. Die Befolgung dieser Vorschriften muss im Protokoll vermerkt sein. Bei der Übersendung durch die Post bedarf es keiner weiteren Beurkundung als dieses Vermerks. Eine öffentliche Zustellung findet nicht statt. (6) Sofern nichts anderes vorgeschrieben ist, darf der Gerichtsvollzieher Abschriften von Protokollen nur auf ausdrücklichen Antrag erteilen. § 86 GVGA Besondere Vorschriften über das Pfändungsprotokoll (§§ 762, 763 ZPO) (1) Das Pfändungsprotokoll muss enthalten: 1. ein genaues Verzeichnis der Pfandstücke unter fortlaufender Nummer, geeignetenfalls mit Angabe der Zahl, des Maßes, des Gewichts, der besonderen Merkmale und Kennzeichen der gepfändeten Sachen (zum Beispiel Fabrikmarke, Baujahr, Typ, Fabriknummer und dergleichen) nebst den vom Gerichtsvollzieher oder einem Sachverständigen geschätzten gewöhnlichen Verkaufswerten; 2. eine Beschreibung der angelegten Pfandzeichen; 3. den wesentlichen Inhalt der Eröffnungen, die dem Schuldner oder den in § 81 Absatz 1 Satz 2 bezeichneten Personen gemacht sind. Es soll ferner den Inhalt der angebrachten Pfandanzeigen sowie den Inhalt der Vereinbarungen wiedergeben, die mit einem Hüter (§ 82 Absatz 2) getroffen sind. (2) Werden Pfandstücke aus dem Gewahrsam des Schuldners entfernt, so ist dies im Protokoll zu begründen. 2Auch ist anzugeben, welche Maßnahmen für die Verwahrung der Pfandstücke getroffen sind (vergleiche § 90 Absatz 2). (3) Das Protokoll hat auch die Angaben der Zeit und des Ortes des Versteigerungstermins oder die Gründe zu enthalten, aus denen die sofortige Ansetzung des Versteigerungstermins unterblieben ist (vergleiche § 92). (4) Sind dieselben Sachen gleichzeitig für denselben Gläubiger gegen denselben Schuldner auf Grund mehrerer Schuldtitel gepfändet, so ist nur ein Protokoll aufzunehmen. In diesem sind die einzelnen Schuldtitel genau zu bezeichnen. (5) Eine Abschrift des Pfändungsprotokolls ist zu erteilen: 1. dem Gläubiger, wenn er es verlangt, 2. dem Schuldner, wenn er es verlangt oder wenn die Vollstreckung in seiner Abwesenheit stattgefunden hat. Die Absendung ist auf dem Protokoll zu vermerken. (6) Kann eine Pfändung überhaupt nicht oder nicht in Höhe der beizutreibenden Forderung erfolgen, weil der Schuldner nur Sachen besitzt, die nicht gepfändet werden dürfen oder nicht gepfändet werden sollen oder von deren Verwertung ein Überschuss über die Kosten der Zwangsvollstreckung nicht zu erwarten ist, so genügt im Protokoll der allgemeine Hinweis, dass eine Pfändung aus diesen Gründen unterblieben ist. Abweichend von Satz 1 sind im Protokoll zu verzeichnen: 1. Sachen, deren Pfändung vom Gläubiger ausdrücklich beantragt war, unter Angabe der Gründe, aus denen der Gerichtsvollzieher von einer Pfändung abgesehen hat, 2. die Art der Früchte, die vom Boden noch nicht getrennt sind, und die gewöhnliche Zeit der Reife, wenn eine Pfändung noch nicht erfolgen durfte (§ 810 Absatz 1 Satz 2 ZPO),

Bittmann

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Abschnitt 1. Allgemeine Vorschriften

§ 762

3.

Art, Beschaffenheit und Wert der Sachen, wenn eine Austauschpfändung (§ 811a ZPO) in Betracht kommt, unter Angabe der Gründe, aus denen der Gerichtsvollzieher von einer vorläufigen Austauschpfändung (§ 811b ZPO) abgesehen hat, 4. Art und Wert eines Tieres, das im häuslichen Bereich und nicht zu Erwerbszwecken gehalten wird, wenn dessen Pfändung in Betracht kommt (§ 811 Absatz 3 ZPO). Sind bereits Entscheidungen des Vollstreckungsgerichts ergangen, durch die die Unpfändbarkeit vergleichbarer Sachen festgestellt wurde, so soll sie der Gerichtsvollzieher im Protokoll erwähnen, soweit sie für den Gläubiger von Belang sind.

Schrifttum Holch Vollstreckungsprotokoll für mehrere Gläubiger, DGVZ 1988, 177; Holch Müssen unpfändbare Sachen ins Protokoll? DGVZ 1993, 145; Midderhoff Protokoll bei fruchtloser Pfändung, DGVZ 1983, 4; Krauthausen Die Protokollabschrift und § 168 Nr. 3 GVGA nF, DGVZ 191, 133; Schüler Protokoll über erfolglose Pfändung, DGVZ 1993, 81; Wolf Der Ärger mit dem Gerichtsvollzieherprotokoll, InVo 2006, 341.

Übersicht I.

Allgemeines

1

II.

Erforderlichkeit (Abs. 1)

2

III.

Inhalt (Abs. 2, 3)

IV.

Wirkung

4

6

I. Allgemeines Wie §§ 760, 763 dient § 762 der Transparenz des Vollstreckungsverfahrens und der Kontrolle 1 des Gerichtsvollziehers.1 § 762 wird ferner ergänzt durch mehrere Vorschriften der GVGA zu Inhalt und Form des zu fertigenden Protokolls.

II. Erforderlichkeit (Abs. 1) Ein Protokoll ist nach Abs. 1 vom Gerichtsvollzieher über jede Vollstreckungshandlung aufzu- 2 nehmen. Vollstreckungshandlungen in diesem Sinne sind nicht nur Zwangsmittel wie z.B. Pfändungen und Verhaftungen, sondern alle Maßnahmen, die der Gerichtsvollzieher zum Zwecke der Zwangsvollstreckung vornimmt, also auch das Betreten und Durchsuchen der Wohnung des Schuldners, die Aufforderung zur Zahlung und die Annahme der Zahlung sowie – unabhängig von der Notwendigkeit den Vorgang gemäß § 60 Abs. 3 S. 1 GVGA aktenkundig zu machen – die Auslieferung der Ausfertigung, die nachträgliche Wegschaffung gepfändeter Sachen und ihre Verwertung (§ 63 Abs. 1 S. 2 GVGA). Reine Vorbereitungshandlungen, wie z.B. Suchen der Wohnung des Schuldners, vergebliches Klingeln an der Wohnungstür des Schuldners und die Zustellung gerichtlicher Vollstreckungsakte (z.B. nach § 829), scheiden dagegen aus.2 Das Protokoll soll im unmittelbaren Anschluss an die Vollstreckungshandlung aufgenom- 3 men werden (§ 63 Abs. 3 GVGA). Wird aufgrund mehrerer Titel für denselben Gläubiger gegen denselben Schuldner vollstreckt, ist nur ein Protokoll aufzunehmen (§ 86 Abs. 4 GVGA).3 Dassel-

1 Vgl. Musielak/Voit/Lackmann § 762 Rdn. 1; MünchKomm/Heßler § 762 Rdn. 1. 2 Vgl. Stein/Jonas/Münzberg § 762 Rdn. 1 m.w.N.; a.A. AG Neuwied DGVZ 1998, 94 für den Fall des (wiederholten?) Nichtantreffens des Schuldners.

3 MünchKomm/Heßler § 762 Rdn. 16. 261

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§ 762

Achtes Buch – Zwangsvollstreckung

be gilt, wenn für mehrere Gläubiger gleichzeitig vollstreckt wird.4 Auf ausdrücklichen Antrag des Gläubigers ist diesem jedoch eine Abschrift des Gesamtprotokolls zu erteilen.5

III. Inhalt (Abs. 2, 3) 4 Der Inhalt des Protokolls ergibt sich aus Abs. 2, 3 und § 763 Abs. 1. Während die Anforderungen nach Abs. 2 Nrn. 1, 3, 4,6 5 und nach Abs. 3 eindeutig sind, überlässt Abs. 2 Nr. 2 dem Gerichtsvollzieher einen weiten Spielraum bei der Beurteilung dessen, was zu den „wesentlichen Vorgängen“ der protokollierten Vollstreckungshandlung gehört. Die GVGA enthalten lediglich punktuelle Regelungen.7 Im Übrigen sind allgemeinverbindliche Vorgaben kaum möglich, der Umfang der Angaben richtet sich nach den Verhältnissen und Besonderheiten des Einzelfalls.8 Als Richtschnur ist darauf abzustellen, ob der aufzunehmende Umstand für die Rechtmäßigkeit der Vollstreckungshandlung sowie das Handeln des Gerichtsvollziehers maßgeblich ist.9 Nur dies ermöglicht es, dem Gesetzeszweck entsprechend, den Gerichtsvollzieher zu kontrollieren und das Vollstreckungsverfahren transparent zu gestalten. Jedenfalls ist die genaue Bezeichnung des oder der Schuldtitel als Vollstreckungsgrundlage erforderlich (§§ 63 Abs. 2 S. 1, 86 Abs. 4 S. 2 GVGA). Falls die Vollstreckung zur Pfändung führt, ist der „Gegenstand der Vollstreckungshandlung“ in Form der gepfändeten Sachen im dann zu erstellenden Pfändungsprotokoll anzugeben, d.h. genau zu verzeichnen, zu beschreiben, zu schätzen, etc. (§ 86 Abs. 1–3 GVGA). 5 Fraglich ist bei der Anwendung des Abs. 2 Nr. 2 insbesondere, welchen Umfang der Inhalt des Protokolls haben muss, wenn eine Vollstreckung ganz oder teilweise erfolglos war.10 Denn der Gläubiger hat Anspruch darauf, zu erfahren, weshalb die Vollstreckung fruchtlos geblieben ist (vgl. § 63 Abs. 2 S. 2, 3 GVGA). Andererseits darf der Gerichtsvollzieher nicht zu nutzloser Schreibund Dokumentationsarbeit gezwungen werden. Er darf sich daher bei erfolglosen Pfändungen grundsätzlich mit der allgemeinen Bemerkung begnügen, dass der Schuldner keine Sachen oder nur solche Sachen besitzt, die der Pfändung nicht unterworfen sind oder von deren Verwertung kein Überschuss über die Kosten der Zwangsvollstreckung zu erwarten ist (§ 86 Abs. 6 S. 1 GVGA). In keinem Fall ist er gezwungen, im Protokoll sämtliche vorgefundenen Sachen einzeln aufzuführen. Bei ausdrücklicher Weisung des Gläubigers ist er allerdings verpflichtet, die an sich pfändbaren Sachen einzeln aufzuführen und zu bewerten sowie die unpfändbaren Sachen nach Art und Zahl bzw. Menge zu bezeichnen, damit der Gläubiger die Voraussetzungen der §§ 803 Abs. 2, 812 nachprüfen bzw. beurteilen kann, ob die Pfändung zu Recht (z.B. nach §§ 810 Abs. 1 S. 2, 811) unterlassen wurde.11 Sollte aus § 86 Abs. 6 GVGA etwas anderes herleitbar sein, z.B. eine Obliegenheit des Gläubigers, die Sachen, deren Pfändung er nach S. 2 Nr. 1 beantragt, einzeln zu bezeichnen, wäre dies unbeachtlich, da dies das gesetzlich geschützte Vollstreckungs- und Informationsinteresse des Gläubigers übermäßig beeinträchtigen würde. 4 AG Hannover DGVZ 1975, 158; Holch DGVZ 1988, 177 m.w.N.; vgl. zur Frage der Erteilung von Teilabschriften mit den den jeweiligen Gläubiger betreffenden Daten § 760 Rdn. 4.

5 LG Nürnberg DGVZ 1981, 120; MünchKomm/Heßler § 762 Rdn. 18; Holch DGVZ 1988, 177, 178. 6 Auch die Unterschrift der nach § 759 hinzugezogenen Zeugen ist erforderlich: vgl. dort Rdn. 4. 7 Z.B. in den §§ 61, 87 Abs. 2, 88, 90 Abs. 2, 4, 102 Abs. 4, 116 Abs. 3 S. 5, 123 Abs. 3, 124 Abs. 3 S. 2. 8 LG Lübeck JurBüro 1989, 262. 9 MünchKomm/Heßler § 762 Rdn. 10. 10 Vgl. zum Problem Midderhoff DGVZ 1983, 4 und Schüler DGVZ 1983, 81. 11 Vgl. OLG Bremen NJW-RR 1989, 1407 unter Hinweis auf die zulässige Konkretisierung des § 762 Abs. 2 Nr. 2 durch die seinerzeitige Fassung des § 135 Nr. 6 GVGA a.F.; LG Traunstein Rpfleger 1988, 198; LG Hannover MDR 1989, 745; LG Saarbrücken DGVZ 1994, 30; LG Göttingen DGVZ 1994, 89; Behr NJW 1992, 2738, 2742; unklar dagegen OLG Oldenburg JurBüro 1989, 261; a.A. LG Bonn DGVZ 1993, 41; LG Detmold DGVZ 1994, 119; AG Westerburg DGVZ 1992, 124; AG Hanau DGVZ 1995, 77; AG Reinbek DGVZ 1998, 61; Holch DGVZ 1993, 145, 146 (allgemeine Feststellung des Gerichtsvollziehers, dass keine pfändbaren Sachen vorhanden sind, reicht auch bei Gläubigerverlangen nach einem ausführlichen Protokoll aus) und wohl auch Seip NJW 1994, 352, 356. Bittmann

262

Abschnitt 1. Allgemeine Vorschriften

§ 763

IV. Wirkung Der Gerichtsvollzieher hat das Protokoll unter Angabe seiner Amtsfunktion und seines Dienstsitzes eigenhändig zu unterschreiben und bei den Akten zu verwahren (vgl. Abs. 2 Nr. 5). Das Protokoll hat die Beweiskraft einer öffentlichen Urkunde gemäß §§ 415, 418,12 wenn die Anforderungen nach Abs. 2 Nrn. 1, 3, 4 und 5 einschließlich der eventuell erforderlichen Angabe von Gründen für einen Mangel bei Abs. 2 Nr. 4 gemäß Abs. 3 erfüllt sind. Im Hinblick auf die im Einzelfall nicht mit Bestimmtheit festzulegende „Wesentlichkeit“ von Vorgängen gilt dies nicht für die Erfüllung der Anforderungen des Abs. 2 Nr. 2, da sonst nahezu jedes Protokoll hinsichtlich seiner Beweiskraft in Frage gestellt werden könnte. Die Beweiskraft des Protokollinhalts ist zusätzlich dadurch abgesichert, dass sie nur durch den Ausschluss möglicher Richtigkeit, nicht aber schon durch die mögliche Unrichtigkeit des Protokolls ausgeräumt wird.13 Eine Berichtigung oder nachträgliche Ergänzung des Protokolls durch den Gerichtsvollzieher ist zulässig.14 Für Wirksamkeit und rechtlichen Bestand der zu protokollierenden Vollstreckungsmaßnahmen ist die Befolgung der Vorschrift ohne Bedeutung.15 Dies gilt unabhängig davon, ob ein Protokoll gänzlich fehlt oder nur keine Beweiskraft hat.16 Eine Anschlusspfändung in der vereinfachten Form des § 826 Abs. 1, 2 setzt allerdings das Bestehen eines Protokolls über die Erstpfändung nach § 762 voraus. Dass dieses auch Beweiskraft hat, ist nicht erforderlich, da es nur auf die davon unabhängige Wirksamkeit der Erstpfändung ankommt.17 Mit der Erinnerung kann jedoch der Inhalt des Protokolls gerügt werden (Fehler, Unvollständigkeiten) ebenso wie das gänzliche Fehlen des Protokolls. Der Inhalt des Protokolls hat auch Auswirkungen auf die Gebühren des Gerichtsvollziehers, da Zeitzuschläge nur dann anfallen, wenn die Überschreitung der gesetzlich vorgegebenen Zeitdauer im Protokoll dokumentiert ist. In die Berechnung des Zeitaufwandes ist auch die Zeit für die Aufnahme des Protokolls mit einzurechnen (Nr. 500 KV-GVKostG).

6

7 8

9

§ 763 Aufforderungen und Mitteilungen (1) Die Aufforderungen und sonstigen Mitteilungen, die zu den Vollstreckungshandlungen gehören, sind von dem Gerichtsvollzieher mündlich zu erlassen und vollständig in das Protokoll aufzunehmen. (2) 1Kann dies mündlich nicht ausgeführt werden, so hat der Gerichtsvollzieher eine Abschrift des Protokolls zuzustellen oder durch die Post zu übersenden. 2Es muss im Protokoll vermerkt werden, dass die Vorschrift befolgt ist. 3Eine öffentliche Zustellung findet nicht statt.

I. Mündliche Aufforderungen und sonstige Mitteilungen (Abs. 1) Aufforderungen des Gerichtsvollziehers im Rahmen der Zwangsvollstreckung sind in der ZPO mit 1 Ausnahme der §§ 840, 845 nicht geregelt, sondern nur vorausgesetzt. Die Aufforderungen nach §§ 840, 845 betreffen überdies nicht Vollstreckungshandlungen des Gerichtsvollziehers, sondern 12 13 14 15 16 17

BayObLG NJW 1992, 1841, 1842. OLG Köln OLGZ 1986, 481. LG Frankenthal DGVZ 1985, 88; MünchKomm/Heßler § 762 Rdn. 23. Musielak/Voit/Lackmann § 762 Rdn. 7; MünchKomm/Heßler § 762 Rdn. 26. Thomas/Putzo/Seiler § 762 Rdn. 4. Vgl. auch § 826 Rdn. 6.

263 https://doi.org/10.1515/9783110443158-046

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§ 763

Achtes Buch – Zwangsvollstreckung

seine Mitwirkung an Vollstreckungshandlungen des Vollstreckungsgerichts (vgl. § 828 Abs. 1). Sie „gehören“ daher nicht zu Vollstreckungshandlungen (des Gerichtsvollziehers) i.S.v. Abs. 1.1 Die vom Gesetz vorausgesetzten Aufforderungen sind in den GVGA genannt, namentlich die Aufforderung zur freiwilligen Leistung (§ 59 Abs. 2 GVGA)2 und zum Vorzeigen der beweglichen Habe bzw. zum Öffnen von Räumen und Behältnissen (§ 81 Abs. 1 GVGA). Derartige Aufforderungen sind nach Abs. 1 vom Gerichtsvollzieher mündlich zu erlassen und – einschließlich der Erklärungen des Schuldners oder anderer Beteiligter hierzu (vgl. § 63 Abs. 1 S. 4 GVGA) – vollständig zu protokollieren. Dasselbe gilt für die in den §§ 808 Abs. 3, 811b Abs. 3, 826 Abs. 3 geregelten sonstigen Mitteilungen. Aufgrund der Verweisung in § 882c Abs. 2 gilt § 763 auch für die vom Gerichtsvollzieher zu treffende Anordnung zur Eintragung in das Schuldnerverzeichnis.3 Auf Zahlungsaufforderungen, Ladungen, Bestimmungen und Belehrungen gem. § 802f Abs. 4 ist die Regelung des § 763 hingegen weder unmittelbar noch analog anwendbar.4

II. Ersatz der Mitteilung durch Übermittlung einer Protokollabschrift (Abs. 2) 2 Falls die in Abs. 1 als Regelfall vorgesehene mündliche Mitteilung an den betroffenen Beteiligten (Schuldner, Gläubiger oder Dritte) unmöglich ist, wird sie durch Übermittlung einer Protokollabschrift ersetzt. Dem Schuldner ist daher stets von Amts wegen eine Abschrift des Pfändungsprotokolls zu erteilen, wenn die Vollstreckung in seiner Abwesenheit stattgefunden hat (§ 86 Abs. 5 S. 1 Nr. 2 GVGA). Anderen Beteiligten einschließlich des Gläubigers wird eine Abschrift von Amts wegen ebenfalls nur dann erteilt, wenn (ausnahmsweise) eine Mitteilung i.S.v. Abs. 1 an diese zu richten gewesen wäre, wie z.B. an den Gläubiger nach § 811b Abs. 3. Im Übrigen werden Protokollabschriften nur auf Antrag erteilt.5 Der Gerichtsvollzieher hat nach seinem Ermessen die Wahl, ob er die Abschrift durch einfa3 chen Brief übersendet oder zustellt, um den Zugang sicherzustellen (vgl. § 63 Abs. 5 GVGA). Nach Abs. 2 S. 2 ist die Befolgung dieser Vorschrift im Protokoll zu vermerken. Im Fall der Zustellung gelten die §§ 171 ff. (Zustellung an Bevollmächtigte) nicht; auch eine öffentliche Zustellung scheidet nach Abs. 2 S. 3 aus, sodass eine Mitteilung bei unbekanntem Aufenthalt des Beteiligten6 unterbleiben kann.

III. Verstöße, Rechtsbehelfe 4 § 763 ist reine Ordnungsvorschrift. Verstöße gegen Abs. 1 oder Abs. 2 führen daher weder zur Unwirksamkeit noch zur Anfechtbarkeit der Vollstreckungsakte. Die Nachholung der Übermittlung der Protokollabschrift nach Abs. 2 kann allerdings mit Verpflichtungserinnerung (§ 766) verfolgt werden.7

1 2 3 4 5 6

Stein/Jonas/Münzberg § 763 Rdn. 1. Vgl. auch AG München DGVZ 1981, 141. LG Rottweil DGVZ 2014, 44; BeckOK/Ulrici § 763 Rdn. 1, jeweils m.w.N. LG Hannover JurBüro 2018, 163; LG Detmold JurBüro 2017, 45. § 760 Rdn. 4. Z.B. bei Postvermerk „Empfänger unbekannt verzogen“, falls auch über das Einwohnermeldeamt die neue Adresse nicht ermittelt werden kann (andere Nachforschungen sind dem Gläubiger nicht zumutbar; unter Umständen insoweit a.A. LG Essen MDR 1973, 414). 7 MünchKomm/Heßler § 763 Rdn. 10; Musielak/Voit/Lackmann § 763 Rdn. 2. Bittmann

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§ 764

Abschnitt 1. Allgemeine Vorschriften

§ 764 Vollstreckungsgericht (1) Die den Gerichten zugewiesene Anordnung von Vollstreckungshandlungen und Mitwirkung bei solchen gehört zur Zuständigkeit der Amtsgerichte als Vollstreckungsgerichte. (2) Als Vollstreckungsgericht ist, sofern nicht das Gesetz ein anderes Amtsgericht bezeichnet, das Amtsgericht anzusehen, in dessen Bezirk das Vollstreckungsverfahren stattfinden soll oder stattgefunden hat. (3) Die Entscheidungen des Vollstreckungsgerichts ergehen durch Beschluss.

Schrifttum Gaul Zur Struktur der Zwangsvollstreckung, Rpfleger 1971, 1, 41, 81; Gaul Der Rechtspfleger als Vollstreckungsorgan und Entscheidungsorgan in der Zwangsvollstreckung, FS Stürner (2013), 687; Habscheid Verfahren vor dem Rechtspfleger, Rpfleger 2001, 201; Habscheid Der Rechtspfleger in der Gerichtsorganisation, FS Lindacher (2007), 29; Hager Die Prüfungskompetenz des Vollstreckungsgerichts i.R. des § 850f II ZPO, KTS 1991, 1; Rellermeyer Zuständigkeitskonzentrationen im Zwangsversteigerungsverfahren, Rpfleger 1995, 492; Schilken Vereinfachung und Beschleunigung der Zwangsvollstreckung, Rpfleger 1994, 138; Tams Der Rechtspfleger als Richter i.S.d. Grundgesetzes, Rpfleger 2007, 581; Wolf Richter und Rechtspfleger im Zivilverfahren, ZZP 99 (1986), 361.

Übersicht I.

Allgemeines

1

II.

Zuständigkeit

III.

Zuständigkeitsänderung

3

9

IV.

Verfahren (Abs. 3)

V.

Verstöße und Rechtsbehelfe

10

6

I. Allgemeines § 764 regelt die nach § 802 ausschließliche Zuständigkeit des Vollstreckungsgerichts als weite- 1 rem Vollstreckungsorgan neben dem Gerichtsvollzieher, dem Grundbuchamt und dem Prozessgericht. Die Aufgabenzuweisung an das Vollstreckungsgericht gilt auch dann, wenn nicht aufgrund der ZPO ergangene Titel nach den Vorschriften des Achten Buchs vollstreckt werden, es sei denn, dass gesetzlich ausdrücklich etwas anderes wie z.B. durch § 167 Abs. 1 S. 2 VwGO oder § 151 Abs. 1 S. 2 FGO bestimmt ist. Demnach ist das Amtsgericht als Vollstreckungsgericht auch zuständig für die Vergütungsfestsetzungen nach § 11 RVG, selbst wenn der Tätigkeit ein verwaltungsgerichtlicher Rechtsstreit zugrunde lag.1 Wo eine derartige gesetzliche Bestimmung, wie z.B. für die Vollstreckung im arbeitsgerichtlichen Verfahren ergangener Titel2 oder der Titel von Sozialversicherungsträgern,3 fehlt, verbleibt es bei der funktionellen Zuständigkeit des Amtsgerichts als Vollstreckungsgericht. Das Prozessgericht und das Grundbuchamt werden als Vollstreckungsorgane funktionell kraft eigenständiger Aufgabenzuweisung tätig, also nicht als „Vollstreckungsgericht“ i.S.v. § 764. Dies gilt auch für das Amtsgericht bei Durchsuchungsanordnungen nach § 758a Abs. 1 S. 1.

1 OLG Koblenz JurBüro 2002, 199; OLG Köln MDR 2000, 1276. 2 MünchKomm/Heßler § 764 Rdn. 4 m.w.N. 3 Vgl. OLG Frankfurt Rpfleger 1977, 221 und LG Duisburg Rpfleger 1982, 192 m.w.N. 265 https://doi.org/10.1515/9783110443158-047

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§ 764

2

Achtes Buch – Zwangsvollstreckung

Zu beachten ist, dass sich die Zuständigkeit des Vollstreckungsgerichts jeweils nur auf einzelne Vollstreckungshandlungen beschränkt und nicht für das gesamte Vollstreckungsverfahren besteht (s.u. Rdn. 7 f.).4

II. Zuständigkeit 3 Die Vorschrift regelt in Abs. 1 die sachliche, in Abs. 2 die örtliche Zuständigkeit der Amtsgerichte als Vollstreckungsgerichte. Nicht geregelt ist die funktionelle Zuständigkeit, also die Frage, wann das Vollstreckungsgericht als Rechtspflegeorgan überhaupt Aufgaben im Rahmen der Zwangsvollstreckung wahrnimmt und wie diese zwischen Einzelrichter und Rechtspfleger verteilt sind. Dies ergibt sich einerseits aus einer Vielzahl von Einzelvorschriften der ZPO,5 andererseits aus § 20 Abs. 1 Nr. 17 RPflG. Zur funktionellen Zuständigkeit des Vollstreckungsgerichts gehört auch die Entscheidung über den Antrag auf Bewilligung der Prozesskostenhilfe nach § 117 Abs. 1, wenn dieser die Zwangsvollstreckung betrifft.6 Die sachliche Zuständigkeit der Amtsgerichte gemäß Abs. 1 ist ausschließlich (§ 802), und 4 wird auch nicht durch die des Familiengerichts verdrängt.7 Dies gilt auch für die Entscheidung über Prozesskostenhilfe bei Zwangsvollstreckung aus dem Urteil einer Familiensache.8 Das Familiengericht hat Vollstreckungsfunktionen daher nur als Prozessgericht, soweit dieses Vollstreckungsorgan nach §§ 887 ff. ist,9 bei der Durchsetzung einer Umgangsregelung (§ 89 FamFG)10 und als Arrestgericht. Die zuletzt genannte Ausnahme des § 930 Abs. 1 S. 3 ist auch sonst zu beachten.11 Die Zuständigkeit geht allgemein kraft Devolutiv-Effekt auf das Beschwerdegericht über.12 Das Insolvenzgericht ist zuständiges Vollstreckungsgericht für die Herausgabevollstreckung, welche der Insolvenzverwalter aus dem Eröffnungsbeschluss gegen den Insolvenzschuldner betreibt.13 Die örtliche Zuständigkeit nach Abs. 2 ist ebenfalls ausschließlich (§ 802). Zu beachten sind 5 jedoch die zahlreichen in Abs. 2 ausdrücklich vorbehaltenen Ausnahmen (§§ 802k; 828 Abs. 2; 848 Abs. 1; 853–855; 873; 919, 930 Abs. 1, 931 Abs. 3 sowie §§ 1 f., 146 Abs. 1, 171 Abs. 2, 171b Abs. 1 ZVG), die im Einzelfall, wie z.B. bei der Rechtspfändung, auch ein Gläubigerwahlrecht nach § 35 begründen können.14 Auch bei der Vorpfändung bestimmt sich die örtliche Zuständigkeit nicht nach Abs. 2, sondern nach § 828 Abs. 2.15 Maßgeblicher Zeitpunkt zur Bestimmung des Vollstreckungsbezirks ist derjenige der Vornahme der Vollstreckungshandlung. Das bedeutet für die Rechtspfändung, dass es auf den Erlass des Beschlusses, nicht etwa dessen Zustellung ankommt.16 Werden mehrere Vollstreckungsmaßnahmen aufgrund desselben Titels in verschiedenen Bezirken (z.B. mehrere Pfändungen in verschiedene Vermögensgegenstände eines Schuldners oder Pfändungen gegen eine Mehrheit von Schuldnern) eingeleitet, beurteilt sich die Zuständigkeit des Vollstreckungsgerichts für jede Maßnahme gesondert; eine Zuständigkeitsbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 erfolgt nur dann, wenn mehreren Schuldnern gegenüber einheitlich vollstreckt werden muss, weil ihnen der Vollstre4 LG Potsdam DGVZ 2018, 72; BeckOK/Ulrici § 764 Rdn. 3; a.A. AG Heidelberg DGVZ 2018, 216. 5 Vgl. BeckOK/Ulrici § 764 Rdn. 1.1 ff. 6 Vgl. BGH NJW 1979, 1048 = FamRZ 1979, 421 = Rpfleger 1979, 195; E. Schneider MDR 1981, 4; Behr/Hantke Rpfleger 1981, 266.

7 BGH NJW 1979, 1048 = FamRZ 1979, 421 = Rpfleger 1979, 195. 8 BGH NJW 1979, 1048; vgl. auch OLG Schleswig SchlHA 1979, 130. 9 OLG Düsseldorf FamRZ 1981, 577. 10 Vgl. OLG Celle FamRZ 1979, 57 zu § 33 FGG. 11 Vgl. OLG Hamm MDR 2017, 1446. 12 § 766 Rdn. 83 und § 793 Rdn. 25; vgl. BGH NJW-RR 2017, 1274, 1275. 13 BGH NZI 2012, 666, 667. 14 Vgl. § 828 Rdn. 15. 15 Zöller/Seibel § 764 Rdn. 5. 16 RGZ 12, 379; 67, 311; OLG Breslau OLGRspr. 1933, 96; nach RGZ 65, 376 gilt dies auch bei der Pfändung von Hypothekenforderungen (§ 830). Bittmann

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Abschnitt 1. Allgemeine Vorschriften

§ 764

ckungsgegenstand einheitlich zusteht.17 Dagegen kommt bei Kompetenzkonflikten hinsichtlich einzelner Vollstreckungsmaßnahmen eine entsprechende Anwendung des § 36 Abs. 1 Nrn. 5 und 6 zum Zuge.18

III. Zuständigkeitsänderung Bei der Zwangsvollstreckung handelt es sich von ihrem Beginn bis zu ihrem Ende im Ganzen um 6 einen zeitlich gestreckten Tatbestand, in dessen Verlauf sich Änderungen der zuständigkeitsbegründenden Umstände ergeben können. Dieser Fall wird von Abs. 2 nicht gesehen, zumal dort pauschal von dem in einem Bezirk stattfindenden „Vollstreckungsverfahren“ die Rede ist.19 Es stellt sich daher nicht nur im Rahmen des Abs. 2, sondern auch bei Maßgeblichkeit der dort vorbehaltenen Ausnahmen, die Frage, ob eine einmal begründete örtliche Zuständigkeit erhalten bleibt oder sich noch ändern kann. Eine sachgerechte Lösung besteht darin, nicht auf die Zwangsvollstreckung im Ganzen, sondern 7 auf einzelne Vollstreckungsmaßnahmen abzustellen (s.o. Rdn. 2). Danach bleibt die Zuständigkeit für solche Vollstreckungshandlungen erhalten, die der Durchführung, Änderung oder Aufhebung einer bereits begonnenen Vollstreckungsmaßnahme dienen. Dazu gehört auch die Entscheidung von Rechtsbehelfen über bereits erfolgte oder abgelehnte Maßnahmen. Für die Entscheidung über die Erinnerung (§ 766) gegen Maßnahmen des Gerichtsvollziehers bleibt daher gemäß Abs. 2 jedenfalls das Gericht zuständig, in dessen Bereich die Pfändung erfolgt ist,20 auch wenn durch Mehrfachpfändung zwischenzeitlich die Zuständigkeit des Verteilungsgerichts (§ 873) begründet worden ist. Bei gerichtlichen Vollstreckungsmaßnahmen wird über die Erinnerung durch das Gericht entschieden, von dem die angegriffene Maßnahme, z.B. gemäß § 828 Abs. 2 die Überweisung nach § 835, verfügt wurde.21 Dagegen kann eine Zuständigkeitsänderung eintreten, wenn es um eine neue und eigenständige Vollstreckungsmaßnahme geht.22 Die somit maßgebliche Abgrenzung zwischen selbständiger Vollstreckungsmaßnahme ei- 8 nerseits und unselbständiger Vollstreckungshandlung andererseits ist im Einzelfall schwierig. Eine Einheit bildet etwa der Pfändungsbeschluss mit seiner Aufhebung/Abänderung nach §§ 850f und 850g.23 Dagegen stellen Pfändung und Verwertung desselben Gegenstands jeweils eigenständige Vollstreckungsmaßnahmen dar. Ein zwischenzeitlicher Wohnsitzwechsel des Schuldners führt daher für die Verwertung nach § 825,24 für die Überweisung nach § 835 oder die Anordnung einer anderen Verwertungsart nach § 84425 sowie für die Anordnung nach § 84726 automatisch zu einer entsprechenden Zuständigkeitsänderung.

IV. Verfahren (Abs. 3) Die Entscheidungen des Vollstreckungsgerichts ergehen ohne obligatorische mündliche Verhand- 9 lung durch Beschluss gemäß § 329.27 In jedem Fall ist den Beteiligten rechtliches Gehör zu gewäh17 OLG Hamm JurBüro 2017, 327; Stein/Jonas/Münzberg § 764 Rdn. 4 a.E.; weitergehend BayObLGZ 1959, 270. 18 OLG Jena OLGR 2001, 62; OLG Frankfurt Rpfleger 1978, 260. 19 Nach Anders/Gehle/Vogt-Beheim § 764 Rdn. 4 ist damit allerdings nicht die gesamte Zwangsvollstreckung, sondern lediglich die einzelne Vollstreckungsmaßnahme gemeint. Vgl. RGZ 35, 376, 377; OLG Kiel OLGRspr. 1916, 324. RGZ 35, 376, 377. H.M.; vgl. nur Anders/Gehle/Vogt-Beheim § 764 Rdn. 4; Zöller/Seibel § 764 Rdn. 4. Vgl. BGH Rpfleger 1990, 308 (zu § 850g) und OLG München Rpfleger 1985, 154 (zu § 850f). Vgl. RGZ 139, 351; KG OLGRspr. 1925, 155. Vgl. RGZ 61, 332. Vgl. LG Berlin MDR 1977, 59. Vgl. zu weiteren Einzelheiten § 766 Rdn. 74 ff.

20 21 22 23 24 25 26 27

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Achtes Buch – Zwangsvollstreckung

ren. Im Übrigen kommen die Regelungen des Erkenntnisverfahrens zur Anwendung, wenn dies im jeweiligen Fall erforderlich ist.28

V. Verstöße und Rechtsbehelfe 10 Verstöße gegen die in § 764 nicht geregelte funktionelle Zuständigkeit führen grundsätzlich zur Nichtigkeit der Vollstreckungsmaßnahme.29 Eine Ausnahme besteht für eine Entscheidung des Richters anstelle des zuständigen Rechtspflegers, da hier eine Beeinträchtigung des Betroffenen nicht zu erkennen ist.30 Dagegen gelten bei Verstößen gegen die in Abs. 1 geregelte sachliche und gegen die in Abs. 2 geregelte örtliche Zuständigkeit die allgemeinen Regeln, wonach die fehlerhafte Maßnahme zwar unzulässig, aber zunächst wirksam und lediglich durch Rechtsbehelf anfechtbar ist.31 Als Rechtsbehelf gegen Akte des Vollstreckungsgerichts ist die Erinnerung (§ 766) bzw. die sofortige Beschwerde (§ 793 Abs. 1) gegeben.32 Im Zwangsversteigerungsverfahren wird § 793 durch die Sondervorschriften der §§ 95 ff. ZVG verdrängt.33

§ 765 Vollstreckungsgerichtliche Anordnungen bei Leistung Zug um Zug Hängt die Vollstreckung von einer Zug um Zug zu bewirkenden Leistung des Gläubigers an den Schuldner ab, so darf das Vollstreckungsgericht eine Vollstreckungsmaßregel nur anordnen, wenn 1. der Beweis, dass der Schuldner befriedigt oder im Verzug der Annahme ist, durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden geführt wird und eine Abschrift dieser Urkunden bereits zugestellt ist; der Zustellung bedarf es nicht, wenn bereits der Gerichtsvollzieher die Zwangsvollstreckung nach § 756 begonnen hatte und der Beweis durch das Protokoll des Gerichtsvollziehers geführt wird; oder 2. der Gerichtsvollzieher eine Vollstreckungsmaßnahme nach § 756 Abs. 2 durchgeführt hat und diese durch das Protokoll des Gerichtsvollziehers nachgewiesen ist.

Schrifttum Vgl. die Schrifttumshinweise bei § 756.

I. Zweck und Anwendungsbereich 1 Die Vorschrift hat für den Bereich der gerichtlichen Vollstreckung (insbesondere Forderungs- und Rechtspfändung) dieselbe Funktion wie § 756 für die Vollstreckung durch den Gerichtsvollzieher. § 765 Nr. 2 ist daher konsequent zu § 756 Abs. 2, wodurch die Vollstreckungsmöglichkeiten auf Grundlage eines lediglich wörtlichen Angebots durch den Gerichtsvollzieher erweitert werden.1

28 Vgl. Gottwald/Mock § 764 Rdn. 5; BeckOK/Ulrici § 764 Rdn. 10 ff. 29 Vor § 704 Rdn. 66 ff.; vgl. auch OLG Bamberg JR 1955, 25. 30 MünchKomm/Heßler § 764 Rdn. 37. 31 Zöller/Seibel § 764 Rdn. 8; vgl. § 750 Rdn. 39 ff. 32 § 766 Rdn. 18 ff. 33 § 793 Rdn. 9. 1 Vgl. auch BT-Drucks. 13/341 S. 18. Bittmann https://doi.org/10.1515/9783110443158-048

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Abschnitt 1. Allgemeine Vorschriften

§ 765

Generell dient die Vorschrift dem Zweck, den Schuldner bei Zug-um-Zug-Titeln davor zu schützen, aufgrund sofortiger Klauselerteilung gemäß § 726 Abs. 2 trotz eigener Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft der Vollstreckung zur Erfüllung des titulierten Anspruchs ohne Erhalt der Gegenleistung ausgesetzt zu sein.2 Derselbe Schutz ist erforderlich bei der Vollstreckung durch das Prozessgericht3 oder das Grundbuchamt,4 weshalb die Vorschrift in diesen Fällen entsprechende Anwendung findet. § 765 gilt nicht für bloße Mitwirkungshandlungen des Vollstreckungsgerichts bei der Zwangsvollstreckung durch den Gerichtsvollzieher.5

II. Nachweis der Gegenleistung oder des Annahmeverzugs Bei gerichtlicher Vollstreckung ist weder ein tatsächliches oder auch nur wörtliches Angebot der 2 Gegenleistung6 noch die gleichzeitige Zustellung von Urkunden7 wie bei der Vollstreckung durch den Gerichtsvollzieher möglich. Folgerichtig ordnet Ziff. 1, 1. Hs. an, dass Gegenleistung oder Annahmeverzug urkundlich nachzuweisen sind, also ebenso zu verfahren ist wie bei der Vollstreckung durch den Gerichtsvollzieher ohne (tatsächliches oder wörtliches) Angebot der Gegenleistung, allerdings mit der Besonderheit, dass die Urkunden bereits vor Vollstreckungsbeginn zugestellt sein müssen. Dies kann praktisch auf einen Zwang zur Vorleistung des Gläubigers hinauslaufen, da es regelmäßig sehr viel leichter möglich ist, Befriedigung statt Annahmeverzug des Schuldners urkundlich nachzuweisen. Der urkundliche Nachweis der Schuldnerbefriedigung entfällt aber, wenn zwischen den Parteien unstreitig ist, dass der Gläubiger die Gegenleistung erbracht hat.8 Kann der Nachweis nicht zur Überzeugung des Vollstreckungsgerichts geführt werden, ist der Gläubiger auf die Feststellungsklage zu verweisen.9 Der oft einzige für den Gläubiger gangbare Weg zum Nachweis des Annahmeverzugs des 3 Schuldners und damit zur Vermeidung einer Vorleistung besteht im Angebot der Gegenleistung durch den Gerichtsvollzieher, also in einem Vollstreckungsversuch nach § 756 (teilweise oder insgesamt erfolglose Sachpfändung) mit Vermerk des Angebots und der Erklärung des Schuldners darüber im Protokoll gemäß §§ 762, 763 Abs. 1.10 Als öffentliche Urkunde kann jedoch kein außerhalb des Vollstreckungsverfahrens nach § 756 aufgenommenes Protokoll des Gerichtsvollziehers anerkannt werden.11 Ziff. 1, 2. Hs. gewährt für diesen somit praktisch wichtigen Fall der Nachweisführung durch Gerichtsvollzieherprotokoll die Befreiung von der Notwendigkeit der Zustellung und dadurch die Möglichkeit zur sofortigen Vollstreckung. Dasselbe gilt nach Ziff. 2 für den Fall, dass der Gerichtsvollzieher nach § 756 Abs. 2 auch ohne vorherige Annahmeverweigerung des Schuldners auf Grundlage eines lediglich wörtlichen Angebots vollstreckt; als „Vollstreckungsmaßnahme“ in diesem Sinn ist auch die bloße „Einholung“ der Annahmeverweigerung des Schuldners anzusehen.12 Für die Zustellung des Protokolls besteht auch dann keine Notwendigkeit, wenn der

2 Vgl. auch § 756 Rdn. 1. 3 Vgl. LG Frankenthal Rpfleger 1976, 109. 4 Vgl. BayObLGZ 1975, 398 = Rpfleger 1976, 66; KG OLGRspr. 1925, 198 und HRR 1940 Nr. 452; OLG Hamm Rpfleger 1983, 393; OLG Köln Rpfleger 1997, 315.

5 MünchKomm/Heßler § 765 Rdn. 3. 6 Vgl. § 756 Rdn. 10 ff. 7 Vgl. § 750 Rdn. 31 ff. 8 LG Düsseldorf DGVZ 1991, 39. 9 Vgl. § 756 Rdn. 9. 10 § 756 Rdn. 5. 11 OLG Hamm Rpfleger 1972, 148 (Beurkundung einer in der Vergangenheit liegenden Erfüllungshandlung isoliert von der Vollstreckung).

12 Vgl. § 756 Rdn. 14 m.w.N. 269

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§ 765a

Achtes Buch – Zwangsvollstreckung

Schuldner nicht unmittelbar und tatsächlich vom Vollstreckungsversuch des Gerichtsvollziehers in Kenntnis gesetzt ist, weil er diese Informationsmöglichkeit nicht nutzt, z.B. dem Gerichtsvollzieher keinen Einlass verschafft.13 Allerdings muss das Protokoll dem Vollstreckungs- bzw. Erinnerungs- oder Beschwerdegericht vorliegen (Ziff. 1, 2. Hs. und Ziff. 2, jeweils a.E.), damit gerichtlich überprüft werden kann, ob überhaupt ein Fall der Zug-um-Zug-Verurteilung vorliegt, welche Leistungen in das Zug-um-Zug-Verhältnis einbezogen und ob Befriedigung oder Annahmeverzug des Schuldners erwiesen sind.14 Der Gläubiger steht daher auch vor der Notwendigkeit, im Fall des § 756 Abs. 1, 2. Alt. (urkundlicher Nachweis von Gegenleistung oder Annahmeverzug) dem Vollstreckungsgericht neben dem Gerichtsvollzieherprotokoll auch die dem Gerichtsvollzieher vorgelegten Urkunden mit Zustellungsnachweis vorzulegen.15 Auch wenn diese Punkte vom Gerichtsvollzieher in eigener Zuständigkeit selbständig festzustellen sind,16 tritt nämlich insoweit keine rechtliche oder tatsächliche Bindung des Gerichts an die Entscheidung des Gerichtsvollziehers ein.17 Dies gilt selbst dann, wenn die Maßnahmen des Gerichtsvollziehers gemäß §§ 766, 793 gerichtlich bestätigt worden sind.18 Bei der Vollstreckung durch das Grundbuchamt muss der Nachweis der Befriedigung oder 4 des Annahmeverzugs19 als Vollstreckungsvoraussetzung auch der Formvorschrift des § 29 GBO genügen.20 Hierfür genügt – wie auch sonst bei Anwendung der §§ 756 und 76521 – nicht die Wiedergabe des Antrags auf Klageabweisung im Tatbestand des zu vollstreckenden Urteils, mit dem der Schuldner dem Zug-um-Zug-Klageantrag entgegengetreten ist.22 Falls die vom Gläubiger zu erbringende Gegenleistung in einer Löschungsbewilligung besteht, genügt der Eingang der Erklärung beim Grundbuchamt als Nachweis, wenn das Grundbuchamt Vollstreckungsorgan (wie z.B. im Fall des § 867) ist; die Zustellung einer Nachweisurkunde wird dann durch die Eintragungsmitteilung nach § 55 GBO durch das Grundbuchamt an den Schuldner ersetzt.23 Wird die Zwangshypothek unter Verletzung des § 765 eingetragen, soll sie im Gegensatz zur Behandlung sonstiger fehlerhafter Vollstreckungsmaßnahmen24 zunächst unwirksam sein, aber rückwirkend und mit dem Rang der Eintragung entstehen, wenn der Mangel behoben, z.B. nachträglich der erforderliche Nachweis formgerecht geführt wird.25

§ 765a Vollstreckungsschutz (1)

1

Auf Antrag des Schuldners kann das Vollstreckungsgericht eine Maßnahme der Zwangsvollstreckung ganz oder teilweise aufheben, untersagen oder einstweilen einstellen, wenn die Maßnahme unter voller Würdigung des Schutzbedürfnisses des Gläubigers wegen ganz besonderer Umstände eine Härte bedeutet, die mit den guten Sitten

13 14 15 16 17 18

OLG Köln Rpfleger 1986, 393, 394. Vgl. OLG Köln Rpfleger 1986, 393, 394 und Stein/Jonas/Münzberg § 765 Rdn. 2. Zweifelhaft daher OLG Naumburg JurBüro 2002, 551. § 756 Rdn. 6 ff. Vgl. OLG Hamm Rpfleger 1983, 393; KG Rpfleger 1994, 309, 310; Stein/Jonas/Münzberg § 765 Rdn. 2. OLG Oldenburg DGVZ 1982, 123; Stein/Jonas/Münzberg § 765 Rdn. 2; Zöller/Seibel § 765 Rdn. 4; a.A. MünchKomm/ Heßler § 765 Rdn. 10. 19 Vgl. OLG München Rpfleger 2014, 369. 20 OLG Hamm Rpfleger 1983, 393. 21 Vgl. § 756 Rdn. 18. 22 LG Wuppertal Rpfleger 1988, 153. 23 Vgl. BayObLGZ 1975, 398, 404 = Rpfleger 1976, 66, 67. 24 Vgl. § 750 Rdn. 39. 25 Vgl. KG HRR 1940 Nr. 452; OLG Hamm Rpfleger 1983, 393. Paulus https://doi.org/10.1515/9783110443158-049

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Abschnitt 1. Allgemeine Vorschriften

(2)

(3)

(4) (5)

nicht vereinbar ist. 2Er ist befugt, die in § 732 Abs. 2 bezeichneten Anordnungen zu erlassen. 3Betrifft die Maßnahme ein Tier, so hat das Vollstreckungsgericht bei der von ihm vorzunehmenden Abwägung die Verantwortung des Menschen für das Tier zu berücksichtigen. Eine Maßnahme zur Erwirkung der Herausgabe von Sachen kann der Gerichtsvollzieher bis zur Entscheidung des Vollstreckungsgerichts, jedoch nicht länger als eine Woche, aufschieben, wenn ihm die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 glaubhaft gemacht werden und dem Schuldner die rechtzeitige Anrufung des Vollstreckungsgerichts nicht möglich war. In Räumungssachen ist der Antrag nach Absatz 1 spätestens zwei Wochen vor dem festgesetzten Räumungstermin zu stellen, es sei denn, dass die Gründe, auf denen der Antrag beruht, erst nach diesem Zeitpunkt entstanden sind oder der Schuldner ohne sein Verschulden an einer rechtzeitigen Antragstellung gehindert war. Das Vollstreckungsgericht hebt seinen Beschluss auf Antrag auf oder ändert ihn, wenn dies mit Rücksicht auf eine Änderung der Sachlage geboten ist. Die Aufhebung der Vollstreckungsmaßregeln erfolgt in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 und des Absatzes 4 erst nach Rechtskraft des Beschlusses.

Übersicht I.

Gesetzesgeschichte, Normzweck

II. 1. 2. 3. 4.

Anwendungsbereich 3 Allgemeines 8 Sachlicher Anwendungsbereich 11 Zeitliche Grenze Verhältnis zu speziellen Schuldnerschutzregelun12 gen 13 a) §§ 721, 794a 15 b) § 30a ZVG 16 c) §§ 811 ff., 850 ff. 17 d) Weitere Vorschriften

III.

Beispiele für Maßnahmen

IV. 1.

Verfahren Allgemeines

3.

19 a) Antrag 24 b) Zuständigkeit 25 c) Entscheidungsform 27 d) Kosten 28 e) Wirkung Erstentscheidung, Abs. 1 29 a) Voraussetzungen 30 aa) Abwägung bb) Gläubigerinteressen cc) Schuldnerinteressen dd) Sittenwidrige Härte 38 b) Entscheidungsinhalt 43 c) Abs. 2 Abänderungsentscheidung, Abs. 4

V.

Rechtsbehelfe

1

18

18a

2.

31 33 37

45

46

I. Gesetzesgeschichte, Normzweck Die Vorschrift wurde durch das Gesetz vom 20.8.1953 eingefügt1 und durch das Gesetz zur Verbes- 1 serung der Rechtsstellung des Tieres vom 20.8.1990, Abs. 1 S. 32 sowie die zweite Zwangsvollstreckungsnovelle, Abs. 1 S. 2 und Abs. 3, ergänzt. Sie hat einen Vorläufer in dem Missbrauchsgesetz

1 BGBl. I, S. 952. Zu Reformvorstellungen vgl. J. Behr Generalklausel für Vollstreckungsschutz (Zur Reform des § 765a ZPO), Rpfleger 1989, 13; Schilken Vereinfachung und Beschleunigung der Zwangsvollstreckung, Rpfleger 1994, 141. 2 BGBl. I, S. 1762. 271

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§ 765a

Achtes Buch – Zwangsvollstreckung

von 19353 und der Schutzverordnung von 1943, eine historische Wurzel also, die zur Behutsamkeit im Umgang mit § 765a gemahnen sollte; s. auch Rdn. 37.4 2 Der heute als maßgeblich angesehene Zweck der Vorschrift besteht darin, eine aufgrund des Sozialstaatsprinzips5 zugunsten des Schuldners für geboten erachtete Schutzbastion gegen individuelle, besonders exzeptionelle Härten zu errichten, die mit einer Zwangsvollstreckung verbunden sein können.6 § 765a geht dabei insoweit über den etwa mit § 721 (und § 794a) verfolgten Zweck hinaus, als die Vorschrift nicht auf den Schutz eines typischerweise lebenswichtigen Gutes (Wohnung) abstellt, sondern den Schutz völlig losgelöst von dem konkreten Vollstreckungsobjekt und der Vollstreckungsforderung verheißt. Eine dermaßen weitreichende Gestaltungsbefugnis setzt in einem besonders gesteigerten Maße einen verantwortungsbewusst entscheidenden und sämtliche involvierte Interessen in die Abwägung einbeziehenden Richter/Rechtspfleger voraus, s. noch Rdn. 29 ff.

II. Anwendungsbereich 1. Allgemeines 3 Die Vorschrift gestattet es dem Richter, ein (zeitweiliges)7 Vollstreckungshindernis8 zugunsten des Schuldners zu erlassen. Wie noch zu zeigen ist, ist der Anwendungsbereich der Norm denkbar weit gespannt, Rdn. 8. Dadurch unterscheidet sie sich von den anderen Vorschriften, die die Vollstreckungsmöglichkeiten des Gläubigers einschränken. So stellen die bereits erwähnten §§ 721 und 794a, Rdn. 2, auf den Schutz der Wohnung, die §§ 811 ff. auf den Schutz weiterer für unverzichtbar erklärter, jedoch individuell aufgelisteter Güter ab. Die §§ 850 ff. bewahren dem Schuldner das für den Lebensbedarf unabdingbare Minimum an Geld, § 888 Abs. 2 die Entscheidungsfreiheit bei Ansprüchen, deren zwangsweise Durchsetzung der Staat nicht für opportun erachtet. Vorschriften 3 RGBl. I, S. 1234. Der – aufschlussreiche – Wortlaut des Gesetzes: „Um der mißbräuchlichen Ausnutzung von Vollstreckungstiteln, insbes. von solchen auf Räumung einer Wohnung entgegenzutreten, wird folgendes angeordnet: (1) Auf Antrag des Schuldners kann das Vollstreckungsgericht Maßnahmen der Zwangsvollstreckung – auch wenn ihnen sonstige gesetzliche Vorschriften nicht entgegenstehen – ganz oder teilweise aufheben, untersagen oder zeitweilig aussetzen, wenn sich nach Prüfung aller Umstände des Falles, insbes. auch eines berechtigten Schutzbedürfnisses des Gläubigers, dessen Vorgehen gegen den Schuldner als eine gesundem Volksempfinden gröblich widersprechende Härte darstellt. (2) War dem Schuldner die rechtzeitige Anrufung des Vollstreckungsgerichts nicht möglich, so kann der Gerichtsvollzieher die Zwangsvollstreckung bis zur Entscheidung des Vollstreckungsgerichts aufschieben, wenn ihm das Vorliegen der Voraussetzungen des Abs. 1 glaubhaft gemacht wird. (3) Anordnungen der im Abs. 1 bezeichneten Art kann das Gericht ändern oder aufheben, wenn dies nach Lage der Verhältnisse geboten erscheint.“ Vgl. hierzu den Kommentar von Böhle-Stamschräder Vollstreckungsmißbrauchsgesetz, 1939; sowie zur Entstehungsgeschichte des § 765a insges. Fuchs-Wissemann Zur eigenartigen Entstehungsgeschichte des § 765a ZPO, DRiZ 1978, 110. 4 Zusätzlich Weyhe Altes und Neues zum Räumungsschutz nach § 765a ZPO, NZM 2000, 1147. 5 Ein Plädoyer für ein Grundrecht auf Wohnung Derleder Die Notwendigkeit eines Grundrechts auf Wohnung, WuM 2009, 615. 6 BVerfG NJW 1979, 2607. Wegen dieser sozialen Ausrichtung kann es keine Rolle spielen, ob der Schuldner Eigentümer, Anwartschafts- oder sonstwie Berechtigter ist; so aber gleichwohl LG Lübeck Rpfleger 1994, 174. Für eine komplette Abschaffung der Norm Stamm Die Prinzipien und Grundstrukturen des Zwangsvollstreckungsrechts, 2007, S. 639 ff., 651 f.; für eine extensive Handhabung des § 765a zur Verstärkung des Schuldnerschutzes dagegen J. Behr Vollstreckungsschutz-, Gläubiger- oder Schuldnerschutz, KJ 1980, 156; dagegen (zurecht) Alisch Aktuelle Tendenzen zur Ausdehnung des Schuldnerschutzes in der Zwangsvollstreckung, DGVZ 1981, 106; Werner Erschweren rechtliche Schranken den Vollstreckungserfolg? DGVZ 1986, 49. 7 S. allerdings das obiter dictum des LG Mönchengladbach Rpfleger 2006, 332. 8 Die materielle Rechtslage (z.B. Verzug, Zahlungsverpflichtungen, etc.) der Gläubiger-Schuldner-Beziehung bleibt infolgedessen durch den gewährten Schutz unberührt. Paulus

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wie §§ 112 ff. UrhG schließlich schützen ein Rechtsgut, das der Gesetzgeber gegenüber den Interessen der Geldgläubiger als höherrangig erachtet. All diesen, für sich schon eine beachtliche Phalanx des Schuldnerschutzes darstellenden Normen9 ist gemeinsam, dass sie unter fest umrissenen Umständen eingreifen und damit im Sinne der Rechtssicherheit verlässlich sind. Das gilt auch sogar für die Restschuldbefreiung in Gestalt der §§ 286 ff. InsO; auch wenn sie grundsätzlich hinsichtlich aller Forderungen eingreift, setzt sie doch immerhin eine mehrjährige Wohlverhaltensperiode voraus, während derer der Schuldner gewissermaßen „für die Gläubiger“ Geld verdienen bzw. sich darum bemühen muss. § 765a stellt demgegenüber eine Generalklausel dar, die als solche eine auf den Einzelfall 4 bezogene Vorhersehbarkeit vermissen lässt. Darin liegt freilich ganz generell die – aus der Sicht des Rechtsanwenders gesehen – Krux einer jeden Generalklausel.10 Doch ist die Unschärfe der Rechtssicherheit dann besonders störend, wenn ein Richter dem Gläubiger in Gestalt eines ein Erkenntnisverfahren abschließenden Urteils attestiert, dass ihm der Anspruch gegen den Schuldner zusteht. Wenn man sich nämlich das in Gestalt einer Stufenpyramide darstellbare Verhältnis des Vollstreckungsrechts zu (Erkenntnisverfahren und) materiellem Recht, s. Vor § 704 Rdn. 3 ff.,11 vor Augen führt, so zeigt sich, dass auf der untersten und größten Stufe das materielle Recht rangiert. Seine Eigenheit besteht darin, dass es in genereller Weise Regeln für die Rechtsbeziehungen der Individuen aufstellt. Freilich ist dieser Regelungskomplex konkret genug, dass er die Individualbeziehungen mit hinreichender Bestimmtheit fixieren kann. Kommt es jedoch darüber gleichwohl zum Streit, dient das Erkenntnisverfahren auf der zweiten und engeren Stufe dazu, die generellen materiell-rechtlichen Regeln für konkrete Personen eines konkreten Einzelfalls verbindlich festzulegen. Nun hat das Bundesverfassungsgericht anlässlich der Bürgschaftsrechtsprechung des BGH den Richtern in verallgemeinerungsfähiger Form eine stärkere Berücksichtigung der je individuellen Besonderheiten des Einzelfalles angemahnt.12 Dem hat der BGH zwischenzeitlich vielfach Folge geleistet und die Härte seiner früheren, pauschalisierenden Rechtsprechung dadurch korrigiert, dass er das vom materiellen Recht zur Verfügung gestellte Schutzinstrumentarium – in Bezug auf Räumungsvollstreckungen ist dabei insbesondere auf § 574 BGB13 zu verweisen – voll auszuschöpfen versucht.14 Wenn demnach das materielle Recht diejenige Rechtsmaterie ist, die die allgemeinen Kriterien für den Bestand oder Nichtbestand eines Anspruchs zur Verfügung stellt, und wenn das Erkenntnisverfahren dazu dient, diese Kriterien auf einen umstrittenen, konkreten Einzelfall anzuwenden, muss das Vollstreckungsrecht konsequenterweise wenigstens grundsätzlich daran gehindert sein, materiell-rechtliche Korrekturen an dem erzielten Ergebnis vornehmen. Grundsätzlich dient diese Rechtsmaterie vielmehr allein dazu, die durch die materielle Rechtsordnung vorgegebene und durch den Zivilprozess im Einzelfall konkretisierte Sollensordnung herzustellen.15 Für die Anwendbarkeit des § 765a folgt aus dem Voranstehenden, dass sie uneingeschränkt 5 in denjenigen Fällen zu bejahen ist, in denen die Zwangsvollstreckung aufgrund eines Titels erfolgt, der nicht (oder nur eingeschränkt) das Ergebnis einer richterlichen Entscheidungsfindung 9 Vgl. auch Thomas/Putzo/Seiler Rdn. 2. 10 Als Generalklausel ist § 765a – in der vielbemühten Metapher – das Einfallstor der grundrechtlichen Wertentscheidungen in das Vollstreckungsrecht; dazu BVerfGE 52, 220 sowie MünchKomm/Heßler Rdn. 3.

11 S. auch Paulus Zivilprozessrecht, Rdn. 10. 12 BVerfG ZIP 1993, 1775 = NJW 1994, 36. 13 Dazu etwa BGH NJW 2019, 2765. Aber auch Art. 28 Abs. 1 RiLi 2014/17/EU a.F. ist hierher zu zählen; dem Gebot der „angemessenen Nachsicht“ wird man nicht gerecht, wenn man erst in § 765a verankert sehen wollte, so aber Rüsing „Angemessene Nachsicht“ bei der Vollstreckung aus Grundschulden an Wohnimmobilien, ZIP 2022, 1846, 1851. S. ferner BGH WuM 2023, 217. 14 Etwa KTS 1994, 374, 379 – je m.w.N. Vgl. auch das Beispiel der 2. Aufl. A IIa: Ein titulierter Anspruch auf Auskunft darf nicht durch § 765a unterlaufen werden; liegt gerade in der Auskunftserteilung eine sittenwidrige Härte, so ist das bereits im materiellen Recht gem. § 138 BGB zu berücksichtigen. 15 Gaul spricht zutr. davon, dass mit der Einführung des § 765a „ein Stück echter Rechtsprechung in die Zwangsvollstreckung hineingetragen worden ist“, Zur Struktur der Zwangsvollstreckung, Rpfleger 1971, 92. 273

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§ 765a

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ist. Indem die Zwangsvollstreckung bei Vergleichen nach § 794 Nr. 1 und 4a oder bei vollstreckbaren Urkunden nach § 794 Nr. 5 ohne vorhergehende Überprüfung der materiell-rechtlichen Berechtigung betrieben werden kann,16 muss die Rechtsordnung spätestens in diesem Verfahrensabschnitt eine entsprechende Kontrollmöglichkeit vorsehen. Das gilt zumindest dann, wenn sie nicht grundsätzlich von einem fairen Interessenausgleich in der titulierten Forderung ausgehen kann. Die enorm angewachsene Anzahl von Verbraucherschutzregelungen demonstriert eindrucksvoll die diesbezügliche Skepsis des Gesetzgebers. 6 § 765a ist aber auch in den sonstigen Fällen – insbes. also bei der Zwangsvollstreckung aus Endurteilen – anzuwenden, wenn ganz besonders exzeptionelle Umstände (s. im einzelnen Rdn. 29 ff.) vorliegen, die eine Durchbrechung der durch die vorgenannte Stufenpyramide bildhaft dargestellten Aufgabenverteilung der Rechtsmaterien rechtfertigt. Können demnach solche Umstände nur die absolute Ausnahme sein, ist gleichwohl auch bei ihnen noch weiter zu differenzieren. Denn wenn das zuvor erwähnte Gebot des Bundesverfassungsgerichts dem materiellen Recht das Regelungsprimat zuerkennt, ist zu verlangen, dass solche Umstände, die das materiell-rechtliche Ergebnis beeinflussen können, dem Erkenntnisrichter vorgetragen werden.17 Eine solche Beeinflussung kann gegebenenfalls sogar in dem wohl bekanntesten Rechtsprechungsbeispiel, dem suizidgefährdeten Schuldner, in Gestalt etwa der §§ 138, 229, 242, 826 BGB erfolgen.18 Wird dieser Umstand dagegen nicht dem Erkenntnisrichter, sondern erst dem Vollstreckungsrichter des § 765a vorgetragen, ist es folgerichtig, diesen Vortrag in Analogie zu § 767 Abs. 2 als präkludiert anzusehen. Aus dieser Vorschrift ergibt sich nämlich, dass sich das Vollstreckungsrecht einer Änderung der materiellen Rechtslage erst dann nicht mehr versperrt, wenn diese Änderung zu einem Zeitpunkt eingetreten ist, der von der rechtskonkretisierenden Tätigkeit des Erkenntnisrichters nicht mehr erfasst werden konnte.19 7 Zusammengefasst ergibt sich nach der hier vertretenen Ansicht für die Anwendbarkeit des § 765a, dass es sich erstens um exzeptionelle Umstände handeln muss, die sich gerade aus der Zwangsvollstreckung ergeben und die infolgedessen eine Vollstreckungssperre rechtfertigen. Zweitens müssen sie, wenn die Zwangsvollstreckung aus einem Urteil oder einem entsprechenden, aufgrund einer richterlichen (oder vergleichbaren) Entscheidungsfindung resultierenden Titel erfolgt, und wenn sie die materielle Rechtsfindung beeinflussen können, nach dem in § 767 Abs. 2 beschriebenen Zeitpunkt entstanden sein;20 anderenfalls sind sie präkludiert. In allen anderen Fällen besteht eine solche Präklusionswirkung dagegen nicht.21 In diese Richtung zielt auch die Rechtsprechung, indem sie die Geltendmachung des § 765a als subsidiär, s. noch Rdn. 12, gegenüber anderen, spezielleren Schutzvorschriften (wie etwa § 712) erklärt.22

2. Sachlicher Anwendungsbereich 8 Aus der systematischen Einordnung der Norm im Allgemeinen Teil des Vollstreckungsrechts ergibt sich, dass sie für alle Arten der Einzel-Zwangsvollstreckung23 anzuwenden ist, gleichviel ob es sich um die Vollstreckung wegen einer Geld- oder einer sonstigen Forderung (Paradebeispiel: Räumung der Wohnung)24 – einschließlich derer auf Abgabe einer Willenserklärung, auf Unterlassung 16 Dasselbe gilt auch für die in § 796 Rdn. 7 ff. beschriebenen Vollstreckungsbescheide. 17 Zur Berücksichtigung bereits im Erkenntnisverfahren LG München Magazindienst 2013, 663; LG Wiesbaden WuM 2001, 305. S. etwa AG Köln Urt. v. 23.6.2020 – Tz. 77, IMR 2020, 370 (Anm. Fodor). In diese Richtung zielend auch OLG Köln OLGZ 1989, 475. Etwa in Gestalt einer Pandemie wie in 2020/2021/2022, vgl. LG Köln NZI 2020, 494 mit Anm. Ahrens. S. auch die Gegenüberstellung bei Gaul, Die Verfassungswidrigkeit der Härteentscheidung nach § 765a ZPO wegen Verstoßes gegen den Richtervorbehalt aus Art. 92 GG, JZ 2013, 1081 f. 22 BVerfG NJW 2014, 3771; BGH vom 9.2.2023 – juris; BGH NJW 2012, 1292; LG Lübeck NJW-RR 2022, 573. 23 Häsemeyer zieht Parallelen zu der insolvenzrechtlichen Restschuldbefreiung: Schuldbefreiung und Vollstreckungschutz, in: FS Henckel (1995), 353 ff. 24 § 765a ist freilich nicht nur bei Wohnungsmiete, sondern auch bei Gewerbemiete anwendbar.

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oder Duldung25 – oder gar der Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung nach § 802c26 oder um die Anordnung von Ordnungsgeld27 oder einer Ordnungshaft nach § 89028 handelt,29 oder ob das Vollstreckungsgericht oder der Gerichtsvollzieher als Vollstreckungsorgan tätig wird bzw. geworden ist. Da das ZVG in das Vollstreckungsrecht als ein besonderer Teil inkorporiert ist, § 869, gilt das Gleiche auch für dessen Anwendungsbereich30 (s. noch Rdn. 15).31 Entscheidend ist allein, dass es sich um eine Maßnahme der Zwangsvollstreckung handelt32 – grundsätzlich unabhängig davon, was ihr für ein Titel zugrunde liegt.33 Auf Grund der im deutschen Rechtskreis verwurzelten Tradition der Parallelisierung von Singularexekution mit Universalexekution ist § 765a damit grundsätzlich auch in34 einem Insolvenzverfahren35 anzuwenden.36 Hingegen ist die Vorschrift nicht anwendbar auf privatrechtliche Pfandverwertungen nach 9 den §§ 1233 ff. BGB. Stehen dem Gläubiger mehrere Schuldner gegenüber, ist jeder von ihnen berechtigt, den 10 Schutz des § 765a herbeizuführen. Ist ein entsprechender Antrag für einen von ihnen erfolgreich

25 A.A. LG Berlin NJW 1959, 53 m. abl. Anm. Merdsche. 26 Noch zur Vorgängervorschrift der §§ 899 ff. BVerfG DGVZ 208, 123; BGH DGVZ 2010, 57, woraus sich zutreffend ergibt, dass das erforderliche Härten-Ungleichgewicht wohl eher selten erfüllt sein dürfte. Ferner LG Dresden DGVZ 2003, 57; AG Waiblingen JurBüro 2002, 48. 27 OLG Frankfurt FamRZ 2023, 548. 28 Ein Rückgriff auf Art. 8 Abs. 2 EGStGB ist damit präkludiert. 29 Auf Grund dieser Weite genießen potentiell sämtliche Vollstreckungsobjekte Vollstreckungsschutz; unrichtig daher AG Warstein ZVI 2012, 384, oder AG Bielefeld ZVI 2012, 315. 30 Zur Anwendbarkeit des § 765a auch in der Zwangsverwaltung BGH ZfIR 2009, 147; LG Koblenz Rpfleger 2011, 228; zur Teilungsversteigerung BGH DZWIR 2011, 122; BGH NJW 2007, 3430; OLG Köln NJW-RR 2008, 8; KG NJW-RR 1999, 434; OLG Karlsruhe Rpfleger 1994, 223; LG Frankfurt/O. FamRZ 2008, 293; Böttcher Der Ablauf eines Teilungsversteigerungsverfahrens, FPR 2013, 345, 347 f. 31 Zur Anwendbarkeit im Rahmen der freiwilligen Gerichtsbarkeit s. § 95 FamFG mit OLG Frankfurt NJW-RR 2013, 776. 32 Im Verwaltungsvollstreckungsverfahren ist § 765a jedoch wegen § 258 AO nicht anwendbar, BFH v. 18.5.1982 VII B 9/82. Zur verwaltungsrechtlichen Vollstreckung s. etwa VG München v. 24.5.2011 – M 10 E 11.2155, juris; zu der nach der Justizbeitreibungsordnung Meinhold Gerichtlicher Pfändungsschutz bei Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen der Gerichtskassen, Rpfleger 2004, 87. Vgl. auch AG Berlin-Wedding DGVZ 1977, 159; LG Wuppertal DGVZ 1986, 90; FG Berlin EFG 1980, 57. Für die Vollstreckung aus Verwaltungsakten der Sozialbehörden nach § 66 Abs. 4 SGB X ist § 765a dagegen anwendbar, OLG Frankfurt/M. Rpfleger 1977, 221 (aus früherer Zeit vgl. LSG NW BlStSozArbR 1959, 62); App SGb 1993, 111. 33 Besonderheiten gelten etwa wegen § 794a für Räumungsvergleiche. Für gerichtliche Vergleiche vgl. OLG Hamm NJW 1965, 1386; Fenger Vollstreckungsschutz bei Räumungsvergleichen, Rpfleger 1988, 57. 34 Die Stellung eines Insolvenzantrags und eine nachfolgende Verfahrenseröffnung kann demgegenüber sehr wohl unbehelligt von § 765a sein, BGH Beschl. v. 10.12.2020, ZIP 2021, 136. 35 S. nur etwa BGH NZI 2014, 414; BGH NJW 2009, 78; BGH NJW 2009, 1283; LG Berlin NZI 2020, 81 (das mit der Anwendung des § 765a den Schutz über ein P-Konto nach § 850k obsolet macht); Schur Vollstreckungsschutz nach § 765a ZPO im Insolvenzverfahren, KTS 2008, 471; Graeber/Wipperführt, § 765a ZPO im Insolvenzverfahren, ZInsO 2023, 1233. Zum Eröffnungsverfahren s. bereits BGH Rpfleger 1977, 359; zum außergerichtlichen Vorverfahren s. Winter Einstellung der Zwangsvollstreckung in der außergerichtlichen Schuldenbereinigung, Rpfleger 2002, 119. Vgl. auch AG und LG Hannover sowie OLG Celle – jeweils Rpfleger 1987, 166 f.; LG Itzehoe NZI 2001, 100. A.A. noch die Vorauflage unter Hinweis auf LG Nürnberg-Fürth MDR 1979, 590. Zum Thema insgesamt Becker-Eberhard Zur Anwendbarkeit des § 765a ZPO in der Insolvenz, GS M.Wolf, 2011, 353; Vuia Der Normzweck des Vollstreckungsschutzes nach § 765a ZPO, Rpfleger 2022, 361. Zum „Insolvenzbeschlag und Pfändungsschutz“ s. den gleichnamigen Aufsatz von Wipperfürth ZInsO 2022, 337, 341. 36 Eine Anwendung des § 765a in einem außergerichtlichen Schuldenbereinigungsverfahren wird man nur bei evidenten Akkordstörern rechtfertigen können, weil Gläubiger grundsätzlich nicht gehalten sind, ihrem Schuldner den Weg zu einer Restschuldbefreiung zu ebnen; mit diesem Vorbehalt kann dem AG Elmshorn zugestimmt werden, VuR 2000, 352 mit Anm. Kohte; s. auch Graf-Schlicker Analysen und Änderungsvorschläge zum neuen Insolvenzrecht, WM 2000, 1984, 1986. 275

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und handelt es sich um eine unteilbare Schuld – wie etwa die Räumung einer gemeinsamen Wohnung –, so wirkt der Schutz auch zugunsten der anderen Schuldner.37 10a Der Schutzbereich der vorliegenden Norm ist dann nicht eröffnet, wenn er gleichsam „übers Eck“ beantragt wird. Das spielt maßgeblich eine Rolle in den Fällen der sog. „Kontoleihe“, wenn also der Schuldner nicht ein eigenes Konto (insbesondere P-Konto) führt, sondern sich für Einzüge des Kontos einer dritten Person bedient.38 Drittinteressen spielen bei der Abwägung keine Rolle.39

3. Zeitliche Grenze 11 Wird die Aufhebung der Anordnung einer Zwangsversteigerung eines Grundstücks nach Eintritt der Rechtskraft des betreffenden Beschlusses beantragt, so sind damit bereits rechtliche Tatsachen geschaffen, die der Richter des BGH40 nicht zu ändern befugt ist – etwa weil dies eine Enteignung des Zuschlagsbegünstigten darstellen würde.41

4. Verhältnis zu speziellen Schuldnerschutzregelungen42 12 Als Generalklausel muss § 765a gegenüber spezielleren Schutzbestimmungen zurücktreten und kann allenfalls subsidiäre Geltung beanspruchen.43 Weil die Vorschrift nur zu einer Vollstreckungssperre führt, die materielle Rechtslage mithin nicht berührt, sind Einwendungen gegen die Wirksamkeit der zugrundeliegenden Vollstreckungsforderung nicht über § 765a, sondern gem. § 767 vorzutragen. In einem solchen Fall gehen die einstweiligen Anordnungen nach § 769 dem Schutzantrag nach § 765a vor.

13 a) §§ 721, 794a. Die wohl h.M. hält eine Verlängerung der in den §§ 721, 794a vorgesehenen Jahresfrist auf der Grundlage des § 765a für zulässig.44 Dem ist nur insoweit beizupflichten, als nach der hier vertretenen Interpretation eine Präklusion der Schutzgründe stattfindet, Rdn. 6. Soweit sich demnach die vom Schuldner vorgetragene Begründung auf Umstände stützt, die bereits für den Antrag nach den §§ 721, 794a maßgeblich waren oder hätten sein können, ist der Schutz nach § 765a zu verweigern.45 Das gilt folglich auch dann, wenn der Schuldner die Fristen 37 OLG Oldenburg ZMR 1991, 268 = MDR 1991, 968. 38 BVerfG DGVZ 2015, 202; BGH FamRZ 2017, 2038; LG Lüneburg JurBüro 2017, 491. Dagegen etwa AG Norden Rpfleger 2021, 529; LG Braunschweig StraFo 2015, 65; LG Hamburg ZVI 2015, 13. S. auch Benner Die Nutzung fremder Girokonten durch Vollstreckungsschuldner im Licht der Rechtsprechung des BVerfG und des ZKG, ZKF 2017, 49. 39 BGH JurBüro 2019, 493 – Tz. 18 ff.; LG Münster JurBüro 2017, 549 – Tz. 26; LG Potsdam JurBüro 2017, 380; LG Hannover NJW-RR 2015, 395; Zöller/Seibel Rdn. 8. Das gilt auch hinsichtlich Tieren auf dem zu räumenden Grundstück, LG Saarbrücken DGVZ 2016, 52. 40 BGH NZI 2010, 38. 41 S. überdies auch LG Stuttgart vom 12.6.2020 – juris. 42 Hierzu Henckel Prozeßrecht und materielles Recht (1970) S. 378 ff. Zum Erlass einer Sicherungsanordnung nach § 283a s. die Kommentierung dort sowie OLG Celle mit Böstinghaus jurisPR-MietR 21/2013 Anm. 3. Zu landesverfassungsrechtlichem Vollstreckungsschutz Gmener DGVZ 2021, 53. 43 BGH VuR 2008, 28; OLG Zweibrücken NJW-RR 2002, 1664. AA Zöller/Seibel Rdn. 13; wie hier dagegen MünchKomm/ Heßler Rdn. 12 ff. 44 Vgl. zusätzlich zu den älteren Nachw. in der Zweitaufl. A Ia 2, OLG Frankfurt/M. Rpfleger 1981, 24 = WuM 1981, 46; LG Darmstadt NJW-RR 2000, 1178; LG Stuttgart Rpfleger 1985, 71 m. Anm. Rupp/Fleischmann, sowie § 721 Rdn. 34; Gather Sozialklausel (§§ 556a bis 556c BGB), Räumungsschutz (§§ 721, 794a ZPO) und Vollstreckungsschutz (765a ZPO), DWW 1995, 5. 45 A.A. LG Rostock WuM 2003, 577, 578 f. Das AG Frankfurt/M. gebietet eine Räumungsfrist auf die Höchstdauer des § 721 Abs. 4 auszudehnen, wenn eine erfolgsversprechende Verfassungsbeschwerde eingereicht wurde, NZM 1999, 67. Paulus

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der vorgenannten Paragraphen versäumt hat. Soweit eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ausgeschlossen ist, kann auch kein Schutz nach § 765a angeboten werden, vgl. § 721 Rdn. 14.46 Wo die Möglichkeit wie etwa beim Zeitmietvertrag von vorherein nicht gegeben ist, auf § 721 zu rekurrieren, ist § 765a allerdings uneingeschränkt anwendbar. Sind die maßgeblichen, den Schutz rechtfertigenden Umstände dagegen nicht präkludiert, und 14 wird dem Schuldner eine Verlängerung der Räumungsfrist eingeräumt, so ist er gleichwohl materiell-rechtlich dem Vermieter zur Zahlung von Schadensersatz verpflichtet; denn der eindeutige Wortlaut des § 557 Abs. 3 BGB ist einer ausdehnenden Auslegung auf § 765a nicht zugänglich.47

b) § 30a ZVG. Der Antrag nach § 30a ZVG48 umfasst nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts 15 immer auch einen hilfsweise gestellten Antrag auf Vollstreckungsschutz nach § 765a.49 Zu der durch § 85a ZVG ermöglichten Ersteigerung von Grundstücken zu weniger als dem halben Verkehrswert hat der BGH50 entschieden, dass Gebote von Bietern, die Vertreter der Gläubiger sind und somit von vornherein „nicht am Erwerb des Grundstücks interessiert sind“, unwirksam sind. Eines Schutzes nach § 765a bedarf es dann also nicht mehr.51

c) §§ 811 ff., 850 ff. Gegenstände, Forderungen oder Geldbeträge, die von den genannten Vor- 16 schriften erfasst werden, bedürfen keines zusätzlichen Schutzes.52 Sind sie dagegen nicht erfasst,53 kann § 765a im Einzelfall eingreifen – vorausgesetzt natürlich, dass dessen Tatbestandsvoraussetzungen tatsächlich vorliegen.54 Nach Ansicht der Rechtsprechung ist das nicht der Fall: 46 S. auch Zöller/Seibel Rdn. 13. 47 Richtig LG Ellwangen WuM 1992, 247. 48 Zu dem Verfahren nach den §§ 30a ff. etwa BGH Rpfleger 2004, 302; LG Mühlhausen NZM 2018, 524; LG Köln KTS 1980, 418 m. Anm. Drischler; OLG Nürnberg WPM 1985, 954; OLG Koblenz ZIP 1987, 1531 = NJW-RR 1988, 690; Schiffhauer Die offensichtlich aussichtslose Zwangsversteigerung, Rpfleger 1983, 236; E. Schneider Die Prüfungspflicht des Gerichts bei Einstellungsanträgen des Schuldners in der Grundstücksversteigerung, MDR 1983, 546; Voraufl. A IIIb 4; E. Peters Die Immobiliarvollstreckung – eine Fundgrube für die Dogmatik der Zwangsvollstreckung, FS Henckel (1995), 661 f. 49 BVerfGE 49, 220; einschr. OLG Karlsruhe JurBüro 1995, 607. Zu der damit verbundenen Verdoppelung der Kosten OLG Düsseldorf Rpfleger 1977, 266 = BB 1978, 428 – m.w.N. zu den entgegengesetzten Ansichten. 50 BGH NJW 2006, 1355, dazu Hasselblatt Scheingebote im Zwangsversteigerungsverfahren oder: Werden Gläubigervertreter noch ernst genommen? NJW 2006, 1320; LG Neubrandenburg Rpfleger 2005, 42. S. auch OLG Hamm NJW-RR 2002, 790. 51 Zu sonstigen Fällen der Verschleuderungsversteigerung s. das obiter dictum des BGH NJW-RR 2012, 398, 399; demgegenüber BGH FamRZ 2006, 697 (Notwenigkeit eines besonderen Verkündungstermins). Aufschlussreich ferner LG Saarbrücken Rpfleger 2000, 80 (zum sog. „negativem Bietabkommen“); LG Kempten Rpfleger 1998, 358. 52 S. etwa BGH WM 2006, 911; BGH JZ 2005, 524 mit Anm. Brehm; LG Berlin JurBüro 2008, 269; LG Flensburg JurBüro 2006, 437; AG Kassel ZVI 2012, 199; AG Leipzig ZVI 2010, 351; Looff Zur Pfändbarkeit von Grabsteinen, Rpfleger 2008, 53; Derleder Sozialer Rückschritt beim Pfändungsschutz für Arbeitseinkommen infolge bargeldloser Auszahlung, ArbuR 1975, 65. A.A. etwa Hasse Der neue Pfändungsschutz der Altersvorsorge und Hinterbliebenenabsicherung, VersR 2007, 870. Zu einem besondernen Schutz bei einem unübertragbaren Wohnrecht s. AG Hamburg bei Cranshaw jurisPR-InsR 6, 2009, Anm. 6. 53 Zur präzisen und einzelfallbezogenen Prüfungspflicht des Gerichts aufschlussreich BGH VuR 2008, 29. S. ferner BGH NJW-RR 2008, 496; BGH NJW 2007, 2703; BFH DStRE 1999, 351. S. auch Schramm Sozialhilfe trotz Rürup, VW 2008, 1290. 54 Zutr. daher OLG Düsseldorf DGVZ 1986, 116; LG Frankfurt/O. Rpfleger 2002, 322; LG Duisburg JurBüro 1991, 868 = Rpfleger 1991, 514. So war § 765a vielfach der einzige Ausweg zum Schutze des Schuldners bei dem „Monatsanfangsproblem“, etwa LG Essen ZVI 2010, 350; LG Oldenburg ZVI 2011, 31; AG Ludwigshafen ZVI 2010, 354; AG Esslingen ZVI 2010, 481, bevor § 835 Abs. 4 und § 850k Abs. 1 S. 2 eingefügt wurden; dazu etwa BGH MDR 2011, 1138; Ahrens Gesetzliche Regelung des so genannten Monatsanfangsproblems beim Pfändungsschutzkonto, NZI 2011, 183; Becker Mängelbeseitigung beim Kontopfändungsschutz, NJW 2011, 1317. 277

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etwa bei der Pfändung eines Grabsteins;55 bei sozialer Bedürftigkeit;56 bei der Pfändung von Geldforderungen Strafgefangener;57 beim Zusammenleben mit nicht unterhaltsberechtigter Person in einer sozialrechtlichen Bedarfsgemeinschaft.58 Bisweilen wird § 765a dafür bemüht, um Sonderzahlungen zur Kompensation persönlichen Leids bzw. besonderer Härten vollstreckungsfest zu machen; die Gerichte haben hierzu bislang noch keine einheitliche Linie gefunden.59

17 d) Weitere Vorschriften. Die Anwendung des § 765a ist im Anwendungsbereich der §§ 707, 719,60 802h Abs. 261 sowie, wohl immer noch nach Ansicht des BGH,62 für § 67c GenG. § 258 AO versperrt nach Ansicht des BFH63 den Rückgriff auf § 765a. Ein Antrag auf Wiedereinweisung in die Wohnung wegen Obdachlosigkeit ist nach abgelehntem Schutzantrag regelmäßig abzuweisen.64

III. Beispiele für Maßnahmen 18 Der Schutz des § 765a wirkt immer nur gegen konkrete Vollstreckungsmaßnahmen, nicht aber gegen die Zwangsvollstreckung insgesamt.65 „Leading case“ ist die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in BVerfGE 52, 214 aus dem Jahr 1979.66 Sie betraf die vollstreckungsweise Durchsetzung eines Räumungstitels gegen einen depressiven und suizidgefährdeten Mieter.67 Bei dieser Gefährdung ist immer Vorsicht und Zurückhaltung gegenüber weiterem Vorgehen geboten:68 In derartigen Fällen wird es wohl immer zu mindestens einer Verzögerung,69 ganz ausnahmsweise aber auch sogar zu definitiver Einstellung kommen, u.U. auch unter Hinzuzie-

55 OLG Köln OLGZ 1993, 113. S. noch unten Fn. 63. 56 LG Duisburg (vgl. Fn. 26: Keine Erweiterung der in § 850c gesetzten Grenzen zu Lasten des Gläubigers) m. krit. Anm. Kothe Rpfleger 1991, 514 (er fordert eine stärkere Berücksichtigung des § 850f). 57 OLG Celle NStZ 1981, 78. Vgl. auch OLG Saarbrücken ZfStrVo 1988, 249; KG ZfStrVo 1991, 186, sowie Rdn. 17 m. Fn. 38. 58 BGH NJW 2018, 954. 59 Z.B. BGH DAR 2023, 30 (Zahlungen aus dem Fonds „Heimerziehung in der DDR“: nicht unpfändbar sind jedenfalls die mit diesem Geld angeschafften Vermögensgüter); BGH NJW-RR 2014, 1009 (Entschädigung für sexuellen Missbrauch von Seiten der Kirche: unpfändbar nach § 851); LG Lübeck ZRI 2022, 1043 (Corona-Sonderzahlung). S. auch Ahrens Unpfändbarkeit der Energiepreispauschale I – Jetzt doch!, NZI 2023, 57; dazu AG Osnabrück ZVI 2022, 480; AG Wuppertal JurBüro 2023, 50. Zur Informationsausgleichsprämie Mock Forderungsvollstreckung: Inflationsausgleichsprämie: So greifen Sie zu, VE 2023, 61. 60 2. Aufl. A Ia 3. Ebenda unter a 4 auch zu den die Anwendung des § 765a generell ausschließenden Vorschriften der Familienstreitsachen. LG Görlitz MietRB 2022, 82 zur Übertragung der Zweiwochenfrist des Abs. 2 auf §§ 719, 707. 61 S. dort Rdn. 4. 62 BGH ZInsO 2011, 931 (die Entscheidung erging vor einer als Klärung gedachten Änderung des § 67c GenG). 63 BFH/NV 2006, 1761; FG Saarland EFG 2006, 546; FG Köln EGF 2001, 340. 64 Walke WuM 2009, 645 als Anm. zu VG München, Beschl. v. 21.1.2009; BayVGH ZMR 2009, 488. 65 OLG Köln NJW 1994, 1743 = FamRZ 1994, 1046. 66 Seither ist dieses Gericht ist nahezu einzigartiger Weise in die interpretative Ausgestaltung dieser Norm eingebunden, s. etwa Nettersheim Anforderungen der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts an die Auslegung und Anwendung von § 765a ZPO, ZfIR 2017, 174. 67 S. noch unten Rdn. 35. Zusätzlich etwa BVerfG WuM 2004, 81; BVerfG NJW 1991, 3207 = ZMR 1991, 466; LG Hof DGVZ 1991, 40; LG Darmstadt Rpfleger 1991, 117; AG Fürth DGVZ 1991, 158; OLG Köln ZMR 1993, 336; OLG Frankfurt NJW-RR 1994, 81; KG NJW-RR 1995, 848. Zum ganzen Bindokat Vollstreckungschutz gegen wegen Krankheit und Alters sittenwidrige Zwangsräumung, NJW 1992, 2872; E. Schneider Krankheit und Suizidgefahr als Vollstreckungshindernis, JurBüro 1994, 321. 68 S. noch Rdn. 22 und 35. 69 Aus der Unmenge untergerichtlicher Entscheidungen s. etwa LG Verden DGVZ 2007, 14. Paulus

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hung70 eines Vertreters oder Betreuers.71 Aus diesem Grunde ist es zutreffend, wenn der BGH selbst einem gesicherten Gläubiger nicht pauschal das Recht abspricht, einen Insolvenzantrag gegen den Schuldner zu stellen.72 Des Weiteren wurde etwa erörtert: Die Pfändung eines Grabsteins;73 der Antrag auf Einstellung einer Teilungsversteigerung nach § 180 ZVG;74 die Zwangsversteigerung eines Grundstückes75 überhaupt sowie dessen Versteigerung weit unter Wert;76 die Pfändung von Eigengeldguthaben Strafgefangener;77 Kassenpfändungen bei Gewerbetreibenden;78 Pfändung des Autos, das der Schuldner für regelmäßige Arztbesuche benötigt;79 eine aus Eigenbedarf resultierende Räumung gegenüber vierundachtzigjähriger Mieterin;80 die nicht aus Eigenbedarf resultierende Räumung gegenüber sechsundneunzigjähriger Mieterin;81 die Erzwingungshaft zur Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung gem. § 901 (heute § 802c Abs. 3);82 die Zwangsvollstreckung aus § 89083 oder § 887;84 Mittellosigkeit, weil die Bank des Insolvenzschuldners den gesamten Kontobetrag an den Treuhänder ausgehändigt hat;85 Arrest und einstweilige Verfügungen, s. insbesondere § 940a.86 Aus Absatz 2 ergibt sich, dass insbes. Herausgabevollstreckungen gem. den §§ 883 ff. eine besondere Aufmerksamkeit verlangen, einschließlich derer nach § 885 Abs. 2 bis 487 sowie Räumungsvollstreckungen aufgrund eines Zuschlagsbeschlusses.88 Die (seit Generationen erstmaligen) Erfahrungen mit dem sog. lockdown des öffentlichen Lebens in der Corona-Pandemie lassen als denkbar erscheinen, dass in bestimmten Konstellationen § 765a einen

70 Vgl. Schuschke Aktuelle Probleme zur Räumungsvollstreckung, NZM 2012, 209, 215 f. 71 Zschieschak/Brücher Die „begleitete Räumung“ bei Suizidankündigungen in der Räumungsvollstreckung, ZMR 2015, 745. Zur Unterrichtungspflicht gegenüber dem Gläubiger BGH NJW-RR 2004, 788. 72 BGH WM 2021, 133. 73 OLG Köln OLGZ 1993, 113. A.A. etwa LG Verden DGVZ 1990, 31 und Wacke Die „Grabsteinpfändung“ – Pietätsrücksichten beim Schuldnerschutz im Konflikt mit dem Lieferantenkredit –, DGVZ 1986, 161 (Pfändungsschutz nach § 811 Nr. 13); KG JW 1935, 2072, AG Bad Schwalbach DGVZ 1984, 61, AG Miesbach MDR 1983, 499, LG Wiesbaden DGVZ 1984, 119 (Unpfändbarkeit aus Pietätsgründen); LG Hamburg DGVZ 1990, 90 und Christmann Die Pfändbarkeit des Grabsteins, DGVZ 1986, 56 (uneingeschränkte Pfändbarkeit). Zur Thematik s. auch Koch „Der Gerichtsvollzieher ziert sich“, JA 2011, 749, 754 f. 74 S. oben Rdn. 15. Zur Teilungsversteigerung vor rechtskräftig geschiedener Ehe s. überdies BGH NJW 2023, 515 (gegen OLG Hamburg FamRZ 2017, 1829). 75 BGHZ 44, 138; BVerfGE 46, 325 m. Anm. Quack Rpfleger 1978, 197, und Goerlich Eigentum als Verfahrensgarantie, DVBl. 1978, 362; BVerfGE 49, 225; BVerfGE 51, 156; OLG Celle Nds.Rpfleger 1979, 37; Baumbach/Lauterbach/Hartmann/ Albers/Vogt-Beheim Rdn. 6. 76 Vgl. OLG Frankfurt BeckRS 2023, 2132; OLG Hamm OLGZ 1992, 218. 77 BGH ZInsO 2013, 1845 (dazu Smid DZWIR 2014, 201, 216); LG Berlin NStZ 2005, 590; LG Berlin Rpfleger 1981, 445. Dazu Fluhr Zur Pfändbarkeit der Forderungen der Strafgefangenen, ZfStrVo 1989, 107. A.A. Kenter Zur Pfändbarkeit von Geldforderungen Strafgefangener, Rpfleger 1991, 488 (§ 850c ist vorrangig). 78 LG Berlin DGVZ 1979, 43. Das BVerfG entscheidet bei einem 78-jährigen (psychisch erkrankten) Mieter, WM 2022, 925. 79 LG Kaiserslautern Rpfleger 2006, 482. 80 AG Kerpen/LG Köln WuM 1992, 247. 81 BGH DZWIR 2009, 522. 82 BVerfGE 61, 126 = NJW 1983, 559 = Rpfleger 1983, 80 m. Anm. Bittmann S. 261; Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen vom 23.3.2023 – juris Vgl. auch LG Lübeck DGVZ 1980, 26; OLG Frankfurt/M. OLGZ 1981, 250; LG Berlin DGVZ 1989, 60; BFH v. 7.4.1992 VI B 68/91. 83 LG Frankenthal Rpfleger 1982, 479; KG WRP 1983, 523. 84 LG Frankenthal Rpfleger 1984, 28. 85 BGH NZI 2014, 414; sehr viel weiterreichend LG Berlin Rpfleger 2006, 329. S. auch LG Hannover FoVo 2012, 13. 86 Abl. die 2. Aufl. A Ia 5. Dem ist mit der Maßgabe zuzustimmen, dass in den entsprechenden Fällen die Eilbedürftigkeit besonders aufmerksam zu prüfen ist. 87 Für die Räumung von Wohnraum vgl. etwa Dorn Zwangsräumung oder Räumungsschutz? Rpfleger 1989, 262; von gewerblich genutzten Räumen Fenger Vollstreckungsschutz bei Räumungsvergleichen, Rpfleger 1988, 55. 88 LG Kiel NJW 1992, 1174; Zöller/Seibel Rdn. 2. 279

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Schutz gegenüber den dadurch verursachten Konstellationen ermöglichen könnte.89 Dazu gehört allerdings nicht – auch nicht bei einer Zwangsräumung90 – ein positives Testergebnis bezüglich des SARS-CoV2-Erregers.

IV. Verfahren 18a Das Verfahren ist auszusetzen, wenn und solange eine Verfassungsbeschwerde „weder von vornherein unzulässig noch offensichtlich unbegründet“ erscheint.91 Eine Anhörung der Partei im Rahmen des Antragsverfahrens kann grundsätzlich in entsprechender Anwendung der §§ 375, 451 ZPO durch einen beauftragten oder ersuchten Richter erfolgen.92 Der Anspruch der Parteien auf rechtliches Gehör umfasst auch die Möglichkeit, den eingesetzten gerichtlichen Sachverständigen zu befragen.93

1. Allgemeines 19 a) Antrag. Anders als nach § 721 und den weiteren, in Rdn. 3 genannten Vorschriften gibt § 765a keine Möglichkeit, den Schutz von Amts wegen zu gewähren.94 Erforderlich ist vielmehr immer ein Antrag des (prozessfähigen)95 Schuldners.96 Das gilt auch in der in Abs. 2 angesprochenen Fallkonstellation. Die damit verbundenen Härten lassen sich dadurch mildern, dass der Richter etwa schon im Erkenntnisverfahren einen Hinweis gem. § 139 auf die Antragsnotwendigkeit gibt,97 oder indem er ein schuldnerisches Hilfsbegehren großzügig auslegt.98 Freilich ist der Bogen zulässiger Auslegung überspannt, wenn in einen Antrag auf Einstellung einer Teilungsversteigerung nach § 180 ZVG generell auch der Vollstreckungsschutzantrag nach § 765a hineininterpretiert wird.99 20 Antragsberechtigt ist grundsätzlich allein der Schuldner,100 nicht der Gläubiger und auch nicht Dritte.101 Das gilt selbst dann, wenn er die Verfügungsgewalt über sein Vermögen verloren

89 90 91 92 93 94 95

S. auch Rauscher, COVID-19-Pandemie und Zivilprozess, COVuR 2020, 2, 14. Zutreffend LG Berlin DGVZ 2022, 172 (s. allerdings die dort nachfolgende Anm. von Mross dazu). BVerfG WuM 2023, 141. BGH MDR 2016, 417. BVerfG WM 2015, 1948. Vgl. LG Düsseldorf DGVZ 2000, 119. S. dazu BGH DGVZ 2011, 209 (Bestellung eines Verfahrenspflegers durch den BGH); LG Rostock WuM 2003, 577; s. ferner Mross in seiner Anm. zu LG Neubrandenburg DGVZ 2021, 68. Zur Antragsberechtigung eines Insolvenzschuldners unbeschadet des Verlusts der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis BGH NJW 2009, 78. Zum Rechtsschutzbedürfnis LG Lübeck WuM 2019, 601. 96 LG Rostock DGVZ 2003, 75. Darin liegt kein Verfassungsverstoß: BVerfG NJW 1983, 687. Vgl. auch LG Limburg Rpfleger 1977, 219. Freilich kann die Abwägung im Einzelfall auch schon aufgrund eines bloßen Hinweises auf die beabsichtigte Antragstellung erforderlich werden – etwa im Rahmen des Antrags auf Prozesskostenhilfe, BFH BFH/NV 1992, 317; vgl. auch LG Hannover WuM 1990, 397. 97 BGH WM 1977, 1201 = Rpfleger 1977, 359. OLG Karlsruhe OLGZ 1994, 107, hält einen Hinw. ggfs. auch noch nach der Versteigerung und vor dem Zuschlagsbeschluss für geboten. 98 OLG Frankfurt/M. Rpfleger 1979, 391. 99 So aber OLG Köln Rpfleger 1991, 197. 100 Das kann u.U. auch einmal der nicht verwaltende Ehegatte hinsichtlich des zum Gesamtgut gehörenden Grundstücks sein, LG Zweibrücken v. 28.7.1994 3 T 50/94. Zum Betreuer des Schuldners s. LG Neubrandenburg DGVZ 2021, 68. 101 Das Wohnungsamt etwa, vgl. 2. Aufl. B Ib. Paulus

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hat (etwa im Insolvenzverfahren) und der Verwalter den Antrag versäumt hat;102 abgesehen von dieser Besonderheit ist aber die Partei kraft Amtes (Insolvenzverwalter, Testamentsvollstrecker, etc.) zur Antragstellung befugt.103 Im Übrigen macht es für die Anwendung des § 765a keinen Unterschied, ob der Schuldner eine natürliche oder eine juristische Person, oder ob er eine Personengesellschaft (OHG, KG) ist. Auf das Recht, einen Vollstreckungsschutzantrag zu stellen, kann der Schuldner wegen der sozialstaatlichen Schutzrichtung, Rdn. 2, nicht im Vorhinein verzichten;104 er kann lediglich während eines laufenden Verfahrens, d.h. bis zur Rechtskraft der Entscheidung, seinen Antrag zurücknehmen.105 Die Stellung eines Antrages ist unzulässig, wenn sie offensichtlich allein dem Zweck dient, 21 den Fortgang des Verfahrens zu verschleppen.106 Andererseits ist mit Ausnahme der in Abs. 3 angesprochenen Räumungssachen (dazu sogleich) eine Antragsfrist nicht vorgesehen. Sie lässt sich allenfalls mittelbar aus Abs. 2 herleiten, der von einer „rechtzeitigen“ Anrufung des Gerichts spricht. Doch wird man daraus nicht mehr entnehmen können, als dass der Antrag nach durchgeführter Vollstreckungsmaßnahme (in der Zwangsversteigerung nach107 Eintritt der Rechtskraft des Zuschlagbeschlusses)108 nicht mehr möglich109 bzw. unzulässig ist.110 Zur Präklusion s. Rdn. 6 f. Der Antrag kann schon vor Beginn der Zwangsvollstreckung, etwa im Verfahren der §§ 114 ff.,111 oder unter besonderen Umständen auch gar in der Revisionsinstanz112 gestellt werden.113 Wie schon erwähnt, hat die zweite Zwangsvollstreckungsnovelle mit der Einfügung des Abs. 3 22 eine Frist von mindestens zwei Wochen für den Fall vorgeschrieben, dass es sich um eine Räumungssache, s. auch § 272114 Abs. 4, handelt. Ausweislich der Begründung dieses Erfordernisses soll dem Gläubiger damit eine gewisse Planungssicherheit für wenigstens die beiden letzten Wochen vor dem angeordneten Räumungstermin eingeräumt werden, innerhalb derer er etwa Renovierungsaufträge erteilen oder die Weitervermietung betreiben kann, ohne mit einem „in letzter Sekunde“ gestellten Antrag und der damit verbundenen Verzögerung rechnen zu müssen (BTDrucks. 13/341). Dieser Zweck sowie die begriffliche Weite des vom Gesetzgeber gewählten Ausdrucks „Räumungssache“ (statt „Räumung von Wohnraum“ wie in § 721 oder „Herausgabe einer unbeweglichen Sache“ in § 885) implizieren, dass die Zweiwochenfrist nicht nur bei der Räumung, sondern auch bei der nachfolgenden Besitzeinweisung115 zu beachten ist. Freilich ist die dem Gläubiger angebotene Planungssicherheit dadurch reduziert,116 dass ein kurzfristiger Schuldner-

102 OLG Celle ZIP 1981, 1005. Vgl. auch BGH WM 1977, 1201. 103 OLG Hamm NJW 1976, 1754 = BB 1976, 533. An die Stelle des Schuldnerinteresses tritt dann das Interesse der Masse OLG Celle OLGZ 1973, 253. 104 LG Osnabrück WuM 1980, 256; LG Berlin Grundeigentum 1991, 403; LG Heidelberg WuM 1993, 397; 2. Aufl. A II; MünchKomm/Heßler Rdn. 97; Bartels Der Verzicht auf den gesetzlichen Vollstreckungsschutz, Rpfleger 2008, 397, 404. 105 Diff. Zöller/Seibel Rdn. 26. 106 AG Bernkastel-Kues, LG Trier Rpfleger 1991, 70. 107 Für die Zeit zwischen Zuschlag und Eintritt der Rechtskraft bei ernsthafter Lebensgefahr BVerfG NJW 2007, 291; BGH NJW 2006, 505. 108 BGH NJW-RR 2011, 1000; BGH Rpfleger 2010, 383. 109 OLG Celle NdsRpfleger 1978, 56; OLG Frankfurt/M. Rpfleger 1979, 391; LG Frankenthal Rpfleger 1984, 194. 110 OLG Düsseldorf Rpfleger 1987, 514. A.A. LG Kiel NJW 1992, 1174. Zum ganzen Bötticher MDR 1950, 492; E. Schneider Der Antrag aus § 765a ZPO im fortgeschrittenen Stadium des Zwangsversteigerungsverfahrens, MDR 1980, 617. 111 Zur Abgabe im Widerspruchsverfahren gegen die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung LG Lübeck, DGVZ 2006, 139. 112 BGH NJW-RR 2007, 11. 113 S. auch SaarlOLG Rpfleger 2003, 37; OLG Brnadenburg Rpfleger 2001, 91. 114 Dazu etwa Schmid Die vorrangige und beschleunigte Durchführung von Räumungssachen, ZMR 2013, 417. 115 Zu dieser Differenzierung KG NJW-RR 1986, 1510 = Rpfleger 1986, 439; LG Hamburg WuM 1993, 417. 116 Zur möglichen strategischen Nutzung dieser Frist durch den Schuldner Lämmer/Muckle Die „Schutzschrift“ in der Räumungsvollstreckung, NZM 2008, 69. 281

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antrag gleichwohl noch zulässig ist, wenn die entsprechenden Gründe erst innerhalb der besagten zwei Wochen entstanden sind117 oder wenn der Schuldner ohne sein Verschulden118 an einer rechtzeitigen Antragstellung verhindert war. Hinzukommt, dass Abs. 3 bewusst nur als Soll-Vorschrift ausgestaltet ist, um dem Gericht (§ 128 Abs. 2 GVGA verlängert diese Frist kategorisch auf drei Wochen119) auch in anderen Fällen noch ein Entscheidungsermessen zu belassen. Angesichts des ausdrücklichen Zieles der Gesetzesnovelle, die Effizienz des Vollstreckungsverfahrens zugunsten des Gläubigers zu steigern, müssen die genannten Einschränkungen des Fristerfordernisses jedoch restriktiv interpretiert werden:120 Wenn sich also etwa die Gefährdung bereits vorher abgezeichnet hat (z.B. Selbstmordversuch oder beiläufige, ärztliche Mitteilung) und eine ärztliche Untersuchung stattfindet, deren Ergebnis jedoch erst innerhalb der Zweiwochenfrist mitgeteilt wird, ist ein nunmehr gestellter Antrag unzulässig. Andererseits verlangt die Einführung der Frist, dass dem Schuldner der nach § 128 Abs. 2 S. 1 GVGA121 erforderliche Hinweis so frühzeitig mitgeteilt wird, dass er vor dem Beginn der zwei Wochen noch hinreichend Zeit hat, gegebenenfalls einen Schutzantrag zu stellen.122 Ist dieses Gebot missachtet worden, wird man sagen müssen, dass der Schuldner ohne sein Verschulden an einer rechtzeitigen Antragstellung verhindert gewesen ist. 23 Eine besondere Form ist für den Antrag nicht vorgeschrieben; es empfiehlt sich gleichwohl, ihn schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle einzureichen – und zwar in einer Weise, dass für die entscheidenden Instanzen überprüfbar ist (also hinreichend substantiiert), gegen welche Vollstreckungsmaßnahme und auf Grund welcher besonderen Umstände der Schutz begehrt wird.123 Der Antrag unterliegt nicht dem Anwaltszwang.

24 b) Zuständigkeit. Die Zuständigkeit liegt nach Maßgabe des Abs. 1 beim Vollstreckungsgericht,124 §§ 764, 802;125 funktionell beim Rechtspfleger126 nach § 20 Nr. 17 RPflG.127 Da der Antrag auch erstmalig in der Beschwerdeinstanz gestellt werden kann, ist in einem solchen Fall dieses Gericht zuständig;128 im Rahmen eines Insolvenzverfahrens ggf. auch das Insolvenzgericht.129 Freilich kann der Antrag rein faktisch auch zu Beginn der Vollstreckungshandlung gestellt werden; zumindest in Fällen einer (etwa mittels eines ärztlichen Attests nachgewiesenen) Suizidgefahr oder auch nur eines angedeuteten „Bilanzselbstmords“130 ist damit zunächst einmal ein Verfahrensstillstand

117 118 119 120 121

Dazu etwa LG Mönchengladbach DGVZ 2000, 118. Hierzu etwa OLG Köln NJW-RR 2001, 226. Dazu AG Frankenberg-Eder DGVZ 2016, 208. Unrichtig insoweit AG Frankenberg DGVZ 2016, 208. Hierzu Gilleßen Die Räumungsvollstreckung und ihre Problembereiche – eine systematische Darstellung, DGVZ 2006, 185. 122 Vgl. Heinze Die Zustellung der Räumungsmitteilung an den Schuldner und die kostenrechtlichen Folgen, DGVZ 2004, 164. 123 Zutreffend OLG Koblenz (mitsamt Vorinstanzen) ZInsO 2013, 2179; LG Paderborn JurBüro 2006, 215 (Glaubhaftmachung erforderlich). 124 Nicht aber der Gerichtsvollzieher, BVerfG NJW 2013, 290; anders noch AG Bensheim DGVZ 2004, 76. 125 Wird Vollstreckungsschutz im Rahmen eines Insolvenzverfahrens beantragt, ist das Insolvenzgericht zuständig für die Bescheidung des Antrags, vgl. BGH NJW 2009, 78; BGH NZI 2008, 93. 126 Als verfassungswidrige Zuordnung mit nachvollziehbarer Begründung eingestuft von Gaul Die Verfassungswidrigkeit der Härteentscheidung nach § 765a ZPO wegen Verstoßes gegen den Richtervorbehalt aus Art. 92 GG, JZ 2013, 1081. 127 Zum rechtlichen Gehör vor dem Rechtspfleger Eickmann Das rechtliche Gehör in Verfahren vor dem Rechtspfleger, Rpfleger 1982, 449. 128 KG NJW 1965, 2408. 129 BGH WM 2019, 2022. 130 Das ist ein auf „freiem, von einer Krankheit nicht beeinflussten Willen“ beruhender Entschluss, dazu BGH NZM 2011, 166. Paulus

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verbunden.131 Denn weder der Gerichtsvollzieher noch der Rechtspfleger dürften je die notwendige Expertise haben, deren Aktualität und Berechtigung zu überprüfen. Für die Überprüfung von Richtigkeit einer Suizidgefährdung gilt der Amtsermittlungsgrundsatz.132

c) Entscheidungsform. Entgegen seinem Wortlaut („kann“) handelt es sich bei der Entscheidung 25 des Gerichts nicht um eine Ermessensentscheidung; die Subsumtion der einzelnen Tatbestandsmerkmale ist daher auf ihre richtige Rechtsanwendung voll nachprüfbar. Bei der Entscheidung ist darauf zu achten, dass § 765a nur in krassen Ausnahmefällen anwendbar ist, s. außer Rdn. 5 ff. noch Rdn. 29, und dann auch nur, wenn die vorzunehmende Abwägung, Rdn. 29 ff., eindeutig zugunsten des Schuldners spricht. Das Gericht trifft seine Entscheidung ausweislich des Abs. 5 in Gestalt eines Beschlusses; er 26 ist zu begründen. Eine mündliche Verhandlung ist demnach nicht erforderlich, doch muss sie wegen des Rechts auf Gehör (fair trial) zumindest immer dann, wenn das Gericht dem Antrag stattgeben will, durchgeführt werden. Das Gesetz sieht in dem durch die zweite Zwangsvollstreckungsnovelle eingefügten Abs. 1 S. 2 nunmehr ausdrücklich vor, dass das Gericht zum Erlass vorläufiger Anordnungen befugt ist.133 d) Kosten.134 Die Kosten des Gerichts betragen gem. Nr. 2113 des Kostenverzeichnisses des GKG 27 A 22,–;135 die eines Rechtsanwaltes ergeben sich als eine besondere Angelegenheit aus § 18 Abs. 1 Nr. 6 RVG i.V.m. Nr. 3309 des Kostenverzeichnisses des RVG.136 Zur Kostenerstattung s. § 788 Abs. 3 sowie die Kommentierung ebenda Rdn. 67.137

e) Wirkung. Soweit die Entscheidung dahingehend lautet, dass die Vollstreckungsmaßnahme auf- 28 zuheben ist, Rdn. 41, tritt diese Wirkung ausweislich des Abs. 5 erst ab Rechtskraft des Beschlusses ein. Die Einstellung selbst richtet sich nach § 775 Nr. 2. 2. Erstentscheidung, Abs. 1 a) Voraussetzungen. Das Gericht muss dem Antrag – vorbehaltlich der grundsätzlichen An- 29 wendbarkeit des § 765a, Rdn. 3 ff. – stattgeben, wenn die Vollstreckungsmaßnahme eine Härte bedeutet, die mit den guten Sitten nicht vereinbar ist. Freilich muss dieser Schluss das Ergebnis

131 Zutreffend Schuschke Aktuelle Probleme der Räumungsvollstreckung, ZMR 2012, 209, 215. 132 BVerfG NZM 2012, 245; s. auch BGHZ 163, 66 (zur Einstellung als keinesfalls automatische Reaktion sowie den der Eigenverantwortung des Schuldners obliegenden Schutzmaßnahmen).

133 Zu den der Novelle vorangehenden, diesbezüglichen Reformbestrebungen Jesse Zur geplanten Änderung des Zwangsvollstreckungsrechts, DGVZ 1993, 85; Schilken Vereinfachung und Beschleunigung der Zwangsvollstreckung, Rpfleger 1994, 141 f. 134 Speziell zu Räumungskosten Schieren Die Kostenbelastung des Gläubigers bei der Räumungsvollstreckung – effektiver Rechtsschutz? DGVZ 2011, 41. Zur Gewährung von Prozesskostenhilfe LG Saarbrücken MDR 2010, 776. 135 Zum Beschwerdeverfahren s. Nr. 2121 KV-GKG. 136 S. Schneider Die Gebührenerhöhung bei der Vertretung mehrerer Mieter, Vermieter oder Wohnungseigentümer, NZM 2006, 361. Zur Errechnung des Gebührenstreitwerts OLG Koblenz NZM 2005, 360; LG Görlitz AGS 2003, 408; LG Münster MDR 1995, 1269. 137 Wegen des Streitwerts vgl. LG Heilbronn DGVZ 1993, 140; AG Stolzenau JurBüro 2011, 529 sowie Mümmler Streitwert des Räumungsschutzverfahrens nach § 765a ZPO, JurBüro 1994, 263. Für eine Erledigungserklärung LG Frankfurt/ M. NZM 2000, 88. 283

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einer eingehenden Abwägung der im Spiele befindlichen Interessen sein. Das Gesetz schreibt dafür die „volle Würdigung“ des Schutzbedürfnisses des Gläubigers vor, und dass ganz besondere Umstände vorliegen müssen; zu diesen Umständen gehört nicht eine fehlende, für die Zwangsvollstreckung jedoch erforderliche138 Prozessunfähigkeit.139 Aus dem Umkehrschluss zu Abs. 2 ergibt sich, dass die in die Abwägung einzubeziehenden Umstände nachgewiesen werden müssen,140 wobei für die Beweislastverteilung die allgemeinen Regeln gelten.141 Fragen der Verhältnismäßigkeit – etwa die Relation der Höhe der Vollstreckungsforderung zu dem Wert des Vollstreckungsobjekts – dürfen bei der Abwägung (bis zur Grenze der Schikane nach § 226 BGB) keine Rolle spielen, soweit es bei dem Vollstreckungszugriff um die vom Staat völlig unberührte Beziehung zwischen zwei Bürgern geht.142 Im Übrigen sind bei der Abwägung die Gesamtumstände des jeweiligen Einzelfalles zu berücksichtigen, so dass die nachfolgenden Anmerkungen nichts weiter als grobe Leitlinien für die vom Gericht jeweils vorzunehmenden Überlegungen sein können.

30 aa) Abwägung. Ausgangspunkt dieser Abwägung muss zu allererst jedoch die aus der bloßen Existenz eines Zwangsvollstreckungsrechts ableitbare Überlegung sein, dass der Gläubiger den Vollstreckungszugriff vornehmen darf, weil er einen Titel in den Händen hält. Es ist und bleibt als Ausgangspunkt im Auge zu behalten, dass der Gläubiger damit eine mit dem verfassungsrechtlichen Eigentumsschutz143 ausgestattete Rechtsposition innehat. Ihm können und dürfen nicht als Einzelperson aus schlichten Billigkeitserwägungen Aufgaben auferlegt werden, die den Sozialstaat als solchen betreffen.144 Da ihm das Gesetz mit Ausnahme vielleicht der §§ 777, 806a keine Reihenfolge der zu pfändenden Gegenstände vorschreibt,145 ist er bei der Vollstreckung wegen einer Geldforderung überdies in der Auswahl der Vollstreckungsobjekte grundsätzlich frei.146 Diese Freiheit kann nicht generell durch § 765a etwa dergestalt aufgehoben werden, dass der Gläubiger auf die Gegenstände zuerst zugreifen müsste, deren Verlust der Schuldner am ehesten verkraften kann. Der mit dieser Freiheit verbundene Gläubigervorteil ist dem Vollstreckungsrecht vielmehr immanent; er bedingt zum einen, dass der Schuldner den Zugriff überhaupt, und zum zweiten, dass er gerade auch die konkrete Maßnahme zu dulden hat. Das Gesetz unterstreicht diese Konsequenz dadurch, dass es für eine Durchbrechung „ganz besondere Umstände“ verlangt. Die Gewährung des Schutzes kann und darf daher immer nur die seltene Aus-

138 139 140 141

BGH NJW 2006, 505; s. auch Vorb. vor § 704 Rdn. 45. S. dazu BGH DGVZ 2010, 209. Im Verfahren des BGH NZM 2009, 816, gab es Atteste von fünf(!) verschiedenen Ärzten. S. auch LG Berlin Grundeigentum 2019, 1510. S. allerdings Deppenkemper Jetzt auch Amtsermittlung im Mietprozess – Feststellung von Eigennutzungswunsch und besonderen Härten wie Krankheit und Alter im Eigenbedarfsprozess, jM 2019, 310. 142 LG Oldenburg ZIP 1982, 626 = Rpfleger 1982, 303; Gerhardt Bundesverfassungsgericht, Grundgesetz und Zivilprozeß, speziell: Zwangsvollstreckung, ZZP 95 (1982), 491; MünchKomm/Heßler Rdn. 30 ff. A.A. etwa BVerfGE 52, 214; LG Freiburg Rpfleger 1989, 469; Gaul Zur Struktur der Zwangsvollstreckung, Rpfleger 1971, 87; Wieser Der Grundsatz der Erforderlichkeit in der Zwangsvollstreckung, ZZP 100 (1987), 158; Behr Generalklausel für Vollstreckungsschutz (Zur Reform des § 765a ZPO), Rpfleger 1989, 13; H. Schneider Die Ermessens- und Wertungsbefugnis des Gerichtsvollziehers, DGVZ 1989, 146 m.w.N.; Baumbach/Lauterbach/Hartmann/Albers/Vogt-Beheim Rdn. 10. Hinsichtlich einer Zwangsvollstreckung durch die öffentliche Hand vgl. LG Wuppertal DGVZ 1986, 90. 143 Vgl. Vorb. vor §§ 704 Rdn. 88. 144 BGH NZM 2009, 816; BGH NJW 2005, 1859. Gaul Die neue Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof, DGVZ 2005, 113, 123. Zum verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz kritisch in diesem Zusammenhang Fischer Die unverhältnismäßige Zwangsvollstreckung, Rpfleger 2004, 599. 145 S. aber noch unten Rdn. 40. 146 Hierzu Vorb. vor § 704 Rdn. 27; Götte Zur Wiedereinführung einer Rangfolge der Zwangsvollstreckungsmittel, ZZP 100 (1987), 412. Paulus

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nahme sein, die bei krassen Fallkonstellationen eingreift.147 Auch die Bedrohung oder gar Vernichtung seiner beruflichen und wirtschaftlichen Existenz148 durch den Vollstreckungszugriff hat der Schuldner grundsätzlich ebenso hinzunehmen149 wie Gesundheitsbeeinträchtigungen als Folge150 des Vollstreckungszugriffs.151 Das Bundesverfassungsgericht152 legt allerdings in Räumungssachen erhebliches Gewicht auf die Grundrechtsposition gerade älterer Wohnungsinsassen, die ihre „Autonomie“ in neuer Umgebung zu verlieren drohen.

bb) Gläubigerinteressen. Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass das in Abs. 1 angesprochene 31 Schutzbedürfnis des Gläubigers nicht schon einfach aus dem Innehaben des Titels resultieren kann; denn daraus leitet sich allein eine Berechtigung ab, die ihm bei der anzustellenden Abwägung den prinzipiellen Vorrang sichert und die Notwendigkeit bedingt, dass Schutzmaßnahmen nur ganz ausnahmsweise erlassen werden.153 Das in die Abwägung mit einzubeziehende Schutzbedürfnis setzt vielmehr erst darüber ein; bei der Frage nämlich, ob und inwieweit der Gläubiger auf die mit der Vollstreckung erzwungene Leistung angewiesen ist.154 Um einen evidenten Fall155 handelt es sich, wenn der Gläubiger Sozialhilfeempfänger, altersschwach, infarkt- oder gar selbst156 suizidgefährdet oder obdachlos ist und etwa über die Räumungsvollstreckung an seinen Grundbesitz herankommen will.157 Aber auch, wenn der Gläubiger durch eine eventuelle Nichtleistung in wirtschaftliche Bedrängnis gerät, ist dies ein bei der Abwägung zu berücksichtigender Umstand.158 Gegen den Gläubiger spricht es dagegen, wenn er die für die Auszahlung des geschuldeten 32 Betrages erforderliche Mitwirkungshandlung verweigert,159 oder – allgemein gesprochen – wenn die Vollstreckungsmaßnahme erkennbar missbräuchlich160 ist, bzw. wenn sie nicht in erster Linie der Befriedigung seiner Forderung dient161 oder wenn, in Anlehnung an den Rechtsgedanken des § 162 BGB, der Gläubiger den Erfolg der Vollstreckungsmaßnahme vereitelt.162 Nach Ansicht des

147 BGHZ 44, 143; Scholz Zwangsräumung und Vollstreckungsschutz, ZMR 1986, 227; LG Köln m. Anm. Ottersbach Rpfleger 1989, 517; Stein/Jonas/Münzberg Rdn. 1. 148 S. etwa BGH GuT 2011, 62 und 401. 149 LG Kiel SchlHA 1955, 278; OLG Düsseldorf NJW-RR 1986, 1512; LG Berlin AnwBl. BE 1989, 375. A.A. etwa LG Berlin DGVZ 1979, 43; möglicherweise auch MünchKomm/Heßler Rdn. 36. 150 BGH NJW 2004, 3635. Erst recht gilt die im Text getroffene Aussage also, wenn kein Kausalzusammenhang besteht, AG Münster WuM 2000, 315. 151 A.A. offenbar BVerfG NJW 2004, 49; zutr. demgegenüber BGH NJW 2004, 3635; OLG Köln WPM 1987, 1347; MDR 1990, 257 = NJW-RR 1990, 590; ZMR 1993, 336; BFH BFH/NV 1992, 317. Für schwere Gesundheitsgefährdungen vgl. Rdn. 34. Zur Zwangsräumung einer Klinik mit 35 Patienten BVerfG NJW 2003, 882; LG Gießen DGVZ 2002, 121. 152 BVerfG NJW 1998, 295; dazu etwa Schumacher Wohnraummiete und Betreuung, WuM 2003, 190. S. auch BGH NJW 2009, 3440 sowie unten Rdn. 36. 153 Bes. deutlich LG Braunschweig DGVZ 1991, 187. 154 Vgl. AG Seligenstadt Rpfleger 1988, 417. 155 Weniger evident, aber immer mit zu berücksichtigen sind die wirtschaftlichen Belastungen für den Gläubiger, BVerfG NJW-RR 2014, 584. 156 Dazu BGH DGVZ 2016, 205. 157 Zutr. LG Darmstadt Rpfleger 1991, 118. 158 Exemplarisch LG Kaiserslautern BeckRS 2005, 10317. 159 OLG Koblenz OLGZ 1985, 453 = Rpfleger 1985, 499 m. Anm. Alisch in Rpfleger 1986, 62. 160 Zur „grundlosen Hin und Her“-Beschäftigung durch den Arbeitgeber s. BAG NZA-RR 2012, 342; BAG NJW 2020, 3051. 161 Richtig daher OLG Frankfurt/M. OLGZ 1980, 482; AG Betzdorf/LG Koblenz DGVZ 1987, 44; LG Berlin Rpfleger 1987, 209; Stein/Jonas/Münzberg Rdn. 6. Die Anforderungen an den Nachweis nicht primärer Befriedigungsabsicht sind allerdings hoch, OLG Köln MDR 1972, 877; LG Freiburg/Br. Rpfleger 1989, 469 (zu vorschnell daher OLG Düsseldorf Rpfleger 1989, 470; LG Koblenz ZVI 2006, 291). Vgl. auch Rdn. 35 m. Fn. 175. 162 OLG Köln NJW-RR 1995, 1039. 285

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BGH163 ist auch besondere Zurückhaltung geboten, wenn ein Anspruch der öffentlichen Hand, insbesondere dann auch noch bei geringfügigen Forderungen, geltend gemacht wird.

33 cc) Schuldnerinteressen. Das Gesetz stellt lediglich auf die Notlage des Schuldners ab, ohne deren Verursachung mit zu berücksichtigen.164 Eine „Würdigkeit“ des Schuldners – etwa fehlendes Verschulden – kann daher nicht zur Schutzvoraussetzung erhoben werden.165 Andererseits kann dieser Grundsatz nicht schrankenlos gelten, weil anderenfalls etwa der die Kündigungsfrist sowie die weiteren materiell-rechtlichen und verfahrensrechtlichen Schutzfristen verstreichen lassende, räumungspflichtige Wohnungsbesitzer sich nunmehr auf § 765a berufen könnte, ohne zuvor nach Ersatzwohnraum gesucht zu haben.166 Die schrankenlose Anwendung des Grundsatzes ließe sich überdies nicht mit dem Menschenbild der Privatrechtsordnung in Einklang bringen, das eigenverantwortlich und privatautonom handelnde Rechtssubjekte voraussetzt.167 34 Angesichts dieser Spannungslage empfiehlt es sich, die für die Anwendung des § 765a maßgeblichen exzeptionellen Umstände auf Seiten des Schuldners fallgruppenartig zusammenzustellen. Auf diese Weise können die Unsicherheiten im Umgang mit der Generalklausel am besten strukturiert werden. Die markanteste Gruppe setzt sich zusammen aus den Fällen nachgewiesener Depressionen mit daraus resultierender Suizidgefahr168 oder schwerer Gesundheitsgefährdungen des Schuldners169 oder dessen naher Angehöriger.170 Sie ergibt sich aus dem grundsätzlichen, durch die Grundrechte angeordneten Vorrang,171 den Leben und Gesundheit172 gegenüber materiellen Rechtsgütern genießt. Man kann diese Gruppe unter dem Stichwort ‚physische Existenzver-

163 BGH MDR 2005, 353. 164 Das BVerfG hält deswegen auch eine Nichtzahlung des Mieters von über einem Jahr für unbeachtlich, BeckRS 2014, 17266; einleuchtender demgegenüber LG Frankfurt/O. Das Grundeigentum 2005, 1252; LG Hamburg ZMR 2002, 472. Zur Frage, ob der Vermieter gehalten ist, trotz vollstreckbaren Räumungstitels noch weiterhin Versorgungsleistungen erbringen zu müssen, BGH NZM 2009, 482; Streyl Das Einstellen von Versorgungsleistungen durch den Vermieter, WuM 2006, 234. Dass sich der Schuldner in Strafhaft befindet, ist kein berücksichtigungsfähiger Umstand, LG Münster vom 29.11.2016 – juris. 165 Auch der inhaftierte Schuldner kann sich auf § 765a berufen, BGH NJW-RR 2009, 1384. 166 Dazu etwa AG Hamburg ZMR 2011, 137; vgl. auch Zöller/Seibel Rdn. 12. Insbes. bei einer deliktischen Forderung wird das Vorverhalten des Schuldners verstärkt zu berücksichtigen sein. 167 Diesen Aspekt lässt auch der BGH völlig unberücksichtigt, NJW-RR 2020, 1141; vgl. damit BGH WuM 2017, 668 – Tz. 20. 168 S. bereits oben Rdn. 22. BVerfGE 52, 214; BVerfG WuM 1992, 6; BVerfGE 84, 345; BVerfG NZM 2005, 657; dazu etwa Schmidt-Räntsch Suizid in der Zwangsversteigerung, ZfIR 2011, 849; E. Schneider Krankheit und Suizidgefahr als Vollstreckungshindernis, JurBüro 1994, 321. Aus älterer Zeit s. etwa LG Darmstadt Rpfleger 1991, 117; LG Bonn WuM 1991, 284; vgl. auch Scholz Zwangsräumung und Vollstreckungsschutz, ZMR 1986, 227. Vgl. außerdem Fn. 58. 169 Etwa Lebensgefahr wegen einer laufenden Krebsbehandlung des Schuldners, BGH MDR 2011, 1136; „wegen einer chronischen neurotoxischen Schädigung sämtlicher Organsysteme sowie allergischer Reaktionen im Sinne eines MCSSyndroms“, BGH DGVZ 2008, 43; drohender Herzinfarkt, BGH NJW 2008, 1742 oder „infolge einer traumatischen Belastung bei bestehendem Bluthochdruck und alterstypischer Veränderung der Herzkranzgefäße“, LG Hof DGVZ 1991, 40. Zum „Bilanzselbstmord“ – also einer auf freiem Entschluss beruhenden Ankündigung – BVerfG NZM 2001, 951; BGH NJW-RR 2011, 423; dazu etwa Linke Drohender „Bilanzselbstmord“ als Räumungsvollstreckungshindernis bei der Gewerberaummiete? NZM 2002, 205. 170 Dazu BGH NJW-RR 2011, 1459 (Magersucht der Tochter); BGH WuM 2011, 533; BGH NJW 2005, 1859; OLG Hamm NJW-RR 2001, 1303; LG Gießen Rpfleger 2007, 278 (Schutzantrag abgelehnt, weil Befugnis zum Verbleib in der Wohnung durch dingliches Recht abgesichert war). 171 S. auch Schuschke Aktuelle Probleme der Räumungsvollstreckung, NZM 2012, 209, 216 m.w.N. in Fn. 72. 172 Hierzu etwa BVerfG NZM 1998, 431. LG Rostock DGVZ 2003, 155 lehnt zu Recht Schutzantrag ab bei Neurodermitis und ADHS-Syndrom des Sohnes des Schuldners; s. auch LG Kleve DGVZ 2013, 161. Paulus

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nichtung‘173 zusammenfassen (zur wirtschaftlichen Existenzvernichtung s. Rdn. 30). Jede weitere Fallgruppe muss sich in Schwere und Wertigkeit mit dieser vergleichen lassen.174 Folglich ist eine partielle Geschäftsfähigkeit des Schuldners ebenso wenig ein besonderer Umstand i.S.d. § 765a175 wie der Hinweis des Schuldners, er werde Sozialhilfe in Anspruch nehmen müssen,176 oder dass der Gläubiger auf ihn Druck ausüben wolle.177 Die unzähligen Entscheidungen vornehmlich der Untergerichte zur Kontopfändung178 sind durch die Einführung des P-Kontos, § 850k, in der Weise beeinflusst worden, dass es nunmehr hauptsächlich um die (richtigerweise zu verneinende) Frage geht, ob mittels § 765a eine Kontopfändung insgesamt untersagt werden kann, wenn auf dem Konto nur Beträge bis zur Höhe des Sockelbetrages eingehen.179 Weil speziell die Suizidgefahr180 unter Räumungsschuldnern (und ihrer nahen Angehörigen) 35 in Deutschland in den letzten gut 40 Jahren (wohl auch aufgrund intensiver Informationsbasis im Internet) enorm gestiegen ist,181 hat sich hierbei in der Praxis zusätzlich zu der Pflicht, das Verfahren in einer den verfassungsrechtlichen Schutzpflichten entsprechenden Weise auszugestalten,182 eine eigene vierstufige Prüfungskaskade183 herauskristallisiert. Freilich ist hervorzuheben, dass

173 Das BVerfG schreibt vor, dass nicht nur die Gefahren für Leben und Gesundheit des Schuldners während des Räumungsvorgangs, sondern auch die Lebens- und Gesundheitsgefahren im Anschluss an die Zwangsräumung einzubeziehen seien, WuM 2022, 391. 174 Die Fallgruppen, die im Hinblick auf die §§ 138, 242, 826 BGB entwickelt worden sind, lassen sich nicht oder nur sehr beschränkt auf § 765a übertragen, H. Honsell Privatautonomie und Wohnungsmiete, AcP 186 (1986), 150; MünchKomm/Heßler Rdn. 38. 175 Zutreffend BGH DGVZ 2011, 209; dazu Fischer Vollstreckungsschutzantrag, Prozessfähigkeit und partielle Geschäftsunfähigkeit, WuM 2012, 178. 176 BGH ZIP 2011, 90; BGH JR 2006, 25 mit Anm. Gieseler; FG Köln BeckRS 2005, 26024700; OLG Celle Rpfleger 2013, 172; OLG Zweibrücken NJW-RR 2002, 1664; LG Koblenz JurBüro 2004, 158; LG Münster Rpfleger 2002, 272. S. auch Erkelenz/Leopold/Marhöfer Zwangsvollstreckung bis in die Sozialhilfebedürftigkeit? ZRP 2007, 48. 177 BGH Rpfleger 2004, 302. 178 Etwa AG Bielefeld vom 2.1.2017 – juris; VG Düsseldorf NVwZ-RR 2006, 158; LG Frankfurt Rpfleger 2006, 209; LG Saarbrücken ZVI 2005, 369; LG Rottweil JurBüro 2005, 327; LG München II ZBB 2004, 326; LG Konstanz Rpfleger 2003, 517; LG Traunstein Rpfleger 2003, 309. 179 S. etwa BGH NJW 2012, 79; LG Saarbrücken VuR 2014, 69; LG Oldenburg ZVI 2010, 310; AG Friedberg VuR 2014, 109; AG Schwäbisch Hall ZVI 2012, 314. Auf einem P-Konto eingehende Gelder für andere als den Schuldner können nicht mittels § 765a geschützt werden, AG Schwarzenbek ZVI 2012, 354. Zum Monatsanfangsproblem etwa LG München I ZVI 2011, 180; LG Oldenburg ZVI 2011, 31; LG Kassel JurBüro 2011, 385; AG Hamm ZVI 2011, 382; Ahrens Gesetzliche Regelung des so genannten Monatsanfangsproblems beim Pfändungsschutzkontos, NZI 2011, 183. 180 Hierzu insbesondere Schmidt-Räntsch Suizid in der Zwangsversteigerung, ZfIR 2011, 849 (mit Liste der einschlägigen BGH-Entscheidungen). Weiter etwa Lissner Verfassungsrechtliche Anforderungen an den Vollstreckungsschutz § 765a ZPO im Falle von Suiziddrohungen, DGVZ 2020, 90; Zschieschack Verhaltensauffällige oder suizidgefährdete Schuldner im Vollstreckungsverfahren, WuM 2018, 267; Kogel Suizidgefahr und § 765a ZPO, Rpfleger 2017, 372. 181 Vgl. Gaul in: Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, ZVR, § 43 Rdn. 14; Schuschke Aktuelle Probleme der Räumungsvollstreckung, NZM 2012, 209, 215; Schmid Selbstmordgefahr und Verhinderung der Zwangsräumung, WM 2010, 2108. Anschauliches Beispiel zu den Problemen („Blockadesituation“, BGH NJW-RR 2010, 1649), die sich in praxi aus diesem Phänomen ergeben, LG Koblenz Rpfleger 2008, 656. Zu der hier nur implizit angedeuteten Gefahr für das Vollstreckungsrecht insgesamt s. Vorb. vor § 704 Rdn. 18; ferner Bosch Räumung des Mieters im Wege der „Selbstjustiz“, NZM 2009, 530. 182 Etwa BGH WuM 2020, 364; BGH NJW-RR 2008, 1741 und 1742 (Änderung des Vortrags von Suizid- zu Herzinfarktsgefahr). Nach BVerfG NJW 2007, 2910, ist ein Einwand der Suizidgefahr auch dann zu berücksichtigen, wenn er erst in der Beschwerdeinstanz erhoben wird; s. auch BGH NJW 2006, 505. Der BGH hat in NJW-RR 2008, 1741 eine Antragstellung gar erst nach dem Zuschlagsbeschluss für zulässig erachtet – und seither öfters: BGH Rpfleger 2020, 159; BGH vom 15.7.2021 – juris. S. auch BVerfG NJW 2019, 2012. 183 Hierzu insbesondere Kaiser Räumung und Vollstreckungsschutz bei Suizidgefahr, NJW 2011, 2412; Ulrich Suizid als sittenwidrige Härte des § 765a ZPO, Rpfleger 2012, 47. 287

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sich die Vielfalt der ergangenen Entscheidungen zu den menschliche Tragödien wiederspiegelnden Fällen184 nicht wirklich immer in ein sich schlüssiges Konzept einordnen lassen: – Als erstes muss das Gericht,185 regelmäßig unter Zuhilfenahme (qualifizierter186) ärztlicher187 bzw. behördlicher188 Unterstützung, die vorgetragene Suizidgefahr189 verifizieren;190 dabei muss es entsprechenden Anhaltspunkten von Amts wegen nachgehen.191 – Als zweites muss die Intensität der Gefährdung ermittelt werden, ob also wirklich und konkret eine entsprechende ernsthafte und erhebliche Gefahr besteht, sich selbst zu töten.192 – Der dritte Prüfungsschritt bezieht sich auf die Suizidgefährdung hinsichtlich bestimmter Verfahrensabschnitte im Rahmen einer Zwangsversteigerung: In Ausnahmefällen bezieht sich die Gefährdung bereits auf den Eigentumsverlust, also den Zuschlagsbeschluss,193 die dann im Wege der Zuschlagsbeschwerde nach § 100 ZVG vorzutragen ist;194 knüpft die Gefährdung dagegen erst an die eigentliche Räumung an, ist der Anwendungsbereich des § 765a eröffnet.195 – Sind diese drei Prüfungsschritte erledigt und hat sich dabei eine ernsthafte und zu berücksichtigende Suizidalität ergeben, muss nunmehr auf der vierten Stufe die Abwägung mit den Interessen des Gläubigers erfolgen. Auch hierbei wird sich das Gericht sachverständig beraten lassen müssen,196 welche flankierenden,197 in ihrer Eingriffsintensität divergierenden Maßnahmen198 es anordnen wird: Räumung unter der Auflage der Hinzuziehung ärztlicher Betreuung;199 einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung mit der Verpflichtung des Schuldners,200 nachzuweisende familiäre oder ärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen;201 freiheitseinschränkende Maßnahmen in Gestalt etwa der (ggf. temporären) Ingewahrsamnahme nach Polizeirecht, Betreuung gemäß § 1906 BGB oder Unterbringung nach dem einschlägigen 184 Vgl. BGH NJW 2008, 1000. 185 Zu den Aufgaben gerade des Gerichtsvollziehers Schuschke Die besonderen Aufgaben des Gerichtsvollziehers bei der Vollstreckung gegen psychisch kranke, insbesondere suizidgefährdete Personen, DGVZ 2008, 33.

186 BGH DGVZ 2016, 203. 187 Zu dessen Anforderungen s. BVerfG NJW-RR 2012, 393. 188 Hat die Behörde bereits Maßnahmen ergriffen, darf das Gericht grundsätzlich davon ausgehen, dass damit dem Schutzgebot Genüge geleistet ist, BGH NJW 2011, 2807.

189 Hierzu aufschlussreich Martini/Hammelstein Die Anwendung des § 765a ZPO bei Suizidverdacht: Juristische und psychologische Überlegungen, DZWIR 2003, 147. Zu den Anforderungen an die eigene Beurteilung des Gerichts (sich also nicht hinter Leerformeln zu verstecken) BVerfG NJW-RR 2014, 583; BGH NJW 2009, 444. Wenn der Schuldner bereits in psychiatrischer Behandlung ist, fehlt regelmäßig das Schutzbedüfnis, zutreffend AG Köln FamRZ 2009, 1082. 190 Vgl. BGH NZM 2013, 162: Die Passivität des Schuldners, der behauptet, keiner Unterstützung zu bedürfen, könne Ausdruck der psychischen Gefährdung sein. 191 BVerfG NZM 2012, 245; BGH NJW-RR 2011, 419. 192 BVerfG NJW-RR 2014, 584; BVerfG NJW 2007, 2910; BVerfG DGVZ 2006, 88; BGH FamRZ 2011, 33; BGH NJW 2008, 1000. Dazu, dass der Tod des Schuldners keinesfalls in Kauf genommen werden darf, Schuschke Reichweite und Grenzen gerichtlicher Fürsorge gegenüber suizidgefährdeten Schuldnern im Lichte des Grundgesetzes, NZM 2011, 304. 193 Dazu etwa BGH FamRZ 2016, 632; BGH NZM 2013, 162. 194 BVerfG NJW 2007, 2910. 195 BGH NJW 2006, 505; LG Hamburg ZMR 2011, 130; AG Schwäbisch Hall ZfIR 2011, 806. Zu dem für diese Entscheidung maßgeblichen Termin der tatsächlichen Räumung BGH BeckRS 2010, 27523. 196 BVerfG WM 2022, 1540 – Tz. 39 ff. 197 Vgl. BGH NJW-RR 2010, 1649. 198 BGH NJW 2007, 3719. 199 BGH NJW-RR 2018, 135; BGH NJW 2005, 1859. Dazu, dass psychiatrische Hilfe bereits in Anspruch genommen ist, AG Köln mit Emmert jurisPR-MietR 3/2010, Anm. 5. 200 BVerfG WM 2007, 2297; BGH DGVZ 2010, 149. Zur Mitwirkungspflicht des Schuldners BVerfG NZM 2005, 657 – s. aber demgegenüber BVerfG FamRZ 2010, 186; BGHZ 163, 66; Kindl/Meller-Hannich/Wolf/Bendtsen Rdn. 56; Fischer Vorbeugender Gesundheitsschutz gegen drohende Zwangsvollstreckung? WuM 2004, 257 (Anm. zu BVerfG WM 2004, 81). S. ferner LG Augsburg ZMR 2013, 533; LG Hamburg, dazu Wilke, jurisPR-MietR 12/2011 Anm. 5. 201 BGH DGVZ 2016, 203; BGH NJW 2006, 586; OLG Jena NJW-RR 2000, 1251. Paulus

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Landesunterbringungsgesetz;202 als ultima ratio kommt (in „absoluten Ausnahmefällen“) eine Einstellung auf unbestimmte Zeit in Frage.203 – Eine fünfte Anmerkung ist genereller Art und sollte von jedem betroffenen Richter ernsthaft erwogen werden, nämlich diesen Verfahrensabschnitt gemäß § 128 Abs. 4 in mündlicher Verhandlung durchzuführen und gemäß § 141 das persönliche Erscheinen des Schuldners anzuordnen. Auf diese Weise können durch persönlichen Eindruck und wechselseitige Kommunikation Klarheiten geschaffen werden, die im schriftlichen Verfahren nicht möglich sind.204 Im Übrigen kommt es bei der Anwendung des § 765a ganz besonders auf die Gesamtumstände 36 des jeweiligen Einzelfalles an.205 Verallgemeinerungen lassen sich daher nur in beschränktem Umfang aufstellen. Doch gehört es nicht zu den durch die Vorschrift schützbaren Umständen, wenn der Schuldner eine altersschwache Person als „Schutzschild“206 vorschiebt oder wenn die Räumungsvollstreckung zu einer (vermuteten) Lebensverkürzung führt.207 Gegen den Schuldner spricht außerdem, wenn er sich weder ärztlich untersuchen lässt noch ent- 36a sprechende Belege vorweist,208 wenn er keine Nutzungsentschädigung zahlt209 oder sich im Falle eines Räumungsurteils nicht intensiv um eine Ersatzwohnung bemüht hat.210 Auch die Notwendigkeit, innerhalb kürzester Zeit zweimal umziehen zu müssen,211 der vermutete schlechte Zustand der Ersatzwohnung,212 der Wunsch, einen Vollstreckungsgegenstand in Familienbesitz zu halten, die schlechtere Qualität eines Fernsehers gegenüber dem gepfändeten LCD-Farbfernseher,213 die Pfändung eines Zweitwagens,214 die voraussichtliche Fruchtlosigkeit der Vollstreckung,215 die Prozessunfä-

202 Zur Verfahrensweise bei diesem Vorgehen etwa BVerfG WuM 2019, 335; BGH NJW 2007, 3719; BGH NJW-RR 2010, 1649; Kindl/Meller-Hannich/Wolf/Bendtsen Rdn. 58. Dazu, dass das Gericht dafür Sorge tragen muss, dass die Alternativlösung rechtzeitig zur Verfügung steht, BVerfG NJW 2019, 2012. Zur rechtzeitigen Informationspflicht des Gerichts gegenüber den zuständigen Behörden LG Kleve NJW-rr 2015, 460. 203 BVerfG NZM 2005, 657. 204 Informativ hierzu Seifert Rpfleger 2017, 608, der überdies empfiehlt, Angehörige des Schuldners zur mündlichen Verhandlung hinzuzuziehen. 205 BVerfG BVerfG NZM 2007, 87. BGH NJW 2009, 80 (zur nicht automatischen Erstreckung des Schutzantrags bei einer Zwangsversteigerung auf eine weitere, denselben Schuldner betreffende). 206 So aber OLG Frankfurt/M. NJW-RR 1994, 81 = WuM 1993, 746; OLG Köln NJW 1994, 1743. Wie hier etwa die Zweitaufl. A IIa 2 und B IIa 1. 207 So aber BGH NJW 2009, 3440: Mit dieser Argumentation gerät man vollends ins Nebulös-Hypothetische und lässt damit die Ordnungsfunktion des Rechts endgültig hinter sich. 208 LG Münster DGVZ 2000, 24; AG Jülich WuM 1980, 280; LG Braunschweig DGVZ 1991, 187. Wenig einleuchtend dagegen BGH DGVZ WuM 2023, 39; BGH 2017, 171. 209 LG Berlin Grundeigentum 2009, 1627; LG Bonn WuM 1991, 285; LG Stuttgart WuM 1992, 638; LG Hildesheim NJWRR 1995, 1164. A.A. freilich BVerfG BeckRS 2014, 17266; LG Stade ZMR 1993, 339. 210 LG Hannover Rpfleger 1986, 439; LG Bonn WuM 1991, 285; AG Düsseldorf JurBüro 2013, 606. Dasselbe muss auch gelten, wenn der Schuldner hinreichend Zeit hatte, sich um eine Ersatzwohnung zu bemühen, AG Tempelhof-Kreuzberg Grundeigentum 1983, 1119; Grundeigentum 1989, 735. 211 So aber LG Stuttgart WuM 2021, 123 (am Schluss die eigene Argumentation ad absurdum führend); LG München I WuM 2013, 625; LG Münster WuM 1977, 194 = ZMR 1978, 220; LG Siegen WuM 1980, 186; LG Miesbach WuM 1980, 204; LG Stuttgart Rpfleger 1985, 71 m. Anm. Rupp; AG Schleiden WuM 1989, 444; AG Schöneberg Grundeigentum 1990, 549; LG Berlin DtZ 1991, 410 (betr. DDR-Titel); LG Heidelberg WuM 1995, 661. Vorsichtiger AG Seligenstadt Rpfleger 1988, 417. Wie hier dagegen LG Hannover vom 25.11.2021 – juris; LG Düsseldorf JurBüro 2019, 380; OLG Zweibrücken InVo 2001, 451; LG Hamburg ZMR 2001, 802. S. auch Mummenhoff Voraussetzungen zur Bewilligung von Räumungsschutz nach § 765a ZPO, WuM 2023, 90. 212 LG Oldenburg ZMR 2012, 957. 213 LG Wuppertal DGVZ 2009, 41. 214 LG Wuppertal DGVZ 2009, 63 (auch bei einer fünfköpfigen Familie). 215 LG Lüneburg MDR 1976, 1027; LG Limburg Rpfleger 1977, 219. Bei eindeutiger Fruchtlosigkeit ist allerdings eine Ausnahme zu machen, vgl. Rdn. 30; vgl. auch Wieser Die zwecklose Zwangsversteigerung, Rpfleger 1985, 96; MeyerStolte Rpfleger 1986, 26; Schiffhauer Die offensichtlich aussichtslose Zwangsversteigerung, Rpfleger 1983, 236. 289

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higkeit des Schuldners,216 die vorherige Versagung von Prozesskostenhilfe,217 die Unverhältnismäßigkeit einer Klageerhebung nach § 771,218 die mit einer Kontopfändung verbundenen Einschränkungen des Schuldners,219 ein fehlendes Rechtsschutzbedürfnis des Gläubigers220 oder der Verlust einer günstigen Mietwohnung221 stellen keine den Schutzmechanismus des § 765a auslösenden Umstände dar. Das gilt auch und besonders, wenn der Schuldner Mängel des Titels rügt oder materiell-rechtliche Einwendungen gegen den zu vollstreckenden Anspruch erhebt, vgl. Rdn. 11; die Verfahrensvorschriften der §§ 766 oder 767 dürfen nicht mit Hilfe der vorliegenden Vorschrift „ausgehebelt“ werden.222

37 dd) Sittenwidrige Härte. Das Ergebnis der Abwägung muss zu dem Schluss führen, dass die Vollstreckung eine objektiv223 sittenwidrige224 Härte für den Schuldner bedeutet, wobei sich diese auch aus der Maßnahme selbst oder – selten – auch aus dem Zeitpunkt ihrer Vornahme ergeben kann (Taschenpfändung am Sterbebett,225 Pfändungen während besonderer Familienfeiern wie Hochzeit, versehentliche Überweisung des Gehalts für zwei Monate,226 etc.).227 § 765a stellt für das Vollstreckungsrecht eine Konkretisierung der Regeln über unzulässige Rechtsausübung dar.228 Dabei ist allerdings davor zu warnen, den § 765a als ein Werkzeug für die Durchsetzung des im Vollstreckungsmißbrauchsgesetz, s. oben Fn. 3, genannten gesunden Volksempfindens in Gestalt einer allgemeinen Billigkeitsrechtsprechung229 benutzen zu wollen.230 Infolgedessen kann eine Sittenwidrigkeit keinesfalls 216 217 218 219 220 221 222

BGH DGVZ 2011, 209. BGH NJW-RR 2007, 417. LG Kleve ZVI 2002, 381. AG Weilburg JurBüro 2007, 219. LG Essen FamRZ 2000, 363. So aber OLG Hamm WuM 1983, 267. OLG Hamburg MDR 1970, 426; Thomas/Putzo/Seiler Rdn. 5; Baumbach/Lauterbach/Hartmann/Albers/Vogt-Beheim Rdn. 7. 223 AG Hannover Rpfleger 1990, 174. Vgl. auch BVerfG NJW 1991, 3207; NJW 1992, 1378; NJW 1994, 1272; NJW 1994, 1719 zur erhöhten Sorgfalt bei der diesbezüglichen Prüfung. Zu nachgiebig LG Arnsberg DGVZ 1986, 171. 224 Vgl. dazu etwa Gaul Treu und Glauben sowie gute Sitten in der Zwangsvollstreckung oder Abwägung nach „Verhältnismäßigkeit“ als Maßstab der Härteklausel des § 765a ZPO, FS Baumgärtel (1990), 75. Zum Begriff der guten Sitten insgesamt Mayer-Maly Was leisten die guten Sitten? AcP 194 (1994), 105. 225 Vgl. Zöller/Seibel Rdn. 7. 226 AG Lörrach VuR 2011, 104. 227 OLG Köln NJW-RR 1995, 1163 = FamRZ 1995, 1428 (Zwangsräumung wenige Wochen vor Schuljahresende; in dieser pauschalierten Form bedenklich). MünchKomm/Heßler Rdn. 28. Vgl. auch noch Fn. 201. 228 Henckel Prozeßrecht und materielles Recht, 1970, S. 375; Gaul Treu und Glauben sowie gute Sitten in der Zwangsvollstreckung oder Abwägung nach „Verhältnismäßigkeit“ als Maßstab der Härteklausel des § 765a ZPO, FS Baumgärtel (1990), 75 ff. 229 So aber etwa das LG Münster Rpfleger 2002, 639, das einem massiv die Teilungsversteigerung beeinflussenden Bewohner rechtmäßiges Handeln attestiert; AG Schwetzingen, das Räumungsschutzzeiten für Mütter analog dem Mutterschutzgesetz aus § 765a herleitet, ZMR 1979, 288 (ebenso LG Bonn DGVZ 1994, 75, zutreffender dagegen LG Frankenthal JurBüro 2000, 439). Das AG Iburg WuM 1980, 138 und das LG Hamburg WuM 1991, 114 und 360, schützen vor Obdachlosigkeit (zutr. dagegen LG Limburg JurBüro 2020, 609; AG Charlottenburg ZMR 2011, 644; AG Velbert DWW 1988, 118; Noack Gegenstandslos gewordene Räumungstitel, Vollstreckungsschutz gegenüber der Räumungsvollstreckung, Wirkung und Folgen der Einweisungsverfügung der Obdachlosen-Behörde, symbolische Räumung, DGVZ 1978, 161; Schlink Korrektur von Gerichtsentscheidungen durch Polizei? NJW 1988, 1689) und das LG Mannheim den Geschäftsunfähigen, WuM 1987, 63; das AG Jena Jur Büro 2011, 496, will dem Schuldner (wohl?) helfen, weil er das Glück einer Doppelüberweisung hatte; das OLG Karlsruhe schützt den Schuldner, weil(?) nicht mehr der Gläubiger selbst, sondern ein Käufer die Räumung begehrt, WuM 1986, 147. LG Stade stellt darauf ab, dass Räumungsgläubiger ein Kreditinstitut ist, ZMR 1993, 339. Zutr. demgegenüber AG Schwäbisch Hall/LG Heilbronn DGVZ 1993, 174; LG Wiesbaden DGVZ 1994, 120; Thomas/Putzo/Seiler Rdn. 9. Das AG Köln, ZMR 2021, 48, verdeutlicht bereits im Leitsatz die sehr subjektive Sichtweise. 230 Insges. ist zu beachten, dass nicht dem Gläubiger zugemutet werden darf, via Schuldnerschutz die Allgemeinheit von Sozialleistungen zu entlasten, OLG Düsseldorf NJW-RR 1986, 1512 = DGVZ 1986, 116; LG Flensburg JurBüro 2021, 330; Alisch Aktuelle Tendenzen zur Ausdehnung des Schuldnerschutzes in der Zwangsvollstreckung, DGVZ 1981, 106; Paulus

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etwa allein darin erblickt werden, dass der Gläubiger von der zwangsweisen Durchsetzung des Titels über einen längeren Zeitraum abgesehen hat.231 Darüber hinaus geht es auch nicht an, allein auf das hohe Alter oder auf eine Gesundheitsgefährdung232 abzustellen.233 Da vielmehr § 765a nur krasse Ausnahmefälle234 erfassen kann und soll, rechtfertigt allenfalls eine Kombination der genannten Merkmale die Anwendbarkeit der Vorschrift. Bei der Entscheidung ist dringend anzuraten, grundsätzlich unbeschadet der jeweiligen Einzelfallgerechtigkeit die Rechtsfolgen mit zu berücksichtigen: Wird alten Personen etwa oder Schwangeren grundsätzlich Räumungsschutz gewährt, hat dies höchstwahrscheinlich den kontraproduktiven Effekt, dass der Wohnungsmarkt diesem Personenkreis auf längere Sicht verschlossen wird.

b) Entscheidungsinhalt. Abs. 1 spricht davon, dass das Gericht die Vollstreckungsmaßnahme 38 „ganz oder teilweise aufheben, untersagen oder einstweilen einstellen“ kann. Aus der Gegenüberstellung mit der einstweiligen Einstellung scheint sich die Folgerung zu ergeben, dass die Aufhebung einer bereits begonnenen und die Untersagung einer erst beabsichtigten Vollstreckungsmaßnahme endgültig bzw. unbefristet sein kann – mit der Folge, dass der Gläubiger die ihm im Titel attestierte Leistung gegebenenfalls überhaupt nicht mehr, zumindest nicht zu Lebzeiten des Schuldners erhält. Diese Folgerung ist tatsächlich bisweilen gezogen worden.235 Nun ist ein solcher Ausschluss der Befriedigungsmöglichkeit einer titulierten Forderung an 39 sich nichts völlig Außergewöhnliches im deutschen Vollstreckungsrecht. So hat etwa ein Geldgläubiger faktisch keine Aussicht auf Vollstreckungserfolg, wenn sein Schuldner lediglich Einkünfte hat, die ihm durch die §§ 850 ff. vorenthalten bleiben. Und ein Dienstberechtigter kann wegen § 888 Abs. 2 die geschuldete Primärpflicht nicht erzwingen, selbst wenn sie tituliert sein sollte. Wie aber schon unter Rdn. 3 hervorgehoben, sind diese Schuldnerschutzvorschriften hinreichend bestimmt formuliert, um dem Gläubiger zumindest in der Mehrzahl der Fälle236 von vornherein als Warnsignal dienen zu können. Das ist bei § 765a nicht der Fall; sein Schutzmechanismus kann – wie gezeigt, Rdn. 8 – bei jeder Vollstreckungsart einsetzen. Wird er endgültig und unbefristet gewährt, entfaltet er demnach die gleiche Wirkung wie die Restschuldbefreiung des Insolvenzrechts. Ganz abgesehen davon, dass diese durch die §§ 286 ff. InsO erst nach einer mehrere Jahre dauernden Frist gewährt wird, ist ein solches Privileg immer nur an die besondere Verfahrensart der Generalexekution geknüpft. Eine auf § 765a gestützte endgültige Aufhebung oder Untersagung einer Vollstreckungsmaßnahme stellt demgegenüber eine Schuld- und nicht nur eine Restschuldbefreiung dar, die ohne die besonderen Schutzvorkehrungen eines InsolvenzJung Die Vorschrift des § 765a ZPO und seine Anwendung im Mietrecht, DWW 1991, 139; Voraufl. B II a 1. Vgl. demgegenüber LG Hannover WuM 1990, 397, das ausdrücklich vor der Einweisung in eine städtische Schlichtwohnung bewahren will; ähnl. AG Hamburg WuM 1992, 147; LG München WuM 1993, 473. MünchKomm/Heßler Rdn. 36 (s. aber auch Rdn. 40) hält der hier vertretenen Ansicht entgegen, „dass private Schulden auch nicht mittelbar mit öffentlichen Geldern getilgt werden dürfen“. Dieses Argument liegt im Hinblick auf die (in praxi freilich sträflich vernachlässigten, vgl. Hüpers Der Regreß der Sozialversicherungsträger bei Gesundheitsschäden aus Industriekommissionen (1995)) Rückgriffsmöglichkeiten der Sozialträger, §§ 116 SGB X, 90 ff. BSHG, neben der Sache. Zur verwaltungsrechtlichen Seite der Einweisung, vgl. VG Koblenz WuM 1993, 474; Ewer/v. Detten Ausgewählte Rechtsfragen bei der Beschlagnahme von Wohnraum zur Obdachloseneinweisung, NJW 1995, 353. 231 LG Münster DGVZ 1989, 156. 232 BGH NJW 2004, 3635. Das LG Lübeck dagegen zieht allein die vorhandene psychische Störung ins Kalkül, DGVZ 1980, 26. Vgl. auch AG Meppen Rpfleger 1992, 266. 233 So aber etwa H. Schneider Die Vorschrift des § 765a und seine Anwendung im Mietrecht, DGVZ 1989, 146. S. auch LG München NZM 2019, 794. 234 Ein solcher liegt sicherlich nicht vor, wenn der Ersteigerungserlös nur 92 % des festgesetzten Verkehrswerts erreicht, zutreffend LG Tübingen ZfIR 2016, 201. 235 Etwa BVerfG NJW 2016, 1645; BVerfG NJW 1992, 1155; LG Köln Rpfleger 1989, 418 (aufgehoben durch OLG Köln WuM 1989, 585). Vgl. auch LG Darmstadt Rpfleger 1991, 117. 236 Eine Ausnahme stellen unfreiwillig, etwa aufgrund Deliktes entstandene Forderungen dar. 291

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verfahrens in der Einzelvollstreckung systemfremd ist.237 Es ist daher festzuhalten, dass eine endgültige und unbefristete Unterbindung einer Vollstreckungsmaßnahme grundsätzlich238 nicht zulässig ist.239 Gleichermaßen braucht sich der Gläubiger nicht darauf einzulassen, mögliche Wohnungsteilungen vornehmen zu lassen.240 Es ist insgesamt dem AG Hannover241 beizupflichten, wenn es die beschleunigte Durchführung des Verfahrens empfiehlt, anstatt durch Verlängerung und Verzögerung die gespannte Gläubiger-Schuldner-Beziehung weiterhin aufrecht zu erhalten bzw. „anzuheizen“. 40 Von der nur temporären Wirkung ist eine Ausnahme allein für den Fall anzuerkennen, dass der Gläubiger gleichwohl Befriedigung erlangen kann. So darf etwa der Zugriff auf das wertvolle Haustier – gerade im Hinblick auf Abs. 1 S. 3242 – selbst dann auf Dauer untersagt werden, wenn der Schuldner nur geringe, das Minimum des § 850c überschreitende Ratenbeträge anzubieten hat.243 In diesen Fällen wirkt § 765a ausnahmsweise wie ein Gebot an den Gläubiger, eine bestimmte Pfändungsrangordnung einzuhalten. Sofern die Maßnahme bereits erfolgt ist und der Gläubiger bereits ein Pfändungspfandrecht 41 erworben hat, ist hinsichtlich der Aufhebung Abs. 5 zu beachten, vgl. Rdn. 38. Weil der Gläubiger durch die Aufhebung mit dem Pfändungspfandrecht auch dessen Rang verliert, ist dieser Anordnung gegenüber jedoch eine noch größere Zurückhaltung geboten. Es ist aber auch möglich, dass das Gericht statt eines Aufschubes (oder zusätzlich) flankie42 rende Schutzmaßnahmen vorschreibt. So ist insbes. bei einem räumungspflichtigen und suizidgefährdeten Wohnungsbesitzer an Überprüfung in regelmäßigen Zeitabständen,244 an ärztlichen Beistand245 oder an sonstige Maßnahmen246 zu denken Bei Zwangsversteigerungssachen kommt nach dem Schluss der Versteigerung nur mehr die Versagung des Zuschlags nach § 33 ZVG in Betracht.247 Die Anordnungen können dem Schuldner aber auch Auflagen (etwa zur Wohnungssu-

237 Der Schuldner kann sich einer drohenden Einzelvollstreckung nur dann entziehen, wenn die Voraussetzungen des § 767 erfüllt sind.

238 BGH NZM 2015, 264; BGH DGVZ 2010, 149; BGH NJW 2008, 586. Zur Ausgleichspflicht des Staates gegenüber dem mit einem Sonderopfer belasteten Gläubiger, der nicht auf das ihm Zustehende zugreifen darf, Schuschke Aktuelle Probleme zur Räumungsvollstreckung, NZM 2012, 209, 216. 239 So auch der Sache nach die maßgebliche Leitentscheidung des Bundesverfassungsgerichts in BVerfGE 52, 214 (sehr viel offener – „Faustregel“ – dagegen BVerfG WuM 2016, 729 – Tz. 17). Dazu etwa AG Groß-Gerau Rpfleger 1983, 407); LG Frankenthal Rpfleger 1984, 68; OLG Düsseldorf Rpfleger 1994, 429 (betr. 30-minütigen Aufschub der Zuschlagsentscheidung; Zweitaufl. C IIb 1; Baumbach/Lauterbach/Hartmann/Albers/Vogt-Beheim Rdn. 2. A.A. oben Fn. 199, sowie etwa LG Mönchengladbach Rpfleger 2006, 332; LG Köln DGVZ 1989, 185; Bindokat Vollstreckungsschutz gegen wegen Krankheit und Alters sittenwidrige Zwangsräumung, NJW 1992, 2872; Ottersbach hält eine Nichtbefristung dann für zulässig, wenn sie an eine auflösende Bedingung geknüpft ist, Rpfleger 1989, 517. Vgl. auch BVerfGE 84, 345; BGH NJW 2014, 2288. 240 BGH NJW-RR 2011, 300. 241 Rpfleger 1990, 174. 242 Zu dieser Regelung wie dem betr. Gesetz insges. Meller-Hannich Die Pfändbarkeit und Verwertbarkeit von Tieren, MDR 2019, 713; Dietz Tiere als Pfandobjekt – zu den Auswirkungen des Art. 20a GG n.F., DGVZ 2003, 81, 82; Grunsky Sachen, Tiere – Bemerkungen zu einem Gesetzesentwurf –, FS Jauch (1990), 93; Pütz Zur Notwendigkeit der Verbesserung der Rechtsstellung des Tieres im bürgerlichen Recht, ZRP 1989, 171; Münzberg Pfändungsschutz für Schuldnergefühle gegenüber Tieren? ZRP 1990, 215; Mühe Das Gesetz zur Verbesserung der Rechtsstellung des Tieres im bürgerlichen Recht, NJW 1990, 2238. Vgl. auch LG Heilbronn DGVZ 1980, 111 (Pfändung eines alten Hundes). 243 S. auch LG Essen JurBüro 2014, 436 (zu einem Konto, das nicht als P-Konto geführt wird). 244 BGH FamRZ 2020, 1025. 245 BVerfG NJW-RR 1993, 463 = WuM 1993, 172; LG Hamburg ZMR 2019, 91; Zschieschak/Brücher Die „begleitete Räumung“ bei Suizidankündigungen in der Räumungsvollstreckung, ZMR 2015, 745; Scholz Zwangsräumung und Vollstreckungsschutz, ZMR 1986, 227; Ottersbach Rpfleger 1989, 517. 246 Vgl. BGH FamRZ 2018, 372; LG Heilbronn vom 24.3.2016 – juris. 247 OLG Hamm OLGZ 1992, 218. Paulus

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che oder ärztlicher Behandlung,248 je mit regelmäßig zu erbringendem Nachweis)249 oder die Pflicht zur Sicherheitsleistung auferlegen.250 Im Falle einer Suizidgefährdung ist ferner zu prüfen, ob nicht die Gefahr mittels polizeilicher Ingewahrsamnahme des Schuldners251 oder mittels Einschaltung des Vormundschaftsgerichts252 gebannt werden kann. S. auch oben Rdn. 35. Je nach Vollstreckungshandlung können gegebenenfalls andere Einschränkungen angeordnet 42a werden. Hierzu zählt nicht die Erhöhung des unpfändbaren Betrags, damit der insolvente Schuldner Steuerschulden begleichen kann.253

c) Abs. 2. Richtet sich die Vollstreckung gem. den §§ 883 bis 885 auf die Herausgabe bestimmter 43 Sachen, so hat der Gerichtsvollzieher die unter Rdn. 29 ff. dargestellte Abwägung vorzunehmen,254 wenn ihm der Schuldner das Vorliegen der Tatbestandsmerkmale einschließlich der Unmöglichkeit rechtzeitiger Antragsstellung glaubhaft macht, § 294.255 Voraussetzung dafür ist allerdings, dass dem Schuldner die rechtzeitige Einleitung des Verfahrens nach Abs. 1, § 65 GVGA, sowie nach Abs. 3 nicht möglich war. War ihm dies dagegen möglich gewesen, muss der Gerichtsvollzieher die Zwangsvollstreckung fortsetzen. Kommt der Gerichtsvollzieher bei der von ihm vorzunehmenden Abwägung zu dem Ergebnis, 44 dass eine sittenwidrige Härte vorliegt, so kann er allein einen Aufschub der Vollstreckungshandlung von bis zu einer Woche anordnen,256 binnen derer der Schuldner eine Entscheidung des Vollstreckungsgerichts herbeiführen kann.257 Eine Einstellung der Vollstreckungsmaßnahme darf der Gerichtsvollzieher dagegen ebenso wenig anordnen,258 wie er eine Verlängerung der Frist gewähren kann. 3. Abänderungsentscheidung, Abs. 4 Die Abänderung kann auch vom Gläubiger beantragt werden; insoweit ist er also antragsbefugt. 45 Voraussetzung für einen stattgebenden Beschluss nach Abs. 4 ist, dass sich die maßgeblichen Umstände geändert haben, bzw. dass sich herausstellt, dass die ursprünglich behaupteten Umstände arglistig vorgespiegelt waren. Das Bundesverfassungsgericht vertritt die Ansicht, dass die Anforderungen an die Feststellung einer Änderung nicht „kleinlich“ gehandhabt werden sollen.259 Vorauszusetzen ist aber für eine Abänderung immer, dass die Gründe tatsächlich eine sittenwidri-

248 BGH WuM 2010, 250; BGH MDR 2008, 286; OLG Jena NJW-RR 2000, 1251. 249 Hintzen Die Entwicklung im Zwangsversteigerungs- und Zwangsverwaltungsrecht seit 2006, Rpfleger 2007, 642, 644.

250 Zöller/Seibel Rdn. 18. 251 BGH Rpfleger 2008, 212; BGH Rpfleger 2009, 252. 252 BGH NJW-RR 2010, 1649. S. auch Schuschke Lebensschutz contra Eigentumsgarantie – Zu den Grenzen des § 765a ZPO in der Räumungsvollstreckung, NJW 2006, 874. 253 BGH ZIP 2019, 2118. 254 Dazu etwa Gilleßen Die Räumungsvollstreckung und ihre Problembereiche – eine systematische Darstellung, DGVZ 2006, 185, 187; Noack Beamtenrechtlicher Status des Gerichtsvollziehers (GV), seine Arbeitsweise und sein selbständiges Entscheidungsrecht. Grenzen der Dienstaufsicht, DGVZ 1974, 186; H. Schneider Die Ermessens- und Wertungsbefugnis des Gerichtsvollziehers, DGVZ 1989, 146. 255 Nach Ansicht des AG Saarbrücken soll es reichen, wenn der Gerichtsvollzieher berechtigte Zweifel an der Prozessfähigkeit des Räumungsschuldners hat, DGVZ 1994, 141. 256 Hiergegen ist die Erinnerung des § 766 möglich. 257 Zur analogen Anwendung BGH NJW 2012, 1081. 258 AG Wuppertal DGVZ 1993, 14. 259 WuM 1991, 149. Das OLG Köln will demgegenüber genügen lassen, dass der Schuldner die neuen Gründe nicht schon früher geltend gemacht hat – egal ob er es hätte tun können oder nicht, NJW 1993, 2248. 293

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§ 766

Achtes Buch – Zwangsvollstreckung

ge Härte ergeben; nach der hier vertretenen Ansicht, Rdn. 34, ist das nicht der Fall, wenn etwa lediglich ein Zeitraum bis zu einem Neueinzug überbrückt werden soll.260

V. Rechtsbehelfe 46 Weil und soweit die Zuständigkeit zur Entscheidung (sowohl nach Abs. 1 als auch Abs. 3) über den Antrag beim Rechtspfleger liegt, Rdn. 23, ist gegen dessen Beschluss261 über § 11 Abs. 1 RpflG die sofortige Beschwerde, § 793,262 statthaft; zur Form s. § 569 Abs. 1. Der Rechtspfleger kann ihr gemäß § 572 abhelfen. Gegen die Entscheidung des Beschwerdegerichts ist die Rechtsbeschwerde nach Maßgabe des § 574 Abs. 1 Nr. 2 statthaft, sofern sie zugelassen worden ist. Nicht im Gesetzt geregelt, aber doch in vielen Fällen rein faktisch für die Gläubigerseite erwägenswert, ist die Niederlegung einer Schutzschrift.263 Erklären die Parteien das Verfahren über den Antrag nach § 765a in der Beschwerdeinstanz 47 übereinstimmend für erledigt, so ist das wegen der Kostenentscheidung eingelegte Rechtsmittel als eine weitere Beschwerde anzusehen, die gem. § 568 Abs. 3 (heute: § 574 Abs. 1) unstatthaft ist.264

§ 766 Erinnerung gegen Art und Weise der Zwangsvollstreckung (1)

1

Über Anträge, Einwendungen und Erinnerungen, welche die Art und Weise der Zwangsvollstreckung oder das vom Gerichtsvollzieher bei ihr zu beobachtende Verfahren betreffen, entscheidet das Vollstreckungsgericht. 2Es ist befugt, die im § 732 Abs. 2 bezeichneten Anordnungen zu erlassen. (2) Dem Vollstreckungsgericht steht auch die Entscheidung zu, wenn ein Gerichtsvollzieher sich weigert, einen Vollstreckungsauftrag zu übernehmen oder eine Vollstreckungshandlung dem Auftrag gemäß auszuführen, oder wenn wegen der von dem Gerichtsvollzieher in Ansatz gebrachten Kosten Erinnerungen erhoben werden.

Schrifttum Becker Die Vollstreckungserinnerung, § 766 ZPO, JuS 2011, 37; Blomeyer Der Anwendungsbereich der Vollstreckungserinnerung, Rpfleger 1969, 279; Brox/Walker Die Vollstreckungserinnerung, JA 1986, 57; Bürck Erinnerung oder Klage bei Nichtbeachtung von Vollstreckungsvereinbarung durch Vollstreckungsorgane? ZZP 85 (1972) 391; Christmann Zum Beschwerderecht des Gerichtsvollziehers im Kostenprüfungsverfahren nach § 766 Abs. 2 ZPO, DGVZ 1990, 19; Emmerich Zulässigkeit und Wirkungsweise der Vollstreckungsverträge, ZZP 82 (1969) 417; Gaul Das Rechtsbehelfssystem der Zwangsvollstreckung – Möglichkeiten und Grenzen einer Vereinfachung, ZZP 85 (1972) 251; ders. Zulässigkeit und Geltendmachung vertraglicher Vollstreckungsbeschränkung, JuS 1971, 347; Geißler Meinungsstreit und Kostenfragen um das Beschwerderecht des Gerichtsvollziehers, DGVZ 1990, 105; Glenk Last Exit Vollstreckungserinnerung – Der unterschätzte Rechtsbehelf, NJW 2016, 1864; Koch Erhebung formeller Einwendungen als besondere Zulässigkeitsvoraussetzung der Erinnerung des § 766 ZPO? JR 1966, 416; Kunz Erinnerung und Beschwerde (1980); Kümmerlein Zum Verhältnis von § 11 RPflG zu § 766 ZPO, Rpfleger 1971, 11; Lüke Zur Rechtsstellung des Drittschuldners bei der Forderungsübertragung durch Hoheitsakt, JuS 1962, 418; Neumüller, Vollstreckungserinnerung, Vollstreckungsbeschwerde und Rechtspflegererinnerung, 1981; Noack Mängel der Zwangsvollstreckung und Erinnerung, DGVZ 1971, 49; Peters Materielle Rechtskraft der Entscheidungen im Vollstreckungsverfahren? ZZP 90 (1970) 145; Säcker Streitgegenstand der Vollstreckungserinnerung, NJW 1966, 2345; Schmeken Rechtsmittel bei der Pfändung von Sozialleistungen, ZIP 1982, 1295; K. Schmidt Die Vollstreckungserinnerung im Rechtssystem – Dogmatik und

260 So aber LG Münster WuM 1993, 62. 261 Zum Rechtsbehelf bei einer vom Rechtspfleger erlassenen einstweiligen Anordnung nach Abs. 1 S. 2, § 11 Abs. 2 RpflG (befristete Erinnerung). 262 Diese Vorschrift ist direkt anzuwenden, sofern der Richter entschieden hat. 263 Lämmer/Muckle Die „Schutzschrift“ in der Räumungsvollstreckung, NZM 2008, 69. 264 KG Rpfleger 1978, 498. Spohnheimer https://doi.org/10.1515/9783110443158-050

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§ 766

Abschnitt 1. Allgemeine Vorschriften

Praxis eines „Rechtsbehelf eigener Art“, JuS 1992, 90; Stamm Die Prinzipien und Grundstrukturen des Zwangsvollstreckungsrechts (2007); Stöber Vollstreckungserinnerung (§ 766 ZPO) oder Rechtspflegererinnerung (§ 11 RPflG) in Fällen der Forderungspfändung, Rpfleger 1974, 52; Ulrici Vollstreckungserinnerung und sofortige Beschwerde, FS Becker-Eberhard (2022), 603; Wieser Sofortige Beschwerde gegen den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss, ZZP 115 (2002) 157; Wittschier Die Vollstreckungserinnerung gem. § 766 ZPO, JuS 1999, 585; Zeising Erinnerung versus sofortige Beschwerde in der Zwangsvollstreckung, JURA 2010, 93.

Übersicht I. 1. 2.

II. 1. 2. 3. 4.

5. 6.

III.

1.

295

Zweck und Rechtsnatur der Vollstreckungserinnerung 1 Zweck der Vollstreckungserinnerung 4 Rechtsnatur der Vollstreckungserinnerung a) H.M.: Zwei-Parteien-Verfahren zwischen 5 Gläubiger und Schuldner b) Vorzugswürdig: Zwei-Parteien-Verfahren zwischen Betroffenem und Vollstreckungsorgan 7 bzw. seiner Anstellungskörperschaft Anwendungsbereich der Vollstreckungserinnerung Anwendung auf Vollstreckung nach der 14 ZPO Keine Anwendung bei Maßnahmen außerhalb der 15 Zwangsvollstreckung Keine Anwendung bei Vollstreckung im Grund17 buch Keine Anwendung bei gerichtlichen Entscheidungen/Abgrenzung zur sofortigen Beschwerde gem. 18 § 793 a) Keine Beschränkung auf das Handeln des Ge20 richtsvollziehers b) Vollstreckungserinnerung bei (exekutiven) 21 Vollstreckungsakten c) Abgrenzung nach der Art und Weise des Zu22 standekommens d) Konkretisierung der h.M.: Erfordernis der Ab26 wägung als maßgebliches Kriterium Keine Vollstreckungserinnerung bei Vollstre34 ckungsmaßnahmen des Prozessgerichts Abgrenzung zur befristeten Rechtspflegererinne35 rung (§ 11 Abs. 2 RPflG) Statthafte Einwendungen im Erinnerungsverfahren und Abgrenzung zu anderen Rechtsbehel36 fen Einwendungen gegen das bei der Zwangsvollstreckung zu beachtende Verfahren 37 a) Allgemeines 39 b) Titelbezogene Einwendungen 41 c) Vollstreckungshindernisse 42 d) Beispiele für Verfahrensfehler e) Keine Geltendmachung materiellrechtlicher 43 Einwendungen

2. 3. 4.

f) Vollstreckungsvereinbarungen 44 47 Verpflichtungserinnerung des Gläubigers Überprüfung des Kostenansatzes des Gerichtsvoll49 ziehers Abgrenzung zu anderen Rechtsbehelfen, Konkurrenzen 52 a) Dienstaufsichtsbeschwerde b) Erinnerung gegen Erteilung der Vollstre55 ckungsklausel c) Vollstreckungsabwehr-, Drittwiderspruchs56 und Vorzugsklage 58 d) Sonstige Klagen

4.

59 Erinnerungsbefugnis Schuldner 60 a) Allgemeines 62 b) Insolvenzverwalter 63 Gläubiger 65 Dritte a) Dritte mit voller Erinnerungsbefug66 nis b) Dritte mit eingeschränkter Erinnerungsbe67 fugnis 69 Gerichtsvollzieher

V.

Rechtsschutzbedürfnis

VI. 1. 2. 3. 4. 5.

Verfahrensfragen 74 Einleitung des Verfahrens 75 Zuständigkeit 77 Selbstabhilferecht Rechtliches Gehör und mündliche Verhand81 lung 82 Einstweilige Anordnungen

VII. 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.

Entscheidung über die Vollstreckungserinnerung 83 Formalia 84 Grundlagen der Entscheidung 87 Tenorierung 88 Unzulässigerklärung und Aufhebung 91 Rechtskraft 92 Rechtsbehelfe 93 Kosten und Gebühren

IV. 1.

2. 3.

70

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I. Zweck und Rechtsnatur der Vollstreckungserinnerung 1. Zweck der Vollstreckungserinnerung 1 Die Vollstreckungserinnerung ist der grundlegende Rechtsbehelf zur Geltendmachung formeller Mängel im Zwangsvollstreckungsverfahren nach der ZPO.1 Das Vollstreckungsgericht kann die Recht- und Zweckmäßigkeit von Vollstreckungsmaßnahmen überprüfen.2 Auch wenn § 766 vorwiegend das Verhalten des Gerichtsvollziehers anspricht, will die Norm eine umfassende Sachaufsicht des Vollstreckungsgerichts gewährleisten.3 Die Vollstreckungserinnerung ist nicht auf das Verhalten des Gerichtsvollziehers beschränkt (s. Rdn. 20).4 Zuweilen dient sie auch dazu, den Betroffenen überhaupt erstmals rechtliches Gehör zu gewähren.5 Der Rechtsbehelf hat zwei grundlegende Stoßrichtungen: Mit ihr kann zum einen eine Ent2 scheidung des Vollstreckungsgerichts über die (formelle) Rechtswidrigkeit einer Vollstreckungsmaßnahme herbeigeführt werden (Abs. 1). Zum anderen kann mit ihr die Weigerung des Gerichtsvollziehers, einen Vollstreckungsauftrag auszuführen, obwohl die formalen Voraussetzungen dafür vorliegen, angegriffen werden (Abs. 2). Eine gewisse Nähe zur Anfechtungs- und Verpflichtungsklage der VwGO ist nicht zu leugnen.6 Schließlich kann mit der Vollstreckungserinnerung der Kostenansatz durch den Gerichtsvollzieher gerichtlich überprüft werden (Abs. 2 a.E.). Auch wenn insoweit weitgehend Einigkeit besteht, gibt es in zahlreichen Detailfragen noch im3 mer keinen Konsens. Das betrifft etwa die Frage, ob sich der Schuldner bei der Missachtung von Vollstreckungsvereinbarungen nach § 766 wehren kann. Hinter dieser vordergründig anders gelagerten Frage steht aber die Überlegung, worin die Funktion der Vollstreckungserinnerung liegt. Soll der Betroffene geltend machen können, dass Vollstreckungsvorschriften verletzt wurden, oder soll die Vollstreckungserinnerung weitergehend ermöglichen, die Formalisierung der Zwangsvollstreckung zu durchbrechen? Der Tatbestand der Einwendungen und Erinnerungen, welche die Art und Weise der Zwangsvollstreckung betreffen, ist sehr weitgehend formuliert und interpretationsfähig.

2. Rechtsnatur der Vollstreckungserinnerung 4 Wie jede Erinnerung ist auch die Vollstreckungserinnerung auf eine Überprüfung im gleichen Rechtszug gerichtet, sie hat keinen Devolutiveffekt. Die Vollstreckungserinnerung kennt auch keinen Suspensiveffekt; sie führt nicht zu einer aufschiebenden Wirkung. Allerdings nimmt die h.M. zu Unrecht an, dass es sich bei der Vollstreckungserinnerung grundsätzlich um ein ZweiParteien-Verfahren zwischen Gläubiger und Schuldner handelt. Die besseren Gründen sprechen dafür, sie gegen die Anstellungskörperschaft des Vollstreckungsorgans zu richten.

5 a) H.M.: Zwei-Parteien-Verfahren zwischen Gläubiger und Schuldner. Die Vollstreckungserinnerung ist nach h.M.7 im Regelfall8 ein Zwei-Parteien-Verfahren, das sich aber nicht gegen 1 Baur/Stürner/Bruns Rdn. 42.1; Stamm Prinzipien und Grundstrukturen des Zwangsvollstreckungsrechts, S. 523. Zu Recht weist Ulrici FS für Becker-Eberhard, 603, 613 darauf hin, dass es sich bei der Vollstreckungserinnerung – anders als bei der sofortigen Beschwerde – um ein erstinstanzliches Verfahren handelt. 2 BVerfG NJW-RR 2005, 365; BGH NJW-RR 2005, 149, 150; Stein/Jonas/Münzberg § 766 Rdn. 2; BeckOK/Preuß § 766 Rdn. 11; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 37 Rdn. 64. 3 Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 37 Rdn. 1; ähnlich Musielak/Voit/Lackmann § 766 Rdn. 1. 4 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 766 Rdn. 1; K. Schmidt JuS 1992, 90, 91. 5 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 766 Rdn. 1. 6 Vgl. zu den Parallelen ausf. Stamm Prinzipien und Grundstrukturen des Zwangsvollstreckungsrechts, S. 523 ff. 7 BGH NJW 2004, 2979, 2981; Stein/Jonas/Münzberg § 766 Rdn. 2; BeckOK/Preuß § 766 Rdn. 35; Prütting/Gehrlein/Scheuch § 766 Rdn. 1. 8 Vgl. zur Erinnerung ohne Erinnerungsgegner unten Rdn. 6. Spohnheimer

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das Vollstreckungsorgan oder dessen Anstellungskörperschaft richtet, sondern das grundsätzlich zwischen den Beteiligten des Zwangsvollstreckungsverfahrens (Gläubiger und Schuldner) ausgetragen wird. Dafür spreche, dass die Vollstreckungserinnerung Teil des Vollstreckungsverfahrens ist und das Vollstreckungsverfahren als ein solches zwischen Gläubiger und Schuldner ausgestaltet ist.9 Das erkläre sich historisch – so wird zuweilen gemutmaßt10 – mit der früher vertretenen Mandatstheorie. Um negative Kostenfolgen für den Erinnerungsgegner zu vermeiden, soll die Vollstreckungser- 6 innerung aber in Einzelfällen als „Erinnerung ohne Erinnerungsgegner“ geführt werden. Das soll etwa gelten, wenn der Gläubiger die Vornahme einer Vollstreckungsmaßnahme nach § 766 Abs. 2 begehrt11 oder wenn eine Erinnerung gegen den Kostenansatz des Gerichtsvollziehers erhoben wird.12 Mit einer solchen Erinnerung ohne Erinnerungsgegner soll insbesondere vermieden werden, dass in diesen Fällen eine Partei die Kosten des Erinnerungsverfahrens, die den §§ 91 ff. folgen (s. Rdn. 93), tragen und so im Ergebnis für den Fehler des Vollstreckungsorgan haften muss.13 Doch soll der Gläubiger in den Fällen des § 766 Abs. 2 seine notwendigen Kosten des Erinnerungsverfahrens vom Schuldner als notwendige Kosten der Zwangsvollstreckung gem. § 788 ersetzt verlangen können.14 Das überzeugt nicht. Denn mit der Überlegung, dass letztlich der Schuldner Veranlasser des Erinnerungsverfahrens ist, weil er die titulierte Forderung nicht erfüllt hat,15 kann man das nicht begründen. Die Nichterfüllung der titulierten Verbindlichkeit kann allenfalls rechtfertigen, dass er gem. § 788 die Kosten der rechtmäßigen Zwangsvollstreckung zu tragen hat. Sie kann aber nicht rechtfertigen, dass der Schuldner die Kosten zu tragen hat, die aus einem Fehlverhalten des an Recht und Gesetz gebundenen Vollstreckungsorgans resultieren, das wiederum die berechtigte Vollstreckungserinnerung verursacht hat.

b) Vorzugswürdig: Zwei-Parteien-Verfahren zwischen Betroffenem und Vollstreckungs- 7 organ bzw. seiner Anstellungskörperschaft. Richtet sich die Vollstreckungserinnerung gegen die Anstellungskörperschaft des Vollstreckungsorgans16 gelangt man zu einer sachgerechten Lösung, die all jene Friktionen vermeidet, die die h.M. verursacht. Entgegen verbreiteter Auffassung17 muss man sich dabei nicht auf eine rechtspolitische Forderung beschränken; der Wortlaut von § 766 ZPO trägt eine solche Deutung schon de lege lata. Zwar kann man im Ausgangspunkt wenig dagegen einwenden, die Frage bei offenem Geset- 8 zeswortlaut nach allgemeinen, für den Zivilprozess geltenden, grundlegenden Prinzipien zu beantworten. Doch ist es wenig überzeugend, sich partiell von diesen Prinzipien abzuwenden, wenn diese Prinzipien zu missliebigen Ergebnissen führen. Diesen Weg beschreitet die h.M. aber, wenn sie die Vollstreckungserinnerung in den Fällen, in denen sie gegen ein Unterlassen des Gerichts9 K. Schmidt JuS 1992, 90, 92. 10 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 766 Rdn. 3. 11 OLG Düsseldorf JurBüro 1984, 1734; K. Schmidt JuS 1992, 90, 91; modifizierend Stein/Jonas/Münzberg § 766 Rdn. 2 (Schuldner ist nur Partei, wenn er angehört wurde); nicht auf die Beteiligung des Schuldners verzichten wollen BeckOK/Preuß § 766 Rdn. 35 und Musielak/Voit/Lackmann § 766 Rdn. 27 (anders im Falle von § 834, dann aber ohnehin sofortige Beschwerde und keine Erinnerung). 12 BeckOK/Preuß § 766 Rdn. 35; Musielak/Voit/Lackmann § 766 Rdn. 27. 13 Allerdings soll der Schuldner die Kosten des Erinnerungsverfahrens dann nach § 788 als notwendige Kosten der Zwangsvollstreckung zu ersetzen haben, weil er die Erinnerung schließlich durch die Nichterfüllung der Forderung veranlasst habe (so etwa BGH NJW 2004, 2979, 2981; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 37 Rdn. 69). 14 BGH NJW 2004, 2979, 2981; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 37 Rdn. 69; Becker JuS 2011, 37, 40. 15 So BGH NJW 2004, 2979, 2981; ähnl. Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 37 Rdn. 69 (Schuldner als Veranlasser des Zwangsvollstreckungsverfahrens). 16 Stamm Prinzipien und Grundstrukturen des Zwangsvollstreckungsrechts S. 531 f.; Hein ZZP 69 (1956) 231, 246 Fn. 35. 17 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 766 Rdn. 3, stellen die Vorteile einer solchen Lösung heraus; Musielak/Voit/ Lackmann § 766 Rdn. 1, bezeichnet die Ausgestaltung als Zwei-Parteien-Verfahren zwischen Gläubiger und Schuldner als rechtspolitisch verfehlt. 297

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vollziehers oder seinen Kostenansatz erhoben wird, als eine solche ohne Erinnerungsgegner ausgestaltet. So entfernt man sich von jenem Prinzip, mit dem man doch gerade begründet, dass die Vollstreckungserinnerung nicht gegen das Vollstreckungsorgan bzw. dessen Anstellungskörperschaft gerichtet werden kann. Schon prima facie spricht wenig dafür, die Fälle unterschiedlich zu behandeln. Es kann nämlich keinen Unterschied machen, ob das Vollstreckungsorgan, unter Verletzung des formellen Vollstreckungsrechts, die Zwangsvollstreckungsmaßnahme zu Unrecht verweigert, oder ob es, unter Verletzung des formellen Vollstreckungsrechts eine Zwangsvollstreckungsmaßnahme zu Unrecht durchführt. Hier wie dort hat es formelles Vollstreckungsrecht verletzt – dass sich das invers auswirkt, rechtfertigt eine unterschiedliche Behandlung nicht. Hier wie dort, und gleichfalls, wenn die Vollstreckungserinnerung wegen eines fehlerhaften Kostenansatzes erhoben wird, geht es nicht zuletzt darum, zu klären, ob das Vollstreckungsorgan seine Amtspflichten verletzt hat. Dass die andere Partei daran unbeteiligt ist, zeigt sich besonders an § 766 Abs. 2. Dazu muss man sich nur folgenden Fall vor Augen führen: Wird der Gerichtsvollzieher zugleich mit dem Auftrag zur Vollstreckung zur Zustellung des Titels beauftragt und wird beides nicht ausgeführt, müsste man den Schuldner eigentlich an einer Vollstreckungserinnerung beteiligen, obwohl er vom Bestehen des Vollstreckungsverhältnisses noch gar keine Kenntnis hat.18 Und er müsste als Unterlegener in der Vollstreckungserinnerung die Kosten nach § 91 tragen. Verweist man ihn dann auf Amtshaftungsansprüche, wird deutlich, dass die Erinnerung vernünftigerweise nicht gegen den Schuldner gerichtet werden kann. Denn der Amtshaftungsanspruch des Schuldners fände seine Grundlage darin, dass das Vollstreckungsorgan rechtswidrig nicht gegen ihn vollstreckt hat. Auch in anderen Einzelfragen führt die Konzeption der h.M. mit einer „Erinnerung ohne Erinnerungsgegner“ zu Friktionen. Auch wenn der Schuldner am Erinnerungsverfahren nicht beteiligt ist, soll er seinerseits gleichwohl sofortige Beschwerde gegen die Entscheidung des Vollstreckungsgerichts einlegen können, wenn das Vollstreckungsgericht die Vornahme einer Vollstreckungsmaßnahme anordnet.19 Durch das Einlegen eines Rechtsbehelfs wird aus dem erstinstanzlichen Ein-ParteienVerfahren zweitinstanzlich ein Zwei-Parteien-Verfahren – ein wenig überzeugendes Ergebnis. Schließlich zeigen sich Defizite der h.M. auch an versteckter Stelle: Denkt man den Ansatz der h.M. folgerichtig zu Ende, wird man die Entscheidung über eine Vollstreckungserinnerung auch einem Schiedsgericht überantworten müssen, wenn die Parteien eine entsprechende Schiedsabrede geschlossen haben.20 Das Schiedsgericht würde insoweit die Aufgaben des Vollstreckungsgerichts wahrnehmen, obwohl es hinsichtlich der Vollstreckungsmaßnahmen kein Vollstreckungsgericht ist; das Vollstreckungsorgan, ein Hoheitsträger, wäre mittelbar an eine schiedsgerichtliche Entscheidung aufgrund einer privaten Schiedsabrede gebunden. Daher sprechen die besseren Argumente dafür, die Vollstreckungserinnerung gegen das Vollstreckungsorgan bzw. gegen seine Anstellungskörperschaft zu richten. Sie würde das Erinnerungsverfahren gerade für den Gerichtsvollzieher der heute favorisierten öffentlichrechtlichen Amts18 Doch ist hier schon fraglich, ob das Vollstreckungsverhältnis überhaupt schon mit der Einleitung des Vollstreckungsverfahrens durch den Gläubigerantrag entstanden und nicht durch die Weigerung des Gerichtsvollziehers, die Zustellung und die beantragte Vollstreckungsmaßnahme auszuführen, wieder erloschen ist. Soweit ersichtlich, wird weder in Rechtsprechung noch in Literatur der Frage nachgegangen, in welchem Zeitpunkt das Vollstreckungsverhältnis überhaupt entsteht. Das Prozessrechtsverhältnis im Erkenntnisverfahren entsteht erst mit Erhebung der Klage (vgl. nur AG Tiergarten DGVZ 1983, 78). Zwar wird man, wie § 834 zeigt, das Vollstreckungsverhältnis nicht erst dann entstehen lassen können, wenn der Schuldner Kenntnis von der Zwangsvollstreckungsmaßnahme bekommen hat – vergleichbar der Zustellung der Klageschrift. Doch wird man wenigstens eine erste Vollstreckungshandlung fordern müssen. Daher sprechen die besseren Gründe dafür, dass das Vollstreckungsverhältnis jedenfalls nicht schon entstehen kann, wenn der Gläubiger die Zwangsvollstreckung beantragt bzw. nicht schon dann, wenn das Vollstreckungsorgan sie ablehnt. Daher kommt es in den Fällen des § 766 Abs. 2 wohl gar nicht erst zum Entstehen eines solchen Vollstreckungsverhältnisses. 19 Stein/Jonas/Münzberg § 766 Rdn. 2 (Schuldner ist nur Partei, wenn er angehört wurde) und Rdn. 51 (Schuldner darf sofortige Beschwerde einlegen, wenn er von der Erinnerung nichts wusste). 20 Vgl. hierzu Feldmann Rechtsbehelfe in der Zwangsvollstreckung aus Schiedssprüchen (2014), S. 205 ff. Spohnheimer

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theorie21 angleichen. Handelt der Gerichtsvollzieher weder als Vertreter des Gläubigers, noch als dessen Erfüllungs- oder Verrichtungsgehilfe,22 so gibt es keinen überzeugenden Grund, den Gläubiger zur Partei der Vollstreckungserinnerung zu machen und ihn für das Fehlverhalten des Vollstreckungsorgans mit der Kostenfolge zu belasten. Der hier gemachte Vorschlag, die Vollstreckungserinnerung gegen das Vollstreckungsorgan zu richten, würde zudem all die geschilderten Probleme vermeiden, die man nur mit Hilfe einer Erinnerung ohne Erinnerungsgegner in den Griff bekommt. Zudem wären gerade jene auch unmittelbar an die Rechtskraft gebunden, die von der Entscheidung gebunden werden sollen: der Erinnerungsführer und das Vollstreckungsorgan. Zwar kann man die Bindung des Vollstreckungsorgans auch außerhalb einer Rechtskraft noch anders begründen.23 Doch leuchtet es umgekehrt nicht ein, warum Parteien (wenn man das Verfahren nicht beliebig als ein Ein-Parteien-Verfahren ausgestaltet) an die Rechtskraft gebunden sein sollen, zwischen denen der Streit nur dem Rubrum nach ausgetragen wird.24 Die eigentliche Auseinandersetzung im Rahmen von § 766 findet zwischen Erinnerungsführer und Vollstreckungsorgan statt. Richtet man die Vollstreckungserinnerung gegen das Vollstreckungsorgan, gewährt die Kon- 13 zeption das, was Art. 19 Abs. 4 GG gewährleistet: Wird jemand durch einen Akt der öffentlichen Gewalt in seinen Rechten verletzt so steht ihm der Rechtsweg zu den Gerichten offen – auf dem er sich eben gegen die öffentliche Gewalt wehren kann. Denn es geht ja gerade darum, dass das hoheitlich handelnde Vollstreckungsorgan das eigentlich zu beachtende Verfahren nicht eingehalten kann. Weil § 766 keine gegenteilige Aussage trifft und auch sonst einer solchen Konzeption nicht entgegensteht,25 handelt es sich auch nicht nur um eine Forderung de lege ferenda.

II. Anwendungsbereich der Vollstreckungserinnerung 1. Anwendung auf Vollstreckung nach der ZPO Die Vollstreckungserinnerung betrifft Zwangsvollstreckungsmaßnahmen im Rahmen der Vollstre- 14 ckung nach dem Achten Buch der ZPO.26 Entscheidend ist nur, wie vollstreckt wird, nicht was vollstreckt werden soll. Deshalb kommt es nicht darauf an, aus welchem Rechtsweg der Vollstreckungstitel stammt.27 Folglich findet die Vollstreckungserinnerung nach § 766 auch statt, wenn ein verwaltungsgerichtlicher Titel nach § 167 Abs. 1 VwGO28 oder ein arbeitsgerichtlicher Titel nach §§ 62 Abs. 2, 85 Abs. 1 S. 3 ArbGG vollstreckt werden sollen. Umgekehrt ist § 766 nicht anwendbar, wenn die Verwaltung nach dem Verwaltungsvollstreckungsgesetz oder die Finanzbehörden nach der Abgabenordnung29 vollstrecken. Bei finanzgerichtlichen Titeln ist zu differenzieren: Wird er gegen die öffentliche Hand vollstreckt, findet nach § 151 FGO das Achte Buch der ZPO Anwendung, sodass formelle Fehler mit der Vollstreckungserinnerung geltend zu machen sind.30 Soll hingegen zugunsten des Abgabeberechtigten vollstreckt werden, erfolgt gem. § 150 FGO die Zwangsvollstreckung nach der AO, eine Vollstreckungserinnerung ist dann nicht zulässig. 21 22 23 24

Vgl. hierzu Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 7 Rdn. 9 und § 25 Rdn. 45 ff. Baur/Stürner/Bruns Rdn. 8.5. So Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 37 Rdn. 63 m. Fn. 239. Während in den Fällen des § 767 Abs. 1 durchaus noch ins Feld geführt werden kann, dass der Gläubiger den Vollstreckungsantrag hätte zurücknehmen können und müssen, kann man ihm in den Fällen einer Vollstreckungserinnerung einen solchen Vorwurf nicht machen. 25 A.A. wohl Musielak/Voit/Lackmann § 766 Rdn. 1; MünchKomm/K.Schmidt/Brinkmann § 766 Rdn. 2. 26 Vgl. hierzu Wieczorek/Schütze/Paulus4 vor § 704 Rdn. 9 f. 27 BeckOK/Preuß § 766 Rdn. 1 f.; Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Walker/Thole § 766 Rdn. 1. 28 OVG Greifswald NJW 2012, 3801. Das Vollstreckungsgericht ist in diesen Fällen gem. § 167 Abs. 1 S. 2 VwGO das Gericht des ersten Rechtszugs, also i.d.R. das Verwaltungsgericht. 29 Einwendungen können in diesen Fällen mit dem Einspruch nach §§ 256, 347 ff. AO geltend gemacht werden. 30 Gräber/Stapperfend FGO § 151 Rdn. 9. 299

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2. Keine Anwendung bei Maßnahmen außerhalb der Zwangsvollstreckung 15 Die Vollstreckungserinnerung ist auf das Verhalten des Vollstreckungsorgans in der Zwangsvollstreckung beschränkt. Dem Gerichtsvollzieher außerhalb der Zwangsvollstreckung obliegende Handlungen können mit der Vollstreckungserinnerung nicht angegriffen werden. Dazu gehören etwa Pfandverwertungen nach § 1235 BGB,31 Versteigerungen nach § 383 Abs. 3 BGB32 und die Siegelung von Sachen nach § 150 InsO.33 In diesen Fällen kann der Betroffene Einwendungen mit den Rechtsbehelfen gegen Justizverwaltungsakte (§§ 23 ff. EGGVG) geltend machen.34 Bei Zustellungen ist zu differenzieren. Die Erinnerung ist von vornherein nicht statthaft, wenn der Gerichtsvollzieher eine Zustellung ohne Bezug zu einem Zwangsvollstreckungsverfahren bewirken soll, insb. eine solche nach § 132 BGB. Sie soll einzig den Zugang einer Willenserklärung sichern. Anders liegen die Dinge, wenn es um die Zustellung eines Vollstreckungstitels geht. Hier kommt eine Erinnerung nach § 766 (analog) in Betracht. Denn diese Zustellung zu verweigern, bedeutet im Ergebnis nichts anderes als den Vollstreckungsauftrag nicht auszuführen.35 Das gilt unabhängig davon, ob die Zustellung zugleich mit der Zwangsvollstreckung oder ob nur die Zustellung zum Zwecke der Zwangsvollstreckung beauftragt wird.36 16 Mit der Vollstreckungserinnerung können vom Gerichtsvollzieher begangene Verfahrensfehler im Rahmen einer Vorpfändung (§ 845) gerügt werden.37

3. Keine Anwendung bei Vollstreckung im Grundbuch 17 Eine Vollstreckungserinnerung findet nicht statt, wenn das Grundbuchamt als Vollstreckungsorgan tätig wird. In diesen Fällen steht dem Betroffenen als speziellerem Rechtsbehelf nur die Grundbuchbeschwerde nach § 71 GBO offen.38

4. Keine Anwendung bei gerichtlichen Entscheidungen/Abgrenzung zur sofortigen Beschwerde gem. § 793 18 Hat ein Gericht als Vollstreckungsorgan gehandelt, muss zwischen der Vollstreckungserinnerung und der sofortigen Beschwerde abgegrenzt werden. Beide Rechtsbehelfe stehen nach wohl über31 OLG Karlsruhe DGVZ 1976, 44; OLG Frankfurt DGVZ 1983, 23; LG Mannheim MDR 1973, 318; Stein/Jonas/Münzberg § 766 Rdn. 2; a.A. AG Iburg DGVZ 1994, 31 (m. abl. Anm. der Schriftleitung). OLG Celle OLGRspr. 17, 334; Stein/Jonas/Münzberg § 766 Rdn. 2. Stein/Jonas/Münzberg § 766 Rdn. 2. Vgl. OLG Frankfurt Rpfleger 1976, 367. AG Wedding DGVZ 1981, 88; AG Tiergarten DGVZ 1983, 78; wohl auch AG Bremen DGVZ 1981, 61, 62; Stein/Jonas/ Münzberg § 766 Rdn. 2; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 25 Rdn. 18. Nicht überzeugend ist insoweit die Entscheidung AG Charlottenburg DGVZ 1981, 42: Hier wird zwar eine Vollstreckungserinnerung für zulässig erachtet, weil die Weigerung, den Titel zuzustellen dazu führe, dass der Vollstreckungsauftrag abgelehnt wird (DGVZ 1981, 42, 43), doch soll der Gerichtsvollzieher nicht angehalten werden können, die Zustellungsmaßnahme (hier: die Fertigung der erforderlichen Abschriften) zu bewirken (DGVZ 1981, 42, 44). Das führt in der Konsequenz immer dazu, dass die Erinnerung zwar zulässig ist – weil ein Vollstreckungsauftrag nicht ausgeführt wird, was nach § 766 Abs. 2 gerügt werden kann, sie allerdings unbegründet ist, weil es an der für die Ausführung des Vollstreckungsauftrags erforderlichen Zustellung des Titels (noch) fehlt. Richtigerweise wird man sogar – wenn die Zustellung des Titels zum Zwecke der Zwangsvollstreckung erfolgt – eine entsprechende Befugnis des Vollstreckungsgerichts annehmen müssen (so auch AG Wedding DGVZ 1981, 88). Grundsätzlich ablehnend hingegen AG München DGVZ 1978, 172. 36 Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 37 Rdn. 18; wohl a.A. Stein/Jonas/Münzberg § 766 Rdn. 2. 37 Musielak/Voit/Lackmann § 766 Rdn. 1; Zöller/Herget § 845 Rdn. 8; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 37 Rdn. 23. 38 OLG Köln MDR 2009, 52; KG Berlin NJW-RR 1987, 592; MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 766 Rdn. 14; BeckOK/ Preuß § 766 Rdn. 4; Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Walker/Thole § 766 Rdn. 4.

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wiegender Ansicht in einem Verhältnis der Exklusivität und schließen einander aus.39 Die Unterscheidung ist praktisch so wichtig, weil die sofortige Beschwerde innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen zu erheben ist, die Vollstreckungserinnerung hingegen zeitlich unbefristet eingelegt werden kann. Deshalb läuft der Betroffene Gefahr, einen Rechtsbehelf zu verlieren, wenn er statt einer gebotenen sofortigen Beschwerde eine Vollstreckungserinnerung einlegt. In Zweifelsfällen empfiehlt es sich daher, vorsorglich (auch) eine sofortige Beschwerde einzulegen. Im Ausgangspunkt besteht Einigkeit, dass die Vollstreckungserinnerung gegen Vollstreckungs- 19 maßnahmen und die sofortige Beschwerde gegen Entscheidungen statthaft ist.40 Doch ist umstritten, wann das eine und wann das andere vorliegt. Das Meinungsspektrum lässt sich kaum noch überblicken, weil auch innerhalb der großen Meinungsrichtungen in Nuancen unterschiedliche Kriterien favorisiert werden. Im Wesentlichen lassen sich die Meinungen nach drei Abgrenzungskriterien unterscheiden. Sie differenzieren nach dem handelnden Vollstreckungsorgan, nach dem Inhalt des Beschlusses und nach der Art und Weise des Zustandekommens.

a) Keine Beschränkung auf das Handeln des Gerichtsvollziehers. Nach einer Ansicht41 20 kommt eine Vollstreckungserinnerung nur in Betracht, wenn der Gerichtsvollzieher gehandelt hat. Haben das Vollstreckungs- oder das Prozessgericht als Vollstreckungsorgan gehandelt, sei nur die sofortige Beschwerde gem. § 793 statthaft. Eine solche Sichtweise vermeidet zwar schwierige Abgrenzungsfragen, lässt sich aber mit § 766 nicht in Einklang bringen. Während drei von vier der in § 766 genannten Einwendungsgruppen auf den Gerichtsvollzieher abstellen, findet sich eine solche Einschränkung nicht, wenn von Rügen, welche „die Art und Weise der Zwangsvollstreckung (…) betreffen“ die Rede ist. Daraus folgt im Umkehrschluss, dass vom Grundsatz her die Vollstreckungserinnerung gegen das Verhalten eines jedes Vollstreckungsorgans eingelegt werden kann.42

b) Vollstreckungserinnerung bei (exekutiven) Vollstreckungsakten. Nach Baur/Stürner/ 21 Bruns soll die Vornahme bzw. die Ablehnung eines Vollstreckungsaktes durch das Vollstreckungsgericht stets nur mit der Vollstreckungserinnerung angegriffen werden können.43 Ähnlich ist auch die Konzeption von Stamm. Er will die sofortige Beschwerde auf die rechtsprechende Tätigkeit beschränken, sodass unter § 793 nur rechtsprechende Entscheidungen fallen sollen.44 Nach ihm ist die Vollstreckungserinnerung für alle „exekutiven Vollstreckungshandlungen“ der grundlegende Rechtsbehelf und erst gegen die richterliche (rechtsprechende) Entscheidung über die Erinnerung sei die sofortige Beschwerde statthaft.45

c) Abgrenzung nach der Art und Weise des Zustandekommens. Die h.M. differenziert 22 danach, wie der Beschluss des Vollstreckungsgerichts zustande gekommen ist. Das maßgebliche Kriterium hierfür soll sein, ob dem Betroffenen rechtliches Gehör gewährt worden ist oder nicht.46 Gelegentlich wird auch eine durchgeführte Interessenabwägung angesprochen,47 doch verengt 39 BGH ZIP 2004, 1379; Stein/Jonas/Münzberg § 766 Rdn. 3; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 37 Rdn. 82; Brox/Walker § 40 Rdn. 5; einschränkend K. Schmidt JuS 1992, 90, 94 f., der in bestimmten Situationen beide Rechtsbehelfe zulassen möchte. 40 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 766 Rdn. 12. 41 Kunz Erinnerung und Beschwerde, S. 120 ff.; Wieser ZZP 115 (2002) 157, 159. 42 Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 37 Rdn. 2. 43 Baur/Stürner/Bruns Rdn. 43.4. 44 Stamm Prinzipien und Grundstrukturen des Zwangsvollstreckungsrechts, S. 538 ff. 45 Stamm Prinzipien und Grundstrukturen des Zwangsvollstreckungsrechts, S. 538. 46 RGZ 16, 317, 321; RGZ 18, 431, 433 f.; Stein/Jonas/Münzberg § 766 Rdn. 3 f.; Musielak/Voit/Lackmann § 766 Rdn. 12. 47 Auch Stamm, Prinzipien und Grundstrukturen des Zwangsvollstreckungsrechts, S. 535, stellt das als ein Abgrenzungskriterium der h.M. dar. 301

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sich das dann schnell wieder auf die Gewährung rechtlichen Gehörs.48 Nach der Rechtsprechung49 und der überwiegenden Ansicht im Schrifttum50 gilt folgende Abgrenzung: Wurde rechtliches Gehör gewährt, liege eine Entscheidung vor; wurde kein rechtliches Gehör gewährt, liege eine Vollstreckungsmaßnahme vor. Dabei spiele es keine Rolle, ob rechtliches Gehör gewährt werden muss, ob es nur gewährt werden darf oder ob es hätte überhaupt nicht gewährt werden dürfen.51 Andere wollen auch dann eine Entscheidung annehmen, wenn kein rechtliches Gehör gewährt wurde, rechtliches Gehör aber hätte gewährt werden müssen.52 K. Schmidt will dem Betroffenen in diesen Fällen die Wahl lassen, ob er (weil er nicht angehört wurde) die Erinnerung oder (weil er hätte angehört werden müssen) die sofortige Beschwerde einlegt.53 Abgesehen von der einen oder anderen Feinheit scheint diese Abgrenzung prima facie einfach 23 und nachvollziehbar. Doch werden diese Grundsätze dann sogleich durchbrochen. So soll etwa im Falle einer Durchsuchungsanordnung gem. § 758a auch dann keine Vollstreckungsmaßnahme, sondern eine Entscheidung vorliegen, wenn kein rechtliches Gehör gewährt wurde.54 Begründet wird das damit, dass bei einer Wohnungsdurchsuchung Grundrechte betroffen seien und das Gericht daher abzuwägen habe, also eine Entscheidung treffen müsse.55 Damit wird mit dem Gedanken der Abwägung ein zweiter Anknüpfungspunkt eingeführt.56 Auch die Ablehnung eines Vollstreckungsantrages soll grundsätzlich eine Entscheidung und keine Vollstreckungsmaßnahme sein,57 unabhängig davon, ob der Antrag unmittelbar oder erst auf eine Vollstreckungserinnerung hin abgelehnt wurde.58 Bei den meisten Vertretern findet sich an dieser Stelle kein Bezug zum rechtlichen Gehör. Nur wenige sprechen offen aus, dass der Gläubiger mit der Antragstellung schon Gelegenheit zur Äußerung hatte.59 Bedenkt man, dass sich die Anhörungsmöglichkeit des Gläubigers wegen § 829 Abs. 4 auf das Ausfüllen eines Formulars beschränkt und § 829a weitere Vereinfachungen vorsieht, wird man mit guten Gründen bezweifeln können, ob man einen solchen Antrag mit der Gewährung rechtlichen Gehörs gleichsetzen kann. 24 Stellt man mit der h.M. darauf ab, ob jemand tatsächlich angehört wurde oder nicht, kann derselbe Vollstreckungsakt zu unterschiedlichen Bewertungen führen. Beim Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses soll eine Vollstreckungsmaßnahme für denjenigen vorliegen, der nicht angehört wurde, hingegen eine Vollstreckungsentscheidung für denjenigen, der angehört wurde. Das führt spätestens bei der Frage nach dem statthaften Rechtsbehelf zu Schwierigkeiten. Wurde der Schuldner wegen § 834 nicht angehört, wohl aber der Drittschuldner, ist für den Schuldner die Vollstreckungserinnerung, für den Drittschuldner hingegen die sofortige Beschwerde statthaft.60 Damit einher geht freilich die Gefahr divergierender Entscheidungen. Deshalb wollen einige dieses Auseinanderfallen der Rechtsbehelfe vermeiden, indem sie sowohl dem Schuld48 Vgl. etwa Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 37 Rdn. 25 (Interessenabwägung) und Rdn. 26 (rechtliches Gehör). 49 BGH NZI 2004, 447, 447 f.; OLG Köln NJW-RR 2001, 69; OLG Köln NJW-RR 1992, 894. 50 Prütting/Gehrlein/Scheuch § 766 Rdn. 3; Lippross/Bittmann ZVR § 20 Rdn. 51. Sehr deutlich BeckOK/Preuß § 766 Rdn. 13: Die Vollstreckungserinnerung habe die Funktion, dass sich der Betroffene erstmals rechtliches Gehör verschaffe. 51 OLG Bamberg NJW 1978, 1389; BeckOK/Preuß § 766 Rdn. 13.1. 52 Stein/Jonas/Münzberg § 766 Rdn. 8; Prütting/Gehrlein/Scheuch § 766 Rdn. 4. 53 K. Schmidt JuS 1992, 90, 94; ablehnend Prütting/Gehrlein/Scheuch § 766 Rdn. 6. 54 Prütting/Gehrlein/Scheuch § 766 Rdn. 4; a.A. Anders/Gehle/Vogt-Beheim § 766 Rdn. 29 (Durchsuchung). 55 Prütting/Gehrlein/Scheuch § 766 Rdn. 4. 56 Auch Thomas/Putzo/Seiler, § 793 Rdn. 3, stellt wohl gleichberechtigt auf die Kriterien des (gewährten) rechtlichen Gehörs und der (gebotenen) Abwägung ab. 57 OLG Koblenz NJW-RR 1986, 679; OLG Koblenz MDR 1983, 413, 414; BeckOK/Preuß § 766 Rdn. 13 (mit der vorangegangenen Auseinandersetzung mit dem Antrag begründend); Prütting/Gehrlein/Scheuch § 766 Rdn. 5; Zöller/Herget § 766 Rdn. 2; Brox/Walker § 40 Rdn. 31; Lippross/Bittmann ZVR § 20 Rdn. 51; a.A. LG Koblenz MDR 1990, 1123, 1124. 58 OLG Koblenz MDR 1983, 413, 414. 59 BeckOK/Preuß § 766 Rdn. 13. 60 Stein/Jonas/Münzberg § 766 Rdn. 6 f.; BeckOK/Preuß § 766 Rdn. 14; wohl auch BGH DGVZ 2012, 11; kritisch dazu Wieser ZZP 115 (2002) 157, 158. Spohnheimer

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ner als auch dem Drittschuldner die sofortige Beschwerde ermöglichen, obwohl einer von ihnen gar nicht angehört wurde.61 Im Ergebnis begnügt man sich (unausgesprochen) damit, dass irgendjemand angehört wurde oder man verzichtet (unausgesprochen) auf das Kriterium der Anhörung. Letztlich rechtfertigt die h.M. ihre Abgrenzung mit Praktikabilitätserwägungen. Wurde der Be- 25 troffene bereits angehört, sei eine Erinnerung unzweckmäßig, weil sie in einer bloßen Selbstabhilfemöglichkeit des Vollstreckungsgerichts mündet.62 Dem entspricht, dass man den vornehmlichen Zweck der Vollstreckungserinnerung darin sieht, dass dem Betroffenen (erstmals) rechtliches Gehör gewährt werden soll.63 Aus einer anderen Richtung gewendet, geht es bei der Vollstreckungserinnerung darum, einen Streit über die (formelle) Rechtmäßigkeit erstinstanzlich anhängig zu machen, damit der Streit überhaupt einer (zweitinstanzlichen) sofortigen Beschwerde zugänglich wird.64

d) Konkretisierung der h.M.: Erfordernis der Abwägung als maßgebliches Kriterium. 26 Dass die h.M. vordergründig darauf abstellt, ob tatsächlich rechtliches Gehör gewährt wurde oder nicht, von diesem Kriterium jedoch im Einzelfall auch einmal abrückt, ist nicht überzeugend. Denn so wirken ihre Ergebnisse zuweilen beliebig. In der Konsequenz ist eine klare Grenzziehung noch immer nicht gelungen.65 Das ist für den Rechtsanwender, insbesondere vor dem Hintergrund der drohenden Verfristung der sofortigen Beschwerde, misslich.66 Hinzu kommt ein Weiteres: Indem auf die tatsächliche Anhörung oder Nicht-Anhörung abgestellt wird, hat es das Vollstreckungsgericht in der Hand, über den zulässigen Rechtsbehelf zu disponieren.67 Insbesondere noch nicht (höchstrichterlich) entschiedene Sachverhalte lassen sich so nur schwer vorhersagen. Das ist auch nicht verwunderlich. Denn die grundsätzlich objektiv zu beantwortende Frage, ob jemand rechtlich gehört wurde, wird im Falle der Durchsuchungsanordnung durch die Frage ersetzt, ob eine Interessenabwägung geboten ist. So verändert sich das Abgrenzungskriterium in zweierlei Hinsicht: Einerseits wird auf das rechtliche Gehör, andererseits auf die Interessenabwägung abgestellt. Zugleich wird einerseits darauf abgestellt, wie der Beschluss tatsächlich zustande gekommen ist, andererseits, wie er zustande kommen sollte. Deshalb sollte sich die Abgrenzung an anderen Kriterien orientieren. Dass eine Entscheidung 27 schon begrifflich nicht zwingend die vorherige Gewährung rechtlichen Gehörs voraussetzt, zeigen die Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes. Dort ergehen zahlreiche Beschlüsse, ohne dass der Betroffene zuvor angehört wurde. Und dass es sich bei diesen Beschlüssen um eine Entscheidung handelt, bezweifelt niemand. Deshalb muss das Charakteristische einer Entscheidung etwas anderes sein. Stellt man nicht die Rechtsfolgen der Einordnung in den Vordergrund, würde man doch wohl am ehesten darauf abstellen, ob Interessen und Rechtspositionen im Einzelfall noch abgewogen werden müssen oder nicht.68 Das ist bei manchen Vollstreckungshandlungen der Fall (etwa bei § 758a oder bei § 850b). Bei anderen Vollstreckungshandlungen findet eine solche Abwägung gerade nicht statt. Dass es bei einer Forderungspfändung regelmäßig an dieser Abwägung fehlt, zeigt schon, dass nicht eine bestehende Forderung, sondern nur eine vermeintlich bestehende Forderung gepfändet wird und die Forderungspfändung schlicht ins Leere geht, soweit diese Forderung nicht besteht.69 Auch dass das Vollstreckungsgericht die Voraussetzungen der Forde-

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Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 37 Rdn. 27; Musielak/Voit/Lackmann § 766 Rdn. 14. Brox/Walker § 40 Rdn. 28. BeckOK/Preuß § 766 Rdn. 13. Vgl. Ulrici FS Becker-Eberhard, 603, 620 ff., der den instantiellen Unterschied beider Rechtsbehelfe betont. Stamm Prinzipien und Grundstrukturen des Zwangsvollstreckungsrechts, S. 535. Prütting/Gehrlein/Scheuch § 766 Rdn. 6 gibt deshalb den Rat, im Zweifel beide Rechtsbehelfe einzulegen. Kritisch dazu Stamm, Grundprinzipien und Grundstrukturen des Zwangsvollstreckungsrechts, S. 536. So auch Brox/Walker § 40 Rdn. 28, die dann allerdings doch einen weitgehenden Gleichlauf zwischen rechtlichem Gehör und Abwägung annehmen und Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 37 Rdn. 25, die allerdings schon in Rdn. 26 wieder nur verkürzt auf das rechtliche Gehör abstellen. 69 BGH NJW 2002, 755, 757; Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Schuschke/Plücker § 829 Rdn. 34. 303

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rungspfändung von Amts wegen prüfen muss, ändert daran nichts. Denn es geht dabei nur um eine „Plausibilitätsprüfung“,70 die verhindern soll, dass der Gläubiger „ins Blaue hinein“ pfändet.71 Genauso wie der Gerichtsvollzieher nach § 811 unpfändbare Gegenstände nicht pfänden darf, darf das Vollstreckungsgericht unpfändbare Forderungen nicht pfänden. Hier bedarf es zwar noch einer Berechnung, aber eben keiner wirklichen Abwägung. Anders liegen die Dinge indessen bei § 850b. Die Pfändung bedingt pfändbarer Bezüge muss der Billigkeit entsprechen. Ob das der Fall ist oder nicht, setzt freilich eine Abwägung, mithin eine Entscheidung, voraus. Nicht umsonst soll bei dieser abwägenden Entscheidung rechtliches Gehör gewährt werden (§ 850b Abs. 3), während dem Schuldner sonst sogar kein rechtliches Gehör gewährt werden darf (§ 834). Als maßgebliches Kriterium sollte man daher besser darauf abstellen, ob eine Interessenabwägung geboten ist.72 Die Gewährung rechtlichen Gehörs ist daher ein hinreichendes Indiz dafür, dass eine Abwägung und damit eine Entscheidung zu treffen ist. Doch kann eine Interessenabwägung auch dort stattfinden, wo kein rechtliches Gehör zu gewähren ist. Deshalb ist das kein notwendiges Kriterium einer Entscheidung. Während die Entscheidung über die Pfändung bedingt pfändbarer Bezüge – sowohl in die eine wie auch in die andere Richtung – eine Entscheidung ist, die mit der sofortigen Beschwerde angegriffen werden muss, stellt die Pfändung anderer Forderungen, bei denen keine Abwägung stattfinden muss, eine Vollstreckungsmaßnahme dar, die mit der Vollstreckungserinnerung anzugreifen ist. Und so hätte es in den häufig als Beleg für die jeweilige These herangezogenen Entscheidungen des OLG Köln gar keines Rückgriffs auf die Gewährung rechtlichen Gehörs bedurft. Denn in dem Fall,73 in dem eine Entscheidung angenommen wurde, lag eine Pfändung nach § 850b vor, in dem anderen Fall74 eine solche, bei der der Schuldner gar nicht angehört werden durfte und bei der auch nichts abgewogen werden musste. Nicht entscheidend kann indessen sein, ob das Gericht tatsächlich eine Abwägung getroffen hat. Denn sonst könnte das Gericht über den statthaften Rechtsbehelf disponieren. Und im Übrigen sind Rechtsbehelfe auch gerade dazu da, einen Fehler – etwa, dass entgegen der gesetzlichen Wertung nicht abgewogen wurde – geltend zu machen. Deshalb ist nur entscheidend, ob eine solche Abwägung gesetzlich geboten war. Freilich genügt es dafür, wenn das Gesetz das mittelbar zum Ausdruck bringt (etwa, indem ausdrücklich eine Anhörung angeordnet wird), oder wenn grundrechtlich geschützte Belange (etwa im Fall von § 758a) abgewogen werden müssen. Auch ein Richtervorbehalt kann ein entsprechendes Indiz für eine gebotene Abwägungsentscheidung sein. Eine Entscheidung liegt daher vor, wenn eine Abwägung von Interessen erfolgen muss, eine Vollstreckungsmaßnahme liegt hingegen vor, wenn eine solche Abwägung nicht erfolgen muss. Im Ergebnis wird die hier vertretene Sichtweise oftmals zu denselben Ergebnissen wie die h.M. führen. So liegt wegen § 891, der eine Anhörung normiert und damit auf eine vorzunehmende Interessenabwägung hindeutet, in den Fällen der §§ 888–890 eine Entscheidung vor, auch wenn der Schuldner im Einzelfall nicht angehört wurde.75 Stellt man auf die normativ vorgesehene Abwägung und nicht auf eine tatsächlich erfolgte Abwägung ab, trägt man zudem dem Gedanken Rechnung, dass das Gericht regelmäßig abwägt, wenn es abwägen muss – auch wenn im Einzelfall kein rechtliches Gehör gewährt wurde oder die Abwägung in den Entscheidungsgründen nicht deutlich genug zum Ausdruck kommt. Hat das Gericht eine gebotene Abwägung nicht vorgenommen, trägt die hier vertretene Sichtweise zugleich dem Schutz des Betroffenen Rechnung. Denn er kann sogleich die Entscheidung des Beschwerdegerichts herbeiführen. Die hier vertretene Sichtweise bietet zudem den Vorteil, dass sie die mit der Lösung der h.M. einhergehende Rechtswegspaltung vermeidet. Weil bei der Forderungspfändung – soweit nicht ei70 71 72 73 74 75

Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 54 Rdn. 55. Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Schuschke/Plücker § 829 Rdn. 34. Schmeken ZIP 1982, 1295, 1296 f. OLG Köln NJW-RR 1992, 894. OLG Köln NJW-RR 2001, 69. So im Ergebnis auch Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 37 Rdn. 37; Zöller/Seibel § 888 Rdn. 15.

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ner der besonderen Fälle, etwa ein solcher nach § 850b einschlägig ist – eine Abwägung nicht geboten ist, steht für alle Beschwerten einheitlich der Rechtsbehelf der Vollstreckungserinnerung offen. Das gilt auch dann, wenn im Einzelfall der Drittschuldner tatsächlich angehört wurde. Das kann zwar dazu führen, dass er im Einzelfall eine möglicherweise wenig erfolgversprechende Erinnerung einlegen muss, doch ist das im Interesse der Rechtssicherheit hinzunehmen. Umgekehrt kann das Gericht auch nicht über die – möglicherweise ihrerseits rechtswidrige – vorgenommene oder nicht vorgenommene Anhörung über den Rechtsbehelf disponieren. Die hier vertretene Sichtweise differenziert auch nicht danach, ob eine Maßnahme angeordnet oder abgelehnt wurde. Das trägt letztlich dem Gedanken Rechnung, der § 766 Abs. 1 und Abs. 2 zugrunde liegt: Sowohl für die Vornahme als auch für die Ablehnung soll bei Verfahrensfehlern derselbe Rechtsbehelf gegeben sein. Zudem beschränkt es die zeitliche Befristung der sofortigen Beschwerde auf das absolut Not- 33 wendige. Schon der historische Gesetzgeber wollte nur die sofortige Beschwerde befristet wissen, weil bei Entscheidungen schnell Rechtsklarheit bestehen müsse.76 Die Notwendigkeit dafür erklärt sich insbesondere, wenn man auf das Wesen der Entscheidung schaut. Werden – sozusagen gebundene – Vollstreckungshandlungen vorgenommen oder abgelehnt, bei denen keine Abwägung erfolgt, sind sie auch nach längerer Zeit nachvollziehbar, überprüfbar und wiederholbar. Beruht die Entscheidung hingegen auf einer Interessenabwägung und ist sie nicht von vornherein vorgegeben, kann die Entscheidung nach längerer Zeit kaum noch überprüft werden. Deshalb erscheint es sachgerecht, diese – und nur diese – Entscheidungen der kurzen Notfrist des § 793 zu unterwerfen. Die hier vertretene Sichtweise reiht sich auch nahtlos in andere Situation ein, in denen die sofortige Beschwerde statthaft ist. Sie ist etwa in den Fällen der §§ 42 ff., 71 Abs. 2, sowie im Fall des § 91a, aber auch in den Fällen des § 127 Abs. 2, 3 sowie der §§ 336 und 387 Abs. 1 eröffnet. Alle diese Entscheidungen setzen ebenfalls eine Abwägung voraus.77

5. Keine Vollstreckungserinnerung bei Vollstreckungsmaßnahmen des Prozessgerichts Auch wenn die Anordnungen des Prozessgerichts regelmäßig Entscheidungen i.S.v. § 793 sein wer- 34 den (s. Rdn. 18 ff.), bereiten jene Fälle Schwierigkeiten, in denen das Prozessgericht ausnahmsweise eine Vollstreckungsmaßnahme getroffen hat.78 Statthaft ist dagegen eigentlich die Vollstreckungserinnerung gem. § 766. Doch entscheidet über sie ausschließlich das Vollstreckungsgericht. Hier kann nun die Situation auftreten, dass das Landgericht als Prozessgericht eine Vollstreckungsmaßnahme getroffen hat, aber das ihm untergeordnete Amtsgericht als Vollstreckungsgericht diese Maßnahme überprüfen soll. Das will die h.M. vermeiden, indem sie auch gegen Vollstreckungsmaßnahmen des Prozessgerichts ausschließlich die sofortige Beschwerde zulässt.79 Doch missachtet man damit die gesetzgeberische Entscheidung, die sofortige Beschwerde nur bei einer vorangegangenen Entscheidung zu ermöglichen und nimmt dem Betroffenen damit eine Instanz. Vorzugswürdig erscheint es daher, den Rechtsgedanken von § 167 Abs. 1 S. 2 VwGO aufzugreifen, und es auch in diesen Fällen bei der Statthaftigkeit der Vollstreckungserinnerung zu belassen, allerdings die gerichtliche Zuständigkeit zu durchbrechen und die Entscheidung an das Prozessgericht zu delegieren.80 76 Vgl. hierzu Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 37 Rdn. 3. 77 Im Ergebnis ebenso, allerdings auf das rechtliche Gehör abstellend, Zeising JURA 2010, 93, 94. 78 Die Fälle können freilich in deutlich stärkerem Maße auftreten, wenn man nicht darauf abstellt, ob eine Abwägung vorzunehmen ist, sondern ob tatsächlich rechtliches Gehör gewährt wurde. 79 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 766 Rdn. 14; Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Walker/Thole § 766 Rdn. 5; K. Schmidt JuS 1992, 90, 93. Demgegenüber soll nach Ulrici FS Becker-Eberhard, 603, 615, bei einer durch das Prozessgericht erfolgenden Zwangsvollstreckung nur eine sofortige Beschwerde in Betracht kommen, weil § 766 die Zuständigkeitsverteilung zwischen Vollstreckungs- und Prozessgericht regeln wolle. 80 So auch Baur/Stürner/Bruns Rdn. 43.5. 305

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6. Abgrenzung zur befristeten Rechtspflegererinnerung (§ 11 Abs. 2 RPflG) 35 Die befristete Rechtspflegererinnerung nach § 11 Abs. 2 RPflG und die Vollstreckungserinnerung schließen einander aus.81 Die Vollstreckungserinnerung findet nach § 11 Abs. 1 RPflG unabhängig davon statt, ob der Richter oder der Rechtspfleger – das ist wegen § 20 Nr. 17 RPflG der Regelfall – eine Vollstreckungsmaßnahme getroffen hat. Die befristete Rechtspflegererinnerung nach § 11 Abs. 2 RPflG findet hingegen nur statt gegen Entscheidungen des Rechtspflegers, wenn es gegen eine solche, hätte sie ein Richter getroffen, kein Rechtsmittel gäbe.

III. Statthafte Einwendungen im Erinnerungsverfahren und Abgrenzung zu anderen Rechtsbehelfen 36 Erhebt der Erinnerungsführer nicht wenigstens eine im Erinnerungsverfahren statthafte Rüge, ist die Vollstreckungserinnerung unzulässig.82

1. Einwendungen gegen das bei der Zwangsvollstreckung zu beachtende Verfahren 37 a) Allgemeines. Mit der Vollstreckungserinnerung kann der Betroffene Einwendungen gegen das vom Vollstreckungsorgan zu beobachtende Verfahren geltend machen. Daraus folgt zweierlei: Zum einen können nur solche (formellen) Verstöße gerügt werden, die das Verfahren betreffen.83 Zum anderen scheiden von vornherein solche Einwendungen aus, die das Vollstreckungsorgan gar nicht zu beachten hat. Geltend gemacht werden kann, dass die Vollstreckungsvoraussetzungen fehlen, dass ein Vollstreckungshindernis besteht oder dass das Vollstreckungsorgan bei der Durchführung der Zwangsvollstreckung Verfahrensvorschriften verletzt hat. Umstritten ist, ob auch ein Verstoß gegen die GVGA mit der Vollstreckungserinnerung 38 geltend gemacht werden kann. Das wird von der wohl h.M. unter Verweis darauf, dass sie den Richter als reine Verwaltungsvorschriften nicht binden, verneint.84 Ein Verstoß gegen die GVGA soll nur im Wege der Dienstaufsichtsbeschwerde geltend gemacht werden können.85 Dem wird zu Recht entgegengetreten.86 Denn soweit die Vorschriften das Verhältnis des Gerichtsvollziehers zu den anderen Beteiligten des Vollstreckungsverfahrens regeln, bestehen sie nicht um ihrer selbst willen: Sie sind norminterpretierend, ermessenslenkend und gesetzesvertretend.87 Sie entfalten ihre Wirkung – gleich, ob man die Außenwirkung über den Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung, den Gleichheitssatz oder den Gedanken des Vertrauensschutzes begründet – nur, wenn man ihnen eine entsprechende Außenwirkung zuerkennt und Verstöße gegen diese Vorschriften, die Außenwirkung haben, auch justitiabel sind.

81 Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Walker/Thole § 766 Rdn. 11. 82 Allg.M.; nach Ulrici FS Becker-Eberhard, 603, 612 ff., regelt § 766 nicht die Statthaftigkeit, sondern die Zuständigkeit (Rechtsweg, sachliche, örtliche und instanzielle Zuständigkeit). 83 Gaul ZZP 87 (1974) 241, 250. 84 BGH MDR 2019, 58 Rdn. 20; Gaul ZZP 87 (1974) 241, 253; im Ergebnis ebenso BeckOK/Preuß § 766 Rdn. 11; MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 766 Rdn. 34; Musielak/Voit/Lackmann § 766 Rdn. 22; Zöller/Herget § 766 Rdn. 11; a.A. Stein/Jonas/Münzberg § 766 Rdn. 2, Anders/Gehle/Vogt-Beheim § 766 Rdn. 29 (Geschäftsanweisung); Zöller/Stöber30 § 766 Rdn. 11 (Verstoß gegen GVGA kann geltend gemacht werden, wenn damit zugleich die ZPO verletzt ist). 85 Gaul ZZP 87 (1974) 241, 253; a.A. Glenk NJW 2014, 2315, 2316 (Dienstverstoß ist auch Verfahrensverstoß). 86 Ausf. Kaminski Die GVGA als Prüfungsmaßstab im Erinnerungsverfahren, zusammenfassend auf S. 80 ff.; wie hier auch schon Wieczorek/Schütze/Salzmann3 § 766 Rdn. 39. 87 Kaminski Die GVGA als Prüfungsmaßstab im Erinnerungsverfahren, S. 57 ff. Spohnheimer

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b) Titelbezogene Einwendungen. Mit der Vollstreckungserinnerung kann geltend gemacht 39 werden, dass ein Vollstreckungstitel – und damit eine Vollstreckungsvoraussetzung – fehlt.88 Gleiches gilt, wenn vollstreckt wird, obwohl die Vollstreckungsklausel nicht auf den Gläubiger umgeschrieben wurde (etwa bei Rechtsnachfolge), oder wenn ein (erforderlicher) zusätzlicher Leistungsoder Duldungstitel gegen einen weiteren Schuldner oder Dritten fehlt.89 Mit der Vollstreckungserinnerung kann geltend gemacht werden, dass der Vollstreckungstitel derart unbestimmt ist, dass sein Inhalt vom Vollstreckungsorgan auch nicht durch Auslegung ermittelt werden kann und er daher nicht Grundlage der Zwangsvollstreckung sein kann.90 Der Gläubiger muss in diesen Fällen zunächst die Reichweite des Vollstreckungstitels mit einer Feststellungsklage klären lassen.91 Für sie besteht ein Feststellungsinteresse i.S.v. § 256 Abs. 2 schon deshalb, weil die Vollstreckungserinnerung die Auslegung des Titels ohnehin nicht rechtskräftig klären könnte. Denn wie der Titel auszulegen ist, wäre im Rahmen einer Vollstreckungserinnerung gem. § 766 ohnehin nur ein Element der Begründung, das an der Rechtskraft nach den allgemeinen Regeln nicht teilnimmt.92 Dem Fehlen eines Titels steht es gleich, dass in der Zwangsvollstreckung jemand als Schuldner behandelt wird, obwohl sich der Titel gar nicht gegen ihn richtet.93 Dass eine qualifizierte Vollstreckungsklausel nicht vom Rechtspfleger sondern vom Urkundsbeamten der Geschäftsstelle erteilt wurde, macht sie zwar (mit der Klauselerinnerung) anfechtbar, nicht aber nichtig, sodass das nicht mit der Vollstreckungserinnerung geltend zu machen ist.94 Dass das Vollstreckungsorgan vom Inhalt des Vollstreckungstitels abweicht, kann ebenfalls mit der Vollstreckungserinnerung geltend gemacht werden. Hierzu gehören etwa die Missachtung von im Titel genannten Vollstreckungsvoraussetzungen95 und das Hinausgehen der Vollstreckung über im Titel genannte Begrenzungen.96 Nicht geltend gemacht werden kann mit der Vollstreckungserinnerung, dass der (existierende) 40 Titel aus materiellrechtlichen Gründen unwirksam ist.97 Denn dem Vollstreckungsorgan steht es nicht zu, die materiellrechtliche Wirksamkeit zu überprüfen. Die materiellrechtliche Unwirksamkeit des Vollstreckungstitels muss daher zunächst mit der Titelgegenklage analog § 767 (vgl. hierzu § 767 Rdn. 116 ff.) geltend gemacht werden.98 Bislang offen gelassen hat der BGH die Frage, ob eine offensichtliche Unwirksamkeit des Titels aus formellen Gründen mit der Vollstreckungserinnerung geltend gemacht werden kann.99 Doch muss man dafür vorgelagert die Frage beantworten, ob das Vollstreckungsorgan – auch ohne eine Vollstreckungserinnerung – die Zwangsvollstreckung verweigern dürfte oder gar müsste. Das wird man im Ergebnis bejahen können. Denn die Fälle eines aus formellen Gründen offensichtlich unwirksamen Titels dürften den Fällen eines unbestimmten und daher nicht vollstreckbaren Titels (s. Rdn. 39) vergleichbar sein, sodass sie gleich behandelt werden sollten. Umgekehrt vermeidet man so, dass das Vollstreckungsorgan bis zu einer Anordnung nach § 769 sehenden Auges einen unwirksamen Titel vollstrecken müsste. Eine nicht offensichtliche formelle Unwirksamkeit des Vollstreckungstitels kann indessen nicht mit der Vollstreckungserinnerung geltend gemacht werden.100 Denn die formalisierte Zwangsvollstreckung knüpft zunächst an das Vorliegen eines Titels an, der vollstreckt werden darf (Regelfall). Nur ein offensichtlicher unwirksamer Titel kann es rechtfertigen, diese Regel ausnahmsweise zu durchbrechen. 88 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 766 Rdn. 33; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 37 Rdn. 12. 89 Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 37 Rdn. 12. 90 BGH NJW 2013, 2287, OLG Karlsruhe MDR 2005, 533; BeckOK/Preuß § 766 Rdn. 7; Prütting/Gehrlein/Scheuch § 766 Rdn. 8 (bei Offensichtlichkeit). 91 BGH NJW 2013, 2287; BGH NJW 1972, 2268; OLG Karlsruhe MDR 2005, 533. 92 Vgl. hierzu ausf. OLG Karlsruhe MDR 2005, 533. 93 Im Ergebnis ebenso BeckOK/Preuß § 766 Rdn. 19. Vgl zur Erinnerungsbefugnis Rdn. 61 und Rdn. 66. 94 BGH NJW-RR 2012, 1146, 1147. 95 Stein/Jonas/Münzberg § 766 Rdn. 18. 96 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 766 Rdn. 33. 97 BGH, Beschl. v. 4.4.2012 – V ZA 8/12. 98 von Sachsen Gessaphe Rdn. 551. 99 Zuletzt BGH, Beschl. v. 4.4.2012 – V ZA 8/12. 100 Wohl a.A. MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 766 Rdn. 33. 307

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41 c) Vollstreckungshindernisse. Wird vollstreckt, obwohl vom Vollstreckungsorgan zu beachtende Vollstreckungshindernisse vorliegen, kann das als Verfahrensverstoß mit der Vollstreckungserinnerung geltend gemacht werden. Hierzu gehören etwa Verstöße gegen § 775 (vgl. § 775 Rdn. 51),101 eine Missachtung des Vollstreckungsverbots nach § 89 InsO102 oder eine Vollstreckung, obwohl ein Untersagungsbeschlusses nach § 21 Abs. 2 Nr. 3 InsO vorliegt. Auch Vollstreckungshandlungen trotz angezeigter Masseunzulänglichkeit gem. § 208 InsO können mit der Vollstreckungserinnerung gerügt werden.103 Denn § 210 InsO ordnet ein Vollstreckungsverbot an, sobald der Insolvenzverwalter die Masseunzulänglichkeit angezeigt hat. Dieses Vollstreckungsverbot ist von Amts wegen zu beachten.104 Wegen der größeren Sachnähe entscheidet über diese Vollstreckungserinnerung nicht das Vollstreckungs- sondern das Insolvenzgericht.105 Nicht mit der Vollstreckungserinnerung, sondern mit der Vollstreckungsabwehrklage können eine Restschuldbefreiung (§ 301 InsO)106 und die Erfüllungsablehnung durch den Insolvenzverwalter (§ 103 Abs. 2 InsO)107 geltend gemacht werden (s. § 767 Rdn. 70). Denn in beiden Fällen muss zuvor noch überprüft werden, ob insoweit eine Einwendung gegen den titulierten Anspruch tatsächlich besteht.

42 d) Beispiele für Verfahrensfehler.108 Geltend gemacht werden kann, dass der Gerichtsvollzieher tätig wird, obwohl er nach § 155 GVG ausgeschlossen oder unzuständig ist.109 Auch Verstöße gegen § 758a Abs. 1 und Abs. 4 können mit der Vollstreckungserinnerung gerügt werden.110 Eine Besorgnis der Befangenheit berechtigt jedoch nicht zur Erinnerung: Hier ist die Maßnahme abzuwarten, die dann im Rahmen einer Vollstreckungserinnerung auf Recht- und Zweckmäßigkeit zu prüfen ist.111 Pfändet das Vollstreckungsorgan unpfändbare Gegenstände (z.B. nach § 811), kann das mit der Vollstreckungserinnerung angegriffen werden.112 Eine Überpfändung gem. § 803 ist ebenfalls mit der Erinnerung geltend zu machen.113 Wird vollstreckt, obwohl die Voraussetzungen der Zug-um-Zug-Verurteilung nicht erfüllt sind, kann sich der Schuldner nach § 766 wehren.114 Gibt der Gerichtsvollzieher zu Unrecht den Vollstreckungstitel nicht heraus, begründet das ebenfalls eine Erinnerungsbefugnis.115 Nach dem Wegfall von § 900 Abs. 4 a.F. ist ein Verstoß gegen § 802f ebenfalls mit der Vollstreckungserinnerung geltend zu machen.116

43 e) Keine Geltendmachung materiellrechtlicher Einwendungen. Materiellrechtliche Einwendungen sind für das Vollstreckungsorgan grundsätzlich unbeachtlich: Es muss und darf sie re101 Zöller/Herget § 766 Rdn. 10. 102 AG Hannover NZI 2021, 439, 440; Zöller/Herget § 766 Rdn. 10. 103 Braun/Ludwig InsO § 210 Rdn. 5; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 40 Rdn. 39; Prütting/Gehrlein/Scheuch § 766 Rdn. 15; a.A. OLG Koblenz JurBüro 2008, 427. BGH MDR 2008, 108 und Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Raebel § 767 Rdn. 23, wollen die Vollstreckungsabwehrklage allerdings dann zulassen, wenn es dem Insolvenzverwalter nicht gelingt, die Masseunzulänglichkeit im Verfahren nach §§ 207 ff. glaubhaft zu machen. 104 Braun/Ludwig InsO § 210 Rdn. 5. 105 BT-Drucks. 12/2443, S. 138; MünchKomm-InsO/Breuer/Flöther § 89 Rdn. 64. 106 BGH NJW 2008, 3640, 3641; Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Raebel § 767 Rdn. 23. 107 BGH NJW 1987, 1702, 1703; Prütting/Gehrlein/Scheuch § 767 Rdn. 24; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 40 Rdn. 39. 108 Vgl. zu weiteren Beispielen auch noch Rdn. 53 ff. 109 Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 37 Rdn. 19. 110 Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 37 Rdn. 19. 111 BVerfG NJW-RR 2005, 365; BGH NJW-RR 2005, 149, 150; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 37 Rdn. 19. 112 Zöller/Herget § 766 Rdn. 15; Anders/Gehle/Vogt-Beheim § 766 Rdn. 29 (Unpfändbarkeit). 113 BGH NJW-RR 2011, 1694; Zöller/Herget § 766 Rdn. 15; Anders/Gehle/Vogt-Beheim § 766 Rdn. 29 (Überpfändung). 114 BGH MDR 2016, 1228 Rdn. 11; Zöller/Herget § 766 Rdn. 15 (inhaltliche Mängel einer zu erbringenden Abrechnung können nicht entgegen gehalten werden); Anders/Gehle/Vogt-Beheim § 766 Rdn. 29 (Zug um Zug). 115 Anders/Gehle/Vogt-Beheim § 766 Rdn. 29 (Herausgabe des Titels). 116 Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Walker/Thole § 766 Rdn. 12. Spohnheimer

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gelmäßig nicht prüfen. Deshalb können sie nicht mit der Vollstreckungserinnerung geltend gemacht werden. Darunter fallen etwa Einwendungen gegen den titulierten Anspruch, die mit § 767 geltend zu machen sind,117 oder die Einwendung eines die Veräußerung hindernden Rechts, die mit § 771 geltend zu machen ist (s. dazu auch Rdn. 56). Nur wenn das Vollstreckungsrecht den materiellrechtlichen Einwand ausnahmsweise für beachtlich hält (etwa bei Vorlage einer entsprechenden Urkunde nach § 775 Nr. 4 und 5 oder bei der Pfändung evidenten Dritteigentums)118 kommt eine Vollstreckungserinnerung überhaupt in Betracht. Dann wird aber in Wirklichkeit auch nicht die materiellrechtlichen Einwendung, sondern die Missachtung der Verfahrensvorschrift (§ 775) gerügt.

f) Vollstreckungsvereinbarungen. Vollstreckungsvereinbarungen können dazu führen, dass 44 der gesetzlich vorgesehene Umfang der Zwangsvollstreckung beschränkt oder ausgeweitet wird. Beachtet das Vollstreckungsorgan diese Vollstreckungsvereinbarung nicht, stellt sich vordergründig die Frage, mit welchem Rechtsbehelf diese Nichtbeachtung geltend gemacht werden kann. Einige119 befürworten einzig eine Vollstreckungserinnerung (bzw. die sofortige Beschwerde im Falle einer Entscheidung), andere einzig eine Vollstreckungsgegenklage120 – freilich in analoger Anwendung – und eine dritte Auffassung will dem Schuldner ein Wahlrecht zwischen beiden Rechtsbehelfen geben.121 In einer jüngeren Entscheidung hat der BGH122 die Statthaftigkeit der Vollstreckungserinnerung verneint und einzig die Vollstreckungsgegenklage in analoger Anwendung von § 767 für statthaft gehalten. Die Frage wird zuweilen mit Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten beantwortet; man will dem 45 Schuldner mit der Vollstreckungserinnerung einen möglichst einfachen Weg eröffnen, zu seinem Recht zu kommen.123 Richtigerweise – weil mit der Vollstreckungserinnerung geltend gemacht wird, dass das Vollstreckungsorgan das von ihm zu beachtende Verfahren nicht eingehalten hat – ist aber vorrangig zu klären, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen das Vollstreckungsorgan eine Vollstreckungsvereinbarung überhaupt zu beachten hat. Nur danach kann sich der statthafte Rechtsbehelf richten.124 Oder anders gewendet: Wenn das Vollstreckungsorgan eine Vollstreckungsvereinbarung (ohne eine vorherige Vollstreckungserinnerung) beachten muss, ist eine Vollstreckungserinnerung statthaft, wenn es die Vollstreckungsvereinbarung missachtet. Folgt man dem hier favorisierten Vorschlag, die Vollstreckungserinnerung nicht gegen die andere Partei, sondern gegen das Vollstreckungsorgan bzw. dessen Anstellungskörperschaft zu richten – und hier zeigt sich einmal mehr, dass dieser Vorschlag der Vollstreckungserinnerung auch im Einzelfall Kontur verleiht – muss das umso zwingender sein. Berücksichtigt man, dass das zwangsvollstreckungsrechtliche Verfahren formalisiert ablaufen 46 soll, um einerseits dem Vollstreckungsorgan die Klärung schwieriger Rechtsfragen zu ersparen, andererseits dem Interesse des Gläubigers an einer schnellen und „ungestörten“ Zwangsvollstreckung Rechnung zu tragen und die Klärung schwierigerer oder zeitaufwändiger Fragen entsprechenden Klagen (§§ 767, 771) vorzubehalten, spricht Vieles dafür, dass das Vollstreckungsorgan eine solche Vollstreckungsvereinbarung nicht beachten muss. Deshalb kann man die Situation einer privatautonom geschaffenen Vollstreckungsvereinbarung auch nicht mit der Situation einer Missachtung der

117 Stein/Jonas/Münzberg § 766 Rdn. 30; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 37 Rdn. 9. 118 Vgl. § 71 Abs. 2 GVGA. 119 OLG Hamm MDR 1977, 675; OLG Karlsruhe WuM 1975, 78; Wieczorek/Schütze/Paulus4 vor § 704 Rdn. 34; Musielak/ Voit/Lackmann § 766 Rdn. 7. 120 Blomeyer VV § 34 IV 4; Gaul JuS 1971, 349; Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Walker/Thole § 766 Rdn. 15; BGH NJW 1968, 700. 121 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 766 Rdn. 38; K. Schmidt JuS 1992, 90, 96; Wais LMK 2017, 395487. 122 BGH NJW 2017, 2202; vgl. auch schon BGH NJW 1968, 700; BGH NJW 1991, 2295, 2296. 123 In diese Richtung argumentieren etwa Wais LMK 2017, 395487 und MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 766 Rdn. 38. 124 Musielak/Voit/Lackmann § 766 Rdn. 7. Mittelbar stellt darauf auch BGH NJW 2017, 2202 ab. 309

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gesetzlich normierten Unpfändbarkeit vergleichen und daraus auf die Statthaftigkeit der Vollstreckungserinnerung schließen.125 Nichts anderes folgt aus § 775 Nr. 5, wonach die Zwangsvollstreckung einzustellen oder zu beschränken ist, wenn eine öffentliche Urkunde oder eine vom Gläubiger ausgestellte Privaturkunde vorgelegt wird, aus der sich ergibt, dass der Gläubiger eine Stundung bewilligt hat. Wegen der gerade skizzierten Abwägung muss man diese Ausnahme eng auslegen; man kann keinen, nicht in § 775 vorgesehenen, unbenannten Tatbestand der ohne weiteres beachtlichen Vollstreckungsvereinbarungen schaffen.126 Fragen der Wirksamkeit und insbesondere der Reichweite einer Vollstreckungsvereinbarung sind für das Vollstreckungsorgan schwierig zu beantworten; das Vollstreckungsverfahren könnte erheblich verzögert werden. Die Privatautonomie muss insoweit eine Grenze haben – jedenfalls, wenn der vollstreckende Gläubiger das Vollstreckungsorgan nicht im Hinblick auf die Vollstreckungsvereinbarung entsprechend anweist. Es liegt daher am Schuldner, die Vollstreckungsvereinbarung erst mit einer Vollstreckungsabwehrklage analog § 767 – freilich ohne die Beschränkung von § 767 Abs. 2 – durchzusetzen. Das bewirkt überdies einen Gleichlauf zu § 775 Nr. 5: Bestreitet der Gläubiger die Stundung, muss das Vollstreckungsorgan die Zwangsvollstreckung fortsetzen und der Schuldner muss eine Vollstreckungsgegenklage analog § 767 erheben. Für einen unbenannten Beschränkungsgrund (Vollstreckungsvereinbarung) kann nichts anderes, schuldnerfreundlicheres, gelten als für den in § 775 Nr. 5 benannten. Deshalb besteht auch kein Raum dafür, nach der Art und dem Inhalt der Vollstreckungsvereinbarung zu differenzieren,127 wonach eine Vollstreckungserinnerung gewährt werden soll, wenn die Vereinbarung den Ablauf der Vollstreckung beeinflusst, und die Vollstreckungsgegenklage, wenn sie die Vollstreckbarkeit des Anspruchs schlechthin betrifft, oder danach, ob Wirksamkeit und Inhalt der Vollstreckungsvereinbarung leicht feststellbar sind und diese Feststellungen dem Vollstreckungsorgan überhaupt zugemutet werden können.128 So erreicht man im Übrigen auch einen Gleichlauf mit § 767 Abs. 1: Schließt der Gläubiger eine Vollstreckungsvereinbarung, liegt es an ihm, den Vollstreckungsauftrag entsprechend zu beschränken. Kommt er dieser Obliegenheit nicht nach, gibt er zur Erhebung der Vollstreckungsabwehrklage Anlass.

2. Verpflichtungserinnerung des Gläubigers 47 § 766 Abs. 2, 1. Hs. normiert nach heutigem Verständnis einen einheitlichen Tatbestand: Der Gläubiger kann Vollstreckungserinnerung einlegen, wenn der Gerichtsvollzieher eine Vollstreckungshandlung nicht antragsgemäß ausführt.129 So kann etwa geltend gemacht werden, dass der Gerichtsvollzieher eine Sache zu Unrecht als unpfändbar angesehen hat, oder dass er § 181 ZPO verkannt hat.130 Auch kann sich der Gläubiger dagegen wehren, dass der Gerichtsvollzieher die Pfändung unter Hinweis auf eine vermeintliche Verjährung der Forderung ablehnt.131 Denn ob der titulierte Anspruch verjährt ist, ist eine materiellrechtliche Einwendung, die das Vollstreckungsorgan nicht prüfen darf und die der Schuldner nur im Wege der Vollstreckungsabwehrklage geltend machen kann (s. § 767 Rdn. 69).132 Der Gläubiger kann sich mit der Vollstreckungserin-

125 So Wieczorek/Schütze/Paulus4 vor § 704 Rdn. 34. 126 Führt eine materiellrechtliche Vollstreckungsvereinbarung zu einer Stundung, muss das Vollstreckungsorgan diese Stundung wegen § 775 Nr. 5 im Ausgangspunkt beachten (s. § 775 Rdn. 38). 127 So noch Wieczorek/Schütze/Salzmann3 § 766 Rdn. 47 f.; Stein/Jonas/Münzberg § 766 Rdn. 23 ff. 128 Schuschke/Walker/Walker6 § 766 Rdn. 9; abl. Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Walker/Thole § 766 Rdn. 15 (leichte Feststellbarkeit als Abgrenzungskriterium zu unsicher). 129 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 766 Rdn. 61. 130 LG Aachen DGVZ 1984, 40. 131 AG Münster NJW-RR 1992, 1531. 132 So auch AG Münster NJR-RR 1992, 1531 – allerdings hätte über die Frage, ob die Forderung verjährt ist, vor diesem Hintergrund im Rahmen einer Erinnerung auch nicht entschieden werden dürfen. Spohnheimer

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nerung auch dagegen wehren, dass der Gerichtsvollzieher ohne Zustimmung des Gläubigers eine Stundung gewährt hat.133 Dem Wortlaut nach können Verzögerungen nicht mit der Vollstreckungserinnerung geltend 48 gemacht werden. Doch können sie dem Betroffenen die Rechtsdurchsetzung erheblich erschweren. Dafür, dass das als verfahrensrechtliche Einwendung i.S.v. Abs. 2 nicht unbeachtlich sein kann, spricht auch § 802a.134 Die Norm bestimmt, dass der Gerichtsvollzieher auf eine zügige Beitreibung hinwirkt. Das geht noch über die frühere Regelung hinaus, wonach der Gerichtsvollzieher auf eine zügige Beitreibung hinwirken soll. Überwiegend wird angenommen, dass Verzögerungen nur mit einer Dienstaufsichtsbeschwerde gerügt werden können und erst dann, wenn sie einer Weigerung gleichkommen, mit der Vollstreckungserinnerung.135 Doch ist es nicht einfach, eine zeitliche Grenze zu bestimmen. In einem Fall wurde sogar ein Zeitraum von zwei Jahren noch hingenommen.136 Um sich nicht dem Vorwurf der Beliebigkeit auszusetzen, sollte man sich an einer handhabbaren Regel orientieren. In Anlehnung an die Untätigkeitsklage nach § 75 S. 2 VwGO bietet es sich an, im Regelfall von drei Monaten ausgehen. Bei besonderer Dringlichkeit einer Maßnahme kann sich diese Zeit aber deutlich verkürzen.

3. Überprüfung des Kostenansatzes des Gerichtsvollziehers Nach Abs. 2 a.E. kann die Vollstreckungserinnerung auch gegen den Kostenansatz des Gerichtsvoll- 49 ziehers erhoben werden. Das meint, dass die Kosten ohne ein Festsetzungsverfahren gem. § 788 Abs. 1 beigetrieben werden. Die Vollstreckungserinnerung kann sich auf Zahlungsgrund, Höhe, Vorschuss (§ 5 GVKostG) und Rückerstattung der Kosten beziehen. So kann geltend gemacht werden, dass der Gerichtsvollzieher notwendige Kosten der Zwangsvollstreckung gem. § 788 nicht als solche anerkannt und in Ansatz gebracht hat.137 In den Fällen von Abs. 2 a.E. lässt die Beendigung der Zwangsvollstreckung das Rechtsschutzbedürfnis für die Erinnerung gegen den Kostenansatz nicht entfallen.138 Stellt der Gerichtsvollzieher einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss zu, handelt es sich um Kosten der Zwangsvollstreckung; wegen dieser Kosten kann eine Erinnerung nach Abs. 2 erhoben werden.139 Erfolgt auf Antrag des Gläubigers eine besondere Kostenfestsetzung (§ 788 Abs. 2 i.V.m. 50 §§ 103 ff. analog), ist dagegen keine Vollstreckungserinnerung, sondern analog § 104 Abs. 3 S. 1 nur die sofortige Beschwerde nach §§ 567 ff. statthaft.140 Dass der Gerichtsvollzieher die so festgesetzten Kosten beitreibt, ändert daran nichts.141 § 567 Abs. 2 findet weder direkt noch analog Anwendung, sodass eine Vollstreckungserinne- 51 rung auch dann stattfinden kann, wenn der Wert der Beschwer 200 A nicht übersteigt.142 Das findet seine Rechtfertigung darin, dass gegen eine Festsetzung des Gerichtsvollziehers erstmals Rechtsschutz durch ein Gericht zu gewähren ist, wohingegen in den Fällen des § 567 Abs. 2 eine gerichtliche Entscheidung vorausgegangen ist.

133 Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 37 Rdn. 20. 134 So auch Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 37 Rdn. 18. 135 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 766 Rdn. 61; anders Stein/Jonas/Münzberg, § 766 Rdn. 2 m. Fn. 7: Die Vollstreckungserinnerung ist bei unnötiger Verzögerung möglich, sofern sie nicht auf Arbeitsüberlastung beruht. 136 LG Dessau JurBüro 1997, 47; krit. MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 766 Rdn. 61. 137 Anders/Gehle/Vogt-Beheim § 766 Rdn. 29 (Vollstreckungskosten). 138 Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 37 Rdn. 22. 139 AG Düsseldorf FoVo 2023, 23, 24; a.A. AG Halle/Saale DGVZ 2014, 245; AG Augsburg DGVZ 2006, 126; BeckOKKostenR/Herfurth § 5 GVKostG Rdn. 22. 140 Brox/Walker § 48 Rdn. 19; Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Schuschke/Grieß § 788 Rdn. 37; a.A. Baur/Stürner/Bruns Rdn. 49.9 (Erinnerung, wenn vorher kein rechtliches Gehör gewährt wurde). 141 OLG Koblenz Rpfleger 1975, 324. 142 A.A. Baumbach/Lauterbach/Hartmann77 § 766 Rdn. 36. 311

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4. Abgrenzung zu anderen Rechtsbehelfen, Konkurrenzen 52 a) Dienstaufsichtsbeschwerde. Dienstaufsichtsbeschwerde und Vollstreckungserinnerung schließen einander nicht aus.143 Allerdings ist die Unterscheidung zwischen dem allgemeinen Geschäftsgang (dann Dienstaufsichtsbeschwerde) und dem Inhalt der Vollstreckungsmaßnahme (dann Vollstreckungserinnerung) zur Abgrenzung ungeeignet.144 Denn freilich unterliegt das Verhalten des Gerichtsvollziehers stets der (allgemeinen) Dienstaufsicht des aufsichtsführenden Richters (§ 1 GVO). Zweckmäßiger ist es daher, nach dem verfolgten Rechtsschutzziel zu differenzieren: Wollen der Schuldner oder ein Dritter erreichen, dass eine Vollstreckungsmaßnahme aufgehoben oder begrenzt wird, ist die Vollstreckungserinnerung das Mittel der Wahl.145 Denn nur sie kann zu einer Entscheidung i.S.v. § 775 Nr. 1 führen, die die Zwangsvollstreckung für unzulässig erklärt. Das Ziel, eine Aufhebung oder Beschränkung der Zwangsvollstreckung zu erreichen, kann mit einer Dienstaufsichtsbeschwerde nicht erfolgreich verfolgt werden.146 Denn nur auf eine Dienstaufsichtsbeschwerde hin können weder der aufsichtsführende Richter (§ 1 S. 3 GVO) noch der Gerichtsvollzieher die Zwangsvollstreckung einstellen oder beschränken. Ersterer kann keinen entsprechenden Beschluss erlassen, weil das die ausschließliche Zuständigkeit des Vollstreckungsgerichts nach §§ 766, 764 unterlaufen und das Gebot des gesetzlichen Richters verletzten würde. Und ohne eine in § 775 Nr. 1 vorausgesetzte Entscheidung kann eine einmal getroffene Vollstreckungsmaßnahme nicht aufgehoben werden, weil dann in schon erworbene Rechte der Beteiligten eingegriffen würde.147 Ist das Ziel des Rechtsbehelfs indessen, den Gerichtsvollzieher nur zu (künftig) rechtmäßigem 53 Verhalten anzuhalten, kommt eine Dienstaufsichtsbeschwerde in Betracht. So bietet sich eine Dienstaufsichtsbeschwerde an, wenn der Gerichtsvollzieher entgegen § 758a Abs. 4 zur Unzeit gepfändet hat. Das stellt zwar einen Verfahrensfehler dar, der mit der Vollstreckungserinnerung angegriffen werden kann.148 Doch führt das vielfach dazu, dass die Vollstreckungsmaßnahme dann schlicht wiederholt wird. In diesen Fällen ist es wegen des Kostenrisikos der Vollstreckungserinnerung zweckmäßig, nur mit einer Dienstaufsichtsbeschwerde vorzugehen. Will der Betroffene umgekehrt ein Verhalten rügen, das zwar gegen die dienstlichen Pflichten des Vollstreckungsorgans verstößt, die Vollstreckungsmaßnahme aber nicht wegen eines Verfahrensfehlers rechtswidrig macht, ist die Vollstreckungserinnerung nicht statthaft. Es kommt dann nur eine Dienstaufsichtsbeschwerde in Betracht. 54 Größere Schwierigkeiten bereitet die Frage nach dem richtigen Rechtsbehelf, wenn der Gläubiger geltend macht, dass der Gerichtsvollzieher einen Vollstreckungsantrag nicht auftragsgemäß ausgeführt hat. Denn diese Situationen kennzeichnet, dass noch niemand durch eine vorgenommene Vollstreckungshandlung eine Rechtsposition erworben hat. Geht es darum, den Gerichtsvollzieher anzuhalten, auftragsgemäß zu vollstrecken, kann dem im Grundsatz durch beide Rechtsbehelfe Rechnung getragen werden. Eine Vollstreckungserinnerung nach § 766 Abs. 2 ist jedenfalls statthaft, wenn sich der Gerichtsvollzieher aus Rechtsgründen weigert, eine Vollstreckungsmaßnahme auszuführen.149 Hingegen soll nur eine Dienstaufsichtsbeschwerde in Betracht kommen, wenn der Gerichtsvollzieher die Ausführung einer Vollstreckungsmaßnahme schlicht verzögert, etwa in Folge von Arbeitsüberlastung o.ä.150 Doch scheint das im Hinblick auf den Justizgewäh143 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 766 Rdn. 7; BeckOK/Preuß § 766 Rdn. 71; in diese Richtung auch schon Hahn/ Mugdan Band I/1 S. 437; a.A. wohl Glenk NJW 2014, 2315, 2316.

144 Eine solche klingt an bei MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 766 Rdn. 7. 145 Musielak/Voit/Lackmann § 766 Rdn. 3. 146 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 766 Rdn. 7; Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Walker/Thole § 766 Rdn. 17; Brox/Walker § 40 Rdn. 9. 147 Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Walker/Thole § 766 Rdn. 17. 148 BeckOK/Ulrici § 758a Rdn. 12. 149 So auch Wieczorek/Schütze/Salzmann3 Rdn. 25. 150 Wieczorek/Schütze/Salzmann3 Rdn. 25. Spohnheimer

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rungsanspruch bedenklich. Vielmehr sollte man sich daran orientieren, dass für den nicht gänzlich unvergleichbaren Fall einer erstrebten behördlichen Entscheidung eine Untätigkeitsklage nach drei Monaten erhoben werden kann (§ 75 S. 2 VwGO). Es bietet sich daher an, diese zeitliche Grenze auch auf die Vollstreckungserinnerung zu übertragen und sie ab diesem Zeitpunkt zuzulassen (s. Rdn. 48). Bei besonderer Dringlichkeit einer Maßnahme kann sich diese Zeit aber deutlich verkürzen.

b) Erinnerung gegen Erteilung der Vollstreckungsklausel. Die Vollstreckungserinnerung 55 lässt nur Einwendungen gegen die Art und Weise der Zwangsvollstreckung zu. Daher können Maßnahmen im Klauselverfahren mit ihr nicht angegriffen werden.151 Sie gehen der Zwangsvollstreckung zeitlich voraus. Wird eine qualifizierte Vollstreckungsklausel erteilt, ohne dass die Voraussetzungen für ihre Erteilung vorlagen, kann das nur mit der Klauselerinnerung gem. § 732, und nicht mit der Vollstreckungserinnerung gerügt werden.152 Wohl aber kann mit der Vollstreckungserinnerung gerügt werden, dass eine Vollstreckungsmaßnahme stattfindet, obwohl eine Klausel (gegen den Schuldner) fehlt. Dem ist der Fall gleichzustellen, in dem die Vollstreckungsklausel an einem grundlegenden, schweren Mangel leidet, der zur Nichtigkeit der Vollstreckungsklausel führt.153 Dass die Klausel wegen Unbestimmtheit des Titels nicht erteilt werden durfte, ist mit der Kauselerinnerung geltend zu machen; dass der unbestimmte Titel nicht vollstreckbar ist, kann mit der Vollstreckungserinnerung geltend gemacht werden.154 c) Vollstreckungsabwehr-, Drittwiderspruchs- und Vorzugsklage. Mit der Vollstreckungs- 56 erinnerung können allein das Verfahren betreffende (formelle) Einwendungen geltend gemacht werden. Materiellrechtliche (sachliche) Einwendungen gegen den titulierten Anspruch oder Dritter aus einem die Zwangsvollstreckung in einen Gegenstand hindernden Recht bleiben ausschließlich den Klageverfahren nach §§ 767 und 771 ff. vorbehaltenen.155 Sie darf das Vollstreckungsorgan gar nicht prüfen und mit § 766 kann nur das geltend gemacht werden, was das Vollstreckungsorgan zu beachten hat. Gleiches gilt für die Klage auf vorzugsweise Befriedigung (§ 805).156 Daher bietet sich folgende Überlegung zur Abgrenzung an: Mit der Vollstreckungserinnerung wird geltend gemacht, dass die Zwangsvollstreckung formell unzulässig ist. Die Klagen nach §§ 767 und 771 ff. zielen indes darauf ab, eine zwar bereits materiell unzulässige, aber formell noch zulässige Zwangsvollstreckung durch Gestaltungsurteil auch formell unzulässig zu machen. Zu Überschneidungen kann es allenfalls kommen, wenn das Dritteigentum evident ist. Denn hier gebietet § 71 Abs. 2 GVGA von einer Pfändung abzusehen.157 Dann hat der Dritte die Wahl, ob er eine Vollstreckungserinnerung oder eine Drittwiderspruchsklage erhebt.158 Umgekehrt können formelle Einwendungen des Schuldners in keinem Fall durch eine Voll- 57 streckungsabwehrklage oder formelle Einwendungen eines Dritten durch eine Drittwiderspruchsklage159 geltend gemacht werden.

151 152 153 154

MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 766 Rdn. 12; BeckOK/Preuß § 766 Rdn. 70. BGH MDR 2012, 367. BGH MDR 2012, 367 f. Musielak/Voit/Lackmann § 766 Rdn. 6; zur Vollstreckungserinnerung bei unbestimmtem Titel BGH NJW 2023, 2287 Rdn. 16. 155 BeckOK/Preuß § 766 Rdn. 67; BGH NJW-RR 2010, 281. 156 BeckOK/Preuß § 766 Rdn. 67. 157 Musielak/Voit/Lackmann § 766 Rdn. 4. 158 BeckOK/Preuß § 766 Rdn. 68. 159 RGZ 34, 377, 381. 313

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58 d) Sonstige Klagen. Klagen auf Feststellung der Unzulässigkeit der Vollstreckungsmaßnahme oder Besitzstörungsklagen gegen den Gerichtsvollzieher sowie ähnliche Klagebegehren zur Geltendmachung der formellen Fehlerhaftigkeit des Vollstreckungsverfahrens werden durch § 766 als spezielleren Rechtsbehelf verdrängt.160 Feststellungsklagen fehlt in diesen Fällen das erforderliche Feststellungsinteresse. Nach beendeter Zwangsvollstreckung können Bereicherungsansprüche im Wege der Leistungsklage durchgesetzt werden.161 Der Verfahrensverstoß für sich genommen genügt aber nicht, um einen Bereicherungsanspruch zu begründen.162 Denn ein Verfahrensfehler führt als solcher nicht dazu, dass der Schuldner ungerechtfertigt bereichert ist.

IV. Erinnerungsbefugnis 59 Zwar bestimmt das Gesetz (anders als in den Fällen der §§ 767, 771) nicht, wer eine Vollstreckungserinnerung einlegen kann. Doch ist allgemein anerkannt, dass nur derjenige erinnerungsbefugt163 ist, der durch die angefochtene Vollstreckungsmaßnahme oder durch die Weigerung, eine beantragte Vollstreckungsmaßnahme auszuführen, in seinen Rechten verletzt sein kann.164

1. Schuldner 60 a) Allgemeines. Bei gegen ihn gerichteten Vollstreckungsmaßnahmen ist der Schuldner grundsätzlich erinnerungsbefugt, wenn das Vollstreckungsorgan gegen Vorschriften verstößt, die das Vollstreckungsverfahren regeln.165 Das ist ausnahmsweise nicht der Fall, wenn er die Verletzung einer Vorschrift geltend macht, die ausschließlich dem Schutz eines Dritten dient (z.B. Verletzung von § 809;166 Mitbesitz eines Dritten an einem herauszugebenden Raum;167 Pfändung einer Sache trotz evidentem Dritteigentum168).169 Schützt die Norm neben einem Dritten auch den Schuldner, ist der Schuldner erinnerungsbefugt.170 Wird jemand als Schuldner behandelt, obwohl er im Titel nicht als Schuldner genannt wird, 61 kann das mit der Vollstreckungserinnerung geltend gemacht werden.171

62 b) Insolvenzverwalter. Wurde das Insolvenzverfahren über das Schuldnervermögen eröffnet, kann (nur noch) der Insolvenzverwalter mit der Vollstreckungserinnerung geltend machen, 160 161 162 163 164 165 166 167

RGZ 34, 377, 381. Stein/Jonas/Münzberg § 767 Rdn. 61. Stein/Jonas/Münzberg § 766 Rdn. 61. Vgl. zur Terminologie Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 37 Rdn. 40. BeckOK/Preuß § 766 Rdn. 20; Brox/Walker § 40 Rdn. 56; Wittschier JuS 1999, 585, 586. Wittschier JuS 1999, 585, 587. MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 766 Rdn. 28; Zöller/Herget § 766 Rdn. 12; Brox/Walker § 40 Rdn. 57. Umgekehrt kann aber der Mitbesitzer, gegen den der Titel nicht gerichtet ist, die fehlerhafte Räumungsvollstreckung durch Vollstreckungserinnerung geltend machen; vgl. etwa OLG Hamburg NJW 1992, 3308; KG OLGZ 1994, 479; MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 766 Rdn. 30; Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Walker/Thole § 766 Rdn. 23. 168 RGZ 42, 343, 344; MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 766 Rdn. 28; Zöller/Herget § 766 Rdn. 12; Brox/Walker § 40 Rdn. 58. 169 BGH NJW 2013, 2287 Rdn. 13 (Lamberz); Stein/Jonas/Münzberg § 766 Rdn. 30; MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 766 Rdn. 28; BeckOK/Preuß § 766 Rdn. 18; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 37 Rdn. 42; Wittschier JuS 1999, 585, 587. 170 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 766 Rdn. 28. 171 OLG Jena OLG-NL 1996, 263, 264. Die h.M. betrachtet den Betroffenen indes als Dritten (vgl. etwa Stein/Jonas/ Münzberg § 766 Rdn. 34; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 37 Rdn. 47). Wie hier wohl auch Musielak/Voit/Lackmann § 766 Rdn. 19 (wie der Schuldner selbst zu behandeln). Spohnheimer

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dass der Vollstreckungszugriff auf einen Gegenstand, der zur Insolvenzmasse gehört, unzulässig ist.172 Im Falle einer Eigenverwaltung nach §§ 270 ff. InsO kann der Insolvenzschuldner die Erinnerung selbst erheben.173 Richtigerweise ist der Insolvenzverwalter nicht als Dritter anzusehen; seine Erinnerungsbefugnis leitet sich vom Schuldner ab.174 Außerdem wird so ein Gleichlauf zwischen Eigen- und Fremdverwaltung erreicht.

2. Gläubiger Der Gläubiger kann nach § 766 Abs. 2 geltend machen, dass der Gerichtsvollzieher einen Vollstre- 63 ckungsauftrag nicht ausführt, oder dass die Vollstreckung hinter dem zurückbleibt, was beantragt wurde und was gesetzlich möglich ist.175 In diesen Fällen ist er schon aus § 766 Abs. 2 heraus erinnerungsbefugt.176 Verkennt der Gerichtsvollzieher § 181 und lehnt deshalb einen Vollstreckungsauftrag ab, kann das mit einer Vollstreckungserinnerung angegriffen werden.177 Hierunter fallen auch die Fälle, in denen der Gerichtsvollzieher zu Unrecht die Zwangsvollstreckung nach § 775 einstellt oder beschränkt.178 Eine Vollstreckungserinnerung nach § 766 Abs. 2 kommt auch in Betracht, wenn das Vollstre- 64 ckungsorgan die Ausführung des Vollstreckungsauftrags nur verzögert. Wenig überzeugend ist es dabei allerdings, dass eine Erinnerung nur dann begründet ist, wenn das Vollstreckungsorgan aus unsachlichen Gründen die Ausführung des Auftrags verzögert.179 Denn der Gläubiger, dem das Recht zur Selbsthilfe genommen wird, hat einen Anspruch darauf, dass das Vollstreckungsorgan tätig wird. Dass die personellen Ressourcen dafür nicht ausreichend sind, kann die Vollstreckungserinnerung nicht unbegründet machen.180 Hier sollte man sich an der zeitlichen Grenze des § 75 S. 2 VwGO orientieren und die Erinnerungsbefugnis nach drei Monaten annehmen – bei besonders dringenden Maßnahmen kann das auch deutlich eher sein (s. Rdn. 48 und Rdn. 54).

3. Dritte Um zu vermeiden, dass sich unbeteiligte Dritte in eine fremde Zwangsvollstreckung einmischen, 65 sind Dritte nur unter besonderen Voraussetzungen erinnerungsbefugt.181 Einige wenige Dritte sind in derselben Weise befugt, eine Vollstreckungserinnerung einzulegen wie der Schuldner; andere Dritte sind nur befugt, bestimmte Verfahrensfehler zu rügen.

a) Dritte mit voller Erinnerungsbefugnis. In den Fällen der §§ 740 Abs. 1, 741, 745, 748 Abs. 1 66 kann der Dritte, gegen den auch ohne einen gegen ihn gerichteten Titel vollstreckt werden kann, dieselben Einwendungen geltend machen wie der Schuldner.182 Im Falle einer Forderungspfändung kann auch der Drittschuldner in derselben Weise Vollstreckungserinnerung einlegen wie 172 173 174 175 176 177 178 179 180

AG Hannover NZI 2020, 439, 440. MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 766 Rdn. 28. MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 766 Rdn. 28. MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 766 Rdn. 29. Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 37 Rdn. 43; Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Walker/Thole § 766 Rdn. 22. LG Aachen DGVZ 1984, 40. AG Wuppertal DGVZ 1993, 14. So aber LG Halle/Saale JurBüro 2003, 609. LG Dessau JurBüro 1997, 46 (zur besonderen Situation im Beitrittsgebiet nach der Wiedervereinigung); LG Halle/ Saale JurBüro 2003, 609; AG Halle/Saale JurBüro 2004, 504. 181 Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 37 Rdn. 44. 182 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 766 Rdn. 30; Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Walker/Thole § 766 Rdn. 16; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 37 Rdn. 48. 315

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der Schuldner.183 Allerdings kann er nicht geltend machen, dass die gepfändete Forderung nicht oder nur mit anderem Umfang besteht.184 Nachpfändende Gläubiger können die Wirksamkeit der vorrangigen Pfändung in gleicher Weise überprüfen lassen wie der Schuldner.185 Denn sie werden durch eine ihnen im Rang vorgehende Pfändung in ihrer Rechtsstellung beeinträchtigt. Sieht man denjenigen, der als Schuldner behandelt wird, obwohl er im Titel nicht als Schuldner genannt wird, als Dritten an (s. Rdn. 61), steht auch ihm als Drittem dieselbe Erinnerungsbefugnis wie dem Schuldner zu.186

67 b) Dritte mit eingeschränkter Erinnerungsbefugnis. Sonstige Dritte sind erinnerungsbefugt, wenn die Zwangsvollstreckung in ihre Rechtssphäre eingreift (Drittbetroffenheit), sie eine verfahrensrechtliche Einwendung (formelle Einwendung) geltend machen und sich ihre Rechtsverletzung aus einer Norm ergibt, die auch ihrem Schutz dient (Drittschutz).187 Die Erinnerungsbefugnis besteht etwa in folgenden Fällen: Ein Dritter, der eine Sache in 68 Gewahrsam hat, macht geltend, sie sei ohne seine Herausgabebereitschaft gepfändet worden (vgl. § 809);188 ein Dritter rügt, dass der Gerichtsvollzieher sein evidentes Dritteigentum gepfändet hat (vgl. § 71 Abs. 2 GVGA)189 oder ein Dritter rügt einen Verstoß gegen die Frist des § 816.190 Ein Haushaltsangehöriger des Schuldners kann sich auf die Unpfändbarkeit von Hausrat nach § 811 Abs. 1 Nr. 1 berufen; der Ehegatte des Schuldners kann geltend machen, er benötige den gepfändeten PKW zur Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit.191 Der Untermieter des Räumungsschuldners kann geltend machen, dass gegen ihn kein Titel vorliegt.192 Eigengläubiger können einen Verstoß gegen § 778 Abs. 1, Nachlassgläubiger gegen § 778 Abs. 2 geltend machen.193 Grundpfandgläubiger können geltend machen, dass Zubehör unter Verstoß gegen § 865 gepfändet wurde.194 Keine Erinnerungsbefugnis besteht in folgenden Fällen: Der Dritte macht – abgesehen von den Fällen des evidenten Dritteigentums (vgl. § 71 Abs. 2 GVGA) – geltend, dass ihm ein materielles Recht an dem Gegenstand zusteht; ein solches materielles Recht kann der Dritte nur mit einer Klage nach § 771 geltend machen.195 Ein Vermieter kann das Bestehen eines Vermieterpfandrechts nicht mit der Vollstreckungserinnerung geltend machen.196 Er ist auf eine Klage auf vorzugsweise Befriedigung (§ 805) beschränkt.197 Ein konkurrierender Gläubiger ist nur aus diesem Grund nicht zur Erinnerung befugt.198 Auch die Sorge vor einem Rückgriffsanspruch genügt nicht.199

183 BGH NJW-RR 2004, 643 (Drittschuldner erinnerungsbefugt für Unpfändbarkeit der Forderung); BGHZ 69, 144, 148; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 37 Rdn. 49. Anders/Gehle/Vogt-Beheim § 766 Rdn. 29 (Drittschuldner); Schulze-Werner/Bischoff NJW 1987, 696, 697 m. Fn. 14. BGH NJW-RR 2005, 869, 870; BGH NJR-RR 1989, 636, 637; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 37 Rdn. 50. Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 37 Rdn. 47. Lippross/Bittmann ZVR § 19 Rdn. 21. OLG Düsseldorf NJW-RR 1997, 998; BeckOK/Preuß § 766 Rdn. 25; Brox/Walker § 40 Rdn. 69; vgl. auch BGH NJW-RR 2004, 352. 189 Brox/Walker § 40 Rdn. 70; Lippross/Bittmann ZVR § 19 Rdn. 21. 190 Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 37 Rdn. 21. Nach BGH MDR 2007, 1274, 1275, soll die Frist dem Dritten ermöglichen, eine Drittwiderspruchsklage zu erheben. 191 OLG Hamm MDR 1984, 855; Lippross/Bittmann ZVR § 19 Rdn. 21. 192 BGH DGVZ 2009, 12. 193 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 766 Rdn. 31. 194 RGZ 55, 207, 209; RGZ 142, 379, 382; MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 766 Rdn. 31; Deutschmann JuS 2023, 395, 396. 195 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 766 Rdn. 30. 196 BGH NJW-RR 2010, 281; Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Walker/Thole § 766 Rdn. 25; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 37 Rdn. 21. 197 Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 37 Rdn. 21. 198 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 766 Rdn. 31. 199 Stein/Jonas/Münzberg § 766 Rdn. 33.

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4. Gerichtsvollzieher Grundsätzlich nicht zur Erinnerung befugt ist der Gerichtsvollzieher: Er ist als Vollstreckungsor- 69 gan nicht in seinen Rechten betroffen.200 Etwas anderes kann allenfalls gelten, wenn seine Gebührenbelange betroffen sind.201 Daran ändert auch nichts, dass die Vollstreckungserinnerung nach der hier vertretenen Auffassung gegen ihn bzw. seine Anstellungskörperschaft zu richten ist.

V. Rechtsschutzbedürfnis Ob der Erinnerungsführer ein Rechtsschutzbedürfnis hat, ist von Amts wegen zu prüfen. Maßge- 70 bend ist der Zeitpunkt der Entscheidung. Damit das Rechtsschutzbedürfnis entsteht, muss eine erinnerungsfähige Vollstreckungsmaßnahme oder ein Unterlassen vorliegen.202 Grundsätzlich abzustellen ist auf den Beginn der Vollstreckungshandlung.203 Vorbereitende Ankündigungen lösen das Rechtsschutzbedürfnis noch nicht aus.204 Ausnahmsweise besteht es aber bei bestimmten drohenden Vollstreckungsakten (angekündigte Räumung einer Wohnung,205 angekündigte Verhaftung)206 schon zuvor, sofern die nachträgliche Erinnerung keinen effektiven Rechtsschutz gewähren würde und ein anderer Rechtsschutz nicht möglich ist.207 Dass die Vollstreckungsmaßnahme nichtig ist, lässt das Rechtsschutzbedürfnis für eine Vollstreckungserinnerung nicht entfallen.208 Das Rechtsschutzbedürfnis für eine Vollstreckungserinnerung endet mit der Beendigung der 71 Zwangsvollstreckung. Ist das Rechtsschutzbedürfnis entfallen, muss der Erinnerungsführer die Erinnerung für erledigt erklären.209 „Fortsetzungsfeststellungs-Erinnerungen“, die nur noch darauf gerichtet sind, die Rechtswidrigkeit der Maßnahme festzustellen und etwa einen Amtshaftungsprozess vorzubereiten, sind grundsätzlich nicht möglich (vgl. zu Ausnahmen sogleich Rdn. 72).210 Richtet sich die Vollstreckungserinnerung nur gegen eine einzelne Vollstreckungsmaßnahme, endet das Rechtsschutzbedürfnis nicht erst mit der Beendigung der Zwangsvollstreckung, sondern schon mit der Beendigung der beanstandeten Maßnahme.211 Denn mit der Vollstreckungserinnerung kann die Rückgängigmachung einer schon beendeten Vollstreckungsmaßnahme nicht begehrt werden.212 Weil die Vollstreckungsmaßnahme erst mit dem Geldempfang des Gläubigers endet, ist die Erinnerung nach § 766 aber noch möglich, solange ein Versteigerungserlös hinterlegt bzw. noch nicht ausgezahlt ist.213 Wirkt eine Vollstreckungsmaßnahme noch als Voraussetzung für eine weitere Vollstreckungsmaßnahme fort, kann sie mit der Vollstreckungserinnerung auch noch

200 Stein/Jonas/Münzberg § 766 Rdn. 12; MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 766 Rdn. 31. 201 OLG Düsseldorf NJW-RR 1993, 1280. 202 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 766 Rdn. 48. Im Falle einer Vollstreckungserinnerung bei Verzögerung bietet es sich an, ein Rechtsschutzbedürfnis in der Regel nach drei Monaten zu bejahen (s. dazu Rdn. 48 und Rdn. 54). 203 Wittschier JuS 1999, 585, 587. 204 KG DGVZ 1994, 113, 114; BeckOK/Preuß § 766 Rdn. 43. 205 KG OLGRspr. 37, 193; LG Mannheim DGVZ 1961, 106; BeckOK/Preuß § 766 Rdn. 43. 206 KG OLGRspr. 19, 32; BeckOK/Preuß § 766 Rdn. 43. 207 BVerfG NJW 2015, 3432; Stein/Jonas/Münzberg § 766 Rdn. 39; Musielak/Voit/Lackmann § 766 Rdn. 17. 208 Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 37 Rdn. 9; leicht anders Stein/Jonas/Münzberg § 766 Rdn. 30 (sofern von der Vollstreckungsmaßnahme ein Rechtsschein ausgeht). 209 BGH NJW-RR 2010, 785 (zur sofortigen Beschwerde). 210 BGH NZM 2005, 193, 194; Stein/Jonas/Münzberg § 766 Rdn. 40; Zöller/Herget § 766 Rdn. 13; Gaul/Schilken/BeckerEberhard ZVR § 37 Rdn. 61. 211 BGH MDR 2017, 788 Rdn. 5; BGH MDR 2005, 648 f. 212 BGH MDR 2017, 788 Rdn. 5; BGH MDR 2005, 648, 649; Zöller/Herget § 766 Rdn. 13; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 37 Rdn. 61. 213 BeckOK/Preuß § 766 Rdn. 44.1. 317

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angegriffen werden.214 Zudem besteht das Rechtsschutzbedürfnis fort, wenn ein festgesetzter Räumungstermin zwar verstrichen ist, aber mit der Anberaumung eines neuen Räumungstermins zu rechnen ist.215 72 Das BVerfG sieht es aber als geboten an, dass der Betroffene sich bei bestimmten Vollstreckungsmaßnahmen, die gravierende, tiefgreifende Grundrechtseingriffe beinhalten – im konkreten Fall ging es um eine Wohnungsdurchsuchung – auch dann noch mit der Vollstreckungserinnerung zur Wehr setzen können soll, wenn die Vollstreckungsmaßnahmen bereits beendet ist.216 Ist zusätzlich zur Vollstreckungserinnerung noch eine Klage (etwa nach § 767 oder § 771) 73 anhängig gemacht, entfällt das Rechtsschutzbedürfnis auch dann, wenn in diesem Verfahren die Zwangsvollstreckung für unzulässig erklärt wird und der Gläubiger sein Ziel erreicht hat. Überschneiden sich im Einzelfall die Anwendungsbereiche von Vollstreckungserinnerung und Klage (z.B. vermeintliche Pfändung evidenten Dritteigentums), wird die Erinnerung unzulässig, wenn die Drittwiderspruchsklage rechtskräftig abgewiesen wurde.

VI. Verfahrensfragen 1. Einleitung des Verfahrens 74 Das Verfahren wird durch eine entsprechende Prozesshandlung eingeleitet, die schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle abzugeben und an keine Frist gebunden ist.217 Dass sie erst nach drei Monaten erhoben wird, begründet für sich allein noch nicht den Einwand des Rechtsmissbrauchs.218 Anwaltszwang besteht nicht. Die Vollstreckungserinnerung kann jederzeit zurückgenommen werden.219 Anders als bei einer Klageerhebung (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 a.E.) ist ein bestimmter Antrag nicht erforderlich.220 Er kann aber zweckmäßig sein.221 Ausreichend aber auch erforderlich ist, dass ersichtlich wird, welche konkrete Vollstreckungsmaßnahme beanstandet wird.222 Der Antrag muss nicht als Vollstreckungserinnerung bezeichnet werden. Es genügt, wenn sich das Rechtsschutzziel aus dem Vortrag ergibt. Bei Vollstreckungserinnerungen gegen den Kostenansatz ist der Betrag zu beziffern.223

2. Zuständigkeit 75 Ausschließlich zuständig für die Entscheidung über die Erinnerung ist das Amtsgericht als Vollstreckungsgericht (§§ 764 Abs. 1, 802). Es handelt durch den Richter, nicht durch den Rechtspfleger (§ 20 Nr. 17 S. 2 RPflG). In den Fällen, in denen der Richter die Vollstreckungsmaßnahme selbst getroffen hat, entscheidet er über seine eigene Maßnahme. Hat anstelle des Richters ein Rechtspfleger über die Erinnerung entschieden und wird daraufhin Beschwerde erhoben, hat das Be214 Stein/Jonas/Münzberg § 766 Rdn. 41; MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 766 Rdn. 49; Schuschke/Walker/Kessen/ Thole/Walker/Thole § 766 Rdn. 31; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 37 Rdn. 59. BGH NJW 2013, 2287. BVerfG NJW 2015, 3432 Rdn. 19; s. auch BGH MDR 2019, 1340 Rdn. 29. BeckOK/Preuß § 766 Rdn. 34. BGH MDR 2013, 866 Rdn. 26; Musielak/Voit/Lackmann § 766 Rdn. 15. MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 766 Rdn. 41; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 37 Rdn. 57. BeckOK/Preuß § 766 Rdn. 33. Wittschier JuS 1999, 585, 586. Der Antrag sollte sich dann an der Tenorierung orientieren (s. dazu Rdn. 87). Abweichend von der meist möglichen Tenorierung bei der Verpflichtungserinnerung (s. Rdn. 47) kann der Antrag darauf gerichtet sein, den Gerichtsvollzieher zu bestimmten Vollstreckungsmaßregeln (z.B. zur Übernahme des Vollstreckungsauftrags und/oder der auftragsgemäßen Ausführung einer Vollstreckungsmaßnahme) zu verpflichten. 222 Wittschier JuS 1999, 585, 586. 223 AG Westerburg DGVZ 1992, 124.

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schwerdegericht die Sache an das Vollstreckungsgericht zurückzuverweisen, ohne dass es darauf ankommt, ob die Entscheidung sachlich unrichtig war.224 Ist das Arrestgericht als Vollstreckungsgericht tätig geworden (vgl. § 930 Abs. 1 S. 3), entscheidet es auch über Vollstreckungserinnerungen.225 Als besonderes Vollstreckungsgericht entscheidet in den Fällen der §§ 21 Abs. 2 Nr. 3, 89 InsO sowie in den Fällen der §§ 36 Abs. 4, 148 Abs. 2 InsO das Insolvenzgericht.226 Hat anstelle des zuständigen Vollstreckungsgerichts ein unzuständiges Gericht entschieden 76 und wurde das rechtzeitig gerügt, stellt das einen selbständigen Beschwerdegrund dar. § 513 Abs. 2 schließt das nur für die Berufung aus. Und noch unter Geltung des seit 2002 aufgehobenen § 10 a.F., wonach das Urteil eines Landgerichts nicht aus dem Grunde angefochten werden konnte, weil die Zuständigkeit des Amtsgerichts begründet gewesen sei, war anerkannt, dass das nicht gilt, wenn zu Unrecht ein Landgericht anstelle des Vollstreckungsgerichts über die Erinnerung entschieden hat.227

3. Selbstabhilferecht Wird eine Vollstreckungserinnerung eingelegt, ist fraglich, ob das Vollstreckungsorgan zur 77 Selbstabhilfe berechtigt oder gar verpflichtet ist. Für die sofortige Beschwerde sind eine Selbstüberprüfung und ein Selbstabhilferecht in § 572 Abs. 1 vorgesehen. Eine vergleichbare Regelung fehlt für die Vollstreckungserinnerung. Zuweilen wird in § 572 Abs. 1 ein allgemeiner Rechtsgrundsatz gesehen, der sich auf die Vollstreckungserinnerung übertragen lasse.228 Doch geht es zu weit, dem Vollstreckungsorgan grundsätzlich ein Selbstabhilferecht einzuräumen.229 Daher wird mehrheitlich zu Recht differenziert. Dem Rechtspfleger wird grundsätzlich ein Selbstabhilferecht eingeräumt.230 Beim Gerichtsvollzieher gehen die Auffassungen auseinander. Mancher verneint ein Selbstabhilferecht gänzlich.231 Andere wollen ihm hingegen ein beschränktes Selbstabhilferecht in den Grenzen der §§ 775, 776 geben.232 Letzteres ist im Ergebnis zutreffend. Doch geht es dabei gar nicht um eine Selbstabhilfe auf eine Erinnerung hin. Vielmehr führt der Gerichtsvollzieher das Verfahren nur so durch, wie es die §§ 775, 776 verlangen, die ihn unter ihren Voraussetzungen zugleich dazu ermächtigen, getroffene Vollstreckungsmaßnahmen aufzuheben. Wird eine Verpflichtungserinnerung (§ 766 Abs. 2 S. 1: Gläubiger begehrt die Vornahme ei- 78 ner Maßnahme) erhoben, sind die Vollstreckungsorgane befugt, die angemahnte Handlung nachzuholen. Das hat aber wenig mit einem etwaigen Selbstabhilferecht zu tun. Denn der Gläubiger könnte schlicht erneut die Durchführung der Maßnahme beantragen233 und der Schuldner hat ohnehin noch keine Rechtsposition erworben, in die eingegriffen wird. In der Situation der Anfechtungserinnerung (§ 766 Abs. 1: Betroffener wendet sich gegen eine 79 Maßnahme) muss unterschieden werden. Soll die Vollstreckungserinnerung dazu führen, dass in 224 BGH Rpfleger 2005, 520, 521; Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Walker/Thole § 766 Rdn. 30. 225 OLG Karlsruhe WM 1958, 1289; OLG Stuttgart Rpfleger 1975, 497; OLG Frankfurt Rpfleger 1980, 485; BeckOK/Preuß § 766 Rdn. 28; Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Walker/Thole § 766 Rdn. 28; a.A. OLG Bremen JZ 1951, 310. 226 BeckOK/Preuß § 766 Rdn. 30 ff.; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 37 Rdn. 13. 227 OLG Hamm Rpfleger 1974, 75. 228 OLG Koblenz Rpfleger 1978, 226. 229 So Anders/Gehle/Vogt-Beheim § 766 Rdn. 35. 230 OLG Düsseldorf JZ 1960, 258; Stein/Jonas/Münzberg § 766 Rdn. 5; Wieczorek/Schütze/Salzmann3 § 766 Rdn. 7; Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Walker/Thole § 766 Rdn. 30; Brox/Walker § 40 Rdn. 42 (unter der Voraussetzung, dass er der Gegenseite rechtliches Gehör gewährt habe). Hilft der Rechtspfleger einer Erinnerung ab, liegt darin eine Entscheidung, die von dem durch sie Beschwerten mit der sofortigen Beschwerde angegriffen werden kann (Stein/ Jonas/Münzberg § 766 Rdn. 5). 231 Wieczorek/Schütze/Salzmann3 § 766 Rdn. 7. 232 Stein/Jonas/Münzberg § 766 Rdn. 2 (in den Grenzen von § 775); Brox/Walker § 40 Rdn. 44. 233 So zu Recht Brox/Walker § 40 Rdn. 43. 319

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eine bereits entstandene Rechtsposition eingegriffen wird, kann der Gerichtsvollzieher ihr nicht abhelfen. Denn das Gesetz sieht für die Vollstreckungserinnerung kein Selbstabhilfeverfahren vor und weist die Entscheidung über die Erinnerung dem Vollstreckungsgericht zu. Deshalb kann der Gerichtsvollzieher auf eine Erinnerung des Schuldners hin eine Vollstreckungsmaßnahme nicht aufheben. Das kann nur auf eine entsprechende Entscheidung des Vollstreckungsgerichts hin geschehen (§§ 775 Nr. 1, 776).234 Setzt der Gerichtsvollzieher aus Anlass der Erinnerung eine begonnene Zwangsvollstreckung schlicht nicht fort, begegnet das keinen Bedenken. Denn auch außerhalb einer Vollstreckungserinnerung könnte er, wenn ihm Zweifel an der formellen Rechtmäßigkeit seines Handelns kommen, die Zwangsvollstreckung nicht fortsetzen. Der Gläubiger müsste dagegen dann seinerseits eine Vollstreckungserinnerung nach § 766 Abs. 2 einlegen. Bereits getroffene Maßnahmen darf er nur unter den Voraussetzungen von § 775 Nr. 3 selbst aufheben. Doch ist auch das eigentlich kein Fall der Selbstabhilfe, denn der Schuldner könnte die Urkunde auch außerhalb des Erinnerungsverfahrens erneut vorlegen und das Vollstreckungsorgan müsste die Zwangsvollstreckung einstellen und bereits getroffene Maßnahmen aufheben. 80 Dass man dem Rechtspfleger ein umfassendes Selbstabhilferecht einräumt,235 erscheint zweifelhaft. Denn eine dem § 572 Abs. 1 vorgesehene Regel, die zur Selbstabhilfe ermächtigt, fehlt. Hinzu kommt, dass § 20 Nr. 17 RPflG die Entscheidungen nach § 766 ohne Einschränkungen dem Richter vorbehält. Dafür, dass der Rechtspfleger in anderen als den oben skizzierten Fällen, in denen auch der Gerichtsvollzieher selbst „abhelfen“ könnte, selbst abhelfen dürfen soll, gibt es keine Anhaltspunkte. Im Hinblick darauf, dass in eine schon erworbene Rechtsposition eingegriffen wird, kann er das aber nicht ohne eine entsprechende gesetzliche Ermächtigung. Das mag zwar im Hinblick auf die Situation bei der sofortigen Beschwerde widersprüchlich erscheinen, doch darf nicht verkannt werden, dass dort gerade eine entsprechende Rechtsgrundlage, die eine Selbstabhilfe erlaubt und damit dazu ermächtigt, in schon erworbene Rechtspositionen einzugreifen, existiert. Und eine Selbstabhilfe durch den Rechtspfleger ist eben keine Entscheidung durch den Richter des Vollstreckungsgerichts.

4. Rechtliches Gehör und mündliche Verhandlung 81 Das Vollstreckungsgericht hat nach Maßgabe von Art. 103 Abs. 1 GG rechtliches Gehör zu gewähren.236 Wird der Vollstreckungserinnerung stattgegeben, ist der Antragsgegner vor einer Entscheidung anzuhören.237 Wegen §§ 764 Abs. 3, 128 Abs. 4 ist eine mündliche Verhandlung fakultativ. Freilich muss auch das Vollstreckungsgericht § 834 beachten. Begehrt also der Gläubiger eine Forderungspfändung, darf es den Schuldner auch im Erinnerungsverfahren nicht dazu anhören.238

5. Einstweilige Anordnungen 82 § 766 Abs. 1 S. 2 i.V.m. § 732 Abs. 2 erlaubt dem Vollstreckungsgericht einstweilige Anordnungen in gleicher Weise wie bei Erinnerungen gegen die Erteilung der Vollstreckungsklausel zu treffen. Das 234 Brox/Walker § 40 Rdn. 44; wohl auch Stein/Jonas/Münzberg § 766 Rdn. 2. 235 OLG Düsseldorf JZ 1960, 258; Stein/Jonas/Münzberg § 766 Rdn. 5; Wieczorek/Schütze/Salzmann3 § 766 Rdn. 7; Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Walker/Thole § 766 Rdn. 30; Musielak/Voit/Lackmann § 766 Rdn. 28; Brox/Walker § 40 Rdn. 42. 236 BeckOK/Preuß § 766 Rdn. 36; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 37 Rdn. 62. 237 Stein/Jonas/Münzberg § 766 Rdn. 42; Baumbach/Lauterbach/Hartmann77 § 766 Rdn. 40. 238 In diesen Fällen darf dem Schuldner die Entscheidung auch nicht vor der Pfändung mitgeteilt werden (Stein/ Jonas/Münzberg § 766 Rdn. 46). Folgt man der hier vertretenen Sichtweise (Rdn. 7 ff.) wäre er ohnehin nicht Partei der Erinnerung. Spohnheimer

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Vollstreckungsgericht kann einstweilen anordnen, dass die Zwangsvollstreckung gegen oder ohne Sicherheitsleistung einzustellen ist, oder aber dass die Zwangsvollstreckung nur noch gegen Sicherheitsleistung fortgesetzt werden darf. Diese einstweiligen Anordnungen gleichen aus, dass die Einlegung einer Vollstreckungserinnerung keine aufschiebende Wirkung hat.239 Über solche Anordnungen darf das Vollstreckungsgericht von Amts wegen entscheiden; eines Antrags bedarf es nicht.240 Zuvor ist der Betroffene aber grundsätzlich anzuhören. Ist die Anordnung eilbedürftig, genügt auch die nachträgliche Gewährung rechtlichen Gehörs. Eine bereits durchgeführte Vollstreckungsmaßnahme kann jedoch nicht im Wege einer einstweiligen Anordnung aufgehoben werden.241 Dass eine solche Anordnung der Rechtspfleger treffen kann, wird man bezweifeln müssen.242 Denn die Entscheidung soll nach § 766 Abs. 1 S. 2 dem Vollstreckungsgericht obliegen und § 20 Abs. 1 Nr. 17 RPflG entzieht die Entscheidungen nach § 766 ausdrücklich dem Rechtspfleger. Überdies hat die Anordnung nicht zuletzt auch die Erfolgsausaussichten der Erinnerung zu berücksichtigen. Die einstweilige Anordnung ergeht analog § 707 Abs. 2 durch einen unanfechtbaren Beschluss, der allerdings vom Vollstreckungsgericht aufgehoben werden kann.243 Hält man eine Anordnung durch den Rechtspfleger entgegen der hier vertretenen Auffassung für zulässig, hat der Betroffene dagegen aber jedenfalls die befristete Rechtspflegererinnerung gem. § 11 Abs. 2 RPflG.244 Wird über die Erinnerung entscheiden, wird die einstweilige Anordnung gegenstandslos.245

VII. Entscheidung über die Vollstreckungserinnerung 1. Formalia Die Entscheidung über die Vollstreckungserinnerung ergeht durch Beschluss (§ 764 Abs. 3). Er ist 83 zu begründen.246 Wurde mündlich verhandelt, ist er gem. § 329 Abs. 1 zu verkünden. Den Parteien, denen zuvor rechtliches Gehör gewährt wurde, ist der Beschluss gem. § 329 Abs. 2 und 3 zuzustellen. Ausnahmsweise genügt die Zustellung an den Erinnerungsführer, falls eine Erinnerung insgesamt verworfen oder zurückgewiesen wird.247 Führt der Beschluss zu einer Forderungspfändung, ist § 834 zu beachten: Vor der Pfändung darf er dem Schuldner nicht mitgeteilt werden.248

2. Grundlagen der Entscheidung Maßgeblich für Zulässigkeit und Begründetheit ist der Zeitpunkt der Beschlussfassung, nicht der 84 Vornahme der Maßnahme.249 Verfahrensfehler, die nicht zur Nichtigkeit einer Vollstreckungsmaßnahme führen, können geheilt werden.250 Keine Rolle spielt, ob die Heilung ex tunc oder ex nunc 239 240 241 242 243 244 245 246 247

Brox/Walker § 40 Rdn. 111. OLG München MDR 1991, 66. Brox/Walker § 40 Rdn. 111. Bejahend indes BeckOK/Preuß § 766 Rdn. 40; MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 766 Rdn. 47. OLG Köln NJW-RR 2001, 69, 70; Anders/Gehle/Vogt-Beheim § 766 Rdn. 42. Stein/Jonas/Münzberg § 766 Rdn. 43; Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Walker/Thole § 766 Rdn. 47. Brox/Walker § 40 Rdn. 112. Stein/Jonas/Münzberg § 766 Rdn. 47; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 37 Rdn. 70. RG JW 1899, 340. In den Fällen des § 834 ist darauf zu achten, dass der Beschluss dem Schuldner nur bekannt gegeben werden darf, wenn er zugleich den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss beinhaltet. 248 Stein/Jonas/Münzberg § 766 Rdn. 46. Das Problem entschärft sich, wenn die Erinnerung gegen das Vollstreckungsorgan zu richten ist (s. Rdn. 7 ff.). 249 BGH NZI 2013, 539 Rdn. 7; BGH NJW-RR 2009, 211, 212; Stein/Jonas/Münzberg § 766 Rdn. 47; MünchKomm/ K. Schmidt/Brinkmann § 766 Rdn. 42; BeckOK/Preuß § 766 Rdn. 40; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 37 Rdn. 68; Musielak/Voit/Lackmann § 766 Rdn. 23. 250 BeckOK/Preuß § 766 Rdn. 40; MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 766 Rdn. 50; Brox/Walker § 40 Rdn. 113. 321

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wirkt.251 War die Vollstreckungsmaßnahme nichtig, muss sie erneut vorgenommen werden.252 Sich daraus ergebende Kostennachteile lassen sich über die §§ 91a und 93 vermeiden.253 Allerdings ist die Erinnerung dann nicht begründet, wenn der Betroffene den später eintretenden Erinnerungsgrund arglistig herbeigeführt hat.254 85 Bei seiner Prüfung ist das Gericht nicht auf die von den Parteien geltend gemachten Verfahrensfehler beschränkt.255 Das Gericht muss aber nicht über das Rechtsschutzziel des Erinnerungsführers hinausgehen.256 Die Prüfung umfasst sowohl die Recht- als auch die Zweckmäßigkeit.257 Das Gericht entscheidet auf der Grundlage des von den Parteien beigebrachten Tatsachenstoffes.258 Es muss aber ihm bekannte Tatsachen von Amts wegen beachten und kann etwa die Vollstreckungsakten beiziehen.259 Über strittige Tatsachen ist Beweis zu erheben. Eine Glaubhaftmachung genügt nicht.260 Die Beweislast trägt derjenige, der sich auf die Einwendungen beruft.261 Die von einem Dritten eingelegte Vollstreckungserinnerung kann allerdings nur insoweit be86 gründet sein als er erinnerungsbefugt ist.262

3. Tenorierung 87 Unzulässige Erinnerungen sind zu verwerfen.263 Bei fehlender Zuständigkeit ist eine Abgabe möglich.264 Unbegründete Erinnerungen sind zurückzuweisen.265 Auf eine begründete Erinnerung des Schuldners hin ist die betroffene Vollstreckungsmaßnahme oder die Zwangsvollstreckung insgesamt für unzulässig zu erklären. Ist eine Erinnerung des Gläubigers begründet, ist zu beachten, dass das Vollstreckungsgericht in der Regel nicht in vollem Umfang überprüfen kann, ob die Zwangsvollstreckung (auch im Übrigen) zulässig ist. Dann kann – wenn die Erinnerung erfolgreich ist – nur tenoriert werden, dass das Vollstreckungsorgan eine Zwangsvollstreckung nicht mit einer bestimmten Begründung verweigern darf.266 Denn hält das Vollstreckungsorgan die Zwangsvollstreckung aus anderen Gründen – die das Vollstreckungsgericht im Rahmen der Vollstreckungserinnerung nicht geprüft hat und auch regelmäßig gar nicht prüfen konnte – für unzulässig, kann es die Zwangsvollstreckung aus diesen Gründen freilich gleichwohl verweigern. Nur wenn alle Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung bereits geprüft wurden, kann das Vollstreckungsorgan angewiesen werden, die Vollstreckungsmaßnahme antragsgemäß auszuführen. Das Vollstreckungsgericht kann dem Gerichtsvollzieher nur Weisungen für die konkrete Zwangsvoll-

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Brox/Walker § 40 Rdn. 113. BeckOK/Preuß § 766 Rdn. 40; Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Walker/Thole § 766 Rdn. 39. Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 37 Rdn. 69. BeckOK/Preuß § 766 Rdn. 40; MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 766 Rdn. 50; Musielak/Voit/Lackmann § 766 Rdn. 24; a.A. KG NJW 1952, 751. 255 BeckOK/Preuß § 766 Rdn. 38, 46; Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Walker/Thole § 766 Rdn. 38. 256 Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Walker/Thole § 766 Rdn. 38. 257 BVerfG NJW-RR 2005, 365; BGH NJW-RR 2005, 149, 150; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 37 Rdn. 64. 258 BeckOK/Preuß § 766 Rdn. 46. 259 BeckOK/Preuß § 766 Rdn. 37. 260 Stein/Jonas/Münzberg § 766 Rdn. 42; MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 766 Rdn. 45. 261 BGH NZFam 2014, 1036; BeckOK/Preuß § 766 Rdn. 37; a.A. Stein/Jonas/Münzberg § 766 Rdn. 42; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 37 Rdn. 62 m. Fn. 238 (Beweislast für die Vollstreckungsvoraussetzungen beim Gläubiger). 262 BeckOK/Preuß § 766 Rdn. 47. 263 BeckOK/Preuß § 766 Rdn. 55; a.A. MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 766 Rdn. 51; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 37 Rdn. 65 (Zurückweisung). 264 Thomas/Putzo/Seiler § 766 Rdn. 10. 265 BeckOK/Preuß § 766 Rdn. 55; MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 766 Rdn. 51; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 37 Rdn. 65; a.A. Thomas/Putzo/Seiler, § 766 Rdn. 10 (zu verwerfen). 266 Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Walker/Thole § 766 Rdn. 40; Lackmann/Racz Rdn. 215. Spohnheimer

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streckungssache, nicht aber für andere (künftige) Vollstreckungssachen geben.267 Wendet sich der Schuldner zu Recht gegen die vom Gerichtsvollzieher angesetzten Kosten, ist die Beitreibung der vom Gerichtsvollzieher zu Unrecht angesetzten Kosten der Zwangsvollstreckung für unzulässig zu erklären. Legt der Gläubiger wegen der vom Gerichtsvollzieher zu Unrecht nicht in Ansatz gebrachten Kosten eine Vollstreckungserinnerung ein, ist der Gerichtsvollzieher zur Beitreibung der zu Unrecht nicht angesetzten Kosten anzuweisen.

4. Unzulässigerklärung und Aufhebung Das Gesetz differenziert zwischen der Unzulässigerklärung einer Vollstreckungsmaßnahme und 88 ihrer Aufhebung (s. § 776 Rdn. 6). Das Gericht kann die Vollstreckungsmaßnahme nur für unzulässig erklären, aber regelmäßig nicht selbst aufheben; das obliegt dem zuständigen Vollstreckungsorgan. Es kann allenfalls das Vollstreckungsorgan anweisen, die Maßnahme aufzuheben. Das ist aber im Hinblick auf § 775 Nr. 1 ZPO nicht konstitutiv. Selbst aufheben kann das Vollstreckungsgericht eine Vollstreckungsmaßnahme, wenn sie auch von ihm getroffen wurde. Erklärt das Vollstreckungsgericht eine solche Maßnahme für unzulässig, soll diese Entscheidung im Zweifel auch die Aufhebung beinhalten, sofern die Vollziehung nicht ausdrücklich ausgesetzt wird.268 Doch sollte im Interesse der Rechtsklarheit stets eine gesonderte Aufhebung erfolgen (s. § 776 Rdn. 19). Die Beschlüsse sind ohne besonderen Ausspruch sofort vollstreckbar.269 Weil ein durch die 89 Aufhebung der Vollstreckungsmaßnahme einmal erloschenes Pfandrecht nicht wieder auflebt, wenn das Beschwerdegericht die Entscheidung des Vollstreckungsgerichts über die Erinnerung nicht aufrechthält,270 kann es zweckmäßig sein, dass das Vollstreckungsgericht die Wirksamkeit seiner Entscheidung bis zur Rechtskraft der Erinnerungsentscheidung analog § 570 Abs. 2 hinausschiebt.271 In den Fällen, in denen das Vollstreckungsgericht die Vollstreckungsmaßnahme selbst aufheben kann, sollte es die Aufhebung der Vollstreckungsmaßnahme aufschiebend bedingt für den Fall, dass seine Entscheidung rechtskräftig wird, aussprechen.272 Wurde die Aufhebung des Pfandrechts nicht aufschiebend bedingt ausgesprochen bzw. wurde – 90 wenn das Vollstreckungsgericht die Vollstreckungsmaßnahme nicht getroffen hat – die Wirksamkeit der Entscheidung nicht analog § 570 Abs. 2 ausgesetzt und wurde die Vollstreckungsmaßnahme aufgehoben, muss das Pfandrecht durch eine neue Pfändung wieder begründet werden.273 Das ist auch dem Beschwerdegericht möglich.274

5. Rechtskraft Mit Ablauf der Beschwerdefrist (§§ 793, 569 Abs. 1 S. 1) tritt die formelle Rechtskraft ein.275 Die Ent- 91 scheidung über die Erinnerung ist der materiellen Rechtskraft fähig.276 Eine weitere Erinnerung wegen eines anderen Verfahrensfehlers, über den noch nicht entschieden wurde, ist möglich.277 § 767

267 268 269 270 271 272 273 274 275 276 277

Gaul ZZP 87 (1974) 240, 252; Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Walker/Thole § 766 Rdn. 40. Stein/Jonas/Münzberg § 766 Rdn. 44; MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 766 Rdn. 51. BGHZ 66, 394, 395. BeckOK/Preuß § 766 Rdn. 58; Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Walker/Thole § 766 Rdn. 40. Musielak/Voit/Lackmann § 766 Rdn. 31. Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Walker/Thole § 766 Rdn. 40. Stein/Jonas/Münzberg § 766 Rdn. 52; Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Walker/Thole § 766 Rdn. 41. Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Walker/Thole § 766 Rdn. 41. Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 37 Rdn. 75. Stein/Jonas/Münzberg § 766 Rdn. 55; BeckOK/Preuß § 766 Rdn. 65; a.A. Wieczorek/Schütze/Salzmann3 § 766 Rdn. 28. BeckOK/Preuß § 766 Rdn. 65; Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Walker/Thole § 766 Rdn. 46.

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Abs. 2 und 3 werden nicht analog angewandt.278 Die Rechtskraft tritt nur für und gegen den angehörten Beteiligten ein. Sieht man in der Vollstreckungserinnerung mit der h.M. ein Verfahren zwischen Gläubiger und Schuldner (s. Rdn. 5), wirkt die Rechtskraft nicht für oder gegen das Vollstreckungsorgan.279 Das Vollstreckungsorgan ist aber gleichwohl an eine zulässige Anordnung des Vollstreckungsgerichts gebunden.280

6. Rechtsbehelfe 92 Gegen einen Beschluss im Erinnerungsverfahren findet grundsätzlich eine sofortige Beschwerde gem. § 793 Abs. 1 statt.281 Das gilt unabhängig davon, ob die Betroffenen angehört worden sind, oder nicht (vgl. § 793 Rdn. 6). Die sofortige Beschwerde gegen die Erinnerungsentscheidung ist auch noch möglich, wenn die Vollstreckung (zunächst) beendet ist.282 Wurde eine Vollstreckungsmaßnahme aufgehoben, kann sie aber nicht rückwirkend wiederhergestellt werden.283 Geht man mit der h.M. davon aus, dass die Vollstreckungserinnerung nicht gegen das Vollstreckungsorgan zu richten ist und wurde der Schuldner im Erinnerungsverfahren nicht angehört (Vollstreckungserinnerung ohne Verfahrensgegner; s. Rdn. 6), soll der Schuldner bei einer erfolgreichen Verpflichtungserinnerung (§ 766 Abs. 2) zunächst abwarten, bis die angeordnete Maßnahme vollzogen ist und diese Maßnahme dann mit der Erinnerung angreifen können. Er soll aber wahlweise auch direkt sofortige Beschwerde einlegen können.284 Wurde der Schuldner gehört, muss er schon wegen der sonst eintretenden Rechtskraft (s. Rdn. 91) sofortige Beschwerde einlegen. Das Vollstreckungsgericht kann der Beschwerde selbst abhelfen (§ 572 Abs. 1). Ordnet das Beschwerdegericht eine Vollstreckungsmaßnahme erstmalig an, ist dagegen die Erinnerung nach § 766 statthaft.285 Sonst kann es dazu kommen, dass dem Schuldner nur im Rahmen einer – nicht immer zulässigen – Rechtsbeschwerde überhaupt rechtliches Gehör gewährt werden kann.286 Über diese hat das Beschwerdegericht selbst zu entscheiden.287 Wird diese Vollstreckungserinnerung zurückgewiesen – dann hat das Gericht im Rahmen des Erinnerungsverfahrens bereits eine Selbstüberprüfung seiner Entscheidung vorgenommen – findet dagegen die Rechtsbeschwerde statt.288

7. Kosten und Gebühren 93 Die Kostenentscheidung folgt den §§ 91 ff.289 Folgt man nicht der hier vertretenen Auffassung, wonach die Vollstreckungserinnerung gegen das Vollstreckungsorgan zu richten ist (vgl. Rdn. 7 ff.), können die Kosten der Erinnerung auch nicht dem Vollstreckungsorgan bzw. seiner Anstellungskörperschaft auferlegt werden.290 In den Verfahren nach Abs. 2 ergeht nach der herr-

278 Stein/Jonas/Münzberg § 766 Rdn. 55; BeckOK/Preuß § 766 Rdn. 65; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 37 Rdn. 76; a.A. im Ergebnis MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 766 Rdn. 59.

279 Stein/Jonas/Münzberg § 766 Rdn. 55; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 37 Rdn. 78. 280 Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 37 Fn. 239. 281 Stein/Jonas/Münzberg § 766 Rdn. 50; BeckOK/Preuß § 766 Rdn. 62; Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Walker/Thole § 766 Rdn. 45. Stein/Jonas/Münzberg § 766 Rdn. 52. Stein/Jonas/Münzberg § 766 Rdn. 52; Zöller/Herget § 766 Rdn. 36. Stein/Jonas/Münzberg § 766 Rdn. 51. BGH NJW 2011, 525, 526; BeckOK/Preuß § 766 Rdn. 63; Walker/Petri LMK 2010, 311735. BGH NJW 2011, 525, 526; Brinkmann JR 2011, 482. BGH NJW 2011, 525, 526; BeckOK/Preuß § 766 Rdn. 63; Brinkmann JR 2011, 482. BGH NJW 2011, 525, 526; zustimmend Walker/Petri LMK 2010, 311735; Brinkmann JR 2011, 482 f. BGH NJW-RR 1989, 125; Stein/Jonas/Münzberg § 766 Rdn. 45; BeckOK/Preuß § 766 Rdn. 60. Vgl. dazu ausf. BeckOK/Preuß § 766 Rdn. 61.

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schenden Gegenansicht gar keine Kostenentscheidung.291 Die notwendigen Kosten des Gläubigers im Erinnerungsverfahren sollen aber notwendige Kosten der Zwangsvollstreckung gem. § 788 sein.292 Gerichtskosten fallen für die Erinnerung nicht an.293 Das Kostenverzeichnis (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) kennt keinen entsprechenden Gebührentatbestand. Bei den Anwaltsgebühren ist zu differenzieren. Ist der Rechtsanwalt schon bei der Zwangsvollstreckung tätig geworden, gehört die Vollstreckungserinnerung zu der entsprechenden Vollstreckungsmaßnahme nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2, § 19 Abs. 2 Nr. 2 RVG.294 Für sie fällt für den Rechtsanwalt des Gläubigers eine 0,3-fache Verfahrensgebühr (Ziff. 3309 RVG-VV) und ggf. eine 0,3-fache Terminsgebühr (Ziff. 3310 RVG-VV) an. Wird der Rechtsanwalt des Gläubigers hingegen nur im Rahmen der Vollstreckungserinnerung tätig, kann er eine 0,5-fache Verfahrensgebühr nach Ziff. 3500 RVG-VV und ggf. eine 0,5-fache Terminsgebühr (Ziff. 3513 RVG-VV) verlangen.295 Dasselbe gilt für den Rechtsanwalt des Schuldners.296 Der Gegenstandswert der Vollstreckungserinnerung bestimmt sich nach § 25 RVG.297

§ 767 Vollstreckungsabwehrklage (1) Einwendungen, die den durch das Urteil festgestellten Anspruch selbst betreffen, sind von dem Schuldner im Wege der Klage bei dem Prozessgericht des ersten Rechtszuges geltend zu machen. (2) Sie sind nur insoweit zulässig, als die Gründe, auf denen sie beruhen, erst nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung, in der Einwendungen nach den Vorschriften dieses Gesetzes spätestens hätten geltend gemacht werden müssen, entstanden sind und durch Einspruch nicht mehr geltend gemacht werden können. (3) Der Schuldner muss in der von ihm zu erhebenden Klage alle Einwendungen geltend machen, die er zur Zeit der Erhebung der Klage geltend zu machen imstande war.

Schrifttum Baumgärtel/Scherf Zur Problematik des § 767 Abs. 3 ZPO, JR 1968, 368; Beck Der Aufrechnungseinwand bei der Vollstreckungsgegenklage, NJW 2006, 336; A. Blomeyer Rechtskraft- und Gestaltungswirkung der Urteile im Prozeß auf Vollstreckungsabwehrklage und Drittwiderspruchsklage, AcP 165 (1965) 481; Böhm Ungerechtfertigte Zwangsvollstreckung und materiell-rechtliche Ausgleichsansprüche (1971); Brehm Vollstreckungsgegenklage nach Beendigung der Zwangsvollstreckung, ZIP 1983, 1420; Bürck Erinnerung oder Klage bei Nichtbeachtung von Vollstreckungsvereinbarungen durch Vollstreckungsorgane? ZZP 85 (1972) 391; Burgard Die Präklusion der zweiten Vollstreckungsgegenklage, ZZP 106 (1993) 23; Ernst Gestaltungsrechte im Vollstreckungsverfahren, NJW 1986, 401; Gaul Materielle Rechtskraft, Vollstreckungsabwehr und zivilrechtliche Ausgleichsansprüche, JuS 1962, 1; ders. Ungerechtfertigte Zwangsvollstreckung und materiell-rechtliche Ausgleichsansprüche, AcP 173 (1973) 323; Geißler Vollstreckungsklagen im Rechtsbehelfssystem der Zwangsvollstreckung, NJW 1985, 1865; Gilles Vollstreckungsgegenklage, sog. vollstreckbarer Anspruch und Einwendungen gegen die Zwangsvollstreckung im Zwielicht prozessualer und zivilistischer Prozeßbetrachtung, ZZP 83 (1970) 61; Graba Die Vollstreckungsgegenklage bei Unterhaltsvergleich und Unterhaltsurteil, NJW 1989, 481; Hergenröder Die Vollstreckungsvereinbarung im System der Zwangsvollstreckung, DGVZ 2013, 145; Jakoby Das Verhältnis der Abänderungsklage gemäß § 323 ZPO zur Vollstreckungsgegenklage gemäß § 767 ZPO (1991); Kainz Funktion

291 OLG Hamm DGVZ 1994, 27; LG Wuppertal DGVZ 1993, 59; AG Wolfsburg DGVZ 1995, 62; Gaul/Schilken/BeckerEberhard ZVR § 37 Rdn. 69. 292 Musielak/Voit/Lackmann § 766 Rdn. 31; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 37 Rdn. 69. Vgl. zur Kritik daran oben Rdn. 6. 293 Thomas/Putzo/Seiler § 766 Rdn. 30; Zöller/Herget § 766 Rdn. 39. 294 BGH MDR 2010, 658; Musielak/Voit/Lackmann § 766 Rdn. 33; Mayer/Kroiß/Ebert RVG § 19 Rdn. 126. 295 Mayer/Kroiß/Ebert RVG § 19 Rdn. 126. 296 Musielak/Voit/Lackmann § 766 Rdn. 33. 297 Thomas/Putzo/Seiler § 766 Rdn. 30. 325 https://doi.org/10.1515/9783110443158-051

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und dogmatische Einordnung der Vollstreckungsabwehrklage (1984); Klimke Präklusion gesetzlicher Mängelrechte nach § 767 II ZPO – Reichweite und europarechtliche Schranken, ZZP 126 (2013) 43; Leyendecker Grundfälle zur Vollstreckungsabwehrklage, JA 2010, 631; Lorenz Schwebende Unwirksamkeit und Präklusion im Zwangsvollstreckungsrecht, NJW 1995, 2258; Lüke Zum zivilprozessualen Klagensystem, JuS 1969, 301; Meier Der Rechtsschutz gegen nichtige Titel, ZZP 133 (2020) 51; Münch Die Beweislastverteilung bei der Vollstreckungsgegenklage, NJW 1991, 795; Münzberg Rechtsbehelfe nach Absinken rechtskräftig titulierter Verzugszinssätze – BGHZ 100, 211, JuS 1988, 345; ders. Vollstreckungsstandschaft und Einziehungsermächtigung, NJW 1992, 1867; ders. Vollstreckungsabwehrklagen gegen prozessuale Kostenansprüche und Probleme bei der Fassung der Anträge, NJW 1996, 2126; Nelle Anspruch, Titel und Vollstreckung im internationalen Rechtsverkehr (2000); Otto Die Präklusion (1970); Reiner Titelmängel und Rechtsschutz (2020); Rieble/Rümler Zur Vollstreckungsabwehrklage gegen einen nichtigen Titel, MDR 1989, 499; Rottmann Die Vollstreckungsgegenklage: Gegenstand und Präklusion (1995); Schapp Die Präklusion von Gestaltungsrechten nach § 767 Abs. 2 ZPO (2011); Schlosser Gestaltungsklagen und Gestaltungsurteile (1966); K. Schmidt Präklusion und Rechtskraft bei wiederholten Vollstreckungsgegenklagen, JR 1992, 89; ders. Vollstreckungsgegenklage – Prozeßrecht und materielles Recht in der Bewährung, FG 50 Jahre BGH III (2000), 491; M. Schwab Der verbraucherschützende Widerruf und die Grenzen der Rechtskraft, JZ 2006, 170; Stamm Die Prinzipien und Grundstrukturen des Zwangsvollstreckungsrechts (2007); Thole Die Präklusionswirkung der Rechtskraft bei Gestaltungsklagen und ihr Verhältnis zu § 767 Abs. 2 ZPO, ZZP 124 (2011) 45; Thomale § 767 Abs. 2 ZPO als rechtskraftunabhängiger Ausdruck materiellen Zivilrechts, ZZP 132 (2019) 139; ders. Materielles Zivilprozessrecht, ZZP 135 (2022) 29; Weinzierl Die Präklusion von Gestaltungsrechten durch § 767 Abs. 2 unter besonderer Berücksichtigung der materiellen Rechtskraft (1997); Windel Die Rechtsbehelfe des Schuldners gegen eine Vollstreckung aus einer unwirksamen notariellen Urkunde (§ 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO) – zugleich ein Beitrag zum Rechtsschutzsystem des 8. Buches der ZPO, ZZP 102 (1989) 175.

Übersicht I. 1. 2.

Allgemeines 1 Bedeutung der Vollstreckungsabwehrklage Rechtsnatur und Funktion der Vollstreckungsab4 wehrklage

II. 1. 2.

Anwendungsbereich 7 Vollstreckbare Urteile Weitere Vollstreckungstitel und Besonderheiten 8 im Überblick 9 a) Prozessvergleich (§ 794 Abs. 1 Nr. 1) b) Kostenfestsetzungsbeschluss (§ 794 Abs. 1 10 Nr. 2) c) Notarielle Unterwerfungserklärung (§ 794 11 Abs. 1 Nr. 5) 12 d) Europäische Titel 13 e) Vollstreckungsurteile (§§ 722 f.) 14 f) Titel im einstweiligen Rechtsschutz 15 g) Schiedssprüche Anwendung auf Titel aus Verfahren außerhalb 16 der ZPO

3.

III. 1. 2. 3. 4.

Statthafte Einwendungen und Abgrenzung zu anderen Rechtsbehelfen 18 Statthafte Einwendungen Abgrenzung zur Vollstreckungserinnerung und 20 zur sofortigen Beschwerde Abgrenzung zur Drittwiderspruchsklage und zur 23 Klage auf vorzugsweise Befriedigung Abgrenzung zur Klauselerinnerung und zur Klau24 selgegenklage

Spohnheimer

5. 6. 7. 8. 9. 10.

Abgrenzung zur Berufung 26 27 Abgrenzung zur Abänderungsklage Abgrenzung zur negativen Feststellungs29 klage 30 Verlängerte Vollstreckungsabwehrklage Klage auf Herausgabe des Titels analog § 371 31 BGB Klage auf Unterlassung der Zwangsvollstreckung 32 aus § 826 BGB

IV. 1. 2.

33 Streitgegenstand Eingliedrige Bestimmung Zweigliedrige Bestimmung

V. 1. 2. 3.

Zulässigkeits- und Verfahrensfragen 37 Parteien 40 Zuständigkeit Rechtsschutzbedürfnis 49 a) Beginn 50 b) Entfallen c) Prozessuale Reaktion bei nachträglich ent53 fallenem Rechtsschutzbedürfnis d) Rechtsschutzbedürfnis bei konkurrierenden 54 Rechtsbehelfen 58 Weiteres Verfahren

4. VI. 1. 2.

34 35

Begründetheit 59 Allgemeines Bedeutsame Einwendungen a) Erfüllung bzw. Erfüllungssurrogate

61

326

§ 767

Abschnitt 1. Allgemeine Vorschriften

b)

3.

4.

Ausgeübte Gestaltungsrechte, insbes. Auf63 rechnung 64 c) Verlust der Sachlegitimation 65 d) Unmöglichkeit einer Leistung 68 e) Sonstige Schuldveränderungen 69 f) Erhobene Einreden 70 g) Insolvenzbezogene Einwendungen h) Sachverhaltsänderungen bei Unterlassungsti71 teln 72 i) Sonstige Einwendungen j) Änderung der Rechtsprechung und Rechtsän74 derungen 76 Präklusion von Einwendungen (Abs. 2) 77 a) Zweck der Vorschrift b) Anwendungsbereich der Präklusionsre78 gel c) Maßgeblicher Zeitpunkt im Allgemei80 nen d) Maßgeblicher Zeitpunkt bei Versäumnisur82 teil und Vollstreckungsbescheid 84 e) Eintritt der Präklusion f) Präklusion bei noch nachträglich ausgeübten 86 Gestaltungsrechten g) Besonderheiten bei vollstreckbar zu erklä91 renden Titeln 92 h) Wirkungen der Präklusion 93 Beweislast

5.

Verzicht auf die Einwendung und Verwirkung der 94 Geltendmachung

VII. 1. 2. 3. 4.

Entscheidung 96 Inhalt der Entscheidung Gestaltungswirkung der Entscheidung 98 Rechtskraftwirkungen 103 Streitwert und Kosten

97

VIII. Konzentrationsgebot bei wiederholten Vollstreckungsabwehrklagen (Abs. 3) 1. Zweck der Norm und Anwendungsbe105 reich 2. Maßgeblicher Zeitpunkt und Nachschieben von 109 Einwendungen 112 3. Imstandesein zur Geltendmachung 113 4. Rechtsfolgen IX. 1. 2. 3. 4. 5. 6.

Titelgegenklage analog § 767 116 Anerkennung einer Titelgegenklage 119 Statthafte Einwendungen Streitgegenstand, Verhältnis zu anderen Rechtsbe122 helfen 124 Präklusion 125 Verfahren 126 Entscheidung und Kosten

I. Allgemeines 1. Bedeutung der Vollstreckungsabwehrklage Wird ein Anspruch rechtskräftig zugesprochen, steht fest, dass er im Zeitpunkt der letzten mündli- 1 chen Verhandlung einwendungsfrei bestanden hat.1 Dieser titulierte Anspruch wird in einer vollstreckbaren Ausfertigung „verbrieft“. Solange der Gläubiger den Vollstreckungstitel in Händen hält, ist zu vermuten, dass die Forderung noch besteht.2 Der Gedanke der Formalisierung des Zwangsvollstreckungsverfahrens knüpft an diese Vermutung an. Sie macht den Titel zur alleinigen Grundlage der Zwangsvollstreckung3 und führt dazu, dass materiellrechtliche Einwendungen für das Vollstreckungsorgan grundsätzlich unbeachtlich sind.4 Etwas anderes gilt nur, wenn bestimmte Einwendungen in einer besonderen Form nachgewiesen werden (§ 775 Nr. 4 und Nr. 5) und auch nur, wenn der Gläubiger sie nicht bestreitet (s. § 775 Rdn. 47). Ist die Zwangsvollstreckung formell zulässig, kann sie dennoch materiell unrechtmäßig 2 sein. Jenseits der Fälle von § 775 muss der Schuldner die Einwendungen gegen den titulierten Anspruch – die die formell zulässige Zwangsvollstreckung materiell unrechtmäßig machen – erst 1 Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 40 Rdn. 63. 2 Stamm Prinzipien und Grundstrukturen des Zwangsvollstreckungsrechts, S. 554; vgl. zum Schuldschein auch Staudinger/Kern (2022) § 371 Rdn. 1: Der Besitz des Gläubigers am Schuldschein kann ein Indiz für das Bestehen der Forderung sein, in der Hand des Schuldners ist er ein Indiz für Erfüllung. Die Bedeutung des Titels für die Zwangsvollstreckung betont § 31 Abs. 5 GVGA (unerlässlicher und ausreichender Ausweis zur Zwangsvollstreckung, vom Gerichtsvollzieher stets mitzuführen); ähnlich Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Raebel § 767 Rdn. 1. 3 Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 40 Rdn. 1; ähnlich BGHZ 158, 159, 165. 4 Stamm Prinzipien und Grundstrukturen des Zwangsvollstreckungsrechts, S. 554. 327

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mit der Vollstreckungsabwehrklage gem. § 767 gerichtlich geltend machen. Erst das stattgebende Urteil schafft wiederum ein Vollstreckungshindernis (§ 775 Nr. 1). Mit ihm (bzw. mit der Erbringung der von § 775 Nr. 4 und Nr. 5 geforderten Nachweise) ist die vom Vollstreckungstitel ausgehende Vermutung widerlegt, die Einwendung wird so für das Vollstreckungsorgan beachtlich. Bis zu diesem Zeitpunkt ist das Vollstreckungsorgan berechtigt und zugleich verpflichtet, zu vollstrecken.5 § 767 gleicht das Interesse des Gläubigers an einer möglichst schnellen Zwangsvollstreckung mit dem Interesse des Schuldners, möglichst nicht mit einer materiell nicht oder nicht mehr berechtigten Zwangsvollstreckung belastet zu werden, aus. 3 Von der Klagemöglichkeit unberührt bleibt, dass der Gläubiger unter bestimmten Voraussetzungen – insbesondere bei Vorliegen eines Verschuldens – wegen der materiell unberechtigten Zwangsvollstreckung auf Herausgabe der Bereicherung und Schadensersatz haftet.6

2. Rechtsnatur und Funktion der Vollstreckungsabwehrklage 4 Die Vollstreckungsabwehrklage leitet nach heute h.M. einen neuen und eigenständigen Rechtsstreit ein.7 Mit ihr kann der Vollstreckungsschuldner ein Urteil erreichen, das die Zwangsvollstreckung aus dem Vollstreckungstitel ganz oder teilweise für unzulässig erklärt. Das geht über die Abwehr einer einzelnen Vollstreckungsmaßnahme hinaus.8 Deshalb spricht das Gesetz in der amtlichen Überschrift von § 767 ZPO auch von einer Vollstreckungsabwehrklage. Geläufiger ist indessen die Bezeichnung als Vollstreckungsgegenklage.9 Treffender wäre indes die Bezeichnung Vollstreckbarkeitsabwehrklage.10 Insbesondere A. Blomeyer deutete die Vollstreckungsabwehrklage als negatorische oder 5 quasinegatorische Beseitigungs- bzw. Unterlassungsklage, mit der der Schuldner das Ziel verfolge, dass der beklagte Gläubiger seinen Vollstreckungsantrag zurücknimmt oder schon gepfändete Gegenstände freigibt.11 Andere sehen in ihr eine Feststellungsklage.12 Von der ganz h.M. wird sie als eine (prozessuale) Gestaltungsklage gedeutet, die darauf gerichtet ist, dem Titel seine Vollstreckbarkeit zu nehmen.13 Diese Deutung entspricht am ehesten dem Wortlaut von § 775 Nr. 1, der nach allgemeiner Ansicht die stattgebende Entscheidung über die Vollstreckungsabwehrklage umfasst (s. § 775 Rdn. 21).14 Dort wird verlangt, dass eine Entscheidung vorlegt wird, „aus der sich ergibt, dass (…) die Zwangsvollstreckung für unzulässig erklärt (…) ist“. Das deutet auf ein Urteil hin, das nach heutigem Verständnis einem Gestaltungsurteil entspricht.15 Dieses Gestaltungsurteil bewirkt, dass aus einer formell zulässigen und materiell unzulässigen Zwangs5 A. Blomeyer AcP 165 (1965) 481, 483. 6 Stein/Jonas/Münzberg § 767 Rdn. 1; Baur/Stürner/Bruns Rdn. 45.39. 7 Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Raebel § 767 Rdn. 11; Thomas/Putzo/Seiler § 767 Rdn. 1; a.A. noch RGZ 153, 216, 218, und aus der neueren Literatur Stamm Prinzipien und Grundstrukturen des Zwangsvollstreckungsrechts, S. 563; Baur/ Stürner/Bruns Rdn. 45.24; ähnlich MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 767 Rdn. 2 („funktioniert teilweise (…) wie ein eine Fortsetzung des Prozesses“). Diese Vorstellung versagt im Übrigen bei den nicht durch oder im Rahmen eines Prozesses geschaffenen Titeln, auf die § 767 ebenfalls Anwendung findet. 8 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 767 Rdn. 39. 9 Vgl. zum Sprachgebrauch Gaul/Schilken/Becker-Eberhard § 40 Rdn. 6. 10 Nelle Anspruch, Titel und Vollstreckung, S. 13. 11 A. Blomeyer AcP 165 (1965) 481, 486 ff. 12 Stamm Prinzipien und Grundstrukturen des Zwangsvollstreckungsrechts, S. 555 ff. 13 BGHZ 22, 54, 56; BGHZ 85, 367, 371; BGHZ 118, 229, 236; BGH NJW-RR 2008, 1512, 1513; Stein/Jonas/Münzberg § 767 Rdn. 2; Anders/Gehle/Hunke § 767 Rdn. 4; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 40 Rdn. 13; Brox/Walker Rdn. § 44 Rdn. 2; Baur/Stürner/Bruns Rdn. 45.3; Lippross/Bittmann § 47 Rdn. 1. 14 A.A. Stamm Prinzipien und Grundstrukturen des Zwangsvollstreckungsrechts, S. 562 Fn. 238. 15 Nicht verkannt werden soll dabei, dass die Vorschrift insoweit bereits mit § 691 Nr. 1 CPO von 1877 übereinstimmt und der historische Gesetzgeber noch nicht zwischen Leistungs-, Feststellungs- und Gestaltungsklagen differenziert hat. Spohnheimer

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vollstreckung auch eine formell unzulässige Zwangsvollstreckung wird. Es stellt im Ergebnis die Kohärenz zwischen der formellen Berechtigung aus dem Vollstreckungstitel und der materiellen Berechtigung aus dem Anspruch (im Zeitpunkt der Entscheidung über die Vollstreckungsabwehrklage) wieder her, die wegen der Formalisierung des Zwangsvollstreckungsverfahrens zunächst zurücktreten musste. Doch ist diese Einordnung der gesetzgeberischen Entscheidung geschuldet. Dass die Vollstreckungsabwehrklage es dem Schuldner letztlich abnimmt, einen Unterlassungsanspruch geltend zu machen, lässt sich nicht leugnen.16 Schließlich ist es der Gläubiger, der den Vollstreckungsantrag zurücknehmen könnte und zurücknehmen müsste, wenn die Einwendung gegen den titulierten Anspruch dem Titel die materiellrechtliche Grundlage entzieht und die Zwangsvollstreckung damit materiell unrechtmäßig wird. Mittelbar kommt das auch zum Ausdruck, wenn man auf die Verteilung der Kosten in den §§ 91 ff. blickt. Hätte er im letztmöglichen Moment, in dem noch ein sofortiges Anerkenntnis möglich ist, von der weiteren Vollstreckung abgelassen, müsste er die Kosten nicht tragen. Das kann man als Sanktion einer Pflicht- bzw. Obliegenheitsverletzung deuten. Die Vollstreckungsabwehrklage ist darauf zu richten, die Zwangsvollstreckung als solche aus 6 dem Titel (ganz oder teilweise) für unzulässig zu erklären.17 Sie hat – anders als die Drittwiderspruchsklage, die Klage auf vorzugsweise Befriedigung, ebenso wie zuweilen die Vollstreckungserinnerung und die sofortige Beschwerde – keinen Bezug zu einer bestimmten Vollstreckungsmaßnahme.18 Das Gestaltungsurteil nimmt dem Vollstreckungstitel seine Vollstreckbarkeit.19 Es lässt dabei aber die formelle Rechtskraft des Vollstreckungstitels unberührt und durchbricht die materielle Rechtskraft nicht.20 Zu einer Neuentscheidung über den Anspruch kommt es nicht.21 Dem trägt nach h.M. (s. Rdn. 77) auch § 767 Abs. 2 ZPO Rechnung: Der Schuldner kann nur solche Einwendungen geltend machen, die erst nach dem Eintritt der Rechtskraft nachträglich entstanden sind.22 Das ist auch folgerichtig: Denn mit einem rechtskräftigen Urteil steht nur fest, dass im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung der materiellrechtliche Anspruch einwendungsfrei bestand. Daher erlangt die Vollstreckungsabwehrklage in den Fällen Bedeutung, in denen die Gründe, die der Vollstreckung entgegenstehen, die die Vollstreckung als materiell unberechtigt erscheinen lassen, erst nach dem Eintritt der Rechtskraft des Leistungsurteils entstanden sind. Das Urteil über die Vollstreckungsabwehrklage entscheidet aber nicht darüber, ob der Anspruch noch besteht und noch durchsetzbar ist. Wollen die Parteien diese Frage rechtskräftig entschieden haben, muss eine Zwischenfeststellungsklage (§ 256 Abs. 2) erhoben werden.23

II. Anwendungsbereich 1. Vollstreckbare Urteile Von § 767 unmittelbar erfasst werden Urteile, soweit sie vollstreckbar sind. Das sind rechtskräftige 7 oder für vorläufig vollstreckbar erklärte Teil- bzw. Endurteile.24 Sie müssen zudem einen voll-

16 Ähnlich auch Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Raebel § 767 Rdn. 12: Gestaltungsklage mit darunter liegendem Unterlassungsanspruch gegen den Gläubiger. BeckOK/Preuß § 767 Rdn. 2; Stein/Jonas/Münzberg § 767 Rdn. 7; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 40 Rdn. 11. BGH NJOZ 2005, 3992, 3994; BGH NJW 1960, 2286, 2287; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 40 Rdn. 11. BGHZ 55, 255, 259; BGHZ 118, 229, 231; Baur/Stürner/Bruns Rdn. 45.3; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 40 Rdn. 12. BGHZ 176, 35, 40 f.; MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 767 Rdn. 39; Brox/Walker § 44 Rdn. 2. Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 40 Rdn. 12; a.A. Blomeyer VV § 33 VII 1. Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 40 Rdn. 4. Stein/Jonas/Münzberg § 767 Rdn. 5; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 40 Rdn. 14. MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 767 Rdn. 25; BeckOK/Preuß § 767 Rdn. 5.

17 18 19 20 21 22 23 24

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Achtes Buch – Zwangsvollstreckung

streckbaren Inhalt haben. Eine Vollstreckungsabwehrklage gegen Feststellungs- und Gestaltungsurteile kommt nicht in Betracht.25

2. Weitere Vollstreckungstitel und Besonderheiten im Überblick 8 Kraft Verweisung in § 795 S. 1 findet die Vollstreckungsabwehrklage auch Anwendung bei der Zwangsvollstreckung aus den weiteren Vollstreckungstiteln nach § 794. In diesen Fällen bestehen vielfach Besonderheiten, insbesondere im Hinblick auf die gerichtliche Zuständigkeit und die Präklusionsregel des § 767 Abs. 2.26

9 a) Prozessvergleich (§ 794 Abs. 1 Nr. 1). Bei einem vollstreckbaren Prozessvergleich kommt eine Vollstreckungsabwehrklage in Betracht, wenn er das Verfahren beendet hat; sonst ist die Unwirksamkeit des Prozessvergleichs im Ausgangsverfahren geltend zu machen, das dann fortzusetzen ist. Für eine Klage nach § 767 fehlt in diesen Fällen das Rechtsschutzbedürfnis.27 Mit der Klage nach § 767 können aber die Einwendungen geltend gemacht werden, die nach Abschluss des Prozessvergleichs entstanden sind. § 767 Abs. 2 findet hier keine Anwendung.28

10 b) Kostenfestsetzungsbeschluss (§ 794 Abs. 1 Nr. 2). Die Vollstreckbarkeit eines Kostenfestsetzungsbeschlusses kann mit der Vollstreckungsabwehrklage angegriffen werden. § 767 Abs. 2 findet keine Anwendung, auch nicht im Wege einer Analogie.29 Wird die Zwangsvollstreckung aus dem einem Kostenfestsetzungsbeschluss zugrundliegenden Urteil für unzulässig erklärt, erstreckt sich das grundsätzlich nicht auf den Kostenfestsetzungsbeschluss.30

11 c) Notarielle Unterwerfungserklärung (§ 794 Abs. 1 Nr. 5). Bei notariellen Urkunden, in denen sich der Schuldner der Zwangsvollstreckung unterworfen hat, kommt der Vollstreckungsabwehrklage große praktische Bedeutung zu.31 Die Präklusionsvorschrift des § 767 Abs. 2 findet gem. § 797 Abs. 4 keine Anwendung. Die der Urkunde zugrundeliegende Forderung ist in vollem Umfang und ohne dass sich die Beweislast ändert, zu überprüfen.32 § 797 Abs. 5 trifft eine besondere Regelung für die örtliche Zuständigkeit, weil es bei diesen Titeln an einem Prozessgericht des ersten Rechtszugs fehlt: Zuständig ist hier das Gericht, bei dem der Schuldner seinen allgemeinen Gerichtsstand hat.

12 d) Europäische Titel. Auch bei Titeln, die in Verfahren auf der Grundlage Europäischer Verordnungen ergangen sind, findet die Vollstreckungsabwehrklage Anwendung. Unzweifelhaft ist das der Fall bei Europäischen Zahlungsbefehlen, die im europäischen Mahnverfahren erwirkt wurden 25 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 767 Rdn. 25; BeckOK/Preuß § 767 Rdn. 5; Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Raebel § 767 Rdn. 13; Baur/Stürner/Bruns Rdn. 45.5; a.A. Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 40 Rdn. 25 und Stein/Jonas/ Münzberg § 771 Rdn. 8 (anwendbar bei prozessualen Gestaltungsurteilen [„Gegenklage gegen eine Gegenklage“], nicht aber bei privatrechtsgestaltenden Gegenklagen). 26 BeckOK/Preuß § 767 Rdn. 7; Lackmann/Racz Rdn. 486. 27 BGH NJW 1971, 467 f.; MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 767 Rdn. 27; a.A. Baur/Stürner/Bruns Rdn. 45.7 (Wahlrecht des Schuldners). 28 Nelle Anspruch, Titel und Vollstreckung, S. 13. 29 BGH NJW 1994, 3292, 3293; MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 767 Rdn. 28. 30 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 767 Rdn. 28; BeckOK/Preuß § 767 Rdn. 8. Vgl. dazu BGH NJW 1995, 3318, 3319. 31 BeckOK/Preuß § 767 Rdn. 9. 32 BGH MDR 2023, 654 Rdn. 17 (dort aber insoweit nicht abgedruckt). Spohnheimer

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und bei Vollstreckungstiteln, die in Verfahren nach der Verordnung 1215/2012/EU ergangen sind. Hier folgt die Statthaftigkeit der Vollstreckungsabwehrklage für erstere aus § 1095 Abs. 2, für letztere aus § 1117. § 1117 Abs. 1 bestimmt das zuständige Gericht und § 1117 Abs. 2 schließt in bestimmten Fällen die Präklusion aus. Auch § 1095 Abs. 2 enthält eine besondere Präklusionsregel. Das setzt die Anwendbarkeit der Vollstreckungsabwehrklage voraus und stellt es damit mittelbar auch klar. Unklar ist indessen, ob in den Fällen des § 794 Abs. 1 Nr. 7 (Europäischer Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen) und den Fällen des § 794 Abs. 1 Nr. 8 (Titel aus Verfahren für geringfügige Forderungen) eine Vollstreckungsabwehrklage statthaft ist. Doch wird man das bejahen müssen. Allerdings kommt der Präklusionsregel von § 767 Abs. 2 noch größere Bedeutung zu, denn das Verbot der révision au fond darf nicht unterlaufen werden.

e) Vollstreckungsurteile (§§ 722 f.). Auch Einwendungen gegen die Vollstreckbarkeit eines 13 Vollstreckungsurteils nach §§ 722 f. sind mit der Vollstreckungsabwehrklage geltend zu machen.33 Als Prozessgericht des ersten Rechtszugs ist das Gericht zuständig, das erstinstanzlich über den Erlass des Vollstreckungsurteils entschieden hat. Ob Einwendungen nach § 767 Abs. 2 ausgeschlossen sind, bestimmt die h.M. danach, ob der Schuldner seine Einwendungen gegen den Anspruch hätte im Exequaturverfahren geltend machen können, was auf alle nach dem maßgeblichen ausländischen Präklusionszeitpunkt entstanden Einwendungen zutreffe.34 Auch wenn das – anders als im Anwendungsbereich von §§ 12, 14 AVAG – nicht ausdrücklich normiert ist, dient es der Verfahrenskonzentration und bewahrt den Schuldner davor, dass ein Vollstreckungstitel geschaffen wird, obwohl der vom ausländischen Gericht titulierte, materiellrechtliche Anspruch zwischenzeitlich nicht mehr einwendungsfrei ist. Die Regeln in den §§ 722 f. stehen dem nicht entgegen. Denn § 723 Abs. 1 wird dadurch Rechnung getragen, dass man nur Einwendungen zulässt, die nach dem maßgeblichen ausländischen Präklusionszeitpunkt entstanden sind und § 723 Abs. 2 bestimmt nur, wann eine Entscheidung nicht oder noch nicht für vollstreckbar erklärt werden darf.

f) Titel im einstweiligen Rechtsschutz. Nicht statthaft ist die Vollstreckungsabwehrklage 14 gegen Arreste und einstweilige Verfügungen. Hier ist das Aufhebungsverfahren nach §§ 927, 936 vorrangig.35 Anderes gilt nach zutreffender Auffassung, wenn ausnahmsweise eine Leistungsverfügung ergangen ist.36 Wenn die Vollstreckungsabwehrklage gegen eine solche vereinzelt für unzulässig gehalten wird, jedenfalls, wenn sie nicht auf eine Geldleistung gerichtet ist,37 überzeugt das nicht. Zwar ist dieser Ansicht zuzugestehen, dass eine einstweilige Verfügung den Anspruch nicht feststelle, doch darf man sich von diesem vermeintlichen Wortlautargument nicht täuschen lassen: Eine Leistungsverfügung nimmt – und deshalb wird von ihr zu Recht nur restriktiv Gebrauch gemacht – die Hauptsache in weiten Teilen vorweg. Sie stellt zwar den Anspruch noch nicht verbindlich fest, verpflichtet den Schuldner aber gleichwohl schon zu einer Leistung. Insoweit trifft sie den Schuldner, gerade wenn eine Vollstreckungsmaßnahme zu besorgen ist, noch härter als ein Leistungsurteil. Zudem will der Wortlaut von § 767 Abs. 1 zuvorderst jene Einwendungen beschreiben, die überhaupt mit der Vollstreckungsabwehrklage geltend gemacht werden können, und zugleich sicherstellen, dass die Rechtskraft der Entschei33 MünchKomm/Gottwald § 722 Rdn. 60; BeckOK/Bach § 722 Rdn. 33. 34 MünchKomm/Gottwald § 722 Rdn. 59; Zöller/Geimer § 722 Rdn. 104; ebenso Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Jennissen/Eichel § 723 Rdn. 9, die allerdings wenig überzeugend annehmen, dass das aus § 767 Abs. 3 folgt. Das trifft indessen nicht zu, weil die Klage nach § 722 keine Vollstreckungsabwehrklage ist und sie auch nicht vom Schuldner erhoben wird. 35 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 767 Rdn. 37; Lackmann/Racz Rdn. 496. 36 BGHZ 24, 269, 273; MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 767 Rdn. 37; Lackmann/Racz Rdn. 496. 37 LG Saarbrücken, Urt. v. 27.10.2017 – 1 O 60/17. 331

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dung nicht durchbrochen wird. Deshalb kann es auf die Frage, ob ein Anspruch festgestellt wurde, für die Zulässigkeit der Vollstreckungsabwehrklage nicht ankommen. Soweit man (ergänzend) darauf abstellt, dass die §§ 887, 888 vorrangig zu berücksichtigen seien, überzeugt das nicht, weil sie das Rechtsschutzbedürfnis für eine Vollstreckungsabwehrklage nicht entfallen lassen (s. Rdn. 56 f.). Bei der Vollstreckung aus einem Arrest oder einer einstweiligen Verfügung kann insoweit nichts anderes gelten.

15 g) Schiedssprüche. Ebenfalls nicht statthaft ist eine Vollstreckungsabwehrklage gegen einen Schiedsspruch. Denn sie soll einem Vollstreckungstitel die Vollstreckbarkeit nehmen. Ein Schiedsspruch hat zwar nach § 1055 ZPO die Wirkungen eines rechtskräftigen Urteils. Doch ist er selbst kein Vollstreckungstitel. Die Zwangsvollstreckung findet nur aus der Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs (§ 794 Abs. 1 Nr. 4a) statt. Deshalb ist eine Vollstreckungsabwehrklage unzulässig, bevor der Schiedsspruch für vollstreckbar erklärt wurde.38 Die Gegenansicht,39 die die Vollstreckungsabwehrklage jedenfalls für zulässig hält, solange noch kein Antrag auf Vollstreckbarerklärung gestellt wurde, überzeugt nicht, weil der Gesetzgeber die Gleichstellung von Schiedsspruch und rechtskräftigem gerichtlichem Urteil eben nicht vollständig vorgenommen und die Möglichkeit der Zwangsvollstreckung davon ausgenommen hat. (s. dazu auch noch Rdn. 91).

3. Anwendung auf Titel aus Verfahren außerhalb der ZPO 16 § 767 findet Anwendung, wenn ein Titel zwar nicht nach den Vorschriften der ZPO ergangen ist, wohl aber nach ihnen vollstreckt wird.40 Deshalb ist die Vollstreckungsabwehrklage auch zulässig bei Zuschlagsbeschlüssen gem. § 93 ZVG und § 132 Abs. 2 ZVG,41 ebenso bei einem Teilungsplan gem. § 115 Abs. 3 ZVG bzw. § 156 Abs. 2 S. 4 ZVG.42 Einwendungen gegen nach § 178 Abs. 3 InsO in der Insolvenztabelle festgestellte Forderungen sind ebenfalls mit § 767 geltend zu machen.43 In diesen Fällen entscheidet das Insolvenzgericht. § 767 Abs. 2 findet insoweit Anwendung als es auf den Prüfungstermin oder den im schriftlichen Verfahren bestimmten Termin ankommt.44 Auch gegen die Vollstreckbarkeit von Beschlüssen der freiwilligen Gerichtsbarkeit ist die Vollstreckungsabwehrklage zulässig, wenn sie nach der ZPO vollstreckt werden.45 Hierunter fallen Beschlüsse und Vereinbarungen nach §§ 95 Abs. 1, 371 Abs. 2 S. 2 sowie § 409 Abs. 2 und Abs. 3 FamFG. Gegen die Vollstreckung aus von der Rechtsanwaltskammer geschaffenen Vollstreckungstiteln, die nach der ZPO vollstreckt werden (§ 84 BRAO), ist die Vollstreckungsabwehrklage ebenfalls statthaft.46 § 767 ist auch anwendbar bei einer Vollstreckung aus einem Beschluss, der die Vergütung nach § 11 RVG festsetzt.47 Allerdings gilt § 767 nicht im Justizbeitreibungsverfahren. § 8 Abs. 2 JBeitrO normiert aber eine sinngemäße Geltung von § 767, wenn Einwendungen auf Grund der §§ 781–784 und 786 geltend gemacht werden. Auch verwaltungsgerichtliche Entscheidungen werden gem. § 168 Abs. 1 VwGO nach den Vorschriften der ZPO vollstreckt. Dann ist 38 MünchKomm/Münch § 1060 Rdn. 39. 39 Stein/Jonas/Schlosser § 1063 Rdn. 18; Musielak/Voit/Voit § 1060 Rdn. 13; MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 767 Rdn. 10. Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 40 Rdn. 28. OLG Schleswig ZIP 1982, 160, 161; LG Berlin, Urt. v. 21.9.2009 – 67 S 107/09; LG Ulm NJW-RR 1987, 511. BGHZ 77, 107, 109; BGHZ 113, 169, 172; Kindl/Meller-Hannich/Wolf/Sievers § 115 ZVG Rdn. 9. BGH NJW-RR 2013, 757, 758; BGH NJW 2006, 2922, 2923; BGHZ 113, 381, 383 f. (noch zu § 142 Abs. 2 KO); Prütting/ Gehrlein/Scheuch § 771 Rdn. 3; Baur/Stürner/Bruns Rdn. 45.7. 44 BGH NJW-RR 2013, 757, 758. 45 Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 40 Rdn. 28. 46 BGHZ 55, 255, 256 f. 47 BGH NJW 1997, 743 (noch zu § 19 BRAGO).

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die Vollstreckungsabwehrklage ebenfalls eröffnet.48 Das gilt auch für die Vollstreckung aus in einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren geschlossenen Prozessvergleichen.49 Nicht statthaft ist die Vollstreckungsabwehrklage nach h.M. gegen die Vollstreckung aus einem bestandskräftig gewordenen Verwaltungsakt.50 Obwohl notarielle Kostenrechnungen (§ 19 GNotKG) gem. § 89 GNotKG nach den Vorschrif- 17 ten der ZPO vollstreckt werden, können Einwendungen nicht mit einer Vollstreckungsabwehrklage, sondern nur mit der Notarkostenbeschwerde (§§ 127 ff. GNotKG) geltend gemacht werden.51 Sie ist gegenüber der Vollstreckungsabwehrklage der speziellere Rechtsbehelf und dass Einwendungen, die auf nach der Zustellung der Kostenrechnung entstandenen Gründen beruhen, damit geltend gemacht werden können, zeigt § 127 Abs. 2 S. 2 GNotKG.

III. Statthafte Einwendungen und Abgrenzung zu anderen Rechtsbehelfen 1. Statthafte Einwendungen Der Kläger muss mindestens eine Einwendung aus dem materiellen Recht gegen den festgestellten 18 Anspruch geltend machen.52 Dann ist die Klage auch zulässig, wenn der Titel unwirksam ist.53 In diesem Fall prüft das Gericht aber die Wirksamkeit oder Unwirksamkeit des Titels auch nicht.54 Das kann allenfalls Gegenstand einer Titelgegenklage sein (s. dazu ausf. Rdn. 116 ff.). Kommt es dem Kläger auch darauf an, die Unwirksamkeit des Vollstreckungstitels geltend zu machen, kann die Vollstreckungsabwehrklage mit einer Titelgegenklage analog § 767 verbunden werden.55 Sie müssen dann allerdings in ein Eventualverhältnis gesetzt werden (s. Rdn. 122). Wendet sich der Kläger ausschließlich gegen die Unwirksamkeit des Titels, ist nicht die Vollstreckungsabwehrklage, sondern nur die Titelgegenklage analog § 767 statthaft. Einwendungen aus Vollstreckungsvereinbarungen können und müssen mit einer Vollstre- 19 ckungsabwehrklage analog § 767 geltend gemacht werden (s. § 766 Rdn. 44 ff.).56 Das gilt auch in den Fällen, in denen sie der Zwangsvollstreckung (vermeintlich57) offensichtlich entgegenstehen. Eine Vollstreckungserinnerung gem. § 766 kommt nicht in Betracht.

2. Abgrenzung zur Vollstreckungserinnerung und zur sofortigen Beschwerde Mit der Vollstreckungserinnerung und der sofortigen Beschwerde können Verfahrensfehler gel- 20 tend gemacht werden, die die Art und Weise der Zwangsvollstreckung betreffen. Diese Einwen48 Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 40 Rdn. 29 m.w.N. 49 BVerwG NJW 1992, 191, 192; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 40 Rdn. 29. 50 BVerwG JZ 1967, 701 f.; VGH Mannheim NVwZ 1993, 72, 73; a.A. OVG Münster NJW 1965, 1346; Gaul/Schilken/BeckerEberhard ZVR § 40 Rdn. 29.

51 OLG Düsseldorf NJOZ 2002, 1837, 1839; OLG Oldenburg MDR 1997, 394; Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Raebel § 767 Rdn. 5 (alle noch zu § 156 KostO); BeckOK-KostenR/Schmidt-Räntsch GNotKG § 127 Rdn. 4 m.w.N.; a.A. wohl LG Kleve, Beschl. v. 25.8.2014 – 4 OH 2/14 (Vollstreckungsabwehrklage jedenfalls bei Aufrechnung mit einer rechtswegfremden Forderung). 52 Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 40 Rdn. 37. 53 Offen lassend BGHZ 118, 229, 232. 54 BGHZ 118, 229, 235 f. 55 Nach der Rechtsprechung handelt es sich um zwei Streitgegenstände, die kumulativ geltend gemacht werden können (vgl. etwa BGHZ 124, 164, 170; a.A. Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 40 Rdn. 32; K. Schmidt FG 50 Jahre BGH III, S. 491, 517). 56 BGH NJW 2017, 2202. 57 Krit. zur Frage, ob sich die Wirksamkeit einer Vollstreckungsvereinbarung offensichtlich beantworten lässt, auch Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Walker/Thole § 766 Rdn. 15. 333

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dungen können nicht mit der Vollstreckungsabwehrklage geltend gemacht werden.58 Umgekehrt können materiellrechtliche Einwendungen grundsätzlich nicht mit der Vollstreckungserinnerung geltend gemacht werden, weil sie das Vollstreckungsorgan wegen der Formalisierung der Zwangsvollstreckung grundsätzlich nicht zu beachten hat (s. Rdn. 1). Nur wenn die materiellrechtlichen Einwendungen für das Vollstreckungsorgan ausnahmsweise beachtlich sind, kommt eine Vollstreckungserinnerung in Betracht. Insoweit sind dann beide Rechtsbehelfe nebeneinander und nacheinander statthaft.59 Dass eine Erinnerung in Betracht kommt, lässt das Rechtsschutzinteresse für eine Vollstreckungsabwehrklage wegen der gänzlich anderen Urteilswirkungen nicht entfallen.60 Das kann allenfalls dann gelten, wenn der Schuldner mit der Vollstreckungserinnerung sein Rechtsschutzziel schon erreicht hat. 21 Einwendungen aus Vollstreckungsvereinbarungen sind mit der Vollstreckungsabwehrklage und nicht mit einer Vollstreckungserinnerung geltend zu machen (s. Rdn. 19 und § 766 Rdn. 44 ff.). 22 Auch eine Restschuldbefreiung gem. § 301 InsO ist mit der Vollstreckungsabwehrklage geltend zu machen und vom Vollstreckungsorgan nicht schon vor einer Entscheidung von Amts wegen zu beachten, sodass auch hier eine Vollstreckungserinnerung ausscheidet.61

3. Abgrenzung zur Drittwiderspruchsklage und zur Klage auf vorzugsweise Befriedigung 23 Beide Klagen verfolgen ein anderes Ziel. Es geht nicht darum, die Zwangsvollstreckung aus dem Vollstreckungstitel insgesamt für unzulässig zu erklären, sondern im Falle von § 771 die Zwangsvollstreckung in einen bestimmten Gegenstand, an dem ein Dritter ein die Veräußerung hinderndes Recht hat. Im Fall des § 805 geht es darum, dass der Inhaber eines Pfand- oder Vorzugsrechts vorzugsweise aus dem Erlös der Vollstreckung befriedigt wird.

4. Abgrenzung zur Klauselerinnerung und zur Klauselgegenklage 24 Klauselerinnerung und Klauselgegenklage ist gemeinsam, dass sie darauf gerichtet sind, die Zwangsvollstreckung aus einer Vollstreckungsklausel für unzulässig zu erklären. Die Vollstreckungsabwehrklage ist indes darauf gerichtet, die Zwangsvollstreckung aus dem Titel für unzulässig zu erklären. Mit der Klauselerinnerung können – vergleichbar der Vollstreckungserinnerung nach § 766 – formelle Einwendungen gegen die Erteilung der Vollstreckungsklausel geltend gemacht werden. Mit der Klauselgegenklage kann der Betroffene materiellrechtliche Einwendungen gegen die Erteilung einer qualifizierten Vollstreckungsklausel geltend machen, die der Rechtspfleger wegen der Formalisierung des Klauselerteilungsverfahrens nicht berücksichtigen konnte (s. § 768 Rdn. 1). Abgrenzungsschwierigkeiten bereiten die Fälle, in denen sich ein Einwand sowohl gegen die Voraussetzungen der Vollstreckungsklausel als auch gegen den titulierten Anspruch richten kann. Virulent wird das insbesondere bei Verfallklauseln. Sie gewähren dem Schuldner einen Vollstreckungsaufschub der geschuldeten Gesamtsumme, die sofort vollstreckbar wird, wenn der Schuldner in Verzug gerät. Weil man in diesen Fällen dem Gläubiger nicht die Last aufbürden will, den Verzugseintritt zu beweisen, sind die Voraussetzungen der Verfallsklausel nicht im Klauselerteilungsverfahren zu prüfen, sodass dort zunächst eine einfache Klausel zu erteilen ist und der Schuldner mit der Vollstreckungsabwehrklage geltend ma58 59 60 61

BeckOK/Preuß § 767 Rdn. 61; Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Raebel § 767 Rdn. 3. MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 767 Rdn. 7; BeckOK/Preuß § 767 Rdn. 61; Lackmann/Racz Rdn. 488. MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 767 Rdn. 7. H.M.; BGH NJW 2008, 3640, 3641; MünchKomm-InsO/Stephan § 301 Rdn. 21; Braun/Pehl InsO § 301 Rdn. 6; Pape/ Reichelt/Schultz/Voigt-Salus/Voigt-Salus InsR § 40 Rdn. 143. Spohnheimer

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chen muss, dass die Voraussetzungen der Verfallsklausel nicht eingetreten sind und ihm so eine vollstreckungshindernde Einwendung i.S.v. § 767 zusteht.62 Entsprechendes gilt für sog. Wegfallklauseln, mit denen dem Schuldner eine Schuld teilweise erlassen wird, wenn er fällige Raten ordnungsgemäß zahlt.63 Macht der Betroffene geltend, dass es an einem wirksamen Vollstreckungstitel fehlt, liegt 25 nahe, dass man darin eine Verletzung der Prüfungspflicht im Klauselerteilungsverfahren erblickt, die mit der Klauselerinnerung nach § 732 geltend zu machen wäre. Doch wird in solchen Fällen nach mittlerweile h.M. eine Titelgegenklage analog § 767 zugelassen (s. dazu ausf. Rdn. 116 ff.).

5. Abgrenzung zur Berufung Mit der Berufung soll erreicht werden, dass eine gerichtliche Entscheidung nicht in Rechtskraft 26 erwächst. Die Vollstreckungsabwehrklage lässt die Rechtskraft der Entscheidung unberührt und wendet sich nur gegen die Vollstreckbarkeit des titulierten Anspruchs aufgrund materiellrechtlicher Einwendungen. Deshalb sind Berufung und Vollstreckungsabwehrklage auf unterschiedliche Rechtsschutzziele gerichtet. Je nachdem, welches Rechtsschutzziel der Betroffene verfolgt, kann er zwischen beiden Rechtsbehelfen wählen.64 Zeitlich ist das wegen § 767 Abs. 2 einerseits und § 517 andererseits allerdings eingeschränkt: Ist die Einwendung vor dem Schluss der letzten mündlichen Verhandlung entstanden, kann sie nur mit der Berufung geltend gemacht werden (§ 767 Abs. 2). Ist sie nach Ablauf der Berufungsfrist entstanden, kann sie nur noch mit der Vollstreckungsabwehrklage geltend gemacht werden (§ 517). Nur wenn die Einwendung zwischen dem Schluss der letzten mündlichen Verhandlung und dem Ablauf der Berufungsfrist entstanden ist, kann der Schuldner wählen.65 Zwar hat die Berufung nicht allgemein Vorrang.66 Hat der Schuldner aber eine Berufung eingelegt, fehlt ihm für eine Vollstreckungsabwehrklage regelmäßig das Rechtsschutzbedürfnis.67 Es besteht nur ausnahmsweise, wenn er eine Einwendung geltend machen will, die er aus Rechtsgründen im Berufungsverfahren nicht geltend machen kann.68 Umgekehrt bleibt die Berufung als weitergehender Rechtsbehelf auch dann zulässig, wenn bereits eine Vollstreckungsabwehrklage erhoben wurde.69

6. Abgrenzung zur Abänderungsklage Abänderungsklage und Vollstreckungsgegenklage schließen einander für denselben Streitgegen- 27 stand aus.70 Der Schuldner hat kein Wahlrecht und muss die Klageart wählen, die seinem

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Leyendecker JA 2010, 631, 634. Saenger/Ullrich/Siebert/Gierl § 767 Rdn. 8. BeckOK/Preuß § 767 Rdn. 65; Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Raebel § 767 Rdn. 18. Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 40 Rdn. 83; Baur/Stürner/Bruns Rdn. 45.13; Zöller/Herget § 771 Rdn. 4. A.A. Brox/Walker § 44 Rdn. 20 unter Hinweis auf die Entstehungsgeschichte der Norm: Der Schuldner soll nicht Berufung einlegen müssen, wenn er sein Ziel auch durch eine Vollstreckungsabwehrklage erreichen kann. 66 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 767 Rdn. 14. 67 BAG NZA 1985, 709, 710; OLG Frankfurt, Beschl. v. 30.9.2005 – 19 W 42/05; OLG Frankfurt NJW-RR 1992, 31, 32; MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 767 Rdn. 14; BeckOK/Preuß § 767 Rdn. 65; Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Raebel § 767 Rdn. 18; Zöller/Herget § 767 Rdn. 4; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 40 Rdn. 85; Lackmann/Racz Rdn. 492. 68 BAG NZA 1985, 709, 710; Brox/Walker § 44 Rdn. 22. 69 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 767 Rdn. 14; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 40 Rdn. 85; Brox/Walker § 44 Rdn. 21. 70 BGHZ 173, 35, 40; BGHZ 163, 187, 189; Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Raebel § 767 Rdn. 6; Prütting/Gehrlein/Scheuch § 767 Rdn. 9; Anders/Gehle/Hunke § 767 Rdn. 16. 335

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Rechtsschutzbegehren am ehesten entspricht.71 Während die Vollstreckungsabwehrklage die Rechtskraft des Vollstreckungstitels unberührt lässt (s. Rdn. 6), ist die Abänderungsklage darauf gerichtet, die Rechtskraft einer Entscheidung zu durchbrechen.72 Sie beschränkt sich auf die Zeit nach Erhebung der Klage (§ 323 Abs. 4). Vielfach bereitet die Abgrenzung in der Praxis erhebliche Schwierigkeiten. Durchgesetzt hat sich folgende Abgrenzungsregel: Eine Abänderungsklage ist der zutreffende Rechtsbehelf, wenn sich Umstände geändert haben, die sich von vornherein als wandelbar darstellen und ein quantitatives Element haben; punktuelle Ereignisse sind hingegen mit der Vollstreckungsabwehrklage geltend zu machen.73 Bei der Abänderungsklage geht es also darum, Fehlprognosen zu korrigieren.74 Damit ist die Vollstreckungsabwehrklage insbesondere bei den praktisch bedeutsamen Fällen der Unterhaltsneuberechnung (auch bei Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse) in beide Richtungen nicht anwendbar.75 Wohl aber kann mit § 767 geltend gemacht werden, dass nach einer rechtskräftigen Ehescheidung nicht mehr aus dem Urteil auf Trennungsunterhalt (§ 1361 BGB) vollstreckt werden darf.76 Ändert sich der einem Unterlassungsanspruch zugrundeliegende Sachverhalt, findet § 323 weder direkt noch entsprechend Anwendung. Vielmehr ist dieser Einwand mithilfe einer Vollstreckungsabwehrklage geltend zu machen.77 In Zweifelsfällen kommt eine Umdeutung bzw. Auslegung in Betracht, soweit für beide Kla28 gen dasselbe Gericht zuständig ist.78 Unter dieser Voraussetzung kann der Kläger auch eine Vollstreckungsabwehr- und hilfsweise eine Abänderungsklage erheben.79 Das ist auch in umgekehrter Reihenfolge möglich.80

7. Abgrenzung zur negativen Feststellungsklage 29 Neben einer Gestaltungsklage kann auch eine negative Feststellungsklage zulässig sein, mit der festgestellt werden soll, dass der titulierte Anspruch ganz oder teilweise nicht oder nicht mehr besteht.81 Beide Klagen können im Wege einer Zwischenfeststellungsklage auch miteinander verbunden werden.82 Wird die Feststellungsklage isoliert erhoben, muss aber das besondere Feststellungsinteresse (§ 256 Abs. 1) vorliegen. Nach dem BGH soll das Feststellungsinteresse fehlen, wenn der Kläger dieses Interesse damit begründet, dass der Gläubiger aus dem Titel vollstrecken will.83 Daran ist richtig, dass der hierfür statthafte Rechtsbehelf grundsätzlich die Vollstreckungsabwehrklage ist und nur sie zur Einstellung der Zwangsvollstreckung gegen den Willen des Gläubigers führen kann. Kommt es dem Schuldner nun gerade auf diese Rechtsfolge an, bleibt die Feststellungsklage hinter der Gestaltungsklage zurück. Dann fehlt – ebenso wie das im Verhältnis einer Feststellungsklage zur Leistungsklage der Fall ist – der Feststellungsklage ein entsprechendes Rechtsschutzbedürfnis. Gleiches muss auch dann gelten, wenn eine Vollstreckungsabwehrklage 71 Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Raebel § 767 Rdn. 6. 72 BGHZ 163, 187, 189; Lackmann/Racz Rdn. 490. 73 BGH NJW 1984, 2826; Lackmann/Racz Rdn. 490; von Sachsen Gessaphe Rdn. 517; Brox/Walker § 44 Rdn. 16; Leyendecker JA 2010, 631, 634. Brox/Walker § 44 Rdn. 15. Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Raebel § 767 Rdn. 6. Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Raebel § 767 Rdn. 6; BGHZ 78, 130, 136. BGHZ 176, 35, 38 ff.; BAG NZA 2012, 1179; BeckOK/Preuß § 767 Rdn. 19; Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Raebel § 767 Rdn. 6; Prütting/Gehrlein/Scheuch § 767 Rdn. 9. Ausf. Nachweise zur Gegenauffassung finden sich bei K. Schmidt JuS 2008, 657 Fn. 4. 78 BGH NJW-RR 2005, 371, 372. 79 BGH FamRZ 1979, 573, 575; OLG Köln NJW-RR 1989, 324, 325; Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Raebel § 767 Rdn. 6. 80 Baur/Stürner/Bruns Rdn. 45.41; Brox/Walker § 44 Rdn. 17. 81 BGH NJW 2009, 1671. 82 Kaiser NJW 2009, 1672; wohl a.A. BGH NJW 2009, 1671. 83 BGH NJW 2009, 1671, 1672.

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wegen § 767 Abs. 2 nicht erfolgreich wäre.84 Daher kann das besondere Feststellungsinteresse allenfalls in besonderen Fällen zu bejahen sein.85 Denn stets ist zu berücksichtigen, dass der Gläubiger einen Vollstreckungstitel in Händen hält, den er zunächst vollstrecken darf. Der Schuldner ist regelmäßig darauf verwiesen, wegen seiner Einwendungen Gegenansprüche geltend zu machen, die er seinerseits selbst durchsetzen muss. Das kann zwar dazu führen, dass beide wechselseitig Ansprüche geltend machen und im Ergebnis vollstrecken müssen. Doch würde die Zwangsvollstreckung erheblich an Schlagkraft verlieren, müsste sich der Gläubiger auch über die zeitliche Grenze des § 767 Abs. 2 hinaus mit Einwendungen des Schuldners auseinandersetzen. Deshalb kann man den Vollstreckungsversuch des Gläubigers auch nicht damit gleichsetzen, dass er sich zu Unrecht der dem Titel zugrunde liegenden Forderung berühmt und aus diesem Grunde das Feststellungsinteresse bejahen.86

8. Verlängerte Vollstreckungsabwehrklage Eine Klage auf Herausgabe des Erlöses bzw. auf Schadensersatz wegen unberechtigter Zwangsvoll- 30 streckung ist bis zur Beendigung der Zwangsvollstreckung unzulässig; der Schuldner ist in diesen Fällen auf die Vollstreckungsabwehrklage verwiesen.87 Erst nach Beendigung der Zwangsvollstreckung kann der Schuldner eine entsprechende Leistungsklage erheben. Hat er zuvor eine Vollstreckungsabwehrklage erhoben, bindet die Rechtskraft im nachfolgenden Verfahren (s. Rdn. 98 f.). Unterlässt er eine Vollstreckungsabwehrklage, kann sein Schadensersatzanspruch allerdings nach § 254 BGB zu kürzen sein.88

9. Klage auf Herausgabe des Titels analog § 371 BGB Im Wege einer Leistungsklage kann ein Anspruch auf Herausgabe der vollstreckbaren Ausferti- 31 gung analog § 371 BGB (s. dazu Rdn. 1 m. Fn. 2) geltend gemacht werden. Um die Voraussetzungen des § 767 nicht zu umgehen, ist eine solche Klage nur zulässig, wenn eine Vollstreckungsabwehrklage bzw. eine Titelgegenklage89 bereits rechtskräftig zugunsten des Klägers entschieden oder die Erfüllung der titulierten Forderung unstreitig ist.90 Sonst ist sie mit der Vollstreckungsabwehrklage zu verbinden.91 Die Wirkungen der Titelherausgabeklage gehen insofern über die Wirkungen der Vollstreckungsabwehrklage hinaus, weil der Gläubiger den Titel aus der Hand geben muss, während der Schuldner bei einer alleinigen, wenn auch erfolgreichen Vollstreckungsabwehrklage die Einstellung der Zwangsvollstreckung nur – zuweilen mehrfach und mühsam – über § 775 Nr. 1 erreichen kann.92

84 Im Ergebnis ebenso BGH NJW 2009, 1671, 1672; a.A. Kaiser NJW 2009, 1672, 1673; Thole JURA 2010, 605, 609, und Lackmann/Racz Rdn. 489, nach denen es sich um eine Frage der Begründetheit handelt. Weitergehend wohl Kaiser NJW 2009, 1672, 1673. So im Ergebnis Kaiser NJW 2009, 1672, 1673; Lackmann/Racz Rdn. 489. Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Raebel § 767 Rdn. 10; Lackmann/Racz Rdn. 489. MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 768 Rdn. 13 (zu § 768); a.A. Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Raebel § 767 Rdn. 46. 89 Zur Anwendung auf die Titelgegenklage Meller-Hannich LMK 2015, 367394 (sub 2e); zur Verbindung mit einer Titelgegenklage BGH NJW 2015, 1181 (Kaiser). 90 Kindl/Meller-Hannich/Wolf/Schneiders § 767 Rdn. 25; MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 767 Rdn. 20; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 16 Rdn. 9 m.w.N. 91 Meller-Hannich LMK 2015, 367394 (sub 2e). 92 BGHZ 127, 146, 149.

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10. Klage auf Unterlassung der Zwangsvollstreckung aus § 826 BGB 32 Unter engen Voraussetzungen lässt die Rechtsprechung eine auf § 826 BGB gestützte Leistungsklage auf Unterlassung der Zwangsvollstreckung zu, die die Rechtskraft durchbrechen soll.93 Voraussetzung eines solchen Unterlassungsanspruchs ist, dass die Ausnutzung des Titels, der der materiellen Rechtslage nicht entspricht, im Einzelfall als eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung anzusehen ist: Das wird bejaht, wenn der Gläubiger Kenntnis von der materiellen Unrichtigkeit des Titels hat und weitere Umstände hinzukommen, die es geboten erscheinen lassen, dass der Gläubiger seine ihm zwar rechtskräftig zugesprochene, aber ihm nach materiellem Recht nicht zukommende Rechtsposition aufgibt.94 Von einer Klage nach § 767 unterscheidet sie sich, dass sie die Rechtskraft durchbricht. Gerade deshalb sind an ihre Voraussetzungen hohe Anforderungen zu stellen. Abzulehnen ist die Rechtsprechung,95 die dem Betroffenen die Wahl zwischen der auf § 826 BGB gestützten Leistungsklage und der Restitutionsklage gibt.96 Im Schrifttum stößt sie bei namhaften Stimmen auf gänzliche Ablehnung.97

IV. Streitgegenstand 33 Die Vollstreckungsabwehrklage ist darauf gerichtet, die Vollstreckung aus dem Titel für unzulässig zu erklären. Die Prüfung beschränkt sich auf die Einwendungen, die der Schuldner geltend gemacht hat.98 Offenkundige Tatsachen können nicht von Amts wegen berücksichtigt werden.99 Insoweit besteht allgemein Einigkeit. Uneinigkeit besteht aber bei der Bestimmung des Streitgegenstandes, insbesondere wenn der Schuldner mehrere Einwendungen gegen den Anspruch erhebt, Einwendungen nachschiebt oder eine weitere Vollstreckungsabwehrklage anstrebt. Im Wesentlichen wird vertreten, dass der Streitgegenstand nur von der mit dem Antrag erstrebten Urteilswirkung bestimmt wird (eingliedrige Bestimmung) oder aber, dass er sowohl von der Urteilswirkung als auch der geltend gemachten Einwendung bestimmt wird (zweigliedrige Bestimmung). Doch wird diese Differenzierung nicht immer durchgehalten. Um im Einzelfall als unbillig empfundene Ergebnisse zu vermeiden, bestimmt man den Streitgegenstand für die Frage der Rechtshängigkeit und der Klageänderung gerne eingliedrig, will dann aber für die Fragen der Rechtskraft und des ne bis in idem auch die geltend gemachten Einwendungen berücksichtigen. Vor allem leidet die Diskussion um den „richtigen Streitgegenstand“ aber darunter, dass Viele nicht erst den Streitgegenstand, die damit verbundenen Rechtsfolgen und dann die Konsequenzen für den Einzelfall bestimmen, sondern anhand von Einzelfällen Rechtsfolgen diskutieren und daraus Rückschlüsse auf den Streitgegenstand ziehen.

1. Eingliedrige Bestimmung 34 Namhafte Vertreter im Schrifttum wollen den Streitgegenstand nur nach dem mit dem Antrag verfolgten Begehren bestimmen. Streitgegenstand der Vollstreckungsabwehrklage sei demnach die Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung aus dem Titel.100 Einzelne Einwendungen sind dann bloße

93 BGH NJW-RR 2012, 304, 305; BGH NJW 2002, 2940, 2943. 94 Kindl/Meller-Hannich/Wolf/Schneiders § 767 Rdn. 24. 95 BGHZ 50, 115, 120. 96 Rosenberg/Schwab/Gottwald ZPR § 162 Rdn. 8. 97 Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 40 Rdn. 174 m.w.N. 98 Baur/Stürner/Bruns Rdn. 45.33. 99 Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Raebel § 767 Rdn. 11. 100 Stein/Jonas/Münzberg § 767 Rdn. 54; MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 767 Rdn. 41; Bötticher JZ 1966, 614, 617. Spohnheimer

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Elemente der Klagebegründung101 bzw. bestimmen den im Prozess zu behandelnden Streitstoff.102 Jedenfalls solange das Nachschieben einer materiellrechtlichen Einwendung nicht zu einem anderen Urteilsausspruch führt – etwa unzulässig/derzeit unzulässig – liegt darin keine Klageänderung. Ob die nachgeschobenen Einwendungen zu berücksichtigen sind, bestimmt sich dann nach den Präklusionsvorschriften, nicht nach § 263. Das Geltendmachen mehrerer Einwendungen führt auch nicht zu einer objektiven Klagehäufung. Folglich muss der Schuldner seine Einwendungen auch nicht in ein Eventualverhältnis setzen.103 Wird die Klage abgewiesen, führt die Rechtskraft eigentlich dazu, dass der Schuldner mit allen Einwendungen präkludiert ist, die bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung entstanden waren. Einer Analogie zu § 767 Abs. 2 bedarf es dann nicht mehr.104 Doch wollen einige dieses harte Ergebnis abmildern. Sie sehen von der Rechtskraft der Entscheidung fremde, nicht mit dem Tatsachenkomplex abgeurteilte Einwendungen als nicht rechtskräftig aberkannt an.105

2. Zweigliedrige Bestimmung Nach der h.M., insbesondere auch nach der Rechtsprechung106 und ihr folgend einigen Stimmen 35 im Schrifttum,107 bestimmt sich der Streitgegenstand nach dem mit dem Antrag verfolgten Begehren und der geltend gemachten Einwendung. So verstanden ist der Streitgegenstand der Vollstreckungsabwehrklage die Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung wegen einer bestimmten materiellrechtlichen Einwendung gegen den titulierten Anspruch.108 Das Nachschieben einer Einwendung ist dann eine Klageänderung i.S.v. § 263. Sie setzt deshalb, sofern der Gläubiger nicht einwilligt, voraus, dass sie sachdienlich ist. Schwierigkeiten ergeben sich allerdings im Hinblick auf § 767 Abs. 3. Auch wenn man als maßgeblichen Zeitpunkt bei § 767 Abs. 3 nicht auf den Zeitpunkt der Klageerhebung sondern auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abstellt, läuft der Schuldner immer noch Gefahr, dass das Prozessgericht das Geltendmachen einer weiteren Einwendung in einem rechtshängigen Verfahren an § 263 scheitern lässt und ihm dann eine weitere Vollstreckungsabwehrklage wegen § 767 Abs. 3 verwehrt ist (s. dazu ausf. Rdn. 110 f.). Richtigerweise muss man einen zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff auch bei der Vollstre- 36 ckungsabwehrklage zugrunde legen. Dafür spricht zuvorderst, dass er auch bei Vollstreckungsabwehrklagen zu klaren Ergebnissen führt, insbesondere bei der Frage, inwieweit Einwendungen in einer späteren Vollstreckungsabwehrklage noch geltend gemacht werden können. Die Gefahr der Verfahrensverschleppung durch das Aufteilen der Einwendungen auf mehrere Verfahren ist im Hinblick auf § 767 Abs. 3 gering. Auch führt er zu klaren Ergebnissen bei der Frage der Rechtskraft und im Verhältnis zur Titelgegenklage analog § 767. Schwierigkeiten im Hinblick auf das Zusammenspiel von § 263 mit § 767 Abs. 3 lassen sich durch eine entsprechende Auslegung von § 263 lösen (s. Rdn. 110 f.). Das alles hat freilich einen Preis: Werden mehre Einwendungen gegen die Vollstreckbarkeit des Titels geltend gemacht, kommt es zu einer objektiven Klagehäufung. Richtigerweise muss man die verschiedenen Einwendungen dann in ein Eventualverhältnis setzen. Doch ist die Gefahr, insoweit zu unterliegen weniger schlimm als die Gefahr bei einer eingliedrigen Streitgegenstandsbestimmung unbekannt gebliebene Einwendungen rechtskräftig aberkannt zu bekommen.

101 102 103 104 105 106 107

Stein/Jonas/Münzberg § 767 Rdn. 54. MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 767 Rdn. 41. Vgl. dazu auch Otto Die Präklusion, S. 77 m.w.N. MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 767 Rdn. 41. So aber MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 767 Rdn. 101; K. Schmidt JR 1992, 89, 93. Stein/Jonas/Münzberg § 767 Rdn. 55; ablehnend Wieczorek/Schütze/Salzmann3 § 767 Rdn. 26. OLG Frankfurt, Urt. v. 8.10.2010 – 8 U 79/10; OLG Nürnberg, Urt. v. 8.10.1982 – 1 U 938/81. Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Raebel § 767 Rdn. 11; Musielak/Voit/Lackmann § 767 Rdn. 20; Brox/Walker § 44 Rdn. 95. 108 Musielak/Voit/Lackmann § 767 Rdn. 20. 339

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Achtes Buch – Zwangsvollstreckung

V. Zulässigkeits- und Verfahrensfragen 1. Parteien 37 Kläger einer Vollstreckungsabwehrklage ist grundsätzlich der im Titel genannte Schuldner oder derjenige, der in der gegen den Rechtsnachfolger erteilten Vollstreckungsklausel als Titelschuldner genannt ist.109 Richtet sich der Vollstreckungstitel gegen eine GbR, ist klagebefugt nur die GbR, nicht ihre Gesellschafter.110 Dass eine Vollstreckungsklausel noch nicht erteilt wurde, macht die Vollstreckungsabwehrklage nicht unzulässig.111 Auch wenn man spiegelbildlich nicht verlangen darf, dass die Vollstreckungsklausel schon umgeschrieben wurde, liegt das Rechtsschutzbedürfnis aber nicht schon vor, wenn die Klausel auf den neuen Schuldner umgeschrieben werden könnte, sondern es muss sich eine Zwangsvollstreckung abzeichnen. Wird in den Nachlass vollstreckt, ist jeder einzelne Miterbe zur Erhebung der Vollstreckungsabwehrklage befugt.112 Das folgt aus § 2039 S. 1 BGB und § 767 Abs. 3 steht dem nicht entgegen.113 Eine gewillkürte Prozessstandschaft kommt bei einer Vollstreckungsabwehrklage nicht in Betracht.114 38 Beklagter ist der Vollstreckungsgläubiger. Die Vollstreckungsabwehrklage kann aber ausnahmsweise auch gegen einen noch nicht im Titel ausgewiesenen Rechtsnachfolger gerichtet werden, wenn der Titel auf ihn umgeschrieben werden könnte und von ihm eine Vollstreckung droht.115 Fehlen die Voraussetzungen zur Erteilung einer Klausel, ist die Vollstreckungsabwehrklage abzuweisen.116 Dass die Klage gegen den richtigen Beklagten gerichtet wird, ist nach (jedenfalls früherer) 39 Rechtsprechung und einer verbreiteten Ansicht im Schrifttum eine Frage der Begründetheit.117 Richtigerweise geht es um eine Frage der Zulässigkeit.118 Gleiches gilt dafür, dass die Klage vom richtigen Kläger erhoben wird, auch dabei handelt es sich um eine Frage der Zulässigkeit, nicht der Begründetheit.119

2. Zuständigkeit 40 Sachlich und örtlich zuständig ist das Prozessgericht des ersten Rechtszugs. Das ist das Gericht erster Instanz des Rechtszuges, in dem der Titel geschaffen worden ist.120 Dass dieses Gericht beim Erlass des Titels zu Unrecht seine Zuständigkeit angenommen hat, steht dem nicht entgegen.121 Denn der ausschließlichen Zuständigkeit liegt der Gedanke zugrunde, dass die besondere Sachkunde des bereits mit der Sache befassten Gerichts ausgenutzt werden soll.122 Der Schuldner kann die Vollstreckungsabwehrklage in diesen Fällen nicht wahlweise beim eigentlich für den Erlass des Titels zuständigen Gericht anbringen.123 109 110 111 112 113 114 115

BGH ZIP 2016, 211 Rdn. 22; Stein/Jonas/Münzberg § 767 Rdn. 9; BeckOK/Preuß § 767 Rdn. 34. BGH ZIP 2016, 211 Rdn. 23. Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Raebel § 767 Rdn. 15; MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 767 Rdn. 44. BGHZ 167, 150, 152 f. BGHZ 167, 150, 153. BGH NJW-RR 2014, 653, 654; BeckOK/Preuß § 767 Rdn. 34a. BGHZ 120, 387, 391 ff.; BeckOK/Preuß § 767 Rdn. 34; Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Raebel § 767 Rdn. 15. Vgl. zur Frage, ob die Klage auch noch gegen den bisherigen Gläubiger gerichtet werden kann, K. Schmidt JuS 1993, 871. 116 Stein/Jonas/Münzberg § 767 Rdn. 10. 117 BGHZ 120, 387, 391; Musielak/Voit/Lackmann § 767 Rdn. 21. 118 So auch Anders/Gehle/Hunke § 767 Rdn. 39; MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 767 Rdn. 45. 119 So auch BGH ZIP 2016, 211 Rdn. 22. 120 BGH NJW 1980, 188, 189; MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 767 Rdn. 47; BeckOK/Preuß § 767 Rdn. 29. 121 Stein/Jonas/Münzberg § 767 Rdn. 46; BeckOK/Preuß § 767 Rdn. 29. 122 BGH NJW 1980, 1393; Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Raebel § 767 Rdn. 14. 123 Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Raebel § 767 Rdn. 14. Spohnheimer

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Abschnitt 1. Allgemeine Vorschriften

Mit Prozessgericht ist das Gericht gemeint, nicht der jeweilige Spruchkörper.124 Maßgeblich ist stets die Geschäftsverteilung, die im Zeitpunkt der Erhebung der Vollstreckungsabwehrklage besteht. Hat den Titel eine Kammer für Baulandsachen erlassen, entscheidet eine solche auch über die Vollstreckungsabwehrklage.125 Hat erstinstanzlich eine Kammer für Handelssachen entschieden, entscheidet über die Klage nach § 767 ebenfalls die Kammer für Handelssachen.126 Das gilt unabhängig davon, ob für die Vollstreckungsabwehrklage ein Antrag nach §§ 96 Abs. 1, 97 Abs. 1 S. 1 GVG gestellt wurde.127 Gleiches gilt bei der Vollstreckung eines vor ihr geschlossenen Prozessvergleichs. Nicht zuständig ist die Kammer für Handelssachen indes bei der Vollstreckung einer notariellen Urkunde über ein beidseitiges Handelsgeschäft.128 Diese Zuständigkeit des Prozessgerichts des ersten Rechtszugs ist nach § 802 ausschließlich. Widerklagend kann eine Vollstreckungsabwehrklage nur erhoben werden, wenn der Rechtsstreit beim für die Vollstreckungsabwehrklage ausschließlich zuständigen Gericht anhängig ist (§§ 33 Abs. 2, 40 Abs. 2). Das gilt auch für eine Klageänderung oder eine Anspruchshäufung. Handelt es sich beim titulierten Anspruch um eine Familiensache, ist das Familiengericht für die Vollstreckungsabwehrklage zuständig.129 Allerdings soll das Familiengericht auch dann zur Entscheidung über die Vollstreckungsabwehrklage berufen sein, wenn der Titel nicht von einem Familiengericht stammt, etwa weil im Rahmen eines Prozessvergleichs ein in die Zuständigkeit des Familiengerichts fallender Anspruch mitgeregelt wurde.130 Das ist abzulehnen.131 Denn soweit man darauf abstellt, dass die Zuständigkeit des Familiengerichts der des Achten Buches der ZPO vorgeht und dem Zivilgericht die besondere Sachkenntnis des Familiengerichts fehlt, müsste man richtigerweise doch schon dort ansetzen, wo es um die Schaffung des Titels geht. Lässt man aber zu, dass sich die Parteien über einen solchen Anspruch auch vor einem anderen als dem Familiengericht vergleichen können, gibt es keinen überzeugenden Grund, die Zuständigkeitsregeln der zwangsvollstreckungsrechtlichen Rechtsbehelfe zu durchbrechen. Das gilt umso mehr, weil die geltend gemachten Einwendungen gegen den familienrechtlichen Anspruch ihre Grundlage nicht zwingend im Familienrecht haben müssen. Zudem gestalten sich die Dinge schwierig, wenn in dem Prozessvergleich neben familienrechtlichen Ansprüchen auch andere Ansprüche geregelt werden; dann müsste man zu einer geteilten Zuständigkeit gelangen. Das findet indes im Gesetz keine Grundlage und kann schon zu einem Streit über die Zuständigkeit führen. Das allerdings würde wiederum die Schlagkraft der Zwangsvollstreckung beeinträchtigen. Besonderheiten gelten bei den weiteren Vollstreckungstiteln gem. § 794. Auch bei den in § 794 Abs. 1 genannten weiteren gerichtlichen Vollstreckungstiteln folgt die Zuständigkeit für die Vollstreckungsabwehrklage grundsätzlich aus § 767 Abs. 1. Doch fehlt es hier vielfach an einem Gericht des ersten Rechtszugs, das den Titel geschaffen hat. Für die beiden wichtigen Fälle des Vollstreckungsbescheids und der vollstreckbaren (gerichtlichen oder notariellen) Urkunde trifft das Gesetz besondere Zuständigkeitsregeln. Wird eine Vollstreckungsgegenklage gegen einen Vollstreckungsbescheid erhoben, ist das Gericht zuständig, das im Fall eines (gedachten) Prozesses für die Streitigkeit zuständig wäre (§ 796 Abs. 3). Wird aus einer vollstreckbaren Urkunde i.S.v. § 794 Abs. 1 Nr. 5 vollstreckt, normiert § 797 Abs. 5 die örtliche Zuständigkeit. Die sachliche Zuständigkeit bestimmt sich nach den §§ 23, 71 GVG.132 Gerichtsstandsvereinbarungen sind insoweit möglich.133 Geht es um die Vollstreckung einer gerichtlichen Urkunde, ist § 797 Abs. 5 nach seiner ratio 124 125 126 127 128 129 130 131 132 133 341

RGZ 45, 343, 344; BGH NJW 1975, 829. BGH NJW 1975, 829; MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 767 Rdn. 50. LG Bonn JurBüro 2009, 499; BeckOK/Preuß § 767 Rdn. 29. Im Ergebnis ebenso BeckOK/Preuß § 767 Rdn. 29; MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 767 Rdn. 49. LG Bonn JurBüro 2009, 499; a.A. LG Stendal MDR 2005, 1423. BGH NJW 1980, 188, 189; Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Raebel § 767 Rdn. 14. BGH NJW 1980, 188, 189; Lackmann/Racz Rdn. 499. BGH NJW 1980, 1393 f. Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Walker/Gomille § 797 Rdn. 15; Lackmann/Racz Rdn. 500. Lackmann/Racz Rdn. 500. Spohnheimer

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legis aber einschränkend auszulegen: Denn bei Prozessvergleichen gibt es ein Gericht, das zuständig sein kann und sollte. Daher greift die Norm bei Prozessvergleichen nicht ein.134 45 Wurde ein Schiedsspruch für vollstreckbar erklärt (§ 794 Abs. 1 Nr. 4a ZPO), soll als Prozessgericht des ersten Rechtszuges das Oberlandesgericht, das ihn für vollstreckbar erklärt hat, zuständig sein.135 Richtig daran ist die formale Überlegung, dass nicht der Schiedsspruch, sondern die Vollstreckbarerklärung der Vollstreckungstitel ist. Prozessgericht kann auch nicht schlechthin das Schiedsgericht sein, denn sein Amt ist zu diesem Zeitpunkt regelmäßig schon beendet (vgl. § 1056 Abs. 3 ZPO), sodass es über die Vollstreckungsabwehrklage ohne eine erneute Konstituierung auch gar nicht mehr entscheiden könnte. Doch überzeugt aus teleologischen Erwägungen nur, dass je nach Streitwert das Amts- oder Landgericht über die Vollstreckungsabwehrklage entscheidet.136 Denn man kann schwerlich an den Gedanken der besonderen Sachkunde des vorbefassten Gerichts (s. Rdn. 40) anknüpfen, wenn das Oberlandesgericht sich im Vollstreckbarerklärungsverfahren wegen des Verbots der révision au fond jenseits der ordre-public-Widrigkeit nicht mit der materiellen Rechtslage befasst hat.137 Und dann gibt es erst Recht keinen Grund, dem Schuldner den Rechtsschutz zu verkürzen, weil auf den Beschluss des OLG nur noch die Rechtsbeschwerde folgen kann, wohingegen ihm sonst Berufung und Revision offenstünden.138 Gänzlich anders liegen die Dinge, wenn die Parteien durch eine entsprechende Schiedsvereinbarung auch die Entscheidung über die Vollstreckungsabwehrklage einem Schiedsgericht übertragen haben.139 Der Gläubiger kann sich dann mit der Einrede nach § 1032 Abs. 1 ZPO gegen die vor dem staatlichen Gericht erhobene Vollstreckungsabwehrklage verteidigen. Gibt das Schiedsgericht ihr in einem Schiedsspruch statt, soll der Schiedsspruch im Hinblick auf §§ 775, 776 ZPO allerdings noch vom zuständigen Oberlandesgericht für vollstreckbar erklärt werden müssen.140 Hält man sich an den Wortlaut von § 775 Nr. 1 ZPO, spricht Vieles dafür, denn ein Schiedsspruch ist keine vollstreckbare Entscheidung. Doch greift eine solche Betrachtung zu kurz: Denn die hinter dem Erfordernis einer Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs stehende Idee ist, dass die staatlichen Organe das Recht nur zwangsweise durchsetzen sollen, wenn der Schiedsspruch im Rahmen eines Vollstreckbarerklärungsverfahrens auf die Einhaltung bestimmter Regeln überprüft wurde. Nun geht es aber bei der stattgebenden Vollstreckungsabwehrklage nicht darum, dass staatliche Organe einen Anspruch zwangsweise durchsetzen sollen, sondern umgekehrt darum, dass ein Anspruch nicht mehr zwangsweise durchgesetzt werden soll. Nimmt man den bei der Reform des Schiedsverfahrensrechts zum Ausdruck gekommenen Gedanken, dass Schiedsgerichte und staatliche Gerichte gleichwertigen Rechtsschutz gewähren,141 ernst, sprechen die besseren (teleologischen) Argumente dafür, dass der Schiedsspruch, der über eine Vollstreckungsabwehrklage entscheidet, keiner Vollstreckbarerklärung bedarf. Schließlich stellt § 1055 den Schiedsspruch in seinen Wirkungen einem rechtskräftigen gerichtlichen Urteil gleich und macht mit dem Erfordernis der Vollstreckbarerklärung nur eine Ausnahme, wenn es um die zwangsweise Durchsetzung des Anspruchs geht. 46 Wehrt sich der Schuldner gegen die Zwangsvollstreckung aus der Vollstreckbarerklärung eines Anwaltsvergleichs (§ 796a ZPO), ist das Gericht für die Vollstreckungsabwehrklage zuständig, das den Anwaltsvergleich für vollstreckbar erklärt hat.

134 Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Raebel § 767 Rdn. 14; Lackmann/Racz Rdn. 500; a.A. RGZ 21, 345, 347 ff. 135 BGH SchiedsVZ 2010, 330, 331; Zöller/Geimer § 1060 Rdn. 14; BeckOK/Preuß § 767 Rdn. 29.1; Wagner JZ 2000, 1171, 1173 und JZ 2001, 598, 599; a.A. BayObLG JZ 2000, 1170 f.; MünchKomm/Münch § 1060 Rdn. 47; Musielak/Voit § 1060 Rdn. 13; Peters JZ 2001, 598. 136 S. dazu ausf. Spohnheimer, FS Simotta, 559, 570 m.w.N.; Peters JZ 2001, 598. 137 Peters JZ 2001, 598; Borris/Schmidt SchiedsVZ 2004, 273, 279. 138 Vgl. BayObLG JZ 2000, 1170 f.; Borris/Schmidt SchiedsVZ 2004, 273, 279. 139 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 767 Rdn. 55; BeckOK/Preuß § 767 Rdn. 29.1. 140 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 767 Rdn. 55. 141 Vgl. BT-Drucks. 13/5274, S. 34. Spohnheimer

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Bei Vollstreckungsurteilen (§§ 722, 723) ist das Prozessgericht das Gericht, das die ausländi- 47 sche Entscheidung für vollstreckbar erklärt hat. Im Anwendungsbereich des AVAG bestimmt § 14 Abs. 2 AVAG, dass die Vollstreckungsabwehrklage bei dem Gericht zu erheben ist, das über den Antrag auf Erteilung der Vollstreckungsklausel entscheiden hat. Für Vollstreckungsabwehrklagen, die sich gegen einen Europäischen Vollstreckungstitel 48 richten, normiert § 1086 Abs. 1 eine besondere Regel für die örtliche Zuständigkeit. Die sachliche Zuständigkeit folgt den §§ 23, 71 GVG. Entsprechende Anwendung findet die Vorschrift kraft gesetzlicher Verweisung in § 1117 Abs. 1 auf gerichtliche Entscheidungen, die nach der VO (EU) Nr. 1215/ 2012 vollstreckt werden. Gerade im Hinblick auf die Abschaffung des Exequaturs bedarf es einer solchen Regelung der örtlichen Zuständigkeit.

3. Rechtsschutzbedürfnis a) Beginn. Das Rechtsschutzbedürfnis besteht, sobald ein Vollstreckungstitel vorhanden ist.142 49 Eine Klausel muss noch nicht erteilt worden sein.143 Das Rechtsschutzbedürfnis für eine Vollstreckungsabwehrklage fehlt auch nicht im Übrigen, weil der Gläubiger nur eine Teilvollstreckungsklausel beantragt hat.144 Die Zwangsvollstreckung muss noch nicht konkret drohen.145 Der Gläubiger ist durch § 93 ausreichend geschützt.146 Dass der Titel unwirksam oder zu unbestimmt ist, nimmt der Vollstreckungsabwehrklage nicht das Rechtsschutzbedürfnis.147 Vielmehr kann der Schuldner eine Vollstreckungsabwehrklage auch mit einer Titelgegenklage analog § 767 (s. Rdn. 116 ff.) kumulieren.

b) Entfallen. Das Rechtsschutzbedürfnis besteht fort, solange der Schuldner einen Vollstre- 50 ckungstitel in Händen hält;148 es entfällt, wenn eine Zwangsvollstreckung aus dem Titel unzweifelhaft nicht mehr droht.149 Das ist der Fall, wenn der Gläubiger vollständig befriedigt wurde, den Titel an den Schuldner herausgegeben hat und der Erlös ausgekehrt ist.150 Ist die Vollstreckung nicht auf dem Titel vermerkt, kann dem Rechtsschutzinteresse des Schuldners durch eine Feststellungsklage Rechnung getragen werden.151 Ist noch ein Erlös vorhanden, ist die Vollstreckungsabwehrklage auch noch nach einer Verwertung zulässig.152 Das Rechtsschutzbedürfnis besteht fort, wenn der Gläubiger erst teilweise befriedigt ist und 51 den Vollstreckungstitel noch besitzt.153 Das ist im Hinblick auf die vom Vollstreckungstitel in den Händen eines Gläubigers ausgehende Vermutung, dass die Schuld (noch) besteht, sachgerecht. Ein Verzicht des Gläubigers lässt das Rechtsschutzbedürfnis grundsätzlich nicht entfallen, wenn er den Titel noch nicht aus den Händen gegeben hat.154 Dass das Rechtsschutzinteresse bis zur Herausgabe des Titels noch fortbesteht, wird von einer weiteren Überlegung gestützt: Bejaht man 142 143 144 145

MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 767 Rdn. 43; BeckOK/Preuß § 767 Rdn. 32. MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 767 Rdn. 43; BeckOK/Preuß § 767 Rdn. 32. OLG Koblenz WM 2014, 2377. Stein/Jonas/Münzberg § 767 Rdn. 42; MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 767 Rdn. 43; Schuschke/Walker/Kessen/ Thole/Raebel § 767 Rdn. 15. 146 BGH NJW 1984, 2826, 2827; MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 767 Rdn. 43. 147 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 767 Rdn. 43. 148 BGH ZIP 2022, 2460 Rdn. 11; OLG Hamm, Urt. v. 22.12.2014 – I-5 U 80/14, 5 U 80/14; a.A. OLG Frankfurt WM 2013, 1275. 149 OLG Frankfurt WM 2013, 1275; BeckOK/Preuß § 767 Rdn. 32. 150 BeckOK/Preuß § 767 Rdn. 32. 151 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 767 Rdn. 43. 152 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 767 Rdn. 43. 153 BGH MDR 1989, 44. 154 OLG Hamm, Urt. v. 22.12.2014 – I-5 U 80/14, 5 U 80/14. 343

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das Rechtsschutzbedürfnis schon, sobald der Gläubiger einen Vollstreckungstitel in Händen hält und kommt es nicht darauf an, dass eine Vollstreckung droht (s. Rdn. 49), ist es sachgerecht, dass man spiegelbildlich solange vom Fortbestehen des Rechtsschutzbedürfnisses ausgeht, wie der Gläubiger den Vollstreckungstitel noch in Händen hält. Das Rechtsschutzbedürfnis entfällt, wenn der Gläubiger den Vollstreckungstitel an einen Notar ausgehändigt und auf die Rücknahme verzichtet hat.155 Dass der Gläubiger die vollstreckbare Ausfertigung verloren hat, lässt das Rechtsschutzbedürfnis nicht entfallen.156 Denn der Gläubiger könnte eine neue vollstreckbare Ausfertigung beantragen und materiellrechtliche Einwendungen gegen den titulierten Anspruch können im Klauselverfahren nicht geltend gemacht werden. 52 In zwei Fällen ist eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass das Rechtsschutzbedürfnis besteht, solange der Gläubiger über den Titel verfügt, angezeigt: Das sind zum einen jene Fälle, in denen der Titel auf eine wiederkehrende Leistung lautet und der Gläubiger den Titel noch für die künftig fällig werdenden Forderungen benötigt. Weil hier nicht erwartet werden kann, dass er diesen Titel aus der Hand gibt, fehlt das Rechtsschutzbedürfnis wegen der in der Vergangenheit fällig gewordenen Leistungen, wenn keine Vollstreckung mehr droht.157 Entsprechendes gilt für die Fälle, in denen die Zwangsvollstreckung wegen eines Insolvenzverfahrens unzulässig ist, der Gläubiger den Titel aber noch benötigt, um ein Recht auf abgesonderte Befriedigung durchzusetzen.158 In ihrer Zusammenschau lässt sich beiden Entscheidungen folgender Gedanke entnehmen: Das Rechtsschutzbedürfnis besteht nicht, obwohl der Gläubiger den Titel noch in Händen hält, wenn der Gläubiger den Titel noch für einen anderen Zweck als eine (aktuell drohende) Zwangsvollstreckung benötigt. Sachgerecht dürfte daher folgende Überlegung sein: Sobald und so lange der Gläubiger einen Vollstreckungstitel in den Händen hält, besteht ein Rechtsschutzbedürfnis für eine Vollstreckungsabwehrklage. Dem liegt (unausgesprochen) die Vermutung zugrunde, dass derjenige, der einen Titel in den Händen hält, auch vollstrecken will. Kann der Schuldner darlegen, dass er ein Interesse daran hat, den Titel wegen anderer Zwecke als einer derzeit drohenden Vollstreckung zu behalten, hat er damit das zugunsten des Schuldners angenommene Rechtsschutzbedürfnis widerlegt. Es muss dann am Schuldner liegen, seinerseits darzulegen, warum das Rechtsschutzbedürfnis gleichwohl besteht.

53 c) Prozessuale Reaktion bei nachträglich entfallenem Rechtsschutzbedürfnis. Ist das Rechtsschutzbedürfnis entfallen, muss der Kläger den Rechtsstreit für erledigt erklären. Ist die Vollstreckung während des Verfahrens der Vollstreckungsabwehrklage beendet worden, entfällt das Rechtsschutzbedürfnis für sie.159 Der Kläger kann aber seine Klage auf Rückerstattung dessen, was der Beklagte durch die Zwangsvollstreckung erlangt hat, ändern. Ebenso kommt eine Klageänderung dahingehend in Betracht, dass nunmehr Ersatz des Vollstreckungsschadens verlangt wird.160 Hier greift der Rechtsgedanke von § 264 Nr. 3 ein.

54 d) Rechtsschutzbedürfnis bei konkurrierenden Rechtsbehelfen. Die Möglichkeit, die (weitergehende) Berufung einzulegen, lässt das Rechtsschutzbedürfnis für eine Vollstreckungsabwehrklage nicht entfallen (s. Rdn. 26). Zudem ist die Berufung mit höheren Kosten als die erstinstanzli-

155 BGH NJW 1964, 1161, 1162; MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 767 Rdn. 43. In diesen Fällen hat der Schuldner aber noch ein Rechtsschutzbedürfnis für eine Klage auf Titelherausgabe (MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 767 Rdn. 43). 156 OLG Hamm FamRZ 2000, 1166; Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Raebel § 767 Rdn. 18. 157 BGH NJW 1984, 2826, 2827. 158 OLG Frankfurt NJW-RR 1988, 511, 512. 159 OLG Rostock, Beschl. v. 29.6.2010 – 3 U 65/10. 160 OLG Rostock, Beschl. v. 29.6.2010 – 3 U 65/10. Spohnheimer

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che Vollstreckungsabwehrklage verbunden.161 Solange der Kläger die Möglichkeit hat, Einspruch (gegen ein Versäumnisurteil oder einen Vollstreckungsbescheid) einzulegen, fehlt einer in dieser Zeit eingereichten Vollstreckungsabwehrklage das Rechtsschutzbedürfnis.162 Einen solchen Vorrang des Einspruchs bringt Abs. 2 zum Ausdruck, wonach solche Einwendungen nicht begründet sind, die der Schuldner mit einem Einspruch geltend machen konnte (s. ausf. Rdn. 82 f.). Das präkludiert nicht nur die Einwendungen, sondern macht eine Vollstreckungsabwehrklage bis zu diesem Zeitpunkt unzulässig. Das Rechtsschutzbedürfnis fehlt, wenn die Vollstreckungserinnerung den Schuldner sein 55 Ziel schneller und kostengünstiger erreichen lässt. Doch ist entscheidend, dass sie dem Titel seine Vollstreckbarkeit nehmen kann. Das ist etwa der Fall, wenn der Titel aus formellen Gründen unwirksam und damit nichtig ist. Beruht die Unwirksamkeit des Titels aber auf materiellem Recht, kann das nur mit der Vollstreckungsabwehrklage geltend gemacht werden.163 Deshalb wird ein einfacherer Weg nur sehr selten zur Verfügung stehen.164 Ist die Erfüllung der Forderung ausnahmsweise im Zwangsvollstreckungsverfahren zu be- 56 rücksichtigen (vgl. § 887), hat der Schuldner ein Wahlrecht: Er kann auch mit der Vollstreckungsabwehrklage vorgehen (s. ausf. Rdn. 57). Entsprechendes gilt, wenn eine unmöglich gewordene Leistung vollstreckt werden soll (s. ausf. Rdn. 65). Dass der Erfüllungseinwand im Vollstreckungsverfahren nach §§ 887 f. zu berücksichtigen ist, 57 lässt das Rechtsschutzbedürfnis für die Vollstreckungsabwehrklage richtigerweise nicht entfallen.165 Man muss schon im Ausgangspunkt daran zweifeln, ob der Erfüllungseinwand im Vollstreckungsverfahren nach §§ 887 f. überhaupt zu berücksichtigen ist,166 oder ob es nicht bei der allgemeinen Konzeption bleiben muss, dass aus einem Vollstreckungstitel so lange vollstreckt werden muss, bis über die Einwendungen gegen den titulierten Anspruch in einem gesonderten Verfahren, nämlich nach § 767, entschieden wurde. Jedenfalls kann man daraus nicht ableiten, dass ein einschlägiger Rechtsbehelf versperrt wird und muss dem Schuldner jedenfalls die Wahl lassen, ob er den Einwand – mit entsprechenden prozessualen Risiken, weil die Feststellung im Verfahren nach §§ 887 f. nicht in Rechtskraft erwächst, oder wenn der Gläubiger etwa den Vollstreckungsantrag zurücknimmt167 – im Vollstreckungsverfahren nach §§ 887 f. oder mit der Vollstreckungsabwehrklage geltend macht.

4. Weiteres Verfahren Für die Vollstreckungsabwehrklage gelten die allgemeinen Regeln des Klageverfahrens.168 Ein 58 Insolvenzverfahren führt unter den Voraussetzungen von § 240 zur Unterbrechung des Verfahrens.169 Weil weitere Vollstreckungsabwehrklagen von § 767 Abs. 3 präkludiert werden (s. Rdn. 105 ff.), muss der Schuldner ihm während des Verfahrens bekanntwerdende weitere Einwendungen nachschieben. Diese Klageänderung ist grundsätzlich zulässig (s. Rdn. 36). Eine Vollstreckungsabwehrklage hat keine aufschiebende Wirkung. Doch kann die Zwangsvollstreckung nach Maßgabe von § 769 einstweilen eingestellt werden.

161 162 163 164 165 166

Lackmann/Racz Rdn. 501. A.A. Lackmann/Racz Rdn. 501. Lackmann/Racz Rdn. 502. Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Raebel § 767 Rdn. 18. BGH ZIP 2022, 2460 Rdn. 15 ff. Ablehnend in jüngerer Zeit OLG Bremen DGVZ 2020, 146; ebenfalls krit. MünchKomm/Gruber § 887 Rdn. 17; Münch JZ 2013, 1057 f.; a.A. indes BGHZ 161, 67, 69 ff.; BGH ZIP 2022, 2460 Rdn. 17. 167 Vgl. BGH ZIP 2022, 2460 Rdn. 19 ff. 168 Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 40 Rdn. 131. 169 BGH NJW-RR 2009, 60, 61; Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Raebel § 767 Rdn. 18. 345

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VI. Begründetheit 1. Allgemeines 59 Die Vollstreckungsabwehrklage ist begründet, wenn zulässig vorgebrachte Einwendungen gegen den titulierten Anspruch bestehen und nicht präkludiert sind.170 Als praktisch handhabbare Faustformel kann man – freilich mit Einschränkungen171 – festhalten, dass eine begründete Einwendung dann vorliegt, wenn ein Gericht, würde es im Zeitpunkt der Entscheidung über die Vollstreckungsabwehrklage über den titulierten Leistungsanspruch entscheiden, die Klage als unbegründet abweisen würde.172 Grundsätzlich kommen alle materiellrechtlichen (rechtsvernichtende, rechtshemmende und 60 rechtshindernde) Einwendungen in Betracht, die den titulierten Anspruch selbst betreffen. Die Geltendmachung rechtshindernder Einwendungen scheitert aber praktisch regelmäßig an der Präklusion nach Abs. 2 (s. Rdn. 76 ff.). Denn über sie hätte schon im Erkenntnisverfahren entschieden werden können.173 Einwendungen, die – würde der titulierte Anspruch jetzt eingeklagt – nur zu einer Abweisung der Klage als unzulässig führen würden, können die Vollstreckungsabwehrklage nicht begründen.174

2. Bedeutsame Einwendungen 61 a) Erfüllung bzw. Erfüllungssurrogate. Mit § 767 kann die Erfüllung der titulierten Verbindlichkeit (§ 362 BGB) geltend gemacht werden.175 Dazu gehört auch eine befreiende Leistung durch einen Dritten (§ 267 Abs. 1 BGB).176 Leistet einer von mehreren Gesamtschuldnern, kann jeder von ihnen die Erfüllungswirkung (§ 422 Abs. 1 BGB) mit einer Vollstreckungsabwehrklage geltend machen.177 Wurde zur Abwendung der Zwangsvollstreckung geleistet, führt das grundsätzlich nicht zur Erfüllung.178 Die Leistung kann aber nachträglich Erfüllungswirkung erlangen, wenn das Urteil rechtskräftig wird.179 Auch die Befriedigung durch Sicherheiten fällt hierunter.180 Ebenso können die befreiende Leistung an Erfüllungs statt (§ 364 BGB)181 und die Erfüllung durch Hinterlegung unter Verzicht auf die Rücknahme (§ 378 BGB)182 mit § 767 geltend gemacht werden. 62 Hat der Gerichtsvollzieher dem Schuldner Geld weggenommen, dem Gläubiger aber nicht abgeliefert, liegt keine Erfüllung vor. Allerdings begründet die Gefahrtragungsregel des § 815 Abs. 3 eine Einwendung, die der Schuldner mit der Vollstreckungsabwehrklage geltend machen kann.183

63 b) Ausgeübte Gestaltungsrechte, insbes. Aufrechnung. Das Erlöschen der Forderung durch Aufrechnung (§ 389 BGB) stellt eine Einwendung für eine Vollstreckungsabwehrklage dar.184 Sie 170 171 172 173 174 175 176 177 178 179 180 181 182 183 184

MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 767 Rdn. 56. Das betrifft etwa die Frage der geänderten Rechtsprechung oder der veränderten Gesetzeslage (s. Rdn. 74 f.). Gegen einen entsprechenden allgemeinen Grundsatz MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 767 Rdn. 58. BeckOK/Preuß § 767 Rdn. 15. Stein/Jonas/Münzberg § 767 Rdn. 16. BGHZ 83, 278, 280; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 40 Rdn. 38. BGHZ 70, 151, 156 (Kindergeld). OLG Frankfurt MDR 1982, 934. BGH NJW 1990, 2756; BGHZ 86, 267, 269; Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Raebel § 767 Rdn. 33. BGH NJW 1990, 2756. OLG Hamm WM 1984, 829; Prütting/Gehrlein/Scheuch § 767 Rdn. 24. Baur/Stürner/Bruns Rdn. 45.13. RGZ 30, 196, 199 f. (Drittschuldner); Stein/Jonas/Münzberg § 767 Rdn. 17. Vgl. BGH, Urt. v. 30.1.1987 – V ZR 220/85. BGH NJW 1990, 3210, 3211.

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kann sich ergeben, wenn der Titelgläubiger mit der titulierten Forderung aufrechnet als auch wenn der Titelschuldner gegen die titulierte Forderung aufrechnet.185 Die Aufrechnung mit einem Kostenerstattungsanspruch begründet allerdings erst dann eine Einwendung i.S.v. § 767 Abs. 1, wenn die Kosten im Kostenfestsetzungsverfahren förmlich festgesetzt wurden oder wenn die Höhe der zu erstattenden Kosten unstrittig ist.186 Wird aus einem Kostenfestsetzungsbeschluss nach einer Klagerücknahme (§ 269) vollstreckt, kann der Schuldner nicht nach § 767 geltend machen, dass er mit der ursprünglich eingeklagten Forderung aufrechnet.187 Denn das gebietet der von § 269 Abs. 6 intendierte Schutz des Gläubigers.188 Mit einer rechtswegfremden Forderung kann die Aufrechnung nur erklärt werden, wenn sie unstreitig ist oder ihr Bestehen bereits rechtskräftig festgestellt wurde.189 Das Gericht muss die Entscheidung über die Vollstreckungsabwehrklage so lange aussetzen.190 Den berechtigten Interessen des Schuldners, eine drohende Vollstreckung zu verhindern bis das Gericht des anderen Rechtsweges rechtskräftig entschieden hat, kann mit einer einstweiligen Anordnung gem. § 769 Rechnung getragen werden. Auch ein ausgeübtes Rücktrittsrecht kann dem Gläubiger, vorbehaltlich der zeitlichen Grenzen nach § 767 Abs. 2, mit der Vollstreckungsabwehrklage entgegengehalten werden.191 Gleiches gilt für die Fälle von § 508 S. 5 BGB (= § 503 Abs. 2 BGB a.F.), wobei die Rücktrittsfiktion ebenfalls ausgelöst wird, wenn der Gerichtsvollzieher die Sache wegnimmt.192 Auch wenn das nicht schon mit der Pfändung der Fall ist, soll die Geltendmachung nach § 767 Abs. 1 gleichwohl ab diesem Zeitpunkt möglich sein, um eine Verdoppelung der Verfahren zu vermeiden.193 Ein wirksam ausgeübtes Widerrufsrecht kann gleichfalls eine Einwendung i.S.v. § 767 Abs. 1 begründen.194 Dasselbe gilt für einen Rücktritt des Schuldners von dem Vertrag, aus dem die titulierte Verbindlichkeit herrührt.195 Allerdings ist gerade bei der Geltendmachung ausgeübter Gestaltungsrechte auf § 767 Abs. 2 zu achten (s. dazu ausf. Rdn. 86 ff.).

c) Verlust der Sachlegitimation. Hat der Gläubiger den titulierten Anspruch abgetreten, kann 64 der Verlust der Aktivlegitimation mit § 767 geltend gemacht werden. Allerdings ist die Klage unbegründet, wenn der Rechtsinhaber den Vollstreckungsgläubiger nicht nur zur Vollstreckung ermächtigt hat, sondern ihm zugleich eine materiellrechtliche Einziehungsermächtigung erteilt hat.196 Eine Einwendung besteht auch in den Fällen eines gesetzlichen Forderungsübergangs197 oder bei der Pfändung und Überweisung der titulierten Forderung.198 Auch der Wegfall der Passivlegitimation, etwa im Falle einer befreienden Schuldübernahme, kann mit der Vollstreckungsabwehrklage geltend gemacht werden.199

d) Unmöglichkeit einer Leistung. Den Einwand, dass ihm die Leistung unmöglich geworden 65 und er deshalb von seiner titulierten Leistungspflicht frei geworden ist, kann der Vollstre185 186 187 188 189

Prütting/Gehrlein/Scheuch § 767 Rdn. 24. Vgl. zur Aufrechnung BGHZ 165, 96, 106. BGH NJW 1992, 2034. BGH NJW 1992, 2034, 2035. Im Allgemeinen h.M., vgl. BGHZ 16, 124, 134; jurisPK-BGB/Rüßmann § 388 Rdn. 26 f.; Erman/Wagner § 388 Rdn. 10 (jeweils m.w.N.). 190 Vgl. im Allgemeinen jurisPK-BGB/Rüßmann § 388 Rdn. 26 ff.; Erman/Wagner § 388 Rdn. 10. 191 RGZ 104, 15, 17; BGH NJW 1979, 2032, 2033; Stein/Jonas/Münzberg § 767 Rdn. 17. 192 Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 40 Rdn. 40; Leyendecker JA 2010, 803, 806. 193 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 767 Rdn. 65. 194 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 767 Rdn. 64; Prütting/Gehrlein/Scheuch § 767 Rdn. 27. 195 BeckOK/Preuß § 767 Rdn. 18. 196 BGH NJW 1993, 1396, 1398; Stein/Jonas/Münzberg § 767 Rdn. 22; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 40 Rdn. 44. 197 OLG Düsseldorf Rpfleger 1977, 416 f.; Prütting/Gehrlein/Scheuch § 767 Rdn. 24. 198 RGZ 112, 348, 351; BAG NJW 1997, 1868, 1869. 199 BGHZ 110, 319, 322; Prütting/Gehrlein/Scheuch § 767 Rdn. 24. 347

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ckungsschuldner mit der Vollstreckungsabwehrklage geltend machen.200 Allerdings gibt es die Dinge verkürzt wieder, wenn gesagt wird, dass der Schuldner den zur Unmöglichkeit führenden Umstand nicht zu vertreten haben darf.201 Hier werden zwei voneinander zu trennende Konstellationen miteinander vermengt: die Unmöglichkeit der titulierten Hauptleistung und die Auswirkungen der Unmöglichkeit der Hauptleistung auf die titulierte Gegenleistung. Entscheidend muss im Ausgangspunkt sein, ob der Vollstreckungsschuldner von seiner titulierten Leistungspflicht frei wird. Ist die titulierte Hauptleistung unmöglich geworden, ist § 275 BGB einschlägig. Die Norm knüpft seit der Schuldrechtsmodernisierung 2002 nicht mehr an ein Nichtvertretenmüssen, sondern nur noch an das Vorliegen einer Unmöglichkeit an. Hingegen hatte § 275 a.F. das seinem Wortlaut nach noch zur Voraussetzung einer Leistungsbefreiung gemacht. Doch war die frühere Vorschrift bekanntlich im Zusammenhang mit der Haftung auf das positive Interesse nach § 280 BGB a.F. zu lesen. Ist die titulierte Leistung unmöglich geworden, beruft sich der Vollstreckungsschuldner also auf § 275 BGB, kommt es daher auf ein Nichtverschulden des Leitungshindernisses nicht an. Deshalb ist die Einwendung auch dann begründet und die Vollstreckungsabwehrklage erfolgreich, wenn der Schuldner den zur Unmöglichkeit führenden Umstand zu vertreten hat. Das ist für den Gläubiger insoweit misslich als er unterliegt und die Kosten der Vollstreckungsgegenklage tragen muss. Sie kann er allenfalls – und dafür trägt er das Insolvenzrisiko – als Schadensersatz statt der Leistung nach §§ 280 Abs. 1, 3, 283 BGB ersetzt verlangen. 66 Von diesen Fällen, in denen die titulierte Leistungspflicht nachträglich unmöglich wurde, sind jene Fälle zu unterscheiden, in denen nicht die titulierte Leistungspflicht des Vollstreckungsschuldners (Gegenleistung) sondern eine mit ihr synallagmatisch verknüpfte Leistungspflicht (Hauptleistung) nachträglich unmöglich geworden ist. Ist diese Hauptleistung unmöglich geworden, wird der Vollstreckungsschuldner nach § 326 Abs. 1 BGB grundsätzlich von seiner (titulierten) Pflicht zur Erbringung der Gegenleistung frei. Diese Einwendung kann er mit der Vollstreckungsabwehrklage geltend machen.202 Ist allerdings der Vollstreckungsschuldner für den zur Unmöglichkeit führenden Umstand weit oder weit überwiegend verantwortlich, behält der Vollstreckungsgläubiger nach § 326 Abs. 2 BGB den Anspruch auf die Gegenleistung. Gleiches gilt, wenn die Unmöglichkeit während des Annahmeverzugs eintritt. In diesen Fällen wird der Vollstreckungsschuldner nicht von seiner titulierten Pflicht frei und die Einwendung besteht nicht, seine Vollstreckungsabwehrklage ist also unbegründet.203 Damit bleibt festzuhalten, dass das Verschulden nur in den Fällen eine Rolle spielt, in denen nicht die titulierte Leistungspflicht unmöglich geworden ist, sondern eine mit ihr synallagmatisch verknüpfte Leistungspflicht, wenn sich also mit anderen Worten der Vollstreckungsschuldner auf § 326 Abs. 1 BGB beruft. 67 Von der Frage, ob der Schuldner die Unmöglichkeit mit der Vollstreckungsabwehrklage geltend machen kann, ist die Frage zu unterscheiden, ob er sie mit der Vollstreckungsabwehrklage geltend machen muss – oder ob andere Rechtsbehelfe zur Verfügung stehen, namentlich eine Vollstreckungserinnerung oder eine sofortige Beschwerde. Nach der hier vertretenen Auffassung setzt das aber voraus, dass das Vollstreckungsorgan die Unmöglichkeit – auch ohne dass sie mit der Vollstreckungsabwehrklage geltend gemacht wurde – zu beachten hat. Weil die Unmöglichkeit einer zu vollstreckenden Handlung in jeder Lage des Vollstreckungsverfahrens zu berücksichtigen ist,204 spricht Vieles dafür, dass das Vollstreckungsorgan den Einwand auch ohne eine vorausgegangene Vollstreckungsabwehrklage berücksichtigen muss. Im Ergebnis kann der Schuldner mit 200 BeckOK/Preuß § 767 Rdn. 18; Musielak/Voit/Lackmann § 767 Rdn. 24 f. 201 So etwa Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Raebel § 767 Rdn. 23; Prütting/Gehrlein/Scheuch § 767 Rdn. 21; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 40 Rdn. 40; Baur/Stürner/Bruns Rdn. 45.13; nunmehr wohl anders (unabhängig vom Verschulden) MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 767 Rdn. 63. 202 OLG Köln NJW-RR 1991, 1022, 1023 (noch zu § 324 BGB a.F.); so auch schon RGZ 39, 167, 168 f. (zur Rechtslage noch vor Inkrafttreten des BGB). 203 Musielak/Voit/Lackmann § 767 Rdn. 25. 204 OLG Bremen DGVZ 2020, 146 Rdn. 22. Spohnheimer

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der Vollstreckungserinnerung bzw. der sofortigen Beschwerde geltend machen, dass das Vollstreckungsorgan eine unmögliche bzw. – genauer – eine nachträglich unmöglich gewordene Leistung – sonst dürfte der Schuldner gar nicht dazu verurteilt werden – vollstrecken wollte. Insoweit hat der Schuldner ein Wahlrecht zwischen diesen Rechtsbehelfen. Keinesfalls kann der Schuldner aber geltend machen, dass seine Leistungspflicht (zur Erbringung der Gegenleistung) nach § 326 Abs. 1 BGB (infolge Unmöglichkeit der Hauptleistung) untergegangen ist. Denn dem Schuldner ist seine (Gegen-)Leistung noch möglich, sodass der Einwand nicht in jeder Lage des Verfahrens zu berücksichtigen ist.

e) Sonstige Schuldveränderungen. Die Ausübung eines Wahlrechts bei Wahlschulden kann 68 mit der Vollstreckungsabwehrklage geltend gemacht werden.205 Auch ein Vergleich oder ein Erlass geben dem Schuldner eine Einwendung.206 Verlangt der Gläubiger Schadensersatz statt der Leistung (§§ 281 ff. BGB) und erlischt daher der Anspruch auf eine titulierte Primärleistung, kann der Schuldner das mit § 767 geltend machen.207 f) Erhobene Einreden. Auch Einreden können Einwendungen i.S.v. § 767 Abs. 1 begründen. Sie 69 müssen allerdings vor dem oder im Prozess erhoben worden sein.208 Im Geltendmachen einer Einrede in der Vollstreckungsabwehrklage kann man aber eine konkludente Erhebung dieser Einrede sehen. Hierunter fällt etwa die Verjährung des titulierten Anspruchs,209 die nur mit § 767 geltend zu machen und vom Vollstreckungsorgan ohne eine solche Entscheidung nicht zu beachten ist.210 Ein akzessorisch Haftender kann mit der Vollstreckungsabwehrklage die Verjährung der Hauptforderung geltend machen.211 Das gilt selbst dann, wenn die Verjährung gegenüber dem akzessorisch haftenden Schuldner gehemmt wurde. Anerkannt hat die höchstrichterliche Rechtsprechung das für einen haftenden Bürgen,212 abgelehnt hat sie das für einen akzessorisch haftenden Gesellschafter.213 Daneben kommen etwa in Betracht: die Mängeleinrede,214 die Bereicherungseinrede,215 eine Stundung216 oder ein pactum de non petendo.217 Mit der Vollstreckungsabwehrklage kann der Schenker auch die Einrede des Notbedarfs (§ 519 BGB) geltend machen.218 Nicht unter § 767 fällt der Einwand des Schuldners, der Gläubiger habe eine von ihm zu erbringende Zug-um-Zug-Leistung nicht vollständig erbracht; das ist mit der Vollstreckungserinnerung geltend zu machen.219 In anderen Fällen können die Einrede des

205 RGZ 27, 382, 385. 206 BGH NJW 1992, 2148 (Verzicht); Stein/Jonas/Münzberg § 767 Rdn. 17; Prütting/Gehrlein/Scheuch § 767 Rdn. 21; Gaul/ Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 40 Rdn. 38. 207 Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 40 Rdn. 40; MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann, § 767 Rdn. 63. 208 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 767 Rdn. 60. 209 BGHZ 59, 72, 74; Prütting/Gehrlein/Scheuch § 767 Rdn. 26. 210 LG Koblenz DGVZ 1985, 62; Leyendecker JA 2010, 631, 632. 211 BGHZ 139, 215, 216; BGHZ 76, 222, 224; vgl. auch MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 767 Rdn. 60. 212 BGHZ 139, 215, 216; BGH NJW 1999, 278. 213 BGHZ 104, 76, 79 ff. 214 BGHZ 85, 367, 371 f. (noch zur Rechtslage vor der Schuldrechtsmodernisierung); MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 767 Rdn. 69. 215 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 767 Rdn. 69. 216 OLG Brandenburg, Urt. v. 11.3.2010 – 5 U 34/09; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 40 Rdn. 48. 217 BGH NJW 1996, 2165, 2166. 218 Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 40 Rdn. 48. 219 OLG Rostock, Beschl. v. 29.6.2010 – 3 U 65/10. 349

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nicht erfüllten Vertrages (§ 320 BGB)220 oder ein Zurückbehaltungsrecht (§ 273 BGB)221 nach § 767 geltend gemacht werden.

70 g) Insolvenzbezogene Einwendungen. Mit der Vollstreckungsabwehrklage können eine Restschuldbefreiung (§ 301 InsO)222 (s. § 766 Rdn. 41) und die Erfüllungsablehnung durch den Insolvenzverwalter (§ 103 Abs. 2 InsO)223 geltend gemacht werden (s. § 766 Rdn. 41). Nicht nach § 767, sondern nach § 766 geltend zu machen ist die Masseunzulänglichkeit gem. § 208 InsO.224 Denn § 210 InsO ordnet ein Vollstreckungsverbot an, sobald der Insolvenzverwalter die Masseunzulänglichkeit angezeigt hat. Dieses Vollstreckungsverbot ist von Amts wegen zu beachten.225 Eines zwischen die Anzeige der Masseunzulänglichkeit und die Einstellung bzw. Beschränkung der Zwangsvollstreckung tretenden Gestaltungsurteils, das die Anzeige des Insolvenzverwalters für die Vollstreckungsorgane beachtlich macht, bedarf es daher nicht.

71 h) Sachverhaltsänderungen bei Unterlassungstiteln. Bei einem Unterlassungstitel kann mit der Vollstreckungsabwehrklage geltend gemacht werden, dass sich der dem Urteil zugrundeliegende Sachverhalt nachträglich so maßgeblich verändert hat, dass der Unterlassungsanspruch nicht mehr besteht.226

72 i) Sonstige Einwendungen. Geltend gemacht werden können auch ein Wegfall der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB)227 und der Einwand des Rechtsmissbrauchs, sofern er den Bestand der Forderung betrifft.228 Ebenso kommen in Betracht, dass eine auflösende Bedingung eingetreten ist229 oder eine Kündigung des anspruchsbegründenden Schuldverhältnisses für die Zeit nach ihrem Wirksamwerden.230 Mit der Vollstreckungsabwehrklage kann auch geltend gemacht werden, dass die Ansprüche wegen derer die Zwangsvollstreckung in eine Grundschuld betrieben wird, nicht von dem Sicherungszweck umfasst werden.231 Der Schuldner kann einwenden, dass der Gläubiger den titulierten Anspruch verwirkt hat.232 73 Nicht auf Zustimmung kann es allerdings stoßen, dass an das Zeitmoment keine hohen Anforderungen zu stellen sind.233 Denn auf die Verwirkung kommt es nicht mehr an, wenn die titulierte Forderung verjährt ist und der Schuldner sich mit der Verjährungseinrede verteidigen kann (s. Rdn. 69). Gibt nun das Gesetz dem Gläubiger bis zum Eintritt der Verjährung Zeit, die Forderung 220 OLG Köln NJW-RR 2004, 1135, 1136. 221 RG JW 1937, 1547; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 40 Rdn. 48. 222 BGH NJW 2008, 3640, 3641; Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Raebel § 767 Rdn. 23; Prütting/Gehrlein/Scheuch § 767 Rdn. 26.

223 BGH NJW 1987, 1702, 1703; Prütting/Gehrlein/Scheuch § 767 Rdn. 24; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 40 Rdn. 39. 224 Braun/Ludwig InsO § 210 Rdn. 5; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 40 Rdn. 39; a.A. OLG Koblenz JurBüro 2008, 427; Prütting/Gehrlein/Scheuch § 767 Rdn. 26; Baur/Stürner/Bruns Rdn. 45.15. BGH MDR 2008, 108 und Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Raebel § 767 Rdn. 23 wollen die Vollstreckungsabwehrklage allerdings dann zulassen, wenn es dem Insolvenzverwalter nicht gelingt, die Masseunzulänglichkeit im Verfahren nach §§ 207 ff. InsO glaubhaft zu machen. 225 Braun/Ludwig InsO § 210 Rdn. 5. 226 BAG NZA 2012, 1179, 1180. 227 BGHReport 2004, 776. 228 BGHZ 42, 1; BGHReport 2004, 776. 229 BGH NJW 1999, 954; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 40 Rdn. 40. 230 Prütting/Gehrlein/Scheuch § 767 Rdn. 24. 231 OLG Rostock WM 2001, 1377. 232 Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 40 Rdn. 40. 233 So Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 40 Rdn. 40. Spohnheimer

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einredefrei durchzusetzen, muss zum einen ein gewichtiges Umstandsmoment hinzutreten, zum anderen dürfen an das Zeitmoment keine geringen Anforderungen gestellt werden. Das zeigt nicht zuletzt, dass zahlreiche Ansprüche erst durch die Titulierung der dreißigjährigen Verjährungsfrist des § 197 BGB unterworfen werden.

j) Änderung der Rechtsprechung und Rechtsänderungen. Kommt es nach Rechtskraft des 74 Urteils zu Gesetzesänderungen, kommt es in erster Linie auf die jeweilige Übergangsregelung, i.Ü. darauf an, ob sich aus der Neuregelung überhaupt eine materielle Einwendung herleiten lässt.234 Das dürfte noch am ehesten der Fall sein, wenn der Schuldner sich gegen einen in die Zukunft wirkenden Unterlassungstitel wehrt,235 insbesondere wohl in den Fällen des gewerblichen Rechtsschutzes: Denn der Vollstreckungsschuldner kann nicht dauerhaft von einem Verhalten abgehalten werden, das seinem Mitbewerber nunmehr nicht mehr untersagt werden kann.236 Kommt es nach Erlass des Urteils zu einer Änderung der Rechtsprechung, ist das grundsätzlich kein erheblicher Einwand gegen den titulierten Anspruch, sondern gegen die Richtigkeit des Urteils selbst.237 Für Einwendungen dagegen stehen dem Betroffenen nur die Rechtsbehelfe gegen die Entscheidung zur Verfügung. Sind diese Fristen abgelaufen, verdient die Rechtskraft Schutz. Bereits abgeschlossene und abgeurteilte Sachverhalte sollen nicht noch einmal aufgegriffen werden. Das ist nur bei in die Zukunft gerichteten Titeln möglich (z.B. Unterhaltstiteln).238 Bei wettbewerbsrechtlichen Unterlassungstiteln soll eine Änderung der Rechtsprechung, weil die Rechtsprechung des BGH hier jedenfalls im Bereich der Generalklauseln dem Gesetzesrecht entspricht, einen Einwand i.S.v. § 767 Abs. 1 begründen können.239 Hier kommt entscheidend hinzu, dass dem Unterlassungsverpflichteten Wettbewerbsmöglichkeiten verwehrt wären, die seinen Mitbewerbern künftig erlaubt wären.240 Erklärt das Bundesverfassungsgericht eine Norm für verfassungswidrig, kann der Schuldner 75 die Nichtigerklärung der Norm gem. § 79 Abs. 2 S. 3 BVerfGG im Wege der Vollstreckungsabwehrklage geltend machen. Die Rechtskraft der Entscheidung selbst bleibt hingegen davon unberührt.241 Über den Wortlaut hinaus werden nach der Ansicht des BGH und Stimmen in der Literatur242 auch die Fälle erfasst, in denen das BVerfG nicht eine Norm, sondern eine bestimmte Auslegung einer Norm – über einen Einzelfall hinausgehend – für verfassungswidrig hält.243 Dem wird in der Literatur zuweilen entgegen getreten.244 Nicht zu Unrecht wird darauf hingewiesen, dass es sich bei § 79 Abs. 2 S. 3 BVerfGG um eine gesetzgeberische Entscheidung handelt, die eng auf den Fall der Nichtigerklärung einer Norm beschränkt ist. Doch kann es keinen Unterschied machen, ob eine Norm für nichtig erklärt oder ob das BVerfG eine Auslegung als nicht mit dem Grundgesetz vereinbar ansieht. Denn würde nicht ein Gericht eine Norm in dieser Weise auslegen, sondern würde der Gesetzgeber einen der Auslegung entsprechenden Rechtssatz statuieren, wäre die Nichtigerklärung die Folge. In beiden Fällen trifft die hinter § 79 Abs. 2 S. 3 BVerfGG stehende Idee zu, dass der Staat Entscheidungen nicht mehr zwangsweise durchsetzen können und müssen soll, die der Verfassung widersprechen.

234 235 236 237 238

Vgl. etwa KG NJW 1995, 1035. Brox/Walker § 44 Rdn. 55; BGHZ 133, 316, 323 f. Brox/Walker § 44 Rdn. 60. BGH NJW 2009, 3303, 3305; Stein/Jonas/Münzberg § 767 Rdn. 24. BGHZ 176, 35, 39 f.; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 40 Rdn. 50 ff.; Stein/Jonas/Münzberg § 767 Rdn. 17; MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 767 Rdn. 73. 239 BGH NJW 2009, 3303, 3305. 240 BGH NJW 2009, 3303, 3305. 241 Stein/Jonas/Münzberg § 767 Rdn. 15. 242 BeckOK/Preuß § 767 Rdn. 27. 243 BGH NJW 2002, 2940, 2942; Brox/Walker § 44 Rdn. 57. 244 Stein/Jonas/Münzberg § 767 Rdn. 15; Guckelberger NJW 2004, 662, 664; wohl auch Hau BKR 2002, 820, 821. 351

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3. Präklusion von Einwendungen (Abs. 2) 76 § 767 Abs. 2 bestimmt, dass Einwendungen, die den durch Urteil festgestellten Anspruch selbst betreffen, nur insoweit zulässig sind als die Gründe, auf denen sie beruhen, nach dem Schluss der maßgeblichen mündlichen Verhandlung entstanden sind. Ist das nicht der Fall und sind die Einwendungen präkludiert, ist die Klage unbegründet.245

77 a) Zweck der Vorschrift. Welche gesetzgeberische Intention hinter der Regelung steht, ist noch immer nicht abschließend geklärt.246 Die Vorschrift soll typischerweise die Rechtskraft der zu vollstreckenden Entscheidung absichern.247 Unstreitig dürfte jedenfalls sein, dass der Schuldner die Einwendungen, die er im Erkenntnisverfahren hätte geltend machen können, die er aber nicht vorgebracht hat, im Zwangsvollstreckungsverfahren im Wege der Vollstreckungsabwehrklage nicht mehr geltend machen können soll. Vielfach will man der Norm sogar eine viel grundlegendere Bedeutung beimessen. So hat der BGH judiziert, dass die Vorschrift über die Vollstreckungsabwehrklage hinaus eine gesetzliche Regelung über den zeitlichen Verlauf der Grenze der Rechtskraft enthalte.248 Andere entnehmen ihr, dass sie zum Ausdruck bringe, dass der Urteilsausspruch nicht nur aussagt, dass der Anspruch besteht, sondern dass er einredefrei besteht.249 Das findet seine Rechtfertigung darin, dass der Beklagte, der sich gegen eine Klage verteidigt bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung alle Einwendungen vorbringen muss, die bis dahin begründet waren. Hat er den entsprechenden Lebenssachverhalt nicht vorgetragen, kann er sich nach Eintritt der Rechtskraft nicht mehr damit verteidigen, dass der durch das rechtskräftig gewordene Urteil festgestellte Anspruch doch nicht besteht. Anderes wäre mit der Funktion der Rechtskraft kaum zu vereinbaren. Eine Ausnahme bilden allerdings selbständige Gegenrechte.250 Sie sind dadurch gekennzeichnet, dass sie erst durch den Einsatz dieser Gegenposition einen Anspruch zum Erlöschen bringen oder aber selbständig einklagt werden können. So kann der Schuldner wählen, ob er mit einer ihm zustehenden Forderung aufrechnet oder ob er sie selbständig einklagt. Bei Gestaltungsrechten kann das Urteil nur feststellen, dass die Rechtslage zum Entscheidungszeitpunkt noch nicht umgestaltet war (s. Rdn. 86 ff.). Ob man diese Präklusionswirkungen jetzt aus § 767 Abs. 2 oder aus dem Wesen der Rechtskraft als solches herleitet, dürfte im Ergebnis keinen Unterschied machen. Jedenfalls ist für die Vollstreckungsabwehrklage – und das dürfte unstreitig sein – folgendes entscheidend: § 767 Abs. 2 soll auch der Verfahrenskonzentration dienen. Und das geht – wie man gerade am Beispiel der Aufrechnung sehen kann, wenn man mit der Rechtsprechung auf das Bestehen einer Aufrechnungslage abstellt251 – noch über den Schutz der Rechtskraft hinaus. Denn hat der Schuldner im Erkenntnisverfahren die Aufrechnung nicht erklärt, stünde dem die Rechtskraft nicht entgegen. Denn soweit keine Aufrechnung in das Verfahren eingeführt wurde, kann das Urteil auch nicht rechtskräftig feststellen, dass die Forderung nicht durch Aufrechnung erloschen ist, geschweige denn dass keine aufrechenbare Forderung besteht.252 Damit hält die Vorschrift den Schuldner weitergehend mittelbar dazu an, Einwendungen, auch soweit sie selbständige Gegenrechte darstellen, gegen den noch zu titulierenden Anspruch im Ausgangsverfahren und damit möglichst frühzeitig geltend zu machen.253 Das findet seine 245 Allg.M.; vgl. etwa RGZ 77, 352, 354; BeckOK/Preuß § 767 Rdn. 37; Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Raebel § 767 Rdn. 32. Vgl. dazu ausf. Thole ZZP 124 (2011) 45, 51; Thomale ZZP 132 (2019) 139, 147 ff. BGH NJW 2004, 1252, 1253; MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 767 Rdn. 77; BeckOK/Preuß § 767 Rdn. 37. BGH NJW 2004, 1252, 1253. Kritisch aber Otto Die Präklusion (1970), S. 67 f.; Thomale ZZP 132 (2019) 139, 147 ff. Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 40 Rdn. 53. Lüke JZ 1960, 203, 207 (Fn. 39); Gaul JuS 1962, 1, 9. Seit RGZ 64, 228 ständige Rspr. Thomale ZZP 132 (2019) 139, 165 f. Thomale ZZP 132 (2019) 139, 160 f.

246 247 248 249 250 251 252 253

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Rechtfertigung nicht zuletzt in der Schlagkraft der Zwangsvollstreckung: Hält der Gläubiger einen Titel in Händen und wurden bereits begründete Einwendungen nicht geltend gemacht, soll der Schuldner grundsätzlich das Vollstreckungsverfahren nicht hinauszögern können, indem er das Vollstreckungsverfahren mit einer Klage über Einwendungen belastet, die bereits im Ausgangsverfahren hätten geltend gemacht werden können.254 Damit grenzt die Norm das Erkenntnisverfahren vom Vollstreckungsverfahren ab: Einwendungen gegen den titulierten materiellrechtlichen Anspruch sind im Regelfall im Erkenntnisverfahren und nur ausnahmsweise im Vollstreckungsverfahren geltend zu machen.

b) Anwendungsbereich der Präklusionsregel. Die Norm ist anwendbar, auch wenn ein Titel 78 nicht rechtskräftig ist (z.B. vorläufig vollstreckbare Urteile).255 Ist ein Vollstreckungstitel der Rechtskraft aber nicht fähig, findet § 767 Abs. 2 keine Anwendung.256 Das trifft auf Prozessvergleiche (§ 794 Abs. 1 Nr. 1)257 und vollstreckbare Urkunden (§ 794 Abs. 1 Nr. 5) zu. Bei Kostenfestsetzungsbeschlüssen (§ 794 Abs. 1 Nr. 2) greift die Norm nicht ein, weil Einwendungen im Verfahren nach § 104 gar nicht geltend gemacht werden können.258 Abs. 2 präkludiert im Gebührenfestsetzungsverfahren nach § 11 RVG, weil hier die Beteiligten zu hören sind und ihre Einwendungen geltend machen können.259 Anwendbar ist Abs. 2 auf Anwaltsvergleiche, die für vollstreckbar erklärt wurden (§ 794 Abs. 1 Nr. 4b): Einwendungen sind präkludiert, wenn sie vor Abschluss des Vergleichs hätten geltend gemacht werden können.260 Einwendungen, die danach entstanden sind, sollen nach zuweilen vertretener Auffassung im Vollstreckbarerklärungsverfahren geltend zu machen sein.261 Bei vollstreckbaren Urkunden findet § 767 Abs. 2 gem. § 797 Abs. 4 keine Anwendung. Gleiches gilt gem. § 797 Abs. 6 i.V.m. Abs. 4 für von einem Notar für vollstreckbar erklärte Vergleiche. Allerdings soll die Norm Anwendung finden, wenn eine Vollstreckungsabwehrklage erhoben wurde und dann weitere Einwendungen in einer weiteren Klage geltend gemacht werden sollen.262 Dem ist im Ergebnis zuzustimmen, doch folgt das wohl eher aus § 767 Abs. 3, der die Präklusion bei mehreren Vollstreckungsabwehrklagen regelt (s. Rdn. 105 ff.). Im Rahmen Europäischer Vollstreckungstitel nach der Verordnung 1215/2012/EU findet die Vorschrift keine Anwendung bei gerichtlichen Vergleichen und öffentlichen Urkunden (§ 1117 Abs. 2). Entsprechend angewandt wird die Vorschrift auf solche Titel, bei denen der Schutz der Rechts- 79 kraft des Ursprungstitels seine Anwendung gebietet.263 Das trifft zu auf ausländische Urteile264 und Schiedssprüche (s. Rdn. 91). Für Einwendungen gegen den Europäischen Zahlungsbefehl ordnet § 1096 Abs. 2 S. 2 eine entsprechende Anwendung an. Einwendungen des Insolvenzverwalters gegen zur Insolvenztabelle festgestellte Forderungen können nur geltend gemacht werden, soweit die Gründe, auf denen sie beruhen, nach der Feststellung – kein Widerspruch im Prüfungstermin/im schriftlichen Verfahren (§ 178 Abs. 1 InsO) oder nach Widerspruch gem. § 183 InsO – entstanden sind.265 c) Maßgeblicher Zeitpunkt im Allgemeinen. Grundsätzlich ist auf den Zeitpunkt der letzten 80 mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz (§ 296a) bzw. auf den nach § 128 Abs. 2 maßgeb254 255 256 257 258 259 260 261 262 263 264 265 353

Sehr deutlich schon RG JW 1902, 531. MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 767 Rdn. 77 f.; Prütting/Gehrlein/Scheuch § 767 Rdn. 37. Stein/Jonas/Münzberg § 767 Rdn. 25; BeckOK/Preuß § 767 Rdn. 37. BGH NJW 1977, 583, 584; NJW-RR 1987, 1022, 1023. BGHZ 3, 381, 382 f.; BeckOK/Preuß § 767 Rdn. 37; Prütting/Gehrlein/Scheuch § 767 Rdn. 38. BGH NJW 1997, 743; BeckOK/Preuß § 767 Rdn. 37. Prütting/Gehrlein/Scheuch § 767 Rdn. 40. OLG Köln NJW 1997, 1450, 1451; offen gelassen von BGH NJW 2006, 695, 697. BGHZ 61, 25, 28; Prütting/Gehrlein/Scheuch § 767 Rdn. 41. BeckOK/Preuß § 767 Rdn. 38. BGHZ 84, 17, 22; BGHZ 89, 116, 124; MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 767 Rdn. 78. BGH NJW 1991, 1615; MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 767 Rdn. 78. Spohnheimer

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lichen Zeitpunkt abzustellen.266 Bei einer Schriftsatzfrist nach § 283 kommt es auf deren Ablauf an.267 Eine nicht eingelegte, zurückgenommene oder unzulässige Berufung bleibt unberücksichtigt.268 Ist eine Berufung eingelegt und durchgeführt worden, kommt es darauf an, ob neue Tatsachen, die die Einwendung begründen sollen, hätten berücksichtigt werden können (§ 529 Abs. 1 Nr. 2 iVm § 531 Abs. 2 S. 1).269 Für eine Aufrechnung ist § 533 maßgeblich. Werden die Einwendungen zurückgewiesen, kann auch die Vollstreckungsabwehrklage nicht mehr darauf gestützt werden.270 Wegen des grundsätzlichen Ausschlusses neuen Tatsachenvortrags in der Revision besteht keine Pflicht, solche Tatsachen im Revisionsverfahren einzuführen, auch wenn das Revisionsgericht sie im Einzelfall aus prozessökonomischen Gründen berücksichtigen müsste.271 Bei Grundurteilen kommt es auf den Schluss der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung 81 vor Erlass des Grundurteils an, wenn sich die Einwendungen gegen den Anspruchsgrund richten, hingegen auf die letzte mündliche Verhandlung im Betragsverfahren, wenn sie sich gegen den Betrag richten.272 Im Falle eines Anerkenntnisurteils kommt es auf den Zeitpunkt an, in dem das Anerkenntnis bindend abgegeben wurde. Das ist im schriftlichen Verfahren der Zeitpunkt des Zugangs bei Gericht.273

82 d) Maßgeblicher Zeitpunkt bei Versäumnisurteil und Vollstreckungsbescheid. Im Falle eines Versäumnisurteils bzw. eines Vollstreckungsbescheides müssen Einspruch und Vollstreckungsabwehrklage zeitlich voneinander abgegrenzt werden. § 767 Abs. 2 normiert, dass Einwendungen nur insoweit zulässig sind, als die Gründe auf denen sie beruhen, erst nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz entstanden sind und durch Einspruch nicht mehr geltend gemacht werden können. Diese Regelung wird nicht einheitlich interpretiert. Die h.M.274 nimmt an, dass mit der Vollstreckungsabwehrklage nur jene Einwendungen geltend gemacht werden können, die erst nach Ablauf der Einspruchsfrist entstanden sind. Sind die Einwendungen vor Ablauf der Einspruchsfrist entstanden und legt der Schuldner keinen Einspruch ein, sind diese Einwendungen bei einer Vollstreckungsabwehrklage nicht zulässig: Er ist mit seinen Einwendungen präkludiert. Die Gegenansicht stellt darauf ab, ob der Schuldner seine Einwendungen im Zeitpunkt der Klageerhebung275 oder im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung276 noch mit einem Einspruch geltend machen kann. Nur dann soll die Vollstreckungsabwehrklage nicht in Betracht kommen. Folgt man dem, können Einwendungen, die nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung entstanden sind während der Einspruchsfrist nur mit dem Einspruch, nach Ablauf der Einspruchsfrist nur mit der Vollstreckungsabwehrklage geltend gemacht werden bzw. hat der Schuldner faktisch zunächst ein Wahlrecht und muss hoffen, dass nicht noch während der Einspruchsfrist mündlich verhandelt wird. Im Ergebnis wird § 767 Abs. 2 weniger als eine Präklusionsnorm sondern mehr als eine Norm zur Verfahrenskoordination ausgelegt. Für die h.M. spricht entscheidend der von ihr ins Feld geführte Konzentrationsgedanke: 83 Macht der Schuldner Einwendungen gegen die Vollstreckbarkeit des Titels, die er in einem Er266 Thomas/Putzo/Seiler § 767 Rdn. 21a; Gaul JuS 1962, 1; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 40 Rdn. 83. 267 BeckOK/Preuß § 767 Rdn. 42. 268 Prütting/Gehrlein/Scheuch § 767 Rdn. 44; MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 767 Rdn. 80; BGHZ 163, 339, 342 (Rücknahme der Berufung). 269 Prütting/Gehrlein/Scheuch § 767 Rdn. 44. 270 BGHZ 125, 351, 353; Prütting/Gehrlein/Scheuch § 767 Rdn. 44. 271 BGHZ 139, 214, 223. 272 BeckOK/Preuß § 767 Rdn. 43. 273 OLG Brandenburg NJOZ 2002, 204, 205; MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 767 Rdn. 80. 274 RGZ 55, 187, 189 f.; MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 767 Rdn. 80; Prütting/Gehrlein/Scheuch § 767 Rdn. 46; Brox/Walker § 44 Rdn. 67; vgl. auch BGH NJW 1982, 1812 (zu § 323 Abs. 2); offen gelassen von BGH NJW-RR 2012, 304, 305. 275 Leo JW 1922, 476. 276 Stein/Jonas/Münzberg § 767 Rdn. 40. Spohnheimer

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kenntnisverfahren noch hätte geltend machen können, dort nicht geltend, soll das Vollstreckungsverfahren nicht damit belastet werden. Außerdem liefe der Anwendungsbereich der Vorschrift faktisch leer.277 Man mag in einem – vielleicht praktisch gar nicht so seltenen – Fall278 aufhorchen: Ein Schuldner erkennt, dass er der Verurteilung nicht entkommt und lässt aus Kostengründen ein Versäumnisurteil gegen sich ergehen. Auf das Versäumnisurteil hin leistet er, allerdings nicht gegen Herausgabe des Titels. Nun zwingen jene, die eine strenge Präklusion vertreten, den vorsichtigen Schuldner in diesen Fällen in den Einspruch, wenn der Gläubiger – aus welchen Gründen auch immer – den Titel nicht herausgibt. Legt der Schuldner keinen Einspruch ein und vollstreckt der Gläubiger – aus welchen Gründen auch immer – dennoch, ist der Schuldner mit seinen Einwendungen präkludiert. Hier hat man auf den ersten Blick den Eindruck, das Ergebnis sei – in beide Richtungen – weder sach- noch interessengerecht.279 Doch steht der Gläubiger nicht völlig schutzlos: Weil die von § 767 Abs. 2 angeordnete Präklusion in diesen Fällen über die zeitlichen Grenzen der Rechtskraft hinausgeht, kann sie in nachfolgenden Verfahren insoweit auch nicht binden. Deshalb kann sich der Schuldner, der die Einspruchsfrist verstreichen lässt, zwar nicht mehr mit der Vollstreckungsabwehrklage wehren, doch sind materiellrechtliche Ansprüche nicht ausgeschlossen.280 Der Schuldner kann in den seltenen Fällen, dass er vor Ablauf der Einspruchsfrist zahlt und nach Ablauf der Einspruchsfrist dennoch vollstreckt wird, Ansprüche aus § 812 BGB bzw. § 826 BGB geltend machen.

e) Eintritt der Präklusion. Mit einer Einwendung ist der Schuldner präkludiert, wenn die Grün- 84 de auf denen sie beruhen, nicht erst nach dem maßgeblichen Zeitpunkt (s. Rdn. 80 f.) entstanden sind (s. zu Besonderheiten bei Einspruchsmöglichkeit Rdn. 82 f.). Die Gründe, auf denen eine Einwendung beruht, meint die Tatsachen, auf denen sie beruht.281 Welche das sind, kann nur nach materiellem Recht beantwortet werden. Der Schuldner trägt die Beweislast dafür, dass die Gründe, auf denen die Einwendungen beruhen, erst nach dem maßgeblichen Zeitpunkt entstanden sind.282 Entscheidend ist nur, dass die objektive Möglichkeit bestanden hat, die Gründe geltend zu 85 machen.283 Ob der Schuldner die Einwendung kannte oder hätte kennen müssen, spielt keine Rolle.284 Das gilt auch für den Abtretungseinwand; § 407 BGB schützt nur den guten Glauben des Schuldners bei Zahlung an den bisherigen Gläubiger und ist nicht für den Einwand der verlorenen Sachlegitimation bedeutsam.285 Auch ist nicht entscheidend, ob der Schuldner die Einwendungen im ersten Verfahren nicht beweisen konnte.286 Der Schuldner ist mit seinen Einwendungen auch ausgeschlossen, wenn sie im vorangegangenen Verfahren präkludiert waren.287 Wurden erhobene Einwendungen zu Unrecht nicht zugelassen oder versehentlich übergangen, muss der Schuldner dagegen einen Rechtsbehelf einlegen, sonst ist er ebenfalls präkludiert.288

277 RGZ 55, 187, 190; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 40 Rdn. 87. 278 Diesen Fall schildert Stein/Jonas/Münzberg § 767 Rdn. 40; vgl. zu einem ähnlichen Fall auch OLG Hamm NJW-RR 2000, 659. So für einen vergleichbaren Fall OLG Hamm NJW-RR 2000, 659. Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 40 Rdn. 86. Thomas/Putzo/Seiler § 767 Rdn. 22. BGHZ 34, 274, 281; BGH NJW-RR 2006, 202, 203; Prütting/Gehrlein/Scheuch § 767 Rdn. 48. BGHZ 145, 352, 355; BeckOK/Preuß § 767 Rdn. 41. BGH NJW-RR 2004, 1422; BGH NJW 2001, 231, 232; BeckOK/Preuß § 767 Rdn. 41; MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 767 Rdn. 81; Stein/Jonas/Münzberg § 767 Rdn. 30; Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Raebel § 767 Rdn. 33. 285 BGHZ 145, 352, 355; OLG Dresden NJW-RR 1996, 444, 445. 286 Prütting/Gehrlein/Scheuch § 767 Rdn. 47. 287 BGHZ 125, 351, 353. 288 Stein/Jonas/Münzberg § 767 Rdn. 25 und 28; Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Raebel § 767 Rdn. 33.

279 280 281 282 283 284

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86 f) Präklusion bei noch nachträglich ausgeübten Gestaltungsrechten. Wurde ein Gestaltungsrecht (z.B. Aufrechnung, Anfechtung, Rücktritt, Widerruf) vor der letzten mündlichen Verhandlung im titelerzeugenden Verfahren ausgeübt und das nicht ins Verfahren eingeführt, ist der Schuldner zweifellos präkludiert. Nicht einheitlich beurteilt wird hingegen, wann die Gründe für die Einwendung vorlagen, wenn das Gestaltungsrecht erst nach dem maßgeblichen Zeitpunkt ausgeübt wird. Für die h.L. ist die bestehende Gestaltungsmöglichkeit noch keine Einwendung nach § 767 Abs. 1. Sie stellt insoweit auf den Zeitpunkt, in dem das Gestaltungsrecht ausgeübt wurde, also die (Um-)Gestaltung der Rechtslage eingetreten ist, ab.289 Für die Rechtsprechung und einige Autoren ist grundsätzlich maßgeblich, wann die Ausübung 87 des Gestaltungsrechts objektiv möglich war.290 Einigkeit besteht aber jedenfalls insoweit, dass derjenige nicht präkludiert wird, der den Gestaltungsgrund überhaupt erst hätte schaffen können. Der Schuldner muss daher nicht einen Mängelgewährleistungsanspruch in einen aufrechenbaren Zahlungsanspruch umwandeln.291 Allerdings macht die Rechtsprechung eine Ausnahme für vertraglich vereinbarte Gestaltungsrechte. Hier soll es nicht auf das Vorliegen der Gestaltungslage ankommen, sondern auf die Ausübung des Gestaltungsrechts.292 Denn das Wesen eines vertraglich vereinbarten Gestaltungsrechts läge gerade darin, dem Begünstigten die Möglichkeit einzuräumen, mit einer Entscheidung bis zum vereinbarten Zeitpunkt warten zu können.293 Vermittelnd wird vorgeschlagen, danach zu differenzieren, ob sich das Gestaltungsrecht auf ei88 nen schon abgeschlossenen Sachverhalt bezieht (etwa im Falle einer Anfechtung) oder ob es darum geht, ein Gestaltungsrecht ohne Berufung auf einen solchen Sachverhalt (Widerrufsrechte,294 Kündigungsrechte) auszuüben.295 In diesen Fällen soll für die Frage einer Präklusion auf den Zeitpunkt abgestellt werden, in dem das Recht ausgeübt wurde; knüpft das Gestaltungsrecht hingegen an einen schon abgeschlossenen Sachverhalt an, soll es darauf ankommen, wann es hätte ausgeübt werden können.296 Andere differenzieren nach dem jeweiligen Gestaltungsrecht und lassen für eine Vollstreckungsabwehrklage entweder nur die nachträgliche Aufrechnung zu297 oder alle anderen Gestaltungsrechte außer der nachträglichen Aufrechnung.298 89 Ausgangspunkt aller Überlegungen sollten der Sinn und Zweck der Präklusionsvorschrift sein. Die Rechtsprechung betont immer wieder die Rechtskraft der Entscheidung, die geschützt werden müsse.299 Doch wurde überzeugend begründet, dass die Rechtskraft einer nachträglichen Ausübung auch eines Gestaltungsrechts nicht entgegensteht, auch dann nicht, wenn seine Voraussetzungen im Schluss der letzten mündlichen Verhandlung bereits vorlagen.300 Ist nun nicht die Rechtskraft die Rechtfertigung für die harten Rechtsfolgen der Präklusion,301 so rückt der Beschleunigungsgedanke 289 Stein/Jonas/Münzberg § 767 Rdn. 33; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 40 Rdn. 62 ff.; Baur/Stürner/Bruns Rdn. 45.14; Brox/Walker § 44 Rdn. 76 ff.; Lackmann/Racz Rdn. 520. 290 BGH NJW 2020, 2876, 2878 (Widerruf); BGHZ 163, 339, 342 (Aufrechnung); BGHZ 24, 97, 98 (Aufrechnung); BGH NJW-RR 2010, 1598 (Aufrechnung); BGH NJW 2004, 1252, 1254 (Anfechtung); Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Raebel § 767 Rdn. 33. 291 BGHZ 163, 339, 343; Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Raebel § 767 Rdn. 33. 292 BGHZ 94, 29, 34 f. (Option) – dagegen Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 40 Rdn. 76; zurückhaltender BGH NJWRR 2006, 229, 231 (Kündigungsmöglichkeit) – hier sei die Erklärung der ordentlichen Kündigung zumutbar gewesen, nachdem eine außerordentliche Kündigung erklärt wurde. 293 BGHZ 94, 29, 34 f. 294 LG Darmstadt NJOZ 2011, 644, 645. 295 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 767 Rdn. 86; BeckOK/Preuß § 767 Rdn. 47.1. 296 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 767 Rdn. 86; BeckOK/Preuß § 767 Rdn. 47.1. 297 Lüke JuS 1995, 685 f. 298 Henckel ZZP 74 (1961) 165, 169 ff.; Blomeyer VV § 33 IV 2. 299 BGH NJW 2020, 2876, 2877 (Widerruf); BGHZ 103, 362, 366 (Aufrechnung). 300 MünchKomm/Gottwald § 322 Rdn. 161 ff.; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 40 Rdn. 63; vgl. zu der Thematik auch M. Schwab JZ 2006, 170, 173. Ausführlich zu alledem Thole ZZP 124 (2011) 45, 53 ff.; Thomale ZZP 132 (2019) 139, 165 f. 301 Vgl. dazu ausf. Stein/Jonas/Münzberg § 767 Rdn. 37. Spohnheimer

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ins Zentrum der Überlegungen. Man kann es nicht in Abrede stellen: Derjenige, der sich mühsam einen Titel erstritten hat, hat ein Interesse daran, ihn schnell und frei von Schikanen des Schuldners, die Vollstreckung hinauszuzögern, durchzusetzen. Aber kaum eine Partei wird sich zunächst freiwillig verurteilen lassen, um dann im Vollstreckungsverfahren mit der Ausübung des Gestaltungsrechts die letzte Chance zu nutzen, die Vollstreckung noch abzuwehren.302 Deshalb kann es keine Alles-oder-nichts-Lösung geben. Vielmehr sollte man nach dem jewei- 90 ligen Gestaltungsrecht differenzieren und fragen, wer nach der gesetzlichen Wertung schutzwürdiger ist: der Gläubiger darin, den Titel schnell zu vollstrecken oder der Schuldner darin, in der Ausübung seines Gestaltungsrechts, das ihm die Rechtsordnung – vielfach für eine bestimmte Zeit – gewährt. Ein möglichst rasches Prozessieren – am besten noch bevor der Betroffene die Existenz des Gestaltungsrechts überhaupt kennt – darf dem Betrüger und Erpresser die Beute nicht sichern.303 Deshalb muss jedenfalls beim Anfechtungsrecht wegen arglistiger Täuschung oder Drohung (§ 123 BGB) auf die Gestaltungserklärung abgestellt werden.304 Hat das materielle Recht dem Getäuschten eine einjährige Bedenkzeit ab Kenntnis oder Ende der Bedrohungslage gewährt, darf das dem materiellen Recht dienende Prozessrecht diese Möglichkeit nicht verkürzen. Ähnliches muss für das verbraucherschützende Widerrufsrecht gelten.305 Denn ihm liegt die gesetzliche Wertung zugrunde, dass die Vertragsparität gestört ist.306 Beruht das Widerrufsrecht auf europarechtlichen Regelungen, kommt noch ein weiteres hinzu: Der Grundsatz des effet utile erfordert, dass europarechtliche Wertungen – insbesondere auch jene, wie lange das Widerrufsrecht ausgeübt werden kann – nicht außer Kraft gesetzt werden dürfen.307 Im Falle einer Anfechtung nach § 119 BGB dürfte indes das Interesse des Gläubigers an einer raschen Vollstreckung überwiegen. Denn hier liegt der zur Anfechtung berechtigende Umstand in der Sphäre des Schuldners. Auch bei einem Rücktritt sollte man danach differenzieren, aus wessen Sphäre der Rücktrittsgrund kommt. Anders als bei diesen Gestaltungsrechten, die auch immer einen Bezug zur titulierten Forderung haben, ist bei der Aufrechnung zu entscheiden. Sie kennzeichnet zum einen, dass es sich um ein selbständiges Gegenrecht handelt, also ein solches, das einen Anspruch zum Erlöschen bringen kann, aber auch selbständig eingeklagt werden kann.308 Wenn man so will, kollidiert das Interesse des Gläubigers, seinen Titel schnell zu vollstrecken, mit dem Interesse des Schuldners, seine „noch zu titulierende“ Forderung, über die man in der Vollstreckungsabwehrklage streitet, auch noch schnell durchzusetzen. Hier überwiegt das Interesse des Gläubigers an der schnellen Vollstreckung; zumal der Schuldner im Regelfall309 seine Forderung nicht verliert, er muss sie dann erforderlichenfalls einklagen. Das rechtfertigt es, bei der Aufrechnung darauf abzustellen, in welchem Zeitpunkt die Aufrechnungslage bestand, nicht, wann die Aufrechnung erklärt wurde. So kann die Einwendung auch dann präkludiert sein, wenn der für die Geltendmachung der Gegenforderung erforderliche Gesellschafterbeschluss erst nach dem für § 767 Abs. 2 maßgeblichen Zeitpunkt gefasst wurde, wenn er hätte noch rechtzeitig gefasst werden können.310 Die hier vorgeschlagene differenzierte und zugleich vermittelnde Lösung ist nicht ein302 303 304 305 306 307

MünchKomm/Gottwald § 322 Rdn. 165. Angelehnt an Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 40 Rdn. 76. A.A. Piekenbrock JZ 2020, 548. A.A. BGH NJW 2020, 2876, 2877. Vgl. dazu Bülow/Artz Verbraucherprivatrecht Rdn. 27. Piekenbrock JZ 2020, 846, 850 f.; Saenger/Pietsch JA 2022, 25, 30. In der Entscheidung BGH NJW 2020, 2876 wird zwar auf die autonome Bedeutung des nationalen Verfahrensrechts verwiesen; jedoch konnte das europarechtliche Argument noch außer Betracht bleiben, weil es um den Widerruf eines Vertrages aus dem Jahr 2003 ging, der noch nicht von europarechtlichen Vorgaben beeinflusst war (so auch BeckOK/Preuß § 767 Rdn. 47.1). Man kann nur mutmaßen, aber der Wunsch, die „scheinbar unendliche Geschichte des Widerrufs“ alter Kredite (Wendehorst NJW 2019, 3423) zu beenden, mag vielleicht Vater des Gedankens gewesen sein. Für andere, aktuellere Fallkonstellationen sollte man die Entscheidung daher nicht überbewerten (ähnlich Buck-Heeb NJW 2020, 2878, 2879). 308 Lüke JZ 1960, 203, 207 (Fn. 39); Gaul JuS 1962, 1, 9. 309 Vgl. zu den besonderen Situationen Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 40 Rdn. 69. 310 OLG Koblenz, Beschl. v. 10.12.2012 – 10 U 198/12. 357

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fach zu handhaben. Sie ermöglicht allerdings, das Interesse des Gläubigers an einer schnellen Vollstreckung und die berechtigten Interessen des Schuldners, eine ihm zugestandene Frist zur Ausübung seines Gestaltungsrechts auch ausüben zu können, angemessen in Ausgleich zu bringen.

91 g) Besonderheiten bei vollstreckbar zu erklärenden Titeln. Grundsätzlich sind auch solche Einwendungen präkludiert, die bei einer notwendigen Vollstreckbarerklärung eines „Titels“ hätten geltend gemacht werden können. Denn hier soll der Schuldner seine Einwendungen bereits im Vollstreckbarerklärungsverfahren vorbringen. Das ist in den Fällen der §§ 722 und 796a angemessen und ohne Weiteres zulässig. Spiegelbildlich müssen Einwendungen, die nicht vorgebracht wurden, aber deren Gründe schon vorlagen, für eine Vollstreckungsabwehrklage präkludiert sein. Das nimmt die weit überwiegende Meinung auch bei der Vollstreckbarerklärung von Schiedssprüchen an.311 Doch muss das dort auf erhebliche Bedenken stoßen. Denn § 1060 bestimmt, dass der Antrag auf Vollstreckbarerklärung abzulehnen ist, wenn einer der in § 1059 Abs. 2 genannten Aufhebungsgründe vorliegt. Das ist bei materiellrechtlichen Einwendungen aber regelmäßig nicht der Fall. Richtigerweise wird man daher die Geltendmachung materiellrechtlicher Einwendungen gegen den titulierten Anspruch, die nicht zugleich einen Verstoß gegen den ordre public darstellen (§ 1059 Abs. 2 Nr. 2 lit. b) abzulehnen haben,312 sodass folglich keine Präklusion vorliegt. Noch größer müssen die Bedenken sein, wenn es um die Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Schiedsspruchs geht, auf die nach § 1061 Abs. 1 die Vorschriften des New Yorker Übereinkommens Anwendung finden. Hier heißt es in Art. V, dass die Vollstreckbarerklärung nur aus den dort genannten Gründen verweigert werden darf. Der Grund einer materiellrechtlichen Einwendung ist dort nicht genannt, die Vollstreckbarerklärung darf nicht verweigert werden. Steht im Anwendungsbereich des New Yorker Übereinkommens gar die Verletzung einer völkervertraglichen Pflicht im Raum, wenn die Einwendung entgegen Art. V beachtet wird, sind die Bedenken für inländische Schiedssprüche kaum weniger groß. Die Gesetzesbegründung beschreibt, welche Ziele die Neuregelungen erreichen wollen: Ein vertrautes Normengefüge und schnelle Vollstreckbarerklärungsverfahren sollen Deutschland als Schiedsort interessant machen. Das letztgenannte Ziel wird nicht erreicht, wenn das Vollstreckbarerklärungsverfahren mit verdeckten Vollstreckungsabwehrklagen belastet wird. Noch bedenklicher ist aber, wenn man gerade bei ausländischen Parteien mit klaren Normen „wirbt“, von den Parteien dann aber verlangt, dass sie ungeschriebene Aufhebungsgründe kennen müssen, um nicht bei einer Vollstreckungsabwehrklage präkludiert zu sein. Davon zu unterscheiden ist aber die Frage, ob Einwendungen gegen den Anspruch präkludiert sind, die im Schiedsverfahren hätten geltend gemacht werden können. Das muss man bejahen. Denn § 1055 weist dem Schiedsspruch die Wirkungen eines rechtskräftigen gerichtlichen Urteils zu. Daher greifen die Überlegungen zum Regelungszweck von § 767 Abs. 2 hier gleichermaßen. Die Rechtskraft soll geschützt werden und aus dem Zwangsvollstreckungsverfahren sollen jene Einwendungen herausgehalten werden, die im Ausgangsverfahren hätten geltend gemacht werden können. Deshalb können mit der Vollstreckungsabwehrklage nur solche Einwendungen geltend gemacht werden, die nach der letzten mündlichen Verhandlung des Schiedsgerichts oder dem sonst für den Erlass des Schiedsspruchs maßgeblichen Zeitpunkt begründet wurden.

92 h) Wirkungen der Präklusion. Die Vollstreckungsabwehrklage ist hinsichtlich der präkludierten Einwendung unbegründet. Die Präklusion greift auch im Rahmen nachfolgender Zivilprozes-

311 BGH SchiedsVZ 2010, 330 ff.; OLG Hamm NJW-RR 2001, 1362 f.; OLG Köln SchiedsVZ 2005, 210 ff.; OLG Düsseldorf SchiedsVZ 2005, 214 f.; OLG Koblenz SchiedsVZ 2005, 260 ff.; Wieczorek/Schütze/Schütze § 1060 Rdn. 35 ff.; a.A. KG Berlin, Urt. v. 18.1.2010 – 20 Sch 9/09; BayObLG JZ 2000, 1170 f.; Kröll FS Schütze II, 305 ff.; Borris/Schmidt SchiedsVZ 2004, 273, 276 ff. 312 Dazu ausf. Spohnheimer FS Simotta, 559, 567 ff. Spohnheimer

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se,313 insbesondere bei negativen Feststellungsklagen,314 bei Schadensersatz- und Bereicherungsklagen,315 aber auch im Anfechtungsprozess.316 § 767 Abs. 2 betrifft aber nur den titulierten Anspruch; die Präklusion führt also nicht zur materiellrechtlichen Unwirksamkeit der Aufrechnung, des Rücktritts oder der Kündigung. Nur ist die Aufrechnungserklärung dann ins Leere gegangen, wenn der prozessuale Erfolg nicht eintreten konnte.317

4. Beweislast Die Beweislast liegt beim Kläger.318 Etwas anderes gilt, wenn der Schuldner bei einer vollstreckba- 93 ren Urkunde behauptet, der titulierte Anspruch habe nie bestanden: Dann trägt der Gläubiger die Beweislast für das Entstehen des Anspruchs.319 Allerdings kann er den Beweis vielfach zunächst mit der zu vollstreckenden Urkunde führen; er muss dann vom Gläubiger seinerseits entkräftet werden.320 Soweit die Parteien nicht eine Umkehr der Beweislast vereinbart haben,321 muss der Gläubiger die Auszahlung des Darlehensbetrages beweisen, selbst wenn sich aus der zu vollstreckenden notariellen Urkunde ergibt, dass das Darlehen im Zeitpunkt der Errichtung ausgezahlt war.322

5. Verzicht auf die Einwendung und Verwirkung der Geltendmachung Hat der Schuldner gegenüber dem Gläubiger darauf verzichtet, eine Einwendung gegen den titu- 94 lierten Anspruch geltend zu machen oder eine Vollstreckungsabwehrklage zu erheben – was grundsätzlich wirksam ist – ist die Klage abzuweisen.323 Darüber hinaus kann es dem Schuldner nach § 242 BGB verwehrt sein, sich in einer Vollstreckungsabwehrklage auf eine Einwendung zu berufen. Das ist der Fall, wenn er die Geltendmachung der Einwendung verwirkt hat oder wenn ein venire contra factum proprium vorliegt.324 Doch sind an die Annahme einer Verwirkung hohe Anforderungen zu stellen.325 Die Vollstreckungsabwehrklage ist unbegründet, wenn zwar die titulierte Forderung nicht 95 mehr besteht, der Schuldner aber dazu verpflichtet ist, die Forderung wieder zu begründen.326 Allerdings darf das nicht so weit gehen, dass der Gläubiger dem Titel nachträglich eine neue begründete Forderung unterschiebt und so die Dispositionsfreiheit des Klägers unterläuft.327

313 314 315 316 317 318 319 320 321

Ausf. dazu Thomale ZZP 132 (2019) 139, 166 ff. BeckOK/Preuß § 767 Rdn. 40. BGH NJW 2013, 3243, 3245; BeckOK/Preuß § 767 Rdn. 40. BGH NZI 2007, 575, 576; BeckOK/Preuß § 767 Rdn. 40. MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 767 Rdn. 87. Prütting/Gehrlein/Scheuch § 767 Rdn. 22. Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Raebel § 767 Rdn. 40. Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Raebel § 767 Rdn. 40. Eine solche Formulierung kann etwa lauten: Der Gläubiger ist für die Vollstreckung vom Nachweis des Entstehens und der Fälligkeit der Zahlungsverpflichtung befreit. In AGB verstößt eine solche Klausel gegen § 309 Nr. 12 BGB (Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Raebel § 767 Rdn. 40). 322 BGHZ 147, 203, 208 ff.; Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Raebel § 767 Rdn. 40. 323 BGH NJW 1982, 2072, 2073; MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 767 Rdn. 76. 324 Leyendecker JA 2010, 803, 806. 325 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 767 Rdn. 76. 326 BGHZ 183, 169, 174 f.; BGHZ 110, 319, 322; MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 767 Rdn. 76; Leyendecker JA 2010, 803, 806. 327 BGH NJW-RR 1990, 883, 884; MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 767 Rdn. 76. 359

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VII. Entscheidung 1. Inhalt der Entscheidung 96 Auf eine erfolgreiche Vollstreckungsabwehrklage hin wird die Zwangsvollstreckung aus dem (genau zu bezeichnenden) Titel durch Urteil für unzulässig erklärt. Sie kann auch zeitlich befristet328 (etwa bei einer Stundung) oder quantitativ beschränkt329 (etwa bei einem Titel über eine teilbare Leistung) ausgesprochen werden. Im Hinblick auf § 775 Nr. 1 ist dieses Gestaltungsurteil für vorläufig vollstreckbar zu erklären (s. § 775 Rdn. 21).

2. Gestaltungswirkung der Entscheidung 97 Mit Rechtskraft der Entscheidung wird die Zwangsvollstreckung endgültig unzulässig.330 Über diese Gestaltungswirkung hinaus gehen von dem Urteil keine Rechtsfolgen aus. Weitere Vollstreckungsmaßnahmen werden nach § 775 Nr. 1 unzulässig, bereits getroffene Vollstreckungsmaßnahmen bleiben von dem Urteil zunächst unberührt. Sie müssen vom Vollstreckungsorgan noch nach § 776 aufgehoben werden. Verstößt das Vollstreckungsorgan gegen § 775 Nr. 1, sind die getroffenen Maßnahmen nicht unwirksam; dieser Verstoß muss mit der Vollstreckungserinnerung bzw. der sofortigen Beschwerde geltend gemacht werden.331

3. Rechtskraftwirkungen 98 Das Urteil entscheidet über die Zulässigkeit bzw. die Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung wegen der oder den geltend gemachten Einwendungen (s. zum Streitgegenstand Rdn. 33 ff.). Wird der Klage stattgegeben, steht fest, dass die titulierte Forderung nicht zwangsweise durchgesetzt werden kann.332 99 Wurde die Vollstreckungsabwehrklage abgewiesen, steht rechtskräftig fest, dass dem Vollstreckungstitel wegen des geltend gemachten Sachverhalts die Vollstreckbarkeit nicht genommen werden kann und die Zwangsvollstreckung insoweit nicht rechtswidrig war.333 Damit sollte man es auch bewenden lassen. Vielfach wird gerade von Instanzgerichten judiziert, dass feststehe, dass die Zwangsvollstreckung rechtswidrig ist bzw. nicht rechtmäßig ist.334 Das ist in dieser Allgemeinheit nur unter engen Voraussetzungen richtig. Denn eine solche Aussage setzt voraus, dass die Vollstreckungsabwehrklage über alle denkbaren Einwendungen rechtskräftig entschieden hat. Das ist jedoch zweifelhaft, wenn man bedenkt, dass von vornherein der Streitgegenstand nach dem zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff auf bestimmte Einwendungen begrenzt ist. Daher hat das Gericht im Ergebnis über andere Einwendungen nicht entschieden und sie folglich auch nicht rechtskräftig aberkannt. Richtig ist die Aussage allenfalls, wenn man Abs. 3 mitberücksichtigt. Denn dann ließe sich eine solche Sichtweise damit begründen, dass eine weitere Vollstreckungsabwehrklage unzulässig ist und sie daher nicht zu einem anderen Ergebnis führen könnte. Doch muss man dann bei § 767 Abs. 3 auch einen objektiven Maßstab zugrunde legen und darf nicht auf

328 329 330 331 332 333

Prütting/Gehrlein/Scheuch § 767 Rdn. 34. BGH NJW-RR 1987, 59, 60. Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 40 Rdn. 24. Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Raebel § 767 Rdn. 12. BeckOK/Preuß § 767 Rdn. 52. BeckOK/Preuß § 767 Rdn. 53; Stein/Jonas/Münzberg § 767 Rdn. 55; Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Raebel § 767 Rdn. 43; Prütting/Gehrlein/Scheuch § 767 Rdn. 35. 334 So auch missverständlich BGH MDR 1960, 743. Spohnheimer

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die subjektive Vorwerfbarkeit abstellen.335 Dann können nur noch solche Einwendungen geltend gemacht werden, die nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung objektiv entstanden sind – sie nehmen an der Rechtskraft nicht teil. Dann bleibt aber immer noch eine Titelgegenklage analog § 767 möglich. Sie müsste man dann auch als von § 767 Abs. 3 als präkludiert ansehen. Allenfalls unter all jenen Voraussetzungen trifft die Aussage zu, dass mit der Abweisung der Vollstreckungsabwehrklage feststeht, dass die Zwangsvollstreckung rechtmäßig ist. Nicht entschieden wird über das Bestehen oder Nichtbestehen des titulierten Anspruchs und 100 auch nicht über das Bestehen oder Nichtbestehen der erhobenen materiellrechtlichen Einwendungen.336 Soll darüber rechtskräftig entschieden werden, ist eine Zwischenfeststellungsklage (§ 256 Abs. 2) zu erheben.337 Besonderheiten ergeben sich, wenn sich der Schuldner mit einer Aufrechnung gegen die Voll- 101 streckung gewehrt hat. § 322 Abs. 2 ist analog auch auf die Vollstreckungsabwehrklage anwendbar, sodass sich die Rechtskraft eines die Vollstreckungsabwehrklage abweisenden Urteils auch auf die Aberkennung der Gegenforderungen, mit denen der Kläger gegen die titulierte Forderung aufgerechnet hat, erstreckt.338 Voraussetzung dafür ist jedoch, dass sachlich über sie entschieden worden ist. Das ist nicht nur der Fall, wenn eine materiellrechtliche Begründetheitsprüfung stattgefunden hat, sondern auch, wenn sie aus prozessualen Gründen nicht durchgreift, etwa weil sie nicht hinreichend substantiiert oder präkludiert ist; keine sachliche Entscheidung liegt vor, wenn der Aufrechnungseinwand nicht zugelassen oder die Aufrechnung für unzulässig gehalten wurde.339 Wurde der auf eine Aufrechnung gestützten Vollstreckungsabwehrklage stattgegeben, steht fest, dass die zur Aufrechnung gestellte Forderung erloschen ist.340 Haften mehrere als Gesamtschuldner, entfaltet das Urteil nur Wirkungen im Verhältnis zu 102 den klagenden Gesamtschuldnern, nicht aber zugunsten oder zulasten anderer Gesamtschuldner.341 Wird die Klage eines Gesamtschuldners abgewiesen, bleibt die Klage der übrigen Gesamtschuldner zulässig; wird seiner Klage stattgegeben, kann ein anderer damit nicht die Einstellung der Zwangsvollstreckung gegen ihn erreichen.342

4. Streitwert und Kosten Der Streitwert richtet sich nach dem Wert der titulierten Hauptforderung, soweit die Vollstreck- 103 barkeit aus dem Titel beseitigt werden soll.343 Soll die Vollstreckung nach dem Antrag nicht mehr in voller Höhe beseitigt werden (z.B. wenn die teilweise Erfüllung unstreitig ist), ist nur noch der streitige Betrag anzusetzen.344 Dass die Vollstreckbarkeit im Prozess ganz oder teilweise unstreitig wird, genügt nicht.345 Zinsen und Kosten sind als Nebenforderungen nicht zu berücksichtigen (§ 4 Abs. 1 a.E.), wohl aber, wenn nur ihre Vollstreckung im Streit steht.346 Wendet man § 322 Abs. 2

335 Im Ergebnis ebenso Blomeyer VV § 33 VII 2b. 336 BGH NJW-RR 2014, 653, 654; OLG Düsseldorf, Urt. v. 14.2.2014 – I-17 U 107/11, 17 U 107/11; MünchKomm/K. Schmidt/ Brinkmann § 767 Rdn. 41.

337 Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Raebel § 767 Rdn. 46. 338 BGHZ 48, 356, 358 ff.; BGH NJW 1994, 2769, 2770; BGH NJW 2015, 955, 959; Musielak/Voit/Lackmann § 767 Rdn. 46; a.A. Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Raebel § 767 Rdn. 42. BGH NJW 2015, 955, 959. Musielak/Voit/Lackmann § 767 Rdn. 46. LG Frankenthal MDR 1983, 586. Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Raebel § 767 Rdn. 17. BGH, Beschl. v. 6.4.2011 – IX ZR 113/08; Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Raebel § 767 Rdn. 45. BGH NJW-RR 2009, 1431, 1433. Thomas/Putzo/Seiler § 767 Rdn. 32. Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Raebel § 767 Rdn. 45.

339 340 341 342 343 344 345 346 361

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analog an, muss im Hinblick auf den Gebührenstreitwert § 45 Abs. 3 GKG berücksichtigt werden, wenn der Kläger hilfsweise mit einer Forderung aufrechnet.347 104 Für das Gericht fällt eine dreifache Gebühr an (Nr. 1210 GKG-KV), für den Rechtsanwalt entstehen die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens.348

VIII. Konzentrationsgebot bei wiederholten Vollstreckungsabwehrklagen (Abs. 3) 1. Zweck der Norm und Anwendungsbereich 105 § 767 Abs. 3 gibt dem Schuldner auf, in der von ihm zu erhebenden Klage alle Einwendungen geltend zu machen, die er zur Zeit der Erhebung der Klage geltend zu machen imstande ist. Insbesondere, weil die Vorschrift keine Rechtsfolge normiert, herrscht Streit über ihre Auslegung. Nach einer von K. Schmidt begründeten Ansicht normiert Abs. 3 die Präklusion von Einwendungen „innerhalb“ einer Vollstreckungsabwehrklage.349 Die Vorschrift ergänze die §§ 272 Abs. 1, 273 und 282. Der Schuldner sei gehalten, alle Einwendungen bereits mit der Klageerhebung geltend zu machen, soweit sie ihm bekannt seien. Sie könnten und müssten aber nachgeschoben werden, sobald sie ihm im Laufe des Verfahrens bekannt würden.350 Zu einer wiederholten Vollstreckungsabwehrklage enthalte die Norm keine Aussage; in diesen Fällen sei vielmehr Abs. 2 sinngemäß anzuwenden.351 Nach der h.M. regelt Abs. 3 die Präklusion zwischen mehreren Vollstreckungsabwehrklagen:352 106 Alle Einwendungen, die in einer Vollstreckungsabwehrklage geltend gemacht werden können, müssen geltend gemacht werden und können nicht mehr in einer späteren Vollstreckungsabwehrklage erhoben werden. Das soll ein „Aufsparen“ von Einwendungen verhindern, ihre Kumulation in einem Verfahren soll die Effektivität der Zwangsvollstreckung sichern.353 Zwar können sich diejenigen, die eine nur innerprozessuale Wirkung annehmen wollen, auf die Entstehungsgeschichte der Norm berufen.354 Auch wird man jedenfalls dem Reichsgericht355 und ihm folgend der h.M. noch vorwerfen können, sich kurz nach Inkrafttreten sehr schnell auf eine Lesart der Norm festgelegt zu haben.356 Doch muss das historische Argument weit über einhundert Jahre, in denen der Gesetzgeber die Gelegenheit zu einer die Rechtsprechung missbilligenden Äußerung gehabt hätte, zurücktreten. Jedenfalls für die Befürworter eines zweigliedrigen Streitgegenstands ist eine Präklusion von Einwendungen in späteren Verfahren essentiell. Diejenigen, die eine eingliedrige Bestimmung des Streitgegenstandes favorisieren, schützen den Gläubiger ohnehin durch die Rechtskraft.357 107 Historisch sollte das Tatbestandsmerkmal der Klageerhebung als Zustellung der Klageschrift verstanden werden. Der Schuldner sollte gezwungen sein, sämtliche ihm schon bekannten Einwendungen in der Klageschrift zu konzentrieren.358 Damit sähe die Norm eine sehr strenge Präklusion vor.359 Das verschärft sich, wenn man einen eingliedrigen Streitgegenstand der Vollstreckungsabwehrklage annimmt. Denn Einwendungen, die bei der Klageerhebung entgegen § 767 Abs. 3 nicht geltend gemacht wurden, wären präkludiert und einer zweiten Vollstreckungsabwehrklage stünde die Rechts347 348 349 350 351 352 353 354 355 356 357

Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Raebel § 767 Rdn. 45. Prütting/Gehrlein/Scheuch § 767 Rdn. 56 f. K. Schmidt JR 1992, 89, 91 f.; MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 767 Rdn. 90. MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 767 Rdn. 90. Grundlegend K. Schmidt JR 1992, 89 ff.; MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 767 Rdn. 94. Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 40 Rdn. 112. Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 40 Rdn. 112. Vgl. ausf. K. Schmidt JR 1992, 89, 90 f. RG JW 1905, 53 und später auch RG ZZP 61 (1939) 142, 144. K. Schmidt JR 1992, 89, 90. A.A. Stein/Jonas/Münzberg § 767 Rdn. 54, der sich bei der Bestimmung der Rechtskraft an den zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff anlehnen will, obwohl die Einwendungen nur Elemente der Klagebegründung sind. 358 So in der Deutung auch Bötticher MDR 1963, 933; K. Schmidt JR 1992, 89, 90. 359 So in der Bewertung auch Bötticher MDR 1963, 933. Spohnheimer

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kraft der klageabweisenden Entscheidung entgegen. Denn mit der Rechtskraft werden bei einem eingliedrig bestimmten Streitgegenstand alle Einwendungen abgeschnitten, die im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung objektiv begründet waren. Umgekehrt stellt sich für diejenigen, die den Streitgegenstand zweigliedrig bestimmen wollen, das Problem, dass einer nicht geltend gemachten Einwendung in einem weiteren Verfahren insoweit keine Rechtskraft entgegensteht. Anders als § 767 Abs. 2, der (jedenfalls auch) die Rechtskraft des vorausgegangenen Urteils 108 schützen will (s. Rdn. 77) findet Abs. 3 auf alle Vollstreckungstitel Anwendung.360 Die Norm steht allerdings einer Klagerücknahme nicht im Weg. In diesem Fall kann eine weitere Vollstreckungsabwehrklage erhoben werden.361 Maßgeblich ist, dass es zu einem rechtskräftigen Urteil gekommen ist.362 Begreift man die Titelgegenklage als eine eigenständige Klageart (s. Rdn. 122), ist es sachgerecht, dass im Verhältnis von Vollstreckungsabwehrklage und Titelgegenklage keine Präklusion nach Abs. 3 eingreift.363 Das hat im Ergebnis auch der BGH bejaht.364 Doch ist seine Begründung dafür fragwürdig. Wenn man die Entscheidung recht versteht, soll maßgeblich sein, dass die Präklusion an eine der materiellen Rechtskraft fähige Entscheidung geknüpft ist.365 Dazu wurde ausgeführt, dass der angegriffene Titel der Rechtskraft nicht fähig war.366 Doch scheint der BGH dann statt auf die Entscheidung über die vorangegangene Vollstreckungsabwehrklage auf den angegriffenen Titel abzustellen. Das überzeugt für die Präklusion nach § 767 Abs. 2,367 nicht aber für die Präklusion nach Abs. 3. Wohl aber sollte die Vorschrift im Verhältnis zwischen mehreren Titelgegenklagen entsprechende Anwendung finden (s. Rdn. 124).

2. Maßgeblicher Zeitpunkt und Nachschieben von Einwendungen Die Rechtsprechung und ihr folgend die weit überwiegende Auffassung im Schrifttum haben 109 sich früh von einer strikten technischen Wortlautauslegung abgewandt und die Vorschrift so interpretiert, dass die Einwendungen nicht in einer Klageschrift, sondern in einem Prozess geltend gemacht werden müssen. Entscheidender Zeitpunkt ist nach h.M. derjenige der letzten mündlichen Verhandlung.368 Das erscheint auch sachgerecht. Denn es ist nicht geboten, dass der Schuldner alle Einwendungen mit der Klageschrift geltend macht. Entscheidend ist, dass in einem Klageverfahren über sie verhandelt werden kann. Das berechtigt einerseits den Schuldner, die Einwendungen nachschieben zu können, legt ihm aber zugleich die Last auf, das zu tun, um damit nicht präkludiert zu werden.369 Weil das Nachschieben einer Einwendung bei zweigliedriger Bestimmung des Streitgegen- 110 stands eine Klageänderung bedeutet, kann das Zusammenspiel von § 767 Abs. 3 mit §§ 263 f. Schwierigkeiten bereiten. Denn sofern der Beklagte nicht einwilligt, ist eine Klageänderung nur zulässig, wenn sie sachdienlich ist. Hält man die Klageänderung nicht für sachdienlich und wendet man bei § 767 Abs. 3 strenge Maßstäbe an, kann das dazu führen, dass der Schuldner seine Einwendung überhaupt nicht mehr gegen den Vollstreckungstitel geltend machen kann. Das wollen einige verhindern, indem sie grundsätzlich von einer Sachdienlichkeit der Klageänderung ausge360 361 362 363

Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 40 Rdn. 112. BGH NJW 1991, 2280, 2281; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 40 Rdn. 113. BGH NJW 1991, 2280, 2281. Zweifelnd K. Schmidt FG 50 Jahre BGH III, S. 491, 518, weil die Unwirksamkeit des Titels ein besonderes Rechtsschutzbedürfnis begründen könnte. Anders Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 40 Rdn. 113: Die Präklusionsvorschrift sei anwendbar, doch sei zu verneinen, dass der Schuldner zur Geltendmachung imstande gewesen sei. 364 BGHZ 124, 164, 172 f. 365 BGHZ 124, 164, 173. 366 Kritisch dazu auch Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 40 Rdn. 113; K. Schmidt FG 50 Jahre BGH III, 491, 518. 367 So noch zu Recht BGHZ 124, 164, 172. 368 RGZ JW 1905, 53; RGZ 55, 101, 104; RG ZZP 61 (1939) 142, 144; OLG Celle MDR 1963, 932; Gaul/Schilken/BeckerEberhard ZVR § 40 Rdn. 114; Baur/Stürner/Bruns Rdn. 45.23; Blomeyer VV § 33 V 5b. 369 Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 40 Rdn. 114. 363

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Achtes Buch – Zwangsvollstreckung

hen.370 Andere lassen § 263 unbeachtet und die nachträglich geltend gemachten Einwendungen unbeschränkt zu.371 Sie erblicken dann in § 767 Abs. 3 eine vorrangige, spezielle Vorschrift. Vereinfacht ausgedrückt läuft es darauf hinaus, dass eine Einwendung in einer schon rechtshängigen Klage noch zuzulassen ist, wenn das Gesetz eine spätere Klage (die ja vom Streitgengenstand der früheren Klage nicht erfasst ist) verbietet. Schließlich wird auch vertreten, in den Fällen, in denen das Nachschieben von Einwendungen an § 263 scheitert, eine weitere Vollstreckungsabwehrklage nicht an § 767 Abs. 3 scheitern zu lassen.372 Richtigerweise wird man die Wertung von § 767 Abs. 3 bei der Frage berücksichtigen müs111 sen, ob die Klageänderung sachdienlich ist. Dazu sind die beiderseitigen Interessen abzuwägen, wobei entscheidend ist, ob der bisherige Streitstoff eine verwertbare Entscheidungsgrundlage bleibt und die Zulassung die endgültige Beilegung des Rechtsstreits fördert und einen neuen Prozess vermeidet.373 Diese Interessenabwägung muss zugunsten des Schuldners streiten, denn sie geht unausgesprochen von der Prämisse aus, dass überhaupt ein weiterer Prozess, der zum selben Ziel führen kann, zur Verfügung steht. Das ist hier aber nicht der Fall. Deshalb kann der Schuldner auch nicht auf einen anderen Prozess verwiesen werden. Denkbar wäre allenfalls, Herausgabe der Bereicherung oder Schadensersatz im Rahmen einer verlängerten Vollstreckungsabwehrklage zu verlangen. Weil die Rechtskraft die neuen Einwendungen nicht umfasst, wäre sie auch möglich. Insoweit wäre sogar ein zweiter, wohlbemerkt auf ein anderes Ziel gerichteter, Prozess vermieden. Daher ist das Geltendmachen neuer Einwendungen stets sachdienlich i.S.v. § 263. Mit den Präklusionsvorschriften der §§ 282, 296, 530 f. kann einer Prozessverschleppung im Übrigen ausreichend entgegengewirkt werden.374

3. Imstandesein zur Geltendmachung 112 Umstritten ist, ob es auf die objektive Möglichkeit ankommt, eine Einwendung geltend zu machen, oder ob der Schuldner die Einwendung kennen und geltend machen können muss. Schon die höchstrichterliche Rechtsprechung gibt hier kein einheitliches Bild.375 Die h.M., insbesondere die jüngere Rechtsprechung, interpretiert das Merkmal wie bei Abs. 2 rein objektiv.376 Die Gegenansicht verlangt hingegen, dass den Schuldner ein Verschulden am verspäteten Vorbringen trifft.377 Gute Gründe sprechen dafür, dass man die Voraussetzungen von Abs. 2 und Abs. 3 unterschiedlich bestimmt: Der Wortlaut von Abs. 2 stellt nur auf eine (objektive) Lage der Einwendungen ab. Demgegenüber stellt Abs. 3 darauf ab, ob der Schuldner dazu imstande war. Das enthält ein subjektives Element. Auch teleologische Erwägungen unterstreichen eine solche Interpretation. Der Regelung in Abs. 2 geht es darum, das Vollstreckungsverfahren nicht mit Einwendungen zu belasten, die man hätte im Erkenntnisverfahren vorbringen können. Will man diesen Vorrang des Erkenntnisverfahrens und die Schlagkraft des Vollstreckungsverfahrens zugunsten desjenigen, der einen vollstreckbaren Titel in Händen hält, aufrechterhalten, spricht Vieles dafür, in diesen Fällen – strenger – an das (objektive) Bestehen einer Einwendung

370 Blomeyer VV § 33 V 5b (und keine Sachdienlichkeit erforderlich, wenn die Einwendungen überhaupt erst nach Klageerhebung entstehen). 371 Jerusalem NJW 1966, 1364; Lippross/Bittmann § 47 Rdn. 44 (Korrektiv für eine Prozessverschleppung sind dann die §§ 282, 296, 530 f.); Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 40 Rdn. 114. 372 Baur/Stürner/Bruns Rdn. 45.23; Brox/Walker § 44 Rdn. 95 (jedenfalls, sofern der Schuldner die Folgen des § 263 bei zumutbarer Sorgfalt nicht hätte vermeiden können). 373 BGH NJW 2007, 2414; Thomas/Putzo/Seiler § 263 Rdn. 8. 374 Lippross/Bittmann § 47 Rdn. 44. 375 So in der Bewertung auch BeckOK/Preuß § 767 Rdn. 50. 376 BGHZ 61, 25, 26 f.; BGH NJW-RR 1987, 59; Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Raebel § 767 Rdn. 44. 377 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 767 Rdn. 91; BeckOK/Preuß § 767 Rdn. 50.1; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 40 Rdn. 116; Blomeyer VV § 33 V 5a. Spohnheimer

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anzuknüpfen. Demgegenüber geht es bei Abs. 3 nicht darum, die Grenze zum Erkenntnisverfahren zu ziehen. Innerhalb des Vollstreckungsverfahrens kann man großzügiger sein.

4. Rechtsfolgen § 767 Abs. 3 führt zur Unzulässigkeit der weiteren Vollstreckungsabwehrklagen. Das ist konstitutiv, 113 wenn man mit der hier vertretenen Sichtweise und der h.M. den Streitgegenstand der Vollstreckungsabwehrklage auch unter Berücksichtigung der geltend gemachten Einwendung (zweigliedrig) bestimmt. Denn dann sind dem Schuldner rechtskräftig nur diejenigen Einwendungen abgeschnitten, die Gegenstand der ersten Vollstreckungsabwehrklage waren. Soweit die Voraussetzungen vorliegen, muss der Schuldner darlegen und ggf. beweisen, dass er nicht zur Geltendmachung der Einwendungen in der früheren Vollstreckungsabwehrklage imstande war, damit eine weitere Vollstreckungsabwehrklage zulässig ist. Auswirkungen hat § 767 Abs. 3 auch, wenn der Schuldner parallel eine weitere, auf eine 114 andere Einwendung gestützte Vollstreckungsabwehrklage rechtshängig machen will. Auch wenn das praktisch kaum vorkommen dürfte, weil ohnehin dasselbe Gericht zuständig wäre, stünde dem § 767 Abs. 3 entgegen, der sie schon unzulässig werden ließe. Der Schuldner muss die Einwendungen vielmehr in dem schon anhängigen Verfahren konzentrieren. Anders als bei der Präklusion nach Abs. 2 sind Einwendungen allerdings nur für weitere 115 Vollstreckungsabwehrklagen präkludiert, nicht aber für andere Klagen, insbesondere nicht für solche wegen ungerechtfertigter Bereicherung oder auf Schadensersatz.378 Sie auch für diese Rechtsbehelfe als präkludiert anzusehen,379 geht zu weit. Denn das gebietet der Normzweck, die Effektivität der Zwangsvollstreckung zu sichern, nicht. Allerdings kann man darüber nachdenken, Schadensersatzansprüche des Schuldners nach § 254 BGB zu kürzen.

IX. Titelgegenklage analog § 767 1. Anerkennung einer Titelgegenklage Mit der Titelgegenklage analog § 767 (früher meist als prozessuale Gestaltungsklage sui generis 116 bezeichnet) kann der Schuldner Einwendungen gegen die Wirksamkeit des Titels geltend machen. Der BGH und einige Stimmen im Schrifttum erblicken in ihr eine eigene Klageart,380 andere behandeln sie stillschweigend als eine solche. Die Bezeichnung war lange uneinheitlich. Der BGH bezeichnet sie in Einklang mit einigen Stimmen im Schrifttum381 nunmehr prägnant als Titelgegenklage.382 Von der Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 unterscheidet sie sich darin, dass der Schuldner nicht materiellrechtliche Einwendungen gegen den titulierten Anspruch, sondern solche gegen den Titel selbst geltend macht. Gleichwohl ist die Rechtsprechung noch stark einzelfallbezogen; eine wirkliche Systematik hat 117 sich bislang noch nicht durchsetzen können.383 In BGHZ 118, 229 hat der BGH zunächst zugelassen, 378 Stein/Jonas/Münzberg § 767 Rdn. 55; MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 767 Rdn. 93; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 40 Rdn. 118.

379 So Prütting/Gehrlein/Scheuch § 767 Rdn. 54. 380 BGHZ 124, 164, 170; Zöller/Herget § 767 Rdn. 7; a.A. MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 767 Rdn. 6 und Gaul/ Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 40 Rdn. 32, wonach die analoge Anwendung dazu führt, dass in dem Rahmen einer Vollstreckungsabwehrklage zusätzliche Einwendungen zugelassen werden sollen. 381 K. Schmidt JuS 2004, 446, 447; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 40 Rdn. 31; von Sachsen Gessaphe Rdn. 550. 382 BGH NJW 2015, 1181 (Kaiser). 383 Das Fehlen einer solchen wird von Özen/Hein JuS 2010, 124, 125, bemängelt; in jüngerer Zeit hat sich Reiner Titelmängel und Rechtsschutz, S. 147 ff., um eine solche verdient gemacht. 365

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dass eine Vollstreckungsabwehrklage auch dann erhoben werden kann, wenn die Unterwerfungserklärung aus materiellrechtlichen Gründen unwirksam ist und es daher an einem wirksamen Titel fehlt.384 In diesen Fällen ist der Schuldner nun nicht mehr auf die Klauselerinnerung (§ 732) verwiesen.385 Zugleich hat er dabei den Weg zu einer „gesonderten Klage“ geebnet, mit der die Unwirksamkeit des Vollstreckungstitels geltend gemacht werden kann – ohne sich allerdings festzulegen, ob es sich um eine Gestaltungsklage oder um eine Feststellungsklage handelt.386 In BGHZ 124, 164 wurde dann eine prozessuale Gestaltungsklage analog § 767 zugelassen, mit der der Schuldner materiellrechtliche Einwendungen gegen den Titel geltend machen kann.387 Der ursprüngliche Vorrang der Klauselerinnerung vor einer Titelgegenklage wurde später auch für formelle Einwendungen gegen die Wirksamkeit des Titels aufgegeben, die nun ebenfalls mit der Titelgegenklage geltend gemacht werden können.388 Demgegenüber wird in der Lit. darauf hingewiesen, dass es an einem Bedürfnis für eine 118 Titelgegenklage analog § 767 und an den Voraussetzungen für eine Analogie fehle; der Schuldner solle sich mit einer (negativen) Feststellungsklage wehren.389

2. Statthafte Einwendungen 119 Mit der Titelgegenklage können sowohl formellrechtliche als auch materiellrechtliche Einwendungen gegen die Wirksamkeit des Titels geltend gemacht werden.390 Um solche im letztgenannten Sinn handelt es sich etwa, wenn geltend gemacht wird, dass eine Unterwerfungserklärung unter die Zwangsvollstreckung aus materiellen Gründen unwirksam ist.391 Hier findet der Rechtsbehelf seine Rechtfertigung darin, dass diese Fragen sonst in der Klauselerinnerung geklärt werden müssten, die aber erkennbar nicht darauf zugeschnitten ist.392 Einwendungen sind etwa Verstöße gegen die Makler- und Bauträgerverordnung (MaBV), die nach § 134 BGB zur Nichtigkeit der Unterwerfungserklärung führen,393 als auch solche gegen das AGB-Recht.394 Allerdings ist gerade bei der Frage, ob eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners vorliegt, zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber die Möglichkeit der Vollstreckung auf der Grundlage einer notariellen Urkunde gleichwertig neben die aus einem Endurteil gestellt hat. Daher benachteiligt der Verzicht auf ein Erkenntnisverfahren den Vertragspartner nicht per se unangemessen.395 Ebenfalls eingewandt werden kann die fehlende Vertretungsmacht,396 oder die zwischenzeitliche Anfechtung der Unterwerfungserklärung. Formellrechtliche Einwendungen, die der Schuldner mit der Titelgegenklage geltend machen 120 kann, sind etwa, dass der titulierte Anspruch und damit der Vollstreckungstitel sachlich zu unbestimmt sind.397 Das kann z.B. bei nicht hinreichend bestimmten Teilbeträgen398 oder bei unklaren

384 385 386 387 388 389 390 391 392 393

BGHZ 118, 229, 234. BGHZ 118, 229, 234. BGHZ 118, 229, 236. BGHZ 124, 164, 170; später auch BGH NJW 2002, 138, 139. Sehr ausführlich in der Begründung BGH NJW-RR 2004, 472, 473 f. Meier ZZP 133 (2020) 53, 60 ff. Kaiser NJW 2010, 2933. BGH NJW 2002, 138, 139. Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Raebel § 767 Rdn. 47. BGH NJW 2002, 138, 139; OLG München InVo 1999, 317, 319; OLG Köln NJW-RR 1999, 22; vgl. auch BGHZ 139, 387, 389 ff. 394 BGH NJW 2002, 138, 139. 395 Hagedorn JA 2012, 932, 934. 396 BGHZ 154, 283, 286; MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 767 Rdn. 6. 397 BGH NJW 2006, 696; BGH NJW 2004, 472, 473; BGH NJW-RR 2003, 1135, 1136; BGHZ 124, 164, 170; Gaul/Schilken/ Becker-Eberhard ZVR § 40 Rdn. 32. 398 Vgl. dazu BGHZ 124, 164. Spohnheimer

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Zinsregelungen399 der Fall sein. Hingegen kann der Schuldner die Rüge, die Parteien seien nicht bestimmt genug bezeichnet, nur mit der Klauselerinnerung und nicht mit der Titelgegenklage vorbringen.400 Mit der Titelgegenklage kann außerdem geltend gemacht werden, dass ein Titel infolge eines Vergleichs wirkungslos geworden ist.401 Bei notariellen Urkunden kann die Unwirksamkeit des Titels auch aus Verstößen gegen zwingende (Muss-)Vorschriften des BeurkG folgen. Ein Verstoß gegen Soll-Vorschriften des BeurkG führt nicht zur Unwirksamkeit des Titels; die Titelgegenklage ist insoweit unbegründet. Nicht mit der Titelgegenklage geltend gemacht werden kann der Einwand, dass derselbe Anspruch doppelt tituliert wurde. Das muss in dem entsprechenden Erkenntnisverfahren geschehen.402 Nicht mit der Titelgegenklage geklärt werden kann der Streit über die Auslegung des 121 Titels.403 Dafür steht dem Schuldner nur eine Feststellungsklage zur Verfügung. Macht der Schuldner aber geltend, dass der Titel unwirksam ist, weil sich auch durch Auslegung nicht ermitteln lässt, über welchen Anspruch entschieden wurde, kommt eine Titelgegenklage in Betracht.404

3. Streitgegenstand, Verhältnis zu anderen Rechtsbehelfen Vollstreckungsgegenklage und Titelgegenklage haben unterschiedliche Streitgegenstände.405 Zwar 122 wendet sich der Schuldner in beiden Fällen gegen die Vollstreckbarkeit des Anspruchs und begehrt eine entsprechende Gestaltungsentscheidung. Bei der Vollstreckungsabwehrklage wird das allerdings darauf gestützt, dass dem Titel wegen materiellrechtlicher Einwendungen gegen den titulierten Anspruch die Vollstreckbarkeit fehlt, bei der Titelgegenklage wird das auf Einwendungen gegen den Titel selbst gestützt. Macht der Kläger sein Rechtsschutzziel nicht hinreichend deutlich, kommt eine Auslegung bzw. Umdeutung des Klageantrags in Betracht.406 Wendet sich der Schuldner gegen die Vollstreckbarkeit des Titels sowohl mit Einwendungen gegen den materiellrechtlichen Anspruch als auch mit Einwendungen gegen den Titel, können sie miteinander verbunden werden (objektive Klagehäufung).407 Stellt der Schuldner die beiden Anträge nicht in ein Eventualverhältnis, läuft er Gefahr, (teilweise) zu unterliegen, wenn er entweder nur mit der materiellrechtlichen Einwendung gegen den titulierten Anspruch oder der Unwirksamkeit des Titels durchdringt.408 Die Klauselerinnerung hat nicht grundsätzlich Vorrang vor einer Titelgegenklage.409 Der 123 Rechtsschutz, den eine Klauselerinnerung bietet, bleibt hinter dem der Titelgegenklage zurück.410 Mit der Titelgegenklage kann das weitergehende Ziel verfolgt werden, die Zwangsvollstreckung aus dem Titel für unzulässig zu erklären. Das kann bei der Klauselerinnerung nur für die erteilte vollstreckbare Ausfertigung geschehen. Eine erneute Klauselerteilung schließt das nicht zwingend 399 400 401 402

Hagedorn JA 2012, 932, 935. BGH NJW-RR 2004, 1135, 1136; von Sachsen Gessaphe Rdn. 558. BGH NJW-RR 2007, 1724, 1725 (Verzicht nach Einspruch gegen Versäumnisurteil); Socha JuS 2008, 794, 795. Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Raebel § 767 Rdn. 47; a.A. OLG Oldenburg InVo 1999, 317 (zudem zu Unrecht als Vollstreckungsabwehrklage behandelt, denn an einer Einwendung gegen den titulierten Anspruch fehlt es erst recht). 403 BGHZ 36, 11, 14 (Sind Ost-Mark oder West-Mark geschuldet, wenn der Titel nur auf DM lautet?); BGH NJW 1997, 2320, 2321 (Sichert die Grundschuld nur die Forderungen aus dem Kaufpreisdarlehen oder sichert sie auch Forderungen aus einem Kontokorrentdarlehen?); Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 40 Rdn. 33. 404 Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Raebel § 767 Rdn. 7 m. Fn. 36. 405 BGH NJW 2002, 138, 139; BGHZ 124, 164, 171; BGHZ 118, 229, 236; BeckOK/Preuß § 767 Rdn. 58; a.A. MünchKomm/ K. Schmidt/Brinkmann § 767 Rdn. 6; Reiner Titelmängel und Rechtsschutz, S. 283 ff.; wohl auch Gaul/Schilken/BeckerEberhard ZVR § 40 Rdn. 32. 406 BGH NJW 2006, 696 (Auslegung bzw. Umdeutung); BGHZ 124, 164, 172 (Auslegung). 407 BGH NJW 2015, 1181; BGHZ 118, 229, 236; BeckOK/Preuß § 767 Rdn. 58. 408 BeckOK/Preuß § 767 Rdn. 58; vgl. BGH NJW 2005, 1576, 1577. 409 BGH NJW 1992, 2160, 2161; a.A. noch BGH NJW-RR 1987, 1149 f. 410 Windel ZZP 102 (1989) 175, 206 ff. 367

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§ 768

Achtes Buch – Zwangsvollstreckung

aus. Überschneiden sich der Anwendungsbereich der Klauselerinnerung und der Titelgegenklage, hat der Schuldner ein Wahlrecht.411 Eine Vollstreckungserinnerung kommt nur in Betracht, wenn der Vollstreckungstitel an einem so gravierenden Fehler (fehlende Bestimmtheit, Widersprüchlichkeit) leidet, dass er nichtig oder völlig unwirksam ist; das ist aber praktisch selten der Fall.412 Der Schuldner kann aber gleichwohl eine Titelgegenklage erheben.413

4. Präklusion 124 § 767 Abs. 2 findet keine (analoge) Anwendung.414 Für vollstreckbare Urkunden ist das in § 797 Abs. 4 ausdrücklich normiert. Für die anderen Vollstreckungstitel folgt das daraus, dass sich der Schuldner mit Einwendungen gegen die Wirksamkeit des erst geschaffenen Titels richtet und es damit an einer der rechtskraftfähigen Entscheidung fehlt. Diese Erwägungen treffen auf § 767 Abs. 3 nicht zu. Im Verhältnis zu einer Vollstreckungsabwehrklage sollte man die Norm nicht anwenden, wenn man die Titelgegenklage als eine eigenständige Klageart begreift.415 Beide Klagen sollten also hintereinander möglich sein. Wohl aber kann und sollte § 767 Abs. 3 auf das Verhältnis mehrerer Titelgegenklagen angewandt werden.416 Die Idee, eine Häufung mehrerer Vollstreckungsgegenklagen zu vermeiden, trägt auch bei der Titelgegenklage. Denn auch dort hat der Gläubiger ein Interesse daran, dass die Verfahren konzentriert werden.417

5. Verfahren 125 Zum Verfahren gilt das unter Rdn. 37 ff. Gesagte sinngemäß. Zuständig ist analog § 767 Abs. 1 das Prozessgericht des ersten Rechtszugs. Bei vollstreckbaren Urkunden ist das Gericht zuständig, bei dem der Schuldner seinen allgemeinen Gerichtsstand hat (§ 797 Abs. 5).

6. Entscheidung und Kosten 126 Auf eine erfolgreiche Vollstreckungsabwehrklage hin wird die Zwangsvollstreckung aus dem (genau zu bezeichnenden) Titel für unzulässig erklärt. Im Übrigen gilt das in Rdn. 96 ff. Gesagte entsprechend.

§ 768 Klage gegen Vollstreckungsklausel Die Vorschriften des § 767 Abs. 1, 3 gelten entsprechend, wenn in den Fällen des § 726 Abs. 1, der §§ 727 bis 729, 738, 742, 744, des § 745 Abs. 2 und des § 749 der Schuldner den bei der Erteilung der Vollstreckungsklausel als bewiesen angenommenen Eintritt der Voraussetzung

411 412 413 414 415

BGHZ 124, 164, 170; BGH NJW-RR 2004, 472; Zöller/Herget § 767 Rdn. 7. Reiner Titelmängel und Rechtsschutz, S. 165, 169 f. Reiner Titelmängel und Rechtsschutz, S. 248 ff. BGHZ 124, 164, 172; BeckOK/Preuß § 767 Rdn. 59; von Sachsen Gessaphe Rdn. 550. BGHZ 124, 164, 172 f. (allerdings mit fragwürdiger Begründung, vgl. schon Rdn. 104); a.A. BeckOK/Preuß § 767 Rdn. 60; Özen/Hein JuS 2010, 126, 127; Pawlowski DZWIR 1995, 20, 22. 416 A.A. Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Raebel § 767 Rdn. 47. 417 Zurückhaltender K. Schmidt FG 50 Jahre BGH III, 491, 518 im Hinblick auf ein besonderes Rechtsschutzanliegen bei unwirksamen Titeln. Spohnheimer https://doi.org/10.1515/9783110443158-052

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§ 768

Abschnitt 1. Allgemeine Vorschriften

für die Erteilung der Vollstreckungsklausel bestreitet, unbeschadet der Befugnis des Schuldners, in diesen Fällen Einwendungen gegen die Zulässigkeit der Vollstreckungsklausel nach § 732 zu erheben.

Schrifttum Jäckel Rechtsbehelfe im Klauselverfahren, JuS 2005, 610; Stamm Die Prinzipien und Grundstrukturen des Zwangsvollstreckungsrechts (2007).

Übersicht I.

Allgemeines, Zweck und Rechtsnatur

II.

Anwendungsbereich, Abgrenzung zu anderen Rechtsbehelfen und Konkurrenzen 5 Statthafte Einwendungen Abgrenzung zur Vollstreckungsabwehrklage 6 (§ 767) Abgrenzung zur Klauselerinnerung (§ 732) Abgrenzung zur Vollstreckungserinnerung 10 (§ 766) 11 Sonstige Rechtsbehelfe 12 Klauselprätendentenstreit

1. 2. 3. 4. 5. 6.

1

8

III.

Rechtsschutzbedürfnis, entgegenstehende Rechts13 kraft

IV.

Verfahren

V. 1. 2. 3.

Begründetheit 18 Präklusion von Einwendungen 19 Maßgeblicher Zeitpunkt Beweisführung und Beweislastverteilung

VI.

Entscheidung

15

20

23

I. Allgemeines, Zweck und Rechtsnatur In bestimmten Fällen gestattet das Gesetz dem Gläubiger eine Umschreibung der Vollstreckungsklau- 1 sel oder macht die Klauselerteilung davon abhängig, dass bestimmte Bedingungen eingetreten sind. Doch begnügt sich das Gesetz zur Erteilung einer (qualifizierten) Klausel damit, dass der Gläubiger diese Voraussetzungen schlüssig vorträgt und, sofern sie nicht offensichtlich oder gerichtsbekannt sind, durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden nachweist. Es genügt ein Anschein.1 Insoweit ist auch das Klauselerteilungsverfahren – wie das Zwangsvollstreckungsverfahren insgesamt – formalisiert.2 Das soll eine langwierige Auseinandersetzung mit der Frage, ob die Voraussetzungen tatsächlich vorliegen, im Klauselerteilungsverfahren vermeiden. Erbringt der Gläubiger die angeordneten Nachweise zu den im Klauselerteilungsverfahren streitigen Tatsachen, ist die Vollstreckungsklausel zu erteilen. Materiell ist die Vollstreckung aber nur berechtigt, wenn die Voraussetzungen einer Umschreibung auch tatsächlich vorliegen bzw. wenn die Bedingungen tatsächlich eingetreten sind. Der Schuldner kann nach § 768 klageweise geltend zu machen, dass diese Voraussetzungen – obwohl sie formell ordnungsgemäß nachgewiesen wurden – materiell gar nicht vorliegen.3 Insoweit reiht sich diese sog. Klauselgegenklage zu den anderen materiellrechtlichen Klagen nach § 767 und § 771. Das vermeidet, dass das Klauselerteilungsverfahren mit einer solchen Auseinandersetzung belastet würde und dass vor dem Rechtspfleger ein Erkenntnisverfahren stattfände.4

1 Stamm Prinzipien und Grundstrukturen des Zwangsvollstreckungsrechts, S. 270, bezeichnet sie als „Anscheins- bzw. Vermutungsbeweise“. Gelingt es dem Gläubiger nicht, die gesetzlich angeordneten Nachweise beizubringen, muss er auf Erteilung der Vollstreckungsklausel klagen (§ 731). 2 BGHZ 190, 172, 181; Stamm Prinzipien und Grundstrukturen des Zwangsvollstreckungsrechts, S. 269. 3 Insoweit ist die Klauselgegenklage das Gegenstück zur Klauselerteilungsklage nach § 731. 4 Stamm Prinzipien und Grundstrukturen des Zwangsvollstreckungsrechts, S. 269; ähnlich Schuschke/Walker/Kessen/ Thole/Raebel § 768 Rdn. 1. 369

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Es geht also bei der Klage nach § 768 nicht darum, geltend zu machen, die Klausel sei (formell) nicht ordnungsgemäß erteilt worden. Vielmehr geht es darum, geltend zu machen, dass die (formell vorliegenden) Voraussetzungen der Klauselerteilung materiell nicht gegeben sind.5 Wurde etwa eine Abtretung durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden nachgewiesen und die Klausel erteilt, kann der Schuldner mit der Klauselgegenklage die Nichtigkeit der Abtretung geltend machen.6 Ebenso kann z.B. geltend gemacht werden, dass der jetzige Kläger gutgläubig i.S.v. § 325 Abs. 2 ist und das Urteil daher nicht gegen ihn wirkt.7 Erst die Klauselgegenklage erlaubt dann eine vollständige Beweisaufnahme, bei der alle nach 3 der ZPO zulässigen Beweismittel zur Verfügung stehen.8 Bei der Klauselgegenklage handelt es sich nach zutreffender h.M. um eine prozessuale Ge4 staltungsklage, die darauf gerichtet ist, die aufgrund der erteilten Vollstreckungsklausel zulässige Zwangsvollstreckung für unzulässig zu erklären.9 Sie ist gegen den Schuldner zu richten. Gegenstand der Klage ist die Rechtmäßigkeit der Zwangsvollstreckung, nicht die Rechtmäßigkeit der Klauselerteilung.10 2

II. Anwendungsbereich, Abgrenzung zu anderen Rechtsbehelfen und Konkurrenzen 1. Statthafte Einwendungen 5 Statthaft ist die Klage, wenn der Schuldner materiellrechtliche Einwendungen gegen die Erteilung der qualifizierten Vollstreckungsklausel nach den §§ 726 Abs. 1, 727–729, 738, 742, 744 und 745 Abs. 2 geltend macht, die im Klauselerteilungsverfahren als bewiesen angenommen wurden.11 Dass eine qualifizierte Vollstreckungsklausel nach diesen Vorschriften erteilt wurde, ist eine besondere Zulässigkeitsvoraussetzung der Klauselgegenklage.12 Daher ist ein Rechtsbehelf nach § 768 nicht zulässig, wenn eine einfache Klausel erteilt wurde, aber eine solche nach §§ 726 ff. hätte erteilt werden müssen.13 Das ist mit der Klauselerinnerung nach § 732 geltend zu machen.14 Dass die qualifizierte Vollstreckungsklausel vom funktionell unzuständigen Urkundsbeamten der Geschäftsstelle erteilt wurde, steht der Klauselgegenklage aber umgekehrt nicht entgegen.15 In diesen Fällen hat der Betroffene vielmehr ein Wahlrecht, ob er die funktionelle Unzuständigkeit des Urkundsbeamten nach § 731 oder die (ebenfalls) vorhandenen materiellen Einwendungen geltend machen will. Mit der Klauselgegenklage nach § 768 können nur materielle Einwendungen gegen die Klauselerteilung geltend gemacht werden. Formelle Einwendungen, die sich auf das Verfahren der Klauselerteilung beziehen, werden im Verfahren nach § 768 nicht berücksichtigt.16

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Ähnlich auch BGHZ 22, 54, 65. Kindl/Meller-Hannich/Wolf/Schneiders § 768 Rdn. 2. Jäckel JuS 2005, 610, 615. BGHZ 190, 172, 183; Jäckel JuS 2005, 610, 615. Dieser Gedanke klingt auch schon in RGZ 50, 372, 375 f. an. MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 768 Rdn. 6; Musielak/Voit/Lackmann § 768 Rdn. 1; Kindl/Meller-Hannich/Wolf/ Schneiders § 768 Rdn. 1; Saenger/Kindl § 768 Rdn. 1; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 17 Rdn. 47; Baur/Stürner/Bruns Rdn. 18.21; Lippross/Bittmann § 5 Rdn. 79; a.A. Stamm Prinzipien und Grundstrukturen des Zwangsvollstreckungsrechts, S. 294 ff. 10 BeckOK/Preuß § 768 Rdn. 1. 11 OLG Koblenz NJW 1992, 378, 379; Brox/Walker § 8 Rdn. 23. 12 Musielak/Voit/Lackmann § 768 Rdn. 4; Saenger/Kindl § 768 Rdn. 2. 13 A.A. Musielak/Voit/Lackmann § 768 Rdn. 4; Saenger/Kindl § 768 Rdn. 2. 14 Brox/Walker § 8 Rdn. 12; Lippross/Bittmann § 5 Rdn. 79. 15 Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Raebel § 768 Rdn. 3; Jäckel JuS 2005, 610, 615. 16 OLG Koblenz NJW 1992, 378, 379; BeckOK/Preuß § 768 Rdn. 6; Musielak/Voit/Lackmann § 768 Rdn. 2. Spohnheimer

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2. Abgrenzung zur Vollstreckungsabwehrklage (§ 767) Während die Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 dem Vollstreckungstitel die Vollstreckbarkeit 6 nehmen soll, soll die Klauselgegenklage der vollstreckbaren Ausfertigung die Vollstreckbarkeit nehmen.17 Deshalb ist die Klauselgegenklage unzulässig, wenn noch gar keine Vollstreckungsklausel erteilt wurde.18 Einwendungen, die den titulierten Anspruch betreffen, können nur mit der Vollstreckungsabwehrklage, nicht mit der Klauselgegenklage geltend gemacht werden.19 Umgekehrt kann der Schuldner Einwendungen gegen die Erteilung der Vollstreckungsklausel auch nicht mit der Vollstreckungsabwehrklage geltend machen.20 Vollstreckungsabwehrklage und Klauselgegenklage können aber miteinander verbunden werden.21 Dann liegen zwei Streitgegenstände vor.22 Aus § 767 Abs. 3, der von § 768 für anwendbar erklärt wird, folgt aber nicht, dass beide Klagen miteinander verbunden werden müssen. Dazu ist der Schuldner nicht verpflichtet. § 767 Abs. 3 präkludiert weder die Vollstreckungsabwehrklage, wenn zunächst eine Klauselgegenklage erhoben wurde, noch umgekehrt.23 Gegenüber der Klauselgegenklage beinhaltet die Vollstreckungsabwehrklage den weitergehen- 7 den Antrag.24 Deshalb erledigt sich eine Klage nach § 768, wenn der Klage aus § 767 rechtskräftig stattgegeben wurde.25 Geht der Kläger von der Vollstreckungsabwehrklage auf die Klauselgegenklage über – oder umgekehrt – so ist das eine Klageänderung, die in der Regel sachdienlich ist.26

3. Abgrenzung zur Klauselerinnerung (§ 732) Mit der Klauselerinnerung können nur formelle Fehler im Klauselerteilungsverfahren geltend 8 gemacht werden.27 Hierzu gehört etwa, dass der Rechtspfleger die qualifizierte Klausel erteilt hat, obwohl die besonderen Voraussetzungen nicht durch die vom Gesetz verlangten Urkunden nachgewiesen wurden und sie auch nicht offensichtlich oder gerichtsbekannt waren. Mit der Klauselgegenklage können nur materielle Einwendungen gegen die Vollstreckungsklausel geltend gemacht werden.28 Der Gläubiger macht dabei geltend, dass die besonderen Voraussetzungen der Klauselerteilung trotz des schlüssigen Vortrags des Gläubigers und des sich aus den vorgelegten öffentlichen oder öffentlich beglaubigten Urkunden zu seinen Gunsten ergebenden Anscheins nicht vorliegen.29 Deshalb hat der Betroffene auch kein grundsätzliches Wahlrecht zwischen den beiden Rechtsbehelfen.30 Nur wenn sich formeller und materieller Mangel decken (Doppelmangel; bspw. wird die Klausel erteilt, obwohl die erforderlichen Urkunden nicht vorgelegt wur-

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BeckOK/Preuß § 768 Rdn. 9. BeckOK/Preuß § 768 Rdn. 9; Musielak/Voit/Lackmann § 768 Rdn. 3. KG Berlin MDR 2008, 591, 592; Brox/Walker § 8 Rdn. 18; Baur/Stürner/Bruns Rdn. 18.21. BGHZ 22, 54, 65. BGH NJW 2015, 619, 620; OLG Bremen ErbR 2015, 212 Rdn. 25; MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 768 Rdn. 5; BeckOK/Preuß § 768 Rdn. 20. 22 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 768 Rdn. 5. 23 Stein/Jonas/Münzberg § 768 Rdn. 9; MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 768 Rdn. 8; BeckOK/Preuß § 768 Rdn. 20; Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Raebel § 768 Rdn. 7. 24 Kindl/Meller-Hannich/Wolf/Schneiders § 768 Rdn. 6. 25 Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Raebel § 768 Rdn. 3; MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 768 Rdn. 5. 26 Prütting/Gehrlein/Scheuch § 768 Rdn. 3. 27 BGHZ 22, 54, 65; Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Hanewinkel § 732 Rdn. 2; a.A. Brox/Walker § 8 Rdn. 17. 28 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 768 Rdn. 4; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 17 Rdn. 34; insoweit auch Brox/Walker § 8 Rdn. 23. 29 Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Raebel § 768 Rdn. 2. 30 So aber OLG Koblenz NJW 1992, 378, 379; Brox/Walker § 8 Rdn. 24; Baur/Stürner/Bruns Rdn. 18.26; wie hier indes Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 17 Rdn. 23 und Rdn. 34. 371

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den, die angeblich bewiesene Bedingung ist aber auch nicht eingetreten) kann zwischen beiden Rechtsbehelfen gewählt werden.31 9 Soweit sich Klauselerinnerung und Klauselgegenklage in den Fällen des Doppelmangels überschneiden, lässt sich § 768 a.E. entnehmen, dass es keinen grundsätzlichen Vorrang des einen oder des anderen Rechtsbehelfs gibt. Insbesondere hat die Klauselgegenklage nicht grundsätzlich Vorrang vor der Klauselerinnerung. Beide Rechtsbehelfe stehen selbständig nebeneinander und deshalb schließt eine nach § 732 ergangene Entscheidung Einwendungen, die nach § 768 geltend gemacht werden, nicht aus.32 Unterliegt der Schuldner im Verfahren nach § 732, ist eine Klauselgegenklage nach § 768 weiterhin möglich.33 Allerdings liegt das nicht daran, dass es sich bei der Klauselerinnerung um ein „provisorisches“ Verfahren handelt.34 Richtigerweise besteht der Grund darin, dass bei der Klauselerinnerung ein anderer Prüfungsmaßstab gilt.35 Es ist dem Betroffenen überlassen, ob er zunächst versucht, die Klauselerteilung mit formellen Einwendungen anzugreifen, bevor er – vielfach schwieriger zu beweisende – materielle Einwendungen nach § 768 geltend macht. Wurde allerdings auf eine Erinnerung nach § 732 hin die Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung aus der erteilten vollstreckbaren Ausfertigung bereits rechtskräftig festgestellt, ist eine Klauselgegenklage (zunächst) nicht mehr länger zulässig.36 Es fehlt dann das Rechtsschutzbedürfnis.37 Das kann für den Schuldner insbesondere dann misslich sein, wenn die Klauselgegenklage bei Eintritt der Rechtskraft im Verfahren nach § 768 schon anhängig war und zu besorgen ist, dass der in der Klauselerinnerung erfolgreich gerügte Mangel schnell korrigiert und eine neue Klausel erteilt wird. In dieser Situation bleibt ihm nichts anderes übrig als den Rechtsstreit für erledigt zu erklären und gegen die erneut erteilte Klausel eine neue Klauselgegenklage zu erheben. Er kann das alte Verfahren nicht einfach fortführen, denn die Klausel, aus der die Zwangsvollstreckung für unzulässig erklärt werden sollte, gibt es nicht mehr, die neu erteilte Klausel ist schlicht eine andere und eine vorbeugende Klauselgegenklage gibt es nicht (s. Rdn. 13). Deshalb muss ggf. sorgfältig abgewogen werden, ob man den einfacheren Weg der Klauselerinnerung oder von vornherein den schwierigeren aber weitergehenden Weg der Klauselgegenklage beschreitet.

4. Abgrenzung zur Vollstreckungserinnerung (§ 766) 10 Bedarf es zur Vollstreckung einer qualifizierten Vollstreckungsklausel des Rechtspflegers, wird aber aufgrund einer einfachen Klausel des Urkundsbeamten vollstreckt, ist gegen die Vollstreckungshandlungen nicht die Klauselgegenklage sondern die Vollstreckungserinnerung nach § 766 der richtige Rechtsbehelf.38

5. Sonstige Rechtsbehelfe 11 Eine Klage auf Feststellung der Unzulässigkeit der Vollstreckungsklausel wird durch § 768 ausgeschlossen.39 Der Schuldner kann nach Beendigung der Zwangsvollstreckung Schadensersatz- und 31 32 33 34

Saenger/Kindl § 768 Rdn. 1; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 17 Rdn. 24. MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 768 Rdn. 7. Musielak/Voit/Lackmann § 768 Rdn. 2; Saenger/Kindl § 768 Rdn. 1; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 17 Rdn. 34. So Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 17 Rdn. 34; kritisch dazu Brox/Walker § 8 Rdn. 24, der allerdings von einem grundsätzlichen Wahlrecht zwischen beiden Rechtsbehelfen ausgeht. 35 Musielak/Voit/Lackmann § 768 Rdn. 5. 36 Stein/Jonas/Münzberg § 768 Rdn. 1; BeckOK/Preuß § 768 Rdn. 9; Kindl/Meller-Hannich/Wolf/Schneiders § 768 Rdn. 3. 37 Kindl/Meller-Hannich/Wolf/Schneiders § 768 Rdn. 3. 38 Kindl/Meller-Hannich/Wolf/Schneiders § 768 Rdn. 4. 39 Stein/Jonas/Münzberg § 768 Rdn. 1; Jäckel JuS 2005, 610, 615. Spohnheimer

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Bereicherungsansprüche geltend machen.40 Hat er die Erhebung einer Klage nach § 768 versäumt, steht das dem Begehren nicht entgegen, kann allerdings zu einer Anspruchskürzung nach § 254 BGB führen.41

6. Klauselprätendentenstreit Im Streit mehrerer Klauselprätendenten finden die §§ 732, 768 entsprechende Anwendung.42 Die 12 Klage ist dann allerdings gegen den jeweils anderen Klauselprätendenten zu richten.43

III. Rechtsschutzbedürfnis, entgegenstehende Rechtskraft Das Rechtsschutzbedürfnis liegt vor, wenn eine Vollstreckungsklausel erteilt wurde, auch wenn 13 eine Zwangsvollstreckung noch nicht droht.44 Vor Erteilung der Vollstreckungsklausel kann sich der Schuldner nicht vorbeugend mit der Klauselgegenklage gegen die drohende Erteilung wehren.45 Wird im Rahmen einer vom Vollstreckungsschuldner gegen das zu vollstreckende Urteil eingelegten Berufung über die Frage entschieden, ob die Voraussetzungen der Klauselerteilung vorliegen, fehlt das Rechtsschutzbedürfnis.46 Es fehlt auch, wenn die Klauselerteilung auf eine Klauselerinnerung hin für unzulässig erklärt und diese Entscheidung rechtskräftig wurde.47 Dass der Schuldner sich auch nach § 732 zur Wehr setzen könnte, steht dem Rechtsschutzbedürfnis aber nicht entgegen (s. auch Rdn. 8).48 Es entfällt zudem, wenn die Zwangsvollstreckung aus dem Titel unzweifelhaft nicht mehr droht (etwa weil sie vollständig beendet ist).49 Dann ist der Schuldner auf die Geltendmachung von Schadensersatz- und Bereicherungsansprüchen beschränkt.50 Allerdings kann die Klauselgegenklage nicht auf Einwendungen gestützt werden, die in einer 14 Klauselerteilungsklage (§ 731) bereits rechtskräftig zurückgewiesen wurden.51 In diesen Fällen ist die Klauselgegenklage wegen der entgegenstehenden Rechtskraft unzulässig.52 Hat der Schuldner Einwendungen im Verfahren der Klauselerteilungsklage nicht vorgebracht, ist er nicht nach § 768 i.V.m. § 767 Abs. 3 präkludiert.53 Denn § 767 Abs. 3 zwingt den Kläger nur, alle Angriffsmittel in einem von ihm betriebenen Prozess geltend zu machen. Im Verfahren nach § 731 war er aber in der Position des Verteidigers und es handelt sich dort um ein Verteidigungsmittel in einem gegen ihn geführten Prozess. Deshalb scheidet auch eine analoge Anwendung der Vorschrift aus.

40 Saenger/Kindl § 768 Rdn. 4. 41 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 768 Rdn. 13; a.A. Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Raebel § 767 Rdn. 46 (zu § 767).

42 Vgl. hierzu Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 17 Rdn. 50 f. 43 Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 17 Rdn. 51. 44 RGZ 134, 156, 162; Stein/Jonas/Münzberg § 768 Rdn. 4; MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 768 Rdn. 7; Zöller/Herget § 768 Rdn. 1; Prütting/Gehrlein/Scheuch § 768 Rdn. 6. 45 Kindl/Meller-Hannich/Wolf/Schneiders § 768 Rdn. 12. 46 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 768 Rdn. 7. 47 Musielak/Voit/Lackmann § 768 Rdn. 3. 48 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 768 Rdn. 4; BeckOK/Preuß § 768 Rdn. 12. 49 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 768 Rdn. 7. 50 BeckOK/Preuß § 768 Rdn. 11. 51 Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 17 Rdn. 34; Brox/Walker § 8 Rdn. 2. 52 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 768 Rdn. 7. 53 Kindl/Meller-Hannich/Wolf/Schneiders § 768 Rdn. 13; Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Raebel § 768 Rdn. 7; im Ergebnis auch Prütting/Gehrlein/Scheuch § 768 Rdn. 5. 373

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IV. Verfahren 15 Ausschließlich zuständig ist das Prozessgericht des ersten Rechtszugs (s. § 767 Rdn. 40 ff.). Liegt dem Titel eine Familiensache i.S.v. § 23b GVG zugrunde, ist das Familiengericht zuständig.54 Dass der Richter bereits im Erinnerungs- oder Beschwerdeverfahren nach den §§ 732, 573 mitgewirkt hat, schließt ihn für die spätere Klauselgegenklage nicht aus.55 Kläger ist der Schuldner bzw. sein Rechtsnachfolger.56 Beklagter ist derjenige, für den die 16 Klausel erteilt wurde.57 Wurde die Klausel auf Gläubigerseite umgeschrieben, kann auch derjenige die Klage erheben, der geltend macht, selbst Inhaber der Forderung zu sein.58 Dabei handelt es sich um eine Zulässigkeitsvoraussetzung (s. § 767 Rdn. 39).59 Einstweilige Anordnungen können nach Maßgabe der §§ 769, 770 getroffen werden.60 17

V. Begründetheit 1. Präklusion von Einwendungen 18 Weil § 768 die Regelung des § 767 Abs. 3 für anwendbar erklärt, müssen alle Einwendungen, die im Rahmen der Klauselgegenklage geltend gemacht werden können, geltend gemacht werden, sonst ist der Betroffene damit präkludiert (s. zu Einzelheiten § 767 Rdn. 106). In der Berufungsinstanz ist zusätzlich § 531 zu beachten.61 § 767 Abs. 2 findet keine Anwendung.62

2. Maßgeblicher Zeitpunkt 19 Maßgeblich ist der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz.63 Dass die Voraussetzungen für die Erteilung einer qualifizierten Vollstreckungsklausel im Zeitpunkt der Erteilung nicht vorlagen, ist dann ohne Bedeutung.64 Denn es geht bei der Klauselgegenklage nicht darum, die Rechtmäßigkeit der Klauselerteilung in dem Sinne zu überprüfen, ob die Klausel rechtmäßig erteilt wurde,65 sondern darum, ob die Zwangsvollstreckung aus dieser Klausel unzulässig ist. Richtigerweise ist also zu fragen, ob im Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung die erteilte qualifizierte Vollstreckungsklausel zu erteilen ist. Das reicht allerdings nicht so weit, dass der Gläubiger die titulierte Forderung durch eine andere ersetzen kann, um auf

54 Kindl/Meller-Hannich/Wolf/Schneiders § 768 Rdn. 8. 55 BGH MDR 1976, 838; Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Raebel § 768 Rdn. 3c; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 17 Rdn. 35.

56 Jäckel JuS 2005, 610, 615. 57 OLG Saarbrücken, Beschl. v. 2.3.2018 – 4 W 28/17 Rdn. 22; MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 768 Rdn. 6; Brox/ Walker § 8 Rdn. 25.

58 Musielak/Voit/Lackmann § 768 Rdn. 6. 59 Kindl/Meller-Hannich/Wolf/Schneiders § 768 Rdn. 11; a.A. Musielak/Voit/Lackmann § 768 Rdn. 6; Saenger/Kindl § 768 Rdn. 3. 60 Stein/Jonas/Münzberg § 768 Rdn. 10; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 17 Rdn. 44. 61 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 768 Rdn. 8. 62 Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 17 Rdn. 42. 63 RGZ 134, 156, 160; BGH NJW 2013, 2354, 2357; OLG SchlHA 2013, 325; OLG Hamm, Urt. v. 4.6.2012 – I-5 U 42/09, 5 U 42/09; Stein/Jonas/Münzberg § 768 Rdn. 8; MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 768 Rdn. 9; Musielak/Voit/Lackmann § 768 Rdn. 7; Jäckel JuS 2005, 610, 615. 64 Stein/Jonas/Münzberg § 768 Rdn. 8; MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 768 Rdn. 9; Musielak/Voit/Lackmann § 768 Rdn. 7; Saenger/Kindl § 768 Rdn. 3; Kindl/Meller-Hannich/Wolf/Schneiders § 768 Rdn. 15. 65 Missverständlich insoweit die Formulierung bei OLG Koblenz NJW 1992, 378, 379. Spohnheimer

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diese Weise die Klauselgegenklage unbegründet zu machen.66 Denn der Sache nach wäre die Klausel dann nämlich nicht mehr auf die titulierte Forderung bezogen. Umgekehrt kann die Klauselgegenklage auch dann begründet sein, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung einer qualifizierten Klausel im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung nicht mehr vorliegen, wohl aber noch im Zeitpunkt ihrer Erteilung.67

3. Beweisführung und Beweislastverteilung Während im Klauselerteilungsverfahren Nachweise regelmäßig in öffentlicher oder öffentlich be- 20 glaubigter Form vorliegen müssen, können die Beweise im Verfahren der Klauselgegenklage mit allen Beweismitteln des Strengbeweises geführt werden.68 Umstritten ist, wer die Beweislast bei der Klauselgegenklage trägt. Während manche die Beweis- 21 last beim Schuldner sehen, befürworten andere einen Gleichlauf mit der Beweislast im Klauselerteilungsverfahren:69 Die Beweislast bei einer Klauselgegenklage liege bei demjenigen, der sie auch im Klauselerteilungsverfahren trägt. Soweit vorgebracht wird, dass dem Schuldner kein Nachteil daraus erwachsen dürfe, dass dem Gläubiger die Klausel im Klauselerteilungsverfahren zu Unrecht erteilt worden ist,70 überzeugt das nicht.71 Denn das verkennt, dass zugunsten des Gläubigers als bewiesen angenommen wurde, dass die Voraussetzungen für den Erteilung der Vollstreckungsklausel vorlagen. Dieses Privileg würde man dem Gläubiger nehmen, trüge er nun die Beweislast. Auf diese Weise kehrt die Gegenansicht das Regel-Ausnahme-Verhältnis um. Denn hat der Gläubiger schon die für die Klauselerteilung erforderlichen Nachweise erbracht, obliegt es dem Schuldner, Klage zu erheben und dann den vollen Beweis zu erbringen, dass die materiellen Voraussetzungen für eine Klauselerteilung zum jetzigen Zeitpunkt nicht vorliegen. Deshalb greift auch das vorgebrachte Argument, die fehlerhafte Erteilung der Klausel dürfe nicht zur Umkehr der Beweislast führen,72 nicht durch. Denn die Klauselerteilung war (formell) nicht fehlerhaft. Hat der Gläubiger die Voraussetzungen formell ordnungsgemäß nachgewiesen, verdient er Schutz. War die Klauselerteilung formell fehlerhaft, steht es dem Schuldner frei, das mit der Klauselerinnerung geltend zu machen. Für den guten bzw. bösen Glauben nach § 325 Abs. 2 trägt der Beklagte die Beweislast.73 Das 22 beruht aber nicht auf den Erwägungen für die grundsätzliche Beweislastverteilung, sondern auf der in § 325 Abs. 2 angeordneten spezifischen Beweislastverteilung.74

VI. Entscheidung Ist die Klauselgegenklage begründet, lautet der Tenor darauf, die Zwangsvollstreckung aus der 23 (genau zu bezeichnenden) erteilten vollstreckbaren Ausfertigung zum (genau zu bezeichnenden Titel) für unzulässig zu erklären.75 Die Kostenentscheidung folgt den §§ 91 ff. Der Streitwert bestimmt sich nach dem Interesse des Klägers am Ausschluss der Zwangsvollstreckung (§ 3). Auch 66 67 68 69

Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 17 Rdn. 41; vgl. dazu auch BGHZ 124, 164, 169 f. Missverständlich insoweit die Formulierung bei OLG Hamm, Urt. v. 4.6.2012 – I-5 U 42/09, 5 U 42/09. BGHZ 190, 172, 183; Jäckel JuS 2005, 610, 615. OLG Koblenz NJW 1992, 378, 379; Stein/Jonas/Münzberg § 768 Rdn. 7; Musielak/Voit/Lackmann § 768 Rdn. 8; Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Raebel § 768 Rdn. 5; Kindl/Meller-Hannich/Wolf/Schneiders § 768 Rdn. 16; Saenger/Kindl § 768 Rdn. 3; Zöller/Herget § 768 Rdn. 2; Brox/Walker § 8 Rdn. 27; Lippross/Bittmann § 5 Rdn. 79; Jäckel JuS 2005, 610, 615. 70 So etwa Lippross/Bittmann § 5 Rdn. 79. 71 Wie hier auch MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 768 Rdn. 10; Prütting/Gehrlein/Scheuch § 768 Rdn. 11; Gaul/ Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 17 Rdn. 40 und so schon RGZ 82, 35, 37. 72 So Lippross/Bittmann § 5 Rdn. 79, Saenger/Kindl § 768 Rdn. 3. 73 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 768 Rdn. 10. 74 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 768 Rdn. 10. 75 Brox/Walker § 8 Rdn. 28. 375

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§ 769

Achtes Buch – Zwangsvollstreckung

wenn es sich um ein Gestaltungsurteil handelt, ist es wegen § 775 Nr. 1 für vorläufig vollstreckbar zu erklären.76 Die Zwangsvollstreckung ist dann einzustellen und bereits getroffene Vollstreckungsmaßnahmen sind aufzuheben (§ 776). Gegen die Entscheidung können die allgemeinen Rechtsmittel (Berufung und Revision) eingelegt werden.77

§ 769 Einstweilige Anordnungen (1)

1

Das Prozessgericht kann auf Antrag anordnen, dass bis zum Erlass des Urteils über die in den §§ 767, 768 bezeichneten Einwendungen die Zwangsvollstreckung gegen oder ohne Sicherheitsleistung eingestellt oder nur gegen Sicherheitsleistung fortgesetzt werde und dass Vollstreckungsmaßregeln gegen Sicherheitsleistung aufzuheben seien. 2Es setzt eine Sicherheitsleistung für die Einstellung der Zwangsvollstreckung nicht fest, wenn der Schuldner zur Sicherheitsleistung nicht in der Lage ist und die Rechtsverfolgung durch ihn hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. 3Die tatsächlichen Behauptungen, die den Antrag begründen, sind glaubhaft zu machen. (2) 1In dringenden Fällen kann das Vollstreckungsgericht eine solche Anordnung erlassen, unter Bestimmung einer Frist, innerhalb der die Entscheidung des Prozessgerichts beizubringen sei. 2Nach fruchtlosem Ablauf der Frist wird die Zwangsvollstreckung fortgesetzt. (3) Die Entscheidung über diese Anträge ergeht durch Beschluss. (4) Im Fall der Anhängigkeit einer auf Herabsetzung gerichteten Abänderungsklage gelten die Absätze 1 bis 3 entsprechend.

Schrifttum Häsemeyer Endgültige Zuweisung des Vollstreckungsschadens durch einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung, NJW 1986, 1028; J. Kaiser Besondere Anträge neben Zwangsvollstreckungsrechtsbehelfen des Schuldners, NJW 2014, 364; Künkel Die Anfechtbarkeit von Einstellungsentscheidungen nach §§ 707, 732 Abs. 2, 769 ZPO, MDR 1989, 309; Pelgau Einstweiliger Rechtsschutz bei Klage auf Titelherausgabe, MDR 1999, 400; E. Schneider Zulässigkeit und Begründetheit der Einstellungsbeschwerde, MDR 1985, 547; Stackmann Eilentscheidungen zur Vollstreckungsabwehr JuS 2006, 980.

Übersicht I. 1. 2. 3. 4.

Allgemeines 1 Zweck und Reformen 3 Anwendungsbereich 7 Verhältnis zu anderen Rechtsbehelfen Zuständigkeit für den Erlass einstweiliger Anord8 nungen

II. 1. 2. 3.

Anordnungsbefugnis des Prozessgerichts (Abs. 1) 9 Begriff des Prozessgerichts 10 Anhängigkeit eines Rechtsbehelfs 12 Funktionelle Zuständigkeit

III.

Anordnungsbefugnis des Vollstreckungsgerichts (S. 2)

1. 2. 3. 4.

13 Subsidiäre Notzuständigkeit 14 Anordnung nur in dringenden Fällen 15 Zuständigkeit des Vollstreckungsgerichts Besonderheiten bei der Anordnung durch das 16 Vollstreckungsgericht

IV. 1. 2. 3.

Allgemeine Verfahrensfragen Antrag, Vortrag und Glaubhaftmachung 22 Rechtsschutzbedürfnis 23 Gewährung rechtlichen Gehörs

V. 1.

Entscheidung Form der Entscheidung

19

24

76 BeckOK/Preuß § 768 Rdn. 17. 77 Jäckel JuS 2005, 610, 615. Spohnheimer https://doi.org/10.1515/9783110443158-053

376

Abschnitt 1. Allgemeine Vorschriften

2. 3. 4.

Ermessensentscheidung und Sicherheitsleis26 tung 30 Wirkungen der Entscheidung 33 Unanfechtbarkeit der Entscheidung

5. 6.

§ 769

Schadensersatz bei unberechtigter einstweiliger 38 Einstellung der Zwangsvollstreckung? 41 Kosten und Gebühren

I. Allgemeines 1. Zweck und Reformen Die Klageerhebung nach §§ 767, 768, 771 ff. hat hinsichtlich des Fortgangs der Zwangsvollstreckung 1 keine aufschiebende Wirkung.1 Erst die – jedenfalls vorläufig vollstreckbare – Entscheidung führt zu den Rechtsfolgen der §§ 775, 776.2 Damit einher geht die Gefahr, dass eine Vollstreckung eingeleitet oder fortgesetzt wird, die sich im Ergebnis als unzulässig erweisen könnte. Diese Gefahr mildern die §§ 769 f. Sie ermöglichen entsprechende einstweilige Anordnungen gegen eine Einleitung oder Fortsetzung der Zwangsvollstreckung schon vor Urteilserlass (§ 769) oder im noch nicht rechtskräftigen Urteil (§ 770). Es geht der Sache nach um die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes in Zwangsvollstreckungssachen. Die Norm ist über Jahrzehnte unverändert geblieben, hat aber seit 2001 mehrfach Änderun- 2 gen erfahren. Das ZPO-RG (2001) hat Abs. 3 neu gefasst und an den geänderten § 128 Abs. 4 angepasst. Das Risikobegrenzungsgesetz (2008) hat Abs. 1 S. 2, das FGG-RG (2008)3 hat Abs. 4 eingefügt.

2. Anwendungsbereich Ob die Vorschrift Anwendung findet, bestimmt sich nach dem „in der Hauptsache“ gestellten 3 Antrag. Welcher Titel vollstreckt werden soll, ist grundsätzlich ohne Bedeutung.4 Deshalb gilt § 769 auch, wenn es um die Vollstreckung eines arbeitsgerichtlichen Titels5 (§ 62 Abs. 2 ArbGG) oder eines verwaltungsgerichtlichen Titels, der nach den Vorschriften der ZPO vollstreckt wird,6 geht. Die Vorschrift gilt unmittelbar zunächst für die Vollstreckungsabwehrklage (§ 767) und die Klage gegen die Vollstreckungsklausel (§ 768). Abs. 4 ordnet die entsprechende Anwendung der Abs. 1– 3 für auf Herabsetzung gerichtete Abänderungsklagen (§ 323) an. Kraft gesetzlicher Verweisung finden die Vorschriften auch Anwendung bei Drittwiderspruchs- 4 klagen (§ 771 Abs. 3 S. 1), einschließlich solcher nach §§ 772–774, bei Klagen auf vorzugweise Befriedigung (§ 805 Abs. 4 S. 2) und bei auf Herabsetzung gerichteten Abänderungsanträgen nach § 238 FamFG (§ 242 S. 1 FamFG). Anwendbar ist § 769 auch bei den Vollstreckungsabwehrklagen des Erben (§ 785) und bei beschränkter Haftung (§ 786). Auf die Zwangsvollstreckung in Deutschland aus Europäischen Vollstreckungstiteln finden die Regelungen der Abs. 1 und 3 Anwendung (§ 1084).7 Auch § 112 Abs. 4 GenG erklärt die Norm für genossenschaftsrechtliche Anfechtungsklagen für anwendbar.

1 Stein/Jonas/Münzberg § 769 Rdn. 1; BeckOK/Preuß § 769 vor Rdn. 1; Brox/Walker § 44 Rdn. 99. 2 Die in den §§ 775, 776 enthaltene Aufzählung ist abschließend; vgl. hierzu § 775 Rdn. 3. 3 Vgl. zur Frage, welche Auswirkungen das FGG-RG auf die Diskussion um die mögliche Anfechtbarkeit einer Entscheidung nach § 769 hat, unten Rdn. 34. Kindl/Meller-Hannich/Wolf/Schneiders § 769 Rdn. 1. MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 769 Rdn. 5. MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 769 Rdn. 6. Im Anwendungsbereich von § 1084 gilt, dass ausschließlich das Vollstreckungsgericht über die Anordnung entscheidet; das Regel-Ausnahmeverhältnis greift nicht ein. So wird – um gerade die Vollstreckung ausländischer Entscheidungen in Deutschland zu erleichtern – eine klare Zuständigkeitsregel geschaffen.

4 5 6 7

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Umstritten ist, ob § 769 entsprechend anzuwenden ist bei negativen Feststellungsklagen gegen titulierte Ansprüche,8 bei Schadensersatzklagen aus § 826 BGB9 und bei Klagen auf Titelherausgabe nach § 371 BGB, die nicht mit einer Vollstreckungsabwehrklage verbunden sind.10 Zwar ist den Befürwortern einer Analogie zuzugeben, dass auch diese Klagen im Ergebnis dieselbe Wirkung wie eine Vollstreckungsabwehrklage haben können, doch liegt ein entscheidender Unterschied darin, dass selbst die (vorbeugende) Unterlassungsklage keine Gestaltungswirkung hat. Eine solche setzt aber § 775 Nr. 1 voraus (s. § 775 Rdn. 21). Jene Vorschrift ist die Grundnorm, an die die einstweilige Anordnung gem. § 769 anknüpft. Eine analoge Anwendung der Vorschrift auf diese Klagen ist daher abzulehnen.11 Der entscheidende praktische Unterschied – und er spricht gleichfalls gegen eine analoge Anwendung der Norm12 – liegt in der unterschiedlichen Haftung für eine unberechtigte einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung (s. hierzu Rdn. 38 ff.). 6 Zeitlich findet § 769 bis zum Erlass des entsprechenden Urteils Anwendung. Mit Erlass des Urteils greift § 770 ein. 5

3. Verhältnis zu anderen Rechtsbehelfen 7 Im Anwendungsbereich von § 769 sind einstweilige Verfügungen nach §§ 935 ff. nicht statthaft.13 Umgekehrt findet § 769 keine Anwendung im Arrestverfahren.14 Hier enthalten die §§ 923, 926, 927 entsprechende Sonderregeln.

4. Zuständigkeit für den Erlass einstweiliger Anordnungen 8 Im Regelfall trifft die Anordnung das Prozessgericht, das über den schon anhängigen Rechtsbehelf in der Hauptsache entscheidet (Abs. 1 S. 1; dazu unten Rdn. 9 ff.).15 In dringenden Fällen kann eine solche Anordnung ausnahmsweise das Vollstreckungsgericht erlassen (Abs. 2; dazu unten Rdn. 13 ff.). Das gilt auch, wenn der Rechtsbehelf bereits anhängig ist (s. Rdn. 14).

II. Anordnungsbefugnis des Prozessgerichts (Abs. 1) 1. Begriff des Prozessgerichts 9 Prozessgericht i.S.v. § 769 Abs. 1 S. 1 ist – anders als in § 767 – nicht das Gericht des Erkenntnisverfahrens. Gemeint ist das Gericht, bei dem der Rechtsbehelf gegen die Zwangsvollstreckung (Hauptsache) aktuell anhängig ist.16 Das kann die Eingangsinstanz, ggf. aber auch ein Rechts-

8 Musielak/Voit/Lackmann § 769 Rdn. 1a. 9 Bejahend OLG Zweibrücken NJW 1991, 3041; OLG Karlsruhe FamRZ 1986, 1141; LG Berlin MDR 2005, 1254, MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 769 Rdn. 4; Zöller/Herget § 769 Rdn. 1; ablehnend OLG München NJW-RR 1992, 511; OLG Brandenburg, Beschl. v. 11.2.2019 – 4U 103/18; Musielak/Voit/Lackmann § 769 Rdn. 1a; BeckOK/Preuß § 769 Rdn. 4; Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Raebel § 769 Rdn. 1. 10 OLG Düsseldorf MDR 1953, 557; a.A. Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Raebel § 769 Rdn. 1; Prütting/Gehrlein/Scheuch § 769 Rdn. 3. 11 Ebenso BeckOK/Preuß § 769 Rdn. 4.1; Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Raebel § 769 Rdn. 1. 12 Vgl. hierzu Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Raebel § 769 Rdn. 1. 13 OLGR Rostock, 2009, 441; OLG Hamm FamRZ 2002, 618; MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 769 Rdn. 8. 14 BeckOK/Preuß § 769 Rdn. 2; Thomas/Putzo/Seiler § 769 Rdn. 2. 15 BeckOK/Preuß § 769 Rdn. 5. 16 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 769 Rdn. 9; Musielak/Voit/Lackmann § 769 Rdn. 2. Spohnheimer

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mittelgericht sein.17 Darauf, ob das Gericht für diesen Rechtsbehelf sachlich und örtlich tatsächlich zuständig ist, kann es nicht ankommen.18 Denn das wird zuweilen erst dann feststehen, wenn eine Anordnung nach § 769 zu spät käme. Zudem liegt Abs. 1 der Gedanke zugrunde, dass das mit der Hauptsache befasste Gericht die Vollstreckung bis zu seiner Entscheidung über den vollstreckungsrechtlichen Rechtsbehelf aussetzen und auf diese Weise einen faktischen Suspensiveffekt herbeiführen können soll. Wird ein in der Hauptsache unzuständiges Gericht angerufen, kann seine Unzuständigkeit aber im Rahmen der Ermessensentscheidung (s. Rdn. 26 f.) berücksichtigt werden.19 Denn dem Antragsteller soll aus der Anrufung eines für die Hauptsache unzuständigen Gerichts kein Vorteil entstehen, etwa indem er die Hauptsache nur deshalb bei einem Gericht anhängig macht, weil er sich von dort eine entsprechende Anordnung erwartet. Umgekehrt kann eine einstweilige Anordnung durch ein für die Hauptsache nicht zuständiges Gericht aber gerade geboten sein, wenn bspw. die Zuständigkeit schwierig zu beantworten ist und dem Betroffenen ein erheblicher Nachteil droht, wenn die Zwangsvollstreckung nicht einstweilen eingestellt würde.

2. Anhängigkeit eines Rechtsbehelfs Voraussetzung ist, dass ein Rechtsbehelf bereits anhängig gemacht wurde.20 Für eine Zuständigkeit 10 des Prozessgerichts vor der Anhängigkeit einer Hauptsache spricht vordergründig, dass nicht einzusehen ist, warum dem Prozessgericht geringere Befugnisse zustehen sollen als dem Vollstreckungsgericht.21 Doch verkennt eine solche Sichtweise, dass das Prozessgericht überhaupt erst zum Prozessgericht im Sinne der Vorschrift wird, wenn der Rechtsbehelf dort anhängig gemacht wird (vgl. dazu soeben Rdn. 9). Auf diese Weise liegt es am Schuldner, sich zu entscheiden, ob er den vollstreckungsrechtlichen Rechtsbehelf schnell anhängig machen will und so eine Anordnung durch das Prozessgericht erreichen kann, oder ob er die Hauptsache noch nicht anhängig machen möchte. Dann muss er sich mit einer Entscheidung durch das Vollstreckungsgericht nach Abs. 2 begnügen. All das trägt nicht zuletzt dem Gedanken Rechnung, dass die Vollstreckung nicht ohne Not zulasten des Gläubigers verzögert werden soll. Weil aber die Rechtshängigkeit nicht Voraussetzung ist, muss eine Zustellung der Rechtsbehelfsschrift noch nicht erfolgt sein.22 Allerdings muss der Antragsteller das seinerseits Erforderliche tun (etwa den angeforderten Gerichtskostenvorschuss zahlen),23 damit alsbald zugestellt werden kann.24 Denn er soll auf diese Weise nicht die Entscheidung in der Hauptsache hinauszögern und sich so eine Zuständigkeit verschaffen können, die von der in § 769 Abs. 2 geregelten Situation abweicht. Das Prozessgericht kann dem überdies Rechnung tragen, indem es seine Anordnung bedingt oder befristet.25

17 BGH, Beschl. v. 22.11.2006 – XII ZR 58/04; Stein/Jonas/Münzberg § 769 Rdn. 11; MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 769 Rdn. 9; Musielak/Voit/Lackmann § 769 Rdn. 2; BeckOK/Preuß § 769 Rdn. 5; Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Raebel § 769 Rdn. 3. 18 OLG Zweibrücken MDR 1979, 324; MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 769 Rdn. 9; Musielak/Voit/Lackmann § 769 Rdn. 2; Zöller/Herget § 769 Rdn. 3; Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Raebel § 769 Rdn. 3. 19 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 769 Rdn. 9; Musielak/Voit/Lackmann § 769 Rdn. 2. 20 H.M.; etwa OLG Köln FamRZ 1987, 963; MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 769 Rdn. 11; BeckOK/Preuß § 769 Rdn. 5; Prütting/Gehrlein/Scheuch § 769 Rdn. 6; im Ergebnis a.A. OLG Stuttgart NJW 1963, 258; Stein/Jonas/Münzberg § 769 Rdn. 8; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 40 Rdn. 142. 21 OLG Stuttgart NJW 1963, 258; Stein/Jonas/Münzberg § 769 Rdn. 7; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 40 Rdn. 142. 22 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 769 Rdn. 11; Zöller/Herget § 769 Rdn. 4. 23 So insbesondere Musielak/Voit/Lackmann § 769 Rdn. 2; a.A. Prütting/Gehrlein/Scheuch § 769 Rdn. 6. 24 BeckOK/Preuß § 769 Rdn. 5; OLG Saarbrücken InVo 2000, 246; OLG Köln FamRZ 1987, 963, 964. 25 KG FramRZ 1990, 86; MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 769 Rdn. 11. 379

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Zuweilen wird vertreten, dass ein bloßes Prozesskostenhilfegesuch ausreichend sei,26 jedenfalls dann, wenn der Entwurf einer Klageschrift beigefügt ist.27 Das wird von der h.M. zu Recht abgelehnt.28 Dafür spricht zum einen der Wortlaut des Gesetzes, der vom Prozessgericht spricht und so die Anhängigkeit des Rechtsbehelfs voraussetzt. Zum anderen gewährt das Gesetz dem Schuldner mit dem Verfahren nach Abs. 2 auch anderweitig eine ausreichende Möglichkeit, Rechtsschutz zu erlangen: Er muss dann das Vollstreckungsgericht einschalten und kann sich nicht des eigenen Kostenrisikos entledigen.29 Auch das Beifügen eines Entwurfs der Klageschrift genügt nicht. Denn für die Frage der Zuständigkeit kann es nicht darum gehen, dass ein Gericht zuständig ist, wenn es sich von einer später erst noch anhängig zu machenden Hauptsache ein Bild machen kann – und darauf liefe diese Sichtweise hinaus. Vielmehr soll ein in der Hauptsache bereits angerufenes Gericht auch einstweilige Anordnungen treffen können. Das Prozessgericht kann daher allenfalls in den Fällen entscheiden, in denen die Klageschrift (aufschiebend bedingt) zugleich mit dem Prozesskostenhilfegesuch eingereicht wird und das Gericht die Prozesskostenhilfe bewilligt hat. Die Klage muss also eingereicht sein und darf allenfalls noch aufschiebend bedingt durch die Bewilligung der Prozesskostenhilfe sein.

3. Funktionelle Zuständigkeit 12 Entscheidet in der Hauptsache ein Kollegialgericht, hat auch über die einstweilige Anordnung das Kollegialgericht zu entscheiden, und nicht etwa der Vorsitzende allein.30 Doch kann eine alleinige Entscheidung des Vorsitzenden in dringenden Fällen analog § 944 geboten sein. Denn sonst müsste das – sonst gar nicht mit der Sache befasste – Vollstreckungsgericht nach § 769 Abs. 2 tätig werden. Ist für die Hauptsache ein Einzelrichter zuständig, trifft er auch die einstweilige Anordnung.31 Ist die Kammer für Handelssachen zur Entscheidung in der Hauptsache berufen, entscheidet der Vorsitzende allein (§ 349 Abs. 2 Nr. 10).

III. Anordnungsbefugnis des Vollstreckungsgerichts (S. 2) 1. Subsidiäre Notzuständigkeit 13 Nach Abs. 2 ist in dringenden Fällen das Vollstreckungsgericht (vgl. § 764) zu einer Anordnung berufen. Wegen dieses Dringlichkeitserfordernisses ist seine Zuständigkeit nur eine subsidiäre. Die Regelung erinnert an die Zuständigkeit des Amtsgerichts in dringenden Fällen nach § 942. Der Wortlaut von § 769 Abs. 2 spricht dafür, dass das Vorliegen eines dringenden Falles eine Voraussetzung für die Zuständigkeit des Vollstreckungsgerichts, mithin also eine Zulässigkeitsvoraussetzung, ist.32 Hierin eine materiellrechtliche Voraussetzung für den Erlass einer Anordnung zu sehen,33 ist nicht überzeugend und verursacht weitere Zweifelsfragen. Denn das würde zu einer grundsätzlichen parallelen Zuständigkeit von Prozess- und Vollstreckungsgericht führen und auf diese Weise dem Schuldner von vornherein mehrere Versuche ermöglichen, eine einstweilige Anordnung zu 26 Stein/Jonas/Münzberg § 769 Rdn. 8. 27 So etwa Zöller/Herget § 769 Rdn. 4. 28 OLGR Frankfurt 2008, 612; MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 769 Rdn. 12; Musielak/Voit/Lackmann § 769 Rdn. 2; BeckOK/Preuß § 769 Rdn. 6; Prütting/Gehrlein/Scheuch § 769 Rdn. 6. 29 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 769 Rdn. 12. 30 Stein/Jonas/Münzberg § 769 Rdn. 6; MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 769 Rdn. 10. 31 OLG Hamburg MDR 1968, 54; MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 769 Rdn. 10; Schuschke/Walker/Kessen/Thole/ Raebel § 769 Rdn. 3. 32 Wieczorek/Schütze/Salzmann3 § 769 Rdn. 14. 33 So MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 769 Rdn. 18. Spohnheimer

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erreichen und je nach Lage des Falles zu einem einfacheren Verfahren zu gelangen – etwa, weil der Anwaltszwang vor dem Vollstreckungsgericht nicht gilt.

2. Anordnung nur in dringenden Fällen Ein dringender Fall i.S.v. Abs. 2 liegt vor, wenn eine Entscheidung des Prozessgerichts nach Abs. 1 14 zu spät käme.34 Ein solcher Fall kann auch dann noch vorliegen, wenn die Sache bereits beim Prozessgericht anhängig ist.35 Es kommt in diesem Fall zu einer konkurrierenden Zuständigkeit. In den anderen Fällen ist zu berücksichtigen, dass der Betroffene im Zweifel erst noch die Klage beim Prozessgericht anhängig machen müsste. Weil der Vorrang einer Entscheidung durch das sachnähere Hauptsachegericht gewahrt werden muss, ist die Vorschrift grundsätzlich eng auszulegen.36 Denn wird der dringende Fall vorschnell bejaht und wird die Ausnahme zur Regel erhoben, ist nicht weniger tangiert als das (grundrechtsgleiche) Recht auf den gesetzlichen Richter – jedenfalls, wenn man die besondere Dringlichkeit als eine Zulässigkeitsvoraussetzung begreift (s. Rdn. 13). Auch wenn es grundsätzlich nicht auf ein Verschulden ankommt, muss sich derjenige, der nachlässig keine Hauptsacheklage anhängig macht, mit zunehmendem Zeitablauf fragen lassen, ob tatsächlich (noch) ein dringender Fall vorliegt.37 Hat das Prozessgericht einen Antrag abgelehnt, liegt allein deshalb kein dringender Fall vor; ein erneuter Antrag kann dann nur auf neue Gründe gestützt werden.38 Die einen dringenden Fall begründenden Tatsachen hat der Antragsteller glaubhaft zu machen.39

3. Zuständigkeit des Vollstreckungsgerichts Als Vollstreckungsgericht ist nach § 764 Abs. 2 das Amtsgericht zuständig, in dessen Bezirk die 15 Zwangsvollstreckung stattfindet oder stattfinden soll. Funktionell zuständig ist nach § 20 Abs. 1 Nr. 17 RPflG der Rechtspfleger. Auch wenn die einstweilige Anordnung Bezüge zu einer Vollstreckungserinnerung haben kann, greift die dort vorbehaltene Zuweisung von Vollstreckungserinnerungen zugunsten des Richters nicht ein. Denn damit soll zuvorderst sichergestellt werden, dass über den Rechtsbehelf selbst von einem Richter entschieden wird.

4. Besonderheiten bei der Anordnung durch das Vollstreckungsgericht Entscheidet das Vollstreckungsgericht nach Abs. 2, hat es eine Frist zu bestimmen, innerhalb der 16 die Entscheidung des Prozessgerichts beizubringen ist. Nach deren Ablauf tritt die Maßnahme außer Kraft.40 Dass der Betroffene innerhalb dieser Frist die Hauptsache anhängig macht, genügt nicht. Allerdings ist mit der Entscheidung des Prozessgerichts auch nicht die Entscheidung in der Hauptsache gemeint. Denn das würde dem Betroffenen möglicherweise den effektiven Rechtsschutz verwehren. Gemeint ist vielmehr, dass die Entscheidung über eine einstweilige Anordnung 34 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 769 Rdn. 18; BeckOK/Preuß § 769 Rdn. 17; Prütting/Gehrlein/Scheuch § 769 Rdn. 15.

35 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 769 Rdn. 14. 36 Für eine restriktive Anwendung plädieren auch MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 769 Rdn. 18. 37 Noch deutlich restriktiver und einen dringenden Fall verneinend Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Raebel § 769 Rdn. 12. 38 Stein/Jonas/Münzberg § 769 Rdn. 15. 39 BeckOK/Preuß § 769 Rdn. 17. 40 Stein/Jonas/Münzberg § 769 Rdn. 2, 16; Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Raebel § 769 Rdn. 12; Prütting/Gehrlein/ Scheuch § 769 Rdn. 17. 381

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auf das eigentlich zuständige und sachnähere Prozessgericht übergehen soll, sodass es der Sache nach um die einstweilige Entscheidung über die einstweilige Anordnung geht. Das Vollstreckungsgericht kann die Frist aber verlängern.41 Ist die Frist abgelaufen, ohne dass das Prozessgericht entschieden hat, tritt die Anordnung des Vollstreckungsgerichts aber außer Kraft.42 17 Ist die Anordnungsbefugnis auf das Prozessgericht i.S.v. Abs. 1 übergegangen, trifft es eine eigene Interessenabwägung und überprüft nicht nur die Entscheidung des Vollstreckungsgerichts.43 Eine Aufhebung von Vollstreckungsmaßnahmen durch das Vollstreckungsgericht kommt 18 nicht in Betracht. Das ergibt sich zwar nicht unmittelbar aus dem Wortlaut der Vorschrift, folgt aber daraus, dass das Vollstreckungsgericht eine Frist zu bestimmen hat, nach deren Ablauf die Zwangsvollstreckung fortzusetzen ist. Weil eine einmal aufgehobene Vollstreckungsmaßnahme nach Ablauf der Frist nicht noch einmal wirksam werden kann, kommt die Aufhebung nicht in Betracht.44

IV. Allgemeine Verfahrensfragen 1. Antrag, Vortrag und Glaubhaftmachung 19 Eine einstweilige Anordnung nach § 769 setzt einen entsprechenden Antrag voraus (Abs. 1 S. 1). Der Antrag ist schriftlich oder in der mündlichen Verhandlung durch Erklärung zu Protokoll zu stellen. 20 Der Rechtsbehelfsführer hat die den Antrag begründenden tatsächlichen Behauptungen glaubhaft zu machen (Abs. 1 S. 3). Das umfasst insbesondere, dass sein Interesse an der Aussetzung der Vollstreckung das Vollstreckungsinteresse des Gläubigers überwiegt (s. Rdn. 27).45 Auch hat er ggf. glaubhaft zu machen, dass er nicht in der Lage ist, eine Sicherheitsleistung zu erbringen.46 Für die Glaubhaftmachung gilt § 294. Sie kann aber nicht, wie in § 921 S. 2 für andere Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes vorgesehen, durch eine Sicherheitsleistung ersetzt werden.47 Die Schlüssigkeit des Vortrags genügt nicht.48 An Vortrag und Glaubhaftmachung sind strenge Anforderungen zu stellen: Denn der Gläubiger hält einen vollstreckbaren Titel in Händen, den er (Regelfall) vollstrecken können muss. Daher muss eine Suspensivwirkung (Ausnahme) von hohen Anforderungen abhängen.49 Stellt der Schuldner einen Antrag nach Abs. 2, ist auch die besondere Dringlichkeit glaubhaft zu machen.50 21 Wird der Antrag beim Vollstreckungsgericht gestellt, besteht kein Anwaltszwang; beim Prozessgericht besteht Anwaltszwang (§ 78), sofern die Sache nicht vor dem Amtsgericht anhängig ist.51

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MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 769 Rdn. 19. MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 769 Rdn. 33. MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 769 Rdn. 33. Stein/Jonas/Münzberg § 769 Rdn. 15; MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 769 Rdn. 18; BeckOK/Preuß § 769 Rdn. 16; Prütting/Gehrlein/Scheuch § 769 Rdn. 15. 45 BeckOK/Preuß § 769 Rdn. 10; Kaiser NJW 2014, 364, 365. 46 BeckOK/Preuß § 769 Rdn. 10. 47 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 769 Rdn. 23; Stein/Jonas/Münzberg § 769 Rdn. 11; Prütting/Gehrlein/Scheuch § 769 Rdn. 10. 48 Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Raebel § 769 Rdn. 6. 49 Im Ergebnis ebenso Zöller/Herget § 769 Rdn. 5. 50 Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Raebel § 769 Rdn. 12. 51 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 769 Rdn. 20. Spohnheimer

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2. Rechtsschutzbedürfnis Das Rechtsschutzbedürfnis für eine einstweilige Anordnung orientiert sich im Ausgangspunkt am 22 Rechtsschutzbedürfnis des Rechtsbehelfs in der Hauptsache: Denn wenn es darum geht, den fehlenden Suspensiveffekt der Rechtsbehelfe zu überwinden, kann das Rechtsschutzbedürfnis für eine einstweilige Anordnung nicht bestehen, wenn es auch für den Rechtsbehelf selbst nicht besteht.52 Das Rechtsschutzbedürfnis entfällt, wenn die Zwangsvollstreckung beendet ist; dann wird der Antrag unzulässig.53

3. Gewährung rechtlichen Gehörs Eine mündliche Verhandlung ist nicht erforderlich (Abs. 3 i.V.m. § 128 Abs. 4), doch ist dem Gläubi- 23 ger rechtliches Gehör zu gewähren.54 Das kann jedoch – wie in anderen Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes – bei besonderer Dringlichkeit auch nachträglich geschehen.55 Weil die Anordnung auf einer Interessenabwägung beruht (s. hierzu Rdn. 27), wird vor einer Entscheidung aber regelmäßig auch dem Antragsgegner rechtliches Gehör zu gewähren sein.56 Vollständig unterbleiben kann die Anhörung des Gläubigers grundsätzlich nur, wenn der Antrag offensichtlich unzulässig oder unbegründet ist.57

V. Entscheidung 1. Form der Entscheidung Die Entscheidung ergeht durch Beschluss (Abs. 3). Er ist zu begründen.58 Das folgt zwar weder 24 aus § 313 Abs. 1 Nr. 6, der auch nicht entsprechend anwendbar ist,59 noch aus der Zulässigkeit eines Rechtsbehelfs.60 Denn die Entscheidung nach § 769 ist unanfechtbar (s. Rdn. 33 ff.). Die Begründungspflicht folgt aber aus dem Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs und dem Willkürverbot (Art. 3 Abs. 1 GG).61 Das muss bei Ermessensentscheidungen umso mehr gelten – erst recht, wenn es sich um ein abgekürztes, summarisches Verfahren handelt, bei dem auch im Einzelfall die Möglichkeit zur Äußerung (zuweilen bis auf ein Minimum) reduziert ist. Denn nur durch eine (jedenfalls kurze) Begründung kann der Betroffene erkennen, dass das Ermessen pflichtgemäß ausgeübt wurde. Wurde mündlich verhandelt, ist der Beschluss zu verkünden (§ 329 Abs. 1 S. 1). Ist nicht münd- 25 lich verhandelt worden, wird er mit der formlosen Mitteilung an die Parteien (§ 329 Abs. 2) wirksam.62 Die Vorlage einer formlos übermittelten Abschrift genügt zur Einstellung oder Beschrän-

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Im Ergebnis ebenso OLG Hamburg NJW 1978, 1272. Prütting/Gehrlein/Scheuch § 769 Rdn. 6; Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Raebel § 769 Rdn. 4. Stein/Jonas/Münzberg § 769 Rdn. 5; MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 769 Rdn. 22. MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 769 Rdn. 22. Stackmann JuS 2006, 980, 982. Stein/Jonas/Münzberg § 769 Rdn. 5. OLG Frankfurt MDR 1999, 504; OLG Karlsruhe FamRZ 1993, 225; Stein/Jonas/Münzberg § 769 Rdn. 11; MünchKomm/ K. Schmidt/Brinkmann § 769 Rdn. 25; Zöller/Herget § 769 Rdn. 6; Anders/Gehle/Hunke § 769 Rdn. 17; a.A. Schuschke/ Walker/Kessen/Thole/Raebel § 769 Rdn. 6 (sollte). 59 MünchKomm/Musielak § 313 Rdn. 2. 60 So etwa noch OLG Celle NJW 1966, 936; OLG Köln MDR 1989, 919, 920; OLG Karlsruhe MDR 1986, 1033, 1034; wohl auch noch OLG Köln FF 2002, 175. 61 MünchKomm/Musielak § 329 Rdn. 4. 62 BGHZ 25, 60, 64; E. Schneider JurBüro 1974, 584, 585 f. 383

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kung der Zwangsvollstreckung nach § 775 Nr. 2.63 Dass sie auch dem Gläubiger bereits mitgeteilt wurde, ist nicht erforderlich.64

2. Ermessensentscheidung und Sicherheitsleistung 26 § 769 stellt die Entscheidung über die einstweilige Anordnung in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts.65 Die Norm nennt zwei grundsätzliche Möglichkeiten: Das Gericht kann zum einen anordnen, dass die Zwangsvollstreckung einstweilen eingestellt wird. Es kann aber auch eine Sicherheitsleistung anordnen, damit der Gläubiger weiter vollstrecken darf. Darüber hinaus kann es anordnen, dass Zwangsvollstreckungsmaßregeln gegen Sicherheitsleistung aufzuheben sind. Die Aufzählung möglicher Maßnahmen ist allerdings nicht abschließend.66 Daher kann etwa auch die Sequestration angeordnet werden.67 Bei seiner Ermessensentscheidung hat das Gericht das Schutzinteresse des Antragstellers und 27 das Vollstreckungsinteresse des Gläubigers umfassend gegeneinander abzuwägen. Zahlreiche Kriterien können die Entscheidung beeinflussen. Abs. 1 S. 2 lässt anklingen, dass die Erfolgsaussichten in der Hauptsache zu berücksichtigen sind.68 Ausreichend ist, wenn die Hauptsache hinreichende Aussicht auf Erfolg hat; ein Erfolg muss nicht überwiegend wahrscheinlich sein. Auch ist zu berücksichtigen, welche Nachteile dem Gläubiger drohen, wenn die Vollstreckung ausgesetzt wird und welche Nachteile dem Antragsteller drohen, wenn die Vollstreckung fortgesetzt wird.69 Dabei sind auch mögliche Sicherheitsleistungen zu berücksichtigen.70 Ist der Ausgang der Hauptsache offen und drohen dem Schuldner im Falle einer Vollstreckung schwere Nachteile, bietet es sich an, die Zwangsvollstreckung zunächst gegen eine Sicherheitsleistung einzustellen, die sämtliche den Vollstreckungsgläubiger eventuell treffende Nachteile abdeckt.71 Schließlich kann auch berücksichtigt werden, ob der Schuldner oder ein Dritter die Anordnung begehrt: Denn ein Dritter, der in ein ihm fremdes Vollstreckungsverfahren hineingezogen wird, ist schutzwürdiger als ein Schuldner.72 Grundsätzlich stellt das Gesetz es in das Ermessen des Gerichts, ob es die Zwangsvollstre28 ckung ohne oder gegen Sicherheitsleistung einstellt. Doch darf eine Sicherheitsleistung nicht angeordnet werden, wenn die Hauptsache hinreichende Aussicht auf Erfolg hat, aber der Schuldner zu einer Sicherheitsleistung nicht in der Lage ist (S. 2).73 Die Aufhebung einer Vollstreckungsmaßregel darf hingegen nur gegen Sicherheitsleistung erfolgen (Abs. 1 S. 1 a.E.). Anders liegen die Dinge, wenn sich ein Dritter gegen die Zwangsvollstreckung wehrt. Hier bestimmt § 771 Abs. 3 S. 2, dass auch die Aufhebung einer Vollstreckungsmaßregel ohne Sicherheitsleistung zulässig ist (vgl. § 771 Rdn. 50). Ob man aus beidem herleiten kann, dass die gesetzgeberische Intention war, dass die Anordnung einer Sicherheitsleistung der Regelfall ist, ist fraglich.74 Denn § 769 Abs. 1 S. 2 verbietet dem Gericht nur, eine Sicherheitsleistung unter den dort normierten Umständen anzuordnen, die aber im Übrigen in seinem Ermessen steht. Und § 771 Abs. 3 S. 2 gewährt dem Gericht dort ein Ermessen, wo sonst gar kein Ermessen besteht. Denn nach der 63 64 65 66 67 68 69

BGHZ 15, 60, 64; Stein/Jonas/Münzberg § 769 Rdn. 11; E. Schneider JurBüro 1974, 584, 585 f. BGHZ 25, 60, 64 ff.; E. Scheider JurBüro 1974, 584, 585 f. MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 769 Rdn. 24. BeckOK/Preuß § 769 Rdn. 11; Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Raebel § 769 Rdn. 9. BeckOK/Preuß § 769 Rdn. 11; Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Raebel § 769 Rdn. 9; Zöller/Herget § 769 Rdn. 7. Schon vor der Normierung h.M.; vgl. etwa Stackmann JuS 2006, 980, 981. BGH, Beschl. v. 13.10.2020 – VI ZR 1261/20 Rdn. 4; MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 769 Rdn. 17; BeckOK/Preuß § 769 Rdn. 7. 70 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 769 Rdn. 17. 71 Stackmann JuS 2006, 980, 982. 72 Prütting/Gehrlein/Scheuch § 769 Rdn. 9. 73 Vgl. hierzu BT-Drucks. 16/9821, S. 10. 74 So aber MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 769 Rdn. 17; BeckOK/Preuß § 769 Rdn. 9. Spohnheimer

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Grundregel darf eine Vollstreckungsmaßregel nur gegen Sicherheitsleistung aufgehoben werden. Allerdings wird eine Sicherheitsleistung vielfach Einfluss auf die Interessenabwägung haben. Wird dem Gläubiger Sicherheit geleistet, ist ihm eher zuzumuten, dass die Vollstreckung einstweilen eingestellt wird. Im Ergebnis wird es daher in der Praxis meist auf die Anordnung einer Sicherheitsleistung hinauslaufen. Die Höhe der Sicherheitsleistung ist so zu bemessen, dass die Schäden, die dem Gläubiger 29 durch die einstweilige Hemmung der Vollstreckung drohen, ersetzt werden können.75 Wird umgekehrt angeordnet, dass die Zwangsvollstreckung nur noch gegen Sicherheitsleistung fortgesetzt werden darf, ist die Sicherheitsleistung danach zu bemessen, welche Schäden dem Schuldner oder dem intervenierenden Dritten drohen, wenn er die Sache verliert.76

3. Wirkungen der Entscheidung Entscheidet das Prozessgericht nach Abs. 1, gilt die einstweilige Anordnung nur bis zum Erlass 30 einer Entscheidung über den Rechtsbehelf. Mit ihrer Verkündung wird die einstweilige Anordnung gegenstandslos.77 Das Gericht kann dann eine Anordnung nach § 770 treffen. Unterbleibt sie und wird gegen die Entscheidung in der Hauptsache ein Rechtsmittel eingelegt, kann das Rechtsmittelgericht eine neue einstweilige Anordnung nach § 769 treffen. Wurde der Rechtsbehelf durch Versäumnisurteil nach § 330 abgewiesen und legt der Schuldner bzw. der Dritte dagegen rechtzeitig Einspruch ein, bedarf es keiner erneuten Anordnung; die ursprüngliche Anordnung lebt wieder auf.78 Trifft das Gericht eine entsprechende einstweilige Anordnung, ist das Zwangsvollstreckungs- 31 verfahren nach § 775 Nr. 2 einzustellen oder zu beschränken. Wurde eine Sicherheitsleistung bestimmt, kann die Zwangsvollstreckung erst eingestellt oder beschränkt werden, wenn die angeordnete Sicherheit geleistet wurde.79 Die Anordnungen sind in jeder Instanz frei abänderbar.80 So kann der jeweiligen Prozesslage 32 Rechnung getragen werden.

4. Unanfechtbarkeit der Entscheidung Umstritten ist, ob der Beschluss über die Anordnung einstweiliger Maßnahmen bzw. über ihre 33 Ablehnung angefochten werden kann. Die Zweifel kamen seit jeher auf, weil die Interessenlage, die § 769 zugrunde liegt, den Interessenlagen, die § 707 Abs. 2 S. 2 und 719 Abs. 1 S. 1 zugrunde liegen, durchaus vergleichbar ist, aber nur in den beiden letztgenannten Vorschriften die Anfechtbarkeit der ergangenen Beschlüsse ausgeschlossen ist. In § 769 findet sich eine solche Regelung nicht.81 Deshalb wurden unterschiedliche Sichtweisen vertreten, ob und in welchem Umfang die

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BeckOK/Preuß § 769 Rdn. 13; Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Raebel § 769 Rdn. 10. BeckOK/Preuß § 769 Rdn. 13; Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Raebel § 769 Rdn. 10. Stein/Jonas/Münzberg § 769 Rdn. 2; MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 769 Rdn. 29; BeckOK/Preuß § 769 Rdn. 14. OLG Hamm NJW-RR 1986, 1508, 1509; Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Raebel § 769 Rdn. 11. Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Raebel § 769 Rdn. 11. MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 769 Rdn. 28; Stein/Jonas/Münzberg § 769 Rdn. 17; Musielak/Voit/Lackmann § 769 Rdn. 6; Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Raebel § 769 Rdn. 11; Prütting/Gehrlein/Scheuch § 769 Rdn. 13; Stackmann JuS 2006, 980, 983. 81 Schon der historische Gesetzgeber hat eine Unanfechtbarkeit der Entscheidung befürwortet, weil mit der Überprüfung der Entscheidung durch eine höhere Instanz die Sorge einhergeht, dass die Entscheidung in der Hauptsache, die dann wiederum das Untergericht zu treffen hat, faktisch präjudiziert wird (vgl. Hahn/Mugdan Band II/2 S. 427). Auch Gaul ZZP 85 (1972) 251, 302, spricht sich bei seinen Reformüberlegungen für die Beibehaltung der Unanfechtbarkeit aus. 385

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gerichtliche Entscheidung durch einen Rechtsbehelf überprüfbar ist.82 Das vertretene Meinungsspektrum wurde rasch sehr unübersichtlich.83 Allerdings hat der Gesetzgeber 1985 – bedauerlicherweise nur in den Gesetzesmaterialien – zu erkennen gegeben, dass er eine Unanfechtbarkeit der Entscheidung wünscht.84 Die Zweifel mehrten sich aber erneut, nachdem das ZPO-RG zum 1.1.2002 § 769 novelliert hat, der Gesetzgeber aber – in Kenntnis des Meinungsstreits – keine Regelung getroffen hat.85 Der BGH hat im Jahr 2004 – im Einklang mit der Mehrheit der obergerichtlichen Entscheidungen – judiziert, dass ein Rechtsbehelf nicht statthaft ist.86 Die überwiegende Meinung im Schrifttum hat sich dieser Sichtweise angeschlossen.87 Auch wenn man in der Tat mit fortschreitender Zeitdauer, in der der Gesetzgeber einen 34 Zustand weiterhin ungeregelt lässt, Zweifel daran haben kann, ob die essentielle Voraussetzung einer Analogie – nämlich eine planwidrige Regelungslücke – noch vorliegt, lässt sich die Unanfechtbarkeit der Entscheidung bis zu den Änderungen des § 769, die mit dem Risikobegrenzungsgesetz (2008) einhergingen, begründen.88 Doch müssen die mit dem FGG-RG 2008 vorgenommenen gesetzlichen Änderungen erneut Anlass zu Zweifeln geben.89 Zwar ist die Ergänzung von § 769 um einen Abs. 4 durch das FGG-RG zunächst unverdächtig. Doch muss für eine solche Sichtweise große Bedenken hervorrufen, dass der Gesetzgeber im FGG-RG nicht nur § 769 Abs. 4 eingefügt hat, sondern zugleich – und damit also zeitgleich – § 242 FamFG normiert hat.90 Während § 769 Abs. 4 die entsprechende Anwendung der Abs. 1 bis 3 in den Fällen normiert, in denen eine auf Herabsetzung gerichtete Abänderungsklage (§ 323) anhängig gemacht wird, ordnet § 242 S. 1 FamFG spiegelbildlich an, dass in den Fällen, in denen ein Abänderungsantrag auf Herabsetzung anhängig oder hierfür ein Antrag auf Verfahrenskostenhilfe eingereicht ist, § 769 – also die Abs. 1–3 – entsprechend gilt. Doch normiert § 242 S. 2 FamFG ausdrücklich, dass dieser Beschluss unanfechtbar ist. In § 769 ist das indes nicht geschehen. Bestimmt nun eine (speziellere) Norm des FamFG die entsprechende Geltung einer (allgemeineren) zwangsvollstreckungsrechtlichen Norm der ZPO und ordnet zugleich an, dass der Beschluss unanfechtbar ist, liegt der Schluss nahe, dass das nur in dem besonderen Fall der entsprechenden Anwendung nach § 242 FamFG gelten soll. Umgekehrt wäre § 242 S. 2 FamFG nur wiederholend, würde das ohnehin schon aus den Regeln der ZPO folgen, auf die § 242 S. 1 FamFG verweist. Die Bedenken werden umso größer, wenn man berücksichtigt, dass der Gesetzgeber beide Vorschriften zugleich geändert bzw. neu geregelt hat. Wollte er, dass die Entscheidung sowohl im unmittelbaren Anwendungsbereich von § 769 als auch im Anwendungsbereich von § 242 FamFG unanfechtbar ist, hätte es nahegelegen, dass das nur – oder jedenfalls auch – in § 769 statuiert worden wäre. Der Vergleich beider Regeln würde also dafür streiten, dass die Entscheidung über die einstweilige Einstellung der Vollstre82 Vgl. zum Meinungsstand ausf. Lemke MDR 2000, 13 sowie die Nachweise in BGHZ 159, 14 ff. 83 Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Raebel § 769 Rdn. 14. 84 BT-Drucks. 11/3621, S. 26: „Auf die Einzelvorschriften der früheren Entwürfe, durch die einstweilige Anordnungen (…) ausdrücklich für unanfechtbar erklärt werden sollten (…), verzichtet der vorliegende Entwurf. Die grundsätzliche Unanfechtbarkeit dieser Anordnungen und Maßnahmen ist in der Rechtsprechung hinreichend anerkannt“ (Hervorhebung nicht im Original). Kritisch dazu OLG Hamm, Beschl. v. 24.2.2005 – 27 W 58/04 (nicht rechtskräftig geworden). 85 So etwa LAG Frankfurt NZA-RR 2004, 380 f. 86 BGHZ 159, 14; ihm folgend BGH, Beschl. v. 20.12.2005 – VII ZB 52/05; OLGR Koblenz 2006, 843; OLG Bremen MDR 2006, 229; OLG München, Beschl. v. 20.5.2005 – 21 W 1548/05; LAG Mainz MDR 2006, 713. Die Entscheidung BGHZ 159, 14 haben ausdrücklich abgelehnt OLG Hamm, Beschl. v. 24.2.2005 – 27 W 58/04 (nicht rechtskräftig geworden) und OLGR Naumburg 2006, 681. 87 So etwa MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 769 Rdn. 34; Musielak/Voit/Lackmann § 769 Rdn. 6; BeckOK/Preuß § 769 Rdn. 19. 88 So (unausgesprochen) wohl auch die h.M.; zweifelnd indes OLG Hamm, Beschl. v. 24.2.2005 – 27 W 58/04 (nicht rechtskräftig geworden). 89 Soweit ersichtlich, scheint das nahezu unbemerkt geblieben zu sein. 90 Soweit ersichtlich, haben sich die nach Inkrafttreten des FGG-RG ergangenen Entscheidungen, die allesamt aus dem Verwaltungsrecht entstammen – ebenso wie maßgebliche Stimmen im Schrifttum – mit dieser Frage nicht auseinandergesetzt; vgl. etwa VGH Mannheim VBlBW 2014, 432; OVG Berlin-Brandenburg NVwZ-RR 2013, 945, 946. Spohnheimer

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ckung nur in den Fällen des § 242 FamFG unanfechtbar sein soll. Doch können diese systematischen Überlegungen nur einen ersten Anhaltspunkt liefern. Entscheidend muss es auch auf den Willen des Gesetzgebers ankommen. Während der Gesetzgeber zu § 242 S. 2 FamFG ausdrücklich ausgeführt hat, dass er die bishe- 35 rige höchstrichterliche Rechtsprechung kodifiziert,91 legt die Gesetzesbegründung zu den Änderungen in § 769 nur Zeugnis darüber ab, dass die entsprechende Anwendung der Abs. 1–3 auf die Abänderungsklage der bisherigen Rechtsprechung entspricht und die Änderung daher der Klarstellung dient.92 Zu der Frage, warum die Unanfechtbarkeit in § 242 S. 2 FamFG angeordnet wurde, nicht aber in § 769, schweigen die Gesetzgebungsmaterialien. Allerdings kann man daraus auch keine bewusste Abkehr von der bisherigen Rechtsprechung ableiten. Denn in ihrer Gesamtschau sprechen die Gesetzgebungsmaterialien eher dafür, dass der status quo aufrechterhalten werden sollte, wie er das für § 769 Abs. 4, ebenso wie für § 242 S. 1 FamFG zum Ausdruck gebracht hat. Hätte der Gesetzgeber die bisher in der höchstrichterlichen Rechtsprechung geltende Auffassung, wonach die Entscheidung unanfechtbar ist, ändern wollen, hätte er dies in den Gesetzgebungsmaterialien angesprochen, jedenfalls aber ansprechen müssen. Dass der Gesetzeswortlaut von § 769 zu dieser Frage noch immer schweigt und dass die Unanfechtbarkeit nicht an der systematisch korrekten Stelle – nämlich in § 769 – sondern in der Verweisungsnorm des § 242 FamFG normiert ist, kann daher nur als ein redaktionelles und gesetzestechnisches Versehen zu interpretieren sein. Wird ein Rechtsbehelf eingelegt, kann dieser Antrag als ein jederzeit zulässiger Antrag auf 36 Abänderung der Anordnung (s. Rdn. 32) ausgelegt werden.93 Wurde der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt, kann eine Gehörsrüge nach § 321a erhoben werden.94 Hat das Vollstreckungsgericht nach Abs. 2 und damit der Rechtspfleger entschieden (s. 37 Rdn. 15), findet die Rechtspflegererinnerung nach § 11 Abs. 2 RPflG statt.95 Hilft der Rechtspfleger der Erinnerung nicht ab, entscheidet der Richter abschließend.

5. Schadensersatz bei unberechtigter einstweiliger Einstellung der Zwangsvollstreckung? Ordnet das Gericht die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung an und obsiegt der 38 Schuldner bzw. der Dritte in der Hauptsache nicht mit seinem Rechtsbehelf, ist fraglich, ob er dem Schuldner auf Schadensersatz haftet. Weder § 717 Abs. 2 noch § 945 sind unmittelbar anwendbar. Nicht einheitlich beurteilt wird hingegen, ob die genannten Vorschriften analog angewandt werden können. Der BGH hat diese Frage für einen Fall nach §§ 771 Abs. 3, 769 verneint.96 Für die Drittwiderspruchsklage hat der BGH das im Ausgangspunkt damit begründet, dass der Dritte nicht am Vollstreckungsverhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner beteiligt ist. Vollstreckt nun der Gläubiger in eine schuldnerfremde Sache, haftet er nur bei Verschulden auf Schadensersatz. Dem Grundsatz der Waffengleichheit muss es daher entsprechen, dass der Dritte, der einen unbegründeten Rechtsbehelf einlegt oder zu dessen Gunsten die Zwangsvollstreckung einstweilen beschränkt wird und der mit seinem Rechtsbehelf keinen Erfolg hat, ebenfalls nicht auf Schadensersatz haftet. Das ist Ausfluss der gesetzgeberischen Wertung, wonach die Zwangsvollstreckung nur an den Gewahrsam anknüpft und es dem Dritten zugemutet wird, sich bei einer Vollstreckung in seine (schuldnerfremde) Sache mit der Drittwiderspruchsklage zu wehren. Für die anderen Anwendungsfälle des § 769 hat der BGH die Frage ausdrücklich offen gelassen. Doch hat er seine 91 92 93 94 95 96 387

BT-Drucks. 16/6308, S. 259 unter Verweis auf BGHZ 159, 14. BT-Drucks. 16/6308, S. 259. Stein/Jonas/Münzberg § 769 Rdn. 17; Prütting/Gehrlein/Scheuch § 769 Rdn. 13. Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Raebel § 769 Rdn. 14. Musielak/Voit/Lackmann § 769 Rdn. 6. BGH NJW 1985, 1959, 1960 f. Spohnheimer

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Position in einer späteren Entscheidung im Ergebnis relativiert: Stellt der Drittwiderspruchskläger dem Gläubiger zur Aufhebung der Zwangsvollstreckungsmaßnahme eine Prozessbürgschaft, liege darin regelmäßig ein selbständiges Garantieversprechen, für einen Aufhebungsschaden aufzukommen.97 39 Die h.L. lehnt eine verschuldensunabhängige Haftung auf Schadensersatz analog §§ 717 Abs. 2, 945 auch für die anderen Anwendungsfälle von § 769 ab.98 Ein entscheidender Unterschied zu den Fällen der §§ 717 Abs. 2, 945 liege darin, dass dort die Zwangsvollstreckung betrieben werden könne, obwohl der Titel noch nicht endgültig vollstreckbar (§ 717 Abs. 2) sei bzw. obwohl es sich nur um einen vorläufigen Titel handele. In den Fällen des § 769 gehe es aber im Ausgangspunkt um die umgekehrte Konstellation: Es soll ein Titel nämlich gerade nicht vollstreckt werden.99 Zwar mag man auf den ersten Blick fragen, ob dann nicht auch eine spiegelbildliche Haftung 40 angemessen ist. Doch liegen die Unterschiede in einer unterschiedlichen Rechtsbeeinträchtigung: Während es in den Fällen der §§ 769 Abs. 2, 945 um einen Verlust der Sache geht, geht es in den Fällen des § 769 regelmäßig um eine Verzögerung, sodass ein Verzögerungsschaden im Raum steht. Diesem Interesse des Gläubigers kann ohnehin dadurch viel besser und ausreichend Rechnung getragen werden, dass man von einer Anordnung nach § 769 nur sehr zurückhaltend Gebrauch macht. Denn im Ausgangspunkt steht ihm ein vollstreckbarer Titel zur Seite und nach der gesetzlichen Wertung soll der bloßen Erhebung des Rechtsbehelfs keine aufschiebende Wirkung zukommen (Regelfall). Macht das Gericht von seinem Ermessen, eine solche anzuordnen (Ausnahmefall) sorgfältig Gebrauch, ist der Gläubiger ausreichend geschützt. Umgekehrt kann es aber auch nicht Aufgabe eines Schadensersatzanspruchs gegen den Rechtsbehelfsführer sein, zu kompensieren, dass Gerichte vorschnell eine einstweilige Anordnung nach § 769 treffen, die sich am Ende als „unberechtigt“ erwiesen hat. Entsprechendes gilt für die Fälle, in denen Vollstreckungsmaßnahmen sogar aufgehoben werden. Hier müssen die Gerichte wegen des Regel-Ausnahme-Verhältnisses von ihrem Ermessen, eine einstweilige Anordnung zu treffen, noch zurückhaltender Gebrauch machen.

6. Kosten und Gebühren 41 Eine Kostenentscheidung ergeht in dem Verfahren nach § 769 nicht. Die Kosten sind vielmehr Kosten des Rechtsstreits in der Hauptsache.100 Sie sind grundsätzlich keine Kosten der Zwangsvollstreckung i.S.v. § 788.101 Auch in den Fällen, in denen eine einstweilige Anordnung vom Vollstreckungsgericht getroffen wird, ergeht keine Kostenentscheidung. Wird die Hauptsache später anhängig gemacht, handelt es sich auch hier wieder um Kosten des Rechtsstreits (der Hauptsache). Wird die Hauptsache nicht anhängig gemacht und findet daher kein Rechtsstreit statt, fallen die Kosten als solche des Zwangsvollstreckungsverfahrens unter § 788 ZPO.102 Zu den Kosten des Rechtsstreits der Hauptsache zählen auch solche für die erbrachte Sicher42 heitsleistung:103 Denn ohne die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung wäre der Erfolg des Rechtsbehelfs in der Hauptsache vielfach gefährdet104 oder der Gläubiger könnte ohne die Erbringung der Sicherheitsleistung nicht wirksam seinen titulierten Anspruch vollstrecken. 97 BGH NJW-RR 2004, 1128, 1129 f. 98 Prütting/Gehrlein/Scheuch § 769 Rdn. 19; BeckOK/Preuß § 769 Rdn. 20.1; a.A. MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 769 Rdn. 39. 99 BGHZ 95, 10, 13. 100 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 769 Rdn. 37. 101 OLG München MDR 1986, 946. 102 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 769 Rdn. 37. 103 OLG Düsseldorf MDR 2001, 174, 175; OLG München MDR 1999, 152; zweifelnd OLG Schleswig SchlHA 1993, 125. 104 OLG Düsseldorf MDR 2001, 174, 175. Spohnheimer

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Gerichtsgebühren fallen nicht an. Für den Rechtsanwalt stellt eine einstweilige Anordnung 43 gem. § 769 nach § 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 11 RVG keine besondere Angelegenheit dar. Im Falle einer abgesonderten mündlichen Verhandlung oder eines besonderen gerichtlichen Termins fallen eine 0,5-fache Verfahrensgebühr nach Ziff. 3328 RVG-VV und eine 0,5-fache Terminsgebühr nach Ziff. 3332 RVG-VV an. Wird der Antrag beim Vollstreckungsgericht und beim Prozessgericht gestellt, entsteht die Gebühr nach Ziff. 3328 RVG-VV nur einmal. Der Gebührenwert ist nach § 23 Abs. 3 S. 2 RVG zu schätzen. Er sollte in Anlehnung an § 6 44 einen Bruchteil – da es sich um ein Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes handelt – des Wertes der Forderung betragen, wegen der die Zwangsvollstreckung betrieben werden soll.

§ 770 Einstweilige Anordnungen im Urteil 1 Das Prozessgericht kann in dem Urteil, durch das über die Einwendungen entschieden wird, die in dem vorstehenden Paragraphen bezeichneten Anordnungen erlassen oder die bereits erlassenen Anordnungen aufheben, abändern oder bestätigen. 2Für die Anfechtung einer solchen Entscheidung gelten die Vorschriften des § 718 entsprechend.

Übersicht I. 1. 2. 3.

II.

Allgemeines 1 Zweck der Norm 2 Anwendungsbereich Abgrenzung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit, Be4 deutung der Hauptsacheentscheidung Antrag und Verfahren

III.

Entscheidung

7

IV.

Rechtsbehelfe

10

V.

Kosten und Gebühren

11

5

I. Allgemeines 1. Zweck der Norm Nach § 769 getroffene einstweilige Anordnungen treten mit dem Erlass des Urteils in der Hauptsa- 1 che außer Kraft (s. § 769 Rdn. 30).1 Anders als es der Wortlaut von § 770 vermuten ließe, bedarf es keiner Aufhebung.2 Wird sie ausgesprochen, dient das nur der Klarstellung.3 Dass die Anordnung mit Erlass des Urteils außer Kraft tritt, kann zu erheblichen Rechtsschutzlücken führen: Wird die Klage abgewiesen, könnte weiter vollstreckt werden (s. hierzu auch Rdn. 4). Gleiches gilt, wenn der Klage zwar stattgegeben wird, das Urteil aber nur gegen Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar erklärt wird, bis die angeordnete Sicherheitsleistung erbracht wird (s. auch Rdn. 4).4 Diese Gefahren will § 770 abwenden.

1 Stein/Jonas/Münzberg § 770 Rdn. 1; BeckOK/Preuß § 770 vor Rdn. 1; Prütting/Gehrlein/Scheuch § 770 Rdn. 1. 2 Allg.M.; etwa MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 770 Rdn. 4; Prütting/Gehrlein/Scheuch § 770 Rdn. 1. 3 OLG Hamm, Beschl. v. 15.8.1988 – 11 W 95/88; BeckOK/Preuß § 770 vor Rdn. 1; Kindl/Meller-Hannich/Wolf/Schneiders § 770 Rdn. 1; Musielak/Voit/Lackmann § 770 Rdn. 2.

4 Prütting/Gehrlein/Scheuch § 770 Rdn. 1. 389 https://doi.org/10.1515/9783110443158-054

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2. Anwendungsbereich 2 Der Anwendungsbereich entspricht dem von § 769 (s. hierzu § 769 Rdn. 3 ff.).5 Die Norm findet Anwendung auf die Vollstreckungsabwehrklage (§ 767), die Klage gegen die Vollstreckungsklausel (§ 768), Drittwiderspruchsklagen einschließlich solcher nach §§ 772–774, bei auf Herabsetzung gerichtete Abänderungsklagen nach § 323 und nach § 238 FamFG, sowie bei der Klage auf vorzugsweise Befriedigung (§ 805). Außerdem ist die Norm anwendbar bei den Vollstreckungsabwehrklagen des Erben (§ 785) und bei beschränkter Haftung (§ 786). Ebenso findet die Norm entsprechende Anwendung bei der Zwangsvollstreckung in Deutschland aus Europäischen Vollstreckungstiteln (§ 1084 Abs. 2). Bedeutung hat die Norm weiterhin aufgrund der Verweisung in § 112 Abs. 4 GenG bei genossenschaftsrechtlichen Anfechtungsklagen. Nicht anwendbar ist die Norm bei negativen Feststellungsklagen gegen titulierte Ansprüche, bei Schadensersatzklagen aus § 826 BGB und bei Klagen auf Titelherausgabe nach § 371 BGB, die nicht mit einer Vollstreckungsabwehrklage verbunden sind. Dass bereits eine Anordnung nach § 769 getroffen wurde, ist für eine Anordnung nach § 770 nicht Voraussetzung.6 3 Eine einstweilige Anordnung gem. § 770 kann in jeder Instanz des Verfahrens getroffen werden.7 Sie kann auch das Revisionsgericht treffen, wenn es den Rechtsstreit zurückverweist.8

3. Abgrenzung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit, Bedeutung der Hauptsacheentscheidung 4 Weil der Betroffene schon nach § 775 Nr. 1 geschützt ist, wenn das Urteil für vorläufig vollstreckbar erklärt wird, bleiben für § 770 nur wenige Anwendungsfälle.9 Praktisch bedeutsam ist eine Anordnung nach § 770 insbesondere in den Fällen, in denen einem Rechtsbehelf stattgegeben wird, das Urteil aber nur gegen Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar erklärt werden darf. Denn dann kann bis zur Erbringung der Sicherheitsleistung weiter vollstreckt werden (s. § 775 Rdn. 17). Außerdem kann eine Anordnung nach § 770 sinnvoll sein, wenn die Klage abgewiesen wird.10 Hier kommt eine Einstellung oder Beschränkung der Zwangsvollstreckung nach § 775 Nr. 1 von vornherein nicht in Betracht. Zwar wollen namhafte Stimmen im Schrifttum eine einstweilige Anordnung nur im Einklang mit der Hauptsache zulassen und stützen sich dabei auf die Gesetzgebungsmaterialien.11 Diese ziehen eine Parallele zwischen dem vom Gericht auszuübenden Ermessen bei der Anordnung nach § 770 und der Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit und betonen, dass das Ermessen nach § 770 im Einklang mit der Entscheidung in der Hauptsache ausgeübt werden soll.12 Doch lässt sich dieser Gleichlauf so nicht durchhalten und nur schwerlich mit dem Willen des historischen Gesetzgebers begründen: Denn die Äußerung in den Gesetzgebungsmaterialien, die heute immer noch aufgegriffen wird,13 beruht auf einem weitgehenden Gleichlauf des Entscheidungsermessens nach § 770 mit der Ermessensausübung bei der Anordnung der sofortigen Vollstreckbarkeit nach § 710 CPO von 1877. Denn Urteile waren nur in bestimmten Fällen für vorläufig vollstreckbar zu erklären und im Übrigen bestand ein gerichtliches Ermessen. Damit konnte und musste das Gericht in der Mehrzahl der Fälle sowohl für die Ent5 Kindl/Meller-Hannich/Wolf/Schneiders § 770 Rdn. 3; Saenger/Kindl § 770 Rdn. 1. 6 BeckOK/Preuß § 770 vor Rdn. 1. 7 BeckOK/Preuß § 770 Rdn. 1. 8 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 770 Rdn. 9. 9 Ähnlich Thomas/Putzo/Seiler § 770 Rdn. 2a. 10 Prütting/Gehrlein/Scheuch § 770 Rdn. 1; Kindl/Meller-Hannich/Wolf/Schneiders § 770 Rdn. 2. 11 Stein/Jonas/Münzberg § 770 Rdn. 2 m. Fn. 6; MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 770 Rdn. 6; im Ergebnis auch OLG Naumburg, Urt. v. 26.3.2007 – 10 U 72/06.

12 Hahn/Mugdan Materialien Band II/1, S. 439. 13 So MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 770 Rdn. 6. Spohnheimer

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scheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit als auch für die Anordnung einer einstweiligen Maßnahme Ermessen ausüben. Hier hat erst die CPO-Novelle von 1924 zu einer erheblichen Änderung geführt, denn sie hat die vorläufige Vollstreckbarkeit sämtlicher Zivilurteile zum gesetzlichen Regelfall gemacht.14 Und dieser Grundsatz kann nur durchbrochen werden, wenn besondere Schuldnerschutzmaßnahmen anzuordnen sind. Gehen nun beide Regelungen von unterschiedlichen Prämissen aus, trägt das historische Argument nicht mehr. Und gerade in den Fällen, in denen eine Rechtsfrage eine obergerichtliche oder höchstrichterliche Entscheidung erfordert, noch dazu, wenn dem Schuldner bei der weiteren Vollstreckung ein erheblicher Nachteil droht, kann die Aussetzung der Vollstreckung nach § 770 auch unterhalb der Schwelle des § 712 geboten sein.

II. Antrag und Verfahren Die Entscheidung über eine einstweilige Anordnung setzt nach h.M. keinen Antrag voraus.15 In 5 diesem Zusammenhang wird auch davon gesprochen, dass die Anordnungen von Amts wegen erfolgen können.16 Das Gericht müsse aber jedenfalls über sie entscheiden, wenn bereits eine einstweilige Anordnung nach § 769 getroffen wurde oder wenn der Kläger eine solche Anordnung angeregt habe.17 Doch könne, wenn eine Anordnung nach § 769 getroffen wurde, die mit dem Erlass des Urteils wirkungslos wird, auch in der Nichtanordnung einer einstweiligen Anordnung eine Entscheidung liegen.18 Zwar ist dieser Sichtweise zuzugestehen, dass in § 770 – anders als in § 769 – nicht von einem Antrag die Rede ist. Doch lässt sich daraus nicht folgern, dass das Gericht eine solche Anordnung ohne einen Antrag treffen darf. Denn die Norm beschränkt sich auf einen grundsätzlichen Verweis auf § 769 und bestimmt nicht, unter welchen Voraussetzungen eine solche Anordnung getroffen werden kann. Daher kann man die Vorschrift auch dahingehend verstehen, dass § 769 nicht nur die möglichen Anordnungen regelt – vergleichbar einem Rechtsfolgeverweis im materiellen Recht – sondern auch die Voraussetzungen – vergleichbar einen Rechtsgrundverweis im materiellen Recht – bestimmt. Für das Erfordernis eines Antrags sprechen auch grundlegende Überlegungen: Das Zwangsvollstreckungsrecht ist ebenso von der Dispositionsmaxime geprägt wie das Erkenntnisverfahren.19 Wann immer der Dispositionsgrundsatz durchbrochen wird und von Amts wegen ohne einen vorangegangenen Antrag zu entscheiden ist, macht das Gesetz das deutlich: So heißt es in § 708, dass Urteile für vollstreckbar zu erklären sind. Demgegenüber bestimmt § 770 nur, dass das Gericht bestimmte Anordnungen treffen kann. Und umgekehrt setzt auch eine Anordnung zum Schutze des Schuldners nach § 712 einen Antrag voraus. Damit bleibt festzuhalten, dass das Gericht eine solche Anordnung nicht ohne einen vorangehenden Antrag treffen kann. Doch genügt es, wenn mit der Klageerhebung oder schon vorher ein Antrag nach § 769 gestellt wurde. Denn das Begehren des Betroffenen kann nur dahingehend verstanden werden, dass er durch die einstweilige Anordnung bis zur Rechtskraft der Entscheidung geschützt werden will. Demgegenüber kommt aber eine Anordnung nicht in Betracht, wenn der Betroffene nie einen solchen Antrag gestellt hat.20

14 S. Wieczorek/Schütze/Hess4 Vor §§ 708–720 Rdn. 5; für die heutige Rechtslage: MünchKomm/Götz § 704 Rdn. 15; BeckOK/Ulrici § 704 Rdn. 18.

15 BeckOK/Preuß § 770 Rdn. 1; Prütting/Gehrlein/Scheuch § 770 Rdn. 3. 16 Stein/Jonas/Münzberg § 770 Rdn. 1; BeckOK/Preuß § 770 Rdn. 1; Prütting/Gehrlein/Scheuch § 770 Rdn. 3; Saenger/ Kindl § 770 Rdn. 1; Brox/Walker § 44 Rdn. 110. 17 BeckOK/Preuß § 770 Rdn. 1. 18 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 770 Rdn. 5. 19 Gaul/Schilken/Becker-Eberhard § 5 Rdn. 74. 20 Im Ergebnis ebenso schon Wieczorek2 § 770 Anm. A. 391

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Vor einer einstweiligen Anordnung ist rechtliches Gehör zu gewähren.21 In eine bereits geschlossene mündliche Verhandlung muss aber nicht noch einmal wiedereingetreten werden.22

III. Entscheidung 7 Das Gericht kann nach seinem pflichtgemäßen Ermessen im Urteil dieselben Anordnungen treffen, die es auch nach § 769 treffen könnte (s. § 769 Rdn. 26).23 Allerdings kann das Gericht durch eine Anordnung nach § 770 nicht erreichen, dass bei einer stattgebenden Entscheidung i.S.v. § 775 Nr. 1 keine Aufhebung der Vollstreckungsmaßnahmen erfolgen soll.24 Denn § 776 knüpft allein an das Vorliegen einer vollstreckbaren Entscheidung an; für eine einstweilige Anordnung besteht kein Raum. Zudem sollen die Anordnungen nach § 769 den Rechtsbehelfsführer schützen, nicht den Gläubiger. Die Anordnungen gelten bis zum Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung und treten mit 8 ihr außer Kraft.25 Hat das Gericht keine Anordnung getroffen, kann das nicht durch eine Urteilsergänzung 9 nachgeholt werden.26 Für die von manchen Stimmen im Schrifttum27 befürwortete analoge Anwendung der §§ 716, 321 fehlt es an der vergleichbaren Interessenlage. Denn § 716 bezieht sich auf die fehlende Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit. Sie ist durch zweierlei gekennzeichnet: Zum einen ist über die vorläufige Vollstreckbarkeit von Amts wegen zu entscheiden, d.h. das Gericht muss stets über sie entscheiden. Zwar wird im Zusammenhang mit § 770 vielfach davon gesprochen, dass eine Anordnung von Amts wegen getroffen werden kann (s. Rdn. 5), doch ist damit nicht gemeint, dass das Gericht stets darüber entscheiden muss, sondern allenfalls, dass es die Anordnung auch ohne Antrag treffen darf. Zudem besteht ein grundlegender Unterschied darin, dass es sich bei der Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit um eine gebundene Entscheidung handelt; wann Urteile für vorläufig vollstreckbar zu erklären sind, steht regelmäßig nicht im Ermessen des Gerichts, während das bei der Anordnung nach § 770 gerade der Fall ist. Während also § 716 die Idee zu Grunde liegt, dass eine stets zu treffende, gebundene, aber unterbliebene Entscheidung nachgeholt werden kann, trifft das auf die Situation des § 770 nicht zu. Dem Betroffenen bleibt dann nur ein neuer Antrag nach § 769 – entweder an das Berufungs- bzw. Revisionsgericht (§ 769 Abs. 1)28 oder bei besonderer Dringlichkeit an das Vollstreckungsgericht (§ 769 Abs. 2).

IV. Rechtsbehelfe 10 Die Anordnungen nach § 770 können nicht isoliert, sondern nur gemeinsam mit der Hauptsacheentscheidung, deren Bestandteil sie sind, angefochten werden.29 Das gilt auch dann, wenn der Rechtsbehelf abgewiesen wird, die Zwangsvollstreckung aber nach § 770 einstweilen eingestellt oder beschränkt wird.30 Dann ist der Gläubiger insoweit beschwert. Weil nach § 770 S. 2 die Regeln 21 22 23 24 25 26 27

MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 770 Rdn. 7. MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 770 Rdn. 7. MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 770 Rdn. 3; Kindl/Meller-Hannich/Wolf/Schneiders § 770 Rdn. 4. A.A. MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 770 Rdn. 3; BeckOK/Preuß § 770 Rdn. 2; Furtner DRiZ 1955, 190, 191. Stein/Jonas/Münzberg § 770 Rdn. 2; Thomas/Putzo/Seiler § 770 Rdn. 1. Wieczorek/Schütze/Salzmann3 § 770 Rdn. 2; Kindl/Meller-Hannich/Wolf/Schneiders § 770 Rdn. 6. MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 770 Rdn. 7; einschränkend Stein/Jonas/Münzberg § 770 Rdn. 2: nur, wenn eine einstweilige Anordnung beantragt wurde. 28 Kindl/Meller-Hannich/Wolf/Schneiders § 770 Rdn. 6. 29 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 770 Rdn. 8; BeckOK/Preuß § 770 Rdn. 3; Prütting/Gehrlein/Scheuch § 770 Rdn. 3. 30 Unklar im Ergebnis Stein/Jonas/Münzberg § 770 Rdn. 2 m. Fn. 6. Spohnheimer

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des § 718 entsprechend anwendbar sind, ist in der Berufungsinstanz auf Antrag vorab über die einstweilige Anordnung zu entscheiden (§ 718 Abs. 1). In der Revisionsinstanz ist sie nicht überprüfbar (§ 718 Abs. 2).

V. Kosten und Gebühren Die Anordnung ist gerichtskostenfrei. Die Tätigkeit des Rechtsanwalts ist mit den Gebühren für 11 das Verfahren im ersten Rechtszug abgegolten (§ 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 11 RVG), sofern nicht eine abgesonderte mündliche Verhandlung stattfindet. Dann gelten Ziff. 3328 RVG-VV und Ziff. 3332 RVG-VV.

§ 771 Drittwiderspruchsklage (1) Behauptet ein Dritter, dass ihm an dem Gegenstand der Zwangsvollstreckung ein die Veräußerung hinderndes Recht zustehe, so ist der Widerspruch gegen die Zwangsvollstreckung im Wege der Klage bei dem Gericht geltend zu machen, in dessen Bezirk die Zwangsvollstreckung erfolgt. (2) Wird die Klage gegen den Gläubiger und den Schuldner gerichtet, so sind diese als Streitgenossen anzusehen. (3) 1Auf die Einstellung der Zwangsvollstreckung und die Aufhebung der bereits getroffenen Vollstreckungsmaßregeln sind die Vorschriften der §§ 769, 770 entsprechend anzuwenden. 2Die Aufhebung einer Vollstreckungsmaßregel ist auch ohne Sicherheitsleistung zulässig.

Schrifttum Arens/Lüke Einwand der Vermögensübernahme gegen Drittwiderspruchsklage, JuS 1984, 263; A. Blomeyer Rechtskraft- und Gestaltungswirkung der Urteile im Prozeß auf Vollstreckungsgegenklage und Drittwiderspruchsklage, AcP 165 (1965) 481; Brox/Walker Die Drittwiderspruchsklage, JA 1986, 113; Büchler Die Abweisung der Drittwiderspruchsklage (§ 771 ZPO) nach § 242 BGB, 1994; Gaul Das Rechtsbehelfssystem der Zwangsvollstreckung, ZZP 85 (1972) 251; ders. Dogmatische Grundlagen und praktische Bedeutung der Drittwiderspruchsklage, FG 50 Jahre Bundesgerichtshof, Band 3 (2000), 521; Geißler Die Vollstreckungsklagen im Rechtsbehelfssystem der Zwangsvollstreckung, NJW 1985, 1865; Gerhardt Sicherungsübereignung und Pfändungsschutz, JuS 1972, 696; Grunsky Sicherungsübereignung, Sicherungsabtretung und Eigentumsvorbehalt in Zwangsvollstreckung und Konkurs, JuS 1984, 497; Haertlein Exekutionsintervention und Haftung (2008); Krieger Der Besitz als Veräußerung hinderndes Recht im Sinne der Drittwiderspruchsklage und seine Bedeutung für die Aussonderung nach § 43 KO (1997); Kuhn Ersatzaussonderungsrecht und Drittwiderspruchsklage (2008); Lange Treuhandkonten in Zwangsvollstreckung und Insolvenz, NJW 2007, 2513; Lüke Bereicherungshaftung des Gläubigers bei der Zwangsvollstreckung in eine dem Schuldner nicht gehörende Sache, AcP 153 (1953) 553; Merrem Ist der Besitz ein die Veräußerung hinderndes Recht nach § 771 ZPO? (1995); W. Müller Erneute Pfändung nach Interventionsurteil, DGVZ 1976, 1; Münzberg/Brehm Altes und Neues zur Widerspruchsklage nach § 771 ZPO, FS F. Baur (1981), 517; Paulus Die Behelfe des Sicherungseigentümers gegen den Vollstreckungszugriff, ZZP 64 (1951) 169; Picker Die Drittwiderspruchsklage in ihrer geschichtlichen Entwicklung als Beispiel für das Zusammenwirken von materiellem Recht und Prozeßrecht (1981); ders. Schuldrechtliche Rechte gegen den Betreiber von Zwangsvollstreckung oder Teilungsversteigerung als „die Veräußerung hinderndes Recht“ i.S. der Drittwiderspruchsklage, JZ 2014, 431; Prütting/Weth Die Drittwiderspruchsklage gemäß § 771 ZPO, JuS 1988, 505; Rotmann Der Schutz des Dritten in der europäischen Mobiliarzwangsvollstreckung (2007); Roy/Palm Zur Problematik der Zwangsvollstreckung in Computer, NJW 1995, 690; Schlosser Gestaltungsklagen und Gestaltungsurteile (1966); K. Schmidt Pfandrechtsfragen bei erlaubtem und unerlaubtem Eingriff der Mobiliarvollstreckung in schuldnerfremde Rechte, JuS 1970, 545; ders. Zwangsvollstreckung in anfechtbar veräußerte Gegenstände, JZ 1987, 889; ders. Konkursanfechtung und Drittwiderspruchsklage, JZ 1990, 619; Stadler/Bensching Die Vollstreckung in schuldnerfremde Sachen, JURA 2002, 438; Stamm Die Prinzipien und Grundstrukturen des Zwangsvollstreckungsrechts (2007); von Rom Die Aussonderungs- und Drittwiderspruchsrechte der Treugeber bei der doppelseitigen Sicherhei-

393 https://doi.org/10.1515/9783110443158-055

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tentreuhand, WM 2008, 813; Wagner Interventionsrecht des Kontomitinhabers gegen die Zwangsvollstreckung in Oder-Konten? WM 1991, 1145; Wittschier Die Drittwiderspruchsklage gem. § 771 ZPO, JuS 1998, 926.

Übersicht I. 1. 2. 3.

II. 1. 2. 3. 4.

5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12.

Allgemeines 1 Zweck, Rechtsnatur 2 Anwendungsbereich Abgrenzung zu anderen Rechtsbehelfen 4 a) Vollstreckungserinnerung (§ 766) b) Materiellrechtliche Herausgabekla5 gen 6 c) Feststellungsklagen 7 d) Klagen gegen den Schuldner e) Klage auf vorzugsweise Befriedigung 8 (§ 805) 9 Einzelne Interventionsrechte 11 Eigentum Vorbehaltseigentum und Anwartschafts12 rechte 13 Inhaberschaft an Forderungen Treuhandverhältnisse 15 a) Situation b) Vorliegen einer Verwaltungstreu16 hand c) Interventionsrechte bei der Verwaltungstreu17 hand d) Interventionsrechte bei der Sicherungstreu19 hand (insbes. Sicherungseigentum) 22 e) Interventionsrecht des Kommittenten 23 Mitberechtigung 24 Pfandrechte 25 Besitz 26 Schuldrechtliche Ansprüche 28 Leasingverträge 29 Zurückbehaltungsrechte 30 Nichthaftung einer Vermögensmasse 31 Anfechtungsrechte

13.

Familienrechtliche Verfügungsbeschränkungen 32 und erbrechtliche Bindungen

III. 1. 2. 3.

5.

Zulässigkeitsfragen 34 Statthaftigkeit 35 Zuständigkeit Parteien und Streitgenossenschaft gem. § 771 37 Abs. 2 Antrag und Streitgegenstand 40 a) Antrag 42 b) Streitgegenstand 44 Rechtsschutzbedürfnis

IV. 1. 2.

Verfahrensfragen 48 Allgemeines Einstweilige Anordnungen (§ 771 Abs. 3)

V. 1. 2. 3.

Begründetheit der Klage 51 Bestehen eines Interventionsrechts 52 Beweislast 53 Einwendungen des Beklagten a) Leugnung des Drittrechts oder besseres 54 Recht des Beklagten 55 b) Einwand der Mithaftung 57 c) Einwand wirtschaftlicher Identität d) Einwand unzulässiger Rechtsaus58 übung

VI. 1. 2. 3. 4.

Entscheidung 59 Tenor 60 Kostenentscheidung 63 Rechtsbehelfe Rechtskraft. Unzulässigkeit der Zwangsvollstre64 ckung und Einstellung 67 Streitwert, Gebühren

4.

5.

50

I. Allgemeines 1. Zweck, Rechtsnatur 1 Im Interesse der Schlagkraft des Zwangsvollstreckungsrechts wird die (formelle) Zulässigkeit einer Vollstreckungsmaßnahme regelmäßig nur an äußerlich leicht erkennbare Tatbestände geknüpft.1 So darf der Gerichtsvollzieher bei einer Pfändung nicht prüfen, ob der Schuldner auch der Eigentümer einer Sache ist. Er darf und muss regelmäßig vollstrecken, wenn der Schuldner den Gewahrsam an der Sache hat (§ 808 Abs. 1) oder ein Dritter, der die Sache in Gewahrsam hat, zur Herausgabe bereit

1 So schon RGZ 116, 363, 365. Spohnheimer

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ist (§ 809). Das Grundbuchamt muss nur prüfen, ob der Vollstreckungsschuldner ins Grundbuch eingetragen ist (§ 17 ZVG, § 39 GBO). Knüpft die (formelle) Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung nur an äußerliche, leicht erkennbare Merkmale an,2 ist nicht ausgeschlossen, dass sie auch in solche Gegenstände erfolgt, die nicht zum Vermögen des Schuldners gehören. Doch am Ende soll nur das Vermögen des Schuldners dessen Gläubigern haften (vgl. dazu den Gedanken von § 1 S. 1 InsO). Die nach der gesetzlichen Wertung formell zulässige Zwangsvollstreckung ist dann materiell unzulässig. Ähnlich wie in den Fällen des § 767 verweist das Gesetz den materiell am Vollstreckungsgegenstand Berechtigten auf den Klageweg, um sein Recht mit der Drittwiderspruchsklage nach § 771 geltend zu machen. Das meint, geltend zu machen, dass der Gegenstand haftungsrechtlich nicht zum Schuldnervermögen gehört. Ist die Klage erfolgreich, wird die Zwangsvollstreckung in den betroffenen Gegenstand für unzulässig erklärt. Die Zwangsvollstreckung in diesen Gegenstand ist dann einzustellen bzw. zu beschränken und bereits getroffene Vollstreckungsmaßnahmen sind aufzuheben (§§ 775 Nr. 1, 776). Damit wird die materiell unzulässige Zwangsvollstreckung auch formell unzulässig. Die Drittwiderspruchsklage ist also eine prozessuale Gestaltungsklage.3 Unter der Vielzahl der Versuche, die Drittwiderspruchsklage zu deuten, haben zwei Ansätze größere Beachtung erfahren. Früh wurde die Drittwiderspruchsklage als eine Leistungsklage gegen den Gläubiger, die auf Herausgabe oder Freigabe des Vollstreckungsgegenstands gerichtet ist, beschrieben.4 Doch lässt sich die in § 775 Nr. 1 angeordnete Regelung, die Zwangsvollstreckung einzustellen bzw. zu beschränken und bereits getroffene Vollstreckungsmaßnahmen aufzuheben (§ 776) mit der Vollstreckung eines solchen Leistungsurteils nur schwerlich in Einklang bringen.5 Demgegenüber haben andere die Drittwiderspruchsklage als eine Form negatorischen Rechtsschutzes gedeutet, mit dem der Intervenient seine durch den Gläubiger bedrohte Rechtsposition durchsetzen kann.6 Die h.M. ist dieser Konzeption entgegengetreten. Doch lässt es sich nicht leugnen: Es fällt schwer, jene obligatorischen Rechte, die nach der h.M. ein Interventionsrecht gewähren sollen, noch mit dem Begriff eines die Veräußerung hindernden Rechts in Einklang zu bringen, auch wenn man umgekehrt nicht in Abrede stellen kann, dass auch der nur obligatorisch Berechtigte Schutz verdient, wenn das schon in der Insolvenz der Fall ist (s. Rdn. 10). Zudem spricht manches dafür, dass diese Fälle einer Prozessstandschaft doch sehr nahe sind (s. Rdn. 26). Dass der Klage ein negatorisches Element völlig fremd sind, wird aber auch die Gegenansicht nur schwer behaupten können.7 Das zeigt sich spätestens, wenn es um die Frage der Kostentragung geht: Im Rahmen von § 93 wird diskutiert, wann ein Gläubiger nicht Veranlassung zur Klage gegeben hat und wann er noch sofort anerkennt. Umgekehrt formuliert heißt das doch: Der die Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung anerkennende Gläubiger hat die Kosten zu tragen, wenn er Veranlassung zur Klageerhebung gegeben hat oder nicht sofort anerkennt. Betrachtet man diese Kostentragungsregel des § 93 als Ausdruck einer mittelbaren Obliegenheit, meint das im Ergebnis folgendes: Beendet der Gläubiger nicht rechtzeitig eine (materiell) unberechtigte Zwangsvollstreckung, muss er die Kosten des Rechtsstreits tragen. Grundlage dafür kann aber nur eine Unterlassungspflicht oder jedenfalls eine Unterlassungsobliegenheit sein.8 Deshalb ist es wohl nicht völlig

2 Sehr deutlich § 71 Abs. 1 S. 3 GVGA (für den Gerichtsvollzieher kommt es nur auf den äußeren Befund an) und § 87 Abs. 1 S. 2 GVGA (grundsätzlich hat der Gerichtsvollzieher die Pfändung ohne Rücksicht auf den Widerspruch eines Dritten durchzuführen). 3 BeckOK/Preuß § 771 Rdn. 1. 4 So noch Falkmann/Mugdan Die Zwangsvollstreckung2, S. 411. Weitere Nachweise bei Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 41 Fn. 33. 5 Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 41 Rdn. 8. 6 Schulz AcP 105 (1909) 1, 394; A. Blomeyer AcP 165 (1965) 481, 486 ff.; Picker Drittwiderspruchsklage, S. 469 ff.; ders. JZ 2014, 431, 434. 7 So auch Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 41 Rdn. 20; Münzberg/Brehm FS Baur, S. 517, 518. 8 Ähnlich Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Raebel § 767 Rdn. 12 zur Vollstreckungsabwehrklage (prozessuale Gestaltungsklage mit zugrundeliegendem Unterlassungsanspruch); dagegen Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 40 Rdn. 20 m. Fn. 59 (zur Vollstreckungsabwehrklage). 395

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fernliegend, die Drittwiderspruchsklage als gemischt materiell-prozessrechtlich zu beschreiben.9 Von praktischer Relevanz ist dieser Streit aber kaum.10

2. Anwendungsbereich 2 Die Drittwiderspruchsklage ist zulässig gegen die Vollstreckung aus Vollstreckungstiteln jeder Art, auch aus Arrest und einstweiliger Verfügung,11 und gegen den Vollstreckungszugriff in jede Art von Vermögensgegenstand.12 Sie ist auch gegen die Forderungspfändung möglich, obwohl die Pfändung bei Nichtbestehen des Rechts ins Leere geht (s. auch Rdn. 13).13 Sie steht von vornherein nicht zur Verfügung, wenn Handlungen, Duldungen oder Unterlassungen erwirkt werden sollen; hier liegt kein Vermögensgegenstand vor, an dem überhaupt ein Interventionsrecht bestehen könnte.14 Die Drittwiderspruchsklage findet (entsprechende) Anwendung bei der Teilungsversteigerung (§§ 180 ff. ZVG), wenn Mitglieder der Gemeinschaft die Teilungsversteigerung aus materiellrechtlichen Gründen verhindern wollen.15 Gem. § 262 AO hat der Dritte sein Recht ebenfalls im Wege einer Drittwiderspruchsklage gelten zu machen.16 3 Bis zum 1.1.2007 war fast einhellig anerkannt, dass ein Dritter, dessen Sache in Vollziehung eines in einem Strafverfahren angeordneten Arrests gepfändet wurde, eine Drittwiderspruchsklage erheben konnte. Umstritten war nur, ob die Zivilgerichte oder die Strafgerichte zuständig waren.17 Der BGH hat diese Frage noch kurz vor Inkrafttreten einer ersten gesetzlichen Änderung mit nachvollziehbaren Gründen zugunsten der Zivilgerichtsbarkeit beantwortet.18 Der Gesetzgeber hat sich mit der Neufassung von § 111f StPO, der zwischenzeitlich ebenfalls schon wieder neu gefasst wurde, für eine Zuweisung an den Ermittlungsrichter bzw. das Gericht der Hauptsache des Strafverfahrens entschieden.19 § 111k StPO n.F. beschränkt sich nunmehr auf eine Kompetenzzuweisung. Unklar ist allerdings, ob nun eine Drittwiderspruchsklage vor dem „Strafrichter“ stattfinden soll,20 oder ob § 111k StPO einen eigenen Rechtsbehelf zur Verfügung stellt. Die besseren Gründe (insbesondere Amtsermittlungsgrundsatz vs. Beibringungsgrundsatz21 etc.) sprechen für Letzteres, die Gesetzesbegründung bekennt sich nicht eindeutig.22 Nach rechtskräftigem Abschluss des Strafverfahrens wurde in der Vergangenheit die Drittwiderspruchsklage vor den Zivilgerichten für möglich gehalten.23 § 111k Abs. 3 StPO, der auf § 162 StPO verweist und der die Zuständigkeit des Ermittlungsrichters nach rechtskräftigem Abschluss des Strafverfahrens normiert, scheint die frühere Auffassung aber revidiert zu haben.

9 Baur/Stürner/Bruns Rdn. 46.2; so auch Prütting/Weth JuS 1988, 505, 506 f., die davon ausgehend dafür plädieren, sie als eigenständigen Klagetypus anzuerkennen. 10 Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 41 Rdn. 20. 11 BGH NJW 2004, 217, 218; BeckOK/Preuß § 771 Rdn. 2; Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Raebel/Thole § 771 Rdn. 2. 12 BeckOK/Preuß § 771 Rdn. 3; MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 771 Rdn. 4. 13 BeckOK/Preuß § 771 Rdn. 3; Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Raebel/Thole § 771 Rdn. 14; MünchKomm/K. Schmidt/ Brinkmann § 771 Rdn. 4. 14 BeckOK/Preuß § 771 Rdn. 3; MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 771 Rdn. 6. 15 Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Raebel/Thole § 771 Rdn. 2. 16 Vgl. dazu etwa Koenig/Klüger AO § 262 Rdn. 1 ff. 17 Vgl. dazu BGHZ 164, 176 m.w.N. 18 BGHZ 164, 176, 177 ff.; ablehnende Anmerkung dazu Bosch NStZ 2006, 708. 19 BT-Drucks. 16/700, S. 13. 20 So wohl BeckOK-StPO/Huber § 111k Rdn. 12. 21 Vgl. dazu auch Bosch NStZ 2006, 708, 709. 22 BT-Drucks. 16/700, S. 13. Dort ist die Rede von Rechtsweg, Zuständigkeit und zwangsvollstreckungsrechtlichen Rechtsbehelfen nach § 771 ZPO. 23 OLG Frankfurt NStZ-RR 2010, 379; LG Wuppertal NStZ-RR 2011, 18. Spohnheimer

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3. Abgrenzung zu anderen Rechtsbehelfen a) Vollstreckungserinnerung (§ 766). Die Drittwiderspruchsklage ist darauf gerichtet, eine for- 4 mell zulässige Vollstreckungsmaßnahme, die materiell unzulässig ist, für unzulässig zu erklären. Zu Überschneidungen kann es nur kommen, wenn die materiell unzulässige Zwangsvollstreckung wegen eines die Veräußerung hindernden Rechts eines Dritten ausnahmsweise auch formell unzulässig ist (s. § 766 Rdn. 56).24 Das ist etwa der Fall bei der Pfändung evidenten Dritteigentums (vgl. § 71 Abs. 2 GVGA). Kommen Drittwiderspruchsklage und Vollstreckungserinnerung in Betracht, kann der Dritte wählen, welchen Rechtsbehelf er in Anspruch nehmen will.25 Einen Vorrang der Vollstreckungserinnerung gibt es nicht.26 Der Betroffene kann wählen, ob er die Rechtsbehelfe nebeneinander oder nacheinander geltend macht.27 Das Rechtsschutzbedürfnis für eine Drittwiderspruchsklage kann ausnahmsweise fehlen, wenn die Nichtigkeit der Zwangsvollstreckung unstreitig ist und für den Dritten keine Gefahr besteht, dass ihm auch bei Fortsetzung der Zwangsvollstreckung der Gegenstand seiner Berechtigung entzogen wird.28 Hat der Dritte mit der Vollstreckungserinnerung bereits Erfolg gehabt, fehlt aber regelmäßig ein Rechtsschutzbedürfnis für eine Drittwiderspruchsklage.29

b) Materiellrechtliche Herausgabeklagen. Sie sind nach Eintritt der Verstrickung unzulässig, 5 weil sie die öffentlich-rechtliche Verstrickung nicht beseitigen können.30 Nach Beendigung der Zwangsvollstreckung kann der Dritte, wenn er keine Drittwiderspruchsklage erhoben hat, Bereicherungs- und Schadensersatzansprüche geltend machen. Im Hinblick auf die Rechtskraftwirkung einer Drittwiderspruchsklage (s. Rdn. 66) kann das im Einzelfall sogar prozesstaktisch ratsam sein.31

c) Feststellungsklagen. Für eine gegen den Gläubiger gerichtete Feststellungsklage fehlt das 6 Feststellungsinteresse – sei es, dass die Klage darauf gerichtet ist, die Berechtigung des Dritten am Gegenstand festzustellen, sei es, dass sie darauf gerichtet ist, festzustellen, dass das Pfändungspfandrecht nicht entstanden ist.32 Umgekehrt ist ein Feststellungsinteresse aber nicht von vornherein zu verneinen, wenn der Gläubiger festgestellt wissen will, dass ein Interventionsrecht, dessen sich ein Dritter berühmt, nicht besteht.33 Problematisch ist in dieser Situation allerdings, ob das Feststellungsinteresse noch fortbesteht, wenn der Dritte dann die Drittwiderspruchsklage erhebt. Sie wird – weil ihr Antrag auf eine Gestaltung gerichtet ist – nicht von der Rechtshängigkeit der Feststellungsklage gesperrt. Zudem muss es dem Dritten möglich sein, ein zur Einstellung der Zwangsvollstreckung führendes Gestaltungsurteil zu erlangen, sobald ein Rechtsschutzbedürfnis dafür besteht. In diesen Fällen wird man das Fortbestehen des Feststellungsinteresses zu verneinen haben.

24 25 26 27 28 29 30

Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 41 Rdn. 179; MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 771 Rdn. 9. Musielak/Voit/Lackmann § 771 Rdn. 3; BeckOK/Preuß § 771 Rdn. 56; Prütting/Weth JuS 1988, 505, 506. Stein/Jonas/Münzberg § 771 Rdn. 81. Stein/Jonas/Münzberg § 771 Rdn. 81; BeckOK/Preuß § 771 Rdn. 56; Musielak/Voit/Lackmann § 771 Rdn. 3. RGZ 81, 190, 192; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 41 Rdn. 34. Prütting/Gehrlein/Scheuch § 771 Rdn. 3. Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Raebel/Thole § 771 Rdn. 1; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 41 Rdn. 180; Prütting/Gehrlein/Scheuch § 771 Rdn. 5; Prütting/Weth JuS 1988, 505, 507. 31 Wieczorek/Schütze/Salzmann3 § 771 Rdn. 3. 32 BGH NJW 1981, 1835, 1836; Prütting/Gehrlein/Scheuch § 771 Rdn. 5; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 41 Rdn. 181. 33 RGZ 73, 276, 278; Prütting/Gehrlein/Scheuch § 771 Rdn. 6; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 41 Rdn. 182. 397

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7 d) Klagen gegen den Schuldner. Der Dritte kann gegen den Schuldner materiellrechtliche Klagen, etwa auf Herausgabe, richten.34 Gläubiger und Schuldner sind dann einfache Streitgenossen (§ 771 Abs. 2).

8 e) Klage auf vorzugsweise Befriedigung (§ 805). Abzugrenzen ist die Drittwiderspruchsklage von der Klage auf vorzugsweise Befriedigung. Das bringt schon § 805 Abs. 1, 1. Hs. zum Ausdruck, der ein Widerspruchsrecht ausdrücklich ausschließt. Sie findet nur Anwendung auf die Vollstreckung wegen Geldforderungen und erfasst nur besitzlose gesetzliche Pfand- oder Vorzugsrechte (s. Rdn. 24). Vertragliche Pfandrechte können nicht ohne Besitzübertragung begründet werden. Derjenige, der nach § 771 intervenieren könnte, kann bei einer Vollstreckung wegen einer Geldforderung als minus eine Klage auf vorzugsweise Befriedigung erheben.35

II. Einzelne Interventionsrechte 9 Der Begriff des die Veräußerung hindernden Rechts ist zum einen ungenau.36 Ein Recht, das die Veräußerung verhindern kann, gibt es wegen der Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs nicht.37 Zum anderen ist er zu eng. Denn er ist zu sehr auf die Sachpfändung zugeschnitten, soll aber alle Möglichkeiten der Zwangsvollstreckung erfassen.38 Die Idee hinter der Norm ist einfach: Den Gläubigern können zu ihrer Befriedigung an dem Vermögen des Schuldners nicht mehr Rechte zustehen als dem Schuldner selbst.39 Die h.M. bejaht ein die Veräußerung hinderndes Recht, wenn die Veräußerung der den Voll10 streckungsgegenstand bildenden Sache durch den Schuldner dem berechtigten Dritten gegenüber sich als rechtswidrig darstellen würde.40 Doch stößt diese Formulierung nicht zuletzt bei der Frage, ob und inwieweit obligatorische Ansprüche bzw. Rechte ein Interventionsrecht begründen, an ihre Grenzen. Neu gefasste Regelungen sprechen nicht mehr von einem die „Veräußerung hindernden Recht“, sondern von einem der Zwangsvollstreckung bzw. der Versteigerung entgegenstehenden Recht (vgl. §§ 9 Nr. 2, 28 Abs. 1 S. 1, 37 Nr. 5 ZVG). Doch auch damit ist wenig gewonnen: Vieles spricht dafür, dass es auf eine Dinglichkeit nicht ankommt. Letztlich bleibt wohl nur eine am Zweck des § 771 Abs. 1 orientierte Lesart.41 Sie darf aber freilich nicht auf einer ausschließlich wirtschaftlichen Betrachtung beruhen. Vielmehr ist stets zu fragen, ob sich das Interventionsrecht noch mit einer juristischen Betrachtung vereinbaren lässt.42 Einen ersten Ansatzpunkt zur Konkretisierung kann § 47 InsO bieten. Er bestimmt, wann eine Aussonderung verlangt werden kann. Voraussetzung dafür ist, dass jemand auf Grund eines dinglichen oder persönlichen Rechts geltend machen kann, dass ein Gegenstand nicht zur Insolvenzmasse gehört. Insoweit bleibt festzuhalten, dass sowohl dingliche als auch relative Rechte zur Aussonderung berechtigen. Die Aussonderung übernimmt in der Gesamtvollstreckung die Funktion des Interventionsrechts. Lässt man schon in der Krise, in der es um die gemeinsame Befriedigung der Gläubiger und einen Erhalt des Unternehmens geht (vgl. § 1 S. 1 InsO), schuldrechtliche Ansprüche zur Aussonderung genügen, muss das erst recht für den Fall der Einzelvollstreckung gelten, in dem noch keine Krise 34 35 36 37 38 39 40

Prütting/Gehrlein/Scheuch § 771 Rdn. 6. Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 41 Rdn. 88; Brox/Walker § 46 Rdn. 4; Lippross/Bittmann § 49 Rdn. 129. Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 41 Rdn. 36; Prütting/Weth JuS 1988, 505, 509. Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 41 Rdn. 36; Brox/Walker § 45 Rdn. 21. Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 41 Rdn. 36. RGZ 45, 80 (zum Aussonderungsrecht im Konkurs); Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 41 Rdn. 37. RGZ 116, 333, 336; BGHZ 50, 20, 26; Baur/Stürner/Bruns Rdn. 46.4; Brox/Walker § 45 Rdn. 21; Prütting/Weth JuS 1988, 505, 509; ähnlich Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Raebel/Thole § 771 Rdn. 15. 41 Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 41 Rdn. 35 f. 42 Ähnlich Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 41 Rdn. 42. Spohnheimer

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vorliegt. Deshalb kann man aber umgekehrt aus der Normierung eines bloßen Absonderungsrechts im Falle der Insolvenz nicht den Rückschluss ziehen, dass es dann auch im Einzelvollstreckungsverfahren kein Interventionsrecht geben dürfe.43 Denn, dass der Gesetzgeber in der Krise einzelnen Gläubigern die Aussonderung verweigert, bedeutet nicht, dass sie auch außerhalb einer Krise in einer Einzelzwangsvollstreckung nicht intervenieren dürfen. Virulent wird das etwa bei der Diskussion um die Frage, ob das Sicherungseigentum ein Interventionsrecht begründen kann (s. Rdn. 20).

1. Eigentum Das Eigentum ist das umfassendste Herrschaftsrecht, das die Rechtsordnung kennt und damit 11 Hauptanwendungsfall des Interventionsrechts. Es genügt Miteigentum, Bruchteilseigentum oder Gesamthandseigentum, wenn statt des Anteils die gesamte Sache gepfändet wird bzw. wenn kein Titel gegen die anderen Miteigentümer vorliegt.44 Die Vermutungen der §§ 1362 BGB und 739 nehmen dem Betroffenen nicht sein Widerspruchsrecht.45 Allerdings muss der Betroffene zur Geltendmachung seines Interventionsrechts die gegen ihn streitende Vermutung widerlegen (s. Rdn. 52).46 Eine Ein-Mann-GmbH kann sich wegen des Trennungsprinzips auf ihr Eigentumsrecht berufen, wenn gegen den Alleingesellschafter vollstreckt wird.47 Gibt der Dritte die Sache an den Gerichtsvollzieher heraus, verzichtet er damit nicht auf sein Interventionsrecht aus dem Eigentum.48

2. Vorbehaltseigentum und Anwartschaftsrechte Das Vorbehaltseigentum berechtigt den Vorbehaltsverkäufer nach ganz h.M. zur Intervention, 12 wenn Gläubiger des Vorbehaltskäufers die Sache pfänden.49 Das ist auch sachgerecht, denn das Vorbehaltseigentum soll nicht nur eine Verwertung der Sache zugunsten des Vorbehaltsverkäufers sicherstellen, sondern die ungestörte Vertragserfüllung oder die Rückgabe der Sache bewirken.50 Der Gläubiger kann aber das Anwartschaftsrecht des Vorbehaltskäufers pfänden; zahlt er den restlichen Kaufpreis (§ 267 BGB), erwirbt er ein Pfandrecht an der Sache und das Interventionsrecht des Vorbehaltsverkäufers erlischt.51 Wird die Sache von Gläubigern des Vorbehaltsverkäufers gepfändet, ist der Vorbehaltskäufer aufgrund seines Anwartschaftsrechts zur Intervention berechtigt.52 Das ist auch sachgerecht, denn für die Insolvenz zeigt § 107 Abs. 1 InsO, dass der Eigentumsvorbehaltskäufer geschützt werden soll. Er kann allerdings nur der Verwertung, nicht 43 So aber Baur/Stürner/Bruns Rdn. 46.13 für die Frage, ob § 11 AnfG ein Interventionsrecht gibt. 44 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 771 Rdn. 20; Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Raebel/Thole § 771 Rdn. 18; BeckOK/Preuß § 771 Rdn. 8. Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 41 Rdn. 46. BGH NJW 1993, 935, 936; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 41 Rdn. 46. BGH NJW 2004, 217, 218; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 41 Rdn. 46. BGH JZ 1978, 199, 200 (offen gelassen für den Fall, dass der Dritte bewusst Sachen zur Unterstützung des Schuldners herausgegeben hätte). 49 BGHZ 54, 214, 218 f.; MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 771 Rdn. 21; BeckOK/Preuß § 771 Rdn. 9; Musielak/Voit/ Lackmann § 771 Rdn. 16; Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Raebel/Thole § 771 Rdn. 19; a.A. Raiser Dingliche Ansprüche (1961), S. 91 ff.; Kupisch JZ 1976, 417, 427 (Interventionsrecht nur gegen die Verwertung). 50 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 771 Rdn. 21. 51 BeckOK/Preuß § 771 Rdn. 9; Prütting/Gehrlein/Scheuch § 771 Rdn. 16; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 41 Rdn. 51. 52 BGHZ 54, 20, 26; MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 771 Rdn. 22; BeckOK/Preuß § 771 Rdn. 10; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 41 Rdn. 52; Stein/Jonas/Münzberg § 771 Rdn. 21 (krit. für andere Anwartschaftsrechte, weil der Eigentümer den Gegenstand durch die Begründung von Anwartschaftsrechten der Zwangsvollstreckung entziehen könnte).

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schon der Pfändung widersprechen.53 Denn die Pfändung als solche führt noch nicht zu einem Übergriff in seine Rechtsposition (vgl. § 161 Abs. 1 S. 2 BGB). Allerdings kann der Erwerber infolge der Verwertung gutgläubig lastenfreies Eigentum erwerben und sein Anwartschaftsrecht zum Erlöschen bringen.54 Das Interventionsrecht des Vorbehaltskäufers erlischt, wenn der Verkäufer vom Kaufvertrag zurückgetreten ist und deshalb das Anwartschaftsrecht untergegangen ist.55 Zahlt der Vorbehaltskäufer die letzte Kaufpreisrate und erwirbt damit das Volleigentum, kann er nunmehr aus seinem Eigentum intervenieren und damit auch bereits die Pfändung für unzulässig erklären lassen.56 Hat der Vorbehaltskäufer sein Anwartschaftsrecht auf einen Dritten übertragen und wird die Sache dann beim Vorbehaltskäufer gepfändet, kann auch der Inhaber des Anwartschaftsrechts widersprechen.57

3. Inhaberschaft an Forderungen 13 Mit § 771 kann ein Dritter geltend machen, dass die gepfändete Forderung oder das gepfändete Recht nicht dem Schuldner, sondern ihm zusteht.58 Das gilt auch für den Sicherungszessionar.59 Das Urteil hat nur die Bedeutung, den Anschein einer Pfändung zu beseitigen, weil die Pfändung ohnehin „ins Leere“ gegangen ist.60 Deshalb steht es dem wahren Gläubiger auch frei, ob der die Drittwiderspruchsklage erhebt. Er kann auch den Drittschuldner aus der nicht wirksam gepfändeten Forderung in Anspruch nehmen.61 Wird ein Gesellschaftsanteil gepfändet, kann ein Dritter mit § 771 geltend machen, Inhaber des Anteils sei er und nicht der Schuldner.62 Bei Gemeinschaftskonten differenziert die h.M. zwischen Und- und Oder-Konten. Bei ei14 nem Und-Konto (Gemeinschaftskonto mit gemeinsamer Verfügungsbefugnis) benötigt der Gläubiger einen Titel gegen sämtliche Mitberechtigte, um in das Konto vollstrecken zu können. Ein Mitberechtigter, gegen den kein Titel vorliegt, kann intervenieren.63 Bei einem Oder-Konto (Gemeinschaftskonto mit Einzelverfügungsbefugnis) genügt ein Titel gegen einen Kontoinhaber, um die Zwangsvollstreckung in das Konto zu betreiben.64 Der Mitinhaber kann daher mit § 771 nicht einwenden, die Forderung stehe ihm im Innenverhältnis allein zu. Begründen lässt sich das mit den Regelungen der §§ 429, 430 BGB: Jeder Kontoinhaber kann im Außenverhältnis über den gesamten Betrag verfügen und eine Abtretung berührt die übrigen Gläubiger gem. § 429 Abs. 3 S. 2 BGB nicht. Das muss auch für die Pfändung gelten, sodass die anderen Mitgläubiger nicht intervenieren können.65

53 BGHZ 55, 20, 27; MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 771 Rdn. 22; BeckOK/Preuß § 771 Rdn. 10; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 41 Rdn. 52; Musielak/Voit/Lackmann § 771 Rdn. 17; a.A. Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Raebel/ Thole § 771 Rdn. 23. 54 BeckOK/Preuß § 771 Rdn. 10. 55 Stein/Jonas/Münzberg § 771 Rdn. 21; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 41 Rdn. 53. 56 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 771 Rdn. 22; BeckOK/Preuß § 771 Rdn. 9. 57 BGHZ 20, 88; Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Raebel/Thole § 771 Rdn. 23; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 41 Rdn. 54. 58 BGH NJW 1977, 384, 385; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 41 Rdn. 55. 59 Stein/Jonas/Münzberg § 771 Rdn. 32; Musielak/Voit/Lackmann § 771 Rdn. 20. 60 OLG Frankfurt NJW-RR 1988, 1408; BeckOK/Preuß § 771 Rdn. 20; Brox/Walker § 45 Rdn. 28. 61 Stein/Jonas/Münzberg § 771 Rdn. 24. 62 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 771 Rdn. 19; vgl. zur Einziehung eines Gesellschaftsanteils OLG Koblenz, Urt. v. 8.6.2005 – 1 U 1343/04. 63 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 771 Rdn. 20; BeckOK/Preuß § 771 Rdn. 21. 64 BGHZ 93, 315, 321; Prütting/Gehrlein/Scheuch § 771 Rdn. 35. 65 BGH, Beschl. v. 6.6.2002 – IX ZR 169/01; jurisPK-BGB/Rüßmann § 429 Rdn. 23; Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Raebel/ Thole § 771 Rdn. 22; a.A. MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 771 Rdn. 20. Spohnheimer

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4. Treuhandverhältnisse a) Situation. Bei einer Treuhand hat der Treuhänder (Treunehmer) von einem anderen oder für ei- 15 nen anderen (dem Treugeber) Vermögensrechte zu eigenem Recht erworben, diese Rechte soll er aber nicht oder wenigstens nicht ausschließlich in seinem eigenen Interesse ausüben.66 Der Treuhänder hat im Außenverhältnis eine überschießende Rechtsmacht, die im Innenverhältnis einer besonderen Bindung unterworfen ist.67 Sein rechtliches Können im Außenverhältnis geht über das rechtliche Dürfen hinaus.68 Das ist § 137 BGB geschuldet, der verbietet, dass die obligatorische Beschränkung des Treuhänders zu einer dinglichen Verfügungsbeschränkung wird.69 Daher ist der Treugeber zwar nicht mehr rechtlicher, wohl aber wirtschaftlicher Eigentümer.70 Haftungsrechtlich ist das Vermögen nicht dem Treuhänder, sondern weiterhin dem Treugeber zugeordnet.71 Manche beschreiben das als eine Aufspaltung des Eigentums und sprechen vom Auch-Eigentümer.72 Für die Frage, ob ein Interventionsrecht besteht, sind eigennützige (z.B. Sicherungs- und Nutzungstreuhand) und fremdnützige (Verwaltungstreuhand) Treuhandverhältnisse zu unterscheiden, weil die Interessen von Treugeber und Treuhänder in beiden Fällen unterschiedlich gewichtet werden.73

b) Vorliegen einer Verwaltungstreuhand. Gerade in den Fällen der Verwaltungstreuhand be- 16 steht die Gefahr, dass der Begriff zu wenig konturiert und uferlos wird. Der Treugeber als Inhaber eines schuldrechtlichen Rückübertragungsanspruchs muss von demjenigen unterschieden werden, der nur einen bloß schuldrechtlichen Verschaffungsanspruch hat.74 Denn nur im Verhältnis des Treugebers zum Treunehmer sollen die schuldrechtlichen Beschränkungen im Innenverhältnis auch im Außenverhältnis zu Dritten Berücksichtigung finden. Die (insbesondere ältere) Rechtsprechung75 hat eine solche Treuhand bejaht, wenn dem Treuhänder das Treugut aus dem Vermögen des Treugebers übertragen worden war (sog. Unmittelbarkeitserfordernis). Trotz Kritik im Schrifttum76 hat der BGH an diesem Erfordernis im Wesentlichen festgehalten, allerdings Ausnahmen zugelassen. So reicht aus, dass die Verwaltungstreuhand offenkundig ist (z.B. Eingänge auf einem Anderkonto oder ein erkennbares Sonderkonto).77 Doch ist noch immer keine einheitliche Linie erkennbar. Im Schrifttum wird befürwortet, nicht mehr auf die Art des Erwerbs, sondern nur noch darauf abzustellen, dass das Treugut im Zeitpunkt des Vollstreckungszugriffs mit Bestimmtheit als vom persönlichen Vermögen des Treuhänders getrenntes Sondervermögen erkennbar ist.78 Das weist in die richtige Richtung. Gerade mit Blick auf § 771 sollte das maßgebliche Ziel sein, dass vermeintliche Treugeber und Treunehmer nicht eine Treuhand vorschieben können, um das Vermögen beliebig vor dem Zugriff der Gläubiger zu schützen. c) Interventionsrechte bei der Verwaltungstreuhand. Im Fall einer uneigennützigen Treu- 17 hand gehört das Treugut ohne Rücksicht auf die formale dingliche Lage zum haftenden Vermögen 66 67 68 69 70 71 72 73 74 75 76

Klausing RvglHW III, S. 368. Henssler AcP 196 (1996) 37, 41. Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 41 Rdn. 57. Vgl. dazu RGZ 99, 142, 143. Kritisch zu diesem Begriff Henssler AcP 196 (1996) 37, 51 ff. Gaul FG 50 Jahre BGH III, 521, 541. Westermann/Gursky/Eickmann § 4 Rdn. 14. Henssler AcP 196 (1996) 37, 43. Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 41 Rdn. 58. RGZ 45, 80, 84; RGZ 79, 121, 122; BGH NJW 1971, 559, 560; BGH NJW 2008, 1152. Vgl. zusammenfassend Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 41 Rdn. 59 m.w.N.; Henssler AcP 196 (1996) 37, 55 f. m.w.N. 77 BGH NJW 1954, 190, 191 f.; BGH NJW 1959, 1223, 1225; BGHZ 61, 72, 79. 78 Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 41 Rdn. 65. 401

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des Treugebers.79 Deshalb kann der Treugeber als wirtschaftlich Berechtigter gegen eine gegen den Treuhänder gerichtete Pfändung intervenieren.80 Diese Möglichkeit besteht allerdings nur, solange der Treuhänder mit dem Treugut absprachegemäß verfährt.81 Hält er sich nicht mehr an die Absprache und trifft eine abredewidrige Verfügung, sind die Treugegenstände dem Treuhänder nicht mehr nur rechtlich, sondern auch wirtschaftlich zuzuordnen. Eine Drittwiderspruchsklage ist dann unbegründet.82 Der Treuhänder kann, wenn wegen eines Titels gegen den Treugeber in das Treugut vollstreckt wird, der Vollstreckung nicht widersprechen.83 Zwar ist er rechtlich Eigentümer der Sache, doch gehört die Sache im Verhältnis zum Treugeber wirtschaftlich zu dessen Vermögen und damit haftet sie in der Zwangsvollstreckung auch den Gläubigern des Treugebers. Ist der Treuhänder im Besitz der Sache, kann er ihre Herausgabe verweigern (§ 809). Wird nicht aufgrund eines Titels gegen den Treugeber vollstreckt, kann der Treuhänder intervenieren.84 Handelt es sich bei dem Treugut um eine Forderung, geht die Forderungspfändung gegen den 18 Treugeber ins Leere (s. Rdn. 13). Denn die Verpflichtung des Drittschuldners besteht gegenüber dem Treuhänder und nicht gegenüber dem Treugeber.85 Die Gläubiger des Treugebers können insoweit nur die Ansprüche des Treugebers gegen den Treuhänder pfänden.86

19 d) Interventionsrechte bei der Sicherungstreuhand (insbes. Sicherungseigentum). Die mit der Treuhandabrede getroffenen Vereinbarungen sind grundsätzlich beachtlich und sind für die Frage, ob ein Interventionsrecht besteht, bedeutsam. Der Sicherungsgeber kann, obwohl juristisch nicht mehr Eigentümer der Sache, einer Pfändung durch Gläubiger des Sicherungsnehmers (Sicherungseigentümers) widersprechen.87 Nach zutreffender überwiegender Auffassung gilt das, solange der Sicherungsfall nicht eingetreten ist; danach endet das Interventionsrecht.88 Er muss auch nicht erst die gesicherte Forderung begleichen.89 Denn das Treugut gehört nicht zur allgemeinen Haftungsmasse des Sicherungseigentümers.90 Vollstreckt ein Gläubiger des Sicherungsgebers in die Sache, kann der Sicherungsnehmer 20 (= Sicherungseigentümer) nach der Rechtsprechung und der überwiegenden Auffassung im Schrifttum aus seinem Sicherungseigentum intervenieren.91 Das Interventionsrecht endet erst, wenn der Sicherungszweck entfallen ist.92 Zwar haben diejenigen, die den Sicherungsnehmer auf eine Klage auf vorzugsweise Befriedigung verweisen wollen, vordergründig § 51 Nr. 1 InsO auf ihrer Seite.93 Die 79 BeckOK/Preuß § 771 Rdn. 12. 80 BGHZ 11, 37, 41; BGH NJW 1996, 1543; MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 771 Rdn. 26; Stein/Jonas/Münzberg § 771 Rdn. 26; BeckOK/Preuß § 771 Rdn. 14; Prütting/Gehrlein/Scheuch § 771 Rdn. 20; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 41 Rdn. 62; Henssler AcP 196 (1996) 37, 51. 81 BGH NJW 1959, 1223, 1225. 82 Stein/Jonas/Münzberg § 771 Rdn. 29; Prütting/Gehrlein/Scheuch § 771 Rdn. 20; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 41 Rdn. 66. 83 BGHZ 11, 47, 52; BGH NJW-RR 2004, 1220, 1222; MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 771 Rdn. 27; BeckOK/Preuß § 771 Rdn. 12; Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Raebel/Thole § 771 Rdn. 20; Prütting/Gehrlein/Scheuch § 771 Rdn. 20; Gaul/ Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 41 Rdn. 68. 84 BGH NJW-RR 2004, 1220, 1221; Stein/Jonas/Münzberg § 771 Rdn. 26; BeckOK/Preuß § 771 Rdn. 13. 85 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 771 Rdn. 27; BeckOK/Preuß § 771 Rdn. 12. 86 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 771 Rdn. 27; BeckOK/Preuß § 771 Rdn. 12. 87 BGHZ 72, 141, 145 ff.; MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 771 Rdn. 29; Stein/Jonas/Münzberg § 771 Rdn. 31; BeckOK/ Preuß § 771 Rdn. 17; Musielak/Voit/Lackmann § 771 Rdn. 18; Henssler AcP 196 (1996) 37, 51. 88 BGHZ 72, 141, 145 ff.; Stein/Jonas/Münzberg § 771 Rdn. 31; BeckOK/Preuß § 771 Rdn. 17; Musielak/Voit/Lackmann § 771 Rdn. 18; a.A. MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 771 Rdn. 29. 89 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 771 Rdn. 29; Brox/Walker § 45 Rdn. 34; a.A. Weber NJW 1976, 1601, 1605. 90 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 771 Rdn. 29. 91 BGHZ 12, 232, 234; BeckOK/Preuß § 771 Rdn. 18; Musielak/Voit/Lackmann § 771 Rdn. 19; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 41 Rdn. 72. 92 BGH NJW 1987, 1880, 1882; Stein/Jonas/Münzberg § 771 Rdn. 30; BeckOK/Preuß § 771 Rdn. 19. 93 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 771 Rdn. 30; Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Raebel/Thole § 771 Rdn. 21. Spohnheimer

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Norm zeigt, dass der Gesetzgeber auf die wirtschaftliche Bedeutung, nicht auf die juristische Bedeutung des Sicherungseigentums abstellt. Diese entspricht in der Tat der eines besitzlosen Pfandrechts.94 Doch darf nicht vergessen werden, dass die Vorschriften des Insolvenzrechts eine Situation vor Augen haben, in der es darum geht, die Gläubiger gemeinschaftlich zu befriedigen, wenn das Vermögen nicht mehr zur Befriedigung aller Gläubiger ausreicht.95 Deshalb kann aus dem Umstand, dass ein Recht in der Krise nicht zur Aussonderung berechtigt, nicht geschlossen werden, dass es außerhalb einer Krise nicht zum Widerspruch nach § 771 berechtigt.96 Zudem nimmt die Gegenansicht dem Sicherungseigentümer das aus seinem Sicherungseigentum folgende Recht, über Zeit und Art der Verwertung entscheiden zu können.97 Im Falle einer Sicherungsabtretung bestehen die Widerspruchsrechte in gleicher Weise wie 21 sie bei der Pfändung einer zur Sicherheit übereigneten Sache bestünden.98 Diese Grundsätze greifen auch beim unechten Factoring.99 Dass die Forderungspfändung ins Leere gegangen ist, steht der Zulässigkeit der Interventionsklage nicht entgegen (s. Rdn. 45).

e) Interventionsrecht des Kommittenten. Pfänden Gläubiger des Kommissionärs Forderun- 22 gen aus einem Kommissionsgeschäft, kann der Kommittent wegen § 392 Abs. 2 HGB mit Hilfe der Drittwiderspruchsklage dagegen vorgehen.100 Nichts anderes gilt für den Gelegenheitskommissionär (§ 406 Abs. 1 S. 2 HGB).101 Problematisch ist allerdings, ob der Kommittent auch dann aus § 771 gegen Gläubiger des Kommissionärs vorgehen kann, wenn diese in Gegenstände vollstrecken, die der Kommissionär aufgrund von Forderungen erlangt hat, die nach § 392 Abs. 2 HGB als solche des Kommittenten gelten.102 In der Tat wird man den Befürwortern zugutehalten müssen, dass in § 457 S. 2 HGB ein Prinzip dinglicher Surrogation anklingt, das sich auch auf die Vorschriften über das Kommissionsrecht übertragen lässt.103

5. Mitberechtigung Mit § 771 kann ein Mitberechtigter an einem Gegenstand widersprechen, wenn ein Gläubiger eines 23 anderen Mitberechtigten auf diesen Gegenstand – und nicht nur auf das Miteigentumsrecht – zugreift, ohne dass ein Titel gegen alle Mitberechtigte vorliegt.104 Das gilt auch dann, wenn der Gläubiger selbst ein Mitberechtigter ist.105 Denn für eine Pfändung der Sache insgesamt bedarf es eines Titels gegen alle Miteigentümer; für die Bruchteilsberechtigung gilt das gleichermaßen.106 Ebenso 94 Bülow Kreditsicherheiten Rdn. 1277. 95 Bork Insolvenzrecht Rdn. 1 f. 96 Ähnlich auch Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 41 Rdn. 74. 97 Stein/Jonas/Münzberg § 771 Rdn. 30. 98 Stein/Jonas/Münzberg § 771 Rdn. 32; Musielak/Voit/Lackmann § 771 Rdn. 20. 99 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 771 Rdn. 33; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 41 Rdn. 85. 100 RGZ 148, 190, 191; BGHZ 104, 123, 127; Oetker/Bergmann § 392 Rdn. 2, 10; MünchKomm-HGB/Häuser § 392 Rdn. 32; Staub/Koller § 392 Rdn. 18 (jedenfalls, wenn der Gläubiger die Tätigkeit des Kommissionärs aus den Umständen erkennen konnte). 101 A.A. Staub/Koller § 392 Rdn. 18 (jedenfalls, wenn der Gläubiger die Tätigkeit des Gelegenheitskommissionärs aus den Umständen nicht erkennen konnte). 102 Hierzu Oetker/Bergmann § 392 Rdn. 6 f. 103 So Oetker/Bergmann § 392 Rdn. 7; eine analoge Anwendung von § 392 Abs. 2 auf das zur Erfüllung Geleistete befürworten auch Martinek FS Musielak, 355, 371 f.; Canaris FS Flume I, 371, 410, 424 (sofern es sich nicht um einen Gelegenheitskommissionär handelt, weil das Treuhandverhältnis dann nicht erkennbar ist); a.A. Wüst JuS 1990, 390, 392; vgl. auch BGH NJW 1974, 456, 457. 104 OLG Schleswig FamRZ 1989, 88; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 41 Rdn. 46. 105 RGZ 144, 236, 239; MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 771 Rdn. 20; Brox/Walker § 45 Rdn. 24. 106 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 771 Rdn. 20. 403

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können Miterben widersprechen, wenn aus einem Titel gegen einen Miterben nicht nur auf dessen Erbteil, sondern auf einen Nachlassgegenstand zugegriffen werden soll.107 Aus einem Titel (nur) gegen einen Gesellschafter kann in dessen Anteil, nicht hingegen in das Gesellschaftsvermögen vollstreckt werden.108 Insoweit können alle Mitberechtigten mit der Drittwiderspruchsklage geltend machen, dass der Vermögensgegenstand haftungsrechtlich nicht dem Schuldner zuzurechnen ist.

6. Pfandrechte 24 Ein Pfandrecht gibt ein Interventionsrecht, wenn es durch Vollstreckung und Verwertung beeinträchtigt wird.109 Es gibt kein Widerspruchsrecht, sofern der Inhaber auf die Klage auf vorzugsweise Befriedigung verwiesen ist.110 Sie findet Anwendung bei der Vollstreckung wegen Geldforderungen, nicht aber auf die Herausgabevollstreckung.111 Unter dieser Voraussetzung sind die Inhaber aller besitzlosen Pfandrechte auf die Klage nach § 805 verwiesen. Deshalb bleiben für § 771 zunächst die Besitzpfandrechte übrig.112 Vertragliche Pfandrechte können nicht ohne Besitzübertragung begründet werden.113 Ihnen wird das Interventionsrecht nicht von § 805 Abs. 1 genommen. Der Dritte kann sich aber als minus mit der Klage auf vorzugsweise Befriedigung begnügen.114 Auch Pfandrechte an Rechten können mit § 771 geltend gemacht werden.115 Bei einem Grundpfandrecht kann sein Inhaber grundsätzlich nicht widersprechen. Eine Zwangshypothek geht dem vorhandenen Grundpfandrecht im Rang nach und Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung können es nicht beeinträchtigen.116 Der Grundpfandgläubiger kann aber – neben einer Vollstreckungserinnerung nach § 766 – widersprechen, wenn entgegen § 865 Grundstückszubehör gepfändet wird,117 oder wenn Früchte am Halm entgegen § 810 gepfändet wurden.118

7. Besitz 25 Bei der Immobiliarvollstreckung gibt allein der Besitz kein Interventionsrecht.119 Anders sieht es die h.M. bei der Vollstreckung in bewegliche Sachen.120 Doch ist das verfehlt.121 Denn der Besitz ist rein tatsächliche Sachherrschaft und sagt nichts über die wirtschaftliche Zuordnung der Sache zu einem Vermögen aus. Ein Interventionsrecht kann allenfalls ein Recht zum Besitz

107 108 109 110 111 112 113 114 115

MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 771 Rdn. 20. MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 771 Rdn. 20. MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 771 Rdn. 35. MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 771 Rdn. 35; Brox/Walker § 45 Rdn. 42. Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 41 Rdn. 88; Baur/Stürner/Bruns Rdn. 46.31. MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 771 Rdn. 34; Baur/Stürner/Bruns Rdn. 46.31. Westermann/Gursky/Eickmann § 126 Rdn. 5. Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 41 Rdn. 88. MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 771 Rdn. 35; Baur/Stürner/Bruns Rdn. 46.31; a.A. RGZ 87, 321, 323; OLG Hamm NJW-RR 1990, 233 (Vertragspfandrecht an einem GmbH-Anteil). 116 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 771 Rdn. 36. 117 RGZ 55, 207, 209 f.; RGZ 69, 85, 93; Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Raebel/Thole § 771 Rdn. 26; a.A. Stein/Jonas/ Münzberg § 865 Rdn. 36. 118 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 771 Rdn. 36. 119 RGZ 127, 8, 9; Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Raebel/Thole § 771 Rdn. 29; Musielak/Voit/Lackmann § 771 Rdn. 24; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 41 Rdn. 96. 120 BGHZ 2, 164, 168; Prütting/Gehrlein/Scheuch § 771 Rdn. 30; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 41 Rdn. 96; für den berechtigten Besitz auch Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Raebel/Thole § 771 Rdn. 29. 121 So auch OLG Rostock NJOZ 2005, 253, 254; MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 771 Rdn. 39; Stein/Jonas/Münzberg § 771 Rdn. 35; Musielak/Voit/Lackmamn § 771 Rdn. 24; Zöller/Herget § 771 Rdn. 14.5; Prütting/Weth JuS 1988, 505, 511. Spohnheimer

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gewähren.122 Das zeigt für unbewegliche Sachen nicht zuletzt § 93 ZVG: Der Zuschlagsbeschluss begründet gegen den Besitzer einen Räumungstitel, hat dieser ein Recht zum Besitz, das durch den Zuschlag nicht erloschen ist, soll nicht vollstreckt werden. Wird vollstreckt, kann er sich mit der Drittwiderspruchsklage wehren. Diese Wertung kann auch bei Mobilien herangezogen werden. Der mittelbare Besitzer kann mithilfe seines obligatorischen Herausgabeanspruchs geltend machen, dass die Sache nicht dem Vermögen des Schuldners zuzurechnen ist.123

8. Schuldrechtliche Ansprüche Schuldrechtliche Ansprüche geben grundsätzlich kein Interventionsrecht.124 Etwas anderes gilt, 26 wenn sie zum Ausdruck bringen, dass die Sache nicht zum Vermögen des Schuldners gehört. Das ist etwa der Fall, wenn der Dritte die Sache als Vermieter, Verleiher, Werkbesteller usw. vom Schuldner herausverlangen kann. Hierher gehören Fälle, in denen der Dritte die Sache selbst gemietet hat und sie dem Schuldner überlässt, bei dem dann in sie vollstreckt wird.125 Dass der mittelbare Besitzer, auch wenn er nicht der Eigentümer der Sache ist, widersprechen kann, ist allgemein anerkannt.126 Doch bereitet es Schwierigkeiten, die Grundlage dieses Interventionsrechts zu bestimmen. Die wohl h.M. nimmt an, dass das Interventionsrecht dieser Kläger ein eigenes Recht sei und sie nicht aus dem Recht eines anderen, dem Eigentümer, klagen.127 Doch lässt sich nicht leugnen, dass ein solches, gegenüber dem vollstreckenden Gläubiger wirkendes Recht nur schwer zu benennen ist. Abgestellt wird etwa darauf, dass der schuldrechtliche Anspruch die Befugnis gebe, den Mangel zum Schutz eigener Rechte geltend zu machen; das gebe zusammen mit der fremden Rechtszuständigkeit das Interventionsrecht.128 Die Situation erinnert an diejenige einer Prozessstandschaft und rechtfertigt sich aus der Überlegung, dass die Zwangsvollstreckung schnell unterbunden werden muss und die nur obligatorisch berechtigte Mittelsperson näher an der Sache ist.129 Das lässt sich mit einem weiten Verständnis von einem die Veräußerung hindernden Recht noch vereinbaren. Denn der klagende Dritte macht jedenfalls geltend, dass die Sache haftungsrechtlich nicht dem Vermögen des Schuldners zuzurechnen, deshalb dem Gläubiger gegenüber auch nicht haftet, und er daher ein besseres Recht an der Sache hat als der Gläubiger. Der Dritte kann hingegen nicht intervenieren, wenn der Vollstreckungsschuldner (obwohl zur Herausgabe verpflichtet) der Eigentümer der Sache ist.130 Ansprüche, die nur auf Verschaffung (Erfüllungsansprüche, Rückabwicklungsansprüche, 27 schuldrechtliche Vorkaufsrechte bzw. Vormietrechte etc.) gerichtet sind, geben kein Interventionsrecht.131 Denn sie bringen gerade zum Ausdruck, dass der Gegenstand, der noch im Vermögen des Schuldners ist, erst übertragen werden soll.132 Das gilt für Ansprüche auf bloße Besitzüberlassung

122 Musielak/Voit/Lackmann § 771 Rdn. 24; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 41 Rdn. 92; Westermann/Gursky/Eickmann § 7 Rdn. 10. OLG Rostock NJOZ 2005, 253, 255. Stein/Jonas/Münzberg § 771 Rdn. 16. Stamm Grundprinzipien und Grundstrukturen des Zwangsvollstreckungsrechts, S. 605. MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 771 Rdn. 41; Stein/Jonas/Münzberg § 771 Rdn. 36; a.A. Blomeyer VV § 36 V 3; Stamm Prinzipien und Grundstrukturen des Zwangsvollstreckungsrechts, S. 605 ff. 127 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 771 Rdn. 41. 128 Stein/Jonas/Münzberg § 771 Rdn. 16. 129 Ausf. Picker Drittwiderspruchsklage, S. 460 ff., 469 f. 130 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 771 Rdn. 41; Stein/Jonas/Münzberg § 771 Rdn. 37; BeckOK/Preuß § 771 Rdn. 30. 131 OLG Rostock NJOZ 2005, 253, 255; Stein/Jonas/Münzberg § 771 Rdn. 38; MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 771 Rdn. 40. 132 BeckOK/Preuß § 771 Rdn. 30; Prütting/Weth JuS 1988, 505, 511; ähnlich OLG Rostock NJOZ 2005, 253, 255.

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erst recht.133 Auch bei durch eine Vormerkung gesicherten Ansprüchen kann der Begünstigte nicht intervenieren.134

9. Leasingverträge 28 Bei einem Operatingleasing kann der der Leasinggeber mit seinem Eigentumsrecht bzw. seinem Herausgabeanspruch intervenieren.135 Letzteres gilt auch dann, wenn er (z.B. bei Refinanzierung) nicht der Eigentümer der Sache ist (s. auch Rdn. 26).136 Der Leasingnehmer kann nicht intervenieren, wenn die Sache von Gläubigern des Leasinggebers gepfändet wird.137 Bei Finanzierungsleasingverträgen kann der Leasinggeber der Zwangsvollstreckung in die Leasingsache widersprechen.138 Umstritten ist, ob der Leasingnehmer intervenieren kann. Einige wollen das zulassen, weil seine Position derjenigen eines Eigentumsvorbehaltskäufers entspreche.139 Andere lehnen zu Recht ein Widerspruchsrecht ab und weisen darauf hin, dass der Leasingnehmer regelmäßig kein Anwartschaftsrecht erwirbt, auf das ein Recht nach § 771 gestützt werden könnte.140

10. Zurückbehaltungsrechte 29 Das Zurückbehaltungsrecht gem. § 273 BGB berechtigt nicht zur Intervention.141 Anders ist es, wenn dem Dritten ein Zurückbehaltungsrecht nach § 1000 BGB oder nach § 371 HGB an der Sache zusteht.142 Denn diese Zurückbehaltungsrechte berechtigten selbst in der Insolvenz zur Aussonderung (§ 51 Nr. 2 InsO).

11. Nichthaftung einer Vermögensmasse 30 Der Schuldner kann ausnahmsweise als Dritter geltend machen, dass ein Sondervermögen (z.B. aus Testamentsvollstreckung, Nachlassverwaltung etc.) nicht haftet, wenn sich der Titel gegen ihn persönlich richtet.143 Der Schuldner kann auch intervenieren, wenn der Titel zur Vollstreckung in das Sondervermögen berechtigt, aber in sein privates Vermögen vollstreckt wird.144

133 OLG Rostock NJOZ 2005, 253, 255. 134 RGZ 125, 242, 251; BGH NJW 1994, 128, 129 f. 135 Stein/Jonas/Münzberg § 771 Rdn. 41; Musielak/Voit/Lackmann § 771 Rdn. 27; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 41 Rdn. 111. 136 Stein/Jonas/Münzberg § 771 Rdn. 41; Prütting/Gehrlein/Scheuch § 771 Rdn. 34; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 41 Rdn. 111. 137 Prütting/Gehrlein/Scheuch § 771 Rdn. 34; Musielak/Voit/Lackmann § 771 Rdn. 27. 138 Stein/Jonas/Münzberg § 771 Rdn. 40; Prütting/Gehrlein/Scheuch § 771 Rdn. 34; Musielak/Voit/Lackmann § 771 Rdn. 28. 139 Prütting/Gehrlein/Scheuch § 771 Rdn. 34. 140 BeckOK/Preuß § 771 Rdn. 11; MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 771 Rdn. 32; Musielak/Voit/Lackmann § 771 Rdn. 28; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 41 Rdn. 113; a.A. Stein/Jonas/Münzberg § 771 Rdn. 42 (Interventionsrecht aus berechtigtem Besitz). 141 BGHZ 63, 348, 351 ff. (Aufhebung einer Gemeinschaft); Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Raebel/Thole § 771 Rdn. 36; Prütting/Gehrlein/Scheuch § 771 Rdn. 31. 142 Prütting/Gehrlein/Scheuch § 771 Rdn. 31. 143 Stein/Jonas/Münzberg § 771 Rdn. 45; MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 771 Rdn. 45. 144 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 771 Rdn. 45; Baur/Stürner/Bruns Rdn. 46.16. Spohnheimer

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12. Anfechtungsrechte Der Insolvenzverwalter kann nach h.M. mit der Drittwiderspruchsklage intervenieren, wenn 31 der Gegenstand vom Vollstreckungsschuldner mit einer nach §§ 129 ff. InsO anfechtbaren Rechtshandlung erworben und beim Vollstreckungsschuldner gepfändet wurde.145 Dem entspricht, dass der BGH in diesen Fällen ein Aussonderungsrecht gewährt.146 Das ist auch sachgerecht, weil mit dem Anfechtungsrecht nicht nur ein Verschaffungsanspruch entsteht, sondern die haftungsrechtliche Zuweisung des Gegenstands für die Verbindlichkeiten des Veräußerers geltend gemacht wird.147 Dasselbe muss gelten, wenn über das Vermögen des Schuldners das Insolvenzverfahren eröffnet wird, nachdem eine Sache von seinen Gläubigern gepfändet wurde.148 Hingegen kann ein Anfechtungsrecht nach dem AnfG nur mit der Klage auf vorzugsweise Befriedigung (§ 805), nicht mit der Drittwiderspruchsklage, verfolgt werden.149

13. Familienrechtliche Verfügungsbeschränkungen und erbrechtliche Bindungen Betreibt ein Ehegatte die Teilungsversteigerung eines gemeinschaftlichen Grundstücks, kann der 32 andere Ehegatte analog § 1365 BGB einwenden, dass ohne seine Zustimmung die Teilungsversteigerung nicht erfolgen darf, wenn der Miteigentumsanteil das gesamte Vermögen des Ehegatten darstellt.150 Allerdings gibt die Vorschrift kein Interventionsrecht, wenn ein Gläubiger eines Ehegatten die Zwangsvollstreckung wegen einer Geldforderung in einen Vermögensgegenstand betreibt, der dessen ganzes Vermögen darstellt.151 Erbrechtliche Bindungen (z.B. die Auflage, das Grundstück dürfe nicht in fremde Hände 33 gelangen, oder eine Verwirkungsklausel) können in der Teilungsversteigerung zum Zwecke der Erbauseinandersetzung ein Interventionsrecht geben, nicht aber gegenüber Dritten, die berechtigterweise in den Nachlass vollstrecken.152

III. Zulässigkeitsfragen 1. Statthaftigkeit Die Drittwiderspruchsklage ist nur zulässig, wenn sich der Kläger eines die Veräußerung hindern- 34 den Rechts an einem Gegenstand (s. dazu Rdn. 9 ff.) berühmt und damit begehrt, die Zwangsvollstreckung in diesen Gegenstand für unzulässig zu erklären.153 Wird ein solches Recht nicht behauptet, ist die Klage durch Prozessurteil abzuweisen. Ob ihm ein solches Recht zusteht, ist eine Frage der Begründetheit.

145 146 147 148 149

MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 771 Rdn. 44; K. Schmidt JZ 1990, 619, 622; Baur/Stürner/Bruns Rdn. 46.13. BGHZ 156, 350, 358 ff. MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 771 Rdn. 44. MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 771 Rdn. 44. Stein/Jonas/Münzberg § 771 Rdn. 40; Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Raebel/Thole § 771 Rdn. 34; Gaul/Schilken/ Becker-Eberhard ZVR § 41 Rdn. 105; a.A. Zöller/Herget § 771 Rdn. 14.3. 150 BGH NJW 2007, 3124; Lippross/Bittmann § 48 Rdn. 91; Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Raebel/Thole § 771 Rdn. 31; MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 771 Rdn. 46. 151 OLG Düsseldorf NJW 1991, 851; Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Raebel/Thole § 771 Rdn. 31. 152 Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Raebel/Thole § 771 Rdn. 32. 153 Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Raebel/Thole § 771 Rdn. 10. 407

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Achtes Buch – Zwangsvollstreckung

2. Zuständigkeit 35 § 771 regelt nur die örtliche Zuständigkeit, diese aber ausschließlich (§ 802). Die Klage ist vor dem Gericht zu erheben, in dessen Bezirk die Zwangsvollstreckung erfolgt. Schon deshalb findet bei Vollstreckungen im Ausland eine Drittwiderspruchsklage gem. § 771 nicht statt.154 Entscheidend ist bei Sachpfändungen, wo die Verstrickung begründet wird,155 bei Anschlusspfändungen bestimmt die erste Pfändung den Gerichtsstand.156 Nach Beginn des Verteilungsverfahrens ist das Verteilungsgericht zuständig.157 Bei Forderungspfändungen entscheidet der Ort des Gerichts, das den Pfändungsbeschluss erlassen hat.158 Bei einer Vorpfändung ist auf den Sitz des künftigen Vollstreckungsgerichts,159 bei einer Anschlusspfändung auf den Sitz des Gerichts der Hauptpfändung abzustellen.160 36 Die sachliche Zuständigkeit bestimmt sich nach §§ 23, 71 GVG. Entscheidend ist der Streitwert (s. Rdn. 67). Die sachliche Zuständigkeit ist nicht ausschließlich, Vereinbarungen darüber sind daher möglich.161 Das Familiengericht ist zuständig, wenn das behauptete Interventionsrecht im Familienrecht wurzelt.162 Hingegen spielt keine Rolle, ob der Vollstreckungstitel familienrechtlich geprägt ist, denn es soll nicht die Unzulässigkeit der Vollstreckung aus einem Titel, sondern die in einen Gegenstand wegen eines Interventionsrechts ausgesprochen werden.163 Dass der Gesetzgeber sich für die Vollziehung eines in einem Strafverfahren angeordneten Arrestes anders entschieden hat (s. Rdn. 3), sollte man nicht auf diese Fälle übertragen.

3. Parteien und Streitgenossenschaft gem. § 771 Abs. 2 37 Die Klage des Dritten nach § 771 richtet sich nicht gegen den Schuldner, sondern gegen den Gläubiger.164 Wurde der Titel nach den §§ 727 ff. umgeschrieben, richtet sie sich gegen denjenigen, der nach der Klausel vollstrecken kann.165 § 771 Abs. 2 ist insoweit missverständlich formuliert.166 Mit der Drittwiderspruchsklage kann der Dritte nur eine gegen den Schuldner gerichtete Klage auf Herausgabe der Sache verbinden.167 In diesen Fällen sind Gläubiger und Schuldner nach § 771 Abs. 2 einfache Streitgenossen. Der Zweck von § 771 Abs. 2 liegt darin, die nach § 59 nicht mögliche Streitgenossenschaft zuzulassen.168

154 155 156 157 158 159

RGZ 35, 405; Stein/Jonas/Münzberg § 771 Rdn. 50; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 41 Rdn. 140. Stein/Jonas/Münzberg § 771 Rdn. 50; Anders/Gehle/Hunke § 771 Rdn. 8. Stein/Jonas/Münzberg § 771 Rdn. 50; Zöller/Herget § 771 Rdn. 8. Stein/Jonas/Münzberg § 771 Rdn. 50; Zöller/Herget § 771 Rdn. 8. RGZ 67, 310, 311; LG Hagen, Urt. v. 24.10.2013 – 4 O 165/08; Anders/Gehle/Hunke § 771 Rdn. 8. BeckOK/Preuß § 771 Rdn. 39; Musielak/Voit/Lackmann § 771 Rdn. 7; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 41 Rdn. 140. 160 KG OLGRspr 29, 194; BeckOK/Preuß § 771 Rdn. 39; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 41 Rdn. 140. 161 Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Raebel/Thole § 771 Rdn. 11. 162 BGH NJW 1985, 3066, 3067 (zu § 1477 Abs. 2 BGB); OLG München FamRZ 2000, 365; OLG Hamm FamRZ 1995, 1072 (zu § 1365 BGB); Stein/Jonas/Münzberg § 771 Rdn. 51; Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Raebel/Thole § 771 Rdn. 11; BeckOK/Preuß § 771 Rdn. 41; Musielak/Voit/Lackmann § 771 Rdn. 7; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 41 Rdn. 141; a.A. OLG Stuttgart FamRZ 1982, 401. 163 Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Raebel/Thole § 771 Rdn. 11. 164 Allg.M.; s. etwa Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 41 Rdn. 137 f.; Stein/Jonas/Münzberg § 771 Rdn. 64; BeckOK/ Preuß § 771 Rdn. 49; Musielak/Voit/Lackmann § 771 Rdn. 34; a.A. Stamm Prinzipien und Grundstrukturen des Zwangsvollstreckungsrechts, S. 595 ff. 165 Prütting/Gehrlein/Scheuch § 771 Rdn. 14; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 41 Rdn. 135. 166 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 771 Rdn. 68. 167 Thomas/Putzo/Seiler § 771 Rdn. 3. 168 Stein/Jonas/Münzberg § 771 Rdn. 64. Spohnheimer

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Der Schuldner kann sich grundsätzlich nicht mit dem Interventionsrecht eines Dritten gegen 38 die Zwangsvollstreckung wehren. Er ist nur in Ausnahmefällen Dritter, wenn er (als Partei kraft Amtes, z.B. Insolvenzverwalter, Nachlassverwalter) nur mit bestimmten Vermögensmassen haftet und der Vollstreckung in nicht haftende Vermögensmassen (z.B. Privatvermögen) widerspricht (s. Rdn. 30).169 Richtet sich die Drittwiderspruchsklage gegen eine Teilungsversteigerung, sind alle Gemeinschaftsmitglieder Dritte, die nicht den Antrag gestellt haben.170 Klagen mehrere Dritte, sind sie einfache Streitgenossen.171 Das gilt auch für Miteigentü- 39 mer.172 Vollstrecken mehrere Gläubiger aus einem unteilbaren Titel, sind sie im Falle einer Interventionsklage notwendige Streitgenossen, vollstrecken sie aus verschiedenen Titeln, sind sie einfache Streitgenossen.173

4. Antrag und Streitgegenstand a) Antrag. Er ist darauf zu richten, die Zwangsvollstreckung aus dem (bestimmt zu bezeichnen- 40 den) Titel in einen (bestimmt zu bezeichnenden) Gegenstand für unzulässig zu erklären.174 Wurde bereits vollstreckt, muss kein Antrag auf Einstellung bzw. Beschränkung der Zwangsvollstreckung oder auf Aufhebung der Vollstreckungsmaßnahme gestellt werden.175 Das hat das Vollstreckungsorgan von Amts wegen zu veranlassen, wenn ihm die Entscheidung vorgelegt wird. Weil es sich bei der Drittwiderspruchsklage um eine prozessuale Gestaltungsklage und nicht um eine gegen den Gläubiger gerichtete negatorische Beseitigungsklage (s. Rdn. 1) handelt, kann der Antrag nicht auf Freigabe der Sache gerichtet werden. Hat der Dritte seinen Antrag auf eine bestimmte Zwangsvollstreckungsmaßnahme beschränkt, kann wegen § 308 die Zwangsvollstreckung in einen Gegenstand nicht insgesamt für unzulässig erklärt werden.176 Wird das Rechtsschutzziel hinreichend deutlich, können anderslautende Anträge (z.B. auf 41 Verurteilung des Gläubigers zur Einwilligung in die Auszahlung des durch den Drittschuldner hinterlegten Betrages)177 ausgelegt werden. Zweifelhaft ist das indes, wenn eindeutig auf Feststellung des die Veräußerung hindernden Rechts geklagt wird.178 Hier wird man wegen des erforderlichen und nicht vorhandenen Feststellungsinteresses die Klage richtigerweise – nach einem richterlichen Hinweis – als unzulässig abweisen müssen. b) Streitgegenstand. Der Streitgegenstand der Drittwiderspruchsklage wird unterschiedlich be- 42 schrieben. Vielfach hat das seinen Grund weniger in der Deutung der Drittwiderspruchsklage als darin, dass die verschiedenen Autoren unterschiedlichen Streitgegenstandslehren folgen. Zudem wird die Frage, was den Streitgegenstand bildet, mit der Frage vermengt, ob – wenn man denn das Interventionsrecht zum Streitgegenstand zählt – das Bestehen oder Nichtbestehen des Interventionsrechts in Rechtskraft erwächst.179 Einige legen einem eingliedrigen Streitgegenstandsbe169 Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 41 Rdn. 131 f. 170 Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 41 Rdn. 130. 171 BeckOK/Preuß § 771 Rdn. 48; Musielak/Voit/Lackmann § 771 Rdn. 34; a.A. MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 771 Rdn. 66. 172 BeckOK/Preuß § 771 Rdn. 48. 173 BeckOK/Preuß § 771 Rdn. 48; Musielak/Voit/Lackmann § 771 Rdn. 34. 174 Stein/Jonas/Münzberg § 771 Rdn. 52; Musielak/Voit/Lackmann § 771 Rdn. 8. 175 Stein/Jonas/Münzberg § 771 Rdn. 65. 176 Wieczorek/Schütze/Salzmann3 § 771 Rdn. 19. 177 RGZ 67, 310, 313. 178 Die Auslegung wurde indes zugelassen von OLG Kiel SchlHA 1905, 152. 179 Stützt der Kläger seinen Antrag auf sein behauptetes Eigentum und gelingt es ihm nicht, sein Eigentum zu beweisen, stellt das die Interventionsklage abweisende Urteil aber nach keiner der beiden Auffassungen (Streitgegenstandslehren) zugleich fest, dass der Kläger nicht der Eigentümer sei. 409

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griff zugrunde; dann ist Streitgegenstand die Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung aus dem Titel in den betroffenen Gegenstand.180 Andere legen (meist unausgesprochen) einen zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff zugrunde, der auch das Interventionsrecht – oder richtiger: den das Interventionsrecht begründenden Lebenssachverhalt – umfasst.181 Vorzugswürdig ist es, dem zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff zu folgen: Denn er schützt den Beklagten am ehesten davor, dass stets neue Einwendungen gegen die Vollstreckungsmaßnahme nachgeschoben werden; und er schützt den Kläger davor, dass ihm infolge der Rechtskraft nicht auch solche Einwendungen aberkannt werden, die im Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung schon bestanden haben, aber über die nicht verhandelt wurde. So verstanden, bildet den Streitgegenstand der Drittwiderspruchsklage die Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung im Hinblick auf einen bestimmten, ein Interventionsrecht begründenden Lebenssachverhalt. 43 Werden mehrere Interventionsrechte behauptet, die auf unterschiedlichen Lebenssachverhalten fußen, liegt eine objektive Klagehäufung vor; werden sie nachgeschoben, liegt eine Klageänderung i.S.v. § 263 vor.182 Keine objektive Klagehäufung liegt bei einem einheitlichen Lebenssachverhalt vor, auch wenn er mehrere Interventionsrechte gibt: Vermietet der Eigentümer dem Schuldner eine bewegliche Sache, die gepfändet wird, kann der Eigentümer sowohl wegen seines Eigentumsrechts (s. Rdn. 11) als auch wegen seines Herausgabeanspruchs (s. Rdn. 26) widersprechen. Gleichwohl liegt in diesem Fall nur ein Streitgegenstand vor. Werden Interventionsrechte mit unterschiedlichen Lebenssachverhalten begründet, sind sie in ein Eventualverhältnis zu setzen. Die Frage, ob das Interventionsrecht besteht oder nicht, nimmt allerdings nicht an der Rechtskraft teil, sofern nicht eine Zwischenfeststellungsklage (§ 256 Abs. 2) erhoben wird (s. auch Rdn. 65).183

5. Rechtsschutzbedürfnis 44 Das Rechtsschutzbedürfnis ist von Amts wegen zu prüfen. Die häufig verwandte – und bei anderen Rechtsbehelfen zuweilen berechtigte – Formel, dass das Rechtsschutzbedürfnis mit Beginn der Zwangsvollstreckung entstehe und bis zu ihrer Beendigung fortdauere,184 hilft bei der Drittwiderspruchsklage meist kaum weiter. Denn der Dritte wehrt sich – anders als bei der Vollstreckungsabwehrklage – nicht gegen die Zwangsvollstreckung aus dem Titel schlechthin, sondern gegen die Vollstreckung in einen bestimmten Gegenstand. Wenn, wie etwa bei der Vollstreckung wegen einer Geldforderung, noch völlig unklar ist, ob auf diesen Gegenstand überhaupt zugegriffen wird, kann die Klage noch nicht zulässig sein.185 Deshalb ist für die Frage, ob ein Rechtsschutzbedürfnis vorliegt, von vornherein zu unterscheiden, wegen was überhaupt vollstreckt wird. Denn nur so lässt sich die maßgebliche Frage, ob eine Vollstreckung droht oder noch andauert,186 beantworten. Bei der Herausgabevollstreckung (praktisch relevanter Fall: Räumung) besteht das Rechtsschutzbedürfnis schon, wenn ein Titel vorliegt.187 Wird wegen einer Geldforderung vollstreckt, müssen erst Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass in den Gegenstand überhaupt vollstreckt werden soll. Vielfach ist das

180 So wohl Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 41 Rdn. 162 ff.; Stein/Jonas/Münzberg § 771 Rdn. 54. 181 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 771 Rdn. 80 f.; BeckOK/Preuß § 771 Rdn. 52; wohl auch Prütting/Gehrlein/ Scheuch § 771 Rdn. 44; Musielak/Voit/Lackmann § 771 Rdn. 38. A.A. Wieczorek/Schütze/Salzmann3 § 771 Rdn. 5; Stein/Jonas/Münzberg § 771 Rdn. 54. MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 771 Rdn. 80. Vgl. etwa BGH NJW-RR 2004, 1220, 1221; Prütting/Gehrlein/Scheuch § 771 Rdn. 9; BeckOK/Preuß § 771 Rdn. 42. Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Raebel/Thole § 771 Rdn. 13. MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 771 Rdn. 59. RG JW 1930, 169; BeckOK/Preuß § 771 Rdn. 42.

182 183 184 185 186 187

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erst dann der Fall, wenn er gepfändet wird.188 Wurde aber vorbereitend schon ein Herausgabeanspruch auf die Sache gepfändet, besteht ein Rechtsschutzbedürfnis.189 Dem Rechtsschutzbedürfnis steht nicht entgegen, dass der Vollstreckungsakt nichtig ist;190 es 45 besteht insbesondere auch im Falle einer Forderungspfändung, obwohl die Pfändung, wenn das behauptete Interventionsrecht tatsächlich besteht, ins Leere geht.191 Denn der Rechtsschein der Pfändung belastet den Dritten und sein Verhältnis zum Drittschuldner.192 Dass der Betroffene eine (ausnahmsweise) zulässige Vollstreckungserinnerung nicht eingelegt hat (s. Rdn. 4),193 steht einem Rechtsschutzbedürfnis ebenso wenig entgegen wie die widerspruchslose Herausgabe der Sache an den Gerichtsvollzieher.194 Kein Rechtsschutzbedürfnis besteht bei einer Hilfspfändung (Kfz-Zulassungsbescheinigung Teil II, Kfz-Schlüssel etc.). Hier muss sich der Dritte gegen die Pfändung der Hauptsache wehren.195 Das Rechtsschutzbedürfnis entfällt, wenn die Zwangsvollstreckung in den Gegenstand nicht 46 mehr fortdauert und auch nicht mehr droht. Das ist dann der Fall, wenn sie mit der Auskehr des Erlöses beendet ist.196 Bis dahin bleibt die Klage zulässig. Auch die Hinterlegung durch den Drittschuldner lässt das Rechtsschutzbedürfnis nicht entfallen.197 Dasselbe gilt, wenn sich nach einem erfolglosen Versuch (etwa weil eine Sache nicht aufgefunden wurde) ein erneuter Versuch abzeichnet.198 Wohl aber ist das Rechtsschutzbedürfnis zu verneinen, wenn die Sache untergegangen und eine weitere Vollstreckung in diesen Gegenstand unmöglich geworden ist.199 Eine Freigabe des Gegenstandes lässt das Rechtsschutzbedürfnis entfallen. Allerdings wird nicht eindeutig beurteilt, welche Anforderungen an eine solche Freigabe zu stellen sind. Während einige sie grundsätzlich genügen lassen wollen,200 verlangen andere strenger, dass sie definitiv erfolgen und eine Wiederholung der Vollstreckung ausscheiden müsse.201 Der BGH hat zwar judiziert, dass eine Freigabe die Zwangsvollstreckung beende und das Rechtsschutzinteresse entfalle.202 Doch ließ derselbe Senat in einer wenige Wochen später ergangenen Entscheidung die Frage wiederum offen.203 Vorzugswürdig ist es, das Rechtsschutzbedürfnis erst zu verneinen, wenn die Freigabe definitiv erfolgt und eine Wiederholung der Vollstreckung ausscheidet. Den Interessen des Gläubigers kann durch § 93 hinreichend Rechnung getragen werden. Entfällt das Rechtsschutzbedürfnis nach Klageerhebung, muss der Kläger je nach prozessua- 47 ler Situation reagieren und den Rechtsstreit für erledigt erklären, oder seine Klage ändern und 188 Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Raebel/Thole § 771 Rdn. 13; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 41 Rdn. 126; Prütting/Weth JuS 1988, 505, 508. 189 BGHZ 72, 334, 337; Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Raebel/Thole § 771 Rdn. 13. 190 RGZ 81, 190, 191; BGH WM 1962, 1177; BGH NJW 2004, 217, 218; Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Raebel/Thole § 771 Rdn. 14; Baur/Stürner/Bruns Rdn. 46.1. 191 BeckOK/Preuß § 771 Rdn. 46; Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Raebel/Thole § 771 Rdn. 14; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 41 Rdn. 126. 192 Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Raebel/Thole § 771 Rdn. 14. 193 OLG Bamberg JR 1955, 25; OLG Koblenz Rpfleger 1979, 203; OLG Schleswig Rpfleger 1979, 471; Schuschke/Walker/ Raebel/Thole § 771 Rdn. 14; a.A. (Rechtsschutzbedürfnis fehlt, wenn die Erinnerung ohne Risiko zum Ziel führt) Musielak/Voit/Lackmann § 771 Rdn. 10. 194 BGH JZ 1978, 199, 200 (offen gelassen für den Fall, dass der Dritte die Sache bewusst herausgibt, um den Schuldner zu unterstützen); Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Raebel/Thole § 771 Rdn. 14. 195 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 771 Rdn. 59; BeckOK/Preuß § 771 Rdn. 45; Schuschke/Walker/Kessen/Thole/ Raebel/Thole § 771 Rdn. 13. 196 BeckOK/Preuß § 771 Rdn. 44. 197 RGZ 67, 310, 311; BGH NJW 1989, 323. 198 BGH ZIP 1985, 676, 677; BGH NJW-RR 2004, 1221; Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Raebel/Thole § 771 Rdn. 13; a.A. Musielak/Voit/Lackmann § 771 Rdn. 9 (erneuter Vollstreckungsversuch muss ernsthaft drohen). 199 BGH NJW-RR 2004, 1220, 1221; Musielak/Voit/Lackmann § 771 Rdn. 9. 200 BeckOK/Preuß § 771 Rdn. 44. 201 Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 41 Rdn. 127. 202 BGH NJW 2004, 217, 218. 203 BGH NJW-RR 2004, 1220, 1221. 411

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nunmehr Schadensersatz bzw. Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung verlangen. Diese Klageänderung ist nach § 264 Nr. 3 zulässig.204 Für eine Feststellungsklage im Sinne einer Fortsetzungsfeststellungsklage fehlt ein Feststellungsinteresse. Zwar lässt sich an eine Parallele zu den Fällen des § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO denken.205 Doch ist die Anfechtungsklage der VwGO gegen die öffentliche Gewalt gerichtet, die Drittwiderspruchsklage gegen den Gläubiger. § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO findet seine Rechtfertigung darin, dass bei der öffentlichen Gewalt die Feststellung genügt, um ein künftiges rechtswidriges Verhalten zu vermeiden. Demgegenüber trifft das auf den Gläubiger nur ausnahmsweise zu. Auch im Rahmen von § 256 Abs. 2 wird das Feststellungsinteresse bei einer möglichen Leistungsklage aus denselben Gründen nicht verneint, wenn eine Behörde verklagt wird.206 Zwar mag das für den Betroffenen misslich sein, doch kann nicht erwartet werden, dass sich ein weiterer Rechtsstreit vermeiden lässt. Umgekehrt kann er ohne Weiteres auf eine Leistungsklage ausweichen.

IV. Verfahrensfragen 1. Allgemeines 48 Bei der Drittwiderspruchsklage handelt es sich um ein Erkenntnisverfahren.207 Es folgt den allgemeinen Regeln. Den Beteiligten ist rechtliches Gehör zu gewähren, eine mündliche Verhandlung ist nicht freigestellt. Die Klage kann nach § 81, 1. Hs. dem Prozessbevollmächtigen des Gläubigers im titelerzeugen49 den Verfahren wirksam zugestellt werden.208 Sie kann aber auch dem Gläubiger zugestellt werden. Weil der Dritte als neue Prozesspartei beteiligt ist, greift § 172 nicht ein.209

2. Einstweilige Anordnungen (§ 771 Abs. 3) 50 Die Erhebung der Drittwiderspruchsklage hat keine Auswirkungen auf die Vollstreckung bis darüber entschieden wurde. Das kompensiert § 771 Abs. 3, wonach einstweilige Anordnungen nach den §§ 769, 770 getroffen werden können. Hier ist zu beachten, dass die Aufhebung einer bereits getroffenen Vollstreckungsmaßregel entgegen den allgemeinen Regeln auch ohne Sicherheitsleistung angeordnet werden darf. Doch muss das im Urteil angeordnet sein. § 771 Abs. 3 S. 2 ermächtigt das Vollstreckungsorgan nicht, bei angeordneter Sicherheitsleistung eine Vollstreckungsmaßnahme ohne Sicherheitsleistung aufzuheben. Dass hier auf eine Sicherheitsleistung verzichtet wird, ist sachgerecht: Denn ein Dritter wird in eine Zwangsvollstreckung hineingezogen, an der er nicht beteiligt ist.

V. Begründetheit der Klage 1. Bestehen eines Interventionsrechts 51 Die Klage ist begründet, wenn dem Dritten ein Interventionsrecht (s. Rdn. 9 ff.) tatsächlich zusteht und der Beklagte dem keine Einwendung entgegensetzen kann (s. Rdn. 53 ff.). Das Interventions-

204 205 206 207 208 209

BeckOK/Preuß § 771 Rdn. 44; Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Raebel/Thole § 771 Rdn. 14. So MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 771 Rdn. 59. BGH NJW 1984, 1118, 1119; Zöller/Greger § 256 Rdn. 8. Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 41 Rdn. 5. Thomas/Putzo/Seiler § 771 Rdn. 12. Brox/Walker § 45 Rdn. 77.

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recht muss zum einen schon im Zeitpunkt der Vollstreckung bestanden haben, zum anderen aber auch noch im Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung fortbestehen.210

2. Beweislast Die Beweislast für das Interventionsrecht liegt beim Kläger.211 Sie kann aber durch § 1006 BGB beein- 52 flusst werden.212 Hatte der Schuldner die Sache im Zeitpunkt der Vollstreckungsmaßnahme im Besitz, ist nach § 1006 Abs. 1 zu vermuten, dass er mit dem Besitz an der Sache auch das Eigentum erworben hat. Darauf kann sich im Interventionsprozess auch der Gläubiger berufen.213 Diese Vermutung muss der Dritte dann widerlegen.214 Der Ehegatte des Schuldners muss die nach § 1362 BGB streitende Vermutung zugunsten des Schuldners widerlegen. Dazu muss er aber nur seinen Eigentumserwerb, nicht auch den Fortbestand des Eigentums beweisen.215 Berücksichtigt man dazu § 1006 Abs. 2 BGB, kann der Ehegatte die Vermutung auch entkräften, indem er nachweist, dass er die Sache vor der Ehe besessen hat.216 Auf nichteheliche Lebensgemeinschaften findet § 1362 BGB keine Anwendung.217 Für eingetragene Lebenspartnerschaften enthält § 8 Abs. 1 S. 1 LPartG eine § 1362 BGB nachgebildete Regelung.

3. Einwendungen des Beklagten Obwohl dem Kläger ein die Veräußerung hinderndes Recht zusteht, ist die Klage unbegründet, 53 wenn der Beklagte dem Dritten seinerseits eine entsprechende Einwendung gegen dieses Interventionsrecht entgegenhalten kann.

a) Leugnung des Drittrechts oder besseres Recht des Beklagten. Der Beklagte kann alle 54 Einwendungen geltend machen, mit denen das Drittrecht geleugnet, gehemmt oder vernichtet wird.218 Dazu gehören z.B., dass das behauptete und vermutete Recht nicht erworben wurde oder dass der Rechtserwerb wirksam angefochten wurde.219 Der Beklagte kann auch geltend machen, dass das Recht des Klägers den Zugriff auf den Vollstreckungsgegenstand wegen eines besseren Rechts des Beklagten nicht verhindern kann.220 Das ist z.B. der Fall, wenn das Vollstreckungsobjekt dem Beklagten noch aus einem anderen Pfandrecht haftet, der Kläger also die Zwangsvollstreckung dulden müsste.221 Der Beklagte hat beispielsweise ein besseres Recht an gepfändetem Zubehör, wenn die vom Dritten erworbene Sache bereits damit belastet war, als an einem Grundstück ein Grundpfandrecht zugunsten des Beklagten entstand und das Vollstreckungsobjekt in diesen Haftungsverbund fällt.222

210 211 212 213 214 215 216 217 218 219 220 221 222

Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 41 Rdn. 134. BGH NJW 2004, 217, 218; BeckOK/Preuß § 771 Rdn. 50; MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 771 Rdn. 62. BeckOK/Preuß § 771 Rdn. 50. BGH NJW 2004, 217, 218. Vgl. dazu im Einzelnen BeckOGK/Spohnheimer BGB § 1006 Rdn. 30 ff. BGH NJW 1976, 238 f.; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 41 Rdn. 144. BGH NJW 1993, 935, 936; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 41 Rdn. 144. BGHZ 170, 187, 190 f. m.w.N.; MünchKomm-BGB/Weber-Monecke § 1362 Rdn. 10; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR Rdn. 144. BeckOK/Preuß § 771 Rdn. 35. MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 771 Rdn. 47. MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 771 Rdn. 47. Stein/Jonas/Münzberg § 771 Rdn. 62; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 41 Rdn. 149. Vgl. dazu etwa OLG Hamm NJW-RR 1986, 376, 377; RGZ 81, 146, 150.

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Spohnheimer

§ 41

§ 771

Achtes Buch – Zwangsvollstreckung

55 b) Einwand der Mithaftung. Zu unterscheiden sind die gegenständliche und die schuldrechtliche Mithaftung. Von einer gegenständlichen Mithaftung spricht man, wenn der Vollstreckungsgegenstand materiellrechtlich für die Verbindlichkeit des Titelschuldners haftet. So kann der Gläubiger einwenden, dass der Dritte seine Rechtsposition, auf die er sein Interventionsrecht stützt, durch eine anfechtbare Handlung (§ 9 AnfG) erlangt hat.223 Allerdings darf die Anfechtungsfrist noch nicht verstrichen sein.224 Nach h.M. soll die Drittwiderspruchsklage auch abzuweisen sein, wenn der klagende Dritte 56 schuldrechtlich für die titulierte Verbindlichkeit mithaftet, etwa als selbstschuldnerischer Bürge oder als Gesamtschuldner.225 Dieser Einwand des Beklagten wird meist auf § 242 BGB gestützt.226 Das ist nicht unproblematisch.227 Denn einen den Vollstreckungszugriff legitimierenden Titel gegen den Dritten gibt es, soweit nicht eine Titelumschreibung nach §§ 727 ff. möglich ist, nicht. Und dass auch bei einer Mithaftung ein Titel nicht entbehrlich ist, zeigt nicht zuletzt § 129 Abs. 4 (ab 1.1.2024: § 129 Abs. 2) HGB, der für die Inanspruchnahme eines mithaftenden Gesellschafters einer oHG einen Titel gegen diesen Gesellschafter verlangt. Doch übergeht die h.M. diesen Einwand.228 Die Rechte des Dritten seien hinreichend gewahrt, weil er im Rahmen der Drittwiderspruchsklage alle Einwendungen vorbringen könne, mit der er sich auch in einem Prozess gegen eine Leistungsklage des vollstreckenden Gläubigers gegen ihn oder bei einer Widerklage verteidigen könnte.229 Rechtfertigen lässt sich das alles allenfalls mit dem Gedanken der Prozessökonomie. Doch wird insoweit das gesetzliche Erfordernis, dass sich der vollstreckende Gläubiger erst einmal einen Titel gegen den mithaftenden Gesellschafter verschaffen muss, zu einer bloßen Formalie herabgesetzt.230 Das bestärkt den Gläubiger geradezu darin, zunächst ohne einen Titel vollstrecken zu lassen, möge doch der Betroffene sich dann erst einmal dagegen wehren. Ohne das Kostenrisiko der Leistungsklage und der Widerklage tragen zu müssen, gestattet man ihm so, die begründete Drittwiderspruchsklage unbegründet zu machen. Umgekehrt muss der Dritte selbst eine Zwischenfeststellungsklage (§ 256 Abs. 2) erheben, will er vermeiden, dass der Beklagte zwar mit seiner Einwendung im Rahmen der Drittwiderspruchsklage nicht durchdringt, dann aber in einem erneuten Verfahren auf Leistung des Dritten klagt, um sich einen Vollstreckungstitel zu beschaffen. Die fehlende Rechtshängigkeits- und Rechtskraftsperre ist der Preis dafür, dass die h.M. diese Einwendung im Rahmen einer Drittwiderspruchsklage zulässt, ohne dass der Beklagte im Rahmen einer Widerklage die Verurteilung des Dritten zur Leistung begehren muss. Sie begnügt sich der Sache nach mit einer verdeckten Widerklage.231 Die überzeugenderen Gründe sprechen daher dafür, dass der Vollstreckungsgläubiger den Einwand der schuldrechtlichen Mithaftung mit einer Widerklage gegen die Drittwiderspruchsklage geltend machen muss.

57 c) Einwand wirtschaftlicher Identität. Der Einwand, zwischen dem Schuldner und dem Dritten bestehe eine „wirtschaftliche Identität“ gibt für sich genommen noch keine Einwendung gegen das Interventionsrecht.232 Das gilt insbesondere auch bei konzernverbundenen Gesellschaften, bei unterkapitalisierten Gesellschaften und bei Ein-Mann-Gesellschaften. Denn rechtlich handelt es sich um getrennte Vermögensmassen, die vor allem verschiedenen Gläubigern haften sollen.233 223 224 225 226 227 228

MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 771 Rdn. 48; BeckOK/Preuß § 771 Rdn. 36. Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 41 Rdn. 147. Baur/Stürner/Bruns Rdn. 46.20. BeckOK/Preuß § 771 Rdn. 37. Baur/Stürner/Bruns Rdn. 46.20; MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 771 Rdn. 50. Vgl. Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Raebel/Thole § 771 Rdn. 42; Brox/Walker § 45 Rdn. 72 (sogar explizit für den Gesellschafter einer oHG); BeckOK/Preuß § 771 Rdn. 38. 229 Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Raebel/Thole § 771 Rdn. 42. 230 So in der Tat Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 41 Rdn. 154. 231 So auch MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 771 Rdn. 50. 232 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 771 Rdn. 51; vgl. dazu auch BGHZ 156, 310, 314 ff. 233 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 771 Rdn. 51. Spohnheimer

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Abschnitt 1. Allgemeine Vorschriften

§ 771

Allenfalls wenn eine materiellrechtliche Haftung für die Verbindlichkeit begründet ist, kann die Klage abzuweisen sein.234

d) Einwand unzulässiger Rechtsausübung. Der Beklagte kann dem Dritten den Einwand un- 58 zulässiger Rechtsausübung entgegenhalten, wenn er den Gläubiger bewusst über die Vermögenszugehörigkeit des Vollstreckungsgegenstandes getäuscht hat.235 Das kann darauf beruhen, dass er das ausdrücklich erklärt hat, oder aber darauf, dass die Vermögensverhältnisse zwischen zwei Rechtssubjekten bewusst und gezielt verschleiert wurden, um sich mithilfe einer Drittwiderspruchsklage der Vollstreckung zu entziehen.236 Der Beklagte kann dem Dritten entgegenhalten, dass er sein Angebot, die noch offene Forderung im Falle einer Sicherungstreuhand zu begleichen, nicht angenommen hat.237 VI. Entscheidung 1. Tenor Der Tenor orientiert sich am Antrag (s. Rdn. 40): Das Gericht erklärt die Zwangsvollstreckung aus 59 dem (bestimmt zu bezeichnenden) Titel in einen (bestimmt zu bezeichnenden) Gegenstand für unzulässig. Das Urteil ist, obwohl es sich um ein Gestaltungsurteil handelt, im Hinblick auf § 775 Nr. 1 auch im Hauptausspruch nach den Regeln der §§ 708 ff. für vorläufig vollstreckbar zu erklären.238 Legt der Gläubiger das für vorläufig vollstreckbar erklärte Urteil dem Vollstreckungsorgan vor, ist die Zwangsvollstreckung in den betreffenden Gegenstand einzustellen. Bereits getroffene Vollstreckungsmaßnahmen sind gem. § 776 aufzuheben. Das ist bei der Bemessung der Sicherheitsleistung zu berücksichtigen.239

2. Kostenentscheidung Die Kostenentscheidung folgt den §§ 91 ff. Insbesondere findet § 93 Anwendung. Danach sind die 60 Kosten des Rechtsstreits dem Kläger aufzuerlegen, wenn der Beklagte sofort anerkennt und nicht Veranlassung zur Klage gegeben hat. Pauschale Einschätzungen kann es nicht geben. Es muss vielmehr auf die Umstände des Einzelfalles ankommen. Je substantiierter der Dritte sein Interventionsrecht behauptet, desto eher kann man vom Gläubiger eine Freigabe der gepfändeten Sache erwarten. Weil der Gläubiger die Vermögensverhältnisse nicht kennt und in der Regel sogar Vermu- 61 tungen dafür streiten, dass der Gegenstand zum Vermögen des Schuldners gehört, gibt er durch die Pfändung alleine regelmäßig noch nicht Veranlassung zur Klageerhebung.240 Der Gläubiger muss einer bloßen Behauptung eines Interventionsrechts und einer bloßen Aufforderung, eine gepfändete Sache freizugeben, regelmäßig nicht nachkommen, um im späteren Prozess der Kostentragungspflicht zu entgehen.241 Deshalb hat er nicht schon deshalb durch sein Verhalten Veranlassung zur Klage gegeben, wenn er einem solchen Freigabeverlangen nicht nachkommt. Er234 235 236 237 238 239 240 241 415

MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 771 Rdn. 51. OLG München HRR 1931 Nr. 2; MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 771 Rdn. 52. MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 771 Rdn. 52. Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 41 Rdn. 151. Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 41 Rdn. 158. Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Raebel/Thole § 771 Rdn. 50. Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 41 Rdn. 167; vgl. auch Leuschner AcP 207 (2007) 64, 75 ff., 99 ff. OLGR Köln 1992, 248. Spohnheimer

§ 771

Achtes Buch – Zwangsvollstreckung

forderlich ist vielmehr, dass der Dritte die Grundlagen seines Interventionsrechts substantiiert darlegt und sie so belegt, dass der Gläubiger sich selbst ein Urteil bilden kann.242 Welche Anforderungen an die Substantiierung zu stellen sind, hängt wiederum vom Einzelfall ab. Streiten gesetzliche Vermutungen gegen den Dritten, kann das die Substantiierungslast erhöhen.243 Den Gläubiger kann aber Durchaus eine Obliegenheit zum Nachfragen treffen.244 Unterlässt er das, kann das ebenfalls dazu führen, dass er Veranlassung zur Klageerhebung gegeben hat. Erforderlichenfalls muss der Gläubiger dem Dritten eine angemessene Zeit geben, in der dieser – sofern er ausreichend gesichert ist – sein Interventionsrecht belegen kann.245 Dazu kann auch gehören, dass beglaubigte Abschriften oder Ablichtungen von Urkunden vorgelegt werden.246 Eidesstattlichen Versicherungen kommt hingegen nur eine geringe Nachweiskraft zu.247 In jedem Fall muss der Dritte dem Gläubiger vor Klageerhebung noch eine angemessene Frist zur Prüfung belassen.248 Wie lange der Gläubiger sofort anerkennen kann, bestimmt sich maßgeblich danach, wann 62 das Interventionsrecht substantiiert und belegt wurde. Geschah das in der Klageschrift, kann auch nach Zustellung der Klageschrift noch sofort anerkannt werden.249 Ein sofortiges Anerkenntnis kann aber selbst dann noch in Betracht kommen, wenn bereits eine Beweisaufnahme stattgefunden hat, wenn das Interventionsrecht zuvor nicht hinreichend nachgewiesen wurde.250 Man wird als Faustregel sagen können, dass der Beklagte spätestens dann anerkennen muss, wenn der Dritte sein Interventionsrecht in einer Weise dargetan hat, dass die Vollstreckung außerprozessual eine Klageveranlassung durch den Gläubiger begründet hätte.251

3. Rechtsbehelfe 63 Gegen das Urteil finden die allgemeinen Rechtsbehelfe (Berufung, Revision, Einspruch) statt.

4. Rechtskraft. Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung und Einstellung 64 Wird der Drittwiderspruchsklage stattgegeben, ist die Zwangsvollstreckung mit Eintritt der Rechtskraft unzulässig. Damit ist nicht zu verwechseln, dass es für eine Einstellung bzw. Beschränkung der Zwangsvollstreckung nach § 775 Nr. 1 und die Aufhebung bereits getroffener Maßnahmen (§ 776) ausreichend ist, dass die Entscheidung für vorläufig vollstreckbar erklärt ist. Für das Vollstreckungsorgan beachtlich ist die Entscheidung allerdings erst, wenn sie ihm vorgelegt wird. Werden zwischen Erlass des Urteils und Vorlage der Entscheidung Vollstreckungsmaßnahmen getroffen, sind diese aufzuheben (s. § 775 Rdn. 28). Das Urteil entscheidet zwischen den Parteien rechtskräftig über die Zulässigkeit bzw. Unzuläs65 sigkeit der Zwangsvollstreckung in den Gegenstand bezogen auf den der Intervention zugrundeliegenden Lebenssachverhalt. Wird der Drittwiderspruchsklage stattgegeben, steht fest, dass die

242 243 244 245 246

OLG Düsseldorf NJW-RR 1998, 790 f. OLG Bremen, Beschl. v. 22.5.1989 – 2 W 122/88. OLG München VersR 1993, 497. Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Raebel/Thole § 771 Rdn. 49. LG Wuppertal JurBüro 2014, 440; einfache Kopie nicht ausreichend: OLG München, Beschl. v. 26.1.1990 – 25 W 3441/89. 247 OLG Düsseldorf InVo 1998, 194; ähnlich OLG Stuttgart Justiz 1974, 182. 248 OLG München, Beschl. v. 26.1.1990 – 25 W 3441/89. 249 LG Wuppertal JurBüro 2014, 440, 441. 250 OLG Düsseldorf InVo 1998, 194; OLG Düsseldorf NJW-RR 1998, 790, 791. 251 Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 41 Rdn. 171. Spohnheimer

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Vollstreckung aus diesem Titel in den betroffenen Gegenstand dem Dritten gegenüber materiell unrechtmäßig ist.252 Diese Entscheidung bindet Gericht und Parteien in einem späteren Prozess über Bereicherungs- oder Schadensersatzansprüche wegen unberechtigter Vollstreckung in eine schuldnerfremde Sache. Über die weiteren Voraussetzungen dieser Ansprüche ist indessen noch nicht rechtskräftig entschieden worden.253 Die stattgebende Entscheidung bindet aber auch die Vollstreckungsorgane. Aus ihr folgt, dass auch eine erneute Zwangsvollstreckung desselben Gläubigers mit demselben Titel in denselben Gegenstand rechtswidrig ist, solange sich nicht die Rechtszuordnung ändert.254 Sie ist von den Vollstreckungsorganen zu beachten. Vollstreckt der Gläubiger dennoch in denselben Gegenstand, ist das erkennende Gericht bei einer erneuten Drittwiderspruchsklage hieran gebunden. Hat sich die Rechtszuordnung geändert, kann der Gläubiger aber – ohne einen Rechtsbehelf gegen das vorherige Urteil einlegen zu müssen – die Zwangsvollstreckung erneut betreiben, indem er einen neuen Vollstreckungsauftrag erteilt.255 Mit dem Urteil steht aber nicht rechtskräftig fest, dass das die Intervention begründende Recht zugunsten des Gläubigers besteht. Dafür bedarf es einer Zwischenfeststellungsklage (§ 256 Abs. 2). Wird die Drittwiderspruchsklage abgewiesen, steht fest, dass die Zwangsvollstreckung im 66 Hinblick auf den vorgetragenen Lebenssachverhalt nicht unzulässig, sondern materiell zulässig ist.256 Insoweit kann der Dritte auch mit einer Schadensersatz- oder Bereicherungsklage nicht erfolgreich durchdringen. Das nachfolgende Gericht ist an die vorausgegangene Entscheidung gebunden. Der Kläger kann aber einen weiteren Lebenssachverhalt vortragen, der ihn zur Intervention berechtigen würde. Dass ein die Veräußerung hinderndes Recht dem Kläger nicht zusteht, stellt die Entscheidung nicht rechtskräftig fest, denn es handelt sich um ein Element der Begründung.257 Soll darüber rechtskräftig entschieden werden, muss eine Zwischenfeststellungsklage gem. § 256 Abs. 2 erhoben werden.258

5. Streitwert, Gebühren Der Streitwert der Drittwiderspruchsklage bestimmt sich grundsätzlich nach dem Wert der For- 67 derung, für die die Sache, an der ein die Veräußerung hinderndes Recht geltend gemacht wird, gepfändet wird (§§ 3 Abs. 1 GKG, 6 S. 1 ZPO).259 Abzustellen ist auf den Wert der Forderung, der im Zeitpunkt der Klageerhebung noch offen ist (§§ 3 Abs. 1 GKG, 4 Abs. 1 ZPO).260 Wegen §§ 3 Abs. 1 GKG, 4 Abs. 1 a.E. ZPO bleiben Zinsen und Kosten unberücksichtigt.261 Ist der Wert der gepfändeten Sache geringer, ist er maßgebend (§§ 3 Abs. 1 GKG, 6 S. 2 ZPO). Richtet sich die Drittwiderspruchsklage gegen mehrere Beklagte, werden die Streitwerte zusammengerechnet (§§ 3 Abs. 1 GKG, 5, 1. Hs. ZPO).262 Im Falle einer Teilungsversteigerung bemisst sich der Streitwert nicht nach

252 253 254 255 256

MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 771 Rdn. 80; Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Raebel/Thole § 771 Rdn. 4. MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 771 Rdn. 80. MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 771 Rdn. 80; Blomeyer VV § 35 VI; a.A. Müller DGVZ 1976, 1, 5. MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 771 Rdn. 80; a.A. Münzberg/Brehm, FS Baur, 517, 530. Zu weitgehend Prütting/Weth JuS 1988, 505, 507; BGHZ 158, 286, 293 und Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Raebel/ Thole § 771 Rdn. 5 (jeweils ohne Bezug zum zugrundeliegenden Lebenssachverhalt). 257 Gaul FG 50 Jahre BGH III, 521, 533; a.A. MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 771 Rdn. 81. 258 BeckOK/Preuß § 771 Rdn. 53; Gaul FG 50 Jahre BGH III, 521, 533. 259 H.M.; statt vieler etwa MünchKomm/Wöstmann § 6 Rdn. 16; Zöller/Herget § 6 Rdn. 7; Thomas/Putzo/Seiler § 771 Rdn. 25; Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Raebel/Thole § 771 Rdn. 52; Lackmann/Racz Rdn. 617. 260 OLG Schleswig JurBüro 1957, 179; Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Raebel/Thole § 771 Rdn. 52. 261 BGH WM 1983, 246; OLGR Düsseldorf 1991 Nr. 5, 13, 16; Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Raebel/Thole § 771 Rdn. 52; a.A. LG Stuttgart ZZP 72 (1959) 327. 262 OLG München JurBüro 1989, 848; Thomas/Putzo/Seiler § 771 Rdn. 25; a.A. noch OLG München MDR 1977, 935 (gesonderte Festsetzung in Höhe der jeweiligen Vollstreckungsforderung). 417

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§ 772

Achtes Buch – Zwangsvollstreckung

§ 6, sondern nach § 3. Entscheidend ist das Interesse, dass die Gemeinschaft am Grundstück erhalten bleibt und keine Verschleuderung stattfindet.263 68 Die Gerichtsgebühren bestimmen sich nach Nr. 1210 ff. GKG-KV, die Anwaltsgebühren richten sich nach Ziff. 3100 ff. RVG-VV. Bei einstweiligen Anordnungen gem. §§ 771 Abs. 3, 769 fallen keine Gerichtskosten an. Sie sind Teil des anhängigen oder noch anhängig zu machenden Hauptsacheverfahrens. Die Rechtsanwaltsgebühren richten sich nach Ziff. 3309 RVG-VV.

§ 772 Drittwiderspruchsklage bei Veräußerungsverbot 1 Solange ein Veräußerungsverbot der in den §§ 135, 136 des Bürgerlichen Gesetzbuchs bezeichneten Art besteht, soll der Gegenstand, auf den es sich bezieht, wegen eines persönlichen Anspruchs oder aufgrund eines infolge des Verbots unwirksamen Rechts nicht im Wege der Zwangsvollstreckung veräußert oder überwiesen werden. 2Auf Grund des Veräußerungsverbots kann nach Maßgabe des § 771 Widerspruch erhoben werden.

Schrifttum Behr Auswirkungen des Konkursverfahrens auf laufende Einzelvollstreckung, DGVZ 1977, 49; Gerhardt Absolute und relative Unwirksamkeit als rechtliches Steuerungsinstrument im Insolvenzfall, FS Flume I (1978), 527; Paulus Schranken des Gläubigerschutzes aus relativer Unwirksamkeit, FS Nipperday I (1965), 909; Ruhwedel Grundlagen und Rechtswirkungen sogenannter relativer Verfügungsverbote, JuS 1980, 161; Weimar Relatives Veräußerungsrecht, MDR 1969, 202.

Übersicht I.

Inhalt und Zweck der Regelung

1

II.

Erfasste Verfügungsverbote

III. 1. 2.

Verwertungsverbot (S. 1) 5 Reichweite des Verwertungsverbots Gelenktes Ermessen des Vollstreckungsorgans bei 6 einer Verwertung

IV. 1.

3 2. 3.

Drittwiderspruchsklage (S. 2) Statthaftigkeit der Drittwiderspruchsklage und 10 Verfahren Drittwiderspruchsklage als ausschließlicher 11 Rechtsbehelf Wegfall des Verfügungsverbots nach Rechts12 kraft

I. Inhalt und Zweck der Regelung 1 Zum Schutz bestimmter Personen ordnen die §§ 135, 136 BGB an, dass bestimmte Verfügungen,1 die über einen Gegenstand getroffen werden, diesen Personen gegenüber unwirksam sind (sog. relative Verfügungsverbote). Auch wenn hier im Einzelnen Vieles streitig ist,2 kann der Veräußerer im Ergebnis gegenüber dem Geschützten abermals als Berechtigter verfügen und so die erste Verfügung unwirksam machen.3 Dem Fall einer rechtsgeschäftlichen Verfügung stellt § 135 Abs. 1 S. 2 BGB die Verfügung gleich, die im Zwangsvollstreckungsverfahren oder bei der Arrestvollziehung erfolgt. Daher sind Pfändungen des Vollstreckungsorgans auch bei einem bestehenden relati263 OLGR Karlsruhe 2004, 229. 1 Der in den §§ 135, 136 BGB bzw. in § 772 verwandte Begriff des Veräußerungsverbots ist zu eng (h.M.); vgl. Flume AT II § 17 6a; Bülow JuS 1994, 1, 2; Neuner § 55 Rdn. 26.

2 Vgl. hierzu ausf. Staudinger/Kohler (2021) § 135 Rdn. 91 ff. 3 Grüneberg/Ellenberger § 136 Rdn. 7. Spohnheimer https://doi.org/10.1515/9783110443158-056

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ven Verfügungsverbot zulässig und wirksam; das Vollstreckungsorgan ist zur Pfändung sogar verpflichtet. Doch kann sich der von einem Verfügungsverbot Geschützte darauf berufen, dass die Pfändung ihm gegenüber unwirksam ist.4 Damit besteht ihm gegenüber kein wirksames Pfändungspfandrecht.5 Doch besteht die Gefahr, dass ein Dritter die Sache in der Vollstreckung durch Hoheitsakt lastenfrei erwirbt.6 § 772 ergänzt diesen Schutz: S. 1 bestimmt, dass ein Gegenstand, der von einem Verfügungs- 2 verbot nach §§ 135, 136 BGB erfasst wird, im Wege der Zwangsvollstreckung wegen eines persönlichen Anspruchs oder eines infolge des Verbots unwirksamen Rechts nicht veräußert oder überwiesen werden soll. Damit profitiert zum einen der von einem Verfügungsverbot Geschützte, dessen Rechtsposition nicht vereitelt wird. Es profitiert aber (mittelbar) auch der Schuldner, weil unter diesen Voraussetzungen regelmäßig nur ein geringeres Gebot zu erzielen ist, was nicht in seinem Interesse ist.7 S. 2 normiert, dass der von einem relativen Verfügungsverbot Geschützte zu einer Drittwiderspruchsklage berechtigt ist.

II. Erfasste Verfügungsverbote § 772 greift ein, wenn ein relatives Verfügungsverbot nach §§ 135, 136 BGB vorliegt. Kennzeich- 3 nend für sie ist, dass sie nur den Schutz bestimmter Personen bezwecken. Gesetzliche, relativ wirkende Verfügungsverbote i.S.v. § 135 BGB sind selten.8 Häufiger sind die gerichtlichen oder behördlichen Verfügungsverbote i.S.v. § 136 BGB. Sie umfassen insbesondere auch die aufgrund gerichtlicher einstweiliger Verfügungen ergangenen Verfügungsverbote (§§ 935, 940, 938 Abs. 2).9 Von § 772 erfasst wird auch ein Verfügungsverbot nach § 111d StPO.10 Nicht erfasst werden die absolut wirkenden Verfügungsverbote (§ 134 BGB)11 und die – prak- 4 tisch bedeutsameren – rechtsgeschäftlich vereinbarten Verfügungsverbote, die unter § 137 BGB fallen. Auch die Verfügungsverbote nach § 81 InsO bzw. §§ 21 Abs. 2 Nr. 2, 24 Abs. 1, 81 InsO sind keine Anwendungsfälle von § 772.12 Gleiches gilt für durch Pfändung entstehende Verfügungsverbote, denn das Gesetz lässt mehrfache Pfändungen ausdrücklich zu (vgl. nur §§ 826, 853).13 Ebenso wenig fallen als absolute Verfügungsverbote die Fälle der §§ 1365 BGB (Verfügung des Ehegatten über das Vermögen als Ganzes),14 1369 BGB (Verfügung des Ehegatten über Haushaltsgegenstände) und § 2211 BGB (Verfügungsbeschränkung im Falle einer Testamentsvollstreckung)15 in den Anwendungsbereich von § 772.16 Auch das vertragliche Abtretungsverbot (§§ 399, 2. Alt., 413 BGB) fällt nicht hierunter.17 Weil die Vormerkung oder ein Widerspruch weder eine Verfügungssperre

4 MünchKomm-BGB/Armbrüster § 135 Rdn. 44. 5 Neuner § 55 Rdn. 31. 6 Stein/Jonas/Münzberg § 772 Rdn. 10; MünchKomm-BGB/Armbrüster § 135 Rdn. 51; Neuner § 55 Rdn. 32 f. jew. mit Nachweisen zum Meinungsstand, ob § 135 Abs. 2 BGB auf den vollstreckungsrechtlichen Erwerb Anwendung findet.

7 Hahn/Mudgan Band VIII S. 144. 8 Grüneberg/Ellenberger §§ 135, 136 Rdn. 3; MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 772 Rdn. 4; Neuner § 55 Rdn. 27; Flume AT II § 17 6c.

9 Neuner § 55 Rdn. 28; Flume AT II § 17 6c. 10 OLG Frankfurt, Urt. v. 27.4.2000 – 26 W 169/99; Prütting/Gehrlein/Scheuch § 772 Rdn. 4. 11 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 772 Rdn. 6. 12 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 772 Rdn. 7. Anderes galt für die abgelöste Regelung in § 106 KO. 13 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 772 Rdn. 13; Stein/Jonas/Münzberg § 772 Rdn. 2; Schuschke/Walker/Kessen/ Thole/Raebel/Thole § 772 Rdn. 3.

14 Grüneberg/Siede § 1365 Rdn. 1. 15 MünchKomm-BGB/Zimmermann § 2211 Rdn. 2; BeckOK-BGB/Lange § 2211 Rdn. 2; Schuschke/Walker/Kessen/Thole/ Raebel/Thole § 772 Rdn. 1.

16 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 772 Rdn. 7. 17 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 772 Rdn. 8. 419

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§ 772

Achtes Buch – Zwangsvollstreckung

begründet noch ein die Veräußerung hinderndes Recht i.S.v. § 771 darstellt, fallen auch sie nicht unter § 772.18

III. Verwertungsverbot (S. 1) 1. Reichweite des Verwertungsverbots 5 § 772 S. 1 richtet sich nur gegen die Veräußerung oder Überweisung eines Gegenstandes. Die Zwangsvollstreckung in den Gegenstand ist nicht schlechthin unzulässig. Das Vollstreckungsorgan kann und muss den Gegenstand pfänden. Möglich bleiben von vornherein auch die Anordnung der Zwangsversteigerung – nicht aber ihre Durchführung – und eine Zwangsverwaltung. Der Gegenstand, auf den sich das relative Verfügungsverbot bezieht, soll aber nicht durch Versteigerung, Eigentumszuweisung an den Gläubiger oder freihändigen Verkauf verwertet werden, oder, im Falle einer Forderung oder eines sonstigen Rechts, gem. §§ 835, 857 überwiesen werden.19 Denn dann bestünde wegen der Möglichkeit einer schuldbefreienden Leistung gem. § 408 Abs. 2 BGB die Gefahr eines Rechtsverlusts.

2. Gelenktes Ermessen des Vollstreckungsorgans bei einer Verwertung 6 Die h.M. liest § 772 S. 1 – jedenfalls im Ergebnis20 – derart, dass eine Verwertung unterbleiben muss, wenn ein relatives Verfügungsverbot besteht.21 Verstößt das Vollstreckungsorgan gegen dieses Verbot, soll es seine Amtspflicht verletzen.22 Das müsste in letzter Konsequenz gar zu Amtshaftungsansprüchen führen. Alledem trägt aber schon der Wortlaut der Norm nicht hinreichend Rechnung. Denn das Nicht-Sollen wird so im Ergebnis als ein Nicht-Dürfen interpretiert.23 Noch am ehesten ließe sich eine solche Lesart aus den Gesetzesmaterialen begründen. Denn hier ist davon die Rede, dass eine „Veräußerung oder Überweisung überhaupt nicht stattfinden soll“.24 Doch kann man daraus nicht mit letzter Gewissheit herleiten, dass tatsächlich ein Nicht-Dürfen gemeint ist. Ohnehin erscheint es zweifelhaft, ob eine Äußerung des Gesetzgebers in den Materialien einen eindeutigen Wortlaut des Gesetzes überwinden kann. Doch streiten noch stärkere Argumente gegen die Sichtweise der h.M., wenn man § 772 S. 1 in den Kontext anderer vollstreckungsrechtlicher Ordnungsvorschriften stellt. Denn dürfte das Vollstreckungsorgan keinesfalls verwerten, wenn ein relatives Veräußerungsverbot besteht, würde das sonst geltende Prinzip der Formalisierung des Vollstreckungsverfahrens und das Gebot der Schlagkraft des Vollstreckungsverfahrens erheblich durchbrochen. Überdies wäre es widersprüchlich, wäre bestehendes und sogar absolut wirkendes Dritteigentum vom Vollstreckungsorgan nicht zu beachten, wohl aber das schwächere und nur relativ wirkende Verfügungsverbot nach §§ 135, 136 BGB. Ähnlich schwer wiegen systematische Bedenken: Die h.M. interpretiert § 772 S. 1 als eine durch und durch formelle Vorschrift des Vollstreckungsrechts. Doch steht die Regel in unmittelbarer systematischer Nähe zu den vollstreckungsrechtlichen Rechtsbehelfen und auch die mittlerweile amtlich gewordene Überschrift spricht von der Drittwiderspruchsklage bei Veräußerungsverbot. Sie rückt also den Rechtsbe18 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 772 Rdn. 10; Stein/Jonas/Münzberg § 772 Rdn. 4. 19 Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Raebel/Thole § 772 Rdn. 3. 20 So etwa Zöller/Herget § 772 Rdn. 2 f., der zwar ausdrücklich darauf hinweist, dass es sich um eine Soll-Vorschrift handelt, doch soll der Betroffene zugleich befugt sein, den Verstoß mit einer Vollstreckungserinnerung geltend zu machen. 21 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 772 Rdn. 15; Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Raebel/Thole § 772 Rdn. 4; Musielak/Voit/Lackmann § 772 Rdn. 2. 22 Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Raebel/Thole § 772 Rdn. 4. 23 Insoweit auch kritisch Zöller/Herget § 772 Rdn. 2. 24 Hahn/Mugdan Band VIII S. 144. Spohnheimer

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§ 772

helf und nicht etwa das Vollstreckungsverbot in den Vordergrund. Doch wäre genau das nach der Deutung der h.M. das Entscheidende – der Rechtsbehelf wäre nur eine mögliche Folge eines Verstoßes. Schließlich führt die Einordnung von § 772 S. 1 als eine reine Ordnungsvorschrift ohne erkennbaren Bezug zu § 772 S. 2 dazu, dass man jedenfalls dem vom Verfügungsverbot Geschützten ohne Weiteres die Möglichkeit einer Vollstreckungserinnerung an die Hand gibt, mit der er den Verstoß gegen § 772 S. 1 geltend machen kann.25 Doch führt das von vornherein zu einer Verdoppelung möglicher Rechtsbehelfe, unter denen der Betroffenen wählen können soll.26 Das kann nach der Konzeption des Gesetzes so nicht gewollt sein. Die besseren Gründe sprechen daher dafür, § 772 S. 1 als eine Vorschrift zu interpretieren, die 7 dem Vollstreckungsorgan Ermessen gibt und zugleich bestimmt, wie dieses (gelenkte) Ermessen regelmäßig auszuüben ist: Der Gegenstand soll regelmäßig nicht veräußert oder überwiesen werden. Damit ist § 772 S. 1 nichts anderes als die Fortschreibung von § 772 S. 2: Das Vollstreckungsorgan kann und soll von einer Verwertung absehen, sodass der betroffene Dritte nicht in jedem Fall auf eine Drittwiderspruchsklage verwiesen wird. Der Grundsatz, dass materielle Rechte nur nach vorheriger gerichtlicher Geltendmachung zu beachten sind, wird insoweit gelockert als dem Vollstreckungsorgan ein Ermessen eingeräumt wird, auch ohne gerichtliche Entscheidung von der Verwertung abzusehen. Weil aber eine solche Ermessensentscheidung des Vollstreckungsorgans regelmäßig nicht 8 überprüfbar ist, kommt eine Vollstreckungserinnerung nicht in Betracht – weder eine solche des vom Verfügungsverbot Geschützten noch eine solche des Schuldners. Dann behält zugleich auch § 772 S. 2 ZPO einen eigenständigen Gehalt, der dem vom Verfügungsverbot Geschützten die Drittwiderspruchsklage ermöglicht. So interpretiert, fügt sich § 772 S. 2 auch in die Gesamtkonzeption ein: Denn die Drittwiderspruchsklage ist regelmäßig statthafter Rechtsbehelf, wenn dem Dritten ein die Veräußerung hinderndes Recht zusteht, das das Vollstreckungsorgan aber grundsätzlich nicht zu beachten hat bzw. gar nicht beachten darf (vgl. hierzu § 771 Rdn. 1). Und hier schließt sich dann der Kreis: Das relative Verfügungsverbot ist kein die Veräußerung hinderndes Recht, sodass § 772 S. 2 diese Lücke schließt. Lehnt das Vollstreckungsorgan eine Verwertung unter Verweis auf ein bestehendes Verfü- 9 gungsverbot ab, kann der Gläubiger die Vollstreckungserinnerung nach § 766 Abs. 2 bzw. sofortige Beschwerde nach § 793 erheben.27

IV. Drittwiderspruchsklage (S. 2) 1. Statthaftigkeit der Drittwiderspruchsklage und Verfahren Nach § 772 S. 2 kann der von einem Verfügungsverbot Geschützte seine Rechtsposition mit einer 10 Drittwiderspruchsklage geltend machen. Er kann aber – anders als bei § 771 – nicht einer Zwangsvollstreckung in den Gegenstand schlechthin widersprechen, sondern nur seiner Verwertung durch Veräußerung oder Überweisung.28 Das muss sich dann auch in Antrag und Tenor einer erfolgreichen Drittwiderspruchsklage spiegeln. Im Übrigen folgt die Drittwiderspruchsklage den allgemeinen Regeln von § 771. Insbesondere können einstweilige Anordnungen nach § 771 Abs. 3 getroffen werden.29 25 So die h.M.; Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Raebel/Thole § 772 Rdn. 5; MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 772 Rdn. 19; BeckOK/Preuß § 772 Rdn. 9; Stein/Jonas/Münzberg § 772 Rdn. 11; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 41 Rdn. 123. 26 Stein/Jonas/Münzberg § 772 Rdn. 11 f.; BeckOK/Preuß § 772 Rdn. 9; MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 772 Rdn. 22; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 41 Rdn. 123. 27 Stein/Jonas/Münzberg § 772 Rdn. 16; Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Raebel/Thole § 772 Rdn. 5. 28 Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 41 Rdn. 115. 29 OLG Naumburg, Urt. v. 26.3.2007 – 10 U 72/06. 421

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Achtes Buch – Zwangsvollstreckung

2. Drittwiderspruchsklage als ausschließlicher Rechtsbehelf 11 Die h.M. gewährt dem vom Verfügungsverbot Geschützten neben der Drittwiderspruchsklage auch eine Vollstreckungserinnerung.30 Zudem soll nach überwiegender Ansicht auch der Schuldner erinnerungsbefugt sein.31 Beides überzeugt nicht.32 Nach der hier vertretenen Lesart von § 772 S. 1 scheidet eine Vollstreckungserinnerung von vornherein aus (s. Rdn. 8). Überdies müsste sich die Gegenansicht die Frage stellen, ob nicht in § 772 S. 2 mit der Drittwiderspruchsklage ein Rechtsbehelf angeordnet wird – der bei erkennbar gleichem Rechtsschutzziel – eine Vollstreckungserinnerung in seinem Anwendungsbereich verdrängt. Denn dass die Norm dem Betroffenen von vornherein ein Wahlrecht zwischen zwei Rechtsbehelfen gewähren will, scheint nicht einsichtig. Den Schuldner ebenfalls für erinnerungsbefugt zu halten, trägt zwar der Idee des historischen Gesetzgebers Rechnung, den Schuldner davor zu schützen, dass sich bei einem bestehenden Verfügungsverbot nur ein geringer Vollstreckungserlös erzielen lässt (s. Rdn. 2). Doch widerspricht das schon der Konzeption von §§ 135, 136 BGB: Das Veräußerungsverbot ist von demjenigen geltend zu machen, den es schützen will, und nur er kann sich darauf berufen.33 Deshalb kann das Interesse des Schuldners an einem möglichst hohen Erlös allenfalls ein mittelbar geschütztes sein.

3. Wegfall des Verfügungsverbots nach Rechtskraft 12 Viele der von §§ 135, 136 BGB erfassten Veräußerungsverbote sind dadurch gekennzeichnet, dass sie nur vorübergehend Geltung beanspruchen.34 Wurde die Verwertung durch eine Drittwiderspruchsklage für unzulässig erklärt, ist fraglich, ob die Rechtskraft dieser Entscheidung einer Verwertung entgegensteht und wie das Vollstreckungsorgan zur Verwertung anzuhalten ist, wenn der Dritte ihr nicht zustimmt. Nach der wohl h.M. soll der Gläubiger, die Wirkungen einer erfolgreichen Drittwiderspruchsklage mit Hilfe einer Abwehrklage analog § 767 beseitigen können.35 Nach a.A. soll das Urteil nach §§ 772, 771 stillschweigend eine auflösende Bedingung enthalten, sodass der Fortfall des Verfügungsverbots ipso iure wirke, was im Rahmen einer Vollstreckungserinnerung nach § 766 Abs. 2 oder einer Feststellungsklage überprüft werden könne.36 Beides ist gleichermaßen unbefriedigend. Eine Analogie zu § 767 erscheint fragwürdig, weil es schon an einer vergleichbaren Interessenlage fehlt. Die Vollstreckungsgegenklage richtet sich ihrer Zielrichtung nach gegen die Vollstreckung (aus einem Titel), es geht also darum die Zwangsvollstreckung abzuwenden (vgl. § 767 Rdn. 1, 6). Das Urteil, das auf eine Drittwiderspruchsklage hin die Zwangsvollstreckung für unzulässig erklärt, schafft zudem keinen Vollstreckungstitel gegen den man sich wenden müsste; etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass es im Hinblick auf § 775 Nr. 1 für vorläufig vollstreckbar erklärt wird. Das ist das Gegenteil dessen, was begehrt wird, nämlich dass die Zwangsvollstreckung in einen Gegenstand wieder aufgenommen werden soll. Umgekehrt erscheint es einleuchtend, dass ein Urteil nur so lange Geltung beanspruchen soll und will, wie 30 OLG Frankfurt, Urt. v. 27.4.2000 – 26 W 169/99; Stein/Jonas/Münzberg § 772 Rdn. 11; MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 772 Rdn. 19; Musielak/Voit/Lackmann § 772 Rdn. 3; Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Raebel/Thole § 772 Rdn. 5; Prütting/Gehrlein/Scheuch § 772 Rdn. 6; Staudinger/Kohler (2021) § 135 Rdn. 126; Ruhwedel JuS 1980, 161, 166; Bülow JuS 1994, 1, 3. 31 Prütting/Gehrlein/Scheuch § 772 Rdn. 6; Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Raebel/Thole § 772 Rdn. 5; MünchKomm/ K. Schmidt/Brinkmann § 772 Rdn. 19; Musielak/Voit/Lackmann § 772 Rdn. 3; BeckOK/Preuß § 772 Rdn. 10; a.A. Stein/Jonas/Münzberg § 772 Rdn. 11; zweifelnd OLG Frankfurt, Urt. v. 27.4.2000 – 26 W 169/99. 32 Wieczorek/Schütze/Salzmann3 § 772 Rdn. 7. 33 MünchKomm-BGB/Armbrüster § 135 Rdn. 2. 34 Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Raebel/Thole § 772 Rdn. 3. 35 Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Raebel/Thole § 772 Rdn. 7; BeckOK/Preuß § 772 Rdn. 12; Prütting/Gehrlein/Scheuch § 772 Rdn. 9; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 41 Rdn. 122. 36 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 772 Rdn. 21. Spohnheimer

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§ 773

das Verfügungsverbot besteht. Nichtsdestotrotz ist die Vollstreckungserinnerung nicht der richtige Rechtsbehelf. Mit ihr wird geltend gemacht, dass das Vollstreckungsorgan bei der Zwangsvollstreckung formelles Verfahrensrecht verletzt hat. Das wird man allenfalls annehmen können, wenn man auf eine entsprechende Tenorierung verzichtet.37 Dann müsste das Vollstreckungsorgan eine stillschweigende auflösende Bedingung in die Entscheidung hineinlesen. Das überzeugt aber nicht, weil man dem Vollstreckungsorgan dann die Prüfung einer vielfach nicht leicht zu beantwortenden Frage aufbürdet.38 Deshalb erscheint es vorzugswürdig, dass die auflösende Bedingung in den Tenor aufgenommen werden muss. Fehlt sie, wird man zwar mit einer stillschweigenden Bedingung arbeiten können; doch wird man dem Gläubiger abverlangen müssen, dass er ein entsprechendes Feststellungsurteil vorlegt. Verweigert das Vollstreckungsorgan gleichwohl die Verwertung, kann er das – abhängig von der begehrten Vollstreckungsmaßnahme – mit der Vollstreckungserinnerung gem. § 766 Abs. 2 oder der sofortigen Beschwerde rügen.

§ 773 Drittwiderspruchsklage des Nacherben 1

Ein Gegenstand, der zu einer Vorerbschaft gehört, soll nicht im Wege der Zwangsvollstreckung veräußert oder überwiesen werden, wenn die Veräußerung oder die Überweisung im Falle des Eintritts der Nacherbfolge nach § 2115 des Bürgerlichen Gesetzbuchs dem Nacherben gegenüber unwirksam ist. 2Der Nacherbe kann nach Maßgabe des § 771 Widerspruch erheben.

Übersicht I.

Zweck der Norm und Anwendungsbereich

II. 1. 2.

Verwertungsverbot (S. 1) 5 Voraussetzungen 8 Rechtsfolge

III.

Drittwiderspruchsklage (S. 2)

1

1. 2. 3.

11 Statthaftigkeit und Verfahren Drittwiderspruchsklage als ausschließlicher 12 Rechtsbehelf Rechtskraftbeseitigung bei Ausfall der Nacherb13 schaft

I. Zweck der Norm und Anwendungsbereich § 773 betrifft eine ähnliche Fragestellung wie § 772. Die Probleme werden gleichermaßen gelöst. 1 Mit der Anordnung einer Nacherbfolge (§ 2100 BGB) kann der Erblasser über mehrere Stationen hinweg letztwillig verfügen und so sein Vermögen langfristig binden.1 Mit Eintritt des Erbfalls wird der Vorerbe zunächst Vollrechtsinhaber, der Nacherbe Inhaber eines Anwartschaftsrechts, mit dem Eintritt des vom Erblasser bestimmten Nacherbfalls beerbt er den Erblasser, nicht den Vorerben.2 Weil der Nachlass insoweit gebunden ist, bildet er beim Vorerben ein vom übrigen Vermögen des Vorerben getrenntes Sondervermögen.3 Damit das Vermögen des Erblassers nicht über Gebühr zulasten des Nacherben geschmälert 2 wird und der Zweck der Vermögensbindung durch die Nacherbschaft erreicht werden kann, sehen 37 So aber ausdrücklich MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 772 Rdn. 21. 38 Kritisch dazu auch Stein/Jonas/Münzberg § 772 Rdn. 14; Prütting/Gehrlein/Scheuch § 772 Rdn. 9. 1 Frank/Helms § 9 Rdn. 1. 2 Vgl. hierzu Frank/Helms § 9 Rdn. 1. 3 Grüneberg/Weidlich § 2100 Rdn. 2. 423 https://doi.org/10.1515/9783110443158-057

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Achtes Buch – Zwangsvollstreckung

die §§ 2113 f. BGB bestimmte rechtsgeschäftliche Verfügungsbeschränkungen des Vorerben vor, die zugunsten des Nacherben wirken. Erleidet der Nacherbe durch diese Verfügungen oder den Vollstreckungszugriff einen Nachteil, sind sie ihm gegenüber unwirksam. § 2115 BGB will sicherstellen, dass das Sondervermögen nicht durch einen Vollstreckungszugriff der Gläubiger des Vorerben geschmälert wird.4 Er erklärt Verfügungen über einen Gegenstand des Sondervermögens im Wege der Zwangsvollstreckung gegen den Vorerben weitgehend für unwirksam, wenn die Nacherbfolge eintritt und sie das Recht des Nacherben vereiteln oder beeinträchtigen würden. Doch schließt das nicht aus, dass ein Dritter im Zwangsvollstreckungsverfahren durch Hoheitsakt das Eigentum an der Sache lastenfrei erwerben kann.5 Diese Lücke schließt das in § 773 S. 1 normierte Verwertungsverbot: Ein Gegenstand, der zur 3 Vorerbschaft gehört, soll nicht im Wege der Zwangsvollstreckung gegen den Vorerben veräußert oder überwiesen werden, wenn die Veräußerung oder Überweisung im Fall des Eintritts der Nacherfolge nach § 2115 BGB dem Nacherben gegenüber unwirksam ist. Nach § 773 S. 2 kann der Nacherbe Drittwiderspruchsklage erheben. Die Norm findet nur Anwendung, wenn eine Nacherbschaft angeordnet wurde. Sie be4 schränkt sich auf die Vollstreckung wegen Geldforderungen; dann gilt sie aber gleichermaßen für die Mobiliar- und die Immobiliarvollstreckung.6 Nicht anwendbar ist die Norm auf eine Teilungsversteigerung, die von Miterben betrieben wird.7 Pfändet ein Gläubiger des Vorerben dessen Erbteil und betreibt daher die Teilungsversteigerung, greift § 773 ein.8 Anwendung findet § 773 auch in den Fällen des § 83 Abs. 2 InsO.9

II. Verwertungsverbot (S. 1) 1. Voraussetzungen 5 Das Verwertungsverbot bezieht sich nur auf solche Gegenstände, die zu einer Vorerbschaft gehören, d.h. der Schuldner muss sie durch Erbfolge vom Erblasser erworben haben und ein Nacherbe muss bestimmt sind. Werden ein Voll- und ein Schlusserbe eingesetzt, greift die Vorschrift nicht ein.10 § 773 S. 1 greift nicht ein, wenn eine entsprechende Verfügung nach § 2115 S. 2 BGB wirksam 6 wäre. Deshalb besteht kein Verwertungsverbot, wenn in den Gegenstand wegen einer Nachlassverbindlichkeit oder wegen eines Rechts, das der Nacherbe gegen sich gelten lassen muss, vollstreckt wird.11 Gleiches gilt, wenn die Zwangsvollstreckung wegen einer Verbindlichkeit betrieben wird, die der Vorerbe in ordnungsgemäßer Verwaltung des Nachlasses eingegangen ist (§ 2120 BGB) oder wenn die Verbindlichkeit mit Einwilligung des Nacherben begründet wurde.12 Nicht von § 773 erfasst wird die Vollstreckung in die dem Vorerben gem. § 2111 Abs. 1 S. 1 a.E. BGB gebührenden Nutzungen.13 4 Staudinger/Avenarius (2019) § 2115 Rdn. 1. 5 Prütting/Gehrlein/Scheuch § 773 Rdn. 1 f.; Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Raebel/Thole § 773 Rdn. 1; MünchKommBGB/Lieder § 2115 Rdn. 18. 6 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 773 Rdn. 2; Prütting/Gehrlein/Scheuch § 773 Rdn. 3; Musielak/Voit/Lackmann § 773 Rdn. 1; BeckOK/Preuß § 773 Rdn. 3; MünchKomm-BGB/Lieder § 2115 Rdn. 14. 7 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 773 Rdn. 2; Prütting/Gehrlein/Scheuch § 773 Rdn. 3; Schuschke/Walker/Kessen/ Thole/Raebel/Thole § 773 Rdn. 3; Musielak/Voit/Lackmann § 773 Rdn. 1. 8 OLG Celle NJW 1968, 801, 802; MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 773 Rdn. 2; Prütting/Gehrlein/Scheuch § 773 Rdn. 3; Musielak/Voit/Lackmann § 773 Rdn. 1. 9 Braun/Kroth InsO § 83 Rdn. 9. 10 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 773 Rdn. 3. 11 Hahn/Mudgan Band VIII S. 144; Prütting/Gehrlein/Scheuch § 773 Rdn. 4; MünchKomm-BGB/Lieder, § 2115 Rdn. 4. 12 Prütting/Gehrlein/Scheuch § 773 Rdn. 4; MünchKomm-BGB/Lieder § 2115 Rdn. 4. 13 RGZ 80, 1, 7; Stein/Jonas/Münzberg § 773 Rdn. 1; Prütting/Gehrlein/Scheuch § 773 Rdn. 4; MünchKomm-BGB/Lieder § 2115 Rdn. 3. Spohnheimer

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Ob der Vollstreckungstitel gegen den Vorerben, gegen den Testamentsvollstrecker oder gegen 7 den Nachlassverwalter gerichtet ist, spielt keine Rolle.14

2. Rechtsfolge Sind die Voraussetzungen von § 773 S. 1 erfüllt, soll der Gegenstand nicht verwertet werden. Eine 8 Pfändung ist hingegen zulässig.15 Gleiches gilt für die Eintragung einer Zwangshypothek16 oder die Zwangsverwaltung.17 Möglich ist auch noch die Androhung der Zwangsversteigerung, nicht aber ihre Durchführung.18 Doch stellt sich – gleichermaßen wie bei § 772 – die Frage, ob das Vollstreckungsorgan in 9 diesen Fällen von einer Verwertung absehen muss oder nur absehen darf. Die überwiegende Meinung geht auch bei § 773 S. 1 davon aus, dass das Vollstreckungsorgan die Verwertung nicht vornehmen darf und erlaubt dem Nacherben, diesen Verstoß mit einer Vollstreckungserinnerung geltend zu machen.19 Manche bejahen sogar einen Amtshaftungsanspruch, wenn gegen § 773 S. 1 verstoßen wird.20 Überwiegend wird auch der Vorerbe, gegen den vollstreckt wird, für erinnerungsbefugt gehalten.21 Die zu § 772 geäußerten Bedenken beanspruchen aber bei § 773 S. 1 gleichermaßen Geltung (s. hierzu § 772 Rdn. 6 ff.); die Bedenken müssen hier sogar noch größer sein. Denn anders als bei § 772 stellt die amtliche Überschrift nicht auf einen Sachverhalt, nämlich auf das Vorliegen eines Veräußerungsverbots, sondern auf eine Person ab: Die Norm will demnach einen Rechtsbehelf regeln und zwar zugunsten des Nacherben, nicht hingen zugunsten des Schuldners. Daher muss man auch § 773 S. 1 als eine Vorschrift interpretieren, die dem Vollstreckungsor- 10 gan Ermessen einräumt und zugleich bestimmt, wie dieses Ermessen regelmäßig auszuüben ist: Gehört ein Gegenstand zu einer Vorerbschaft, soll ihn das Vollstreckungsorgan regelmäßig nicht verwerten. Verwertet es den Gegenstand in Ausübung seines Ermessens, macht das die wirksame Vollstreckungsmaßnahme aber nicht rechtswidrig. Mit einer Vollstreckungserinnerung können Nacherbe und Schuldner allenfalls geltend machen, dass sich das Vollstreckungsorgan bei der Ermessensausübung von sachfremden Erwägungen hat leiten lassen.

III. Drittwiderspruchsklage (S. 2) 1. Statthaftigkeit und Verfahren Liegen die Voraussetzungen von § 773 S. 1 vor, kann der Nacherbe nach Maßgabe des § 771 Drittwi- 11 derspruchsklage erheben. Sie kann wegen des Bezugs zu § 773 S. 1 nicht darauf gerichtet sein, dass die Zwangsvollstreckung in den betroffenen Gegenstand (in Gänze) für unzulässig erklärt wird, sondern nur, dass die Verwertung (etwa durch Veräußerung und Überweisung) des betroffenen Gegenstandes für unzulässig erklärt wird.22 Jeder Nacherbe kann selbst Drittwiderspruchs-

14 15 16 17 18

Stein/Jonas/Münzberg § 773 Rdn. 4. Ganz h.M.; vgl. nur BeckOK/Preuß § 773 Rdn. 4; MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 773 Rdn. 6. MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 773 Rdn. 6. Staudinger/Avenarius (2019) § 2115 Rdn. 19. BayObLGZ 1968, 104, 109; LG Berlin Rpfleger 1987, 457; a.A. OLG Nürnberg MDR 1961, 63; ebenfalls Wieczorek/ Schütze/Salzmann3 § 773 Rdn. 1. 19 Stein/Jonas/Münzberg § 773 Rdn. 3 m. § 772 Rdn. 11; Prütting/Gehrlein/Scheuch § 773 Rdn. 6; Musielak/Voit/Lackmann § 773 Rdn. 2. 20 MünchKomm-BGB/Lieder § 2115 Rdn. 18; Staudinger/Avenarius (2019) § 2115 Rdn. 28. 21 Prütting/Gehrlein/Scheuch § 773 Rdn. 6; a.A. Stein/Jonas/Münzberg § 773 Rdn. 3 m. § 772 Rdn. 11. 22 BGHZ 110, 176, 182; BeckOK/Preuß § 773 Rdn. 6. 425

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klage erheben; mehrere Nacherben sind nicht notwendige Streitgenossen, wenn sie gemeinsam die Drittwiderspruchsklage erheben.23 Einstweilige Anordnungen können nach Maßgabe von § 771 Abs. 3 getroffen werden.

2. Drittwiderspruchsklage als ausschließlicher Rechtsbehelf 12 Die h.M. will dem Nacherben neben der Drittwiderspruchsklage nach §§ 773 S. 2, 771 auch die Vollstreckungserinnerung nach § 766 bzw. die sofortige Beschwerde gem. § 793 geben.24 Daneben soll auch der Schuldner eine Vollstreckungserinnerung einlegen können.25 Das überzeugt aus den gleichen Gründen wie bei § 772 nicht (vgl. hierzu § 772 Rdn. 11). Vorzugswürdig ist es daher, in den Fällen des § 773 S. 1 ausschließlich eine Drittwiderspruchsklage des Nacherben, nicht aber eine Vollstreckungserinnerung, bei einem vermeintlichen Verstoß gegen § 773 S. 1 zuzulassen. Das gilt für den Nacherben als auch den Schuldner gleichermaßen.

3. Rechtskraftbeseitigung bei Ausfall der Nacherbschaft 13 Wird der Drittwiderspruchsklage des Nacherben stattgegeben und fällt der Nacherbfall nach Eintritt der Rechtskraft endgültig nicht mehr an (§§ 2108 Abs. 2, 2074 BGB), stellt sich die Frage, ob eine Zwangsvollstreckung in die vom Urteil erfassten Gegenstände ohne Weiteres zulässig ist, oder ob der Gläubiger einen Rechtsbehelf einlegen muss, um die Rechtskraftwirkung zu beseitigen. Das Meinungsspektrum entspricht dem, was zu § 772 vertreten wird. Die h.M. verweist den Gläubiger auf eine Gegenklage analog § 767.26 Die Gegenansicht geht auch hier davon aus, dass der Tenor eine stillschweigende auflösende Bedingung enthält, sodass die Rechtskraft ohne Weiteres entfällt.27 Doch ist beides – ebenso wie bei § 772 aus den dort genannten Gründen (vgl. § 772 Rdn. 12) – unbefriedigend. Vorzugswürdig erscheint es daher, dass eine entsprechende auflösende Bedingung in den Tenor aufgenommen wird. Ist das nicht geschehen, wird man auch hier einstweilen auf die Figur der stillschweigenden auflösenden Bedingung zurückgreifen müssen. Doch bedeutet das nicht, dass die Prüfung, ob die Bedingung eingetreten ist, beim Vollstreckungsorgan liegt – ihm wird man das auch hier kaum zumuten können. Man wird daher jedenfalls verlangen müssen, dass der Gläubiger ein Feststellungsurteil vorlegt und muss ihn auf die Vollstreckungserinnerung nach § 766 Abs. 2 bzw. die sofortige Beschwerde verweisen, wenn das Vollstreckungsorgan die Verwertung nach Vorlage dieses Urteils verweigert.

§ 774 Drittwiderspruchsklage des Ehegatten oder Lebenspartners Findet nach § 741 die Zwangsvollstreckung in das Gesamtgut statt, so kann ein Ehegatte oder Lebenspartner nach Maßgabe des § 771 Widerspruch erheben, wenn das gegen den anderen Ehegatten oder Lebenspartner ergangene Urteil in Ansehung des Gesamtgutes ihm gegenüber unwirksam ist. 23 BGH NJW 1993, 1582, 1583; Stein/Jonas/Münzberg § 773 Rdn. 3; Prütting/Gehrlein/Scheuch § 773 Rdn. 6; BeckOK/Preuß § 773 Rdn. 7. 24 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 773 Rdn. 7; Musielak/Voit/Lackmann § 773 Rdn. 2; Schuschke/Walker/Kessen/ Thole/Raebel/Thole § 773 Rdn. 2 m. § 772 Rdn. 5; BeckOK/Preuß § 773 Rdn. 5. 25 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 773 Rdn. 6; Prütting/Gehrlein/Scheuch § 773 Rdn. 6. 26 Stein/Jonas/Münzberg § 773 Rdn. 3 m. § 772 Rdn. 14; Prütting/Gehrlein/Scheuch § 773 Rdn. 6; Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Raebel/Thole § 773 Rdn. 2 m. § 772 Rdn. 7. 27 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 773 Rdn. 7 m. § 772 Rdn. 21. Spohnheimer https://doi.org/10.1515/9783110443158-058

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Abschnitt 1. Allgemeine Vorschriften

§ 774

I. Zweck der Regelung und Anwendungsbereich § 774 setzt voraus, dass die Zwangsvollstreckung gegen einen Ehe- oder Lebenspartner (vgl. § 21 LPartG) betrieben wird, der in Gütergemeinschaft lebt (§§ 1415 ff. BGB; §§ 1415 ff. BGB i.V.m. § 7 S. 2 LPartG). Nach § 740 ist zur Zwangsvollstreckung in das Gesamtgut (vgl. § 1416 BGB) formell ein Titel gegen jeden Ehe- oder Lebenspartner erforderlich, der das Gesamtgut verwaltet: Verwaltet ein Ehe- oder Lebenspartner das Gesamtgut allein, ist ein Titel gegen diesen verwaltenden Ehe- oder Lebenspartner erforderlich und ausreichend (§ 740 Abs. 1). Aus einem Titel nur gegen den nicht verwaltenden Ehe- oder Lebenspartner kann in das Gesamtgut nicht vollstreckt werden. Verwalten beide Ehe- oder Lebenspartner das Gesamtgut gemeinschaftlich, ist ein Titel gegen beide Ehe- oder Lebenspartner erforderlich (§ 740 Abs. 2). Liegt nur ein Titel gegen einen der Eheoder Lebenspartner vor, kann nicht in das Gesamtgut vollstreckt werden. § 741 durchbricht diese Grundsätze: Betreibt ein Ehegatte oder Lebenspartner ein selbständiges Erwerbsgeschäft, kann auch dann wegen eines gegen diesen, das Erwerbsgeschäft betreibenden, Ehe- oder Lebenspartner gerichteten Titels in das Gesamtgut vollstreckt werden, wenn dieser das Gesamtgut nicht (Durchbrechung von 740 Abs. 1) oder nicht allein (Durchbrechung von § 740 Abs. 2) verwaltet. Auch wenn die Zwangsvollstreckung unter diesen Voraussetzungen formell zulässig ist, haftet das Gesamtgut nach materiellem Recht nicht in jedem Fall (vgl. §§ 1438, 1460 BGB). Denn die formellen Voraussetzungen des Vollstreckungszugriffs auf das Gesamtgut bleiben hinter den materiellrechtlichen Voraussetzungen seiner Haftung zurück.1 Diese Diskrepanz überwindet § 774: Mit der Drittwiderspruchsklage kann der Ehe- oder Lebenspartner des Gewerbetreibenden geltend machen, dass das Gesamtgut für die titulierte Verbindlichkeit nach materiellem Recht nicht haftet (s. auch Rdn. 9).2 Das dient der Beschleunigung der Zwangsvollstreckung und des effektiven Vollstreckungszugriffs. Das Vollstreckungsorgan soll die Frage, ob das Gesamtgut auch tatsächlich nach materiellem Recht haftet, nicht prüfen müssen. Mit der Drittwiderspruchsklage kann der betroffene Ehe- oder Lebenspartner die Zwangsvollstreckung aber wiederum auf das materiell zulässige Maß zurückführen. Die Drittwiderspruchsklage nach § 774 findet nur Anwendung, wenn die Ehe- oder Lebenspartner im Güterstand der Gütergemeinschaft oder im Güterstand der Eigentums- und Vermögensgemeinschaft der ehemaligen DDR leben (§ 744a ZPO).3 Beide Güterstände sind selten; die praktische Bedeutung der Vorschrift ist daher gering. Zudem muss die Vollstreckung nach § 741 erfolgt sein,4 d.h. es fehlt an einem nach § 740 eigentlich erforderlichen Titel, der Ehe- oder Lebenspartner, gegen den vollstreckt wird, betreibt aber ein Erwerbsgeschäft. Wurde nach § 740 vollstreckt, findet die Norm keine Anwendung. Dann findet die Drittwiderspruchsklage gem. § 771 statt.5 Die Einschränkung, wonach die Zwangsvollstreckung nach § 741 nicht erfolgen konnte, wenn während des Titulierungsverfahrens im Güterrechtsregister ein Einspruch des anderen Ehe- oder Lebenspartners gegen den Betrieb des Erwerbsgeschäfts oder ein Widerruf seiner Einwilligung zum Betrieb des Erwerbsgeschäfts eingetragen war, ist mit Wirkung zum 1.1.2023 entfallen. Mit der Neufassung spricht Vieles dafür, dass eine solche Eintragung im Güterrechtsregister für das

1 MünchKomm/Heßler § 741 Rdn. 7; BeckOK/Preuß § 774 Rdn. 3. 2 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 774 Rdn. 1; Stein/Jonas/Münzberg § 774 Rdn. 1; Musielak/Voit/Lackmann § 774 Rdn. 1; Kindl/Meller-Hannich/Wolf/Handke § 774 Rdn. 1; Thomas/Putzo/Seiler § 774 Rdn. 1.

3 MünchKomm4/K. Schmidt/Brinkmann § 774 Rdn. 7. 4 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 774 Rdn. 3. 5 Anders/Gehle/Hunke § 774 Rdn. 1. 427

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Vollstreckungsorgan unbeachtlich ist.6 Art. 229 § 64 EGBGB gestattet zwar, dass Ehegatten und Lebenspartner einem Dritten für eine Übergangszeit Einwendungen aus Eintragungen im Güterrechtsregister entgegenhalten können; das nimmt aber Bezug auf § 1412 BGB – eine materiellrechtliche Regelung. Demgegenüber hat der Gesetzgeber für die Änderung des § 741 auf eine Übergangsregelung verzichtet. Insoweit dürfte sich für die Übergangszeit der Anwendungsbereich von § 774 vergrößern. Ist im Güterrechtsregister ein Einspruch gegen die Aufnahme des selbständigen Erwerbsgeschäfts eingetragen, kann und muss das Vollstreckungsorgan gleichwohl nach § 741 vollstrecken; es liegt dann am Ehe- bzw. Lebenspartner, die materiellrechtliche Einwendung, dass das Gesamtgut nicht haftet, mit der Klage nach § 774 geltend zu machen.7

II. Klagebefugnis und Verfahren 7 Aktivlegitimiert ist der andere, allein- oder mitverwaltende Ehe- oder Lebenspartner. Dass er die Drittwiderspruchsklage allein erheben kann, folgt für den nicht alleinverwaltenden Ehe- oder Lebenspartner aus § 1455 Nr. 9 BGB.8 Bei der Klage nach § 774 handelt es sich nicht in jedem Fall um eine Familiensache, sondern um eine „Klage aus vollstreckungsrechtlichen Gesichtspunkten“.9 Für das Verfahren zuständig ist das Familiengericht allenfalls dann, wenn der zu vollstreckende Titel aus einer Familiensache stammt.10 Im Übrigen folgt das Verfahren dem der Drittwiderspruchsklage gem. § 771. Dass das Gericht auch einstweilige Anordnungen treffen darf, folgt aus § 771 Abs. 3. Mit der Klage nach § 774 kann sich der andere Ehe- oder Lebenspartner gegen die Zwangsvoll8 streckung in den zum Gesamtvermögen gehörenden Gegenstand insgesamt wehren, also auch schon gegen die Pfändung; sie beschränkt sich – anders als die Klagen nach §§ 772, 773 – nicht auf einen Widerspruch gegen die Verwertung.11

III. Einwendungen des Ehe- oder Lebenspartners (Begründetheit der Klage) 9 Mit der Klage nach § 774 kann der Ehe- oder Lebenspartner, der nicht das Erwerbsgeschäft betreibt, geltend machen, dass das gegen den anderen Ehe- oder Lebenspartner ergangene Urteil in Ansehung des Gesamtgutes ihm gegenüber unwirksam ist. Das meint nach allgemeiner und zutreffender Ansicht, dass das Gesamtgut für die titulierte Forderung nicht haftet.12 Das entspricht der Zielrichtung der Drittwiderspruchsklage nach § 771 (vgl. § 771 Rdn. 9 f.), die § 774 für die besondere Situation der Vollstreckung in das Gesamtvermögen eröffnet. Damit ist die Klage begründet, soweit das Gesamtgut nach den materiellrechtlichen Vorschriften für die zu vollstreckende Verbindlichkeit nicht haftet. Zwar gilt im Grundsatz, dass Verbindlichkeiten, die während des Bestandes der Gütergemeinschaft entstanden sind, Gesamtgutsverbindlichkeiten sind (§ 1437 6 So auch BeckOK/Ulrici § 741 Rdn. 3; a.A. wohl BeckOK/Preuß Rdn. 5 (wahlweise Vollstreckungserinnerung); Musielak/ Voit/Lackmann Rdn. 6 (Vollstreckungsorgan hat bei Vorlage eines Auszugs aus dem Güterrechtsregister von der Zwangsvollstreckung Abstand zu nehmen). Ein Verstoß gegen § 741 a.F. konnte mit der Vollstreckungserinnerung geltend gemacht werden (Vorauflage Rdn. 11; MünchKommZPO/K. Schmidt/Brinkmann § 774 Rdn. 6; Musielak/Voit/Lackmann § 774 Rdn. 3; a.A. Kindl/Meller-Hannich/Wolf/Handke § 774 Rdn. 7). 7 BeckOK/Ulrici § 741 Rdn. 3, 6. 8 Stein/Jonas/Münzberg § 774 Rdn. 1. 9 BGH NJW 1985, 3065, 3066; BeckOK/Preuß § 774 Rdn. 7. 10 BGH NJW 1979, 929; Stein/Jonas/Münzberg § 774 Rdn. 4; Kindl/Meller-Hannich/Wolf/Handke § 774 Rdn. 6; zweifelnd MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 774 Rdn. 5; Musielak/Voit/Lackmann § 774 Rdn. 3; Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Raebel/Thole § 774 Rdn. 2. 11 Kindl/Meller-Hannich/Wolf/Handke § 774 Rdn. 5; Brox/Walker § 45 Rdn. 62. 12 Stein/Jonas/Münzberg § 774 Rdn. 1; MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 774 Rdn. 1; Musielak/Voit/Lackmann § 774 Rdn. 1; Kindl/Meller-Hannich/Wolf/Handke § 774 Rdn. 1; Thomas/Putzo/Seiler § 774 Rdn. 1; Zöller/Herget § 774 Rdn. 1. Spohnheimer

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Abschnitt 1. Allgemeine Vorschriften

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Abs. 1 BGB) und das Gesamtgut deshalb haftet. Allerdings haftet das Gesamtgut für rechtsgeschäftlich begründete Verbindlichkeiten grundsätzlich nur, wenn der mit- oder alleinverwaltende Ehegatte der Begründung zugestimmt hat (§ 1438 Abs. 1). Hat der (mit-)verwaltende Ehegatte in den Betrieb eines selbständigen Erwerbsgeschäfts durch den anderen Ehepartner eingewilligt, oder hat gegen den Betrieb trotz Kenntnis keinen Einspruch erhoben, ist seine Zustimmung zu Rechtsgeschäften, die der Geschäftsbetrieb mit sich bringt, entbehrlich (§ 1431 Abs. 1, 2 BGB). Bedeutung hat das insbesondere wegen § 1431 Abs. 3 BGB, wonach Einspruch und Widerruf der Zustimmung einem Dritten gegenüber nur wirksam sind, wenn sie dem Dritten bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt geblieben sind. Art. 229 § 64 EGBGB erweitert das und bestimmt, dass für eine Übergangszeit Einwendungen auch aus dem Güterrechtsregister hergeleitet werden können; etwa, dass der (mit-)verwaltende Ehepartner der Aufnahme des Erwerbsgeschäfts widersprochen hat. Ist das der Fall und haftet das Gesamtgut nicht aus anderen Gründen, ist die Klage nach § 774 begründet. Verkürzt ist die überwiegend getroffene Feststellung, die Drittwiderspruchsklage sei be- 10 gründet, wenn es sich bei der titulierten Schuld nicht um eine solche aus dem Erwerbsgeschäft handelt.13 Denn weder setzt die formelle Zulässigkeit der Vollstreckung in das Gesamtgut nach § 741 voraus, dass es sich um eine Verbindlichkeit aus dem Erwerbsgeschäft handelt,14 noch haftet das Gesamtgut nach materiellem Recht nur für Geschäftsverbindlichkeiten. Deshalb kann die Drittwiderspruchsklage nach § 774 auch nicht nur deshalb begründet sein, weil es sich bei der nach § 741 vollstreckten Forderung nicht um eine solche aus dem Geschäftsbetrieb handelt. Ebenfalls verkürzt es die Dinge, wenn man sagt, mit der Klage nach § 774 könne geltend gemacht werden, dass die Zustimmung des anderen Ehe- oder Lebenspartners zum selbständigen Betrieb des Erwerbsgeschäfts nicht vorgelegen habe.15 Hat der andere Ehe- oder Lebenspartner dem Betrieb des Erwerbsgeschäfts zwar wider- 11 sprochen, dem einzelnen Geschäft aber zugestimmt, ist die Drittwiderspruchsklage abzuweisen. Dafür muss man nicht auf den Gedanken der Prozessökonomie abstellen.16 Denn bei der Zustimmung des anderen Ehe- oder Lebenspartners haftet das Gesamtgut nach § 1438 Abs. 1 BGB bzw. § 1460 Abs. 1 BGB, sodass die Klage nach § 774 schon deshalb abzuweisen ist.

§ 775 Einstellung oder Beschränkung der Zwangsvollstreckung Die Zwangsvollstreckung ist einzustellen oder zu beschränken: 1. wenn die Ausfertigung einer vollstreckbaren Entscheidung vorgelegt wird, aus der sich ergibt, dass das zu vollstreckende Urteil oder seine vorläufige Vollstreckbarkeit aufgehoben oder dass die Zwangsvollstreckung für unzulässig erklärt oder ihre Einstellung angeordnet ist; 2. wenn die Ausfertigung einer gerichtlichen Entscheidung vorgelegt wird, aus der sich ergibt, dass die einstweilige Einstellung der Vollstreckung oder einer Vollstreckungsmaßregel angeordnet ist oder dass die Vollstreckung nur gegen Sicherheitsleistung fortgesetzt werden darf; 3. wenn eine öffentliche Urkunde vorgelegt wird, aus der sich ergibt, dass die zur Abwendung der Vollstreckung erforderliche Sicherheitsleistung oder Hinterlegung erfolgt ist;

13 Insoweit missverständlich etwa Brox/Walker § 45 Rdn. 63; Baur/Stürner/Bruns Rdn. 19.20; Zöller/Herget § 774 Rdn. 1. 14 BayObLGZ 83, 187; MünchKomm/Heßler § 741 Rdn. 4; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 20 Rdn. 37; Baur/Stürner/ Bruns Rdn. 19.20. 15 So etwa Baur/Stürner/Bruns Rdn. 19.20. 16 Wieczorek/Schütze/Salzmann3 § 774 Rdn. 6; ähnl. Anders/Gehle/Hunke § 774 Rdn. 3 (bloße Förmelei). 429 https://doi.org/10.1515/9783110443158-059

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§ 775

4.

5.

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wenn eine öffentliche Urkunde oder eine von dem Gläubiger ausgestellte Privaturkunde vorgelegt wird, aus der sich ergibt, dass der Gläubiger nach Erlass des zu vollstreckenden Urteils befriedigt ist oder Stundung bewilligt hat; wenn der Einzahlungs- oder Überweisungsnachweis einer Bank oder Sparkasse vorgelegt wird, aus dem sich ergibt, dass der zur Befriedigung des Gläubigers erforderliche Betrag zur Auszahlung an den Gläubiger oder auf dessen Konto eingezahlt oder überwiesen worden ist.

Schrifttum Adrian Darf der Gerichtsvollzieher nach § 775 Ziffer 5 die Pfändung aufschieben? DGVZ 1960, 131; Brehm Einstellung durch den Gerichtsvollzieher gem. §§ 775 Nr. 4 und 5, 776, JurBüro 1996, 175; Fink Auswirkungen einer prozeßrichterlichen Einstellung der Zwangsvollstreckung auf den Drittschuldner, MDR 1998, 1272; Grund Die Einstellung der Zwangsvollstreckung nach § 775 Ziff. 4 und 5 ZPO, DGVZ 1960, 129; Kirberger Vollstreckungsverfahren nach Einstellung der Zwangsvollstreckung durch das Prozeßgericht, Rpfleger 1976, 8; Kolbenschlag Die Einstellung oder Beschränkung der Zwangsvollstreckung gemäß § 775 Ziff. 5 ZPO in der besonderen Sicht der Kreditinstitute, DGVZ 1959, 39; Noack Die vorläufige Einstellung und die Fortsetzung der Zwangsvollstreckung gemäß § 775 Ziff. 4 und 5 ZPO, DGVZ 1976, 149; Scheld Vollstreckung übergeleiteter Urteilsforderungen (§§ 775, 776 ZPO), DGVZ 1984, 49; Schmidt-von Rhein Zur analogen Anwendung der §§ 775, 815 ZPO bei der Pfändung titulierter Ansprüche, DGVZ 1988, 65; E. Schneider Zahlungsnachweis „nach Erlaß des Urteils“ (§ 775 Nr. 4, 5 ZPO) im Mahnverfahren, JurBüro 1978, 172; Schumacher Brutto-Lohnurteile und ihre Vollstreckung, BB 1957, 440; Seip Sind die §§ 775, 776 änderungsbedürftig?, DGVZ 1972, 7; Stamm Die Prinzipien und Grundstrukturen des Zwangsvollstreckungsrechts (2007); F. Stoll Implikationen des Formalisierungsprinzips in der Zwangsvollstreckung (2015).

Übersicht I. 1. 2. 3. 4.

Allgemeines 1 Zweck der Norm Begriff der Einstellung und der Beschrän5 kung 7 Anwendungsbereich 9 Geschützter Personenkreis

b)

3. II. 1.

2.

Einstellungs-/Beschränkungstatbestände im Einzelnen Vollstreckungshindernde Entscheidungen 10 (Nr. 1) a) Ausfertigung einer gerichtliche Entschei11 dung b) Grundsatz: Vollstreckbarkeit der Entschei17 dung c) Ausnahme: keine Vollstreckbarkeit erforder18 lich d) Unzulässigerklärung der Zwangsvollstre21 ckung e) Endgültige Einstellung der Zwangsvollstre23 ckung 24 f) Eröffnung des Insolvenzverfahrens Einstweilige Einstellung der Vollstreckung oder einer Vollstreckungsmaßregel, Fortsetzung der Vollstreckung nur gegen Sicherheitsleistung (Nr. 2) a) Anordnung der einstweiligen Einstellung 25 durch Entscheidung

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4.

5.

Vorlage einer Ausfertigung und Ausnah27 men c) Zeitliche Diskrepanz von Wirksamkeit und 28 Vorlage der Entscheidung d) Fortsetzung der Vollstreckung nur gegen Si31 cherheitsleistung Erbringung der Sicherheitsleistung oder Hinterle32 gung (Nr. 3) Befriedigung oder Stundung der titulierten Forderung durch öffentliche Urkunde oder vom Gläubiger ausgestellte Privaturkunde nachgewiesen 35 (Nr. 4) 36 a) Befriedigung des Gläubigers 38 b) Stundung der titulierten Forderung 39 c) Maßgeblicher Zeitpunkt 41 d) Nachweis Vorlage eines Einzahlungs- oder Überweisungs43 nachweises (Nr. 5) 48

III.

Verfahrensfragen

IV. 1.

Rechtsbehelfe Gegen das Andauern der Zwangsvollstre51 ckung Gegen das Einstellen oder Beschränken der 52 Zwangsvollstreckung

2.

V.

Fortsetzung der Zwangsvollstreckung nach Ein53 stellung bzw. Beschränkung

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Abschnitt 1. Allgemeine Vorschriften

§ 775

I. Allgemeines 1. Zweck der Norm Hat der Gläubiger einen Leistungstitel in der Hand, muss das Vollstreckungsorgan diesen Titel 1 vollstrecken. Es darf sich grundsätzlich nicht durch Einwendungen des Schuldners oder Dritter von der Durchführung der Zwangsvollstreckung abhalten lassen,1 und hat bei Vorliegen der förmlichen Vollstreckungsvoraussetzungen bis zur Befriedigung des Gläubigers zu vollstrecken.2 § 775 durchbricht dieses Prinzip und bestimmt, dass das Vollstreckungsorgan bei Vorlage bestimmter gerichtlicher Entscheidungen die Zwangsvollstreckung einzustellen oder zu beschränken hat (Nr. 1 und Nr. 2). Gleiches gilt, wenn die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abgewendet werden konnte und hinreichend nachgewiesen wird, dass sie geleistet wurde (Nr. 3). Die Zwangsvollstreckung ist schließlich auch einzustellen oder zu beschränken, wenn dem Vollstreckungsorgan bestimmte Nachweise vorgelegt werden, die den Schluss auf bestimmte materiellrechtliche Einwendungen hinreichend zulassen (Nr. 4 und Nr. 5). Damit soll vermieden werden, dass der Schuldner zeitraubend und kostentreibend eine gerichtliche Entscheidung oder eine einstweilige Anordnung (§§ 767 ff.) anstrengen muss. Dennoch wirken die Tatbestände der Nr. 4 und Nr. 5 wie Fremdkörper in dem durch Formalisierung geprägten Zwangsvollstreckungsrecht. Sie lassen sich am ehesten als formalisierte Vermutungstatbestände3 erklären. Nicht in § 775 geregelt – aber vom Vollstreckungsorgan gleichfalls zu beachten – ist, dass die 2 allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen vorliegen. Entfallen sie während eines übernommenen Vollstreckungsauftrages, ist die Zwangsvollstreckung zu beenden.4 Gleiches gilt, wenn der Gläubiger durch eine unfreiwillige Leistung des Schuldners im Zwangsvollstreckungsverfahren an das Vollstreckungsorgan befriedigt wurde.5 Auch dann muss die Zwangsvollstreckung enden.6 Dieser Verbrauch der vollstreckbaren Ausfertigung wird aber ebenfalls nicht von § 775 erfasst.7 Denn die Norm regelt – abgesehen von der Einstellung bei der Vorlage von gerichtlichen Entscheidungen – nur die Einstellung, wenn nachgewiesen wird, dass der Gläubiger durch eine freiwillige Leistung befriedigt wurde. Hier besteht die Besonderheit darin, dass durch die freiwillige Leistung nicht der Vollstreckungstitel verbraucht wird, sondern nur der ihm zugrundeliegende Anspruch erlischt, was eigentlich mit der Vollstreckungsabwehrklage geltend zu machen wäre.8 Die Aufzählung der Gründe für eine Einstellung bzw. Beschränkung der Zwangsvollstreckung 3 ist abschließend; eine analoge Anwendung kommt nicht in Betracht.9 Nicht von § 775 Nr. 4 und Nr. 5 genannte materiellrechtliche Einwendungen oder dort genannte, die aber nicht in der vorgeschriebenen Form geltend gemacht werden können, müssen zunächst im Rahmen der Vollstreckungsabwehrklage geltend gemacht werden. Das so erstrittene Urteil muss dann dem Vollstreckungsorgan

1 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 775 Rdn. 7. Sehr deutlich normiert das § 64 Abs. 2 S. 1 GVGA: Durch den Widerspruch des Schuldners oder dritter Personen darf er [der Gerichtsvollzieher] sich von der Durchführung der Zwangsvollstreckung nicht abhalten lassen (…). 2 S. Wieczorek/Schütze/Paulus vor § 704 Rdn. 28 ff. 3 Stamm Prinzipien und Grundstrukturen des Zwangsvollstreckungsrechts, S. 313. 4 Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Raebel/Thole § 775 Rdn. 3. 5 Blomeyer VV § 25 I 1; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 44 Rdn. 7. 6 Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 44 Rdn. 7. 7 Stein/Jonas/Münzberg § 775 Rdn. 2; MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 775 Rdn. 8; Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Raebel/Thole § 775 Rdn. 3. Besitzt der Schuldner eine öffentliche Urkunde, die den Verbrauch der vollstreckbaren Ausfertigung dokumentiert, greift zudem § 775 Nr. 4 ein (Stein/Jonas/Münzberg § 775 Rdn. 2). 8 Blomeyer VV § 25 I b. 9 BGH MDR 2011, 1202, 1203; BGH NJW 2008, 3640, 3641; MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 775 Rdn. 1; Prütting/ Gehrlein/Scheuch § 775 Rdn. 1; Thomas/Putzo/Seiler § 775 Rdn. 1; Saenger/Kindl § 775 Rdn. 1; Musielak/Voit/Lackmann § 775 Rdn. 1; a.A. KG Berlin NJW-RR 2000, 1523; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 45 Rdn. 11 m. Fn. 20 (erschöpfende Aufzählung aber Analogie möglich). 431

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§ 775

Achtes Buch – Zwangsvollstreckung

vorgelegt werden, um eine Einstellung bzw. Beschränkung der Zwangsvollstreckung zu erreichen (Nr. 1). Auf diese Weise ist etwa eine Restschuldbefreiung nach § 286 ff. InsO geltend zu machen.10 4 § 775 bestimmt, unter welchen Voraussetzungen die Zwangsvollstreckung eingestellt oder beschränkt werden muss. Wie das zu erfolgen hat, regelt die Norm nicht (s. dazu im Einzelnen Rdn. 48 ff.). Weil die Tatbestände ein Vollstreckungshindernis schaffen,11 sind sie von Amts wegen zu beachten.12 Eines Antrags des Schuldners oder des Betroffenen bedarf es nicht. Es besteht aber keine Ermittlungspflicht des Vollstreckungsorgans.13 Denn jeder der Tatbestände setzt eine Vorlage eines Dokuments voraus.

2. Begriff der Einstellung und der Beschränkung 5 § 775 ist in seiner Rechtsfolge zukunftsgerichtet. Die (weitere) Zwangsvollstreckung oder (weitere) Vollstreckungsmaßnahmen sollen unterlassen werden (s. auch § 776 Rdn. 1). Einstellung der Zwangsvollstreckung bedeutet, dass sie insgesamt nicht fortgesetzt oder auch erst gar nicht erst begonnen wird.14 Alle künftigen Vollstreckungsmaßnahmen werden unzulässig, auch die Abnahme einer Vermögensauskunft nach §§ 802c ff.15 Beschränkung der Zwangsvollstreckung meint hingegen, dass einzelne Zwangsvollstreckungsmaßnahmen nicht fortgesetzt oder gar nicht erst begonnen werden dürfen. Hierunter fällt auch, wenn Zwangsvollstreckungsmaßnahmen quantitativ beschränkt werden, etwa wenn nur noch ein Teil des titulierten Anspruchs vollstreckt werden darf.16 Davon ist das Aufschieben der Vollstreckung, wie es die §§ 765a Abs. 2 und 815 Abs. 2 erlauben, zu unterscheiden. 6 Bereits vollzogene Zwangsvollstreckungsmaßnahmen bleiben von § 775 unberührt. Um ihre Wirkungen zu beseitigen, ist eine Aufhebung erforderlich. Ihre Voraussetzungen sind in § 776 normiert, der an die Einstellungs- bzw. Begrenzungstatbestände von § 775 anknüpft (s. § 776 Rdn. 8 ff.).

3. Anwendungsbereich 7 § 775 ist auf alle Arten der Zwangsvollstreckung, auch auf die Immobiliarvollstreckung, anwendbar.17 Für die Zwangshypothek trifft § 868 eine spezielle Regelung. Über § 167 Abs. 1 VwGO gilt die Norm auch für die Vollstreckung verwaltungsgerichtlicher Urteile.18 Nur für die Vollstreckung eines Titels auf Abgabe einer Willenserklärung gem. § 894 gilt sie nicht, denn hier ist ein Vollzug nicht erforderlich.19 Auch wenn sich das so nicht eindeutig aus dem Wortlaut ergibt, regelt § 775 nur die Fälle, in 8 denen die Zwangsvollstreckung gegen – oder jedenfalls ohne – den Willen des Gläubigers eingestellt oder beschränkt werden soll. Denn der Gläubiger kann wegen des auch im Zwangsvollstreckungsverfahren geltenden Dispositionsprinzips nicht nur über den Beginn, sondern auch über

10 BGH NJW 2008, 3640 f. 11 Brox/Walker § 11 Rdn. 1 ff. 12 BGH NJW-RR 2017, 1274 Rdn. 6; MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 775 Rdn. 24; Musielak/Voit/Lackmann § 775 Rdn. 12. Musielak/Voit/Lackmann § 775 Rdn. 12. MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 775 Rdn. 5. MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 775 Rdn. 5. MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 775 Rdn. 5; Saenger/Kindl § 775 Rdn. 1. MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 775 Rdn. 2; Saenger/Kindl § 775 Rdn. 2. MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 775 Rdn. 3. MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 775 Rdn. 2; Prütting/Gehrlein/Scheuch § 775 Rdn. 1; Musielak/Voit/Lackmann § 775 Rdn. 1.

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das Ende entscheiden; er kann auch schon getroffene Zwangsvollstreckungsmaßnahmen aufheben lassen.20

4. Geschützter Personenkreis Auf eine Einstellung oder Beschränkung der Zwangsvollstreckung hinwirken kann nicht nur der 9 Schuldner, sondern jedenfalls auch ein Dritter, der von der Zwangsvollstreckung betroffen ist.21 Das Vollstreckungsorgan hat aber nicht zu prüfen, ob der Dritte tatsächlich betroffen ist.22 Bei mehreren Schuldnern gilt § 775 nur zugunsten desjenigen, für den die Voraussetzungen zutreffen.23

II. Einstellungs-/Beschränkungstatbestände im Einzelnen 1. Vollstreckungshindernde Entscheidungen (Nr. 1) Nach Nr. 1 ist die Zwangsvollstreckung einzustellen oder zu beschränken, wenn die Ausfertigung 10 einer bestimmten vollstreckbaren Entscheidung vorgelegt wird. Inhaltlich lassen sich diese Entscheidungen danach differenzieren, ob sie sich gegen den Titel (Aufhebung des Urteils oder seiner vorläufigen Vollstreckbarkeit) oder gegen die Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung richten bzw. ihre Einstellung anordnen.

a) Ausfertigung einer gerichtliche Entscheidung. Dem Vollstreckungsorgan muss nach dem 11 Wortlaut der Vorschrift eine Ausfertigung vorgelegt werden. Eine Urschrift genügt auch.24 Dass es sich um eine vollstreckbare Ausfertigung i.S.v. § 724 handelt, ist nicht erforderlich.25 Eine beglaubigte Abschrift genügt nicht;26 eine einfache Kopie noch viel weniger. Dem Gläubiger muss die Entscheidung noch nicht mitgeteilt worden sein.27 Entbehrlich ist die Vorlage einer Ausfertigung, wenn sie sich bei dem für die Einstellung oder Beschränkung der Zwangsvollstreckung zuständigen Gericht befindet.28 Dann genügt die Bezugnahme auf die Akten. Es muss sich um eine gerichtliche Entscheidung handeln, also ein Urteil oder einen Be- 12 schluss.29 Nicht ausreichend sind ein Prozessvergleich,30 eine beiderseitige Erledigungserklärung31 20 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 775 Rdn. 6; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 5 Rdn. 76. Vgl. dazu auch § 64 Abs. 1 GVGA: Der Gerichtsvollzieher muss die getroffenen Zwangsvollstreckungsmaßnahmen aufheben oder die Zwangsvollstreckung einstellen oder beschränken, wenn ihn der Gläubiger hierzu anweist. 21 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 775 Rdn. 25. 22 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 775 Rdn. 25. 23 LG Frankenthal MDR 1983, 586; Stein/Jonas/Münzberg § 775 Rdn. 1; MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 775 Rdn. 4; Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Raebel/Thole § 775 Rdn. 12; Saenger/Kindl § 775 Rdn. 2; Musielak/Voit/Lackmann § 775 Rdn. 1. 24 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 775 Rdn. 13; Musielak/Voit/Lackmann § 775 Rdn. 2. 25 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 775 Rdn. 13; Musielak/Voit/Lackmann § 775 Rdn. 2. 26 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 775 Rdn. 13; Prütting/Gehrlein/Scheuch § 775 Rdn. 8; Musielak/Voit/Lackmann § 775 Rdn. 2; Zöller/Geimer § 775 Rdn. 4; Musielak/Voit/Lackmann § 775 Rdn. 2. 27 Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 45 Rdn. 12. 28 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 775 Rdn. 13. 29 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 775 Rdn. 10. 30 BayObLG NJW-RR 1999, 506, 507; MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 775 Rdn. 10; Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Raebel/Thole § 775 Rdn. 7; Prütting/Gehrlein/Scheuch § 775 Rdn. 5; Musielak/Voit/Lackmann § 775 Rdn. 3. 31 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 775 Rdn. 10; Prütting/Gehrlein/Scheuch § 775 Rdn. 5; Musielak/Voit/Lackmann § 775 Rdn. 3. 433

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oder ein Verzicht des Gläubigers auf den Vollstreckungstitel bzw. seine Vollstreckung.32 In diesen Fällen kann die Einstellung oder Zwangsvollstreckung nur erreicht werden, indem der Gläubiger einen entsprechenden Antrag an das Vollstreckungsorgan stellt oder der Betroffene die Einwendungen in der Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 geltend macht. Nicht überzeugend ist es, § 775 Nr. 1 analog anzuwenden, wenn der Gläubiger auf seine Rechte aus dem Titel verzichtet und die vollstreckbare Ausfertigung an den Schuldner übersendet hat.33 Denn auch hier fehlt es einer gerichtlichen Entscheidung, die sich gegen den Vollstreckungstitel wendet. In der Sache muss die Entscheidung das zu vollstreckende Urteil oder seine vorläufige Vollstreckbarkeit aufheben. Letzteres meint die Fälle von § 717 Abs. 1,34 nicht aber die Fälle, in denen die Höhe oder die Art einer bereits angeordneten Sicherheitsleistung nachträglich geändert wird.35 Die Aufhebung einer gerichtlichen Entscheidung meint nach allgemeinem Verständnis insbesondere die Fälle, in denen eine zu vollstreckende Entscheidung nach Einlegung eines Rechtsbehelfs in der zweiten oder dritten Instanz ganz oder teilweise aufgehoben wird. Ein Versäumnisurteil wird auf einen Einspruch hin aufgehoben. Die Aufhebung eines Arrestes oder einer einstweiligen Verfügung fällt ebenso darunter wie die Aufhebung einer Entscheidung im Nachverfahren (§ 600).36 Aufgehoben werden kann eine Entscheidung aber auch bei einer Wiederaufnahme des Verfahrens (§§ 578 ff.). Unter Nr. 1 fallen auch Abänderungsentscheidungen nach §§ 323, 323a. Wird eine Kostenentscheidung aufgehoben, nimmt das auch dem darauf beruhenden Kostenfestsetzungsbeschluss die Grundlage. Die Zwangsvollstreckung aus ihm ist dann ebenfalls nach § 775 Nr. 1 einzustellen. Den aufhebenden Entscheidungen gleichzustellen sind solche, die die Nichtigkeit einer vollstreckbaren Entscheidung feststellen.37 Eine gerichtliche Entscheidung i.S.v. Nr. 1 ist auch ein Beschluss nach § 269 Abs. 4 S. 1, der ausspricht, dass eine noch nicht rechtskräftig gewordene Entscheidung nach Rücknahme einer Klage wirkungslos geworden ist (§ 269 Abs. 3 S. 1). Ist kein solcher Beschluss ergangen, ist Nr. 1 aber nicht einschlägig. Deshalb hat der in der wirkungslos gewordenen Entscheidung zu einer Leistung Verurteilte auch stets ein Rechtsschutzbedürfnis für einen solchen Antrag. Gleiches gilt für Beschlüsse nach § 22 Abs. 2 S. 2 FamFG. Werden eine Entscheidung oder ihre vorläufige Vollstreckbarkeit nur teilweise aufgehoben, ist Nr. 1 ebenfalls anwendbar. Dann ist die Zwangsvollstreckung allerdings nur teilweise einzustellen bzw. zu beschränken.38

17 b) Grundsatz: Vollstreckbarkeit der Entscheidung. Grundsätzlich erforderlich ist, dass die genannten Entscheidungen vollstreckbar sind. Das meint, dass sie rechtskräftig, kraft Gesetzes vollstreckbar oder jedenfalls für vorläufig vollstreckbar erklärt worden sind.39 Ist die Entscheidung nur gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar, ist die Zwangsvollstreckung erst einzustellen bzw. zu beschränken, wenn die Erbringung der Sicherheitsleistung nachgewiesen wurde.40 Ist die zu erbringende Sicherheitsleistung in der Entscheidung nicht näher bestimmt, kann sie der Schuldner oder der Dritte gem. § 108 Abs. 1 S. 2 durch Bankbürgschaft erbringen. Dass das wegen einer anderen Absprache oder wegen einer Entscheidung des Gerichts nicht genügt, muss der vollstreckende Gläubiger nachweisen.41 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41

MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 775 Rdn. 10; Stein/Jonas/Münzberg § 775 Rdn. 9. So aber KG Berlin NJW-RR 2000, 1523; ablehnend auch MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 775 Rdn. 10. Zöller/Geimer § 775 Rdn. 4. Stein/Jonas/Münzberg § 775 Rdn. 7. Stein/Jonas/Münzberg § 775 Rdn. 6; Saenger/Kindl § 775 Rdn. 5. MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 775 Rdn. 12; Thomas/Putzo/Seiler § 775 Rdn. 5. MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 775 Rdn. 12. MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 775 Rdn. 11; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 45 Rdn. 12. LG Bonn MDR 1983, 850; BeckOK/Preuß § 775 Rdn. 11; Thomas/Putzo/Seiler § 775 Rdn. 6. Stein/Jonas/Münzberg § 775 Rdn. 14.

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c) Ausnahme: keine Vollstreckbarkeit erforderlich. Ist die Zwangsvollstreckung einzustel- 18 len oder zu beschränken, weil die vorläufige Vollstreckbarkeit durch eine aufhebende Entscheidung nach § 717 Abs. 1 entfallen ist, muss das aufhebende Urteil weder vollstreckbar sein, noch muss eine angeordnete Sicherheitsleistung nachgewiesen werden. Denn die vorläufige Vollstreckbarkeit tritt mit der Verkündung einer aufhebenden Entscheidung außer Kraft und diese Entscheidung muss ihrerseits nicht für vollstreckbar erklärt werden.42 Wertungswidersprüche entstehen bei § 775 Nr. 1 dadurch, dass die Zwangsvollstreckung nur einzustellen oder zu beschränken ist, wenn eine vollstreckbare Entscheidung vorgelegt wird, die die zu vollstreckende Entscheidung aufhebt, aber eine aufhebende Entscheidung der aufgehobenen Entscheidung zugleich die vorläufige Vollstreckbarkeit nimmt. Die wohl h.M. erkennt zwar an, dass die vorläufige Vollstreckbarkeit nach § 717 Abs. 1 schon mit Verkündung einer aufhebenden Entscheidung endet, nimmt allerdings an, dass ein Vollstreckungshindernis i.S.v. § 775 Nr. 1 nur besteht, wenn diese Entscheidung vollstreckbar ist, insbesondere weil sie für vorläufig vollstreckbar erklärt wurde.43 In diesen Fällen will sie dann aber auf den Nachweis der Sicherheitsleistung verzichten, von der die vorläufige Vollstreckbarkeit abhängig gemacht ist.44 Das ist inkonsequent.45 Zudem bricht die h.M. mit zwei grundlegenden Erwägungen: zum einen damit, dass aus nur vorläufig vollstreckbaren Entscheidungen nicht mehr vollstreckt werden soll, wenn eine Entscheidung verkündet wird, die sie aufhebt (§ 717 Abs. 1); zum anderen damit, dass Entscheidungen im Regelfall nur gegen Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar zu erklären sind, oder wenn in den Fällen von § 708 die Interessenabwägung zugunsten des Gläubigers ausgeht. Vorzugswürdig ist es daher, mit bislang vereinzelt gebliebenen Stimmen im Schrifttum46 da- 19 von auszugehen, dass eine Entscheidung, die nach § 717 Abs. 1 zum Entfallen der vorläufigen Vollstreckbarkeit führt, ein Verfahrenshindernis nach Nr. 1 schafft, auch wenn sie ihrerseits nicht für vorläufig vollstreckbar erklärt wurde. Der Wortlaut von Nr. 1 trägt ein solches Ergebnis. Denn die Norm lässt sich derart lesen, dass sich das Erfordernis einer vollstreckbaren Entscheidung nicht auf alle Alternativen gleichermaßen bezieht. Zudem spricht dafür folgende Überlegung: Dass das Gericht eine noch nicht rechtskräftige Entscheidung für vorläufig vollstreckbar erklärt, erlaubt dem Gläubiger schon vor Eintritt der Rechtskraft die Zwangsvollstreckung zu betreiben. Dahinter steht jedenfalls auch ein Vertrauen in die wahrscheinliche Richtigkeit einer Entscheidung. Wird nun eine Entscheidung noch vor Eintritt der Rechtskraft aufgehoben, verliert das Vertrauen in die wahrscheinliche Richtigkeit der Entscheidung seine Grundlage. Folgerichtig soll aus der aufgehobenen Entscheidung dann auch nicht mehr vollstreckt werden können. Für den umgekehrten Fall des § 775, bei dem es gerade darum geht, dass nicht mehr vollstreckt werden soll, bedarf es daher auch keiner Vollstreckbarerklärung. Geht man nun davon aus, dass die Tatbestandsalternative, wonach die vorläufige Vollstreckbarkeit aufgehoben wurde, immer dann einschlägig ist, wenn die Entscheidung noch nicht rechtskräftig ist, fallen unter die Tatbestandsalternative der Urteilsaufhebung im Wesentlichen die bereits rechtskräftigen Urteile. Und auch hier streitet eine zentrale Überlegung für eine solche Lesart: Hält nun der Gläubiger einen rechtskräftigen Titel in den Händen, dann erscheint es sachgerecht, dass man die Einstellung oder die Beschränkung der Zwangsvollstreckung von mehr abhängig macht als in den Fällen, in denen er erst über einen vorläufig vollstreckbaren Titel verfügt. Überdies müsste man, verlangte man glei42 Zöller/Herget § 717 Rdn. 1. 43 OLG Brandenburg NJW-RR 2014, 574; OLG Düsseldorf, Urt. v. 21.5.1985 – 15 U 170/84; OLG München, Urt. v. 18.9.2002 – 27 U 1011/01; OLG München MDR 1982, 238; OLG Karlsruhe JZ 1984, 635; Wieczorek/Schütze/Hess4 § 717 Rdn. 10; Kindl/Meller-Hannich/Wolf/Giers/Scheuch § 717 Rdn. 4; MünchKomm/Götz § 717 Rdn. 6; Musielak/Voit/Lackmann § 717 Rdn. 3; ausdrücklich offen gelassen von BGH NJW 2013, 3584, 3585. 44 Musielak/Voit/Lackmann § 775 Rdn. 3; Prütting/Gehrlein/Scheuch § 775 Rdn. 6; Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Raebel/Thole § 775 Rdn. 7; Saenger/Kindl § 775 Rdn. 4; Thomas/Putzo/Seiler § 775 Rdn. 5; a.A. MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 775 Rdn. 11. 45 So ausdrücklich auch BeckOK/Ulrici § 717 Rdn. 5. 46 BeckOK/Ulrici § 717 Rdn. 5; BeckOK/Preuß § 775 Rdn. 6. 435

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chermaßen eine vorläufige Vollstreckbarerklärung, auch über eine analoge Anwendung von § 717 Abs. 2 zugunsten des Gläubigers nachdenken. Dann würde derjenige, der die Einstellung der Zwangsvollstreckung begehrt, für den Schaden haften, der infolge der Verzögerung eintritt. Das würde aber wiederum nicht hinreichend berücksichtigen, dass in diesen Fällen schon eine zweite Entscheidung, dieses Mal zugunsten des Schuldners vorliegt. Deshalb muss eine Entscheidung, die eine vorläufige Vollstreckbarkeit aufhebt, ihrerseits nicht vollstreckbar sein, damit die Zwangsvollstreckung einzustellen bzw. zu beschränken ist. Nur wenn ein bereits rechtskräftiges Urteil aufgehoben wurde, ist die Zwangsvollstreckung erst einzustellen bzw. zu beschränken, wenn diese Entscheidung vollstreckbar ist. 20 Bei Entscheidungen nach § 116 FamFG ist von vornherein keine (vorläufige) Vollstreckbarerklärung erforderlich.47 Weil das FamFG eine solche für diese Entscheidungen nicht vorsieht, wäre sie auch gar nicht möglich. Die Entscheidung muss auch nicht für sofort wirksam i.S.v. § 116 Abs. 3 S. 2 FamFG erklärt werden.48

21 d) Unzulässigerklärung der Zwangsvollstreckung. Hierher gehören Entscheidungen, die auf Rechtsbehelfe nach den §§ 732, 766, 767, 771–774, 785, 786 sowie 793 hin die Zwangsvollstreckung aus dem Titel, aus der vollstreckbaren Ausfertigung, ihre Art und Weise oder in bestimmte Vermögensmassen für unzulässig erklären. Auch die begründete Titelgegenklage analog § 767 führt zu einem Vollstreckungshindernis. Die Entscheidung muss allerdings vollstreckbar sein (s. Rdn. 17). Daher sind auch die Gestaltungsurteile, die keinen vollstreckungsfähigen Inhalt haben, für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Nicht unter Nr. 1 fallen Anordnungen nach § 21 Abs. 2 Nr. 3 InsO.49 Die wohl h.M. im – insbe22 sondere insolvenzrechtlichen – Schrifttum differenziert danach, ob das Insolvenzgericht (künftige) Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen den Schuldner untersagt (§ 21 Abs. 2 Nr. 3, 1. Alt. InsO) oder ob es (bereits begonnene) Zwangsvollstreckungsmaßnahmen einstweilen einstellt (§ 21 Abs. 2 Nr. 3, 2. Alt. InsO): Eine Anordnung nach § 21 Abs. 2 Nr. 3, 1. Alt. InsO führe zu einem Vollstreckungshindernis nach § 775 Nr. 1, eine solche nach § 21 Abs. 2 Nr. 3, 2. Alt. InsO zu einem Vollstreckungshindernis nach § 775 Nr. 2.50 Allerdings ist die Differenzierung danach, ob es um bereits begonnene Vollstreckungshandlungen oder um künftige Vollstreckungshandlungen geht,51 nicht überzeugend. Entscheidend muss nämlich sein, dass es sich in beiden Fällen insoweit um eine vorläufige Anordnung handelt als dass unklar ist, ob das Insolvenzverfahren tatsächlich eröffnet wird und das Vollstreckungsverbot nach § 89 InsO eingreift. Wird das Insolvenzverfahren nicht eröffnet, sind die Anordnungen aufzuheben, was auch dafür spricht, dass es sich nicht um eine endgültige Entscheidung handelt, die Nr. 1 aber voraussetzt (s. Rdn. 23).52 Gestützt wird diese Überlegung von der amtlichen Überschrift des § 21 InsO, die von der Anordnung vorläufiger Maßnahmen spricht.

23 e) Endgültige Einstellung der Zwangsvollstreckung. In Abgrenzung zu § 775 Nr. 2 fallen unter Nr. 1 nur die Entscheidungen, die die Einstellung der Zwangsvollstreckung endgültig anordnen. Hierunter fallen Anordnungen nach §§ 765a, 766 und 793. Wird die Einstellung der Zwangsvollstreckung angeordnet, darf auch aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss nicht mehr voll47 BGH NJW 2013, 3584, 3585. 48 BGH NJW 2013, 3584, 3585. 49 Kindl/Meller-Hannich/Wolf/Gruber Auswirkung des Insolvenzverfahrens auf die Einzelzwangsvollstreckung Rdn. 56. 50 MünchKomm-InsO/Haarmeyer § 21 Rdn. 75; Uhlenbrock/Vallender § 21 Rdn. 27; so auch aus dem zivilprozessualen Schrifttum Stein/Jonas/Münzberg § 775 Rdn. 48. 51 So aber MünchKomm-InsO/Haarmeyer/Schildt § 21 Rdn. 75; Uhlenbrock/Vallender § 21 Rdn. 27. 52 Bork Insolvenzrecht Rdn. 133. Spohnheimer

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streckt werden.53 Wird nur die vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung angeordnet, ist Nr. 2 einschlägig.54

f) Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Wird das Insolvenzverfahren eröffnet, ist die Zwangs- 24 vollstreckung unzulässig (§ 89 Abs. 1 InsO). Die Zwangsvollstreckung ist daher auch einzustellen oder zu beschränken, wenn ein Beschluss über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgelegt wird (§ 27 InsO), soweit die Zwangsvollstreckung nach den Vorschriften der InsO mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens unzulässig geworden ist.55

2. Einstweilige Einstellung der Vollstreckung oder einer Vollstreckungsmaßregel, Fortsetzung der Vollstreckung nur gegen Sicherheitsleistung (Nr. 2) a) Anordnung der einstweiligen Einstellung durch Entscheidung. Voraussetzung ist, dass 25 eine gerichtliche Entscheidung (s. Rdn. 12) die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung oder einer Vollstreckungsmaßregel anordnet. Das meint, dass die Zwangsvollstreckung vorübergehend nicht fortgeführt wird und bewirkt einen Stillstand des Verfahrens.56 Im Falle einer Forderungspfändung darf der Drittschuldner dann nur noch an den Gläubiger und den Schuldner gemeinsam leisten oder muss den Betrag für beide hinterlegen.57 Damit die Zahlung nicht nach § 836 Abs. 2 schuldbefreiende Wirkung gegenüber dem Schuldner hat, sollte dem Drittschuldner der Einstellungsbeschluss mitgeteilt werden. Ab diesem Zeitpunkt kann er sich nicht mehr auf seinen guten Glauben berufen.58 Unter Nr. 2, 1. Alt. fallen insbesondere die Fälle der §§ 570 Abs. 3, 707 Abs. 1, 719, 732 Abs. 2, 26 765a Abs. 1, 769 Abs. 1, 2, 770, 771 Abs. 3.59 Unter § 775 Nr. 2 fällt auch eine einstweilige Anordnung des Insolvenzgerichts nach § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 InsO (s. Rdn. 22).60 Anders als im Falle von Nr. 1 muss diese Entscheidung aber nicht vollstreckbar sein. Sie muss nur erlassen sein.61 Wird die einstweilige Einstellung oder Beschränkung der Zwangsvollstreckung nur gegen Sicherheitsleistung angeordnet, muss diese Sicherheitsleitung zunächst nachgewiesen werden.62 Wird die Zwangsvollstreckung endgültig eingestellt, liegt kein Fall von Nr. 2 sondern von Nr. 1 vor (s. Rdn. 23).

b) Vorlage einer Ausfertigung und Ausnahmen. Dem Vollstreckungsorgan muss eine Ausfer- 27 tigung (s. Rdn. 11) dieser Entscheidung vorgelegt werden. Etwas anderes muss aber in den Fällen gelten, in denen die Einstellungsentscheidung vom Vollstreckungsorgan getroffen wurde. Denn hier wäre es eine bloße Förmelei, würde man dem Betroffenen zumuten, dass er das Vollstreckungsorgan noch einmal durch Vorlage einer Ausfertigung davon in Kenntnis setzt. Entsprechendes wird man auch annehmen können, wenn das Vollstreckungsorgan auf sonstige amtliche Weise

53 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 775 Rdn. 12. 54 Saenger/Kindl § 775 Rdn. 5. 55 Nach MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 775 Rdn. 7, fällt dieser Fall nicht unter § 775 Nr. 1; gleichwohl bestehe ein Vollstreckungshindernis, das von Amts wegen zu beachten sei, sodass die Zwangsvollstreckung einzustellen sei. 56 Zöller/Geimer § 775 Rdn. 5. 57 BGHZ 140, 253, 255 f.; OLGR München 1992, 220; Zöller/Geimer § 775 Rdn. 5; BeckOK/Preuß § 775 Rdn. 14. 58 MünchKomm/Smid § 836 Rdn. 5. 59 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 775 Rdn. 14. 60 Zöller/Geimer § 775 Rdn. 5. 61 Musielak/Voit/Lackmann § 775 Rdn. 5; Stein/Jonas/Münzberg § 775 Rdn. 15. 62 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 775 Rdn. 14. 437

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Kenntnis davon erlangt hat. Keinesfalls reicht aus, dass der Schuldner die Existenz einer solchen Entscheidung nur behauptet.63

28 c) Zeitliche Diskrepanz von Wirksamkeit und Vorlage der Entscheidung. In den Fällen, in denen keine Sicherheitsleistung angeordnet wurde, kann es zu Schwierigkeiten kommen, weil die Entscheidung, wirksam wird, wenn sie die Geschäftsstelle des Gerichts verlassen hat und ein Vollstreckungsorgan, dem die Entscheidung noch nicht vorgelegt wurde und das sie noch nicht kennt, weitere Vollstreckungsmaßnahmen vornimmt.64 Denn § 775 bestimmt nur, wann ein Vollstreckungsorgan nicht mehr vollstrecken darf. Über den Zeitpunkt, in dem die Zwangsvollstreckung oder eine Vollstreckungsmaßnahme selbst unzulässig wird, ist damit noch nichts gesagt. Dass das Vollstreckungsorgan, das eine Entscheidung i.S.v. Nr. 1 noch nicht kennt, die Zwangsvollstreckung nicht nach § 775 einstellen muss, sagt nichts darüber aus, ob sie noch zulässig ist. § 775 Nr. 1 sagt nur umgekehrt, dass die Zwangsvollstreckung unzulässig ist, wenn ihm eine entsprechende Entscheidung vorgelegt wird. Denn die Norm erfordert nach ihrem klaren Wortlaut, dass dem Vollstreckungsorgan die Ausfertigung der entsprechenden Entscheidung vorgelegt wird. Vollstreckungsmaßnahmen, die nach einer solchen Entscheidung getroffen wurden, sind wirksam, doch hält sie die h.M. für anfechtbar und will dem Betroffenen die Vollstreckungserinnerung bzw. die sofortige Beschwerde ermöglichen.65 29 Das überzeugt indessen nicht.66 Denn diese Rechtsbehelfe sind darauf gerichtet, die Verletzung einer Verfahrensvorschrift geltend zu machen (s. § 766 Rdn. 4). Eine solche kann man dem Vollstreckungsorgan aber nicht vorwerfen. Denn dass es zu einer Diskrepanz kommen kann, wenn die Zwangsvollstreckung mit der Entscheidung unzulässig wird, sie nach § 775 Nr. 1 und Nr. 2 für die Einstellung oder Beschränkung der Zwangsvollstreckung durch das Vollstreckungsorgan allerdings erst beachtlich wird, wenn das Vollstreckungsorgan davon Kenntnis hat, kann man nicht als verfahrensfehlerhaft bezeichnen. Vielmehr besteht hier eine vom Gesetzgeber verursachte Rechtsschutzlücke, die es zu schließen gilt. 30 In den Fällen der Nr. 1 ist die Lösung einfach. Wird dem Vollstreckungsorgan die Entscheidung vorgelegt, kann und muss es die bis zur Vorlage der Entscheidung getroffenen Maßnahmen ohnehin nach § 776 S. 1 aufheben.67 Kommt das Vollstreckungsorgan dem nicht nach, ist das wiederum ein verfahrensfehlerhaftes Verhalten, das mit der Vollstreckungserinnerung angegriffen werden kann. In den Fällen einer einstweiligen Anordnung i.S.v. Nr. 2 ist das indes anders. Hier dürfen getroffene Vollstreckungsmaßregeln nur aufgehoben werden, wenn es in der gerichtlichen Entscheidung angeordnet wird (§ 776 S. 2, 2. Hs.). Fehlt nun eine solche Anordnung, kann die Lösung in diesen Fällen nur darauf hinauslaufen, dass sich der Betroffene um eine entsprechende Anordnung der Aufhebung bemüht. Bei der Ermessensausübung muss das Gericht dann allerdings berücksichtigen, dass die entsprechende Vollstreckungsmaßnahme – hätte das Vollstreckungsorgan schon Kenntnis gehabt – nach § 775 Nr. 2 unterblieben wäre, sodass regelmäßig die Aufhebung anzuordnen sein wird. Zwar muss der Betroffene so eine zweite Anordnung nach §§ 769, 770 erwirken. Doch fügt sich das in die Dogmatik der vollstreckungsrechtlichen Rechtsbehelfe ein, und schließlich müsste er auch auf der Grundlage der h.M. eine Vollstreckungserinnerung bzw. sofortige Beschwerde einlegen.

63 LG Görtlitz DGVZ 1999, 62; Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Raebel/Thole § 775 Rdn. 8 m. Fn. 30. 64 Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Raebel/Thole § 775 Rdn. 8. 65 LG Berlin Rpfleger 1976, 26; Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Raebel/Thole § 775 Rdn. 8; in den Fällen, in denen noch kein Aufhebungsbefehl vorliegt (§ 776 S. 2, 2. Hs.) auch Saenger/Kindl § 775 Rdn. 13.

66 Kritisch auch Blomeyer VV § 24 III. 67 So wohl auch Saenger/Kindl § 775 Rdn. 13. Spohnheimer

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d) Fortsetzung der Vollstreckung nur gegen Sicherheitsleistung. Ordnet das Gericht an, 31 dass die Zwangsvollstreckung einstweilen nur gegen Sicherheitsleistung fortgesetzt werden darf, muss die Zwangsvollstreckung so lange eingestellt werden, bis der Gläubiger in der Form des § 751 S. 2 nachweist, dass er die Sicherheitsleistung erbracht hat.68 Hauptanwendungsfälle sind die §§ 707 Abs. 1, 709 S. 3, 719 Abs. 1, 732 Abs. 2, 769 Abs. 1, 2, 770, 771 Abs. 3. Hat der Gläubiger die Sicherheitsleistung nachgewiesen, darf die Zwangsvollstreckung nicht eingestellt werden. Eine Zustellung ist entbehrlich.

3. Erbringung der Sicherheitsleistung oder Hinterlegung (Nr. 3) Bei Nr. 3 geht es um die Fälle, in denen der Schuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung 32 abwenden kann. Das meint etwa die Situationen der §§ 711, 712 Abs. 1, 720a Abs. 3. Meist gestattet das Gesetz dem Schuldner, die Zwangsvollstreckung alternativ durch Hinterlegung abzuwenden (vgl. §§ 711, 712 Abs. 1). Wird eine einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung angeordnet, ist das kein Anwendungsfall von Nr. 3, sondern von Nr. 2.69 Der Nachweis, dass die Sicherheitsleistung erbracht wurde, ist durch eine öffentliche Urkun- 33 de i.S.v. § 415 zu führen. Öffentlich beglaubigte Urkunden genügen nach dem klaren Wortlaut der Norm nicht.70 Abzustellen ist auf den Erfolg: Im Falle einer Bürgschaftserklärung muss daher der Zugang der Erklärung beim Gläubiger nachgewiesen werden, im Falle der Hinterlegung kann das durch eine Bescheinigung der Hinterlegungsstelle geschehen.71 Der Nachweis einer Absendung genügt nicht.72 Einer Zustellung wie in § 751 Abs. 2 a.E. bedarf es aber nicht. Allerdings besteht im Fall von § 711 S. 1 kein Vollstreckungshindernis mehr, wenn der Gläubi- 34 ger vor der Zwangsvollstreckung seinerseits Sicherheit geleistet hat. Dann ist die Zwangsvollstreckung nicht einzustellen bzw. zu beschränken.

4. Befriedigung oder Stundung der titulierten Forderung durch öffentliche Urkunde oder vom Gläubiger ausgestellte Privaturkunde nachgewiesen (Nr. 4) Gerade die Regelung in Nr. 4 durchbricht den Grundsatz, wonach materiellrechtliche Einwendun- 35 gen gegen den titulierten Anspruch für das Vollstreckungsorgan unbeachtlich und im Wege der Gestaltungsklage geltend zu machen sind. Das ist bei der Auslegung der Vorschrift zu berücksichtigen.73 Sie will vermeiden, dass der Schuldner gezwungen wird, auch solche Einwendungen, die er mit der „erforderlichen förmlichen Klarheit und inhaltlichen Sicherheit“ gegenüber dem Vollstreckungsorgan belegen kann, in jedem Fall durch eine gerichtliche Entscheidung und eine dabei angeordnete einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung (kostentreibend) geltend machen muss.74 Die Regelung ist deshalb sachgerecht, weil der Schuldner im Idealfall auf das rechtskräftige Urteil hin leistet, ohne dass es einer Zwangsvollstreckung bedarf. Damit geht die Gefahr einher, dass sich Leistung und Vollstreckungsmaßnahmen überschneiden.

68 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 775 Rdn. 15; Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Raebel/Thole § 775 Rdn. 8. 69 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 775 Rdn. 16. 70 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 775 Rdn. 16; BeckOK/Preuß § 775 Rdn. 18; Prütting/Gehrlein/Scheuch § 775 Rdn. 11; Saenger/Kindl § 775 Rdn. 8; Musielak/Voit/Lackmann § 775 Rdn. 6; a.A. wohl Schuschke/Walker/Kessen/Thole/ Raebel/Thole § 775 Rdn. 9 (Form des § 751 Abs. 2). 71 Saenger/Kindl § 775 Rdn. 8. 72 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 775 Rdn. 16. 73 BeckOK/Preuß § 775 Rdn. 19. 74 Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Raebel/Thole § 775 Rdn. 2. 439

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36 a) Befriedigung des Gläubigers. Befriedigung meint, dass die geschuldete Leistung an den Gläubiger erbracht wird. Sie kann aber auch durch Erfüllungssurrogate – Erlass, Hinterlegung und Aufrechnung – erfolgen.75 Nicht unter Nr. 4 fallen die Anfechtung und die Ausübung eines Rücktrittsrechts; sie können nur mit einer Vollstreckungsabwehrklage geltend gemacht werden.76 Die Befriedigung eines Dritten genügt jedenfalls, wenn nach dem Titel an den Dritten zu leisten ist. Nicht ausreichend ist, wenn der Schuldner durch Leistung an den Dritten auf sonstige Weise von der Verbindlichkeit frei wird.77 Das mag zur Erfüllung führen, muss aber im Wege einer Vollstreckungsabwehrklage geltend gemacht werden. Denn als Ausnahmeregel ist die Vorschrift eng auszulegen und der Wortlaut spricht von einer Befriedigung des Gläubigers. Das ist zum einen enger als die Erfüllung der Forderung. Zum anderen darf das Vollstreckungsverfahren nicht damit belastet werden, dass das Vollstreckungsorgan aufwendig prüfen muss, ob die Leistung an einen Dritten schuldbefreiende Wirkung hat. Lautet das zu vollstreckende Urteil auf Zahlung eines Bruttolohnes, werden gezahlte Lohnsteuern durch eine Quittung des Finanzamtes, gezahlte Sozialversicherungsbeiträge durch eine Quittung des Sozialversicherungsträgers nachgewiesen.78 Hier rechtfertigt die leichte Überprüfbarkeit, die genannten Grundsätze zu durchbrechen. 37 Wird der Gläubiger wegen seiner gesamten Forderung befriedigt, ist die Zwangsvollstreckung einzustellen; wird der Gläubiger nur teilweise befriedigt, ist die Zwangsvollstreckung zu beschränken.79 Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Forderung auch die Zinsen und die Kosten umfasst.80 Soweit keine Befriedigung eingetreten ist, kann die Zwangsvollstreckung fortgesetzt werden.81

38 b) Stundung der titulierten Forderung. Die Stundung muss gerade dem Schuldner gegenüber gewährt worden sein. Die Stundungsfrist darf im maßgeblichen Zeitpunkt noch nicht abgelaufen sein; ist sie abgelaufen, darf die Zwangsvollstreckung nicht eingestellt werden.82 Eine Stundung i.S.v. Nr. 4 stellt auch eine Ratenzahlungsvereinbarung dar.83 Materiellrechtlich wirkende Vollstreckungsvereinbarungen, die zu einer Stundung führen, sind zu berücksichtigen.84

39 c) Maßgeblicher Zeitpunkt. Die Befriedigung des Gläubigers oder die Stundung der Forderung muss nach dem Erlass des Urteils stattgefunden haben. Erlass meint eigentlich die Verkündung des Urteils (§ 311 Abs. 2 S. 1) oder eine die Verkündung ersetzende Zustellung (§ 310 Abs. 3). Vergleicht man das mit dem für die Präklusion maßgeblichen Zeitpunkt in § 767 Abs. 2, der auf den Schluss der mündlichen Verhandlung abstellt, besteht eine Divergenz: Eine Befriedigung oder Stundung, die nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung aber vor der Verkündung des Urteils erfolgt, könnte nicht als Vollstreckungshindernis geltend gemacht werden. Aus diesem

75 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 775 Rdn. 19; BeckOK/Preuß § 775 Rdn. 21; Prütting/Gehrlein/Scheuch § 775 Rdn. 13. 76 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 775 Rdn. 19; BeckOK/Preuß § 775 Rdn. 22; Prütting/Gehrlein/Scheuch § 775 Rdn. 13; Zöller/Geimer § 775 Rdn. 7. 77 A.A. die ganz h.M.; etwa Stein/Jonas/Münzberg § 775 Rdn. 23; MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 775 Rdn. 19; BeckOK/Preuß § 775 Rdn. 21.2. 78 BeckOK/Preuß § 775 Rdn. 21.1. 79 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 775 Rdn. 21; BeckOK/Preuß § 775 Rdn. 20; Musielak/Voit/Lackmann § 775 Rdn. 7. 80 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 775 Rdn. 21; BeckOK/Preuß § 775 Rdn. 20. 81 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 775 Rdn. 21. 82 Musielak/Voit/Lackmann § 775 Rdn. 7. 83 LG Detmold DGVZ 2015, 22; LG Berlin DGVZ 2013, 213. 84 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 775 Rdn. 19. Spohnheimer

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Grunde wurde in der Literatur vereinzelt vertreten, dass es ausreichend sei, wenn die Befriedigung oder der Erlass nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung eingetreten seien.85 Auch der Gesetzgeber scheint in seinen Beratungen weitgehend von einem Gleichlauf zwischen § 767 Abs. 2 und § 775 ausgegangen zu sein.86 Doch kann man das nicht überbewerten, weil die maßgebliche Norm, zu der sich der Gesetzgeber in den Beratungen geäußert hat, so nicht verabschiedet wurde. Vielmehr noch wird man dem entgegenhalten müssen, dass der Gesetz gewordene Wortlaut der Norm eindeutig ist87 und es dem Prinzip der Formalisierung des Vollstreckungsverfahrens widerspräche, müsste das Vollstreckungsorgan nicht nur (einfacher) prüfen, ob die Einwendung nach der Verkündung des Urteils erfolgt ist, sondern ob sie nach dem für § 767 Abs. 2 maßgeblichen Zeitpunkt erfolgt ist. Gerade wenn sich dieser nicht ohne Weiteres aus dem Urteil ergibt, kann das Schwierigkeiten bereiten, die nicht in der Zwangsvollstreckung ausgetragen werden sollen. Deshalb hat man den Wortlaut des Gesetzes ernst zu nehmen.88 Dafür spricht zudem, dass die Einschränkung „nach Erlass des Urteils“ in § 775 Nr. 5 aufgegeben, in § 775 Nr. 4 beibehalten wurde.89 Deshalb muss der Schuldner seine Einwendungen in einer Vollstreckungsabwehrklage geltend machen, wenn die Befriedigung oder Stundung nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung, aber vor dem Erlass der Entscheidung, erfolgt ist. Wird die Zwangsvollstreckung aus einem Vollstreckungsbescheid betrieben (§ 794 Abs. 1 40 Nr. 4), kann der Schuldner nach h.M. keine Einstellung verlangen, wenn Befriedigung oder die Stundung zwischen Zustellung des Mahnbescheides und Zustellung des Vollstreckungsbescheides erfolgt ist.90

d) Nachweis. Als Nachweis muss eine öffentlichen Urkunde (§ 415) oder eine vom Gläubiger 41 ausgestellte Privaturkunde vorgelegt werden. Eine solche Privaturkunde ist nur das Original oder eine Ausfertigung; eine Kopie genügt nicht.91 Sie muss vom Gläubiger ausgestellt sein; dass ein Dritter sie ausgestellt hat, genügt nicht.92 Das muss auch dann gelten, wenn wegen gesetzlicher Vorschriften an den Dritten zu leisten ist oder eine Leistung an den Dritten zum Erlöschen der Schuld führt.93 Die gegenteilige h.M. überzeugt nicht. Denn sie mutet dem Vollstreckungsorgan zu, schwierige Rechtsfragen zu prüfen und hemmt die Schlagkraft der Zwangsvollstreckung. Anderes gilt bei der Vollstreckung eines Bruttolohnurteils (s. Rdn. 36). Inhaltlich muss sich aus der Urkunde ergeben, dass gerade die titulierte Forderung gestundet 42 oder der Gläubiger für sie befriedigt wurde. Ist das zweifelhaft, muss das Vollstreckungsorgan die Zwangsvollstreckung weiter betreiben und der Gläubiger muss sich dagegen im Rahmen der Vollstreckungsabwehrklage wehren. Das dient der Formalisierung des Zwangsvollstreckungsverfahrens und gewährt dem Gläubiger effektiven Rechtsschutz. Es empfiehlt sich daher, in der Quittung auf den Vollstreckungstitel bezugzunehmen. Wurde die Forderung im Titel als „Miete für Wohnraum einschließlich Nebenkosten“ bezeichnet, genügt es nicht, wenn der Schuldner eine

A.A. noch Wieczorek/Schütze/Salzmann3 § 775 Rdn. 28. Vgl. hierzu die Ausführungen zur Begründung zu § 775 Nr. 5 in BT-Drucks. 13/341, S. 19. So auch MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 775 Rdn. 20. Im Ergebnis ebenso MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 775 Rdn. 20; BeckOK/Preuß § 775 Rdn. 24; Musielak/Voit/ Lackmann § 775 Rdn. 9; Prütting/Gehrlein/Scheuch § 775 Rdn. 14. 89 Musielak/Voit/Lackmann § 775 Rdn. 9. 90 Prütting/Gehrlein/Scheuch § 775 Rdn. 14; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 45 Rdn. 19. 91 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 775 Rdn. 18; Prütting/Gehrlein/Scheuch § 775 Rdn. 15. 92 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 775 Rdn. 18. 93 A.A. MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 775 Rdn. 18; Zöller/Geimer § 775 Rdn. 7; Prütting/Gehrlein/Scheuch § 775 Rdn. 15; Musielak/Voit/Lackmann § 775 Rdn. 8.

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Quittung über die „Zahlung von Mietschulden“ vorlegt.94 Hier muss der Schuldner die Erfüllung im Wege der Vollstreckungsabwehrklage geltend machen.

5. Vorlage eines Einzahlungs- oder Überweisungsnachweises (Nr. 5) 43 Nr. 5 kommt nur bei der Vollstreckung wegen Geldforderungen in Betracht.95 Aus dem Nachweis muss sich ergeben, dass der zur Befriedigung des Gläubigers erforderliche Betrag zur Auszahlung an den Gläubiger oder auf dessen Konto eingezahlt oder überwiesen worden ist. Eine Einzahlung kann nur bei der Bank des Gläubigers stattgefunden haben, eine Überweisung von einer beliebigen Bank. Weil die Vorschrift darüber schweigt, wer die Einzahlung vorgenommen haben muss, muss der Auftraggeber nicht der Schuldner sein. Das entspricht zudem § 267 Abs. 1 BGB. Es genügt, wenn einer der Gesamtschuldner zahlt;96 dann ist die Vollstreckung wegen § 422 BGB gegen alle Gesamtschuldner einzustellen. Weil es sich um einen Nachweis einer Bank oder Sparkasse handeln muss, muss Urheber 44 dieses Nachweises die Bank oder Sparkasse sein. Berücksichtigt man den Zweck der Regelung, muss sich aus dem Beleg ergeben, dass die Einzahlung oder Überweisung zu einer Befriedigung des Gläubigers geführt haben kann. Die Vorlage einer Überweisungsdurchschrift genügt nicht.97 Denn sie belegt nur – wie die §§ 675n f. BGB erkennen lassen –, dass ein entsprechender Auftrag erteilt wurde. Doch kann die Bank den Auftrag gleichwohl noch zurückweisen (§ 675o BGB). Als Nachweis reicht aber aus, wenn ein Kontoauszug vorgelegt wird, auf dem die Abbuchung zugunsten des Gläubigerkontos verbucht ist.98 Im Hinblick darauf, dass die Zwangsvollstreckung auf Protest des Gläubigers fortzusetzen ist (s. Rdn. 47), wird man auch den Ausdruck eines elektronischen Kontoauszuges für ausreichend erachten können. 45 Die Zahlung an einen Dritten genügt nicht, selbst dann nicht, wenn der Schuldner auf Weisung des Gläubigers an diesen zahlt.99 Nach zuweilen vertretener Auffassung100 soll das aber ausreichend sein, wenn der Gläubiger sich die Leistung an einen Dritten kraft Gesetzes zurechnen lassen muss. Das überzeugt aber nicht. Denn eine solche Annahme würde dem Vollstreckungsorgan aufbürden, die materielle Rechtslage zu prüfen, um beurteilen zu können, ob ein Vollstreckungshindernis vorliegt oder nicht. Das würde zum einen dem Grundsatz der Formalisierung des Zwangsvollstreckungsverfahrens widersprechen und zum anderen den Anspruch des Gläubigers auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes beeinträchtigen, wenn das Zwangsvollstreckungsverfahren durch diese – nicht immer einfache – Prüfung verzögert wird. Deshalb sprechen die besseren Gründe dafür, die Regel eng auszulegen und nur dann ein Vollstreckungshindernis anzunehmen, wenn sich aus dem Nachweis selbst die Befriedigung des Gläubigers ergibt. Andernfalls muss man den Schuldner auf die Klärung der Einwendung im Rahmen einer Vollstreckungsabwehrklage gem. § 767 verweisen. 46 Umstritten ist, nach welchem Zeitpunkt die Zahlung erfolgt sein muss. So geht die Gesetzesbegründung davon aus, dass es auf den Schluss der mündlichen Verhandlung ankommen soll.101 94 A.A. wohl AG Hannover DGVZ 2010, 42; allerdings soll die Zwangsvollstreckung wiederum fortzusetzen sein, wenn der Gläubiger die Erfüllung der Vollstreckungsforderung bestreitet; in diesem Fall wird der Schuldner ebenfalls auf eine Vollstreckungsabwehrklage verwiesen. 95 Stein/Jonas/Münzberg § 775 Rdn. 25. 96 LG Augsburg DGVZ 1993, 188, 189; MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 775 Rdn. 23. 97 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 775 Rdn. 22; Stein/Jonas/Münzberg § 775 Rdn. 26; ähnlich LG Düsseldorf DGVZ 1990, 140; Saenger/Kindl § 775 Rdn. 12. 98 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 775 Rdn. 22; Zöller/Geimer § 775 Rdn. 8; Saenger/Kindl § 775 Rdn. 12; Brox/ Walker § 11 Rdn. 20. 99 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 775 Rdn. 23. 100 LG Braunschweig DGVZ 1982, 42; LG und AG Köln DGVZ 1983, 157; MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 775 Rdn. 23. 101 BT-Drucks. 13/341, S. 19; so auch MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 775 Rdn. 23. Spohnheimer

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Nach anderer Ansicht muss die Zahlung nach Erlass des Urteils erfolgt sein.102 Weil das Gesetz selbst keinen Zeitpunkt bestimmt, trägt das zu Nr. 4 ins Feld geführte Wortlautargument (vgl. Rdn. 39) nicht. Doch gelten die teleologischen Erwägungen gleichermaßen: Das Vollstreckungsverfahren soll nicht mit zuweilen nur schwierig zu klärenden Fragen belastet werden. Daher ist es vorzugswürdig, auf den Erlass des Urteils als maßgeblichen Zeitpunkt abzustellen.103 Wurde der Gläubiger wegen der gesamten titulierten Forderung einschließlich Zinsen und Kos- 47 ten befriedigt, ist die Zwangsvollstreckung einzustellen, sonst ist sie zu beschränken.104 Auch wenn sich das so nicht aus dem Wortlaut ergibt, ist die Zwangsvollstreckung in den Fällen der Nr. 5 wieder fortzusetzen, wenn der Gläubiger das Vollstreckungsorgan dazu anweist.105 Denn die endgültige Klärung im Streitfall soll nicht bei dem Vollstreckungsorgan liegen, sondern im Rechtsbehelfsverfahren (§ 767) erfolgen.

III. Verfahrensfragen Welche Maßnahmen zur Einstellung bzw. Beschränkung der Zwangsvollstreckung erforderlich 48 sind, hängt vom Einzelfall ab.106 Maßgeblich sind die jeweilige Vollstreckungsart und der Stand der Vollstreckung.107 Es kann schon das bloße Unterlassen der weiteren Vollstreckung oder Verwertung genügen.108 Es kann aber auch eine aktive Maßnahme erforderlich werden: Beispielsweise muss ein bereits anberaumter Versteigerungstermin aufgehoben werden.109 Im Falle einer Forderungspfändung müssen ein Einziehungsverbot an den Gläubiger ausgesprochen und der Drittschuldner über die Einstellung der Zwangsvollstreckung informiert werden.110 Denn er darf nicht mehr an den Gläubiger allein, aber auch nicht an den Schuldner allein, sondern nur noch an beide gemeinsam zahlen.111 Möglich ist auch, den Betrag zugunsten beider zu hinterlegen.112 Leistet er in Unkenntnis der Einstellung an den Gläubiger, wird er gleichwohl von seiner Leistungspflicht frei.113 Ein noch nicht erledigter Vollstreckungsantrag ist zurückzuweisen.114 Zuständig ist in jedem Fall das Vollstreckungsorgan.115 Die zu einem Vollstreckungshinder- 49 nis führenden Gründe hat es von Amts wegen zu berücksichtigen, allerdings muss es die maßgeblichen Tatsachen nicht selbständig ermitteln.116 Bedeutung hat das insbesondere in den Fällen, in denen das Vollstreckungsorgan eine zur Einstellung bzw. Beschränkung der Vollstreckung führende Entscheidung oder Anordnung selbst getroffen hat; dann muss sie ihm nicht noch einmal vorgelegt werden.117 Die Einstellung der Zwangsvollstreckung muss dokumentiert werden: Der Gerichtsvollzieher 50 hat das in das Vollstreckungsprotokoll aufzunehmen, wenn es bei der Vollstreckungshandlung geschieht; sonst ist es in den Vollstreckungsakten zu vermerken (vgl. § 64 Abs. 5 S. 1 GVGA).118 102 103 104 105 106 107 108 109 110 111 112 113 114 115 116 117 118 443

Saenger/Kindl § 775 Rdn. 12. A.A. Prütting/Gehrlein/Scheuch § 775 Rdn. 16. RGZ 49, 398, 400 f.; MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 775 Rdn. 21. LG Weiden DGVZ 2010, 235, 236; VG Stuttgart, Beschl. v. 7.12.2007 – 11 K 5865/07; AG Worms DGVZ 1997, 60, 61. BeckOK/Preuß § 775 Rdn. 32; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 45 Rdn. 5. Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Raebel/Thole § 775 Rdn. 12. MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 775 Rdn. 26. RGZ 70, 399, 402 f.; MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 775 Rdn. 26. Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Raebel/Thole § 775 Rdn. 12; Prütting/Gehrlein/Scheuch § 775 Rdn. 19. BGHZ 140, 253, 255 f. BGHZ 140, 253, 256; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 45 Rdn. 29. BGHZ 140, 253, 256. Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 45 Rdn. 29. MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 775 Rdn. 24. MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 775 Rdn. 24. BGHZ 25, 60, 65 f.; MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 775 Rdn. 24. MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 775 Rdn. 24. Spohnheimer

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IV. Rechtsbehelfe 1. Gegen das Andauern der Zwangsvollstreckung 51 Wird die Zwangsvollstreckung weiter betrieben, obwohl sie nach § 775 einzustellen oder zu beschränken wäre, sind die getroffenen Vollstreckungsmaßnahmen gleichwohl wirksam.119 Sie können aber mit der Vollstreckungserinnerung (§ 766), der Grundbuchbeschwerde (§§ 71 ff. GBO) bzw. bei Entscheidungen des Rechtspflegers oder bei richterlichen Entscheidungen mit der sofortigen Beschwerde gem. § 793 angegriffen werden.120 Ist der Rechtsbehelf erfolgreich, wird die Zwangsvollstreckung insoweit für unzulässig erklärt. Das führt zu einer Entscheidung nach Nr. 1, sodass trotz des Vollstreckungshindernisses getroffene Vollstreckungsmaßnahmen aufzuheben sind.121

2. Gegen das Einstellen oder Beschränken der Zwangsvollstreckung 52 Wird die Zwangsvollstreckung eingestellt oder beschränkt, obwohl die Voraussetzungen von § 775 nicht vorliegen, kommen eine Vollstreckungserinnerung (§ 766 Abs. 2), eine sofortige Beschwerde (§ 793) oder eine Grundbuchbeschwerde (§§ 71 ff. GBO) in Betracht.122

V. Fortsetzung der Zwangsvollstreckung nach Einstellung bzw. Beschränkung 53 Wurde die Zwangsvollstreckung nach § 775 eingestellt oder beschränkt, hat der Gläubiger ein Interesse daran, dass die Zwangsvollstreckung fortgesetzt wird, wenn das Vollstreckungshindernis entfallen ist. Von Amts wegen ist die Vollstreckung fortzusetzen, wenn sie wegen einer einstweiligen Anordnung befristet eingestellt oder beschränkt worden ist und die Anordnung außer Kraft getreten ist.123 Sonst ist ein Antrag des Gläubigers erforderlich.124 Dabei muss er den Wegfall des Einstellungsgrundes nachweisen.125 In den Fällen von Nr. 1 und Nr. 2 geschieht das durch die Vorlage einer „gegenläufigen“ Entscheidung. Das kann eine Entscheidung sein, die diejenige, die zur Einstellung oder Beschränkung geführt hat, aufhebt. Es kann aber auch eine Entscheidung sein, die die Fortsetzung der Zwangsvollstreckung anordnet. Weil einstweilige Anordnungen gem. § 769 mit Erlass des Urteils gegenstandslos werden (s. § 769 Rdn. 30), genügt im Falle von Nr. 2 die Vorlage eines solchen Urteils, das keine Anordnung nach § 770 trifft. War die Zwangsvollstreckung nach Nr. 2, 2. Alt. einzustellen oder zu beschränken, ist sie fortzusetzen, wenn der Gläubiger die nachträglich angeordnete Sicherheitsleistung nachweist.126 War die Zwangsvollstreckung einzustellen oder zu beschränken, weil der Schuldner sie durch Sicherheitsleistung abgewendet hat, wird die Zwangsvollstreckung fortgesetzt, wenn der Gläubiger nachweist, dass die Entscheidung rechtskräftig wurde oder dass er seinerseits Sicherheit geleistet und damit die Abwendungsbefugnis des Schuldners zu Fall gebracht hat.127

119 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 775 Rdn. 29. 120 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 775 Rdn. 29; Musielak/Voit/Lackmann § 775 Rdn. 14; Prütting/Gehrlein/ Scheuch § 775 Rdn. 20.

121 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 775 Rdn. 29. 122 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 775 Rdn. 30; Musielak/Voit/Lackmann § 775 Rdn. 15; Prütting/Gehrlein/ Scheuch § 775 Rdn. 20.

123 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 775 Rdn. 28; BeckOK/Preuß § 775 Rdn. 35; Saenger/Kindl § 775 Rdn. 16. 124 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 775 Rdn. 28; BeckOK/Preuß § 775 Rdn. 35; Saenger/Kindl § 775 Rdn. 16; Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Raebel/Thole § 775 Rdn. 13; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 45 Rdn. 31.

125 BeckOK/Preuß § 775 Rdn. 36; Saenger/Kindl § 775 Rdn. 16. 126 BeckOK/Preuß § 775 Rdn. 36; Saenger/Kindl § 775 Rdn. 16. 127 BeckOK/Preuß § 775 Rdn. 36; Saenger/Kindl § 775 Rdn. 16. Spohnheimer

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§ 776

War die Zwangsvollstreckung einzustellen, weil die Vollstreckung aus dem Titel für derzeit 54 unzulässig erklärt wurde, kann sie ohne eine erneute gerichtliche Entscheidung fortgesetzt werden, wenn durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden nachgewiesen wird, dass das Hindernis weggefallen ist.128 Allerdings sind hieran strenge Anforderungen zu stellen. Denn das Vollstreckungsorgan soll keine materiellrechtliche Prüfung vornehmen müssen. Umstritten ist, ob die Zwangsvollstreckung fortzusetzen ist, wenn der Gläubiger in den 55 Fällen von Nr. 4 und Nr. 5 die dem Nachweis zugrunde liegende materiellrechtliche Einwendung bestreitet. Nach h.M. soll in diesen Fällen die Zwangsvollstreckung fortzusetzen sein; der Schuldner müsse die Einwendung dann im Wege der Vollstreckungsabwehrklage (§ 767) geltend machen.129 Dann kann er eine Anordnung gem. § 769 erwirken, nach der die Zwangsvollstreckung einstweilen einzustellen ist (Nr. 2). Denn sonst müsste das Vollstreckungsorgan nachprüfen, ob die materiellrechtliche Einwendung tatsächlich besteht; dazu ist es aber nicht berechtigt.130 Nach a.A. soll es bei der Einstellung der Zwangsvollstreckung bleiben.131 Der Gläubiger soll dann mithilfe einer Vollstreckungserinnerung die Fortsetzung der Zwangsvollstreckung herbeiführen können; in diesem Fall müsse sich die Rechtsbehelfslast umkehren.132 Zwar haben diejenigen, die hier für eine Einstellung plädieren, den Wortlaut der Norm 56 auf ihrer Seite. Doch erweist sich § 775 Nr. 4 und Nr. 5 ohnehin als ein Fremdkörper in der Konzeption, die insbesondere § 767 zum Ausdruck bringt (materiellrechtliche Einwendungen gegen einen titulierten Anspruch sind grundsätzlich unbeachtlich, der Schuldner soll sie im Wege der Klage geltend machen). Hinzu kommt, dass das der Intention des historischen Gesetzgebers entspricht und das Ergebnis von § 776 gespiegelt wird, wonach in den Fällen einer Einstellung gem. § 775 Nr. 5 getroffene Vollstreckungsmaßregeln gerade bestehen bleiben sollen, während sie in anderen Fällen (§ 775 Nr. 1 und Nr. 3) aufzuheben sind.133 Insbesondere ist die Vollstreckungserinnerung bei zutreffender Deutung kein geeigneter Rechtsbehelf, um die Fortsetzung der Zwangsvollstreckung herbeizuführen. Zudem wäre in diesen Fällen das mit dem Rechtsstreit nicht vertraute Vollstreckungsgericht – im umgekehrten Fall einer Vollstreckungsabwehrklage hingegen das Gericht des ersten Rechtszugs – befasst. Dessen ungeachtet kann man den Gläubiger schon deshalb nicht auf einen Rechtsbehelf verweisen, weil das die Wertung umkehren würde, die der Grundsatz der Formalisierung des Zwangsvollstreckungsverfahrens vorgibt: Es muss am Schuldner liegen, sich gegen die Vollstreckung eines Titels gerichtlich zu wehren. Allerdings kann der Gläubiger auf Schadensersatz haften, wenn er zu Unrecht die Fortsetzung der Zwangsvollstreckung begehrt.

§ 776 Aufhebung von Vollstreckungsmaßregeln 1

In den Fällen des § 775 Nr. 1, 3 sind zugleich die bereits getroffenen Vollstreckungsmaßregeln aufzuheben. 2In den Fällen der Nummern 4, 5 bleiben diese Maßregeln einstweilen bestehen; dasselbe gilt in den Fällen der Nummer 2, sofern nicht durch die Entscheidung auch die Aufhebung der bisherigen Vollstreckungshandlungen angeordnet ist.

128 Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Raebel/Thole § 775 Rdn. 13. 129 BGH NJW-RR 2016, 317 Rdn. 12 ff.; MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 775 Rdn. 28; BeckOK/Preuß § 775 Rdn. 37; Saenger/Kindl § 775 Rdn. 16; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 45 Rdn. 31. Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Raebel/Thole § 775 Rdn. 13. AG Groß Gerau MDR 1982, 943. F. Stoll Implikationen des Formalisierungsprinzips in der Zwangsvollstreckung, S. 54 ff. BGH NJW-RR 2016, 317 Rdn. 15, 17.

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445 https://doi.org/10.1515/9783110443158-060

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§ 776

Achtes Buch – Zwangsvollstreckung

Übersicht I.

Zweck der Norm und Anwendungsbereich

1

II.

Aufhebung durch das Vollstreckungsorgan

6

III. 1.

8 Die Aufhebungstatbestände Aufhebung in den Fällen von § 775 Nr. 1 und 9 Nr. 3 Keine Aufhebung in den Fällen von § 775 Nr. 4 12 und Nr. 5 Aufhebung bei Anordnung gem. § 775 13 Nr. 2

IV. 1. 2.

2. 3.

3.

V.

Das Verfahren der Aufhebung Pfändungsmaßregeln des Gerichtsvollzie15 hers Vollstreckungsmaßregeln des Vollstreckungsge16 richts Vollstreckungsmaßregeln des Prozessge21 richts Rechtsbehelfe

24

I. Zweck der Norm und Anwendungsbereich 1 Die Norm knüpft an § 775 an, der vom Vollstreckungsorgan nur die Einstellung bzw. die Beschränkung der Zwangsvollstreckung fordert. Das ist nicht mehr als ein zukunftsgerichtetes Unterlassen von Vollstreckungshandlungen. Es führt allenfalls zu einem Verfahrensstillstand.1 Bereits in der Vergangenheit getroffene Vollstreckungsmaßregeln bleiben von Einstellung und Beschränkung unberührt, sie wirken fort. § 776 normiert rückwärtsgerichtet, in welchen Fällen und unter welchen Voraussetzungen bereits getroffene Vollstreckungsmaßregeln aufzuheben, also mit ihren Wirkungen zu beseitigen sind.2 Keine Aussage trifft die Norm dazu, wie eine solche Aufhebung zu erfolgen hat. Außerdem 2 regelt die Vorschrift nicht den Antrag des Gläubigers, eine Vollstreckungsmaßnahme aufzuheben.3 Er ist Ausfluss der Dispositionsmaxime und für das Vollstreckungsorgan insoweit beachtlich.4 Von § 776 erfasst werden nur die Fälle, in denen eine Vollstreckungsmaßnahme gegen oder jedenfalls ohne den Willen des Gläubigers aufgehoben werden soll. Damit ermächtigt die Norm das Vollstreckungsorgan zugleich dazu, in eine Rechtsposition des Gläubigers einzugreifen. Weil das Vollstreckungsorgan in anderen als den in § 776 und in § 28 ZVG normierten Fällen 3 ohne eine entsprechende Rechtsgrundlage in eine Rechtsposition des Gläubigers eingriffe, darf es auch nicht ohne ein vorausgehendes Verfahren, das zu einer Entscheidung nach § 775 führt, von Amts wegen eine getroffene Vollstreckungsmaßnahme aufheben. Das gilt selbst und insbesondere auch dann, wenn es die getroffene Vollstreckungsmaßnahme (später) als rechtswidrig erachtet.5 Denn solange eine Vollstreckungsmaßnahme wirksam ist, ist die Entscheidung, sie (rechtsgestaltend) für unzulässig zu erklären, dem Gericht zugewiesen und von einem Antrag des Betroffenen abhängig. Nichts anderes kann aus der Pflicht des Vollstreckungsorgans zum rechtmäßigen Handeln folgen. Denn hat das Vollstreckungsorgan (rechtswidrig) eine Vollstreckungsmaßnahme getroffen, gebietet der Grundsatz des rechtmäßigen Handels nicht, den actus contrarius vorzunehmen. Denn das eigenmächtige Aufheben einer Vollstreckungsmaßnahme wäre aus dem genannten Grund gleichfalls rechtswidrig. Gleichermaßen Zurückhaltung ist bei vermeintlich unwirksamen Vollstreckungs1 Musielak/Voit/Lackmann § 776 Rdn. 1. 2 BeckOK/Preuß § 776 vor Rdn. 1; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 45 Rdn. 33. 3 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 776 Rdn. 3. Ein solcher Fall liegt etwa auch bei einem Verzicht des Pfandgläubigers gem. § 843 vor. Erfolgt diese im Hinblick auf ein nach § 775 eingetretenes Vollstreckungshindernis, bedarf es keiner Aufhebung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses; ein Aufhebungsbeschluss kann aber zur Klarstellung ergehen (vgl. Rdn. 20). 4 Vgl. dem Grundgedanken nach auch § 31 Abs. 2 GVGA: Weisungen des Gläubigers hat der Gerichtsvollzieher insoweit zu berücksichtigen, als sie mit den Gesetzen oder der Geschäftsanweisung nicht in Widerspruch stehen. 5 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 776 Rdn. 4. Spohnheimer

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maßnahmen geboten. Sie bedürfen keiner Aufhebung – auch wenn über sie im Einzelfall eine gerichtliche Entscheidung möglich ist (s. § 766 Rdn. 70). Doch besteht stets die Gefahr, dass das Vollstreckungsorgan die Rechtslage verkennt und die Vollstreckungsmaßnahme doch nicht unwirksam war: In diesem Fall lässt eine Aufhebung der vermeintlich unwirksamen Vollstreckungsmaßregel das Pfändungspfandrecht entfallen (s. Rdn. 7) – und dafür fehlt es wiederum an einer Ermächtigung. Stellt sich dann heraus, dass die Vollstreckungsmaßregel auch nicht rechtswidrig war, hat der Gläubiger zu Unrecht seine Rechtsposition verloren. Eine Aufhebung von Vollstreckungsmaßregeln kommt grundsätzlich nur bis zur Beendigung 4 der Zwangsvollstreckung in Betracht (vgl. aber Rdn. 22 für Ordnungs- und Zwangsgeldbeschlüsse).6 Für die Beschlagnahme von Grundstücken treffen die §§ 28 ff. ZVG besondere Regelungen. 5 Besteht eine Zwangshypothek und liegt ein Vollstreckungshindernis nach § 775 Nr. 1 vor, wurde in den Fällen des § 775 Nr. 2 die Aufhebung angeordnet bzw. konnte die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abgewendet werden (§ 775 Nr. 3), erwirbt sie der Eigentümer gem. § 868. Eine Aufhebung nach § 776 kommt in diesen Fällen nicht in Betracht.7 Dabei handelt es sich aber um eine Sonderregel, die nicht verallgemeinerungsfähig ist.8

II. Aufhebung durch das Vollstreckungsorgan Aus dem Zusammenspiel von § 775 und § 776 lässt sich ableiten, dass die Unzulässigkeit und 6 die Unwirksamkeit der Vollstreckung streng voneinander zu trennen sind.9 Daher besteht ein entstandenes, aber rechtswidriges Pfändungspfandrecht bis zur Aufhebung der Vollstreckungsmaßregel fort.10 Sie kann nur durch das zuständige Vollstreckungsorgan – oder bei der Pfändung durch den Gerichtsvollzieher auf seine Weisung hin11 – erfolgen. Beruht die Einstellung oder Beschränkung auf einer gerichtlichen Entscheidung, kann das Gericht getroffene Vollstreckungsmaßnahmen nur selbst aufheben, wenn es sie ausnahmsweise als Vollstreckungsgericht oder Prozessgericht auch selbst getroffen hat. Mit der Aufhebung einer Vollstreckungsmaßregel entfallen die Wirkungen der Zwangsvollstre- 7 ckungsmaßnahme endgültig.12 Eine Verstrickung wird beendet und ein Pfändungspfandrecht erlischt endgültig. Ein erneuter Vollstreckungszugriff auf den Gegenstand ist grundsätzlich möglich, er wirkt aber nur ex nunc.13 Das frühere Pfandrecht lebt nicht wieder neu und nicht mit altem Rang auf.14 Im Falle eines erneuten Vollstreckungszugriffs hat das Vollstreckungsorgan aber von einer Vollstreckungsmaßnahme abzusehen, wenn das Vollstreckungshindernis gem. § 775 weiter vorliegt.

III. Die Aufhebungstatbestände Vollstreckungsmaßregeln sind in den Fällen von Nr. 1 und Nr. 3 stets aufzuheben, in den Fällen 8 von § 775 Nr. 2 (nur) dann, wenn das angeordnet wurde. In den Fällen von § 775 Nr. 4 und Nr. 5 müssen die getroffenen Zwangsvollstreckungsmaßnahmen fortbestehen bleiben.

6 7 8 9

BeckOK/Preuß § 776 vor Rdn. 1. OLG München FGPrax 2019, 164. Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Raebel/Thole § 776 Rdn. 4. Stein/Jonas/Münzberg § 776 Rdn. 2; MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 776 Rdn. 1; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 10 Rdn. 18. 10 Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 50 Rdn. 77. 11 Stein/Jonas/Münzberg § 776 Rdn. 2; MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 776 Rdn. 6. 12 BGH NJW-RR 2004, 1128, 1130; MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 776 Rdn. 7; BeckOK/Preuß § 776 Rdn. 6. 13 Musielak/Voit/Lackmann § 776 Rdn. 3; Zöller/Geimer § 776 Rdn. 4. 14 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 776 Rdn. 7; BeckOK/Preuß § 776 Rdn. 6. 447

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1. Aufhebung in den Fällen von § 775 Nr. 1 und Nr. 3 9 Getroffene Vollstreckungsmaßregeln sind aufzuheben, wenn eine vollstreckbare Entscheidung vorleget wird, aus der sich ergibt, dass das zu vollstreckende Urteil oder seine vorläufige Vollstreckbarkeit aufgehoben wurden oder die Zwangsvollstreckung für unzulässig erklärt ist (§ 775 Nr. 1). Einer ausdrücklichen Anweisung in der Entscheidung bedarf es nicht.15 Die Entscheidung muss noch nicht rechtskräftig sein.16 Das kann man aus rechtspolitischen Gründen kritisieren, weil der Gläubiger mit der Aufhebung der Vollstreckungsmaßnahme sein Pfändungspfandrecht endgültig verliert (s. Rdn. 7). Wird dann die zur Aufhebung führende Entscheidung nicht rechtskräftig, bleibt dem Gläubiger nur, noch einmal – und dann möglicherweise mit ungünstigerem Rang – zu vollstrecken. Doch setzt der Wortlaut der Norm der Auslegung eine Grenze. Denn die bereits getroffenen Maßnahmen sind „zugleich“ mit der Einstellung oder Beschränkung der Zwangsvollstreckung aufzuheben, und dass wiederum hat vor Eintritt der Rechtskraft zu erfolgen (s. § 775 Rdn. 17). 10 Stets ist zu beachten, wie weit die Entscheidung reicht. Das kann insbesondere bei einer Verurteilung zu einer wiederkehrenden Leistung eine Rolle spielen. Aber selbst das Urteil über eine Vollstreckungsabwehrklage, das nur die „weitere Zwangsvollstreckung“ für unzulässig erklärt, kann so auszulegen sein, dass auch die bereits getroffenen Vollstreckungsmaßregeln aufzuheben sind.17 Außerdem sind bereits getroffene Vollstreckungsmaßregeln aufzuheben, wenn eine öffentli11 che Urkunde vorgelegt wird, aus der sich ergibt, dass die zur Abwendung der Vollstreckung erforderliche Sicherheitsleistung oder Hinterlegung erfolgt ist (§ 775 Nr. 3).

2. Keine Aufhebung in den Fällen von § 775 Nr. 4 und Nr. 5 12 In den Fällen von § 775 Nr. 4 und 5 findet keine Aufhebung statt; die Vollstreckungsmaßregeln müssen fortbestehen bleiben. Das ist auch sachgerecht, weil hier der Grundsatz durchbrochen wird, wonach materiellrechtliche Einwendungen, die nicht gerichtlich geltend gemacht wurden, für das Vollstreckungsorgan grundsätzlich unbeachtlich sind.18 Auf diese Weise werden die Interessen von Gläubiger und Schuldner angemessen ausgeglichen: Das Pfändungspfandrecht des Gläubigers besteht rangwahrend fort, doch ist er wegen § 775 an der Verwertung gehindert.19 Das wiederum schützt den Gläubiger. Wollen der Schuldner oder der betroffene Dritte eine Aufhebung der Vollstreckungsmaßregel erreichen, ist die Einwendung im Wege einer Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 geltend zu machen, sofern der Gläubiger nicht im Falle des § 843 die Freigabe erklärt oder das Vollstreckungsorgan zur Aufhebung anweist.20

3. Aufhebung bei Anordnung gem. § 775 Nr. 2 13 In den Fällen, in denen die Einstellung der Zwangsvollstreckung nur einstweilen erfolgt (§ 775 Nr. 2), sind bereits getroffene Vollstreckungsmaßnahmen nur aufzuheben, wenn die gerichtliche Entscheidung das anordnet (§ 776 S. 2 a.E.). Fehlt eine solche Anordnung, sind bereits getroffene Vollstreckungsmaßnahmen nicht aufzuheben. Das trägt dem Umstand Rechnung, dass die Einstel15 Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Raebel/Thole § 776 Rdn. 1. 16 BGHZ 66, 394, 395; Stein/Jonas/Münzberg § 776 Rdn. 1; Musielak/Voit/Lackmann § 776 Rdn. 2; Schuschke/Walker/ Kessen/Thole/Raebel/Thole § 776 Rdn. 3. 17 BGH NJW-RR 2006, 356; MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 776 Rdn. 10. 18 BeckOK/Preuß § 776 vor Rdn. 1. 19 Musielak/Voit/Lackmann § 776 Rdn. 4. 20 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 776 Rdn. 8; Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Raebel/Thole § 776 Rdn. 1. Spohnheimer

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lung der Zwangsvollstreckung schon aus Sicht des Gerichts keine endgültige ist und der Gläubiger daher nicht durch eine Aufhebung der Vollstreckungsmaßregel ein bereits erworbenes Pfändungspfandrecht verlieren soll. Wurde die Aufhebung angeordnet, kommt es auf die Rechtskraft der Anordnung aber nicht an.21 Werden nach einer einstweiligen Einstellung der Zwangsvollstreckung weitere Vollstre- 14 ckungsmaßnahmen getroffen, können diese nicht ohne Weiteres aufgehoben werden.22 Der Betroffene muss den Verstoß gegen § 775 Nr. 2 vielmehr mit einer Vollstreckungserinnerung bzw. mit einer sofortigen Beschwerde geltend machen; erst auf diese hin ist eine Aufhebung möglich.23 Das Vollstreckungsorgan darf nicht selbst über die Rechtswidrigkeit entscheiden (s. Rdn. 3).

IV. Das Verfahren der Aufhebung 1. Pfändungsmaßregeln des Gerichtsvollziehers Die Aufhebung einer Pfändung erfolgt durch Entstrickung. Sie orientiert sich daran, wie die 15 Pfändung erfolgt ist. Hat der Gerichtsvollzieher eine Sache durch Inbesitznahme gepfändet (§§ 803 Abs. 1 S. 1, 808 Abs. 1), wird die Pfändung aufgehoben, indem er die Sache zurückgibt. Hat er die Sache durch Anbringen eines Pfandsiegels gepfändet (§§ 803 Abs. 1 S. 1, 808 Abs. 2), wird die Vollstreckungsmaßregel aufgehoben, indem er das Pfandsiegel entweder selbst entfernt oder den Gläubiger bzw. den Schuldner dazu ermächtigt (Freigabeerklärung).24 Entfernt der Schuldner das Pfandsiegel ohne eine Ermächtigung des Gerichtsvollziehers, endet die Verstrickung nicht.25 Ebenso wenig genügt eine Freigabeerklärung des Gläubigers.26 Mit der Aufhebung der Vollstreckungsmaßnahme erlischt das Pfändungspfandrecht endgültig. Wird die zur Aufhebung führende Entscheidung später (durch Entscheidung des Rechtsmittelgerichts) aufgehoben, muss die Sache erneut gepfändet werden. Es entsteht ein neues Pfändungspfandrecht mit neuem Rang.27

2. Vollstreckungsmaßregeln des Vollstreckungsgerichts Das Vollstreckungsgericht pfändet Forderungen und sonstige Vermögensrechte durch Beschluss 16 (§§ 829, 857 Abs. 1). Spiegelbildlich erfolgt die Entstrickung ebenfalls durch einen Beschluss des Vollstreckungsgerichts, der den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss aufhebt.28 Dieser Beschluss ist zuzustellen.29 Maßgebend ist bei einem Pfändungs- und Überweisungsbe- 17 schluss die Zustellung an den Drittschuldner. Das folgt daraus, dass die Aufhebung der actus contrarius der ursprünglichen Pfändung ist und diese nach § 829 Abs. 3 mit Zustellung an den Drittschuldner wirksam wird.

21 22 23 24

OLG München NJW-RR 2019, 1107; BeckOK/Preuß § 776 Rdn. 1; Musielak/Voit/Lackmann § 776 Rdn. 2. Insoweit jedenfalls missverständlich Anders/Gehle/Hunke § 776 Rdn. 5. LG Berlin MDR 1975, 672; Kirberger Rpfleger 1976, 8, 9. BeckOK/Preuß § 776 Rdn. 2; MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 776 Rdn. 6; Musielak/Voit/Lackmann § 776 Rdn. 2; vgl. auch § 120 Abs. 1 GVGA. 25 Brox/Walker § 14 Rdn. 10. 26 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 776 Rdn. 6; MünchKomm/Gruber § 803 Rdn. 45; Kindl/Meller-Hannich/Wolf/ Handke § 776 Rdn. 3; Lippross/Bittmann § 13 Rdn. 238; a.A. Blomeyer VV § 45 III 2. 27 Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Raebel/Thole § 776 Rdn. 2. 28 BGH NJW-RR 2013, 765, 766; MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 776 Rdn. 6; BeckOK/Preuß § 776 Rdn. 3; Thomas/ Putzo/Seiler § 776 Rdn. 3 f. 29 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 776 Rdn. 6; BeckOK/Preuß § 776 Rdn. 3. 449

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Die Entstrickung tritt aber bereits ein, bevor der Beschluss rechtskräftig geworden ist.30 Das Pfandrecht erlischt endgültig. Wird der Beschluss nicht rechtskräftig, lebt es aber nicht mit altem Rang wieder auf.31 Deshalb wird überwiegend vorgeschlagen, dass das Gericht die Vollziehung nach bzw. analog § 570 Abs. 2 aussetzt.32 Doch ist die Interessenlage hier nicht vergleichbar: Allenfalls kann analog § 570 Abs. 2 die Vollziehung der Entscheidung ausgesetzt werden, die das Vollstreckungshindernis nach § 775 schafft und die von der aufhebenden Entscheidung zu trennen ist. Zudem entstünde eine Ungleichbehandlung zwischen der Pfändung durch den Gerichtsvollzieher und der Pfändung durch das Gericht. Denn macht der Gerichtsvollzieher einen Fehler, gibt es auch keine Frist, innerhalb derer der Fehler korrigiert werden und der Gläubiger vor einem Verlust des Pfandrechts bewahrt werden kann. 19 Grundsätzlich ist der eine Vollstreckungsmaßregel aufhebende Beschluss von der Entscheidung zu trennen, die zu jener Aufhebung führt. Doch kann in der Praxis beides zusammenfallen, etwa wenn das Vollstreckungsgericht über die Erinnerung oder das Prozessgericht über eine Klage nach § 771 entscheidet. Ein gesonderter Beschluss ist in diesen Fällen nach h.M. nicht erforderlich.33 Doch muss man hier zur Zurückhaltung mahnen: Die ZPO differenziert zwischen der Unzulässigerklärung der Zwangsvollstreckung (§ 775 Nr. 1) und der Aufhebung der Vollstreckungsmaßnahme (§ 776). Diese Differenzierung muss auch aufgegriffen werden, wenn beides durch einen Beschluss desselben Gerichts erfolgt. Deshalb sollte die Aufhebung stets ausgesprochen werden. Das dient nicht zuletzt der Rechtsklarheit. 20 Im Falle der Forderungspfändung kann die Entstrickung gem. § 843 auch durch eine Verzichtserklärung des Gläubigers, die dem Drittschuldner zugestellt wurde, erfolgen. Zur Klarstellung kann der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss gleichwohl noch aufgehoben werden.34 Die Norm ist nicht analogiefähig, sodass eine bloße Freigabeerklärung des Gläubigers bei der Pfändung einer beweglichen Sache nicht genügt.35 18

3. Vollstreckungsmaßregeln des Prozessgerichts 21 Vollstreckungsmaßregeln des Prozessgerichts (§§ 887, 888, 890) werden durch Beschluss getroffen. Sie werden daher durch einen Beschluss des Vollstreckungsgerichts aufgehoben.36 Er ist zuzustellen.37 Die Aufhebung wird schon vor Eintritt der Rechtskraft wirksam. 22 Zwangsgeld- und Ordnungsgeldbeschlüsse können unstreitig noch aufgehoben werden, solange sie noch nicht rechtskräftig sind und der Schuldner noch nicht gezahlt hat. Einige Obergerichte und Stimmen im Schrifttum wollen das auch darüber hinaus noch zulassen.38 Nach Aufhebung des Zwangsgeldbeschlusses könne der Schuldner seine Leistung aus § 812 Abs. 1 S. 2 BGB von der Staatskasse zurückfordern.39 Die Gegenansicht verweist indessen darauf, dass eine Aufhebung des Beschlusses nicht mehr in Betracht komme, wenn der Schuldner der Leistungsanord-

30 BGHZ 66, 394, 395; Musielak/Voit/Lackmann § 776 Rdn. 3; Kindl/Meller-Hannich/Wolf/Handke § 776 Rdn. 3. 31 BGH NJW-RR 2013, 765, 766; Musielak/Voit/Lackmann § 776 Rdn. 3. 32 BGHZ 66, 394, 395; BeckOK/Preuß § 776 Rdn. 3; Musielak/Voit/Lackmann § 776 Rdn. 3; Kindl/Müller-Hennich/Wolf/ Handke § 776 Rdn. 4. 33 RGZ 84, 200, 203; MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 776 Rdn. 6; Kindl/Müller-Hennich/Wolf/Handke § 776 Rdn. 3. 34 Musielak/Voit/Lackmann § 776 Rdn. 2. 35 H.M.; MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 776 Rdn. 6; MünchKomm/Gruber § 803 Rdn. 45; Lippross/Bittmann § 13 Rdn. 238; a.A. Blomeyer VV § 45 III 2. 36 OLG Hamm WRP 1990, 423, 424 (Münzberg); Musielak/Voit/Lackmann § 776 Rdn. 2; BeckOK/Preuß § 776 Rdn. 4. 37 Musielak/Voit/Lackmann § 776 Rdn. 2. 38 LAG Frankfurt, Beschl. v. 13.9.2013 – 12 Ta 393/12; KG Berlin NJW-RR 2000, 1523; OLGZ Köln 1992, 476; wohl auch BGH NJW-RR 1988, 1530; Zöller/Seibel § 890 Rdn. 25; Baur JZ 1967, 763, 764. 39 LAG Frankfurt, Beschl. v. 13.9.2013 – 12 Ta 393/12. Spohnheimer

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nung nachgekommen ist.40 Denn dann sei die Zwangsvollstreckung beendet. Dieses formal richtige Argument verkennt allerdings, dass der nicht aufgehobene Beschluss auch weiterhin den Rechtsgrund für das Behaltendürfen der Leistung durch die Staatskasse bildet. Insoweit lässt sich die Situation mit einem Verwaltungsakt vergleichen, der dort ebenfalls den Rechtsgrund für das Behaltendürfen der Leistung bildet. Hier ist allgemein anerkennt, dass auch bei einer Zahlung keine Erledigung eingetreten ist. Dafür spricht zudem, dass sich die Situation in diesen Fällen grundlegend von der Situation anderer Vollstreckungsmaßnahmen unterscheidet: Während das Geld der Staatskasse zufließt, ist in anderen Fällen ein Erlös an den Gläubiger abgeführt worden. Würde man dort eine Aufhebung auch nach Beendigung der Zwangsvollstreckung zulassen, würde man in eine geschützte Rechtsposition eingreifen, die dem Fiskus aber in den Fällen eines Zwangsbzw. eines Ordnungsgeldes nicht zukommen kann.41 Wurde bereits Haft angeordnet, wird die Anordnung von dem Gericht aufgehoben, das sie 23 angeordnet hat.42 Falls noch keine Haft angeordnet wurde, wird der Erlass eines bereits beantragten Haftbefehls schlicht abgelehnt – einer Aufhebung bedarf es dann nicht.43

V. Rechtsbehelfe Die Rechtsbehelfe bei Verweigerung der Aufhebung einer Vollstreckungsmaßregel oder gegen die 24 Aufhebung einer Vollstreckungsmaßregel folgen im Wesentlichen denen des § 775. Gegen die Aufhebung der Vollstreckungsmaßregel kann sich der Schuldner mit einer Vollstreckungserinnerung (§ 766) oder einer sofortigen Beschwerde (§ 793) wenden.44 Allerdings kann der Gläubiger sein Ziel nur mit neuen Rang erreichen (s. Rdn. 7).

§ 777 Erinnerung bei genügender Sicherung des Gläubigers 1

Hat der Gläubiger eine bewegliche Sache des Schuldners im Besitz, in Ansehung deren ihm ein Pfandrecht oder ein Zurückbehaltungsrecht für seine Forderung zusteht, so kann der Schuldner der Zwangsvollstreckung in sein übriges Vermögen nach § 766 widersprechen, soweit die Forderung durch den Wert der Sache gedeckt ist. 2Steht dem Gläubiger ein solches Recht in Ansehung der Sache auch für eine andere Forderung zu, so ist der Widerspruch nur zulässig, wenn auch diese Forderung durch den Wert der Sache gedeckt ist.

Übersicht I. 1. 2.

Allgemeines 1 Gesetzesgeschichte Normzweck, Anwendungsbereich

II. 1. 2. 3.

Voraussetzungen des Widerspruchsrechtes 4 Bewegliche Sachen 5 Pfandrechte, Zurückbehaltungsrechte 6 Besitz

2 4. 5.

7 a) Mittelbarer Besitz 8 b) Traditionspapiere 9 c) Pfändungspfandrecht 10 d) Registrierte Sachen 11 Pfändungspfandrecht Analoge Anwendung 14 a) Sicherungsübereignung

40 Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Raebel/Thole § 776 Rdn. 5; im Ergebnis wohl auch MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 776 Rdn. 2, 7 (nicht in § 776 geregelt); ähnlich Kindl/Meller-Hannich/Wolf/Bendtsen § 890 Rdn. 70 (bei Bestandskraft). 41 Ähnlich OLGZ Köln 1992, 476. 42 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 776 Rdn. 6. 43 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 776 Rdn. 6. 44 BeckOK/Preuß § 776 Rdn. 7; Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Raebel/Thole § 776 Rdn. 6. 451 https://doi.org/10.1515/9783110443158-061

Paulus

§ 777

6.

Achtes Buch – Zwangsvollstreckung

b) Geldhinterlegung 15 c) Mietkaution, Treuhandkonto 19 Wert des Sicherungsrechtes

7.

Widerspruchsrecht

III.

Verfahren

20

18 21

I. Allgemeines 1. Gesetzesgeschichte 1 § 777 ist mit Einführung des BGB im Jahre 1900 in die ZPO aufgenommen worden.1 Eine entsprechende Regelung bestand vorher als materielle Einrede in einigen Landesrechten, so u.a. in I. 20 § 46 ALR; sie geht letzten Endes auf den von Justinian normierten und im Gemeinen Recht praktizierten gradus executionis2 zurück, demzufolge die Vollstreckungsgegenstände in eine vom Gläubiger zu berücksichtigende Rangfolge (mobilia, immobilia, nomina)3 eingeteilt waren. Trotz des materiellen Charakters des Widerspruchrechtes des Schuldners verweist § 777 den Schuldner auf die Vollstreckungserinnerung gem. § 766. Die Ansicht,4 dass dem Schuldner wahlweise auch die Vollstreckungsgegenklage gem. § 767, auf die er vor Einführung des § 777 verwiesen worden ist,5 bei einer Übersicherung des Gläubigers zur Verfügung stehe, ist wegen des klaren Wortlauts der Vorschrift abzulehnen.

2. Normzweck, Anwendungsbereich 2 Der Zweck des Widerspruchrechtes des Schuldners ist, dass dieser kein Vermögen im Wege der Zwangsvollstreckung verlieren soll, solange der Gläubiger anderweitig genügend abgesichert ist. Insoweit besitzt § 777 Ähnlichkeit mit dem Verbot der Überpfändung gem. § 803 Abs. 1 S. 2; s. auch § 131 Nr. 2 GVGA.6 Im Gegensatz zu § 803 Abs. 1 S. 2 ist § 777 allerdings auf alle Arten der Zwangsvollstre3 ckung wegen Geldforderungen anwendbar, so für die Sach- und Rechtspfändung, die Vollstreckung in das unbewegliche Vermögen und das Verfahren zur Erteilung der Vermögensauskunft.7 Das durch § 777 gewährte beneficium excussionis realis ist jedoch gleichwohl lückenhaft. Nach ihrem Wortlaut gibt die Vorschrift dem Schuldner nur ein Widerspruchsrecht gegen Zwangsvoll1 RGBl. 98 I, 256. 2 S. auch Vor § 704 Rdnrn. 27 ff. Zur Geschichte W. Endemann Das Deutsche Zivilprozeßrecht, 1868 (Neudr. 1969) 989; Gaul Zur Struktur der Zwangsvollstreckung, Rpfleger 1971, 86 f. Vgl. auch Stürner Prinzipien der Einzelzwangsvollstreckung, ZZP 99 (1986) 303. 3 Vgl. D 42.1.15.2. Andeutungen zu einem Vorrang der Pfändung beweglichen Vermögens vor dem des unbeweglichen finden sich in den §§ 806a Abs. 1, 850b Abs. 2. 4 Vgl. Windel Die Rechtsbehelfe des Schuldners gegen eine Vollstreckung aus einer unwirksamen notariellen Urkunde (§ 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO), ZZP 102 (1989) 175 ff., 212 unter Bezugnahme auf BGHZ 26, 110 (zu § 86 BVFG erlassen). Die Entscheidungsgründe des BGH lassen sich jedoch nicht ohne weiteres auf § 777 ZPO übertragen. Im Übrigen besteht im Rahmen des § 777 auch kein Bedürfnis zu einer analogen Anwendung von § 767, auch wenn die Zuordnung der Geltendmachung der Übersicherung zu § 766 regelwidrig sein dürfte, vgl. dazu Gaul/Schilken/Becker-Eberhard § 34 III 3 m.w.N. 5 Bei einer Verletzung der Vorschrift stand dem Schuldner damals die Vollstreckungsabwehrklage gem. § 686 CPO (= heute § 767 ZPO) zur Verfügung. Vgl. Rehbein-Reincke Allgemeines Landrecht3 (1885) 2. Band I 20 § 46 Berlin 1885. 6 Oechsler Die Sicherungsübertragung von Vorbehaltseigentum und Anwartschaftsrecht in: FS Rüßmann, 2013, S. 317 ff., verweist zusätzlich auf die Parallele zu § 52 S. 2 InsO. Ein vergleichbarer Schutz besteht im öffentlichen Recht etwa in § 281 Abs. 2 AO; dazu BGH JZ 1974, 291 m. Anm. Gaul ebda., 279. Für das österreichische Recht Konecny Reihung von Fahrnis- und Forderungsexekution bzw. amtswegig einzuholendes Vermögensverzeichnis des Schuldners, ZZP 105 (1992) 401. 7 S. LG Stuttgart Rpfleger 2000, 28. Paulus

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streckungsmaßnahmen, sofern dem Gläubiger bereits ein Besitzpfandrecht bzw. Zurückbehaltungsrecht an beweglichen Sachen zusteht. Sicherungsrechte des Gläubigers am Forderungs- bzw. Immobiliarvermögen des Schuldners8 werden daher von § 777 nicht erfasst.9 Dahinter steckt der Gedanke, dass nur bei beweglichen Sachen der Wert des Pfandrechts und eine eventuelle Überpfändung leicht festzustellen ist und nur beim Besitz des Gläubigers eine einfache und zügige Durchsetzbarkeit der Sicherheit besteht. Wegen dieses engen Wortlautes kann aus § 777 auch kein generelles Verbot der Überpfändung abgeleitet werden.10 Dies ist bei einer analogen Anwendung der Vorschrift zu berücksichtigen.

II. Voraussetzungen des Widerspruchsrechtes 1. Bewegliche Sachen Unter § 777 fallen alle beweglichen Sachen (§ 90 BGB), auch die den beweglichen Sachen gleich- 4 gestellten Inhaberpapiere (§ 1293 BGB), sofern nur der Schuldner Eigentum (oder doch mindestens Miteigentum)11 an ihnen hat. Rekta-, Order- (§ 1292 BGB) und Legitimationspapiere (§ 808 BGB) hingegen werden von § 777 nicht erfasst, da eine Verpfändung der in dem Wertpapier verbrieften Forderung erfolgt. Das Sachpfand als solches ist hier wertlos. Auch bewegliche Sachen, die in den Haftungsbereich eines Grundpfandrechtes fallen (§ 1120 BGB), gehören nicht hierher, da diese Gegenstände dem unbeweglichen Vermögen zugerechnet werden, solange sie nicht enthaftet sind und dem Haftungsverband angehören.

2. Pfandrechte, Zurückbehaltungsrechte Von § 777 werden die folgenden Rechte erfasst: Das Vertragspfand (1205 ff. BGB); die gesetzlichen 5 Pfandrechte des Pächters (§§ 583, 585 Abs. 2 BGB), Unternehmers (§ 647 BGB), Kommissionärs, Spediteurs, Lagerhalters und Frachtführers (§§ 397 ff., 464, 475b, 440 HGB; s. ferner § 597 HGB); die gesetzlichen Pfandrechte des Vermieters, Verpächters, Gastwirtes (§§ 562, 583, 585 Abs. 2, 592, 704 BGB) und das Früchtepfandrecht je nach Besitzerlangung durch den Pfandgläubiger; ferner die Zurückbehaltungsrechte gem. §§ 273, 972, 1000 f. BGB bzw. §§ 369 ff., 568, 585 Abs. 2 HGB und das Pfändungspfandrecht gem. § 804 (s. Rdn. 11); zur analogen Anwendung des § 777 auf die Sicherungsübereignung, das Pfandrecht des Gläubigers gem. § 233 BGB bei Geldhinterlegung zur Abwendung bzw. Einstellung der Zwangsvollstreckung und die Mietkaution s. Rdn. 14 ff.

3. Besitz Der Gläubiger muss an den Pfandgegenständen entweder Alleinbesitz, Mitbesitz (§ 1206 BGB sowie 6 sogleich), unmittelbaren oder mittelbaren Besitz haben.

a) Mittelbarer Besitz. Der mittelbare Besitz des Gläubigers ist nicht uneingeschränkt für die 7 Anwendung des § 777 ausreichend, da der Zweck der Vorschrift (s. Rdn. 3), den Gläubiger auf 8 Für Zwangshypotheken vgl. RGZ 98, 106 ff. S. auch App Steht ein Grundpfandrecht der Gemeinde der Vollstreckung in bewegliches Vermögen des Vollstreckungsschuldners entgegen?, KKZ 2009, 153.

9 Für einen verstärkten Mobiliarpfändungsschutz de lege ferenda Bruckmann Überlegungen zu einer Reform der Zwangsvollstreckungsrechte, ZPR 1994, 129. 10 RGZ 98, 106, 109. 11 Zöller/Geimer Rdn. 3. 453

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bereits bestehende, leicht verwertbare Sicherheiten zu verweisen, hier nicht eingreift, solange gegen einen nicht herausgabebereiten Besitzmittler zunächst klageweise vorgegangen werden muss.12 Aus diesem Grund reicht der mittelbare Besitz des Gläubigers hier nicht aus. Dasselbe gilt, wenn sich der Gläubiger bereits bei der Pfandrechtsbestellung mit mittelbarem Besitz zufriedengegeben hat (§ 1205 Abs. 2 BGB), da ein leichtes Verwertungsrecht des Gläubigers hier zu keiner Zeit bestanden hat.13 Übergibt der Gläubiger hingegen die Pfandsache nach Pfandrechtsbestellung einem Dritten zur Verwahrung oder Leihe, so hat dieses nachträgliche Verhalten des Gläubigers keinen Einfluss auf das Widerspruchsrecht des Schuldners.14

8 b) Traditionspapiere. Die Übergabe von Traditionspapieren (z.B. Orderlagerscheine, Ladescheine, Konnossemente, vgl. § 363 HGB) ist ausreichend, da gem. §§ 448, 475g HGB die Übergabe des Papieres dieselbe Wirkung wie eine körperliche Übergabe der Sache selbst hat.

9 c) Pfändungspfandrecht. Beim Pfändungspfandrecht (s. Rdn. 11) ist der unmittelbare Besitz des Schuldners unschädlich, da das Siegel und die Zugriffsmöglichkeit des Gerichtsvollziehers dem Gläubiger eine jederzeitige Verwertungsmöglichkeit sichern, s. noch Rdn. 11.

10 d) Registrierte Sachen. Auf das Pfandrecht an registrierten Sachen (z.B. Schiffe, Luftfahrzeuge) ist § 777 nicht anwendbar, da das Pfandrecht hier nicht durch den Besitz, sondern durch die Registereintragung gebunden wird.

4. Pfändungspfandrecht 11 Das Pfändungspfandrecht (§ 804) und damit insbes. auch das Arrestpfandrecht fallen ebenso wie das Vertragspfand in den Anwendungsbereich des § 777.15 § 803 Abs. 1 S. 2 steht dem nicht entgegen. Allerdings ist es notwendig, eine Abgrenzung zwischen beiden Vorschriften vorzunehmen, da ein Verstoß gegen § 803 Abs. 1 S. 2 vom Vollstreckungsorgan von Amts wegen berücksichtigt werden muss, während bei § 777 eine Aufhebung der Zwangsvollstreckungsmaßnahme erst auf Widerspruch des Schuldners hin erfolgt. Die Abgrenzung zu § 803 Abs. 1 S. 216 ist folgendermaßen vorzunehmen: Vollstreckt der 12 Gläubiger hintereinander oder nebeneinander in das Mobiliarvermögen oder in Forderungen des Schuldners, ist alleine § 803 Abs. 1 S. 2 anzuwenden. Betreibt der Gläubiger nach erfolgter Mobiliarpfändung hingegen die Immobiliarzwangsvollstreckung, ist § 803 Abs. 1 S. 2 nicht anwendbar (vgl. dort Rdn. 15). Hier greift § 777 ein, so dass für diesen Fall eine Reihenfolge der Pfändungsmaßnahmen mit Vorrang der Mobiliarpfändung vor der Immobiliarpfändung vorliegt.17 Bei vorange-

12 Vgl. Stein/Jonas/Münzberg Rdn. 4; Zöller/Geimer Rdn. 5; Baumbach/Lauterbach/Hartmann Anm. 1; AK/Schmidt von Rhein Rdn. 2; Thomas/Putzo/Seiler Rdn. 2; Blomeyer VV § 26 II 6. A.A. Bruns/Peters § 22 III 1 und die 2. Aufl. Anm. B IIIb 3. 13 Zöller/Geimer Rdn. 5; a.A. Stein/Jonas/Münzberg Rdn. 4. 14 Stein/Jonas/Münzberg Rdn. 3. 15 Stein/Jonas/Münzberg Rdn. 3; Baumbach/Lauterbach/Hartmann/Albers/Hunke Rdn. 4; Blomeyer VV § 26 II 6; Foerste Vollstreckungsvorsprung durch einstweiligen Rechtsschutz, ZZP 106 (1993) 148. A.A. Zöller/Geimer Rdn. 3; Thomas/ Putzo/Seiler Rdn. 2. 16 Zur Abgrenzung zu § 811 Nr. 5 Noack Die zeitgerechte Auslegung des Vollstreckungsrechts, insbes. der Beschränkungen in §§ 777, 803 Abs. 1 und 811 Ziff. 5 ZPO, DGVZ 1984, 147 ff. 17 Darauf verweisen u.a. Wieser Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in der Zwangsvollstreckung, ZZP 98 (1985) 50 und Rimmelspacher (Buchbesprechung) ZZP 97 (1984) 359. Paulus

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gangener Forderungspfändung und anschließender Immobiliarzwangsvollstreckung bzw. bei vorangegangener Immobiliarzwangsvollstreckung greifen weder § 777 noch § 803 Abs. 1 S. 2 ein. 13 Zum Besitz des Gläubigers beim Pfändungspfandrecht s. Rdn. 9.

5. Analoge Anwendung a) Sicherungsübereignung. Die Sicherungsübereignung von dem Schuldner gehörenden Sa- 14 chen berechtigt diesen zum Widerspruch analog § 777, da diese den Gläubiger in der Verwertung sogar noch besser stellt als das Vertragspfandrecht.18 Mittelbarer Besitz des Gläubigers reicht allerdings aus den in Rdn. 7 genannten Gründen nicht aus. Die Gegenmeinung19 übersieht dabei, dass als Voraussetzung für die Anwendung des § 777 neben dem Vorliegen einer Doppelbelastung für den Schuldner auch eine vereinfachte Verwertungsmöglichkeit für den Gläubiger gegeben sein muss.

b) Geldhinterlegung. Eine analoge Anwendung von § 777 findet auch bei Sicherheitsleistung 15 des Schuldners durch Hinterlegung von Geld zur Abwendung oder Einstellung der Zwangsvollstreckung sowie bei der Erlöshinterlegung statt.20 Das Pfandrecht des Gläubigers an der Forderung des Hinterlegers gegen das Land (§ 233 BGB; § 7 Abs. 1 HinterlO bzw. § 12 Abs. 1 BerlHintG) bietet dem Gläubiger dieselbe Sicherung wie bei einem Sachpfandrecht an der Hinterlegungsmasse. Das gilt allerdings nur, soweit der Gläubiger vor Beginn der Zwangsvollstreckung unzweifelhaft einen Anspruch auf Auszahlung der Hinterlegungsmasse unabhängig vom Willen des Schuldners hat. Bei einem vorläufig vollstreckbaren Urteil fällt dieses (etwa gem. § 17 Abs. 3 Nr. 2 BerlHintG)21 mit dem Eintritt der Rechtskraft des Urteils zusammen.22 Auch auf die im Rahmen der Sicherungsvollstreckung gem. § 720a vom Schuldner geleistete 16 Sicherheitsleistung findet § 777 Anwendung, wenn der Gläubiger im Anschluss gem. § 720a Abs. 3 selber Sicherheit geleistet hat und mit der Zwangsvollstreckung beginnt.23 Der Schuldner muss allerdings in die Auszahlung der Sicherheitsleistung eingewilligt haben, da über § 777 dem Gläubiger ansonsten das Recht auf Befriedigung aus den gepfändeten Sachen gem. § 720a Abs. 1 S. 2 genommen würde. Sicherheitsleistung durch Bürgschaft reicht für § 777 nicht, da diese dem Gläubiger nur ein 17 Forderungsrecht gibt, dessen Realisierung zweifelhaft sein kann. c) Mietkaution, Treuhandkonto. Auf die Mietkaution ist § 777 analog anzuwenden.24 Sie gibt 18 dem Gläubiger hinsichtlich seiner Ansprüche aus dem Mietverhältnis ein einfach durchzusetzendes Befriedigungsrecht und ist mit einer hinterlegten Sicherheitsleistung vergleichbar. Gleiches

18 Vgl. zum Stand der Auseinandersetzung hier Fn. 12. 19 Vgl. hier Fn. 12. 20 Ganz h.M.; vgl. LG Berlin ZZP 58 (1945) 193; OLG Köln OLGZ 1988, 214 = EWiR § 777 ZPO 1/87, 1037 (E. Schneider); LG München DGVZ 1984, 78; Stein/Jonas/Münzberg Rdn. 6; Baumbach/Lauterbach/Hartmann/Albers/Hunke Rdn. 4 (einschränkend); Zöller/Geimer Rdn. 6. 21 Beachte, dass seit 2010 das formelle Hinterlegungsrecht der Ländergesetzgebung zugeordnet ist. 22 So auch OLG Köln OLGZ 1988, 214 ff. (217) m.w.N. 23 So Stein/Jonas/Münzberg Rdn. 6; Gilleßen/Jacobs Auswirkungen der Vereinfachungsnovelle auf die praktische Tätigkeit des Gerichtsvollziehers, DGVZ 1977, 10 ff. (113); a.A. Thomas/Putzo/⁄Seiler § 720a Rdn. 11; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard § 14 Rdn. 87. 24 AG/LG München DGVZ 1984, 77 f. 455

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gilt für ein treuhänderisch gehaltenes Konto,25 auf das der Gläubiger vergleichbar problemlos zu Lasten seines Schuldners zugreifen kann.26

6. Wert des Sicherungsrechtes 19 Das Sicherungsrecht des Gläubigers muss die Vollstreckungsforderung nebst Zinsen und Kosten voll abdecken. Ist die Forderung des Gläubigers höher als der Wert der Pfandsache, so ist der Widerspruch des Schuldners zum Teil begründet. Die Beweislast für die Deckung trägt der Schuldner. Der Gläubiger kann jedoch einwenden, dass die gepfändete Sache noch als Sicherheit für eine weitere Forderung dient. Für das Bestehen dieser Forderung ist dann der Gläubiger27 und für die ausreichende Deckung der Schuldner beweispflichtig,28 wobei der Gläubiger seiner Beweispflicht im Erinnerungsverfahren regelmäßig nur durch Vorlage von vollstreckbaren Titeln nachkommen kann, da das Erinnerungsverfahren nicht dazu dient, die Rechtszuständigkeit bestrittener Forderungen zu klären.29 Darüber hinaus kann der Gläubiger einwenden, dass die Sache mit dem Widerspruchsrecht gem. § 771 eines Dritten belastet ist und dadurch die Deckung der Forderung durch das Pfändungspfandrecht zu unsicher sei.30 Das Sicherungsrecht muss nicht sofort verwertbar sein. Auch bei künftigen und bedingten Pfandrechten wie auch bei anderweitigen Verzögerungen in der Verwertung der Pfandsache steht dem Schuldner das Widerspruchsrecht zu.31 Dasselbe gilt auch bei Zweifeln über die Wirksamkeit der Pfändungsmaßnahme.32

7. Widerspruchsrecht 20 Das Widerspruchsrecht des Schuldners gilt nur innerhalb der zeitlichen Schranken der Vollstreckungserinnerung gem. § 766, auf die in § 777 verwiesen wird. Die Zwangsvollstreckung in das übrige Vermögen des Schuldners muss daher begonnen haben und darf noch nicht beendet sein.

III. Verfahren 21 Der Widerspruch des Gläubigers ist grundsätzlich mit der Erinnerung gem. § 766 geltend zu machen. § 777 wendet sich ausschließlich an den Schuldner und nicht an den Gerichtsvollzieher. Der Schuldner muss, will er die Durchführung der Vollstreckung verhindern, die Erinnerung einlegen, wobei er die Beweislast für die in § 777 S. 1 genannten Voraussetzungen trägt.33 Das hat zur Folge, dass der Gerichtsvollzieher auch nach Widerspruchseinlegung durch den Schuldner bis zur endgültigen Entscheidung im Widerspruchsverfahren die Zwangsvollstreckung weiterbetreiben darf.34 Der Schuldner kann auf das Widerspruchsrecht verzichten, da dieses ausschließlich 25 26 27 28

Dazu Grundlegendes bei K. Schmidt Das Rätsel Treuhandkonto, FS Wiegand (2005) 933 ff. Zutreffend Gaul/Schilken/Becker-Eberhard § 37 Rdn. 14. So auch AG München DGVZ 1984, 78; Zöller/Geimer Rdn. 8; Baumbach/Lauterbach/Hartmann/Albers/Hunke Anm. 5. Vgl. hierzu auch LG Berlin DGVZ 2019, 83 (mit der allerdings irritierenden Ansicht, dass die Unwirksamkeit einer Übersicherung ex post geheilt werden könne durch einen niedrigen Versteigerungserlös; richtig davor noch AG Charlottenburg, Beschluss vom 19. September 2018 – 32 M 11250/18 –, juris). 29 AG München DGVZ 1984, 78; vgl. auch § 766 Rdn. 12. 30 So auch Stein/Jonas/Münzberg Rdn. 9. 31 So auch Stein/Jonas/Münzberg Rdn. 9; Voss Ueber den Widerspruch des Pfandschuldners gegen die Zwangsvollstreckung in das übrige Vermögen, ZZP 26 (1899) 469; a.A. LG Traunstein NJW 1950, 1300. 32 Vgl. Stein/Jonas/Münzberg Rdn. 9; a.A. LG Traunstein NJW 1950, 1300. 33 LG Stuttgart Rpfleger 2000, 28. Zur Beweislast für S. 2 s. oben Rdn. 19 sowie Gaul/Schilken/Becker-Eberhard § 37 Rdn. 15. 34 RGZ 98, 106 (109); Stein/Jonas/Münzberg Rdn. 1; Zöller/Geimer Rdn. 8; Noack Aktuelle Fragen zur Erstattungsfähigkeit der Kosten der Zwangsvollstreckung nach § 788 ZPO und ihrer Beitreibung, DGVZ 1983, 17 ff., 22. Paulus

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seinen Interessen dient und die Geltendmachung des Widerspruchs ausschließlich seiner Dispositionsbefugnis untersteht.35 Der Verzicht des Schuldners ist nicht von Amts wegen zu beachten.36 Durch Verzicht des Gläubigers auf sein vorher erlangtes Sicherungsrecht kann wiederum der Gläubiger dem Widerspruchsverfahren die Grundlage entziehen. Die Pfandsache muss dem Schuldner dazu noch nicht zurückgegeben worden sein, es sei denn, der Gläubiger stützt die Verweigerung der Herausgabe auf ein ihm zustehendes Zurückbehaltungsrecht.37

§ 778 Zwangsvollstreckung vor Erbschaftsannahme (1) Solange der Erbe die Erbschaft nicht angenommen hat, ist eine Zwangsvollstreckung wegen eines Anspruchs, der sich gegen den Nachlass richtet, nur in den Nachlass zulässig. (2) Wegen eigener Verbindlichkeiten des Erben ist eine Zwangsvollstreckung in den Nachlass vor der Annahme der Erbschaft nicht zulässig.

Übersicht I. 1. 2.

Gesetzesgeschichte, Normzweck 1 Geschichte 3 Zweck

II.

Bedeutung

III.

Anspruch gegen den Nachlass

4 6

IV. 1. 2.

Nachlassvollstreckung 8 Haftungssubstrat 10 Rechtsbehelfe

V. 1. 2.

Eigenverbindlichkeiten, Abs. 2 12 Begriff 13 Rechtsbehelfe

I. Gesetzesgeschichte, Normzweck 1. Geschichte Die Regelung der Zwangsvollstreckung gegen den Erben ist ein Exempel für unübersichtliche 1 Gesetzgebung. Schon die materiell-rechtliche Ausgestaltung der Erbenhaftung in den §§ 1967 ff., 2058 ff. BGB ist nicht einfach zu verstehen; umso komplizierter wird sie, wenn man noch ihre prozessuale, bzw. vollstreckungsrechtliche Durchsetzung1 in die Betrachtung mit einbezieht. Denn neben den §§ 778 ff. spielen auch noch die §§ 727, 747 ff. eine Rolle. Es gilt hier wie kaum sonstwo im Vollstreckungsrecht der Satz: ius vigilantibus scriptum est. Ausweislich der Begründung der Novelle von 1898, S. 158, beruht die Vorschrift des § 778 2 auf den gleichen Erwägungen, die zum Erlass des § 239 (Abs. 5) sowie des § 1958 BGB geführt und eine Übernahme des Vindikationslegats ausgeschlossen haben. Diese Maßnahmen sollen 35 So auch Baumbach/Lauterbach/Hartmann/Albers/Hunke Anm. 5; W. Müller Die Wirksamkeit des Pfändungspfandrechtes (1909) 50; a.A. die 2. Aufl. Anm. A I; vgl. zum Problem des Verzichts auf Schuldnerschutz Vor § 704.

36 LG Limburg Rpfleger 1982, 435. 37 Diese Einschränkung machen Stein/Jonas/Münzberg Rdn. 10 und Baumbach/Lauterbach/Hartmann/Albers/Hunke Anm. 4 nicht.

1 Eine weitere Schwierigkeitsdimension tritt hinzu, wenn der Erblasser oder der Erbe in einem Insolvenzverfahren befangen ist, dazu Fischinger Die Beschränkung der Erbenhaftung in der Insolvenz (2013); Leipold Restschuldbefreiung für die Erben?, FS Paulus, 2022, 447 ff.; Busch Im Dschungel der Nachlassinsolvenz – Kosten und Nutzen für den Erben ErbR 2012, 335 und 358. 457 https://doi.org/10.1515/9783110443158-062

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§ 778

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gewährleisten, dass den Nachlassgläubigern das erblasserische Vermögen ungeschmälert erhalten bleibt, bis es endgültig dem Vermögen des (schließlich) annehmenden Erben zugeordnet ist.

2. Zweck 3 Die Norm bezweckt demnach eine Trennung der Haftungsmassen, solange die endgültige dingliche Zuordnung des Nachlasses an den oder die Erben aufgrund der §§ 1942 ff. BGB noch nicht erfolgt ist.2 Nach Abs. 1 werden die Nachlassgläubiger auf den Nachlass, nach Abs. 2 die Eigengläubiger des Erben auf dessen Eigenvermögen verwiesen. Für die Nachlassgläubiger bedeutet diese Trennung darüber hinaus eine Beschleunigung des Verfahrens; denn sie brauchen mit der Vollstreckung nicht bis zur Annahmeentscheidung des Erben zu warten.

II. Bedeutung 4 Die eigentliche Bedeutung der Norm liegt in der Formulierung des verallgemeinerungsfähigen Prinzips,3 dass die Vermögensmassen bis zur endgültigen dinglichen Zuordnung des Nachlasses zu dem Erbenvermögen auseinandergehalten werden müssen.4 Dabei ist unter ‚endgültig‘ zu verstehen, dass die Erbschaft nicht mehr ausgeschlagen werden kann, § 1943 BGB; eine endgültige Zuordnung erfolgt damit auch schon zu dem Vermögen eines Vorerben. Die Nachlassgläubiger sind in einem solchen Fall nicht gehalten, bis zum Eintritt des Nacherbfalles zuzuwarten, § 2115 S. 2 BGB. Die Regelung des § 778 gilt aufgrund seiner systematischen Stellung im allgemeinen Teil für alle Vollstreckungsarten einschließlich des einstweiligen Rechtsschutzes.5 Freilich ergibt sich nicht aus § 778,6 sondern aus § 1958 BGB, dass ein gegen einen Erben gerichtetes Arrestgesuch abzuweisen ist, wenn dieser die Erbschaft noch nicht angenommen hat. 5 § 778 regelt nicht, unter welchen Voraussetzungen der Zugriff zulässig ist. Für die Nachlassgläubiger ergibt sich die Antwort auf diese Frage aus den §§ 727 i.V.m. 750, wenn sie den Titel bereits gegen den Erblasser erlangt und die Zwangsvollstreckung noch nicht begonnen haben. Ist in diesem Fall der Erbe (noch) unbekannt7 oder hat er die Erbschaft noch nicht angenommen, § 1958 BGB, so hat – sofern keine Nachlasspflegschaft, Nachlassverwaltung oder Testamentsvollstreckung besteht, vgl. §§ 1960 Abs. 3, 1984, 2213 Abs. 2 BGB – die Titelübertragung auf einen vom Gläubiger8 nach § 1961 BGB zu beantragenden Nachlasspfleger9 zu erfolgen,10 dessen Pflegschaft sich naturgemäß nur auf den Nachlass bezieht; der Gläubigerzugriff kann sich infolgedessen auch nur auf dieses Vermögen erstrecken, vgl. auch § 780 Abs. 2. Der Titel ist dann gem. § 727 umzuschreiben als gegen den unbekannten Erben gerichtet, vertreten durch den Nachlasspfleger.11 2 S. auch LG Meinigen Rpfleger 2007, 217. 3 Für die Verschmelzung zweier juristischer Personen (Genossenschaften) vgl. etwa RGZ 150, 115; RGZ 154, 72. Zu weiteren Verschmelzungstatbeständen s. § 727 Rdn. 21.

4 Zu der Frage, wie diese Trennung zu Gunsten eines insolventen Erben nutzbar gemacht werden kann, s. etwa Wälzholz Testamentsgestaltung zugunsten überschuldeter Erben, FamRB 2006, 252. Vgl. RGZ 60, 179. So aber die 2. Aufl. A I. Einschränkend bei „hoher Wahrscheinlichkeit“ des Erbantritts KG OLG-NL 1999, 33. Gem. LG Oldenburg Rpfleger1989, 460, 461, besteht für den Gläubiger keine Vorschusspflicht. Im Falle einer Erbengemeinschaft bedarf es wegen § 747 eines Nachlasspflegers für diejenigen, die noch nicht angenommen haben, Zöller/Geimer Rdn. 10. Zur Zuständigkeit s. etwa MünchKomm-BGB/Leipold § 1961 Rz. 2. 10 BayObLG KTS 1991, 624. 11 OLG Schleswig FamRZ 2022, 1064; BayObLG KTS 1991, 624, 625. Zu dem Sonderfall, dass die Vollstreckung bereits begonnen hatte, der Lageort des Nachlasses aber teilweise unbekannt ist, s. OLG München FamRZ 2014, 966 (kein Anspruch auf Pflegerbestellung).

5 6 7 8 9

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Hatte die Zwangsvollstreckung zum Zeitpunkt des Erbfalls jedoch bereits begonnen, gilt allein12 § 779, dessen Rechtsfolge sich mit dem Gebot des § 778 Abs. 1 deckt, nämlich die Beschränkung des Zugriffs auf den Nachlass. Der Aussage des § 778 Abs. 1 kommt daher nur klarstellende Bedeutung zu.13 Will der Nachlassgläubiger den Titel jedoch erst gegen den Erben erstreiten, so ist dieser bis zur Erbschaftsannahme durch § 1958 BGB und § 239 Abs. 5 geschützt; ein Vollstreckungszugriff ist daher nicht möglich. Zu den Nachlasserbenschulden s. allerdings Rdn. 7.

III. Anspruch gegen den Nachlass Die in § 778 gewählte Formulierung deckt sich nicht mit der des § 1967 BGB. Maßgeblich ist daher 6 nicht, dass der entsprechende Anspruch unter dessen Abs. 2 BGB subsumiert werden kann, sondern ob der Nachlass als Haftungsmasse in Frage steht. Wann immer das der Fall ist, gilt § 778 mit seiner Vermögenstrennung – also auch hinsichtlich der quotenmäßig reduzierten Forderung14 der Gläubiger-Miterben. Nach der Feinaufgliederung der Nachlassverbindlichkeiten15 sind davon betroffen die Erblasserschulden, die Erbfallschulden, die Nachlasskostenschulden sowie die Nachlasserbenschulden. Die Besonderheit der letztgenannten Kategorie besteht darin, dass dem Gläubiger sowohl der 7 Nachlass als auch das Eigenvermögen des Erben haftet.16 K. Schmidt hält deswegen § 778 in diesem Fall für nicht anwendbar.17 Doch bringt diese Ansicht ohne Not den Regelungsplan des BGB und der ZPO durcheinander. Da der Erbe die Erbschaft noch nicht angenommen hat, eine endgültige Zuordnung des Nachlasses zu seinem Vermögen also noch nicht möglich ist, bemessen sich seine auf den Nachlass bezogenen Handlungen nach den §§ 1959, 1978 Abs. 3 BGB; der Nachlasserbengläubiger muss daher – gewissermaßen als Preis für die Vergünstigung, außer auf das Eigenvermögen des Erben auch noch auf den Nachlass zugreifen zu dürfen – im letzteren Fall den umständlichen Weg über die Pflegschaftsbestellung des § 1961 BGB nehmen.

IV. Nachlassvollstreckung 1. Haftungssubstrat Die Pflicht zur Trennung der Vermögensmassen ist in zeitlicher Hinsicht durch einerseits den Tod 8 des Erblassers, andererseits durch die Annahme der Erbschaft von Seiten des Erben begrenzt.18 Was darunter zu verstehen ist, ergibt sich aus den §§ 1942 ff. BGB.19 Die Annahme kann mithin auch durch das Verstreichenlassen der Ausschlagungsfrist erfolgen. Schwierigkeiten ergeben sich, wenn der Erbe die Annahme nach Maßgabe der §§ 1954 ff. BGB anficht und damit eine erneute separatio bonorum erforderlich wird. Hatte der Gläubiger mit der Vollstreckung noch nicht begonnen, verbleibt es gegenüber dem nächstberufenen Erben bei der Regelung des § 778. Hatte der Gläubiger dagegen mit der Vollstreckung bereits angefangen, stellt sich die Frage, ob er zur Fort-

12 Einschränkend Behr Zwangsvollstreckung in den Nachlass, Rpfleger 2002, 1, 4, für Fälle unbekannter Vermögensbelegenheit. 13 Auch die Regelung des Abs. 2 ergibt sich zwingend aus der separatio bonorum, doch ist die Reservierung des Eigenvermögens für die Eigengläubiger sonst nirgends gesetzlich verankert. 14 OLG Düsseldorf MDR 1970, 766. 15 Etwa Staudinger/Marotzke § 1967 Rdn. 5 ff. 16 S. etwa Behr Zwangsvollstreckung in den Nachlass, Rpfleger 2002, 1. 17 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann Rdn. 6. 18 S. auch BGH DZWIR 2012, 72, 73; Mock Vollstreckungsbeginn nach Tod des Erblassers, EE 2020, 117; Wessels Zwangsvollstreckungsrechtliche Fragestellungen im Erbrecht, ZFE 2005, 191, 193. 19 Nicht pfändbar ist ein „Recht auf Annahme der Erbschaft“, zutreffend OLG München NJW 2015, 2128. 459

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§ 778

Achtes Buch – Zwangsvollstreckung

setzung des Zugriffs in den Nachlass eine Titelübertragung nach § 727 auf den Nachlasspfleger des § 1961 BGB benötigt, oder ob er in Analogie zu § 779 weiterverfahren darf. Da der Schutz der weiteren Nachlassgläubiger auch im zweiten Fall gewahrt ist, erscheint dieser Weg als der weniger aufwändige vorzugswürdig.20 Zu den Rechtsschutzmöglichkeiten des anfechtenden Erben, wenn der Gläubiger auch schon auf sein Eigenvermögen zugegriffen hat, das wegen § 142 BGB nachträglich als gesonderte Masse zu behandeln ist, unten Rdn. 10. 9 Haftungssubstrat ist der Nachlass,21 d.h. das Vermögen des Erblassers, das bei seinem Tode gem. §§ 1922, 1967 BGB auf den Erben übergeht. Das Vollstreckungsrecht hat dabei jedoch diejenigen Grenzen zu beachten, die andere Rechtsmaterien dem Erbrecht ziehen – etwa das Gesellschaftsrecht bei der Vererbung von Gesellschaftsanteilen22 (sie fallen grundsätzlich in den Nachlass) oder das Sozialrecht in den Fällen der §§ 54, 56 SGB I.

2. Rechtsbehelfe 10 Gegen einen Übergriff des Nachlassgläubigers auf das Eigenvermögen des Erben kann sich dieser sowohl mit der Drittwiderspruchsklage des § 771 als auch mit der Erinnerung nach § 766 wehren, seine Gläubiger23 dagegen nur mit der Erinnerung; denn Abs. 1 bewirkt nicht, dass ihnen nunmehr ein die Veräußerung hinderndes Recht an dem Erbeneigenvermögen eingeräumt würde. 11 Nimmt der Erbe während des laufenden Rechtsstreits die Erbschaft an, liegt darin ein erledigendes Ereignis.24 Schlägt er dagegen nach Beendigung der Zwangsvollstreckung aus, ohne gegen den Übergriff vorgegangen zu sein, steht ihm gegen den endgültigen Erben ein Bereicherungsanspruch nach § 812 Abs. 1 S. 1, 2. Alt. BGB (Nichtleistungskondiktion) zu.

V. Eigenverbindlichkeiten, Abs. 2 1. Begriff 12 Den Gegenbegriff zu den Nachlassverbindlichkeiten (Rdn. 6) bilden die eigenen Verbindlichkeiten des Erben. Sie richten sich gegen seine Person, ohne gerade auf seine Eigenschaft als Rechtsnachfolger des Erblassers abzustellen, wenn er beispielsweise Mitschuldner des Erblassers ist.25 Haftet ein Nachlassgegenstand dinglich für eine Eigenschuld des Erben, ist insoweit Abs. 1 anzuwenden.

2. Rechtsbehelfe 13 Gegen einen Übergriff der Eigengläubiger auf den Nachlass können sich nicht nur die Nachlassgläubiger und der Erbe, sondern auch der Miterbe, Nachlasspfleger, Nachlassverwalter und Testamentsvollstrecker mit Hilfe des § 766 zur Wehr setzen. Dabei ergibt sich die Berechtigung zu diesem Vorgehen für die drei zuletzt genannten Personen aus ihrem jeweiligen „Amtsbereich“, 20 Vgl. BGH DZWIR 2012, 72 – Tz. 10. 21 S. auch B. Schmidt Vollstreckung in den Nachlass, JurBüro 2010, 510; Westphal/Behr Zwangsvollstreckung in den Nachlass – Ein Hürdenlauf ohne Ende? Rpfleger 2002, 509. 22 Dazu etwa BGH JZ 1984, 890 m. insoweit abl. Anm. Brox; BGHZ 108, 187; Marotzke „Höferechtliche Tendenzen“ und dogmatische Lösungen bei der Beerbung des Mitglieds einer offenen Handelsgesellschaft, AcP 184 (1984) 541; K. Schmidt Gesellschaftsrecht4, § 45 V, 1331 ff.; Ebenroth Erbrecht, § 12, insbes. Rdn. 864 ff. 23 Allgemeiner hierzu Lemaire Rechte Dritter in der Zwangsvollstreckung, AO-StB 2005, 183, 185 f. 24 Kindl/Meller-Hannich/Wolf/Handke Rdn. 7. 25 Zöller/Geimer Rdn. 8. Paulus

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Abschnitt 1. Allgemeine Vorschriften

§ 779

der sich auf den gesamten Nachlass erstreckt; für die Nachlassgläubiger aus der Zuweisung des Nachlasses als Haftungsmasse speziell für sie; für den Miterben – über § 747 hinaus – und den Erben aus dem (wenn auch vorläufigen) Erwerb des Nachlasses. Darüber hinaus steht die Drittwiderspruchsklage des § 771 wegen der ausschließlichen – 14 im Falle der Erbenmehrheit: gesamthänderischen – Zuordnung dem Erben bzw. Miterben, nicht aber den Gläubigern zu. Denn unbeschadet der in Abs. 1 erfolgenden Zuweisung gehört der Nachlass nicht zu ihrem Vermögen. Die vorgenannten ‚Amtswalter‘ können die Drittwiderspruchsklage ebenfalls erheben. Das stattgebende Urteil muss unbeschadet des nur vorübergehenden Zustandes bis zur 15 Annahme oder Ausschlagung die Vollstreckung insgesamt aufheben, nicht also nur bis zur Erbschaftsannahme aussetzen;26 anderenfalls würde der Erbe bei seiner Entscheidungsfindung, ob er die Erbschaft annehmen will oder nicht, in einer vom Gesetz gerade nicht gewollten Weise beeinflusst: Will er nämlich annehmen, aber ein Haftungsbeschränkungsverfahren durchführen, müsste er bereits in diesem Entscheidungsverfahren die ihm durch § 785 auferlegte Prozesslast, § 785 Rdn. 3, in Rechnung stellen. Hat sich der – späterhin ausschlagende – Erbe gegen den Übergriff seiner Eigengläubiger 16 in den Nachlass nicht zur Wehr gesetzt, haben die Nachlassgläubiger nach Beendigung der Zwangsvollstreckung gegen ihn einen Bereicherungsanspruch i.S.d. § 812 Abs. 1 S. 1, 2. Alt. Denn der Nachlass war ihnen zugewiesen, so dass der Erbe die Befreiung einer Verbindlichkeit erlangt hat.

§ 779 Fortsetzung der Zwangsvollstreckung nach dem Tod des Schuldners (1) Eine Zwangsvollstreckung, die zur Zeit des Todes des Schuldners gegen ihn bereits begonnen hatte, wird in seinen Nachlass fortgesetzt. (2) 1Ist bei einer Vollstreckungshandlung die Zuziehung des Schuldners nötig, so hat, wenn die Erbschaft noch nicht angenommen oder wenn der Erbe unbekannt oder es ungewiss ist, ob er die Erbschaft angenommen hat, das Vollstreckungsgericht auf Antrag des Gläubigers dem Erben einen einstweiligen besonderen Vertreter zu bestellen. 2Die Bestellung hat zu unterbleiben, wenn ein Nachlasspfleger bestellt ist oder wenn die Verwaltung des Nachlasses einem Testamentsvollstrecker zusteht.

Übersicht I.

Gesetzesgeschichte, Normzweck

II. 1. 2.

Fortsetzung der Vollstreckung Zugriff auf den gesamten Nachlass 4 Einschränkungen

1

III.

Zuziehung des Schuldners

IV.

Besonderer Vertreter

7 9

3

I. Gesetzesgeschichte, Normzweck Die Vorschrift ist aus dem § 693 der CPO von 1877 hervorgegangen, der seinerseits dem § 932 1 des norddeutschen Entwurfs nachgebildet war. Abs. 1 ist nahezu wortgleich geblieben, während Abs. 2 in seiner ursprünglichen Fassung auf die gemeinrechtliche ‚ruhende Erbschaft‘ Bezug nahm, die ihrerseits eine Übernahme der römisch-rechtlichen hereditas iacens war. Die mit 26 Stein/Jonas/Münzberg Rdn. 8. 461 https://doi.org/10.1515/9783110443158-063

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§ 779

Achtes Buch – Zwangsvollstreckung

dieser Rechtsfigur verbundene Besonderheit einer Vermögensmasse ohne Rechtsträger wurde mit Erlass des BGB abgeschafft, so dass dieser Absatz in die vorliegende Fassung umzuformulieren war. 2 Praktikabilitätserwägungen des Gesetzgebers haben zur Übernahme dieser Norm geführt.1 Gäbe es sie nämlich nicht, so wäre nach Maßgabe des § 727 eine Titelumschreibung auf den2 – im fraglichen Zeitpunkt u.U. noch gar nicht feststehenden – Erben erforderlich, bzw. auf den Testamentsvollstrecker oder Nachlassverwalter. Dieser Umweg soll vermieden werden, sofern nur der Gläubiger schon mit der Zwangsvollstreckung begonnen hatte, bevor der Schuldner gestorben ist. Damit ist gewährleistet, dass die für die Einleitung der Vollstreckung notwendigen Formalien ordnungsgemäß vorgelegen haben, insbes. also die exakte Kennzeichnung des Schuldners und die an ihn gerichtete Zustellung, § 750. Diese Auflockerung3 der sonst streng geforderten Einhaltung von Formalien wird dadurch eingegrenzt, dass die Vollstreckung nur in den Nachlass fortgesetzt werden darf, nicht aber in das Eigenvermögen des Erben; s. noch Rdn. 3 a.E. Diese Erwägungen machen deutlich, dass die Vorschrift auf den mit der Universalsukzession verbundenen vollkommenen Übergang des erblasserischen Pflichtlebens auf den Erben4 zugeschnitten ist; eine Übertragung im Wege eines Analogieschlusses auf Fälle der Einzelnachfolge – einschließlich etwa der Einleitung eines Insolvenzverfahrens5 – verbietet sich daher ebenso wie auf den des Todes des vollstreckenden Gläubigers.6 Dagegen ist die Vorschrift auch im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes zu beachten, §§ 928, 936.

II. Fortsetzung der Vollstreckung 1. Zugriff auf den gesamten Nachlass 3 Da der Erbfall zu einer Zeit eingetreten sein muss, in der die Zwangsvollstreckung7 bereits begonnen hat, ist es notwendig, den Anfangstermin der Vollstreckung festzulegen. Auf die Annahme des Erben kommt es dagegen nicht an. Wie schon bei § 724 Rdn. 2 erwähnt, liegt der Vollstreckungsbeginn nicht in der Beantragung oder Erstellung der vollstreckbaren Ausfertigung, sondern ergibt sich aus § 750. Vollstreckungsbeginn ist demnach das unmittelbare Ansetzen zum zwangsweisen Zugriff, der je nach Vollstreckungsart im Einzelfall zu bestimmen ist. Stirbt der Schuldner nach dieser einleitenden Handlung, kann die Zwangsvollstreckung aus dem konkreten Titel bzw. aus der konkreten vollstreckbaren Ausfertigung8 ohne Titelübertragung und erneute Zustellung durch-, bzw. weitergeführt werden.9 Das schließt mit ein, dass nicht etwa nur eine einzelne, unterbrochene Vollstreckungshandlung zu Ende geführt werden kann, sondern dass der Zugriff

1 Hahn Ges. Mat., 443. § 239 zeigt eine diametral entgegengesetzte Reaktion des Gesetzes auf den Tod einer Partei und dessen Einfluss auf ein laufendes Verfahren.

2 § 779 ist auch anzuwenden, wenn eine Miterbengemeinschaft besteht. 3 Vgl. LG Meiningen Rpfleger 2007, 217. 4 Nach wie vor klassisch die Darstellung von Boehmer Der Übergang des Pflichtlebens des Erblassers auf den Erben, Festschrift der juristischen Fakultäten zum 50jährigen Bestehen des Reichsgerichts, Bd. III, 1929, 216.

5 Für eine analoge Anwendung dagegen Alff Klauselprobleme in der Immobiliarvollstreckungspraxis, Rpfleger 2001, 385, 390. 6 Dazu Obermaier Die Rechtsnachfolge in das Zwangsvollstreckungsverfahren beim Tode einer Partei, DGVZ 1973, 146 f. 7 Zu der dem Grundsatz nach vergleichbaren Situation, dass der Schuldner im Verlauf eines bereits eingeleiteten Insolvenzverfahrens verstirbt, s. etwa Nöll Der Tod des Schuldners in der Insolvenz, 2005; Köke/Schmerbach Tod des Schuldners in der Insolvenz, ZVI 2007, 497. S. auch BGH DNotZ 2006, 865. 8 OLG München NJW 2014, 3254 – Tz. 10. 9 Hierzu etwa Mock Tod des Schuldners nach Beginn der Zwangsvollstreckung: So vollstrecken Sie weiter!, EE 2020, 99 und 117. Paulus

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insgesamt bis hin zur vollständigen Befriedigung erfolgen darf.10 Der Gegenansicht11 ist zuzugestehen, dass das formalisierte Vollstreckungsverfahren dadurch eine Durchbrechung erfährt; doch ergibt sich aus Abs. 2, insbes. aus dessen S. 2, dass nicht die einzelne Vollstreckungshandlung, sondern der gesamte Zugriff Regelungsgegenstand von § 779 ist. Der sich weigernde Gerichtsvollzieher ist infolgedessen über § 766 Abs. 2 zur Fortsetzung der Vollstreckung anzuhalten.12 Kann der Gläubiger somit auch auf andere Vermögensgüter zugreifen, muss er dabei gleichwohl die in § 778 zum Ausdruck gebrachte Trennung der Vermögensmassen – separatio bonorum von Nachlass und Eigenvermögen – beachten. Will er (nach der Erbschaftsannahme) auf das Eigenvermögen des Erben zugreifen, muss er seinen Titel nach § 727 umschreiben lassen.13

2. Einschränkungen Diese Befugnis zum Zugriff auf den gesamten Nachlass erfährt jedoch einzelne Einschränkungen: Die 4 erste resultiert aus dem selbstverständlichen Grundsatz, dass der Gläubiger nach dem Erbfall grundsätzlich14 nicht mehr Rechte haben kann als zuvor. Wenn also noch vor dem Erbfall ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners eröffnet worden ist, gilt § 89 InsO naturgemäß auch danach15 noch weiter; ganz entsprechend, wenn der Erbe eine vom Erblasser bislang noch nicht wahrgenommene Rechtsposition erhält, die der Vollstreckung entgegengehalten werden kann, nützt der bereits erfolgte Beginn der Vollstreckung dem Gläubiger nichts. Ein Beispiel dafür sind die §§ 28, 30 UrhG, die sämtliche, dem Urheber zustehende Rechte auf den Rechtsnachfolger übergehen lassen. Zu ihnen gehört im Falle einer Vollstreckung wegen einer Geldforderung auch die Einwilligungsbefugnis der §§ 113 ff. UrhG, die der Erbe nach seinem Gutdünken ausüben darf. Hat dagegen der Urheber die Einwilligung noch vor seinem Tod erteilt, ist der Erbe hieran gebunden, und der Gläubiger darf die Vollstreckung in das urheberrechtlich geschützte Werk betreiben. Eine weitere Einschränkung ergibt sich nach verbreiteter Ansicht dann, wenn die Vollstreckung 5 auf das Erwirken einer Handlung oder eines Unterlassens, §§ 887 bis 890, gerichtet ist;16 in diesen Fällen sei immer eine Titelumschreibung erforderlich. Das wäre aber nur dann zutreffend, wenn es sich bei den jeweiligen Handlungen, bzw. Unterlassungen grundsätzlich um höchstpersönliche, an die Person des Erblassers gebundene Pflichten17 handelte. Das trifft in den in §§ 888,18 889 statuierten Fällen zu, nicht jedoch – zumindest nicht notwendigerweise – bei den vertretbaren Handlungen und den Unterlassungen der §§ 887 und 890.19 Insoweit ist daher kein Grund ersichtlich, der eine Ungleichbehandlung dieser Zwangsvollstreckungen gegenüber den anderen, unstreitig von § 779 erfassten, rechtfertigen würde. Die Ersatzvornahme des § 887 kann daher auf Kosten des Nachlasses durchgeführt werden, nicht jedoch die Handlung selbst; Entsprechendes gilt für die Beitreibung des Ordnungsgeldes nach § 890. Letzten Endes geht es bei dieser Frage um die Verteilung der Handlungs10 LG Dortmund NJW 1973, 374; LG München I MDR 1979, 853; LG Stuttgart DGVZ 1987, 12; AG Achim JurBüro 2019, 105; Stein/Jonas/Münzberg Rdn. 3; Zöller/Geimer Rdn. 4; Behr Zwangsvollstreckung in den Nachlass, Rpfleger 2002, 2, 3; § 52 GVGA. 11 Etwa LG Osnabrück JurBüro 1957, 86; Schüler Wann kann eine Zwangsvollstreckung gegen einen Schuldner nach dessen Tod in den Nachlass ohne Titelumschreibung betrieben werden? JurBüro 1976, 1003. 12 AG Pinneberg JurBüro 2000, 103. 13 S. etwa LG Ravensburg JurBüro 2017, 604 – Tz. 40. 14 Diese Einschränkung ergibt sich aus LG Wuppertal JurBüro 2002, 95: Danach ist ein gemäß § 850c erhöhter Pfändungsfreibetrag ab dem Todeszeitpunkt auf den Grundbetrag zurückzuführen. 15 Zu den dabei möglicherweise auftretenden Schwierigkeiten s. Fischinger Die Beschränkung der Erbenhaftung in der Insolvenz, 2013. 16 2. Aufl. sub B. 17 Hierzu AG Heidelberg DGVZ 2021, 200 (betr. Räumungsvollstreckung, bei der der Gewahrsam des Schuldners durch dessen Tod entfalle). 18 OLG Köln OLG-Report 2002, 188. 19 Vgl. auch OLG Hamm MDR 1986,156; Obermaier a.a.O., 147 f. 463

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§ 779

Achtes Buch – Zwangsvollstreckung

last: Soll der Gläubiger die Titelumschreibung erwirken, oder soll der Erbe nach § 767 seine fehlende materielle Verpflichtung einklagen müssen? Angesichts des den §§ 778–785 insgesamt zugrunde liegenden Regelungskonzeptes sowie der gläubigerbegünstigenden Intention des § 779, Rdn. 2, sprechen die besseren Gründe für die zweite Alternative.20 6 Schließlich ergeben sich noch Einschränkungen aus § 811 Nr. 1d, d.h. hinsichtlich der zur unmittelbaren Verwendung für die Bestattung bestimmten Gegenstände. In Ergänzung hierzu wird man angesichts des Einflusses der Grundrechte auf das Vollstreckungsrecht (Vor § 704 Rdn. 87 ff.) auch solche Gegenstände von der Vollstreckung auszunehmen haben, die nach dem Kultus der jeweiligen Religion zur Totenehrung benötigt werden. Freilich obliegt es dem Erben, den entsprechenden Nachweis über eine Erinnerung nach § 766 zu führen.

III. Zuziehung des Schuldners 7 Aus der Regelung des Abs. 2 ergibt sich, dass dem Erben bis zur Annahme nur das Erduldenmüssen der weiteren Vollstreckung zugemutet wird, nicht aber eine aktive Beteiligung; sie wäre ohnedies illusorisch in den Fällen des unbekannten Erben. Freilich ist zu unterscheiden: Schlichte Mitwirkungshandlungen wie das Öffnen von Türen oder Behältnissen, § 758, bedürfen keiner Vertreterbestellung, weil sie zur Not vom Vollstreckungsorgan selbst vorgenommen werden könnten. Ebenso wenig ist ein Vertreter dafür zuständig, diejenige Handlung vorzunehmen, die mit Hilfe der Zwangsvollstreckung in den Fällen der §§ 887–890 gerade erreicht werden soll, ohne dass eine Titelumschreibung erforderlich ist, Rdn. 5. 8 Folglich bedarf es der Bestellung des Vertreters immer – und auch nur – dann, wenn eine Beteiligung des Schuldners21 für den Fortgang22 der vor dem Erbfall bereits begonnenen Vollstreckung vom Gesetz vorgeschrieben oder vom Vollstreckungsorgan als notwendig erachtet wird. Das ist beispielsweise der Fall in den §§ 808 Abs. 3, 825, 826 Abs. 3, 829 Abs. 2, 835 Abs. 3, 844 Abs. 2, 875 Abs. 2, 885 Abs. 2 ZPO; 22 Abs. 1, 32, 41, 59, 88, 105 Abs. 2, 144 Abs. 1 S. 2, 146 Abs. 2 oder 153 Abs. 1 ZVG.

IV. Besonderer Vertreter 9 Voraussetzung für die Bestellung ist,23 dass der Erbe die Erbschaft noch nicht angenommen hat oder dass über seine Person – nicht dagegen allein über seinen Aufenthaltsort24 – Unklarheit besteht: Sei es, dass er gänzlich unbekannt ist,25 oder sei es, dass seine Erbschaftsannahme ungewiss ist.26 Stellt sich während des Vollstreckungsverfahrens heraus, dass der Schuldner prozessunfähig ist, und weiß der Gläubiger den Namen des Vertreters nicht, kann ein Vertreter in Analogie zu § 779 Abs. 2 bestellt werden, um dem Schuldner die Möglichkeit rechtlichen Gehörs zu verschaffen.27 Darüber hinaus ist erforderlich, dass der Gläubiger die Hinzuziehung seines Schuldners für den Fortgang der Vollstreckung benötigt, und dass er infolgedessen die Vertreterbestellung beantragt. 20 21 22 23

So auch MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann Rdn. 2. Der Vertreter vertritt den Erben, nicht den Nachlass. Die Zwangsvollstreckung wird erst fortgesetzt, wenn der Vertreter bestellt ist; vgl. § 52 Abs. 1 S. 4 GVGA. Zum besonderen Vertreter insgesamt Roth Zwangsvollstreckung und unbekannter Erbe des Schuldners, NJW-Spezial 2010, 551. 24 In einem solchen Fall ist ein Abwesenheitspfleger nach § 1911 BGB zu bestellen; Stein/Jonas/Münzberg Rdn. 7. 25 Hierzu etwa Ertle Die Vertretung „unbekannter Beteiligter“ im Zwangsversteigerungsverfahren ZfIR 2018, 815. 26 Ungewissheit über Nachlassgegenstände oder deren Belegenheit genügt demgegenüber nicht, OLG Hamburg FamRZ 2020, 1031. 27 H. Roth Zwangsvollstreckung gegen prozeßunfähige Schuldner, JZ 1987, 900 f. Paulus

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§ 780

Der Antrag kann schriftlich oder mündlich zu Protokoll der Geschäftsstelle beim Vollstre- 10 ckungsgericht eingereicht werden und ist daher gem. § 78 Abs. 3 vom Anwaltszwang befreit. Im Regelfall trifft der Rechtspfleger die Entscheidung über den Antrag, § 20 Nr. 17 RPflG. Er 11 wird ihn nach Maßgabe des Abs. 2 S. 2 dann ablehnen bzw. die Bestellung wieder aufheben, wenn ein Nachlasspfleger nach § 1961 BGB (ihm ist der Nachlassverwalter gleich gestellt) bestellt ist, oder wenn der Nachlass durch einen Testamentsvollstrecker verwaltet wird. Diese Auflistung gesetzlicher Vertreter ist erschöpfend, so dass ein rechtsgeschäftlich bestellter Vertreter (Anwalt o.ä.) nicht ausreicht. Das Amt des Vertreters erlischt, wenn der Erbe in das Verfahren eintritt.28 Gegen die Ablehnung kann der Gläubiger die befristete Erinnerung nach § 793 i.V.m. § 11 12 RpflG erheben.

§ 780 Vorbehalt der beschränkten Erbenhaftung (1) Der als Erbe des Schuldners verurteilte Beklagte kann die Beschränkung seiner Haftung nur geltend machen, wenn sie ihm im Urteil vorbehalten ist. (2) Der Vorbehalt ist nicht erforderlich, wenn der Fiskus als gesetzlicher Erbe verurteilt wird oder wenn das Urteil über eine Nachlassverbindlichkeit gegen einen Nachlassverwalter oder einen anderen Nachlasspfleger oder gegen einen Testamentsvollstrecker, dem die Verwaltung des Nachlasses zusteht, erlassen wird.

Übersicht I.

Gesetzesgeschichte, Normzweck

II.

Zusammenspiel der materiellen und prozessua3 len Erbenhaftungsregeln

III. 1.

Anwendungsbereich Hinsichtlich der geltend gemachten Forde5 rung 8 Hinsichtlich der Einrede Hinsichtlich der prozessualen Situation 18 Analoge Anwendung

2. 3. 4.

1

IV. 1. 2.

Das Urteil Verfahrensfragen 23 Wirkung

V.

Sondergestaltungen

28

VI.

Ausnahmen, Abs. 2

33

VII. Kosten

19

36

11

I. Gesetzesgeschichte, Normzweck Die §§ 778 ff. sind insgesamt auf das System der Erbenhaftung des BGB ausgerichtet und daher 1 weitgehend erst mit dessen Erlass in die ZPO eingefügt worden. Das gilt auch für den Abs. 2 der vorliegenden Norm, während Abs. 1 einen nahezu gleichlautenden Vorgänger in dem § 695 CPO von 1877 hat. Der auch nach dieser Vorschrift notwendige Vorbehalt im Urteil wurde damit begründet, dass die Wohltat der beschränkten Erbenhaftung „nicht bloß die Art der Vollstreckung, sondern den Umfang der Verpflichtung des Beklagten berührt“.1 Damit wird offenbar auf den Grundsatz angespielt, demzufolge ein einmal erstrittenes, auf Geldzahlung gerichtetes Endurteil die Vollstreckung in das gesamte Vermögen des Schuldners ermöglicht; enthält das Urteil keine Einschränkungen, können sie im Nachhinein nicht mehr geltend gemacht werden. Infolge28 A.A. BGHZ 182, 293 – Tz. 19: Amt erlischt erst mit Aufhebung des Amtes. 1 Hahn S. 443. 465 https://doi.org/10.1515/9783110443158-064

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§ 780

Achtes Buch – Zwangsvollstreckung

dessen muss sie der Erbe, der von der Möglichkeit der beschränkten Erbenhaftung Gebrauch machen will, sich im Urteil vorbehalten lassen. 2 § 780 stellt also zum einen klar, dass die beschränkte Erbenhaftung nur auf eine Einrede des Erben hin zu beachten ist. Zum anderen folgt aus dieser Norm im Zusammenhang mit den nachfolgenden, dass das Prozessgericht die materielle Berechtigung der Einrede nicht zu prüfen braucht, dass dies vielmehr erst in dem Verfahren nach § 785 geschieht, s. allerdings Rdn. 21.

II. Zusammenspiel der materiellen und prozessualen Erbenhaftungsregeln 3 Die praktische Umsetzung der beschränkten Haftung eines Erben ist aufgrund des Zusammenspiels von materiellen und vollstreckungsrechtlichen Vorschriften unübersichtlich und kompliziert, s. auch § 778 Rdn. 1.2 Das wird im Vergleich mit anderen haftungsbeschränkenden Regelungen wie etwa der Haftung eines Kommanditisten in den §§ 171 ff. HGB augenscheinlich;3 für sie gibt es keine korrespondierenden, speziellen Vollstreckungsnormen. Das mag – abgesehen von dem Unterschied zwischen einer gegenständlich und einer summenmäßig begrenzten Haftung – damit zu rechtfertigen sein, dass die Haftungsbeschränkung des Erben anders als die des Kommanditisten nicht durch einen amtlich geprüften Registereintrag publiziert ist; aus der Sicht des vollstreckenden Gläubigers ist es nur eine Behauptung des Erben, dass seine Haftung begrenzt ist. S. aber noch § 785 Rdn. 2 ff. 4 Indem § 780 Abs. 1 vom Erben – sei er Alleinerbe, sei er Miterbe4 – verlangt, dass er sich die Haftungsbeschränkung im Urteil vorbehalten lässt, ist es in einem formalen Sinne zutreffend, mit der 2. Aufl. die Erhebung der Einrede der beschränkten Erbenhaftung als einen Anwendungsfall des § 767 Abs. 2 anzusehen.5

III. Anwendungsbereich 1. Hinsichtlich der geltend gemachten Forderung6 5 Die Formulierung des Abs. 1 ist insofern zu eng, als sie eine Beschränkung auf diejenigen Schulden impliziert, die bereits in der Person des Erblassers entstanden sind. § 780 erfasst aber auch die Erbfallschulden,7 – etwa aus Vermächtnissen oder Pflichtteilsergänzungen nach § 2325 (nicht § 2329) BGB8 – gleichgültig, in welcher Klageart sie geltend gemacht werden.9 Eine Ausnahme 2 Zusätzlich etwa Horn Grundsätze der Erbenhaftung, NJW 2022, 2454. 3 Vgl. auch Kornblum Die Rechtsstellung der BGB-Gesellschaft und ihrer Gesellschafter im Zivilprozeß-Erkenntnisverfahren und Zwangsvollstreckung, BB 1970, 1452, zum Vergleich der beiden Haftungsregelungen.

4 Zum Nacherben und Erbschaftskäufer s. unten Rdn. 29. 5 Vgl. dazu auch BFH NJW 2004, 175; OLG Köln NJW-RR 2010, 1447, zur Parallelsituation der Beschränkung der Minderjährigenhaftung; s. dazu außer die Kommentierung zu § 786 Bittner Die Einrede der beschränkten Haftung auf das Volljährigkeitsvermögen aus § 1629a BGB, FamRZ 2000, 325. 6 Hierzu aufschlussreich Schönert Grenzen der Beschränkbarkeit der Erbenhaftung auf den Nachlass, BWNotZ 2008, 81. 7 RG JW 1913, 870; BGH NJW-RR 2020, 6 – Tz. 52. Zu mietvertraglichen Ansprüchen KG NJW 2006, 2561; zur Einkommenssteuer BGH BGHE 186, 328; zu Prozessführungskosten OLG Hamm AUR 2020, 257; zur Vergütung des Nachlasspflegers OLG Hamm FamRZ 2017, 660. 8 RGZ 80, 136; BGH WM 1983, 823; BGH NJWE-FER 2000, 211; OLG Koblenz NJW 2003, 439. Diesen Ansprüchen gegenüber kann sich der Erbe nicht nur auf § 2328 BGB, sondern auch auf § 1990 BGB berufen, BGH WM 1989, 384. S. ferner OLG Köln ZEV 2005, 307 mit BGH ZInsO 2006, 705; dazu Schindler Pflichtteil und (Nachlass-)Insolvenz, ZInsO 2007, 484. 9 Vgl. 2. Aufl. B IIIa 1; a.A. etwa Stein/Jonas/Münzberg Rdn. 4. Unbeschadet der auf die Vollstreckung zugeschnittenen Ausrichtung der §§ 780 ff. ist ein evtl. Interesse des Erben anzuerkennen, auch in einem Feststellungsurteil den Vorbehalt aufnehmen zu dürfen. Paulus

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besteht allerdings etwa dann, wenn der geltend gemachte Anspruch in dem Sinn dinglich ist, dass er sich auf die unmittelbare Rechtsverwirklichung10 eines unstreitig zum Nachlass gehörenden Gegenstandes bezieht; ihm gegenüber – der Prototyp ist § 985 BGB – verfängt eine Haftungsbeschränkung naturgemäß nicht. Eine Differenzierung danach, ob der Erbe für nach dem Erbfall entstandene Ansprüche eine Verwaltungsmöglichkeit (§ 1978 BGB) hat oder – wie hinsichtlich des Wohngeldes nach §§ 16 Abs. 2, 28 Abs. 2 WEG11 – nicht,12 scheitert schon daran, dass der Erbe grundsätzlich auch für nach dem Erbfall eingetretene Steuertatbestände pflichtig ist. Doch kann sich der Erbe diesen abgeleiteten (d.h. nicht unmittelbar der Verwirklichung des dinglichen Rechts dienenden) Ansprüchen gegenüber auf die Haftungsbeschränkung berufen, weil durch sie ein Übergriff auf sein Eigenvermögen droht. Dagegen ist die Einrede auch gegenüber einer Verurteilung zur Abgabe einer Willenserklä- 6 rung möglich. Weil § 894 bei ihr jedoch keine Vollstreckungsphase vorsieht und damit ein Vorgehen des Erben nach § 785 ausschließen würde, wird man den Anwendungsbereich des § 894 insoweit teleologisch zu reduzieren haben, als er die Verwirklichung der Haftungsbeschränkungsmöglichkeit vereiteln würde.13 Die Vollstreckung muss stattdessen nach § 888 erfolgen. Entgegen der Ansicht des BFH14 kann der Erbe seine Haftungsbeschränkung auch gegenüber 7 Steuerforderungen durchsetzen, die aus der Verwaltung des Nachlasses durch den Nachlass(insolvenz)verwalter erwachsen. Sie sind richtiger Ansicht nach mit den Erbfallschulden auf eine Stufe zu stellen,15 weil die dem Erben eingeräumte Beschränkungsmöglichkeit nicht durch ein Fiskalprivileg unterlaufen werden darf. Das muss auch gelten, solange der Erbe den Nachlass selbst verwaltet und (noch) nicht endgültig unbeschränkt und unbeschränkbar haftet. Der verzögerlichen Durchführung eines Haftungsbeschränkungsverfahrens seitens des Erben kann sich der Fiskus mit Hilfe des § 1994 BGB erwehren.

2. Hinsichtlich der Einrede § 780 ist nicht anzuwenden, wenn der Erbe lediglich die Einreden aus den §§ 2014, 2015 BGB 8 erheben will. Denn sie haben – ganz abgesehen von der Unpraktikabilität der ohnehin kurz bemessenen 3-Monatsfrist angesichts der heute üblichen Verfahrensdauer – keine Haftungsbeschränkung zum Gegenstand. Die h.M.16 verlangt vom Erben, dass er auch anlässlich eines der in den §§ 1973, 1974 und 9 1989 BGB genannten Fälle der Haftungsbeschränkung die Einrede des § 780 erhebt; anderenfalls gehe er seiner Rechte verlustig. Dem ist aber entgegenzuhalten, dass kein Grund ersichtlich ist, die Gläubiger auch noch in diesen Situationen zu bevorzugen. Sie sind bereits im Aufgebotsverfahren ausgeschlossen worden (§ 1973 BGB),17 sind säumig gewesen (§ 1974 BGB) oder treten erst nach einem durchgeführten Haftungsbeschränkungsverfahren (§ 1989 BGB)18 in Erscheinung. Hier ist es eine ungerechtfertigte Verteilung der Handlungslast, wenn der Erbe den Vorbehalt bei Gefahr des Verlustes seiner Einreden (z.B. Versäumnis) im Prozess geltend machen müsste. Richtiger

10 Vgl. zu diesem Verständnis eines dinglichen Anspruchs Ph. Heck Grundriß des Sachenrechts (1930) § 31, 124; Medicus/Petersen Bürgerliches Recht, Rdn. 436.

11 Vgl. BayObLG NZM 2000, 41. 12 OLG Hamburg NJW-RR 1986, 177 (mit zutr., den Sachverhalt aber nicht berührenden 1. LS). Zur Eigenhaftung bei Wohngeldforderungen BGH MDR 2013, 1045. 13 RGZ 49, 415; vgl. auch RG ZZP 56 (1943) 47 m. Anm. Walsmann. 14 BStBl. 1992 II 781. S. auch BFH BStBl II 1998, 705; dazu Schönert Grenzen der Beschränkbarkeit der Erbenhaftung auf den Nachlass, BWNotZ 2008, 81, 84. 15 So Welzel Erbenhaftung im Steuerrecht, DStZ 1993, 425. 16 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann Rdn. 7. Wie hier (wohl) Stein/Jonas/Münzberg Rdn. 3. 17 Vgl. RGZ 83, 330. 18 Vgl. auch BGH NJW 1954, 636. 467

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erscheint indessen, dem Erben in diesen Fällen die Klagemöglichkeit aus § 785 auch ohne Aufnahme im Urteil zu belassen. 10 Der Erbe hat demnach die Einrede nur dann im Prozess vorzutragen, wenn der Richter die gegenständliche Beschränkung nicht schon tenoriert hat und eine Haftungsbeschränkung nach den §§ 1975 und 1990–199219 BGB in Frage steht. Hinzu kommt noch die Möglichkeit eines Miterben, den Gläubiger auf den ungeteilten Nachlass zu verweisen, § 2059 Abs. 1 BGB.20 Sie trägt den besonderen Anforderungen einer Gesamthandsgemeinschaft Rechnung, s. auch § 859 Abs. 2. Die Teilhaftung aus den §§ 2060, 2061 BGB hat der Richter dagegen im Urteil selbst festzustellen; sie unterfällt nicht dem Anwendungsbereich des § 780.

3. Hinsichtlich der prozessualen Situation 11 Damit sich der Erbe seine Haftungsbeschränkung in dem Urteil überhaupt vorbehalten kann, muss er die prozessuale Möglichkeit zur Erhebung dieser Einrede haben.21 Hieraus ergeben sich Einschränkungen für den Anwendungsbereich der Vorschrift. Sie ist dann unanwendbar, wenn der Gläubiger bereits ein rechtskräftiges22 Urteil gegen den Erblasser erstritten hat und nach Erbfall und Erbschaftsannahme durch den Erben (für die Zwischenzeit s. § 778) die Vollstreckung betreiben will. Hier kann sich der Erbe nach Maßgabe des § 785 zur Wehr setzen, ohne dass ihm diese Möglichkeit im Urteil vorbehalten wäre. Denn aufgrund der notwendigen einschränkenden Interpretation der vorliegenden Normengruppe, vgl. § 785 Rdn. 3, ist es ausgeschlossen, das Gebot des § 780 auf das Verfahren der Klauselerteilung nach § 72723 oder § 728 zu übertragen. 12 Das muss auch dann gelten, wenn die Titelübertragung im Klageweg über § 731 erstritten werden muss.24 Es kann nämlich erstens wertungsmäßig keinen Unterschied machen, ob die Erbfolge mittels öffentlicher bzw. beglaubigter Urkunden nachgewiesen werden kann oder nicht. Zweitens geht es in diesem Verfahren nicht um den Haftungsgrund, sondern nur um die Feststellung der Person des Haftenden: Für die Haftungsbeschränkungsmöglichkeit ist aber entscheidend, dass es sich um eine Nachlassverbindlichkeit handelt, nicht aber, wer der Erbe ist. 13 Aus diesem Grund ist andererseits aber der Vorbehalt in ein Vollstreckungsurteil nach §§ 722 f. aufzunehmen. Dasselbe gilt für die schiedsgerichtliche Vollstreckbarkeitserklärung der §§ 1060, 1064, s. auch unten Rdn. 32. 14 Demnach ist der Vorbehalt notwendig, wenn der Erbe als solcher verklagt wird. Nimmt dieser dagegen einen gegen den (oder von dem) Erblasser begonnenen Rechtsstreit auf, §§ 239, 250, ist zu differenzieren: Befindet sich das Verfahren in einer Tatsacheninstanz, ist die Einrede grundsätzlich zu erheben. Sie unterliegt nicht den Begrenzungen der §§ 296, 296a, 527, 528, weil sich der Richter mit der bloßen Aufnahme des Vorbehalts in das Urteil begnügen kann, ohne sich sachlich mit seiner Berechtigung auseinandersetzen zu müssen, Rdn. 21; folglich kann die Erhebung der Einrede niemals zu einer Verzögerung führen.25 Überdies ist zu bedenken, dass dem Gläubiger diejenige Vermögensmasse erhalten bleibt, die ihm haftungsrechtlich zuge19 RG JW 1913, 872; OLG Köln VersR 1968, 381; AG Erfurt ErbR 2022, 751 – Tz. 19. Zur analogen Anwendung des § 815 Abs. 2 Noack Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts in der Zwangsvollstreckung (Einzelfragen), MDR 1974, 814.

20 RGZ 71, 371; § 747 Rdn. 5. 21 LG Coburg FamRZ 2009, 1236. Zur (beiläufig befürworteten, s. auch Deubner Aktuelles Zivilprozessrecht, JuS 2010, 782, 783 f.) Zulässigkeit der Aufnahme des Vorbehalts erst in der Berufungsinstanz BGH NJW-RR 2010, 664 (dort auch zur Zulässigkeit der Beschränkung der Revisionszulassung allein auf diese Frage): Zulassend OLG Hamm, Urteil vom 18. März 2021 – 27 U 34/18 –, juris – Tz. 204; OLG Frankfurt MDR 2021, 1276 – Tz. 57; OLG Celle FamRZ 2010, 1273; OLG Schleswig MDR 2005, 350. Ablehnend OLG Düsseldorf MDR 2004, 469; OLG Hamm MDR 2006, 695; s. auch Stein/Jonas/ Münzberg Rdn. 5, der eine Berufung auch in dieser Hinsicht vom Vorliegen des § 531 abhängig machen will. 22 Unrichtig insoweit OLG Celle NJW-RR 1988, 134, das nur auf den Urteilserlass abstellen will. 23 OLG Köln JW 1932, 1405 und § 727 Rdn. 30. 24 A.A. OLG Posen OLGRspr 1929, 197; OLG Köln JW 1932, 1405; Zöller/Seibel § 731 Rdn. 4; 2. Aufl. B IIIb 3. 25 S. auch BGH NJW-RR 2010, 664 Rdn. 7. Paulus

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wiesen ist, d.h. die des Erblassers, so dass ihn die Einrede nicht einschränkt. Um die Einrede erheben zu können, sollte der Richter erforderlichenfalls die Verhandlung nach § 156 wiedereröffnen. Schwierigkeiten ergeben sich, wenn der Erbe nach Erlass des Urteils, aber vor Eintritt 15 der Rechtskraft den Prozess aufnimmt. Das Reichsgericht26 verlangt, dass der Erbe in diesem Fall in die Berufung geht. Dem ist aufgrund des gesetzlichen Regelungskonzepts trotz des prozessökonomischen Bedenkens zuzustimmen, dass nur für die Tenorierung des Vorbehalts ein zweitinstanzliches Verfahren eingeleitet wird.27 Wenn der Erbfall nach dem Urteilserlass eines OLG eintritt, ergeben sich dann keine Probleme für die Erhebung der Einrede, wenn eine der beiden Parteien bereits die Revision eingelegt hatte. Zwar ist streitig, ob die Einrede in der Revisionsinstanz überhaupt erhoben werden kann.28 Weil aber der Richter die Berechtigung der Einrede nicht zu überprüfen braucht, sondern sich mit ihrer bloßen Aufnahme im Urteil begnügen kann, Rdn. 21, wird man die Frage entgegen der 2. Aufl.29 bejahen müssen. In BGHZ 17, 74 findet sich überdies der pragmatische Hinweis darauf, dass Instanzgerichte möglicherweise einer Klage aus § 785 mangels Vorbehaltes den Erfolg versagen; es sei daher „zweckmäßig“, den Vorbehalt auch noch im Revisionsurteil aufzunehmen. Diese Ansicht präzisiert der BGH,30 indem er die Aufnahme des Vorbehalts nur dann für möglich hält, wenn für die Erhebung der Einrede in den Tatsacheninstanzen noch kein Anlass vorlag bzw. keine Möglichkeit bestand. Dagegen ist es dem Erben nicht möglich, die Revision selbst einzulegen zu dem alleinigen 16 Zweck, den Vorbehalt aufgenommen zu erhalten.31 Denn dieses Begehren stellt keinen Revisionsgrund i.S.d. §§ 545 ff. dar, bzw. bezweckt gerade nicht die Überprüfung des vorinstanzlichen Urteils.32 Infolgedessen kann der Erbe auch hier die Klagen aus § 785 erheben, ohne dass ihm diese Möglichkeit im Urteil vorbehalten ist. Dasselbe muss gelten, wenn ein noch vom Erblasser oder der anderen Partei eingelegtes Rechtsmittel als unzulässig abgewiesen wird. Sofern gegen den Erblasser ein Versäumnisurteil erlassen oder ein Mahnverfahren eingelei- 17 tet worden ist, muss der Erbe – vorbehaltlich des noch nicht erfolgten Fristablaufs – mittels des Einspruchs, §§ 338, 700, oder Widerspruchs, § 694, den Vorbehalt anmelden.33 Ist der Vollstreckungsbescheid dagegen bereits gegen den Erblasser erlangt, aber noch nicht vollstreckt worden, können die Erben die Klage aus § 767 ohne Vorbehalt erheben.34 S. auch unten Rdn. 32.

4. Analoge Anwendung Zur analogen Anwendung des § 780 auf weitere Fallgestaltungen s. § 786 Rdn. 14 ff.35

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26 SeuffA 60 Nr. 248. 27 Vgl. OLG Celle OLG-Rp Celle 1995, 204; OLG Rostock OLG-Report 2009, 102. 28 Verneinend etwa RG JR 1927 II Nr. 423; BGH NJW 1962, 1250; Förster/Kann § 780 Anm. 1 und 5a; Stein/Jonas/Münzberg Rdn. 5; bejahend BAG ZTR 2014, 163; BGH NJW 1955, 788; BGH NJW 1983, 2378 = WM 1983, 661 (dazu Dieckmann FamRZ 1983, 1015) hält eine Berücksichtigung sogar ohne Erhebung der Einrede für möglich, wenn der Vorderrichter nicht über sie entschieden hatte. 29 Wie hier Stein/Jonas/Münzberg Rdn. 5; MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann Rdn. 16. 30 In WM 1976, 1086. 31 Missverständlich MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann Rdn. 19, der lediglich auf die materielle Beschwerde des Erben abstellt. 32 BGH NJW 1970, 1742. 33 RG GruchBeitr. 29, 1135; JW 1898, 356 (Nr. 26); OLG Köln NJW 1952, 1145 f. 34 LG Meiningen NJW-Spezial 2012, 616. 35 Bezügl. Italienischem Recht s. BGH FamRZ 2015, 653. 469

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IV. Das Urteil 1. Verfahrensfragen 19 Der Erbe, bzw. im Anwaltsprozess sein Anwalt, muss36 im Laufe des Verfahrens die Aufnahme beantragen, die zu dem zu vollstreckenden Titel führt;37 ein entsprechender Antrag erst im Rahmen einer Vollstreckungsgegenklage ist verspätet.38 Das Gericht muss also den Vorbehalt der beschränkten Erbenhaftung nicht von Amts wegen in das Urteil aufnehmen,39 andererseits bedarf es keines spezifischen Antrags des Erben;40 ein schlichtes Berufen ohne Sachvortrag41 auf die Haftungsbeschränkung genügt. § 297 ist demnach nicht anwendbar. Die formelle Berechtigung, d.h. die Frage, ob dem Beklagten von Rechts wegen die Mög20 lichkeit einer Haftungsbegrenzung eingeräumt ist, kann nur in evidenten Fällen zur Ablehnung des Vorbehalts im Urteil führen, etwa wenn die endgültig unbegrenzte und unbegrenzbare Haftung des Erben bereits eingetreten ist,42 wenn klar ist, dass der Erbe auch persönlich haftet,43 oder wenn ein dinglicher Anspruch, Rdn. 5, vorliegt.44 Ein evidenter Fall lag dagegen gewisslich nicht vor in BGHZ 10, 234 (238), wo einem wenig erfreulichen Formalismus gehuldigt wird. Dem Richter obliegt es, hinsichtlich der Klageforderung festzustellen, ob es sich dabei um eine 21 Nachlassforderung (Rdnrn. 5 ff.) handelt oder nicht.45 Berücksichtigt der Richter ersterenfalls den erhobenen Einwand gleichwohl nicht, liegt darin ein die Revision ermöglichender Rechtsfehler.46 Unbeschadet dessen lässt sich aus der Vorschrift jedoch nicht ableiten, dass der Richter verpflichtet wäre, die materielle Berechtigung der Einrede zu überprüfen47 – das ist seinem Ermessen überlassen.48 Andererseits ist er nicht daran gehindert, dies gleichwohl zu tun.49 Damit eröffnet sich die prozessökonomisch nicht gering zu veranschlagende Chance, den nach § 785 erforderli-

36 Während es dem Erben überlassen ist, den Antrag zu stellen, erlegt die Rspr. seinem Anwalt eine entsprechende Pflicht aus, wenn eine Nachlassverbindlichkeit gegen seinen Mandanten eingeklagt wird, BGH NJW 1992, 2664; OLG Koblenz FamRZ 2019, 626. S. auch Joachim/Klinger Vorbehalt der beschränkten Erbenhaftung als Regressfalle, NJWSpezial 2005, 541. 37 Deswegen kann die Einrede nicht im Rahmen des Verfahrens nach § 802c erhoben werden, so zutreffend LG Lübeck NJW-RR 2009, 1163. 38 RG JW 1912, 46 (Nr. 47). 39 Vgl. Joachim/Klinger Vorbehalt der beschränkten Erbenhaftung als Regressfalle, NJW-Spezial 2005, 541. A.A. allerdings die Motive III, S. 416 für den Fall, dass noch nicht feststeht, ob der Erbe beschränkt oder unbeschränkt haftet. 40 RGZ 69, 291; RG JW 1913, 871; RG ZZP 56 (1943) 46 m. Anm. Walsmann; BGH LM § 1975 Nr. 1; NJW 1964, 2300; NJW 1983, 2378. Es besteht keine Hinweispflicht nach § 139 Abs. 2 für das Gericht, OLG Düsseldorf MDR 2004, 469. 41 BGH NJW-RR 2010,664. Der Beklagte muss also auch nicht die richtige Haftungsbeschränkungsnorm vortragen, richtig KG NJW-RR 2003, 941. 42 Etwa nach den §§ 2006 Abs. 3, 1994 Abs. 1 S. 2, 2005 Abs. 1 BGB; 27 Abs. 1 HGB – dazu RGZ 69, 191; 88, 218. 43 BGH WuM 2019, 652 – Tz. 52; BGH WuM 2013, 555; OLG Köln ErbR 2017, 562 – Tz. 30. 44 Hierzu gehört nach zutr. Ansicht des BGH, WM 1983, 824, auch ein gegenständlich beschränkter Anspruch wie der aus § 2329 BGB. 45 BGH ZErb 2021, 60 mit Anm. Horn. Die Notwendigkeit zu klarer, zeitlicher Abgrenzung ergibt sich dann, wenn eine Forderung (wie etwa die eines Versorgungsunternehmens) teils Nachlassverbindlichkeit, teils Eigenverbindlichkeit des Erben ist. 46 RGZ 61, 294; BGH NJW 1964, 2300. 47 RGZ 69, 292; RGZ 77, 245; RG JW 1918, 816; RGZ 162, 300. S. auch BVerwG NVwZ-RR 2011, 749; OLG Düsseldorf FamRZ 2010, 496; OLG Koblenz NJW-RR 2006, 377; LG Karlsruhe, Urteil vom 23. November 2022 – 6 O 195/20 –, juris – Tz. 38. 48 S. etwa BGH FamRZ 2019, 1234 – Tz. 53; OLG Schleswig SchlHA 2022, 108. Rust Erkenntnisverfahren oder Zwangsvollstreckungsverfahren – Die gerichtliche Prüfung der beschränkten Erbenhaftung, ErbR 2021, 642. 49 Vgl. BGH, 21.10.2020, ZErb 2021, 60, Tz. 19. Paulus

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chen Folgeprozess zu vermeiden.50 Das gilt insbesondere, wenn die Beschränkung unzweifelhaft bereits herbeigeführt51 oder etwa durch Nichteröffnung eines Nachlassinsolvenzverfahrens mangels Masse, § 26 InsO, festgestellt52 worden ist, bzw. wenn zwischen den Parteien eine materiellrechtliche Abrede über eine gegenständlich beschränkte Haftung getroffen worden ist.53 Aber auch sonst sollte der Richter die unzeitgemäße Konzeption der prozessualen Haftungsbeschränkungsmöglichkeit, vgl. § 785 Rdn. 2 ff., dadurch entschärfen, dass er dann, wenn der Erbe die bereits herbeigeführte Haftungsbeschränkung behauptet, grundsätzlich den Erben im Rahmen des § 139 zu vollständigem Vortrag anhält, um die Entscheidung selbst treffen zu können (zu den Auswirkungen einer solchen Entscheidung Rdn. 23).54 Der Vorbehalt ist in die Urteilsformel, § 313 Abs. 1, Nr. 4, aufzunehmen. Eine mögliche 22 Formulierung ist: „Dem Beklagten wird die Beschränkung der Haftung auf den Nachlass vorbehalten“.55 Vergisst der Richter versehentlich, diesen Vorbehalt aufzunehmen, kann das Urteil in entsprechender Anwendung des § 321 (s. auch §§ 302 Abs. 2, 599 Abs. 2) ergänzt werden.56 Ergibt sich aus der Urteilsformel nicht eindeutig der Umfang der Haftungsbeschränkung, kann eine Klarstellung in den Gründen erfolgen.57 Im Übrigen sollte aber vermieden werden, den Vorbehalt lediglich in den Gründen zu vermerken.58 Das Urteil steht unter dem Vorbehalt der Leistungsfähigkeit oder Erschöpfung des Nachlasses; er kann im Vollstreckungsverfahren aufgelöst werden.59

2. Wirkung Wenn sich der Erbe im Rahmen des Anwendungsbereichs des § 780, Rdn. 5 ff., die Haftungsbe- 23 schränkung vorbehalten hat, ist eine Vollstreckung durch den Gläubiger dadurch nicht ausgeschlossen;60 vielmehr eröffnet der Vorbehalt dem Erben lediglich die Möglichkeit, sich gegen Übergriffe auf sein Eigenvermögen mittels des § 785 zur Wehr zu setzen.61 Aus diesem Grund stellt der Ausspruch des Vorbehalts für den Prozessgegner als Gläubiger eine Beschwer dar.62 Der Vorbehalt bezieht sich nicht auch auf die Kostenentscheidung.63

50 Vgl. den Fall des OLG Frankfurt NJW-RR 1992, 31, dazu § 781 Rdn. 9. S. auch BGH NJWE-FER 2000, 211 Tz. 2; Joachim Die Haftung des Erben, ZEV 2009, 99. Das OLG Oldenburg geht über diese Chance in recht formalistischer Manier hinweg, FamRZ 2001, 179; vergleichbar auch etwa FG München, Urt. v. 7.10.2008 – 13 K 1680/08 (juris), das kategorisch ausspricht, dass die beschränkte Erbenhaftung allein im Zwangsvollstreckungsverfahren zu berücksichtigen sei (weitere Nachweise zur Rspr. des BFH in Rdn. 17); ebenso Niedersächs. FG DStRE 2005, 291. 51 BGH NJW 1954, 635; 83, 2379; FamRZ 1993, 422. S. auch LAG Frankfurt zum unstreitigen Vortrag, dass im Nachlass keinerlei Vermögenswerte mehr enthalten sind. 52 S. AG Erfurt ErbR 2022, 751 – Tz. 19. f.; AG Hannover InsBüro 2021, 48 (mit rigider Einseitigkeit in Tz. 16). 53 BGH MDR 1975, 747. 54 Vgl. OLG Rostock OLG-Report 2009, 102. 55 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann Rdn. 17. Die Verurteilung als Erbe allein genügt nicht, RG JW 1911, 948; BGH NJW 1991, 2839. 56 RGZ 10, 347; OLG Düsseldorf NJW 1970, 1689; a.A. OLG München OLGRspr 1929, 107. 57 BGH NJW 1954, 636 a.E. 58 Zöller/Geimer Rdn. 11. 59 BGHZ 95, 228. 60 Vgl. BGH FamRz 2018, 767 – Tz. 5. 61 S. auch BGH, 21.10.2020, ZErb 2021, 60, Tz. 30, S. auch Roth Vollstreckungsabwehrklage bei Vorbehalt der beschränkten Erbenhaftung, NJW-Spezial 2018, 551. 62 BGHZ 227, 198, zustimmend etwa Stamm, LMK 2021, 437148. AA OLG Naumburg ErbR 2019, 705. 63 OLG Düsseldorf MDR 2017, 1058 – Tz. 67; OLG Oldenburg NdsRpfl 2015, 312 – Tz. 11. 471

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Begnügt sich der Richter nicht mit der bloßen Aufnahme des Vorbehalts in den Tenor, sondern entscheidet er über die Haftungsbeschränkung selbst, ergeben sich daraus folgende Urteilsvarianten: 25 – Er kommt zu dem Ergebnis, dass der Erbe endgültig unbeschränkt und unbeschränkbar haftet: In diesem Fall lautet die Verurteilung wie vom Gläubiger beantragt, d.h. ohne die Aufnahme eines Vorbehalts. Die hierin liegende materielle Beschwer ermöglicht ein Rechtsmittel des Erben. Damit er sie gegebenenfalls auch in der Revision überprüfen lassen kann, muss der Vorderrichter in seinem Urteil jedoch deutlich machen, dass er die Möglichkeit der beschränkten Erbenhaftung geprüft hat.64 Gegebenenfalls ist dies durch Auslegung zu ermitteln.65 26 – Der Richter hält die Haftungsbeschränkung für erwiesen. In diesem Fall ist weiter zu unterscheiden: Die Beschränkung als solche steht fest, nicht aber die gegenständlichen Grenzen des Nachlasses. Für die Tenorierung empfiehlt sich dann folgende Formulierung: „Der Beklagte wird unter Beschränkung der Haftung auf den Nachlass verurteilt“.66 Erfolgt in der Zwangsvollstreckung ein Übergriff auf das Eigenvermögen des Schuldners, muss dieser zwar nach § 785 vorgehen, braucht in dem Verfahren aber nur noch nachzuweisen, dass der Vollstreckungsgegenstand nicht zum Nachlass gehört. 27 – Überhaupt keines Zweitverfahrens gem. § 785 bedarf es dagegen einmal dann, wenn der Nachlass schon gegenständlich feststeht, weil (und sofern) der Richter den Erben zur Duldung der Zwangsvollstreckung in die (konkret benannten) Nachlassgegenstände verurteilt;67 gegen Übergriffe auf das Eigenvermögen kann sich der Erbe hier mit Hilfe der Erinnerung nach § 766 wehren.68 Zum anderen dann, wenn der Richter die Aufzehrung des dürftigen Nachlasses festgestellt hat; dann nämlich ist die Zwangsvollstreckung insgesamt als unzulässig zu erklären und die Klage des Gläubigers abzuweisen.69 24

V. Sondergestaltungen 28 Die vorstehenden Regelungen sind uneingeschränkt anwendbar auf jeden Nachlasserwerb, also auch auf die Sondererbfolge im Rahmen der Übertragung eines Gesellschaftsanteils;70 s. auch § 778 Rdn. 9. Sowohl der Nacherbe als auch der Erbschaftskäufer können und müssen nach Maßgabe 29 der §§ 2144 BGB bzw. 2383 BGB die Beschränkung ihrer Haftung im Prozess einredeweise vortragen; letzterer ist allerdings an die Vorgaben seines Verkäufers über § 2383 Abs. 1 S. 2 BGB gebunden, während jener als Erbe des Erblassers ein originäres, d.h. nicht vom Vorerben abgeleitetes Recht zur Haftungsbeschränkung hat. Für den Fall, dass ein Grundurteil gem. § 304 ergeht, verlangt die h.M.,71 dass der Vorbehalt 30 in dieses Urteil aufgenommen wird. Praktikabilitätserwägungen sprechen jedoch dagegen: Denn nach dem auf das ganze Vollstreckungsrecht übertragbaren Grundgedanken des § 81 Abs. 2 GVGA (geringstmöglicher Eingriff)72 sollte der Gerichtsvollzieher bei hinreichendem sonstigen bewegli64 65 66 67 68 69 70

BGH NJW 1983, 2378. BGH NJW 1954, 636; RG DJZ 1907, 881 (= Verurteilung „nach Kräften des Nachlasses“). Seuffert 11 Anm. 2 f. Vgl. MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann Rdn. 14. Vgl. BayObLG Rpfleger 2000, 216; sowie 2. Aufl. § 781 A III; MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 781 Rdn. 14. OLG Celle NJW-RR 1988, 134. BFHE 137, 500; BGH DNotZ 1987, 116. Teilw. a.A. Marotzke „Höferechtliche Tendenzen“ und dogmatische Lösungen bei der Beerbung des Mitglieds einer offenen Handelsgesellschaft, AcP 184 (1984) 560; Ulmer Nachlasszugehörigkeit vererbter Personengesellschaftsbeteiligungen, NJW 1984, 1496; BGH JZ 1984, 890 m. Anm. Brox. 71 RGZ 61, 293; 104, 340; BGH LM § 780 ZPO Nr. 3; OLG Köln VersR 1968, 380; 2. Aufl. B IIIa 2; Stein/Jonas/Münzberg Rdn. 5; Zöller/Geimer Rdn. 12; MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann Rdn. 21. 72 Zum Grundsatz der Erforderlichkeit in der Zwangsvollstreckung insges. Wieser Der Grundsatz der Erforderlichkeit in der Zwangsvollstreckung, ZZP 100 (1987) 146 ff. Paulus

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chen Vermögen das vom Erben reklamierte Eigengut übergehen, vgl. § 781 Rdn. 10; auf diese Weise wird ein Zweitprozess vermieden. Dieses erstrebenswerte Ziel lässt sich nur erreichen, wenn der Vorbehalt beschränkter Erbenhaftung in dem der Vollstreckung zugrundeliegenden Titel, dem Betragsurteil, vermerkt ist. Infolgedessen muss es genügen, wenn der Erbe den Vorbehalt erst in diesem zweiten Verfahrensabschnitt vorträgt. Weil im Urkunden- und Wechselprozess das Urteil bereits vollstreckbar73 ist, § 708 Nr. 4, ist 31 in ihm der Vorbehalt aufzunehmen, auch wenn es sich um ein Vorbehaltsurteil nach § 599 handelt. Über § 795 ist § 780 grundsätzlich auch auf diejenigen Vollstreckungen anzuwenden, die auf 32 einem der in § 794 aufgelisteten, weiteren Titel beruhen. Zu den in dessen Nr. 4 genannten Vollstreckungsbescheiden s. oben Rdn. 17. Auch für die anderen dort genannten Titel gilt, dass der Erbe immer dann, wenn ihm dafür noch prozessuale Möglichkeiten verbleiben, den Vorbehalt in den Titel aufnehmen lassen muss: So etwa in den mit ihm geschlossenen Vergleich (Nr. 1, Gleiches gilt für Nr. 4b),74 in die schiedsverfahrensrechtlichen Sprüche (Nr. 4a) oder in die vollstreckbare Urkunde (Nr. 5).75 In einem Kostenfestsetzungsbeschluss erscheint der Vorbehalt nur, wenn die Einrede bereits in der Kostengrundentscheidung enthalten ist, weil sich das Festsetzungsverfahren selbst grundsätzlich nur auf die Prüfung bereits festgestellter Ansprüche beschränkt.76 Zu den Kosten unten Rdn. 36.

VI. Ausnahmen, Abs. 2 Die Einbeziehung des Fiskus77 in den Kreis derjenigen Schuldner, die sich die Beschränkung 33 der Erbenhaftung78 nicht im Urteil vorbehalten lassen müssen, zeigt, dass das Gesetz auf die Inventarerrichtung der §§ 1993 ff. BGB abstellt. Nach § 2011 BGB kann weder dem Fiskus als gesetzlichem Erben noch auch dem Nachlasspfleger oder -verwalter nach § 2012 BGB eine Frist zur Inventarerrichtung gesetzt werden. Gleiches gilt für den Testamentsvollstrecker79 und den Nachlassinsolvenzverwalter, § 2000 S. 2 BGB.80 Wie schon bei § 778 Rdn. 5 angemerkt, ergibt sich die Beschränkung der Haftung auf den 34 Nachlass bei dem Nachlassverwalter, Nachlasspfleger und bei einem der Testamentsvollstreckung unterliegenden Nachlass bereits aus der jeweiligen Amtsstellung. Weil infolgedessen das zu vollstreckende Urteil gegen die genannten Amtswalter ergangen sein muss,81 ist es selbstverständlich, dass nur das ihrer Obhut anvertraute Vermögen dem Gläubigerzugriff ausgeliefert ist, nicht dagegen auch noch das Eigenvermögen des Erben. Dem entspricht, dass sie nicht auf das Recht des Erben verzichten können, die Haftungsbeschränkung herbeizuführen, § 2012 Abs. 1, S. 3 BGB. Erfasst eine Zwangsvollstreckung gleichwohl das Eigenvermögen des Erben, muss sich dieser 35 nach Maßgabe der gesetzlichen Konzeption dagegen mit einer Klage nach § 785 verteidigen, obgleich – dogmatisch gesehen – die Erinnerung des § 766 der näherliegende Rechtsbehelf wäre, vgl. § 785 Rdn. 7. 73 AG Bergheim DGVZ 1984, 15. 74 BGH MDR 1975, 747; NJW 1991, 2839. Vgl. auch Emmerich Zulässigkeit und Wirkungsweise der Vollstreckungsverträge, ZZP 82 (1969) 433 ff.; sowie § 795 Rdn. 20.

75 Hierzu Neukirchen Der Vorbehalt der beschränkten Erbenhaftung in notariellen Vollstreckungstiteln, RNotZ 2016, 228.

76 KG MDR 1976, 584; OLG Hamm AnwBl. 1982, 385; OLG Celle NJW-RR 1988, 134. A.A. OLG Düsseldorf JurBüro 1981, 1346.

77 Hinsichtl. anderer, landesrechtlich als gesetzliche Erben bestimmter Körperschaften, Stiftungen oder Anstalten öffentlichen Rechtes vgl. Art. 138 EGBGB. 78 Zur Haftung von Wohngeldschulden BGH MDR 2019, 356. 79 MünchKomm-BGB/Zimmermann § 2215 Rdn. 13; Vgl. auch Stein/Jonas/Münzberg Rdn. 13. 80 KG OLGRspr 1909, 385. 81 Vgl. etwa BGH JZ 1986, 87 m. Anm. Kuchinke. 473

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VII. Kosten 36 Hinsichtlich der Kosten des Rechtsstreits kann der Erbe seine Haftung nur insoweit beschränken, als sie in dem vom Erblasser geführten Streit entstanden sind.82 Soweit sie dagegen durch ihn entstehen, etwa durch die Fortführung des Rechtsstreits zur Aufnahme des Vorbehalts, vgl. Rdn. 15, schuldet er ab dem Zeitpunkt der Aufnahme des Rechtsstreits die Kosten persönlich.83

§ 781 Beschränkte Erbenhaftung in der Zwangsvollstreckung Bei der Zwangsvollstreckung gegen den Erben des Schuldners bleibt die Beschränkung der Haftung unberücksichtigt, bis auf Grund derselben gegen die Zwangsvollstreckung von dem Erben Einwendungen erhoben werden.

Übersicht I.

Gesetzesgeschichte, Bedeutung

1

II. 1.

3 Vollstreckung gegen den Erben Möglichkeit der Haftungsbeschränkung

3

2. 3.

Titelschuldner 7 Keine automatische Vermögenstrennung

III.

Einwendungen des Erben

8

11

I. Gesetzesgeschichte, Bedeutung 1 Der vorliegende Paragraph leitet sich aus dem § 645 der CPO von 1877 her. Er bezweckt die Verwirklichung des Grundsatzes, dass das gesamte schuldnerische Vermögen dem Haftungszugriff des Gläubigers ausgeliefert ist, indem er klarstellt, dass die im Urteil vorbehaltene Möglichkeit der Haftungsbeschränkung nicht automatisch zur Eingrenzung der Zugriffsobjekte führt; vielmehr bedarf es dafür eines aktiven Vorgehens von Seiten des Schuldners, § 785 (ehemals § 645 Abs. 3). 2 Den Grund für diese Verteilung der Handlungslast sah der Gesetzgeber in der anderenfalls bestehenden Möglichkeit, der Erbe und Vollstreckungsschuldner könne die Nachlassgegenstände veräußern und dem Gläubiger auf diese Weise das Haftungssubstrat entziehen. Der Gläubiger sei dann genötigt, gegen den Erben ein erneutes Urteil zu erstreiten, das dann einen summenmäßigen, nicht aber einen gegenständlichen Haftungsvorbehalt aufnehmen müsste.

II. Vollstreckung gegen den Erben1 1. Möglichkeit der Haftungsbeschränkung 3 Voraussetzung für eine erfolgreiche Erhebung der Einwendungen des Erben ist, dass er die Haftungsbeschränkung überhaupt noch herbeiführen kann. Hat er die Möglichkeit dazu bereits endgültig verloren, gibt es zwangsläufig keine Unterscheidung von Nachlass und Eigenvermögen

82 OLG Köln NJW 1952, 1145; LG Bückeburg NJW-RR 1998, 1220. 83 RG HRR 30, 433; KG MDR 1976, 585; BGH NJW 1970, 1743 a.E.; OLG Köln AGS 7/8 04, 307 mit Anm. Monschau; OLG Rostock OLG-Report 2009, 102; OLG Düsseldorf FamRZ 2010, 496; BFH BFH/NV 2/2007, 251. 1 Zur Parallelvorschrift des § 265 AO s. etwa Lemaire Rechte Dritter in der Zwangsvollstreckung, AO-StB 2005, 183, 185 ff. S. auch FG BW EFG 2006 Nr. 16, 1229. Paulus https://doi.org/10.1515/9783110443158-065

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mehr, und der Gläubiger darf uneinschränkbar auf das durch die Vereinigung der beiden Massen entstandene Gesamtvermögen zugreifen. Solange aber die Haftungsbeschränkung noch herbeigeführt werden kann, erfolgt der Voll- 4 streckungszugriff entweder zu einem Zeitpunkt, in dem (1) die Haftungsbeschränkung noch nicht herbeigeführt worden ist,2 oder (2) in dem sie gerade herbeigeführt werden soll, oder (3) in dem sie bereits besteht. In allen drei genannten Varianten muss sich der Erbe seine Haftungsbeschränkung unter den in der Kommentierung zu § 780 näher beschriebenen Voraussetzungen im Urteil vorbehalten haben. Zweckmäßigerweise wird der Erbe sodann gegen die Vollstreckung nicht nur gem. § 785 i.V.m. § 767, sondern auch i.V.m. § 769 vorgehen, s. § 785 Rdn. 11. Erfolgt die Vollstreckung während eines die Beschränkung herbeiführenden Verfahrens, 5 § 1975 BGB, ist zu unterscheiden: Will sich der Erbe gegen Übergriffe der Gläubiger auf sein Eigenvermögen zur Wehr setzen, die vor der Verfahrenseröffnung stattgefunden haben, sind die besonderen Vorschriften des § 784 zu beachten. Für Übergriffe, die erst während dieser Verfahren vorgenommen werden, gelten keine besonderen Bestimmungen, d.h. es sind die §§ 781 i.V.m. 785 anzuwenden. Das gleiche gilt, wenn sich der Erbe auf die Dürftigkeitseinrede der §§ 1990 ff. BGB beruft. Vollstreckt ein Gläubiger nach erfolgreich durchgeführtem Haftungsbeschränkungsverfah- 6 ren, kann sich der Erbe entweder auf die §§ 1990 ff. BGB berufen oder die Erschöpfungseinrede des § 1973 BGB erheben: Nach Abschluss eines Nachlassinsolvenzverfahrens wegen der Verweisung in § 1989 BGB und nach einer Nachlassverwaltung dann, wenn er zuvor das Aufgebotsverfahren der §§ 1970 ff. durchgeführt hat. Freilich muss auch diese Einrede nach Maßgabe der §§ 781, 785 geltend gemacht werden, allerdings ohne dass ein entsprechender Vorbehalt im Urteil aufgenommen sein müsste, § 780 Rdn. 9.

2. Titelschuldner Die allgemein gehaltene Formulierung gibt zu erkennen, dass es für die Anwendung der Vorschrift 7 gleichgültig ist, ob der Titel gegen den Erblasser oder den Erben erstritten wurde, bzw. wer von beiden in der vollstreckbaren Ausfertigung als Vollstreckungsadressat ausgewiesen ist, § 779. Für den Nacherben und den Erbschaftskäufer gelten die §§ 2144, 2383 BGB. Entscheidend ist vielmehr, dass die zu vollstreckende Forderung eine Nachlassverbindlichkeit i.S.d. § 778 ist, s. dort Rdn. 6, und dass kein Nachlasspfleger, Nachlassverwalter oder Testamentsvollstrecker bestellt ist. Eine gegen diese gerichtete Zwangsvollstreckung kann sich zwangsläufig nur auf das ihrer Amtswaltung unterfallende Vermögen richten, vgl. § 778 Rdn. 5. Weitgehend unerheblich ist es dagegen wieder, auf was sich der Inhalt dieser Forderung richtet. Es sind also auch die Vollstreckungen der §§ 883 ff. grundsätzlich vom Regelungsgehalt des § 781 erfasst; das gilt allerdings nicht für dingliche, auf unmittelbare Rechtsverwirklichung gerichtete Ansprüche, weil sich diese zwangsläufig nur auf einen Gegenstand des Nachlasses richten können; im Einzelnen s. § 780 Rdn. 5.

3. Keine automatische Vermögenstrennung Aus der Nichtberücksichtigung der Haftungsbeschränkung ergibt sich, dass der Gläubiger (genau- 8 er: das Vollstreckungsorgan)3 die Unterscheidung von Nachlass und Eigenvermögen des Schuldners nicht zu beachten braucht, dass er also die Zwangsvollstreckung so betreiben kann wie ein sonstiger Gläubiger außerhalb der Sonderregelung der Erbenhaftung.4 Dabei geht das Gesetz in § 781 sogar noch einen Schritt weiter, indem es die Nichtberücksichtigung ausdrücklich vor2 Diese Situation betrifft insbesondere, aber nicht ausschließlich, die des § 779. 3 Zum Grundbuchamt als Vollstreckungsorgan s. OLG Schleswig FGPrax 2011, 69. 4 S. auch BGH MDR 2021, 103 – Tz. 17. 475

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schreibt, s. auch § 53 GVGA. Dabei ist streitig, ob solche Vermögensgüter, die evidentermaßen ins Eigenvermögen des Schuldners fallen, tatsächlich dem Zugriff des Gläubigers ausgesetzt sein sollen. Die 2. Aufl. schloss das entgegen der h.M.5 bei Offenkundigkeit i.S.v. § 291 und in den Fällen aus, in denen der Gläubiger die Zugehörigkeit des fraglichen Vermögensgegenstandes zum Eigenvermögen des Schuldners zugesteht, § 288. 9 Materiell-rechtlich gesehen geht es bei dieser Problematik um die Frage, wie konsequent man die vorläufig unbeschränkte, aber noch beschränkbare Erbenhaftung ausgestalten will; oder – andersherum gesagt – ob es diesbezüglich einen Unterschied zu der endgültigen Unbeschränkbarkeit der Haftung und der damit einhergehenden Verschmelzung der beiden Vermögensmassen geben soll. Nachdem das BGB keine Anhaltspunkte für eine solche Unterscheidung gibt, und nachdem die §§ 778 ff. auf dessen materiell-rechtlichen Vorgaben aufbauen, wäre es dogmatisch richtiger, mit der h.M. den uneingeschränkten Zugriff auch auf das Eigenvermögen des Schuldners zuzulassen. Dafür ließe sich auch noch anführen, dass der Zugriff auf einen Gegenstand erfolgt, dessen Zugehörigkeit zum Haftungsverband nicht von vornherein ausgeschlossen ist: Der Erbe kann immer noch die Möglichkeit der Haftungsbeschränkung verlieren und sein Eigenvermögen damit zum Zugriffsobjekt der Nachlassgläubiger machen. Doch bedingt diese dogmatische Folgerichtigkeit die Vernachlässigung der sonst so viel beschworenen Prozessökonomie; gewissermaßen sehenden Auges würde ein Rechtsstreit vom Zaune gebrochen.6 Weil diese Gesetzeskonzeption insgesamt wenn nicht abzulehnen, so doch zumindest in ihren Auswirkungen so weit wie möglich einzuschränken ist, § 785 Rdn. 3, sprechen die besseren Argumente für die Mindermeinung der Vorauflage. 10 § 81 Abs. 2 GVGA entschärft diese Problematik freilich dadurch, dass der Gerichtsvollzieher bei hinreichendem beweglichem Vermögen die Gegenstände übergehen wird, gegen deren Pfändung der Erbe unter Berufung auf seine Haftungsbeschränkung widerspricht.7 Bedeutung hat der Meinungsstreit demnach vor allem für den Umfang der Angaben bei einer Eidesstattlichen Versicherung nach § 802c. Während die Vorauflagen sie auf den Nachlass beschränken wollen, erstreckt sie sich nach herrschender Ansicht auch auf das Eigenvermögen. Freilich dürften diese Fälle nur selten praktisch werden, weil der mit einer Aufforderung nach § 802c konfrontierte Erbe wohl spätestens jetzt eine einstweilige Maßnahme nach den §§ 785, 769 beantragen wird. Aus dieser Verfahrenssituation ergibt sich für ihn eine Erinnerungsbefugnis nach § 766, soweit sich seine Offenbarungspflicht auf mehr als den Nachlass erstrecken soll. Im Übrigen kann der Gläubiger seinen Antrag auch schon von vornherein auf den Nachlass begrenzen.8 Im Ergebnis dürfte daher der praktische Unterschied zwischen den beiden Ansichten minimal sein.

III. Einwendungen des Erben 11 Die Einwendungen des Erben richten sich darauf, den Zugriff auf das nicht zum Nachlass gehörende Vermögen für unzulässig zu erklären.9 Sofern der Vollstreckungszugriff während eines Verfahrens zur Herbeiführung der Haftungsbeschränkung nach § 1975 BGB erfolgt und der Erbe sich hiergegen nach Maßgabe der §§ 1984 Abs. 1 S. 3 BGB, 89 InsO zur Wehr setzt, muss er die Anordnung dieser Verfahren sowie die fehlende Zugehörigkeit des Vollstreckungsobjektes zum Nachlass nachweisen. Erhebt der Erbe die Dürftigkeitseinrede der §§ 1990 ff. BGB, muss er neben dem auch hier 12 erforderlichen Nachweis der Nichtzugehörigkeit zum Nachlass dartun, dass der Nachlass so dürf5 6 7 8

LG Berlin DGVZ 1966, 170; Stein/Jonas/Münzberg Rdn. 3. Vgl. § 780 Rdn. 21. Vgl. auch § 780 Rdn. 30. OLG Schleswig SchlHA 1958, 338; MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann Fn. 6. A.A. OLG Marienwerder OLGRspr 1919, 4; OLG Hamburg HRR 1929 Nr. 1069. 9 BGH WM 1972, 363. S. auch BFH NJW 2004, 175 für die Parallelsituation der Haftungsbeschränkung für Minderjährige nach § 1629a BGB. Paulus

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tig ist, dass die Anordnung der Nachlassverwaltung oder des Nachlassinsolvenzverfahrens wegen des Mangels einer den Kosten entsprechenden Masse nicht tunlich gewesen ist oder dass ein solches Verfahren aus diesem Grunde eingestellt worden ist. Sofern der Gläubiger den Eintritt der endgültig unbeschränkten und unbeschränkbaren Er- 13 benhaftung geltend machen will, muss er die zeitliche Grenze des § 767 Abs. 2 beachten. Der erfolgreiche Einwand führt jedoch zur Unbegründetheit der Klage des Erben. Hat dieser dagegen die Haftungsbeschränkung bereits herbeigeführt und setzt er sich ge- 14 gen einen nunmehr vollstreckenden Gläubiger mit Hilfe der Erschöpfungseinrede des § 1973 BGB zur Wehr, Rdn. 6, muss er nachweisen, dass der Nachlass durch die Befriedigung der nicht ausgeschlossenen Gläubiger erschöpft ist oder durch den beklagten Gläubiger erschöpft werden wird,10 bzw. im Falle des § 1989 BGB, dass der Nachlass vollständig durch die Befriedigung derjenigen Gläubiger erschöpft ist, die an dem Insolvenzverfahren teilgenommen haben.

§ 782 Einreden des Erben gegen Nachlassgläubiger 1

Der Erbe kann auf Grund der ihm nach den §§ 2014, 2015 des Bürgerlichen Gesetzbuchs zustehenden Einreden nur verlangen, dass die Zwangsvollstreckung für die Dauer der dort bestimmten Fristen auf solche Maßregeln beschränkt wird, die zur Vollziehung eines Arrestes zulässig sind. 2Wird vor dem Ablauf der Frist die Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens beantragt, so ist auf Antrag die Beschränkung der Zwangsvollstreckung auch nach dem Ablauf der Frist aufrechtzuerhalten, bis über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens rechtskräftig entschieden ist.

Übersicht I. 1. 2.

Gesetzesgeschichte, Normzweck 1 Geschichte 2 Zweck

II. 1. 2.

Die aufschiebenden Einreden 3 Einredeberechtigte 4 Nachlassverbindlichkeit

III. 1. 2. 3.

Rechtsfolge Arrestmaßregeln 15 Klage 17 Das Urteil

IV.

Fristverlängerung bis zur Insolvenzverfahrenser20 öffnung

11

I. Gesetzesgeschichte, Normzweck 1. Geschichte Die Begründung zur Novelle von 1898 rechtfertigt die vorliegende Norm mit dem lapidaren 1 Hinweis (S. 160), dass die aufschiebenden Einreden der §§ 2014, 2015 BGB einer Verurteilung nach Maßgabe des § 305 nicht entgegenstünden. „Ebensowenig darf dann aber dem Erben die Befugniß eingeräumt werden, der Zwangsvollstreckung in den Nachlass oder in sein eigenes Vermögen auf Grund der Einreden schlechthin zu widersprechen.“ Das ist immerhin systemgerecht, nachdem die beschränkte Erbenhaftung insgesamt die prozessuale Handlungslast dem Erben zuweist, vgl. § 780 Rdn. 3 f.

10 OLG Königsberg OLGRspr 1925, 171. 477 https://doi.org/10.1515/9783110443158-066

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2. Zweck 2 Die zitierte Begründung ist aber insoweit irreführend, als sie auch den Vollstreckungsübergriff auf das Eigenvermögen des Erben miterfasst. Denn hierfür ist ein Vorgehen nach § 781 möglich und erforderlich. § 782 avisiert dagegen allein den Zugriff auf den Nachlass zu einem Zeitpunkt, in dem die materiell-rechtlichen Fristen noch laufen und in dem der Erbe die Erbschaft bereits angenommen hat, aber noch nicht endgültig unbeschränkt haftet, § 2016 Abs. 1 BGB. Der Normzweck des § 782 liegt demnach darin, die gegenständliche Zusammensetzung des Nachlasses für die in den §§ 2014, 2015 BGB vorgesehene Zeitspanne zu wahren.1

II. Die aufschiebenden Einreden 1. Einredeberechtigte 3 Die Einreden2 können nicht nur vom Erben erhoben werden,3 sondern auch vom Nachlasspfleger, vgl. § 2017 BGB, vom Nachlassverwalter, § 1984 BGB, und vom Testamentsvollstrecker, § 2213 BGB. Für die Nachlassinsolvenz gilt § 89 InsO, der die Zwangsvollstreckung für die Dauer des Verfahrens untersagt. Das Vollstreckungsorgan hat demnach Vollstreckungshandlungen zu unterlassen, wenn es Kenntnis von dem Verfahren hat. Falls das nicht der Fall ist, ist der Zugriff zwar wirksam, doch kann sich der Nachlassinsolvenzverwalter mit Hilfe der Erinnerung des § 766 zur Wehr setzen, s. auch § 784 Rdn. 10.

2. Nachlassverbindlichkeit 4 Bei der Vollstreckungsforderung muss es sich um eine Nachlassverbindlichkeit handeln, dazu § 778 Rdn. 6; zu ihnen zählen auch die von § 779 angesprochenen Verbindlichkeiten, wenn der Erbe die Erbschaft bereits angenommen hat. Für die Abwehr von Eigengläubigern des Erben gilt demgegenüber § 783. Unter den Nachlassverbindlichkeiten nehmen allerdings die in den §§ 2016 Abs. 2, 1971 BGB genannten Ansprüche eine Sonderrolle insoweit ein, als ihrer Erfüllung die aufschiebenden Einreden unter bestimmten Voraussetzungen, Rdn. 6 ff., nicht entgegengehalten werden können. Dem Erben ist es demnach in den folgenden Fällen nicht möglich, die Zwangsvollstreckung zu verhindern: 5 – Wenn der Gläubiger einen Anspruch geltend macht, der im Insolvenzverfahren zur Aussonderung nach § 47 InsO berechtigen würde. Hierunter fallen im Wesentlichen alle Herausgabeansprüche, gleichgültig, ob dinglich oder schuldrechtlich. Maßgebliches Kriterium ist die fehlende haftungsrechtliche Zuweisung zum Nachlass; zu den Einzelheiten einschließlich der Ersatzaussonderung nach § 48 InsO s. die Kommentare zur Insolvenzordnung. 6 – Wenn der Anspruch auf die Befriedigung aus einem beweglichen Gegenstand zielt, an dem der Gläubiger ein Pfandrecht gem. §§ 1204 ff. BGB hat. Dem sind alle weiteren, im Insolvenzverfahren zur abgesonderten Befriedigung berechtigten Gläubiger gleichgestellt, s. insbes. die §§ 49 InsO i.V.m. 10 ZVG sowie § 51 InsO. In diese Kategorie fällt nach h.M. auch der Sicherungseigentümer oder -zessionar.

1 Zu seiner geringen praktischen Bedeutsamkeit vgl. etwa MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann Rdn. 2. 2 Gilles Vollstreckungsgegenklage, sog. vollstreckbarer Anspruch und Einwendungen gegen die Zwangsvollstreckung im Zwielicht prozessualer und zivilistischer Prozessbetrachtung, ZZP 83 (1970) 99 f.

3 Der Erbe muss auch bei Übergriffen von Nachlassgläubigern auf sein Eigenvermögen nach § 782 vorgehen, kann dies aber mit einem Verfahren nach den §§ 780, 781, 785 kombinieren. Paulus

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Wenn der Anspruch auf ein Recht gerichtet ist, bezüglich dessen eine Vormerkung nach den §§ 883 ff. BGB zugunsten des Gläubigers im Grundbuch eingetragen ist. Auch diese Kategorie hat eine insolvenzrechtliche Parallele in § 106 InsO. – Diese vorgenannten Ansprüche sind gem. § 2016 Abs. 2, 2. Hs BGB dann nicht den aufschiebenden Einreden ausgesetzt, wenn sie der Gläubiger bereits vor dem Erbfall erlangt hatte. Unter Erlangung wird man hier zum Schutze des Erben die Vollendung des Rechtserwerbs zu verstehen haben; der Erbe kann also dem Hypothekengläubiger die Einwendungen aus den §§ 2014, 2015 BGB dann klageweise entgegenhalten, wenn der Erbfall zwar nach der Einigung, aber noch vor der Eintragung seines Rechts im Grundbuch erfolgte. Sofern das betroffene Recht erst nach dem Erbfall erworben wird, sowie bei allen anderen von § 2016 BGB nicht erfassten Nachlassverbindlichkeiten gilt damit, dass der Erbe ihrem Erfüllungsverlangen nach § 2014 BGB längstens für 3 Monate die Befriedigung materiell-rechtlich verweigern kann; sofern er ein Inventar errichtet, verkürzt sich diese Zeitspanne gegebenenfalls auf die nach § 1995 BGB gewährte Frist. § 2015 BGB räumt ihm die gleiche Möglichkeit für die Dauer des Aufgebotsverfahrens nach den §§ 1970 ff. BGB, 454 ff. FamFG ein. Diese Einreden können gem. § 2016 Abs. 1 BGB nur dann erhoben werden, wenn der Erbe noch nicht endgültig unbeschränkt und unbeschränkbar haftet. Eines Vorbehalts nach § 780 bedarf es dagegen nicht, weil die aufschiebenden Einreden keine Haftungsbeschränkung herbeiführen, s. auch § 305.

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III. Rechtsfolge 1. Arrestmaßregeln Die Verweisung auf die Vorschriften der Arrestvollziehung impliziert eine Einschränkung des 11 Anwendungsbereiches von § 782 auf solche Nachlassverbindlichkeiten, die auf eine Geldleistung gerichtet sind, vgl. § 916. Gleichwohl will die h.M.4 den Sicherungszugriff auch auf diejenigen Forderungen ausdehnen, deren Vollstreckung nach den §§ 883 ff. erfolgt (Sachleistungen im weitesten Sinne). Bei ihnen soll lediglich eine Aushändigung an den Gläubiger untersagt sein, im Falle des § 885 allerdings auch schon die Räumung. Diese Ansicht ist jedoch abzulehnen.5 Denn der Wortlaut des § 782 ist eindeutig, und die Verweisung auf die Arrestvorschriften in § 936 wird durch die Rechtsfolgenanordnungen in den §§ 938, 940 derogiert. Genauso wenig wie man die im Gesetz vorgenommene Unterscheidung von Arrest und Einstweiliger Verfügung als irrelevant übergehen darf, kann man sie bei einer Verweisung allein auf die Arrestvollziehung ignorieren. Natürlich ist die daraus resultierende Ungleichbehandlung von Sachleistungsgläubigern ge- 12 genüber denen, die eine Geldforderung haben, nur schwer begründbar. Um aber den aufschiebenden Einreden der §§ 2014, 2015 BGB überhaupt einen praktischen Anwendungsbereich zu belassen und um dem Anliegen dieser Normen, dem Erben die ungestörte Möglichkeit zur Inventarerrichtung bzw. zur Durchführung des Aufgebotsverfahrens zu geben, lässt sich diese unterschiedliche Behandlung mit dem Grundsatz rechtfertigen, dass Ausnahmen einer ausdehnenden Interpretation nicht zugänglich sind. Es wäre verkehrt, wenn man als Grundsatz die in § 781 getroffene Regelung ansähe. Denn die Einreden haben allenfalls mittelbar mit der Beschränkung der Erbenhaftung zu tun, Rdn. 2.

4 Baumbach/Lauterbach/Hartmann Rdn. 5; Stein/Jonas/Münzberg Rdn. 6. 5 So auch Seuffert/Walsmann Anm. 3a. 479

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§ 782

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Darüber hinaus ist die von der 2. Aufl. (A III) im Anschluss an das Reichsgericht6 und den Reichsfinanzhof7 sowie die von der h.M.8 vertretene Ansicht abzulehnen, die Einreden wirkten nicht außerprozessual (verhinderten insbes. also nicht den Schuldnerverzug des Erben), sondern nur in der Zwangsvollstreckung. Sie ist das Ergebnis einer – auch anderswo – beklagenswert weit getriebenen Spaltung materiell- und prozessrechtlicher Betrachtungsweisen,9 die allzu häufig der Erzielung mathematischer10 Folgerichtigkeit, nicht aber der Erlangung praktikabler Ergebnisse zu dienen bestimmt scheint. So auch hier die h.M.; wird die den aufschiebenden Einreden zugrundeliegende Absicht, dem Erben eine ungestörte Überlegungsfrist zu gewähren (s. § 783 Rdn. 1), bereits durch die aktionenrechtlichem Denken, § 785 Rdn. 2, entsprungene Klagenotwendigkeit nach §§ 781, 785 weitgehend konterkariert,11 so wird sie vollends zunichte gemacht, wenn die Einreden rein prozessual gesehen werden. Von der Rechtswohltat der Überlegungsfrist bleibt damit im praktischen Ergebnis nichts übrig, weil der Erbe unter dem Druck der Schadensersatzpflicht nach §§ 286, 280 Abs. 2 BGB gerade nicht ungestört seine Entscheidungen treffen kann. 14 Im Ergebnis bedeutet das für die Sachleistungsansprüche, dass eine Vollstreckungshandlung während der fraglichen Frist überhaupt nicht zulässig ist: Wird sie dennoch vorgenommen, kann sich der Erbe dagegen mit der Erinnerung des § 766 zur Wehr setzen. 13

2. Klage 15 Die Einreden sind im Klagewege geltend zu machen, § 785.12 Zur Kritik hieran s. § 785 Rdn. 2 ff. Sie sind nicht auf die Entstrickung der gepfändeten Gegenstände gerichtet, sondern nur auf die Untersagung der Verwertung. Denn nach § 782 S. 1 sind die in den §§ 930 bis 932 vorgesehenen Pfändungen bzw. die Eintragung einer Sicherungshypothek oder Vormerkung zulässig. Die Klage ist demnach darauf zu richten, dass die über das von § 782 zugelassene Maß hi16 nausgehende Vollstreckung für die Dauer der Einreden für unzulässig erklärt wird. Der Erbe kann das entsprechende Urteil über § 775 Nr. 113 der weiteren Vollstreckung entgegenhalten und schon vollzogene Maßnahmen gem. § 776 rückgängig machen. Angesichts des transitorischen Charakters der Einwendungen wird freilich ein Vorgehen nach den §§ 785, 769 vorzugswürdig sein. Der Erbe sollte daher grundsätzlich mit der Einreichung der Klageschrift den Antrag auf Einstellung bzw. Aufhebung der unzulässigen Vollstreckungsmaßnahmen stellen.

3. Das Urteil 17 Für das Urteil der vom Erben erhobenen Klage sind folgende Konstellationen denkbar: 18 – Läuft die in den §§ 2014, 2015 BGB vorgesehene Frist vor Urteilserlass ab, wird die Klage unbegründet. Der klagende Erbe kann den Streit für erledigt erklären. 6 RGZ 79, 201 m.w.N. auf S. 204. 7 E 1, 99. 8 Lange/Kuchinke § 50 III 2; MünchKomm-BGB/Küpper § 2014 Rdn. 4; Jauernig/Stürner § 2014 Anm. 1; Grüneberg/Weidlich § 2014 Rdn. 3; (wohl auch) Ebenroth Rdn. 1107. A.A. Kipp/Coing § 100 IV 1; Brox Rdn. 706. 9 Vgl. insbes. Zöllner Materielles Recht und Prozessrecht, AcP 190 (1990) 471. 10 Zur Affinität der (deutschen) Rechts„wissenschaft“ zu den Naturwissenschaften, allen voran zur Mathematik, s. nur Kiesow Das Naturgesetz des Rechts (1997). 11 Es genügt, sich den für eine Klageerhebung erforderlichen Aufwand an Zeit, Geld und persönlicher Anspannung, d.h. die allseits bekannten Zugangsbarrieren zum Gericht vor Augen zu führen; vgl. nur Simon/Ogorek Recht und Rechtsverwirklichung in: Grimm (Hrsg.) Einführung in das Recht (1985) 210 ff.; Paulus Zivilprozessrecht, Rdn. 296. 12 S. auch MünchKomm/K.Schmidt/Brinkmann Rdn. 9. 13 S. auch § 64 Abs. 2 GVGA. Paulus

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Abschnitt 1. Allgemeine Vorschriften



§ 783

Ist die Frist zu diesem Zeitpunkt dagegen noch nicht abgelaufen, muss das Urteil die Dauer 19 der gehemmten Vollstreckung in der Formel enthalten. Nach deren Ablauf kann der Gläubiger die Vollstreckung uneingeschränkt fortsetzen. Gibt es Streit um den Ablauf der Frist, hat der Gläubiger gegenüber dem Vollstreckungsorgan nachzuweisen, dass die Vollstreckung fortgesetzt werden kann. Die nachfolgende Stufe dieses Streites ist die Erinnerung nach § 766.

IV. Fristverlängerung bis zur Insolvenzverfahrenseröffnung Die in S. 2 genannte Frist ist die der §§ 2014, 2015 BGB und nicht die im Urteil nach S. 1 festgesetzte, Rdn. 19. Wird innerhalb der Frist ein Antrag auf Eröffnung eines Nachlassinsolvenzverfahrens, § 317 InsO,14 gestellt, so hat das Gericht auf entsprechenden Antrag hin die Frist bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Verfahrenseröffnung zu verlängern. Auch diese Verlängerung kann nur über § 785 herbeigeführt werden. Danach ist zu differenzieren: Ist ein Verfahren nach § 782 S. 1 noch nicht rechtskräftig abgeschlossen, kann der Antrag in dem laufenden Prozess gestellt werden – sei es durch eine nach § 264 Nr. 2 zulässige Klageänderung oder mit Hilfe der Berufung. Ist das Verfahren dagegen bereits abgeschlossen oder war es (noch) gar nicht eingeleitet, muss eine Klage erhoben werden. Aus der Beschränkung auf den Zeitraum bis hin zur Stellung des Insolvenzeröffnungsantrags ergeben sich folgende Abgrenzungen: – Ein Vollstreckungszugriff während eines eröffneten Insolvenzverfahrens ist nach § 89 InsO unzulässig. Danach gelten die §§ 1989, 1973 bzw. § 1990 BGB, wenn das Verfahren mangels Masse nicht eröffnet oder wieder geschlossen worden ist. – Vollstreckt der Gläubiger erst, nachdem die Frist abgelaufen, der Antrag aber noch nicht gestellt ist, unterliegt sein Zugriff allenfalls insolvenzrechtlichen Restriktionen, §§ 129 ff., 322 InsO. – Das Gleiche gilt, wenn der Gläubiger innerhalb der Frist vollstreckt, ohne dass sich der Erbe dagegen nach S. 1 zur Wehr setzt. Tut er das dagegen doch, und wird die Vollstreckung dementsprechend auf die bloße Pfändung beschränkt, erhält der Gläubiger im Falle der Verfahrenseröffnung kein Absonderungsrecht, § 321 InsO. Damit ist die insolvenzrechtliche Gleichbehandlung von Geld- und sonstigen Gläubigern gewährleistet, zwischen denen außerhalb des Insolvenzverfahrens nach der hier vertretenen Ansicht (Rdn. 12) zu unterscheiden ist.

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§ 783 Einreden des Erben gegen persönliche Gläubiger In Ansehung der Nachlassgegenstände kann der Erbe die Beschränkung der Zwangsvollstreckung nach § 782 auch gegenüber den Gläubigern verlangen, die nicht Nachlassgläubiger sind, es sei denn, daß er für die Nachlassverbindlichkeiten unbeschränkt haftet.

I. Gesetzesgeschichte, Normzweck Weil die „in den §§ 2014, 2015 des BGB vorgesehenen Einreden … dem Erben Zeit zur ungestörten 1 Errichtung des Inventars und zur Ueberlegung (verschaffen sollen), ob er von seinem Recht auf beschränkte Haftung Gebrauch machen will“,1 sei es notwendig, den Nachlass auch vor Zugriffen 14 Zur Nachlassverwaltung vgl. § 784. 1 Begr. d. Nov. 1898, 161. 481 https://doi.org/10.1515/9783110443158-067

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§ 783

Achtes Buch – Zwangsvollstreckung

von Seiten der Eigengläubiger abzuschirmen. „Andererseits ergiebt sich aus dem Zwecke jener Einrede ohne Weiteres, daß dem Erben die Befugnis versagt werden muß, wenn er für die Nachlaßverbindlichkeiten unbeschränkt haftet“. 2 Weil die Eigengläubiger2 des Erben nach dessen Erbschaftsannahme, vgl. § 778 Abs. 2, grundsätzlich nicht gehindert sind, auf den Nachlass zuzugreifen, bedarf es zu ihrer Abwehr der vorliegenden Norm, wenn man die durch die §§ 2014, 2015 BGB gewährte Bedenkzeit nicht nur gegenüber den Nachlassgläubigern gewähren will.

II. Voraussetzungen 3 Die erfolgreiche Geltendmachung der Einreden durch den Erben setzt – abgesehen davon, dass die Fristen noch nicht verstrichen sein dürfen – zweierlei voraus.3 Erstens muss der Erbe die Erbschaft bereits angenommen haben; dabei macht es keinen Unterschied, welche der in § 1943 BGB vorgesehenen Varianten zur Annahme geführt haben. Zweitens darf er nicht endgültig unbeschränkt und unbeschränkbar haften. Der letzte 4 Halbsatz der vorliegenden Norm zieht insoweit nur die prozessuale Konsequenz aus § 2016 Abs. 1 BGB. Weil der Verlust der Haftungsbeschränkungsmöglichkeit gegenüber nur einzelnen Nachlassgläubigern – etwa nach § 2006 Abs. 3 BGB – eine auf die jeweilige Einzelperson ausgerichtete Sanktion ist, kann eine solche unbeschränkte Haftung nicht zum generellen Vorteil der Eigengläubiger ausschlagen. Dies ist innerhalb der in den §§ 2014, 2015 BGB eingeräumten Bedenkzeit erst dann gerechtfertigt, wenn der innere Grund für die Trennung der Haftungsmassen entfallen ist; wenn also der Erbe endgültig unbeschränkt und unbeschränkbar gegenüber allen Nachlassgläubigern haftet. 5 Wenn anstelle des einen Erben eine Erbengemeinschaft steht, müssen alle Erben endgültig unbeschränkt und unbeschränkbar haften, sofern sie die Teilung noch nicht durchgeführt haben. Das folgt aus dem Zweck der §§ 2014, 2015 BGB, jedem Erben die ungehinderte Möglichkeit zu geben, sich einen Überblick über den Nachlass zu verschaffen. 6 Der durch § 783 avisierte Zugriff eines Eigengläubigers schließt eine Überschneidung mit dem Anwendungsbereich des § 305 aus.4

III. Rechtsfolge 7 Die Berufung auf die noch andauernde Frist der §§ 2014, 2015 BGB ist im Klageweg geltend zu machen, § 785. Der Erbe muss in diesem Fall beweisen, dass die Frist noch nicht verstrichen ist, und dass der Beklagte auf einen Nachlassgegenstand zugegriffen hat; der Beklagte, dass der Erbe allen Gläubigern gegenüber endgültig unbeschränkt und unbeschränkbar haftet. Allerdings ist wie bei § 782 auch (Rdn. 11) die Klagenotwendigkeit auf diejenigen Eigengläubi8 ger zu beschränken, die wegen eines Geldanspruchs vollstrecken. Sonstige Ansprüche sind – richtigem Verständnis der Vorschriften folgend – der materiell-rechtlichen Einrede, vgl. § 782 Rdn. 13, aus den §§ 2014, 2015 BGB ausgesetzt, so dass die trotzdem erfolgende Vollstreckung mit der Erinnerung aus § 766 abzuwehren ist. Diese Unterscheidung ergibt sich zwar nicht aus dem Wortlaut der §§ 2014, 2015 BGB, weil der nur von Nachlassverbindlichkeiten spricht; doch folgt aus dem Zweck dieser Normen, dem Erben eine Überlegungsfrist einzuräumen, dass auch hier eine einschränkende Interpretation des Wortlautes geboten ist.

2 S. zu deren Stellung auch Schmidt-Kessel Was ist Nachlass? WM 2003, 2086, 2087 ff. 3 Ein Vorbehalt nach § 780 ist nicht erforderlich, vgl. § 782 Rdn. 10. 4 Vgl. 2. Aufl. A II. Paulus

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Abschnitt 1. Allgemeine Vorschriften

§ 784

Sofern der Eigengläubiger durch § 783 auf die Erlangung eines Pfändungspfandrechtes be- 9 schränkt worden ist, und sofern über den Nachlass anschließend ein Insolvenzverfahren durchgeführt wird, gilt § 321 InsO. Hat der Gläubiger dagegen volle Befriedigung erlangt, weil der Erbe etwa nicht gegen ihn vorgegangen ist, kann der Erwerb gegebenenfalls als inkongruente Deckung nach § 131 InsO anfechtbar sein.5 Als Grundsatz gilt jedoch, dass der Zugriff des Gläubigers nach Ablauf der Frist uneinge- 10 schränkt möglich ist, sofern der Erbe nicht die Beschränkung seiner Haftung und damit die strikte Trennung von Nachlass und Eigenvermögen herbeiführt. Während einer Nachlassverwaltung gelten die §§ 1984 Abs. 2 BGB, 784 Abs. 2; während eines Nachlassinsolvenzverfahrens § 91 InsO.6 Zu den Einzelheiten s. § 784 Rdn. 7 ff.

§ 784 Zwangsvollstreckung bei Nachlassverwaltung und -insolvenzverfahren (1) Ist eine Nachlassverwaltung angeordnet oder das Nachlassinsolvenzverfahren eröffnet, so kann der Erbe verlangen, dass Maßregeln der Zwangsvollstreckung, die zugunsten eines Nachlassgläubigers in sein nicht zum Nachlass gehörendes Vermögen erfolgt sind, aufgehoben werden, es sei denn, dass er für die Nachlassverbindlichkeiten unbeschränkt haftet. (2) Im Falle der Nachlassverwaltung steht dem Nachlassverwalter das gleiche Recht gegenüber Maßregeln der Zwangsvollstreckung zu, die zugunsten eines anderen Gläubigers als eines Nachlassgläubigers in den Nachlass erfolgt sind.

Übersicht I.

Gesetzesgeschichte, Normzweck

II. 1.

Voraussetzungen 2 Abs. 1

1

2.

Abs. 2

III.

Rechtsfolge

7 10

I. Gesetzesgeschichte, Normzweck Nachdem gem. § 1975 BGB die Haftungsbeschränkung des Erben durch Nachlassverwaltung oder 1 ein Nachlassinsolvenzverfahren herbeigeführt wird, „lässt sich dem Erben auch die Befugnis nicht versagen, zu verlangen, dass Maßregeln der Zwangsvollstreckung, die zu Gunsten eines Nachlassgläubigers in sein nicht zum Nachlasse gehörendes Vermögen erfolgt sind, aufgehoben werden. … Auf der anderen Seite fordert die Rücksicht auf die Rechte der Nachlassgläubiger, dass unter den bezeichneten Voraussetzungen der Nachlass in erster Linie zu ihrer Befriedigung verwendet wird“.1 Die Vorschrift verwirklicht damit die Trennung der Haftungsmassen, die mit der Haftungsbeschränkung zwangsläufig verbunden ist.

5 Vgl. MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann Rdn. 4. 6 § 321 InsO normiert eine Vorverlegung des für die Unwirksamkeit maßgeblichen Termins von der Insolvenzverfahrenseröffnung im Regelverfahren auf den Zeitpunkt des Erbfalls, verdrängt aber nicht § 91 InsO. § 89 InsO ist deswegen nicht anzuwenden, weil die Eigengläubiger des Erben keine Insolvenzgläubiger sind, vgl. § 325 InsO. 1 Begr. d. Nov. 1898, 161. 483 https://doi.org/10.1515/9783110443158-068

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§ 784

Achtes Buch – Zwangsvollstreckung

II. Voraussetzungen 1. Abs. 1 2 Es muss ein Nachlassgläubiger, vgl. § 778 Rdn. 6 ff., noch vor Beginn der Nachlassverwaltung oder vor Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens in das Eigenvermögen des Erben vollstreckt haben, und der Erbe darf nicht endgültig unbeschränkt und unbeschränkbar haften2 – etwa aufgrund der §§ 1994 Abs. 1 S. 1, 2005 Abs. 1, 2006 Abs. 3, 2013 BGB – oder seine Klagemöglichkeit wegen fehlenden Vorbehalts nach § 780 verloren haben. Es ist nicht vorausgesetzt, dass sich der Erbe gegen die Vollstreckung etwa nach § 782 zur Wehr gesetzt hat. Die während eines Haftungsbegrenzungsverfahrens sowie die danach erfolgenden Vollstre3 ckungen in das Eigenvermögen fallen in den Anwendungsbereich des § 781. § 1975 BGB deklariert die Durchführung von Nachlassverwaltung und -insolvenz als haftungs4 beschränkende Maßnahmen. Die damit herbeigeführte separatio bonorum kann nur den Zweck haben, dass die Gläubiger allein auf die ihnen je haftenden Vermögensmassen zugreifen können. Lediglich im Anschluss an eine Nachlassverwaltung kann es unter den Voraussetzungen des § 1986 Abs. 1 BGB zu einer Vermengung kommen. § 784 soll auch dann anzuwenden sein, wenn der Erbe die Erschöpfungseinrede des § 1973 5 BGB erhebt oder die Haftungsbeschränkung mittels der Dürftigkeitseinrede der §§ 1990 ff. BGB herbeiführen will.3 Dem ist jedoch nicht beizupflichten.4 Der Erbe kann Übergriffe auf sein Eigenvermögen nämlich entweder dadurch abwehren, dass er die Erbschaft nicht annimmt bzw. die Annahme nach den §§ 1954, 119 Abs. 2 BGB anficht, oder, indem er seine Haftungsbeschränkung über § 781 geltend macht. Der damit verbundene erhöhte Zeitdruck für diesen Erben, sich Klarheit über die Solvenz des Nachlasses zu verschaffen, wird durch die Bedenkzeit der materiell-rechtlich zu verstehenden §§ 2014 f. BGB, s. § 782 Rdn. 13, gemildert. Unter Maßregeln der Zwangsvollstreckung sind sämtliche, vom Beginn der Vollstreckung, 6 dazu § 750 Rdn. 1, bis hin zur Verwertung vorgenommenen Handlungen und Anordnungen der Vollstreckungsorgane zu verstehen. Dass auch die Versteigerung zu den Maßregeln zählt, ergibt sich aus § 782; denn wenn dort die Vollstreckungsmaßregeln auf die Pfändung beschränkt werden, folgt daraus im Umkehrschluss, dass dieser Begriff auch die Verwertung mit umfasst. Maßgeblich für die Anwendung des § 784 ist danach nur, dass die Zwangsvollstreckung noch nicht beendet, der Erlös also noch nicht an den Gläubiger ausgehändigt worden ist. In diesem Fall ist der Ausgleich materiell-rechtlich, etwa über das Bereicherungsrecht, herbeizuführen. Ist aber das durch die Versteigerung erzielte Geld hinterlegt worden, ist dieses dem Erben herauszugeben.

2. Abs. 2 7 Abs. 2 bezieht sich nur auf die Nachlassverwaltung, weil die der Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens vorangegangenen Vollstreckungsmaßregeln unter § 321 InsO fallen.5 Ein (vom Eigen- oder Nachlassgläubiger) erlangtes Pfandrecht wird danach im Insolvenzverfahren nicht berücksichtigt; eine bereits erlangte Befriedigung unterliegt gegebenenfalls der Insolvenzan-

2 S. auch LG Karlsruhe, Beschluss vom 21. Februar 2014 – 20 T 19/13 –, juris – Tz. 14. 3 Baumbach/Lauterbach/Hartmann/Albers/Hunke Rdn. 2; Stein/Jonas/Münzberg Rdn. 2, 5; MünchKomm/K. Schmidt/ Brinkmann Rdn. 2; Zöller/Geimer Rdn. 2.

4 So auch die 2. Aufl., § 783 C. 5 RGZ 157, 295. Paulus

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Abschnitt 1. Allgemeine Vorschriften

§ 785

fechtung, vgl. § 783 Rdn. 9. Außerdem besteht gegebenenfalls ein Schadensersatzanspruch gegen den Erben, der die Befriedigung des Gläubigers nicht mit Hilfe des § 783 verhindert hat. Voraussetzung für die Anwendung des Abs. 2 ist, dass die zugunsten des Eigengläubigers 8 vorgenommene Maßregel vor der Anordnung der Nachlassverwaltung, § 1981 BGB, stattgefunden hat.6 Während des Verfahrens erfolgende Maßnahmen unterfallen dagegen § 1984 Abs. 2 BGB. Da diese von § 784 Abs. 2 nicht erfasst werden, kann sich der Verwalter mit der Erinnerung, § 766, zur Wehr setzen und braucht nicht Klage nach § 785 zu erheben. Zur analogen Anwendung des Abs. 2 auf eine (selten vorkommende) später eintretende 9 Testamentsvollstreckung s. die 2. Aufl. B III. Der Nacherbe wird durch die §§ 2115 BGB, 773 geschützt.

III. Rechtsfolge Der Erbe muss im Falle des Abs. 1, der Nachlassverwalter im Falle des Abs. 2 die Unzulässigkeitserklärung und die Aufhebung der konkreten Vollstreckungsmaßregel über § 785 erstreiten,7 bevor er mit dem obsiegenden Urteil nach den §§ 775, 776 vorgehen kann; s. dort (sowie § 64 GVGA) zu den Einzelheiten der Aufhebung. Ein Nachlassinsolvenzverwalter8 kann dagegen, weil er nicht in den Anwendungsbereich des § 784 Abs. 2 fällt, sowohl gegen vor Verfahrenseröffnung erfolgte9 als auch während seines Verfahrens erfolgende Vollstreckungsmaßregeln nach § 766 vorgehen. Der Abwehrklage aus § 767 bedarf es daneben nicht.10 Weil die Klagelast beim Erben bzw. dem Nachlassverwalter liegt, ist die weitere Vollstreckung des Gläubigers wirksam, wenn nicht die Klage nach § 785 erhoben wird. Der Erbe muss beweisen, dass ein Haftungsbeschränkungsverfahren läuft, und dass die Vollstreckungsmaßregel sein Eigenvermögen erfasst. Dagegen obliegt dem Gläubiger der Beweis, dass der Erbe unbeschränkt haftet. Der Nachlassverwalter, Abs. 2, hat zu beweisen, dass der Vollstreckungsgegenstand zum Nachlass gehört und dass der Gläubiger kein Nachlassgläubiger ist.

§ 785 Vollstreckungsabwehrklage des Erben Die aufgrund der §§ 781 bis 784 erhobenen Einwendungen werden nach den Vorschriften der §§ 767, 769, 770 erledigt.

Übersicht I. 1. 2.

Gesetzesgeschichte, -kritik 1 Geschichte 2 Kritik

II.

Möglichkeiten des Erben

III.

Kosten

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6 S. hierzu Schmidt-Kessel Was ist Nachlass? WM 2003, 2086. 7 OLG Frankfurt ZEV 1998, 192, dazu Stein Nachlaßverwaltung und Zwangsvollstreckung, ZEV 1998, 178. 8 Hierzu etwa Weiß Das Nachlassinsolvenzverfahren/Erbrecht für Insolvenzverwalter, ZInsO 2017, 2306. 9 A.A. MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann Rdn. 3. 10 So aber die 2. Aufl. B II. 485 https://doi.org/10.1515/9783110443158-069

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§ 785

Achtes Buch – Zwangsvollstreckung

I. Gesetzesgeschichte, -kritik 1. Geschichte 1 Die Vorschrift ist aus dem § 645 Abs. 3 CPO 1877 hervorgegangen, der den Erben auch schon auf die Verfahrensmodalitäten der Vollstreckungsabwehrklage verwies, sofern er die Beschränktheit seiner Haftung geltend machen wollte.

2. Kritik 2 Gegen diese Regelung sind freilich mehrfache Bedenken anzumelden.1 Zunächst stellt sie ein seit dem Erscheinen (1856) von Windscheids Buch über die „Actio des römischen Civilrechts, vom Standpunkte des heutigen Rechts“ überwunden geglaubtes Relikt aktionenrechtlichen Denkens dar.2 Die dort fehlende Trennung von materiellem und Prozessrecht führte zu der Konsequenz, dass Recht nur das ist, was vor Gericht durchsetzbar ist. Schon Windscheid hat darauf hingewiesen, dass diese Gleichsetzung mit den Besonderheiten des römischen Praetorenrechts zu tun hat und somit heutzutage obsolet ist, S. 3 ff. Dem braucht allenfalls noch der Hinweis hinzugefügt zu werden, dass die Verweisung des Erben auf eine eigene Klage nicht nur der vielbeschworenen Prozessökonomie zuwiderläuft,3 sondern dass sie auch zu einer nur schwer zu rechtfertigenden Auferlegung von Kosten beim Erben führt, § 780 Rdn. 21. Im Falle des § 780 Abs. 1 verliert er den Prozess mit der Kostenfolge des § 91 und läuft darüber hinaus auch noch Gefahr, diejenigen der Vollstreckungsgegenklage tragen zu müssen, wenn der Gegner sofort anerkennt, § 93. 3 Zwar verfährt das Vollstreckungsrecht aus wohlerwogenen Gründen fast durchgängig so, dass bei gegebenen Vollstreckungsvoraussetzungen der Zugriff erfolgt, während die Einwendungs- und insbes. die Prozesslast dem Schuldner auferlegt ist.4 Doch ist die Regelung des § 785 damit nur insoweit vergleichbar, als bei ihr die Haftungsbeschränkung nicht schon während des Erkenntnisverfahrens, oder gar schon davor eingetreten ist. Die Konsequenz dessen ist, dass das materielle Recht in den §§ 1975, 1990 BGB einen Schutz gewährt, dessen Erlangung an bestimmte Gestaltungsvoraussetzungen geknüpft ist, dessen Durchsetzung dann aber gleichwohl zwingend im Wege einer aktiven Klage erfolgen muss. Im Gegensatz hierzu knüpft das sonstige vollstreckungsrechtliche Rechtsbehelfssystem grundsätzlich5 an Umstände an, die (wenigstens) erst nach der mündlichen Verhandlung geschehen sind, wie z.B. der Zugriff auf nicht haftendes Vermögen, Erfüllung, die Klauselerteilung, etc.; oder auch die Herbeiführung einer Haftungsbeschränkung erst nach Abschluss des Erkenntnisverfahrens. Ganz abgesehen davon, dass zur Durchsetzung der beispielhaft angeführten Rechte nur im letzten Fall ein Vorbehalt bereits im Erkenntnisverfahren angemeldet werden muss, handelt es sich bei § 785 also um einen Fremdkörper im sonstigen Vollstreckungsrecht, wenn die Haftungsbeschränkung bereits herbeigeführt war.6 Infolgedessen ist de lege ferenda eine Anpassung der Haftungsbeschränkungsvorschriften an die gewandelten Verhältnisse zu fordern,7 und de lege lata, dass die vorstehende prozessuale Regelung als eng auszulegende 1 S. auch Gaul/Schilken/Becker-Eberhard § 21 Rdn. 2 f.; MünchKomm/K.Schmidt/Brinkmann Rdn. 1. 2 Vgl. hierzu Simshäuser Die Entwicklung des Verhältnisses von materiellem Recht und Prozessrecht seit Savigny, 1965, 71 ff. S. auch § 780 Rdn. 3 und § 782 Rdn. 13.

3 Exemplarisch der Fall des OLG Frankfurt NJW-RR 1992, 31, in dem der Erbe in die Berufung geht und Klage nach §§ 780, 781, 785 erhebt. Hierzu Nakano Umkehr der Klagelast, FS Baumgärtel (1990) 403 ff. Ausnahme etwa § 797 Abs. 4 oder § 739 – s. dort Rdn. 20. Deswegen nimmt der BGH bei Entscheidungsreife eine Pflicht zur Verbescheidung an, FamRZ 2017, 1317 – Tz. 12. Zumindest dergestalt, dass auf das auch heute schon in einer Vielzahl der Fälle gar nicht verwirklichte und verwirklichbare Erfordernis des Vorbehalts, vgl. § 780 Rdn. 11 ff., verzichtet wird, und dass bei bereits verwirklichter Haftungsbeschränkung diese im Erstverfahren wie jede andere Einrede auch vom Richter nicht nur zur Kenntnis genommen, sondern auch materiell geprüft und verbeschieden werden muss.

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Abschnitt 1. Allgemeine Vorschriften

§ 785

Ausnahme behandelt wird; vgl. § 780 Rdn. 21. Diejenigen Regelungsbereiche, die nicht von diesen Vorschriften direkt erfasst sind, sind materiell-rechtlich zu interpretieren. S. noch § 782 Rdn. 11 ff. Des Weiteren ergeben sich aber auch Bedenken an der inneren Rechtfertigung der im Gesetz vorgesehenen Vorgehensweise.8 Denn erstens ist es wertungsmäßig nicht ohne weiteres nachvollziehbar, warum der Erbfall dem Gläubiger eine Erweiterung seiner Zugriffsmöglichkeiten bescheren soll, indem allein dem Erben die Handlungslast aufgebürdet wird. Hier hilft allenfalls die Parallele zu § 771, vgl. § 781 Rdn. 9, ohne dass aber dem Erben der Schutz etwa des § 809 gewährt würde. S. auch unten § 786 Rdn. 12. Zum zweiten ist die Vollstreckungsabwehrklage unter den vollstreckungsrechtlichen Rechtsbehelfen keineswegs der passendste. Sie deckt sich nämlich nicht mit dem vom Erben vorgetragenen Einwand der Haftungsbeschränkung bzw. des Haftungsaufschubes: Während der Vollstreckungsschuldner im Rahmen des § 767 den der Vollstreckung zugrundeliegenden Anspruch angreift, indem er das Fehlen oder den zwischenzeitlichen Fortfall der Berechtigung zur zwangsweisen Befriedigung geltend macht, geht es dem Erben bei der Haftungsbeschränkung um etwas ganz anderes. Er wendet sich nicht gegen den Bestand oder den Umfang der Haftung; vielmehr will er diejenigen Objekte umgrenzen, auf die der Gläubiger zugreifen darf. Die Haftungsobjekte bzw. eine separatio bonorum haben aber auf den Bestand der Forderung nicht den geringsten Einfluss. Was den Haftungsaufschub mittels der §§ 2014, 2015 BGB anbelangt, so ergibt sich die fehlende Eignung des § 767 daraus, dass die h.M. diese Einwendungen als solche prozessualer Natur, § 782 Rdn. 13, versteht. Konsequenterweise müssten sie daher über § 766 geltend gemacht werden. § 767 passt als Verweisungsnorm aber auch insoweit nicht recht, als in seinem Abs. 2 die zeitlichen Grenzen der materiellen Rechtskraft geregelt sind. Die dort normierte Präklusion besagt, dass der Grund der Einwendung erst nach der mündlichen Verhandlung entstanden sein darf, um der Vollstreckungsabwehrklage zum Erfolg verhelfen zu können. In einem formellen Sinn kann man als Grund der Einwendung den im Urteil zum Ausdruck kommenden Vorbehalt verstehen, § 780 Rdn. 4. Doch ergibt sich aus dem Wortlaut des § 767 Abs. 2 gerade, dass zwischen Einwendung und ihrem Grund zu unterscheiden ist. Grund ist demnach die Haftungsbeschränkung nach den §§ 1975, 1990 f. BGB. Soweit diese schon während des Erstprozesses oder gar zuvor herbeigeführt ist, Rdn. 3, zeigt sich auch hieran, dass die in § 785 vorgenommene Verweisung wenig glücklich ist. Vom Klageziel her gesehen wäre für die Haftungsbeschränkungsvariante demnach die Widerspruchsklage nach § 771 der richtigere Rechtsbehelf, weil sie die Nichtzugehörigkeit einzelner Vermögensgegenstände zu dem dem Gläubiger zur Verfügung stehenden Haftungsverband klärt.9 Nachdem diese Klage aber nur Dritten, nicht dagegen dem Vollstreckungsschuldner selbst zugänglich ist, wäre der angemessene Weg der der Erinnerung nach § 766.10 Damit wäre der Gleichlauf mit der Durchsetzung des § 811 erreicht; auch dort macht der Schuldner die Nichtzugehörigkeit der vollstreckten Sache zum Haftungsverband mit Hilfe der Erinnerung geltend.11

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II. Möglichkeiten des Erben Die Verweisung auf die §§ 767, 769 und 770 bedeutet zunächst, dass der Erbe, bzw. im Fall des 8 § 784 Abs. 2 der Nachlassverwalter, sowohl die haftungsbeschränkenden Einwendungen des § 781 als auch die haftungsaufschiebenden und -trennenden Einwendungen der §§ 782–784 im Wege

8 Vgl. auch K. Schmidt Zum Prozeßrecht der beschränkten Erbenhaftung, JR 1989, 45 ff. 9 Stein/Jonas/Münzberg Rdn. 2; Deubner Aktuelles Zivilprozeßrecht, JuS 1991, 1038. 10 A.A. K. Schmidt a.a.O., der zwischen der Interventions- und der Abwehrklage unterscheiden will. 11 Zu den international-privatrechtlichen Komplikationen, zu denen der § 785 in seiner jetzigen Form führen kann, Jahr Rechtsvergleichung, Europarecht und Staatenintegration, GS Constantinesco (1982) 345 f. 487

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einer einheitlichen Klage12 geltend zu machen hat. Für eine von K. Schmidt empfohlene Aufspaltung nach unterschiedlichen Klagezielen ergibt sich aus dem Gesetz kein Anhaltspunkt. Sie würde überdies zu einem erhöhten Kostenrisiko des Erben führen, das aus den angegebenen Gründen, Rdn. 2, nicht gerechtfertigt ist. Der Antrag: „Die Zwangsvollstreckung aus … (Titel) in das nicht zum Nachlass gehörige Vermögen, namentlich in folgende beim Kläger gepfändete Gegenstände …, wird für unzulässig erklärt“13 enthält mithin keine Klagenhäufung. Zulässigkeitsvoraussetzung für die Klage ist, dass die Zwangsvollstreckung noch nicht beendet ist – sei es, dass sie noch läuft,14 oder sei es, dass sie drohend bevorsteht, § 781 Rdn. 3 ff.;15 ebenda auch zum Rechtsschutzbedürfnis bei gleichzeitig eingelegtem Rechtsmittel gegen das den Vollstreckungstitel ausmachende Urteil. Die Gegenstände, deren Freigabe begehrt wird, sind konkret zu benennen. Die Klage ist gegen den Gläubiger zu richten. Für die Begründetheit ist maßgebend, dass der Kläger (noch) nicht endgültig unbeschränkt und unbeschränkbar haftet, und dass die Vollstreckung in ein nicht haftendes Vermögensgut erfolgt. Hat der Richter des Erstprozesses die Haftungsbeschränkung bereits definitiv festgestellt, § 780 Rdn. 24 ff., steht letzteres allein in Frage. Der Beklagte kann als Nachlassgläubiger die Verwalterhaftung des Erben, §§ 1991 Abs. 1, 1978 Abs. 1 BGB, aus eigenem Recht geltend machen, indem er sie im Wege des allgemeinen Arglisteinwandes der Vollstreckungsgegenklage des Erben entgegenhält.16 Dem Kläger ist anzuraten, die Klage nach § 767 grundsätzlich mit einem Antrag nach § 769 Abs. 1 zu verbinden, um zu einer möglichst frühzeitigen Verwirklichung seiner Rechte zu kommen. Das dem Richter nach dieser Vorschrift eingeräumte (pflichtgemäße) Ermessen wird immer dann zu einer stattgebenden Entscheidung führen müssen, wenn nicht der Richter des Erstprozesses die Haftungsbeschränkung bereits verbindlich festgestellt hat. Im Hinblick auf die misslungene, einseitig den Erben belastende Regelung, Rdn. 4, ist es ein Gebot effektiven Rechtsschutzes, Art. 6 Abs. 1 EMRK17 und der Prozessfairness, dass die Vollstreckung nicht fortgesetzt wird, solange der Erbe seine ihm nach den §§ 1975 ff. BGB eingeräumten Rechtspositionen prozessual zu verwirklichen sucht. Dasselbe gilt für die nach § 769 Abs. 2 dem Vollstreckungsgericht eingeräumte Entscheidungsbefugnis. Zur Einstellung der Zwangsvollstreckung bei erfolgreichem Antrag und Klage des Klägers s. § 775 sowie § 27 Abs. 2 GVO.

III. Kosten 13 Die Kostenverteilung richtet sich nach den allgemeinen Vorschriften. Sie werden auch dann nicht durch § 788 verdrängt, wenn beispielsweise der Gläubiger die Klage nach § 782 i.V.m. § 2014 BGB verliert, die Zwangsvollstreckung dann aber nach Ablauf der Frist fortsetzt.

§ 786 Vollstreckungsabwehrklage bei beschränkter Haftung 1 Die Vorschriften des § 780 Abs. 1 und der §§ 781 bis 785 sind auf die nach § 1489 des Bürgerlichen Gesetzbuchs eintretende beschränkte Haftung, die Vorschriften des § 780 Abs. 1 und

12 S. auch OLG Frankfurt OLG-Report 2003, 154. 13 Zöller/Geimer Rdn. 1; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard § 21 Rdn. 29. 14 Nach Ansicht des BGH, 21.10.2020, ZErb 2021, 60, ist Klageerhebung bereits ab dem Zeitpunkt zulässig, ab dem der Titel existiert. 15 Vgl. auch Stein/Jonas/Münzberg Rdn. 4. 16 BGH NJW-RR 1989, 1226 = EWiR § 1990 BGB 1/89, 989 (Marotzke) = FamRZ 1989, 1070. 17 Hierzu Geimer Menschenrechte im internationalen Zivilverfahrensrecht, in: Aktuelle Probleme des Menschenrechtsschutzes (1993) 213 ff. Paulus https://doi.org/10.1515/9783110443158-070

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§ 786

der §§ 781, 785 sind auf die nach den §§ 1480, 1504, 1629a, 2187 des Bürgerlichen Gesetzbuchs eintretende beschränkte Haftung entsprechend anzuwenden. 2Bei der Zwangsvollstreckung aus Urteilen, die bis zum Inkrafttreten des Minderjährigenhaftungsbeschränkungsgesetzes vom 25. August 1998 (BGBl. I S. 2487) am 1. Juli 1999 ergangen sind, kann die Haftungsbeschränkung nach § 1629a des Bürgerlichen Gesetzbuchs auch dann geltend gemacht werden, wenn sie nicht gemäß § 780 Abs. 1 dieses Gesetzes im Urteil vorbehalten ist.

Übersicht I.

Gesetzesgeschichte

1

II.

Beschränkte Haftung nach § 1489 BGB

III.

Beschränkte Haftung nach §§ 1480, 1504, 1629a, 6 2187 BGB

IV.

Prozessuale Durchsetzung der Haftungsbeschrän10 kung

V.

Entsprechende Anwendung

VI.

Kosten

4 14

17

I. Gesetzesgeschichte Ausweislich der Begründung zur Novelle von 1898, S. 161, dient die vorliegende Regelung der 1 Präzisierung der bereits im Bürgerlichen Gesetzbuch jeweils angeordneten Verweisung auf die Haftungsbeschränkungsvorschriften des Erben.1 Hinsichtlich der Einbeziehung der aufschiebenden Einreden in den §§ 782 bis 784 in die fortgesetzte Gütergemeinschaft heißt es ebenda: „Die Vorschriften der §§ 696a bis 696c [= 782 bis 784] passen nur für die besondere Gestaltung der Haftung bei der Erbschaft und der fortgesetzten Gütergemeinschaft und können deshalb (auf die anderen Fälle) nicht übertragen werden.“ Im Bürgerlichen Gesetzbuch kommt diese Differenzierung dadurch zum Ausdruck, dass nur in § 1489 Abs. 2 BGB eine pauschale Verweisung auf „die für die Haftung des Erben für die Nachlassverbindlichkeiten geltenden Vorschriften“ stattfindet, während in den §§ 1480 und 1504 BGB lediglich die §§ 1990, 1991 BGB, und in § 2187 Abs. 3 BGB der § 1992 BGB als entsprechend anwendbar erklärt werden. Für den durch das in Abs. 2 angesprochene Gesetz eingefügten § 1629a BGB2 gilt ausweislich dessen Abs. 1 S. 2 dasselbe, indem dort auf die §§ 1990, 1991 BGB verwiesen ist. Bei den Verweisungen ist § 780 Abs. 2 deswegen ausgespart, weil das BGB in den angesproche- 2 nen Fällen keine entsprechenden Vertreter mehr vorsieht.3 Um unnötige Wiederholungen zu vermeiden, ist in der nachfolgenden Kommentierung als 3 Sammelbegriff der in der Vorschrift angesprochenen Fallvarianten die Bezeichnung ‚Vermögensübernehmer‘ gewählt.

II. Beschränkte Haftung nach § 1489 BGB Wird kraft Vereinbarung der Ehegatten die Gütergemeinschaft im Falle des Versterbens eines von 4 ihnen nicht aufgelöst, § 1482 BGB, sondern durch den überlebenden Ehegatten mit den gemeinschaftlichen Abkömmlingen fortgesetzt, §§ 1483 ff. BGB, so haftet dieser nach § 1489 Abs. 1 BGB persönlich für die Gesamtgutsverbindlichkeiten der fortgesetzten Gütergemeinschaft. Von dieser 1 Parallelvorschriften existieren in den §§ 266 AO, 5 VwVG. 2 Heute in der durch das Gesetz zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit vom 17.12.2008, BGBl. I 2586, geltenden Fassung, zuletzt geändert durch Art. 8 Gesetz vom 30.7.2009, BGBl I 2449. 3 Zum früheren Güterverwalter s. 2. Aufl. A I. 489

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Regel statuiert Abs. 2 die Ausnahme, dass der überlebende Ehegatte seine Haftung auf das übernommene Gesamtgut beschränken kann, sofern er allein wegen des Eintritts der fortgesetzten Gütergemeinschaft persönlich haften muss. Das ist einmal dann der Fall, wenn seine Haftung ohne Fortsetzung der Gütergemeinschaft erloschen wäre, §§ 1437 Abs. 2 S. 2, 1459 Abs. 2 S. 2 i.V.m. 1463 BGB; und zum zweiten dann, wenn der überlebende Ehegatte bislang nicht verwaltet hatte, §§ 1422 ff. BGB. Die ihm vom Gesetz auferlegte Rolle des Alleinverwalters, § 1487 Abs. 1, 2. HS BGB, wird durch die Möglichkeit der Haftungsbeschränkung erleichtert. 5 Bei der entsprechenden Anwendung der Regeln über die Erbenhaftung ist zu beachten, dass an die Stelle des Nachlasses das Gesamtgut in seinem Bestand zur Zeit des Eintritts der fortgesetzten Gütergemeinschaft tritt. Dieses Vermögen ist für die §§ 1975, 1990 f. BGB maßgeblich; zum Gesamtgutsinsolvenzverfahren s. §§ 332 bis 334 InsO. Aus der Anwendbarkeit der §§ 782 bis 784 folgt, dass sich der überlebende Ehegatte auf die aufschiebenden Einreden der §§ 2014 f. BGB berufen kann.

III. Beschränkte Haftung nach §§ 1480, 1504, 1629a, 2187 BGB 6 Die in den §§ 1471 ff. BGB geregelte Auseinandersetzung des Gesamtgutes nach Beendigung der Gütergemeinschaft setzt voraus, dass „zunächst“, § 1475 BGB, die Gesamtgutsverbindlichkeiten berichtigt werden, bevor der danach eventuell verbleibende Überschuss zu gleichen Teilen unter den Ehegatten verteilt wird, § 1476 BGB. Wird diese Reihenfolge nicht eingehalten, haftet nach § 1480 BGB auch der Ehegatte als Gesamtschuldner persönlich für die Erfüllung der nicht berichtigten Gesamtgutsverbindlichkeiten, der einer solchen Haftung zur Zeit der Teilung nicht ausgesetzt war: Das ist einmal der vorher nicht verwaltende Ehegatte und zum anderen der verwaltende Ehegatte für die in den §§ 1437 Abs. 2 S. 2, 1459 Abs. 2 S. 2 normierten Verbindlichkeiten. Zum Ausgleich für diese Haftungsverschärfung kann sich der Ehegatte auf die Haftungsbegrenzung nach §§ 1990 f. BGB berufen.4 7 Eine entsprechende Haftungsregelung enthält § 1504 BGB für die Abkömmlinge, die nach der Beendigung der fortgesetzten Gütergemeinschaft einer Inanspruchnahme gem. § 1480 BGB ausgesetzt sind. 8 Die Einfügung des § 1629a BGB ist die (lang hinausgezogene) Folge einer Entscheidung des BVerfG.5 Sie bezweckt eine durch den Eintritt der Volljährigkeit gezogene Zäsur zwischen dem Minderjährigenvermögen und dem Neuerwerb, ist also im Ausgangspunkt vage vergleichbar mit dem Zweck der Restschuldbefreiung der §§ 286 ff. InsO. Den Zugriff der Altgläubiger – es kommt ausweislich des § 1629a BGB Abs. 1 S. 1 auf die „Begründung“ der Verbindlichkeit an – auf das neu erworbene Vermögen kann der volljährig Gewordene entweder damit abwehren, dass der Erstrichter bereits eine Entscheidung hinsichtlich der haftenden Masse6 trifft, oder damit, dass die Einrede vorbehalten und durch den Volljährigen im Rahmen der Zwangsvollstreckung geltend gemacht wird; beachte für Altfälle freilich Abs. 2.7 Eine zeitliche Beschränkung dieser Verteidigungsmöglichkeit besteht nicht, kann also auch noch Jahre nach Eintritt der Volljährigkeit bestehen.

4 RGZ 79, 345; OLG Hamburg OLGRspr 1913, 192. 5 BVerfGE 72, 155; dazu etwa K. Schmidt Minderjährigen-Haftungsbeschränkung im Unternehmensrecht: Funktioniert das? JuS 2004, 361. Zur uferlosen Literatur zum § 1629a BGB s. nur Habersack Das neue Gesetz zur Beschränkung der Haftung Minderjähriger, FamRZ 1999, 1; Bittner Die Einrede der beschränkten Haftung auf das Volljährigkeitsvermögen aus § 1629a BGB, FamRZ 2000, 325; Coester FS W. Lorenz (2001) 113. 6 Zur umstr. Frage, ob eine summenmäßige oder gegenständliche Haftungsbeschränkung in Betracht kommt, s. nur K. Schmidt § 1629a BGB oder: über den Umgang mit einer rechtstechnisch misslungenen Vorschrift, FS Derleder (2005) 608 ff. Ebenda, S. 621 f., zur prozessualen Umsetzung; s. auch MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann Rdn. 7. 7 Dazu etwa Muscheler Haftungsbeschränkung zugunsten Minderjähriger, WM 1998, 2271, 2272. Paulus

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Ist ein Vermächtnisnehmer mit einem weiteren Vermächtnis (Untervermächtnis) oder einer 9 Auflage beschwert, kann er deren Erfüllung insofern verweigern, als das ihm Zugewendete nicht ausreicht.8 Er hat dabei nach § 1992 BGB vorzugehen, kann also die Herausgabe durch Zahlung des Wertes abwenden. Für die Kürzungsmöglichkeiten der §§ 2188, 2189 BGB gilt dieses nicht.

IV. Prozessuale Durchsetzung der Haftungsbeschränkung Will sich einer der in der vorliegenden Vorschrift adressierten Vermögensübernehmer auf die 10 ihm vom materiellen Recht zugebilligte Haftungsbeschränkung berufen, hat er in zwei Schritten vorzugehen: Sie muss ihm – erstens – in dem der Vollstreckung zugrundeliegenden Titel vorbehalten sein, § 780 Abs. 1,9 damit er sich – zweitens – im Falle eines Übergriffs auf sein Eigenvermögen dagegen mit der klageweise, § 785, erhobenen Einwendung, § 781, zur Wehr setzen kann. Im Einzelnen gilt dabei folgendes: Die in § 780 Abs. 1 angeordnete Notwendigkeit eines Vorbehalts im Urteil gilt über § 795 11 grundsätzlich auch für die in § 794 Abs. 1 aufgelisteten Titel, vgl. § 780 Rdn. 32. Allerdings ist dabei immer vorauszusetzen, dass die Beantragung der Aufnahme eines entsprechenden Vorbehalts überhaupt möglich oder auch notwendig gewesen ist; sie ist nicht erforderlich hinsichtlich der Rechte aus den §§ 782 bis 784, weil es sich dabei nicht um haftungsbeschränkende Maßnahmen10 handelt. Desgleichen fehlt ein Vorbehalt auch immer dann, wenn die Vermögensübernahme in einer verfahrensrechtlichen Situation erfolgt, der die Aufnahme eines Vorbehalts in den Titel ausschließt; dazu § 780 Rdn. 11 ff.11 Von diesen Situationen ist für die vorliegende Norm besonders wichtig die Titelübertragung nach den §§ 727 und 729 auf den überlebenden Ehegatten; nach der hier vertretenen Ansicht ist ein Vorbehalt selbst dann nicht möglich, wenn der Gläubiger im Klagewege nach § 731 vorgeht, § 780 Rdn. 12. Das Gericht kann sich wie auch im Falle des vom Erben angemeldeten Vorbehalts darauf 12 beschränken, diesen ohne sachliche Prüfung in das Urteil aufzunehmen, § 780 Rdn. 21; es ist aber andererseits nicht daran gehindert, eine solche Prüfung gleichwohl vorzunehmen.12 Vornehmlich aus Gründen der Prozessökonomie, § 785 Rdn. 2, ist dieses zweite Vorgehen gerade in den von § 786 adressierten Fällen vorzugswürdig, weil die Berufung auf die Haftungsbeschränkung regelmäßig erfolgen wird, nachdem die entsprechenden Tatbestände – Fortsetzung der Gütergemeinschaft, Haftungsbeschränkung des volljährig Gewordenen, Teilung des Gesamtgutes oder Zuwendung des Vermächtnisses – bereits eingetreten sind. Dann aber sollte das Gericht den Haftungsbeschränkungseinwand wie jedes andere Verteidigungsmittel auch auf seine materielle Berechtigung hin prüfen, vgl. § 780 Rdn. 21. Entgegen der Ansicht des OLG Hamburg13 ist es überdies nicht gehindert, gegebenenfalls auch schon die gegenständlichen Grenzen des haftenden Vermögens festzulegen; freilich wird es dies nur bei klarer und überschaubarer Rechtslage tun – etwa wenn lediglich ein Vermögensgegenstand (Grundstück) in Frage steht.

8 OLG Celle ZEV 2000, 200. 9 Das OLG Köln NJW-RR 2010, 1447, hält dies auch im Hinblick auf eine Berücksichtigung im Kostenfestsetzungsverfahren für unabdingbar. Ausnahmen von der im Text genannten Regel bestehen zum einen dann, wenn im Falle des § 1629a BGB das Erkenntnisverfahren noch gegen den Minderjährigen abgeschlossen wurde (falls nicht, s. AG Siegburg FamRZ 2010, 1928), die Vollstreckung dagegen erst nach Eintritt der Volljährigkeit beginnt, vgl. Wenn jurisPR-ITR 6/ 2007 Anm. 5 (sub D 3); Behnke Das neue Minderjährigenhaftungsbeschränkungsgesetz, NJW 1998, 3078, 3080; zum anderen nach Ansicht des BFH generell im Steuerfestsetzungsverfahren, BFHE 203, 5; s. auch noch FG Baden Württemberg EFG 2002, 135. 10 § 784 setzt die Durchführung eines solchen Verfahrens voraus. Er ist nach der hier vertretenen Ansicht nicht auf die Haftungsbeschränkung mittels der §§ 1990 ff. BGB anwendbar, § 784 Rdn. 5. 11 Zur Kritik an dem gleichwohligen Festhalten an dem Vorbehaltserfordernis § 785 Rdn. 2 ff. 12 Zweifelnd OLG Hamburg OLGRspr 1913, 192. 13 Wie vorige Fn. 491

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Es ist eine notwendige Folgerung aus der dem Richter eingeräumten Freiheit, über den Einwand der Haftungsbeschränkung sachlich zu entscheiden oder dies zu unterlassen, dass das Rechtsschutzbedürfnis für die Klage aus § 786 auch dann anzuerkennen ist, wenn der Kläger wegen des der Vollstreckung zugrunde liegenden Titels ein Rechtsmittel verfolgt.14 Denn letzteres gibt ihm nicht die Gewissheit, dass sein Einwand tatsächlich inhaltlich geprüft wird.

V. Entsprechende Anwendung 14 Die für jeden Analogieschluss erforderliche Vergleichbarkeit der gesetzlichen Wertung setzt zunächst voraus, dass die Gemeinsamkeiten der in den §§ 780 und 786 geregelten Fälle herausgeschält werden.15 Sie liegen darin, dass es der Gesetzgeber für angemessen erachtet hat, die Haftungsbeschränkung bzw. einzelne Modalitäten der Haftung der prozessualen Initiative des Betroffenen zu überlassen. Zwar muss etwa auch der verklagte Kommanditist vortragen, dass er seine Einlage bereits geleistet hat, um den Prozess zu gewinnen, doch mutet ihm das Gesetz nicht zu, diesen Prozess verlieren zu müssen, um in einer anschließenden, erfolgreichen Klage seine Haftungsbeschränkung durchsetzen zu können. Dieses umständliche Vorgehen liegt aber den §§ 780, 786 zugrunde. Methodologisch gesehen befinden sich diese Fälle also genau in der Mitte einer gedachten Linie, deren Endpunkte auf der einen Seite uneingeschränkte Haftung und auf der anderen Seite von Gesetzes wegen zu berücksichtigende Haftungsbefreiung abgeben mögen. Eine innere Rechtfertigung für die Gläubigerbevorzugung in jenen Mittelfällen lässt sich – abgesehen von dem gesetzgeberischen: sic iubeo – nur schwer finden; aus diesem Grunde sollten diese Fälle ganz generell als eng auszulegende Sonderkonstellationen behandelt werden,16 vgl. bereits § 785 Rdn. 3, die infolgedessen einer Ausdehnung durch Analogieschluss in einem nur sehr begrenzten Umfang zugänglich sind.17 15 Die aufgezeigten Wertungsgesichtspunkte machen aber ohnehin deutlich, dass es in den meisten Fällen einer vorgeschlagenen Analogie an der Vergleichbarkeit fehlen wird. So bezweckt etwa die vertraglich vereinbarte Haftungsbeschränkung eines Gesellschafters einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts gerade nicht das besagte aufwendige, kostenintensive und wenig prozessökonomische gestufte Vorgehen.18 Dasselbe gilt für die Klage gegen die Mitglieder eines nicht rechtsfähigen Vereins wegen einer Vereinsschuld.19 Es fehlt an einer Vergleichbarkeit aber auch dann, wenn durch Gesetz,20 Vereinbarung21 oder Urteil die Haftung von vornherein auf bestimmte Vermögensgegenstände oder -massen22 beschränkt ist.23 In diesen Fällen muss der Schuldner die Beschrän14 OLG Frankfurt NJW-RR 1992, 31. 15 Zu § 8 JBeitrO s. OLG Düsseldorf BeckRS 2012, 9384 – Tz. 26. 16 Unzutreffend daher OLG Koblenz NJW 2003, 439, das die vorliegenden Normen der §§ 780 ff. auf die Regelung des § 1586b S. 3 BGB anwenden will.

17 Vgl. auch Baumbach/Lauterbach/Hartmann/Albers/Hunke Rdn. 7. Zurückhaltend gegenüber einer Analogie auch Stein/Jonas/Münzberg Rdn. 8 ff.; MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann Rdn. 8. A.A. OLG Hamm VersR 2002, 889; Thomas/Putzo/Seiler Rdn. 1. Ein vergleichbarer Fall liegt bei der Zwangsvollstreckung wegen einer privaten Verbindlichkeit vor, die gegen einen Ehegatten einer Eigentums- und Vermögensgemeinschaft durchgeführt wird, § 744a Rdn. 8. 18 Von Kornblum Die Rechtsstellung der BGB-Gesellschaft und ihrer Gesellschafter im Zivilprozeß-Erkenntnisverfahren und Zwangsvollstreckung, BB 1970, 1452 f., sowie Noack Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts in der Zwangsvollstreckung (Einzelfragen), MDR 1974, 813 f., übersehen. S. demgegenüber BGH NJW-RR 2005, 400; KG KG-Report 2004, 513. 19 Ausf. MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann Rdn. 11. 20 Ein Beispiel ist der Nießbrauch an einem Vermögen bzw. einer Erbschaft, §§ 1085 bis 1088, 1089 BGB. Hinsichtlich der Haftung mit den dem Nießbrauch unterliegenden Gegenständen erlegt § 737 dem Gläubiger die prozessuale Handlungslast auf. Zu den (schwerlich noch aktuellen) Fällen des § 729 Abs. s. allerdings § 729 Rdn. 13. 21 BGH ZZP 68, 101. A.A. Reichel Gewillkürte Haftungsbeschränkung, FS Cohn (1915) S. 230. 22 Etwa bei einer Klage eines Massegläubigers gegen den Insolvenzverwalter; hier ergibt sich aus den §§ 208 Abs. 3, 209 InsO die Beschränkung auf die Masse. Zur beschränkten Minderjährigenhaftung nach § 1629a BGB s. VG Köln, Urteil vom 9. Mai 2017 – 7 K 4029/15 –, juris – Tz. 168. 23 Stein/Jonas/Münzberg Rdn. 9. Paulus

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kung bei Gefahr des § 767 Abs. 2 im Prozess vortragen. Anders dagegen wohl das BAG (wohl auch der BGH mit seiner wiederholt bemühten Parallele von erbrechtlicher und gesellschaftsrechtlicher Universalsukzession24), das dem allein verbliebenen Kommanditisten ein Vorgehen nach den §§ 780 ff. zumutet.25 Wird trotz fehlender Vergleichbarkeit ein Vorbehalt nach §§ 780, 786 im Urteil aufgenom- 16 men, ist das Vollstreckungsorgan hieran gebunden. Der Schuldner muss dann nach § 785 Klage erheben.26

VI. Kosten Für die Gerichtskosten gelten die Nrn. 1210, 1211 des Kostenverzeichnisses (Anlage 1) des GKG; 17 hinsichtlich der Anwaltsgebühren die Nrn. 3100 ff. des Vergütungsverzeichnisses des RVG.

§ 786a See- und binnenschifffahrtsrechtliche Haftungsbeschränkung (1) Die Vorschriften des § 780 Abs. 1 und des § 781 sind auf die nach § 611 Abs. 1 oder 3, §§ 612 bis 616 des Handelsgesetzbuchs oder nach den §§ 4 bis 5n des Binnenschifffahrtsgesetzes eintretende beschränkte Haftung entsprechend anzuwenden. (2) Ist das Urteil nach § 305a unter Vorbehalt ergangen, so gelten für die Zwangsvollstreckung die folgenden Vorschriften: 1. Wird die Eröffnung eines Seerechtlichen oder eines Binnenschifffahrtsrechtlichen Verteilungsverfahrens nach der Schifffahrtsrechtlichen Verteilungsordnung beantragt, an dem der Gläubiger mit dem Anspruch teilnimmt, so entscheidet das Gericht nach § 5 Abs. 3 der Schifffahrtsrechtlichen Verteilungsordnung über die Einstellung der Zwangsvollstreckung; nach Eröffnung des Seerechtlichen Verteilungsverfahrens sind die Vorschriften des § 8 Abs. 4 und 5 der Schifffahrtsrechtlichen Verteilungsordnung, nach Eröffnung des Binnenschifffahrtsrechtlichen Verteilungsverfahrens die Vorschriften des § 8 Abs. 4 und 5 in Verbindung mit § 41 der Schifffahrtsrechtlichen Verteilungsordnung anzuwenden. 2. Ist nach Artikel 11 des Haftungsbeschränkungsübereinkommens (§ 611 Abs. 1 des Handelsgesetzbuchs) von dem Schuldner oder für ihn ein Fonds in einem anderen Vertragsstaat des Übereinkommens errichtet worden, so sind, sofern der Gläubiger den Anspruch gegen den Fonds geltend gemacht hat, die Vorschriften des § 50 der Schifffahrtsrechtlichen Verteilungsordnung anzuwenden. Hat der Gläubiger den Anspruch nicht gegen den Fonds geltend gemacht oder sind die Voraussetzungen des § 50 Abs. 2 der Schifffahrtsrechtlichen Verteilungsordnung nicht gegeben, so werden Einwendungen, die auf Grund des Rechts auf Beschränkung der Haftung erhoben werden, nach den Vorschriften der §§ 767, 769, 770 erledigt; das Gleiche gilt, wenn der Fonds in dem anderen Vertragsstaat erst bei Geltendmachung des Rechts auf Beschränkung der Haftung errichtet wird. 3. Ist von dem Schuldner oder für diesen ein Fonds in einem anderen Vertragsstaat des Straßburger Übereinkommens vom 27. September 2012 über die Beschränkung der Haftung in der Binnenschifffahrt (CLNI) (BGBl. 2016 II S. 738, 739) errichtet worden, so ist, sofern der Gläubiger den Anspruch gegen den Fonds geltend gemacht hat, § 52 der Schifffahrtsrechtlichen Verteilungsordnung anzuwenden. Sind 24 Etwa BGH ZIP 2018, 1826; s. auch Bayrisches LSG BeckRS 2019, 41557. 25 BAG NJW 2019, 1242 mit Anm D. Paulus EWiR 2019, 619; OLG Frankfurt MDR 2021, 1276. 26 Stein/Jonas/Münzberg Rdn. 12; MünchKomm/K.Schmidt/Brinkmann Rdn. 14. 493 https://doi.org/10.1515/9783110443158-071

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die Voraussetzungen des § 52 Absatz 3 der Schifffahrtsrechtlichen Verteilungsordnung nicht gegeben, so werden Einwendungen, die auf Grund des Rechts auf Beschränkung der Haftung nach den §§ 4 bis 5n des Binnenschifffahrtsgesetzes erhoben werden, nach den §§ 767, 769, 770 erledigt; das Gleiche gilt, wenn der Fonds in dem anderen Vertragsstaat erst bei Geltendmachung des Rechts auf Beschränkung der Haftung errichtet wird. (3) Ist das Urteil eines ausländischen Gerichts unter dem Vorbehalt ergangen, dass der Beklagte das Recht auf Beschränkung der Haftung geltend machen kann, wenn ein Fonds nach Artikel 11 des Haftungsbeschränkungsübereinkommens oder nach § 12 des Straßburger Übereinkommens vom 27. September 2012 über die Beschränkung der Haftung in der Binnenschifffahrt (CLNI) errichtet worden ist oder bei Geltendmachung des Rechts auf Beschränkung der Haftung errichtet wird, so gelten für die Zwangsvollstreckung wegen des durch das Urteil festgestellten Anspruchs die Vorschriften des Absatzes 2 entsprechend.

Übersicht I.

Gesetzesgeschichte

1

II.

Die Schifffahrtsrechtliche Haftungsbeschrän2 kung

3

III.

Vorbehaltsurteil

IV.

Internationale Entscheidungsharmonie

6

I. Gesetzesgeschichte 1 Die vorliegende Norm ist zusammen mit § 305a durch das Zweite Seerechtsänderungsgesetz1 eingefügt worden und wurde zuletzt geändert durch das Gesetz zur Reform des Seehandelsrechts.2 Sie setzt die in den §§ 611 bis 617 HGB getroffene seerechtliche Haftungsbeschränkung in das Vollstreckungsrecht um.3

II. Die Schifffahrtsrechtliche Haftungsbeschränkung 2 Nach § 611 Abs. 1 S. 1 HGB bzw. § 4 BinSchG kann sich der Schuldner auf sein Recht zur Haftungsbeschränkung auch dann berufen, wenn ein Schifffahrtsrechtliches Verteilungsverfahren nicht stattfindet.4 Aus der Verweisung auf die §§ 780 Abs. 1 und 781 in Abs. 1 ergibt sich, dass die Haftungsbeschränkung im Urteil vorbehalten sein muss, und dass infolgedessen die Zwangsvollstreckung uneingeschränkt betrieben werden kann, bis der Beklagte seine Einwendungen geltend macht. Das wird man sich kaum anders als in § 786 so vorzustellen haben, dass auch sie im Klageweg, § 785, vorzutragen sind.5

1 25.7.1986 (BGBl. I, S. 1120). In Kraft getreten am 1.9.1987 (BGBl. I, S. 2083). 2 Vom 20.4.2013, BGBl. I S. 813. 3 Zu dem damit angestrebten Vereinfachungszweck, dem Haftpflichtigen eine einheitliche Klagemöglichkeit an seinem Wohnsitz zu verschaffen, s. Leible in: Rauscher, Europäisches Zivilprozess- und Kollisionsrecht, 5. Aufl. 2021, Artikel 9 Brüssel Ia-VO, Rdn. 1; Hess Europäisches Zivilprozessrecht, 2. Aufl. 2020, § 6.88. 4 Zum früheren Recht Stahl Seerechtliche Haftungsbeschränkung ohne Haftungsfonds, TranspR 1987, 205 ff.; Herber Das neue Haftungsrecht der Schifffahrt (1989) S. 142 ff. 5 So auch MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann Rdn. 2. Paulus

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Abschnitt 1. Allgemeine Vorschriften

§ 786a

III. Vorbehaltsurteil Der Richter des Erkenntnisverfahrens nach § 305a ist wie auch im Falle des § 780 (Rdn. 21) nicht 3 gehindert, über den erhobenen Haftungsbeschränkungseinwand materiell zu entscheiden – etwa, wenn zu seiner Überzeugung feststeht, dass der Schuldner den Schaden vorsätzlich oder grob fahrlässig verursacht hat.6 Ist das zu vollstreckende Urteil jedoch unter dem in § 305a Abs. 27 normierten (ungeprüften) Vorbehalt ergangen, beeinträchtigt das die Zwangsvollstreckung zunächst nicht. Der Schuldner kann aber ihre Aufhebung dadurch erreichen, dass er den in Art. 11 des Haftungsbeschränkungsübereinkommens8 (bzw. § 5d des Binnenschifffahrtsgesetzes) vorgesehenen, seine Haftung gegenständlich beschränkenden9 Fonds einrichtet. Dessen Errichtung ist ebenso wie die Verteilung in der Schifffahrtsrechtlichen Verteilungsordnung10 (SVertO) geregelt. Nach § 8 Abs. 2 S. 1 SVertO werden Ansprüche, deren Haftungssubstrat auf diesen Fonds beschränkt ist (etwa durch den Vorbehalt des § 305a), nur mehr aus diesem befriedigt; eine Zwangsvollstreckung außerhalb des Verteilungsverfahrens ist unzulässig.11 Bereits begonnene Vollstreckungen werden aber nicht mit Hilfe einer Klage nach § 785 eingestellt, sondern nach näherer Maßgabe der SVertO. § 786a Abs. 2 Nr. 1 bestimmt, dass hinsichtlich der gerichtlichen Zuständigkeit für die Einstellung zu differenzieren ist: Ist das Verteilungsverfahren erst beantragt, aber noch nicht eröffnet, kann das zuständige Amtsgericht gem. §§ 2 Abs. 1, 5 Abs. 3 SVertO die Zwangsvollstreckung für längstens drei Monate einstellen. Sobald das Verteilungsverfahren dagegen begonnen hat, ist für die Einstellung das Prozessgericht des ersten Rechtszuges zuständig, bei dem die Unzulässigkeit der Vollstreckung nach näherer Ausgestaltung des § 8 Abs. 4 und 5 SVertO einzuklagen ist. Sobald die von diesem Gericht getroffene Anordnung rechtskräftig geworden ist, § 21 SVertO, sind die bereits erfolgten Vollstreckungsmaßnahmen endgültig aufzuheben, §§ 775, 776. Abs. 2 Nr. 2 adressiert die in Art. 11 des Haftungsbeschränkungsübereinkommens, § 611 HGB, 4 vorgesehene Möglichkeit, dass ein Fonds in einem anderen Vertragsstaat des Übereinkommens von dem oder für den Schuldner bereits errichtet worden ist. Hier ist erneut zu unterscheiden: Macht der Gläubiger seine Ansprüche gegen diesen ausländischen Fonds geltend, gilt über § 50 SVertO erneut § 8 Abs. 4 und 5 SVertO mit seinem soeben beschriebenen Einstellungsmechanismus; d.h. Klage auf Unzulässigerklärung der Vollstreckung und nach Rechtskraft endgültige Aufhebung der Maßnahmen. Beschreitet der Gläubiger diesen Weg nicht – sei es, dass er seinen Anspruch gegen den ausländischen Fonds nicht geltend machen will, sei es, dass er es mangels der in § 50 Abs. 2 SVertO geforderten Voraussetzungen nicht kann –, so kann sich der Schuldner in Entsprechung zu der nach § 785 gegebenen Möglichkeit gegen den inländischen Vollstreckungszugriff mit Hilfe der §§ 767, 769, 770 erwehren. Dieses letztgenannte Vorgehen ist auch dann einzuhalten, wenn der ausländische Fonds zur 5 Zeit der vom Schuldner bekämpften Vollstreckungshandlung (noch) nicht errichtet bzw. nicht frei transferierbar ist.12 Die vorstehenden Anmerkungen (Rdn. 4 und 5) gelten mit den erforderlichen Anpassungen gem. Abs. 2 Nr. 3 entsprechend für das binnenschifffahrtsrechtliche Vertei-

6 Stahl (Fn. 4), 207. 7 Zu den in Abs. 1 genannten Voraussetzungen s. die Kommentierung zu § 305a. 8 BGBl. 1986 II, S. 786. 9 Vgl. Zöller/Geimer Rdn. 4. 10 Gesetz über das Verfahren bei der Errichtung und Verteilung eines Fonds zur Beschränkung der Haftung in der See- und Binnenschifffahrt vom 25.7.1986, neugefasst durch B. v. 23.3.1999 BGBl. I S. 530, 2000 I S. 149; zuletzt geändert durch Artikel 3 G. v. 16.7.2021 BGBl. I S. 3079. 11 Zu den Einzelheiten s. § 8 Abs. 4 SVertO. 12 Zur Aussetzungsbefugnis eines deutschen Gerichts, falls der Fonds im Ausland erst errichtet wird, s. Kindl/MellerHannich/Wolf/Handke Rdn. 5. § 52 Abs. 3 SvertO lautet: „Die Absätze 1 und 2 sind nur anzuwenden, wenn der Gläubiger einen Anspruch gegen den Fonds vor dem Gericht geltend machen kann, das den Fonds verwaltet, und wenn der Fonds für den Anspruch tatsächlich zur Verfügung steht und frei transferierbar ist.“. 495

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§ 787

Achtes Buch – Zwangsvollstreckung

lungsverfahren; an die Stelle des Haftungsbeschränkungsübereinkommens tritt das im Gesetzestext genannte CLNI.

IV. Internationale Entscheidungsharmonie 6 Um den mit dem Haftungsbeschränkungsabkommen bezweckten internationalen Gleichlauf zu gewährleisten, erklärt Abs. 3 das in Abs. 2 geregelte Verfahren auch dann für anwendbar, wenn das Vorbehaltsurteil von einem ausländischen Gericht erlassen worden ist. Es tritt lediglich an die Stelle des Prozessgerichts des ersten Rechtszuges dasjenige Gericht, das das Vollstreckungsurteil erlassen oder aufgrund staatsvertraglicher Regelung die Vollstreckung zugelassen hat.

§ 787 Zwangsvollstreckung bei herrenlosem Grundstück oder Schiff (1) Soll durch die Zwangsvollstreckung ein Recht an einem Grundstück, das von dem bisherigen Eigentümer nach § 928 des Bürgerlichen Gesetzbuchs aufgegeben und von dem Aneignungsberechtigten noch nicht erworben worden ist, geltend gemacht werden, so hat das Vollstreckungsgericht auf Antrag einen Vertreter zu bestellen, dem bis zur Eintragung eines neuen Eigentümers die Wahrnehmung der sich aus dem Eigentum ergebenden Rechte und Verpflichtungen im Zwangsvollstreckungsverfahren obliegt. (2) Absatz 1 gilt entsprechend, wenn durch die Zwangsvollstreckung ein Recht an einem eingetragenen Schiff oder Schiffsbauwerk geltend gemacht werden soll, das von dem bisherigen Eigentümer nach § 7 des Gesetzes über Rechte an eingetragenen Schiffen und Schiffsbauwerken vom 15. November 1940 (RGBl. I S. 1499) aufgegeben und von dem Aneignungsberechtigten noch nicht erworben worden ist.

Übersicht I. 1. 2.

Gesetzesgeschichte, Normzweck 1 Geschichte 3 Normzweck

II. 1. 2.

Voraussetzungen 4 Anspruch Maßgeblicher Zeitpunkt

3. 4.

7 Dereliktion Aneignungsberechtigter

III.

Vertreterbestellung

IV.

Verfahren

9 10

15

6

I. Gesetzesgeschichte, Normzweck 1. Geschichte 1 Laut Begründung der Novelle von 18981 regeln die §§ 696 f. (= 787) „die Zwangsvollstreckung, durch welche ein Recht an dem Grundstücke geltend gemacht wird, in Übereinstimmung mit der Vorschrift, welche der § 55a (= 58) hinsichtlich der Erhebung der Klage trifft. Der § 17 des Gesetzes über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung …, wonach die Zwangsversteigerung nur angeordnet werden darf, wenn der Schuldner als Eigentümer des Grundstücks eingetragen ist, findet selbstverständlich gegenüber der Sondervorschrift der §§ 696 f. (= 787) keine Anwendung.“ 1 S. 162. Paulus https://doi.org/10.1515/9783110443158-072

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Abschnitt 1. Allgemeine Vorschriften

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Abs. 2 wurde eingefügt durch die SchiffsVO vom 21.12.1940. Die dort angeordnete entsprechen- 2 de Anwendung des Abs. 1 auf ein vom bisherigen Eigentümer aufgegebenes Schiff (oder Schiffsbauwerk) normiert, was Hamburger Gerichte zuvor schon im Wege eines Analogieschlusses judiziert hatten.2

2. Normzweck Die Vorschrift bezweckt, den Gläubigern das Zugriffsobjekt unbeschadet des Umstandes zu erhal- 3 ten, dass das ihnen haftende Grundstück zur Zeit des beabsichtigten Vollstreckungszugriffs keinem Rechtsträger zugeordnet ist;3 eine bloße Ungewissheit über den wahren Eigentümer genügt nicht.4 Das Gesetz löst diesen Konflikt wie auch sonst in anderen Fällen herrenlosen Vermögens,5 indem es dem künftigen Rechtsinhaber einen Vertreter bestellt. Dadurch wird die Zugehörigkeit zum Haftungsverband aufrechterhalten, ohne die Dereliktionsbefugnis des Schuldners einzuschränken.

II. Voraussetzungen 1. Anspruch Der Gläubiger muss einen gegen den bisherigen Eigentümer gerichteten Titel, s. auch §§ 800, 800a, 4 haben. Wegen der Frage, welche vollstreckbaren Inhalte „ein Recht an einem Grundstück“ bzw. Schiff6 sind, s. auch die Kommentierung zu § 58. Es muss sich grundsätzlich um dingliche Ansprüche wie etwa Hypotheken, Grundschulden 5 oder Rentenschulden7 handeln; zur Vollstreckung lediglich eines Verschaffungsanspruchs kann ein Vertreter nach § 787 nicht bestellt werden. Sofern der Anspruch durch keine Vormerkung gesichert wird, muss sich der Gläubiger u.U. mit einem Schadensersatzanspruch, §§ 280, 283 BGB, gegen seinen Schuldner begnügen, wenn dieser das Grundstück vor Vollstreckungsende derelinquiert.

2 Vgl. ZZP 29 (1901) 242; Seuffert 11 Anm. 4 zu § 787 m.w.N. Zur Anwendbarkeit des § 787 auf eingetragene Luftfahrzeuge s. § 99 Abs. 1 des Gesetzes über Rechte an Luftfahrzeugen vom 26.2.1959 (BGBl. I, S. 57): (1) Die Vorschriften in §§ 58, 266, 325 Abs. 4, §§ 592, 720a, 787, 794 Abs. 1 Nr. 5, §§ 800a, 830a, 837a, 847a, 855a, 864, 865, 870a, ausgenommen dessen Absatz 3 Satz 1 zweiter Halbsatz, und in §§ 895, 938, 941 der Zivilprozeßordnung gelten sinngemäß mit der Maßgabe, daß an die Stelle des eingetragenen Schiffes das in der Luftfahrzeugrolle eingetragene Luftfahrzeug und an die Stelle der Schiffshypothek das Registerpfandrecht an einem Luftfahrzeug tritt; § 98 Abs. 2 Satz 2 gilt auch hierbei. Die Zwangsvollstreckung in das Luftfahrzeug umfaßt nicht Ersatzteile, auf die sich ein Registerpfandrecht an dem Luftfahrzeug nach § 71 erstreckt. 3 Hierzu auch Ehlenz/Hell Die Aufgabe des Eigentums am Grundstück aus Gläubigersicht, ZfIR 2014, 171; Meerhoff Zwangsversteigerungsverfahren ohne Schuldner, ZfIR 2015, 704. 4 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann Rdn. 2. Daher ist die Ansicht, wonach bis zum Erlass eines Ausschließungsbeschlusses gemäß § 927 Abs. 1 BGB die vorliegende Vorschrift analog anzuwenden sei, abzulehnen; so aber etwa Staudinger/Diehn, 2020, BGB § 927 Rdn. 17. 5 Etwa §§ 1961 BGB, 779 Abs. 2. Das Interesse des Gesetzgebers an herrenlosen Gegenständen und den dadurch gefährdeten Gläubigerbelangen wird historisch bedingt sein. Eine heute aktuelle Variante dieser Problematik stellt die eventuelle Haftung zugreifender Gläubiger für Altlasten auf Grundstücken dar, die dem insolventen Unternehmen gehörten; dazu nur Pape KTS 1993, 551. 6 Zu den Rechten an Luftfahrzeugen s. Fn. 2. 7 Vgl. auch § 10 Abs. 1 ZVG; dazu Stein/Jonas/Münzberg Rdn. 2. 497

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2. Maßgeblicher Zeitpunkt 6 In Abgrenzung zu § 58 setzt § 787 voraus, dass die mitwirkende Handlung gerade in der Zwangsvollstreckung benötigt wird. Weil der Vertreter in der Klausel genannt sein muss, Rdn. 11, wird man ausnahmsweise auch das Klauselübertragungsverfahren mit einbeziehen müssen, wenn man die Notwendigkeit rechtlichen Gehörs bejaht, dazu § 730 Rdn. 4; der Vertreter des § 787 kann dann also bereits für die Klauselübertragung bestellt werden. Im Übrigen hindert eine Eigentumsaufgabe während des Vollstreckungsverfahrens den Fortgang der Zwangsvollstreckung so lange nicht, als nicht eine Mitwirkungshandlung des Schuldners erforderlich wird. Denn nur für sie ist der Vertreter der vorliegenden Norm zu bestellen.8

3. Dereliktion 7 Der Eigentümer9 muss seine Rechtsstellung in wirksamer, d.h. gesetzlich vorgeschriebener Weise aufgegeben haben.10 Bei einem Grundstück richtet sich dieser Vorgang nach § 928 BGB, s. auch § 875 BGB. Die Verzichtserklärung ist wegen § 29 GBO formbedürftig,11 ihre Eintragung erfolgt nach Maßgabe des § 9 Buchst. d GBVfg. 8 Da die Eintragung in das jeweilige Register für die Eigentumsstellung12 konstitutiv ist, kann eine Aufgabe zwangsläufig erst ab diesem Zeitpunkt erfolgen. § 787 ist daher nicht anwendbar, wenn das betreffende Grundstück noch gar nicht zugeschrieben ist, wenn also etwa das Grundstück geteilt, für die Parzellen aber noch nicht der (neue) Eigentümer eingetragen worden ist.

4. Aneignungsberechtigter 9 Alleiniger Aneignungsberechtigter ist nach § 928 Abs. 2 BGB der Fiskus desjenigen Landes, in dem das Grundstück belegen ist; nach Art. 129 EGBGB ist eine landesrechtliche Ausnahme zulässig. Nach § 7 Abs. 2 des Gesetzes über Rechte an eingetragenen Schiffen und Schiffsbauwerken ist Aneignungsberechtigter nur der Bund.

III. Vertreterbestellung 10 Ist ein Vertreter bereits nach § 58 bestellt worden, bedarf es keiner erneuten Bestellung eigens für das Vollstreckungsverfahren, weil sich dessen Vertretungsmacht auch auf diesen Verfahrensabschnitt erstreckt. Er ist also zu allen, für den Fortgang der Vollstreckung erforderlichen Mitwirkungshandlungen ermächtigt;13 dabei hat er die Interessen des Aneignungsberechtigten gegebenenfalls auch mit Hilfe eines Vorgehens nach den §§ 766, 767, 768 zu wahren.14

8 A.A. KGJ 38 A 266; 2. Aufl. A Ia 1; wie hier etwa MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann Rdn. 4. Jene Ansicht läuft auf eine analoge Anwendung des § 779 hinaus, für die das Gesetz jedoch nichts hergibt.

9 Auch der Bruchteils-Miteigentümer; für sein Grundstücksteil muss allerdings erst ein neues Grundbuchblatt angelegt werden, KG KGJ 51 A 198. S. allerdings MünchKomm-BGB/Ruhwinkel § 928 Rdn. 3 zum Meinungsstreit darum, ob eine derartige Verfügung tatsächlich dem Miteigentümer zustehen kann; a.A. BGH BGHZ 115, 1 und h.L. 10 Vgl. dazu und zur möglichen Motivation zu einer solchen Dereliktion Wilhelm/v. Gösseln Freigabe eines Grundstücks, ZInsO 2005, 358. S. ferner Zimmer Eigentumsaufgabe und Aneignung nach § 928 BGB, NotBZ 2009, 397. 11 BayObLG Rpfleger 1983, 308. 12 Bzw. die Verwertbarkeit, § 170a ZVG. 13 Vgl. die beispielhafte Aufzählung in § 779 Rdn. 8, insbes. der Vorschriften aus dem ZVG. 14 KG OLGRspr 1915, 297. Paulus

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Lautet der Titel noch auf den ursprünglichen Eigentümer, bedarf es sowohl für den Beginn als auch für die Fortsetzung der Vollstreckung einer übertragenden Klausel, § 727, auf den Vertreter, weil dieser Partei kraft Amtes ist, vgl. dort Rdn. 28. Ihm ist die Ausfertigung zuzustellen, § 750, doch braucht er entgegen § 17 ZVG nicht im Grundbuch eingetragen zu sein, s.o. Rdn. 1.15 Die Vertretung endet mit Eintragung des neuen Eigentümers.16 Unbeschadet des § 865 Abs. 2 S. 1 ist eine Vertreterbestellung dann nicht erforderlich, wenn sich der Anspruch des Gläubigers auf eine bewegliche Sache bezieht, die Zubehör des Grundstücks ist, und an der der Eigentümer sein Eigentum aufgibt, § 959 BGB. Denn für diese herrenlose Sache gilt das allgemeine Aneignungsrecht des § 958 Abs. 1 BGB (auch zugunsten des Gläubigers), das nicht der von § 787 angesprochenen Aneignungsberechtigung entspricht, Rdn. 5. Gerichtskosten werden für die Vertreterbestellung nicht erhoben; wegen der Rechtsanwaltsgebühren s. § 25 RVG.

11

11a 12 13

14

IV. Verfahren Der Rechtspfleger ist gem. § 20 Nr. 17 RPflG zuständig für die Vertreterbestellung. 15 Der Antrag des Gläubigers ist formlos und dem Vollstreckungsgericht gegenüber zu stellen. 16 Das gilt gleichfalls für die Verlängerung des bereits im Erkenntnisverfahren nach § 58 bestellten Vertreters. Der Gläubiger hat die Eigentumsaufgabe sowie die Notwendigkeit einer Vertreterbestellung zu beweisen. Gegen den ablehnenden Beschluss des Rechtspflegers kann sich der Gläubiger mit der soforti- 17 gen Beachwerde nach den §§ 11 Abs. 1 RPflG, 793 zur Wehr setzen. Denn auch dann, wenn es sich um die Verlängerung des Prozesspflegeramtes nach § 58 handelt, ist auf den dafür erforderlichen Antrag, Rdn. 16, abzustellen, der mithin „im Zwangsvollstreckungsverfahren“ erfolgt.

§ 788 Kosten der Zwangsvollstreckung (1)

1

Die Kosten der Zwangsvollstreckung fallen, soweit sie notwendig waren (§ 91), dem Schuldner zur Last; sie sind zugleich mit dem zur Zwangsvollstreckung stehenden Anspruch beizutreiben. 2Als Kosten der Zwangsvollstreckung gelten auch die Kosten der Ausfertigung und der Zustellung des Urteils. 3Soweit mehrere Schuldner als Gesamtschuldner verurteilt worden sind, haften sie auch für die Kosten der Zwangsvollstreckung als Gesamtschuldner; § 100 Abs. 3 und 4 gilt entsprechend. (2) 1Auf Antrag setzt das Vollstreckungsgericht, bei dem zum Zeitpunkt der Antragstellung eine Vollstreckungshandlung anhängig ist, und nach Beendigung der Zwangsvollstreckung das Gericht, in dessen Bezirk die letzte Vollstreckungshandlung erfolgt ist, die Kosten gemäß § 103 Abs. 2, den §§ 104, 107 fest. 2Im Falle einer Vollstreckung nach den Vorschriften der §§ 887, 888 und 890 entscheidet das Prozessgericht des ersten Rechtszuges. (3) Die Kosten der Zwangsvollstreckung sind dem Schuldner zu erstatten, wenn das Urteil, aus dem die Zwangsvollstreckung erfolgt ist, aufgehoben wird. (4) Die Kosten eines Verfahrens nach den §§ 765a, 811a, 811b, 829, 850k, 850l, 851a und 851b kann das Gericht ganz oder teilweise dem Gläubiger auferlegen, wenn dies aus besonderen, in dem Verhalten des Gläubigers liegenden Gründen der Billigkeit entspricht.

15 Goldbach in: Schneider ZVG, 2020, § 17 ZVG Rdn. 44. 16 Im Falle eines Erbbaurechts endet die Bestellung ggf. mit Ablauf des Endtermins, OLG Hamm RdL 2018, 75 – Tz. 59. 499 https://doi.org/10.1515/9783110443158-073

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Schrifttum Becker-Eberhard Grundlagen der Kostenerstattung bei der Verfolgung zivilrechtlicher Ansprüche (1985); Behr Pfändung von Steuererstattungsansprüchen, JurBüro 1989, 3; Brosette Kostentragungspflicht bei der Zwangsräumung von Wohnraum, NJW 1989, 963; Christmann Sinn und Zweck des § 788 ZPO – Prüfung statt Festsetzung –, DGVZ 1985, 147; Duchstein Mitvollstreckung der Angebotskosten bei Zug-um-Zug-Titel, jurisPR-VerkR 20/2014 Anm. 1; Hagen Inkassoauslagen als notwendige Kosten der Zwangsvollstreckung, JurBüro 1991, 1431; Hansens Zur Erstattungsfähigkeit von Steuerberaterkosten bei der Pfändung von Lohn-/Einkommensteuererstattungsansprüchen, JurBüro 1989, 1033; Hansens Kosten der Drittschuldnererklärung als notwendige Kosten der Zwangsvollstreckung, JurBüro 1987, 1764; Hök Kein Kostenerstattungsanspruch des inländischen Gläubigers nach § 788 Abs. 1 ZPO bei der Vollstreckung des inländischen Titels im Ausland, JurBüro 1990, 1393; Ilg Anmerkung zum Beschluss des LG Passau vom 6.4.1989, 2 T 192/88, Rpfleger 1989, 343; Johannsen Die Beitreibung der Vollstreckungskosten gemäß § 788 ZPO – Zweck, Umfang und Grenze einer klassischen Gerichtsvollziehertätigkeit, DGVZ 1989, 1 (zugleich Diss. Bochum); Kammermeier Die Kostenvollstreckung gemäß § 788 Abs. 1 ZPO – Praxisgerecht oder reformbedürftig? DGVZ 1990, 3; Kohte Gemeinsame Anmerkung zu den vorstehenden Urteilen des BGH, LG Kassel u. LG Berlin, VuR 2007, 194; Krauthausen Die Gebühren des Rechtsanwalts in der Zwangsvollstreckung, DGVZ 1984, 180; Lappe Ist die Kosten-Vollstreckung gemäß § 788 Abs. 1 ZPO mit dem Grundgesetz vereinbar? MDR 1979, 795; Lappe Die Erstattung der Vergütung eines Inkassobüros, Rechtspfleger 1985, 282; D. Meyer Anmerkung zum Beschluss des LG Köln v. 19.11.2007 – 10 T 253/07, JurBüro 2008, 218 f.; Mümmler Zur Frage der Erstattungsfähigkeit von Zwangsvollstreckungskosten unter dem Gesichtspunkt der Rechtzeitigkeit der schuldnerischen Leistung, JurBüro 1982, 1314; Mümmler Beitreibung der bisherigen Zwangsvollstreckungskosten mit der Hauptsache ohne gesonderten Kostenfestsetzungsbeschluß, JurBüro 1984, 142; Mümmler Entstehung und Erstattbarkeit von Anwaltsgebühren im Zwangsvollstreckungsverfahren, JurBüro 1986, 1121; Noack Aktuelle Fragen zur Erstattungsfähigkeit der Kosten der Zwangsvollstreckung nach § 788 ZPO und zu ihrer Beitreibung, DGVZ 1983, 17; Ottersbach Der Ratenzahlungsvergleich in der Zwangsvollstreckung, Rechtspfleger 1990, 283; Schilken Die Beurteilung notwendiger Kosten der Zwangsvollstreckung nach Verrechnung von Teilzahlungen, DGVZ 1991, 1; Schmidt Gebühren des Rechtsanwalts im Vollstreckungsverfahren des Gerichtsvollziehers, DGVZ 1992, 149; Wieser Der Grundsatz der Erforderlichkeit in der Zwangsvollstreckung, ZZP 100 (1987), 146.

Übersicht I. 1. 2. 3. II. 1.

Allgemeines 1 Aufbau und Zweck der Norm Kostenlast des Zwangsvollstreckungsschuldners, 2 Abs. 1 5 Anwendungsbereich

2. 3.

Kostenpflicht des Schuldners Kosten der Zwangsvollstreckung 14 a) Begriff 16 b) Vorbereitungskosten 18 c) Durchführungskosten d) Ende der Zwangsvollstreckung 21 e) Sonstige Kosten 22 Notwendigkeit 28 Fallgruppen

III. 1.

Beitreibung und Festsetzung 87 Beitreibung

2.

Rechtsbehelfe a) Erinnerung 92 93 b) Sofortige Beschwerde 94 c) Vollstreckungsgegenklage

IV. 1.

Kostenfestsetzung, Abs. 2 Zuständigkeit des Vollstreckungsgerichts, Abs. 2 95 S. 1 Zuständigkeit des Prozessgerichts, Abs. 2 97 S. 2 Antragsberechtigung. Prüfungsumfang im Festset98 zungsverfahren 99 Kostenvorschuss

2. 3. 20 4. V.

Erstattungsanspruch des Schuldners, 100 Abs. 3

VI.

Kostenpflicht des Gläubigers, Abs. 4

105

I. Allgemeines 1. Aufbau und Zweck der Norm 1 § 788 regelt, wer die Kosten der Zwangsvollstreckung zu tragen hat. Im Allgemeinen ist dies der Schuldner, wenn er es soweit kommen lässt, dass eine zwangsweise Durchsetzung der gerichtlichen Smid

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Entscheidung erforderlich wird (Abs. 1); lediglich in Sonderfällen kann das Gericht die Kosten aus Gründen der Billigkeit dem Gläubiger auferlegen (Abs. 4). Zum Verfahren bestimmt § 788 in Abs. 1 aus Vereinfachungsgründen, dass die Vollstreckungskosten ohne besonderen Titel zugleich mit dem Hauptanspruch beigetrieben werden können.1 Die zur Abwehr der Zwangsvollstreckung aufgewendeten Kosten sind als Verfahrenskosten im weiteren Sinne anzusehen, die wie Kosten des Erkenntnisverfahrens der Kostenausgleichung durch das Prozessgericht nach § 104 zugänglich sind (Abs. 2).2 Nach der Gegenansicht sind zur Abwehr der Zwangsvollstreckung aufgewendete Kosten nicht als Kosten der Zwangsvollstreckung nach § 788 Abs. 2, sondern nach Aufhebung des Vollstreckungstitels als Schaden nach § 717 Abs. 2 und 3 geltend zu machen.3 In Ergänzung zu §§ 717 Abs. 2 und 945 regelt § 788 Abs. 3 die Rückerstattung der Kosten der Zwangsvollstreckung für den Fall, dass das zugrundeliegende Urteil aufgehoben wurde. Anliegen des Gesetzes ist es, die Kosten der Vollstreckung bei demjenigen, der sie veranlasst hat, auf schnellem und unkompliziertem Weg beizutreiben.

2. Kostenlast des Zwangsvollstreckungsschuldners, Abs. 1 Nach § 788 Abs. 1 Satz 1 werden die dem Schuldner zur Last fallenden notwendigen Kosten der 2 Zwangsvollstreckung zusammen mit dem zur Vollstreckung stehenden Hauptanspruch beigetrieben. § 788 Abs. 1 Satz 1 erlaubt folglich die – als Annex der Hauptsachevollstreckung ausgestaltete – Mitvollstreckung sämtlicher notwendiger Zwangsvollstreckungskosten. Der Hauptsachetitel ist dabei zugleich Vollstreckungstitel für die Beitreibung auch der Zwangsvollstreckungskosten. Ein selbständiger gesonderter Vollstreckungstitel (§ 794 Abs. 1 Nr. 2) ist vom Gläubiger nicht zu beschaffen. Grundsätzlich bilden die gesamten zu einer bestimmten Vollstreckungsmaßnahme gehörenden, miteinander in einem inneren Zusammenhang stehenden Einzelmaßnahmen von der Vorbereitung der Vollstreckung bis zur Befriedigung des Gläubigers oder bis zum sonstigen Abschluss der Vollstreckung dieselbe gebührenrechtliche Angelegenheit.4 Die gleichzeitige Beitreibung erfolgt nicht nur wegen der Kosten der beantragten einzelnen Vollstreckungsmaßnahmen, sondern auch wegen aller durch frühere Vollstreckungsmaßnahmen bereits angefallenen Zwangsvollstreckungskosten. Selbst wenn alle Ansprüche aus dem Hauptsachetitel schon getilgt bzw. vollstreckt sind, können aufgrund dieses Titels auch noch die rückständig gebliebenen Vollstreckungskosten zusammen mit den (neuen) Kosten für ihre Zwangsvollstreckung allein eingezogen werden.5 Bei den Tatbestandsmerkmalen des Anfalls, der Notwendigkeit und der Höhe der Zwangsvoll- 2a streckungskosten Abs. 1 handelt es sich um vom Gläubiger darzulegende und erforderlichenfalls zu beweisende anspruchsbegründende Tatsachen,6 zu deren Beweis der Schuldner den Gläubiger im Rahmen einer Vollstreckungsgegenklage – sofern ein Rechtsschutzbedürfnis besteht – zwingen kann.7

1 Lappe (MDR 1979, 795) hält die Vorschrift insofern wegen Verstoßes gegen das Gebot effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) für verfassungswidrig, a.A. Christmann DGVZ 1985, 147; Zöller/Stöber Rdn. 14. 2 BGH NJW-RR 2006, 1001; OLG Düsseldorf JurBüro 1996, 430; OLG Düsseldorf NJW-RR 1998, 1455; OLG Karlsruhe JurBüro 1990, 64; OLG Koblenz JurBüro 2001, 380; OLG München NJW-RR 2000, 517 und OLGR Schleswig 1999, 59. 3 Mümmler OLG Celle Rpfleger 1983, 498; OLG Frankfurt JurBüro 1986, 109; OLG Hamburg MDR 1999, 188; OLG Hamm JurBüro 1987, 1083; OLG Koblenz JurBüro 1985, 943 und OLG Köln JurBüro 1999, 272; JurBüro 1989, 1751f.; MünchKomm/ K.Schmidt-Brinkmann6§ 788 Rdn. 38; Musielak/Voit/Lackmann § 788 Rdn. 24; Stein/Jonas/Münzberg § 788 Rdn. 21; Zöller/ Stöber § 788 Rdn. 5a; Rosenberg/Gaul/Schilken Zwangsvollstreckungsrecht, (wenn überhaupt erwähnt, dann 12. Aufl.) § 46 III. 1. b), S. 560; Schuschke/Walker Vollstreckung und vorläufiger Rechtsschutz, 4. Aufl., § 788 Rdn. 22; Baur/Stürner Zwangsvollstreckungsrecht, § 49 Rdn. 49.11. 4 AG Nordhausen DGVZ 2021, 177, 178 m. Anm. Mock, AGS 2021, 356, 357. 5 OLG Brandenburg JurBüro 2007, 548. 6 OLG Zweibrücken Rpfleger 1995, 172; LG Düsseldorf, JurBüro 1991, 130. 7 BVerfG NJW-RR 2018, 694–697. 501

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Die Kostenpflicht des Schuldners nach § 788 Abs. 1 erfasst die Kosten der Zwangsvollstreckung, soweit sie notwendig waren (§ 91).8 In der Rechtsprechung wird § 91 Abs. 2 Satz 3mit guten Gründen dahingehend teleologisch ausgelegt, dass ein Rechtsbeistand im Zwangsvollstreckungsrecht auch bei einer Eigenvertretung nach §§ 4 Abs. 1 und 4 RDGEG einen Anspruch auf Ersatz seiner Vergütung nach dem RVG haben kann.9 Die Notwendigkeit bestimmt sich für Art und Umfang der Vollstreckungsmaßnahmen nach den Erfordernissen einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung.10 Einer gesonderten Feststellung der Notwendigkeit von Anwaltsgebühren i.S.v. § 91 Abs. 1 S. 1 bedarf es nicht, weil gemäß § 91 Abs. 2 S. 1 Halbs. 1 die gesetzlichen Gebühren und Auslagen von Rechtsanwälten stets als zweckentsprechende Kosten der Rechtsverfolgung oder -verteidigung gelten.11 Dabei hat der Gläubiger auch in der Zwangsvollstreckung seine Maßnahmen zur Durchsetzung seiner Rechte so einzurichten, dass die Kosten möglichst niedrig gehalten werden. Ob eine Vollstreckungsmaßnahme notwendig war, die Kosten somit erstattungsfähig sind, bestimmt sich allerdings nach dem Standpunkt des Gläubigers zu dem Zeitpunkt, in dem die Kosten für die Vollstreckungsmaßnahme verursacht werden. Wesentlich ist, ob der Gläubiger die Maßnahme zu dieser Zeit für erforderlich halten konnte, auch wenn sie sich im Nachhinein als erfolglos erweist.12 Im Einzelnen gehören zu den (notwendigen) Kosten der Zwangsvollstreckung die Gebühren und Auslagen des Gerichtsvollziehers, die angelegentlich einer gewaltsamen Wohnungsöffnung anfallen;13 Zustellungskosten bei der Pfändung nach §§ 829 bzw. 857, wenn dies im Pfändungsausspruch zum Ausdruck kommt.14 Ergeht ein Pfändungs- und Überweisungsbeschluss auch wegen der Zustellungskosten für diesen Beschluss, erstreckt sich die Pfändung auf die Kosten der Zustellung des Beschlusses an den Schuldner und an die im Beschluss genannten Drittschuldner.15 Wegen Kosten der Vorpfändung nach § 84516 ist nach richtiger Ansicht zu differenzieren: Die Erstattungsfähigkeit der Kosten der Vorpfändung kommt nur in Betracht, wenn der Gläubiger nach den Einzelfallumständen berechtigten Anlass hatte, eine derartige Maßnahme zu ergreifen, wobei keine Wartefrist einzuhalten ist;17 d.h. er begründeten Anlass zur Besorgnis hat, ohne die Vorpfändung die Forderung nicht realisieren zu können. Dies ist i.d.R. dann der Fall, wenn eine Konkurrenz mit anderen Gläubigern oder eine Insolvenz des Schuldners droht oder der Schuldner im Begriff ist, vollstreckungsfähige Rechte dem Zugriff des Gläubigers zu entziehen.18 Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, handelt der Gläubiger auf eigene Kosten. Kosten der Verwahrung des Pfandgutes fallen unter § 788, wobei die Verwahrung aber zu beenden ist, wenn Kostenvorschuss des Zwangsvollstreckungsgläubigers verbraucht ist.19 Weiter sind i.S.v. § 788 notwendig die Kosten der Erzwingung einer Handlung nach §§ 887, 888 und der Unterlassung- und Duldungsvollstreckung gem. § 890. Erstattungsfähig sind weiter die Kosten des Transports von Pfandgut20 – bei der Austauschpfändung nach § 811a Abs. 2 S. 4 kommt der Geldbetrag hinzu, der für die Ersatzbeschaffung festgesetzt ist.21 Zu weiteren Fällen im Folgenden. Soweit Aufwendungen allein mittelbar der Vollstreckung dienen, nicht aber Kosten des Vollstreckungsakts als solchem sind, können nur mit der Leistungsklage im Prozesswege verfolgt werden. Hierzu gehören die bei der Ablösung vorgehender Pfandrechte getätigten Aufwendungen sowie diejenigen der Abfindung von Vorbe8 AG Euskirchen DGVZ 2015, 259–261. 9 LG Darmstadt, 14.2.2017 – 5 T 622/16; vgl.aber wegen Inkassounternehmen AG Westerstede DGVZ 2019, 159, 160. 10 AG Osnabrück DGVZ 2016, 35; AG Solingen DGVZ 2015, 154, 155. 11 Brandenburgisches OLG JurBüro 2020, 589, 590. 12 BGH NJW-RR 2003, 1581 f.; OLG Hamburg NJW 1963, 1015. 13 AG Berlin-Neuköln DGVZ 1986, 78. 14 AG Frankfurt JurBüro 2015, 329. 15 BGH Rpfleger 2021, 663 m.Anm Sudergat WuB 2021, 463; Waldschmidt JurBüro 2021, 455, 456. 16 OLG Hamburg JurBüro 1990, 533. 17 AG Karlsruhe JurBüro 2022, 384 m.Anm. Keller, NZI 2022, 350, 351. 18 AG Heilbronn DGVZ 2019, 241, 242. 19 OLG Frankfurt/M DGVZ 1982, 61. 20 KG NJW-RR 1986, 575. 21 Stein/Jonas/Münzberg § 788 Rdn. 18. Smid

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haltseigentümern bei der Vollstreckung in das Anwartschaftsrecht des Erwerbers;22 die Beschaffung einer Ersatzwohnung für den Schuldner bei der Räumungsvollstreckung.23 Kosten der Zwangsvollstreckung von Unterhaltsforderungen unterfallen nicht dem Vollstre- 4 ckungsprivileg des § 850d Abs. 1. Auch aus dem Wortlaut der Vorschrift des § 788 Abs. 1 folgt nichts Anderes. Der Umstand, dass die Zwangsvollstreckungskosten zugleich mit dem Hauptsachetitel beigetrieben werden können, besagt nicht, dass für diese Kosten zwangsläufig die gleichen Pfändungsprivilegien gelten. Es ist nicht zwingend, dass diese Titelerstreckung sich auch auf die Pfändungsvorrechte bezieht.24

3. Anwendungsbereich § 788 enthält eine eigenständige Kostenregel, die von der Kostenverteilung im Erkenntnisverfahren unabhängig ist. Die Verteilung der Prozesskosten in der vorhergehenden Entscheidung (bspw. nach § 93) spielt also keine Rolle.25 Der aus § 788 folgende Kostenerstattungsanspruch des Gläubigers verjährt nicht mit dem Hauptsacheanspruch, sondern die dreißigjährige Regelverjährung beginnt mit der Ausführung der jeweiligen Zwangsvollstreckungsmaßnahme. Die Vorschrift gilt für alle Arten der Zwangsvollstreckung nach der ZPO, auch bei der Vollziehung von Arrest und einstweiliger Verfügung sowie für die in Abs. 3 genannten Verfahren.26 Die Vorschrift regelt nur die Kostenpflicht im Verhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner. Die Kostenschuld gegenüber Staatskasse und Gerichtsvollzieher ergibt sich aus den Kostengesetzen (GNotKG; GVKostG). Dritte werden durch § 788 weder berechtigt noch verpflichtet, dies gilt insbesondere für Drittschuldner und Dritteigentümer. (Eine Ausnahme gilt für Kosten, die der Prozesskostenhilfeanwalt nach § 126 vom Gegner beigetrieben hat, s.u. Rdn. 100). Deshalb kann der Drittschuldner Kosten seiner Auskunft (§ 840) nach § 788 weder vom Gläubiger noch vom Schuldner beanspruchen.27 Ordnungsmittelverfahren. Mit der Schaffung der Verweisung in § 891 Satz 3 wollte der Gesetzgeber im Hinblick auf die Kostenentscheidung ausdrücklich der Möglichkeit Rechnung tragen, dass Vollstreckungsanträge des Gläubigers nur teilweise erfolgreich sind.28 Auf die Kostenentscheidung im Ordnungsmittelverfahren nach § 890 Abs. 1 ist die Regelung des § 788 Abs. 1 deshalb nach Ansicht des BGH nicht mehr anwendbar.29 § 788 ZPO findet im Rahmen der Teilungsversteigerung gemäß § 180 ZVG keine Anwendung und kann daher – nach erfolgter Rücknahme des Versteigerungsantrags – keine Rechtsgrundlage für einen Kostenfestsetzungsbeschluss sein.30 § 788 enthält eine Sonderregelung für die Vollstreckungskosten, neben der für die Anwendung allgemeiner Kostenvorschriften nur wenig Raum bleibt. Die Kostenpflicht bestimmt sich daher auch bei Zurückweisung oder Zurücknahme eines Antrages daher nicht nach dem Unterliegen (§§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 1 und auch nicht nach § 269 Abs. 3 Satz 2 entsprechend),31 sondern da22 23 24 25 26 27 28

Stein/Jonas/Münzberg § 788 Rdn. 19. Stein/Jonas/Münzberg § 788 Rdn. 19. BGH FamRZ 2009, 1483; LG Krefeld FamRZ 2010, 1929 entgegen OLG Hamm Rpfleger 1977, 109. OLG Schleswig SchlHA 1980, 120; OLG Koblenz VersR 1985, 273. OLG Hamm Rpfleger 1972, 319 (einst auch bei einstweiligen Anordnungen nach §§ 620, 641d a.F.). BGH NJW 1985, 1155; BAG NJW 1985, 1181; MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann6 § 788 Rdn. 9. Gesetzentwurf des Bundesrates zur 2. Zwangsvollstreckungsnovelle, BT-​Drucks. 13/341, S. 41; Wieczorek/Schütze/ Storz3 § 891 Rdn. 16. 29 BGH NJW 2015, 1829, 1830; Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 10. Aufl., Kap. 57 Rdn. 46; Zöller/Stöber30 § 891 Rdn. 2; in Prütting/Gehrlein/Olzen6 § 891 Rdn. 4; Thomas/Putzo/Seiler§ 891 Rdn. 6; Saenger/Pukall, ZPO, 5. Aufl., § 891 Rdn. 5; Musielak/Lackmann a.a.O. § 891 Rdn. 3. 30 LG Passau 9.8.2016 2 T 56/16. 31 KG NJW-RR 1987, 192; MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann6 Rdn. 8; Zöller/Stöber § 788 Rdn. 20; a.A. OLG Düsseldorf MDR 1990, 344; OLG Frankfurt MDR 1978, 411; abweichend (für einen Ordnungsmittelantrag) KG GRUR 1988,791. 503

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nach, ob durch den Antrag Kosten (der Zwangsvollstreckung) notwendig entstanden sind.32 Ebenso ist § 91a nicht anwendbar, weshalb bei übereinstimmender Erledigungserklärung und bei einseitiger Erledigungserklärung des Gläubigers die Kosten bei diesem verbleiben.33 Auf einen Vergleich, der im Vollstreckungsverfahren getroffen wird, kann der Rechtsgedanke des § 98 anwendbar sein, wenn Formulierung oder Auslegung des Vergleichs dies ergeben (s.a. Rdn. 64).34 Ist ein Versäumnisurteil, aus dem die Zwangsvollstreckung betrieben worden ist, durch einen Prozessvergleich ersetzt worden, kann der Gläubiger grundsätzlich die Erstattung der Vollstreckungskosten in der Höhe verlangen, in der sie angefallen wären, wenn er von vornherein die Vollstreckung auf den Vergleichsbetrag beschränkt hätte.35 Werden in dem Vergleich weitere nicht streitgegenständliche Ansprüche geregelt, setzt die Festsetzung der Kosten der Zwangsvollstreckung allerdings voraus, dass sich feststellen lässt, in welchem Umfang das Versäumnisurteil in der Sache Bestand hat.36 Nach Abschluss eines Prozessvergleichs mit einer Zahlungsverpflichtung ist dem Schuldner eine zweiwöchige Zahlungsfrist zuzubilligen. Die Kosten einer anwaltlichen Zahlungsaufforderung mit Vollstreckungsandrohung vor Ablauf dieser Frist sind nicht vom Schuldner zu erstatten.37 Der Ausschluss der isolierten Anfechtung von Kostenentscheidungen (§ 99) gilt nicht;38 die Regelung des § 100 über die Kostenschuld mehrerer Beteiligter ist ebenfalls nicht anwendbar.39 Anwendung finden die allgemeinen Kostenvorschriften der §§ 91 ff. hingegen in Verfahren (Prozessen), die im Zusammenhang mit der Zwangsvollstreckung anhängig werden, bspw. für Drittwiderspruchsklagen nach § 771. Derartige Verfahren finden zwar aus Anlass der Zwangsvollstreckung statt, ihre Kosten zählen aber nicht zu den unmittelbaren Vollstreckungskosten.40 Ebenso wie bei §§ 91 ff. werden im Fall des § 788 materiell-rechtliche Kostenerstattungsansprüche nicht verdrängt.41 Derartige Ansprüche müssen durch selbständige Klage geltend gemacht werden, sie haben das Bestehen einer materiell-rechtlichen Anspruchsgrundlage zur Voraussetzung, in Betracht kommen insbesondere Ansprüche aus positiver Forderungsverletzung, aus unerlaubter Handlung und aus Verzug nach § 286 BGB. Nach dem Wortlaut, dem Sinn und Zweck und der Systematik des § 788 Abs. 2 ist dem Vollstreckungsgericht die – nach § 802 ausschließliche – Zuständigkeit für die Festsetzung der Kosten der Zwangsvollstreckung nur für die Fälle übertragen, in denen zum Zeitpunkt der Antragstellung eine Vollstreckungshandlung anhängig ist oder die Zwangsvollstreckung beendet ist. Kommt es hingegen nicht zur Zwangsvollstreckung aus dem Titel, kann nach Ansicht des BGH das Vollstreckungsgericht, dem der Gesetzgeber wegen der größeren Sachnähe die Zuständigkeit für die Kosten der von ihm zu überwachenden Zwangsvollstreckung übertragen hat,42 nicht mit der Sache befasst werden; demgemäß scheidet eine Zuständigkeit des Vollstreckungsgerichts für die Festsetzung der Avalkosten als Vorbereitungskosten der Zwangsvollstreckung von vornherein aus.43 Im Übrigen aber gilt: Die Erstattungsfähigkeit der Kosten einer Avalbürgschaft, die der Gläubiger beibringt, um die Zwangsvollstreckung aus einem vorläufig vollstreckbaren Urteil zu ermöglichen, hängt nicht davon ab, dass dem Schuldner zuvor eine vollstreckbare Ausfertigung des Titels zugestellt wurde. Vielmehr reicht es grundsätzlich aus, dass der Gläubiger im Zeitpunkt der kostenaus32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43

OLG Düsseldorf InVo 2007, 256 = IPRspr 2006, Nr. 190, 427. OLG Hamburg MDR 1964, 425; OLG Schleswig SchlHA 1972, 214; MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann6 Rdn. 8. KG NJW 1963, 661; MDR 1979, 408; Rpfleger 1981, 410; MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann6 Rdn. 8 m.w.N. BGH NJW-RR 2014, 1149; BGH NJW-RR 2004, 503; BGH Rpfleger 2010, 380. BGH Rpfleger 2010, 380. AG Villingen-Schwenningen AGS 2017, 253, 255. OLG Bremen Rpfleger 1985, 160; KG Rpfleger 1981, 318. Zöller/Stöber § 788 Rdn. 10. MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann6 § 788 Rdn. 6, 21; Zöller/Stöber Rdn. 12; OLG München MDR 1986, 946. Vgl. MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann6 § 788 Rdn. 48 ff. BT-Drucks. 13/341 S. 20. Baumbach/Lauterbach/Hartmann/Anders/Gehle/Hunke, ZPO § 788 Rdn. 1; MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann6 § 788 Rdn. 22 a.E.; Stein/Jonas/Münzberg § 788 Rdn. 5; OLG Frankfurt NJW 1953, 671, 672. Smid

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lösenden Maßnahme im Besitz einer vollstreckbaren Ausfertigung des Schuldtitels ist und der Schuldner in Kenntnis seiner unbedingten Zahlungsverpflichtung einen Zeitraum von 14 Tagen zur freiwilligen Erfüllung der titulierten Forderung hat verstreichen lassen.44 Die Festsetzung der Kosten der Zwangsvollstreckung obliegt auch dann dem Vollstreckungsgericht, wenn sich die Parteien einer Vollstreckungsgegenklage durch gerichtlichen Vergleich über die Verteilung dieser Kosten einigen.45

II. Kostenpflicht des Schuldners 1. Kosten der Zwangsvollstreckung a) Begriff. Die Verteilung der Prozess- und der Vollstreckungskosten folgt jeweils eigenständigen 14 Regeln, so hat der Schuldner die Kosten einer notwendigen Zwangsvollstreckungsmaßnahme auch dann zu tragen, wenn ihn die Kosten des Erkenntnisverfahrens (bspw. wegen § 93) nicht treffen. Der Anwendungsbereich des § 788 ist deshalb von dem der §§ 91 ff. zu unterscheiden, wobei die Abgrenzung in Teilbereichen unscharf ist, da naturgemäß auch das Erkenntnisverfahren der Durchsetzung des Anspruchs dient. Nach allgemeiner Definition gelten als Kosten im Sinne des § 788 deshalb nur solche Aufwendungen, die unmittelbar und konkret zum Zwecke der Vorbereitung und des Betriebs der Vollstreckung in engerem Sinn entstehen.46 Mit dieser Definition ist zugleich gesagt, dass nicht jede Vermögenseinbuße, die den Parteien aus Anlass der Zwangsvollstreckung entsteht, nach § 788 zu erstatten ist. Das vereinfachte Verfahren der Beitreibung ist für die Abwicklung der Routinefälle, nicht aber für die Entscheidung von Zweifelsfragen oder für die Ermittlung strittiger Sachverhalte konzipiert.47 Damit wären die Vollstreckungsorgane überfordert und zugleich würde die für die Zwangsvollstreckung elementar wichtige Schnelligkeit des Verfahrens in Frage gestellt. Dennoch hat sich die Rechtsprechung in Teilbereichen von obiger Definition gelöst und auch mittelbar anfallende Kosten in den Anwendungsbereich von § 788 einbezogen). Kosten für einen Inkassoaußendienst, die im Vorfeld der Beauftragung eines Gerichtsvollziehers entstehen, sind keine notwendigen Kosten der Zwangsvollstreckung und damit nicht erstattungsfähig;48 anders, wenn ds Inkassounternehmen Kosten der Zwangsvollstreckung geltend macht.49 Die Notwendigkeit einer Zwangsvollstreckungsmaßnahme und damit die Erstattungsfähigkeit 15 der dadurch entstehenden Kosten bestimmt sich aus der Sicht des Gläubigers nach dem Zeitpunkt, zu dem die Kosten der Vollstreckungsmaßnahme verursacht worden sind. Maßgeblich ist daher, ob der Gläubiger die Maßnahme zu diesem Zeitpunkt für erforderlich halten durfte, selbst wenn sie im Ergebnis später erfolglos geblieben ist.50 Bei der Vollstreckung aus einem Räumungsvergleich nach dem Ablauf der vereinbarten Räumungsfrist muss keine weitere Frist zur (vollständigen) Räumung gesetzt werden; die Vollstreckung ist nicht voreilig und damit notwendig.51 b) Vorbereitungskosten. Nach Abs. 1 Satz 2 gelten auch die Kosten der Ausfertigung und der 16 Zustellung des Urteils als Kosten der Zwangsvollstreckung. Diese Gesetzesformulierung zeigt, dass auch Vorbereitungskosten von § 788 umfasst sein können. Denn Für die Annahme des Beginns 44 BGH WM 2012, 2159 = NJW 2012, 3789 m. Anm. Hornung KKZ 2013, 174; Fortführung von BGH NJW-RR 2003, 1581, 1582. OLG Celle AGS 2012, 598. Stein/Jonas/Münzberg § 788 Rdn. 8. Vgl. Stein/Jonas/Münzberg § 788 Rdn. 8. AG Herzberg DGVZ 2017, 152, 153; AG Neubrandenburg DGVZ 2017, 153, 154; AG Speyer AGS 2019, 45–48. LG Darmstadt DGVZ 2017, 93, 95. LG Wiesbaden Rpfleger 2010, 382. BGH DGVZ 2019, 58, 59.

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einer Vollstreckungsmaßnahme ist es nicht erforderlich, dass bereits eine Tätigkeit mit Außenwirkung vorgenommen wurde;52 es genügt die einem konkreten Auftrag entsprechende Durchführung einer internen Prüfung, ob die Voraussetzungen einer bestimmten Zwangsvollstreckungsmaßnahme vorliegen, auch wenn die Prüfung nur einen geringen Arbeitsaufwand erfordert.53 Zu den Vorbereitungskosten zählen daher bspw. die Kosten für die Ermittlung der Anschrift des Schuldners, für eine anwaltliche Zahlungsaufforderung und für eine Vorpfändung nach § 845. Grundsätzlich sind daher die Kosten einer Vorpfändung erstattungsfähig, wenn die Vorpfändung notwendig war, um die Rechte aus der Zwangsvollstreckung, z.B. einen bestimmten Rang, zu sichern. Es ist also erforderlich, dass die Gläubigerin begründeten Anlass zur Besorgnis hat, ohne diese Vorpfändung ihre Forderung nicht realisieren zu können. Bei wiederholter Vorpfändung wirkt nur diejenige, die innerhalb der Monatsfrist liegt. Lässt der Gläubiger diese Frist verstreichen, steht im insoweit kein Kostenerstattungsanspruch zu. Die Kosten für eine Vorpfändung sind dagegen nicht erstattungsfähig, wenn dem Gläubiger von vorneherein klar war, dass eine Pfändung nicht möglich ist. Etwas anderes gilt jedoch, wenn der Gläubiger die Frist zur Beantragung eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses versäumt. In dem Fall sind die Kosten der Vorpfändung nicht erstattungsfähig, wohl aber die im Rahmen der Tätigkeit im Zusammenhang mit der tatsächlichen Pfändungsmaßnahme wie z.B. dem Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses.54 Ergeht ein Pfändungs- und Überweisungsbeschluss auch wegen der Zustellungskosten für diesen Beschluss, erstreckt sich die Pfändung daher auf die Kosten der Zustellung des Beschlusses an den Schuldner und an die im Beschluss genannten Drittschuldner.55 Aufwendungen, die erst dazu führen, dass aus dem Titel vollstreckt werden kann, bspw. für 17 die Vollstreckbarerklärung ausländischer Titel, zählen hingegen zu den Prozesskosten des jeweiligen Rechtsstreits, nicht zu denen der Zwangsvollstreckung.56 Ein Gläubiger hat das Recht auf Erteilung einer weiteren vollstreckbaren Ausfertigung, wenn gleichzeitig an mehreren Orten in verschiedene Vermögenswerte des Schuldners vollstreckt werden soll.57 Soll indessen bei demselben Amtsgericht, dessen Grundbuchamt die vollstreckbare Ausfertigung vorlag, in weitere Vermögenswerte des Schuldners vollstreckt werden sind die Kosten einer zweiten vollstreckbaren Ausfertigung eines Titels nicht als notwendige Kosten der Zwangsvollstreckung erstattbar.58 Im Verfahren auf Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Titels bestimmt sich daher die Kostenpflicht auch bei Zurückweisung oder Zurücknahme des Antrages danach, ob durch den Antrag Kosten (der Zwangsvollstreckung) notwendig entstanden sind.59 Daher ist auf die Kosten des Verfahrens zur Vollstreckbarerklärung § 788 entsprechend anzuwenden, § 8 Abs. 1 Satz 4 AVAG.60 Danach fallen die Kosten der Zwangsvollstreckung, soweit sie notwendig waren (§ 91), dem Schuldner zur Last. Äußerst strittig ist dies für die praktisch wichtige Frage, ob Kosten einer Sicherheitsleistung auf Seiten des Gläubigers oder des Schuldners unter § 788 fallen (unten Rdn. 71).

18 c) Durchführungskosten. Im Grundsatz fallen alle Kosten des Gläubigers unter § 788 Abs. 1, die aufgewandt werden müssen, um den titulierten Leistungsanspruch zwangsweise durchzusetzen. Hierzu gehören bspw. Kosten für einen Durchsuchungsbeschluss (§ 758) und für die Lagerung von Pfandsachen. Umstritten ist aber, ob auch die Kosten für einen Rechtsstreit zur Einziehung 52 53 54 55 56 57 58 59 60

LG Landshut AGS 2020, 100, 101. AG Bremen JurBüro 2019, 490, 491. LG München II AGS 2013, 539. BGH Rpfleger 2021, 663 m.Anm Sudergat WuB 2021, 463; Waldschmidt JurBüro 2021, 455, 456. OLG Frankfurt JurBüro 1981, 786; OLG Schleswig JurBüro 1988, 763; OLG Stuttgart JurBüro 1981, 285. Zöller/Stöber (wenn erwähnt, dann 30. Aufl.), § 733 Rdn. 6 m.N. LG Köln JurBüro 2008, 218 m. Anm. D. Meyer JurBüro 2008, 218f. OLG Düsseldorf InVo 2007, 256 = IPRspr 2006, Nr. 190, 427. A.A. OLG Hamm RVGreport 2012, 32: Zuständigkeit des Prozessgerichts.

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der gepfändeten Forderung bei einem Drittschuldner noch unter § 788 fallen; dies ist praktisch bedeutsam, falls die Kostenerstattungsforderung aus diesem Drittprozess wegen Zahlungsunfähigkeit des Drittschuldners nicht realisierbar sein sollte oder in dem entsprechenden Verfahren keine Kostenerstattungspflicht besteht, wie es im Arbeitsgerichtsverfahren erster Instanz der Fall ist.61 Der Gläubiger hat ein zusätzliches Interesse an einer nochmaligen vollstreckbaren Ausfertigung eines Zuschlagsbeschlusses, wenn aus dem Zuschlagsbeschluss zeitgleich wegen einer Räumung und wegen der Kosten der Räumung vollstreckt werden kann. Die Möglichkeit, einen Kostenfestsetzungsbeschluss zu beantragen, steht dem nicht entgegen.62 Unstrittig ist hingegen, dass § 788 nicht einschlägig ist für Kosten aus Verfahren, die lediglich 19 aus Anlass der Zwangsvollstreckung anfallen, bspw. für Klagen nach §§ 767 und 771. Dagegen fallen Kosten für (notwendige) Beschwerden des Gläubigers im Zwangsvollstreckungsverfahren unter § 788, während im Übrigen für Rechtsbehelfe § 97 gilt.63

d) Ende der Zwangsvollstreckung. Unter § 788 können auch noch Kosten fallen, die in Erfül- 20 lung des titulierten Anspruchs entstehen, z.B. Kosten der Grundbucheintragung infolge eines Urteils nach §§ 894, 895.64 e) Sonstige Kosten. Nicht selten entstehen dem Gläubiger vor der Zwangsvollstreckung Kosten, 21 die mittelbar den Erfolg der Vollstreckung fördern. In diese Kategorie gehören bspw. Zahlungen, mit denen Rechte Dritter an einem Pfandgegenstand abgelöst werden. Derartige Kosten fallen nicht mehr als Vorbereitungskosten der Zwangsvollstreckung unter § 788, ihre Erstattung ist aufgrund einer materiell-rechtlichen Anspruchsgrundlage im Erkenntnisverfahren zu verfolgen.65 So stellen nach zutr. Judikatur des BGH66 Aufwendungen der Gläubiger (übrige Wohnungseigentümer der Wohnanlage), deren Zweck nicht darin besteht, die Befriedigung der titulierten Forderung zu erreichen, keine von dem Schuldner zu erstattenden notwendigen Kosten der Zwangsvollstreckung dar. Der Festsetzung gem. §§ 788 Abs. 2, 103 Abs. 1 sind nur solche Kosten zugänglich, die von dem Gläubiger mit dem Ziel der Befriedigung der titulierten Forderung aufgewendet worden sind. Daran fehlt es, soweit eine 7 mit ihren Vorschusszahlungen das Ziel verfolgt, für die laufenden, nicht titulierten Wohngeldforderungen bei der Zwangsversteigerung des Wohnungseigentums die Rangklasse von § 10 Abs. 1 Nr. 1 ZVG zu erreichen.67 So verhält es sich, soweit die Verwalterin aus den Vorschüssen der Gläubiger das auf die Wohnung des Schuldners entfallende Wohngeld bezahlt hat. Die Vorschusszahlungen bedeuten auch insoweit keine notwendigen Kosten der Zwangsvollstreckung, als die Zahlungen von der Verwalterin zur Bestreitung anderer Kosten verwendet worden sind, die mit der Zwangsverwaltung des Wohnungseigentums des Schuldners verbunden sind. Lautet ein Titel auf die einzelnen Wohnungseigentümer, sind nur diese berechtigt, aus dem Titel zu vollstrecken. Die Notwendigkeit der für die Tätigkeit ihres Rechtsanwalts im Vollstreckungsverfahren entstehenden Mehrvertretungsgebühr kann daher nicht mit der Begründung verneint werden, die Gebühr wäre nicht angefallen, wenn die Wohnungseigentümergemeinschaft als teilrechtsfähiger Verband den Vollstreckungsauftrag erteilt hätte.68

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Vgl. hierzu: Stein/Jonas/Münzberg § 788 Rdn. 18. LG Schwerin ZfIR 2012, 609. Thomas/Putzo/Seiler § 788 Rdn. 31; Stein/Jonas/Münzberg § 788 Rdn. 20. OLG Koblenz Rpfleger 1977, 66. Stein/Jonas/Münzberg § 788 Rdn. 18; s.a. Rdn. 19. BGH NJW-RR 2006, 881. BGH WuM 2005, 416, 417. BGH ZIP 2010, 202=NJW 2010, 1007; BGH NJW-RR 2007, 955. Smid

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2. Notwendigkeit 22 Ebenso wie im Erkenntnisverfahren, sieht das Gesetz auch in der Zwangsvollstreckung vor, dass nur notwendige Kosten zu erstatten sind. Überflüssige oder willkürliche Belastungen des Schuldners sollen vermieden werden. Die Notwendigkeit ist in zweifacher Hinsicht zu prüfen: Zum einen, ob die Zwangsvollstreckung überhaupt erforderlich war, zum anderen, ob die einzelne Maßnahme, für die Kosten angefallen sind, notwendig war, um den Erfolg der Vollstreckung zu bewirken oder zu fördern. Daher sind z.B. die mit der Auswertung eines Vermögensverzeichnisses angefallenen Kosten als „notwendig“ anzusehen, wenn die Auswertung der Auskunft über die bloße Kenntnisnahme ihres Inhalts hinausgeht und die auf die Verwertung der erlangten Informationen gerichtete Prüfung zudem einem anderen Verfahrensziel als die ursprüngliche Vollstreckungsmaßnahme diente.69 23 Notwendig sind Aufwendungen, die der Gläubiger nach seinem Kenntnisstand bei Einleitung der Zwangsvollstreckungsmaßnahme nach objektiver Würdigung für erforderlich halten konnte, um den titulierten Anspruch durchzusetzen.70 Dabei lässt sich mit dem LG Cottbus aus dem Rechtsgedanken der Vorschriften der §§ 798, 882a sowie dem Grundsatz von Treu und Glauben die Pflicht des Gläubigers ableiten, nach Erwirkung des Schuldtitels dem Schuldner durch die Gewährung einer angemessenen Frist die Gelegenheit einzuräumen, die Zwangsvollstreckung durch freiwillige Leistung abzuwenden. In diesem Zusammenhang wird die Meinung vertreten, dass der entsprechende Zeitraum bei Geldschulden sich nach der üblichen Laufzeit der Zahlung im bargeldlosen Zahlungsverkehr bemisst71 – diese Ansicht ist durch § 675s Abs. 1 BGB obsolet geworden. Wenn der Gläubiger den Gerichtsvollzieher schon vor Ablauf dieser Frist mit der Zwangsvollstreckung beauftragt, ist die gegen den Schuldner eingeleitete Zwangsvollstreckungsmaßnahme zu diesem Zeitpunkt noch nicht erforderlich, so dass die durch diese Maßnahme verursachten Kosten keine notwendigen Kosten der Zwangsvollstreckung i.S. des § 788 sind.72 Die Rechtsanwaltsgebühr für die erfolglose Vollstreckungsandrohung ist mit der Gebühr für den nachfolgenden, sich unmittelbar anschließenden Vollstreckungsauftrag (hier: Antrag auf Abnahme der Vermögensauskunft) zu verrechnen. Grund hierfür ist, dass die Vollstreckungsandrohung als solche keine eigene, sondern lediglich eine vorbereitende Maßnahme für den tatsächlichen Vollstreckungsauftrag ist.73 Die durch eine anwaltliche Zahlungsaufforderung mit Vollstreckungsandrohung ausgelöste Vollstreckungsgebühr ist dann gemäß Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 91 erstattungsfähig, wenn der Gläubiger im Besitz einer vollstreckbaren Ausfertigung des Vollstreckungstitels ist, wenn die Fälligkeit der titulierten Forderung eingetreten ist und wenn dem Schuldner eine angemessene Frist zur freiwilligen Erfüllung der Forderung belassen war. Die anwaltliche Zahlungsaufforderung ist dann verfrüht, wenn sie zu einem Zeitpunkt erfolgt, in dem noch Verhandlungen über die Modalitäten der Zahlung zwischen dem Schuldner und dem Empfangsberechtigten geführt werden.74 24 Auf den späteren Erfolg der Maßnahme kommt es nicht an, entscheidend ist, dass die Maßnahme bei ihrer Einleitung nicht erkennbar aussichtslos war.75 Eine Ausnahme gilt insoweit für einen ersten Pfändungsversuch, da der Gläubiger diesen benötigt, um aufgrund einer sogenannten Fruchtlosigkeitsbescheinigung des Gerichtsvollziehers das Verfahren auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung beantragen zu können.76 25 Vor Einleitung der Zwangsvollstreckung ist dem Schuldner ausreichend Gelegenheit zu geben, den titulierten Anspruch zu erfüllen. (Eine Ausnahme gilt, wenn von vornherein feststeht, dass 69 70 71 72 73 74 75 76

AG Bremen JurBüro 2019, 490, 491. MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann6 § 788 Rdn. 25 m.w.N.; Noack DGVZ 1983, 17. Stein/Jonas/Münzberg § 788 Rdn. 28. LG Cottbus DGVZ 2007, 138. AG Heilbronn DGVZ 2020, 186; AG Strausberg JurBüro 2012, 443. LG Saarbrücken NJW-RR 2010, 491. OLG Hamburg NJW 1963, 1015. Stein/Jonas/Münzberg § 788 Rdn. 22.

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dieser nicht leistungsbereit oder -fähig ist.) Die Kosten einer voreiligen Zwangsvollstreckung müssen also vom Gläubiger getragen werden. Stehen mehrere, gleich effektive Vollstreckungsmaßnahmen zur Verfügung, so ist diejenige zu 26 wählen, die den Schuldner am wenigsten belastet.77 Da es auf den Kenntnisstand des Gläubigers ankommt, ist dies aber von geringer praktischer Bedeutung, nur in Ausnahmefällen wird der Gläubiger eine derartig umfassende Kenntnis von den Vermögensverhältnissen des Schuldners besitzen, dass er zwischen den einzelnen Vollstreckungsmöglichkeiten abwägen könnte. In der Regel ist es dem Gläubiger auch nicht zuzumuten, den Erfolg der Vollstreckung (Rangwahrung) zu riskieren, so dass er im Zweifelsfall von mehreren Möglichkeiten parallel Gebrauch machen kann (s.a. Rdn. 59). Nur selten praktische Bedeutung erlangt auch die Frage, ob dem Gläubiger der Ersatz von 27 Vollstreckungskosten aus Gründen der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne (Übermaßverbot) zu versagen ist. Bei der Bejahung dieser Frage ist größte Zurückhaltung geboten, weil es in der Zwangsvollstreckung um die Durchsetzung titulierter Ansprüche und damit letztlich auch um die Durchsetzung der Rechtsordnung geht. Deshalb können auch Kleinforderungen auf Kosten des Schuldners vollstreckt werden, es sei denn, besondere Umstände des Falles würden dies als bloße Schikane erscheinen lassen.78

3. Fallgruppen Ablösungszahlungen. Zahlungen zur Befreiung des Pfandgegenstandes, bspw. zur Abfindung eines Vorbehaltseigentümers, dienen nicht unmittelbar der Vollstreckung und fallen deshalb nicht unter § 788.79 Abschrift oder Ablichtung der Vermögensauskunft. Auch wenn die Erteilung der Abschrift der Vermögensauskunft letztlich vom Schuldner durch dessen Antrag veranlasst wird, kann nicht nur dieser, sondern auch und insbesondere im Fall der Vermögenslosigkeit des Schuldners der Gläubiger vom Gerichtsvollzieher in Anspruch genommen werden, weil die Kosten letztlich durch den Antrag des Gläubigers auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung veranlasst wurden und folglich ihre Ursache in der Zwangsvollstreckung des Gläubigers haben. Der Gläubiger hat grundsätzlich die Möglichkeit, die Kosten vom Schuldner nach § 788 ZPO beizutreiben. Erscheint dies wegen Vermögenslosigkeit des Schuldners als aussichtslos, gehört dies zum wirtschaftlichen Risiko des Gläubigers. Dass der Gerichtsvollzieher die durch den Antrag des vermögenslosen Schuldners veranlassten Kosten den Gläubiger in Rechnung stellt, ist somit nicht zu beanstanden.80 Antrag auf Einholung von Drittauskünften. Die Kosten des gemeinsam mit dem Antrag auf Einholung der Vermögensauskunft gemäß § 802c gestellten Antrags auf Einholung von Drittauskünften nach § 802l sind nach der Rechtsprechung des BGH81 keine notwendigen Kosten der Zwangsvollstreckung im Sinne des Abs. 1 Satz 1, § 91. Anwaltskosten. § 91 Abs. 2 Satz 2 gilt nicht, es ist deshalb zu prüfen, ob die Inanspruchnahme eines Anwalts notwendig war; angesichts der Komplexität des Vollstreckungsverfahrens ist dies aber in der Regel zu bejahen. Eine Ausnahme gilt in einfach gelagerten Fällen, wenn der Gläubiger

77 A.A. MünchKomm/K. Schmidt6 Rdn. 12 (keine notwendigen Kosten soweit durch Schadensersatzanspruch kompensiert).

78 Vgl. LG Hannover DGVZ 1991, 190; LG Wuppertal NJW 1980, 297; AG Karlsruhe NJW 1986, 2840. 79 Stein/Jonas/Münzberg § 788 Rdn. 19; MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann6 § 788 Rdn. 30; Noack DGVZ 1983, 18; a.A. Zöller/Stöber § 788 Rdn. 13; LG Aachen Rpfleger 1968, 60; s. aber LAG Düsseldorf JurBüro 1989, 1180 (Kosten der Drittwiderspruchsklage können Vollstreckungskosten im Sinne von § 788 sein; ablehnend MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann6 § 788 Rdn. 12). 80 OLG Karlsruhe DGVZ 2021, 147. 81 BGH NJW 2020, 2564. 509

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selbst die erforderliche Sachkunde besitzt, bspw. bei der Vollstreckungsabteilung eines Unternehmens oder bei einem Notar für die Beitreibung seiner Gebührenforderungen.82 32 In der Regel sind nur die Kosten eines Anwalts erstattungsfähig, Mehrkosten, die bspw. dadurch entstehen, dass der Gläubiger den Schuldner durch seinen zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten zur Zahlung auffordert, die Zwangsvollstreckung dann aber durch den erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten durchführen lässt, sind nicht erstattungsfähig.83 Die Höhe der erstattungsfähigen Kosten ergibt sich in der Regel unproblematisch aus den Vorschriften des RVG. Oft lässt sich aus dem anwendbaren Gebührentatbestand ein Indiz dafür ableiten, ob es sich um unmittelbare Zwangsvollstreckungskosten handelt, die unter § 788 fallen (vgl. z.B. Gebühren nach §§ 18 ff. RVG, Nr. 3309, 3310 RVG-VV).84 Wird der Rechtsanwalt des vollstreckenden Gläubigers bspw. zur Vermeidung einer Drittwiderspruchsklage tätig, so sind die hierfür anfallenden Gebühren nicht Kosten der Zwangsvollstreckung i.S.v. § 788.85 33 Anwaltliche Zahlungsaufforderung mit Vollstreckungsandrohung. Die durch eine anwaltliche Zahlungsaufforderung mit Vollstreckungsandrohung ausgelöste Vollstreckungsgebühr ist bereits dann gem. Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 91 ZPO erstattungsfähig, wenn der Gläubiger im Besitz einer vollstreckbaren Ausfertigung des Titels ist, die Fälligkeit der titulierten Forderung eingetreten ist und dem Schuldner eine angemessene Frist zur freiwilligen Erfüllung der Forderung zur Verfügung gestanden hat. Der Erstattungsfähigkeit der anwaltlichen Vollstreckungsgebühr steht dann nicht entgegen, dass der Rechtsanwalt nicht zuvor die Zustellung der vollstreckbaren Ausfertigung des Titels bewirkt hatte.86 Nach zustimmungswürdiger Ansicht des OLG Hamm darf ein Gläubiger, zu dessen Gunsten ein Anspruch durch ein gegen Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar erklärtes Urteil tituliert ist, eine mit einer Vollstreckungsandrohung verbundene anwaltliche Zahlungsaufforderung, die sich nicht erkennbar auf die Ankündigung nur einer Sicherungsvollstreckung beschränkt, nur dann für erforderlich halten, wenn die für den Beginn der Zwangsvollstreckung erforderliche Sicherheitsleistung nachgewiesen ist.87 34 Auskunftseinholung. Kosten für die Einholung von Auskünften aus Melde-, Gewerbe- und Handelsregistern, Schuldnerkarteien und ähnlichem fallen unter § 788, wenn andernfalls die Zwangsvollstreckung nicht hätte durchgeführt werden können.88 Bei diesen meist geringfügigen Kosten sollte nicht kleinlich geurteilt werden; so sind namentlich Bonitätsauskünfte notwendig, da auf ihrer Grundlage über die Vollstreckung entschieden wird.89 Ein strengerer Maßstab ist hingegen bei der Beurteilung der Einschaltung von Detekteien geboten,90 infolge der meist hohen Kosten ist sorgfältig zu prüfen, ob der angestrebte Erfolg nicht kostengünstiger zu erreichen war.91 Eine allgemeine Überwachung des Schuldners zum Aufspüren von Vermögenswerten zählt ohne konkrete Anhaltspunkte jedenfalls nicht zum erstattungsfähigen Aufwand des Gläubigers.92 Die Kosten der Einholung von Drittauskünften sind dabei erst dann notwendig, wenn der Schuldner die Vermögensauskunft nicht erteilt hat oder wenn er sein Vermögen offengelegt hat, aber die angegebenen Vermögenswerte voraussichtlich nicht ausreichen, um die Forderung des Gläubigers vollständig zu befriedigen.93 Gleiches gilt für Fälle, in denen ein nach § 887 Abs. 1 ermächtigter Gläubiger einen überdurchschnittlich teuren Wirtschaftsprüfer mit der Erstellung des Buchaus82 83 84 85 86 87 88 89 90 91

OLG Saarbrücken DGVZ 1989, 91; a.A. AG Essen DGVZ 1993, 77; AG Düsseldorf JurBüro 1988, 740. OLG Frankfurt JurBüro 1981, 397. Im Übrigen vgl. auch die Übersicht bei MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann6 § 788 Rdn. 30 „Anwaltskosten“. OLG Koblenz Rpfleger 1977, 66. LG Saarbrücken JurBüro 2019, 154–156. OLG Hamm AGS 2019, 539. LG Bonn, JurBüro 1990, 349. AG Frankfurt DGVZ 2021, 225, 226; LG Landshut AGS 2020, 100, 101. OLG München JurBüro 2010, 321= Rpfleger 2010, 434. LG Aachen DGVZ 1985, 114; LG Berlin JurBüro 1985, 628; 1986, 45; LG Bochum JurBüro 1988, 256; AG Bad Hersfeld DGVZ 1993, 116. 92 LG Hannover MDR 1989, 364. 93 LG Düsseldorf AGS 2019, 183. Smid

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zugs beauftragt, weil er ihm besonderes Vertrauen entgegenbringt. Dieser Gläubiger hat den Differenzbetrag zwischen den Kosten des von ihm beauftragten Wirtschaftsprüfers und denjenigen eines Wirtschaftsprüfers, den er kostengünstiger hätte beauftragen können, im Rahmen des § 788 selbst zu tragen.94 Auslandsvollstreckung. Bei Vollstreckungskosten, die dem Gläubiger im Ausland entstanden sind, ist zu unterscheiden: Handelt es sich um die Vollstreckung eines ausländischen Titels, so sind diese nicht nach § 788 erstattungsfähig, da Grundlage für die Zwangsvollstreckung im Inland nur das deutsche Vollstreckungsurteil oder die hier erteilte Vollstreckungsklausel sein kann;95 wird hingegen ein ZPO-Titel im Ausland vollstreckt (und können die Kosten dort nicht beigetrieben werden), so handelt es sich um Kosten der Zwangsvollstreckung im Sinne des § 788.96 Ebenso sind Kosten zur Erlangung der Vollstreckungsfähigkeit des Titels im Ausland, bspw. Übersetzungskosten, nach § 788 zu erstatten.97 Austauschpfändung. Die Kosten für die Beschaffung des Ersatzstückes gehören zu den Kosten der Zwangsvollstreckung (§ 811a Abs. 2 Satz 4). Drittschuldnerauskunft. Da § 788 die Kostentragungspflicht nur im Verhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner regelt, kann der Drittschuldner hieraus keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten für seine Auskunft nach § 840 herleiten.98 Drittschuldnerprozess. Umstritten war die Behandlung der Kosten eines Prozesses, den der Gläubiger führen muss, um die gepfändete Forderung einzuziehen. In drei Fällen stellt sich die Frage, ob Kosten dieses Prozesses nach § 788 vom Schuldner zu erstatten sind: erstens, der Gläubiger verliert den Prozess; zweitens, es handelt sich um ein arbeitsgerichtliches Verfahren mit begrenzter Kostenerstattungspflicht; drittens, die Kosten des Prozesses sind beim Drittschuldner nicht beitreibbar. In all diesen Fällen handelt es sich bei den Kosten des Drittschuldnerprozesses um notwendige Kosten der Zwangsvollstreckung im Sinne des § 788, sofern der Gläubiger bei Einleitung des Prozesses nach seinem Erkenntnisstand objektiv davon ausgehen konnte, dass der Prozess erfolgreich sein würde.99 Die dem Gläubiger in einem Drittschuldnerprozess entstandenen notwendigen Kosten können daher, soweit sie nicht beim Drittschuldner beigetrieben werden können, im Verfahren nach § 788 festgesetzt werden.100 Die Kosten des Drittschuldnerprozesses sind Kosten der Zwangsvollstreckung in diesem Sinne. Denn wie der BGH ausführt handelt es sich beim Drittschuldnerprozess um eine Vollstreckungsmaßnahme des Gläubigers, da er unmittelbar dazu dient, den die Forderung des Schuldners gegen den Drittschuldner betreffenden Pfändungs- und Überweisungsbeschluss zu vollziehen. Dabei werden die Interessen des Schuldners ausreichend dadurch gewahrt, dass er die Kosten des Drittschuldnerprozesses nur dann zu tragen hat, wenn dieser nicht von vornherein aussichtslos war, wenn die Kosten auch sonst notwendig waren und wenn sie beim Drittschuldner nicht beigetrieben werden konnten. Das gilt nach Ansicht des BGH101 hinsichtlich entstandener Anwaltskosten auch dann, wenn der Drittschuldnerprozess vor 94 OLG Dresden JurBüro 2020, 440. 95 Zöller/Stöber § 788 Rdn. 3a; Ilg Rpfleger 1989, 343; a.A. LG Passau Rpfleger 1989, 342; MünchKomm/K. Schmidt/ Brinkmann6 § 788 Rdn. 7. 96 OLG Düsseldorf Rpfleger 1990, 184; a.A. Hök JurBüro 1990, 1393 (Erstattung nur nach dem Recht des ausländischen Vollstreckungsorts); Zöller/Stöber § 788 Rdn. 3a. 97 LG Berlin JurBüro 1986, 1585. 98 BGH NJW 1985, 1155; BAG NJW 1985, 1181; AG Essen JurBüro 1991, 276; a.A. LG Essen JurBüro 1985, 627; AG Düsseldorf JurBüro 1985, 723; s.a. Hansens JurBüro 1987, 1764. 99 OLG Düsseldorf MDR 1990, 730; OLG Koblenz JurBüro 1991, 602; OLG Köln JurBüro 1992, 267 (Kosten der Klageandrohung); OLG Stuttgart JurBüro 1986, 1735; MünchKomm/Schmid/Brinkmann § 788 Rdn. 15; Zöller/Stöber § 788 Rdn. 13. 100 BGH Rpfleger 2010, 331 = BGH NJW 2010, 1674 im Anschluss an BGH NJW 2006, 1141 entgegen OLG München JurBüro 1990, 1355; OLG Schleswig JurBüro 1992, 500 und OLG Bamberg JurBüro 1994, 612; wie BGH OLG Düsseldorf MDR 1990, 730; OLG Koblenz JurBüro 1991, 602; OLG Köln JurBüro 1992, 267 (Kosten der Klageandrohung); OLG Stuttgart JurBüro 1986, 1735; MünchKomm/Schmid/Brinkmann § 788 Rdn. 15; Zöller/Stöber § 788 Rdn. 13. 101 BGH NJW 2006, 1141. 511

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dem Arbeitsgericht geführt wird. Auf Seiten der Gegenansicht102 wird argumentiert, es gehöre zu den Grundsätzen des Prozessrechts, dass der Kläger ein Prozess- und Betreibungsrisiko habe, dieses könne nicht dem Schuldner überbürdet werden, da ansonsten der Gläubiger praktisch ohne Risiko Prozesse gegen Drittschuldner führen würde. Diese Argumentation überzeugt nicht: Risiken im Bereich des Vollstreckungsgegenstandes liegen nach dem Veranlassungsprinzip, das § 788 zugrunde liegt, im Verantwortungsbereich des Schuldners, dieser ist ausreichend durch das Kriterium der Notwendigkeit geschützt, da nur solche Prozesse als notwendig anzusehen sind, die eine hinreichende Erfolgsaussicht bieten. Die Annahme, Gläubiger würden hierdurch dazu verleitet, leichtfertig Prozesse zu führen, ist praxisfremd. Abgesehen von den häufig auftretenden Schwierigkeiten bei der Informationsbeschaffung, wird ein Gläubiger in der Regel allein schon dadurch zur Vorsicht angehalten, dass er oft nicht weiß, ob er die Kosten des Drittschuldnerprozesses (sei es beim Drittschuldner, sei es beim Schuldner) beitreiben kann. Ebenso wenig zu überzeugen vermag das Argument, der Gläubiger sei durch Schadensersatzansprüche gegen den Drittschuldner nach § 840 Abs. 2 oder gegen den Schuldner nach § 836 Abs. 3 Satz 1 (und § 286 BGB) ausreichend geschützt. Beispielsweise in Fällen, in denen sich der Drittschuldner als zahlungsunfähig herausstellt, hat der Anspruch nach § 840 Abs. 2 für die Gläubiger keinen Wert. In der Praxis meist ebenso wertlos ist ein Anspruch aus § 836 Abs. 3 Satz 1. Abgesehen von Darlegungs- und Beweisschwierigkeiten (insbesondere zur Schadenskausalität und zum Verschuldenserfordernis) müsste der Gläubiger diesen Anspruch zunächst im Erkenntnisverfahren durchsetzen, um hieraus vorgehen zu können. Diese Schadensersatzansprüche können somit aus rechtlichen und praktischen Gründen nicht als Äquivalent für den Kostenerstattungsanspruch nach § 788 angesehen werden. Der Schuldner erleidet hierdurch keinen Rechtsnachteil; sofern dem Gläubiger ein Schadensersatzanspruch gegen den Drittschuldner nach § 840 Abs. 2 Satz 2 entstanden ist, ist er verpflichtet, diesen dem Schuldner Zug um Zug gegen Erstattung der Vollstreckungskosten abzutreten.103 Es ist zu begrüßen, dass der BGH104 nun ausdrücklich darauf erkannt hat, dass die Festsetzungsfähigkeit der durch den Drittschuldnerprozess angefallenen Kosten keinen Nachweis des Gläubigers über einen erfolglosen Vollstreckungsversuch gegenüber dem Drittschuldner erfordert; der BGH begreift seine Entscheidung als Klarstellung seiner früheren Entscheidung.105 Bejaht man die grundsätzliche Erstattbarkeit von Kosten eines Drittschuldnerprozesses nach 40 § 788, so stellt sich die weitere Frage, ob dies auch für Anwaltskosten im erstinstanzlichen Arbeitsgerichtsprozess gilt. Dies ist zu bejahen.106 Der Ausschluss der Kostenerstattung für Prozesskosten im ersten Rechtszug vor dem Arbeitsgericht nach § 12a Abs. 1 ArbGG ist sozialpolitisch motiviert, er betrifft nur das Verhältnis zwischen den Parteien des Arbeitsgerichtsprozesses. Eidesstattliche Versicherung. Zu den Kosten nach § 788 Abs. 1 gehören auch die Kosten, die 41 dem Gläubiger im Verfahren auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung entstehen. Dies gilt auch, wenn der Antrag zurückgewiesen wird, er sich aus der Sicht des Gläubigers bei Antragstellung aber als notwendige Maßnahme der Zwangsvollstreckung darstellte. Eintragung in das Schuldnerverzeichnis. Bei dem Verfahren zur Eintragung in das Schuld42 nerverzeichnis handelt es sich nicht um eine Vollstreckungsmaßnahme, sondern um ein amtliches Folgeverfahren aufgrund einer begonnenen oder durchgeführten Zwangsvollstreckungsmaßnahme. Einem Gläubiger können daher im Verfahren zur Eintragung in das Schuldnerverzeichnis, selbst bei vollständigen Obsiegens des Schuldners, keine Kosten auferlegt werden.107

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OLG München MDR 1990, 931; OLG Schleswig JurBüro 1992, 500; KG JurBüro 1977, 259. Vgl. MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann6 § 788 Rdn. 15 m.w.N. BGH NJW 2019, 1816, 1817. BGH NJW 2006, 1141. KG MDR 1989, 745; OLG Karlsruhe MDR 1994, 95; OLG Düsseldorf MDR 1990, 730; OLG Koblenz JurBüro 1991, 602; LG Oldenburg JurBüro 1991, 727; a.A. LAG Baden-Württemberg, Rpfleger 1986, 28. 107 LG Stuttgart Rpfleger 2020, 417, 418. Smid

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Erbschein. Kosten für die Beschaffung eines Erbscheins oder der sonstigen zur Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung erforderlichen Urkunden (§§ 726, 727) sind als Kosten der Ausfertigung nach § 788 Satz 2 erstattungsfähig. Ersatzvornahme. Die hierdurch entstehenden Kosten sind erstattungsfähig.108 Gerichtsvollzieher. Die Kosten nach dem GVKostG sind erstattungsfähig, sofern die entsprechende Zwangsvollstreckungsmaßnahme notwendig und die Sachbehandlung des Gerichtsvollziehers ordnungsgemäß war. Bei der Zwangsvollstreckung ist auch die gewaltsame Öffnung einer Wohnungstür erlaubt (§ 758 Abs. 2 ZPO), selbst wenn es dabei zu Beschädigungen an Türblatt, Türzarge und Türzylinder kommt. Für entstandene Schäden am Eigentum unbeteiligter Dritter (hier: Wohnungseigentümer und Vermieter), haftet zunächst der Staat unmittelbar gemäß § 839 BGB, Art. 34 GG. Der Staat kann gegebenenfalls Regress beim Schuldner nehmen. Der Schadensersatzanspruch des Staates richtet sich nach materiellem Recht. Die Inanspruchnahme des Gläubigers als Auftraggeber der Zwangsvollstreckung auf Schadensersatz kommt nicht in Betracht. Dies ist auch sachgerecht, da dem Gläubiger sonst ein für ihn nicht zu überblickendes Kostenrisiko aufgebürdet würde.109 Gläubiger. Sofern in besonderen Fällen die Anwesenheit des Gläubigers bei der Zwangsvollstreckung erforderlich ist, sind die hierdurch entstehenden Kosten erstattungsfähig. Grundbuch. Kosten für die Einsicht in das Grundbuch oder für die Einholung eines Grundbuchauszuges sind erstattungsfähig, sofern sie der Vorbereitung der Zwangsvollstreckung dienen. Dies gilt auch, wenn es später nicht zu einer Liegenschaftsvollstreckung kommt.110 Die Kosten für die Eintragung einer Sicherungshypothek sind erstattungsfähig. Gleiches gilt für Kosten der Grundbucheintragung nach Erlass eines Urteils gem. § 895 oder nach Erlass einer einstweiligen Verfügung.111 Hier dient die Grundbucheintragung der Durchsetzung des Titels, der ohne die darauffolgende Eintragung sinnlos wäre. (Zu Löschungskosten des Schuldners s.u. Rdn. 56). Die Kosten für die Eintragung eines Widerspruchs im Grundbuch gehören nach alledem nicht zu den Kosten des Rechtsstreits i.S. von § 91 und können nicht durch das Prozessgericht festgesetzt werden. Vielmehr gehören die Kosten der im Parteibetrieb erfolgten Zustellung einer einstweiligen Verfügung, die auf die Eintragung eines Widerspruchs im Grundbuch gerichtet ist, zu den Vollstreckungskosten gem. § 788 Abs. 1 Satz 2 und können daher nur durch das Vollstreckungsgericht festgesetzt werden.112 Gutachten. Benötigt der Gläubiger im Zwangsvollstreckungsverfahren ein Gutachten zum Nachweis, dass die Zug um Zug zu erbringende Gegenleistung erbracht wurde, so sind die hierfür anfallenden Kosten erstattungsfähig.113 Haftungsbeschränkung. Soweit die Zwangsvollstreckung nur beschränkt zulässig ist, können auch die Vollstreckungskosten nur aus dem haftenden Vermögen (bspw. einem Nachlass gem. § 778 Abs. 1) beigetrieben werden.114 Allerdings kann der Anspruchsgegner nach materiellem Recht schadensersatzpflichtig sein (§ 286 Abs. 1 BGB) und hierfür unbeschränkt mit seinem eigenen Vermögen haften. Denn § 788 schließt es nicht aus, dass der Gläubiger die Kosten der Zwangs-

108 KG JurBüro 1993, 747; OLG Düsseldorf MDR 1984, 323; OLG München JurBüro 1992, 270; OLG Nürnberg Rpfleger 1989, 91; 1993, 85; OLG Schleswig JurBüro 1989, 1466. 109 AG Aalen DGVZ 2022, 113, 114. 110 OLG Karlsruhe JW 1930, 729; s.a. LG Tübingen RBeistand 1987, 146. 111 KG JurBüro 1991, 1412; OLG Düsseldorf MDR 1985, 770; a.A. (für die Kosten von Widerspruch oder Vormerkung) OLG Köln JurBüro 1987, 763; OLG München MDR 1974, 939; OLG Celle NJW 1968, 2246; MünchKomm/K. Schmidt/ Brinkmann6 § 788 Rdn. 20 (die Kosten für eine Grundbucheintragung nach Erlass des Urteils gem. § 895 fallen gerade nicht unter § 788); Stein/Jonas/Münzberg § 788 Rdn. 16 (verneint die Erstattungsfähigkeit bei § 895, bejaht sie jedoch ausdrücklich für die einstweilige Verfügung). 112 OLG Celle NJW-RR 2009, 575. 113 OLG Zweibrücken JurBüro 1986, 467; a.A. (Gutachten ist vom Gerichtsvollzieher bei Notwendigkeit in eigener Zuständigkeit einzuholen) OLG Köln MDR 1986, 1033. 114 Stein/Jonas/Münzberg § 788 Rdn. 7. 513

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vollstreckung gegen den Zwangsvollstreckungsschuldner als nach materiellem Recht geschuldeten Schadenersatz mit der Leistungsklage ordentlichen Prozess geltend macht.115 Hebegebühr. Die Gebühr des Rechtsanwalts nach § 22 BRAGO a.F. (heute Nr. 1009 RVG-VV) galt als notwendiger Kostenfaktor in der Zwangsvollstreckung als erstattungsfähig, wenn der Zahlungsfluss über den Rechtsanwalt zu Berechnungs- und Überprüfungszwecken sachdienlich war, was bei der Einziehung von Geldbeträgen über den Gerichtsvollzieher regelmäßig der Fall war.116 Bei Zahlungen des Schuldners bejaht die Gerichtspraxis die Erstattungsfähigkeit meist nur, wenn der Schuldner ohne Aufforderung an den Anwalt des Gläubigers (statt an diesen direkt) gezahlt hat. Heute gilt die Hebegebühr nach Nr. 1009 RVG-VV als erstattbar, soweit die Einschaltung des Rechtsanwaltes notwendig war,117 wobei hier eine strenge Prüfung notwendig ist.118 Herausgabevollstreckung. Kosten für den Transport der herauszugebenden Sache sind nach § 788 nur erstattungsfähig, sofern sich eine entsprechende Verpflichtung des Schuldners aus dem Titel ergibt.119 Ein Rechtsanwalt, der rechtskräftig zur Herausgabe seiner Handakten verurteilt wurde, ist verpflichtet diese ohne weitere Veranlassung an seinen früheren Mandanten bzw. dessen Bevollmächtigten zu versenden. Das Bereithalten der Akten zur Abholung in seinem Büro reicht nicht aus. Der Rechtsanwalt hat daher die Kosten einer nach angemessener Frist ausgesprochenen Androhung der Zwangsvollstreckung zur Herausgabe der Handakten zu erstatten.120 Inkassobüro. Wenn der Gläubiger ein Inkassobüro zur Beitreibung der Forderung einschaltet, sind dessen Kosten bis zur Höhe der entsprechenden Anwaltskosten (nach dem RVG) zu erstatten.121 Stellt sich allerdings später heraus, dass noch zusätzlich die Einschaltung eines Anwalts erforderlich wird, so treffen die entsprechenden Gebühren den Gläubiger, da es seine freiwillige, wirtschaftliche Entscheidung war, zunächst ein Inkassobüro einzuschalten, kann er die Anwaltsgebühren nicht zusätzlich vom Schuldner verlangen.122 Bei den Kosten der Führung eines Kontos bei der von der Gläubigerin beauftragten Inkassofirma handelt es sich nicht um im Rahmen der Vollstreckung gemäß § 788 mit beizutreibende Kosten der Vollstreckung, die naturgemäß bei Erlass eines Titels nach Grund und Höhe nicht feststehen und deshalb weder beziffert noch unbeziffert im Mahnantrag/Vollstreckungsbescheid auftauchen.123 Einem nach § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 RDG registrierten Inkassodienstleister entsteht auch dann ein Kostenerstattungsanspruch nach § 4 Abs. 4 RDGEG i.d.F. vom 12. Mai 2017, wenn er selbst Inhaber der beigetriebenen Forderung ist.124 Insolvenzantrag. Dieser eröffnet ein eigenständiges Verfahren, die Kosten für den Antrag zählen nicht zu den erstattungsfähigen Kosten der (Einzel-)Zwangsvollstreckung.125

115 Stein/Jonas/Münzberg § 788 Rdn. 8 a.E. 116 Seinerzeit zu § 22 BRAGO: LG Koblenz JurBüro 1984, 870; LG Frankenthal JurBüro 1979, 1326; enger OLG Frankfurt MDR 1981, 856 (nur in Sonderfällen notwendig); LG Freiburg NJW 1972, 1332; KG JurBüro 1981, 1349 (Erstattungsfähigkeit bejaht, wenn sich Schuldner in gerichtlichem Vergleich zur Zahlung zu Händen des gegnerischen Prozessbevollmächtigten verpflichtet hat). 117 LG München DGVZ 2007, 43; Baumbach/Lauterbach/Hartmann/Anders/Gehle/Hunke § 788 Rdn. 35 „Rechtsanwalt – Hebegebühr“ m.w.N.; a.A. LG Detmold Rpfleger 2003, 36; LG Lübeck DGVZ 1974, 40; vgl. auch MünchKomm/K. Schmidt/ Brinkmann6 § 788 Rdn. 30 „Anwaltskosten/Hebegebühr“ m.w.N. 118 Baumbach/Lauterbach/Hartmann/Anders/Gehle/Hunke, § 788 Rdn. 35 „Rechtsanwalt – Hebegebühr“ a.E. m.w.N. 119 OLG Koblenz JurBüro 1990, 657; OLG Schleswig SchlHA 1979, 164; OLG Stuttgart JurBüro 1981, 943. 120 LG Mannheim NJW-RR 2013, 576. 121 LG Hamburg JurBüro 1990, 1291; LG Landau DGVZ 1988, 28; LG Nürnberg-Fürth JurBüro 1987, 1258; LG Mosbach Rpfleger 1984, 199; LG Oldenburg Büro 2007, 500; Thomas/Putzo/Seiler § 788 Rdn. 20; abweichend (eigene, angemessene Gebührensätze zulässig) LG Münster JurBüro 1991, 1215; LG Bad Kreuznach RBeistand 1985, 200. 122 LG Landau DGVZ 1988, 28; LG Lübeck Rechtsbeistand 1985, 201; AG Ibbenbühren DGVZ 1988, 78; a.A. LG Wiesbaden JurBüro 1989, 652. 123 LG Kiel DGVZ 2011, 132 = SchlHA 2011, 202. 124 AG Duderstadt DGVZ 2021, 226, 227. 125 LG Berlin MDR 1983, 587. Smid

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Lagerkosten. Aufwendungen für die Erhaltung und Lagerung von Pfandgegenständen sind erstattungsfähig.126 Löschungskosten. Nicht mehr zu den Kosten der Zwangsvollstreckung gehören die Kosten für die Löschung einer Arrest- oder Zwangshypothek.127 Ebenso nicht zu den Kosten im Sinne des § 788 gehören die Kosten für die Löschung eines aufgrund einer einstweiligen Verfügung in das Grundbuch eingetragenen Widerspruchs.128 Mehrere Schuldner. Die Kostentragungspflicht für Prozess- und Zwangsvollstreckung folgt jeweils eigenen Regeln, § 100 findet für die Zwangsvollstreckung keine Anwendung. Für die Einzelvollstreckung haftet nur der Schuldner, gegen den vollstreckt wird, andere Gesamtschuldner haften hierfür nicht.129 Wird jedoch gegen mehrere Schuldner gemeinsam vollstreckt (Pfändung einer gemeinschaftlich zustehenden Forderung oder Sache) so fallen den Schuldnern die Kosten gesamtverbindlich (und nicht nur nach Kopfteilen) zur Last.130 Gleiches gilt bei einer einheitlichen Vollstreckungshandlung gegen mehrere Schuldner (Räumungsvollstreckung);131 sofern aber ein Schuldner dem Urteil freiwillig nachgekommen war, so hat er die Zwangsvollstreckung nicht veranlasst und haftet deshalb nicht mit.132 Der Vollstreckungsschuldner haftet für die notwendigen Kosten der Zwangsvollstreckungsmaßnahmen, wenn der gesamtschuldnerisch haftende Antragsteller nach § 2 Abs. 5 GKG kostenbefreit ist.133 Nach den Umständen des Einzelfalls beurteilt sich die Frage, ob ein gleichzeitiges Vorgehen des Gläubigers gegen mehrere Gesamtschuldner notwendig war und die entsprechenden Kosten deshalb nach § 788 zu erstatten sind. Bestehen an der Solvenz und Zahlungswilligkeit eines der Gesamtschuldner keine vernünftigen Zweifel (Kfz-Haftpflichtversicherung), so sind die Mehrkosten für eine parallele Zahlungsaufforderung an einen anderen Gesamtschuldner nicht erstattungsfähig. In anderen Fällen ist es dem Gläubiger jedoch nicht verwehrt, parallel vorzugehen, um schnell und wirksam zu seinem Recht zu gelangen, die Schuldner haben es in der Hand, durch rechtzeitige Leistung dem Anfall von Kosten vorzubeugen.134 Soweit mehrere Schuldner als Gesamtschuldner verurteilt worden sind, haften sie gemäß § 788 Abs. 1 S. 3 auch für die Kosten der Zwangsvollstreckung als Gesamtschuldner und zwar auch, wenn einer von zwei Mietern schon vor Beginn der Zwangsräumung aus der Wohnung ausgezogen ist, da bei der gesamtschuldnerischen Haftung jeder der Schuldner gemäß § 421 S. 1 BGB zur Bewirkung der ganzen Leistung verpflichtet ist.135 Jedoch findet das Vorgehen des Gläubigers aber auch insoweit seine Grenze im Grundsatz von Treu und Glauben, bspw. wenn ohne Not gegen 20 Gesamtschuldner gleichzeitig vollstreckt wird.136 Mehrere Vollstreckungsmaßnahmen. Ob mehrere Vollstreckungsmaßnahmen, die zeitgleich eingeleitet werden, erforderlich sind, beurteilt sich nach den Umständen des Einzelfalls. Grundsätzlich ist dies dem Gläubiger nicht verwehrt, um so den Erfolg der Zwangsvollstreckung (insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Rangwahrung) sicherzustellen. Anderes gilt in dem

126 OLG Kiel OLG Rspr. 1929, 198. 127 OLG Düsseldorf JurBüro 1993, 674; OLG Frankfurt JurBüro 1981, 786; OLG München JurBüro 1989, 975; LG Berlin JurBüro 1988, 1419; a.A. OLG Oldenburg Rpfleger 1983, 329. 128 OLG Frankfurt JurBüro 1981, 786; OLG Schleswig JurBüro 1988, 763; OLG Stuttgart JurBüro 1981, 285. 129 OLG Köln MDR 1977, 850; OLG München NJW 1974, 957; LG Kassel JurBüro 1985, 1271; LG Lübeck DGVZ 1991, 156; a.A. LG Hamburg MDR 1969, 583; LG Mannheim NJW 1971, 1320. 130 Zöller/Stöber § 788 Rdn. 10; a.A. OLG München NJW 1974, 957; vgl. Stein/Jonas/Münzberg § 788 Rdn. 6; vgl. MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann6 § 788 Rdn. 24. 131 LG Koblenz DGVZ 2006, 71; LG Mannheim NJW 1971, 1320. 132 LG Stuttgart Rpfleger 1993, 38; LG Berlin DGVZ 1983, 183. 133 LG Osnabrück JurBüro 2012, 319. 134 OLG Düsseldorf MDR 1983, 764 (gleichzeitige Zahlungsaufforderung durch Prozessbevollmächtigten an Gesamtschuldner). 135 LG Frankfurt Rpfleger 2016, 61. 136 LG Lübeck DGVZ 1986, 119. 515

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(seltenen) Fall, dass sich von vornherein absehen lässt, dass bereits eine Maßnahme genügt.137 Ebenfalls nicht erstattungsfähig sind Mehrkosten, die durch eine unnötige Trennung von Vollstreckungsaufträgen anfallen,138 bspw. in dem Fall, dass der Gläubiger gegen denselben Drittschuldner mehrere Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse aufgrund verschiedener Titel (Urteil und Kostenfestsetzungsbeschluss) erwirkt oder er mehrere Forderungen des Schuldners ohne sachliche Notwendigkeit getrennt pfändet. (Allerdings ist vorab zu prüfen, ob hierfür nach dem RGV auch tatsächlich getrennt Gebühren anfallen.) Auch die Kosten für „Verdachtspfändungen“, die der Gläubiger gegenüber mehreren Banken unternimmt, sind nicht erstattungsfähig, sofern es keine konkreten Anhaltspunkte dafür gibt, dass der Schuldner dort Guthaben haben könnte.139 Denn nach dem Vollstreckungssystem der ZPO ist der Gläubiger darauf verwiesen, zunächst durch Einholung einer eidesstattlichen Versicherung Klarheit über die Vermögensverhältnisse des Schuldners zu schaffen. Mehrkosten für die Verbindung eines erneuten Pfändungsauftrages mit einem Verhaftungsauftrag sind dabei nur erstattungsfähig, wenn konkrete Erfolgsaussichten für die Pfändung bestanden.140 Auch die Frage, ab wann ein erneuter Vollstreckungsauftrag (nach vorhergegangenem erfolglosen Vollstreckungsversuch) notwendig im Sinne des § 788 ist, lässt sich nur anhand der Umstände des Einzelfalls beurteilen. Mit einer groben Faustregel ist davon auszugehen, dass ein erneuter Vollstreckungsversuch vor Ablauf von sechs Monaten nur erstattungsfähig ist, wenn es konkrete Anhaltspunkte dafür gibt, dass pfändbares Vermögen vorhanden ist oder hinzuerworben wurde.141 Mehrwertsteuer. Die in den Vollstreckungskosten enthaltene Mehrwertsteuer ist nicht erstattungsfähig, wenn der Gläubiger zum Vorsteuerabzug berechtigt ist.142 Räumungsvollstreckung. Nach dem Ablauf der in einem Räumungsvergleich vereinbarten Räumungsfrist muss der Schuldner bei Nicht- oder nicht vollständiger Erfüllung mit der Vollstreckung durch den Gläubiger rechnen; einer weiteren Fristsetzung bedarf es für die Vollstreckung nicht, die daher notwendig i.S.v. Abs. 1 ist.143 Offenlegung der Lohnabtretung. Kosten für die Offenlegung einer Lohnabtretung sind keine Kosten der Zwangsvollstreckung im Sinne von Abs. 1.144 Ratenzahlungsvergleich. Nach herrschender Meinung können die Kosten eines im Zwangsvollstreckungsverfahren abgeschlossenen Vergleichs als „Kosten der Zwangsvollstreckung“ im Sinne von § 788 erstattungsfähig sein, da der Vergleichsabschluss ebenfalls der Durchsetzung des titulierten Anspruchs dient.145 Voraussetzung ist, dass im Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses die Zwangsvollstreckungsvoraussetzungen vorlagen.146 Aus Gründen der Praktikabilität ist dieser Ansicht zu folgen, jedoch sind die Kosten des Vergleichs nur dann als „notwendige“ Kosten der Zwangsvollstreckung erstattungsfähig, wenn der Schuldner die Kosten im Vergleich ausdrücklich übernommen hat.147 Ansonsten gilt der Rechtsgedanke des § 98 Satz 1. Da § 98 auch für einen Vergleich im Zwangsvollstreckungsverfahren gilt, sind die durch den Vergleich bedingten 137 138 139 140 141

OLG Frankfurt AnwBl. 1971, 209. OLG Düsseldorf JurBüro 1994, 351; LG Aschaffenburg Rpfleger 1974, 204; LG Kempten JurBüro 1990, 1050. AG Hochheim DGVZ 1993, 31. LG Aachen DGVZ 1988, 41; AG Frankfurt DGVZ 1991, 30; AG Oberkirch DGVZ 1991, 29. Vgl. OLG Karlsruhe JurBüro 1990, 260; AG Darmstadt JurBüro 1985, 787; s.a. Krauthausen DGVZ 1988, 163; LG Oldenburg DGVZ 1991, 41. 142 AG Obernburg DGVZ 1994, 77. 143 BGH DGVZ 2019, 58, 59. 144 LG Bremen JurBüro 2022, 28 m.Anm. Hansens AGS 2022, 131, 132. 145 KG MDR 1981, 1029; OLG Zweibrücken JurBüro 1992, 429; a.A. OLG Frankfurt MDR 1973, 860; LG Siegen DGVZ 1991, 28; LG Essen DGVZ 1993, 56; AG Rastatt JurBüro 1991, 1272; AG Osterode DGVZ 2021, 178, 179 m.Anm. Mock AGS 2021, 362, 364. 146 OLG Bremen JurBüro 1986, 1203. 147 KG MDR 1981, 1029; OLG Düsseldorf Rpfleger 1994, 264; LG München I MDR 1989, 169; LG Osnabrück DGVZ 1992, 121. Smid

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Mehrkosten des Gläubigers bei Notwendigkeit nur nach § 788 Abs. 1 beitreibbar und auch nur festsetzbar, wenn der Schuldner sie ausdrücklich übernommen hat.148 Im Übrigen ist eine Kostenfestsetzung nach § 788 ist nicht zulässig, soweit auf einen von den Parteien geschlossenen Vollstreckungsvergleich § 98 Satz 1 anzuwenden ist. Mangels einer abweichenden Vereinbarung sind daher die Kosten des Vergleichs als gegeneinander aufgehoben anzusehen.149 Die Rechtsanwaltsgebühr für einen Teilzahlungsvergleich, dessen Kosten der Schuldner übernommen hat, sind nicht notwendige Kosten i.S.v. § 788 Abs. 1, wenn die vereinbarten monatlichen Raten des erkennbar mittellosen Schuldners nicht einmal die laufenden Zinsen der bereits titulierten Forderungen abdecken. Denn auch nach Jahren der Zahlung könnte damit nicht mehr erreicht werden, als die ständige Erhöhung der Gesamtforderung durch die fortlaufenden Zinsen zu mildern, § 367 Abs. 1 BGB. In dieser Situation widerspricht es jeder vernünftigen Würdigung der Sachlage aus der maßgeblichen Sicht der Gläubigerin, zur unmittelbaren Durchsetzung und Befriedigung der eigenen titulierten Forderung weitere Kosten zu verursachen, die dazu führen, dass der Schuldner zuerst unverhältnismäßig lange auf diese Kosten zahlen muss, bevor die Gläubigerin selbst die erste kleine Rate auf ihre titulierte Forderung erwarten darf.150 Weitere, strittige Fragen waren in der Vergangenheit, ob durch den Vergleich eine Vergleichs- 65 gebühr nach § 23 BRAGO aF ausgelöst wird und ob diese als notwendig anzuerkennen sei. (Auch insofern war den Parteien dringend anzuraten, eine ausdrückliche Regelung der Kostenfrage in den Vergleich aufzunehmen.) Überwiegend forderte die Rechtsprechung, Voraussetzung für einen Vergleich i.S.v. § 779 BGB (und damit für den Anfall der Vergleichsgebühr) sei, dass der Gläubiger einen konkreten Vorteil erhält, bspw. durch Bestellung weiterer Sicherheiten (Gehalts- oder Forderungsabtretung).151 Hingegen genügte es nach herrschender Ansicht für die Annahme eines Vergleichs nicht, wenn der Schuldner die Kosten des Ratenzahlungsvergleichs übernahm,152 er die Zahlung höherer Zinsen versprach153 oder er auf Rechtsbehelfe verzichtete.154 Teilweise wurde auch argumentiert, die Abtretung von Forderungen im Ratenzahlungsvergleich genüge ebenfalls nicht, da der Gläubiger dies auch durch Zwangsvollstreckung erreichen könne.155 Derartige Unterscheidungen waren entgegen der ganz herrschenden Ansicht abzulehnen. Würde man argumentieren, ein Vergleich läge immer nur dann vor, wenn eine Partei darin etwas gewähren würde, worauf die andere keinen Anspruch hat, so wären die meisten derartigen Vereinbarungen kein Vergleich im Rechtssinne. Im Ratenzahlungsvergleich verpflichtet sich der Gläubiger, unter bestimmten Voraussetzungen von der unmittelbaren Realisierung seines Anspruchs abzusehen. Auch wenn die Realisierung faktisch nicht möglich sein mag (was man nie so genau weiß), so liegt in dieser Verpflichtung des Gläubigers ein Nachgeben im Sinne von § 779 BGB. Umgekehrt besteht auf Seiten des Schuldners ein Nachgeben im Rechtssinn regelmäßig darin, dass er in der Teilzahlungsvereinbarung bestimmte Pflichten übernimmt, mag deren faktischer Wert zweifelhaft sein.156 Heute sind sämtliche Bedenken hierzu überflüssig, da an Stelle der einstigen Vergleichsge-

148 BGH NJW 2006, 1598; BGH NJW 2007, 1213; OLG Braunschweig DGVZ 2006, 113; LG Wuppertal DGVZ 2008, 185; LG Köln ZVI 2006, 23; LG Göttingen JurBüro 2005, 323; AG Gummersbach AGS 2018, 103, 104. 149 BGH NJW 2007, 1213. 150 LG Berlin DGVZ 2007, 28 m. Anm. Kohte VuR 2007, 194. 151 KG MDR 1981, 1029; OLG Köln NJW 1976, 975; LG Fulda JurBüro 1984, 225; LG Osnabrück DGVZ 1992, 121; LG Ravensburg JurBüro 1990, 96. 152 OLG Celle Nds.Rpfl 1985, 204. 153 KG MDR 1981, 1029. 154 AG Aachen DGVZ 1987, 62. 155 LG Duisburg JurBüro 1992, 538. 156 Das LG Bonn DGVZ 2006, 29 meint, bei den anwaltlichen Kosten einer Ratenzahlungsvereinbarung (Einigungsgebühr und Auslagenpauschale sowie Mehrwertsteuer) im Zwangsvollstreckungsverfahren handele es sich nicht um notwendige Kosten der Zwangsvollstreckung. Sie könnten daher nicht untituliert bei dem Schuldner beigetrieben werden. So auch LG Kiel SchlHA 2006, 93. 517

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bühr nach § 23 BRAGO a.F. nun die Einigungsgebühr Nr. 1000 RVG-VV getreten ist und nunmehr ein gegenseitiges Nachgeben i.S.v. § 779 BGB nicht mehr zwingend erforderlich ist.157 66 Die Frage, ob die Zuziehung eines Anwalts beim Abschluss des Ratenzahlungsvergleiches notwendig im Sinne von § 788 war, ist in der Regel zu bejahen, da der Gläubiger nur bei Hinzuziehung eines Anwalts sichergehen kann, dass er die Tragweite des Vergleichs richtig abschätzt und dass der Vergleich sachgerecht formuliert wird.158 (Gerade die angesprochenen Streitigkeiten zur Regelung der Kostenfrage zeigen, welche Tücken hier lauern.) Eine Ausnahme gilt, wenn der Gläubiger im Einzelfall geschäftserfahren genug ist, um den Vergleich selbst abzuschließen, was bspw. bei einer Bank oder einem Großunternehmen in der Regel der Fall sein wird.159 Räumungsvollstreckung. Die Kosten für das Öffnen der Wohnung, für Abtransport und La67 gerung des Räumungsgutes sind erstattungsfähig.160 Fraglich ist, ob auch Kosten erstattungsfähig sind, die dadurch entstehen, dass der Gläubiger den Räumungsauftrag bereits vor Ablauf der Räumungsfrist erteilt hat. Angesichts der Tatsache, dass in der Regel zwischen Erteilung des Vollstreckungsauftrags und Räumung mehrere Wochen liegen, ist der Vermieter hierzu faktisch gezwungen. Da es dem Mieter aber freisteht, die bestehende Räumungsfrist auszunutzen, handelt der Gläubiger hierbei auf eigenes Risiko, sofern der Mieter rechtzeitig auszieht und die Räumung dadurch überflüssig wird. In diesem Fall sind die bereits angefallenen Kosten (Anwaltskosten, Ausfallbetrag für Spediteur, Gerichtsvollziehergebühren) nur erstattungsfähig, falls der Gläubiger nach dem Verhalten des Schuldners annehmen konnte, dass dieser nicht freiwillig ausziehen würde.161 Ein auf Räumung lautender Titel kann daher für die Kosten der Zwangsvollstreckung (Räumung) ohne besondere Festsetzung geeignete Grundlage für die Eintragung einer Zwangshypothek bilden.162 Sequestration. Sequestrationskosten fallen unter § 788. Diese Frage ist allerdings umstrit68 ten.163 Dem steht, wie der BGH164 überzeugend ausgeführt hat, nicht entgegen, dass die Sequestration auf einem privatrechtlichen Vertrag mit dem Sequester beruht und der Sequester kein Vollstreckungsorgan im Sinne der Zivilprozessordnung ist. Denn die Erstattung der Kosten der Rechtsverfolgung ist nicht von der Natur des Rechtsverhältnisses abhängig, von dem die Kosten herrühren. Für die Festsetzung der Kosten der Sequestration im Kostenfestsetzungsverfahren nach §§ 103, 104 sprechen zudem Gründe der Prozesswirtschaftlichkeit, weil in dem die Sequestration anordnenden Verfahren regelmäßig eine Kostengrundentscheidung ergangen ist. Nach Gegenansicht sind Sequestrationskosten und die auf einem vom Sequester geschlossenen Vertrag beruhenden Lagerkosten keine Kosten der Zwangsvollstreckung, die nach § 788 i.V.m. §§ 103 ff. festgesetzt werden könnten.165 Hierzu wird argumentiert, die Kosten für die Verwahrung und Verwaltung der sequestrierten Sache dienten nur mittelbar der Vollstreckung, nicht aber unmittelbar der Durchsetzung des Titels. Teilweise wird auch zwischen Transportkosten (Abtransport in die Pfandkammer) und Lager- und Verwaltungskosten differenziert.

157 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann6 § 788 Rdn. 18 m.w.N. 158 Im Ergebnis ebenso Zöller/Stöber § 788 Rdn. 7; Baumbach/Lauterbach/Hartmann/Anders/Gehle/Hunke § 788 Rdn. 46; OLG Zweibrücken JurBüro 1992, 429; a.A. OLG Frankfurt MDR 1973, 860; vgl. MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 788 Rdn. 18. 159 OLG Stuttgart Justiz 1994, 240. 160 OLG Karlsruhe DGVZ 1992, 93 (Kosten der Schadensbeseitigung nach gewaltsamer Öffnung); s.a. Brosette NJW 1989, 963. 161 Großzügiger LG Ulm DWW 1990, 365. 162 OLG München Rpfleger 2014, 77. 163 Dafür KG MDR 1982, 237; OLG Karlsruhe Rpfleger 1981, 157; JurBüro 1993, 495; OLG Düsseldorf JurBüro 1989, 550; a.A. OLG Hamburg MDR 1993, 1023; OLG Koblenz Rpfleger 1991, 523; OLG Schleswig SchlHA 1993, 124; LG Berlin DGVZ 1977, 156. 164 BGH NJW 2006, 3010; BGH DGVZ 2008, 77. 165 OLG Brandenburg Rpfleger 2006, 101 Anschluss OLG Hamm JurBüro 1997, 160; OLG Schleswig JurBüro 1996, 89 und OLG Koblenz JurBüro 1991, 1560; entgegen OLG Düsseldorf AnwBl 1989, 239 und OLG Karlsruhe Rpfleger 1981, 157. Smid

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Selbständiges Beweisverfahren. Die Kosten der Hinzuziehung eines Gerichtsvollziehers zum Begutachtungstermin m Rahmen eines selbständigen Beweisverfahrens sind regelmäßig notwendige Kosten der Zwangsvollstreckung nach Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 einer zur Erzwingung der Besichtigung ergangenen Duldungsverfügung.166 Dagegen sind die Kosten, die durch die Teilnahme von anwaltlichen Vertretern des Gläubigers am Begutachtungstermin entstehen, nicht als Kosten der Zwangsvollstreckung einer solchen Duldungsverfügung zu qualifizieren. Vielmehr sind sie als Kosten des Beweisverfahrens im Wege eines materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruchs oder im Rahmen der Kostenerstattung des nachfolgenden Hauptsacheprozesses geltend zu machen.167 Sicherungshypothek. S.o. Rdn. 47. Sicherheitsleistung. Im Gegensatz zur früher herrschenden Rechtsprechung168 werden Kosten für die Beschaffung und Stellung einer Sicherheit zur Vollstreckung aus einem vorläufig vollstreckbaren Urteil heute überwiegend als Vollstreckungskosten im Sinne von § 788 angesehen.169 Da die Sicherheitsleistung Voraussetzung für die Vollstreckungsfähigkeit des Titels ist, begegnet diese Rechtsprechung dogmatischen Bedenken,170 ist aber im Ergebnis aus Gründen der Praktikabilität und aufgrund des Veranlassungsprinzips zu befürworten. Bei der Notwendigkeit der einzelnen Kostenpositionen wird differenziert, für die praktisch wichtigste Kostenart, die Avalprovision für eine Bankbürgschaft, wird die Erstattungsfähigkeit bejaht.171 Verneint wurde eine Erstattungsfähigkeit im Einzelfall aber z.B. hinsichtlich des durch die Hinterlegung von Geld entstehenden Zinsverlustes,172 für Anwaltskosten zur Hinterlegung oder zur Bürgschaftsbeschaffung173 und für ungewöhnliche Mehrkosten bei der Sicherheitsstellung, bspw. den Kosten der Rückbürgschaft für eine ausländische Partei.174 Steuerberatungskosten. Die Kosten für die Einschaltung eines Steuerberaters zur Durchsetzung gepfändeter Steuererstattungsansprüche gehören zu den notwendigen Kosten der Zwangsvollstreckung, sofern es dem Gläubiger nicht zugemutet werden konnte, den Antrag selbst zu stellen.175 In komplizierteren Angelegenheiten oder bei mangelnder Geschäftsgewandtheit des Gläubigers ist die Erstattungsfähigkeit also zu bejahen. Erstattungsfähig ist die Vergütung des Steuerberaters nach der Steuerberatergebührenverordnung, eine Beschränkung auf die Höhe entsprechender Anwaltskosten ist abzulehnen, da es sich um eine klassische Steuerberatertätigkeit handelt und ein Gebührenvergleich meist auch nicht praktikabel wäre.176 Taschenpfändung. Die Kosten hierfür sind erstattungsfähig, sofern die Pfändung sinnvoll war. Dies gilt nicht für mehrfache Pfändungsaufträge „ins Blaue hinein“ oder für Pfändungsaufträge, die das weit übersteigen, was der Schuldner voraussichtlich bei sich trägt.177 Transportkosten. S.o. Stichworte „Herausgabevollstreckung“, „Räumungsvollstreckung“ und „Sequestration“. Übersetzungskosten. S.o. Stichwort „Auslandsvollstreckung“. Vergleich. Schließen die Parteien in zweiter Instanz einen Vergleich, in dem sie eine Regelung über die „Kosten des Verfahrens“ treffen, so ergibt die Vergleichsauslegung in der Regel, dass 166 167 168 169

BGH Rpfleger 2021, 119. BGH Rpfleger 2021, 119. Nachweise in der 2. Auflage unter § 788 B II. BGH NJW 1974, 693; OLG Celle, NJW 1965, 2261; OLG Hamburg JurBüro 1990, 536; OLG München JurBüro 1991,

598. Stein/Jonas/Münzberg § 788 Rdn. 11; MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann6 § 788 Rdn. 14. BGH NJW 2016, 2579, 2580; KG MDR 1976, 767; OLG Hamburg MDR 1984, 673. OLG Hamm JurBüro 1982, 1419; OLG München MDR 1968, 159. OLG München JurBüro 1989, 549; OLG Stuttgart JurBüro 1982, 560; a.A. OLG Frankfurt NJW 1973, 375. OLG Hamburg JurBüro 1990, 1677. LG Essen JurBüro 1985, 412; LG Düsseldorf DGVZ 1991, 11; LG Dortmund JurBüro 1990, 1050; LG Kassel DGVZ 1983, 140; LG München I AnwBl. 1987, 99; a.A. LG Berlin DGVZ 1985, 43 (keine Maßnahme der Zwangsvollstreckung). 176 Hansens JurBüro 1989, 1037; a.A. Behr JurBüro 1989, 3. 177 LG Paderborn JurBüro 1984, 464 (Auftrag über DM 30.000,00).

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hierzu nicht die Kosten der Zwangsvollstreckung aus dem Urteil erster Instanz gehören, diese treffen den Gläubiger.178 Im Übrigen siehe oben Stichwort „Ratenzahlungsvergleich“. Veröffentlichung. Sofern dem Gläubiger die Befugnis zur Veröffentlichung des Urteils zugesprochen wurde, sind die hierfür notwendigen Kosten erstattungsfähig.179 Vervielfältigungskosten. Als notwendig sind auch Aufwendungen zu qualifizieren, die erforderlich sind, um das vorgeschriebene Zwangsvollstreckungsformular nebst den erforderlichen Unterlagen zu vervielfältigen und zu versenden.180 Vollstreckbarerklärung. Da hierdurch erst ein vollstreckungsfähiger Titel geschaffen wird, gehören die Kosten noch nicht zu den Kosten der Zwangsvollstreckung im Sinne von § 788.181 Vollstreckbare Ausfertigung. Die Kosten der Ausfertigung sind bereits nach dem Gesetzestext erstattungsfähig, benötigt der Gläubiger eine weitere vollstreckbare Ausfertigung, so sind die hierfür entstehenden Kosten erstattungsfähig, es sei denn, die Notwendigkeit für eine weitere Ausfertigung wurde durch einen Fehler in der Sphäre des Gläubigers bewirkt.182 (Das Kriterium der Notwendigkeit ist objektiv zu betrachten.) Vollstreckungsklausel. Die Kosten sind erstattungsfähig.183 Vorpfändung. Regelmäßig hat der Gläubiger ein berechtigtes Interesse daran, seinen Rang durch Vorpfändung nach § 845 zu sichern, wenn der Schuldner vorher angemessen Zeit hatte, um freiwillig zu zahlen.184 Teilweise fordert die Rechtsprechung darüber hinaus, die Vorpfändung müsse sich im Einzelfall als notwendig erwiesen haben oder der Gläubiger müsse zumindest begründeten Anlass zu der Besorgnis gehabt haben, er werde seine Forderung andernfalls nicht durchsetzen können.185 Beide Kriterien sind abzulehnen, die Notwendigkeit beurteilt sich aus der Sicht des Gläubigers bei Einleitung der Vollstreckungsmaßnahme, der spätere Erfolg ist hierfür nicht ausschlaggebend, zudem lehrt die Erfahrung, dass bei Schuldnern, die nicht freiwillig zahlen, häufig der Zugriff anderer Gläubiger oder das Verschieben von Vermögenswerten droht, weshalb eine Sicherung des Gläubigers durch Vorpfändung regelmäßig geboten ist. Lässt der Gläubiger allerdings die Frist des § 845 Abs. 2 verstreichen, ohne dass dies durch zwischenzeitliche Veränderungen der Sachlage gerechtfertigt wäre, so zeigt er hierdurch, dass er die Vorpfändung selbst für sinnlos hielt. In diesem Fall sind die Kosten nicht erstattungsfähig.186 Zahlungsaufforderung, Zahlungsfrist und vorzeitige Vollstreckung. Die Kosten einer anwaltlichen Zahlungsaufforderung sind nach herrschender Ansicht erstattungsfähig, wenn die Vollstreckungsvoraussetzungen vorlagen und eine angemessene Zahlungsfrist abgewartet wurde;187 anders ist dies bei verfrühter Zahlungsaufforderung: vor Erteilung der vollstreckbaren Ausfertigung,188 vor Zustellung des Titels189 und vor Nachweis der Sicherheitsleistung.190

178 179 180 181 182 183 184 185

OLG Karlsruhe MDR 1996, 971; LG Köln JurBüro 1991, 600; s.a. OLG Frankfurt MDR 1980, 60. OLG Stuttgart JurBüro 1983, 940; a.A. Stein/Jonas/Münzberg Rdn. 16. LG Frankfurt DGVZ 2021, 177. Ausführlich hierzu: Stein/Jonas/Münzberg Rdn. 11. OLG München JurBüro 1992, 431. Stein/Jonas/Münzberg Rdn. 9. KG MDR 1987, 595. OLG Frankfurt MDR 1994, 843; OLG Hamburg JurBüro 1990, 533; OLG München NJW 1973, 2070; LAG Köln MDR 1995, 423. 186 LAG Köln JurBüro 1993, 622. 187 OLG München MDR 1989, 652; LG Lübeck DGVZ 2012, 166; MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann6 § 788 Rdn. 21; a.A. OLG Schleswig ZAP EN – Nr. 627/94 (fehlende Rechtskraftbescheinigung schadet nicht). 188 KG JurBüro 1987, 390; OLG Köln JurBüro 1993, 624; LAG Düsseldorf JurBüro 1988, 740; LAG Frankfurt JurBüro 1986, 1205; ArbG Dortmund JurBüro 1990, 1521. 189 OLG Bamberg JurBüro 1977, 505; OLG Düsseldorf JurBüro 1981, 1028; LAG Hamm MDR 1994, 202 (gleichzeitige Zustellung genügt); a.A. KG JurBüro 1983, 242; OLG Frankfurt AnwBl. 1984, 218; JurBüro 1988, 786; OLG Köln JurBüro 1986, 1582. 190 OLG Report Frankfurt 1994, 22; OLG Koblenz JurBüro 1989, 91; AnwBl. 1992, 549; MDR 1995, 753. Smid

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In Anlehnung an § 798 beträgt die angemessene Zahlungsfrist in der Regel zwei Wochen.191 84 In Sonderfällen kann sie auch länger sein, bspw. wenn auf Beklagtenseite erst noch eine Haftpflichtversicherung informiert werden muss.192 Umgekehrt kann die Zahlungsaufforderung aber auch überflüssig sein, bspw. wenn parallele Zahlungsaufforderungen an Gesamtschuldner ergehen, obwohl an Bonität und Zahlungswilligkeit des einen keine vernünftigen Zweifel bestehen.193 Zinsen. Mangels gesetzlicher Grundlage findet eine Verzinsung der Erstattungsforderung 85 nicht statt. Dies gilt auch für den Fall, dass der Gläubiger die zu erstattenden Kosten festsetzen lässt, § 104 Abs. 1 Satz 2 ist nicht anwendbar.194 Zug-um-Zug-Leistung. Befindet sich der Schuldner mit der Annahme der Gegenleistung ma- 86 teriell-rechtlich in Verzug, so bildet eine Zahlungsaufforderung mit Vollstreckungsandrohung eine notwendige Maßnahme der Zwangsvollstreckung.195 Die früher vertretene Ansicht, die Kosten für das Angebot der Gegenleistung gehörten nicht zu den notwendigen Kosten der Zwangsvollstreckung, ist abzulehnen.196 Ein Gläubiger, dem der Nachweis der Befriedigung oder des Annahmeverzuges des Schuldners durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden nicht möglich ist, kann aus einer Zug um Zug Verurteilung, wie sie hier nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts vorliegt, ohne Mithilfe des Gerichtsvollziehers nicht vollstrecken. Als besondere Voraussetzung der Zwangsvollstreckung ist in diesem Fall sowohl für eine Vollstreckungsmaßnahme durch den Gerichtsvollzieher als auch für eine Vollstreckungsmaßnahme durch ein anderes Vollstreckungsorgan das vorangegangene Angebot der Gegenleistung durch den Gerichtsvollzieher nötig, §§ 756, 765. Daher kann der Gläubiger eines Titels, der eine Vollstreckung nur Zug um Zug erlaubt, die für das Angebot der Gegenleistung durch den Gerichtsvollzieher entstehenden Gerichtsvollziehergebühren im Regelfall als notwendige Kosten der Zwangsvollstreckung von dem Schuldner erstattet verlangen.197

III. Beitreibung und Festsetzung 1. Beitreibung Die Kosten der Vollstreckung können aufgrund des Titels beigetrieben werden, der den zu vollstre- 87 ckenden Anspruch enthält. Anders als bei der Beitreibung der Prozesskosten bedarf es keines besonderen Titels, da nach dem Grundgedanken des Gesetzes die Kostenfrage in der Zwangsvollstreckung schnell und unkompliziert abgewickelt werden soll. In einem erstinstanzlichen Vollstreckungsverfahren ist edaher ine eigenständige Kostenentscheidung durch das Vollstreckungsorgan entbehrlich, weil der Vollstreckungstitel selbst in Verbindung mit § 788 die Grundlage für die Beitreibung der angefallenen Vollstreckungskosten bildet.198 Dabei ist die Formulierung „zugleich“ nicht im Sinne von gleichzeitig zu deuten, sie besagt lediglich, dass kein besonderer Titel erforderlich ist, insbesondere können auch die noch offenen Kosten früherer Zwangsvollstreckungsmaßnahmen anlässlich einer späteren Zwangsvollstreckung beigetrieben werden.199 Des Weiteren ist nicht erforderlich, dass wegen des Hauptsacheanspruchs noch vollstreckt wird, bspw. können

191 OLG Schleswig JurBüro 1990, 923; OLG Nürnberg JurBüro 1993, 751; die übliche Laufzeit einer Überweisung ist hinzuzurechnen, LG Hannover DGVZ 1991, 57; a.A. LG Itzehoe MDR 1974, 1024. 192 Zu großzügig aber OLG Düsseldorf JurBüro 1991, 231. 193 OLG Hamburg JurBüro 1979, 1721 (Haftpflichtversicherung). 194 OLG Saarbrücken JurBüro 1991, 970; LG Bielefeld Rpfleger 1989, 522; a.A. OLG Köln JurBüro 1993, 603; LG Münster JurBüro 1989, 105. 195 OLG Hamm JurBüro 1992, 407. 196 OLG Frankfurt Rpfleger 1980, 28; a.A. OLG Hamburg JurBüro 1970, 1096; LG Berlin JurBüro 1985, 1581. 197 BGH ZInsO 2014, 1724 = NJW 2014, 2508 m. Anm. Duchstein jurisPR-VerkR 20/2014 Anm. 1. 198 OLG Frankfurt FamRZ 2019, 627. 199 Zöller/Stöber Rdn. 14; OLG Frankfurt DGVZ 1982, 57, 60. 521

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noch offene Kosten auch nach Tilgung des Hauptsacheanspruchs aufgrund des Hauptsachetitels beigetrieben werden (vgl. § 109 Abs. 1 GVGA aF).200 Zudem ist es (selbstverständlich) nicht erforderlich, dass der Hauptsachetitel auf Geldzahlung lautet.201 88 Voraussetzung der Beitreibung ist, dass der Hauptsachetitel vollstreckbar und noch nicht aufgehoben202 oder an den Schuldner ausgehändigt wurde.203 Wurde der Titel, bspw. durch Urteil zweiter Instanz, aufgehoben, so ist eine Beitreibung von Zwangsvollstreckungskosten nur noch insoweit zulässig, als die Kosten auch bei Beitreibung des verbleibenden Hauptsacheanspruchs entstanden wären.204 Gleiches gilt für den Fall, dass der Titel durch Vergleich ersetzt wurde, es sei denn der Vergleich enthält zur Kostenfrage eine abweichende Regelung.205 Dabei ist zu beachten dass eine Vergleichsregelung über die Kosten des „Rechtsstreits“ oder „Verfahrens“ in der Regel nicht so auszulegen ist, dass sie auch die Kosten der Zwangsvollstreckung umfasst.206 Das jeweils zuständige Vollstreckungsorgan prüft, ob die geltend gemachten Kosten angefal89 len sind, ob es sich um Kosten der Zwangsvollstreckung handelt und ob sie notwendig waren.207 Dabei prüft es auch die geltend gemachten Kosten früherer Vollstreckungsmaßnahmen, die mit vollstreckt werden sollen.208 Diese Prüfungspflicht gilt auch bei einem Anerkenntnis des Schuldners.209 Zur Überprüfung benötigt das Vollstreckungsorgan vom Gläubiger eine übersichtliche und verständliche Aufstellung der einzelnen Kostenpositionen.210 Die einzelnen Positionen sind, soweit sie sich nicht von selbst verstehen, durch geeignete Belege glaubhaft zu machen.211 Es gelten die allgemeinen Rechtsgrundsätze für die Glaubhaftmachung, entsprechend § 104 Abs. 2 Satz 2 genügt für die Glaubhaftmachung des Entstehens von Post- und Telekommunikationsauslagen die anwaltliche Versicherung,212 auch soweit die Pauschale nach Nr. 7002 RVG-VV überschritten wird.213 Vollstreckt der Gläubiger nur wegen einer Teil- oder Restforderung, so ist er nicht verpflichtet, eine Gesamtaufstellung (unter Einbeziehung etwaiger Teilzahlungen) einzureichen.214 Das Vollstreckungsorgan müsste ansonsten den gesamten Anspruch und die Verrechnung von Teilzahlungen überprüfen, was nicht Sinn des Vollstreckungsverfahrens ist.215 Sind aus einer vom Gläubiger eingereichten Aufstellung aber Unrichtigkeiten ersichtlich, so kann das Vollstreckungsorgan darüber nicht hinweggehen, sondern muss die Beitreibung der Kosten insoweit ablehnen.216 Verlangt der Vollstreckungsgläubiger (auch) die Betreibung notwendiger Zwangsvollstreckungskosten im Rahmen der Forderungsvollstreckung, so muss das zuständige Vollstreckungsorgan den geltend gemachten Ansatz überprüfen können. Erforderlich, aber auch ausreichend ist, wenn der Ansatz

200 Die Beitreibung nach § 788 Abs. 1 setzt allerdings voraus, dass die Zwangsvollstreckung bereits begonnen hatte, KG JurBüro 1991, 1558; Stein/Jonas/Münzberg § 788 Rdn. 32 ff. Vgl. auch Thomas/Putzo/Seiler § 788 Rdn. 11. 201 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann6 § 788 Rdn. 33 a.E.; Thomas/Putzo/Seiler § 788 Rdn. 11. 202 KG NJW 1963, 661; MDR 1979, 408. 203 Baumbach/Lauterbach/Hartmann/Anders/Gehle/Hunke § 788 Rdn. 14; Stein/Jonas/Münzberg21 § 788 Rdn. 26. 204 OLG Schleswig JurBüro 1992, 500. 205 OLG Hamburg JurBüro 1991, 1132; LG Köln JurBüro 1991, 600; a.A. (keine Kostenerstattung) OLG Hamm MDR 1993, 917; OLG Koblenz MDR 1976, 584 (es sei denn, der Vergleich enthält eine Vereinbarung über die Vollstreckungskosten). 206 OLG Karlsruhe MDR 1994, 733. 207 Christmann DGVZ 1985, 147. 208 Kammermeier DGVZ 1990, 4. 209 LG Ravensburg JurBüro 1990, 47; Zöller/Stöber § 788 Rdn. 15. 210 BGH NJW 2019, 679, 680; Zöller/Stöber § 788 Rdn. 15. 211 Zöller/Stöber § 788 Rdn. 15, vgl. auch MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann6 § 788 Rdn. 37 f. 212 Zöller/Stöber § 788 Rdn. 15. 213 A.A. MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann6 § 788 Rdn. 37. 214 Vgl. hierzu MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann6 § 788 Rdn. 37; Zöller/Stöber § 753 Rdn. 7, § 788 Rdn. 15; LG Hamm DGVZ 1993, 112; de lege ferenda für Einführung einer entsprechenden Prüfungspflicht Schilken DGVZ 1991, 4. 215 Für das Erfordernis einer Gesamtaufstellung hingegen: OLG Köln MDR 1982, 943; LG Amberg Jur. Büro 1993, 369; LG Frankfurt DGVZ 1988, 42; LG Lübeck DGVZ 1992, 159; LG Paderborn JurBüro 1988, 254; AG Schöneberg DGVZ 1991, 77. 216 Zöller/Stöber § 753 Rdn. 7; vgl. MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann6 § 788 Rdn. 37. Smid

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glaubhaft gemacht wird. Im Verfahren zur Eintragung einer Zwangshypothek muss der Gläubiger zumindest glaubhaft machen, dass notwendige Kosten der Zwangsvollstreckung im Sinne des Abs. 1 angefallen sind. Fehlt es daran, liegt ein Vollstreckungsmangel vor, und der Vollzug des Antrags ist insoweit ausgeschlossen.217 Glaubhaftmachung und Prüfung erfordern eine übersichtliche Darstellung der einzelnen Kostenbeiträge unter Mitteilung der sie auslösenden Maßnahmen.218 Aber: In der Judikatur wird zu Recht betont, dass das, was sich von selbst versteht, also die Notwendigkeit von Vollstreckungskosten, die am selben Gericht entstanden sind, im Übrigen nicht durch Vorlage von Belegen oder in anderer Form glaubhaft gemacht zu werden braucht. Dann lässt die Judikatur die Bezugnahme auf dem Gericht sofort verfügbarer Akten genügen, wobei hierzu Gerichtsvollzieherakten nicht zu zählen sind.219 Soweit die Prüfung ergibt, dass Kosten nicht erstattungsfähig sind, hat der Gerichtsvollzieher die Vollstreckung zu verweigern und den Gläubiger hiervon zu informieren.220 Werden etwa Zustellungskosten eines vorläufigen Zahlungsverbotes in einem Erinnerungsverfahren der Höhe nach mitgeteilt, so steht ihre Berechtigung i.S.d. Abs. 1 nicht in Frage.221 Wurde der Vollstreckungsantrag an das Vollstreckungsgericht gerichtet, so weist dieses den Kostenansatz durch gesonderten Beschluss zurück.222 Die gleichzeitige Beitreibung erfolgt dabei nicht nur wegen der Kosten der gerade beantragten 90 einzelnen Vollstreckungsmaßnahmen, sondern auch wegen früherer Vollstreckungen und auch wegen der Vorbereitungskosten.223 Werden in einem Antrag auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses nicht titulierte Rechtsanwaltskosten früherer Zwangsvollstreckungsmaßnahmen vollstreckt, so hat das Vollstreckungsgericht zu prüfen, ob die gemäß § 788 Abs. 1 geltend gemachten Kosten angefallen sind. Die Berücksichtigung dieser Kosten in einem früheren Pfändungs- und Überweisungsbeschluss hat keine Bindungswirkung für neue Zwangsvollstreckungsverfahren.224 Die Frage der Notwendigkeit aufgewendeter Kosten gem. § 788 Abs. 1 S. 1 HS. 1 erfordert 91 eine wertende Betrachtung unter Berücksichtigung der Schuldnerbelange und, wenn erhebliche Tatsachen streitig sind, im Einzelfall auch Beweiserhebungen.225 Ist zwischen den Parteien im Einzelnen streitig, ob der Gläubiger die von ihm beauftragten Arbeiten in der gewählten Art und Weise verlangen konnte und ob die einzelnen abgerechneten Maßnahmen nach ihrem Umfang und ihrer Höhe angemessen waren, bedarf es weiterer tatsächlicher Feststellungen. Die Beweiserhebung hat sich auch darauf zu erstrecken, ob die abgerechnete Maßnahme generell zur Beseitigung des Mangels geeignet war und ob sie kostengünstig unter Berücksichtigung des vom Gläubiger nach dem Inhalt des Vollstreckungstitels zu beanspruchenden Leistungsinhalts ausgeführt worden ist. Anders lassen sich die auch im Kostenfestsetzungsverfahren zu berücksichtigenden Interessen des Schuldners an einer sparsamen Verfahrensweise226 in diesem Verfahren nicht berücksichtigen. Dies entspricht der ganz überwiegenden Auffassung in Rechtsprechung und Schrifttum.227

217 218 219 220 221 222 223 224 225 226 227

OLG Saarbrücken JurBüro 2019, 361, 362. LG Bremen AG kompakt 2013, 19. LG Verden JurBüro 2017, 47, 48. § 80 Nr. 1 GVGA. (LG Wuppertal JurBüro 2019, 602, 603; LG Dresden JurBüro 2009, 608. MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann6 § 788 Rdn. 38. LG Stuttgart Rpfleger 2013, 712. LG Heilbronn Rpfleger 2013, 711. OLG Köln Rpfleger 2014, 390. KG AGS 1994, 3 ff.; Zöller/Stöber § 788 Rdn. 9. OLG Schleswig JurBüro 1989, 1466 f. = juris Rdn. 8 m.w.N.; OLG Zweibrücken MDR 1994, 1044, 1045; Zöller/Stöber § 788 Rdn. 9. 523

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2. Rechtsbehelfe 92 a) Erinnerung. Gegen die Beitreibung von Kosten durch den Gerichtsvollzieher kann sich der Schuldner mit der Erinnerung nach § 766 wehren.228 Gleiches gilt für den Gläubiger, soweit der Gerichtsvollzieher die Vollstreckung wegen der Vollstreckungskosten ablehnt.229 Wird das Vollstreckungsgericht tätig, so hat der Schuldner gegen den Ansatz von Kosten ebenfalls die Möglichkeit der Erinnerung, gegen die Zurückweisung von Kosten im Rahmen der Vollstreckungsmaßnahme kann sich der Gläubiger mit der befristeten Erinnerung nach § 11 Abs. 1 Satz 2 RPflG bzw. der sofortigen Beschwerde nach § 793 wenden.230 Für die Beschwerde nach § 793 muss der Beschwerdewert (567 Abs. 2) erreicht sein, eine weitere Beschwerde findet nicht statt (568 Abs. 3).231

93 b) Sofortige Beschwerde. Macht der Gläubiger von der Alternative der Kostenfestsetzung Gebrauch, so ist in diesem Verfahren für beide Seiten die sofortige Beschwerde nach §§ 104 Abs. 3 i.V.m. § 567 Abs. 1 Nr. 1 zulässig.232

94 c) Vollstreckungsgegenklage. Materiell-rechtliche Einwendungen wie bspw. Erfüllung oder Aufrechnung sind vom Schuldner im Wege der Klage nach § 767 vorzubringen; sofern von ihm Kosten bereits bezahlt oder beigetrieben wurden, kann der Schuldner nach Beendigung der Zwangsvollstreckung nur noch auf Rückzahlung zu viel geleisteter Kosten wegen ungerechtfertigter Bereicherung klagen.233

IV. Kostenfestsetzung, Abs. 2 1. Zuständigkeit des Vollstreckungsgerichts, Abs. 2 S. 1 95 § 788 Abs. 2 S. 1 bestimmt ausdrücklich, dass der Gläubiger bei dem Vollstreckungsgericht, bei dem zum Zeitpunkt der Antragstellung eine Vollstreckungshandlung anhängig ist, und nach Beendigung der Zwangsvollstreckung das Gericht, in dessen Bezirk die letzte Vollstreckungshandlung erfolgt ist, Antrag auf Festsetzung der Kosten gem. § 103 Abs. 2, §§ 104, 107 stellen kann. Daher können nach Wahl und auf Antrag des Gläubigers234 die Kosten der Zwangsvollstreckung auch durch Kostenfestsetzungsbeschluss festgestellt werden. Ein besonderes Rechtsschutzbedürfnis ist nicht erforderlich.235 Für den Gläubiger wird sich dieser Weg insbesondere dann anbieten, wenn Zweifelsfragen zu klären sind und das Zwangsvollstreckungsorgan die Beitreibung deshalb ablehnt. Auch nach der Festsetzung können die entsprechenden Kostenbeträge aber noch nach § 788 Abs. 1 beigetrieben werden.236 96 Grund dieser Regelung ist, dass die Zwangsvollstreckung ein eigenständiges, vom Erkenntnisverfahren unabhängiges Verfahren ist, für das nach überzeugender Ansicht des BGH237 grundsätzlich 228 229 230 231 232 233 234 235 236 237

Zöller/Stöber § 788 Rdn. 17. MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann6 § 788 Rdn. 39. Zöller/Stöber § 788 Rdn. 17. OLG München MDR 1989, 1005. MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann6 § 788 Rdn. 44; Musielak/Voit/Lackmann § 788 Rdn. 22 a.E. Zöller/Stöber § 788 Rdn. 17. LG Würzburg JurBüro 2020, 424. BGH NJW 1984, 1968. Zöller/Stöber § 788 Rdn. 18; a.A. LG Bad Kreuznach Rpfleger 1990, 313; Stein/Jonas/Münzberg § 788 Rdn. 32. BGH NJW 2005, 1273.

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die Zuständigkeit des Vollstreckungsgerichts begründet ist. Mit der seit dem 1. Januar 1999 geltenden Fassung des § 788 Abs. 2 hat der Gesetzgeber klargestellt, dass im Vollstreckungsverfahren das für gerichtliche Anordnungen zuständige Gericht über die Kosten der Zwangsvollstreckung entscheidet. Damit hat er entsprechend § 104 auch für den Bereich der Zwangsvollstreckung die Entscheidung über die Sache und die Kosten in eine Hand gelegt.238 Nach dem Rechtsgedanken des § 11 RVG ist dann regelmäßig das Vollstreckungsgericht auch für die Festsetzung der Anwaltsvergütung zuständig.239 Eine folgerichtige Ausnahme besteht in den Fällen einer Vollstreckung nach den §§ 887, 888 oder 890, in denen das Prozessgericht des ersten Rechtszugs als Vollstreckungsgericht tätig wird und folglich auch gemäß § 11 RVG (vormals § 19 BRAGO) die Vergütung des Rechtsanwalts festzusetzen hat.

2. Zuständigkeit des Prozessgerichts, Abs. 2 S. 2 Die Zuständigkeit des Prozessgerichts – Rechtspflegers –, die Kosten der Vorbereitung der 97 Zwangsvollstreckung (Vorbereitungskosten), die zu den Zwangsvollstreckungskosten gehören, festzusetzen, wird z.T. (so auch die Voraufl.) aus der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung des § 788 Abs. 2 S. 2 stets dann bejaht, wenn es nicht zur Zwangsvollstreckung aus dem Titel kommt. Demgegenüber vertritt das KG unter Aufgabe seiner bisherigen Judikatur240 nunmehr die Ansicht, für die Festsetzung von Kosten, die infolge der Vorbereitung der Zwangsvollstreckung entstanden sind, wenn es letztlich nicht zur Zwangsvollstreckung kommt (sog. Vorbereitungskosten), etwa weil der Schuldner die titulierte Forderung zuvor bezahlt, sei das Prozessgericht und nicht das Vollstreckungsgericht zuständig.241 Dabei schließt sich das KG an die Rechtsprechung des BGH242 zur Zuständigkeit des Prozessgerichts zur Entscheidung über die Kosten einer Avalbürgschaft im Interesse einer einheitlichen Rechtsprechung an.

3. Antragsberechtigung. Prüfungsumfang im Festsetzungsverfahren Die Antragsberechtigung liegt beim Gläubiger, vgl. § 104. Dem Schuldner ist zum Antrag des Gläu- 98 bigers Gehör zu gewähren und die gerichtlichen Entscheidungen sind ihm zur Kenntnis zu bringen.243 Das Gericht prüft im Festsetzungsverfahren die Erstattungsfähigkeit der Kosten. Hierzu kann Beweis erhoben werden (oben Rdn. 91).244 Unzulässig sind jedoch Einwendungen gegen die Zulässigkeit der Vollstreckung des Hauptanspruchs, diese sind mit der Klage nach § 767 geltend zu machen.245 Ebenso wie die Beitreibung setzt die Kostenfestsetzung die Existenz eines vollstreckbaren Titels voraus, allerdings hindert die Einstellung der Zwangsvollstreckung die Kostenfestsetzung nicht, da hierdurch nur die Vollstreckung gehemmt wird.246 Zinsen werden nicht festgesetzt, s.o. Rdn. 64, 85.

238 239 240 241 242 243 244

BGH NJW 2005, 1273. Vgl. auch Thomas/Putzo/Seiler § 788 Rdn. 16. KG JurBüro 2008, 151. KG JurBüro 2018, 652, 653; so bereits OLG Düsseldorf NJW-RR 2010, 1440. BGH NJW-RR 2008, 515. MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann6 § 788 Rdn. 43. OLG Stuttgart JurBüro 1978, 607; MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann6 § 788 Rdn. 43; a.A. OLG Stuttgart JurBüro 1982, 1420. 245 OLG Frankfurt MDR 1983, 587. 246 LG Hamburg NJW 1961, 1729; MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann6 § 788 Rdn. 43; a.A. KG JW 1934, 2866. 525

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4. Kostenvorschuss 99 Die Bearbeitung des Antrags eines Gläubigers auf Festsetzung der Zwangsvollstreckungskosten gem. Abs. 2 kann gem. § 17 Abs. 1 GKG davon abhängig gemacht werden, dass der Gläubiger den Kostenvorschuss für die Zustellkosten (Nr. 9002 KV GKG) einzahlt.247

V. Erstattungsanspruch des Schuldners, Abs. 3 100 § 788 Abs. 3 enthält eine materiell-rechtliche Anspruchsgrundlage. Nach Abs. 3 sind die Kosten der Zwangsvollstreckung dem Schuldner zu erstatten, wenn das Urteil, aus dem die Zwangsvollstreckung erfolgt ist, aufgehoben wird. Daraus folgt, dass der Schuldner einen Erstattungsanspruch gegen den Gläubiger für den Fall der Aufhebung des Titels erhält. (Im Fall des § 126 ist Anspruchsgegner der Rechtsanwalt, der die Kosten beigetrieben hat.)248 Voraussetzung des Anspruchs ist, dass das Urteil (oder der sonstige Vollstreckungstitel) aufgehoben wurde. Der Grund der Aufhebung (Einspruch, Rechtsmittel, Nachverfahren, Wiederaufnahmeverfahren) spielt keine Rolle.249 Gleiches gilt für die Aufhebung des Titels durch Vergleich, es sei denn dieser würde eine besondere Regelung der Vollstreckungskosten enthalten.250 Ebenso entfällt die Rechtfertigung für die beigetriebenen oder freiwillig gezahlten Kosten, wenn der Titel durch Klagerücknahme wirkungslos wurde.251 Kosten der Zwangsvollstreckung aus einem für vorläufig vollstreckbar erklärten Urteil sind nicht erstattungsfähig, soweit der Verurteilung durch das Rechtsmittelgericht die materiell-rechtliche Grundlage entzogen wird. § 788 Abs. 3 bestimmt, dass die Kosten der Zwangsvollstreckung dem Schuldner zu erstatten sind. Diese Vorschrift beruht, wie der vergleichbare § 717 Abs. 2, auf dem allgemeinen Rechtsgedanken, dass der Gläubiger aus einem noch nicht endgültigen Titel auf eigene Gefahr vollstreckt.252 Diesem Rechtsgedanken ist zu entnehmen, dass Kosten der Zwangsvollstreckung aus einem für vorläufig vollstreckbar erklärten Urteil nicht dem Schuldner zur Last fallen sollen, soweit der Verurteilung durch das Rechtsmittelgericht die materiell-rechtliche Grundlage entzogen wird. Derartige Kosten sind daher nicht nur zu erstatten, wenn sie bereits beigetrieben wurden; sie dürfen bereits im Kostenfestsetzungsverfahren keine Berücksichtigung finden.253 Eine ungerechtfertigte Titulierung ist auch dann keine Legitimation für eine Zwangsvollstreckung, wenn sie zu einem wirtschaftlich gewünschten Ergebnis – z.B. der Sicherung eines Anspruchs – führt.254 101 Keine Anwendung findet Abs. 3 aber, wenn nur die vorläufige Vollstreckbarkeit aufgehoben wird oder wenn die Vollstreckbarkeit des Titels durch Klage nach § 767 beseitigt oder durch Drittwiderspruchsklage eingeschränkt wird.255 Gleiches gilt, wenn die Vollziehung eines Arrests oder einer einstweiliger Verfügung durch Fristablauf nach § 929 Abs. 2 unzulässig wird.256 Bei teilweiser Aufhebung des Titels sind dem Schuldner nach § 788 Abs. 3 diejenigen Kosten 102 zu erstatten, die nicht entstanden wären, wenn nur der Restanspruch vollstreckt worden wäre.257 Zurückzuerstatten sind die Kosten, die beim Schuldner beigetrieben wurden oder die dieser 103 zur Abwendung der Vollstreckung freiwillig gezahlt hat. Sonstige Kosten, die dem Schuldner im 247 248 249 250

LG Düsseldorf AGS 2019, 471, 472; offengeblieben bei BGH AGS 2020, 74. Zöller/Stöber § 788 Rdn. 23. Stein/Jonas/Münzberg § 788 Rdn. 46. KG JurBüro 1991, 389; Stein/Jonas/Münzberg § 788 Rdn. 48; MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann6 § 788 Rdn. 45; Zöller/Stöber § 788 Rdn. 22. 251 KG Rpfleger 1978, 150. 252 BGH WM 2011, 1142 Rdn. 10; vgl. Zöller/Stöber28 § 788 Rdn. 22. 253 BGH NJW-RR 2012, 311. 254 BGH WM 2011, 1142= NJW-RR 2011, 1217. 255 OLG Düsseldorf Rpfleger 1993, 172; Stein/Jonas/Münzberg § 788 Rdn. 47. 256 Stein/Jonas/Münzberg § 788 Rdn. 47. 257 OLG Düsseldorf JurBüro 1977, 1144; LG Köln JurBüro 1991, 600. Smid

526

Abschnitt 1. Allgemeine Vorschriften

§ 788

Zusammenhang mit der Zwangsvollstreckung entstanden, bspw. Kosten für eine Sicherheitsleistung zur Abwehr der Vollstreckung oder für die Beseitigung der Folgen der vom Gläubiger betriebenen Vollstreckung (Löschung von Widerspruch oder Sicherungshypothek) fallen nach dem Gesetzeswortlaut nicht unter § 788 Abs. 3, da es sich nicht um Kosten der Zwangsvollstreckung handelt.258 Für eine erweiternde Auslegung259 besteht keine Notwendigkeit, da dem Schuldner die Klage nach § 717 Abs. 2 offensteht.260 Die unmittelbare Beitreibung der dem Schuldner zu erstattenden Kosten ist nicht zulässig, da 104 § 788 Abs. 3 nicht auf Abs. 1 Bezug nimmt.261 Der Schuldner kann seinen Erstattungsanspruch im anhängigen Rechtsstreit als Widerklage (entsprechend § 717 Abs. 2) geltend machen; auch besteht die Möglichkeit, den Anspruch durch Aufrechnung oder eigenständige Klage durchzusetzen. Nach der Praxis der Gerichte kann der Schuldner den Erstattungsanspruch des Weiteren vom Rechtspfleger des Prozessgerichts festsetzen lassen.262 Als Titel im Sinne von Abs. 1 wird hierbei die den Vollstreckungstitel aufhebende Entscheidung betrachtet.

VI. Kostenpflicht des Gläubigers, Abs. 4 Notwendige Kosten der Zwangsvollstreckung sind nach der Grundregel des § 788 Abs. 1 vom 105 Schuldner zu tragen, als Ausnahme hierzu enthält Abs. 4 eine Aufzählung von Verfahren, in denen das Gericht dem Gläubiger ganz oder teilweise Kosten auferlegen kann, wenn dies aus besonderen, in dem Verhalten des Gläubigers liegenden Gründen der Billigkeit entspricht. Diese Aufzählung ist abschließend und einer analogen Anwendung nicht zugänglich.263 Es handelt sich um folgende Verfahren: Antrag auf Vollstreckungsschutz nach § 765a; Austauschpfändung nach §§ 811a und 811b; Verwertungsaufschub nach § 813a; Aufhebung einer Kontopfändung nach § 850k; Pfändungsschutz für Forderungen aus dem Verkauf landwirtschaftlicher Erzeugnisse und für Miet- oder Pachtzinsforderungen (§§ 851a, b). Abs. 4 erfasst nur Kosten, die in dem jeweiligen Verfahren gesondert angefallen sind, nicht 106 aber die Kosten sonstiger Vollstreckungsmaßnahmen aus dem zugrundeliegenden Titel.264 Die Anwendung der Vorschrift steht nicht im Ermessen des Gerichts, sofern es der Billigkeit entspricht, muss es von ihr Gebrauch machen.265 Über die Frage der Billigkeit entscheiden, wie stets, die Umstände des Einzelfalles. Kein Kriterium ist dabei die Notwendigkeit der Vollstreckungsmaßnahme, da bei fehlender Notwendigkeit die Kosten bereits nach der Grundregel des Abs. 1 den Gläubiger treffen. Dabei ist zu beachten, dass die Notwendigkeit einer Zwangsvollstreckungsmaßnahme ex ante aus der objektivierten Sicht des Gläubigers zu beurteilen ist, so dass die Kosten grundsätzlich den Schuldner auch dann treffen, wenn die Zwangsvollstreckungsmaßnahme erfolglos bleibt oder sich erübrigt hat.266

258 KG NJW 1978, 1440; OLG Düsseldorf JurBüro 1990, 531; OLG Köln JurBüro 1994, 370; OLG München Rpfleger 1994, 128; OLG Schleswig JurBüro 1988, 763; 1991, 603; Stein/Jonas/Münzberg § 788 Rdn. 51; MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann6 § 788 Rdn. 47 (teilweise abweichend); Zöller/Stöber § 788 Rdn. 24; a.A. OLG Düsseldorf MDR 1987, 766; OLG Oldenburg Rpfleger 1983, 329. 259 So aber OLG Celle Rpfleger 1984, 498. 260 KG NJW 1978, 1440; OLG Hamm JurBüro 1987, 1083. 261 Vgl. MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann6 § 788 Rdn. 50; Stein/Jonas/Münzberg § 788 Rdn. 52; a.A. Zöller/Stöber § 788 Rdn. 25 unter Bezugnahme auf KG JW 1933, 2018; DR 1940, 1896. 262 OLG Celle Rpfleger 1983, 498; OLG Düsseldorf JurBüro 1977, 1144; OLG Hamburg MDR 1981, 763; KG AnwBl. 1991, 592; MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann6 § 788 Rdn. 51 m.w.N. 263 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann6 § 788 Rdn. 52; Stein/Jonas/Münzberg § 788 Rdn. 53; a.A. LG Itzehoe MDR 1990, 557. 264 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann6 § 788 Rdn. 53. 265 Stein/Jonas/Münzberg Rdn. 56; MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann6 § 788 Rdn. 54. 266 Zöller/Stöber § 788 Rdn. 26. 527

Smid

§ 789

Achtes Buch – Zwangsvollstreckung

Bei der Entscheidung ist von dem Regel-/Ausnahmeverhältnis auszugehen, das § 788 statuiert: Die Billigkeitsentscheidung nach Abs. 4 bildet die Ausnahme und ist deshalb nur bei Vorliegen besonderer Umstände anzuwenden. Hierfür reicht es nicht aus, dass ein Schutzantrag des Schuldners Erfolg hat oder eine beantragte Maßnahme des Gläubigers (bspw. ein Antrag auf Austauschpfändung) keinen Erfolg hat, hinzukommen müssen besondere Umstände im Verhalten des Gläubigers, bspw. das Beharren auf einer offensichtlich nicht gerechtfertigten Zwangsvollstreckungsmaßnahme.267 Allein die sozialen Umstände, die den Erfolg des Schuldnerantrages begründen, entlasten ihn noch nicht von der Kostentragungspflicht für die Zwangsvollstreckung.268 Auf ein Verschulden des Gläubigers kommt es aber nicht an, vielmehr muss er sich alle Umstände, die in seiner Verantwortungssphäre liegen, auch ein Verhalten des Gerichtsvollziehers,269 zurechnen lassen. Bei der Entscheidung sind die wirtschaftlichen Verhältnisse der Parteien und das Verhalten des Schuldners, insbesondere sein Bemühen um Schuldtilgung, ergänzend zu würdigen.270 108 Das BVerfG271 hat darauf erkannt, dass keine verfassungsrechtlichen Bedenken dagegen bestehen, über die Kosten im Beschwerdeverfahren nach § 91 zu entscheiden, dabei aber darauf hingewiesen, dass dabei Wertungsgesichtspunkte des § 788 zu berücksichtigen seien.272 Die Kostenentscheidung nach Abs. 4 trifft gem. § 2 das Vollstreckungsgericht im Rahmen 109 der Entscheidung des jeweiligen Verfahrens durch den Rechtspfleger (§ 20 Nr. 17 RPflG). Sofern die Kosten gem. der Grundregel des Abs. 1 den Schuldner treffen, ist eine Kostenentscheidung nicht erforderlich (aber empfehlenswert). Aufgrund einer zu seinen Gunsten ergangenen Kostenentscheidung kann der Schuldner die ihm entstandenen notwendigen Kosten gegen den Gläubiger festsetzen lassen.273 Gegen eine ihn belastende Kostenentscheidung oder eine unterbliebene Kostenentscheidung kann sich der Schuldner durch Anfechtung der Hauptsacheentscheidung wehren, § 99 steht dem nicht entgegen.274 107

§ 789 Einschreiten von Behörden Wird zum Zwecke der Vollstreckung das Einschreiten einer Behörde erforderlich, so hat das Gericht die Behörde um ihr Einschreiten zu ersuchen.

I. Gesetzesgeschichte 1 Die Vorschrift stimmt wörtlich mit dem § 698 der CPO von 1877 überein. In der Begründung des als Vorlage dienenden Entwurfsparagraphen 647 wird als Grund für diese und die Vorschrift des § 791 genannt: Die Verweisung der Zwangsvollstreckung an selbständige Vollstreckungsorgane soll nicht durchgeführt werden, wo die Rechte der Parteien durch Festhaltung der Form ernstlich gefährdet werden würden und nur die unmittelbare Anwendung der Autorität des Gerichts helfen kann.1 Hinter beiden Normen steckt also die Befürchtung eines Autoritätsgefälles vornehmlich

267 Zöller/Stöber § 788 Rdn. 26; Stein/Jonas/Münzberg § 788 Rdn. 55; LG Berlin Rpfleger 1991, 219. 268 OLG Köln NJW-RR 1995, 1163, 1164; OLG Düsseldorf NJW-RR 1996, 637. 269 Zöller/Stöber § 788 Rdn. 26; Thomas/Putzo/Seiler § 788 Rdn. 37; a.A. Stein/Jonas/Münzberg Rdn. 55. 270 Stein/Jonas/Münzberg § 788 Rdn. 55 m.w.N.; a.A. Grund NJW 1958, 1121. 271 BVerfG NJW-RR 2005, 936, 938. 272 So OLG Düsseldorf NJW-RR 1996, 637. 273 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann6 § 788 Rdn. 56. 274 OLG Bremen Rpfleger 1985, 160; MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann6 § 788 Rdn. 56 a.E. 1 Hahn S. 445. Paulus https://doi.org/10.1515/9783110443158-074

528

Abschnitt 1. Allgemeine Vorschriften

§ 790

zwischen Gerichtsvollzieher und der zur Mithilfe aufgeforderten inländischen bzw. ausländischen Behörde. Da der Gerichtsvollzieher heute wie die anderen Vollstreckungsorgane auch als Träger öffent- 2 licher Gewalt angesehen wird, ist die in der Norm getroffene Regelung angesichts der allgemeinen Amtshilfe, Art. 35 GG, selbstverständlich und bedingt ihre praktische Bedeutungslosigkeit.2

II. Anwendungsfälle Sie waren schon bei Erlass der CPO eng begrenzt, weil Voraussetzung ist, dass die Befugnis zu 3 einem entsprechenden Ersuchen niemand sonst eingeräumt ist. So kann der Gerichtsvollzieher nach § 758 Abs. 3 selbst die Mithilfe der polizeilichen Vollzugsorgane beantragen; nach § 791 ist das Prozessgericht zuständig; und in einer Anzahl von Fällen hat der Gläubiger ein Antragsrecht, §§ 830, 867, 896, 932. Das Gericht darf also in diesen Fällen gar nicht handeln, weil ihm die funktionelle Zuständigkeit fehlt. Nachdem aber auch die das Militär betreffenden §§ 758 Abs. 3 S. 2, 790, 912 gestrichen sind, verbleibt als unbedeutender Restbereich allenfalls § 15 Nr. 3 EGZPO,3 für den ein hier einschlägiger Anwendungsfall aber nicht ersichtlich ist, s. auch § 882a. Abgesehen von der fehlenden anderweitigen Zuständigkeit setzt § 789 voraus, dass das Ein- 4 schreiten der Behörde gerade zum Zwecke der Vollstreckung notwendig ist.4 Um die Schwerfälligkeit des vorgesehenen Verfahrens so weit wie möglich zu reduzieren, wird man darunter nicht jede Tätigkeit, also auch bloße Hilfestellungen, zu verstehen haben, sondern nur solche Handlungen, die unmittelbare Vollstreckungstätigkeit sind.5

III. Verfahren Während die endgültige gesetzliche Ausformulierung des § 698 CPO den noch in den Entwürfen 5 enthaltenen Passus eines erforderlichen Gläubigerantrags gestrichen hat, ist ein Gläubigerantrag nicht Voraussetzung für das Ersuchen des Gerichts. Dieses handelt freilich nicht von Amtswegen; vielmehr kann auch der Gerichtsvollzieher das Gericht um das Ersuchen bitten. Zuständiges Gericht ist je nach Vollstreckungsart das Vollstreckungsgericht, § 764, und damit 6 ggf. das Prozessgericht, §§ 887 ff.6 Gerichtskosten werden für das Ersuchen nicht erhoben. 7

§ 790 (weggefallen) (aufgehoben durch KontrollratsG Nr. 34 Art. III)

2 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann Rdn. 2; Zöller/Geimer Rdn. 1. Allenfalls im Bereich des Justizbeitreibungsgesetzes (JBeitrG) mögen praktische Fälle vorkommen, dazu etwa App Das Vollstreckungsverfahren nach der Justizbeitreibungsordnung – ein Überblick, MDR 1996, 769, 771. 3 Dazu m. Nachw. MünchKomm/Gruber § 15 EGZPO Rdn. 4. 4 Dazu LG Dortmund NJW 1962, 1519. 5 So auch MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann Rdn. 3. 6 S. auch Kindl/Meller-Hannich/Wolf/Kessel/Handke Rdn. 2. 529 https://doi.org/10.1515/9783110443158-075

Paulus

§ 791

Achtes Buch – Zwangsvollstreckung

§ 791 (weggefallen) Vorschrift mit Wirkung vom 21.10.2005 aufgehoben durch das Gesetz zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 805/2004 über einen Europäischen Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen (EG-Vollstreckungstitel-Durchführungsgesetz) vom 18.8.2005 (BGBl. I S. 2477).

§ 792 Erteilung von Urkunden an Gläubiger Bedarf der Gläubiger zum Zwecke der Zwangsvollstreckung eines Erbscheins oder einer anderen Urkunde, die dem Schuldner auf Antrag von einer Behörde, einem Beamten oder einem Notar zu erteilen ist, so kann er die Erteilung an Stelle des Schuldners verlangen.

Übersicht I. 1. 2.

Gesetzesgeschichte, Normzweck 1 Geschichte 2 Normzweck

1. 2. 3.

Titel 3 Urkunden Personen

4 5

II.

Anwendungsbereich

III.

Verfahren

6

I. Gesetzesgeschichte, Normzweck 1. Geschichte 1 Ausweislich der Begründung zur Novelle von 1898 diente der vorliegenden Norm das preußische Gesetz betreffend die Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen von 1883 als Vorbild.1 Danach hatte der Gläubiger ebenfalls ein Antragsrecht, wenn er eine Zwangshypothek eintragen oder die Zwangsversteigerung betreiben wollte, sein Schuldner aber nicht im Grundbuch eingetragen war. Diese Fälle sah der Gesetzgeber als verallgemeinerungsfähig an, indem er auf § 867 iVm. §§ 14, 40 GBO, auf § 17 ZVG,2 auf die Pfändung einer Hypothekenforderung des Schuldners, der aber nicht eingetragen ist, §§ 830, 837, und auf die Notwendigkeit einer titelübertragenden Klausel nach §§ 727 ff. verwies. „Verlangt hiernach der Gläubiger die Erteilung eines Erbscheins, so versteht es sich von selbst, daß die zufolge des § 2356 des BGB [heute § 352 Abs. 3 S. 3 FamFG3] erforderliche Versicherung an Eidesstatt an Stelle des Schuldners von dem Gläubiger abzugeben ist.“

2. Normzweck 2 Die Vorschrift bezweckt demnach die Beschleunigung des Vollstreckungsverfahrens. Wäre nämlich der Gläubiger allein auf die Mitwirkung des Schuldners angewiesen und würde sie ihm

1 S. 162 f. 2 Vgl. 2. Aufl. A IIa 2; KG OLGRspr 1937, 172. 3 Hierzu etwa OLG Düsseldorf FamRZ 2020, 1397. Paulus https://doi.org/10.1515/9783110443158-077

530

Abschnitt 1. Allgemeine Vorschriften

§ 792

dieser verweigern, müsste er ihn auf die Stellung des entsprechenden Antrags verklagen. Indem ein solcher Prozess vermieden wird, dient § 792 auch der Prozessökonomie.4

II. Anwendungsbereich 1. Titel Die Voraussetzung, dass der Gläubiger die Urkunde zum Zwecke der Vollstreckung benötigt,5 3 impliziert, dass ein Titel bereits vorhanden ist; soll dieser erst mit Hilfe der Urkunde geschaffen werden, findet § 792 keine Anwendung.6 Ansonsten aber besteht das Antragsrecht des Gläubigers für alle Arten der Zwangsvollstreckung7 einschließlich der Titelergänzung und -übertragung nach §§ 726 ff. Der mit der Norm verfolgte Vereinfachungseffekt, Rdn. 2, rechtfertigt die analoge Anwendung nicht nur auf Teilungsversteigerungen, §§ 753, 2042 BGB; 170 ff. ZVG,8 sondern auch auf die Beseitigung von Urkunden, deren Existenz der Vollstreckung im Wege steht: etwa die Einziehung eines unrichtigen Erbscheins oder die Durchführung eines Aufgebotsverfahrens nach §§ 946 ff.9

2. Urkunden Der Gläubiger kann nicht nur eine Abschrift,10 sondern auch die Erstausfertigung der Urkunde 4 beantragen.11 In Frage kommt jede Urkunde, die für die Durchführung des Zwangszugriffs erforderlich ist; zu den Hauptanwendungsfällen, von denen der Erbschein eigens genannt ist,12 s.o. Rdn. 1; weitere Beispiele sind etwa das Zeugnis über die Fortsetzung der Gütergemeinschaft, § 1507 BGB, das Testamentsvollstreckerzeugnis, § 2368 BGB, die Erteilung eines Grundschuldbriefs13 oder ein Registerauszug, sofern nicht Vorschriften wie §§ 1563 BGB, 9 Abs. 1 HGB, 12 GBO oder auch § 72714 ein einfacheres Vorgehen ermöglichen.15 Eine Einschränkung wie bei § 789, Rdn. 4, auf zentrale Mitwirkungsakte ist bei der vorliegenden Norm nicht angezeigt. Infolgedessen kann der Gläubiger vom Notar eine Abschrift des Vertrages verlangen, den sein Schuldner mit einem vermögensübernehmenden Dritten geschlossen hat, um gegen diesen vorgehen zu können.16

4 S. auch OLG München NJW 2014, 3254. 5 Dazu LG Cottbus NotBZ 2007, 224. 6 OLG Frankfurt IPRspr 2013, Nr. 153 – Tz. 21; OLG Hamm MDR 1960, 1018; LG Essen Rpfleger 1986, 387; Baumbach/ Lauterbach/Hartmann/Albers/Hunke Rdn. 1; Zöller/Seibel Rdn. 1. 7 Zur Grundbuchberichtigung BGH NZI 2021, 184. 8 MünchKomm/K. Schmidt Rdn. 3. 9 Missverständlich die 2. Aufl. A IIa; s. MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann Rdn. 8. 10 DNotI-Report 2008, 65. 11 LG Koblenz NJW 1955, 506. 12 Vgl. o.N. Der Erbscheinsantrag des Gläubigers, FoVo 2011, 225. 13 2. Aufl. B II. Allerdings kann auch gerade für die Umschreibung eine Urkunde benötigt werden, z.B. § 742 Rdn. 11. 14 OLG Hamm OLGRspr 1929, 203. 15 LG Kiel SchlHA 1960, 292 = JurBüro 1960, 546; LG Lübeck BeckRS 2009, 20562. 16 KG OLGRspr 1926, 392. 531

Paulus

§ 792

Achtes Buch – Zwangsvollstreckung

3. Personen 5 Gläubiger i.S.d. § 792 ist vor allem der im Titel ausgewiesene17 Berechtigte, aber auch ein Testamentsvollstrecker bzw. Erbe,18 oder ein Miterbe.19 Schuldner ist nicht nur der Titelschuldner, sondern auch sein Erbe20 oder sonst eine durch die §§ 727 ff. von der Zwangsvollstreckung betroffene Person.21

III. Verfahren 6 Der Antrag ist eine verfahrensrechtliche Willenserklärung. Der Gläubiger muss sein Antragsrecht gegenüber der ausstellenden Amtsperson durch die Vorlage seines Titels legitimieren.22 Da er dieses Antragsrecht von seinem Schuldner ableitet,23 unterliegt er denselben Beschränkungen wie dieser; beantragt der Gläubiger etwa einen gemeinschaftlichen Erbschein nach § 2357 Abs. 1 S. 2 BGB, so ersetzt seine Eidesstattliche Versicherung nicht die der anderen Miterben, wenn das Nachlassgericht auch noch deren Versicherung für erforderlich erachtet, § 352a Abs. 4 FamFG. Allerdings wird man aus der ratio der Norm insoweit eine Erweiterung der Gläubigerbefugnisse gegenüber denen des Schuldners herleiten können, als der Gläubiger auch dann, wenn sein Schuldner etwa minderjährig ist, einen entsprechenden Antrag stellen darf; es kann keinen Unterschied machen, ob der Schuldner selbst oder sein gesetzlicher Vertreter den Fortgang der Zwangsvollstreckung durch Untätigkeit behindert. 7 Die zuständige Amtsperson prüft, ob der Schuldner zur Antragstellung berechtigt wäre, nicht aber, ob die konkrete Zwangsvollstreckung zulässig ist,24 oder ob durch die Urkundenerstellung die Vollstreckung durchführbar wird,25 oder wer – im Falle der Erbscheinserteilung – endgültiger Erbe ist. Ebenso wenig wird man dieser Person, die möglicherweise mit dem Vollstreckungsrecht nicht vertraut ist, die Prüfung auferlegen können, ob die vom Gläubiger beantragte Urkunde „zum Zwecke der Zwangsvollstreckung“ benötigt wird.26 Möglichen Missbräuchen des Gläubigers muss vielmehr der Schuldner im Wege des § 766 entgegentreten. Die Amtsperson sollte aber der schwierigen Beweissituation, in der sich der Gläubiger befindet,27 dadurch Rechnung tragen, dass sie der Amtsermittlungspflicht gewissenhaft nachkommt. 8 Die Kosten für die Erteilung des Erbscheins, § 40 GNotKG, und die anderen Urkunden hat der Gläubiger zunächst auszulegen, bevor er sie als Vollstreckungskosten über § 788 ersetzt bekommt. Voraussetzung dafür ist freilich, dass dem Antrag entsprochen wurde. Ist das nicht der Fall, waren die Kosten für die Vollstreckung nicht notwendig.

17 OLG Bamberg NJW-RR 2022, 727. 18 Staudinger/Herzog, 2023, BGB § 2535 Rdn. 281. Für eine analoge Anwendung auf einen Pfandgläubiger eines Anwartschaftsrechts OLG Nürnberg MDR 2020, 1438 – Tz. 17. Zur Teilungsversteigerung eines Miteigentümers KG NJWRR 2018, 1226 – Tz. 6 ff. 19 Zum Miterben, der die Auseinandersetzung betreiben will, LG Marburg NJW 1952, 149; LG Heilbronn ZD 2023, 43. Nicht erfasst ist trotz Vorbem § 704 Rdn. 2b ein Inkasso-Unternehmen; richtig AG Meldorf NJW-Spezial 2010, 744. 20 RGZ 48, 400; KG OLGRspr 1933, 153; LG Kiel JurBüro 1960, 546. 21 LG Ravensburg JurBüro 2017, 604 – Tz. 27. 22 KG OLGRspr 1920, 34. 23 KGJ 1938 A 155. 24 OLG München FGPrax 2014, 266. 25 A.A. Stein/Jonas/Münzberg Rdn. 2. 26 LG Hildesheim MDR 1962, 56. 27 Zutreffend daher LG Hildesheim MDR 1962, 56; LG Kassel FamRZ 2010, 1016; s. auch LG Leipzig Rpfleger 2008, 655. Paulus

532

§ 793

Abschnitt 1. Allgemeine Vorschriften

Wird der Antrag des Gläubigers abgelehnt, stehen ihm diejenigen Rechtsbehelfe zur Verfü- 9 gung, die auch der Schuldner hätte.28

§ 793 Sofortige Beschwerde Gegen Entscheidungen, die im Zwangsvollstreckungsverfahren ohne mündliche Verhandlung ergehen können, findet sofortige Beschwerde statt.

Schrifttum Arens/Lüke Die Rechtsbehelfe im Zwangsvollstreckungsverfahren, JURA 1982, 455; Becker Die Rechtsbeschwerde in der Zwangsvollstreckung – vom LG unmittelbar zum BGH, JuS 2004, 574; Geißler Das System des vollstreckungsinternen Rechtsschutzes, JuS 1986, 280; Jost Zur Divergenz des Rechtsmittelzugs von Hauptsache und Beschwerde im Zivilprozeß, NJW 1990, 214; Kunz Erinnerung und Beschwerde (1980); Stamm Die Prinzipien und Grundstrukturen des Zwangsvollstreckungsrechts (2007); Ulrici Vollstreckungserinnerung und sofortige Beschwerde, FS Becker-Eberhard (2022), 603; Zeising Erinnerung versus sofortige Beschwerde in der Zwangsvollstreckung, JURA 2010, 93.

Übersicht I.

Allgemeines

II. 1.

Statthaftigkeit der sofortigen Beschwerde 4 Anwendungsbereich 5 a) Gerichtliche Entscheidung b) Im Zwangsvollstreckungsverfahren c) Fakultative mündliche Verhandlung d) Ausschluss der sofortigen Be12 schwerde Abgrenzung zur Vollstreckungserinne13 rung

2.

III. 1. 2.

1

Zulässigkeit und Verfahrensfragen 19 Beschwerdegegner 20 Beschwerdebefugnis

9 11

3. 4. 5. 6.

22 Rechtsschutzbedürfnis 24 Form und Frist 26 Zuständigkeit Gang des Beschwerdeverfahrens

IV.

Begründetheit

V. 1. 2. 3. 4.

Entscheidung über die sofortige Beschwerde 30 Entscheidung durch Beschluss 31 Kosten, Gebühren, Wert 33 Einstweilige Anordnungen Rechtsbeschwerde gegen die Beschwerdeentschei34 dung Erstmalige Anordnung einer Maßnahme durch 38 das Beschwerdegericht

5.

27

29

I. Allgemeines Die Vorschrift regelt (nur) die Statthaftigkeit der sofortigen Beschwerde in Zwangsvollstreckungs- 1 verfahren.1 Das Beschwerdeverfahren selbst folgt den §§ 567 ff.2 Doch sind spezifisch vollstreckungsrechte Besonderheiten zu beachten.3 Wurde eine sofortige Beschwerde eingelegt, steht dem Gericht (s. Rdn. 5), das die Entschei- 2 dung (s. Rdn. 5 ff.) getroffen hat, die Möglichkeit zu, der Beschwerde abzuhelfen (§ 572 Abs. 1 S. 1, 1. Alt.). Hilft es ihr nicht ab, muss über sie das Beschwerdegericht entscheiden (§ 572 Abs. 1 S. 1, 28 Kindl/Meller-Hannich/Wolf/Handke Rdn. 10. Zur Bemessung der Beschwer bei Beantragung eines Erbscheins OLG Köln NJW-RR 2014, 1037. 1 Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Walker/Thole § 793 Rdn. 2. 2 Kindl/Meller-Hannich/Wolf/Handke § 793 Rdn. 13; Musielak/Voit/Lackmann § 793 Rdn. 1. 3 OLG Köln ZIP 1980, 578. 533 https://doi.org/10.1515/9783110443158-078

Spohnheimer

§ 793

Achtes Buch – Zwangsvollstreckung

2. Alt., Abs. 2, 3). Die sofortige Beschwerde löst einen Devolutiveffekt aus;4 ein Suspensiveffekt kommt ihr grundsätzlich nicht zu (§ 570). 3 Wie die Existenz der sofortigen Beschwerde zeigt, hat das Gericht keine Möglichkeit mehr, eine einmal getroffene Entscheidung außerhalb des Beschwerdeverfahrens abzuändern.

II. Statthaftigkeit der sofortigen Beschwerde 1. Anwendungsbereich 4 Die sofortige Beschwerde ist statthaft gegen eine Entscheidung (s. Rdn. 5 ff.), die im Zwangsvollstreckungsverfahren ohne eine mündliche Verhandlung ergehen kann (s. Rdn. 11). Vorrangige Rechtsbehelfe verdrängen sie in ihrem Anwendungsbereich (s. Rdn. 9).

5 a) Gerichtliche Entscheidung. Auch wenn § 793 nur von einer Entscheidung spricht, muss es sich um eine solche des Amts- oder des Landgerichts handeln.5 Das folgt aus § 567, wonach die sofortige Beschwerde nur gegen Entscheidungen der Amts- oder Landgerichte stattfindet. Denn § 793 verdrängt diese Vorschrift nicht, die Norm eröffnet vielmehr die sofortige Beschwerde nach § 567 Abs. 1 Nr. 1. Deshalb kommt eine sofortige Beschwerde von vornherein nicht in Betracht, wenn der Gerichtsvollzieher gehandelt hat. Sein Handeln ist stets mit der Vollstreckungserinnerung zu überprüfen. Erst die Entscheidung des Vollstreckungsgerichts auf diese Erinnerung hin kann mit der sofortigen Beschwerde angegriffen werden.6 Auch die Entscheidung des Rechtspflegers ist eine gerichtliche Entscheidung. Deshalb findet gem. § 11 Abs. 1 RPflG auch in diesen Fällen die sofortige Beschwerde statt.7 Nur wenn der Rechtspfleger eine sonst unanfechtbare Entscheidung trifft, kommt die Rechtspflegererinnerung nach § 11 Abs. 2 RPflG in Betracht.8 Für die Abgrenzung zwischen einer Entscheidung und einer – nicht unter § 793 fallenden – 6 bloßen Vollstreckungsmaßnahme (s. auch § 766 Rdn. 18 ff., insbes. § 766 Rdn. 26 ff.) kommt es darauf an, ob eine rechtliche und tatsächliche Würdigung eines Sachverhaltes und eine Abwägung erforderlich sind. Muss nichts gewürdigt und nichts abgewogen werden, wird auch nichts entschieden. Ein Kriterium kann dabei sein, ob eine vorherige Anhörung erforderlich ist. Doch kann eine Entscheidung auch dann vorliegen, wenn sie unterblieben ist oder unterbleiben musste. Denn vielfach sind gerade das die Fälle, in denen das Gericht umso mehr abwägt und damit umso mehr entscheidet (s. auch Rdn. 13 ff.). Keine Entscheidungen sind prozessleitende Verfügungen (Terminsbestimmung nach § 216,9 7 Beweisbeschlüsse nach § 35810 etc.). Sie können nicht nach § 793 angefochten werden. Die Festsetzung eines Zwangsmittels nach § 88811 oder eines Ordnungsgeldes nach § 890 Abs. 1 8 12 S. 1 durch Beschluss sind Entscheidungen i.S.v. § 793. Gegen die auf der Grundlage eines solchen Beschlusses getroffenen Zwangsvollstreckungsmaßnahmen ist hingegen die Vollstreckungserinnerung nach § 766 statthaft.13 Hat der Schuldner die titulierte Forderung nach der Festsetzung des Zwangs-

4 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 767 Rdn. 1. 5 Kunz Erinnerung und Beschwerde, S. 1. 6 Zeising JURA 2010, 93; vgl. dazu auch Ulrici FS Becker-Eberhard, 603, 622. 7 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 793 Rdn. 20. 8 Zöller/Geimer § 793 Rdn. 3. 9 KG OLGRspr. 1927, 174. 10 RG SeuffArch 48 Nr. 467. 11 H.M.; so etwa OLG Celle JurBüro 2013, 163; OLG Jena FamRZ 2013, 656; OLG Köln, Beschl. v. 25.3.2008 – 2 W 16/08; OVG Greifswald NJW 2012, 3801, 3802.

12 OLG Düsseldorf NZG 2013, 1346. 13 LAGE Hamburg § 888 Nr. 23. Spohnheimer

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mittels erfüllt, nachdem der Beschluss unanfechtbar (formell rechtskräftig) geworden ist, muss er das im Wege einer Vollstreckungsgegenklage,14 nicht aber durch eine sofortige Beschwerde geltend machen.15 Wird entgegen § 888 Abs. 2 ein Zwangsmittel angedroht, kann sich der Gläubiger dagegen mit der sofortigen Beschwerde wehren.16 Der Schuldner hingegen hat dagegen – weil die Vorschrift den Gläubiger vor einer Verzögerung der Vollstreckung schützen soll – keinen Rechtsbehelf.17

b) Im Zwangsvollstreckungsverfahren. Die sofortige Beschwerde ist statthaft gegen Entschei- 9 dungen im Zwangsvollstreckungsverfahren nach der ZPO. Sie findet auch statt, wenn ein Titel vollstreckt wird, der in einem Verfahren nach dem FamFG ergangen ist (§ 120 Abs. 1 FamFG).18 Im Amtsvollstreckungsverfahren (§ 87 Abs. 1 FamFG) eröffnet nicht § 793 die sofortige Beschwerde, sondern § 87 Abs. 4 FamFG. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 JBeitrO gilt die Vorschrift sinngemäß für Titel nach der JBeitrO. Entscheidet das Insolvenzgericht anstelle des Vollstreckungsgerichts findet gegen diese Entscheidungen ebenfalls die sofortige Beschwerde statt; die Rechtsbehelfe der InsO sind insoweit nicht eröffnet.19 Im Zwangsversteigerungsverfahren findet nicht die sofortige Beschwerde statt, sondern es greifen die §§ 95–104 ZVG ein.20 Ist das Grundbuchamt als Vollstreckungsorgan tätig, findet die Grundbuchbeschwerde (§§ 71 ff. GBO) und keine sofortige Beschwerde statt.21 Keine Entscheidungen im Zwangsvollstreckungsverfahren sind solche, die sie allenfalls vorbereiten. Deshalb können Einwendungen gegen die Erteilung eines Rechtskraft- oder eines Notfristzeugnisses sowie Einwendungen gegen die Erteilung einer Vollstreckungsklausel nicht nach § 793 geltend gemacht werden.22 Auch das Bestimmen einer Räumungsfrist nach § 721 bzw. § 794a ist noch keine Entscheidung im Zwangsvollstreckungsverfahren, sodass § 793 nicht eingreift.23 Hier ermöglichen aber § 721 Abs. 6 bzw. § 794a Abs. 4 für bestimmte Fälle die sofortige Beschwerde. Lange war vor diesem Hintergrund umstritten, ob sich der Schuldner mit der sofortigen 10 Beschwerde auch gegen die Erlaubnis des Richters zu einer Durchsuchung (§ 758a Abs. 1) und zur Nachtpfändung (§ 758a Abs. 4) wehren kann. Problematisch ist insoweit, dass es sich eigentlich um Anordnungen handelt, die die Zwangsvollstreckung erst vorbereiten.24 Nach einer Ansicht sollte diese Entscheidung überhaupt nicht angegriffen werden können, weil zum einen die Voraussetzungen von § 793 nicht erfüllt seien und es daher an einer Bestimmung i.S.v. § 567 Abs. 1 Nr. 1 fehle, und es sich zum anderen nicht um eine Vollstreckungsmaßnahme i.S.v. § 766 handele.25 Die Gegenansicht stimmt darin überein, dass der Schuldner – schon wegen der Grundrechtsberührungen – eine Möglichkeit haben muss, sich gegen diese Anordnung zu wehren. Je nachdem, wie man die Entscheidung von der Vollstreckungsmaßnahme abgrenzt (s. Rdn. 6 und § 766 Rdn. 18 ff.), gelangt man entweder zur Vollstreckungserinnerung26 oder zur

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OLG Karlsruhe MDR 2006, 472; Musielak/Voit/Lackmann § 888 Rdn. 8. So aber fehlsam LAG Köln, Beschl. v. 29.3.2012 – 6 Ta 53/12. Musielak/Voit/Lackmann § 888 Rdn. 14. Musielak/Voit/Lackmann § 888 Rdn. 14. OLG Brandenburg FamRZ 2011, 831, 832; Prütting/Gehrlein/Scheuch § 793 Rdn. 2; Musielak/Voit/Lackmann § 793 Rdn. 1. 19 BGH NZI 2018, 528; BGH NZI 2012, 672; Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Walker/Thole § 793 Rdn. 1. 20 BeckOK/Preuß § 793 Rdn. 2; Musielak/Voit/Lackmann § 793 Rdn. 1; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 38 Rdn. 5. 21 BeckOK/Preuß § 793 Rdn. 2; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 38 Rdn. 5. 22 Musielak/Voit/Lackmann § 793 Rdn. 2; Saenger/Kindl § 793 Rdn. 2; Zöller/Geimer § 793 Rdn. 2; Gaul/Schilken/BeckerEberhard ZVR § 38 Rdn. 8. 23 OLG München NJW-RR 1993, 1235; MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 793 Rdn. 3. 24 Vgl. zum Meinungsstand LG Lübeck, Beschl. v. 30.6.2008 – 7 T 293/08 und die Nachweise in den nachfolgenden Fn. 25 Zöller/Stöber30 § 758a Rdn. 36. 26 KG Berlin NJW 1986, 1180 (Schuldner wurde nicht angehört); LG Lübeck, Beschl. v. 30.6.2008 – 7 T 293/08 (in der Anordnung fehlen regelmäßig Ausführungen zur Rechtslage, sodass eine Überprüfung durch das Beschwerdegericht kaum möglich ist). 535

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sofortigen Beschwerde.27 Das BVerfG hat diesen Streit in einer jüngeren Entscheidung für die Praxis entschieden und dem Betroffen die Möglichkeit einer sofortigen Beschwerde (bzw. einer Vollstreckungserinnerung) eröffnet.28 Wegen des erheblichen Grundrechtseingriffs muss der Schuldner eine Möglichkeit haben, sich gegen die Entscheidung zu wehren. Ihm keinen Rechtsbehelf zu gewähren, würde ihn in Art. 19 Abs. 4 GG verletzen. Während der BGH in einem insolvenzrechtlichen Sachverhalt eine außerordentliche Beschwerde ermöglichen musste,29 bedarf es eines solchen Kunstgriffs im vorliegenden Fall nicht. Denn bei einer weiten Auslegung kann man die richterliche Anordnung durchaus noch als eine Maßnahme im Zwangsvollstreckungsverfahren ansehen. Dafür spricht auch, dass die Grenze nicht eindeutig zu bestimmen ist. Die Grundrechtssphäre des Schuldners ist bereits betroffen, sobald eine entsprechende Anordnung erlassen ist. Deshalb kann man nur schwerlich argumentieren, dass ein Rechtsbehelf erst in Betracht kommt, wenn das Vollstreckungsorgan an der Tür des Schuldners klingelt. Denn der Erlass der Anordnung ist mit der eigentlichen Vollstreckungshandlung eng verknüpft.30 Das muss umso mehr gelten als es sich um einen entsprechend schwerwiegenden Grundrechtseingriff handelt, wie Art. 13 GG zum Ausdruck bringt. Umgekehrt sieht die ZPO für andere, dem Zwangsvollstreckungsverfahren vorgeschaltete Verfahren, etwa bei der Klauselerteilung, eigenständige Rechtsbehelfe vor. Dass der Schuldner gerade bei einem derart schwerwiegenden Grundrechtseingriff keinen Rechtsbehelf haben soll, ist fernliegend. Daher ist § 793 so auszulegen, dass auch die Anordnung einer solchen Maßnahme eine Entscheidung im Zwangsvollstreckungsverfahren ist.31 Erkennt man grundsätzlich an, dass dem Betroffenen Rechtsschutz zu gewähren ist, ist es wegen der bei der Anordnung erforderlichen Interessenabwägung (vgl. dazu Rdn. 6 und § 766 Rdn. 26 ff.) vorzugswürdig, von einer Entscheidung auszugehen und ihm die sofortige Beschwerde zu ermöglichen.32

11 c) Fakultative mündliche Verhandlung. § 793 knüpft daran an, dass eine Entscheidung ohne eine mündliche Verhandlung ergehen kann (§ 128 Abs. 4). Dass sie im Einzelfall auch tatsächlich ohne eine solche ergangen ist, ist hingegen nicht Voraussetzung. Daher kann eine sofortige Beschwerde auch dann erhoben werden, wenn tatsächlich mündlich verhandelt wurde.33

12 d) Ausschluss der sofortigen Beschwerde. Eine sofortige Beschwerde gegen die Entscheidung über die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung nach den §§ 707 und 719 kommt nicht in Betracht. Darüber hinaus gilt das auch für Anordnungen nach §§ 769, 770 (s. § 769 Rdn. 33 ff.). Eine Beschwerdeschrift kann in einen – in diesen Fällen jederzeit möglichen – Antrag auf Abänderung umgedeutet werden.34 Ebenfalls ist eine sofortige Beschwerde ausgeschlossen, wenn sie sich nur gegen die Kostenentscheidung dem Grunde nach, nicht aber gegen die Entscheidung in der Hauptsache richtet (§ 99 Abs. 1). Im Übrigen können die Entscheidungen über die Kosten – insbesondere Entscheidungen im Verfahren über die Vollstreckungserinnerung nach § 766 Abs. 2 – aber mit der sofortigen Beschwerde angegriffen werden. Voraussetzung ist jedoch,

27 OLG Stuttgart NJW-RR 1987, 759; OLG Hamm MDR 1984, 411; Stein/Jonas/Münzberg § 793 Rdn. 1; MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 793 Rdn. 3; Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Walker/Thole § 793 Rdn. 1; Kindl/Meller-Hannich/ Wolf/Handke § 793 Rdn. 2; Thomas/Putzo/Seiler § 758a Rdn. 24; Brox/Walker § 41 Rdn. 4. 28 BVerfG NJW 2015, 3432. 29 BGH NJW 2004, 2015, 2017. 30 Ähnlich Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 38 Rdn. 8. 31 Im Ergebnis ebenso BeckOK/Preuß § 793 Rdn. 4a. 32 Zöller/Seibel § 758a Rdn. 34. 33 Stein/Jonas/Münzberg § 793 Rdn. 1; BeckOK/Preuß § 793 Rdn. 6; MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 793 Rdn. 6; Kindl/Meller-Hannich/Wolf/Handke § 793 Rdn. 3; Saenger/Kindl § 793 Rdn. 1; Baur/Stürner/Bruns Rdn. 44.3. 34 Anders/Gehle/U. Schmidt § 707 Rdn. 28. Spohnheimer

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dass die Beschwer einen Betrag von 200 A übersteigt (§ 567 Abs. 2).35 Hierzu zählen auch Entscheidungen im Zusammenhang mit der Beitreibung von Vollstreckungskosten gem. § 788.36

2. Abgrenzung zur Vollstreckungserinnerung Von vornherein kommt eine sofortige Beschwerde gegen eine Vollstreckungshandlung des Gerichtsvollziehers nicht in Betracht. Denn die Entscheidung i.S.v. § 793 muss stets eine gerichtliche sein.37 Deshalb muss gegen eine Vollstreckungshandlung des Gerichtsvollziehers zunächst eine Vollstreckungserinnerung eingelegt werden. Erst die Erinnerungsentscheidung des Vollstreckungsgerichts kann dann mit der sofortigen Beschwerde angegriffen werden.38 Das ist auch insoweit sachgerecht, weil im Rahmen des Erinnerungsverfahrens erstmals ein Gericht über die Rechtmäßigkeit des Verhaltens des Gerichtsvollziehers entscheidet. Deshalb gibt es auch keine Notwendigkeit, den Betroffenen an Rechtsbehelfsfristen zu binden. Umgekehrt sind Vollstreckungshandlungen des Prozessgerichts immer mit der sofortigen Beschwerde, nicht mit der Vollstreckungserinnerung anzugreifen (s. § 766 Rdn. 34). Im Übrigen kommt es darauf an, ob es sich um eine Vollstreckungsmaßnahme (dann § 766) oder um eine Entscheidung (dann § 793) handelt. Doch bereitet die Abgrenzung zwischen einer Entscheidung und einer Zwangsvollstreckungsmaßnahme Schwierigkeiten. Hierzu werden – mit unterschiedlichen Nuancen – im Wesentlichen drei Sichtweisen vertreten. Nach einer Ansicht ist die Vollstreckungserinnerung nur gegen ein Verhalten des Gerichtsvollziehers statthaft.39 Dann wäre die sofortige Beschwerde immer dann statthaft, wenn ein Gericht gehandelt hat. Im Hinblick auf § 793 ließe sich das noch begründen. Es lässt sich aber mit dem Wortlaut von § 766 so nicht in Einklang bringen. Denn er eröffnet die Vollstreckungserinnerung nicht nur gegen das Handeln des Gerichtsvollziehers, sondern auch gegen das Verhalten anderer Vollstreckungsorgane (s. hierzu im Einzelnen § 766 Rdn. 20). Andere sehen in der Vollstreckungserinnerung den grundlegenden Rechtsbehelf, um die Vornahme bzw. Ablehnung einer Vollstreckungshandlung zu überprüfen (s. hierzu § 766 Rdn. 21). In diesen Fällen soll eine sofortige Beschwerde nicht statthaft sein.40 Nach Stamm sollen mit § 793 nur rechtsprechende Entscheidungen überprüft werden können; alle „exekutiven Vollstreckungshandlungen“ müssen zunächst mit der Vollstreckungserinnerung überprüft werden.41 Die h.M. stellt indessen darauf ab, ob der Betroffene angehört wurde.42 Wurde ihm rechtliches Gehör gewährt, steht ihm nicht mehr die Vollstreckungserinnerung, sondern nur die sofortige Beschwerde offen. Das wird insbesondere damit begründet, dass die Vollstreckungserinnerung dazu diene, erstmals rechtliches Gehör zu gewähren43 bzw. dass eine Vollstreckungserinnerung nach erfolgter Anhörung prozessökonomisch nicht sinnvoll sei.44 Wurde der Betroffene nicht an35 36 37 38 39 40 41 42

LAG Köln, Beschl. v. 23.7.2013 – 7 Ta 124/13; Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Walker/Thole § 793 Rdn. 5. BGH NJW 2012, 3308, 3309. Kunz Erinnerung und Beschwerde, S. 1. Zeising JURA 2010, 93. Kunz Erinnerung und Beschwerde, S. 120 ff.; Weiser ZZP 115 (2002) 157, 159. Baur/Stürner/Bruns Rdn. 43.4. Stamm Prinzipien und Grundstrukturen des Zwangsvollstreckungsrechts, S. 538. BGH NJW 2011, 525, 526; BGH NZI 2004, 447 f.; OLG Köln NJW-RR 2001, 69; OLG Köln NJW-RR 1992, 894; Walker/ Petri LMK 2010, 311735. 43 BeckOK/Preuß § 766 Rdn. 13. 44 Brox/Walker § 40 Rdn. 28. Das vielfach verwandte Argument, eine Selbstüberprüfung durch das Vollstreckungsgericht wäre in diesen Fällen sinnlos, ist allerdings sehr unpräzise formuliert: Denn auch der sofortigen Beschwerde ist eine Selbstüberprüfung nicht fremd. Das zeigt § 572 Abs. 1 ZPO. Der entscheidende Unterschied liegt vielmehr darin, dass die Erinnerung auf eine Selbstüberprüfung beschränkt ist, sie würde bei dem Gericht enden, von dem der Betroffene ohnehin schon einmal angehört wurde. Nur im Falle einer sofortigen Beschwerde schließt sich an diese Selbstüberprüfung eine Überprüfung durch ein Gericht einer höheren Instanz an. 537

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gehört, soll er zunächst Vollstreckungserinnerung einlegen müssen. Manche wollen die sofortige Beschwerde aber auch zulassen, wenn er hätte angehört werden müssen, die Anhörung aber unterblieben ist.45 Unabhängig von einer erfolgten Anhörung soll die sofortige Beschwerde aber auch gegen eine Durchsuchungsanordnung nach § 758a zulässig sein, weil hier Grundrechte eine Abwägung erfordern (s. auch Rdn. 10).46 Stets soll die sofortige Beschwerde zulässig sein, wenn eine beantragte Vollstreckungshandlung abgelehnt wurde.47 Die Ergebnisse der h.M. erscheinen zuweilen beliebig und eröffnen dem Vollstreckungsorgan 18 in Einzelfällen sogar, über den statthaften Rechtsbehelf zu disponieren. Richtigerweise sollte man daher nicht darauf abstellen, ob rechtliches Gehör gewährt wurde, sondern darauf, ob das Gesetz eine Interessenabwägung verlangt. Das entspricht zudem am ehesten dem Begriff einer Entscheidung bzw. des Entscheidens (s. hierzu im Einzelnen § 766 Rdn. 26 ff.).

III. Zulässigkeit und Verfahrensfragen 1. Beschwerdegegner 19 Weil die sofortige Beschwerde wie die Vollstreckungserinnerung darauf gerichtet ist, einen Verfahrensverstoß geltend zu machen, sollte sie in diesen Fällen wie die Vollstreckungserinnerung gegen das Vollstreckungsorgan bzw. dessen Anstellungskörperschaft gerichtet werden, dessen Maßnahme angegriffen wird. Die von der h.M. vertretene Gegenansicht, wonach sie gegen die Partei des Vollstreckungsverfahrens zu richten ist, die durch die angestrebte Entscheidung beschwert ist,48 überzeugt aus denselben Gründen nicht, wie das bei der Vollstreckungserinnerung der Fall ist (s. ausf. § 766 Rdn. 7 ff.). Auch hier lassen sich sonst die von den §§ 91 ff. ausgelösten Kostenfolgen nicht überzeugend in den Griff bekommen (s. Rdn. 30). Das gilt etwa insbesondere, wenn sich der Gläubiger auf der Grundlage der h.M.49 gegen die Ablehnung einer Forderungspfändung mit der sofortigen Beschwerde wehren muss und es noch an einem Vollstreckungsverhältnis fehlt (vgl. dazu § 766 Rdn. 10 m. Fn. 18).

2. Beschwerdebefugnis 20 Befugt, eine sofortige Beschwerde zu erheben ist, wer durch die Entscheidung beschwert ist,50 wer also in seinen eigenen Rechten betroffen ist.51 Neben dem Gläubiger und dem Schuldner kann die sofortige Beschwerde auch Dritten (etwa dem Drittschuldner im Falle einer Forderungspfändung)52 zustehen. Ausreichend ist, wenn eine solche Rechtsverletzung geltend gemacht wird.53 Ob sie tatsächlich vorliegt, ist eine Frage der Begründetheit. Nach h.M. ist der Gerichtsvollzieher

45 Stein/Jonas/Münzberg § 766 Rdn. 8; Prütting/Gehrlein/Scheuch § 766 Rdn. 4; K. Schmidt JuS 1992, 90, 94, will dem Betroffenen ein Wahlrecht geben, sodass die sofortige Beschwerde auch bei unterlassener, aber gebotener Anhörung statthaft ist. 46 Prütting/Gehrlein/Scheuch § 766 Rdn. 4. 47 OLG Koblenz NJW-RR 1986, 679; OLG Koblenz MDR 1983, 413, 414; BeckOK/Preuß § 766 Rdn. 13; Prütting/Gehrlein/ Scheuch § 766 Rdn. 5; Brox/Walker § 41 Rdn. 4; Lippross/Bittmann § 20 Rdn. 51; a.A. LG Koblenz MDR 1990, 1123, 1124. 48 Musielak/Voit/Lackmann § 793 Rdn. 6. 49 Die h.M. geht davon aus, dass die Ablehnung einer beantragten Vollstreckungsmaßnahme stets eine Entscheidung ist, die nach § 793 anzugreifen ist (s. § 766 Rdn. 23). 50 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 793 Rdn. 7; BeckOK/Preuß § 793 Rdn. 8; Prütting/Gehrlein/Scheuch § 793 Rdn. 6. 51 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 793 Rdn. 7; Kindl/Meller-Hannich/Wolf/Handke § 793 Rdn. 10. 52 Kindl/Meller-Hannich/Wolf/Handke § 793 Rdn. 10; Saenger/Kindl § 793 Rdn. 4. 53 Kindl/Meller-Hannich/Wolf/Handke § 793 Rdn. 10. Spohnheimer

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nicht beschwerdebefugt.54 Das soll insbesondere auch dann gelten, wenn in seine Befugnisse als Vollstreckungsorgan eingegriffen wurde.55 Anders liegen die Dinge indes, wenn seine eigenen Rechte betroffen sind,56 z.B. seine Kostenbelange.57 Dass sich der Gerichtsvollzieher vor Amtshaftungsansprüchen schützen will, genügt nicht.58 Zu beachten ist hier nämlich, dass die Entscheidung die Parteien und das Vollstreckungsorgan bindet und er insoweit rechtmäßig handelt.59 Nach einer früheren Entscheidung soll er ein berechtigtes Interesse an einer Beschwerde haben, wenn er auf eine Erinnerung hin zu einer rechtswidrigen Handlung angewiesen wurde und bei Ausführung dieser Handlung dem Notwehrrecht des Betroffenen ausgesetzt ist.60 Allerdings bindet auch hier die Entscheidung die Parteien als auch den Gerichtsvollzieher. Deshalb handelt er insoweit nicht rechtswidrig und es besteht auch kein Notwehrrecht.61 Folgt man indes der hier vertretenen Ansicht, wonach bei der Geltendmachung eines Verfah- 21 rensfehlers der Rechtsbehelf gegen das Vollstreckungsorgan bzw. seine Anstellungskörperschaft zu richten ist (s. § 766 Rdn. 7 ff.), erscheint es überlegenswert, das Vollstreckungsorgan für beschwerdebefugt zu halten, wenn es sich gegen eine Entscheidung, die über diesen Rechtsbehelf ergangen ist, wehren will. Der Staatskasse kann ein Beschwerderecht zustehen, wenn sie bei Kostenfreiheit oder Kostenherabsetzung die Kosten zahlen muss. Da § 513 Abs. 2 analog auf Beschlüsse anwendbar ist,62 kann die Beschwerde nicht auf eine örtliche Unzuständigkeit des Vollstreckungsgerichts gestützt werden.

3. Rechtsschutzbedürfnis Das Rechtsschutzbedürfnis besteht vom Beginn der Zwangsvollstreckung bis zu ihrer vollständi- 22 gen Beendigung.63 Es entfällt grundsätzlich, wenn die Zwangsvollstreckung beendet ist, also der Gläubiger befriedigt wurde. Wurde eine Zwangsvollstreckungsmaßnahme aufgehoben und will der Betroffene mit der Beschwerde die Wiedervornahme der Vollstreckungsmaßnahme erreichen – eine Wiederherstellung der aufgehobenen Maßnahme kommt nicht in Betracht – besteht dafür ein Rechtsschutzbedürfnis.64 Eine Fortsetzungsfeststellungsbeschwerde gibt es grundsätzlich nicht.65 Das BVerfG sieht es 23 aber im Lichte von Art. 19 Abs. 4 GG als geboten an, dass der Betroffene sich bei bestimmten Vollstreckungsmaßnahmen, die gravierende, tiefgreifende Grundrechtseingriffe beinhalten – im konkreten Fall ging es um eine Wohnungsdurchsuchung (s. dazu auch Rdn. 10) – auch dann noch

54 OLG Düsseldorf NJW 1980, 1111, 1112; OLG Düsseldorf NJW-RR 1993, 1280; OLG Stuttgart DGVZ 1979, 58; BeckOK/ Preuß § 793 Rdn. 9. Vgl. im Übrigen auch die nachfolgenden Fn. 55 AG Leipzig DGVZ 2013, 138, 139; MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 793 Rdn. 7; Schuschke/Walker/Kessen/Thole/ Walker/Thole § 793 Rdn. 5; Musielak/Voit/Lackmann § 793 Rdn. 4; Kindl/Meller-Hannich/Wolf/Handke § 793 Rdn. 11. 56 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 793 Rdn. 7; Musielak/Voit/Lackmann § 793 Rdn. 4. 57 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 793 Rdn. 7; Musielak/Voit/Lackmann § 793 Rdn. 4; BeckOK/Preuß § 793 Rdn. 10; a.A. OLG Hamm NJOZ 2015, 1099, 1101; LG Lübeck NJW-RR 2014, 1407, 1408; Saenger/Kindl § 793 Rdn. 4 (Gerichtsvollzieher nur beschwerdebefugt, wenn ihm unzulässigerweise Kosten auferlegt wurden). 58 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 793 Rdn. 7; a.A. Stein/Jonas/Münzberg § 793 Rdn. 6 (bei offensichtlicher Unrichtigkeit); offen gelassen von OLG Düsseldorf NJW 1978, 2205. 59 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 793 Rdn. 7; BeckOK/Preuß § 793 Rdn. 9; Musielak/Voit/Lackmann § 793 Rdn. 4; a.A. Stein/Jonas/Münzberg § 793 Rdn. 6. 60 OLG Düsseldorf NJW 1978, 2205. 61 Musielak/Voit/Lackmann § 793 Rdn. 4. 62 Vgl. OLG Köln NJW-RR 1990, 894 (noch zu § 512a ZPO a.F.). 63 BeckOK/Preuß § 793 Rdn. 15; Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Walker/Thole § 793 Rdn. 6; Kindl/Meller-Hannich/Wolf/ Handke § 793 Rdn. 12. 64 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 793 Rdn. 13; Musielak/Voit/Lackmann § 793 Rdn. 5. 65 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 793 Rdn. 13; Musielak/Voit/Lackmann § 793 Rdn. 5. 539

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mit der sofortigen Beschwerde zur Wehr setzen können muss, wenn die Vollstreckungsmaßnahme bereits beendet ist.66

4. Form und Frist 24 Die sofortige Beschwerde ist durch Einreichung einer Beschwerdeschrift bei dem Gericht, dessen Entscheidung angefochten wird, oder beim Beschwerdegericht (s. Rdn. 26) einzulegen (§ 569 Abs. 1 S. 1). Das geschieht durch Einreichung eines Schriftsatzes (§ 569 Abs. 2) oder kann unter den Voraussetzungen von § 569 Abs. 3 auch durch Erklärung zu Protokoll der Geschäftsstelle erfolgen. Bestand in dem Verfahren, aus dem die angefochtene Entscheidung stammt, Anwaltszwang, muss die Beschwerde durch einen Rechtsanwalt eingelegt werden.67 Für die Einlegung der sofortigen Beschwerde gilt eine Notfrist von zwei Wochen, die mit der 25 Zustellung der Entscheidung beginnt. Sie ist für jeden Betroffenen gesondert zu berechnen.68 Ist die nach § 232 erforderliche Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben, kann der Betroffene, der die Frist versäumt, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragen (§§ 233 ff.). Sie endet spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nachdem der Beschluss verkündet wurde (§ 569 Abs. 1 S. 2).

5. Zuständigkeit 26 Beschwerdegericht ist grundsätzlich das im Rechtszug nächsthöhere Gericht, also das Landgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen des Amtsgerichts (vgl. § 72 Abs. 1 S. 1 GVG), und das Oberlandesgericht (Zivilsenat) über Beschwerden gegen Entscheidungen des Landgerichts (§ 119 Abs. 1 Nr. 2 GVG).

6. Gang des Beschwerdeverfahrens 27 Das Verfahren richtet sich nach den §§ 567–573. Nach § 572 Abs. 1 steht dem Gericht, dessen Entscheidung mit der sofortigen Beschwerde angegriffen wird, ein Selbstabhilferecht zu, wenn es die zulässige69 Beschwerde für begründet hält. Für ein Kollegialgericht entscheidet der Vorsitzende. Will das Gericht abhelfen, hat es der Gegenseite rechtliches Gehör zu gewähren.70 Dieses Selbstabhilferecht steht auch dem Rechtspfleger zu.71 Soweit das Gericht der Beschwerde nicht abhilft – sei es, weil es die Beschwerde für unzuläs28 sig72 oder für unbegründet erachtet, hat es die sofortige Beschwerde unverzüglich dem zuständigen Beschwerdegericht vorzulegen. Mit der Vorlage der Beschwerde an das Beschwerdegericht endet die Abhilfebefugnis des Untergerichts.73 Das Beschwerdegericht hat den Parteien rechtli-

66 67 68 69

BVerfG NJW 2015, 3432 Rdn. 19. Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Walker/Thole § 793 Rdn. 3. BeckOK/Preuß § 793 Rdn. 13. Str., vgl. zum Meinungsstand die Nachweise bei MünchKomm/Hamdorf § 572 Rdn. 7. Allerdings überzeugt es nicht, dass das Gericht einer unzulässigen Beschwerde soll abhelfen dürfen. Der Gegenansicht ist zwar zuzugestehen, dass § 572 Abs. 1 – anders als § 572 Abs. 2 – keinen Hinweis darauf enthält, dass das Gericht, dessen Entscheidung angegriffen wurde, die Zulässigkeit der Beschwerde zu prüfen hat, doch kann das Gericht freilich einer nicht zulässigen Beschwerde nicht abhelfen. Denn sonst bestünde die Gefahr, dass das Beschwerdegericht bspw. in eine durch Ablauf der Beschwerdefrist gesicherte Rechtsposition des Beschwerdegegners eingreift. 70 MünchKomm/Hamdorf § 572 Rdn. 8. 71 Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Walker/Thole Anhang zu § 793 Rdn. 6. 72 MünchKomm/Hamdorf § 572 Rdn. 12. 73 MünchKomm/Hamdorf § 572 Rdn. 15. Spohnheimer

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Abschnitt 1. Allgemeine Vorschriften

§ 793

ches Gehör zu gewähren.74 Eine mündliche Verhandlung ist aber sowohl im Abhilfeverfahren als auch vor dem Beschwerdegericht fakultativ (§ 572 Abs. 4). Ist das Abhilfeverfahren unterblieben, ist die Entscheidung des Beschwerdegerichts insoweit nicht anfechtbar.75

IV. Begründetheit Die sofortige Beschwerde ist begründet, wenn die angegriffene Entscheidung entweder verfah- 29 rensmäßig nicht ordnungsgemäß zustande gekommen ist oder sie inhaltlich unzutreffend ist.76 Maßgeblicher Zeitpunkt ist der Zeitpunkt der Beschlussfassung.77 Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel können vorgebracht werden und sind zu berücksichtigen (§ 571 Abs. 2).78 Eine dem § 767 Abs. 2 vergleichbare Präklusionsvorschrift gibt es nicht. Allerdings kann eine Frist gesetzt werden, die zur Präklusion führt (§ 571 Abs. 3). Das Verböserungsverbot (reformatio in peius) des § 528 S. 2 gilt entsprechend.79

V. Entscheidung über die sofortige Beschwerde 1. Entscheidung durch Beschluss Die Entscheidung über die sofortige Beschwerde ergeht – auch im Abhilfeverfahren nach § 572 30 Abs. 1 – durch Beschluss (§ 572 Abs. 4). Soweit die Beschwerde unbegründet ist, ist sie zurückzuweisen; soweit die Beschwerde begründet ist, ist die angefochtene Entscheidung aufzuheben. Bei einer teilweisen Begründetheit ist zu beachten, dass das Beschwerdegericht die Entscheidung nicht insgesamt aufheben darf, wenn der Gläubiger sonst sein Pfandrecht verlieren würde.80 Das Beschwerdegericht kann die dann erforderliche Entscheidung selbst treffen oder die Sache zurückverweisen. § 572 Abs. 3 erlaubt dem Beschwerdegericht, dem Untergericht erforderliche Anordnungen zu übertragen, an die es gebunden ist. Wurde mündlich verhandelt, ist der Beschluss zu verkünden (§ 329 Abs. 1 S. 1). Auch im Hinblick auf § 775 Nr. 1 muss der Beschluss nicht für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.81 Denn eine Rechtsbeschwerde hätte gem. § 575 Abs. 5 i.V.m. § 570 Abs. 1 keine aufschiebende Wirkung. Insoweit ist die Situation eine andere als wenn das der Fall wäre und wie sie § 704 zugrunde liegt. Es muss vielmehr umgekehrt eine entsprechende Anordnung (vgl. § 570 Abs. 3) ergehen.

2. Kosten, Gebühren, Wert Die Kostenentscheidung ergeht grundsätzlich nach den §§ 91 ff.82 Es handelt sich – auch wenn der 31 Gläubiger obsiegt – regelmäßig nicht um Kosten der Zwangsvollstreckung i.S.v. § 788.83 Richtet man mit der h.M. die sofortige Beschwerde nicht gegen das Vollstreckungsorgan, sondern gegen 74 MünchKomm/Hamdorf § 572 Rdn. 18. 75 Kindl/Meller-Hannich/Wolf/Handke § 793 Rdn. 14. 76 BeckOK/Preuß § 793 Rdn. 20; Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Walker/Thole § 793 Rdn. 7; Kindl/Meller-Hannich/Wolf/ Handke § 793 Rdn. 15. 77 BeckOK/Preuß § 793 Rdn. 20; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 38 Rdn. 21. 78 Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Walker/Thole § 793 Rdn. 7; Kindl/Meller-Hannich/Wolf/Handke § 793 Rdn. 16. 79 OLG Hamm JurBüro 1984, 1904, 1906; BeckOK/Preuß § 793 Rdn. 20; MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 793 Rdn. 17; Zöller/Geimer § 793 Rdn. 6. 80 OLG Köln ZIP 1980, 578. 81 Musielak/Voit/Lackmann § 793 Rdn. 7. 82 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 793 Rdn. 19. 83 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 793 Rdn. 19; BeckOK/Preuß § 793 Rdn. 22. 541

Spohnheimer

§ 793

Achtes Buch – Zwangsvollstreckung

die andere Partei des Zwangsvollstreckungsverfahrens, muss in den Fällen, in denen sie gar nicht am Verfahren beteiligt wird – etwa denen der abgelehnten Forderungspfändung – etwas anderes gelten. Dann sind die Kosten nach § 788 zu ersetzen.84 32 Die Gerichtskosten bestimmen sich nach Nr. 2121 GKG-KV: Wird die Beschwerde verworfen oder zurückgewiesen, fallen 30 A an. Bei Beschwerden im Verteilungsverfahren bestimmen sich die Gerichtskosten nach Nr. 2120 GKG-KV: Wird die Beschwerde verworfen oder zurückgewiesen, fällt eine 1,0-fache Gebühr an. Für einen Rechtsanwalt ist die Tätigkeit im Beschwerdeverfahren eine besondere Angelegenheit i.S.v. § 18 Nr. 5 RVG, sodass eine 0,5-fache Verfahrensgebühr (Ziff. 3500 RVG-VV) und eine 0,5-fache Terminsgebühr (Ziff. 3513 RVG-VV) anfallen.85

3. Einstweilige Anordnungen 33 Die Einlegung der sofortigen Beschwerde löst keinen Suspensiveffekt aus, soweit sie sich nicht gegen die Festsetzung eines Ordnungs- oder Zwangsmittels richtet (§ 570 Abs. 1). Für die Zwangsvollstreckung ist das etwa in den Fällen der §§ 888 Abs. 1 und 890 Abs. 1 bedeutsam. In den übrigen Fällen kann das Gericht, dessen Entscheidung angefochten wird, die Vollziehung der getroffenen Entscheidung – regelmäßig bis zu einer Entscheidung, ob es der Beschwerde nach § 572 Abs. 1 abhilft oder bis zu einer Entscheidung des Beschwerdegerichts – aussetzen (§ 570 Abs. 2). Auch dem Beschwerdegericht steht die Befugnis zu, eine solche einstweilige Anordnung zu treffen (§ 570 Abs. 3). Die Anordnung oder die Ablehnung solcher einstweiliger Maßnahmen sind grundsätzlich unanfechtbar.86 Nur, wenn sie irrtümlich von einem funktionell unzuständigen Gericht erlassen wurde, gilt das nicht.87

4. Rechtsbeschwerde gegen die Beschwerdeentscheidung 34 Die erst mit Wirkung zum 1.4.1991 eingeführte weitere Beschwerde (§ 793 Abs. 2 a.F.) wurde bereits mit der ZPO-Reformnovelle 2001 wieder abgeschafft. Seither ist gegen die Entscheidung im Beschwerdeverfahren nur noch die Rechtsbeschwerde zum BGH nach Maßgabe der §§ 574 ff. möglich. Dass das Verfahren nicht mehr bei den Oberlandesgerichten endet, fördert die auf dem Gebiet des Zwangsvollstreckungsrechts lange vermisste und für die Praxis bedeutsame Rechtssicherheit.88 35 Die Rechtsbeschwerde gegen die Entscheidung über die sofortige Beschwerde nach § 793 ist nur zulässig, wenn das Beschwerdegericht sie in dem Beschluss zugelassen hat (§ 574 Abs. 1 Nr. 2).89 Das Beschwerdegericht hat – von Amts wegen und mit bindender Wirkung – die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung90 hat, oder sie zur Fortbildung des Rechts91 oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung92 erforderlich ist (§ 574 Abs. 3). Hat das Beschwerdegericht die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen, ist diese Entscheidung unanfechtbar; eine Nichtzulassungsbeschwerde kennt das Verfahren der Rechtsbeschwerde 84 85 86 87 88 89 90

Stein/Jonas/Münzberg § 793 Rdn. 10; a.A. MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann § 793 Rdn. 19. Saenger/Kindl § 793 Rdn. 6. Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Walker/Thole § 793 Rdn. 11. Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Walker/Thole § 793 Rdn. 11. Becker JuS 2004, 574; David MDR 2012, 437. BT-Drucks. 13/4722, S. 122; Becker JuS 2004, 574. Vgl. zum Begriff der grundsätzlichen Bedeutung BGHZ 151, 221, 223 sowie Becker JuS 2004, 574, 575; ausf. auch Seiler/Wunsch NJW 2003, 1840, 1843. 91 Vgl. zum Begriff der Fortbildung des Rechts BGHZ 151, 221, 225 sowie Becker JuS 2004, 574, 575; ausf. auch Seiler/ Wunsch NJW 2003, 1840, 1844. 92 Vgl. zum Begriff der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung BGHZ 151, 42, 45 sowie Becker JuS 2004, 574, 575 f.; ausf. auch Seiler/Wunsch NJW 2003, 1840, 1844. Spohnheimer

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Abschnitt 1. Allgemeine Vorschriften

§ 794

nicht.93 Ist die Rechtsbeschwerde im Einzelfall nicht statthaft, kommt eine Gehörsrüge nach § 321a in Betracht, wenn eine Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs geltend gemacht wird. Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb einer Notfrist von einem Monat ab der Zustellung des 36 Beschlusses über die sofortige Beschwerde einzulegen (§ 575 Abs. 1). Die Rechtsbeschwerde ist zu begründen (Zulässigkeitsvoraussetzung).94 Auch wenn die Begründung nicht in der Beschwerdeschrift enthalten sein muss, gilt gleichwohl eine Monatsfrist ab Zustellung der angegriffenen Entscheidung (§ 575 Abs. 2). Diese Frist kann verlängert werden (§§ 575 Abs. 2 S. 2, 551 Abs. 2 S. 5, 6).95 Zuständig für die Entscheidung über die Rechtsbeschwerde ist der Bundesgerichtshof (§ 133 GVG). Die Gründe, auf die die Rechtsbeschwerde gestützt werden kann, sind in § 576 normiert. Regeln zur Zulässigkeits- und Begründetheitsprüfung des Rechtsbeschwerdegerichts enthält § 577. Die Entscheidung über die Rechtsbeschwerde ergeht durch Beschluss (§ 577 Abs. 5). Ist die 37 Rechtsbeschwerde erfolgreich, hebt das Rechtsbeschwerdegericht die angefochtene Entscheidung auf (§ 577 Abs. 4 S. 1). Nur wenn die Voraussetzungen von § 577 Abs. 5 vorliegen, entscheidet es selbst in der Sache, sonst erfolgt eine Zurückverweisung (§ 577 Abs. 4 S. 2).

5. Erstmalige Anordnung einer Maßnahme durch das Beschwerdegericht Ordnet das Beschwerdegericht eine Vollstreckungsmaßnahme erstmalig an, ist dagegen die Voll- 38 streckungserinnerung nach § 766 statthaft, wenn der Schuldner nicht angehört wurde.96 Sonst kann es dazu kommen, dass dem Schuldner nur im Rahmen einer – nicht immer zulässigen – Rechtsbeschwerde überhaupt rechtliches Gehör gewährt werden kann.97 Über sie hat das Beschwerdegericht selbst zu entscheiden.98 Wird diese Vollstreckungserinnerung zurückgewiesen und hat das Gericht im Rahmen des Erinnerungsverfahrens bereits eine Selbstüberprüfung seiner Entscheidung vorgenommen, findet dagegen die Rechtsbeschwerde statt.99

§ 794 Weitere Vollstreckungstitel (1) Die Zwangsvollstreckung findet ferner statt: 1. aus Vergleichen, die zwischen den Parteien oder zwischen einer Partei und einem Dritten zur Beilegung des Rechtsstreits seinem ganzen Umfang nach oder in Betreff eines Teiles des Streitgegenstandes vor einem deutschen Gericht oder vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle abgeschlossen sind, sowie aus Vergleichen, die gemäß § 118 Abs. 1 Satz 3 oder § 492 Abs. 3 zu richterlichem Protokoll genommen sind; 2. aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen; 2a. [aufgehoben] 2b. (weggefallen) 3. aus Entscheidungen, gegen die das Rechtsmittel der Beschwerde stattfindet; 3a. [aufgehoben] 93 BGH WuM 2010, 649; MünchKomm/Hamdorf § 574 Rdn. 4; Becker JuS 2004, 574; Seiler/Wunsch NJW 2003, 1840, 1842. 94 MünchKomm/Hamdorf § 575 Rdn. 10. 95 MünchKomm/Hamdorf § 575 Rdn. 11; a.A. Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Walker/Thole § 793 Rdn. 13 (innerhalb eines weiteren Monats zu begründen). BGH NJW 2011, 525, 526; zustimmend Walker/Petri LMK 2010, 311735. BGH NJW 2011, 525, 526; Brinkmann JR 2011, 482. BGH NJW 2011, 525, 526; Brinkmann JR 2011, 482. BGH NJW 2011, 525, 626; zustimmend Walker/Petri LMK 2010, 311735; Brinkmann JR 2011, 482 f.

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543 https://doi.org/10.1515/9783110443158-079

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Achtes Buch – Zwangsvollstreckung

4. aus Vollstreckungsbescheiden; 4a. aus Entscheidungen, die Schiedssprüche für vollstreckbar erklären, sofern die Entscheidungen rechtskräftig oder für vorläufig vollstreckbar erklärt sind; 4b. aus Beschlüssen nach § 796b oder § 796c; 5. aus Urkunden, die von einem deutschen Gericht oder von einem deutschen Notar innerhalb der Grenzen seiner Amtsbefugnisse in der vorgeschriebenen Form aufgenommen sind, sofern die Urkunde über einen Anspruch errichtet ist, der einer vergleichsweisen Regelung zugänglich, nicht auf Abgabe einer Willenserklärung gerichtet ist und nicht den Bestand eines Mietverhältnisses über Wohnraum betrifft, und der Schuldner sich in der Urkunde wegen des zu bezeichnenden Anspruchs der sofortigen Zwangsvollstreckung unterworfen hat; 6. aus für vollstreckbar erklärten Europäischen Zahlungsbefehlen nach der Verordnung (EG) Nr. 1896/2006; 7. aus Titeln, die in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union nach der Verordnung (EG) Nr. 805/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 zur Einführung eines Europäischen Vollstreckungstitels für unbestrittene Forderungen als Europäische Vollstreckungstitel bestätigt worden sind; 8. aus Titeln, die in einem anderen Mitgliedstaat des Europäischen Union im Verfahren nach der Verordnung (EG) Nr. 861/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2007 zur Einführung eines europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen (ABl. L 199 vom 31.7.2007, S. 1; L 141 vom 5.6.2015, S. 118), die zuletzt durch die Verordnung (EU) 2015/2421 (ABl. L 341 vom 24.12.2015, S. 1) geändert worden ist, ergangen sind; 9. aus Titeln eines anderen Mitgliedstaats der Europäischen Union, die nach der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen zu vollstrecken sind. (2) Soweit nach den Vorschriften der §§ 737, 743, des § 745 Abs. 2 und des § 748 Abs. 2 die Verurteilung eines Beteiligten zur Duldung der Zwangsvollstreckung erforderlich ist, wird sie dadurch ersetzt, dass der Beteiligte in einer nach Absatz 1 Nr. 5 aufgenommenen Urkunde die sofortige Zwangsvollstreckung in die seinem Recht unterworfenen Gegenstände bewilligt.

Übersicht I.

Allgemeines

II. 1.

2 Der Prozessvergleich (§ 794 Abs. 1 Nr. 1) Begriffsbestimmung 3 a) Verfahrensbeendigung b) Materiell-rechtlicher Vergleichsver7 trag 12 c) Rechtsnatur des Prozessvergleichs Tatbestandsvoraussetzungen des Prozessvergleichs a) Verfahrensvoraussetzungen 13 aa) Prozessvoraussetzungen 18 bb) Gericht 21 cc) Gütestelle 22 dd) Mündliche Verhandlung 25 ee) Verfahrensstadium 29 b) Form

2.

Paulus

1 3.

4.

c) Vergleichsinhalt 32 38 d) Widerruf Wirkungen des Prozessvergleichs 43 a) Materiell-rechtliche Wirkungen b) Prozessuale Wirkungen aa) Beendigung der Rechtshängig44 keit 47 bb) Vollstreckungstitel Unwirksamkeit des Prozessvergleichs 54 a) Unwirksamkeitsgründe b) Rechtsfolgen der Unwirksamkeit 56 aa) Fortsetzung des Verfahrens 60 bb) Erhebung einer neuen Klage 62 cc) Gesamtvergleich 63 dd) Eilverfahren 64 ee) Vollstreckbarkeit

544

§ 794

Abschnitt 1. Allgemeine Vorschriften

ff)

5. 6. 7. 8. 9.

Feststellungs- bzw. Gestaltungs66 klage Gütestellenvergleich und Vergleich im Prozesskos67 tenhilfeverfahren 68 Außergerichtlicher Vergleich 69 Spruchstellenverfahren Schuldenbereinigungsplan, Sanierungsver69a gleich 70 Kosten und Gebühren

III.

Der Kostenfestsetzungsbeschluss (§ 794 Abs. 1 71 Nr. 2)

IV.

Vollstreckbarkeit von Beschlüssen (§ 794 Abs. 1 76 Nr. 3)

V.

Vollstreckungsbescheid (§ 794 Abs. 1 80 Nr. 4)

VI.

Vollstreckbarerklärung von Schiedssprüchen, Schiedsvergleichen und Rechtsanwaltsverglei81 chen (§ 794 Abs. 1 Nr. 4a und 4b)

1. 2. 3. 4.

82 Gesetzesgeschichte 84 Zuständigkeit 87 Beurkundungsverfahren Unterwerfungserklärung 89 a) Rechtsnatur 92 b) Einzelfragen c) Beschränkungen der Zwangsvollstreckung, 96 Bedingung, Befristung 101 d) Allgemeine Geschäftsbedingungen e) Vollstreckung eines Zessionars bei formularmäßiger Vollstreckungsunterwer105 fung

VIII. Duldungsurkunde (§ 794 Abs. 2) IX. 1. 2. 3. 4.

106

108 Europäische Titel 109 Europäische Zahlungsbefehle Europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene 110 Forderungen Europäische Vollstreckungstitel für geringfügige 111 Forderungen 112 Direkt vollstreckbare europäische Titel

VII. Die vollstreckbare Urkunde (§ 794 Abs. 1 Nr. 5)

I. Allgemeines Die Vorschrift ist aus dem § 702 CPO von 1877 hervorgegangen, der seinerseits vom hannoverschen 1 Entwurf (§ 645), vermittelt durch den norddeutschen Entwurf (§§ 931, 933), abstammt. Sie hat mit § 801 gemeinsam, dass sie den Kreis der vollstreckbaren Titel über die in § 704 genannten Endurteile hinaus erweitert. Soweit die Vorschrift Titeln, die nicht durch Richterspruch zustande gekommen sind, Vollstreckungsfähigkeit1 zuerkennt (Nrn. 1, 4b und 5), bezweckt sie eine Entlastung der Justiz, die ihrerseits eine Beschleunigung des Verfahrens zur Folge hat.2 So macht gerade die vollstreckbare Urkunde des Abs. 1 Nr. 5 ein Erkenntnisverfahren insgesamt überflüssig (genauer: sie schiebt die Klagelast dem Schuldner zu) und dient daher noch mehr als der Urkundenprozess, das Mahnverfahren oder der einstweilige Rechtsschutz dem schnellen Gläubigerzugriff. Freilich deckt die vorliegende Norm selbst im Zusammenspiel mit den §§ 704 und 801 nicht das gesamte Spektrum möglicher vollstreckbarer Titel ab; solche finden sich vielmehr auch noch anderenorts3 – bisweilen an recht unvermuteten Stellen.4 Die noch bis 2009 erfassten Unterhaltsbeschlüsse in Abs. 1 Nr. 2a sind durch die

1 Zur dogmatischen Einordnung der zugrunde liegenden Forderungen Münzberg Der vollstreckbare Anspruch in unstreitig erwirkten Vollstreckungstiteln, JZ 1998, 378.

2 Vgl. Lenz Möglichkeiten der Titulierung außerhalb gerichtlicher Verfahren, NJW-Spezial 2014, 388. 3 Etwa in §§ 148 Abs. 2 (allerdings nur bezüglich einer Herausgabevollstreckung, BGH ZInsO 2022,1858), 178 Abs. 3, 201 Abs. 2 InsO (dazu etwa OLG Karlsruhe ZIP 2010, 2526), 51a, 51b GmbHG (dazu etwa BayObLG ZInsO 2021, 1225), 257 Abs. 1, InsO, § 10 Art. 102c EGInsO, § 71 StaRUG, § 89 GNotKG, § 60 SGB VIII; § 151 FGO (dazu FG Frankfurt EFG 2006, 915). S. auch Vorbem v. 704 Rdn. 60; MünchKomm/Wolfsteiner Rdn. 3. Umfassende Auflistung in den §§ 36 bis 41 GVGA. Zum Beitragsnachweis gem. § 28f Abs. 3 SGB IV als Titel s. einerseits AG Düsseldorf ZInsO 2022, 272 (ablehnend), andererseits Steinert/ Holzwarth Vollstreckungsmöglichkeiten der Sozialversicherungsträger und die Schwierigkeiten mit der ZPO, DGVZ 2022, 25, 27. Zu einem Antrag der Bremer Landesbank Kreditanstalt Oldenburg s. BGH NJW-RR 2019, 1274. 4 Z.B. Art. 299 AEUV; dazu Paulus Europäische Kartellbußen in deutscher Zwangsvollstreckung und Insolvenz, FS Schütze, 2014, 411 ff.; zu einem Leistungsbescheid der Deutschen Bundespost AG Berlin-Schöneberg NVwZ-RR 2006, 545

Paulus

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Achtes Buch – Zwangsvollstreckung

Zusammenfassung familienrechtlicher Entscheidungen im neuen FamFG und dort insbesondere durch die die Vollstreckbarkeit regelnde Vorschrift des § 120 Abs. 1 FamFG5 hinfällig und demzufolge aufgehoben worden.

II. Der Prozessvergleich (§ 794 Abs. 1 Nr. 1) 2 Dieses Instrument spielt in der Praxis seit jeher eine eminent wichtige Rolle, impliziert es doch eine einverständliche Beendigung eines Erkenntnisverfahrens, von der es üblicherweise heißt, dass sie von den Parteien leichter zu ertragen sei als ein einseitig aufoktroyiertes Urteil. Inwieweit dieser Psycholgismus wirklich zutrifft, sei dahingestellt; schließlich kommen dem Vernehmen nach im Gerichtsalltag gar nicht einmal selten Vergleiche zustande, die weniger auf einem Einvernehmen der Parteien als auf der Zielstrebigkeit der Richter beruhen. Doch teilt der einmal abgeschlossene und protokollierte Prozessvergleich mit einem Endurteil die Eigenheit, das Verfahren abzuschließen.

1. Begriffsbestimmung 3 a) Verfahrensbeendigung. § 794 Abs. 1 Nr. 1 spricht von einem Vergleich, der „zur Beilegung eines Rechtsstreits“ geschlossen wird. 4 Nach inzwischen unbestrittener Auffassung6 beendet der Prozessvergleich den anhängigen Rechtsstreit (oder einen selbständig abtrennbaren Teil desselben7) unmittelbar, ohne dass weitere Prozesserklärungen der Parteien hinzukommen müssen. Zu der Frage, in welcher Verfahrensart und in welchem Verfahrensstadium der Abschluss eines Prozessvergleichs zulässig ist, vgl. Rdn. 22 ff. 5 Die Beendigung des Verfahrens ist nicht eine gesetzliche Rechtsfolge des Prozessvergleichs, auch nicht ein nur unwesentliches Motiv der Vertragsparteien, sondern gründet sich alleine auf den im Prozessvergleich zum Ausdruck kommenden Prozessbeendigungswillen der Parteien.8 Die Vollstreckbarkeitswirkung des Prozessvergleichs ist daneben nur ein Indiz für die sofortige Beendigung des Verfahrens, ohne für diese zwingend notwendig zu sein, da auch Prozessvergleiche ohne vollstreckbaren Inhalt9 denkbar sind. Ohne Zielrichtung auf die Prozessbeendigung handelt es sich nur um ein außerprozessuales Rechtsgeschäft, welches auf den weiteren Ablauf des Prozesses evtl. mittelbar einwirkt.10 Als ein die Verfahrensbeendigung hervorbringender Akt stellt der Prozessvergleich daher 6 immer auch eine Prozesshandlung der Parteien dar.11 Er geht in seinen Wirkungen auch über die der anderen prozessbeendigenden Maßnahmen wie Klagerücknahme, Erledigungserklä-

368. Zu Endurteilen eines ICSID-Schiedsgerichts s. Art. 54 ICSID Convention mit v.Marschall, Vollstreckbarerklärung und Vollstreckung von ICSID-Schiedssprüchen in Deutschland, RIW 2021, 785; s. überdies die Entscheidung des Corte d’ appello federale Argentina in der Sache CCI – Compañia de Concesiones de Infrastructura S.A., dazu INSOL World 4/2015, S. 6. 5 S. dazu auch Vorbem vor § 704 Rdn. 10. 6 Vgl. RGZ 157, 141; BGHZ 16, 381, 388 = NJW 1955, 705; Stein/Jonas/Münzberg Rdn. 3; Baumbach/Lauterbach/Hartmann/ Albers/Hunke Anh. zu § 307 Rdn. 35. 7 OLG Dresden HRR 2014, 203; BGH NJW-RR 1991, 1021. 8 Vgl. Stein/Jonas/Münzberg Rdn. 4 m.w.N. 9 S. etwa OLF Frankfurt NJW-RR 2021, 796. 10 Zu den Wirkungen des außergerichtlichen Vergleichs vgl. Rdn. 68. 11 Zeising Der Prozessvergleich und sein Bestand vor der Rechtsordnung, WM 2011, 774. Paulus

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rung,12 Verzicht und Anerkenntnis hinaus, als er auch nichtstreitige Entscheidungen und Kostenentscheidungen überflüssig macht.

b) Materiell-rechtlicher Vergleichsvertrag. Als weiteres Begriffsmerkmal nennt § 794 Abs. 1 7 Nr. 1 den Abschluss eines Vergleichsvertrages. Die h.M.13 folgert daraus, dass ein Vergleich i.S.d. § 779 BGB vorliegen müsse. Allein aus der Verwendung des Wortes „Vergleich“ ergibt sich jedoch noch kein zwingender Rückschluss auf den materiell-rechtlichen Vergleich gem. § 779 BGB. Der Gesetzgeber hatte das Wort „Vergleich“ z.B. auch beim Zwangsvergleich der alten Konkursordnung bzw. Vergleichsordnung gebraucht, ohne dass dieser irgendeinen Bezug zu § 779 BGB hatte. Die Beantwortung der Frage, ob dem Prozessvergleich ein Vergleich gem. § 779 BGB zugrunde liegen muss oder nicht, erscheint jedoch nicht allzu dringend, da mit Ausnahme der Stellungnahmen zum abstrakten Prozessbeendigungsvertrag alle in der Literatur und Rechtsprechung vertretenen Ansichten zu annähernd gleichen Ergebnissen kommen.14 Die h.M., die einen Vergleich(svertrag) gem. § 779 BGB als zwingend voraussetzt, verlangt 8 kein gegenseitiges Nachgeben im Hinblick auf den materiellen Streitgegenstand, sondern hält ein rein prozessuales Nachgeben der Parteien für ausreichend, da beim Prozessvergleich nicht nur über das materielle Rechtsverhältnis, sondern auch über den Ausgang des Rechtsstreites Unsicherheit besteht, die durch den Prozessvergleich beendet wird.15 Dieses prozessuale Nachgeben kann u.a. in dem Verzicht einer Partei auf eine ihr zustehende prozessuale Möglichkeit liegen (z.B. Verzicht auf ein Anerkenntnisurteil bei vollständiger Anerkennung des materiellen Anspruchsgrundes unter Kostenübernahme durch den Beklagten oder Verzicht auf ein Verzichtsurteil bei vollständigem Anspruchsverzicht unter Kostenübernahme durch den Kläger (z.B. Stundung oder Ratenzahlung) oder Verzicht auf die Erwirkung des Beschlusses nach § 516 Abs. 3 S. 2, wenn der Gegner die eingelegte Berufung zurücknimmt).16 Im Übrigen soll wie beim außergerichtlichen Vergleich jedes geringfügige Opfer ausreichen.17 Ein Prozessvergleich ohne derartiges Nachgeben erscheint i.d.R. ausgeschlossen, da immer auch auf eine Entscheidung durch das Gericht verzichtet wird. Die Zulässigkeit des Prozessvergleiches sollte daher nicht an dem Vorhandensein des gegenseitigen Nachgebens gemessen werden.18 Entscheidend ist vielmehr, ob durch die konkrete Regelung der Zweck des Prozessvergleichs „Beilegung eines Rechtsstreits“ erreicht wird.19 In gleicher Weise ist auch die Frage zu beantworten, ob der Prozessvergleich zwingend 9 den materiellen Streitgegenstand betreffen muss oder ob auch ein abstrakter Prozessbeendigungsvertrag ohne Regelung der materiellen Ansprüche zulässig ist. Auch hierzu ist mit Stein/

12 Anders wohl noch die 2. Aufl. Anm. C IV d, die beim Prozessvergleich von einer Sonderform der Erledigung in der Hauptsache ausgeht.

13 StRspr. des BGH seit BGHZ 16, 381 ff. = NJW 1955, 705; BGHZ 39, 60 ff. = NJW 1963, 637; BAGG 8, 228, 232 = MDR 1960, 440; Seuffert/Walsmann Anm. 2a; Zöller/Geimer Rdn. 3; Thomas/Putzo/Seiler Rdn. 3; Baumbach/Lauterbach/Hartmann/ Albers/Hunke Anh. § 307 Rdn. 3; a.A. noch 2. Aufl. Anm. C III. 14 Darauf weisen u.a. auch P. Bonin Der Prozessvergleich, 1957, 10 und MünchKomm-BGB/Habersack § 779 BGB Rdn. 71 sowie Tempel Der Prozessvergleich – die Bedeutung seiner Rechtsnatur für den Abschluss und seine Wirkungen, FS Schiedermeier, 1976, 521 hin. 15 BGH NJW-RR 2005, 1303; BGHZ 39, 60, 63 = NJW 1963, 637; OLG München NJW 1965, 1026; Stein/Jonas/Münzberg Rdn. 15; Rosenberg/Schwab/Gottwald ZPR § 129 I.6.; a.A. die 2. Aufl. Anm. C III 2a. 16 Dazu etwa Kohler Prozesshandlungen mit Civilrechtswirkung, ZZP 29 (1901), 42 ff. 17 Vgl. Grüneberg/Sprau § 779 BGB Rdn. 9 m.w.N.; MünchKomm-BGB/Habersack § 779 BGB Rdn. 27 f. m.w.N. 18 So auch Baumbach/Lauterbach/Hartmann/Albers/Hunke Anh. zu § 307 Rdn. 20; Blomeyer ZPR, § 65 II.2; W. Grunsky § 11 III.2; Keßler Erfordert der Prozessvergleich gegenseitiges Nachgeben? DRiZ 1978, 79 f. 19 Hierzu etwa Orfanidis Die Einwirkung des außergerichtlichen Vergleichs auf den schwebenden Prozess, FS H.Roth, 2021, S. 463. 547

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Jonas/Münzberg20 zu sagen, dass die Frage nach der Zulässigkeit des abstrakten Prozessbeendigungsvertrages nicht durch eine unsichere Verweisung auf bürgerlich-rechtliche Begriffe erfolgen sollte, sondern anhand eines Bedürfnisses für eine derartige Regelung „zur Beilegung eines Rechtstreits“ i.S.d. § 794 Abs. 1 Nr. 1 entschieden werden sollte. Ein Bedürfnis für einen abstrakten Prozessbeendigungsvertrag ist anzuerkennen.21 So können sich die Parteien bereits außergerichtlich geeinigt haben und nur noch den anhängigen Prozess ohne die starren Kostenregelungen der §§ 269, 91a beenden wollen oder aber die Anrufung an ein Schiedsgericht beabsichtigen. 10 Neben einem abstrakten Prozessbeendigungsvertrag ist auch ein Prozessvergleich mit aufgenommener Klagerücknahme und der Kostenübernahme durch den Kläger denkbar. Für diese Vereinbarung besteht aber kein Bedürfnis, da es sich nur um eine in die Form des Prozessvergleichs gekleidete Klagerücknahme handelt; nur deren Wirkung ist von den Parteien gewollt.22 Zulässig ist dagegen die in den Prozessvergleich aufgenommene Klagerücknahme bei Abweichung von der Kostenregelung des § 269 als auch dann, wenn außerprozessuale Vereinbarungen neben der im Prozessvergleich enthaltenen Klagerücknahme23 in den Vergleich aufgenommen werden.24 Zum materiellen Inhalt des Prozessvergleichs s. im Übrigen Rdn. 32 ff., 43. 11

12 c) Rechtsnatur des Prozessvergleichs. Die Rechtsnatur des Prozessvergleichs ist in Literatur und Rechtsprechung nach wie vor umstritten.25 Der abstrakte Prozessbeendigungsvertrag, der außer dem Prozessbeendigungswillen beider Parteien keine weiteren Vereinbarungen enthält, hat nur Prozesshandlungscharakter.26 Die hierfür maßgeblichen Voraussetzungen müssen im Einzelfall erfüllt sein. Hierbei ist jedoch zu bedenken, dass es sich bei dem abstrakten Prozessbeendigungsvertrag um eine reine Ausnahmeerscheinung handelt, die keine Rückschlüsse auf den Regelfall des Prozessvergleichs erlaubt, in dem auch die materiellen Beziehungen der Parteien oder Dritter geregelt werden. Im letzteren Fall ist der Prozessvergleich nicht nur Prozesshandlung, sondern auch Rechtsgeschäft des bürgerlichen Rechts. Die h.M. geht daher auch von der Doppelnatur des Prozessvergleichs aus, bei der eine untrennbare Verbindung zwischen der Prozesshandlung und dem materiellen Rechtsgeschäft besteht.27 Im Gegensatz dazu spaltet die Lehre vom Doppeltatbestand des Prozessvergleichs28 diesen in zwei selbständige Tatbestandskomplexe auf, wobei der eine auf die Beendigung des Rechtsstreits und die Vollstreckbarkeit gerichtet ist und

20 Stein/Jonas/Münzberg Rdn. 6; MünchKomm/Wolfsteiner Rdn. 9. 21 So Stein/Jonas/Münzberg Rdn. 6; MünchKomm-BGB/Habersack § 779 BGB Rdn. 79; Baumgärtel Wesen und Begriff der Prozesshandlung, 1957, 195 f.; Blomeyer ZPR § 65 III.2; Mende Die in den Prozessvergleich aufgenommene Klagerücknahme, 1976, 24 ff. 22 Vgl. BAGE 6, 251 ff. = NJW 1958, 2058; Stein/Jonas/Münzberg Rdn. 10; Rosenberg/Schwab/Gottwald ZPR § 129 I.6.; a.A. Mende (Fn. 21) 44; P. Bonin (Fn. 14) 98. 23 Der Sinn der Aufnahme des Wortes „Klagerücknahme“ liegt nicht darin, dass die Verfahrensbeendigung zum Ausdruck gebracht werden soll (die tritt schon durch den Prozessvergleich ein), sondern darin, dass bei erneuter Klage wegen der streitgegenständlichen materiellen Ansprüche jeder weiß, dass ein Vergleich über die materiellen Ansprüche ausdrücklich nicht gewollt war und der Prozessvergleich einer erneuten Klage nicht im Wege steht, vgl. Stein/Jonas/Münzberg Rdn. 10 m.w.N. 24 Zur Problematik der Verjährungsunterbrechung gem. §§ 211, 212 BGB bei in einem Prozessvergleich enthaltener Klagerücknahme s. Mende (Fn. 21) 33 f. 25 Umfangreiche Nachweise bei MünchKomm/Wolfsteiner Rdn. 11 ff. 26 W. Henckel Prozessrecht und materielles Recht, 1970, 39; zum abstrakten Prozessbeendigungsvertrag vgl. Rdn. 9. 27 StRspr. des BGH seit BGHZ 16, 381, 388; zuletzt BGH NJW 2000, 1942, 1943; 1985, 1962 = FamRZ 1985, 166, nachdem er in BGHZ 61, 394, 398 = NJW 1974, 107 und BGH NJW 1980, 1752 die Frage nach der Rechtsnatur des Prozessvergleichs dahingestellt hat sein lassen; BAG ZZP 97 (1984), 211 f.; BAG NJW 1983, 2212 f.; OLG Dresden AnwBl 2022, 555; Rosenberg/ Schwab/Gottwald ZPR § 129 Rdn. 32; Stein/Jonas/Münzberg Rdn. 6 m.w.N. S. auch Paulus ZPR Rdn. 704 ff.; Häsemeyer Beteiligtenverhalten im Zivilrechtsstreit, ZZP 118 (2005), 265, 301. 28 Von Wolfsteiner in MünchKomm, Rdn. 12 als Trennungstheorie bezeichnet und ab Rdn. 13 in modifizierter Weise vertreten. Paulus

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der andere die Neuregelung des materiellen Rechtsverhältnisses zwischen den Parteien vornimmt.29 Die Lehre vom Doppeltatbestand erscheint zum einen ein wenig gekünstelt, da die Parteien im Regelfall von einer einheitlichen Regelung ausgehen, wenn sie einen Prozessvergleich schließen und ihren Willen nicht aufspalten wollen. Die Neuregelung der materiellen Verhältnisse und die Prozessbeendigung werden von den Parteien als Gesamtakt verstanden. Zum anderen kommt hinzu, dass die Erfordernisse des Prozessrechts und des materiellen Rechts oft voneinander abweichende Normen aufstellen, die eine gleichzeitige Anwendung beider Vorschriften nicht möglich erscheinen lassen. Die Lehre von der Doppelnatur kommt demnach dem Willen der Parteien näher, mit einem Vertrag sowohl das Prozessverhältnis als auch das materielle Rechtsverhältnis zu klären. Allerdings lassen sich auch aus der so gewonnenen Festlegung der Rechtsnatur des Prozessvergleichs keine weiteren konkreten Ergebnisse gewinnen. Bei allen auftretenden Streitfragen hat im Einzelfall eine Abwägung der Interessen des Prozessrechts und des materiellen Rechts stattzufinden.30

2. Tatbestandsvoraussetzungen des Prozessvergleichs a) Verfahrensvoraussetzungen aa) Prozessvoraussetzungen. Auf die Sachurteilsvoraussetzungen der ordnungsgemäßen 13 Klageerhebung,31 der sachlichen, örtlichen und funktionellen32 Zuständigkeit des den Vergleich protokollierenden Gerichts sowie der Wahl des Rechtsweges kommt es nicht an,33 da das Gericht keine Entscheidung trifft, sondern das Verfahren durch eine Vereinbarung der Parteien automatisch endet. Diese Sachurteilsvoraussetzungen können daher fehlen, solange es nur zu einer mündlichen Verhandlung kommt. Aus den genannten Gründen schadet auch eine fehlerhafte Besetzung des Gerichts grundsätz- 14 lich nicht.34 Die Ausschließungs- bzw. Ablehnungsgründe der §§ 41, 42 sind nicht anwendbar.35 Allerdings erfordert die Stellung des Richters als Mittler zwischen den Vertragsparteien beim Abschluss eines Prozessvergleiches, die dem des Notars in der Beurkundungsverhandlung gleicht, gewisse Einschränkungen. Eine unabhängige und neutrale Beratung ist gefährdet, wenn die Voraussetzungen der §§ 6 f. BeurkG vorliegen. Wird der Prozessvergleich unter Verletzung dieser Grundsätze abgeschlossen, ist er insgesamt unwirksam.36

29 Vgl. Holzhammer Der Prozessvergleich, FS Schima, 1969, 222 ff.; Tempel (Fn. 12) 517, 522 f. und früher Baumgärtel (Fn. 18) 192 ff., der seine Auffassung jedoch in Neue Tendenzen der Prozesshandlungslehre, ZZP 87 (1974) 121, 132 wieder aufgegeben hat. 30 So auch H. Lehmann Der Prozessvergleich, 1911, 118; P. Bonin (Fn. 14) 4 ff., 54; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 13 III 3. Kritisch dagegen Bruns Materielles Recht und Verfahrensrecht in der Dogmatik des Zivilprozesses, in Stürner (Hrsg.), Die Bedeutung der Rechtsdogmatik für die Rechtsentwicklung, 2010, 227, 239. 31 Stein/Jonas/Münzberg Rdn. 16; Rosenberg/Schwab/Gottwald ZPR § 129 I. 2.; vgl. auch KG JW 1937, 1086, sowie bereits Wolf Der Prozessvergleich, AcP 88 (1898) 230. 32 Hieraus ergibt sich ein gewisser Widerspruch zur Lehre von der Verstrickung, die dann nicht eintreten soll, wenn das funktionell unzuständige Vollstreckungsorgan gehandelt hat, Baur/Stürner Rdn. 139; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 50 III 1c aa; Thomas/Putzo/Seiler § 803 Rdn. 10. Die Vorbedingung dieser Ansicht, dass nämlich überhaupt ein vollstreckbarer Titel vorliegt, kann dagegen trotz funktioneller Unwirksamkeit eintreten. 33 BGH NJW 1988, 65 = DNotZ 1988, 448; LAG Bremen BB 1964, 1125. Insoweit haben die späteren Gesetze, §§ 17 ff. GVG, die früheren, § 3 EGZPO, derogiert. 34 BGHZ 35, 309 ff. = NJW 1961, 1817 = MDR 1961, 842; BAG DB 1969, 1996. 35 Insoweit offengelassen von BGHZ 35, 309 ff. 36 Vgl. Stein/Jonas/Münzberg Rdn. 26; MünchKomm-BGB/Habersack § 779 BGB Rdn. 80, 90 ff.; Rosenberg/Schwab/Gottwald ZPR § 129 IV. 1. a. 549

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Parteifähigkeit und Prozessfähigkeit müssen vorliegen, sind auf der anderen Seite aber auch ausreichend.37 Ein nicht rechtsfähiger Verein kann daher einen Prozessvergleich abschließen.38 Genehmigungen gesetzlicher Vertreter sind darüber hinaus, wie bei jedem außerprozessualen Rechtsgeschäft, notwendig.39 Das gilt insb. auch dann, wenn ein partiell geschäfts- und prozessfähiger Minderjähriger im Wege des Gesamtvergleichs, Rdn. 62, andere Sachverhalte einbezieht, für die ihm sowohl die Prozessfähigkeit als auch die Geschäftsfähigkeit fehlt. Eine Prozessvollmacht ermächtigt zum Abschluss eines Prozessvergleichs, soweit sie 16 nicht gem. § 83 Abs. 1 beschränkt wurde.40 Sie reicht jedoch nicht für den Einbezug von prozessfremden Gegenständen in den Vergleich aus.41 Bei fehlender Vertretungsmacht bleibt aber die nachträgliche Genehmigung jederzeit möglich.42 Die Prozessparteien und am Vergleichsschluss beteiligte Dritte können den Prozessvergleich 17 ohne Einschaltung von Anwälten schließen,43 auch soweit § 78 einschlägig ist. Die Frage des Anwaltszwanges ist jedoch in Literatur und Rechtsprechung äußerst umstritten.44 Die h.M. geht grundsätzlich im Rahmen des § 78 vom Anwaltszwang aus. Allerdings verzichtet die h.M. bei Vergleichsabschluss vor dem beauftragten oder ersuchten Richter entsprechend § 78 Abs. 5 auf die zwingende Zuziehung von Anwälten.45 Teilweise wird auf den Anwaltszwang für am Vertragsschluss beteiligte Dritte46 sowie im Rahmen des Ehescheidungsfolgen-Vergleiches47 verzichtet, und bei Verträgen, die nur höchstpersönlich abgeschlossen werden können, gilt er eingeschränkt.48 Die unterschiedliche Behandlung der Anwendung des Anwaltszwanges kann nicht überzeugen.49 Die Tatsache, dass es im Regelfall sinnvoll und zweckmäßig ist, die Anwälte am Vertragsschluss zu beteiligen, vermag alleine den Anwaltszwang nicht zu begründen. Ansonsten müssten auch vor dem beauftragten und ersuchten Richter zwingend die Anwälte hinzugezogen werden, da die Einschaltung des Anwalts hier besonders zweckmäßig ist, um dem ansonsten mit dem Verfahren nicht vertrauten Richter die notwendigen Kenntnisse fachgerecht zu verschaffen. Beim Prozess15

37 Stein/Jonas/Münzberg Rdn. 21; Baumbach/Lauterbach/Hartmann/Albers/Hunke Anh. zu § 307 Rdn. 5; a.A. die 2. Aufl., die kumulativ die materiell-rechtlichen Voraussetzungen der Rechts- und Geschäftsfähigkeit als auch die prozessualen Erfordernisse der Partei- und Prozessfähigkeit verlangt, vgl. Anm. C IVa, 1 und 2 sowie C IVb 1. 38 H. Lehmann Der Prozessvergleich, 1911, 158 f. 39 § 54 ist daher, soweit der Prozessvergleich materiell-rechtliche Regelungen enthält, nicht anwendbar, vgl. RGZ 56, 333; 133, 259; LAG Stuttgart AP 51 Nr. 54 m. Anm. Wieczorek; P. Bonin (Fn. 14) 63 ff.; im Landwirtschaftsverfahren kann das Gericht eine Genehmigung gem. § 19 LwVfG direkt erteilen oder versagen, vgl. OLG Köln RdL 1964, 45 und OLG Celle RdL 1964, 66. 40 OLG München ZIP 1981, 615. S. ferner OLG Celle MDR 2009, 1186; OLG Hamm MDR 2009, 193. 41 Stein/Jonas/Bork § 81 Rdn. 11. 42 BayObLG aF 6 (1906), 529. 43 Fundierte Sorgfaltsermahnungen an den Anwalt bei Zimmermann Fehlerquellen und Haftungsfallen für den Anwalt beim Prozessvergleich, ZAP 2016, 1135. 44 Zum Meinungsstand vgl. Bergerfurth Der Anwaltszwang und seine Ausnahmen, 1981, 92 ff. Für die hier vertretene Ansicht: OLG Koblenz NJW 1971, 1043 (abl. Anm. Schneider); OLG Neustadt NJW 1964, 1329; OLG Frankfurt NJW 1961, 882; P. Bonin (Fn. 14) 75 ff.; offengelassen von BGHZ 86, 160 ff. = NJW 1983, 1433 und OLG Hamm FamRZ 1979, 849; a.A. die h.M. vgl. OLG Bremen MDR 1969, 393; OLG Hamm NJW 1972, 1998; OLG Celle OLGZ 75, 353; Stein/Jonas/Bork § 78 Rdn. 16 ff.; Baumbach/Lauterbach/Hartmann/Albers/Hunke Anh. zu § 307 Rdn. 28; die 2. Aufl. Anm. C IVb 3. 45 OLG Düsseldorf NJW 1975, 2298; BayObLG NJW 1965, 1277; Stein/Jonas/Bork § 78 Rdn. 28; krit. Rosenberg/Schwab/ Gottwald ZPR § 129 III. 2g; vgl. zur gesetzmäßigen Zuständigkeit des beauftragten Richters noch OLG Frankfurt FamRZ 1987, 737. 46 BGHZ 86, 160 = NJW 1983, 1433 (abl. Anm. von Bergerfurth JR 1983, 371) OLG Frankfurt OLGZ 70, 476; Stein/Jonas/ Bork § 78 Rdn. 30; a.A. OLG Köln NJW 1961, 786; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 13 III 4; Thomas/Putzo/Hüßtege § 78 Rdn. 14; a.A. MünchKomm-BGB/Habersack § 779 BGB Rdn. 81. 47 AG Groß-Gerau FamRZ 1988, 187; AG Hersbruck FamRZ 1980, 358; offengelassen von BGH NJW 1985, 1962, 1963. 48 Hier verlangt die h.M. die Mitwirkung des Anwalts und der Partei. Vgl. OLG Stuttgart MDR 1989, 995; BayObLGZ 1965, 86 = NJW 1965, 1276 (z.B. §§ 2274, 2301, 2352 BGB). 49 HansOLG Bremen MDR 1969, 393 m. Anm. Schneider spricht sogar davon, dass die Anwendung des § 78 unter Berücksichtigung der gemachten Ausnahmen in den Bereich des Absurden gerät. Paulus

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vergleich steht hinsichtlich der Frage des Anwaltszwanges der Vertragscharakter und nicht der Prozesshandlungscharakter im Vordergrund. Als materiell-rechtlicher Vertrag bedarf er aber der Mitwirkung der Anwälte nicht. Schließlich können sich die Parteien auch außergerichtlich ohne ihre Anwälte vergleichen und in den Fällen des § 794 Abs. 1 Nr. 5 auch Vollstreckungstitel schaffen.

bb) Gericht. Der Prozessvergleich muss vor einem deutschen Gericht geschlossen werden.50 18 Ein vor ausländischen Gerichten geschlossener Vergleich gilt im Inland als außergerichtlicher Vergleich, es sei denn, es existieren anders lautende Vollstreckungsvereinbarungen.51 Zu der Vollstreckung verwaltungsgerichtlicher Titel vgl. Vor § 704 Rdn. 10, Fn. 41.52 Hinsicht- 19 lich schiedsgerichtlicher Vergleiche, § 1053, gelten die §§ 1060, 1062 ff., sofern ein Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut erlassen wird. Ist das nicht der Fall und wird das Schiedsverfahren ohne entsprechenden Spruch beendet, kann der Vergleich Vollstreckbarkeit allenfalls über einen Anwaltsvergleich, § 794 Abs. 1 Nr. 4b, oder die vollstreckbare Urkunde, § 794 Abs. 1 Nr. 5, erlangen.53 Ein Prozessvergleich kann im Einklang mit der in § 27854 zum Ausdruck gebrachten Absicht 20 vor folgenden Gerichten bzw. Spruchkörpern abgeschlossen werden: jedes Prozessgericht55 einschl. Rechtsmittel- und Beschwerdegericht sowie Prozesskostenhilfeverfahren nach § 118 Abs. 1 S. 3;56 Einzelrichter (§ 348); Güterichter nach § 278 Abs. 5;57 beauftragter bzw. ersuchter Richter (§ 355);58 Gericht des einstweiligen Rechtsschutzes;59 der Vorsitzende der Kammer für Handelssachen (§ 349); das Vollstreckungs-60 und das Versteigerungsgericht;61 der Rechtspfleger, soweit er zuständig ist;62 die FamFG-Gerichte, soweit die Verfügungsbefugnis63 der Parteien über den Verfahrensgegenstand reicht,64 insb. das Landwirtschaftsgericht gem. § 20 Abs. 2 LwVfG;65 das nach

50 Zur (abkommensabhängigen) „Anerkennungsfähigkeit ausländischer Prozeßvergleiche“ s. Koch, FS E. Schumann, 2001, 267. S. auch Anh § 794 zu den Artt. 58–60 EuGVVO; ferner Art. 51 Lugano-Übereinkommen.

51 Vgl. hierzu § 722 Rdn. 7 ff. sowie § 723 Rdn. 2; Anh. zu § 307; im Übrigen s. auch OLG München OLGRspr 1930, 35. 52 S. ferner BGH NJW 2003, 757 (zum Enteignungsverfahren); OVG Weimar NJOZ 2010, 128; sowie in dogmengeschichtlicher Hinsicht Waldhoff Rechtsdurchsetzung in der historischen Ausdifferenzierung von öffentlichem und privatem Recht zwischen Naturrecht und Konstitutionalismus, FS Klippel, 2013, 431. 53 S. hierzu Saenger/Saenger § 1053 Rdn. 2; v. Schlabbrendorff/Sessler in Böckstiegel/Kröll/Nacimiento (Hrsg.), Arbitration in Germany, 2015, 328 ff. 54 BGH NJW 2017, 1946. 55 Zum WEG-Gericht Dötsch Der Vergleich in WEG-Sachen, NZM 2013, 625. 56 Kindl/Meller-Hannich/Wolf/Müller Rdn. 3. 57 Greger/Weber Das neue Güterichterverfahren, MDR Sonderheft 2012, 23; Windau Das Güterichterverfahren im prozessualen Kontext – sinnvolle Ergänzung oder Fremdkörper?, jM 2019, 52. 58 RG SeuffA 40 Nr. 265; BayObLG SeuffA 38 Nr. 274. 59 OLG Frankfurt JurBüro 2007, 200 (Vergleich auch über die Hauptsache). 60 Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 13 III 4a; vgl. auch OLG Dresden SächsArch. 1, 78; Esser Heinrich Lehmann und die Lehre vom Prozessvergleich, FS H. Lehmann, 1956, 724; Fik Kann aus einem vor dem Vollstreckungsgericht abgeschlossenen Vergleich Kostenfestsetzung stattfinden? JW 1934, 2448; Wolf Der Prozessvergleich, AcP 88 (1898) 171. 61 RGZ 165, 161, 163; KG JW 1936, 3477; P. Bonin (Fn. 14) 166 ff. 62 Vgl. OLG Nürnberg Rpfleger 1972, 305 für den Fall der Teilungsversteigerung gem. § 3 Abs. 1 Nr. 1 i RpflG. 63 Zur Verfügungsbefugnis vgl. BGHZ 14, 381, 386 = NJW 1955, 705 ff.; allgem. zum Vergleich im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit vgl. Bassenge Rpfleger 1972, 237. 64 S. auch Roßmann Die Entwicklung des „FamFG“, FuR 513, 516; Klein Update 2013: Die Abänderung von Vergleichen und Urkunden (§ 239 FamFG), FuR 2013, 298. BGH FamRZ 2006, 202, dazu Zenker Zur Vollstreckbarkeit von Unterhaltsvergleichen mit Anpassungsklausel, FamRZ 2006, 1248. 65 Vgl. noch § 19 LwVfG; der Vergleich ist auch noch in §§ 113, 209 FamFG erwähnt, wobei die Vollstreckung sich nach den Vorschriften des 8. Buches richtet, § 120 FamFG. Vgl. OLG Zweibrücken FamRZ 1982, 429 f. für den Fall des elterlichen Umgangsrechtes; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 13 III 4a. Für WEG-Sachen BayObLG NJW-RR 1990, 594. 551

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§ 43 WEG zuständige Gericht;66 das Arbeitsgericht (§§ 54, 57 ArbGG);67 der Vorsitzende des Arbeitsgerichts;68 das Sozialgericht; die Kammer für Baulandsachen;69 das Strafgericht innerhalb von Straf-, Privatklage- und Adhäsionsverfahren;70 die Kammern für die Vergabenachprüfung.71

21 cc) Gütestelle. Als nicht gerichtliche Verfahren erwähnt § 794 Abs. 1 Nr. 1 ausdrücklich die vor den von der Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestellen. Näheres s. bei Anhang § 307 und § 797a Rdn. 2 ff. S. ferner § 15a EGZPO.

22 dd) Mündliche Verhandlung. Ein Vergleichsabschluss vor Gericht setzt eine mündliche Verhandlung voraus. Prozessvergleiche kommen daher in allen Verfahrensarten in Frage, in denen eine mündliche Verhandlung stattfinden kann – also auch in den Fällen des § 278 Abs. 5,72 und nicht nur in Verfahren, in denen sie zwingend vorgeschrieben ist. Aus diesem Grund scheidet die Möglichkeit eines Prozessvergleiches im Mahnverfahren vor 23 Durchführung des Widerspruchsverfahrens aus; ebenso im Aktenlageverfahren.73 Soweit eine mündliche Verhandlung stattfindet, ist der Abschluss eines Prozessvergleiches 24 in Verfahren über Arreste bzw. einstweilige Verfügungen,74 im Beweissicherungsverfahren, § 492 Abs. 3, im Prozesskostenhilfeverfahren, § 118 Abs. 1 S. 3, im Kostenfestsetzungsverfahren als auch im Vollstreckbarkeitsverfahren gem. § 722 zulässig.

25 ee) Verfahrensstadium. Ein Prozessvergleich liegt nur dann vor, wenn er zur Beilegung eines Rechtsstreites geschlossen wird. Die Zulässigkeit hängt deshalb davon ab, ob im konkreten Verfahrensstadium ein Vergleich die Beilegung eines Rechtsstreites bewirken kann. Zunächst muss daher ein Rechtsstreit, bevor er beigelegt wird, begonnen haben, also regelmäßig rechtshängig geworden sein.75 Vergleiche, die die Streiterledigung noch nicht einmal teilweise herbeiführen, wie z.B. Zwischenvergleiche oder Vorbehaltvergleiche, stellen keine Prozessvergleiche im Sinne des § 794 Abs. 1 Nr. 1 dar.76 Bei Teilvergleichen hingegen liegt eine teilweise Streiterledigung vor, so dass § 794 Abs. 1 Nr. 1 anwendbar ist.

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BayObLG NJW-RR 1999, 1613. S. etwa ArbG Berlin BB 2006, 948. BAG DB 1969, 1996. Vgl. auch LAG Köln BB 1990, 1630. OLG München MDR 1976, 150. KG ZfSch 2015, 525; OLG Hamburg MDR 1958, 4334; LG Lüneburg NJW 1963, 312; Pecher Über zivilrechtliche Vergleiche im Strafverfahren, NJW 1981, 2170. 71 OLG Brandenburg IBR online (Verg W 3/04); Sellmann/Augsberg Beteiligteninduzierte Beendigung vergaberechtlicher Nachprüfungsverfahren, NVwZ 2005, 1255, 1260; a.A. Conrad Rechtsfragen des Vergleichs im Vergabenachprüfungsverfahren, ZfBR 2014, 658. 72 Zutreffend MünchKomm/Wolfsteiner Rdn. 22. 73 A.A. OLG Celle NJW 1965, 1970. 74 So bereits OLG Hamburg OLGRspr 1914, 165. Ein Vergleichsschluss ist sowohl über den Streitgegenstand der Hauptsache als auch über die Sicherung bzw. einstweilige Regelung möglich, vgl. KG DJZ 1950, 1237; OLG Darmstadt ZZP 55 (1942) 312; BGH Rpfleger 1991, 260. 75 In der Regel ist Rechtshängigkeit des Rechtsstreites Voraussetzung. Der Gesetzgeber hat davon in § 118 Abs. 1 S. 3 für das Prozesskostenhilfeverfahren selber eine Ausnahme gemacht. Weitere Ausnahmen sind der Vergleich im Beweissicherungsverfahren (vgl. Rdn. 24) und der Ehescheidungsfolgenvergleich (vgl. Rdn. 28). 76 Vgl. KG NJW 1974, 912; Stein/Jonas/Münzberg Rdn. 29 m.w.N. A.A. die 2. Aufl. Anm. C IIa 3; widersprüchlich Baumbach/Lauterbach/Hartmann/Albers/Hunke Anh. zu § 307 Rdn. 20 und § 794 Rdn. 7 (Schmidt). Paulus

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Nach Urteilsverkündung ist der Abschluss eines Prozessvergleiches auch noch denkbar, da 26 das Verfahren nach der Verkündung des Urteils noch nicht abgeschlossen ist.77 Unproblematisch ist ebenfalls der Abschluss eines Prozessvergleichs im Rechtsmittelverfahren.78 Ein vorher ergangenes Urteil wird dadurch gegenstandslos.79 Entgegenstehende Rechtskraft eines Urteils hindert den Abschluss eines Prozessvergleichs 27 grundsätzlich genauso wenig wie den Abschluss eines außergerichtlichen Vergleichs. Nur kann in einem formell rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren kein Termin zur Protokollierung eines Vergleichs mehr anberaumt werden, so dass in diesem abgeschlossenen Verfahren ein Prozessvergleich nicht mehr denkbar ist. Allerdings kann ein Prozessvergleich in einer mündlichen Verhandlung, die auf ein verspätet eingelegtes Rechtsmittel angesetzt wurde, abgeschlossen werden, da in diesem Fall das Verfahren trotz formeller Rechtskraft noch nicht beendet ist.80 In einem neuen Verfahren, wie z.B. nach Erhebung der Vollstreckungsgegenklage gem. § 767, kann ein Prozessvergleich auch über den ursprünglichen Streitgegenstand trotz materieller Rechtskraft des vorangegangenen Urteils jederzeit abgeschlossen werden. Ein Vergleich, der nur zur Vermeidung eines noch nicht anhängigen Verfahrens geschlossen 28 wird, beendet grundsätzlich keinen Rechtsstreit i.S.d. § 794 Abs. 1 Nr. 1.81 Ausnahmen hiervon sind einmal für Scheidungsfolgenvereinbarungen gem. § 6 Abs. 1 Nr. 3 VersAusglG zu machen. Diese Vorschrift geht (insbesondere in Verbindung mit § 135 FamFG) davon aus, dass derartige Vereinbarungen auch vor Anhängigkeit der entsprechenden Folgesachen gemäß §§ 217 ff. FamFG zustande kommen können. Scheidungen sind durch die Neuerungen des FamFG möglich, ohne dass eine Scheidungsfolgenvereinbarung getroffen worden ist, wobei aber die Hinweispflicht des Gerichts gemäß §§ 113 Abs. 1 FamFG i.V.m. 139 ZPO zu beachten ist.82 Zum anderen ist eine weitere Ausnahme des § 492 Abs. 3 durch das Rechtspflege-Vereinfachungsgesetz v. 17.12.199083 eingefügt worden. Danach können Vergleiche auch außerhalb eines Klageverfahrens, § 485 Abs. 2, geschlossen werden. Bei ihnen tritt an die Stelle der Verfahrensbeendigung der Zweck der Verfahrensvermeidung.

b) Form. Sofern es sich bei dem Rechtsstreit um ein schriftliches Verfahren handelt, § 128 Abs. 2, 29 ergeben sich aus § 278 Abs. 6 zwei Varianten des Vergleichsschlusses, denen beiden die Form eines gerichtlichen Beschlusses gemeinsam ist; dieser kann entweder dadurch herbeigeführt werden, dass die Parteien ihrerseits mittels Schriftsätzen dem Gericht ihren Vergleichsvorschlag (oder auch bereits geschlossenen Vergleich) unterbreiten,84 oder dadurch, dass das Gericht seinerseits den Parteien einen Vorschlag unterbreitet, den sodann die Parteien mit jeweiligem Schriftsatz annehmen.85 Die auf eine der beiden Weisen zustande gekommene Einigung muss das Gericht

77 Vgl. BGH MDR 1953, 155; LAG Nürnberg JurBüro 2022, 477; Fuhltrott/Ottmanns Vergleichsweise Verständigung nach Verfahrensbeendigung, NZA 2019, 129; Münzberg Die Auswirkung von Prozessvergleichen auf titulierte Ansprüche und deren Vollstreckung, FS Gaul, 1997, 447; P. Bonin (Fn. 14) 31 f. m.w.N.; Esser (Fn. 60) 728. 78 Im Revisionsverfahren ist allerdings ein Prozessvergleich auf Berufungsrücknahme nicht mehr möglich. 79 BGH JZ 1964, 257 = MDR 1964, 313; OLG Düsseldorf JurBüro 1980, 135 (Prozessvergleich im Einspruchsverfahren); zu den Wirkungen der Aufhebung des vorangegangenen Urteils und deren Geltendmachung vgl. § 775 Rdn. 16. 80 Vgl. P. Bonin (Fn. 14) 33 ff.; im Übrigen ist auch ein unmittelbar nach einer erklärten Klagerücknahme abgeschlossener Prozessvergleich zulässig, vgl. P. Bonin (Fn. 14) 17; a.A. BGHZ 15, 190. 81 Z.B. vergleichsweise einstweilige Regelung der Rechtsverhältnisse bis zur Entscheidung in der Hauptsache, um ein Verfahren gem. §§ 916 ff. zu vermeiden; vgl. Stein/Jonas/Münzberg Rdn. 29; a.A. Esser (Fn. 60) 726 und wohl die 2. Aufl. Anm. C IIb. 82 Heinemann Die Reform der freiwilligen Gerichtsbarkeit durch das FamFG und ihre Auswirkungen auf die notarielle Praxis, DNotZ 2009, 6, 15. 83 BGBl. I S. 2847. 84 Dazu etwa OLG Dresden AnwBl 2022, 555; OLG Karlsruhe NJW-RR 2011, 7; OLG Thüringen FamRZ 2006, 1277. 85 Vgl. OLG Hamm NJW-RR 2012, 882; NJW 2011, 1373 zur ausgeschlossenenen Widerrufbarkeit. 553

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per Beschluss86 feststellen. Dadurch wird der bislang noch materiell-rechtliche Vergleichsvertrag zu einem vollstreckbaren Prozessvergleich.87 30 Soweit dagegen die Einigung im Rahmen einer mündlichen Verhandlung, § 128 Abs. 1, zustande kommt, ergeben sich die Einzelheiten der Beurkundung des Prozessvergleiches aus den §§ 159 ff. Wesentlich ist danach die Aufnahme des vollen Vergleichswortlauts einschließlich eines etwaigen Widerrufs- bzw. Rücktrittsvorbehalts,88 das Vorlesen des Vergleiches durch das Gericht,89 die Genehmigung der Parteien und der Vermerk über die erfolgte Vorlesung und die erteilte Genehmigung.90 Bei vorläufiger Aufzeichnung des Vergleichswortlautes auf einen Ton- oder Datenträger (§ 160a) bedarf es des nochmaligen Abspielens des Tonbandes.91 Die Protokollierung eines bereits schriftlich vorgefertigten Vergleichsvorschlags erfolgt gem. § 160 Abs. 5.92 Die mündliche Annahme eines gerichtlichen Vergleichsvorschlags ohne Protokollierung ist nicht möglich.93 Das Protokoll ist anschließend vom Vorsitzenden und vom Urkundsbeamten der Geschäftsstelle, vor denen der Prozessvergleich geschlossen wurde, zu unterzeichnen. Die Nachholung der Unterschrift ist regelmäßig zulässig.94 Ebenso ist eine nachträgliche Protokollberichtigung gem. § 164 zulässig.95 Gegen eine Ablehnung der Protokollierung gibt es keinen Rechtsbehelf, weil die Parteien sich auf einem anderen Weg den Titel beschaffen können.96 30a Die ordnungsgemäße Protokollierung gem. §§ 159 ff. ist Wirksamkeitsvoraussetzung für den Prozessvergleich.97 Jeder formale Mangel hat zur Folge, dass sowohl die Vollstreckbarkeitswirkung als auch die Prozessbeendigungswirkung98 nicht eintritt. Ein Verzicht auf einzelne Formerfordernisse gem. § 295 ist nicht zulässig.99 Die Berufung auf einen Formmangel ist auch nach langer Zeit noch möglich.100

86 Hierzu etwa OLG Dresden AnwBl 2022, 555; Müller-Teckhof Rechte und Pflichten des Gerichts beim Prozessvergleich nach § 278 Abs. 6 ZPO, MDR 2014, 249; Siemon Der Vertragsschluss beim Beschlussvergleich, NJW 2011, 426; Abramenko Kein Rechtsmittel gegen richterliche Feststellung eines Vergleichs gem. § 278 VI ZPO? NJW 2003, 1356; Knauer/Wolf Zivilprozessuale und strafprozessuale Änderungen durch das Erste Justizmodernisierungsgesetz, NJW 2004, 2857; Schlosser Die ZPO auf dem Wege zum Urteil mit vereinbartem Inhalt?, FS E. Schumann, 2001, 389. Zur formwahrenden Wirkung des Beschlusses KG FGPrax 2011, 108; zur Zustellung des Beschlusses OLG Oldenburg OLG-Report 2005, 253; LG Ingolstadt Rpfleger 2005, 456. 87 Dazu etwa LAG Halle BeckRS 2005, 40134, sowie Bergschneider Der Beschlussvergleich gemäß § 278 Abs. 6 ZPO und das Problem der Form, FamRZ 2013, 260. 88 OLG Hamburg FamRZ 1987, 1173. 89 OLG Düsseldorf FamRZ 2020, 1396; OLG Zweibrücken Rpfleger 2000, 461; OLG Nürnberg JurBüro 1960, 544; KG Rpfleger 1973, 325; KG FamRZ 1984, 285; OLG Köln FamRZ 1981, 194; LG Berlin JurBüro 1989, 1889; a.A. Vollkommer Führen Protokollierungsmängel stets zur unheilbaren Nichtigkeit des Prozeßvergleichs? Rpfleger 1973, 269, 270, der insges. für eine stärkere Aufweichung der prozessualen Formerfordernisse eintritt. 90 Vgl. BGH NJW 1984, 1465 f.; KG FamRZ 1981, 194; OLG Hamburg FamRZ 1987, 1173. 91 OLG Zweibrücken Rpfleger 2000, 461; OLG Frankfurt FamRZ 1980, 907; OLG Koblenz FamRZ 1984, 270. 92 OLG Frankfurt FamRZ 1980, 907 f. 93 OVG Lüneburg NJW 1978, 1543; a.A. OLG Celle NJW 1965, 1970. 94 Nach OLG Stuttgart OLGZ 1976, 241 = MDR 1976, 673 geht die Nachholung der Unterschriftsleistung nicht mehr, wenn der Richter inzwischen an ein anderes Gericht versetzt worden ist. 95 Vgl. OLG Hamm OLGZ 1983, 89 = MDR 1983, 410. Eine Berichtigung nach § 319 ist dagegen nicht möglich, zutreffend BayVerfGH NJW 2005, 1347. 96 Vgl. auch Stein/Jonas/Münzberg Rdn. 30. A.A. OLG Brandenburg FamRZ 2007, 487, das eine Pflicht des Gerichts zur Protokollierung anerkennt. 97 BGHZ 14, 391, 398; BGH NJW 1984, 1465, 1466; OLG Köln FamRZ 1986, 1018; KG Rpfleger 1973, 325; a.A. OLG Celle NJW 1965, 1970; Vollkommer Führen Protokollierungsmängel stets zur unheilbaren Nichtigkeit des Prozeßvergleichs? Rpfleger 1973, 268 ff. 98 Vgl. BGH NJW 2002, 1503; BAG 8, 228 = MDR 1960, 440. 99 OLG Frankfurt FamRZ 1980, 907; OVG Münster NJW 1976, 1228. 100 OLG Nürnberg MDR 1960, 931; Stein/Jonas/Münzberg Rdn. 51; Reinicke Die Rechtsfolgen eines formnichtig abgeschlossenen Prozeßvergleichs, NJW 1970, 306; a.A. BAG NJW 1970, 349; OLG Frankfurt FamRZ 1984, 302. Paulus

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Die Frage, ob der formunwirksame Prozessvergleich ohne weiteres als außergerichtli- 31 cher Vergleich weiterwirkt, hängt davon ab, ob die Parteien die Einhaltung der Beurkundungsvorschriften als Wirksamkeitsvoraussetzung angesehen haben oder aber die Protokollierung des Prozessvergleichs nur wegen der verbesserten Beweisführung gewählt haben.101

c) Vergleichsinhalt. Vergleichspartner sind i.d.R. nur die Prozessparteien.102 Bei einfacher 32 Streitgenossenschaft (§ 61) wirkt der Vergleich auch nur für und gegen den am Vertragsschluss beteiligten Streitgenossen, es sei denn der Streitgenosse hat Vertretungs- und Verfügungsmacht, auch für die anderen zu handeln. Bei notwendiger Streitgenossenschaft (§ 62) müssen alle Streitgenossen mitgewirkt haben, damit der Prozessvergleich wirksam ist. Darüber hinaus können Dritte am Vergleichsschluss unter Mitwirkung beider Prozesspartei- 33 en hinzugezogen werden, auch wenn sie bisher am Verfahren nicht beteiligt waren.103 Sie müssen dem Vertragsschluss aber formell beitreten, damit sie an der Vollstreckungswirkung des Vergleichs teilhaben können104 bzw. gegen sie vollstreckt werden kann.105 Aus einem Vertrag zugunsten eines nicht beigetretenen Dritten kann nur auf Antrag einer Vergleichspartei, nicht aber auf Antrag des Dritten vollstreckt werden. Eine Sonderregelung hat der Gesetzgeber in diesem Zusammenhang in § 1629 Abs. 3 S. 2 BGB geschaffen. Eltern können ohne Beteiligung der Kinder bis zur Rechtskraft des Scheidungsurteils die Frage des Kindesunterhalts als Prozessstandschafter regeln.106 Das Kind wird aus dem Vergleich unmittelbar berechtigt; s. noch Rdn. 52. Der Prozessvergleich ist aufgrund seiner Doppelnatur auch materiell-rechtliches Rechtsgeschäft. 34 Der Vertragsschluss richtet sich nach §§ 145 ff. BGB.107 Zur Rechts- und Geschäftsfähigkeit vgl. Rdn. 12. Der Vertragsinhalt darf daher – wie bei jedem anderen außerprozessualen Vertrag – nicht 35 gegen zwingende gesetzliche Vorschriften verstoßen.108 Darüber hinaus ist die Regelung des Vertragsgegenstandes der Disposition der Parteien unterlegen (arg. e. § 1030).109 Das kann jedoch

101 Vgl. KG FamRZ 1984, 285; OLG Düsseldorf FamRZ 1983, 721 ff. Weitergehender BGH FamRZ 1985, 166. 102 Der Vergleich zwischen einer Partei und einem Dritten ist nicht möglich, da die Prozessbeendigung in diesem Fall nicht eintreten kann. Vgl. Baumbach/Lauterbach/Hartmann/Albers/Hunke, Anh. zu § 307 Rdn. 18; Rosenberg/Schwab/ Gottwald ZPR § 129 I. 4.; a.A. Zöller/Geimer Rdn. 6; die 2. Aufl. Anm. C IIa 1. Mehrere Titelschuldner haften im Zweifel gesamtschuldnerisch, KG JurBüro 1989, 271. 103 In materieller Hinsicht können sich gegebenenfalls Unwirksamkeitsgründe ergeben, wenn mit der Vergleichsbeteiligung unlautere Ziele verbunden werden, vgl. dazu – wenn auch in insolvenzrechtlchem Kontext – Paulus Insolvenz mbH – über Sinn und Zweck des Insolvenzverfahrens, ZIP 2022, 2465 (zum Fall Purdue Pharma und der Familie Sackler). 104 Vgl. BGHZ 86, 164 m. Anm. Bergerfurth JR 1983, 371; OLG Köln Rpfleger 1985, 305 = ZIP 1985, 896. Wegen deren Kosten OLG Köln RVGreport 2015, 74. 105 Bei Zuerkennung der Vollstreckungsbefugnis für den nicht beigetretenen Dritten würde eine neue Art des Vollstreckungstitels unter Umgehung der §§ 727 ff. geschaffen. Vgl. KG NJW 1973, 2032; OLG Stuttgart Rpfleger 1979, 145; OLG Zweibrücken FamRZ 1979, 174; Siegmüller Zwangsvollstreckung des durch einen Prozessvergleich begünstigten Dritten, NJW 1975, 1685 f.; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 13 III 5; a.A. Stein/Jonas/Münzberg Rdn. 36; P. Bonin (Fn. 14) 154 ff.; offengelassen von BGH FamRZ 1980, 342 und FamRZ 1982, 587. 106 Für eine Regelung danach s. OLG Frankfurt InVo 2003, 238. 107 S. auch OLG Nürnberg FamRZ 2018, 45. Dazu, dass der Vergleichsvertrag zugleich ein Vorvertrag sein kann, OLG Köln InVo 2004, 414. 108 Vgl. zu § 138 BGB BGHZ 51, 141 = NJW 1969, 925. Zu Einzelfällen vgl. die 2. Aufl. C IVa 5. S. auch OLG München FamRZ 2021, 376 (Erbscheinserteilungsverfahren). 109 Hieraus folgt eine nur eingeschränkte Prüfungskompetenz des Gerichts, zutreffend daher OLG Dresden AnwBl 2022, 555. 555

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vor allem im öffentlich-rechtlichen Bereich110 und in Statussachen111 zweifelhaft sein. Bei Veräußerung des Streitgegenstandes während des Prozesses verbleibt der Veräußerer gem. § 265 Abs. 2 als Prozessstandschafter im Prozess, so dass er zu allen Prozesshandlungen, auch zum Abschluss eines Prozessvergleiches über den Streitgegenstand befugt bleibt.112 36 Der Prozessvergleich kann, obwohl er auch Prozesshandlung ist, unter einer Bedingung abgeschlossen werden.113 Die bedingte Erklärung einer Auflassung ist allerdings wegen § 925 Abs. 2 BGB unzulässig.114 Der Vertragsinhalt muss im Übrigen den Verfahrensgegenstand nicht unmittelbar betreffen, sondern kann auch darüber hinausreichen.115 Es können116 daher daneben auch prozessfremde Gegenstände in den Vergleich aufgenommen werden, die z.B. in einem anderen Verfahren noch anhängig sein können (sog. Gesamtvergleich, Rdn. 62). Die Aufnahme von ausschließlich prozessfremden Angelegenheiten ist auch zulässig, da über die Prozessbeendigungswirkung immer auch ein mittelbarer Bezug zum laufenden Verfahren besteht.117 Die Vergleichsparteien können die Kosten im Vergleich abweichend von § 98 festlegen.118 37 Ein bereits rechtskräftiger Kostentitel kann durch Vereinbarung der Parteien im Prozessvergleich allerdings nicht mehr ersetzt werden.119 Ist über die Kosten nichts im Vergleich enthalten, gilt § 98.120 Es liegt kein Vergleich i.S.d. § 794 Abs. 1 Nr. 1 vor, wenn nur die Kosten eines Rechtsstreits 110 Vgl. allg. zum Prozessvergleich im verwaltungsrechtlichen bzw. sozialgerichtlichen Verfahren BVerwGE 14, 103 = NJW 1962, 1636; BSG NJW 1967, 1822 = MDR 1967, 703; zu § 1 GWB BGH MDR 1976, 206 = NJW 1976, 194. BAG DB 2014, 2478 (Vergleich im Kündigungsschutzprozess während laufenden Insolvenzverfahrens, s. auch vorhergehend LAG Berlin BB 2014, 883); LAG Hamm MDR 1972, 900 zur Verpflichtung des Arbeitgebers zur Vornahme von Eintragungen in die Lohnsteuerkarte (unzulässig); Lepke Der Vergleich im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren, DB 1977, 629 ff. zur Zulässigkeit von Vergleichen in Betriebsverfassungsstreitigkeiten; BGH NJW 1988, 65 = DNotZ 1988, 448 zum notariellen Gebührenvergleich (zulässig); a.A. OLG Schleswig DNotZ 1985, 779 m. abl. Anm. Lappe; BGH NJW 1974, 900 und OLG Frankfurt MDR 1975, 584 zur Zulässigkeit der vergleichsweisen Rücknahme eines Strafantrages und einer Strafanzeige. 111 Vgl. allg. RGZ 164, 62, 64; zum Verkehrsrecht der Eltern gem. § 1634 (heute: 1684) BGB s. OLG Düsseldorf FamRZ 1979, 883 und OLG Bamberg JurBüro 1981, 1259 (unzulässig), a.A. OLG Koblenz FamRZ 1978, 605. 112 BGH JZ 2019, 310 mit Anm. Althammer (S. 286 ff.); BGH NJW-RR 1987, 307; Stein/Jonas/Schumann § 265 Rdn. 40; a.A. Tempel (Fn. 12) 531; hierzu widersprüchlich die 2. Aufl. C IVa 10 und § 265 E II. Zum Ganzen s. auch Berger Zur Bindung des Rechtsnachfolgers an einem vom Veräußerer im Rahmen des § 265 Abs. 2. S. 1 ZPO geschlossenen Prozessvergleichs, FS H.Roth, 2021, S. 173; Schilken Zur Bindung des Rechtsnachfolgers an einen vom Rechtsvorgänger geschlossenen Prozessvergleich, FS H.Roth, 2021, S. 525. 113 Der befristete Vorbehalt des Widerrufes ist die häufigste Form der Bedingung. Vgl. zum Widerruf Rdn. 38 ff. Zur sog. Beschleunigungsklausel v. Wietersheim Erteilung von Vollstreckungsklauseln bei Vergleichen mit Beschleunigungsklausel, MDR 1999, 976. Zur befristeten Leistungsverpflichtung OLG Brandenburg NJW-RR 2012, 386; OLG Naumburg FamRZ 2011, 754. 114 BayObLG NJW 1972, 2131 = FamRZ 1972, 569; LG Aachen Rpfleger 1979, 61; MünchKomm-BGB/Habersack § 779 BGB Rdn. 43; Stein/Jonas/Münzberg Rdn. 16 (dort Fn. 68) hält dagegen die Widerruflichkeit des Prozessvergleiches für unschädlich, wenn Antrag gem. § 13 GBO an das Grundbuchamt erst nach Ablauf der Widerrufsfrist gestellt wird. 115 BGHZ 14, 387; BGHZ 35, 309 = NJW 1963, 1814. 116 Nach BGHZ 191, 1, steht es allerdings – im konkreten Fall bezogen auf eine Scheidungsfolgenvereinbarung – im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts, ob es die weitergehende Protokollierung zulässt (zu § 127a, jetzt also § 246 FamFG); s. hierzu Rakete-Dombek Die Angst des Richters vor der Haftung, NJW 2012, 1689. 117 Dazu etwa OLG Hamm MDR 1990, 252; OLG Frankfurt/O. FamRZ 1990, 178. Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes kann der Vergleich auf die Kostenentscheidung in der Hauptsache verweisen. Für die Kostenfestsetzung ist dann Rechtskraft erforderlich, KG JurBüro 1979, 1568. Das vom BGH in BGHZ 35, 309 aufgestellte Bedingungselement ist dagegen zu eng gefasst. Vgl. Stein/Jonas/Münzberg Rdn. 11; P. Bonin (Fn. 14) 20; a.A. Thomas/Putzo/Seiler Rdn. 7. 118 S. auch OLG Koblenz NJW-RR 2008, 375. 119 OLG Hamm Rpfleger 1989, 521; OLG Stuttgart JurBüro 1989, 1739; a.A. OLG München NJW 1969, 2149 und JurBüro 1990, 212. Zu beachten ist, dass der Kostentitel zwar nicht ersetzt werden kann. Den Parteien bleibt es aber unbenommen, im Prozessvergleich materielle Kostenerstattungsansprüche zu begründen. 120 Die Kosten der Zwangsvollstreckung aus einem vorangegangenen aufgehobenen Urteil gehören i.d.R. nicht zu den Kosten gem. § 98, vgl. OLG Karlsruhe NJW-RR 1989, 1150 = JurBüro 1989, 1425. Zu den Kosten des erstinstanzlichen Streithelfers OLG Frankfurt MDR 1990, 929. Paulus

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in diesem geregelt werden und die Hauptsache weiter anhängig bleibt, da dadurch der Prozess als solcher nicht beendet wird.121 Die Regelung der Hauptsache in einem Prozessvergleich unter ausdrücklicher Ausklammerung der Kostenfrage ist dagegen zulässig. Die Kostenentscheidung ist in diesem Fall vom Gericht entsprechend § 91a ZPO zu treffen.122

d) Widerruf. Der Vorbehalt des Widerrufs und die Widerrufserklärung teilen die Rechtsnatur 38 des Prozessvergleichs. Sie stellen auch ein materiell-rechtliches Rechtsgeschäft und eine Prozesshandlung zugleich dar.123 Der Widerrufsvorbehalt stellt, sofern die Parteien nicht ausdrücklich etwas anderes vereinbart haben, eine aufschiebende Bedingung dar.124 Der Widerruf selbst ist als einseitige Erklärung bedingungsfeindlich.125 Der Adressat der Widerrufserklärung sollte von den Parteien im Vergleich festgelegt wer- 39 den – gerade auch im Hinblick auf § 795b –, da umstritten ist, wem der Widerruf zugehen muss, wenn der Vergleichstext keine näheren Angaben enthält.126 Der Auffassung, die in diesem Fall sowohl den Zugang bei der gegnerischen Partei als auch beim Gericht zulässt, ist der Vorzug zu geben.127 Bei Erklärung des Widerrufs an den falschen Empfänger gilt Folgendes: Ist das Gericht der vereinbarte Erklärungsempfänger, so kann der fristgerechte Widerruf gegenüber dem Gegner ausnahmsweise ausreichen.128 Ist die gegnerische Partei der vereinbarte Erklärungsempfänger, so hat er sich die Erklärung an das Gericht zuzurechnen, wenn sie an ihn fristgerecht weitergeleitet wird.129 Die Wahl des Adressaten bestimmt auch die Erklärungsform des Widerrufs.130 Ist das Gericht 40 als Erklärungsempfänger genannt, so richtet sich die Einhaltung der Form nach Prozessrecht. Bei Fehlen einer ausdrücklichen Formvereinbarung kann der Widerruf gegenüber dem Gericht formlos, auch

121 Speziell gilt dieses auch für den Fall, dass in einem Scheidungsfolgevergleich die Kosten des Scheidungsverfahrens vor Eintritt der Rechtskraft dieses Verfahrens geregelt werden. Vgl. BGHZ 5, 251, 258 = NJW 1952, 786; KG FamRZ 1968, 652; OLG München MDR 1976, 406; OLG Bamberg JurBüro 1982, 769; OLG Frankfurt Rpfleger 1984, 159; a.A. OLG Hamm JurBüro 1982, 1726; OLG Hamburg JurBüro 1989, 1422 abl. Anm. Mümmler, die von der Wirksamkeit des Kostentitels ab Rechtskraft des Scheidungsurteils ausgehen. 122 BGH NJW 1965, 103; OLG Frankfurt JurBüro 1983, 1877, 1878; OLG Bamberg JurBüro 1984, 1740; OLG Bremen OLGZ 1989, 100; OLG München MDR 1990, 344; a.A. Stein/Jonas/Münzberg Rdn. 12 m.w.N.; die 2. Aufl. § 98 Anm. A III; der Sache nach auch OLG Hamburg FamRZ 1987, 1173 (nachträgliche Vereinbarung eines Widerrufsvorbehalts). 123 So auch LG Berlin NJW 1965, 765; Stein/Jonas/Münzberg Rdn. 64 m.w.N.; differenzierend: MünchKomm-BGB/Habersack § 779 BGB Rdn. 87; a.A. für rein materiell-rechtliche Betrachtungsweise die h.M.: RGZ 161, 253, 255; BGHZ 46, 277 f. = NJW 1967, 440; Zöller/Geimer Rdn. 3; (wohl) für Prozesshandlung: Baumbach/Lauterbach/Hartmann/Albers/ Hunke Anh. zu § 307 Rdn. 11; AK/Schmidt-v. Rhein Rdn. 9; offengelassen von BGHZ 61, 394, 398 = NJW 1974, 107; BGH NJW 1980, 1752. 124 S. auch § 795b. Ferner BGHZ 88, 367 = NJW 1984, 312 = MDR 1984, 228; OLG Frankfurt NJW-RR 1996, 14. 125 Stein/Jonas/Münzberg Rdn. 62; a.A. die 2. Aufl. C IVa 8. 126 BGH BB 2005, 2490 (im Zweifel könne der Widerruf Gericht wie Gegner gegenüber erklärt werden; ferner OLG Naumburg OLG-Report 2005, 288); s. demgegenüber (Gegner als Erklärungsempfänger): BGHZ 46, 277 ff. = NJW 1984, 312; OLG Düsseldorf NJW-RR 1987, 256; (Gericht als Erklärungsempfänger): OLG Köln VersR 1990, 403; Baumbach/ Lauterbach/HartmannAlbers/Hunke Anh. zu § 307 Rdn. 12; AK/Schmidt-v. Rhein Rdn. 9; teilw. werden Korrekturen durch Beachtung von Übungen im Gerichtsbezirk vorgenommen, vgl. Zöller/Geimer Rdn. 10a. 127 Stein/Jonas/Münzberg Rdn. 65; Thomas/Putzo/Seiler Rdn. 22; MünchKomm-BGB/Habersack § 779 BGB Rdn. 86. 128 BAG NJW 1969, 110; Bergerfurth Der Widerrufsvergleich und seine Risiken, NJW 1969, 1797 f.; a.A. die 2. Aufl. C IV a 8. 129 Vgl. BGH JR 1955, 179 = BGH LM § 130 BGB Nr. 2; Stein/Jonas/Münzberg Rdn. 64 m.w.N. 130 Die Adressatenwahl bestimmt nur die Erklärungsform und nicht auch die Rechtsnatur des Widerrufs, vgl. Stein/ Jonas/Münzberg Rdn. 84 (dort Fn. 394) m.w.N. 557

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§ 794

Achtes Buch – Zwangsvollstreckung

telefonisch, erklärt werden.131 Dieses gilt, sofern „Anzeige zu den Akten“132 bzw. „Anzeige an das Gericht“133 vereinbart worden ist. Die Abrede der Erklärung des Widerrufs „durch Einreichen eines Schriftsatzes bei Gericht“ enthält eine Formvereinbarung.134 In diesem Fall bedarf es eines unterschriebenen Schriftsatzes.135 Soll der Widerruf dem Gegner gegenüber erklärt werden, so gelten für die Form des Widerrufs §§ 126 ff. BGB. 41 Die Widerrufsfrist kann von den Parteien frei festgelegt werden.136 Sie berechnet sich nach den §§ 186 ff. BGB, insb. findet § 193 BGB Anwendung.137 Auch bei der Erklärung des Widerrufs gegenüber dem Gericht ist der Zugang der Erklärung,138 i.d.R. durch Eingang in der allgemeinen Postlaufstelle, innerhalb der Frist ausreichend;139 bei der zuständigen Geschäftsstelle braucht sie dagegen nicht notwendigerweise einzugehen. Ist der Widerruf gegenüber einem auswärtigen Gericht abzugeben, genügt dagegen der Eingang beim Stammgericht nicht.140 Eine Widerrufsfrist kann nur von den Parteien verlängert werden.141 Eine richterliche Verlängerung (§ 224) scheidet ebenso wie eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, § 233, aus.142 Eine Vorverlegung des Zugangs analog § 270 S. 2 findet nicht statt.143 42 Der Widerrufende ist an seine Erklärung gebunden. Der Widerruf ist unwiderruflich.144 Eine Rücknahme, auch mit Einverständnis der Vergleichspartner, ist nicht möglich.145 Die Nichtausübung des Widerrufs146 und der Verzicht auf die Ausübung147 sind unanfechtbar. In Ausnahmefällen kann jedoch ein Festhalten am Vertragsschluss gegen Treu und Glauben verstoßen.148 Hat ein Prozessbevollmächtigter den Widerrufsvergleich für mehrere Berechtigte abgeschlossen, so genügt im Zweifel, sofern die Parteien nichts anderes vereinbart haben, der Widerruf eines Berechtigten.149 Ist der Widerruf erklärt worden, so sind alle weiteren Streitfragen, z.B. über die Wirksamkeit des Widerrufs oder die Rechtmäßigkeit des Widerrufs, wie im alten Verfahren durch Terminvereinbarung zu klären.150

131 BAGE 9, 172 ff. = BAG NJW 1960, 1364 f.; LAG Schleswig-Holstein BB 1969, 137; Zur Form der Erklärung eines Widerrufs durch einen Sozialversicherungsträger vgl. BSGE 24, 4 = NJW 1966, 125. 132 Hier genügt auch Schriftsatz mit eigenhändiger Unterschrift, vgl. RGZ 135, 338. Eine einfache Anzeige zu den Akten ist aber wegen des Problems der zeitlichen Fixierung nicht ungefährlich. 133 Vgl. Bergerfurth Der Widerrufsvergleich und seine Risiken, NJW 1969, 1797 f. m.w.N. 134 BAG NJW 1989, 3035 = NZA 1989, 860; Stein/Jonas/Münzberg Rdn. 83 (dort Fn. 387). 135 BAG NJW 1989, 3035 = NZA 1989, 860; LAG Düsseldorf DB 1990, 1672 (Paraphe genügt nicht). 136 S. auch OLG Karlsruhe MDR 2005, 1368. 137 BGH NJW 1978, 2091 (LS) m.w.N. = MDR 1979, 49; OLG München NJW 1975, 933; Baumbach/Lauterbach/Hartmann/ AlbersHunke Anh. zu § 307 Anh. Rdn. 103 und wohl auch OLG Schleswig NJW-RR 1987, 1022 wenden dagegen § 222 ZPO an. 138 Zum Zugang bei Versendung des Widerrufs durch eingeschriebenen Brief BAG NJW 1986, 1373. 139 Vgl. BGH NJW-RR 1989, 1214 f. = MDR 1990, 42; WM 1989, 1625, BGH NJW 1980, 1752 f.; BVerfGE 52, 203, 209 = NJW 1980, 580. Beim Arbeitsgericht genügt die allgemeine Einlaufstelle der Justizbehörden vgl. Baumbach/Lauterbach/ Hartmann Anh. zu § 307 Anh. Rdn. 13; a.A. LAG München NJW 1988, 439; ebenfalls ausreichend ist das Einlegen des Widerrufschriftsatzes in das Abholfach des LG beim AG, BGH NJW-RR 1989, 1214. 140 BGH VersR 1980, 456. 141 BGH AnwBl 2018, 619. 142 BGHZ 61, 394; NJW 1974, 107 = MDR 1974, 220; BAG NJW 1978, 1876. 143 Vgl. Schnorrenberg Der Widerruf des Prozessvergleichs, AnwBl. 1982, 404, 408; a.A. 2. Aufl. IVa 8. 144 BGH LM Nr. 3 § 794 I, 1 Nr. 1; LAG Köln MDR 2004, 901. Zum Zugang eines Widerrufs OLG Hamm MDR 2005, 1071. 145 Vgl. OLG München BayJurBl. 1953, 220. 146 OLG Celle NJW 1970, 48 = Rpfleger 1969, 385; a.A. die 2. Aufl. C IVa 8. 147 Bergerfurth Der Widerrufsvergleich und seine Risiken, NJW 1969, 1979, 1800. 148 BGHZ 61, 394, 400 = NJW 1974, 107 = MDR 1974, 220; BAG NJW 1969, 110. 149 BGHZ 46, 277 ff. = NJW 1967, 440 = MDR 1967, 203 zum Widerruf durch Miterben. 150 H.M. seit RGZ 161, 253 und RGZ 162, 198. Paulus

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3. Wirkungen des Prozessvergleichs a) Materiell-rechtliche Wirkungen. Der gerichtliche Vergleich entfaltet (sofern er nicht ein 43 bloßer Prozessbeendigungsvertrag, Rdn. 9, ist) als materieller Vertrag alle Wirkungen eines außerprozessualen Rechtsgeschäfts. Insofern gelten für ihn keine Besonderheiten151 – mit Ausnahme allenfalls des vom BGH angenommenen (nicht über jeden Zweifel erhabenen152) Umstandes, dass der Vergleich nicht schuldumschaffend sei.153 Darüber hinaus ersetzt die gerichtliche Protokollierung alle sachrechtlichen Formerfordernisse.154 Für die notarielle Beurkundung, die öffentliche Beglaubigung und Schriftform ist das in §§ 127a,155 129 Abs. 3, 126 Abs. 4 BGB ausdrücklich geregelt. Danach kann jedes beurkundungsbedürftige Rechtsgeschäft, auch ein Erbvertrag,156 Erbverzicht und Ehevertrag, in einen gerichtlichen Vergleich aufgenommen werden. Das Erfordernis der gleichzeitigen Anwesenheit beider Parteien bei den zuletzt genannten Verträgen wird beim gerichtlichen Vergleich ebenfalls eingehalten,157 da beide Teile beim Vertragsabschluss anwesend sein müssen, wenn sie auch anwaltschaftlich vertreten sein können. Die Notwendigkeit der persönlichen Anwesenheit des Erblassers beim Erbvertrag und Erbverzicht, die kein Formerfordernis darstellt und deshalb auch nicht gem. § 127a BGB ersetzt werden kann, wird dadurch hergestellt, dass der Erblasser neben seinem Vertreter persönlich erscheint und die notwendigen Erklärungen zu Protokoll des Gerichts abgibt.158 Diese Möglichkeit wird auch von der h.M., die vor Kollegialgerichten auch für den Prozessvergleich grundsätzlich vom Anwaltszwang ausgeht, zugestanden.159 Ein Testament160 oder ein Widerrufstestament161 in Testamentsform kann in einem gerichtlichen Vergleich dagegen nicht errichtet werden, da ein Testament seinem Inhalt nach nicht Bestandteil eines vertraglich ausgehandelten Vergleichs sein kann. Die Erklärung der Auflassung vor einem Notar wird gem. § 925 Abs. 1 S. 3 BGB ebenfalls durch die gerichtliche Protokollierung des Vergleichs ersetzt. In einem bedingten Vergleich, wie z.B. dem Widerrufsvergleich, kann diese Auflassung allerdings wegen § 925 Abs. 2 BGB nicht erklärt werden.162 Sofern die Wirksamkeit bei einigen Rechtsgeschäften von dem Zugang einer Erklärung gegenüber einer dritten Person oder einem bestimmten Gericht abhängt (vgl. §§ 1491 Abs. 1 S. 2; 1492 Abs. 1 S. 2; 1829 Abs. 1 S. 2; 1945 Abs. 1; 1955 BGB), wird dieses Erfordernis durch den Prozessvergleich nicht ersetzt. Es handelt sich hierbei ausschließlich um die Regelung des Adressaten einer Erklärung und nicht um Formvorschriften. Eine Formersetzung findet weiterhin nicht statt, sofern eine andere Behörde für die Entgegennahme der entsprechenden Erklärungen ausschließlich zuständig ist (der Standesbeamte gem. § 1310 Abs. 1 BGB). Die Wirkung der Ersetzung jeder sachlich-rechtlichen Form scheidet auch für den vor einer Gütestelle geschlossenen Vergleich aus, da es sich hierbei nicht um einen gerichtlichen Vergleich i.S.d. § 127a BGB handelt.163

151 Zur Wirkung eines Prozessvergleichs mit einem Gesamtschuldner gegenüber den anderen Gesamtschuldnern BGH NJW 2000, 1942; zur Anwendbarkeit des § 313 BGB BAG NJW 2001, 1297. 152 Man denke nur an novierende Vergleiche, vgl. BGH NJW 2002, 1503. 153 BGH NJW 2003, 3345; BGH NJW 2002, 1503; Kindl/Meller-Hannich/Wolf/Müller Rdn. 8. 154 BGHZ 14, 381. 155 BGH NJW 2017, 1946. 156 OLG Düsseldorf NJW 2007, 1290. 157 AA freilich OLG Frankfurt NJOZ 2018, 1646. 158 BGHZ 35, 309 = NJW 1961, 1817; BGH NJW 1980, 2307 ff.; BayObLGZ 1965, 86 = NJW 1965, 1276; OLG Stuttgart MDR 1989, 995 = OLGZ 1989, 45. 159 Vgl. Fn. 48. 160 RGZ 48, 183, 187; BGH FamRZ 1960, 28, 30 = DB 1959, 790. 161 Ein Testamentswiderruf durch Erbvertrag ist dagegen zulässig, vgl. OLG Köln OLGZ 1970, 115. 162 Vgl. KG OLG-Report 2003, 318; ferner s. Fn. 106. 163 Vgl. Zöller/Geimer Rdn. 12; MünchKomm-BGB/Einsele § 127a BGB Rdn. 5. 559

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Achtes Buch – Zwangsvollstreckung

b) Prozessuale Wirkungen 44 aa) Beendigung der Rechtshängigkeit. Der Abschluss eines Prozessvergleichs bewirkt ohne weiteres die gesamte oder teilweise Beendigung des laufenden Verfahrens mit der Folge, dass die Rechtshängigkeit in diesem Umfang ebenfalls erlischt.164 Bei einem Gesamtvergleich, Rdn. 62, werden auch die Verfahren mit beendigt, deren Streitgegenstand Eingang in den Prozessvergleich gefunden hat, ohne dass die Prozesse vorher miteinander verbunden werden müssen.165 Durch das Erlöschen der Rechtshängigkeit werden auch die Wirkungen eines vorangegangenen, noch nicht rechtskräftigen Urteils beseitigt,166 es sei denn, die Parteien haben ausdrücklich etwas anderes vereinbart.167 Das hat etwa zur Folge, dass derartige Urteile keine Grundlage für eine Kostenfestsetzung mehr bilden können, § 103 Abs. 1.168 Bereits erlassene Kostenfestsetzungsbeschlüsse fallen mit Aufhebung der Kostenfestsetzungsgrundlage automatisch weg.169 Die Zwangsvollstreckung aus dem aufgehobenen Urteil bzw. Kostenfestsetzungsbeschluss bleibt möglich, bis das zuständige Gericht einen Beschluss gem. § 732 erlassen hat.170 Erst im Anschluss daran kann die Zwangsvollstreckung gem. § 775 eingestellt werden. Eine direkte Anwendung des § 775 Nr. 1 ist nicht möglich, da der Prozessvergleich keine Entscheidung i.S.d. § 775 Nr. 1 darstellt und eine entsprechende Anwendung nur möglich ist, soweit eine vollstreckbare Entscheidung unmittelbar und ohne Ausnahme die Unwirksamkeit des Titels und nicht nur des materiellen Anspruchs feststellt.171 Das ist aber beim Prozessvergleich nicht gegeben, da hier der Wille der Parteien auch dahin gehen kann, das Urteil in seinem Bestand unangetastet zu lassen. Die Prozessbeendigungswirkung eines Prozessvergleichs wird im Gegensatz zu der des Urteils durch einen nachfolgenden weiteren Prozessvergleich nicht aufgehoben.172 Gegen eine Zwangsvollstreckungsmaßnahme aus dem ersten Prozessvergleich kann sich der Betroffene nur gem. § 767 wehren. Vorangegangene rechtskräftige Entscheidungen werden durch einen nachfolgenden Prozessvergleich in ihrem Bestand ebenfalls nicht beeinträchtigt.173 Sofern allerdings ein rechtskräftiges Urteil inhaltlich durch einen Prozessvergleich abgeändert wird, kann gegen die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil Vollstreckungsgegenklage gem. § 767 erhoben werden. 45 Der Prozessvergleich besitzt keine Rechtskraftwirkung und auch keine der Rechtskraft ähnliche Wirkung.174 Er kann daher in seinen Wirkungen nicht einem Urteil gleichgestellt werden und 164 Vgl. RGZ 157, 141, 143; BGHZ 41, 310 = NJW 1964, 1525 = MDR 1964, 653; BGHZ 86, 184 = NJW 1983, 996; OLG Hamm AnwBl. 1989, 239. 165 OLG München NJW-RR 2006, 72; KG JW 1937, 1086; KG Rpfleger 1970, 217; KG FamRZ 1981, 193 f. scheint dagegen von einer stillschweigenden Verbindung auszugehen; zum Gesamtvergleich ausführlich auch BGHZ 35, 309 = NJW 1961, 1817. 166 Ganz h.M.: vgl. BGH JZ 1964, 257 = MDR 1964, 313; OLG Hamm MDR 1977, 56 = Rpfleger 1976, 408; MDR 1988, 588; AnwBl. 1989, 239. 167 Z.B. kann auf die Vollstreckbarkeit aus dem Urteil verzichtet werden, ohne das Urteil vollständig zu beseitigen. Vgl. OLG Hamm NJW 1988, 1988; Baumbach/Lauterbach/Hartmann/Albers/Hunke Anh. zu § 307 Rdn. 35; a.A. BGH LM § 767 Nr. 37. 168 OLG Düsseldorf NJW 1974, 1714 = Rpfleger 1974, 230; OLG Hamm MDR 1977, 56 = Rpfleger 1976, 408; OLG Düsseldorf JurBüro 1980, 135 und JurBüro 1981, 1087; Stein/Jonas/Münzberg Rdn. 32 m.w.N. 169 Vgl. OLG München BB 2000, 744; OLG München Rpfleger 1970, 98 = JurBüro 1970, 268; OLG Hamm MDR 1977, 56 = Rpfleger 1976, 408; ob und wie der Prozessvergleich die Kostenregelung des Urteils abändert, ist im Kostenvergleichsverfahren zu klären, vgl. OLG Hamburg JurBüro 1977, 562. 170 Vgl. KG JW 1930, 266; Stein/Jonas/Münzberg § 732 Rdn. 2, § 794 Rdn. 32; Zöller/Geimer Rdn. 13; Thomas/Putzo/Seiler § 775 Rdn. 4. 171 Sebode Die Einstellung der Zwangsvollstreckung nach § 775 ZPO, DGVZ 1964, 161, 166; Stein/Jonas/Münzberg § 775 Rdn. 8. 172 H.M., vgl. BGHZ 41, 310 = NJW 1964, 1525 = MDR 1964, 652; a.A. BAG NJW 1983, 2213. 173 OLG Hamm NJW 1988, 1988; OLG Hamm Rpfleger 1989, 521 = JurBüro 1989, 1421; OLG Stuttgart MDR 1989 = JurBüro 1989, 1739; a.A. OLG München NJW 1969, 2149; s. noch Rdn. 65. 174 Vgl. Stein/Jonas/Münzberg Rdn. 31. Der Vergleich ist darüber hinaus auch keine Entscheidung i.S.d. Art. 34 Nr. 3 EuGVVO, EuGH EuZW 1994, 760 = JZ 1994, 1007 m. Anm. Schlosser. Paulus

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nimmt damit nicht kategorisch einer Leistungsklage das Rechtsschutzbedürfnis.175 So ersetzt der Prozessvergleich das Urteil z.B. nicht im Rahmen der Anwendung des § 22 Abs. 3 Nr. 2 HinterlG176 und des § 894.177 Sofern die Parteien allerdings über die Beendigung des Rechtstreits uneins sind, ist der 46 Prozess auf Antrag dessen, der die Unwirksamkeit geltend macht, fortzusetzen.178

bb) Vollstreckungstitel. (aa) Die Zwangsvollstreckung aus Prozessvergleichen folgt gem. § 795 47 den für das Urteil geltenden Vorschriften,179 soweit sich aus der fehlenden Rechtskraftwirkung nicht etwas anderes ergibt. Einzelheiten s. bei § 795 sowie § 795b. (bb) Der Prozessvergleich muss, um Vollstreckungstitel i.S.d. § 794 Abs. 1 Nr. 1 zu sein, einen 48 vollstreckungsfähigen Inhalt180 haben oder wenigstens an der Vollstreckbarkeit im weiteren Sinne181 teilhaben. Einen vollstreckungsfähigen Inhalt hat der Vergleich dann, wenn er wie jeder andere Titel inhaltlich bestimmt ist.182 Dieser Voraussetzung genügt er nur dann, wenn er aus sich heraus verständlich ist und auch für jeden Dritten erkennen lässt, welche Leistung oder Handlung zu vollstrecken ist.183 Die zu vollstreckende Leistung muss deshalb alleine aus dem Titel erkennbar sein. Für die Auslegung darf auf andere tatsächliche oder rechtliche Umstände als gesetzliche Vorschriften nicht zurückgegriffen werden. Sollte das dennoch der Fall sein, ist der Titel nicht vollstreckbar.184 Von der Rechtsprechung entschiedene Einzelfälle:185 Bestimmtheit ausreichend: Bezug auf 49 die im Bundesgesetzblatt verkündete Rentenbemessungsgrundlage;186 „übliche(n) Dankes- und Bedauernsformel“ für die Pflicht zur Erstellung eines Zeugnisses mit einer solchen Formulierung;187 Festlegung eines Bruttolohnbetrages;188 Verkauf zum Listenpreis;189 Freistellungsverpflichtung, sofern sich der Freistellungsbetrag aus dem Vergleich selbst ergibt;190 Anknüpfung an den vom Statistischen Bundesamt erstellten Preisindex für die Lebenshaltungskosten.191 Nicht ausrei175 176 177 178 179 180

KG FamRZ 2005, 1759. Vgl. OLG Frankfurt Rpfleger 1974, 227. Vgl. auch Rdn. 50. OLG Frankfurt ZInsO 2012, 1990, 1991; Zöller/Geimer Rdn. 15a. Das gilt auch für § 780, BGH FamRZ 1991, 1286 = NJW 1991, 2839. Vgl. auch Rdn. 97. OLG Stuttgart NJW-RR 1999, 791; zur Erstreckung auf Anlagen OLG Zweibrücken Rpfleger 2004, 508; OLG Hamm MDR 2000, 350. 181 Vgl. Vor § 704 Rdn. 79; ausführlich zur Vollstreckbarkeit im weiteren Sinne auch Wieser Die Vollstreckbarkeit i.w.S., ZZP 102 (1989) 261 ff. 182 Vgl. § 795 Rdn. 16 ff. sowie die allgemeinen Ausführungen bei BGH MDR 2018, 1247; OLG München Rpfleger 2014, 367; OLG Hamm NJW 1974, 652; OLG Koblenz OLGZ 76, 380 ff.; OLG Celle JurBüro 1979, 276; OLG Nürnberg Rpfleger 1990, 306; LAG Frankfurt NZA 90, 192. Christopoulos Prozessvergleich – Unbestimmte Formulierungen als Risiko fehlender Vollstreckungsfähigkeit, MDR 2014, 438. 183 Sehr großzügig allerdings OLG Zweibrücken FamRZ 2003, 691. 184 OLG Hamm DGVZ 2008, 64; zur Auslegung s. aber auch LAG Berlin-Brandenburg AuR 2019, 438; OLG Brandenburg BeckRS 2009, 07250. Die Problematik stellt sich besonders häufig bei arbeitsrechtlichen Vergleichen, vgl. LAG Düsseldorf Rpfleger 2009, 517; LAG Mainz JurBüro 2008, 496; LAG Mainz InVo 2007, 464. 185 Vgl. auch die insges. skeptischen Äußerungen des BGH zu Wertsicherungsklauseln, NJW-RR 1989, 318. 186 OLG Braunschweig FamRZ 1979, 928 f. 187 LAG Berlin-Brandenburg LArbG Berlin-Brandenburg vom 5.4.2018 – juris. 188 BGH DB 1966, 1196 = WM 1966, 758; BAG NJW 1964, 1338 = MDR 1964, 625; Sibben Besonderheiten bei der Zwangsvollstreckung aus arbeitsgerichtlichen Titeln, DGVZ 1989, 177 ff. Der ganze Betrag ist in diesem Fall zu vollstrecken, es sei denn, der Arbeitgeber legt Quittungen über Abführung der Steuer und Sozialversicherungsabgaben vor. Insofern erfolgt dann Einstellung der Vollstreckung gem. § 775 Nr. 4. Hat der Arbeitgeber die Abgaben noch nicht abgeführt, greifen die Mitteilungspflichten des Gerichtsvollziehers gem. § 86 GVO ein. 189 OLG Köln MDR 1975, 586. 190 OLG Saarbrücken OLG-Report 2008, 73. 191 BGH NJW-RR 2004, 649. 561

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chend: Fehlende Duldungserklärung bezüglich Öffnen und Betreten der Wohnung bei einem Vergleich zur Durchführung einer Stromsperre;192 „abzüglich geleisteter Zahlungen“ bei einem Unterhaltsvergleich;193 Verpflichtung zur Freigabe einer Bürgschaft in der Höhe, die einen von der anderen Partei mit einer zu erhebenden Klage geltend gemachten Rückzahlungsanspruch übersteigt;194 „Die Bekl. verpflichtet sich, dem Kl. ein wohlwollendes, qualifiziertes Zeugnis entsprechend der Schulnote ‚gut‘ […] zu erteilen“;195 Abgabe aller für die Übertragung einer Direktversicherung erforderlichen Erklärungen;196 „sämtliche Baustellen und Aufträge, an denen der Kläger mitgewirkt hat, nachvollziehbar hinsichtlich des Gewinns abzurechnen“;197 Nachbesserungspflicht ohne Konkretisierung des zu beseitigenden Mangels;198 „Zahlung des vereinbarten Pachtzinses“ bei eingefügter Wertsicherungsklausel;199 Bezugnahme auf Gutachten, auch wenn es bekannt ist und in den Gerichtsakten liegt;200 Bezugnahme auf die jeweilige Düsseldorfer Tabelle;201 Bezugnahme auf einen Bafög-Bescheid;202 Bezugnahme auf jeweiligen Nettolohn;203 Höchstpension204 bzw. Grundgehalt eines Landesbeamten;205 Bruchteil eines Arbeitslohns bzw. Vermögensbruchteil als Leistungsgrundlage;206 Pflicht zur Übertragung eines Drittels des Grundbesitzes des Schuldners;207 Verpflichtung zur Abgabe aller Erklärungen, die zur Übertragung der ehelichen Wohnung erforderlich sind;208 Verpflichtung, „die Forderung der Klägerin zu bezahlen“;209 Verpflichtung zur Auflassung eines Grundstückes gegen Erstattung der anfallenden Gebühren, Steuern und Auslagen ohne deren ziffernmäßige Bestimmung;210 Verpflichtung zur Anerkennung einer der Höhe nach offenen Unterhaltspflicht;211 Anknüpfung der Höhe der Zahlungsverpflichtung an den Lebenshaltungskostenindex eines Bundeslandes.212 (cc) § 894 findet auf die Vollstreckung wegen der Abgabe von Willenserklärungen, die auf50 grund eines Prozessvergleichs abzugeben sind, keine Anwendung.213 § 894 setzt eine der Rechtskraft zugängliche Entscheidung voraus, da die fiktive Abgabe einer Willenserklärung nicht auf einfache Weise wieder zu beseitigen sein soll. Die Rechtswirksamkeit des Prozessvergleichs lässt sich dagegen nicht immer mit der erforderlichen Sicherheit nachweisen. Die Fiktion einer Erklärung widerspricht außerdem der Natur des Vergleichs als einer freiwilligen Erklärung. Auch eine entsprechende Anwendung des § 894 scheidet deshalb aus. Die Verpflichtung zur Abgabe einer 192 193 194 195 196 197 198 199 200 201

So, wenig überzeugend, AG Bad Hersfeld DGVZ 2020 101. OLG Schleswig NJW 2017, 1970. OLG Saarbrücken NZBau 2013, 776. LAG Köln NZA-RR 2013, 490, sowie BeckRS 2016, 136030. S. demgegenüber BAG NJW-Spezial 2011, 692. BAG NJW 2012, 2538. LAG Düsseldorf MDR 2003, 1380. OLG Saarbrücken NJW-RR 2010, 95. OLG Koblenz NJW-RR 2002, 1509. OLG Hamm NJW 1974, 652. OLG München FamRZ 1979, 1057; OLG Koblenz FamRZ 1987, 1291; AG Altenkirchen Rpfleger 2002, 164; AG und LG Düsseldorf DGVZ 1981, 92 f. 202 OLG Karlsruhe OLGZ 1984, 342. 203 OLG Braunschweig FamRZ 1979, 928 f. 204 BGHZ 22, 54 = NJW 1957, 23 = DNotZ 1957, 200. 205 BGHZ 22, 54 = NJW 1957, 23 = DNotZ 1957, 200; OLG Köln FamRZ 1986, 1018 f. 206 BGHZ 22, 54 = NJW 1957, 23 = DNotZ 1957, 200; OLG Braunschweig FamRZ 1979, 928 f.; LG Berlin FamRZ 1976, 110 = Rpfleger 1974, 29 = DGVZ 1974, 11. 207 OLG Koblenz OLGZ 1976, 380. 208 OLG Hamburg MDR 1969, 393. 209 OLG Oldenburg Rpfleger 1985, 448. 210 BGHZ 45, 287 = NJW 1966, 1755; bei Zug-um-Zug-Leistungen muss auch die Gegenleistung ausreichend bestimmt sein. 211 OLG Hamm FamRZ 1988, 1307. 212 OLG Karlsruhe OLGZ 1991, 227. 213 RGZ 53, 80, 84; RGZ 55, 57, 59; BGH NJW 1986, 2704 f.; OLG Koblenz 1976, 380; OLG Frankfurt Rpfleger 1980, 291; OLG Köln MDR 1975, 586; Rosenberg/Schwab/Gottwald ZPR § 129 II. 2. b. Paulus

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Willenserklärung ist nach h.M. gem. § 888 zu vollstrecken.214 § 887 findet keine Anwendung.215 Auch eine entsprechende Anwendung von § 848 Abs. 2 ist nicht möglich, da es sich um eine auf den Eigentumserwerb von Liegenschaften gerichtete Ausnahmevorschrift handelt, die zur Begründung eines Eigentumsverlustes des Schuldners nicht entsprechend herangezogen werden kann.216 Neben der Vollstreckung gem. § 888 bleibt die Erhebung der Leistungsklage auf Abgabe der entsprechenden Willenserklärung möglich, da die Vollstreckung nach § 888 oftmals nicht einfacher oder kürzer zum Ziel führt, s. noch unten Rdn. 53.217 So ist vorher der Schuldner zu hören, und häufig wird wiederholte Anordnung von Zwangsmitteln nötig, bis der Schuldner die gewünschte Erklärung abgibt. Es empfiehlt sich auf jeden Fall, die entsprechende Erklärung selber in den Vergleich aufzunehmen. (dd) Bei Zuwiderhandlungen des Schuldners gegen Unterlassungs- und Duldungspflichten er- 51 folgt die Zwangsvollstreckung nach § 890.218 Die richterliche Androhung kann nicht durch entsprechende Vereinbarung der Parteien im Vergleich ersetzt werden.219 Dieses ist auch nicht möglich durch Festsetzung einer Vertragsstrafe, da diese regelmäßig nicht direkt vollstreckt werden kann, sondern zunächst selbständig eingeklagt werden muss.220 Die Frage, ob eine Vertragsstrafe verwirkt ist, hängt von materiell-rechtlichen Bewertungen ab, die nicht im Klauselerteilungsverfahren geprüft werden können.221 Ausnahmsweise kann eine Vertragsstrafe aus einem Vergleich gem. §§ 803 ff. direkt vollstreckt werden, wenn die Zuwiderhandlung im Vergleich bestimmt genug angegeben ist und dem Gläubiger die Nachweise der Zuwiderhandlung und des Verschuldens erlassen sind.222 Dem Gläubiger steht bei Festsetzung einer Vertragsstrafe die Wahl zu, ob er aus dem Vertragsstrafenversprechen klagt oder die Zwangsvollstreckung gem. § 890 einleitet.223 In der Aufnahme eines Vertragsstrafenversprechens ist regelmäßig nicht ein mit dem Schuldner vereinbarter Verzicht auf den Vollstreckungsanspruch gem. § 890 des Gläubigers zu sehen. (ee) Dritte Personen müssen dem Vergleichsschluss formell beitreten, damit sie an der 52 Vollstreckungswirkung des Vergleichs teilhaben können224 bzw. gegen sie vollstreckt werden

214 BGH NJW 1986, 2704; OLG Koblenz 1986, 153; OLG Köln MDR 1975, 586; Zöller/Geimer Rdn. 14. 215 A.A.: RGZ 53, 80, 84; RGZ 55, 57, 59; Baumbach/Lauterbach/Hartmann/Albers/Schmidt Rdn. 8; Gerhardt EWiR § 794 1/86.

216 Vgl. OLG Koblenz DGVZ 1986, 153; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 13 III 6b. 217 BGHZ 98, 127; Zöller/Geimer Rdn. 14; Thomas/Putzo/Seiler § 894 Rdn. 3; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 13 III 6b.

218 OLG Kiel JW 1930, 657; OLG Düsseldorf DB 1970, 154; OLG Saarbrücken NJW 1980, 461. 219 Der Androhungsbeschluss ist erforderlich, da mit der Strafandrohung die Zwangsvollstreckung beginnt und diese der Parteivereinbarung entzogen ist; vgl. hierzu BGH NJW 2017, 171; RGZ 40, 413; KG JurBüro 1983, 781; OLG Hamm MDR 1988, 506; Baumbach/Lauterbach/Hartmann/Albers/Schmidt § 890 Rdn. 7; Kolb Vollstreckungsfragen im Hinblick auf die strafbewehrte Unterlassungserklärung im Prozessvergleich, WRP 2014, 522; a.A.: OLG Hamm GRUR 1985, 82; LG Berlin MDR 1967, 134; Hasse Strafandrohung im Prozeßvergleich, NJW 1969, 23; Schlosser JZ 1972, 639; Baur Der Schiedsrichterliche Vergleich, 1971, Rdn. 111 ff. 220 OLG Hamm MDR 1965, 584; OLG Hamm NJW 1967, 58 = MDR 1967, 42; OLG Köln NJW 1969, 756 = OLGZ 1969, 58; OLG Stuttgart NJW 1969, 1305. 221 Vgl. Stein/Jonas/Münzberg Rdn. 34. 222 Vgl. OLG Frankfurt Rpfleger 1975, 326; der Verzicht auf den Nachweis der die Vollstreckbarkeit begründenden Tatsachen ist für die notarielle vollstreckbare Urkunde auch ausdrücklich anerkannt: Vgl. OLG Celle DNotZ 1969, 102, 104 (m. Anm. Stoll); OLG Düsseldorf DNotZ 1977, 413, 414; w. Nachw. bei Rdn. 104. A.A. für den Prozessvergleich die 2. Aufl. § 726 Anm. E II. 223 Der Grund für das Wahlrecht ist die völlige rechtliche Verschiedenheit der Vertragsstrafe und der Verhängung von Ordnungsmitteln nach § 890; vgl. OLG Köln NJW 1969, 756 = OLGZ 1969, 58; OLG Stuttgart NJW 1969, 1305; OLG Frankfurt MDR 1968, 592; OLG Saarbrücken NJW 1980, 461; a.A. OLG Hamm OLGZ 1967, 189 = NJW 1967, 58 = MDR 1967, 42; OLG Hamm GRUR 1985, 82. 224 Vgl. BGHZ 86, 161, 164 = NJW 1983, 1433, 1434; OLG Köln Rpfleger 1985, 305 = ZIP 1985, 896. 563

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kann.225 Die Bestimmung des Dritten der Urkunde muss den Anforderungen des § 750 genügen.226 Aus einem Vertrag zugunsten eines nicht beigetretenen Dritten (§ 328 BGB) kann nur auf Antrag einer Vergleichspartei, nicht aber auf Antrag eines Dritten vollstreckt werden. Wenn der Dritte jedoch einen auf seinen Namen lautenden Titel, sei er auch rechtsfehlerhaft, erworben hat, ist er Gläubiger der Zwangsvollstreckung.227 Eine Sonderregelung hat der Gesetzgeber in § 1629 Abs. 3 BGB geschaffen. Eltern können ohne Beteiligung der Kinder bis zur Rechtskraft des Scheidungsurteils die Frage des Kindesunterhalts als Prozessstandschafter regeln. Das Kind wird dann aus dem Vergleich unmittelbar berechtigt. Nach Rechtskraft des Scheidungsurteils kann nur noch das Kind als Vollstreckungsgläubiger auftreten.228 (ff) Trotz der Wirkung des Prozessvergleichs als Vollstreckungstitel kann ausnahmsweise der 53 Gläubiger Leistungsklage erheben anstelle der Vollstreckung aus dem Vergleich. Das Rechtsschutzbedürfnis hierfür ist gegeben, wenn mit Einwendungen des Schuldners oder mit einer Vollstreckungsgegenklage zu rechnen ist, da in derartigen Fällen ein Verfahren über die materiellen Einwendungen ohnehin nicht zu vermeiden ist.229

4. Unwirksamkeit des Prozessvergleichs 54 a) Unwirksamkeitsgründe. Der gerichtliche Vergleich kann an prozessualen und an materiellrechtlichen Mängeln leiden.230 Zu den prozessualen Mängeln gehören u.a. eine nicht ordnungsmäßige Protokollierung des Vergleichs,231 fehlende oder nicht ausreichende Vollmacht bei Vertretung vor Gericht,232 fehlende anwaltschaftliche Vertretung vor Kollegialgerichten, sofern man der Auffassung vom Anwaltszwang für den Prozessvergleich folgt, Rdn. 17, sowie mangelnde Parteiund Prozessfähigkeit. 55 Die materiell-rechtlichen Unwirksamkeitsgründe sind dieselben wie bei jedem außerprozessualen Rechtsgeschäft. So kann der gerichtliche Vergleich z.B. von Anfang an gem. §§ 104, 134, 138, 142,233 275 Abs. 2, 779234 BGB unwirksam sein oder nach Ausübung von gesetzlichen oder vereinbarten Rücktrittsrechten nachträglich wegfallen.

b) Rechtsfolgen der Unwirksamkeit 56 aa) Fortsetzung des Verfahrens. Der Prozessvergleich beendet zunächst die anhängigen Verfahren vor Gericht und stellt gleichzeitig die streitigen materiell-rechtlichen Beziehungen der Parteien auf eine neue Grundlage. 225 Die Zuerkennung der Vollstreckungsbefugnis für den nicht beigetretenen Dritten würde eine neue Art des Vollstreckungstitels unter Umgehung der §§ 727 ff. schaffen. Vgl. KG NJW 1973, 2032; OLG Stuttgart Rpfleger 1979, 145; OLG Zweibrücken FamRZ 1979, 174; Segmüller Zwangsvollstreckung des durch einen Prozessvergleich begünstigten Dritten, NJW 1975, 1685 f.; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 10 IV 2; a.A. Stein/Jonas/Münzberg Rdn. 36; P. Bonin (Fn. 14) 154 ff.; offengelassen von BGH FamRZ 1980, 342 und FamRZ 1982, 587. 226 OLG Hamburg, FamRZ 1982, 322; Baumbach/Lauterbach/Hartmann/Albers/Schmidt Rdn. 10. 227 Vgl. OLG Frankfurt FamRZ 1983, 755 f. 228 Vgl. OLG Frankfurt FamRZ 1983, 1208; OLG Hamburg FamRZ 1985, 624; OLG Köln FamRZ 1985, 626; AG BerlinCharlottenburg FamRZ 1984, 506; AG Oldenburg DGVZ 1988, 126; Zöller/Geimer Rdn. 6; a.A. KG FamRZ 1984, 505; OLG Hamburg FamRZ 1984, 927; MünchKomm-BGB/Huber § 1629 BGB Rdn. 93. 229 Vgl. BGH MDR 1982, 50; OLG Hamm NJW 1976, 246; OLG Koblenz JurBüro 1990, 104. 230 Einzelfälle vgl. Stein/Jonas/Münzberg Rdn. 47, 52. 231 BGH NJW 2014, 394; BGHZ 16, 388, 390 = NJW 1955, 705; BGHZ 14, 381, 386 = NJW 1954, 1886; KG FamRZ 1984, 284. 232 BGHZ 16, 167 = NJW 1955, 545. 233 Zur Anfechtbarkeit s. auch BAG NZA 2010, 1250 (Drohung durch das Gericht); BVerwG NJW 2010, 3048; OVG Hamburg NJW 2004, 2111 (zu § 123 BGB). 234 Vgl. freilich BGH JurBüro 86, 1188. Paulus

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Die Prozessbeendigungswirkung des Vergleichs entfällt bei prozessrechtlichen235 Mängeln236 57 sowie nach der h.M.237 bei anfänglich materiell-rechtlichen Mängeln mit der Folge, dass die Rechtshängigkeit des ursprünglichen Verfahrens als fortbestehend238 angesehen wird. Die Auffassung vom gleichzeitigen Wegfall der prozessualen Beendigungswirkung bei materiell-rechtlicher Unwirksamkeit beruht zum einen auf prozessökonomischen Erwägungen als auch darauf, dass der Prozessvergleich trotz seiner Doppelnatur eine Einheit darstellt.239 Der Prozesshandlungscharakter des Vergleichs stellt hiernach nur die Begleitform für den materiell-rechtlichen Inhalt des Vergleichs dar. Er verliert seinen Sinn, wenn der materielle Inhalt des Vergleichs von Anfang an keine Wirkung entfalten kann. Die Fortsetzung des alten Verfahrens ist dabei bei anfänglicher Unwirksamkeit gem. §§ 104,240 134, 138,241 142,242 275 Abs. 2,243 779244 BGB sowie bei Nichteintritt von aufschiebenden Bedingungen245 bzw. beim Eintritt auflösender Bedingungen246 und bei Ausübung von vertraglich vorbehaltenen Rücktrittsrechten247 durchzuführen.248 Die beiden letzten Varianten sind der anfänglichen Unwirksamkeit gleichzustellen, da der Unwirksamkeitsgrund bereits bei Vertragsabschluss dem Vertrag innewohnt. Die Fortsetzung des alten Verfahrens ist in allen vorgenannten Fällen auch dann der richtige Weg, wenn prozessfremde Ansprüche im Vergleich mit geregelt worden sind.249 Soweit die Parteien allerdings nur um Wirksamkeit prozessfremder Teile des Vergleichs streiten, ist dieser Streit in einem neuen Verfahren auszutragen.250 Die Fortsetzung des ursprünglichen Verfahrens erfolgt nicht etwa von Amts wegen, son- 58 dern nur, wenn eine Partei die Wirksamkeit des Prozessvergleichs in Frage stellt und sich zu diesem Zweck an das Gericht wendet.251 Sie wird durch Terminbestimmung von Seiten des Gerichts in Gang gesetzt. Das Verfahren ist dann vor der Instanz, die den Vergleich abgeschlossen

235 Dazu zählt allerdings nicht mangelnde Bestimmtheit i.S.d. Rdn. 48 f., OLG Zweibrücken NJW-RR 1998, 1680. 236 BGHZ 16, 388, 390 = NJW 1955, 705; BGHZ 28, 171, 176 = NJW 1958, 1970; BAGE 8, 228, 232 = MDR 1960, 440; Mit dem Wegfall der Prozessbeendigungswirkung ist aber noch nichts darüber gesagt, ob der Vergleich nicht als außerprozessuales Rechtsgeschäft bestehen bleiben kann. Vgl. BGH NJW 1985, 1962 = FamRZ 1985, 166; BAGE 9, 172 = NJW 1960, 1364; KG FamRZ 1984, 284; vgl. auch Rdn. 31. 237 Vgl. Fn. 13 ff.; a.A. BGH MDR 1978, 1019; Baumbach/Lauterbach/Hartmann/Albers/Hunke Anh. § 307 Rdn. 36, die nur beim Prozessbetrug (BGHZ 51, 141) und Drohung durch das Gericht (BGH NJW 1966, 2399) den Wegfall der Prozessbeendigungswirkung zulassen; Tempel (Fn. 12) 533 ff. 238 BGHZ 41, 310 f. = NJW 1964, 1524; BayVGH BayVBl 2000, 533; OLG Nürnberg FamRZ 2018, 45; Stein/Jonas/Münzberg Rdn. 47, 56; a.A. BGH MDR 1978, 1019; OLG Koblenz NJW 1978, 2399; Baumbach/Lauterbach/Hartmann/Albers/Hunke Anh. zu § 307 Rdn. 38; Thomas/Putzo/Seiler Rdn. 36, die vom Wiederaufleben der Rechtshängigkeit ausgehen. Die Problematik ist insges. übersehen worden von BGH JZ 1990, 544. 239 Vgl. BGHZ 28, 171 = NJW 1958, 1970; BGH NJW 1985, 1962 = FamRZ 1985, 166; BAGE 4, 84 = NJW 1957, 1127. 240 BGH WM 1956, 1184. 241 BGHZ 28, 171 = NJW 1958, 1970; BGHZ 44, 158 = NJW 1965, 2147; BGHZ 51, 141 = NJW 1969, 925; BGHZ 79, 71 = NJW 1981, 823. 242 BGHZ NJW 1966, 2399 = MDR 1966, 988 (Drohung durch das Gericht) m. Anm. von Schneider und Ostler; BGHZ 51, 141 = NJW 1969, 925 (Prozessbetrug); BGH WM 1972, 1443; BAGE 9, 319 = NJW 1960, 2211 = MDR 1960, 1043; Keine Anfechtung allerdings bei Verletzung der Wahrheitspflicht (RGZ 153, 67, 78) und bei Täuschung durch das Gericht (RGZ 153, 56 f.). 243 BGHZ 116, 388 = NJW 1955, 705 (noch zu § 306 BGB a.F.). 244 BGHZ 28, 171 = NJW 1958, 1970; BAGE 4, 84 = NJW 1957, 1127; OLG Celle NJW 1971, 145; OLG Hamm MDR 1980, 1019. 245 BGHZ 46, 277 = NJW 1967, 440 (zum Widerruf). 246 BGHZ NJW 1972, 159. 247 BGH NJW 1972, 159 = MDR 1972, 141. 248 Das BAG will demgegenüber auf die Entstehung der Unwirksamkeitsgründe abstellen, BAG NJW 2012, 3390. 249 BGH MDR 1974, 567 = LM § 794 Abs. 1 Ziff. 1 Nr. 21; BGHZ 79, 71, 74 f. = NJW 1981, 823; Peter ZZP 97 (1984) 139, 146. 250 BGHZ 87, 227 = NJW 1983, 2034. 251 BGH NJW 2014, 394; dort auch zur Verzichtbarkeit dieses Einwands; BAG NZA 2012, 1316. S. ferner LG Stuttgart JurBüro 2005, 322. 565

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hat, fortzuführen.252 Das gilt selbst dann, wenn der Vergleich in der Revisionsinstanz zustande gekommen ist.253 Die Besetzung des Gerichts muss dabei nicht identisch sein. Der Fortsetzungsantrag bedarf als Prozesshandlung deren Voraussetzungen, wie z.B. die Prozessfähigkeit.254 Ein Dritter kann, da er trotz Beteiligung am Vergleichsschluss nicht Prozesspartei geworden ist, die Fortsetzung des alten Verfahrens nicht beantragen.255 Ihm bleibt die Möglichkeit, gegen die Vollstreckung aus dem Prozessvergleich gem. § 732 bzw. § 767 vorzugehen. Gegen die Ablehnung der Terminsberaumung kann mit der Beschwerde (§ 567) vorgegangen werden.256 Trifft die Behauptung der Unwirksamkeit des Prozessvergleichs zu, so kann das Gericht die 59 Unwirksamkeit entweder in einem Zwischenurteil (§ 303)257 oder im Endurteil bei der endgültigen Entscheidung in der Sache feststellen. Beide Urteile nehmen dem Prozessvergleich auch seine Wirkung als Vollstreckungstitel.258 Kommt das Gericht dagegen zu dem Ergebnis, dass der Prozessvergleich wirksam ist, erlässt es ein Endurteil, in dem festzustellen ist, dass der Prozessvergleich den Prozess beendet hat.259 Dieses Urteil hat weiter zur Folge, dass die materielle Unwirksamkeit des Vergleichs in einem neuen Verfahren nicht mehr geltend gemacht werden kann. Das gilt auch, soweit nicht rechtshängige Ansprüche in den Vergleich einbezogen worden sind.260 Die durch die Fortsetzung des Verfahrens entstandenen zusätzlichen Verfahrenskosten trägt gem. § 91 der, der sich auf die Unwirksamkeit berufen hat.

60 bb) Erhebung einer neuen Klage. Sofern der Rechtsstreit im alten Verfahren fortzusetzen ist, steht einer erneuten Klagererhebung der Einwand der anderweitigen Rechtshängigkeit entgegen. Bei nachträglicher Unwirksamkeit des Vergleichs aufgrund der Ausübung eines gesetzlichen Rücktrittsrechts (z.B. gem. §§ 323,261 313 Abs. 1262 BGB) bzw. der einvernehmlichen Aufhebung des Prozessvergleichs263 lässt die Rechtsprechung dagegen die Fortsetzung des ursprünglichen Verfahrens nicht zu. Der Streit um die materiell-rechtliche Wirksamkeit ist hier in einem neuen Verfahren zu klären. Der Unterschied zur anfänglichen Unwirksamkeit liegt darin, dass bei dieser ein wirksamer Prozessvergleich von Anfang an nicht vorgelegen hat, der Vergleich also von vornherein mit dem Makel behaftet war, die Prozessbeendigungswirkung nicht endgültig entfalten zu können, während bei der nachträglichen Unwirksamkeit das Verfahren durch diesen Vergleich ordnungsgemäß und ohne Einschränkung abgeschlossen worden ist. Diese Prozessbeendigungswirkung soll aber aus Gründen der Rechtssicherheit nicht durch Parteiakte jederzeit wieder besei-

252 In dem Verfahren sind auch die vergleichsbedingt erbrachten Leistungen zurückzufordern, BGH JZ 2000, 421 mit Anm. Münzberg. 253 BAG NZA 1998, 33; BAGE 9, 139 = NJW 1960, 2211. 254 BGHZ 86, 184 = NJW 1983, 996; a.A. Hager Rechtsbehelfsbefugnis der Prozessunfähigen, ZZP 97 (1984) 174. 255 BGHZ 86, 164. 256 Vgl. Stein/Jonas/Münzberg Rdn. 47. 257 BGH NJW 1965, 2147; BGH LM Nr. 21 § 794 Abs. 1 Ziff. 1. 258 BGH LM Nr. 21 § 794 Abs. 1 Ziff. 1 = MDR 1974, 567. 259 BGHZ 16, 388 = NJW 1955, 705; OLG Schleswig SchlHA 2017, 144. 260 BGHZ 79, 71 = NJW 1981, 823; BGH WM 1985, 673; a.A. Pecher Geltendmachung der Unwirksamkeit eines Prozessvergleichs, ZZP 97 (1984) 172. 261 BGHZ 16, 388 = NJW 1955, 705; a.A. BAGE 3, 43 = NJW 1956, 1215; BAGE 4, 84 = NJW 1957, 1127; OLG Hamburg NJW 1975, 225; Stein/Jonas/Münzberg Rdn. 57, 60; Zöller/Geimer Rdn. 15. 262 BGH NJW 1966, 1658 = MDR 1966, 742; BGH WM 1972, 1443; BGH NJW 1986, 1348 = MDR 1986, 749; BAG SAE 1971, 62 = DB 1969, 1658; MünchKomm-BGB/Habersack § 779 BGB Rdn. 94; a.A. LG Braunschweig NJW 1976, 1748; Stein/Jonas/ Münzberg Rdn. 60a und Rosenberg/Schwab/Gottwald ZPR § 129 IV. 5. treten für ein neues Verfahren ein, sofern nur Anpassung des Vergleichs beantragt wird, und für die Fortsetzung des Verfahrens bei Rücktritt. 263 BGHZ 41, 310 = NJW 1964, 1524 = MDR 1964, 653; BVerwG DÖV 1962, 423; BSGE 19, 112 = NJW 1963, 2292; a.A. BAG NJW 1983, 2212; Stein/Jonas/Münzberg Rdn. 57, 60; Zöller/Geimer Rdn. 15a; Clasen Beseitigung der prozeßbeendigenden Wirkung eines gerichtlichen Vergleichs durch übereinstimmende Erklärung der Parteien, NJW 1965, 382. Paulus

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tigt werden können, zumal auch eine zeitliche Begrenzung für die nachträgliche Aufhebung nicht zu finden ist.264 Im Wege der erneuten Klageerhebung ist ebenfalls der Streit um die Auslegung des Ver- 61 gleichs,265 die Geltendmachung von Rechten aus dem Prozessvergleich, die bisher nicht rechtshängig waren wie z.B. die Rückforderung von Vergleichsleistungen266 und der Anspruch auf Schadenersatz wegen Nichterfüllung,267 der Streit um Rechte und Pflichten am Prozessvergleich beteiligter Dritter268 als auch der Streit um ausschließlich prozessfremde Gegenstände auszutragen.269 Soweit in der Revisionsinstanz prozessfremde Gegenstände mit in den Vergleich aufgenommen werden, ist bei Unwirksamkeit des Vergleichs nicht das alte Verfahren fortzusetzen, sondern eine erneute Klage zulässig, wenn die prozessfremden Teile in der Revisionsinstanz nicht mehr in das laufende Verfahren einbezogen werden können.270

cc) Gesamtvergleich. Nach dem Abschluss eines Gesamtvergleichs kann dessen Unwirksamkeit 62 in jedem der ursprünglichen, beendeten Verfahren überprüft werden.271 Die Streitgegenstände aus den anderen Verfahren können dabei im Wege der Klageerweiterung in das Verfahren eingezogen werden, für dessen Fortsetzung sich die Parteien entschieden haben. Soll die Überprüfung der Wirksamkeit in jedem Verfahren gesondert stattfinden, ist die Erhebung einer Zwischenfeststellungs- bzw. Widerklage gem. § 256 Abs. 2 wegen der Gefahr abweichender Entscheidungen der einzelnen Gerichte zulässig.272 Das Feststellungsurteil bindet dann auch die anderen Gerichte. Bis zum Erlass des Zwischenfeststellungsurteils ist die Aussetzung der anderen Verfahren gem. § 148 möglich. Sofern nur eine bestimmte Regelung aus einem der abgeschlossenen Verfahren angegriffen wird, kann die Unwirksamkeit dieser Regelung nur in dem betreffenden Verfahren geltend gemacht werden.273

dd) Eilverfahren. Bei einem im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes abgeschlossenen 63 Prozessvergleich hängen die Rechtsfolgen der Unwirksamkeit des Vergleichs von dessen Inhalt ab. Sofern in dem Vergleich nur die einstweilige Sicherung geregelt ist, ist bei Unwirksamkeit des gesamten Vergleichs das alte Sicherungsverfahren fortzusetzen. Hat der Prozessvergleich jedoch die Hauptursache oder andere prozessfremde Angelegenheiten bereits mit geregelt, kann der Streit über die Wirksamkeit nicht im alten Verfahren fortgesetzt werden, da der Gegenstand der Hauptsache nicht im Sicherungsverfahren verhandelt werden kann. Es ist daher in diesen Fällen ein neues Erkenntnisverfahren einzuleiten.274

264 265 266 267 268 269

Vgl. BGHZ 41, 910 = NJW 1964, 1524 = MDR 1964, 653. BGH NJW 1977, 583 = MDR 1977, 308. BGH NJW 2011, 2141. RGZ 96, 203. Vgl. Henckel (Fn. 23) 91; P. Bonin (Fn. 14) 111. BGH NJW 1983, 2034 = MDR 1983, 838; a.A. BAG AP § 794 ZPO Nr. 10 und abl. Anm. Zeuner Zum Streit über die Gültigkeit eines Prozessvergleichs, SAE 1961, 247. Ein prozessfremder Gegenstand liegt auch vor, wenn die Wirksamkeit eines Scheidungsfolgenvergleichs bestritten wird, der ausschließlich Scheidungsfolgenregelungen beinhaltet, die vorher nicht anhängig gemacht worden sind, vgl. BGH NJW 1990, 138. 270 Vgl. Stein/Jonas/Münzberg Rdn. 50. 271 BAG NZA 2010, 1250; BGH NJW 1983, 2034 = MDR 1983, 838; BAG MDR 1982, 526. 272 Vgl. Stein/Jonas/Münzberg Rdn. 50; vgl. auch Rosenberg/Schwab/Gottwald ZPR § 129 IV. 1. b) und Zöller/Geimer Rdn. 15d. 273 BGH NJW 1983, 2034 = MDR 1983, 838. 274 Vgl. OLG Hamm MDR 1980, 1019 = ZIP 1980, 1104; OLG Köln MDR 1971, 671 (zum Vergleich im Verfahren gem. §§ 620 ff. a.F.). 567

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Achtes Buch – Zwangsvollstreckung

64 ee) Vollstreckbarkeit. Die Wirkung des Prozessvergleichs als Vollstreckungstitel bleibt von der prozessualen Unwirksamkeit des Vergleichs unberührt, sofern bereits eine wirksame Ausfertigung des Vergleichs erfolgt ist. Einwendungen gegen den prozessualen Teil des Vergleichs sind im Verfahren nach § 732 vorzutragen.275 Die Vollstreckungsgegenklage ist dagegen bei prozessrechtlichen Mängeln nicht anwendbar.276 Die Vollstreckbarkeit des Prozessvergleichs bleibt auch bei materiell-rechtlicher Unwirk65 samkeit bestehen.277 Bei der Frage, wie dem Prozessvergleich in diesen Fällen die Vollstreckbarkeit genommen werden kann, gehen die Auffassungen in Lit. und Rspr. zum Teil auseinander. Einigkeit besteht darüber, dass § 732 nicht anwendbar ist, da im Klauselerteilungsverfahren nur prozessuale Mängel vorgetragen werden können,278 sowie dass ein im fortgesetzten alten Verfahren erlassenes Zwischenurteil bzw. Endurteil, das die Unwirksamkeit des Prozessvergleichs feststellt, dem Vergleich die Titelwirkung nimmt.279 Uneinigkeit besteht aber hinsichtlich der Anwendung von § 767 auf unwirksame Prozessvergleiche. Solange der Streit um die Wirksamkeit oder Auslegung des Vergleichs allerdings in einem neuen Verfahren ausgetragen werden muss, herrscht Übereinstimmung, dass einer Vollstreckung aus dem Vergleich über § 767 begegnet werden kann,280 und dass diese Möglichkeit insb. nicht an § 767 Abs. 2 scheitert, der auf den Prozessvergleich keine Anwendung findet.281 Ist jedoch der Streit um die Wirksamkeit des Vergleichs im alten Verfahren auszutragen, versagt die h.M. einem Vollstreckungsabwehrkläger das Rechtsschutzbedürfnis, da mit der Fortsetzung des alten Verfahrens ein anderer und billigerer Weg zur Verfügung steht.282 Bei Fortsetzung des Verfahrens bleiben u.a. die Ergebnisse der bisherigen Prozessführung erhalten, und es erfolgt eine ausdrückliche Feststellung der Unwirksamkeit des Vergleichs. Dieser Rechtsprechung wird entgegengehalten, dass zur Beseitigung der Vollstreckbarkeit immer ein Rechtsschutzbedürfnis besteht, weil die Vollstreckbarkeit bei materiell-rechtlichen Mängeln nicht von selber entfällt. Dieser Auffassung ist der Vorzug zu geben. Wenn man § 767 nicht zulässt, nimmt man der Partei jede Möglichkeit, einen spezifischen und ausdrücklich vollstreckungsrechtlichen Rechtsbehelf zu ergreifen. Einer Partei, die nur gegen die Vollstreckung aus dem Prozessvergleich vorgehen will, ohne das alte Verfahren fortzusetzen, bleibt dieser Weg ansonsten versperrt. Das Rechtsschutzbedürfnis ist nur dann zu versagen, wenn bereits Antrag auf Fortsetzung des alten Verfahrens gestellt ist oder Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit des Vergleichs erhoben ist.283 Die h.M. wendet allerdings § 767 ausnahmsweise dann an, wenn außer der Nichtigkeit des Vergleichs auch der nachträgliche Wegfall der im Vergleich begründeten Verbindlichkeit vorgetragen wird.284 Die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung erfolgt

275 BGHZ 15, 190 = NJW 1955, 182; Das gilt auch, wenn prozessnahe und materiell-rechtliche Mängel vorliegen. Ein völliges Fehlen der Vollstreckungsklausel ist dagegen gem. § 766 zu rügen. 276 Vgl. die 4. Aufl. § 767 Rdn. 9. 277 LAG Hessen BeckRS 2013, 74892. 278 Vgl. die 3. Aufl. § 732 Rdn. 12 m.w.N. 279 BGH LM Nr. 21 § 794 Abs. 1 Ziff. 1 = MDR 1974, 567. 280 Bei nachträglichem Wegfall der Verbindlichkeiten: BAG NJW 1966, 1658; BGH FamRZ 1984, 878; OLG Köln AnwBl. 1982, 114; Bei Streit um Auslegung des Prozessvergleichs: BGH NJW 1977, 583 = MDR 1977, 308; OLG Hamburg NJW 1975, 225; OLG Hamm FamRZ 1978, 523; bei Verfahren gegen Ansprüche, die durch Vergleich erst begründet werden: MünchKomm-BGB/Habersack § 779 BGB Rdn. 99, Blomeyer ZPR § 33 VII 7. 281 BGHZ NJW 1953, 345 = MDR 1953, 156; BGH NJW 1977, 583 = MDR 1977, 308; BGHZ 85, 64 = NJW 1983, 228. 282 BGH NJW 1971, 467 = LM § 767 Nr. 37 = ZZP 85 (1972) 96 (m. abl. Anm. Kühne); OLG Düsseldorf NJW 1966, 2367; OLG Hamburg NJW 1975, 225; OLG Zweibrücken OLGZ 1970, 185; Baumbach/Lauterbach/Hartmann/Albers/Hunke § 767 Rdn. 14.; a.A. BAG NJW 1953, 345 = MDR 1953, 156; Kühne Materiellrechtliche Einwendungen gegen Prozeßvergleiche und Vollstreckungsgegenklage, NJW 1967, 1115; Stein/Jonas/Münzberg Rdn. 54 m.w.N.; dieser Auffassung scheint auch BGHZ 85, 64 = NJW 1983, 228 zuzuneigen. 283 OLG Zweibrücken OLGZ 1970, 185; Kühne Materiellrechtliche Einwendungen gegen Prozeßvergleiche und Vollstreckungsgegenklage, NJW 1967, 1117. 284 Vgl. BGH NJW 1967, 2014 = MDR 1968, 43 = JR 1968, 59. Paulus

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bei Fortsetzung des alten Verfahrens entsprechend §§ 707, 719285 und im Rahmen einer Vollstreckungsgegenklage gem. § 769.286

ff) Feststellungs- bzw. Gestaltungsklage. Bei einer selbständigen Feststellungsklage auf 66 Wirksamkeit des Prozessvergleichs ist regelmäßig das rechtliche Interesse gem. § 256 nicht gegeben, da die festzustellende Rechtsfolge durch den Prozessvergleich bereits feststeht, solange keine anderslautende Entscheidung ergangen ist.287 Auch eine Feststellungsklage auf Unwirksamkeit wird i.d.R. mangels rechtlichem Interesse nicht zulässig sein, da dieselbe Frage bei Fortsetzung des alten Verfahrens entschieden werden kann. Eine Ausnahme ist allerdings bei Vorliegen eines Gesamtvergleichs zu machen. Hier kann mit der Feststellungsklage die Gefahr divergierender Entscheidungen der mit dem Gesamtvergleich befassten Gerichte abgewendet werden. Dagegen kann die Unwirksamkeit des Vergleichs sehr wohl mittels einer in Analogie zu § 767 ausgestalteten prozessualen Gestaltungsklage geltend gemacht werden.288 5. Gütestellenvergleich und Vergleich im Prozesskostenhilfeverfahren Für den Gütestellenvergleich und den Vergleich im Prozesskostenhilfeverfahren (§ 118 Abs. 1 67 S. 3 2. Halbsatz)289 gelten die vorstehenden Ausführungen entsprechend. Beim Güteverfahren sind allerdings die §§ 51 ff. nicht anwendbar, da es sich hier nicht um ein gerichtliches Verfahren handelt. S. im Übrigen § 797a Rdn. 3.

6. Außergerichtlicher Vergleich Ein außergerichtlicher Vergleich kann ein laufendes Verfahren nicht unmittelbar beenden. 68 Er erlangt im Prozess erst dadurch Bedeutung, dass die Parteien sich auf ihn berufen.290 Ein vorangegangenes, nicht rechtskräftiges Urteil wird nicht hinfällig.291 In der beiderseitigen Mitteilung an das Gericht liegt i.d.R. eine übereinstimmende Erledigungserklärung der Parteien. Bei Berufung einer Partei auf eine im Vergleich enthaltene Klagerücknahmeverpflichtung ist die weitere Fortsetzung des Verfahrens als unzulässig anzusehen. Die Klage ist dann durch Prozessurteil abzuweisen.292 Der außergerichtliche Vergleich kann durch Protokollierung auch in einen Prozessvergleich umgewandelt werden. Die Parteien können sich einen Titel über die im außergerichtlichen Vergleich enthaltenen Ansprüche aber auch dadurch verschaffen, dass sie die An-

285 BGHZ 28, 171, 175 = NJW 1958, 1970 f.; BGH LM Nr. 37 § 767 = NJW 1971, 467 = ZZP 85 (1972) 96; LAG Frankfurt NZA-RR 2004, 158 und DB 1984, 55; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 13 III 6b; a.A. Pecher Geltendmachung der Unwirksamkeit eines Prozeßvergleichs, ZZP 97 (1984) 166, der erst bei Erhebung einer Zwischenfeststellungsklage die Einstellung der Zwangsvollstreckung zulässt, während OLG Zweibrücken OLGZ 1970, 185 das Rechtsschutzbedürfnis für eine einstweilige Einstellung im alten Verfahren verneint. 286 Vgl. Pecher Geltendmachung der Unwirksamkeit eines Prozeßvergleichs, ZZP 97 (1984) 166. 287 Vgl. Baumbach/Lauterbach/Hartmann/Albers/Hunke Anh. zu § 307 Rdn. 38; Thomas/Putzo/Seiler Rdn. 38; a.A. OLG Frankfurt MDR 1975, 584; MünchKomm/Wolfsteiner Rdn. 114. 288 Seit BGH NJW-RR 2007, 1724 h.M.; s. auch BGH NJW-RR 2004, 472. 289 Vgl. LAG Bremen BB 1990, 1000; E. Schneider Kostenübernahme durch die arme Partei im Prozeßvergleich, MDR 1990, 408. 290 RGZ 142, 1; BAG NJW 1963, 1469; BAG NJW 1973, 918. 291 BGH MDR 1964, 313 = JZ 1964, 57. 292 RGZ 142, 7; OVG Münster NJW 1975, 948. 569

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sprüche durch Antragsänderung in das laufende Verfahren mit einbeziehen.293 Das ist auch ausschließlich wegen der Kosten des Vergleichs zulässig.294 Der Streit um die Wirksamkeit eines außergerichtlichen Vergleichs ist im laufenden Verfahren zu überprüfen, soweit dessen Streitgegenstand reicht.295

7. Spruchstellenverfahren 69 In dem gesellschaftsrechtlichen Spruchstellenverfahren kann es gemäß § 11 Abs. 2 Spruchverfahrensgesetz ebenfalls zu einem Abschluss mittels Vergleichs kommen. Der in Satz 3 dieses Absatzes enthaltene Verweis auf die Vollstreckbarkeit nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung impliziert die Inkorporierung dieses Vergleichs in den im Voranstehenden gebildeten Kontext. Infolgedessen gelten diese Ausführungen auch für den Spruchstellenvergleich.296

8. Schuldenbereinigungsplan, Sanierungsvergleich 69a Der Schuldenbereinigungsplan des § 308 InsO im Rahmen eines Verbraucherinsolvenzverfahrens ist nach hM einem Prozessvergleich gleichzustellen.297 Die prozessuale (wie auch materiell-rechtliche) Rechtsnatur des nach Maßgabe der §§ 94 ff. StaRUG geschlossenen und vom Gericht bestätigten Sanierungsvergleichs ist umstritten. Während sich die wohl hM dafür ausspricht, dass es sich dabei nicht um einen Vergleich i.S.d. § 794 Abs. 1 Nr. 1 handele,298 bejaht dies eine Mindermeinung.299 Auf Grund der strukturellen Ähnlichkeit des Prozessvergleichs mit dem Sanierungsvergleich, s. oben Rdn. 29, wird man der Mindermeinung zustimmen müssen.

9. Kosten und Gebühren 70 Zu den Kostenproblemen bei einem Prozessvergleich s. § 98 und Rdn. 68. Sofern ein außergerichtlicher Vergleich zur Erledigung in der Hauptsache geführt hat, s. § 91a. Erfolgt eine Klagerücknahme aufgrund einer Verpflichtung aus einem außergerichtlichen Vergleich, ist für die Kosten § 269 anwendbar. Die Gebühren des Gerichts300 richten sich bei einem Prozessvergleich, der prozessfremde Gegenstände einbezieht, nach § 3 Abs. 2 GKG i.V.m. KV 1211. Zu den Anwaltsgebühren beim Prozessvergleich s. §§ 2, 11, RVG i.V.m. 1000 ff. VV.301 Zum Gütestellenvergleich s. § 797a Rdn. 10.

293 Das erfolgt entweder durch § 264 Nr. 3, vgl. Baumbach/Lauterbach/Hartmann/Albers/Hunke Anh. zu § 307 Rdn. 1, oder durch Klageänderung nach § 263, die regelmäßig sachdienlich sein dürfte, vgl. BGH WM 1981, 30 ff.; Zöller/Geimer Rdn. 17. 294 OLG Hamburg JR 1963, 426. 295 RGZ 142, 5; BAG NJW 1963, 1469. 296 Semler/Stengel/Volhard Umwandlungsgesetz § 11 SpruchG Rdn. 9; Hüffer Aktiengesetz § 11 SpruchG Rdn. 6. 297 Statt vieler Foerste Verzug bei Ansprüchen aus einem Schuldenbereinigungsplan, ZInsO 2020, 1000; Uhlenbruck/ Sternal, InsO § 308 Rdn. 17 f. Ein Insolvenzplan der §§ 217 ff. InsO ist gemäß § 257 InsO vollstreckbar. 298 MünchKomm-StaRUG/Fridgen § 97 Rdn. 13; BeckOK-StaRUG/Hänel § 97 Rdn. 25 ff.; Ehret in: Jacoby/Thole, StaRUG, § 97 Rdn. 6. 299 Cranshaw/Portisch Paradigmen des Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetzes nach dem Regierungsentwurf aus Gläubigersicht, ZInsO 2020, 2561, 2576. 300 Zu § 243 FamFG OLG Karlsruhe FamRZ 2011, 749; zum Terminus „Kosten des Rechtsstreits“ OLG Nürnberg MDR 2010, 45; OLG Koblenz NJOZ 2006, 2524 (zum selbständigen Beweisverfahren); LG Bayreuth NJW-RR 2005, 512 (zur Vergütung des obligatorischen Schlichtungsverfahrens). 301 Ist der Vergleich nicht protokolliert, kann keine Einigungsgebühr nach VV Nrn. 1000, 1003 anfallen, BGH NJW 2006, 1523; OLG München MDR 2007, 1226. S. überdies LAG Nürnberg NZA-RR 2009, 558. Die Gebühr entfällt ferner bei Paulus

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III. Der Kostenfestsetzungsbeschluss (§ 794 Abs. 1 Nr. 2) Unter § 794 Abs. 1 Nr. 2 fallen nur die Kostenfestsetzungsbeschlüsse nach §§ 103 ff., die also einem 71 zur Zwangsvollstreckung geeigneten Titel302 beigefügt sind, nicht aber auch sonstige Kostenfestsetzungen (wie etwa §§ 19, 89 GNotKG303 oder §§ 9, 17 oder 18 InsVV304), welche beschwerdefähige Entscheidungen sind. Der Kostenfestsetzungsbeschluss wird vom Rechtspfleger erlassen (§ 104, § 21 Nr. 1 RPflG). Gegen ihn kann mit der sofortigen Beschwerde (bzw. Erinnerung nach § 11 Abs. 2 RpflG, sofern Beschwerdewert unter A 200,–) vorgegangen werden (§ 104 Abs. 3, 567 Abs. 2).305 Die Zwangsvollstreckung aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss richtet sich nach § 795.306 Be- 72 sonders zu beachten sind die Vorschriften über die Sicherungsvollstreckung (§§ 795 S. 2, 720a) und die Wartefristen für die Vollstreckung (§§ 798, 798a). Ist der Kostenfestsetzungsbeschluss auf das Urteil gesetzt, so erfolgt die Vollstreckung aus der vollstreckbaren Ausfertigung des Urteils. Die Erteilung einer besonderen Vollstreckungsklausel ist dann nicht erforderlich (§ 795a). Ansonsten kann aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss selbständig ohne Vorlage des Urteils vollstreckt werden.307 Das Kostenfestsetzungsverfahren nach §§ 103 ff. ist zwar ein weitgehend verselbständigtes 73 Nachverfahren, in welchem der Kostengrundausspruch eines zur Zwangsvollstreckung geeigneten Titels in Bezug auf die Höhe der zu erstattenden Kosten ergänzt und vervollständigt wird. Trotzdem ist das Verfahren in mehrfacher Hinsicht von dem Kostengrundausspruch abhängig.308 Wenn der Kostengrundtitel nur gegen Sicherheitsleistung vollstreckbar ist, gilt dieses automatisch auch für den Kostenfestsetzungsbeschluss.309 Bei einstweiliger Einstellung der Vollstreckung im Kostengrundverfahren darf das Kostenfestsetzungsverfahren nicht weitergeführt werden.310 Zur Klarstellung empfiehlt sich, einen Hinweis darauf in den Kostenfestsetzungsbeschluss aufzunehmen;311 genauso wie bei der Sicherheitsleistung als Voraussetzung der Vollstreckbarkeit312 und bei vollstreckungsbeschränkenden Abreden.313 Der Kostenfestsetzungsbeschluss entfaltet keine Wirkung, wenn der Kostengrundtitel überhaupt fehlt, später aufgehoben oder abgeändert wird.314 Einer ausdrücklichen Aufhebung des Beschlusses bedarf es in diesen Fällen nicht.315 Einer Zwangsvollstreckung aus dem Beschluss kann mit der Erinnerung gem. § 766 begegnet werden. Einwendungen gem. § 767 gegen den im Urteil festgestellten Anspruch haben keine Auswirkungen auf das Kostenfestsetzungsverfahren, da die Kostengrundentscheidung als Titel bestehen bleibt.316 Vollstreckungsgegenklage kann

einem Vergleichsschluss im schriftlichen Verfahren nach § 278 Abs. 6, OLG München NJW-RR 2003, 788 (noch zu § 35 BRAGO). Zum Umfang der wertmäßigen Erfassung LArbG Berlin JurBüro 2009, 431; LAG Nürnberg JurBüro 2009, 196. 302 Dazu etwa LG Bielefeld NJW-RR 2002, 432. 303 Dazu BGH NotBZ 2022, 351. 304 BGH DZWIR 2022, 56. 305 Aus diesem Grund musste der Kostenfestsetzungsbeschluss auch gesondert in den Katalog des § 794 aufgenommen werden; vgl. OVG Münster NJW 1986, 1191. 306 Dazu, dass es sich bei einem derartigen Beschluss um einen formell wie materiell in Rechtskraft erwachsenden Titel handelt, BGH FamRZ 2023, 463 – Tz. 19. Zur Verwirkung derartiger titulierter Ansprüche BGH NJW-RR 2014, 195; zu ihrer Aufrechenbarkeit BGH NJW 2013, 2975. 307 LG Essen JW 1926, 76. 308 Zu den Grenzen bei einem dem Vergleich vorausgegangenen Versäumnisurteil OLG Düsseldorf NJW-RR 1999, 943. 309 Vgl. BAGE 13, 256 = NJW 1963, 1027; KG Rpfleger 1984, 246 (LS); die vollstreckbare Ausfertigung kann allerdings sofort erteilt werden; die Erfüllung der Sicherheitsleistung hat dann das Vollstreckungsorgan zu prüfen (§ 751 Abs. 2). 310 BAGE 13, 256 = NJW 1963, 1027; OLG Stuttgart Rpfleger 1988, 39; a.A. OLG München MDR 1990, 252. 311 OLG Stuttgart Rpfleger 1988, 39. 312 KG Rpfleger 1984, 246 (LS). 313 OLG München Rpfleger 1979, 466; OLG Frankfurt Rpfleger 1980, 481; OLG Stuttgart JurBüro 1976, 675. 314 BAGE 13, 256 = NJW 1963, 1027; OLG Düsseldorf NJW 1974, 1714 und NJW 1975, 2301; OLG Hamm Rpfleger 1976, 408 und Rpfleger 1977, 215; a.A. OLG Köln NJW 1967, 114; krit. auch KG NJW 1973, 2115. 315 Vgl. KG JW 1934, 3146; Stein/Jonas/Bork § 104 Rdn. 66. 316 RGZ 75, 200; LG Hamburg NJW 1961, 1729; LG Berlin MDR 1983, 136. 571

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ebenfalls aufgrund von Einwendungen gegen die Kostenerstattungspflicht erhoben werden. Diese können auch in außergerichtlichen, bereits vor der Entscheidung abgeschlossenen Kostenvereinbarungen begründet sein, da § 767 Abs. 2 nicht anwendbar ist.317 Eine bestehende Aufrechnungsmöglichkeit gegen die noch nicht bezifferte Kostenerstattungspflicht kann vom Prozessgericht nicht berücksichtigt werden, und im Kostenfestsetzungsverfahren fehlt dem zuständigen Organ die Entscheidungskompetenz für die Berücksichtigung der Aufrechnung.318 Bei Abtretung des Kostenerstattungsanspruchs vor Erlass des Kostenfestsetzungsbeschlusses 74 besteht für den Kostengläubiger weiterhin die Möglichkeit, den Kostenfestsetzungsbeschluss im eigenen Namen zu erwirken.319 Bei Umschreibung des Kostenfestsetzungsbeschlusses einer Prozesskostenhilfepartei auf deren Anwalt liegt in Wirklichkeit ein neuer Kostenfestsetzungsbeschluss vor.320 Zur Vollstreckung ausländischer Kostenentscheidungen im Inland und inländischer Kosten75 entscheidungen im Ausland s. § 723 Rdn. 2.321

IV. Vollstreckbarkeit von Beschlüssen (§ 794 Abs. 1 Nr. 3) 76 § 794 Abs. 1 Nr. 3 ist ungenau gefasst. Ergriffen wird von ihm die Vollstreckbarkeit aller Titel, gegen welche, wenn sie in erster Instanz erlassen worden wären, die (sofortige) Beschwerde (§ 567) an sich statthaft wäre. Dazu gehören allerdings nicht die unter § 794 Abs. 1 Nrn. 2, 4, 4a fallenden Entscheidungen. Die so gekennzeichneten beschwerdefähigen Entscheidungen bilden Vollstreckungstitel, so77 weit sie einen vollstreckbaren Inhalt haben.322 Darunter fallen auch diejenigen Entscheidungen, gegen welche die Beschwerde nur im weiteren Sinn unzulässig (also nicht unstatthaft) ist, weil der Beschwerdewert gem. § 567 Abs. 2 nicht erreicht wird bzw. weil die Entscheidungen nach § 568 Abs. 2 nicht in zulässiger Weise angegriffen werden können. Im Einzelnen gehören hierher u.a. die folgenden Fälle: §§ 71, 99, 109, 127, 135, 141, 380, 387, 390, 78 406, 409, 721, 793, 811a (mit Ausnahme von § 811a Abs. 4), 887 ff.,323 §§ 58 Abs. 2,324 148 Abs. 1325 InsO, §§ 82, 93, 96 ZVG.326 Arrest und einstweilige Verfügungsbeschlüsse sind Titel i.S.d. § 794 Abs. 1 Nr. 3, obwohl gegen sie der Widerspruch (§§ 924, 936) zulässig ist und nicht die Beschwerde; das ergibt sich aus §§ 928, 936. Das gilt auch für die einstweilige Anordnung nach § 119 FamFG. Die Zwangsvollstreckung aus den jeweiligen Titeln kann grundsätzlich sofort, also ohne 79 Einhaltung der in § 798 angeordneten Wartefrist, durchgeführt werden. Mit Einlegung der Beschwerde wird indes dem Beschluss in den Fällen des § 570 (aufschiebende Wirkung327 bzw. Aussetzung der Vollziehung) die Vollstreckbarkeit vorläufig genommen. Die aufschiebende Wirkung der Beschwerde hindert aber nicht die Erteilung der vollstreckbaren Ausfertigung. 317 BGHZ 3, 381 = NJW 1952, 144; BGHZ 5, 251 = NJW 1952, 786; OLG Nürnberg JurBüro 1965, 314; einschränkend OLG Frankfurt JurBüro 1987, 779; Stein/Jonas/Bork § 104 Rdn. 14. Vgl. zur gesamten Problematik § 104 Rdn. 12. BGH NJW 1988, 3204; LG Itzehoe AnwBl. 1989, 164. BGHZ 5, 251 = NJW 1952, 786. S. überdies OLG Stuttgart NJW-RR 2008, 1599. Vollstreckbarkeit im weiteren Sinne, wie z.B. die Tauglichkeit zur Kostenfestsetzung und die Wirkung der §§ 775 ff., ist ausreichend. Der BGH geht grundsätzlich von der Titeleigenschaft des Eröffnungsbeschlusses eines Insolvenzverfahrens aus, etwa BGH NJW 2022, 519, nimmt aber Besonderheiten wie mangelnde Eignung als Titel für die Pfändung von Forderungen an, DZWIR 2023, 54. 323 Etwa OLG Hamburg NJW-RR 2014, 133. 324 BGH BeckRS 2015, 02045 = NJW-RR 2015, 610. 325 BGH NJW-RR 2014, 564 (Tz. 12); MünchKomm-InsO/Jaffé, § 148 Rdn. 61. 326 RGZ 71, 404. 327 Aufschiebende Wirkung hat die Beschwerde in den folgenden Fällen: §§ 141, 380, 390, 409, 613, 656, 678, 900, § 181 GVG, § 6 Abs. 3 InsO. Beachte noch den Aufschub der Vollstreckbarkeit in den Fällen des § 811a Abs. 4. Rechtskraftzeugnis kann entsprechend § 706 erteilt werden, vgl. RGZ 25, 393.

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V. Vollstreckungsbescheid (§ 794 Abs. 1 Nr. 4) § 794 Abs. 1 Nr. 4 nennt als weiteren Vollstreckungstitel den Vollstreckungsbescheid,328 der dem 80 Versäumnisurteil gleichgestellt ist und gegen den die Erhebung eines befristeten Einspruchs möglich ist (§§ 699, 700). In der Regel bedarf es nicht der Erteilung einer Vollstreckungsklausel (§ 796 Abs. 1). Der nicht mehr angreifbare („rechtskräftige“) Vollstreckungsbescheid umfasst keine Festlegung hinsichtlich des Schuldgrunds,329 was sich insbesondere im Hinblick auf die Frage des Umfangs einer Restschuldbefreiung nach § 850f Abs. 2330 bzw. nach § 302 InsO, aber auch etwa bezüglich des (nicht erbringbaren) Nachweises eines Unterhaltsanspruchs331 als bedeutsame Feststellung der Rechtsprechung erwiesen hat.332

VI. Vollstreckbarerklärung von Schiedssprüchen, Schiedsvergleichen und Rechtsanwaltsvergleichen (§ 794 Abs. 1 Nr. 4a und 4b) Voraussetzungen für die Vollstreckbarkeit ist, dass der Beschluss eines (Oberlandes-)Gerichts333 81 die Entscheidung für vollstreckbar erklärt hat, vgl. § 796b Rdn. 10 sowie §§ 1053, 1060, 1062 f.334 Vollstreckungstitel ist nur der Beschluss des staatlichen Gerichts.335 Durch das SchiedsVG v. 22.12.1997336 ist nach näherer Maßgabe des § 796c für den sog. Anwaltsvergleich337 auch noch die Möglichkeit eingeräumt worden, dass die Vollstreckbarerklärung durch einen Notar vorgenommen wird. Diese (d.h. die notarielle Vollstreckbarerklärung) fungiert wie auch im Fall des Schiedsspruches mit vereinbartem Wortlaut nach § 1053 Abs. 4338 gleichfalls als vollstreckbarer Titel. Die Klausel muss ihr bzw. dem Gerichtsbeschluss339 beigefügt werden.340

VII. Die vollstreckbare Urkunde (§ 794 Abs. 1 Nr. 5) 1. Gesetzesgeschichte Die aus dem frühmittelalterlichen Recht Oberitaliens stammende vollstreckbare Urkunde341 82 bringt grundsätzlich für jeden an der Beurkundung Beteiligten Vorteile. Im Vordergrund

328 S. etwa LG Koblenz NJW-RR 1998, 1026. Der Vollstreckungsbescheid muss wirksam zugestellt worden sein, AG Einbeck JurBüro1992, 263 im Gegensatz zum Mahnbescheid. S. auch H.Roth in seiner Anmerkung zu EuGH, ZIP 2022, 1175, in JZ 2023, 100, 102. Etwa BGH ZVI 2002, 420. BGH DGVZ 2017, 36. BGH NJW 2006, 2922; BGH NJW 2005, 1663; KG NZI 2010, 154 mit Anm. Hörmann ebenda, 136. OLG München BauR 2008, 144. Zum Verhältnis des § 1062 zu § 91 GWB OLG Düsseldorf IDR 2002, 44. Zu den Tenorierungsanforderungen etwa BayObLG GmbHR 2023, 396. 334 Vgl. zum Verfahren nach §§ 1061 f. BGH LMK 2013, 345597; OLG Brandenburg NJW-RR 2001, 645. 335 OLG München NJOZ 2016, 1709. 336 BGBl. I S. 3224. 337 Zum Mediationsvergleich s. Rdn. 83 sowie § 796a Rdn. 1 f. 338 Kindl/Meller-Hannich/Wolf/Müller Rdn. 34. 339 Zur Zulässigkeit der Aufrechnung in dem Vollstreckbarerklärungsverfahren von ausländischen Schiedssprüchen BGH NJW-RR 2011, 213. 340 Geimer Notarielle Vollstreckbarerklärung von Anwaltsvergleichen – Betrachtungen zu § 1044b ZPO, DNotZ 1991, 274, 283. Vgl. § 796a. 341 Eine ausf. historische Darstellung der Entwicklung der vollstreckbaren Urkunde ist bei Münch Vollstreckbare Urkunde, 1989, 10–36 zu finden.

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steht dabei der Vorteil des Gläubigers, einen raschen Vollstreckungstitel342 gegen einen Schuldner zu erlangen, ohne vorher ein Erkenntnisverfahren durchführen zu müssen,343 s. auch Rdn. 1. Die Rechtfertigung hierfür liegt in der freiwilligen Unterwerfung durch den Schuldner.344 Für den Gläubiger345 bedeutet das eine erhebliche Zeit- und Geldersparnis.346 Die Last der rechtzeitigen Verteidigung, genauer: die Prozessführungslast, ist dabei auf den Schuldner abgewälzt.347 Von einem Verlust des Rechtsschutzes durch die vollstreckbare Urkunde für den Schuldner kann aber wegen der Möglichkeit der Erhebung der Vollstreckungsgegenklage gem. § 767 keine Rede sein.348 Für den Schuldner ist die vollstreckbare Urkunde als oftmals notwendiges Instrument zur schnelleren Krediterlangung von Vorteil. Nicht zu unterschätzen ist auch der Umstand, dass die vollstreckbare Urkunde nicht dem Öffentlichkeitsgrundsatz des Zivilprozesses unterliegt und somit ein sehr diskretes Rechtsinstitut darstellt. Zuletzt sei noch die Entlastungsfunktion der vollstreckbaren Urkunde für die staatlichen Gerichte erwähnt. Der Errichtung einer vollstreckbaren Urkunde kommt in erheblichem Umfang streitverhindernde Wirkung zu, zumal diese Art der vorweggenommenen Streiterledigung deutlich kostengünstiger ist als alle anderen möglichen Alternativen. 83 Die zweite Zwangsvollstreckungsnovelle hat die zuvor bestehende Beschränkung auf die Zahlung einer bestimmten Geldsumme aufgehoben. Damit hat sich der Anwendungsbereich erheblich erweitert (etwa auch auf Mediationsvergleiche349), und es kann grundsätzlich jeder Anspruch Gegenstand einer Unterwerfungserklärung werden,350 wenn die Parteien im Wege eines Ver-

342 Indem die vollstreckbare Urkunde ein vollstreckbarer Schuldtitel ist, kann sie die Grundlage für eine Anfechtung nach dem AnfG sein, BGH NJW-RR 2007, 1343. Sie ist auch ein „nicht bloß vorläufig vollstreckbarer Schuldtitel“ nach § 135 HGB, OLG Jena MDR 2009, 991. 343 Allerdings fehlt ihm nicht das Rechtsschutzbedürfnis für eine Klage auf Rückzahlung gerade des Darlehens, BGH MDR 2007, 595. 344 Diese Freiwilligkeit schließt nicht aus, dass die vollstreckbare Urkunde vom Schutz einer Rechtsschutzversicherung erfasst ist, BGH NJW-RR 2007, 749. 345 Zur Ersparnis auf Seiten des Schuldners s. Sommer Das Risikobegrenzungsgesetz in der notariellen Praxis, RNotZ 2009, 578, 583. 346 In Verbindung mit einem abstrakten Schuldversprechen bringt die Unterwerfungserklärung nach Ansicht des BGH auch den weiteren Vorteil, dass die Verjährungsregelung des § 216 Abs. 2 S. 1 BGB Anwendung findet, BGH ZIP 2010, 23; BGH NZG 2010, 264. Eine weitere Verkürzung des Zugangs zu einem Titel in Gestalt eines Selbsttitulierungsrechts hat das BVerfG als mit dem Grundgesetz unvereinbar erklärt, BKR 2013, 374. 347 Vertraglich vereinbarte Änderungen der Prozessführungslast kommen häufiger vor, etwa bei der Bürgschaft auf erstes Anfordern oder auch bei Verwendung von Smart Contracts, dazu Leyens/Heiss/Soritz, Smart Contracts im unternehmerischen Rechtsverkehr (B2B), JBl 144, 137, 148 (2022). Durch die Veränderung der Prozessführungslast ändert sich freilich grundsätzlich nichts an der Beweislastverteilung, BGH NJW 2002, 138; BGH NJW 2001, 2096. 348 Die von Baur Einige Bemerkungen zur „vollstreckbaren Urkunde“, FS Demelius, 1973, 315 ff. und Stürner Der Notar – unabhängiges Organ der Rechtspflege? JZ 1974, 157 und ZZP 93 (1980) 235 aufgezeigten Gefahren sind eher rechtshistorischer Natur. Die tägliche notarielle Praxis vermag die vorgetragene Kritik nicht zu stützen, vgl. Wolfsteiner Die vollstreckbare Urkunde, 1978, Rdn. 5.1. 349 Dazu etwa Henssler Das neue Mediationsgesetz: Mediation ist und bleibt Anwaltssache, DB 2012, 159; Dop/Steinbrecher Cui bono? – Das Mediationsgesetz aus Unternehmenssicht, BB 2012, 3023. Speziell zur gerichtsinternen Mediation Hess Perspektiven der gerichtsinternen Mediation in Deutschland, ZZP 124 (2011), 137. 350 BGH MDR 2017, 525; BGH DNotZ 2006, 189 (zu öffentlich-rechtlichen Ansprüchen); BGH NJW 2000, 951 (Zinsansprüche mit gesonderter Fälligkeitsbestimmung); OLG Karlsruhe FamRZ 2003, 1104 (Getrenntlebens- und Scheidungsvereinbarung); KG NJW-RR 2000, 1409 (Anspruch auf Hinterlegung des Kaupreises beim Notar); OLG Celle InVo 2003, 407 (Erstreckung der Sicherung auch auf Rückforderungsanspruch); OLG Rostock WM 2001, 1377 (zur Sicherung der Vorfälligkeits- und Nichtabnahmeentschädigung). S. auch Pautsch Die Errichtung vollstreckbarer Urkunden über öffentlichrechtliche Ansprüche, NVwZ 2019, 605; Köhler Die notarielle Unterwerfungserklärung – eine Alternative zur strafbewehrten Unterlassungserklärung? GRUR 2010, 6 (vgl. damit etwa BGH WRP 2016, 1494); Münch Der Anwendungsbereich der Vollstreckungsunterwerfung, ZNotP 1998, 474. Zur fortgeltenden ZGB-Hypothek, Art. 233 § 3 Abs. 1 EGBGB, Böhringer Zwangsvollstreckungsunterwerfung bei ZGB-Hypotheken und Aufbaugrundschulden, NJ 1999, 455. Allgemein s. Gaul Vollstreckbare Urkunde und vollstreckbarer Anspruch, FS Lüke, 1997, 81. Paulus

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gleichs über ihn disponieren können.351 Diese, dem (früheren) § 1025 Abs. 1 entlehnte Spezifizierung wird auch noch insoweit dem schiedsrichterlichen Verfahren angepasst, als – wie in § 1030 Abs. 2 – die auf den Bestand eines Mietverhältnisses über Wohnraum352 gerichteten Ansprüche von § 794 Abs. 1 Nr. 5 ausgenommen werden. Hierunter sind ausweislich der Begründung (BTDrucks. 13/341, S. 21) beispielsweise Herausgabe- oder Räumungsansprüche zu verstehen oder auch solche auf Fortsetzung des Mietverhältnisses, §§ 556a bis 556c BGB353 – nicht aber Mietzinsansprüche354 oder aber Herausgabeansprüche von Wohnungseigentum,355 vorausgesetzt, dass das Mietverhältnis zum Zeitpunkt der Errichtung der notariellen Urkunde bevorsteht oder andauert.356 Dass schließlich auch noch Ansprüche auf Abgabe einer Willenserklärung von dem Regelungsbereich der Vollstreckungsunterwerfung ausgenommen sind, hängt mit der vereinfachten Vollstreckung nach § 894 zusammen, die als hinreichende Vereinfachung angesehen wird. Wichtiger als dieser Punkt dürfte jedoch sein, dass die Unterwerfungserklärung desjenigen, der eine Willenserklärung abzugeben verspricht, dem Versprechungsempfänger nichts nützt. Mangels eines rechtskräftigen Titels müsste er nämlich ohnedies auf die Abgabe klagen, so dass sein Titel gerade nicht zu einer Verlagerung der Prozessparteirollen führen würde.

2. Zuständigkeit Für die Errichtung von vollstreckbaren Urkunden sind nach immer noch h.M.357 grundsätzlich deut- 84 sche358 Notare zuständig. Ihre Zuständigkeit ergibt sich aus §§ 1, 20 BNotO.359 Die Urkunde muss von dem Notar innerhalb der Grenzen seiner Amtsbefugnisse und in der vorgeschriebenen Form aufgenommen worden sein. Öffentliche Beglaubigung der Unterschrift des Schuldners reicht nicht aus. Den Notaren sind im Übrigen die deutschen Konsularbeamten gem. § 10 Abs. 2 KonsG gleichgestellt.360 Neben den Notaren sind für die Aufnahme von vollstreckbaren Urkunden auch die inländischen Gerichte in den in § 66 BeurkG genannten Fällen zuständig. Funktional zuständig ist in diesen Fällen der Rechtspfleger gem. § 3 Abs. 1 lit. f RPflG. Kompetenzüberschneidungen der Gerichte, soweit Richter tätig werden, sind wie im Fall des § 794 Abs. 1 Nr. 1 unerheblich.361 351 Zu einem Duldungsanspruch BGH NJW 2014, 1740 (Tz. 13); zu einer Räumungspflicht der ehelichen Wohnung im Rahmen einer Scheidungsvereinbarung AG Schöneberg JurBüro 2016, 442. Zu Teilbeträgen Zimmer/Pieper Zwangsvollstreckung „wegen eines zuletzt zu zahlenden Teilbetrags“, NotZB 2007, 319; Thaler Das nur teilweise titulierte Grundpfandrecht, ZfIR 2002, 669. Zum Wohngeld nach dem WEG Wolfsteiner Vollstreckbare Urkunden über Wohngeld, FS Wenzel, 2005, 59. 352 Etwa AG Detmold DGVZ 2003, 60. Zu Gewerbemiete etwa Hille Miet- und Kaufvertragsgestaltung angesichts der so genannten Agglomerationsproblematik, NZM 2013, 745, 749; Moeser Räumungsvollstreckung aus notarieller Urkunde – zu Unrecht im Verborgenen, NZM 2004, 769; Münch Der Anwendungsbereich der Vollstreckungsunterwerfung, ZNotP 1998, 474, 478; Schultes Voraussetzungen der Räumungsvollstreckung nach der 2. Zwangsvollstreckungsnovelle, DGVZ 1998, 177. 353 Vgl. LG Osnabrück Grundeigentum 2021, 1123. Zu Mischmietverhältnissen (d.h. Gewerbe- und Wohnnutzung) s. § 721 Rdn. 7 f. sowie OLG Oldenburg Grundeigentum 2014, 1650. 354 BGH NJW 2018, 551. 355 Richtig also AG Schöneberg DGVZ 2016, 207; s. ferner Müller Notarielle Vollstreckungstitel, RNotZ 2010, 167, 170; Gutachten DNotI-Report 2009, 73 (Insolvenzverwalter des Eigentümers). 356 LG Berlin Beschl. v. 29.6.2020, DGVZ 2020, 227. 357 Etwa Saenger/Kindl Rdn. 30; Kindl/Meller-Hannich/Wolf/Müller Rdn. 37; Musielak/Voit/Lackmann Rdn. 29. S. aber EuGH NJW 2011, 2941 (insb. Tz. 105); dazu Schmid/Pinkel Grundfreiheitskonforme Reformierung der nationalen Notariatsverfassung, NJW 2011, 2928. 358 Ausländische, d.h. außereuropäische Urkunden und ebendort erstellte Urkunden eines deutschen Notars, BGH NJW 1998, 2830, genügen den Anforderungen des § 794 Abs. 1 Nr. 5 nicht, vgl. AG Berlin-Charlottenburg NotBZ 2016, 355; Geimer Vollstreckbare Urkunden ausländischer Notare, DNotZ 1975, 461 ff. Zur Anerkennung ausländischer Titel vgl. § 722 Rdn. 1 ff., § 723 Rdn. 1 ff. Zu Art. 58 ff. EuGVVO s. den nachfolgenden Anh. 359 Zur Betreuungspflicht OLG Rostock BauR 2005, 444. 360 Zur Behandlung konsularischer Urkunden vgl. VGH München NJW 1983, 1992 und ausführlich Geimer Konsularisches Notariat, DNotZ 1978, 3 ff. 361 Vgl Rdn. 13. 575

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Prozessgerichte und Strafgerichte sind zur Errichtung vollstreckbarer Urkunden nicht zuständig. Ein unwirksamer Prozessvergleich kann daher nicht als vollstreckbare Urkunde aufrechterhalten bleiben.362 Im Übrigen ist auch eine Zuständigkeit der Prozessgerichte für die Beurkundung von vollstreckbaren Urkunden nicht notwendig, da der Prozessvergleich selber ohne weiteres vollstreckbar ist. Früher waren zur Aufnahme vollstreckbarer Urkunden auch noch andere Behörden zustän86 dig. Ihre Zuständigkeit ergab sich aus einer Reihe von Einzelgesetzen.363 Geblieben ist neben den schon erwähnten Zuständigkeiten die Beurkundungstätigkeit des Jugendamtes gem. § 59 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 und 4,364 § 60 SGB VIII für Anerkenntnisse in Vaterschaftsverfahren über Unterhaltsansprüche von minderjährigen Kindern.365 Die Vollstreckungsklausel erteilt in diesem Fall das Jugendamt selber, während über Einwendungen gegen die Erteilung der Vollstreckungsklausel das für das Jugendamt zuständige Amtsgericht entscheidet (§ 60 Abs. 1 S. 3 Nr. 2 SGB VIII). 85

3. Beurkundungsverfahren 87 Die Beurkundung der in § 794 Abs. 1 Nr. 5 genannten Urkunden richtet sich nach §§ 6 ff. BeurkG.366 Die Niederschrift muss die Bezeichnung des Notars367 und der Beteiligten sowie deren Erklärungen beinhalten (§ 9 BeurkG), wobei die Bezeichnung der Beteiligten jeden späteren Zweifel hinsichtlich der Identität ausräumen soll (§ 10 BeurkG).368 Die Geschäftsfähigkeit der beteiligten Personen muss vom Notar positiv festgestellt worden sein.369 Die von den Beteiligten abgegebenen Erklärungen370 müssen vom Notar vorgelesen, von ihnen genehmigt und eigenhändig unterschrieben werden (§ 13 Abs. 1 Satz 1 BeurkG), im letzteren Fall wird die Vorlesung und Genehmigung vermutet (§ 13 Abs. 1 S. 3 BeurkG). Zur Einschränkung der Vorlesungspflicht s. §§ 13 Abs. 2, 13a, 14 BeurkG. 88 Die Erklärungen der Parteien können auch in einem Schriftstück enthalten sein, auf das in der Niederschrift verwiesen und das dieser beigefügt wird (§ 9 Abs. 1 S. 2 BeurkG). Ist eine Unterwerfungserklärung in einer früheren notariellen Niederschrift enthalten, so kann unter den Voraussetzungen des § 13a BeurkG auf diese Bezug genommen werden.371 Die Unterwerfungserklä-

362 Vgl. Stein/Jonas/Münzberg Rdn. 83 a.E.; s. auch MünchKomm/Wolfsteiner Rdn. 151 f. 363 Vgl. hierzu die 1. Aufl. Zur Zuständigkeit beim Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrags mit Unterwerfungserklärung BVerwGE 98, 58; BVerwG JZ 1996, 97 m. Anm. H. Meyer. 364 S. etwa OLG Jena IPRax 2011, 586 mit Anm. Gruber IPRax 2011, 559. 365 Dazu etwa BGHZ 189, 284, mit Graba Abänderung einer Jugendamtsurkunde und Leistungsfähigkeit der Eltern, NJW 2011, 1854 (s. auch ders. FamFR 2013, 145 zu OLG Hamm BeckRS 2013, 04432); OLG Brandenburg ZFE 2008, 231, dazu Viefhues jurisPR-FamR 8/2008 Anm. 6; OLG Naumburg FamRZ 2007, 1474; OLG Hamm FamRZ 2007, 1032; KG FamRZ 1974, 211 und FamRZ 1976, 545. Zur Abänderungsmöglichkeit Reinken Tragende Grundsätze des unterhaltsrechtlichen Abänderungsverfahrens, ZFE 2010, 206, 215. 366 Vom allgemeinen Interesse hierzu Bohrer Notarielle Form, Beurkundung und elektronischer Rechtsverkehr, DNotZ 2008, 39. 367 Eine nachträgliche Berichtigung des Urkundeneingangs im Protokoll ist unstatthaft, vgl. OLG Hamm DNotZ 1988, 567 (m. abl. Anm. Reithmann). 368 § 10 BeurkG ist zwar nur eine Sollvorschrift. Im Gegensatz zu anderen Beurkundungen ist bei der Vollstreckungsunterwerfung wegen des sich anschließenden Vollstreckungsverfahrens eine exakte Bezeichnung der Beteiligten unerlässlich. Eine Ergänzung der Parteibezeichnung analog § 319 ZPO ist aber zulässig. Vgl. hierzu Wolfsteiner Die vollstreckbare Urkunde, Rdn. 16.4. 369 Die Überzeugung des Notars von der Geschäftsfähigkeit gem. § 11 BeurkG reicht i.d.R. nicht aus, vgl. Wolfsteiner Die vollstreckbare Urkunde, Rdn. 16.5 ff. 370 Zu den Anforderungen an die Niederschrift BGH Rpfleger 1991, 14. 371 § 13a BeurkG ist durch das BeurkÄndG vom 20.2.1980 (BGBl. I S. 157) eingeführt worden. Zur Rechtslage vor Erlass des Gesetzes und zu den einzelnen beurkundungsrechtlichen Änderungen vgl. Arnold Die Änderung des Beurkundungsverfahrens durch das Gesetz vom 20. Februar 1980, DNotZ 1980, 262 und Brambring Das Gesetz zur Änderung und Paulus

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rung ist hingegen nicht wirksam beurkundet worden, wenn sie in einer Angebotsurkunde eines Grundstücksverkäufers enthalten ist, die der Käufer ohne weitere Erklärung annimmt. Eine Bezugnahme auf die Angebotsurkunde im Sinne des § 13a BeurkG liegt in diesem Fall nicht vor. Es empfiehlt sich, in der Angebotsurkunde selber die Unterwerfungserklärung zu wiederholen.372 Klarzustellen ist, dass die Begründung des Anspruchs, auf den sich die Unterwerfungserklärung bezieht, nicht gem. § 794 Abs. 1 Nr. 5 beurkundet werden muss.373 Für eine Individualisierung des Anspruchs genügt eine formlose Bezugnahme.374 Allerdings muss der konkrete Anspruch – d.h. also mit Angabe des Gläubigers und Schuldners375 und der Umfang der Vollstreckung neben der Unterwerfungserklärung hinreichend genau beurkundet sein.376 Die Aufnahme der Urkunde in fremder Sprache ist gem. § 5 Abs. 2 BeurkG zwar grundsätzlich möglich, bei Vollstreckungsunterwerfung allerdings nicht ratsam, da ab dem Klauselerteilungsverfahren gem. §§ 184 ff. GVG Deutsch als Amtssprache gilt.377 Spätestens zu diesem Zeitpunkt muss (unbeschadet des § 185 Abs. 2 GVG wohl immer) eine beglaubigte Übersetzung angefertigt werden.378

4. Unterwerfungserklärung a) Rechtsnatur. Die ausdrückliche und eindeutige Unterwerfung des Schuldners unter die sofor- 89 tige Zwangsvollstreckung ist für die Errichtung des Titels notwendige Voraussetzung.379 Der Wortlaut des Gesetzes braucht dabei allerdings nicht im Einzelnen wiederholt zu werden.380 Bei der Unterwerfungserklärung handelt es sich um eine einseitige, auf das Zustandekommen eines Vollstreckungstitels gerichtete prozessuale Willenserklärung, die lediglich prozessrechtlichen Grundsätzen381 untersteht.382 Sie stellt mithin keine Verfügung i.S.d. materiellen Rechts dar.383

Ergänzung beurkundungsrechtlicher Vorschriften in der notariellen Praxis, DNotZ 1980, 281. Zur Heilung notleidend gewordener Verträge vgl. BGH NJW 1980, 1631 = DNotZ 1980, 538 und Dietlein Gesetzliche Heilung beurkundungsbedürftiger Rechtsgeschäfte, DNotZ 1980, 195. 372 Zur Problematik der Beurkundung der Unterwerfungserklärung durch Angebot und Annahme vgl. Winkler Einseitige Erklärung des Käufers in der Angebotsurkunde des Verkäufers, DNotZ 1971, 354 ff. und 715 ff.; Wolfsteiner Nochmals – Zur Erteilung vollstreckbarer Ausfertigungen getrennt beurkundeter Angebots- und Annahmeerklärungen, MittRhNotK 1985, 113; Anm. Grauel MittRhNotK 1984, 109, 176. 373 Vgl. BGHZ 73,156 = NJW 1979, 928 = DNotZ 1979, 342. 374 Stein/Jonas/Münzberg Rdn. 91; Wolfsteiner Die vollstreckbare Urkunde, Rdn. 16.11.N.11 und 14.18.N.10; Winkler Einseitige Erklärungen des Käufers in der Angebotsurkunde des Verkäufers, DNotZ 1971, 354, 359. Hinsichtlich des Umfangs der Bezugnahme dagegen unklar BGH NJW 1976, 567 = MittBayNot 1976, 23. 375 OLG Düsseldorf OLG-Report Düsseldorf 1995, 242 (zur Gesellschaft bürgerlichen Rechts). 376 Aus diesem Grund erfasst die vollstreckbare Urkunde nicht den an die Stelle des dort genannten Anspruchs tretenden Sekundäranspruch, OLG Düsseldorf OLG-Report Düsseldorf 1995, 233. Zum Zinsbeginn etwa OLG Frankfurt vom 18.8.2020 – juris. 377 Hierzu Paulus Ein Plädoyer für unscheinbare Normen, JuS 1994, 369. 378 Vgl. Wolfsteiner Die vollstreckbare Urkunde, Rdn. 16.2. 379 OLG Bamberg FamRZ 1987, 855 ff.; OLG Celle DNotZ 1969, 102. Umfassend zur Unterwerfungserklärung etwa v. Rintelen Probleme und Grenzen der Vollstreckungsunterwerfung in der notariellen Urkunde, RNotZ 2001, 3. 380 KG OLGZ 7, 354. 381 BGH WM 1981, 189 f. = DNotZ 1981, 738 = KTS 1981, 198 (nur diese Erklärung unterliegt daher der lex fori); BGH DNotZ 1983, 679; BGH NJW 1985, 2423 = DNotZ 1985, 474; BayObLG DNotZ 1987, 176; OLG Karlsruhe WM 2003, 1223; KG NJW-RR 1987, 1229; Freckmann Praktische Rechtsfragen der Sicherungsgrundschuld, BKR 2005, 167, 170 ff.; Böttcher Die Bewilligungsmacht im Grundbuchverfahren, ZfIR 2002, 693, 707; a.A. 2. Aufl. H V. Differenzierend Wolfsteiner Die vollstreckbare Urkunde, Rdn. 8.1. ff., der die Regeln über Prozesshandlungen nicht unbeschränkt anwenden will. 382 Damit ist etwa § 1365 BGB nicht auf eine Unterwerfungserklärung anzuwenden, BGH FamRZ 2008, 1613; Koch Die Entwicklung der Rechtsprechung zum Zugewinnausgleich, FamRZ 2009, 1191. 383 Kindl/Meller-Hannich/Wolf/Müller Rdn. 38 ff. 577

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Deswegen kann die Unterwerfungserklärung eines Käufers etwa nicht in einer Willenserklärung des Verkäufers gesehen werden, die der Käufer dann lediglich annimmt.384 90 Die Unterwerfungserklärung ist vom Bestand der zugrunde liegenden materiell-rechtlichen Verpflichtung unabhängig.385 Der Rechtsgedanke von § 139 BGB ist nicht anzuwenden.386 Eine Divergenz zwischen Unterwerfungserklärung und materiellem Recht (z.B. Nichtigkeit oder Anfechtbarkeit der materiell-rechtlichen Verpflichtung) muss der Schuldner auf dem Weg der Vollstreckungsgegenklage gem. §§ 795, 767, 797 Abs. 5 geltend machen.387 Die zeitliche Beschränkung des § 767 Abs. 2 gilt hierbei nicht. Zum Schutz des Schuldners und zur Vereinfachung des Vollstreckungsablaufs ist die Formu91 lierung „zu bezeichnender Anspruch“ als ein Konkretisierungsgebot zu verstehen, das in seinen Anforderungen über herkömmliche Bestimmtheitserfordernisse pauschalisierender Beschreibung hinausgeht.388 Es genügt also nicht etwa Bestimmbarkeit der der Vollstreckbarkeit zu unterwerfenden Forderung (beispielsweise: „etwaige Verpflichtungen zur Zahlung bestimmter Geldsummen“); vielmehr muss zur Meidung der (mittels Vollstreckungsgegenklage geltend zu machenden) Unwirksamkeit389 die jeweilige Forderung eindeutig und präzise gekennzeichnet und damit individualisiert390 sein. Sie kann freilich unbeschadet dieses Erfordernisses bedingt, noch nicht fällig oder künftig sein.391 Auch eine Anknüpfung der Leistungspflicht an den Lebenshaltungsindex des Statistischen Bundesamtes genügt nach Ansicht des BGH den Konkretisierungsanforderungen.392

92 b) Einzelfragen. Die Unterwerfungserklärung ist eine einseitige prozessuale393 Willenserklärung, die prozessrechtlichen Grundsätzen untersteht. Eine Annahme der Unterwerfungserklärung durch den Gläubiger ist nicht notwendig.394 Die Unterwerfungserklärung wird jedoch erst

384 BayObLG DNotZ 1987, 176; OLG Dresden ZNotP 1999, 123; v. Rintelen Probleme und Grenzen der Vollstreckungsunterwerfung in der notariellen Urkunde, RNotZ 2001, 3, 17. A.A. etwa Armasow Die Zwangsvollstreckungsunterwerfung bei getrennter Beurkundung von Angebot und Annahme, RNotZ 2006, 464. 385 BGH NZI 2008, 363; BGH NJW 1985, 2433 = DNotZ 1985, 474; BGH DNotZ 1991, 531; OLG Düsseldorf DNotZ 1983, 686; Werner Die Rechtsnatur der notariellen Unterwerfungsklausel, DNotZ 1969, 722; Wolfsteiner Die vollstreckbare Urkunde, Rdn. 1432 f. Vgl. auch BGH WM 1989, 198. Zur Verjährung des abstrakten Schuldversprechens, mit dem eine Vollstreckungsunterwerfung verbunden ist, s. BGH ZIP 2010, 23 m. Anm. Clemente EWiR 2010, 45; s. auch BGH NJW 2010, 1144; BGH WM 2009, 2212. 386 BGH NJW 1985, 2423; Werner Die Rechtsnatur der notariellen Unterwerfungsklausel, DNotZ 1969, 713, 721. Zur ausgeschlossenen bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung OLG Koblenz WM 2012, 800. 387 BGH NJW 1992, 2160 = BGHZ 118, 229. 388 BGH DGVZ 2013, 55, 56; Musielak/Voit/Lackmann Rdn. 37; Müller Notarielle Vollstreckungstitel, RNotZ 2010, 167, 170; Wolfsteiner Die vollstreckbare Urkunde nach der 2. Zwangsvollstreckungsnovelle, DNotZ 1999, 306, 323. S. auch BGH NJW-RR 2010, 1365; KG FGPrax 2003, 212 (betr. Teilungserklärung). 389 BGH DNotI-Report 2015, 30; KG JurBüro 2007, 502. 390 In Bezug auf die Festlegung des Gläubigers (bezüglich der persönlichen Haftung) allerdings großzügig BGH NJW 2008, 918; dazu Everts MittBayNot 2008, 356. Zu Zinsansprüchen s. BGH NJW-RR 2000, 1358, sowie Volmer Bestimmtheit der Vollstreckungsunterwerfung wegen Zinsansprüchen, ZfIR 2001, 79. 391 OLG Koblenz WM 2003, 405. 392 BGH FamRZ 2005, 437; dazu Reul Zwangsvollstreckung bei Wertsicherungsklauseln in notariellen Urkunden, MittBayNot 2005, 265. S. auch BGH DNotZ 2004, 644; § 704 Rdn. 11. 393 Die Erklärung kann daher nicht zugleich eine Kausalgeschäftsvereinbarung beinhalten, BGH NJW 2005, 1576. Zu ihrem Verhältnis zu einer strafbewehrten Verpflichtungs- und Unterlassungserklärung Pustovalov Notarlielle Unterwerfungserklärung – Rechtlicher Rahmen und Handhabung in der Praxis, ZUM 2016, 426. 394 RGZ 146, 312; OLG München HRR 36, 704; BayObLG DNotZ 1987, 176 betont, dass eine Vollstreckungsunterwerfung nicht vertraglich zustande kommen kann; vgl. auch Nieder NJW 1984, 327, 332. Freilich kann nur der Gläubiger, nicht auch ein etwa begünstigter Dritter die Ausfertigung der Urkunde verlangen, LG Frankfurt JurBüro 1989, 1314. Paulus

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wirksam, wenn daneben noch ein Publikationsakt getreten ist.395 So muss der Gläubiger entweder einen unentziehbaren Anspruch auf Erteilung einer Ausfertigung der Urkunde oder aber bereits eine Ausfertigung in der Hand haben, auf die die Vollstreckungsklausel gesetzt werden kann. Die vom Schuldner dem Notar gegenüber abgegebene Anweisung nach § 51 Abs. 2 BeurkG, dem Gläubiger eine Ausfertigung zu erteilen, kann vom Schuldner bis zur Erteilung der Ausfertigung widerrufen werden. Einen unentziehbaren Anspruch auf Erteilung der Ausfertigung hat der Gläubiger erst, wenn er selber an der Urkunde, die auch die Unterwerfungserklärung enthält, mitgewirkt und auf diese Weise einen vom Schuldner unabhängigen Anspruch auf Erteilung der Ausfertigung hat. Für die Erklärung der Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung ist Partei- 93 und Prozessfähigkeit des Schuldners396 gem. §§ 50, 52 ZPO notwendig. Die Grundsätze der Rechts- und Geschäftsfähigkeit sind daneben nicht heranzuziehen.397 Ein beschränkt Geschäftsfähiger bedarf daher außerhalb des Bereiches der §§ 112 f. BGB der Genehmigung des gesetzlichen Vertreters. Ein Geschäftsfähiger, dem ein Betreuer oder Pfleger bestellt worden ist (§ 53), kann eine Unterwerfungserklärung nicht wirksam abgeben.398 Die Unterwerfungserklärung als solche bedarf keiner vormundschaftlichen Genehmigung oder einer sonstigen für das materielle Recht notwendigen Zustimmung (z.B. nach § 1365 BGB399), da die Unterwerfungserklärung keinen wirksamen materiellen Anspruch voraussetzt.400 Insbesondere stellt die Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung in Ansehung eines Grundstückes keine Verfügung über ein Grundstück i.S.d. § 1821 BGB dar.401 Ist die Erteilung der vormundschaftlichen Genehmigung nicht ausdrücklich als Voraussetzung für die Klauselerteilung vorgesehen, muss der Notar ohne vorliegende Genehmigung dem Gläubiger die vollstreckbare Ausfertigung erteilen.402 Ein Verzicht auf den Nachweis der Genehmigung bedarf es in diesem Fall nicht. Der Notar sollte aber zum Schutz des Minderjährigen die Klauselerteilung von der vormundschaftlichen Genehmigung abhängig machen. Der Schuldner kann für die Abgabe der Unterwerfungserklärung einem Dritten Vollmacht 94 erteilen; umstritten ist allerdings, ob dies nach den Vorschriften des BGB403 oder denen der ZPO zu erfolgen hat.404 Richtiger Ansicht nach, weil der rein prozessrechtlichen Natur der Unter-

395 OLG Schleswig MDR 1983, 761; OLG Hamburg DNotZ 1987, 356; OLG Hamm DNotZ 1988, 241; LG Frankfurt DNotZ 1985, 479; Wolfsteiner Die vollstreckbare Urkunde, Rdn. 9.2. und 34.1.; a.A. LG München II MittBayNot 1979, 192; Stein/ Jonas/Münzberg § 797 Rdn. 2; Baumbach/Lauterbach/Hartmann/Albers/ Rdn. 37 f.; Winkler NJW 1971, 652. 396 Bzw. der Schuldner, s. BGH NJW 2007, 1813; BGH NJW 2004, 3632 (zu den Gesellschaftern einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts). 397 RGZ 84, 317 = JW 1914, 774; OLG Zweibrücken WM 2003, 380; Stein/Jonas/Münzberg Rdn. 92; Baumbach/Lauterbach/ Hartmann/Albers/Schmidt Rdn. 36; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 13 IV 7; a.A. MünchKomm/Wolfsteiner Rdn. 155 ff.; ders. Die vollstreckbare Urkunde, Rdn. 12.2. ff.; Blomeyer ZPR § 14 N. 13. Die Gegenansicht wirkt sich vor allem bei der Behandlung des nicht rechtsfähigen Vereins und bei der beschränkten Geschäftsfähigkeit aus. 398 Stein/Jonas/Münzberg (Fn. 397) ist zuzustimmen, dass es durchaus einen Unterschied macht, ob ein beschränkt Geschäftsfähiger bzw. ein Geschäftsfähiger, dem ein Pfleger bestellt ist, vom Notar über die Folgen der Unterwerfungserklärung nach § 17 BeurkG belehrt wird oder dessen Vertreter. 399 Hierzu BGH NJW 2008, 3363. 400 KG NJW 1971, 434. 401 KG NJW 1971, 434 f.; KG DNotZ 1988, 238 ff.; Stein/Jonas/Münzberg § 800 Rdn. 3. 402 KG NJW 1971, 434 ff.; a.A. Wolfsteiner Die vollstreckbare Urkunde, Rdn. 12.7., der von der Unzulässigkeit des Verzichts auf den Nachweis der Genehmigung ausgeht. 403 OLG Braunschweig BeckRS 2013, 05405; MünchKomm/Wolfsteiner Rdn. 164; Stein/Jonas/Münzberg Rdn. 126. 404 Hierzu etwa Lindemeier Unterwerfungserklärung durch Bevollmächtigte und § 79 ZPO bzw. § 13 FGG, RNotZ 2009, 37; Stöber Zwangsvollstreckungsunterwerfung durch den bevollmächtigten Vertreter, NotBZ 2008, 209; Zimmer Rechtsgeschäftliche Vertretung und Zwangsvollstreckungsunterwerfung, NotBZ 2006, 302. Für Verbraucherverträge beachte allerdings Böttcher Zwangsvollstreckungsunterwerfung durch einen Vertreter, BWNotZ 2007, 109 mit Verweis auf § 17 Abs. 2a BeurkG. 579

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werfungserklärung gemäß, sind die Vorschriften der ZPO405 anzuwenden, wobei allerdings § 80 bei der Beurkundung der Unterwerfungserklärung noch nicht anzuwenden ist.406 Da schon gar nicht eine notarielle Beurkundung vorausgesetzt ist,407 muss der Notar auch die mündlich behauptete bzw. schriftliche Vollmacht akzeptieren.408 Die Unterwerfungserklärung kann auch durch einen Vertreter ohne Vertretungsmacht entsprechend dem Rechtsgedanken des § 89 abgegeben werden.409 Sowohl in dem Falle der Bevollmächtigung als auch in dem des Fehlens der Vertretungsmacht sollte der Nachweis der Bevollmächtigung bzw. die Genehmigung zur Bedingung der Klauselerteilung gemacht werden, wenn nicht schriftliche Bestätigung der Vollmacht nach § 80 ausreichen soll.410 § 726 ist ohne ausdrückliche Aufnahme der Bedingung in den Titel nicht anwendbar.411 Die Ansicht des BGH bezüglich der Wirksamkeit der Vollmachtserteilung über die Grundsätze der Rechtsscheinvollmacht variiert ebenso senats-412 wie fallweise.413 Ein Nichtberechtigter kann nicht wirksam unter nachträglicher Genehmigung durch den 95 Berechtigten im eigenen Namen die Unterwerfungserklärung abgeben.414 § 185 BGB ist auf die prozessuale Unterwerfungserklärung nicht anwendbar;415 das gilt auch, wenn das zugrunde liegende Geschäft eine Verfügung beinhaltet. Trotzdem kann sich ein Grundstückskäufer und Auflassungsempfänger vor Eigentumsumschreibung in Ansehung einer Grundschuld416 gem. § 800 der Zwangsvollstreckung unterwerfen. Ein Fall der Nichtberechtigung des Schuldners gem. § 185 BGB liegt nicht vor. Es handelt sich vielmehr um ein Problem der Beschränkung des Vollstreckungsumfangs auf künftiges Vermögen. Mit Eintragung der Unterwerfungserklärung in das Grundbuch ist dann das letzte Tatbestandsmerkmal des § 800 erfüllt, so dass die Klauselerteilung 405 BGH NJW 2004, 59 und 62; RGZ 146, 308, 312; BGH WM 1981, 189; OLG Frankfurt VuR 2005, 478; OLG Jena VuR 2004, 411; Paulus/Henkel Rechtsschein der Prozessvollmacht? NJW 2003, 1692; Meyer/Bormann Klarstellende Regelungen zur Vertretung im Grundbuch- und Registerverfahren, RNotZ 2009, 470, 474 ff. A.A. LG Bielefeld RNotZ 2008, 609 (für die notarielle Beurkundung). 406 Erst bei der Klauselerteilung ist § 80 anwendbar, vgl. BGH MittBayNot 2013, 163; s. auch Müller Notarielle Vollstreckungstitel, RNotZ 2010, 167, 172. 407 BGH Rpfleger 2008, 1461; dazu Walker LMK 2008, 264809; BGH NJW-RR 2006, 683; BGH NJW 2004, 844. S. auch OLG Zweibrücken InVo 1999, 185; LG Mannheim MittBayNot 2009, 392; LG Freiburg Rpfleger 2005, 100. 408 Stein/Jonas/Münzberg Rdn. 92; Wolfsteiner Die vollstreckbare Urkunde, Rdn. 12.10.; Hill Vollmacht zur Zwangsvollstreckungsunterwerfung, DNotZ 1960, 306. 409 BGH GWR 2012, 466; BGH DNotZ 2004, 308; OLG Zweibrücken WM 2003, 380; DNotI-Report 1999, 127; RGZ 146, 308 = JW 1935, 1341; BayObLGZ 1964, 75 = MDR 1965, 303 = DNotZ 1965, 573; LG Berlin MittRhNotK 1973, 359; Wolfsteiner Die vollstreckbare Urkunde, Rdn. 12.12; a.A. RGZ 84, 317; OLG Zweibrücken WM 2003, 380; KG JW 1934, 1859. 410 Für die Klauselerteilung sind diesbezüglich § 80 Abs. 1, § 88, § 89 anwendbar; vgl. Stein/Jonas/Münzberg § 797 Rdn. 14. 411 A.A. BayObLGZ 64, 75 = MDR 1965, 303 = DNotZ 1965, 573; OLG Zweibrücken DNotZ 1970, 240 = MittRhNotK 1970, 137; LG Essen Rpfleger 1973, 324; Zöller/Geimer Rdn. 28; Wolfsteiner Die vollstreckbare Urkunde, Rdn. 12.10. und 35.6. 412 BGH NJW 2004, 59; dazu Lorenz Verkehrsschutz bei Vollmacht und Prozessvollmacht, NJW 2004, 468; BGH WM 2003, 1710 und 2375; BGH WM 2004, 2349; BGH ZfIR 2005, 638. 413 BGH NJW 2003, 1529 (betr. Immobilienfondsmodell); dagegen Paulus/Henkel Rechtsschein der Prozessvollmacht? NJW 2003, 1692. 414 OLG Zweibrücken WM 2002, 1927. Zur Nichtberechtigung wegen nichtigen Treuhandvertrages, der die Vollmacht ebenfalls nichtig mache, BGH ZfIR 2003, 1594; dazu Stöber Zwangsvollstreckungs-Unterwerfung durch den bevollmächtigten Vertreter, NotBZ 2008, 209, 211; Zimmermann Erteilung einer Vollstreckungsklausel trotz nichtigen Grundstücksgeschäfts? FS Wenzel, 2005, 69; Stimmel Noch einmal: Wirksamkeit der vom Treuhänder erklärten Zwangsvollstreckungsunterwerfung, ZfIR 2003, 577. S. ferner BGH NJW 2006, 2118; BGH NJW 2004, 59; 839, 841 und 844; BGH DNotZ 2004, 360. 415 BGH NJW 1981, 2756 f.; BayObLGZ 1970, 254, 258 = NJW 1971, 514 = DNotZ 1971, 45; OLG Saarbrücken NJW 1977, 1202 (m. Anm. Zawar) = DNotZ 1977, 624; BayObLG DNotZ 1987, 216; KG DNotZ 1988, 238 = NJW-RR 1987, 1229; a.A. OLG Braunschweig ZfIR 2013, 727; KG Grundeigentum 2013, 875; OLG Köln DNotZ 1980, 628 = Rpfleger 1980, 223; MünchKomm/Wolfsteiner Rdn. 167 und NJW 1971, 1140. 416 Etwa LG Münster NJW-RR 2009, 665. Zum Umfang der Beweislast in einer Vollstreckungsgegenklage BGHZ 114, 57. Paulus

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erfolgen kann.417 § 181 BGB findet ebenfalls keine Anwendung.418 Er gilt für Prozesshandlungen nicht;419 ein Verstoß gegen die Konstellation des § 181 BGB ist daher wie die Vertretung ohne Vertretungsmacht zu behandeln.

c) Beschränkungen der Zwangsvollstreckung, Bedingung, Befristung. Im Rahmen der 96 Zwangsvollstreckungsunterwerfungserklärung kann bestimmt werden, dass von der Urkunde nur unter bestimmten Voraussetzungen Gebrauch gemacht werden darf. Eine derartige Abrede nimmt der Unterwerfungserklärung nicht die Eigenschaft als Vollstreckungstitel, sondern schränkt schuldrechtlich die Benutzung der Urkunde ein.420 Der Schuldner kann die Unterwerfungserklärung entsprechend dem Rechtsgedanken der §§ 780, 786 auf Sondervermögen gegenständlich beschränken. Die Beschränkung ist im Klauselerteilungsverfahren nicht zu beachten und notfalls vom Schuldner gem. § 797 Abs. 4, § 795, § 767 geltend zu machen.421 Zulässig sind des weiteren folgende Fälle einer Beschränkung der Unterwerfungserklärung: Beschränkung der Vollstreckung auf einen bestimmten Vermögensgegenstand; Vollstreckung nur bei drohender anderweitiger Zwangsvollstreckung; Beschränkung der Vollstreckung auf die Pfändung von Vermögensgegenständen, während für die Verwertung ein Urteil abgewartet werden soll; Beschränkung auf Zwangsverwaltung eines Grundstückes, während Zwangsversteigerung des Grundstückes unzulässig sein soll. Sofern derartige Beschränkungen aufschiebende Bedingungen enthalten, die grundsätzlich einer Unterwerfungserklärung beigegeben werden können, ist § 726 anwendbar. Bei Nichtbeachtung ist gegen die Klauselerteilung gem. § 732 vorzugehen. Die übrigen Beschränkungen sind im Klauselerteilungsverfahren nicht zu beachten. Sie werden vom Vollstreckungsorgan überprüft und müssen zu diesem Zweck bestimmt genug formuliert sein. Verstöße des Vollstreckungsorgans gegen die vorgenommene Beschränkung sind gem. § 766 zu rügen. Die Vollstreckungsunterwerfung kann auch befristet werden. Ist die Befristung kalendermäßig bestimmbar, so nimmt das Vollstreckungsorgan gem. § 751 die Fristberechnung vor. Bei mangelnder kalendermäßiger Bestimmbarkeit gilt § 726. Die Befristung wird dann wie eine Bedingung behandelt. Auf die Wartefrist des § 798 kann vor Beginn der Zwangsvollstreckung nicht wirksam verzichtet werden.422 Die Vollstreckung darf von einer dem Gläubiger obliegenden Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden.423 Auch in diesem Fall prüft das Vollstreckungsorgan direkt die Erfüllung der Sicherheitsleistungsverpflichtung nach § 751 Abs. 2. Im Klauselerteilungsverfahren bleibt die Verpflichtung zur Sicherheitsleistung unbeachtet. Die Zwangsvollstreckungsunterwerfung kann auch in der Weise eingeschränkt werden, dass gewisse Einwendungen gegen den materiellen Anspruch von vornherein ausgeschlossen sein sollen.424 Darüber hinaus kann sich daraus, dass die Parteien nachfolgend eine weitere, entsprechende notarielle Urkunde ohne eine Unterwerfungsklausel verfasst haben, die Unzulässigkeit der Vollstreckung ergeben.425

417 OLG Saarbrücken NJW 1977, 1202 = DNotZ 1977, 624; BayObLG DNotZ 1987, 216; KG DNotZ 1988, 238 = NJW-RR 1987, 1229. Vgl. auch Rösler WM 1998, 1377, 1380 (allerdings mit privatrechtlicher Argumentation). BGHZ 41, 107 = NJW 1964, 1129 f.; MünchKomm-BGB/Schubert § 181 BGB Rdn. 21; Stein/Jonas/Münzberg Rdn. 92. BGHZ 16, 180 = NJW 1955, 546 = JZ 1955, 336; OLG Saarbrücken NJW 1977, 1202 = DNotZ 1977, 624. Vgl. Wolfsteiner Die vollstreckbare Urkunde, Rdn. 11.3. m.w.N. Vgl. § 798 Rdn. 4. Ein Verzicht bei oder nach der Zwangsvollstreckung wird dagegen für zulässig erachtet vgl. die 3. Aufl. § 750 Rdn. 44. 423 Zur Sicherheitsleistung im Rahmen einer Unterwerfungserklärung vgl. Wolfsteiner Die vollstreckbare Urkunde, Rdn. 10.6. m.w.N. 424 BGH WM 1976, 907. 425 OLG Oldenburg OLG-Report 1998, 314.

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101 d) Allgemeine Geschäftsbedingungen. Der Charakter der Unterwerfungserklärung als einseitige, rein verfahrensrechtliche Erklärung426 steht einer Anwendung des § 307 BGB nach überwiegender Ansicht427 zumindest nicht grundsätzlich entgegen.428 In der Vollstreckungsunterwerfung als solcher ist allerdings nach h.M.429 kein Verstoß gegen 102 § 307 Abs. 1 und 2 BGB zu erblicken. Die ZPO gestattet die Zwangsvollstreckung aus Urteilen und aus vollstreckbaren notariellen Urkunden gleichermaßen. Sie stellt damit die freiwillige Unterwerfung des Schuldners430 dem Urteil gleich. Der Vollstreckung im Anschluss an ein Erkenntnisverfahren kommt daher keine gesetzliche Leitbildfunktion zu, so dass § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB nicht zur Anwendung kommen kann.431 In der formularmäßigen Inanspruchnahme eines gesetzlich anerkannten Rechtsinstituts liegt auch keine sonstige unangemessene Benachteiligung i.S.d. § 307 Abs. 1 BGB.432 Zum einen rechtfertigen schutzwürdige Interessen der Gläubiger die Aufnahme einer Zwangsvollstreckungsunterwerfung, zum anderen wird der Schutz des Schuldners durch materielle Belehrungspflichten und durch erweiterte Verteidigungsmöglichkeiten (§ 797 Abs. 4) sowie die Schadensersatzpflicht nach § 799a gewährleistet. Auch materiell-rechtlich ändert die

426 Damit ist an sich eine Anwendbarkeit der §§ 305 ff. BGB ausgeschlossen, vgl. Wagner Prozessverträge, S. 779 ff.; Paulus/Henkel Rechtsschein der Prozessvollmacht? NJW 2003, 1692; Bork Neues zur Wirksamkeit von Unterwerfungsklauseln? ZIP 2009, 1261. 427 BGH NJW 2002, 12; BGHZ 185, 133; LG Stuttgart BWNotZ 1977, 12. Für die Lit. s. nur die Nachweise in Piekenbrock Das Sicherheitenpaket der Realkreditgläubiger: Ein juristisches Schauspiel, ZZP 125 (2012) 171, 174 mit Fn. 34. 428 OLG Köln MDR 1998, 1089. Vgl. MünchKomm-BGB/Fornasier § 305 BGB Rdn. 10; Stein/Jonas/Münzberg Rdn. 93; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 13 IV 1; Stürner Die Kreditsicherung der Banken und das neue AGBG, JZ 1977, 431 f.; ders. ZZP 93 (1980) 233, 235 f.; Ritzinger Die inadäquate Vollstreckungsunterwerfung im Grundstückskaufvertrag, BWNotZ 1990, 25 f.; auch BGHZ 99, 274 = NJW 1987, 904 = DNotZ 1987, 488 geht ohne nähere Untersuchung von der Anwendbarkeit des AGBG im Rahmen einer Unterwerfungserklärung aus; a.A. MünchKomm/Wolfsteiner Rdn. 140 m.w.N.; Dietlein Erwiderung zum Aufsatz von Stürner JZ 1977, 431, JZ 1977, 637. 429 BGH NJW 2009, 1887; BGH NJW 2008, 3208; vgl. auch BGH NJW 2007, 2106; BGH NJW 1999, 51; OLG Hamm BeckRS 2011, 01821; OLG Celle WM 2009, 1185; OLG Schleswig ZIP 2009, 1802. Staudinger/Rodi, 2022, Anh zu §§ 305–310 Rdn. F 172 f.; Dieckmann Zur Frage der Erteilung der vollstreckbaren Ausfertigung(en) der Grundschuldbestellungsurkunde nach dem Risikobegrenzungsgesetz, BWNotZ 2009, 144, 152; Hinrichs/Jaeger Zum Umgang der Bankpraxis mit der Kündigungsregelung für Grundschulden nach dem Risikobegrenzungsgesetz, ZfIR 2008, 745; Bork Die Wirksamkeit von Unterwerfungsklauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, ZIP 2008, 2049; ders. Neues zur Wirksamkeit von Unterwerfungsklauseln? ZIP 2009, 1261; Binder/Piekenbrock AGB-rechtliche Unwirksamkeit einer formularmäßigen Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung ohne vertraglichen Abtretungsausschluss? WM 2008, 1816. S. auch BGH ZIP 2009, 855. A.A. LG Hamburg ZIP 2008, 1466; Schimansky Verkauf von Kreditforderungen und Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung, WM 2008, 1049; speziell für Verbraucher s. auch Vollkommer Zwangsvollstreckungsunterwerfung des Verbrauchers bei Immobiliendarlehensverträgen, NJW 2004, 818. S. ferner BGH NJW 2002, 138. 430 Auch wenn er Verbraucher ist, BGH MittBayNot 2005, 300. 431 BGH NJW 2011, 2803; BGH BKR 2011, 291; BGH ZIP 2010, 1072; BGHZ 99, 274 = NJW 1987, 90 = DNotZ 1987, 488; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR § 13 IV 1; Dietlein JZ 1977, 637 f. (Fn. 404); Heß Entwickelt sich das neue AGBG zu einem „Über-BGB“ bzw. zu einer „Über-ZPO“? BWNotZ 1978, 1 f. A.A. Schimansky Verkauf von Kreditforderungen und Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung, WM 2008, 1049 ff.; dagegen etwa Habersack Die Vollstreckungsunterwerfung des Kreditnehmers im Lichte des Risikobegrenzungsgesetzes, NJW 2008, 3173; Herrier Grenzen des Schuldnerschutzes beim Forderungsverkauf, NJW 2011, 2762. 432 BGH MDR 1979, 915 = DNotZ 1980, 310; BGHZ 99, 274 = NJW 1987, 904 = DNotZ 1987, 488; OLG Stuttgart NJW 1979, 222 = JZ 1978, 759 = DNotZ 1979, 21; LG Stuttgart JZ 1977, 761 = DNotZ 1977, 602; a.A. Stürner Die Kreditsicherung der Banken und das neue AGBG, JZ 1977, 431 und ders. Die neue Regelung des Rechts der allgemeinen Geschäftsbedingungen und ihre Auswirkungen auf die notarielle Praxis, BWNotZ 1977, 106; Zwangsvollstreckungsunterwerfung mit totalem Nachweisdispens hinsichtlich der die Vollstreckbarkeit begründenden Tatsachen wird bisweilen als ein Verstoß gegen § 307 Abs. 1 BGB gesehen; vgl. OLG München Urteil vom 28.11.1989 Az. 9 U 2071/88 (unveröffentlicht); Ritzinger Die inadäquate Vollstreckungsunterwerfung im Grundstückskaufvertrag, BWNotZ 1990, 25 ff. (dazu Reithmann Zur Vollstreckungsunterwerfung mit Nachweisdispens, BWNotZ 1990, 88). Paulus

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Vollstreckungsunterwerfung nichts an der Lage des Schuldners, da die Beweislast für das nachgeschaltete Verfahren der Vollstreckungsgegenklage gem. § 767 nicht verändert wird.433 Die grundsätzliche Zulässigkeit der formularmäßigen Vollstreckungsunterwerfung gilt auch 103 für den Fall, dass eine dingliche und persönliche Zwangsvollstreckungsunterwerfung (letztere aufgrund eines Schuldanerkenntnisses) zusammen erklärt werden.434 Eine Ausnahme wird für das persönliche Schuldanerkenntnis mitsamt Unterwerfungserklärung nur dort zu machen sein, wo sich ein Dritter für Verbindlichkeiten eines anderen der dinglichen und persönlichen Zwangsvollstreckung unterwirft.435 Ein Verstoß gegen § 309 Nr. 12 BGB liegt bei Abgabe einer Unterwerfungserklärung nicht 104 vor.436 Das gilt auch, wenn die Zwangsvollstreckungsunterwerfung mit einem abstrakten Schuldanerkenntnis gekoppelt ist. Die Beweislastumkehr tritt hier nicht aufgrund einer materiellen Vereinbarung ein, sondern ist gesetzliche Folge des abstrakten Schuldanerkenntnisses.437 Die Zwangsvollstreckungsunterwerfung für eine Kaufpreiszahlungsverpflichtung mit vollständigem Verzicht438 auf alle, die Vollstreckbarkeit begründenden Tatsachen führt regelmäßig ebenfalls nicht zu einer Beweislastumkehr, da eine derartige Bestimmung nur das Klauselerteilungsverfahren betrifft und nicht auf das materielle Rechtsverhältnis einwirkt.439 Zur Sicherheit sollte der Notar aber einen diesbezüglich klarstellenden Hinweis in die Urkunde aufnehmen.440

e) Vollstreckung eines Zessionars bei formularmäßiger Vollstreckungsunterwerfung. 105 Im Zuge der in § 799a Rdn. 1 angedeuteten Entwicklungen hatte der 11. Senat des BGH entschieden,441 dass der Zessionar einer Sicherungsgrundschuld aus einer formularmäßigen Vollstreckungsunterwerfung des Schuldners nur dann gegen den Schuldner vorgehen könne, wenn er auch in den zwischen dem Schuldner und dem Zedenten abgeschlossenen Sicherungsvertrag eingetreten ist.442 Dieser Eintritt kann etwa im Wege der Vertragsübernahme, des Schuldbeitritts,443 des Abschlusses 433 Vgl. BGHZ 147, 203; Stürner Kreditsicherung der Banken und das neue AGBG, JZ 1977, 431 f.; Wolfsteiner Beweislastumkehr durch Zwangsvollstreckungsunterwerfung? NJW 1982, 2851 m.w.N.

434 BGHZ 99, 274 = NJW 1987, 904 = DNotZ 1987, 488; OLG Stuttgart NJW 1979, 222 = JZ 1978, 759 = DNotZ 1979, 21; LG Stuttgart JZ 1977, 760 = DNotZ 1977, 602. 435 BGH JZ 1991, 874; OLG Oldenburg NJW 1985, 152; OLG Stuttgart NJW 1987, 71 = DNotZ 1987, 498; a.A. OLG Düsseldorf NJW-RR 1986, 1312; OLG Hamm WM 1987, 1064 = DNotZ 1987, 500. 436 Vgl. außer Fn. 410 BGH NJW 2001, 2096; DNotZ 1990, 552; OLG Hamm Rpfleger 1991, 376 = JurBüro 1991, 869. Vgl. auch zum Ganzen DNotI-Report 2008, 161, 163; Dieckmann Zur Frage der Erteilung der vollstreckbaren Ausfertigung(en) der Grundschuldbestellungsurkunde nach dem Risikobegrenzungsgesetz, BWNotZ 2009, 144; Rastätter Grenzen der banküblichen Sicherung durch Grundpfandrecht, DNotZ 1987, 459. 437 BGHZ 99, 274 = NJW 1987, 904 = DNotZ 1987, 488 m.w.N.; a.A. Stürner Die Kreditsicherung der Banken und das neue AGBG, JZ 1977, 638. 438 Zum Verzicht auf die Nachweiserfordernisse und ihre grundsätzliche Zulässigkeit etwa noch § 797 Rdn. 11 sowie etwa BGHZ 227, 154; BGH NJW 2008, 3208, 3210; OLG München Rpfleger 2017, 23; abweichend dagegen noch BGH, NJW 2002, 138; BGH DNotZ 1999, 53 (Nachweisverzicht führe zur Unwirksamkeit der Unterwerfungserklärung, dagegen Wolfsteiner Zwangsvollstreckungsunterwerfung mit Nachweisverzicht im Bauträgervertrag? DNotZ 1999, 99); Volmer Die Kündigung der Sicherungsgrundschuld nach dem Risikobegrenzungsgesetz, MittBayNot 2009, 1, 7. 439 BGH NJW 2001, 2096; LG München II DNotZ 1990, 574; Müller Notarielle Vollstreckungstitel, RNotZ 2010, 167, 172; Wolfsteiner Beweislastumkehr durch Zwangsvollstreckungsunterwerfung? NJW 1982, 2851; Ritzinger Die inadäquate Vollstreckungsunterwerfung im Grundstückskaufvertrag, BWNotZ 1990, 25, 27; OLG Hamm Rpfleger 1991, 376; a.A. OLG Koblenz BauR 1988, 748; LG Waldshut-Tiengen NJW 1990, 192; OLG Nürnberg DNotZ 1990, 564 ff.; LG Mainz ebenda, 567; LG Köln ebenda, 577; OLG Düsseldorf BauR 1995, 741. 440 Vgl. Wolfsteiner Beweislastumkehr durch Zwangsvollstreckungsunterwerfung? NJW 1982, 2851 (m. Formulierungsvorschlag). 441 BGHZ 185, 133 = NJW 2010, 2041. 442 Der Schuldner kann seine Zweifel hieran im Wege der Klauselgegenklage nach § 768 geltend machen, BGH Rpfleger 2011, 592. 443 Dazu BGH MittBayNot 2014, 268; OLG Schleswig BeckRS 2013, 06559. 583

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eines Vertrages zwischen Zedent und Zessionar zu Gunsten des Sicherungsgebers444 oder auf vergleichbare Weise erfolgen.445

VIII. Duldungsurkunde (§ 794 Abs. 2) 106 Die Regelung des Abs. 2 ist gegenüber der Nr. 5 des Abs. 1 deswegen erforderlich, weil der Duldungsschuldner gerade nicht zur Leistung verpflichtet ist. Der für den Gläubiger in den genannten Fällen gleichwohl erforderliche Duldungstitel (vgl. § 737 – Nießbraucher, § 743 – Ehegatte nach Beendigung der Gütergemeinschaft, § 745 Abs. 2 – Abkömmlinge und § 748 Abs. 2446 – Testamentsvollstrecker) kann aus Beschleunigungsgründen als notarielle Urkunde erstellt werden; diese ist gewissermaßen Urteilssurrogat.447 Die darin erklärte Vollstreckbarkeit ist auf das jeweilige Sondervermögen beschränkt, kann 107 sich dabei aber auf jeden Leistungsanspruch, nicht nur den auf Geld gerichteten beziehen.

IX. Europäische Titel 108 Die in den Nrn. 6 bis 9 angeführten Titel europäischer Provenienz sind hinsichtlich ihrer Vollstreckbarkeit im Zusammenhang mit den Verweisungen in § 795 S. 1 zu sehen. Infolgedessen wird auf die Kommentierungen des 11. Buchs der ZPO verwiesen. Den in Abs. 1 angesprochenen europäischen Titeln ist gemeinsam, dass sie keiner Vollstreckungsklausel bedürfen. Diese bewusste und gezielte Vereinfachung durch das europäische Vollstreckungsrecht448 wird man angesichts des notwendigen effet utile nicht nur als Ausschluss gerade und nur des § 724 zu verstehen haben, sondern auch als einen solchen, der die titelergänzenden, § 726, und die titelübertragenden Klauseln, §§ 727 ff., erfasst. Die darin liegende Ungleichbehandlung gegenüber inländischen Titeln führt zwar zu einer eklatanten, weil benachteiligenden Ungleichbehandlung – gerade in Anbetracht der unzähligen Fallstricke für den Gläubiger auch in diesem Verfahrensabschnitt –, doch kann diese in Anbetracht der Normenhierarchie nicht in der Weise aufgelöst werden, dass die ausländischen Titel erschwerten Bedingungen ausgesetzt werden; vielmehr wird es über kurz oder lang zu einer Vereinfachung der Vollstreckbarkeit auch der inländischen Titel kommen müssen.

1. Europäische Zahlungsbefehle 109 Für die von Nr. 6 angesprochenen europäischen Zahlungsbefehle449 haben in vollstreckungsrechtlicher Hinsicht eine Sonderregelung in den §§ 1093 bis 1096 erfahren. Danach bedarf es zur Vollstreckung keiner Vollstreckungsklausel, § 1093, und es bestehen für bestimmte Einwände die Sondervorschriften des § 1096.

444 445 446 447 448 449

BGH NJW 2012, 2354. BGH NJW 2012, 2354. Abs. 2 ist ebenfalls auf § 748 Abs. 3 anzuwenden, vgl. etwa Musielak/Voit/Lackmann Rdn. 48. Münch Vollstreckbare Urkunde und prozessualer Anspruch, 1989, 108. Dazu etwa Hess EuZPR, 603 ff.; Nagel/Gottwald IZPR 682 ff., 940 f. Vollkommer/Huber Neues Europäisches Zivilverfahrensrecht in Deutschland, NJW 2009, 1105, 1107; Freitag/Leible Erleichterung der grenzüberschreitenden Forderungsbeitreibung in Europa, BB 2008, 2750; Sujecki Das Europäische Mahnverfahren, NJW 2007, 1622. Paulus

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2. Europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen Nr. 7 adressiert die Vollstreckbarkeit europäischer Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderun- 110 gen.450 Sie sind in den §§ 1079 bis 1086 gesondert geregelt. Dabei ergibt sich aus § 1082, dass es zu der Vollstreckung im Inland keiner Vollstreckungsklausel bedarf; und in § 1086 sind Sonderregelungen für die örtliche Gerichtszuständigkeit einer Vollstreckungsabwehrklage enthalten sowie der Ausschluss der Präklusionswirkung bei ausländischen Vergleichen und öffentlichen Urkunden. Im Übrigen gelten über § 795 die allgemeinen Vorschriften.

3. Europäische Vollstreckungstitel für geringfügige Forderungen Nr. 8 spricht die Vollstreckbarkeit europäischer Titel für geringfügige Forderungen an.451 Damit 111 sind ausweislich des Art. 2 Abs. 1 EuGFVO titulierte Forderungen bis zur Höhe von A 2000,– gemeint. Für sie sehen die §§ 1105 bis 1109 Sondervorschriften vor, die gegenüber der Anwendung der allgemeinen Vorschriften über § 795 zu beachten sind. Auch hierbei ist gemäß § 1107 die Erteilung einer Vollstreckungsklausel erlassen.

4. Direkt vollstreckbare europäische Titel Nr. 9 stellt den bislang letzten Baustein der europäischen Architektur für die Freizügigkeit von 112 Urteilen innerhalb der Mitgliedstaaten dar, indem es sämtliche, von der neu geregelten EuGVVO erfassten vollstreckbaren Entscheidungen zu direkt vollstreckbaren Titeln (d.h. also ohne ein wie auch immer geartetes Exequaturverfahren nach dem AVAG, vgl. Art. 39 EuGVVO) deklariert. Nach § 1112 bedarf es auch für diese Titel keiner Vollstreckungsklausel; für die Vollstreckungsgegenklage sieht § 1117 Besonderheiten vor und § 1115 solche für die Versagung der Vollstreckbarkeit. Anhang zu § 794: EuGVVO und Lugano-Übereinkommen452 Art. 58 (1) 1Öffentliche Urkunden, die im Ursprungsmitgliedstaat vollstreckbar sind, sind in den anderen Mitgliedstaaten vollstreckbar, ohne dass es einer Vollstreckbarerklärung bedarf. 2Die Zwangsvollstreckung aus der öffentlichen Urkunde kann nur versagt werden, wenn sie der öffentlichen Ordnung (ordre public) des ersuchten Mitgliedstaats offensichtlich widersprechen würde. 3 Die Vorschriften des Kapitels III Abschnitt 2, des Abschnitts 3 Unterabschnitt 2 und des Abschnitts 4 sind auf öffentlichen Urkunden sinngemäß anzuwenden. (2) Die vorgelegte öffentliche Urkunde muss die Voraussetzungen für ihre Beweiskraft erfüllen, die im Ursprungsmitgliedstaat erforderlich sind. Art. 59 Gerichtliche Vergleiche, die im Ursprungsmitgliedstaat vollstreckbar sind, werden in den anderen Mitgliedstaaten unter denselben Bedingungen wie öffentliche Urkunden vollstreckt.

450 Dazu etwa Müller Notarielle Vollstreckungstitel, RNotZ 2010, 167, 177; Jennissen Der Europäische Vollstreckungstitel, InVo 2006, 218. 451 Zur EuGFVO etwa Kern Das europäische Verfahren für geringfügige Forderungen und die gemeineuropäischen Verfahrensgrundsätze, JZ 2012, 389; Leible Erleichterung der grenzüberschreitenden Forderungsbeitreibung in Europa, BB 2009, 2. 452 Zu den Artikeln 57 und 58 des Lugano-Übereinkommens s. unten Rdn. 15. 585

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Art. 60 Die zuständige Behörde oder das Gericht des Ursprungsmitgliedstaats stellt auf Antrag eines Berechtigten die Bescheinigung mit einer Zusammenfassung der in der öffentlichen Urkunde beurkundeten vollstreckbaren Verpflichtung oder der in dem gerichtlichen Vergleich beurkundeten Parteivereinbarung unter Verwendung des Formblatts in Anhang II aus.

Übersicht I.

Bedeutung

113

II. 1.

Anwendungsbereich Öffentliche Urkunden a) Errichtungsort 117 b) Urheber 118 c) Inhalt d) Vollstreckbarkeit

114 116

2.

Vor einem Richter geschlossene Verglei122 che

III. 1. 2. 3.

Verfahren 124 Vollstreckung 125 Ordre public Einwendungen des Schuldners

126

121

I. Bedeutung 113 Die hier abgedruckten Vorschriften erweitern den Kreis der vollstreckbaren Titel, die an den durch die EuGVVO453 geschaffenen Vollstreckbarkeitserleichterungen teilhaben sollen und gehen damit über das von Art. 36 Abs. 1 Verlangte insofern hinaus, als dort nur von Entscheidungen die Rede ist. Zumindest hinsichtlich des Prozessvergleiches in Art. 59 liegt eine solche Wirkungserstreckung allein schon aus Gründen der Prozessökonomie nahe, weil anderenfalls potentielle Vergleiche hätten scheitern können, wenn ihre Vollstreckung im Ausland nicht vorhersehbar ist. Hinsichtlich der öffentlichen Urkunde bedeutet die Wirkungserstreckung dagegen eine originäre Erweiterung der Mobilität dieser Titel.454 Die am 10. Januar 2015 in Kraft getretene Neufassung der Vorschriften strebt eine Beschleunigung und Erleichterung der grenzüberschreitenden Anerkennung und Vollstreckung an.455

II. Anwendungsbereich 1. Öffentliche Urkunden 114 Art. 58 setzt die Existenz entsprechender Urkunden in den Mitgliedstaaten,456 Art. 60, voraus457 und beschränkt sich auf die Statuierung von Mindestanforderungen für ihre transnationale Mobilität. In Art. 2 lit. c findet sich eine Definition, der zufolge es sich dabei um ein Schriftstück handeln muss, „das als öffentliche Urkunde im Ursprungsmitgliedstaat förmlich errichtet oder eingetragen worden

453 In der am 10. Januar 2015 in Kraft getretenen Fassung der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012. Dazu etwa Alio Die Neufassung der Brüssel I-Verordnung, NJW 2014, 2395. 454 Dazu etwa Stürner Die notarielle Urkunde im europäischen Rechtsverkehr, DNotZ 1995, 343. 455 Saenger/Dörner Vorbemerkung zur EuGVVO Rdn. 5; s. auch MünchKomm/Gottwald Art. 58 Rdn. 1. 456 Wer dazu genau gehört, s. Art. 52 EU-Vertrag mit Art. 355 AEUV; Wolfsteiner Die vollstreckbare Urkunde, 1978, Rdn. 53.3. 457 Sie macht deren Einrichtung bzw. Ermöglichung keinesfalls zur Pflicht, vgl. Geimer/Schütze, EZVR Art. 57 Rdn. 14. Paulus

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ist und dessen Beweiskraft sich auf die Unterschrift und den Inhalt der öffentlichen Urkunde bezieht und durch eine Behörde oder eine andere hierzu ermächtigte Stelle festgestellt worden ist.“458 Art. 66 enthält eine Übergangsvorschrift, der zufolge die neu gefasste Brüssel I-Verordnung 115 nur auf solche öffentlichen Urkunden und gerichtlichen Vergleiche Anwendung findet, „die am 10. Januar 2015 oder danach […] förmlich errichtet oder eingetragen bzw. gebilligt oder geschlossen worden sind.“ Für davor errichtete öffentliche Urkunden bzw. gerichtliche Vergleiche ist weiterhin die Verordnung 44/2001, mithin die frühere Fassung der EuGVVO, anzuwenden.459 Die sich daraus ergebenden Divergenzen sind minimal, sieht man von der direkten Vollstreckbarkeit einmal ab. Denn aus den Abs. 1 und 3 des Art. 57 EuGVVO a.F. wurde jetzt Art. 58 Abs. 1 und 2 EuGVVO n.F.; Abs. 4 EuGVVO a.F. ist nunmehr Art. 60 EuGVVO n.F. Art. 58 EuGVVO a.F. geht in den Artt. 59 und 60 EuGVVO n.F. auf. Der frühere Art. 57 Abs. 2 EuGVVO wurde ersatzlos gestrichen.

a) Errichtungsort. Im Einzelnen ergeben sich aus der Definition einer öffentlichen Urkunde fol- 116 gende Voraussetzungen:460 Die Urkunde muss in einem anderen Mitgliedstaat als demjenigen förmlich errichtet worden sein, in dem die Vollstreckung durchgeführt werden soll (Vollstreckungsstaat). Diese Lokalisierung stellt allein auf den Errichtungs- bzw. Eintragungsakt ab, nicht dagegen auf die Staatsangehörigkeit oder den (Wohn-)Sitz der beteiligten Parteien. Eine Ausnahme von dieser Fixierung auf den Errichtungsort wird man allein – und unter Vorbehalt der Zuständigkeit nach dem Wiener Übereinkommen über konsularische Beziehungen vom 24.4.1963 (BGBl. II 1969 S. 1585) – für konsularische Urkunden zu machen haben,461 nicht jedoch für solche Orte, mit denen ein Vertragsstaat bilaterale, von den Artt. 69 ff., 76 erfasste Anerkennungsverträge geschlossen hat.462 b) Urheber. Die öffentliche Urkunde muss durch eine Behörde oder eine andere, hierzu (d.h. zur 117 Erstellung eines vollstreckbaren Titels) ermächtigte Stelle eines Mitgliedstaates errichtet worden sein.463 Maßgeblich hierfür ist die noch zu Art. 50 EuGVÜ ergangene Entscheidung des EuGH.464 Danach sind hierzulande Notare oder auch das Jugendamt, aber auch Konsuln entsprechende Stellen,465 nicht aber Anwälte, die einen Anwaltsvergleich nach § 796a geschlossen haben; denn der erlangt Vollstreckbarkeit erst durch die Erklärung des Gerichts bzw. Notars.466

c) Inhalt. Zu den durch Artt. 2 lit. c, 58 aufgestellten inhaltlichen Anforderungen gehört zunächst 118 einmal, dass der beurkundete und zu vollstreckende Anspruch in den durch Art. 1 aufgestellten Anwendungsbereich fällt.467 Es muss sich also um einen zivil- oder handelsrechtlichen Anspruch han458 Diese Definition lehnt sich an Art. 4 Nr. 3 EuVTVO an, MünchKomm/Gottwald Art. 58 Rdn. 3; Thomas/Putzo/Nordmeier Art. 58 Rdn. 2, der sich seinerseits an Art. 50 EuGVÜ mit der dazu ergangenen EuGH-Rspr. orientiert hatte, Geimer/Schütze/Arnold IRV, Art. 4 EuVTVO Rdn. 18. S. auch Geimer Freizügigkeit vollstreckbarer Urkunden im Europäischen Wirtschaftsraum, IPRax 2000, 366. 459 Dazu etwa Seebach Das notarielle Zeugnis über die unbeschränkte Zwangsvollstreckung aus ausländischen Notarurkunden nach EuGVVO und AVAG, MittBayNot 2013, 200; Püls Die Vollstreckung aus notariellen Urkunden in Europa, FS Spellenberg, 2010, 481; Müller Notarielle Vollstreckungstitel, RNotZ 2010, 167, 177; Rechberger Perspektiven der grenzüberschreitenden Zirkulation und Vollstreckung notarieller Urkunden in Europa, FS Schütze, 2002, 903. 460 Zu diesen Voraussetzungen kommt noch in Abgrenzung zu den Entscheidungen des Art. 39 die Freiwilligkeit der Urkundenentstehung hinzu; Wolfsteiner Die vollstreckbare Urkunde Rdn. 53.19 ff. 461 Zu § 10 Abs. 2 KonsG vgl. § 794 Rdn. 84 mit Fn. 360. Im Übrigen Geimer/Schütze EZVR Art. 57 Rdn. 4. 462 MünchKomm/Gottwald Art. 58 Rdn. 9. 463 Hierzu OLG Karlsruhe FamRZ 2007, 1581. 464 RIW 1999, 782. 465 Saenger/Dörner Art. 58 Rdn. 2. 466 Ungenau daher Thomas/Putzo/Nordmeier Art. 58 Rdn. 2; wie hier Saenger/Dörner Art. 58 Rdn. 3. 467 Kropholler/v. Hein EuZPR Art. 57 Rdn. 1. 587

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deln, der nicht bestimmte familien- bzw. erbrechtliche Ansprüche erfasst, vgl. Art. 1 Abs. 2 lit. e und f. Divergiert die Qualifikation einer bestimmten Forderung zwischen dem Errichtungs- und dem Vollstreckungsstaat,468 stellt sich die Frage, auf wessen Qualifikation es ankommen soll. Obgleich die von Art. 58 verwirklichte Verkehrsfähigkeit der Vollstreckungstitel, vgl. Rdn. 1, fast schon für eine Art von Günstigkeitsprinzip zugunsten des Gläubigers sprechen würde, erscheint es doch richtiger, auf die Einordnung durch den Errichtungsstaat abzustellen. Denn Ziel der EuGVVO ist die Erleichterung einer Rechtsdurchsetzung, nicht aber die Vereinheitlichung der Qualifikationen. 119 Als weiteres inhaltliches Erfordernis nennt Art. 2 lit. c, dass die betreffende Urkunde die Voraussetzungen des Rechts des Errichtungsstaats „für ihre Beweiskraft“ erfüllt. Die in § 415 Abs. 1 ZPO gegebene Definition einer öffentlichen Urkunde und ihrer Beweiskraft kann bestenfalls als Anhaltspunkt, nicht jedoch als Maßstab dienen, weil jene europäische Vorschrift eine vertragsautonome Festsetzung statuiert. Bezüglich des Umfangs dieser Beweiskraft ist demnach vorausgesetzt, dass sie sich auf die Unterschrift und den Inhalt des Beurkundeten erstreckt;469 die Bestätigung lediglich der Echtheit der Unterschrift, wie beispielsweise die konsularische Legalisierung ausländischer Urkunden nach § 13 KonsG, genügt demgegenüber nicht.470 Denn angesichts der durch Art. 58 Abs. 1 S. 2 stark eingeschränkten Überprüfungsmöglichkeiten im Vollstreckungsstaat, Rdn. 13 f., muss die (grundsätzliche) Richtigkeit des bezeugten Vorgangs wenigstens durch das Recht des Errichtungsstaates gewährleistet sein. 120 Hinsichtlich des erforderlichen Inhalts kann daher zusammengefasst werden, dass sich die öffentliche Urkunde auf einen nach dem Recht des Errichtungsstaates zu beurteilenden zivil- oder handelsrechtlichen Anspruch bezieht. Auch im Übrigen richtet es sich allein nach dem Errichtungsstaat, von wem, wegen welcher Ansprüche, für welche Personen und hinsichtlich welcher Vollstreckungsgegenstände die Urkunde ausgestellt wird.

121 d) Vollstreckbarkeit. Schließlich muss die vorgelegte Urkunde in dem Errichtungsstaat vollstreckbar sein. Die Vollstreckbarkeit im Vollstreckungsstaat ist gewissermaßen akzessorisch zu der im Errichtungsstaat; vorbehaltlich des ordre public-Einwandes, Rdn. 13, besteht oder entfällt demnach jene mit diesen.471 Mit diesem Erfordernis werden nicht solche öffentlichen Urkunden aus dem Anwendungsbereich des Art. 58 ausgeschlossen, die im Errichtungsstaat noch einer Klauselerteilung bedürfen, sondern nur solche, die nicht für sich allein als Titel fungieren können. Ein Anwaltsvergleich fällt daher nicht unter den Begriff der öffentlichen Urkunde des Art. 58, weil Grundlage seiner Vollstreckbarkeit nicht der Vergleich selbst, sondern die gerichtliche Entscheidung oder die des Notars, §§ 796b und c ZPO, ist.472 Die besagte Akzessorietät schließt aber de lege lata auch solche Urkunden von dem Anwendungsbereich des Art. 58 aus, die im Errichtungsstaat nicht vollstreckbar sind, dort aber von vornherein im Hinblick auf die Rechtslage des Vollstreckungsstaates entworfen worden sind.473

2. Vor einem Richter geschlossene Vergleiche 122 Art. 59 stellt die vor den Gerichten eines Mitgliedstaates abgeschlossenen Vergleiche den in Art. 58 genannten öffentlichen Urkunden gleich, wenn jene nach dem Recht des Gerichtsstaates voll468 Vgl. das von MünchKomm/Gottwald Art. 58 Rdn. 7 gegebene Beispiel der Kostenforderung eines Notars in den Niederlanden und in Deutschland. Vgl. den Bericht zum Lugano-Übereinkommen Jenard/Möller, ABl. EG 1990 C 189/57, Nr. 72. Wolfsteiner Die vollstreckbare Urkunde, Rdn. 53.17. S. auch D. Paulus/E. Peiffer/M. Peiffer Europäische Gerichtsstands- und Vollstreckungsverordnung, Art. 58 Rdn. 18. Vgl. Leutner/Hacker Zu Unrecht verschmäht: Der vollstreckbare Anwaltsvergleich, NJW 2012, 1318, 1322. Wie hier Thomas/Putzo/Nordmeier Art. 58 Rdn. 4. Teilweise a.A. Geimer Vollstreckbare Urkunden ausländischer Notare, DNotZ 1975, 461, 471.

469 470 471 472 473

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streckbar, vgl. die vorige Rdn., sind. Eine prozessbeendigende Wirkung verlangt die in Art. 2 lit. b gegebene Definition eines gerichtlichen Vergleichs nicht, wohl aber, dass der Vergleich im Laufe eines vor Gericht (d.h. nicht zwingend auch vor einem Richter) stattfindenden Verfahrens geschlossen wurde.474 Dadurch werden etwa außergerichtliche Vergleiche, vgl. § 794 Rdn. 68, ausgegrenzt. Wegen der Rechtsfolge spielt die weitere Ausgrenzung beispielsweise des Gütestellenvergleichs, dazu § 794 Rdn. 67, im Ergebnis jedoch keine Rolle, weil dieser unter Art. 58 fällt. Da auch für den Prozessvergleich nichts anderes hinsichtlich seines Verhältnisses zu Art. 1 123 gelten kann als für die öffentliche Urkunde,475 Rdn. 6, kann es zu schwierigen Abgrenzungsproblemen kommen, wenn der Vergleich verschiedene476 Ansprüche umfasst. Hier muss die Vollstreckungsbehörde die entsprechenden Einschränkungen beachten.

III. Verfahren 1. Vollstreckung Art. 58 Abs. 1 Unterabs. 2 verweist auf bestimmte Abschnitte des Kapitel III und reguliert damit 124 die Vollstreckung. Sie hat gemäß den Artt. 39 ff., 46 ff. und 52 ff. zu erfolgen. Gemäß Art. 41 ist also das Recht des Vollstreckungsstaats anzuwenden, soweit nicht die Verordnung selbst Abweichendes bestimmt; der EuGVVO kommt mithin Anwendungsvorrang zu. Die vom Schuldner dabei der zuständigen Vollstreckungsbehörde vorzulegenden Unterlagen ergeben sich aus Art. 42, nämlich eine geeignete Ausfertigung der zu vollstreckenden öffentlichen Urkunde bzw. des gerichtlichen Vergleiches sowie eine Bestätigung (Bescheinigung, Art. 60) nach Art. 53477 – nicht aber auch eine Vollstreckungsklausel, § 1112 ZPO. Die Zuständigkeit zur Ausstellung einer Bestätigung liegt hinsichtlich in Deutschland verfasster öffentlicher Urkunden bzw. gerichtlicher Vergleiche bei den in § 1110 ZPO bestimmten Notaren bzw. Gerichten. Das dabei einzuhaltende Verfahren ist in § 1111 ZPO geregelt.

2. Ordre public Öffentliche Urkunden und richterliche Vergleiche werden gegenüber richterlichen Entscheidun- 125 gen insofern privilegiert, als ihre Anerkennung einzig und allein unter der in Art. 58 Abs. 1 S. 2 genannten Voraussetzung, d.h. bei einem Verstoß gegen den ordre public, versagt werden kann.478 Zu dessen Umfang vgl. die Kommentierung zu Art. 45 Abs. 1 lit. a im Anh. zu § 328. Zusätzlich zu der Prüfung der Wirksamkeit der Urkunds- oder Vergleichserrichtung479 muss nach der hier vertretenen Auffassung untersucht werden, ob die aus dem Vergleich für vollstreckbar zu erklärenden Ansprüche nach dem Recht des Gerichtsstaates die relevanten, Rdn. 6, zivil- oder handelsrechtlichen Ansprüche betreffen.

474 Zur autonomen Auslegung dieses Begriffs Kropholler/v. Hein EuZPR Art. 58 Rdn. 1a. D. Paulus/E. Peiffer/M. Peiffer Europäische Gerichtsstands- und Vollstreckungsverordnung, Art. 59 Rdn. 1 ff. 475 Geimer/Schütze EZVR Art. 58 Rdn. 8 ff.; Rauscher/Staudinger EuZPR Art. 58 Rdn. 1 ff. 476 Auch hier richtet sich deren Qualifikation nach dem Recht des Gerichtsstaates. 477 S. dazu Erwägungsgrund 37 mitsamt Anhang I und II der EuGVVO. 478 Vgl. OLG Koblenz IPRspr 2004, Nr. 171, 386. D. Paulus/E. Peiffer/M. Peiffer Europäische Gerichtsstands- und Vollstreckungsverordnung, Art. 58 Rdn. 23 mit Bezugnahme auf den materiell-rechtlichen wie verfahrensrechtlichen ordre public. 479 OLG Düsseldorf OLGR 2008, 643. 589

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3. Einwendungen des Schuldners 126 Zusätzlich zu den im Errichtungs- oder Gerichtsstaat gegebenen Rechtsschutzmöglichkeiten480 richten sich die nach der EuGVVO oder dem Lugano-Übereinkommen gegebenen Einwendungsmöglichkeiten nach den Artt. 46 ff. Der ordre public-Verstoß muss also mittels des in Art. 47 Abs. 1 angesprochenen Antrags bei dem über § 1115 ZPO ausschließlich zuständige Landgericht gerügt werden. Darüber hinaus kann sich der Schuldner sowohl mittels der über § 1117 ZPO vorgesehenen Vollstreckungsabwehrklage wegen materiell-rechtlicher Einwände zur Wehr setzen als auch mittels des in § 1116 ZPO vorgesehenen Einwandes, dass die Vollstreckbarkeit nicht besteht oder entfallen ist. Art. 57 Lugano-Übereinkommen481 (1) 1Öffentliche Urkunden, die in einem durch dieses Übereinkommen gebundenen Staat aufgenommen und vollstreckbar sind, werden in einem anderen durch dieses Übereinkommen gebundenen Staat auf Antrag in dem Verfahren nach den Artikeln 38 ff. für vollstreckbar erklärt. 2Die Vollstreckbarerklärung ist von dem mit einem Rechtsbehelf nach Artikel 43 odr Artikel 44 befassten Gericht nur zu versagen oder aufzuheben, wenn die Zwangsvollstreckung aus der Urkunde der öffentlichen Ordnung (ordre public) des Vollstreckungsstaats offensichtlich widersprechen würde. (2) Als öffentliche Urkunden im Sinne von Absatz 1 werden auch vor Verwaltungsbehörden geschlossene oder von ihnen beurkundete Unterhaltsvereinbarungen oder -verpflichtungen angesehen. (3) Die vorgelegte Urkunde muss die Voraussetzungen für ihre Beweiskraft erfüllen, die in dem Staat, in dem sie aufgenommen wurde, erforderlich sind. (4) 1Die Vorschriften des Abschnitts 3 des Titels III sind sinngemäß anzuwenden. 2Die befugte Stelle des durch dieses Übereinkommen gebundenen Staates, in dem eine öffentliche Urkunde aufgenommen worden ist, stellt auf Antrag die Bescheinigung unter Verwendung des Formblatts in Anhang VI dieses Übereinkommens aus. Art. 58 Lugano-Übereinkommen 1

Vergleiche, die vor einem Gericht im Laufe eines Verfahrens geschlossen und in dem durch dieses Übereinkommen gebundenen Staat, in dem sie errichtet wurden, vollstreckbar sind, werden in dem Vollstreckungsstaat unter denselben Bedingungen wie öffentliche Urkunden vollstreckt. 2Das Gericht oder die sonst befugte Stelle des durch dieses Übereinkommen gebundenen Staates, in dem ein Prozessvergleich geschlossen worden ist, stellt auf Antrag die Bescheinigung unter Verwendung des Formblatts in Anhang V dieses Übereinkommens aus.

127 Während die Vollstreckbarkeit von öffentlichen Urkunden482 und Prozessvergleichen in der ursprünglichen Fassung des Übereinkommens ganz eng an die Vorgaben der EuGVVO angelehnt waren, hat die Revision des Übereinkommens zu nicht nur marginalen Änderungen geführt.483 Deren wichtigste ist die Notwendigkeit eines Exequatur, um die Vollstreckbarkeit in dem Vollstreckungsstaat zu schaffen. Die Vorschriften finden Anwendung im Verhältnis zu den Nur-LugÜStaaten Schweiz, Norwegen und Island – und zwar in beide Richtungen. Voraussetzung ist jeweils, dass der allgemeine Anwendungsbereich des Übereinkommens eröffnet ist, dass es sich also insbesondere um Dokumente handelt, die sich auf das Handels- bzw. Zivilrecht beziehen. Voraussetzung für die Vollstreckbarkeit der in Abs. 1 und 2 näher konkretisierten Urkundenty128 pen ist, dass ihnen diese Eigenschaft in ihrem Erstellungsstaat zuerkannt ist – hierzulande also insbesondere die vollstreckbare Urkunde des § 794 Abs. 1 Nr. 5. Wenn dagegen erst noch ein weiterer, die Vollstreckbarkeit herbeiführender Akt vorgenommen werden muss, findet Art. 57 LugÜ keine Anwendung.484 480 OLG Stuttgart FamRZ 2014, 792. 481 In der Fassung des revidierten Übereinkommens von Lugano vom 30. Oktober 2007. 482 Dazu etwa Schwandner Vollstreckbarkeit öffentlicher Urkunden – Rechtsnatur, Verfahren der Erstellung und der Vollstreckung, AJP 2006, 667. 483 Zu den Hintergründen Hess Europäisches Zivilprozessrecht, 2020, 5.42 ff. 484 Oetiker/Weibel/Gelzer, Lugano-Übereinkommen, 2016, Art. 58 Rdn. 19 f. Paulus

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Die Übertragung der Vollstreckbarkeit in den Bereich des Vollstreckungsstaates erfolgt im Rah- 129 men eines allein aufgrund Antrags eingeleiteten Verfahrens nach näherer Maßgabe der Artt. 38 ff. und 43 ff. LugÜ. Die – durch die Neufassung eingegrenzte – Möglichkeit der Abweisung eines derartigen Antrags ist beschränkt auf „offensichtliche“ Verstöße gegen den ordre public; sie können verfahrensrechtlicher oder materieller Natur sein. Bei einer in Deutschland durchgeführten Vollstreckung wird man dem Schuldner aber zugestehen müssen, dass er eine Vollstreckungsgegenklage, § 767, erheben kann, um Einwendungen gegen den zu vollstreckenden Anspruch zu erheben. Indem Art. 58 LugÜ für die ausländische Vollstreckbarkeit die Verwendung des angegebenen 130 Formblatts vorschreibt, gleicht sich der Regelungsgehalt dieser Vorschrift an den des Art. 57 LugÜ an. Für die Anforderungen an den Prozessvergleich gelten die je nationalen Regelungen, sofern folgende Grundvoraussetzungen erfüllt sind: Der Vergleich muss „vor einem Gericht“ und „im Verlauf eines Verfahrens“ abgeschlossen sein, und es muss ihm nach diesem Recht die Vollstreckbarkeit zukommen. Die Vollstreckbarerklärung in dem Vollstreckungsstaat folgt den Verfahrensgeboten, die nach Art. 57 LugÜ für öffentliche Urkunden gelten.

§ 794a Zwangsvollstreckung aus Räumungsvergleich (1)

(2) (3)

(4) (5)

1 Hat sich der Schuldner in einem Vergleich, aus dem die Zwangsvollstreckung stattfindet, zur Räumung von Wohnraum verpflichtet, so kann ihm das Amtsgericht, in dessen Bezirk der Wohnraum belegen ist, auf Antrag eine den Umständen nach angemessene Räumungsfrist bewilligen. 2Der Antrag ist spätestens zwei Wochen vor dem Tag, an dem nach dem Vergleich zu räumen ist, zu stellen; §§ 233 bis 238 gelten sinngemäß. 3 Die Entscheidung ergeht durch Beschluss. 4Vor der Entscheidung ist der Gläubiger zu hören. 5Das Gericht ist befugt, die im § 732 Abs. 2 bezeichneten Anordnungen zu erlassen. 1 Die Räumungsfrist kann auf Antrag verlängert oder verkürzt werden. 2Absatz 1 Satz 2 bis 5 gilt entsprechend. 1 Die Räumungsfrist darf insgesamt nicht mehr als ein Jahr, gerechnet vom Tag des Abschlusses des Vergleichs, betragen. 2Ist nach dem Vergleich an einem späteren Tag zu räumen, so rechnet die Frist von diesem Tag an. Gegen die Entscheidung des Amtsgerichts findet die sofortige Beschwerde statt. 1 Die Absätze 1 bis 4 gelten nicht für Mietverhältnisse über Wohnraum im Sinne des § 549 Abs. 2 Nr. 3 sowie in den Fällen des § 575 des Bürgerlichen Gesetzbuchs. 2Endet ein Mietverhältnis im Sinne des § 575 des Bürgerlichen Gesetzbuchs durch außerordentliche Kündigung, kann eine Räumungsfrist höchstens bis zum vertraglich bestimmten Zeitpunkt der Beendigung gewährt werden.

Übersicht I.

Gesetzesgeschichte, Normzweck

1 3.

II.

Anwendungsbereich

III. 1. 2.

Verfahren Zuständiges Gericht 7 Antrag 8 a) Form

2

9 b) Frist Entscheidung a) Entscheidungsfindung 14 b) Räumungsfrist 17 c) Wirkungen

11

5

591 https://doi.org/10.1515/9783110443158-080

IV.

Kosten

18

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I. Gesetzesgeschichte, Normzweck 1 Die Vorschrift wurde durch das Gesetz v. 14.7.19641 eingeführt und zuletzt durch das Zivilprozessreformgesetz v. 27.7.20012 geändert. Ihr Zweck besteht darin, den Abschluss von Räumungsvergleichen3 zu erleichtern, indem diesen der entsprechende Schutz gewährt wird wie den Urteilen in § 721.4 Weil diese Norm von der Verweisung in § 795 nicht erfasst ist, bedurfte es der ausdrücklichen Normierung der vorliegenden Vorschrift. Zu dem im Übrigen mit § 721 identischen Normzweck des Wohnraumschutzes s. dort Rdn. 2.5

II. Anwendungsbereich 2 Die systematische Stellung der Norm bedingt, dass unter „Vergleich“ nur der auch in § 794 Abs. 1 Nr. 1 adressierte Prozessvergleich,6 vgl. § 794 Rdn. 2 ff., gemeint ist, nicht aber ein außergerichtlicher Vergleich oder eine sonstige Räumungsvereinbarung.7 Um diese im Wege der Zwangsvollstreckung durchsetzen zu können, benötigt der Gläubiger einen Gerichtsbeschluss, vgl. § 794 Rdn. 68, auf den § 721 anzuwenden ist. Auch wenn es einen derartigen Beschluss bei einem Anwaltsvergleich des § 796a Abs. 2 gerade nicht gibt, sollte dennoch § 794a wegen des mit diesem Rechtsinstitut verbundenen Entlastungszwecks auf ihn angewendet werden.8 Abs. 5 klammert bestimmte Mietverhältnisse (Anmietungen der öffentlichen Hand zur Versor3 gung bedürftiger Personen,9 § 549 Abs. 2 Nr. 3 BGB) und Vertragskonstellationen (Zeitmietvertrag i.S.d. § 575 BGB) von seinem Anwendungsbereich aus; s. auch § 721 Abs. 7. Das Gleiche gilt kraft spezialgesetzlicher Regelung für Vergleiche, die nach Maßgabe des § 36 FamFG geschlossen werden, § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG; denn danach finden die Vorschriften der ZPO – und damit auch § 794a – Anwendung.10 Zu dem von der Vorschrift erfassten Wohnraum s. im Einzelnen § 721 Rdn. 6 ff. 4

III. Verfahren 1. Zuständiges Gericht 5 Nach Abs. 1 S. 1 ist dasjenige Amtsgericht zuständig, in dessen Bezirk der Wohnraum belegen ist. Unerheblich ist demgegenüber, vor welchem Gericht der Vergleich geschlossen worden ist.11 Diese 1 2 3 4

BGBl. I S. 457. BGBl. I S. 1887. Dazu etwa Fleindl Der Räumungsvergleich in Mietsachen, ZMR 2016, 8. Zur fehlenden Abdingbarkeit s. § 721 Rdn. 2; dazu – offen lassend – BGH NJW-RR 2009, 422; s. allerdings auch BGH WuM 2022, 559. Verzicht als bindend anerkennend demgegenüber LG München I ZMR 2009, 371; LG Heilbronn vom 12.1.2022 – juris. 5 S. dort Rdn. 33 zur Frage der Disponibilität des Schutzes durch die Parteien; s. auch LG München I NZM 2008, 839. Diese Frage offen lassend BGH NJW-RR 2009, 422. 6 Er muss den vollstreckungsrechtlichen Bestimmtheitsanforderungen genügen, vgl. AG Bensheim DGVZ 1978, 122. 7 LG Wuppertal NJW 1967, 832; Stein/Jonas/Münzberg Rdn. 1; a.A. LG Ulm MDR 1980, 944. Zu den inhaltlichen Anforderungen an einen Räumungsvergleich etwa AG Bad Iburg DGVZ 2022, 111. 8 So auch Münch Der vollstreckbare Anwaltsvergleich als Räumungsvergleich, NJW 1993, 1181. 9 Noack Gegenstandslos gewordene Räumungstitel, Vollstreckungsschutz gegenüber der Räumungsvollstreckung, Wirkung und Folgen der Einweisungsverfügung der Obdachlosen-Behörde, symbolische Räumung, DGVZ 1978, 161; Otto Die Gemeinden als Zwischenmieter nach dem Wohnungsbauerleichterungsgesetz, VR 1990, 341. 10 Je noch zur HausratsVO OLG München NJW 1978, 548; OLG Karlsruhe Justiz 1979, 438; MünchKomm/Wolfsteiner Rdn. 2. 11 AG Sonthofen DB 1968, 1456; LAG Tübingen NJW 1970, 2046. Paulus

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Zuständigkeit führt dazu, dass derjenige Richter mit der Entscheidung betraut ist, der die größte Sachnähe zu den örtlichen Wohnungsverhältnissen12 vorzuweisen hat. Gleichwohl tritt aus Gründen des Gläubigerschutzes bei beweglichem Wohnraum – Schiffe, Wohnwagen, Containern – in analoger Anwendung des § 261 Abs. 3 Nr. 2 eine „perpetuatio fori“ desjenigen Gerichts ein, bei dem zulässigerweise der Antrag gestellt wurde.13 Weil die Zuständigkeit des Amtsgerichts ausschließlich ist, § 802, und damit wegen der im 8. 6 Buch einheitlich gepflogenen Diktion und wegen der Parallele zu § 721 nicht beim Vollstreckungsgericht liegt,14 liegt die funktionelle Zuständigkeit für die Entscheidung beim Richter.

2. Antrag Das Gericht wird nur auf Antrag einer der Vergleichsparteien hin tätig. Hinsichtlich des Schuld- 7 ners gilt das sowohl für die erstmalige Gewährung der Räumungsfrist als auch für deren Verlängerung(en), Abs. 1 S. 1 und Abs. 2,15 hinsichtlich des Gläubigers für die Verkürzung der Frist, Abs. 2. Angesichts der gesetzlichen Konzeption des Räumungsschutzes ist die Berechtigung zur Antragsstellung auf die in §§ 563 und 563a BGB genannten Personen zu erstrecken, wenn eine der Parteien verstirbt.16

a) Form. Der Antrag ist gem. § 496 entweder schriftlich oder mündlich zu Protokoll der Geschäfts- 8 stelle des Amtsgerichts einzureichen. Anwaltliche Vertretung ist daher nicht erforderlich.

b) Frist. Der Zugang des Schriftstückes oder die mündliche Mitteilung muss die in Abs. 1 S. 2 genann- 9 te Zwei-Wochen-Frist wahren. Aus dieser Formulierung ergibt sich, dass der Räumungstag in die Berechnung nicht mit einzubeziehen ist; aus § 222 Abs. 1 i.V.m. § 187 Abs. 1 BGB folgt die Nichtberücksichtigung des Tages der Antragsstellung. Infolgedessen muss zwischen Antragsstellung und Räumungstag der Zeitraum von zwei Wochen liegen – d.h.: wenn am 16. eines Monats zu räumen ist, muss der Antrag spätestens am 1. dieses Monats gestellt werden. Ist das einer der in § 222 Abs. 2 genannten Feiertage, muss der Antrag spätestens am dem davor liegenden Werktag gestellt werden.17 Im Falle einer Fristversäumung gestattet das Gesetz unter den Voraussetzungen des § 233 eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Liegen solche Voraussetzungen nicht vor, ist der Antrag als unzulässig abzuweisen, wenn nicht ausnahmsweise der Schuldnerschutz des § 765a eingreift.18 Ist die im Vergleich vereinbarte Räumungsfrist19 kürzer als zwei Wochen, ist § 794a gleichwohl 10 anzuwenden;20 anderenfalls würde der Normzweck, Rdn. 1, gerade bei solch kurzfristigen Vereinbarungen vereitelt. In einem solchen Fall kann der Antrag (unbeschadet der Zwei-Wochen-Frist des § 234) nur bis zum Ablauf der vereinbarten Frist, also auch noch am Räumungstag, gestellt werden.21

12 13 14 15 16 17

LG Berlin Grundeigentum 1989, 945. 2. Aufl. B I. LG Essen Rpfleger 1971, 323; a.A. LG Hildesheim MDR 1968, 55. Zu den Anforderungen AG Eschweiler ZMR 2021, 532. 2. Aufl. A Ib. Vgl. auch Münzberg Die Fristen für Anträge des Räumungsschuldners, WuM 1993, 9; a.A. Müller Grundeigentum 1988, 703. S. überdies LG Berlin NZM 2020, 837. 18 Zur Anwendbarkeit des § 765a s. dort Rdn. 13 sowie LG Görlitz JurBüro 2021, 664; AG Kitzingen vom 21. Januar 2015 – juris; LG Stuttgart m. abl. Anm. von Rupp/Fleischmann Rpfleger 1985, 71. 19 Die Bestimmung des Fristbeginns unterliegt der Parteidisposition, LG Bochum WuM 1966, 41; LG Hagen ZMR 1967, 224. 20 A.A. Thomas/Putzo/Seiler Rdn. 4. 21 MünchKomm/Wolfsteiner Rdn. 8. 593

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3. Entscheidung 11 a) Entscheidungsfindung. Unbeschadet des Umstandes, dass die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung ergehen kann, vgl. § 128 Abs. 4, ist der Gläubiger gleichwohl zuvor zu hören, Abs. 1 S. 4.22 Über Abs. 2 gilt das auch zugunsten des Schuldners, wenn der Gläubiger eine Verkürzung der Frist beantragt. Der Richter soll „eine den Umständen nach angemessene Räumungsfrist“ finden. Was dies 12 für Umstände sind und in welcher Person sie zum Tragen kommen müssen, ist wie auch bei § 721 nicht mitgeteilt. Dabei ist selbstverständlich, dass in erster Linie die den Schuldner23 betreffenden Umstände zu berücksichtigen sind. Im Gegensatz allerdings zu § 721 wird der Richter vorliegend zu bedenken haben, dass sich der Schuldner durch den Vergleich freiwillig zur Räumung verpflichtet hat („volenti non fit iniuria“).24 Darüber hinaus spielen aber ebenso selbstverständlich auch die den Gläubiger betreffenden Umstände eine Rolle: Das ergibt sich aus dem obligatorisch eingeräumten rechtlichen Gehör. Infolgedessen hat der Richter bei seiner Entscheidungsfindung eine Abwägung der involvierten Interessen vorzunehmen;25 das gilt auch für die Verlängerungs- und Verkürzungsanträge des Abs. 2. S. auch Rdn. 15. 13 Die Entscheidung ergeht als Beschluss,26 Abs. 1 S. 3, gegen den Abs. 4 die sofortige Beschwerde einräumt, § 567. Demzufolge besteht die Möglichkeit, darüber hinaus eine Rechtsbeschwerde nach § 574 zuzulassen.27 Das Amtsgericht kann überdies nach Abs. 1 S. 5 die in § 732 Abs. 2 genannten einstweiligen Anordnungen treffen; vgl. § 732 Rdn. 31 f. Eine positive Entscheidung kann nicht von der Erfüllung von Auflagen abhängig gemacht werden.28

14 b) Räumungsfrist. Entgegen der Formulierung des Abs. 3 S. 1 (des Abschlusses des Vergleichs) ist unter „Räumungsfrist“ diejenige Frist zu verstehen, die das Gericht dem Schuldner über den vertraglich vereinbarten Räumungszeitpunkt hinaus29 bewilligt, ohne dass der davor liegende Zeitraum ab Wirksamwerden des Vergleichs mit einzuberechnen wäre, Abs. 3 S. 2.30 Allein diese Frist unterliegt der Entscheidungsbefugnis des Richters, nicht auch die der vertraglichen Vereinbarung.31 Infolgedessen können sich die in Abs. 2 angesprochenen Verlängerungen oder Verkürzungen nur auf die gerichtlich bewilligte Frist beziehen und nicht auf die vertraglich vereinbarte.32 Es ist diese Räumungsfrist, die insgesamt, d.h. bei Zusammenrechnung aller Verlängerungen, nicht länger als ein Jahr dauern darf. Gemäß Abs. 5 S. 2 gilt die Sonderregelung, dass sich diese Jahresfrist bei (außerordentlich gekündigten) Zeitmietverträgen nach § 575 BGB maximal verkürzt auf die verbleibende Frist der originären vertraglichen Vereinbarung. 22 Vgl. OLG Brandenburg BeckRS 2008, 21870. 23 Dazu, dass diese auch einmal ein Untermieter sein kann, BGH MDR 2021, 156 – Tz. 16. 24 LG Kassel ZMR 1967, 188; 70, 373. Freilich ist diese Erwägung bei einem bei Vergleichsschluss nicht durch einen Anwalt vertretenen Schuldner weniger aussagekräftig, vgl. MünchKomm/Wolfsteiner Rdn. 1. Zum pflichtgemäßen Ermessen AG Rosenheim WuM 1987, 67. Zur Begründungspflicht LG Lübeck ZMR 1978, 152. Thomas/Putzo/Seiler Rdn. 10; Zöller/Geimer Rdn. 5; Stein/Jonas/Münzberg Rdn. 11. LG Wuppertal WuM 1987, 67. LG Mannheim DWW 1981, 175; LG München I WuB 1987, 64; LG Stuttgart WuM 1992, 265; Baumbach/Lauterbach/ Hartmann/Albers/Schmidt Rdn. 3. A.A. LG Osnabrück WuM 1986, 95. 30 LG Stuttgart WuM 1992, 264. Die Einbeziehung der vertraglich gewährten Frist in die Räumungsfrist soll nach h.M. vereinbart werden können, LG München I WuM 1987, 66. Das widerspricht jedoch dem als zwingend zu verstehenden Schutzcharakter des § 794a; vgl. Rdn. 1. Unrichtig daher AG Berlin-Wedding Grundeigentum 1990, 431 (Gericht sei gebunden an vertraglichen Verzicht); dagegen auch LG Berlin Grundeigentum 1991, 403. 31 LG München ZMR 2014, 991. 32 LG München I ZMR 2014, 991; LG Hamburg WuM 2001, 412; LG Heilbronn JurBüro 1992, 569; Baumbach/Lauterbach/ Hartmann/Albers/Schmidt Rdn. 3; a.A. LG Köln WuM 1967, 65; LG Freiburg WuM 1993, 417; AG Böblingen WuM 2021, 208.

25 26 27 28 29

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Die Dauer der Frist bzw. der sich daran anschließenden Verlängerung bemisst sich, abge- 15 sehen von je individuellen, persönlichen Umständen oder Besonderheiten, im Wesentlichen nach den Möglichkeiten einer (zumutbaren) Ersatzraumbeschaffung. Der Schuldner muss sich nachhaltig darum bemühen,33 obgleich die Rechtsprechung der Untergerichte an die Intensität dieser Bemühung recht unterschiedliche Maßstäbe anlegt.34 Aber auch für diesen Vertrag (Vergleich) gilt der Grundsatz des „pacta sunt servanda“, so dass die Frist(-verlängerung) nur bewilligt werden sollte, wenn den Schuldner kein grobes Verschulden daran trifft, zu dem fraglichen Zeitpunkt keinen Ersatzraum zu haben. Das ist etwa dann der Fall, wenn er nachweislich für den vereinbarten Zeitpunkt Wohnraum bekommen soll, der aber zu dem vereinbarten Termin nicht fertig oder nicht frei gestellt ist.35 Bei der Bemessung der Dauer sollte der Richter auch die durch den Vergleich eingeräumte Frist bis zum Räumungstermin berücksichtigen.36 Insbesondere wenn sie, wie in Abs. 3 S. 2 vorausgesetzt, länger als ein Jahr ist, müssen die Anforderungen an die Schuldlosigkeit entsprechend höher sein als etwa bei einem kurzfristigen Vergleich, vgl. Rdn. 10.37 Der Schuldner muss sich dann auch mit weniger zureichendem Ersatzraum begnügen38 oder einen Doppelumzug in Kauf nehmen.39 Das Verhalten des Mieters kann allerdings auch gegen eine Verlängerung oder gar für eine Verkürzung der Frist sprechen,40 Die in die Abwägung mit einzubeziehenden Belange des Gläubigers, Rdn. 12, – vor allem bei 16 seinem Antrag auf Verkürzung oder Nichtgewährung (bzw. Aufhebung) einer Räumungsfrist – müssen, um angesichts der existenziellen Notwendigkeit von Wohnraum überhaupt ins Gewicht fallen zu können, mehr als nur wirtschaftliche, finanzielle Interessen sein.41 In Betracht kommen etwa (in aufsteigender Gewichtigkeit) Weitervermietung,42 Streitereien mit dem Mieter,43 mietvertragswidriges Verhalten des Schuldners44 oder Eigenbedarf.45

33 AG Remscheid WuM 1987, 66. 34 Vgl. zusätzlich zu den Nachw. in der 2. Aufl. (B IIa 2) etwa LG Essen WuM 1979, 269 (alles in seinen Kräften stehende); LG Freiburg/Br. WuM 1993, 204; LG Saarbrücken WuM 1993, 698 (Verlängerung nur, wenn neue unvorhersehbare Ereignisse eingetreten sind); LG Heilbronn JurBüro 1992, 569 = Rpfleger 1992, 528 (es dürfen keine außergewöhnlichen, vorher nicht absehbare Umstände verlangt werden, a.A. LG Darmstadt WuM 1993, 472; LG Mannheim ZMR 1994, 21); LG Mannheim DWW 1992, 87 (dreimaliges Reagieren auf Zeitungsanzeigen in 6 Monaten genügt nicht); AG Köln WuM 1993, 472 (Verschlechterung der Lage am Wohnungsmarkt rechtfertigt Verlängerung der Frist). 35 LG Aachen WuM 2007, 398; LG Mannheim WuM 1970, 138; AG Köln ZMR 1971, 158. In einem solchen Fall muss der Schuldner gegebenenfalls den Antrag zusammen mit dem Wiedereinsetzungsantrag stellen. S. auch LG Kiel WuM 1992, 492 (der Einzug wird insgesamt unmöglich). 36 So auch Stein/Jonas/Münzberg Rdn. 3. 37 A.A. wohl MünchKomm/Wolfsteiner Rdn. 4. S. auch LG Kiel WuM 1992, 492. 38 LG Mannheim ZMR 1966, 280. Dieses Los droht ohnedies nach Ablauf der Jahresfrist des Abs. 3. 39 Zur Zumutbarkeit eines Doppelumzugs auch AG Miesbach WuM 1980, 204; LG Berlin Grundeigentum 1989, 945 (ablehnend); LG Heilbronn DGVZ 1993, 140 (bejahend). S. überdies § 765a Rdn. 36. 40 Zutreffend AG Tempelhof-Kreuzberg Grundeigentum 2022, 1313. 41 AG Solingen WuM 1967, 224. Vgl. auch Dorn Zwangsräumung oder Räumungsschutz? Rpfleger 1989, 262. 42 Der entgegengesetzten Ansicht (etwa LG Mannheim ZMR 1970, 138) ist zuzugestehen, dass die Grenzen zu den im Text vorgenannten finanziellen Interessen fließend sind, insb. angesichts des § 557 Abs. 3 BGB. LG Kassel differenziert nach der jeweiligen regionalen Wohnraumsituation, WuM 1989, 443. 43 LG Waldshut-Tiengen WuM 1991, 285; a.A. offenbar AG Lörrach WuM 2001, 578. 44 Str.: A.A. Feuger Rpfleger 1988, 57; Dorn Zwangsräumung oder Räumungsschutz? Rpfleger 1989, 262 – je m. Nachw. Wie hier: MünchKomm/Wolfsteiner Rdn. 4. Zum Kontext s. Derleder Die Verpflichtungen der Parteien nach Beendigung des Mietvertrags bei fortbestehender Nutzung, WuM 2011, 551. 45 Dazu Pankow Die Beseitigung der Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen in Zivilsachen, NJW 1994, 1182. 595

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17 c) Wirkungen. Der Schuldner ist materiell-rechtlich durch § 571 Abs. 2 BGB46 entlastet, und vollstreckungsrechtlich setzt die zwangsweise Durchsetzung der Räumung die Berücksichtigung des § 751 voraus.

IV. Kosten 18 Hinsichtlich der Anwaltskosten s. Nr. 3334 RVG Anlage 1 (1,0 Verfahrensgebühr). Der Antrag auf Einräumung einer Räumungsfrist erhöht weder den Streitwert des Rechtsstreits noch den Mehrwert eines Vergleichs.47 Es fallen keine Gerichtskosten an, im Beschwerdeverfahren gilt KV 2124.

§ 795 Anwendung der allgemeinen Vorschriften auf die weiteren Vollstreckungstitel 1 Auf die Zwangsvollstreckung aus den in § 794 erwähnten Schuldtiteln sind die Vorschriften der §§ 724 bis 793 entsprechend anzuwenden, soweit nicht in den §§ 795a bis 800, 1079 bis 1086, 1093 bis 1096 und 1107 bis 1117 abweichende Vorschriften enthalten sind. 2Auf die Zwangsvollstreckung aus den in § 794 Abs. 1 Nr. 2 erwähnten Schuldtiteln ist § 720a entsprechend anzuwenden, wenn die Schuldtitel auf Urteilen beruhen, die nur gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar sind. 3Die Vorschriften der in § 794 Abs. 1 Nummer 6 bis 9 genannten Verordnungen bleiben unberührt.

Übersicht I.

Gesetzesgeschichte, Normzweck

II. 1. 2. 3. 4.

2 Entsprechende Anwendung 3 Klauselerteilungsverfahren Prozessgericht des ersten Rechtszuges 12 Zustellung 14 Präklusion

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Sonstiges 16 a) Bestimmtheitsgrundsatz 19 b) Vollstreckungsgegenklage 21 c) Urteilsvorbehalt 22 d) Sicherungsvollstreckung 23 e) Analoge Anwendung

I. Gesetzesgeschichte, Normzweck 1 S. 1 der Vorschrift war bereits im Norddeutschen Entwurf (§ 934) enthalten, bevor sie als § 703 der CPO von 1877 Gesetz wurde, das seinerseits durch die BGB-Novelle von 1898 in die ZPO überging. S. 2 wurde durch die Vereinfachungsnovelle vom 3.12.1976,1 S. 3 durch Gesetz vom 8.7.20142 eingefügt. Zweck der Vorschrift ist es, die Zwangsvollstreckung aus den in § 794 aufgelisteten Titeln derjenigen aus Urteilen anzugleichen. Daraus ergibt sich das methodologische Postulat, die in den §§ 795a bis 800a normierten Sonderregelungen als Ausnahmen grundsätzlich eng auszulegen.3 Die Parallelisierung mit 46 Eine Fristverlängerung auf der Grundlage des § 765a führt nicht zur Befreiung von einer Schadensersatzpflicht, LG Ellwangen WuM 1992, 247. Zur Schadensersatzpflicht s. auch LG Siegen WuM 1990, 208. 47 LG Lübeck JurBüro 2020, 193. Zum Wert eines Verzichts s. Goebel Was ist der vergleichsweise Verzicht auf Räumungsschutz wert? FMP 2020, 142; s. überdies AG Hamburg AGS 2016, 523. 1 BGBl. I S. 3281. Die letzte Änderung erfolgte durch das KindUG v. 6.4.1998, BGBl. I, 666. 2 Gesetz zur Durchführung der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 sowie zur Änderung sonstiger Vorschriften. Damit wird dem Vorrang höherrangigen Rechts Rechnung getragen. 3 Großzügiger MünchKomm/Wolfsteiner Rdn. 2. S. aber etwa OLG Karlsruhe VersR 2006, 1069. Paulus https://doi.org/10.1515/9783110443158-081

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der Urteilsvollstreckung geht über die in § 794 aufgelisteten Titel hinaus: Sie erfasst auch die weiteren Titel wie Arrest und einstweilige Verfügung, § 928 (i.V.m. § 936),4 oder sonstige nach dem Recht der ZPO zu vollstreckende Titel; vgl. § 724 Rdn. 15 ff. sowie § 794 Rdn. 1.5

II. Entsprechende Anwendung Die pauschale Verweisung auf die §§ 724 bis 793 lässt sich mit Ausnahme der §§ 735–749, 751–766, 2 768–793 nicht immer nahtlos umsetzen;6 in problematischen Fällen ist daher die Prüfung geboten, ob Sinn und Zweck der Vorschriften auf den entsprechenden Schuldtitel übertragbar sind.7 Im Einzelnen ergeben sich die folgenden Besonderheiten, die freilich ihrerseits wieder durch die Sonderregelungen in den nachfolgenden Vorschriften verdrängt werden können.

1. Klauselerteilungsverfahren Die Vollstreckungsvoraussetzung, dass die Vollstreckungsfähigkeit des Titels durch eine Klausel 3 bezeugt werden muss, gilt grundsätzlich für alle Titel;8 Ausnahmen sehen etwa die §§ 795a (Kostenfestsetzungsbeschluss), 796 (Vollstreckungsbescheid), 929 (936) (einstweiliger Rechtsschutz)9 vor. Jene Titel gewähren dem Gläubiger einen Anspruch auf Erteilung der Klausel.10 Die §§ 724–730 finden grundsätzlich uneingeschränkte Anwendung. Die vollstreckbare Ausfertigung eines Prozessvergleichs ist von dem Urkundsbeamten bzw. 4 Rechtspfleger desjenigen Gerichts auszustellen, in dessen Verfahren der Vergleich geschlossen wurde;11 das gilt sowohl für die höhere Instanz als auch für das Prozesskostenhilfeverfahren, §§ 117 Abs. 1 S. 1, 118 Abs. 1 S. 3. Wurde der Vergleich vor einem ersuchten Richter geschlossen, ist das ersuchende Gericht zuständig. Sofern sich die Parteien verglichen haben, bevor sie ihren Streit bei einem erkennenden Richter vorgetragen haben – etwa im selbständigen Beweisverfahren –, stellt die Klausel dasjenige Gericht aus, das erstinstanzlich für den fortgeführten Rechtsstreit zuständig gewesen wäre, § 486 Abs. 2;12 für die Gütestelle s. § 797a. Hinsichtlich der Zuständigkeit

4 Aus diesem Grund ist § 721 unanwendbar, wenn der Räumungstitel eine einstweilige Anordnung ist, OLG Hamburg FamRZ 1983, 1151.

5 Explizite Verweise auf entsprechende Anwendbarkeit des § 795 etwa in den §§ 371 Abs. 2 FamFG, 63, 71, 90 MarkenG. Zum Gesetz für den Freistaat Oldenburg, betreffend die Staatliche Kreditanstalt Oldenburg (Staatsbank) vom 22.9.1933 s. BGH NJW-RR 20191274 – Tz. 10 betreffend Antrag der Bremer Landesbank Kreditanstalt Oldenburg – Girozentrale. 6 Zur Anwendbarkeit etwa des § 242 BGB OLG Düsseldorf InVo 2000, 283; des § 826 BGB OLG Bremen NJW-RR 2001, 1036. 7 BAG KTS 1987, 723. Eine derartige Übertragbarkeit ist zu bejahen, wenn der Prozessvergleich einen Vertrag zugunsten Dritter darstellt, und der Versprechensempfänger auf der Grundlage des § 335 BGB die Erteilung der Klausel nach § 724 verlangt, OLG-Report Hamm 1995, 239. 8 Vgl. § 724 Rdn. 10. Für Titel aus solchen Staaten, die dem EuGVÜ beigetreten sind, s. Art. 38 bis 52 EuGVVO; speziell zur Klauselerteilung in Deutschland §§ 3 ff. AVAG. Dazu Nagel/Gottwald Internationales Zivilprozessrecht, 8. Aufl. 2020, § 15 Rdn. 8 ff. 9 Für die Beitreibung der Kostenberechnung nach dem GNotKG s. dort KV Nr. 23803. 10 RGZ 129, 168. Die Klauselerteilung ermöglicht gerade bei den in § 794 erfassten Titeln, das Vollstreckungsprogramm abzustecken, § 725 Rdn. 2, und die Vollstreckungsparteien in einer dem § 750 genügenden Weise festzulegen, KG JW 1932, 2174. 11 OLG Stuttgart JurBüro 1979, 773 (betrifft Unterhaltsvergleich). Der Prozessvergleich unterfällt nicht dem Regime des § 797, vgl. nur Stein/Jonas/Münzberg Rdn. 2 m.w.N.; Baumbach/Lauterbach/Hartmann/Albers/Schmidt Rdn. 4; a.A. 2. Aufl. A Ia 3; RGZ 21, 345. 12 Vgl. auch noch §§ 919, 937. 597

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für die Klauselerteilung für die weiteren in § 794 aufgelisteten Titel gilt das unter § 725 Rdn. 4 ff. Gesagte entsprechend; für die vollstreckbare Urkunde13 vgl. § 797. Die hier dargestellte Zuständigkeit ist auch maßgeblich für die Erinnerung nach § 732; eine Ausnahme gilt aus Gründen der größeren Sachnähe nur hinsichtlich § 23b GVG, d.h.: Wurde der Vergleich nicht vor dem Familiengericht geschlossen, ist die Erinnerung gleichwohl bei diesem anzubringen, sofern es sich nunmehr um eine Familiensache handelt. Sind in dem Titel mehrere Parteien genannt, müssen sie gemeinsam in der Klausel genannt werden, es sei denn, sie sind im Titel als Gesamtgläubiger (oder -schuldner) bezeichnet14 oder weisen Rechtsnachfolge i.S.d. § 727 nach.15 Wegen der nach § 726 Abs. 1 vom Gläubiger zu beweisenden Tatsache ist zu beachten, dass sich die Beweislastverteilung nach den allgemeinen Vorschriften richtet. Der erforderliche Nachweis muss in der qualifizierten Form erbracht werden. Allerdings kann der Schuldner in einer Urkunde auf diesen, wie auch auf den durch die Nachweispflicht gewährten Schutz insgesamt verzichten.16 Soll die Klausel nur hinsichtlich der Zinszahlungspflicht erteilt werden, weil die Hauptschuld zwischenzeitlich getilgt ist, muss der Gläubiger Grund und Höhe der Zinsforderung nachweisen.17 Der für die Erteilung einer titelübertragenden Klausel, §§ 727 bis 729, maßgebliche Zeitpunkt ist für die gerichtlichen Urkunden, Nrn. 1 und 5, der der Errichtung der Urkunde, § 727 Rdn. 19. Die entgegengesetzte Ansicht der 2. Aufl. (A Ia 6) verkennt die Funktion des Klauselerteilungsverfahrens; es dient nicht dazu, materiell-rechtliche Irrtümer zu korrigieren.18 Für einen Prozessvergleich ist der nach Ansicht des BGH maßgebende Zeitpunkt der der Rechtshängigkeit.19

2. Prozessgericht des ersten Rechtszuges 9 Sonderregeln bestehen für die vollstreckbare Urkunde, § 797 Abs. 5, und Gütestellenvergleiche, § 797a Abs. 3. Im Übrigen gilt: Das für die Anwendung der §§ 731, 767 und 768 zu bestimmende Prozessgericht des ersten Rechtszuges ist dasjenige des durch den Vergleich beigelegten Rechtsstreites;20 s. auch die weiteren in Rdn. 4 erwähnten Zuständigkeiten. Wenn dies ein Amtsgericht ist, verbleibt es bei dieser Zuständigkeit auch dann, wenn in den Vergleich weitere Punkte aufgenommen worden sind, deren zusammengerechneter Streitwert über der in § 23 GVG normierten Grenze liegt. Die unter Rdn. 6 erwähnte Ausnahme gilt allerdings auch hier. Für die Titel aus § 794 Abs. 1 Nr. 4b s. §§ 796a ff. und für Nachlass- und Teilungssachen nach 10 dem FamFG gelten gem. § 53 FamFG die vorstehenden Erläuterungen sowie § 797 entsprechend. Für Landwirtschaftssachen ist das Landwirtschaftsgericht zuständig.21 Für Arreste und einstweilige Verfügungen ist das Prozessgericht des ersten Rechtszuges 11 das Untergericht auch dann, wenn die Entscheidung erst im Berufungsverfahren getroffen wurde. Für Titel nach § 201 InsO ist das maßgebliche Gericht das Amtsgericht, dessen Insolvenzgerichtsabteilung das zuständige Insolvenzgericht war, vgl. § 202 Abs. 1 InsO; ist der festgestellte Anspruch über dem Zuständigkeitsbereich des Amtsgerichts, so ist das übergeordnete Landgericht Gericht

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S. auch BGH MDR 2022, 459, mit Anm. Henn NotBZ 2022, 260. AG Berlin-Wedding DGVZ 1977, 25. AG Berlin-Wedding DGVZ 1978, 31. BGH NJW 1981, 2756 = ZIP 1981, 1074. Krit. Baumbach/Lauterbach/Hartmann/Albers/Schmidt Rdn. 6. S. auch BGH ZIP 2020, 2228. 17 BayObLG DNotZ 1976, 366. 18 Vgl. auch Zöller/Geimer Rdn. 1. 19 BGH MDR 2019, 121 – Tz. 30. 20 BGH NJW 1980, 188. 21 BGH FamRZ 1987, 805. Paulus

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des ersten Rechtszuges, § 202 Abs. 2 InsO. Bei den vom Jugendamt aufgenommenen Urkunden22 ist zuständiges Gericht das Amtsgericht, in dessen Bezirk sich das Amt befindet.

3. Zustellung Die nach § 750 zur Vollstreckungsvoraussetzung23 erhobene Zustellung erfolgt von Amtswegen, 12 § 329 Abs. 3, soweit es sich bei den in Frage kommenden Titeln um Beschlüsse handelt; betroffen sind demnach die in § 794 Abs. 1 Nrn. 2–4b genannten Titel. § 750 Abs. 1 S. 2, 1. Halbs. gestattet gleichwohl auch bei ihnen die Parteizustellung. Weitere Besonderheiten enthalten § 699 Abs. 4 für die Zustellung des Vollstreckungsbescheids und § 798 für die bezeichneten Titel hinsichtlich des Vollstreckungsbeginns. Ausnahmen von der erforderlichen Zustellung der in § 750 Abs. 2 erwähnten Urkunden sind die §§ 799, 800 Abs. 2.24 Der Beginn der Zwangsvollstreckung ist freilich in jedem Fall, d.h. auch bei amtswegiger Zustellung, von einem Gläubigerantrag abhängig. Vergleiche und vollstreckbare Urkunden, § 794 Abs. 1 Nrn. 1 und 5, sind im Parteibetrieb 13 zuzustellen.25 Die Initiative zur Zustellung muss also vom Gläubiger ausgehen, der dies regelmäßig als vorbereitenden Akt zur Zwangsvollstreckung betreiben wird. Daraus jedoch den Schluss ziehen zu wollen, dass dann, wenn der Vergleich erst in der 2. Instanz geschlossen wurde, die Zustellung – entgegen der generellen Definition des Vollstreckungsbeginns, § 750 Rdn. 1 Fn. 1 – das Verfahren vor dem Vollstreckungsgericht i.S.d. § 172 S. 2 betreffe, so dass infolgedessen auch dem Prozessbevollmächtigten der ersten Instanz zugestellt werden müsse,26 geht nicht an. Denn damit wird ein für die Abgrenzung des Vollstreckungsverfahrens von dem vorhergehenden Abschnitt völlig untaugliches Kriterium, nämlich eine innere Tatsache, die Intention des Gläubigers, herangezogen.

4. Präklusion Die Vollstreckungsgegenklage gegen eine Vollstreckung aus einem Vergleich27 kann ohne Rück- 14 sicht auf § 767 Abs. 2 erfolgen, da sich die Präklusion nur auf die Rechtskraft bezieht, die einem Vergleich gerade nicht zukommt, § 794 Rdn. 45.28 Stattdessen kann freilich die materiell-rechtliche Frage relevant werden, inwieweit sich eine Vergleichspartei auf Umstände oder Einwendungen berufen kann, deren Regelung oder Erledigung der Vergleich gerade bezweckt. Für die vollstreckbaren Urkunden gilt gem. § 797 Abs. 4 dasselbe.29 Einwendungen gegen Kostenfestsetzungsbeschlüsse unterliegen ebenfalls nicht der Präklu- 15 sion,30 wohl aber weitere der in § 794 Abs. 1 aufgelisteten Titel: Nrn. 3,31 4a und b. Für Vollstreckungsbescheide vgl. § 796 Abs. 2. Bei Entscheidungen im einstweiligen Rechtsschutz ist danach 22 23 24 25

Dazu § 794 Rdn. 86. OLG Karlsruhe NJW-RR 2001, 67; LG Lübeck DGVZ 2005, 141. S. dazu BGH NJW-RR 2008, 1018; LG Braunschweig NotBZ 2006, 328; LG Freiburg Rpfleger 2005, 100. Für Vergleiche: LArbG Berlin-Brandenburg vom 22.11.2018 – 7 Ta 1373/18 – juris – Tz. 10; LAG Frankfurt/M. BB 1971, 654. Für Urkunden: Zöller/Geimer Rdn. 1 (nach den allerdings auch Zustellung im Amtsbetrieb genügen soll). Zum Nachweiserfordernis BayObLG DNotZ 2005, 614. 26 OLG Schleswig SchlHA 1957, 205; LG Köln JurBüro 1990, 916. Die nicht erfolgte Zustellung an den Vertreter der 1. Instanz ist (im Innenverhältnis) dem OLG-Prozessvertreter als Schlechterfüllung des Geschäftsbesorgungsvertrages zuzurechnen; sie geht aber den klauselerteilenden Amtsträger nichts an. 27 Zur Zulässigkeit eines solchen Vorgehens BGH WM 1987, 1209; BGH JZ 1993, 94. 28 Vgl. RGZ 37, 416; Kohler Ueber executorische Urkunden, AcP 72 (1888) 19 f.; H. Wolf Der Prozeßvergleich, AcP 88 (1898), 122. BGH NJW 1953, 345; BGH NJW-RR 1987, 1022; OLG Karlsruhe InVo 2000, 355. 29 Dazu Münzberg Die materielle Rechtskraft der Vollstreckungsbescheide, JZ 1987, 478. 30 BGHZ 3, 381; BayObLG NZM 2000, 304. 31 Zumindest soweit mündlich verhandelt wurde, RGZ 71, 413. 599

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zu unterscheiden, ob eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat oder nicht: bejahendenfalls ist § 767 Abs. 2 zu beachten. Das Feststellungsverfahren der §§ 174 ff. InsO präkludiert dagegen generell Einwendungen des Schuldners.

5. Sonstiges 16 a) Bestimmtheitsgrundsatz.32 Die strikte Trennung des Vollstreckungsverfahrens von der vorhergehenden Erkenntnis der Schuld bedingt, dass nicht nur Urteile, sondern auch alle anderen Titel den Anforderungen an den vollstreckungsrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz genügen müssen.33 Die durch die zweite Zwangsvollstreckungsnovelle geänderte Fassung des § 794 Abs. 1 Nr. 5 formulierte das eigens, indem sie als Inhalt der vollstreckbaren Urkunde eine „bestimmte Geldsumme“ oder eine „bestimmte Menge“ verlangte. Die jetzige Formulierung bringt das Bestimmtheitserfordernis dadurch zum Ausdruck, dass sie den „zu bezeichnenden Anspruch“ voraussetzt. Damit soll zum Ausdruck gebracht sein, dass der betroffene Anspruch konkret (BTDrucks. 13/341, S. 21) – d.h.: eindeutig individualisierbar – bezeichnet ist.34 Die Unbestimmtheit der titulierten Forderung kann dazu führen, dass das Rechtsschutzbedürfnis für eine Leistungsklage zu bejahen ist.35 17 Das Vorstehende gilt für einen Prozessvergleich ganz entsprechend.36 Verpflichtet sich eine der Parteien zur Zahlung nach der „jeweiligen Düsseldorfer Tabelle“, derzeit also zu einem Betrag von x A, so ist das im Hinblick auf die sich möglicherweise ändernden Berechnungsparameter zu unbestimmt.37 18 Zur Prüfungspflicht und dem Prüfungsumfang des die Klausel ausstellenden Amtsträgers vgl. § 725 Rdn. 21 ff.;38 zu der des Vollstreckungsorgans § 724 Rdn. 6 ff.

19 b) Vollstreckungsgegenklage. Die Vollstreckungsgegenklage39 ist grundsätzlich gegen den die Zwangsvollstreckung betreibenden, im Titel ausgewiesenen Gläubiger zu richten, sofern nicht ein nach § 126 umgeschriebener Beschluss vorliegt40 oder ausnahmsweise einmal die Zwangsvollstreckung auch von einem Dritten droht.41 Zu der vom BGH für unzulässig erachteten „isolierten Vollstreckungsstandschaft“ s. § 727 Rdn. 25 m.w.N. Die Rechtskraft des auf die Vollstreckungsgegen32 Dazu Zenker Zur Vollstreckbarkeit von Unterhaltsvergleichen mit Anpassungsklausel, FamRZ 2006, 1248; Wolfsteiner Die vollstreckbare Urkunde, §§ 26–28; Sauer Bestimmtheit und Bestimmbarkeit im Hinblick auf die notarielle Urkunde, 1986; Münch Vollstreckbare Urkunde und vollstreckbarer Anspruch, 1989, 282 ff. 33 Etwa BGH FamRZ 2006, 202; OLG München ZWE 2014, 167; OLG Koblenz WM 2003, 405. Fehlende Bestimmtheit kann allerdings (soweit möglich, LG Koblenz DGVZ 1982, 121) durch § 726 hergestellt werden, KG DNotZ 1983, 681. Speziell zu Vollstreckungsbescheiden Vollkommer Rpfleger 2004, 336. 34 S. etwa OLG Zweibrücken FamRZ 1999, 33. Verweigert der Notar die Klauselerteilung, weil er aufgrund eines vertretbaren Rechtsirrtums von der Unbestimmtheit ausgeht, haftet er nicht aus § 19 BNotO, OLG Nürnberg DNotZ 1990, 61. 35 BGH NJW-RR 1989, 318. 36 AG Darmstadt DGVZ 1980, 173; sowie § 794 Rdn. 48 f. 37 AG und LG Düsseldorf DGVZ 1981, 92. 38 S. auch LG Leipzig MittRhNotK 2000, 406. 39 S. etwa BGH NJW 2006, 3010. Zum Rechtsschutzbedürfnis allgemein Gaul/Schilken/Becker-Eberhard § 40 VIII Rdn. 109; a.A. Stamm Die Prinzipien und Grundstrukturen des Zwangsvollstreckungsrechts, S. 561 (s. auch Art. 2 des Bremer Entwurfs eines Gesetzes zum Schutz von Immobiliarkreditnehmern, VuR 2008, 241. Bei teilweisem Erlöschen der Forderung BGH NJW-RR 1989, 124 = WM 1988, 1592; zur Konkurrenz mit einer möglichen Klauselerinnerung bei unwirksamer Unterwerfungserklärung nach § 794 Abs. 1 Nr. 5 BGH NJW 1992, 2160 (dazu Olzen Rechtsschutz gegen Zwangsvollstreckung aus notariellen Urkunden, DNotZ 1993, 211 ff.). 40 Baumbach/Lauterbach/Hartmann/Albers/Schmidt Rdn. 12. 41 BGH NJW 1993, 1396. Paulus

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klage hin ergehenden Urteils erfasst nicht den zugrundeliegenden materiellen Anspruch, sondern nur die Vollstreckbarkeit des Titels.42 Zum (subsidiären) Verhältnis der Gegenklage nach §§ 120 FamFG, 767 ZPO zu § 54 FamFG s. 20 die Kommentierungen dort.43 Für die Konkurrenz verschiedener vollstreckungsrechtlicher Rechtsbehelfe gilt grundsätzlich, dass die betroffene Partei die freie Wahl hat.44

c) Urteilsvorbehalt. § 780 ist auf sämtliche Titel des § 794 anzuwenden, § 780 Rdn. 32.45

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d) Sicherungsvollstreckung. Die Sicherungsvollstreckung des § 720a46 ist nach ausdrücklicher 22 Anordnung von S. 2 der vorliegenden Norm dann anwendbar, wenn das der Kostenfestsetzung zugrundeliegende, § 103, bzw. die Regelunterhaltsverpflichtung aussprechende Urteil, § 232 FamFG, nur gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist. Damit trägt das Gesetz der Abhängigkeit der in § 794 Abs. 1 Nrn. 2 und 2a genannten Beschlüsse von dem jeweiligen Urteil Rechnung. e) Analoge Anwendung. Wird der ursprüngliche Prozess weitergeführt, weil die anfängliche 23 Unwirksamkeit des Vergleichs erfolgreich vorgetragen wurde, soll nach Ansicht einiger § 707 entsprechend anwendbar sein.47 Das ist jedoch deswegen abzulehnen, weil es aus vollstreckungsrechtlicher Perspektive unerheblich ist, ob der Richter eine ex tunc oder ex nunc eintretende Unwirksamkeit annimmt. Die Differenzierung ist demnach untauglich; doch ist die Konsequenz, § 707 bei der Berufung auf die Unwirksamkeit des Vergleichs in jedem Fall anzuwenden (und diese Lösung dann konsequenterweise auf alle weiteren Titel auch anzuwenden), mit dem Gesetz nicht zu vereinbaren.

§ 795a Zwangsvollstreckung aus Kostenfestsetzungsbeschluss Die Zwangsvollstreckung aus einem Kostenfestsetzungsbeschluss, der nach § 105 auf das Urteil gesetzt ist, erfolgt auf Grund einer vollstreckbaren Ausfertigung des Urteils; einer besonderen Vollstreckungsklausel für den Festsetzungsbeschluss bedarf es nicht. Die Vorschrift wurde aus Vereinfachungsgründen durch die Novelle von 1909 eingeführt. Weil die 1 beiden Titel unter den Voraussetzungen der vereinfachten Kostenfestsetzung nach § 105 eine körperliche Einheit1 bilden, wäre es sinnloser Formalismus, zwei Klauselerteilungsverfahren durchführen

42 BGH FamRZ 1984, 878; BGH v. 23.5.1989 IX ZR 57/88. 43 Etwa Keidel/Giers § 54 Rdn. 9. Zur Verdrängung des § 767 durch § 239 FamFG Graba Abänderung einer Jugendamtsurkunde nach § 239 FamFG, FamFR 2011, 169. 44 Vgl. bereits BGH NJW 1979, 1508, sowie BGH NJW 1992, 2160 in ausdrücklicher Abkehr von der früheren Rechtsprechung, BGH NJW-RR 1987, 1149 = WM 1987, 1232. Vgl. auch OLG Zweibrücken NJW-RR 2000, 548; Baumbach/Lauterbach/ Hartmann/Albers/Schmidt Rdn. 9. 45 BGH NJW 1991, 2839 = FamRZ 1991, 1286 = WM 1991, 1812; Staudinger/Kunz (2020) Vorbemerkungen zu §§ 1967 ff. Rdn. 76; Neukirchen Der Vorbehalt der beschränkten Erbenhaftung in notariellen Vollstreckungstiteln, RNotZ 2016, 228. 46 Dazu OLG Karlsruhe Rpfleger 2000, 555. Graf Lambsdorff Die Problematik der Sicherungsvollstreckung, NJW 2002, 1303, hält § 720a für verfassungswidrig. 47 OLG Düsseldorf MDR 1974, 52; Zöller/Geimer Rdn. 1. 1 Weil es zu einer solchen Einheit im Falle des § 26a InsO nicht kommen kann, ist die vorliegende Vorschrift unbeschadet der Regelung des dortigen Abs. 2 S. 5 nicht anwendbar, vgl. Smid Titulierung des Vergütungsanspruchs des Insolvenzverwalters und des vorläufigen Verwalters, ZIP 2014, 1714, 1723. 601 https://doi.org/10.1515/9783110443158-082

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zu müssen.2 Deswegen erstreckt sich die für das Urteil erteilte Klausel auch auf den Kostenfeststellungsbeschluss. Infolgedessen muss der Gläubiger nicht die Wartefrist des § 798 einhalten, um aus diesem Kostenfeststellungsbeschluss vollstrecken zu dürfen.3

§ 795b Vollstreckbarerklärung des gerichtlichen Vergleichs Bei Vergleichen, die vor einem deutschen Gericht geschlossen sind (§ 794 Abs. 1 Nr. 1) und deren Wirksamkeit ausschließlich vom Eintritt einer sich aus der Verfahrensakte ergebenden Tatsache abhängig ist, wird die Vollstreckungsklausel von dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Gerichts des ersten Rechtszuges und, wenn der Rechtsstreit bei einem höheren Gericht anhängig ist, von dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle dieses Gerichts erteilt.

I. Gesetzesgeschichte, Normzweck 1 Die Vorschrift ist im Rahmen des 2. Justizmodernisierungsgesetzes vom 22.12.20061 eingefügt worden und soll primär den Streit um die richtige Kompetenzordnung der Vollstreckungsklausel bei den in der Praxis weit verbreiteten Vergleichen lösen, die entweder unter Widerrufsvorbehalt geschlossen worden sind oder die einen unter der aufschiebenden Bedingung der Rechtskraft des Scheidungsurteils stehenden Unterhaltsvergleich betreffen.2 Zweck der Vorschrift ist demnach die Festschreibung der wohl h.M., dass für diese Vergleiche die Zuständigkeitszuordnung3 des § 724 (und nicht die des § 726) gilt.4

II. Anwendungsbereich 2 Maßgeblich für die Anwendbarkeit ist die Verfahrensakte. Aus ihr allein, also ohne Zuhilfenahme weiterer Urkunden oder Dokumente,5 muss sich der Eintritt der Bedingung innerhalb der eingeräumten Frist6 ergeben, damit die Zuständigkeit des Urkundsbeamten begründet sein kann.7 Das ist bei einem Widerrufsvergleich8 dann der Fall, wenn der Widerruf ausschließlich dem Gericht gegenüber erklärt werden muss, nicht aber auch, wenn die Erklärung auch der anderen Partei gegenüber erfolgen kann,9 und schon gar nicht, wenn die einem Vergleich beigefügte Bedingung in der Erbringung

2 S. auch den Obersten Gerichtshof in Wien, ZfRV 1998, 250. 3 Zur Kostenfestsetzung nach § 149 FGO Gruber Zur Frage der vorläufigen Vollstreckbarkeit finanzgerichtlicher Kostenentscheidungen, StB 1995, 8.

1 Gesetz vom 22.12.2006, BGBl. I, S. 3416. 2 BR-Drucks. 550/06, S. 85 vom 11.8.2006. Der Gesetzesänderung waren insbesondere die Entscheidungen BAG NJW 2004, 701, sowie BGH NJW 2006, 776, vorangegangen. S. nachfolgend LAG Düsseldorf ZTR 2014, 740 – Tz. 14.

3 Mit dieser beschränkten Regelung ist nichts über die Klausel selbst gesagt; sie ist richtiger Ansicht nach die des § 726, vgl. § 724 Rdn. 41, sowie § 726 Rdn. 15; s. auch Sandhaus Folgefragen der Einführung des § 795b ZPO beim Widerrufsvergleich, Rpfleger 2008, 236. 4 Kritisch hierzu MünchKomm/Wolfsteiner Rdn. 1. 5 Etwa die Erbringung einer Sicherheitsleistung, dazu etwa KG IPRspr 2016, Nr 291, 714 – Tz. 7. 6 Hierzu Schneider Das Fristende beim Widerrufsvergleich, MDR 1999, 595. 7 Dazu etwa Huber Das Zweite Gesetz zur Modernisierung der Justiz, JuS 2007, 236; Fölsch Zweites Justizmodernisierungsgesetz, MDR 2007, 121, 123. 8 Hierzu etwa Hess. LAG BeckRS 2016, 116551. 9 Vgl. BGH NJW-RR 2005, 1323; s. ferner BGH BB 2005, 2490 (im Zweifel könne der Widerruf sowohl dem Gericht als auch dem Gegner gegenüber erklärt werden). Paulus https://doi.org/10.1515/9783110443158-083

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einer Leistung besteht.10 Dann nämlich greift die allgemeine Zuständigkeitszuordnung der §§ 724 ff. ein, so dass die Rechtsfolge der vorliegenden Norm darin besteht, dass sie eine Verlagerung der Zuständigkeit des an sich zuständigen Rechtspflegers auf den Urkundsbeamten vornimmt.11 Für den Unterhaltsvergleich, der unter der aufschiebenden Bedingung des Eintritts der Rechts- 3 kraft des Scheidungsurteils steht, folgt aus der Maßgeblichkeit der Verfahrensakte, dass das Scheidungsverfahren im Verbund, § 137 FamFG, mit dem Unterhaltsverfahren verbeschieden sein muss.12 Die beiden genannten Vergleichstypen sind lediglich exemplarisch gemeint. Deren Erwäh- 4 nung in der Bundestags-Drucksache schließt nicht aus, dass auch weitere Vergleiche von der vorliegenden Vorschrift erfasst werden, etwa solche, die befristet sind.

III. Rechtszug Die Rechtsfolge, dass die Zuständigkeit auf den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des höheren 5 Gerichts übergeht, deckt sich mit der Regelung in § 724; s. dazu § 725 Rdn. 17.

§ 796 Zwangsvollstreckung aus Vollstreckungsbescheiden (1) Vollstreckungsbescheide bedürfen der Vollstreckungsklausel nur, wenn die Zwangsvollstreckung für einen anderen als den in dem Bescheid bezeichneten Gläubiger oder gegen einen anderen als den im Bescheid bezeichneten Schuldner erfolgen soll. (2) Einwendungen, die den Anspruch selbst betreffen, sind nur insoweit zulässig, als die Gründe, auf denen sie beruhen, nach Zustellung des Vollstreckungsbescheids entstanden sind und durch Einspruch nicht mehr geltend gemacht werden können. (3) Für Klagen auf Erteilung der Vollstreckungsklausel sowie für Klagen, durch welche die den Anspruch selbst betreffenden Einwendungen geltend gemacht werden oder der bei der Erteilung der Vollstreckungsklausel als bewiesen angenommene Eintritt der Voraussetzung für die Erteilung der Vollstreckungsklausel bestritten wird, ist das Gericht zuständig, das für eine Entscheidung im Streitverfahren zuständig gewesen wäre.

Übersicht I.

Gesetzesgeschichte, Normzweck

II.

Klauselerteilung

III. 1.

Einwendung Rechtskraft

1

2.

2

4

IV.

Ausnahme a) Ausgangslage b) Ausnahmefall c) Einzelfragen Zuständigkeit

5 7 11 15

I. Gesetzesgeschichte, Normzweck Der frühere § 704 der CPO von 1877 wurde nach der Novelle von 1898, die zu der heutigen Positio- 1 nierung führte, noch mehrfach – etwa durch die Vereinfachungs-Novelle vom 3.12.19761 – geän10 Dazu etwa BGH DGVZ 2012, 181; OLG Dresden MDR 2010, 1491. 11 OLG Dresden MDR 2010, 1491; LG Koblenz Rpfleger 2011, 389; Kindl/Meller-Hannich/Wolf/Müller Rdn. 1. 12 Musielak/Voit/Lackmann Rdn. 2. 1 BGBl. I S. 3281. 603 https://doi.org/10.1515/9783110443158-084

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dert. Zweck der Vorschrift ist einmal die Umsetzung der mit dem Mahnverfahren der §§ 688 ff. verbundenen Beschleunigungsabsicht im Vollstreckungsverfahren, Abs. 1. Zum anderen liegt der Regelung in Abs. 2 die Idee zugrunde, dem Vollstreckungsbescheid eine erhöhte Bestandskraft zu verleihen; das gilt insbes. seit der Beschleunigungsnovelle, die die Präklusion nicht nur an den (von dem württembergischen Executionsgesetz vom 13.11.1855 übernommenen)2 Zeitpunkt der Zustellung des Vollstreckungsbescheids, sondern darüber hinaus auch noch an die Ausnützung der durch § 700 eingeräumten Einspruchsmöglichkeit geknüpft hat. Diese Ausrichtung auf die ganz spezifischen Besonderheiten des Vollstreckungsbescheids lassen zweifelhaft erscheinen, ob man aus der vorliegenden Norm den Umkehrschluss ziehen kann, dass ansonsten immer eine Klausel erforderlich sein müsse.3

II. Klauselerteilung 2 Sofern Antragsteller und -gegner identisch4 mit den im Vollstreckungsverfahren involvierten Gläubiger und Schuldner sind, ist der Gläubiger von dem Vollstreckungserfordernis einer Klauselerteilung befreit.5 Der Grund dafür liegt in der sachlich-inhaltlichen Kongruenz des Vollstreckungsbescheides nach § 699 mit dem Zweck der in den §§ 724 und 725 genannten Klausel, § 724 Rdn. 2, 3 ff.: In beiden Fällen wird die Vollstreckbarkeit des in der jeweiligen Urkunde verkörperten Anspruchs bestätigt. Eine weitere Bestätigung der bereits erteilten Bestätigung, § 699, zu verlangen, wäre reiner Formalismus,6 der erst dann erforderlich ist, wenn anlässlich des zweiten Bestätigungsverfahrens weitere Umstände zu berücksichtigen sind. § 796 Abs. 1 bezieht sich dabei auf die Fälle der §§ 727 ff., 738, 742, 744, 744a, 745 und 749,7 nicht aber auf § 726. Das ist deswegen gerechtfertigt, weil entsprechende zukünftige, insbes. (aufschiebend) bedingte Ansprüche im Mahnverfahren nicht verfolgt werden können.8 Wird gleichwohl ein Vollstreckungsbescheid erlassen, benötigt der Gläubiger eine Klausel; vollstreckt er ohne sie, kann sich der Schuldner hiergegen nach § 766 zur Wehr setzen. 3 Das für die titelübertragende Klauselerteilung zuständige Gericht ist gem. § 724 Abs. 2 das Gericht des ersten Rechtszuges. Entgegen der Ansicht des BGH9 ist das nicht gleichbedeutend mit dem Prozessgericht des ersten Rechtszuges der §§ 731, 767, 769 und somit mit dem in § 796 Abs. 3 angesprochenen Gericht. Während in diesen Verfahren jeweils eine Klage erhoben wird, die selbstverständlich die allgemeinen Zulässigkeitsvoraussetzungen eines Zivilprozesses erfüllen muss, kommt es bei der Klauselerteilung darauf an, ob die formellen Voraussetzungen für den Vollstreckungsbe-

2 Motive des Entwurfs III, S. 420. 3 So aber etwa Leydecker/Heider/Fröhlich Die Vollstreckung des Weiterbeschäftigungsanspruchs, BB 2009, 2703, 2708. 4 Zum Nachweis der Identität mittels einer sog Beischreibung s. etwa AG Schöneberg DGVZ 2021, 91, sowie § 724 Rdn. 7. Zu einem nicht existenten Gläubiger BGH ZMR 2017, 107 – Tz. 8.

5 S. etwa BGH ZIP 2007, 136. Freilich müssen, wenn die Vollstreckung gegen einen von mehreren Gesamtschuldnern betrieben werden soll, zu dessen Schutz dem Vollstreckungsorgan die Titel gegen sämtliche Schuldner vorgelegt werden, AG Wilhelmshaven DGVZ 1979, 189; AG Mönchengladbach-Rheydt DGVZ 1982, 79. A.A. LG Bremen DGVZ 1982, 76. 6 Aus diesem Grund braucht auch ein Urteil, das einen Vollstreckungsbescheid aufrecht erhält, zur Vollstreckung keiner Klausel, AG Bonn MDR 1969, 675. Dasselbe gilt für einen Bescheid gegen Gesamtschuldner auch nach der Trennung der Titel, LG Marburg DGVZ 1986, 77. Zur anfechtungsrechtlichen Beurteilung einer Leistung auf einen Vollstreckungsbeschied nach § 131 oder § 130 InsO s. BGH NJW 2007, 848. 7 S. auch OLG Brandenburg BeckRS 2008, 02698. Nach § 31 AVAG ist die Klauselerteilung auch dann erforderlich, wenn der Vollstreckungsbescheid in einem ausländischen Vertragsstaat vollstreckt werden soll, vgl. Thomas/Putzo/Seiler Rdn. 1. 8 Thomas/Putzo/Hüßtege § 688 Rdn. 1. S. auch LG Gießen JurBüro 1982, 1093; dazu richtig MünchKomm/Wolfsteiner Rdn. 1. 9 BGH WM 1988, 37 = Rpfleger1988, 79 (betr. die Kostenfestsetzung für einen Vollstreckungsbescheid). S. auch OLG Hamm vom 24. Februar 2016 – juris. Paulus

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ginn erfüllt sind. Es handelt sich mithin nicht um Probleme eines Erkenntnisverfahrens, sondern um die Zeugniserteilung darüber, dass der Titel zur Zwangsvollstreckung gegen eine andere als die im Titel genannte Person zulässig ist, § 724 Rdn. 3. Wie auch in den sonstigen Fällen ist daher unter dem „Gericht des ersten Rechtszuges“ i.S.d. § 724 das den Titel ausstellende Gericht als das sachnächste Gericht zu verstehen, was sich methodologisch auch daraus ableiten lässt, dass die Ausnahmevorschriften der §§ 795a bis 800a grundsätzlich eng auszulegen sind, § 795 Rdn. 1. Infolgedessen muss auch dasjenige Gericht die Klausel erteilen, dem durch eine Landesregierung gem. § 689 Abs. 3 eine zentrale Zuständigkeit zugewiesen worden ist10 bzw. dasjenige Gericht, das den Mahnbescheid erlassen hat, ohne dass der Schuldner Widerspruch eingelegt hat.11

III. Einwendung 1. Rechtskraft Abs. 2 präkludiert solche Einwendungen gegen den geltend gemachten Anspruch, deren Gründe 4 vor der Zustellung des Vollstreckungsbescheides, § 699 Abs. 4,12 entstanden sind und durch Einspruch nicht mehr13 geltend gemacht werden können.14 Die Vollstreckungsgegenklage15 kann also nur dann erfolgreich sein, wenn sie sich auf Einwendungen stützt, die erst nach Ablauf der Einspruchsfrist entstanden sind. Diese Parallelisierung mit der für das Urteil bestimmten Regelung in § 767 Abs. 2, die Gleichstellung des Vollstreckungsbescheids in § 700 Abs. 1 mit einem für vorläufig vollstreckbar erklärten Versäumnisurteil sowie § 584 Abs. 2 implizieren die Rechtskraftfähigkeit des Vollstreckungsbescheides.16 Hinsichtlich des Umfangs seiner17 materiellen Rechtskraft besteht jedoch Streit,18 der Auswirkungen auf die Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung hat. 10 OLG Hamm Rpfleger 1994, 30, sowie BGH ebda., 72; LG Stuttgart Rpfleger 2000, 537. 11 BGH NJW-RR 2006, 1575; LG Stuttgart Rpfleger 2000, 537; AG St. Ingbert DGVZ 2012, 165. 12 Dazu RG HRR 35, 301; OLG Köln VersR 2004, 355; OLG Koblenz MDR 2002, 475 (zum Einwand der AGB-Widrigkeit). Der BGH hat diesen Zeitpunkt auch auf die Zustellung eines Bußgeldbescheides nach den §§ 9, 11 WiStrG 1954 bezogen, NJW 1982, 110. Zu den §§ 1 HaustürWG, 7 VerbrKrG S. Lorenz Schwebende Unwirksamkeit und Präklusion im Zwangsvollstreckungsrecht, NJW 1955, 2258. Zu den mit der Präklusion in Einzelfällen möglichen Härtefällen s. etwa Wesche Der Betreute in der Zwangsvollstreckung, BtPrax 2006, 98. 13 Die zeitliche Begrenzung der Vollstreckungsgegenklage bis zum vollständigen Abschluss der Zwangsvollstreckung, § 767 Rdn. 42, ist mit der Eintragung einer Zwangshypothek noch nicht erreicht; sie dient vielmehr erst der weiteren Vollstreckung, BGH NJW 1988, 828. 14 Vgl. BGH JZ 2020, 846 mit Anm. Piekenbrock. Zur zwingenden Beachtung dieser Präklusionsvorschrift VerfGH Berlin NJOZ 2012, 1539. 15 Gleiches gilt für eine negative Feststellungsklage, richtig OLG Rostock WuM 2003, 638. 16 BVerfG NJW-RR 2018, 694 – Tz. 22; BGHZ 101, 380; BGH NJW-RR 1990, 434 = WM 1990, 421; OLG Hamm ZInsO 2005, 1329 (Rechtskraft erfasse auch die rechtliche Einordnung der Forderung als deliktische). Dazu Braun JZ 1988, 48; Grunsky Rechtskraft des Vollstreckungsbescheids und ihre Durchbrechung nach den Urteilen des BGH v. 24.9.1987, WM 1987, 1349; Grün Vollstreckungsbescheid über sittenwidrige Ratenkredite, NJW 1990, 2865. 17 Die Problematik der Vollstreckungsbescheide lässt sich nicht auf Urteile übertragen, BGH ZIP 1989, 89. Zur Anwendung des § 826 BGB auf rechtskräftige Urteile Thumm Die Klage aus § 826 BGB gegen rechtskräftige Urteile, 1959; Braun Rechtskraft und Restitution I, 1979. 18 Die Rechtskraft leugnet insbes. das OLG Köln (NJW 1986, 1350 = JZ 1986, 642) ganz generell, während das OLG Stuttgart sie stark reduziert (nachgeholte Amtsprüfung: NJW 1985, 2272; 1987, 444). Dazu Grunsky Zur Rechtskraft des Vollstreckungsbescheids, JZ 1986, 626; Lappe/Grünert Ist der Vollstreckungsbescheid der Rechtskraft fähig? Rpfleger 1986, 161; Bender Nochmals: Zur Rechtskraft des Vollstreckungsbescheids, JZ 1987, 503; Münzberg Die materielle Rechtskraft der Vollstreckungsbescheide, JZ 1987, 477; Braun Ungeschriebene Voraussetzungen uneingeschränkter Rechtskraft, JZ 1987, 789; Prütting/Weth Rechtskraftdurchbrechung bei unrichtigen Titeln (1988); Grün Die Zwangsvollstreckung aus Vollstreckungsbescheiden über sittenwidrige Ratenkreditforderungen (1990) 84, 100 u.ö. S. auch BGH NJWRR 1990, 304. 605

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2. Ausnahme 5 a) Ausgangslage.19 Die Rechtswirklichkeit lehrt, dass von den durch das Gesetz angebotenen Rechtsbehelfen des Widerspruchs gegen den Mahnbescheid, § 694, und des Einspruchs gegen den Vollstreckungsbescheid, § 700, nur spärlicher Gebrauch gemacht wird. Nach der Ausgestaltung des Mahnverfahrens, das unter den derzeitigen20 Voraussetzungen nicht einmal eine Schlüssigkeitsprüfung vorsieht, kann somit ein Anspruch zur Vollstreckbarkeit gelangen, dessen materiell-rechtliche Unwirksamkeit evident ist. Die aus diesem Faktum ableitbare, naheliegende Schlussfolgerung, dass das Verfahrensrecht sich damit begnügen muss, Rechtsbehelfe zur Verfügung zu stellen, dass es aber nicht darüber hinaus dafür Sorge tragen kann, dass diese auch tatsächlich wahrgenommen werden (‚volenti non fit iniuria‘),21 führte in einer Reihe von Vollstreckungen aufgrund eines sittenwidrigen Anspruchs zu einem eklatanten Verstoß gegen das Gerechtigkeitsempfinden. Der BGH schälte daher in mehreren Entscheidungen unter Heranziehung des in § 826 BGB22 verankerten Grundgedankens eine Fallgruppe heraus, die sich dadurch auszeichnet, dass trotz Unanfechtbarkeit des Vollstreckungsbescheids (Rechtskraft) die Zwangsvollstreckung aus diesem Bescheid als unzulässig verworfen wird. 6 Zu diesem – geradezu zwangsläufigen – Vorgehen der Rechtsprechung ist kritisch anzumerken, dass der eigentlich zu beseitigende Kern des Problems die durch die Vereinfachungsnovelle herbeigeführte Abschaffung der Schlüssigkeitsprüfung im automatisierten Mahnverfahren ist. Es ist diese Neuregelung, die die Weichen falsch gestellt hat; so dass dem Praktiker außer dem Appell an den Gesetzgeber, seinen Fehler eben dort zu reparieren,23 derzeit nur die Möglichkeit verbleibt, die Schäden so gering wie möglich zu halten – auf die Gefahr hin, in Gestalt von Fallgruppenbildungen einen „Fleckerlteppich“24 zu weben.

7 b) Ausnahmefall. Nach der Definition der BGH liegt eine Ausnahme vor, „wenn es mit dem Gerechtigkeitsempfinden schlechthin unvereinbar wäre, dass der Titelgläubiger seine Rechtsstellung unter Missachtung der materiellen Rechtslage zu Lasten des Schuldners ausnutzt“. Eine solche Anwendung des § 826 BGB muss jedoch auf besonders schwerwiegende, eng begrenzte Ausnahmefälle beschränkt bleiben, weil sonst die Rechtskraft ausgehöhlt, die Rechtssicherheit beeinträchtigt und der Rechtsfrieden in Frage gestellt würde.25 Einen solchen Ausnahmefall sah der BGH insbes. bei Konsumentenkrediten26 dann als gegeben an, wenn (1) der Vollstreckungstitel materiell unrichtig ist, (2) dem Titelgläubiger die Unrichtigkeit bekannt ist und wenn (3) besondere

19 Ausführlich und umfassend Walker Beseitigung und Durchbrechung der Rechtskraft, FS 50 Jahre BGH, Festgabe der Wissenschaft Bd. III (2000) 367.

20 Zur historischen Entwicklung OLG Stuttgart NJW 1985, 2272; Braun Die materielle Rechtskraft des Vollstreckungsbescheids, JuS 1992, 178 ff. 21 Schrameck Umfang der materiellen Rechtskraft bei Vollstreckungsbescheiden, 1989, 116 ff. In diese Richtung auch Münzberg Die materielle Rechtskraft der Vollstreckungsbescheide, JZ 1987, 477. 22 Auf diese Norm stellten vorab schon viele Instanzgerichte ab (etwa OLG Ff/M EWiR § 826 3/95 (Olzen)), vgl. Braun Rechtskraft und Rechtskraftdurchbrechung von Titeln über sittenwidrige Ratenkreditverträge (1986) 32. Deneke-Stoll Zur Arglistklage gegen rechtskräftige Vollstreckungsbescheide – BGH, NJW 1987, 3256 und 3259, JuS 1989, 800 ff. will demgegenüber § 580 Nr. 4 analog anwenden. 23 Vgl. auch Münzberg Schlußwort JZ 1987, 819. Statt einer generellen Lösung bevorzugt der Gesetzgeber Symptombekämpfung: § 688 Abs. 2 Nr. 1 im Hinblick auf Verbraucherkredite. Zur Maxime, die Probleme dort zu lösen, wo ihre Wurzel ist, bereits Paulus Die Insolvenzrechtsreform und der Schutz gesicherter Gläubiger, ZIP 1985, 1459. 24 Braun Die materielle Rechtskraft des Vollstreckungsbescheids, JuS 1992, 185 f. 25 BGH NJW-RR 2012, 304; BGH Rpfleger 1991, 325 mit Hinweis auf BGHZ 101, 380; BGH NJW 1988, 971; NJW 1989, 1285; WM 1990, 1816. Hierzu etwa Wesser Abwehr sittenwidrigen Titelmißbrauchs: Welche Rechtsschutzformen stehen dem Vollstreckungsschuldner zur Verfügung? ZZP 113, 2000, 161. 26 BGH Rpfleger 1987, 319 (= BGHZ 101, 380); Rpfleger 1988, 462. Paulus

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Umstände hinzutreten, aufgrund derer es dem Gläubiger zuzumuten ist, die ihm zugefallene Rechtsposition aufzugeben.27 Die zuletzt genannten besonderen Umstände liegen nicht bereits in der fehlenden Schlüs- 8 sigkeitsprüfung des Gerichts.28 Bei den Konsumentenkrediten bejahte der BGH sie vielmehr erst dann, wenn der Titelgläubiger erkennen konnte, dass eine gerichtliche Schlüssigkeitsprüfung wegen Sittenwidrigkeit des Kreditgeschäfts zu einer Ablehnung des Klagebegehrens führen würde, und dass er einen Vollstreckungsbescheid erwirkt hat, nachdem der Schuldner zuvor aus Unkenntnis der Sittenwidrigkeit schon gegen den Mahnbescheid keinen Widerspruch erhoben hatte.29 Im Ergebnis läuft diese Definition der ‚besonderen Umstände‘ darauf hinaus, dass der Gläubiger noch einen Vollstreckungsbescheid beantragt hat, anstatt(?) den Widerspruch des Schuldners anzuregen(?). Denn das gleichfalls in der Definition enthaltene Element der Kenntnis des Gläubigers ist bereits in dem zweiten Tatbestandsmerkmal, Rdn. 7, des Ausnahmefalles enthalten. Damit erweitert sich die die Rechtskraft durchbrechende Ausnahme des BGH auf diejeni- 9 gen Fälle, in denen der Titelgläubiger in Kenntnis der materiellen Unrichtigkeit des Titels gleichwohl aus einem Vollstreckungsbescheid vollstreckt und diesen damit missbraucht.30 Dagegen kann es ihm nicht zum Vorwurf gemacht werden, dass er diesen Bescheid beantragt hat. Denn damit hat er lediglich den verfahrensrechtlich vorgeschriebenen Weg beschritten.31 Die auf diese Weise zurechtgestutzte Definition des Ausnahmefalles ist jedoch so weit, dass 10 sie – zur allgemeinen Regel erhoben – zur Erosion des in der Praxis nach wie vor dringend benötigten Mahnverfahrens führen würde.32 Infolgedessen ist der Anwendungsbereich der Ausnahmeregelung dadurch zu beschränken, dass ihr nur Fallgruppen zugeordnet werden, deren Sittenwidrigkeitsverdikt vergleichbar eklatant ist wie bei den Konsumentenkrediten,33 die in § 688 Abs. 2 Nr. 1 mit dem Erlass des Verbraucherkreditgesetzes eine Sonderregelung erfahren haben. Eine solche Vergleichbarkeit wird man etwa für Partnerschaftsvermittlungshonorare34 und Bürgschaftsfälle bejahen können, bei denen die faktische familiäre Abhängigkeit zur Übernahme einer Bürgschaftsschuld führt, deren Höhe überproportional zu den gegenwärtigen und den voraussichtlichen zukünftigen wirtschaftlichen Möglichkeiten ist;35 oder in Fällen, in denen der Titelgläubiger oder mit seinem Wissen ein Dritter eine strafbare Handlung begeht, um zu dem vollstreckbaren Titel zu gelangen.36

27 Kothe Rechtsschutz gegen die Vollstreckung des wucherähnlichen Rechtsgeschäfts nach § 826 BGB, NJW 1985, 2224. Dagegen etwa Münzberg eine Erwiderung auf Kothe NJW 1986, 361 f. 28 BGH Rpfleger 1991, 326. 29 BGHZ 101, 385 f. 30 So in der Tat BGH NJW-RR 1990, 179 = WM 1990, 391; WM 1990, 393 = NJW-RR 1990, 303; WM 1990, 421 = NJW-RR 1990, 434. 31 Dagegen haben mehrere Gerichte nicht nur die Erwirkung, sondern auch die Ausnutzung des erworbenen Titels als Verstoß gegen § 826 BGB gewertet, OLG Düsseldorf WM 1989, 294; OLG Köln BB 1990, 2205; LG Lübeck NJW 1990, 2892. Vgl. damit BGHZ 36, 18 oder NJW 1983, 284, wo die rechtfertigende Wirkung betont wird, die in der Inanspruchnahme eines staatlichen Verfahrens liegt. 32 Zur Wichtigkeit solcher Überlegungen etwa OLG Stuttgart JZ 1986, 117. J. Kohler Ueber executorische Urkunden, AcP 72 (1888) 1 ff., betont bereits die generelle Notwendigkeit, mittels „executorischer Urkunden“ beschleunigt zur Vollstreckung fortschreiten zu können. 33 BGHZ 103, 44 will es lediglich bei der Fallgruppe der Ratenkreditverträge belassen. Abl. Prütting/Weth JuS 1988, 505, Rdn. 215. Einen früheren, inzw. durch die Energieversorgungsgesetze überholten Beispielsfall stellt RGZ 132, 273 dar: Der Vollstreckungsbefehl sollte eine dem Monopolunternehmen nach Konkursrecht nicht zustehende Vorzugsbehandlung durchsetzen. Zum früheren Abzahlungsgesetz OLG Karlsruhe NJW 1990, 2475. 34 In diese Richtung auch Börstinghaus Vollstreckungsbescheide über Partnerschaftsvermittlungshonorare, MDR 1995, 551. 35 BGH KTS 1994, 374 ff. 36 Vgl. den Sachverhalt in LG Münster NJW-RR 1987, 506. 607

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11 c) Einzelfragen. Für die Kenntnis ist derjenige Zeitpunkt maßgeblich, zu dem der Vollstreckungsbescheid beantragt wird.37 Für eine freiwillige Leistung des Schuldners innerhalb des Dreimonatszeitraums der besonderen Insolvenzanfechtung BGH WM 2007, 175. Ob der Schuldner anwaltlich vertreten war oder nicht, ändert an dem Sittenwidrigkeitsver12 dikt nichts.38 Denn die zuvor beschriebene Durchbrechung des Grundsatzes ‚volenti non fit iniuria‘ beruht nach der vom BGH verfochtenen Definition nicht auf der (Un-)Kenntnis des Schuldners,39 sondern auf der Kenntnis des Gläubigers. Bei teilweiser Sittenwidrigkeit ist nach Ansicht des BGH der wirksame Teil des Vollstre13 ckungstitels nach wie vor vollstreckungsfähig.40 Dem ist freilich nur insoweit beizupflichten, als – wie im entschiedenen Fall die Zinsen – ein selbständiger Anspruch betroffen ist. Eine geltungserhaltende Reduktion im Wege der Zwangsvollstreckung ist ausgeschlossen. In verfahrensrechtlicher Hinsicht soll nach verbreiteter Ansicht der Rechtspfleger, der den 14 Mahn- oder auch den Vollstreckungsbescheid ausstellt, ein eingeschränktes Ablehnungsrecht in besonders eindeutigen Fällen haben, wenn etwa ein ganz entsprechender Fall von der Rechtsprechung bereits als sittenwidrig beurteilt worden ist.41 Dabei ist freilich zu bedenken, dass dadurch der „schweigende“ Antragsteller privilegiert wird.42

IV. Zuständigkeit 15 Abs. 3 regelt die – sachliche43 wie örtliche44 – Zuständigkeit für die Klagen aus §§ 731, 76745 und 768, indem er auf die im Streitfall gegebene Zuständigkeit verweist. Damit ist das tatsächlich zuständige, d.h. das verfahrensrechtlich korrekt bestimmte Gericht gemeint und nicht das u.U. falsch bezeichnete Gericht des § 690 Abs. 1 Nr. 5.46

§ 796a Voraussetzungen für die Vollstreckbarerklärung eines Anwaltsvergleichs (1) Ein von Rechtsanwälten im Namen und mit Vollmacht der von ihnen vertretenen Parteien abgeschlossener Vergleich wird auf Antrag einer Partei für vollstreckbar erklärt, wenn sich der Schuldner darin der sofortigen Zwangsvollstreckung unterworfen hat und der Vergleich unter Angabe des Tages seines Zustandekommens bei einem Amtsgericht niedergelegt ist, bei dem eine der Parteien zur Zeit des Vergleichsabschlusses ihren allgemeinen Gerichtsstand hat.

37 38 39 40 41

BGH WM 1989, 170; WM 1990, 421. A.A. BGH NJW 1987, 3259 = ZIP 1987, 1309. Unrichtig daher etwa LG Köln NJW-RR 2002, 1511. BGH NJW-RR 1990, 303 = WM 1990, 393. Weitergehend LG Stuttgart Rpfleger 1988, 534; 89, 246. Einschränkend OLG Stuttgart Rpfleger 1988, 535. Vgl. auch Herbst Die Prüfungsbefugnis des Rechtspflegers im Mahnverfahren, Rpfleger 1978, 200; Schlemmer Aktuelle Grundsatzfragen des neuen Mahnverfahrens, Rpfleger 1978, 204; Keller Die Automation des Mahnverfahrens, NJW 1981, 1187. 42 LG Karlsruhe AnwBl. 1983, 178. 43 OLG Hamm NJW-RR 2000, 65. 44 OLG Köln OLG-Report 2001, 226. 45 BGH MDR 2021, 193; OLG Karlsruhe OLG-Report 2003, 246; OLG Celle NJW-RR 2002, 1079 (zur Zuständigkeit bei einer Teilklage). 46 Stein/Jonas/Münzberg Rdn. 5. Paulus/Schütze https://doi.org/10.1515/9783110443158-085

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(2) Absatz 1 gilt nicht, wenn der Vergleich auf die Abgabe einer Willenserklärung gerichtet ist oder den Bestand eines Mietverhältnisses über Wohnraum betrifft. (3) Die Vollstreckbarerklärung ist abzulehnen, wenn der Vergleich unwirksam ist oder seine Anerkennung gegen die öffentliche Ordnung verstoßen würde.

Übersicht I.

Vorbemerkung

1 3. 4

II.

Rechtsnatur des Anwaltsvergleichs

III.

Form

IV. 1. 2.

Subjektive Voraussetzungen 9 Parteien 13 Rechtsanwälte

V. 1. 2.

Objektive Voraussetzungen 15 Vergleich iSv. § 779 BGB Zugänglichkeit von Rechtsverhältnissen zum An16 waltsvergleich 17 a) Anwaltsvergleichsfähige Ansprüche 18 b) Bezeichnung des Anspruchs

7

4. 5. 6. VI. 1. 2.

19 c) Ausgeschlossene Ansprüche Unterwerfung unter die Zwangsvollstre22 ckung 24 Datierung 25 Unterzeichnung 26 Niederlegung Versagungsgründe der Vollstreckbarerklä30 rung 31 Unwirksamkeit des Anwaltsvergleichs 35 Verstoß gegen den ordre public

VII. Internationale Anwaltsvergleiche 1. Kollisionsrechtliche Anknüpfung 37 2. Sprache

36

I. Vorbemerkung Der Anwaltsvergleich als Mittel außergerichtlicher Streitbeilegung1 ist durch das Rechtspflege- 1 Vereinfachungsgesetz 19902 in die ZPO eingefügt worden.3 Für die Durchsetzung des Anwaltsvergleichs galten die Bestimmungen über die Vollstreckbarerklärung von Schiedsvergleichen. Der Anwaltsvergleich erhielt deshalb zunächst in § 1044b einen systematisch falschen Standort. Nach Wegfall des Schiedsvergleichs im Rahmen der Neuregelung des 10. Buchs war der Grund für diesen systemwidrigen Standort der Norm fortgefallen.4 Eine große praktische Bedeutung hat der Anwaltsvergleich bisher nicht erlangt.5 Insbesonde- 2 re das Erfordernis des „gegenseitigen Nachgebens“ (vgl. dazu Rdn. 6) macht ihn für unstreitige Ansprüche ungeeignet. Hier – wie auch in anderen Fällen,6 mit Ausnahme vielleicht der Mediation7 – ist die vollstreckbare notarielle Urkunde dem Anwaltsvergleich überlegen. Die Regelung ist verfassungsrechtlich unbedenklich.8 3

1 2 3 4 5 6

Vgl. dazu Nerlich Außergerichtliche Streitbeilegung mittels Anwaltsvergleichs, MDR 1997, 416 ff. Vgl. Art. 1 Nr. 68 Rechtspflege-Vereinfachungsgesetz v. 17.12.1990, BGBl. 1990 I 2847. Vgl. dazu eingehend Veeser Der vollstreckbare Anwaltsvergleich. 1996, 1 ff. Vgl. Begründung zu Art. 1–5 Schiedsverfahrens-Neuregelungsgesetz, BT-Drucks. 13/5274. Hierzu etwa Leutner/Hacker Zu Unrecht verschmäht: Der vollstreckbare Anwaltsvergleich, NJW 2012, 1318. Dazu MünchKomm/Wolfsteiner Rdn. 1; Bergschneider Das Unterhaltsrechtsänderungsgesetz – Einige Überlegungen zur Vertragsgestaltung, DNotZ 2008, 95, 105. 7 Die Literatur hierzu ist uferlos, s. etwa Koch Gerichtliche Mediation, NJ 2005, 97; Probst Mediation und Recht, JR 2009, 265; Spindler Mediation – Alternative zur justizförmigen Streiterledigung und rechtspolitischer Handlungsbedarf, DVBl 2008, 1016; Steffek Rechtsvergleichende Erfahrungen für die Regelung der Mediation, RabelZ 74, 2010, 841; G.Wagner Grundstrukturen eines deutschen Mediationsgesetzes, RabelsZ 74, 2010, 794. 8 Vgl. Veeser a.a.O., 11 ff. 609

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II. Rechtsnatur des Anwaltsvergleichs 4 Der Anwaltsvergleich hat eine Doppelnatur. Er ist ein materiellrechtlicher Vergleich mit prozessualen Wirkungen.9 Zu einem vollstreckbaren Titel wird er jedoch erst durch den gerichtlichen bzw. notariellen Beschluss nach Maßgabe des § 794 Abs. 1 Nr. 4b.10 Als Vergleich iSv. § 779 BGB (dazu unten Rdn. 6) ist er materiellrechtlicher Natur.11 Regelmä5 ßig – aber nicht notwendigermaßen12 – außerhalb eines gerichtlichen Prozesses oder Schiedsverfahrens abgeschlossen (auch etwa im Arbeitsrecht,13 im Aktienrecht,14 im Versicherungsrecht15 oder im Rahmen eines Mediationsverfahrens16), hat er, anders als ein „regulärer“ Vergleichsvertrag, als Anwaltsvergleich das Potential, mittels Beschlusses zu einem Vollstreckungstitel iSv. § 794 Abs. 1 Nr. 4 b zu mutieren; insoweit hat er auch eine prozessuale Natur. Sein Zustandekommen bestimmt sich nach bürgerlichem Recht, seine Wirkungen nach Prozessrecht. Der Anwaltsvergleich hat nicht die Wirkung des § 127a BGB.17 6

III. Form 7 Der Anwaltsvergleich bedarf der Schriftform.18 Das ergibt sich aus der Notwendigkeit der Unterschrift nach Abs. 1,19 aber auch aus dem Erfordernis der Niederlegung bei dem Amtsgericht. Eine besondere Protokollierung ist nicht vorgeschrieben. Es genügt beispielsweise der Ab8 schluss durch Briefwechsel, wobei die Rechtsanwälte jeweils im Namen und mit Vollmacht der von ihnen vertretenen Partei die Briefe unterzeichnen,20 wobei Veeser darüber hinaus eine Verbindung der einzelnen Schriftstücke fordert,21 was zweckmäßig, aber nicht notwendig ist.

IV. Subjektive Voraussetzungen 1. Parteien 9 Die Parteien müssen persönlich oder durch einen Vertreter am Vergleichsabschluss mitwirken.

9 Vgl. Schütze DZWir 1993, 133 ff. 10 BGH NJW 2006, 695. Deswegen kann er vor der Vollstreckbarerklärung keine vollstreckbare Urkunde i.S.d. Art. 58 EuGVVO sein, Trittman/Merz Die Durchsetzung des Anwaltsvergleichs gemäß §§ 796a ff. ZPO im Rahmen des EuGVÜ/LugÜ, IPRax 2001, 178 Geimer Freizügigkeit vollstreckbarer Urkunden im Europäischen Wirtschaftsraum, IPRax 2000, 366. Zur zulässigen Einordnung in Art. 24 und 25 EuVTVO Zenker in: Geimer/Schütze, Internationaler Rechtsverkehr, EuVTVO, Art. 24 Rdn. 8; Rellermeyer Der Europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen, Rpfleger 2005, 389. 11 S. nur Staudinger/Hau (2020) BGB § 779 Rdn. 279. 12 In gerichtlichen und schiedsgerichtlichen Verfahren bringt der Anwaltsvergleich keine, jedenfalls keine Kostenvorteile. Vgl. Hansens AnwBl. 1991, 113 ff, 116 f. 13 S. unten Fn. 34. 14 So hM, etwa Fleischer Vergleiche über Organhaftungs-, Einlage- und Drittansprüche der Aktiengesellschaft, AG 2015, 133, 140. 15 Hellberg/Wendt Mediation in der Versicherungswirtschaft, ZKM 2010, 21, 24. 16 S. etwa Schekahn Außergerichtliche Mediation und die drei großen „V“ – Vollstreckung, Verjährung, Vertraulichkeit, JR 2013, 53; Henssler Das neue Mediationsgesetz: Mediation ist und bleibt Anwaltssache, DB 2012, 159. 17 Vgl. Hansens AnwBl. 1991, 113 ff; Veeser a.a.O., 109 ff; Zöller/Geimer Rdn. 8. 18 Zur sprachlichen Anforderung s. Rdn. 21. 19 Vgl. Ersfeld MittRhNotK 1992, 229 ff; Huchel/Huchel MDR 1993, 939 ff; Veeser a.a.O., 97; Ziege NJW 1991, 1580 ff; Zöller/Geimer Rdn. 13. 20 Vgl. Zöller/Geimer Rdn. 13. 21 Vgl. Veeser a.a.O., 98. Paulus/Schütze

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Wegen der Doppelnatur des Anwaltsvergleichs müssen die Parteien geschäftsfähig und pro- 10 zessfähig sein.22 Die Geschäftsfähigkeit bestimmt sich bei natürlichen Personen nach dem Heimatrecht (Art. 7 Abs. 1 EGBGB), bei juristischen Personen und Vermögensmassen nach den Vorgaben der sog. Gründungstheorie.23 Die Prozessfähigkeit beurteilt sich nach der Geschäftsfähigkeit, bei natürlichen Personen 11 also nach ihrem Heimatrecht, bei juristischen Personen und Vermögensmassen nach ihrer Gründungsjurisdiktion.24 Eine persönliche Unterschriftsleistung durch die Parteien ist nicht mehr notwendig. Nach der 12 Neufassung ist nur erforderlich, dass der Anwaltsvergleich durch einen von ihnen bevollmächtigten Rechtsanwalt unterzeichnet wird. Die verdeckte Stellvertretung und das Handeln eines Vertreters ohne Vertretungsmacht ist dabei ausgeschlossen.25 Der Klarstellung halber ist zu empfehlen, dass die Bevollmächtigung des Anwalts gesondert von der Prozessvollmacht erteilt wird; dies ist wenigstens dann geboten, wenn der Anwaltsvergleich keinen laufenden Rechtsstreit abschließt.26

2. Rechtsanwälte Der Vergleich muss für jede Partei von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt unterschrieben wer- 13 den.27 Hat eine Partei mehrere Rechtsanwälte bevollmächtigt (zB eine Sozietät), so genügt die Unterschrift eines Anwalts.28 Der Rechtsanwalt muss – da § 796a Anwaltszwang vorsieht – bei einem deutschen Gericht 14 zugelassen sein.29 Ausnahmen bestehen für Rechtsanwälte aus EU-Staaten, soweit diese nach dem Gesetz über die Tätigkeit europäischer Rechtsanwälte in Deutschland zugelassen sind,30 sowie die in § 206 angesprochenen ausländischen Rechtsanwälte.

V. Objektive Voraussetzungen 1. Vergleich iSv. § 779 BGB Der Anwaltsvergleich muss die Voraussetzungen des § 779 BGB erfüllen,31 d.h. ein gegenseitiges 15 Nachgeben beinhalten, das die Hauptsache, die Nebenforderungen, die Kosten oder die Fälligkeit betreffen kann. Auch ein geringfügiges Nachgeben genügt. Nicht ausreichend ist jedoch die Ver-

22 Vgl. Hansens AnwBl. 1991, 113 ff; Veeser a.a.O., 103. 23 Das gilt zumindest für den Bereich der EU; darüber hinaus ist die Frage nach Geltung von Gründungs- oder Sitztheorie nach wie vor umstritten; Nachweise etwa bei MünchKomm/Kindler – IntGesR Rdn. 362 ff, 423 ff (zur Geschäftsfähigkeit Rdn. 563); Fleischer Ein Rundgang durch die Landschaft gesellschaftsrechtlicher Theorien, NZG 2023, 243. 24 Vgl. im einzelnen Schütze Einl./IZPR Rdn. 167. 25 Vgl. Begründung zu § 796a, BT-Drucks. 13/5274. 26 S. BGH NJW 1992, 1963. 27 S. auch Staudinger/Hertel (2023) BGB § 125 Rdn. 49. 28 Vgl. Hansens AnwBl. 1991, 113 ff; Veeser a.a.O., 101; Zöller/Geimer Rdn. 15. 29 Vgl. Baumbach/Lauterbach/Schmidt Rdn. 6; MünchKomm/Maier § 1044 b Rdn. 4; Schütze DZWir 1993, 133 ff; aA Geimer DNotZ 1991, 266 ff, 286. Zum Anwalt als Organ der Rechtspflege s. etwa Kilian Der Anwalt als Organ der Rechtspflege – eine Spurensuche, AnwBl 2019, 662. 30 Gesetz v. 9.3.2000, BGBl. I S. 182. S. auch Schütze DZWir 1993, 133 ff. 31 Vgl. Hansens JB 1991, 639 ff; Huchel/Huchel MDR 1993, 939 ff; Veeser a.a.O., 53 ff; Zöller/Geimer Rdn. 9. 611

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besserung der Rechtsposition des Gläubigers im Hinblick auf die Titelerlangung.32 Der Anwaltsvergleich soll nicht das notarielle Schuldanerkenntnis ersetzen.

2. Zugänglichkeit von Rechtsverhältnissen zum Anwaltsvergleich 16 Der Anwaltsvergleich kann sich grundsätzlich auf alle Rechtsverhältnisse beziehen, deren Ansprüche einem Vergleich zugänglich sind,33 wobei aus politischen Gründen Ausnahmen gemacht werden.

17 a) Anwaltsvergleichsfähige Ansprüche. Der Anwaltsvergleich kann sich auf alle schuldrechtlichen Ansprüche beziehen, soweit sie nicht gesetzlich oder ihrer Natur nach ausgeschlossen sind. Es werden u.a. auch erfasst: – familienrechtliche Ansprüche im Rahmen einer Scheidungsfolgenregelung;34 – arbeitsrechtliche Ansprüche,35 nachdem durch die systematische Stellung der Regelung klargestellt ist, dass die Ausschlussregelung der §§ 101 ff ArbGG den Anwaltsvergleich nicht ausschließt;36 – öffentlichrechtliche Ansprüche – über § 13 GVG hinaus – soweit sich die Parteien hierüber vergleichen können;37 – Ansprüche, die bei Einleitung eines Verfahrens der freiwilligen Gerichtsbarkeit unterliegen würden.38

18 b) Bezeichnung des Anspruchs. Der Anspruch, wegen dessen sich der Schuldner der Zwangsvollstreckung unterwirft, muss bezeichnet sein.39 Jedoch kann sich der Anwaltsvergleich auch auf Rechtsbeziehungen der Parteien beziehen, die der Vollstreckung nicht zugänglich sind.40 Denn der Anwaltsvergleich dient nicht nur der Zwangsvollstreckung, er kann vielmehr auch darauf gerichtet sein, endgültig Rechtsfrieden schaffen.

19 c) Ausgeschlossene Ansprüche. Nicht einem Anwaltsvergleich zugänglich sind die in § 794 Abs. 1 Nr. 5 ausgeschlossenen Ansprüche, also solche auf Abgabe einer Willenserklärung und solche, die den Bestand eines Mietverhältnisses über Wohnraum betreffen (Abs. 2).41 Denn wenn sich der Schuldner nicht in vollstreckbarer Urkunde der sofortigen Zwangsvollstreckung unterwerfen kann, dann muss dies auch für den Anwaltsvergleich ausgeschlossen sein. 32 So anscheinend Leutner/Hacker Zu Unrecht verschmäht: Der Anwaltsvergleich, NJW 2012, 1318; wohl auch Veeser a.a.O., 74 (Beseitigung der Unsicherheit der Durchsetzung). 33 Dazu etwa Münch Der Anwendungsbereich der Vollstrckungsunterwerfung, ZNotP 1998, 474, 479. 34 Vgl. dazu OLG München BeckRS 2010, 23468; Schnitzler FamRZ 1993, 1150 ff. 35 Voit/Geweeke Der vollstreckbare Anwaltsvergleich in Arbeitssachen, NZA 1998, 400; Hergenröder AR-Blattei SD 1660, 2003, Rdn. 119 ff. Zur Auswirkung eines Anwaltsvergleichs auf die Ruhensvorschrift des § 158 SGB III Bauer/Krieger Das Ende der außergerichtlichen Beilegung von Kündigungsstreitigkeiten?, NZA 2004, 640, 641. 36 Aus der systematischen Stellung der früheren Regelung im 10. Buch der ZPO hatte Veeser a.a.O., 112 ff die Unzulässigkeit des Anwaltsvergleichs für arbeitsrechtliche Ansprüche hergeleitet. 37 Vgl. Veeser a.a.O., 118 ff; Zöller/Geimer Rdn. 7. 38 Vgl. Veeser a.a.O., 132 ff. 39 Vgl. Huchel/Huchel MDR 1993, 939 ff; Veeser a.a.O., 104. 40 Vgl. Zöller/Geimer Rdn. 12. 41 § 796a ist dagegen anwendbar, wenn sich der Vertrag auf eine Gewerbemiete bezieht, Gutachten DNotI-Report 2007, 66, 67; Lebec/Latinovic Der Anwaltsvergleich als Räumungstitel, NZM 1999, 14; Zöller/Geimer Rdn. 5. Zu Mischformen der Miete s. DNotI-Report 1999, 157. Paulus/Schütze

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Ob dies rechtspolitisch sinnvoll ist, mag füglich bezweifelt werden. Die Abgrenzung des Miet- 20 verhältnisses über Wohnraum ist dieselbe wie in § 1030 Abs. 2. Die Ausschlussregelung ist restriktiv zu interpretieren.42 Ausgeschlossen sind ferner alle Materien, für die sich der Staat ein Rechtsprechungsmonopol 21 vorbehalten hat,43 also zB die Scheidung, nicht jedoch die Scheidungsfolgen, beispielsweise Unterhaltsansprüche. Auch die Aufhebung der Vollstreckbarkeit ist dem Anwaltsvergleich zugänglich. Wenn die Parteien schon für die Vollstreckungsgegenklage ein Schiedsgericht vereinbaren können,44 dann können sie sich hierüber auch im Wege eines Anwaltsvergleichs einigen.

3. Unterwerfung unter die Zwangsvollstreckung Der Schuldner muss in dem Anwaltsvergleich die Erklärung abgeben, dass er sich der sofortigen 22 Zwangsvollstreckung unterwirft. Die Unterwerfungserklärung ist eine einseitige Prozesshandlung, die lediglich prozessualen Grundsätzen untersteht.45 Demnach muss also der zu vollstreckende Anspruch (bzw. jeder einzelne von ihnen) hinreichend bestimmt sein.46 Ob der materiell-rechtliche Vergleich die prozessualen Bestimmtheitsanforderungen erfüllt, ist demgegenüber unerheblich.47 Bei mehreren Gläubigern muss die Erklärung beinhalten, gegenüber welchem Gläubiger (wel- 23 chen Gläubigern) die Unterwerfung erfolgt.48

4. Datierung Der Anwaltsvergleich ist zu datieren.49 Die Datierung dient nur der Kennzeichnung des Anwalts- 24 vergleichs. Es ist nicht das Datum des Vergleichsabschlusses maßgebend. Es genügt das Datum der zuletzt geleisteten Unterschrift.50

5. Unterzeichnung Die Parteien müssen nicht, können aber den Anwaltsvergleich entweder eigenhändig unterschrei- 25 ben oder durch einen Vertreter unterschreiben lassen. Unabdingbar ist dagegen, dass der für jede Partei mitwirkende Rechtsanwalt den Vergleich eigenhändig unterschreibt. Bei mehreren bevollmächtigten Rechtsanwälten genügt die Unterschrift eines dieser Anwälte.

6. Niederlegung Der Anwaltsvergleich ist bei dem Gericht niederzulegen. Sachlich zuständig ist das Amtsgericht, 26 örtlich zuständig das Gericht, in dessen Sprengel eine der Parteien ihren allgemeinen Gerichtsstand hat. Niedergelegt werden muss die Urschrift oder eine Ausfertigung, die mit allen erforderli42 43 44 45 46 47 48 49 50 613

Vgl. Schütze Schiedsgericht und Schiedsverfahren, 2. Aufl., 1998, Rdn. 96. Vgl. Veeser a.a.O., 67 f. Vgl. BGH NJW 1987, 651 m. Anm. Schütze EWiR § 1027 a ZPO 1/87, 305. Vgl. BGH NJW 1979, 928; 1983, 2262; 1985, 2423; Veeser a.a.O., 103 mwN. BGH NJW 2006, 695; OLG Saarbrücken NJW-RR 2005, 1302. S. auch § 795 Rdn. 16. BGH NJW 2006, 695, 697. Vgl. Huchel/Huchel MDR 1993, 939 ff. Vgl. dazu Huchel/Huchel MDR 1993, 939 ff; Zöller/Geimer Rdn. 16. Vgl. Veeser a.a.O., 102. Paulus/Schütze

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chen Unterschriften versehen sein muss.51 Die Niederlegung bei einem örtlich unzuständigen Gericht ist unschädlich. Anstelle der Niederlegung bei Gericht ist eine Verwahrung durch einen deutschen Notar zulässig (§ 796c), wenn denn dieser seinen Amtssitz im Bereich des Amtsgerichts hat, bei dem eine der Parteien im Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses ihren allgemeinen Gerichtsstand i.S.d. § 13 hat.52 27 Die Niederlegung dient dem Schutz der Urkunde vor nachträglicher Verfälschung.53 Zur Niederlegung ist jeder befugt, der den Anwaltsvergleich unterschrieben hat.54 Er gilt als 28 von den anderen Beteiligten zur Niederlegung bevollmächtigt. Es besteht kein Anwaltszwang. Für die Niederlegung oder die notarielle Inverwahrnahme besteht keine Frist. Sie muss je29 doch spätestens bis zur Vollstreckbarerklärung erfolgen. Sie kann noch im Vollstreckbarerklärungsverfahren nachgeholt werden.

VI. Versagungsgründe der Vollstreckbarerklärung 30 Der Anwaltsvergleich bedarf der Vollstreckbarerklärung gemäß den §§ 796b, 796c, um aus ihm vollstrecken zu können. Dabei entscheidet der zuständige Amtsträger über die Vollstreckbarkeit, nicht aber über den zugrunde liegenden Anspruch.55 Das ist hinsichtlich des § 767 Abs. 2 von Bedeutung, impliziert aber auch des weiteren, dass sich der Prüfungsumfang nicht auch auf eventuelle Einwendungen des Schuldners erstreckt.56 Eine Ablehnung der Vollstreckbarerklärung des Anwaltsvergleichs ergibt sich aus der abschließend zu verstehenden Enumeration in Abs. 3.

1. Unwirksamkeit des Anwaltsvergleichs 31 Die Unwirksamkeit des Anwaltsvergleichs ist Versagungsgrund unabhängig davon, ob die Unwirksamkeit auf materiellen oder formellen Gründen beruht.57 Formelle Unwirksamkeitsgründe sind 32 – fehlende Unterschrift (Rdn. 14) – mangelnde Datierung (Rdn. 13) – fehlende Niederlegung (Rdn. 15 f ) – mangelnde besondere Form, zB notarielle Beurkundung.58 33 Diese formellen Unwirksamkeitsgründe können noch im Vollstreckbarerklärungsverfahren bis zur Entscheidung behoben werden. Die fehlende Vollmacht einer der Parteien ist lediglich dann ein Versagungsgrund, wenn dies von einer Partei gerügt wird.59 Materieller Unwirksamkeitsgrund ist in erster Linie die mangelnde Zugänglichkeit des Streites 34 zum Anwaltsvergleich, etwa bei einem Streit über den Bestand eines Mietverhältnisses über Wohnraum oder wenn der Schuldner sich zur Abgabe einer Willenserklärung verpflichtet (vgl. Rdn. 10).

51 52 53 54

Vgl. Huchel/Huchel MDR 1993, 939 ff. Gutachten DNotI-Report 2007, 66, 67. Vgl. Begründung zu § 796 a, BT-Drucks. 13/5274. Ebenso wohl Huchel/Huchel MDR 1993, 939 ff; Baumbach/Lauterbach/Schmidt Rdn. 8 (jede der Parteien); zweifelnd Geimer DNotZ 1991, 226 ff, 279. 55 Zur Prüfungspflicht des Gerichts L.F.Schramm Richterliche Pflichten und Haftung beim Prozessvergleich der ZPO, 2015, S. 187 ff. 56 LG Halle NJW 1999, 3567; Saenger/Kindl Rdn. 7; aA Zöller/Geimer Rdn. 22. 57 Vgl. dazu Veeser a.a.O., 189 ff. 58 Vgl. Veeser a.a.O., 189. 59 Gutachten DNotI-Report 2007, 66,68. Paulus/Schütze

614

Abschnitt 1. Allgemeine Vorschriften

§ 796b

2. Verstoß gegen den ordre public Die Erwähnung der öffentlichen Ordnung in dieser primär intern wirkenden Vorschrift ist unge- 35 wöhnlich; ist die öffentliche Ordnung doch üblicherweise eine Art letzter Abwehrbastion gegen die Anerkennung ausländischer Rechtsakte im Inland. Dementsprechend ist denn auch davon auszugehen, dass diesem Terminus neben den Unwirksamkeitsgründen des bürgerlichen Rechts keinerlei eigenständige Bedeutung zukommt.60 Wichtigster Fall des ordre public-Verstoßes ist infolgedessen die Sittenwidrigkeit des Anwaltsvergleichs nach § 138 BGB.61 Weiter ist hierunter der Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot zu fassen, zB der Verstoß gegen ein Embargo.

VII. Internationale Anwaltsvergleiche 1. Kollisionsrechtliche Anknüpfung Das Zustandekommen des Anwaltsvergleichs und seine Wirksamkeit bestimmen sich nach der lex 36 causae, dem Recht, dem das Rechtsverhältnis unterliegt, das Gegenstand des Anwaltsvergleichs ist.62 Die prozessuale Wirksamkeit dagegen bestimmt sich immer nach deutschem Recht, da dieses das Recht ist, dem der Anwaltsvergleich prozessual unterliegt.63 Zur Unterwerfung unter die Zwangsvollstreckung vgl. Rdn. 12.

2. Sprache Gerichtssprache und Beurkundungssprache sind zwar deutsch (§§ 184 GVG, 5 Abs. 1 BeurkG); 37 dennoch kann der Anwaltsvergleich in fremder Sprache abgefasst werden. Um die Vollstreckung zu ermöglichen, muss jedoch der vollstreckbare Teil in der Entscheidung über die Vollstreckbarerklärung durch das Gericht oder den Notar in deutscher Sprache wiedergegeben werden.64

§ 796b Vollstreckbarerklärung durch das Prozessgericht (1) Für die Vollstreckbarerklärung nach § 796 a Abs. 1 ist das Gericht als Prozessgericht zuständig, das für die gerichtliche Geltendmachung des zu vollstreckenden Anspruchs zuständig wäre. (2) 1Vor der Entscheidung über den Antrag auf Vollstreckbarerklärung ist der Gegner zu hören. 2Die Entscheidung ergeht durch Beschluss. 3Eine Anfechtung findet nicht statt.

60 So auch Leutner/Hacker Zu Unrecht verschmäht: Der Anwaltsvergleich, NJW 2012, 1318, 1320. 61 Vgl. Veeser a.a.O., 190 ff mwN in Fn. 894. Zum ausländischen Mediationsvergleich s. aber Wagner/Thole Die neue EU-Richtlinie zur Mediation, ZKM 2008, 36, 38.

62 Vgl. Veeser a.a.O., 147. 63 Vgl. Schütze DZWir 1993, 133 ff; Veeser a.a.O., 147. 64 Vgl. Schütze DZWir 1993, 133 ff. 615 https://doi.org/10.1515/9783110443158-086

Paulus/Schütze

§ 796b

Achtes Buch – Zwangsvollstreckung

Übersicht I.

Konkurrenz der Verfahrensarten

II.

Zuständigkeit

III. 1. 2. 3. 4.

Verfahren 5 Antrag Fakultativ mündliche Verhandlung 9 Entscheidung 10 Endgültigkeit

1

IV.

3

1. 2.

Internationale Vollstreckbarkeit von Anwaltsvergleichen Vollstreckbarerklärung ausländischer Anwaltsver11 gleiche im Inland Vollstreckbarerklärung inländischer Anwaltsver12 gleiche im Ausland

8 V.

Kosten

13

I. Konkurrenz der Verfahrensarten 1 § 796b regelt die gerichtliche, § 796c die notarielle Vollstreckbarerklärung von Anwaltsvergleichen.1 Beide Verfahren stehen gleichwertig nebeneinander. Der Gläubiger hat kein Wahlrecht hinsichtlich beider Verfahrensarten. Das Verfahren der Vollstreckbarerklärung bestimmen die Parteien durch die Art der Niederle1a gung bzw. Inverwahrnahme. Ist der Anwaltsvergleich gem. § 796a Abs. 1 bei dem Amtsgericht niedergelegt, so bestimmt sich die Vollstreckbarerklärung nach § 796b, ist eine Inverwahrnahme durch den Notar erfolgt, so kommt das Verfahren nach § 796c zur Anwendung. Für eine Leistungsklage anstelle der Vollstreckbarerklärung des Anwaltsvergleichs fehlt regel2 mäßig das Rechtsschutzinteresse, da der Weg über §§ 796b, 796c der einfachere ist. Allerdings besteht ein Rechtsschutzinteresse für eine Leistungsklage, wenn der Schuldner die Rechtswirksamkeit des Anwaltsvergleichs bestreitet2 oder eine Vollstreckung im Ausland stattfinden muss und eine Geltendmachung des Anwaltsvergleichs dort nicht möglich ist.

II. Zuständigkeit 3 Zuständig ist das Prozessgericht, das für die gerichtliche Geltendmachung des dem Anwaltsvergleich zugrunde liegenden Anspruchs, über den sich die Parteien verglichen haben, zuständig wäre.3 Die Bestimmung der Zuständigkeit in Abs. 1 betrifft die örtliche4 und die sachliche Zuständigkeit. Sie ist im Hinblick auf § 8025 ausschließlich. Im Umkehrschluss zu § 20 Nr. 17 RpflG ergibt sich die funktionelle Zuständigkeit des Richters.6 Da Streitgegenstand des Verfahrens nach § 796b die Vollstreckbarkeit ist, ist bei dem Landge3a richt immer eine Zivilkammer – nie eine Kammer für Handelssachen – zuständig. Auch das Vollstreckbarerklärungsverfahren für Anwaltsvergleiche über arbeitsrechtliche Ansprüche fällt in die Zuständigkeit der Zivilgerichte. Bei Anwaltsvergleichen über familienrechtliche Ansprüche wird man in Anwendung der Rechtsprechung zu § 722 (vgl. dazu § 722 Rdn. 13) eine Zuständigkeit der Familiengerichte annehmen müssen, obwohl dies mit dem Streitgegenstand des Vollstreckbarerklärungsverfahrens nicht zu vereinbaren ist.

1 Weil es sich dabei um außergerlichtliche Vergleiche handelt, liegt eine Vergleichbarkeit mit entsprechenden ausländischen Rechtsakten nahe, vgl. Schütze Zur Verbürgung der Gegenseitigkeit im Verhältnis zu Südafrika, IPRax 2010, 428. 2 Vgl. Geimer DNotZ 1991, 266 ff, 269; Zöller/Geimer § 796a Rdn. 28. 3 S. etwa LG Halle NJW 1999, 3567; dazu etwa Deubner Aktuelles Zivilprozessrecht, JuS 2000, 579, 583. 4 AA Thomes/Putzo/Seiler Rdn. 1a. 5 S. dort Rdn. 4. 6 Hk-ZV/Müller Rdn. 8. Paulus/Schütze

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Abschnitt 1. Allgemeine Vorschriften

§ 796b

Sind Gegenstand des Anwaltsvergleichs mehrere Ansprüche, für deren Geltendmachung un- 4 terschiedliche Zuständigkeiten bestehen, so kommt insoweit § 35 zur Anwendung. Der Antragsteller hat ein Wahlrecht.

III. Verfahren 1. Antrag Das Verfahren wird durch Antrag eingeleitet. Antragsberechtigt ist der Gläubiger des Anwaltsvergleichs. Der Schuldner kann seinerseits einen Antrag auf Feststellung, dass der Anwaltsvergleich nicht für vollstreckbar erklärt werden kann (§ 796a Abs. 3) stellen. Für den zunächst gestellten Feststellungsantrag des Schuldners entfällt das Feststellungsinteresse, wenn der Gläubiger seinerseits einen Antrag auf Vollstreckbarerklärung stellt. Der Schuldner muss die Hauptsache für erledigt erklären, andernfalls der Antrag als unzulässig zurückzuweisen ist. Es gelten die von der Rechtsprechung zum Verhältnis von negativer Feststellungsklage zur Leistungsklage praktizierten Grundsätze.7 Der Antrag bedarf keiner besonderen Form.8 Beim Landgericht besteht für die Stellung des Antrags kein Anwaltszwang. Erst wenn das Gericht mündliche Verhandlung anordnet, ist die Vertretung durch einen Anwalt notwendig, der nicht der Anwalt sein muss, der am Vergleich mitgewirkt hat.9 Der Antrag ist nicht fristgebunden. § 253 ist nicht direkt anwendbar. Der Antrag muss aber die wesentlichen Angaben enthalten, die § 253 Abs. 2 fordert,10 also die Bezeichnung der Parteien und einen bestimmten Antrag (Vollstreckbarerklärung, Teilvollstreckbarerklärung, Feststellung der Nichtvollstreckbarerklärung). Der Antrag kann auf einen Teil des Anspruchs oder – bei mehreren Ansprüchen – auf einen oder mehrere beschränkt werden, etwa, wenn der Schuldner teilweise erfüllt hat oder Zweifel an der Zulässigkeit der Vollstreckbarerklärung für einen Teil des Anwaltsvergleichs bestehen. Auch Kostengründe können zu einem Teilvollstreckbarerklärungsverfahren führen.

5

6

6a

7

2. Fakultativ mündliche Verhandlung Das Gericht kann nach seinem pflichtgemäßen Ermessen mündliche Verhandlung anordnen oder 8 ohne mündliche Verhandlung entscheiden. Die Regelung dient der Beschleunigung des Verfahrens.11 Sie entspricht der früheren Rechtslage nach § 1044b.12 In jedem Fall aber ist der Antragsgegner anzuhören. Das bedeutet, dass ihm die Antragsschrift 8a so rechtzeitig zuzustellen ist, dass er hierzu Stellung nehmen kann.

3. Entscheidung Das Gericht entscheidet durch Beschluss, und zwar auch dann, wenn mündlich verhandelt worden ist. 9 Der Beschluss ist beiden Parteien bzw. ihren Bevollmächtigten gemäß § 329 Abs. 3 von Amts wegen zuzustellen.13 7 Vgl. BGHZ 18, 22; BGH NJW 1973, 1500. 8 Vgl. Veeser a.a.O., 170. 9 Vgl. Geimer DNotZ 1991, 266 ff, 280; Veeser a.a.O., 171. 10 Vgl. Veeser a.a.O., 171. 11 Vgl. Begründung zu § 796b, BT-Drucks. 13/5274. 12 Vgl. dazu Veeser a.a.O., 185. 13 DNotI-Report 2007, 66, 68; Leutner/Hacker Zu Unrecht verschmäht: Der vollstreckbare Anwaltsvergleich, NJW 2012, 1318, 1321. 617

Paulus/Schütze

§ 796b

Achtes Buch – Zwangsvollstreckung

4. Endgültigkeit 10 Der Beschluss über die Vollstreckbarerklärung ist mit den ordentlichen Rechtsbehelfen nicht mehr anfechtbar. Die Einstufigkeit des Verfahrens dient der Beschleunigung.14 Sie ist zu vertreten, da die Parteien ja den Anwaltsvergleich selbst ausgehandelt haben.15

IV. Internationale Vollstreckbarkeit von Anwaltsvergleichen 1. Vollstreckbarerklärung ausländischer Anwaltsvergleiche im Inland 11 Die Vollstreckbarerklärung von Anwaltsvergleichen ist – anders als die von öffentlichen Urkunden und (dem deutschen Recht jetzt nicht mehr bekannten) Schiedsvergleichen – in den Staatsverträgen über die internationale Urteilsanerkennung nicht geregelt. Obwohl der Anwaltsvergleich keine notarielle Urkunde im eigentlichen Sinne ist, wird man ihn dieser vollstreckungsrechtlich gleichstellen können. Dies ermöglicht die Wirkungserstreckung ausländischer Anwaltsvergleiche – soweit diese dem ausländischen Recht bekannt sind – nach Art. 58 EuGVVO und Art. 57 LugÜ. Im übrigen sind Anwaltsvergleiche wie notarielle Urkunden zu behandeln.16

2. Vollstreckbarerklärung inländischer Anwaltsvergleiche im Ausland 12 Im Rahmen von Art. 58 EuGVVO und Art. 57 LugÜ i.V.m. § 796b können deutsche Anwaltsvergleiche in den Vertragsstaaten geltend gemacht werden17 Im übrigen gilt autonomes Recht.18

V. Kosten 13 Für das Gericht gilt Nr. 2118 des Kostenverzeichnisses des GKG (66,- A); für Rechtsanwälte die Nrn. 3100 ff. des Vergütungsverzeichnisses des RVG.19

14 Vgl. dazu Begründung zu § 796b, BT-Drucks. 13/5274. S. auch OLG Saarbrücken OLG-Report 2006, 702. 15 Kritisch hierzu Münzberg Einwendungen gegenüber vollstreckbaren Anwaltsvergleichen, NJW 1999, 1357. 16 Zur Vollstreckbarerklärung ausländischer wie inländischer notarieller Urkunden vgl. R.Wagner Die neue EG-Verordnung zum Europäischen Vollstreckungstitel, IPRax 2005, 189, 192; Trittmann/Merz Die Durchsetzbarkeit des Anwaltsvergleichs gemäß §§ 796a ff. ZPO im Rahmen des EuGVÜ/LugÜ, IPRax 2001, 178; Geimer Freizügigkeit vollstreckbarer Urkunden im Europäischen Wirtschaftsraum, IPRax 2000, 366; Bärmann Die Freizügigkeit der notariellen Urkunde, AcP 159 (1960/61) 5 ff; Geimer Vollstreckbare Urkunden ausländischer Notare, DNotZ 1975, 461 ff; Schütze Internationales Notarverfahrensrecht, DNotZ 1992, 69 ff. 17 Vgl. Jennissen Der Europäische Vollstreckungstitel, InVo 2006, 218. Rellermeyer Europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen, Rpfleger 389, 397 f. Schütze DZWir 1993, 133 ff. 18 Vgl. allg. zur Freizügigkeit der vollstreckbaren Urkunde Baugniet, L'exécution des actes notariés dans les pays de la Communauté Economique Européenne, Revue pratique du Notariat Belge 1964, 309 ff; ders. L'exécution des actes authentiques dans les pays de la Communauté Economique Européenne, in: FS Ganshof van der Meersch, 1972, Bd. II, 71 ff. 19 OLG München NJW-RR 2010, 502; LG Kassel NJOZ 2009, 3261; Hk-ZV/Müller Rdn. 11. AA Leutner/Hacker a.a.O., S. 1322 (Nrn. 1000 und 2300 VV-RVG); ferner Schneider Anwalts- und Gerichtskosten für die Vollstreckbarerklärung von Anwaltsvergleichen, AG/Spezial 2013, 1; ders. Kosten bei außergerichtlicher Streitschlichtung, ZAP 2015, 611. Zum Streitwert s. OLG Oldenburg MDR 2012, 868; OLG Düsseldorf FamRZ 2000, 1520. Paulus/Schütze

618

§ 796c

Abschnitt 1. Allgemeine Vorschriften

§ 796c Vollstreckbarerklärung durch einen Notar 1 Mit Zustimmung der Parteien kann ein Vergleich ferner von einem Notar, der seinen Amtssitz im Bezirk eines nach § 796 a Abs. 1 zuständigen Gerichts hat, in Verwahrung genommen und für vollstreckbar erklärt werden. 2Die §§ 796 a und 796 b gelten entsprechend. (2) 1Lehnt der Notar die Vollstreckbarerklärung ab, ist dies zu begründen. 2Die Ablehnung durch den Notar kann mit dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung bei dem nach § 796 b Abs. 1 zuständigen Gericht angefochten werden.

(1)

Übersicht I.

Konkurrenz der Verfahrensarten

1

II.

Inverwahrnahme des Anwaltsvergleichs

III. 1. 2.

Verfahren der Vollstreckbarerklärung 5 Stellung des Notars 6 Antrag

2

6a

3.

Entscheidung

IV.

Anfechtbarkeit der notariellen Entschei7 dung

V.

Kosten

4 8

I. Konkurrenz der Verfahrensarten § 796c regelt die notarielle Vollstreckbarerklärung des Anwaltsvergleichs,1 die kostengünstiger als 1 die Vollstreckbarerklärung durch das Gericht ist.2 Das Verfahren ist nur zulässig in „einvernehmlichen Fällen“, d.h., wenn beide Parteien diesem Weg zustimmen. Die Zustimmung kann im Anwaltsvergleich selbst – was die Regel ist – oder später erklärt werden. Zur Konkurrenz dieses Verfahrens mit dem nach § 796b und der Leistungsklage vgl. § 796b Rdn. 1 f.

II. Inverwahrnahme des Anwaltsvergleichs Der Niederlegung bei Gericht entspricht die Inverwahrnahme3 des Anwaltsvergleichs durch den 2 Notar, der seinen Amtssitz in dem Sprengel des nach § 796a zuständigen Gerichts hat (vgl. dazu § 796a Rdn. 15). Die Inverwahrnahme bedeutet die Behandlung der Urschrift wie eine eigene Urkunde. Sie richtet sich nicht nach § 23 BNotO.4 Die Inverwahrnahme durch einen ausländischen Notar ist ausgeschlossen, da die Vollstreck- 3 barerklärung nur durch einen deutschen Notar erfolgen kann.5 Die Inverwahrnahme fällt nicht unter die Pflichtaufgaben des Notars. Sie ist keine Beurkundungstätigkeit und unterliegt deshalb auch nicht der Pflicht zum Tätigwerden.6 Der Notar muss die Inverwahrnahme ablehnen, wenn der Anwaltsvergleich ersichtlich unwirksam ist, sei es wegen formeller Mängel (zB Fehlen der 1 Sofern die Voraussetzungen eines Anwaltsvergleichs, § 796a Rdn. 4 ff., nicht vorliegen, ist eine gleichwohl vorgenommene Vollstreckbarerklärung durch einen Notar unwirksam, OLG Schleswig FamRZ 2014, 872.

2 Vgl. dazu Hansens AnwBl. 1991, 113 ff, 119 ff. 3 Zum Verfahren insgesamt Müller Notarielle Vollstreckungstitel, RNotZ 2010, 167, 174 ff, 178 ff (zum Klauselerteilungsverfahren); Zimmer Der vollstreckbare Anwaltsvergleich in der notariellen Praxis, NotBZ 2000, 175.

4 Gutachten DNotI- Report 2007, 66, 67. 5 Vgl. Schütze DZWir 1993, 133 ff. 6 Vgl. Geimer DNotZ 1991, 266 ff, 274; Ersfeld MittRhNotK 1992, 229 ff, 233; Schütze DZWir 1993, 113 ff, 135; Veeser a.a.O., 245; Zöller/Geimer Rdn. 2. 619 https://doi.org/10.1515/9783110443158-087

Paulus/Schütze

§ 796c

Achtes Buch – Zwangsvollstreckung

notwendigen Unterschriften), sei es aus materiellen Gründen (zB Verstoß gegen Devisen-, Sanktions- und Embargobestimmungen).

III. Verfahren der Vollstreckbarerklärung 4 Die Vorschriften über gerichtliche Vollstreckbarerklärung des Anwaltsvergleichs gelten entsprechend (vgl. dazu § 796 b Rdn. 5 ff).7

1. Stellung des Notars 5 Der Notar übt im Vollstreckbarerklärungsverfahren genuin richterliche Funktion aus.8 Seine Unparteilichkeit beurteilt sich nach §§ 41 ff. Er hat das Haftungsprivileg des § 839 Abs. 2 BGB.9

2. Antrag 6 Die Entscheidung setzt einen Antrag voraus. Hinsichtlich der Form und des Inhalts des Antrags sowie der Antragsberechtigung gilt § 796b entsprechend (vgl. dazu § 796b Rdn. 5 ff). Der Antrag bedarf keiner besonderen Form, insbesondere nicht der Schriftform.10

3. Entscheidung 6a Die Entscheidung erfolgt durch Beschluss. Ist der Anwaltsvergleich in ausländischer Sprache abgefasst, so muss der vollstreckbare Teil in die deutsche Sprache übersetzt und im Beschluss wiedergegeben werden.11 Der Beschluss, der den Antrag auf Vollstreckbarerklärung zurückweist, ist zu begründen. Der stattgebende Beschluss bedarf keiner Begründung. Die Klauselerteilung erfolgt durch den Notar.12 6b

IV. Anfechtbarkeit der notariellen Entscheidung 7 Der Beschluss, der die Vollstreckbarerklärung ausspricht, ist unanfechtbar.13 Er steht dem gerichtlichen Beschluss nach § 796b gleich. Gegen den Beschluss, der den Antrag auf Vollstreckbarerklärung zurückweist, ist die Be7a schwerde gegeben.14 Über sie entscheidet nach Abs. 2 das nach § 796b Abs. 1 zuständige Gericht.

7 S. zum Ganzen auch Müller Notarielle Vollstreckungstitel, RNotZ 2010, 167, 173 ff. 8 Vgl. Zöller/Geimer Rdn. 1. 9 BGH WM 2021, 129 – Tz. 12; OLG Schleswig NotBZ 2017, 398. 10 Vgl. Ersfeld MittRhNotK 1992, 229 ff, 233; Hansens JB 1991, 639 ff; Veeser a.a.O., 248; aA (Schriftform) Geimer DNotZ 1991, 266 ff, 281; Will BWNotZ 1992, 89 ff. 11 Vgl. Schütze DZWir 1993, 133 ff. 12 Vgl. MünchKomm/Wolfsteiner Rdn. 8; Zöller/Geimer Rdn. 9. 13 AA Geimer DNotZ 1991, 266 ff, 275; Zöller/Geimer § 1044 b Rdn. 35, der die sofortige Beschwerde zulassen will. 14 Vgl. Hansens AnwBl. 1991, 113 ff, 116; MünchKomm/Wolfsteiner Rdn. 7; Ziege NJW 1991, 1580 ff, 1583; die Meinung von Veeser a.a.O., 271 ff, wonach ein Rechtsbehelf gegen die notarielle Entscheidung in keinem Falle gegeben sei, ist durch die Regelung in Abs. 2 überholt. Paulus/Schütze

620

Abschnitt 1. Allgemeine Vorschriften

§ 797

V. Kosten Die Gebühren des Notars bemessen sich nach Nr. 23800 GNotKG (60,- A).15

8

§ 797 Verfahren bei vollstreckbaren Urkunden (1) Die vollstreckbare Ausfertigung gerichtlicher Urkunden wird erteilt bei 1. gerichtlichen Urkunden von dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des die Urkunde verwahrenden Gerichts, 2. notariellen Urkunden von a) dem die Urkunde verwahrenden Notar, b) der die Urkunde verwahrenden Notarkammer oder c) dem die Urkunde verwahrenden Amtsgericht. (2) Die Entscheidung über die Erteilung einer weiteren vollstreckbaren Ausfertigung wird getroffen bei 1. gerichtlichen Urkunden von dem die Urkunde verwahrenden Gericht, 2. notariellen Urkunden von a) dem die Urkunde verwahrenden Notar, b) der die Urkunde verwahrenden Notarkammer oder c) dem die Urkunde verwahrenden Amtsgericht. (3) Die Entscheidung über Einwendungen, welche die Zulässigkeit der Vollstreckungsklausel und die Zulässigkeit der Erteilung einer weiteren vollstreckbaren Ausfertigung betreffen, wird getroffen bei 1. gerichtlichen Urkunden von dem die Urkunde verwahrenden Gericht, 2. notariellen Urkunden von dem Amtsgericht, a) in dessen Bezirk der die Urkunde verwahrende Notar seinen Amtssitz hat, b) in dessen Bezirk die die Urkunde verahrende Notarkammer ihren Sitz hat oder c) das die Urkunde verwahrt. (4) Auf die Geltendmachung von Einwendungen, die den Anspruch selbst betreffen, ist die beschränkende Vorschrift des § 767 Abs. 2 nicht anzuwenden. (5) Das Gericht, bei dem der Schuldner im Inland seinen allgemeinen Gerichtsstand hat, ist zuständig für 1. Klagen auf Erteilung der Vollstreckungsklausel, 2. Klagen, durch welche die den Anspruch selbst betreffenden Einwendungen geltend gemacht werden, und _ 3. Klagen, durch welche der bei der Erteilung der Vollstreckungsklausel als bewiesen angenommene Eintritt der Voraussetzung für die Erteilung der Vollstreckungsklausel als bewiesn angenommene Eintritt der Voraussetzung für die Erteilung der Vollstreckungsklausel bestritten wird. Hat der Schuldner im Inland keinen allgemeinen Gerichtsstand, so ist das Gericht zuständig, bei dem nach § 23 gegen den Schuldner Klage erhoben werden kann. (6) Auf Beschlüsse nach § 796c sind die Absätze 2 bis 5 entsprechend anzuwenden.

15 S. noch Schneider Anwalts- und Gerichtskosten für die Vollstreckbarerklärung von Anwaltsvergleichen, AG/Spezial 2013, 1, 5 (noch zu § 148a KostO). 621 https://doi.org/10.1515/9783110443158-088

Paulus/Schütze

§ 797

Achtes Buch – Zwangsvollstreckung

Übersicht I.

Gesetzesgeschichte, Normzweck

1

II.

Allgemeines

III. 1. 2.

Erstellung der vollstreckbaren Ausfertigung 6 Erstellung 10 Notar

a) b)

Verfahren Entscheidung

11 13

3 IV. 1. 2. 3.

Rechtsbehelfe 16 Anlässlich der Ausfertigung 17 Sonstige Rechtsbehelfe Speziell: Vollstreckungsgegenklage

21

I. Gesetzesgeschichte, Normzweck 1 Bereits der Norddeutsche Entwurf von 1870 enthielt in den §§ 936, 942, 944 eine der vorliegenden Vorschrift entsprechende Regelung, die über die CPO von 1877 (§ 705) in die ZPO eingegangen ist und seither nur kleinere Änderungen erfahren hat (1909, 1927). Durch das Rechtspflege-Vereinfachungsgesetz vom 17.12.19901 wurde nach der entsprechenden Änderung des § 794 Abs. 1 Nr. 4a Absatz 6 hinzugefügt, der seinerseits durch die Zweite Zwangsvollstreckungsnovelle gesetzestechnisch angepasst wurde. Der 2. Satz des Abs. 3 wurde eingefügt durch Art. 4 des Gesetzes zur Übertragung von Aufgaben im Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit auf Notare.2 Eine Neugestaltung der Vorschrift erfolgte durch Art. 14 des Gesetzes zur Modernisierung des notariellen Berufsrechts und zur Änderung weiterer Vorschriften.3 2 Der Zweck der Vorschrift besteht darin, eine einheitliche Regelung für die in der Praxis überaus bedeutsamen vollstreckbaren Urkunden zu treffen. Danach findet die Zwangsvollstreckung aus diesen Urkunden insgesamt nach Maßgabe des 8. Buches der ZPO statt, wobei bisweilen pragmatische Anpassungen des geschriebenen Textes an die besonderen Umstände dieses Titels vorgenommen werden müssen.4 In Abs. 4 wird aber immerhin dem Umstand Rechnung getragen, dass vollstreckbare Urkunden Titel ohne Rechtskraft sind.

II. Allgemeines 3 Aus der Entstehungsgeschichte, insbes. aus dem Norddeutschen Entwurf,5 ergibt sich, dass sich § 797 allein auf die in § 794 Abs. 1 Nr. 5 und Abs. 2 bezeichneten Urkunden (sowie nunmehr auch auf die beim Amtsgericht verwahrten Anwaltsvergleiche) bezieht, nicht aber auf Vergleiche nach § 794 Abs. 1 Nr. 1,6 s. auch § 795 Rdn. 47 oder Zuschlagsbeschlüsse nach § 132 ZVG.8 Abs. 6 der vorliegenden Norm erstreckt deren Anwendbarkeit auch auf die „Beschlüsse“, als die (unbeschadet des § 329 Abs. 1) die Vollstreckbarerklärung durch den Notar – oder auch deren Ablehnung – gemäß § 796c bezeichnet werden.9 1 BGBl. I, S. 2847. 2 Ges. v. 26.6.2013, BGBl I, S. 1800. 3 G. v. 25.6.2021, BGBl I S. 2154. Zweck der Änderung war die Anpassung an vorhergehende Änderungen der BNotO, denen zufolge die Verwahrung notarieller Akten und Verzeichnisse nicht mehr den Amtsgerichten oblagen, sondern auf die Notarkammern übertragen worden war, BT-Drucksache 19/26828, 220. In Kraft getreten am 1.8.2021. 4 Etwa, wenn es um die Festlegung des Terminus „Prozessgericht des ersten Rechtszuges“ in § 890 geht, OLG Köln WRP 2014, 746. S. überdies MünchKomm-Wolfsteiner Rdn. 1. 5 Dazu Seuffert 11. Aufl., Anm. 1 zu § 797. 6 AA AG Königswinter FamRZ 1989, 1201. 7 A.A. RG SeuffA 59, 292 (Nr. 168); OLG München NJW 1961, 2265; AG Königswinter FamRZ 1989, 1201 (betr. Zuständigkeit für die Vollstreckungsgegenklage; dazu § 795 Rdn. 9). Die 2. Aufl. erwägt eine entsprechende Anwendung, A. 8 LG Ulm NJW-RR 1987, 511. 9 Vgl. § 796c Rdn. 7. Paulus/Schütze

622

Abschnitt 1. Allgemeine Vorschriften

§ 797

Zu dem bei den vollstreckbaren Urkunden einzuhaltenden Bestimmtheitsgrundsatz s. § 795 4 Rdn. 16 sowie § 794 Rdn. 91.10 Zum Verhältnis der in § 797 nicht geregelten Fragen zu § 795 und damit den allgemeinen Regeln vgl. § 795 Rdn. 1. Zur Vollstreckung ausländischer, in den Anwendungsbereich der Brüssels I-Verordnung fallen- 5 den Urkunden s. Art. 58 EuGVVO (abgedr. unter Anh. § 794).

III. Erstellung der vollstreckbaren Ausfertigung 1. Erstellung Die Zuständigkeit zur erstmaligen wie auch einer weiteren, § 733, Ausfertigung richtet sich gemäß den Abs. 1 und 2 nach der verwahrenden Stelle.11 Wer die Urkunde ausgestellt hat, ist demgegenüber unerheblich,12 was gerade beim Anwaltsvergleich nach § 796a augenscheinlich ist, s. Abs. 6 der vorliegenden Norm, demzufolge sie auch auf notarielle Vollstreckbarkeitserklärungen von Anwaltsvergleichen anzuwenden ist. Für gerichtliche Urkunden gemäß § 794 Abs. 1 Nr. 5 ist in Anlehnung an § 724 Abs. 2 die Zuständigkeit des Urkundsbeamten statuiert. Auf Grund dieser Parallelisierung ist für qualifizierte (bzw. weitere) vollstreckbare Ausfertigungen der Übergang der Zuständigkeit auf den Rechtspfleger gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 12 und 13 RpflG auch hier anzunehmen. Die Verwahrung durch die Amtsgerichte betrifft Altfälle.13 Bei notariellen Urkunden gilt, dass wegen der Funktion der vollstreckbaren Ausfertigung, das Vollstreckungsprogramm für das bislang mit der Sache nicht befasste Vollstreckungsorgan festzuschreiben, vgl. § 725 Rdn. 2, der Klauselerteilung eine ganz besondere Bedeutung zukommt.14 Denn in der Praxis werden die Urkunden häufig nicht mit gleicher Akribie wie gerichtliche Urteile abgefasst.15 Insbesondere mittels der titelergänzenden Klausel des § 726 lassen sich Defizite beheben, etwa der bislang fehlende Nachweis einer Bevollmächtigung.16 Grundsätzlich ist aber vorauszusetzen, dass der zu vollstreckende Anspruch schon entstanden ist. Weil sich die Klauselerteilung gem. § 52 BeurkG allein nach den Vorschriften der ZPO richtet,17 ist das Vollstreckungsgericht nicht befugt, deren Rechtmäßigkeit zu überprüfen.18 Das Grundbuchamt prüft jedoch die Eintragungsfähigkeit des Rechts.19

10 Ferner BGH MDR 2016, 1346. 11 S. auch § 48 BeurkG. Die Urschrift sollte unbeschadet eines anderweitigen Ersuchens bei dem verwahrenden Gericht verbleiben, RGZ 106, 344. Wird sie jedoch an das ersuchende Gericht versandt, ist dieses nunmehr zuständig.

12 Eine entspr. Änderung des Wortlauts von Abs. 1 klärte die bis 1909 umstrittene Frage, wenn mehrere Gerichte an der Abfassung der Urkunde beteiligt waren. Zur Urkundenausstellungsbefugnis von Gerichten und Behörden s. außer § 794 Rdn. 85 f. die Kommentierung zu § 1 Abs. 2 BeurkG bei Winkler Beurkundungsgesetz, 2013, Rdn. 39 ff. 13 D.h. Fälle von vor 2022; dazu Zöller/Geimer Rdn. 1a. 14 Das ist insbesondere im Hinblick auf eine im Ausland stattfindende Vollstreckung nach der EuVTVO zu beachten, dazu R. Wagner Der Europäische Vollstreckungstitel, RpflStud 2005, 147, 149. 15 S. etwa OLG Hamburg Rpfleger 2019, 510. 16 A.A. Stein/Jonas/Münzberg Rdn. 14. 17 RGZ 129, 168; BayObLG NJW-RR 1990, 64 (zur Zustellung der vollstreckbaren Ausfertigung einer notariellen Urkunde ins Ausland; s. auch OLG Koblenz BeckRS 2008, 08795). 18 KG OLGRspr 1917, 335. S. allerdings OLG Düsseldorf NJW-RR 2002, 711. Für das Grundbuchamt s. OLG München DNotZ 2017, 371. 19 Baumbach/Lauterbach/Hartmann/Albers/Schmidt Rdn. 3. Bezüglich der richterlich entwickelten 6-Monatsfrist zutreffend OLG München Rpfleger 2018, 671. 623

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2. Notar 10 Zur Verwahrung einer vom Notar erstellten Urkunde s. §§ 45, 55 BeurkG. Der Notar ist befugt, jede Klausel der §§ 724 ff.20 zu erstellen,21 einschließlich eventueller weiterer Ausfertigungen, § 733.22 Zur Ausschließung – etwa wenn der die Urkunde ausstellende Notar zugleich als Anwalt des Gläubigers berufen wird – s. § 6 BNotO Abs. 2 i.V.m. § 3 BeurkG;23 zu dem in einem solchen Fall sowie dem der Verhinderung des verwahrenden Notars einzuhaltenden Verfahren s. § 45 Abs. 1, 2 und 3 BNotO.

11 a) Verfahren. Wegen des hierbei einzuhaltenden Verfahrens verweist § 52 BeurkG auf die Vorschriften der §§ 795, 724 ff.24 Der Anspruch auf Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung ist gemäß § 51 BeurkG richtiger Ansicht nach davon abhängig, dass ein Anspruch auf Erteilung einer Ausfertigung besteht.25 Die Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung setzt einen entsprechenden Antrag voraus. Er kann also vom Gläubiger gestellt werden, wenn dieser von dem in § 51 Abs. 1 – oder auch Abs. 2 – BeurkG angesprochenen Personenkreis erfasst ist. Die formale Legitimation des Antragstellers muss sich entweder aus der Urkunde selbst oder aus weiteren öffentlichen oder öffentlich beglaubigten Urkunden ergeben;26 s. im Übrigen § 726 Rdn. 28 ff. Stellvertretung27 bei der Antragstellung ist zulässig, doch muss hier der Notar die Berechtigung besonders aufmerksam überprüfen. Stellt also ein Vertreter den Antrag, muss er seine Bevollmächtigung in ebendieser Form nachweisen,28 sofern sich die Vollmacht nicht schon aus der Urkunde selbst ergibt.29 Der Antrag muss die betroffenen Parteien und den zu vollstreckenden Anspruch exakt bezeichnen. Teilgläubiger nach § 420 BGB können nur je eine Ausfertigung für ihren Anteil verlangen; Mitgläubiger gemäß § 432 BGB dagegen können jeder einzeln die Ausfertigung für sich über den gesamten Betrag verlangen.30 Der Notar muss sich auf die Überprüfung der formellen Voraussetzungen (einschließlich 12 der formalen Voraussetzungen der Bestimmtheit sowie der wirksamen Vollmachtserteilung)31

20 Zur Nachweisform im Falle des § 727 OLG Köln FGPrax 2007, 97. S. allgemein Soutier Die Umschreibung von Vollstreckungsklauseln, MittBayNot 2011, 181. 21 Allgemein hierzu Winkler Die vollstreckbare Ausfertigung in der notariellen Praxis RNotZ 2019, 117. Zur Vollstreckbarerklärung gegen einen insolventen Schuldner BGH MittBayNot 2008, 405, dazu Everts MittBayNot 2008, 356; Schreinert Erteilung der Vollstreckungsklausel durch den Notar gegen den Schuldner im Insolvenzverfahren, RNotZ 2013, 161. LG Köln RNotZ 2013, 175, dazu Schreinert Erteilung der Vollstreckungsklausel durch den Notar gegen den Schuldner im Insolvenzverfahren, RNotZ 2013, 161. Zu insolvenzbezogenen Klauselerteilungsfragen s. noch § 724 Rdn. 42. 22 Beachte hierzu LG Rostock NotBZ 2020, 403. 23 RGZ 145, 199. Vgl. auch MünchKomm/Wolfsteiner Rdn. 9 ff. 24 RGZ 129, 168. Zur Gewährung rechtlichen Gehörs vgl. § 730 Rdn. 4 ff.; zur Prüfung der Prozessfähigkeit Roth Zwangsvollstreckung gegen prozeßunfähige Schuldner, JZ 1987, 902; ferner ders. Materiellrechtliche Wertungen im notariellen Klauselerteilungsverfahren, FS Stürner (2013) 467 ff. 25 BayObLG DNotZ 2003, 847; OLG Hamburg DNotZ 1987, 356; BeckOGK/Regler BeurkG § 52 Rdn. 4. 26 KG JW 1938, 56. 27 Zur Partei kraft Amtes s. BeckOGK/Regler BeurkG § 51 Rdn. 23 ff. 28 BGH ZfIR 2008, 512; BGH DNotI-Report 2004, 161; LG Bielefeld RNotZ 2008, 609; LG Essen Rpfleger 1973, 324; LG Bonn Rpfleger 1990, 374; Zimmer Vertretungsprobleme bei der Grundpfandrechtsbestellung und der Vollstreckungsunterwerfung, ZfIR 2008, 487. Zimmermann Erteilung einer Vollstreckungsklausel trotz nichtigen Grundstücksgeschäfts? FS Wenzel (2005) 69, 78. A.A. OLG Köln OLGZ 1969, 68. Zur Erteilung einer Klausel gegen einen Vertretenen BayObLGZ 1964, 75. 29 Zu den sich daraus ergebenden Zustellungsanforderungen nach § 750 Abs. 2 BGH NJW-RR 2008, 1018; BGH NJWRR 2007, 358. S. demgegenüber OLG Zweibrücken InVo 1999, 185. 30 BGH DNotZ 1995, 770; KG NJW-RR 2000 1409; DNotI-Report 2006, 117. Zu Gesamtschuldnern s. DNotI-Report 2015, 129. 31 BGH NJW 2012, 3518. Paulus/Schütze

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beschränken;32 die materiell-rechtliche Berechtigung hat er dagegen grundsätzlich33 zu unterstellen34 (formelles Prüfungsrecht). So muss etwa der Eintritt der Fälligkeit bei einer Sicherungsgrundschuld durch den Gläubiger nachgewiesen werden;35 dazu genügt der gebotene Nachweis allein des Zugangs der Kündigungserklärung (nicht auch noch zusätzlich der Kündigung);36 sofern der laut Vollstreckungsurkunde nach § 726 zu erbringende Nachweis nicht mittels öffentlicher oder öffentlich beglaubigter Urkunde nachgewiesen werden kann, liegt darin nach Ansicht des BGH37 keine Vermutung für eine Einschränkung der Vollstreckbarkeit. Als eine gemäß § 726 zu behandelnde Bedingung sieht es der BGH, wenn nur der jeweilige Inhaber der Grundschuld zur Vollstreckung wegen der persönlichen Forderung gegen den Schuldner berechtigt sein soll.38 Freilich wäre es zu mechanisch, die Prüfungsbefugnisse des Notars denen des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle, § 724 Abs. 2, dazu § 725 Rdn. 21 ff., gleichzustellen. Vielmehr ist ihm die Befugnis einzuräumen, eine Klauselerteilung verweigern zu dürfen, die einen nicht (mehr) existierenden, materiell-rechtlichen Anspruch vollstreckbar machen soll.39 Diese Befugnis ist jedoch auf Fälle offenbarer Unwirksamkeit40 zu beschränken,41 weil anderenfalls das im Zwangsvollstreckungsrecht vorherrschende Muster der Handlungslast entgegen der in den §§ 795, 797 zum Ausdruck kommenden gesetzlichen Konzeption allzu sehr durchbrochen würde: Danach obliegt es grundsätzlich dem Schuldner, sich bei Nicht-Vorliegen der Vollstreckungsvoraussetzungen gegen das Vorgehen des Gläubigers zur Wehr zu setzen, während der Gläubiger zumindest zunächst vollstrecken darf. Aus diesem Grundmuster ergibt sich als weitere Grenze der Prüfungsbefugnisse des klauselerteilenden Amtsträgers, dass die vom Schuldner nach § 767 oder 775 vorzutragenden Einwendungen grundsätzlich nicht schon zur Klauselablehnung führen dürfen.42

32 BGH NJW 2011, 2803; OLG München MittBayNot 2006, 350; AG Charlottenburg BeckRS 2012, 01982; AG München WM 2001, 1635. S. auch noch § 725 Rdn. 24.

33 Die Entscheidung des 11. Senats des BGH, ZfIR 2010, 455; dazu Clemente ZfIR 2010, 441, hatte viel Verwirrung ausgelöst, weil sie aus einem Verbraucherschutzansinnen heraus den Notaren erhebliche materielle Prüfungspflichten auferlegt hatte; s. auch der 5. Senat, BGH BKR 2011, 291. Die Irritiationen erledigten sich mit der Rückkehr zum früheren Rechtszustand durch die weitere Entscheidung des 7. Senats, BGH DNotZ 2011, 751 = BGHZ 190, 172. Zum Ganzen etwa Roth Materiellrechtliche Wertungen im notariellen Klauselerteilungsverfahren, FS Stürner (2013) 467 ff.; Piekenbrock Das Sicherheitenpaket der Realkreditgläubiger: Ein juristisches Schauspiel, ZZP 125, 2012, 171; Everts Umschreibung von Vollstreckungsklauseln: Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, DNotZ 2011, 725. 34 BGH DNotZ 2011, 264; KG JW 1934, 1862; LG Kleve DNotZ 1978, 680 m. abl. Anm. Wolfsteiner. Ders. DNotZ 1990, 535 ff.; KG DNotZ 1983, 699; OLG Frankfurt/M. JurBüro 1989, 1467 = DNotZ 1990, 105; AG München RNotZ 2001, 599. 35 BGH Beschl. v. 7.10.2020 NJW 2020, 3600, wonach also eine Klausel gemäß § 726 zu erteilen ist; dazu Roth Anmerkung in JZ 2021, 133. Zum Nachweisverzicht s. noch § 726 Rdn. 14, § 794 Rdn. 104. Ferner LG Essen Rpfleger 2011, 288. 36 Dieckmann Zur Frage der Erteilung der vollstreckbaren Ausfertigung(en) der Grundschuldbestellungsurkunde nach dem Risikobegrenzungsgesetz (insbesondere § 1193 BGB n.F.), BWNotZ 2009, 144, 148 (auf S. 150 zum Nachweisverzicht). 37 BGH NJW-RR 2011, 424. 38 BGH NJW-RR 2012, 442 (auch zur Pflicht des Klauselerteilungsorgans, mittels Auslegung zu ermitteln, ob ein Anwendugsfall des § 726 vorliegt). 39 Insoweit zutr. Wolfsteiner a.a.O. 40 Vgl. BayObLG MittBayNot 2005, 63; LG Leipzig MittRhNotK 2000, 406. Es ist zu eng, wenn das LG Düsseldorf den Nachweis der Nichtigkeit wie in einem streitigen Verfahren allein dem Schuldner auferlegen will, MittBayNot 1977, 252 = DNotZ 1978, 677; noch weitergehend Stein/Jonas/Münzberg Rdn. 11. Richtig etwa LG Bochum DNotZ 1990, 571; KG DNotZ 1991, 764. S. auch Zöller/Geimer Rdn. 7. 41 LG Koblenz DNotZ 1972, 190; LG Duisburg MittRhNotK 1984, 27; wohl auch LG Münster vom 10.12.2018 – juris; Münch Vollstreckbare Urkunde und prozessualer Anspruch, 1989, § 10 III 2a, 223 f.; zurückhaltend Zöller/Geimer Rdn. 7. Offenkundigkeit liegt nicht vor, wenn etwa der Schuldner das Erfordernis des Vorbehalts nach § 341 Abs. 3 BGB geltend macht, dazu BGH NJW 1979, 1163 = MDR 1979, 566. 42 Stein/Jonas/Münzberg Rdn. 10 f. 625

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13 b) Entscheidung. Der Gläubiger hat einen Anspruch auf die Erstellung der Klausel, wenn deren zivilprozessuale sowie die weiteren Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 und 2 BeurkG43 vorliegen.44 Ist der Gläubiger dagegen nach Maßgabe des § 51 Abs. 1 BeurkG oder aufgrund einer entsprechenden Vereinbarung nach § 51 Abs. 2 BeurkG nicht antragsbefugt, darf ihm eine vollstreckbare Ausfertigung nicht erstellt werden;45 dasselbe gilt, wenn die dem Gläubiger durch den Schuldner eingeräumte Antragsbefugnis widerrufen wird, bevor der Gläubiger von ihr Gebrauch gemacht hat;46 s. auch § 794 Rdn. 92. In den übrigen Fällen bedarf er jedoch keiner weiteren Mitwirkung des Schuldners. In diesen Fällen ist es also eine durch § 19 BNotO sanktionierte Amtspflicht des Notars,47 die Ausfertigung zu errichten. Freilich handelt der Notar nicht schuldhaft, wenn er sich in dem in Rdn. 12 angegebenen Rahmen auf die Prüfung der formellen Voraussetzungen der Klauselerteilung beschränkt.48 14 Erteilt der Notar die Klausel,49 so ist ihm anzuraten, sie in engstmöglicher Anlehnung an die materiell-rechtlichen Pflichten des Schuldners zu formulieren, um das Vollstreckungsprogramm, dazu § 725 Rdn. 2, in einer für die Vollstreckungsorgane unzweideutigen Weise festzulegen.50 Wenn also beispielsweise der Kaufpreis teilweise an den Verkäufer gezahlt und teilweise beim Notar hinterlegt werden soll, ist dies in der Klausel zu vermerken; eine Klausel, die demgegenüber nur auf Zahlung des Gesamtkaufpreises lautet, ohne nach dem Empfänger zu differenzieren, provoziert einen (vermeidbaren) Rechtsstreit.51 Verweigert der Notar die Ausfertigung, kann sich der Antragsteller gegen diesen Be15 schluss52 mit der Beschwerde des § 54 BeurkG53 zur Wehr54 setzen.55 Sie ist bei demjenigen Landgericht (Zivilkammer) einzureichen, in dessen Bezirk der Notar seinen Amtssitz hat. Das Verfahren

43 OLG Düsseldorf RNotZ 2001, 298; LG Frankfurt/M. DNotZ 1985, 479; OLG Hamm NJW-RR 1987, 1404 = JurBüro 1988, 250 = DNotZ 1988, 241; OLG Hamburg DNotZ 1987, 356 m.w.N.; Dieckmann Zur Frage der Erteilung der vollstreckbaren Ausfertigung(en) der Grundschuldbestellungsurkunde nach dem Risikobegrenzungsgesetz (insbesondere § 1193 BGB n.F.), BWNotZ 2009, 144, 147. A.A. Stein/Jonas/Münzberg Rdn. 2. 44 BayObLG MittBayNot 2005, 63; ferner Wolf Der „richtige“ Zeitpunkt der Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung einer Grundschuldurkunde, ZNotP 2007, 170. 45 OLG Düsseldorf OLG-Report 2001, 420; OLG Celle DNotZ 1974, 484; OLG Hamburg DNotZ 1987, 356; OLG Hamm NJW-RR 1987, 1404; Zöller/Stöber Rdn. 2. Dieckmann Zur Frage der Erteilung der vollstreckbaren Ausfertigung(en) der Grundschuldbestellungsurkunde nach dem Risikobegrenzungsgesetz (insbesondere § 1193 BGB n.F.), BWNotZ 2009, 144, 147 (mit Hinweis darauf, dass nur der eine Ausfertigung der Urkunde verlangen kann, der in der Niederschrift eine Erklärung abgegeben hat). 46 LG Frankfurt DNotZ 1985, 479 m. Anm. Wolfsteiner; OLG Hamm DNotZ 1988, 241 = NJW-RR 1987, 1404. Es ist durch Auslegung zu ermitteln, ob die Einwendungen des Schuldners gegen die materiell-rechtliche Berechtigung der Klauselerteilung (dazu Rdn. 12) zugleich einen Widerruf der Antragsbefugnis des Gläubigers beinhaltet. Nach Erteilung der Ausfertigung kann der Schuldner die Ermächtigung nicht mehr widerrufen, BayObLG RNotZ 2003, 586. 47 Vgl. OLG Nürnberg DNotZ 1990, 61; KG DNotZ 1991, 764. 48 Vgl. auch LG Essen Urt. v. 16.8.1990 – 16 O 290/90. 49 Zum Rechtbehelf gegen die Ankündigung des Notars, eine Ausfertigung zu erstellen, OLG München FGPrax 2008, 174; LG Freiburg RNotZ 2008, 368. 50 Zutr. Wolfsteiner in der Anm. zu OLG Düsseldorf DNotZ 1991, 537. 51 Vgl. OLG Düsseldorf, vorige Fn. 52 Vgl. MünchKomm/Wolfsteiner Rdn. 24. 53 Dazu etwa OLG Köln RNotZ 2007, 51. Das ist gegenüber § 15 Abs. 2 BNotO das speziellere Gesetz, hierzu etwa Regler Die Notarbeschwerde nach § 15 Abs. 2 BNotO, MittBayNot 2010, 261. 54 Auch bei einem Anwaltsvergleich: Ziege Der vollstreckbare außergerichtliche Vergleich nach § 1044b ZPO (Anwaltsvergleich), NJW 1991, 1583. A.A. MünchKomm/Wolfsteiner Rdn. 25. Das Landgericht entscheidet aufgrund der Sachlage die zur Zeit des Schlusses seiner mündlichen Verhandlung besteht, BayObLG v. 6.7.1995 3 Z BR 64/95. 55 LG Stuttgart ZfIR 2011, 412. S. auch Roth Materiellrechtliche Wertungen im notariellen Klauselerteilungsverfahren, FS Stürner (2013) 467, 474 f. Es gibt aber keinen Rechtsbehelf gegen die Ablehnung der Urkundsberichtigung, OLG Köln FGPrax 2007, 97. Paulus/Schütze

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selbst richtet sich nach den §§ 58 ff. FamFG. Unter den Voraussetzungen der §§ 70 ff.56 ist daher eine Rechtsbeschwerde zum BGH möglich. Der Gläubiger kann wählen, ob er die Beschwerde nach § 54 BeurkG einreicht oder ob er Klage nach § 731 erhebt.57 Obsiegt der Gläubiger vor Gericht mit seiner Ansicht, wird der Notar angewiesen, die Ausfertigung zu erstellen.

IV. Rechtsbehelfe 1. Anlässlich der Ausfertigung Der Gläubiger hat bei Ablehnung seines Antrages zum einen die Möglichkeit, die Beschwerde 16 nach Maßgabe des § 54 BeurkG i.V.m. §§ 58 ff. FamFG einzulegen. Darüber hinaus kann er die Klauselerteilungsklage nach § 731 bei dem in Abs. 5 Nr. 1 der vorliegenden Vorschrift bezeichneten Gericht erheben. Für den Schuldner regelt Abs. 3 der vorliegenden Norm allein die Zuständigkeit desjenigen 16a Gerichts, bei dem er die Erinnerungsmöglichkeit nach § 732 wahrnehmen kann.

2. Sonstige Rechtsbehelfe § 797 Abs. 5 trifft über die vorerwähnte Klauselerteilungsklage hinaus eine ausschließliche, 17 § 802,58 Zuständigkeitsregelung für folgende (gegen die andere Partei59 – nicht etwa gegen das Gericht oder den Notar – zu erhebende) Klagen: die Vollstreckungsgegenklage nach § 76760 (einschließlich der die Haftungsbeschränkung vortragenden Klagen nach den §§ 785, 786, sowie einer sog. Titelgegenklage61) sowie gegen die Erteilung der Klausel nach § 768;62 nicht dagegen für eine Klage auf Feststellung des Nichtbestehens des beurkundeten Rechtsverhältnisses63 oder Unwirksamkeit des Titels64 oder auf eine Abänderungsklage, § 323 Abs. 4. Im Falle der Konkurrenz zwi56 Da § 54 BeurkG das Rechtsmittel unabhängig von der in § 52 BeurkG enthaltenen Verweisung normiert, richtet sich die weitere Beschwerde entgegen OLG Frankfurt/M. DNotZ 1982, 320 nicht nach § 568 Abs. 2. Vgl. auch KG OLGZ 1942, 36; OLG Celle DNotZ 1956, 323; BayObLG NJW 1970, 1800. Wegen der Kosten vgl. BayObLGZ 1972, 3. 57 Zöller/Stöber Rdn. 6. A.A. OLG Celle DNotZ 1967, 459. 58 Eine Durchbrechung dieser Zuständigkeitsbestimmung sieht § 800 Abs. 3 für dingliche Ansprüche vor, vgl. dort Rdn. 12 ff. sowie BGH MDR 2018, 1275; KG NJW-RR 1989, 1407. Eine weitere ergibt sich aus Erwägungen der größeren Sachnähe für Ehesachen, BayObLG NJW-RR 1992, 263; für Unterhaltssachen s. allerdings OLG Hamm FamRZ 2003, 696 (zu § 642 ZPO, heute § 232 FamFG). Dagegen ist die Kammer für Handelssachen niemals zuständig, LG Bonn JurBüro 2009, 499; Baumbach/Lauterbach/Hartmann/Albers/Schmidt Rdn. 14 – a.A. LG Stendal MDR 2005, 1423. 59 RGZ 45, 391. 60 BGH NJW-RR 2007, 1343. Die materiell-rechtliche Wirksamkeit der Unterwerfungserklärung ist kein Zulässigkeitserfordernis für die Vollstreckungsgegenklage, BGHZ 118, 229 (unter Aufgabe der früheren, gegenteiligen Rspr.; dazu insbesondere K. Schmidt Vollstreckungsgegenklage – Prozeßrecht und materielles Recht in der Bewährung, FS 50 Jahre BGH, Bd. III, 2000, 491, 513 ff. zur Titelgegenklage). Zur Gegenklage bei einem Räumungsanspruch etwa Luckey Räumung – verbotene Eigenmacht oder zulässige Eigenvollstreckungen? Grundeigentum 2008, 28, 29. Zum Verhältnis der Gegenklage zur Zulässigkeit eines Insolvenzantrags BGH DZWIR 2010, 214. Vgl. auch § 794 Rdn. 90. 61 OLG Hamm BeckRS 2020, 55063 (mit BGH BeckRS 2022, 2866). 62 Dazu etwa Roth, Materiellrechtliche Wertungen im notariellen Klauselerteilungsverfahren, FS Stürner (2013) 467, 475 ff.; Cziupka/Frank Klauselgegenklage nach Zession eines vollstreckbaren Schuldanerkenntnisses, ZJS 2012, 335. Zu Problemen speziell bei Bauträgerverträgen Cuypers Unterwerfungserklärungen in Bauträgerverträgen, ZfBR 1998, 4. 63 Die Zuständigkeit für diese Klage richtet sich nach den allgemeinen Vorschriften. Mangels Rechtsschutzbedürfnisses (nicht: wegen anderweitiger Rechtshängigkeit) kann sie nicht neben der Vollstreckungsgegenklage erhoben werden, a.A. OLG Karlsruhe Rpfleger 2005, 95. Zum Rechtsschutzbedürfnis der Vollstreckungsgegenklage BGH NJW-RR 1999, 1080. 64 BGHZ 118, 229. Zur Unzulässigkeit eines solchen Einwands im Verfahren der Vollstreckungserinnerung BGH JurBüro 2009, 442. 627

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schen Klauselerinnerung nach § 732 und Titelgegenklage analog § 767 steht dem Schuldner ein Wahlrecht zu;65 zur Konkurrenz mit § 800 Abs. 3 s. § 800 Rdn. 12. 18 Die örtliche66 Zuständigkeit richtet sich nach dem allgemeinen Gerichtsstand, §§ 12 bis 18, des Schuldners67 (nicht des Beklagten) bzw. nach § 23, die sachliche nach den allgemeinen Vorschriften der §§ 23 ff., 71 GVG.68 Eine Klage gegen den Schuldner ist demnach bei demselben Gericht einzureichen, bei dem dieser eine Klage (etwa nach § 767) gegen den Gläubiger erhebt. Diese Benachteiligung des beklagten Gläubigers kompensiert das Fehlen eines gerichtlichen Erkenntnisverfahrens bei der vollstreckbaren Urkunde. Zuständigkeitsprobleme können sich aus der Regelung des Abs. 5 ergeben, wenn an der Klage 19 mehrere Schuldner mit je unterschiedlichem Wohnsitz als Streitgenossen involviert sind: etwa eine Gläubigerklage auf Klauselerteilung nach § 731 oder eine Klage der Schuldner nach § 767. In diesen Fällen können – entgegen der früher h.M.69 – die klagenden Schuldner das zuständige Gericht wählen, § 35,70 während für die Klage gegen sie eine Gerichtsbestimmung gem. § 36 Nr. 3 erfolgen muss. Verweist eine andere Verfahrensordnung – wie etwa § 62 Abs. 2 ArbGG – hinsichtlich der 20 Zwangsvollstreckung pauschal auf das 8. Buch der ZPO, tritt an die Stelle der Alternative Amtsoder Landgericht das Eingangsgericht des betreffenden Rechtswegs, im Beispiel also das Arbeitsgericht.71

3. Speziell: Vollstreckungsgegenklage 21 Gem. § 797 Abs. 472 unterliegen Vollstreckungsgegenklagen nach § 76773 gegen Zwangsvollstreckungen aus vollstreckbaren Urkunden nicht der Präklusion des § 767 Abs. 2.74 Das ist die zwangsläufige Konsequenz daraus, dass die Präklusion an die Rechtskraft gebunden ist, die einer vollstreckbaren Urkunde gerade nicht zukommt; für den Prozessvergleich gilt das gleiche, s. § 795 Rdn. 14. Wie bei der Vollstreckungsgegenklage gegen ein Urteil ist auch hier die Klage frühestens dann 22 zulässig, wenn die Vollstreckung droht.75 Anderenfalls würde der mit der vollstreckbaren Urkunde beabsichtigte und legitime Beschleunigungszweck aufgehoben oder doch stark gemindert. Freilich ist es dem Schuldner unbenommen, die in Rdn. 24 erwähnte Feststellungsklage zu erheben. Zu den Einwendungen, die der Schuldner im Rahmen der Vollstreckungsgegenklage klage23 weise erheben kann,76 gehören auch die gegen die Wirksamkeit des beurkundeten Geschäfts77 – 65 BGH NJW-RR 2007, 1724; BGH NJW-RR 2004, 1718. 66 Zur internationalen Zuständigkeit Saarländisches OLG NJW 2019, 1468; LG Frankfurt/M. IPRspr. 2009 Nr. 256. 67 Das gilt auch gegenüber § 800 Abs. 3 für Klagen des Gläubigers, die allein den persönlichen Anspruch gegen den Schuldner betreffen, BayObLG JurBüro 2006, 39; OLG Hamm WM 2004, 1969. A.A. OLG Zweibrücken ZfIR 2003, 1014. Zur Streitwertberechnung einer Vollstreckungsgegenklage OLG Hamm Rpfleger 1991, 387. RGZ 36, 347; RGZ 45, 391: Bestimmung durch das zunächst höhere Gericht analog § 36. So auch die 2. Aufl. E III. BGHZ 118, 229 = NJW 1991, 2910 = MDR 1992, 301; BayObLG NJW-RR 1993, 511. OLG Frankfurt/M. OLGZ 1985, 97 = MDR 1985, 330. Skeptisch Anm. Münzberg ZZP 87 (1974) 453. Dazu etwa Walker Beseitigung und Durchbrechung der Rechtskraft, FS 50 Jahre BGH, Festgabe der Wissenschaft Bd. III (2000) 367, 368. 73 Zum Prüfungsumfang OLG Frankfurt/M. OLG-Report 2008, 612; zur Nicht-Zuständigkeit einer Kammer für Handelssachen LG Bonn JurBüro 2009, 499 (a.A. LG Stendal MDR 2005, 1423). 74 BGHZ 61, 28; BGH NJW 1988, 828 = WM 1988, 99; BAG KTS 1990, 124. § 767 Abs. 3 ist dagegen anwendbar, BGH ZZP 87 (1974) 447 m. Anm. Münzberg. Das OLG Celle sanktioniert dessen Anwendbarkeit mit einer Ausschaltung des Abs. 2, BeckRS 2012, 01663; s. auch OLG Brandenburg OLG-Report 2009, 630. 75 Sie bleibt so lange zulässig, als der Gläubiger eine vollstreckbare Ausfertigung in Händen hält, MünchKomm/ Wolfsteiner Rdn. 30 f. 76 Bei dieser Klage ist § 767 Abs. 3 zu beachten, BGH NJW-RR 1987, 411. 77 OLG Brandenburg BeckRS 2012, 01663 (betr. Wucher). Zur Sittenwidrigkeit eines Ratenkreditvertrages OLG Hamburg NJW-RR 1986, 403; OLG Hamm NJW-RR 1987, 1330; zur Formunwirksamkeit BGH DNotZ 1985, 474. HessLAG, ARBlattei ES 60 Nr. 38, zu einem unter Druck zustande gekommenen Schuldanerkenntnis.

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§ 797a

und sei es auch wegen formell-rechtlicher Defizite78 – sowie Verstöße gegen den Bestimmtheitsgrundsatz, Rdn. 4,79 nicht aber der Unterwerfungserklärung.80 Dabei ist stets zu berücksichtigen, dass das rechtliche Schicksal der formellen Unterwerfungserklärung, § 794 Rdn. 90 ff., nicht mit dem materiell-rechtlichen Teil der Urkunde verknüpft ist.81 Ist also das materiell-rechtliche Rechtsgeschäft trotz anfänglicher Unwirksamkeit zwischenzeitlich geheilt – etwa aufgrund § 311b Abs. 1 S. 2 BGB –, ist die Klage des Schuldners demnach unbegründet.82 Zu den mittels Vollstreckungsgegenklage vorzutragenden Einwendungen aus den §§ 305 ff. BGB s. § 794 Rdn. 101.83 Zur Beweislastverteilung in der gegen die Vollstreckung aus einer vollstreckbaren Urkunde 24 gerichteten Vollstreckungsgegenklage s. § 794 Rdn. 102.84 Das Gericht ist befugt, die in § 769 vorgesehenen einstweiligen Anordnungen zu erlassen. 25

§ 797a Verfahren bei Gütestellenvergleichen (1) Bei Vergleichen, die vor Gütestellen der im § 794 Abs. 1 Nr. 1 bezeichneten Art geschlossen sind, wird die Vollstreckungsklausel von dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle desjenigen Amtsgerichts erteilt, in dessen Bezirk die Gütestelle ihren Sitz hat. (2) Über Einwendungen, welche die Zulässigkeit der Vollstreckungsklausel betreffen, entscheidet das im Absatz 1 bezeichnete Gericht. (3) § 797 Abs. 5 gilt entsprechend. (4) 1Die Landesjustizverwaltung kann Vorsteher von Gütestellen ermächtigen, die Vollstreckungsklausel für Vergleiche zu erteilen, die vor der Gütestelle geschlossen sind. 2Die Ermächtigung erstreckt sich nicht auf die Fälle des § 726 Abs. 1, der §§ 727 bis 729 und des § 733. 3Über Einwendungen, welche die Zulässigkeit der Vollstreckungsklausel betreffen, entscheidet das im Absatz 1 bezeichnete Gericht.

Übersicht I.

Allgemeines

II.

Gütestellen

III.

Klauselerteilung

1 2

IV.

Gerichtliche Zuständigkeit

V.

Gebühren

8

10

5

78 BGH NJW-RR 2004, 472; wegen mangelnder Vertretung OLG Stuttgart GWR 2010, 434. 79 OLG Koblenz NJW-RR 1980, 883 (Austausch titulierter Forderungen), vgl. auch LG Frankfurt/M. DNotZ 1985, 479 sowie Stein/Jonas/Münzberg Rdn. 20; BGH WM 1980, 316 (Kaufpreisanspruch – Schadensersatzanspruch aus § 326 BGB); BGH DNotZ 1991, 529 (Bürgschaftsschuld – Darlehensschuld). A.A. bei mangelnder Bestimmtheit des Gläubigers BGH NJW-RR 2004, 1135. 80 Windel Die Rechtsbehelfe des Schuldners gegen eine Vollstreckung aus einer unwirksamen notariellen Urkunde (§ 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO), ZZP 102 (1989) 181, schlägt eine Lösung in Analogie zu § 768 vor; Wolfsteiner Die Zwangsvollstreckung findet aus Urkunden statt, DNotZ 1990, 540 propagiert demgegenüber die Injustitiabilität der Unterwerfungserklärung. Olzen zieht eine Feststellungsklage vor, Rechtsschutz gegen Zwangsvollstreckung aus notariellen Urkunden, DNotZ 1993, 221. Zum Ganzen BGH NJW 1992, 2160. 81 BGH DNotZ 1981, 739; BayObLG DNotZ 1987, 177. 82 BGH DNotZ 1985, 474. 83 BGH DNotZ 1987, 488; Rastätter Grenzen der banküblichen Sicherung der Grundpfandrechte, DNotZ 1987, 459; Wolfsteiner Die Zwangsvollstreckung findet aus Urkunden statt, DNotZ 1990, 531. 84 BGH ZIP 2001, 873; BGH WM 1981, 1140 = NJW 1981, 2756 (dazu abl. Wolfsteiner Beweislastumkehr durch Zwangsvollstreckungsunterwerfung, NJW 1982, 2851); BGHZ 114, 57 = NJW 1991, 1746 = JZ 1991, 923 = ZIP 1991, 519; BGH NJW 1991, 1617 = ZIP 1991, 544 = BauR 1991, 259. 629 https://doi.org/10.1515/9783110443158-089

Paulus

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Achtes Buch – Zwangsvollstreckung

I. Allgemeines 1 Die Vorschrift wurde durch die Novelle von 19241 eingeführt. Sie bezweckt die Anpassung der Vollstreckungsvoraussetzungen des Gütestellenvergleiches an die des Prozessvergleiches.2 Denn in ersterem Fall ist kein Gericht tätig geworden,3 auf das in der pauschalen Verweisung des § 795 Bezug genommen werden könnte. Mithin handelt es sich bei den Vergleichen der vorliegenden Norm um keine öffentliche Urkunden, die infolgedessen ihre Vollstreckbarkeit erst und nur mittels der Vollstreckbarerklärung erlangen können.4

II. Gütestellen 2 Zum Begriff des Vergleiches vgl. § 794 Rdn. 3 ff., 21. Zu den Formerfordernissen, die auf den Gütestellenvergleich entsprechend anzuwenden sind,5 ebenda Rdn. 29 ff. 3 Gütestellen i.S.d. vorliegenden Vorschrift6 sind etwa: Die mit Einführung des § 15a EGZPO (insbesondere Abs. 3 S. 2)7 durch Landesgesetzgebung vorgesehenen Gütestellen;8 die Einigungsstellen des § 15 UWG,9 dessen Abs. 7 S. 2 ausdrücklich die Anwendung des § 797a vorschreibt; ebenso die §§ 92 (102 Abs. 2, 105 Abs. 5) VGG für die Schiedsstellen für Urheberrechtsstreitfälle; die Rechtsauskunftsstellen in Hamburg10 und Lübeck (für Schleswig-Holstein); die Schiedsstelle

1 RGBl. 1924 I, S. 135, 437. 2 Zu materiell-rechtlichen Verjährungsfragen s. etwa LG Bamberg Pitsch jurisPK-BKR 12/2013 Anm. 4; LG Berlin Arndt, jurisPR-BKR 9/2014 Anm. 4.

3 Allgemeiner dazu etwa Lenz Möglichkeiten der Titulierung außerhalb gerichtlicher Verfahren, NJW-Spezial 2014, 388.

4 MünchKomm/Wolfsteiner Rdn. 1. 5 Stein/Jonas/Münzberg Rdn. 2. Weil das Siegel als Formerfordernis Wirksamkeitsvoraussetzung ist, § 725 Rdn. 31, muss die Landesjustizverwaltung dem Vorsteher im Falle des Abs. 4 S. 1 ein Dienstsiegel verleihen, vgl. MünchKomm/Wolfsteiner Rdn. 4; Baumbach/Lauterbach/Hartmann/Albers/Schmidt Rdn. 1. 6 Hilfreiche Auflistung bei Greger Die von der Landesjustizverwaltung anerkannten Gütestellen: Alter Zopf mit Zukunftschancen, NJW 2011, 1478. Zur ADR-Richtlinie (2013/11/EU) vom 21.5.2013) s. Wiemers Die Umsetzung der so genannten ADR-Richtlinie in nationales Recht, GewArch Beilage WiVerw Nr. 4/2014, 291; Engel Die stille Revolution der EU: Alternative zum Zivilprozess für Verbraucher, AnwBl 2013, 478. 7 Zu den Schlichtungsstellen des Handwerks Rüssel NJW 2000, 2800, 2801. 8 Dazu etwa BGH ZKM 2013, 131; AG Nürnberg NJW 2001, 3489; ferner Lauer Erfahrungen mit der außergerichtlichen Streitbeilegung in Ausführung des § 15a EGZPO, NJW 2004, 1280; Deckenbrock/Jordans Auswirkungen der obligatorischen Streitschlichtung nach § 15a EGZPO auf den Zivilprozess, JA 2004, 913. Zur Situation speziell in NRW s. Kloppert Die Zwangsvollstreckung aus einem beim Schiedsamt geschlossenen Vergleich, SchiedsamtsZeitung 2009, 241; Treese Der vollstreckbare Vergleich, SchiedsamtsZeitung 2009, 25; Dieckmann Das nordrhein-westfälische Ausführungsgesetz zu § 15a EGZPO, NJW 2000, 2802. Speziell für Bayern etwa Ponschab Obligatorische Streitschlichtung in Bayern – Das neue Bayerische Schlichtungsgesetz aus Anwaltssicht, MittBayNot-Sonderhefte 2000, 29; Steike Der Anwalt im Schlichtungsverfahren – am bayerischen Modell, BRAK2014, 10; DNotI-Report 2011, 168. Zu Baden-Württemberg Heck Obligatorische Streitschlichtung in Baden-Württemberg, AnwBl 2000, 596. Zu Niedersachsen vgl. Hustedt Außergerichtliche Streitbeilegung, insbesondere Bauschlichtung am Beispiel der Niedersächsischen Bauschlichtungsstelle, BauR 2022, 1713. 9 Ausführlich dazu Ottofülling Außergerichtliches Konfliktmanagement nach § 15 UWG, WRP 2006, 410; s. auch Ahrends Die notarielle Unterwerfungserklärung: Vollstreckbarkeit, Ordnungsmittelandrohung, Ordnungsmittelfestsetzung, WRP 2017, 1304; Fusbahn Alternative Streitbeilegung im gewerblichen Rechtsschutz. Geht’s eigentlich auch ohne die Gerichte?, IPRB 2015, 211. 10 Dazu Schumann Zur örtlichen Allzuständigkeit der öffentlichen Rechtsauskunft- und Vergleichsstelle zu Hamburg im bürgerlich-rechtlichen Güteverfahren, DRiZ 1970, 60. Vgl. auch OLG Hamburg FamRZ 1984, 68. Paulus

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der §§ 28 ff. ArbNErfG;11 die Bauschlichtungsstellen12 in Bremen, Hamburg, Hessen, NordrheinWestfalen; die Mietschlichtungsstellen in Nordrhein-Westfalen und im Saarland; die Schiedsstelle nach § 214 Abs. 1 Nr. 1 VVG.13 Hinsichtlich der gemeindlichen Schiedsstellen in den neuen Bundesländern gilt nach dem 4 Gesetz über die Schiedsstellen in den Gemeinden14 vom 13.9.1990,15 § 34, dass die vor ihnen geschlossenen Vergleiche Vollstreckungstitel sind,16 dass die Klausel vom Amtsgericht auszustellen ist und dass auf sie § 797a entsprechend anzuwenden ist, Abs. 2.17

III. Klauselerteilung Sofern die Landesjustizverwaltung von der in Abs. 4 eingeräumten Ermächtigung Gebrauch ge- 5 macht hat,18 ist der Vorsteher der Gütestelle zur Erteilung der (einfachen) Klausel i.S.d. §§ 724, 725 (einschließlich der Regelklausel des § 726 Abs. 2) ausschließlich19 zuständig – und zwar unabhängig davon, ob der Vergleich vor ihm geschlossen wurde oder nicht. Überschreitet er seine Kompetenzen, indem er eine qualifizierte Klausel ausstellt, führt der Mangel der funktionellen Zuständigkeit zur Unwirksamkeit der Ausfertigung, vgl. § 725 Rdn. 16. Verweigert der Vorsteher die Klauselerteilung, kann der Antragsteller nach § 731 klagen.20 Ist der Titel dagegen nach Maßgabe des § 726 Abs. 121 zu ergänzen, bzw. gemäß den §§ 727 ff. 6 (einschließlich 738, 742, 744, 744a, 745, 749) zu übertragen, oder soll eine weitere Ausfertigung, § 733, ausgestellt werden, ist das (Streit-)Gericht – genauer: dessen Rechtspfleger, § 20 Nr. 12, 13 RpflG – zuständig, in dessen Bezirk sich die Gütestelle befindet. Diese gerichtliche Zuständigkeit22 besteht ferner für jede Klauselerteilung dann, wenn die Landesjustizverwaltung von der in Rdn. 5 erwähnten Ermächtigung keinen Gebrauch gemacht hat. In diesen Fällen muss die Urschrift des Vergleichsprotokolls dem Gericht vorgelegt werden.23 Die örtliche wie sachliche Zuständigkeitsregelung in Abs. 1 ist wegen § 802 eine ausschließli- 7 che. Hinsichtlich der Zuständigkeit der Familiengerichte s. § 795 Rdn. 5. Die Zuständigkeit erfasst auch weitere gerichtliche Handlungen wie die nach § 202 oder §§ 887, 888, 890.24

11 Vgl. dazu LG Mannheim Mitt. dt. PatAnw. 1964, 196. 12 Zum sog. Adjudication-Verfahren de lege ferenda Papier/Schröder Verfassungskonformität der Adjudikation in Bausachen, ZfBR 2013, 731. 13 Zur Verjährungsproblematik Fricke Geschlichtet und verfristet? VersR 2000, 1194 (noch zu § 12 Abs. 3 VVG). 14 Unbeschadet ihrer Bezeichnung bemessen sich die Verfahren dort nicht nach den §§ 1025 ff., OLG Brandenburg NJW-RR 2001, 645. 15 GBl.-DDR I, S. 1527. 16 Vgl. § 801 Rdn. 5. 17 Dazu Müller Schiedsstellen in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten zur Schlichtungstätigkeit der Schiedsstellen in den neuen Ländern, DtZ 1992, 18. 18 Etwa in Niedersachsen die Schlichtungsstelle für Baustreitigkeiten, dazu Haas Schlichtung von Baustreitigkeiten, NdsVBl. 2004, 9, 13. In Bayern etwa gemäß § 19 Abs. 1 BaySchlG die Notare; vgl. Kindl/Meller-Hannich/Wolf/Müller Rdn. 7. 19 Schumacher Zur Erteilung der Vollstreckungsklausel bei Gütevergleichen, ZZP 69 (1956) 347. 20 A.A. Thomas/Putzo/Seiler Rdn. 1 i.V.m. § 797 Rdn. 11, die die Beschwerde nach § 54 BeurkG für zulässig erachten. Wegen des Rdn. 1 genannten Gleichstellungszwecks fehlt dafür aber ein Bedürfnis. 21 Hierher zählt auch die in § 726 Abs. 2 genannte Ausnahme der Zug um Zug abzugebenden Willenserklärung, § 726 Rdn. 26. 22 Die Ausstellungszuständigkeit richtet sich innerhalb des Gerichts nach den allgemeinen Regeln, d.h. der Urkundsbeamte nach § 724 Abs. 2, der Rechtspfleger nach § 20 Nr. 12 RpflG. 23 MünchKomm/Wolfsteiner Rdn. 3. A.A. Stein/Jonas/Münzberg Rdn. 3. 24 Zöller/Geimer Rdn. 5. Vgl. auch BGH Rpfleger 1988, 79. 631

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IV. Gerichtliche Zuständigkeit 8 Die vorerwähnte Zuständigkeit des Amtsgerichts erstreckt sich nach den wortgleichen Regelungen in Abs. 2 und Abs. 4 S. 3 auch auf ein schuldnerisches Vorgehen nach § 732. 9 Die Verweisung des Abs. 3 auf § 797 Abs. 5 betrifft die Klagen aus den §§ 731, 767 und 768. Hinsichtlich der Vollstreckungsgegenklage gilt für den Gütestellenvergleich nichts anderes als für Prozessvergleiche:25 dass sie nämlich mangels Rechtskraftfähigkeit nicht der Präklusion des § 767 Abs. 2 unterliegen, vgl. § 795 Rdn. 14.

V. Gebühren 10 Wegen der Anwaltsgebühren für das Verfahren vor der Güte- bzw. Einigungsstelle s. Nr. 2303 Vergütungsverzeichnis RVG;26 für die Klauselerteilung beachte § 19 Abs. 1 Nr. 13 RVG. Gerichtsgebühren fallen nicht an, sofern nicht Klage erhoben wird.27

§ 798 Wartefrist Aus einem Kostenfestsetzungsbeschluss, der nicht auf das Urteil gesetzt ist, aus Beschlüssen nach § 794 Abs. 1 Nr. 2a und § 794 Abs. 1 Nr. 4b sowie aus den nach § 794 Abs. 1 Nr. 5 aufgenommenen Urkunden darf die Zwangsvollstreckung nur beginnen, wenn der Schuldtitel mindestens zwei Wochen vorher zugestellt ist.

Übersicht I.

Allgemeines

II. 1.

Wartefrist Betroffene Titel

1

2

2. 3.

3 Fristberechnung Nichteinhaltung der Frist

III.

Leistungserfolg

4

7

I. Allgemeines 1 Die Frist zwischen Zustellung und Vollstreckungsbeginn betrug anfänglich, d.h. bei der Einführung der Norm 1898, einen Tag. Seitdem wurde sie immer wieder verlängert: durch die Novelle von 1909 auf drei Tage, 1924 auf eine Woche, 1990 (Rechtspflege-Vereinfachungsgesetz) auf die heutigen zwei Wochen. Zweck der Vorschrift ist, dem Schuldner eine Frist zur Erfüllung oder zur Abwehr der Inanspruchnahme1 zu gewähren, bevor er mit Zwangsmaßnahmen zu rechnen hat; dieses Privileg entspricht der im Gemeinen Recht vorgeschriebenen Paritionsfrist, vgl. § 724 Rdn. 1. Der Zweck der Vorschrift ergibt sich aus der Gemeinsamkeit der adressierten Schuldtitel, dass sie alle nicht Ergebnis eines kontradiktorischen Vorgangs sind, so dass aus der grundsätzlichen Einigkeit der Parteien die Annahme gerechtfertigt und schützenswert erscheint, dass nicht sofort mit der 25 BGH NJW 1953, 345. S. auch Cuypers Das zuständige Gericht in Zivilsachen, ZAP 2014, 2001, 2011 f. 26 S. die Anrechenbarkeit nach Vorbemerkung 2.3, sub 6. 27 S. auch zum Ganzen Schneider Kosten und Gebühren im obligatorischen außergerichtlichen Streitschlichtungsverfahren nach den Ausführungsgesetzen zu § 15a EGZPO, AnwBl 2001, 327. 1 Vgl. BGH NJW 2002, 138 (mit zusätzlichem Verweis auf § 835 Abs. 3 S. 2); zur Parallelvorschrift des § 750 Abs. 3 s. BGH Rpfleger 2005, 547; AG Karlsruhe-Durlach JurBüro 2022, 384. Paulus https://doi.org/10.1515/9783110443158-090

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Zwangsvollstreckung begonnen wird.2 Insbesondere im Hinblick auf die vollstreckbare Urkunde stellt die Wartefrist eine wichtige Abweichung von der ansonsten materiell vielfach durchaus naheliegenden Ermächtigung zur Verfügung über das Vermögen des Unterwerfenden dar.3

II. Wartefrist 1. Betroffene Titel Die Wartefrist ist bei folgenden Titeln einzuhalten: bei der Zwangsvollstreckung aus Kostenfestset- 2 zungsbeschlüssen, die nicht im vereinfachten Verfahren erlassen wurden4 (sofern sie dagegen nach § 105 ergehen,5 ist auf diese Titel § 795a anzuwenden und die Vollstreckung sofort durchführbar);6 ferner bei Beschlüssen des Prozessgerichts nach § 796b oder des Notars nach § 796c (Anwaltsvergleiche) sowie bei den vollstreckbaren Urkunden des § 794 Abs. 1 Nr. 5 (einschließlich derer nach Abs. 2). § 89 S. 1 GNotKG erklärt darüber hinaus § 798 für entsprechend anwendbar auf eine mit der Vollstreckungsklausel des Notars versehene Ausfertigung der Kostenberechnung;7 dasselbe sagt § 7 des Ausführungsgesetzes des HZPÜ der für vollstreckbar erklärten Kostenentscheidung.8

2. Fristberechnung Die Fristberechnung muss in Gemäßheit des § 222 erfolgen. Fristbeginn ist die von § 750 Abs. 1 3 und Abs. 2 geforderte ordnungsgemäße Zustellung,9 d.h. der Zugang der zuzustellenden Urkunde(n), § 132 BGB.10 Der Tag der Zustellung wird jedoch nach § 187 Abs. 1 BGB nicht mit einberechnet. Infolgedessen ist das Ende der Frist der Ablauf desjenigen Tages, der seinem Namen nach demjenigen entspricht, an dem zwei Wochen vorher die Zustellung erfolgte, § 188 Abs. 2 BGB; handelt es sich dabei um einen Feiertag, ist nach § 222 Abs. 2 der Ablauf des nächsten Werktages maßgeblich.11

2 Missverständlich daher der Leitsatz von BGH DNotZ 2007, 33; richtig Böttcher Zwangsvollstreckungsunterwerfung durch einen Vertreter, BWNotZ 2007, 109, 113. Die Frist ist somit rein verfahrensrechtlich zu verstehen und betrifft folglich nicht die Fälligkeit der Forderung, OLG Köln NJW-RR 2000, 1299. 3 Zu dieser Parallelisierung etwa Clemente Sicherungsgrundschuld und Untreue, wistra 2010, 249, 250 mit Hinweis auf BGH NJW 2002, 138. 4 Zu Vergütungsfestsetzungsbeschlüssen nach § 11 Abs. 2 RVG s. etwa Hansens RVGreport 2011, 473, 475; zu Kostenfestsetzungsbeschlüssen des öffentlichen Rechts mit § 164 VwGO BayVGH BayVBl 2004, 571; zu solchen nach § 167 VwGO VG Cottbus v. 3.5.2012 – 6 M 2/12, juris; (s. überdies § 3 Abs. 2 lit. c VwVG mit Sächsisches OVG vom 20.1. 2021 – 3 F 8/20, juris). Zu der Frist des § 152 Abs. 2 FGO s. sächs. FG v. 19.12.2012 – 8 S 1536/12, juris; VG Frankfurt/O. Vollstreckung effektiv 2007, 76. 5 Dazu Stoffregen Der zivilprozessuale Kostenerstattungsanspruch und seine Durchsetzung nach den §§ 103 ff. ZPO, JuS 2010, 401. 6 Gleiches gilt für Vergleiche nach § 794 Abs. 1 Nr. 1, LG Köln Rpfleger 2000, 557. 7 Dazu etwa Scheungrab notar 2010, 202. 8 Zu § 173 VwGO BayVGH BayVBl 2004, 571. 9 Vgl. KG KGJ 43, 251. Die Zustellung der in § 751 Abs. 2 genannten Urkunde ist für die Wartefrist dagegen ohne Belang; sie braucht erst bei Beginn der Vollstreckung zu erfolgen. Zur zutreffenden Bezeichnung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts BGH NJW 2009, 594; zu den Erfordernissen bei einer privat betriebenen Zustellung BayObLG FGPrax 2005, 57. 10 Müller Notarielle Vollstreckungstitel, RNotZ 2010, 167, 181. Zum Zugangsbegriff des § 132 BGB s. MünchKomm-BGB/ Einsele § 132 Rdn. 1. Zum Verhältnis zu der sechsmonatigen Frist des § 31 Abs. 1 ZVG LG Detmold Rpfleger 2008, 148. 11 RGZ 83, 336. 633

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§ 798

Achtes Buch – Zwangsvollstreckung

3. Nichteinhaltung der Frist 4 Wegen der Folgen einer Zwangsvollstreckung, die die Wartefrist nicht einhält, s. zunächst § 750 Rdn. 37 ff. Der Schuldner kann hiergegen wegen fehlender „Vollstreckungsmöglichkeit“12 des Gläubigers die Erinnerung nach § 766 geltend machen. Deren Kosten muss in jedem Fall der Gläubiger tragen, weil anderenfalls die zwingende Schutznorm des § 798 gefahrlos übertreten und der Schuldner zur Leistung angehalten werden könnte; die Ansicht der 2. Aufl.13 ist daher abzulehnen, der zufolge eine nachträgliche Heilung eintritt, wenn nicht der Schuldner innerhalb der Frist leistet. Entsteht dem Schuldner durch die Nichteinhaltung der Frist ein Schaden, kommt gegen den Gerichtsvollzieher, bzw. den Staat, ein Amtshaftungsanspruch gem. § 839 BGB in Betracht.14 Ein Verzicht des Schuldners auf die Einhaltung der Frist ist wegen des zwingenden Charakters aller Vollstreckungsvoraussetzungen unwirksam.15 5 Die verfrühte Vornahme einer Pfändung lässt ein Pfändungspfandrecht nicht entstehen; gleichwohl tritt mit Ablauf der Wartefrist eine Heilung ein,16 die freilich keine Rückwirkung entfaltet.17 6 Weil § 845 Abs. 1 S. 3 die Zulässigkeit einer Vorpfändung ausdrücklich von dem Erfordernis der Zustellung befreit, stellt ihre Vornahme keinen Verstoß gegen die Einhaltung der Wartefrist dar.18 Die Monatsfrist beginnt allerdings auch unter diesen Umständen bereits mit der Benachrichtigung des Drittschuldners, § 845 Abs. 2, und nicht erst mit Ablauf der Zwei-Wochenfrist des § 798.19 Unbeschadet eines eventuellen Vollstreckungsbeginns kann der Schuldner die ihm zum 6a Schutz eingeräumte Frist dazu nutzen, sich gegen den Beschluss zur Wehr zu setzen – etwa gemäß §§ 767, 797 Abs. 4 und 5 iVm 795 S. 1.20

III. Leistungserfolg 7 Es ist umstritten, was der Schuldner in den ihm eingeräumten vierzehn Tagen zu tun verpflichtet ist – ob er lediglich die Leistungshandlung vornehmen oder ob er darüber hinaus auch den Leistungserfolg herbeiführen muss. Insbesondere bei Banküberweisungen durch den Schuldner war diese Frage – nicht zuletzt wegen der bisweilen langen Dauer bis zur Gutschrift beim Gläubiger – in der Praxis virulent. In diesen Fällen lässt sich das Problem auf die Frage zuspitzen, wer das Risiko der Erfüllungsdauer tragen soll. Die Antwort muss aber auch den Fall berücksichtigen, in dem der Schuldner erst am Abend des letzten Wartetages den geschuldeten Gegenstand per Post losschickt.

12 BGH WRP 2016, 1494 – Tz. 20. 13 B IIa 1 unter Berufung auf OLG Hamm MDR 1974, 677. 14 RGZ 125, 286; Staudinger/Wöstmann (2020) BGB § 839 Rdn. 692. Der Schaden bemisst sich analog dem Verzugsschaden der §§ 280 Abs. 2, 286 BGB. 15 RGZ 83, 336; OLG Königsberg SeuffA 58, 377 (Nr. 202); OLG Dresden SächsA f. Rpfl. 2, 185; Schilken Verzicht auf Zustellung und Wartefrist in vollstreckbaren Urkunden? DGVZ 1997, 81. A.A. OLG Naumburg SeuffA 61, 211 f. (Nr. 121); MünchKomm/Wolfsteiner Rdn. 11. 16 RGZ 125, 286. 17 A.A. BGH BeckRS 2013, 7698; Stein/Jonas/Münzberg Rdn. 7. 18 OLG Hamburg MDR 1961, 329; OLG Düsseldorf DGVZ 1976, 24; KG Rpfleger 1981, 240 (zu § 750 Abs. 3); Goebel Die Möglichkeiten der Vorpfändung kennen und nutzen, FoVo 2010, 185; Münzberg Die Vorpfändung der Gerichtsvollzieher, DGVZ 1979, 165. 19 So aber die 2. Aufl. B IIa 2. Für eine solche fristverlängernde Begünstigung des Gläubigers ist kein Grund ersichtlich, vgl. für die h.M. Braun Wartefrist gem. § 798 ZPO und Vorpfändung, DGVZ 1976, 145. 20 BGH DGVZ 2020, 257 – Tz. 24, mit Anm. Clemente ZfIR 2021, 166. Paulus

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Abschnitt 1. Allgemeine Vorschriften

§ 799

Für die Vornahme bloß der Leistungshandlung spricht zumindest hinsichtlich der Anwaltsver- 8 gleiche und der vollstreckbaren Urkunden, dass § 798 das fehlende gerichtliche Erkenntnis21 der in dieser Vorschrift adressierten Titel kompensiert. Demgegenüber spricht für das Verlangen auch des Vollstreckungserfolges, dass § 798 eine eng auszulegende Ausnahme von der Regel ist, der zufolge die Zwangsvollstreckung unmittelbar mit der Zustellung beginnen kann, s. § 795 Rdn. 1. Dieses grundsätzliche Recht des Gläubigers wird entgegen § 224 Abs. 2 eingeschränkt, wenn sich der Schuldner mit der Vornahme der Leistungshandlung begnügen dürfte – ganz abgesehen davon, dass mit den zwischenzeitlich, Rdn. 1, gewährten zwei Wochen eine hinlängliche Zeitspanne22 eingeräumt wird. Folglich muss der Schuldner innerhalb der zwei Wochen den Leistungserfolg herbeiführen; er trägt auch das Risiko der Erfüllungsdauer. Infolgedessen muss der Schuldner für die Vollstreckungskosten aufkommen, die dem Gläubiger dadurch entstehen, dass er am 15. Tag nach Zustellung die Zwangsvollstreckung einleitet, obgleich der Schuldner tags zuvor die Überweisung bei der Bank eingereicht hat.23 § 93 findet auf diesen Fall keine entsprechende Anwendung.

§ 798a (aufgehoben) durch Gesetz zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG-Reformgesetz – FGG-RG) G. v. 17.12.2008 BGBl. I S. 2586 (Nr. 61) S. nunmehr § 244 FamFG

§ 799 Vollstreckbare Urkunde bei Rechtsnachfolge Hat sich der Eigentümer eines mit einer Hypothek, einer Grundschuld oder einer Rentenschuld belasteten Grundstücks in einer nach § 794 Abs. 1 Nr. 5 aufgenommenen Urkunde der sofortigen Zwangsvollstreckung unterworfen und ist dem Rechtsnachfolger des Gläubigers eine vollstreckbare Ausfertigung erteilt, so ist die Zustellung der die Rechtsnachfolge nachweisenden öffentlichen oder öffentlich beglaubigten Urkunde nicht erforderlich, wenn der Rechtsnachfolger als Gläubiger im Grundbuch eingetragen ist. Die Vorschrift wurde mit der BGB-Novelle von 1898 eingefügt. Der Grund war, dass es eine 1 „zwecklose Förmlichkeit“ sei, neben der Benachrichtigung durch das Grundbuchamt, § 55 GBO,1 noch eine solche durch den Gläubiger gem. § 750 Abs. 2 zu verlangen.2 Verzichtbar ist aber allein

21 Ein solches fehlt übrigens auch bei den in § 798 nicht genannten Gütestellenvergleichen des § 797a. 22 So auch Hansens Zum Rechtspflegevereinfachungsgesetz, Rpfleger 1991, 137. 23 AG Freiburg DGVZ 1982, 31 (Mahnbescheid); Christmann Die doppelte Wartefrist nach § 798 ZPO, DGVZ 1991, 106; wohl auch Baumbach/Lauterbach/Hartmann/Albers/Schmidt Rdn. 2. A.A. AG Neustadt/Rbge DGVZ 1979, 92; AG Ehingen DGVZ 1981, 90; AG Köln DGVZ 1983, 191; AG Berlin-Charlottenburg DGVZ 1988, 126 (auf S. 127 w. Nachw. – Anmerkung der Schriftleitung); LG Hannover DGVZ 1991, 57; AG Ellwangen DGVZ 1992, 45; Noack Wer trägt das Risiko für die entstehenden Vollstreckungskosten? DGVZ 1976, 65 f. 1 Zur Vergleichbarkeit der vorliegenden Norm mit § 26 GBO Scheel Zur Umschreibung von Vollstreckungsklauseln NotBZ 2000, 248, 251. 2 Begr. der Novelle, S. 163 f. 635 https://doi.org/10.1515/9783110443158-092

Paulus

§ 799a

Achtes Buch – Zwangsvollstreckung

der Nachweis der Rechtsnachfolge,3 nicht auch die Zustellung der Vollstreckungsklausel.4 Es liegt also allein eine Modifikation des § 750 Abs. 2 vor.5 2 Die Vorschrift schafft eine Sonderregelung nicht für sämtliche Register, sondern allein für das Grundbuch.6 Der Hinweis auf § 55 GBO ist insoweit verfänglich, als dessen Abs. 7 ausdrücklich einen Verzicht auf die Benachrichtigung für zulässig erklärt.7 Hat also ein Eigentümer verzichtet, könnte die Zwangsvollstreckung gegen ihn beginnen, ohne dass ihm der Nachweis der Rechtsnachfolge zugestellt worden wäre. Ein Verzicht auf diese Vollstreckungsvoraussetzung ist jedoch nicht möglich, vgl. § 798 Rdn. 4 mit Fn. 14.8 Folglich ist § 799 in einem solchen Fall nicht anwendbar, und der Gläubiger muss die die Rechtsnachfolge bescheinigende Urkunde zustellen lassen. Dieselbe Nichtanwendbarkeit des § 799 gilt auch dann, wenn ein Brief ausgestellt worden ist, auf dem die in § 1155 BGB vorgesehene Gläubigerkette vermerkt ist, bzw. – generell gesprochen – wenn sich der Rechtsübergang auf der Gläubigerseite außerhalb des Grundbuchs vollzieht, §§ 1192, 1200 BGB.9 3 Dagegen ist § 799 auch dann anzuwenden, wenn sich der Eigentümer nicht nur hinsichtlich des dinglichen Anspruchs, sondern als persönlicher Schuldner zugleich auch hinsichtlich der allgemeinen Vermögenshaftung der sofortigen Zwangsvollstreckung unterworfen hat. Hier bedarf es weder für die eine noch für die andere Vollstreckung der Zustellung, denn die im Grundbuch vermerkte Information kann für den Eigentümer keine andere sein als für den personengleichen Schuldner.10 § 799 ist ferner auch dann anzuwenden, wenn eine entsprechende Eintragung im Schiffs- oder Luftfahrzeugregister enthalten ist.

§ 799a Schadensersatzpflicht bei der Vollstreckung aus Urkunden durch andere Gläubiger 1 Hat sich der Eigentümer eines Grundstücks in Ansehung einer Hypothek oder Grundschuld in einer Urkunde nach § 794 Abs. 1 Nr. 5 der sofortigen Zwangsvollstreckung in das Grundstück unterworfen und betreibt ein anderer als der in der Urkunde bezeichnete Gläubiger die Vollstreckung, so ist dieser, soweit die Vollstreckung aus der Urkunde für unzulässig erklärt wird, dem Schuldner zum Ersatz des Schadens verpflichtet, der diesem durch die Vollstreckung aus der Urkunde oder durch eine zur Abwendung der Vollstreckung erbrachte Leistung entsteht. 2Satz 1 gilt entsprechend, wenn sich der Schuldner wegen der Forderungen, zu deren Sicherung das Grundpfandrecht bestellt worden ist, oder wegen der Forderung aus einem demselben Zweck dienenden Schuldanerkenntnis der sofortigen Vollstreckung in sein Vermögen unterworfen hat.

3 BGH DGVZ 2019, 34, 36. 4 Musielak/Voit/Lackmann Rdn. 1. 5 Hierzu etwa BGH DGVZ 2019, 34 – Tz. 10; Gehrlein Effektive Durchsetzung des Rechts des Gläubigers bei der zivilrechtlichen Vollstreckung, DZWIR 2019, 516, 523; Lindemeier Erteilung der Vollstreckungsklausel bei Rechtsnachfolge auf Gläubigerseite in Grundschulden, NotBZ 3010, 433, 437. 6 S. auch Hertel Anm. zu BGH ZfIR 2013, 103, 106. 7 Diese Möglichkeit sah schon der Entwurf einer Grundbuchordnung von 1897 vor (§ 53 S. 2), Hahn/Mugdan Die gesammelten Materialien zu den Reichs-Justizgesetzen, 5. Band 1897, S. 143. 8 A.A. wohl Baumbach/Lauterbach/Hartmann/Albers/Schmidt Rdn. 1. 9 Teilweise abweichend MünchKomm/Wolfsteiner Rdn. 3; s. auch DNotI-Report 2004, 117. 10 A.A. 2. Aufl. B I; LG Stuttgart DGVZ 2001, 120; Fromm Formfehlerhafte Klauselumschreibung nach Abtretung kreditvertraglicher Sicherheiten, ZfIR 2008,664, 665. Paulus https://doi.org/10.1515/9783110443158-093

636

Abschnitt 1. Allgemeine Vorschriften

§ 799a

Übersicht I.

Gesetzesgeschichte, Normzweck

II. 1. 2.

Tatbestandsvoraussetzungen Vollstreckungsunterwerfung Unzulässigkeitserklärung

1

3.

Vollstreckungszugriff

III.

Rechtsfolge

IV.

Verfahren

5

7

2 4

8

I. Gesetzesgeschichte, Normzweck Die Vorschrift wurde durch das Risikobegrenzungsgesetz1 vom 12.8.2008 eingefügt. Sie reiht sich als 1 prozessuale Schadensersatznorm ein in die Gruppe der §§ 717, 945 ZPO, 28 AVAG,2 die ebenfalls diese Rechtsfolge für Vollstreckungen vorsehen, deren Berechtigung nachträglich beseitigt worden ist. Anlass für die Normierung3 war eine allgemeine, sich auch in der Gesetzgebung widerspiegelnde Irritation, Hektik und Polemik gegen Hedge Funds („Heuschrecken“),4 die auf Grund veränderter wirtschaftlicher Gepflogenheiten (hier insbesondere die Entwicklung eines Sekundärmarktes für gesicherte Forderungen) zu einer Ballung von Vollstreckungen geführt hatten, die vornehmlich auf den ersten Blick als ungerechtfertigt und unfair erschienen; zogen sie doch ihre Legalität aus dem Umstand, dass die Sicherungsvereinbarungen lediglich zwischen dem ursprünglichen Gläubiger und dem Schuldner wirkten, inter partes. § 799a erweist sich damit als ein geradezu klassisches Anlassgesetz, das präzise auf die seinerzeitigen Umstände5 zugeschnitten wurde, ohne die Regelung in einen größeren Rahmen zu stellen.6 Diese Beschränkung ist bei der Auslegung der Norm immer mit zu bedenken; deshalb wird man etwa davon auszugehen haben, dass die Vorschrift nicht disponibel ist.7

II. Tatbestandsvoraussetzungen 1. Vollstreckungsunterwerfung Satz 1 nimmt Bezug auf die Vollstreckungsunterwerfung gemäß § 794 Abs. 1 Nr. 5 und bezieht sich in- 2 folgedessen auf die dingliche Haftung des Grundstückeigentümers. Infolgedessen müssen Hypothek bzw. Grundschuld – nicht aber auch die Rentenschuld8 – in Gemäßheit der §§ 1113 ff. bzw. §§ 1191 ff. 1 BGBl. I, 1666. Dazu etwa Schimansky Verkauf von Kreditforderungen und Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung, WM 2008, 1049 ff.; Habersack Die Vollstreckungsunterwerfung des Kreditnehmers im Lichte des Risikobegrenzungsgesetzes, NJW 2008, 3173. Aufschlussreich zum Hintergrund Hoepner Die Übertragung notleidender Kredite, SHA 2008, 329; Stürner Verkauf und Abtretung von Darlehensforderungen, ZHR 173, 2009, 363; Sokolowski Praxisprobleme des Risikobegrenzungsgesetzes, ZAP 2011, 1001. 2 S. hierzu auch Petersen Haftung für Zufall, Jura 2018, 132. 3 Zu den weiterhin kritischen Altfällen s. außer § 37 EGZPO Fromm Formfehlerhafte Klauselumschreibung nach Abtretung kreditvertraglicher Sicherheiten, ZfIR 2008, 664. 4 S. auch MünchKomm/Wolfsteiner Rdn. 2; Teigelack „Heuschrecken und Häuslebauer“, Bucerius L.J. 2008, 143; Heinze Die abstrakte Verkehrshypothek, AcP 211, 2011, 105 ff. 5 Paradigmatisch insbesondere LG Hamburg ZIP 2008, 1466. 6 S. auch Heinze Die abstrakte Verkehrshypothek, ZZP 211, 2011, 105; Becker-Eberhard § 799a ZPO, keine prozessuale Risikohaftung – aber was sonst? FS Werner (2009) 532 ff. 7 A.A. Vollkommer Risikohaftung des Neugläubigers bei unberechtigter Vollstreckung aus Urkunden nach § 799a ZPO, ZIP 2008, 2060, 2061; Dieckmann Die Einführung des § 799a ZPO durch das Risikobegrenzungsgesetz, BWNotZ 2008, 166, 181. 8 Dies ist wegen der expliziten Auflistung von Hypothek und Grundschuld anzunehmen, s. auch Musielak/Voit/Lackmann Rdn. 2. Auch § 800a schließt aus nachvollziehbaren Gründen die Anwendbarkeit der vorliegenden Norm aus. 637

Paulus

§ 799a

Achtes Buch – Zwangsvollstreckung

BGB bestellt, und es muss die Vollstreckungsunterwerfung, vgl. § 794 Rdn. 89 ff., wirksam erklärt und dokumentiert worden sein; im Regelfall wird dann auch noch ein Nachweisverzicht vereinbart worden sein.9 Eine Titulierung durch Urteil oder Vergleich führt nicht zu § 799a. 3 Satz 2 weitet diesen Anwendungsbereich auch noch auf die persönliche Haftung desjenigen Schuldners aus, der sich ebenfalls der sofortigen Zwangsvollstreckung gemäß § 794 Abs. 1 Nr. 5 unterworfen hat, um die grundpfandrechtlich gesicherten Forderung zu sichern. Mit dieser Erweiterung werden die in der Praxis ganz üblichen10 Sicherungen bei Grundstücksgeschäften erfasst, insbesondere indem Satz 2 ausdrücklich auch noch das abstrakte Schuldanerkenntnis benennt.

2. Unzulässigkeitserklärung 4 Die Unzulässigkeit einer Vollstreckung kann verfahrensmäßig im Rahmen einer Klage nach den §§ 767, 768 – jeweils in Verbindung mit § 795 – sowie nach § 73211 ausgesprochen werden. Der Mittelbarkeit der Unzulässigkeitserklärung nach § 732 entspricht im Ergebnis eine Änderung des Titels mittels der §§ 323, 323a.12

3. Vollstreckungszugriff 5 Der Vollstreckungszugriff erfolgt im Rahmen des Satz 1 in Gemäßheit der §§ 864 ff.; im Rahmen des Satz 2 kann der Vollstreckungszugriff das gesamte Panorama der Zugriffsmöglichkeiten umfassen. Zwischen dem in der Vollstreckungsunterwerfung genannten Gläubiger und dem vollstrecken6 den Gläubiger darf ausweislich des Gesetzeswortlauts keine Personenidentität bestehen. Gemessen an dem Gesetzgebungsanlass, s. Rdn. 1, ist diese Formulierung ein „overkill“, weil damit auch etwa der Erbe oder der Insolvenzverwalter des originären Gläubigers erfasst werden. Dies ergibt wenig Sinn, den man auch nicht mit der lapidaren Frage beiseite wischen kann: „Warum sollen sie nicht haften?“13 Denn damit ist allein die nicht zufriedenstellend beantwortbare Gegenfrage provoziert, warum nicht auch der originäre Gläubiger haftet.14 Wenn also das Gesetz diese explizite Differenzierung vorgenommen hat, wird man um eine teleologische Reduktion nicht herumkommen15 und folglich als „anderen“ nur denjenigen Gläubiger ansehen können, der weder durch eigene Veranlassung des Schuldners16 noch in einer Weise neuer Gläubiger geworden ist, die unter die durch das Risikobegrenzungsgesetz zu bändigenden Gefährdungen fällt. Positiv gewendet sind damit „andere“ Gläubiger solche, die kraft Rechtsgeschäfts Nachfolger des in der Urkunde ausgewiesenen Gläubigers geworden sind. Auch wenn diese Deutung in Einzelfällen immer noch eine gewisse Grobschlächtigkeit aufweist, ist sie doch für eine generelle Anwendung der Norm hinreichend praktikabel. Es fallen somit also Erbe wie Insol-

9 S. dazu F.G.Wagner Die zwangsvollstreckungsrechtliche Treuhand, 2016, S. 165 ff. Ferner OLG München, RPfleger 2017, 23, dazu Wagner EWiR 2017, 255. 10 Vgl. Kindl/Meller-Hannich/Wolf/Müller Rdn. 8 mit Verweis auf den Bericht des Finanzausschusses, BT-Drucks. 16/ 9821, S. 24. 11 A.A. MünchKomm/Wolfsteiner Rdn. 4. 12 Zöller/Geimer Rdn. 5. 13 So Musielak/Voit/Lackmann Rdn. 2. 14 S. auch Knops Neuregelungen zum Kredithandel durch das Risikobegrenzungsgesetz: Kein großer Wurf, VuR 2009, 286; zur vertraglichen und somit Verschulden voraussetzenden Haftung des originären Gläubigers etwa Dieckmann Die Einführung des § 799a ZPO durch das Risikobegrenzungsgesetz, BWNotZ 2008, 166, 174. 15 So auch etwa MünchKomm/Wolfsteiner Rdn. 3. AA etwa OLG Stuttgart BeckRS 2019, 53933 (bezogen auf „umwandlungsrechtliche Vorgänge“) – Tz. 63 ff. 16 Saenger/Kindl Rdn. 3 verweist auf eine Umschuldung. Paulus

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Abschnitt 1. Allgemeine Vorschriften

§ 800

venzverwalter wie Vollstreckungsgläubiger des Gläubigers17 als „andere“ aus, während beispielsweise Käufer der gesicherten Forderung ebenso darunter fallen wie Einzelnachfolger auf Grund einer Umwandlung. Der Erwerber einer als Eigentümergrundschuld ausgewiesenen Zugriffsmöglichkeit ist zwar rechtsgeschäftlicher Nachfolger, es besteht aber keine dem Gesetzesanlass, Rdn. 1, entsprechende Vertrauensposition für den Grundstückseigentümer; infolgedessen ist dieser Ersterwerber ebenfalls kein „anderer“.18

III. Rechtsfolge Es besteht eine verschuldensunabhängige19 Schadensersatzpflicht für den vollstreckenden Gläubi- 7 ger. Unbeschadet der präsentischen Ausdrucksweise des Wortlauts („entsteht“), ist in Gemäßheit des § 249 BGB von der Ersatzverpflichtung jeder Schadensposten erfasst, der im kausalen Zusammenhang mit der Vollstreckung bzw. ihrer Abwendung entstanden ist, vgl. hierzu im Einzelnen § 717 Rdn. 19 ff.

IV. Verfahren Ohne dass ein Zwang zur Beschränkung auf diese Verfahren angenommen werden könnte, wird 8 der Schuldner den Schadensersatz wohl typischerweise in einem Verfahren nach Maßgabe der §§ 767, 768 geltend machen.20 Im Übrigen gelten für die Geltendmachung des Schadensersatzes die allgemeinen Regeln, einschließlich der Beweislastverteilung etwa hinsichtlich des Schadens;21 dazu, dass etwa § 32 wegen der deliktischen Natur des Anspruchs einschlägig ist, s. § 717 Rdn. 33.

§ 800 Vollstreckbare Urkunde gegen den jeweiligen Grundstückseigentümer 1 Der Eigentümer kann sich in einer nach § 794 Abs. 1 Nr. 5 aufgenommenen Urkunde in Ansehung einer Hypothek, einer Grundschuld oder einer Rentenschuld der sofortigen Zwangsvollstreckung in der Weise unterwerfen, dass die Zwangsvollstreckung aus der Urkunde gegen den jeweiligen Eigentümer des Grundstücks zulässig sein soll. 2Die Unterwerfung bedarf in diesem Falle der Eintragung in das Grundbuch. (2) Bei der Zwangsvollstreckung gegen einen späteren Eigentümer, der im Grundbuch eingetragen ist, bedarf es nicht der Zustellung der den Erwerb des Eigentums nachweisenden öffentlichen oder öffentlich beglaubigten Urkunde. (3) Ist die sofortige Zwangsvollstreckung gegen den jeweiligen Eigentümer zulässig, so ist für die im § 797 Abs. 5 bezeichneten Klagen das Gericht zuständig, in dessen Bezirk das Grundstück belegen ist.

(1)

17 A.A. Thomas/Putzo/Seiler Rdn. 6. Wie hier Zöller/Geimer Rdn. 4. 18 Wie hier Zöller/Stöber Rdn. 4. 19 Zöller/Geimer Rdn. 7; Vorwerk Schutz in der Finanzmarktkrise – Welche Rechte hat der Verbraucher? NJW 2009, 1777, 1780; Clemente Neuerungen im Immobiliendarlehens- und Sicherungsrecht, ZfIR 2008, 589, 596.

20 BGHZ 190, 172; OLG Dresden BKR 2010, 465. Zum inneren Zusammenhang mit § 769 Abs. 1 Krüger DRiZ 2008, 281, 283.

21 Koch Der Schutz des Eigenheims vor den Finanzinvestoren, ZBB 2008, 232, 237. Zum Rechtsschutzbedürfnis Vollkommer ZIP 2008, 2060, 2062. 639 https://doi.org/10.1515/9783110443158-094

Paulus

§ 800

Achtes Buch – Zwangsvollstreckung

Übersicht I.

Gesetzesgeschichte

II. 1. 2.

„Dingliche“ Unterwerfungserklärung 2 Voraussetzungen Eintragung

3.

6 a) Verfahren b) Rechtsprechungsbeispiele 10 Zustellung

III.

Gerichtliche Zuständigkeit

1

9

12

I. Gesetzesgeschichte 1 Die Vorschrift wurde durch die BGB-Novelle von 1898 eingefügt; ausweislich der Begründung, S. 164, leitete man u.a. aus den Art. 127, 128 des bayerischen Ausführungsgesetzes zur CPO und KO vom 23.2.1879 das in der Praxis bestehende Bedürfnis1 her, eine auf eine Hypothekenschuld gerichtete vollstreckbare Urkunde „auch gegen den dritten Besitzer des belasteten Grundstücks“ wirken zu lassen. Dieses Vorbild wurde auf die Grund- und Rentenschuld erstreckt und von einer Eintragung in das Grundbuch abhängig gemacht: „eine Bezugnahme auf die Eintragungsbewilligung (BGB. § 874) genügt nicht. Der Erwerber des Grundstücks wird auf diese Weise in den Stand gesetzt, sich von vornherein über die Rechtskraft zu unterrichten.“2

II. „Dingliche“ Unterwerfungserklärung 1. Voraussetzungen 2 § 800 trifft eine Sonderregelung für die Zwangsvollstreckung aus einem dinglichen Titel;3 denn die Befugnis, seine Rechtsnachfolger im Eigentum4 zu binden und dem Gläubiger damit die Prozessführungslast abzunehmen, hat der Eigentümer allein hinsichtlich der dinglichen Rechtslage – hinsichtlich der persönlichen Schuld verbleibt es dagegen bei den allgemeinen Regeln,5 etwa § 797 i.V.m. § 727; s. auch Rdn. 13 ff. sowie § 797 Rdn. 24.6 Im Einklang mit § 794 Abs. 1 Nr. 5 S. 2 sind die von § 800 erfassten dinglichen Titel solche, die einen Anspruch aus einer Hypothek,7 einer Grund-,8 einer Rentenschuld oder eines Registerpfandrechts nach dem Pfandbriefgesetz9 1 Zur AGB-rechtlichen Zulässigkeit etwa BGH NJW-RR 2006, 490; OLG Hamm, Urt. v. 7.9.2009 – 5 U 42/09, juris; Vollkommer Zwangsvollstreckungsunterwerfung des Verbrauchers bei Immobiliardarlehensverträgen, NJW 2004, 818, 820. 2 Zu diesem begrenzten Nutzen etwa Scheel Zur Umschreibung von Vollstreckungsklauseln, NotBZ 2001, 248, 252 f.; rigider MünchKomm/Wolfsteiner Rdn. 1. 3 Er eröffnet den zwangsweisen Zugriff auf alles, was gemäß den §§ 864 ff. und dem ZVG der Immobiliarhaftung unterfällt. Dazu gehören über die §§ 1120 ff. BGB auch Miet- und Pachterträge aus dem Grundstück, BayObLGZ 1959, 270. 4 Zur Frage, wer Rechtsnachfolger im Eigentum ist, s. außer der Kommentierung zu § 727 etwa LG Rostock NJW-RR 2001, 1024. 5 S. etwa BGH ZfIR 2004, 808. 6 LG Duisburg Rpfleger 1999, 549. 7 Zur Eigentümergrundschuld nach § 1163 BGB KG HRR 1928, 2318; BGH DNotZ 1954, 598; OLG Hamm Rpfleger 1987, 297 m. Anm. Knees (Unterwerfung erstreckt sich im Zweifel nicht auf die umgewandelte Belastung). Zur Umwandlung einer Hypothek in eine Grundschuld LG Bonn Rpfleger 1998, 34; LG Düsseldorf DNotZ 1962, 97 (Erstreckung bejaht). Zur ZGB-Hypothek i.V.m. Art. 233 § 3 Abs. 1 EGBGB s. Böhringer Zwangsvollstreckungsunterwerfung bei ZGB-Hypotheken und Aufbaugrundschulden, NJ 1999, 455, dazu auch LG Dessau NotBZ 2000, 422. 8 Eine dingliche Unterwerfungsklausel ist auch bei einer Eigentümergrundschuld möglich, BGHZ 64, 316; da der Eigentümer jedoch nicht die Zwangsvollstreckung in sein eigenes Grundstück betreiben kann, kann ihm auch keine vollstreckbare Ausfertigung erstellt werden. 9 Opitz Zur Einführung des Flugzeugpfandbriefes in Deutschland: Ein Ausblick, ZLW 2009, 201, 212 zu den §§ 26a ff. PfandBG. Paulus

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Abschnitt 1. Allgemeine Vorschriften

§ 800

herleiten,10 nicht aber aus einer Reallast,11 deren zwangsweise Durchsetzung gegen einen Rechtsnachfolger sich nach den allgemeinen Regeln richtet, §§ 795, 727 ff. Da die Möglichkeit zur Zwangsvollstreckung keinen Anspruch darstellt, kann die Unterwerfungsklausel als solche nicht durch die Eintragung einer Vormerkung gesichert werden. Wegen der Unterwerfungserklärung, die eine einseitige, prozessuale Willenserklärung dar- 3 stellt, s. zunächst § 794 Rdn. 89 ff.12 Eine Unterwerfungserklärung der Gesellschafter ermöglicht einen Zugriff auf das im Gesellschaftsvermögen der Gesellschaft bürgerlichen Rechts befindliche Grundstück.13 Eine Beschränkung auf nur einen Teil14 der Grundschuld15 oder nur einzelne Grundstücke ist auch hinsichtlich des § 800 zulässig.16 Veräußert der Eigentümer eines dieser Grundstücke, geht die sofortige Vollstreckbarkeit auf den neuen Eigentümer über.17 Umgekehrt kann die Unterwerfung auch auf weitere Grundstücke erstreckt werden, bedarf dann aber regelmäßig einer eigenen Unterwerfungserklärung.18 Während die Unterwerfungserklärung grundsätzlich nur vom Eigentümer abgegeben werden kann, entspricht es allgemeiner Ansicht,19 dass sich auch schon der Käufer eines Grundstückes bereits vor Eintragung als Eigentümer der Vollstreckbarkeit – auch mit der dinglichen Wirkung des § 80020 – unterwerfen kann; es liegt insoweit eine bedingte Unterwerfung, nicht aber die Verfügung eines Nichtberechtigten vor, vgl. § 794 Rdn. 94 f.21 Zur Vermeidung von Zweifelsfällen empfiehlt es sich, die Unterwerfungserklärung in der in 4 § 800 Abs. 1 formulierten Fassung abzugeben. Die Dinglichkeit der Unterwerfung resultiert daraus, dass die Duldungsverpflichtung den je- 5 weiligen Eigentümer als solchen trifft, nicht dagegen als Rechtsnachfolger des ursprünglichen Schuldners. Unbeschadet der daraus resultierenden originären Haftung ist die Klausel gegen den jeweiligen Eigentümer nach § 727 zu erteilen;22 vgl. § 727 Rdn. 16. Haben sich Verkäufer und (noch nicht eingetragener) Käufer der sofortigen Vollstreckbarkeit unterworfen, liegt wegen der bedingten 10 Das gilt auch, wenn sich diese Grundpfandrechte auf ein Erbbaurecht beziehen, § 11 Abs. 1 ErbbauRG; OLG Köln Rpfleger 1974, 150.

11 BayObLG DNotZ 1959, 403; Stein/Jonas/Münzberg Rdn. 2; Zöller/Geimer Rdn. 18 m.w.N. A.A. (wohl) die 2. Aufl. A Ia. Zu Abhilfemöglichkeiten für den Reallastgläubiger Oppermann Erhalt der Reallast trotz Zwangsversteigerung, RNotZ 2004, 84 (Anm. zu BGH NJW 2004, 361). 12 Zur (abzulehnenden) entsprechenden Anwendung des § 185 BGB auf die Unterwerfungserklärung s. etwa Staudinger/Klumpp, 2019, BGB § 185 Rnr. 150. 13 BGHZ 187, 344; BGH NJW 2004, 3632 (im Grundbuch waren alle Gesellschafter einzeln genannt und „als Gesellschafter bürgerlichen Rechts“ bezeichnet). Für den Fall einer wegen Todesfalls aufgelösten GbR s. BGH NZM 2016, 286. 14 Teileigentümer können sich nur hinsichtlich ihres Teils der Zwangsvollstreckung unterwerfen, LG Münster Rpfleger 2007, 564. 15 BGHZ 108, 372; OLG Hamm OLGZ 1984, 48 = Rpfleger 1984, 60; BayObLG DNotZ 1985, 476. Zur zulässigen Unterwerfung hinsichtlich eines „zuletzt zu zahlenden Teilbetrags!“ BGH NJW 2007, 3645, dazu DNotI-Report 1998, 53, sowie Zimmer/Pieper Zwangsvollstreckung „wegen eines zuletzt zu zahlenden Teilbetrags“, NotBZ 2007, 319. 16 BGHZ 26, 344. 17 Wie auch umgekehrt bei dem Zuerwerb eines Grundstücks die Haftung durch – auslegungsfähige – Erklärung erweitert werden kann, BayObLG DNotZ 1992, 309. S. auch Rdn. 8. 18 OLG Hamm Beschl. v. 24.6.2010 – 15 W 336/09, juris; s. auch OLG Hamburg notar 3–10, 114; LG Köln RNotZ 2002, 336. 19 Statt vieler Zöller/Geimer Rdn. 5 ff. m.w.N. 20 KG DNotZ 1988, 238; DNotI-Report 2006, 1; OLG Naumburg NotBZ 2001, 114. S. auch Wolf Der Vollmachtsnachweis bei der Zwangsvollstreckungsunterwerfung, ZNotP 2007, 86. 21 Der Gläubiger erhält in diesem Fall die vollstreckbare Ausfertigung gegen den Käufer, wenn er dessen Eigentumserwerb gem. § 726 Abs. 1 nachweist; zum Nachweisverzicht s. § 794 Rdn. 104. S. auch Wolf Der „richtige“ Zeitpunkt der Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung einer Grundschuldurkunde, ZNotP 2007, 170. 22 H.M. BGH MDR 2018, 1275, dazu etwa Clemente Rechtsnachfolgeklausel bei im Grundbuch eingetragener dinglicher Unterwerfungserklärung und Vollstreckung gegen späteren Grundstückseigentümer, NotBZ 2018, 422; LG Wuppertal, Beschluss vom 15. September 2017 – 16 T 122/17 –, juris – Tz. 20 ff.; Stein/Jonas/Münzberg Rdn. 6; Zöller/Geimer Rdn. 13. Vgl. aber auch MünchKomm/Wolfsteiner Rdn. 2. Zur Notwendigkeit, den neuen Eigentümer in einer dem § 750 Abs. 1 genügenden Weise zu bezeichnen, OLG Frankfurt/M. ZIP 1983, 1516 f. Die Unterwerfungsklausel hindert den Gläubiger 641

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§ 800

Achtes Buch – Zwangsvollstreckung

Unterwerfung durch den Käufer, Rdn. 3, keine Rechtsnachfolge vor.23 Freilich ist der Gläubiger bis zur Eigentumseintragung wegen § 17 ZVG an der Zwangsvollstreckung gehindert,24 so dass die vollstreckbare Ausfertigung erst ab Eintragung zu erteilen ist, § 726 Abs. 1 – es sei denn, der Käufer hätte bereits vorab auf den Nachweis der die Vollstreckbarkeit begründenden Tatsachen verzichtet.25

2. Eintragung 6 a) Verfahren. Eintragungsgrundlage ist die beurkundete Unterwerfungserklärung, Rdn. 3. Die Eintragung selbst richtet sich nach der GBO.26 Folglich bedarf es eines Antrags gem. §§ 13 ff. GBO. Stellt ihn der Schuldner, braucht er die Zustimmung des Gläubigers nicht nachzuweisen,27 wie überhaupt auch die nachträgliche Eintragung an keinerlei Zustimmungserfordernisse vonseiten vor- und nachrangiger Gläubiger geknüpft ist: Denn die Unterwerfungserklärung gehört nicht zum Inhalt des Rechtes.28 Der Antrag auf Eintragung der Immobiliarsicherheit kann mit dem auf Eintragung der dinglichen Unterwerfungserklärung verbunden29 und in dieser Verbindung durch eine Vormerkung gesichert werden; zur fehlenden Vormerkbarkeit allein der Unterwerfungsklausel s. Rdn. 2. Dabei ist zu beachten, dass sich das Formerfordernis des § 794 Abs. 1 Nr. 5 nur auf die Unterwerfungserklärung, nicht aber auf die den Anspruch enthaltende Erklärung bezieht.30 Das Grundbuchamt ist an den Wortlaut der Anträge nicht gebunden.31 7 Die Eintragung der Unterwerfungserklärung setzt voraus, dass der Unterwerfungsschuldner spätestens im Zeitpunkt der Eintragung Eigentümer des Grundstücks ist.32 Sie muss eindeutig erkennen lassen, dass die Zwangsvollstreckung gegen den jeweiligen Eigentümer zulässig sein soll.33 Mit Eintragung im Grundbuch wird die Unterwerfungserklärung dinglich; davor wirkt sie nur gegen den Eigentümer, der die Erklärung abgegeben hat.34 Die Eintragung nimmt an der Gutglaubenswirkung des Grundbuchs, §§ 892 f. BGB, nicht teil;35 ein Grundstückserwerber muss also ab Vollerwerb36 gewärtigen, dem sofortigen Vollstreckungszugriff ausgesetzt zu sein. freilich nicht daran, den Titel auf einen anderen Rechtsnachfolger umschreiben zu lassen, OLG Rostock DR 1943, 414; Wolfsteiner Die vollstreckbare Urkunde Rdn. 72, 12 ff. 23 KG NJW-RR 1987, 1229. In einem solchen Fall bezieht sich eine Bevollmächtigung durch den Verkäufer, bei der Beleihung des Grundstücks durch den Käufer mitzuwirken, auch auf die dingliche Unterwerfungserklärung. Zur Belastungsvollmacht durch den Veräußerer s. auch Opalka Ausgewählte Probleme der Grundschuldbestellung, Unterwerfungserklärung und der Schuldübernahme, NJW 1991, 1797 f. Zur Zulässigkeit einer Bevollmächtigung § 794 Rdn. 93. S. auch LG Wuppertal vom 16.3.1989 6 T 241/89, das die Vollmachtsformulierung: „… sowie den Eigentümer dinglich der Zwangsvollstreckung zu unterwerfen …“ für zu unbestimmt hält; zusätzlich OLG Düsseldorf MDR 1988, 784 = Rpfleger 1988, 357 m. abl. Anm. Linderhaus, S. 474. 24 Schöner/Stöber Grundbuchrecht, 15. Aufl. 2012, Rdn. 2036 ff. 25 KG DNotZ 1934, 422; Stoll DNotZ 1969, 109 f. Zur Zulässigkeit einer solchen Klausel § 794 Rdn. 103 sowie BGH NJW 1981, 2756 = ZIP 1981, 1074. 26 Im Einzelnen dazu Böttcher Die Bewilligungsmacht im Grundbuchverfahren, ZfIR 2002, 693, 707 ff. Nach Ansicht des OLG Dresden genügt die Vorlage einer öffentlich beglaubigten Vorsorgevollmacht, NotBZ 2017, 49. 27 BayObLG OLGRspr 1906, 401. 28 KG OLGRspr 1945, 99; RJA 4, 270; Stein/Jonas/Münzberg Rdn. 3; Thomas/Putzo/Seiler Rdn. 3. 29 Zur Formerleichterung bei einer Nachverpfändung s. OLG Hamm FGPrax 2016, 108. 30 § 794 Rdn. 88; LG Stade MittRhNotK 1977, 215; BGHZ 73, 156 = NJW 1979, 928 = DNotZ 1979, 342. 31 Stein/Jonas/Münzberg Rdn. 4. 32 BayObLG JurBüro 1987, 147 = DNotZ 1987, 216; BGH DNotZ 1990, 586 m. Anm. Wolfsteiner; Anm. Opalka NJW 1991, 1799. 33 OLG Schleswig BeckRS 2014, 05597; KG OLGRspr 1904, 316. 34 BGH NJW 1981, 2756. 35 KG HRR 1931, 1704; 37, 1657; OLG München HRR 1937, 1083; BGH NJW 1981, 2756; OLG Rostock OLG-Report 2000, 326; Alff Klauselprobleme in der Immobiliarvollstreckungspraxis, Rpfleger 2001, 385, 392; Lent Zur Vollstreckung aus notariellen Urkunden, DNotZ 1959, 414. 36 Regelmäßig also ab Eintragung, vgl. OLG Hamm FGPrax 2016, 39 – Tz. 16. Paulus

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Abschnitt 1. Allgemeine Vorschriften

§ 800

Wird die Haftung auf einen weiteren Grundstücksteil (oder ein neues Grundstück) er- 8 streckt, bedarf es einer Mithafteintragung nach § 48 Abs. 1 GBO, die allerdings nicht die dingliche Unterwerfungserklärung zu wiederholen braucht.37 Aus Gründen der Übersichtlichkeit des Grundbuchs wird man dies aber nur für den Fall bejahen können, in dem die Grundstücksteile auf demselben Grundbuchblatt eingetragen sind.38 Existieren dagegen verschiedene Blätter, muss die Unterwerfungserklärung neu beantragt und eingetragen werden. Dasselbe gilt auch dann, wenn der Umfang der Unterwerfung eingeschränkt oder erweitert werden soll (etwa Änderung der Zinsen39 oder Änderung des Betrages im Rahmen des § 228 InsO),40 ohne dass sich der Grundstücksbestand ändert.41

b) Rechtsprechungsbeispiele. Zulässig ist die Formulierung: „vollstreckbar nach § 800 ZPO“;42 9 die dingliche Haftung „des Eigentümers“.43 Ferner ist nach Ansicht des BGH eine Zinsverpflichtung „bis zu x%“44 eintragungsfähig; auch die Unterwerfung nur hinsichtlich eines Teilbetrags gilt als zulässig, ohne dass die Grundschuld deswegen geteilt werden müsste.45 Die bloße Bezugnahme auf die Eintragungsbewilligung nach § 874 BGB genügt demgegenüber – auch hinsichtlich des Umfangs der Unterwerfung – ebenso wenig, vgl. Rdn. 1, wie die Formulierung: „Wegen aller Zahlungsverpflichtungen ist aus der Urkunde … die sofortige Zwangsvollstreckung zulässig“.46

3. Zustellung Sofern die Klausel nach Maßgabe der §§ 727 ff. umzuschreiben ist, vgl. Rdn. 5, befreit § 800 10 Abs. 2 den vollstreckenden Gläubiger von der nach § 750 Abs. 2 gebotenen Zustellungspflicht hinsichtlich der den Eigentumserwerb nachweisenden Urkunden. Der Grund dafür liegt in der Grundbucheintragung und entspricht somit dem spiegelbildlich geregelten Fall des Gläubigerwechsels in § 799. Voraussetzung dieses Privilegs ist ein bereits erfolgter Eigentumsübergang; der bislang ledig- 11 lich vorgemerkte Anspruch, §§ 883 ff. BGB, auf Eigentumserwerb führt noch nicht zur Anwendung des § 800 Abs. 2, sondern zu einer Zwangsvollstreckung gegen den eingetragenen Alteigentümer. Ist der Eigentumsübergang dagegen noch nicht eingetragen, etwa nach einem Erbfall, bedarf es entgegen § 800 Abs. 2 doch des Urkundennachweises (Erbschein).47

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BGHZ 26, 344; BayObLG DNotZ 1992, 309; OLG Hamm NJW-RR 2023, 303. Vgl. LG Essen DNotZ 1957, 670; Böhringer in: Meikel Grundbuchrecht, 11. Aufl. 2015, § 48 Rdn. 55. Zur Notwendigkeit des Nachweises des Zinsbeginns OLG Frankfurt BeckRS 2020, 45262. Dazu Bruns Grundpfandrechte im Insolvenzverfahren – das Ende deutscher Immobilliarsicherheiten? KTS 2004, 1. Zöller/Geimer Rdn. 12. Teilw. abw. MünchKomm/Wolfsteiner Rdn. 12 ff. BGH NJW 2014, 1740; OLG Hamm, Urteil vom 4. Juni 2018 – I-5 U 141/17 – juris – Tz. 113; OLG Schleswig NotBZ 2014, 273; AG Weiden Rpfleger 1961, 305; AG Nürnberg-Fürth Rpfleger 1966, 338; OLG Köln Rpfleger 1974, 150; Stein/Jonas/ Münzberg Rdn. 4. Das LG Braunschweig hält diese Klausel jedoch nicht für eintragungsfähig, Nds.Rpfl 1963, 255; ebenso Thomas/Putzo/Seiler Rdn. 4. 43 OLG Düsseldorf Rpfleger 1989, 499. Weitere Eintragungsbeispiele bei Schöner/Stöber Grundbuchrecht, 15. Aufl. 2012, Rdn. 2050; Kuntze/Ertl/Herrmann/Eickmann Grundbuchrecht, 6 Aufl. 2005, V § 11 Rdn. 14 ff. 44 BGHZ 88, 62 = NJW 1983, 2262 = DNotZ 1983, 679; s. auch § 795 Rdn. 16. 45 BayObLGZ 1985, 141 = DNotZ 1985, 476 = JurBüro 1985, 1901 (eine Bewilligung des Grundpfandgläubigers nach § 19 GBO ist nicht erforderlich); BGHZ 108, 372 = WM 1989, 1760 = DNotZ 1990, 586; unklar insoweit OLG Hamm OLGZ 1984, 48 = Rpfleger 1984, 60. Zum Rangverhältnis bei teilweiser Ablösung im Zwangsversteigerungsverfahren OLG Celle WM 1990, 860. 46 KG OLGRspr 1904, 316. 47 2. Aufl. B I. 643

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§ 800a

Achtes Buch – Zwangsvollstreckung

III. Gerichtliche Zuständigkeit 12 Wegen der Klagen, für die Abs. 3 eine – ausschließliche, § 802, und gegenüber § 797 Abs. 5 vorrangige, weil speziellere – Zuständigkeitsregelung trifft, s. zunächst § 797 Rdn. 24. Zuständig ist das Gericht der Belegenheit, § 24.48 Diese Regelung gilt nicht erst, wenn die Zwangsvollstreckung gegen einen nachfolgenden Eigentümer gerichtet ist, sondern auch schon gegen den die Unterwerfungserklärung ausstellenden, ursprünglichen Eigentümer.49 Eine Vollstreckungsgegenklage, die sich gegen die Zwangsvollstreckung wegen des persönli13 chen Anspruchs richtet, ist bei dem in § 797 Abs. 5 benannten, nicht aber bei dem Gericht der Belegenheit zu erheben.50 Durch die mit der Aufspaltung in dingliche und persönliche Ansprüche verbundenen Konsequenzen ergeben sich sowohl für den Schuldner, der gegebenenfalls an zwei verschiedenen Gerichten Klage erheben muss, wenn er sich gegen den persönlichen und den dinglichen Anspruch zur Wehr setzen will, als auch für den Gläubiger, der wegen § 33 Abs. 2 i.V.m. § 802 an einer Widerklage „über Kreuz“ gehindert ist, praktische Schwierigkeiten. Diese lassen sich aber nicht dadurch beheben, dass man kurzerhand die aus dem Gesamtkon14 text des § 800 ersichtlich nicht mit erfassten persönlichen Ansprüche dem Regime der dinglichen Ansprüche unterstellt.51 Die wesentliche Besonderheit eines ausschließlichen Gerichtsstandes, durch Parteivereinbarung nicht verändert werden zu können, § 40 Abs. 2, wäre damit beseitigt, weil die Abänderung notwendige Folge einer § 800 Abs. 1 entsprechenden Dinglichkeitsabrede wäre. Außer diesem formalistischen gibt es aber noch ein materielles Argument für die Aufspal15 tung: die fehlende Rechtfertigung einer Parallelisierung aus dem materiellen Recht. Der Schuldner ist eine persönliche Schuldverpflichtung eingegangen und hat eine dingliche Sicherheit bestellt; er hat also zwei Rechte begründet. Stünde er personenverschiedenen Gläubigern gegenüber, wäre er ebenfalls mit mehreren Gerichtsständen konfrontiert. Zwar versucht die Hypothek, ein solches Ergebnis mit Hilfe der Akzessorietät zu vermeiden, doch bei der in der Praxis bei weitem überwiegenden Grundschuld gibt es eine solche Hilfe gerade nicht.52 Gibt es somit keinen Grund, den Schuldner vor einer Zuständigkeitsaufspaltung zu schützen, so gilt das gleiche für den widerklagenden Gläubiger, der durch seine Beteiligung an der Schaffung der beiden Rechtspositionen (persönlicher und dinglicher Anspruch) auf einheitliche Rechtsbehandlung verzichtet hat. Es kann nicht Aufgabe des Prozessrechts sein, über den in § 36 vorgesehenen Umfang hinaus materiellrechtliche Unterschiede zu nivellieren.

§ 800a Vollstreckbare Urkunde bei Schiffshypothek (1) Die Vorschriften der §§ 799, 800 gelten für eingetragene Schiffe und Schiffsbauwerke, die mit einer Schiffshypothek belastet sind, entsprechend.

48 OLG Zweibrücken ZfIR 2003, 1014. Das OLG Köln will diesen Gerichtsstand auch bei einer Kombination von persönlicher und dinglicher Inanspruchnahme gelten lassen, InVo 2004, 460; ebenso OLG Hamburg MDR 2003, 1072; OLG Karlsruhe NJW-RR 2001, 1728; LG Göttingen ZfIR 2004, 189. Modifizierend MünchKomm/Wolfsteiner Rdn. 21. 49 OLG Dresden OLGRspr 1919, 151. 50 Vgl. oben Rdn. 2 sowie BayObLG JurBüro 2006, 39; OLG Hamm WM 2004, 1969; KG NJW-RR 1989, 1407. A.A. OLG, Hamm, Beschluss vom 3. August 2015 – I-32 SA 31/15 –, juris – Tz. 14 ff.; LG Göttingen, Beschluss vom 21. Februar 2017 – 5 O 164/16 –, juris; Baumbach/Lauterbach/Hartmann/Albers/Schmidt Rdn. 10; Thomas/Putzo/Seiler Rdn. 7. Wie hier MünchKomm/Wolfsteiner Rdn. 21. 51 So aber etwa OLG Köln InVo 2004, 460; OLG Hamburg MDR 2003, 1072; BayObLG NJW-RR 2002, 1295; OLG Karlsruhe NJW-RR 2001, 1728. 52 Vgl. nur Baur/Stürner Lehrbuch des Sachenrechts, 18. Aufl. 2009, § 36 III. Paulus https://doi.org/10.1515/9783110443158-095

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Abschnitt 1. Allgemeine Vorschriften

§ 801

(2) Ist die sofortige Zwangsvollstreckung gegen den jeweiligen Eigentümer zulässig, so ist für die im § 797 Abs. 5 bezeichneten Klagen das Gericht zuständig, in dessen Bezirk das Register für das Schiff oder das Schiffsbauwerk geführt wird. Die Vorschrift wurde durch die SchiffsVO vom 21.12.19401 eingeführt. Sie überträgt die Regelungs- 1 materie der §§ 799, 800 auf die (inländischen) Schiffs- und Schiffsbauwerkhypotheken, vgl. §§ 24 ff. SchiffsRG. Dasselbe gilt nunmehr auch für Luftfahrzeuge durch § 99 Abs. 1 Gesetz über Rechte an Luftfahrzeugen vom 26.2.59.2 Sofern die in § 800 Abs. 3 in Bezug genommenen Klagen auftreten, setzt § 800a Abs. 2 an die 2 Stelle des Grundbuchamtes das Schiffsregistergericht, § 802. Die Durchführung der Zwangsvollstreckung selbst richtet sich nach § 870a. Im Übrigen ergeben sich keine Besonderheiten gegenüber dem in der Kommentierung zu §§ 799, 800 Gesagten.

§ 801 Landesrechtliche Vollstreckungstitel 1

Die Landesgesetzgebung ist nicht gehindert, auf Grund anderer als der in den §§ 704, 794 bezeichneten Schuldtitel die gerichtliche Zwangsvollstreckung zuzulassen und insoweit von diesem Gesetz abweichende Vorschriften über die Zwangsvollstreckung zu treffen. 2Aus landesrechtlichen Schuldtiteln im Sinne des Absatzes 1 kann im gesamten Bundesgebiet vollstreckt werden.

I. Gesetzesgeschichte Die Vorschrift des Abs. 1 ist nahezu wortgleich aus dem Entwurf von 1874 – dort noch als § 655, 1 nach Abschluss der Beratungen als § 706 Abs. 11 CPO – übernommen. Ausweislich der Begründung2 liegt ihre historische Rechtfertigung in der vorangegangenen Rechtszersplitterung, die allgemeine Regeln nicht zuließ. Weil die Vollstreckbarkeit aber als „wünschenswerth“ und damit als vorrangig gegenüber der Rechtseinheitlichkeit angesehen wurde, erhielten die Länder die Kompetenz zu abweichenden Regelungen. Abs. 2 wurde mit Wirkung vom 25.4.2006 durch das Gesetz vom 19.4.2006 (BGBl. I S. 866)3 angefügt; damit wird der vollstreckungsrechtliche Rechtsraum der Bundesrepublik als ein einheitlicher festgelegt,4 s. auch Art. 35 Abs. 1 GG. Aus dem in Abs. 1 verwendeten Begriff der „gerichtlichen Zwangsvollstreckung“ lässt sich das 2 Selbstverständnis des Vollstreckungsrechts erschließen.5 Es handelt sich beim Vollstreckungszugriff demnach eben nicht etwa um Verwaltung oder Exekutive, sondern um gerichtliche Rechtspflege und damit um Judikative. Wenn auch versteckt, zeigt sich somit auch an dieser Stelle das dem 8. Buch der ZPO vorschwebende Gesamtkonzept, das ganz besonders bei der Bestimmung

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RGBl. I S. 1609. BGBl. I S. 57. Zu Abs. 2 s. § 800 Rdn. 1. S. 420 f.; Hahn S. 447. Art. 50 Nr. 3 des Ersten Gesetzes zur Bereinigung von Bundesrecht im Zuständigkeitsbereich des Bundesministeriums der Justiz. Vergleichbares gab es bereits 1937 durch eine Verordnung vom 15.4.1937 (RGBl I S. 466), dazu Hk-ZPO/ Kindl Rdn. 1. 4 S. auch Vor § 704 Rdn. 94. 5 Hierzu etwa Fischer Der fehlerhafte Zugriff in der Zwangsvollstreckung, Rpfleger 2007, 12, 13 f. 645 https://doi.org/10.1515/9783110443158-096

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§ 802

Achtes Buch – Zwangsvollstreckung

der Rechtsnatur des Pfändungspfandrechts als eines mit einem Verwaltungsakt verbundenen Schutzinstruments ganz offen konterkariert wird.6

II. Geltungsbereich 3 Aus dem Wortlaut und der Entstehungsgeschichte ergibt sich, dass die Norm nicht nur die Übernahme bereits bestehender Vollstreckungstitel, sondern auch deren Neuschaffung gestattet. 4 Während früher die Konsequenz landesrechtlicher Titel war, dass sie grundsätzlich nur in dem jeweiligen Land, in anderen Ländern dagegen nur im Wege der Rechtshilfe vollstreckbar waren,7 hat die Verordnung vom 15.4.1937 (RGBl. I, S. 466) die Vollstreckbarkeit auf das gesamte (Bundes-)Gebiet erstreckt, s. auch § 160 GVG.

III. Beispiele 5 Beispiele für entsprechende landesrechtliche Titel sind rar:8 etwa der Leistungsbescheid einer bayerischen Gemeinde nach Art. 26 Abs. 1 BayVwZVG;9 Vergleiche und Vorbescheide bei Wild- und Jagdschadenssachen auf der Grundlage von § 35 BJagdG10 sowie Vergleichen vor dem Schiedsmann nach den landesrechtlichen Schiedsmannordnungen.11 Nach Art. 9 des Einigungsvertrages gilt das Gesetz über die Schiedsstellen in den Gemeinden12 (Anl. II Kap. III Sachgeb. Abschn. I Nr. 3 Einigungsvertrag) fort, so dass die nach Maßgabe des § 34 dieses Gesetzes erlassenen Vergleiche landesrechtliche, vollstreckbare Titel gem. § 801 sind. Dagegen wurde von der Rechtsprechung nicht als Titel i.S.d. § 801 der Vergütungsbeschluss des Vormundschaftsgerichts gem. § 1836 BGB anerkannt.13

§ 802 Ausschließlichkeit der Gerichtsstände Die in diesem Buch angeordneten Gerichtsstände sind ausschließliche.

6 S. zusätzlich zu der Darstellung der Theorien in der Kommentierung von Lüke zu § 804 Rdn. 5 ff. noch G. Paulus Schranken des Gläubigerschutzes aus relativer Unwirksamkeit, FS Nipperdey Bd. 1 (1965) 909; C. Paulus Zivilprozessrecht, 6. Aufl. 2016, Rdn. 788 ff.; ders. Vor § 704 Rdn. 82 f. 7 RGZ 35, 360; OLG Dresden SächsArch. 6, 234. So noch heute für öffentlich-rechtliche Forderungen, die nach Landesrecht gemäß der ZPO zu vollstrecken sind, BGH NJW 1970, 1842. 8 Das hängt auch mit dem sich ausweitenden Anwendungsbereich des Verwaltungsvollstreckungsverfahrens zusammen, dazu Sauthoff Zur grundsätzlichen Zulässigkeit der Betreibung privatrechtlicher Forderungen im Verwaltungsvollstreckungsverfahren, DÖV 1987, 800. Zu dem Baden-Württembergischen Gesetz etwa BGH DGVZ 2017, 193; zum bayerischen Pendant BGH DGVZ 2019, 36. Zur Landessparkasse Oldenburg s. BGH MDR 2016, 1047; zur Bremer Landesbank Kreditanstalt Oldenburg – Girozentrale BGH NJW-RR 2019, 1274 (dazu auch BVerfG NJW 2013, 1797). 9 LG Berlin Rpfleger 1971, 156. 10 Stein/Jonas/Münzberg Rdn. 2; Staudinger/Bernau, 2022, BGB § 835 Rdn. 43. 11 S. dazu auch § 797a Rdn. 4 sowie § 380 StPO mit Senge Karlsruher Kommentar zur StPO, § 380 Rdn. 2 für die landesrechtlichen Nachweise. S. ferner Buchberger Einige Gesichtspunkte zur Vollstreckbarkeitserklärung eines Schiedsmannsvergleichs, SchsZtg. 1981, 173; Seetzen Streitschlichtung durch den Schiedsmann in Zivilsachen, ZRP 1982, 99; Drischler Fragen zum Schiedsmann-Vergleich, SchsZtg. 1982, 169; ders. Die Zwangsvollstreckung aus vor einem Schiedsmann abgeschlossenen Vergleichen, Rpfleger 1984, 308; ders. Fragen zur gerichtlichen Zwangsvollstreckung aus vor Schiedspersonen geschlossenen Vergleichen, SchsZtg. 1993, 82. 12 Dazu F. Müller DtZ 1992, 18. 13 OLG Hamm Rpfleger 1984, 234 (Nordrhein-Westfalen); LG Frankfurt FamRZ 1990, 1034 (Hessen). Paulus https://doi.org/10.1515/9783110443158-097

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§ 802

I. Gesetzesgeschichte, Normzweck Entsprechend dem Vorbild des Artikel 840 der Prozessordnung von Bayern und dem § 1031 des 1 preußischen Entwurfs war diese Vorschrift bereits wortgleich im Entwurf enthalten und wurde in beiden Lesungen der Kommission unverändert übernommen. Ihren Zweck umschreibt die Begründung des Entwurfs (S. 421, Hahn S. 448): „Für alle Fälle der Theilnahme der Gerichte an dem Zwangsvollstreckungsverfahren ist die Ausschließlichkeit der bestimmten Zuständigkeit hauptsächlich deshalb wünschenswerth, damit nicht dieselbe Sache nach einander zur Entscheidung verschiedener Gerichte gelangt.“

II. Ausschließliche Zuständigkeit Der in der Entwurfsbegründung mitgeteilten Zweckbestimmung lässt sich nur schwer ein Sinn 2 entnehmen, weil sich auch bei fehlender Ausschließlichkeit kaum (vielleicht mit Ausnahme des einstweiligen Rechtsschutzes)1 vorstellen lässt, wie dieselbe Sache nacheinander an verschiedene Gerichte kommen können soll. Im Falle einer Klage verhindert das die Rechtskraft, im Falle einer bloßen Zuständigkeitsbestimmung wie in § 764 und auch eine Erinnerung nach § 766 würde schwerlich ein zweites Mal anderenorts erhoben werden können, weil das Vollstreckungsgericht durch § 764 fixiert ist. Wenn man sich nicht damit begnügen will, dass § 802 nichts weiter statuiert als die Unver- 3 rückbarkeit der im 8. Buch2 angeordneten Gerichtszuständigkeiten (bei Inlandssachverhalten3),4 sondern dass er noch einen darüber hinausgehenden Regelungsgehalt hat, muss man bei der Bezeichnung ‚ausschließlicher Gerichtsstand‘ ansetzen. Mit ihr nimmt die Vorschrift auf die Begrifflichkeit der Gerichtsstandregelung in den §§ 12 ff. Bezug. Damit ergibt sich aus der Normierung des § 802 der – banale – Umkehrschluss, dass die Gerichtsstände weder allgemeine noch besondere sind, dass also eine Prorogation5 ausgeschlossen ist.6 Versteht man § 802 in diesem Sinn, folgt daraus, dass er ebenso wie die Fragen der örtlichen 4 Zuständigkeit und der Prorogation nur Klagen betrifft, nicht aber Erinnerungen oder sonstige Zuständigkeitsregelungen wie etwa § 828 Abs. 2.7 Infolgedessen sind die von § 802 angesprochenen Normen die §§ 722, 731, 767 Abs. 1, 768, 771 Abs. 1, 796 Abs. 3, 796b Abs. 1, 797 Abs. 5,8 797a Abs. 3, 800 Abs. 3,9 800a Abs. 2, 805 Abs. 2, 810 Abs. 2, 879 Abs. 1, 893 Abs. 2,10 919, 937.11 Es gehören auch 1 Dazu aufschlussreich Landbrecht Staatlicher Eilrechtsschutz am deutschen Schiedsort und grenzüberschreitende Vollstreckung, SchiedsVZ 2013, 241, 247. 2 Für eine Klage allein auf Herausgabe des Vollstreckungstitels gibt es keine Sonderregelung im 8. Buch, BayObLG BeckRS 2020, 19245 – Tz. 30 ff. 3 Vgl. OLG Hamm BeckRS 2020, 58414 – Tz. 3. 4 BGH WM 2011, 78; dazu Paulus Der Staat als Schuldner – Überlegungen anlässlich einer Entscheidung des BGH, FS Simotta (2012) 427 ff.; OLG Karlsruhe VersR 2002, 463. S. ferner etwa Schall Zur Zwangsvollstreckung gegen die englische Limited in Deutschland, DGVZ 2011, 193 (zum Verhältnis zu den ausschließlichen Gerichtsständen nach der Brüssel I-VO); Steinbeck Ist die negative Feststellungsklage Hauptsache i.S.v. § 937 I ZPO? NJW 2007, 1783; H. Roth Art. 16 Nr. 5 EuGVÜ, Drittwiderspruchklage nach § 771 und Klage auf Auskehrung des unberechtigt Erlangten nach durchgeführter Zwangsversteigerung, IPRax 2001, 323. S. aber noch Fn. 13. 5 Zur Zuständigkeitsbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 4 BayObLG MDR 2005, 589. Zu einem negativen Kompetenzkonflikt OLG Zweibrücken ZfIR 2003, 1014. 6 Zum Ganzen s. auch Cuypers Das zuständige Gericht in Zivilsachen (Teil 12), ZAP 2014, 2001. 7 AA etwa OLG Brandenburg, Beschluss vom 12. Oktober 2020 – 1 AR 28/20 (SA Z) –, juris. 8 Hier transformiert § 802 einen allgemeinen und einen besonderen Gerichtsstand zu einem ausschließlichen. S. etwa OLG Hamm FamRZ 2003, 696. 9 Zur Konkurrenz dieser mit der vorigen Norm (§ 797 Abs. 5) s. § 800 Rdn. 13 f. 10 LAG Köln AA 2014, 162; OLG Schleswig NJW-RR 2003, 1013; OLG Karlsruhe FamRZ 2000, 1168. 11 Obwohl im 8. Buch geregelt, sind also etwa Klagen nach § 717 nicht von § 802 erfasst, BGH NJW 2011, 2518. 647

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die Vorschriften über den einstweiligen Rechtsschutz dazu, weil auch sie „in diesem Buch“, d.h. dem achten, mit enthalten sind.12 Dagegen erfasst § 802 – entgegen der herkömmlichen Auflistung13 – nicht die §§ 758a,14 764, 766,15 788, 828, 853 ff., 858 Abs. 2, 888,16 889, 89017 und 943. Sie enthalten Zuständigkeitsregelungen, die von Amts wegen zu beachten sind und daher ohnedies jeglicher Disponibilität entzogen sind. Gleiches gilt für all diejenigen Verweisungen auf das achte Buch, die zu dessen mittelbaren Anwendbarkeit führen.18 Die h.M. versteht unter der Ausschließlichkeit sowohl die örtliche als auch die sachliche Zuständigkeit,19 während eine Mindermeinung nur die örtliche darunter versteht. Der Unterschied der Ansichten kommt in dem unterschiedlichen Umfang der Prorogation zum Tragen. Nach der Gerichtsstandnovelle von 1974 mit ihrer strikten Reduzierung der zulässigen Vereinbarungen ist dies freilich ein kleiner Bereich, der überdies noch dadurch verringert wird, dass angesichts der übereinstimmend für ausschließlich gehaltenen örtlichen Zuständigkeit eine Vereinbarung nur über die sachliche Zuständigkeit zulässig sein kann. Schließlich führt auch noch der Wortlaut der Vorschriften, auf die § 802 verweist, zu einer weiteren Einschränkung: enthält er nämlich die Alternative ‚Amtsgericht oder Landgericht‘, bzw. ‚Gericht des ersten Rechtszuges‘ (§§ 722, 805, 879; 943 i.V.m. 919 und 937), oder legt er ohnedies nur die örtliche Zuständigkeit fest (§§ 771, 796, 797a, 800, 800a, 810), ist auch nach h.M. eine Prorogation möglich.20 Zu einer Divergenz der Lösungen kommt es demnach nur, wenn jene Vorschriften auf das ‚Prozessgericht des ersten Rechtszuges‘ verweisen (§§ 731, 767, 768, 893). Hier ist nach der Mindermeinung eine Prorogation zulässig, nach der h.M. nicht; für letztere sprechen die besseren Gründe.21 Denn bei all diesen Klagen hat es bereits einen Vorprozess gegeben, auf den der Wortlaut ‚Prozessgericht‘ Bezug nimmt. Da also bereits Richter mit dem Fall beschäftigt waren, entspricht es der Prozessökonomie, dass dieselben Richter auch das Folgeproblem entscheiden. Mittels einer Prorogation könnte dieses sinnvolle Ergebnis umgangen werden. Bisweilen ändert das Gesetz selbst die in der vorliegenden Norm getroffenen Zuständigkeitsbestimmungen. Das gilt insbesondere für die §§ 36 Abs. 4, 89 Abs. 3, 148 Abs. 2, und 20222 InsO; diese Vorschriften ersetzen das Vollstreckungsgericht jeweils durch das Insolvenzgericht. Es fragt sich, ob über diese Vorschriften hinaus auch sonst noch eine solche Auswechslung gerechtfertigt sein könnte.23 Betrachtet man – dabei dem hiesigen traditionellen, sich allmählich allerdings verflüchtigenden Verständnis von Konkurs- und dann auch Insolvenzrecht folgend – dieses Rechtsge12 BGH WPR 2017, 1094 – Tz. 35; OLG Naumburg REE 2013, 181; LG Köln CR 2022, 726.; zur Kammer für Handelssachen OLG Düsseldorf MDR 2022, 929. Zur zeitlichen Begrenzung der Zuständigkeit des Arrestgerichts OLG Hamm MDR 2017, 1446 – Tz. 13 ff. 13 2. Aufl. A; Stein/Jonas/Münzberg Rdn. 1. 14 S. aber OLG Hamm MDR 2015, 485 – Tz. 28 f.; LG Hamburg GRUR-RR 2014, 47. 15 So aber etwa BVerwG NWVBl 2022, 194 – Tz. 9. 16 AA offenbar BGH NJW-RR 2023, 66 – Tz. 24; BayObLG GmbHR 2021, 823 – Tz. 55. 17 S. aber BGH NJW 2000, 590; OLG Köln WRP 2014, 746. 18 Zu § 249 AO etwa LG Stendal DGVZ 2003, 188; zu § 198 SGG LSG Thüringen NZS 2012, 720. 19 OLG Celle NJW-RR 20002, 1079; Zöller/Geimer, Rdn. 1; Stein/Jonas/Münzberg, Rdn. 1; a.A. etwa Blomeyer VV Rdn. 21. Richtiger Ansicht nach schränkt § 802 (vorbehaltlich natürlich höherrangigen europäischen Rechts) aber nicht die Wahl anderer internationaler Zuständigkeit ein, OLG Frankfurt/M. OLG-Report 2009, 419; OLG Stuttgart RIW 2001, 228; H. Koch in: P. Schlosser (Hrsg.) Materielles Recht und Prozeßrecht und die Auswirkungen der Unterscheidung im Recht der Internationalen Zwangsvollstreckung (1992) 179 f.; Schack Internationales Zivilverfahrensrecht (2014), Rdn. 477; a.A. BGH NJW 1997, 2245; Kropholler/von Hein Europäisches Zivilprozessrecht (2011) Art. 23 EuGVO Rdn. 104. 20 LG Koblenz, Urteil vom 7. Mai 2019 – 1 O 38/19 –, juris – Tz. 30. 21 S. auch OLG Hamm ZfIR 2011, 580; MünchKomm/Wolfsteiner Rdn. 2. 22 Hölken, jurisPR-InsR 11/2022 Anm. 3 (zu OVG Schleswig ZIP 2022, 1614. 23 So etwa LG Dessau BeckRS 2011, 09833. Ablehnend etwa LG München I Rpfleger 2000, 467; LG Köln NZI 2003, 669; AG Köln NZI 1999, 381; AG Rostock NZI 2000, 142; AG Dresden ZIP 2004, 778. S. auch LG Hamburg BeckRS 2009, 24680; LG Köln ZVI 2004, 53; AG Göttingen ZVI 2006, 522. Zum Ganzen Büttner Die Crux mit der Zuständigkeit, ZVI 2007, 597. Paulus

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Abschnitt 1. Allgemeine Vorschriften

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biet als eine Abwandlung des Vollstreckungsrechts (statt Singularexekution Universalexekution – in beiden Fällen dem Zwecke der Gläubigerbefriedigung dienend), ist die Beschränkung der Ausnahmen von § 802 auf die ausdrücklich genannten Normen verständlich und richtig. Nachdem sich aber nunmehr auch das hiesige Insolvenzrecht spätestens seit dem ESUG24 mit seiner starken Betonung der Sanierungsoption von dieser Vorstellung zunehmend löst und sich der französischrechtlichen Einordnung im Wirtschaftsrecht annähert, mehren sich die Fälle, in denen das Insolvenzgericht gegenüber dem Vollstreckungsgericht tatsächlich die größere Sachnähe vorweisen kann. Dadurch ist die in § 4 InsO angeordnete „Expansion“ der ZPO auch so zu verstehen, dass sich die Ausschließlichkeit des § 802 auf das Insolvenzgericht erstreckt. In Sonderfällen kann die Ausschließlichkeit von einer Wahl des Schuldners abhängig sein. 9 Das ist zum einen dann der Fall, wenn Vollstreckungsschuldner ein ausländischer Staat ist, der hinsichtlich seiner vollstreckungsrechtlichen Immunität auf diesen völkerrechtlich gewährleisten Schutz verzichtet.25 Tut er dies, wie das in vielen modernen Anleiheverträgen durchaus üblich ist,26 begibt er sich der aus dem Völkerrecht abgeleiteten Sonderstellung und unterfällt somit dem inländischen Vollstreckungsregime – und damit folgerichtig auch dem Ausschließlichkeitsanspruch des § 802. Liegt dagegen kein entsprechender Verzicht vor (etwa weil der Verzicht sich allein auf das Erkenntnisverfahren bezieht), entzieht die Immunität den ausländischen Staat dem Zugriffsbereich des deutschen Vollstreckungsrechts.27 Zum anderen besteht ein Wahlrecht des Gläubigers, wenn sich die gerichtliche Zuständigkeit aus dem Sitz einer Gesellschaft ergibt, dieser Sitz aber in den Zuständigkeitsbereich mehrerer Gerichte (wie etwa in Berlin) fällt.28 Sofern das nach dieser Vorschrift unzuständige Gericht angegangen wird, richtet sich die 10 Korrektur nach den allgemeinen Vorschriften; insbesondere ist also die fehlende Zuständigkeit von den Gerichten von Amts wegen zu prüfen und zu beachten. Eine Zuständigkeitsbegründung durch rügelose Einlassung ist durch § 40 Abs. 2 S. 2 ausgeschlossen.29

24 Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen vom 7.12.2011, BGBl. I S. 2582; dazu insbesondere Wimmer Das neue Insolvenzrecht nach der ESUG-Reform, 2012. 25 Hierzu Bollacher/Evke de Groot (Anm.), RIW 2011, 158, 159. 26 S. etwa Paulus Der Staat als Schuldner – Überlegungen anlässlich einer Entscheidung des BGH, FS Simotta (2012) 427 ff. 27 Zur Staatenimmunität s. nur Nagel/Gottwald Internationales Zivilprozessrecht, 7. Aufl. 2013, § 2; s. auch Leipold Immunität versus Rechtsschutzgarantie, FS G. Lüke (1997) 353 ff. 28 OLG Frankfurt ZInsO 2021, 1874. 29 LAG Landesarbeitsgericht Köln, Beschluss vom 7. Juli 2014 – 1 SHa 6/14 –, juris – Tz. 13. 649

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ABSCHNITT 2 Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen TITEL 1 Allgemeine Vorschriften § 802a Grundsätze der Vollstreckung; Regelbefugnisse des Gerichtsvollziehers (1) Der Gerichtsvollzieher wirkt auf eine zügige, vollständige und Kosten sparende Beitreibung von Geldforderungen hin. (2) 1Auf Grund eines entsprechenden Vollstreckungsauftrags und der Übergabe der vollstreckbaren Ausfertigung ist der Gerichtsvollzieher unbeschadet weiterer Zuständigkeiten befugt, 1. eine gütliche Erledigung der Sache (§ 802b) zu versuchen, 2. eine Vermögensauskunft des Schuldners (§ 802c) einzuholen, 3. Auskünfte Dritter über das Vermögen des Schuldners (§ 802l) einzuholen, 4. die Pfändung und Verwertung körperlicher Sachen zu betreiben, 5. eine Vorpfändung (§ 845) durchzuführen; hierfür bedarf es nicht der vorherigen Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung und der Zustellung des Schuldtitels. 2 Die Maßnahmen sind in dem Vollstreckungsauftrag zu bezeichnen, die Maßnahme nach Satz 1 Nr. 1 jedoch nur dann, wenn sich der Auftrag hierauf beschränkt.

Übersicht I.

Gesetzesgeschichte, Normzweck, Anwendungsbe1 reich

II.

Effizienz der Vollstreckung (Abs. 1)

4

III.

Regelbefugnisse des Gerichtsvollziehers, Antrag/ 5 Auftrag, Form (Abs. 2)

IV.

Rechtsbehelfe

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I. Gesetzesgeschichte, Normzweck, Anwendungsbereich 1 Die Regelung ist im Rahmen des Gesetzes zur Reform der Sachaufklärung in der Zwangsvollstreckung1 eingeführt worden und stellt als eine neu konzipierte Vorschrift einen zentralen Pfeiler der Zwangsvollstreckung dar, weil sie erstmalig2 Prinzipien gesetzesverbindlich festlegt, die schon früher anerkannt, aber nicht normiert gewesen sind. Wie ein Banner der Reformbestrebung ist dem Vollstreckungsrecht mit diesen Prinzipien der Effizienzgrundsatz mit auf den Weg gegeben. Auch wenn man dem Gesetzestext entnehmen könnte, dass der Effizienzgrundsatz nur die Vollstreckung wegen einer Geldforderung betreffe, ist nach vorzugswürdigem Verständnis der Norm die Zwangsvollstreckung in Gänze adressiert. Dies entspricht zum einen der offiziellen Überschrift, die von Grundsätzen der Vollstreckung im Allgemeinen spricht. Zum anderen würde es dem Anliegen des Gesetzgebers in keiner Weise gerecht, wenn lediglich ein Teil des Vollstreckungsrechts dem Effizienzgebot unterworfen würde, ein anderer dagegen nicht. Dabei ist überdies ist

1 Vom 29.7.2009, BGBl. I, S. 2258. Siehe zu diesem Reformgesetz Vor § 704 Rdn. 99. 2 Bezüglich der zügigen Erledigung ist allerdings anzumerken, dass es dieses Gebot bereits im § 806b a.F. gegeben hat. Paulus/Loth https://doi.org/10.1515/9783110443158-098

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Abschnitt 2. Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen

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zu bedenken, dass mit ihm das Verfassungsgebot realisiert wird, wonach der Staat gehalten ist, dem Gläubiger zum Erhalt des ihm ausweislich eines Titels Zustehenden zu verhelfen.3 Auslegungsfragen bezüglich strittiger Probleme müssen sich auf Grund dieser herausgehobe- 2 nen Positionierung künftig eindeutiger an diesen Leitgedanken orientieren. Insofern ist die Aussage der Gesetzesmaterialien,4 dass es sich bei dieser Regelung um eine „programmatische Leitlinie“ handele, aus der keine konkreten Rechtsfolgen abzuleiten seien,5 zu präzisieren: Sinn einer solchen programmatischen Leitlinie kann nur sein, die Richtung vorzugeben, in der das Gesetz zu verstehen ist; wenn also eine Auslegungsfrage strittig ist, und die eine Ansicht die größere Effizienz für sich in Anspruch nehmen kann, schlägt sich das Programmatische dann doch in der konkreten Lösung nieder.6 Neben dem in Abs. 1 verankerten Effizienzgrundsatz stellt Abs. 2 Satz 1 die Regelbefugnisse 3 des Gerichtsvollziehers vor, die im Zusammenspiel mit Satz 2 insofern Bedeutung haben, als sie das dort (und in § 753 Abs. 1) verankerte Antragsprinzip7 präzisieren und dem vollstreckenden Gläubiger eine erhöhte Obliegenheit zur Mitarbeit und somit eine nicht unbeträchtliche Mitverantwortung für den Erfolg der Vollstreckung auferlegen. Wird ihm doch mittels des Abs. 2 eine Steuerungslast für das Verfahren auferlegt.8

II. Effizienz der Vollstreckung (Abs. 1) In Abs. 1 der Vorschrift wird der Effizienzgrundsatz allgemein postuliert.9 Konkret wird der Ge- 4 richtsvollzieher mit den Geboten einer zügigen, auf Vollständigkeit bedachten10 und kostensparenden Vollstreckung11 in seiner Rolle als zentrales und primäres Vollstreckungsorgan bestärkt.12 Mit ihnen ist überdies klargestellt, dass er nicht etwa als bloßer Ausführender von Weisungen des Gläubigers zu verstehen ist, sondern dass er gleichsam im Zusammenwirken mit dem Gläubiger in mitdenkender Kooperation das Ziel der konkreten Zwangsvollstreckung anstrebt.

III. Regelbefugnisse des Gerichtsvollziehers, Antrag/Auftrag, Form (Abs. 2) Die in Abs. 2 aufgelisteten Beispiele möglicher Vollstreckungsmaßnahmen stellen lediglich Regel- 5 oder Standardbefugnisse des Gerichtsvollziehers dar.13 Die Aufzählung ist nicht nicht abschließend und orientiert sich dabei am typischen Ablauf einer Vollstreckung. Das ist allerdings gerade nicht so zu verstehen, dass sich der Gläubiger an diesem Ablauf zu orientieren hätte; er hat vielmehr ein Wahlrecht, es besteht keine Reihen- oder Rangfolge: So kann er mehrere Maßnahmen beliebig 3 § 802a Abs. 1 präzisiert damit das aus Artt. 19 Abs. 4, 20 Abs. 3 resultierende Verfassungsgebot effektiven Rechtsschutzes, dazu Walker Grundrechte in der Zwangsvollstreckung – eine Skizze, FS M. Wolf (2011) 561, 568. BT-Drucks. 16/10069, S. 24. In diese Richtung auch BeckOK/Fleck, Rdn. 3. Paradebeispiel hierfür gerade im Hinblick auf die Effizienz ist der berühmte effet utile im europäischen Recht. Dazu bereits Vor § 704 Rdn. 28. Mitunter wird er gar als der „Herr des Verfahrens“ bezeichnet, etwa BT-Drucks. 16/13432, S. 43; Harnacke/Bungardt Das neue Recht – Probleme über Probleme, DGVZ 2013, 1; doch dieses Bild trifft in Anbetracht der primär auf den wirtschaftlichen Erfolg zielenden Blickrichtung des Gläubigers gegenüber derjenigen des Gerichtsvollziehers, die auch und besonders die rechtlichen Rahmenbedingungen zu berücksichtigen hat, nur in beschränktem Umfang zu. S. auch Mroß „Der Gläubiger ist der Herr des Verfahrens, der Gerichtsvollzieher aber nicht sein Knecht“, DGVZ 2011, 103; Götze/Schöder Der Gerichtsvollzieher zwischen Selbständigkeit und Weisungsgebundenheit, DGVZ 2009, 1. 9 Vgl. zur genauen Ausformung dieses Grundsatzes Vor § 704 Rdn. 44. 10 S. noch § 802l Rdn. 4. 11 Hierzu etwa Kessel Sachaufklärung in der Zwangsvollstreckung und die Kosten, DGVZ 2012, 213. 12 Musielak/Voit Rdn. 1. 13 BT-Drucks. 16/10069, S. 24.

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kombinieren, aber auch isoliert betreiben; er kann seinen Auftrag noch im Laufe des Verfahrens um Maßnahmen erweitern, aber auch beschränken.14 Allein er kann die Reihenfolge in einen Bedingungszusammenhang stellen.15 Der Gläubiger kann also beispielsweise zunächst damit beginnen, sich einen Überblick über die Vermögenssituation des Schuldners verschaffen zu lassen, bevor er auf der Grundlage der so gewonnenen Erkenntnisse den eigentlichen Vollstreckungszugriff in die Wege leitet. Dies erhöht das „Drohpotential“ des Gerichtsvollziehers gegenüber dem Schuldner.16 Alternativ kann der Gläubiger auch sofort mit einem derartigen Zugriff beginnen und die Sachaufklärung erst danach anstreben, § 807; oder er erteilt einen „Kombiauftrag“ dergestalt, dass zunächst Sachaufklärung mit sodann daran anschließender, eventueller Vollstreckung erteilt wird.17 Zu den Standardbefugnissen siehe im Einzelnen: – Gütliche Erledigung, § 802b – Vermögensauskunft, §§ 802c–802k – Drittauskunft, § 802l – Pfändung und Verwertung von Mobilien, vgl. Kommentierung der §§ 803 ff. – Vorpfändung, § 845 Der Gerichtsvollzieher wird gemäß Abs. 2 aufgrund eines entsprechenden Antrags (im Gesetz als „Auftrag“ bezeichnet) tätig,18 was sich freilich auch schon aus der ebenfalls in der Vollstreckung geltenden Dispositionsmaxime sowie den §§ 753, 754 ZPO ergibt. Die begehrten Maßnahmen sowie deren Reihenfolge sind konkret – unter Verwendung des offiziellen Antragsformulars – zu benennen.19 Bedingte Anträge sind grundsätzlich nicht zulässig, beispielsweise für den Fall, dass der Schuldner innerhalb der zweijährigen Sperrfrist gemäß § 802d ZPO noch keine Vermögensauskunft abgegeben hat.20 Innerprozessuale Bedingungen hingegen sind – wie auch im Erkenntnisverfahren – zulässig.21 Widersprüchliche Aufträge können vom Gerichtsvollzieher abgelehnt werden.22 Der Gerichtsvollzieher wird zu einem derartigen, hier geforderten kooperativen Mitdenken dadurch in die Lage versetzt, dass der Gläubiger ihm gleich zu Beginn die vollstreckbare Ausfertigung zu überreichen hat.23 Sie bildet zusammen mit dem Auftrag des Gläubigers24 die Legitimationsgrundlage für die Vollstreckungshandlungen des Gerichtsvollziehers.25

14 Stein/Jonas/Würdinger Rdn. 4; AG Berlin-Schöneberg BeckRS 2014, 18949. 15 AG Augsburg DGVZ 2013, 188. S. auch AG Aurich BeckRS 2013, 12109; AG Bretten DGVZ 2013, 164; zur Kostenfolge vgl. etwa AG Wolfenbüttel DGVZ 2016, 136. MünchKomm/Forbriger Rdn. 16. Vgl. BT-Drucks. 16/10069, S. 24. BT-Drucks. 16/10069, 24. § 2 Abs. 1 Nr. 1 ZVFV; zur Frage, inwiefern dem Gerichtsvollzieher die Wahl zwischen verschiedenen Maßnahmen überlassen werden kann Becker-Eberhard Weitere Aufgaben für Gerichtsvollzieher/-innen –was ist rechtlich möglich und was (noch) nicht?, DGVZ 2014, 209, 214. 20 LG Arnsberg BeckRS 2018, 5797. 21 OLG Schleswig-Holstein DGVZ 2015, 228; AG Medebach DGVZ 2017, 76; AG Mannheim DGVZ 2017, 59; AG Augsburg DGVZ 2013, 188. 22 AG Gütersloh DGVZ 2017, 151, wobei die Entscheidung des Amtsgerichts, dass eine vorab beantragte isolierte gütliche Erledigung verbunden mit anschließenden weiteren Vollstreckungsmaßnahmen widersprüchlich sei, höchst fragwürdig ist. 23 Dazu, dass die vollstreckbare Ausfertigung auch dann zur Auskunft berechtigt, wenn sie auf einem insolvenzrechtlichen Eröffnungsbeschluss beruht, AG Rosenheim NZI 2017, 87. 24 Eine Ausnahme stellt die Nr. 5 des vorliegenden Abs. 2 dar; sie entspricht der Regelung des § 845 Abs. 1 Satz 3 a.F. 25 BT-Drucks. 16/10069, S. 24.

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§ 802b

Abschnitt 2. Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen

IV. Rechtsbehelfe Verstöße gegen das Effizienzgebot sowie die hier vorgetragenen Geschehensabläufe kann der 10 Gläubiger mit Hilfe der Erinnerung nach § 766 Abs. 1 rügen. Da der Gerichtsvollzieher als Organ der Zwangsvollstreckung durch Entscheidungen über Kosten des Verfahrens nicht unmittelbar betroffen ist, steht ihm hinsichtlich deren Festsetzungen kein Erinnerungsrecht nach § 766 Abs. 2 zu.26

§ 802b Gütliche Erledigung; Vollstreckungsaufschub bei Zahlungsvereinbarung (1) Der Gerichtsvollzieher soll in jeder Lage des Verfahrens auf eine gütliche Erledigung bedacht sein. (2) 1Hat der Gläubiger eine Zahlungsvereinbarung nicht ausgeschlossen, so kann der Gerichtsvollzieher dem Schuldner eine Zahlungsfrist einräumen oder eine Tilgung durch Teilleistungen (Ratenzahlung) gestatten, sofern der Schuldner glaubhaft darlegt, die nach Höhe und Zeitpunkt festzusetzenden Zahlungen erbringen zu können. 2Soweit ein Zahlungsplan nach Satz 1 festgesetzt wird, ist die Vollstreckung aufgeschoben. 3Die Tilgung soll binnen zwölf Monaten abgeschlossen sein. (3) 1Der Gerichtsvollzieher unterrichtet den Gläubiger unverzüglich über den gemäß Absatz 2 festgesetzten Zahlungsplan und den Vollstreckungsaufschub. 2Widerspricht der Gläubiger unverzüglich, so wird der Zahlungsplan mit der Unterrichtung des Schuldners hinfällig; zugleich endet der Vollstreckungsaufschub. 3Dieselben Wirkungen treten ein, wenn der Schuldner mit einer festgesetzten Zahlung ganz oder teilweise länger als zwei Wochen in Rückstand gerät.

Übersicht I.

Gesetzesgeschichte, Normzweck

II.

Anwendungsbereich

III.

Grundsatz der gütlichen Erledigung 4 (Abs. 1)

IV. 1. 2.

Zahlungsvereinbarung (Abs. 2 und 3) Begriff und rechtliche Einordnung 7 Voraussetzungen

1

3

3. 4. 5. 6. 7.

Verfahren (Abs. 3) 16 Rechtsfolgen Zahlungsrückstand Zahlungsvereinbarung Zahlungsvereinbarung 20 gern

V.

Rechtsbehelfe

VI.

Kosten

12 17 19 und Insolvenz bei mehreren Gläubi-

21

5 22

I. Gesetzesgeschichte, Normzweck Gemessen an dem Alter des Gütegedankens im Zivilprozessrecht1 ist es mehr als verständlich, 1 dass er nach seiner schon lange erfolgten Berücksichtigung im Erkenntnisverfahren in Gestalt des § 278 anlässlich des Gesetzes zur Reform der Sachaufklärung in der Zwangsvollstreckung zusammenfassend dem Recht der Zwangsvollstreckung wegen einer Geldforderung2 vorangestellt 26 LG Konstanz DGVZ 2002, 139. 1 Siehe nur Düll Der Gütegedanke im römischen Zivilprozeßrecht (1931). 2 Vgl. zur Reichweite der Norm noch Rdn. 3. 653 https://doi.org/10.1515/9783110443158-099

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§ 802b

Achtes Buch – Zwangsvollstreckung

wird.3 Die vorliegende Vorschrift knüpft an die früheren §§ 806b, 813a und 900 Abs. 3 a.F. an und strebt mit der nunmehr plakativ an den Anfang gesetzten Vorschrift an, dass dieser Grundsatz für alle Abschnitte der Zwangsvollstreckung gelten solle, beginnend mit der Beantragung der Abnahme der Vermögensauskunft bis hin zur Eintragung des Schuldners in das Schuldnerverzeichnis.4 Der Gerichtsvollzieher kann mithin auch noch nach Ablauf eines Vollstreckungsaufschubs einen erneuten Versuch gütlicher Erledigung starten. 2 Das Güteprinzip ist von Amts wegen zu berücksichtigen und steht nicht zur Disposition des Gläubigers.5 Faktisch kann der Gläubiger dem Gerichtsvollzieher die Beachtung des Prinzips jedoch nehmen, wenn der Gläubiger die Option einer Zahlungsvereinbarung von vornherein ausschließt,6 und sie wird ihm nachträglich beschränkt, wenn der Gläubiger nach Mitteilung durch den Gerichtsvollzieher vom erfolgten Abschluss widerspricht. Die Abs. 2 und 3 versuchen mithin, eine Balance zwischen den Interessen des Gläubigers und des Schuldners zu finden. Das Gebot soll den Zweck haben, Justizressourcen zu schonen.7

II. Anwendungsbereich 3 Die Norm gilt nach umstrittener, aber richtiger Auffassung für die gesamte im Abschnitt 2 geregelte Vollstreckung wegen Geldforderungen.8 Der Gegenauffassung, die die Wirkung der Zahlungsvereinbarung nicht auf die Vollstreckung in Forderungen, andere Vermögensrechte und Immobilien beschränkt wissen will,9 ist zuzugeben, dass aus der Systematik auch Anderes entnommen werden kann und der Normtext nur den Gerichtsvollzieher in Bezug nimmt. Für die hier vertretene Auffassung spricht jedoch, dass die Vorschriften der § 802a ff. gleichsam dem gesamten Abschnitt 2 als eine Art „allgemeiner Teil“ vorgeschaltet sind. Nach dem Sinn und Zweck muss eine mit dem Gläubiger geschlossene Zahlungsvereinbarung den Schuldner auch vor dem Zugriff in andere Vermögenswerte schützen; dies wird auch die Bereitschaft des Schuldners erhöhen, eine solche anzustreben. Überdies spricht der Wortlaut in Abs. 2 Satz 2 allgemein davon, dass „die Vollstreckung aufgeschoben“ ist.10

III. Grundsatz der gütlichen Erledigung (Abs. 1) 4 Eine gütliche Erledigung erscheint in einem auf Konsens ausgerichteten Umfeld11 als wünschenswert. In psychologischer Hinsicht dürfte sie in vielen Fällen wohl tatsächlich die vorteilhaftere Vorgehensweise sein, in anderen vielleicht eher im Gegenteil. Dem Gerichtsvollzieher wird jedenfalls durch Abs. 1 eine hoch verantwortungsvolle Aufgabe übertragen, die ihm im konkreten Einzelfall viel Fingerspitzengefühl und solides juristisches Wissen abverlangt. Denn die konkrete

3 Siehe hierzu auch Vor § 704 Rdn. 24. 4 Vgl. BT-Drucks. 16/10069, S. 24. Zum Ganzen s. Becker-Eberhard Abschied von der Zwangsvollstreckung – Gütliche Erledigung (jetzt auch) der „Königsweg“ im Vollstreckungsverfahren? FS Schilken (2015) 603 (s. auch DGVZ 2016, 163). 5 BeckOK/Fleck Rdn. 1. 6 MünchKomm/Forbriger Rdn. 5. 7 BeckOK/Fleck Rdn. 1, kritisch hierzu LG Arnsberg Beschl. v. 10.7.2018 – 5 T 120/18, BeckRS 2018, 17780 Rdn. 26 ff. 8 So auch Anders/Gehle/Nober Rdn. 5 f. 9 BeckOK/Fleck Rdn. 15; Zöller/Seibel Rdn. 12. 10 So zu Recht Anders/Gehle/Nober Rdn. 6. 11 Es ist eine beachtenswerte Parallele, dass das noch bis vor nicht allzu langer Zeit das Paradebeispiel für den rigor iuris abgebende Konkursrecht heute durch ein Insolvenzrecht abgelöst ist, in dem es mittels des Planverfahrens, §§ 217 ff. InsO, einvernehmliche Lösungen gibt, deren Erreichen der Gesetzgeber sogar auch noch nach Kräften zu stärken versucht; dazu Paulus Insolvenzvermeidung und Insolvenzverfahren, in: FS Pekcanitez (2015), Bd. III, S. 2345. Paulus/Loth

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Abschnitt 2. Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen

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Ausgestaltung einer Zahlungsvereinbarung in dem jeweiligen Einzelfall muss auf die spezifischen Umstände des Schuldners und die Erwartungen des Gläubigers zugeschnitten sein.12

IV. Zahlungsvereinbarung (Abs. 2 und 3) 1. Begriff und rechtliche Einordnung Das Gesetz wählt den Begriff der Zahlungsvereinbarung, während im ursprünglichen Entwurf 5 noch von Stundungsvereinbarung die Rede war.13 Der Gerichtsvollzieher kann eine Zahlungsvereinbarung mit dem Schuldner dann treffen, wenn der Gläubiger dies nicht eigens ausgeschlossen hat. Hat er das nicht, kann die Vereinbarung dem Schuldner auf zwei Arten14 zu Hilfe kommen: entweder als Gewährung einer Zahlungsfrist15 oder durch die Einräumung einer Ratenzahlungsmöglichkeit. Letztere Möglichkeit impliziert, genau besehen, eine Kombination von Zahlungsfrist (in gleichsam gestufter Form) mit Tilgungsbestimmung. In beiden vom Gesetz vorgesehenen Fällen handelt es sich um ein rein zeitliches Zugeständnis an den Schuldner.16 Indem der Gesetzgeber von Zahlungs- und nicht von Stundungsvereinbarung spricht, wird 6 deutlich, dass es sich allein um Modifikationen der Zahlungsweise,17 einen vollstreckungsrechtlichen Vertrag,18 nicht aber auch zugleich um einen Eingriff in weitere vertragliche bzw. materiell-rechtliche Mechanismen handelt. Es fallen also weiterhin Zinsen an, und Verzug, Fälligkeit und sonstige Leistungsmodalitäten bleiben unberührt.19

2. Voraussetzungen Zunächst müssen die allgemeinen Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung vorliegen. Hierzu 7 gehören gemäß § 802a Abs. 2 neben einem entsprechenden Vollstreckungsauftrag auch die Übergabe der vollstreckbaren Ausfertigung. Hat der Gerichtsvollzieher die Unterlagen zurückgesendet, kommt eine Zahlungsvereinbarung nicht mehr in Betracht.20 Als besondere Voraussetzung statuiert Abs. 2 Satz 1, dass der Gläubiger eine Zahlungsverein- 8 barung nicht ausgeschlossen haben darf. Eine vorherige explizite Zustimmung des Gläubigers ist nicht erforderlich, sein Einverständnis wird nach der gesetzlichen Konzeption – einer Widerspruchslösung21 – vermutet. Das oben bereits angesprochene Fingerspitzengefühl des Gerichtsvollziehers ist von größter 9 Bedeutung, wenn es darum geht, eine gemäß Abs. 2 Satz 1 vom Schuldner zu erbringende Glaubhaftmachung seiner Zahlungsbereitschaft und Zahlungsfähigkeit richtig einzuschätzen. Insbesondere die Zahlungsbereitschaft als subjektive Komponente erfordert Menschenkenntnis und 12 Skeptische Anklänge auch etwa bei MünchKomm/Forbriger Rdn. 2 bis 4. 13 BT-Drucks. 16/10069, S. 24. 14 Zu der durchaus beachtenswerten Ansicht, die nicht nur den Kreis der inhaltlichen Gestaltungsoptionen erweitern will, sondern die Vereinbarung auch auf weitere, selbst titel-lose Gläubiger erstrecken möchte, Becker-Eberhard Abschied von der Zwangsvollstreckung – Gütliche Erledigung (jetzt auch) der „Königsweg“ im Vollstreckungsverfahren? FS Schilken (2015) 603, 611 f. 15 Zur Frage, ob die Setzung einer Zahlungsfrist im Rahmen der Ladung zur Vermögensauskunft eine Zahlungsfrist im hiesigen Sinne ist LG Kiel DGVZ 2018, 259. 16 Stein/Jonas/Würdinger Rdn. 4. 17 Aus diesem Grund zutreffend LG Bonn Beschl. v. 19.8.2020 – 5 S 61/20, BeckRS 2020, 39201, wonach eine Ratenzahlungsvereinbarung nicht zwingend den Schluss nahelegt, dass der Schuldner die Zahlungen eingestellt hat. 18 Stein/Jonas/Würdinger Rdn. 5. 19 Vgl. Goebel Die Folgen der gütlichen Einigung mit dem Gerichtsvollzieher, FoVo 2012, 161. 20 OLG Hamm DGVZ 2018, 170. 21 Stein/Jonas/Würdinger Rdn. 7. 655

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Achtes Buch – Zwangsvollstreckung

Erfahrung. Bei der Überprüfung der objektiven Komponente der Zahlungsfähigkeit spielen dagegen wirtschaftliche Fakten die vordringliche Rolle – insbesondere welche Vermögenswerte vorhanden bzw. realistischerweise zu erwarten sind, aber auch mit wie vielen weiteren Gläubigern der Auftrag gebende Gläubiger konkurriert. Erscheint ihm dieser Nachweis nicht erbracht, darf er keine Zahlungsvereinbarung vorschlagen. Dies verbietet die ihm obliegende Wahrung auch der Interessen des Gläubigers. 10 Abs. 2 Satz 1 erlegt dem Schuldner die Last auf, dem Gerichtsvollzieher das Vorliegen von Zahlungsbereitschaft und Zahlungsfähigkeit glaubhaft zu machen. Unter Glaubhaftmachung ist dabei allerdings nicht die technische Form der richterlichen Überzeugungsbildung in § 294 zu verstehen;22 eine etwaige Versicherung an Eides statt vermag die im vorliegenden Kontext erforderliche Beurteilungsgrundlage gerade nicht zu erbringen. Erforderlich sind vielmehr hinsichtlich der Zahlungsfähigkeit konkrete Fakten. Dabei braucht der Gerichtsvollzieher allerdings nicht auch noch die Bonität der Drittschuldner zu überprüfen, deren Zahlung der Schuldner als ausstehend bezeichnet; doch wenn der Gerichtsvollzieher von einem Drittschuldner positiv weiß, dass er ein unzuverlässiger Schuldner ist, muss er diese Kenntnis bei seiner Einschätzung berücksichtigen.23 11 Die in der Zahlungsvereinbarung (bzw. dem Zahlungsplan) vorgesehene Tilgungsfrist beträgt nach gesetzlicher Anordnung, Abs. 2 Satz 3, zwölf Monate, doch ist diese Vorgabe bewusst als eine Soll-Vorschrift gefasst. Sie kann also im Einzelfall auch durchaus einmal länger sein; ob der Gerichtsvollzieher sie einräumt, hängt von seiner Einschätzung der Zahlungsbereitschaft und Zahlungsfähigkeit des Schuldners ab. Die Frist gilt sowohl für die Stundung der Gesamtzahlung als auch für die Erbringung der letzten Rate einer eventuellen Ratenvereinbarung. Mit Ablauf der gesetzten Frist soll der Gläubiger das ihm nach dem Titel Zustehende erhalten haben.

3. Verfahren (Abs. 3) 12 Hat der Gerichtsvollzieher im Zusammenwirken mit dem Schuldner einen Zahlungsplan erstellt, muss er unmittelbar im Anschluss hieran – unverzüglich, also ohne schuldhaftes Zögern, § 121 BGB24 – den Gläubiger davon und von dessen vollstreckungsaufschiebender Wirkung unterrichten. Damit soll der Gläubiger in die Lage versetzt werden, das ihm zustehende Widerspruchsrecht auszuüben. Die vom Gesetz angeordnete Eile, die sich bei der Äußerung eines eventuellen Widerspruchs wiederfindet, Rdn. 13, dient dabei den Interessen des Schuldners, der sich auf die zu diesem Zeitpunkt noch in der Schwebe hängende Vergünstigung seiner Lage endgültig einrichten können soll. Die Unterrichtung ist an keine Form gebunden; sie kann auch telefonisch oder per E-Mail erfolgen.25 13 Das Recht des Gläubigers, dem Zahlungsplan zu widersprechen, ist weder an die Existenz oder Angabe eines Grundes noch an eine bestimmte Form gebunden. Es ist mithin einerlei, was den Widerspruch des Gläubigers ausgelöst hat; das kann die Einräumung des Zahlungsplans als solcher sein, die Länge der Zahlungsfrist – etwa auch, weil sie länger als zwölf Monate beträgt – oder die Anzahl der vorgesehenen Raten: Es ist seiner alleinigen Einschätzung überlassen, ob er dem Zahlungsplan zustimmt. Tut er es nicht, ist ihm als einziges Erfordernis auferlegt, dass er den Widerspruch unverzüglich äußert. Nur der fristgerechte, unverzügliche Widerspruch entfaltet Wirksamkeit;26 erklärt der Gläubiger keinen Widerspruch oder ergeht dieser nicht rechtzeitig, entfaltet der Vollstreckungsaufschub weiterhin uneingeschränkte Wirkung. 22 BeckOK/Fleck Rdn. 4. 23 Siehe auch Musielak/Voit Rdn. 8. 24 Bei der Berechnung dieser Frist wird man in komplizierteren Fällen auch das Aufsuchen eines Anwalts mit einberechnen müssen.

25 Kindl/Meller-Hannich/Wolf/Sternal Rdn. 17. 26 BeckOK/Fleck Rdn. 9. Paulus/Loth

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§ 802b

Der Widerspruch muss unbeschadet des Umstands, dass es bei dem Vorgang um die Herstel- 14 lung von Rechtssicherheit für den Schuldner geht, gerade dem Gerichtsvollzieher gegenüber erklärt werden. Denn ihm erlegt Abs. 2 Satz 2, 1. Halbsatz die Pflicht auf, den Schuldner von dem Widerspruch zu unterrichten. Auch wenn es dort nicht eigens erwähnt ist, wird man auch für diesen Informationsvorgang Unverzüglichkeit fordern müssen. Dies folgt insbesondere daraus, dass es bei diesem Informationsvorgang auch um das Interesse des Gläubigers daran geht, dass die Vollstreckung zügig, vgl. § 802a Abs. 1, weiterverfolgt wird. Die Folge des rechtzeitigen Widerspruchs von Seiten des Gläubigers ist, dass er den Vollstre- 15 ckungsaufschub beendet. Von diesem Zeitpunkt an können Vollstreckungsmaßnahmen wieder durchgeführt werden. In rechtsdogmatischer Hinsicht erweist sich der Widerspruch damit als der Eintritt einer auflösenden Bedingung, § 158 Abs. 2 BGB.

4. Rechtsfolgen Die Zahlungsvereinbarung ist ein Vertrag mit vollstreckungsbeschränkendem Inhalt;27 sie bewirkt 16 einen Vollstreckungsaufschub. Die Vollstreckung kann und darf also während der bestehenden Planausführung nicht weitergeführt werden. Ein etwaig anberaumter Termin zur Abnahme der Vermögensauskunft kann somit ebenso wenig durchgeführt werden wie einer zur Verwertung gepfändeter Sachen. Es obliegt dem Gerichtsvollzieher in einem derartigen Fall, den Termin so zu verlegen (nicht: aufzuheben), dass er nach dem nächsten Zahlungstermin liegt.28 Pfändungspfandrechte bleiben jedoch bestehen,29 Pfändungen sind nicht aufzuheben;30 die Vollstreckung wird gleichsam „eingefroren“. Zahlungen, die der Schuldner im Rahmen des Zahlungsplans erbringt, hat er an die in dem Plan bezeichnete Person, etwa Gerichtsvollzieher, zu leisten. Sie sind dort für andere Gläubiger nicht pfändbar.31

5. Zahlungsrückstand Die für den Widerspruch des Gläubigers angeordnete Rechtsfolge tritt auch dann ein, wenn der 17 Schuldner die ihm laut Plan eingeräumte Frist für die Erbringung einer (Teil-)Zahlung um mehr als zwei Wochen überschreitet. Für die Berechnung dieser Frist gilt § 222 i.V.m. § 188 Abs. 2 BGB; hinsichtlich des „Rückstands“ gilt der Leistungserfolg, also Eingang der Zahlungen.32 Es genügt allein der Ablauf dieser Frist, die dem Schuldner eine Zahlungsfrist nach dem Vorbild der mit Einführung der CPO bewusst abgeschafften Paritionsfrist33 einräumt (und damit den Gläubiger zu einem vertraglich nicht vorgesehenen Zuwarten nötigt), um das Ende des Vollstreckungsaufschubs herbeizuführen. Ein Verschulden an der mangelnden Leistungsfähigkeit ist nicht erforderlich.34 Die Paritionsfrist soll nach Vorstellung des Gesetzgebers dazu dienen, dass die Zeit für Versu- 18 che genutzt wird, eine Modifikation des Zahlungsplans zu erreichen, um auf diese Weise die Aufhebung des Vollstreckungsaufschubs zu verhindern.35 Es findet sich ebendort auch die Annahme, dass der seine mangelnde Leistungsfähigkeit vorhersehende Schuldner schon vor Eintritt der 27 28 29 30 31 32 33 34 35 657

MünchKomm/Forbriger Rdn. 7. BT-Drucks. 16/10069, S. 24 f. Stein/Jonas/Würdinger Rdn. 10. Musielak/Voit/Voit Rdn. 13. Zöller/Seibel Rdn. 10. MünchKomm/Forbriger Rdn. 30. Vgl. § 724 Rdn. 1. BT-Drucks. 16/10069, S. 25; § 286 Abs. 4 BGB gilt nicht, vgl. BeckOK/Fleck Rdn. 14. BT-Drucks. 16/10069, S. 25. Paulus/Loth

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Frist Kontakt zum Gläubiger sucht und die Möglichkeiten einer solchen Modifikation eruiert. Es mag dahinstehen, wie lebensnah dieses Szenario ist; jedenfalls impliziert es die Unterstellung des Gesetzgebers, dass der Zahlungsplan auch ohne Einschaltung des Gerichtsvollziehers geändert werden kann. Kommt es zu entsprechenden Verhandlungen und reichen sie über die Zweiwochenfrist hinaus, wirkt der Vollstreckungsaufschub fort und endet erst bei definitivem Abschluss der Verhandlungen.

6. Zahlungsvereinbarung und Insolvenz 19 (Teil-)Zahlungen des Schuldners im Rahmen der Erfüllung von Zahlungsvereinbarungen können bei einer späteren Insolvenz des Schuldners anfechtbar sein.36 Die Rechtsprechung bejaht die Möglichkeit einer Vorsatzanfechtung gemäß § 133 InsO,37 wobei dieses Risiko mit der Neuregelung in § 133 Abs. 3 Satz 2 InsO reduziert wurde. Es verbleibt das Risiko einer Anfechtung wegen inkongruenter Deckung gemäß § 131 InsO.38

7. Zahlungsvereinbarung bei mehreren Gläubigern 20 Aufbauend auf dem Zwangsvollstreckungsrecht im 8. Buch der ZPO insgesamt zugrundeliegenden Konzept einer Zweierbeziehung zwischen Gläubiger und Schuldner beschränkt sich auch § 802b auf deren Normierung. Dadurch ergeben sich freilich Fragen, wie im Falle der Konkurrenz mehrerer Gläubiger zu verfahren ist: Dem Grunde nach gilt, dass sich der Widerspruch eines Gläubigers auch nur auf dessen Zahlungsvereinbarung auswirkt (Einzelbetrachtung); bei einem Gesamtzahlungsplan für mehrere Gläubiger hingegen führt der Widerspruch eines Gläubigers zur Unwirksamkeit sämtlicher Zahlungsvereinbarungen.39

V. Rechtsbehelfe 21 Verstößt der Gerichtsvollzieher gegen den Vollstreckungsaufschub, steht dem Schuldner die Erinnerung nach § 766 Abs. 1 zu, dem Gläubiger die Erinnerung nach § 766 Abs. 2, sofern er entgegen dem Gerichtsvollzieher der Ansicht ist, dass keine wirksame Zahlungsvereinbarung vorliegt.

VI. Kosten 22 Wegen der Kosten siehe Nr. 207 f. KV-GvKostG.40 Schließt der Gläubiger eine Zahlungsvereinbarung aus, entsteht keine Gebühr, wenn der Gerichtsvollzieher gleichwohl einen entsprechenden Versuch unternimmt; anderenfalls würde die dominierende Rolle des Gläubigers unterminiert.41 Ist ein solcher Ausschluss dagegen nicht angeordnet, entsteht die Gebühr selbst dann, wenn der Versuch einer Vereinbarung im Rahmen eines Verhaftungsauftrages vorgenommen wird;42 das soll nach fragwürdiger Ansicht auch dann gelten, wenn die Aufforderung des Gerichtsvollziehers

36 37 38 39 40 41 42

Ausführlich hierzu Hergenröder DGVZ 2016, 91; vgl. ferner Weinland DGVZ 2022, 205. BGH NJW 2010, 1671. BAG NJW 2018, 331. Hergenröder DGVZ 2012, 105, 113. Dazu etwa Richter/Zuhn Gebühren für die gütliche Erledigung, DGVZ 2017, 29. S. auch § 802a Rdn. 7 (Fn. 14). LG Kiel DGVZ 2018, 259; a.A. AG Düsseldorf DGVZ 2018, 19; OLG Schleswig DGVZ 2017, 211. LG Kassel DGVZ 2019, 44.

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Abschnitt 2. Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen

§ 802c

den Schuldner nicht erreicht.43 Für einen Rechtsanwalt erwächst keine Einigungsgebühr nach Nr. 1000 VV-RVG daraus, dass der Gläubiger sich allgemein44 dem Gerichtsvollzieher gegenüber mit einer Ratenzahlungsvereinbarung einverstanden erklärt45 bzw. wenn ein Zahlungsplan tatsächlich vereinbart wird.46

§ 802c Vermögensauskunft des Schuldners (1)

1

Der Schuldner ist verpflichtet, zum Zwecke der Vollstreckung einer Geldforderung auf Verlangen des Gerichtsvollziehers Auskunft über sein Vermögen nach Maßgabe der folgenden Vorschriften zu erteilen sowie seinen Geburtsnamen, sein Geburtsdatum und seinen Geburtsort anzugeben. 2Handelt es sich bei dem Vollstreckungsschuldner um eine juristische Person oder um eine Personenvereinigung, so hat er seine Firma, die Nummer des Registerblatts im Handelsregister und seinen Sitz anzugeben. (2) 1Zur Auskunftserteilung hat der Schuldner alle ihm gehörenden Vermögensgegenstände anzugeben. 2Bei Forderungen sind Grund und Beweismittel zu bezeichnen. 3Ferner sind anzugeben: 1. die entgeltlichen Veräußerungen des Schuldners an eine nahestehende Person (§ 138 der Insolvenzordnung), die dieser in den letzten zwei Jahren vor dem Termin nach § 802f Abs. 1 und bis zur Abgabe der Vermögensauskunft vorgenommen hat; 2. die unentgeltlichen Leistungen des Schuldners, die dieser in den letzten vier Jahren vor dem Termin nach § 802f Abs. 1 und bis zur Abgabe der Vermögensauskunft vorgenommen hat, sofern sie sich nicht auf gebräuchliche Gelegenheitsgeschenke geringen Wertes richteten. 4 Sachen, die nach § 811 Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe a und Nummer 2 der Pfändung offensichtlich nicht unterworfen sind, brauchen nicht angegeben zu werden, es sei denn, dass eine Austauschpfändung in Betracht kommt. (3) 1Der Schuldner hat zu Protokoll an Eides statt zu versichern, dass er die Angaben nach den Absätzen 1 und 2 nach bestem Wissen und Gewissen richtig und vollständig gemacht habe. 2Die Vorschriften der §§ 478 bis 480, 483 gelten entsprechend.

Übersicht I.

Gesetzesgeschichte, Normzweck

II.

Anwendungsbereich

III. 1. 2.

Voraussetzungen der Auskunftserteilung 4 Antrag des Gläubigers Vorliegen der Voraussetzungen der Zwangsvoll8 streckung 9 Auskunftsverpflichteter

3.

1

3

11

4.

Rechtsschutzbedürfnis

IV. 1. 2. 3. 4.

Inhalt der Auskunftserteilung 12 Grundsätze 14 Formalia 17 Vermögensangabe Entgeltlichkeit und Unentgeltlichkeit von Schuld23 nerleistungen

43 OLG Oldenburg DGVZ 2020, 236; OLG Braunschweig DGVZ 2019, 43. S. demgegenüber – bei nicht ermittelbarem Schuldner – LG Wuppertal DGVZ 2018, 260. 44 Nach Ansicht des AG Neu-Ulm, DGVZ 2005, 47, gilt das auch, wenn der Gläubiger auf die sofortige Einleitung der Zwangsvollstreckung verzichtet bei Leistung einer Sonderzahlung und anschließenden Ratenzahlungen. S. ferner AG Euskirchen DGVZ 2005, 29. 45 BGH NJW 2006, 3640; LG Koblenz DGVZ 2006, 61; LG Bonn DGVZ 2005, 77; AG Solingen DGVZ 2017, 248. Zum umgekehrten Fall (Ausschluss einer Zahlungsvereinbarung) AG Heilbronn DGVZ 2017, 154. 46 AG Stockach DGVZ 2017, 63. 659 https://doi.org/10.1515/9783110443158-100

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§ 802c

Achtes Buch – Zwangsvollstreckung

V.

Eidesstattliche Versicherung

VI. 1. 2.

Verfahren 27 Zuständigkeit Nachfragerecht des Gläubigers

25

VII. Eidesstattliche Versicherung VIII. Rechtsbehelfe 28

IX.

Kosten

31

32

33

I. Gesetzesgeschichte, Normzweck 1 Die Regelung des Abs. 1 ist an den früheren § 807 angelehnt und ist im Rahmen des Gesetzes zur Reform der Sachaufklärung in der Zwangsvollstreckung1 eingeführt worden. Die in dieser Vorschrift niedergelegte Pflicht zur Vermögensauskunft bei Vollstreckungen nach den §§ 803 bis 882h dient dem Zweck der Effizienzsteigerung (vgl. § 802a Rdn. 1) des Vollstreckungsrechts, indem nunmehr – im Gegensatz zum früheren Recht – die Vermögensauskunft nicht mehr an einen fruchtlosen Vollstreckungsversuch geknüpft ist, sondern auch schon einleitend zur Vollstreckung durchgeführt werden kann.2 Demzufolge ist der Zweck der Norm, dem Gläubiger eine Grundlage für die Vollstreckung zu geben; das Mittel zur Erreichung dieses Zwecks ist eine dem Schuldner auferlegte „zentrale Mitwirkungspflicht“3 zur Erreichung des Vollstreckungserfolges. 2 Die Vermögensauskunft nach der vorliegenden Vorschrift unterscheidet sich von einer freiwilligen, etwa vor einem Notar abgegebenen Auskunft dadurch, dass nur jene strafbewehrt ist, § 156 StGB.4 Damit ist auch nur bei jener sichergestellt, dass die Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB ausgelöst wird, wenn falsche Angaben gemacht werden. Diese Qualifikation ist im Hinblick auf die Vorschriften über den Schuldnerschutz in § 850f Abs. 2 oder gemäß § 302 Nr. 1 InsO bedeutsam. Erfasst werden von der Wahrheitspflicht des § 156 StGB freilich nur solche Angaben, zu denen der Schuldner verpflichtet ist.5

II. Anwendungsbereich 3 Die Vermögensauskunft ist selbst bei beantragter Aussetzung des Verfahrens und einer Beschränkung der Vollstreckung auf Sicherungsmaßnahmen zu erteilen.6 Sie kann überdies auch schon im Rahmen einer Sicherungsvollstreckung nach § 720a verlangt werden.7 Sie unterscheidet sich von den Auskunftsverpflichtungen der §§ 807, 836 Abs. 3, 883 Abs. 2 dadurch, dass sie bereits zu Beginn einer Vollstreckung vorgenommen werden kann.8 Das Verfahren zur Auskunftserteilung stellt eine „Maßnahme der Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner“ i.S.d. § 21 Abs. 2 Nr. 3 InsO dar9 und

1 Vom 29.7.2009, BGBl. I, S. 2258. S. zu diesem Reformgesetz Vor § 704 Rdn. 99. 2 BT-Drucks. 16/10069, S. 25. 3 BT-Drucks. 16/10069, S. 25. Die Auferlegung der Pflicht wird dort damit gerechtfertigt, dass der Schuldner zu diesem Zeitpunkt bereits einer titulierten Zahlungspflicht nicht nachgekommen ist. Nach – im Ergebnis – billigenswerter Ansicht des OLG Jena handelt es sich bei der Vermögensauskunft nicht um eine Rechtshandlung i.S.d. § 129 InsO, ZIP 2020, 1311. 4 LG Detmold DGVZ 2007, 72; LG Flensburg DGVZ 2000, 89. 5 OLG Brandenburg DGVZ 2023, 35, zur Reichweite der Auskunftspflicht vgl. noch Rdn. 12 ff. 6 BGH NJW-RR 2007, 996. 7 BGH WM 2006, 918; dazu etwa Hölk Die eidesstattliche Versicherung in der Sicherungsvollstreckung, MDR 2006, 841; Bielau Sicherungsvollstreckung und Abgabe der eidesstattlichen Versicherung, DGVZ 2007, 130. 8 Verfassungsrechtliche Bedenken dagegen etwa bei Seip Vermögensoffenbarung als erste Maßnahme der Zwangsvollstreckung und Minderung des Schuldnerschutzes, ZRP 2007, 23. 9 Zutreffend Steder InsO 2000, 456; LG Heilbronn Rpfleger 2008, 89; LG Darmstadt NJW-RR 2003, 1493. A.A. LG Würzburg NJW-RR 2000, 781; AG Westerburg DGVZ 2006, 119; AG Hainichen JurBüro 2002, 605. Paulus/Loth

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ist auch sonst über § 89 InsO durch das Insolvenzverfahren gesperrt.10 Nach Ansicht des BGH kann § 765a auf die Vermögensabgabe Anwendung finden.11

III. Voraussetzungen der Auskunftserteilung 1. Antrag des Gläubigers Der Gerichtsvollzieher wird unbeschadet des in § 802c Abs. 1 nicht erwähnten Gläubigers nicht etwa von Amts wegen, sondern nur auf ausdrücklichen Antrag eines Gläubigers12 tätig; s. auch § 802a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2. Dieser Antrag muss also an den zuständigen Gerichtsvollzieher gerichtet werden, vgl. dazu § 802e. Hierbei ist dem Gläubiger die Möglichkeit eröffnet, das Vorgehen des Gerichtsvollziehers in gewisser Hinsicht zu beeinflussen: Er kann sich auf die bloße Vollstreckung beschränken, kann aber auch einzelne Handlungsschritte vorgeben. Dazu gehören etwa das Einverständnis mit eventuell angebotenen Ratenzahlungen durch den Schuldner, die Androhung bzw. Durchführung des Verfahrens zur Vermögensauskunft (etwa mit oder ohne vorherigen Vollstreckungsversuch13), die Stellung bestimmter (etwa bereits als Fragenkatalog schriftlich festgehaltenen) Fragen, die Einholung von Drittauskünften, die Beschränkung auf einen Teilbetrag, etc. Der Antrag kann im Verlaufe des Vollstreckungsverfahrens nachgeholt werden.14 Auch Inkassounternehmen können einen entsprechenden Antrag stellen.15 Stellen mehrere Gläubiger einen Antrag, gilt das Prioritätsprinzip; die nachrangigen Gläubiger erhalten nach Maßgabe des § 802d Abs. 1 Satz 2 einen Ausdruck; zu einer Verzögerung16 führt das zumindest dann nicht, wenn der Ausdruck elektronisch versandt wird. Nimmt der Gläubiger seinen Antrag zurück, ist ein eventuell bereits bestimmter Termin zur Vermögensauskunft aufzuheben.17 Zur Aufhebung kommt es auch dann, wenn der Schuldner die geschuldete Leistung vollständig erbracht hat. Dem Antrag sind die Vollstreckungsunterlagen (Titel, Klausel und gegebenenfalls Zustellungsurkunden) beizufügen.18

4

5

6

7

2. Vorliegen der Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung Die Entstehung der Pflicht zur Vermögensauskunft setzt nicht allein einen Gläubigerantrag voraus, 8 sondern es müssen selbstverständlich auch die allgemeinen Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer Vollstreckung wegen einer Geldforderung vorliegen;19 das hat der Gerichtsvollzieher von Amts wegen zu überprüfen.20 Nach Ansicht einiger Gerichte muss der Gläubiger dem Schuldner 10 BGH NJW-RR 2012, 1433. S. auch Viertelhausen Eidesstattliche Versicherungen im Insolvenzverfahren? DGVZ 2001, 36.

11 BGH NJW 2010, 1002. 12 Dazu, dass dies unter bestimmten Umständen auch eine Anstalt des öffentlichen Rechts sein kann (SWR), AG Mannheim DGVZ 2017, 55 gegen LG Tübingen DGVZ 2016, 231. S. auch Goldbach Die Abnahme der Vermögensauskunft im Auftrag kommunaler Vollstreckungsbehörden, DGVZ 2020, 189. 13 Zu den Kostenfolgen AG Potsdam DGVZ 2019, 42. 14 MünchKomm/Forbriger Rdn. 3. 15 LG Wuppertal DGVZ 2007, 188; LG Bremen MDR 2001, 351; Nies Eidesstattliche Versicherung – Inkassounternehmen als Antragsteller im Verfahren, MDR 2000, 625. 16 Eine solche befürchtete noch Viertelhausen Die eidesstattliche Versicherung bei mehreren Gläubigern, DGVZ 2002, 53. 17 Zöller/Stöber § 802f Rdn. 14. 18 Kindl/Meller-Hannich/Wolf/Sternal Rdn. 8 f. 19 Dazu, ob ein Verwaltungsakt einer Rundfunkanstalt (SWR) als Titel genügt, AG Mannheim DGVZ 2017, 55. 20 Zutreffend AG Strausberg DGVZ 2006, 79. S. hierzu auch Kindl/Meller-Hannich/Wolf/Sternal Rdn. 11 ff. 661

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§ 802c

Achtes Buch – Zwangsvollstreckung

vor der Vermögensauskunft überdies eine Berechnung seiner Gesamtforderung präsentieren;21 eine solche Pflicht erübrigt sich jedoch angesichts der Zustellung der vollstreckbaren Ausfertigung nach § 750.

3. Auskunftsverpflichteter 9 Liegen die genannten Voraussetzungen vor und ist im konkreten Einzelfall die Zweijahresfrist des § 802d unbeachtlich, ergibt sich für den Schuldner daraus die Pflicht zur Auskunftserteilung. Das ist grundsätzlich eine Selbstverständlichkeit hinsichtlich einer natürlichen Person. Sie muss diese Aufgabe höchstpersönlich erfüllen, kann sie also nicht jemand anderem übertragen.22 Davon ist nur dann eine Ausnahme zu machen, wenn diese Person zum Zeitpunkt des Abgabetermins23 geschäftsunfähig ist; dann muss für sie der gesetzliche Vertreter (also etwa ein Elternteil oder Betreuer) handeln. Bei einer Personenvereinigung bzw. juristischen Person muss darüber hinaus noch der 10 zusätzliche juristische Schritt vollzogen werden, den konkreten Auskunftspflichtigen festzulegen. Das ist der gesetzliche Vertreter24 im Zeitpunkt des Termins zur Vermögensabgabe.25 Gibt es mehrere gesetzliche Vertreter, genügt es, wenn einer von ihnen zum Termin erscheint und die Vermögensauskunft erstellt.26 Nach der Gegenauffassung sind – jedenfalls wenn kein Fall der Einzelvertretungsmacht vorliegt – alle Vertreter auskunftspflichtig.27 Unbeschadet einer Amtsniederlegung bleibt der einstige Vorstand auskunftspflichtig, wenn diese Niederlegung erst nach Ladung zum Termin erfolgt und sonst kein weiterer Vorstand vorhanden ist.28

4. Rechtsschutzbedürfnis 11 Ausnahmsweise kann das Rechtsschutzbedürfnis fehlen, so beispielsweise wenn die Vermögenslosigkeit des Schuldners von vorneherein feststeht29 oder der Gläubiger die Vermögensverhältnisse des Schuldners kennt.30

IV. Inhalt der Auskunftserteilung 1. Grundsätze 12 In den Worten des BGH31 muss die Auskunft dem Gläubiger Kenntnis von denjenigen Vermögensgegenständen verschaffen, durch die er im Wege des Vollstreckungszugriffs Befriedigung seiner 21 LG Deggendorf DGVZ 2006, 116; LG München I Rpfleger 1976, 170. Demgegenüber LG Hamburg DGVZ 2005, 77. 22 Musielak/Voit/Voit Rdn. 3; Saenger/Rathmann Rdn. 7. Zu einer Person unter Vermögenssorge s. BGH NJW-RR 2009, 1 (s. auch LG Braunschweig FamRZ 2000, 613); zu einem Betreuten LG Osnabrück DGVZ 2005, 128; AG Haßfurt DGVZ 2003, 46. 23 BGH NJW-RR 2007, 185. 24 MünchKomm/Forbriger Rdn. 15. 25 BGH NJW-RR 2007, 185. 26 BGH NJW-RR 2009, 1; LG Mainz Rpfleger 2000, 283. 27 Musielak/Voit/Voit Rdn. 4. 28 BGH NJW-RR 2007, 185. Noch weitergehend OLG Köln Rpfleger 2000, 399; OLG Bamberg DGVZ 1998, 75; LG München II JurBüro 2007, 46; LG Bochum Rpfleger 2001, 442. S. auch AG Waren JurBüro 2009, 384; AG Dachau JurBüro 2006, 551. 29 Stein/Jonas/Würdinger Rdn. 6 m.w.N. 30 MünchKomm/Forbriger Rdn. 3. 31 BGH NJW 2004, 2979. Paulus/Loth

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(wohlgemerkt: verfassungsrechtlich geschützten) Forderung32 erlangen kann. Um diesem Zweck gerecht zu werden, müssen die Angaben des Schuldners so genau und vollständig sein, dass der Gläubiger anhand des Verzeichnisses ohne Weiteres die erforderlichen Vollstreckungshandlungen in die Wege leiten kann. Fehlt in dem Vermögensverzeichnis eine der nachfolgend vorgestellten Angaben oder sind 13 die gemachten Angaben nach Maßgabe der im Folgenden aufgestellten Gebote unpräzise oder unvollständig,33 kann der Gläubiger Nachbesserung der Vermögensauskunft verlangen. An die Vorgaben des § 802d ist er dabei dann nicht gebunden, vgl. § 802d Rdn. 2. Allerdings schränkt der BGH diese Befugnis ein und bezeichnet ein entsprechendes Verlangen als „mutwillig“, wenn sich die Auskunft auf eine nicht der Pfändung unterliegende Leistung bezieht;34 das verträgt sich schwerlich mit den unten, Rdn. 17, angestellten Erwägungen des Gesetzes.35 Richtig ist es dagegen wieder, wenn der BGH dem Verlangen nach Nachbesserung nur solche Einwände entgegenstehen lassen will, die gerade im Vermögensverzeichnis dokumentiert sind.36

2. Formalia Die in Abs. 1 aufgeführten Identifikationsdaten sollen die eindeutige Zuordnung der Auskunft 14 zu der konkreten Person sicherstellen. Diese Präzision ist wichtig im Hinblick auf die Zweijahresfrist des § 802d und das Auffinden des Personenstandsregisters.37 Bei natürlichen Personen sind diese Daten (neben dem als selbstverständlich weggelassenen Namen) der Geburtsname, das Geburtsdatum sowie Geburtsort des Schuldners. Ist der Schuldner dagegen eine Personenvereinigung oder eine juristische Person, verlangt Satz 2 die Angabe der Firma, Nummer des Registerblatts im Handelsregister sowie des Sitzes.38 Darüber hinaus gehört zu den zu beachtenden Formalia auch, dass die aufzulistenden 15 Vermögensgegenstände so präzise angegeben werden, dass sie den vom BGH, s. Rdn. 12, genannten Zweck erfüllen können. Jeder einzelne Gegenstand muss danach individualisierbar und lokalisierbar39 sein. Das bedeutet insbesondere bei Forderungen des Schuldners, dass auch Name und Anschrift des Drittschuldners mit angegeben werden müssen – egal ob es sich dabei um den Arbeitgeber,40 die Konto führende Bank oder sonst jemanden (und seien es, wie etwa bei Gelegenheitsarbeitern, viele)41 handelt. Darüber hinaus ordnet Abs. 2 Satz 2 an, dass Grund der Forderung und auch Beweismittel anzugeben sind. Wenn allein eine Taschenpfändung Erfolg verspricht, muss der Schuldner auch Tag und Ort angeben, auf dem er seinen Marktstand hat.42 Zu der gebotenen Präzision gehören aber auch Angaben, die der Ermittlung des Wertes 16 des Vermögensgegenstandes dienen. So ist insbesondere bei unter Eigentumsvorbehalt erwor32 Nicht aber auch zur Einschätzbarkeit einer späteren, erneuten Vermögensauskunft, richtig daher AG Montabaur DGVZ 2016, 239. 33 Zum Fehlen der Sozialversicherungsnummer etwa LG Kassel DGVZ 2004, 185; bei evident unzureichend angegebenem Einkommen LG Ravensburg JurBüro 2004, 104. 34 BGH DGVZ 2016, 155 (bezogen auf Erstattungsforderungen für Betriebs- und Heizkosten). 35 Zutreffend daher AG Eilenburg DGVZ 2016, 157. 36 Nicht also solche, die sich nur in den handschriftlichen Notizen des Gerichtsvollziehers finden, BGH DGVZ 2017, 128. 37 Dazu Goebel Der Umfang der neuen Vermögensauskunft, FoVo 2012, 201. 38 S. auch LG Hamburg JurBüro 2004, 334. 39 AG Bremen JurBüro 2008, 667 (Ort des Autos). 40 S. auch Schmidt Die Einkommensangaben des Schuldners im Vermögensverzeichnis, DGVZ 2000, 49. 41 Statt vieler LG Bielefeld JurBüro 2004, 103; LG Gera JurBüro 2003, 658. Zu einem selbständig tätigen EDV-Berater LG Stade FamRZ 1999, 1002; zu einem Gastwirt AG Bitterfeld-Wolfen DGVZ 2010, 198; zum Betreiber eines Heizungsund Sanitärbetriebs AG Bad Liebenwerda JurBüro 2006, 157. 42 AG Saarlouis JurBüro 2011, 160. 663

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benen Sachen mit anzugeben, wie viele Raten bereits bezahlt worden sind bzw. noch ausstehen.43

3. Vermögensangabe 17 Gemäß Abs. 2 Satz 1 muss der Schuldner alle ihm gegenwärtig44 gehörenden Vermögensgegenstände angeben. Diese einschränkungslose Pauschalität ist unbeschadet des im deutschen Recht vorhandenen Schuldnerschutzes45 deswegen terminologisch richtig, weil eine juristische Einordnung (mit Ausnahme der „offensichtlich“ unpfändbaren Gegenstände in Abs. 2 Satz 4, dazu unten Rdn. 21) vom Schuldner schwerlich erwartet werden kann bzw. kaum je mit der gebotenen Objektivität juristischer Qualifikation vorgenommen werden würde. Zum Vermögensbegriff im vollstreckungsrechtlichen Sinn (Vollstreckungsmasse) s. zunächst Vor § 704 Rdn. 75. Weil also dem Grundsatz nach sämtliche Vermögensgegenstände des Schuldners dem vollstre18 ckungsrechtlichen Zugriffsrecht seiner Gläubiger unterworfen sind, muss der Schuldner sie alle auflisten. Die Unpfändbarkeit rechtfertigt dabei grundsätzlich, s. noch Rdn. 21, ebenso wenig ein Verschweigen wie die Rechtswidrigkeit der Mittelerlangung, die Belastung mit Drittrechten,46 die voraussichtliche Unveräußerbarkeit, die vermeintliche Wertlosigkeit, die Belegenheit etwa im Ausland47 bzw. auf dem Konto eines Dritten48 oder selbst die aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen bestehende Unsicherheit, ob ein Recht überhaupt besteht;49 und auch diese Auflistung ist nur beispielhaft zu verstehen.50 Entscheidend ist einzig und allein die sachenrechtliche (bzw. dingliche) oder schuldrechtliche51 Zuordnung der Gegenstände zu dem Rechtssubjekt des Schuldners. 19 Damit sind also zunächst einmal evidentermaßen „körperliche Sachen sowie Forderungen und andere Vermögensrechte, und sämtliches unbewegliche Vermögen“52 anzugeben. Da der Schuldner keine juristische Subsumtion vornehmen darf, müssen also etwa auch das Auto mit angegeben werden, auch wenn es sicherungsübereignet oder unter Eigentumsvorbehalt erworben ist, ein Fernseher, auch wenn er versetzt ist, oder eine Forderung, auch wenn sie gepfändet ist. Überhaupt spielt für die Pflicht zur Angabe keine Rolle, ob bzw. wie sich der Vermögensgegenstand verwerten lässt: Das ist besonders evident hinsichtlich von Forderungen, deren Einbringlichkeit ja immer einem mehr oder minder großem Risiko ausgesetzt ist;53 folglich sind auch unsichere Forderungen des Schuldners mit anzugeben, gleiches gilt für künftig entstehende.54 Es gehört hierher aber auch ein dem Schuldner eventuell eingeräumter Dispositionskredit,55 der dann als pfändbar erachtet wird, wenn er vom Schuldner in Anspruch genommen 43 44 45 46 47 48

S. ferner LG Kleve JurBüro 2010, 383; AG Verden JurBüro 2005, 553; AG Dippoldiswalde JurBüro 2003, 276. BeckOK/Fleck Rdn. 8. Zum früheren Vermögen s. Rdn. 23. S. Vor § 704 Rdn. 23. Zu Vorpfändungen etwa LG Bremen JurBüro 2005, 605. Zutreffend LG Zwickau Rpfleger 1995, 371. S. ferner LG Frankfurt DGVZ 2009, 133. BGH DGVZ 2009, 131; LG Kassel JurBüro 2007, 48; LG Wiesbaden DGVZ 2006, 201; AG Stuttgart JurBüro 2005, 49. Unverständlich AG Günzburg DGVZ 2006, 122. 49 BGH NJW 1953, 390 (zu Versicherungsforderungen); LG Braunschweig JurBüro 2011, 156 (zu einem Pflichtteilsanspruch); LG Leipzig JurBüro 2009, 665 („Unterstützung von dritter Seite“; s. auch AG Chemnitz DGVZ 2009, 83). 50 Zu Forderungen gegen Drittschuldner, deren Namensnennung der berufsrechtlichen Verschwiegenheitspflicht unterfällt, BGH NJW 2010, 1380; LG Mainz DGVZ 2001, 78; LG Würzburg NJW-RR 1998, 1373. 51 BGH NJW-RR 2008, 173 (Nutzungsrecht eines firmeneigenen Wagens). 52 BT-Drucks. 16/10069, S. 25. 53 Aus diesem Grund ordnet Abs. 2 Satz 2 ausdrücklich die Angabe von Grund und Beweismittel an. Zur Mietkaution etwa AG Leipzig DGVZ 2012, 146 (Angaben auch, wenn vom Jobcenter übernommen). 54 A.A. noch die Vorauflage. 55 App Dispositionskredit des Schuldners als bei der eidesstattlichen Versicherung im Vermögensverzeichnis anzugebender Vermögenswert, DGVZ 2001, 132. Paulus/Loth

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wird.56 Gleiches gilt für ein Konto, selbst wenn es debitorisch geführt sein sollte.57 Versicherungen58 müssen ebenso angegeben werden wie gesellschaftsrechtliche Beteiligungen oder der Erhalt von Sozialleistungen. Da aber auch die eventuell fehlende Legalität erworbener Gegenstände nichts an der allein 20 maßgeblichen dinglichen Zuordnung dieser Rechtsobjekte zu dem Rechtssubjekt des Schuldners ändert, gehören zu den aufzulistenden Vermögensgütern sowohl Einkünfte, die sich aus Schwarzarbeit59 oder sonstigen rechtswidrigen Geschäften60 ergeben, als auch Schwarzkonten, die etwa im Ausland gehalten werden.61 Die einzige juristische Qualifikation, die der Schuldner nach dem Gesetz vornehmen darf, 21 ist ausweislich Abs. 2 Satz 4 die, ob eines seiner Güter „offensichtlich“ zu den nach § 811 Abs. 1 Nr. 1 a) und Nr. 2 unpfändbaren Gegenständen gehört. Das ist eine angesichts des im Voranstehenden aufgezeigten Grundkonzepts schwer verständliche Überantwortung juristischer Kenntnisse. Sie werden denn auch gleich dadurch noch einmal in noch höhere Schwierigkeitsgrade gehoben, dass der Schuldner dabei in die Erwägung mit einbeziehen soll, ob eine Austauschpfändung nach § 811a möglich ist. Die Regelung ist dem Grundsatz nach durchaus verständlich, soll doch der Schuldner nicht jedes einzelne Hemd oder jede einzelne Tasse seines Haushalts auflisten müssen. Doch ist die Überantwortung der Einordnung in diese Kategorie auf den Schuldner zugleich ein Einfallstor für mögliche Streitigkeiten: Soll es beispielsweise wirklich ihm obliegen, die Offensichtlichkeit zu beurteilen? Das wird man richtigerweise ablehnen müssen und die Frage nach der Offensichtlichkeit dem Gerichtsvollzieher zu übertragen haben. Soweit sich die Vermögensverhältnisse von Angehörigen bzw. Unterhaltsberechtigten auf 22 die Vermögenssituation des Schuldners auswirken können – wie etwa bezüglich des Umfangs des unpfändbaren Betrags nach § 850c Abs. 462 oder eines eventuell gegen den Ehegatten bestehenden Taschengeldanspruchs63 –, muss der Schuldner auch Angaben über die Einkommensverhältnisse dieser Dritten in die Auskunft aufnehmen.

4. Entgeltlichkeit und Unentgeltlichkeit von Schuldnerleistungen Während die voranstehenden Vermögensposten nur solche Werte betreffen, die der Schuldner 23 gegenwärtig in seinem Vermögen hat, sind über Abs. 2 Satz 3 auch bestimmte Vermögenswerte erfasst, die früher einmal seinem Vermögen zugeordnet waren, zum gegenwärtigen Zeitpunkt jedoch einem Dritten gehören. Auf sie kann der Gläubiger unter den im AnfG genannten Voraussetzungen zugreifen. Die Vorschrift in Abs. 2 Satz 3 greift dabei die Rechtshandlungen heraus, die sich im Verlauf buchstäblich der gesamten Rechtsgeschichte als besonders „populär“ erwiesen haben. Der Gläubiger hat sie eigens mitzuteilen, so dass auf sie die strafrechtliche Sanktion des § 156 StGB sowie die zivilrechtliche des § 823 Abs. 2 BGB64 Anwendung finden. 56 BGH ZIP 2001, 825. 57 Zu Fragen der Strafbarkeit bei Falschangaben hierbei BGH NJW 2009, 385. 58 Hierzu etwa Kraus Altersvorsorgeverträge und Lebensversicherungen in der Vermögensauskunft, DGVZ 2021, 1; Könnecke Umfang der Angaben zu Lebens- und Rentenversicherungsverträgen bei Abgabe der Eidesstattlichen Versicherung gem. §§ 807, 900 ZPO, DGVZ 2012, 17. 59 LG Wuppertal DGVZ 1999, 120. 60 Zu verschleiertem Arbeitseinkommen LG Braunschweig JurBüro 2011, 156; LG Essen JurBüro 2008, 666; LG Frankenthal JurBüro 2007, 499; LG Koblenz DGVZ 2006, 59; LG Nürnberg-Fürth DGVZ 2005, 165; LG Stuttgart DGVZ 2003, 154; AG Bremerhaven DGVZ 2012, 147; AG Leer JurBüro 2006, 549; AG Jülich JurBüro 2006, 550; AG Wedding JurBüro 2000, 544. 61 Vgl. dazu auch BVerfG WM 2008, 989. Ferner LG Hamburg JurBüro 2008, 495. 62 BGH NJW 2004, 2979; LG Leipzig DGVZ 2010, 232; LG Meiningen DGVZ 2002, 156. 63 BGH NJW 2004, 2452; KG NJW 2000, 149; LG Passau DGVZ 2010, 15; LG Stuttgart DGVZ 2009, 132 und DGVZ 2007, 94 (falls Einkommen des Ehegatten unbekannt; sehr viel großzügiger LG Konstanz DGVZ 2007, 42). 64 Dazu Goebel Der Umfang der neuen Vermögensauskunft, FoVo 2012, 201, 205. 665

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Was zunächst § 3 Abs. 2 AnfG betrifft, so geht es dabei (selbstverständlich) nicht um die Präsentation all seiner Tatbestandsmerkmale als vielmehr nur um das objektive Faktum einer entgeltlichen Transaktion an eine nahestehende Person i.S.d. § 138 InsO innerhalb der letzten zwei Jahre vom Zeitpunkt der Abgabe der Vermögensauskunft an rückgerechnet. Den gleichen Rückrechnungsbeginn verwendet auch Abs. 2 Nr. 2 zur Auflistung aller unentgeltlichen Leistungen des Schuldners innerhalb der vorvergangenen vier Jahre.

V. Eidesstattliche Versicherung 25 Die Verpflichtung zur Eidesstattlichen Versicherung soll den Schuldner zur Wahrhaftigkeit seiner Angaben anhalten; denn damit kommt eine nicht unbeträchtliche strafrechtliche Sanktion ins Spiel, vgl. § 156 StGB.65 Um diese Tragweite erkennen zu können, hat der Gerichtsvollzieher den Schuldner bzw. die zur Versicherung verpflichtete natürliche Person über diese Dimension angemessen zu belehren. Von der Wahrheitspflicht des § 156 StGB sind nur die Angaben, zu denen der Schuldner im Sinne der Norm verpflichtet ist.66 Die Zuständigkeit zur Abnahme der eidesstattlichen Versicherung ergibt sich aus § 802e. So26 fern es sich bei dem Schuldner um eine juristische Person handelt, besteht die Möglichkeit, dass sich die für die Abgabe der Vermögensauskunft und der eidesstattlichen Versicherung zuständige natürliche Person dadurch der Verpflichtung zu entziehen versucht, dass sie ihr Amt niederlegt. In einem solchen Fall ist der neue gesetzliche Vertreter, in Ermangelung eines solchen derjenige zur Abgabe verpflichtet, der sein Amt niedergelegt hat.67

VI. Verfahren 1. Zuständigkeit 27 Die Zuständigkeit zur Vermögensauskunft ergibt sich aus § 802e, der Verfahrensablauf im Einzelnen aus § 802f, und die Folgen der Vermögensauskunft sind in § 802k geregelt. Zu den Folgen, wenn der Schuldner zu dem anberaumten Termin nicht erscheint, s. § 802g.

2. Nachfragerecht des Gläubigers 28 Es ist allgemein anerkannt, dass der Gläubiger das Recht68 hat, seinerseits über das ausgefüllte Vermögensverzeichnis hinaus Fragen (regelmäßig in Gestalt eines ganzen Fragenkatalogs69) zu stellen,70 wenn sie nur konkret auf bestimmte Vermögenswerte bezogen sind.71 Dies kann in Gestalt schrift65 Hierzu etwa BGH ZInsO 2017, 1314. Allgemein zur strafrechtlichen Sanktion gerade im Zusammenhang mit der Vermögensangabe nach § 802c etwa MünchKomm-StGB/Müller § 156 Rdn. 23 ff. 66 OLG Brandenburg, DGVZ 2023, 35. 67 LG Bochum Rpfleger 2001, 442, mit zutreffendem Hinweis darauf, dass dies nur gilt, wenn kein weiterer gesetzlicher Vertreter vorhanden ist. 68 Zu der damit korrespondierenden Pflicht zur konkreten Antwort des Schuldners statt vieler AG Rüdesheim JurBüro 2008, 665. 69 Die Tendenz der Gerichte, einen derartigen Fragenkatalog auf nur einige wenige (wie viele genau?) zu beschränken, etwa AG Osnabrück DGVZ 2017, 56 und 57, ist zu missbilligen; es geht nicht um die ungestörte Arbeit des Gerichtsvollziehers, sondern um die Effizienz der Zwangsvollstreckung. 70 Zur Nachholung der Fragemöglichkeit bei versehentlich unterlassener Benachrichtigung LG Detmold DGVZ 2011, 147. 71 Str., wie hier etwa BGH WM 2012, 805; LG Verden JurBüro 2010, 552; LG Aurich JurBüro 2010, 108; LG Kempten DGVZ 2007, 141; LG Münster DGVZ 2002, 186 und 2000, 90; LG Marburg DGVZ 2000, 152; AG Lahr DGVZ 2011, 149; AG Naumburg JurBüro 2009, 157 (mit abgedrucktem Fragenkatalog). Paulus/Loth

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lich verfasster und dem Gerichtsvollzieher zugeleiteter Fragen erfolgen oder auch, bei persönlicher Anwesenheit des Gläubigers im Termin, vgl. § 802f Rdn. 20, in Gestalt mündlich gestellter Fragen. Es entspricht der hiesigen Vorstellung von Verfahrensgerechtigkeit, dass Fragen gleichsam „ins Blaue hinein“72 in diesem Verfahrensabschnitt ebenso ausgeschlossen sind wie bei einer Beweisaufnahme im Erkenntnisverfahren.73 Die Zulässigkeit von Fragen des Gläubigers richtet sich somit danach, was mit Hilfe des Verfahrens der Vermögensauskunft erreicht werden soll, also die volle Befriedigung des Gläubigers. Infolgedessen sind grundsätzlich alle Fragen zulässig, die der Auffindung von konkreten vollstreckbaren Vermögensgütern dienen.74 Wenn der Gläubiger glaubhaft machen kann, dass die Antwort des Schuldners eine weitere Vollstreckungsmöglichkeit eröffnen kann, ist die Frage zuzulassen.75 Aus dem expliziten Verweis auf die zwei Anfechtungstatbestände des § 3 Abs. 2 und 4 AnfG in § 802c Abs. 2 ist allerdings zu folgern, dass Fragen nach dem Verbleib früher einmal zum Vermögen des Schuldners gehörender Gegenstände, die möglichweise nach weiteren Tatbeständen des Anfechtungsgesetzes weggegeben sein könnten, zumindest grundsätzlich nicht zulässig sind.76 Eine Ausnahme wird man allerdings bei Offensichtlichkeit machen müssen, um allzu leichte Umgehungsmöglichkeiten zu unterbinden. So ist etwa eine Veräußerung weit unter Wert (sie ist freilich als zumindest partiell unentgeltliche Leistung anzusehen – aber das dürfte nicht jedem Schuldner klar sein) als durchaus zulässiges Objekt einer Frage anzusehen. Über die Zulässigkeit der Fragen entscheidet der Gerichtsvollzieher; das kann im Termin 29 selbst etwa in der Weise geschehen, dass er eine entsprechende Frage übergeht, eine förmliche Zurückweisung ist dafür nicht erforderlich. Ob diese Vermögensgegenstände den Schuldnerschutzvorschriften der §§ 811 f., 850 ff. unter- 30 fallen, spielt in diesem Verfahrensabschnitt nur dann eine Rolle, wenn die Gegenstände offensichtlich nicht der Pfändung unterfallen.77 Daher ist beispielsweise78 die Frage nach Schwarzarbeit unbeschadet dessen, dass sich der Schuldner mit seiner Antwort gegebenenfalls einer Straftat bezichtigen muss, zulässig.79 Das rechtfertigt sich aus dem Gebot, dass der Gläubiger die Auskunft allein zu Vollstreckungszwecken benutzen darf.

VII. Eidesstattliche Versicherung Der Schuldner hat nach der Genehmigung, vgl. § 802f Rdn. 25, die Vollständigkeit und Richtigkeit 31 des ihm vorgelegten Vermögensverzeichnisses an Eides statt zu versichern.80 Hierauf sind die Vorschriften der §§ 478 bis 480, 483 anzuwenden.81

72 Dazu gehören gegebenenfalls Fragen nach dem Scheidungsdatum oder nach persönlichen Daten des früheren Ehegatten, AG Euskirchen DGVZ 2016, 28. 73 AG Langenfeld JurBüro 2011, 218. Eine Frage „ins Blaue hinein“ wird man nicht allein schon deswegen pauschal annehmen können, weil der Schuldner die Frage bereits mit „nein“ beantwortet hat, so aber LG Oldenburg DGVZ 2006, 138. 74 KG MDR 1981, 411. 75 LG Mönchengladbach Rpfleger 2009, 160. Die Fragen dienen allerdings nicht dazu, dem Gläubiger neue Rechtspositionen zu erschließen, unrichtig daher AG Ludwigsburg DGVZ 2016, 30. 76 Zutreffend Zöller/Stöber § 802f Rdn. 17. 77 S. dazu oben Rdn. 21. 78 Weitere Beispiele etwa LG Hamburg JurBüro 2008, 495. 79 So auch etwa LG Wuppertal DGVZ 1999, 120; LG Saarbrücken DGVZ 1998, 77; LG Hamburg JurBüro 1998, 212; einschränkend auch OLG Köln Rpfleger 1995, 469. A.A. LG Aschaffenburg JurBüro 1998, 552. 80 Dazu Keller Die eidesstattliche Versicherung nach §§ 807, 899 ZPO; ders, Vom Concursus Creditorum zum Insolvenzplan, 2017, S. 19. 81 Dazu Goebel Der Umfang der neuen Vermögensauskunft, FoVo 2012, 201, 204 f. 667

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§ 802d

Achtes Buch – Zwangsvollstreckung

VIII. Rechtsbehelfe 32 Der Schuldner kann sich gegen die Verpflichtung zur Vermögensauskunft mithilfe der Erinnerung, § 766, zur Wehr setzen.82 Der Gläubiger kann im Wege der Erinnerung, § 766, vom Gerichtsvollzieher die Nachbesserung der Vermögensauskunft erreichen.83

IX. Kosten 33 Der Gerichtsvollzieher erhält für die Abnahme (nicht auch für die Ablehnung)84 der eidesstattlichen Versicherung eine Gebühr nach Maßgabe der Nr. 260 KV-GvKostG; dies gilt nicht für eine Nachbesserung85 oder die Zustellung einer Eintragungsanordnung im Schuldnerverzeichnis.86 Die umstrittene Frage, ob im Falle eines bedingten Vollstreckungsauftrags („sofern sich aus der Vermögensauskunft ergibt, dass pfändbares Vermögen existiert“) eine Gebühr für eine nicht erledigte Gebühr nach Nr. 604, 205 GVKostG-KV in Ansatz gebracht werden kann, ist wegen des Bewertungsaufwands richtigerweise zu bejahen.87

§ 802d Weitere Vermögensauskunft (1)

1

Der Schuldner ist innerhalb von zwei Jahren nach Abgabe der Vermögensauskunft nach § 802c oder nach § 284 der Abgabenordnung nicht verpflichtet, eine weitere Vermögensauskunft abzugeben, es sei denn, ein Gläubiger macht Tatsachen glaubhaft, die auf eine wesentliche Veränderung der Vermögensverhältnisse des Schuldners schließen lassen. 2Besteht keine Pflicht zur Abgabe einer Vermögensauskunft nach Satz 1, leitet der Gerichtsvollzieher dem Gläubiger einen Ausdruck des letzten abgegebenen Vermögensverzeichnisses zu; ein Verzicht des Gläubigers auf die Zuleitung ist unbeachtlich. 3 Der Gläubiger darf die erlangten Daten nur zu Vollstreckungszwecken verarbeiten und hat die Daten nach Zweckerreichung zu löschen; hierauf ist er vom Gerichtsvollzieher hinzuweisen. 4Von der Zuleitung eines Ausdrucks nach Satz 2 setzt der Gerichtsvollzieher den Schuldner in Kenntnis und belehrt ihn über die Möglichkeit der Eintragung in das Schuldnerverzeichnis (§ 882c). (2) Anstelle der Zuleitung eines Ausdrucks kann dem Gläubiger auf Antrag das Vermögensverzeichnis als elektronisches Dokument übermittelt werden, wenn dieses mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen und gegen unbefugte Kenntnisnahme geschützt ist.

Übersicht I.

Gesetzesgeschichte, Normzweck

II. 1.

Schutzwirkung, Anwendungsbereich 5 Drittwirkung

82 83 84 85 86 87

2. 3.

1 2

Dauer der Schutzwirkung 6 Wesentliche Veränderung der Vermögensverhält8 nisse

Gleiches gilt für Dritte, die sich nicht für zur Auskunft verpflichtet halten, BGH NJW-RR 2012, 460. LG Chemnitz DGVZ 2005, 166. LG Frankfurt/O. JurBüro 2004, 216; AG Augsburg DGVZ 2008, 127. OLG Naumburg DGVZ 2017, 210; AG Otterndorf DGVZ 2017, 248; AG Bremen JurBüro 2007, 498. OLG Stuttgart DGVZ 2016, 182. Vgl. zum Meinungsstand ausführlich BeckOK/Fleck Rdn. 46 ff.

Paulus/Loth https://doi.org/10.1515/9783110443158-101

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Abschnitt 2. Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen

III. 1. 2.

Verfahren 12 Bei wirkender Sperrfrist Bei veränderten Vermögensverhältnissen

IV.

Abs. 2, elektronisches Dokument

15

V.

Rechtsbehelfe

VI.

Kosten

§ 802d

17

18

16

I. Gesetzesgeschichte, Normzweck Die Regelung entspricht dem früheren § 903 und ist im Rahmen des Gesetzes zur Reform der 1 Sachaufklärung in der Zwangsvollstreckung1 eingeführt worden. Dabei ist allerdings – in Anpassung an die „modernen, schnell wechselnden Lebensumstände“2 – die Frist, binnen derer der Schuldner vor einer erneuten Erteilung der Vermögensauskunft geschont wird, von drei auf zwei Jahre verkürzt worden. Die zum 1.1.2022 in Kraft getretene Novelle der Vorschrift ist lediglich redaktioneller Natur und beinhaltet keine inhaltliche Änderung.3 Als Zweck der Vorschrift ergibt sich daraus die Abwägung der widerstreitenden Interessen von Schuldner und Gläubiger. Während ersterer möglichst nicht mit der Vermögensauskunft behelligt sein will – immerhin ist die falsche eidesstattliche Versicherung strafbewehrt, § 156 StGB –, will letzterer möglichst tagesaktuelle Informationen erhalten. Das Gesetz gewährt dem Schuldner hier (wie auch im Fall des § 284 AO)4 eine Schonfrist von zwei Jahren, kommt allerdings dem Interesse des Gläubigers dann entgegen, wenn Anhaltspunkte vorgetragen werden, die auf eine Veränderung der Vermögensverhältnisse schließen lassen. Als zusätzlicher Zweck ergibt sich aus dieser Regelung eine Schonung der knappen Ressourcen im Bereich des Gerichtsvollzieherwesens.

II. Schutzwirkung, Anwendungsbereich In der Gesetzesbegründung5 wird angeführt, dass es keinen Anwendungsfall der vorliegenden 2 Norm darstelle, wenn sich „der begründete Verdacht (ergibt), dass die abgegebene Vermögensauskunft unvollständig, ungenau oder widersprüchlich ist“;6 ein Wesentlichkeitserfordernis gibt es hierbei freilich nicht. Bei einer derartigen Nachbesserung7 beruht die gegenüber der zur Zeit der Abfassung8 neue Situation nicht auf einer Änderung der objektiven Fakten, sondern auf subjektivem Erkenntnisgewinn.9 In der Begründung wird unter Hinweis auf Münzberg dazu vorgetragen, dass in diesem Fall das alte Abnahmeverfahren de facto noch nicht beendet worden ist und daher noch zu vervollständigen sei.10 Das könne jederzeit11 – und zwar unbeschadet der 1 2 3 4 5 6

Vom 29.7.2009, BGBl. I, S. 2258. S. zu diesem Reformgesetz Vor § 704 Rdn. 99. BT-Drucks. 16/13432, S. 44. BeckOK/Fleck, § 802d Rdn. 14. BT-Drucks. 16/10069, S. 25 f. BT-Drucks. 16/10069, S. 25 f. Vgl. BGH NJW 2004, 2979; BGH DGVZ 2009, 132; LG Nürnberg-Fürth DGVZ 2005, 165. Zu den häufigsten Nachbesserungsgründen Sturm Die Nachbesserung eines Vermögensverzeichnisses im Überblick, JurBüro 2004, 62. 7 S. auch § 802c Rdn. 13. 8 LG München I Rpfleger 2009, 631; LG Kleve JurBüro 2008, 102. 9 Dazu LG Potsdam InVo 2001, 221; dazu Schmidt InVo 2001, 189; unrichtig dagegen AG Heinsberg DGVZ 2007, 190. Dieser Erkenntnisgewinn kann in begrenztem Umfang durch weitere Fragen des Gläubigers erzielt werden, s. dazu LG Mönchengladbach Rpfleger 2009, 160; LG Oldenburg DGVZ 2006, 138; LG Münster DGVZ 2002, 186; LG Detmold Rpfleger 2001, 310; AG Königswinter JurBüro 2008, 158. 10 Wie vorige Fn. mit Verweis auf Stein/Jonas/Münzberg § 903 Rdn. 5 ff. Musielak/Voit/Voit Rdn. 9, will demgegenüber in diesem Fall ein erneutes Verfahren in Gang gesetzt sehen. 11 Etwa AG Hattingen JurBüro 2008, 384 (dort auch zur entsprechenden Pflicht des Schuldners). A.A. AG Münster DGVZ 2004, 63 (zeitlicher Zusammenhang von maximal sechs Monaten). 669

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Achtes Buch – Zwangsvollstreckung

Zweijahresfrist der vorliegenden Vorschrift (und auch ohne auf deren Ablauf einen Einfluss auszuüben) – nachgeholt werden, und zwar durch jeden Gläubiger.12 Ein Antrag auf Nachbesserung darf durch den Gerichtsvollzieher nicht in einen Antrag auf erneute Abnahme der Vermögensauskunft umgedeutet werden.13 Möglich ist ein solches Verlangen etwa bei fehlender Angabe der Bankverbindung;14 bei Gefahr eines verschleierten Einkommens;15 bei unrichtiger Angabe eines Drittschuldners16 bzw. fehlender Spezifizierung;17 bei Widersprüchen infolge der Bezugnahme auf frühere Auskünfte;18 bei Beschreibung einer Forderung, die eine Pfändung durch den Gläubiger nicht ermöglicht;19 bei unzutreffenden oder fehlenden Angaben über die Vermögensverhältnisse naher Angehöriger, die über die Unpfändbarkeitsvorschriften (§ 850c Abs. 4) Einfluss auf den Erwerb des Schuldners haben können;20 nicht aber bei bloßen vagen Annahmen des Gläubigers und Unterstellungen.21 Dem kann man nicht den Fall gleichsetzen, in dem ein Datenverlust auf dem Computer des 3 Gerichtsvollziehers eingetreten ist;22 dieses Risiko hat der Gläubiger zu tragen, der freilich gegebenenfalls einen Amtshaftungsanspruch nach § 839 BGB geltend machen kann. Die Schutzwirkung der Zweijahresfrist und somit die Anwendbarkeit der vorliegenden Norm 4 bezieht sich allein auf die Selbstauskunft nach § 802c bzw. § 284 AO, nicht auch auf sonstige Vorschriften oder gar auf Auskünfte von dritter Seite wie die nach § 802l Abs. 1; dafür ist aber diese Fristspanne konsequenterweise wieder in § 802j Abs. 3 aufgegriffen, wenn nämlich der Schuldner ungebeugt die sechsmonatige Haft abgesessen hat. Weil eine von einem örtlich unzuständigen Gerichtsvollzieher erhobene Vermögensauskunft wirksam ist, vgl. § 802e Rdn. 8, setzt auch sie die Sperrfrist in Gang.23

1. Drittwirkung 5 Aus der Formulierung der Vorschrift wird deutlich, dass die Sperrfrist absolut zu verstehen ist, dass sie also nicht nur inter partes zwischen dem vollstreckenden Gläubiger und dem Schuldner gilt, sondern gegenüber jedem Gläubiger des Schuldners. Sofern also ein anderer Gläubiger in einem anderen Verfahren und vor einem anderen Gericht die Vermögensauskunft innerhalb der Sperrfrist beantragt, wird ihm gemäß Satz 2 lediglich einen Ausdruck zugeleitet.

12 13 14 15

LG Karlsruhe DGVZ 1999, 156. Zur Nachweispflicht des Gläubigers in derartigen Fällen AG Lindau DGVZ 2000, 124. LG Bremen, JurBüro 2017. AG Dippoldiswalde JurBüro 2009, 665. LG Dessau-Roßlau DGVZ 2009, 65; LG Essen JurBüro 2008, 666; LG Frankenthal JurBüro 2007, 499; LG Stuttgart DGVZ 2007, 127; LG Oldenburg JurBüro 2005, 604; LG Ingolstadt JurBüro 2004, 336; LG Stuttgart DGVZ 2003, 154; LG Regensburg DGVZ 2003, 92; LG Verden JurBüro 2002, 158; LG Dortmund JurBüro 2002, 159; LG Chemnitz DGVZ 2002, 154; LG Mainz DGVZ 2001, 78 (zum Spannungsverhältnis mit Schweigepflicht eines Arztes); LG Bonn NJW-RR 2001, 1295; AG Leer JurBüro 2006, 549; AG Osterholz-Scharmbeck JurBüro 2005, 604. Abweichend LG Nürnberg-Fürth DGVZ 2007, 71; LG Heilbronn JurBüro 2003, 104; LG Potsdam DGVZ 2001, 86 (mit sehr positivistischer Begründung); LG Lüneburg DGVZ 2000, 154; AG Neustadt DGVZ 2005, 110. 16 BGH NJW-RR 2011, 667; s. auch LG Kassel JurBüro 2007, 48. 17 LG Köln DGVZ 2007, 41; LG Frankfurt/O. JurBüro 2004, 216; AG Brake JurBüro 2004, 502. 18 LG Ellwangen DGVZ 2006, 72. 19 BGH NJW 2004, 2452 (zu nennen sind mithin Name und Anschrift des Drittschuldners sowie Höhe der Forderung); LG Verden JurBüro 2010, 552; LG Bielefeld JurBüro 2004, 103; LG Gera JurBüro 2003, 658. Allgemeiner zur Ermöglichung der Zwangsvollstreckung LG Leipzig DGVZ 2007, 189. 20 BGH NJW 2004, 2979; LG Leipzig DGVZ 2010, 232. 21 LG Wuppertal DGVZ 2006, 74 (Älterwerden der Kinder des Schuldners); LG Lüneburg DGVZ 2006, 92 (Beibehaltung eines angemeldeten Gewerbes, vgl. damit LG Köln DGVZ 2005, 182: Zahnarztpraxis). 22 So aber AG Augsburg BeckRS 2014, 06989. 23 Musielak/Voit/Voit Rdn. 2. Paulus/Loth

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Abschnitt 2. Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen

§ 802d

Ausgenommen sind hiervon allein die in § 802k Abs. 2 Satz 2 angesprochenen Vollstreckungsbehörden.24

2. Dauer der Schutzwirkung Die Schutzwirkung zu Gunsten des Schuldners beträgt zwei Jahre.25 Diese sind nach Maßgabe 6 des § 222 zu berechnen, wobei Anfangstermin die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung als konstitutiver Bestandteil der Vermögensauskunft ist.26 Sofern diese auf Grund einer oben, Rdn. 2, angesprochenen Situation zu ergänzen ist, kommt es für den Fristbeginn gleichwohl auf den Ersttermin an; anderenfalls könnte der Schuldner gezielt die Frist in immer größere Länge ziehen. Endtermin der Zweijahresfrist ist der Termin zur Abgabe einer erneuten Vermögensaus- 7 kunft. Davor liegende Termine wie etwa der Antrag des Gläubigers27 oder die Prüfung durch den Gerichtsvollzieher28 bescheren dem Schuldner eine durch nichts gerechtfertigte Verlängerung der Sperrfrist. Der Gerichtsvollzieher kann also den Antrag eines Gläubigers in der Weise bescheiden, dass er anstelle der Zusendung eines Ausdrucks der letzten Vermögensauskunft dem Schuldner einen erneuten Termin nach Ablauf der Zweijahresfrist setzt.29

3. Wesentliche Veränderung der Vermögensverhältnisse Das Schutzinteresse des Schuldners hat nach der gesetzlichen Wertung dann gegenüber dem Erfül- 8 lungsinteresse des Gläubigers zurückzutreten, wenn sich die Vermögenslage des Schuldners seit Abgabe der letzten Vermögensauskunft wesentlich geändert hat. Die Nachweislast hierfür liegt beim Gläubiger, vgl. unten Rdn. 12, 15. Die Frage danach, was unter diesem vom Gesetzgeber bewusst und mit Bedacht gewählten Terminus zu verstehen ist, wird man im Hinblick auf den Telos des neu konzipierten Vollstreckungsrechts zu beantworten haben. Danach soll die Effizienz der Zwangsvollstreckung gesteigert, soll also das Befriedigungsinteresse des Gläubigers stärker in den Vordergrund gerückt werden. Infolgedessen muss es genügen, wenn Tatsachen glaubhaft gemacht werden, die den Vollstreckungserfolg zu erhöhen versprechen. Eine beispielshafte Auflistung zeigt die Vielfalt der Möglichkeiten; bei ihrer konkreten Festle- 9 gung ist immer zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber den Anwendungsbereich erweitert und in den neuen Kontext der Effizienzsteigerung, s. vorige Rdn., gestellt hat. Deswegen geht es nicht an,30 unbesehen die zum früheren, noch enger formulierten § 903 a.F. ergangenen Entscheidungen auf das neue Recht zu übertragen. Zu den Änderungen zählen mithin neue Einnahmequellen (wie neues Arbeits- oder Dienstverhältnis oder die Aufnahme selbständiger Tätigkeit)31 im Gegensatz zur bloßen Fortsetzung der bereits zuvor bestandenen,32 aber auch der Erwerb neuer Vermögensgegenstände33 oder auch der Umstand, dass der Schuldner keine Arbeitslosenhilfe oder sonstige 24 BT-Drucks. 16/10069, S. 25 f. 25 Gilt für alle ab dem 1. Januar 2013 eingehende Anträge, LG Duisburg BeckRS 2013, 10007; LG Bayreuth BeckRS 2013, 08409. Das gilt auch, wenn zuvor noch eine eidesstattliche Versicherung gemäß § 903 a.F. abgegeben worden war, AG Augsburg DGVZ 2013, 102; AG Bad Segeberg BeckRS 2013, 10728; AG Offenbach BeckRS 2013, 07508; a.A. AG Charlottenburg BeckRS 2013, 07061. 26 Musielak/Voit/Voit Rdn. 3. 27 So AG Meißen JurBüro 2006, 330; Zöller/Stöber Rdn. 2; Kindl/Meller-Hannich/Wolf/Sternal Rdn. 3. 28 Musielak/Voit/Voit Rdn. 3. 29 LG Schwerin DGVZ 2016, 191. 30 Paradigmatisch etwa LG Stuttgart DGVZ 2002, 93. 31 LG Leipzig JurBüro 2010, 663; LG Saarbrücken JurBüro 2009, 102; AG Burgwedel DGVZ 2010, 18; AG Forchheim MDR 2007, 430. 32 S. etwa AG Friedberg DGVZ 2011, 92; AG Ludwigsburg DGVZ 2003, 28. 33 AG Lindau DGVZ 2003, 173 (Erbschaft). 671

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Achtes Buch – Zwangsvollstreckung

Sozialleistungen mehr beansprucht. Eine wesentliche Veränderung kann aber auch darin liegen, dass der Schuldner vorhandenes Vermögen verändert, etwa indem er ein bestehendes Arbeitsverhältnis34 bzw. selbständiges Gewerbe35 aufgibt, die Mietwohnung wechselt,36 an einen anderen Ort zieht37 oder ein Konto auflöst.38 Denn auch dadurch wird der Vollstreckungserfolg maßgeblich determiniert. Gleiches gilt für eine Änderung der die Unpfändbarkeitsgrenzen beeinflussenden Einkommensverhältnisse unterhaltsberechtigter Angehöriger des Schuldners, etwa § 850c Abs. 4.39 Was unter wesentlich zu verstehen ist, wird man nur einzelfallbezogen in der Relation der 10 zu vollstreckenden Forderung zu dem Verbesserung der Befriedigungschance bestimmen können;40 als Anhaltspunkt können die Überlegungen zur Vollstreckbarkeit von Minimalforderungen dienen, vgl. dazu Vor § 704 Rdn. 91. Ob jene Gegenstände im Falle ihres tatsächlichen Auffindens und ihrer Zugehörigkeit zum 11 schuldnerischen Vermögen zu denjenigen Vermögenswerten gehören, die den Schuldnerschutzvorschriften der §§ 811, 850 ff. unterliegen, ist zumindest dann erst im Rahmen der Vermögensauskunft festzustellen, wenn es sich nicht um evidente Zugehörigkeiten (wie etwa Haushaltsgeräte nach § 811 Abs. 1 Nr. 1) handelt.41

III. Verfahren 1. Bei wirkender Sperrfrist 12 Der Gerichtsvollzieher wird auf Antrag eines Gläubigers tätig, hat dann aber die Zweijahresfrist von Amts wegen zu beachten.42 Kann der Gläubiger sein Begehren nicht glaubhaft machen, oder ist die Zweijahresfrist noch nicht abgelaufen, erhält der Gläubiger lediglich einen Abdruck der jüngsten, die zu diesem Zeitpunkt die Sperrfrist noch bewahrenden Vermögensauskunft.43 Alternativ kann der Gerichtsvollzieher – insbesondere wenn der Ablauf der Frist kurz bevorsteht – den Termin zur erneuten Auskunft so festlegen, dass er nach dem Ablauf der Frist liegt, vgl. oben Rdn. 7. Aus der Formulierung des Gesetzes („zuleiten“) wird man folgern dürfen, dass auch eine Übersendung in elektronischer Form möglich ist. Freilich kann der Gläubiger seinen Antrag auch so stellen, dass er allein die Zuleitung eines Ab13 drucks erbittet, oder dass er um eine solche Zuleitung nur für den Fall bittet, dass die Sperrfrist noch 34 Vgl. LG Wuppertal DGVZ 2010, 232; LG Aurich JurBüro 2008, 499; LG Wiesbaden DGVZ 2007, 189; LG Freiburg DGVZ 2005, 166; LG Bonn NJW-RR 2003, 72; LG Schweinfurth DGVZ 2002, 155 (Aufgabe einer Nebentätigkeit); LG Ellwangen JurBüro 2001, 269. 35 LG Münster DGVZ 2000, 27; LG Frankfurt/O. MDR 1998, 369. 36 LG Kassel Rpfleger 2005, 39; AG Villingen-Schwenningen DGVZ 2017, 132; Schönemann Erneute eidesstattliche Versicherung gemäß § 903 ZPO bei Wohnungswechsel, DWW 2009, 255. Zur Pfändbarkeit des Rückzahlungsanspruchs eines Mieters wegen der Mietkaution AG Warburg DGVZ 2001, 11. 37 Dazu LG Heidelberg DGVZ 2006, 70; LG Frankfurt/M. DGVZ 2004, 44 (pauschaler Vortrag); LG Frankfurt DGVZ 2004, 44 (konkreter Vortrag). 38 A.A. h.M.: BGH NJW-RR 2007, 1007; LG Limburg DGVZ 2010, 60; LG Marburg DGVZ 2006, 180; LG Wuppertal DGVZ 2004, 186; LG Bochum DGVZ 2002, 76; LG Kassel Rpfleger 1997, 74; AG Ludwigslust Rpfleger 2009, 578; Keller/Keller HdB ZV 2. 110. Wie hier LG Göttingen DGVZ 2003, 41; AG Braunschweig DGVZ 2005, 190. 39 S. demgegenüber etwa Kreutzkam JurBüro 2008, 231, 232. S. auch oben Fn. 17. Unrichtig daher AG Emmendingen DGVZ 2005, 45; AG Saarbrücken DGVZ 2000, 42. 40 Vgl. AG Haßfurt DGVZ 2009, 83 (allerdings mit unzureichender Sachverhaltsmitteilung); AG Ludwigsburg DGVZ 2001, 31. 41 Teilweise a.A. Kindl/Meller-Hannich/Sternal Rdn. 6. S. ferner OLG München DGVZ 2001, 84, 85. 42 Kindl/Meller-Hannich/Wolf/Sternal Rdn. 3. Zum Verfahren s. auch Schmidt Die Ohnmacht des Gläubigers – Disziplinierung, Abstrafung oder mehr? DGVZ 2006, 109. 43 Zu dem hierbei zu beachtenden Verfahren Seip Zur Pflicht des Gerichtsvollziehers, dem Drittgläubiger gemäß § 802d Abs. 1 S. 2 ZPO einen Abdruck des Vermögensverzeichnisses zuzuleiten[…], DGVZ 2016, 23. Paulus/Loth

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nicht abgelaufen sein sollte.44 Desgleichen kann er in seinem Antrag anregen, dass der Gerichtsvollzieher die Terminierung so vornimmt, dass die erneute Auskunft außerhalb der Sperrfrist liegt. Die seinerzeit angestellten Überlegungen, ob dem Gläubiger ein Recht zusteht, auf die Zusendung eines Ausdrucks zu verzichten,45 sind durch die Ergänzung des Abs. 1 S. 2 obsolet geworden.46 Dadurch, dass ein Verzicht unbeachtlich gestellt ist, kann der Gerichtsvollzieher diesen ignorieren, ohne deswegen dazu gezwungen zu sein; er kann also von einer Zusendung durchaus absehen. Die bei der Zuleitung eines Abdrucks vorgeschriebenen Modalitäten, Abs. 1 S. 3 und 4, einer 14 Zuleitung zeigen besonders deutlich die Sorgsamkeit des Gesetzgebers bei der Abwägung der im Spiele stehenden Interessen von Gläubiger und Schuldner, vgl. oben Rdn. 1. Beiden Parteien ist nämlich mit der Zuleitung eine „Warnung“ durch den Gerichtsvollzieher mitzugeben: Dem Gläubiger, dass er die empfangenen Daten einzig und allein zur Zwangsvollstreckung wegen – originär eigener (also nicht auch abgetretener) – Forderungen47 verwenden darf, und dass er sie nach Nutzung aus datenschutzrechtlichen Gründen zu vernichten hat;48 dem Schuldner, dass ihm auf Grund der Zuleitung und ihrer eigenen Erwähnung in § 882c Abs. 1 Nr. 3 eine erneute Eintragungsanordnung in das Schuldnerverzeichnis droht. Dann nämlich, wenn er die Gläubigerforderung nicht binnen eines Monats erfüllt.

2. Bei veränderten Vermögensverhältnissen Kann der Gläubiger dagegen die für eine vorzeitige Auskunftspflicht erforderlichen Umstände dem 15 Gerichtsvollzieher gegenüber nach Maßgabe des § 294 glaubhaft machen, wird das in § 802c beschriebene Verfahren in Gang gesetzt und es kommt zu einer neuen (und nicht nur fortgesetzten) Vermögensauskunft.49 Dabei ist zu beachten, dass es bereits genügt, wenn der Gläubiger die Tatsachen glaubhaft (und damit überwiegend wahrscheinlich) macht, die ihrerseits dann auf eine wesentliche Veränderung schließen lassen;50 die Veränderung selbst muss er also gerade nicht glaubhaft machen.51 Stellt sich im Zuge des erneuten Verfahrens heraus, dass die Vermögensgegenstände bei der früheren Vermögensauskunft vom Schuldner lediglich verborgen worden sind, ist das alte Verfahren fortzusetzen, s. oben Rdn. 2. Der Schuldner hat die Befugnis, der Glaubhaftmachung zu widersprechen (Gegenglaubhaftmachung52 in Analogie zur Erhebung eines Gegenbeweises).

44 Der Antrag kann auch darauf beschränkt werden, dass lediglich eine Nachbesserung, oben Rdn. 2, der bestehenden Vermögensauskunft erfolgen soll, AG Cloppenburg JurBüro 2011, 217.

45 S. etwa BGH DGVZ 2017, 15; OLG Schleswig DGVZ 2015, 88; OLG Düsseldorf DGVZ 2014, 264 (hanebüchene Entscheidungen, bei denen es um die Erhebung von Gebühren geht). 46 Durch das Gesetz zur Durchführung der Verordnung (EU) Nr. 655/2014 sowie zur Änderung sonstiger zivilprozessualer, grundbuchrechtlicher und vermögensrechtlicher Vorschriften und zur Änderung der Justizbeitreibungsordnung (EuKoPfVODG) vom 21. November 2016. Zu dessen Geltungsbeginn BGH MDR 2018, 229 (nur für Anträge nach dem 26.11.2016). 47 Mroß Anwälte müssen umlernen: Neue Möglichkeiten in der Zwangsvollstreckung, AnwBl 2013, 16, 20, will demgegenüber den zugeleiteten Abdruck als allein für die eine Forderung verwendbar ansehen, die Grundlage des Auskunftsantrags ist. 48 Eine Sanktion ist für diese Pflicht nicht vorgesehen, vgl. Musielak/Voit Rdn. 6. S. ferner § 802k Abs. 3. 49 Dazu LG Waldshut-Tiengen JurBüro 2003, 547; Schmidt Das Vermögensverzeichnis gemäß § 903 ZPO, DGVZ 2006, 67. 50 LG Saarbrücken JurBüro 2009, 102; LG Berlin JurBüro 2008, 215; LG Weiden DGVZ 2005, 140; LG Köln DGVZ 2004, 172; LG Hechingen JurBüro 2002, 383; LG Landshut JurBüro 2002, 271; LG Bremen JurBüro 2002, 210; LG Köln JurBüro 2001, 659; AG Bergisch-Gladbach JurBüro 2005, 378; AG Halle-Saalkreis JurBüro 2005, 378; AG Leipzig JurBüro 2004, 557; AG Hamburg DGVZ 1999, 158. 51 Speziell im Hinblick auf Selbständige Schmidt Vollstreckungsschutz für Selbständige, DGVZ 2007, 18 in Besprechung von LG Lüneburg DGVZ 2006, 92; ferner LG Stuttgart DGVZ 2005, 75; LG Heilbronn DGVZ 2000, 38; AG Bad Wildungen DGVZ 2001, 135. 52 Kindl/Meller-Hannich/Sternal Rdn. 9. 673

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§ 802e

Achtes Buch – Zwangsvollstreckung

IV. Abs. 2, elektronisches Dokument 16 Die durch das Justizkommunikationsgesetz53 in Anlehnung an § 299 Abs. 3 S. 1 eröffnete Möglichkeit zur Übersendung der Vermögensauskunft in elektronischer Form (etwa als pdf-Datei) stellt eine Modernisierung und Vereinfachung der Verfahrensabläufe dar. Dabei ist das Dokument allerdings vor unbefugter Einsichtnahme durch Dritte zu schützen; es ist mithin zu verschlüsseln und muss zum Nachweis der Autorisation mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen werden.

V. Rechtsbehelfe 17 Schuldner wie Gläubiger können sich der Erinnerung nach § 766 bedienen, wenn und soweit sie der Auffassung sind, dass die Voraussetzungen für eine erneute Vermögensauskunft vorliegen bzw. nicht vorliegen. Der Gläubiger kann sich ferner im Wege der Erinnerung, § 766, dagegen wehren, wenn der Gerichtsvollzieher eine Nachbesserung, Rdn. 2., verweigert hat.54

VI. Kosten 18 Für Rechtsanwälte stellt das Verfahren zur Abnahme der Vermögensauskunft eine besondere Angelegenheit dar, § 18 Abs. 1 Nr. 16 RVG; für sie gilt die Nr. 3309 der Anlage 1 RVG.55 Für den Gerichtsvollzieher ist die Durchführung einer erneuten Abnahme der Vermögensauskunft ein gesondertes Verfahren, das unter die Nr. 260 der Anlage des GvKostG fällt; dieser Kostenfaktor darf nicht dadurch herbeigeführt werden, dass ein vom Gläubiger ausdrücklich zur Nachbesserung gestellter Antrag vom Gerichtsvollzieher in einen solchen auf erneute Vermögensauskunft „umgedeutet“ wird.56 Für die Zuleitung eines Abdrucks ist die Nr. 261 einschlägig.57

§ 802e Zuständigkeit (1) Für die Abnahme der Vermögensauskunft und der eidesstattlichen Versicherung ist der Gerichtsvollzieher bei dem Amtsgericht zuständig, in dessen Bezirk der Schuldner im Zeitpunkt der Auftragserteilung seinen Wohnsitz oder in Ermangelung eines solchen seinen Aufenthaltsort hat.

53 Gesetz vom 22.3.2005, BGBl. I S. 837. 54 BGH NJW-RR 2008, 1163; LG Berlin Rpfleger 2007, 482. S. auch LG Limburg DGVZ 2005, 183. 55 Ausführlich hierzu Enders Anwaltsvergütung in der Zwangsvollstreckung – Rund um die Vermögensauskunft, JurBüro 2013, 1.

56 So aber gutgeheißen von AG Heidelberg JurBüro 2007, 327; richtig demgegenüber AG Öhringen JurBüro 2003, 105. 57 Hierzu OLG Köln DGVZ 2016, 13; OLG Karlsruhe, DGVZ 2016, 228; Richter Zur Anrechung der KV 261 (…) auf eine erhobene Nichterledigungsgebühr KV 260 GvKostG, DGVZ 2016, 172. Zu den Kosten eines Nachbesserungsantrags AG Verden JurBüro 2008, 441; AG Emmerich JurBüro 2008, 441; AG Flensburg JurBüro 2008, 160; AG Bremen JurBüro 2007, 438; AG Syke JurBüro 2006, 495; AG Rahden JurBüro 2006, 269; Seip Der unbegründete Auftrag zur Nachbesserung des Vermögensverzeichnisses und seine kostenrechtliche Behandlung, DGVZ 2004, 121; Winterstein Das Nachbesserungsverfahren der eidesstattlichen Versicherung und dessen Kostenbehandlung, DGVZ 2004, 119. Bei Ablehnung des Antrags LG Bonn DGVZ 2006, 92; AG Hannover DGVZ 2006, 1423; AG Bad Neuenahr-Ahrweiler DGVZ 2006, 183; AG Saarbrücken JurBüro 2006, 496; AG Unna NJW-RR 2004, 1727; AG Berlin-Tiergarten DGVZ 2002, 77; anders LG Dresden JurBüro 2005, 608; LG Verden JurBüro 2003, 543; AG Lindau DGVZ 2004, 157. AG Cloppenburg JurBüro 2005, 607, gestattet nur die Erstattung einer Auslagenpauschale. Paulus/Loth https://doi.org/10.1515/9783110443158-102

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Abschnitt 2. Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen

§ 802e

(2) Ist der angegangene Gerichtsvollzieher nicht zuständig, so leitet er die Sache auf Antrag des Gläubigers an den zuständigen Gerichtsvollzieher weiter.

Übersicht I.

Gesetzesgeschichte, Normzweck

II. 1.

2 Verfahren Bei Zuständigkeit

1

2.

Bei Unzuständigkeit

III.

Kosten

7

9

3

I. Gesetzesgeschichte, Normzweck Die Regelung des Abs. 1 entspricht dem früheren § 899 und ist im Rahmen des Gesetzes zur Reform 1 der Sachaufklärung in der Zwangsvollstreckung1 eingeführt worden. Sie legt für den Gerichtsvollzieher2 die örtliche und funktionelle Zuständigkeit für die in Abs. 1 genannten Handlungen fest; auch hierbei ist die Ausschließlichkeit des § 802 zu beachten.3

II. Verfahren Die in der vorliegenden Vorschrift vorgenommene Unterscheidung zwischen Zuständigkeit und 2 Unzuständigkeit bemisst sich in örtlicher Hinsicht nach dem Wohnsitz des Schuldners bzw. dessen Aufenthaltsort, in zeitlicher Hinsicht nach der „Auftragserteilung“ an den Gerichtsvollzieher. Die Zuständigkeit ist von dem Gerichtsvollzieher nunmehr explizit von Amts wegen zu prüfen.4

1. Bei Zuständigkeit Um zuständig für die Vermögensauskunft und die eidesstattliche Versicherung zu sein, muss der 3 Wohnort des Schuldners bzw. dessen Aufenthaltsort in dem Amtsgerichtsbezirk belegen sein, für den der Gerichtsvollzieher zuständig ist.5 Was zunächst den Wohnsitz anbelangt, so ergibt sich dieser für natürliche Personen aus den Vorschriften der §§ 7 bis 11 BGB. Das gilt auch dann, wenn der Schuldner prozessunfähig6 ist, nur eingeschränkt auch, wenn er betreut ist; hier steht dem Gerichtsvollzieher ein pflichtgemäßes Ermessen zu, ob der Betreute oder der Betreuer die Auskünfte zu erteilen hat.7 Hat ein Schuldner nach näherer Maßgabe des § 7 Abs. 2 BGB mehrere 1 Vom 29.7.2009, BGBl. I, S. 2258. S. zu diesem Reformgesetz Vor § 704 Rdn. 99. 2 Hierzu Seip Vermögensoffenbarung beim Gerichtsvollzieher, InVo 1998, 214; Steder Übertragung des Verfahrens zur Abnahme der eidesstattlichen Versicherung auf den Gerichtsvollzieher, Rpfleger 1998, 409. 3 Für die Abnahme einer eidesstattlichen Versicherung im Rahmen eines Insolvenzverfahrens s. allerdings § 98 InsO; hier liegt die Zuständigkeit beim Richter bzw. Rechtspfleger, vgl. Schmerbach Zuständigkeit des Insolvenzgerichts zur Abnahme von eidesstattlichen Versicherungen, NZI 2002, 538; MünchKomm-InsO/Stephan § 98 Rdn. 11, 25. S. ferner Kindl/Meller-Hannich/Sternal Rdn. 3. Zur Nachbesserung einer eidesstattlichen Versicherung, die im Rahmen des § 284 Abs. 1 AO vor der Vollstreckungsbehörde abgegeben worden ist, ist der Gerichtsvollzieher zuständig, LG Stuttgart DGVZ 2003, 58; LG Neuruppin DGVZ 2002, 175; AG Wuppertal DGVZ 2007, 77. 4 BT-Drucks. 16/10069, S. 26. 5 S. dazu § 14 GVO; ist der Amtsgerichtsbezirk in mehrere Gerichtsvollzieherbezirke unterteilt, § 2 Satz 2 GVO, wird der angegangene Gerichtsvollzieher den Antrag an den zuständigen Kollegen abgeben, s. auch §§ 10 GVO, 185c GVGA. 6 BeckOK/Fleck, Rdn. 7; Thomas/Putzo/Seiler Rdn. 2. 7 BGH NJW-RR 2009, 1; s. auch Harnacke Zwangsvollstreckung gegen Personen, die unter Betreuung stehen bzw. die sich in einem die freie Willensbildung ausschließenden Geisteszustand befinden, DGVZ 2000, 161, 163. 675

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§ 802e

Achtes Buch – Zwangsvollstreckung

Wohnsitze, so hat der Gläubiger das Wahlrecht des § 35, an welchen Gerichtsvollzieher er sich wendet. Bezüglich des Aufenthaltsortes genügt in Ermangelung eines Wohnsitzes auch ein kurzfristiger Aufenthalt.8 4 Der für die Festlegung der Zuständigkeit entscheidende Zeitpunkt ist grundsätzlich der der „Auftragserteilung.“9 Da diese in § 753 geregelt ist, lässt sich der Zeitpunkt noch dahingehend präzisieren, dass es auf den Eingang des Gläubigerantrags ankommt, in dem die Abnahme der entsprechenden Erklärungen erbeten wird. Ändert der Schuldner nach diesem Zeitpunkt seinen Wohnsitz, ist das für die Zuständigkeit des Gerichtsvollziehers unerheblich; es gelten also insofern die Grundsätze der perpetuatio fori.10 Hat der Gläubiger allerdings den Antrag in der Weise gestellt, dass die Vermögensauskunft erst dann gefordert werden solle, wenn sich herausstellt, dass der primär gestellte Vollstreckungsauftrag nicht zur vollen Befriedigung der Forderung führt,11 ist maßgeblicher Zeitpunkt derjenige, zu dem der die Vollstreckung durchführende Gerichtsvollzieher erkennt, dass keine volle Befriedigung erzielt werden kann.12 Ein danach erfolgter Wegzug des Schuldners ändert nichts an der Zuständigkeit des angerufenen Gerichtsvollziehers.13 5 Bezüglich des Aufenthaltsorts gilt zunächst, dass diese Anknüpfung nur subsidiär zum Zuge kommt („in Ermangelung“), also nur dann, wenn der Schuldner keinen Wohnsitz im vorbeschriebenen Sinn hat. Sodann ist vorab die Sonderregelung des § 802i Abs. 1 für den inhaftierten Schuldner14 zu beachten. Da mit dem Anknüpfungspunkt des Aufenthaltsorts dem Gläubiger also eine Möglichkeit zur Informationsbeschaffung eröffnet werden soll,15 auch wenn der Schuldner keinen Wohnsitz in Deutschland16 hat, ist unter Aufenthalt jeder Ort zu verstehen, an dem sich der Schuldner auch nur kurzfristig aufhält; der BGH hat zutreffenderweise sogar eine Durchreisestation als ausreichend erachtet.17 Zum Schutze der Interessen des Gläubigers sind mithin keine weiteren Anforderungen an den Aufenthaltsort zu stellen – etwa, dass es sich dabei um einen gewöhnlichen Aufenthaltsort handeln müsse.18 Bei unbekanntem Aufenthalt besteht allerdings keinerlei Zuständigkeit, also auch nicht eine an dem Ort, wo sich der Schuldner zuletzt bekanntermaßen aufgehalten hatte.19 6 Handelt es sich bei dem Schuldner um eine juristische Person,20 wird man in Erweiterung des in der vorliegenden Norm zum Ausdruck kommenden Regelungskonzepts als den für die Zuständigkeit maßgeblichen Ort den des Sitzes gemäß § 24 BGB (s. auch § 17) ansehen müssen,21 8 BGH NJW 2008, 3288. 9 Dazu (übertrieben eng) LG Ellwangen DGVZ 2018, 146. 10 BT-Drucks. 16/10069, S. 26; LG Mönchengladbach Rpfleger 2002, 529; LG Köln Rpfleger 1999, 549; BayObLG Rpfleger 1994, 471. Zu den Kosten bei Unauffindbarkeit des Schuldners LG Wuppertal DGVZ 2018, 260.

11 Zu einem derartigen „Kombiauftrag“ etwa Seip Erledigung des bedingten Pfändungsauftrages, der in Verbindung mit dem Antrag auf Vermögensauskunft erteilt wird, DGVZ 2015, 75; Grandel FF 2013, 15, 18; Schmidt Der „Kombi/ Verbundauftrag“ mit eidesstattlicher Versicherung und das „richtige“ Rechtsmittel, DGVZ 2000, 35. Zu den dabei entstehenden Kosten s. § 802c Rdn. 33. 12 BGH NJW 2008, 3288; AG Frankfurt/M. JurBüro 2011, 271. 13 AG Reinbek DGVZ 2001, 46. 14 Eine Freiheitsstrafe außerhalb des vorliegend thematisierten Haftverfahrens führt zu einer Änderung des Wohnsitzes erst ab einer gewissen Dauerhaftigkeit, AG Essen DGVZ 2009, 17; Saenger/Rathmann Rdn. 1. 15 Die Ermittlung des Aufenthaltsorts obliegt dem Gerichtsvollzieher, s. § 17 GVO. 16 Dazu Saenger/Rathmann Rdn. 2. 17 BGH NJW 2008, 3288. 18 So aber noch OLG Frankfurt JurBüro 1978, 131. 19 AG Neustadt DGVZ 2009, 17; a.A. LG Kempten JurBüro 2006, 101. In einem derartigen Fall muss die Ladung öffentlich erfolgen. 20 Dazu etwa Riecke Das Verfahren zur Abnahme der eidesstattlichen Versicherung bei einer GmbH als Schuldner, DGVZ 2003, 33 (auch zu LG Zwickau Rpfleger 1995, 371: in Deutschland belegene Niederlassung einer liechtensteinischen Gesellschaft). 21 Zutreffend AG Hamburg DGVZ 2016, 32; vgl. auch KG DGVZ 2022, 195; AG Offenbach DGVZ 2009, 151 – auch für den Fall, dass die juristische Person am Ort des Sitzes kein Büro und keinen Geschäftsbetrieb hat; LG Bochum Rpfleger 2001, 442; AG Magdeburg JurBüro 2001, 112. Paulus/Loth

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Abschnitt 2. Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen

§ 802f

nicht aber den Wohnort des Auskunft gebenden gesetzlichen Vertreters.22 Bei einer ausländischen juristischen Person richtet sich die Zuständigkeit entweder nach § 21 bzw. § 23, sofern der Schuldner im Inland keine Niederlassung hat.

2. Bei Unzuständigkeit Kommt der zunächst angegangene Gerichtsvollzieher bei seiner amtswegigen Prüfung zum Ergeb- 7 nis seiner eigenen Unzuständigkeit, hat er den Antrag auf Abnahme der Vermögensauskunft und deren eidesstattliche Versicherung zurückzuweisen. Sofern der Gläubiger allerdings einen entsprechenden Antrag gestellt hat,23 hat der Gerichtsvollzieher selbst den Antrag an den seines Erachtens zuständigen Gerichtsvollzieher weiterzuleiten, Abs. 2, und den Gläubiger hiervon zu unterrichten, vgl. § 20 Abs. 2 GVO. Der Gläubiger hat außerdem diesem Informationsanspruch kein Recht auf Anhörung.24 Der zweitangegangene Gerichtsvollzieher ist an diese Abgabe nicht gebunden, kann also seinerseits den Antrag erneut weiterleiten.25 Ist das Ergebnis der amtswegigen Prüfung bei objektiver Betrachtung der Dinge unrichtig – 8 weil die angenommene (Un-)Zuständigkeit objektiv nicht besteht (das ist insbesondere bei Schuldnern mit wechselndem Aufenthaltsort leicht möglich) –, stellt sich die Frage nach der Wirksamkeit und Gültigkeit von Vermögensauskunft und deren eidesstattlichen Versicherung. Aus Praktikabilitätsgründen wird man sagen können und müssen, dass das durch einen örtlich unzuständigen Gerichtsvollzieher vorgenommene Verfahren volle Wirksamkeit entfaltet.26

III. Kosten Zu den Gebühren für die Abnahme der Vermögensauskunft s. § 1 GvKostG mit Nr. 260. Beachte, 9 dass Nr. 262 einen Gebührentatbestand nur für die Fälle einer eidesstattlichen Versicherung nach den §§ 836 Abs. 3 und 883 Abs. 2 vorsieht.

§ 802f Verfahren zur Abnahme der Vermögensauskunft (1)

1

Zur Abnahme der Vermögensauskunft setzt der Gerichtsvollzieher dem Schuldner für die Begleichung der Forderung eine Frist von zwei Wochen. 2Zugleich bestimmt er für den Fall, dass die Forderung nach Fristablauf nicht vollständig beglichen ist, einen Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft alsbald nach Fristablauf und lädt den Schuldner zu diesem Termin in seine Geschäftsräume. 3Der Schuldner hat die zur Abgabe der Vermögensauskunft erforderlichen Unterlagen im Termin beizubringen. 4Der Fristsetzung nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn der Gerichtsvollzieher den Schuldner bereits zuvor zur Zahlung aufgefordert hat und seit dieser Aufforderung zwei Wochen verstrichen sind, ohne dass die Aufforderung Erfolg hatte. (2) 1Abweichend von Absatz 1 kann der Gerichtsvollzieher bestimmen, dass die Abgabe der Vermögensauskunft in der Wohnung des Schuldners stattfindet. 2Der Schuldner kann dieser Bestimmung binnen einer Woche gegenüber dem Gerichtsvollzieher widerspre-

22 Das gilt auch dann, wenn dieser Wohnort im Inland ist, der Schuldner selbst aber eine ausländische Gesellschaft ist, OLG Köln OLG-Report 2004, 157. 23 Zweckmäßigerweise wird ein Gläubiger diesen Antrag hilfsweise zugleich mit dem Erstantrag stellen. 24 Kindl/Meller-Hannich/Sternal Rdn. 10. 25 Musielak/Voit//Voit Rdn. 3. 26 BT-Drucks. 16/10069, S. 26; s. auch § 10 Nr. 4 GVO. 677 https://doi.org/10.1515/9783110443158-103

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§ 802f

(3)

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(5)

(6)

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chen. 3Andernfalls gilt der Termin als pflichtwidrig versäumt, wenn der Schuldner in diesem Termin aus Gründen, die er zu vertreten hat, die Vermögensauskunft nicht abgibt. 1 Mit der Terminsladung ist der Schuldner über die nach § 802c Abs. 2 erforderlichen Angaben zu belehren. 2Der Schuldner ist über seine Rechte und Pflichten nach den Absätzen 1 und 2, über die Folgen einer unentschuldigten Terminssäumnis oder einer Verletzung seiner Auskunftspflichten sowie über die Möglichkeit der Einholung von Auskünften Dritter nach § 802l und der Eintragung in das Schuldnerverzeichnis bei Abgabe der Vermögensauskunft nach § 882c zu belehren. 1 Zahlungsaufforderungen, Ladungen, Bestimmungen und Belehrungen nach den Absätzen 1 bis 3 sind dem Schuldner zuzustellen, auch wenn dieser einen Prozessbevollmächtigten bestellt hat; einer Mitteilung an den Prozessbevollmächtigten bedarf es nicht. 2 Dem Gläubiger ist die Terminsbestimmung nach Maßgabe des § 357 Abs. 2 mitzuteilen. 1 Der Gerichtsvollzieher errichtet in einem elektronischen Dokument eine Aufstellung mit den nach § 802c Absatz 1 und 2 erforderlichen Angaben (Vermögensverzeichnis). 2 Diese Angaben sind dem Schuldner vor Abgabe der Versicherung nach § 802c Abs. 3 vorzulesen oder zur Durchsicht auf einem Bildschirm wiederzugeben. 3Dem Schuldner ist auf Verlangen ein Ausdruck zu erteilen. 1 Der Gerichtsvollzieher hinterlegt das Vermögensverzeichnis bei dem zentralen Vollstreckungsgericht nach § 802k Abs. 1 und leitet dem Gläubiger unverzüglich einen Ausdruck zu. 2Der Ausdruck muss den Vermerk enthalten, dass er mit dem Inhalt des Vermögensverzeichnisses übereinstimmt; § 802d Abs. 1 Satz 3 und Abs. 2 gilt entsprechend.

Übersicht I.

Normzweck/Gesetzesentwicklung

1

II. 1. 2. 3.

Vermögensauskunft in den Geschäftsräumen des 2 Gerichtsvollziehers 4 Zahlungsfrist 5 Terminbestimmung 8 Beibringungspflicht

III. 1. 2.

Abgabe in der Wohnung des Schuldners Bestimmung durch Gerichtsvollzieher Widerspruch und Interessenausgleich

IV.

Belehrungen

V.

Zustellungs- und Mitteilungserfordernis

VI. 1. 2. 3. 4.

19 Der Ablauf des Termins 20 Anwesende Personen 22 Elektronisches Dokument Genehmigung und eidesstattliche Versicherung 25 durch den Schuldner 26 Ausdruck für Schuldner

VII. Hinterlegung und Gläubigerausdruck 9 10

30

VIII. Rechtsmittel IX.

Kosten

27

32

12 16

I. Normzweck/Gesetzesentwicklung 1 Die Vorschrift regelt zum einen das Verfahren zur Abnahme der Vermögensauskunft. Zum anderen sind in ihr – auch wenn die Überschrift dies nicht ohne weiteres vermuten lässt1 – auch deren Voraussetzungen hinterlegt. Sie trägt dem rechtsstaatlichen Gebot präziser Transparenz der einem Bürger potentiell drohenden Verfahrensschritte Rechnung. Über die Erinnerungsbefugnis des § 766 ist einem Schuldner damit die weitgehende Berechenbarkeit dessen gegeben, was im Falle einer Nichtbegleichung der titulierten Schuld auf ihn zukommt und womit er zu rechnen 1 Aus diesem Grund sieht die geplante Änderung der Norm auch eine Anpassung der Überschrift vor, vgl. noch Rdn. 1a. Paulus/Loth

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Abschnitt 2. Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen

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hat. Indem die vorliegende Norm in der Verfahrensausgestaltung eine fein austarierende Interessenabwägung vornimmt, ist sie unbeschadet – oder besser wohl: gerade wegen – ihrer Technizität eine besonders bedeutsame Vorschrift des Zwangsvollstreckungsrechts. Der Gesetzgeber beabsichtigt in einem Entwurf eines Gesetzes zur Förderung des Einsatzes 1a von Videokonferenztechnik in der Zivilgerichtsbarkeit und den Fachgerichtsbarkeiten2 die Möglichkeit der Abnahme der Vermögensauskunft im Wege der Bild- und Tonübertragung. Neben dieser Option, auf die physische Präsenz des Schuldners zu verzichten, sieht der Referentenentwurf eine Neugliederung sowie redaktionelle Änderungen vor, um die Lesbarkeit und Verständlichkeit der Norm zu verbessern.3

II. Vermögensauskunft in den Geschäftsräumen des Gerichtsvollziehers Aus dem Zusammenspiel der Absätze 1 und 2 ergibt sich die Differenzierung danach, wo die 2 Vermögensauskunft zu erteilen ist: in den Geschäftsräumen des Gerichtsvollziehers, Abs. 1, oder in der Wohnung des Schuldners, Abs. 2.4 Die entsprechende Mitteilung hat der Gerichtsvollzieher dem Schuldner schriftlich in der Weise mitzuteilen, dass die nachfolgend beschriebenen Informationen zusätzlich zu den in Abs. 3 vorgeschriebenen Belehrungen, s. Rdn. 12 ff., allesamt enthalten sind. Auch wenn es banal erscheinen mag, sei an dieser Stelle der Hinweis gestattet, dass die Aussage des § 184 GVG, dass nämlich die Gerichtssprache deutsch ist, nicht nur als platte Aussage einer Selbstverständlichkeit, sondern so zu verstehen ist, dass Verständlichkeit für den jeweiligen Empfängerhorizont angestrebt wird.5 Handelt es sich bei dem Schuldner um keine natürliche Person, sondern um eine Personen- 3 mehrheit oder eine juristische Person, ist die Ladung an diese Gesellschaft, vertreten durch den gesetzlichen Vertreter, zu richten.6

1. Zahlungsfrist Indem der Gerichtsvollzieher dem Schuldner (einmalig7) eine Frist von zwei Wochen zu setzen 4 hat, kehrt hier die rechtshistorische Figur der sog. Paritionsfrist – also einer „Toleranzfrist“8 für den laut Titel zur sofortigen Leistung verpflichteten Schuldner9 – gleichsam durch den Nebeneingang wieder auf. Die Zweiwochenfrist ist dabei aus dem § 807 Abs. 1 Nr. 4 a.F. übernommen worden, aber immerhin in der Hinsicht verschärft worden, dass mit ihrer Festlegung zugleich die Mitteilung verbunden werden muss, dass alsbald danach die Vermögensauskunft zu erteilen ist. Da die Frist eine Vorwarnung für den Schuldner hinsichtlich der potentiellen Konsequenzen einer Nichterfüllung seiner Leistungspflicht darstellt, erscheint es zur Betonung der Nachdrücklichkeit 2 Derzeit als Referentenentwurf vom 23.11.2022 auf den Internetseiten des BMJ abrufbar. 3 RefE S. 52. 4 Einen weiteren Ort sieht das Gesetz (derzeit, siehe oben) nicht vor; gleichwohl will die h.M. nach überkommener Rechtsauffassung mit gutem Grund an der früheren Auffassung festhalten, dass bei einem langen Krankenhausaufenthalt des Schuldners die Vermögensauskunft auch dort in einem gesonderten Raum vorgenommen werden könne; vgl. nur OLG Jena Rpfleger 1997, 446, Kindl/Meller-Hannich/Sternal Rdn. 19. Gleiches wird man bei einem langen Aufenthalt in einer JVA annehmen können. 5 Vgl. Paulus Ein Plädoyer für unscheinbare Normen, JuS 1994, 367 (§ 184 GVG wurde als Schutz für den Rechtsunterworfenen vor der Unverständlichkeit der Entscheider eingeführt und sollte daher jetzt nicht als Waffe gegen ihn gerichtet werden). 6 BGH NJW-RR 2012, 460 (zur Verwalterin einer WEG). 7 Zutreffend LG München DGVZ 2018, 254 (dort war die Frist bereits in einem vorgelagerten Schriftverkehr eingeräumt worden). 8 BT-Drucks. 16/10069, S. 26. 9 S. dazu § 724 Rdn. 1 sowie § 730 Rdn. 5. 679

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zweckmäßig, dem Schreiben eine Abschrift der Forderungsaufstellung und des Vollstreckungsbetrags beizufügen; dies zu einer aus dem Gebot des rechtlichen Gehörs und der Prozessfairness herzuleitenden Pflicht auszugestalten,10 ist jedoch nicht recht einsehbar; denn beides hat der Schuldner in diesem Verfahrensstadium bereits in Händen, und eine Pflicht zur wiederholten Information lässt sich schwerlich aus dem Gesetz herauslesen. Das folgt auch durch den neu eingefügten Satz 411 Es dient als weitere Verstärkung der Vorwarnung, wenn der Gerichtsvollzieher dem Anschreiben noch das Formular für das Vermögensverzeichnis hinzufügt. 4a Die Frist ist nach Maßgabe des § 222 und damit über die §§ 187 f. BGB zu berechnen. Anfangstermin ist demnach der Tag nach der Zustellung der Ladung, § 187 Abs. 1 BGB, der Endtermin berechnet sich nach § 188 Abs. 2 BGB.12

2. Terminbestimmung 5 Zum Zwecke der „Stringenz des Verfahrens“13 ist der Gerichtsvollzieher verpflichtet, zusammen mit der Leistungsaufforderung das persönliche Erscheinen des Schuldners (bzw. der zur Vermögensauskunft verpflichteten Person), vgl. § 478, zur Abgabe der Vermögensauskunft zu einem Termin festzulegen, der so gelegt sein soll, dass er alsbald nach dem Fristablauf liegt. Er kann also nicht auf den letzten Tag der Frist gelegt werden,14 sehr wohl aber schon auf den folgenden Tag. In jedem Fall gebietet es das verfassungsrechtlich geschützte Recht des Gläubigers, dass auch hier ein schnellstmöglicher Termin15 gewählt wird, nachdem das Gesetz in § 802i Abs. 1 Satz 2 dem verhafteten Schuldner „unverzügliche“ Reaktion des Gerichtsvollziehers zusichert. Die Bestimmung des Termins kann nicht davon abhängig gemacht werden, dass der Gläubiger zuvor Abschriften des Auftrags und der Forderungsaufstellung beibringt.16 Aus Gründen drohender Verzögerung ist ein Gläubiger allerdings gut beraten, diese Unterlagen beizubringen. Im Hinblick auf den Haftgrund des unentschuldigten Fernbleibens, § 802g Abs. 1, ist die La6 dung so präzise zu fassen, dass der Schuldner den angegebenen Ort zur richtigen Zeit unschwer zu finden vermag. Es muss also auch das betreffende Geschäftszimmer, § 30 GVO, angegeben sein, in dem sich der Schuldner zu der anzugebenden Zeit einzufinden hat. Der einmal anberaumte Termin kann verlegt werden, gegebenenfalls auch mehrfach. Das 7 kann der Gläubiger als der durch das Verfahren allein Begünstigte jederzeit beantragen, wobei der Gerichtsvollzieher allerdings dafür Sorge tragen sollte, dass die Verlegungen nicht als Druckmittel gegen den Schuldner instrumentalisiert werden.17 Wenn aber der Schuldner glaubhaft Teilzahlungen zu erbringen verspricht, kann eine Verlegung durchaus sinnvoll sein. Auch der Schuldner kann eine Verlegung beantragen, doch ist hierbei eine Abgrenzung zum 7a unentschuldigten Fernbleiben vom Termin i.S.v. § 802g Abs. 1 vorzunehmen. Erforderlich ist ein wichtiger Grund, dieser ist dem Gerichtsvollzieher gegenüber glaubhaft zu machen.18 Berechtigter Verlegungsgrund ist etwa eine berufliche Verpflichtung oder auch eine die Vermögensauskunft

10 So der BGH DGVZ 2012, 46. 11 Durch das Gesetz zur Durchführung der Verordnung (EU) Nr. 655/2014 sowie zur Änderung sonstiger zivilprozessualer, grundbuchrechtlicher und vermögensrechtlicher Vorschriften und zur Änderung der Justizbeitreibungsordnung (EuKoPfVODG) vom 21. November 2016. 12 S. dazu AG Augsburg BeckRS 2013, 07821. 13 BT-Drucks. 16/10069, S. 26. 14 Zutreffend AG Augsburg BeckRS 2013, 07821; vgl. auch Giers, DGVZ 2014, 252, 254. 15 Sehr viel laxer dagegen Keller/Keller HdB-ZV Kapitel 2.123 („nicht zu spät“). 16 BGH DGVZ 2012, 46; AG Lahr DGVZ 2000, 124; insoweit aber auch LG Hamburg DGVZ 2005, 77 (zum Ersatz der Schreibauslagen für den Gerichtsvollzieher in einem solchen Fall AG Mainz JurBüro 2000, 665). 17 LG Nürnberg-Fürth Rpfleger 1985, 309; Zöller/Seibel Rdn. 10. 18 BeckOK/Fleck Rdn. 2a. Paulus/Loth

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ausschließende Erkrankung,19 nicht aber eine bereits vor der Ladung angenommene Einladung,20 die Möglichkeit von Kurzschlussreaktionen21 oder weitere persönliche Gründe.

3. Beibringungspflicht Schließlich hat der Gerichtsvollzieher dem Schuldner auch noch gemäß Satz 3 des Abs. 1 aufzutra- 8 gen, dass er sämtliche, für die Vermögensauskunft relevanten Unterlagen mitzubringen hat, also etwa Rechnungen, Kontoauszüge, Versicherungspolicen, Verträge, Grundbuchauszüge, etc. Zu diesem Zweck übersendet er ihm mit der Ladung einen Fragebogen in Gestalt des in § 802k Abs. 4 angesprochenen Formulars, den der Schuldner in Vorbereitung des Termins auszufüllen hat.

III. Abgabe in der Wohnung des Schuldners 1. Bestimmung durch Gerichtsvollzieher Sofern es der Gerichtsvollzieher als vorzugswürdig erachtet, dass die Vermögensauskunft nicht in 9 seinem Geschäftszimmer stattfindet, sondern in der Wohnung des Schuldners (bzw. in seinen Geschäftsräumen), kann er dies in der Ladung so bestimmen. Laut Gesetzesbegründung22 ist ein solcher Fall dann sinnvoll, wenn damit bei einem Schuldner mit ungeordneten Lebensverhältnissen sichergestellt werden kann, dass die nötigen Unterlagen zur Hand sind. Ein weiterer Anwendungsfall kann sich daraus ergeben, dass der Schuldner aus gesundheitlichen Gründen nicht (oder nur erschwert) auf die Geschäftsstelle kommen kann.23 Allerdings sollte der Gerichtsvollzieher bei seiner Entscheidung über diesen Ort zum Schutz des Schuldners mit bedenken, dass dieser in ein Dilemma geraten kann, wenn der Gläubiger zu dem Termin erscheinen sollte: Denn einerseits ergibt sich aus Art. 13 GG, dass der Schuldner dem Gläubiger keinen Zutritt zu seiner Wohnung zu gewähren braucht; andererseits stellt aber diese Zutrittsverweigerung eine grundlose Verweigerung der Aussage i.S.d. § 802g Abs. 1 dar.24

2. Widerspruch und Interessenausgleich Das oben, Rdn. 1, zur feinen Austarierung der Verfahrensweise der vorliegenden Norm Gesagte 10 wird besonders deutlich daran, dass dem Schuldner ein nicht formgebundenes Widerspruchsrecht gegen den Terminsort in seiner Wohnung eingeräumt ist. Dies gebietet die Unverletzlichkeit der Wohnung, wie sie durch Art. 13 GG garantiert ist. Deshalb ist der Schuldner auch in der Terminsladung auf dieses Recht zu belehren. Um aber zu verhindern, dass der Schuldner dieses ihm eingeräumte Widerspruchsrecht zur 11 Zeitgewinnung missbraucht, ist ihm dafür eine Frist von einer Woche25 gesetzt. Die Frist beginnt mit Zustellung der Ladung zu laufen. Adressat des Widerspruchs ist der Gerichtsvollzieher. Versäumt der Schuldner den rechtzeitigen Widerspruch und verwehrt er dem Gerichtsvollzieher an dem anberaumten Termin ungerechtfertigterweise den Zutritt zu seiner Wohnung, stellt dieses Verhalten den gemäß § 802g Abs. 1 genannten Haftgrund des unentschuldigten Fernbleibens dar. 19 20 21 22 23 24 25 681

Zum Erfordernis des ärztlich attestierten Nachweises LG Gera DGVZ 2017, 131. LG Berlin Rpfleger 1973, 374. LG Düsseldorf Rpfleger 1989, 73: notfalls sollte der Gerichtsvollzieher polizeiliche Hilfe hinzuziehen. BT-Drucks. 16/10069, S 26 f. LG Nürnberg-Fürth JurBüro 1992, 140. Vgl. § 802g Rdn. 5. Auch hier erfolgt die Berechnung nach § 222. Paulus/Loth

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Achtes Buch – Zwangsvollstreckung

Ist der Widerspruch rechtzeitig erfolgt, hat der Gerichtsvollzieher eine erneute Ladung, diesmal zum Termin in seinem Geschäftszimmer, vorzunehmen; es spricht keine gesetzliche Regelung dagegen, den in der Erstladung genannten Termin beizubehalten.26

IV. Belehrungen 12 In Vorbereitung des Termins muss der Gerichtsvollzieher nach Abs. 3 in dem Anschreiben an den Schuldner mit der Ladung diesen über die nach § 802c Abs. 2 erforderlichen Angaben belehren. In Anbetracht der Kompliziertheit des Anfechtungsrechts27 ist hier ganz besonders der oben, Rdn. 2, gegebene, allgemeine Hinweis auf Verständlichkeit angebracht.28 Auch wenn sich der Gerichtsvollzieher bei dieser Belehrung eines Formulars bedienen kann,29 ist doch eine „Handsteuerung“ im konkreten Einzelfall zumindest zu erwägen. Desweiteren hat der Gerichtsvollzieher den Schuldner über das Verfahren zu belehren – und 13 hierbei insbesondere über Möglichkeiten zur Verhaftung gemäß § 802g, über die strafrechtlichen (gegebenenfalls auch zivilrechtlichen, vgl. § 802c Rdn. 2) Konsequenzen einer Falschaussage sowie über die Möglichkeit der Eintragung in das Schuldnerverzeichnis nach § 882c Abs. 1 Nr. 1, aber auch nach den Nrn. 2 und 3. Und schließlich muss der Schuldner auch darüber informiert werden, dass der Gerichtsvollzieher befugt ist, gemäß § 802l Auskünfte über die Vermögensverhältnisse des Schuldners von dritter Seite einzuholen.30 § 184 GVG bedingt allerdings, dass die Grenzen der Verständlichkeit zwangsläufig dort er14 reicht werden, wo der Schuldner der deutschen Sprache nicht mächtig ist. Sofern der Gerichtsvollzieher sich irgendwie verständlich machen kann, sollte er dies unter Hintanstellung der positivistischen Aussage des § 184 GVG vor dem Hintergrund tun, dass das Verfahrensrecht insoweit nur eine dienende, nicht aber Fremdsprachige ausschließende Funktion innehat, s. auch oben Rdn. 2. Gibt es dagegen keine gemeinsame Kommunikationsbasis, muss nicht schon bei den zuzustellenden Dokumenten, sondern dann erst bei der Vermögensauskunft und der Abnahme der eidesstattlichen Versicherung ein Dolmetscher hinzugezogen werden.31 Belehrungen sind aber auch im Laufe des Termins angebracht. So ist anerkannt, dass der 15 Gerichtsvollzieher das erstellte Vermögensverzeichnis noch vor der Abnahme der eidesstattlichen Versicherung gewissenhaft und detailliert mit dem Schuldner durchspricht.

V. Zustellungs- und Mitteilungserfordernis 16 Die Regeln über die Zustellung an den Schuldner in Abs. 4 sind aus dem früheren § 900 Abs. 1 Satz 3 und 4 ZPO a.F. übernommen. Demgemäß nehmen sie Bezug auf die Parteizustellung, die ihrerseits in den §§ 191 ff. geregelt sind. Der Gerichtsvollzieher32 hat die nach pflichtgemäßem Ermessen auszuübende Wahl,33 ob er die Ladung dem Schuldner (und nur ihm, nicht alternativ

26 Vgl. auch BeckOK/Fleck Rdn. 3; Zöller/Seibel Rdn. 8. 27 Und hier insbesondere hinsichtlich dessen, was Rechtsprechung und Literatur aus der Unentgeltlichkeit des § 134 InsO alles „herauszuinterpretieren“ bereit sind. 28 S. auch Gilleßen Die eidesstattliche Offenbarungsversicherung in der Hand des Gerichtsvollziehers, DGVZ 1998, 97, 105. 29 Und dies wohl auch regelmäßig tut, vgl. Thomas/Putzo/Seiler Rdn. 7. 30 Vgl. § 802l Rdn. 1. 31 Insoweit zutreffend LG Amberg DGVZ 2006, 181. 32 Er unterliegt dabei keinem Weisungsrecht des Gläubigers, OLG Celle DGVZ 2017, 110; OLG Stuttgart DGVZ 2016, 133; KG Berlin DGVZ 2016, 110; aA OLG Koblenz DGVZ 2015, 252; OLG Frankfurt DGVZ 2016, 82 und DGVZ 2014, 82. 33 Vgl. § 15 Nr. 2 GVGA. Dazu etwa OLG Köln BeckRS 2015, 08375. S. auch Seip Überlegungen zur Wahl der Zustellungsart bei der Ladung des Schuldners zur Vermögensauskunft, DGVZ 2016, 74. Paulus/Loth

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einem evtl. bevollmächtigten Prozessvertreter) persönlich oder mit der Post zustellt,34 oder ob er eine öffentliche Zustellung veranlasst;35 die Ladung36 selbst ist bereits Teil der Zwangsvollstreckung und kann daher mit Rechtsmitteln angegriffen werden, vgl. Rdn. 30. Die nur mündlich mitgeteilte Ladung reicht in keinem Fall, um eine Verhaftung im Falle eines Nichterscheinens des Schuldners zu ermöglichen.37 Eine Ersatzzustellung gemäß §§ 178 ff. wird gleichwohl als zulässig erachtet.38 Adressat der Zustellung ist ausweislich der expliziten Gesetzesangabe allein der Schuldner bzw. die zur Auskunft an seiner statt zuständige Person (gesetzlicher Vertreter), nicht auch (oder alternativ) sein Prozessbevollmächtigter. Aus Abs. 1 S. 4 ist herzuleiten, dass sich das Zustellungserfordernis allein auf die in Bezug genommenen Absätze 1 bis 3, und nicht auch auf eine Aufforderung nach § 802b bezieht.39 Mit dem Verweis auf § 357 Abs. 2 ist hinsichtlich der Mitteilung an den Gläubiger geklärt, 17 dass diese formlos erfolgen kann. Im Umkehrschluss zu Satz 1 genügt hier, dass der Hinweis dem Prozessbevollmächtigten gegeben wird. Sie muss allerdings so rechtzeitig erfolgen, dass der Gläubiger (oder sein Vertreter) den Termin wahrnehmen können. Aus dieser Mitteilungspflicht ist zu folgern, dass der Gläubiger bei dem Termin anwesend 18 sein darf und dabei auch das Recht hat, seinerseits Fragen an den Schuldner bezüglich dessen aktuellen Vermögens- und Einkommensverhältnissen zu richten;40 s. auch § 802c Rdn. 28 ff. zum Fragerecht des Gläubigers allgemein. Dementsprechend muss der Gerichtsvollzieher den Gläubiger (oder seinen Vertreter) zum Verfahren hinzuziehen, wenn es dieser verlangt. Alternativ kann der Gläubiger diese Fragen auch in schriftlicher Form dem Gerichtsvollzieher zuleiten, der diese dann – soweit zulässig – seinerseits an den Schuldner richtet.41

VI. Der Ablauf des Termins Die Form des Vermögensverzeichnisses ist in Abs. 5 vorgeschrieben; der Inhalt ergibt sich aus 19 § 802c. S. darüber hinaus die Vermögensverzeichnisverordnung.42

1. Anwesende Personen Aus der Zustellungspflicht allein an den Schuldner ergibt sich, dass der Termin zur Abnahme der 20 Vermögensauskunft nicht öffentlich ist; außer dem Gerichtsvollzieher haben nur der Gläubiger bzw. sein Bevollmächtigter das Recht, s. Rdn. 18, in dem Termin zugegen zu sein. Der Schuldner bzw. der an seiner Statt zur Auskunft Verpflichtete muss in Person anwesend sein; dies folgt aus § 478, da die Richtigkeit der gegebenen Auskunft gemäß § 802c Abs. 4 mittels der eidesstattlichen Versicherung zu bestätigen ist. Sofern die Voraussetzungen des § 185 GVG vorliegen, kann als weitere Person allenfalls noch ein Dolmetscher amtswegig zugegen sein.43

34 Nach Ansicht des LG Offenburg soll das selbst dann gelten, wenn der Gläubiger ausdrücklich einen Antrag auf Postzustellung gestellt hat, DGVZ 2014, 259; ebenso AG Homburg DGVZ 2015, 25. 35 BGH NJW-RR 2018, 503; AG Hamburg DGVZ 2018, 46. 36 Zur Frage, ob eine Rundfunkanstalt eine öffentliche Behörde ist, LG Tübingen DGVZ 2016, 231 (verneinend). 37 LG Karlsruhe DGVZ 2000, 89. 38 Etwa Keller/Keller HdB-ZV Kapitel 2.121. s. auch LG München DGVZ 2016, 131. 39 Zutreffend LG München DGVZ 2018, 254. 40 KG MDR 1981, 411. Zum Fragerecht des Gläubigers ausführlich § 802c Rdn. 28. 41 Vgl. Röder Durchführung des Verfahrens zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung im zivilrechtlichen Vollstreckungsverfahren und in der Verwaltungszwangsvollstreckung, DGVZ 2000, 65, 69; David Die drei eidesstattlichen Versicherungen vor dem Gerichtsvollzieher, MDR 2000, 195. 42 VermVV vom 26. Juli 2012, BGBl. I, S 1663 (in Geltung seit dem 1. Januar 2013). 43 Zöller/Seibel Rdn. 13. 683

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Erscheint der Schuldner unentschuldigt nicht zum Termin bzw. verweigert er dem Gerichtsvollzieher oder dem Gläubiger den Zutritt zu seiner Wohnung, greift auf entsprechenden Antrag des Gläubigers die Rechtsfolge des § 802g ein. Bei entschuldigtem Fernbleiben vertagt der Gerichtsvollzieher den Termin, mit der Folge, dass eine erneute Ladung für den neuen Termin zu ergehen hat.

2. Elektronisches Dokument 22 Das Vermögensverzeichnis ist im Hinblick auf die landesweite, zentrale Verwaltung gemäß § 802k Abs. 1 in elektronischer Form zu errichten; s. dazu dort Rdn. 3. Da die dazu erforderlichen Voraussetzungen (Computer, Internet) nicht in allen Schuldnerhaushalten anzutreffen sein werden, ist die Aufgabe der Erstellung dem Gerichtsvollzieher übertragen, seit der Änderung von 2016 noch dazu als Pflicht. Ausweislich der Vorstellungen der Gesetzesmaterialien44 soll ihm die Übertragung des schriftlich vom Schuldner verfassten Verzeichnisses in eine elektronische Version dadurch erspart werden, dass er die mündlichen Mitteilungen gleich in die elektronische Form fasst. Freilich muss er die Transformation, vor der ihn der Gesetzgeber rührend bewahren will, dann doch insoweit vornehmen, als er den vom Schuldner ausgefüllten Fragebogen zur Abfassung des Dokuments benutzt. 23 Die dem Schuldner gemäß Abs. 1 auferlegte Pflicht zur Präsentation der relevanten Urkunden können dem elektronischen Dokument (etwa als pdf-Datei) beigefügt werden. 24 Die elektronische Form des Vermögensverzeichnisses bedingt, dass eine Unterschrift des Schuldners nicht mehr erforderlich ist. Das entbindet den Schuldner allerdings nicht der strafrechtlichen Sanktion einer falschen eidesstattlichen Versicherung.45

3. Genehmigung und eidesstattliche Versicherung durch den Schuldner 25 In Anlehnung an § 162 Abs. 1 Satz 1 ist dem Schuldner das vom Gerichtsvollzieher in elektronischer Form erstellte Vermögensverzeichnis vorzulesen bzw. zur eigenen Durchsicht am Bildschirm zu überlassen. Dies dient der Sicherstellung, dass der Schuldner die Richtigkeit der Wiedergabe anerkennt und das Verzeichnis genehmigt,46 s. auch oben Rdn. 14. Dieser Vorgang muss infolgedessen zwangsläufig vor der eidesstattlichen Versicherung des § 802c Abs. 3 erfolgen. Hieran anschließend kommt es zu der in § 802c Abs. 3 vorgeschriebenen Versicherung, die mitsamt dem vorangegangenen Vorgang sodann vom Gerichtsvollzieher zu protokollieren ist, § 762.

4. Ausdruck für Schuldner 26 Die Pflicht des Gerichtsvollziehers, dem Schuldner auf dessen (wann auch immer erfolgendes47) Verlangen einen Ausdruck des Vermögensverzeichnisses zu überlassen, Abs. 5 S. 3, dient nicht allein dem rechtsstattlichen Gebot der Transparenz, s. oben Rdn. 1, sondern verfolgt den zusätzlichen Zweck der Entlastung der Verwaltung. Indem der Schuldner nämlich mit dem Ausdruck über sämtliche Daten verfügt, die nach § 802k zentral verwaltet und gespeichert werden, bedarf es keiner eigens zu statuierenden Auskunftspflicht der verwaltenden Behörde gegenüber eventuellen Anfragen von Seiten eines Schuldners. Der Ausdruck muss dem Schuldner nicht unmittelbar ausgehändigt werden, es genügt auch eine spätere Zusendung. Anderenfalls müsste der Gerichtsvollzieher zu jedem Termin einen Drucker mitnehmen.

44 45 46 47

BT-Drucks. 16/10069, S 27. Kindl/Meller-Hannich/Sternal Rdn. 23. Thomas/Putzo/Seiler Rdn. 11. AG Pirna DGVZ 2017, 43.

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VII. Hinterlegung und Gläubigerausdruck Das vom Gerichtsvollzieher erstellte elektronische Dokument – nicht aber auch das gemäß § 762 27 zu erstellende Protokoll – hat dieser bei dem zentralen Vollstreckungsgericht, § 802k Abs. 1, zu hinterlegen. Parallel dazu ist dem Gläubiger ein Ausdruck zuzuleiten. Diese Zuleitung kann formlos erfol- 28 gen, und sie muss – anders als die entsprechende Zuleitung nach § 802d Abs. 1 – nicht mit dem Hinweis auf die datenschutzrechtlichen Vorgaben verbunden sein. Diese Aufgabe übernimmt die in § 802k Abs. 4 vorgesehene Verordnung über das Vermögensverzeichnis. Darüber hinaus sorgt Satz 2 für Datensicherheit und Datenschutz. Indem nämlich der Ge- 29 richtsvollzieher einerseits die Übereinstimmung des Ausdrucks mit dem Vermögensverzeichnis zu bescheinigen hat, andererseits dem Gläubiger aufzutragen hat, dass er den Ausdruck allein zu Vollstreckungszwecken benutzen darf und den Ausdruck anschließend zu vernichten hat, ist der Kompromiss zwischen Gläubigerinteresse am Vollstreckungserfolg und dem berechtigten Geheimhaltungsinteresse des Schuldners Rechnung getragen.

VIII. Rechtsmittel Der Schuldner kann sich gegen die Ladung48 sowie gegen die ihm angetragene Verpflichtung zur 30 Abgabe der Vermögensauskunft mittels der Erinnerung gemäß § 766 zur Wehr setzen; etwa wenn er die Vollstreckungsvoraussetzungen für nicht gegeben, oder weil er die Zweijahresfrist des § 802d Abs. 1 für noch nicht abgelaufen erachtet. Dem Gläubiger steht ebenfalls die Erinnerung zu Gebote, wenn der Gerichtsvollzieher die 31 beschriebenen Verfahrensschritte nicht einhält, einschließlich dessen, dass er bestimmte Fragen des Gläubigers als unzulässig erachtet, oder dass er den Antrag auf Stellung einer Zahlungsfrist sowie Terminsbestimmung ablehnt.

IX. Kosten Für den Rechtsanwalt fallen Gebühren nach den Nrn. 3309, 3310 VV-RVG an, für den Gerichtsvoll- 32 zieher solche nach den Nrn. 100, 101 (Zustellung) und 260 (Vermögensauskunft) KV GvKostG.49 Nimmt der Gläubiger seinen Antrag zurück, nachdem er von der bereits erteilten Auskunft erfahren hat und erhält stattdessen eine Abschrift, fallen keine gesonderten Gebühren an.50

§ 802g Erzwingungshaft (1)

1

Auf Antrag des Gläubigers erlässt das Gericht gegen den Schuldner, der dem Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft unentschuldigt fernbleibt oder die Abgabe der Vermögensauskunft gemäß § 802c ohne Grund verweigert, zur Erzwingung der Abgabe einen Haftbefehl. 2In dem Haftbefehl sind der Gläubiger, der Schuldner und der Grund der Verhaftung zu bezeichnen. Einer Zustellung des Haftbefehls vor seiner Vollziehung bedarf es nicht.

48 BGH DGVZ 2016, 225. 49 Zu den eigenständigen Kosten einer nachträglichen Überprüfung der Auskunft auf eventuell vorhandene pfändbare Gegenstände Seip Erledigung eines bedingten Pfändungsauftrages, der in Verbindung mit dem Auftrag zur Vermögensauskunft erteilt wird, DGVZ 2015, 75. 50 LG Neubrandenburg NJOZ 2015, 418. 685 https://doi.org/10.1515/9783110443158-104

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1

Die Verhaftung des Schuldners erfolgt durch einen Gerichtsvollzieher. 2Der Gerichtsvollzieher händigt dem Schuldner von Amts wegen bei der Verhaftung eine beglaubigte Abschrift des Haftbefehls aus.

Übersicht I.

Gesetzesgeschichte, Normzweck

1

II.

Anwendungsbereich

III. 1. 2. 3.

Voraussetzungen für den Erlass eines Haftbefehls 3 Gläubigerantrag 4 Haftgründe 6 Verhältnismäßigkeit

IV.

Verfahren bei Erlass des Haftbefehls

2

7

1. 2. 3. 4.

8 Zuständigkeit 9 Verfahren Inhalt des Haftbefehls 12 Bekanntmachung

V.

Verhaftung des Schuldners

VI.

Rechtsbehelfe

VII. Kosten

10

13

16

17

I. Gesetzesgeschichte, Normzweck 1 Die Regelung entspricht den früheren §§ 901, 909 und ist im Rahmen des Gesetzes zur Reform der Sachaufklärung in der Zwangsvollstreckung1 eingeführt worden. Ihr Zweck erschließt sich aus einer Gesamtschau der §§ 802g bis 802j; danach stellt die Erzwingungshaft als stärkstes Eingriffsmittel in die persönliche Freiheit eines Schuldners ein Beugemittel dar, um als Sanktion den Schuldner zur Abgabe der Vermögensauskunft anzuhalten. Die Erzwingungshaft hat erhebliche praktische Bedeutung,2 was bereits erklärt, weshalb es sich bei dieser Paragraphengruppe um eine besonders ausführlich geregelte Materie handelt. Sie rechtfertigt sich überdies aus der Eingriffsschwere des Geregelten und entfaltet ihre eigentliche – und sehr effiziente – Wirkung aus der auf diese Weise aufgebauten Drohkulisse.

II. Anwendungsbereich 2 Die vorliegende Vorschrift findet nicht nur in den Fällen der §§ 802c und 802d Anwendung; auf sie verweisen vielmehr auch noch die §§ 836 Abs. 3 sowie 883 Abs. 2. Auf Abs. 2 der vorliegenden Norm verweist ferner § 98 Abs. 3 InsO, wonach die Erfüllung der Mitwirkungspflichten eines Schuldners im Insolvenz(eröffnungs)verfahren durch Verhaftung erzwungen werden kann.3 § 758a Abs. 2 schließt im Falle einer Verhaftung die Anwendung des § 758a Abs. 1 aus;4 s. auch § 91 Abs. 2 FamFG. Die §§ 284 Abs. 8 Satz 3, 334 Abs. 3 AO erklären den § 802g ebenso für entsprechend anwendbar wie die §§ 35 Abs. 3 und 89 Abs. 3 FamFG oder § 16 VwVfG. Wegen der Übergangsvorschriften s. § 39 EGZPO.

1 Vom 29.7.2009, BGBl. I, S. 2258. S. zu diesem Reformgesetz Vor § 704 Rdn. 99. 2 Über 500.000 Anträge auf Erlass der Erzwingungshaft im Jahr 2021, https://www.destatis.de/DE/Themen/Staat/JustizRechtspflege/Publikationen/Downloads-Gerichte/zivilgerichte-2100210217004.pdf?__blob=publicationFile; vgl. auch Metz NJW 2015, 3340 spricht von „Massenverfahren“. 3 Dazu Ahrens Haftbefehl ohne Folgen – Aufschiebende Wirkung der Beschwerde? NZI 2005, 299. 4 S. ebenda Rdn. 7. Paulus/Loth

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III. Voraussetzungen für den Erlass eines Haftbefehls 1. Gläubigerantrag Die Dispositionsfreiheit der Parteien im Zivilprozess setzt sich darin fort, dass es zur Verhaftung 3 eines Schuldners eines entsprechenden ausdrücklichen5 Antrags durch einen Gläubiger bedarf,6 der bis zur Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung vom Gläubiger zurückgenommen werden kann; einer Zustimmung von Seiten des Schuldners bedarf es dafür nicht. Der Antrag ist formfrei und nicht an eine Frist gebunden.7 Wird der Antrag als elektronisches Dokument eingereicht, darf das Gericht die Vorlage des Originaltitels verlangen.8 Der Antrag unterliegt nicht dem Anwaltszwang;9 wird er durch einen Anwalt eingereicht, ist die Vorlage einer Originalvollmacht nicht erforderlich.10 Ausweislich der Materialien kann der Antrag vom Gläubiger bereits in Verbindung mit demjenigen auf Einholung der Vermögensauskunft gestellt werden11 oder auch erst im Termin oder danach.12 Da das Vollstreckungsgericht, § 764, für den Haftbefehlserlass zuständig ist, s. unten Rdn. 8, ist dieses der richtige Adressat für den Antrag. Ein gleichwohl beim Gerichtsvollzieher eingereichter Antrag wird von diesem mitsamt den bis zu diesem Zeitpunkt angefallenen Akten, vgl. § 760, an das zuständige Gericht weitergeleitet. Zur Prüfungspflicht des Gerichtsvollziehers s. unten, Rdn. 9.

2. Haftgründe Das Gesetz nennt als Haftgründe das unentschuldigte Fernbleiben des Schuldners sowie die grund- 4 lose Verweigerung der Vermögensauskunft. Ob sie im gegebenen Fall vorliegen, hat das Gericht von Amts wegen zu prüfen.13 Das unentschuldigte Fernbleiben – der in der Praxis am häufigsten vorkommende Fall – setzt die Ordnungsmäßigkeit der Ladung voraus, es müssen also die Voraussetzungen des § 802f erfüllt sein. Das ist insbesondere bei Schuldnern problematisch, die als juristische Personen selbst haftunfähig sind. Hier muss die Ladung denjenigen gesetzlichen Vertreter benennen, der diese Position zum Zeitpunkt des Termins innehat; ein früherer gesetzlicher Vertreter ist der unrichtige Adressat.14 Bei ordnungsgemäßer Ladung ist das für den Haftgrund maßgebliche Kriterium, ob der Schuldner entschuldigt ist. Etwaige Entschuldigungsgründe sind glaubhaft zu machen.15 Das ist etwa dann der Fall, wenn er16 wegen nachgewiesener, gerade

5 Dieser Antrag kann also nicht bereits als konkludent gestellt in den Vollstreckungsauftrag hineininterpretiert werden. 6 Das gilt auch, wenn das zunächst anberaumte Offenbarungsverfahren ausgesetzt worden war, dann aber vom Gerichtsvollzieher weitergeführt werden soll, AG Dillenburg DGVZ 2000, 62. 7 Musielak/Voit/Voit Rdn. 5; a.A. AG Augsburg BeckRS 2015, 739; differenzierend BeckOK/Fleck Rdn. 3a. 8 BGH DGVZ 2022, 9. 9 Thomas/Putzo/Seiler Rdn. 3. 10 AG Kiel DGVZ 2021, 244; anders ist dies wohl bei einem Inkassounternehmen, vgl. Musielak/Voit/Voit Rdn. 5 unter Verweis auf BGH MDR 2022, 121. 11 Darin liegt nicht etwa eine grundsätzlich unzulässige Bedingung, zutreffend LG Karlsruhe DGVZ 2018, 165; LG Stuttgart DGVZ 2017, 174; a.A. etwa AG Ludwigsburg DGVZ 2017, 175; AG Bretten DGVZ 2014, 150. 12 BT-Drucks. 16/10069, S. 28; AG Mannheim DGVZ 2017, 59. Der Antrag kann auch mit einem Pfändungsauftrag verbunden werden (zu den damit verbundenen Kosten LG Koblenz DGVZ 1998, 61; AG Beckum DGVZ 2008, 106; AG Bingen DGVZ 2000, 46). 13 BGH NJW 2008, 3504. 14 KG Rpfleger 1996, 253; LG Bremen DGVZ 1990, 139; Keller/Keller HdB ZV, Kap. 2/178. 15 BeckOK/Fleck Rdn. 6; siehe auch § 802f Rz. 7a. 16 Die Erkrankung eines Familienangehörigen kann gleichfalls ein Entschuldigungsgrund sein, OLG München MDR 1977, 413, der aber eines besonders stichfesten Nachweises bedarf. 687

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die Vernehmung ausschließender Erkrankung17 nicht erschienen ist;18 wenn in derselben Vollstreckungsangelegenheit bereits ein Haftbefehl besteht;19 wenn er die Erbringung der Sicherheitsleistung im Falle einer Einstellung der Zwangsvollstreckung nachweist;20 eine urlaubs- oder sonstwie reisebedingte Abwesenheit entschuldigt nur bei Unzumutbarkeit.21 5 Eine Grundlosigkeit der Verweigerung liegt dann nicht vor, wenn eine Ausdehnung auf weitere titulierte Forderungen als die den Anlass zum Termin gebende erfolgen soll.22 Sie ist aber über den in § 802f Abs. 2 Satz 3 angesprochenen Fall hinaus dann gegeben, wenn der Schuldner – vom Gerichtsvollzieher über den Umfang seiner Mitwirkungspflicht aufgeklärt – nicht zu einer Nachbesserung23 bereit ist;24 oder wenn er dem Gläubiger den Zutritt zu seiner Wohnung bei dort anberaumtem Termin verweigert.25 Einen weiteren Anwendungsfall stellt es dar, wenn der Schuldner trotz Aufforderung zur Präzisierung einzelner Fragen sich weigert, diese vorzunehmen;26 gegebenenfalls können hier zu der vollstreckungsrechtlichen Sanktion auch noch strafrechtsrelevante Tatbestände erfüllt werden.27 Des Weiteren kann eine grundlose Weigerung darin bestehen, dass der Schuldner der Anordnung der sofortigen Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nach § 807 nicht nachkommt.28 Um allzu nahe liegende Umgehungsmöglichkeiten zu unterbinden, ist richtiger Ansicht nach eine grundlose Verweigerung auch darin zu sehen, wenn der Schuldner bewusst falsche Angaben macht29 oder keine vollständigen Unterlagen gemäß § 802f Abs. 1 S. 2 mitbringt und deswegen keine Eidesstattliche Versicherung abgeben kann.30

3. Verhältnismäßigkeit 6 Die Verhaftung des Schuldners wurde oben, Rdn. 1, bereits als stärkstes Eingriffsmittel in die persönliche Freiheit des Schuldners bezeichnet, so dass sich die Frage stellt, ob sich aus dem verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz31 Einschränkungen der Erzwingungshaft ergeben könnten.32 Hierbei ist insbesondere an geringfügige Forderungen33 zu denken, hinsichtlich derer ohnedies immer wieder umstritten ist, ob sie dem Vollstreckungsregime überhaupt unterfallen; vgl. dazu Vor § 704 Rdn. 92–94. Im Einklang mit dem dort Ausgeführten wird man um der Effizienz des Systems als solchem willen sagen müssen, dass die Erzwingungshaft auch bei dem Schuldner angeordnet und durchgeführt werden kann, von dem bekannt ist, dass er

17 LG Saarbrücken DGVZ 2004, 29 (dort auch zur Nachweispflicht gerade durch den Schuldner). Die Aussage allein, dass der Schuldner arbeitsunfähig erkrankt ist, hindert für sich allein genommen nicht das Erscheinen zum Termin, richtig LG Wuppertal DGVZ 2006, 113; LG Stuttgart DGVZ 2004, 44. 18 OLG Frankfurt Rpfleger 1977, 146; Zöller/Seibel Rdn. 4. 19 LG Ellwangen DGVZ 2015, 23. 20 LG Heilbronn DGVZ 2006, 116. 21 OLG Hamm Rpfleger 1977, 111; Musielak/Voit Rdn. 2. 22 BGH NJW 2008, 3288. 23 S. dazu § 802d Rdn. 2. 24 LG Köln DGVZ 2007, 41. 25 LG Frankfurt/M Rpfleger 1977, 146; Saenger/Rathmann Rdn. 5; Zöller/Stöber § 802f Rdn. 10. 26 Richtig LG Köln DGVZ 2007, 41; wesentlich nachsichtiger LG Konstanz DGVZ 2007, 42; zu beiden Entscheidungen Schmidt Das (unvollständige) Vermögensverzeichnis und die (richtige) Sachbehandlung durch den Gerichtsvollzieher, DGVZ 2007, 65. 27 LG Berlin DGVZ 2008, 106. 28 Keller/Keller HdB ZV Kapitel 2.180. 29 Prütting/Gehrlein/Meller-Hannich Rdn. 8. 30 AG Essen-Borbeck DGVZ 2016, 31. 31 Hierzu neben Vor § 704 Rdn. 89 etwa Fischer Die Verhaftung des Vollstreckungsschuldners, DGVZ 2006, 33, 36 ff.; ders. Die unverhältnismäßige Zwangsvollstreckung, Rpfleger 2004, 599. 32 Verneinend BVerfG NJW 1983, 559; LG Koblenz DGVZ 2008, 105 (bezüglich EMRK). 33 Eine Forderung von 1.000 A ist nach Aussage des BVerfG jedenfalls nicht geringfügig, BVerfG NJW 2018, 531. Paulus/Loth

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vermögenslos ist. Der Gesetzgeber selbst hat mit der Verkürzung der Frist von drei auf zwei Jahre in § 802d Abs. 1 zum Ausdruck bringen wollen, dass die heutige schnelllebige Zeit eher Veränderungen ermögliche, als das früher der Fall gewesen sein mag.34 In Fortsetzung dieser Überlegung – und um nicht falsche Anreize zu setzen – muss die Erzwingungshaft generell zulässig sein.35

IV. Verfahren bei Erlass des Haftbefehls Liegen die nachfolgend beschriebenen Voraussetzungen für den Erlass eines Haftbefehls vor, ist 7 dieser zu erlassen; ein Zwischenbescheid der Art, dass dem Schuldner noch eine Gelegenheit geboten wird, sich zu seinem Ausbleiben im Termin zu äußern, ist unzulässig.36 Zulässig dürfte es jedoch sein, dass das Gericht dem Schuldner nochmals und letztmalig die Gelegenheit zur Stellungnahme gibt, wenn sich dieser bereits geäußert hat und das Gericht das Vorliegen eines Entschuldigungsgrundes nach dem bisher Vorgetragenen für naheliegend erachtet.

1. Zuständigkeit Das in Abs. 1 genannte Gericht ist über die §§ 802, 764 das Vollstreckungsgericht, dessen Bezirk 8 der zur Vermögensauskunft auffordernde Gerichtsvollzieher zugeteilt ist. Zuständig ist der Richter, § 4 Abs. 2 RPflG, der den Haftbefehl ebenso wie die Ablehnung des Antrags in Gestalt eines Beschlusses auszusprechen hat.

2. Verfahren Die Prüfung des in § 802h angesprochenen Zweijahreszeitraums unterliegt einer amtswegigen 9 Prüfungspflicht desjenigen, bei dem der Antrag auf Erlass eines Haftbefehls eingegangen ist, also des Gerichtsvollziehers in der oben, Rdn. 3,37 angesprochenen Fallkonstellation oder des Gerichts, wenn der Antrag dort direkt eingereicht worden ist. Im Übrigen prüft das Gericht zusätzlich zu den allgemeinen Verfahrens- und Vollstreckungsvoraussetzungen nicht nur die oben angesprochenen Voraussetzungen für den Erlass eines Haftbefehls, sondern auch noch – von Amts wegen –, ob die Voraussetzungen für die Abgabeverpflichtung der Vermögensauskunft vorgelegen haben.38 Ob eine Haftunfähigkeit gemäß § 802h Abs. 2 vorliegt, ist dagegen in diesem Verfahrensstadium unbeachtlich.39 Aus Abs. 1 Satz 3 ergibt sich, dass der Schuldner nicht anzuhören ist.

34 35 36 37 38

Vgl. § 802d Rdn. 1. So auch BVerfG NJW 2018, 531, oder Kindl/Meller-Hannich/Sternal Rdn. 13. A.A. Thomas/Putzo/Seiler Rdn. 8. Noch rigider (verfassungswidrig) LG Paderborn Rpfleger 2005, 208. S. auch § 802h Rdn. 3. BT-Drucks. 16/10069, S. 28; LG Stendal DGVZ 2003, 188; AG Augsburg BeckRS 2013, 07821; AG Karlsruhe-Durlach DGVZ 2000, 62. Dasselbe gilt auch, wenn es sich um eine Anordnung nach Maßgabe des § 284 AO handelt, BGH NJW 2008, 3504; kritisch dazu Wältermann Erzwingung der eidesstattlichen Versicherung – Zum Verhältnis zwischen § 901 ZPO und § 284 AO, MDR 2009, 724; a.A. LG Detmold Rpfleger 2001, 507. S. ferner OLG Köln Rpfleger 2000, 461; LG Dresden Rpfleger 1999, 501. 39 Vgl. § 802h Rdn. 4. 689

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3. Inhalt des Haftbefehls 10 Ausweislich Abs. 1 Satz 2 hat er bestimmte Informationen zu enthalten: Neben dem Datum der Erstellung des Haftbefehls, die präzise Angabe der Namen von Gläubiger und Schuldner mit Prozessbevollmächtigten, gegebenenfalls erneut neben der bereits im Titel, § 750 Abs. 1 Satz 1, enthaltenen Wiedergabe dieser Namen. Handelt es sich bei dem Schuldner um eine prozessunfähige Person, sind die Namen der zu verhaftenden gesetzlichen Vertreter anzugeben. 11 Bezüglich des Grundes der Verhaftung ist nicht nur der Vollstreckungstitel anzugeben, sondern auch die gesetzliche Grundlage, auf Grund derer die Vermögensauskunft, §§ 802c, 802d, bzw. die eidesstattliche Versicherung, §§ 836 Abs. 3, 883 Abs. 2, verlangt wird. Die Angabe der sog. „Lösungssumme“ (der noch ausstehenden Gläubigerforderung) ist nicht erforderlich, weil sich diese aus dem Titel sowie etwaigen Vermerken auf der vollstreckbaren Ausfertigung zu Teilleistungen, § 757 Abs. 1, ermitteln lässt.40

4. Bekanntmachung 12 Abs. 1 Satz 3 erklärt ausdrücklich, dass eine Zustellung des Haftbefehls an den Schuldner vor der Vollziehung nicht erforderlich ist; die Bekanntmachung muss ausweislich Abs. 2 Satz 2 spätestens anlässlich der Verhaftung in Gestalt einer beglaubigten Abschrift erfolgen.41 Diese Regelung korrespondiert mit der in § 750 Abs. 1 Satz 1. Eine vorherige Zustellung wird sich allerdings dann empfehlen, wenn der Gerichtsvollzieher den Eindruck hat, mit diesem „Warnsignal“ den Schuldner zu rechtstreuem Verhalten anhalten zu können. Wie sich nämlich insbesondere aus § 802i Abs. 1 ergibt, steht in dem ganzen Verfahrensabschnitt nicht die Durchführung der Haft bzw. Verhaftung im Vordergrund, sondern die Überzeugungsbildung des Schuldners, die Vermögensauskunft bzw. eidesstattliche Versicherung wie vorgeschrieben abzugeben.

V. Verhaftung des Schuldners 13 Abs. 2 Satz 1 statuiert die funktionelle Zuständigkeit des Gerichtsvollziehers für die Verhaftung des Schuldners; s. auch § 145 GVGA zu den Einzelheiten. Die Festnahme kann gemäß § 758 Abs. 3 auch unter Anwendung von Gewalt erfolgen. In jedem Fall hat der Gerichtsvollzieher dabei dem Schuldner eine beglaubigte Abschrift des Haftbefehls auszuhändigen, Satz 2.42 Bei Nicht-Antreffen des Schuldners hat der Gerichtsvollzieher mehrere Versuche zu unternehmen, von denen mindestens einer kurz vor Beginn oder kurz nach Ablauf der Nachtzeit erfolgen sollte.43 Über den Verlauf der Verhaftung ist ein Protokoll anzufertigen, vgl. § 762. Befindet sich der Schuldner in seiner eigenen Wohnung, bedarf der Gerichtsvollzieher keiner richterlichen Anordnung als Ermächti-

40 BeckOK/Fleck Rdn. 10; nach Musielak/Voit/Voit Rdn. 8 kann die Angabe sogar „schädlich“ sein. 41 Zu der wegen des eindeutigen Gesetzeswortlauts zu verneinenden (aA OLG Stuttgart DGVZ 2016, 181) Frage, ob es sich dabei um eine Zustellung handelt, s. LG Ellwangen DGVZ 2016, 111; Blaskowitz DGVZ 2004, 55; s. auch Kessel Nochmals: Übergabe des Haftbefehls als Zustellung im Verfahren zur Abnahme der eidesstattlichen Versicherung, DGVZ 2004, 51. Allem Anschein geht es hierbei um die Befugnis, eine Zustellungsgebühr zu erheben; daher zu Recht ablehnend etwa AG Schwäbisch Hall DGVZ 2016, 89. 42 Neugefasst durch Gesetz zur Durchführung der Verordnung (EU) Nr. 655/2014 sowie zur Änderung sonstiger zivilprozessualer, grundbuchrechtlicher und vermögensrechtlicher Vorschriften und zur Änderung der Justizbeitreibungsordnung (EuKoPfVODG) vom 21. November 2016. 43 LG Koblenz DGVZ 2000, 170; vgl. auch § 145 Abs. 4 Satz 2 GVGA. Paulus/Loth

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gung zum Zutritt, § 758a Abs. 2;44 das ändert sich aber dann, wenn sich der Schuldner bei einem Dritten aufhält.45 Sofern der Schuldner anlässlich der Verhaftung die nach dem Vollstreckungstitel geschuldete 14 Leistung – also einschließlich der Kosten nach § 788 – erfüllt, entfällt der Zweck der Verhaftung und damit zugleich die Wirkung des Haftbefehls;46 er ist infolgedessen verbraucht.47 Erbringt der Schuldner jedoch nicht die volle Leistung, kommt ein Haftaufschub nur dann in Betracht, wenn sich der Gläubiger nach Maßgabe des § 802b Abs. 2 und 3 mit Teilleistungen einverstanden erklärt hat;48 zu einer Aufhebung des Haftbefehls führen Teilleistungen jedenfalls nicht.49 Ein Verbrauch des Haftbefehls tritt überdies in den Fällen ein, in denen der Schuldner die 15 Vermögensauskunft erteilt bzw. die eidesstattliche Versicherung abgibt,50 in denen der Gläubiger einen entsprechenden Antrag stellt51 und mit dem Ablauf der Zweijahresfrist des § 802h Abs. 2.52 Darüber hinaus ist der Haftbefehl aufzuheben, wenn der Gläubiger dies beantragt; desgleichen, wenn der Schuldner dies mit Einverständnis des Gläubigers tut, oder wenn er die Vermögensauskunft etwa anderweitig gegeben hat, § 802d Abs. 1 Satz 1.

VI. Rechtsbehelfe Gegen die den Gläubigerantrag auf Erlass des Haftbefehls ablehnende Entscheidung des Gerichts 16 steht dem Gläubiger die sofortige Beschwerde gemäß § 793 zu. Gleiches gilt zu Gunsten des Schuldners, sofern der Haftbefehl erlassen wird.53 In beiden Fällen beginnt die Frist mit der Zustellung bzw. Aushändigung des jeweiligen Beschlusses. Gegen den Erlass des Haftbefehls kann sich der Schuldner nicht auf § 765a berufen, gegen die Haft selber nur unter der Voraussetzung des § 802h Abs. 2.54 Einwände gegen den Bestand des titulierten Anspruchs kann der Schuldner allein nach Maßgabe der §§ 767, 769 erheben.

VII. Kosten Die Gerichtskosten nach § 3 Abs. 2 GKG richten sich nach Nr. 2114 der Anlage 1, die Gerichtsvollzie- 17 herkosten der Verhaftung nach KV 270 zu § 9 GvKostG,55 die für die ausnahmsweise Zustellung

44 Anders dagegen, wenn die Verhaftung zur Unzeit i.S.d. § 758a Abs. 4 erfolgen soll, BGH NJW-RR 2005, 146; LG Regensburg DGVZ 1999, 173; a.A. AG Tostedt DGVZ 2003, 62; AG Leipzig DGVZ 2000, 190 (mit weiteren Nachweisen der Schriftleitung – auch zu der hier vertretenen Gegenansicht). Dazu hat der Gerichtsvollzieher den Gläubiger anzuregen, wenn mehrere Verhaftungsversuche gescheitert sind, LG Koblenz DGVZ 2000, 170. 45 Dazu Fischer Die Verhaftung des Vollstreckungsschuldners, DGVZ 2006, 33. 46 BT-Drucks. 16/10069, S. 28. 47 Der Haftbefehl ist daraufhin vom Gericht einzuziehen. 48 Thomas/Putzo/Seiler Rdn. 1. 49 BGH RPfleger 2018, 695; LG Frankfurt/M. DGVZ 2003, 41; LG Frankfurt/M. DGVZ 2000, 171. 50 § 802i Rdn. 7 und 9. Zum Rechtsschutzbedürfnis einer trotzdem eingelegten sofortigen Beschwerde LG NürnbergFürth DGVZ 2006, 74. 51 § 802j Rdn. 5. 52 § 802h Rdn. 3. 53 BGH NJW-RR 2022, 571, 571; OLG Jena DGVZ 2002, 90. A.A. Keller DGVZ 2023, 41; s. auch Keller/Keller HdB-ZV Kapitel 2.184 (Erinnerung). 54 Vgl. § 802h Rdn. 4. 55 Dazu AG Aalen DGVZ 2015, 24. Zu den Kosten für einen nicht erledigten Kostenauftrag unrichtig AG Duisburg DGVZ 2016, 191; vgl. vertiefend auch Herrfurth DGZV 2020, 116; Mroß DGVZ 2020, 118; Richter/Zuhn DGVZ 2020, 194. 691

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Achtes Buch – Zwangsvollstreckung

des Haftbefehls nach KV 100 zu § 9 GvKostG.56 Die Kosten der Haft57 ergeben sich aus KV 9010 der Anlage 1 des GKG, die eines Rechtsanwalts aus § 18 Abs. 1 Nr. 16 RVG und VV Nr. 3309. 18 Die nach § 4 GvKostG grundsätzlich mögliche Anforderung eines Vorschusses ist dann ausgeschlossen, wenn die entsprechenden Kosten „voraussichtlich“ nicht entstehen werden. Wenn also der Gläubigerauftrag die Verhaftung auf wenige Minuten beschränkt, ist vorauszusehen, dass etwa Kosten für eine Verbringung des Schuldners in die JVA gerade nicht entstehen werden.

§ 802h Unzulässigkeit der Haftvollstreckung (1) Die Vollziehung des Haftbefehls ist unstatthaft, wenn seit dem Tag, an dem der Haftbefehl erlassen wurde, zwei Jahre vergangen sind. (2) Gegen einen Schuldner, dessen Gesundheit durch die Vollstreckung der Haft einer nahen und erheblichen Gefahr ausgesetzt würde, darf, solange dieser Zustand dauert, die Haft nicht vollstreckt werden.

Übersicht I.

Gesetzesgeschichte, Normzweck

1

II.

Anwendungsbereich

III.

Zeitliche Grenze der Haftvollstreckung 3 (Abs. 1)

2

IV. 1. 2.

Haftaufschub (Abs. 2) 4 Anforderungen an die Haftunfähigkeit 6 Verfahren

V.

Rechtsbehelfe

5

9

I. Gesetzesgeschichte, Normzweck 1 Die Regelung ist den früheren §§ 909 Abs. 2 und § 906 entnommen und ist im Rahmen des Gesetzes zur Reform der Sachaufklärung in der Zwangsvollstreckung1 eingeführt worden. Die in dem damaligen Regelungskomplex zusätzlich enthaltenen Sonderbestimmungen für einzelne Personengruppen (Parlamentarier, Schiffsbesatzungen auf hoher See, Geistliche, öffentliche Bedienstete) sind mangels praktischer Bedeutung aus dem Gesetz entfernt und Bestimmungen in der GVGA vorbehalten worden.2 Der Regelungsgehalt des § 802h schließt an den in § 802g vorgesehenen Haftbefehl an, der seinerseits in Reaktion auf die Nichtabgabe der Vermögensauskunft durch den Schuldner ergehen kann.

56 S. zusätzlich auch Seip Zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung bei Vollstreckung des Haftbefehls, DGVZ 2004, 182. Winterstein Zustellung des Haftbefehls im Verfahren der eidesstattlichen Versicherung? DGVZ 2004, 54; Winter Zustellung durch Übergabe des Haftbefehls nach § 909 Abs. 1 Satz 2 ZPO, DGVZ 2003, 137. 57 Dazu etwa Schmittmann/Sommer Kostenrechtliche Behandlung von Haftkosten bei Vollzug von zivilrechtlichen Erzwingungsbefehlen, DGVZ 2012, 41. Weil der Schuldner den Antrag jederzeit zurücknehmen kann, ist es zulässig, dass der Gläubiger zur Ausnutzung des Drohpotentials – aber durchaus im Sinne des Schuldnerschutzes – den Auftrag von vornherein auf eine kurze Frist (und sei sie auch nur wenige Minuten) beschränkt. Hiergegen vorzutragen, der Gläubiger dürfe die Haftandrohung nicht als Druckmittel missbrauchen – so tatsächlich AG Verden, Beschl. v. 7.5.2015 – 7 M 589/14 –, verkennt den Zweck der Haftvorschriften, vgl. oben Rdn. 1, gründlich; s. auch noch unten Rdn. 18 zu den Kosten. 1 Vom 29.7.2009, BGBl. I, S. 2258. S. zu diesem Reformgesetz Vor § 704 Rdn. 99. 2 BT-Drucks. 16/10069, S. 28 zu den §§ 904, 905 und 910. Paulus/Loth https://doi.org/10.1515/9783110443158-105

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II. Anwendungsbereich Auf die vorliegende Vorschrift verweisen die §§ 836 Abs. 3 sowie 883 Abs. 2. Ausweislich der Geset- 2 zesmaterialien3 ist unter dem in der Norm verwendeten Begriff der Vollziehung auch schon die Verhaftung des Schuldners zu verstehen – nicht aber auch der Erlass des Haftbefehls.4

III. Zeitliche Grenze der Haftvollstreckung (Abs. 1) Die Frist von zwei Jahren korrespondiert mit der des § 802d Abs. 1.5 Ihre Berechnung hat der 3 Gerichtsvollzieher bzw. das Vollstreckungsgericht, vgl. § 802g Rdn. 4, von Amts wegen vorzunehmen; sie erfolgt gemäß § 222 (i.V.m. §§ 187 ff BGB, wobei das Anfangsdatum das der Unterzeichnung des Haftbefehls ist,6 Enddatum das des Eingangs7 des Verhaftungsauftrags bei der Verteilungsstelle. Sie ist auch dann eingehalten, wenn der Gläubiger binnen dieser Frist8 den Antrag auf Verhaftung gestellt hat; mag auch die eigentliche Verhaftung erst danach erfolgen.9 Die Frist wird, wenn eine gesundheitsgefährdende Unterbrechung nach Maßgabe des Abs. 2 vorliegt, in ihrem Ablauf gehemmt in Analogie zu § 209 BGB.10 Die Hafthöchstdauer von sechs Monaten, § 802j, darf durch eine derartige Stückelung in keinem Fall überschritten werden. Eine Unterbrechung einer Strafhaft kann vom Gläubiger dann nicht mit Erfolg beantragt werden, wenn die angestrebte Erzwingungshaft auch noch fristgerecht an den Ablauf der Strafhaft angehängt werden kann.11

IV. Haftaufschub (Abs. 2) Die gesundheitsbedingte Aussetzung der Haftvollstreckung stellt sich als eine Spezialvorschrift 4 gegenüber § 765a dar, die jedoch nicht so verstanden werden darf, dass damit das gesamte Schutzarsenal dieser Vorschrift in den vorliegenden Abs. 2 hineingelesen werden könnte. Als Sonderregelung verdrängt sie vielmehr den § 765a.12 Sie will den gesundheitsgefährdeten Schuldner allein vor der Haft als solcher schützen (also auch vor einem Aufenthalt in der Krankenabteilung in einer Vollzugsanstalt,13 nicht aber vor der Abgabe der Vermögensauskunft mitsamt eidesstattlicher Erklärung),14 hindert also in keinem Fall den Erlass eines Haftbefehls.15 Deshalb ist diese Vorschrift aber auch dann anzuwenden, wenn sich die Gesundheitsgefährdung erst nach eingeleiteter Verhaftung herausstellt bzw. der Schuldner sich darauf beruft.

3 Wie vorige Fn. 4 OLG Karlsruhe MDR 1999, 567. 5 Kritisch zu dieser Verkürzung im Hinblick auf die Zwölfmonatsfrist in § 802b Abs. 2 S. 3 Seip Zum Entwurf eines Gesetzes zur Reform der Sachaufklärung in der Zwangsvollstreckung, DGVZ 2006, 1, 6 f. 6 Zöller/Seibel Rdn. 2; a.A. Voraufl. (Tag der Hinausgabe). 7 AG Stuttgart DGVZ 2015, 23. 8 Erfolgt der Antrag danach, ist der Haftbefehl verbraucht. 9 BGH NJW 2006, 1290 (noch zu § 909 Abs. 2 a.F.); Zöller/Seibel Rdn. 2. 10 Möglicherweise a.A. Zöller/Stöber Rdn. 4, der von „unterbrechen“ spricht. 11 OLG München NJW-RR 2008, 1743. Zur Nachverhaftung s. auch AG Berlin-Tiergarten DGVZ 2000, 63. 12 Vgl. § 765a Rdn. 17. A.A. AG Bensheim DGVZ 2004, 76. 13 Kindl/Meller-Hannich/Sternal Rdn. 5. 14 OLG Jena InVo 1997, 167. 15 Zutreffend OLG Karlsruhe MDR 1999, 567; s. auch § 802g Rdn. 9. 693

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1. Anforderungen an die Haftunfähigkeit 5 Gefordert ist eine nahe und erhebliche Gefahr für die (physische wie psychische) Gesundheit des Schuldners. Die Kumulation der beiden Qualifikationen („nahe und erhebliche“) impliziert, dass eine lediglich abstrakte Gesundheitsgefährdung zum Ausschluss der Haftvollstreckung nicht ausreicht. Andererseits ist die Erheblichkeit nicht so rigide zu verstehen16 wie in den Fällen des § 765a,17 wo insbesondere und vor allem die Suizidgefahr eine wenig rühmliche Karriere gefunden hat. Desgleichen unterscheidet sich die vorliegende Vorschrift von jener Schutznorm dadurch, dass es ausweislich des Wortlauts allein auf die Gesundheitsgefährdung des Schuldners ankommt, nicht auch der naher Angehöriger.

2. Verfahren 6 Die Überprüfung des schuldnerischen Einwands obliegt dem Gerichtsvollzieher von Amts wegen;18 er muss die Entscheidung unter Zugrundelegung eines strengen Maßstabs19 treffen (der Schuldner kann jederzeit die Voraussetzungen für die Verhaftung durch die Erteilung der Vermögensauskunft und Abgabe der eidesstattlichen Versicherung obsolet werden lassen, § 802i) und kann allenfalls deren Verschiebung erklären, um dem Schuldner die Möglichkeit zur Präzisierung einzuräumen. Um das zu ermöglichen, muss der Schuldner seinerseits die Gefährdung mittels eines medizinischen Gutachtens nachweisen;20 ihm allein obliegt die Beibringungslast. Eine pauschale Bevorzugung – sei es eines amtsärztlichen, sei es eines privaten Gutachtens – wird man schwerlich überzeugend begründen können;21 das LG Saarbrücken22 weist in diesem Zusammenhang zutreffend darauf hin, dass dem begutachtenden Arzt die Bedeutung und Tragweite der eidesstattliche Versicherung bekannt sein muss, um ein überzeugendes Gutachten erstellen zu können. Der Gerichtsvollzieher kann bei der Prüfung auch die Aktualität des Gutachtens in Rechnung stellen; diagnostiziert dieses eine dauerhafte Gefährdung, ist es allerdings auch dann noch relevant, wenn es bereits ein Jahr alt ist.23 7 Dem Gerichtsvollzieher ist mit dieser Überprüfung eine erhebliche Verantwortung übertragen. Sie setzt insbesondere auch Menschenkenntnis und ein Gespür für Zusammenhänge voraus. So ist in der Tat sehr wohl nachvollziehbar, wenn das AG Bremen ein Fernbleiben vom Termin als ungenügend ansieht, wenn das Attest zwar eine erhebliche somatisierte Depression des Schuldners bescheinigt, dieser aber wenige Monate zuvor noch in einer anderen Sache persönlich vor Gericht aufgetreten ist. Wie schon erwähnt, muss der Gerichtsvollzieher bei seiner Beurteilung einen strengen Maßstab anlegen; lehnt er die Verhaftung ab, weil er von der Gesundheitsgefähr-

16 S. etwa BVerfG DGVZ 2008, 123 (drohender Schlaganfall). 17 Vgl. § 765a Rdn. 34 f. 18 Tritt die Gesundheitsgefährdung erst im Laufe der Haft ein, vgl. Rdn. 3, liegt die Prüfungspflicht beim Vollstreckungsgericht, Kindl/Meller-Hannich/Sternal Rdn. 14. 19 BT-Drucks. (wie Fn 2); AG Göppingen JurBüro 2005, 551. 20 LG Lübeck DGVZ 2008, 126. Dort auch der zutreffende Hinweis, dass Gefälligkeitsgutachten vom Gerichtsvollzieher ignoriert werden können. Zu den Anforderungen an die in dem Gutachten zu adressierenden Punkte AG Bremen JurBüro 2011, 159 (ausführliche Begründung und Darlegung des Zustandes des Schuldners, des Krankheitsverlaufs, der Untersuchungsergebnisse sowie der konkreten Folgen der Erkrankung); s. auch AG Göppingen JurBüro 2005, 551; AG Oldenburg BeckRS 2008, 13494 (pauschale Erklärungen). 21 A.A. etwa AG Oldenburg BeckRS 2008, 13494, mit Hinweis auf OLG Jena InVo 1997, 167; Kindl/Meller-Hannich/ Sternal Rdn. 10 (Bindung an amtsärztliches Attest). 22 DGVZ 2010, 16. 23 LG Aachen DGVZ 1999, 43. Paulus/Loth

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Abschnitt 2. Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen

dung des Schuldners überzeugt ist – sie also offenkundig oder nachgewiesen ist24 –, muss er dies schriftlich im Protokoll, § 762, detailliert erläutern, auf Grund welcher Erwägungen er zu diesem Schluss gekommen ist.25 Ist die Gesundheit naher Angehöriger durch die Vollziehung des Haftbefehls gefährdet, ist 8 der Gerichtsvollzieher zur Benachrichtigung der einschlägigen Behörden26 verpflichtet.

V. Rechtsbehelfe Die Frage, ob die in Abs. 1 vorgeschriebene Frist von zwei Jahren im konkreten Fall eingehalten 9 ist oder nicht, kann im Rahmen der Erinnerung nach § 766 sowohl von Seiten des Schuldners als auch des Gläubigers überprüft werden. Gleiches gilt im Hinblick auf einen Verstoß gegen die Anordnung des Abs. 2; hier kann der Schuldner seine Gesundheitsgefährdung vorbringen und der Gläubiger seine Zweifel an der Richtigkeit des Nachweises. Zur Verteidigung gegen den Haftbefehl selbst s. § 802g Rdn. 16.

§ 802i Vermögensauskunft des verhafteten Schuldners (1)

1

Der verhaftete Schuldner kann zu jeder Zeit bei dem Gerichtsvollzieher des Amtsgerichts des Haftortes verlangen, ihm die Vermögensauskunft abzunehmen. 2Dem Verlangen ist unverzüglich stattzugeben; § 802f Abs. 5 gilt entsprechend. 3Dem Gläubiger wird die Teilnahme ermöglicht, wenn er dies beantragt hat und seine Teilnahme nicht zu einer Verzögerung der Abnahme führt. (2) 1Nach Abgabe der Vermögensauskunft wird der Schuldner aus der Haft entlassen. 2 § 802f Abs. 5 und 6 gilt entsprechend. (3) 1Kann der Schuldner vollständige Angaben nicht machen, weil er die erforderlichen Unterlagen nicht bei sich hat, so kann der Gerichtsvollzieher einen neuen Termin bestimmen und die Vollziehung des Haftbefehls bis zu diesem Termin aussetzen. 2§ 802f gilt entsprechend; der Setzung einer Zahlungsfrist bedarf es nicht.

Übersicht I.

Gesetzesgeschichte, Normzweck

1

II.

Anwendungsbereich

III. 1. 2. 3. 4.

3 Vermögensauskunft nach Verhaftung 4 Zeitpunkt der Vermögensauskunft 5 Verlangen des Schuldners 6 Teilnahme des Gläubigers Vermögensauskunft in anderen Verfahren

IV.

Haftentlassung nach Vermögensauskunft, 8 Abs. 2

V.

Haftaussetzung und neuer Termin, Abs. 3

VI.

Rechtsbehelfe

2 10

13

7

24 Kindl/Meller-Hannich/Sternal Rdn. 8 mit Verweis auf LG Göttingen DGVZ 1981, 11. Hinsichtlich der Offenkundigkeit sollte der Gerichtsvollzieher allerdings Vorsicht walten lassen: Er wird wohl nur selten die medizinische Sachkunde haben, um eine verlässliche Einschätzung der Gesundheitsreaktion gerade (und nur!) bezüglich Abgabe der Vermögensauskunft und der eidesstattlichen Bekräftigung allein anhand des äußeren Eindrucks vornehmen zu können. 25 Zöller/Seibel Rdn. 3. 26 Thomas/Putzo/Seiler Rdn. 4 nennt beispielhaft: Jugendamt, Betreuungsgericht, Ordnungsamt, Tierschutzverein; ebenso Kindl/Meller-Hannich/Sternal Rdn. 6. 695 https://doi.org/10.1515/9783110443158-106

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§ 802i

Achtes Buch – Zwangsvollstreckung

I. Gesetzesgeschichte, Normzweck 1 Die Regelung ist dem früheren § 902 nachgebildet und im Rahmen des Gesetzes zur Reform der Sachaufklärung in der Zwangsvollstreckung1 eingeführt worden. Sie ist Ausdruck einer verfassungsrechtlichen Konkretisierung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes,2 indem sie dem Schuldner die jederzeitige Möglichkeit einräumt, die selbstverantwortete Situation wieder zu beenden.

II. Anwendungsbereich 2 Die hier adressierte Beendigungsmöglichkeit der Haft für den Schuldner durch sein eigenes „Zutun“ korreliert mit der Regelung in § 802j, wo eine von Gesetzes wegen eintretende Beendigung der Haft vorgesehen ist. § 802i wird von verschiedenen Vorschriften in Bezug genommen: Neben den Vorschriften der §§ 836 Abs. 3, 883 Abs. 2, 933 ZPO sind dies die §§ 284 AO, 6 JBeitrO.

III. Vermögensauskunft nach Verhaftung 3 Die Möglichkeit der Verhaftung nach den §§ 802g ff. dient der Erzwingung einer vom Schuldner unterlassenen Mitwirkung im Vollstreckungsverfahren. Als Beugemittel ist es folgerichtig, dass es nur so lange Anwendung findet, als sich der Schuldner seiner Beteiligung widersetzt. Erklärt er sich dazu bereit, muss der staatliche Zwang unverzüglich eingestellt werden.

1. Zeitpunkt der Vermögensauskunft 4 Entsprechend dem soeben Ausgeführten steht dem Schuldner zu jeder Zeit die Möglichkeit offen, sich zur Vermögensauskunft bereit zu erklären.3 Die vorliegende Norm adressiert hierbei allein die spezielle Situation, dass der Schuldner gerade verhaftet wurde oder sich bereits in Haft befindet. Außerhalb einer Haftsituation kann der Schuldner jederzeit einen Termin beim Gerichtsvollzieher (oder auch bei sich in der Wohnung, § 802f Abs. 2) vereinbaren,4 um die Vermögensauskunft zu erteilen. In diesem Fall richtet sich die Zuständigkeit nach § 802e.

2. Verlangen des Schuldners 5 Bei diesem vom Gesetz so genannten Verlangen handelt es sich technisch gesprochen um einen Antrag, der freilich keinem Formzwang unterliegt. Zuständig für die Entgegennahme des Antrags ist der Gerichtsvollzieher desjenigen Amtsgerichts, in dessen Sprengel sich der Haftort befindet.5 Nicht nur Satz 2 des Abs. 1, sondern auch S. 3 verdeutlicht, dass diesem Antrag ohne schuldhaftes Zögern (§ 121 BGB) nachzukommen ist; der Gerichtsvollzieher braucht also nicht alles stehen und liegen zu lassen, die Wochenendfahrt bzw. die Nachtruhe zu unterbrechen, muss sich aber um 1 2 3 4

Vom 29.7.2009, BGBl. I, S. 2258. S. zu diesem Reformgesetz Vor § 704 Rdn. 99. Richtig Musielak/Voit/Voit Rdn. 1; Saenger/Rathmann Rdn. 1. Für den Fall einer Nichteinhaltung dieser Bereitschaftserklärung s. § 802j Rdn. 5. Zu einem derartigen „Rendez-vous“ Wiedemann Rendez-vous – Klappe zu? DGVZ 2004, 129; dazu Seip DGVZ 2004, 182; kollidieren kann dies mit dem Teilnahmerecht des Gläubigers, Abs. 1 Satz 3, vgl. dazu Musielak/Voit/Voit Rdn. 2. 5 Stellt der Schuldner allerdings den Antrag anlässlich seiner Verhaftung, verbleibt die Zuständigkeit bei dem verhaftenden Gerichtsvollzieher, Kindl/Meller-Hannich/Sternal Rdn. 4. In Fällen einer Haftanordnung auf der Grundlage von § 284 AO kann auch die Vollstreckungsbehörde, d.h. Finanzamt oder Hauptzollamt, § 145 Nr. 3 GVGA, zuständig sein, § 284 Abs. 8 S. 6 AO. Paulus/Loth

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beschleunigte Terminierung bemühen. Aus Abs. 3 ergibt sich überdies, dass dem Antrag nicht etwa erst dann entsprochen zu werden braucht, wenn der Schuldner bereits sämtliche erforderlichen Unterlagen zusammengetragen hat; der Antrag eröffnet vielmehr die Möglichkeit, dass die Haft ausgesetzt wird, um dem Schuldner auf diese Weise das Zusammentragen der Unterlagen zu gestatten.

3. Teilnahme des Gläubigers Der Gläubiger bzw. sein Vertreter ist berechtigt, an dem Vorgang der Vermögensauskunft beteiligt 6 zu werden. Dies kann im Einzelfall angesichts seines Fragerechts im Interesse eines im Hinblick auf Situationen wie die des § 802j Abs. 2 reibungslosen Verfahrensablaufs und sogar auch um der Richtigkeit der gemachten Angaben wünschenswert sein. Voraussetzung für seine Beteiligung ist allerdings zum einen das entsprechende Verlangen des Gläubigers, das er bereits im Vorfeld ausgedrückt haben kann oder bei telefonischer6 Benachrichtigung von dem Antrag des verhafteten Schuldners, die Vermögensauskunft erteilen zu wollen.7 Zum anderen die je im Einzelfall von dem angegangenen Gerichtsvollzieher zu beantwortende Frage, ob sich durch die Gläubigerbeteiligung das Verfahren verzögert. Maßstab für diese Beurteilung ist das im Gesetz zum Ausdruck kommende Bestreben, dem Schuldner jederzeit die beschleunigte Entlassung aus der (zu beachten: selbst zu verantwortenden) Haft zu ermöglichen. Ist also der Gläubiger auf Reisen oder auch nur nicht binnen des fraglichen Tages verfügbar, ist dem Schuldner die Vermögensauskunft ohne Beisein des Gläubigers zu gestatten. Die Ausschöpfung des ganzen in Frage stehenden Tages – und nicht etwa die Berechnung nach Stunden8 – ist auf Grund eines Interessenausgleichs geboten, bei dem es dem Schuldner nicht überlassen sein kann, den Gläubiger in ständiger Verfügbarkeit zu halten.9 Besonderes Interesse kann dem Gläubiger zukommen, wenn seine Forderung besonders hoch ist.10

4. Vermögensauskunft in anderen Verfahren Da die Vermögensauskunft nicht gläubigerspezifisch ist, sondern sich auf die beim Schuldner objek- 7 tiv bestehenden Vermögensverhältnisse bezieht, sind eventuell weitere bestehende Haftbefehle in dem Moment verbraucht, in dem der Schuldner für einen der Gläubiger die Auskunft in Gemäßheit des § 802c erteilt hat.

IV. Haftentlassung nach Vermögensauskunft, Abs. 2 Die vom Schuldner beantragte Vermögensauskunft findet grundsätzlich – Ausnahme Abs. 3, vgl. 8 Rdn. 11 – noch in der Haftanstalt statt. Der betreffende Gerichtsvollzieher muss also dorthin kommen und die in § 802f Abs. 5 und 6 vorgeschriebenen Formalien (Erstellung der Auskunft in elek6 In Anbetracht der Eilbedürftigkeit ist eine briefliche Benachrichtigung ausgeschlossen, nicht aber eine solche per SMS. 7 Thomas/Putzo/Seiler Rdn. 6. 8 Das LG Oldenburg geht demgegenüber von einer Wartezeit von u.U. nur einer Stunde aus, DGVZ 2003, 156; das AG Worms spricht dem Gläubiger bei einer nur binnen 4,3 Stunden bestehenden Erreichbarkeit gleich kategorisch das Beteiligungsrecht ab, DGVZ 2010, 234. 9 Das wäre allenfalls dann gerechtfertigt, wenn der Gläubiger mit dem Gerichtsvollzieher während der Vermögensauskunft in telefonischem Kontakt – oder in einer Internet-basierten Verbindung (Skype o.ä.) – steht, zutreffend Musielak/Voit/Voit Rdn. 5. 10 BeckOK/Fleck Rdn. 4a. 697

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tronischer Form, Verlesen bzw. Inkenntnissetzung und Übermittlung an das zuständige Gericht) ebendort erfüllen. Aus der Verweisung auf die Abs. 5 und 6 des § 802f folgt, dass die Haftentlassung erst nach der Erfüllung dieser Voraussetzungen erfolgen kann. Auch wenn der Wortlaut („Abgabe der Vermögensauskunft“) anzudeuten scheint, dass die Entlassung bereits nach Angabe der erforderlichen Angaben erfolgen kann, ergibt sich doch aus jener Verweisung, dass etwa auch noch die Versicherung an Eides statt zu leisten ist, s. auch § 144 GVGA. Infolgedessen gehören auch noch die Weiterleitung und die Zusendung der Ausdrucke an den Gläubiger und, falls gewünscht, den Schuldner mit zu den Voraussetzungen, nach deren Abschluss erst die Entlassung aus der Haft in die Wege geleitet werden kann.11 Den gesamten Vorgang hat der Gerichtsvollzieher in das Protokoll nach § 762 aufzunehmen, 9 und er hat den Gläubiger, soweit erforderlich,12 von der Entlassung in Kenntnis zu setzen. Mit der Entlassung ist der Haftbefehl verbraucht, kann also nicht etwa im Rahmen des § 802j Abs. 2 „reaktiviert“ werden.

V. Haftaussetzung und neuer Termin, Abs. 3 10 Als Alternative zur der vorbeschriebenen Vorgehensweise, bei der der Schuldner in der Haft verbleibt, bis die Formalien erledigt sind, räumt ihm das Gesetz in Abs. 3 eine vorzeitige Entlassungsmöglichkeit ein. Voraussetzung ist zunächst einmal wiederum die erklärte Bereitschaft zur Vermögensauskunft; und es muss hinzukommen, dass der Schuldner zu diesem Zweck auf ihm am Haftort nicht zugängliche Unterlagen zugreifen muss. Diese Informationen hat er dem in Abs. 1 genannten, zuständigen Gerichtsvollzieher zu übermitteln. Es liegt im Ermessen des Gerichtsvollziehers, ob er diese Aussage für glaubhaft hält. Vernei11 nendenfalls muss der Schuldner dafür Sorge tragen, dass ihm die Unterlagen von dritter Seite in die Haft gebracht werden;13 bejahendenfalls kann der Gerichtsvollzieher die Vollziehung bis zu dem zu bestimmenden, eng bemessenen Termin aussetzen. Statt dieses „entweder-oder“ besteht auch die Möglichkeit, dass der Gerichtsvollzieher all diejenigen Auskünfte verlangt, die dem Schuldner noch in der Haft möglich sind, um dann nur noch das Fehlende in dem weiteren, anzuberaumenden Termin nachzutragen. Das Verfahren bei diesem Termin erfolgt nach Maßgabe des § 802f, ohne dass es dabei einer erneuten Fristsetzung bedarf. Da im Falle der Haftaussetzung der Haftbefehl noch nicht verbraucht ist, vgl. Rdn. 7 ff., sich also noch in Händen des Gerichtsvollziehers befindet, kann er den Schuldner erneut verhaften, sollte dieser zu dem bestimmten Termin nicht erscheinen oder nur unvollständige Angaben machen. Diese Terminbestimmung scheint zu implizieren, dass der Schuldner die Vermögensauskunft 12 auch dann ihm gegenüber zu erbringen hat, wenn sein gewöhnlicher Aufenthaltsort bzw. Wohnsitz in einem anderen Amtsgerichtssprengel belegen ist. Das erscheint jedoch in Anbetracht der Effizienzbemühung des Gesetzes wie eine bloße, unnötige Kosten verursachende Förmelei, so dass die Auskunft auch bei einem anderen Gerichtsvollzieher vorgenommen werden kann. Das allerdings bedeutet, dass sich der Gerichtsvollzieher des „Haftsprengels“ mit dem Gerichtsvollzieher des „Heimatsprengels“ wegen des Termins zur Auskunftserteilung verständigen muss, um die genaue Dauer der Haftaussetzung vornehmen zu können.

11 Die hier thematisierte zeitliche Verzögerung wird in praxi wohl allenfalls dann ein Problem werden können, wenn sich in der Haftanstalt kein WLAN-Anschluss befindet oder wenn die Sendefunktion des Computers des Gerichtsvollziehers einmal gestört ist. 12 Dazu kann es etwa kommen, wenn die Vermögensauskunft des Schuldners auf Betreiben eines weiteren Gläubigers erfolgt ist, vgl. Saenger/Rathmann Rdn. 6. 13 Mit Zöller/Seibel Rdn. 9, wird man dies für die primäre Vorgehensweise halten müssen. Paulus/Loth

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§ 802j

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VI. Rechtsbehelfe Gegen Verstöße des hier beschriebenen Verfahrens kann sich der Schuldner mittels des § 766 zur 13 Wehr setzen. Sofern der Gläubiger nicht beteiligt worden ist, obwohl das seiner Ansicht nach geboten und möglich gewesen wäre, stellt sich die Frage, ob dieser Verstoß die Notwendigkeit herbeiführen kann, das Vermögensauskunftsverfahren noch einmal zu wiederholen. Einige verneinen das;14 doch wird man dies im Hinblick auf § 802d modifizieren müssen: Bei einem solchen Verstoß gegen das gebotene Verfahren ist die Erinnerung statthaft. Sie hat aber nur Erfolg, wenn der Gläubiger im Rahmen seiner Erinnerung nach § 766 Tatsachen vorträgt, die der Glaubhaftmachung des § 802d genügen.15

§ 802j Dauer der Haft; erneute Haft 1 Die Haft darf die Dauer von sechs Monaten nicht übersteigen. 2Nach Ablauf der sechs Monate wird der Schuldner von Amts wegen aus der Haft entlassen. (2) Gegen den Schuldner, der ohne sein Zutun auf Antrag des Gläubigers aus der Haft entlassen ist, findet auf Antrag desselben Gläubigers eine Erneuerung der Haft nicht statt. (3) Ein Schuldner, gegen den wegen Verweigerung der Abgabe der Vermögensauskunft eine Haft von sechs Monaten vollstreckt ist, kann innerhalb der folgenden zwei Jahre auch auf Antrag eines anderen Gläubigers nur unter den Voraussetzungen des § 802d von neuem zur Abgabe einer solchen Vermögensauskunft durch Haft angehalten werden.

(1)

Übersicht I.

Gesetzesgeschichte, Normzweck

II.

Anwendungsbereich

III.

Höchstdauer der Haft (Abs. 1)

IV.

Erneuerung der Haft (Abs. 2)

1

2 3 5

V. 1. 2. 3.

Sperrfrist für wiederholte Verhaftung 7 (Abs. 3) 8 Voraussetzungen 9 Ausnahme § 802d 10 Zweijahresfrist

VI.

Rechtsbehelfe, Abs. 1–3

11

I. Gesetzesgeschichte, Normzweck Die Regelung ist den früheren §§ 913 und 911 (Abs. 1 und 2) entnommen bzw. entspricht der des § 914 1 a.F.; sie ist im Rahmen des Gesetzes zur Reform der Sachaufklärung in der Zwangsvollstreckung1 eingeführt worden. Die Zweijahresfrist des Abs. 3 korrespondiert mit der des § 802d.2 Die Norm dient dem Schuldnerschutz insofern, als sie das Sanktionsmittel gegen den sich der Vermögensauskunft verweigernden Schuldner in zeitlicher Hinsicht begrenzt und die vollzogene Haft darüber hinaus als eine Art von „Freikauf“ ausgestaltet, mittels derer der Schuldner für zwei Jahre vor einer erneuten

14 Musielak/Voit/Voit Rdn. 2 (s. aber auch dort Rdn. 5 sowie Kindl/Meller-Hannich/Sternal Rdn. 6: Amtshaftungsansprüche – freilich für welchen Schaden?).

15 Ähnlich Kindl/Meller-Hannich/Sternal Rdn. 6. 1 Vom 29.7.2009, BGBl. I, S. 2258. S. zu diesem Reformgesetz Vor § 704 Rdn. 99. 2 BT-Drucks. 16/13432 (Beschlussempfehlung und Bericht), S. 44. 699 https://doi.org/10.1515/9783110443158-107

Paulus/Loth

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Achtes Buch – Zwangsvollstreckung

Verhaftung weitgehend bewahrt wird.3 Darüber hinaus dient Abs. 2 als Schutz vor einem schikanösen Gläubiger, der den Schuldner wiederholt verhaften will.4

II. Anwendungsbereich 2 Auf die vorliegende Vorschrift verweisen die §§ 836 Abs. 3, 883 Abs. 2 sowie 933, freilich jeweils unter Ausklammerung des Abs. 3. Die §§ 153 (21 Abs. 3) InsO nehmen ebenso wie die §§ 35 Abs. 3, 89 Abs. 3 FamFG allein auf Abs. 1 Bezug. § 326 Abs. 2 AO nimmt bezüglich des persönlichen Sicherheitsarrests von seiner Verweisung die Regelung des Abs. 2 aus; Gleiches findet sich in § 6 JBeitrO. Gerade umgekehrt bezieht sich § 16 Abs. 3 VwVG allein auf Abs. 2 von § 802j. Einzig und allein § 284 Abs. 8 S. 3 AO verweist einschränkungslos auf die vorliegende Vorschrift.

III. Höchstdauer der Haft (Abs. 1) 3 Die Dauer von sechs Monaten5 berechnet sich über § 222 nach den §§ 187 Abs. 1 BGB (Fristbeginn) und 188 Abs. 2 BGB (Fristende). Der darin zum Ausdruck kommende Schuldnerschutz wird dadurch unterstrichen, dass die Entlassung von Amts wegen zu erfolgen hat. Auf entsprechenden Antrag des Schuldners hin obliegt dem Vollstreckungsgericht6 also die Prüfung, ob bzw. wann genau diese Frist abgelaufen ist. 4 Freilich ist der Schutz des Abs. 1 dem Schuldner nur und gerade hinsichtlich einer Forderung eines seiner Gläubiger eingeräumt. Hat dieser Gläubiger zwei oder mehr Forderungen oder hat der Schuldner mehrere Gläubiger, kann jeder von ihnen hinsichtlich jeder einzelnen Forderung einen Haftbefehl beantragen. Bei einer Mehrheit von Haftbefehlen hat das zur Folge, dass der Schuldner bezüglich eines jeden dieser Haftbefehle die Gesamtdauer von je sechs Monaten Haft zu erdulden hat.7 Vor einer solchen Erweiterung der Haftdauer schützt jedoch Abs. 3 mit seiner Schonzeit von zwei Jahren.8

IV. Erneuerung der Haft (Abs. 2) 5 Hat ein Gläubiger vor Ablauf der in Abs. 1 angesprochenen sechs Monate den Antrag auf Entlassung des Schuldners aus der Haft beantragt und ist diesem Antrag entsprochen worden, so ist der Haftbefehl verbraucht und kann nicht reaktiviert werden – weder in demselben Vollstreckungsverfahren noch als eine erneute Haftanordnung wegen derselben Forderung.9 Voraussetzung dafür ist allerdings, dass die Haftentlassung erfolgt ist, ohne dass der Schuldner dazu beigetragen hat. Ist die Entlassung des Schuldners also entweder ohne entsprechenden Gläubigerantrag erfolgt, oder hat der Schuldner dazu seinen Teil beigetragen, ist der Haftbefehl nicht verbraucht und kann zur erneuten Verhaftung eingesetzt werden. Einen solchen Beitrag zu seiner Freilassung kann der Schuldner nicht nur durch Auskunft über seine Vermögensverhältnisse mitsamt

3 Dies kann jedoch durchaus zu Problemen führen, z.B. wenn ein Schuldner sein Vermögen durch Umwandelung in Bitcoin vor dem Zugriff von Gläubigern entziehen will, hierzu ausführlich Fritsche Die Zwangsvollstreckung in Token, 2023, S. 109 ff. sowie Vorschlägen de lege ferenda, S. 169 f.; s. auch Vor § 704 Rdn. 101a f. 4 Stein/Jonas/Würdinger Rdn. 4; Saenger/Rathmann Rdn. 2. 5 Zur Verfassungsmäßigkeit (bei Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes) BVerfG NJW 2018, 531. 6 A.A. Zöller/Seibel Rdn. 1: Leiter der Vollzugsanstalt. 7 KG DGVZ 2000, 59; OLG Celle DGVZ 1999, 73. 8 Stein/Jonas/Würdinger Rdn. 3. 9 Stein/Jonas/Würdinger Rdn. 4. Paulus/Loth

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eidesstattlicher Versicherung leisten,10 sondern auch, indem er beispielsweise dem Gläubiger die Erfüllung der Schuld zusichert11 oder die Abgabe der Vermögensauskunft verspricht12 oder vergleichbare Handlungen vornimmt. Darüber hinaus kann der Schuldner einer erneuten Verhaftung ausgesetzt sein – freilich in 6 den Grenzen des Abs. 3 –, wenn derselbe Gläubiger auf Grund einer anderen Forderung oder aber andere Gläubiger wegen ihrer Forderungen entsprechende Anträge stellen.

V. Sperrfrist für wiederholte Verhaftung (Abs. 3) Die Sperrfrist betrifft nach dem oben, Rdn. 2, zum Anwendungsbereich Gesagten allein die Sankti- 7 onierung nach § 802c und § 240 AO.13 Während Abs. 2 eine Sonderregelung für den die Haft beantragenden Gläubiger trifft und damit andere Gläubiger gerade nicht direkt adressiert, sind von Abs. 3 sämtliche Gläubiger des Schuldners erfasst.

1. Voraussetzungen Keiner der Gläubiger kann eine erneute Verhaftung binnen der nach Haftende beginnenden Zwei- 8 jahresfrist erwirken. Sie kann allerdings schon vor Ablauf der Schonfrist beantragt werden; und es kann demzufolge auch schon ein Haftbefehl erlassen werden.14 Letzteres folgt daraus, dass in die als Schutzbastion für den Schuldner vorgesehene Zweijahresfrist nicht auch der Erlass des Haftbefehls mit eingerechnet wird, vgl. § 802h Rdn. 4. Hat also der Schuldner die in Abs. 1 auf sechs Monate begrenzte Haftzeit abgesessen, so kann weder der Ausgangsgläubiger wegen einer weiteren Forderung noch ein sonstiger Gläubiger wegen seiner Forderung eine Verhaftung einleiten. Das hat ein Gerichtsvollzieher selbständig zu überprüfen.

2. Ausnahme § 802d Eine Ausnahme der in Abs. 3 adressierten Zweijahressperre bildet es, wenn der Gläubiger die in 9 § 802d angesprochene Änderung der Vermögensverhältnisse beim Schuldner glaubhaft machen kann. Zu diesem Zweck muss der Gläubiger nach Maßgabe des § 294 dem Gerichtsvollzieher gegenüber vortragen, dass der Schuldner zwischenzeitlich zu neuem Vermögen etc. gekommen sei.15 In einem solchen Fall kann es also dazu kommen, dass die Schonfrist nicht zu beachten ist; dann nämlich, wenn der Schuldner die Vermögensauskunft und die eidesstattliche Versicherung auch unter den geänderten Umständen verweigert.16

3. Zweijahresfrist Für die Fristberechnung gelten die in Rdn. 3 genannten Vorschriften. Die Frist entspricht der der 10 §§ 802d Abs. 1 und 802h Abs. 1. Mehrere Haftaufenthalte sind zusammenzurechnen. Gläubiger

10 11 12 13 14 15 16 701

Bei zutreffender Auskunft freilich entfällt der Haftgrund gänzlich. Thomas/Putzo/Seiler Rdn. 2. Kindl/Meller-Hannich/Sternal Rdn. 5. OLG Celle DGVZ 1999, 73. A.A. Kindl/Meller-Hannich/Sternal Rdn. 11; Stein/Jonas/Würdinger Rdn. 8. Vgl. § 802d Rdn. 8 ff. Kindl/Meller-Hannich/Sternal Rdn. 11; a.A. Musielak/Voit/Voit Rdn. 1. Paulus/Loth

§ 802k

Achtes Buch – Zwangsvollstreckung

ein und desselben Schuldners sind also gut beraten, ihre Haftbefehle nicht zeitgleich zu beantragen.

VI. Rechtsbehelfe, Abs. 1–3 11 Nichteinhaltung bzw. Überschreitung der Haftzeit sowie Schonfrist unterliegen der Überprüfung im Rahmen des § 766. Gleiches gilt für die Nichteinhaltung bzw. Nichtberücksichtigung der Vorgaben der Abs. 2 und 3; in den letzteren Fällen kann aber darüber hinaus gegen eine Haftanordnung bzw. deren Ablehnung auch noch die sofortige Beschwerde nach § 793 eingelegt werden.

§ 802k Zentrale Verwaltung der Vermögensverzeichnisse 1 Nach § 802f Abs. 6 dieses Gesetzes oder nach § 284 Abs. 7 Satz 4 der Abgabenordnung zu hinterlegende Vermögensverzeichnisse werden landesweit von einem zentralen Vollstreckungsgericht in elektronischer Form verwaltet. 2Die Vermögensverzeichnisse können über eine zentrale und länderübergreifende Abfrage im Internet eingesehen und abgerufen werden. 3Gleiches gilt für Vermögensverzeichnisse, die auf Grund einer § 284 Abs. 1 bis 7 der Abgabenordnung gleichwertigen bundesgesetzlichen oder landesgesetzlichen Regelung errichtet wurden, soweit diese Regelung die Hinterlegung anordnet. 4Ein Vermögensverzeichnis nach Satz 1 oder Satz 2* ist nach Ablauf von zwei Jahren seit Abgabe der Auskunft oder bei Eingang eines neuen Vermögensverzeichnisses zu löschen. (2) 1Die Gerichtsvollzieher können die von den zentralen Vollstreckungsgerichten nach Absatz 1 verwalteten Vermögensverzeichnisse zu Vollstreckungszwecken abrufen. 2Den Gerichtsvollziehern stehen Vollstreckungsbehörden gleich, die 1. Vermögensauskünfte nach § 284 der Abgabenordnung verlangen können, 2. durch Bundesgesetz oder durch Landesgesetz dazu befugt sind, vom Schuldner Auskunft über sein Vermögen zu verlangen, wenn diese Auskunftsbefugnis durch die Errichtung eines nach Absatz 1 zu hinterlegenden Vermögensverzeichnisses ausgeschlossen wird, oder 3. durch Bundesgesetz oder durch Landesgesetz dazu befugt sind, vom Schuldner die Abgabe einer Vermögensauskunft nach § 802c gegenüber dem Gerichtsvollzieher zu verlangen. 3 Zur Einsicht befugt sind ferner Vollstreckungsgerichte, Insolvenzgerichte und Registergerichte sowie Strafverfolgungsbehörden, soweit dies zur Erfüllung der ihnen obliegenden Aufgaben erforderlich ist. (3) 1Die Landesregierungen bestimmen durch Rechtsverordnung, welches Gericht die Aufgaben des zentralen Vollstreckungsgerichts nach Absatz 1 wahrzunehmen hat. 2Sie können diese Befugnis auf die Landesjustizverwaltungen übertragen. 3Das zentrale Vollstreckungsgericht nach Absatz 1 kann andere Stellen mit der Datenverarbeitung beauftragen; die jeweiligen datenschutzrechtlichen Vorschriften über die Verarbeitung personenbezogener Daten im Auftrag sind zu beachten. (4) 1Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Einzelheiten des Inhalts, der Form, Aufnahme, Übermittlung, Verwaltung und Löschung der Vermögensverzeichnisse nach § 802f Abs. 5 dieses Gesetzes und nach § 284 Abs. 7 der Abgabenordnung oder gleich-

(1)

* Hier müsste richtigerweise „Satz 3“ stehen; vom Gesetzgeber nach der später erfolgten Einfügung des Satz 2 übersehen. Paulus/Loth https://doi.org/10.1515/9783110443158-108

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wertigen Regelungen im Sinne von Absatz 1 Satz 2 sowie der Einsichtnahme, insbesondere durch ein automatisiertes Abrufverfahren, zu regeln. 2Die Rechtsverordnung hat geeignete Regelungen zur Sicherung des Datenschutzes und der Datensicherheit vorzusehen. 3 Insbesondere ist sicherzustellen, dass die Vermögensverzeichnisse 1. bei der Übermittlung an das zentrale Vollstreckungsgericht nach Absatz 1 sowie bei der Weitergabe an die anderen Stellen nach Absatz 3 Satz 3 gegen unbefugte Kenntnisnahme geschützt sind, 2. unversehrt und vollständig wiedergegeben werden, 3. jederzeit ihrem Ursprung nach zugeordnet werden können und 4. nur von registrierten Nutzern abgerufen werden können und jeder Abrufvorgang protokolliert wird. (5) 1Macht eine betroffene Person das Auskunftsrecht nach Artikel 15 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) (ABl. L 119 vom 4.5.2016, S. 1; L 314 vom 22.11.2016, S. 72; L 127 vom 23.5.2018, S. 2) in Bezug auf personenbezogene Daten geltend, die in den von den zentralen Vollstreckungsgerichten nach Absatz 1 verwalteten Vermögensverzeichnissen enthalten sind, so sind der betroffenen Person im Hinblick auf die Empfänger, denen die personenbezogenen Daten offengelegt worden sind oder noch offengelegt werden, nur die Kategorien berechtigter Empfänger mitzuteilen. 2Das Widerspruchsrecht gemäß Artikel 21 der Verordnung (EU) 2016/679 findet in Bezug auf die personenbezogenen Daten, die in den von den zentralen Vollstreckungsgerichten nach Absatz 1 verwalteten Vermögensverzeichnissen enthalten sind, keine Anwendung.

Übersicht I.

Gesetzesgeschichte, Normzweck

1

II.

Anwendungsbereich

III.

Zentrales Vollstreckungsgericht, Abs. 1

IV.

Löschung der Eintragung

V.

Zum Abruf befugte Personen und Behörden 9 (Abs. 2) 10 Gerichtsvollzieher 11 Vollstreckungsbehörden 15 Gerichte und Strafverfolgungsbehörden

VI. 1.

2 2.

1. 2. 3.

Ermächtigung der Bundesländer (Abs. 3) Länderverordnungen zur Bestimmung des zen20 tralen Vollstreckungsgerichts 21 Auslagerung der Datenverarbeitung

3

6

VII. Ermächtigung des Bundesministeriums der Justiz zum Erlass der Vermögensverzeichnisverordnung 23 (Abs. 4) VIII. Einschränkung des Auskunfts- und Widerspruchs24 rechts nach DS-GVO (Abs. 5)

I. Gesetzesgeschichte, Normzweck Die Regelung ist an die Stelle der früheren §§ 915 ff. getreten und ist im Rahmen des Gesetzes zur 1 Reform der Sachaufklärung in der Zwangsvollstreckung1 eingeführt worden. Sie dient der Straffung und Effizienzsteigerung der Zwangsvollstreckung.

1 Vom 29.7.2009, BGBl. I, S. 2258. S. zu diesem Reformgesetz Vor § 704 Rdn. 99. 703

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II. Anwendungsbereich 2 Laut ihrem Wortlaut in Abs. 1 Satz 1 ist die vorliegende Vorschrift anzuwenden auf die Verwaltung von Vermögensverzeichnissen nach dem Zwangsvollstreckungsrecht des Achten Buches der ZPO und denen nach der Abgabenordnung, s. auch Abs. 1 Satz 3. Darüber hinaus nehmen auch noch die §§ 6, 7 JBeitrO Bezug auf § 802k. § 802k Abs. 1 Satz 3 inkorporiert seinerseits in seinen Anwendungsbereich auch noch sämtliche bundes- und landesrechtlichen Vorschriften, die dem § 284 AO „gleichwertig“ sind. Was darunter zu verstehen ist, erläutert die Gesetzesbegründung so: „Entscheidend für die Feststellung der Gleichwertigkeit sind … die mit der Hinterlegung der Vermögensverzeichnisse verfolgten Zwecke. Demnach kommt es darauf an, dass die Abgabe einer Selbstauskunft für einen bestimmten Zeitraum die Verpflichtung zur erneuten Abgabe nach denselben Vorschriften sperrt (vgl. § 284 Abs. 4 Satz 1 AO-E) sowie dass die Auskunft nach ihrem Inhalt (vgl. § 284 Abs. 2 AO-E) und ihrer Richtigkeitsgewähr (vgl. § 284 Abs. 3 AO-E) der Vermögensauskunft nach § 284 AO-E entspricht.“2 Dazu gehören somit all die Vorschriften, die ihrerseits auf § 284 AO verweisen.

III. Zentrales Vollstreckungsgericht, Abs. 1 3 Die Bedeutung des Abs. 1 erschließt sich aus der Zusammenschau mit § 802f Abs. 6. Danach haben die Gerichtsvollzieher (bzw. gemäß § 284 Abs. 7 AO die Vollstreckungsbehörden) die von ihnen erstellten Vermögensverzeichnisse an das zentrale Vollstreckungsgericht weiterzuleiten. Satz 1 der vorliegenden Norm impliziert bereits die in Abs. 3 explizit ausgewiesene Kompetenz der Länder, für ihr Gebiet je ein Amtsgericht als das zentrale Vollstreckungsgericht auszuweisen; dem ist jedes Bundesland nachgekommen.3 Der sich daraus ergebende Effizienzvorteil liegt darin, dass im Gegensatz zur Rechtslage zuvor nunmehr nicht mehr jedes einzelne Vollstreckungsgericht die Vermögensverzeichnisse aufbewahrt und verwaltet, sondern dass dies gebündelt für jedes Bundesland an einem Gericht erfolgt; dass es also bundesweit 16 derartige Stellen gibt. 4 Die eigentliche Effizienzerhöhung liegt aber weniger in der Bündelung der Verwaltungsstellen als vielmehr darin, dass die Verwahrung in elektronischer Form erfolgt. Damit nämlich sind die Informationen in ungleich schnellerer, einfacherer und ubiquitärerer Weise abrufbar – ein Vorteil, dem Satz 2 eine feste Form gibt, indem er die Grundlage dafür bietet, dass eine „zentrale und länderübergreifende“ Abfrage ermöglich wird. Die Einsichtnahme erfolgt nach näherer Maßgabe der §§ 7 und 8 VermVV und ist allein den in Abs. 2 genannten Stellen vorbehalten. 5 Nachdem Satz 2 erst nachträglich in den Entwurf des Gesetzestexts eingefügt worden ist,4 gilt für die in den Anwendungsbereich aufgenommenen weiteren bundes- wie landesgesetzlichen Regelungen, vgl. Rdn. 2, diese Zugriffserleichterung ebenfalls.

IV. Löschung der Eintragung 6 Die in Satz 4 eigens angeordnete Löschungspflicht korrespondiert mit den datenschutzrechtlichen Vorgaben, die das Gesetz zur Reform der Sachaufklärung in der Zwangsvollstreckung auch in § 802d Abs. 1 aufstellt; der Eingriff in die wirtschaftliche Bewegungsfreiheit des Schuldners wird dadurch nach den Geboten des verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes begrenzt. Auf derselben Linie liegt die zeitliche Begrenzung auf zwei Jahre, die ihre Parallele in den §§ 802d Abs. 1 sowie 802h Abs. 1 findet.5 Die Zweijahresfrist beginnt mit Abgabe der Vermögensauskunft. 2 3 4 5

BT-Drucks. 16/10069, S. 29. Auflistung abrufbar unter www.justiz.de; ferner bei Kindl/Meller-Hannich/Sternal Rdn. 3. BT-Drucks. 17/7560, S. 29; s. auch oben Fn. 1. S. auch § 284 Abs. 4 AO.

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Die Löschung hat von Amts wegen zu erfolgen. Sie erfolgt aber dem eindeutigen Wortlaut 7 zufolge nach Ablauf der Zweijahresfrist auch dann, wenn der Schuldner zuvor schon seine Verpflichtung dem Gläubiger gegenüber erfüllt haben sollte. Ein (anderer) Gläubiger kann also die zwischen einer solchen Erfüllung und dem Ablauf der Zweijahresfrist liegende Zeitspanne zur Einsicht in das Vermögensverzeichnis nutzen. Alternativ ist das Verzeichnis gemäß § 6 Abs. 1 VermVV zu löschen, wenn zwischenzeitlich ein neues Vermögensverzeichnis – etwa auf Grund des § 802d Abs. 1 – eben dieses Schuldners eingereicht wird. Soweit die Gesetzesbegründung6 die angeordnete Löschung vor dem Hintergrund eventueller 8 Sorgen der Strafverfolgungsbehörden hinsichtlich einer möglichen falschen eidesstattlichen Versicherung, § 156 StGB, damit zu marginalisieren versucht, dass meist ja mehrere Gläubiger eines Schuldners vorhanden seien, von denen wohl mindestens einer den ihm nach § 802f Abs. 6 zugeleiteten Ausdruck noch in Händen halte, bewegt sich der Gesetzgeber auf einem „dünnen Eis“. Denn ob eine solche Verwendung noch der in § 802 Abs. 1 Satz 3 vorgeschriebenen Ausschließlichkeit allein zu Vollstreckungszwecken dient, kann man mit gutem Grund in Zweifel ziehen.

V. Zum Abruf befugte Personen und Behörden (Abs. 2) Die Einsicht in ein Vermögensverzeichnis und dessen Abruf sind nicht jedermann gestattet. Gläu- 9 biger erhalten Ausdrucke gegebenenfalls nach § 802f Abs. 6 oder § 802d, der Schuldner nach § 802f Abs. 5. Diejenigen, die direkt beim zentralen Vollstreckungsgericht Zugriff auf die Daten nehmen können, sind in Abs. 2 abschließend aufgelistet.

1. Gerichtsvollzieher Der gleichsam „geborene“ Berechtigte zur Einsichtnahme ist auf Grund des systematischen Zusam- 10 menhangs der Gerichtsvollzieher. Für ihn ist dieses Recht insbesondere im Hinblick auf das Nachbesserungsbegehren7 eines Gläubigers wichtig, um den für die Beurteilung erforderlichen Vergleich mit dem bereits bestehenden Verzeichnis vornehmen zu können. Darüber hinaus kann er auch nur mit dieser Befugnis seiner amtswegigen Pflicht8 nachkommen, den nach § 802d Abs. 1 maßgeblichen Zweijahreszeitraum einzuhalten.

2. Vollstreckungsbehörden Den Gerichtsvollziehern werden des Weiteren bestimmte Behörden gleichgestellt. Nach Nr. 1 die 11 in § 284 Abs. 1 AO zur Entgegennahme der Vermögensauskunft autorisierten Vollstreckungsbehörden. Zu ihnen gehören nach Ansicht des Gesetzgebers9 auch die in denjenigen Gesetzen genannten Behörden, die eine direkte oder mittelbare Verweisung auf § 284 AO enthalten. Gemäß dessen direkt oder durch Verweisung anwendbaren Abs. 4 müssen auch hier die Behörden überprüfen, ob eine Zweijahresfrist zu beachten ist. Der Vollstreckungsbehörde der Justizbeitreibungsordnung, § 2 JBeitrO, ist durch § 7 Satz 4 12 unmittelbar ein Recht zum Abruf von Daten beim zentralen Vollstreckungsgericht eingeräumt. Wenn und soweit bundes- oder landesrechtliche Gesetze i.S.d. Abs. 1 Satz 3 einer Behörde das 13 Recht zur Abnahme einer Selbstauskunft einräumen, ohne dabei § 284 AO explizit oder implizit in Bezug zu nehmen, erlaubt Nr. 2 die Abfrage. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass diesen 6 7 8 9

BT-Drucks. 16/10069, S. 29. Vgl. § 802d Rdn. 2. Vgl. § 802d Rdn. 12. BT-Drucks. 16/10069, S. 29 f.

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Behörden durch Gesetz ein Auskunftsanspruch gegen den Schuldner eingeräumt ist, und dass dieser Anspruch deswegen gesperrt ist, weil auch in diesen Fällen eine Zweijahresfrist zu beachten ist. 14 Die von Nr. 3 adressierten Behörden unterscheiden sich von den vorgenannten dadurch, dass ihnen das Gesetz kein direktes Auskunftsrecht gegenüber dem Schuldner einräumt, sondern nur mittelbar in der Art, dass sie den Gerichtsvollzieher dazu beauftragen können. Während diesem kraft der Nr. 1 ein eigenes Einsichtsrecht zusteht, gewährt Nr. 3 auch den beauftragenden Behörden dieses Recht.10

3. Gerichte und Strafverfolgungsbehörden 15 In Ergänzung zu den voranstehend genannten Nummern enthält Satz 3 eine Generalisierung, die aus datenschutzrechtlichen Gründen keinesfalls als Generalisierung verstanden und interpretiert werden darf. Vielmehr müssen auch hier die in Frage stehenden Gerichte und Behörden einer rigiden Kompetenzkontrolle unterzogen werden, die sich an die bereits zum früheren Rechts aufgestellten Vorgaben halten kann. Der Wortlaut will damit zum Ausdruck bringen, dass ein Einsichtsrecht nur im Falle der Erforderlichkeit, nicht aber etwa schon der Nützlichkeit oder Praktikabilität besteht.11 16 Was zunächst das Vollstreckungsgericht anbelangt, so ist ihm ein Einsichtsrecht dann als erforderlich zuzubilligen, wenn es anlässlich eines Rechtsbehelfsverfahrens über die Rechtmäßigkeit des Verfahrens oder Inhalts des Vermögensverzeichnisses entscheiden soll; hiervon ist der gesamte Verfahrensablauf der §§ 802b ff. erfasst. Müsste hier das Vollstreckungsgericht etwa einen Gerichtsvollzieher zur Einsichtnahme einschalten, würde das eine wenig nützliche Verfahrensverzögerung bewirken. Eine derartige Verzögerung ist allerdings dann gleichsam systemimmanent und eröffnet daher gerade nicht ein eigenes Einsichtsrecht, wenn das Vollstreckungsgericht als Vollstreckungsorgan im Rahmen einer Forderungspfändung nach den §§ 828 ff. tätig wird. Hier nämlich obliegt es dem Gläubiger, die zu pfändende Forderung präzise zu bezeichnen. 17 Das ebenfalls genannte Insolvenzgericht kann sich immer dann auf Erforderlichkeit berufen, wenn es im Rahmen der dem Insolvenzverfahren insgesamt zugrunde liegenden Aufgabe nachgeht, das Vermögen des Schuldners zu erfassen. Da das Insolvenzgericht gemäß § 5 Abs. 1 InsO zur amtswegigen Ermittlung verpflichtet ist, ist die Erforderlichkeit besonders einsichtig bei den §§ 98 und 20 InsO, die dem Schuldner die Pflicht zur Vermögensauskunft auferlegen. Die Tatsache, dass in einem Fall der Insolvenzrichter, im anderen der Rechtspfleger zuständig ist, macht angesichts der Wortwahl des Satz 3 („Insolvenzgericht“) keinen Unterschied. 18 Ein Registergericht erfüllt das Erforderlichkeitskriterium nach Ansicht des Gesetzgebers12 dann, wenn es nach § 394 FamFG zur Löschung vermögensloser Gesellschaften berufen ist. Die zur Überprüfung der Voraussetzungen unabdingbare Kenntniserlangung eines Vermögensverzeichnisses wird nunmehr durch ein eigenes Einsichtsrecht ermöglicht. Allerdings ist hierbei eine Eilbedürftigkeit (wie beim Rechtsbehelfsverfahren des Vollstreckungsgerichts) nicht wirklich ersichtlich. Die schließlich noch genannten Staatsanwaltschaften sind immer dann auf Einsichtnah19 me13 angewiesen, wenn sie im Rahmen einer Strafverfolgung mit bestimmten Vermögensdelik-

10 Die Gesetzesbegründung verweist als Beispiel auf § 16 Abs. 3 BW VwVG. Unrichtig ist das weitere Beispiel des § 6 Abs. 1 Nr. 1 JBeitrO, weil dabei dessen Abs. 3 übersehen ist.

11 BT-Drucks. 16/10069, S. 30. 12 Wie vorige Fn. 13 Freilich lässt sich auch hier mit guten Gründen bezweifeln, ob nicht die Zuleitung eines Ausdrucks des Vermögensverzeichnisses dem (ansonsten freilich vollauf berechtigten) Bedürfnis nach Einsichtnahme genügt hätte. Paulus/Loth

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ten zu tun haben. Die Gesetzesbegründung14 nennt beispielhaft: Betrugs- und Insolvenzstraftaten, Geldwäschedelikte, falsche Versicherung an Eides statt und Verletzung der Unterhaltspflicht. Diesen Straftatbeständen ist gemeinsam, dass die Einsicht in ein Vermögensverzeichnis taterhellende Rückschlüsse auf die Vermögenssituation einer Person zulassen, die über das hinausgehen, was sich aus dem bloßen Faktum der Eintragung in das Schuldnerverzeichnis gemäß § 882b ergibt.

VI. Ermächtigung der Bundesländer (Abs. 3) 1. Länderverordnungen zur Bestimmung des zentralen Vollstreckungsgerichts Wie bereits erwähnt (Fn. 4), sind die Länder dem durch Abs. 3 Satz 1 ausgesprochenen Auftrag 20 nachgekommen und haben je ein zentrales Vollstreckungsgericht bestimmt. Es verdient festgehalten zu werden, dass diese nicht jeweils in den Landeshauptstädten angesiedelt sind.

2. Auslagerung der Datenverarbeitung Satz 3 trägt den Schwierigkeiten, die mit der informationstechnischen Aufbereitung der Daten im 21 Zusammenhang mit den Vermögensverzeichnissen und auch dem Schuldnerverzeichnis, vgl. § 882h Abs. 2 Satz 2, dadurch Rechnung, dass es deren Auslagerung auf eine hierzu geeignete und kompetente Stelle gestattet. Damit ist keine Überwälzung der Verantwortlichkeit verbunden, sondern es handelt sich dabei um eine reine Hilfstätigkeit, die rechtlich allein dem Vollstreckungsgericht zuzuordnen ist. Nachdem der Wortlaut des Satzes 3 keine den §§ 126 Abs. 3, 387 Abs. 5 FamFG entsprechenden 22 Einschränkungen gerade auf staatliche Stellen enthält, ist daraus im Umkehrschluss zu folgern, dass vorliegend auch Privatunternehmen mit der Aufgabe der informationstechnischen Verwaltung betreut werden können. Dabei muss allerdings sichergestellt werden, dass die datenschutzrechtlichen Voraussetzungen in jeder Phase – beginnend bei der Auswahl des Unternehmens – erfüllt sind. Maßgeblich sind hierfür nicht allein das Bundesdatenschutzgesetz, sondern auch seine jeweiligen Länderpendants. Von einer weiteren Einschränkung etwa nach dem Vorbild des § 80 Abs. 5 SGB X hat der Gesetzgeber15 deswegen abgesehen, weil die vorliegend in Frage stehenden Daten nicht das gleiche Schutzniveau beanspruchten wie dort; denn nachdem die Fremdauskünfte nach § 802l gerade nicht mit erfasst seien, stünden allein Daten in Frage, die der Schuldner im Rahmen der Selbstauskunft preisgegeben hat.16

VII. Ermächtigung des Bundesministeriums der Justiz zum Erlass der Vermögensverzeichnisverordnung (Abs. 4) Abs. 4 ermächtigt das Bundesministerium der Justiz (derzeit: BMJV) zum Erlass einer der Zustim- 23 mung des Bundesrates bedürftigen Rechtsverordnung, die zwischenzeitlich als die Vermögensverzeichnisverordnung (VermVV) in Geltung ist. Sie regelt die in Abs. 4 getroffenen Vorgaben unter teilweisem Rückgriff auf bereits vorhandene, entsprechende Vorschriften wie § 9 Abs. 2 InsO oder § 2 Abs. 1 Nr. 2 InsIntBekV.

14 BT-Drucks. 16/10069, S. 30. 15 BT-Drucks. 16/10069, S. 31. 16 Auch hier wieder ist die Unterscheidung zwischen Eigen- und Fremdauskunft eher künstlicher Natur, gerade wenn man die vom Gläubiger jederzeit erzwingbare Nachbesserung, § 802d Rdn. 2, in Rechnung stellt. 707

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VIII. Einschränkung des Auskunfts- und Widerspruchsrechts nach DS-GVO (Abs. 5) 24 Abs. 5 wurde durch das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/680 im Strafverfahren sowie zur Anpassung datenschutzrechtlicher Bestimmungen an die Verordnung (EU) 2016/679 mit Wirkung zum 26.11.2019 eingeführt.17 Satz 1 schränkt das gemäß Art. 15 Abs. 1 DS-GVO bestehende Auskunftsrecht des Schuldners dergestalt ein, dass ihm nur die Kategorien von berechtigten Empfängern – und nicht die genaue Person/Identität der Empfänger – offengelegt werden müssen. Dies soll eine Gefährdung von konkret geplanten Vollstreckungsmaßnahmen des Gläubigers verhindern.18 Satz 2 schließt das gemäß Art. 21 DS-GVO bestehende Widerspruchsrecht aus, womit dem allgemeinen öffentlichen Interesse an der Sicherstellung der Informationsmöglichkeit für weitere Gläubiger Vorrang vor dem Widerspruchsrecht des Schuldners eingeräumt wird.19

§ 802l Auskunftsrechte des Gerichtsvollziehers (1)

1

Der Gerichtsvollzieher darf vorbehaltlich der Sätze 2 und 3 folgende Maßnahmen durchführen, soweit sie zur Vollstreckung erforderlich sind: 1. Erhebung des Namens und der Vornamen oder der Firma sowie der Anschrift der derzeitigen Arbeitgeber des Schuldners bei den Trägern der gesetzlichen Rentenversicherung und bei einer berufsständischen Versorgungseinrichtung im Sinne des § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch; 2. Ersuchen an das Bundeszentralamt für Steuern, bei den Kreditinstituten die in § 93b Absatz 1 und 1a der Abgabenordnung bezeichneten Daten, ausgenommen die Identifikationsnummer nach § 139b der Abgabenordnung, abzurufen (§ 93 Absatz 8 der Abgabenordnung); 3. Erhebung der Fahrzeug- und Halterdaten nach § 33 Absatz 1 des Straßenverkehrsgesetzes beim Kraftfahrt-Bundesamt zu einem Fahrzeug, als dessen Halter der Schuldner eingetragen ist. 2 Maßnahmen nach Satz 1 sind nur zulässig, wenn 1. die Ladung zu dem Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft an den Schuldner nicht zustellbar ist und a) die Anschrift, unter der die Zustellung ausgeführt werden sollte, mit der Anschrift übereinstimmt, die von einer der in § 755 Absatz 1 und 2 genannten Stellen innerhalb von drei Monaten vor oder nach dem Zustellungsversuch mitgeteilt wurde, oder b) die Meldebehörde nach dem Zustellungsversuch die Auskunft erteilt, dass ihr keine derzeitige Anschrift des Schuldners bekannt ist, oder c) die Meldebehörde innerhalb von drei Monaten vor Erteilung des Vollstreckungsauftrags die Auskunft erteilt hat, dass ihr keine derzeitige Anschrift des Schuldners bekannt ist; 2. der Schuldner seiner Pflicht zur Abgabe der Vermögensauskunft in dem der Maßnahme nach Satz 1 zugrundeliegenden Vollstreckungsverfahren nicht nachkommt oder 3. bei einer Vollstreckung in die in der Vermögensauskunft aufgeführten Vermögensgegenstände eine vollständige Befriedigung des Gläubigers nicht zu erwarten ist. 3 Die Erhebung nach Satz 1 Nummer 1 bei einer berufsständischen Versorgungseinrichtung ist zusätzlich zu den Voraussetzungen des Satzes 2 nur zulässig, wenn der Gläubi-

17 BT-Drucks. 19/4671; allgemein und zu Recht skeptisch zum weitreichenden Geltungsanspruch der DS-GVO BeckOK/ Fleck Rdn. 17. 18 BT-Drucks. 19/4671 S. 79. 19 BT-Drucks. 19/4671 S. 79. Paulus/Loth https://doi.org/10.1515/9783110443158-109

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(2) (3)

(4)

(5)

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ger die berufsständische Versorgungseinrichtung bezeichnet und tatsächliche Anhaltspunkte nennt, die nahelegen, dass der Schuldner Mitglied dieser berufsständischen Versorgungseinrichtung ist. 1 Daten, die für die Zwecke der Vollstreckung nicht erforderlich sind, hat der Gerichtsvollzieher unverzüglich zu löschen oder zu sperren. 2Die Löschung ist zu protokollieren. 1 Über das Ergebnis einer Erhebung oder eines Ersuchens nach Absatz 1 setzt der Gerichtsvollzieher den Gläubiger unter Beachtung des Absatzes 2 unverzüglich und den Schuldner innerhalb von vier Wochen nach Erhalt in Kenntnis. 2§ 802d Abs. 1 Satz 3 und Abs. 2 gilt entsprechend. 1 Nach Absatz 1 Satz 1 erhobene Daten, die innerhalb der letzten drei Monate bei dem Gerichtsvollzieher eingegangen sind, darf dieser auch einem weiteren Gläubiger übermitteln, wenn die Voraussetzungen für die Datenerhebung auch bei diesem Gläubiger vorliegen. 2Der Gerichtsvollzieher hat dem weiteren Gläubiger die Tatsache, dass die Daten in einem anderen Verfahren erhoben wurden, und den Zeitpunkt ihres Eingangs bei ihm mitzuteilen. 3Eine erneute Auskunft ist auf Antrag des weiteren Gläubigers einzuholen, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass seit dem Eingang der Auskunft eine Änderung der Vermögensverhältnisse, über die nach Absatz 1 Satz 1 Auskunft eingeholt wurde, eingetreten ist. Übermittelt der Gerichtsvollzieher Daten nach Absatz 4 Satz 1 an einen weiteren Gläubiger, so hat er den Schuldner davon innerhalb von vier Wochen nach der Übermittlung in Kenntnis zu setzen; § 802d Absatz 1 Satz 3 und Absatz 2 gilt entsprechend.

Übersicht I.

Gesetzesgeschichte, Normzweck

1

II. 1.

2.

2 Voraussetzungen für Fremdauskunft Subsidiarität der Fremdauskunft, Abs. 1 2a Satz 2 a) Zustellung nicht möglich, Abs. 1 Satz 2 3 Nr. 1 b) Pflichtverletzung bei der Vermögensaus4 kunft, Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 c) Voraussichtlich keine vollständige Befriedigung trotz abgegebener Vermögensauskunft, 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 7 Erforderlichkeit für Vollstreckung

III.

Umfang der Fremdauskunft

9

1. 2. 3.

10 Erhebung beim Rentenversicherer Ersuchen des Bundeszentralamtes für Steu12 ern 14 Erhebung beim Kraftfahrt-Bundesamt

IV.

Löschung oder Sperrung nicht erforderlicher Da15 ten

V. 1. 2.

Ergebnismitteilung an Gläubiger und Schuldner 17 Unterrichtung des Gläubigers 18 Unterrichtung des Schuldners

VI.

Rechtsbehelfe

20

VII. Gebühren und Kosten

21

I. Gesetzesgeschichte, Normzweck Die Regelung ist im Rahmen des Gesetzes zur Reform der Sachaufklärung in der Zwangsvollstre- 1 ckung1 eingeführt worden und lehnt sich in ihrem Regelungsgehalt an den § 236 FamFG an. Die Norm ist seitdem bereits mehrfach geändert worden: So ist mit Wirkung zum 26.11.2016 die ehemals in Abs. 1 Satz 2 enthaltene Wertgrenze von 500,00 A entfallen.2 Zum 1.1.2022 hat der Gesetzgeber die

1 Vom 29.7.2009, BGBl. I, S. 2258. S. zu diesem Reformgesetz Vor § 704 Rdn. 99. 2 Vgl. zu den Auswirkungen dieser Gesetzesänderung während des Rechtsmittelverfahrens: BGH DGVZ 2017, 174; s. ferner LG Bonn DGVZ 2017, 246 sowie AG Neuss DGVZ 2018, 18. 709

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Norm nochmals novelliert,3 zu den Details und Auswirkungen siehe noch unten Rdn. 3, 4a. So wie bei § 236 FamFG im Rahmen einer Beziehung zwischen Unterhaltsverpflichtetem und Unterhaltsberechtigtem die Pflicht zur Auskunft über das eigene Vermögen durch die Befugnis untermauert wird, von dritter Seite Erkundigungen einzuholen, wird auch hier nunmehr die Effizienz der in der Beziehung Gläubiger-Schuldner angesiedelten Zwangsvollstreckung durch einen vergleichbaren Mechanismus gesteigert.4 Auf diese Weise soll überdies der Druck auf den Schuldner erhöht werden, die Vermögensauskunft nach § 802c vollständig und wahrheitsgemäß zu erteilen; aus diesem Grund nämlich ist der Schuldner bei der Belehrung auch eigens auf diese Möglichkeit hinzuweisen.5 Dem datenschutzrechtlichen Interesse des Schuldners ist dadurch Rechnung getragen, dass zum einen Abs. 2 Löschungs- bzw. Sperrungspflichten auferlegt, dass überdies ein Erforderlichkeitsfilter aufgestellt ist, und dass die Drittauskünfte auf typisierte Vermögensquellen bzw. -gegenstände (Arbeitseinkommen, Bankguthaben und Kraftfahrzeuge) beschränkt sind.

II. Voraussetzungen für Fremdauskunft 2 Der Gerichtsvollzieher wird in keinem Fall eigenständig tätig, sondern holt eine Fremdauskunft immer nur auf Grund eines Gläubigerauftrags – auch eines Folgegläubigers, für den die Vermögensauskunft nicht abgenommen wurde6 – ein.7

1. Subsidiarität der Fremdauskunft, Abs. 1 Satz 2 2a Ausweislich der in Abs. 1 Satz 2 aufgeführten Tatbestandselemente kommt die Drittauskunft als deren Rechtsfolge nur unter den dort genannten Voraussetzungen zum Zuge. Sie ist mithin gegenüber der Selbstauskunft des Schuldners subsidiär;8 es muss also ein Verfahren nach § 802f mit dem Ziel des § 802c durchlaufen worden sein, bevor die Fremdauskunft eingeholt werden kann.9 Liegt einer der beiden Tatbestände vor, ist der Gerichtsvollzieher auf entsprechenden Antrag des Gläubigers gebunden, die Einkünfte einzuholen; ein Auswahlermessen steht ihm dabei nicht zu.10

3 a) Zustellung nicht möglich, Abs. 1 Satz 2 Nr. 1. Die Fremdauskunft ist möglich, wenn die Terminsladung für die Abgabe der Vermögensauskunft nicht zustellbar ist und zusätzlich einer der drei in Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 genannten Fälle (a-c) vorliegt. Die zum 1.1.2022 eingeführte Option stellt eine erhebliche Erweiterung der Rechte des Gläubigers dar.11

4 b) Pflichtverletzung bei der Vermögensauskunft, Abs. 1 Satz 2 Nr. 2. Der zweite Tatbestand knüpft an die Pflicht des Schuldners zur wahrheitsgemäßen und vollständigen Abgabe der Vermögensauskunft in § 802c an. Kommt er dieser Pflicht – trotz ordnungsgemäßer Ladung12 – „nicht

3 BT-Drucks. 19/27636; vgl. auch Hergenröder Drittauskünfte in der Zwangsvollstreckung, DGVZ 2022, 181. 4 Zur (bejahten) Anwendbarkeit der Norm auch bei Vollstreckungen im Rahmen eines Länder-Verwaltungsvollstreckungsverfahrens BGH DGVZ 2018, 62.

5 § 802f Abs. 3 Satz 2; dazu § 802f Rdn. 13. 6 BeckOK/Fleck Rdn. 17 ff. 7 Hergenröder Drittauskünfte in der Zwangsvollstreckung, DGVZ 2022, 181, 182. 8 BT-Drucks. 16/10069, S. 31. 9 AG Stralsund DGVZ 2020, 19. 10 BT-Drucks. 16/10069, S. 31; s. auch BGH ZInsO 2015, 1570 – auch zur wiederholten Drittauskunft. 11 Vgl. zur Begründung BT-Drucks. 19/27636 S. 27 f. 12 Musielak/Voit/Voit Rdn. 10. Paulus/Loth

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nach“, wird die Rechtsfolge ausgelöst; damit ist klargestellt, dass nicht etwa nur eine Aussageverweigerung den Tatbestand erfüllt, sondern auch jede unvollständige oder auch nur in die Irre führende Auskunft. Dafür müssen allerdings konkrete Anhaltspunkte für diese Annahme vorliegen.13 Die sich daraus in Verbindung mit der Bindung des Gerichtsvollziehers an einen entsprechenden Gläubigerantrag, vgl. Rdn. 3, ergebende Frage, auf wessen Einschätzung es hierbei ankommt – die des Gläubigers oder die des Gerichtsvollziehers –, hat das LG Aachen14 im Sinne der ersten Alternative beantwortet: Danach sind Drittauskünfte auf Antrag des Gläubigers auch dann einzuholen, wenn für den Gerichtsvollzieher keine Anhaltspunkte ersichtlich sind, dass das Vermögensverzeichnis unrichtig oder unvollständig ist. Das kollidiert nicht nur mit der vom Gesetzgeber selbst betonten Subsidiarität der Fremdauskunft, denn wenn der Gläubiger seinen Vollstreckungsantrag von vornherein so formuliert, dass eine Drittauskunft eingeholt werden solle, bleibt von dem Tatbestandsmerkmal des „Seiner-Pflicht-Nicht-Nachkommens“ praktisch nichts übrig. Die Ansicht des Aachener Gerichts widerspricht aber vor allem dem in Abs. 1 Satz 2 aufgestellten Gebot der Erforderlichkeit. Diese liegt nur vor, wenn dem Gerichtsvollzieher glaubhaft gemacht wird, dass eine Drittauskunft die Vollstreckungschancen des Gläubigers erhöht.15 Die früher geführte Kontroverse darüber, ob Voraussetzung der isolierten Drittauskunft ist, 4a dass der Schuldner die Vermögensauskunft gerade gegenüber dem die Drittauskünfte begehrende Gläubiger nicht abgegeben hat, ist nunmehr durch entsprechende Klarstellung („in dem der Maßnahme […] zugrundeliegenden Vollstreckungsverfahren“) in der seit dem 1.1.2022 geltenden Fassung entschieden. Die Klarstellung ist als „legislative Reaktion“ auf die entgegenstehende Rechtsprechung des BGH16 zu verstehen.17

c) Voraussichtlich keine vollständige Befriedigung trotz abgegebener Vermögensaus- 5 kunft, Abs. 1 Satz 2 Nr. 3. Laut Gesetzesbegründung knüpft dieser Tatbestand an die frühere Regelung des § 806a ZPO und an die des gegenwärtigen § 882c Abs. 1 Nr. 2 an. Er weist aber darüber hinaus gewisse strukturelle Ähnlichkeiten mit § 2 AnfG auf. Denn auch dort kann die Zweierbeziehung zwischen Gläubiger und Schuldner auf Dritte erweitert werden, wenn anzunehmen ist, dass die Zwangsvollstreckung in das Vermögen des Schuldners nicht zu einer vollständigen Befriedigung des Gläubigers führen wird. Wie schon bei dem ersten Tatbestand, s. Rdn. 4, stellt sich auch hier die Frage, auf wessen 6 Einschätzung es hinsichtlich der Vorhersehbarkeit der unvollständigen Befriedigung es ankommen soll. Und auch hier wird man aus Gründen der Subsidiarität und der größeren Sachnähe und Kompetenz des Gerichtsvollziehers die Einschätzungsprärogative ihm zu überantworten haben.

2. Erforderlichkeit für Vollstreckung In dem Bestreben, den im Hinblick auf das informationelle Selbstbestimmungsrecht des Schuldners 7 nicht unbeträchtlichen Eingriff zumindest mit einer gewissen Erheblichkeitsschwelle zu versehen, wird noch die Erforderlichkeit des Eingriffs verlangt. Die ursprünglich vorgesehene Bagatellgrenze von 500,00 A in Abs. 1 Satz 2 a.F. hat der Gesetzgeber zutreffenderweise abgeschafft.18 13 AG Altötting DGVZ 2014, 268. 14 LG Aachen DGVZ 2015, 113; ebenso AG Hamburg DGVZ 2014, 267. 15 S. auch BT-Drucks. 16/13432, S. 44 f. Zur Darlegungslast des Gläubigers (in dieser Pauschalität zu) streng LG Ravensburg DGVZ 2017, 149.

16 DGVZ 2021, 116. 17 Hergenröder Drittauskünfte in der Zwangsvollstreckung, DGVZ 2022, 181, 184. 18 Durch das Gesetz zur Durchführung der Verordnung (EU) Nr. 655/2014 sowie zur Änderung sonstiger zivilprozessualer, grundbuchrechtlicher und vermögensrechtlicher Vorschriften und zur Änderung der Justizbeitreibungsordnung (EuKoPfVODG) vom 21. November 2016. 711

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Die Erforderlichkeit dürfte etwa dann ausgeschlossen sein, wenn die Auskunft zu keinen neuen Informationen führt.19 Im Übrigen dürfte die Einschränkung wenig praktische Relevanz haben.

III. Umfang der Fremdauskunft 9 Mit dem Recht zur Auskunft korrespondieren die entsprechenden Anpassungen bzw. Änderungen der einschlägigen Gesetze; auch diese wurden im Zuge der Einführung des Gesetzes zur Reform der Sachaufklärung in der Zwangsvollstreckung eingeführt,20 im Verlaufe des Gesetzgebungsverfahrens jedoch erheblich vereinfacht.21

1. Erhebung beim Rentenversicherer 10 Da sich die Lohnpfändung nach bisherigen Erfahrungen als die einträglichste und erfolgversprechendste Variante der Zwangsvollstreckung wegen einer Geldforderung erwiesen hat, ist es die naheliegende Konsequenz dessen, den bzw. einen Arbeitgeber zu ermitteln, bei dem der Schuldner ein Arbeitsentgelt erhält. Der statistisch überwiegenden Wahrscheinlichkeit nach wird es sich dabei um eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung handeln. Aus diesem Grund räumt Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 dem Gerichtsvollzieher das Recht ein, vom Träger der Rentenversicherung die für die (mögliche) Lohnpfändung erforderlichen Informationen abzufragen. Diese Erhebung erfolgt vernünftigerweise per Internet. Die abrufbaren Daten beschränken sich auf den Namen und Vornamen, alternativ die Firma 11 sowie die Anschrift des bzw. der Arbeitgeber. Aus § 74a SGB X ergibt sich die Befugnis zur Auskunftserteilung.

2. Ersuchen des Bundeszentralamtes für Steuern 12 Konten und Depots des Schuldners sind ebenfalls eine erfahrungsgemäß ertragreiche Quelle von Zugriffen in der Zwangsvollstreckung. Da sie dem Gläubiger regelmäßig unbekannt sein werden, und da die Rechtsprechung dem nachspürenden Gläubiger den Zugang zu diesen Daten auf verschiedene Weisen erheblich erschwert,22 ist es folgerichtig, wenn der Staat in Gestalt des Gerichtsvollziehers die Daten zu vermitteln hilft. Zu diesem Zweck bietet sich der durch Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 eröffnete Weg zu dem Zentralamt für Steuern gleichsam als optimale Lösung an. Denn gemäß § 93 Abs. 8 Satz 2 AO dürfen bei bundesgesetzlicher Ermächtigung Abrufersuchen an das Zentralamt gerichtet werden, die sich auf die Verschaffung der nach § 24c KWG vorzuhaltenden Informationen richten. Kreditinstitute haben nach § 93c Abs. 1 entsprechende Auskünfte zu erteilen. Der Gesetzgeber sieht mit dieser Regelung die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts23 be13 züglich des Umgangs mit Kontostammdaten gewahrt. Denn Normenklarheit und -bestimmtheit seien dadurch gewahrt, dass Auskunftersuchender und Zweck des Auskunftsersuchens hinreichend präzisiert und auf einen Einzelfall begrenzt sind. Dass es sich hierbei in der Tat nicht um eine der untersagten Rasterfahndung auch nur ähnliche Vorgehensweise handelt, ergibt sich nicht nur aus dem legitimen, weil verfassungsrechtlich geschützten Interesse des Gläubigers an der Befriedigung seines staatlicherseits garantierten Anspruchs. Vielmehr ist diese Vorgehensweise 19 20 21 22 23

BeckOK/Fleck Rdn. 12. BT-Drucks. 16/10069, S. 52. Vgl. BT-Drucks. 16/13432, S. 44 f. Im Wesentlichen sind die §§ 74a SGB X und 35 Abs. 1 Nr. 15 StVG geändert worden. S. etwa OLG München ZIP 1990, 1128 (zusätzlich BGH NJW 2004, 2096); dazu Paulus Zivilprozessrecht, Rdn. 723. BVerfG NJW 2007, 2464.

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die notwendige Kompensation dafür, dass der Gläubiger keinen materiell-rechtlichen Anspruch gegen den Schuldner auf Verschaffung dieser Informationen hat und, wie gezeigt,24 auch im Wege des Vollstreckungszugriffs „ins Blaue hinein“ bloßen Mutmaßungen (und auch diese nur in eng begrenztem Umfang) nachgehen kann. Da es Pflicht des Staates ist, dem Gläubiger die rechtsstaatlich gesollte Durchsetzung seiner Ansprüche zu ermöglichen, muss zumindest auf diese mittelbare Weise die Information über Konten und Depots zugänglich gemacht werden.

3. Erhebung beim Kraftfahrt-Bundesamt Gemäß § 33 StVG enthält das Zentrale Fahrzeugregister die für den Gläubiger entscheidende Infor- 14 mation, ob der Schuldner ein Kraftfahrzeug hat und bejahendenfalls welches. Die vorliegende Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 ermöglicht den Zugriff auf diese Daten mittels einer Erweiterung der Auskunftspflicht in § 35 Abs. 1 Nr. 15 StVG. Zum automatisierten Verfahren s. noch § 36 StVG.

IV. Löschung oder Sperrung nicht erforderlicher Daten In Vervollständigung der datenschutzrechtlichen Vorgaben ordnet Abs. 2 an, dass der Gerichtsvoll- 15 zieher die gerade im Rahmen eines automatisierten Abrufverfahrens erlangten Informationen nicht sofort und ungeprüft an den Gläubiger weiterleitet. Vielmehr muss er sie daraufhin überprüfen, ob bzw. inwieweit sie für die Zwecke des Vollstreckungszugriffs für den Gläubiger unentbehrlich sind. Alle darüber hinaus gehenden Daten und Informationen hat der Gerichtsvollzieher zu löschen bzw., falls das nicht möglich sein sollte, zu sperren bzw. zu schwärzen.25 Zu letzterem gehören etwa die Namen eines anderen wirtschaftlichen Nutzungsberechtigten eines Kontos, nicht aber die Löschung von Konten durch den Schuldner.26 Hat der Gerichtsvollzieher den Verdacht, dass die Daten weiterer Konten von Personen gleichen Namens mitgeteilt worden sind, darf er die Weiterleitung an den Gläubiger nicht deswegen unterlassen; anderenfalls würde bei weit vertretenen Namen de facto das Ersuchen an das Bundeszentralamt für Steuern leerlaufen.27 Da die Vermögensauskunft mitsamt Drittauskunft dem Ziel dient, den Gläubigerzugriff auf vollstreckbare Gegenstände des Schuldners zu verbessern, vgl. § 802c Rdn. 1, kann die bloße Verfügungsberechtigung des Schuldners über ein unter fremden Namen laufendes Konto nicht vorenthalten werden.28 Dieser Vorgang ist eigens zu protokollieren. Damit wird einer möglichen nachfolgenden Über- 16 prüfung der Einhaltung datenschutzrechtlicher Normen vorgebeugt.

V. Ergebnismitteilung an Gläubiger und Schuldner 1. Unterrichtung des Gläubigers Die angestrebte Effizienzsteigerung der Zwangsvollstreckung kommt in Abs. 3 dadurch besonders 17 deutlich zum Ausdruck, dass der Gläubiger unverzüglich, also ohne schuldhaftes Zögern, § 121 Abs. 1 BGB, von dem Ergebnis der Erhebung bzw. des Ersuchens in Kenntnis zu setzen ist, der Schuldner dagegen erst nach einem gewissen Zeitraum von maximal vier Wochen.29 Die Unverzüglichkeit un24 25 26 27 28 29 713

S. Fn. 13. AG Berlin-Lichtenberg DGVZ 2017, 177; AG Kiel DGVZ 2016, 238. Vgl. BT-Drucks. 16/13432, S. 45. Zutreffend LG Würzburg DGVZ 2015, 21. AG Soest Vollstreckung effektiv 2014, 216. Zur Unterrichtungspflicht s. auch schon BGH NJW-RR 2004, 788. Paulus/Loth

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terscheidet sich von einer Unmittelbarkeit dadurch, dass die Weiterleitung der Information „unter Beachtung des Abs. 2“, also nach Durchführung der dort vorgeschrieben „Filterfunktion“, zu erfolgen hat. Die damit angestrebte datenschutzrechtliche Absicherung wird noch dadurch erweitert, dass Abs. 3 Satz 2 die Anwendbarkeit des § 802d Abs. 1 Satz 3 und Abs. 2 statuiert. Damit kann also die Weiterleitung der Informationen unter den vorgeschriebenen Kautelen auf elektronischem Wege erfolgen. In jedem Fall ist aber der Gläubiger auch hier gesondert darauf hinzuweisen, dass er die Informationen einzig zum Zwecke der Zwangsvollstreckung nutzen darf und sie nach Zweckerreichung zu löschen hat.30 Freilich müssen die Mitteilungen auch so umfassend sein, dass sie den Gläubiger dazu in die Lage versetzen, in den gegebenenfalls entdeckten Vermögensgegenstand vollstrecken31 oder doch zumindest die Möglichkeit dazu überprüfen zu können.32

2. Unterrichtung des Schuldners 18 Während der Gesetzgeber ursprünglich im Hinblick auf die nach § 802f Abs. 3 Satz 2 ohnedies ausgesprochene Vorwarnung gar keine Benachrichtigung des Schuldners vorgesehen hatte,33 um den Vollstreckungserfolg nicht zu gefährden, wurde dies nachträglich im Hinblick auf den gravierenden Eingriff in die informationelle Selbstbestimmung des Schuldners in der nunmehr Gesetz gewordenen Weise geändert. Danach ist also der Schuldner von den erteilten Auskünften binnen einer vom Gerichtsvollzieher als geboten erachteten Zeitspanne von maximal vier Wochen in Kenntnis zu setzen. Die Gebotenheit der Zeitspanne sollte sich an den ursprünglichen Überlegungen des Gesetzge19 bers orientieren:34 Sie sollten ausschließen, dass der Erfolg der Maßnahmen des Gläubigers durch Handlungen des Schuldners vereitelt wird. Wörtlich heißt es dort: „Die Fremdauskunft soll dem Gläubiger Vollstreckungsobjekte aufzeigen, die der Schuldner von sich aus nicht offengelegt hat. Bringt der Gläubiger ein Arbeitsverhältnis oder eine Kontenverbindung des Schuldners in Erfahrung, wird er versuchen, auf die daraus resultierenden Forderungen des Schuldners im Wege der Forderungspfändung zuzugreifen. Dieser Zugriff nimmt aber je nach Bearbeitungsdauer des Vollstreckungsgerichts einige Zeit in Anspruch. Erführe der Schuldner zwischenzeitlich, dass der Gläubiger über die Existenz eines Kontos informiert wurde, läge es nahe, dass er den dortigen Guthabenbetrag abhebt, bevor eine Pfändung wirksam werden kann.“

VI. Rechtsbehelfe 20 Der Schuldner kann sich gegen Verstöße des vorbeschriebenen Verfahrensgangs mit Hilfe der Erinnerung, § 766, zur Wehr setzen. Gleiches kann der Gläubiger tun gegen die Ablehnung einer Fremdanfrage oder gegen die unvollständige Übermittlung der erzielten Informationen.35

VII. Gebühren und Kosten 21 Für den Gerichtsvollzieher fallen Kosten an für jede Auskunft nach § 10 Abs. 2 Nr. 3 GvKostO (Nr. 442 KV-GvKostG). Die von der Auskunftsstelle geltend gemachten Kosten verauslagt der Ge30 Vgl. § 802d Rdn. 14 und 16. 31 Zutreffend LG Stuttgart DGVZ 2016, 79. 32 Daher grundsätzlich zutreffend das AG Wedding DGVZ 2017, 58 (gegen AG Kiel DGVZ 2016, 238), demzufolge der Name des Kontoinhabers bei bloßer Verfügungsbefugnis des Schuldners nicht zu schwärzen ist.

33 BT-Drucks. 16/10069, S. 32. 34 Wie vorige Fn. 35 Als Beispiel: LG Würzburg DGVZ 2015, 21. Paulus/Loth

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Abschnitt 2. Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen

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richtsvollzieher, um sie dann in voller Höhe, Nr. 708 KV GvKostG, dem Gläubiger in Rechnung zu stellen. Für einen Rechtsanwalt handelt es sich bei einem Auskunftsersuchen um eine eigenständige Vollstreckungsmaßnahme,36 die unter Nr. 3309 KV-RVG fällt. Für den Gegenstandswert ist § 25 Abs. 1 Nr. 4 RVG zu beachten.

36 BGH DGVZ 2019, 32; LG Frankfurt a.M. DGVZ 2017, 60; a.A. LG Memmingen DGVZ 2018, 18. 715

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Sachregister

A Abänderungsklage 767 27 f. abgesonderte Befriedigung 782 6 Abkömmlinge 786 7 Ablösungszahlungen 788 28 AGB 794 101 ff. Akteneinsicht 760 1 ff. – Ablehnung 760 5 – Akten des Gerichtsvollziehers 760 3 – Anspruchsgegenstand 760 3 – Anspruchsinhaber 760 2 – Antragserfordernis 760 4 – Rechtsbehelfe 760 5 – Vollstreckungsgericht 760 5 – Zweck 760 1 Allgemeinkundigkeit 727 47 Amtspflichtverletzung – Gerichtsvollzieher 753 7 – Klauselerteilung 724 48 Anerkenntnis 726 30 Anfechtungsrechte 771 31 Angebot der Gegenleistung 756 10 ff. – Aufrechnung 756 11 – Bevollmächtigung 756 10 ff. – Bringschuld 756 11 – Holschuld 756 11 – Kosten 756 23 – mangelhafte Leistung 756 13 – Nachbesserung 756 13 – Schickschuld 756 11 – tatsächliches ~ 756 11 – Teilvollstreckung 756 11 – wörtliches ~ 756 14 ff. Anhörung des Schuldners 730 1 ff. – Äußerungsfrist 730 5 – fakultative ~ 730 3 – Paritionsfrist 730 5 – Rechtsposition eines Dritten 730 4 – Verfahren 730 7 f. – Zweck 730 6 Anschlusspfändung 762 8 Antragsprinzip 802a 3 Anwaltsgebühren s. Kosten Anwaltsvergleich 796a 1 ff. – anwaltsvergleichsfähige Ansprüche 796a 17 – ausgeschlossene Ansprüche 796a 19 ff. – Bezeichnung des Anspruchs 796a 18 – Datierung 796a 24 717 https://doi.org/10.1515/9783110443158-110

– Doppelnatur 796a 4 – Form 796a 7 f. – gegenseitiges Nachgeben 796a 2 – Geschäftsfähigkeit 796a 10 – internationale ~ 796a 36 f. – Kollisionsrecht 796a 36 – Niederlegung 796a 26 ff. – objektive Voraussetzungen 796a 15 ff. – ordre public 796a 35 – Parteien 796a 9 ff. – Prozessfähigkeit 796a 11 – Rechtsanwälte 796a 13 f. – Rechtsnatur 796a 4 ff. – subjektive Voraussetzungen 796a 9 ff. – Unterwerfungserklärung 796a 22 f. – Unterzeichnung 796a 25 – Unwirksamkeit 796a 31 ff. – Versagung der Vollstreckbarerklärung 796a 30 ff. – Vollstreckbarerklärung 794 81 – Vollstreckbarerklärung des ~s 796b 1 ff., s.a. dort – Zugänglichkeit der Rechtsverhältnisse 796a 16 ff. Anwartschaftsrechte 771 12 arbeitsgerichtliche Verfahren – Klage auf Klauselerteilung 731 7 – Klauselerteilung 724 13 Arreste – Drittwiderspruchsklage 771 3 – Einreden des Erben 782 11 ff. – einstweilige Anordnungen 769 7 – Klauselerteilung 724 17 – Vollstreckungsabwehrklage 767 14 – Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung 750 2 – Zustellung des Titels 750 21 Arrestgericht 766 75 Aufenthaltsermittlung des Schuldners 755 1 ff. – Anwendungsbereich 755 2 – Auskunftssperre 755 7 – Ausländerzentralregister 755 9 – Befugnisse des Gerichtsvollziehers 755 7 ff. – Kosten 755 14 – Kraftfahrt-Bundesamt 755 9 – Meldebehörden 755 7 – Nutzung der erhobenen Daten 755 11 – Rechtsbehelfe 755 12 – Rentenversicherung 755 9 – sonstige Behörden 755 8 f. – Stufenverhältnis 755 1 Klie

Sachregister

– Verstoßfolgen 755 12 f. – Verwertungsverbot 755 13 – Vollstreckungsantrag 755 4 – Voraussetzungen 755 4 ff. – Zuständigkeit 755 3 Aufhebung von Vollstreckungsmaßregeln 776 1 ff. – Anwendungsbereich 776 5 – Aufhebungstatbestände 776 8 ff. – Beschlagnahme von Grundstucken 776 5 – durch das Vollstreckungsorgan 776 6 f. – einstweilige Anordnungen 776 13 f. – Pfändungsmaßregeln des Gerichtsvollziehers 776 15 – Rechtsbehelfe 776 24 – Verfahren 776 15 ff. – Vollstreckungsmaßregeln des Prozessgerichts 776 21 ff. – Vollstreckungsmaßregeln des Vollstreckungsgerichts 776 16 ff. – Vollstreckungsorgan 776 6 f. – Zwangshypothek 776 5 – Zweck 776 1 ff. Auseinandersetzung – beendete Gütergemeinschaft 743 2 ff. – Eigentums-/Vermögensgemeinschaft 744a 20 – Klauselerteilung 724 20 – Vollstreckungsabwehrklage bei beschränkter Haftung 786 6 Ausfertigung bei bedingten Leistungen 726 1 ff. – Abgabe einer Willenserklärung 726 12, 726 26 – Alternativverhältnis der Leistungen 726 11 – Angaben in der Klausel 726 38 f. – Ausnahmen 726 22 ff. – Auswahl 726 11 – Bestimmtheitsgebot 726 4, 726 6 – Beweislast 726 14 ff. – Eventualverhältnis der Leistungen 726 12 f. – Index 726 10 – Klauselerteilungsverfahren 726 28 ff. – materiell-rechtliche Wertungen 726 20 f. – öffentliche Urkunde 726 29 – qualifizierte Urkunde 726 29 ff. – rechtliches Gehör 726 37 – Rechtsbehelfe 726 40 – Sicherheitsleistung 726 22 f. – Unterlassen 726 12 – Urteile 726 8 ff. – Verfallsklausel 726 24 – Vollstreckungsgegenklage 726 24 – Voraussetzungen für die Vollstreckbarkeit 726 4 – Wertsicherungsklausel 726 10 Klie

– Widerrufsvorbehalt 726 15 – Zug um Zug-Leistung 726 18 f. – Zuständigkeit 726 28 Ausfertigung für/gegen Rechtsnachfolger 727 1 ff. – Antragsberechtigung 727 43 f. – Bucheigentümer 727 38 – Einzelhandelsfirma 727 14 – Einzelnachfolge 727 22 ff., 727 32 ff. – Erben 727 20 – Firma, erloschene/geänderte 727 40 – GbR 727 39 – gebundene Entscheidung 727 45 – Gesamtnachfolge 727 20 f., 727 30 f. – gesetzliche Wirkungserstreckung des Urteils 727 15 ff. – Gläubigernachfolge 727 20 ff. – Grenzen der Rechtskraft 727 5 – Insolvenzverfahren 727 37 – Kennzeichnung der Personen 727 2 – Klauselerteilungsverfahren 727 42 ff. – Kosten 727 52 – Legalzession 727 24 – Mitbesitz eines Dritten 727 38 – Nachweisanforderungen 727 2a – Nachweisform 727 46 ff. – öffentliche Urkunden 727 46 – Parteien kraft Amtes 727 28 – pfändender Gläubiger 727 22 – Pseudonym 727 40 – rechtliches Gehör 727 44 – Rechtsbehelfe 727 51 – Rechtskrafterstreckung 727 6 – Rechtsnachfolge 727 7 ff. – rücklaufender Wechsel 727 26 – Schuldnernachfolge 727 29 ff. – Schuldübernahme 727 17, 727 35 – Sozialhilfeträger 727 22 – teilweise Pfändung 727 23 – Titel 727 3, 727 19 – Umschreibungsgrund 727 49 – Urteile 727 19 – Vorbehaltsurteile 727 4 – Weiterungen 727 13 f. – Zeitpunkt der Rechtsnachfolge 727 10 ff. – Zuständigkeit 727 42 Auskunftseinholung 788 34 Auskunftsersuchen 757a 2 ff. Auskunftsrechte des Gerichtsvollziehers 802l 1 ff. – Bundeszentralamt für Steuern 802l 12 f. – Depots 802l 12 718

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– Erforderlichkeit für Vollstreckung 802l 7 – Ergebnismitteilung 802l 17 ff. – Erhebung beim Rentenversicherer 802l 10 f. – Gläubigerauftrag 802l 2 – Konten 802l 12 – Kontostammdaten 802l 13 – Kosten 802l 21 – Kraftfahrt-Bundesamt 802l 14 – Lohnpfändung 802l 10 – Löschung nicht erforderlicher Daten 802l 15 f. – Pflichtverletzung bei der Vermögensauskunft 802l 4 f. – Rechtsbehelfe 802l 20 – Sperrung nicht erforderlicher Daten 802l 15 f. – Subsidiarität der Fremdauskunft 802l 2a ff. – Umfang der Fremdauskunft 802l 9 ff. – Unterrichtung des Gläubigers 802l 17 – Unterrichtung des Schuldners 802l 18 f. – Voraussetzungen 802l 2 ff. – Zustellung nicht möglich 802l 3 – Zweck 802l 1 Auskunftssperre 755 7 Ausländerzentralregister 755 9 Auslandsvollstreckung 788 35 Aussonderung 782 5 Austauschpfändung 788 36 B Bankbürgschaft 751 12 f. beendete Gütergemeinschaft 743 1 ff. – Aufhebung der Ehe 743 8 – Auflösung durch den Tod 743 7 – Auseinandersetzung 743 2 ff. – Beendigung des Rechtsstreites 744 6 ff. – besondere Gestaltungen 743 7 f. – Klauselerteilung 744 9 ff. – Leistungstitel 743 4 f. – Rechtsbehelfe 743 10 f., 744 13 – Titel 743 3 ff. – vollstreckbare Ausfertigung 744 1 ff. – Vollstreckungsobjekte 743 9 – vorläufige Vollstreckbarkeit 744 7 Behältnisse 758 9 Beischreibung – Klauselerteilungsverfahren 725 30 – vollstreckbare Ausfertigung 724 7 Berufung 767 26 Besitz – Ausfertigung für/gegen Rechtsnachfolger 727 38 – Durchsuchung 758 11 – Interventionsrecht 771 25 Bestimmtheitsgebot 726 4, 726 6 719

BGB-Gesellschaft 736 1 ff. – Ausfertigung für/gegen Rechtsnachfolger 727 39 – Ausscheiden eines Gesellschafters 736 10 – Bezeichnung 736 14 – fehlende Abdeckung des Gesellschafterbestands 736 8 – Gesamtschuld 736 6 – Gesellschafterwechsel/-beitritt nach Titel 736 9 – Gesellschaftsvermögen 736 16 – Innengesellschaften 736 12 – nachträgliche Änderungen 736 4 – Parteifähigkeit 736 1 – Personenhandelsgesellschaften 736 19 ff. – Privatvermögen eines Gesellschafters 736 7 – Rechtsfähigkeit 736 1 – Sozialverbindlichkeiten 736 10 – Titel gegen einen/mehrere Gesellschafter 736 6 ff. – Zustellung 736 15 Bruchteilsgemeinschaften Vor 735 3 D Datenschutz 757a 12 ff. Dauerpfändung 751 7 Dienstaufsichtsbeschwerde 766 52 ff. dingliche Unterwerfungserklärung 800 2 ff. – Dinglichkeit der Unterwerfung 800 5 – Eintragung 800 6 ff. – gerichtliche Zuständigkeit 800 12 ff. – Rechtsprechungsbeispiele 800 9 – Voraussetzungen 800 2 ff. – Zustellung 800 10 f. Dispache 724 20 Dispositionsprinzip – Einstellung/Beschränkung der Zwangsvollstreckung 775 8 – Prozessvergleich 794 35 Drittschuldnerauskunft 788 37 Drittschuldnerprozess 788 38 Drittwiderspruchsklage 771 1 ff. – Abgrenzung 771 4 ff. – Antrag 771 40 f. – Anwendungsbereich 771 2 f. – Arreste 771 3 – Begründetheit 771 51 ff. – besseres Recht des Beklagten 771 54 – Beweislast 771 52 – Drittwiderspruchsklage des Ehe-/Lebenspartners 774 1 ff., s.a. dort – Drittwiderspruchsklage des Nacherben 773 1 ff., s.a. dort – einstweilige Anordnungen 771 50 Klie

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– Einwand unzulässiger Rechtsausübung 771 58 – Einwand wirtschaftlicher Identität 771 57 – Einwendungen des Beklagten 771 53 ff. – Entscheidung 771 59 ff. – Feststellungsklagen 771 6 – Gewahrsamsvermutung 739 14, 739 20 – Herausgabeklagen, materiellrechtliche 771 5 – Interventionsrecht 771 9 ff., 771 51, s.a. dort – Klagen gegen den Schuldner 771 7 – Kosten 771 68 – Kostenentscheidung 771 60 ff. – Leugnung des Drittrechts 771 54 – Mithaftungseinwand 771 55 f. – Parteien 771 37 f. – rechtliches Gehör 771 48 – Rechtsbehelfe 771 63 – Rechtskraft 771 64 – Rechtsnatur 771 1 – Rechtsschutzbedürfnis 771 44 ff. – Statthaftigkeit 771 34 – Streitgegenstand 771 42 f. – Streitgenossenschaft 771 39 – Streitwert 771 67 – Tenor 771 59 – Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung 771 65 – Verfahren 771 48 ff. – Verfügungsverbot 772 1 ff., 772 10 f., s.a. dort – Vollstreckungsabwehrklage 767 23 – Vollstreckungserinnerung 766 56 f., 771 4 – Vorzugsklage 771 8 – Zulässigkeit 771 34 ff. – Zuständigkeit 771 35 f. – Zwangsvollstreckung vor Erbschaftsannahme 778 10 – Zweck 771 1 Drittwiderspruchsklage des Ehe-/Lebenspartners 774 1 ff. – Anwendungsbereich 774 5 – Begründetheit 774 9 ff. – Einwendungen des Ehe-/Lebenspartners 774 9 ff. – Familiensachen 774 7 – Gesamtgut 774 1 – Klagebefugnis 774 7 – Verfahren 774 7 – Zweck 774 1 f. Drittwiderspruchsklage des Nacherben 773 1 ff. – Ausfall der Nacherbschaft 773 13 – ausschließlicher Rechtsbehelf 773 12 – Nachlassverbindlichkeit 773 6 – Rechtsfolge 773 8 ff. – Rechtskraftbeseitigung 773 13 – Statthaftigkeit 773 11 Klie

– Verfahren 773 11 – Verwertungsverbot 773 3, 773 5 ff. – Vorerbschaft 773 5 – Zweck 773 1 ff. Duldungsurkunde 794 106 ff. Durchführungskosten 788 18 f. Durchsuchung 758 1 ff. – Anwendungsbereich 758 4 – Anwesenheit von Schuldner/Gläubiger 758 23 ff. – Begriff 758 10 – Behältnisse 758 9 – Besitzdiener 758 11 – Besitzer 758 11 – Dritte 758 13 – Gewahrsamsverhältnisse 758 12 – Gewaltanwendung 758 17 ff. – Öffnen 758 15 – Rechtsbehelfe 758 26 – richterliche Durchsuchungsanordnung 758a 1 ff., s.a. dort – Schadensersatz 758 16 – sofortige Beschwerde 793 10 – Verfahren 758 20 ff. – Vollstreckungsversuch 758 20 ff. – Wohnung 758 6 ff. – Zuziehung von Zeugen 759 3 ff. Dürftigkeitseinrede 784 5 E Effizienzgrundsatz 802a 1, 802a 4 Ehegatten – Drittwiderspruchsklage des Ehe-/Lebenspartners 774 1 ff., s.a. dort – Gewahrsam des anderen ~ Vor 735 2 – Gewahrsamsvermutung 739 1 ff., s.a. dort – Vollstreckungsabwehrklage bei beschränkter Haftung 786 4 ff., s.a. dort eidesstattliche Versicherung – Erbenhaftung, beschränkte 781 10 – Kosten der Zwangsvollstreckung 788 41 – Vermögensauskunft des Schuldners 802c 25 f., 802c 31, 802f 25 Eigentum 771 11 Eigentums-/Vermögensgemeinschaft 744a 1 ff. – Auseinandersetzung 744a 20 – DDR 744a 1 – EGBGB 744a 2 – Erwerbsgeschäft 744a 13 ff. – FGB-DDR 744a 4 – gemeinschaftliche Verbindlichkeiten 744a 7 – gemeinschaftliche Verwaltung 744a 10 – Leistungstitel 744a 11 720

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– persönliche Verbindlichkeiten 744a 8 f. – Rechtsfolge 744a 7 ff. – Rechtsstreit, laufender 744a 16 ff. – subsidiäre Haftung 744a 20 – Vermögensmassen 744a 5 – Vermutung der Zugehörigkeit 744a 12 – Widerspruchsrecht 744a 6 Eigenverbindlichkeiten 778 12 ff. Einreden des Erben 782 1 ff. – abgesonderte Befriedigung 782 6 – Annahme der Erbschaft 783 3 – Arrestmaßregeln 782 11 ff. – aufschiebende ~ 782 3 ff. – Aussonderung 782 5 – Eigengläubiger des Erben 783 2 – Einredeberechtigte 782 3 – Erbengemeinschaft 783 5 – Fristverlängerung 782 20 ff. – gegen Nachlassgläubiger 782 1 ff. – gegen persönliche Gläubiger 783 1 ff. – Insolvenzverfahren 783 9 – Insolvenzverfahrenseröffnung 782 20 ff. – Klage 782 15 f., 783 7 – Nachlassverbindlichkeit 782 4 ff. – Urteil 782 17 ff. – Vormerkung 782 7 – Zugriff auf den Nachlass 782 2 Einschreiten von Behörden 789 1 ff. – Amtshilfe 789 2 – Anwendungsfälle 789 3 f. – Kosten 789 7 – Verfahren 789 5 ff. Einstellung/Beschränkung der Zwangsvollstreckung 775 1 ff. – Anwendungsbereich 775 7 f. – Aufhebung von Vollstreckungsmaßregeln 776 1 ff., s.a. dort – Aufschieben der Vollstreckung 775 5 – Befriedigung der Forderung laut Urkunde 775 36 f. – Beschränkung 775 5 – Dispositionsprinzip 775 8 – Einstellung 775 5 – einstweilige Einstellung der Vollstreckung 775 25 ff. – Einzahlungsnachweis 775 43 ff. – Erfüllungssurrogate 775 36 – Fortsetzung der Zwangsvollstreckung nach ~ 775 53 ff. – geschützter Personenkreis 775 9 – Hinterlegung 775 32 f. – Rechtsbehelfe 775 51 f. 721

– Sicherheitsleistung 775 31 ff. – Stundung der Forderung laut Urkunde 775 38 – Überweisungsnachweis 775 43 ff. – Verfahren 775 48 ff. – Vollstreckungsarten 775 7 – vollstreckungshindernde Entscheidungen 775 10 ff., s.a. dort – Vollstreckungsprotokoll 775 50 – Zuständigkeit 775 49 – Zwangshypothek 775 7 – Zweck 775 1 einstweilige Anordnungen 769 1 ff. – Anhängigkeit eines Rechtsbehelfs 769 10 f. – Antrag 769 19 – Anwendungsbereich 769 3 ff. – Arreste 769 7 – Aufhebung von Vollstreckungsmaßregeln 776 13 f. – dringender Fall 769 14 – Drittwiderspruchsklage 771 50 – einstweilige Anordnungen im Urteil 770 1 ff., s.a. dort – Entscheidung 769 24 ff. – Entscheidungswirkung 769 30 ff. – Ermessen 769 26 ff. – Fristbestimmung 769 16 – Glaubhaftmachung 769 20 – im Urteil 770 1 ff. – Klauselerinnerung 732 31 f. – Klauselerteilung 724 17 – Klauselgegenklage 768 17 – Kosten 769 41 ff. – Notzuständigkeit, subsidiäre 769 13 – Prozessgericht 769 9 – Prozesskostenhilfeverfahren 769 11 – Prozessvergleich 794 63 – rechtliches Gehör 769 23 – Rechtsschutzbedürfnis 769 22 – Schadensersatz 769 38 ff. – Sicherheitsleistung 769 28 f. – sofortige Beschwerde 793 33 – Unanfechtbarkeit der Entscheidung 769 33 ff. – Verfahren 769 19 ff. – Verfügungsverbot 772 3 – Vollstreckungsabwehrklage 767 14 – Vollstreckungserinnerung 766 82 – Vollstreckungsgericht 769 13 ff. – Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung 750 2 – Vortrag 769 20 – Zuständigkeit 769 8, 769 15 – Zuständigkeit, funktionelle 769 12 – Zustellung des Titels 750 21 Klie

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– Zwangsvollstreckung in das Gesamtgut 740 14 – Zweck 769 1 einstweilige Anordnungen im Urteil 770 1 ff. – Abgrenzung 770 4 f. – Antrag 770 5 – Anwendungsbereich 770 2 f. – Entscheidung 770 7 ff. – Hauptsacheentscheidung 770 4 – Kosten 770 11 – rechtliches Gehör 770 6 – Rechtsbehelfe 770 10 – Sicherheitsleistung 770 1 – Verfahren 770 5 – vorläufige Vollstreckbarkeit 770 4 – Zweck 770 1 Einwendungen des Erben 785 5 Einwendungspräklusion 767 76 ff. – Anwendungsbereich 767 78 f. – Beweislast 767 93 – Eintritt der ~ 767 84 f. – Einwendungsverzicht 767 94 – Klauselgegenklage 768 18 – nachträglich ausgeübte Gestaltungsrechte 767 86 ff. – Rechtskraft 767 77 – Titelgegenklage 767 124 – Versäumnisurteil 767 82 f. – Verwirkung 767 94 – Vollstreckbarerklärung eines Titels 767 91 – Vollstreckungsabwehrklage des Erben 785 6 – Vollstreckungsbescheid 767 82 f. – Wirkungen 767 92 – Zeitpunkt, maßgeblicher 767 80, 767 80 ff. – Zweck 767 77 Einzahlungsnachweis 775 43 ff. elektronische Kommunikation 753 18 Erben – Ausfertigung für/gegen Rechtsnachfolger 727 20 – Einreden des ~ 782 1 ff., s.a. dort – Einwendungen des ~ 781 11 ff. – Nachlassverwaltung/-insolvenzverfahren 784 1 ff., s.a. dort – vollstreckbare Ausfertigung 728 11 ff. – Vollstreckungsabwehrklage des ~ 785 1 ff., s.a. dort Erbengemeinschaft – Einreden des Erben 783 5 – Zwangsvollstreckung Vor 735 4 Erbenhaftung, beschränkte 780 1 ff. – Abgabe einer Willenserklärung 780 6 – analoge Anwendung 780 18 – Anwendungsbereich 780 5 ff. Klie

– Ausnahmen 780 33 ff. – eidesstattliche Versicherung 781 10 – Einbeziehung des Fiskus 780 33 – Einreden des Erben 782 1 ff., s.a. dort – Einwendungen des Erben 781 11 ff. – Erbenhaftungsregeln 780 3 – Erbfallschulden 780 5 – Erbschaftskäufer 780 29 – Erhebung der Einwendung 781 1 ff. – Grundurteil 780 30 – hinsichtlich der Einrede 780 8 ff. – hinsichtlich der Forderung 780 5 ff. – hinsichtlich der prozessualen Situation 780 11 ff. – Kosten 780 36 – Möglichkeit der Haftungsbeschränkung 781 3 ff. – Nacherbe 780 29 – Nachlasspfleger 780 34 – Nachlassverwalter 780 34 – Sondergestaltungen 780 28 ff. – Steuerforderungen 780 7 – Testamentsvollstrecker 780 34 – Titelschuldner 781 7 – Titelübertragung im Klageweg 780 12 – Übertragung eines Gesellschaftsanteils 780 28 – Urkundenprozess 780 31 – Urteil 780 19 ff. – Urteilsformel 780 22 – Urteilsvarianten 780 24 ff. – Verfahren 780 19 ff. – Vermögenstrennung, automatische 781 8 ff. – Vollstreckung gegen den Erben 781 3 ff. – Vollstreckungsurteile 780 13 – vor Eintritt der Rechtskraft 780 15 – Wechselprozess 780 31 – Wirkung 780 23 ff. Erbschaftskauf 729 13a, 729 16 Erbschaftskäufer 780 29 Erbschaftsnießbrauch 738 4 ff., 738 14 Erbschein 788 43 Erinnerung gegen Art/Weise der Zwangsvollstreckung 766 1 ff., s.a. Vollstreckungserinnerung Erinnerung gegen Klauselerteilung 732 1 ff., s.a. Klauselerinnerung Erinnerungsbefugnis 766 59 ff. – Dritte 766 65 ff. – eingeschränkte ~ 766 67 f. – Gerichtsvollzieher 766 69 – Gläubiger 766 63 f. – Insolvenzverwalter 766 62 – Schuldner 766 60 ff. 722

Sachregister

Erlass eines Haftbefehls 802g 3 ff. – Gläubigerantrag 802g 3 – Haftgründe 802g 4 f. – Verfahren 802g 7 ff. – Verhältnismäßigkeit 802g 6 – Zuständigkeit 802g 8 – Zwischenbescheid 802g 7 Ersatzvornahme 788 44 Erschöpfungseinrede 784 5 Erwerbsgeschäft – Eigentums-/Vermögensgemeinschaft 744a 13 ff. – Gewahrsamsvermutung 739 4 – Zwangsvollstreckung in das Gesamtgut 741 2 f. Erzwingungshaft 802g 1 ff. – Bekanntmachung des Haftbefehls 802g 12 – Dauer der Haft 802j 3 f. – Erlass eines Haftbefehls 802g 3 ff., s.a. dort – Erneuerung der Haft 802j 5 f. – Grenze der Haftvollstreckung 802h 3 – Haftaufschub 802h 4 ff., s.a. dort – Inhalt des Haftbefehls 802g 10 f. – Kosten 802g 17 f. – Rechtsbehelfe 802g 16 – Sperrfrist für wiederholte Verhaftung 802j 7 ff. – Unzulässigkeit der Haftvollstreckung 802h 1 ff. – Verhaftung des Schuldners 802g 13 ff. – Vermögensauskunft nach Verhaftung 802i 1 ff., s.a. dort EuGVVO-Vollstreckbarkeitserleichterungen 794 112 ff. – Einwendungen des Schuldners 794 126 ff. – öffentliche Urkunde 794 114 ff., s.a. dort – ordre public 794 125 – Prozessvergleich 794 113 – Verfahren 794 124 ff. – Vergleiche, gerichtliche 794 122 f. – Vollstreckung 794 124 europäische Titel 794 108 ff. – direkt vollstreckbare ~ 794 112 – EuGVVO-Vollstreckbarkeitserleichterungen 794 112 ff., s.a. dort – europäische Zahlungsbefehle 794 109 – für geringfügige Forderungen 794 111 – für unbestrittene Forderungen 794 110 – Klauselerteilung 724 12 – Vollstreckungsabwehrklage 767 12, 767 48 F faktische Lebensgemeinschaft 739 11 Familiensachen – Drittwiderspruchsklage des Ehe-/Lebenspartners 774 7 723

– Klage auf Klauselerteilung 731 6 – Klauselerteilung 724 20 – Vollstreckungsabwehrklage 767 43 Feststellungsklage – Klage auf Klauselerteilung 731 2 – Prozessvergleich 794 66 Firmenübernahme 729 2, 729 5 ff., 729 14 f. Fluchtgefahr 758a 13 Formblätter – Gerichtsvollzieher 753 15 ff. – richterliche Durchsuchungsanordnung 758a 34 – Vollstreckungsantrag 754 2, 754 7 fortgesetzte Gütergemeinschaft 745 1 ff. – Alleinverwaltung 745 1 – Beendigung 745 5 – Gesamtgutsverbindlichkeit 745 2 – Haftungsverwirklichung 745 4, 745 7 – Liquidationsstadium 745 6 – Voraussetzungen 745 3 Fortsetzung der Zwangsvollstreckung nach dem Tod des Schuldners 779 1 ff. – Anfangstermin der Vollstreckung 779 3 – besonderer Vertreter 779 9 ff. – Einschränkungen 779 4 ff. – Erwirken einer/s Handlung/Unterlassens 779 5 – Zugriff auf den gesamten Nachlass 779 3 – Zuziehung des Schuldners 779 7 f. Fortsetzungsfeststellungs-Erinnerung 766 71 freiwillige Gerichtsbarkeit – Klauselerteilung 724 20 – Vollstreckungsabwehrklage 767 16 G GbR s.a. BGB–Gesellschaft – Ausfertigung für/gegen Rechtsnachfolger 727 39 – Parteibezeichnung 750 13 Gegenleistung – Nachweis 756 17 ff. – öffentliche Urkunde 756 17 – Zug um Zug-Leistung 756 7 ff. gelenktes Ermessen 772 6 ff. gemeinschaftliche Verwaltung – Eigentums-/Vermögensgemeinschaft 744a 10 – Zwangsvollstreckung in das Gesamtgut 740 9 Gerichtsgebühren s. Kosten Gerichtskundigkeit 727 47 Gerichtssiegel 725 31 Gerichtsvollzieher 753 1 ff. – Akten des ~s 760 3 – Akteneinsicht 760 1 ff., s.a. dort – Amtsperson 753 10 – Amtspflichtverletzung 753 7 Klie

Sachregister

– Angebot der Gegenleistung 756 10 ff., s.a. dort – Aufenthaltsermittlung des Schuldners 755 1 ff., s.a. dort – Aufforderungen 763 1 – Auskunftsersuchen 757a 2 ff. – Auskunftsrechte des ~s 802l 1 ff., s.a. dort – Auslieferung der vollstreckbaren Ausfertigung 757 4 ff. – Befugnisnachweis 754 30 f. – Befugnisse des ~s 754 29 ff. – Datenschutz 757a 12 ff. – Durchsuchung 758 1 ff., s.a. dort – Einstellung/Beschränkung der Zwangsvollstreckung 775 1 ff., s.a. dort – elektronische Kommunikation 753 18 – Erinnerungsbefugnis 766 69 – Fachaufsicht 753 2 – Formblätter 753 15 ff. – Gewahrsamsvermutung 739 16 ff. – Gewaltanwendung 758 17 ff. – Haftung 753 7 f. – hoheitliche Gewalt 753 3 – Kosten 753 20, 754 38 – Kosten der Zwangsvollstreckung 788 45 – Mitteilungen 763 1 ff. – Mitwirkung der Geschäftsstelle 753 14 – öffentlich-rechtliche Beziehung 753 9 – Protokoll über Vollstreckungshandlungen 762 1 ff., s.a. dort – Quittung 757 1 ff. – Rechtsaufsicht 753 1 – Rechtsbehelfe 753 19 – Rechtsverhältnis Gerichtsvollzieher-Gläubiger 753 9 ff. – Reihenfolge der Erledigung 753 2 – Schutz vor Angriffen 757a 1 – Titelauslieferung 757 4 ff. – Überprüfung des Kostenansatzes 766 49 ff. – Unterstützungsersuchen 757a 9 ff. – Urkundsbeamte 753 14 – Verfahren 753 6 – Vermögensauskunft des Schuldners 802c 1 ff., s.a. dort – Vertreter des Gläubigers 753 10 – Vertretungsnachweis 754 30 f. – Vollmachtsnachweis 753a 1 ff. – vollstreckbare Ausfertigung 754 30 f. – Vollstreckungsantrag 754 17 ff. – Vollstreckungserinnerung 766 1 ff., s.a. dort – Vollstreckungsorgan 753 1 ff. – Vollstreckungsschutz 765a 43 f. – Weisungsbefugnis des Gläubigers 753 13 Klie

– Zahlungsvereinbarung 802b 5 ff., s.a. dort – zentrale Verwaltung von Vermögensverzeichnissen 802k 10 – Zug um Zug-Leistung 756 6 ff. – Zuständigkeit 753 4 f. – Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen 802a 5 ff. Gesamtgläubiger 733 6 Gesamthandsgläubiger 733 6 Gesamthandsschuldklage 735 2 Gesamtschuldner 733 6 Gesamtvergleich 794 36, 794 62 Gestaltungsklage – Klage auf Klauselerteilung 731 2 – Prozessvergleich 794 66 Geständnis 726 30 Gewahrsamsvermutung 739 1 ff. – analoge Anwendung 739 10 ff. – bewegliche Sache 739 8 – Drittwiderspruchsklage 739 14, 739 20 – Eigentumslage 739 2, 739 17 – Erwerbsgeschäft 739 4 – faktische Lebensgemeinschaft 739 11 – Gerichtsvollzieher 739 16 ff. – Gleichberechtigungsgesetz 739 23 ff. – Güterstände 739 4, 739 25 – Immobiliarvollstreckungen 739 10 – Insolvenzverfahren 739 7 – Prüfungspflichten 739 16 ff. – Rechtsbehelfe 739 20 ff. – Rechtsfolge 739 13 ff. – Sachen zum persönlichen Gebrauch 739 5 – Titel 739 9 – Übergangsregelungen 739 23 ff. – Umkehr der Klagelast 739 13 – Verfahren 739 16 ff. – Vollstreckungserinnerung 739 21 f. – Voraussetzungen 739 6 – Wohngemeinschaften 739 12 – Zweck 739 2 Gewaltanwendung – Durchsuchung 758 17 ff. – richterliche Durchsuchungsanordnung 758a 25 Glaubhaftmachung – einstweilige Anordnungen 769 20 – Zahlungsvereinbarung 802b 10 Gleichberechtigungsgesetz 739 23 ff. gradus executionis 777 1 Gutachten 788 48 Gütergemeinschaft 740 3 – beendete ~ 743 1 ff., s.a. dort 724

Sachregister

– Eintritt in die ~ während des Rechtsstreits 742 1 ff. – fortgesetzte ~ 745 1 ff., s.a. dort – Klauselerteilung bei Eintritt 742 10 ff. – obsiegender Ehegatte 742 8 – obsiegender Gegner 742 7 – Rechtsstreit, laufender 742 1 ff. – vollstreckbare Ausfertigung 742 1 ff. – Vollstreckungsabwehrklage bei beschränkter Haftung 786 4 – Zwangsvollstreckung Vor 735 5 – Zwangsvollstreckung in das Gesamtgut 740 1 ff., s.a. dort Güterstände – Eigentums-/Vermögensgemeinschaft 744a 1 ff. – FGB-DDR 744a 4 ff. – Gewahrsamsvermutung 739 4, 739 25 Gütestellen 797a 2 ff. Gütestellenvergleich 794 67 – gerichtliche Zuständigkeit 797a 8 f. – Gütestellen 797a 2 ff. – Klauselerteilung 797a 5 ff. – Kosten 797a 10 – Verfahren 797a 1 ff. H Haftaufschub 802h 4 ff. – Haftunfähigkeit 802h 5 – Rechtsbehelfe 802h 9 – Verfahren 802h 6 ff. Haftungsbeschränkungsübereinkommen 786a 4 Hebegebühr 788 50 Heilung 750 40 – Zug um Zug-Leistung 756 22 herrenloses Grundstück/Schiff 787 1 ff. – Aneignungsberechtigter 787 9 – Anspruch gegen bisherigen Eigentümer 787 4 – bisheriger Schiffseigentümer 787 2 – Dereliktion 787 7 f. – dingliche Ansprüche 787 5 – Klauselübertragung 787 6 – Verfahren 787 15 ff. – Vertreterbestellung 787 3, 787 10 ff. – Zugehörigkeit zum Haftungsverband 787 3 – Zwangsversteigerung 787 1 – Zwangsverwaltung 787 1 Hinterlegung – Einstellung/Beschränkung der Zwangsvollstreckung 775 32 f. – Sicherheitsleistung 751 11 – Widerspruchsrecht bei genügender Sicherung 777 15 ff. Holschuld 756 11 725

I Idealverein 735 4 Identitätsfeststellung 750 3 ff. – Nachtragsklausel 750 19 – namentliche Parteibezeichnung 750 4 f. – Vollstreckungsgläubiger/-schuldner 750 3 – Vollstreckungsorgan 750 3 ff. – Zweifel an Identität/Parteistellung 750 7 IHK-Einigungsstellen 724 31 Immobiliarvollstreckungen 739 10 Index 726 10 Inkassobüro 788 53 Insolvenzverfahren – Ausfertigung für/gegen Rechtsnachfolger 727 37 – Einreden des Erben 783 9 – Gewahrsamsvermutung 739 7 – Klauselerteilung 724 19 – ungeteilter Nachlass 747 12 – Vollstreckungsabwehrklage 767 16, 767 58 – Vollstreckungsschutz 765a 8 – Zahlungsvereinbarung 802b 19 Insolvenzverfahrenseröffnung – Einreden des Erben 782 20 ff. – vollstreckungshindernde Entscheidungen 775 24 Insolvenzverwalter 766 62 Interventionsrecht 771 9 ff. – Anfechtungsrechte 771 31 – Anwartschaftsrechte 771 12 – Besitz 771 25 – Bestehen eines ~s 771 51 – Eigentum 771 11 – erbrechtliche Bindungen 771 33 – familienrechtliche Verfügungsbeschränkungen 771 32 – Gemeinschaftskonten 771 14 – Inhaberschaft an Forderungen 771 13 f. – Kommittent 771 22 – Leasingverträge 771 28 – Mitberechtigung 771 23 – Nichthaftung einer Vermögensmasse 771 30 – Pfandrechte 771 24 – schuldrechtliche Ansprüche 771 26 f. – Sicherungseigentum 771 19 ff. – Sicherungstreuhand 771 19 ff. – Treuhandverhältnisse 771 15 ff. – Verwaltungstreuhand 771 16 ff – Vorbehaltseigentum 771 12 – Zurückbehaltungsrechte 771 29 Inverwahrnahme durch den Notar 796b 1a, 796c 2 f. Klie

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J Jugendamt 794 86 K Klage auf Klauselerteilung 731 1 ff. – Anfechtung 731 23 – Anwendungsbereich 731 5 ff. – arbeitsgerichtliche Verfahren 731 7 – Begründetheit 731 18 ff. – Beweisführung 731 21 – entgegenstehende Rechtskraft/Rechtshängigkeit 731 17 – erfolgloses Durchlaufen des Erteilungsverfahrens 731 14 f. – Familiensachen 731 6 – fehlende Klauselerteilung 731 16 – Feststellungsklage 731 2 – Gestaltungsklage 731 2 – Klageantrag 731 3 – Klauselerteilungsvoraussetzungen 731 18 – Konkurrenzen 731 8 f. – Kosten 731 27 – Passivlegitimation 731 20 – Rechtskraft 731 25 f. – Rechtsnatur 731 2 – Rechtsschutzbedürfnis 731 12 ff. – Streitwert 731 27 – Umschreibungsgesuch 731 9 – Unvermögen zur förmlichen Beweisführung 731 12 f. – Urkundenprozess 731 4 – Urteilsformel 731 3 – Urteilswirkungen 731 24 – Verfahren 731 4 – Vollstreckung des Urteils 731 22 – Widerklage 731 4 – Zulässigkeit 731 10 ff. – Zuständigkeit 731 10 f. Klage auf vorzugsweise Befriedigung s. Vorzugsklage Klauselerinnerung 732 1 ff. – Abgrenzung 732 11 ff. – Antrag 732 3 – Anwendungsbereich 732 8 ff. – Begründetheit 732 26 f. – Beschlussformel 732 3 f. – beschränkt vollstreckbarer Titel 732 4 – Beschwer 732 19 – einstweilige Anordnungen 732 31 f. – entgegenstehende Rechtskraft 732 22 f. – Form 732 19 – Frist 732 19 Klie

– Klage gegen die Klausel 732 11 – Klauselgegenklage 768 8 f. – Konkurrenzen 732 16 ff. – Kosten 732 33 ff. – Rechtsbehelfe 732 30 – Rechtskraft 732 29 – Rechtsnatur 732 2 – Rechtsschutzbedürfnis 732 24 f. – Statthaftigkeit 732 19 – Titelgegenklage 767 123 – Verfahren 732 5 ff. – Vollstreckung der Entscheidung 732 28 – Vollstreckungsabwehrklage 732 12 f., 767 24 f. – Vollstreckungserinnerung 732 14, 766 55 – Zulässigkeit 732 19 ff. – Zuständigkeit 732 20 f. – Zweck 732 1 Klauselerteilung – Amtspflichtverletzung 724 48 – Arbeits-/Sozialgerichtsbarkeit 724 30 – arbeitsgerichtliche Verfahren 724 13 – Arreste 724 17 – Auseinandersetzung 724 20 – Ausnahmen 724 34 ff. – beendete Gütergemeinschaft 744 9 ff. – Beispiele 724 39 ff. – Dispache 724 20 – einstweilige Anordnungen 724 17 – Eintritt in die Gütergemeinschaft 742 10 ff. – Entschädigungsbehörde 724 32 – europäische Titel 724 12 – Familiensachen 724 20 – Faustregel 724 40 – freiwillige Gerichtsbarkeit 724 20 – Gütestellenvergleich 797a 5 ff. – IHK-Einigungsstellen 724 31 – Insolvenzverwalter 724 19 – Klage auf ~ 731 1 ff. – Klauselerteilungsverfahren 724 44, 725 16 ff., s.a. dort – Kostenfestsetzungsbeschlüsse 724 33 – Landwirtschaftssachen 724 21 – Nachlass-/Teilungssachen 724 20 – Rechtsbehelfe 724 45 ff. – Schiedssprüche 724 11, 724 18 – Schiedsvergleiche 724 11 – sofortige Beschwerde 724 46 – Strafrichter 724 29 – Titel 795 3 ff. – Titel, bundeseinheitlich geltende 724 15 ff. – Todeserklärungen 724 25 – Vergütungsfestsetzungen 724 27 726

Sachregister

– Vertragshilfesachen 724 24 – Verwaltungsgerichtsbarkeit 724 33a – Verwaltungszwangsverfahren 724 37 – vollstreckbare Ausfertigung 724 2, 724 10 ff. – Vollstreckbarerklärung des Anwaltsvergleichs 796b 6a – Vollstreckungsbescheid 796 2 f. – Vollstreckungsklausel 725 1 ff., s.a. dort – Vollstreckungsurteile 724 11 – Voraussetzungen 724 10 ff. – Widerrufsvorbehalt 724 41 – Wohnungseigentumsgesetz 724 22 – Zwangsversteigerung 724 26 Klauselerteilungsverfahren 724 44, 725 16 ff. – Antrag 725 18 ff. – Ausfertigung bei bedingten Leistungen 726 28 ff., s.a. dort – Ausfertigung für/gegen Rechtsnachfolger 727 42 ff., s.a. dort – Beischreibung 725 30 – Gerichtssiegel 725 31 – Gestaltungsbefugnisse 725 25 f. – Klage auf Klauselerteilung 731 1 ff., s.a. dort – Klauselerinnerung 732 1 ff., s.a. dort – Kosten 725 34 f. – offenbare Unrichtigkeiten 725 30 – Prüfungsumfang des Beamten 725 21 ff. – rechtliches Gehör 725 27 – Teilklausel 725 18 – Unterschrift 725 31 f. – Urkundsbeamte 725 16 f., 725 21 ff. – Urteilsausfertigung 725 28 ff. – Zuständigkeit 725 16 f. Klauselgegenklage 768 1 ff. – Abgrenzung 768 6 ff. – Begründetheit 768 18 ff. – Beweisführung 768 20 – Beweislast 768 21 f. – einstweilige Anordnungen 768 17 – Einwendungen, statthafte 768 5 – Einwendungspräklusion 768 18 – entgegenstehende Rechtskraft 768 14 – Entscheidung 768 23 – Klauselerinnerung 732 11, 768 8 f. – Klauselprätendentenstreit 768 12 – Kosten 768 23 – Parteien 768 16 – Rechtsnatur 768 4 – Rechtsschutzbedürfnis 768 13 – Streitwert 768 23 – Verfahren 768 15 ff. – Vollstreckungsabwehrklage 767 24, 768 6 f. 727

– Vollstreckungserinnerung 768 10 – Zweck 768 2 Klauselprätendentenstreit 768 12 Kontoleihe 765a 10a Konzentrationsgebot 767 105 ff. – Anwendungsbereich 767 106 – Imstandesein zur Geltendmachung 767 112 – mündliche Verhandlung 767 109 – Nachschieben von Einwendungen 767 110 f. – Rechtsfolgen 767 113 ff. – Titel 767 108 – Zeitpunkt 767 109 – Zweck 767 105 Kosten – Angebot der Gegenleistung 756 23 – Aufenthaltsermittlung des Schuldners 755 14 – Ausfertigung für/gegen Rechtsnachfolger 727 52 – Auskunftsrechte des Gerichtsvollziehers 802l 21 – Drittwiderspruchsklage 771 68 – Einschreiten von Behörden 789 7 – einstweilige Anordnungen 769 41 ff. – einstweilige Anordnungen im Urteil 770 11 – Erbenhaftung, beschränkte 780 36 – Erzwingungshaft 802g 17 f. – Gerichtsvollzieher 753 20, 754 38 – Gütestellenvergleich 797a 10 – Klage auf Klauselerteilung 731 27 – Klauselerinnerung 732 33 ff. – Klauselerteilungsverfahren 725 34 f. – Klauselgegenklage 768 23 – Kosten der Zwangsvollstreckung 788 1 ff., s.a. dort – Prozessvergleich 794 37, 794 70 – richterliche Durchsuchungsanordnung 758a 28 – sofortige Beschwerde 793 31 f. – Titelgegenklage 767 126 – Urkundenerteilung an Gläubiger 792 8 – Vermögensauskunft des Schuldners 802c 33, 802e 9, 802f 32 – Vollstreckbarerklärung des Anwaltsvergleichs 796b 8, 796b 13 – Vollstreckungsabwehrklage 767 104 – Vollstreckungsabwehrklage bei beschränkter Haftung 786 17 – Vollstreckungsabwehrklage des Erben 785 13 – Vollstreckungsantrag 754 38 – Vollstreckungserinnerung 766 93 – Vollstreckungsschutz 765a 27 – weitere Vermögensauskunft 802d 18 – weitere vollstreckbare Ausfertigung 733 16 ff. – Zahlungsvereinbarung 802b 22 – Zug um Zug-Leistung 756 23 Klie

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– Zuziehung von Zeugen 759 6 – Zwangsvollstreckung aus Räumungsvergleich 794a 18 Kosten der Zwangsvollstreckung 788 1 ff. – Ablösungszahlungen 788 28 – Anwaltskosten 788 31 – Anwendungsbereich 788 5 ff. – Auskunftseinholung 788 34 – Auslandsvollstreckung 788 35 – Austauschpfändung 788 36 – Begriff 788 14 f. – Beitreibung 788 87 ff. – Billigkeitsgründe 788 1 – Drittschuldnerauskunft 788 37 – Drittschuldnerprozess 788 38 – Durchführungskosten 788 18 f. – eidesstattliche Versicherung 788 41 – Einholung von Drittauskünften 788 30 – Einigungsgebühr 788 65 – Eintragung in das Schuldnerverzeichnis 788 42 – Ende der Zwangsvollstreckung 788 20 – Erbschein 788 43 – Ersatzvornahme 788 44 – Erstattungsanspruch des Schuldners 788 100 ff. – Fallgruppen 788 28 ff. – Gerichtsvollzieher 788 45 – Gläubigerkosten 788 46 – Grundbuchkosten 788 47 – Gutachten 788 48 – Haftungsbeschränkung 788 49 – Hebegebühr 788 50 – Herausgabevollstreckung 788 51 f. – Inkassobüro 788 53 – Insolvenzantrag 788 54 – Kostenfestsetzung 788 95 ff., s.a. dort – Kostenlast des Schuldners 788 2 ff., 788 14 ff. – Kostenpflicht des Gläubigers 788 105 ff. – Kostentragung 788 1 – Kostenvorschuss 788 99 – Lagerkosten 788 55 – Lohnabtretung 788 63 – Löschungskosten 788 56 – materiell-rechtliche Kostenerstattungsansprüche 788 12 – mehrere Schuldner 788 57 – mehrere Vollstreckungsmaßnahmen 788 59 – Mehrwertsteuer 788 61 – mittelbare ~ 788 21 – Notwendigkeit 788 22 ff. – Ordnungsmittelverfahren 788 7 – Prozesskostenverteilung 788 5 – Ratenzahlungsvergleich 788 64 Klie

– Räumungsvollstreckung 788 62, 788 67 – Rechtsbehelfe 788 92 ff. – selbständiges Beweisverfahren 788 69 – Sequestrationskosten 788 68 – Sicherheitsleistung 788 71 – Sicherungshypothek 788 70 – sofortige Beschwerde 788 93 – Sonderfälle 788 1 – Steuerberatungskosten 788 72 – Taschenpfändung 788 73 – Teilungsversteigerung 788 8 – Transportkosten 788 74 – Übersetzungskosten 788 75 – Unterhaltsforderungen 788 4 – Vergleich 788 76 – Vergleich im Vollstreckungsverfahren 788 10 – Vergleichsgebühr 788 65 – Vermögensauskunft, Abschrift 788 29 – Vervielfältigungskosten 788 78 – vollstreckbare Ausfertigung 788 80 – Vollstreckungsandrohung 788 33 – Vollstreckungsarten 788 6 – Vollstreckungserinnerung 788 92 – Vollstreckungsgegenklage 788 94 – Vollstreckungsprivileg 788 4 – Vorbereitungskosten 788 16 f. – Vorpfändung 788 82 – Zahlungsaufforderung 788 83 – Zinsen 788 85 – Zug um Zug-Leistung 788 86 Kostenfestsetzung 788 95 ff. – Antragsberechtigung 788 98 – Prozessgericht 788 97 – Prüfungsumfang 788 98 – Vollstreckungsgericht 788 95 f. – Zuständigkeit 788 95 ff. Kostenfestsetzungsbeschluss 794 71 ff. – Abtretung des Kostenerstattungsanspruchs 794 74 – Klauselerteilung 724 33 – Nachverfahren, verselbständigtes 794 73 – Sicherungsvollstreckung 794 72 – vollstreckbare Ausfertigung 795a 1 – Vollstreckungsabwehrklage 767 10 – Wartefrist 798 1 ff., s.a. dort Kostenvorschuss 788 99 Kraftfahrt-Bundesamt – Aufenthaltsermittlung des Schuldners 755 9 – Auskunftsrechte des Gerichtsvollziehers 802l 14 L Lagerkosten 788 55 Landwirtschaftssachen 724 21 728

Sachregister

Leasingverträge 771 28 Lebenspartner 739 1 ff., s.a. dort Legalzession 727 24 Lohnabtretung 788 63 Löschungskosten 788 56 Lugano-Übereinkommen 794 112, 794 126 ff.

Notar – vollstreckbare Urkunde 794 84, 797 10 ff., 797 13 ff. – Vollstreckbarerklärung des Anwaltsvergleichs 796c 1 ff., s.a. dort notarielle Vollstreckbarerklärung 794 81

M

O Offenkundigkeit 726 32, 727 47 – Zustellung von Klausel/Urkunden 750 34 öffentliche Urkunde – Ausfertigung bei bedingten Leistungen 726 29 – Errichtungsort 794 116 – EuGVVO-Vollstreckbarkeitserleichterungen 794 114 ff. – Gegenleistung 756 17 – Inhalt 794 118 ff. – Urheber 794 117 – Vollstreckbarkeit 794 121 – Zustellung von Klausel/Urkunden 750 34 ordre public – Anwaltsvergleich 796a 35 – EuGVVO-Vollstreckbarkeitserleichterungen 794 125

Maßregeln der Zwangsvollstreckung 784 6 Meldebehörden 755 7 Mietkaution 777 18 Mitberechtigung 771 23 Miterbengemeinschaft 747 2 mündliche Verhandlung – Konzentrationsgebot 767 109 – Prozessvergleich 794 22 ff., 794 30 – sofortige Beschwerde 793 11, 793 28 – Vollstreckbarerklärung des Anwaltsvergleichs 796b 8 f. – Vollstreckungserinnerung 766 81 N Nacherbfolge 728 1, 728 6 ff. Nachlass-/Teilungssachen 724 20 Nachlassverbindlichkeit 778 6 – Drittwiderspruchsklage des Nacherben 773 6 – Zwangsvollstreckung vor Erbschaftsannahme 778 6 Nachlassverwaltung – Pfandrecht 784 7 ff. – ungeteilter Nachlass 747 11 – Zwangsvollstreckung bei Testamentsvollstrecker 748 4 Nachlassverwaltung/-insolvenzverfahren 784 1 ff. – Aufhebung der Maßregel 784 10 – Dürftigkeitseinrede 784 5 – Eigenvermögen des Erben 784 2 – Erschöpfungseinrede 784 5 – haftungsbeschränkende Maßnahmen 784 4 – Klage 784 10 ff. – Maßregeln der Zwangsvollstreckung 784 6 – Unzulässigkeitserklärung 784 10 Nachtpfändung 793 10 Nachtragsklausel – Identitätsfeststellung 750 19 – Parteibezeichnung 750 18 Nachverfahren, verselbständigtes 794 73 negative Feststellungsklage 767 29 Niederlegung 796b 1a Nießbrauch – vollstreckbare Ausfertigung 729 16 – Zwangsvollstreckung bei ~ 738 1 ff., s.a. dort 729

P Paritionsfrist 724 1, 730 5 Parteibezeichnung 750 3 ff. – Berichtigung 750 17 ff. – Einzelbezeichnung 750 8 – Einzelkaufmann 750 11 – erforderliche Angaben 750 8 ff. – Falschbezeichnung 750 10 – Firmenname 750 11 – GbR 750 13 – Identitätsfeststellung 750 3 ff., s.a. dort – Nachtragsklausel 750 18 – natürliche Personen 750 10 f. – Personenmehrheiten 750 9 – Personenvereinigungen, parteifähige 750 12 ff. – Vertretungsverhältnisse, gesetzliche 750 15 f. – Wohnungseigentumsgemeinschaft 750 14 Pfandrechte – Interventionsrecht 771 24 – Widerspruchsrecht bei genügender Sicherung 777 5 Pfändungspfandrecht – Wartefrist 798 5 – Widerspruchsrecht bei genügender Sicherung 777 9 Protokoll über Vollstreckungshandlungen 762 1 ff. – Anschlusspfändung 762 8 Klie

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– Aufforderungen 762 2 f. – Berichtigung 762 7 – Beweiskraft 762 6 – erfolglose Vollstreckung 762 5 – Gebühren des Gerichtsvollziehers 762 9 – Inhalt 762 4 f. – Vollstreckungshandlungen 762 2 – Wirkung 762 6 ff. Prozessbeendigungswillen 794 5 Prozessbevollmächtigte – Vollstreckungsantrag 754 5 – Zustellung des Titels 750 26 Prozessgericht – einstweilige Anordnungen 769 1 ff., s.a. dort – Kostenfestsetzung 788 97 – vollstreckbare Urkunde 794 85 Prozesskostenhilfeverfahren – einstweilige Anordnungen 769 11 – Prozessvergleich 794 67 Prozessvergleich 794 2 ff. – Abgabe von Willenserklärungen 794 50 – außergerichtlicher Vergleich 794 68 – Bedingung 794 36 – Beendigung der Rechtshängigkeit 794 44 ff. – Beilegung eines Rechtsstreits 794 8 – Beitritt von Dritten 794 52 – Beschluss 794 29 – Dispositionsprinzip 794 35 – Duldungspflichten 794 51 – einstweilige Anordnungen 794 63 – Erhebung einer neuen Klage 794 60 f. – EuGVVO-Vollstreckbarkeitserleichterungen 794 113 – Feststellungsklage 794 66 – Form 794 29 ff. – Fortsetzung des Verfahrens 794 56 ff. – Gericht 794 18 ff. – Gesamtvergleich 794 36, 794 62 – Gestaltungsklage 794 66 – Gütestellen 794 21 – Gütestellenvergleich 794 67 – Klagerücknahme 794 10 – Kosten 794 37, 794 70 – materieller Streitgegenstand 794 9 – mündliche Verhandlung 794 22 ff., 794 30 – nach Urteilsverkündung 794 26 – Parteifähigkeit 794 15 – Protokollierung 794 30 f. – Prozessbeendigungswillen 794 5 – Prozessfähigkeit 794 15 – Prozesskostenhilfeverfahren 794 67 – Prozessstandschafter 794 35 Klie

– prozessuales Nachgeben 794 8 – Prozessvollmacht 794 16 – Prozessvoraussetzungen 794 13 ff. – Rechtskraft eines Urteils 794 27 – Rechtsmittelverfahren 794 26 – Rechtsnatur 794 12 – Sachurteilsvoraussetzungen 794 13 – Scheidungsfolgenvereinbarungen 794 28 – Schiedssprüche 794 19 – Schuldenbereinigungsplan 794 69a – Spruchstellenverfahren 794 69 – Tatbestandsvoraussetzungen 794 13 ff. – übereinstimmende Erledigungserklärung 794 68 – Unterlassungspflichten 794 51 – Unwirksamkeitsfolgen 794 56 f. – Unwirksamkeitsgründe 794 54 f. – Verfahrensbeendigung 794 3 ff. – Verfahrensstadium 794 25 – Verfahrensvoraussetzungen 794 13 ff. – Vergleichsinhalt 794 32 ff. – Vergleichspartner 794 32 – Vergleichsvertrag, materiell-rechtlicher 794 7 ff. – Vertragsschluss 794 34 – Vollstreckbarerklärung 795b 1 ff. – Vollstreckbarkeit 794 64 f. – Vollstreckungsabwehrklage 767 9 – vollstreckungsfähiger Inhalt 794 48 – Vollstreckungstitel 794 47 ff. – Widerruf 794 38 ff. – Wirkungen, materiell-rechtliche 794 43 – Wirkungen, prozessuale 794 44 ff. – Zwangsvollstreckung aus Räumungsvergleich 794a 2 Pseudonym 727 40 Q Quittung – Gerichtsvollzieher 757 1 ff. – Gläubiger 757 7 R Räumungsfrist 794a 14 ff. Räumungsschutz 765a 13 f. Räumungsvollstreckung – Kosten der Zwangsvollstreckung 788 62, 788 67 – richterliche Durchsuchungsanordnung 758a 5 f. – Zwangsvollstreckung aus Räumungsvergleich 794a 1 ff., s.a. dort rechtliches Gehör – Anhörung des Schuldners 730 1 ff., s.a. dort – Ausfertigung bei bedingten Leistungen 726 37 – Ausfertigung für/gegen Rechtsnachfolger 727 44 730

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– Drittwiderspruchsklage 771 48 – einstweilige Anordnungen 769 23 – einstweilige Anordnungen im Urteil 770 6 – Klauselerteilungsverfahren 725 27 – sofortige Beschwerde 793 28 – Vollstreckungserinnerung 766 81 – weitere vollstreckbare Ausfertigung 733 12 – Zustellung des Titels 750 20 Rechtsanwälte 796a 13 f. Rechtsbehelfe – Akteneinsicht 760 5 – Aufenthaltsermittlung des Schuldners 755 12 – Aufhebung von Vollstreckungsmaßregeln 776 24 – Ausfertigung bei bedingten Leistungen 726 40 – Ausfertigung für/gegen Rechtsnachfolger 727 51 – Auskunftsrechte des Gerichtsvollziehers 802l 20 – beendete Gütergemeinschaft 743 10 f., 744 13 – Drittwiderspruchsklage 771 1 ff., 771 63, s.a. dort – Durchsuchung 758 26 – Einstellung/Beschränkung der Zwangsvollstreckung 775 51 f. – einstweilige Anordnungen 769 1 ff., s.a. dort – einstweilige Anordnungen im Urteil 770 10 – Erzwingungshaft 802g 16, 802j 11 – Gerichtsvollzieher 753 19 – Gewahrsamsvermutung 739 20 ff. – Klauselerinnerung 732 1 ff., 732 30, s.a. dort – Klauselerteilung 724 45 ff. – Klauselgegenklage 768 1 ff., s.a. dort – Kosten der Zwangsvollstreckung 788 92 ff. – Sicherheitsleistung 751 19, 752 7 f. – sofortige Beschwerde 793 1 ff. – Titelgegenklage 767 116 ff., s.a. dort – ungeteilter Nachlass 747 13 ff. – Vermögensauskunft des Schuldners 802c 32, 802f 30 f. – Vermögensauskunft nach Verhaftung 802i 13 – vollstreckbare Ausfertigung 724 5 – vollstreckbare Urkunde 797 16 ff. – Vollstreckungsabwehrklage 767 1 ff., s.a. dort – Vollstreckungsantrag 754 34 ff. – Vollstreckungserinnerung 766 1 ff., 766 92, s.a. dort – Vollstreckungsgericht 764 10 – Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung 750 39 ff. – weitere Vermögensauskunft 802d 17 – weitere vollstreckbare Ausfertigung 733 14 f. – Zahlungsvereinbarung 802b 21 – Zug um Zug-Leistung 756 21 f. – Zwangsvollstreckung bei Nießbrauch 738 16 f. 731

– Zwangsvollstreckung bei Testamentsvollstrecker 748 18 f. – Zwangsvollstreckung in das Gesamtgut 740 15 ff., 741 8 ff. – Zwangsvollstreckung vor Erbschaftsannahme 778 10 f., 778 13 ff. – Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen 802a 10 Rechtsbeschwerde 793 34 ff. Rechtskraft – Ausfertigung für/gegen Rechtsnachfolger 727 6 – Drittwiderspruchsklage 771 64 – Einwendungspräklusion 767 77 – Klage auf Klauselerteilung 731 25 f. – Klage auf Unterlassung der Zwangsvollstreckung 767 32 – Klauselerinnerung 732 22 f., 732 29 – Prozessvergleich 794 27 – Sicherheitsleistung 751 16 – Vollstreckungsabwehrklage 767 98 ff. – Vollstreckungsbescheid 796 4 – Vollstreckungserinnerung 766 91 – Vollstreckungsschutz 765a 28 Rechtsnachfolge 727 7 – Ausfertigung für/gegen ~r 727 1 ff., s.a. dort – weitere vollstreckbare Ausfertigung 733 7 Rechtsschutzbedürfnis – Drittwiderspruchsklage 771 44 ff. – einstweilige Anordnungen 769 22 – Klage auf Klauselerteilung 731 12 ff. – Klauselerinnerung 732 24 f. – Klauselgegenklage 768 13 – sofortige Beschwerde 793 22 f. – Vermögensauskunft des Schuldners 802c 11 – Vollstreckungsabwehrklage 767 49 ff. – Vollstreckungsabwehrklage bei beschränkter Haftung 786 13 – Vollstreckungserinnerung 766 70 ff. Rentenversicherung – Aufenthaltsermittlung des Schuldners 755 9 – Auskunftsrechte des Gerichtsvollziehers 802l 10 f. Restschuldbefreiung 767 22 richterliche Durchsuchungsanordnung 758a 1 ff. – Anwendungsbereich 758a 3 ff. – Ausnahmen 758a 5 ff. – Durchsuchungsanordnung 758a 21 ff. – Einverständnis 758a 10 f. – Entscheidung 758a 23 f. – Fluchtgefahr 758a 13 – Formblätter 758a 34 – Gefährdung des Vollstreckungserfolgs 758a 12 ff. Klie

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– Gewaltanwendung 758a 25 – Herausgabe von beweglichen Sachen 758a 8 f. – Kosten 758a 28 – Mitgewahrsamsinhaber 758a 18 ff. – Räumungsvollstreckung 758a 5 f. – Umfang 758a 27 – Verfahren 758a 10 ff. – Vollstreckung eines Haftbefehls 758a 7 – Vollstreckungsarten 758a 3 – Vollstreckungsversuch 758a 21 – widersprüchliches Verhalten des Schuldners 758a 14 – Wohnung 758a 4 – zur Unzeit 758a 29 ff. – Zuständigkeit 758a 22 – Zweck 758a 1 f. Rügeverzicht 750 46 S Sanierungsvergleich 794 69a Schadensersatz – Durchsuchung 758 16 – einstweilige Anordnungen 769 38 ff. – vollstreckbare Urkunde 799a 1 ff. Scheidungsfolgenvereinbarungen 794 28 Schickschuld 756 11 Schiedssprüche – Klauselerteilung 724 11, 724 18 – Prozessvergleich 794 19 – Vollstreckbarerklärung 794 81 – Vollstreckungsabwehrklage 767 15, 767 45 – Vollstreckungserinnerung 766 11 Schiedsvergleiche – Klauselerteilung 724 11 – Vollstreckbarerklärung 794 81 Schuldenbereinigungsplan 794 69a Schuldmitübernahme 729 12 Schuldnermehrheit 733 6 Schuldübernahme 727 17, 727 35 Selbstabhilferecht – sofortige Beschwerde 793 27 – Vollstreckungserinnerung 766 77 ff. Sequestrationskosten 788 68 Sicherheitsleistung 751 8 ff. – Anwendungsbereich 751 9 – Ausfertigung bei bedingten Leistungen 726 22 f. – Bankbürgschaft 751 12 f. – Einstellung/Beschränkung der Zwangsvollstreckung 775 31 ff. – einstweilige Anordnungen 769 28 f. – einstweilige Anordnungen im Urteil 770 1 – Ermäßigung 752 2 f. Klie

– Hinterlegung 751 11 – Kosten der Zwangsvollstreckung 788 71 – Nachweis 751 10 ff. – Rechtsbehelfe 751 19, 752 7 f. – Rechtskraft des Urteils 751 16 – Sicherungsvollstreckung 751 8 – Teilabwendungsbefugnis 752 4 ff. – Teilvollstreckung 752 1 ff. – Unterwerfungserklärung 794 99 – Verstoßfolgen 751 17 f., 752 7 f. – Verzicht 751 20 – Vollstreckungserinnerung 751 19 – Vollstreckungsorgan 751 11 – Widerspruchsrecht bei genügender Sicherung 777 15 ff. – Zustellung der Nachweisurkunden 751 14 f. – Zweck 751 8 Sicherungseigentum 771 19 ff. Sicherungshypothek 788 70 Sicherungstreuhand 771 19 ff. Sicherungsübereignung 777 14 Sicherungsvollstreckung 751 8 – Titel 795 22 sofortige Beschwerde 793 1 ff. – Anwaltszwang 793 24 – Anwendungsbereich 793 4 ff. – Ausschluss 793 12 – Begründetheit 793 29 – Beschluss 793 30 – Beschwerdebefugnis 793 20 f. – Beschwerdegegner 793 19 – Beschwerdeschrift 793 24 – Durchsuchung 793 10 – einstweilige Anordnungen 793 33 – Entscheidung 793 30 – erstmalige Maßnahmeanordnung 793 38 – fakultative mündliche Verhandlung 793 11 – Form 793 24 – gerichtliche Entscheidung 793 5 ff. – Grundbuchamt 793 9 – im Zwangsvollstreckungsverfahren 793 9 – Klauselerteilung 724 46 – Kosten 793 31 f. – Kosten der Zwangsvollstreckung 788 93 – mündliche Verhandlung 793 28 – Nachtpfändung 793 10 – neue Angriffs-/Verteidigungsmittel 793 29 – Notfrist 793 25 – prozessleitende Verfügungen 793 7 – Räumungsfrist 793 9 – rechtliches Gehör 793 28 – Rechtsbeschwerde 793 34 ff. 732

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– Rechtsschutzbedürfnis 793 22 f. – Selbstabhilferecht 793 27 – Statthaftigkeit 793 1, 793 4 ff. – Verfahren 793 19 ff., 793 27 f. – Vollstreckungsabwehrklage 767 20 – Vollstreckungserinnerung 766 18 ff., 793 13 ff. – Vollstreckungsgericht 764 10 – Zulässigkeit 793 19 ff. – Zuständigkeit 793 26 – Zwangsmittel 793 8 – Zwangsversteigerung 793 9 Sozialhilfeträger 727 22 Sozialstaatsprinzip 765a 2 Sozialverbindlichkeiten 736 10 Sperrfrist – Erzwingungshaft 802j 7 ff. – weitere Vermögensauskunft 802d 1, 802d 5, 802d 12 ff. Spruchstellenverfahren 794 69 Steuerberatungskosten 788 72 Streitgenossenschaft 748 2 Streitwert – Drittwiderspruchsklage 771 67 – Klage auf Klauselerteilung 731 27 – Klauselgegenklage 768 23 – Vollstreckungsabwehrklage 767 103 – weitere vollstreckbare Ausfertigung 733 19 Suizidgefahr 765a 35 T Taschenpfändung 788 73 Teilklausel – Klauselerteilungsverfahren 725 18 – weitere vollstreckbare Ausfertigung 733 4 Teilungsversteigerung 788 8 Testamentsvollstrecker – Erbenhaftung, beschränkte 780 34 – ungeteilter Nachlass 747 10 – vollstreckbare Ausfertigung 728 2, 728 11 ff., 749 9 f. – Zwangsvollstreckung bei ~ 748 1 ff., s.a. dort Titel – Ausfertigung für/gegen Rechtsnachfolger 727 3, 727 19 – beendete Gütergemeinschaft 743 3 ff. – Bestimmtheitsgrundsatz 795 16 ff. – BGB-Gesellschaft 736 6 ff. – bundeseinheitlich geltende ~ 724 15 ff. – Duldungsurkunde 794 106 ff., s.a. dort – europäische ~ 724 12, 794 108 ff., s.a. dort – Gewahrsamsvermutung 739 9 – Klauselerteilungsverfahren 795 3 ff. 733

– Kostenfestsetzungsbeschluss 794 71 ff., s.a. dort – Präklusion 795 14 f. – Prozessgericht des ersten Rechtszuges 795 9 ff. – Prozessvergleich 794 2 ff., s.a. dort – Schiedssprüche 794 81 – Sicherungsvollstreckung 795 22 – Titelgegenklage 767 116 ff., s.a. dort – ungeteilter Nachlass 747 5 ff. – Urkundenerteilung an Gläubiger 792 3 – Urteilsvorbehalt 795 21 – Verein, nicht rechtsfähiger 735 4 ff. – vollstreckbare Beschlüsse 794 76 ff. – vollstreckbare Urkunde 794 82 ff., s.a. dort – Vollstreckungsabwehrklage 767 7 ff. – Vollstreckungsbescheid 794 80 – Vollstreckungsgegenklage 795 19 f. – Wartefrist 798 1 ff., s.a. dort – weitere vollstreckbare Ausfertigung 733 2 – weitere Vollstreckungstitel 794 1 ff. – Zustellung 795 12 f. – Zustellung des ~s 750 20 ff., s.a. dort – Zwangsvollstreckung bei Nießbrauch 738 8 ff. – Zwangsvollstreckung bei Testamentsvollstrecker 748 12 – Zwangsvollstreckung in das Gesamtgut 740 9, 740 14 Titelgegenklage 767 116 ff. – Anerkennung 767 116 ff. – Auslegung des Titels 767 121 – Einwendungspräklusion 767 124 – Entscheidung 767 126 – Klauselerinnerung 767 123 – Kosten 767 126 – statthafte Einwendungen 767 119 ff. – Streitgegenstand 767 122 – Verfahren 767 125 – Vollstreckungserinnerung 767 123 Todeserklärungen 724 25 Traditionspapiere 777 8 Transportkosten 788 74 Treuhandverhältnisse 771 15 ff. U Übersetzungskosten 788 75 Überweisungsnachweis 775 43 ff. Umschreibungsgesuch – Klage auf Klauselerteilung 731 9 – Zwangsvollstreckung bei Nießbrauch 738 12 ff. ungeteilter Nachlass 747 1 ff. – Anteilspfändung 747 5 – Eigengläubiger der Miterben 747 14 – Haftungsbeschränkung der Erben 747 8 Klie

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– Insolvenzverfahren 747 12 – Miterbe 747 4 – Miterbengemeinschaft 747 2 – Nachlassforderung 747 3 – Nachlassverwaltung 747 11 – Person des Nachlassgläubigers 747 4 – Rechtsbehelfe 747 13 ff. – Testamentsvollstrecker 747 10 – Titel gegen den Erblasser 747 6 – Titelvoraussetzungen 747 5 ff. – Vertretung des Nachlasses 747 9 ff. – Zwangsvollstreckungsarten 747 7 Unterstützungsersuchen 757a 9 ff. Unterwerfungserklärung 794 89 ff. – AGB 794 101 ff. – Annahme 794 92 – Anwaltsvergleich 796a 22 f. – Bedingung 794 99 – Befristung 794 98 – Beschränkungen der Zwangsvollstreckung 794 97 – dingliche ~ 800 2 ff., s.a. dort – formularmäßige ~ 794 101 ff. – Nichtberechtigter 794 95 – notarielle ~ 767 11 – Parteifähigkeit 794 93 – Prozessfähigkeit 794 93 – Publikationsakt 794 92 – Rechtsnatur 794 89 ff. – Sicherheitsleistung 794 99 – Vertretung bei der Abgabe 794 94 – Vollstreckung eines Zessionars 794 105 – Vollstreckungsabwehrklage 767 11 Urkunden 792 4 Urkundenerteilung an Gläubiger 792 1 ff. – Antrag 792 6 – Anwendungsbereich 792 3 ff. – Kosten 792 8 – Personen 792 5 – Titel 792 3 – Urkunden 792 4 – Verfahren 792 6 ff. – Zweck 792 2 Urkundenprozess – Erbenhaftung, beschränkte 780 31 – Klage auf Klauselerteilung 731 4 Urkundsbeamte – Gerichtsvollzieher 753 14 – Klauselerteilungsverfahren 725 16 f., 725 21 ff. – vollstreckbare Ausfertigung 724 6 Urteile – Ausfertigung bei bedingten Leistungen 726 8 ff. Klie

– Ausfertigung für/gegen Rechtsnachfolger 727 19 – Vollstreckungsklausel 725 4 ff. V Verein, nicht rechtsfähiger 735 1 ff. – Auflösung des Vereins 735 5 – Forderungen des Vereins 735 7 – Gegenstand der Zwangsvollstreckung 735 7 – Gesamthandsschuldklage 735 2 – Grundbuchfähigkeit 735 8 – Idealverein 735 4 – körperliche Sachen 735 7 – Parteifähigkeit 735 1 – Privatvermögen der einzelnen Mitglieder 735 10 – Privatvermögen der Mitglieder 735 6 – Titel gegen den Verein 735 4 ff. – Titel gegen die Vereinsmitglieder 735 9 f. – Titel gegen Handelnde 735 11 – Vorgesellschaften 735 4 Verfahren zur Abnahme der Vermögensauskunft 802f 1 ff. Verfallsklauseln 767 24 – Ausfertigung bei bedingten Leistungen 726 24 Verfügungsverbot 772 1 ff. – absolutes ~ 772 4 – Drittwiderspruchsklage 772 10 f. – einstweilige Anordnungen 772 3 – relatives ~ 772 1, 772 3 – Verwertungsverbot 772 5 ff. – Wegfall nach Rechtskraft 772 12 Vermächtnisnehmer 786 9 Vermögensauskunft des Schuldners 802c 1 ff. – Ablauf des Termins 802f 19 ff. – Antrag 802c 4 ff. – Anwendungsbereich 802c 3 – Anwesende 802f 20 f. – Aufenthaltsort des Schuldnes 802e 3, 802e 5 – Ausdruck für Gläubiger 802f 28 – Ausdruck für Schuldner 802f 26 – Auskunftsverpflichteter 802c 9 f. – Beibringungspflicht 802f 8 – Belehrungen 802f 12 ff. – in den Geschäftsräumen des Gerichtsvollziehers 802f 2 ff. – in der Wohnung des Schuldners 802f 9 ff. – eidesstattliche Versicherung 802c 25 f., 802c 31, 802f 25 – elektronisches Dokument 802f 22 ff. – Erzwingungshaft 802g 1 ff., s.a. dort – Forderungen 802c 19 – Formalia 802c 14 ff. – freiwillige ~ 802c 2 734

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– Genehmigung 802f 25 – Hinterlegung 802f 27 – Identifikationsdaten 802c 14 – Inhalt 802c 12 ff. – körperliche Sachen 802c 19 – Kosten 802c 33, 802e 9, 802f 32 – Kosten der Abschrift 788 29, 802c 1 ff. – mehrere Gläubiger 802c 5 – Mitteilung an den Gläubiger 802f 17 f. – Nachbesserung 802c 13 – Nachfragerecht des Gläubigers 802c 28 ff. – Rechtsbehelfe 802c 32, 802f 30 f. – Rechtsschutzbedürfnis 802c 11 – Terminbestimmung 802f 5 ff. – unbewegliches Vermögen 802c 19 – Unentgeltlichkeit von Schuldnerleistungen 802c 23 f. – Verfahren 802c 27 ff. – Verfahren zur Abnahme der ~ 802f 1 ff. – Vermögensangabe 802c 17 ff. – Vermögensauskunft nach Verhaftung 802i 1 ff., s.a. dort – Vermögensrechte 802c 19 – Vermögensverhältnisse von Angehörigen 802c 22 – Vollstreckungsunterlagen 802c 7 – Voraussetzungen 802c 4 ff. – Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung 802c 8 – weitere Vermögensauskunft 802d 1 ff., s.a. dort – Widerspruch 802f 10 f. – Wohnung des Schuldners 802f 9 ff. – Zahlungsfrist 802f 4 f. – Zuständigkeit 802c 27, 802e 1 ff. – Zustellung 802f 16 – Zweck 802c 12 Vermögensauskunft nach Verhaftung 802i 1 ff. – in anderen Verfahren 802i 7 – Haftaussetzung 802i 10 f. – Haftentlassung nach Vermögensauskunft 802i 8 f. – neuer Termin 802i 11 – Rechtsbehelfe 802i 13 – Teilnahme des Gläubigers 802i 6 – Verlangen des Schuldners 802i 5 – Zeitpunkt 802i 4 Vermögensnießbrauch – vollstreckbare Ausfertigung 729 16 – Zwangsvollstreckung bei Nießbrauch 738 4 ff. Vermögensübernahme 729 2, 729 5 ff., 729 10 ff. Vermögensverzeichnisverordnung 802k 23 Verpflichtungserinnerung 756 9 735

Vertragshilfesachen 724 24 Vervielfältigungskosten 788 78 Verwaltungstreuhand 771 16 ff Verwaltungszwangsverfahren 724 37 Verwertungsverbot 772 5 ff. – Aufenthaltsermittlung des Schuldners 755 13 – Drittwiderspruchsklage des Nacherben 773 3, 773 5 ff. – gelenktes Ermessen 772 6 ff. Vollmachtsnachweis 753a 1 ff. vollstreckbare Ausfertigung 724 1 ff. – Abschluss des Erkenntnisverfahrens 724 2 – Anhörung des Schuldners 730 1 ff., s.a. dort – Ausfertigung bei bedingten Leistungen 726 1 ff., s.a. dort – Ausfertigung für/gegen Rechtsnachfolger 727 1 ff., s.a. dort – Auslieferung 757 4 ff. – Bedeutung 724 3 ff. – beendete Gütergemeinschaft 744 1 ff. – Beischreibung 724 7 – Einzelkaufmann 729 17 – Erben 728 11 ff. – Erbschaftskauf 729 13a, 729 16 – Erstellung 797 6 ff. – Feststellung der Vollstreckbarkeit 724 4 – Firmenübernahme 729 2, 729 5 ff., 729 14 f. – gerichtliche Urkunden 797 7 – Gerichtsvollzieher 754 30 f. – Gütergemeinschaft 742 1 ff. – Klage auf Klauselerteilung 731 1 ff., s.a. dort – Klauselerinnerung 732 1 ff., s.a. dort – Klauselerteilung 724 2, 724 10 ff., s.a. dort – Klauselerteilungsverfahren 725 16 ff., 728 15 ff., 729 18 ff., s.a. dort – Kosten der Zwangsvollstreckung 788 80 – Kostenfestsetzungsbeschluss 795a 1 – Mängel 724 6 ff. – Nacherbfolge 728 1, 728 6 ff. – Nießbrauch 729 16 – notarielle Urkunden 797 8 – Prüfungskompetenz 724 6 – Rechtsbehelfe 724 5, 797 16 ff. – Rechtsstreit, laufender 742 1 ff. – Schuldmitübernahme 729 12 – Testamentsvollstrecker 728 2, 728 11 ff., 749 1 ff., 749 9 f. – Urkundsbeamte 724 6 – Vermerk auf der Urteilsurschrift 734 1 ff. – Vermögensnießbrauch 729 16 – Vermögensübernahme 729 2, 729 5 ff., 729 10 ff. – Vollstreckung ohne Klausel 724 8 f. Klie

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– Vollstreckungsklausel 725 1 ff., s.a. dort – Vollstreckungsorgan 724 6 f. – weitere ~ 733 1 ff., s.a. dort – Zug um Zug-Leistung 756 6 – Zwangsvollstreckung bei Testamentsvollstrecker 749 1 ff. – Zweck 724 2 vollstreckbare Beschlüsse 794 76 ff. vollstreckbare Urkunde 794 82 ff., 797 1 ff. – Anspruchsart 794 83 – Beurkundungsverfahren 794 87 f. – Erstellung 797 6 ff. – Jugendamt 794 86 – Notar 794 84, 797 10 ff., 797 13 ff. – Prozessgericht 794 85 – Rechtsbehelfe 797 16 ff. – Rechtsnachfolge 799 1 ff. – Schadensersatz bei Vollstreckung für andere Gläubiger 799a 1 ff. – Schiffshypothek 800a 1 f. – Strafgericht 794 85 – Unterwerfungserklärung 794 89 ff., s.a. dort – Vollstreckungsgegenklage 794 82, 797 21 ff. – Zuständigkeit 794 84 ff. Vollstreckbarerklärung des Anwaltsvergleichs 796b 1 ff. – Antrag 796b 5 ff., 796b 6 – ausländische Anwaltsvergleiche 796b 11 – Endgültigkeit 796b 10 – Entscheidung des Gerichts 796b 6, 796b 9 – gerichtliche ~ 796b 1 ff. – inländische Anwaltsvergleiche im Ausland 796b 12 – Inverwahrnahme durch den Notar 796b 1a, 796c 2 f. – Klauselerteilung 796b 6a – Konkurrenzen 796b 1, 796b 1 ff. – Kosten 796b 8, 796b 13 – mündliche Verhandlung 796b 8 f. – Niederlegung 796b 1a – notarielle ~ 796c 1 ff. – Verfahren 796b 4 ff., 796b 5 ff. – Zuständigkeit 796b 3 ff. Vollstreckungsabwehrklage 767 1 ff. – Abänderungsklage 767 27 f. – Abgrenzung 767 20 ff., 767 23 ff. – Anwendungsbereich 767 7 ff. – Arreste 767 14 – Aufrechnung 767 63 – ausgeübte Gestaltungsrechte 767 63 – Bedeutung 767 1 – Begründetheit 767 59 ff. Klie

– Beklagter 767 38 – Berufung 767 26 – Drittwiderspruchsklage 767 23 – Einreden 767 69 – einstweilige Anordnungen 767 14 – Einwendungen, bedeutsame 767 61 ff. – Einwendungen, begründete 767 59 – Einwendungen, insolvenzbezogene 767 70 – Einwendungen, materiellrechtliche 767 60 – Einwendungen, statthafte 767 18 – Einwendungspräklusion 767 76 ff., s.a. dort – Entscheidungsinhalt 767 96 – Erfüllung/-ssurrogate 767 61 f. – europäische Titel 767 12, 767 48 – Familiensachen 767 43 – freiwillige Gerichtsbarkeit 767 16 – Funktion 767 6 – Gestaltungswirkung der Entscheidung 767 97 – Insolvenzverfahren 767 16, 767 58 – Klage auf Herausgabe des Titels 767 31 – Klage auf Unterlassung der Zwangsvollstreckung 767 32 – Kläger 767 37 – Klauselerinnerung 732 12 f., 767 24 f. – Klauselgegenklage 767 24, 768 6 f. – Konzentrationsgebot 767 105 ff. – Kosten 767 104 – Kostenfestsetzungsbeschluss 767 10 – negative Feststellungsklage 767 29 – notarielle Kostenrechnungen 767 17 – notarielle Unterwerfungserklärung 767 11 – Parteien 767 37 ff. – Prozessvergleich 767 9 – Rechtskraftwirkungen 767 98 ff. – Rechtsnatur 767 4 f. – Rechtsprechungs-/Rechtsänderungen 767 74 f. – Rechtsschutzbedürfnis 767 49 ff. – Rechtsschutzbedürfnis, entfallendes 767 50, 767 53 – Rechtsschutzbedürfnis, fortbestehendes 767 51 – Restschuldbefreiung 767 22 – Sachverhaltsänderungen bei Unterlassungstiteln 767 71 – Schiedssprüche 767 15, 767 45 – Schuldveränderungen 767 68 – sofortige Beschwerde 767 20 – Streitgegenstand 767 33 ff. – Streitwert 767 103 – Titel 767 7 ff. – Titel außerhalb der ZPO 767 16 – Titelgegenklage 767 116 ff., s.a. dort – Unmöglichkeit einer Leistung 767 65 ff. 736

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– Verfallklauseln 767 24 – verlängerte ~ 767 30 – Verlust der Sachlegitimation 767 64 – vollstreckbare Urteile 767 7 – Vollstreckungsabwehrklage bei beschränkter Haftung 786 1 ff., s.a. dort – Vollstreckungsabwehrklage des Erben 785 1 ff., s.a. dort – Vollstreckungsbescheid 767 44 – Vollstreckungserinnerung 766 56 f., 767 20 – Vollstreckungsurteile 767 13, 767 47 – Vollstreckungsvereinbarungen 767 21 – Vorzugsklage 767 23 – Wahlschulden 767 68 – Wegfallklauseln 767 24 – wiederholte ~ 767 105 ff., s.a. Konzentrationsgebot – Zuständigkeit 767 40 ff. Vollstreckungsabwehrklage bei beschränkter Haftung 786 1 ff. – Abkömmlinge 786 7 – analoge Anwendung 786 14 ff. – Auseinandersetzung des Gesamtgutes 786 6 – beschränkte Haftung 786 4 f., 786 6 ff. – Durchsetzung der Haftungsbeschränkung 786 10 ff. – Ehegatten 786 4 – Gesellschafter 786 15 – Gütergemeinschaft 786 4 – Haftungsbeschränkungsübereinkommen 786a 4 – internationale Entscheidungsharmonie 786a 6 – Kosten 786 17 – Notwendigkeit eines Vorbehalts 786 11 – Rechtsschutzbedürfnis 786 13 – schifffahrtsrechtliche Haftungsbeschränkung 786a 2 – Vermächtnisnehmer 786 9 – Vermögensübernehmer 786 3 – Vorbehaltsurteile 786a 3 ff. Vollstreckungsabwehrklage des Erben 785 1 ff. – Begründetheit 785 10 – einheitliche ~ 785 8 – Einstellung der Zwangsvollstreckung 785 12 – Einwendungen des Erben 785 5 – Einwendungspräklusion 785 6 – innere Rechtfertigung 785 4 – Klageziel 785 7 – Kosten 785 13 – Möglichkeiten des Erben 785 8 ff. – Prozesslast 785 3 – Zulässigkeitsvoraussetzung, spezielle 785 9 Vollstreckungsandrohung 788 33 737

Vollstreckungsantrag 754 1 ff. – Ablehnung 754 19 – Abzug von Abschlagszahlungen 754 15 – Anrechnung von Teilleistungen 754 16 – Antragsberechtigte 754 4 – Aufenthaltsermittlung des Schuldners 755 4 – Aufforderung zur freiwilligen Leistung 754 21 – Auslegung 754 3 – Bagatellbeträge 754 19 – Befugnisse des Gerichtsvollziehers 754 29 ff. – elektronischer ~ 754 1 – Entgegennahme von Leistungen 754 22 – Erlöschen 754 27 f. – Ersatzleistungen 754 25 – Form 754 1 – Formblätter 754 2, 754 7 – Gerichtsvollzieher 754 17 ff. – Gläubigermehrheit 754 6 – Inhalt 754 7 ff. – Kosten 754 38 – Mindestinhalt 754 7 ff. – mündlicher ~ 754 1 – Prozessbevollmächtigte 754 5 – Rechtsbehelfe 754 34 ff. – rechtsgeschäftliches Handeln 754 24 ff. – Restbeträge 754 14 – Rücknahme 754 27 – Ruhen des Verfahrens 754 28 – schlüssiges Handeln 754 1 – Schuldnermehrheit 754 6 – Sittenwidrigkeit des Titels 754 19 – Stellvertretung 754 5 – teilweiser ~ 754 10 ff. – Titelübersendung 754 7 – unbedingter ~ 754 8 – vereinfachter ~ 754a 1 ff. – Verzögerung 754 18 – Vollstreckungsbescheid 754a 1 ff. – Vollstreckungserinnerung 754 35, 754 37 – Vorlage weiterer Unterlagen 754 7 – Weisungen, ergänzende 754 26 – Wirkung gegenüber Schuldnern/Dritten 754 32 f. Vollstreckungsbeginn – Bedingungen 751 1 ff. – Zustellung des Titels 750 20 ff. Vollstreckungsbescheid 796 1 ff. – Einwendungen 796 4 ff. – Einwendungspräklusion 767 82 f. – Klauselerteilung 796 2 f. – Rechtskraft 796 4 – Rechtskraftdurchbrechung 796 7 ff. – Rechtskraftfähigkeit 796 4 Klie

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– Schlüssigkeitsprüfung, fehlende 796 8 – Sittenwidrigkeit, teilweise 796 13 – Titel 794 80 – Vollstreckungsabwehrklage 767 44 – Vollstreckungsantrag 754a 1 ff. – Vollstreckungsgegenklage 796 4 – Widerspruch 796 5 Vollstreckungserinnerung 766 1 ff. – Abgrenzung 766 18 ff., 766 52 ff. – Anstellungskörperschaft des Vollstreckungsorgans 766 7 – Antrag 766 74 – Anwendungsbereich 766 14 ff. – Arrestgericht 766 75 – Aufhebung der Maßnahme 766 88 ff. – befristete Rechtspflegererinnerung 766 35 – Beschluss 766 83 – Dienstaufsichtsbeschwerde 766 52 ff. – Drittwiderspruchsklage 766 56 f., 771 4 – einstweilige Anordnungen 766 82 – Einwendungen 766 36 ff. – Einwendungen, materiellrechtliche 766 43 – Einwendungen, titelbezogene 766 39 f. – Entscheidung 766 83 ff. – Entscheidungsgrundlagen 766 84 ff. – Erinnerungsbefugnis 766 59 ff., s.a. dort – Fortsetzungsfeststellungs-Erinnerung 766 71 – gerichtliche Entscheidungen 766 18 ff. – Gewahrsamsvermutung 739 21 f. – Grundbuchamt 766 17 – GVGA-Verstoß 766 38 – Klauselerinnerung 732 14, 766 55 – Kosten 766 93 – Kosten der Zwangsvollstreckung 788 92 – Maßnahmen außerhalb der Zwangsvollstreckung 766 15 f. – mündliche Verhandlung 766 81 – rechtliches Gehör 766 81 – Rechtsbehelfe 766 92 – Rechtskraft 766 91 – Rechtsnatur 766 4 ff. – Rechtsschutzbedürfnis 766 70 ff. – Schiedsabrede 766 11 – Selbstabhilferecht 766 77 ff. – Sicherheitsleistung 751 19 – sofortige Beschwerde 766 18 ff., 793 13 ff. – Tenorierung 766 87 – Titelgegenklage 767 123 – Überprüfung des Kostenansatzes 766 49 ff. – Unzulässigerklärung der Maßnahme 766 88 ff. – Verfahren 766 74 ff. – Verfahrenseinleitung 766 74 Klie

– Verfahrensfehler 766 42 – Verpflichtungserinnerung des Gläubigers 766 47 f. – Vollstreckungsabwehrklage 766 56 f., 767 20 – Vollstreckungsantrag 754 35, 754 37 – Vollstreckungsgericht 764 10, 766 75 f. – Vollstreckungshindernisse 766 41 – Vollstreckungsmaßnahmen des Prozessgerichts 766 34 ff. – Vollstreckungsorgan 766 7 ff. – Vollstreckungsvereinbarungen 766 44 ff. – Vorpfändung 766 16 – Vorzugsklage 766 56 – Wartefrist 798 4 – Zuständigkeit 766 75 f. – Zustellung des Titels 766 15 – Zwangsvollstreckung Vor 735 9 – Zwangsvollstreckung bei Nießbrauch 738 17 – Zweck 766 1 ff. – Zwei-Parteien-Verfahren 766 5 ff. Vollstreckungsgegenklage – Kosten der Zwangsvollstreckung 788 94 – Titel 795 19 f. – vollstreckbare Urkunde 794 82, 797 21 ff. – Vollstreckungsbescheid 796 4 Vollstreckungsgericht 764 1 ff. – Akteneinsicht 760 5 – einstweilige Anordnungen 769 13 ff. – Kostenfestsetzung 788 95 f. – Rechtsbehelfe 764 10 – sofortige Beschwerde 764 10 – Verfahren 764 9 – Vollstreckungserinnerung 764 10, 766 75 f. – Vollstreckungsschutz 765a 1 ff., s.a. dort – zentrale Verwaltung von Vermögensverzeichnissen 802k 16 – Zug um Zug-Leistung 765 1 ff., s.a. dort – Zuständigkeit 764 1 – Zuständigkeit, funktionelle 764 3 – Zuständigkeit, örtliche 764 5 – Zuständigkeit, sachliche 764 4 – Zuständigkeitsänderung 764 6 ff. Vollstreckungshandlungen 762 2 vollstreckungshindernde Entscheidungen 775 10 ff. – Ausfertigung einer gerichtlichen Entscheidung 775 11 ff. – endgültige Einstellung der Zwangsvollstreckung 775 23 – Insolvenzverfahrenseröffnung 775 24 – Unzulässigerklärung der Zwangsvollstreckung 775 21 f. – Vollstreckbarkeit der Entscheidung 775 17 ff. 738

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Vollstreckungsklausel 725 1 ff. – Ausfertigung bei bedingten Leistungen 726 1 ff., s.a. dort – Ausfertigung für/gegen Rechtsnachfolger 727 1 ff., s.a. dort – Formulierung 725 1 – Inhalt 725 8 ff. – Klage auf Klauselerteilung 731 1 ff., s.a. dort – Klauselerinnerung 732 1 ff., s.a. dort – Klauselerteilungsverfahren 725 16 ff., s.a. dort – Klauselgegenklage 768 1 ff., s.a. dort – Mängel 725 15 – Mussinhalt 725 9 ff. – Parteien 725 10 ff. – Prozessstandschafter 725 11 – Schuldner 725 9 – Sollinhalt 725 14 – Umfang des Vollstreckungsanspruchs 725 13 – Urteile 725 4 ff. – Vollstreckungsprogramm 725 2 f. – Zug um Zug-Leistung 756 1 – Zustellungsnachweis 750 31 – Zweck 725 2 Vollstreckungsorgan – Aufhebung von Vollstreckungsmaßregeln 776 6 f. – Einstellung/Beschränkung der Zwangsvollstreckung 775 1 ff., s.a. dort – gelenktes Ermessen 772 6 ff. – Gerichtsvollzieher 753 1 ff., s.a. dort – Identitätsfeststellung 750 3 ff., s.a. dort – Sicherheitsleistung 751 11 – vollstreckbare Ausfertigung 724 6 f. – Vollstreckungserinnerung 766 7 ff. – Zug um Zug-Leistung 756 1 – Zustellung von Klausel/Urkunden 750 36 Vollstreckungsschutz 765a 1 ff. – § 30a ZVG 765a 15 – Abänderungsentscheidung 765a 45 – Abwägung 765a 30 – Antrag 765a 19 ff. – Antragsfrist 765a 21 f. – Anwendungsbereich 765a 3 ff. – Beispiele für Maßnahmen 765a 18 – Entscheidungsform 765a 25 f. – Entscheidungsinhalt 765a 38 ff. – Erstentscheidung 765a 29 ff. – Generalklausel 765a 4 – Gerichtsvollzieher 765a 43 f. – Gläubigerinteressen 765a 31 f. – Insolvenzverfahren 765a 8 – Interessenausgleich in der titulierten Forderung 765a 5 739

– Kontoleihe 765a 10a – Kosten 765a 27 – mehrere Schuldner 765a 10 – physische Existenzvernichtung 765a 34 – Räumungsschutz 765a 13 f. – Rechtsbehelfe 765a 46 f. – Rechtskraft 765a 28 – Rechtspfleger 765a 24 – Schuldnerinteressen 765a 33 ff. – sittenwidrige Härte 765a 37 – Sozialstaatsprinzip 765a 2 – spezielle Schuldnerschutzregelungen 765a 12 ff. – Suizidgefahr 765a 35 – Verfahren 765a 18a ff. – Vollstreckungshindernis 765a 3 – Voraussetzungen 765a 29 ff. – Wirkung 765a 28 – zeitliche Grenze 765a 11 – Zuständigkeit 765a 24 – Zwangsvollstreckungsarten 765a 8 Vollstreckungsunterwerfung 799a 2 Vollstreckungsurteile – Erbenhaftung, beschränkte 780 13 – Vollstreckungsabwehrklage 767 13, 767 47 Vollstreckungsvereinbarungen – Vollstreckungsabwehrklage 767 21 – Vollstreckungserinnerung 766 44 ff. Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung 750 1 ff. – Anfechtungsbefugnis 750 43 f. – Arreste 750 2 – einstweilige Anordnungen 750 2 – Fehlen der ~ 750 39 – Heilung 750 40, 750 46 – Identitätsfeststellung 750 3 ff., s.a. dort – Parteibezeichnung 750 3 ff., s.a. dort – Parteibezeichnung, fehlende/ungenaue 750 42 – Rechtsbehelfe 750 39 ff. – Rügeverzicht 750 46 – Sicherheitsleistung 751 8 ff., s.a. dort – Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung 750 39 – Verzicht auf Befolgung 750 45 ff. – Wartefristen 750 37 f. – Wartefristen, Missachtung 750 41 – Zustellung des Titels 750 20 ff., s.a. dort – Zustellung von Klausel/Urkunden 750 31 ff., s.a. dort – Zustellung, fehlende/nicht ordnungsgemäße 750 40 Vorbehaltseigentum 771 12 Vorbehaltsurteile – Ausfertigung für/gegen Rechtsnachfolger 727 4 Klie

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– Vollstreckungsabwehrklage bei beschränkter Haftung 786a 3 ff. Vorbereitungskosten 788 16 f. Vorerbschaft 773 5 Vorgesellschaften 735 4 Vorpfändung – Vollstreckungserinnerung 766 16 – Wartefrist 798 6 – Zustellung des Titels 750 21 Vorratspfändung 751 6 Vorzugsklage – Drittwiderspruchsklage 771 8 – Vollstreckungsabwehrklage 767 23 – Vollstreckungserinnerung 766 56 W Wartefrist 798 1 ff. – betroffene Titel 798 2 – Fristberechnung 798 3 – Leistungserfolg 798 7 f. – Nichteinhaltung der Frist 798 4 ff. – Pfändungspfandrecht 798 5 – Vollstreckungserinnerung 798 4 – Vorpfändung 798 6 Wegfallklauseln 767 24 weitere Vermögensauskunft 802d 1 ff. – Dauer der Schutzwirkung 802d 6 f. – Drittwirkung 802d 5 – elektronisches Dokument 802d 16 – Kosten 802d 18 – Rechtsbehelfe 802d 17 – Schutzwirkung 802d 2 – Sperrfrist 802d 1, 802d 5 – Veränderung der Vermögensverhältnisse 802d 8 ff. – Verfahren bei Sperrfrist 802d 12 ff. – Verfahren bei veränderten Vermögensverhältnissen 802d 15 – Zweijahresfrist 802d 6 f. weitere vollstreckbare Ausfertigung 733 1 ff. – Abgrenzung 733 3 ff. – erfasste Titel 733 2 – Erteilungsvoraussetzungen 733 2 ff. – Form 733 13 – Gesamtgläubiger 733 6 – Gesamthandsgläubiger 733 6 – Gesamtschuldner 733 6 – Kosten 733 16 ff. – rechtliches Gehör 733 12 – Rechtsbehelfe 733 14 f. – Rechtsnachfolge 733 7 – Schuldnerinteresse 733 10 Klie

– Schuldnermehrheit 733 6 – Schutz des Schuldners 733 1 – schutzwürdiges Gläubigerinteresse 733 8 f. – Streitwert 733 19 – Teilklausel 733 4 – Verfahren 733 11 ff. – Verlust der ersten Ausfertigung 733 9 – Zuständigkeit 733 11 Wertsicherungsklausel 726 10 Widerklage 731 4 Widerrufsvorbehalt – Ausfertigung bei bedingten Leistungen 726 15 – Klauselerteilung 724 41 – Prozessvergleich 794 38 ff. Widerspruch Vor 735 8 Widerspruchsklage 738 16 Widerspruchsrecht bei genügender Sicherung 777 1 ff. – analoge Anwendung 777 14 ff. – Besitz 777 6 ff. – bewegliche Sachen 777 4 – Hinterlegung 777 15 ff. – Mietkaution 777 18 – mittelbarer Besitz 777 7 – Pfandrechte 777 5 – Pfändungspfandrecht 777 9, 777 11 ff. – registrierte Sachen 777 10 – Sicherheitsleistung 777 15 ff. – Sicherungsübereignung 777 14 – Traditionspapiere 777 8 – Verfahren 777 21 – Voraussetzungen 777 4 ff. – Wert des Sicherungsrechtes 777 19 – zeitliche Schranken 777 20 – Zurückbehaltungsrechte 777 5 – Zweck 777 2 wiederkehrende Leistungen 738 7 Wohngemeinschaften 739 12 Wohnung 758 6 ff., 758a 4 Wohnungseigentumsgemeinschaft 750 14 Wohnungseigentumsgesetz 724 22 Z Zahlungsvereinbarung 802b 5 ff. – Begriff 802b 5 – Glaubhaftmachung 802b 10 – Insolvenzverfahren 802b 19 – Kosten 802b 22 – mehrere Gläubiger 802b 20 – Modifikationen der Zahlungsweise 802b 6 – Ratenzahlung 802b 5 – Rechtsbehelfe 802b 21 740

Sachregister

– Rechtsfolgen 802b 16 – Tilgungsfrist 802b 11 – Verfahren 802b 12 ff. – Voraussetzungen 802b 7 ff. – Widerspruch 802b 13 ff. – Zahlungsbereitschaft 802b 9 – Zahlungsfähigkeit 802b 9 – Zahlungsfrist 802b 5 – Zahlungsrückstand 802b 17 f. zentrale Verwaltung von Vermögensverzeichnissen 802k 1 ff. – Auskunftsrecht des Schuldners 802k 24 – Auslagerung der Datenverarbeitung 802k 21 f. – Effizienzerhöhung 802k 3 f., 802k 4 – elektronische Form 802k 4 – Ermächtigung der Bundesländer 802k 20 ff. – Ermächtigung des Bundesministeriums der Justiz 802k 23 – Gerichte 802k 15 ff. – Gerichtsvollzieher 802k 10 – Insolvenzgericht 802k 17 – Löschung der Eintragung 802k 6 ff. – Registergericht 802k 18 – Staatsanwaltschaften 802k 19 – Strafverfolgungsbehörden 802k 15 ff. – Vermögensverzeichnisverordnung 802k 23 – Vollstreckungsbehörden 802k 11 ff. – Vollstreckungsgericht 802k 16 – zentrales Vollstreckungsgericht 802k 3 ff. – zum Abruf Befugte 802k 9 ff. – Zweck 802k 1 Zinsen – Kosten der Zwangsvollstreckung 788 85 – Zwangsvollstreckung bei Nießbrauch 738 7 Zug um Zug-Leistung 756 1 ff. – Abgabe einer Willenserklärung 756 2 – Angebot der Gegenleistung 756 10 ff., s.a. dort – Ausfertigung bei bedingten Leistungen 726 18 f. – ausländische Urteile 756 3 – Gegenleistung 756 7 ff. – Gerichtsvollzieher 756 6 ff. – Heilung 756 22 – Kosten 756 23 – Kosten der Zwangsvollstreckung 788 86 – Nachbesserung 756 7 – Nachweis der Gegenleistung 756 17, 765 2 ff. – Nachweis des Annahmeverzugs 756 18 – Prüfung 756 6 ff. – Rechtsbehelfe 756 21 f. – Teilbetrag 756 2 – Verfahren 756 5 – Verpflichtungserinnerung 756 9 741

– Verstoßfolgen 756 21 f. – vollstreckbare Ausfertigung 756 6 – Vollstreckungsgericht 765 1 ff. – Vollstreckungsklausel 756 1 – Vollstreckungsorgan 756 1 – Vorleistungspflicht des Gläubigers 756 2 Zurückbehaltungsrechte – Interventionsrecht 771 29 – Widerspruchsrecht bei genügender Sicherung 777 5 Zustellung des Titels 750 20 ff., 795 12 f. – amtswegige ~ 750 28 – amtswegige Prüfung 750 22 – Arreste 750 21 – Ausnahmen 750 21 – einstweilige Anordnungen 750 21 – Empfänger 750 25 ff. – gesetzlicher Vertreter 750 25 – im Parteibetrieb 750 28 – Mehrheit von Schuldnern 750 25 – Nachweis 750 23 f. – Prozessbevollmächtigte 750 26 – Prozessfähigkeit 750 27 – rechtliches Gehör 750 20 – Vollstreckungsbeginn 750 20 ff. – Vollstreckungserinnerung 766 15 – Vorpfändung 750 21 – Zustellungsverfahren 750 28 ff. – Zweck 750 20 Zustellung von Klausel/Urkunden 750 31 ff. – Abschrift der Urkunden 750 35 – ausländische Titel 750 32 – im Parteibetrieb 750 33 – Offenkundigkeit 750 34 – öffentliche Urkunde 750 34 – Vollstreckungsorgane 750 36 – Zustellung auf Betreiben des Gläubigers 750 33 – Zustellungsnachweis 750 31 Zuziehung von Zeugen 759 3 ff. – Kosten 759 6 Zwangshypothek – Aufhebung von Vollstreckungsmaßregeln 776 5 – Einstellung/Beschränkung der Zwangsvollstreckung 775 7 Zwangsversteigerung – herrenloses Grundstück/Schiff 787 1 – Klauselerteilung 724 26 – sofortige Beschwerde 793 9 – Zwangsvollstreckung bei Nießbrauch 738 2 Zwangsverwaltung – herrenloses Grundstück/Schiff 787 1 – Zwangsvollstreckung bei Nießbrauch 738 3 Klie

Sachregister

Zwangsvollstreckung – Akteneinsicht 760 1 ff., s.a. dort – Anwaltsvergleich 796a 1 ff., s.a. dort – Bedingungen 751 1 ff. – BGB-Gesellschaft Vor 735 4, 736 1 ff., s.a. dort – Bruchteilsgemeinschaften Vor 735 3 – Dauerpfändung 751 7 – Drittwiderspruchsklage 771 1 ff., s.a. dort – Duldungsurkunde 794 106 ff., s.a. dort – Durchführung 753 1 ff., s.a. Gerichtsvollzieher – Durchsuchung 758 1 ff., s.a. dort – Eigentums-/Vermögensgemeinschaft 744a 1 ff., s.a. dort – Einschreiten von Behörden 789 1 ff., s.a. dort – Einstellung/Beschränkung der ~ 775 1 ff., s.a. dort – einstweilige Anordnungen 769 1 ff., s.a. dort – Eintritt eines bestimmten Kalendertags 751 4 ff. – Erbengemeinschaft Vor 735 4 – Erbenhaftung, beschränkte 780 1 ff., s.a. dort – fortgesetzte Gütergemeinschaft 745 1 ff., s.a. dort – Fortsetzung der ~ nach dem Tod des Schuldners 779 1 ff., s.a. dort – Gerichtsvollzieher 753 1 ff., s.a. dort – Gewahrsam des anderen Ehegatten Vor 735 2 – Gewahrsamsvermutung 739 1 ff. – Gütergemeinschaft Vor 735 5 – herrenloses Grundstück/Schiff 787 1 ff., s.a. dort – Klauselgegenklage 768 1 ff., s.a. dort – Kosten der ~ 788 1 ff., s.a. dort – Kostenfestsetzungsbeschluss 794 71 ff., 795a 1, s.a. dort – landesrechtliche Vollstreckungstitel 801 1 ff. – Maßregeln der ~ 784 6 – Nachlassverwaltung/-insolvenzverfahren 784 1 ff., s.a. dort – Nutzungs-/Verwaltungsrechte Dritter Vor 735 1, Vor 735 6 f. – Protokoll über Vollstreckungshandlungen 762 1 ff., s.a. dort – Prozessvergleich 794 2 ff., s.a. dort – Rechtszuständigkeit mehrerer Vor 735 1, Vor 735 3 ff. – richterliche Durchsuchungsanordnung 758a 1 ff., s.a. dort – Sicherheitsleistung 751 8 ff., s.a. dort – sofortige Beschwerde 793 1 ff., s.a. dort – Titelgegenklage 767 116 ff., s.a. dort – ungeteilter Nachlass 747 1 ff., s.a. dort – Unzulässigkeitserklärung 799a 4 – Urkundenerteilung an Gläubiger 792 1 ff., s.a. dort Klie

– Verein, nicht rechtsfähiger 735 1 ff., s.a. dort – Vollmachtsnachweis 753a 1 ff. – vollstreckbare Ausfertigung 724 1 ff., s.a. dort – vollstreckbare Urkunde 794 82 ff., 797 1 ff., s.a. dort – Vollstreckungsabwehrklage 767 1 ff., s.a. dort – Vollstreckungsantrag 754 1 ff., s.a. dort – Vollstreckungsbescheid 796 1 ff. – Vollstreckungserinnerung Vor 735 9, 766 1 ff., s.a. dort – Vollstreckungsgericht 764 1 ff., s.a. dort – Vollstreckungsschutz 765a 1 ff. – Vollstreckungsunterwerfung 799a 2 – Vollstreckungszugriff 799a 5 f. – Voraussetzungen der ~ 750 1 ff., s.a. dort – Vorratspfändung 751 6 – Wartefrist 798 1 ff., s.a. dort – Widerspruch Vor 735 8 – Widerspruchsklage 738 16 – Widerspruchsrecht bei genügender Sicherung 777 1 ff., s.a. dort – Widerstand 759 2 – Zug um Zug-Leistung 756 1 ff., s.a. dort – zur Unzeit 758a 29 ff. – Zwangsvollstreckung aus Räumungsvergleich 794a 1 ff., s.a. dort – Zwangsvollstreckung bei Nießbrauch 738 1 ff., s.a. dort – Zwangsvollstreckung bei Testamentsvollstrecker 748 1 ff., s.a. dort – Zwangsvollstreckung in das Gesamtgut 740 1 ff., s.a. dort – Zwangsvollstreckung vor Erbschaftsannahme 778 1 ff., s.a. dort – Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen 802a 1 ff., s.a. dort Zwangsvollstreckung aus Räumungsvergleich 794a 1 ff. – Antrag 794a 7 ff. – Anwendungsbereich 794a 2 ff. – Entscheidungsfindung 794a 11 ff. – Form 794a 8 – Frist 794a 9 f. – Kosten 794a 18 – Prozessvergleich 794a 2 – Räumungsfrist 794a 14 ff. – Verfahren 794a 5 ff. – Wirkungen 794a 17 – zuständiges Gericht 794a 5 f. Zwangsvollstreckung bei Nießbrauch 738 1 ff. – Duldung der Zwangsvollstreckung 738 4 f. – Erbschaftsnießbrauch 738 4 ff., 738 14 742

Sachregister

– Erlangung des Titels 738 8 ff. – Nießbrauch an einzelnen Gegenständen 738 1 ff. – Nießbrauchbestellung nach Rechtshängigkeit 738 11 – Nießbrauchbestellung nach rechtskräftiger Anspruchsentstehung 738 12 ff. – Nießbrauchbestellung vor Anspruchsentstehung 738 8 f. – Nießbrauchbestellung vor Rechtshängigkeit 738 10 – Rechtsbehelfe 738 16 f. – verbrauchbare Sachen 738 7 – Vermögensnießbrauch 738 4 ff. – Vollstreckungserinnerung 738 17 – wiederkehrende Leistungen 738 7 – Zinsen 738 7 – Zwangsversteigerung 738 2 – Zwangsverwaltung 738 3 Zwangsvollstreckung bei Testamentsvollstrecker 748 1 ff. – Anspruch gegen den Nachlass 748 11 – Duldungspflicht des Erben 748 13 – Duldungstitel 748 15 – Eigengläubiger des Erben 748 7 ff. – Erben 748 8 f. – Gesamtverwaltung 748 10 ff. – laufende ~ im Erbfall 749 7 – Leistungstitel 748 15 – Nachlassverwaltung 748 4 – Pflichtteilsanspruch 748 17 – Rechtsbehelfe 748 18 f. – Rechtsschutzlücke des Gläubigers 748 3 – Sonderformen 748 5 f. – Sondervermögen 748 10 – Streitgenossenschaft 748 2 – Teilverwaltung 748 14 ff. – Titel 748 12 – Tod vor Urteilserlass 749 6 – Verwaltungsbefugnis 748 1 – vollstreckbare Ausfertigung 749 1 ff. Zwangsvollstreckung in das Gesamtgut 740 1 ff. – Abgrenzung der Forderungen 741 4

743

– Alleinverwaltung 740 10 ff. – ausländischer Güterstand 740 7 – beendete Gütergemeinschaft 743 1 ff., s.a. dort – Begünstigung der Geschäftsgläubiger 741 1 – einstweilige Anordnungen 740 14 – Erwerbsgeschäft 741 2 ff. – gemeinschaftliche Verwaltung 740 9 – Gütergemeinschaft 740 3 – haftendes Vermögen 741 5 – Haftung des Gesamtgutes 740 4 – Prüfungspflichten 741 7 – Rechtsbehelfe 740 15 ff., 741 8 ff. – Rechtsstreit, laufender 742 1 ff. – Titel 740 9, 740 14 – Titelumschreibung 741 5 – Übergangsrecht 740 6, 741 6 – Vollstreckung in Gesamtgut 740 7 f. – Vollstreckungsarten 740 13 Zwangsvollstreckung vor Erbschaftsannahme 778 1 ff. – Anspruch gegen den Nachlass 778 6 f. – Ausschlagung der Erbschaft 778 4 – Drittwiderspruchsklage 778 10 – Eigenverbindlichkeiten 778 12 ff. – Haftungssubstrat 778 8 f. – Nachlasserbenschulden 778 7 – Nachlassverbindlichkeit 778 6 – Nachlassvollstreckung 778 8 ff. – Rechtsbehelfe 778 10 f., 778 13 ff. – Trennung der Haftungsmassen 778 3 – Voraussetzungen 778 5 Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen 802a 1 ff. – Antrag 802a 8 – Antragsprinzip 802a 3 – Effizienzgrundsatz 802a 1, 802a 4 – gütliche Erledigung 802b 4 – Rechtsbehelfe 802a 10 – Regelbefugnisse des Gerichtsvollziehers 802a 5 ff. – Zahlungsvereinbarung 802b 5 ff., s.a. dort

Klie