Zivilprozessordnung und Nebengesetze: Band 2/Teilband 4 §§ 511–541 [3., völlig neu bearbeite Aufl. Reprint 2018] 9783110907162, 9783899491630

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Zivilprozessordnung und Nebengesetze: Band 2/Teilband 4 §§ 511–541 [3., völlig neu bearbeite Aufl. Reprint 2018]
 9783110907162, 9783899491630

Table of contents :
Inhaltsübersicht
Vorwort
Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur
DRITTES BUCH
Vorbemerkung
§ 512 Vorentscheidungen im ersten Rechtszug
§ 513 Berufungsgründe
§ 514 Versäumnisurteile
§ 515 Verzicht auf Berufung
§ 516 Zurücknahme der Berufung
§ 517 Berufungsfrist
§ 518 Berufungsfrist bei Urteilsergänzung
§ 519 Berufungsschrift
§ 520 Berufungsbegründung
§ 521 Zustellung der Berufungsschrift und -begründung
§ 522 Zulässigkeitsprüfung; Zurückweisungsbeschluss
§ 523 Terminsbestimmung
§ 524 Anschlussberufung
§ 525 Allgemeine Verfahrensgrundsätze
§ 526 Entscheidender Richter
§ 527 Vorbereitender Einzelrichter
§ 528 Bindung an die Berufungsanträge
§ 529 Prüfungsumfang des Berufungsgerichts
§ 530 Verspätet vorgebrachte Angriffs- und Verteidigungsmittel
§ 531 Zurückgewiesene und neue Angriffs- und Verteidigungsmittel
§ 532 Rügen der Unzulässigkeit der Klage
§ 533 Klageänderung; Aufrechnungserklärung; Widerklage
§ 534 Verlust des Rügerechts
§ 535 Gerichtliches Geständnis
§ 536
§ 537 Vorläufige Vollstreckbarkeit
§ 538 Zurückverweisung
§ 539 Versäumnisverfahren
§ 540 Inhalt des Berufungsurteils
§ 541 Prozessakten

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Großkommentare der Praxis

w G DE

RECHT

Wieczorek/Schütze

Zivilprozeßordnung und Nebengesetze Großkommentar 3., völlig neu bearbeitete Auflage begründet von Bernhard Wieczorek herausgegeben von Rolf A. Schütze

Zweiter Band §§128-541 4. Teilband §§ 511-541 Bearbeiter: Uwe Gerken

w DE

G

RECHT

De Gruyter Recht • Berlin

Stand der Bearbeitung: 1. Mai 2 0 0 4

Zitiervorschlag z. B.: Wieczorek/Schütze/Ger^e« § 511 ZPO Rdn. 10

ISBN 3 - 8 9 9 4 9 - 1 6 3 - 7

Bibliografische

Information

Der Deutschen

Bibliothek

Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

© Copyright 2 0 0 4 by De Gruyter Rechtswissenschaften Verlags-GmbH, D - 1 0 7 8 5 Berlin Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Datenkonvertierung/Satz: W E R K S A T Z Schmidt & Schulz G m b H , D - 0 6 7 7 3 Gräfenhainichen D r u c k : H . Heenemann G m b H Sc Co., D - 1 2 1 0 3 Berlin Bindearbeiten: Lüderitz & Bauer G m b H , D - 1 0 9 6 3 Berlin Printed in Germany

Die Bearbeiter der 3. Auflage Professor Dr. Hans-Jürgen Ahrens, Universität Osnabrück, Richter am OLG Celle Professor Dr. Dorothea Assmann, Universität Potsdam Professor Dr. Ekkehard Becker-Eberhard, Universität Leipzig, geschäftsführender Direktor des Instituts für Anwaltsrecht Rechtsanwalt Hans-Günther Borck, Hamburg Rechtsanwalt Dr. Lothar Gamp, Brandenburg Vors. Richter am OLG Uwe Gerken, Oldenburg Professor Dr. Rainer Hausmann, Universität Konstanz Professor Dr. Burkhard Heß, Universität Heidelberg Professor Dr. Volker Michael Jänich, Universität Jena Rechtsanwalt beim BGH Hans-Eike Keller, Karlsruhe Dr. Rainer Kemper, Universität Münster Professor Dr. Thomas Klicka, Universität Münster Professor Dr. Roman Loeser, Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer Professor Dr. Wolfgang Lüke, LL.M., Universität Dresden, Direktor des Instituts für Ausländische und Internationale Rechtsangleichung, Richter am OLG Dresden Professor Dr. Heinz-Peter Mansel, Universität zu Köln, Direktor des Instituts für internationales und ausländisches Privatrecht Professor Dr. Dirk Olzen, Universität Düsseldorf Professor Dr. Christoph G. Paulus, LL.M., Humboldt-Universität zu Berlin Professor Dr. Egbert Peters, Universität Tübingen Professor Dr. Hanns Priitting, Universität zu Köln, Direktor des Instituts für Verfahrensrecht Professor Dr. Mathias Rohe, M.A., Universität Erlangen, Richter am OLG Nürnberg Rechtsanwalt Dr. Stephan Salzmann, Dipl.-Kfm., Steuerberater, München Professor Dr. Dr. h.c. Wilfried Schlüter, Universität Münster Professor Dr. Klaus Schreiber, Universität Bochum Professor Dr. Rolf A. Schütze, Rechtsanwalt und Notar in Stuttgart Professor Dr. Stefan Smid, Universität Kiel Rechtsanwalt Dr. Anton Franz Steiner, München Professor Dr. Barbara Stickelbrock, Universität Bielefeld Rechtsanwalt Dr. Karl-Alfred Storz, Stuttgart Professor Dr. Roderich C. Thümmel, LL.M., Rechtsanwalt in Stuttgart Professor Dr. Helmut Weber, LL.B., Großbritannien-Zentrum der Humboldt-Universität zu Berlin Professor Dr. Christian Wolf, Universität Hannover, Richter am OLG Celle

Inhaltsübersicht Vorwort Abkürzungsverzeichnis Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur

IX XI XXIII

Zivilprozeßordnung DRITTES BUCH

Rechtsmittel

SS 511-541

Vorwort Seit dem Erscheinen des letzten der bisher vorliegenden Bände der 3. Auflage des Kommentars sind fünf Jahre vergangen. Die große Zivilprozessreform (ZivilprozessreformG ZPO-RG) hat große Teile der damals bereits vorliegenden Manuskripte der restlichen Kommentierung obsolet werden lassen. Verlag, Herausgeber und Autoren haben sich 1999 entschlossen, angesichts der bevorstehenden Zivilprozessreform diese Manuskripte zurückzuhalten und das Erscheinen des Kommentars zu unterbrechen, um nicht Erläuterungen zu einem Gesetz in den Kommentar aufzunehmen, dessen grundlegende Änderung bevorstand. So ist eine Pause entstanden, die auch dazu dienen sollte, Rechtsprechung und Schrifttum zu den Neuregelungen abzuwarten. Zwischenzeitlich sind die Manuskriptarbeiten auf dieser Grundlage weitgehend abgeschlossen, so dass die ausstehenden Bände 2 0 0 4 und in den Folgejahren zügig erscheinen sollen. Den Anfang macht der vorliegende Band mit der Kommentierung des neuen Berufungsrechts, eines Schwerpunktes der Reform. Erfreulicherweise hat die Zivilprozessreform die bereits erschienenen Bände - vom 10. Buch abgesehen - nicht wesentlich berührt. Berlin, Juli 2 0 0 4

Rolf A. Schütze

Abkürzungsverzeichnis aA aaO abgedr. Abk. Abi. abl. Abs. abw. A. C. AcP ADSp. aE aF AG AGB AGBG AHK AktG All E. R. Allg. Allg.M Alt. aM AMG Am. J. Comp. L. Am. J. Int. L. amtl. ÄndVO AnfG Anh. Anl. Anm. AO AöR AP App. ArbG ArbGG Arb. Int. Art. art. AUG

anderer Ansicht am angegebenen Ort abgedruckt Abkommen Amtsblatt ablehnend (e/er) Absatz Abweichend The Law Reports, Appeal Cases Archiv für die civilistische Praxis [Band (Jahr) Seite] Allgemeine Deutsche Seeversicherungsbedingungen am Ende alter Fassung Aktiengesellschaft, auch Amtsgericht, auch Ausführungsgesetz, auch Die Aktiengesellschaft, Zeitschrift für das gesamte Aktienwesen (Jahr, Seite) Allgemeine Geschäftsbedingungen Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen Alliierte Hohe Kommission Aktiengesetz All England Law Reports Allgemein (e/er/es) allgemeine Meinung Alternative anderer Meinung Arzneimittelgesetz American Journal of Comparative Law American Journal for International Law amtlich Änderungsverordnung Anfechtungsgesetz Anhang Anlage Anmerkung Abgabenordnung Archiv des öffentlichen Rechts Arbeitsrechtliche Praxis, Nachschlagewerk des Bundesarbeitsgerichts Corte di appello (Italien); Cour d'appeal (Belgien, Frankreich) Arbeitsgericht Arbeitsgerichtsgesetz Arbitration International Artikel Article Auslandsunterhaltsgesetz XI

Abkürzungsverzeichnis Aufl. AuR AusfG AusfVO Ausg. ausl. AuslInvestmG AVAG AWD AWG BAföG BAG BAGE BAnz. bay. BayObLG BayObLGZ BayVBl. BB BBergG BB1. Bd. Bearb. begr. Beil. Bek. belg. Bern. Ber. BerDGVR ber. bes. bestr. betr. BeurkG BezG BfA BFH BFHE BG BGB BGBl BGE BGH BGHR BGHZ BinSchG BinSchVerfG Bl. BNotO

XII

Auflage Arbeit und Recht Ausführungsgesetz Ausführungsverordnung Ausgabe Ausländisch Gesetz über den vertrieb ausländischer Investmentanteile und über die Besteuerung der Erträge aus ausländischen Investmentanteilen Anerkennungs- und Vollstreckungsausführungsgesetz Außenwirtschaftsdienst des Betriebsberaters Außenwirtschaftsgesetz Bundesausbildungsförderungsgesetz Bundesarbeitsgericht Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts, Amtliche Sammlung Bundesanzeiger bayerisch Bayerisches Oberstes Landesgericht Entscheidungen des Bayerischen Obersten Landesgerichts in Zivilsachen, Amtliche Sammlung Bayrische Verwaltungsblätter (Jahr, Seite) Der Betriebsberater (Jahr, Seite) Bundesberggesetz Bundesblatt der Schweizerischen Eidgenossenschaft Band Bearbeitung begründet Beilage Bekanntmachung belgisch Bemerkung (en) Bericht Berichte der Deutschen Gesellschaft für Volkerrecht berichtigt besonders bestritten betreffend Beurkundungsgesetz Bezirksgericht Bundesanstalt für Arbeit Bundesfinanzhof Sammlung der Entscheidungen und Gutachten des Bundesfinanzhofs Bundesgericht (Schweiz) Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Entscheidungen des schweizerischen Bundesgerichts, Amtliche Sammlung Bundesgerichtshof Systematische Sammlung der Entscheidungen des BGH Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen; amtliche Sammlung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs Binnenschifffahrtsgesetz Gesetz über das gerichtliche Verfahren in Binnenschiffahrtssachen Blatt Bundesnotarordnung

Abkürzungsverzeichnis BörsG BPatG BR BRAGO BRAO BR(-Drucks.) brit. BSG BSGE BSHG BStBl. BT(-Drucks.) Buchst. BVerfG BVerfGE BVerwG BVerwGE BWNotZ Bzw. BYIL C.A. Cahiers dr. europ. Cass. Civ. (com., soc.)

Börsengesetz Bundespatentgericht Bundesrat Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte Bundesrechtsanwaltsordnung Bundesrat(-sdrucksache) britisch Bundessozialgericht Entscheidungen des Bundessozialgerichts, Amtliche Sammlung Bundessozialhilfegesetz Bundessteuerblatt (Teile I, II und III; Jahr, Seite) Bundestag(-sdrucksache) Buchstabe Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, Amtliche Sammlung Bundesverwaltungsgericht Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts, Amtliche Sammlung Mitteilungen aus der Praxis, Zeitschrift für das Notariat in Baden-Württemberg beziehungsweise The British Yaerbook of International Law

CPO CR

Court of Appeal (England) Cahiers de droit européen Cour de Cassation (Frankreich/Belgien), Chambre civile (commerciale, sociale) Corte di cassazione, Sezioni Unite Code civil (Frankreich/Belgien/Luxemburg); Codice civile (Italien) Chapter Chancery Divison Convention internationale concernant le transport des marchandises par chemins des fer; Internationales Übereinkommen über den Eisenbahnfrachtverkehr Convention on the International Sale of Goods (Wiener Ubereinkommen über Verträge über den internationalen Warenkauf) Einheitliche Rechtsvorschriften für den Vertrag über die internationale Eisenbahnbeförderung von Personen und Gepäck (Anlage A zum COTIF) Civil Justice Quarterly Journal du droit international (Frankreich) Commen Market Law Reports Commen Market Law Review Übereinkommen über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßenverkehr Übereinkommen über den internationalen Eisenbahnverkehr Cour supérieure de justice (Luxemburg) Codice di procedura civile (Italien). Code de procédure civile (Frankreich/Belgien/Luxemburg) Covilprozeßordnung Computer und Recht

DAR das. DAVorm DB

Deutsches Autorecht Daselbst Der Amtsvormund Der Betrieb (Jahr, Seite)

Cass. (Italien) S.U. Ce (cc) ch. Ch. D. CIM

CISG CIV

Civ. J. Q. Clunet C.M.L.R. C M L Rev. CMR COTIF Cour sup. CPC, cpc

XIII

Abkürzungsverzeichnis ders. DGVZ d.h. d. i. P. Dir. Comm. Int. Dir. Com. Scambi int. DiskE Diss. DJ DJZ DNotV DNotZ doc. DöV DR DRiZ DRpfl DRZ Drucks. D. S. DStR DStZ dt DtZ DtJurTag DuR DVB1. DVO DZWIR E € E. C. C. EFG EFTA EG EGBGB EGGVG EGMR EGStGB EheG Einf. EinfG EingV Einl. EMRK ENA entspr. Entw. ErbbauVO Erl. EÜ

XIV

derselbe Deutsche Gerichtsvollzieherzeitung das heißt Droit international privé Diritto del commercio internationale Diritto communitario negli scambi internazionali Diskussionsentwurf Dissertation Deutsche Justiz, Zeitschrift für Rechtspflege und Rechtspolitik Deutsche Juristenzeitung Zeitschrift des Deutschen Notarvereins Deutsche Notarzeitschrift (früher: Zeitschrift des Deutschen Notarvereins, DNotV) Document Die öffentliche Verwaltung Deutsches Recht Deutsche Richterzeitung Der Deutsche Rechtspfleger Deutsche Richterzeitung Drucksache Recuil Dalloz Sirey Deutsches Steuerrecht Deutsche Steuerzeitung deutsch (e/er/es) Deutsch-Deutsche Rechtszeitschrift Deutscher Juristentag Demokratie und Recht Deutsches Verwaltungsblatt Durchführungsverordnung Deutsche Zeitschrift für Wirtschafts- und Insolvenzrecht Entwurf Euro European Commercial Cases Entscheidungen der Finazgerichte uropean Free Trade Association Einführungsgesetz; Europäische Gemeinschaft Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch Einführungsgesetz zum Gerichtsverfassungesetz Europäischer Gerichtshof für menschenrechte Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch Ehegesetz Einführung Einführungsgesetz Einigungsvertrag Einleitung (Europäische) Konvention zum Schutze der menschenrechte und Grundfreiheiten Europäisches Niederlassungsabkommen entsprechend Entwurf Verordnung über das Erbbaurecht Erläuterungen (Genfer) Europäisches Übereinkommen über die internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit

Abkürzungsverzeichnis

evtl. EWG EWGV EWiR EWIV EWZ EWS EzA

Europäischer Gerichtshof Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaft, Amtliche Sammlung Brüsseler EWG-Übereinkommen vom 27.9.1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (BGBl 1972 II, S 774) Europarecht European Law Review Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands - Einigungsvertrag eventuell Europäische Wirtschaftsgemeinschaft Vertrag zur Gründung der Europäische Wirtschaftsgemeinschaft Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung Europäischer Wirtschaftsraum Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht Entscheidungssammlung zum Arbeitsrecht

f. FamG FamR FamRZ ff. FG FGG FGPrax FGO Fn. Foro it. franz. FS Fundst. FuR

folgend (e) Familiengericht Familienrecht Zeitschrift für das gesamte Familienrecht fortfolgende Finanzgericht; Festgabe; Freiwillige Gerichtsbarkeit Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit Praxis der Freiwilligen Gerichtsbarkeit Finanzgerichtsordnung Fußnote Foro italiano französich Festschrift Fundstelle(n) Familie und Recht

G. Gaz. Pal. GBBerG GBl GBO g.E. geänd. GebrMG GeschMG GenG GewO GG ggf-

Gesetz La Gazette du Palais (Frankreich) Grundbuchbereinigungsgesetz Gesetzblatt Grundbuchordnung gegen Ende geändert Gebrauchsmustergesetz Geschmacksmustergesetz Genossenschaftsgesetz Gewerbeordnung i.d.F. der Bekanntmachung vom Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland gegebenenfalls Giurisprudenza italiana Großkommentar Gerichtskostengesetz Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung GmbH-Rundschau

EuGH EuGHE EuGVÜ

EuR Europ. L. Rev. EV

Giur it. GK GKG GmbH GmbHG GmbHR

XV

Abkürzungsverzeichnis GöttDiss Gruchot GRUR GrS GS GSZ GVB1. GVG GWB H HaftpflG HausTWG HBÜ H. C. Hdb. HGB HinterlO HKO hL H. L. hM H. R. HRR Hrsg., hrsg. Hs HZPÜ HZÜ

Göttinger Dissertation Beiträge zur Erläuterung des Deutschen Rechts, begründet von Gruchot Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht Großer Senat Gedächtnisschrift Großer Senat in Zivilsachen Gesetz und Verordnungsblatt Gerichtsverfassungsgesetz Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen Heft Haftpflichtgesetz Haustürwiderrufsgesetz Haager Übereinkommen über die Beweisaufnahme im Ausland in Zivil- und Handelssachen High Court Handbuch Handelsgesetzbuch Hinterlegungsordnung Haager Landkriegsordnung herrschende Lehre House of Lords herrschende Meinung Höge Raad (Niederlande) Höchstrichterliche Rechtsprechung Herausgeber, herausgegeben Halbsatz Haager Übereinkommen über den Zivilprozeß Haager Übereinkommen über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivil- und Handelssachen

ICLQ idF idR IGH ieS ILM ILR insb. iSv. i. ü. iVm. IWB IWF iwS IZPR IZVR i. Zw.

International Chamber of Commerce (Internationale Handelskammer) The International and Comparative Law Quarterly in der Fassung in der Regel Internationaler Gerichtshof im engeren Sinne International Legal Materials International Law Reports insbesondere im Sinne von im übrigen in Verbindung mit Internationale Wirtschaftsbriefe Internationaler Währungsfond im weiteren Sinne Internationales Zivilprozeßrecht Internationales Zivilverfahrensrecht Im Zweifel

JA JblntR JB1.

Juristische Arbeitsblätter Jahrbuch für internationales Recht Justizblatt; Juristische Blätter (Österreich)

ICC

XVI

Abkürzungsverzeichnis J. Bus. L. JbRR JFG J. Int. Arb. JMB1. JMBlNrw JN JPS JR Judicium JURA JurBüro JurTag(s) JuS Justiz JVB1 JW JZ KAGG Kap KG KGB1. KO KonsulG KostO KrG KWG

LAG Lb LG Lit. LJ LJV LM LS LSG LuftfzRG LuftVG LUG lux. LwAnpG

LwVfG LZ

The Journal of Business Law (England) Jahrbuch für Rechtssoziologie und Rechtstheorie Jahrbuch für Entscheidungen in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit und des Grundbuchrechtes Journal of International Arbitration Justizministerialblatt Justizministerialblatt von Nordrhein-Westfalen Jurisdiktionsnorm (Österreich) Jahrbuch für die Praxis der Scheidsgerichtsbarkeit Juristische Rundschau Vierteljahresschrift für die gesamte Zivilrechtspflege (1.1928-5.1933; Jahr, Seite) Juristische Ausbildung Das juristische Büro Juristentag(es) Juristische Schulung Die Justiz, Amtsblatt des Justizministriums Baden Württemberg Justizverwaltungsblatt Juristische Wochenschrift Juristenzeitung Gesetz über Kapitalanlagegesellschaften Kapitel Kammergericht, Kommanditgesellschaft Blätter für Rechtspflege im Bezirk des Kammergerichts in Sachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit, in Kosten-, Stempel- und Strafsachen Konkursordnung Konsulargesetz Kostenordnung Kreisgericht Gesetz über das Kreditwesen i. d. F der Bekanntmachung vom 9.9.1998 (BGBl I S 2776; BGBl III/FNA 7610-1) Gesetz über den Lastenausgleich; auch Landesarbeitsgericht Lehrbuch Landgericht Buchstabe The Law Journal (England) Landesjustizverwaltung Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofs, hrsg. von Lindenmaier und Möhring Leitsatz Landessozialgericht Gesetz über Rechte an Luftfahrzeugen Luftverkehrsgesetz Gesetz betr. das Urheberrecht an Werken der Literatur und der Tonkust (LiteratururheberG) luxemburgisch Gesetz über die strukturelle Anpassung der Landwirtschaft an die soziale und ökologische Marktwirtschaft in der Deutschen Demokratischen Republik Landwirtschaftsanpassungsgesetz i.d.F. der Bekanntmachung vom 3.7.1991 (BGBl I S 1418; BGBl III/FNA VI.-l) Gesetz über das gerichtliche Verfahren in Landwirtschaftssachen vom 21.07.1953 (BGBl I S 667; BGBl III/FNA 317-1) Leipziger Zeitschrift für Deutsches Recht

XVII

Abkürzungsverzeichnis m. ausf. N. maW MDR MittBayNot. MittRhNotK Mot. MSA MünchKomm-ZPO MuW mwN

mit ausführlichen Nachweisen mit anderen Worten Monatsschrift für Deutsches Recht Mitteilungen des Bayerischen Notarvereins Mitteilungen der Rheinischen Notarkammer Motive Haager Minderjährigenschutzabkommen Münchener Kommentar zur Zivilprozessordnung Markenschutz und Wettbewerb (Jahr, Seite) mit weiteren Nachweisen

Nachw. N. C. p. c. Nds.Rpfl NEhelG nF NJW NJW-RR Novelle 1898 NTS Nov. Nr. NRW, NW NZA NZG NZI NZM

Nachweis(e/n) Noveau Code de procédure civile Niedersächsische Rechtspflege Gesetz über die rechtliche Stellung der nichtehelichen Kinder neue Fassung; neue Folge Neue Juristische Wochenschrift Neue Juristische Wochenschrift - Rechtsprechungsreport Zivilrecht Ges. betr. Änderungen der Cicilprozeßordnung NATO-Truppenstatut Novelle Nummer Nordrhein-Westfalen Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht Neue Zeitschrift für das Recht der Insolvenz und Sanierung Neue Zeitschrift für Mietrecht

öffentl. öGZ öJBl ÖJZ Österr. ÖRiZ OFD OGH OGHZ

OLGZ OrderlagerscheinV OVG

öffentlich (österr.) Gerichts-Zeitung Österreichische Juristische Blätter Österreichische Juristen-Zeitung Österreichisch (en, es) Österreichiche Richterzeitung Oberfinanzdirektion Oberster Gerichtshof (für die britische Zone, Österreich) Entscheidungen des Obersten Gerichsthofs für die britische Zone in Zivilsachen Offene Handelsgesellschaft Oberlandesgericht Die Rechtsprechung der Oberlandesgerichte auf dem Gebiete des Zivilrechts Entscheidungen der Oberlandesgerichte in Zivilsachen Orderlagerscheinverordnung Oberverwaltungsgericht

PA PatAnwO PatG PflVG PKH ProdHG Prot. PStG PStV

Patentamt Patentanwaltsordnung Patentgesetz Pflichtversicherungsgesetz Prozesskostenhilfe Produkthaftungsgesetz Protokoll Personenstandsgesetz Personenstandsverordnung

OHG OLG OLGRspr

XVIII

Abkürzungsverzeichnis RabelsZ RAG Rb. RBerG RdA RdL Rdn. Recht RefE RegBl RegE ReichsschuldenO RFH RG RGBl RGes. RGRK RGZ Rh.-Pf RIW ROW Rpfl. RpflG Rs Rspr. RuStAG RzW s. S. s. a. Sachg SachenRBerG SAE S. C. ScheckG SchlHA SchRegO SchRG Sch-Ztg SchuldR SchwJblntR See. Sess. SeuffArch SeuffBl SGB SGG SJZ s.o. sog. SozG

Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht Reichsarbeitsgericht Rechtsbank (Niederlande) Rechtsberatungsgesetz Recht der Arbeit Recht der Landwirtschaft (Jahr, Seite) Randnummer Das Recht, Rundschau für den Deutschen Juristenstand Referentenentwurf Regierungsblatt Regierungsentwurf Reichsschuldenordnung Reichsfinanzhof; amtliche Sammlung der Entscheidungen des RFH Reichsgericht Reichsgesetzblatt Reichsgesetz Reichsgerichtsrätekommentar Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen; amtliche Sammlung der Reichsgerichtsentscheidungen in Zivilsachen Rheinland-Pfalz Recht der Internationalen Wirtschaft Recht in Ost und West Der Deutsche Rechtspfleger Rechtspflegegesetz Rechtssache Rechtsprechung Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz Rechtsprechung zum Wiedergutmachungsrecht siehe Seite siehe auch Sachgebiet Sachenrechtsbereinigungsgesetz Sammlung arbeitsrechtlicher Entscheidungen der Vereinigung der Arbeitgeberverbände Supreme Court Scheckgesetz Schleswig-Holsteinische Anzeigen Schiffsregisterordnung Schiffsregistergesetz Schiedsmannszeitung Schuldrecht Schweizer Jahrbuch für Internationales Recht Section Session Seufferts Archiv für Entscheidungen der obersten Gerichte in den deutschen Staaten Seufferts Blätter für Rechtsanwendung in Bayern Sozialgesetzbuch Sozialgerichtsgesetz Süddeutsche Juristenzeitung siehe oben Sogenannte Sozialgericht

XIX

Abkürzungsverzeichnis Sp. StAZ StGB StIGH StPO str. stRspr. StuW StVG Suppl. StVZO s.u.

Spalte Zeitschrift für Standesamtswesen Strafgesetzbuch Ständiger Internationaler Gerichsthof Strafprozessordnung strittig Ständige Rechtsprechung Steuer und Wirtschaft (Jahr, Spalte bzw. Nummer) Straßenverkehrsgesetz Supplement Straßenverkehrs-Zulassungs- Ordnung siehe unten

SZIER

Schweizer Zeitschrift für internationales und europäisches Recht

teilw. ThürBl Tit. TRG T. P. R. TranspR Trib. Trib. com. u.a. u.ä. Übers. Übk. UFITA UmweltHG UN unstr. usw. u.U.

teilweise Blätter für Rechtspflege in Thüringen und Anhalt Titel Gesetz zur Neuregelung des Fracht-, Speditions- und Lagerrechts Tijdschrift voor Privaatrecht (Niederlande) Transportrecht Tribunal; Tribunale Tribunal de commerce (Belgien/Frankreich) und andere(m) und ähnliche(s) Übersicht Übereinkommen Archiv für Urheber-, Film-, Funk- und Theaterrecht Umwelhaftungsgesetz United Nations Unstretig und so weiter unter Umständen

UWG

Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb

VA VAG

Versicherungsaufsicht Gesetz über die Beaufsichtigung der privaten Versicherungsunternehmen und Bausparkassen (Versicherungsaufsichtsgesetz) Verbraucherkreditgesetz Verfassungsgerichtshof Vergleichsordnung Verhandlungen Gesetz über das Verlagsrecht Verlagsrecht Vermittlungsausschuss Versicherungsrecht, Jurisitsche Rundschau für die Individualversicherung Verschollenheitsgesetz Verfügung Verwaltungsgericht Verwaltungsgerichtshof vergleiche Verordnung Verordnungsblatt Vorauflage

VerbrKrG VerfGH VerglO Verh. VerlG VerlR VermA VersR VerschG Vfg VG VGH Vgl. VO VOB1 Voraufl.

XX

Abkürzungsverzeichnis Vorb. WG VwGO VwVG VwVfG VZS

Vorbemerkung Gesetz über den Versicherungsvertrag (Versicherungsvertragsgesetz) Verwaltungsgerichtsordnung (Bundes-) Verwaltungsvollstreckungsgesetz Verwaltungsverfahrensgesetz Vereinigte Zivilsenate

WahrnG Warn.

WertpBG WG WiGBl W. L. R. WM w.N. WRP WuB WÜD WÜK WuM WuW WVRK WZG

Gesetz über die Wahrnahme von Urheberrechten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen, als Fortsetzung der von Otto Warneyer hrsg Rechtsprechung des Reichsgerichts Warneyer, Rechtsprechung des Reichsgerichts, soweit sie nicht in der amtlichen Sammlung der Entscheidungen des RG abgedruckt ist, herausgegeben von Warneyer WashingtonerWeltbankübereinkommen für Investitionstreitigkeiten Gesetz über das Wohnungseigentum und das Dauerwohnrecht (Wohnungseigentumsgesetz) Wertpapierbereinigungsgesetz Wechselgesetz Gesetzblatt der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebiets Weekly Law Reports Wertpapier-Mitteilungen weitere Nachweise Wettbewerb in Recht und Praxis Entscheidungssammlung zum Wirtschafts- und Bankrecht Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen Wiener Übereinkommen über konsularische Beziehungen Wohnungswirtschaft und Mietrecht Wirtschaft und Wettbewerb Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge Warenzeichengesetz

Yb. Eurp. L.

Yearbook of European Law

ZBIJugR ZAkDR z.B. ZBB ZB1FG ZfA ZfB ZfG ZfRV ZGB ZGR ZHR Ziff. ZIP ZIR ZLR ZMR ZöffR ZPO ZRHO ZPR ZRP

Zentralblatt für Jugendrecht und Jugendwohlfahrt Zeitschrift der Akademie für Deutsches Recht zum Beispiel Zeitschrift für Bankrecht und Bankwirtschaft Zentralblatt für die freiwillige Gerichtsbarkeit und Notariat Zeitschrift für Arbeitsrecht Zeitschrift für Betriebswirtschaft Zeitschrift für Gesetzgebung Zeitschrift für Rechtsvergleichung (Österreich) Zivilgesetzbuch (DDR/Schweiz) Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht Ziffer Zeitschrift für Wirtschaftsrecht und Insolvenzpraxis Niemeyers Zeitschrift für internationales Recht Zeitschrift für Luftrecht und Weltraumrechtsfragen Zeitschrift für Miet- und Raumrecht Zeitschrift für öffentliches Recht Zivilprozessordnung Rechtshilfeordnung in Zivilsachen Zivilprozessrecht Zeitschrift für Rechtspolitik

WarnRspr

WBU WEG

XXI

Abkürzungsverzeichnis

zs ZSEG ZSR zust. ZustErgG ZVersWiss ZVG ZVglRWiss ZZP

XXII

Zivilsenat Gesetz über die Entschädugung von Zeugen und Sachverständige! Zeitschrift für Schweizer Recht Zustimmend Zuständigkeitsergänzungsgesetz Zeitschrift für die gesamte Versicherungswissenschaft Gesetz über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung (Zwangsversteigerungsgesetz) Zeitschrift für vergleichende Rechtswissenschaft Zeitschrift für Zivilprozess

Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur I. Kommentare zur Z P O AK/Bearbeiter Baumbach/Lauterbach/Beartefer MünchKomm-ZPO/Betfr£>eifer Musielak/Bearbeiter Stein/Jonas/Pohle19 Stein/Jonas/Bearbeiter 20 Stein/Jonas/Bearbeiter Thomas/Putzo Zimmermann Zöller/Bearbeiter

Alternativkommentar zur ZPO, 1987 Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 62. Aufl. 2004 Münchener Kommentar zur ZPO, 2. Aufl. 2002 Musielak, ZPO, 3. Aufl. 2002 Stein/Jonas/Pohle, ZPO, 19. Aufl. 1964-1975 Stein/Jonas, ZPO, 20. Aufl. 1977-1989 (bearb. von Grunsky, Leipold, Münzberg, Schlosser, Schumann) Stein/Jonas, ZPO, 21. Aufl. 1993-1999 (bearb. von Bork, Brehm, Grunsky, Leipold, Münzberg, Roth, Schlosser, Schumann) Thomas/Putzo, ZPO, 25. Aufl. 2003 Zimmermann, ZPO, 6. Aufl. 2002 Zöller, ZPO, 24. Aufl. 2004 (bearb. von Geimer, Greger, Gummer, Herget, Heßler, Philippi, Stöber, Vollkom-

II. Lehrbücher und Literatur zum IZPR Arens/Lüke Baumann/Brehm Baur/Grunsky Baur/Stürner Bernhardt Blomeyer Brox/Walker Bruns Bruns/Peters Bülow/Böckstiegel/Geimer/Schütze Geimer IZPR Geimer/Schütze Geimer/Schütze EZVR Gerhardt Grunsky Hahn/Stegemann

Jauernig Kropholler

Zivilprozessrecht, 8. Aufl. 2003 Zwangsvollstreckung, 2. Aufl. 1982 Zivilprozessrecht, 11. Aufl. 2003 Zwangsvollstreckungs-, Konkurs- und Vergleichsrecht, 12. Aufl. 1990 Das Zivilprozessrecht, 3. Aufl. 1968 Zivilprozessrecht, Erkenntnisverfahren, 2. Aufl. 1985 Zwangsvollstreckungsrecht, 7. Aufl. 2003 Zivilprozessrecht, 2. Aufl. 1979 Zwangsvollstreckungsrecht, 3. Aufl. 1987 Internationaler Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen, 2. Aufl. 1973 ff Internationales Zivilprozessrecht, 4. Aufl. 2001 Internationale Urteilsanerkennung, Bd. 1,1 1983; Bd. 1,2 1984; Bd. II 1971 Europäisches Zivilverfahrensrecht, 2. Aufl. 2004 Vollstreckungsrecht, 2. Aufl. 1982 Grundlagen des Verfahrensrechts, 2. Aufl. 1974 Die gesamten Materialien zu den Reichsjustizgesetzen, 2. Band, Die gesammelten Materialien zur Civilprozessordnung und dem Einführungsgesetz zu derselben vom 30.1.1877, 1. und 2. Abt. 1881, Neudruck 1983 unter dem Titel: Hahn/Mugdan, Die gesamten Materialien zu den Reichs-Justizgesetzen, Bd. 2 Zivilprozessrecht, 28. Aufl. 2003 Europäisches Zivilprozessrecht, 7. Aufl. 2002

Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur Langendorf Linke IZPR Nagel/Gottwald IZPR Riezler IZPR Rosenberg/Schwab/Gottwald Rosenberg/Gaul/Schilken Schack IZVR Schellhammer Schilken Schönke/Kuchinke Schütze DIZPR Wolf Zeiss

XXIV

Prozessführung im Ausland und Mängelrüge im ausländischen Recht, 1956 ff Internationales Zivilprozessrecht, 3. Aufl. 2001 Internationales Zivilprozessrecht, 5. Aufl. 2002 Internationales Zivilprozessrecht und prozessuales Fremdenrecht, 1949 Zivilprozessrecht, 16. Aufl. 2004 Zwangsvollstreckungsrecht, 11. Aufl. 1997 Internationales Zivilverfahrensrecht, 3. Aufl. 2002 Zivilprozess, 10. Aufl. 2003 Zivilprozessrecht, 4. Aufl. 2002 Zivilprozessrecht, 9. Aufl. 1969 Deutsches Internationales Zivilprozessrecht, 1985 Gerichtliches Verfahrensrecht, 1978 Zivilprozessrecht, 10. Aufl. 2003

DRITTES BUCH Rechtsmittel

Vorbemerkung Schrifttum Altmeppen Klageänderungen in der Rechtsmittelinstanz, ZIP 1992,449; Ascher Die Beschwer des Rechtsmittelklägers als Voraussetzung der Zulässigkeit des Rechtsmittels, MDR 1953, 584 f; Baur Zur „Beschwer" im Rechtsmittelverfahren des Zivilprozesses, in Festschrift für Lent, 1957; Bub Zur Zulässigkeit der Berufung bei einer Auswechslung des Streitgegenstands, MDR 1995, 1191; Bettermann Die Beschwer als Rechtsmittelvoraussetzung im deutschen Zivilprozess, ZZP 82 (1969), 24ff; Bettermann Anfechtung und Kassation, ZZP 88 (1975), 365; Blomeyer Antrag und Beschwer, in Festschrift für Fragistas, 1966; Brehm Verfahrenskontrolle und Entscheidung des Berufungsgerichts, ZZP 107 (1994), 463; Brox Die Beschwer als Rechtsmittelvoraussetzung, ZZP 81 (1968), 379; Feiber Anstöße zu einer Verbesserung des Rechtsmittelverfahrens NJW 1996, 2057; Fenn Anschlussberufung, Beschwer und unbezifferter Klageantrag ZZP 89 (1976), 121; Gilles Ziviljustiz und Rechtsmittelproblematik, 1992; Gilles Rechtsmittel im Zivilprozess, 1985; Gilles Anschließung, Beschwer, Verbot der reformatio in peius und Parteidisposition über die Sache in höherer Instanz, ZZP 91 (1978), 128; Gilles Rechtsmittelreform im Zivilprozess und Verfassungsaspekte einer Rechtsmittelbeschränkung, J Z 1985, 253; Gottwald Möglichkeiten formeller Rechtsmittelbeschränkungen, in: Rechtsmittel im Zivilprozess, 1985, 295; Grunsky Der Anwalt in Berufungssachen, 1987; Grunsky Rechtskraft von Entscheidungsgründen und Beschwer, ZZP 76 (1963), 165; Hägi Die Beschwer als Rechtsmittelvoraussetzung im schweizerischen und im deutschen Zivilprozessrecht, 1975; Jauernig Zum Prüfungs- und Entscheidungsvorrang von Prozessvoraussetzungen, in Festschrift für Schiedermair, 1976; Jauernig Das fehlerhafte Zivilurteil, 1958; Jauernig Der BGH und die Beschwer im neuen Rechtsmittelrecht, NJW 2003, 465; Kahlke Zur Funktion von Beschwer und Beschwerdesumme beim unbezifferten Klageantrag, AP Bd. 182, 270; Kahlke Zur Funktion von Beschwer und Rechtsschutzbedürfnis im Rechtsmittelverfahren, ZZP 94, (1981), 423; Kolotouros Der Rechtsmittelgegenstand im Zivilprozess: Die Rechtsmittel zwischen Kassation und Verfahrensfortsetzung, 1992; Kornblum Zur Zulässigkeit bedingter Rechtsmitteleinlegungen, in Gedächtnisschrift für Peter Arens, 1993; Leipold Rechtsmittel als Verfahrensfortsetzung oder Entscheidungskontrolle, in: Rechtsmittel im Zivilprozess, 1985, 285; Lindacher Anschließung, Beschwer, Verbot der reformatio in peius und Parteidisposition über die Sache in höherer Instanz, ZZP 91 (1978), 128; Ohndorf Die Beschwer und die Geltendmachung der Beschwer als Rechtsmittelvoraussetzungen im deutschen Zivilprozessrecht, 1972; Piltz Die Anfechtung inkorrekter Entscheidungen im deutschen Zivilprozessrecht, 1928; Rimmelspacher Tatsachen und Beweismittel in der Berufungsinstanz, ZZP 107 (1994), 421; Rimmelspacher Beschwer, succombance, dissatisfaktion - Verfahrensübergreifende und rechtsvergleichende Notizen zu einem Rechtsmittelerfordernis, in: Festschrift für Werner Lorenz zum 80. Geburtstag; Ritter Zur Teleologie der zivilprozessualen Rechtsmittel, J Z 1975, 360; Schenkel Rechtsmittelverfahren - Durchführung im Rahmen der Anwendung des Meistbegünstigungsprinzips, MDR 2003,136 ff; Schumann Die Berufung in Zivilsachen, 4. Aufl. 1990; Semmelmayer Der Berufungsgegenstand, 1996; Vogg Berufung vor Zustellung des vollständigen erstinstanzlichen Urteils, MDR 1993, 294; Weitzel Grundzüge des Rechts der Rechtsmittel, Jus 1992, 625; Wurzer Nichturteil und nichtiges Urteil, 1927; Zeuner Unbezifferter Klageantrag und Beschwer, in Festschrift für Baur, 1981. Uwe Gerken

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i. Rechtsmittel

Drittes

rsicht Rdn I. Rechtsmittel 1. Begriff 2. Wirkung a) Rechtskrafthemmung b) Überleitung in die höhere Instanz c) Kein Einfluss auf die Vollstreckbarkeit

nn) oo)

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.

II. Einzelne Zulässigkeitsvoraussetzungen 1. Statthaftigkeit 2. Partei- und Prozessfähigkeit 3. Beschwer a) Allgemeines b) Beschwer des Klägers c) Beschwer des Beklagten d) Maßgeblicher Zeitpunkt e) Einzelfälle aa) Abweisung als unzulässig . . bb) Änderung/Erweiterung der Klage cc) Aufrechnung dd) Berichtigung des Urteils . . . ee) Bezifferte Ansprüche ff) Ehesachen gg) Erledigung der Hauptsache . hh) Feststellungsklage ii) Hilfsantrag/Hilfsbegründung jj) Rechtsnachfolger kk) Streithelfer/Streitgenossen . . 11) Übergangene Ansprüche . . . mm) Überlagerung mit anderen Prozessen

5 7

4. 5.

10

6. 7.

11 21 23 25 29 32 37 40 41 44 45 46 49 51 53 56 58 59 60

8. 9.

Unbezifferte Ansprüche . . . Zweitinstanzliche Entscheidung Allgemeines Rechtsschutzinteresse . . Berufungs-/Revisions-/Beschwerdesumme Form/Frist Verzicht und Rücknahme des Rechtsmittels Amtsprüfung Entscheidung

III. Auslegung von Rechtsmittelerklärungen

Rdn 61 62 63 64 65 66 67 69 70

IV. Anfechtung inkorrekter Entscheidungen 1. Einführung 2. Nicht-/Scheinurteile 3. Unklare Entscheidungen 4. In ihrer Art falsche Entscheidungen . 5. Einzelfälle a) Arrest, einstweilige Verfügung . . b) Berichtigungsentscheidungen . . . c) Erledigung der Hauptsache . . . . d) Teilurteil e) Versäumnisurteil f) Verwerfung eines Rechtsmittels . . g) Zwangsvollstreckung h) Zwischenurteil 6. Greifbare Gesetzeswidrigkeit

83 84 85 86 87 89 90 91 92

V. Berufungsgerichte

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VI. Kosten/Gebühren

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71 72 77 79

I. Rechtsmittel 1. Begriff Rechtsmittel im Sinne der ZPO sind die Berufung (§§ 511-541), die Revision (§§ 5 4 2 - 5 6 6 ), die sofortige Beschwerde (§§ 5 6 7 - 5 7 2 ) und die Rechtsbeschwerde (§§ 5 7 4 - 5 7 7 ) . Der Begriff des Rechtsmittels in § 839 Abs. 3 BGB ist dagegen weiter. Er umfasst auch Gegenvorstellungen, Erinnerungen und Dienstaufsichtsbeschwerden1. 2 Die Rechtsmittel (Unterbegriff) unterscheiden sich von den übrigen Rechtsbehelfen (Oberbegriff) dadurch, dass sie den Eintritt der formellen Rechtskraft hemmen (Suspensiveffekt) und den Rechtsstreit in der übergeordneten Instanz anhängig machen (Devolutiveffekt). Ein Rechtsmittel ist davon abhängig, dass die angefochtene Entscheidung noch nicht rechtskräftig ist. Es bewirkt, dass das Verfahren vor dem Rechtsmittelgericht fortgesetzt wird und führt zu einer Prüfung der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung. Die Berufung war ursprünglich, wie es in den Materialien heißt, als eine Erneuerung und Wiederholung des Rechtsstreits vor einem anderen Richter konzipiert 2 , und zwar in den Grenzen der Berufungsanträge und mit den Beschränkungen, die im erstinstanzlichen Verfahren bereits eingetreten 1

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2

RGZ 163, 121, 125; RGZ 131, 12, 14; BGHZ 28, 104; BGH LM BGB § 839 (H) Nr. 8.

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Hahn Materialien zur CPO, Bd. I (1880), 139.

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Drittes Buch. Rechtsmittel

Vor § 511

waren. Mit dem ZivilprozessreformG 3 ist die Kontrollfunktion der Berufung stärker in den Vordergrund gerückt worden. Die Berufung kann nach neuem Recht nur noch darauf gestützt werden, dass die erstinstanzliche Entscheidung auf einer Rechtsverletzung beruht oder die nach § 529 zu berücksichtigenden Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen ( § 5 1 3 Abs. 1). Erstinstanzlich bereits festgestellte Tatsachen können nur noch nach Maßgabe des § 529 Abs. 1 Nr. 1 einer neuen Prüfung unterzogen werden. Neue Tatsachen dürfen nur unter den Voraussetzungen des § 531 Abs. 2 eingeführt werden. Die Revision ist auf die Prüfung der rechtlichen Beurteilung und des Verfahrens beschränkt und dient damit der Rechtseinheit. Keine Rechtsmittel sind insbesondere der Einspruch gegen ein Versäumnisurteil 3 (§ 338) oder einen Vollstreckungsbescheid (§ 700 Abs. 1), die Rüge nach § 321a, der Widerspruch gegen einen Mahnbescheid (§ 694 Abs. 1), gegen einen Arrest (§ 924 Abs. 1), gegen eine einstweilige Verfügung (§ 936), gegen die Vollstreckbarerklärung eines Schiedsspruchs ( S S 1060, 1061, 1064 Abs. 2) oder Anwaltsvergleichs (§§ 7 9 6 a - 7 9 6 c), der Aufhebungsantrag gemäß § 1059, die Erinnerungen gemäß §§ 573, 766 ZPO, 11 Abs. 2 RpflG und die Berichtigungs- und Ergänzungsanträge gemäß §§ 319-321, 716. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 233), die Wiederaufnahme- (Nichtigkeits- und Restitutions-)Klagen ( S S 578, 579, 580) und die Klagen gemäß S S 767, 957 Abs. 2 sind Rechtsbehelfe gegen die Rechtskraft. Das Wiedereinsetzungsgesuch soll die bereits eingetretene Rechtskraft nachträglich wieder beseitigen, die versäumte Notfrist erneut in Lauf setzen und damit das Rechtsmittel gegen die Entscheidung erst zulässig machen. Die Wiederaufnahmeklage richtet sich gegen die bereits rechtskräftig gewordene Entscheidung selbst und will sie mit rückwirkender Kraft beseitigen. Die Vollstreckungsabwehrklage zielt darauf ab, die Vollstreckbarkeit der Entscheidung ganz oder teilweise für die Zukunft zu vernichten. Die Verfassungsbeschwerde ist ein besonderes Rechtsschutzmittel zur Durchsetzung der Grundrechte und daher ebenfalls kein Rechtsmittel im technischen Sinn 4 . Die Dienstaufsichtsbeschwerde gehört nicht zu den Rechtsmitteln, weil die rechtsprechende Gewalt (Art. 92 GG) als solche keiner Dienstaufsicht unterliegt, es sei denn, die Justizbehörden werden nicht als Gerichte, sondern als rechtspflegende Justizverwaltung tätig - wie etwa bei der Entscheidung über die Gewährung von Akteneinsicht an Dritte (S 299 Abs. 2). Der Rechtsbehelf im zivilprozessualen Sinne richtet sich gegen eine gerichtliche 4 Entscheidung (Urteil, Beschluss, Verfügung), mag sie vom Richter, Rechtspfleger oder Urkundsbeamten ausgehen. Wann eine solche Entscheidung einem Rechtsbehelf unterliegt und innerhalb welcher Frist, in welcher Form und bei welcher Stelle er einzulegen ist, ist im Gesetz im einzelnen geregelt. Diese besonderen Bedingungen nennt man Prozessfortsetzungsbedingungen. Es sind echte Prozessbedingungen, die den hierfür aufgestellten Regeln unterliegen. Sind die Prozessfortsetzungsbedingungen nicht erfüllt, ist der Rechtsbehelf unzulässig und zu verwerfen (für die Rechtsmittel vgl. §S 522 Abs. 1, 552 Abs. 1, 572 Abs. 2 S. 2, 5 7 7 Abs. 1 S. 2). 2. Wirkung a) Rechtskrafthemmung. Die form- und fristgerechte Einlegung des Rechtsmittels 5 hemmt den Eintritt der Rechtskraft (S 705 S. 2). Dieser Suspensiveffekt erfasst grundsätzlich die gesamte Entscheidung, also auch die Teile, die der Rechtsmittel3

BGBl. I 2001, 1887

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BVerfG N J W 1987, 1191.

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kläger nicht angreift bzw. die er mangels Beschwer gar nicht anfechten kann 5 (zur Beschränkung der Berufung s. § 519 Rdn. 29; zur nachträglichen Erweiterung der Berufung bei Ankündigung eines eingeschränkten Berufungsantrags s. § 5 2 0 Rdn. 61 ff). Eine Teilrechtskraft tritt nur dann ein, wenn feststeht, dass das Rechtsmittelverfahren nicht mehr auf den nicht angefochtenen Teil erstreckt werden kann. Dies ist erst der Fall, wenn weder eine Erweiterung des Rechtsmittels noch eine Anschließung möglich sind. Der Rechtsmittelkläger kann den Eintritt der Teilrechtskraft zu dem von ihm nicht angefochtenen Teil sofort herbeiführen, indem er insoweit auf ein Rechtsmittel verzichtet 6 . Hierzu ist eine eindeutige Erklärung erforderlich (Einzelheiten zum Verzicht s. § 515 Rdn. 9 ff). 6

Neben den Rechtsmitteln haben der Einspruch (§§ 338, 700), der Widerspruch ( S S 694, 924, 936), die Berichtigungs- und Ergänzungsanträge ( S S 319-321; 716) und die prozessualen Anfechtungsklagen einen Suspensiveffekt. Er ist allerdings beschränkt. Eine Erweiterung dieser Rechtsbehelfe ist nach Ablauf der jeweils maßgeblichen Fristen nicht mehr zulässig.

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b) Uberleitung in die höhere Instanz. Mit der Einlegung des Rechtsmittels wird das Verfahren in der höheren Instanz anhängig (Devolutiveffekt). Die sofortige Beschwerde hat allerdings insoweit eine Sonderstellung, weil der Devolutiveffekt nicht sofort eintritt. Das erstinstanzliche Gericht kann ihr abhelfen und sie damit gegenstandlos machen (S 5 7 2 Abs. 1 1. Halbs.). Gleichwohl ist die sofortige Beschwerde ein echtes Rechtsmittel.

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Bei den übrigen Rechtsbehelfen ist es unterschiedlich. Keine Devolutivkraft haben der Widerspruch gegen den Mahnbescheid (§ 694), gegen den Arrest ( S 924) und gegen die einstweilige Verfügung ( S 936) sowie der Einspruch ( S S 338, 700). Die Anfechtungsklage gemäß § 957 Abs. 2 ist beim Landgericht zu erheben und befördert damit das Verfahren in die übergeordnete Instanz. Mit dem Antrag auf gerichtliche Aufhebung eines Schiedsspruchs ( S 1059) ist deswegen kein Devolutiveffekt verbunden, weil zwischen dem Schiedsgericht auf der einen und dem ordentlichen Gericht auf der anderen Seite kein Instanzenzug besteht. Vor Einlegung des Rechtsmittels bleibt die untere Instanz zuständig. Anträge, die zwischen den Instanzen erforderlich werden, sind noch an die untere Instanz zu richten. Stirbt z. B. eine Partei nach Verkündung des Urteils, muss bis zur Einlegung des Rechtsmittels die untere Instanz über einen Aussetzungsantrag entscheiden 1 .

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c) Kein Einfluss auf die Vollstreckbarkeit. Die vorläufige Vollstreckbarkeit der angefochtenen Entscheidung wird durch die Einlegung des Rechtsmittels nicht berührt. Der Rechtsmittelkläger hat aber die Möglichkeit, die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung zu beantragen (S 719) und damit die Wirkung der Vollstreckbarkeitserklärung bis zur Entscheidung des Rechtsmittelgerichts außer Kraft setzen zu lassen. Im Berufungsverfahren kann der in erster Instanz siegreiche Berufungsbeklagte bei einer Teilanfechtung beantragen, dass eine angeordnete Sicherheitsleistung für den nicht angefochtenen Teil entfällt (S 537). Dies ist der Ausgleich dafür, dass mit Einlegung der Berufung der Eintritt der Rechtskraft für das gesamte Urteil gehemmt wird. Wird die Berufung später erweitert oder 5

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BGH NJW 1992, 2296 = MDR 1992, 1083; BGH NJW 1994, 657, 659 = VersR 1994, 422; OLG München NJW 1966, 1082; aA Grunsky ZZP 88 (1975), 49,57.

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RG JW 1930, 3549; BGHZ 7, 143 = NJW 1952, 1295 mit Anm. Ascher LM § 518 ZPO Nr. 3. RGZ 68, 247; RGZ 130, 337, 339.

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Anschlussberufung eingelegt, bleibt der Beschluss bestehen. Es kommt dann aber eine einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung in Betracht, und zwar in entsprechender Anwendung von §§ 719, 707 8 .

II. Einzelne Zulässigkeitsvoraussetzungen 1. Statthaftigkeit Zur Zulässigkeit eines Rechtsmittels gehört zunächst, dass es an sich statthaft 11 ist. Hierbei handelt es sich um eine Prozessfortsetzungsvoraussetzung (zu den allgemeinen Anforderungen an die Statthaftigkeit s. § 511 Rdn. 2). Für die Berufung, Revision, sofortige Beschwerde und die Rechtsbeschwerde stellt das Gesetz besondere Voraussetzungen auf (§§ 511 Abs. 1, 542, 567, 574 Abs. 1). Die Berufung findet gemäß § 511 Abs. 1 nur gegen ein im ersten Rechtszug erlassenes Endurteil und nicht gegen ein Zwischenurteil statt (§ 303 ) 9 . Die Revision ist nur statthaft gegen ein in der Berufungsinstanz erlassenes Endurteil. Berufung und sofortige Beschwerde sind grundsätzlich davon abhängig, dass ein bestimmter Wert erreicht ist (§§ 511 Abs. 2, 567 Abs. 2). Gegen Versäumnisurteile findet die Berufung oder Revision (§ 565) nur im Fall des § 514 Abs. 2 statt. Gemäß § 513 Abs. 2 kann die Berufung nicht auf die örtliche Unzuständigkeit des erstinstanzlichen Gerichts gestützt werden 1 0 . Zeitliche Grenzen für die Statthaftigkeit eines Rechtsmittels ergeben sich daraus, 1 2 dass es frühestens mit dem Erlass der Entscheidung eingelegt werden darf. Erlassen ist die gerichtliche Entscheidung bei solchen, die zu verkünden sind, mit ihrer Verkündung (§§ 310 Abs. 1, 329 Abs. 1). Bei Anerkenntnis- und Versäumnisurteilen, die nach §§ 307 Abs. 2, 331 Abs. 3 ohne mündliche Verhandlung ergehen, wird die Verkündung durch die Zustellung des Urteils ersetzt. Andere Entscheidungen gelten dann als erlassen, wenn sie in den Geschäftsgang zur Mitteilung an die Parteien gegeben werden. Der schon vor Erlass eingelegte Rechtsbehelf wird nach h. M. nicht etwa von selbst statthaft, wenn die angreifbare Entscheidung ergeht. Vielmehr muss er wiederholt werden. Endzeitpunkt für die Statthaftigkeit ist im allgemeinen der Eintritt der Rechts- 1 3 kraft. Danach kommen nur noch die Rechtsbehelfe in Betracht, mit denen der Eintritt der Rechtskraft beseitigt werden soll, und zwar die Wiederaufnahme(Nichtigkeits- und Restitutions-)klagen oder das Wiedereinsetzungsgesuch. Nicht fristgebundene Rechtsbehelfe können grundsätzlich nur bis zum Abschluss der Instanz eingelegt werden. Im Übrigen richtet sich die Statthaftigkeit nach der Art der Entscheidung, die angegriffen werden soll. Ist z. B. die Zwangsvollstreckung durch Versteigerung des gepfändeten Gegenstands und Auskehrung des Erlöses beendet worden, sind vollstreckungsrechtliche Rechtsbehelfe nicht mehr möglich. Das Gesetz gewährt grundsätzlich keine Wahl unter mehreren Rechtsmitteln. 14 Eine Ausnahme bildet lediglich § 566, wonach anstelle der Berufung Revision eingelegt werden kann. Es muss deshalb das richtige Rechtsmittel gewählt werden, wenn es statthaft sein soll (zur Anfechtung inkorrekter Entscheidungen s. Rdn. 71 ff). 8

R G Z 47, 419, 420; OLG Schleswig SchlHA 1977, 190. ' Z u r Anfechtung bei verfahrenswidriger Entscheidung durch Zwischen- statt durch Endurteil s. R d n . 91.

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Z u r entsprechenden A n w e n d u n g von § 512 a a.F. = § 513 Abs. 2 n. F. auf die Beschwerde s. B G H W M 1 9 9 2 , 4 1 5 , 416 mit w. Nachw.

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Das Endurteil (§ 300) ist regelmäßig mit dem Hauptrechtsmittel anzugreifen also der Berufung oder Revision (Einzelheiten zur Berufung s. § 511 Rdn. 4). Zwischenurteile (§ 303) können grundsätzlich nur zusammen mit dem Endurteil angefochten werden (zur Berufung s. § 511 Rdn. 12 ff). Das gilt auch dann, wenn sie unzulässiger Weise ergangen sind 11 . Eine Ausnahme bildet das Zwischenurteil, mit dem ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückgewiesen wird. Es ist hinsichtlich seiner Anfechtung wie ein Endurteil zu behandeln, so dass Berufung bzw. Revision möglich sind, soweit diese Rechtsmittel auch gegen ein prozessordnungsgemäß ergangenes Endurteil statthaft wären 1 2 . Z u m Versäumnisurteil s. § 511, 12. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit kann zwar mit der Berufung (§ 718 Abs. 1), nicht aber mit der Revision angegriffen werden (§ 718 Abs. 2) 13 .

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Rechtskräftige Endurteile können nur mit der Wiederaufnahme-(Nichtigkeitsund Restitutions-)klage angefochten werden, nicht dagegen Zwischenurteile (vgl. § 583). Wiederaufnahmegründe gegen ein Grundurteil (§ 304) sind im Betragsverfahren geltend zu machen 1 4 . Auch rechtskräftige Beschlüsse können grundsätzlich mit der Wiederaufnahmeklage angefochten werden 1 5 . 17 Beschlüsse und Verfügungen können nicht mit der Berufung oder Revision, sondern nur mit der sofortigen Beschwerde angefochten werden (zur Ausnahme bei inkorrekten Entscheidungen s. Rdn. 79). Ob und unter welchen Voraussetzungen eine sofortige Beschwerde möglich ist, ergibt sich aus § 567. Gestattet ist sie in den gesetzlich besonders geregelten Fällen und gegen solche eine mündliche Verhandlung nicht erfordernde Entscheidungen, durch die ein das Verfahren betreffendes Gesuch zurückgewiesen wird (§ 567 Abs. 1). Aus Gründen der Verfahrensbeschleunigung nimmt das Gesetz hiervon wiederum zahlreiche Entscheidungen aus (Überblick bei § 512 Rdn. 16). In diesen Fällen ist auch dem Berufungsgericht eine Überprüfung nicht gestattet. 18

Die sofortige Beschwerde wird ausdrücklich zugelassen u. a. in §§ 91 a Abs. 2, 99 Abs. 2 , 1 2 7 Abs. 2 S. 2 u 3, 269 Abs. 5, 336 Abs. 1 S. 1, 341 Abs. 2 S. 2, 380 Abs. 3, 390 Abs. 3, 409 Abs. 2, 4 9 4 a Abs. 2 S. 2, 641 d Abs. 3 S. 1, 691 Abs. 3 S. 1, 793 ZPO, 17 a Abs. 3 S. 3 GVG . Die Rechtsbeschwerde ist in § 574 geregelt. Möglich ist sie z.B. in den Fällen der §§ 522 Abs. 1 S. 4, 621 e Abs. 2, 6 2 9 a Abs. 3 S. 1. 19 Gegen Beschlüsse des beauftragten oder ersuchten Richters oder des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle ist zunächst die Erinnerung gegeben (§ 573). Erst gegen die daraufhin ergehende Entscheidung des Prozessgerichts findet die sofortige Beschwerde statt (§ 573 Abs. 2). Die Erinnerung ist - ohne die Beschränkungen für die sofortige Beschwerde - auch bei den Oberlandesgerichten, dem Bundesgerichtshof und dem Bay.ObLG statthaft (§ 573 Abs. 3). Für die Entscheidungen des Rechtspflegers gilt die Sondervorschrift des § 11 RpflG. 20 Gegen Vollstreckungsbescheide ist - wie beim Versäumnisurteil - nur der Einspruch statthaft (§ 700). Gegen den Mahnbescheid ist der Widerspruch gegeben, ebenso gegen den Beschluss, durch den ein Arrest (§ 924 Abs. 1) oder eine einstweilige Verfügung (§ 936) angeordnet wird. Der ablehnende Beschluss unterliegt dagegen der sofortigen Beschwerde. 11

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BGH NJW 1994, 1652; Tiedtke ZZP 89 (1976), 64,74. BGHZ 47, 289 = NJW 1967, 1566 mit Anm. Rietschel LM § 519b ZPO Nr. 20.

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RGZ 104, 303 (Revision ist unstatthaft). BGH LM $ 578 ZPO Nr. 6. BGHZ 62, 18 = MDR 1974, 307 mit Anm. Portmann LM § 580 ZPO Nr. 7b, 22.

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2 . Partei- und Prozessfähigkeit Die Partei- und Prozessfähigkeit ist ebenso wie für die Klage Zulässigkeitsvoraussetzung für ein Rechtsmittel. Eine Partei, die in der unteren Instanz zu Unrecht als partei- oder prozessfähig angesehen wurde, k a n n die Entscheidung anfechten, soweit sie zur Frage der Zulässigkeit eine andere Beurteilung und damit die Abweisung als unzulässig zu erreichen w i l l 1 6 . Andernfalls würde das verfahrenswidrig zustande g e k o m m e n e Urteil bestehen bleiben und müsste mit der Nichtigkeitsklage (§ 5 7 9 Abs. 1 Nr. 4 ) b e k ä m p f t werden. Ist im umgekehrten Fall die Partei- oder Prozessfähigkeit verneint worden, gilt das gleiche. F ü r das Rechtsmittel ist das Vorhandensein der Partei- oder Prozessfähigkeit zu unterstellen. Die Partei kann auch dann selbst Rechtsmittel einlegen, wenn ihr in der unteren Instanz ein besonderer Vertreter im Sinne von § 5 7 beigeordnet worden w a r 1 7 . D e n n bei tatsächlich vorhandener Prozessfähigkeit muss sie in der Lage sein, die Prozessführung an sich zu ziehen. G e h t es dagegen der in W a h r h e i t prozessunfähigen Partei um eine andere Entscheidung in der Sache, ist ihr Rechtsmittel unzulässig 1 8 . Ähnlich wie bei der Partei- und Prozessfähigkeit ist es bei der gesetzlichen Vertretung. Steht sie in Frage, k a n n die Partei - gegebenenfalls vertreten durch denjenigen, der das Vertretungsrecht in Anspruch nimmt - Rechtsmittel einlegen, um eine andere Beurteilung der W i r k s a m k e i t der Vertretung zu e r r e i c h e n 1 9 .

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Auf die gewillkürte Vertretung lassen sich diese Grundsätze nicht übertragen. Denn in diesen Fällen ist es der Partei zuzumuten, die in der unteren Instanz aufgetretenen Zweifel an der Prozessvollmacht für die Rechtsmittelinstanz zu beseitigen. Ist also die Klage abgewiesen worden, weil es an einer wirksamen Prozessvollmacht fehlt, ist die Berufung, die dies bekämpft, unzulässig, wenn der Mangel der Vollmacht in der 2 . Instanz fortbesteht und die Zulässigkeit der Berufung hiervon a b h ä n g t 2 0 .

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3.

Beschwer

a) Allgemeines. Z u r Zulässigkeit des Rechtsmittels gehört weiter die Beschwer (gravamen). D a s Gesetz erwähnt dieses Erfordernis nicht ausdrücklich, setzt es jedoch v o r a u s 2 1 . Geregelt ist die Beschwer z . B . in § 2 0 F G G . Eine Partei ist nicht beschwert, wenn sie das in der unteren Instanz verfolgte Ziel in vollem U m f a n g erreicht h a t 2 2 . Die Beschwer ist folglich eine besondere Ausformung des Rechtsschutzbedürfnisses 2 3 . Rechtsschutzbedürfnis und Beschwer fallen daher meist zusammen.

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Besteht eine Beschwer, ist in einem zweiten Schritt zu prüfen, o b das Rechtsmittel auch darauf abzielt, diese Beschwer zu beseitigen 2 4 . G e h t es dem Rechtsmittelkläger

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BGHZ 24, 91, 94 = NJW 1957, 989; BGHZ 86, 184 = NJW 1983, 996; BGHZ 110, 294 = NJW 1990, 1734 = ZZP 103 (1990), 464; BGH NJWRR 1986, 1119; VGH Kassel NJW 1990, 403; zum FGG-Verfahren s. BGHZ 35,1 = NJW 1961, 1397. BGH NJW 1966, 2210 = MDR 1966, 920 mit Anm. Grunsky FamRZ 1966, 572. AA OLG Hamm MDR 1992, 411 u. OLG Düsseldorf NJW-RR 1997,1350, wonach das Rechtsmittel auch dann zulässig sein soll, wenn eine andere Sachentscheidung angestrebt wird. BGHZ 40, 197, 199 = NJW 1964, 203. BGHZ 111, 219 = NJW 1990, 3152, 3153.

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RG HRR 1936, 700; RGZ 160, 204,213 f; BGHZ 22,43 = NJW 1957, 21 mit Anm. Pagendarm LM § 75 Einl. Preuß ALR Nr. 21; BGH LM ZPO § 511 Nr. 10 mit Anm. Raske. RGZ 170, 346, 349. BGHZ 50, 261 mit Anm. Johannsen LM § 511 ZPO Nr. 23; BGHZ 57, 224 = NJW 1972, 112 mit Anm. Johannsen LM § 91a ZPO Nr. 31; Bettermann ZZP 82 (1969), 24, 27. BGHZ 85, 140, 142 = NJW 1983, 172; BGH NJW-RR 1987, 124, 125; BGH NJW-RR 1988, 959 = WM 1988, 883; OLG Karlsruhe FamRZ 1980, 682, 683.

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im zweiten Rechtszug in Wahrheit um etwas anderes oder macht er gar nicht geltend, dass das untere Gericht im Ergebnis falsch entschieden hat, hat er kein schutzwürdiges Interesse für eine Anfechtung 2 5 . Der abgewiesene Kläger kann neu klagen, wenn er ein anderes Rechtsschutzziel verfolgen will. Der unterlegene Beklagte hat kein Rechtsschutzbedürfnis, wenn er mit seinem Rechtsmittel nur geltend macht, dass nur die Begründung, nicht aber das Ergebnis falsch ist 2 6 . Ein Rechtsmittel, das ausschließlich darauf abzielt, einen bisher nicht verfolgten Anspruch durchzusetzen, ist unzulässig 27 . Die Beschwer kann nicht allein aus Verfahrensfehlern abgeleitet werden 2 8 . Wer nur rügt, dass ein kontradiktorisches Urteil statt eines Versäumnisurteils ergangen ist, wird durch die Entscheidung nicht belastet 2 9 . Ist eine Klage mangels Rechtsschutzbedürfnisses als unzulässig abgewiesen worden, kann der Beklagte das Urteil nicht mit der Begründung angreifen, es sei über den Streitgegenstand bereits rechtskräftig entschieden worden 3 0 . Die Verwerfung eines Rechtsmittels kann grundsätzlich nicht mit dem Argument angegriffen werden, es hätte aus einem anderen Grund verworfen werden müssen. 25

b) Beschwer des Klägers. Der Kläger benötigt nach h. M. eine formelle Beschwer 31 . Sie liegt vor, wenn der rechtskraftfähige Inhalt der Entscheidung hinter dem zurückbleibt, was der Kläger in der Vorinstanz geltend gemacht hat. Maßgeblich ist der Tenor. Denn die Gründe erwachsen nicht in Rechtskraft. Das gilt grundsätzlich auch dann, wenn der im Tenor zuerkannte Anspruch abweichend hiervon in den Urteilsgründen teilweise aberkannt wird 3 2 , es sei denn es liegt insoweit eine offenbare Unrichtigkeit vor und der Kläger muss befürchten, dass eine Berichtigung (§ 319) zu seinem Nachteil erfolgt (zur Beschwer bei nachträglicher Berichtigung Rdn. 44; zur Berufungsfrist § 517 Rdn. 16). Eine Beschwer kann auch nicht daraus abgeleitet werden, dass die Entscheidung aufgrund ihrer Rechtskraftwirkung trotz eines Erfolgs der Klage Rechtsnachteile für den Kläger mit sich bringt. Denkbar ist dies z. B. bei einem Gestaltungs- oder Feststellungsurteil 33 . Eine andere rechtliche Einordnung des Klageanspruchs begründet daher keine Beschwer 34 (zur Ausnahme beim Grundurteil s. Rdn. 27).

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Bei der Frage, ob der Kläger in vollem Umfang Erfolg gehabt hat, kommt es auf den sachlichen Gehalt der Entscheidung an. Maßgeblich ist, ob das Gericht dem mit dem Klageantrag zum Ausdruck gebrachten Begehren entsprochen hat. Dabei ist der Antrag ggf. anhand des Klagevorbringens auszulegen 35 . Trotz einer Teilabweisung im Tenor fehlt es z. B. an einer Beschwer, wenn der Antrag aufgrund eines Rechenfehlers versehentlich zu hoch ausgefallen war, die Entscheidung dem Kläger aber das

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BAG AP § 511 ZPO Nr. 3 mit Anm. Wieczorek. OLG Köln Rpfleger 1986, 184 (zur Beschwerde). BGH NJW-RR 1988, 959 = W M 1988, 883; BGH NJW-RR 1991, 1279 = W M 1991, 609; BGH NJW 1993, 597, 598; BGH NJW 1994, 2896 = LM § 264 ZPO 1976 Nr. 14; BGH NJWRR 1995, 1469. BGH NJW 1994, 2697 = FamRZ 1994, 694. RG HRR 29, 1880. Zur Unzulässigkeit des Rechtswegs: BGH LM S 511 ZPO Nr. 6 (durch § 17a GVG überholt). Anders kann es sein, wenn das erstinstanzliche Gericht einen Zulässigkeitsmangel angenommen hat, der noch behoben werden kann, wie z. B. bei fehlender Prozessführungsbefugnis.

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BGH NJW 1991, 703, 704 = VersR 1991, 359 mit w. Nachw. zur Rspr.; Rosenberg/Schwab/ Gottwald § 136 II 3 a; Stein/Jonas/Grans^)' Einleitung V, 78; aA Brox ZZP 81 (1968), 379ff; Gilles ZZP 91 (1978), 145. OLG Celle OLGZ 1979,195 (Kläger obsiegt ausweislich des Tenors voll, in den Gründen wird der Klageanspruch aber teilweise verneint). Vgl. hierzu Brox ZZP 81 (1968), 379, 388ff. RGZ 13, 390, 45, 321; 170, 346, 349 f; BGH MDR 1959, 486 = JR 1960, 22 (Kläger erhält die Klageforderung als Kaufpreis statt als Pachtzins zuerkannt); BGH MDR 1966, 748. BGH NJW-RR 1995, 1469, 1470; OLG Karlsruhe NJW-RR 1986, 582.

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zuspricht, was er materiell beansprucht 3 6 . Hat der Kläger einen einheitlichen Klageanspruch auf mehrere Rechtsgründe gestützt, von denen einer bejaht und der andere verneint worden ist, liegt allein darin, dass im Urteil die Klage hinsichtlich des verneinten Rechtsgrundes abgewiesen worden ist, keine Beschwer 3 7 . Zum „abgewiesenen Teil" kann das Urteil keine Rechtskraft zum Nachteil des Klägers entfalten, weil es insoweit nicht um einen anderen Streitgegenstand geht. Allein der Umstand, dass dem Kläger Kosten auferlegt worden sind, rechtfertigt ebenfalls kein Rechtsmittel (§ 99 Abs. 1). Andererseits ist der Kläger aber dann beschwert, wenn ihm ein prozessualer Anspruch aberkannt worden ist, den er gar nicht mehr zur Entscheidung gestellt hatte 3 8 . Das Kriterium der formellen Beschwer versagt beim Zwischenurteil über den 2 7 Grund (§ 304). Denn hiermit wird noch nicht unmittelbar über den Klageantrag entschieden. Beim Grundurteil muss daher darauf abgestellt werden, welche Auswirkungen für das Schlussurteil entstehen 3 9 . Macht der Kläger z. B. einen Schadensersatzanspruch geltend und wird seine Klage nur nach einer Haftungsnorm dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt, die ihm kein Schmerzensgeld ermöglicht oder die eine Begrenzung der Haftung vorsieht (z.B. § 12 StVG), kann er ein Interesse an der Änderung des Urteils dahin haben, dass der Anspruch auch nach weiteren Anspruchsgrundlagen begründet ist 4 0 . Die Beschwer des Klägers liegt darin, dass das Urteil für das Betragsverfahren - unabhängig von seiner Rechtskraftwirkung - hinsichtlich der ausgeschiedenen Haftungsnorm bindet. Ebenso kann der Kläger beschwert sein, wenn ein Anspruch „ n u r " aus ungerechtfertigter Bereicherung anstatt aus Vertrag dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt wird, sofern diese Anspruchsgrundlage im Betragsverfahren weitergehende Einwendungen ermöglicht 4 1 . Ähnlich wie beim Grundurteil kann es bei einem Feststellungsurteil sein. Wird der streitige Anspruch vom Gericht entgegen der Vorstellung des Klägers auf eine Anspruchsgrundlage gestützt, die weitergehende Einwendungen zulässt, ist er beschwert, obwohl er ausweislich des Tenors mit seinem Antrag Erfolg gehabt hat. O b und in welcher Höhe eine Beschwer besteht, ist nur anhand des erstinstanzliehen Antrags zu entscheiden. Auf den Rechtsmittelantrag kommt es nicht an 4 2 . Mit der Erhöhung oder Änderung der Klage kann eine Beschwer daher nicht begründet werden 4 3 . Der siegreiche Kläger kann eine Erweiterung seiner Anträge nur im Wege einer Anschließung an eine Berufung des Beklagten vornehmen. Denn die Anschließung erfordert keine Beschwer. Hat der Kläger mehrere Ansprüche geltend gemacht und ist er dabei mit einem Anspruch voll durchgedrungen, darf die Berufung nicht lediglich der Erweiterung dieses Anspruchs dienen 4 4 . Seine Interessen sind nicht verletzt, auch wenn ihm in Wahrheit ein höherer Betrag zusteht. Er kann ihn in erster Instanz mit einer neuen Klage geltend machen. Hat der Kläger allerdings Berufung gegen die Abweisung eines anderen Anspruchs eingelegt, kann er den voll zuerkannten Anspruch erweitern 45 .

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RGZ 34, 417, 419. BGH NJW 1993, 2052. BGH NJW 1991, 1683 = VersR 1991, 1040. RGZ 97, 25, 29; RG JW 1937, 232; Rosenberg/ Schwa bIGottwald § 136 II 3 b; zu den hiermit verbundenen Fragen s. auch Böttcher J Z 1960, 240. BGH NJW 1959, 1918, 1919 = MDR 1959, 999.

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OLG Frankfurt NJW-RR 1987, 191 = MDR 1987, 62. RGZ 29, 375, 377; RGZ 34, 417. RGZ 100, 100 u. 208; RGZ 130, 100; BGH LM § 511 ZPO Nr. 10; LM § 511 ZPO Nr. 33. RGZ 100, 100. RGZ 130, 100.

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c) Beschwer des Beklagten. Beim Beklagten genügt nach h. M. eine materielle Beschwer 46 . Es ist ausreichend, dass die Entscheidung für den Beklagten nach ihrem rechtskraftfähigen Inhalt in irgendeiner Form nachteilig ist. Auf seine in der Vorinstanz gestellten Anträge kommt es nicht an 4 7 . Dies beruht darauf, dass es sich bei dem Antrag des Beklagten auf Klageabweisung nicht um einen Sach- (§ 297), sondern um einen Prozessantrag handelt. Sachlich entschieden wird nur über den Antrag des Klägers. Der Beklagte ist daher stets dann beschwert, wenn er verurteilt worden ist, also auch dann, wenn er den Klageantrag anerkannt hat 4 8 . Dadurch, dass nach seinem Anerkenntnis entschieden worden ist, wird er nicht zur obsiegenden Partei 49 . Der Beklagte kann daher z. B. den Widerruf eines Unterhaltsanerkenntnisses, der unter den Voraussetzungen des § 323 statthaft ist 50 , mit der Berufung geltend machen 5 1 . Die Beschwer des Beklagten ist nicht einmal davon abhängig, dass die Entscheidung einen vollstreckungsfähigen Inhalt zu seinem Nachteil hat 5 2 . Sie kann allein in einer für den Beklagten nachteiligen Rechtskraftwirkung liegen.

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Der Beklagte kann auch bei Abweisung der Klage beschwert sein. In diesen Fällen kommt es darauf an, ob der Inhalt der Entscheidung hinter seinem Rechtsschutzziel zurückbleibt. Der Beklagte kann Berufung einlegen mit dem Ziel, dass die Klage endgültig statt als zur Zeit unbegründet abgewiesen wird 5 3 . Ähnlich ist es, wenn ein Arrestantrag bzw. ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung mangels Glaubhaftmachung zurückgewiesen worden ist. Die Entscheidung hat nur eine nur eine beschränkte materielle Rechtskraftwirkung 5 4 , weil der Antrag mit besserer Begründung erneuert werden kann 5 5 . Der Beklagte ist daher beschwert, soweit er die Zurückweisung aus einem Grund erreichen will, der eine Erneuerung des Antrags nicht gestattet. Zur Abweisung als unzulässig statt als unbegründet s. Rdn. 37. Hat der Beklagte die Aufrechnung mit einer Gegenforderung erklärt und ist deswegen die Klage abgewiesen worden, ist er beschwert, weil durch die Entscheidung rechtskraftfähig feststeht, dass die zur Aufrechnung gestellte Forderung verbraucht ist 56 . Bei gleich weit wirkenden Gründen kann der Beklagte die Entscheidung dagegen nicht angreifen. Das ist z. B. der Fall, wenn die Klage wegen Erfüllung abgewiesen wird, obwohl die Forderung nach Ansicht des Beklagten in Wahrheit nicht besteht 5 7 oder wenn der Beklagte an einen Dritten statt an den Kläger zahlen soll und er nur diese Modifikation angreift 5 8 . Der Beklagte ist weiterhin nicht beschwert, wenn dem Kläger der Anspruch nur aus Gesetz zuerkannt wurde, während er ihn auch auf Vertrag gestützt hatte (und umgekehrt) und er nur geltend machen will, dass er dem Kläger aus dem nicht zuerkannten Grund hafte. Ebenso verhält es sich, wenn das Gericht den Beklagten nach dem hilfsweise geltend gemachten 46

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Für formelle Beschwer Stein/Jonas/Gr»«sfey Einl. V, 84 ff; Rosenberg/Schwab/Goti^aW § 136 II 3 a, c. AA Rosenberg/Schwab/GotfwaW § 136 II 3 a, c. BGH NJW 1955, 545 = JZ 1955, 423; OLG Koblenz NJW-RR 1993, 462; ZöllerIVollkommer § 307, 11; einschränkend Kahlke ZZP 94 (1981), 423, 436; aA BGHZ 22, 43, 46 = NJW 1957, 21, 22; BAG BB 1966, 1190; Jauernig § 72 V. BGH NJW 1955, 545, 546; BGH FamRZ 2003, 1923; Ascher MDR 1953, 584, 585; einschränkend Rosenberg/Schwab/Gofiu/aM § 136, II 3 a u. OLG Karlsruhe NJW-RR 1989, 1468. OLG Bamberg NJW-RR 1993, 1221; OLG

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Schleswig NJW-RR 1993, 1416; OLG Koblenz FamRZ 1998, 915, 916. BGHZ 80, 394 = NJW 1981, 2194; OLG Schleswig NJW-RR 1993, 1416; OLG Koblenz FamRZ 1998, 915, 916. AA OLG Bremen NJW 1964, 259 mit krit. Anm. Habscheid NJW 1964, 234. BGHZ 24, 279, 284 = NJW 1957, 1279; BGHZ 144, 242. Stein/Jonas/Grwwsfcy § 916 Rdn. 14. RGZ 33, 415 = WarnRspr. 1910 Nr. 79. RGZ 161, 171; Bettermann NJW 1972, 2285, 2286. RGZ 41, 378; RGJW 1900, 511. RGZ 152, 292, 297.

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Anspruch verurteilt hat und er nur den Hauptklagegrund angreift 5 9 oder wenn das Gericht zwar ein mitwirkendes Verschulden (§ 254 BGB) des Beklagten angenommen hat, gleichwohl aber die Klage abweist, weil es von einem überwiegenden Verschulden des Klägers ausgeht. Unklarheiten über den Umfang der Beschwer dürfen nicht zu Lasten des Beklagten 31 gehen. Lässt sich z. B. aus einem Grundurteil nicht sicher entnehmen, ob über eine bestimmte Anspruchsvoraussetzung bereits entschieden oder die Entscheidung hierüber dem Betragsverfahren überlassen werden sollte, ist eine Beschwer des Beklagten gegeben. Sie liegt in der Gefahr, dass der Entscheidung im Betragsverfahren bzw. in höherer Instanz eine Bindungswirkung zugemessen wird 6 0 . d) Maßgeblicher Zeitpunkt. Für die Berechnung der Beschwer ist der Wert bei 3 2 Berufungseinlegung 61 maßgebend. § 4 stellt klar, dass später eintretende Wertänderungen (z. B. Wechselkursänderungen einer ausländischen Währung, Kurswert einer herausverlangten Aktie) die Höhe der Beschwer nicht mehr beeinflussen 62 . Entscheidend ist das wirtschaftliche Interesse des Berufungsklägers, wie es sich bei Einlegung darstellt. Zwischen den Instanzen eintretende Änderungen im Wert können der Zulässig- 3 3 keit eines Rechtsmittels entgegenstehen 63 . Sinkt z. B. der Wert der herausverlangten Sache nach Urteilserlass unter 6 0 0 , - €, ist die Berufung unstatthaft. Dies gilt auch im Fall des § 264 Nr. 3, wenn für das Surrogat, das an die Stelle des ursprünglich geforderten Gegenstandes getreten ist, die Berufungssumme nicht erreicht ist 64 . Der Kläger muss dann neu klagen. Umgekehrt kann die Berufung erst dadurch zulässig werden, dass der Wert des Streitgegenstands bis zur Einlegung des Rechtsmittels steigt. Die Beschwer des Beklagten entfällt nicht bereits dadurch, dass er oder ein Dritter 3 4 den ausgeurteilten Betrag zahlt. Es kommt vielmehr darauf an, ob das Urteil für ihn trotz der Zahlung noch materiell nachteilig ist. Dies ist der Fall, wenn die Zahlung nicht freiwillig, sondern nur zur Abwendung der Zwangsvollstreckung geleistet worden ist 65 . Denn hierdurch ist noch keine Erfüllung und damit auch noch keine Erledigung eingetreten 66 (Einzelheiten zur Erledigung vor bzw. nach Berufungseinlegung s. Rdn. 49). Anders ist es dagegen, wenn die Leistung ohne Vorbehalt erfolgt 67 . Sie führt zur Erfüllung. Im Zweifel ist davon auszugehen, dass der Beklagte seinen Rechtsstandpunkt nicht aufgeben und sich die Möglichkeit zur Rechtsmitteleinlegung erhalten wollte 6 8 . 59

RG DR 1940, 291. BGH NJW 1968, 1968. " RGZ 118, 149, 150; RGZ 168, 355, 360; BGHZ 1, 29 = NJW 1951, 195 mit Anm Werthauer LM § 546 ZPO Nr. 1; BGH NJW 1965, 761 = LM S 546 ZPO Nr. 50; BGH NJW 1966, 598 = LM § 546 ZPO Nr. 54; BGH NJW 1967, 564 = LM § 511a ZPO Nr. 6; BGH NJW-RR 1988, 836, 837; BAG 1957, 478; OLG Frankfurt FamRZ 1988, 520 (Ermäßigung der Beschwer durch Teilvergleich). 62 BGH NJW 1981, 2360 = MDR 1982, 36. 63 RGZ 104, 368; RGZ 160, 204, 214. 64 Zum Übergang auf Schadensersatz mit der Berufung s. BGH NJW 1990, 2683 = VersR 1990, 1134.

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BGH NJW 1967, 564; BGH NJW 1975, 539; BGH MDR 1976, 1005; BGH NJW 1994, 942; OLG Karlsruhe OLGZ 1979, 351, 353 (Zahlung unter „Vorbehalt"). BGHZ 86, 267, 269 = NJW 1983, 1111; BGHZ 94, 268, 274 = NJW 1985, 2405; BGH NJW 1990, 2756 = MDR 1991, 46; OLG Karlsruhe OLGZ 1979, 351; zum Fortfall der Beschwer bei freiwilliger Zahlung s. BGH MDR 1976, 473. Zur Zahlung durch den Haftpflichtversicherer s. BGH MDR 1976, 473; aA für den Fall, dass der Haftpflichtversicherer mitverklagt ist, OLG Frankfurt MDR 1985, 60 = VersR 1985, 956. BGH NJW 1994, 942, 943; aA OLG Hamm NJW 1975, 1843; wohl auch RGZ 149, 31, 33.

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Die Beschwer bleibt auch dann bestehen, wenn der Beklagte der Meinung ist, dass die Forderung erst zu einem späteren Zeitpunkt fällig geworden ist 6 9 . Dann hat die Zahlung zwar Erfüllungswirkung; der Streit setzt sich aber fort, und zwar auf Seiten des Klägers mit dem geänderten Ziel auf Feststellung der Erledigung zum Zeitpunkt der Zahlung, auf Seiten des Beklagten mit dem Ziel auf Beseitigung der Wirkungen des nach wie vor bestehenden erstinstanzlichen Urteils. Sind sich die Parteien aber einig, dass sich der Rechtsstreit insgesamt materiell erledigt hat und ist daher jedes Interesse des Beklagten an einer Entscheidung über die Sache entfallen, fehlt es an der Beschwer 7 0 . Denn allein aus der nachteiligen Kostenentscheidung kann sie nicht abgeleitet werden (§ 9 9 Abs. 1).

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Die Zulässigkeit des Rechtsmittels kann auch durch Umstände begründet werden, die erst nachträglich eintreten und auf den Zeitpunkt der Einlegung des Rechtsmittels zurückwirken. Das kommt beispielsweise bei einer Berichtigung der Urteilsformel gemäß § 319 in Betracht (s. hierzu Rdn. 4 4 ) . Ein vorher eingelegtes Rechtsmittel wird damit nachträglich zulässig. Dasselbe gilt, wenn das Berufungsgericht die Revision durch Berichtigungsbeschluss zulässt. e) Einzelfälle

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aa) Abweisung als unzulässig. Ein Prozessurteil kann der Kläger nicht mit der Begründung angreifen, seine Klage hätte als unbegründet abgewiesen werden müssen. Das Prozessurteil beschwert den Kläger weniger als ein klageabweisendes Sachurteil. Denn die Rechtskraftwirkungen des Prozessurteils sind wesentlich geringer 7 1 . Dasselbe gilt bei Verwerfung seines Rechtsmittels als unzulässig 7 2 . Der (Rechtsmittel-) Kläger kann allerdings ein berechtigtes Interesse daran haben, dass das Prozessurteil mit einem anderen Zulässigkeitshindernis begründet wird. Dies ist z. B. der Fall, wenn das Hindernis, auf dem die Abweisung beruht, später beseitigt werden oder von selbst wegfallen kann (z. B. Abweisung wegen Partei- bzw. Prozessunfähigkeit oder Abweisung wegen anderweitiger Rechtshängigkeit statt Unzuständigkeit) 7 3 . Im Fall einer Sachabweisung kann der Kläger wegen der Rechtskraftwirkung der Entscheidung ein berechtigtes Interesse daran haben, die Abweisung als unzulässig zu erreichen 7 4 . Erforderlich ist allerdings, dass der geltend gemachte Zulässigkeitsmangel noch behoben werden kann. Andernfalls fehlt es am Rechtsschutzbedürfnis für das Rechtsmittel.

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Der Beklagte kann Berufung einlegen mit dem Ziel, dass det statt als unzulässig abgewiesen wird. Das folgt aus der kraft des Sachurteils 7 5 . Bei einer Abweisung aus sachlichen nicht beschwert, so dass er eine Abweisung als unzulässig nicht erreichen kann.

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Ist eine unzulässige Berufung als unbegründet zurückgewiesen worden und ist der Rechtsstreit dann in der Revisionsinstanz anhängig geworden, hat das Revisions69 70

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BGH NJW 1975, 539 = MDR 1975, 388. BGH LM § 91 a ZPO Nr. 4; zur Erledigung im Fall einer Drittwiderspruchsklage durch Freigabe der gepfändeten Sachen OLG Hamm NJW-RR 1991, 1343; zum Sonderfall, dass nach Zahlung Tatsachen bekannt werden, die eine Restitutionsklage gemäß § 580 rechtfertigen, OLG Stuttgart NJW-RR 1995, 892. AA Stein/Jonas/Gransfey Einleitung V, 60; BSG AP § 546 ZPO Nr. 5.

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die Klage als unbegrünweitergehenden RechtsGründen ist er dagegen mit einem Rechtsmittel

RGZ 151, 45; zur Beschwer, wenn das Rechtsmittel trotz vorheriger Rücknahme verworfen wird, s. RGJW 1935, 2635. Vgl. Bettermann ZZP 82 (1969), 24, 57. BGH LM S 511 ZPO Nr. 8; BGH NJW-RR 2001, 929. BGHZ 28, 349 = NJW 1959, 436; BAG NJW 1987, 514; Jauerning § 72 V; Rosenberg/Schwab/ Gottwald § 136 II 3 0 a; aA für die Vollstreckungsabwehrklage OLG Koblenz NJW 1973, 1756.

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gericht die Berufung als unzulässig zu verwerfen 76 . Ist ein unzulässiger Einspruch in der Sache beschieden worden, aber erfolglos geblieben, kann der Gegner nicht Berufung oder Revision einlegen. Er kann aber noch in der nächsten Instanz die Unzulässigkeit des Einspruchs geltend machen. bb) Änderung/Erweiterung der Klage. Die Berufung muss darauf abzielen, die 4 0 sich aus dem angefochtenen Urteil ergebende Beschwer zu beseitigen 77 . Die Beschwer kann daher nicht aus einer Änderung oder Erweiterung der Klage entnommen werden 7 8 . Der unterlegene Kläger muss sein erstinstanzliches Begehren zumindest in Höhe der Berufungssumme - weiterverfolgen. Eine Berufung, die die Richtigkeit der Abweisung nicht in Frage stellt und ausschließlich einen bisher nicht verfolgten Anspruch zum Gegenstand hat, ist unzulässig 79 . Im Fall der Klageänderung gilt zudem § 533. Die Klageänderung kann hiernach nur auf Tatsachen gestützt werden, die der Berufung ohnehin zugrunde zu legen sind. An der Beschwer fehlt es auch dann, wenn der Kläger die begehrte Rechtsfolge ohne Veränderung des Antrags ausschließlich aus einem anderen Klagegrund herleiten will. Entscheidend ist, ob der Kläger mit seiner Berufung den erstinstanzlichen Streitgegenstand beibehält. Abzustellen ist dabei auf den Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht. Die Berufung muss sich noch zu diesem Zeitpunkt zumindest auch gegen die sich aus dem angefochtenen Urteil ergebende Beschwer richten. Hat der Kläger also seine Berufung teilweise zurückgenommen, und zwar zu dem Teil, mit dem er im ersten Rechtzug unterlegen war, wird sie auch im Übrigen unzulässig 80 . Denn andernfalls wäre es ihm möglich, im Wege einer im Ergebnis gar nicht beabsichtigen Anfechtung des erstinstanzlichen Urteils den zweiten Rechtszug nur für die Entscheidung über einen neuen Streitgegenstand zu eröffnen. Auch eine subjektive Klageänderung (Parteiwechsel bzw. Beitritt auf Kläger- oder Beklagtenseite 81 ) ist nur möglich, wenn die Berufung schon aus anderen Gründen zulässig ist. Unbedenklich ist es dagegen, wenn der Kläger bei gleichbleibendem Klagegrund eine qualitative Änderung des Klageantrags vornimmt (§ 264 Nr. 2) oder wegen einer zwischen den Instanzen eingetretenen Veränderung statt des ursprünglichen Gegenstands einen anderen Gegenstand oder das Interesse fordert (§ 264 Nr. 3). Weiterhin ist es möglich, dass der Kläger eine im ersten Rechtszug als unzulässig abgewiesene Leistungsklage auf Zahlung von Unterhalt mit der Berufung in eine Abänderungsklage ändert. Damit führt er keinen neuen materiell-rechtlichen Anspruch in den Prozess ein 8 2 , so dass er mit seiner Berufung eine sich aus dem erstinstanzlichen Urteil ergebende Beschwer bekämpft. Allerdings liegt in der Auswechselung des Antrags eine Klageänderung, die dem Kläger nur unter den Voraussetzungen des § 533 gestattet ist. 76 77

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RGZ 151,45. BGHZ 85, 140, 142 = NJW 1983, 172 = FamRZ 1982, 1198; BGH NJW-RR 1987,124, 125; BGH NJW 1988, 2540, 2541 = VersR 1988, 859; BGH NJW-RR 1988, 959 = WM 1988, 883. RGZ 13, 390; RGZ 100, 208, 209; RGZ 130, 100, 101; BGH LM § 511 ZPO Nr. 10; BGH LM § 511 ZPO Nr. 33; BGH NJW-RR 1991, 1279; BGH MDR 1993, 81; BGH VersR 1994, 1446 = MDR 1994, 1143; BGH BGHReport 2002, 850; aA Altmeppen ZIP 1992, 449; Stein/Jonas/ Grunsky Einleitung V, 73. BGH NJW-RR 1989, 254 = MDR 1989, 245 (zur Änderung eines Widerrufs- und Unterlassungs-

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antrags mit der Berufung); BGH NJW 1990, 2683 = VersR 1990, 1134, BGH NJW-RR 1991, 1279; BGH NJW 1993, 597, 598; BGH NJW-RR 1996, 1276; BGH NJW-RR 2004, 143. BGH NJW-RR 2002, 1436. Zur Erforderlichkeit der Zustimmung bei Einbeziehung eines neuen Beklagten in der Berufungsinstanz s. BGHZ 21, 285 = NJW 1956, 1598; BGH NJW-RR 1986, 356 = MDR 1986, 304; zur Auswechselung des Beklagten in der Berufungsbegründung s. OLG Brandenburg MDR 2002, 1087. BGH FamRZ 2001, 1140.

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cc) Aufrechnung. Zur Beschwer, wenn über die zur Aufrechnung gestellte Forderung entschieden wird, s. § 511, 6 0 ff. Eine Entscheidung über die Gegenforderung liegt auch dann vor, wenn die Aufrechnung mangels substantiierten Vortrags keinen Erfolg gehabt hat, es sei denn, die Urteilsgründe stellen ausdrücklich klar, dass die Aufrechnung für unzulässig gehalten wurde 8 3 .

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Ist das erstinstanzliche Urteil abweichend vom Klageantrag unter dem Vorbehalt der Aufrechnung mit einer Gegenforderung (§ 3 0 2 ) ergangen, ist der Kläger beschwert, weil das Vorbehaltsurteil hinsichtlich der Frage der Zulässigkeit der Aufrechnung für das Nach verfahren bindet 8 4 . Der Kläger kann daher Berufung mit dem Ziel der vorbehaltlosen Verurteilung einlegen. Gegenstand des Berufungsverfahrens ist aber nur der Streitstoff, über den entschieden worden ist, also nicht die zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung. Das Berufungsgericht hat dabei nicht zu prüfen, ob der Erlass des Vorbehaltsurteils zweckmäßig war. Denn dies hat das erstinstanzliche Gericht nach freiem Ermessen zu entscheiden 8 5 . Der Kläger ist dagegen nicht beschwert, soweit er nur geltend machen will, die zur Aufrechnung gestellte Forderung stehe in einem rechtlichen Zusammenhang mit der Klageforderung. Die Tatsache, dass nicht einheitlich entschieden wurde, belastet nur den Beklagten. Der Beklagte seinerseits kann nicht rügen, das Vorbehaltsurteil hätte nicht ergehen dürfen, weil die Aufrechnung unzulässig sei 8 6 .

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Der Beklagte ist beschwert, wenn das erstinstanzliche Gericht über die zur Aufrechnung gestellte Forderung nicht entschieden hat, weil es ein Aufrechnungsverbot angenommen oder den mit der Aufrechnung geführten Einwand als verspätet zurückgewiesen hat (§ 2 9 6 ) 8 7 . Die Beschwer beschränkt sich dann aber auf die Urteilssumme. Das gilt auch dann, wenn die Zulässigkeit der Aufrechnung offen bleibt, weil die Gegenforderung jedenfalls nicht besteht 8 8 . Die sich aus der Rechtskraftwirkung des § 3 2 2 Abs. 2 ergebende Beschwer kann nur dann eintreten, wenn feststeht, dass die Entscheidung über die Klageforderung auf der negativen Entscheidung über die Gegenforderung beruht 8 9 . Maßgebend ist die Begründung des erstinstanzlichen Gerichts. Wird ein Rechnungsposten, der bei zutreffender Betrachtung lediglich in ein Abrechnungsverhältnis gestellt werden dürfte, fälschlich als aufrechenbare Gegenforderung behandelt, ist der Beklagte beschwert 9 0 . Denn die Wirkung des § 3 2 2 Abs. 2 tritt auch dann ein, wenn die rechtliche Einordnung als Gegenforderung falsch ist. Der Beklagte kann die Berufung auch mit einer neuen Aufrechnungsforderung begründen, und zwar selbst dann, wenn sie im ersten Rechtszug noch nicht geltend gemacht worden war. Erforderlich ist allerdings, dass die Voraussetzungen des § 5 3 3 vorliegen.

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dd) Berichtigung des Urteils. Die Berichtigung (§ 319) wirkt auf den Zeitpunkt der Verkündung zurück 9 1 . Entfällt hierdurch die Beschwer, ist das Rechtsmittel als von vornherein unzulässig anzusehen 9 2 . Durch die Berichtigung wird grundsätzlich

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BGH NJW 1994,1538 = LM § 322 ZPO Nr. 137. BGHZ 35, 248 = NJW 1961, 1721; BGH NJW 1979, 1046 = MDR 1979, 479; Zö\kr/Vollkommer § 302, 7. RGZ 97, 30, 32; RGZ 144, 116, 118; BGH WM 1965, 827. BGHZ 25, 360, 366 = NJW 1958, 18, 19. BGH JurBüro 1974, 1249; weiteres Beispiel in BGH NJW 1988, 3210 = MDR 1988, 956. BGH NJW 1988, 3210 = MDR 1988, 956.

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Zöller/Vollkommer § 322, 19. BGH MDR 2002, 601. RGZ 29, 403, 406; RGZ 110, 427, 429; BGHZ 89, 184 = NJW 1984, 1041. BGH NJW 1994, 2832; BayOLGZ 18 (1968), 190 (zur FGG-Beschwerde); gemäß RGZ 110, 427, 429 wird das Rechtsmittel unbegründet; LG Bochum ZZP 97 (1984), 215 mit Anm. Waldner sieht hierin einen Fall der Erledigung des Rechtsmittels.

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Drittes Buch. Rechtsmittel

Vor § 511

keine neue Rechtsmittelfrist in L a u f gesetzt 9 3 . D e r Rechtsmittelkläger muss das Urteil daher auf offenbare Unrichtigkeiten ü b e r p r ü f e n 9 4 . Anders ist es aber, wenn durch die Berichtigung eine neue Beschwer entsteht 9 5 oder wenn erst durch die Berichtigung zweifelsfrei zu erkennen ist, wer der richtige Rechtsmittelbeklagte i s t 9 6 . D a der unterlegenen Partei das Rechtsmittel durch den Irrtum des Gerichts nicht abgeschnitten werden darf, läuft in diesen Fällen die Einlegungsfrist erst mit Z u stellung des Berichtigungsbeschlusses (Einzelheiten zur Berufung s. § 517, 16). ee) Bezifferte Ansprüche. Bei bezifferten Ansprüchen - auch bei bezifferten Feststellungsklagen - ergibt sich die Beschwer für den Kläger aus der Differenz zwischen Antrag und Urteilsformel 9 1 . Ist dem Antrag voll entsprochen worden, ist der Kläger nicht beschwert, selbst wenn die Entscheidungsgründe von seiner Klagebegründung abweichen und sich auf eine für ihn weniger günstige Anspruchsgrundlage stützen 9 8 . D a s gilt auch dann, wenn bei einer Stufenklage dem Auskunftsanspruch aus anderen Rechtsgründen stattgegeben wird, als sie der Kläger geltend gemacht h a t 9 9 . D e n n die Verurteilung in der ersten Stufe erzeugt keine Bindungswirkung für den G r u n d des Zahlungsanspruchs 10 °.

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ff) Ehesachen. Das Erfordernis der Beschwer besteht grundsätzlich auch in EheSachen 1 0 1 . D e r die Scheidung beantragende und in erster Instanz siegreiche Ehegatte kann daher nicht Berufung einlegen, um in zweiter Instanz zur Aufhebungsklage überzugehen 1 0 2 . Dasselbe gilt sinngemäß für den Übergang von der Herstellungsklage zum Scheidungsantrag 1 0 3 . Im Interesse der Aufrechterhaltung der Ehe wird es jedoch allgemein für zulässig angesehen, dass der erfolgreiche Antragsteller R e c h t s mittel einlegt, um den Scheidungsantrag z u r ü c k z u n e h m e n 1 0 4 , um auf den Urteilsanspruch zu verzichten 1 0 5 oder um zur Herstellungsklage überzugehen 1 0 6 . Die Erklärung, dass die Berufung dazu dienen soll, die zur Aufrechterhaltung der Ehe erforderlichen Prozesserklärungen abzugeben, muss in der Berufungsbegründung enthalten sein (s. § 5 2 0 R d n . 1 0 4 ) 1 0 7 . Weitere Berufungsgründe brauchen nicht angegeben zu werden. Erforderlich ist in jedem Fall, dass der Berufungskläger ernsthaft und vorbehaltlos beabsichtigt, die Ehe fortzusetzen. D a h e r steht ihm das Rechtsmittel nicht zu, wenn er erkennen lässt, dass er nach Abweisung seines

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BGHZ 89, 184 = NJW 1984, 1041; BGH VersR 1989, 530; BGH FamRZ 1990, 988; BGH NJW 1995, 1033 = LM § 516 ZPO Nr. 36 mit Anm. Grunsky. RGZ 29, 403, 406. BGHZ 17, 149, 151 = NJW 1955, 989 mit Anm. Johannsen LM § 319 ZPO Nr. 2; BGH VersR 1981, 548, 549; NJW 1986, 935 = VersR 1985, 838 (unter Abänderung von OLG Schleswig SchlHA 1985,105); BGH VersR 1989, 530; BGH FamRZ 1990, 988; s. auch BGH VersR 1966, 956. BGHZ 113, 2 2 8 = NJW 1991, 1834; OLG Düsseldorf MDR 1990, 930 mit Anm. Vollkommer MDR 1992, 642. RG JW 1938, 2 9 0 9 ; Gruch 62, 655. RGZ 154, 140, 142. RG HRR 1939, 1532. BGH NJW 1969, 880; BGH J Z 1970, 226 = MDR 1970, 5 7 7 mit abl. Anm. Grunsky, zust. Baumgärtel JR 1970, 186.

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RGZ 42, 412; RGZ 55, 244; RGZ 96, 222; RGZ 100, 208; RG DR 1942, 1342; BGH LM § 511 ZPO Nr. 3; BGH LM § 511 Nr. 33. RGZ 100, 208; RG WarnRspr. 1926, 16; BGHZ 50, 261, 265. RG JW 1914, 693; RG JW 1926, 2436. BGHZ 41, 3, 4 = NJW 1964, 549; BGH NJW-RR 1987, 387 = NJW 1987, 264; BGH NJW 1994, 2697 = FamRZ 1994, 694; ZZP 108 (1995), 373; zur entsprechenden Anwendbarkeit dieser Rechtsprechung im Vaterschaftsverfahren s. OLG München NJW-RR 1987, 259 = FamRZ 1987, 171 u. ZöWtdPhilltppt § 641 i, 12. RGZ 100, 208, 209; BGHZ 24, 369 mit Anm. Raske LM § 511 ZPO Nr. 10; Stein/Jonas/ Grunsky Einleitung V, 101. BGHZ 24, 369, 371; OLG Kiel HRR 1 9 3 9 , 1 4 2 2 . BGH NJW 1970, 46; BGH NJW-RR 1987, 387 = FamRZ 1987, 264.

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Vor § 511

Drittes Buch. Rechtsmittel

Antrags sofort einen neuen Scheidungsantrag einreichen will 108 oder wenn er erklärt, er wolle sich seine endgültige Entscheidung noch vorbehalten 109 . 47 Für den Antragsgegner genügt - wie sonst - eine materielle Beschwer. Er kann unabhängig von seinem erstinstanzlichen Antrag Berufung einlegen mit dem Ziel, eine im ersten Rechtszug erklärte Zustimmung zur Scheidung zu widerrufen u o , um damit die Abweisung des Antrags zu erreichen. § 630 Abs. 2 S. 1 gestattet den Widerruf auch in einem höheren Rechtszug 111 . Hat der erstinstanzliche Richter entgegen §§ 623 Abs. 1 S. 1, 629 Abs. 1, 2 über die Scheidung vorab und nicht im Verbund mit den Folgesachen entschieden, liegt allein in diesem Verfahrensverstoß eine Beschwer, so dass der Antragsgegner seine Berufung hierauf beschränken kann m . 48

Ist der Berufungskläger nur durch einen Teil des Verbundurteils beschwert und hat er hiergegen wirksam Berufung eingelegt, kann er sein Rechtsmittel dazu benutzen, um seine Anträge hinsichtlich anderer Teile zu erweitern. Insoweit gelten die allgemeinen Grundsätze für die Klageerweiterung in zweiter Instanz. Die zulässige Anfechtung der Entscheidung über den Versorgungsausgleich ermöglicht z.B. eine über das Verbundurteil hinaus gehende Mehrforderung an nachehelichem Unterhalt 113 .

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gg) Erledigung der Hauptsache. Die Erledigung der Hauptsache nach Einlegung des Rechtsmittels bleibt ohne Einfluss auf die Beschwer (§ 4; vgl. Rdn. 32). Das gleiche gilt, wenn sich das Rechtsmittel erledigt 114 . Liegt das erledigende Ereignis zwischen den Instanzen, kommt es darauf an, welche Gründe zur Erledigung geführt haben. Da die unterlegene Partei eine Möglichkeit haben muss, eine Überprüfung der erstinstanzlichen Entscheidung zu erreichen, ist die Berufung grundsätzlich zulässig, auch wenn sie im Ergebnis nur einer Korrektur der Kostenentscheidung dient 115 . Der in erster Instanz abgewiesene Kläger kann seinen Antrag umstellen, und zwar auf Feststellung der Erledigung 116 . Beim Unterliegen des Beklagten geht es um die Beseitigung der durch die Verurteilung andauernden materiellen Beschwer 117 . Die Beschwer besteht allerdings nicht mehr, wenn sich der Beklagte dem gegnerischen Rechtsstandpunkt unterworfen hat, also z. B. mit einer vorbehaltlosen Erfüllung der streitigen Forderung 118 (zur Zahlung nach Urteilserlass s. Rdn. 34). In gleicher Weise wird die Beschwer des Klägers beseitigt, wenn er, nachdem seine Klage in erster Instanz mangels Fälligkeit abgewiesen worden ist, eine als Erfüllung angebotene Zahlung vorbehaltlos annimmt 119 . Ist streitig, ob Erfüllung eingetreten ist, ist dies nicht eine Frage Zulässigkeit, sondern der Begründetheit des Rechtsmittels 120 . 108 109 110 111

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BGH NJW 1960, 576 = LM § 511 ZPO Nr. 14. BGH NJW-RR 1987, 387 = FamRZ 1987, 264. BGHZ 89, 325, 329 = NJW 1984, 1302. OLG Stuttgart NJW 1979, 662; OLG Karlsruhe FamRZ 1980, 1121. BGH NJW 1979, 1603 FamRZ 1979, 581. BGHZ 85, 140 = NJW 1983, 172 = FamRZ 1982, 1198. OLG Frankfurt FamRZ 1989, 195; die Frage, ob sich ein Rechtsmittel erledigen kann, ist streitig, bejahend: BGH NJW 1998, 2453; OLG Frankfurt aaO; OLG Hamburg NJW 1960, 2151; KG FamRZ 1982, 950 und NJW-RR 1987, 766 mit w. Nachw.; Zöller/Vollkommer § 91a, 19; verneinend: KG FamRZ 1977, 561; OLG Karlsruhe FamRZ 1991, 464; Habscheid NJW 1960, 2132; s.a. § 91a, 51.

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BGH NJW 1958, 995, 996; OLG Düsseldorf OLGZ 1972, 39; OLG Karlsruhe Die Justiz 1980, 472; OLG Hamm WRP 1984, 36, 37; OLG Hamburg VersR 1983, 1040 u. NJW-RR 1989, 570; KG OLGZ 1989, 3 3 0 (zur einstw. Verfügung). Zur Beschwer s. BGH NJW-RR 1992, 1032, 1033; OLG Frankfurt M D R 1971, 853; OLG Hamburg VersR 1983, 1040. KG OLGZ 1989, 330, 332. BGH LM § 91 a ZPO Nr. 4; OLG H a m m NJWRR 1991, 1343; zur Zahlung durch den Haftpflichtversicherer BGH M D R 1976, 473. Vgl. RGZ 45, 412. RGZ 27, 365, 367.

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Drittes B u c h . R e c h t s m i t t e l

Vor § S i l

Hat der Kläger seine Klage bereits in erster Instanz für erledigt erklärt und ist er hiermit abgewiesen worden, ist er stets sachlich beschwert 1 2 1 , auch wenn es ihm im Ergebnis nur um die Kosten geht. Allerdings kann ihm unabhängig hiervon das Rechtsschutzbedürfnis für eine Berufung fehlen, wenn er das erledigende Ereignis selbst herbeigeführt hat bzw. sein Interesse an der Entscheidung in der Hauptsache durch Zeitablauf oder Handlungen Dritter entfallen ist (Rdn. 63 ) 1 2 2 .

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hh) Feststellungsklage. Wird eine positive Feststellungsklage aus sachlichen Grün- 5 1 den abgewiesen, fehlt dem Beklagten für eine negative Feststellungswiderklage das erforderliche Feststellungsinteresse. Mit der Entscheidung über die Klage steht zugleich das Nichtbestehen des streitigen Rechtsverhältnisses fest. Aufgrund dieser Rechtskraftwirkung ist der Beklagte durch das Urteil trotz seines formellen Unterliegens nicht beschwert. Anders kann es dagegen sein, wenn sich der Beklagte gegenüber einer negativen Feststellungsklage mit einer positiven Feststellungswiderklage zur Wehr setzt. Zwar gilt auch insoweit der Grundsatz, dass mit der Abweisung der Klage zugleich über das kontradiktorische Gegenteil entschieden wird 1 2 3 . Die Feststellungswiderklage kann aber erforderlich sein, um eine Unterbrechung der Verjährung herbeizuführen. Denn der gegen die Klage gerichtete Abweisungsantrag hat diese Wirkung nicht 1 2 4 . In diesem Fall ergibt sich aus der gleichzeitigen Abweisung der Feststellungswiderklage daher eine Beschwer für den Beklagten. Hatte der Beklagte gegenüber einer Teilklage eine Widerklage auf Feststellung 5 2 erhoben, dass dem Kläger kein weitergehender Anspruch zusteht, muss der Kläger bei einem Unterliegen seine Berufung auch gegen den Feststellungsausspruch richten. Denn andernfalls erwächst dieser in Rechtskraft und steht seinem weitergehenden Anspruch entgegen 1 2 5 . ii) Hilfsantrag/Hiifsbegründung. Obsiegt der Kläger mit dem Hauptantrag, ist 5 3 er nicht beschwert, da über den Hilfsantrag nicht entscheiden wurde. Dringt er nur mit dem Hilfsantrag durch, ist er wegen der Aberkennung des Hauptantrags (und eines eventuell vorangestellten weiteren Hilfsantrags) beschwert 1 2 6 . Die Höhe der Beschwer richtet sich nach dem abgewiesen Antrag und nicht nach der Differenz zu dem zuerkannten Teil, es sei denn, beide Anträge überschneiden sich wirtschaftlich. Dies ist z. B. der Fall, wenn der Kläger Schmerzensgeld in erster Linie als Rente und hilfsweise als Kapital fordert. Bei Zuerkennung eines Kapitalbetrags ist er nur in Höhe der wirtschaftlichen Differenz beschwert. Diese ist zu schätzen. Wird der Kläger mit allen Anträgen abgewiesen, sind sie zusammenzurechnen 1 2 7 . Liefert der Kläger mehrere selbständige Begründungen für einen einheitlichen 5 4 Klageantrag, ist er beschwert, wenn er nur mit seiner Hilfsbegründung durchdringt 1 2 8 . Denn der in erster Linie geltend gemachte Anspruch ist ihm aberkannt worden. Das gilt unabhängig davon, ob - wie es erforderlich ist - die Teilabweisung im Tenor ausgesprochen worden ist oder nicht. Wird die Klage insgesamt abgewiesen, sind ebenso wie beim Haupt- und Hilfsantrag beide Ansprüche zusammenzurechnen. Zu den Einzelheiten der Wertberechnung s. § 511 Rdn. 77. 121

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B G H Z 5 7 , 2 2 4 = NJW 1972, 112 mit Anm. Buchholz L M § 91 a ZPO Nr. 31. BGH NJW 1958, 995, 996; BGH WM 1974, 665. RG JW 1918,309 verneint daher ein Feststellungsinteresse. R G Z 153, 375, 383; BGH L M § 209 BGB Nr. 12;

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SteinJionas/Schumann § 256 Fn. 289 mit w. Nachw. VersR 1987, 411, 412 = M D R 1987, 318, 319. B G H Z 26, 295 mit Anm. Gelhaar L M § 546 ZPO Nr. 30. BGH NJW-RR 1994, 701. Brox ZZP 81 (1968) 379, 388.

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Vor § 511

Drittes Buch. Rechtsmittel

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Beim Beklagten richtet sich die Beschwer allein nach seinem Unterliegen. Dabei ist es unerheblich, ob die Verurteilung auf dem Haupt- oder dem Hilfsantrag bzw. der Haupt- oder Hilfsbegründung des Klägers beruht.

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jj) Rechtsnachfolger. Im Fall der Rechtsnachfolge wird der Prozess zwischen den bisherigen Parteien fortgeführt (§ 265 Abs. 2 S. 1). Der Rechtsvorgänger verliert durch die Rechtsnachfolge seine Beschwer daher nicht. Der Nachfolger kann den Prozess allerdings übernehmen, und zwar im Fall des § 2 6 6 Abs. 1 unbeschränkt und in den übrigen Fällen mit Zustimmung des Gegners (§ 2 6 5 Abs. 2 S. 2). Ist der Rechtsnachfolger durch das angefochtene Urteil aus dem Prozess gewiesen worden, weil das Gericht die Voraussetzungen für eine Übernahme verneint hat, kann er die hierin liegende Beschwer durch ein eigenes Rechtsmittel geltend machen. Gegenstand des Rechtsmittelverfahrens ist dann aber nur die Frage, ob er den Prozess für den Vorgänger fortsetzen darf, nicht der Anspruch selbst (vgl. hierzu § 511 Rdn. 2 7 ) , 2 9 .

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Macht ein Elternteil gemäß § 1629 Abs. 3 B G B Unterhaltsansprüche des Kindes im eigenen Namen geltend und wird das Kind nach Urteilserlass volljährig, geht die Prozessführungsbefugnis auch für die bereits entstandenen Ansprüche auf das Kind über. Ein ganz oder teilweise die Klage abweisendes Urteils beschwert daher nur das Kind 1 3 0 . Das gleiche gilt für das Verhältnis zwischen Insolvenzverwalter und Gemeinschuldner, wenn das Insolvenzverfahren nach Urteilserlass endet.

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kk) Streithelfer/Streitgenossen. Der Streithelfer kann ein Rechtsmittel nur für die Partei, nicht aber für sich selbst einlegen 131 . Daher kann er die Beschwer nur von der unterstützten Partei ableiten 1 3 2 (s. § 511 Rdn. 30). Der Umstand, dass er an die Tatsachenfeststellungen des Gerichts im Folgeprozess gebunden ist, begründet keine eigene Beschwer. Zur Beschwer bei Streitgenossen s. § 511 Rdn. 87f.

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11) Übergangene Ansprüche. Hat das Gericht Ansprüche übergangen, ist der Kläger zunächst nicht beschwert. Versäumt er die Antragsfrist des § 321 Abs. 2, erlischt die Rechtshängigkeit des übergangenen Anspruchs. D a ihm insoweit nichts aberkannt worden ist, kann er den übergangenen Anspruch in erster Instanz neu einklagen. In das Berufungsverfahren kann er den Anspruch nur im Wege einer Anschlussberufung oder einer Klageerweiterung - bzw. Änderung einführen. Die zweite Möglichkeit setzt allerdings voraus, dass er wegen eines anderen Anspruchs zulässiger Weise Berufung eingelegt hat. Ein Anspruch ist nicht bereits dann im Sinne des § 321 übergangen, wenn das Gericht ihn nur deshalb nicht beschieden hat, weil es das Begehren der Partei unrichtig ausgelegt hat 1 3 3 .

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mm) Überlagerung mit anderen Prozessen. Die Überlagerung mit einem anderen Streit hat auf die Beschwer keinen Einfluss. Ist durch eine einstweilige Verfügung eine Zwangsverwaltung angeordnet und diese dann auf den Widerspruch hin aufgehoben worden, wird die gegen diese Entscheidung gerichtete Berufung nicht dadurch unzulässig, dass inzwischen in der Hauptsache ein gleichlautendes Urteil ergangen und hierin die Zwangsverwaltung erneut angeordnet worden ist 1 3 4 . Ent119 130

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BGH NJW 1988, 3209 = MDR 1988, 956. BGH NJW 1983, 474 = FamRZ 1983, 474; OLG Zweibrücken FamRZ 1989, 194; zum Parteiwechsel nach Einlegung der Berufung und zur Frage der Berufungsbegründung in diesen Fällen s. BGH BGHReport 2003, 823 mit Anm. ]asperseti.

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RGZ 147, 125, 126 (es handelt sich um ein Rechtsmittel der Hauptpartei); BGH NJW 1990, 190 = VersR 1989, 932. BAG AP § 511 ZPO Nr. 1; OLG Köln NJW 1975, 2108 mit abl. Anm. Gorski NJW 1976, 811. BGH NJW 1980, 840 = VersR 1980, 263. RG WarnRspr. 1909, 549.

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D r i t t e s B u c h . Rechtsmittel

Vor § 511

sprechendes gilt, wenn sich die Berufung gegen die Zurückweisung eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung richtet und inzwischen die Hauptklage rechtskräftig abgewiesen worden ist. Die Berufung bleibt zulässig, ist allerdings in der Sache als unbegründet zurückzuweisen. Die Rechtslage ist ähnlich wie bei einem zweiten Streit nach rechtskräftiger Entscheidung über die Sache (vgl. hierzu die Kommentierung zu § 322). nn) Unbezifferte Ansprüche. Bei einem unbezifferten Klageantrag auf Zahlung 6 1 eines Schmerzensgelds ist der Kläger - unabhängig vom Entscheidungstenor - stets dann beschwert, wenn das Urteil hinter seiner Angabe zur Höhe zurückbleibt 1 3 5 . Eine Beschwer kann auch vorliegen, wenn ihm statt einer beantragten Schmerzensgeldrente nur ein Kapitalbetrag zugesprochen wird 1 3 6 . Das wirtschaftliche Interesse an der Rente im Vergleich zum Kapital ist in diesem Fall zu schätzen. Zur Wertberechnung bei einem unbezifferten Antrag s. § 511 Rdn. 92. oo) Zweitinstanzliche Entscheidung. Hebt das Berufungsgericht das angefochtene Urteil auf und verweist es die Sache gemäß § 538 Abs. 2 an die untere Instanz zurück, sind beide Parteien beschwert 1 3 7 . Die Beschwer des Berufungsklägers liegt darin, dass er statt einer Sachentscheidung nur die Zurückverweisung erreicht hat. Dies gilt unabhängig davon, ob er die Zurückverweisung beantragt hatte (§ 538 Abs. 2 letzter Halbs.) 1 3 8 . Hierbei handelt es sich nur um einen Prozessantrag, der das Berufungsgericht nicht hindert, bei Entscheidungsreife selbst abschließend zu entscheiden. Für den Berufungsbeklagten besteht die Beschwer darin, dass das erstinstanzliche Urteil zu seinem Nachteil geändert worden ist 1 3 9 .

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4. Allgemeines Rechtsschutzinteresse Der Rechtsmittelkläger muss neben der Beschwer ein allgemeines Rechts- 6 3 schutzinteresse für sein Rechtsmittel haben 1 4 0 . Es kann ausnahmsweise fehlen, wenn die höhere Instanz trotz an sich bestehender Beschwer unnötig, zweckwidrig oder missbräuchlich in Anspruch genommen wird 1 4 1 . So mangelt es z . B . am Rechtsschutzbedürfnis für eine Berufung, wenn der Berufungskläger die Erledigung der Hauptsache vor Einlegung der Berufung ohne Veranlassung durch den Gegner herbeigeführt hat und es ihm mit seiner Berufung nur noch um eine günstigere Kostenentscheidung geht 1 4 2 . D a s gleiche gilt, wenn der Kläger mit seiner Berufung einen in erster Instanz abgewiesenen Antrag wiederholt, obwohl er sich inzwischen durch Zeitablauf 1 4 3 oder ein Handeln Dritter 1 4 4 erledigt hat. Andererseits entfällt das Rechtsschutzinteresse für eine Berufung des in erster Instanz unterlegenen Verfügungsbeklagten nicht dadurch, dass er die Aufhebung der einstweiligen Verfügung auch mit einem Antrag gemäß § § 927, 936 erreichen könnte. Denn bei der Berufung 135

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BGH NJW 1969, 1427 = VersR 1969, 428; die erforderliche Angabe der Schmerzensgeldhöhe kann z. B. in der Bezifferung des Streitwerts liegen - BGH NJW 1984, 1807 = VersR 1984, 538. BGH VersR 1984, 739. Zur Beschwer des Beklagten B G H Z 31, 3S8, 361 = NJW 1960, 297; BGH NJW 1972, 949 = M D R 1972, 601. BGH N J W 1965, 441 mit Anm. Baur J Z 1965, 185 sowie Brox ZZP 81 (1968), 379, 399; missverständlich insoweit B G H Z 31, 358, 361 = NJW

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1960, 669 mit Anm. Hauß L M § 539 ZPO Nr. 8. BGH NJW-RR 1995, 123, 124; BGH NJW 1998, 613, 614. R G Z 160, 204, 210; Kahlke ZZP 94 (1981), 423, 439. BGH NJW 1975, 539, 540; OLG Köln NJW-RR 1986, 1509 (zur Beschwerde). BGH WM 1974, 665. RGZ 104, 368, 369. BGH NJW 1958, 995, 996 = Z Z P 72 (1959), 222.

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Vor § 511

Drittes Buch. Rechtsmittel

handelt es sich um den weitergehenden Rechtsbehelf 1 4 5 . Wird die Berufung als unzulässig verworfen, ist eine gegen den Verwerfungsbeschluss eingelegte Rechtsbeschwerde nicht deswegen unzulässig, weil der Berufungskläger die Berufung inzwischen wiederholt hat (zur Wiederholung der Berufung s. § 519 Rdn. 13 ff). Der Berufungskläger hat ein Interesse an einer Entscheidung über seine Rechtsbeschwerde, weil seine zweite Rechtsmittelerklärung wegfallen kann und dann die Zulässigkeit der Berufung von der ersten Erklärung abhängt 1 4 6 . 5. Berufungs-/Revisions-/Beschwerdesumme 64

Wird die Berufung nicht zugelassen, ist sie davon abhängig, dass der Wert des Beschwerdegegenstandes 6 0 0 , - € übersteigt (§ 511 Abs. 2 Nr. 1). Für die sofortige Beschwerde gelten die Wertgrenzen des § 5 6 7 Abs. 2. Für die Rechtsbeschwerde muss ein bestimmter Wert nicht erreicht sein. Die Revision ist nach der Neukonzeption des Rechtsmittelrechts ebenfalls nicht mehr an eine Wertgrenze geknüpft. Sie hängt ausschließlich von der Zulassung ab, die entweder vom Berufungsgericht oder auf Beschwerde durch das Revisionsgericht erfolgt. Allerdings gilt bis zum 3 1 . 1 2 . 2 0 0 6 eine Übergangsregelung. Gemäß § 2 6 Nr. 8 des Gesetzes betreffend die Einführung der Zivilprozessordnung ist die Nichtzulassungsbeschwerde nur möglich, wenn der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwerde (sog. Beschwerdewert; zum Unterschied zum Wert des Beschwerdegegenstandes s. § 511 Rdn. 8). 6. Form/Frist

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Die Rechtsmittel müssen in der jeweils gesetzlich vorgeschriebenen Form (§§ 519, 549, 5 6 9 Abs. 2, 3, 5 7 5 Abs. 1) und Frist (§§ 517, 548, 5 6 9 Abs. 1, 5 7 5 Abs. 1) eingelegt und begründet werden. Formmängel können nur bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist geheilt werden. 7. Verzicht und Rücknahme des Rechtsmittels

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Verzicht (§§ 515, 5 6 5 ) und Rücknahme (§§ 516, 5 6 5 ) sind Prozessfortsetzungshindernisse. Der dem Gegner gegenüber erklärte und der vertraglich vereinbarte Verzicht müssen - durch Einrede des Gegners - dem Rechtsmittelgericht mitgeteilt werden, damit sie wirksam werden (zur Berufung s. § 515 Rdn. 27). Der dem Gericht gegenüber erklärte Verzicht und die Rücknahme wirken unmittelbar und führen zum Verlust des Rechtsmittels (§ 515 Rdn. 15; § 516 Rdn. 28). 8. Amtsprüfung

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Das Rechtsmittelgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Prozessfortsetzungsbedingungen (Prozessfortsetzungsvoraussetzungen und Prozessfortsetzungshindernisse) vorliegen. Sie bedingen die Zulässigkeit des Rechtsmittels. Es gilt der Beibringungsgrundsatz. Die Amtsprüfung führt nicht dazu, dass das Rechtsmittelgericht von sich aus Ermittlungen anstellt. Es hat vielmehr nur auf rechtliche Bedenken hinzuweisen und den Rechtsmittelkläger aufzufordern, die erforderlichen Nachweisungen zu beschaffen (§§ 139 Abs. 2, 3 3 5 Abs. 1 Nr. 1). 14!

20

OLG Schleswig NJW 1972, 1056; OLG Köln WRP 1986, 353; OLG Düsseldorf NJW-RR 1987, 763 u. 1988, 188.

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BGHZ 72, 1 , 4 = NJW 1978, 2245.

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Vor § 511

Die für die Zulässigkeit erforderlichen Tatsachen müssen zur Überzeugung des Rechtsmittelgerichts feststehen 1 4 7 . Ggf. ist eine Beweisaufnahme durchzuführen, etwa zur Klärung der Frage, ob die bei der Berufungseinlegung zu beachtenden Förmlichkeiten eingehalten worden sind. Für die Beweiserhebung gilt der Freibeweis, bei dem das Gericht nicht auf die gesetzlichen Beweismittel beschränkt ist. Die Anforderungen an die richterliche Überzeugungsbildung werden hierdurch nicht herabgesetzt 1 4 8 . Die Beweiswürdigung richtet sich vielmehr nach den allgemeinen Grundsätzen, so dass eine bloße Glaubhaftmachung nicht genügt 1 4 9 (zu den Einzelheiten s. § 519 Rdn. 6 6 ; § 5 2 2 Rdn. 13 ff). Feststellungen des Berufungsgerichts zu den Prozessfortsetzungsbedingungen binden das Revisionsgericht nicht 1 5 0 . Es kann daher hierzu erhobene Beweise würdigen und selbst eine Beweisaufnahme durchführen.

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9. Entscheidung Das Rechtsmittelgericht darf grundsätzlich nur dann über die Begründetheit des Rechtsmittels entscheiden, wenn es zuvor seine Zulässigkeit bejaht hat 1 5 1 . Steht die Unzulässigkeit fest, darf die Begründetheit nicht mehr geprüft werden 1 5 2 . Ausnahmsweise kann die Frage der Zulässigkeit dann offen bleiben, wenn das Rechtsmittel jedenfalls sachlich nicht begründet ist und die Zurückweisung keine weitergehenden Rechtsfolgen für den Rechtsmittelkläger hat als eine Verwerfung mangels Zulässigkeit 1 5 3 . Dies ist z. B. der Fall, wenn die Entscheidung des Rechtsmittelgerichts unabhängig von ihrer Begründung endgültig ist, weil sie nicht mehr angefochten werden kann.

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III. Auslegung von Rechtsmittelerklärungen Eine versehentliche Falschbezeichnung ist unschädlich, solange klar und zweifeisfrei feststeht, welches Rechtsmittel gemeint ist (zur Berufung s. § 519 Rdn. 2 7 ) 1 5 4 . Die Umdeutung in ein zulässiges Rechtsmittel ist möglich, soweit es in Intention und Wirkung dem eingelegten Rechtsmittel entspricht 1 5 5 . Ist der Wille zur Anfechtung der Entscheidung eindeutig, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass das zulässige Rechtsmittel eingelegt werden soll 1 5 6 . Eine unzulässige Berufung oder Revision kann daher ohne weiteres in eine Anschlussberufung 1 5 7 oder -Revision 1 5 8 umgedeutet werden (s. auch § 519 Rdn. 2 8 ) . Eine noch innerhalb der Berufungsfrist eingereichte Berufungsbegründung kann als Wiederholung der Berufung angesehen werden, wenn die ursprüngliche Erklärung fehlerhaft w a r 1 5 9 . Ist eine Berufung zunächst wirkungslos geblieben, weil das Verfahren unterbrochen war, kann in der Aufnahme-

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148

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BGH VersR 1986, 60; BGH NJW 1987, 2875 = MDR 1988, 136; BGH NJW-RR 1992, 1338; zu den Beweisanforderungen s. BGH NJW 1996, 2038 (Entkräftung eines Eingangsstempels durch eidesstattliche Versicherung). BGH NJW 2000, 814 = MDR 2000, 290; BGHReport 2003, 1431. BGH VersR 1986, 59, 60. BGH VersR 1977, 721, 722. Rosenberg/Schwab/GoitifaW $ 136 I. BGHZ 2, 278, 280. BGHZ 12, 308; OLG Köln NJW 1974, 1515 mit zust. Anm. Gottwald NJW 1974, 2241; KG NJW

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1976, 2353; s.a. OLG Koblenz NJW NJW-RR 1989, 827. RGZ 170, 385, 387. BGH VersR 1986, 785, 786; grundsätzlich zur Umdeutung s. BGH NJW 1983, 2200 = FamRZ 1983, 892, 893; Bauer ZZP 64 (1951), 329 ff. BGH NJW 1962, 1820 = ZZP 76 (1963), 99, 101. BGH ZZP 71 (1958), 84; BGH FamRZ 1987, 154; zur Umdeutung einer Beschwerde in eine Anschlussberufung s. BGHZ 40, 265, 272 = NJW 1964, 660, 661. BGH JZ 1955, 218 = LM § 556 ZPO Nr. 4. BGH NJW 1958, 551 = MDR 1958, 506.

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erklärung die erneute Einlegung der Berufung gesehen werden 1 6 0 . Erfüllt ein Schriftsatz alle gesetzlichen Anforderungen an eine Rechtsmittelschrift, ist davon auszugehen, dass das Rechtsmittel auch eingelegt werden soll. Eine gegenteilige Deutung kommt nur dann in Betracht, wenn sich die aus den Begleitumständen mit einer ohne jeden Zweifel ergebenden Deutlichkeit ergibt 161 . Eine Beschwerde kann als Berufung behandelt werden, wenn alle Zulässigkeitsvoraussetzungen für eine Berufung vorliegen 162 . Dagegen ist es nicht möglich, einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in eine sofortige Beschwerde umzudeuten. Es handelt sich nicht um vergleichbare Prozesserklärungen 163 . Bestehen Zweifel, wer Rechtsmittelgegner sein soll, kann nicht darauf abgestellt werden, welche der verschiedenen Möglichkeiten für den Rechtsmittelkläger die zweckmäßigere ist 1 6 4 .

IV. Anfechtung inkorrekter Entscheidungen 1. Einführung 71

Von inkorrekten Entscheidungen spricht man, wenn das Gericht in der falschen Form entschieden hat (Beschluss statt Urteil), wenn eine Entscheidung auch nach Auslegung unklar bleibt, widersprüchlich ist, etwas Unmögliches anordnet oder wenn ein Scheinurteil vorliegt (z. B. bei fehlerhafter Verlautbarung). Bei Scheinurteilen und den unklaren Entscheidungen stellt sich für die unterlegene Partei die Frage, ob hierdurch Rechtswirkungen zu ihrem Nachteil entstehen und ob bzw. wie diese beseitigt werden können. Bei der falschen Entscheidungsform steht im Vordergrund, welches Rechtsmittel einzulegen ist, und zwar entweder das Rechtsmittel, das gegen die tatsächlich getroffene Entscheidung gegeben ist oder dasjenige, das die Partei ergreifen müsste, wenn die Entscheidung in der richtigen Form ergangen wäre. Zu den inkorrekten Entscheidungen im weiteren Sinne gehören auch die Fälle der greifbaren Gesetzeswidrigkeit, und zwar unabhängig davon, ob gegen Verfahrensrecht oder gegen materielles Recht verstoßen worden ist. 2. Nicht-/Scheinurteile

Solange das Urteil noch nicht verkündet bzw. in den Fällen des § 310 Abs. 3 zugestellt worden ist, spricht man von einem Nichturteil 165 . Es hat nur gerichtsinternen Charakter. Wird sein Inhalt versehentlich bekannt gegeben, etwa durch Mitteilung des Tenors oder formlose Übersendung eines Entwurfs, hat es keinerlei Wirkung und kann auch keinen Rechtsschein erzeugen. Eine Anfechtung ist weder möglich noch erforderlich 166 . 73 Anders ist es, wenn die Verlautbarung beabsichtigt war, hierbei aber Formvorschriften verletzt worden sind. Liegt der Mangel lediglich darin, dass der Verkündungstermin nicht oder nicht ordnungsgemäß bekannt gemacht worden ist, ist das Urteil existent geworden und beendet die Instanz 1 6 7 . Sind dagegen die Mindest72

162 163 164 165

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BGHZ 36, 258 = NJW 1962, 589 = LM § 250 ZPO Nr. 4 mit Anm. Rietschel; BGH NJW 1990, 1854 = VersR 1990, 758. BGH NJW 2002, 1352. BGH NJW 1987, 1204. BGH VersR 1986, 785. BGH MDR 2003, 1434. Die Begriffe werden nicht einheitlich verwandt, vgl. z. B. MünchKomm-ZPO/Rimmelspacher

§ 511, 8, 9 u. Stein/Jonas/Grunsky Einleitung III, 44. VGH Baden-Württemberg DVB1. 1975, 381 mit ablehnender Anm. Grunsky; aA OlG Frankfurt MDR 1991, 63 = OLGZ 1991, 253. BGHZ (GS) 14, 39, 48 = NJW 1954, 1281; aA BGHZ 10, 346 = NJW 1954, 34 mit Anm. Johannsen LM S 310 Abs. 1 ZPO Nr. 2.

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anforderungen an die Verkündung nicht eingehalten worden, handelt es sich um ein Scheinurteil. Es hat ebenso wie das Nichturteil den C h a r a k t e r eines Entwurfs (§ 2 9 9 Abs. 3 ) 1 6 8 und bindet das Gericht n i c h t 1 6 9 . Die Parteien können daher die Fortsetzung des Verfahrens bei der unteren Instanz b e a n t r a g e n 1 7 0 . D a n e b e n k ö n n e n sie das Scheinurteil mit demjenigen Rechtsmittel anfechten, welches gegen ein existentes Urteil gleichen Inhalts gegeben w ä r e 1 7 1 . Voraussetzung ist, dass das Rechtsmittel der Beseitigung dieses Scheins dient. Andernfalls besteht kein Rechtsschutzinteresse für eine A n f e c h t u n g 1 7 2 . M i t der Einlegung des Rechtsmittels tritt der Devolutiveffekt ein, so dass nunmehr das Rechtsmittelgericht zu entscheiden h a t 1 7 3 . Die klarstellende Entscheidung des Rechtsmittelgerichts, mit der die Scheinwirkung des Urteils beseitigt wird, ist nicht davon abhängig, dass die Zulässigkeitsvoraussetzungen für ein echtes Rechtsmittelverfahren vorliegen 1 7 4 . Unter Scheinurteilen versteht man auch die Entscheidungen, die nicht von einem zur Ausübung der Gerichtsbarkeit bestimmten staatlichen O r g a n oder nicht in Ausübung der Gerichtsgewalt erlassen worden sind. Sie k o m m e n k a u m vor. Z u nennen sind etwa der Erlass eines Urteils durch den beauftragten R i c h t e r 1 7 5 , den Rechtspfleger oder einen Beamten der Justizverwaltung. Verstöße gegen die ordnungsgemäße Besetzung des Gerichts (§ 5 4 7 Nr. 1) machen die Entscheidung dagegen nur anfechtbar. Z u Unrecht ergangene Schiedssprüche fallen ebenfalls nicht unter die Gruppe der Nichturteile. Sie sind - soweit sie überhaupt Rechtswirkungen entfalten können - mit dem Rechtsbehelf aus § 1 0 5 9 anzugreifen.

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Wird ein Scheinurteil angefochten, ist die Sache in der Regel unter Aufhebung der Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuverweisen (s. auch § 5 1 1 R d n . 2 1 ) 1 7 6 . Z u einer eigenen Sachentscheidung ist das Rechtsmittelgericht grundsätzlich nicht befugt. Es darf also nicht anstelle der Vorinstanz das Urteil erlassen, das richtigerweise hätte ergehen m ü s s e n 1 7 7 .

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Ergeht zunächst ein Scheinurteil und später ein gleichlautendes wirkliches Urteil, erfasst das Rechtsmittel gegen das Scheinurteil auch das - existent gewordene wirkliche U r t e i l 1 7 8 . Dieser Grundsatz gilt auch für den Einspruch gegen ein Versäumnisurteil 1 7 9 .

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3 . U n k l a r e Entscheidungen I n k o r r e k t sind auch solche Entscheidungen, die inhaltlich unklar sind, etwa weil sie widersprüchlich sind, weil die Urteilsformel unbestimmt ist bzw. ganz f e h l t 1 8 0 oder weil sie etwas Unmögliches anordnen. Sie haben keine W i r k u n g e n und sind daher auch nicht rechtskraftfähig. Inhaltlich widersprüchlich ist z. B. eine Entscheidung, die zur Bestellung eines dinglichen Rechts verurteilt, das es nicht gibt oder das 168

169 170 171

RGZ 120, 245; RGZ 133,215, 220; RGZ 161, 63; BGHZ 32, 370 = LM § 310 Abs. 2 ZPO Nr. 6 mit Anm. Johannsen; BGH LM § 511 ZPO Nr. 17; BGHZ 41, 337; BGH VersR 1984, 1192. RGZ 133, 215, 221. RGZ 133, 215, 221. RGZ 135, 118; BGHZ 10, 3 4 6 = NJW 1954, 34; BGH NJW 1 9 6 4 , 2 4 8 = MDR 1 9 6 4 , 4 3 (Verlautbarung durch formlose Übersendung des Urteils); OLG Frankfurt OLGZ 1991, 2 5 2 = MDR 1991, 63 (Verlautbarung durch Mitteilung des Richters); s. auch OLG Brandenburg NJW-RR 2 0 0 2 , 356.

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Stein/Jonas/GrHMsii)' Einleitung III, 44. BGHZ 10, 346, 350 = NJW 1954, 34. BGH NJW 1995, 404. Jauernig, Das fehlerhafte Zivilurteil S. 29, 30. BGHZ 10, 3 4 9 = NJW 1954, 34; BGHZ 32, 3 7 0 = NJW 1960, 1763; BayOLG NJW 1 9 6 9 , 1 9 5 (zu Beschlüssen). Stein/JonasIGrunsky Einleitung III, 30. BGH LM § 511 ZPO Nr. 17; BGH NJW 1964, 2 4 8 = MDR 1964, 43 mit krit. Anm. Jauernig NJW 1964, 722; BGH NJW 1996, 1969, 1970. BGH NJW 1996, 1969 = MDR 1996, 735. RG JW 1900, 249; RG Recht 1916, 511.

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nicht eintragbar ist 1 8 1 . Auch eine innerprozessuale Entscheidung kann widersprüchlich sein, wie etwa ein Aussetzungsbeschluss der unteren Instanz, der nach Einlegung des Rechtsmittels ergeht 1 8 2 . Nicht hierher gehören solche Entscheidungen, die zwar ordnungsgemäß ergangen sind, dann aber nachträglich ihre Wirksamkeit verlieren - wie zum Beispiel die Verwerfung eines Rechtsmittels, die durch Gewährung der Wiedereinsetzung gegenstandslos wird. 78

Obwohl von widersprüchlichen Entscheidungen keine Rechtswirkungen ausgehen, müssen sie grundsätzlich als rechtsmittelfähig angesehen werden. Das folgt daraus, dass durch eine fehlerhafte Entscheidung des Gerichts keine Unklarheit über ihre Wirkungen eintreten darf. Die Beteiligten haben einen Anspruch darauf, dass der durch die Entscheidung gesetzte Anschein beseitigt wird. Deshalb darf z. B. derjenige, gegen den sich ein Urteil richtet, Rechtsmittel einlegen, auch wenn er im Prozess nicht Partei ist 1 8 3 . 4. In ihrer Art falsche Entscheidungen

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Von einer in ihrer Art falschen Entscheidung spricht man dann, wenn sie in einer anderen Form ergangen ist, als sie das Gesetz vorsieht (Urteil statt Beschluss oder umgekehrt 1 8 4 ; kontradiktorisches Urteil statt Versäumnisurteil; Teilurteil statt Zwischenurteil oder umgekehrt 1 8 5 ). In diesen Fällen stellt sich für die beschwerte Partei die Frage, mit welchem Rechtsmittel die Entscheidung anzugreifen ist. Insoweit gilt nach ganz h. M . das Meistbegünstigungsprinzip 186 . Die beschwerte Partei hat grundsätzlich die Wahl zwischen dem Rechtsmittel, das gegen die tatsächlich getroffene Entscheidung gegeben ist und demjenigen, das sie ergreifen müsste, wenn die Entscheidung in der richtigen Form ergangen wäre 1 8 7 . Der Grund hierfür liegt darin, dass Fehler des Gerichts niemals zu Lasten der Parteien gehen dürfen. Da von den Parteien nicht erwartet werden darf, dass sie über bessere Rechtskenntnisse verfügen als das Gericht, muss das Rechtsmittel möglich sein, das nach der äußeren Form der Entscheidung zulässig ist. Daneben muss das Rechtsmittel gestattet sein, das bei richtiger Behandlung der Sache einzulegen wäre und daher objektiv geboten ist. Voraussetzung ist in jedem Fall, dass die korrekte Entscheidung anfechtbar ist 1 8 8 . Andernfalls ist keines der beiden denkbaren Rechtsmittel zulässig. Denn das Meistbegünstigungsprinzip kann nicht dazu führen, dass den Parteien ein Rechtsmittel verschafft wird, das ihnen sonst nicht zur Verfügung stehen würde. Allein das allgemeine Interesse an der Beseitigung einer inkorrekten Entscheidung kann eine Anfechtung nicht rechtfertigen. Entscheidet z. B. der Berufungsrichter gemäß § 516 Abs. 3 S. 2 über den Verlust der Berufung und die Kosten irrtümlich durch Urteil statt durch Beschluss, ist weder eine Revision noch eine Beschwerde möglich 1 8 9 . Die Tatsache, dass eine inkorrekte Entscheidung einen unzutreffenden Rechtsmittelhinweis enthält, ist ebenfalls unbeachtlich und macht das Rechtsmittel nicht statthaft 19 °. 181 182 183 184

185

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RGZ 130, 337. RGZ 130, 337. BGH LM § 511 ZPO Nr. 32. Beispiele in BGHZ 98, 362 = NJW 1987, 4 4 2 ; OLG Hamm FamRZ 1989, 877; OLG Zweibrücken NJW-RR 1992, 904; LG Trier NJW-RR 1992, 1533. S. hierzu BGH ZZP 92 (1979), 362 mit Anm. Gottwald. BGH MDR 1959, 554; Rosenberg/Schwab/Go«wald S 135, 2.

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RGZ 1 1 0 , 1 3 5 ; BGHZ 40, 265 = NJW 1964, 6 6 0 = LM § 91 a ZPO Nr. 18 mit Anm. Johannsen; BGHZ 98, 362 = NJW 1987, 442; BGH FamRZ 1991, 549; BGH NJW 1999, 5 8 3 = LM § 511 ZPO Nr. 62. BGHZ 46, 112 = NJW 1967, 109, 110 = ZZP 81 (1968), 271 mit Anm. Gaul = LM § 515 ZPO Nr. 17 mit Anm. H. Schneider, BGH NJW 1988, 49, 51. BGH LM § 238 ZPO Nr. 10. BGH NJW 1969, 845.

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Das Meistbegünstigungsprinzip findet auch dann Anwendung, wenn die Ent- 8 0 Scheidung eines Amtsgerichts Zweifel begründet, ob es als Familiengericht oder als allgemeines Prozessgericht entschieden hat 1 5 1 . Da sich aufgrund der formellen Anknüpfung ( § 1 1 9 Abs. 1 Nr. 1 GVG) die Rechtsmittelzuständigkeit danach richtet, welcher Spruchkörper entschieden hat, darf es nicht zu Lasten der Parteien gehen, wenn das Gericht nicht eindeutig zu erkennen gegeben hat, in welcher Funktion es tätig geworden ist. In einem solchen Fall ist daher eine Berufung nicht deswegen unzulässig, weil sie beim falschen Gericht eingelegt worden ist (OLG statt LG oder umgekehrt). Das gleiche gilt, wenn das Familiengericht ein der freiwilligen Gerichtsbarkeit zugehöriges Verfahren nach den Regeln der Z P O behandelt und durch Urteil statt durch Beschluss entschieden h a t , 9 2 . Die Zulässigkeitsvoraussetzungen und die Formalien richten sich nach dem 8 1 Rechtsmittel, das die weniger strenge Form erfordert 1 9 3 . Das weitere Verfahren wird vom Rechtsmittelgericht so behandelt, als ob die Vorinstanz in der richtigen Art und Weise und dem danach gegebenen Rechtsmittel entschieden hätte m . M a ß gebend ist die objektiv gebotene Verfahrensweise. Der Beschwerte ist nicht befugt, die Vorteile des einen Rechtsmittels mit denen des anderen zu kombinieren 1 9 5 . Ist das angerufene Gericht nicht zuständig zur Entscheidung über das Rechtsmittel, muss das Verfahren in entsprechender Anwendung von § 281 verwiesen werden 1 9 6 . Wird trotz entsprechendem Hinweis der erforderliche Verweisungsantrag nicht gestellt, ist das Rechtsmittel als unzulässig zu verwerfen. Bei Zuständigkeit des Gerichts muss durch eine Zwischenverfügung klargestellt werden, dass die Sache in die richtige Verfahrensart übergeleitet wird. Die Entscheidung ergeht in der d a f ü r maßgeblichen Form. Ist also z. B. nach übereinstimmender Erledigungserklärung im ersten Rechtszug über die Kosten durch Urteil entschieden worden, wird über eine dagegen gerichtete Berufung durch Beschluss entschieden (§§ 91 a Abs. 2 S. 1, 5 7 2 Abs. 4). Das Prinzip der Meistbegünstigung führt in der Regel dazu, dass etwaige Zweifel über den statthaften Rechtsbehelf behoben werden. Lassen sie sich ausnahmsweise nicht ausräumen, wird m a n zur Vorsicht sämtliche in Betracht kommenden Rechtsbehelfe einlegen müssen. Die Gerichtskosten werden in solchen Fällen schon wegen des Fehlers des Gerichts niederzuschlagen sein (§ 21 Abs. 1 S. 1 GKG). Das restliche Kostenrisiko wird man den Beteiligten allerdings nicht abnehmen können. Kommt es aufgrund des Fehlers des Gerichts und der dadurch hervorgerufenen Unklarheit zu einer Fristversäumnis, weil z. B. der falsche Rechtsbehelf eingelegt wurde, wird man den Parteien grundsätzlich keinen Vorwurf machen können. In der Regel wird daher Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren sein.

1.1 1.2

193 194

BGH NJW-RR 1995, 379. OLG Düsseldorf FamRZ 1980, 811 (zum Auskunftsanspruch gemäß § 1587e Abs. 1 BGB). OLG Köln OLGZ 1972, 42, 44. BGHZ 21, 142 = NJW 1965, 1518; BGH NJW 1966, 351 = JR 1966, 67; BGH NJW-RR 1992, 1533, 1534; BGH MDR 1997, 495; OLG Karlsruhe OLGZ 1986, 129 (fehlerhafte Verweisung vom Prozessgericht an das Gericht der freiwilligen Gerichtsbarkeit); OLG Köln NJW-RR 1999,

195 196

1084; s. auch OLG München NJW 1970, 761; Schenkel MDR 2003, 136, 137; aA BGH MDR 1966, 232 (Wahlrecht des Gerichts zwischen Fortsetzung des eingeschlagenen Wegs und tatsächlich zutreffender Verfahrensart); OVG Münster NJW 1974, 1102. BGH MDR 2002, 1265. BGH NJW-RR 1997, 55; Schenkel MDR 2003, 136, 138.

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5. Einzelfälle Folgende Fälle inkorrekter Entscheidungen sind zu unterscheiden: 83

a) Arrest, einstweilige Verfügung. Ist im Arrest- und einstweiligen Verfügungsverfahren fälschlich durch Urteil anstatt durch Beschluss entschieden worden, ist wahlweise die Berufung oder der Widerspruch (§§ 9 2 4 Abs. 1, 936) gegeben. Dasselbe gilt sinngemäß, wenn das Amtsgericht nach § 9 4 2 den Antrag des Gläubigers durch Urteil anstatt durch Beschluss zurückgewiesen hat. Hier stehen dem Gläubiger wahlweise die Berufung oder die sofortige Beschwerde zur Verfügung.

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b) Berichtigungsentscheidungen. Ergeht statt eines Berichtigungsbeschlusses (§ 319) ein Ergänzungsurteil (§ 321), ist sowohl eine selbständige Berufung (§ 518) als auch der Angriff über die erste Berufung zulässig 197 . Bei folgerichtiger Anwendung des Meistbegünstigungsprinzips muss man gegen die Ergänzungsentscheidung auch die sofortige Beschwerde (§ 319 Abs. 3) zulassen. Voraussetzung ist allerdings, dass das Urteil selbst in seiner ursprünglichen oder berichtigten Fassung einer Anfechtung unterliegt 198 . Ist statt eines Ergänzungsurteils (§ 321) ein Berichtigungsbeschluss (§ 319) ergangen, ist in jedem Falle die sofortige Beschwerde gegeben 199 . Man wird jedoch auch hier das Hauptrechtsmittel zulassen müssen. Wird durch einen Berichtigungsbeschluss nicht nur der Name einer Partei berichtigt, sondern unter Verstoß gegen § 319 in Wahrheit eine Parteiauswechselung vorgenommen, bleibt dies zwar ohne Wirkung, weil die neue Partei nicht am Rechtsstreit beteiligt war. Sie kann aber - soweit sie durch das Urteil belastet ist - Berufung einlegen, um den durch den Beschluss entstandenen Anschein zu beseitigen 200 .

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c) Erledigung der Hauptsache. Entscheidet das erstinstanzliche Gericht nach Erledigung der Hauptsache über die Kosten fehlerhaft durch Urteil anstatt durch Beschluss, kann das Urteil mit der Berufung oder mit der sofortigen Beschwerde angefochten werden 2 0 1 . Das Berufungsgericht darf über das Rechtsmittel in jedem Fall durch Beschluss entscheiden 202 . Dasselbe gilt für den umgekehrten Fall, dass das Gericht durch Beschluss entschieden hat, obwohl richtig ein Urteil hätte ergehen müssen. Wird nach einseitiger Erledigungserklärung die Erledigung durch Urteil festgestellt, dann aber über die Kosten nach § 91 a entschieden, hat der Kläger kein Rechtsmittel, wenn ihm die Kosten teilweise auferlegt werden 2 0 3 . Bei richtiger Rechtsanwendung hätte die Kostenentscheidung zwar nach § 91 ZPO getroffen werden müssen. Eine Berufung wäre hiergegen aber nicht möglich gewesen (§ 99 Abs. 1).

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d) Teilurteil. Inkorrekte Teilurteile (§ 301) - etwa über einen nicht teilurteilsfähigen Streitgegenstand oder über ein einzelnes Angriffs- oder Verteidigungsmittel sind ebenso wie korrekte Teilurteile anfechtbar 2 0 4 . Zu beachten ist, dass auch ein unzulässiges Teilurteil der vollen Rechtskraft fähig ist 2 0 5 und daher selbständig angegriffen werden muss.

197 198 159 200 201

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RG J W 1929, 101. BGH NJW 1989, 2 6 2 5 = VersR 1989, 818. RGZ 29, 403; RGZ 30, 342, 343. Vollkommer MDR 1992, 642. BGHZ 40, 2 6 5 = NJW 1964, 6 6 0 mit Anm. Johannsen LM § 91a ZPO Nr. 18 ; BGH MDR 1966, 232 = LM § 91a ZPO Nr. 23; BGH MDR 1959, 554 = LM § 511 ZPO Nr. 13; OLG Köln

202 203 204 205

NJW-RR 1997, 955; aA OLG München NJW 1957, 836 mit Anm. Pohlmann NJW 1957, 1197. BGH NJW 1966, 351 = MDR 1966, 232. BGH NJW 1968, 2 2 4 3 = MDR 1969, 44. RGZ 73, 87; RGZ 102, 174; RG J W 1938, 1416. BGH NJW 1996, 1061.

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Drittes Buch. Rechtsmittel

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e) Versäumnisurteil. Die Frage, ob ein Versäumnisurteil oder ein kontradiktori- 8 7 sches Urteil vorliegt, hängt nicht von seiner Bezeichnung, sondern vom Inhalt ab 2 0 6 . Ist die Entscheidung inkorrekt, weil Inhalt und Bezeichnung voneinander abweichen oder Zweifel bestehen, welche Urteilsform gewollt war, sind nach dem Meistbegünstigungsprinzip sowohl das Hauptrechtsmittel als auch der Einspruch zulässig. Dies ist z. B. der Fall, wenn ein unechtes Versäumnisurteil (§ 331 Abs. 1 S. 2 2. Alt.), eine Entscheidung nach Lage der Akten (§§ 251a, 331a) oder ein sonstiges kontradiktorisches Urteil als „Versäumnisurteil" bezeichnet wird. Dasselbe gilt, wenn ein technisch erstes Versäumnisurteil (§§ 330, 331 Abs. 1) unrichtig als „Zweites Versäumnisurteil" (§ 345) überschrieben wird 2 0 7 bzw. im umgekehrten Fall, also wenn nach Erlass eines ersten Versäumnisurteils versehentlich ein weiteres „erstes" Versäumnisurteil ergeht 2 0 8 . Voraussetzung ist allerdings stets, dass durch die inkorrekte Entscheidung eine Unsicherheit darüber entstanden ist, welcher Rechtsbehelf eingelegt werden muss. Wollte das Gericht eindeutig aufgrund der Säumnis entscheiden, handelt es sich auch dann um ein Versäumnisurteil, wenn es nicht als solches bezeichnet worden ist 209 . Dann ist nur der Einspruch gegeben. Das ist auch der Fall, wenn das Gericht lediglich die Voraussetzungen für ein Versäumnisurteil verkannt hat (z.B. bei einer fehlerhaften Anwendung von § 335 Abs. I) 210 . Übersieht das Gericht, dass die Voraussetzungen von § 345 vorliegen und erlässt es irrtümlich ein technisch erstes Versäumnisurteil, obwohl ein zweites Versäumnisurteil hätte ergehen müssen, ist ebenfalls der Einspruch möglich 211 . Zwar wäre gegen die korrekte Entscheidung nur die - den Beschränkungen des § 513 Abs. 2 unterliegende Berufung statthaft. Die Tatsache, dass in falscher Form entschieden wurde, darf aber auch hier nicht zu Lasten der Partei gehen. Wird ein inkorrektes Versäumnisurteil mit der Berufung angefochten, ist das 8 8 Verfahren wie nach einem Einspruch in der ersten Instanz fortzusetzen 212 . Das Berufungsgericht hat die Sache also zurückzuverweisen. Über die Frage, ob und in welchem Umfang das Versäumnisurteil aufrecht zu erhalten ist (§ 343), hat die untere Instanz zu entscheiden. Ist ein technisch zweites Versäumnisurteil ergangen, obwohl die Voraussetzungen des § 345 nicht vorlagen, weil nach Erlass des ersten Versäumnisurteils erneut streitig verhandelt worden war, ist die Entscheidung zu ändern und so zu fassen, wie sie richtig hätte lauten müssen. In diesem Fall kann das Berufungsgericht an Stelle des erstinstanzlichen Gerichts ein (weiteres technisch erstes) Versäumnisurteil erlassen und die Sache zum weiteren Verfahren zurückverweisen 213 . Liegt in Wahrheit ein kontradiktorisches Urteil vor und hat die beschwerte Partei Einspruch statt Berufung eingelegt, muss das erstinstanzliche Gericht die Sache dem Berufungsgericht vorgelegen 214 . f) Verwerfung eines Rechtsmittels. Will das Berufungsgericht über die Zulässigkeit der Berufung aufgrund mündlicher Verhandlung entscheiden, muss dies durch 206

207

208 209 210

BGH VersR 1 9 7 4 , 1 0 9 9 , 1100; BGH VersR 1976, 251; BGH NJW-RR 1995, 257; BGH NJW 1999, 583 = LM § 511 ZPO Nr. 62. BGH VersR 1984, 287; OLG Köln M D R 1969, 2 2 5 (Gericht entscheidet über Klage und Widerklage nacheinander durch Versäumnisurteil, wobei das zweite unrichtig als „zweites Versäumnisurteil bezeichnet wird). BGH MDR 1997, 495. BGH NJW-RR 1995, 257. BGH NJW 1994, 665 = M D R 1994, 199; OLG

211

2.2 2.3

214

Düsseldorf M D R 1985,1034; OLG Zweibrücken NJW-RR 1997, 1087. Vgl. den Fall in BGH NJW 1997, 1448, allerdings dort mit der Besonderheit, dass der Beklagte durch einen falschen Hinweis des Gerichts dazu veranlasst worden war, keinen Antrag zu stellen. OLG München FamRZ 1989, 1204, 1205. OLG Nürnberg OLGZ 1982, 447, 449; OLG Frankfurt NJW-RR 1992, 1468. MünchKomm-ZPO/Pr«rti'ng § 338, 9.

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89

Vor § 511

Drittes Buch. Rechtsmittel

Urteil geschehen (§ 5 2 2 Rdn. 27). Wird die Berufung gleichwohl durch Beschluss verworfen, ist hiergegen nur die Rechtsbeschwerde möglich (§§ 5 2 2 Abs. 1 S. 4, 574). Durch den Wegfall des § 5 4 7 a. F. kann ein derartiger Beschluss trotz der verfahrensfehlerhaften Handhabung nicht mehr mit der Revision angefochten werden. 90

g) Zwangsvollstreckung. Ist in den Fällen der §§ 769, 771 Abs. 3 erklärtermaßen eine „einstweilige Verfügung" (§ 940) auf Einstellung der Zwangsvollstreckung statt der gebotenen einstweiligen Anordnung erlassen worden, unterliegt diese Entscheidung sowohl der sofortigen Beschwerde (§ 793) als auch dem Widerspruch (§ 9 2 4 ) 2 1 J . Eine an sich nicht anfechtbare Anordnung nach § 7 0 7 (§ 7 0 7 Abs. 2 S. 2) kann mit dem Widerspruch angegriffen werden, wenn sie den gesetzlich zulässigen Rahmen überschreitet mit der Folge, dass es sich der Sache nach um eine einstweilige Verfügung (§ 940) handelt 2 1 6 .

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h) Zwischenurteil. Ein Zwischenurteil über den Grund des Anspruchs (§ 304) kann dadurch inkorrekt sein, dass hierin über weniger oder mehr als den Anspruchsgrund entschieden wird. Ein „zu wenig" liegt beispielsweise vor, wenn der Berufungsrichter die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Urteils nach § 538 Abs. 1 Nr. 4 an den Erstrichter zurückverweist, ohne selbst über den Grund zu befinden. Ein solches „Grundurteil" ist anfechtbar. Enthält ein Grundurteil ein „zu viel", weil hierin bereits Ausführungen zur Höhe des Anspruchs gemacht werden, ist allein wegen dieses Mangels eine Anfechtung nicht erforderlich. Denn dieser Teil der Entscheidung hat keine bindende Wirkung für das Betrags verfahren. Anders ist es dagegen, wenn das Gericht ein „Grundurteil" über einzelne Streitpunkte (Zulässigkeit der Klage oder sonstige prozessuale Fragen) erlässt. 2 1 7 Es unterliegt selbst dann, wenn es irrtümlich als „Grundurteil" bezeichnet ist, nur im Zusammenhang mit der Anfechtung des Schlussurteils der Nachprüfung des Rechtsmittelgerichts (§§ 512, 5 5 7 Abs. 2). Eine selbständige Anfechtung ist auch dann nicht möglich, wenn das Zwischenurteil unzulässig war, weil hiermit über einzelne Voraussetzungen des sachlichen Anspruchs entschieden worden ist (z. B. Aktiv- bzw. Passivlegitimation, Wirksamkeit eines Vertrags, Verjährung) 2 1 8 . Ein solches Zwischenurteil ist wirkungslos und bindet nicht für das weitere Verfahren. 6. Greifbare Gesetzeswidrigkeit

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Eine unstatthafte Berufung oder Revision wird nicht dadurch statthaft, dass sie auf schwere Verfahrens- oder materiellrechtliche Fehler der unteren Instanz gestützt wird. Die für die Beschwerde entwickelten Grundsätze 2 1 9 zur außerordentlichen Anfechtung einer „greifbar gesetzeswidrigen" Entscheidung lassen sich nicht auf das Urteilsverfahren übertragen 2 2 0 . Das gilt auch für den Fall, dass das Rechtsmittel damit begründet wird, die untere Instanz habe gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs verstoßen 2 2 1 (zur analogen Anwendung von § 514 Abs. 2 S. 2 für diesen Fall 2,5

216 217

2,8

28

O L G Karlsruhe M D R 1992, 808; aA R G Z 30, 394, das nur die sofortige Beschwerde zulassen will, während nach RG Gruch. 30, 432 u. 45, 379 nur der Widerspruch gegeben ist. Stein/Jonas/Gr««siy Einleitung III, 64. B G H Z 3, 244, 246 = N J W 1952, 25 mit Anm. Paulsen L M § 511 Nr. 2. RG J W 1932, 651; R G Z 72, 2 2 0 , 2 2 2 ; B G H Z 8, 383, 385 = N J W 1953, 7 0 2 mit krit. Anm. Tiedke, Z Z P 89 (1976), 64, 75; B G H N J W

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220

221

1994, 1652; Rosenberg/Schwab/Gottwald § 135, 2. B G H NJW-RR 1986, 738 = F a m R Z 1986, 150; B G H N J W 1990, 1795; B G H N J W 1993 1865; B G H Z 119, 3 7 2 = N J W 1993, 135. B G H N J W 1989, 2758 = VersR 1 9 8 9 , 1 0 6 5 ; Lötz N J W 1996, 2130, 2132; B G H N J W 1999, 290. BVerfG 60, 96, 98; BayObLG N J W 1988, 72; aA O L G Schleswig N J W 1988, 67; LG Frankfurt N J W 1987, 2591.

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1. Abschnitt. Berufung

§ 511

s. § 511, 4 u. § 514, 5, jeweils mit w. Nachw.). Allerdings hat das BVerfG 2 2 2 dem Gesetzgeber nunmehr aufgegeben, bis zum 3 1 . 1 2 . 2 0 0 4 eine Neuregelung zu schaffen, die es dem Instanzgericht gestattet, seine eigene Entscheidung zu korrigieren, wenn sie unter Verletzung des rechtlichen Gehörs zustande gekommen ist.

V. Berufungsgerichte Berufungsgericht gegen amtsgerichtliche Urteile in allgemeinen Zivilsachen ist das Landgericht, und zwar entweder die Zivilkammer (§ 7 2 GVG) oder die Kammer für Handelssachen (§ 94). Was Handelssachen sind, bestimmt § 95 GVG. Handelssachen können auch die Klage auf Duldung der Zwangsvollstreckung gegen den Ehegatten (§ 7 3 9 ) , die Vollstreckungsabwehrklagen (§§ 767, 7 6 8 , 785), die Klage auf Erteilung der Vollstreckungsklausel (§ 731) und die Klagen gemäß § 8 9 3 sein, sofern die ursprünglich verhandelte Sache Handelssache war. Im Fall des § 2 7 UWG geht die Berufung ebenfalls an die Kammer für Handelssachen. Will der Berufungskläger die Kammer für Handelssachen anrufen, muss der Antrag schon in der Berufungsschrift gestellt werden. In Urheberrechtsstreitsachen ist § 105 Abs. 1 UrhG zu beachten. Für Warenstreitsachen s. § 32 W Z G .

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Das Oberlandesgericht ist Berufungsgericht gegen die amtsgerichtlichen EntScheidungen in Ehe- und Familiensachen (§§ 2 3 a , 119 Abs. 1 Nr. 1 GVG) sowie in Binnenschiffahrts- und Rheinschiffahrtssachen (§ 11 Binnen- und RheinschiffahrtsverfahrensG 2 2 3 ). Im Übrigen ist das Oberlandesgericht Berufungsgericht gegen die landgerichtlichen Urteile (§ 119 Abs. 1 Nr. 3 GVG), gleichgültig, ob das Urteil von der Zivilkammer, der Kammer für Handelssachen, vom Kollegium oder vom Einzelrichter erlassen wurde. In Kartellsachen entscheidet gemäß §§ 9 3 , 94 G W B das gemeinsame Oberlandesgericht, sofern die Sachen ihm zugewiesen sind. Ebenso ist es in Baulandsachen (§ 2 2 9 Abs. 2 BauGB).

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VI. Kosten/Gebühren Zu den Anwalts- und Gerichtsgebühren im Berufungsverfahren s. § 511 Rdn. 114.

§511 Statthaftigkeit der Berufung (1) Die Berufung findet gegen die im ersten Rechtszug erlassenen Endurteile statt. (2) Die Berufung ist nur zulässig, wenn 1. der Wert des Beschwerdegegenstandes sechshundert Euro übersteigt oder 2. das Gericht des ersten Rechtszuges die Berufung im Urteil zugelassen hat. (3) Der Berufungskläger hat den Wert nach Absatz 2 Nr. 1 glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides statt darf er nicht zugelassen werden. (4) Das Gericht des ersten Rechtszuges lässt die Berufung zu, wenn 1. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder 2. die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert. Das Berufungsgericht ist an die Zulassung gebunden. 222

BVerfG NJW 2003, 1924.

223

BGBl. I 1952, 641.

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511

Drittes Buch. Rechtsmittel

Schrifttum Althammer „Beschwer" und „Beschwerdegegenstand" im reformierten Berufungsrecht gem. § 511 II Nrn. 1, 2 IV ZPO; Frank, Johann Anspruchsmehrheiten im Streitwertrecht, 1986; Jauerning Der BGH und die Beschwer im neuen Rechtsmittelrecht, NJW 2003, 465 ff. Übersicht Rdn I. Statthaftigkeit (Abs. 1) 1. Allgemeines 2. Endurteil a) Begriff b) Einzelheiten aa) Zwischenurteil bb) Versäumnisurteil cc) Kostenentscheidung . . . . dd) Vollstreckbarkeitserklärung 3. Entscheidung erster Instanz . . . . 4. Zeitliche Grenzen der Statthaftigkeit 5. Berufungskläger 6. Berufungsbeklagter 7. Verhältnis zu anderen Rechtsbehelfen II. Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 511 Abs. 2 1. Allgemeines 2. Wert des Beschwerdegegenstandes (Abs. 2 Nr. 1) a) Anwendungsbereich b) Beschwerdegegenstand aa) Berechnung bb) Festsetzung cc) Anfechtung c) Berechnungszeitpunkt d) Einzelfälle zur Wertberechnung aa) Antragserweiterung bb) Aufrechnung cc) Auskunft dd) Eigentumsstörung ee) Enteignung ff) Entschädigungsansprüche . . gg) Erledigung der Hauptsache

hh) ü) ii) kk) 11) mm nn) oo)

Ergänzungsurteil Grenzregelung Grunddienstbarkeit . . . . Grundurteil Hilfsantrag Kosten Kostensicherheit Künftige/wiederkehrende Leistungen PP) Miete/Pacht qq) Prozesstrennung/Verbindung rr) Prozessurteil/Zwischenurteil ss) Streitgenossen tt) Teil-/Schlussurteil uu) Unbezifferter Antrag vv) Urkundenherausgabe . . . ww) Urteilsberichtigung xx) Widerklage yy) Zinsen zz) Zurückbehaltungsrecht . . e) Glaubhaftmachung (Abs. 3) . . . . 3. Zulassung der Berufung (Abs. 2 Nr. 2, Abs. 4) a) Normzweck b) Grundsätzliche Bedeutung der Sache c) Zulassung zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (Abs. 2 Nr. 2) d) Zulassungsentscheidung e) Bindung des Berufungsgerichts an die Zulassung (Abs. 4 S. 2) . . . .

1 5 7 12 13 16 17 20 25 35 36

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43 47 49 53 55 58 60 65 68 69 70 71

III. Kosten/Gebühren

Rdn 73 74 75 76 77 78 79 80 81 84 86 87 89 92 94 95 96 100 102 103

105 106

107 108 112 114

I. Statthaftigkeit (Abs. 1) 1. Allgemeines Die Statthaftigkeit gehört zur Zulässigkeit der Berufung (§ 522 Abs. 1 S. 1). Sie unterscheidet sich von den übrigen Zulässigkeitsvoraussetzungen in der Rechtsfolge. Eine Entscheidung, gegen die ein Rechtsmittel nicht statthaft ist, wird mit ihrer Verk ü n d u n g rechtskräftig 1 . Fehlt es an einer anderen Zulässigkeitsvoraussetzung, tritt die Rechtskraft erst mit fruchtlosem Ablauf der Rechtsmittelfrist ein. Ein Rechtsmittel ist statthaft, wenn es vom Gesetz gegen eine Entscheidung dieser Art zugelassen wird, wenn die Entscheidung erlassen (existent geworden) ist und wenn es von dem dazu Berechtigten gegen den richtigen Gegner eingelegt worden ist. 1

Rosenberg/Schwab/G'oKüWd § 137 II 1; Blo-

meyer § 97. 30

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1. Abschnitt. Berufung

§511

Die Berufungs-(Erwachsenheits-)summe gehört nicht zur Statthaftigkeit. Die erst- 3 instanzliche Entscheidung wird daher auch dann erst mit Ablauf der Berufungsfrist rechtskräftig, wenn der gemäß § 511 Abs. 2 Nr. 1 erforderliche Wert des Beschwerdegegenstandes nicht erreicht werden kann (§ 705). Das Erfordernis, dass mit der Berufung zumindest in einem Punkt ein zulässiger Angriff geführt werden muss, ist ebenfalls nicht eine Frage der Statthaftigkeit. Die fehlende Statthaftigkeit kann nicht dadurch herbeigeführt werden, dass die 4 Berufung auf einen schwerwiegenden Verfahrensverstoß (z. B. Verletzung des rechtlichen Gehörs) oder einen anderen greifbaren Gesetzesverstoß 2 gestützt wird. § 321a Z P O enthält eine abschließende Sonderregelung dazu, unter welchen Voraussetzungen und in welcher Weise ein schwerwiegender Verfahrensverstoß des erstinstanzlichen Gerichts bei Unzulässigkeit der Berufung korrigiert werden kann. Die frühere Rechtsprechung 3 , die in diesen Fällen eine Berufung auch dann für zulässig erachtet hat, wenn der erforderliche Wert des Beschwerdegegenstandes nicht erreicht war, ist damit überholt 4 . 2. Endurteil a) Begriff. § 511 Abs. 1 beschränkt die Berufung auf Endurteile. Ein Endurteil 5 (§ 300) entscheidet über die Hauptsache ganz oder teilweise abschließend und beendet damit die Instanz. Hierzu gehören auch das Teilurteil (§ 301), das Vorbehaltsurteil (§§ 302, 599), das Ergänzungsurteil (einschließlich das den Ergänzungsantrag zurückweisende Urteil, § 321), das Zusatz-(Ergänzungs-)Urteil über den Eintritt einer Rechtsnachfolge, die Entscheidungen nach Aktenlage (§§ 251a, 331a), das Anerkenntnisurteil (§ 306) 5 und das Verzichtsurteil (§ 307). Zu den Endurteilen zählen ferner diejenigen Entscheidungen, welche die Instanz 6 aus verfahrensrechtlichen Gründen beenden. Dies sind die Klageabweisung wegen Fehlens einer Prozessbedingung; die Verwerfung des Einspruchs als unzulässig (§ 341 Abs. 1) oder als unbegründet (§ 345); die Entscheidung über die Wiedereinsetzung, wenn der Antrag zusammen mit der nachgeholten Prozesshandlung durch Urteil zurückgewiesen wird (§ 238 Abs. 2); die Entscheidung über die Einhaltung der Klagefristen der §§ 958, 1043; die Entlassungs- bzw. Entbindungsurteile der §§ 75 6 , 76 Abs. 4 S. 1, 77; die Verweisung eines Aufnahme-Prätendenten (§§ 239ff) aus dem Verfahren durch Urteil und die Zurückweisung des Rechtsnachfolgers (§§ 265, 2 6 6 7 ; zur Berufungsberechtigung des Rechtsnachfolgers s. Rdn. 27). b) Einzelheiten aa) Zwischenurteil. Zwischenurteile (§ 303) können, auch wenn ihr Erlass un- 7 zulässig w a r 8 , grundsätzlich nur zusammen mit dem Endurteil angefochten werden (S 512) 9 , wobei die Entscheidungen gemäß §§ 238 Abs. 3 , 2 6 8 1 0 , 406 Abs. 5 1. Alt., 513 Abs. 2 allerdings schlechthin unanfechtbar sind. 2

3

4

BGH VersR 1989, 2758; OLG Köln FamRZ 1992, 971. OLG Schleswig NJW 1988, 67; LG Frankfurt NJW 1987, 2591; LG Münster NJW-RR 1989, 381. Ablehnend BGH NJW 1990, 838, 839 u. 1795; BayObLG NJW 1988, 72; OLG Frankfurt MDR 1988, 503. S.a. BVerfG NJW 1991, 2622; offengeblieben in BVerfG NJW 1982, 1454. OLG Oldenburg NJW 2003, 149; aA offenbar LG Wiesbaden MDR 2002, 1212.

5 6 7 8

9 10

Zur Frage der Beschwer vgl. Vor § 511, 30. Rosenberg/Schwab/GoififtfM § 133 I 1 a. Beispiel in BGH NJW 1988, 3209. BGHZ 3, 244, 247; BGHZ 8, 383, 385; Tiedtke ZZP 89(1976), 64,74. BGHZ 102, 232 = NJW 1988, 1733. Zur Anfechtbarkeit eines Zwischenurteils des Berufungsgerichts über die Zulässigkeit eines Parteiwechsels auf der Beklagtenseite s. aber BGH NJW 1981, 989.

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§ 511

Drittes Buch. Rechtsmittel

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Ausnahmen bilden das Grundurteil (§ 3 0 4 Abs. 2 1. Halbs.) und das Zwischenurteil, mit dem die Zulässigkeit der Klage bejaht wird (§ 2 8 0 Abs. 2. S. 1; bei unzulässiger Klage kann kein Zwischenurteil ergehen, sie ist vielmehr durch Endurteil abzuweisen). Diese Entscheidungen stehen hinsichtlich der Anfechtung einem Endurteil gleich. Da hiermit abschließend über den Grund des Klageanspruchs bzw. die erhobenen Zulässigkeitsrügen entschieden wird und diese Urteile bei Rechtskraft auch die Rechtsmittelinstanz binden (§ 318), sind sie selbständig anfechtbar. Die Berufung ist allerdings nur dann zulässig, wenn ein bei gleicher Prozesslage ergangenes Endurteil ebenfalls angefochten werden könnte. Die Berufungssumme ( § 5 1 1 Abs. 2 Nr. 1) muss daher erreicht bzw. die Berufung muss zugelassen worden sein.

9

Beispiele für das Zwischenurteil gemäß § 2 8 0 sind das Urteil, mit dem die Einrede der mangelnden Prozesskostensicherheit (§ HO) 1 1 oder der Kostenerstattung (§ 2 6 9 Abs. 4) verworfen wird, mit dem die internationale Zuständigkeit bejaht wird 1 2 , das einen Parteiwechsel für zulässig erklärt 1 3 oder das die Zulässigkeit einer Wiederaufnahmeklage ausspricht 1 4 . Anders verhält es sich dagegen mit dem Zwischenurteil gemäß § 113 S. 1, das die Sicherheitsleistung anordnet 1 5 . Mit ihm wird noch nicht über die Zulässigkeit entschieden, wie es § 2 8 0 Abs. 1 voraussetzt. Es lässt sie vielmehr noch offen und ist daher nicht selbständig anfechtbar. Das Urteil, das die Klage mangels Sicherheitsleistung für zurückgenommen erklärt (§ 113 S. 2), ist dagegen (echtes) Endurteil und als solches anfechtbar 1 6 .

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Zwischenurteile gegen Dritte sieht das Gesetz in § 71 (Zulassung oder Zurückweisung einer Nebenintervention), § 135 (Rückgabe einer einem Rechtsanwalt ausgehändigten Urkunde), § 3 7 2 a (Verweigerung der Untersuchung zur Feststellung der Abstammung) sowie in §§ 387, 4 0 2 (Verweigerung des Zeugnisses oder der Begutachtung) vor. In diesen Fällen findet gegen das Zwischenurteil die sofortige Beschwerde statt. Gemäß § 5 6 7 Abs. 1 S. 1 können nur Zwischenurteile der Amtsund Landgerichte angefochten werden. Zwischenurteile der Oberlandesgerichte sind nicht anfechtbar.

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Soll ein Wiedereinsetzungsgesuch durch Urteil abgelehnt werden, muss dies durch Endurteil geschehen, in dem gleichzeitig über die Berufung zu entscheiden ist. Ergeht gleichwohl ein Zwischenurteil über das Wiedereinsetzungsgesuch, ist die Berufung gegeben, soweit sie auch gegen das Endurteil möglich wäre 1 7 . Wird das Wiedereinsetzungsgesuch durch Versäumnisurteil zurückgewiesen, ist nicht der Einspruch, sondern die Berufung nach Maßgabe von § 514 Abs. 2 statthaft (§ 2 3 8 Abs. 2 S. 2).

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bb) Versäumnisurteil. Gegen das Versäumnisurteil (technisch erstes Versäumnisurteil, §§ 3 3 0 , 331 Abs. 1, 2 S. 2 1. Halbsatz) und den Vollstreckungsbescheid ist nur der Einspruch gegeben (§§ 338, 700). Dies gilt aber nur für das echte Versäumnisurteil, das aufgrund der Säumnis gegen die nicht erschienene Partei ergeht (§§ 3 3 0 , 331). Das unechte Versäumnisurteil (Urteil, das gegen die erschienene Partei und trotz der Säumnis der Gegenpartei ergeht, § 331 Abs. 2 S. 2 2. Halbsatz) 11 12 13 14 15

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BGHZ 102, 232, 234 = NJW 1988, 1733. BGHZ 44, 46 = NJW 1965, 1666. BGH NJW 1981, 989 = MDR 1981, 386. BGH NJW 1979, 427 = MDR 1979, 297. BGHZ 102, 222 = NJW 1988, 1733; Dembarter MDR 1986, 186 ff; aA OLG Hamburg VersR 1979, 847; OLG Bremen NJW 1982, 2737; OLG Karlsruhe MDR 1986, 593.

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BGH LM ZPO § 547 Abs. 1 Ziff 1 Nr. 7. BGH 47, 289 = NJW 1967, 1566 mit Anm. Rietschel LM § 519 b ZPO Nr. 20; Wieczorek Anm. zu BAG AP § 300 ZPO Nr. 1; BGH NJW 1982, 184 = MDR 1982, 387.

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1. Abschnitt. Berufung

§511

ist ein Endurteil und nur mit der Berufung oder Revision anfechtbar. Gegen das technisch zweite Versäumnisurteil (§ 345), mit dem der Einspruch gegen ein technisch erstes Versäumnisurteil aufgrund der erneuten Säumnis des Einspruchsführers verworfen worden ist, ist die Berufung statthaft, soweit sie darauf gestützt wird, dass ein Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe (§ 514 Abs. 2 ) 1 8 . Bei einem gemischten Urteil - z.B. Teilversäumnisurteil gegen den Beklagten und im übrigen Klageabweisung durch unechtes Versäumnisurteil - ist hinsichtlich des auf der Säumnis beruhenden Teils der Einspruch und im Übrigen das auch sonst statthafte Rechtsmittel (Berufung oder Revision) gegeben 1 9 . Der bis dahin einheitliche Rechtsstreit fällt dann in zwei Verfahren auseinander. cc) Kostenentscheidung. Ist die Kostenentscheidung mit der Entscheidung über die Hauptsache verbunden, kann sie nicht isoliert angefochten werden (§ 99 Abs. 1). Zur Anfechtung der Kostenentscheidung durch eine Anschlussberufung 2 0 s. § 524 Rdn. 30. Hätte die Kostenentscheidung verfahrensrechtlich nicht ergehen dürfen, wendet man §§ 91a Abs. 2, 99 Abs. 2 analog an 2 1 . Darüber hinaus kann ein Urteil wegen der Kosten dann angefochten werden, wenn es über die Kostenverteilung gar nicht entscheidet 2 2 .

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Bei der „gemischten" Kostenentscheidung durch Urteil (nach Teilanerkenntnis, 1 4 Teilerledigung oder Teilrücknahme, §§ 91, § 9 1 a , 93, 269 Abs. 3 S. 2) ist einheitlich die Berufung gegeben 2 3 , soweit zugleich die Entscheidung in der Hauptsache angefochten wird. Richtet sich der Angriff lediglich gegen den Teil der Kostenentscheidung, der sich auf die Erledigung, die Rücknahme oder das Anerkenntnis bezieht, ist nur die sofortige Beschwerde gemäß §§ 9 1 a Abs. 2 S. 1, 99 Abs. 2 S. 1, 269 Abs. 5 S. 1 möglich 2 4 . Ist durch Schlussurteil nach vorangegangenem Teilurteil (§ 301) über die gesamten Kosten des Rechtsstreits entschieden worden, kann bei Anfechtung des Teilurteils Berufung gegen den Kostenausspruch im Schlussurteil eingelegt werden, ohne dass der übrige Teil des Schlussurteils angefochten werden m u s s 2 5 . § 99 Abs. 1 steht dem nicht entgegen. Denn die Kostenentscheidung ist in dem Umfang, wie sie sich auf das Teilurteil bezieht, ein untrennbarer Bestandteil der Entscheidung in der Hauptsache. Wird der auf Feststellung der Erledigung gerichtete Antrag des Klägers abgewiesen, handelt es sich um eine Entscheidung in der Hauptsache, so dass die Berufung gegeben ist 2 6 , auch wenn es dem Kläger letztlich nur um die Kosten geht. Das Verbot der isolierten Anfechtung kann nicht dadurch umgangen werden, dass die Hauptsache zum Schein angegriffen wird. Hat der Sachantrag keinen Sinn und besteht kein Zweifel, dass er nur deswegen gestellt wird, um eine Überprüfung der Kostenentscheidung herbeizuführen, ist die Berufung unstatthaft 2 7 . Die Missbrauchsabsicht muss aber evident sein.

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dd) Vollstreckbarkeitserklärung. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit kann mit der Berufung angegriffen werden. Die Berufung kann allein

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BGH NJW 1979, 166 = MDR 1979, 127. BGH NJW-RR 1986, 1326; BAG NJW 1966, 612. BGHZ 17, 392, 397. OLG Frankfurt NJW 1975, 742; LG Bonn NJW 1973, 1375; aA OLG Stuttgart NJW 1963, 1015 (nur sofortige Beschwerde möglich). BGH NJW 1959, 291. OLG Hamm NJW-RR 1987, 426, 427 mit ausf. Darst. des Meinungsstreits; KG MDR 1986, 241.

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BGHZ 40, 265, 269 = NJW 1964, 660; 113, 362, 365 = NJW 1991, 2020; BGH NJW 1967, 1131. BGHZ 29, 126 = NJW 1959, 578 mit Anm.

Johannsen LM § 546 ZPO Nr. 34.

BGHZ 57, 224 = NJW 1972, 112. RGZ 102, 290; BGH MDR 1968, 407,408 = LM § 99 ZPO Nr. 12; BGH NJW 1976, 1267.

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§511

Drittes Buch. Rechtsmittel

gegen den Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit gerichtet werden 2 8 . Die Revision ist dagegen ausgeschlossen (§ 718 Abs. 2) 2 9 . 3. Entscheidung erster Instanz 17

Statthaft ist die Berufung nur gegen erstinstanzliche Urteile, also die der Amts- und Landgerichte. Wird in der Berufungsinstanz ein neuer Anspruch geltend gemacht, sei es durch Klageänderung, Aufrechnung oder Erhebung einer Widerklage, wird der hierauf entfallende Teil des Urteils nicht zu einer erstinstanzlichen Entscheidung 3 0 . Dasselbe gilt, wenn vom Berufungs- bzw. Beschwerdegericht ein Arrest angeordnet oder eine einstweilige Verfügung erlassen wird, und zwar unabhängig davon, ob der Antrag vom erstinstanzlichen Gericht zurückgewiesen worden ist 31 oder ob die Entscheidung aufgrund eines erstmals in zweiter Instanz gestellten Antrags ergeht 32 . Dagegen führt eine Anfechtungsklage gemäß § 957 Abs. 2 zu einem erstinstanzlichen Verfahren, obwohl ein amtsgerichtliches Verfahren vorausgegangen ist.

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Das auf Einspruch gegen ein Versäumnisurteil oder einen Vollstreckungsbescheid ergehende Endurteil gehört zu derselben Instanz. Dies gilt sinngemäß für die bei Arresten und einstweiligen Verfügungen auf den Widerspruch ergehenden Urteile. 19 Nicht erstinstanzlich sind die ersten Entscheidungen über Wiederaufnahmeklagen, die in der Berufungs- oder Revisionsinstanz anhängig zu machen sind. In diesen Fällen ist (bei Zulässigkeit der Klage) das Berufungs- oder Revisionsverfahren fortzusetzen. 4. Zeitliche Grenzen der Statthaftigkeit 20

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Zeitliche Grenzen für die Statthaftigkeit ergeben sich daraus, dass die Berufung grundsätzlich erst nach Erlass des Urteils eingelegt werden kann. Erlassen im Sinne von § 318 ist das Urteil mit seiner Verkündung (§§ 310 Abs. 1, 311 Abs. 2) bzw. im Fall des § 310 Abs. 3 mit der Zustellung. Seit Inkrafttreten der Vereinfachungsnovelle 76 sind auch die Entscheidungen zu verkünden, die ohne mündliche Verhandlung ergehen (§ 128 Abs. 2 S. 2). Durch Zustellung kann die Verkündung nur bei den im schriftlichen Verfahren ergehenden Anerkenntnis- und Versäumnisurteilen ersetzt werden (§§ 307 Abs. 2 S. 1, 331 Abs. 3). Die schon vor Erlass der Entscheidung eingelegte Berufung wird nicht etwa von selbst statthaft, wenn die angreifbare Entscheidung ergeht. Vielmehr muss sie wiederholt werden. Das Urteil wird auch dann existent, wenn es bei der Verkündung nicht von allen Richtern unterschrieben ist. Dieser Mangel kann später behoben werden 3 3 . Das gleiche gilt, wenn der Verkündungstermin den Parteien nicht oder nicht ordnungsgemäß bekanntgemacht worden ist 3 4 . Geschieht die Verlautbarung dagegen unter Verstoß gegen die Mindestanforderungen, handelt es sich um ein Scheinurteil. Es besteht Einigkeit, dass hiergegen die Berufung möglich ist 3 5 , allerdings nur mit dem 28

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RG Gruch 56, 1050, 1052; RG JW 1912, 247; OLG Nürnberg NJW 1989, 842. RGZ 104, 303. BGH NJW-RR 1994, 61. Zu dem Sonderfall, dass die Berufungskammer den Rechtsstreit an eine erstinstanzliche Zivilkammer verwiesen hat s. RGZ 119, 379ff. RGZ 71, 24; OLG Hamm MDR 1987, 942. RG JW 1910, 153.

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BGHZ 18, 350, 354 = NJW 1955, 1919. BGHZ (GS) 14, 39, 48; aA BGHZ 10, 346 = NJW 1954, 34. RGZ 133, 215; 135, 118, 120; 148, 151, 154; BGHZ 10, 346, 349 = NJW 1954, 34; BGH NJW 1964, 2 4 8 = M D R 1964, 4 3 mit Anm. Jauernig NJW 1964, 722; BGH VersR 1984, 1192; BGH NJW 1995, 4 0 4 = VersR 1995, 190; BGH NJW 1996, 1969.

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1. Abschnitt. Berufung

Ziel, die Scheinwirkung zu beseitigen (Einzelheiten zum Schein- und Nichturteil s. Vor § 511 Rdn. 7 2 ff). Die Berufung kann nur zur Aufhebung und Zurückverweisung führen, weil das Scheinurteil keine Grundlage für eine Entscheidung in der Sache selbst bilden k a n n 3 6 . Streitig ist, ob die gegen ein Scheinurteil gerichtete Berufung zu wiederholen ist, wenn die Verkündung später wirksam vorgenommen wird 3 7 . Mit dem B G H 3 8 wird man aus Gründen der Prozessökonomie davon ausgehen müssen, dass in diesem Ausnahmefall die Berufung das erst später existent gewordene Urteil erfasst. Wird sie nach der Urteilszustellung vorsorglich erneut eingelegt, handelt es sich daher um die Wiederholung desselben Rechtsmittels, über das einheitlich zu erkennen i s t 3 9 , es sei denn, über die gegen das Scheinurteil eingelegte Berufung ist bereits entschieden worden 4 0 . Die vorstehenden Grundsätze gelten entsprechend, wenn mit dem angefochtenen Urteil ein Scheinurteil aufrecht erhalten wird, wie z. B. ein im schriftlichen Verfahren ergangenes Versäumnisurteil, das mangels Zustellung noch nicht existent geworden ist. Wird die Zustellung nachgeholt, erfasst der bereits in erster Instanz eingelegte Einspruch das erst später existent gewordene Urteil 4 1 .

22

Wird der Rechtsstreit nach Urteilserlass unterbrochen (§§ 2 3 9 f f ) , ist eine vor Aufnähme des Rechtsstreits eingelegte Berufung statthaft 4 2 , soweit das Prozessführungsrecht des Berufungsklägers unberührt geblieben ist 4 3 . Die Rechtsmittelinstanz wird eröffnet, jedoch wirken die Prozesshandlungen (noch) nicht gegenüber der anderen Partei und es ergeht keine Entscheidung.

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Im Allgemeinen bildet der Eintritt der Rechtskraft den Endzeitpunkt für die Statthaftigkeit der Berufung. Danach kommen nur noch diejenigen Rechtsbehelfe in Betracht, mit denen rechtskräftige Entscheidungen beseitigt werden können, nämlich die Wiederaufnahmeklage (Nichtigkeits- und Restitutionsklage) oder das Wiedereinsetzungsgesuch, das den Eintritt der Rechtskraft rückgängig machen soll.

24

5. Berufungskläger Die Berufung muss von einem dazu Berechtigten eingelegt worden sein. Als Berufungskläger kommen die Personen in Betracht, die am Streit der Vorinstanz beteiligt waren und gegen die sich das Urteil richtet. Dies sind in erster Linie die Parteien, unabhängig davon, ob sie von Anfang an beteiligt waren oder ob sie erst später im Laufe des Rechtsstreits als Rechtsnachfolger, durch einen gewillkürten Parteiwechsel oder durch einen Beitritt in den Prozess eingetreten sind.

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Die Parteistellung ergibt sich aus dem Urteil, im Fall des § 2 3 9 (Aufnahme des Rechtsstreits durch den Rechtsnachfolger nach Urteilsverkündung) auch aus dem von der ersten Instanz erlassenen Ergänzungsurteil. Bei unrichtiger Bezeichnung ist grundsätzlich diejenige Person Partei, die erkennbar mit der Parteibezeichnung gemeint ist 4 4 . Berufung kann auch die Person einlegen, die zwar im Urteil benannt,

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BGHZ 32, 370, 374 = NJW 1960, 1763; OLG Frankfurt NJW 1960, 1954 u. MDR 1991, 63 = FamRZ 1991, 900. Darstellung des Meinungsstreits bei Jauernig NJW 1964, 722. BGH NJW 1964, 248 = MDR 1964, 43 = LM § 511 ZPO Nr. 17; BGH NJW 1996, 1969, 1970. BGHZ 45, 380, 383 = NJW 1966, 1753; BGH VersR 1984, 1192. Vgl. BGH NJW 1968, 49 = VersR 1967, 1180.

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BGH NJW 1996, 1969 = MDR 1996, 735. RGZ 170, 1, 6; BGHZ 50, 397, 400 = NJW 1969, 48 = J Z 1969, 235 mit Anm. Grunsky, der auf den Schutzzweck von § 249 Abs. 2 abstellt; BayObLG 1973, 283, 286. S. BGHZ 36, 258 = NJW 1962, 589 (auch zur Aufnahmeerklärung als neue Einlegung des Rechtsmittels). BGHZ 4, 328, 332; BGH MDR 1978, 307.

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§511

Drittes Buch. Rechtsmittel

in Wahrheit aber am Prozessverhältnis nicht beteiligt ist (z. B. das Urteil ergeht gegen die Gesellschafter und nicht gegen die in Wahrheit verklagte Gesellschaft 4 5 ). Da das Urteil Rechtswirkungen gegen sie entfalten kann, ist sie von ihm betroffen 4 6 . 27

Wird ein Rechtsnachfolger durch Prozessurteil aus dem Prozess gewiesen, weil der Gegner die gemäß § 2 6 5 Abs. 2 S. 2 erforderliche Zustimmung verweigert hat, kann er Berufung einlegen 4 7 . Die Berufung kann allerdings nur das Ziel haben, den Prozess an Stelle des Rechtsvorgängers fortzusetzen. Denn das Urteil betrifft nicht die Hauptsache, sondern allein die Frage, ob ein Prozessrechtsverhältnis mit dem Rechtsnachfolger besteht 4 8 . Umgekehrt kann die Ablehnung der Entlassung aus dem Streit nur durch Zwischenurteil erfolgen, das nicht selbständig anfechtbar ist.

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Berufungsberechtigter ist weiter derjenige, der als Vertreter der beklagten Partei bezeichnet worden ist, soweit die Klage gegen ihn in seiner angeblichen Eigenschaft als Vertreter gerichtet ist und das Rechtsmittel dem Zweck dient, den Streit über die Vertretungsmacht auszutragen 4 9 .

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Soweit mehrere Streitgenossen beteiligt sind, ist der beschwerte Streitgenosse unabhängig von den übrigen zur Einlegung des Rechtsmittels berechtigt. Bei einfacher Streitgenossenschaft hindert die Einlegung des Rechtsmittels des einen Streitgenossen nicht den Eintritt der Rechtskraft gegenüber den anderen Streitgenossen, die ein Rechtsmittel nicht einlegen. Diese scheiden mit Ablauf der Berufungsfrist aus dem weiteren Prozessrechtsverhältnis aus. Anders ist es bei notwendiger Streitgenossenschaft (§ 62). Das Rechtsmittel eines notwendigen Streitgenossen wirkt auch für die übrigen, die kein Rechtsmittel eingelegt h a b e n 5 0 . Sie werden zwar nicht Berufungskläger, bleiben aber im Prozessverhältnis. Das Verhältnis ist hier ähnlich wie beim Streitgehilfen, der allein das Rechtsmittel (für die Partei) einlegt; auch hier bleibt die Partei im Prozessverhältnis, darf allerdings nicht mit den Rechtsmittelkosten belastet werden.

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Der Streithelfer kann für die Partei Berufung 5 1 bzw. Anschlussberufung 5 2 einlegen, es sei denn, sein Beitritt ist bereits rechtskräftig zurückgewiesen worden 5 3 . Maßgeblich ist die Beschwer der Partei, nicht die des Streithelfers 5 4 . Eine ausdrückliche Erklärung, dass die Berufung für die Hauptpartei eingelegt wird, ist nicht erforderlich. Liegt bereits eine Berufungsschrift der Partei vor, ist die Berufung des Streithelfers wie ein wiederholter Rechtsmittelschriftsatz der Partei zu behandeln 5 5 . Es handelt sich um eine einheitliche Berufung 5 6 . Die Berufung des Streithelfers erhält selbständige Bedeutung, wenn die der Partei zurückgenommen oder unzulässig wird, etwa bei Versäumung der Begründungsfrist. Die Frist für die Begründung seiner Berufung läuft erst mit ihrer Einlegung, nicht schon mit der bereits früher eingelegten Berufung der Partei 5 7 . 45 46 47 48 49

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OLG Braunschweig OLGE 1917, 145, 146. BGH MDR 1978, 307. BGH NJW 1988, 3209. BGH aaO; RGZ 46, 320, 322. RGZ 86, 340, 342; BGHZ 40, 197, 198 = NJW 1964, 203; LG München VersR 1971, 615. RGZ 157, 33, 39; BGHZ 23, 73, 74 = NJW 1957, 537. BGH NJW 1990, 190; RGZ 147, 125, 126 (es handelt sich um ein Rechtsmittel der Hauptpartei). RGZ 68, 10, 14.

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BGH NJW 1982, 2070 = MDR 1982, 650. BGH NJW 1981, 2061; BAG AP § 511 ZPO Nr. 1; OLG Köln NJW 1975, 2108 mit abl. Anm. von Gorski NJW 1976, 811. BGH NJW 1985, 2480 = MDR 1985, 751; NJW 1990, 190. BGH NJW 1982, 2069 = MDR 1982, 744; NJW 1988, 712 = MDR 1988, 44; 1989, 1357; BGH LM § 547 ZPO Nr. 3; aA Windel ZZP 104 (1991), 3 2 1 , 3 3 3 . BGH NJW 1985, 2480, 2481 = MDR 1985, 751.

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1. Abschnitt. Berufung

§511

Die Berufung des unselbständigen Streithelfers ist davon abhängig, dass ihr die Partei nicht widerspricht (§ 6 7 ) . Der Widerspruch kann ausdrücklich oder stillschweigend erklärt werden. Das Nichtausnützen der Begründungsfrist 5 8 und auch die ohne nähere Begründung erklärte Rücknahme des eigenen Rechtsmittels 5 9 ist noch nicht als Widerspruch anzusehen. Anders ist es aber, wenn gleichzeitig erklärt wird, man habe sich mit dem Gegner ohne Beteiligung des Streithelfers außergerichtlich geeinigt 6 0 . Das Rechtsmittel des Streithelfers wird durch den Widerspruch unstatthaft und kann gemäß § 5 2 2 Abs. 1 verworfen werden 6 1 . Der selbständige Streithelfer gilt als Streitgenosse (§ 69), so dass er auch gegen den Widerspruch der Hauptpartei Berufung einlegen k a n n 6 2 .

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Ein in der ersten Instanz Unbeteiligter kann das Rechtsmittel grundsätzlich nur nach Streitbeitritt einlegen ( § § 6 6 Abs. 2 , 7 0 Abs. 1), wozu auch der Fall des § 8 5 6 Abs. 2 gehört. Er kann Berufung und Beitritt miteinander verbinden 6 3 . Für den Beitritt genügt die Erklärung, dass die Berufung vom Streithelfer der unterstützten Partei eingelegt wird. Sind die Voraussetzungen für den Streitbeitritt nicht gegeben, kann eine am Prozess bisher nicht beteiligte Person auch dann nicht Berufung einlegen, wenn das Urteil ehrverletzende Aussagen über sie enthält 6 4 . Eine Ausnahme gilt für den Rechtsnachfolger einer Partei (§ 2 6 5 ) . Er kann mit der Berufung in den Prozess eintreten und ihn im eigenen Namen fortsetzen. Erforderlich ist aber, dass der Gegner zustimmt (§ 2 6 5 Abs. 2 S. 2). Die fehlende Zustimmung kann nicht durch eine Entscheidung des Berufungsgerichts, in der es die in dem Eintritt liegende Klageänderung für sachdienlich erklärt, ersetzt werden 6 5 . Die Zustimmung muss innerhalb der Berufungsfrist vorliegen. Fehlt sie, bleibt nur der Streitbeitritt nach §§ 6 6 , 7 0 6 6 . Z u m Fall, dass eine vom Prozessstandschafter eingelegte Berufung vom Rechtsträger fortgeführt wird s. § 5 3 3 Rdn. 7.

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Der Gesellschafter einer parteifähigen Gesellschaft kann nicht für die Gesellschaff Berufung einlegen oder umgekehrt, da es sich bei Gesellschaft und Gesellschafter um verschiedene Prozessparteien handelt 6 7 . In der Einlegung der Berufung ist in solchen Fällen aber in der Regel ein Streitbeitritt zu sehen. Das gilt auch bei der BGB-Außengesellschaft, der nach inzwischen gefestigter Auffassung Parteifähigkeit z u k o m m t 6 8 . Bei der BGB-Innengesellschaft sind für den Aktivprozess die Grundsätze der notwendigen Streitgenossenschaft 6 9 (Rdn. 2 9 ) anzuwenden. Die Berufung eines Mitgesellschafters wirkt auch für die anderen. Im Passivprozess liegt dann eine notwendige Streitgenossenschaft vor, wenn es um eine Gesamthandsschuld geht, also etwa auf Leistung aus dem Gesellschaftsvermögen 7 0 . Werden die Gesellschafter dagegen lediglich als Gesamtschuldner in Anspruch genommen (z. B. auf Zahlung einer Gesellschaftsschuld aus ihrem Privatvermögen), liegt eine einfache Streitgenos-

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BGHZ 49, 183, 188 = NJW 1968, 743; BGH NJW 1985, 2480 = MDR 1985, 751. BGHZ 76, 299, 302 = NJW 1980, 1693; BGH NJW 1985, 2480; BGH NJW 1989, 1357, 1358 = MDR 1989, 347; OLG Hamburg NJW 1989, 1362. BGH NJW 1988, 712 = MDR 1988, 44; vgl. auch Panile MDR 1988, 924. OLG Hamm FamRZ 1984, 810, 812 = OLGZ 1984, 338 ff. BGHZ 89, 121, 124 = NJW 1984, 353; BGHZ 92, 275 = NJW 1985, 386. RGZ 124, 142, 145; OLG Hamm FamRZ 1984, 810, 811 = OLGZ 1984, 338 ff.

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Erdsiek NJW 1962, 1047, 1049. BGH NJW 1996, 2799. Zur Frage, ob eine mit der Berufung eine Übernahme des Prozesses oder ein Streitbeitritt gewollt war, s. BGH NJW 1996, 2799. BGHZ 62, 132; BGHZ 64, 156. BGHZ 146, 341 = NJW 2001, 1056; BGHZ 151, 203 = NJW 2002, 1707; BGH NJW 2003, 1043 u. 1445, 1446; Schmidt NJW 2001, 993; Ulmer ZIP 2001, 585; Habersack BB 2001, 477. BGHZ 30, 197 (zur früheren Rechtslage, wonach eine Parteifähigkeit der BGB-Gesellschaft generell verneint wurde). RGRK-u Gamm § 714 BGB, 10.

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§511

Drittes Buch. Rechtsmittel

senschaft vor 7 1 . Dann scheiden die Gesellschafter, die nicht Berufung eingelegt haben, aus dem Prozessrechtsverhältnis aus. 34

Zur Berufungsberechtigung im weiteren Sinne gehört auch die Prozessfähigkeit. Ist der Berufungskläger prozessunfähig, ist sein Rechtsmittel grundsätzlich unzulässig. Wendet er sich aber dagegen, dass seine Prozessfähigkeit in erster Instanz zu Unrecht bejaht oder verneint worden ist, kann er wirksam Berufung einlegen, soweit er eine andere Beurteilung seiner Prozessfähigkeit erreichen will 7 2 . Denn wenn sein Rechtsmittel hieran scheitern würde, bliebe nur der Weg über die Nichtigkeitsklage (§ 5 7 9 Abs. 1 Nr. 4), um das Urteil zu beseitigen (s. Vor § 511 Rdn. 21). Nimmt es der in Wahrheit prozessunfähige Berufungskläger dagegen hin, dass in erster Instanz ein Sachurteil gegen ihn ergangen ist und erstrebt er mit der Berufung nur dessen inhaltliche Änderung, ist sein Rechtsmittel unzulässig, wenn das Berufungsgericht die Prozessunfähigkeit feststellt 73 . 6. Berufungsbeklagter

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Die Berufung kann nur gegen die andere Partei gerichtet werden, nicht aber gegen ihren (selbständigen oder unselbständigen) Streithelfer und ebenso wenig gegen einen Streitgenossen des Berufungsklägers 74 . Allerdings kann ein Streithelfer gegen die von ihm unterstützte Hauptpartei Berufung einlegen, wenn er damit zugleich einen Seitenwechsel vollzieht 75 . Bei der einfachen Streitgenossenschaft darf das Rechtsmittel gegen einen von mehreren Streitgenossen gerichtet werden. Die übrigen Streitgenossen scheiden dann aus dem Prozessverhältnis aus, und zwar mit der Folge, dass eine spätere, nach Fristablauf vorgenommene Ausdehnung des Rechtsmittels nicht gestattet ist. Dagegen ist ein Rechtsmittel gegen notwendige Streitgenossen nur zulässig, wenn es frist- und formgerecht gegen alle Streitgenossen eingelegt ist 7 6 . Denn gegenüber notwendigen Streitgenossen kann nur einheitlich entschieden werden. Dies ist nicht mehr möglich, wenn das Urteil zu Gunsten der übrigen Streitgenossen rechtskräftig geworden ist. 7. Verhältnis zu anderen Rechtsbehelfen

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Die Möglichkeit einer Berichtigung gemäß § 3 1 9 ZPO lässt das Rechtsschutzbedürfnis für die Berufung nicht entfallen. Kommt es zur Berichtigung, wirkt sie auf den Zeitpunkt der Verkündung zurück 7 7 . Entfällt hiermit die Beschwer, ist die Berufung als von vornherein unzulässig anzusehen (Vor § 511 Rdn. 4 4 ) 7 8 . Wird die Beschwer dadurch offenbar, beginnt der Lauf der Berufungsfrist erst mit der Zustellung des Berichtigungsbeschlusses 79 , da die Rückwirkung nicht 71 72

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Gottwald JA 1982, 69 mit w. Nachw. BGHZ 18, 184, 190; 24, 91, 94 = NJW 1957, 989; BGH LM § 57 ZPO Nr. 3; BGHZ 86, 184, 186 = NJW 1983, 996; BGHZ 110, 294, 296 = NJW 1990, 1734 mit Anm. Bork ZZP 103 (1990), 464, 468; BGH FamRZ 1972, 35 = VersR 1972, 97; BGH WM 1986, 145; BGH NJW-RR 1986, 1119. BGHZ 110, 294, 296 = NJW 1990, 1734. RGZ37, 376. RGZ 61, 286; BGHZ 18, 110 = NJW 1955, 1316 mit Anm. Pagendarm LM § 839 BGB C Nr. 17. BGHZ 23, 73, 74 = NJW 1957, 537 mit Anm. Johannsen LM § 62 ZPO Nr. 3.

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RGZ 29, 403, 406; BGHZ 89, 184 = NJW 1984, 1041. BGH NJW 1994, 2832; BayOLGZ 18 (1968), 190 (zur FGG-Beschwerde); gemäß RGZ 110, 427,429 wird die Berufung unbegründet; MünchKomm-ZPO/Rimmelspacher Rdn. 46 sieht hierin einen Fall der Erledigung des Rechtsmittels; ebenso LG Bochum ZZP 97 (1984), 215 mit Anm. Waldner. BGHZ 17, 149 mit Anm. Johannsen LM § 319 ZPO Nr. 2.

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1. Abschnitt. Berufung

§511

dazu führen darf, dass der Partei eine sonst mögliche Berufung abgeschnitten wird. Tritt bei einer Klage auf künftig fällig werdende wiederkehrende Leistungen nach 3 7 Schluss der mündlichen Verhandlung in erster Instanz eine wesentliche Änderung der Verhältnisse ein, kann das Abänderungsverlangen entweder im Wege der Berufung oder durch eine Klage gemäß § 323 geltend gemacht werden 8 0 . Ist allerdings bereits aus anderen Gründen Berufung eingelegt worden, muss das Abänderungsverlangen im anhängigen Berufungsverfahren durchgesetzt werden. Hat der Abänderungsberechtigte selbst Berufung eingelegt, kann er sein Rechtsmittel noch nach Ablauf der Begründungsfrist auf die neu hinzu gekommenen Gesichtspunkte erweitern (§ 520 Rdn. 65). Hat der Gegner das Urteil angefochten, muss das Abänderungsverlangen im Wege der Anschlussberufung geltend gemacht werden (s. hierzu § 524 Rdn. 7). Solange auf diesem Weg eine Erhöhung bzw. Ermäßigung durchgesetzt werden kann, ist eine Abänderungsklage unzulässig 81 . Ähnlich ist es bei der Vollstreckungsabwehrklage (§ 767). Der Schuldner hat die 3 8 Wahl zwischen Berufung und Vollstreckungsabwehrklage, wenn die Einwendungen gegen den im Urteil festgestellten Anspruch nach Schluss der mündlichen Verhandlung und noch vor Ablauf der Berufungsfrist entstanden sind 8 2 . Hat er aber Berufung eingelegt, fehlt das Rechtsschutzinteresse für eine Klage 83 , wobei allerdings zu prüfen ist, ob eine Aussetzung gemäß § 148 in Betracht kommt 8 4 . Umgekehrt kann bei erhobener Klage das Rechtsschutzinteresse für eine Berufung nicht verneint werden, weil bei einem Erfolg der Berufung der Titel rückwirkend beseitigt wird. Ein in erster Instanz unterlegener Verfügungsbeklagter kann das Urteil unab- 3 9 hängig davon, ob er die Aufhebung auch mit einem Antrag gemäß §§ 927, 936 erreichen könnte (Vor § 511 Rdn. 63), mit der Berufung anfechten. Das Rechtsschutzinteresse ergibt sich daraus, dass es sich hierbei um den weitergehenden Rechtsbehelf handelt 8S . Es besteht auch dann, wenn ein entsprechender Antrag bereits anhängig gemacht worden ist 86 . Belastet das Urteil beide Parteien und unterliegt nur eine von beiden mit einem 4 0 Betrag von mehr als 600 €, kann die Berufung in einen Konflikt mit dem Abhilfeverfahren gemäß § 321a kommen. Erhebt die Partei, für die das Urteil nicht berufungsfähig ist, eine begründete Rüge gemäß § 321 a, wird der Prozess gemäß § 321 a Abs. 5 S. 2 in die Lage zurückversetzt, in der er sich vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung befand. Er wird in diesem Stadium fortgeführt. Da das erstinstanzliche Gericht neu zu entscheiden hat, kann durch das zweite Urteil einer inzwischen eingelegten Berufung des Gegners die Grundlage entzogen werden. Tritt dieser Fall ein, bleibt dem Berufungskläger nur die Möglichkeit, sein Rechtsmittel für erledigt zu erklären.

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BGHZ 96, 205, 209 = NJW 1986, 383 = JR 1986, 331 mit Anm. Wax. BGHZ 96, 205, 209 = NJW 1986, 383 = JR 1986, 331 mit Anm. Wax; OLG Hamm FamRZ 1978, 446 u. 1980, 1126, 1127; aA OLG Oldenburg FamRZ 1980, 394; OLG Hamburg FamRZ 1984, 706, 707.

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OLG JurBüro 1983, 143; VGH Bad-Württ VB1BW 1985, 185. OLG Hamm ZIP 1993, 523. Stein/Jonas/Mänzfcerg § 767, 41. OLG Düsseldorf NJW-RR 1988, 188. OLG Hamm WRP 1980, 706, 707.

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Drittes Buch. Rechtsmittel

II. Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 511 Abs. 2 1. Allgemeines 41

Gemäß § § 5 1 1 Abs. 2 kommt die Berufung in zwei Fällen in Betracht, und zwar wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 6 0 0 € nicht übersteigt oder wenn das erstinstanzliche Gericht die Berufung in seinem Urteil zugelassen hat. Es handelt sich jeweils um eine selbständige Prozessfortsetzungsbedingung, die neben den sonstigen Zulässigkeitsvoraussetzungen erfüllt sein muss. Ursprünglich war die Berufung ohne Rücksicht auf eine Wertgrenze zulässig (also anfangs anders als bei der Revision). Die Berufungssumme ist mit der EntlVO 1915 8 7 eingeführt worden. Anlass war die Entlastung der während des 1. Weltkriegs unterbesetzten Gerichte. Sie ist beibehalten worden, um die Berufungsgerichte von Bagatellsachen freizuhalten. Der mit dem zweitinstanzlichen Verfahren verbundene Aufwand soll in einem angemessenen Verhältnis zur Bedeutung der Sache stehen. Unterhalb der Wertgrenze soll die unterlegene Partei auch ein falsches Urteil grundsätzlich hinnehmen. Die Berufungssumme galt ursprünglich nur für vermögensrechtliche Ansprüche. Diese Einschränkung hat der Gesetzgeber mit dem Gesetz zur Entlastung der Rechtspflege vom 11.1. 1 9 9 3 8 8 fallen gelassen. Gleichzeitig ist die Berufungssumme auf 1 5 0 0 , - D M angehoben worden. Seit dem 1 . 1 . 2 0 0 2 beträgt sie 6 0 0 , - €, und zwar in Angleichung an § 495 a. Der Gesetzgeber will damit die Zugangschancen für das Berufungsverfahren erweitern. Gleichzeitig ist durch das ZivilprozessreformG 8 9 in § 511 Abs. 2 Nr. 2 die Zulassungsberufung eingeführt worden. Damit soll dem Berufungskläger in Fällen von grundsätzlicher Bedeutung auch unterhalb des Bagatellwerts von 6 0 0 € der Z u g a n g zur Berufungsinstanz und damit mittelbar auch zur Revisionsinstanz eröffnet werden.

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Ist die Berufungssumme nicht erreicht und ist die Berufung auch nicht zugelassen worden, ist das Rechtsmittel unzulässig. Die Rechtskraft der Entscheidung tritt auch in diesem Fall nicht sofort, sondern erst mit Ablauf der Berufungsfrist ein 9 0 . D a s erstinstanzliche Gericht muss sein Urteil daher unabhängig von der Anfechtbarkeit für vorläufig vollstreckbar erklären (§§ 7 0 8 f f ) . Die Entscheidung darüber, ob der Wert des Beschwerdegegenstandes 6 0 0 € übersteigt, obliegt allein dem Berufungsgericht. 2. Wert des Beschwerdegenstandes (Abs. 2 Nr. 1)

43

a) Anwendungsbereich. Die N o r m gilt für alle Berufungen gegen amtsgerichtliche und landgerichtliche Urteile, auch soweit sie Arreste, einstweilige Verfügungen oder nur eine Prozessvoraussetzung betreffen.

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Richtet sich die Berufung gegen ein technisch zweites Versäumnisurteil (§ 345), ist § 511 Abs. 2 nicht anzuwenden (§ 514 Abs. 2 S. 2). Dasselbe gilt, wenn im schriftlichen Verfahren der gemäß § 128 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 2 zu bestimmende Zeitpunkt versäumt wurde. Die h. M . wendet in diesem Fall § 514 Abs. 2 analog an 9 1 . Denn die Entscheidung ähnelt einem Versäumnisurteil. Die Berufung ist daher 87 88 89 90

40

RGBl. 1915, 561. BGBl. I 1993, S. 49. BGBl. I 2001, 1887. BGHZ 4, 294 = NJW 1952, 425 mit Anm. Paulsen LM § 546 ZPO Nr. 7; BGHZ 44, 395, 398; GemS BGHZ 88, 353 = NJW 1984, 1027; BGH NJW-RR 1990, 323; KG VersR 1972, 352;

"

Stein/Jonas /Münzberg § 705, 3; aA Leppin MDR 1975, 899. Zu § 513 a. F. vgl. BVerfGE 60, 96, 99 = NJW 1982, 1454; 61, 119, 121 = NJW 1982, 2368; BVerfG NJW 1985, 2250; LG Frankfurt NJW 1985, 1171; LG Zweibrücken J Z 1989, 50, 51; Kramer NJW 1978, 1416; aA LG Bonn NJW

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1. Abschnitt. Berufung

§511

auch dann möglich, wenn einer der Gründe des § 511 Abs. 2 nicht vorliegt (vgl. § 514 Rdn. 24). Die Anschlussberufung ist kein Rechtsmittel, sondern (nur) ein auch angriffsweise wirkender Antrag innerhalb der gegnerischen Berufung (§ 5 2 4 Rdn. 5, 22). Sie hängt daher nicht davon ab, dass die Berufungssumme erreicht bzw. die Berufung zugelassen worden ist.

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Zum Verfahren vor den Schifffahrtsgerichten s. §§ 9, 17, 18d BinnenschifffahrtsG 9 2 ; zur Regelung in Arbeitsrechtssachen s. § 6 4 Abs. 2 ArbGG.

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b) Beschwerdegegenstand aa) Berechnung. Der Beschwerdegegenstand richtet sich zum einen nach der Beschwer, zum anderen nach dem Berufungsantrag. Seine Bestimmung erfolgt in zwei Schritten:

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Zunächst ist die Beschwer zu ermitteln (zum Begriff vgl. Vor § 511 Rdn. 2 3 ff). Für den Kläger geschieht dies durch Vergleich von erstinstanzlichem Antrag und Erkenntnis (formelle Beschwer) 9 3 . Maßgeblich ist der zuletzt gestellte Sachantrag. Bei Zweifeln über die Reichweite der Entscheidung (z. B. einem Zwischenurteil über den Grund) sind die Entscheidungsgründe zur Auslegung heranzuziehen 94 . Für den Beklagten ist die materielle Beschwer entscheidend, das heißt, inwieweit der in Rechtskraft erwachsende Inhalt der Entscheidung zu seinem Nachteil wirkt (Einzelheiten Vor § 511 Rdn. 2 9 ff) 9 5 . Sodann ist zu prüfen, ob der Berufungsantrag (§ 5 2 0 Abs. 3 S. 2 Nr. 1) die Beschwer ausschöpft oder hinter ihr zurückbleibt. Beschwerdegegenstand ist das durch den Berufungsantrag umschriebene Interesse an der Abänderung der angefochtenen Entscheidung. Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird - jedenfalls in den Fällen des § 3 - nach oben nicht durch den Streitgegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens begrenzt 9 6 . Die Berechnung geschieht nach §§ 3 - 9 (§ 2). Der Wert kann daher vom zweitinstanzlichen Streitwert abweichen (vgl. § § 8 ZPO, 41 Abs. 1 GKG oder § § 9 Z P O , 4 2 GKG). Die §§ 182 InsO, 2 4 7 Abs. 1 AktG sind entsprechend anwendbar 9 7 . Mehrere Ansprüche werden zusammengerechnet. Die Werte von Berufung und Anschlussberufung werden nicht addiert 9 8 .

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bb) Festsetzung. Der Wert ist vom Berufungsgericht nach freiem Ermessen festzusetzen. Das Interesse des Berufungsklägers am Erfolg des Rechtsmittels ist unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu bewerten 9 9 . Maßgeblich sind die Umstände des

49

92 93 94 95

1 9 8 5 , 1 1 7 0 = M D R 1 9 8 4 , 6 7 4 (das BVerfG, N J W 1 9 8 6 , 2 3 0 5 , hat die gegen diese Entscheidung gerichtete Verfassungsbeschwerde allerdings nicht angenommen). Z u m Fall, dass im schriftlichen Verfahren Vortrag als verspätet zurückgewiesen worden ist, vgl. LG Flensburg N J W - R R 1 9 9 0 , 127. BGBl 1 1 9 5 2 , 6 4 1 ; 1965, 389. BGH W M 1 9 8 3 , 1 3 2 0 . BGH W M 1 9 8 6 , 3 3 1 . B G H Z 2 6 , 2 9 5 , 2 9 6 = N J W 1958, 6 3 1 , 6 3 2 mit Anm. Gelhaar L M § 5 4 6 Z P O Nr. 3 0 ; B G H Z 4 8 , 212 = N J W 1967, 2 1 6 2 = N J W 1967, 2 1 6 2 mit Anm. Liesecke L M § 5 4 6 Z P O Nr. 6 0 .

96

97 98 99

B G H Z 124, 313 = N J W 1 9 9 4 , 7 3 5 = L M § 2 Z P O Nr. 9 mit Anm. Grunsky - offengelassen für den Fall, dass ein normativer Streitwert gilt; aA R G Z 4 7 , 4 2 0 , 4 2 3 ; R G Z 9 3 , 1 2 7 , 1 2 8 ; RG J W 1 9 3 0 , 2 7 0 4 , 2 7 0 5 ; RG Warn 1 9 4 0 Nr. 162; BGH N J W - R R 1 9 8 6 , 737. BGH W M 1983, 59, 6 0 . BGH N J W 1981, 5 7 8 , 5 7 9 . BGH L M § 3 Z P O Nr. 18 u. 4 7 ; B G H Z 57, 3 0 1 , 3 0 2 = N J W 1 9 7 2 , 2 5 7 ; BGH N J W - R R 1991, 5 0 9 ; BGH N J W 1 9 9 2 , 1513, 1514; BGH NJWRR 1996, 460.

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§511

Drittes Buch. Rechtsmittel

Einzelfalls. Wird im Wege der Feststellungsklage eine Forderung geltend gemacht, die einem Dritten zusteht, richtet sich die Beschwer nicht nach der Höhe der Forderung, sondern allein danach, welches Interesse der Kläger an der begehrten Entscheidung h a t 1 0 0 . Geht es um die Feststellung der Ersatzpflicht für einen künftigen Schaden, ist neben der Höhe der Forderung auch das Risiko zu berücksichtigen, ob der Beklagte später tatsächlich in Anspruch genommen wird 1 0 1 . Der Wert einer selbständigen Zinsforderung für ein Darlehen, das bis zur Rückzahlung zu verzinsen ist, richtet sich danach, welche Zinsen voraussichtlich anfallen werden 1 0 2 . Ist der Beklagte zu einer unvertretbaren Handlung verurteilt worden, kommt es auf den wirtschaftlichen Aufwand an, der zur Erfüllung erforderlich ist 1 0 3 . Wird der Beklagte durch die Entscheidung zur Hauptsache nur formal, nicht aber wirtschaftlich belastet, soll sich die Beschwer nach den auferlegten Kosten richten 1 0 4 . Das Interesse des Gegners bleibt außer Betracht 1 0 5 . 50

Der gemäß § 511 Abs. 2 Nr. 1 erforderliche Wert lässt sich nicht künstlich herstellen 1 0 6 . Eine von vornherein unzulässige bzw. unbegründete Feststellungsoder Zwischenfeststellungsklage ist bei der Berechnung unberücksichtigt zu lassen, wenn sie ersichtlich nur deswegen erhoben wurde, um den Wert über die Berufungssumme hinaus anzuheben 1 0 7 . Das gleiche gilt für eine im ersten Rechtszug erhobene Widerklage 1 0 8 (zur Wertberechnung bei Klage und Widerklage vgl. Rdn. 96). Voraussetzung ist allerdings, dass die Werterhöhung das alleinige Ziel war. Stehen hinter dem zusätzlichen Antrag auch berechtigte Belange, ist er zu berücksichtigen, selbst wenn die Werterhöhung im Vordergrund steht 1 0 9 .

51

D a s Berufungsgericht entscheidet über den Wert im Rahmen der von Amts wegen vorzunehmenden Zulässigkeitsprüfung (§ 5 2 2 Abs. I ) 1 1 0 . Eine vorangegangene Streitwertentscheidung hat nur kostenrechtliche Wirkung 1 1 1 und bindet insoweit nicht 1 1 2 , wie der Umkehrschluss aus § 6 2 G K G ergibt.

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D a s Berufungsgericht setzt den Wert nur dann fest, wenn hierzu Veranlassung besteht. Die Festsetzung kann im Schlussurteil, durch gesonderten Beschluss oder Zwischenurteil (§ 303) geschehen. Ist zweifelhaft, ob der Wert des Beschwerdegegenstandes die Berufungssumme erreicht, empfiehlt es sich, vorab hierüber zu entscheiden. Der Beschluss, mit dem der Wert auf einen unterhalb der Berufungssumme liegenden Betrag festgesetzt wird, gibt dem Berufungskläger Gelegenheit zur Rücknahme des Rechtsmittels und bereitet die Verwerfungsentscheidung (§ 522 Abs. 1 S. 2, 3) vor.

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cc) Anfechtung. Die Wertfestsetzung kann nur zusammen mit der Entscheidung über die Hauptsache angefochten werden, also mit der Revision (§ 547) bzw. im Fall des § 5 2 2 Abs. 1 mit der Rechtsbeschwerde. Die Festsetzung kann vom Revisionsgericht nur dahin überprüft werden, ob das Berufungsgericht die gesetzlichen Grenzen seines Ermessens überschritten oder ob es vom Ermessen in einer dem Zweck der 100 101

102 103 104 105 106

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Vgl. R G Z 160, 204, 214. B G H NJW-RR 1991, 509; zur Bewertung der Beschwer bei einem Feststellungsurteil s. auch B G H NJW-RR 1990, 1361. B G H N J W 1981, 2 3 6 0 = JurBüro 1981, 1490. B G H NJW-RR 1996, 460. B G H N J W 1992, 1513, 1514. R G Z 45, 402, 404. R G Z 97, 85; 139, 221; B G H N J W 1959, 724; B G H L M § 9 1 a Z P O Nr. 11.

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B G H N J W 1973, 370. R G Z 139, 221, 2 2 2 = J W 1933, 1129; R G Z 145, 46 = J W 1934, 2848. RG J W 1938, 822, 823; bedenklich insoweit LG Bonn N J W - R R 1995, 959. Z u m rechtlichen Gehör s. KG Rpfl. 1962, 161. O L G München VersR 1978, 975. B G H NJW-RR 1988, 837.

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1. Abschnitt. Berufung

Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat 113 . Ein Ermessensfehler kann insbesondere darin liegen, dass das Berufungsgericht die für die Wertberechnung maßgeblichen Tatsachen unter Verstoß gegen die Aufklärungspflicht nicht ermittelt oder nicht zur Kenntnis genommen hat 114 . Hat der Berufungskläger Zweifel, ob der Wert des Beschwerdegegenstandes 5 4 6 0 0 , - € übersteigt, kann er zunächst versuchen, über die Streitwertbeschwerde eine Entscheidung des Berufungsgerichts herbeizuführen 1 1 5 . Denn er läuft Gefahr, dass das Berufungsgericht mit seiner Wertfestsetzung unterhalb der Streitwertentscheidung der ersten Instanz oder der eigenen Bewertung bleibt. Dieses Risiko besteht insbesondere bei einem nichtvermögensrechtlichen Anspruch. Auch wenn die Entscheidung über die Streitwertbeschwerde hinsichtlich der Berufungssumme nicht bindet, so gibt sie doch einen Anhalt dafür, wie das Berufungsgericht den Anspruch einschätzt. c) Berechnungszeitpunkt. Es ist zu unterschieden zwischen der Beschwer und 5 5 dem Wert des Beschwerdegegenstandes. Die Beschwer durch das erstinstanzliche Urteil berechnet sich nach dem Wert im Zeitpunkt der Berufungseinlegung (§ 4) 116 . Danach eintretende Wertänderungen (z. B. Wechselkursänderungen, Wert einer herausverlangten Sache) können die Höhe der Beschwer nicht mehr beeinflussen 117 . Der Beschwerdegegenstand ergibt sich aus dem Berufungsantrag. Hiermit macht der Berufungskläger geltend, inwieweit er seine Beschwer bekämpfen will. Der Beschwerdegegenstand kann die Beschwer unterschreiten, und zwar, wenn der Berufungskläger einen Teil der erstinstanzlichen Entscheidung unangefochten lässt. Er kann aber nicht höher sein, auch wenn der Berufungskläger unter bestimmten Voraussetzungen seinen erstinstanzlichen Antrag erweitern und über die Beschwer hinaus einen weitergehenden Anspruch geltend machen kann (Einzelheiten s. Rdn. 58 f). Der Berufungsantrag ist erst in dem Augenblick zu bewerten, in dem er gestellt 5 6 wird, also in der mündlichen Verhandlung118 (bzw. im schriftlichen Verfahren in dem gemäß § 128 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 2 maßgeblichen Zeitpunkt). Kündigt der Berufungskläger in der Berufungsbegründung einen Antrag an, der die Berufungssumme nicht übersteigt, ist seine Berufung nicht schon aus diesem Grund unzulässig 119 . Ist seine Beschwer höher als die Berufungssumme, kann er den Antrag bis zur mündlichen Verhandlung erweitern 120 und damit die Berufung zulässig machen, es sei denn, er hat sie bereits bei Einlegung ausdrücklich auf einen bestimmten Teilbetrag beschränkt oder einen Rechtsmittelverzicht erklärt 121 . Kann die Berufungssumme noch erreicht werden, darf die Berufung vor der mündlichen Verhandlung 1,3

114 115

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BGH NJW 1982, 1765 = MDR 1982, 653; BGH NJW-RR 1993, 1027; BGH NJW 1994, 735 = LM § 2 ZPO Nr. 9 mit Anm. Grunsky. BGH WM 1991, 657. Allerdings kann über die Streitwertbeschwerde nicht eine Eröffnung der Berufungsinstanz erreicht werden, vgl. LG Freiburg NJW 1969, 700, 701. RGZ 118, 149, 150; RGZ 168, 355, 360; BGHZ 1, 29 mit Anm. Werthauer LM § 546 ZPO Nr. 1; BGH LM § 546 ZPO Nr. 50, 54; BGH LM § 511a ZPO Nr. 6; BGH NJW-RR 1988, 836, 837. BGH NJW 1981, 2360 = MDR 1982, 36.

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RGZ (GS) 168, 355, 360; BGHZ 1, 29 = NJW 1951, 195 mit Anm. Werthauer LM § 546 ZPO Nr. 1; BGH NJW 1966, 598; BGH NJW 1983, 1063 = JurBüro 1983, 217. BGH NJW 1961, 1115 = VersR 1961, 428; BGH NJW 1983, 1063 = JurBüro 1983, 217; BGH LM § 519 ZPO Nr. 41. RGZ 130, 229; BGHZ 12, 52, 67. RGZ 56, 31, 34; BGHZ 7,143,144 = NJW 1952, 1295; BGH NJW 1961, 1115 = VersR 1961, 428. Die eingeschränkte Fassung des Antrags stellt für sich allein noch keinen Rechtsmittelverzicht dar: BGH NJW 1981, 2360, 2361 = VersR 1981, 859 u. NJW 1985, 3079.

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§511

Drittes Buch. Rechtsmittel

nur dann als unzulässig verworfen werden, wenn der Berufungskläger nach einem rechtlichem Hinweis erklärt, er werde an dem eingeschränkten Antrag festhalten. Hierin ist dann ein Verzicht auf ein weitergehendes Rechtsmittel zu sehen. 57

Die Berufung bleibt auch bei Unterschreitung der Wertgrenze zulässig, wenn sich der Wert durch Umstände verringert, die nicht vom Willen des Berufungsklägers abhängen 1 2 2 . Der Gegner kann daher der Berufung nicht durch eine einseitige Handlung die Grundlage entziehen. Befriedigt er den Berufungskläger nach Einlegung des Rechtsmittels teilweise oder erkennt er den Anspruch zum Teil an und nötigt er ihn hierdurch zu einem Antrag, der die Berufungssumme nicht erreicht, bleibt die Berufung zulässig 1 2 3 . Das gilt selbst dann, wenn sich die Hauptsache vollständig erledigt und der Berufungskläger nur noch eine Änderung der erstinstanzlichen Kostenentscheidung begehrt 1 2 4 . Hat der Kläger in erster Instanz obsiegt und verzichtet er im Berufungsverfahren auf seinen Anspruch ganz oder zum Teil, so dass der Wert unter die Berufungssumme sinkt, kann der Beklagte seinen Berufungsantrag der veränderten Situation anpassen 1 2 5 . Hat sich der Beklagte im ersten Rechtszug erfolglos mit einem Zurückbehaltungsrecht verteidigt und ist er vorbehaltlos verurteilt worden, wird die Berufung nicht dadurch unzulässig, dass der Kläger während des Berufungsverfahrens die Gegenleistung erbringt 1 2 6 . Hat der Erstrichter dem Beklagten die Vornahme einer bestimmten Handlung verboten und endet das vom Beklagten angefochtene Verbot während des Berufungsverfahrens durch Zeitablauf, kann der Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt und Erlass einer Kostenentscheidung gemäß § 9 1 a beantragt werden, ohne dass das Rechtsmittel unzulässig wird 1 2 7 . d) Einzelfälle zur Wertberechnung

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aa) Antragserweiterung. Erreicht die Beschwer aus dem erstinstanzlichen Urteil die Berufungssumme nicht, kann die Zulässigkeit der Berufung nicht dadurch hergestellt werden, dass die Klageforderung erhöht wird 1 2 8 . Denn der Beschwerdegegenstand kann die Beschwer nicht überschreiten. Auf ein höheres Interesse des Gegners kann sich der Berufungskläger ebenso wenig berufen 1 2 9 . Eine auf die Kosten beschränkte (und damit unzulässige) Berufung kann nicht dadurch zulässig gemacht werden, dass sie auf die Hauptsache erstreckt wird 1 3 0 .

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Im Rahmen einer zulässigen Berufung kann der Antrag dagegen erweitert werden. Unter den Voraussetzungen der §§ 2 6 3 , 5 3 3 kann auch ein neuer Anspruch eingeführt werden 131 . Erforderlich ist allerdings, dass sich die Erweiterung im Rahmen der bisherigen Berufungsgründe hält und sich auf die Tatsachen stützt, die das Berufungsgericht seiner Entscheidung ohnehin zugrunde zu legen hat. Neue Gründe dürfen nicht nachgeschoben werden. Hat sich der Kläger z.B. bei einer unbeschränkt eingelegten Berufung in der Berufungsbegründung zunächst mit einer Mithaftungsquote von 1/2 begnügt und wird hierdurch die Berufungssumme nicht 122

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RGZ (GS) 168, 355, 360; BGHZ 1, 29 = NJW 1951, 195 mit Anm. Werthauer LM $ 546 ZPO Nr. 1; BGH NJW 1966, 598 = MDR 1966, 308. RGZ (GS) 168, 355, 360; OLG Frankfurt FamRZ 1988, 520 (zum Teilvergleich); aA noch RGZ 107, 53, 54; 139, 221. OLG Frankfurt NJW 1967, 1811. RGZ 5, 387; 165, 85, 87; RG JW 1897, 601 Nr. 1; OLG Frankfurt NJW 1967, 1811. BAG NJW 1957, 478.

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RGZ 165, 393, 395; RG JW 1925, 2768; BGH VersR 1983, 1160. BGHZ 23, 205 mit Anm. Oechßler LM § 7 ZPO Nr. 1; BGH MDR 1978, 213 = BB 1978, 429. RG JW 1926, 253. Zur Erweiterung oder Änderung der Klage in der Berufungsinstanz vgl. BGHZ 85, 140, 143 = NJW 1983, 172; BGH VersR 1965, 141.

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1. Abschnitt. Berufung

§511

erreicht, kann er den Beschwerdegegenstand durch Zugrundelegung einer anderen Haftungsquote erhöhen und hierdurch die drohende Verwerfung abwenden. Anders ist es dagegen, wenn im angefochtenen Urteil zwei selbständige Ansprüche abgewiesen worden sind, die jeweils für sich die Berufungssumme nicht erreichen. Beschäftigt sich die Berufungsbegründung nur mit einem dieser Ansprüche, kann der Beschwerdegegenstand nicht mehr dadurch erweitert werden, dass in der mündlichen Verhandlung der andere Anspruch einbezogen wird. bb) Aufrechnung. Bei der Aufrechnung wird der Wert des Beschwerdegegenstandes einerseits durch die Rechtskraftwirkung des § 322 Abs. 2 und andererseits dadurch bestimmt, ob es sich um einen Primär- oder Hilfseinwand handelt. Folgende Fälle sind zu unterscheiden:

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Wird der Klage stattgegeben, weil die Gegenforderung nicht besteht, kommt es 61 für den Wert darauf an, ob es sich bei der Aufrechnung um einen Primär- oder um einen Hilfseinwand handelt. Bei der Primäraufrechnung besteht die Beschwer des Beklagten unabhängig von der Rechtskraftwirkung des § 322 Abs. 2 lediglich in Höhe der Urteilssumme 132 . Denn wirtschaftlich geht es ihm nur um den Betrag, zu dessen Zahlung er verurteilt worden ist. Ficht der Beklagte das Urteil in voller Höhe an, ist der gemäß § 511 Abs. 2 Nr. 1 maßgebliche Wert des Beschwerdegenstandes ebenso hoch. Der Beklagte ist allerdings - wenn auch nur unter den Voraussetzungen des § 531 Abs. 2 - nicht gehindert, in zweiter Instanz Einwendungen gegen die Klageforderung vorzubringen und die Aufrechnung damit zu einem Hilfseinwand zu machen (§ 5 2 0 Abs. 3 S. 2 Nr. 4). Dann verdoppelt sich der Wert 1 3 3 . Da die Beschwer des Beklagten nicht davon abhängt, welchen Antrag er in der Vorinstanz gestellt bzw. mit welchem Einwand er sich dort verteidigt hat (hierzu Vor § 511, 2 9 ff), ist die Berufung in diesem Fall auch dann zulässig, wenn sich die Berufungssumme erst aus der Zusammenrechnung ergibt. Bei der Hilfsaufrechnung sind Klageforderung und Gegenforderung (bis zur Höhe der Klageforderung) zusammenzurechnen, soweit über die Gegenforderung eine der Rechtskraft fähige Entscheidung ergangen ist (§§ 322 Abs. 2 ZPO, § 45 Abs. 3 GKG) 1 3 4 . Der Beklagte ist doppelt beschwert, weil er mit seiner Verteidigung gegen die Klageforderung nicht durchgedrungen ist und daneben in Höhe der Verurteilung seine Gegenforderung verliert. Das gilt auch dann, wenn das erstinstanzliche Gericht über die Klageforderung (nur) durch Grundurteil entschieden und dabei das Bestehen der zur Aufrechnung gestellten Gegenforderung verneint hat. Denn auch in diesem Fall wird mit der Rechtskraft des Urteils das Nichtbestehen der Gegenforderung rechtskräftig festgestellt. Hat der Beklagte hilfsweise mit weiteren Forderungen aufgerechnet und sind sie ihm ebenfalls aberkannt worden, erhöht sich hierdurch die Beschwer 1 3 5 . Eine in negative Rechtskraft erwachsende Entscheidung über die Gegenforderung liegt dann nicht vor, wenn das Gericht die Aufrechnung - zu Recht oder zu Unrecht - gemäß § 3 9 0 S. 2 BGB für unzulässig erklärt hat 1 3 6 .

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BGHZ 57, 301 = BGH NJW 1972, 257; BGH NJW 1984, 371 = JurBüro 1984, 50; Mattern NJW 1969, 1087, 1088; Rosenberg/Schwab/ Gottwald § 136 II 4 a (1); aA Bettermann NJW 1972, 2285. So zutreffend Bettermann NJW 1972, 2285, 2286. BGHZ 48, 212 = NJW 1967, 2162 mit Anm.

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Liesecke LM § 546 ZPO Nr. 60; BGHZ 48, 356 = NJW 1968, 156 mit Anm. Mattern LM § 546 ZPO Nr. 62; BGHZ 59, 17, 20 = NJW 1972, 1235,1236; BGH WM 1977,416; BGH NJW-RR 1991, 127; BAG NJW 1974, 1264. BGH NJW-RR 1996, 828 = WM 1996, 1602. BGH MDR 1989, 992; BGH Report 2002, 42.

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§511

Drittes Buch. Rechtsmittel

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Dieselben Grundsätze gelten bei einer erfolglosen Vollstreckungsabwehrklage, die hilfsweise mit einer Aufrechnung gegen die titulierte Forderung begründet worden ist 1 3 7 .

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Wird der Klage stattgegeben, ohne dass im Sinne von § 3 2 2 Abs. 2 über die Aufrechnungsforderung entschieden worden ist, ist der Beklagte nur in Höhe der Urteilssumme beschwert, also wenn z. B. das erstinstanzliche Gericht ein Aufrechnungsverbot angenommen oder die Geltendmachung der Aufrechnung gemäß § 2 9 6 als verspätet zurückgewiesen hat 1 3 8 . Ebenso ist es, wenn die Entscheidung über die Zulässigkeit der Hilfsaufrechnung prozessordnungswidrig offengelassen worden ist, weil die Gegenforderung jedenfalls nicht besteht 1 3 9 . In diesen Fällen ist die Gegenforderung noch nicht verbraucht. Die Rechtskraftwirkung des § 3 2 2 Abs. 2 kann nur dann eintreten, wenn feststeht, dass die Entscheidung über die Klage auf der negativen Entscheidung über die Gegenforderung beruht 1 4 0 . Das ist der Fall, wenn der Vortrag zur Gegenforderung als unsubstantiiert (unschlüssig, unbegründet) bezeichnet worden ist und die Entscheidungsgründe keinen Anhaltspunkt dafür geben, dass die Aufrechnung etwa für unzulässig gehalten wurde 1 4 1 . Wird die Klage wegen begründeter Aufrechnung abgewiesen, sind beide Parteien beschwert. Der Beklagte ist hinsichtlich seiner Gegenforderung in dem Umfang beschwert, in dem die Klageforderung bejaht wurde 1 4 2 . Der Kläger ist unabhängig davon, ob die Klageforderung verneint oder die Aufrechnung für begründet erachtet wird, nur in Höhe der Klageforderung beschwert.

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Rechnet ein Bürge hilfsweise mit einer Gegenforderung des Hauptschuldners (entsprechend § 7 6 8 Abs. 1 S. 1 BGB) auf und wird er mit der Begründung verurteilt, die Gegenforderung bestehe nicht, erhöht sich der Wert seiner Beschwer um den Wert dieser Gegenforderung nicht 1 4 3 . Denn dem Bürgen ist sie nicht aberkannt worden.

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cc) Auskunft. Ist der Beklagte zur Erteilung einer Auskunft verurteilt worden, richtet sich der Wert des Beschwerdegegenstandes nach dem Interesse, die Auskunft nicht erteilen zu müssen 1 4 4 . Das gilt unabhängig davon, ob das Auskunftsverlangen isoliert oder in einer Stufenklage geltend gemacht wird 1 4 5 . Das Interesse, die nach Auskunftserteilung bezifferte Leistung nicht erbringen zu müssen, ist nicht maßgeblich, da das Urteil insoweit keine Rechtskraft entfaltet. Entscheidend ist der mit der Auskunft verbundene Zeit- und Arbeitsaufwand und eventuell ein Geheimhaltungsinteresse des Beklagten 1 4 6 , nicht aber ein Prozentsatz der Anspruchssumme. Fragen, die über den Tenor des Auskunftsurteils hinausgehen, bleiben außer Betracht 1 4 7 . Das Geheimhaltungsinteresse kann nicht damit begründet werden, dass bei Auskunftserteilung die Inanspruchnahme durch einen Dritten droht 1 4 8 . Für den Arbeits137

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BGHZ 48, 356, 360 = NJW 1968, 156; vgl. auch Mattern NJW 1969, 1087, 1093. BGH JurBüro 1974, 1249; weiteres Beispiel in BGH NJW 1988, 3210. BGH NJW 1988, 3210 = MDR 1988, 956. ZöWeTlVoltkommer § 322, 19. BGH NJW 1994,1538 = LM § 322 ZPO Nr. 137. RGZ 78, 398, 402; Bettermann NJW 1972, 2285, 2286; s. auch BGH NJW 2002, 900. BGH NJW 1973, 146 = LM § 546 ZPO Nr. 80. BGH NJW 1964, 2061; 1986, 1493; BGH NJWRR 1987, 198; 1988, 693; 1990, 1474; 1991, 325 u. 1532; 1992, 322 u. 697; 1993, 1468, 1994, 1740; BGH FamRZ 1996, 1543; OLG

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Köln VersR 1989, 162; aA KG NJW-RR 1988, 1214. BGH NJW 1997, 2528 = LM § 3 ZPO Nr. 91; BGH NJW 2000, 1724 = MDR 2000, 1028 (der Auskunftsanspruch ist auch dann allein maßgeblich, wenn das Urteil die Sache wegen des Zahlungsanspruchs an die erste Instanz zurückverweist). BGH FamRZ 1986, 796, 797; BGH NJW-RR 1994, 1271; BGHZ (GS) 128, 85 = NJW 1995, 664 = LM % 3 ZPO Nr. 88 mit Anm. Schneider; aA (Vorlagebeschluss) BGH NJW 1994, 1222. BGH NJW-RR 2001, 1571. BGH NJW 1997, 3246.

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1. Abschnitt. Berufung

§ 511

Zeitaufwand ist unter Umständen auf die Kosten abzustellen, die für eine Hilfskraft bei der Zusammenstellung der nötigten Unterlagen anfallen 1 4 9 . Das gilt insbesondere dann, wenn glaubhaft gemacht wird, dass die Auskunft nur nach Hinzuziehung einer Hilfskraft möglich ist 1 5 0 . Maßgeblich ist der Arbeitsaufwand, der zum Zeitpunkt der Berufungseinlegung zu leisten ist 151 . Das Interesse an der Vermeidung einer nachteiligen Kostenentscheidung bleibt bei der Berechnung außer Betracht, so dass der Wert des Beschwerdegegenstandes unter Umständen das Kosteninteresse unterschreiten kann 1 5 2 . Unterliegt der Kläger mit seiner Auskunftsklage, wird die Beschwer mit einem angemessenen Bruchteil des Wertes des Anspruchs bemessen, den er mit Hilfe der Auskunft verwirklichen möchte (s.a. § 3, Rdn. 183 „Auskunftsanspruch") 1 5 3 . Dem Unterliegen des Klägers steht es gleich, wenn der Beklagte zwar zur Erteilung der erstrebten Auskunft verurteilt worden ist, das Urteil aber nicht vollstreckt werden kann, weil eine Zug-um-Zug zu erbringende Gegenleistung nicht hinreichend bestimmt ist 154 . Wird der Auskunftsanspruch im Rahmen einer Stufenklage geltend gemacht und wird diese insgesamt abgewiesen, entscheidet der Wert des Zahlungsanspruchs 1 5 5 .

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Die vorstehenden Ausführungen können für die Verurteilung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung (§§ 259, 261 BGB) entsprechend herangezogen werden 1 5 6 .

67

dd) Eigentumsstörung. Wird eine Eigentumsstörung mit einer Klage auf Beseitigung oder Unterlassung geltend gemacht, richtet sich der Wert des Beschwerdegegenstandes allein nach dem Abwehrinteresse des Klägers. Auf die Nachteile, die dem Beklagten durch die Erfüllung des Anspruchs entstehen, k o m m t es nicht an, auch soweit es um seine Berufung geht. Das Interesse kann im Einzelfall den Streitwert übersteigen 1 5 7 .

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ee) Enteignung. Der Wert eines Rechtsmittels, das seitens des Enteigneten auf Zuweisung von Ersatzland statt einer Geldentschädigung oder seitens des Enteignungsbegünstigten auf Zubilligung einer Geldentschädigung statt einer Zuweisung von Ersatzland zielt, ist mit 20 % des Wertes der enteigneten Fläche zu bemessen, für die eine Abfindung in Land in Betracht k o m m t 1 5 8 . Das gleiche gilt sinngemäß, wenn die in einem Umlegungsbeschluss angeordnete Einbeziehung von Grundbesitz in ein Umlegungsverfahren angefochten wird 1 5 9 oder wenn ein Umlegungsplan angefochten werden soll, der teils eine Landabgabe für Verkehrszwecke, teils die Z u weisung einer anderen Grundstücksfläche sowie Ausgleichszahlungen vorsieht 1 6 0 .

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ff) Entschädigungsansprüche. Zu- oder aberkannte Entschädigungsansprüche, die im Prozess nach §§ 302 Abs. 4 S. 3, 600 Abs. 2, 717 Abs. 2 u. 3 erhoben werden,

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BGH NJW-RR 1994, 660; BGH M D R 2001, 7 0 9 (Steuerberater); zur Verurteilung auf Gewährung von Einsicht in auszusortierende Geschäftsunterlagen s. BGH M D R 2001, 710. BGH NJW 2 0 0 0 , 1284 (zur Rechnungslegung). BGH NJW-RR 2001, 1 5 7 1 , 1 5 7 2 . BGHZ (GS) 128, 85 = NJW 1995, 6 6 4 = LM § 3 ZPO Nr. 88 mit Anm. Schneider, aA BGH NJW 1992, 1513; BGH NJW 1994, 1740 = VersR 1994, 1005. BGH NJW-RR 1994, 1145 = LM § 511 a ZPO Nr. 35; BGHZ 128, 85, 89. BGH NJW 1993, 3206. BGH NJW-RR 1992, 1021.

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BGH NJW 1991, 1833; 1992, 2 0 2 0 ; BGH NJWRR 1991, 956 u. 1467, 1468; 1992, 450; BGH FamRZ 2001, 1213; zur Wertberechnung s. auch BGH NJW 2 0 0 0 , 2113 u. 3073. BGH NJW-RR 1986, 737 = LM § 3 ZPO Nr. 65; BGH NJW 1994, 735, 736 = LM § 2 ZPO Nr. 8 mit Anm. Grunsky; BGH NJW 1998, 2368. BGHZ 48, 2 0 0 = NJW 1967, 2308 mit Anm. Pagendarm LM $ 3 ZPO Nr. 32. BGHZ 49, 317 = NJW 1968, 890 mit Anm. Pagendarm LM § 3 ZPO Nr. 35. BGHZ 51, 341 = NJW 1969, 1114 mit Anm. Pagendarm LM § 3 ZPO Nr. 36.

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47

§511

Drittes Buch. Rechtsmittel

erhöhen die Beschwer nicht, soweit sie nicht über die vollstreckte Forderung hinausgehen 1 6 1 , und zwar unabhängig davon, ob sie im Wege eines sog. Inzidentantrags oder im Wege einer Widerklage verfolgt werden 1 6 2 . Dies gilt auch für die Zinsen und Kosten. Sie bleiben Nebenforderungen, obwohl sie Teil des Schadensersatzes sind 1 6 3 . Sind die Entschädigungsansprüche aber ausschließlicher Streitgegenstand geworden, berechnet sich die Berufungssumme allein hiernach. 71

gg) Erledigung der Hauptsache. Es ist zu unterscheiden zwischen einseitiger und übereinstimmender Erledigungserklärung. Soweit der Kläger den Rechtsstreit einseitig für erledigt erklärt, kann er gegen das seine Feststellungslage abweisende Urteil auch dann Berufung einlegen, wenn es ihm im Ergebnis nur um eine Abänderung der Kostenentscheidung geht 1 6 4 . Die Beschwer richtet (ebenso wie der Streitwert des weiteren Verfahrens 165 ) nur nach den bis dahin entstandenen Kosten 1 6 6 . Die Berufung gegen ein die Erledigung feststellendes oder ein den Feststellungsantrag abweisendes Urteil ist nur dann zulässig, wenn diese Kosten die Berufungssumme übersteigen. Die Höhe der Beschwer wird begrenzt durch den Wert der vorher verfolgten Hauptsache 1 6 7 . Bei übereinstimmender Erledigungserklärung kann es nur dann zur Berufung kommen, wenn sich die Erledigungserklärung auf einen Teil des Streitgegenstands beschränkt und zum Rest ein kontradiktorisches Urteil ergeht; denn sonst ist nur die sofortige Beschwerde gemäß § 91 a Abs. 2 S. 1 gegeben. Die Beschwer setzt sich in diesem Fall zusammen aus dem restlichen Teil der Hauptsache und den Kosten, die auf den für erledigt erklärten Teil entfallen 168 . § 4 Abs. 1 2. Halbs, steht dem nicht entgegen. Denn die Kosten sind mit der Erledigungserklärung zumindest wirtschaftlich zur Hauptsache geworden. Die Berufung ist auch dann gegeben, wenn mit ihr nur der Teil der Entscheidung angefochten wird, der sich auf die Erledigung bezieht 1 6 9 , sofern die Beschwer hieraus die Berufungssumme erreicht.

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Die gleichen Grundsätze gelten dann, wenn sich die Hauptsache zwischen den Instanzen erledigt (hierzu Vor § 511 Rdn. 49). Die Berufung ist grundsätzlich auch dann statthaft, wenn sie nur zu dem Zweck eingelegt wird, die Hauptsache für erledigt zu erklären und eine andere Kostenentscheidung zu erreichen 170 . Die Berufungssumme richtet sich in diesem Fall nach dem Kosteninteresse.

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hh) Ergänzungsurteil. Das Ergänzungsurteil (§ 321) ist hinsichtlich der Berufung (§ 518) grundsätzlich als selbständiges Urteil anzusehen 1 7 1 . Die Werte der Beschwer aus Haupt- und Ergänzungsurteil können daher nicht zusammengerechnet werden 172 . Etwas anderes gilt nur, wenn das Ergänzungsurteil nur die Kosten oder die vorläufige Vollstreckbarkeit betrifft. In diesem Fall erfasst die Anfechtung der Hauptentschei161 162

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BGHZ 43, 31, 33 = NJW 1965, 444. Zum Streitwert vgl. BGHZ 38, 237, 240; aA RGZ 124, 182, 185. BGHZ 38, 237, 240 = NJW 1963, 300, 301 (zum Streitwert); aA RGZ 63, 367, 369; 124, 182, 185; OLG Frankfurt NJW 1956, 1644. RGZ 102, 290, 292; RGZ 114, 230, 232; RG HRR 1932 Nr. 1239; BGHZ 57, 224, 228 = NJW 1972, 112. BGH NJW 1961, 1210 = MDR 1961, 587; BGH NJW 1969, 1173. BGH NJW 1958, 2016; 1961,1210 = MDR 1961, 587; BGH FamRZ 1984, 1029; NJW-RR 1988, 1465 u. 1990, 1474.

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BGH NJW-RR 1990, 1474. BGH NJW-RR 1988, 1465; OLG Düsseldorf MDR 1979, 676; OLG Koblenz AnwBl 1986, 541. AA BGH NJW 1962, 2252; OLG Bamberg JurBüro 1979, 894. RGZ 102, 290, 292; RGZ 114, 230, 232; HRR 1932 Nr. 1239; BGHZ 57, 224, 228 = NJW 1972,112. Vgl. OLG Düsseldorf OLGZ 1972, 39; OLG Hamm WRP 1984, 36, 37; OLG Hamburg VersR 1983, 1040 u. NJW-RR 1989, 570. BGH NJW 1980, 840 = VersR 1980, 263; BGH NJW 1984, 2687, 2689. RG HRR 1927, Nr. 1151.

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1. Abschnitt. Berufung

§511

dung die im Ergänzungsurteil nachgeschobene Kostenentscheidung bzw. den Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit 1 7 3 . ii) Grenzregelung. Der Wert eines Rechtsmittels, das sich gegen die Zulässigkeit einer Grenzregelung richtet, ist nach dem Wert der Teilfläche zu bestimmen, die der Rechtsmittelkläger im Wege des Flächenaustausches oder einer einseitigen Zuteilung an einen anderen Eigentümer verlieren soll 1 7 4 .

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jj) Grunddienstbarkeit. Bei einer Grunddienstbarkeit kann sich der Berufungskläger nicht auf das (eventuell höhere) Interesse des Gegners an der Aufrechterhaltung des Urteils, sondern nur auf sein eigenes wirtschaftliches Interesse an der Grunddienstbarkeit berufen 1 7 5 . § 7 findet daher keine Anwendung, auch wenn damit Streitwert und Rechtsmittelwert auseinanderfallen.

75

kk) Grundurteil. Maßgeblich ist, in welchem Umfang eine Bindungswirkung zu Lasten des Berufungsklägers für das Betragsverfahren eintritt. Hat der Erstrichter die Klageforderung (auch bei einer Teilklage) durch Grundurteil (§ 3 0 4 ) in Höhe einer bestimmten Quote dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt und im übrigen die Klage (durch Endurteil) abgewiesen, errechnet sich die Beschwer nach der zuoder aberkannten Quote für den in erster Instanz geltend gemachten Betrag 1 7 6 . Auf die Bindungswirkungen des Grundurteils kommt es auch dann an, wenn der Klage nur hinsichtlich einer abgeschwächten Anspruchsgrundlage stattgegeben wird. Wird z. B. die in erster Linie auf Vertrag gestützte Klage nur aus dem Gesichtspunkt der Bereicherung dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt, ist der Kläger in dem Umfang beschwert, wie sich der Beklagte im Betragsverfahren (voraussichtlich) auf Einwendungen nach § 818 Abs. 3 B G B berufen k a n n 1 7 7 . Z u r Beschwer, wenn im Grundurteil über eine zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung entschieden wird, s. Rdn. 6 0 ff.

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11) Hilfsantrag. Für den Beklagten bestimmt sich die Beschwer allein nach seinem Unterliegen, wobei unerheblich ist, ob die Verurteilung auf dem Haupt- oder dem Hilfsantrag des Klägers beruht.

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Für den Kläger gilt folgendes: Haupt- und Hilfsantrag sind zusammenzurechnen, soweit sie verschiedene Streitgegenstände betreffen und der Kläger mit beiden Anträgen abgewiesen worden ist 1 7 8 . Wird eine Vollstreckungsgegenklage neben anderen Einwendungen auch mit einer Aufrechnung begründet, ist der Kläger durch Abweisung der Klage sowohl in Höhe der titulierten Forderung als auch in Höhe der aberkannten Aufrechnungsforderung beschwert 1 7 9 . Gibt der Erstrichter der Klage mit dem Hilfsantrag ganz oder teilweise statt, ist der Kläger in Höhe des abgewiesenen Hauptantrags und nicht nur in Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen Hauptantrag und Urteilssumme beschwert 1 8 0 . Legt der Kläger seiner Klage mehrere Anträge (aus selbständigen Rechtsverhältnissen) in einem gestaffelten Hilfsverhältnis 173

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RGZ 151, 304, 310; Thomas/Putzo § 321, 3; aA BGHZ 29, 126, 127 = NJW 1959, 578 (getrennte Anfechtung nötig). BGHZ 50, 291 = NJW 1968, 2059 mit Anm. Pagendarm LM § 6 ZPO Nr. 12. BGHZ 23, 205 = NJW 1957, 790 mit Anm. Oechßler LM § 7 ZPO Nr. 1; ZöWerlHerget § 7, 4; aA RG JW 1930, 2704, 2705. Zu den verschiedenen Fallkonstellationen s. Wittmann NJW 1967, 2387.

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OLG Frankfurt NJW-RR 1987, 191. BGH NJW 1984, 371 = JurBüro 1984, 50; BGH NJW-RR 1994, 701. BGHZ 48, 356 = NJW 1968, 156 mit Anm. Mattern LM § 546 ZPO Nr. 62. BGHZ 26, 295, 297 = NJW 1958, 631 mit Anm. Gelhaar LM § 546 ZPO Nr. 30.

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§511

Drittes Buch. Rechtsmittel

zugrunde und weist das Erstgericht die Klage insgesamt ab, ist der Wert aller Forderungen zu addieren 181 . Begründet z . B . der Kläger seine Klage auf Zahlung von 1 0 0 0 , - € in erster Linie mit einem Kaufpreisanspruch und in zweiter Linie mit einem Schadensersatzanspruch, werden ihm beide Forderungen aberkannt. Seine Beschwer beträgt also 2 0 0 0 , - €. Anders ist es dagegen, wenn der Hauptantrag den Hilfsantrag umfasst. In diesem Fall besteht die Beschwer nur in der Differenz beider Anträge 1 8 2 . Wird der auf Zahlung von Schadensersatz gerichtete Hauptantrag abgewiesen, der Klage aber mit dem Hilfsantrag auf Feststellung der Ersatzpflicht stattgegeben, bemisst sich die Beschwer nach der wirtschaftlichen Wertdifferenz zwischen dem erzielten Feststellungsurteil und dem begehrten Leistungsurteil 183 . Das gleiche gilt, wenn der Kläger Schmerzensgeld in erster Linie in Form einer Rente und hilfsweise als Kapitalbetrag verlangt 1 8 4 (zum unbezifferten Antrag s. Rdn. 92). Wird die Berufung mit einem Haupt- und einem Hilfsantrag begründet, reicht es aus, wenn einer der Anträge die Berufungssumme erreicht 1 8 5 . 78

mm) Kosten. Zu- oder aberkannte Kosten, die vor Klagerhebung entstanden sind 1 8 6 und als Nebenforderungen geltend gemacht worden sind, erhöhen die Beschwer nicht (§ 4 Abs. 1 S. 2). Das gilt selbstverständlich auch für die Prozesskosten der ersten Instanz (zum Fall der Teilerledigung s. aber Rdn. 71). Eine Ausnahme ist nur in dem Fall zu machen, dass die unterlegene Partei durch die Entscheidung zur Hauptsache lediglich formal, nicht aber wirtschaftlich belastet ist. Dann muss sich die Beschwer an den Kosten orientieren, die der unterlegenen Partei im angefochtenen Urteil auferlegt worden sind 1 8 7 .

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nn) Kostensicherheit. Wird über die Einrede der mangelnden Kostensicherheit (§§ 110, 2 6 9 Abs. 6) durch Zwischenurteil entschieden, bestimmt sich die Beschwer nach der Hauptsache 1 8 8 . Denn hierbei handelt es sich um ein Verteidigungsmittel gegen die Klage selbst.

80

oo) Künftige/wiederkehrende Leistungen. Für wiederkehrende Leistungen gilt § 9. Er bestimmt auch den Rechtsmittelwert. Maßgeblich ist der dreieinhalbfache Wert des einjährigen Bezugs bzw. bei bestimmter Dauer der Gesamtbetrag der künftigen Bezüge, wenn er geringer ist. Rückstände, die bis zur Klageeinreichung aufgelaufen sind, sind hinzuzurechnen 1 8 9 . Die danach fällig werdenden wiederkehrenden Leistungen erhöhen den Wert aber nicht, auch soweit sie die Zeit zwischen Urteilserlass und Rechtsmitteleinlegung betreffen 1 9 0 .

81

pp) Miete/Pacht. Ist das Bestehen oder die Dauer eines Miet- oder Pachtverhältnisses streitig, ist nach § 8 die gesamte streitige Zeit zugrundezulegen. § 4 Abs. 1, wonach es für die Wertberechnung grundsätzlich auf den Zeitpunkt der Einlegung des Rechtsmittels ankommt, ist nicht maßgeblich 1 9 1 . Die „streitige Z e i t " beurteilt sich aus der Sicht der in erster Instanz unterlegenen Partei 1 9 2 .

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BGH WM 1983, 1320. S.a. BGHZ 26, 295 = NJW 1958, 631 mit Anm. Gelhaar LM § 546 ZPO Nr. 30. BGH LM § 3 ZPO Nr. 18; BGH NJW 1961, 1466, 1467. BGH NJW 1961, 1466, 1467 = MDR 1961, 588. Zur Beschwer in diesem Fall vgl. BGH MDR 1985, 40 = VersR 1984, 739. KG OLGZ 1979, 348.

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Hierzu s. RG JW 1931, 1035; RGZ 56, 256. BGH NJW 1992, 1513, 1514. RGZ 40, 416. RGZ 77, 324, 325. RGZ 23, 359, 363; BGH NJW 1960, 1459 = MDR 1960, 663. BGH NJW-RR 1992, 190; BGH LM § 4 ZPO Nr. 12. BGH NJW-RR 1992, 698.

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1. Abschnitt. Berufung

§511

Bei einem Räumungsanspruch aus einem Vertragsverhältnis von bestimmter Dauer richtet sich die Beschwer nach dem auf die Zeit zwischen Klageerhebung und vereinbartem Vertragsende entfallenden Kaltmiet- bzw. Pachtzins. Bei einem Vertrag von unbestimmter Dauer ist die Zeit im Sinne von § 8 gemäß § 3 nach freiem Ermessen zu bestimmen 1 9 3 . Als fiktives Vertragsende wird allgemein der Zeitpunkt angenommen, zu dem derjenige, der die längere Bestehenszeit behauptet, frühestens hätte kündigen k ö n n e n 1 9 4 . Geht es um die Feststellung, d a s s der Vertrag aufgrund einer Kündigung zu einem bestimmten Zeitpunkt beendet worden ist, beginnt die maßgebliche Zeit mit diesem Zeitpunkt und nicht erst mit Klageerhebung 1 9 5 . Im Fall des § 3 0 8 a berechnet sich die Beschwer des Vermieters nach dem Mietzins zwischen Urteilserlass und dem gerichtlich festgesetzten Vertragsende.

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Wird der Beklagte auf Z u s t i m m u n g zur Mieterhöhung in Anspruch genommen (§ 2 M H G ) , bemisst sich die Beschwer gemäß § 9 S. 1 nach dem dreieinhalbfachen Wert des einjährigen Bezuges (also dem 4 2 m o n a t i g e n Erhöhungsbetrag) 1 9 6 , es sei denn, die vereinbarte Mietzeit endet bereits früher; dann ist nur dieser Zeitraum maßgeblich. Ist der Vermieter zur Mängelbeseitigung verurteilt worden, richtet sich seine Beschwer nach dem dreieinhalbfachen Wert des Jahresbetrags der auf G r u n d des M a n g e l s gegebenen M i n d e r u n g 1 9 7 .

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qq) Prozesstrennung/Verbindung. H a t d a s erstinstanzliche Gericht mehrere in einer Klage erhobene Klageansprüche getrennt (§ 145 Abs. 1), entstehen selbständige Prozesse. Die Berufungssumme muss daher für jedes der Urteile erreicht sein 1 9 8 . Ist allerdings über die Ansprüche gemeinsam verhandelt und über die Trennung erst mit Urteilserlass entschieden worden, liegt in Wahrheit nur ein Prozess vor, so dass dann die Beschwer aus „ b e i d e n " Urteilen zusammenzurechnen i s t 1 9 9 . Denn eine Trennung allein zum Z w e c k der Urteilsfällung ist unzulässig.

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Werden mehrere Prozesse zur gemeinsamen Entscheidung miteinander verbunden (§ 147), entsteht wie bei der anfänglichen subjektiven oder objektiven Klagenh ä u f u n g ein einheitlicher Rechtsstreit. Geschieht dies nur für einen bestimmten Verfahrensabschnitt (z. B. für die Beweisaufnahme), handelt es sich allerdings nicht u m eine „ e c h t e " Verbindung im Sinne von § 147 2 0 0 . Die Verfahren bleiben dann selbständig, so d a s s für jede der Entscheidungen die Berufungssumme erreicht sein muss201.

85

rr) Prozessurteil/Zwischenurteil. Bei einem Prozessurteil entspricht der Beschwerdewert dem Wert der H a u p t s a c h e . Wird die Zulässigkeit der Klage durch Zwischenurteil bejaht (§ 2 8 0 Abs. 2 S. 1), ist der Beklagte nur dann beschwert, wenn er beantragt hatte, die Klage aus sachlichen Gründen abzuweisen. Die Beschwer bestimmt sich auch für ihn nach dem Klageantrag, da er sich nach Rechtsk r a f t des Zwischenurteils zur Sache selbst einlassen muss. Zur Einrede der mangelnden Kostensicherheit s. R d n . 79.

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ss) Streitgenossen. Bei Streitgenossen ist danach zu unterscheiden, ob es u m einen wirtschaftlich einheitlichen Streitgegenstand geht oder nicht. Soweit die Streit-

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1,3 194

155 196

R G Z 164, 325, 330. B G H M D R 1955, 731; B G H NJW-RR 1992, 1359; LG Bremen WuM 1992, 202. B G H N J W 1958, 1291 (zum Streitwert). BVerfG N J W 1996, 1531; LG Kiel M D R 1994, 834; aA LG Köln W M 1996, 716 mit kritischer Anm. Gärtner WuM 1997, 160.

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B G H N J W 2 0 0 0 , 3142; B G H NJW-RR 2003, 229. Z u m Fall, dass die Trennung aus sachfremden Erwägungen geschieht, BVerfG ZIP 1996, 1527. R G Z 49, 401, 402. B G H N J W 1957, 183. B G H N J W 1957, 183.

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51

§511

Drittes Buch. Rechtsmittel

genossen Gesamtschuldner (§ 4 2 6 BGB) oder Gesamtgläubiger (§ 4 2 8 BGB) bzw. Gesamthandsschuldner oder -gläubiger (§ 4 3 2 BGB) sind, deckt sich ihre Beschwer. Die Werte sind nicht zweimal zu rechnen 2 0 2 . Macht der Kläger einen einheitlichen Klageanspruch gegen mehrere Gesamtschuldner geltend, ist die Berufung gegen ein die Klage ganz oder teilweise abweisendes Urteil nur im Verhältnis zu dem Gesamtschuldner zulässig, dem gegenüber die Berufungssumme erreicht ist 2 0 3 . Unerheblich ist es dabei, ob einer der Gesamtschuldner erst nachträglich in Anspruch genommen worden ist 2 0 4 . Ein wirtschaftlich einheitlicher Gegenstand liegt z. B. auch dann vor, wenn der eine Streitgenosse auf Zahlung von Werklohn und der andere auf Einräumung einer Bauhandwerkersicherungshypothek (§ 648 BGB) 2 0 5 in Anspruch genommen wird, wenn sich die Klage auf Zahlung und zugleich auf Duldung der Zwangsvollstreckung richtet 2 0 6 oder wenn es um ein kassatorisches Gestaltungsurteil im Beschlussanfechtungs- bzw. Nichtigkeitsfeststellungsprozess einer GmbH geht 2 0 7 . 88

Geht es dagegen um mehrere (selbständige) Ansprüche, gilt § 5. Er betrifft sowohl die objektive als auch die subjektive Klagenhäufung (§§ 59ff). In diesen Fällen sind die Beschwerdegegenstände zusammenzurechnen 208 , unabhängig davon, ob die Streitgenossen auf der Kläger- 2 0 9 oder Beklagtenseite 210 stehen. Dem Streitgenossen, für den die Berufungssumme nicht erreicht ist, kommt daher der höhere Beschwerdegegenstand des anderen zugute 211 . Sie brauchen ihr Rechtsmittel nicht gemeinsamen einzulegen 212 . Nimmt aber ein Streitgenosse das Urteil hin, wird die gegen ihn eingelegte Berufung zurückgenommen oder scheidet ein Streitgenosse aus anderen Gründen (auch während des Rechtsmittelverfahrens) aus dem Prozess aus, hängt die Zulässigkeit der Berufung für oder gegen den übrigen Streitgenossen davon ab, ob die auf ihn entfallende Beschwer die Berufungssumme noch erreicht. Andernfalls ist bzw. wird die Berufung unzulässig 213 .

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tt) Teil-/Schlussurteil. Bei Aufteilung der Entscheidung in ein oder mehrere Teilurteile und ein Schlussurteil muss die Berufungssumme für jedes Urteil erreicht sein 214 . Dies gilt auch dann, wenn über beide Rechtsmittel gleichzeitig verhandelt und entschieden wird 215 . Eine Zusammenrechnung findet auch dann nicht statt, wenn Teil- und Schlussurteil in einem gewissen Abhängigkeitsverhältnis 202

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RGZ 116, 306, 309; BGH NJW-RR 1991, 186 = MDR 1991, 427. BGH NJW-RR 1991, 186; BGH NJW 1994, 2835, 2836; aA OLG Oldenburg NJW-RR 1993, 827. Vgl. OLG Koblenz AnwBl 1985, 203. OLG Köln DB 1974, 429. OLG Bremen Rpfleger 1957, 274. BGH MDR 2001, 1006 = WM 2001, 1271. RGZ 161, 350, 351; BGHZ 23, 333, 338; BGH LM § 5 ZPO Nr. 7; BGH NJW 1981, 578 = VersR 1981, 157; BGH NJW 1984, 927, 928 = MDR 1984, 33; BGHZ 105, 386, 388 = NJW 1989, 1038, 1039; BAG NJW 70, 1812; OLG Celle NdsRpfl 1969, 111. Beispiel: BGH NJW 1984, 927 = MDR 1984, 33; BGH NJW-RR 1989, 1206; BGH NJW-RR 1991, 186. BGHZ 23, 333, 338; BGH NJW 1981, 578 = VersR 1981, 157; OLG Celle NdsRpfl. 1969, 111.

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LG Köln VersR 1989,1160 mit Anm. Haarmann-, dies gilt aber nicht, wenn einer der Streitgenossen nur im Kostenpunkt beschwert ist (§ 99 Abs. 1), OLG Köln VersR 1973, 641. Hussla DRiZ 70, 389; RG JW 1911, 817 (Nr. 31). RGZ 161, 350, 352; BGH LM § 546 ZPO Nr. 50 = BGH NJW 1965, 761; aA Steinl)onaslGrunsky Allg. Einl. vor § 511, 33. RGZ 163,252; BGHZ 29,126, 128 = NJW 1959, 578; BGH NJW 1977, 1152 = MDR 1977, 658; BGH VersR 1983, 1082; BGH NJW 1987, 2997; BGH 1989, 2757 = MDR 1989, 903; BGH NJW 1996, 3216 = MDR 1996, 1176; BGH NJW 1998, 686. RGZ 17, 45, 47; RG DR 1940, 1147; einschränkend für den Fall, dass die in der unteren Instanz vorgenommene Trennung willkürlich war BGH NJW 1995, 3120 u. NJW 1996, 3216 = MDR 1996,1176; s. hierzu auch BGH NJW 2000, 217, 218.

Uwe Gerken

1. Abschnitt. Berufung

§511

stehen 2 1 6 (Beispiel: Das Teilurteil entscheidet über die Haftungsquote, die auch im Schlussurteil zugrunde gelegt wird). Die zulässige Berufung gegen ein Teilurteil ermöglicht nicht die Überprüfung der im Schlussurteil getroffenen Kostenentscheidung. Diese muss zusätzlich mit der Berufung angefochten werden 2 1 7 , die auch dann statthaft ist, wenn zur Hauptsache die Berufungssumme im Schlussurteil nicht erreicht 2 1 8 oder hierin nur über die Kosten entschieden worden ist 2 1 9 . Die Berufung gegen das Schlussurteil ergänzt dann die gegen das Teilurteil eingelegte Berufung. Nach Ansicht der Rechtsprechung soll die Kostenentscheidung allerdings dann nicht mehr angefochten werden können, wenn das Verfahren über das Teilurteil vor dem Rechtsmittelgericht bereits abgeschlossen i s t 2 2 0 . Hiergegen ist einzuwenden, dass die Anfechtbarkeit nicht davon abhängen darf, in welchem zeitlichen Ablauf das Berufungsgericht über die gegen das Teilurteil gerichtete Berufung entscheidet. Die Komplikation wird vermieden, wenn die untere Instanz zunächst den Ausgang des Berufungsverfahrens abwartet, bevor sie das Schlussurteil erlässt.

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Erlässt das Berufungsgericht ein Teilurteil, verliert der verbliebene Rest seine Berufungsfähigkeit nicht, auch wenn er die Berufungssumme nicht übersteigt 2 2 1 .

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uu) Unbezifferter Antrag. Bei einem unbezifferten Leistungsantrag - etwa auf Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes oder Ausgleichs nach § 8 9 b H G B hat der Kläger Angaben darüber zu machen, in welcher Höhe die Forderung nach seiner Auffassung in etwa berechtigt i s t 2 2 2 . Dies kann außerhalb des Antrags in der Begründung oder in einer gesonderten Erklärung geschehen 2 2 3 . Nur mit dieser M a ß gabe genügt der Klageantrag dem Bestimmtheitserfordernis (§ 2 5 3 Abs. 2 Nr. 2). Die Angabe bildet die untere Grenze für den Streitwert im ersten Rechtszug 2 2 4 . Hiernach richtet sich auch die Beschwer des Klägers. Die Berufung ist nur dann zulässig, wenn das Erstgericht mindestens in Höhe der Berufungssumme hinter dieser Betragsvorstellung zurückgeblieben i s t 2 2 5 . Hat es den bezeichneten Betrag zugesprochen, fehlt es grundsätzlich an einer Beschwer des Klägers 2 2 6 . Sie kann nicht dadurch hergestellt werden, dass der Kläger mit der Berufung seinen Mindestschaden höher beziffert 2 2 7 . Das gleiche gilt, wenn der Kläger im ersten Rechtszug keine

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BGH NJW 1987, 2997; BGH NJW 1989, 2757 = MDR 1989, 903. BGHZ 20, 253 = NJW 1956, 912; aA RG Warn 1908, Nr. 94. RG JW 1936, 2544; RGZ 163, 252, 253; BGHZ 19, 172, 174 = NJW 1956,182; BGHZ 20, 253 = NJW 1956, 912; BGHZ 29, 126 = NJW 1959, 578 mit Anm. Johannsen LM § 546 ZPO Nr. 34; BGH MDR 1961, 138 = LM § 99 ZPO Nr. 7; BGH NJW 1984, 495, 496 = MDR 1984, 222. OLG Frankfurt JurBüro 1981, 1732. So BGHZ 2 9 , 1 2 6 = NJW 1959, 578; BGH MDR 1961, 138 = LM S 99 ZPO Nr. 7; BGH WM 1977, 1428; LAG Hamm MDR 1972, 900; OLG Frankfurt MDR 1977, 143; Stein/JonasILeipoid § 99, 10. RGZ 165, 85, 88. BGH VersR 1977, 861 = MDR 1978, 44; BGH VersR 1979, 472 = MDR 1979, 748; BGH NJW 1982, 340; NJW 1992, 311. Die Bezifferung kann schon darin liegen, dass sich der Kläger die Streitwertfestsetzung des Gerichts stillschweigend

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zu eigen macht: BGH NJW 1984, 1807 = VersR 1984, 739; einschränkend KG NJW 1966, 259. BGH VersR 1970,1156; BGH NJW 1992,311,312. OLG Celle NJW 1977, 343. Zur Streitwertberechnung, wenn der Kläger einen höheren Betrag angibt, um die Größenordnung zu umschreiben, vgl. BGH VersR 1965, 48, 49; OLG Frankfurt MDR 1982, 674. BGHZ 45, 91 = NJW 1966, 780 mit Anm. Schneider LM § 511 ZPO Nr 20; BGH NJW 1970, 198; NJW 1971, 40; NJW 1993, 2875; NZV 1996, 194. Zum Fall, dass der Kläger seine Vorstellung im Verlauf des erstinstanzlichen Verfahrens erhöht, vgl. BGH VersR 1977, 861 = MDR 1978, 44; VersR 1983, 1161. BGH VersR 1974, 1182; 1983, 1160; BGH LM § 511 ZPO Nr. 25 = MDR 1970, 226; BGH VersR 1994, 71; BGHZ 132, 341, 350 = NJW 1996, 2425; BGH NJW 1999, 1339. BGH NJW 1982, 340 mit Anm. Gossmann J Z 1982, 157; OLG Oldenburg VersR 1979, 657; OLG Köln MDR 1988, 62.

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§511

Drittes Buch. Rechtsmittel

Betragsangaben gemacht hat. Ist es trotz dieses Verfahrensmangels zu einer Entscheidung in der Sache gekommen, kann er nicht mit Erfolg rügen, dass Erstgericht sei hinter seinen Vorstellungen zurückgeblieben 2 2 8 . Von diesem Grundsatz sind aber folgende Ausnahmen zu machen: Sieht das Erstgericht bestimmte anspruchserhöhende Tatsachen nicht als erwiesen an oder geht es im Gegensatz zum Kläger davon aus, dass ein Mitverschulden vorliegt, ist der Kläger auch dann beschwert, wenn der zugesprochene Betrag seinen Angaben entspricht 2 2 9 . Die Tatsache, dass das Mitverschulden lediglich einen Bewertungsfaktor beim einheitlich zu bemessenden Schmerzensgeld bildet und daher nicht quotenmäßig zu berücksichtigen ist, steht dem nicht entgegen. D a das Erstgericht bei einer anderen Beurteilung des Mitverschuldens über die Betragsvorstellung des Klägers hinausgegangen wäre, wird er durch die Berücksichtigung des Mitverschuldens belastet. Dies muss er mit der Berufung angreifen können. Ferner kann eine Beschwer dann nicht verneint werden, wenn die Festsetzung des Erstgerichts offensichtlich unangemessen i s t 2 3 0 . 93

Ein unbezifferter stellt werden 2 3 1 . Die dann zulässig, wenn erstrebt wird. Daher enthalten.

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vv) Urkundenherausgabe. Bei der Verurteilung zur Herausgabe eines Versicherungsscheins richtet sich die Beschwer des Beklagten nach seinem Interesse, den Schein nicht herausgeben zu müssen. Der wirtschaftliche Wert der Versicherungsleistung ist nicht maßgeblich 2 3 2 .

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ww) Urteilsberichtigung. Sinkt der Wert des Beschwerdegegenstandes durch eine Urteilsberichtigung (§ 319) unter die Berufungssumme, ist die Berufung als von vornherein unzulässig anzusehen 2 3 3 und zu verwerfen, wenn sie nicht zurückgenommen wird. D a die Berichtigung auf den Zeitpunkt der Urteilsverkündung zurückwirkt 2 3 4 , kann das Rechtsmittel nicht etwa auf Kosten des Gegners für erledigt erklärt werden 2 3 5 . Anwendbar ist § 21 G K G .

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x x ) Widerklage. Die Widerklage ist kein Verteidigungsmittel, sondern ein selbständiger Angriff. Hiermit wird ein eigenes Prozessrechtsverhältnis begründet. Werden Klage und Widerklage abgewiesen und legen beide Parteien Berufung ein, muss die Berufungssumme für jedes Rechtsmittel erreicht sein. Eine Zusammenrechnung findet nicht statt (§ 5 2. Halbs.) 2 3 6 . Anders ist es dagegen bei einer Teilabweisung. Ist der Berufungskläger sowohl zur Klage als auch zur Widerklage beschwert, sind die Werte zu addieren 2 3 7 . Dies folgt daraus, dass die Höhe der Berufungssumme 228

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Antrag kann auch zur Herabsetzung einer Vertragsstrafe geBerufung gegen ein die Klage abweisendes Urteil ist aber nur eine Herabsetzung wenigstens in Höhe der Berufungssumme muss die Berufungsbegründung Angaben zur Größenordnung

B G H Z 45, 91, 94 = NJW 1966, 780; B G H NJW 1982, 340. OLG Köln VersR 1993, 616; zum Streitwert in diesem Fall s. KG VersR 1969, 1120; aA BGH NJW 2002, 212, 213. B G H Z 45, 91, 94 = N J W 1966, 616. Beispiel hierzu in BGH N J W 1968, 1625; zum Berufungsantrag in diesem Fall vgl. O L G Düsseldorf VersR 1987, 203. BGH NJW-RR 1994, 758; BGH NJW-RR 2002, 573. BayOLGZ 18 (1968), 190 (zur FGG-Beschwerde);

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gemäß RGZ 110, 427, 429 wird die Berufung unbegründet. B G H Z 8 9 , 1 8 4 = N J W 1984, 1041. So für einen Sonderfall B G H Z 127, 74 = NJW 1994, 2834; aA LG Bochum Z Z P 97 (1984), 215 mit Anm. Waldner; Zöller/Vollkommer § 91a, 19 m. w. Nachw.; Rosenberg/Schwab/GottifaW § 132 IV. R G Z 7, 383, 388. R G Z aaO; LG Gießen NJW 1992, 2709; Frank S. 293; Oehlers NJW 1992, 1667; E. Schneider NJW 1992, 2680; Stein/Jonas/Grausi^ Rdn. 31;

Uwe Gerken

1. Abschnitt. Berufung

§511

stets für das Rechtsmittel im Ganzen und nicht für jeden Angriff besonders zu berechnen i s t 2 3 8 . Eine entsprechende Anwendung von § 5 1. Halbs, kommt nicht in Betracht. Es handelt sich um die gleiche Situation wie bei der objektiven Klagenhäufung. Die Berufung ist also auch dann gegeben, wenn die Beschwer aus Klage und Widerklage jeweils für sich die Berufungssumme nicht übersteigt. Die Zusammenrechnung ist grundsätzlich auch dann zulässig, wenn die Widerklage im ersten Rechtszug deswegen erhoben worden ist, um die Sache berufungsfähig zu machen239. Zusammen zu rechnen sind die Werte nur dann, wenn die Entscheidung über die Widerklage eine selbständige Beschwer schafft. Dies ist nicht der Fall, wenn sich die mit Klage und Widerklage geltend gemachten Ansprüche gegenseitig ausschließen, so dass die Zuerkennung des einen Anspruchs notwendig die Aberkennung des anderen Anspruchs bedingt 2 4 0 .

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Zum Fall, dass die Widerklage einen Entschädigungsanspruch nach §§ 3 0 2 Abs. 4 S. 3, 6 0 0 Abs. 2 , 717 Abs. 2 u. 3 zum Gegenstand hat, vgl. Rdn. 7 0 . Ist die Widerklage nur hilfsweise erhoben worden, ist ihr Wert dem der Klage nur dann hinzuzurechnen, wenn der Eventualfall in der ersten Instanz tatsächlich eingetreten ist 2 4 1 . Im Übrigen gelten insoweit die gleichen Grundsätze wie bei Hauptund Hilfsantrag (hierzu Rdn. 77).

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Für die Erhebung einer neuen Widerklage in der Berufungsinstanz gilt das gleiche wie für die Änderung der Klage. Sie ist nur im Rahmen einer bereits zulässigen Berufung und unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 5 3 3 möglich. Der Widerklageantrag bleibt für die Berechnung der Berufungssumme unberücksichtigt.

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yy) Zinsen. Zinsen bleiben außer Ansatz, soweit sie Nebenforderungen sind ( § 4 2. Halbsatz). Ihren Charakter als Nebenforderung verlieren sie nicht dadurch, dass sie als Kapitalbetrag zur Hauptsache geschlagen w e r d e n 2 4 2 . Das gleiche gilt für die auf die Zinsen entfallende Umsatzsteuer 2 4 3 .

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Die Zinsen sind dann wertrelevant, wenn sie selbst zur Hauptsache w e r d e n 2 4 4 . Das ist dann der Fall, wenn sie ohne die dazu gehörige Hauptforderung Beschwerdegegenstand s i n d 2 4 5 , also wenn über den Hauptanspruch durch Teilurteil und über die Zinsen durch Schlussurteil erkannt worden i s t 2 4 6 , wenn Zinsen auf einen bereits gezahlten Teil des Hauptanspruchs verlangt w e r d e n 2 4 7 oder wenn ein Urteil nur hinsichtlich der Zinsen angefochten w i r d 2 4 8 . Der Wert der Zinsforderung ist gemäß § 3 nach freiem Ermessen zu schätzen 2 4 9 . Die Beschwer aus dem erstinstanzlichen Urteil beschränkt sich nicht nur auf die bis zur Einlegung der Berufung aufgelaufenen Zin-

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unrichtig OLG Düsseldorf NJW 1992, 3246; LG Aachen MDR 1987, 853 u. NJW-RR 1990, 959 = MDR 1990, 451; LG Berlin NJW 1992, 2710; LG Memmingen NJW 1992, 2710; LG Tübingen NJW-RR 1992, 119; Glaremin NJW 1992,1146; zum Fall, dass sich die Widerklage gegen mehrere Streitgenossen richtet s. Rdn. 45, 46 - Beispiel hierzu in OLG Oldenburg NJW-RR 1993, 827. RGZ 7, 383, 388; RG JW 1929, 3161; BGH NJW 1994, 3292. RG JW 1938, 822. Vgl. RGZ 145, 164, 166; BGHZ 43, 31, 33 = NJW 1965, 444; BGH NJW-RR 1992, 1404 (zum Streitwert); BGH NJW 1994, 3292; LG Darmstadt MDR 1960, 503.

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BGH NJW 1973, 98 = LM § 5 ZPO Nr. 11. RG DJ 1935, 1742. BGH LM § 4 ZPO Nr. 19. RGZ 47, 256; 60, 112; RG JW 1927, 2803; RG HRR 1928, Nr. 180. RGZ 60, 112, 115. BGHZ 29, 126 = NJW 1959, 578 mit Anm. Johannsen LM § 546 ZPO Nr. 34. RGZ 60, 12; RG JW 1927, 2129; RG HRR 1932, Nr. 2195; BGHZ 26, 175, 177. RGZ 47, 256, 259; BGH NJW 1990, 2754; BGH NJW 1991, 639; OLG Schleswig SchIHA 1955, 362; OLG Brandenburg MDR 2001, 588. BGHZ 36, 144, 147 = NJW 1962, 583.

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§511

Drittes Buch. Rechtsmittel

sen. Abzustellen ist darauf, welche Zinsen bis zur Erfüllung der Hauptschuld voraussichtlich anfallen w e r d e n 2 5 0 . 102

zz) Zurückbehaltungsrecht. Wendet sich der Kläger in zweiter Instanz nur noch gegen eine Zug-um-Zug zu erbringende Gegenleistung, ist er in Höhe des Wertes der Gegenforderung beschwert 2 5 1 . Die Beschwer wird nach oben durch den Wert des Klageanspruchs begrenzt 2 5 2 . Sein Interesse an der Beseitigung des Vorbehalts ist nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu bemessen 2 5 3 . Der Beklagte kann bei Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts nur bis zur Höhe der Klageforderung beschwert sein. Die behauptete Gegenforderung ist nicht hinzuzurechnen, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob es zu einer Zug-um-Zug-Verurteilung gekommen ist oder nicht 2 5 4 . Wendet sich der Beklagte nur noch dagegen, dass sein Gegenrecht nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt worden ist, ist für seine Beschwer nur hierauf abzustellen 2 5 5 . Maßgeblich ist, welche wirtschaftliche Bedeutung die Gegenforderung im Verhältnis zur Hauptsache hat.

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e) Glaubhaftmachung (Abs. 3). Der Berufungskläger hat den Wert des Beschwerdegegenstandes glaubhaft zu machen. Da das Erreichen der Berufungssumme eine Prozessfortsetzungsbedingung ist, soll der Wert des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Beschwerdegegenstandes spätestens in der Berufungsbegründung angegeben werden (§ 5 2 0 Abs. 4 Nr. 1); es reicht aber aus, wenn dies vor der Entscheidung des Berufungsgerichts über die Zulässigkeit geschieht.

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Die Glaubhaftmachung erfolgt nach § 2 9 4 , jedoch wie in § 4 4 Abs. 2 S. 1 mit der Einschränkung, dass der Berufungskläger zur Versicherung an Eides statt nicht zugelassen wird. Aus § 2 9 4 Abs. 2 folgt, dass es zu einer Beweisaufnahme nur dann kommen kann, wenn das Berufungsgericht über den Wert des Beschwerdegegenstandes in mündlicher Verhandlung entscheidet und die Beweismittel gegenwärtig sind. Der Wert ist nach freiem Ermessen festzusetzen (§ 3). Dabei kann das Berufungsgericht den Wert auf der Grundlage seiner eigenen Sachkenntnis und Lebenserfahrung schätzen. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens wird regelmäßig nicht in Betracht k o m m e n 2 5 6 . 3. Zulassung der Berufung (Abs. 2 Nr. 2 , Abs. 4)

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a) Normzweck. Die Neuregelung in § 511 Abs. 4 orientiert sich an § 6 4 Abs. 3 A r b G G . M i t der Zulassung soll die Berufung unabhängig von einer Wertgrenze auch dann ermöglicht werden, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder wenn die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtssprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert. Damit wird mittelbar der Weg zum Bundesgerichtshof eröffnet. Wenn ab 1 . 1 . 2 0 0 7 die Übergangsweise in § 2 6 Nr. 8 E G Z P O eingeführte Wertgrenze von 2 0 0 0 0 , - € für die Nichtzulassungs250

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BGH NJW 1981, 1491 = MDR 1982, 36; OLG Köln NJW-RR 1993, 1215. RGZ 112, 209; 133, 288, 289; BGH NJW 1973, 654; BGH MDR 1985, 1022; BGH NJW-RR 1986, 1062 = MDR 1986, 1007; BGH NJW-RR 1991, 1083. RGZ 112, 209; 133, 288, 289; BGH NJW 1973, 654 = LM § 3 ZPO Nr. 47; NJW 1982,1049; KG OLGZ 1979, 348. BGH NJW 1973, 654, 655 = LM § 3 ZPO Nr. 47; einschränkend BGH NJW 1982, 1048, 1049.

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RGZ 140, 358, 360; BGH NJW-RR 1996, 828, 829 = WM 1996, 1602. BGH NJW 1973, 654; BGH NJW-RR 1986, 419; BGH NJW 1986, 1110 (Mängelbeseitigungskosten); NJW-RR 1991, 1083; NJW-RR 1995, 1340 = MDR 1995, 1162. RG HRR 1930 Nr. 1262; BGH NJW-RR 1998, 573.

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1. Abschnitt. Berufung

§511

beschwerde entfällt, können damit auch Bagatellstreitigkeiten unterhalb von 6 0 0 € zum B G H gebracht werden. b) Grundsätzliche Bedeutung der Sache. Die Regelung entspricht der in § 543 Abs. 2 Nr. 1. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Sache, wenn sie eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich voraussichtlich in einer Vielzahl anderer Fälle stellen wird und die bislang höchstrichterlich nicht oder nicht hinreichend geklärt ist 2 5 7 . Die Rechtsfrage muss über den Einzelfall hinausgehen und der Verallgemeinerung zugänglich sein. Erforderlich ist, dass unterschiedliche Auffassungen zu der Rechtsfrage vorliegen oder zu erwarten ist, dass sie sich in einer unbestimmten Zahl von Fällen erneut stellen wird. Erfasst werden sollen vor allem solche Verfahren, in denen die Entscheidung einer Einzelfrage die Rechtsentwicklung fördert. Neben solchen Rechtsfragen, die noch nicht höchstrichterlich geklärt sind, kommen Prozesse in Betracht, deren Auswirkungen die Interessen der Allgemeinheit in besonderem Maße berühren 2 5 8 oder die Modell- bzw. Mustercharakter haben, wie z.B. über die Auslegung von typischen Vertragsbestimmungen, die Anwendung von Formularverträgen oder von allgemeinen Geschäftsbedingungen. Eine Rechtssache hat weiter dann grundsätzliche Bedeutung, wenn ernstzunehmende Gegenstimmen in Rechtssprechung oder Schrifttum gegen eine höchstrichterliche Rechtssprechung erhoben werden. In diesem Fall kann mit der Zulassung der Gefahr eine Rechtserstarrung entgegengewirkt werden. Dagegen hat eine Sache noch nicht deswegen eine grundsätzliche Bedeutung, weil mehrere Streitigkeiten derselben Partei anhängig sind und hierzu divergierende Urteile vorliegen bzw. möglich erscheinen oder wenn ein größerer Personenkreis vom Ausgang des Rechtsstreits betroffen ist 2 5 9 . Geht es um auslaufendes oder früheres Recht, insbesondere Übergangsrecht, ist eine grundsätzliche Bedeutung in der Regel nicht gegeben, es sei denn, es sind noch mehrere vergleichbarer Fälle betroffen.

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c) Zulassung zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (Abs. 4 Nr. 2). Die Einführung des Zulassungsgrunds der Rechtsfortbildung entspricht der Neuregelung in § 543 Abs. 2 Nr. 2. Die Zulassung zur Fortbildung des Rechts ist dann geboten, wenn der zu entscheidende Rechtsstreit Veranlassung gibt, Leitsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts aufzustellen oder Gesetzeslücken auszufüllen 2 6 0 . Mit der Möglichkeit der Zulassung zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung soll vermieden werden, dass schwer erträgliche Unterschiede in der Rechtsprechung entstehen oder fortbestehen. Der Rechtsmittelzug soll damit für Sachen von allgemeiner Bedeutung offen gehalten werden, in denen eine höchstrichterliche Leitentscheidung erforderlich erscheint. Es kommt darauf an, dass die entschiedene Rechtsfrage über den Einzelfall hinausgeht und allgemeine Bedeutung hat. Gleichzeitig muss zu erwarten sein, dass sich die Rechtsfrage auch künftig in anderen Fällen vergleichbarer Art stellt. Zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ist die Berufung im Fall der Divergenz zuzulassen 2 6 1 . Das Urteil muss von der Entscheidung eines höherrangigen Gerichts, von einer gleichrangigen Entscheidung eines anderen Spruchkörpers desselben Gerichts oder von der Entscheidung eines anderen gleichgeordneten Gerichts abweichen. Eine solche Abweichung liegt

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BGH NJW 2002, 3029; BGH NJW 2003, 65, 67. BGH NJW 2003, 65. BGH NJW 1970, 1549; OLG Hamm FamRZ 1977, 318.

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BGHSt 24, 15, 21. BGH NJW 2002, 2473 = LM § 574 ZPO Nr. 3; BGH NJW 2002, 3029, 3030.

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§511

Drittes Buch. Rechtsmittel

nur vor, wenn dieselbe Rechtsfrage anders beantwortet wird als in der Vergleichsentscheidung. Sie muss einen Rechtssatz aufstellen, der einem die Entscheidung tragenden Rechtssatz der Vergleichsentscheidung widerspricht 2 6 2 . 108

d) Zulassungsentscheidung. Liegt einer der Fälle des § 511 Abs. 4 Nr. 1 oder 2 vor, muss das erstinstanzliche Gericht die Berufung zuzulassen. Ein Ermessensspielraum besteht nicht. Die Zulassung ist allerdings nur dann erforderlich, wenn die Berufungssumme nicht erreicht ist 2 6 3 . O b dies der Fall ist, steht bei Urteilserlass noch nicht fest. Denn dem erstinstanzlichen Gericht ist nicht bekannt, in welchem Umfang der Berufungskläger das Urteil angreifen wird. Daher muss strenggenommen jedes erstinstanzliche Urteil eine Entscheidung über die Zulassung enthalten. Dies entspricht allerdings nicht der Zweckrichtung des Gesetzgebers. M i t § 511 Abs. 4 soll die Berufung nur in den Fällen ermöglicht werden, in denen der Wert des Beschwerdegegenstandes nicht erreicht werden kann. Die Vorschrift ist daher einschränkend dahin auszulegen, dass eine Zulassungsentscheidung nur dann getroffen werden muss, wenn sonst eine Berufung nicht möglich ist, also bei einer Beschwer von nicht mehr als 6 0 0 , - € 2 6 4 .

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Die Zulassung kann auf einen Teil der Entscheidung beschränkt werden, und zwar auf einen tatsächlich und rechtlich abtrennbaren Teil des Gesamtsstreitstoffs, über den auch durch Teilurteil hätte entschieden werden können 2 6 5 . Bei mehreren Streitgegenständen kann die Beschränkung auf einen einzelnen Gegenstand erfolgen 2 6 6 . Die Zulassung kann sich ferner beschränken auf einen einzelnen Streitgenossen oder auf Klage bzw. Widerklage. Eine beschränkte Zulassung auf bestimmte Rechtsfragen (z. B. Mitverschulden) oder einzelne Angriffs- bzw. Verteidigungsmittel ist dagegen nicht gestattet. Sie widerspricht dem Charakter der Berufung.

110

Die Entscheidung über die Zulassung ergeht von Amts wegen. Eine Begründung ist nicht erforderlich. Anträge der Parteien auf Zulassung stellen lediglich eine Anregung an das Gericht dar. Wird ein entsprechender Antrag gestellt, muss er bei Verweigerung nicht ausdrücklich zurückgewiesen werden. Die Zulassung ist im Tenor auszusprechen. Eine Zulassung in den Entscheidungsgründen ist ebenfalls wirks a m 2 6 7 . Schweigen auch die Gründe, ist die Berufung nicht zugelassen, und zwar auch dann, wenn das Urteil nicht erkennen lässt, ob überhaupt eine Willensbildung über die Zulassung stattgefunden hat. Eine Anfechtung der Nichtzulassung ist nicht möglich.

111

Das erstinstanzliche Gericht kann sein Urteil unter den Voraussetzungen des § 319 berichtigen, wenn die Zulassung erklärt werden sollte, dies aber versehentlich nicht verlautbart worden ist. Zur Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen der Lauf der Berufungsfrist hiervon beeinflusst wird, s. § 517 Rdn. 16. Eine Ergänzungsentscheidung gemäß § 321 kommt hingegen nicht in B e t r a c h t 2 6 8 . Wird sie gleichwohl

262

263 264

265

58

BGHZ 89, 149, 151; BGH BGHReport 2002, 745, 746. Hierzu Althammer NJW 2003, 1079. Ebenso Jauerning NJW 2001, 3027; Musielak/ Ball Rdn. 40; aA Fälsch NJW 2002, 3758; Fischer NJW 2002, 1553; Greger NJW 2002, 3051. Anders insoweit Hannich/Meyer-Seitz/Engers, ZPO-Reform, wonach im Fall des § 511 Abs. 4 eine Beschränkung der Zulassung ausgeschlossen sein soll (S. 318); im Fall des gleichlautenden

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268

§ 543 Abs. 2 wird hingegen unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BGH eine beschränkte Zulassung für möglich gehalten (S. 370). Vgl. BGH NJW 1984, 614. Vergl. BVerfG NZA 1992, 383 u. BAG NZA 1996, 499 (jeweils zu § 64 Abs. 2 ArbGG). Vgl. zur vergleichbaren Situation bei der Revision BGHZ 44, 395; BGH NJW 1983, 928; OLG Saarbrücken NJW-RR 1980, 344; aA offenbar Stackmann NJW 2002, 782.

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1. Abschnitt. Berufung

§511

erlassen, ist sie unbeachtlich. Eine auf dieser Grundlage eingelegte Berufung ist unzulässig. e) Bindung des Berufungsgerichts an die Zulassung (Abs. 4 S. 2). Gemäß § 511 Abs. 4 S. 2 ist das Berufungsgericht an die Zulassung gebunden. Das gilt auch bei einem Rechtsirrtum über die Zulassungsvoraussetzungen 269 . Es kommt allein darauf an, ob die Zulassung erklärt worden ist. Die Begründung, die das erstinstanzliche Gericht hierfür gegeben hat, ist nicht maßgeblich. Das Berufungsgericht kann die Berufung daher nicht mit der Begründung als unzulässig verwerfen, das erstinstanzliche Gericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Zulassungsvoraussetzungen gegeben seien. Allerdings bleibt es dem Berufungsgericht trotz der Zulassung unbenommen, nach § 5 2 2 Abs. 2 zu verfahren und die Berufung durch Beschluss zurückzuweisen, sofern es im Gegensatz zum erstinstanzlichen Gericht zu der rechtlichen Feststellung gelangt, dass die Sache keine grundsätzliche Bedeutung hat und wenn die Berufung weiterhin auch keinen Erfolg verspricht. Die Zulassung durch das erstinstanzliche Gericht hat daher lediglich die Wirkung, dass die Zulässigkeitsvoraussetzung des § 511 Abs. 2 erfüllt wird. Weitere Bindungen entstehen hierdurch für das Berufungsgericht nicht.

112

Ist die Berufung nicht zugelassen, ist sie unterhalb der Wertgrenze des § 511 Abs. 2 Nr. 1 auch dann nicht möglich, wenn eigentlich einer der Zulassungsgründe des § 511 Abs. 4 vorliegt. Das Berufungsgericht hat insoweit keine Entscheidungskompetenz. Dies gilt auch für den Fall der Willkür. Die Parteien können sich daher mit der Rüge, das erstinstanzliche Gericht habe ein Verfahrensgrundrecht verletzt, den Berufungsrechtszug nicht eröffnen. Eine Entscheidung, gegen die nach der maßgeblichen Verfahrensordnung kein Rechtsmittel gegeben ist, ist grundsätzlich hinzunehmen. Dies gilt unabhängig davon, ob der Fehler in der Anwendung des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts liegt. Es besteht daher keine Veranlassung, die Berufung entgegen den Beschränkungen des § 511 Abs. 2 auch dann zuzulassen, wenn die erstinstanzliche Entscheidung unter Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG zustande gekommen ist. Das in diesem Zusammenhang angeführte, vom BVerfG begründete Prinzip der Selbstkontrolle der Fachgerichte 270 greift nur dort, wo die Verfahrensordnung ein Rechtsmittel ermöglicht.

113

III. Kosten/Gebühren Die Gerichtsgebühr beträgt gemäß GKG KV Nr. 1220 für das Verfahren im Allgemeinen das 4-fache des Tabellensatzes (Anlage 1 zum GKG). Die Gebühr wird fällig mit Einzug der unterschriebenen Rechtsmittelschrift bei Gericht, unabhängig davon, ob die Berufung zulässig ist (§ 6 GKG). Der Streitwert richtet sich nach den Anträgen des Berufungsklägers. Enthält die Berufungsschrift - wie üblich - noch keinen Antrag, kann die Gerichtsgebühr noch nicht erhoben werden, da der Streitwert nicht feststeht (§ 4 7 Abs. 1 S. 1 GKG). Fälligkeit tritt dann erst mit Einreichung der Begründungsschrift ein 2 7 1 . Unterbleibt die Begründung, bestimmt sich der Streitwert nach der Beschwer aus der erstinstanzlichen Entscheidung (§ 4 7 Abs. 1 S. 2 269

270

Zur Revision s. BGHZ 76, 305; BGH FamRZ 1980, 233. BVerfGE 49, 252, 258 = NJW 1979, 538; 63, 77, 79 = NJW 1983, 1900; 73, 322, 327 = NJW 1987, 1319.

271

OLG Schleswig JurBüro 1981, 406; OLG Hambürg JurBüro 1969, 752 (zu § 14 GKG a.F.).

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§ 512

Drittes Buch. Rechtsmittel

GKG). Wird die Berufung vor Einreichung der Begründungsschrift zurückgenommen, ermäßigt sich die Gebühr auf 1,0 (GKG KV Nr. 1221). Bei Zurücknahme nach Vorlage der Berufungsgründung und vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung tritt eine Ermäßigung auf 2,0 ein (GKG KV Nr. 1222). Der Berufungsanwalt erhält eine Verfahrensgebühr in Höhe von 1,6 und eine Terminsgebühr in Höhe von 1,2 (RVG VergV Nr. 3200, 3202). Bleibt der Berufungskläger säumig, ermäßigt sich die Terminsgebühr für den gegnerischen Anwalt auf 0,5 (RVG VergV Nr. 3203). Verdienen kann die Gebühren für das zweitinstanzliche Verfahren nur der Anwalt, der über eine Zulassung zum Berufungsgericht verfügt 2 7 2 . §512

Vorentscheidungen im ersten Rechtszug Der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegen auch diejenigen Entscheidungen, die dem Endurteil vorausgegangen sind, sofern sie nicht nach den Vorschriften dieses Gesetzes unanfechtbar oder mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar sind. cht Rdn I. Normzweck

1

II. Einzelne Anwendungsfälle 1. Zwischenentscheidungen 2 . Beschlüsse und Verfügungen 3. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

4 5 8

ID. Form der Vorentscheidung IV. Berufungsrüge nicht erforderlich

10 . . . .

11

Rdn V. Bindende Vorentscheidungen 1. Allgemeines 2 . Selbständig anfechtbare Entscheidungen 3. Unanfechtbare Entscheidungen . . . . 4. Sonderfälle 5. Umfang der Bindungswirkung . . . . VI. Berufungsangriff trotz unanfechtbarer Vorentscheidung

12 13 16 18 22 23

I. Normzweck Die mit der Berufung (der Revision, § 5 5 7 Abs. 2; der Wiederaufnahmeklage, § 583) anfechtbaren Entscheidungen lassen auch die Anfechtung ihrer Vorentscheidungen zu, es sei denn, diese sind unanfechtbar oder selbständig anfechtbar 1 . § 512 betrifft allein die im Verfahren getroffenen (innerprozessualen) Vorentscheidungen. Er greift nicht in die Rechtskraftwirkung der Entscheidungen ein, die außerhalb des Verfahrens liegen. Den Sinn der Vorschrift verdeutlicht § 318. Die Vorinstanz ist an ihre Zwischenurteile gebunden. Das Berufungsgericht muss die Möglichkeit der vollen Nachprüfung auch dort haben, wo der Vorinstanz eine Korrektur verboten ist. Darüber hinaus muss es auch diejenigen Vorentscheidungen überprüfen können, die aus Gründen der Konzentration nicht selbständig mit einem Rechtsmittel angefochten werden können (dazu Rdn. 4, 5). Ein Fehler in der Vorentscheidung kann nur dann zu einem Erfolg der Berufung führen, wenn das Endurteil auf dieser Entscheidung beruht 2 . Die Vorentscheidung muss eine prozessuale oder sachliche Grundlage des Endurteils bilden 3 . 272

'

60

O L G Frankfurt AnwBl 1 9 8 3 , 5 2 3 . Z u r Anwendung von § 5 1 2 im Berufungsverfahren nach § 110 PatG (gegen die Urteile der Nichtigkeitssenate des Patentgerichts) vgl. B G H Z 4 ,

2 3

5, 6 = N J W 1 9 5 2 , 3 8 1 = L M Z P O % 5 1 2 Nr. 1. RGZ 24, 423, 426. Vgl. zur Parallelvorschrift des § 5 8 3 Gilles Z Z P 78 (1965), 4 6 6 , 4 8 0 .

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1. Abschnitt. Berufung

§512

II. Einzelne Anwendungsfälle 1. Zwischenurteile Zwischenurteile nach § 303, die unter den Parteien (anders im Verhältnis zu 4 Dritten - sog. unechte Zwischenurteile) ergehen, sind grundsätzlich nicht selbständig anfechtbar (ausgenommen sind die Entscheidungen, die in betreff der Rechtsmittel als Endurteile anzusehen sind, §§ 280 Abs. 2 S. 1, 304 Abs. 2). Sie können nur zusammen mit der Endentscheidung angegriffen werden. Beispiele sind das Zwischenurteil, mit dem die Leistung einer Sicherheit gemäß § 110 angeordnet wird 4 , mit dem ein Verweisungsantrag gemäß § 506 zurückgewiesen wird, mit dem die Zulässigkeit des Einspruchs festgestellt wird (§ 341), das Zwischenurteil über die Wiedereinsetzung (dazu Rdn. 8), über die Verpflichtung zur Vorlegung einer Urkunde (§§ 422, 423), über ihre Echtheit (§ 440ff) und über Grund und Zulässigkeit der Wiederaufnahme (§ 590 Abs. 2). 2. Beschlüsse und Verfügungen Als weitere Entscheidungen im Sinne von § 512 kommen die das Verfahren 5 betreffenden Beschlüsse und Verfügungen des Gerichts in Betracht, wie z.B. die Prozesstrennung (§ 145) 5 , die Verbindung von Prozessen (§ 147) oder Anordnungen nach § 304 Abs. 2 (Verhandlung über den Betrag vor Rechtskraft des Grundurteils). Ferner gehören hierzu die prozessleitenden Verfügungen des Vorsitzenden, die außerhalb der mündlichen Verhandlung ergehen 6 , soweit sie nicht durch den Prozessverlauf überholt sind. Anordnungen des Vorsitzenden, die in der mündlichen Verhandlung ergehen (§ 140), sind dagegen sofort zu beanstanden, damit ein überprüfbarer Gerichtsbeschluss ergeht 7 . Das nach der Prozesstrennung erlassene Urteil, das Vorbehaltsurteil gemäß § 302 oder das Zwischenurteil gemäß § 304 8 (§§ 302 Abs. 3, 304 Abs. 2) sind gesondert anzufechten. Die Berufung kann in diesen Fällen allein deswegen begründet sein, weil einheitlich hätte entschieden werden müssen. Für den Beweisbeschluss gilt folgendes: Die Anordnung der Beweisaufnahme in 6 der einen oder anderen Art ist nach § 355 Abs. 2 grundsätzlich unanfechtbar und kann vom Berufungsgericht nicht überprüft werden. Etwas anderes gilt nur dort, wo Verfahrensgrundrechte verletzt sind. Diese Verfahrensfehler ermöglichen eine Zurückverweisung gemäß § 538 Abs. 2 Nr. 1 (hierzu Rdn. 23ff). Soweit es um die Tatsachenfeststellung selbst geht, entscheidet das Berufungsgericht im Rahmen der für die zweite Instanz geltenden Beschränkungen neu darüber, welche Beweiserhebungen es für erforderlich hält. Insoweit spielt § 512 keine Rolle. Die (fehlerhafte) Berücksichtigung verspäteten Vorbringens durch die Vorinstanz 7 (§ 296) ist keine Entscheidung im Sinne von § 512, so dass die Vorschrift schon aus diesem Grund nicht eingreift 9 . 3. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand Bei (Zwischen-) Entscheidungen über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist zu differenzieren: 4

5

BGHZ 102, 232 = NJW 1988, 1733; ein die Einrede gemäß § 110 verwerfendes Urteil, mit dem die Zulässigkeit der Klage festgestellt wird, muss dagegen selbständig angefochten werden. Zur Trennung bei Widerklage vgl. OLG München NJW 1984, 2227.

OLG Karlsruhe OLGZ 1980, 62, 63. RG Gruch 54, 666. RGZ 63, 195. OLG Köln NJW 1980, 2361, 2362.

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§512

Drittes Buch. Rechtsmittel

Die Wiedereinsetzung ist unanfechtbar (§ 238 Abs. 3), und zwar ohne Rücksicht darauf, ob sie durch selbständiges Zwischenurteil, durch Beschluss oder in den Gründen des Endurteils geschieht. Sie bindet auch das Berufungsgericht10. Wird die Wiedereinsetzung durch Zwischenurteil abgelehnt, ist die Berufung möglich, soweit die übrigen Zulässigkeitsvoraussetzungen vorliegen11. § 512 kommt nicht zur Anwendung, da in diesem Fall richtigerweise ein Endurteil hätte ergehen müssen (s. Erl. zu § 238 Rdn. 9). Wird das Wiedereinsetzungsgesuch durch (echtes) Versäumnisurteil zurückgewiesen, kann dieses gemäß §§ 238 Abs. 2 S. 2, 514 Abs. 2 mit der Berufung (bzw. bei Entscheidung des Berufungsgerichts durch Revision, § 565) angefochten werden, soweit ein Fall der Säumnis nicht vorgelegen hat. Wird die Wiedereinsetzung durch Beschluss abgelehnt, ist die sofortige Beschwerde gegeben, sofern nicht §§ 567 Abs. 2 entgegensteht. Verwirft das Oberlandesgericht die Berufung als unzulässig, gilt § 522 Abs. 1 S. 4. 9

§ 512 greift hiernach nur ein, wenn das Gericht die Wiedereinsetzung zugleich mit der Entscheidung in der Sache ablehnt. Dieses Endurteil unterliegt hinsichtlich der Ablehnung der Wiedereinsetzung der Nachprüfung durch das Berufungsgericht.

III. Form der Vorentscheidung 10

Die Überprüfbarkeit hängt nicht davon ab, in welcher Form die Vorentscheidung ergangen ist. Eine Vorentscheidungen, die weder unanfechtbar noch selbständig anfechtbar ist, unterliegt der Nachprüfung nach § 512 ohne Rücksicht darauf, ob sie zugleich mit der Endentscheidung ergangen oder getrennt erlassen worden ist 12 . Wird umgekehrt eine nicht anfechtbare Vorentscheidung, die an sich selbständig zu erlassen ist, erst in den Gründen der Endentscheidung getroffen, ist hiergegen ein Berufungsangriff grundsätzlich nicht möglich13.

IV. Berufungsrüge nicht erforderlich 11

Eine besondere Rüge ist nicht erforderlich14. Die Vorentscheidung braucht in der Berufungsbegründung nicht ausdrücklich beanstandet zu werden. Das Berufungsgericht hat - soweit nicht gemäß §§ 534, 295 Beschränkungen eingetreten sind von Amts wegen zu prüfen, ob das Verfahren der ersten Instanz ordnungsgemäß war. Dabei dürfen auch Tatsachen, die erst nach dem Erlass der Vorentscheidung eingetreten sind, berücksichtigt werden.

V. Bindende Vorentscheidungen 1. Allgemeines 12

Der Umfang dessen, was nach § 512 angreifbar ist, wird vom Gesetz negativ umschrieben. Der Überprüfung durch das Berufungsgericht entzogen sind einerseits die unanfechtbaren, andererseits die schon mit der sofortigen Beschwerde anfechtbaren Entscheidungen der Vorinstanz. Bindend und nicht nach § 512 überprüfbar sind damit alle innerprozessualen Entscheidungen, die selbständig mit der Berufung 10

11 12

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BVerfG NJW 1980, 1095, 1096. Die Entscheidung BGHZ 21, 142, 145 ist durch die Neufassung von § 238 überholt. BGHZ 47, 289 = NJW 1967, 1566. BGHZ 4 6 , 1 1 2 , 1 1 6 . Vgl. auch RGZ 3 8 , 4 0 2 . Zur

13 14

Anordnung der Trennung in einer Vorabentscheidung RGZ 24, 423. OGHZ 1, 264, 265. BGHZ 4, 5, 7 = NJW 1952, 381 = LM ZPO § 512 Nr. 1; BAG NJW 1976, 774, 775.

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1. Abschnitt. Berufung

§512

oder der sofortigen Beschwerde anfechtbar sind und deshalb gesondert rechtskräftig werden 1 5 .

2. Selbständig anfechtbare Entscheidungen Zu den selbständig anfechtbaren Entscheidungen gehören das Teilurteil (§ 3 0 1 ) , das Vorbehaltsurteil (§§ 3 0 2 , 5 9 9 ) , das Zwischenurteil über den Grund (§ 3 0 4 ) , das Zwischenurteil, durch das ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abgelehnt wird 1 6 und grundsätzlich das Zwischenurteil gemäß § 2 8 0 Abs. 2 S. 1, in dem über die Zulässigkeit der Klage entschieden wird. Die diesen (selbständig mit der Berufung anfechtbaren) Urteilen vorausgegangenen Entscheidungen teilen ihre Bindungswirkung, so dass sie bei der Berufung gegen das abschließende Urteil ebenfalls der Prüfung entzogen sind 1 7 .

13

Nicht überprüfbar sind weiter die Entscheidungen, die mit der sofortigen Beschwerde selbständig angreifbar sind, also z. B. die Zwischenurteile und Beschlüsse nach §§ 71, 135, 2 5 2 , 387, 4 0 8 . Die Einschränkungen aus §§ 5 6 7 Abs. 2 sind zu beachten. Eine Sonderstellung nimmt die Rechtswegentscheidung gemäß § 17 a G V G ein. Verweisungsbeschlüsse, die den Rechtsweg betreffen, sind nach § 1 7 a Abs. 4 S. 2 G V G mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar und schon deswegen gemäß § 512 der Prüfung durch das Berufungsgericht entzogen. § 17 a Abs. 5 G V G stellt dies klar.

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Ergeht eine an sich selbständig anzufechtende Entscheidung verfahrensfehlerhaft nicht durch Beschluss, sondern zugleich mit dem Endurteil, gilt das Prinzip der Meistbegünstigung (hierzu Vor § 511 Rdn. 7 9 ff) 1 8 . Die Entscheidung kann mit der Berufung überprüft werden. Selbständig angreifbar ist sie, wenn sie über das Endurteil hinaus Bedeutung hat. Das gilt z. B., wenn in den Entscheidungsgründen die Aussetzung des Verfahrens abgelehnt wird (§§ 2 4 6 , 2 4 7 ) , sie aber noch in der Zwischeninstanz in Betracht kommt, also vor Ablauf der Rechtsmittelfrist. Dagegen wird die ablehnende Entscheidung, das Ruhen des Verfahrens anzuordnen (§ 2 5 1 Abs. 1), mit Erlass des Urteils gegenstandslos. Der Antrag muss gegebenenfalls nach Einlegung und Begründung der Berufung wiederholt werden.

15

3. Unanfechtbare Entscheidungen Schlechthin unanfechtbar sind: nach § 3 7 Abs. 2 die Bestimmung des zuständigen Gerichts; nach § § 4 6 Abs. 2, 4 0 6 Abs. 5 die stattgebende Entscheidung auf ein Ablehnungsgesuch 1 9 ; nach § 80 Abs. 2 S. 2 die Zurückweisung des Antrags, die Prozessvollmacht durch eine beglaubigte Urkunde nachzuweisen; nach M a ß g a b e von § 127 Abs. 2 und 3 die Bewilligung von Prozesskostenhilfe; nach § 1 5 7 Abs. 2 S. 2 die Untersagung weiteren Vortrags; nach § 2 2 5 Abs. 3 die Ablehnung der Fristverlängerung; nach § 2 2 7 Abs. 2 S. 3 die Ablehnung von Vertagungs- und Verlegungsanträgen (wird indes hierdurch einer Partei das rechtliche Gehör verweigert und ist sie dadurch beschwert, ist ein Angriff möglich); nach § 2 3 8 Abs. 3 die Wiedereinsetzung (s. hierzu Rdn. 8); nach § 2 6 8 die Zulassung der Klageänderung; nach §§ 1 1 , 2 8 1 Abs. 2 S. 2 , 5 0 6 Abs. 2 die Verweisung; nach § 3 3 6 Abs. 2 die Ablehnung ,s 16 17 18 19

R G Z 39, 3 8 9 , 3 9 1 ; 6 3 , 195, 1 9 8 ; 136, 2 7 5 , 2 7 7 . B G H Z 47, 289, 291 = N J W 1 9 6 7 , 1 5 6 6 . R G Z 39, 389, 390. BGH N J W 1982, 2070. B G H Z 2 8 , 3 0 2 , 3 0 5 : das Rechtsmittel kann

nicht mit Erfolg auf einen Ablehnungsgrund gestützt werden, der im Ablehnungsverfahren (§ 4 0 6 ) der unteren Instanz vergeblich geltend gemacht worden ist.

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§512

Drittes Buch. Rechtsmittel

einer Aktenlageentscheidung; nach §§ 348 Abs. 2 S. 3, 348 a Abs. 3 die Übertragung auf den Einzelrichter (Ausnahme allerdings bei Willkür, s. Rdn. 23); nach § 355 Abs. 2 die Bestimmung des mit der Beweisaufnahme betrauten Richters; nach § 406 Abs. 5 die Entscheidung, mit der ein Ablehnungsgesuch gegen einen Sachverständigen für begründet erklärt wird; nach § 537 Abs. 2 die Vollstreckbarkeitserklärung erstinstanzlicher Urteile in der Berufungsinstanz (wenn sie auch durch die Entscheidung der höheren Instanz vernichtet werden kann); nach §§ 707 Abs. 2 S. 2, 718 Abs. 2, 719, 770 S. 2, 924 Abs. 3 die Entscheidungen über die Einstellung der Vollstreckung und die über die vorläufige Vollstreckbarkeit; nach §§ 102, 104 GVG die Verweisung an die Zivilkammer bzw. an die Kammer für Handelssachen. 17

Unanfechtbar sind ferner die an sich mit der sofortigen Beschwerde anfechtbaren Entscheidungen, die mit dem Schluss der Instanz durch Erlass der Endentscheidung gegenstandslos werden. 4. Sonderfälle

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§ 512 betrifft nicht Entscheidungen der ersten Instanz, die dem Endurteil zeitlich nachfolgen. Eine entsprechende Anwendung scheitert regelmäßig schon daran, dass diese Entscheidungen entweder schlechthin unanfechtbar sind (wie die abgelehnte Berichtigung nach § 319 Abs. 3 1. Alt. oder der Beschluss über die Tatbestandsberichtigung nach § 320 Abs. 4 S. 4) oder selbständig angefochten werden müssen (z. B. der stattgebende Beschluss nach § 319 Abs. 3 20 und das Ergänzungsurteil nach § 321). Die Bindungswirkung dieser Entscheidungen schließt es aber nicht aus, dass die zweite Instanz zu anderen Feststellungen gelangt. 19 Auszuklammern sind weiter die Vorentscheidungen aus anderen Verfahren, soweit diese Rechtskraft erlangt haben (vgl. §§ 11, 322, 705) und in das neue hineinragen. Dazu gehört z.B. das Feststellungsurteil über die Echtheit einer Urkunde ($ 256 Abs. 1). 20 Eine Sonderstellung nimmt die Entscheidung im selbständigen Beweisverfahren ein (§ 490). Sie kann außerhalb des laufenden Verfahrens ergehen und ist als solche nicht anfechtbar (§ 490 Abs. 2 S. 2). Über das Ergebnis der Beweissicherung ist im Endurteil zu befinden, soweit es darauf ankommt. 21 Die Fristsetzung nach § 339 Abs. 2 ist unanfechtbar, da die gesetzte Frist der Notfrist nach Abs. 1, nach deren Ablauf das Urteil rechtskräftig wird, entspricht 21 . Bei einer Fristversäumnis kommt unter Umständen die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Betracht. 5. Umfang der BindungsWirkung 22

Die Bindungswirkung der Vorentscheidung hängt nicht davon ab, ob die Entscheidung schon rechtskräftig geworden ist 22 . Die Bindung beschränkt sich auf die Entscheidung selbst, nicht auf ihre Begründung oder auf Folgerungen, die sich daraus ziehen lassen 23 .

20

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Zu den Grenzen der Bindungswirkung des Berichtigungsbeschlusses BGH NJW 1985, 742, 743. Für Unanfechtbarkeit RGZ 98, 139, 140; KG OLGE 13; 156; Stein/Jonas/Schumann § 339, 12; aA OLG Hamburg H G Z 21, 247.

22 23

RGZ 16, 352; RG JW 1897, 231 (Nr. 1 b a. E.). BGH MDR 1973, 569 = LM ZPO § 512 Nr. 4; BAG NJW 1964, 35.

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1. Abschnitt. Berufung

§513

VI. Berufungsangriff trotz unanfechtbarer Vorentscheidung Die Unanfechtbarkeit der Vorentscheidung hindert nicht die Zurückverweisung an die untere Instanz, wenn die fehlerhafte Entscheidung zu einem Verfahrensverstoß führt 2 4 . Eine offensichtlich rechtsmissbräuchliche Übertragung des Rechtsstreits auf den Einzelrichter kann einen solchen Verfahrensverstoß darstellen, der trotz § 348 Abs. 3 die Zurückverweisung an die untere Instanz möglich macht (§ 538 Rdn. 24) 2 5 . Die Ablehnung von Verlegungsanträgen ist zwar nach § 227 Abs. 4 S. 3 (s. § 227 Rdn. 40 ff) grundsätzlich unanfechtbar. Führt sie aber zur Versagung des rechtlichen Gehörs, so kann dies in zweiter Instanz gerügt werden. Die Abänderung unrichtiger Vorentscheidungen ist ferner dann gestattet, wenn der Berufungsangriff geeignet ist, eine Nichtigkeits- oder Restitutionsklage zu rechtfertigen. Derartige Fehler müssen vom Berufungsgericht überprüft werden können. Es ist der Partei nicht zuzumuten, neben der Berufung die Wiederaufnahme gegen die Vorentscheidung zu betreiben. Allerdings ist es erforderlich, dass die allgemeinen Zulässigkeitsvoraussetzungen hierfür erfüllt sind. Die Klagefrist (§ 586) darf also noch nicht abgelaufen sein. Hat der Erstrichter die Ablehnung eines Sachverständigen für unbegründet erklärt (§ 406 Abs. 5) und ist dieser Beschluss rechtskräftig geworden, so ist das Berufungsgericht nicht gehindert, einen anderen Sachverständigen zu ernennen (§ 412). N u r darf es nicht den ersten Sachverständigen so behandeln, als sei dessen Ablehnung für begründet erklärt worden. Das Berufungsgericht ist unabhängig vom Erfolg oder Misserfolg des Berichtigungsantrags (§§ 319, 320) nicht daran gehindert, für die 2. Instanz einen anderen Lebenssachverhalt festzustellen (Ausnahme: § 532). Entsprechendes gilt für die Beurkundungswirkung der §§ 165, 314, die sich nur auf Prozessvorgänge bezieht. §513

Berufungsgründe (1) Die Berufung kann nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Rechtsverletzung (§ 546) beruht oder nach § 529 zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen. (2) Die Berufung kann nicht darauf gestützt werden, dass das Gericht des ersten Rechtszuges seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen hat.

Schrifttum Mayerbofer Rechtsweg oder sachliche Zuständigkeit, N J W 1 9 9 2 , 1 6 0 2 ff; Die Berufungsgründe im reformierten Zivilprozess, N J W 2 0 0 2 , 1 8 9 7 ff.

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RGZ 160,157,160; OLG Düsseldorf NJW 1976, 1103; anders bei Verletzung des Grundsatzes der Unmittelbarkeit RGZ 149, 286, 291 u. 159, 235, 2421; offengelassen für diesen Fall in BGHZ 40, 179, 183.

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Rimmelspacher

OLG Schleswig NJW 1988, 69; OLG Oldenburg MDR 1982, 856; OLG Köln FamRZ 1995, 943 m. Anm. Gottwald; s. auch Seidel ZZP 99 (1986), 64, 86.

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§513

Drittes Buch. R e c h t s m i t t e l Übersiebt Rdn

I. Normzweck II. Prüfungskompetenz des Berufungsgerichts (Abs. 1) 1. Rechtsverletzung 2. Tatfragen a) Erstinstanzlich festgestellte Tatsachen b) Neue Tatsachen III. Zuständigkeitsrüge (Abs. 2) 1. Allgemeines 2. Die einzelnen Rügen a) Örtliche Zuständigkeit

1

b) c) d) e) f)

Sachliche Zuständigkeit Zuständigkeit des Familiengerichts Internationale Zuständigkeit . . . Rechtsweg Zuständigkeitsprüfung bei Verletzung von Verfahrensgrundrechten g) Entsprechende Anwendung von § 513 Abs. 2

4

11 14 15

IV. Bedeutung von § 513 für die Zulässigkeit der Berufung

Rdn 21 22 27 28

30 31 33

18

I. Normzweck Die amtliche Überschrift der Vorschrift ist missverständlich. Die Norm regelt nicht die formalen oder inhaltlichen Anforderungen an die Berufungsgründe. Diese sind - abschließend - in § 520 Abs. 3 beschrieben. Sie legt vielmehr fest, welche Fragen das Berufungsgericht prüfen darf, nachdem die Berufung ordnungsgemäß begründet worden ist. Eine Verschärfung der in § 520 Abs. 3 geregelten Anforderungen an die Berufungsbegründung enthält § 513 daher nicht. 2 § 513 Abs. 1 umschreibt die Funktion der Berufung nach neuem Recht. Die Berufung dient (nur noch) dazu, das erstinstanzliche Urteil auf die korrekte Anwendung des formellen und materiellen Rechts sowie auf die Richtigkeit und Vollständigkeit der getroffenen Feststellungen hin zu überprüfen und ggf. Fehler zu korrigieren Folgerichtig kann sie nur darauf gestützt werden, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung beruht oder nach § 529 zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen. Das Berufungsgericht ist an die erstinstanzlich getroffenen Tatsachenfeststellungen grundsätzlich gebunden. Hiermit soll es von solchen Feststellungen entlastet werden, die bereits in der ersten Instanz vollständig und überzeugend getroffen worden sind. Eine erneute Tatsachenprüfung ist dem Berufungsgericht nur unter besonderen Voraussetzungen gestattet. Erstinstanzlich bereits getroffene Feststellungen dürfen nur dann in Frage gestellt werden, wenn das Berufungsgericht ernstliche Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit hat und deswegen eine erneute Feststellung geboten ist. Neue Tatsachen darf der Berufungskläger nur dann zur Stützung seines Rechtsmittels heranziehen, wenn er sie in erster Instanz aufgrund einer fehlerhaften Anwendung des Verfahrensrechts nicht beigebracht hatte (§ 531 Abs. 2 Nr. 1 u. 2) oder wenn sie ihm erst später bekannt geworden sind und ihm ein Schuldvorwurf nicht gemacht werden kann (§ 531 Abs. 2 Nr. 3). 1

3

§ 513 Abs. 2 schließt es aus, dass der Berufungskläger sein Rechtsmittel mit einer Zuständigkeitsrüge begründet. Dies dient der Entlastung des Berufungsgerichts und der Beschleunigung des Verfahrens. Die Frage der Zuständigkeit wird vom Gesetzgeber für das weitere Verfahren als unbedeutend angesehen. Der Umstand, dass in erster Instanz ein unzuständiges Gericht entschieden hat und die Sache aus diesem Grund eigentlich nicht an dieses Berufungsgericht hätte gelangen dürfen, tritt dabei in den Hintergrund. 1

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BT Drucksache 14/4722 S. 61, 94. U w e Gerken

1. Abschnitt. Berufung

§ 513

II. Prüfungskompetenz des Berufungsgerichts (Abs. 1) 1. Rechtsverletzung Hinsichtlich der Rechtsverletzung verweist § 513 Abs. 1 auf § 546. Hiernach ist zu prüfen, ob eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist. Zwischen Gesetz und Rechtsnorm besteht dabei begrifflich kein Unterschied (vgl. § 12 EGZPO). § 545 Abs. 1 gilt nicht für das Berufungsverfahren, so dass Landesrecht - auch das eines anderen Bundeslandes - uneingeschränkt der Überprüfung unterliegt. Z u den Rechtsnormen gehören neben den Bundes- und Landgesetzen und Verordnungen u . a . auch völkerrechtliche Verträge, die Normen der Europäischen Union einschließlich der Richtlinien, Gewohnheitsrecht sowie die Satzungen öffentlich-rechtlicher Körperschaften, Anstalten und Stiftungen. Privatrechtliche Satzungen und Gesellschaftsverträge sind wie Rechtsnormen zu behandeln, soweit sie eine Vielzahl von Personen und Fällen betreffen 2 . D a s Berufungsgericht muss ebenso wie das Revisionsgericht zwischen Rechtsund Tatfrage unterscheiden, da es hinsichtlich der Tatfragen hat nur eine eingeschränkte Prüfungskompetenz hat. Zur Abgrenzung gilt grundsätzlich das Gleiche wie zu § 546. Auf die dortige Kommentierung wird daher verwiesen. Bei der Übertragung der zu § 546 entwickelten Regeln sind allerdings die unterschiedlichen Zwecke von Berufung und Revision zu beachten. Während der Zweck der Revision hauptsächlich darin besteht, Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung und damit im allgemeinen Interesse zu entscheiden, dient die Berufung in erster Linie der Durchsetzung des Parteiinteresses. Soweit besondere revisionsrechtliche Gesichtspunkte zu einer Beschränkung des Prüfungsstoffes führen, gelten diese nicht ohne weiteres für das Berufungsverfahren 3 . Die Auslegung rechtsgeschäftlicher Willenserklärungen ist tatrichterliche Feststellung. Wird mit der Berufung nur die Rechtsanwendung angegriffen, ist das Berufungsgericht auf die Prüfung der Frage beschränkt, ob das erstinstanzliche Gericht gegen gesetzliche Auslegungsregeln, Denkgesetze, Erfahrungssätze oder gegen Verfahrensbestimmungen verstoßen h a t 4 . Liegt insoweit kein Fehler vor, ist das Berufungsgericht an die erstinstanzliche Auslegung ohne Rücksicht auf seine eigene Auslegungstendenz gebunden 5 . Eine neue Bewertung ist ihm nur dann gestattet, wenn der Berufungskläger gleichzeitig einen Angriff gegen die tatsächlichen Grundlagen führt, auf denen die Auslegung beruht (§ 529). Erst wenn sich hiernach - ggf. nach ergänzenden Feststellungen - etwas anderes ergibt, kann das Berufungsgericht auf der Grundlage der neuen Tatsachen eine eigene Bewertung treffen. Ist allerdings eine gebotene Auslegung im ersten Rechtszug unterblieben, kann der Berufungsrichter als zweiter Tatrichter die erforderlichen Feststellungen in vollem Umfang selbst vornehmen 6 . H a t das erstinstanzliche Gericht gegen Verfahrensvorschriften verstoßen, greift bereits die Rechtsrüge durch. In diesem Fall ist ein Angriff gemäß § 5 2 9 gegen die Grundlagen der erstinstanzlichen Auslegung daher nicht erforderlich. Nur eingeschränkt nachprüfbar ist die Anwendung unbestimmter Rechtsbegriffe wie Treu und Glauben, gute Sitten, Angemessenheit, wichtiger Grund im Sinne von 2

3

BGHZ 14, 25, 26 = NJW 1954, 1401 (GmbHGesellschaftsvertrag); BGHZ 64, 238, 241 = NJW 1975, 1318; BGH NJW-RR 1989, 993, 994 (Gesellschaftsvertrag einer Publikums-KG); BGHZ 21, 370, 374 = NJW 1956,1793 (VereinsSatzung). Rimmelspacher NJW 2002, 1897, 1898.

4

5

6

OLG München MDR 2003, 952; zur Revision s. BGH NJW-RR 1990, 455; BGH WM 1991, 496; BGH NJW 1992, 1967. OLG Celle OLGReport 2002, 2380 = NdsRpfl 2003, 7; OLG München MDR 2004, 112. Zum Revisionsrecht vgl. insoweit BGH LM § 561 ZPO Nr. 3.

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§513

Drittes Buch. Rechtsmittel

§ 626 BGB oder Zumutbarkeit der Klageerhebung als Bestandteil der Kenntnis im Sinne von § 852 Abs. 1 BGB 7 . In rechtlicher Hinsicht kann das Berufungsgericht insoweit nur prüfen, ob das erstinstanzliche Gericht die Norm richtig ausgelegt, also ihren Inhalt und ihre Grenzen zutreffend bestimmt hat, ob es die Bewertungsgrundlagen ausgeschöpft hat, ob es die Wertungsgrenzen beachtet hat und ob es bei der Anwendung gegen Denk- und Erfahrungssätze verstoßen hat 8 . Die Wertungsentscheidung selbst ist dagegen einer berufungsgerichtlichen Prüfung entzogen. Eine Bewertung, die auf einer zutreffenden Auslegung beruht und zu einem vertretbaren Ergebnis gelangt, begründet keinen Rechtsfehler. Das Berufungsgericht darf daher in diesem Fall nicht seine Bewertung an Stelle des erstinstanzlichen Gerichts setzen. Ähnlich ist es bei der Unterhaltsberechnung. Die Ermittlung des Bedarfs 9 zur Festsetzung des angemessenen Unterhalts (§§ 1360, 1360a, 1361, 1610 BGB), die Bildung der Verteilungsquoten zwischen geschiedenen Ehegatten 10 , die Wahl der Berechnungsmethode oder die Bemessung des Selbstbehalts für den Unterhaltsschuldner 11 sind revisionsrechtlich Aufgaben des Tatrichters. Dies muss auch bei der Anwendung von § 513 Abs. 1 im Verhältnis zwischen erst- und zweitinstanzlichem Gericht beachtet werden. Hat das erstinstanzliche Gericht alle für die Festsetzung des angemessenen Unterhalts bedeutsamen Faktoren beachtet, handelt es sich nicht um einen Fehler in der Rechtsanwendung, wenn das Berufungsgericht lediglich eine andere Verteilungsquote bzw. einen anderen Selbstbehalt für angebracht hält. Eine abweichende Bewertung ist ihm nur dann gestattet, wenn gegen andere Bestandteile des Urteils ein zulässiger Berufungsangriff geführt wird und deswegen eine grundlegende Neuberechnung des Unterhalts erforderlich ist. In diesem Fall kann das Berufungsgericht seine Beurteilung an die Stelle des erstinstanzlichen Gerichts setzen, und zwar ohne Bindung an die Vorgaben im angefochtenen Urteil. Ein Beurteilungsspielraum besteht auch bei der Abgrenzung von einfacher gegen grobe Fahrlässigkeit 12 oder bei der Abwägung der beiderseitigen Verursachungsbeiträge gemäß §§ 254 BGB, 17 StVG 13 . Bei der Ausübung des Ermessens im Rahmen einer Schadensschätzung gemäß § 287 ist in rechtlicher Hinsicht nur überprüfbar, ob der erstinstanzliche Richter die Rechtsgrundsätze der Schadensbemessung verkannt, wesentliche Bemessungsfaktoren außer Acht gelassen oder seiner Schätzung unrichtige Maßstäbe zugrunde gelegt hat 1 4 . Geht es um die Höhe eines Schmerzensgeldes, kann die Berufung nicht allein auf die Rüge gestützt werden, der Betrag sei zu niedrig oder zu hoch festgesetzt worden. Insoweit hat das erstinstanzliche Gericht einen Beurteilungsspielraum. Das Berufungsgericht darf nur dann eine Neufestsetzung vornehmen, wenn entweder ein Fehler bei der Rechtsanwendung vorliegt oder wenn die im zweiten Rechtszug zu berücksichtigen Tatsachen eine andere Bewertung erfordern. Denkbare Rechtsfehler sind z. B. beim Schmerzensgeld das Außerachtlassen des Genugtuungsinteresses oder der Ausgleichsfunktion, eine unzulässige zeitliche Befristung oder eine (verfahrensfehlerhafte) unzureichende Aufklärung der für die Bemessung erforderlichen tatsächlichen Umstände. In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist zu prüfen, ob bei der Ausübung des Ermessens alle wesentlichen Gesichtspunkte, die maßgeblichen Erfahrungssätze und die Denkgesetze beachtet worden

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8

13

BGH NJW 1998, 2051, 2052. BGH NJW-RR 1993, 796. » BGH NJW 1982, 2439, 2440; BGH FamRZ 1984, 149. 10 BGH NJW 1989, 1992, 1993. 11 BGH NJW 1984, 1614; BGH NJW 1992, 1394.

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BGHZ 10, 14; BGHZ 67, 127. BGHZ 108, 386; BGH LM § 561 ZPO Nr. 8-10. BGHZ 92, 84, 86 = NJW 1984, 2372; BGHZ 102, 322, 330 = NJW 1988, 1835; BGH NJWRR 93, 795, 796.

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1. Abschnitt. Berufung

§513

sind 1 5 . Diese Prüfung ist dem Berufungsgericht nur dann möglich, wenn die tragenden Erwägungen für die Ermessensausübung im Urteil dargelegt sind 1 6 . Tatfragen sind weiterhin die Feststellung einer bestimmten Verkehrssitte 1 7 oder der „Ortsüblichkeit" 18 . In sachlicher Hinsicht ist daher insoweit nur ein Angriff gemäß § 5 2 9 möglich. Beruft sich das erstinstanzliche Gericht bei der Feststellung von Tatsachen auf 8 einen allgemeinen Erfahrungssatz, kann dessen Existenz und Inhalt wie eine Rechtsnorm überprüft werden. Denn Erfahrungssätze haben die Natur von Normen, die als Beurteilungsmaßstab für Tatsachen dienen 1 9 . Sind sie Hilfsmittel bei der Auslegung einer Rechtsvorschrift und werden sie nicht beachtet, führt dies ebenfalls zu einem Fehler in der Rechtsanwendung. Der uneingeschränkten (rechtlichen) Kontrolle des Berufungsgerichts unterliegt 9 die Prüfung der Frage, ob das erstinstanzliche Gericht die Anforderungen an die Substantiierung des Klagevortrags bzw. des Bestreitens durch den Beklagten zutreffend bestimmt und nicht überspannt hat 2 0 . Rechtsfrage ist auch die Verteilung der Beweislast 2 1 , die Anwendung von gesetzlichen Beweisregeln, die Geltung von Beweiserleichterungen oder Beweisverwertungsverboten 2 2 sowie die Heranziehung der Regeln des Anscheinsbeweises 2 3 . Ebenso wie im Revisionsrecht führt eine Rechtsverletzung nur dann zu einer Änderung der Entscheidung, wenn das angefochtene Urteil auf dem Fehler beruht (§ 561). Bei einem Verstoß gegen materiell-rechtliche Normen ist dies der Fall, wenn die Entscheidung ohne den Fehler eine geringere Beschwer für den Berufungskläger begründen würde (zur Beschwer s. Vor § 511, Rdn. 23 ff). Der Fehler muss ein Begründungselement betreffen, das die Entscheidung trägt. Bei der Verletzung von Verfahrensrecht ist zu differenzieren. Handelt es sich um einen absoluten Revisionsgrund im Sinne von § 547, wird unwiderleglich vermutet, dass er für die Entscheidung ursächlich geworden ist. Bei einem Verstoß gegen andere verfahrensrechtliche Normen genügt die Möglichkeit, dass das Gericht bei einer ordnungsgemäßen Anwendung des Verfahrensrechts zu einem anderen sachlichen Ergebnis gekommen wäre 2 4 .

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2. Tatfragen a) Erstinstanzlich festgestellte Tatsachen. Neben oder statt der rechtlichen Rüge kann der Berufungskläger geltend machen, dass aus tatsächlichen Gründen eine andere Entscheidung erforderlich sei. Hinsichtlich der Tatsachen, die bereits das erstinstanzliche Gericht festgestellt hat, gilt insoweit die Beschränkung gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1. Das Berufungsgericht hat seiner Verhandlung und Entscheidung grundsätzlich dieselben Tatsachen zugrunde zu legen, es sei denn, es liegen konkrete Anhaltspunkte vor, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen. Liegen solche Anhaltspunkte vor, ist dem Berufungsgericht eine neue Bewertung gestattet. Grundlage der neuen Überprüfung ist der gesamte Tatsachenvortrag und ein etwaiges Beweisergebnis aus dem BGH BGH 16 BGH 17 BGH 18 BGH " RGZ 20 BGH 15

NJW 1964, 589 = VersR 1964, 258, 259; NJW-RR 1993,795,796. NJW 1994, 1143, 1144 (zur Revision). LM § 157 (B) BGB Nr. 1. NJW 1967, 1907. 99, 70, 71; BGH NJW-RR 1993, 653. NJW 1992, 3106.

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BGHZ 28, 251, 254 = NJW 1959, 34; BGHZ 119, 387, 391 = NJW 1993, 267; BGH NJW 1993, 1716, 1717. NJW 1985, 1470, 1471. BGHZ 100, 31, 33 = NJW 1987, 2876. BGH NJW 1995, 1841, 1842; BGH MDR 2004, 48 (Verletzung rechtlichen Gehörs).

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11

§513

Drittes Buch. Rechtsmittel

ersten Rechtszug. Das Berufungsgericht kann eine erstinstanzliche Beweisaufnahme teilweise oder ganz wiederholen. Dies ist insbesondere dann geboten, wenn es in der Beurteilung der Glaubwürdigkeit von Zeugen vom erstinstanzlichen Gericht abweichen will. 12

Gebunden ist das Berufungsgericht nur an solche Feststellungen, die verfahrensrechtlich ordnungsgemäß zustande gekommen sind. Das Ergebnis einer verfahrensfehlerhaft durchgeführten Beweisaufnahme ist für die Entscheidung nicht verwertbar. Soweit ein Rügeverlust (§ 295) nicht eingetreten ist, führt der Verfahrensfehler zur Rechtsverletzung im Sinne von § 513 Abs. 1 1. Alt. Beachtlich als Berufungsgrund ist er allerdings nur dann, wenn die angefochtene Entscheidung hierauf beruht. Ist dies nicht der Fall, wird in aller Regel die Tatsachenrüge durchgreifen. Denn für solche Tatsachen bestehen konkrete Anhaltspunkte, die Zweifel an der Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen im Sinne von § 529 Abs. 1 Nr. 1 begründen. Das Berufungsgericht muss daher eine verfahrensfehlerhaft durchgeführte Beweisaufnahme wiederholen, soweit es für seine Entscheidung hierauf ankommt 2 5 .

13

Unabhängig von einer etwaigen Berufungsrüge muss das Berufungsgericht solche Tatsachen auf ihre Richtigkeit überprüfen, die die von Amts wegen zu berücksichtigenden Umstände betreffen. Dies sind die Tatsachen, die für die Zulässigkeit der Klage von Bedeutung sind. Eine Rüge ist ferner nicht erforderlich, soweit es um offenkundige Tatsachen geht (§ 291) und für solche, für die der Untersuchungsgrundsatz gilt (§§ 616, 640).

14

b) Neue Tatsachen. Mit neuen Tatsachen (§ 529 Abs. 1 Nr. 2) wird der Berufungskläger im zweiten Rechtszug nur unter den Voraussetzungen von § 531 Abs. 2 gehört. Auf Angriffs- oder Verteidigungsmittel, die er im ersten Rechtszug nicht vorgebracht hatte, kann er seine Berufung nur dann stützen, wenn sie einen Gesichtspunkt betreffen, der vom erstinstanzlichen Gericht erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten worden ist (§ 531 Abs. 2 Nr. 1), die im ersten Rechtszug aufgrund eines Verfahrensmangels nicht vorgebracht wurden (§ 531 Abs. 2 Nr. 2) oder die im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht worden sind, ohne dass dies auf einer Nachlässigkeit der Partei beruht (§ 531 Abs. 2 Nr. 3). III. Zuständigkeitsrüge (Abs. 2 ) 1. Allgemeines

15

§ 513 Abs. 2 versagt den Parteien die Berufung, wenn der Erstrichter seine Zuständigkeit zu Unrecht bejaht hat. Die Vorschrift fasst die Regelungen der §§ 10, 512 a a.F. zusammen und bestimmt nunmehr (unter Wegfall von § 529 Abs. 2, 3 a.F.) generell, dass Zuständigkeitsfragen mit der Berufung nicht mehr aufgegriffen werden können. Rechtsmittel, die allein auf einen Zuständigkeitsverstoß gestützt werden, sind damit ausgeschlossen. Dies dient der Verfahrensbeschleunigung. Zugleich wird vermieden, dass die vom erstinstanzlichen Gericht geleistete Sacharbeit wegen fehlender Zuständigkeit hinfällig wird 26 . Korrespondierend hierzu ist § 551 Nr. 4 a. F. in die Neufassung des § 547 nicht übernommen worden, so dass auch die Revision auf eine Zuständigkeitsrüge nicht mehr gestützt werden kann. 25

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BGH NJW 2000, 2024 = MDR 2000, 716 zu SS 5 2 9 , 5 4 0 a.F.

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1. Abschnitt. Berufung

§ 513

Art. 101 Abs. 1 S. 2 G G ist hierdurch nicht verletzt 2 7 . Er fordert nicht, dass der Streit über die Zuständigkeit in mehreren Instanzen ausgetragen werden kann. Die Geschäftsverteilung innerhalb des Gerichts gehört nicht zur Zuständigkeit im Sinne der Z P O und des GVG. Der Geschäftsverteilungsplan bestimmt, welcher Spruchkörper des Gerichts über eine Sache zu entscheiden hat und wie dieser besetzt ist. Ein willkürlicher Verstoß gegen den Geschäftsverteilungsplan, eine offensichtlich unvertretbare Auslegung oder ein wesentlicher Fehler bei seiner Aufstellung führt dazu, dass das Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt ist (§ 5 4 7 Nr. 1). Hiermit werden die Parteien ihrem gesetzlichen Richter entzogen (Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG, 16 S. 2 G V G ) 2 8 . Dies begründet einen Verfahrensfehler und damit einen Berufungsgrund im Sinne von § 513 Abs. 1. Die irrige Auslegung des Geschäftsverteilungsplans oder andere einfache Irrtümer bei seiner Anwendung rechtfertigen eine Berufung dagegen nicht 2 9 . Insoweit gilt das gleiche wie zu § 5 4 7 Nr. 1 (vgl. die Kommentierung dort). Entscheidet der Einzelrichter statt der Kammer oder umgekehrt, handelt es sich ebenfalls um eine fehlerhafte Besetzung und nicht um einen Zuständigkeitsmangel. Für diese Fälle schließen §§ 3 4 8 Abs. 4 , 3 4 8 a Abs. 3 eine Berufung aus. Auch insoweit gilt eine Ausnahme im Fall der Willkür bzw. der offensichtlich fehlerhaften Anwendung der Vorschriften über die Verteilung der Geschäfte zwischen Kammer und Einzelrichter. Denn dies begründet ebenso wie bei einem willkürlichen Verstoß gegen die Geschäftsverteilung eine Verletzung von Art. 101 Abs. 1 S. 2 G G 3 0 .

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Für die Anwendung von § 513 Abs. 2 kommt es nicht darauf an, ob die Entscheidung über die Zuständigkeit nach abgesonderter Verhandlung durch Zwischenurteil (§ 2 8 0 ) 3 1 oder im Endurteil ergangen ist, ob die Zuständigkeit ausdrücklich 3 2 oder stillschweigend bejaht worden ist und ob sie auf tatsächlichen oder rechtlichen Erwägungen beruht. Die Prüfung der Zuständigkeit ist auch dann ausgeschlossen, wenn die Berufung im angefochtenen Urteil gerade wegen der Frage der Zuständigkeit zugelassen worden ist 3 3 .

17

2. Die einzelnen Rügen a) Örtliche Zuständigkeit. Die örtliche Zuständigkeit ist in §§ 1 2 - 3 5 geregelt. Der Streit hierüber wird im Interesse der Verfahrensbeschleunigung und der Entlastung des Berufungsgerichts für das weitere Verfahren als unbedeutend angesehen 3 4 . Dahinter steckt die Erwägung, dass alle gleichartigen Gerichte auch gleichwertig sind 3 5 . Der Beklagte kann die Einrede der örtlichen Unzuständigkeit im Berufungsverfahren auch dann nicht wiederholen, wenn er vor dem Erstgericht in der Sache selbst obsiegt und deshalb der Kläger Berufung eingelegt hat 3 6 . Zur örtl. Zuständigkeit vgl. BGHZ 24, 47, 50 = ZZP 70, 327. 2 8 BVerfGE 13, 144; BVerfGE 23, 45; BGHZ 126, 63, 71; BGH NJW 1995, 332, 335. 2» BGHZ 40, 91, 93; BGHZ 126, 63, 70; BGH NJW 1995, 332. 3 0 Zum Fall, dass der Einzelrichter entschieden hat, obwohl die Sache nach seiner eigenen Auffassung grundsätzliche Bedeutung hat s. BGH NJW 2003, 1254 = FamRZ 2003, 669; BGH FamRZ 2003, 1922; BGH MDR 2004, 43; zur unwirksamen Übertragung s. BGH NJW 2001, 1357. 31 BGH NJW 1998, 1230; OLG Hamburg MDR 1967,599; OLG Schleswig FamRZ 1978,428,429. 27

RGZ 110, 56, 57. Zur Revision vgl. BGH MDR 1980, 203 = ZZP 93 (1980), 331 mit Anm. Waldner, BGH NJW 1988, 3268. 3 4 RGZ 154, 299, 302; BGH NJW 1953, 222, 223; BGHZ (GSZ) 44, 46, 48 = NJW 1965, 1665; BGH DB 1966, 1516 mit Anm. Schneider LM § 512 ZPO Nr. 4; OLG Schleswig FamRZ 1978, 428, 429. 35 RG LZ 1930, 1502 Nr. 6; BGHZ (GSZ) 44, 46, 49 = NJW 1965, 1665. * OLG Düsseldorf JW 1927, 1326; OLG Hamburg DR 1941, 1499; Rumpf DJZ 1928, 1542. 32

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§513

Drittes Buch. Rechtsmittel

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Der Erstrichter muss die örtliche Zuständigkeit bejaht haben. Hat er sie verneint und die Klage als unzulässig abgewiesen, weil die Voraussetzungen für eine Verweisung nicht vorlagen, hat der Beklagte sein Rügerecht noch nicht verloren 37 . Dasselbe gilt, wenn das nur im besonderen Gerichtsstand der unerlaubten Handlung angerufene Gericht die Klage auch hinsichtlich anderer Anspruchsgrundlagen abgewiesen hat und der Kläger seine Berufung auch auf diese Anspruchsgrundlagen stützt 38 . Erschleicht sich der Kläger unter Ausnutzung einer formalen Rechtsposition die örtliche Zuständigkeit, soll das Berufungsgericht ebenfalls nicht an die Bejahung der Zuständigkeit durch die erste Instanz gebunden sein, weil für eine solche Klage das Rechtsschutzinteresse fehlt 3 9 .

20

§ 513 Abs. 2 greift auch dann ein, wenn geltend gemacht wird, dass ein ausschließlicher örtlicher Gerichtsstand vorliegt (z.B. §§ 2 4 , 2 9 a , 2 9 c , 3 2 a ZPO, 2 4 UWG, 180 InsO, 2 6 FernUSG) 4 0 oder dass die erste Instanz ihre Zuständigkeit zu Unrecht auf eine Gerichtsstandsvereinbarung gestützt hat. Der Rechtsstreit darf daher in diesen Fällen nicht an das eigentlich zuständige Gericht zurückverwiesen werden.

21

b) Sachliche Zuständigkeit. Die sachliche Zuständigkeit betrifft die Zuteilung einer erstinstanzlichen Sache an das Amts- oder Landgericht (§ 1 Rdn. 3). Bei Verstößen gegen die sachliche Zuständigkeit gilt der Ausschluss der Rüge auch dann, wenn eine ausschließliche anderweitige Zuständigkeit gegeben ist. Eine ausschließliche Zuständigkeit besteht z. B. in den Fällen der § § 7 1 Abs. 2 u. 2 3 Nr. 2 a GVG, 5 8 4 Z P O , 4 9 BörsG, 61 G m b H G , 2 4 6 Abs. 3, 249, 2 7 5 u. 2 7 8 Abs. 3 AktG, 51 Abs. 3, 109 Abs. 3 u. 112 Abs. 1 GenG, 87 Abs. 1 G W B 4 1 , 140 MarkenG, 38 Abs. 1 SortenschutzG, 143 PatG 4 2 , 13 Abs. 1 S. 3 StrEG sowie gemäß § 8 0 2 Z P O in den Fällen der §§ 731, 767, 768, 7 9 6 Abs. 3, 7 9 7 Abs. 5, 8 0 0 Abs. 3, 8 0 5 Abs. 2, 9 3 7 (einschließlich des Rechtfertigungsverfahrens über eine Entscheidung gemäß § 9 4 2 ) 4 3 u. 9 5 7 Z P O 4 4 .

22

c) Zuständigkeit des Familiengerichts. Die interne Abgrenzung der Zuständigkeit des Familiengerichts zwischen dem Familiengericht und der allgemeinen Zivilabteilung des Amtsgerichts ist in § 2 3 b G V G geregelt. Sie fällt ebenfalls unter § 513 Abs. 2, wobei es auf sich beruhen kann, ob man § 2 3 b GVG als eine gesetzliche Sonderregelung für die Geschäftsverteilung 45 oder als eine Bestimmung über die funktionelle Zuständigkeit ansieht. Mit dem Ausschluss der Anfechtung sollen Streitigkeiten über den Zuständigkeitsbereich des Familiengerichts auf den ersten Rechtszug begrenzt werden. Der Gesetzgeber hat die Beschränkung der Prüfungsmöglichkeiten des Berufungsgerichts unter anderem deswegen als vertretbar angesehen, weil inzwischen eine weitgehende Präzisierung des Aufgabenbereichs der Familiengerichte durch die Rechtsprechung stattgefunden hat 4 6 . BGH DB 1966, 1516; BAG NJW 1983, 839. BGH NJW 1986, 2436 = VersR 1986, 654. 3» OLG Hamm OLGZ 1987, 336, 339. 40 RG LZ 1930, 1502 Nr. 6; RG JW 1932, 1893; RGZ 110, 56, 57. Zu § 6 des früheren AbzG vgl. LG Berlin NJW 1975, 2024; aA LG Hannover NJW 1971, 1847. 41 OLG Köln VersR 1992, 585. 42 BGHZ 8, 16, 21 f. = NJW 1953, 262; BGHZ 14, 72, 75 = NJW 1954,1568; BGHZ 49, 99,102 ff = NJW 1968, 596 mit Anm. Baumgärtel ZZP 82 (1962), 297 (jeweils zu § 528 a. F.). 37

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LG Karlsruhe NJW 1980, 1759; aA LG Frankfurt NJW 1975, 1932, das hierin eine Frage der funktionellen Zuständigkeit sieht. RGZ 78, 377. BGHZ 71, 2 6 4 = NJW 1978, 1531; NJW 1980, 1282. BT-Drucks. 10/2888, S. 24; BGH NJW-RR 1993, 1282 = FamRZ 1994, 25; s. hierzu auch Jaeger FamRZ 1985, 865.

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1. Abschnitt. Berufung

§513

Für die Einlegung der Berufung ist aufgrund der formellen Anknüpfung in § 119 Abs. 1 Abs. 1 a GVG allein maßgebend, welcher Spruchkörper (Familiengericht oder allgemeine Prozessabteilung) in erster Instanz entschieden hat, ohne dass es auf die materiellrechtliche Einordnung der Sache als Familiensache oder Nichtfamiliensache ankommt 4 7 . Diese Regelung schafft Rechtssicherheit für die Parteien, weil sich die Frage, bei welchem Gericht das Rechtsmittel eingelegt werden muss, nur nach formalen Kriterien richtet 4 8 . Die Sache gelangt damit beim Oberlandesgericht an einen Zivilsenat, wenn das Landgericht in erster Instanz entschieden hat, oder an einen Familiensenat, wenn die angefochtene Entscheidung vom Familiengericht stammt. Wird die Zuständigkeit des angerufenen Senats nicht gerügt, muss dieser die von der Vorinstanz vorgenommene Einordnung als Familien- oder Nichtfamiliensache hinnehmen, auch wenn sie falsch ist 4 9 . Bei einer Rüge ist die Sache dagegen an den Senat abzugeben, der nach der wahren Natur der Streitsache zuständig ist, und zwar unabhängig davon, ob das erstinstanzliche Gericht seine Zuständigkeit aufgrund eigener Prüfung bejaht hatte oder ob die Sache im Wege einer bindenden Verweisung nach dort gelangt war 5 0 . Denn § 513 Abs. 2 schließt zwar die Rügemöglichkeit aus, regelt aber nicht die interne Zuständigkeit beim Berufungsgericht. In diesem Fall kann die Sache daher wenigstens in der Berufungsinstanz vor den materiell richtigen Spruchkörper gebracht werden 51 .

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Voraussetzung für die Anwendbarkeit des § 513 Abs. 2 ist, dass im ersten Rechtszug überhaupt eine Rügemöglichkeit bestand. Wird ein Anspruch erstmals in der Berufungsinstanz im Wege der Klageänderung bzw. Erweiterung in den Prozess eingeführt, steht das Berufungsgericht diesem Antrag wie ein Gericht erster Instanz gegenüber. In diesem Fall ist es daher befugt, das Vorliegen einer Familiensache von Amts wegen zu prüfen 5 2 .

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Die Bindung des Berufungsgerichts an die Einordnung der Sache als Familienoder Nichtfamiliensache durch das erstinstanzliche Gericht beschränkt sich nur auf die Frage seiner Zuständigkeit. Die inhaltliche Entscheidung über das Rechtsmittel wird davon nicht berührt 5 3 . Ist also z.B. eine Streitigkeit vom Familiengericht fälschlich als Hausratssache behandelt worden, kann das Berufungsgericht in der Sache selbst ohne weiteres nach den allgemeinen Vorschriften entscheiden. Zur Frage der Bindungswirkung für die Entscheidung des Berufungsgerichts über die Zulassung der Revision (§ 621 d Abs. 1 2. Halbs.) vgl. die Kommentierung zu § 621 d. Für die befristete Beschwerde in Familiensachen gilt die gleiche Regelung wie in § 513 Abs. 2 (vgl. § 621 e Abs. 4 S. 1).

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d) Internationale Zuständigkeit. Die internationale Zuständigkeit fällt nicht unter § 513 Abs. 2 5 4 . Dies gilt unabhängig davon, ob in erster Instanz durch Zwischenoder Endurteil entschieden worden ist 5 5 . Hierbei handelt es sich um eine Prozessvoraussetzung eigener Art. Sie ist in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu 47

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BGH NJW 1991, 231 = MDR 1991, 342; BGH NJW-RR 1993, 1282 = FamRZ 1994, 25. BT-Drucks. 10/2888, S. 13 f; BGH NJW-RR 1993, 1282 = FamRZ 1994, 25. BGH NJW-RR 1988, 1221 = LM § 23 b GVG Nr. 47 mit kritischer Anm. Jauernig FamRZ 1988, 1260; BGH NJW-RR 1993, 1282, 1283 = FamRZ 1994, 25. BGH NJW-RR 1993, 1282, 1283 = FamRZ 1994, 25; Zöller/Gümmer § 119 GVG, 8.

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BGH NJW-RR 1993, 1282, 1283 = FamRZ 1994, 25. BGH NJW 1993, 3326, 3328. BGH NJW-RR 1988, 1221, 1222 = LM § 23 b GVG Nr. 47. AA Musielak/Ball Rdn. 7. OLG Frankfurt NJW 1970,1010.

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§ 513

Drittes Buch. Rechtsmittel

prüfen 5 6 , weil es darum geht, ob ein deutsches Gericht überhaupt mit der Sache befasst werden darf und nach welchem Prozessrecht zu verfahren ist 57 . Beim Streit über die Frage, ob Exterritorialität (§§ 18, 19 GVG) besteht, ist § 513 Abs. 2 ebenfalls nicht anwendbar 5 8 . Die Rüge, ein anderes deutsches Gericht sei örtlich und damit international zuständig, ist dagegen durch § 513 Abs. 2 ausgeschlossen 59 . Zur Prüfung der Zuständigkeit im Verhältnis zu den Staaten der EU s. Art. 19, 20 des Übereinkommens v. 27.9.1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen 6 0 . 28

e) Rechtsweg. Bei dem Verhältnis zwischen den ordentlichen Gerichten und den Arbeitsgerichten geht es nach der Neufassung der §§ 17 ff GVG, 48 ArbGG 6 1 um den Rechtsweg und nicht mehr um die sachliche Zuständigkeit 6 2 . Für die Frage, ob der beschrittene Rechtsweg zulässig ist, gilt allein § 17a Abs. 5 GVG, der § 513 Abs. 2 als speziellere Norm vorgeht. Hiernach ist die Rechtswegzuständigkeit in den höheren Instanzen grundsätzlich nicht mehr zu prüfen 6 3 , und zwar unabhängig davon, ob es sich um eine Vermögens- oder nichtvermögensrechtliche Streitigkeit handelt und ob der Beklagte in erster Instanz gerügt hatte, dass der Rechtsweg zum ordentlichen Gericht nicht gegeben sei. 29 § 17a Abs. 5 GVG schließt die Prüfung des Rechtswegs allerdings nur dann aus, wenn über ein Rechtsmittel gegen eine Entscheidung in der Hauptsache zu entscheiden ist. Er greift nicht ein, wenn die Klage in erster Instanz entgegen § 17 a Abs. 2 GVG als unzulässig abgewiesen worden ist, weil der Rechtsweg nicht gegeben ist 64 . Das gleiche gilt, wenn das erstinstanzliche Gericht über die Zulässigkeit des Rechtswegs trotz entsprechender Rüge des Beklagten unter Verstoß gegen § 17a Abs. 3 S. 2 GVG erst im angefochtenen Urteil entschieden hat 6 5 oder wenn durch eine Veränderung des Streitgegenstands die Rechtswegfrage erstmals in zweiter Instanz auftaucht. Nach Sinn und Zweck der Regelung soll dem Berufungsgericht die Prüfung nur dann versagt sein, wenn die Rechtswegfrage durch eine für die weiteren Instanzen bindende beschwerdefähige Vorabentscheidung geklärt worden ist 66 . Fehlt es hieran, kann das Berufungsgericht die Frage überprüfen. Die Entscheidung hierüber kann grundsätzlich im Schlussurteil getroffen werden, es sei denn, bei einer Vorabentscheidung müsste das Berufungsgericht die Beschwerde gemäß § 17 a Abs. 4 S. 4, 5 GVG zulassen. In diesem Fall muss es das in § 17a Abs. 3 S. 1 GVG vorgeschriebene Vorabverfahren nachholen 6 7 . 30

f) Zuständigkeitsprüfung bei Verletzung von Verfahrensgrundrechten. § 513 Abs. 2 schließt die Berufung auch dann aus, wenn der Beklagte geltend macht, die BGHZ (GSZ) 44, 65 = NJW 1965, 1665; BGHZ 84, 17, 18 = NJW 1982, 1947 (auch zur Frage der interlokalen Zuständigkeit); BGH NJW 1980, 1224; 1987, 592; OLG München NJW-RR 1989, 663, 664. Einschränkend Geimer IPRax 1991, 31, 35. Zu § 512a a.F. vgl. insoweit BGHZ (GSZ) 44, 4 6 = NJW 1965, 1665 mit Anm. Schneider LM ZPO 512a Nr. 4; BGH NJW 1982, 1947; BAG NJW 1971, 2143; OLG München IPRax 1984, 319; OLG Karlsruhe NJW-RR 1989, 187; OLG Hamm NJW 1990, 652; OLG Düsseldorf NJW 1991, 3103; OLG Saarbrücken NJW 1992, 987. RGZ 157, 389, 392; dazu Pagenstecher JW 1938, 2293.

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BAG NJW 1971, 2143 mit Anm. Geimer NJW 1972, 407. BGBl. II 1972, 773; 1973, 60. S. hierzu auch OLG Köln NJW 1988, 2182. 4. VwGOÄndG vom 17.12.1990 BGBl. I 2809. Zur früheren Rechtslage s. z.B. BGH NJW 1958, 24; BGHZ 26, 3 0 4 = NJW 1958, 543. OLG Frankfurt NJW-RR 1993, 1342, 1343. OLG Frankfurt NJW-RR 1990, 1408 = M D R 1990, 60 (zu § 532 Abs. 2). BGHZ 119, 246, 2 5 0 = NJW 1993, 470; BGHZ 121, 367, 369 = BGH NJW 1993, 1799; BGH NJW 1 9 9 8 , 2 0 5 7 . BGHZ 121, 367, 371 = BGH NJW 1993, 1799; BGHZ 130, 159 = NJW 1995, 2851. BGHZ 131, 1 6 9 , 1 7 1 = NJW 1996, 591.

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1. Abschnitt. Berufung

§513

erste Instanz habe bei der Annahme der Zuständigkeit ein Verfahrensgrundrecht verletzt. Der Beklagte kann die Rüge daher nicht darauf stützen, ihm sei in erster Instanz zur Frage der Zuständigkeit kein rechtliches Gehör gewährt worden 6 8 . Die Parteien haben eine Entscheidung, gegen die nach der maßgeblichen Verfahrensordnung kein Rechtsmittel gegeben ist, grundsätzlich hinzunehmen. Dies gilt unabhängig davon, ob der Fehler in der Anwendung des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts liegt. Es besteht daher keine Veranlassung, die Berufung entgegen den Beschränkungen der §§ 511, 512, 513 auch dann zuzulassen, wenn die erstinstanzliche Entscheidung unter Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 G G zustande gekommen ist. Eine Anfechtung ist allein mit der Verfassungsbeschwerde möglich 6 9 . D a s in diesem Zusammenhang angeführte, vom BVerfG begründete Prinzip der Selbstkontrolle der Fachgerichte 7 0 kann nur dort greifen, w o die Verfahrensordnung ein Rechtsmittel ermöglicht. Dies ist hier nicht der Fall. Eine Durchbrechung von § 513 Abs. 2 kommt allerdings ausnahmsweise dann in Betracht, wenn die Entscheidung über die örtliche Zuständigkeit jeder gesetzlichen Grundlage entbehrt und damit auf Willkür beruht. Für diesen Fall ist anerkannt, dass eine Entscheidung auch dann rechtsmittelfähig sein muss, wenn dies von der Verfahrensordnung an sich nicht zugelassen wird 7 1 . Allein die Verletzung von Art. 103 Abs. 1 G G ist aber im Allgemeinen nicht geeignet, einen derartigen besonders schwerwiegenden Gesetzesverstoß zu begründen 7 2 . g) Entsprechende Anwendung von § 513 Abs. 2. § 513 Abs. 2 ist auf die Fälle der 3 1 Gerichtseinteilung entsprechend anwendbar, also im Fall einer Entscheidung einer Baulandsache durch die allgemeine Zivilkammer 7 3 , einer Entscheidung einer Patentsache durch ein nicht zum Patentgericht bestelltes Landgericht 7 4 oder bei einem Verstoß gegen § 96 Abs. 2 G W B 7 5 . D a s gleiche gilt für die Abgrenzung zwischen ordentlicher und freiwilliger Gerichtsbarkeit, also wenn gegen ein Urteil der ordentlichen Gerichtsbarkeit Berufung mit dem Ziel eingelegt wird, eine Verweisung der Sache an das Gericht der freiwilligen Gerichtsbarkeit zu erreichen. Im umgekehrten Fall gilt dagegen keine Beschränkung. Ist eine Landwirtschaftssache vor das Prozessgericht gelangt und ist der Mangel der (ausschließlichen) Zuständigkeit von den Parteien nicht gerügt worden, kommt in zweiter Instanz eine Abgabe nicht mehr in Betracht 7 6 . Die Sache ist daher beim Oberlandesgericht vom allgemeinen Zivilsenat und nicht vom Landwirtschaftssenat zu entscheiden. § 513 Abs. 2 kann weiter dann entsprechend herangezogen werden, wenn ein zuvor geschlossener Prozessvergleich von den Parteien einverständlich aufgehoben wird und der wiederaufgelebte Streit nicht in dem alten, sondern in einem neuen Verfahren fortgesetzt wird. Wird vor dem Berufungsgericht erstmals geltend gemacht, das alte Verfahren sei noch bei dem Gericht anhängig, vor dem der Vergleich geschlossen worden ist, unterliegt die Rüge den Beschränkungen des § 513 Abs. 2 7 7 . 68 69

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AA KG NJW-RR 1987, 1203. Zur Rechtswegerschöpfung in diesem Fall vgl. BVerfG NJW 1991, 2622. BVerfGE 49, 252, 258 = NJW 1979, 538; 63, 77, 79 = NJW 1983, 1900; 73, 322, 327 = NJW 1987, 1319; zur Verpflichtung des Gesetzgebers zum Erlass einer Neuregelung bis zum 31.12. 2004, die den Fachgerichten eine eigene Korrektur ihrer Entscheidungen bei einem Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG gestattet s. BVerfG NJW 2003, 1924. Vgl. hierzu BGH NJW-RR 1986, 738; BGH WM 1986, 824, 825; BGH NJW 1988, 49.

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BGHZ 43, 12, 19 = NJW 1965, 495; BGH NJWRR 1986, 738; BGH NJW 1990, 839, 840. KG OLGZ 1972, 292, 294. BGHZ 40, 148 = NJW 1964, 200 nimmt insoweit einen Rügeverlust gemäß § 295 an. BGHZ 8, 16 = NJW 1953, 179. BGHZ 37, 194 = NJW 1962, 1955. BGH NJW-RR 1992, 1152; OLG Koblenz MDR 1968, 677; aA OLG Celle MDR 1976, 586. BAG NJW 1974, 2151.

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§514 32

Drittes Buch. Rechtsmittel

§ 513 Abs. 2 gilt auch für die sofortige Beschwerde 78 . Die Zuständigkeitsrüge ist aber nur dann ausgeschlossen, wenn sie schon in erster Instanz hätte erhoben werden können. Dies setzt insbesondere voraus, dass der Beschwerdeführer rechtliches Gehör zur Frage der Zuständigkeit hatte. Für das Vollstreckungsverfahren gelten die gleichen Grundsätze 7 9 .

IY. Bedeutung von § 513 für die Zulässigkeit der Berufung 33

Die Frage, ob eine Rechtsverletzung vorliegt oder ob eine nach § 529 zugrunde zu legende Tatsache eine andere Entscheidung rechtfertigt (§ 513 Abs. 1), ist ausschließlich im Rahmen der Begründetheit des Rechtsmittels zu prüfen. Die formalen und inhaltlichen Anforderungen, die an die Berufungsbegründung zu stellen sind, werden hiervon nicht berührt. Sie sind ausschließlich in § 520 Abs. 3 geregelt. Begründet der Berufungskläger seine Berufung ausschließlich mit einem Angriffspunkt, auf den die Berufung nach § 513 Abs. 1 nicht gestützt werden kann, ist die Berufung daher nicht als unzulässig zu verwerfen. Für die Ordnungsgemäßheit der Begründung kommt es vielmehr nur darauf an, ob einer der Angriffe im Sinne von § 520 Abs. 3 Nr. 2 - 4 geführt worden ist. O b er eventuell deswegen scheitert, weil das Berufungsgericht seine Prüfung nicht hierauf erstrecken darf, ist nicht eine Frage der Zulässigkeit. 34 Anders ist es hingegen mit der Zuständigkeitsrüge gemäß § 513 Abs. 2. Eine Berufung, die nur hierauf gestützt wird, ist unzulässig und nicht unbegründet 8 0 . § 513 Abs. 2 versagt für diese Fälle ein Rechtsmittel. Die Berufung ist daher zu verwerfen. Würde man sie für zulässig halten, müsste sie trotz der Beschränkung Erfolg haben, wenn sich im Laufe des zweitinstanzlichen Verfahrens herausstellt, dass eine von Amts wegen zu beachtende notwendige Prozessvoraussetzung (z.B. Parteifähigkeit 81 , ordnungsgemäße gesetzliche Vertretung der Partei 82 ) fehlt. Werden neben der örtlichen Unzuständigkeit auch andere Berufungsgründe geltend gemacht, ist über die Zuständigkeit durch Prozessurteil und im Übrigen durch Sachurteil zu entscheiden.

§ 514 Versäumnisurteile (1) Ein Versäumnisurteil kann von der Partei, gegen die es erlassen ist, mit der Berufung oder Anschlussberufung nicht angefochten werden. (2) Ein Versäumnisurteil, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, unterliegt der Berufung oder Anschlussberufung insoweit, als sie darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe. § 511 Abs. 2 ist nicht anzuwenden.

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BGH M D R 1992, 2 9 9 = DtZ 1992, 83; OLG Naumburg JR 1925, 225; KG JW 1932, 182, 201; 1936, 1026; OLG Köln NJW-RR 1990, 894, 895. LG Dresden DRW 1939, 587; aA LG Berlin ZZP 58 (1934), 79. Zu § 512a a.F. vgl. RGZ 93, 351; 110, 56, 58; BGH NJW 1953, 222; BGH DB 1966, 1516;

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BGH LM ZPO § 5 4 9 Nr. 13; BGH NJW 1998, 1230 (Berufung gegen ein Zwischenurteil); BAG AP § 512 a Nr. 1; aA BGH M D R 1980, 2 0 3 zu § 549 Abs. 2 a. F. (ohne nähere Begründung); KG JR 1966, 349; OLG München ZZP 1952, 326. S. RG JW 1 9 1 6 , 1 0 2 2 zu § 549. RGZ 93, 351.

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§514

1. Abschnitt. Berufung

Schrifttum Braun Die Berufung gegen das zweite Versäumnisurteil, ZZP 93 (1980), 4 4 3 ff; Braun Berufung gegen das zweite Versäumnisurteil bei unschlüssiger Klage, J Z 1999, 1157; Elser Die Rechtsprechung zur Berufung gegen das technisch zweite Versäumnisurteil, JuS 1994, 965; Hoyer Das technisch zweite Versäumnisurteil, Europäische Hochschulschriften 1980, Reihe II Bd. 2 4 4 ; Schneider Die Überprüfung des zweiten Versäumnisurteils, MDR 1985, 375. Übersicht Rdn

Rdn I. Der Regelfall (Abs. 1) II. Die Ausnahme (Abs. 2) 1. Inhalt der Norm 2. Verhältnis zur Wiedereinsetzung 3. Beschwer für die Berufung . . . 4. Berufungsrüge

aa) bb)

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b) Einzelfälle

ni.

Fehlende Säumnis Säumnis durch unabwendbaren Zufall cc) Fehler beim ersten Versäumnisurteil 5. Anschlussberufung 6. Analoge Anwendung

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Entscheidung

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I. Der Regelfall (Abs. 1) § 514 Abs. 1 bestimmt als Regelfall, dass dort, wo der spezielle Rechtsbehelf des Einspruchs statthaft ist (§ 338), das Rechtsmittel der Berufung unstatthaft ist. Der Einspruch ist der Rechtsbehelf gegen das technisch erste Versäumnisurteil (§ 338). § 514 Abs. 1 betrifft nur echte Versäumnisurteile. Unechte Versäumnisurteile sind unabhängig von § 514 mit der Berufung anfechtbar, wenn die allgemeinen Zulässigkeitsvoraussetzungen hierfür vorliegen. Von einem unechten Versäumnisurteil spricht man in zwei Fällen. Ist die Klage unzulässig oder unbegründet, wird sie unabhängig von der Säumnis des Beklagten gegen den Antrag des erschienenen Klägers abgewiesen (§ 331 Abs. 2 2. Halbs.) 1 . Den zweiten Fall bilden die Urteile, die zwar gegen die säumige Partei ergehen, aber nicht auf ihrer Säumnis beruhen. Besteht z. B. ein nicht behebbarer Verfahrensmangel, wird die Klage auch bei Säumnis des Klägers durch Prozessurteil und nicht durch Versäumnisurteil abgewiesen 2 . Dasselbe gilt, wenn aus dem gleichen Grund ein Wiedereinsetzungsgesuch, Einspruch oder Rechtsmittel gegen den säumigen (Rechtsmittel-)Kläger nach mündlicher Verhandlung durch Urteil verworfen wird. Das Urteil nach Lage der Akten, das nach Säumnis einer oder beider Parteien ergeht (§§ 251a, 331a), ist ebenfalls eine kontradiktorische Entscheidung (vgl. § 251 a Rdn. 10), so dass § 514 nicht eingreift. Ob ein Versäumnisurteil vorliegt, hängt nicht von der Bezeichnung, sondern von seinem Inhalt ab 3 . Maßgeblich ist, in welcher Form das untere Gericht entscheiden wollte. Ist dies unklar, gilt das Meistbegünstigungsprinzip4 (hierzu Vor § 511 Rdn. 79). 1

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BGH LM ZPO § 331 Nr. 1; BGH NJW 1961, 2207. BGH NJW 1959, 1780; N J W 1961, 829 = M D R 1961, 311 (unzulässige Revision); 1967, 2162; 1969, 845, 846; NJW-RR 1986, 1041 = M D R 1986, 998; NJW-RR 1991, 255; BGH LM ZPO § 338 Nr. 2; LM ZPO § 238 Nr. 10; Stein/

Jonas /Schumann Vor § 330, 27; aA RGZ 50,

384, 86; 140, 77; Blomeyer § 54 III 2a. Zum

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Sonderfall des § 2 3 9 Abs. 4 s. BGH NJW 1957, 1840. BGH VersR 1974, 1099; VersR 1976, 251. BGH FamRZ 1988, 945 = EzFamR ZPO § 313 b Nr. 1; OLG München M D R 1988, 973. Zur Prüfungspflicht des Gerichts bei Unklarheiten s. RGZ 159, 357, 360. Hierzu B G H Z 4 0 , 265, 2 6 7 = NJW 1964, 660; 72, 182; B G H Z 73, 87, 89 = N J W 1979, 658.

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§514

Drittes Buch. Rechtsmittel

Es ist wahlweise die Berufung oder der Einspruch gegeben 5 . Hat das Gericht unzweifelhaft durch Versäumnisurteil entscheiden wollen, ist nur der Einspruch gegeben, auch wenn ein Versäumnisurteil nicht hätte ergehen dürfen 6 . Ist ein zweites Versäumnisurteil ergangen, obwohl die Voraussetzungen des § 3 4 5 nicht vorlagen und nur ein mit dem Einspruch anfechtbares „weiteres" Versäumnisurteil hätte ergehen dürfen, ist nach dem Grundsatz der Meistbegünstigung die Berufung gemäß § 514 Abs. 2 möglich 7 . Hätte in erster Instanz an Stelle des angefochtenen Urteils ein neues erstes Versäumnisurteil ergehen müssen, muss es vom Berufungsgericht erlassen werden. Zum weiteren Verfahren kann die Sache gemäß § 5 3 8 Abs. 2 Nr. 6 zurückverwiesen werden 8 . 6

Wird der Klage zum Teil durch echtes Versäumnisurteil stattgegeben und ergeht im Übrigen ein die Klage abweisendes unechtes Versäumnisurteil, steht dem Kläger nur die Berufung und dem Beklagten nur der Einspruch zu 9 . Gegen den Kläger hat das Urteil kontradiktorischen Charakter. Greift er es nicht an, ist der Erstrichter nach § 318 an die Abweisung der Klage gebunden 1 0 . Durch den Einspruch des Beklagten kann die Entscheidung nur insoweit geändert werden, als sie echtes Versäumnisurteil ist. Der Einspruch hemmt nicht den Eintritt der Rechtskraft zum übrigen Teil. Dies gilt auch für ein Verbundurteil, sofern es teilweise auf der Säumnis einer Partei beruht 1 1 .

II. Die Ausnahme (Abs. 2) 1. Inhalt der Norm 7

§ 514 Abs. 2 regelt die Ausnahme, dass gegen ein Versäumnisurteil der Einspruch an sich nicht statthaft ist (§ 345). Hier fehlt der für den Ausschluss der Berufung maßgebliche Anlass 1 2 . § 514 Abs. 2 gibt daher einen besonderen Berufungsgrund für den Fall, dass eine Versäumung nicht vorgelegen hat. Er verschafft der Partei das rechtliche Gehör 1 3 , soweit sie es sich nicht aus eigenem Verschulden abgeschnitten hat. Andererseits knüpft er im Interesse der Prozessbeschleunigung an das erneute Ausbleiben die Sanktion des endgültigen Prozessverlustes 14 .

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Der Einspruch ist in drei Fällen „an sich nicht statthaft". Hauptanwendungsfall ist das technisch zweite Versäumnisurteil, mit dem der Einspruch gegen ein Versäumnisurteil oder gegen einen Vollstreckungsbescheid verworfen wird (§§ 345, 7 0 0 ) . Bestehen Unklarheiten, ob ein zweites Versäumnisurteil vorliegt, gilt das Meistbegünstigungsprinzip (s. Rdn. 5). Zur zweiten Gruppe gehört das Versäumnisurteil, mit dem das erstinstanzliche Gericht einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 2 3 8 Abs. 2 S. 2) zurückweist. Die Berufung ist unabhängig davon gegeben, ob das erstinstanzliche Gericht nur über das Wiedereinsetzungsgesuch 1 5 oder auch zugleich über den Einspruch entschieden hat 1 6 . Den dritten Fall 5

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Zum Fall, dass ein erstes Versäumnisurteil irrig als zweites Versäumnisurteil bezeichnet wird OLG Köln MDR 1969, 225; OLG Nürnberg OLGZ 1982, 447; LG Wuppertal NJW 1985, 2653. BGH WM 1981, 829, 830; OLG Düsseldorf MDR 1985, 1034. BGH VersR 1984, 287, 288. S. auch RGZ 159, 357, 360; OLG Nürnberg OLGZ 1982, 447, 448. OLG Nürnberg OLGZ 1982, 447, 449. BGH NJW-RR 1986, 1326; BAG NJW 1966,

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612. Vgl. auch BGH FamRZ 1986, 897 u. FamRZ 1988, 945. RGJW 1896, 637 Nr. 10. BGH NJW-RR 1986, 1326. Vgl. Hahn, Motive 2. Bd. 1. Abt. S. 350. Hierzu Vollkommer Anm. zu BAG AP ZPO § 513 Nr. 6 u. Kramer NJW 1978, 1411, 1416. BGHZ 97, 341 = NJW 1986, 2113, 2114. BGH NJW 1958, 183. BGH NJW 1969, 845.

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1. Abschnitt. Berufung

§514

bildet das Versäumnisurteil, mit dem die erste Instanz den Einspruch gegen ein Versäumniszwischenurteil (§ 347 Abs. 2) verwirft. Voraussetzung ist allerdings, dass es ausnahmsweise selbständig anfechtbar ist (s. hierzu § 512 Rdn. 4). Andernfalls muss bei der Anfechtung des Endurteils geltend gemacht werden, dass für das Versäumniszwischenurteil ein Fall der Versäumung nicht vorgelegen habe 1 7 . 2. Verhältnis zur Wiedereinsetzung Ein Berufungsgrund gemäß § 514 Abs. 2 rechtfertigt in der Regel auch eine 9 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Dieser Weg braucht aber nicht beschritten zu werden, auch soweit die Wiedereinsetzung noch möglich ist. Die Begründung der Berufung genügt, da sie sich inhaltlich mit dem Wiedereinsetzungsgesuch deckt. Ist allerdings die Wiedereinsetzung in einer gesonderten Entscheidung abgelehnt worden, muss diese Entscheidung auch gesondert angefochten werden (§ 238 Abs. 2 S. 1) 18 . 3. Beschwer für die Berufung Die Entscheidung müsste, wäre sie in Form eines kontradiktorischen Urteils 1 0 ergangen, mit der Berufung anfechtbar sein 19 . Der Berufungskläger benötigt also insbesondere eine Beschwer. Auch die weiteren Prozess- und Prozessfortsetzungsbedingungen für die Berufung müssen erfüllt sein. Eine Ausnahme gilt nur für die Berufungssumme bzw. die Zulassung der Berufung (§ 511 Abs. 2). 4. Berufungsrüge a) Allgemeines. Die Berufung ist nur mit der Rüge zulässig, dass im Termin zur 11 Verhandlung über den Einspruch bzw. das Wiedereinsetzungsgesuch ein Fall der Versäumung nicht vorgelegen habe (zum Begriff der Säumnis s. Kommentierung zu § 220). Die Rüge muss innerhalb der Begründungsfrist erhoben werden 2 0 . Der Berufungskläger kann seinen Vortrag hierzu bei schlüssiger Begründung und damit zulässiger Berufung noch ergänzen, allerdings nur unter den Beschränkungen des § 530. Fehlt die Rüge, ist die Berufung unzulässig 21 (zur Entscheidung in diesem Fall s. Rdn. 28). Die maßgeblichen Umstände, die nach Ansicht des Berufungsklägers der Säumnis 1 2 entgegenstehen, müssen vorgetragen werden 2 2 . Hierzu gehört auch das mangelnde Verschulden 23 . Dieser Vortrag ist Zulässigkeitsvoraussetzung für die Berufung. Die bloße Bezugnahme auf eine Urkunde reicht nicht aus 2 4 . Versäumter Vortrag kann in der Revisionsinstanz nicht nachgeholt werden 2 5 . b) Einzelfälle aa) Fehlende Säumnis. Die Rüge muss dahin gehen, dass ein Fall der Säumnis 1 3 nicht vorgelegen habe. Dies ist z.B. der Fall, wenn die Ladung nicht hätte vor17

Zur Anfechtung des Versäumnis-Zwischenurteils zusammen mit dem Endurteil s. RGZ 13, 397; JW 1891, 89. 18 BGH LM § 238 ZPO Nr. 11. " BAG AP § 566 ZPO Nr. 2. 20 BGH NJW 1967, 728 = MDR 1967, 485; OLG Saarbrücken NJW-RR 1995, 1279 (mit falschem Leitsatz); LG Münster MDR 1988, 681; LG Karlsruhe MDR 1988, 870. Einschränkend (Rüge muss „regelmäßig" in der Begründung

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erhoben werden) BAG NJW 1972, 790 = MDR 1972, 360. AA Schneider MDR 1985, 375, 376. BGH VersR 1985, 542, 543; BGH LM § 238 ZPO Nr. 10. BGHZ 112, 367 = NJW 1991,42,43; BGH NJW 1999, 2120, 2122 = LM § 513 ZPO Nr. 14. BGH VersR 1985, 542, 543. BGH NJW 1967, 728 = MDR 1967, 485. BGH aaO; BGHZ 112, 367 = NJW 1991, 42,43; BAG NJW 1972, 790.

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§ 514

Drittes Buch. Rechtsmittel

genommen werden dürfen, also bei Unterbrechung 2 6 , Aussetzung oder Ruhen des Verfahrens (§§ 249, 251; zur Wirksamkeit einer gleichwohl ergangenen Entscheidung vgl. § 249 Rdn. 21). Die vor Aufnahme des Verfahrens zugestellte Ladung bleibt wirkungslos 27 . Weitere Fehlerquellen sind ordnungswidrige Terminsanordnungen, Mängel der Ladung (§ 335 Abs. 1 Nr. 2; im Einzelnen hierzu § 214 Rdn. 4, 12) oder im Fall des § 218 ein Mangel bei der Verkündung. Hierzu gehört auch, dass die Partei über die Verlegung eines Termins oder über den Terminsort unrichtig belehrt oder dass der Termin zu früh (§ 220) bzw. an einem anderen Ort abgehalten (§ 219) wurde. Unterbleibt der Aufruf, gilt die Partei als nicht geladen 28 . 14

Ebenso können sich Fehler aus der Verhandlung selbst ergeben, sei es, dass die Partei oder ihr Vertreter zu Unrecht zurückgewiesen worden ist 29 , oder dass ein Anwalt nach § 89 um Zulassung gebeten hatte und dem Antrag aus außerprozessualen Gründen nicht stattgegeben wurde 3 0 . Ferner kann eine fehlerhafte Anwendung von § 158 oder § 333 dazu führen, dass in Wahrheit keine Säumnis vorlag. 15 Ist das Versäumnisurteil ergangen, obwohl der Gegner keinen entsprechenden Antrag gestellt hatte, handelt es sich nicht um einen Fall der fehlenden Säumnis. Denn das Ausbleiben des Antrags fällt nicht in die Sphäre der säumigen Partei. 16

bb) Säumnis durch unabwendbaren Zufall. Über den Wortlaut des § 514 Abs. 2 hinaus wird die Berufung auch dann zugelassen, wenn die Partei zwar säumig war, ihre Säumnis aber auf einem unabwendbaren Zufall beruht (§ 337 S. I) 3 1 . Die Verschuldensfrage richtet sich nach den gleichen Maßstäben wie bei der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. 17 Ein unabwendbarer Zufall kann z. B. vorliegen bei Erkrankung der Partei 32 bzw. ihres Vertreters, bei einem Unfall 3 3 oder bei einer Autopanne auf dem Weg zum Termin. Bei einem Verkehrsstau hängt die Frage des Verschuldens davon ab, ob eine ausreichende Reservezeit für die Anreise eingeplant worden war 3 4 . Die Partei muss zudem versucht haben, ihre Verhinderung dem Gericht mitzuteilen, sofern ihr dies möglich war 3 5 . Andernfalls ist ihre Säumnis nicht als entschuldigt anzusehen. Denn mit der Mitteilung hätte sie den Erlass der Entscheidung verhindern können, da das Gericht gemäß § 337 S. 1 die Verhandlung über den Erlass des Versäumnisurteils bei einer Benachrichtigung hätte vertagen müssen. 18

Auch eine unzumutbare Überschreitung der festgesetzten Terminsstunde (vgl § 220 Rdn. I I ) 3 6 kann ein unabwendbarer Zufall sein, und zwar wenn der Partei wegen anderer Verpflichtungen ein weiteres Abwarten bis zum Verhandlungsbeginn nicht zuzumuten war. Einen Vertagungsantrag wird man von der Partei nicht fordern können, da sie diesen nicht ohne weiteres anbringen kann, solange ihre Sache noch nicht aufgerufen ist. Ein unabwendbarer Zufall liegt auch dann vor, wenn ein rechtzeitig gestellter Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht 26 27 28

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Beispiel: BGH NJW-RR 1989, 255, 256. BGHZ 111, 104, 107 = NJW 1990, 1854, 1855. BVerfG NJW 1977, 1443; RGZ 76, 101, 102; LG Hamburg NJW 1977, 1459. Zum Fall, dass die Partei wegen einer Verzögerung in einer vorangegangenen Sache nicht mehr mit dem Aufruf rechnete, s. Peters NJW 1976, 675. RGZ 135, 224, 229. RG Gruch. 59, 490 (auch Ermessensentscheidungen sind in der Berufungsinstanz nachprüfbar). RGZ 166, 246; BGH WPM 1982, 601; BAG DB 1977, 919 (Unkenntnis des Prozessbevollmäch-

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tigten von der Ladung, die noch an die Partei gegangen ist); Braun ZZP 93 (1980), 443, 449ff. LG Tübingen NJW-RR 1987, 1212. BAG AP Nr. 5. OLG Köln MDR 1998, 617; zu großzügig insoweit BGH NJW 1999, 724 = LM § 337 ZPO Nr. 5. BAG NJW 1972, 790 u. AP § 513 ZPO Nr. 5; OLG Brandenburg NJW-RR 1998, 1678, 1679. LAG Frankfurt NJW 1973, 1719. LAG Hamm NJW 1973,1950 = MDR 1973, 618; LG Koblenz NJW 1957, 305.

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1. Abschnitt. Berufung

§514

beschieden oder zu Unrecht zurückgewiesen worden ist 37 oder wenn das Gericht entgegen § 121 keinen Rechtsanwalt beigeordnet hatte und die Partei deswegen im Termin nicht vertreten war 3 8 . Etwas anderes gilt aber dann, wenn die Partei versäumt hat, die Entscheidung mit einem Rechtsmittel anzugreifen, obwohl ihr dies möglich gewesen wäre. Die Säumnis ist weiter dann als entschuldigt anzusehen, wenn eine Vereinbarung 1 9 mit dem Gegner bestand, nicht bzw. später zum Termin zu erscheinen 39 oder keinen Antrag auf Erlass eines Versäumnisurteils zu stellen 40 und das Urteil unter Verstoß gegen diese Abrede erwirkt worden ist. Dies gilt auch, wenn der gegnerische Rechtsanwalt gegen die Zusage verstoßen hat, er werde für die verhinderte Partei einen Rechtsanwalt in Untervollmacht auftreten lassen 41 oder wenn ein örtlicher Brauch unter den Anwälten besteht, gegen die anwaltlich vertretene Partei kein Versäumnisurteil zu beantragen 4 2 . Dagegen darf der Rechtsanwalt nicht darauf vertrauen, der gegnerische Anwalt 2 0 werde allein aus Standesrücksicht keinen Versäumnisantrag stellen 43 . Hinterlegt der Anwalt seine Handakte im Terminssaal mit einem Zettel, der die Bitte enthält, dass ein Kollege für ihn auftrete, ist das Nichterscheinen ebenfalls verschuldet 44 . Dasselbe gilt, wenn die Partei darauf vertraut hat, das Gericht werde ihrem Antrag auf Terminsverlegung stattgeben 45 . Sie kann nicht von einer stillschweigenden Terminsverlegung ausgehen 4 6 (s. auch § 227 Rdn. 39). Legt der Anwalt das Mandat ohne zwingenden Grund so kurzfristig nieder, dass die Partei keinen anderen Anwalt mehr beauftragen kann, handelt er pflichtwidrig und schuldhaft. Dies muss sich die Partei zurechnen lassen, so dass die Säumnis nicht entschuldigt ist 47 . cc) Fehler beim ersten Versäumnisurteil. Zur Frage, ob die Berufung gegen das 21 zweite Versäumnisurteil auch damit begründet werden kann, dass die erste Entscheidung fehlerhaft war und demgemäss nicht hätte ergehen dürfen, gilt folgendes: Es ist danach zu unterscheiden, ob dem zweiten Versäumnisurteil ein Vollstreckungsbescheid oder ein Urteil vorausgegangen ist. Ist ein Vollstreckungsbescheid ergangen und bleibt der Beklagte in dem Termin zur Verhandlung über seinen Einspruch säumig, darf gemäß § 700 Abs. 6 der Einspruch nur verworfen werden, soweit die Voraussetzungen für den Erlass eines Versäumnisurteils vorliegen (§ 331 Abs. 1, Abs. 2 1. Halbs.). Andernfalls ist der Vollstreckungsbescheid aufzuheben. Das erstinstanzliche Gericht muss also vor Erlass des zweiten Versäumnisurteils (§ 700 Abs. 1) prüfen, ob die allgemeinen Prozessvoraussetzungen vorliegen, ob der Vollstreckungsbescheid ordnungsgemäß ergangen und ob die Klage schlüssig ist 48 . Die 37

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OLG München HRR 1940, 1082 u. JurBüro 1985, 1267; LG Münster MDR 1991, 160; aA OLG Koblenz MDR 1990, 255. Zum Fall, dass die Prozesskostenhilfe aus unzutreffenden Gründen versagt worden ist, s. Schneider MDR 1985, 375, 377. RG WarnRspr 1932, Nr. 52. LAG Köln AnwBl 1984, 159. LG Braunschweig NdsRpfl 1951, 102; LG Köln MDR 1952,496. Anders liegt der Fall aber dann, wenn der gegnerische Anwalt ausdrücklich gebeten wurde, endlich zum Termin zu erscheinen, s. hierzu OLG Frankfurt NJW 1959, 633. OLG Karlsruhe NJW 1974, 1096. BGH NJW 1976, 196 = MDR 1976, 136 mit Anm. Peters NJW 1976, 675; BGHZ 112, 367, 3

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= BGH NJW 1991, 42, 43; LG Bonn JurBüro 1991, 588. § 23 der anwaltlichen Standesrichtlinien entfaltet keine Wirkung mehr. LG Duisburg NJW-RR 1991, 1022. BGH VersR 1982, 268; LArbG Berlin RdA 71, 159. BGH NJW 1982, 888, 889 = VersR 1982, 268. BGH VersR 1985, 542, 543; aA RGZ 166, 246, 249. BGHZ 73, 87, 92 = NJW 1979, 658 mit Anm. v. Peetz LM § 345 ZPO Nr. 3 = ZZP 94 (1981), 87 mit Anm. Vollkommer; BGH NJW 1982, 888 = VersR 1982, 268; aA OLG Düsseldorf MDR 1987, 769.

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§514

Drittes Buch. Rechtsmittel

gegen diese Entscheidung gerichtete Berufung muss dem zweitinstanzlichen Gericht denselben Prüfungsumfang eröffnen. Die Berufung kann daher in diesem Fall trotz der Beschränkung des § 514 Abs. 2 auch darauf gestützt werden, dass der Vollstreckungsbescheid nicht hätte ergehen dürfen, weil die verfahrensrechtlichen Voraussetzungen für seinen Erlass nicht vorlagen oder dass die Klage zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Einspruch unzulässig oder unbegründet war 4 9 . Ist dem zweiten Versäumnisurteil dagegen ein Urteil vorausgegangen, wird der Beklagte mit diesen Einwänden nicht mehr gehört. Die Rüge, beim Erlass des ersten Versäumnisurteils habe in Wahrheit keine Säumnis vorgelegen, ist ihm verwehrt 50 . Weiterhin kann er die Berufung nicht auf die fehlende Schlüssigkeit der Klage stützen 51 . Die Gegenansicht, die eine erneute Prüfung zulassen will, wendet hiergegen ein, eine unschlüssige Klage verpflichte den Beklagten nicht zum Erscheinen, daher könne er nicht als säumig behandelt werden 5 2 . Dabei bleibt außer Betracht, dass der Beklagte Gelegenheit hatte, seine Rechte im Einspruchstermin wahrzunehmen und das Gericht auf den Fehler bei der Schlüssigkeitsprüfung hinzuweisen 53 . Nimmt er sein Recht in der mündlichen Verhandlung nicht wahr und bleibt zum zweiten Mal schuldhaft fern, bekundet er sein Desinteresse. Er kann dann nicht erwarten, dass das Gericht in seinem Sinn entscheidet 54 . Daher ist es folgerichtig, den Zugang zur zweiten Instanz davon abhängig zu machen, dass der Beklagte seine Mitwirkungspflicht erfüllt und versucht hat, seinen Standpunkt in der ersten Instanz geltend zu machen. Er ist hinreichend geschützt, wenn man § 345 mit der h. M. dahin versteht, dass das zweite Versäumnisurteil auch bei einem vorangegangenen Urteil nur dann erlassen werden darf, wenn die erste Entscheidung gesetzmäßig ergangen war 5 5 . Die an die wiederholte Säumnis geknüpfte Sanktion des § 514 Abs. 2 läuft leer, wenn man die Berufung auch für den Fall der unzulässigen oder unschlüssigen Klage zulässt. Der Beklagte könnte trotz seiner wiederholten Säumnis eine (dritte!) Prüfung der Klage erreichen. In Bagatellsachen würde er wegen § 514 Abs. 2 S. 2 außerdem besser gestellt als derjenige, der seine Rechte im Termin wahrnimmt. 5. Anschlussberufung 22

Die Rüge gemäß § 514 Abs. 2 kann auch mit der Anschlussberufung erhoben werden. In Betracht kommt dies aber nur in dem seltenen Fall, dass die Klage teils kontradiktorisch abgewiesen worden und teils ein technisch zweites Versäumnisurteil ergangen ist. Der Gegner einer auf § 514 Abs. 2 gestützten Berufung kann sich dagegen nicht anschließen. Denn die (Haupt-)Berufung hat nur zum Gegenstand, ob ein Fall der Säumnis vorgelegen hat 5 6 .

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Will der Berufungsbeklagte die gemäß § 345 erfolgte Verwerfung seines Einspruchs im Wege der Anschließung anfechten, ist dies ebenso wie bei der Berufung nur mit der Begründung zulässig, dass ein Fall der Versäumung nicht vorgelegen 49

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BGHZ 112, 367 = NJW 1991, 43, 45 mit Anm. von Schreiber ZZP 105 (1992), 74. BGHZ 97, 341 ff = NJW 1986, 2113, 2114 mit Anm. Messer J Z 1986, 857; LAG Nürnberg NJW 1976, 2231; aA OLG Stuttgart MDR 1976, 51; Burkhardt JZ 1958, 471; Neumann-Duesberg JZ 1951, 140; Vollkommer ZZP 94 (1981), 91. BGH NJW 1999, 2599 = LM § 513 ZPO Nr. 15 mit Anm. Heinrich. BAGE 23, 92, 99 = NJW 1971, 1198, 1199; LAG Hamm NJW 1981;887; Braun ZZP 93 (1980),

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443 u. J Z 1999, 1157; Elser Jus 1994, 965, 966; Fuchs NJW 1979, 1309; Orlich NJW 1980, 1782; Vollkommer ZZP 94 (1981), 91. BGH NJW 1999, 2599. So zutreffend OLG Hamm NJW 1991, 1067. Zum Meinungsstand vgl. Stein/Jonas/Schümann § 345, 7. LG Bonn NJW 1966, 602.

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1. Abschnitt. Berufung

§514

habe. Wird dagegen die Berufung gegen den auf der Säumnis beruhenden Teil des Urteils geführt, ist eine Anschließung unbeschränkt möglich 5 7 . Zwar ist das Berufungsgericht in diesem Fall mit dem Anspruch selbst nicht befasst. Es hat nur zu prüfen, ob der Einspruch zu Recht verworfen worden ist. War dies nicht der Fall, führt die Berufung notwendig zu einer Zurückverweisung an das Eingangsgericht (§ 538 Abs. 2 S. 1 Nr. 6). Dies darf der Anschließung aber nicht entgegenstehen. Das gleiche gilt, wenn sich die Berufung gegen ein Urteil richtet, mit dem der Einspruch gegen ein Versäumnisurteil gemäß § 341 Abs. 2 als unzulässig verworfen worden ist. Daher ist es z. B. möglich, dass sich der in erster Instanz erfolgreiche Kläger einer Berufung anschließt, die gegen ein zweites Versäumnisurteil gerichtet ist, und auf diesem Weg seine Klage erweitert 5 8 . Bei einem Erfolg der Berufung obliegt dann allerdings die Entscheidung über den neuen Antrag dem erstinstanzlichen Gericht. 6. Analoge Anwendung Im schriftlichen Verfahren entspricht dem Schluss der mündlichen Verhandlung 24 der gemäß § 128 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 2 zu bestimmende Zeitpunkt. Wird er versäumt, ist nach der gesetzlichen Regelung nur die Berufung und nicht der Einspruch möglich, obwohl die Entscheidung einem Versäumnisurteil ähnelt. Die h. M. wendet § 514 Abs. 2 hier entsprechend an, so dass die Berufung auch dann statthaft ist, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes (§ 511 Abs. 2 Nr. 1) nicht erreicht bzw. die Berufung nicht zugelassen worden ist 59 . Darüber hinaus wird eine Analogie für den Fall vertreten, dass die erste Instanz 25 das rechtliche Gehör verletzt hat 6 0 , und zwar wenn z.B. ein gemäß § 283 nachgelassener Schriftsatz nicht berücksichtigt worden ist, obwohl er rechtzeitig eingereicht worden war 6 1 , wenn entscheidungserheblicher Vortrag einer Partei übergangen worden ist 62 , wenn eine Behauptung als unstreitig behandelt worden ist oder wenn keine Gelegenheit zur Erwiderung auf entscheidungserheblichen Vortrag des Gegners gewährt worden ist. Der BGH ist dieser Auffassung zu recht nicht gefolgt 63 . Denn ein nach der maßgeblichen Verfahrensordnung unstatthaftes Rechtsmittel kann nicht dadurch statthaft werden, dass es auf einen Grundrechtsverstoß gestützt wird. Unterhalb der Berufungssumme bzw. im Fall der Nichtzulassung ist ein falsches Urteil grundsätzlich hinzunehmen. Diese Entscheidung des Gesetzgebers darf nicht durch eine nur schwer einzugrenzende Kasuistik durchbrochen werden. Auch die in diesem Zusammenhang zitierte Rechtsprechung des BVerfG 64 zu einer grundrechtsorientierten Handhabung der Verfahrensvorschriften erfordert eine 57 58 59

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AA LG Bonn NJW 1966, 602. AA LG Bonn NJW 1966, 602. BVerfGE 60, 96, 99 = NJW 1982, 1454; 61, 119, 121 = NJW 1982, 2368; BVerfG NJW 1985, 2250; LG Frankfurt NJW 1985, 1171; LG Zweibrücken JZ 1989, 50, 51; LG Flensburg NJW-RR 1990, 127. AA LG Bonn NJW 1985, 1170 = MDR 1984, 674 (das BVerfG hat in NJW 1986, 2305 die gegen diese Entscheidung gerichtete Verfassungsbeschwerde allerdings nicht angenommen). Zum Fall, dass im schriftlichen Verfahren Vortrag als verspätet zurückgewiesen worden ist, vgl. LG Flensburg NJW 1990, 127. OLG Schleswig NJW 1988, 67; LG Kiel AnwBl 1984, 502; LG Frankfurt NJW 1987, 2591; LG Münster NJW-RR 1989, 381; LG Mainz NJW-

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RR 1993, 128; LG Duisburg NJW-RR 1997, 1490; Kahlke NJW 1985, 2231. LG Dortmund NJW 1986, 2959; LG Hannover NJW-RR 1989, 381. LG Münster NJW-RR 1989, 381. BGH NJW 1990, 838, 839 = VersR 1990, 104; s. auch BGH FamRZ 1989, 265; zur Zulässigkeit einer außerordentlichen Beschwerde nach Inkrafttreten des ZivilprozessreformG 2001 s. BGH NJW 2002, 1577; zustimmend LG Bonn JZ 1984, 855; LG Freiburg NJW 1986, 616; LG Hannover NJW-RR 1989, 382; LG Köln MDR 1987, 63; LG Duisburg NJW-RR 1997, 317; LG Memmingen NJW-RR 1998, 1074. BVerfG NJW 1979, 538.

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§514

Drittes Buch. Rechtsmittel

Analogie nicht. Die Entscheidung, ob die Prozessordnung in diesen Fällen eine Berufung ermöglicht, obliegt vielmehr den Fachgerichten 6 5 . Im Übrigen besteht mit § 321 a n. F. nunmehr die Möglichkeit, bei einer an sich unanfechtbaren Entscheidung eine Gehörsverletzung im ersten Rechtszug geltend zu machen. Damit ist der Rechtsprechung der Instanzgerichte zur Durchbrechung der Wertgrenze des § 511 Abs. 2 Nr. 1 endgültig der Boden entzogen. 26

Soll ein entsprechender Verfahrensfehler mit der Verfassungsbeschwerde gerügt werden, hängt ihre Zulässigkeit in jedem Fall davon ab, dass der Beschwerdeführer zuvor den ordentlichen Rechtsweg ausschöpft (§ 9 0 Abs. 2 BVerfGG). Er muss das Urteil daher zunächst gemäß 3 2 1 a angreifen. N a c h einer zur früheren Rechtslage vor Inkrafttreten des ZivilprozessreformG 2 0 0 1 6 6 ergangenen Entscheidung des BVerfG muss zur Erschöpfung des Rechtswegs Berufung eingelegt werden, bevor der Weg für eine Verfassungsbeschwerde frei ist 6 7 . Diese Entscheidung ist durch die Neuregelung überholt.

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Gemäß § 565 gilt § 514 entsprechend im Revisionsverfahren. Im arbeitsgerichtlichen Verfahren findet § 514 Abs. 2 S. 2 keine Anwendung. § 64 Abs. 2 A r b G G enthält eine abschließende Regelung dazu, unter welchen Voraussetzungen in vermögensrechtlichen Streitigkeiten die Berufung zulässig ist 6 8 .

III. Entscheidung 28

Die Berufung ist als unzulässig zu verwerfen, wenn die fehlende oder unverschuldete Säumnis nicht schlüssig behauptet w i r d 6 9 , also wenn keine Tatsachen dargelegt werden, die die Annahme rechtfertigen können, dass ein Fall der Versäumung nicht vorgelegen habe 7 0 . Ist der Vortrag schlüssig, sind aber die hierzu behaupteten Tatsachen nicht bewiesen, ist die Berufung unbegründet 7 1 . Die Darlegungs- und Beweislast für die Unabwendbarkeit trägt der Berufungskläger 7 2 .

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Bei begründeter Berufung ist das zweite Versäumnisurteil aufzuheben und die Sache an das Gericht des ersten Rechtszuges zurückzuverweisen (§ 538 Abs. 2 Nr. 6), es sei denn, das Berufungsgericht entscheidet gemäß § 538 Abs. 1 selbst. Durch die Zurückverweisung wird der Status vor Eintritt der Säumnis wieder hergestellt. Bei erneuter Säumnis kann daher in der ersten Instanz nochmals ein zweites Versäumnisurteil ergehen. Die Verhandlung in der Berufungsinstanz steht dem nicht entgegen, weil sie nur die Säumnis und nicht die Hauptsache betrifft.

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H a t die untere Instanz ein zweites Versäumnisurteil erlassen, obwohl die Voraussetzungen des § 3 4 5 nicht vorlagen, weil nach Erlass des ersten Versäumnisurteils erneut streitig verhandelt worden war, ist die ergangene Entscheidung zu ändern und so zu fassen, wie sie richtig hätte lauten müssen. D a s Berufungsgericht kann also an Stelle der ersten Instanz ein (weiteres) Versäumnisurteil erlassen und die Sache zum weiteren Verfahren zurückverweisen 7 3 . 65

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BVerfG NJW 1986, 2305; s. hierzu auch BVerfG NJW 1991, 2622; in seinem Beschluss vom 30.4. 2003 NJW 2003, 1924 hat das BVerfG dem Gesetzgeber nunmehr aufgegeben, eine Neureglung zu schaffen, die es den Instanzgerichten ermöglicht, ihre Entscheidungen bei einer Gehörsverletzung selbst zu ändern. BGBL I 1887. BVerfG NJW 1997, 1228 u. 1301 mit Anm. Kunze NJW 1997, 2154. BAG BB 1989, 1699.

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BGH NJW 1967, 728 = MDR 1967, 485; NJW 1969, 845, 846; VersR 1985, 542, 543; NJW 1978, 428, 429 = MDR 1978, 132; ZIP 1990, 1629; NJW 1991,42,43; BGH NJW 1999, 724 = LM § 337 ZPO Nr. 5; BAG NJW 1972, 790. BGH LM ZPO § 513 Nr. 1; BAG NJW 1972, 790. RGZ 51, 197. BGH VersR 1985, 542, 543. Zum Fall des § 182 s. LAG Baden-Württemberg J Z 1983, 620 mit kritischer Anm. v. Braun. OLG Nürnberg OLGZ 1982, 447, 449.

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1. Abschnitt. Berufung

§ 515

§515

Verzicht auf Berufung Die Wirksamkeit eines Verzichts auf das Recht der Berufung ist nicht davon abhängig, dass der Gegner die Verzichtsleistung angenommen hat. Schrifttum Baumgärtel Wesen und Begriff der Prozesshandlungen einer Partei im Zivilprozess, 2. Aufl. S. 167 ff, 2 0 6 ff; Habscheid Der Rechtsmittelverzicht im Zivilprozess, N J W 1965, 2 3 6 9 ff; Orfanides Die Berücksichtigung von Willensmängeln im Zivilprozess, 2. Aufl. 1982 S. 153 ff; Oske Der Rechtsmittelverzicht in Ehesachen, M D R 1 9 7 2 , 12; Schiedermair Vereinbarungen im Zivilprozess; Schlosser Einverständliches Handeln im Zivilprozess, S. 4 7 ff; Zeiss Bindungswirkung des Rechtsmittelverzichts, N J W 1969, 166. Übersicht Rdn I. II. m.

Allgemeines

1

Zeitpunkt des Verzichts

4

V. VI.

Form des Verzichts 1. Erklärung gegenüber dem Gericht a) Formelle Voraussetzungen . . . . b) Inhalt der Erklärung c) Wirkung 2 . Erklärung gegenüber dem Gegner . . 3. Verzichtsvertrag a) Allgemeines b) Inhalt c) Wirkung d) Entscheidung

Rdn IV.

29

Widerruf/Anfechtung

30

Sonderfälle 1. 2. 3. 4. 5.

5 9 15 18 23 25 27 28

Prozessunfähigkeit/Willensmängel . . .

vn.

Teilverzicht Streitgenossen/Streithelfer Anschließung Ehesachen Unterbrechung/Ruhen des Verfahrens

Entsprechende Anwendung der Vorschrift

V m . Kosten/Gebühren

34 38 40 41 43 44 45

I. Allgemeines Ein Verfahren kann auf verschiedene Weise beendet werden, und zwar einst- 1 weilen durch Unterbrechung (§§ 239, 245), Aussetzung (§§ 2 4 6 , 248), Anordnung des Ruhens (§ 251) und Rechtsmittelrücknahme (§§ 516, 565), endgültig durch Klagerücknahme (§ 269), Klageverzicht und anschließendes Verzichtsurteil (§ 306), Anerkenntnis und anschließendes Anerkenntnisurteil (§ 307), Erledigungserklärung (§ 91a) oder schließlich durch Rechtsmittelverzicht (§ 515). Ein Rechtsmittelanerkenntnis gibt es dagegen nicht. Mit dem Rechtsmittelverzicht gibt die Partei ihr Recht auf, eine für sie ungünstige Entscheidung mit dem jeweils statthaften Rechtsmittel anzufechten und sie von der höheren Instanz nachprüfen zu lassen 1 . Die Partei verzichtet auf ihr prozessuales Recht auf Einlegung bzw. Durchführung ihres Rechtsmittels. Durch das Merkmal der Endgültigkeit unterscheidet sich der Verzicht insbesondere von der Rechtsmittelrücknahme (§ 516). Nach einer Rücknahme kann das Rechtsmittel erneut eingelegt werden, wenn die Frist noch nicht abgelaufen ist. Der Verzicht schließt dies aus. Der Verzicht ist eine Prozesshandlung 2 . Der mit dem Gegner vereinbarte bzw. ihm einseitig erklärte Verzicht wirkt allerdings nicht unmittelbar auf den Prozess. Er begründet für den Gegner eine Einrede, die erst mit ihrer Erhebung die Berufung unzulässig macht (hierzu Rdn. 21, 27). 1

R G Z 161, 3 5 0 , 3 5 5 .

2

NJW-RR 1986,1327.

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Drittes Buch. Rechtsmittel

II. Zeitpunkt des Verzichts 4

Der Rechtsmittelverzicht ist schon vor Urteilserlass (§ 313 a Abs. 3) und sogar schon vor Klageerhebung zulässig 3 . Im letzten Fall ist er nur durch eine vertragliche Vereinbarung möglich. Eine einseitige Erklärung gegenüber dem Gericht oder dem Gegner kann das Anfechtungsrecht nicht zum Erlöschen bringen, solange noch kein Prozessrechtsverhältnis besteht. Der Verzicht muss einen konkreten Prozess betreffen. Eine Abrede, in allen zukünftigen Prozessen auf die Berufung zu verzichten, ist unwirksam 4 .

III. Form des Verzichts 1. Erklärung gegenüber dem Gericht 5

a) Formelle Voraussetzungen. Die Erklärung des Rechtsmittelverzichts gegenüber dem Gericht ist eine - einseitige - Prozesshandlung 5 . Sie ist von Amts wegen zu berücksichtigen und macht das Rechtsmittel unzulässig 6 . Verzichtet auch die andere Partei, wird das Urteil damit rechtskräftig. 6 Es besteht - wie sonst (§ 78) - Anwaltszwang 7 . Der erstinstanzliche Rechtsanwalt kann noch nach Zustellung des Urteils den Verzicht erklären, solange das Verfahren noch nicht beim Berufungsgericht anhängig ist 8 . 7 Der Verzicht kann schriftlich oder in der mündlichen Verhandlung erklärt werden. Im letzteren Fall ist er nach § 160 Abs. 3 Nr. 9 zu protokollieren. Dies ist aber nicht Wirksamkeitsvoraussetzung 9 . Der Beweis dafür, dass der Verzicht erklärt worden ist, kann in anderer Weise geführt werden. Erklärungsempfänger kann auch der Einzelrichter, der beauftragte Richter und der ersuchte Richter sein 10 . Wird die Erklärung gegenüber dem ersuchten Richter abgegeben, wirkt sie erst mit Eingang der Akten beim Prozessgericht. Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle ist nicht verpflichtet, einen Verzicht zu Protokoll zu nehmen 1 1 . 8 Eine wirksame Prozessvollmacht ermächtigt zur Abgabe und zur Entgegennahme eines Rechtsmittelverzichts (§ 81). Die Vollmacht kann im Anwaltsprozess nicht mit Wirkung für das Außenverhältnis beschränkt werden (zur Beschränkung im Parteiprozess vgl. die Kommentierung zu § 81). Der Verzicht ist daher auch dann wirksam, wenn der Anwalt hiermit gegen eine Weisung der Partei v e r s t ö ß t n . Auch der in Untervollmacht auftretende Terminsvertreter ist grundsätzlich befugt, den Verzicht zu erklären. Dies gilt selbst dann, wenn er erst im Anschluss an die Urteilsverkündung nur zur Verzichtsleistung hinzugezogen wird 1 3 . Die Wirksamkeit der Prozesshandlung hängt nicht davon ab, dass der Bevollmächtigte hinreichende Informationen besitzt, um die Tragweite der Erklärung beurteilen zu können. Andernfalls 3

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Zur Rechtslage vor dem 1 . 1 . 2 0 0 2 vgl. BGHZ 28, 45, 48 = NJW 1958, 1397; 38, 254, 2 5 8 = NJW 1963, 243; BGH NJW 1986, 198. Baumgärtel S. 210; offengelassen in BGH NJW 1986, 198 = M D R 1986, 313. BGHZ 2, 112, 116 = NJW 1952, 26. BGHZ 27, 60, 61 = NJW 1958, 868. BGH W M 1985, 7 3 9 = JR 1985, 523; 1986, 1061, 1062. RGZ 68, 247, 251. BGH NJW 1984, 1465 = FamRZ 1984, 372; BGH FamRZ 1986, 1089, 1090; aA OLG Celle

NdsRpfl 1981, 197; OLG H a m m Rpfleger 1982,

111.

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RGZ 105, 351, 353. OLG Hamburg M D R 1955, 174. BGH VersR 1988, 526 = FamRZ 1988, 4 9 6 (zur Berufungsrücknahme); zum Rechtsmittelverzicht durch einen Referendar s. BGHZ 2, 112 = NJW 1952, 26. OLG München OLGZ 1967, 23, 24; aA RG DR 1944, 466; OLG Halle NJW 1949, 428; OLG Zweibrücken OLGZ 1967, 26.

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1. Abschnitt. Berufung

§515

könnte sie nachträglich wieder in Zweifel gezogen werden. Allerdings ist das Gebot von Treu und Glauben zu beachten, das auch im Prozessrecht gilt 1 4 . Daher bleibt ein von einem gesetzlichen Vertreter einer juristischen Person unter offenkundigem Missbrauch seiner Vertretungsmacht erklärter Verzicht ohne Wirkung 1 5 . Dasselbe gilt, wenn der anwaltliche Terminsvertreter durch ein treuwidriges Verhalten zur Verzichtsleistung veranlasst worden ist. b) Inhalt der Erklärung. Der Wille zum Verzicht muss sich aus der Erklärung zweifelsfrei ergeben 1 6 , wenn auch der Gebrauch des Wortes „Verzicht" nicht erforderlich ist 1 7 . Es muss eindeutig sein, dass sich der Verzichtende endgültig mit dem Urteil abfinden will 1 8 . Was im Einzelfall gemeint ist, ist Auslegungsfrage. Dabei sind alle Umstände zu würdigen. Maßgeblich ist der objektive Erklärungsinhalt, auch wenn die Verfahrensbeteiligten die Erklärung in einem anderen Sinn verstanden haben 1 9 . Zur Verneinung des Verzichts genügt die Feststellung, dass die Erklärung des Rechtsmittelklägers objektiv mehrdeutig ist 2 0 . Dies folgt aus dem Grundsatz der Meistbegünstigung, der die Annahme begründet, dass im Zweifel auf die Überprüfung des Urteils durch eine höhere Instanz nicht verzichtet werden soll 2 1 . Die Mitteilung, es sei nicht beabsichtigt, ein Rechtsmittel einzulegen 2 2 , enthält grundsätzlich einen Verzicht, es sei denn, es handelt sich ersichtlich nur um eine vorläufige Meinungsäußerung 2 3 . Dasselbe gilt für die Erklärungen, die Berufung habe sich erledigt, sie beschränke sich auf einen bestimmten Teilbetrag 2 4 bzw. auf den Ausspruch zur Klage oder Widerklage 2 5 , ein in der Vorinstanz geltend gemachter Anspruch werde nicht weiter verfolgt 2 6 oder man gebe sich mit der ergangenen Entscheidung zufrieden 2 7 . Ein Vergleich über alle noch offenen Ansprüche und sämtliche Verfahrenskosten bringt ebenfalls den Willen zum Ausdruck, das bereits eingelegte Rechtsmittel nicht weiter zu verfolgen 2 8 .

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Verneint wurde ein Rechtsmittelverzicht für einen nach Erlass eines Teilurteils geschlossenen Vergleich über den in erster Instanz noch anhängigen Restanspruch unter Einschluss der gesamten bisher entstandenen Kosten des Rechtsstreits 2 9 . Anders kann es aber liegen, wenn der Vergleich den Willen der Parteien erkennen lässt, dass das Teilurteil in jedem Fall Bestand haben soll 3 0 . Ist unbeschränkt Berufung eingelegt worden, liegt allein darin, dass der in der Berufungsbegründung angekündigte Antrag hinter der Beschwer zurückbleibt, noch kein Rechtsmittelverzicht hinsichtlich des übrigen Teils 3 1 , es sei denn, eine spätere Erweiterung der Anträge ist aus anderen Gründen in jedem Fall ausgeschlossen.

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Zweifelhaft ist die Annahme eines Rechtsmittelverzichts bei der Mitteilung an den Gegner, der Urteilsbetrag sei zur Zahlung angewiesen, man bitte darum, von

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RGZ 102, 217, 222; 161, 350, 359. BGH MDR 1962, 374. BGH MDR 1964, 833 = LM § 514 ZPO Nr. 12; RGZ 161, 350, 355; JW 1930, 3549. RG JW 1913, 687, 688. BGH NJW 1974, 1248. BGH NJW 1981, 2816, 2817 = MDR 1982, 128; BGH NJW-RR 1986, 1327, 1328. RG HRR 1933, Nr. 1258. BGH NJW 1994, 942, 943. RG JW 1925, 1372; BGH VersR 1959, 806; BGH NJW 1985, 2335 = MDR 1986, 139; BGH NJWRR 1991, 1213. Beispiel in BGH FamRZ 1958, 180, 181 = LM § 514 ZPO Nr. 8.

RG JW 1930, 3549. BGH NJW-RR 1989, 1344 = VersR 1989, 602. RGZ 136, 353, 355 = JW 1933, 168. RG JW 1925, 1372; 1935, 120; RGZ 115, 376, 378. BGH LM $ 514 ZPO Nr. 16. BGH MDR 1964, 833 = BGH LM § 514 ZPO Nr. 12. BGH NJW 1969, 700 = MDR 1969, 477, 478 = LM § 514 ZPO Nr. 16. BGH NJW 1958, 343 = VersR 1958, 171; BGH WM 1985, 144; BGH LM $ 553 ZPO Nr. 5; LM $ 536 ZPO Nr. 9.

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Drittes Buch. Rechtsmittel

Vollstreckungsmaßnahmen abzusehen 3 2 . Einen Verzichtswillen wird man in diesem Fall nur dann feststellen können, wenn die Zahlung nicht nur zur Abwendung der Zwangsvollstreckung erfolgt, sondern gleichzeitig als Billigung des Urteils gemeint ist 33 . Auch aus dem bloßen Untätigbleiben über einen längeren Zeitraum kann nicht auf einen Verzichtswillen geschlossen werden 3 4 . 13 Verzichtet der Kläger in der Berufungsinstanz auf den materiellen Anspruch, verzichtet er damit regelmäßig auch auf sein Rechtsmittel 35 . Die materiellrechtliche Erklärung allein hindert ihn zwar nicht, das Berufungsverfahren fortzusetzen und die Wirksamkeit der Erklärung wieder in Zweifel zu ziehen. Bei verständiger Auslegung enthält sie aber zugleich einen an den Gegner gerichteten Verzicht auf das Rechtsmittel, der bei Erhebung der Einrede (hierzu Rdn. 21) zur Unzulässigkeit führt. Zur Auslegung bei einem Verzicht hinsichtlich eines Teils der Entscheidung vgl. Rdn. 34 ff. 14 Der Revisionsrichter kann den Inhalt der Erklärung frei würdigen. Er ist an die Auslegung des Berufungsrichters nicht gebunden 3 6 . 15

c) Wirkung. Der dem Gericht gegenüber erklärte Verzicht ist von Amts wegen zu beachten. Er macht die Berufung von vornherein unzulässig 37 . Wird sie trotz des Verzichts eingelegt, ist sie - durch Beschluss oder Urteil - zu verwerfen (§ 522 Abs. 1 S. 2, 3). Wird der Verzicht nach Rechtsmitteleinlegung erklärt, handelt es sich sachlich um eine Zurücknahme, verbunden mit dem Verzicht auf erneute Einlegung 38 . In diesem Fall ist in entsprechender Anwendung von § 516 Abs. 3 zu verfahren. Das Gericht hat von Amts wegen über die Kosten zu entscheiden. Begehrt der Berufungsbeklagte außerdem eine Verwerfungsentscheidung, muss er ein Rechtsschutzinteresse hierfür darlegen (zur Rechtslage bei der Verlustigkeitserklärung s. § 516 Rdn. 33). Demgegenüber meint der BGH 3 9 , das Rechtsmittel sei stets von Amts wegen zu verwerfen, weil andernfalls unklar bleibe, welche verfahrensmäßige Bedeutung dem Verzicht zukomme. Die Klarstellung sei außerdem erforderlich, weil der Verzicht im Gegensatz zur Zurücknahme keinen Kostenerstattungsanspruch der Gegenseite auslöse. Dem ist entgegenzuhalten, dass kein Anlass für eine Entscheidung besteht, wenn der Berufungskläger das Verfahren nicht weiterbetreibt bzw. der Gegner sein Kosteninteresse nicht anmeldet. 16 Bei einem teilweisen Verzicht gelten die gleichen Grundsätze. Der Auffassung, in diesem Fall dürfe über den vom Verzicht erfassten Teil keine Entscheidung mehr getroffen werden, weil dieser nicht mehr beim Rechtsmittelgericht anhängig sei 40 , kann nicht gefolgt werden. Es besteht dieselbe Situation wie bei der Zurücknahme. Für diese sieht § 516 Abs. 3 ausdrücklich die Entscheidung über den Verlust und die Kosten des Rechtsmittels vor. Bei einem Teilverzicht hat der Rechtsmittelgegner ein vergleichbares Interesse an einer förmlichen Entscheidung, wenn der Verzichtende die Wirksamkeit seiner Erklärung nachträglich in Zweifel zieht und das Verfahren 32

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So OLG Hamm NJW 1975, 935 mit ablehnender Anm Grunsky. RG JW 1913, 687; OLG München AnwBl 1980, 504. Bedenklich daher OLG Schleswig SchlHA 1957, 75, 76. AA BGH NJW 1989, 170. RG JW 1913, 687; BGH NJW 1981, 2816 = M D R 1982, 128.

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AA Gilles, Rechtsmittel im Zivilprozess, 1972, S. 45 (unbegründet). RGZ 161, 350, 358. BGHZ 27, 60 = NJW 1958, 868 mit Anm. Kubisch NJW 1958, 1492. AA BGH NJW 1968, 2106 = M D R 1968, 1005, wonach über den vom Verzicht erfassten Teil keine Entscheidung mehr getroffen werden kann.

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1. A b s c h n i t t . B e r u f u n g

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insoweit fortsetzen will. Die Entscheidung über die Rechtsfolgen des Teilverzichts kann regelmäßig im Schlussurteil getroffen werden. Die Rechtskraft des Urteils tritt durch den Verzicht nur dann ein, wenn beide Parteien auf die Berufung verzichtet haben und die letzte der Erklärungen wirksam geworden ist 41 .

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2. Erklärung gegenüber dem Gegner Der Rechtsmittelverzicht kann auch dem Gegner gegenüber erklärt werden 4 2 . Soweit § 313 a Abs. 3 2. Halbs, anordnet, dass der Verzicht spätestens innerhalb einer Woche nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung gegenüber dem Gericht zu erklären ist, betrifft dies nur die in § 313 a Abs. 2 geregelte Rechtsfolge. Eine andere Form der Verzichtserklärung wird hierdurch nicht ausgeschlossen. Der dem Gegner gegenüber erklärte Verzicht ist eine außergerichtliche Prozesshandlung 43 . Die Erklärung kann in einem Vergleich 44 , einer außergerichtlichen Vereinbarung oder in einem anderen Verfahren abgegeben werden 4 5 . Sie unterliegt - wie jede andere Prozesshandlung - der Auslegung durch das Revisionsgericht 46 . Die Wirksamkeit des Verzichts hängt nicht von der Annahme durch den Gegner ab.

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Die Erklärung gegenüber dem Gegner unterliegt nicht dem Anwaltszwang 4 7 . 1 9 Dies gilt auch dann, wenn die Erklärung in Anwesenheit des Gerichts erfolgt 4 8 . Ein von der Partei persönlich in der mündlichen Verhandlung erklärter Verzicht kann daher formwirksam sein, wenn feststeht, dass sich die Erklärung zugleich an den Gegner richtet 4 9 . Prozesserheblich wird sie allerdings erst mit der Erhebung der Einrede des Gegners, dass der Rechtsmittelkläger verzichtet habe. Für die Auslegung der Verzichtserklärung gelten dieselben Grundsätze wie bei 2 0 dem Verzicht gegenüber dem Gericht. Wegen der Unwiderruflichkeit gelten strenge Anforderungen 5 0 . Es muss sich um eine klare und eindeutige Erklärung handeln, aus der sich der Verzichtswille unzweifelhaft ergibt 51 . Bejaht wurde z. B. ein Verzicht bei der nach Ablauf der Berufungsfrist erfolgten Mitteilung, die Berufung sei zurückgenommen worden, der Gegner möge daher davon absehen, einen beim Berufungsgericht zugelassenen Anwalt zu bestellen 52 . Stammt die Erklärung von der Partei selbst und nicht vom Prozessbevollmächtigten, ist bei der Auslegung besondere Zurückhaltung geboten. Die einseitige Erklärung gegenüber dem Gegner muss zur Kenntnis des Berufungs- 2 1 gerichts gelangen. Dies geschieht dadurch, dass sich der Gegner auf den Verzicht beruft. Nur auf diese Einrede hin ist der Verzicht zu berücksichtigen 53 . Wird sie

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BGH LM § 514 ZPO Nr. 5. BGHZ 2, 112 = NJW 1952, 2 6 mit Anm Conrad LM § 514 ZPO Nr. 1, 3 u. 14; BGH NJW 1974, 1248. BGH NJW 1968, 794, 795 = M D R 1968, 308; BGH NJW 1985, 2335 = M D R 1986, 139. RGZ 45, 323, 329. RGZ 59, 346. BGH NJW 1985, 2335 = M D R 1986, 139; BGH NJW-RR 1989, 602; BGH NJW 1999, 3564, 3565. BGH NJW 1974, 1248, 1249; OLG München SeuffArch 67, 167.

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BGH JZ 1953, 153. Vgl. den in RG HRR 1937, Nr. 870 entschiedenen Fall. BGH NJW 1990, 1118; BGH NJW 2 0 0 2 , 2101. BGHZ 2 , 1 1 2 = NJW 1952, 2 6 mit Anm. Conrad LM § 514 Nr. 1; BGHZ 4, 314 = NJW 1952, 7 0 5 mit Anm Paulsen LM § 514 ZPO Nr. 2; BGH W M 1984, 484, 485. BGH NJW 2 0 0 2 , 2108. RGZ 161, 350, 358; BGH LM § 514 ZPO Nr. 3 u. 14; BGH NJW 1985, 2 3 3 4 ; BGH NJW 2 0 0 2 , 2108, 2109.

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Drittes Buch. Rechtsmittel

erhoben, ist die Berufung unzulässig 54 . Sie ist zu verwerfen 55 , und zwar im Regelfall durch Beschluss 56 . Ein besonderer Antrag des Gegners ist nicht erforderlich. 22

Die Rechtskraft tritt mit Ablauf der Rechtsmittelfrist oder mit Rechtskraft der Entscheidung ein, die die Berufung nach Erhebung der Einrede des Verzichts als unzulässig verwirft 57 . Das gilt auch dann, wenn der Gegner mangels Beschwer kein Rechtsmittel einlegen kann. Verzichten beide, wird das Urteil in dem Augenblick rechtskräftig, in dem die letzte der beiden Verzichtserklärungen wirksam wird, und zwar auch in Ehesachen 5 8 . 3. Verzichts vertrag

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a) Allgemeines. Der Verzichtsvertrag wird teils als Prozessvertrag 59 , überwiegend jedoch als materiellrechtlicher Vertrag mit prozessualen Wirkungen angesehen 60 . Er ist nicht formbedürftig 61 . Selbst im Anwaltsprozess unterliegt er nicht dem Anwaltszwang 6 2 . Denn der Anwaltszwang beschränkt die Parteien nicht in ihrer Befugnis, außerhalb des Prozesses eine bindende Vereinbarung über ihr Prozessverhalten einzugehen. Der Vertrag kann allerdings einer vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung nach §§ 1812, 1822 Nr. 12 BGB bedürfen 63 .

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Eine stillschweigende Vereinbarung ist möglich. Sie ist aber nur dann anzunehmen, wenn sich aus den Umständen ein Verzichtswille eindeutig und zweifelsfrei ergibt 6 4 . Der von einer Partei in der mündlichen Verhandlung in Anwesenheit des Gerichts erklärte Verzicht ist im Zweifel nur an das Gericht, nicht auch an den Gegner gerichtet 6 5 . Er bleibt daher ohne Wirkung, soweit er vor Erlass des Urteils erklärt worden ist. Die Vereinbarung, gegen das erstinstanzliche zukünftige Urteil nur Sprungrevision einzulegen, enthält zugleich den gegenseitig erklärten Verzicht auf die Berufung 66 .

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b) Inhalt. Der Inhalt des Vertrages kann verschieden sein. Er kann die schuldrechtliche Verpflichtung einer oder beider Parteien begründen, die Berufung nicht einzulegen und/oder vor Ablauf der Rechtsmittelfrist durch Erklärung gegenüber dem Gericht oder dem Gegner auf Einlegung des Rechtsmittels zu verzichten 67 . Hierbei handelt es sich - wie beim einseitig dem Gegner gegenüber erklärten Verzicht - um eine außerprozessuale Prozesshandlung. Der Vertrag kann aber auch bereits die Verzichtsleistung selbst enthalten. Die schuldrechtliche Verpflichtung zum Verzicht kann dabei schon vor Erlass der Entscheidung begründet werden. Der 54

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RGZ 102, 217; BGH NJW 1984, 805 = LM § 515 Nr. 22; BGH NJW 1986, 198 = MDR 1986, 313. BGH WM 1984, 484; BGH NJW-RR 1987, 307. BGHZ 27, 60, 62 = NJW 1958, 868 u. 1492 mit Anm. Kubisch-, BGH WM 1984, 484, 485; aA RG JW 1931, 1083. OLG Düsseldorf FamRZ 1980, 709; OLG Karlsruhe NJW 1971, 664. OLG Düsseldorf NJW 1965, 403; aA OLG Hamburg MDR 1967, 766. Habscheid NJW 1965, 2370. RGZ 36, 421, 422; 104, 133; BGHZ 28, 45 ff = NJW 1958, 1397; Blomeyer § 98 I 3; s. auch Hahn Materialien S. 351. Zur Bedeutung der Unterscheidung vgl. Zeiss NJW 1969, 168. BGH NJW 1986, 198 = MDR 1986, 313; NJW 1984, 805 = MDR 1984, 302 (zur Berufungsrücknahme); OLG Nürnberg VersR 1981, 887.

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BGH NJW 1984, 805 = MDR 1984, 302; BGH NJW 1986, 198 = MDR 1986, 313; BGH WM 1989, 868, 869; BGH NJW-RR 1992, 687 = VersR 1993, 50; BGH NJW-RR 1997, 1288. RG DR 1942, 812. BGH MDR 1964, 833 = LM § 514 ZPO Nr. 12; OLG Hamm NJW-RR 1994, 1407 (stillschweigender Rechtsmittelverzicht in der Erklärung, es werde auf die Begründung für eine im Vergleich vereinbarte Kostenentscheidung gemäß § 91a verzichtet). BGHZ 2 , 1 1 2 = NJW 1952, 26 mit Anm. Conrad LM § 514 ZPO Nr. 1. BGH NJW 1986, 198 = MDR 1986, 313. BGHZ 2 , 1 1 2 = NJW 1952, 26 mit Anm. Conrad LM § 514 ZPO Nr. 1.

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Verzicht selbst ist dagegen erst nach dem Erlass der Entscheidung möglich. Insoweit gelten die gleichen Grundsätze wie bei einseitiger Erklärung. In diesem Fall handelt es sich um eine Verfügung über das prozessuale Recht. Diese kann erst in dem Augenblick getroffen werden, in dem das Recht existent ist 68 . Das Gesetz ermöglicht den einseitig erklärten Verzicht erst nach Erlass der Entscheidung. Es besteht keine Rechtfertigung, der in einem Vertrag enthaltenen Verzichtsleistung weitergehende Wirkungen beizumessen. Hinsichtlich der Überprüfung der tatrichterlichen Feststellungen zum Zustande- 2 6 kommen des Vertrags und zur Bindung des Revisionsrichters an die Auslegung der vertraglichen Willenserklärungen durch den Tatrichter gelten die allgemeinen Grundsätze, da es im Gegensatz zum einseitigen Verzicht um materiellrechtliche Erklärungen geht. c) Wirkung. Der vertraglich vereinbarte Rechtsmittelverzicht ist nicht von Amts 2 7 wegen zu beachten 6 9 . Wird entgegen der vertraglichen Vereinbarung Berufung eingelegt oder das Berufungsverfahren fortgesetzt, kann der Gegner die Einrede des Verzichts erheben. Hierdurch wird die Berufung unzulässig 70 , unabhängig davon, ob der Vertrag nur die schuldrechtliche Verpflichtung zum Verzicht begründet oder ob er bereits die Verzichtsleistung selbst enthält. Der Vertrag kann auch zugunsten eines Dritten wirken 7 1 . Gegenüber der Einrede des vertraglichen Rechtsmittelverzichts ist die Replik der Arglist zulässig 72 . d) Entscheidung. Die Berufung ist zu verwerfen 7 3 , und zwar im Regelfall durch 2 8 Beschluss 74 . Ein Antrag des Gegners auf Verwerfung des Rechtsmittels ist nicht erforderlich.

IV. Prozessunfähigkeit/Willensmängel Die Verzichtserklärung führt im Anwaltsprozess auch dann zum Verlust des 2 9 Rechtsmittels, wenn die Partei prozessunfähig war 7 5 . Der Mangel kann nur gemäß § 579 Nr. 4 geltend gemacht werden. Willensmängel sind nur bei der vertraglichen Verpflichtung zum Verzicht beachtlich, ebenso Verstöße gegen §§ 134, 138 BGB 76 .

V. Widerruf/Anfechtung Der gegenüber dem Gericht erklärte Verzicht ist grundsätzlich unwiderruflich 7 7 , und zwar selbst bei Einverständnis des Gegners 78 . Insoweit gilt das gleiche wie für andere Prozesshandlungen. Die Wirksamkeit der Erklärung beurteilt sich allein nach dem Verfahrensrecht 79 . Daher kann die Erklärung auch nicht angefochten 68

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AA Habscheid NJW 1965, 2 3 7 0 , der eine aufschiebend bedingte Verfügung annimmt. RGZ 161, 350, 353; BGH LM § 514 ZPO Nr. 5 u. 14. RGZ 102, 217; BGH NJW 1984, 805 = LM § 515 Nr. 22; BGH NJW 1986, 198 = M D R 1986, 313; BGH NJW-RR 1997, 1288. OLG Nürnberg BayJMBl 1951, 229. RGZ 161, 350, 359; BGH LM § 514 ZPO Nr. 3; s. auch BGH LM § 514 ZPO Nr. 14. BGHZ 28, 45, 52 = NJW 1958, 1397; BGH W M 1984, 484; BGH NJW-RR 1987, 307.

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BGHZ 27, 60, 62 NJW 1958, 868; BGH W M 1984, 4 8 4 , 485; aA RG JW 1931, 1083. RGZ 110, 228, 230. Vgl. RG LZ 1932, 964. BGH M D R 1964, 833 = LM § 514 ZPO Nr. 12; BGH NJW-RR 1986, 1327 = FamRZ 1986, 1089; BGH VersR 1993, 694. RGZ 150, 392, 395 = JW 1936, 1907. RGZ 105, 351, 355.

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Drittes Buch. Rechtsmittel

werden 8 0 . Allerdings sind hierzu zwei Einschränkungen zu machen: Beruht der Verzicht auf einem Irrtum und ist dieser für alle Verfahrensbeteiligten ganz offensichtlich, kann sich der Gegner nach Treu und Glauben nicht darauf berufen 8 1 . Weiterhin kann der Verzichtende die Unwirksamkeit seiner Erklärung dann noch geltend machen, wenn ein Restitutionsgrund vorliegt und ein Urteil, welches ohne den Verzicht ergangen wäre oder das die Berufung als unzulässig verwerfen würde, der Restitutionsklage (§ 580) unterläge 8 2 . Insoweit gelten ähnliche Grundsätze wie bei der Zurücknahme der Klage (vgl. § 516 Rdn. 19) 83 . 31

Der Verzicht durch eine einseitige Erklärung gegenüber dem Gegner ist ebenso Prozesshandlung, so dass dieselben Grundsätze gelten 8 4 . Er erlangt allerdings erst Bedeutung mit Erhebung der Einrede. Auf diese Einrede kann der Gegner verzichten 8 5 . Er hat es daher in der Hand, die Wirkungen der Erklärung von vornherein gar nicht eintreten zu lassen oder sie nach Erhebung der Einrede nachträglich durch einen Verzicht auf die Einrede wieder zu beseitigen. Möglich ist dies bis zum Eintritt der Rechtskraft 8 6 , also bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist 87 bzw. einem beiderseits erklärten Rechtsmittelverzicht 88 . 32 Anders ist es beim vertraglichen Rechtsmittelverzicht. Soweit der Vertrag die schuldrechtliche Verpflichtung zum Verzicht begründet, sind Willensmängel beachtlich und können zur Anfechtung berechtigen 89 . Ebenso kann der Vertrag nach §§ 134,138 BGB nichtig sein 90 . Der von einem vollmachtlosen Vertreter geschlossene Vertrag ist unwirksam. Dasselbe gilt, wenn der Vertrag unter einem für den Gegner offensichtlichen Missbrauch der Vertretungsmacht zustande gekommen ist 91 . Die Parteien können den Vertrag bis zum Eintritt der Rechtskraft wieder aufheben. Der bereits im Vertrag erklärte Verzicht ist dagegen eine - außergerichtliche - Prozesshandlung. Sie unterliegt nicht der Anfechtung und kann grundsätzlich auch nicht widerrufen werden. Insoweit gelten die gleichen Grundsätze wie beim einseitig dem Gegner gegenüber erklärten Verzicht. 33 Auch soweit der Rechtsmittelverzicht weder anfechtbar noch widerruflich ist, kann seiner Geltendmachung der Einwand des Rechtsmissbrauchs entgegengesetzt werden 9 2 .

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RGZ 105, 355; 161, 350, 359. BGH VersR 1977, 574; VersR 1988, 526 = FamRZ 1988, 4 9 6 (zur Berufungsrücknahme). 150, 392, 395 = JW 1936, 1907; RGZ 153, 65, 68 = JW 1937, 544; BGHZ 12, 2 8 4 = NJW 1954, 676; BGHZ 33, 73, 75 = NJW 1960, 1764; BGH NJW 1985, 2335 = M D R 1986, 139; BAG ZZP 75 (1962), 2 6 4 , 265. RG DR 1943, 620; BGHZ 12, 2 8 4 = NJW 1954, 676; BGH NJW 1985, 2335 = M D R 1986, 139; BGH FamRZ 1988, 1158; s. auch OLG Celle M D R 1966, 1009. RGZ 161, 350, 358; BGH NJW 1968, 794, 795 = M D R 1968, 308; BGH NJW 1985, 2 3 3 5 = M D R 1986, 139. RGZ 150, 392, 395 = JW 1936, 1907; RGZ 161, 350, 351; BGH JZ 1953, 153; BGH NJW 1968,

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7 9 4 = M D R 1968, 308; OLG Düsseldorf FamRZ 1980, 709. BGH NJW 1985, 2 3 3 4 = M D R 1985, 830. RG JW 1925, 1372; 1937, 1438; RGZ 150, 392, 395 = JW 1936, 1907; RG SeuffA 78, Nr. 213. RG HRR 1937, Nr. 870. RGZ 36, 421; 104, 133, 135; 118, 171, 176; RG HRR 1934, Nr. 969; Schiedermair, Vereinbarungen im Zivilprozess S. 147 ff. RGZ 36, 421; RG HRR 1927, Nr. 651; RG LZ 1932, 964, 965; BGH LM § 514 ZPO Nr. 14. BGH W M 1986, 1061, 1062. BGH NJW 1985, 2335 = M D R 1986, 139; RG LZ 1932, 9 6 4 hat darüber hinaus den Einwand aus § 138 Abs. 2 BGB zugelassen.

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1. Abschnitt. Berufung

§515

VI. Sonderfälle 1. Teil verzieht Ein Teilverzicht ist zulässig, soweit der Streitgegenstand teilbar ist und auf einen (quantitativen) teilurteilsfähigen (§ 301 Abs. 1) Teil verzichtet wird 9 3 . Dem steht nicht entgegen, dass die einzelnen Teile gemeinsame rechtliche Vorfragen haben. Bei der Aufrechnung kann der Verzicht auf einen von mehreren Ansprüchen beschränkt werden.

34

Die Tragweite der Verzichtsleistung richtet sich nach dem objektiven Inhalt der Erklärung. Allein in der Ankündigung eines beschränkten Antrags in der Berufungsschrift liegt noch kein Rechtsmittelverzicht, solange noch die Möglichkeit besteht, den Antrag zu erweitern 94 . Dies gilt auch dann, wenn ein ausdrücklicher Vorbehalt nicht gemacht ist 9 5 . Die Erklärung, die Berufung richte sich zunächst nur gegen einen Teil der Entscheidung, die Anfechtung des übrigen Teils „bleibe vorbehalten", schließt einen Verzicht in jedem Fall aus 9 6 .

35

Dagegen liegt in der Erklärung, die Berufung werde nur hinsichtlich eines Teilbetrags eingelegt, der Verzicht hinsichtlich des übrigen Teils der Beschwer 97 . Heißt es, die Berufung werde nur hinsichtlich der Widerklage durchgeführt, kann hierin ein Berufungsverzicht für die Entscheidung über die Klage liegen 9 8 . Ebenso kann der Verzicht nur für einzelne Schadensposten erklärt werden 9 9 . Wird die Berufung ausdrücklich auf einen von mehreren Klageanträgen beschränkt, liegt darin grundsätzlich ein Verzicht hinsichtlich der anderen Anträge 10°.

36

Streitig ist, ob auf eine Anfechtung nur für den Grund des Anspruchs (§ 304) verzichtet werden kann 1 0 1 . Die Frage ist zu bejahen. Der Berufungskläger kann sich darauf beschränken, die Entscheidung nur hinsichtlich des Grundes oder nur hinsichtlich der Höhe anzufechten. Dann muss es auch möglich sein, diese Beschränkung von vornherein durch einen Verzicht vorzunehmen. Im Übrigen hat es der BGH zum früheren § 554 b für zulässig erachtet, die Ablehnung der Revisionsannahme bei einem nach Grund und Höhe streitigen Anspruch auf den Grund zu beschränken 102 . Dieser Gedanke lässt sich sinngemäß auf den Verzicht übertragen.

37

2. Streitgenossen/Streithelfer Es gelten die gleichen Grundsätze wie bei der Zurücknahme der Berufung (vgl. § 516 Rdn. 8, 9): Verzichtet einer von mehreren einfachen Streitgenossen auf das Rechtsmittel, berührt dies weder die übrigen Streitgenossen noch den Gegner. Hat von mehreren notwendigen Streitgenossen nur einer Berufung eingelegt und verzichtet er, gelten keine Besonderheiten. Haben mehrere notwendige Streitgenossen das Rechtsmittel eingelegt, verliert der verzichtende Streitgenosse nur seine Stellung als Rechtsmittelkläger, nicht aber die als Partei 1 0 3 . Legt nach einem Verzicht eines RGZ 55, 276, 277; RG JW 1913, 687; BGH NJW-RR 1989, 1344 = VersR 1989, 602; BAG AP § 514 ZPO Nr. 2. RG JW 1930, 3549; BGH NJW 1989, 170 = MDR 1988, 1033 = WM 1988,1465. BGH NJW 1983, 1561 = MDR 1983, 1008. BGHZ 7, 143, 145 = NJW 1952, 1295 mit Anm. Käufer NJW 1962, 572. BGHZ 27,143, 145; BGH NJW 1958, 343. BGH NJW-RR 1989, 1344 = VersR 1989, 602.

100 101

OLG München VersR 1968, 1072 = DAR 1969, 41. BGH NJW 1990, 1118 = VersR 1990, 172. AA OLG München VersR 1968, 1072 = DAR 1969, 41. BGH NJW 1979, 551. RGZ 157, 33, 38.

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38

§515

Drittes Buch. Rechtsmittel

einzelnen notwendigen Streitgenossen ein anderer Streitgenosse Rechtsmittel ein, wird derjenige, der zuvor verzichtet hat, wiederum Partei, aber nicht (mehr) Rechtsmittelkläger. Erreicht der anfechtende Streitgenosse eine Änderung des Urteils, wirkt dies auch zugunsten des Streitgenossen, der zuvor verzichtet hatte 104 . Besteht auf der Berufungsbeklagtenseite notwendige Streitgenossenschaft, wirkt der Verzicht gegenüber einem Streitgenossen auch zugunsten der anderen, da gegen die Streitgenossen nur einheitlich entscheiden werden kann 105 . Durch den Verzicht eines Streitgenossen kann sich die Berufungssumme vermindern. Wird dadurch die Wertgrenze des § 511 Abs. 2 Nr. 1 unterschritten, wird das Rechtsmittel der übrigen Streitgenossen unzulässig. 39

Im Fall der Streithilfe können Hauptpartei und Streithelfer jeder für sich auf das Rechtsmittel verzichten. Der Verzicht der Hauptpartei macht das Rechtsmittel des Streithelfers nicht unzulässig 106 , es sei denn, hierin ist zugleich ein Widerspruch gegen das Rechtsmittel enthalten. In diesem Fall ist es unzulässig und zu verwerfen 107 . Denn der Streithelfer darf das Verfahren nicht gegen den Willen der Hauptpartei weiterbetreiben. In dem Verzicht ist für sich allein ist noch kein Widerspruch zu sehen 108 , wohl aber in einem Vergleich zwischen Hauptpartei und Gegner 109 oder in der Erklärung, man wünsche keine weitere Auseinandersetzung n o . 3. Anschließung

40

Durch den Verzicht verliert der Berufungskläger nicht das Recht, sich der Berufung des Gegners anzuschließen (§ 5 2 4 Abs. 2 S. 1). Zum Verzicht auf die Anschließung s. § 5 2 4 Rdn. 58 f. 4. Ehesachen

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Ein Rechtsmittelverzicht wird auch in Ehesachen grundsätzlich als zulässig angesehen 111 , und zwar sowohl vor als auch nach Urteilserlass, allerdings mit der Einschränkung, dass sich der Verzicht nicht in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Art und Weise gegen den Bestand der Ehe richtet. Ein Verzicht zu Abkürzung des Verfahrens ist daher unbedenklich. § 617 steht der Zulässigkeit eines Verzichts in Ehesachen nicht entgegen. Für die Wirksamkeit des Rechtsmittelverzichts ist es unerheblich, ob das Urteil unrichtig ist und zu einer dem materiellen Recht widersprechenden Auflösung der Ehe führt 112 . Etwas anderes gilt aber dann, wenn der Rechtsmittel verzieht dazu dient, eine gegen das Gesetz oder die guten Sitten erschlichene Entscheidung unanfechtbar zu machen 113 .

42

Streitig ist, ob der die Scheidung begehrende Antragsteller nach Erlass des Scheidungsurteils und trotz seines Verzichts auf das Rechtsmittel Berufung einlegen kann, um im Berufungsverfahren auf seinen Antrag zu verzichten. Im Schrifttum wird 104 105

106

107 108

109

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RGZ 157, 33, 39. Zum Rechtsmittel gegen notwendige Streitgenossen s. BGHZ 23, 73 = NJW 1957, 537 mit Anm. Johannsen LM $ 62 ZPO Nr. 3. OLG Hamburg NJW 1989, 1362 = OLGZ 1989, 115. BGHZ 92, 275, 279 = NJW 1985, 386, 387. BGHZ 76, 299, 301 = NJW 1980, 1693; BGH NJW 1989, 1357 = MDR 1989, 347; Fantie MDR 1988, 924. BGH NJW 1988, 712 = LM § 74 ZPO Nr. 7.

110 111

112 113

BGHZ 92, 275, 279. RGZ 104, 133, 135; BGHZ 2, 112 = NJW 1952, 26 mit Anm. Conrad LM § 514 ZPO Nr. 1; BGHZ 4, 314 = NJW 1952, 705 mit Anm. Paulsen LM $ 514 ZPO Nr. 2; BGHZ 28, 45, 48 = NJW 1958, 1397; BGH LM § 514 ZPO Nr. 14; NJW 1974, 1248. BGH NJW 1968, 794 = MDR 1968, 308. BGHZ 28, 45 = NJW 1958, 1397; LM ZPO § 514, 14.

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1. Abschnitt. Berufung

§515

diese Möglichkeit bejaht 1 1 4 . Der BGH hat schon vor Inkrafttreten des ersten EheRG den gegenteiligen Standpunkt vertreten 115 . Dieser Ansicht ist zuzustimmen. Der Antragsteller muss sich an dem einmal erklärten Verzicht festhalten lassen, zumal, da das erste EheRG den Grundsatz der Einheitlichkeit der Entscheidung im Eheverfahren aufgegeben hat 1 1 6 . 5. Unterbrechung des Verfahrens Der Rechtsmittelverzicht kann auch während der Unterbrechung des Verfahrens erklärt werden (vgl. § 2 4 9 Rdn. 18). Die in § 2 4 9 Abs. 2 angeordnete Unwirksamkeit ist nur relativ, d. h. sie gilt nur gegenüber dem Gegner 117 . Die erklärende Partei ist an ihre Prozesshandlung gebunden. Der Rechtsmittelverzicht ist daher sogleich wirksam 118 . Voraussetzung ist allerdings, dass durch den Grund der Unterbrechung nicht gleichzeitig die Prozesshandlungsbefugnis entfallen ist 1 1 9 . Der vertragliche Rechtsmittelverzicht ist während des Stillstands schon deswegen möglich, weil er keine Prozesshandlung, sondern nur die Vereinbarung darstellt, eine Prozesshandlung nicht vorzunehmen 120 .

43

VII. Entsprechende Anwendung der Vorschrift Die Norm ist im Revisionsverfahren (§ 565) und auch im Beschwerdeverfahren entsprechend anwendbar. In der übereinstimmenden Bitte beider Parteien auf Festsetzung eines bestimmten Streitwerts kann z.B. der Verzicht auf die Beschwerde gemäß § 68 Abs. 1 S. 1 GKG liegen 121 . Der Verzicht auf die Begründung eines Kostenbeschlusses nach § 91 a kann gleichzeitig den Verzicht auf die sofortige Beschwerde beinhalten 122 . § 515 gilt ferner für übrigen Rechtsbehelfe. Für den Einspruch sagt dies § 346 ausdrücklich. Nicht anzuwenden ist die Vorschrift dagegen auf die Klageerhebung. Ob und unter welchen Umständen im Voraus hierauf verzichtet werden kann, beurteilt sich nach anderen Gesichtspunkten.

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VIII. Kosten/Gebühren Gerichtsgebühren entstehen durch den Verzicht nicht. Besondere Anwaltsgebühren können nur dann anfallen, wenn das Mandat eigens für die Erklärung des Verzichts erteilt wird (RVG VergV Nr. 3 4 0 2 , 3403). Der nach Rechtsmitteleinlegung erklärte Verzicht löst die Kostenfolge des § 516 Abs. 3 S. 1 aus, da es sich in der Sache um eine Zurücknahme des Rechtsmittels, verbunden mit dem Verzicht auf Wiedereinlegung handelt.

114

115 116 117

118

Oske MDR 1972,14 m. w. Nachw.; s. auch OLG Düsseldorf MDR 1967, 1018. BGH LM § 514 ZPO Nr. 14. Stein/Jonas/ScMoiser §§ 610, 11; 617, 4. BGHZ 4, 314, 320 = NJW 1952, 705; BayOblGZ 1973, 282, 286. BGHZ 4, 314, 320 = NJW 1952, 705. Zur Rechtsmittelrücknahme nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens vgl. BGH WM 1978, 523.

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Vgl. RGZ 45, 323, 329. BGHZ 4, 314, 320 = NJW 1952, 705 lässt die Frage offen und gelangt über § 295 zur Wirksamkeit. OLG Schleswig SchlHA 1957, 75; OLG Neustadt MDR 1960, 411. OLG Hamm MDR 1989, 919.

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§516

Drittes Buch. Rechtsmittel

§516

Zurücknahme der Berufung (1) Der Berufungskläger kann die Berufung bis zur Verkündung des Berufungsurteils zurücknehmen. (2) Die Zurücknahme ist dem Gericht gegenüber zu erklären. Sie erfolgt, wenn sie nicht bei der mündlichen Verhandlung erklärt wird, durch Einreichung eines Schriftsatzes. (3) Die Zurücknahme hat den Verlust des eingelegten Rechtsmittels und die Verpflichtung zur Folge, die durch das Rechtsmittel entstandenen Kosten zu tragen. Diese Wirkungen sind durch Beschluss auszusprechen. Schrifttum Gaul Der Widerruf der Rechtsmittelrücknahme nach rechtskräftigem Verfahrensabschluss unter Berücksichtigung des gleichen Problems beim Rechtsmittelverzicht, Z Z P 74 (1961), 49ff; Fantie Der nicht unterstützte Streithelfer, MDR 1988, 924ff. Übersicht Rdn I. Zurücknahme der Berufung 1. Allgemeines 2. Anfangs- und Endzeitpunkt 3. Teilrücknahme 4. Streitgenossen/Streithelfer II. Rücknahmeerklärung 1. Form 2. Inhalt und Auslegung der Erklärung 3. Wirksamkeit 4. Widerruf/Anfechtung

1 2 6 8 10 13 18 22

.

III. Vertrag über die Berufungsrücknahme

24

Rdn IV. Wirkung der Zurücknahme 1. Verlust des eingelegten Rechtsmittels . 2. Kostentragungspflicht a) Allgemeines b) Anschlussberufung c) Einzelfälle 3. Beschluss nach § 516 Abs. 3 S. 2 . . . 4. Anfechtung des Beschlusses V. Entsprechende Anwendung der Vorschrift VI. Kosten/Gebühren

28 30 31 32 33 38 39 40

I. Zurücknahme der Berufung 1. Allgemeines 1

Die Zulässigkeit der Berufungsrücknahme ist entsprechend der Klagerücknahme (§ 269) geregelt. Die Wirkungen der beiden Erklärungen sind aber verschieden. Die Zurücknahme der Berufung wirkt für die Zukunft 1 und hat (nur) den Verlust des Rechtsmittels zur Folge. Die Klagerücknahme lässt dagegen die Rechtshängigkeit rückwirkend entfallen und beseitigt die Wirksamkeit aller bis dahin ergangenen Entscheidungen. Die Zurücknahme der Berufung hängt nicht davon ab, dass das Rechtsmittel zulässig ist 2 .

1

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Zum früheren Meinungsstreit, ob die Rechtskraft der Entscheidung bei der Zurücknahme auf den Ablauf der Berufungsfrist zurückwirkt vgl. KG J Z 1952, 4 2 4 u. OLG Oldenburg M D R 1954, 367.

2

BGH FamRZ 1988, 4 9 6 ; OLG Hamburg OLGZ 15, 150.

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1. Abschnitt. Berufung

§516

2. Anfangs- und Endzeitpunkt Die Zurücknahme der Berufung ist frühestens nach Einlegung der Berufung zulässig. Eine Rücknahmeerklärung, die vor oder gleichzeitig mit der Berufungsschrift bei Gericht eingeht, hat die Bedeutung eines - rechtzeitigen - Widerrufs des Rechtsmittels und macht die Berufungseinlegung von vornherein unwirksam. Eine Teilrücknahme (vgl. Rdn. 6) ist erst dann möglich, wenn der Umfang der Anfechtung feststeht, also mit der Ankündigung eines konkreten Antrags. Wird mit dem Antrag in der Berufungsbegründung nur ein Teil der Entscheidung angefochten, handelt es sich noch nicht um eine Teilrücknahme 3 , sondern nur ein vorläufiges Nichtweiterverfolgen der Berufung (Einzelheiten Rdn. 16 u. § 5 2 0 Rdn. 63).

2

Endzeitpunkt für die Zurücknahme ist der Erlass der zweitinstanzlichen Entscheidung (im Gegensatz zur Klagerücknahme, die bis zum Eintritt der Rechtskraft möglich ist). Danach scheidet eine Rücknahme aus, weil der Zweck der Berufung, die erstinstanzliche Entscheidung zur Nachprüfung zu stellen, mit der Verkündung des Berufungsurteils erreicht ist 4 . Wird das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache vom Revisionsgericht zurückverwiesen, ist die Zurücknahme wieder möglich. Zurückgenommen werden kann auch im Betragsverfahren nach einem Grundurteil (§ 304), im Nachverfahren gemäß § 5 9 9 oder wenn über die Berufung durch Versäumnisurteil entschieden und hiergegen Einspruch eingelegt worden ist (§ 3 4 2 ) 5 .

3

Dem Berufungskläger wird mit dem späten Zeitpunkt für die Zurücknahme die Möglichkeit eröffnet, auch noch nach der mündlichen Verhandlung auf rechtliche Hinweise zu reagieren, die er im Termin vom Berufungsgericht erhalten hat. Er soll durch die Erörterung im Verhandlungstermin nicht unnötig unter Zeitdruck gesetzt werden. Der Anwalt erhält zudem Gelegenheit, das Terminsergebnis in Ruhe mit dem Mandanten zu besprechen. Da die Rücknahme im Gegensatz zum alten Recht (vgl. § 515 Abs. 1 a. F.) auch nach Beginn der mündlichen Verhandlung des Berufungsbeklagten ohne seine Einwilligung möglich ist, kann der Berufungskläger einer Anschlussberufung nachträglich die Grundlage entziehen. Ein schutzwürdiges Interesse, dies zu verhindern, hat der Berufungsbeklagte nicht. Da er sich nicht mit einem eigenen Rechtsmittel gegen das Urteil zur Wehr gesetzt, sondern nur den Weg der Anschließung beschritten hat, hat er seinen Gegenangriff aus eigenem Entschluss mit der (Haupt-)Berufung verknüpft.

4

Ein anderer Endzeitpunkt für die Rücknahme gilt für Ehesachen, soweit das erstinstanzliche Urteil die Scheidung ausspricht. Stirbt einer der Ehegatten während des Berufungsverfahrens, ist das Verfahren in der Hauptsache als erledigt anzusehen. Dies hindert von diesem Zeitpunkt an eine Zurücknahme der Berufung, da hierdurch entgegen § 619 die Rechtskraft des erstinstanzlichen Urteils herbeigeführt werden könnte 6 .

5

3. Teilrücknahme Die Zurücknahme kann auf einen von mehreren Ansprüchen oder auf einen quantitativen, teilurteilsfähigen Teil (§ 301) beschränkt werden 7 . Soweit die Erklärung Zweifel aufwirft, ist der Umfang der Zurücknahme durch Auslegung zu er3

4

5

RG JW 1937, 811 u. 2226 (zur Revision); RGZ 168, 355, 360. RG HRR 1930, Nr. 1157, RG JW 1935, 2898 = HRR 1935, Nr. 1426; RArbGE 8, 333. RGZ 167, 293, 295; KG OLGE 23 (1911), 188; aA OLG Hamburg OLGE 31 (1915), 62.

6 1

OLG Koblenz FamRZ 1980, 717. RGZ 134, 130, 132; BGHZ 34, 200 = NJW 1961, 775.

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6

§516

Drittes Buch. Rechtsmittel

mittein. Geht sie trotz ihres an sich klaren Wortlauts ersichtlich über das eigentlich Gewollte hinaus, kann sie nachträglich richtiggestellt werden 8 . Zu den Einzelheiten bei der Auslegung einer Teilrücknahmeerklärung s. Rdn. 16. 7

Die Teilrücknahme bewirkt den Verlust des Rechtsmittels im Umfang der Zurücknahme. Die nachträgliche Erweiterung des Rechtsmittels ist dann nur noch im Wege der Anschlussberufung möglich. 4. Streitgenossen/Streithelfer

8

Bei einfacher Streitgenossenschaft kann die Berufungsrücknahme durch jeden einzelnen bzw. gegenüber jedem der Streitgenossen erklärt werden. Er scheidet mit dem Wirksamwerden der Erklärung aus dem Rechtsmittelverfahren aus. Bei notwendiger Streitgenossenschaft ist zu unterscheiden, ob die Streitgenossen auf der Aktiv- oder der Passivseite stehen. Sind die notwendigen Streitgenossen Berufungskläger, wird das Urteil für denjenigen unanfechtbar, der seine Berufung zurücknimmt. Das Rechtsmittel der übrigen Streitgenossen wird hiervon nicht berührt. Erreichen sie eine Änderung des angefochtenen Urteils, wirkt dies auch für und gegen den Zurücknehmenden 9 . Er verliert daher mit der Zurücknahme nur seine Stellung als Rechtsmittelkläger, bleibt aber als Partei am Rechtsmittelverfahren beteiligt, wenn nur einer der übrigen Streitgenossen sein Rechtsmittel aufrecht erhält (§ 62). Hat allerdings nur ein notwendiger Streitgenosse Berufung eingelegt, beendet seine (zulässige) Rücknahmeerklärung die Rechtsmittelinstanz, es sei denn, die übrigen Streitgenossen haben zu diesem Zeitpunkt schon Anträge gestellt. Bei notwendiger Streitgenossenschaft auf der Berufungsbeklagtenseite kann die Berufung nur einheitlich gegenüber allen Streitgenossen zurückgenommen werden. Denn sonst wird sie unzulässig, soweit es sich gegen die übrigen Streitgenossen richtet 1 0 .

9

Im Fall der Streithilfe handelt es sich um ein einheitliches Rechtsmittel, wenn Hauptpartei und Streithelfer Berufung eingelegt haben 1 1 . Die Berufung des Streithelfers ist als Rechtsmittel der Hauptpartei anzusehen 12 . Die Zurücknahme kann aber nur von demjenigen erklärt werden, der das Rechtsmittel eingelegt hat. Die Hauptpartei kann daher der Berufung des Streithelfers nur widersprechen, sie aber nicht gegen seinen Willen für ihn zurücknehmen 13 . Widerspricht die Partei der Berufung des Streithelfers (§ 67 2. Halbs.), wird das Rechtsmittel unzulässig und ist zu verwerfen 14 . Nimmt nur einer von beiden seine Berufung zurück, bleibt die des anderen bestehen 15 . Es handelt sich insoweit um eine ähnliche Situation wie bei mehrfacher Rechtsmitteleinlegung. Auch dort kann sich die Zurücknahme auf einen der Einlegungsakte beschränken. Die Hauptpartei bleibt daher durch die Berufung des Streithelfers Rechtsmittelkläger, auch wenn sie ihre eigene Berufung zurückgenommen hat 1 6 . In der Rücknahmeerklärung der Hauptpartei ist für sich allein noch nicht der Widerspruch gegen die Berufung des Streithelfers zu sehen 17 .

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RGZ 81, 177, 178; 105, 310; Beispiel für eine ersichtlich unrichtige Teilrücknahmeerklärung in RGZ 134, 130 ff. RGZ 157, 33, 39. Zum Rechtsmittel gegen notwendige Streitgenossen s. BGHZ 23, 73 = NJW 1957, 537 mit Anm Johannsen LM § 62 ZPO Nr. 3. BGH NJW 1985, 2480 = MDR 1985, 229; BGH NJW 1988, 712 = MDR 1988, 44; 1992, 2100. RGZ 147, 125, 126.

13

14 15 16 17

BGHZ 92, 275, 279 = NJW 1985, 386, 387; OLG Hamm OLGZ 1984, 338, 340 = MDR 1984, 851, 852 = FamRZ 1984, 810; aA Stein/ JonasILeipold § 67, 12. BGHZ 92, 275, 279 = NJW 1985, 386, 387. BGH NJW 1993, 2944. BGH NJW 1989, 1357 MDR 1989, 347. BGHZ 76, 299, 301 = NJW 1980, 1693; BGH NJW 1989, 1357 = MDR 1989, 347; Pantle MDR 1988, 924.

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1. Abschnitt. Berufung

§516

II. Rücknahmeerklärung 1. Form Die Zurücknahme ist dem Gericht gegenüber zu erklären (§ 516 Abs. 2 S. I) 1 8 . 10 Das Gesetz lässt mehrere Formen zu. Die Erklärung kann in der mündlichen Verhandlung - auch gegenüber dem beauftragten Richter - oder durch Einreichung eines Schriftsatzes abgegeben werden (§ 516 Abs. 2 S. 2). Der Schriftsatz ist gemäß § 270 zuzustellen. Die Zustellung ist allerdings nicht Wirksamkeitsvoraussetzung. Wird die Zurücknahme schriftsätzlich gegenüber einem unzuständigen Gericht erklärt, das die Sache inzwischen verwiesen hat, muss der Schriftsatz an das zuständige Gericht gelangen 19 . Die Erklärung gegenüber dem ersuchten Richter wirkt erst mit Eingang der Akten beim Berufungsgericht 20 . In Binnenschifffahrtssachen kommt es auf den Eingang bei dem zur Entscheidung berufenen Gericht an 2 1 . Die Zurücknahme in der mündlichen Verhandlung zu Protokoll (§ 160 Abs. 3 11 Nr. 8) wirkt mit Abgabe der Erklärung. Das in § 162 vorgeschriebene Verlesen bzw. die Vorlegung des Protokolls oder das Abspielen der Aufzeichnung ist nicht Wirksamkeitsvoraussetzung 22 . Dem Protokoll fehlt in diesem Fall nur die Beweiskraft einer öffentlichen Urkunde. Die Wirksamkeit der Zurücknahme hängt auch nicht davon ab, dass die Protokollabschrift oder der Rücknahmeschriftsatz dem Gegner zugestellt wird. Ebenso wenig bedarf es einer Annahme durch den Gegner. Eine formell unwirksame Rücknahmeerklärung kann eventuell als Berufungsverzicht (§ 515) wirksam sein 23 . Die Erklärung muss durch den postulationsfähigen Anwalt abgegeben werden 1 2 (§ 78 Abs. 1). Es ist jedoch zulässig, dass eine vom vorinstanzlichen Prozessbevollmächtigten oder von der Partei selbst eingelegte (unzulässige) Berufung in gleicher Weise wieder zurückgenommen wird 2 4 . 2. Inhalt und Auslegung der Erklärung Die Berufungsrücknahme muss klar und eindeutig erklärt werden. Der Wille zur 1 3 Rücknahme muss unzweifelhaft sein 25 . Eine bestimmte Formulierung ist nicht nötig. Bei Zweifeln ist der Erklärung die Bedeutung beizumessen, die die geringeren prozessualen Folgen nach sich zieht 26 . Eine Vermutung für einen Rücknahmewillen gibt es nicht 27 . Die Mitteilung, die Berufung solle entsprechend einer Weisung der Partei alsbald zurückgenommen werden, reicht nicht aus. Sie enthält auch nicht einen 18

19

20

21 22

Ursprünglich erfolgte die außerhalb der mündlichen Verhandlung erklärte Zurücknahme durch Zustellung eines Schriftsatzes an den Gegner; dies ist durch die 4. VereinfVO 1943 (RGBl. I 7, 8) geändert worden. B G H VersR 1977, 574; M D R 1991, 668 (zur Revision). Die Möglichkeit zur Rücknahme gegenüber dem ersuchten Richter ist mit dem REinhG 1950 (BGBl I 455, 474) entfallen. B G H VersR 1977, 574. O L G Stuttgart F a m R Z 1984, 4 0 2 , 4 0 4 ; B G H N J W 1984, 1465 = M D R 1984, 655; aA O L G H a m m Rpfleger 1982, 111 (zum Rechtsmittelverzicht).

23 24

25 26 27

O L G Königsberg J W 1917, 981. B G H Z 93, 12, 14 = N J W 1985, 1016; B G H M D R 1991, 6 6 8 ; B G H NJW-RR 1994, 759 = M D R 1995, 411; BVerwGE 14, 19 = N J W 1962, 1170; LG Bremen N J W 1979, 987. Z u m Sonderfall, dass eine beim Bayerischen Obersten Landesgericht eingelegte Revision beim Bundesgerichtshof zurückgenommen wird vgl. B G H Z (GS) 93, 12, 14 = N J W 1985, 1157. B G H M D R 1989, 987 (zur Klagerücknahme). RG J W 1935, 2281, 2 2 8 2 . RG J W 1935, 2281.

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§516

Drittes Buch. Rechtsmittel

Antrag zum Abschluss eines Rücknahmevertrages 28 . Die Erklärung, demnächst zurücknehmen zu wollen, ist noch keine Zurücknahme 2 9 . Die Erledigungserklärung des Berufungsklägers stellt unabhängig von der Zustimmung des Gegners 3 0 in der Regel keine Zurücknahme dar, weil sie die Kostenfolge gemäß § 516 Abs. 3 S. 1 auslösen würde. Diese soll mit der Erledigungserklärung gerade vermieden werden. Dagegen ist die Erklärung, eine durch Ablauf der Begründungsfrist unzulässig gewordene Berufung werde als Anschlussberufung fortgeführt, eine Zurücknahme der Berufung 31 . Zur Auslegung einer Teilrücknahmeerklärung s. Rdn. 16. 14

Sind mehrere Berufungsverfahren zwischen denselben Parteien anhängig, muss klar sein, auf welches Verfahren sich die Erklärung bezieht 32 . Hat der Berufungskläger mehrmals gegen dieselbe Entscheidung Berufung eingelegt, handelt es sich um ein einheitliches Rechtsmittel, über das auch einheitlich zu entscheiden ist 3 3 . Die Zurücknahme erledigt daher das Berufungsverfahren insgesamt, es sei denn, der Berufungskläger beschränkt sich ausdrücklich auf eine der Rechtsmittelerklärungen 34 .

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Die Zurücknahme ist bedingungsfeindlich 35 . Sie kann - im Gegensatz zu anderen Prozesshandlungen - nicht von einem innerprozessualen Ereignis abhängig gemacht werden. Denn die Frage, ob das Verfahren beendet ist, verträgt keinen Schwebezustand 36 . Zulässig ist es aber, dass eine vertragliche Verpflichtung zur Rücknahme von einer Bedingung abhängig gemacht wird. 16 Ob eine Teilrücknahme vorliegt, ist durch Auslegung zu ermitteln. Mit einer Beschränkung des Antrags kann ein Verzicht auf den Restanspruch, eine teilweise Klagerücknahme, eine teilweise Berufungsrücknahme oder nur gemeint sein, den Rechtsstreit in dem bezeichneten Umfang einstweilen nicht betreiben zu wollen 3 7 . In der Einschränkung des Berufungsantrags auf einen bestimmten Teil liegt grundsätzlich noch keine teilweise Zurücknahme des Rechtsmittels 38 . Ohne weitere Angaben liegt hierin nur die Erklärung, dass das Rechtsmittelverfahren insoweit einstweilen nicht fortgeführt werden soll. Anders kann es dagegen sein, wenn der bereits angekündigte Antrag wegen Versagung der für den zweiten Rechtszug beantragten Prozesskostenhilfe beschränkt wird 3 9 . Wird ein einzelner Berufungsangriff fallengelassen, liegt darin noch keine Teilrücknahme, selbst wenn sich der Angriff auf selbständige Rechnungsposten bezieht 4 0 . 17

Die Auslegung der Erklärung durch das Berufungsgericht kann der Revisionsrichter frei nachprüfen 41 . 3. Wirksamkeit

18

Die Zurücknahme wirkt unabhängig davon, ob der Berufungskläger damit gegen eine Abrede verstößt. Weiter ist es unerheblich, ob der Prozessbevollmächtigte mit der Zurücknahme von einer Weisung der Partei abgeweicht 42 . Eine 28 29

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R G Z Z P 5 5 , 425. RGZ 161, 350, 353. AA BGHZ 34, 200, 203 = BGH NJW 1961, 775. OLG Stuttgart NJW 1960, 1161. RG HRR 1930, Nr. 352. 45, 380 = NJW 1966,1753; BGH NJW 1968, 49 = MDR 1968, 33. RGZ 102, 364; BGHZ 24, 179 = NJW 1957, 990; BGHZ 45, 380 = NJW 1966, 1753; BSG NJW 1998, 2078; OLG München MDR 1979, 409. RGZ 120, 243, 246.

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36 37

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BGH NJW-RR 1990, 67, 68. RGZ 75, 286, 290; 142, 63, 65; RG 1935, 2281, 2282. RG JW 1930, 2954; RGZ 152, 37, 44; JW 1939, 248; BGH NJW 1989, 962. RGZ 142, 63, 65; OLG Celle NdsRpfl 1949,200. Bei unverändertem Antrag: RG DR 1940, 1894. RGZ 86, 377, 380; 134, 130, 132; 142, 63. BGH VersR 1988, 526, 527 = FamRZ 1988,496; BGH VersR 1992, 121; LAG Köln MDR 1988, 609.

Uwe Gerken

1. Abschnitt. Berufung

etwaige Einschränkung der Prozessvollmacht ist für das Außenverhältnis Bedeutung.

§516 ohne

Die Zurücknahme der Berufung bleibt ausnahmsweise dann wirkungslos, wenn die Erklärung im Widerspruch zum wirklichen Willen des Berufungsklägers steht und dies für das Gericht und den Berufungsbeklagten ganz offensichtlich ist 4 3 . Eine solche Erklärung kann dem Gegner keinen prozessualen Vorteil verschaffen. Dies folgt aus dem Grundsatz von Treu und Glauben, der auch im Prozessrecht gilt. Hierzu gehört z. B. der Fall, dass die Zurücknahme von dem gesetzlichen Vertreter einer juristischen Person unter einem offensichtlichen, für das Gericht und den Gegner erkennbaren Missbrauch seiner Vertretungsmacht erklärt worden ist 4 4 . Abzulehnen ist dagegen die Auffassung, dass die Erklärung auch dann keine Wirkung entfalten soll, wenn sie auf einem vom Prozessgegner 4 5 oder vom Gericht 4 6 hervorgerufenen Irrtum beruht. Dies ist nicht mit dem Grundsatz zu vereinbaren, dass die Zurücknahme als Prozesserklärung nicht anfechtbar ist (hierzu Rdn. 2 2 ) .

19

Die Zurücknahme ist auch dann wirksam, wenn das Verfahren ausgesetzt oder unterbrochen ist 4 7 . Denn die in § 2 4 9 Abs. 2 angeordnete Unwirksamkeit ist relativ, d. h. sie gilt nur gegenüber dem Gegner 4 8 . Die erklärende Partei ist an ihre Prozesshandlung gebunden. Voraussetzung ist allerdings, dass die Prozesshandlungsbefugnis der Partei noch vorhanden ist. Ist der Prozess durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens unterbrochen worden, bleibt die Rücknahmeerklärung ohne Wirkung, auch wenn sie vom Prozessbevollmächtigten abgegeben worden ist. Denn der Schuldner hat kein Recht, prozessrechtliche Erklärungen zu Lasten der Masse abzugeben 4 9 , es sei denn, er hat das Verfahren gemäß § 85 Abs. 2 InsO aufgenommen, nachdem der Verwalter die Aufnahme abgelehnt hat.

20

Die Rücknahmeerklärung einer prozessunfähigen Partei, die keinen gesetzlichen Vertreter hat und in dem Rechtsstreit für prozessfähig gehalten worden ist, ist wirksam. Das rechtskräftig gewordene erstinstanzliche Urteil kann nur nach § 5 7 9 Abs. 1 Nr. 4 Z P O beseitigt werden 5 0 .

21

4 . Widerruf/Anfechtung Als Prozesshandlung unterliegt die Berufungsrücknahme nicht den Regeln des außerprozessualen Rechts. Die Erklärung kann daher nicht wegen Irrtums oder Drohung angefochten werden 5 1 . Auch eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist nicht möglich, wenn eine rechtzeitig eingelegte Berufung infolge eines Irrtums zurückgenommen worden ist und sie erst nach Ablauf der Frist wiederholt wird 5 2 . Da der Berufungskläger die Berufung zunächst fristgerecht eingelegt hatte, war er nicht verhindert, die Rechtsmittelfrist einzuhalten. Die Zurücknahme kann hiermit nicht gleichgesetzt werden, auch wenn sie durch eine Fehlvorstellung veranlasst worden ist. Etwas anderes kommt nur dann in Betracht, wenn die Berufungsfrist bei 43

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RGZ 81, 177, 179; RG HRR 1939, 1261; BGH VersR 1977, 574; OLG Bremen MDR 1974, 588 (zum Anerkenntnis). BGH MDR 1962, 374 = LM § 515 ZPO Nr. 13. LG Hannover NJW 1973, 1757. LG Oldenburg VersR 1979, 752 (unzutreffende richterliche Belehrung über die Verfristung eines Einspruchs). BGHZ 4, 314, 320 = NJW 1952, 705. BGHZ 4, 314, 320 = NJW 1952, 705; BayOblGZ 1973, 282, 286.

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BGH WM 1978, 523. BGH NJW 1958, 343 = LM § 52 ZPO Nr. 3 u. § 515 Nr. 9. RGZ 81, 177; 105, 310; 120, 243, 246; 152, 324; BGHZ 12, 284 = NJW 1954, 676 mit Anm. Johannsen LM § 515 ZPO Nr. 4; BGHZ 20, 198 mit Anm. Johannsen LM § 515 ZPO Nr. 7; BGH VersR 1992, 121. BGH NJW 1991, 2839 = VersR 1992, 121.

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§516

Drittes Buch. Rechtsmittel

Erklärung der Zurücknahme noch nicht abgelaufen war und die Fehlvorstellung bis zum Ende der Frist andauert. 23

Die Rücknahmeerklärung kann grundsätzlich nicht widerrufen werden 5 3 , und zwar auch nicht mit dem Einverständnis des Gegners 54 . Bis zum Eintritt ihrer Wirksamkeit sind allerdings Berichtigungen zulässig. Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn ein Restitutionsgrund vorliegt und ein Urteil, welches ohne die Zurücknahme ergangen wäre oder das die Berufung als unzulässig verwerfen würde, der Restitutionsklage (§ 580) unterläge 55 . In diesem Fall kann das Berufungsverfahren durch Widerruf der Rücknahmeerklärung fortgeführt werden. Dies gilt unabhängig davon, ob die Berufungsfrist inzwischen abgelaufen ist. Als äußerste Frist gilt die Fünfjahresfrist des § 586 Abs. 2 S. 2 5 6 . Ebenso ist die Monatsfrist des § 586 Abs. 1 zu beachten 5 7 . Soweit der Widerruf auf die Restitutionsgründe nach § 5 8 0 Nr. 1 - 5 gestützt wird, müssen die Voraussetzungen des § 581 Abs. 1 vorliegen 58 . Kann die Partei durch Widerruf der Rechtsmittelrücknahme das alte Verfahren fortsetzen, ist eine Restitutionsklage unzulässig 59 .

III. Vertrag über die Berufungsrücknahme 24

Eine vertragliche Verpflichtung zur Rücknahme wird ebenso wie der vertragliche Rechtsmittelverzicht als zulässig angesehen, und zwar grundsätzlich auch in Ehesachen 6 0 . Für einen solchen Vertrag gelten die Ausführungen zum vertraglichen Rechtsmittelverzicht sinngemäß (vgl. § 515 Rdn. 23 ff). Er wirkt nicht unmittelbar auf den Prozess 61 , sondern gewährt dem Gegner eine Einrede. Wird sie erhoben, ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen, wenn sie entgegen der Rücknahmeverpflichtung weiterbetrieben wird 6 2 . Das gleiche gilt, wenn die Rücknahmeverpflichtung mit einer Bedingung verknüpft war und der zur Rücknahme Verpflichtete den Eintritt der Bedingung treuwidrig vereitelt hat (§ 162 BGB) 6 3 .

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In einer formunwirksamen Berufungsrücknahme kann eine Verpflichtung zur Rücknahme liegen 64 . Es ist eine Frage der Auslegung, ob der Vertrag eine erneute Rechtsmitteleinlegung zulässt oder sie endgültig verbietet. Im Regelfall wird beabsichtigt sein, eine erneute Berufung auszuschließen, soweit die Frist überhaupt noch läuft. In diesem Fall ist die Vereinbarung zugleich ein Rechtsmittelverzicht.

26

Der Berufungskläger kann sich auch verpflichten, die Berufung nicht zurückzunehmen. Die unter Verstoß gegen diese Vereinbarung erklärte Zurücknahme ist aber grundsätzlich wirksam. Der Einwand des vertragswidrigen Verhaltens ist prozessual bedeutungslos. Eine Ausnahme ist nur dann zu machen, wenn die Parteien das erstinstanzliche Urteil längere Zeit unbeachtet gelassen haben und die Herbeiführung der Rechtskraft durch die Zurücknahme zu einem mit Treu und Glauben 53

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RGZ 159, 293, 296; KG NJW 1998, 3357 (telefonischer Widerruf einer durch Telefax erklärten Rücknahme). RGZ 150, 395 = JW 1936, 1907. RGZ 150, 392, 395 JW 1936, 1907; 153, 65, 68 = JW 1937, 544; BGHZ 12, 284 = NJW 1954, 676; BGHZ 33, 73, 75 = NJW 1960, 1764; BAG ZZP 75 (1962), 264, 265. BGH NJW 1958, 1352 = MDR 1958, 670. BGHZ 33, 73, 75 = NJW 1960, 1764 mit Anm. Johannsen LM § 515 ZPO Nr. 12. BGHZ 12, 284 = NJW 1954, 676 mit Anm. Johannsen LM § 515 ZPO Nr. 4.

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BGH NJW 1958, 1352 = MDR 1958. 670. AA Gaul ZZP 74 (1961), 49 ff; 75 (1962), 267. RGZ 159, 186, 189. JW 1912, 802 (Nr. 21); RGZ 102, 217, 220; JW 1936, 3543 (Nr. 11). RGZ 123, 84, 85; RG JW 1937, 1062 (zur Verpflichtung zur Klagerücknahme); BGH NJW 1984, 805 = MDR 1984, 302; FamRZ 1989, 268; BGH WM 1989, 868, 869. Beispiel in BGH NJW-RR 1989, 802. RGZ 123, 84 zur Zurücknahme in einem vor dem ersuchten Richter abgeschlossenen Vergleich.

U w e Gerken

1. Abschnitt. Berufung

§516

schlechterdings nicht zu vereinbarenden Ergebnis führen würde 6 5 . Durch ein nachträgliches Einverständnis des Gegners kann die Wirkung der einmal erklärten Zurücknahme nicht wieder beseitigt werden 6 6 . Der Vertrag auf Vornahme oder Unterlassung der Rücknahme ist nicht formbedürftig und kann auch außergerichtlich geschlossen werden 6 7 . Anwaltszwang besteht hierfür nicht, auch wenn schon ein Prozessbevollmächtigter bestellt ist 6 8 .

27

IV. Wirkung der Zurücknahme 1. Verlust des eingelegten Rechtsmittels Die Zurücknahme bewirkt den Verlust der eingelegten Berufung, allerdings nicht rückwirkend 69 . Die Berufung kann nicht mehr als unzulässig verworfen werden 7 0 . Da die Zurücknahme nur das eingelegte Rechtsmittel betrifft, kann die Berufung erneut eingelegt werden, solange die Frist noch läuft 7 1 . Den Eintritt der Rechtskraft bewirkt sie nur dann, wenn die Berufungsfrist schon abgelaufen ist. Der Verlust des Rechtsmittels tritt grundsätzlich auch dann ein, wenn die Berufung in Erfüllung eines Vergleichs zurückgenommen wurde, der Vergleich jedoch nichtig, anfechtbar und angefochten ist oder einen anderen Inhalt hat, als es der Zurücknahme entspricht 7 2 . Allerdings kann dem Berufungsbeklagten unter Umständen der Arglisteinwand entgegengehalten werden, wenn die Rücknahmeerklärung für alle Beteiligten erkennbar und offensichtlich dem wirklichen Willen des Berufungsklägers widersprach 7 3 . Bei wiederholter Berufungseinlegung hängt es von den Umständen des Einzelfalls ab, ob durch eine Zurücknahme sämtliche Erklärungen oder nur eine von ihnen erfasst sein soll 7 4 .

28

Der Zurücknehmende kann sich später noch dem Rechtsmittel des Gegners anschließen 75 , es sei denn, er hat mit der Zurücknahme insgesamt auf eine Anfechtung verzichtet. Ob dies der Fall ist, ist eine Frage der Auslegung. Voraussetzung ist allerdings, dass die Anschließungsfrist (§ 5 2 4 Abs. 2 S. 2) noch nicht verstrichen ist.

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2. Kostentragungspflicht a) Allgemeines. Die Zurücknahme der Berufung hat zur Folge, dass der Berufungskläger die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen hat, es sei denn, über sie ist bereits anderweit rechtskräftig entschieden worden. Wird die Zurücknahme im Rahmen eines gerichtlichen Vergleichs erklärt, gilt die dort vereinbarte Kostenregelung 7 6 . Fehlt eine Vereinbarung, bleibt es für die bis zum Abschluss des Vergleichs entstandenen Rechtsmittelkosten bei der Regel des § 516 Abs. 3 S. 1. Die Kosten des Vergleichs sind dagegen als gegeneinander aufgehoben anzusehen (§ 98 S. I ) 7 7 , es sei denn der Vergleich läuft im Wesentlichen auf eine Anerkennung des angefochtenen Urteils hinaus; dann gilt auch insoweit § 516 Abs. 3 S. I 7 8 . Ist die Zurücknahme 65

66 67 68

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Vgl. BGHZ 20, 198, 207 - der in erster Instanz unterlegene Scheidungsbeklagte ficht das Urteil an, lässt es dann aber 10 Jahre unbeachtet. RGZ 150, 392, 395; BGHZ 20, 198, 205. BGH NJW-RR 1987, 307; BGH WM 1989, 868. RGZ 123, 84, 85; BGH NJW 1984, 805 = FamRZ 1984, 161 m.w.Nachw.; FamRZ 1989, 268. Arg. § 269 Abs. 3; KG JR 1952, 247; OLG Oldenburg MDR 1954, 367.

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OLG Hamburg OLGE 15 (1907), 150. RGZ 158, 53, 54. RGZ 152, 324. BGH VersR 1977, 574. BGHZ 24, 179 = NJW 1957, 990. Analog S 521 Abs. 1: RGZ 153, 348. BGH LM § 515 ZPO Nr. 20. BGH NJW 1989, 39, 40 = WM 1988,1460; LAG München VersR 1 9 8 8 , 2 8 0 ; KG MDR 1985, 678. BGH NJW 1989, 39, 4 0 = WM 1988, 1460.

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§516

Drittes Buch. Rechtsmittel

in Erfüllung eines außergerichtlichen Vergleichs erklärt worden und bedarf es noch eines Kostentitels, bestehen keine Bedenken, die vereinbarte Kostenverteilung durch Beschluss gemäß § 516 Abs. 3 auszusprechen, soweit sich die Parteien über die Kosten einig sind 7 9 . Bei der Zurücknahme von beiderseits eingelegten Berufungen gilt § 92. 31

b) Anschlussberufung. Zu den durch das Rechtsmittel entstandenen Kosten gehören grundsätzlich auch die einer Anschlussberufung. Da es sich bei der Anschlussberufung nur um einen angriffsweise wirkenden Gegenantrag innerhalb der fremden Berufung handelt, der mit der Zurücknahme seine Wirkung verliert, muss der Berufungskläger die hierdurch entstandenen Kosten ebenfalls tragen 8 0 . Anders ist es, wenn die Anschließung von vornherein unzulässig war 8 1 oder wenn sich der Anschlusskläger einer unzulässigen Berufung angeschlossen hat 8 2 , und zwar unabhängig davon, ob ihm die Unzulässigkeit bekannt war oder nicht 8 3 . In diesen Fällen verliert die Anschließung ihre Wirkung nicht erst mit der Zurücknahme der Berufung, so dass es nicht gerechtfertigt wäre, die hierdurch veranlassten Kosten dem Berufungskläger aufzuerlegen. Weiterhin darf der Berufungskläger insoweit nicht mit den Kosten einer Anschließung belastet werden, als der Anschließungskläger nicht nur seine erstinstanzliche Verteidigung fortgesetzt, sondern mit der Anschlussberufung einen neuen Streitstoff in den Prozess eingeführt hat. Dann muss das die Kostenverteilung beherrschende Veranlasserprinzip den Vorrang haben. Die Kosten einer im Wege der Anschlussberufung geltend gemachten Klageerweiterung bzw. Änderung trägt daher der Anschließungskläger 84 . § 516 Abs. 3 S. 1 greift ferner dann nicht ein, wenn die Anschließung die Fortführung einer unzulässig gewordenen selbständigen Berufung darstellt 85 . In diesem Fall handelt es sich in Wahrheit nicht um die Kosten der Anschließung, sondern um die der unzulässigen eigenen Berufung. Hierfür gilt § 97. Wird nur die Anschließung zurückgenommen, trägt der Zurücknehmende die Kosten. Hierüber ist mit den übrigen Kosten einheitlich im Urteil zu entscheiden.

32

c) Einzelfälle. Dem Berufungskläger fallen auch die Kosten zur Last, die durch die Säumnis des Berufungsbeklagten in einem früheren Termin entstanden sind. Es gelten insoweit die gleichen Grundsätze wie bei der Zurücknahme der Klage. § 344 tritt insoweit hinter § 516 Abs. 3 zurück 86 . Ferner trägt er auch die Kosten eines Revisionsverfahrens, wenn die Berufung zurückgenommen wird, nachdem der Bundes79

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BGH LM § 515 ZPO Nr. 20; BGH NJW 1961, 460; KG M D R 1985, 678. RG JW 1936, 257; BGHZ 4, 2 2 9 ff = NJW 1952, 384; OLG Schleswig NJW 1969, 849; OLG München JurBüro 1986, 4 6 2 u. NJW-RR 1989, 575; OLG Frankfurt NJW-RR 1991, 128. AA (für eine entsprechende Anwendung von § 91 a) OLG Braunschweig NJW 1975, 2302; OLG Frankfurt FamRZ 1989, 993; Maurer NJW 1991, S. 7 2 f f . S.a. Finger M D R 1986, 881, 882. RGZ 95, 121; JW 1915, 1437; 1936, 257; BGHZ 4, 229, 2 4 0 = NJW 1952, 384; BGHZ 17, 398 = NJW 1955, 1187 mit Anm Johannsen LM § 556 ZPO Nr. 5; BGHZ 67, 305, 306; OLG Köln NJW 2003, 1879. RGZ 9 5 , 1 2 1 . BGHZ 17, 398 = NJW 1955, 1187; OLG Nürnberg M D R 1989, 648.

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OLG Köln VersR 1977, 62; KG FamRZ 1988, 1301; aA BGHZ (GSZ) 4, 229, 2 4 2 = NJW 1952, 384; OLG Karlsruhe OLGZ 1966, 4 2 (zur Widerklage); für eine entsprechende Anwendung von § 91a Maurer NJW 1991, 72, 76. OLG Karlsruhe Die Justiz 1984, 394; OLG Frankfurt NJW-RR 1987, 1087; OLG Stuttgart OLGReport 2 0 0 0 , 58, 60; aA OLG München NJW-RR 1996, 1280 u. OLG Oldenburg M D R 2 0 0 2 , 1208, das den Anschließungskläger auch von den Kosten seiner unzulässigen Berufung entlasten will. OLG Düsseldorf M D R 1983, 6 4 m . w . N a c h w . ; KG NJW 1970, 1799 u. OLG Bremen NJW 1976, 632 (jeweils zur Klagerücknahme); aA OLG Köln M D R 1990, 256.

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1. Abschnitt. Berufung

§516

gerichtshof eine frühere Entscheidung aufgehoben und die Sache mit der Maßgabe zurückverwiesen hat, dass das Berufungsgericht auch über die Kosten des Revisionverfahrens zu entscheiden hat 8 7 . Die Zurücknahme einer vorsorglich zur Fristsicherung eingelegten zweiten Berufung löst keine besondere Kostenfolge aus, da es sich um ein einheitliches Rechtsmittel handelt 8 8 . 3. Beschluss nach § 516 Abs. 3 S. 2 Die Wirkungen der Berufungsrücknahme - Rechtsmittelverlust und Kostenfolge sind vom Berufungsgericht 89 von Amts wegen durch (unanfechtbaren) Beschluss auszusprechen (§ 516 Abs. 3 S. 2). Der Beschluss kann ohne mündliche Verhandlung ergehen (§ 128 Abs. 4). Der Ausspruch über den Rechtsmittelverlust wirkt nur deklaratorisch, weil die Rechtsfolge bereits mit der Erklärung der Zurücknahme eingetreten ist. Das gilt auch, soweit der Beschluss zugleich eine Anschlussberufung für wirkungslos erklärt (§ 5 2 4 Abs. 4 ) 9 0 . Ihre frühere Bedeutung 91 , der Geschäftsstelle eine Grundlage für die Rechtskraftbescheinigung zu schaffen, hat die Entscheidung verloren. Denn ursprünglich geschah die außerhalb der mündlichen Verhandlung erklärte Zurücknahme durch Zustellung eines Schriftsatzes an den Gegner 9 2 . Durch den Ausspruch über den Verlust des Rechtsmittels sollten etwaige Zweifel an der Wirksamkeit beseitigt werden. Solche Zweifel können bei der Erklärung gegenüber dem Gericht kaum auftreten. Für die Entscheidung über den Verlust der Berufung fehlt es daher am Rechtsschutzbedürfnis 93 , wenn nicht ein besonderer Grund hierfür dargetan wird. Ein Prozesskostenhilfeantrag, der ohne nähere Angabe von Gründen nur darauf abzielt, den Ausspruch über den Verlust des Rechtsmittels herbeizuführen, ist jedenfalls mutwillig und daher zurückzuweisen 94 . Anders kann es sein bei einer vertraglich vereinbarten Zurücknahme. Wird das Berufungsverfahren trotz der Vereinbarung fortgesetzt und erhebt der Berufungsbeklagte daraufhin die Einrede, muss er die Beendigung des Berufungsverfahrens durch eine förmliche Entscheidung feststellen lassen können.

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Für die Kostenentscheidung besteht dann kein Anlass, wenn die Parteien hierauf verzichten. Dies kann in Betracht kommen, wenn die Kosten bereits bezahlt sind 9 5 , wenn schon ein Kostentitel vorhanden ist, weil sich die Parteien über die Kosten in einem gerichtlichen Vergleich geeinigt haben oder wenn über die Kosten bereits anderweit entschieden worden ist. Sind derartige Umstände dem Gericht bekannt, kann es von einer Entscheidung absehen. Denn dann fehlt das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis.

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Haben mehrere Streitgenossen Berufung eingelegt und nur einige davon das Rechtsmittel zurückgenommen, gelten für die Kostenentscheidung die gleichen

35

Zum Fall, dass beim BGH ein Beschwerdeverfahren über die Verwerfung der Berufung hinsichtlich eines Teils des Urteils anhängig war, s. OLG Schleswig NJW 1969, 849. BGH M D R 1958, 508 = VersR 1958, 196. Im Berufungsrechtszug des Patentnichtigkeitsverfahrens obliegen Kostenentscheidung und Streitwertfestsetzung dem BPatG, falls das Rechtsmittel vor Abgabe der Akten an den BGH zurückgenommen wurde = BGH LM § 42 PatG Nr. 20. BGH NJW 1990, 840 (auch zur Frage, ob der Beschluss ausnahmsweise wegen greifbarer Gesetzeswidrigkeit angefochten werden kann).

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R G J W 1938,2617. Durch die 4. VereinfVO 1943 (RGBL I 7, 8), mit der zunächst auch die Entscheidung über den Verlust des Rechtsmittels abgeschafft worden ist; diese ist durch das REinhG 1950 (BGBl I 455, 474) wieder eingeführt worden. AA BGH NJW 1972, 1716 = MDR 1972, 945 unter Hinweis auf die Entscheidung RG J W 1938, 2617, die allerdings zur früheren Rechtslage ergangen ist. Ebenso OLG Karlsruhe NJW-RR 1989, 1152. BGH NJW 1972, 1716 = MDR 1972, 945; BGH LM § 515 ZPO Nr. 20.

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§516

Drittes Buch. Rechtsmittel

Grundsätze wie bei der teilweisen Klagerücknahme. Die Kostenentscheidung ist einheitlich im Urteil zu treffen. Ein gesonderter Beschluss über die Kosten, die von den zurücknehmenden Streitgenossen zu tragen sind, kommt nur dann in Betracht, wenn der Berufungsbeklagte befürchten muss, dass er seinen Anspruch bei einer Verzögerung bis zur Schlussentscheidung nicht durchsetzen kann 9 6 . Wird die Berufung nur gegenüber einem einzelnen Streitgenossen zurückgenommen, kann über seine außergerichtlichen Kosten durch Beschluss vorab entschieden werden 9 7 . 36

Der Ausspruch über die Kostentragungspflicht nach § 516 Abs. 3 bleibt auch dann wirksam, wenn der Berufungskläger nach Zurücknahme seines Rechtsmittels erneut Berufung einlegt und hierauf ein Urteil ergeht. Die in diesem Urteil getroffene Kostenregelung betrifft nicht die Kosten der ersten zurückgenommenen Berufung 9 8 . 37 Die Entscheidung ergeht auch dann nach § 516 Abs. 3, wenn die Parteien über die Wirksamkeit der Berufungsrücknahme streiten 99 . Die Tatsache, dass der Berufungskläger die Gültigkeit seiner Erklärung nachträglich in Zweifel zieht, rechtfertigt es nicht, die Berufung in entsprechender Anwendung von § 522 Abs. 1 S. 2 zu verwerfen und ihm damit die Möglichkeit zu einer Anfechtung zu eröffnen. 4. Anfechtung des Beschlusses 38

Der Beschluss nach § 516 Abs. 3 ist unter den Voraussetzungen des § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 mit der Rechtsbeschwerde anfechtbar. Eine Zulassung der Rechtsbeschwerde kann in Betracht kommen, wenn eine gemischte Kostenentscheidung zu treffen ist und hierbei Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zur Debatte stehen.

V. Entsprechende Anwendung der Vorschrift 39

§ 516 ist entsprechend anwendbar auf die Revision (§ 565) 10°, die sofortige Beschwerde 101 , die Rechtsbeschwerde, die Zurücknahme eines Widerspruchs gegen eine einstweilige Verfügung 102 , die Zurücknahme einer Erinnerung nach § 732 1 0 3 , in Folgesachen nach dem FGG 104 sowie auf die Berufung 105 und die Rechtsbeschwerde 106 im Patentnichtigkeitsverfahren. Für den Einspruch gilt § 516 über die Verweisung in § 346, ebenso für andere Rechtsbehelfe (für diejenigen, die im Wege der Klage verfolgt werden, gilt dagegen § 269). Wegen der übrigen Möglichkeiten der Beendigung des Berufungsverfahrens vgl. § 515 Rdn. 5,18, 23.

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BGH MDR 1991, 330; OLG München NJW 1969, 1123. BGH NJW-RR 1991, 187. OLG Frankfurt JurBüro 1978, 1409. BGHZ 46, 112 = NJW 1967, 109 mit Anm Schneider LM § 515 ZPO Nr. 17; BGH NJW 1995, 2229 = MDR 1995, 1061; aA Gaul ZZP 81 (1968),273. Zur Frage, ob ein beim Bundesgerichtshof nicht zugelassener Anwalt den Antrag nach §§ 565, 516 Abs. 3 S. 2 stellen kann, wenn eine beim

106

101

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Bayerischen Oberlandesgericht eingelegte Revision verwiesen worden ist, vgl. BGHZ (GS) 93, 12 ff = NJW 1985, 1157. BGHZ 43, 389; BGH LM § 515 ZPO Nr. 1 mit Anm. Paulsen-, BGH LM § 567 ZPO Nr. 2. OLG Celle NdsRpfl 1964, 111. OLG Bamberg JurBüro 1973, 348. OLG Karlsruhe MDR 1984, 59. BGH LM § 42 PatG Nr. 20. BGH LM § 41 r PatG Nr. 1.

Uwe Gerken

1. Abschnitt. Berufung

§517

VI. Kosten/Gebühren Die Gerichtsgebühr ermäßigt sich bei Zurücknahme der Berufung vor Einreichung 4 0 der Berufungsbegründung auf 1,0 (GKG KV Nr. 1221). Wird die Rücknahme danach erklärt, beträgt die Gerichtsgebühr 2,0 (GKG KV Nr. 1222). Für Folgesachen gemäß § 629 a gelten gemäß GKG KV Nr. 1321, 1322 geringere Sätze. Durch den Beschluss gemäß § 516 Abs. 3 entstehen keine weiteren Gebühren. Für den Rechtsanwalt sind die mit Schriftsatz gestellten Anträge durch die Verfahrensgebühr abgegolten (§§ 15 Abs. 1, 19 Abs. 1 Nr. 9 RVG)107. Wird der Antrag allerdings vom erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten gestellt (§ 516 Abs. 3 S. 2 2. Halbs.) oder erstreckt sich das Mandat des zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten nur auf die Zurücknahme, löst die Tätigkeit eine 0,8 Gebühr aus (RVG VergV Nr. 3403) 108 . Wird ausnahmsweise mündlich verhandelt, fällt eine Terminsgebühr gemäß RVG VergV Nr. 3202 in Höhe von 1,2 an, sofern zur Sache selbst noch keine Verhandlung bzw. Erörterung stattgefunden hatte 109 . Der Gegenstandswert ergibt sich aus den Kosten, die im Rechtsmittelverfahren bis zur Rücknahme entstanden sind n 0 . Geht es ausnahmsweise nicht um die Kosten, sondern nur um die Entscheidung über den Verlust des Rechtsmittels, gilt § 3 m . Die Rechtsanwaltskosten des Berufungsbeklagten sind ausnahmsweise dann nicht erstattungsfähig, wenn die Berufung ausdrücklich nur zur Fristwahrung eingelegt worden ist und die Beauftragung zu einem Zeitpunkt erfolgte, als noch offen war, ob die Berufung durchgeführt wird 112 . Kosten, die dadurch entstehen, dass sich der Anwalt des Berufungsbeklagten bereits zu einem Zeitpunkt zu den Akten meldet, zu dem noch offen ist, ob das Berufungsgericht gemäß § 522 Abs. 2 entscheidet, sind dagegen notwendig im Sinne von § 91 ZPO und daher zu erstatten 113 .

§517 Berufungsfrist Die Berufungsfrist beträgt einen Monat; sie ist eine Notfrist und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit dem Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Schrifttum Meyer Versäumung der Berufungsfrist wegen der Beantragung von Prozesskostenhilfe wiederholte Antragstellung und Gegenvorstellung, NJW 1995, 2139. Übersicht Rdn I. Allgemeines II. Berechnung der Frist 1. Fristbeginn a) Verkündung/Zustellung b) Mängel der Zustellung c) Urteilsergänzung und Berichtigung d) Streitgenossen

1

e) Streithelfer 2. Fristende

m 5 13 15 17

Z u § 37 Nr. 7 BRAGO s. OLG Stuttgart JurBüro 1975,121; OLG Frankfurt Rpfleger 1982, 81. OLG Bamberg JurBüro 1976, 338. OLG H a m b u r g M D R 1985, 154 mit w. Nachw. (zur Klagerücknahme). B G H Z 15, 394 = N J W 1955, 260 mit Anm johannsen LM § 33 GKG Nr. 1; OLG Schleswig

Berufungseinlegung 1. Zeitpunkt 2. Verspätete Einlegung

IV. Prozesskostenhilfe

Rdn 20 22 24 27 28

SchlHA 1976,142; OLG Bamberg JurBüro 1975, 769. OLG Stuttgart M D R 1959, 223. OLG Bamberg JurBüro 1975, 769; OLG Köln M D R 1992, 1087; einschränkend OLG Schleswig SchlHA 1982, 142. BGH N J W 2004, 73.

Uwe Gerken

107

§517

Drittes Buch. Rechtsmittel

I. Allgemeines 1

§ 517 begrenzt die Möglichkeit der Anfechtung durch die Berufung auf eine Frist von einem Monat. Der Grund liegt darin, dass die obsiegende Partei alsbald Gewissheit darüber haben soll, ob das erstinstanzliche Urteil rechtskräftig oder angefochten wird. Andererseits gibt die Frist der unterlegenen Partei Gelegenheit, das Urteil zu prüfen und zu entscheiden, ob sie Berufung einlegen will 1 . 2 Die Berufungsfrist ist eine Notfrist. Sie kann also weder abgekürzt noch verlängert werden (§ 224). Gegen ihre Versäumung ist die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand möglich (§ 233) 2 . Parteivereinbarungen über die Berufungsfrist (Dauer, Beginn und Ende) haben keine rechtliche Wirkung. Eine bereits stattgefundene Zustellung kann nicht durch Parteivereinbarung ungeschehen gemacht werden. Die einzige Möglichkeit, den Fristablauf zu verzögern, ergibt sich aus § 317 Abs. 1 S. 3. Hiernach kann der Vorsitzende des erstinstanzlichen Gerichts auf übereinstimmenden Antrag der Parteien die Zustellung verkündeter Urteile bis zum Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung hinausschieben. 3

Bei dem Zeitraum von fünf Monaten handelt es sich (im Gegensatz zur Berufungsfrist) nicht um eine Frist im eigentlichen Sinn 3 (zu den uneigentlichen Fristen s. Vor § 214 Rdn. 20ff). Er bestimmt den äußersten Zeitpunkt für den Beginn der Notfrist von einem Monat. Es handelt sich nicht um eine Frist für die Einlegung des Rechtsmittels 4 . Die Vorschriften über Hemmung, Unterbrechung und Ruhen der Fristen sind daher nicht anwendbar 5 . § 222 Abs. 2 gilt ebenfalls nicht. Endet der Zeitraum von fünf Monaten an einem Sonntag, allgemeinen Feiertag oder Sonnabend, schließt sich die Monatsfrist unmittelbar an. Der Fristbeginn wird nicht bis zum nächsten Werktag hinausgeschoben 6 (s. auch § 222 Rdn. 14). Die Überwachung dieses Zeitraums ist Sache des Prozessbevollmächtigten und gehört zur allgemeinen Fristenkontrolle 7 .

4

Die Rechtsprechung des BVerfG betont, dass der Berufungskläger die Berufungsfrist in vollem Umfang ausschöpfen darf 8 . Dem hieraus abgeleiteten Gebot, Nachtbriefkästen anzubringen 9 oder andere Einrichtungen für den Empfang von Schriftstücken außerhalb der Dienststunden vorzuhalten (Faxgerät), hat die Justizverwaltung Rechnung getragen. Fehlt ausnahmsweise eine solche Einrichtung oder ist sie nicht ausreichend kenntlich gemacht worden, kann dies eine Wiedereinsetzung rechtfertigen 10 . Auch die arme Partei darf die Berufungsfrist voll ausschöpfen 11 . Ihr dürfen durch die Armut bei der Fristwahrung keine Nachteile entstehen (vgl. zu den Einzelheiten Rdn. 28 ff). Der beim Inkrafttreten der ZPO maßgebende Gedanke, der Verkehr mit dem zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten erfordere eine gewisse Zeit (vgl. Hahn Materialien, Bd. II/l S. 352), hat aufgrund der veränderten technischen Gegebenheiten keine Bedeutung mehr. Zum Fall, dass einem ausländischen Zustellungsbevollmächtigten die Fünfmonatsfrist nicht bekannt war, s. BGH NJW 1989, 1432; OLG Koblenz FamRZ 1988, 827. Vgl. hierzu Vor § 214, 20; zur analogen Anwendung von § 517 auf die Frist gemäß § 569 Abs. 1 bei einem entgegen § 329 Abs. 3 nur formlos zugestellten Beschluss s. BayObLG NJW-RR 1992, 597 (betr. §§ 516, 577 a.F.). RGZ 122, 51, 54; in BGHZ 32, 370 = NJW

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1960, 1763 ist die Frist von 5 Monaten allerdings wie eine Notfrist im Sinne von § 187 Abs. 1 S. 2 behandelt worden. RGZ 122, 54; OLG Celle RPfleger 1957, 85 mit Anm. Lappe. OLG Frankfurt NJW 1972, 2313. BGH NJW 1994, 459 = MDR 1994, 200. BVerfGE 40, 42 = NJW 1975,1405; BVerfGE 41, 323, 327 = NJW 1976, 747; BVerfGE 44, 302 = NJW 1977, 1233; BVerfGE 69, 381, 385 = NJW 1986, 244; BVerfG NJW 1976, 1255; 1979, 641. BGHZ 23, 307, 311 = NJW 1957, 750. BGHZ 2, 31, 34; BAG NJW 1964, 369. BGHZ 38,376 = NJW 1963, 584 mit Anm. Johannsen LM § 233 ZPO Nr. 7; BGH VersR 1977, 721.

Uwe Gerken

1. Abschnitt. Berufung

§517

II. Berechnung der Frist 1. Fristbeginn a) Verkündung/Zustellung. Die Berufungsfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die unterlegene Partei soll grundsätzlich nicht gezwungen werden, Rechtsmittel gegen ein Urteil einzulegen, dessen Begründung sie nicht kennt 1 2 . Dieser Gedanke tritt allerdings mit Ablauf der Fünfmonatsfrist in den Hintergrund. Ist das Urteil bis dahin nicht zugestellt worden, muss die unterlegene Partei die Berufung innerhalb der nunmehr laufenden Notfrist auch ohne Kenntnis der Gründe vorsorglich einlegen. Es schafft keinen Wiedereinsetzungsgrund, wenn sich die Partei während der Fünfmonatsfrist vergeblich um eine Ausfertigung bemüht hat 1 3 . Dies gilt selbst dann, wenn ihr nicht einmal der Tenor der Entscheidung bekannt ist 1 4 . Mit dem Zeitraum von fünf Monaten soll sichergestellt werden, dass spätestens innerhalb von sechs Monaten nach Erlass der Entscheidung Rechtsklarheit über ihre Bestandskraft eintritt. Den Parteien wird damit zugemutet, sich danach zu erkundigen, ob eine Entscheidung ergangen ist und ob sie hierdurch beschwert sind.

5

Das Urteil muss wirksam verkündet sein 15 . Vor der Verkündung kann der Fristlauf nicht beginnen, da bis dahin nur ein Urteilsentwurf vorliegt 16 . Auch die Fünfmonatsfrist läuft in diesem Fall nicht 1 7 . Die Verkündung ist auch dann wirksam, wenn dabei Verfahrensvorschriften verletzt worden sind, soweit nur die an die Verlautbarung zu stellenden Elementaranforderungen erfüllt sind 18 . So ist es z. B. unschädlich, wenn das Urteil bei der Verkündung entgegen § 310 Abs. 2 noch nicht in vollständiger Form vorliegt 19 , wenn es noch nicht von den mitwirkenden Richtern unterschrieben ist 2 0 (zur Unwirksamkeit der Zustellung in diesem Fall s. aber Rdn. 13) oder wenn der Verkündungstermin nicht oder nicht ordnungsgemäß bekannt gemacht worden ist 2 1 . Allerdings wird bei fehlerhafter Bekanntmachung des Verkündungstermins der Lauf der Fünfmonatsfrist nur dann ausgelöst, wenn die Parteien mit dem Erlass der Entscheidung rechnen mussten und Anlass hatten, sich nach dem Ausgang des Verfahrens zu erkundigen. Dies ist z. B. dann nicht der Fall, wenn die beschwerte Partei in dem der Verkündung vorangegangenen Termin nicht vertreten und hierzu auch nicht ordnungsgemäß geladen war 2 2 .

6

Der Beweis für die Verkündung kann nur durch das Protokoll, nicht durch den von der Geschäftsstelle unterschriebenen Verkündungsvermerk erbracht werden ( § § 1 6 0 Abs. 3 Nr. 7, 165) 2 3 .

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Vgl. BT-Drucksache 7/2729 S. 88. RGZ 121, 121, 123; BGHZ 2, 347 = NJW 1951, 717; BGH NJW 1970, 424. BGH NJW 1975, 926, 927. BGH VersR 1984, 1192. BGHZ 10, 327, 328 ff; BGH VersR 1984, 1192; 1985, 45, 46; OLG Frankfurt VersR 1978, 430. BGHZ 42, 94, 97 = VersR 1964, 1137; BGH MDR 1977, 1006; VersR 1985, 45, 46. BGHZ (GS) 14, 39, 44 = NJW 1954, 1281; BGH NJW 1985, 1782 = M D R 1985, 396; zu Protokollmängeln s. BGH NJW 1994, 3358. BGH NJW 1988, 2046 = VersR 1988, 835; ein noch nicht geschriebenes Diktat reicht aber nicht aus, vgl. OLG München MDR 1986, 62.

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BGH NJW 1989, 1156, 1157 unter Hinweis auf BGHZ 18, 350, 352 = NJW 1955, 1919. BGHZ (GS) 14, 39, 50 = NJW 1954, 1281; BGH NJW-RR 1994 127; Stein/Jonas/LeipoW § 128, 105; aA BGHZ 10, 346, 348. Die Entscheidung BGHZ 17, 119, wonach die Zustellung die Verkündung ersetzen kann, betrifft § 310 Abs. 2 a. F. und ist durch die Neufassung überholt. Zu § 621 e Abs. 3 s. OLG München FamRZ 1991, 1460. RG J W 1938, 2982; BGH MDR 1977, 1006; BGH FamRZ 1988, 827; BGH NJW-RR 1994,

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BGH VersR 1989, 604; BGH NJW-RR 1991, 1084; zur Beweiskraft der Urkunde s. BGH aaO, NJW 1985, 1782 u. VersR 1985, 45 f.

U w e Gerken

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§517

Drittes Buch. Rechtsmittel

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Zugestellt werden muss eine vollständige Urteilsfassung. Denn die unterlegene Partei kann grundsätzlich erst dann Rechtsmittelüberlegungen anstellen, wenn ihr die Gründe für den Ausgang des erstinstanzlichen Verfahrens vollständig und zuverlässig bekannt sind. Die Förmlichkeiten bei der Herstellung der Ausfertigung ergeben sich aus § 317 Abs. 2, 3. Die Ausfertigung tritt an die Stelle der beim Gericht verbleibenden Urschrift 2 4 . Es muss sich um eine wortgetreue 2 5 , leserliche 2 6 und vollständige 2 7 Abschrift handeln, die mit einem Ausfertigungsvermerk, der Unterschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle 2 8 und dem Gerichtssiegel 2 9 oder Stempel 3 0 versehen ist. Allerdings führt nicht jede Abweichung zwischen Ausfertigung und Urschrift zur Unwirksamkeit der Zustellung. Die Abweichung muss wesentlich sein. Es kommt darauf an, dass der mit dem Streitstoff vertraute Zustellungsempfänger der Ausfertigung den wesentlichen Inhalt der Urschrift und insbesondere den Umfang seiner Beschwer entnehmen kann 3 1 . Als unwesentlich ist es z . B . angesehen worden, wenn die Kostenentscheidung 3 2 oder der Urteilsausspruch „Im übrigen wird die Klage abgewiesen" 3 3 nicht enthalten ist. Die Abschrift ist dagegen unvollständig, wenn einzelne Seiten fehlen 3 4 oder nicht zu erkennen ist, ob die beteiligten Richter die Entscheidung handschriftlich unterschrieben haben (§ 315 Abs. 1 S. 1). Die maschinenschriftliche Wiedergabe der in Klammern gesetzten Namen der Richter ohne weiteren Hinweis darauf, dass sie das Urteil unterschrieben haben, soll nach gefestigter Rechtsprechung des B G H nicht genügen 3 5 . Demgegenüber soll es aber ausreichen, dass die Namen ohne Klammern wiedergegeben werden 3 6 , dass sie zwischen Binde- bzw. Trennstriche 3 7 gesetzt werden oder „ g e z . " hinzugefügt w i r d " 3 8 . Trägt die Ausfertigung einen Vermerk gemäß § 315 Abs. 1 S. 2, muss sich aus seiner räumlichen Stellung ergeben, dass er von dem dafür berufenen Richter unterschrieben worden ist 3 9 . D a s Fehlen der Angaben nach § 313 Abs. 1 Nr. 1 ist dagegen unschädlich 4 0 . Dasselbe gilt, wenn die Ausfertigung den Verkündungsvermerk (§ 315 Abs. 3) nicht wiedergibt 4 1 .

9

Die Zustellung eines entgegen §§ 313, 313 b nicht mit Tatbestand und Entscheidungsgründen versehenen unechten Versäumnisurteils setzt die Berufungsfrist nicht in L a u f 4 2 . Denn das Urteil ist unvollständig. D a s gleiche gilt, wenn im Fall des § 315 Abs. 1 S. 2 Z P O der Verhinderungsvermerk auf der Urschrift fehlt bzw. unvollständig ist 4 3 oder ein Fall der Verhinderung gar nicht vorlag 4 4 .

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Die Zustellung geschieht von Amts wegen (§ 317 Abs. 1). Wegen der den Parteien zustehenden Überlegungsfrist schreibt das Gesetz die Zustellung in vollständiger B G H N J W 1981, 2345, 2 3 4 6 ; B G H Z 100, 234, 237; B G H F a m R Z 1990, 1227. 25 B G H Z 81, 2345. 26 BayObLG 1982, 90 = M D R 1982, 501; einschränkend aber B G H VersR 1980, 771, 772. 27 B G H N J W 1998, 1959. 28 B G H Z 100, 234, 2 3 7 = N J W 1987, 2 8 6 8 ; B G H N J W 1991, 1116. 2' R G Z 46, 364; B G H N J W 1965, 59, 60 = VersR 1965, 104, 105. 3 0 B G H VersR 1985, 551. Das Landeswappen muss nicht hinzugefügt werden, B G H VersR 1982, 70. 31 B G H VersR 1980, 771. 32 B G H VersR 1982, 70. 33 B G H Z 67, 2 8 4 = VersR 1977, 329. 34 B G H N J W 1998, 1959. 35 Der B G H sieht das Fehlen dieses Hinweises als Zustellungsmangel an, vgl. N J W 1975, 781 = 24

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3i 37 38 39 40 41

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M D R 1975, 4 8 2 ; B G H VersR 1980, 333 u. 741, 742; B G H N J W - R R 1987, 377. B G H VersR 1981, 576. B G H VersR 1973, 965; F a m R Z 1990, 1227. B G H VersR 1965, 1075; 1980, 741, 742. B G H VersR 1978, 138. B G H VersR 1980, 744. R G Z 140, 349, 351; B G H Z 8, 303; VersR 1987, 680. B G H NJW-RR 1991, 2 5 5 = VersR 1991, 85. Beispiele für einen unvollständigen Verhinderungsvermerk: B G H N J W 1961, 782, N J W 1980, 1849; VersR 1984, 586. B G H N J W 1977,111 = M D R 1977, 488 (Verweigerung der Unterschrift durch einen Richter).

Uwe Gerken

1. Abschnitt. Berufung

§517

Form vor. Eine Zustellung im Parteibetrieb - etwa zum Beginn der Zwangsvollstreckung (§ 750 Abs. 1) - oder während der Unterbrechung des Verfahrens 45 setzt die Frist nicht in Lauf. Unklarheiten darüber, ob die bei der Zustellung zu beachtenden Förmlichkeiten beachtet worden sind oder wann die Zustellung bewirkt worden ist, dürfen nicht zu Lasten der Parteien gehen 4 6 . Ist ein Prozessbevollmächtigter bestellt, muss an ihn zugestellt werden ( § 1 7 2 ) . 11 Sind mehrere Prozessbevollmächtigte vorhanden, genügt die Zustellung an einen von ihnen (entsprechend § 170 Abs. 3 ) 4 7 . Der Lauf der Berufungsfrist wird durch die erste Zustellung ausgelöst 48 . In einer Anwaltssozietat kann an jeden Sozius zugestellt werden, auch an denjenigen, der nicht beim Prozessgericht zugelassenen ist 4 9 . Prozessbevollmächtigter ist auch der amtlich bestellte Vertreter (§ 53 BRAO), nicht aber der nur zur Terminswahrnehmung bestellte Unterbevollmächtigte 50 . Zeigt im Parteiprozess der Prozessbevollmächtigte die Beendigung seines Mandats an, ist von da ab der Partei persönlich zuzustellen 51 . Für den Anwaltsprozess gilt dagegen § 87, der auch im Verhältnis zum Gericht Anwendung findet 5 2 . Die Frist läuft für jede Partei gesondert mit der an sie bewirkten Zustellung 53 (zum Fristlauf bei Streitgenossen u. Streithelfern s. Rdn. 17 ff).

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b) Mängel der Zustellung. Fehler, die bei den gemäß §§ 166 ff bei der Zustellung zu beachtenden Förmlichkeiten auftreten, können nach § 189 geheilt werden. Sonstige Mängel machen die Zustellung unwirksam und setzen die Berufungsfrist nicht in Lauf. Eine Heilung durch Parteivereinbarung oder gemäß § 2 9 5 5 4 ist nicht möglich. Als Mangel der Zustellung ist es insbesondere angesehen worden, wenn die Unterschrift eines Richters fehlt (§ 315 Abs. 1 S. I ) 5 5 oder wenn ein unzulässiger Verhinderungsvermerk vorliegt (§ 315 Abs. 1 S. 2) 5 6 . Fehlt der Ausfertigungsvermerk, ist die Zustellung ebenfalls unwirksam 57 . Das gleiche gilt, wenn der Ausfertigungsvermerk58 bereits vor der Verkündung des Urteils angebracht worden ist. Da das Urteil erst mit der Verkündung existent wird, dürfen vor der Verkündung Ausfertigungen nicht erteilt werden (§ 317 Abs. 2 S. 1). Dagegen ist es unerheblich, wenn auf der zugestellten Ausfertigung der Vermerk über die Verkündung (§ 315 Abs. 3) oder deren Ersatz nach § 310 Abs. 2 fehlt 5 9 . Die Wiederholung der Zustellung mit einem ordnungsgemäßen Verkündungsvermerk setzt daher keine neue Frist 6 0 in Lauf. Grundsätzlich wirkungslos ist die Zustellung während des Stillstands des Verfahrens (§§ 2 3 9 f f ) 6 1 . Bei Prozessunfähigkeit oder Wegfall des Vertreters wird der Lauf der Rechtsmittelfrist aber nach h. M. ausgelöst, es sei denn, die Prozessunfähigkeit oder der Mangel in der Vertretung ergibt sich aus dem zuzustellenden Titel 6 2 . Das gilt

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BGHZ 23, 172 = NJW 1957, 713; BGHZ 111, 104 = NJW 1990, 1854. OLG Köln MDR 1976, 497, 498. BVerwG NJW 1975, 1795, 1796. BGHZ 112, 345, 347 = NJW 1991,1176; BVerwG NJW 1980, 2269; 1984, 2115. BGH NJW 1969, 1486 = MDR 1969,1001; BGH NJW 1980, 999 = VersR 1980, 383; BAG NJW 1977, 2326. BGH NJW-RR 1994, 127. BGH NJW 1991, 295 = FamRZ 1991, 51. BGH NJW 1980, 999. BGH VersR 1980, 928. RGZ 103, 334, 339. BGH NJW 1977, 765 = MDR 1977, 488. BGH VersR 1978, 138.

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RGZ 159, 25; BGH LM § 317 Nr. 8; NJW 1975, 781 = MDR 1975, 482. Zu den formellen Anforderungen an den Ausfertigungsvermerk vgl. BGH VersR 1993, 723 = MDR 1993, 383. BGHZ 8, 303 = 4. BGH VersR 1987, 680. BGHZ 23, 172 = NJW 1957, 713; BGHZ 111, 104, 107 = NJW 1990, 1854 = ZIP 1990, 1630. RGZ 121, 63, 64; BGH NJW 1958, 343 mit Anm. Rosenberg FamRZ 1958, 95; 162, 223, 225; BGH NJW 1970, 1680 = MDR 1970, 915; BGHZ 104, 109,111 = NJW 1988, 2049; BVerwG NJW 1970, 962 f; Stein/Jonas/Grunsky § 586, 12. AA Zöller/ Vollkommer § 56, 15; Rosenberg JZ 1951,43; LG Frankfurt NJW 1976, 757 m. w. Nachw.

Uwe Gerken

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§517

Drittes Buch. Rechtsmittel

auch bei Zustellung an den falschen gesetzlichen oder gewillkürten Vertreter einer Partei, der im Rechtsstreit schon aufgetreten ist 6 3 . Rechtfertigen lässt sich dies mit dem Argument, dass im Interesse von Rechtsfrieden und Rechtssicherheit alsbald Klarheit darüber eintreten muss, ob die Entscheidung rechtskräftig ist. Die vorschriftsmäßig vertretene Partei muss das Urteil daher mit der Nichtigkeitsklage anfechten (§ 5 7 9 Abs. 1 Nr. 4). Die Zustellung außerhalb des anhängigen Prozesses - etwa anlässlich der Streitverkündung in einem anderen Verfahren - setzt die Berufungsfrist ebenfalls nicht in Lauf. 14

Im Fall des § 174 ZPO ist die Zustellung erst dann als bewirkt anzusehen, wenn der Rechtsanwalt das ihm zugestellte Schriftstück mit dem Willen entgegengenommen hat, es als zugestellt gelten zu lassen und dies durch ein mit Datum und eigenhändiger Unterschrift 6 4 versehenes Empfangsbekenntnis beurkundet 6 5 . Die Entgegennahme durch das Kanzleipersonal hat nur vorbereitenden Charakter 6 6 . Enthält die Berufungsschrift die Erklärung, wann das Urteil entgegengenommen worden ist, kann dies das Empfangsbekenntnis ersetzen 6 7 . Der Beweis der Unrichtigkeit der in dem Empfangsbekenntnis enthaltenen Angaben ist zulässig 6 8 . Er setzt aber voraus, dass jede Möglichkeit der Richtigkeit der dort gemachten Angaben ausgeschlossen werden kann. Ist das Empfangsbekenntnis äußerlich mangelhaft, weil sich das Eingangsdatum nicht entziffern lässt oder sich mehrere Eingangsstempel darauf befinden, ist gemäß §§ 419, 2 8 6 zu entscheiden, ob und für welchen Tag der Zugang bewiesen ist 6 9 .

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c) Urteilsergänzung und Berichtigung. Der Fall der Urteilsergänzung (§ 321) ist in § 518 geregelt. Mit Beginn der Berufungsfrist gegen das Ergänzungsurteil beginnt eine neue Berufungsfrist gegen das zuerst ergangene Urteil, falls die zunächst in Lauf gesetzte Frist bei Erlass des Ergänzungsurteils noch nicht verstrichen war.

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Berichtigungen nach §§ 319, 3 2 0 setzen grundsätzlich keine neue Berufungsfrist in Lauf. Das gilt auch, wenn die Berichtigung die Urteilsformel betrifft 7 0 . Denn eine zulässige Berichtigung wirkt auf den Zeitpunkt der Verkündung des Urteils zurück. Offenbare Unrichtigkeiten im Sinne dieser Vorschriften beeinträchtigen nicht die Wirksamkeit der Zustellung 7 1 . Anders ist es dagegen, wenn sich der Irrtum des Gerichts als Beeinträchtigung oder gar Vereitelung der Rechtsmittelmöglichkeit für die Partei auswirkt 7 2 . Dann läuft die Frist erst mit Zustellung des Berichtigungsbeschlusses. Dies ist z . B . der Fall, wenn sich der richtige Berufungsbeklagte 73 oder die Beschwer, die Veranlassung zu dem Rechtsmittel gibt bzw. es ermöglicht, erst aus der berichtigten Fassung ergibt 7 4 . Maßgeblich ist das gesamte Urteil, nicht nur der 63 64

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RG JW 1917, 605. Faksimile-Stempel genügt nicht, vgl. BGH NJW 1989, 838. RGZ 98, 242, 243; BGHZ 14, 342, 345; 3 0 , 2 9 9 , 301 = NJW 1959, 1871; BGH VersR 1985, 142, 143; NJW-RR 1989, 57, 58. BGH NJW 1979, 2566 f = MDR 1979, 928; NJW-RR 1987, 1151, 1152 = VersR 1987, 1116; NJW 1991, 42. BGH NJW 1987, 2680. BGHZ 35, 236, 238 = VersR 1961, 736; BGH NJW 1987, 325; BGH NJW 1990, 2125 = VersR 1990, 1446. BGH NJW-RR 1987, 1151 = VersR 1987, 1116; BGH NJW 1992, 512; zum grundsätzlich möglichen Gegenbeweis bei einem äußerlich mangel-

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freien Empfangsbekenntnis s. BGH VersR 1982, 244; 1983, 1080. BGH VersR 1989, 530; BGH NJW-RR 2001, 211; BGH MDR 2003, 1128. RGZ 170, 186; BGH LM ZPO $ 319 Nr. 6; BGH VersR 1972, 586; 1981, 548, 549; 1989, 530; MDR 1970, 757 = VersR 1970, 821; FamRZ 1990, 988. RG DR 1943,249; BGHZ 17, 149 = NJW 1955, 989 mit Anm. Johannsen LM § 319 ZPO Nr. 2. BGHZ 113, 228 = NJW 1991, 1834; OLG Düsseldorf MDR 1990, 930 mit Anm. Vollkommer MDR 1992, 642. BGHZ 17, 149, 151 = NJW 1955, 989; BGH VersR 1981, 548, 549; NJW 1986, 935 = VersR 1985, 838 (unter Abänderung von OLG Schles-

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1. Abschnitt. Berufung

§517

Tenor 7 5 . Wird ein Berichtigungsbeschluss aufgrund einer sofortigen Beschwerde aufgehoben (§ 319 Abs. 3) und ergibt sich die Beschwer nur aus der ursprünglichen Fassung des Urteils, beginnt der Fristlauf erst mit der Zustellung der Rechtsmittelentscheidung 7 6 . Der Fall der Kanzleiberichtigung 7 7 betrifft die Frage, ob das Urteil in vollständiger Form zugestellt worden ist (hierzu Rdn. 8) und gehört daher nicht hierher. d) Streitgenossen. Die Frist läuft für und gegen jeden Streitgenossen gesondert mit der Zustellung an ihn 7 8 . Dies gilt auch im Falle notwendiger Streitgenossenschaft 7 9 .

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Zu den Wirkungen des Fristablaufs ist nach der Beteiligung des oder der Streitgenossen auf der Aktiv- oder Passivseite zu unterscheiden:

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Auf der Aktivseite kann ein Streitgenosse als Berufungskläger beteiligt sein, braucht es jedoch nicht. Legt er kein Rechtsmittel ein bzw. verzichtet er (§ 515), hat dies nur zur Folge, dass die Entscheidung von diesem Streitgenossen nicht mehr angefochten werden kann. Der einfache Streitgenosse scheidet damit endgültig aus dem Prozess aus. Anders ist es bei notwendigen Streitgenossen. Ihnen gegenüber kann die materielle Rechtskraft nur einheitlich eintreten. Eine abändernde Entscheidung des Berufungsgerichts wirkt auch zu Gunsten des Streitgenossen, der das Urteil nicht angreift 8 0 . Daher ist er Partei des Berufungsverfahrens, auch wenn er nicht als Berufungskläger auftritt (s. hierzu auch § 6 2 Rdn. 83). Bei der Beteiligung notwendiger Streitgenossen auf der Passivseite kann die Stellung als Partei und Berufungsbeklagter nicht auseinanderfallen. Ein Rechtsmittel kann bei notwendigen Streitgenossen nur gegen alle Streitgenossen eingelegt werden. Andernfalls ist es von vornherein unbegründet 8 1 . Denn wenn das Urteil für einen der Streitgenossen rechtskräftig geworden ist, kann eine abweichende Entscheidung gegenüber den anderen Streitgenossen nicht mehr ergehen. Es genügt die Einlegung in mehreren Rechtsmittelschriften 8 2 . Die Frist muss aber gegenüber allen Streitgenossen gewahrt sein 8 3 .

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e) Streithelfer. Beim Streithelfer wirkt die (entbehrliche) Zustellung an ihn nicht gegen die Hauptpartei und setzt auch keine gesonderte Rechtsmittelfrist in L a u f 8 4 . Der Streithelfer kann die Berufung nur für die Hauptpartei einlegen. Dabei ist er an die für sie geltende Frist gebunden 8 5 . Dasselbe gilt für den Tatbestandsberichtigungsantrag 8 6 . Einen selbständigen Fristlauf gibt es nur für den Ergänzungsantrag, wenn das Gericht versäumt hat, über die Kosten der Streithilfe zu entscheiden. Die Frist für den Ergänzungsantrag des Streithelfers läuft erst mit der Zustellung an ihn 8 7 .

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wig SchlHA 1985, 105); BGH VersR 1989, 530; BGH FamRZ 1990, 988; BGHZ 113, 228, 230 = NJW 1991, 1834; BGH NJW 1995, 1033 = LM § 516 ZPO Nr. 36 mit Anm. Grunsky; s. auch BGH VersR 1966, 956. BGHZ 89, 184, 188 = NJW 1984, 1041; BGH NJW-RR 2001, 211; NJW 2003, 2991 = BGHReport 2003, 1104. BGH NJW 1986, 935 = VersR 1985, 838; VersR 1989, 530. Hierzu BGHZ 67, 284, 286 = NJW 1977, 297. RGZ 48, 417; 157, 33, 35; BGH VersR 1980, 928.

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RGZ 48, 417; 49, 427. RGZ 157, 33, 39. § 62, 82; aA (Berufung unzulässig) BGHZ 23, 73 = NJW 1957, 537 mit Anm. Johannsen LM § 62 ZPO Nr. 3; BGH FamRZ 1975, 405, 408; Gottwald 1982, 71. RGZ 49,427. RGZ 61, 394, 398. BGH NJW 1986, 257 = MDR 1986, 36; NJW 1990, 190. BGHaaO. BGH NJW 1963, 1251 = LM $ 320 ZPO Nr. 5. BGH LM § 321 ZPO Nr. 6.

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§517 21

Drittes Buch. Rechtsmittel

Anders ist es im Fall des § 69. Der streitgenössische Nebenintervenient hat eine selbständigere Stellung als der einfache Streithelfer und gilt in Ansehung der Prozessführung als Streitgenosse. Er ist mit seinen Prozesshandlungen unabhängig von der Hauptpartei und kann daher selbständig, auch gegen ihren Widerspruch, Rechtsmittel einlegen 88 . Für ihn wird die Berufungsfrist nur durch die an ihn bewirkte Zustellung in Lauf gesetzt 89 . Kann das streitige Rechtsverhältnis den Parteien und dem Nebenintervenienten gegenüber nur einheitlich festgestellt werden, gelten dieselben Grundsätze wie für notwendige Streitgenossen 90 . Eine Einschränkung ist dann zu machen, wenn der Beitritt erst nach Zustellung des erstinstanzlichen Urteils erfolgt. Da auch der streitgenössische Nebenintervenient den Rechtsstreit in der Lage annehmen muss, in der er sich zum Zeitpunkt des Beitritts befindet, wirkt der bereits in Gang gesetzte Fristlauf auch gegen ihn 91 . Die spätere Zustellung an ihn setzt daher keine neue Berufungsfrist in Lauf. 2. Fristende

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Die Berufungsfrist wird gemäß §§ 222 Abs. 1 ZPO, 187 Abs. 1, 188 Abs. 2, 3 BGB berechnet, das heißt, grundsätzlich von Datum zu Datum. Sie endet mit Ablauf desjenigen Tages des der Zustellung folgenden Monats, der durch seine Zahl dem Anfangstag entspricht 92 . Bei Zustellung des Urteils am 15.4. beginnt der Fristlauf am 16.4. 0 Uhr und endet am 15.5. um 24 Uhr. Fehlt im letzten Monat der für den Fristablauf maßgebende Tag, endet die Frist am letzten Kalendertag dieses Monats (§ 188 Abs. 3 BGB). Wird am 28. oder 29.2. zugestellt, dauert die Berufungsfrist auch nur bis zum 28. oder 29.3. (§ 188 Abs. 2 BGB) 9 3 . Beginnt die Frist am 29.-31.Januar, läuft sie im Nichtschaltjahr am 28. Februar 9 4 , im Schaltjahr am 29. Februar ab. Beginnt die Monatsfrist am letzten Tag des Monats und hat der folgende Monat mehr Tage als der vorangegangene, läuft die Frist nicht erst mit dem letzten Tag des folgenden Monats, sondern an dem Tag ab, der mit seinem Datum dem Tag der Zustellung entspricht (§ 188 Abs. 2 BGB) 9 5 . Fällt das Fristende auf einen Sonntag, allgemeinen Feiertag oder einen Sonnabend, endet die Frist mit Ablauf des nächsten Werktags ($ 222 Abs. 2).

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Als Notfrist unterliegt die Berufungsfrist der Unterbrechung und Aussetzung (§ 249 Abs. 1). Wird das Verfahren während des Fristlaufs - etwa durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens - unterbrochen (§ 240), wird auch der Fristlauf unterbrochen (§ 249 Abs. 1). Die Frage, ob die Frist gewahrt ist, ist von Amts wegen zu prüfen (§ 522 Abs. 1 S. 1). Ist die Frist nicht gewahrt, ist die Berufung unzulässig. Sie kann dann aber noch als Anschlussberufung behandelt werden, was in der Regel dem Willen des Berufungsklägers entsprechen wird 9 6 .

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RGZ 108, 132, 134; BGH DtZ 1994, 29; OLG Schleswig NJW-RR 1993, 930. BGHZ 89, 125 = NJW 1984, 353. RGZ 34, 361 ff. RGZ 93, 31, 33. BGHZ 5, 275, 277 = NJW 1952, 665; NJW 1984, 1358 = VersR 1984, 162. BGH NJW 1984, 1358 = VersR 1984, 162; aA

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OLG Celle OLGZ 1979, 360, 361. Der BGH hat in NJW 1985, 495 bei einem Rechtsirrtum über diesen Regelungszusammenhang die Wiedereinsetzung bejaht; diese Entscheidung ist überholt, weil die Rechtslage geklärt ist. RG Warn. 1913, 448. AA RG HRR 1934, 61. BGH VersR 1983, 1080.

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1. Abschnitt. Berufung

§517

III. Berufungseinlegung 1. Zeitpunkt Die Berufung ist erst dann statthaft, wenn das Urteil erlassen ist 97 . Es muss also, 2 4 wenn nicht der Ausnahmefall des § 310 Abs. 3 vorliegt, verkündet worden sein § 310 Abs. 1 (zum Fall, dass bei der Verkündung Verfahrensvorschriften verletzt worden sind, s. Rdn. 6). Erst hierdurch wird es existent. Die vor der Verkündung eingelegte Berufung ist ohne Wirkung und muss wiederholt werden. Die Zustellung ist dagegen nicht Voraussetzung für die Zulässigkeit 98 . Im Fall der Verlautbarung durch Zustellung (§ 310 Abs. 3) ist zu differenzieren. Ist das Urteil überhaupt noch nicht beschlossen oder noch nicht nach außen gegeben worden, ist es ohne jede Wirkung. Eine vorsorgliche Berufung ist nicht möglich. Ist das Urteil formlos mitgeteilt worden, ist die Verlautbarung zwar fehlerhaft, es liegt aber ein Scheinurteil vor. Diese Scheinwirkung muss die beschwerte Partei beseitigen können. Ihre hiergegen eingelegte Berufung erfasst auch das mit der nachgeholten Zustellung existent gewordene (wirkliche) Urteil 99 . Die Einzelheiten der Berufungseinlegung regelt § 519. Die Rechtzeitigkeit des 2 5 Eingangs der Berufungsschrift hat grundsätzlich der Berufungskläger zu beweisen 100 (zu den Einzelheiten vgl. § 519 Rdn. 62). Bestehen Bedenken, ist vor der Verwerfung auf die aufklärungsbedürftigen Punkte hinzuweisen 101 . Liegen die Gründe dafür, dass der fristgemäße Eingang unklar ist, möglicherweise im Verantwortungsbereich des Gerichts (z. B. technischer Fehler am Nachtbriefkasten), hat das Berufungsgericht von Amts wegen an der Aufklärung mitzuwirken und die vorhandenen Beweismittel auszuschöpfen 1 0 2 . Unklarheiten über Vorgänge, die ausschließlich im gerichtsinternen Bereich liegen, dürfen nicht zu Lasten des Berufungsklägers gehen 103 . Die Berufung kann auch während des Stillstands des Verfahrens wirksam ein- 2 6 gelegt werden 1 0 4 . Allerdings stellt sich dann die Frage, ob eine Vollmacht für den zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten besteht. Eine bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens erteilte Prozessvollmacht erlischt mit der Eröffnung 1 0 5 . 2. Verspätete Einlegung Ist die Berufungsfrist verstrichen, ist die Berufung unzulässig und gemäß § 522 2 7 Abs. 1 S. 2 zu verwerfen. Es bleibt nur die Möglichkeit eines Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 233). Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Prozesshandlung nachzuholen, wobei dann Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden kann (§ 236 Abs. 2 S. 2) 106 . Sind bei einer verspäteten Einlegung der Berufung sämtliche Gründe aktenkundig, die eine Wiedereinsetzung in den 97

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RGZ 1 1 0 , 1 6 9 (für den Einspruch); RG JW 1931, 1880 (für die sofortige Beschwerde). RGZ 112, 167; BGH NJW 1964, 2 4 8 = M D R 1964, 43; zur Begründung der Berufung vor Urteilszustellung s. BGH NJW 1999, 3271; BAG MDR 2003, 950. BGHZ 32, 370, 375 = ZZP 1973, 441; BGH NJW 1964, 2 4 8 = M D R 1964, 4 3 = LM § 511 ZPO Nr. 17; Jonas JW 1936, 3314. BGH VersR 1977, 721; 1977, 967; NJW 1979, 876 = VersR 1979, 229; VersR 1980, 90, 91; BAGE 2 2 , 1 1 9 = NJW 1969,2221; zu den Beweisanforderungen s. BGH VersR 1984, 442.

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BGH NJW 1976, 149 = VersR 1976, 296; BGH NJW 1991, 2081 = M D R 1991, 1198. BGH VersR 1976, 192, 193; 1980, 90, 91 (Berufungsschrift findet sich ohne Eingangsdatum in der falschen Akte); zur Beweiswürdigung in diesem Zusammenhang vgl. BGH VersR 1977, 721. BGH NJW 1981, 1673, 1674 = M D R 1981, 1673; BSG NJW 1973, 535. BGHZ 50, 397, 4 0 0 mit Anmerkung Grunsky JZ 1969, 235; BGH VersR 1982, 1054. BGH VersR 1963, 1224, 1225. BGHZ 63, 389 = NJW 1975, 928.

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§517

Drittes Buch. Rechtsmittel

vorigen Stand rechtfertigen, kann der Wiedereinsetzungsantrag in der Berufung liegen 107 . Die Verwerfung der Berufung als unzulässig hindert nicht die wiederholte Einlegung des Rechtsmittels, solange die Frist noch nicht verstrichen ist 1 0 8 . Voraussetzung ist allerdings, dass die zweite Berufung auf Gründe gestützt wird, die nicht Gegenstand des Verwerfungsbeschlusses waren.

IV. Prozesskostenhilfe 28

Benötigt der Berufungskläger Prozesskostenhilfe (§ § 114 ff) für die Durchführung der Berufung, reicht es aus, wenn er das Gesuch bis zum Ablauf der Berufungsfrist beim Gericht einreicht 1 0 9 . Die Berufung selbst braucht er noch nicht einzulegen. Das auf der Bedürftigkeit beruhende Unvermögen, die Prozesskosten zahlen zu können, schließt grundsätzlich ein Verschulden an der Versäumung der Berufungsfrist aus n 0 , so dass nach Bewilligung von Prozesskostenhilfe Wiedereinsetzung in den vorigen Stand für die Fristversäumnis beantragt werden kann. Voraussetzung ist aber, dass innerhalb der Berufungsfrist ein ordnungsgemäßes Prozesskostenhilfegesuch gestellt wird. Hierzu gehört die Vorlage aller zur Bewilligung der Prozesskostenhilfe erforderlichen Unterlagen 111 . Eine Bezugnahme auf die in erster Instanz vorgelegte Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse reicht grundsätzlich nicht aus. Eine Ausnahme ist nur dann zu machen, wenn der Berufungskläger unmissverständlich erklärt, dass sich zwischenzeitlich nichts geändert hat 1 1 2 und dies auch glaubhaft ist (z. B. bei fortlaufendem Bezug von Arbeitslosengeld oder einer Rente).

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Ist das Prozesskostenhilfegesuch erfolgreich, muss der Berufungskläger innerhalb der Frist des § 2 3 4 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Berufungsfrist beantragen. Zum Lauf der Begründungsfrist in diesen Fällen s. § 5 2 0 Rdn. 31.

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Wird das rechtzeitig gestellte Gesuch nach Ablauf der Berufungsfrist zurückgewiesen, steht der Partei eine Überlegungsfrist von zwei bis drei Tagen für die Entscheidung zu, ob sie das Rechtsmittel auf eigene Kosten durchführen soll 113 , und zwar unabhängig davon, ob die Prozesskostenhilfe mangels Erfolgsaussicht 114 oder mangels Bedürftigkeit versagt worden ist. Die Überlegungsfrist beginnt mit Bekanntgabe der ablehnenden Entscheidung 115 . Erst danach beginnt die Frist von zwei Wochen gemäß § 2 3 4 Abs. 1 für den Antrag auf Wiedereinsetzung. Mit dem Ablauf der Frist ist sodann gemäß § 2 3 6 Abs. 2 S. 2 nicht nur die Berufung einzulegen, sondern gleichzeitig zu begründen. Denn die gemäß § 5 2 0 Abs. 2 S. 1 mit Zustellung des Urteils in Lauf gesetzte Begründungsfrist wird zu diesem Zeitpunkt in aller Regel ebenfalls verstrichen sein. Die Frist für den Wiedereinsetzungsantrag hinsichtlich der Begründungsfrist wird dabei ebenfalls um den Zeitraum von zwei bis drei Tagen hinausgeschoben.

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BGHZaaO. RGZ 158, 53, 56; BGH NJW 1966, 1753; 1962; 1991, 1116. BGHZ 1 6 , 1 = NJW 1955, 345; BGHZ 38, NJW 1963, 584; BGH VersR 1974, 194; 721. Zur Frage der Kausalität s. BGH VersR 863. BGH VersR 1976, 931; 1985, 287 u. 396;

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376 = 1977,

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MDR

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1991, 902; NJW-RR 1991, 1532; Rpfleger 1992, 440. BGH NJW-RR 1990, 1212 = LM § 117 ZPO Nr. 6. BGH VersR 1977, 432; 1979, 444; 1982, 757; in BGHZ 26, 99, 100 = NJW 1958, 183 u. VersR 1977, 432 wird die Frist auf 4 Tage bemessen. BGH NJW 1952, 743; MDR 1953, 163. BGHZ 26, 99, 100 = NJW 1958, 183.

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1. Abschnitt. Berufung

§518

Begründet ist das Wiedereinsetzungsgesuch nur dann, wenn der Antragsteller 31 einen berechtigten Grund hatte, auf die Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu vertrauen 1 1 6 , also wenn er sich für bedürftig halten und davon ausgehen durfte, die wirtschaftliche Voraussetzungen dargetan zu haben 1 1 7 . Hieran fehlt es, wenn keine aktuelle Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (§ 117 Abs. 2) vorgelegt worden ist, wenn die Erklärung unvollständig ist oder wenn die zur Ergänzung notwendigen Belege nicht beigefügt worden sind 1 1 8 . Im Bewilligungsverfahren besteht kein Anwaltszwang (§§ 78 Abs. 2, 117 Abs. 1). Die Angaben gemäß § 117 Abs. 1 S. 2 sind in der Berufungsinstanz grundsätzlich entbehrlich 1 1 9 . Es muss aber aus dem Gesuch hervorgehen, gegen welches Urteil sich die Berufung richten soll. Zweckmäßiger Weise ist deshalb das anzufechtende Urteil beizufügen. Z u den inhaltlichen Anforderungen an das Prozesskostenhilfegesuch s. § 519, Rdn. 68.

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§518

Berufungsfrist bei Urteilsergänzung Wird innerhalb der Berufungsfrist ein Urteil durch eine nachträgliche Entscheidung ergänzt (§ 321), so beginnt mit der Zustellung der nachträglichen Entscheidung der Lauf der Berufungsfrist auch für die Berufung gegen das zuerst ergangene Urteil von neuem. Wird gegen beide Urteile von derselben Partei Berufung eingelegt, so sind beide Berufungen miteinander zu verbinden.

I. Norminhalt § 518 S. 1 regelt - in Ergänzung zu § 517 - den Fristlauf, wenn für ein bereits 1 erlassenes Urteil eine Entscheidung nach § 321 ergeht. Er bewirkt den einheitlichen Fristablauf für beide Berufungen, sofern die Berufungsfrist für das Haupturteil bei Erlass des Ergänzungsurteils noch nicht abgelaufen ist. Mit Zustellung des Ergänzungsurteils bzw. spätestens mit dem Ablauf von fünf Monaten nach seiner Verkündung beginnt die Berufungsfrist gegen das zuerst ergangene Urteil von neuem 1 . Die Regelung ist nicht umkehrbar. Wird zunächst das Ergänzungsurteil und später das Haupturteil zugestellt, wird die Berufungsfrist für das Ergänzungsurteil nicht neu in Lauf gesetzt 2 .

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Legt dieselbe Partei gegen Haupt- und Ergänzungsurteil Berufung ein, sind beide Berufungen miteinander zu verbinden (§ 518 S. 2). Die Parteien sollen damit vor Mehrkosten bewahrt werden, die bei zutreffender Behandlung der Sache nicht entstanden wären 3 . Die Pflicht zur Verbindung gilt jedoch nur für den Fall des § 518 S. 1, wenn also die Ergänzungsentscheidung vor Ablauf der Berufungsfrist ergeht. Andernfalls steht die Verbindung oder nachträgliche Trennung im Ermessen des Gerichts (§§ 145, 147). Unabhängig hiervon darf über eine der Berufungen unter

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BGHZ 26, 99 = NJW 1958, 183; VersR 1984, 192 u. 989; NJW-RR 1987, 1150; 1991, 1532 f; BGH Rpfleger 1992, 440. BGH NJW-RR 1990. 1212 = LM § 117 ZPO Nr. 6; BGH NJW 1997, 1078. BGH VersR 1985, 287 u. 396; MDR 1991, 902.

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BGH LM ZPO § 118 Nr. 3; NJW 1960, 676; MDR 1993, 172; s. aber auch BGH FamRZ 1993, 45. BGH VersR 1981, 57. RArbGE 18, 246, 249 = JW 1937, 2863. Vgl. Hahn Materialien, Bd. II/l S. 712.

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§518

Drittes Buch. Rechtsmittel

den Voraussetzungen des § 3 0 1 Abs. 1 durch Teilurteil entschieden werden. Dieser Fall kann insbesondere dann praktisch werden, wenn ein Rechtsmittel unstatthaft oder unzulässig ist (bzw. unzulässig wird, weil es nicht frist- und formgerecht begründet wurde) oder wenn für einen selbständigen Teil des Streitgegenstands Entscheidungsreife besteht. 4

§ 518 gilt nicht bei Berichtigungen des Urteils nach §§ 319, 3 2 0 4 . In diesen Fällen ist es so anzusehen, als ob das Haupturteil von vornherein in der durch den Berichtigungsbeschluss gegebenen Fassung erlassen worden w ä r e 5 , so dass grundsätzlich 6 keine neue Frist zu laufen beginnt. Ebenso wenig gilt die N o r m im Verhältnis vom Haupt- zum Zwischenurteil sowie für eine Zusatzentscheidung im Fall der Rechtsnachfolge (§ 2 3 9 ) 7 , die das Haupturteil dahin ergänzt, dass es gegen den Rechtsnachfolger wirkt. Schließlich gilt § 518 nicht, wenn der Antrag auf Ergänzung des Urteils abgelehnt worden ist 8 . In diesem Fall bleibt es bei der Regel, dass für beide Urteile selbständige Rechtsmittelfristen laufen 9 .

II. Fristlauf 5

§ 518 S. 1 setzt voraus, dass im Zeitpunkt des Erlasses des Ergänzungsurteils die Berufungsfrist für das Haupturteil schon läuft. Über den Wortlaut hinaus gilt die N o r m auch dann, wenn das Ergänzungsurteil schon vor Beginn der Berufungsfrist erlassen worden ist 1 0 . Der Ausdruck „innerhalb" in § 518 S. 1 ist also durch „vor Ablauf" zu ersetzen. In beiden Fällen beginnt die Berufungsfrist für das Haupturteil (erneut) mit der Zustellung des Ergänzungsurteils zu laufen.

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§ 518 koppelt nur die Fristen. Im Übrigen bleiben die Entscheidungen selbständig und sind grundsätzlich getrennt anzufechten 1 1 . Das unvollständige Ersturteil und das Ergänzungsurteil stehen wie ein Teil- und ein Schlussurteil zueinander 1 2 . Für jedes Urteil ist daher gesondert zu prüfen, ob das Rechtsmittel an sich statthaft ist, ob eine Beschwer gegeben ist und ob die Berufungssumme 1 3 erreicht ist. Ohne diese Voraussetzungen lassen sich die beiden Berufungen nicht miteinander verbinden (§ 518 S. 2). Das Ergänzungsurteil wird nicht dadurch anfechtbar, dass das Ersturteil diese Eigenschaft hat (und umgekehrt). Ebenso wenig kann der Wert der Beschwer aus beiden Entscheidungen zusammengerechnet werden.

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Andererseits ist das Hinausschieben des Fristablaufs nicht davon abhängig, dass das Ergänzungsurteil tatsächlich anfechtbar ist oder dass Berufung dagegen eingelegt wird 1 4 . § 518 S. 1 setzt nur voraus, dass innerhalb der Berufungsfrist eine ergänzende Entscheidung ergeht. Das gilt auch für den Fall, dass das Ergänzungsurteil nur den Gegner beschwert. Das ist aus § 518 S. 2 zu entnehmen, der stillschweigend voraussetzt, dass die beiden Berufungen von verschiedenen Parteien stammen können. Dagegen kann nicht eingewandt werden, § 518 wolle der Partei eine zusätzliche Überlegungsfrist gewähren, wenn sich ihre Beschwer durch dass Ergänzungsurteil erhöhe. Denn die Beschwer beider Urteile ist nicht zusammenzurechnen (vgl. Rdn. 6). 4

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BGH LM ZPO § 319 Nr. 6 = BGH MDR 1970, 757, 758. Einschränkend Schneider MDR 1986, 377. RGZ 110, 427, 429. Eine Ausnahme gilt dort, wo sich die Beschwer erst aus dem Berichtigungsbeschluss ergibt; vgl. RGZ 110, 427, 429; BGHZ 17, 149, 151; BGH VersR 1981, 548, 549. RGZ 140, 348, 353.

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RGZ 151, 304, 309 = JW 1936, 2924 mit Anm. Jonas. RGZ 23, 422, 423. BGH LM ZPO § 517 Nr. 2 = MDR 1962, 127. RGZ 23, 422, 423. RGZ 68, 301, 302. BGH NJW 1980, 840 = VersR 1980, 263. RGZ 151, 304, 308 = JW 1936, 2924; RArbGE 18, 246, 249 = JW 1937, 2863.

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1. Abschnitt. Berufung

§518

Außerdem würde die letztgenannte Ansicht unnötigerweise zu Unsicherheiten darüber führen, welche Zustellung im Einzelfall für den Lauf der Berufungsfrist maßgeblich ist. War im Zeitpunkt des Erlasses des Ergänzungsurteils die Berufungsfrist für das Haupturteil bereits abgelaufen, läuft die neue Berufungsfrist nur für das Ergänzungsurteil 1 5 . Es empfiehlt sich deshalb, mit der Berufungseinlegung nicht bis zum Erlass des Ergänzungsurteils zu warten. Da über den Ergänzungsantrag grundsätzlich mündlich zu verhandeln ist (§ 3 2 1 Abs. 3 S. 1), wird der Erlass eines Ergänzungsurteils innerhalb der für das Haupturteil laufenden Berufungsfrist die Ausnahme sein.

8

Eine Wiederholung der Berufung für den Fall, dass bereits vor Erlass des Ergänzungsurteils Berufung eingelegt wurde, ist zulässig. Eine neue Frist wird also auch dann in Lauf gesetzt, wenn die erste Berufung zurückgenommen oder als unzulässig verworfen worden ist. Der erneute Lauf der Berufungsfrist nach § 5 1 8 S. 1 kommt dann dem Berufungskläger zustatten. Die Verwerfungsentscheidung braucht nicht angegriffen zu werden 1 6 . Der Berufungskläger muss im Falle der Verwerfung des ersten Rechtsmittels allerdings den Fehler vermeiden, der zur Verwerfung der ersten Berufung geführt hat.

9

III. Sonderfälle Eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass beide Entscheidungen selbständig anfechtbar sein müssen, ist dann zu machen, wenn im Ergänzungsurteil (auch) über die Kosten des Haupturteils entschieden wird. In diesem Fall erfasst das Rechtsmittel gegen das Haupturteil ohne weiteres die im Ergänzungsurteil getroffene Kostenentscheidung 1 7 . Diese Regel ist auch dann anzuwenden, wenn im Ergänzungsurteil nur über die Kosten der Nebenintervention entschieden worden ist 1 8 . § 9 9 Abs. 1 steht dem nicht entgegen. Er verbietet lediglich die isolierte Anfechtung des Kostenschlussurteils (ohne die des Haupturteils).

10

Diese Grundsätze gelten sinngemäß für eine Entscheidung im Ergänzungsurteil über die vorläufige Vollstreckbarkeit 1 9 . Allerdings kann im Berufungsverfahren entgegen § 518 S. 2 über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf Antrag vorab verhandelt und entschieden werden (§ 718 Abs. 1). Im Revisionsverfahren gilt dies nicht, weil ein Angriff gegen die berufungsgerichtliche Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit nicht statthaft ist ( § 7 1 8 Abs. 2). Ebenso ist es bei Sprungrevisionen.

11

Beschwert das Haupturteil die eine und das Ergänzungsurteil die andere Partei, ist eine Anschlussberufung nur hinsichtlich des angegriffenen Urteils zulässig. Unzulässig ist die Anschließung gegenüber dem Ersturteil, wenn sich das Hauptrechtsmittel nur gegen das Ergänzungsurteil richtet (und umgekehrt).

12

Denkbar (aber selten) ist der Fall, dass gegen das Haupturteil Berufung und gegen das Ergänzungsurteil Sprungrevision (§ 5 6 6 ) eingelegt wird (oder umgekehrt). Dann ist § 518 S. 2 nicht anwendbar.

13

§ 518 ist auf Ergänzungsurteile der Oberlandesgerichte und damit auf die Revisionsfrist entsprechend anwendbar 2 0 . Die N o r m gilt ferner für die Frist der sofor-

14

15 16 17

RGZ 23, 422; 151, 304 = JW 1936, 2924. RGZ 158, 53, 54; aA Voraufl. C II. RGZ 68, 301, 302; RG JW 1937, 2784 mit Anm. Jonas-, BGHZ 29, 126, 127 = LM ZPO § 546 Nr. 34 mit Anm. Johannseti.

18 19 20

RGZ 46, 393, 394. RGZ 151, 304 = JW 1936, 2924. BGH ZPO § 517 ZPO Nr. 1 u. Nr. 2 = MDR 1962, 127; BGH VersR 1980, 263.

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§519

Drittes Buch. Rechtsmittel

tigen Beschwerde (§ 5 6 9 ) und der Rechtsbeschwerde (§ 5 7 5 Abs. 1). Z u möglichen Fällen von Ergänzungsbeschlüssen vgl. die K o m m e n t i e r u n g zu § 3 2 1 . 15

§ 5 1 8 ist ferner entsprechend heranzuziehen, wenn gleichzeitig zwei Urteile verkündet werden, von denen das eine auf das andere Bezug nimmt. Die Rechtsmittelfrist beginnt erst mit Zustellung der in Bezug genommenen E n t s c h e i d u n g 2 1 , da erst hiermit die vollständige Abfassung vorliegt (§ 5 1 7 ) .

§ 519

Berufungsschrift (1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt. (2) Die Berufungsschrift muss enthalten: 1. die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird; 2 . die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde. (3) M i t der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden. (4) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsschrift anzuwenden. Schrifttum Ebnet Rechtsprobleme bei der Verwendung von Telefax, NJW 1992, 2 9 8 5 ff; Habscheid Kann in der Rechtsmittelbegründungsschrift die Einlegung des Rechtsmittels erblickt werden? ZZP 65 (1965), 388ff; Kunz-Schmidt Das Unterschriftserfordernis für bestimmende Schriftsätze im Zivilprozess, NJW 1987, 1296ff; E. Schneider Über gekrümmte Linien, Bogen, Striche, Haken und Unterschriften, NJW 1998, 1844; Töpperwien Rechtsfragen rund ums Telefax DRiZ 1999, 241; Vollkommer Formenzwang und prozessuale Billigkeit, 1973; Wolf Die Verwendung eines Fernkopierers zur Dokumentenübermittlung, NJW 1989, 2592ff.

Rdn

Rdn I.

Berufungseinlegung 1. Allgemeines 2 . Berufungsgericht 3. Einreichung der Berufungsschrift 4 . Wiederholte Einlegung

II.

21

. .

Berufungsschrift (Abs. 2) 1. Schriftform 2 . Fernschreiben/Telefax/Telegramm/ Computerfax 3. Bezeichnung des angefochtenen Urteils 4 . Erklärung, dass Berufung eingelegt wird a) Allgemeines b) Bedingte Berufung c) Vorbehalt der Erweiterung . . . .

5. Bezeichnung der Parteien a) Berufungskläger b) Berufungsbeklagter c) Streitgenossen/Streithelfer 6. Unterschrift

1 3 7 13

7. Postulationsfähigkeit/Vollmacht . . . 16 17 21

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IV. Mängel bei der Berufungseinlegung

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. .

V. Einzelne Verfahrensfragen

62

VI. Prozesskostenhilfe 27 30 32

54

III. Vorlegung der Urteilsausfertigung (Abs. 3)

VII. Wirkung der Berufungseinlegung Vffl. Kosten/Gebühren

B G H N J W 1971, 39, 4 0 .

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. . . .

33 34 38 39 44

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68 . . .

71 73

1. Abschnitt. Berufung

§519

I. Berufungseinlegung 1. Allgemeines Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungs- 1 gericht eingelegt (§ 519 Abs. 1). Die formgerechte Einreichung ist Voraussetzung für die Zulässigkeit der Berufung. Formelle Mängel der Berufungsschrift machen die Berufung grundsätzlich unzulässig. Der Norm entspricht für das Revisionsverfahren § 549. § 519 Abs. 2 beschreibt den notwendigen Inhalt der Berufungsschrift. Das erst- 2 instanzliche Urteil ist zu bezeichnen. Außerdem ist zu erklären, dass Berufung eingelegt wird. Hierzu gehört auch die Angabe, wer Berufungskläger und Berufungsbeklagter ist. § 519 Abs. 3 ist dagegen nur eine Ordnungsvorschrift. Prozessuale Folgen sind an einen Verstoß nicht geknüpft. Gleichwohl ist es dringend angeraten, dass der Berufungskläger eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorlegt. Denn hierdurch können etwaige Versäumnisse bei der Abfassung der Berufungsschrift behoben werden (s. Rdn. 23). Gemäß § 519 Abs. 4 sind auf die Berufungsschrift die allgemeinen Vorschriften über vorbereitende Schriftsätze anzuwenden (§§ 129ff). Allerdings handelt es sich bei der Berufungsschrift um einen bestimmenden Schriftsatz, so dass z. Teil strengere Formvorschriften gelten. Die gemäß §§ 521, 172 Abs. 2 (= § 210a a. F.) vorgeschriebene Zustellung der Rechtsmittelschrift an den Gegner ist nicht Voraussetzung für die Wirksamkeit der Berufung 1 . Das Rechtsmittel ist schon mit der Einreichung bei Gericht perfekt. 2. Berufungsgericht Die Berufung ist bei dem Berufungsgericht, also bei dem örtlich zuständigen 3 Land- oder Oberlandesgericht einzulegen (§§ 72, 119 GVG; s. auch Vor § 511 Rdn. 93). Die örtliche Zuständigkeit richtet sich nach der Gerichtseinteilung 2 . Diese steht unter dem Vorbehalt des Gesetzes, wie sich u.a. aus Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG („gesetzlicher Richter") und Art. 97 GG („Unabhängigkeit der Rechtspflege") ergibt 3 . Maßgebend für die Gerichtseinteilung sind die landesrechtlichen Vorschriften. Bestimmte Streitsachen - zumeist aus dem gewerblichen Rechtsschutz - sind für den Bezirk mehrerer Gerichte nur einem Gericht zugewiesen 4 . Wird die Berufung beim falschen Gericht eingelegt, weil sich die Zuständigkeit geändert hat, kommt eine Wiedereinsetzung grundsätzlich nicht in Betracht. Denn eine gesetzliche Neuregelung zur Zuständigkeit muss der Rechtsanwalt kennen und berücksichtigen 5 . Ist das Berufungsverfahren einem auswärtigen Senat eines Oberlandesgerichts 4 zugewiesen (§ 116 Abs. 2 GVG - auswärtige Senate sind gebildet für das OLG Frankfurt in Kassel und Darmstadt, das OLG München in Augsburg und das OLG 1

2

RG JW 1938, 895; BGH NJW 1988, 2046, 2048 = MDR 1988, 394. Zur Fortdauer der Zuständigkeit bei einer Änderung der Gerichtseinteilung s. §§ 5, 6 des Gesetzes über die Zuständigkeit bei Änderung der Gerichtseinteilung v. 6.12.1933, RGBL. I 1037.

3 4

5

BVerfGE 2, 307, 313. Vgl. § 105 UrhG, § 32 WZG, § 27 UWG, § 89, 92, 93 GWB. BayVerfGH NJW 1994, 1857.

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§519

Drittes Buch. Rechtsmittel

Karlsruhe in Freiburg), kann die Berufung fristwahrend sowohl bei diesem 6 als auch beim Stammgericht eingereicht werden 7 . Denn der auswärtige Senat ist nur ein organisatorisch ausgegliederter Teil des Stammgerichts. Anders ist es aber, wenn eine Rechtssache durch Landesverordnung (z. B. gemäß § 229 Abs. 2 BauGB oder § 105 Abs. 1 UrhG) einem bestimmten Land - bzw. Oberlandesgericht zugewiesen ist. Dann kann die Berufung nur dort eingelegt werden 8 . Eine Ausnahme gilt in Kartellsachen (§ 94 GWB). Wird die Berufung trotz einer Übertragung durch Verordnung oder Staatsvertrag bei dem nach § 119 GVG allgemein zuständigen Oberlandesgericht eingelegt, ist sie nicht allein deswegen unzulässig. Die Sache ist vielmehr auf Antrag des Berufungsklägers zu verweisen. Maßgeblich für die Frage der Zuständigkeit ist der wahre Charakter der Sache. Darauf, ob das Landgericht ausdrücklich „in einer Kartellsache" oder als „Kartellkammer" entschieden hat, kommt es nicht an 9 . Will der Berufungskläger eine vom Amtsgericht entschiedene Handelssache vor die Kammer für Handelssachen bringen, muss er den Antrag in der Berufungsschrift stellen (§§ 100, 96 GVG) 10 . An die Stelle der Klageschrift tritt im zweiten Rechtszug die Berufungsschrift. Der Antrag ist nicht nachholbar. Für den Antrag des Gegners sind die Fristen des § 101 GVG zu beachten 11 . 6 Eine Sonderegelung gilt in Schifffahrtssachen (§ 13 BinnSchVerfG). Danach wird die Zulässigkeit der Berufung nicht dadurch berührt, dass sie bei dem dem Schifffahrtsgericht übergeordneten Landgericht anstatt beim Oberlandesgericht eingelegt wird. Die Sache ist von Amts wegen an das Oberlandesgericht abzugeben. Anders ist es dagegen im Fall der §§ 4, 11 BinnSchVerfG, wenn die Berufung nicht beim zuständigen Schifffahrtsobergericht, sondern versehentlich beim Oberlandesgericht eingelegt wird. Dann ist die Berufung unzulässig 12 . 5

2. Einreichung der Berufungsschrift 7

Die Einreichung der Berufung ist eine einseitige Prozesshandlung. Sie bedarf nicht der Mitwirkung eines Gerichtsbediensteten 13 . Denn andernfalls würde den Parteien die Frist, die nach §§ 222 Abs. 1 ZPO, 188 BGB um 24 Uhr und damit erst nach Dienstschluss endet, nicht in vollem Umfang zur Verfügung stehen 14 . Es ist lediglich erforderlich, dass die Berufungsschrift vor Fristablauf in die Verfügungsgewalt des Berufungsgerichts gelangt 15 . Ohne Belang ist auch, wann der Schriftsatz OLG Karlsruhe NJW 1984, 744 = OLGZ 1984, 223. BGH NJW 1967, 107 = MDR 1967, 36; BAG NJW 1982, 1119. Ablehnend Müller NJW 1963, 614. LG Hechingen NJW-RR 2003, 769; aA OLG Köln NJW-RR 1997, 1351. BGHZ 31, 162, 167 mit Anm. Bock LM § 92 GWB Nr. 1; BGHZ 49, 33, 37 mit Anm. Löscher LM § 94 GWB Nr. 3; BGHZ 71, 367 = NJW 1978, 2096. Zum Fall, dass das Urteil kartellrechtliche und nichtkartellrechtliche Fragen betrifft s. BGH NJW 1968, 351. AA LG Köln NJW 1996, 2737 mit abl. Anm. Schneider NJW 1997, 992. Zum Übergangsrecht für Handelssachen, die von Kreisgerichten der DDR entschieden worden sind, s. Kap. III Sachgeb. A Abschnitt III Nr. 1 Maßgabe e Abs. 2, Maßgabe h Abs. 1 S. 2 1.

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Halbs. Einigungsvertrag; Beispiel hierzu in BGH WM 1993, 663 = DtZ 1993, 86. BGH VersR 1979, 367 = MDR 1979, 475. BVerfGE 41, 323, 327. Der Berufungskläger darf die Rechtsmittelfrist voll ausschöpfen, vgl. BVerfGE 41, 323. BVerfGE 18, 51, 52; BVerfGE 52, 203, 209 = NJW 1980, 580; BVerfGE 57, 117, 120 = NJW 1981, 1951; BGHZ 101, 276, 280 = NJW 1987, 1586; BGH NJW 1988, 2788; BVerwG NJW 1974, 73. Beispiel für fehlenden Gewahrsam in BGH VersR 1985, 87. Die frühere Rechtsprechung, die eine Entgegennahme der Rechtsmittelschrift durch einen hierzu befugten Beamten für erforderlich hielt (RGZ 76, 127; RG JW 1936, 2136; BGHZ 2, 31, 32 mit Anm. Conrad LM § 518 Abs. 1 ZPO Nr. 2; BGH VersR 1973, 87; 1976, 641 u. 1063) ist überholt.

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1. Abschnitt. Berufung

§519

zu den Verfahrensakten genommen wird 1 6 . Es genügt, wenn die Berufungsschrift vor Fristablauf in einen einfachen Briefkasten 17 , ein Postfach 1S , einen innerhalb des Gerichtsgebäudes befindlichen Hausbriefkasten 19 oder ein für eingehende Post des Rechtsmittelgerichts bestimmtes Fach im Anwaltszimmer 20 gelangt. Sie kann fristwahrend auch in ein Brieffach gelegt werden, das bei einem anderen Gericht unterhalten wird und für die Post des Berufungsgerichts bestimmt ist 2 1 . Dagegen besteht noch kein Gewahrsam des Berufungsgerichts, wenn sich im Briefkasten oder Postfach lediglich ein Benachrichtigungszettel über den Eingang einer mit Einschreiben verschickten Berufungsschrift befindet 22 . Verfügt das Berufungsgericht über einen Fernschreib- oder Telefaxanschluss (zur Zulässigkeit der Berufung durch Fernschreiben oder Telefax s. Rdn. 17ff), ist es verpflichtet, das Empfangsgerät nach Dienstschluss in Betrieb zu halten, damit die Berufungsschrift auch noch nach dem Ende der Dienstzeit übermittelt werden kann 2 3 . Es muss außerdem durch eine entsprechende technische Vorkehrung dafür sorgen, dass der Zeitpunkt des Eingangs festgehalten wird. Bei fehlendem Nachtbriefkasten kann die Berufungsschrift auch in den gewöhnliehen Briefkasten des Gerichts eingeworfen werden, selbst wenn dieser erst nach Fristablauf geleert wird 2 4 . Allerdings trägt der Berufungskläger - wie sonst auch die volle Beweislast dafür, dass die Berufungsfrist gewahrt ist (zu den Beweisanforderungen s. Rdn. 66). Er muss beweisen, dass der Einwurf vor 2 4 Uhr geschehen ist. Demgemäß ist es in diesem Fall angeraten, für eine entsprechende Beweissicherung zu sorgen. Etwaige Zweifel gehen zu seinen Lasten. Die Übergabe der Berufungsschrift an den empfangsbereiten Urkundsbeamten der Geschäftsstelle (§ 153 GVG) in dessen Wohnung ist ebenfalls als zulässig angesehen worden. Da die Funktion des Urkundsbeamten vom Richter übernommen werden kann, ist auch jeder Richter zur Entgegennahme des Schriftsatzes befugt 2 5 .

8

Gelangt die Berufungsschrift an eine zentrale Briefannahmestelle, die für mehrere Gerichte zuständig ist, kommt es auf die richtige Adressierung an. Die Schrift wird von der Annahmestelle für das Gericht angenommen, an das sie gerichtet ist 2 6 . Maßgeblich ist nicht allein die genannte Anschrift, sondern der gesamte Inhalt der Berufungsschrift. Die falsche Bezeichnung des Gerichts bleibt unschädlich, wenn sich aus dem übrigen Inhalt unzweifelhaft ergibt, dass sich der Berufungskläger an das richtige Gericht wenden wollte 2 7 . Ist die Berufungsschrift an das unzuständige Gericht adressiert worden und kann anhand der übrigen Angaben nicht eindeutig bestimmt werden, welches Gericht gemeint ist, wird die Berufungseinlegung erst

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BVerfGE 52, 203 = NJW 1980, 580; BGHZ 80, 62; BGH NJW 1987, 2875 = MDR 1988, 136. BVerfGE 52, 203, 209 = NJW 1980, 580; BVerwG NJW 1974, 73; BGH NJW 1981,1216 = MDR 1981, 576. BGH NJW 1986, 2646, 2 6 4 7 = WM 1986, 1396; BVerwG NJW 1964, 788; BSG MDR 1978, 83. BGH NJW 1984, 1237 = MDR 1984, 653; BVerfG NJW 1991, 2076, 2077; s. aber auch BVerfG NJW 1982, 1804. OLG Köln NJW 1986, 859 - Voraussetzung ist allerdings, dass noch am selben Tag mit einer Leerung zu rechnen ist, da sonst kein Gewahrsam begründet ist. BGH NJW-RR 1989, 1215. BAG N j t f 1986, 1373.

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BVerfGE 41, 323, 327 (zu § 43 StPO); BGH NJW 1992, 244. BGH NJW 1984, 1237 = VersR 1984, 388. AA RG HRR 1932, 2205. BGH NJW 1975, 2294 = VersR 1975, 1148; BGH VersR 1987, 486; BAG NJW 1974, 184; BGH NJW 1990, 990; BGH NJW-RR 1991, 167. Es bestehen keine Bedenken, dieselben Grundsätze anzuwenden, wenn die Berufungsschrift zusammen mit dem Vorschuss bei einer gemeinsamen Gerichtskasse eingereicht wird, vgl. hierzu BGH NJW 1984, 1239 = VersR 1984, 335. BGH NJW 1989, 590, 591 (Angabe des richtigen Aktenzeichens); s. aber auch BAG NJW 2002, 845.

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§519

Drittes Buch. Rechtsmittel

dann wirksam, wenn der Schriftsatz von der Briefannahmestelle an das Berufungsgericht weitergeleitet wird und sodann in seine Verfügungsgewalt gelangt 2 8 . Der Umstand, dass die Briefannahmestelle zugleich für das eigentlich zuständige Gericht tätig ist, begründet diese Verfügungsgewalt noch nicht 2 9 . Denn der Wille zur Empfangnahme wird nur für das jeweils bezeichnete Gericht ausgeübt. Wird die Berufungsschrift also von dem mit der Annahme betrauten Urkundsbeamten an das falsche Gericht weitergeleitet, ist der Schriftsatz nicht in den Gewahrsam des Berufungsgericht gelangt 3 0 . Der Urkundsbeamte hat sie nicht für dieses Gericht angenommen. Auf die Frage, ob er sie bei verständiger Würdigung dem zuständigen Gericht hätte zuordnen können, kommt es nicht an. Denn es ist Sache des Berufungsklägers, das Gericht zu bezeichnen, an das er sich wenden will. Anders liegt es nur dann, wenn der Urkundsbeamte die Berufungsschrift trotz falscher oder fehlender Anschrift sofort dem zuständigen Gericht zuleitet. Damit bringt er zum Ausdruck, dass er sie sogleich für das Berufungsgericht entgegennehmen will 3 1 . In diesem Fall ist die Berufungsschrift bereits mit Eingang in der zentralen Briefannahmestelle eingereicht im Sinne von § 519 Abs. 1. 10

Die gleichen Grundsätze gelten bei Einlegung der Berufung durch Fernschreiben oder Telefax (hierzu im einzelnen Rdn. 17 ff). Gelangt das Fax an eine Zentrale, die für mehrere Gerichte eingerichtet ist, wird es für das Gericht angenommen, das in dem Schreiben bezeichnet ist 32 . Zur Begründung der Empfangszuständigkeit der Zentrale reicht es aus, dass ihre Telex- oder Faxnummer in einem Schreiben des Berufungsgerichts genannt wird 3 3 .

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Die beim unzuständigen Gericht eingelegte Berufung ist unwirksam 3 4 . Ist die Berufungsschrift irrtümlich an das erstinstanzliche Gericht gerichtet worden, muss sie von dort weitergeleitet werden und noch innerhalb der Frist beim Berufungsgericht eingehen 3 5 . Wird die Weiterleitung verzögert und hierdurch die Frist versäumt, geht dies zu Lasten des Berufungsklägers. Die Frage, ob dem Berufungskläger in diesen Fällen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden kann, hängt davon ab, welche Pflichten das erstinstanzliche Gericht treffen, um das Versäumnis auszugleichen. Der B G H hat zunächst den Standpunkt vertreten, das erstinstanzliche Gericht sei nicht verpflichtet, zur Heilung von Mängeln bei der Berufungseinlegung mitzuwirken 3 6 . Der Anwalt, der die Berufung beim falschen Gericht einreiche, könne sich nicht mit dem Argument entlasten, das Gericht habe die Berufungsschrift nicht rechtzeitig weitergeleitet. Eine Wiedereinsetzung komme grundsätzlich auch dann nicht in Betracht, wenn die Frist bei sofortiger Weiterleitung noch hätte gewahrt werden können. Eine Ausnahme hat der B G H nur in einem Fall gemacht, bei dem die Berufungsschrift zwei Tage vor Fristablauf in ein für das Oberlandesgericht bestimmtes Brieffach beim Landgericht eingeworfen worden war 3 7 . Hier hat er darauf abgestellt, dass das Landgericht mit der Einrichtung des Brieffachs die Funktion eines Boten übernommen habe, so dass der Anwalt auf eine rechtzeitige 28

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BGH NJW 1996, 1414 (LS) = NJW-RR 1996, 443; BGH NJW-RR 1997, 892, 893. BGH VersR 1977, 720; BGH NJW 1983, 123 = VersR 1983, 59; BGH NJW-RR 1987, 186 = VersR 1987, 49. AA BGH NJW 1992, 1047 = VersR 1992, 984. BGH NJW 1961, 361 = VersR 1961, 36. BGHZ 101, 276, 280 = NJW 1987, 2586. BVerfGE 69, 381, 387 = NJW 1986, 244; BGHZ 101, 276, 280 = NJW 1987, 2586.

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RGJR 1925 Nr. 1689. BGH NJW 1975, 2294 = VersR 1975, 1148. BGH NJW 1979, 876 = VersR 1979, 229; BGH VersR 1985, 767; BGH NJW-RR 1987, 186 = VersR 1987, 49, BGH VersR 1987, 486; 1992, 1154; teilw. abweichend OLG Karlsruhe OLGZ 1981, 241. BGH JurBüro 1984, 51.

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1. Abschnitt. Berufung

§519

Weiterleitung der Berufungsschrift habe vertrauen dürfen. In Anlehnung an die Rechtsprechung des BVerfG hat der B G H diese Rechtsprechung inzwischen aufgegeben 3 8 . Er stellt nunmehr darauf ab, dass das erstinstanzliche Gericht eine nachwirkende Fürsorgepflicht gegenüber den Prozessparteien habe. Hierzu gehöre auch die Verpflichtung zur Weiterleitung fristgebundener Schriftsätze. Der Berufungskläger dürfe darauf vertrauen, dass hiernach verfahren werde, so dass bei einem Verstoß ein Wiedereinsetzungsgrund vorliege. Allerdings besteht keine Verpflichtung, den Anwalt telefonisch oder per Fax auf sein Versäumnis hinzuweisen 3 9 . Zweifelhaft ist die Lage, wenn die Berufungsschrift zwar falsch adressiert ist, gleichwohl aber beim zuständigen Gericht eingeht. Der B G H 4 0 hat dahin entschieden, dass die Berufung in diesem Fall nur dann ordnungsgemäß eingelegt worden sei, wenn der Irrtum erkannt und die Berufungsschrift für das Berufungsgericht in Empfang genommen worden sei. Werde hingegen der Schriftsatz an das in der Anschrift genannte Gericht weitergeleitet, habe noch kein Gewahrsam des Berufungsgerichts bestanden, da sich der mit der Einrichtung des Briefkastens zum Ausdruck gebrachte Wille zur Entgegennahme von Post nur auf die Schriftstücke erstrecke, die von ihrer äußeren Gestaltung her für dieses Gericht bestimmt seien. Näher liegt es, in der Einrichtung des Briefkastens die allgemeine Willensbekundung zu sehen, dass an allen Schriftstücken Gewahrsam begründet werden soll, die dort eingeworfen werden. Wenn die Berufungsschrift weitergeleitet wird, wird daher nur ein bereits vorhandener Gewahrsam wieder aufgegeben. Im Übrigen ist es in diesem Fall aus Gründen der prozessualen Fürsorgepflicht geboten, dass das Berufungsgericht durch eine Rückfrage klärt, ob der Schriftsatz tatsächlich weitergeleitet werden soll. Unterbleibt sie, sollte dies nicht zu Lasten des Berufungsklägers gehen.

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3. Wiederholte Einlegung Die Berufung kann mehrfach eingelegt werden 4 1 . Ihre Wiederholung ist zweckmäßig, wenn Zweifel an der Wirksamkeit der ersten Einlegung bestehen. Die Rechtsprechung geht vom Grundsatz der Einheitlichkeit des Rechtsmittels a u s 4 2 . Die Berufung ist zulässig, wenn einer der Einlegungsakte den formellen Anforderungen genügt. Die Wiederholung kann ausdrücklich oder konkludent geschehen. Maßgeblich ist der objektive Erklärungsinhalt. Wird die Berufungsschrift zuerst als Telefax (zur Zulässigkeit der Einlegung durch Telefax s. Rdn. 17) übermittelt und danach die Urschrift eingereicht, ist mangels abweichender Anhaltspunkte davon auszugehen, dass die Berufung vorsorglich wiederholt werden soll 4 3 . Anders kann es sein, wenn in dem Telefax die Übersendung beglaubigter Abschriften angekündigt wird und diese dann nachgereicht werden 4 4 . Hierbei handelt es sich nur um eine Ergänzung der bereits eingelegten Berufung. Eine innerhalb der Berufungsfrist eingehende Berufungsbegründung wird dann als Wiederholung des Rechtsmittels anzusehen sein, wenn die erste Rechtsmitteleinlegung unwirksam war bzw. ihre Wirkung später verloren hat 4 5 . Die Wiederholung ist auch dann noch möglich, wenn bereits eine 38

39 40 41

BVerfG NJW 1995, 3173; BGHR § 233 ZPO Rechtsmitteleinlegung Nr. 8; BGH NJW-RR 1998, 1218; s. auch BAG NJW 1998, 923. BVerfG NJW 2001, 1343. BGH NJW 1994, 1354 = MDR 1994, 507. BGH NJW-RR 1999, 287 (das Reichsgericht hatte zunächst den Standpunkt vertreten, eine mangels fristgerechter Begründung unzulässige Berufung könne nicht wiederholt werden - RGZ

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147, 313; diese Rechtsprechung hat es in RGZ GS 158, 53 aufgegeben). BGH VersR 1978, 720; BGH VersR 1978, 765. BGH NJW 1993, 3141; BGH NJW 1999, 2989. BAG NJW 1996, 1365. BGH NJW 1958, 551 = MDR 1958, 506 = LM § 518 ZPO Nr. 9; BGH VersR 1963, 488; BGH VersR 1970, 184; BAGE 21, 263 = NJW 1969, 766; BAG NJW 1996, 1430.

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§519

Drittes Buch. Rechtsmittel

Verwerfungsentscheidung ergangen ist. Die Verwerfung erledigt nur die erste Rechtsmittelerklärung. Die Bindung 46 an diese Entscheidung schließt es nicht aus, dass die Berufung wiederholt wird, solange die Frist noch nicht abgelaufen ist 4 7 . 14

Sind beide Rechtsmittelerklärungen wirksam, hat die Wiederholung zunächst keine Folgen 48 . Wird die zweite Erklärung zurückgenommen, tritt die Kostenpflicht des § 516 Abs. 3 nicht ein 4 9 . Wird sie nicht zurückgenommen, ist die „zweite Berufung" nicht etwa zu verwerfen 50 . Die Wiederholung erlangt erst Bedeutung, wenn die erste Berufung zurückgenommen oder dadurch unzulässig wird, dass sie nicht innerhalb der durch die erste Einlegung ausgelösten Frist begründet worden ist. In diesem Fall ist für die Zulässigkeit der Berufung auf die Wiederholung abzustellen 51 . Ist sie wirksam, ist die Berufung insgesamt zulässig, so dass eine Verwerfung der ersten Berufung nicht stattfindet 52 .

15

Sind beide Einlegungsakte unwirksam, ist die Berufung durch eine einheitliche Entscheidung zu verwerfen (§ 522 Abs. 1 S. 2). Sie erledigt beide Erklärungen 53 . Will der Berufungskläger geltend machen, die Berufungsbegründung sei eine rechtswirksame Wiederholung der formnichtigen Berufung, muss er Rechtsbeschwerde (§ 5 2 2 Abs. 1 S. 4) bzw. Revision einlegen 54 . Denn andernfalls bindet die Verwerfungsentscheidung auch hinsichtlich der zweiten Erklärung.

II. Berufungsschrift (Abs. 2) 1. Schriftform 16

Die Berufungseinlegung erfolgt durch Einreichung der Berufungsschrift (§ 519 Abs. 1). Der Schriftsatz muss von seiner äußeren Gestaltung her als Rechtsmittelschrift zu erkennen sein 55 . Allerdings dürfen keine übertriebenen formellen Anforderungen gestellt werden. So kann z. B. eine innerhalb der Berufungsfrist eingereichte Begründungsschrift, die alle Voraussetzungen von § 519 erfüllt, in eine Wiederholung der Berufung umgedeutet werden, wenn die erste Rechtsmittelerklärung unwirksam war 5 6 . Die Berufungsschrift muss in deutscher Sprache verfasst sein ( § 1 8 4 GVG) 5 7 . 2. Fernschreiben/Telefax/Telegramm/Computerfax

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Die Normalform der Berufungsschrift ist der Schriftsatz. Er kann im Original, als Telebrief 58 (Übermittlung der Kopiervorlage an ein Empfängerpostamt zur Versendung an das Berufungsgericht) als Telefax/Telekopie (Übermittlung direkt an das 46

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Zur Unterscheidung zwischen innerprozessualer Bindungswirkung und Rechtskraft vgl. Jauernig MDR 1982, 286. RG DR 1940, 1786; BGHZ 45, 380 = NJW 1 9 6 6 , 1 7 5 3 = MDR 1966, 825; BGH NJW 1968, 4 9 = MDR 1968, 33; BGH NJW 1981, 1962 = MDR 1981, 1007 = WarnRspr. 1981 Nr. 144 mit Anm. Jauerning MDR 1982, 286; BGH NJW 1991, 1116 = VersR 1991, 1193. RGZ 102, 364, 365; BGHZ 2 4 , 1 7 9 = NJW 1957, 990 mit Anm. Johannsen LM § 518 ZPO Nr. 8; BGH NJW 1985, 2 4 8 0 = MDR 1985, 751 mit Anm. Pantle NJW 1988, 2773; BGH NJW 1993, 2 6 9 = MDR 1993, 4 7 6 ; OLG Düsseldorf OLGZ 1979, 454. RGZ 102, 364; BGHZ 24, 179 = NJW 1957, 990

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= LM § 518 ZPO Nr. 8 mit Anm. Johannsen; BGH MDR 1958, 5 0 8 = VersR 1958, 196. BGHZ 45, 380 = NJW 1966, 1753 mit Anm. Johannsen LM § 519 b ZPO Nr. 19. RGZ 120, 243, 247; BGHZ 24, 179 = NJW 1957, 990 mit Anm. Johannsen LM § 518 ZPO Nr. 8. RGZ 102, 364; RArbG DR 1939, 1468. BGH NJW 1968, 49 = VersR 1967, 1180. BGH LM § 2 3 3 ZPO Nr. 5. OLG Hamburg NJW 1986, 3 0 9 0 = MDR 1987, 414. BGH NJW 1958, 551 = VersR 1958, 180; s. auch Habscheid ZZP 65 (1952), 388 ff. Vgl. BGHSt 30, 182 = NJW 1982, 532. BGH NJW 1983, 1498; 1990, 990; 1992, 244.

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1. Abschnitt. Berufung

519

Gericht) 59 und als Computerfax (Übermittlung eines im Computer gespeicherten Schriftsatzes als Textdatei mit eingescannter Unterschrift durch ein Modem) 6 0 eingereicht werden. Aufgrund gewohnheitsrechtlicher Rechtsfortbildung kann die Berufung außerdem durch Telegramm 61 oder Fernschreiben 62 eingelegt werden, obwohl hierbei nicht alle Erfordernisse der Schriftlichkeit eingehalten werden können 6 3 . Es ist sogar für zulässig erachtet worden, wenn das Telegramm fernmündlich von einem auf Weisung handelnden Mitarbeiter des Anwalts aufgegeben worden ist 64 oder wenn der zuständige Beamte des Berufungsgerichts eine dem Zugang des Telegramms vorausgehende fernmündliche Durchsage der Post in Form einer Aktennotiz aufgenommen hat 6 5 . Zumindest in dem letzten Fall ist die Schriftform nicht gewahrt. Hierbei handelt es sich in Wahrheit um eine - vom Gesetz nicht zugelassene - Berufungseinlegung zu Protokoll der Geschäftsstelle unter Zwischenschaltung eines Erklärungsboten. Die Wirksamkeit einer durch technische Übermittlung eingelegten Berufung hängt nicht davon ab, ob es noch möglich gewesen wäre, den Schriftsatz auf dem normalen Postweg befördern zu lassen 66 . Es ist auch nicht erforderlich, dass anschließend noch die Urschrift übersandt wird 6 7 . Zumindest beim Telefax sollte die Urschrift aber grundsätzlich nachgereicht werden, um etwaige Mängel bei der Übermittlung bzw. beim Ausdruck zu beheben. Die durch Telefax (oder Fernschreiben) eingelegte Berufung muss dem Gericht grundsätzlich direkt und nicht über einen Zwischenvermittler zugeleitet werden 6 8 . N u r hierdurch ist gewährleistet, dass eine Übereinstimmung von Original und Ausdruck beim Empfänger besteht 6 9 . Erfolgt die Übermittlung allerdings an eine amtliche Stelle, ist die Gefahr einer Verfälschung ausgeschlossen. Geht eine durch Fax eingelegte Berufung auf einem nicht für das Rechtsmittelgericht bestimmten Empfangsapparat eines anderen Gerichts ein und wird sie von dort rechtzeitig weitergeleitet, ist sie wirksam 70 . Die Wirksamkeit der Einreichung hängt nicht davon ab, dass die Annahmestelle zum Zeitpunkt der Übermittlung noch besetzt ist 71 . Ist allerdings die Übermittlung nach Dienstschluss deswegen nicht mehr möglich, weil der Anschluss überlastet ist, geht dies grundsätzlich zu Lasten des Berufungsklägers. Das gleiche gilt, wenn der Empfängerapparat defekt ist und mit einer rechtzeitigen Behebung der Störung nicht mehr gerechnet werden kann. Der Absender muss sich daher stets einen Nachweis über den Empfang ausdrucken lassen. Das Fernschreiben oder das Telefax ist BGH NJW 1989, 589; BGH NJW 1990, 188 = WM 1989, 1820. GmS-OGB NJW 2000, 2340 (die frühere Rechtsprechung ist überholt). RGZ 139, 45, 47; 151, 82, 86; BGHZ 79, 314, 316 = NJW 1981, 1618; s. auch BVerfG NJW 1987, 2067. BGHZ 87, 63, 65 = NJW 1983, 1498; BGHZ 97, 283 = NJW 1986, 1759; BAG Betr 1984, 1688; BFH NJW 1982, 2520. RG WarnRspr. 1942, 68; BGH LM § 518 Abs. 1 ZPO Nr. 3; BGHZ 65, 10 = MDR 1975, 659 = LM § 519 ZPO Nr. 68 mit Anm. Portmann-, BGHSt 14, 233; BAGE 23, 361. BGH VersR 1965, 852 = BB 1965, 1007. BGH Rpfleger 1953, 29 mit Anm. Rötelmann-, BGHSt 14, 233 = NJW 1960, 1310, 1311 = LM § 518 ZPO Nr. 10.

BAG NJW 1971, 2190. BGH MDR 1993,1234 sieht in der Nachreichung des Originals eine Wiederholung der Berufung. Zum Fernschreiben s. BGHZ 79, 314 = NJW 1981, 1618, 1619; BAG NJW 1990, 3165. Unbedenklich ist es aber, wenn das Telefax nicht vom Anschluss des Prozessbevollmächtigten gesendet wird - BAG NJW 1989, 1822. BGHZ 79, 314 = NJW 1981, 1618; BGHZ 97, 283, 285 = NJW 1986, 2250; aA BAG NJW 1989, 1822; BayVGH BB 1977, 568; kritisch hierzu Ebnet NJW 1992, 2985, 2986. AA BGH NJW-RR 1988, 893. BVerfGE 52, 580 = NJW 1980, 580; BVerfGE 69, 381, 386 = NJW 1986, 244; BGHZ 101, 276, 280 = BGH NJW 1987, 2586; die frühere Rechtsprechung (vgl. BGHZ 65, 10) ist damit überholt.

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§519

Drittes Buch. Rechtsmittel

grundsätzlich erst in dem Augenblick beim Berufungsgericht eingegangen, in dem das Schriftstück - vollständig und lesbar - im Empfängerapparat ausgedruckt ist. Wird es bis 24 Uhr des letzten Tages der Berufungsfrist nur teilweise ausgedruckt, kann nur dieser Teil verwertet werden 7 2 . Ist das Schriftstück allerdings vollständig technisch übermittelt worden und liegt hierüber ein Nachweis vor, soll der rechtzeitige Zugang des nicht ausgedruckten Teil fingiert werden können 7 3 . Hiergegen ist einzuwenden, dass die elektronische Speicherung der Nachricht im Empfangsgerät nicht an die Stelle der Schriftform treten kann. In diesen Fällen kommt vielmehr nur die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Betracht 74 . Diese ist unproblematisch, wenn dem Berufungsanwalt vom Empfängerapparat des Gerichts der Eingang bestätigt worden ist. Dann kann er darauf vertrauen, dass der Ausdruck fehlerfrei und vollständig erfolgt 75 . Ergibt sich dagegen, dass keine Verbindung zustande gekommen ist, muss der Anwalt versuchen, die Berufungsschrift auf andere Art und Weise zu übermitteln, um den Vorwurf schuldhaften Verhaltens auszuschließen 76 . Zwar braucht er sich nicht von vorn herein auf etwaige Pannen bei der Übermittlung einzustellen 77 . Besteht aber die Möglichkeit, die Berufungsschrift auf einem anderen Weg fristgerecht zu übermitteln, muss er diese grundsätzlich ausschöpfen 7 8 . „Unzumutbare Anstrengungen" werden dabei vom Anwalt allerdings nicht gefordert 7 9 . So hat zum Beispiel der BGH die Fristversäumnis für einen nicht am Berufungsgericht ansässigen Rechtsanwalt als entschuldigt angesehen, der nach dem endgültigen Scheitern der Übermittlung durch Fax gegen 23.00 am Tag des Fristablaufs davon abgesehen hat, die Berufungsbegründung mit dem Auto zu überbringen 8 0 . 3. Bezeichnung des angefochtenen Urteils 21

Das angefochtene Urteil muss in der Berufungsschrift bezeichnet werden ( § 5 1 9 Abs. 2 Nr. 1). Dies muss so eindeutig geschehen, dass die Gefahr einer Verwechslung ausgeschlossen ist 81 . Erforderlich ist die Angabe des erstinstanzlichen Gerichts 8 2 , des Verkündungsdatums und des Aktenzeichens 83 , nicht dagegen des Zustellungsdatums und der Vorentscheidungen, die gemäß § 512 zusammen mit dem Urteil der Überprüfung unterliegen. 22 Dieses Gebot dient der Rechtsklarheit. Berufungsgericht 84 und Gegner 8 5 sollen innerhalb der Frist Gewissheit darüber haben, welche Entscheidung der Berufungskläger anfechten will. Hieraus folgt zugleich, dass eine falsche oder fehlende Bezeichnung unschädlich ist, sofern anhand anderer Unterlagen (die bereits vorliegende erstinstanzlichen Verfahrensakten, beigefügtes Urteil) zweifelsfrei festgestellt werden kann, welches Urteil gemeint ist 86 . Insoweit ist die vom Wortlaut her 72 73

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BGH NJW 1994, 2097. BVerfG NJW 1996, 2857; BGHZ 105, 40, 44 = NJW 1988, 2788, 2 7 8 9 und BGH NJW 1994, 1881, wonach die Übermittlung des technischen Signals genügen soll; BGH NJW 2001, 1581; s. auch Ebnet NJW 1992, 2985, 2987. Beispiel hierzu in BGH W M 1991, 2 0 8 0 = ZIP 1991, 1629. BVerfG NJW 1996, 2857. OLG München NJW 1991, 303; s. a. BGH NJWRR 1995, 442. BVerfGE 69, 381, 386 = NJW 1986, 244; BGHZ 105, 116 ff = NJW 1988, 3020, 3021; BGH NJW 1990, 187, 188. BGH NJW 1995, 1431, 1432 = BB 1995, 899.

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BVerfG NJW 1996, 722. BGHReport 2003, 1431. BGH VersR 1977, 1100 mit Anm. Späth; BGH NJW-RR 2001, 160. BGH VersR 1984, 870; BGH NJW-RR 1987, 319; BGH NJW 1989, 2396; BAG NJW 1973, 1391. BGH NJW-RR 1989, 958 = FamRZ 1989, 1063; BGH VersR 1992, 761; BAG NJW 1973, 1391; BAG AP § 518 ZPO Nr. 16. BGH VersR 1984, 870. BGH FamRZ 1989, 1063, 1064. BVerfG NJW 1991, 3140; BGH VersR 1976, 1157; BGH NJW 1989, 2395 = VersR 1989, 646; BGH BGHReport 2003, 825; LAG Hamm MDR 1991, 991.

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1. Abschnitt. Berufung

§519

zwingende Vorschrift des § 519 Abs. 2 Nr. 1 nach ihrem Sinn und Zweck einschränkend auszulegen. Denn andernfalls würde der Zugang zur Instanz derart erschwert werden, dass dies aus Sachgründen nicht zu rechtfertigen w ä r e 8 7 . Die Entscheidung, wann die Berufung trotz solcher Mängel zulässig ist, ist jeweils anhand der Umstände des Einzelfalls zu treffen. Folgende Bespiele finden sich in der Rechtsprechung: Fehlende oder unzutreffende Angaben können einer der Berufungsschrift beigefügten Ausfertigung des erstinstanzlichen Urteils entnommen werden, so z. B. das Aktenzeichen 8 8 , das Verkündungsdatum 8 9 oder das erstinstanzliche Gericht 9 0 . Ist keine Ausfertigung oder Abschrift beigefügt, kann das fehlende Aktenzeichen dann zur Unzulässigkeit der Berufung führen, wenn vom erstinstanzlichen Gericht am selben Tag in zwei verschiedenen Verfahren der Parteien ein Urteil verkündet worden ist 9 1 . Dagegen ist dieser Mangel unschädlich, wenn das Gericht und der Berufungsgegner den Mangel erkannt haben und sie die Berufung dem richtigen Verfahren mit Sicherheit zuordnen konnten 9 2 . Eine Verwechslung der beiden Münchener Landgerichte macht die Berufung unzulässig, wenn das Versehen für das Berufungsgericht nicht erkennbar ist 9 3 . Andererseits soll eine falsche Bezeichnung des erstinstanzlichen Gerichts dann ohne Folgen bleiben, wenn aus den in der Berufungsschrift bezeichneten Kanzleianschriften der erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten der Schluss gezogen werden kann, dass das für ihren Bezirk zuständige Landgericht entschieden haben muss 9 4 . Ist in derselben Sache zunächst ein Teil- und dann ein Schlussurteil ergangen und wird bei Anfechtung des Schlussurteils fälschlich das Verkündungsdatum des bereits rechtskräftigen Teilurteils genannt, ist die Berufung unzulässig 9 5 . Dasselbe gilt, wenn in einem Verfahren zwei Teilurteile ergangen sind und der Berufungskläger den Tag der Verkündung des ersten Teilurteils angibt, obwohl er das zweite Teilurteil anfechten will 9 6 .

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Ist das Urteil nicht oder nicht ausreichend bezeichnet worden, kann der Berufungskläger die fehlenden Angaben bis zum Ablauf der Berufungsfrist nachtragen. Ebenso reicht es aus, wenn innerhalb der Frist die erstinstanzlichen Akten eingehen und hierdurch ohne weitere Nachforschungen zweifelsfrei feststeht, welches Urteil angefochten werden soll 9 7 . Die Klarstellung ist nur gegenüber dem Gericht, nicht auch gegenüber dem Gegner erforderlich 9 8 . Denn weil der Berufungskläger sein Rechtsmittel auch am letzten Tag der Frist einlegen kann, ist es unschädlich, wenn diese Angaben den Gegner erst nach Fristablauf erreichen. Im Übrigen wird es für den Prozessgegner ohnehin kaum jemals zweifelhaft sein, welches Urteil angegriffen werden soll.

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M a c h t der Berufungskläger geltend, die in der Berufungsschrift fehlenden Angaben könnten aus der Urteilsabschrift entnommen werden und befindet sich diese nicht bei den Akten, trägt er die volle Beweislast dafür, dass er eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils beigefügt hat. Er ist vor der Verwerfung auf den Mangel hinzuweisen, damit er Gelegenheit für den Nachweis

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Zu diesem Gesichtspunkt BVerfGE 74, 228, 234 = NJW 1987, 2067; s. a. BGH MDR 2003, 948. BGH NJW 1974, 1658 = VersR 1974, 1100; FamRZ 1989, 1063, 1064. BVerfG NJW 1991, 3140. BGH VersR 1986, 574. BFH NJW 1973, 2048; zum Fall, dass nur in einer von mehreren Sachen ein Urteil verkündet worden ist, s. BGH NJW 1958, 1780 = MDR 1958, 415 u. BAG NJW 1976, 2039.

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BGH NJW 1993, 1719 = MDR 1994, 98. BGH NJW-RR 1987, 319. BGH NJW 1989, 2395 = VersR 1989, 646; s. hierzu aber auch BGH VersR 1986, 574, 575. BGH MDR 1978, 308; s. aber auch BGH VersR 1975, 928. BGH VersR 1976, 1157. BGH VersR 1983, 250; BGH VersR 1992, 761, 762. BGH FamRZ 1989, 1063, 1064.

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§519

Drittes Buch. Rechtsmittel

hat, dass er das erstinstanzliche Urteil der Berufungsschrift tatsächlich beigefügt hat". 26

Versäumt der Berufungskläger die Bezeichnung des angefochtenen Urteils, kommt eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand grundsätzlich nicht in Betracht. Denn es gehört zu den eigenverantwortlich wahrzunehmenden Aufgaben des Prozessbevollmächtigten, die Rechtsmittelschrift vor der Unterzeichnung auf Vollständigkeit und Richtigkeit zu überprüfen 100 . Die generelle Anweisung an das Büropersonal, jeder Berufungsschrift eine Abschrift des erstinstanzlichen Urteils beizufügen, entlastet ihn grundsätzlich nicht. Diese befreit ihn nicht von seiner Pflicht, die Beachtung der bei Einlegung der Berufung erforderlichen Form selbst zu kontrollieren. 4. Erklärung, dass Berufung eingelegt wird

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a) Allgemeines. Der Gebrauch des Wortes „Berufung" ist nicht erforderlich 101 . Der Schriftsatz muss aber den Willen, Berufung einzulegen, klar und zweifelsfrei erkennen lassen und darf nicht zu einer Auslegung und Deutung des Inhalts der in ihm enthaltenen Erklärungen nötigen 1 0 2 . Es muss zum Ausdruck gebracht werden, dass eine Änderung des bezeichneten Urteils erreicht werden soll 1 0 3 .

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Ein als Berufung bezeichnetes Rechtsmittel kann ohne weiteres in eine Anschlussberufung umgedeutet werden, wenn sich herausstellt, dass die Zulässigkeitsvoraussetzungen für eine selbständige Berufung nicht gegeben sind, z. B. weil die erforderliche Beschwer nicht erreicht oder die Berufungsfrist verstrichen ist 1 0 4 (§ 517). Ist eine Berufung zunächst wirkungslos geblieben, weil das Verfahren unterbrochen war, kann in der Aufnahmeerklärung die erneute Einlegung gesehen werden 1 0 5 . Eine Beschwerde kann als Berufung behandelt werden, wenn der Rechtsmittelkläger die Beschwerde fälschlich als das richtige Rechtsmittel angesehen hat und die Zulässigkeitsvoraussetzungen für eine Berufung vorliegen 106 . Denn wenn der Wille zur Anfechtung der Entscheidung eindeutig ist, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass das zulässige Rechtsmittel eingelegt werden soll 1 0 7 (Vor § 511 Rdn. 70).

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Die Angabe, in welchem Umfang das Urteil angefochten werden soll, ist nicht erforderlich. Sie kann ebenso wie die Stellung eines bestimmten Antrags der Berufungsbegründungsschrift vorbehalten bleiben (§ 5 2 0 Abs. 3 S. 1). Das gilt auch dann, wenn das Rechtsmittel nur zu einem Teil zulässig ist, etwa weil der Berufungskläger nur teilweise beschwert ist oder teilweise auf das Rechtsmittel verzichtet hat (§ 515). Die Berufung darf deshalb (noch) nicht teilweise verworfen werden, wenn sie ohne Beschränkung eingelegt worden ist 1 0 8 .

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b) Bedingte Berufung. Da die Berufung unmittelbare Rechtswirkungen erzeugen soll, darf sie nicht mit einer Bedingung verknüpft werden 1 0 9 . So ist es z. B. nicht 99 100

101 102

BGH NJW 1991, 2081 = MDR 1991, 1198. BGH NJW-RR 1987, 319; BGH NJW-RR 1988, 1528. Zum Einspruch vgl. RGZ 141, 347, 350. BGH LM § 233 ZPO Nr. 21 = ZZP 66 (1953), 54. Z. B. kann bei unterbrochenem Verfahren die Aufnahmeerklärung beim Rechtsmittelgericht als Einlegung des Rechtsmittels angesehen werden, BGHZ 3 6 , 2 5 8 = NJW 1962, 589 mit Anm. Rietsehet LM § 250 ZPO Nr 4. Zum Fall, dass im Widerspruch zur äußeren Gestaltung die Berufung noch nicht gewollt war s. BGH FamRZ 1990, 995.

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RGZ 141, 347, 351. BGH FamRZ 1987, 154. BGHZ 36, 258 = NJW 1962, 589 = LM § 250 ZPO Nr. 4 mit Anm. Rietschei; BGH NJW 1990, 1854. BGH NJW 1987, 1204. BGH ZZP 76 (1963), 99, 101. Eine Umdeutung ist nur dann ausgeschlossen, wenn sie ausdrücklieh nicht gewollt ist, BGHZ 19, 269, 273 = NJW 1956, 297. BGH NJW 1968, 2106 = LM § 514 ZPO Nr. 15. Vgl. BAG NJW 1996, 2533 (zur Nichtzulassungbeschwerde) mit abl. Anm. Kornblum NJW

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1. Abschnitt. Berufung

§519

zulässig, dass die Berufung gegen einen Streitgenossen nur für den Fall erhoben wird, dass ein gleichzeitig eingelegtes Rechtsmittel gegen einen anderen Streitgenossen keinen Erfolg hat 1 1 0 . Der Zusatz, die Berufung solle nur dann eingelegt werden, wenn die gleichzeitig beantragte Prozesskostenhilfe bewilligt werde, macht die Berufung ebenfalls unzulässig 111 (zur Frage der Wiedereinsetzung, wenn nach Ablauf der Berufungsfrist Prozesskostenhilfe bewilligt wird, s. § 517 Rdn. 28). Ob tatsächlich eine Bedingung gewollt war, ist eine Frage der Auslegung und 31 bedarf stets einer sorgfältigen Prüfung. Denkbar ist es z. B., dass der Berufungskläger mit seiner Erklärung nur ankündigen will, er werde das Rechtsmittel zurücknehmen, falls ein bestimmtes Ereignis nicht eintrete. In diesem Fall liegt eine wirksame Berufung vor. Unklarheiten bestehen mitunter, wenn die Berufung mit einem Prozesskostenhilfegesuch verbunden wird. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass das Rechtsmittel unbedingt eingelegt werden soll, sofern der Schriftsatz alle Anforderungen erfüllt, die an eine Berufungsschrift zu stellen sind. Eine andere Deutung kommt nur dann in Betracht, wenn ohne jeden vernünftigen Zweifel feststeht, dass eine Berufung noch nicht gewollt war m . Dies ist z. B. der Fall, wenn die Berufungsschrift im gleichzeitig gestellten Prozesskostenhilfegesuch oder im Schriftsatz selbst ausdrücklich als Entwurf bezeichnet und die Einlegung der Berufung erst angekündigt wird m . Wird eine Berufungsschrift als Anlage zu einem Prozesskostenhilfegesuch beigefügt und erklärt, sie werde „zunächst nur zur Erörterung im Prozesskostenhilfeverfahren eingereicht", liegt ebenfalls noch keine - auch keine bedingte - Einlegung vor 1 1 4 . Dagegen steht die mit der Einreichung geäußerte Bitte, den Schriftsatz zunächst zu den Akten zu nehmen und zuerst über ein Prozesskostenhilfegesuch zu entscheiden, der Wirksamkeit der Berufung nicht entgegen l l s . Eine unbedingte Berufung ist auch dann anzunehmen, wenn zusammen mit einem Prozesskostenhilfegesuch vorsorglich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und erklärt wird, bei Gewährung der Wiedereinsetzung „werde schon jetzt Berufung" eingelegt" 116 . c) Vorbehalt der Erweiterung. Ein Vorbehalt der Erweiterung ist keine Bedingung im Rechtssinne. Der Eintritt der Rechtskraft der erstinstanzlichen Entscheidung wird durch die Einlegung insgesamt gehemmt 117 , auch wenn der Berufungskläger erklärt, die Berufung werde zunächst nur für einen Teilbetrag eingelegt, sie werde eventuell auf den übrigen Teil der Beschwer erweitert oder die Anfechtung des übrigen teils bleibe vorbehalten. Hiermit nimmt er nur eine Erklärung vorweg, die er erst in der Berufungsbegründung abgeben muss. Fehlt allerdings die Ankündigung, dass die Berufung eventuell erweitert wird, kann eine derartige Erklärung Verzichtswirkung haben, s. § 515 Rdn. 10, 36.

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1997, 922; kritisch Kornblum, Gedächtnisschrift für Peter Arens (1993), 211 ff. OLG Karlsruhe OLGZ 1986, 197 (zum Fall des bedingten Antrags in der Begründung). BGHZ 4, 54, 55 = NJW 1952, 102; BAG NJW 1969, 446. BGH NJW 1988, 2046, 2 0 4 7 = MDR 1988, 394; BGH FamRZ 1990, 995; BGH NJW 2 0 0 2 , 1 3 5 2 . RG JW 1937, 812; BGH NJW 1961, 783 = MDR 1961, 398; BGH VersR 1986, 40.

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Vgl. BGH VersR 1972, 490. BGH NJW 1988, 2046; ein ähnlicher Fall lag der Entscheidung BGH NJW-RR 1987, 376 zugrunde. BGH VersR 1974, 194 = MDR 1988, 394. RG HRR 1930, 2102; BGHZ 7, 143, 144 = NJW 1952, 1295 mit Anm. Käufer NJW 1962, 572.

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§519

Drittes Buch. Rechtsmittel

5. Bezeichnung der Parteien 33

Die Bezeichnung der Parteien des Berufungsverfahrens gehört ebenfalls zum wesentlichen Inhalt der Berufungsschrift, auch wenn § 519 Abs. 2 dies nicht ausdrücklich vorschreibt 118 . Sie ist Teil der Erklärung, dass Berufung eingelegt wird und daher notwendiges Zulässigkeitserfordernis n 9 . Die Prozessbevollmächtigten der Parteien müssen hingegen nicht genannt sein. Ist die Berufungsschrift vom postulationsfähigen Anwalt unterschrieben worden (Rdn. 44ff, 54 ff), ist es unschädlich, wenn sich Name und Anschrift nicht aus dem Briefkopf ergeben 120 .

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a) Berufungskläger. Für die Bezeichnung des Berufungsklägers gelten strenge Anforderungen. Er muss unter Angabe seiner zweitinstanzeichen Parteirolle grundsätzlich namentlich genannt werden 121 . Da mit der Berufung ein neuer Verfahrensabschnitt eröffnet werden soll, muss für das Berufungsgericht bis zum Ablauf der Berufungsfrist zweifelsfrei feststehen, von welcher Partei das Rechtsmittel stammt 122 . Die Erkennbarkeit für den Gegner reicht nicht aus. Die Erklärung, „In Sachen X gegen Y lege ich hiermit Berufung ein", genügt daher nicht, weil sie den Angreifer nicht erkennen lässt 123 . Dasselbe gilt, wenn ohne Namensangabe im „Namen des Klägers" Berufung eingelegt wird und auch das erstinstanzliche Urteil nicht beigefügt ist 124 . Die Reihenfolge der Parteinamen in der Berufungsschrift hat für die Bestimmung der Parteirolle nur dann Aussagekraft, wenn es im Bereich des Berufungsgerichts üblich ist, den Berufungskläger im Rechtsmittelrubrum stets an erster Stelle zu nennen 1 2 5 . Die Angabe der ladungsfähigen Anschrift des Berufungsklägers gehört dagegen nicht notwendig zur Parteibezeichnung 126 . War die Anschrift auch in erster Instanz nicht mitgeteilt worden, ist allerdings die Klage unzulässig 127 .

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Das Berufungsgericht darf die Prüfung, für wen das Rechtsmittel eingelegt worden ist, nicht auf die Berufungsschrift beschränken. Es genügt, wenn es die Person des Berufungsklägers aus den beigefügten Unterlagen (Ausfertigung bzw. Abschrift des erstinstanzlichen Urteils) bzw. der beigezogenen Akte zweifelsfrei ermitteln kann. Eine irrtümliche Bezeichnung in der Berufungsschrift kann hierdurch berichtigt werden 1 2 8 . Mehrdeutige Erklärungen sind auszulegen 129 . Maßgeblich ist der 118

BGHZ 21, 168 = NJW 1956, 1600; BGH NJW 1958, 1726 = VersR 1958, 625; BGH NJW 1961, 2 3 4 7 = VersR 1961, 1092; BGH VersR 1970, 1133; VersR 1986, 471; BGH NJW-RR 1988, 1528. Zum arbeitsgerichtlichen Verfahren s. BAG NJW 1960, 1319; 1969, 1367; NJW 1973, 2318. » ' RGZ 9 6 , 1 1 7 ; 125, 240; 144, 314; BGHZ 21, 168 = NJW 1956, 1600 mit Anm. Johannsen LM § 518 ZPO Nr. 7; BGHZ 65,114 = NJW 1976,108. 120 BGH VersR 1973, 86. 121 BGH NJW 1984, 58 = VersR 1983, 984, 985; BGH NJW 1991, 2775; BGH VersR 1992, 761; BGH NJW 1997, 3383 = LM § 518 Abs. 2 Ziff. 1 ZPO Nr. 15; BGH NJW-RR 1999, 1587; BGH NJW 1999, 3124 (Unklarheit bei mehreren denkbaren Berufungsklägern); BAGE 16, 206. 122 RGZ 144, 314, 316; BGH NJW-RR 1999, 1587; BGH NJW 2 0 0 2 , 1430; BGHR 2 0 0 2 , 655. 123 RGZ 9 6 , 1 1 7 . 124 BGH NJW 1998, 3499. 125 Vgl. hierzu BGH VersR 1977,1101 u. VersR 1983, 778; BGH NJW 1999, 3124; BGH NJW-RR 2001,572; s. hierzu auch BVerfG NJW 1986,2101.

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BGHZ 65, 114 = NJW 1976, 108; BGHZ 102, 332 = NJW 1988, 2114 mit Anm. Nierwetberg NJW 1988, 2095; OLG München NJW-RR 1995, 5 9 (zum Einspruch). Für das arbeitsgerichtliche Verfahren ebenso BAG (GS) NJW 1987, 1356 = M D R 1987, 3 4 7 unter Aufgabe der früheren Rechtsprechung. BGHZ 102, 332 = NJW 1988, 2114 mit Anm. Nierwetberg NJW 1988, 2095; aA OLG Stuttgart NJW 1986, 1882; ZöllerIGreger § 253, 8. BGH NJW 1974, 1658 = VersR 1974, 1100; BGH NJW 1996, 320 = M D R 1996, 92 (irrtümliche Bezeichnung des gesetzlichen Vertreters der Partei als Berufungskläger); BGH NJW 1999, 291 = LM § 518 Abs. 2 ZPO Nr. 15 u. NJW-RR 2 0 0 2 , 1 0 7 4 (Vertauschung der Parteirollen); BGH NJW 2002, 1430 (offensichtlich irrtümliche Bezeichnung eines nicht mehr existierenden Rechtsvorgängers als Berufungskläger); BGHR 2 0 0 2 , 653. BGHZ 21, 168, 173 = NJW 1956, 1600; BGH VersR 1982, 770; OLG Düsseldorf VersR 1972, 835.

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1. Abschnitt. Berufung

§519

Gesamtinhalt der Rechtsmittelschrift in Verbindung mit den vorliegenden Unterlagen. Allerdings muss die Auslegung dem Berufungsgericht eine eindeutige Zuordnung ermöglichen 13°. Unschädlich ist es z. B., wenn eine Klägerin, deren Familienname und Anschrift richtig wiedergegeben sind, in der Berufungsschrift fälschlich als „Kläger" bezeichnet wird 131 . Aus der Tatsache, dass nur eine Partei durch das anzufechtende Urteil beschwert ist, kann unter Umständen der Schluss gezogen werden, dass die Berufung in ihrem Namen eingelegt werden soll 132 . Dies setzt allerdings voraus, dass die Frage der Beschwer eindeutig ist. In diesem Fall ist es auch ohne Belang, wenn die Parteirollen irrtümlich vertauscht werden 1 3 3 . Die erforderliche Klarheit über die Person des Berufungsklägers muss bis zum 3 6 Ende der Berufungsfrist hergestellt sein 134 . Ergibt sie sich nur in Verbindung mit den Verfahrensakten und gehen diese erst nach Fristablauf beim Berufungsgericht ein, ist die Berufung unzulässig. Ebenso wenig kann ein an den Gegner gerichtetes Schriftstück herangezogen werden, wenn es nicht noch innerhalb der Frist zu den Gerichtsakten gelangt ist. Es reicht auch nicht aus, wenn das Berufungsgericht beim Prozessbevollmächtigten telefonisch Rückfrage hält, für wen er das Rechtsmittel einlegen will. Eine mündliche Klarstellung genügt nicht der in § 519 angeordneten Schriftform 1 3 5 , und zwar auch dann nicht, wenn sie in Form eines Aktenvermerks festgehalten wird. Eine entsprechende Anfrage des Gerichts ist daher nur eine Anregung, die erforderliche Erklärung unverzüglich schriftsätzlich nachzuholen. Die vorstehenden Grundsätze gelten auch bei Berufungseinlegung durch Tele- 3 7 gramm, Fernschreiben 136 oder Fax. b) Berufungsbeklagter. Auch die Benennung des Berufungsbeklagten ist ein not- 3 8 wendiges Erfordernis der Berufungsschrift 137 . Die ladungsfähige Anschrift oder die des erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten braucht allerdings ebenso wie beim Berufungskläger nicht unbedingt enthalten zu sein 138 . Aus der Tatsache, dass die Berufungsschrift gemäß § 521 S. 1 zugestellt werden muss, folgt nichts anderes. Die Zustellung kann noch nach Eingang der erstinstanzlichen Verfahrensakten bewirkt werden. Außerdem ist sie deswegen nicht Wirksamkeitsvoraussetzung für das Rechtsmittel, weil es sich bei der Einlegung der Berufung um eine Prozesshandlung handelt, die dem Gericht gegenüber vorzunehmen ist 139 . Die Zustellung dient lediglich der Unterrichtung des Gegners und geschieht, wenn die Berufungsfrist ausgeschöpft wird, ohnehin erst nach Fristablauf. Im Übrigen ist ihre Unterlassung nach § 295 heilbar 140 . c) Streitgenossen/Streithelfer. Hat in erster Instanz eine einfache Streitgenossen- 3 9 schaft bestanden, müssen zur Klarstellung, für wen die Berufung eingelegt wird,

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BGH VersR 1970, 1133. BGH VersR 1977, 1100 mit Anm. Späth. RGZ 125, 240, 241; BGH NJW-RR 1988, 1528. RGZ 125, 240, 241. BGHZ 21, 168 = NJW 1956, 1600; BGH VersR 1971, 763 (zur Revision) u. 1145; BGH VersR 1974, 1098; 1976, 492, 493. BGH NJW 1985, 2650 = VersR 1985, 1092 mit Anm. Westerhoff JR 1986, 269ff; BGH NJW 1997, 3383 = LM § 518 Abs. 2 Ziff. 1 ZPO Nr. 15. BGH VersR 1977,1100 mit Anm. Späth. BGHZ 65, 114 = NJW 1976, 108; zur Auslegung

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bei Unklarheit darüber, gegen welchen Streitgenossen sich die Berufung richtet s. BGH MDR 2003, 1934. BGHZ 65, 114, 116 = NJW 1976, 108; BGH NJW 1984, 58 = VersR 1983, 984, 985; BGH NJW 1985, 2651 = VersR 1985, 570. AA für das arbeitsgerichtliche Verfahren BAGE 27, 351, 353; BAG NJW 1975, 1429; BAG AP § 518 ZPO Nr. 37 mit Anm. Vollkommer NJW 1979, 2000. BGHZ 17, 234, 235; 65, 114, 116 = NJW 1976, 108; BGH NJW-RR 1991, 511. BGHZ 50, 397, 400 = JZ 1969, 235 mit Anm. Grunsky.

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§519

Drittes Buch. Rechtsmittel

grundsätzlich sämtliche Streitgenossen benannt werden 141 . Dies ist deswegen erforderlich, weil die Streitgenossenschaft im zweiten Rechtszug nicht fortgesetzt werden muss. Die Erklärung, die Berufung wird „Namens des Klägers" eingelegt, kann nicht auf eine am erstinstanzlichen Verfahren neben dem Kläger beteiligte Klägerin erstreckt werden. Die Formulierung, „... lege ich hiermit für den Kläger zu 1) Berufung ein", kann die übrigen Kläger nicht mit umfassen, so dass sie nicht Berufungskläger sind 1 4 2 . Ebenso wenig sind sämtliche Streitgenossen Rechtsmittelkläger, wenn von mehreren Streitgenossen der Vorinstanz nur einzelne unter genauer Namens- und Wohnsitzbezeichnung genannt werden 143 . Unzulässig ist auch eine Sammelbezeichnung wie „Wohnungseigentümergemeinschaft X " , wenn die Personengesamtheit als solche keine eigene Parteifähigkeit hat. Ist die Bezeichnung allerdings bereits im erstinstanzlichen Urteil verwendet worden, kann die Berufung nicht verworfen werden, wenn die Berufungsschrift dieses Rubrum wiedergibt, ohne die einzelnen Mitglieder zu bezeichnen 144 . Denn auch ein gegen eine nicht existierende Partei ergangenes Urteil kann mit der Berufung angefochten werden, um den hierdurch erzeugten Rechtsschein zu beseitigen. 40

Ein offensichtlicher Irrtum bei der Bezeichnung des Berufungsklägers kann - wie sonst auch - ohne weiteres von Amts wegen berichtigt werden. Hat die Klage in erster Instanz nur gegen einen Streitgenossen Erfolg gehabt und ist sie im übrigen abgewiesen worden, ist nicht davon auszugehen, dass die nicht beschwerten Streitgenossen Berufung einlegen wollen, auch wenn sie im Rubrum genannt sind und die Berufung „im Namen der Beklagten" eingelegt worden ist 1 4 5 . 41 Besteht die Streitgenossenschaft auf der Berufungsbeklagtenseite, kann großzügiger verfahren werden 146 . Ist eine gegen mehrere Streitgenossen gerichtete Klage abgewiesen worden, ist im Zweifel davon auszugehen, dass sich die Berufung gegen alle Streitgenossen richtet 147 . Daher reicht es z. B. aus, wenn in der Berufungsschrift nur der erste von mehreren Berufungsbeklagten aufgeführt wird oder wenn der Berufungskläger für die Beklagten eine Sammelbezeichnung (Bauherrengemeinschaft) verwendet und sich aus dem beigefügten Urteil der ersten Instanz ergibt, welche Personen damit gemeint sind 1 4 8 . Unschädlich ist es auch, wenn einige der genannten Streitgenossen nicht ausdrücklich als „Berufungsbeklagte" bezeichnet worden sind. Werden dagegen nur einige der Beklagten aus erster Instanz namentlich aufgeführt, liegt hierin mangels anderer Anhaltspunkte eine ausdrückliche Beschränkung der Berufung auf diese 149 . Dasselbe gilt, wenn die Berufung zwar „gegen die Beklagten" eingelegt worden ist, der Antrag sich aber ausdrücklich nur gegen einige der Streitgenossen richtet l s o . Wird dagegen der eine Streitgenosse ausdrücklich als Berufungsbeklagter, der andere hingegen nur mit seiner erstinstanzlichen Parteirolle bezeich141

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Zur Bezeichnung der Rechtsmittelkläger vgl. B G H VersR 1970, 1133; VersR 1976, 493; VersR 1985, 971. B G H N J W 1990, 2688, 2689. Z u m Fall, dass Streitgenossen Rechtsmittelgegner sind, vgl. B G H L M § 518 Abs. 2 Z P O Nr. 1, 3; B G H N J W 1988, 1204; B G H N J W 1994, 512, 514. B G H N J W 1993, 2943. O L G Celle NJW-RR 1990, 801. B G H N J W 1984, 58 = VersR 1983, 984; B G H VersR 1987, 261; B G H N J W 1994, 512, 514; B G H N J W 1988, 1204, 1205 = M D R 1988, 489; B G H BGH-Report 2 0 0 2 , 217.

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B G H N J W 1969, 928, 929; B G H VersR 1976, 493. Dies gilt auch dann, wenn einige nicht ausdrücklich als „Berufungsbeklagte" bezeichnet worden sind. B G H VersR 1989, 276; B G H N J W 1994, 512, 514; B G H N J W 2 0 0 2 , 831, 832 (fehlende Bezeichnung des Drittwiderbeklagten als „Berufungsbeklagter"). RG WarnRspr. 1929 Nr. 170; B G H N J W 1961, 2 3 4 7 = VersR 1961, 1092; B G H N J W 1969, 928, 929. B G H N J W 1991, 2775.

Uwe Gerken

1. Abschnitt. Berufung

§519

net, bestehen ernstliche Zweifel, ob sich das Rechtsmittel auch gegen ihn richtet. Dies führt zur Unzulässigkeit 151 . Anders ist es bei notwendiger Streitgenossenschaft (§ 62). Für und gegen sie kann 4 2 nur einheitlich entschieden werden 152 . Demgemäß ist davon ausgehen, dass die Berufung im Zweifel von allen Streitgenossen stammt bzw. sich gegen alle richtet. Wird sie ausdrücklich beschränkt, ist die Berufung unzulässig, soweit die Streitgenossenschaft auf der Berufungsbeklagtenseite besteht. Denn ein Rechtsmittel gegen die eine notwendige Streitgenossenschaft bildende Gegenpartei muss fristund formgerecht gegen alle Streitgenossen eingelegt werden, um eine einheitliche Entscheidung herbeizuführen. Dagegen wirkt die von einem Streitgenossen eingelegte Berufung auch für den oder die übrigen, die kein Rechtsmittel eingelegt haben 1 5 3 . Sie werden dann zwar nicht Rechtsmittelkläger, bleiben aber im Prozessverhältnis (vgl. § 511 Rdn. 29). Ein (einfacher) Streithelfer aus erster Instanz muss in der Berufungsschrift 4 3 genannt werden. Fehlt die Angabe, ist die Berufung aber gleichwohl wirksam 154 . 6. Unterschrift Die Berufungsschrift muss von einem beim Berufungsgericht zugelassenen Rechts- 4 4 anwalt eigenhändig unterschrieben worden sein 155 . Dies ist eine unerlässliche Wirksamkeitsvoraussetzung (zur Ausnahme beim Telegramm oder Fernschreiben s. aber Rdn. 48, zum Telefax Rdn. 49). Die Begründung für dieses Erfordernis lässt sich allerdings nicht unmittelbar aus dem Gesetz ableiten. Die Bezugnahme auf die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze in § 519 Abs. 4 scheint auf den ersten Blick sogar für das Gegenteil zu sprechen 156 . Denn § 130 Nr. 1 enthält insoweit nur eine Sollvorschrift. Hieraus folgt aber nicht, dass die Unterschrift entbehrlich ist. Da die Einreichung der Berufung eine das Verfahren unmittelbar gestaltende Prozesshandlung ist, handelt es sich der Berufungsschrift der Sache nach um einen bestimmenden Schriftsatz, so dass die hierfür maßgebliche Form zu beachten ist 157 . An dem Erfordernis der eigenhändigen Unterzeichnung ist trotz einiger Kritik 4 5 festzuhalten. Es handelt sich um prozessuales Gebot der Rechtssicherheit. Ein Schriftsatz ohne Unterschrift ist nur ein Entwurf. Erst mit der Unterzeichnung übernimmt der Anwalt die Verantwortung für die Erklärung. Mit der Unterschrift sollen 151 152

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BGH NJW 2003, 3203. BGHZ 23, 73, 74 = NJW 1957, 537 mit Anm. Johannsen LM § 62 ZPO Nr. 3. RGZ 157, 33, 39; BGHZ 23, 73, 74 = NJW 1957, 537 mit Anm. Johannsen LM § 62 ZPO Nr. 3. BAG NJW 1976, 727 = AP § 518 ZPO Nr. 33; BAG NJW 1978, 392. Grundlegend RGZ (GS) 151, 82, 83; BGH NJW 1955, 546 = JR 1955, 266; BGHZ 37, 156,157 = NJW 1962, 1724; BGHZ 65, 46, 47 = NJW 1975, 1704 = LM § 295 ZPO Nr. 28 mit Anm. Hoffmann; BGH NJW 1980, 291 = VersR 1980, 186; BGH VersR 1980, 331; BGHZ 92, 251 = NJW 1985, 328, 329; OLG München Rpfleger 1971, 188. S. auch BAG NJW 1976, 1285; BFH JZ 1970, 654; BFH NJW 1974, 1582; BSG NJW 1974, 1727; BVerwGE 13,141, 142 = NJW 1962, 555. Zu § 151 S. 1 DDR-ZPO s. BGH DtZ 1992,

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184 = MDR 1992, 608. AA OLG Saarbrücken NJW 1970, 434 u. OLG Frankfurt NJW 1977, 1246. Die Unterzeichnung des für die Handakten bestimmten Belegexemplars ist nicht erforderlich, BGH NJW 1976, 966 = LM § 518 Abs. 1 ZPO Nr. 18. Vgl. Kunz-Schmidt NJW 1987, 1296, 1298; Westerhoff JR 1986, 269, 273 unter Hinweis auf zwei insoweit nicht veröffentlichte Entscheidungen des BVerfG. Dem Gesetzgeber erschien die Notwendigkeit der Unterzeichnung im Anwaltsprozess derart selbstverständlich, dass er eine Klarstellung für entbehrlich hielt, vergl. Hahn, Materialien Bd. I S. 255: „Die Notwendigkeit der Unterschrift durch den Anwalt des Klägers ergibt sich aus dem Begriffe des Anwaltsprozesses von selbst".

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§519

Drittes Buch. Rechtsmittel

Streitigkeiten über die Urheberschaft der Prozesshandlung und eine etwaige Beweisaufnahme über ihre Wirksamkeit von vorn herein ausgeschlossen werden. 46

Der handschriftliche Namenszug kann nicht durch einen Faksimilestempel ersetzt werden 1 5 8 . Nicht formgerecht ist auch die Vorlage einer einfachen Kopie der Berufungsschrift, selbst wenn diese die auf dem Original befindliche eigenhändige Unterschrift zutreffend wiedergibt 1 5 9 . Es reicht auch nicht aus, wenn der Anwalt eine nicht unterzeichnete Berufungsschrift persönlich beim Gericht abgibt. Hierdurch kann er die durch die Unterschrift zu leistende Erklärung, dass er die Verantwortung für den Schriftsatz übernehmen will, nicht ersetzen 160 . Dies kann grundsätzlich auch nicht durch einen beigefügten oder später eingereichten Schriftsatz geschehen, in dem ausdrücklich auf die Berufungsschrift Bezug genommen wird 1 6 1 . Eine Ausnahme hat der B G H nur in dem Fall zugelassen, dass der beigefügte Schriftsatz mit der Berufungsschrift fest verbunden ist, so dass die Schriftstücke als Einheit anzusehen sind 1 6 2 . Bei fehlender Unterschrift ist die Urheberschaft nicht dadurch nachgewiesen, dass die Berufungsschrift vom Anwalt durch Einschreiben mit Rückschein versandt wird 1 6 3 . Es genügt auch nicht, wenn der Anwalt einen Schriftsatz mit seiner Blankounterschrift hinterlässt und eine Büroangestellte hieraus weisungsgemäß eine Berufungsschrift fertigt 1 6 4 . Denn eine eigenverantwortliche Prüfung des Inhalts hat in diesem Fall nicht stattgefunden.

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Stammt die Unterschrift von einem postulationsfähigen Anwalt, ist es unschädlich, wenn der N a m e des Anwalts im Briefkopf falsch wiedergegeben ist, so etwa bei Verwendung eines Briefbogens des erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten. Hieraus kann auch nicht geschlossen werden, dass der Berufungsanwalt nicht im eigenen Namen, sondern in fremden Namen handeln wollte 1 6 5 oder dass es sich nicht um seine geistige Erklärung handelt 1 6 6 . Fehlt die Unterschrift unter der Berufungsschrift, ist aber der Beglaubigungsvermerk auf den beigefügten Abschriften ordnungsgemäß unterschrieben, liegt ein Formmangel nicht vor. Denn durch den Beglaubigungsvermerk ist die Urheberschaft ausreichend nachgewiesen 1 6 7 .

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Eine Ausnahme vom Erfordernis der eigenhändigen Unterzeichnung wird bei der Rechtsmitteleinlegung durch Telegramm und Fernschreiben gemacht. Die Rechtsprechung hat diese Formen der Rechtsmitteleinlegung zugelassen, um damit der technischen Entwicklung Rechnung zu tragen 1 6 8 (zur fernmündlichen Aufgabe des Telegramms bzw. fernmündlichen Durchsage des Teigrammtextes s. oben Rdn. 17). Allerdings hat dieses Argument inzwischen mit der Einführung des Telefax seine Berechtigung weitgehend verloren. Hierdurch ist es möglich, die anwaltliche Unterschrift in Kopie zu übermitteln. Da inzwischen Telefaxgeräte allgemein verbreitet sind, wird die Rechtsprechung zu prüfen haben, ob noch ein hinreichender Grund 158

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B G H N J W 1955, 546 = J R 1955, 266 = L M s 518 Abs. 1 Z P O Nr. 3. AA für das verwaltungsgerichtliche Verfahren BVerwG N J W 1971, 1054. B G H N J W 1962, 1505, 1507 = M D R 1962, 636 (zum Patentnichtigkeitsverfahren). B G H N J W 1980, 291 = VersR 1980, 186; B G H VersR 1983, 271; O L G München N J W 1979, 2 5 7 0 = M D R 1980, 61; aA O L G Frankfurt N J W 1977, 1246. B G H Z 37, 156 = N J W 1962, 1724; VersR 1973, 636 (zum Fall dass der unterschrieben Berufungsschrift eine nicht unterschriebene Begründungsschrift beigefügt ist).

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