Zitier- und Zutrittsrecht im parlamentarischen Regierungssystem [1 ed.] 9783428451555, 9783428051557

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Zitier- und Zutrittsrecht im parlamentarischen Regierungssystem [1 ed.]
 9783428451555, 9783428051557

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Beiträge zum Parlamentsrecht

Band 3

Zitier- und Zutrittsrecht im parlamentarischen Regierungssystem Von

Dr. Heinz-Wilhelm Meier

Duncker & Humblot · Berlin

HEINZ-WILHELM MEIER

Zitier- und Zutrittsrecht im parlamentarischen Regierungssystem

Beiträge zum Parlamentsrecht Herausgegeben von Norbert Achterberg

Band 3

Zitier- und Zutrittsrecht im parlamentarischen Regierungssystem

Von

Dr. Heinz-Wilhelm Meier

DUNCKER & HUMBLOT / BERLIN

D6

Alle Rechte vorbehalten & Humblot, Berlin 41 Gedruckt 1982 bei Berliner Buchdruckerei Union GmbH., Berlin 61 Printed in Germany

© 1982 Duncker

ISBN 3 428 05155 6

Für Carmen, Leif Hendrik und Jan Frederik

Geleitwort Die wissenschaftliche Durchdringung des Parlamentsrechts erfordert die eingehende Befassung mit seinen Instituten, vor allem der Organisation, der Funktion und dem Verfahren des Parlaments. Dies ist eine umfangreiche Aufgabe, die mit der wünschenswerten Gründlichkeit nur schrittweise erfolgen kann. Die vor einigen Jahren in demselben Verlag erschienene umfangreiche Arbeit von Siegbert Morscher über das parlamentarische Interpellationsrecht stellt hierfür ein gelungenes Beispiel dar. Der Verfasser der vorliegenden Schrift wendet sich zwei weiteren, für das Zusammenspiel von Parlament und Regierung im parlamentarischen Regierungssystem bedeutsamen Instituten zu, nämlich dem Zitierrecht des Parlaments und dem Zutrittsrecht der Mitglieder der Regierung - im Bund auch des Bundesrats - sowie ihrer Beauftragten zu den Sitzungen des Parlaments und seiner Ausschüsse. Im Hinblick darauf, daß es sich bei beiden Rechten nicht erst um im gegenwärtigen Parlamentsrecht anzutreffende, sondern um historisch überkommene Befugnisse handelt, enthält das Buch einen breit angelegten geschichtlichen Teil, in dem der Verfasser von ihren ersten Ausprägungen im Pariser parlement und im englischen Parlament über den Frühkonstitutionalismus und den Konstitutionalismus bis zur Gegenwart fortschreitet. Dieser Teil bildet die Grundlage für die Behandlung der heutigen Ausgestaltung der beiden Institute. Der Verfasser setzt so dann zunächst das Zitierrecht in Beziehung zu weiteren Einrichtungen - insbesondere den Anfragen - , wobei er zu klaren Ergebnissen hinsichtlich des Unterschieds zwischen Herbeirufungsbefugnis und Interpellation, der Zuordnung der Herbeirufung unter die schlichten Parlaments beschlüsse sowie ihrer Erzwingbarkeit durch verfassungs rechtliche Organstreitigkeit gelangt. Unter Heranziehung des Kanons der Auslegungsmethoden beantwortet er ferner die im Grundgesetz nicht ausdrücklich gelöste, in der Rechtswissenschaft umstrittene Frage, ob aus dem Zitierrecht auch die Pflicht des Zitierten folgt, im Parlament "Rede und Antwort zu stehen". Er verneint sie überzeugend, erkennt dem Zitierrecht jedoch eine "Warnfunktion" zu, aufgrund deren es bei mangelnder Auskunftserteilung einen Schritt

8

Geleitwort

zum Mißtrauens- oder zumindest MißbilligungsvDtum zu bilden vermag. Ähnlich wie das Zitierrecht wird auch das Zutritts recht auf seine einzelnen Bestandteile untersucht. Die Darlegungen werden ergänzt durch intra- und internationalrechtsvergleichende Untersuchungen zum Zitier- und zum Zutrittsrecht in den Gliedstaaten der Bundesrepublik Deutschland und in anderen Staaten Westeuropas, durch welche die systematische Darstellung abgerundet wird. Die Schrift wird von der Hoffnung begleitet, daß sie als Bereicherung der Parlamentsrechtswissenschaft aufgenommen werden wird.

Norbert Achterberg

Vorwort Die nachfolgende Untersuchung war Thema einer Dissertation, die bereits Ende 1980 fertiggestellt wurde. Rechtsprechung und Literatur konnten daher lediglich bis Ende 1980 Berücksichtigung finden. Die Veröffentlichung der vorliegenden Untersuchung wurde ermöglicht durch Bewilligung eines Druckkostenzuschusses seitens der Westfälischen Wilhelms-Universität zu Münster und durch die Unterstützung von Herrn Prof. Dr. Norbert Achterberg. Herrn Prof. Achterberg gebührt darüber hinaus Dank für die freundliche Begleitung und wissenschaftliche Beratung bei der Anfertigung der Untersuchung. Für ihre Mitwirkung ist weiterhin den Mitarbeitern des Instituts für öffentliches Recht und Politik an der Westfälischen Wilhelms-Universität zu danken, die es übernommen hatten, die Untersuchung durch Erstellung eines Sachverzeichnisses in der nunmehr vorliegenden Form fertigzustellen. Dieses Buch habe ich meiner Frau und meinen Kindern gewidmet. Ohne ihre Rücksichtnahme und Unterstützung hätte die Untersuchung nicht abgeschlossen werden können. Bremerhaven, im Mai 1982

Heinz- Wilhelm Meier

Inhaltsverzeichnis

Vorbemerkung

19

Einleitung

21

............................................................

1. Teil Parlamentarische Regierungssysteme in Deutschland 1.

Begriff "parlamentarisches Regierungssystem"

22

1.1.

Parlament. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

23

1.1.1.

24

1.1.2.

Das Parlament von Paris Das englische Parlament

1.2.

Parlamentarismus

27

1.3.

Parlamentarisches Regierungssystem ..........................

29

2.

Entwicklung zum parlamentarischen Regierungssystem ........

32

2.1. 2.1.1.

Der Wiener Kongreß .......................................... Ansätze zu parlamentarischer Regierungsweise bis 1820 ........

33 34

2.1.2.

Festschreibung des monarchischen Prinzips: Reaktion .......... Verfassungsbewegung bis 1848 ................................

38 40

Die 48er Revolution in Deutschland ............................ Die preußischen Verfassungen ................................

42 43

Die Reichsverfassung vom 28. März 1849........................

44

2.1.3. 2.2.

2.2.1. 2.2.2. 2.3. 2.3.1. 2.3.2.

25

Die Verfassung des Norddeutschen Bundes und die Reichsverfassung von 1871 .............................................. 47 Ablehnung des parlamentarischen Regierungssystems .......... 47 Konstitutionelle oder parlamentarische Monarchie (28.10. 1918)? 50

2.4.

Weimarer Reichsverfassung und parlamentarisches Regierungssystem ........................................................

52

2.5.

Grundgesetz und parlamentarisches Regierungssystem . . . . . . . . ..

54

12

Inhaltsverzeichnis 2. Teil

Zitier- und Zutrittsrecht im deutschen Parlamentsrecht Einführung

56

1. Abschnitt: Entstehungsgeschichte ....................................

58

1.

Erste Normierung der Institute. . . .. ... . .. . . . . . . . . . . . . . .. . . . . ..

58

1.1.

Frankreich ....................................................

58

1.2.

Belgien

60

2.

Verankerung in Verfassungen deutscher Länder bis 1848 ......

61

2.1.

Zitierrecht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

61

2.2.

Zutrittsrecht ..................................................

63

2.3.

Bedeutung der übernahme entsprechender Vorschriften ........

65

3.

Entwicklung der Institute zwischen 1848 und 1918 ..............

68

3.1. 3.1.1. 3.1.2. 3.1.3.

Preußen... .. . . .. . . .. .. ... . ... . .. ... ... .. . . . . . .. . .. . .. . ... . ... Aufnahme der Institute in die Verfassung .................... Bewährungsprobe Ausgestaltung beider Institute

63 69 70 71

3.2. 3.2.1. 3.2.2. 3.2.2.1. 3.2.2.2.

Entwicklung auf Bundesebene Unterschiedliche Rezeption der Institute Norddeutscher Bund und Deutsches Reich ...................... Zutrittsrecht und Reichstagspraxis ............................ Zitierrecht und Reichstagspraxis ..............................

73 73 75 75 77

4.

Zitier- und Zutrittsrecht nach der Weimarer Reichsverfassung ..

82

4.1.

Aufnahme der Institute Zitier- und Zutrittsrecht ..............

82

4.2.

Zitier- und Zutrittsrecht im parlamentarischen Regierungssystem der Weimarer Republik........................................ Ausgestaltung des Zitierrechts ................................ Zutritts- und Rederecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

83 83 86

2. Abschnitt: Gegenwärtige Ausgestaltung beider Institute im Bund ....

88

1.

Das Zitierrecht ................................................

88

1.1. Terminologische Grundlagen .................................. 1.1.1. Kontrollrecht unter anderen? .................................. 1.1.1.1. Große Anfragen .............................................. 1.1.1.2. Kleine Anfragen ..............................................

89 90 92 93

4.2.1. 4.2.2.

Inhaltsverzeichnis

13

1.1.1.3. Einzelfragen .................................................. 1.1.1.4. Aktuelle Stunde .............................................. 1.1.1.5. Zitierrecht als Kontrollinstrument ............................ 1.1.2. Interpellations- und Zitierrecht ................................ 1.1.2.1. Interpellation als Oberbegriff.................................. 1.1.2.2. Enger Begriff "Interpellation" .......... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1.3. Zitierrecht als eigenständiges Institut. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1.3.1. Identitätsthese und Primat des Interpellationsrechts ............ 1.1.3.2. Konkretisierungsthese .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 1.1.3.3. Geschäftsordnungsmäßige Handhabung des Zitierrechts ........ 1.1.3.4. Justiziabilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 1.1.3.4.1. Charakteristik ................................................ 1.1.3.4.2. Rechtsweg ....................................................

93 94 96 97 98 98 99 99 100 101 103 104 105

1.2. 1.2.1. 1.2.2. 1.2.3. 1.2.4. 1.2.5. 1.2.6. 1.2.7. 1.2.7.1. 1.2.7.2.

Aktivlegitimierte "Der Bundestag" "Der Bundesrat" Ausschüsse des Bundestages Ausschüsse des Bundesrates .................................. Untersuchungsausschüsse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. Unterausschüsse .............................................. Gemischte Ausschüsse ........................................ Gemeinsame Ausschüsse ...................................... Enquetekommissionen

107 107 108 111 115 117 120 121 122 124

1.3. 1.3.1. 1.3.2.

Passivlegitimierte 128 Bundeskanzler und Bundesminister ............................ 128 Staatssekretäre und sonstige Beamte .......................... 130

1.4. Konsequenzen aus der Ausübung des Zitierrechts .............. 1.4.1. Pflicht zum Erscheinen ........................................ 1.4.2. Pflicht zur Auskunftserteilung? ................................. 1.4.2.1. Grammatische Auslegung...................................... 1.4.2.2. Historische Auslegung ........................................ 1.4.2.3. Systematische Auslegung ...................................... 1.4.2.4. Teleologische Auslegung ...................................... Ergebnis und Stellungnahme .................................. 1.4.3.

131 131 134 135 136 138 144 144

2.

Das Zutrittsrecht .............................................. 146

2.1.

Terminologische Grundlagen .................................. 147

2.2. 2.2.1. 2.2.2.

Aktivlegitimierte .............................................. 151 Die Mitglieder des Bundesrates und ihre Beauftragten 152 Mitglieder der Bundesregierung und ihre Beauftragten ........ 155

2.3. 2.3.1. 2.3.1.1.

Reichweite des Zutrittsrechts .................................. 155 Zutrittsrecht zu Ausschüssen von Bundesrat und Bundestag .... 159 Wahlprüfungsausschuß ........................................ 160

14

Inhaltsverzeichnis

2.3.1.2. 2.3.1.3. 2.3.1.4. 2.3.2. 2.3.2.1. 2.3.2.2. 2.3.2.3.

Untersuchungsausschüsse ...................................... Petitions ausschuß ............................................ Unterausschüsse .............................................. Gemischte Ausschüsse ........................................ Vermittlungsausschuß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. Der Gemeinsame Ausschuß .................................... Enquetekommissionen

163 166 167 168 168 170 174

3.

Anhörungs- oder Rederecht .................................. 174

3.1.

Ausgestaltung nach dem Grundgesetz .......................... 175

3.2.

Geschäftsordnungsmäßige Handhabung ........................ 177

3.3.

Charakter und Justiziabilität .................................. 179

4.

Ordnungsgewalt in den Gremien .............................. 179

3. Abschnitt: Intranationale Rechtsvergleichung ........................ 181

181

1.

Einführung

2.

Das Zitierrecht in den Länderverfassungen .................... 183

2.1.

Inhaber des Zitierrechts ...................................... 184

2.2.

Adressaten des Zitierrechts .................................... 185

2.3.

Auskunftspflicht der Zitierten ................................ 186

3.

Das Zutrittsrecht in den Länderverfassungen .................. 188

4.

Rederecht und Ordnungsgewalt in den Landesparlamenten .... 188 3. Teil

Internationale Reclltsvergleicllung 191

1.

Das Zitierrecht als Institut westeuropäischer Verfassungen

1.1.

Ausdrückliche Aufnahme des Instituts Zitierrecht in westeuropäische Verfassungen .......................................... 192

1.2.

Vergleichbare Bestimmungen in westeuropäischen Verfassungen 193

2.

Das Zutrittsrecht als Institut westeuropäischer Verfassungen .... 195

Schlußbetrachtung

.................................................... 197

Anlage ................................................................ 201 Literaturverzeichnis

227

Sachverzeichnis ....................................................... 243

Abkürzungsverzeichnis a.A. A.A. Abg. abw. AÖR arg. aRV ASL. B

Ba BadWüVerfU BayerLV BayVerfU BBG berlLV BGBL BMI BMJ bremLV Brg. BT. BVerfGE BVerfGG BWG bwLV BWO d.h. DÖV DJZ DJT DRiZ Drs. DVBI. E ed.Ed. Erl. EvStL Fn. frz. GeschORT ges. GG ggf. GGO I und II GMBl. GOAvB GOBM GOBR

anderer Ansicht Auswärtiges Amt Abgeordneter abweichend Archiv des öffentlichen Rechts argumentum alte Reichsverfassung (1871) Allgemeine Staatslehre Bayern Baden Baden-Württembergische Verfassungsurkunde Bayerische Landesverfassung Bayerische Verfassungsurkunde Bundesbeamtengesetz Berliner Landesverfassung Bundesgesetzblatt Bundesinnenminister/Bundesministerium des Innern Bundesjustizminister/Bundesministerium der Justiz Bremische Landesverfassung Braunschweig Bundestag Entscheidungssammlung des Bundesverfassungsgerichts Bundesverfassungsgerichtsgesetz Bundeswahlgesetz Baden-Württembergische Landesverfassung Bundeswahlordnung das heißt Die öffentliche Verwaltung Deutsche Juristen-Zeitung Deutscher Juristentag Deutsche Richterzeitung Drucksache Deutsches Verwaltungsblatt Entscheidung herausgegeben,Herausgeber Erläuterung Evangelisches Staatslexikon Fußnote französisch Geschäftsordnungen des Reichstages gesammelte Grundgesetz gegebenenfalls Gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesministerien Teil I und II Gemeinsames Ministerialblatt Geschäftsordnung des Abgeordnetenhauses von Berlin Geschäftsordnung der Bundesministerien Geschäftsordnung des Bundesrates

16 GOBS GOBT GoBuReg GOGA GOVermA GVB1. GVG

H

HA hambLV Han HehE HD hessLV HessStGH

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h.M. herg. Hrsg. HS i. d. F. i. d. S. i. o. b. S.

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i. V.m.

JÖR K. KH KSZE L

LB LD 1. Sp. LT Lu m.a.W. MdB MdBR md1. m.w.N. Na ndsLV NdsSTGH n.F. nieder1. Verf. nrwLV NV o. o. a. österr. Verf. ParlStG preuß. Prot. PVS R Rdnr. rhphLV

Abkürzungsverzeichnis Geschäftsordnung des Bayerischen Senates Geschäftsordnung des Bundestages Geschäftsordnung der Bundesregierung Geschäftsordnung des Gemeinsamen Ausschusses Geschäftsordnung des Vermittlungsausschusses Gesetz- und Verordnungsblatt Gerichtsverfassungsgesetz Holstein Hauptausschuß Hamburgische Landesverfassung Hannover Bericht über den Verfassungskonvent von Herrenchiemsee Hessen-Darmstadt Hessische Landesverfassung Hessischer Staatsgerichtshof Hohenzollern - Hechingen herrschende Meinung herausgegeben,Herausgeber Hohenzollern-Sigmaringen in der Fassung in diesem Sinne im oben beschriebenen Sinne Interpellationsrecht in Verbindung mit Jahrbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart Kommission Kurhessen Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa Liechtenstein Lehrbuch Lippe-Detmold linke Spalte Landtag Luxemburg mit anderen Worten Mitglied des Bundestages Mitglied des Bundesrates mündlich mit weiteren Nachweisen Nassau Niedersächsische Landesverfassung Niedersächsischer Staatsgerichtshof neue Fassung niederländische Verfassung Nordrhein-Westfälische Landesverfassung Nationalversammlung oben oben angegeben österreichische Verfassung Gesetz über die Rechtsverhältnisse der Parlamentarischen Staatssekretäre preußisch Protokolle Politische Viertelj ahresschrift Reichswirtschaftsrat Randnummer(n) Rheinland - Pfälzische Landesverfassung

Abkürzungsverzeichnis RT RTO r.Sp. RV S. Sa SA saarLV SCS schwed. Verf., RTO SH SL Sp. SR SS StenBer. StenBerNatVers. StPO SWE SV USVerf.

v.

VA Verf. VerfDK VerfIL VermA VL VerwArch VerwRspr. VVDStRL VwGO W Wa WP WPA WPG WRV wü ZParl.

Reichstag Reichstagsordnung rechte Spalte Reichsverfassung Seite(n); auch: Satz Sachsen Sachsen-Altenburg Saarländische Landesverfassung Sachsen-Coburg-Saalfeld Schwedische Verfassung, Reichstagsordnung Sachsen- Hildburghausen Schaumburg-Lippe Spalte(n) Schwarzburg-Rudolfstadt Schwarzburg-Sonderhausen Steno graphische Berichte Stenographische Berichte über die Sitzungen der Nationalversammlung zu Frankfurt Strafprozeßordnung Sachsen -Weimar-Eisenach Sachverständige(r) Verfassung der Vereinigten Staaten von Amerika von, vom Verfassungsausschuß Verfassung Verfassung Dänemarks Verfassung Islands Vermittlungs ausschuß Verfassungslehre Verwaltungsarchiv Verwaltungsrechtsprechung in Deutschland Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen S taa tsrechtslehrer Verwal tungsgerichtsordnung Württemberg Walde.ck Wahlperiode Wahl prüfungs ausschuß Wahlprüfungsgesetz Weimarer Reichsverfassung württembergisch Zeitschrift für Parlamentsfragen

17

Vorbemerkung Die vorliegende Untersuchung will sich mit den Instituten Zitierund Zutrittsrecht und deren Ausgestaltung im parlamentarischen Regierungssystem beschäftigen. Die historische Entwicklung sowie die gegenwärtige Ausgestaltung im Regierungssystem der Bundesrepublik Deutschland werden hierbei einen breiten Raum einnehmen, wenngleich auch nicht den alleinigen. Andere politische Systeme - dieser Begriff soll hier als umfassender Gattungsbegriff verstanden werden - finden Berücksichtigung, soweit es im Rahmen dieser Untersuchung für erforderlich erachtet wird. Dies kommt vorrangig bei einer historischen Analyse in Betracht, die zwangsläufig andere Staats- und Regierungsformen antreffen muß, was gleichwohl für ein tiefergehendes Verständnis der zu würdigenden Institute unerläßlich erscheint. Diesem tiefergehenden Verständnis des Zitier- und Zutrittsrechts im parlamentarischen Regierungssystem dient abschließend eine internationale Rechtsvergleichung, deren Umfang sich auf einen Vergleich mit den westeuropäischen Kontinentalstaaten einschließlich Großbritanniens beschränkt. Die Untersuchung will also den Blick auf einen eng begrenzten Ausschnitt staatlichen Lebens lenken. Damit ist bereits angezeigt, daß diese Institute nicht isoliert, sondern als Teil eines Ganzen, eines Teilbereichs eines politischen Systems betrachtet werden müssen. Zugleich sind danach u. a. Relationen geschaffen zu der "Verfassung" eines Staates, seinem "Regierungssystem" und nicht zuletzt seiner "Staatsform" insgesamt - Begriffen, die in einern inneren Abhängigkeitsverhältnis zueinander stehen. Die Inanspruchnahme der Begriffe "Staatsform" und "parlamentarisches Regierungssystem" birgt nun allerdings schon vor Eintritt in den eigentlichen Gegenstand der Untersuchung die Gefahr in sich, für Verwirrung zu sorgen. Zwar haben sie ihre festen Plätze in der Wissenschaft eingenommen. Auch heute noch kann es aber nicht als unstreitig angesehen werden, was darunter überhaupt zu verstehen ist!. 1 So auch Ermacora, S. 418 ff., der von "willkürlicher" Verwendung des Begriffs "Staatsform" spricht; vgl. auch die umfassende übersicht bei Küchenhoff, Staatsformenlehre, S. 35 ff.

2*

20

Vorbemerkung

Da nun ein Abhängigkeitsverhältnis der Institute Zitier- und Zutrittsrecht gegenüber Staatsform und Regierungssystem nicht schon von vornherein ausgeschlossen werden kann2 , erscheint es unumgänglich, darüber eine Aussage zu treffen, um damit für die nachfolgende Untersuchung eine tragfähige Arbeitsgrundlage zu schaffen. Dabei kann es naturgemäß nicht die Absicht sein, hier eine eingehende Klärung vorzunehmen, zumal die Typisierung insbesondere der Staatsformen und der Regierungssysteme zu den ältesten Problemen der Allgemeinen Staatslehre zählt3 • Es sollen daher im folgenden lediglich die Ansatzpunkte skizziert werden, die der Untersuchung zugrunde gelegt werden.

2 Vgl. etwa Giese zu Art. 43 GG, S. 44 unter 11; vMK S. 936 unter 111; andererseits MDHS zu Art. 43 GG, Rdnr. 1; Schröder, M (2) zu Art. 43 GG, Rdnr. 21 - 24. S Statt vieler vgl. bei Jellinek, ASL, S. 662, Fn. 1.

Einleitung Die Untersuchung der Institute Zitier- und Zutrittsrecht wirft die Frage nach der Machtverteilung im Staate auf, und zwar der zwischen den einzelnen Staatsorganen. Es wird daher zunächst als Ansatzpunkt mit der klassischen Dreiteilungslehre von einer Einteilung der Staatsformen nach der Staatsträgerschaft ausgegangen. Hiernach werden unterschieden: Monokratien, Aristokratien und Demokratien l . Träger der Staatsgewalt ist in einer Monokratie eine Einzelpersönlichkeit, in einer Aristokratie eine - häufig ständisch bestimmte - Minderheit und schließlich in der Demokratie die Gesamtheit des Volkes. Ausgehend hiervon lassen sich die Staatsformen u. a. kategorisieren nach den Kriterien der Aufteilung der Staatsgewaltsausübung, so daß sich letztlich eine Vielzahl von Unter- und Mischformen herausbilden läßt. Hiervon interessieren für die weiteren Betrachtungen als Unterform der Monokratie die Monarchie - absolute und konstitutionelle - und die Demokratie mit ihrer Ausprägung als unmittelbare sowie repräsentative Demokratie. Letztere wird wiederum von Bedeutung sein als sog. parlamentarische Demokratie mit präsidialer, monarchischer und direktorialer Spitze2 • Diese Ein- und Unterteilung in zugegebenermaßen immer noch sehr komplexe Begriffe soll für die nachfolgenden Untersuchungen zunächst ausreichen3 , wobei auf den Begriff und das Wesen des sog. parlamentarischen Regierungssystems sogleich noch näher eingegangen werden soll.

1 Dazu: Nawiasky (3), Bd. 4, S. 24 ff.; Zippelius, S. 63 ff.; Küchenhoff, E. und G., S. 209 ff.; s. dagegen auch bei: Jellinek, ASL, S. 661 ff., 669, 710 ff.; Loewenstein, VL, S. 50 ff., 67 ff.; Hatschek (1), S. 5 f., 10 f.; vgl. auch H. Heller, SL, S. 246. 2 Im einzelnen dazu: Küchenhoff, ASL, S. 209 ff.; Herzog, Artikel "Staatsformen", in: Handwörterbuch der Sozialwissenschaften 1956, Bd. 9, S. 742; Zippelius, ALS, S. 74 ff.; Imboden, S. 14 ff. S Im übrigen vgl. die bspw. durch dimensionale Methode gewonnenen präzisierten Begriffe bei Küchenhoff, S. 872 ff.

1. TEIL

Parlamentarische Regierungssysteme in Deutschland 1. Begrüf "parlamentarisches Regierungssystem" Wurden vorstehend einige Probleme, die sich im Zusammenhang mit dem Begriff "Staatsform" aufdrängen, lediglich angedeutet und kurz umrissen, so gilt es nunmehr, den Begriff "parlamentarisches Regierungssystem" einer näheren Betrachtung zu unterziehen, um danach die Institute Zitier- und Zutritts recht in einem solchen System eingehend untersuchen zu können, zumal die Frage aufzuwerfen ist, ob sie nicht Ausdruck und zwangsläufiger Ausfluß eines solchen Systems darstellen. Der Begriff "parlamentarisches Regierungssystem" wird nicht immer einheitlich und gleichbedeutend verwendet. Seine Inanspruchnahme auch in der Politikwissenschaft und insbesondere im täglichen Sprachgebrauch vor allem der Massenmedien Rundfunk und Fernsehen führen mitunter zu begrifflichen Vieldeutigkeiten und Mißverständnissen 1 • Diese werden nicht zuletzt dadurch verstärkt, daß in der staatsrechtlichen Literatur neben diesen Begriff für das Verhältnis Parlament Regierung weitere Bezeichnungen hinzutreten wie etwa: parlamentarische Regierung, Parlamentarismus, verantwortliche Regierung, Parteiregierung USW,2, Ähnlich, wie etwa dem Versuch, "Demokratie" definitorisch und allgemeingültig zu erfassen, Bedenken begegnen müssen, so kann auch das parlamentarische Regierungssystem schlechthin in dieser Weise nicht erfaßt werden3 • Hier wie dort scheint eine Charakteristik nur möglich mit Hilfe von Einzelmerkmalen4 , Lippert, S. 35; MDHS zu Art. 20 GG, Rdnr. 78. Schmitt, VL, S. 303 ff.; Monz, S. 13; Rausch (2), S. 15 f.; Glum (1), S. 1 f.; Kluxen, S. 17; v. Beyme, S. 21, 24, 29 ff., 40 ff.; Röhring, S. 342 ff.; Ellwein, S.15. 3 So auch Kluxen, S. 17, 18; Stern, S. 741; vgl. bspw. die Definition von Fraenkel bei Stammen, S. 54; dagegen auch Schnapp, in: v. Münch zu Art. 20 GG; BVerfGE 1, 14,33; 20, 56,98 ff; Achterberg (1), S. 695 f. « v. Beyme, S. 40, 41. 1

2

1. Begriff "parlamentarisches Regierungssystem"

23

1.1. Parlament

Die Entstehung der Begriffe "Parlamentarismus" und "parlamentarisches Regierungssystem" ist undenkbar ohne die Begriffsschöpfung "Parlament" . "Parlament" ist heute die allgemein gewordene Bezeichnung für eine Vertretungskörperschaft. Man stellt sich darunter in der Regel ein oberstes Staatsorgan in einer repräsentativen Demokratie vor, dem ein maßgeblicher Einfluß auf die staatliche Willensbildung zugeschrieben wird. Seine Bestellung erfolgt danach auf regionaler Basis durch Wahlen. Seine Zuständigkeit erstreckt sich zumindest auf das Gesetz-· gebungs- und Budgetrecht. Weitere zentrale Kompetenzen liegen in der Regierungs- und Verwaltungskontrolle5 • Blickt man in der Geschichte zurück, so lassen sich zwar ständische Vertretungskörperschaften seit dem Hochmittelalter bereits in ganz Europa feststellen und als deren Vorläufer die sog. Hof- und Reichstage - wiederum mit ihrem Keim teilweise in den sog. Fürstenräten nachweisen6 • Aber unter den obengenannten Voraussetzungen erfüllen diese Institutionen nicht die Minimalbedingungen, die an moderne Parlamente gestellt werden. Das Wort "Parlament" - eng!. Parliament, frz. Parlement, abgeleitet vom mittelalterlichen vulgärlatein. parlamentum: Gespräch7 gelangte von Frankreich und England, wo es seit dem 13. Jahrhundert gebräuchlich war, in den deutschen Rechtskreis. Anfangs glichen sich die als Parlamente bezeichneten Institutionen in Frankreich und England, die beide ihre Wurzeln im königlichen Hofrat (curia re gis) hatten. Sie nahmen aber von hier an eine unterschiedliche Entwicklungs.

5 So oder ähnlich: Rausch (2), S. 15; Röhring, S. 322; Wasser, S. 13; Henke, EvSL, Sp. 1762. 6 Vgl. dazu: Mitteis / Lieberich, S. 25, 54, 183 ff., 217 ff.; Rausch (2), S. 15; Kopp, Parlamente; Holtzmann, S. 96 ff.; kurzer Überblick auch bei Loewenberg, S. 25 ff.; sowie Geschichte und Allgemeines bei Fischbach (2), 1. Teil, S. 47 ff. 7 Parlamentum kommt von paraulare oder parabolare (parabola = Wort, Gleichnis), wie hier auch Mattern, S. 1, Fn. 1; Barker, in: Parlamentarismus, S. 59; Stern, S, 10; Treue, S. 9. 8 Göhring, S. 62; hinsichtlich der Volksvertretungen und ständischen Vertretungskörperschaften siehe Beiträge bei Rausch (4); zur Durchsetzung des Begriffs "Parlamentarismus" und "parlamentarisches Regierungssystem": v. Beyme, S. 34 ff.; Überblick über die Entwicklung deutscher Parlamente: Schlötterer, S. 128 ff.; Mattern, S. 1: "In Deutschland heißt es zuerst von den Sitzungen des mittelalterlichen Reichstages: ,anno 1344 kompt das gantz reich zu Frankfurt inns parlament'."

24

1. Teil: Parlamentarische Regierungssysteme in Deutschland

1.1.1. Das Parlament von Paris

In Frankreich entwickelte sich ein solches Parlament aus der curia re gis, einem Organ für die gesamte Staatsverwaltung, das während des 12. Jahrhunderts insbesondere unter Philipp 11. August (1180 - 1223), Ludwig VIII. (1223 - 1226, der Löwe), Ludwig IX. (1226 - 1270, der Heilige) und Philipp III. (bis 1285, der Kühne) zu großer Bedeutung gelangt war und nunmehr auch Fachberater (consiliarii) zu seinen Mitgliedern zählte. Aufgrund dieser Entwicklung bildeten sich aus diesem Organ drei Kammern heraus: Staatsrat, Rechnungshof und Parlament. Gerichtssitzungen hatten sich in einem allmählichen Prozeß von den Versammlungen für die übrigen Staatsangelegenheiten abgesondert. Man beschrieb diese Gerichtssitzungen schließlich als curia regis in parlamento oder Parlament, wobei das Wort "parlamentum" erstmals 1239 gebräuchlich war9 • Hatte das Parlament zunächst noch an verschiedenen Orten - meist durch den Aufenthaltsort des Königs bestimmt getagt, so wurde es etwa seit Mitte des 13. Jahrhunderts (1254?) zur festen Institution in Paris10 •

Von größerem Interesse als die Herausbildung eines Appellationsgerichts in Paris ist hier nun allerdings der Umstand, daß diesem "Parlament" gewisse politische und administrative Tätigkeiten nicht verlorengingen. Hervorzuheben ist insbesondere die Befugnis, königliche Erlasse (droit d'enregistrement) zu protokollieren, sowie das Recht, eigenständig an der Gesetzgebung (arrets de reglement) teilzunehmen. Aus der Registrierung königlicher Erlasse entwickelte sich seit Anfang des 14. Jahrhunderts der Brauch, über diese Erlasse vor der Eintragung - die sie im übrigen rechtskräftig werden ließ - Debatten im Parlament zu führen. Man besaß das Recht (droit de remonstrances), Einwände zu erheben, bis hin zur gänzlichen Versagung der Eintragungl l • Es lassen sich damit durchaus in Ansätzen Vorläufer modernen parlamentarischen HandeIns erkennen. Ein Parlament im modernen Sinne begann sich in Frankreich allerdings erst vom Ende des 18. J ahrhunderts an mit der Französischen Revolution herauszubilden 12 •

9 Dazu und zu weiteren Einzelheiten: Holtzmann, S. 55 ff., 58, 198; Göhring, S. 62; bei Zedler, Parlament: Sp. 978 ff.; Mitteis, S. 282 ff., 289 ff.; Mattern, S. 2. 10 Holtzmann, S. 198; Schlötterer, S. 125 ff. U Schlötterer, S. 127. 12 Holtzmann, S. 217 ff.; Göhring, S. 63 ff., 64, 68 ff.; weitere "Parlamente" i. o. b. S. entstanden in Frankreich von Beginn des 14. Jahrhunderts an in verschiedenen anderen Städten, und zwar insgesamt 14, Zedler nennt 11.

1. Begriff

"parlamentarisches Regierungssystem"

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1.1.2. Das englische Parlament Im Gegensatz zu Frankreich entwickelte sich der im 13. Jahrhundert1 3 unter Heinrich III. (1216 - 72) erstmals als Parlament benannte Great Council oder das Magnum Consilium zielstrebig zu einer wirklichen Volksvertretung, einem Parlament modernen Zuschnitts. Das Parlament von London wird später nicht selten als "Mutter der Parlamente" bezeichnet 14 • Ähnlich wie in Frankreich ging es aus einem feudalen Hoftag (magnum consilium, curia regis) hervor 15 . In seiner weiteren Geschichte stand aber das Moment der Rechtsprechung wie in Frankreich nicht im Vordergrund. Fränkisch-feudale Rechtsbegriffe gelangten zunächst mit der Eroberung durch die Normannen (1066) nach England. Hier begann Wilhelm I. (der Eroberer), Sohn des Herzogs Roberts 11. (des Teufels der Normandie), seit 1070, den Staat, insbesondere hinsichtlich eines strengeren Lehnssystems und einer Stärkung seines Königtums neu zu ordnen. Diese Neuordnung erfolgte zwar auf der Grundlage des alten angelsächsischen Rechts unter übernahme der "Gesetze Eduards des Bekenners" 16. Das Streben nach absoluter Macht blieb dennoch unverkennbar. Bei den Angelsachsen bedurfte der König dagegen etwa für den Erlaß von Gesetzen und die Erhebung von Steuern des Ratschlags und der Zustimmung des sog. Rates der Weisen Männer (witan - später auch Witenagemot genannt)17. Die von Wilhelm I. eingeleitete Entwicklung setzte Heinrich I. (1100 bis 1135) zwar fort. Bei seiner Krönung erließ er allerdings einen "Freibrief"18, in dem er die Abschaffung absolutistischer Mißbräuche und eine stärkere Rückbesinnung auf die Rechtsbräuche der angelsächsischen Zeit versprach. Demgegenüber versuchte König Johann ohne Land (1199 -1216) erneut sein Königtum wesentlich zu stärken. Als er jedoch bei dem Versuch, die Normandie wiederzugewinnen, bei Bouvines 1214 Philipp II. August unterlag19 , hatte diese Niederlage 13 Hier ist es der englische Chronist Mathaeus Parisiensis, der 1246 den großen Rat "Parlament" nennt. Mattern, S. 1; dort auch ein Hinweis, daß bereits 1175 der Lehnshof eines Schottenkönigs als "sun plenir parlement" bezeichnet wurde. 14 Kopp, Parlamente S. 11; Schröder, S. 9 ff. 15 Einzelheiten bei Schlötterer, S. 112 ff. 16 Mitteis / Lieberich, S. 185 f.; Hatschek (2), S. 2 ff., 56 ff., 65 ff.; Jennings, S. 20 ff.; Gordon, S. 3 ff.; Glum (2), S. 10 ff. 17 Gordon, S. 3; Schlötterer, S. 111. 18 Charter ob Liberties, abgedruckt bei Adams, S. 4. 19 Das frz. Hofgericht hatte den "übervasallen" Johann ohne Land, der ja zugleich König von England war, wegen Treuebruchs (Felonie) verurteilt und Philipp 11. August hatte seine Großlehen, insbes. Normandie, aber auch Bretagne eingezogen.

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1. Teil: Parlamentarische Regierungssysteme in Deutschland

entscheidende Rückwirkungen auf die innere Entwicklung des Landes. In der Magna Charta Libertatum vom 15. Juni 1215 wurde neben anderen Einschränkungen der königlichen Gewalt die Erhebung neuer Abgaben erneut von der Zustimmung der geistlichen und weltlichen Kronvasallen abhängig gemacht20 • Diese traten im "Gemeinen Rat" zusammen. Ihre Zusammenkünfte nannte man etwa ab 1246 Parlamente. Gegenüber Heinrich In. vermochten die Kronvasallen ihren Einfluß durch die sog. Oxforder Provisionen (1258), in denen Heinrich In. versprach, nicht ohne die Zustimmung von 24 Baronen (Royal Council) zu beschließen sowie die sog. Provisionen von Westminster (1259) aus zubauen 21 • Als diese 1264 in der "Mise von Amiens" für nichtig erklärt wurden, kam es zum Aufstand unter Simon von Montfort, der Heinrich In. in der Schlacht bei Lewes besiegte. Ein Meilenstein auf dem Weg zur wahren Volksvertretung 22 war das von Montfort 1265 einberufene Parlament, zu dem nunmehr auch Vertreter des niederen Landadels (Gentry) und der Städte geladen waren, die sog. Commons oder Commoners 23 • Mit der Regentschaft Eduards I. (1272 - 1307) war das Königtum zwar wiederhergestellt. Dennoch stellte sich der Brauch ein, auch die Commons seit dem sog. "Musterparlament" von 1295 regelmäßig zu berufen24 • Zu Beginn des 14. Jahrhunderts bürgerte sich die Praxis ein, daß geistliche und weltliche Magnaten (Lords) in einem, sowie niederer Landadel und Bürger (Commons) in einem anderen Sitzungssaal berieten. Hieraus gingen das House of Lords und das House of Commons hervor, deren endgültige Trennung unter Richard 11. 1376 erfolgte. Unter Richards Vetter, Heinrich IV., erlangte dann das Unterhaus 1407 das Vorstimmrecht bei Geldforderungen und 1514 die Gleichstellung mit dem Oberhaus für die gesamte übrige Gesetzgebung 25 • Bereits in der Tudorzeit (1485 - 1603) erschien das englische Parlament immer stärker als "Vertretung der Gesamtnation"26. Im 17. Jahrhundert erhielt es auf dem weiteren Weg zum parlamentarischen 20 Text bei Adams, S. 42 (Great Charter of Liberties); im einzelnen noch dazu Mitteis / Lieberich, S. 185 f.; Hatschek (2), S. 23 ff.; Zippelius, S. 198 f., 244 ff. 21 Weitere Einzelheiten bei Gordon, S. 4 ff.; Mitteis, S. 379 ff., 386 f., 388. 22 So auch Leibholz, EvStL, Sp. 2835 ff. 23 Mitteis, S. 389 ff.; Zippelius, S. 215; Commons bedeutet also nicht nur "Gemeine Bürgerliche", es handelt sich um Vertreter der "counties" und "boroughs", Schröder, S. 17. 24 Mitteis, S. 390 f.; Gordon, S. 6 f.; Kopp, S. 13 ff.; Schlötterer, S. 114 ff. 25 Schlötterer, S. 118 ff.; Mattern, S. 2. 26 So Zippelius, S. 244; Badura, zu Art. 38 GG, Rdnr. 3.

1. Begriff "parlamentarisches Regierungssystem"

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System prägende Züge. Während des englischen Bürgerkrieges (1642 bis 51) war es zunächst Zentrum des Widerstandes gegen den König. In einer restaurativen Phase (1660 - 1688) nach Cromwells Tod konnte die Ausbildung verschiedener politischer Richtungen - Whigs and Tories - als Vorläufer späterer politischer Parteien beobachtet werden. Bereits nach der "Glorious Revolution of 1688", in deren Folge das Parlament Wilhelm IH. von Oranien (bis 1702) durch Parlamentsbeschluß auf den Thron gehoben hatte, wählte Wilhelm IH. seinen "Rat" anfangs aus den Reihen der Whigs und Tories, bis er herausfand, daß es praktischer war, den "Rat" bzw. dessen Mitglieder der jeweils einflußreichsten Gruppe zu entnehmen. Dieser "Rat" wurde unter Königin Anna als Kabinett bekannt. Erstmals, mit der Amtszeit von Robert Warp oIe (1721 - 1742), erhielt dieses Kabinett einen "prime"minister21 • Damit hatte sich "die für den Parlamentarismus charakteristische Form der Kabinettsregierung" herausgebildet28 • Obwohl das englische Parlament nun alle wesentlichen Züge eines modernen Parlaments in sich trug und man in England die Wurzeln einer parlamentarischen Regierung bis ins 18. Jahrhundert zurückverfolgt 29 , fehlte diesem Parlament noch eine nach heutiger Auffassung unverzichtbare demokratische Komponente: Berufung auf grund allgemeiner, freier und gleicher Wahlen 30 oder mit den Worten Loewensteins 31 : "die Parlamentsvertreter müssen ihr Mandat aus allgemeinen Wahlen unter Zugrundelegung des allgemeinen Stimmrechts mit freier Gruppen- und Meinungsbildung und ohne staatlichen Zwang oder Einfluß ableiten". 1.2. Parlamentarismus

Wenn nun der Begriff "Parlamentarismus" eingebracht wird, so kann hierunter Verschiedenes verstanden werden. Man gelangt mitunter zu voneinander äußerst stark differierenden Erscheinungsbildern, je nach dem, welche Maßstäbe angelegt und welche Blickwinkel gewählt werden32 • Verstünde man unter Parlamentarismus lediglich eine politische Bewegung, die sich zum Ziel gesetzt hat, in einer Versammlung von gewählten, abgeordneten oder berufenen Mitgliedern - einer Versammlung, die bei der Staatswillensbildung nicht ohne Einfluß ist Dazu überblick auch bei Stammen, S. 57 ff.; Schlötterer, S. 121 ff. So Zippelius, S. 245 f.; Loewenstein, VL, S. 81 ff. 29 Loewenstein, VL, S. 81 ff.; Leibholz, EvStL, Sp. 2835 ff. 30 Ähnlich Raschke, S. 7; Röhring, S. 348, 349; Badura, Rdnr. 2 ff.; Stein, S. 81 f.; sowie Treue, S. 9. 31 Loewenstein (2), S. 65 ff. 32 In diesem Sinne auch Loewenstein, in: Parlamentarismus, S. 64. 27

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1. Teil: Parlamentarische Regierungssysteme in Deutschland

den entscheidenden Einfluß auf die Staatswillensbildung zu erlangen33 , so könnte man den vorstehend (1.1.) beschriebenen Entwicklungsprozeß der Parlamente in England und in Frankreich seit dem hohen Mittelalter hierunter fassen. In der verfassungsrechtlichen Forschung von "von Gierke bis Hintze und Mitteis (ist dann auch)34 häufig von ,Parlamentarismus' für die Zeit ständischer Vorherrschaft im späten Mittelalter und danach gesprochen worden"35. Ein solches, weites Parlamentarismusverständnis kann allerdings heute nicht mehr als geeignet angesehen werden, das Phänomen "Parlamentarismus" zu erfassen. Vielmehr nehmen Wissenschaft und Forschung derzeit den Begriff "Parlamentarismus" überwiegend für Erscheinungsformen seit dem 19. Jahrhundert in Anspruch 36 . Dabei gelten hinsichtlich der englischen Entwicklung jedoch einige Ausnahmen, denn hier hat sich eine parlamentarische Regierungsweise bereits früher durchgesetzt37 . Heute füllen somit einen modernen Parlamentarismusbegriff im wesentlichen noch zwei Bedeutungen aus. Richtet man seinen Blick vorwiegend auf das "Bestehen eines Parlaments mit mehr oder weniger großen Befugnissen"38 und auf "Theorie und Praxis des Parlaments"39 ganz allgemein40 , so gelangt man zu einem weiten, umfassenden Parlamentarismusbegriff. Es werden nämlich zunächst einmal alle Arten von Repräsentativsystemen41 erfaßt, und zwar unter Einschluß der Entwicklung seit Beginn des 19. Jahrhunderts, soweit eben eine Volksvertretung existierte. Eine grundsätzliche Aussage über die Machtfülle der Parlamente wird damit noch nicht getroffen. Dies ermöglicht, unter einem solchen Parlamentarismusbegriff heute so verschiedene Gebilde zu subsumieren, wie etwa die Volksdemokratien des Ostblocks und die repräsentativen Demokratien westlicher Prägung. Um hier differenzieren zu können, werden teilweise engere Maßstäbe 33 Formulierung in Anlehnung an die engere Definition bei Henke, in: EvStL, Sp. 1761. 34 Ergänzung durch den Verfasser. 35 Zitiert bei v. Beyme, S. 40; ähnlich dazu Wasser, S. 11; Rausch (1), S. 17 f.; (2), S. 15 f.; (3), S. 12 ff. 36 So auch v. Beyme, S.40. 37 Vgl. oben bei Fn. 28; im übrigen dazu noch Röhring, S. 344; Wasser, S. 10 f. 38 So Küchenhoff, E. und G., S. 196; Apel, S. 10 ff., 12, 19. 39 Und zwar nochmals ausdrücklich: i. S. einer Volksvertretung im Gegensatz zu einer altständischen Versammlung; dazu auch Bergsträsser, S. 138. 40 Frenkel, Nr. 414. 41 Wie hier auch Wasser, S. 11, 19; Henke, EvStL, Sp. 1761; zum Begriff Repräsentativsystem sowie zur Geschichte: Einzelheiten bei Rausch (5), dort insbesondere Reuss, S. 1 ff.; Leibholz, EvStL, Sp. 2835 ff.; Meyer / Anschütz, Lehrbuch, S. 329 ff.

1. Begriff "parlamentarisches Regierungssystem"

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unter Beibehaltung eines immer noch weiten Parlamentarismusbegriffs angelegt42 . Eine Forderung geht dahin, daß das Parlament aus freien Wahlen hervorgegangen sein muß und sich dem Wähler mehrere Parteien zur Entscheidung stellen müßten. Eine maßgebliche Beteiligung an dem Gesetzgebungs- und Budgetrecht darf dem Parlament, dem insgesamt eine zentrale Rolle im politischen Prozeß einzuräumen ist, darüber hinaus nicht versagt sein43 . Diese Auffassung nimmt den Begriff Parlamentarismus folglich nur für die modernen repräsentativen Demokratien westlicher Prägung in Anspruch, hier jedoch in einer Bandbreite von "vielerlei Spielarten der Machtverteilung, -kontrolle und -ausübung"44. Danach fallen unter einen solchen Parlamentarismusbegriff immerhin noch so unterschiedliche politische Systeme wie eine Präsidialdemokratie (USA), eine Direktorialdemokratie (Schweiz) und schließlich alle parlamentarischen Demokratien in ihren unterschiedlichsten Ausprägungen (etwa Italien, Bundesrepublik Deutschland, England USW.)45. 1.3. Parlamentarisdles Regierungssystem

"Parlamentarisches Regierungssystem" ist heute die zweite und zugleich engste Bezeichnung, die der Begriff Parlamentarismus beinhaltet. Beide Begriffe werden häufig sogar synonym gebraucht, obwohl der Begriff "parlamentarisches Regierungssystem" eben lediglich eine bestimmte Form der Repräsentativverfassung kennzeichnet46 . Parlamentarismus in diesem Sinne hebt nicht allein41 auf die Forderung nach einem frei gewählten mit den oben beschriebenen Machtbefugnissen versehenen Parlament ab 48 , sondern vielmehr auf den Umstand, daß Bestand und mitunter auch Bildung einer Regierung vom Vertrauen des Parlaments getragen sein müssen49 . Für diese Erscheinungsform der Repräsentativverfassung soll im folgenden der weitere Begriff des Parlamentarismus vermieden werden und stattdessen der Begriff "parlamentarisches Regierungssystem" Verwendung finden. 42 In diesem Sinne etwa Raschke, S. 9; Sontheimer (1), S. 235; Stern, S. 750; Loewenstein, in: Parlamentarismus, S. 66. 43 So oder ähnlich: Röhring, S. 343; Sontheimer (1), S. 235; Rausch (2), S. 15. " Kluxen, Parlamentarismus, S. 24. 45 Im einzelnen: v. Beyme, S. 29 ff., 32. 48 Wie hier Röhring, S. 343; Lippert, S. 35; dazu auch Obermeier, S. 124 und Herzog (2), S. 264 ff. 47 Wasser, S. 11; Rausch (2), S. 16. 48 Dazu noch Stammen, S. 54 f.; Glum (1), S. 1. 49 So auch Rausch (2), S. 16; Wasser, S. 11 f.; Zippelius S. 247 ff.; Glum (1), S. 1; Frenkel, Nr. 416; Scheuner, AÖR (13), S. 209 ff., 228 dort Fn. 32.

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1. Teil: Parlamentarische Regierungssysteme in Deutschland

Wie jeder hochkomplexe Begriff ist allerdings auch der Ausdruck "parlamentarisches Regierungssystem" als solcher ungeeignet, alle Bereiche in einem System mit verantwortlicher Regierung zweifelsfrei auszuleuchten. So gibt es sicher kaum ein Wort, das allein aus sich heraus ein bestimmtes System in allen seinen Ausweitungen auch nur annähernd zu erfassen vermag50 • Von daher sei angezeigt, daß sich der Begriff "parlamentarisches Regierungssystem" hier auf die Beziehungen zwischen Exekutive und Legislative beschränkt und somit eine ganze Anzahl politisch soziologischer Kriterien, die für die Funktion des parlamentarischen Regierungssystems und seinem Verständnis von erheblicher Bedeutung sind, nicht erfaßt51 • Wie schon erwähnt, begegnen einem Versuch, das parlamentarische Regierungssystem definitorisch und allgemeingültig zu erfassen, Bedenken 52 • Wollte man nämlich ein bestimmtes, regional begrenztes Sytem als "Idealtyp", als "klassisch" oder gar "echt" heraus- und zum verbindlichen Grundtyp erheben, so ergäben sich hieraus wiederum erhebliche Schwierigkeiten für eine hinreichende allgemeingültige Erfassung der übrigen, ähnlichen Systeme. Angesichts der zahlreichen Spielarten, die ein parlamentarisches Regierungssystem in sich bergen kann, verbietet es sich folglich von dem parlamentarischen Regierungssystem schlechthin zu sprechen, so sehr auch die Entwicklung in dem einen oder anderen Land Modellcharakter aufweisen mag. Es sollen daher im folgenden lediglich die wesentlichen Institutionellen Charakteristika angegeben werden, deren Bedeutung in der Literatur im einzelnen wiederum nicht unumstritten ist 53 • (1) Die Regierung -

d. h. entweder sämtliche Regierungsmitglieder oder der Regierungschef - ist in ihrem Bestand vom Vertrauen des Parlaments abhängig. Ein Mißtrauensvotum erlegt der Regierung oder einzelnen Mitgliedern die Pflicht auf, vorzeitig aus dem Amt zu scheiden54 •

(2) Die Mitglieder der Regierung müssen dem Parlament angehören

dürfen. Die Kompatibilität von Abgeordnetenmandat und Minister-

50 Dazu allerdings Küchenhoff, S. 22 ff., 27, 28 sowie tabellarische Übersicht S. 872 ff. 51 Zur Bedeutung: Scheuner, AÖR (13), S. 213 f.; im übrigen Wasser, S. 14; v. Beyme, S. 43 ff.; Gehrig, S. 88 ff.; wie hier auch Lippert, S. 36. 52 Hierzu einerseits Frenkels Definition bei Stammen, S. 54 und andererseits K1uxen, S. 17, 18; Stern, S. 741. 53 Ausführlich: v. Beyme, S. 41 f.; Rausch (2), S. 17 f.; Stammen, S. 55; Raschke, S. 9 f.; Loewenstein, VL, S. 84 ff.; Wasser, S. 13 f.; Lippert, S. 36 ff.; Hasbach, S. 19 ff.; Achterberg (1), S. 696. 54 Zur vorzeitigen Beendigung der Amtsdauer: Küchenhoff, E. und G., S. 195 ff.

1. Begriff "parlamentarisches Regierungssystem"

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posten muß also gewährleistet sein, obwohl es auch denkbar erscheint, daß Minister nicht zugleich Abgeordnete sind. (3) Möglichkeit der Regierungskontrolle durch das Parlament, und zwar mit Hilfe von Kontrollmechanismen wie etwa: Enquete-, Interpellations- und Petitionsrecht. Neben diesen konstitutiven Charakteristika werden teilweise noch folgende Kriterien aufgeführt: einmal das Recht, eine Regierung durch Vertrauensabstimmung zu investieren55 , zum anderen das Recht, insbesondere auch einer Regierung, das Parlament auflösen zu können56 . Das Recht, die Regierung durch Vertrauensabstimmung zu investieren, stärkt die Qualität der Beziehung von Legislative und Exekutive im parlamentarischen Regierungssystem grundsätzlich nicht, da bereits ein Mißtrauensvotum als solches nicht ohne Einfluß auf die Regierungsbildung sein kann57 . Einer Investiturabstimmung kommt allenf.alls dann eine gewisse Bedeutung zu, wenn die Möglichkeit, der Regierung das Mißtrauen auszusprechen, eingeschränkt ist. Als essentielles Wesensmerkmal kann darüber hinaus auch das Recht zur Parlamentsauflösung nicht angesehen werden, auch wenn dies nicht nur bei den Vertretern der Lehre vom "echten Parlamentarismus" auf heftigen Widerstand treffen muß58. Beispiele für eine nicht wesensnotwendige Voraussetzung bieten aber die französische Dritte Republik und die Verfassung von Israel (1948)59. Mag dem Auflösungsrecht "im Zeitalter der Demokratisierung des Systems"60 auch eine "systemstabilisierende" Wirkung 61 zugeschrieben werden, so darf doch nicht verkannt werden, daß gerade in einem solchen Zeitalter die Waffe der Monarchen gegen nicht wohlgesonnene Parlamente ein "Anachronis55 Sternberger (3), S. 9; Glum (2), S. 9; v. Beyme, S. 560 ff. 56 Stern, S. 748 f. 57 So auch v. Beyme, S. 42; Lippert, S. 37; Gehrig, S. 92, m. w. N in Fn. 195; vgl. etwa Art. 53 WRV; einschränkend dazu Schenk zu Art. 63 GG, Rdnr. 3 ff. 58 Hierzu: Redslob (2), S. 1 ff., 179 f.; Loewenstein, VL, S. 81 ff., 83, 85 f.; Rausch (2), S. 18. 59 So v. Beyme, S. 42, 840 ff.; Lippert, S. 38, vgl. daneben Art. 63 Abs. 4 S.3 GG 60 v. Beyme, S. 42. 61 Lippert, S. 38; der Klarstellung halber der Hinweis: zwischen Demokratie und parlamentarischem Regierungssystem besteht keine Identität und ein parlamentarisches Regierungssystem ist kein wesentlicher (unabdingbarer) Bestandteil einer Demokratie, wenn auch durch diese Verbindung ein durchaus schätzenswerter Weg beschritten ist; Achterberg (1), S. 694 ff., 707; Glum (1), S. 3 und Bernbach, S. 245 ff.; so auch Stammen, S. 55; Küchenhoff, E. und G., S. 196; Herzog, EvStL, Sp. 1767; Röhring, S. 348; Schmitt, VL, S. 265 ff., 304, 309; Sternberger (2), S. 181; übersicht über abweichende Ansichten bei Gehrig, S. 85 ff., Fn. 150; siehe auch übersicht bei Steiger, S. 152 ff.

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1. Teil: Parlamentarische Regierungssysteme in Deutschland

mus" darstellen muß62. Deshalb sind gewichtige Stimmen dafür anzuführen, daß in einer parlamentarischen Demokratie mit parlamentarischem Regierungssystem für ein Auflösungsrecht "kein Platz" ist63 . Als conditio sine qua non sollen daher die unter (1) - (3) angegebenen Kriterien angenommen werden. Zum Abschluß sei im Zusammenhang mit dem Begriff "parlamentarisches Regierungssystem" noch auf einen letzten, aber wichtigen Umstand hingewiesen. Rein rechtlich betrachtet sind Exekutive und Legislative als Verfassungsorgane in der Regel voneinander deutlich getrennt, dualistisch angelegt. In der politischen Realität hat sich jedoch erwiesen, daß sich der klassische Dualismus, wie er in der konstitutionellen Monarchie anzutreffen war64, im parlamentarischen Regierungssystem (häufig) zu einem Monismus geläutert hat65 • Für die Entwicklung in Deutschland bleibt festzuhalten, daß zwar der politische Gleichgewichtsgedanke Montequieus "im Wechselspiel von Regierungsmehrheit und Opposition" fortlebt, was aber in den Verfassungen als ,Gewaltenteilung' angesehen und bezeichnet wird .,. ist zu einer bloßen Funktionenunterscheidung verblaßt, also zu einem technischen Mittel der Verfassungsorganisation"66. 2. Entwicklung zum parlamentarischen Regierungssystem

Bevor im 16. und 17. Jahrhundert der Übergang zum Absolutismus erfolgte, hatten die Stände - Adel, Klerus und Stadtpatriziat - mehr und mehr Einflußmöglic:hkeiten auf die regierenden Herrscher ihrer Epoche zu gewinnen vermocht. Zwar galten die europäischen Fürsten auch vor Eintritt in das absolutistische Zeitalter nur als vor Gott verantwortlich, und zwar dafür, daß sie ihr Regiment im Rahmen der althergebrachten Rechte zum Wohle ihrer Untertanen ausübten. Ein verfassungsmäßiges Zwangsmittel zur Einhaltung dieser "Pflicht" fehlte aber, wie auch noch lange Zeit später. Das Jahr 1789 brachte für ganz Europa eine neue Zeit. Es kam zu bedeutenden politischen Umwälzungen durch die Französische RevoluWittmayer, S. 317 f. So Kelsen (2), S. 353 f.; Wittmayer, S. 317 f.; Scheuner, S. 125 f., in: VVDStL 16, in der "Aussprache". 64 Dazu Stammen, S. 25. 65 i. d. S.: Wittmayer, S. 315 ff.; Thoma (1), S. 116 ff.; Schmitt, VL, S. 325, 338; Nawiasky (3), 2. Teil, Bd. 2, S. 131. 66 Menger, Moderner Staat und Rechtsprechung, Tübingen 1968, S. 24; ausführlich dazu: Achterberg (3), S. 1 ff., 109 ff.; v. Beyme, S. 44 und in: Parlamentarismus, S. 188 f. sowie in: PVS 6 (1965), S. 145 - 159; Gehrig, S. 229 f.; Obermeier, S. 121; Beiträge bei Rausch (6), dort kurzer überblick über die Problematik im Vorwort, S. VIII f. 62

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2. Entwicklung zum parlamentarischen Regierungssystem

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tion67 • Aber nicht einmal als deren Folge gelang in Deutschland die überwindung des absoluten Staates, der mit dem Aufbau eines wohlorganisierten Behördenapparates sowie eines stehenden Heeres seit dem 16. Jahrhundert die Machtstellung der Stände hatte brechen und alle Gewalt in einer Hand zusammenfassen können, vollständig. Dagegen wurden von nun an primär drei Bestrebungen mit Nachdruck verfolgt: nationalistische, liberale und demokratische. Diese Bestrebungen hatten im engeren staatlichen Bereich die Forderung nach Präponderanz der Parlamente gegenüber den Regierungen im Gefolge. 2.1. Der Wiener Kongreß

Im September 1814 trat der Wiener Kongreß zusammen und begann bis Juni 1815 mit einer Neuordnung Mitteleuropas68 • "Es war die letzte große Heerschau des ancien regime 69 ." Daher ist auch verständlich, daß sein Geist im Grunde genommen reaktionär und - obwohl seit der Französischen Revolution 1f4 Jahrhundert vergangen war - vorrevolutionär war. "Es war eine Zusammenkunft des alten Europa, nachdem ein neues sich bereits überlaut vorgestellt hatte70 ." Das Schicksal der bestehenden und wiederentstehenden Einzelstaaten sowie eines deutschen Reiches war zu jenem Zeitpunkt schon vorgezeichnet. Bereits im Ersten Pariser Frieden vom 30. Mai 1814 hatte man nicht nur die Einberufung eines allgemeinen Kongresses vereinbart (Art. XXXII: "pour regler les arrangemens qui doivent completer les dispositions du present traite"71, sondern auch die Unabhängigkeit der deutschen Staaten und deren Vereinigung durch ein Förderativband (Art. VI Abs. 2: "Le etats de l'Allemagne seront independans et unis par un lien federatif1 2 ." Die Hoffnungen insbesondere des allmählich wirtschaftlich und politisch erstarkenden Bürgertums ruhten demgegenüber auf der Schaffung bzw. Wiederherstellung eines vereinten Reiches und wirksamerer Beteiligung am gesamten Staatsgeschehen. Der Wiener Kongreß enttäuschte die Hoffnungen auf Reichseinheit. Er brachte kein neues staatliches Rechtssubjekt hervor, sondern "einen beständigen Bund der souveränen Fürsten und freien Städte Deutschlands", einen 87 überblick bei Klein, Moderner Staat und Demokratie in der Französischen Revolution. 68 Einzelheiten bei Huber, Bd. 1, S. 343 ff.; Feine, S. 55 ff.; Kimminich, S. 316 ff.; Forsthoff, S. 84 ff. 69 Forsthoff, S. 85. 70 Mann, S. 101. 71 Zitiert bei Huber, Bd. 1, S. 544, Fn. 1. 72 Zitiert bei Huber, Bd. 1, S. 544, Fn. 2, Einzelheiten daneben noch auf S. 480, s. dort bei Fn. 1; Peters, S. 63 ff.

3 Meier

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1. Teil:

Parlamentarische Regierungssysteme in Deutschland

Staatenbund73 • Der Deutsche Bund (1815 - 1866) hatte als solcher keine gesetzgebende, vollziehende oder richterliche Gewalt; er besaß kein Parlament, sondern lediglich einen Kongreß von Gesandten der einzelnen Bundesstaaten.

2.1.1. Ansätze zu parlamentarischer Regierungsweise bis 1820 Mit dem Ende des Jahres 1814 begann eine erste Etappe in einer neuen deutschen VerfassungS'entwicklung74 • Diese "ernte Welle" basierte nicht primär auf Art. 13 der Bundesakte, wonach in allen Bundesstaaten eine "landständische Verfassung" eingeführt werden sollte, sondern gerade in den größeren Staaten Süddeutschlands auf der Erkenntnis, daß die umfassenden Gebietsveränderungen nur durch den Versuch, "aus der mit bürokratischen Mitteln geschaffenen Verwaltungseinheit eine partikularstaatlich ,National-Einheit zu entwickeln"', zu verkraften war75 • Die Verheißung des Art. 13 entsprang einem Kompromiß zwischen Österreich und Preußen76• Sie war übriggeblieben von der zunächst von Preußen vorgeschlagenen zwingenden Einführung von Landständen, denen ein bestimmter Anteil an der Gesetzgebung und die Steuerbewilligung zustehen sollte77 • Dennoch ging die Intention dieser Verheißung dahin, moderne Volksvertretungen zur Mitwirkung bei der Ausübung der Staatsgewalt einzurichten78 • Die Verfassungen, die seit 1814 in einer Phase liberalen Aufschwungs vereinbart oder oktroyiert wurden, lehnten sich zunächst mehr oder weniger stark an die Charte constitutionelle Ludwigs XVIII von 1814 an79 • Diese sah ein konstitutionell-monarchisches System vor, das für das aufstrebende Bürgertum an sich einen Rückschritt bedeuten mußte, hatte doch die französische Verfassung vom 3. September 17918° bereits 73 Deutsche Bundesakte vom 8. Juni 1815, Dokumente, Nr. 29; im übrigen siehe dazu Huber, Bd. 1, S. 583 ff.; Kimminich, S. 321; Klüber, §§ 95 ff., VIII, S. 122 ff.; Meyer, S. 94 ff. 74 Abgestellt auf die Zeit nach dem Ersten Pariser Frieden sowie die Vereinbarung der Deutschen Bundesakte von 1815, so daß etwa die Verfassungen Westfalens, 1807; Bayerns, 1808; Frankfurts und Anhalt-Köthens, 1810, keine Berücksichtigung finden; überblick bei Bornhak (1), S. 309 ff.; Meyer / Anschütz, LB, S. 331 ff.; ausführlich zum folgenden auch Zachariä (2), Bd. 1, S. 530 ff. u. Bd. 2, S. 1 - 606. 7$ Huber, Bd. 1, S. 314 ff., 317. 78 Forsthoff, S. 87 mit weiteren Einzelheiten. 77 Dazu bei Anschütz (2), S. 7 ff.; Forsthoff, S. 87; Huber, Bd. 1, S. 641; Calker, S. 50. 78 So Calker, S. 50 m. w. N.; Eckardt / Rosen, S. 96; Huber, Bd. 1, S. 641. 79 Dazu bei Usee, S. 49 ff.; wie hier auch Mitteis / Lieberich, S. 322; Hartung, S. 197 ff.; Einzelheiten auch bei v. Beyme, S. 75 ff., Heinrich, S. 25 ff.; Oeschey, S. 46 ff.

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die Volkssouveränität proklamiert: Titel III Art. 1: "Die Souveränität ist einheitlich, unteilbar, unveräußerlich und unverjährbar. Sie gehört der Nation. Kein Teil des Volkes und keine einzelne Person kann sich ihre Ausübungen . aneignen." Art. 2 Abs. 1: "Die Nation, von der alle Gewalten ihren Ursprung haben, kann sie nur durch übertragung ausüben." Entgegen der Absicht der Verfassungsgeber gelangte man allerdings nach 1814 mit der Zeit zu einer parlamentarischen Regierungsweise81 • Die durch die Rheinbundzeit eingeleitete Trennung zwischen Süd- und Norddeutschland wurde auch in dieser Phase deutscher Verfassungsgebung augenscheinlich. In Süddeutschland erfolgte der übertritt in das konstitutionelle Zeitalter seit dem 2. September 1814 in Nassau bis hin zum 17. Dezember 1820 in Hessen-Darmstadt82 • Abgesehen von Sachsen-Weimar-Eisenach (1816) und einigen thüringischen Kleinstaaten erreichte die von hier ausgehende Verfassungsgebungswelle die mitteldeutschen Staaten (Sachsen, Kurhessen, Braunschweig und Hannover sowie mit Holstein auch Norddeutschland) erst im übernächsten Jahrzehnt. Weitere zwei Jahrzehnte verstrichen, bis schließlich die restlichen mittel- und norddeutschen Kleinstaaten von dieser Entwicklung eingeholt waren; allerdings mit zwei Ausnahmen: Mecklenburg-Schwerin und Mecklenburg-Strelitz, die ihre altständischen, auf Erbvergleich von 1755 beruhenden Verfassungen, bis ins 20. Jahrhundert hinüberretteten (November 191883 • Inhaltlich wiesen die süddeutschen Verfassungen, jedenfalls von der Substanz her, keine großen Unterschiede auf. Nach ihnen galt der Monarch als Oberhaupt des Staates. Er vereinigte alle Staatsgewalt in seiner heiligen und unverletzlichen Person. Sämtliche Verfassungen erklärten die Krone für erblich. Nicht anders sah die Stellung des Regenten in einigen mitteldeutschen Kleinstaaten aus 84 • Es erfolgte der übergang zur sog. "Ministerregierung" . Die Regierungen, die dem Regenten zur Seite standen und von diesem allein ernannt und entlassen wurden85 , wiesen mitunter Texte bei Franz, S. 302 ff., 315; Pölitz (3). v. Beyme, S. 84 ff., 101; Glum (1), S. 29. 82 übersicht zu den Signstar sowie beigetretenen Staaten zum Deutschen Bund bei Kimminich, S. 321; zur Verfassungsentwicklung bei Huber, Bd. 1, S. 656 f.; im übrigen siehe bei Giese (2), S. 139 ff.; Calker, S. 49 ff.; aber auch zum Charakter der Verfassungen: Eckardt / Rosen, S. 99. 83 So Calker, S. 62; Scheyhing, S. 182; Huber, Bd. 2, S. 541 ff.; Bd. 3, S. 220 ff.; Bergsträsser, S. 139; Huber, Bd. 4, S. 422 ff., 427. 84 Sämtliche Texte bei Pölitz (1): Nachweise in der Anlage Nassau (Na) Präambel; Bayern (B) II §§ 1, 2; Baden (Ba) §§ 4, 5; Württemberg (W) §§ 4, 7; Hessen-Darmstadt (HD) §§ 4, 5; Schaumburg-Lippe (SL) Präambel; Waldeck (Wa) Präambel; Sachsen-Weimar-Eisenach (SWE) Präambel; in den Kleinstaaten überwog häufig der altständische Charakter: Eckardt / Rosen, S. 99; Huber, Bd. 1, S. 336 ff. 85 W § 56; vgl. aber auch Na § 10, 8, 3, 2; B 11 §§ 1, 19, V, X § 1; Ba §§ 5, 7; HD Art. 109, 89; SWE § 111; SH § 42 (Brg. §§ 31, 32, 72); Huber, Bd. 1, S. 339, dort Fn. 6. 80

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1. Teil:

Parlamentarische Regierungssysteme in Deutschland

in der Aufgabenteilung moderne Züge auf. Die fünf größten Staaten führten ein Zweikammersystem ein. Der ersten Kammer gehörten in der Regel die "Privilegierten" des Landes an, also (Hoch)-Adel, Klerus, gebildetes und unter Umständen auch besitzendes Bürgertum, sowie sonstige vom Landesherrn berufene Personen. Die zweite Kammer umfaßte dagegen den Bürger- und Bauernstand, häufig aber auch den niederen Grundadel (Rittergutsbesitzer) und die Geistlichkeit86 • Beide Kammern galten als Repräsentanten des Gesamtvolkes87 , während wohl allenfalls die zweite Kammer als Volksvertretung bezeichnet werden konnte. In den oben erwähnten Kleinstaaten bestand lediglich ein Landtag oder eine Kammer, wobei die gewählten Abgeordneten ausdrücklich als Volksvertreter angesprochen wurden88 • Es klang die Idee freier Repräsentation im Gegensatz zum ständisch-imperativen Mandat an, die bereits wesentlich früher Blackstone in dem Satz festgehalten hatte: "Every member, although chosen by one particular district, when elected and returned, serves for the whole realm89 ." Das Wahlrecht machten die Verfassungen von bestimmten Steuerleistungen oder Grundbesitz abhängig9o • Es konnte in der Regel nur mittelbar ausgeübt werden. Die Einberufung der Landesversammlungen stand allein in der Macht des Regenten. Häufig war ein Zeitpunkt genannt, wann dies wenigstens geschehen sollte. Ebenso verhielt es sich mit Eröffnung, Vertagung und Auflösung der Versammlung, die auch durch einen Vertreter des Regenten erfolgen durften91 • Ein Recht der Kammern und Landtage zur Selbstversammlung oder -auflösung existierte demnach nicht. Das vom Selbstverständnis moderner Parlamente her wichtige Recht, aus der Mitte der Versammlung Gesetze einbringen zu können, fehlte zunächst ebenfalls. Wohl aber durften die gewählten Vertreter Wünsche und Anträge an den Landesherrn richten92 • über ein Mit8S Na § 1; B VI §§ 1, 2, 12; Ba §§ 26, 27, 37; W §§ 128, 129, 134, 135; HD Art. 51, 52, 53; Kimminich, S. 339. 87 Huber, Bd. 1, S. 341; Giese (4), S. 196. 88 B VII § 25; Ba §§ 48, 69; W §§ 155, 163; SWE §§ 45, 67; SH §§ 6, 19, LD § 4. 89 Blackstone, Commentaries, Buch I Kap. 2 § 2; zit. Bei Badura, Rdnr. 7. 90 Na § 1 i. V. m. dem Patent die Wahl der Landstände betreffend vom 3./ 4. Nov. 1815; B VI §§ 8 ff. i. V. m. dem Edict über die Ständeversammlung v. 26. Mai 1818, §§ 11 ff.; Ba §§ 32 ff.; W §§ 134 Abs. 2, 135 ff.; HD Art. 55, 56, 57, SR Verordnung v. 8. Jan. 1816, gem. Nr. 7 dürfen hier auch Frauen wählen, allerdings nicht gewählt werden. SL §§ 4 ff.; Wa §§ 16 ff.; SWE §§ 6 ff. (42); SH §§ 8 ff.; LD §§ 17 ff. i. V. m. der gültigen Wahlvorschrift (Nachweise in der Anlage); dazu auch Scheyhing, S. 129, 130; Bergsträsser, S. 139 ff.; Huber, Bd. I, S. 344 ff. tl Na § 3; B VII §§ 22, 23; Ba § 42; W §§ 160, 161, 127, 186; HD Art. 63, 64, 88, 110; SR 8; SL § 11; Wa § 24; SW §§ 54, 55, 77, 95, 96; SH §§ 36, 37, 43, 45; LD §§ 39, 40, 52, 53.

2. Entwicklung zum parlamentarischen Regierungssystem

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spracherecht bei der Gesetzgebung verfügten die Landesversammlungen von Anfang an. Häufig gewährleisteten die Verfassungen das Erfordernis der Zustimmung für neue, in Freiheit und Eigentum einer Person eingreifende, zur Abänderung bestehender oder die Verfassung betreffende Gesetze 93 • Gleiches normierten die Verfassungen für die Steuererhebung und die Aufnahme von Staatsschulden94 • Jedoch durften an die Bewilligung keine Wünsche oder gar Auflagen geknüpft werden95 • Erste Ansätze zu einem förmlichen Budgetrecht und damit auch zu größerem Einfluß der Volksvertretungen wurden allmählich erkennbar96 • Die Regierungen waren gehalten, vollständige übersichten und Nachweise über ihre Ausgaben und die Verwendung der Gelder vorzulegen. Durchaus postulierten einige Verfassungen neben dem Steuerbewilligungsrecht ein Rechnungsprüfungs-, Petitions- und Beschwerderecht97 , Rechte die zur Verwaltungskontrolle dienten und auch die Möglichkeit in sich bargen, die Regierungen zu veranlassen, Gesetze, beeinflußt vom Willen des Parlaments, zu erlassen. Minister oder andere höhere Staatsbeamte besaßen das Recht, an Verhandlungen der Versammlungen teilzunehmen und mit zu beraten98 • Während der Dauer der Versammlungen waren deren Mitglieder nur mit Einwilligung der Versammlung einer Strafverfolgung ausgesetzt. Die Verfassungen gewährleisteten den Mitgliedern von Kammern und Landtagen Indemnität sowie Immunität99 • Vor allem bei Eingriffen in Freiheit, Ehre und Eigentum sowie verfassungsmäßige Rechte einer Person er92 Na § 2 Nr. 2; B VII §§ 19, 30; Ba § 66; W § 172; HD Art. 76, 79, 90; SR "Erklärung" v. 21. April 1821 cl, bei Pö!itz, Bd. 2, S. 1066; SL § 2 Nr. 4; Wa § 25 e, § 28; SWE § 5 Nr. 4, § 88; SH § 2 g, §§ 42, 47 wobei § 47 Abs. 1 S. 1 vom Wortlaut her weiter geht als die übrigen Vorschriften; LD § 11; überblick auch bei Huber, Bd. 1, S. 346 ff.; Scheyhing, S. 130 spricht von nur Motion oder Gesetzespetition. 93 Na § 2 Nr. 1; B VII § 2, X § 7; Ba §§ 64, 65; W § 124; HD Art. 72; SR "Erklärung" a); SL § 2; Wa § 25 c; SWE § 5 Nr. 6; SH § 2 b, §§ 47, 54 Abs. 2; LD § 7, dazu auch Scheyhing, S. 125 ff.; Mitteis / Lieberich, S. 322. 94 Na § 2 Nr. 3; B VII §§ 3 ff. (11); Ba §§ 53 ff. (57); W §§ 102 ff. (107), 109, 124; HD Art. 67 (71); SR "Erklärung" b), d); SL § 2 Nr. 1, 3; Wa § 25 a, b (22); SWE § 5 Nr. 1, 2; SH §§ 2 d, e, 48, 49; LD §§ 8, 9. 9. B VII § 9; Ba § 56; W § 113; HD Art. 67, 68, 69; SL § 2 Nr. 3; Wa §§ 22, 25 b; SWE § 5 Nr. 2. 96 Württemberg (§ 112) kennt von Anfang an eine förmliche Budgetgewalt; vom Ansatz in der Verfassung her auch Nassau § 2 Nr. 3; überblick zum Budgetrecht siehe bei Fischbach (2), 2. Teil, S. 5 ff. und HeckeI, S. 358 ff. 97 Na § 2 Nr. 2, 4; B VII §§ 10, 19 - 21, X § 5; Ba § 67; W §§ 107 Abs. 2, S. 2, 110 ff., 118, 124; HD Art. 68, 79, 76; SR "Erklärung" b), cl; SL § 2 Nr. 3; Wa §§ 22 Nr. 1, 25 g; SWE § 5 Nr. 3, 4, 5; SH § 2 g, h, 52, 53; LD § 10, dazu auch Seydel, S. 223 ff., 230 ff. 98 Na § 3 S. 3; B VII § 24; Ba § 76; W § 169; HD Art. 62; SH § 42 Abs. 2; LD § 50; Brg § 71. 99 Na § 3 S. 5; B VII §§ 26, 27; Ba § 49; W §§ 184, 185; HD Art. 83, 84; Wa § 31; SWE §§ 68, 69; SH §§ 21, 22; LD § 49.

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1. Teil: Parlamentarische Regierungssysteme in Deutschland

öffneten die Verfassungen in der Regel die Möglichkeit, Minister, aber auch andere Staatsbeamte, die derartige Eingriffe vornahmen, anzuklagen 100. Die Verfassung von Sachsen-Hilburghausen (§ 53) knüpfte in diesem Zusammenhang bereits eine Verbindung mit der sog. Kontrasignatur und bestimmte: Das Recht der Beschwerde und Klage gegen Staatsdiener wird vorzüglich dadurch gesichert, daß alle Verfügungen des Regenten von denjenigen, welche ihn dabei beraten haben ... kontrasigniert werden müssen und jeder Diener für die auf seinen Vortrag gefaßten Beschlüsse dem Regenten und dem Lande verantwortlich ist .... Diese Ministerverantwortlichkeit war allerdings von der reinen Beamtenverantwortlichkeit nicht deutlich geschieden und hatte praktisch oft nur die Bedeutung, den Regierungsakten Glaubwürdigkeit zu verleihen (Authentizitätserklärung)101. Dennoch war in dieser frühen Phase eines entstehenden Parlamentarismus eine politische Verantwortlichkeit der Regierungsvertreter gegenüber den zweiten Kammern oder sonstigen Landtagen im Sinne einer parlamentarischen Regierungsweise nicht festzustellen. Zwar bestand theoretisch die Möglichkeit, durch Verweigerung der Zustimmung zu Gesetzen und insbesondere zum Budget einen gewissen Druck auf die Regierungen auszuüben. Dagegen schwebte aber das sehr viel einschneidendere Recht zur Auflösung der Versammlungen über diesen wie ein Damoklesschwert, wenn nicht ohnehin Mittel und Wege gefunden wurden, die erforderlichen Zustimmungen zu unterlaufen102. Der Boden für einen Parlamentarismus überhaupt in Deutschland war aber von nun an bereitet und Basis für die Durchsetzung eines parlamentarischen Regierungssystems.

2.1.2. Festschreibung des monarchischen Prinzips: Reaktion Vergleicht man die neue deutsche Verfassungsentwicklung mit einer Welle, die von Süd nach Nord über Deutschland hinwegspülte, so mußte zwangsläufig auch ein Wellental folgen. Es folgte in Form heftiger Reaktion, bevor diese erste Welle überhaupt die Möglichkeit gehabt hätte, langsam auszurollen. Als bekannteste Reizworte für die Auslösung dieser Reaktion seien nur genannt: Allgemeiner Deutscher Studentenbund, Wartburgfest, schließlich die Ermordung des russischen 100 Na § 2 Nr. 2; B X §§ 4, 6; Ba § 67; W § 51; RD Art. 109; Wa § 25 g; SWE §§ 5Nr. 5, 111 ff., 125; SR §§ 53, 55.

101 So u. a. Ratschek (4), S. 713; Frisch, S. 7 ff., 21, 32 ff., 62 ff.; ähnlich bereits die Vorschriften in SWE § 5 Nr. 5 und §§ 111 ff. 10! Dazu Scheyhing für die Zeit nach 1830, S. 134.

2. Entwicklung zum parlamentarischen Regierungssystem

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Staatsrates Kotzebue durch den Theologiestudenten Karl Ludwig Sand 103 • Darüber hinaus hatten auch die Volksvertretungen schnell an Selbstverständnis gewonnen, darauf bedacht, ihre erworbenen Rechte nicht nur zu wahren, sondern möglichst auszubauen. Die Regierungen mußten so manche unbequeme Kritik hinnehmen. Die schon immer gehegten Befürchtungen, die landständischen Verfassungen seien den überkommenen Machtansprüchen der Monarchen allzu abträglich, schienen sich aus der Sicht der Regierenden zu bewahrheiten104 • Metternich, Initiator einer Neuordnung, zugleich aber auch einer Restauration in Mitteleuropa, sah sein fein gesponnenes Netz der Gefahr unaufhaltsamer Zerstörung preisgegeben105 • Mit Hilfe des Deutschen Bundes setzte er die Karlsbader Beschlüsse 106 durch: Verbot der Burschenschaft, Überwachung von Studenten und Professoren (Universitäts-Gesetz); Zensur von Büchern und Zeitungen (Preß-Gesetz); "Bestellung einer Central-Behörde zur näheren Untersuchung der in mehreren Bundesstaaten entdeckten revolutionären Umtriebe" (Demagogenjagd, Art. 1 - 10). Metternichs Berater, Gentz, versuchte gar in einem Gutachten, den Art. 13 der Bundesakte dahin auszulegen, daß "landständische Verfassung" nur "altständische Verfassung" bedeuten könne, denn nur eine solche Auslegung entspräche dem "monarchischen Prinzip". Dieses schrieb seit dem 15. Mai 1820 die "Wiener Schlußakte" fest 107 • All diese Umstände ließen zunächst einen weiteren Ausbau der verfassungsmäßigen Rechte, insbesondere bis hin zur Abhängigkeit etwa der Regierung von den Volksvertretungen, nicht zu. Sie führten vielmehr in der Regel zu einer Schwächung der Volksvertretungen108 • Die bis 1830 noch erlassenen Verfassungen brachten demgemäß auch keine Fortschritte109 •

103

Einzelheiten bei Huber, Bd. 1, S. 696 ff., 700, 708, 717, 722, 727; Scheyhing,

104

Calker, S. 57; Kimminich, S. 326; Feine, S. 87 ff., 89; Huber, Bd. 1,

S. 133 ff. S.643.

105 Zum "System Metternich": Gangl, S. 51 ff. m. w. N.; Feine, S. 71; Kimminich, S. 325; Huber, Bd. 1, S. 530 ff. 106 6. - 31. 8. 1819; Text: Dokumente, Nr. 31 - 33; im übrigen s. Huber, Bd. 1,

S. 732 ff., 739 f. 107

Dokumente, Nr. 30, Art. 54 ff., 57; Einzelheiten bei Huber, Bd. 1, S.

652 ff., 753 ff.

So Calker, S. 57; Mitteis / Lieberich, S. 322 f.; Schulze, S. 153 f. Sachsen - Coburg - Saalfeld, später Coburg-Gotha; Sachsen - Meiningen; Sachsen-Meiningen-Hildburghausen; Texte bei Pölitz, Bd. 2, S. 794 ff. (806, lOB

109

824,833).

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1. Teil: Parlamentarische Regierungssysteme in Deutschland

2.1.3. Verjassungsbewegung bis 1848 Erst mit der Julirevolution in Frankreich 1830 begann wiederum eine fortschrittlichere Phase. In Frankreich hatte Karl X. (1824 - 1830) nicht eine ebenso glückliche Hand beim Regieren wie sein Bruder Ludwig XVIII. zuvor. Er mußte daher, in Folge der Revolution, seinem Verwandten, dem Herzog Louis Philippe von Orleans den Thron räumen. Louis Philippe war - wie 1866 Wilhelm von Oranien in England bereits im 17. Jahrhundert - durch den "Willen des Volkes" eingesetzt und regierte bezeichnenderweise unter dem Banner der Trikolore und nicht unter dem bourbonischen Lilienbannerl1o • Die Charte contitutionelle fran~aise vom 14. August 1830 kam entsprechend durch das Zusammenwirken von König und Kammern zustande: "Nous Avons Ordonne Et Ordonnons que la Charte constitutionelle de 1814, teIle qu'elle a ete amandee par les deux Chambres le 7 aout et acceptee par nous le 9 sera de nouveau publiee dans les termes suivants 111 ." Unter dem Eindruck der Ereignisse in Frankreich erhob sich auch in Braunschweig, Kurhessen, Sachsen und Hannover die Bevölkerung. Nach Jahren der Reaktion wurde der Liberalismus neu entfacht. Aufgrund der aufflammenden Unruhen traten nicht nur die von der revolutionären Bewegung am heftigsten erschütterten Länder - Kurhessen, Sachsen, Braunschweig und Hannover - sondern auch einige weitere mittel- und norddeutsche Länder wie: Sachsen-Altenburg, Holstein, Hohenzollern-Sigmaringen, später dann noch Lippe, SchwarzburgSonderhausen und Luxemburg in die Reihe der konstitutionellen Staaten ein112 • Für diese Verfassungen wurde nicht die Charte constitutionelle Ludwigs XVIII. oder die Charte constitutionelle fran~aise von 1830 vorbildlich, sondern in aller Regel die belgische Verfassung von 1831 113 • Diese "zweite Verfassungswelle"114 brachte durchaus weitere Fortschritte mit sich. Die bereits in Süddeutschland eingeleitete Trennung von Justiz und übriger Staatsverwaltung115 fand eine Fortsetzung und Verfestigung116 • Das Steuerbewilligungsrecht, sowie die Rechte zur Bewilligung der Veräußerung von Staatsvermögen und Aufnahme von Einzelheiten bei v. Beyme, S. 106 ff. Godechot, S. 247; Näf, S. 134. 112 Dazu bei Calker, S. 57 - 59; Kimminich, S. 338, 340 f.; Forsthoff, S. 110 ff.; Charakterisierung einzelner Verfassungen auch bei Näf, S. 127 ff. 113 Wie hier: Mitteis / Lieberich, S. 322 f.; Hartung, S. 203 ff.; Scheyhing, S. 137 ff.; Text bei Franz, S. 54 ff.; im übrigen bei Pölitz, Nachweise in der Anlage. 114 So Calker, S. 57. 115 B VII §§ 1 - 7; Ba §§ 14 ff.; W §§ 93 ff.; HD §§ 31, 32 ff. 116 KH §§ 112 ff.; Sa §§ 45 ff.; Han § 30 ff.; Brg §§ 191 ff.; SA §§ 45 ff.; HS §§ 26 ff.; SS §§ 85 ff. 110

111

2. Entwicklung zum parlamentarischen Regierungssystem

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Staatsschulden, wurde erweitert und ein förmliches Budgetrecht häufig festgeschrieben 117• Erstmals erhielt in Kurhessen auch die Ständeversammlung das so wichtige Antragsrecht für Gesetze1l8 • Der bereits in Süddeutschland eingeleitete Übertritt zur sog. Ministerregierung erhielt deutlichere Konturen119 • In die Verfassungen wurde nunmehr ausdrücklich aufgenommen: "Alle Verfügungen in Regierungsangelegenheiten, welche der König unterzeichnet, müssen von dem Vorstande eines Ministerialdepartments, welcher bei der Beschlußnahme wirksam gewesen ist, zum Zeichen seiner Verbindlichkeit für die Zweckmäßigkeit und Übereinstimmung derselben mit den Gesetzen und der Verfassung des Landes, contrasigniert werden. Eine solche mit der erforderlichen Contrasignatur nicht bezeichnete Verfügung, ist als erschlichen zu betrachten und daher unverbindlich120 ." Damit griff weitgehend eine "konstitutionelle Verantwortlichkeit" Platz 121 . Im beschränkten Umfange wurden den Ständeversammlungen, Kammern oder entsprechenden Ausschüssen nun auch gegenüber den Regierungen Kontrollbefugnisse eingeräumt, und zwar "über alle Verhältnisse, welche nach ihrem Ermessen auf das Landeswohl wesentlichen Einfluß haben, die zweckdienlichen Aufklärungen von den landesherrlichen Kommissarien zu begehren"122. 117 KH §§ 98; 139 ff., 142, 144; Sa §§ 96 ff., 98, 105, 108; Brg §§ 97, 161 ff., 173 ff.; Han § 129 ff.; SA §§ 202 ff.; HS §§ 66 b, d, 68 ff., 72 ff.; SS §§ 138 ff.; Lu Art. 29 ff. 11S KH § 97; in beschränktem Umfange ebenfalls: Brg § 105 und LD § 7; vgl. auch SS § 8 Nr. 2; Han (Verf. von 1833) § 88. 119 KH §§ 106 ff.; Sa §§ 41 ff.; Brg §§ 153 ff., 158, 159; Han §§ 168 ff.; SA §§ 36 ff.; SS § 58; HS §§ 47 ff.; Lu Art. 42 ff.; Einzelheiten hierzu bei Huber, Bd. 3, S. 20 ff.; Bd. 1, S. 338 f.; Mayer, 0., S. 251 ff., dazu auch Böckenförde (3), S. 151 und dort Fn. 34. 120 Sa § 43, ähnlich KH § 108; Sa § 36 Abs. 2; SS § 59; HS § 50; aber auch schon Brg (Verf. von 1820) § 32, (Verf. von 1832) § 155. Die Unterscheidung

zur reinen Beamtenverantwortlichkeit wurde allerdings weitgehend noch nicht vollzogen. Vgl. oben Fn. 101, s. ferner bei Heinrich, S. 47 ff.; Schenck zu Schweinsberg, S. 19 ff. 121 Diesen Begriff verwendet Böckenförde (3), S. 152, 158, s. dort auch bei Fn. 36; Ministerverantwortlichkeit wird unter verschiedenen Aspekten betrachtet: neben strafrechtlicher, staatsrechtlicher und politischer nennen einige eine parlamentarische, während andere einer "gerichtlichen" als solcher eine parlamentarische Ministerverantwortlichkeit gegenüberstellen. Die Unterschiede sind fließend. Deshalb soll hier, um Mißverständnissen vorzubeugen, der Begriff "konstitutionelle Ministerverantwortlichkeit" als umfassender Begriff Verwendung finden, der strafrechtliche, staatsrechtliche und politische Verantwortlich umfaßt, im Gegensatz allerdings zur parlamentarischen, durch Mißtrauensvotum sanktionierten Ministerverantwortlichkeit. s. dazu noch bei Stern, S. 742; Kröger, S. 12 ff.; Huber, Bd. 3, S. 898 f.; Giese (4), S. 195; v. Beyme, S. 161 f., 399; Monz, S. 27; Hatschek (4), S. 709 ff.; Frisch, S. 7 ff., 147 ff., 325 ff. 122 KH § 92; Sa § 125; Einzelheiten bei Huber, Bd. 2, S. 46 ff.

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1. Teil: Parlamentarische Regierungssysteme in Deutschland

Entsprechend ihrem "parlamentarischen Vorsprung" begann zur selben Zeit in Süddeutschland eine Phase stärkerer Opposition. Auf dem allerdings noch langen Weg zum parlamentarischen Regierungssystem sind hier zwei Ereignisse u. a. erwähnenswert: auf Druck der Opposition sah sich in Bayern König Ludwig I. (1825 - 48) genötigt, seinen Innenminister v. Schenk am 26. Mai 1931 zu entlassen; in Baden gelang es ohne Initiativrecht, das "neue badische Preßgesetz vom 28. Dezember 1831" mit Hilfe des Budgetrechts durchzusetzen123. All diese Umstände, insbesondere aber die "konstitutionelle Ministerverantwortlichkeit" und das Budgetrecht, ermöglichten von nun an in immer stärkerem Maße, daß den Volksvertretungen der Boden bereitet wurde, als Instanz zu gelten, der gegenüber die Regierungen Rechenschaft abzulegen hatten. Und "es war deshalb nicht eine Frage des Prinzips, sondern eine Frage der Umstände und politischen Konstellationen, ob diese konstitutionelle Verantwortlichkeit die parlamentarische Regierungsweise aus sich heraussetzte oder nicht"124. In diesem Zusammenhang soll allerdings daran erinnert werden, daß der Ausdruck "parlamentarisches Regierungssystem" in Deutschland erst mit Beginn der vierziger Jahre rezipiert wurde und gerade die Wortführer der Opposition in Süddeutschland wie etwa Pfizer, Rotteck, Welcker usw. einer Generation angehörten, die, beeinflußt von der französischen Gewaltenteilungslehre, nicht gemäß dem englischen Vorbild die Forderung nach Parlamentssouveränität aufstellten125 . Auch der "zweiten Verfassungswelle" 126 folgten wie der ersten scharfe Reaktionen. Beunruhigte damals das Wartburgfest die Regierenden, so war es im Jahre 1832 das Hambacher Fest und im Jahre 1833 besonders der Frankfurter Wachensturm127. Mit Hilfe des Bundes setzte Metternich eine zweite noch heftigere Demagogenverfolgung durch128 . 2.2. Die 48er Revolution In Deutschland

Mit dem Revolutionsjahr 1848 begann in Deutschland ein neuer, qualitativ höher stehender Abschnitt von Parlamentarismus. Einmal erreichte eine "dritte Verfassungswelle" alle übrigen deutschen Länder129 , unter ihnen das einflußreiche Preußen130. Im übrigen kam es 123 Einzelheiten bei Huber, Bd. 2, S. 32 ff., 39 ff.; zur Bedeutung des Budgetrechts auch Böckenförde (3), S. 155 ff. 124 Böckenförde (3), S. 158. 125 So auch v. Beyme, S. 150 f. 128 So Calker, S. 57, 59. 127 Einzelheiten bei Huber, Bd. 2, S. 125 ff., 133 ff., 164 ff. 128 Hierzu noch: Kimminich, S. 341; Huber, Bd. 2, S. 147, 151, 154 ff., 173 ff. 129 Zur Situation in Mecklenburg vgl. bei Fn. 88.

2. Entwicklung zum parlamentarischen Regierungssystem

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nicht nur in den Klein- und Mittelstaaten, in denen noch (alt)-ständische Einrichtungen überwogen, zu erheblichen Reformen131 • überall gaben die Regierungen dem Druck der revolutionären Bewegung kampflos nach und beriefen die Führer der Opposition in ihre Ministerien 132 , die sog. "Märzminister" . Die Entwicklung wurde aber vor allem deswegen in einen neuen Stand versetzt, weil sich von nun an der Blick auf ein nation al staatliches Parlament richtete, das mit der "Paulskirche" erstmals die Chance zur Verwirklichung eines parlamentarischen Regierungssystems in sich barg133 •

2.2.1. Die preußischen Verfassungen Die Entwicklung im einflußreichen Preußen, wo sich der Parlamentarismus von nun an etablierte, zeitigte nachhaltige Wirkungen auf die gesamtdeutsche parlamentarische Entwicklung und verdient daher an dieser Stelle noch kurze Beachtung. Für die nationalstaatliche Verfassungsentwicklung wurde der Einfluß Preußens bestimmend 134 • Die preußischen Verfassungen vom 5. Dezember 1848135 und 31. Januar 1850 brachten wiederum leichte Stärkungen des Parlaments insgesamt auf dem Weg zur Abhängigkeit der Regierungen von den Parlamenten136 • Zunächst schrieben die Verfassungen das für die Parteienbildung wichtige Recht der Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit137 fest. Allen Preußen stand das Petitionsrecht ZU138 • Neben der bereits üblichen "konstitutionellen" Ministerverantwortlichkeit 139 , die durch die ausdrückliche Verbindung der Gültigkeit von Anordnungen des Königs mit der Contrasignatur eine neue Qualität 140 erfuhr, und dem Budgetrecht 141 existierte nun auch in Preußen das wichtige Antragsrecht für Gesetze nicht nur allein auf Seiten des Regenten142 • Darüber hinaus Dazu bei Giese (2), S. 142. Calker, S. 61; Einzelheiten bei Monz, S. 16 ff.; und Scheyhing, S. 175 ff. 132 Einzelheiten hierzu bei Huber, Bd. 2, S. 501 ff. 133 In diesem Sinne v. Beyme, S. 158; dazu auch Bergsträsser, S. 142; Treue, S. 17 f. und Boldt, S. 77 ff. 134 Anschütz (3), S. 63 m. w. N.; Kimminich, S. 396; überblick und Entwicklung: Bornhak (1), S. 386 ff., 411 ff. 135 Art. hier in Klammern. 136 Zur Situation in den übrigen Ländern: Monz, S. 16 ff. 137 Art. 29, 30 (27,28). 138 Art. 32 (30). 139 Art. 44, 61 (42, 59) lex imperfecta: das nach Art. 61 Abs. 2 vorgesehene Gesetz wurde nicht erlassen, Arndt (1) zu Art. 61, S. 224 ff.; Huber (3), S. 66; Monz, S. 27; Giese (4), S. 195; Bergsträsser, S. 145. 140 Vgl. Fn. 121. 141 Art. 99 ff. (98 ff.). 142 Art. 64 (61). 130

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waren die Kammern berechtigt, die Gegenwart der Minister zu verlangen143 und vor allem zu "ihrer Information Kommissionen zur Untersuchung von Tatsachen zu ernennen"144. Im Art. 81, Abs. 1 und 3 (80 Abs. 2) waren ferner Ansätze zu einem Interpellationsrecht im modernen Sinne vorhanden. Schließlich klammerten die Verfassungen auch nicht die Möglichkeit aus, daß Minister Mitglieder der einen oder anderen Kammer waren145 . Damit enthielten die Verfassungen immerhin auch zwei wichtige Elemente eines parlamentarischen Regierungssystems: Die Minister besaßen Stimmrecht, soweit sie einer Kammer angehörten und das Recht, den Beratungen der Kammern beizuwohnen146. 2.2.2. Die Reichsverjassung vom 28. März 1849

Die Revolution von 1848 brachte in Deutschland zum erstenmal eine "Verfassungsgebende Deutsche Nationalversammlung" hervor, getragen von unterschiedlichen politischen Strömungen147 , die sich seit Mitte der 30er Jahre immer deutlicher herauskristallisiert hatten und trotz des Verbots vom 5. Juli 1832 148 u. a. den Boden für eine spätere organisierte Bildung mitgliedschaftlicher politischer Parteien bereiteten. Die Forderung nach einer Nationalrepräsentation stellte die bürgerliche Bewegung mit Nachdruck seit 1847 in ihren Programmen von Offenburg und Heppenheim149 auf. Anfang 1848 erhoben sich hierfür auch Stimmen in einigen Landesparlamenten, verbunden mit dem Appell, die Regierungen mögen von sich aus entsprechende Initiativen ergreifen150. Schon im März 48 schaffte die sog. Heidelberger Versammlung151 die ersten Voraussetzungen für die Wahl eines deutschen Parlaments, entschlossen, die geforderte Nationalrepräsentation notfalls aus eigener Kraft zu verwirklichen. Zur Vorbereitung einer zweiten Versammlung, dem sog. Vorparlament, in das Vertreter aller Länder nach Frankfurt berufen werden sollten, setzte die Heidelberger Versammlung einen Ausschuß aus ihrer Mitte ein, den sog. Siebenerausschuß. Art. 60 (58). Art. 82 (81). 145 Art. 60 Abs. 3 (58 Abs. 3). 14e Art. 60 Abs. 1 (58 Abs. 1). 147 Einzelheiten bei Huber, Bd. 2, S. 309 ff. 148 Dokumente, Nr. 43. 140 Dokumente, Nr. 68 und 69. 150 Einzelheiten auch zum folgenden: Huber, Bd. 2, S. 587 ff. 151 Dokumente, Nr. 70; überblick zur Entwicklung der NV bei Bornhak (1), S. 403 ff. 143

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Die Ende 1847 von Preußen eingeleitete Initiative zur Errichtung eines deutschen Nationalstaates von "oben", die sich im März 48 mit einer Einladung an alle deutschen Regierungen zur Teilnahme an den Dresdner Konferenzen152 konkretisierte, scheiterte nach Ausbruch der Revolution in Wien und Berlin. Dem Zwang der Zeit entsprechend, rea151erte der Bundestag mit seinen Beschlüssen153 : Einführung der Preßfreiheit, Erklärung über Wappen und Farben des Deutschen Bundes. Berufung von Männern des allgemeinen Vertrauens, Aufhebung der Bundesausnahmegesetze. Dementsprechend konstituierte sich der "Siebzehnerausschuß"154, der eine Revision der Bundesverfassung vornehmen sollte. Daneben standen dann Ende März als weitere Gremien auf "gesamtstaatlicher" Ebene das Vorparlament, das nach Erfüllung seiner Aufgaben einem Fünfzigerausschuß als "Hüter der revolutionären Rechte" bis zum Zusammentritt der Nationalversammlung Platz machte 155 und schließlich noch der Bundestag. Zwar waren am letzteren die Umbildungen der Regierungen in den Einzelstaaten nicht spurlos vorübergegangen, aber trotz seiner späteren formellen Aufhebung durch das Gesetz über die vorläufige Zentralgewaltl56 , vermochte er als Gremium durch geschicktes Agieren seine völlige Beseitigung zu verhindern, so daß es im Zuge wiedereinsetzender Reaktionen ohne Schwierigkeiten zu seiner Reaktivierung kommen konnte 157. Die Eröffnungssitzung der Frankfurter Nationalversammlung fand am 18. Mai 1848 statt 15B • Einen Tag später wählte die Versammlung den Führer der Liberalen, Heinrich von Gagern, zum Präsidenten. Die Versammlung begann ihre Arbeit und sah ihre erste große Aufgabe in der Schaffung einer Exekutive 159. Als in dieser Frage keine Verständigung mit den Regierenden zustande kam, verkündete von Gagern vor der Nationalversammlung: "Ich tue einen kühnen Griff und ich sage Ihnen: wir müssen die provisorische Zentralgewalt selbst schaffen160 ." Für seinen Plan, einen Reichsverweser einzusetzen, fand sich eine Mehrheit. Die Proklamation souveräner Verfassungsgewalt schien ein großer Erfolg. 152 Dokumente, Nr. 76. 153 Dokumente, Nr. 72 - 75. 154 Einzelheiten bei Huber, Bd. 2, S. 598. 155 Dokumente, Nr. 77 und 78. 156 Dokumente, Nr. 82. 157 Huber, Bd. 2, S. 631 ff. 158 Einzelheiten zu Struktur und Wahl des Parlaments: Treue, S. 15 ff.; Kimminich, S. 355 f.; Huber, Bd. 2, S. 606 ff., 610 ff.; Hamerow, S. 215 ff. 159 Huber, Bd. 2, S. 619 ff. 160 Zitiert bei Huber, Bd. 2, S. 624, weitere Einzelheiten S. 619 ff.; v. Beyme, S.162.

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1. Teil: Parlamentarische Regierungssysteme in Deutschland

Betrachtet man nun, wie danach die Erledigung der laufenden Geschäfte vonstatten ging und welche Gepflogenheiten sich hierbei herausbildeten, so herrschte in der Praxis eine starke Anlehnung an eine parlamentarische Regierungsweise, obwohl jene Parlamentspraxis auch sehr starke Züge einer Versammlungsregierung erkennen ließ161. Die "Paulskirche" schien ihre Chance auf Einführung eines parlamentarischen Regierungssystems nutzen zu wollen. Von der Intention her läßt sich allerdings nicht sagen, daß ein parlamentarisches Regierungssystem als solches von der Nationalversammlung insgesamt ins Auge gefaßt oder gar angestrebt worden wäre. Nur wenige waren einmal überhaupt auf einem Erkenntnisstand, der es ihnen gestattet hätte, ein solches Ziel auch in eine ausgewogene Form einer Verfassung für den Gesamtstaat zu gießen162 . Zum anderen war die Chance hierzu mit Erlaß des Gesetzes über die Einführung einer provisorischen Zentralgewalt praktisch schon vertan. Dieses Gesetz stellte dem Reichsverweser ein Reichsministerium zur Seite, dessen Mitglieder allein der Reichsverweser berief und entließ163. Zwar könnte der reine Wortlaut: "Der Reichsverweser übt seine Gewalt durch von ihm ernannte, der Nationalversammlung verantwortliche Minister aus" (§ 6 Satz 1) auch die parlamentarische Verantwortlichkeit beinhalten. Da aber von den überkommenen konstitutionellen Prinzipien nicht erkennbar abgewichen wurde, erfaßte das Gesetz ganz offensichtlich nur die "konstitutionelle" Verantwortlichkeit 164. Nicht zuletzt deshalb blieb auch "der erste Versuch des deutschen Parlaments, nicht nur durch eine feindliche Abstimmung wie im Fall Leinigen, sondern auch durch ein offenes Mißtrauensvotum seine Meinung kundzutun", zum Scheitern verurteilt 165 . Das Gesetz über die Einführung einer provisorischen Zentralgewalt, der Siebzehnerentwurf166 und schlie~:_..:n. die Frankfurter Reichsverfassung selbst 167 gingen hinsichtlich der Errichtung eines parlamentarischen Regierungssystems von der Sache her nicht über das hinaus, was bereits die oktroyierte Verfassung Preußens 1848 festgeschrieben hatte. Die Reichsverfassung trat aufgrund der ablehnenden Haltung Preußens nicht in Kraft1 68 . Preußen wollte seine Haltung allerdings 161 Zum Begriff Versammlungsregierung: Loewenstein, VL, S. 75 ff., 77; wie hier auch v. Beyme, S. 166 ff., 171; Treue, S. 17. 162 i. d. S. v. Beyme, S. 158 ff., 232; Botzenhart (2), S. 121 ff.; Huber, Bd. 2, S. 771, 828 f.

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Dokumente, Nr. 82, § 6. So auch Glum (1), S. 49; v. Beyme, S. 150 ff., 165; Huber, Bd. 2, S. 628. v. Beyme, S. 168; Huber, Bd. 2, S. 629 ff. Dokumente, Nr. 91. Dokumente, Nr. 102. Kimminich, S. 360; Huber, Bd. 2, S. 767 ff., 807 ff., 844 ff., 855, 856 ff.

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keinesfalls als Verzicht auf eine Einigung Deutschlands verstanden wissen. Es war vielmehr bereit, "an die Spitze eines Bundesstaates zu treten, der aus denjenigen Staaten sich bildet, welche demselben aus freiem Willen sich anschließen möchten"169 und stellte demgemäß, ausgehend vom "Dreikönigsbündnis" seinen Unionsplan vor l7O • Dem ersten Höhepunkt nationalstaatlichen Parlamentarismus folgten erneut schärfste Reaktionen, die wiederum vom reaktivierten Deutschen Bund ausgingen l71 • Seit dem 12. Mai 1851 entsandten die Unionsstaaten erneut ihre Vertreter. Damit war der Deutsche Bund wiederhergestellt 172 • 2.3. Die Verfassung des Norddeutschen Bundes und die Reichsverfassung von 1871

Waren Preußen die revolutionären Ereignisse der Jahre 1848/49 zu weit gegangen, so versäumte es doch nicht, eine Revision der Bundesverfassung im Zusammenhang mit weiteren Einigungsversuchen zu betreiben173. Scheiterten diese Bestrebungen zunächst an Österreich, so war es umgekehrt Preußen, das nach 1861 alle Reformbestrebungen Österreichs zunichte machte 174. Der unüberwundene Dualismus zwischen den beiden Großmächten führte schließlich über die Auseinandersetzungen in Schleswig-Holstein, Königgrätz und den Prager Frieden zur Auflösung des Deutschen Bundes. Damit war der Weg frei zur sog. kleindeutschen Lösung unter Führung Preußens175 • Im Jahre 1867 erfolgte die Gründung des Norddeutschen Bundes, der wenige Jahre später, nach dem deutsch-französischen Krieg, 1871 im Deutschen Reich aufging.

2.3.1. Ablehnung des parlamentarischen Regierungssystems Hatte die Entwicklung des Parlamentarismus in Deutschland in den Jahren 48/49 einen ersten Höhepunkt erreicht, so mußte diese nicht nur mit Erlaß der Verfassung des Norddeutschen Bundes vom 16. April 1867 und der Reichsverfassung vom 16. April 1871 176 Rückschläge hinneh169 Zitiert bei Huber, Bd. 2, S. 885. 170 Dokumente, Nr. 171 a, 171 bund 177; Huber, Bd. 2, S. 886 ff. 171 Calker, S. 61 ff.; Kimminich, S. 361 ff.; Forsthoff, S. 145; Huber (3), S. 182. 172 Huber, Bd. 2, S. 925 f. 173 Dazu Fn. 172 und 173. 174 Glum (2), S. 13; Huber, Bd. 3, S. 383 ff und 404 ff.; Kimminich, S. 388 ff.; Giese (2), S. 163; Scheyhing, S. 190 ff. 175 Einzelheiten bei: Scheyhing, S. 194 ff.; Forsthoff, S. 145 f.; Kimminich, S. 394 ff.; Huber, Bd. 3, S. 384 ff., 436 ff.; Bornhak, S. 445 ff.; Feine, S. 175 ff., 208 ff., 234 ff. 176 Dokumente, Nr. 187 und 218.

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1. Teil: Parlamentarische Regierungssysteme in Deutschland

men177 • Die Verfassungen enthielten Elemente, die eines parlamentarischen Regierungssystems hinderlich wie auch in keiner anderen deutschen Verfassung war dert die parlamentarische Verantwortlichkeit einer geschrieben.

der Einführung waren. In ihnen im 19. J ahrhunRegierung fest-

Die weitere Entwicklung erschwerte auf Reichsebene zunächst einmal die Inkompatibilität von Reichskanzleramt und Reichstagsmandat (Art. 9 S. 2)178 im Gegensatz etwa zur preußischen Verfassung (Art. 60 Abs. 3). Hinzu kam, daß der Reichskanzler aus verfassungspolitischer Notwendigkeit stets auch preußischer Minister sein mußte. "Nach der Verfassung führte er in Vertretung des Kaisers den Vorsitz im Bundesrat; dorthin konnte er aber nur als preußischer Bevollmächtigter gelangen; sollte nun der Reichskanzler nicht Untergebener eines preußischen Ministers sein, was politisch natürlich untragbar war, dann mußte er notwendig das Amt des preußischen Außenministers innehaben, an das die Funktion des preußischen Chefs der Bundesdelegation geknüpft war - eine Reminiszenz an die völkerrechtlichen Vorspiele zur Schaffung des Reiches. Tatsächlich sind alle Reichskanzler nicht nur preußische Außenminister, sondern mit ganz kurzfristigen Ausnahmen auch preußische Ministerpräsidenten gewesen." Dies alles führte zu einer Schwächung des Reichstages 179• Wies etwa die preußische Verfassung die Möglichkeit zur Regelung einer Ministeranklage "wegen des Verbrechens der Verfassungsverletzung" (Art. 61) noch auf, so fehlte ein entsprechendes Recht nunmehr überhaupt. Der Bundesrat (Art. 6 ff.) war das höchste Reichsorgan und der Kaiser Inhaber der Bundespräsidialbefugnisse (Art. 11 ff.)180, so daß nicht er, sondern der Bundesrat als Souverän des Reiches galt. Mitunter wurden demgemäß die Rechte und Pflichten des Kaisers mit denen eines Vorstandes einer juristischen Person verglichen181 . Der Kaiser ernannte und entließ gemäß Art. 15 Abs. 1 den Reichskanzler, mit dem er zusammen die Richtlinien der Politik bestimmte (Art. 11 i. V. m. 17)182. 177 i. d. S. Loewenberg, S. 32, hierzu und insbesondere zum Verfassungskonflikt in Preußen: v. Beyme, S. 232; Huber, Bd. 3, S. 275 ff., 305 ff., 333 ff., 348 ff.; Bornhak, S. 437 ff.; Wahl, S. 171 ff. 178 Soweit die Art. der Verfassungen identisch sind, erfolgt kein bes. Hinweis auf die Art. der Verfassung des Norddeutschen Bundes. 179 Zitiert bei Menger (1), S. 150 i., Rdnr. 301; Einzelheiten noch bei: v. Beyme, S. 232 ii., 233; Huber, Bd. 3, S. 829; Wasser, S. 19; Kimminich, S. 428 ff. 180 Laband (2), S. 39 fi.; Huber, Bd. 3, S. 812; Laband (3), S. 211 ff., 233 ff. 181 Laband (2), S. 41. 182 Laband (2), S. 60 ff.; v. Beyme, S. 234 ff.; Hubeer, Bd. 3, S. 821.

2. Entwicklung zum parlamentarischen Regierungssystem

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Der Reichskanzler183 übernahm durch Gegenzeichnung für die Anordnungen und Verfügungen des Kaisers die Verantwortlichkeit. Der hier angesprochene Art. 17 S. 2 nahm dabei eine höchst eigenartige Stellung ein184 als Ergebnis der beiden Extreme, nämlich: einerseits den Bundesrat als Träger der Regierungsgewalt sehen zu wollen mit dem Reichskanzler als nur geschäftsführendes Organ und andererseits der Forderung nach Abhängigkeit der Regierung vom Parlament. Auf der einen Seite blieb die Verfassung damit hinter der "konstitutionellen" Ministerverantwortlichkeit zurück, indem sie die Möglichkeit einer Anklage nicht vorsah. Andererseits wies der Art. 17 S. 2 im Gegensatz zu älteren Verfassungen stärker als jemals zuvor auf die parlamentarische Verantwortlichkeit hin, die aber ohne Mißtrauensvotum sanktionslos blieb 185 • Art. 17 diente allerdings später u. a. als Ansatz dazu, auf die Regierungen Zwang auszuüben, ihre Politik vor dem Parlament in öffentlicher Diskussion zu vertreten. Die Regierung hatte in bestimmten Fällen die Pflicht "zur Erstattung von Berichten an den Reichstag" 186. Dieser wurde insbesondere aufgrund der Art. 72 und 23 der Verfassung durchaus in den Stand gesetzt, eine gewisse Regierungskontrolle vorzunehmen. Ein Frage- und Interpellationsrecht regelte allerdings mit starken Einschränkungen - ab 1876 die Geschäftsordnung für den Reichstag187 • Schließlich muß als fortschrittlich anerkannt werden, daß der Reichstag gemäß Art. 20 aus allgemeinen und direkten Wahlen mit geheimer Abstimmung hervorging188 •

183 Zur Stellung im System: Huber, Bd. 3, S. 820 ff.; v. Beyme, S. 233; Laband (2), S. 60 ff.; (3), S. 364 ff. 184 Zur lex Bennigsen: Glum (1), S. 49 ff., (2), S. 15 ff.; Huber, Bd. 3, S. 657 ff. 185 Vgl. aber Art. 44 preuß. Verfassung; man könnte von kupierter parlamentarischer Verantwortlichkeit sprechen; prägnant dazu der Abg. Dr. Haenel in der Sitzung des Reichstags vom 9. März 1878, StenBer. RT, S. 407: "Ganz allein kann sich die Frage darum handeln, welche Rechte uns bereits jetzt für die Durchführung dieser Verantwortlichkeit gegeben sind; sie mögen in diesem Augenblick noch begrenzt sein, sie sind aber bereits vorhanden, sie sind in der Verfassung selbst in einer gewissen Beschränkung ausdrücklich anerkannt. Ich erinnere Sie an die Verpflichtung der Rechnungslegung von seiten der Regierung und unseres Rechts der Decharge, in der Tat nur ein Mittel, um die Verantwortlichkeit, die uns garantiert ist, in einer bestimmten Form zur Geltung zu bringen." Zum Reichskanzleramt / Reichsamt des Innern und den daraus ressortierten Reichsbehörden: Laband (2), S. 58 f.; Huber, Bd. 3, S. 835 ff. 188 Dazu Laband (2), S. 50, (3), S. 304 ff. 187 s. aber Monz, S. 23; wie hier auch Huber, Bd. 3, S. 903; Laband (1), Sp. 677 ff.; Regelung in der GeschO, Dokumente, Nr. 234. 188 So auch Loewenberg, S. 32.

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1. Teil: Parlamentarische Regierungssysteme in Deutschland

2.3.2. Konstitutionelle oder parlamentarische Monarchie (28. 10. 1918)? Trotz aller Hemmnisse, die die Verfassung von 1871 für die Durchsetzung eines parlamentarischen Regierungssystems und einer parlamentarischen Demokratie etwa mit monarchischer Spitze in sich barg, gingen die Bestrebungen, wenn zunächst auch nur ganz allmählich, so doch später um so schneller dahin, ein parlamentarisches Regierungssystem durchzusetzen189 • Allerdings versuchte Bismarck, solange er im Amt war, derartige Tendenzen abzuwehren. Von ihm war eine Begünstigung dieses Systems sicher nicht zu erwartenl90 • Zwar war es Bismarck, der 1862 seine Regierungstätigkeit als preußischer Ministerpräsident mit einem Verständigungsversuch begann und den altliberalen Abgeordneten Vincke und Simon, ja sogar dem linksliberalen Abgeordneten Sybel Ministersitze anbot. Er war bereit, den liberalen Führern den Weg in die Regierung als Gegenleistung für parlamentarische Unterstützung bei der Heeresvorlage zu öffnen. Als die liberalen Führer jedoch ablehnten, sah sich Bismarck auf den Weg der außerparlamentarischen Lösung gezwungen. Das verfassungsrechtliche Ergebnis der Jahre von 1862 -1866 war folglich, daß zunächst das parlamentarische Regierungssystem in Preußen endgültig abgelehnt war191 • Das Angebot Bismarcks an Bennigsen 1878, ein Staatssekretariat im Reich anzunehmen, war kein Einlenken in dieser Frage, gar verbunden mit einem Sinneswandel. Bismarck zeigte Kompromißbereitschaft. Er war trotz Ablehnung des parlamentarischen Regierungssystems bereit, den gegebenen Machtverhältnissen Rechnung zu tragen und eine "gewisse Parlamentarisierung der Regierungsverhältnisse" zuzulassen. Dagegen zielte Bennigsens Verlangen, dann drei weitere nationalliberale Parlamentarier in die Regierung zu übernehmen, sofort in Richtung parlamentarisches Regierungssystem, da dies, wie Huber hervorhebt, den "Anfang einer Parlamentarisierung der Reichsregierung" bedeutet hätte. Bismarcks grundlegende Haltung in dieser Frage unterstreichen seine Worte vor dem Reichstag am 26. November 1884: "Die monarchische Einrichtung hört auf, diesen Namen zu führen, wenn der Monarch ge18g So auch Huber (3), S. 208; Kimminich, S. 440 ff.; Glum (1), S. 56; Treue, S. 24; v. Beyme, S. 237; an dieser Stelle sei auch auf die Quellen zur Parlamentarismus-Diskussion im Kaiserreich bei Wasser, S. 34 - 68 verwiesen. 190 Einzelheiten bei: Huber, Bd. 4, S. 129 ff.; (3), S. 209, 213 ff.; Glum (1), S. 53; v. Beyme, S. 236; Apelt, S. 7 ff. 181 Menger, S. 132, Rdnr. 256; Huber, Bd. 3, S. 305 f.; Bd. 4, S. 142; Bd. 3, S. 830; Glum (1), S. 52 f.; Hartung, S. 284; v. Beyme, S. 233.

2. Entwicklung zum parlamentarischen Regierungssystem

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zwungen werden kann, durch die Majorität des Parlaments, sein Ministerium zu entlassen192 ." Das monarchische Prinzip war Bismarck jedoch entschlossen zu verteidigen. Das verstärkte Drängen des Parlaments nach Einführung eines parlamentarischen Regierungssystems begann mit dem Ausscheiden Bismarcks aus dem Amt des Reichskanzlers, dessen Alleinverantwortungsanspruch er nicht preiszugeben bereit war. Dies wurde zum äußerlichen Anlaß seiner Demission. Zudem bot das Parlament ihm 1880 sicher keine Unterstützung mehr193 • Mit der wachsenden Machtfülle des Zentrums und der Sozialisten, den beiden politischen Hauptgegnern Bismarcks, hatte sich zudem eine neue Situation ergeben, die die Fronten zwischen Regierung und Parlament insbesondere auch durch die seit 1890 erzielten Wahl ergebnisse verschärften194 • Bereits die Wahlen von 1903 zwangen den Reichskanzler von Bülow, sich mit den Parteien zu verständigen195 • Die freie parlamentarische Diskussion diente dem Parlament als ein tauglicher Hebel zur Durchsetzung seiner Ziele. Aus der Daily-Telegraph-Affäre im Jahre 1908 ging der Reichstag dann auch gestärkt hervor. Der Reichskanzler sah sich genötigt, den herrschenden Mehrheitsverhältnissen noch mehr Beachtung zu schenken. Eine parlamentarische Regierungsweise erreichte der Reichstag dennoch nicht, obwohl mit Bülow zum erstenmal ein Reichskanzler zurücktrat, weil er keine Mehrheit im Parlament fand 196 • Allerdings brachte diese Affäre eine Erweiterung des Interpellationsrechts, wobei der neu geschaffene § 33 a GeschüRT als "ein in Watte gepacktes Mißtrauensvotum" bezeichnet wurde 197 • Dies neu geschaffene Recht wandte der Reichstag in der Zabern-Affäre im Jahre 1913 198 gegen den Reichskanzler Bethmann-Hollweg an. Er führte dem Reichstag allerdings deutlich vor Augen, daß ein solchermaßen bekundetes Mißtrauen für ihn keine rechtlichen Konsequenzen haben könnte. Damit war die Chance, die sich hier am Vorabend des ersten Weltkrieges bot, vertan, auch ohne positiv rechtliche Regelung in der Verfassung, zur Einführung eines parlamentarischen Regierungssystems zu gelangen, 192 Zitiert bei Monz, S. 24; Huber, Bd. 4, S. 202 ff.; siehe daneben die Nachweise in Fn. 191. 193 So v. Beyme, S. 235; Treue, S. 24; Kimminich, S. 459, zu den nach Bismarck amtierenden Reichskanzlern; überblick, S. 460; Apelt, S. 29; Hartung

(2), S. 311 ff.

Monz, S. 25; Loewenberg, S. 35. Monz, S. 25; Apelt, S. 29. 196 Glum (1), S. 56; Monz, S. 25; v. Beyme, S. 248 ff.; Huber, Bd. 4, S. 312 ff.; Huber, Bd. 4, S. 287 ff., 307 ff. 197 v. Beyme, S. 252. 198 Dazu bei Huber, Bd. 3, S. 905; v. Beyme, S. 252; Huber, Bd. 4, S. 318 ff. 194 195

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1. Teil: Parlamentarische Regierungssysteme in Deutschland

und zwar auf dem Wege der allmählichen Entwicklung aus der parlamentarischen Praxis heraus 199. Entscheidung für die Durchsetzung eines parlamentarischen Regierungssystems wurde die Entwicklung seit 1916 in der zweiten Hälfte des ersten Weltkrieges 20o . Von Bethmann-Hollwegs Nachfolger - einmal von Michaelis abgesehen - , Graf Hertling und Prinz Max von Baden, wurden bereits im Einvernehmen mit den Reichstagsparteien ernannt. Erstmals hatte dabei Prinz Max von Baden für sein Regierungsprogramm die Vertrauensfrage gestellt. Als die Lage für Deutschland im Jahre 1918 immer prekärer wurde, erklärte selbst Wilhelm 11.: "Ich wünsche, daß das deutsche Volk wirksamer als bisher an der Bestimmung des Geschicks des Vaterlandes mitarbeitet. Es ist daher mein Wille, daß Männer, die vom Vertrauen des Volkes getragen sind, in weitem Umfange teilnehmen an den Rechten und Pflichten der Regierung201 ." Mit dem Zeitpunkt, als Prinz Max von Baden seine neue Regierung dem Reichstag vorstellte, war de facta eine parlamentarische Regierung eingeführt. Formal allerdings brachten selbst die (Verfassung)-Änderungen der Art. 15, 17 und 21 Abs. 2 vom 28. Oktober 1918202 sowie des Stellvertretergesetzes - die sich im übrigen wegen der Novemberereignisse nicht mehr auswirkten - nur eine "unvollkommene Parlamentarisierung"203 mit sich, hebt man darauf ab, daß die Inkompatibilität von Reichstagsmandat und Sitz im Bundesrat bestehenblieb 204 . 2.4. Weimarer Reichsverfassung und parlamentarisches Regierungssystem

Als im November die Revolution ausbrach und von der Küste aus ganz Deutschland erfaßte, konnte niemand davon ausgehen, daß die Konstituierung eines parlamentarischen Regierungssystems im Deutschen Reich kontinuierlich weitergeführt werden würde. Welche Staatsund Regierungsform das Deutsche Reich erhalten sollte, zeigte sich als durchaus offen. Unter den gegebenen Machtverhältnissen schien allerdings die Einführung einer Räterepublik oder zumindest einer Repu199 Wie etwa in England, Belgien, den Niederlanden, Norwegen, Schweden, später auch Bayern usw.: Menger, Rdnr. 311; Scheuner (6), S. 391; Frisch, S.164. 200 Stern, S. 742 f.; Treue, S. 27 ff.; Stier-Somlo (2), S. 1 ff.; Glum (1), S. 56; v. Beyme, S. 246; Apelt, S. 25 ff., 30 f. 201 Zitiert bei Treue, S. 29. 202 RGBl. 1273/1274; Apelt, S. 32 f. 203 v. Beyme, S. 260; Apelt, S. 33 f. 2U Dazu: Glum (1), S. 59 - 64, (2), S. 17 f.; Scheyhing, S. 214 ff.; Stern, S. 743; Bergsträsser, S. 151; Stammen, S. 91 f.; Treue, S. 27 ff.

2. Entwicklung zum parlamentarischen Regierungssystem

53

blik mit tiefgreifenden Veränderungen gerade auch im Bereich der Volkswirtschaft wahrscheinlicher als die Errichtung einer parlamentarischen Demokratie mit monarchischer Spitze205 • Die Weimarer Reichsverfassung basierte auf einem Entwurf von Hugo Preuß. Sie war das Ergebnis der Beratungen der "Verfassungsgebenden Nationalversammlung", die von Februar bis August 1919 in Weimar tagte 206 • Diese Verfassung postulierte zum erstenmal in der Geschichte das Deutsche Reich als Republik und anerkannte das Volk als Träger der Souveränität (Art. 1). Von nun an wurde auch den Frauen die aktive Teilnahme an der Politik ermöglicht207 (Art. 22). Zieht man die oben aufgestellten Essentialia zur Bestimmung eines parlamentarischen Regierungssystems heran, dann läßt sich feststellen, daß die Verfassung ein solches System nunmehr ermöglichte, obwohl es an Kritik für das parlamentarische Regierungssystem der Weimarer Republik nicht fehlte. Loewenstein bezeichnete es als "unechten Parlamentarismus", und Thoma etwa sprach von einem "hinkenden parlamentarischen Regierungssystem" 208. Die Berechtigung dieser Kritik erweist sich bei einer Würdigung der starken Elemente eines präsidentiellen Regierungssystems. Diese Elemente hatten neben denen eines parlamentarischen Regierungssystems Eingang in die Verfassung gefunden. Die parlamentarische Verantwortlichkeit der Regierung ergab sich aus Art. 56, expressis verbis für den Reichskanzler, der die Richtlinien der Politik bestimmte. Diese Verantwortlichkeit sanktionierte die Verfassung nunmehr gemäß Art. 54. Der Reichskanzler und die Minister mußten zurücktreten, wenn der Reichstag ihnen durch ausdrücklichen Beschluß das Vertrauen entzog (Art. 54 S. 2). Daneben besaß allerdings auch der Reichspräsident die Macht, den Reichskanzler, den er ja ohnehin ernannte, ebenfalls zu entlassen (Art. 54). Ein Element "konstitutioneller" Verantwortlichkeit behielt die Verfassung mit dem Recht zur Ministeranklage (Art. 59) bei. Die vorhandene außerordentliche Machtfülle des Reichspräsidenten wurde noch dadurch untermauert, daß ihn 205 Dazu Einzelheiten bei: Preuss, Deutschlands republikanische Reichsverfassung; Wilk, Die Staatsformbestimmung der Weimarer Reichsverfassung; Apelt, S. 35 ff.; Stammen, S. 92; Glum (2), S. 18; Kimminich, S. 477 ff.; v. Beyme, S. 262 ff.; Potthoff, S. 339; Schulz, Zwischen Demokratie und Diktatur; Abendroth, Aufstieg und Krise der deutschen Sozialdemokratie; EIben, Das Problem der Kontinuität in der deutschen Revolution; Rosenberg, Entstehung und Geschichte der Weimarer Republik. 205 Einzelheiten bei v. Beyme, S. 262 ff.; Schmitt, VL, S. 340 ff.; Apelt, S. 56 ff.; Hermens, S. 380 ff.; Stier-Somlo (2), S. 17 ff., 75 ff. 207 Treue, S. 39. 208 Loewenstein, VL, S. 90 ff.; Thoma (2), S. 504; Stammen, S. 93; dazu Quellen zur Parlamentarismus-Diskussion in der Weimarer Republik bei Wasser, S. 79 ff.

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1. Teil: Parlamentarische Regierungssysteme in Deutschland

das Volk - wie den Reichstag auf 4 Jahre - direkt für 7 Jahre wählte (Art. 41, 43). Nach Art. 25 stand ihm das Recht zu, den Reichstag aufzulösen. Bei Störung der "öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Deutschen Reich" (Art. 48 Abs. 2) besaß er darüber hinaus im Gegensatz zum Reichstag außerordentlich weitreichende Machtbefugnisse. Demgegenüber räumte die Verfassung dem Reichstag lediglich das Recht ein, nach erschwerter Beschlußfassung - nämlich mit 2/3 Mehrheit den Reichspräsidenten wiederum vom Volk abwählen zu lassen, was allerdings niemals eine Garantie in sich barg (Art. 43 Abs. 2). Die Inkompatibilität zwischen Reichstagsmandat und Ministeramt - wie sie noch Art. 9 aRV normierte - war beseitigt. Dem Parlament gab die Verfassung wirksame Mittel zur Regierungskontrolle in die Hand. Es konnte die Anwesenheit von Regierungsmitgliedern verlangen (Art. 33 Abs. 1). Die Geschäftsordnung des Reichstages vom 12. Dezember 1922209 sah ein Interpellationsrecht vor (§§ 55 ff.) neben der in der Verfassung als Minderheitenrecht anerkannten Möglichkeit, Untersuchungsausschüsse einrichten zu können (Art. 34). Während der sitzungsfreien Zeit des Reichstages nahm ein "ständiger Ausschuß" (Art. 35) Rechte des Parlaments gegenüber der Regierung wahr210 • Dieses parlamentarische Regierungssystem fand - nachdem in der Spätphase der Republik zwischen 1930 - 33 der Reichstag seiner Rechte weitestgehend verlustig gegangen war - durch die Machtergreifung Hitlers ein vorzeitiges Ende. 2.5. Grundgesetz und parlamentarisches Regierungssystem

Die Bundesrepublik knüpft mit ihrem Grundgesetz vom 23. Mai 1949 211 an das in der Weimarer Verfassung konstituierte parlamentarische Regierungssystem an212 • Unter dem Schock der Erfahrungen von Weimar finden sich allerdings eine ganze Reihe von spezifischen Erscheinungen, die etwa Loewenstein213 dazu veranlaßten, dieses System als "kontrollierten Parlamentarismus" zu charakterisieren. In der Tat RGBl. 1923 11 S. 101. Zur Situation in den Ländern: Monz, S. 33 ff.; Koellreutter (2), Landesverfassungen. 211 Text mit sämtlichen Änderungen bis 1977 bei Seifert. Einzelheiten mit sehr guter Literaturzusammenstellling bei Otto. Vergleich mit der RV bei Weber: Weimarer Verfassung und Banner Grundgesetz. 212 Stern, S. 745. 213 VL, S. 92 ff.; dazu auch: Sontheimer (2), S. 179 ff.; Pilz, S. 27 ff., 88 ff.; Quellen zur Parlamentarismus-Diskussion in der Bundesr. Deutsch!. bei: Wasser, S. 127 ff.; Hermens, S. 408 ff.; Scheuner (5), S. 421 ff.; Einzelheiten auch bei Oppermann / Meyer, S. 9 ff., 69 ff.; zur Situation in den Ländern: Monz, S. 46 ff.; Texte: Verfassungen der deutschen Länder, Textausgabe mit Einführung von Pestalozza, Stand 27.8.78. 209

210

2. Entwicklung zum parlamentarischen Regierungssystem

55

ist eine Stärkung der Regierung auf Kosten des Parlaments festzustellen. Die starken Elemente eines präsidentiellen Regierungssystems fehlen im Grundgesetz. Der Bundespräsident wird nicht mehr vom Volk direkt gewählt, sondern von der Bundesversammlung (Art. 54) für lediglich 5 Jahre. Seine Funktion ist im wesentlichen auf die eines Staatsrepräsentanten geschrumpft. Sein Recht der Kanzlerernennung ist nicht dasselbe wie nach der Weimarer Reichsverfassung. Der Bundeskanzler wird nämlich vom Bundestag auf Vorschlag des Bundespräsidenten gewählt (Art. 63 Abs. 1), der ihn danach zu ernennen hat. Die Möglichkeit, den Bundestag aufzulösen, schränkten die Väter des Grundgesetzes zudem erheblich ein (Art. 68). Das Parlament muß darüber hinaus einige Abstriche bei seinem Recht hinnehmen, der Regierung das Mißtrauen auszusprechen (Art. 67). Das Mißtrauensvotum ist nun ein "konstruktives". Es kann allein noch gegen den Bundeskanzler gerichtet werden, der wie in Weimar, die Richtlinien der Politik bestimmt (Art. 65). Selbstverständlich besteht auch nach dem Grundgesetz keine Inkompatibilität zwischen Bundestagsmandat und Ministeramt, und die Kontrollrechte des Bundestages gegenüber der Regierung sind im wesentlichen die gleichen wie in der Weimarer Verfassung. Dagegen findet sich das traditionelle Institut einer Ministeranklage im Grundgesetz nicht mehr, während die Möglichkeit einer Anklage des Bundespräsidenten (Art. 61) beibehalten wurde 214 •

214

Vgl. dazu Art. 59 WRV.

2. TEIL

Zitier- und Zutrittsrecht im deutschen Parlamentsrecht Einführung Zitier- und Zutritts recht haben als Institute nicht erst mit Einführung eines parlamentarischen Regierungssystems Eingang in eine deutsche Verfassung gefunden. Mit übernahme einer Ministerregierung begann ihre Entwicklung in Deutschland am Anfang des 19. Jahrhunderts. Diese Institute regeln global die Beziehungen zwischen Regierung und Parlament und dienen als Basis für einen Dialog beider Verfassungsorgane. Ihr Platz im parlamentarischen Regierungssystem wird von der historischen Entwicklung mitbestimmt. Ob sie danach als Ausdruck und zwangsläufiger Ausfluß eines parlamentarischen Regierungssystems angesehen werden können, muß unter Einschluß der vorangestellten Entwicklung des parlamentarischen Regierungssystems Beantwortung finden. Von der reinen Wortbedeutung her versteht man unter "zitieren" (auch citieren), "jemanden kraft seiner Autorität oder Macht herbeirufen" zu können1 • Das Wort stammt vom lateinischen "citare"2, u. a. mit der Bedeutung: einladen, vorladen, vorfordern zu erscheinens. Zur Zeit der Rezeption des römischen Rechts im 15. Jahrhundert, wurde es mit der Lehnbildung ,,-ieren" im Deutschen entlehnt. Abweichend von dieser reinen Wortbedeutung ist dem Zitierrecht in Deutschland teilweise eine weitergehende Bedeutung zugemessen worden. Das Wort "Zutrittsrecht" impliziert die Möglichkeit einer bestimmten Personengruppe, in einer Versammlung zugegensein und, soweit ausdrücklich vorgesehen, aktiv an deren Beratungen teilhaben zu dürfen mit dem Anspruch, eigene Stellungnahmen abzugeben. Die Festschreibung der Institute im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland erfolgte im Art. 43 und Art. 53 folgendermaßen: Grimm, "zitieren" (Jacob und Wilhelm) Deutsches Wörterbuch, 15. Bd. Zmasche, Leipzig 1956. 2 cito, avi atum ... 8 Georges "cita" , (Karl Ernst) Ausführliches Lateinisch-Deutsches Handwörterbuch, 9. Aufl., 1. Bd., Tübingen 1951. 1

Z-

Einführung

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Art. 43 Der Bundestag und seine Ausschüsse können die Anwesenheit jedes Mitgliedes der Bundesregierung verlangen. Die Mitglieder des Bundesrates und der Bundesregierung sowie ihre Beauftragten haben zu allen Sitzungen des Bundestages und seiner Ausschüsse Zutritt. Sie müssen jederzeit gehört werden.

Art. 53 (S. 1 u. 2) Die Mitglieder der Bundesregierung haben das Recht und auf Verlangen die Pflicht, an den Verhandlungen des Bundesrates und seiner Ausschüsse teilzunehmen. Sie müssen jederzeit gehört werden.

1. Abschnitt

Entstehungsgeschichte 1. Erste Normierung der Institute Zitier- und Zutrittsrecht sind keine Schöpfung eines parlamentarischen Regierungssystems. Ihre Wurzeln reichen in das ausgehende 18. Jahrhundert zurück und finden sich in kontinentaleuropäischen Verfassungen im außerdeutschen Rechtskreis1 • Allein diese Feststellung legt es nahe, sie nicht als zwangsläufigen Ausfluß eines parlamentarischen Regierungssystems ansehen zu müssen. 1.1. Frankreich

Nahezu zwei Jahre währten die Beratungen über die Constitution von 1791, die Frankreich in eine konstitutionelle Monarchie wandelte2 • Die Verfassung proklamierte die Volkssouveränität (Titel III Art. 1, 2, Kapitel II Art. 3). Befürworter eines parlamentarischen Regierungssystems vermochten sich allerdings noch nicht durchzusetzen. So kam es - auch in Verkennung des englischen Regierungssystems - zur strikten Gewaltentrennung. Die Legislative lag ausschließlich bei der Nationalversammlung (Titel III Art. 3, Kapitel I, Art. 1, Kapitel III Abschnitt 1), - abgesehen von einem suspensiven Veto des Königs (Titel III Abschnitt II Art. 2), während die Exekutive dem König vorbehalten war (Titel III Art. 4), dem eine Ministerregierung zur Seite stand (Kapitel II Abschnitt IV). Ministeramt und Abgeordnetenmandat erklärte die Verfassung für inkompatibel (Titel III Kapitel II Abschnitt IV). Die Minister waren im "konstitutionellen" Sinne verantwortlich (Abschnitt IV Art. 4 - 6). Da ihnen ein grundsätzliches Mißtrauen entgegengebracht wurde, neigten die Verfassungsväter in den Beratungen um die Verfassung zunächst dazu, den Ministern möglichst überhaupt keinen Einfluß auf die Nationalversammlung einzuräumen. Schließlich 1 Die eng!. Entwicklung, die bereits seit 1700 entspr. parlamentarische Verhaltensweiseen herausgebildet hatte, bleibt hier außer Betracht: dazu H. v. Frisch, S. 156 ff. 2 Dazu und zum folgenden, Einzelheiten bei Glum (1), S. 25 ff.; v. Beyme, S. 52 ff.; sämtliche frz. Verf. bis 1850 im Urtext bei Kaiser nach der Einleitung, S. I - eil; s. dort auch S. 253 ff., 323 ff.

1. Abschn.: 1. Erste Normierung der Institute

59

gewährte ihnen die Verfassung dann aber doch das Recht, den Sitzungen der Nationalversammlung beizuwohnen (Titel III Kapitel III Abschnitt IV Art. 10), wobei im beschränkten Rederecht noch etwas von diesem grundsätzlichen Mißtrauen mitschwang: Die königlichen Minister haben Zutritt zur gesetzgebenden Nationalversammlung. Sie haben dort einen bestimmten Platz. Sie sollen jedesmal über Gegenstände ihrer Verwaltung gehört werden, wenn sie es fordern, oder wenn sie ersucht werden, Aufklärung zu geben. Sie sollen ebenso über Gegenstände gehört werden, die ihrer Verwaltung fremd sind, wenn die Nationalversammlung ihnen das Wort erteiW. Die Geschäftsordnung der Nationalversammlung bestimmte ergänzend: Wenn die Minister in der Versammlung anwesend sind, so kann kein anderes Mitglied als der Präsident eine direkte Interpellation an sie richten, aber die von einzelnen Mitgliedern gewünschten Aufklärungen werden von dem Präsidenten vorgeschlagen, welcher darüber die Genehmigung der Versammlung einholt, um zu wissen, ob sie die Antwort der Minister wünscht oder nicht. Ein Recht der Nationalversammlung auf Herbeirufung der Minister fehlte, obwohl man meinen könnte, die Möglichkeit, um Auskünfte nachzusuchen, müsse ein derartiges Recht implizieren. Dem damaligen Systemverständnis entsprechend legten die Regierungsmitglieder ihr Zutritts- und das damit gekoppelte Rederecht jedoch als ihr ureigenes Privileg aus4 und erschienen eher nur dann, wenn sie es für opportun hielten. Etwas von dieser Haltung schwang selbst in der Geschäftsordnung der Nationalversammlung mit, die an sich aussprach, selbst die Versammlung könnte das Kabinett nicht jederzeit interpellieren5 , da jederzeitige Anwesenheit des entsprechenden Ministers eben nicht gewährleistet war. Schon die republikanische Verfassung von 1795 stellte dann dem Zutrittsrecht ein Zitierrecht der gesetzgebenden Körperschaft gegenüber (Art. 75 - 77): Der Vollzugsrat hat seinen Sitz bei der gesetzgebenden Körperschaft; er hat Zutritt und einen besonderen Platz am Sitzungsort. Er wird jedesmal angehört, wenn er Rechenschaft zu geben hat. Die gesetzgebende Körperschaft beruft ihn ganz oder zum Teil in ihre Mitte, wenn sie es für zweckmäßig hält. 3 Texte im Anhang mit FundsteIlennachweisen; nachfolgende Bestimmung zur Geschäftsordnung zitiert bei Hatschek (1), S. 20. , Ähnlich Schönfeld, S. 21; Oeschey, S. 97. S Einzelheiten dazu sowie zur Entwicklung des Interpellationsrechts bei Hatschek (1), S. 20 ff.

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2. Teil: Zitier- und Zutrittsrecht im deutschen Parlamentsrecht

Mit der Rückkehr Frankreichs zur konstitutionellen Monarchie stärkte die Constitution von 1814 wiederum in einer für dieses System charakteristischen Weise die Rechte der Exekutive zu Lasten der Legislative. Die mit dem Zutrittsrecht bisher gewährte eingeschränkte Möglichkeit, Regierungsstandpunkte und -interessen zu vertreten, normierte die Verfassung nunmehr als uneingeschränkt, während die gesetzgebende Körperschaft des Zitierrechts verlustig ging. Allerdings fiel nun auch eine der parlamentarischen Ministerverantwortlichkeit entgegenstehende Schranke: die Inkompatibilität zwischen Ministeramt und Abgeordnetenmandat 6• Hiervon versprach man sich allerdings eine gesteigerte Einflußmöglichkeit der Minister den Kammern gegenüber. Es sollte keinesfalls das Tor zu einer parlamentarischen Regierungsweise aufgestoßen werden. Art. 54 lautete: Die Minister können Mitglieder der Kammer der Pairs oder der Deputees sein. Sie haben außerdem Zutritt zu der einen oder anderen Kammer und müssen gehört werden, wenn sie es verlangen7• Gegen die Intention der Verfassung führte die Verfassungswirklichkeit nach 1814 dennoch sehr bald zur "Anwendung parlamentarischer Regierungsprinzipien" , die erstmals eine parlamentarische Regierung in Frankreich hervorbrachten8 • Die Beseitigung der oben angesprochenen Inkompatibilität in erster Linie, aber auch der durch Art. 54 ermöglichte beständige Kontakt zwischen Regierung und Parlament schaffte hierfür wichtige Voraussetzungen. Der Ansatz, die parlamentarische Verantwortlichkeit der Minister über Art. 54 zu erzwingen, um sie damit auch zu Ministern zu machen, die "Rede zu stehen hatten, wenn die Kammer es verlangte"', ging allerdings fehl. Die Kammer "unterwarf" die Minister auf anderem Wege10 • 1.2. Belgien

Obwohl die französische Verfassungsentwicklung insbesondere die süddeutschen Länder nachhaltig beeinflußt hatte, wurde für die Verfassungsbewegung auf gesamtstaatlicher Ebene in Deutschland die Regelung der belgischen Verfassung von 1831 vorbildlich (Art. 88): Die Minister haben in beiden Kammern nur beratende Stimme, wenn sie deren Mitglieder sind. Sie haben zu jeder Kammer Zutritt und müssen gehört werden, wenn sie es fordern. Die Kammern können die Anwesenheit der Minister verlangenl l . So auch v. Beyme, S. 79 m. w. N.; vgl. dazu bei Kaiser, S. 332 ff. Identische Regelung in Art. 46 der frz. Verfassung von 1830. 8 v. Beyme, S. 75 ff., 101 ff.; Glum (1), S. 29; Heinrich, S. 51. 8 So Heinrich, S. 51 m. w. N. 10 So auch Oeschey, S. 96 f. m. w. N., mißverständlich Schönfeld, S. 21. 6

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1. Abschn.: 2. Verankerung in Verfassungen deutscher Länder bis 1848

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Diese Regelung bedingte eine Zusammenarbeit von Kammern und Regierung, die auf der Grundlage eines Dialogs der bei den Gewalten innerhalb der Kammern beruhte 12 . Die Pflicht der Minister, auf Verlangen zu erscheinen, unterstrich der Art. 88 Abs. 3 nun ausdrücklich und sanktionierte diese Pflicht über Art. 63, 64 und 89. Die hierin postulierte Ministerverantwortlichkeit wurde schon bald - anders als in Deutschland - nicht nur als "konstitutionelle" begriffen. Das begünstigte die Fortentwicklung der belgischen Verfassung, so daß die Verfassungswirklichkeit, ähnlich wie in Frankreich nach 1814, ein parlamentarisches Regierungssystem sehr bald entstehen ließ13. Die belgische Verfassung ließ ihrerseits starke französische Einflüsse erkennen. Die Ähnlichkeit der Bestimmung des Art. 88 zu entsprechenden französischen Vorschriften fällt ins Auge.

2. Verankerung in Verfassungen deutscher Länder bis 1848 Wie oben dargestellt erhielten die deutschen Länder erst nach und nach Verfassungen, die sich teils an das französische, teils an das belgische Vorbild anlehnten. Soweit das Zutrittsrecht in Frage stand, war allerdings - wegen der nahezu identischen Vorschriften - mit keinen wesentlich abweichenden Regelungen zu rechnen. Anders konnte es sich jedoch bei der übernahme eines Zitierrechts verhalten. 2.1. Zitierrecht

Bis zur Revolution von 1848 räumte keine deutsche Verfassung Landtagen oder Kammern ausdrücklich das Recht ein, Minister herbeizurufen. War dies unter Berücksichtigung des Einflusses französischen Verfassungslebens auf die deutsche Verfassungsgebung bis 1830 noch erklärlich, so verwundert es doch, daß die belgische Verfassung nicht schon in der Zeit bis 1848 nachhaltigere Wirkungen zeitigte: die Vorschrift des Art. 88 Abs. 3 übernahm nämlich bis dahin keine deutsche Verfassung. Eine Erklärung hierfür mag der Umstand sein, daß die belgische Verfassung revolutionären Ursprungs war, und eine verfassunggebende Nationalversammlung frei über die Frage der Staats- und Regierungsform befand, während sich am "Gottgnadentum" der deutschen Monarchen auch dann nichts änderte, wenn Verfassungen auf Vereinbarungen mit den Ständen beruhten14. Erst unter dem Eindruck 11 Einzelheiten zum System der Verfassung bei v. Beyme, S. 121 ff. und Gillissen, S. 38 ff.; sowie Senelle, Kommentar. 12 So Senelle zu Art. 88. 13 Einzelheiten und weitere Faktoren hierfür, genannt bei v. Beyme, S. 126; Gillisen, S. 56 f. 14 Vgl. etwa die Präambel der württembergischen Verf. von 1819; Dokumente, Nr. 54, 55.

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2. Teil: Zitier- und Zutritts recht im deutschen Parlamentsrecht

totalen Machtverlustes durch revolutionäre Umwälzungen gaben die Regenten hier Machtansprüche preis. Wie schon die französische Verfassung des Jahres 1791 in Art. 10 Abs. 2 enthielten dagegen auch einige deutsche Verfassungen Ansätze dazu, über ein Auskunftsverlangen mitunter zu einem direkten Kontakt mit Regierungsmitgliedern zu gelangen und sie oder Vertreter der Regierungen zur Anwesenheit in Landtagen, Kammern oder Ausschüssen zu veranlassen. Häufig stand Landtagen und Kammern etwa das Recht zu, die erforderlichen "Nachrichten, Auskünfte und Nachweisungen" von Seiten der Regierung zu verlangen15 , was allerdings nicht zwangsläufig zu einem persönlichen Erscheinen der Minister oder ihrer Stellvertreter führte, zumal solches Auskunftsersuchen nicht selten schriftliche Erledigung finden konnte 16 • In § 157 Abs. 4 der Verfassung von Hohenzollern-Sigmaringen von 1833 heißt es so u. a.: Zur Beförderung des Geschäftsganges werden Commissaire wichtige Berathungsgegenstände in der Versammlung noch besonders erörtern, auch haben sie auf Verlangen der Ständemitglieder jede angemessene Nachweisung und Erläuterung über einzelne Gegenstände abzugeben. Eine Einengung der zur Auskunft ermächtigten und verpflichteten Personen auf Minister bringt die Verfassung Kurhessens in § 92 S. 2 für bestimmte Fälle: Auch werden in geeigneten Fällen die Vorstände der betreffenden Ministerialdepartments persönlich der Ständeversammlung die gewünschte Antwort erteilen. Der Regelung des Art. 88 Abs. 3 der belgischen Verfassung und der Vorschrift des Art. 77 der frz. Verfassung von 1793 am nächsten kam vom Wortlaut her der § 93 der kurhessischen Verfassung, wenn es sich hierbei auch um kein Recht der Ständeversammlung insgesamt handelte: Ein jeder, von den Landständen zu einer vorbereitenden Arbeit oder Geschäftseinteilung gewählter Ausschuß, kann zur Erlangung von Aufschlüssen über die ihm vorliegenden Gegenstände mit der churfürstlichen Landtagscommission sich benehmen, ..., auch die persönliche Zuziehung von den dazu sich hauptsächlich eignenden Staatsbeamten durch die genannte Commission veranlassen17• Vgl. die im Anhang aufgeführten Vorschriften. Mündlichkeit ist ausdrücklich z. B. vorgesehen in: Ba § 71 S. 1; KR §§ 92, 93; HS § 157 Abs. 4; Brg § 72 Abs. 1; HH "EU § 108; HS §§ 147 Abs. 2 und 3; B Edict von 1825 § 70; Sa 12; SCS § 94, S. 3. 17 Auch die Verfassung von SA spricht in § 233 Abs. 2 von "Erbittung und Zuziehung landesherrlicher Commissarienu wobei hier aber gerade auf ein Informationsbedürfnis der Regierung abgestellt wird. 15

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1. Abschn.: 2. Verankerung in Verfassungen deutscher Länder bis 1848

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Allerdings wird bei einer Betrachtung all dieser Vorschriften18 deutlich, daß sie in erster Linie dazu dienten, ein grundsätzliches Informationsbedürfnis der Landtage und Kammern zu stillen. Gerade im Zusammenhang mit dem Budgetrecht wiesen sie schon einen starken Kontrollcharakter auf. In diesem beschränkten Umfange war teilweise die Pflicht der Minister, im Parlament persönlich zu erscheinen und "Rede und Antwort" zu stehen, unumgänglich, wie die wiederum vorbildlich bestimmte Regelung des § 111 der württembergischen Verfassung dokumentiert: Zu dem Ende hat der Finanzminister den Haupt-Etat den Ständen zur Prüfung vorzulegen. Die einzelnen Minister haben die Ausgaben für ihre Ministerien zu erläutern18• Insgesamt läßt sich im übrigen jedoch eine häufige Vermischung von Elementen aus Petitions-, Interpellations- sowie Enqueterechten feststellen. Ein davon losgelöster Anspruch auf Herbeirufung von Ministern oder anderen Staatsbeamten bestand nicht20 • 2.2. zutrittsrecht

Im Gegensatz zum Zitierrecht übernahmen sehr viele Verfassungen ausdrückliche Bestimmungen über Zugang und Teilnahme an den Sitzungen der Landtage, Kammern, Kommissionen und Ausschüsse 21 • Zudem folgten teilweise Regelungen und Ergänzungen in Edicten, Geschäfts- oder Wahlordnungen22 , auch in den Ländern, die bis dahin ausdrückliche Vorschriften in ihren Verfassungen vermissen ließen. Vgl. die hier nicht genannten im Anhang. Art. 7 Titel III Kap. II Abschnitt IV frz. Verf. von 1791: Die Minister sind verpflichtet, jedes Jahr bei Eröffnung der Sitzungsperiode der gesetzgebenden Körperschaft eine übersicht über die Aussagen ihrer Ressorts zu geben, Rechenschaft abzulegen über die Verwaltung der dafür bestimmten Summen und die Mißbräuche anzuzeigen, die sich in die verschiedenen Zweige der Regierungen einschleichen konnten. § 99 Abs. 1 sächsische Verfassung: Um beides beurteilen zu können, werden ihnen von der obersten Staatsbehörde, als auch auf ihren Antrag, von den betreffenden Departmentchefs, die nötigen Erläuterungen gegeben, sowie Rechnungen und Belege mitgeteilt werden. - Zur Stellung der Departmentchefs vgl. etwa Otto Meyer, S. 251; im übrigen sind die Regelungen weiter: B VII § 4; BA § 55; Kurhessen § 144; SH § 48 Abs. 2; HD Art. 68 Abs. 2; SWE §§ 5 Nr. 3, 98; Coburg-Gotha §§ 68, 69; SA § 203, S. 1; Nassau, § 2 Nr. 3; SR "Erklärung" b); SS § 47, Liechtenstein § 11; Wa § 2 - 5 a), b); LD § 10; SL § 2 Nr. 3; Brg (1832) § 185; Hannover (1833) § 149 - (1840) § 150. 20 Im Ergebnis so auch Schönfeld, S. 16; vgl. auch Meyer / Anschütz, Lehrbuch, S. 332 f. mit ergänzenden Angaben zur weiteren Entwicklung in den Ländern in Fn. 92. 21 Unscharf Schönfeld, S. 11. !2 Etwa Titel II § 52 WO von HH; Edict über GeschO 1825 in Bayern §§ 51, 52, 70; dazu im Anhang - GeschO der wü Kammer für Abg. 18

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2. Teil: Zitier- und Zutritts recht im deutschen Parlamentsrecht

Vorbilder dieses Instituts fehlten in Deutschland. Zwar hatten in vorkonstitutioneller Zeit die Regenten selbstverständlich ein gewisses "Zutritts- sowie Rederecht" zu den altständischen Versammlungen. Eines der Privilegien jener Versammlungen sah man aber gerade darin, ohne Beisein von "Regierungsmitgliedern" beraten und abstimmen zu dürfen 23 • Selbst die Verfassungen und Organisationsdecrete der Jahre 1806 bis 1810 etwa von Württemberg, Bayern, Westphalen oder Frankfurt, die durchweg bereits Ministerregierungen kannten, zeugten noch von diesen Privilegien2 4, und Reste hiervon erhielten sich später noch in den Verfassungen nach 1814 etwa in Sachsen-Meiningen-Hildburghausen und Braunschweig (1820). Teilweise bestanden in einigen Ländern dann auch erhebliche Vorbehalte gegenüber einem solchen Recht der Regierung, so daß um die Einführung derartiger Vorschriften mitunter heftig gerungen wurde 25 • Das Zutritts recht gewährten die Verfassungen 26 zunächst nur in Bayern ausschließlich Ministern, ähnlich wie in Frankreich und Belgien. Aber schon das Edict über die Geschäftsordnung vom 28. Febr. 1825 brachte auch hier eine ergänzende Regelung (§§ 51, 52). Vergleichbar bestimmt war die Vorschrift der württembergischen Verfassung, die allerdings vorsah, daß sich die Minister von anderen Staatsdienern begleiten lassen durften. Dennoch zeigte gerade diese Norm der württembergischen Verfassung, daß hier der Übergang zur Ministerregierung zu jener Zeit am vollendetsten vollzogen war, was nicht zuletzt die Bestimmung des § 56 unterstrich, obwohl auch in Württemberg auf einen geheimen Rat als "oberster, unmittelbar unter dem König stehender Staatsbehörde" (§ 54) nicht verzichtet wurde27 • Da das Zutrittsrecht in der konstitutionellen Monarchie einen Ansatz zum Kontakt zwischen Regierung und Parlament überhaupt bot, waren diese Regelungen für das Parlament und eine Fortentwicklung des Parlamentarismus von nicht zu unterschätzendem Wert. Dem Parlament stand nämlich ein erkennbarer und eingrenzbarer Exekutivkörper gegenüber. In einem ähnlich überschaubaren Rahmen bewegte sich nur noch die Verfassung Sachsen-Coburgs mit dem § 90 S. 3. Anders gestaltete sich die Situation nach den übrigen Verfassungen. Den Landtagen und Kammern traten neben Ministern, deren Stellvertretern und weiteren Mitgliedern der Ministerien, herrschaftliche Commissarien oder Staatsbeamte überhaupt gegenüber. Letztere erDazu Heinrich, S. 50; Forsthoff, S. 107 ff. In der genannten Reihenfolge: §§ 1 ff.; III. Titel § 1; Art. 19; § 17; anders nur die Verfassung von Köthen (1810) § 14 S. 2; vgl. im Anhang. 25 Frisch, S. 163 f. 28 überblick im Anhang. 27 Seine Beseitigung erfolgte erst 1911. 23

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1. Abschn.: 2. Verankerung in Verfassungen deutscher Länder bis 1848

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nannte der Landesherr entweder von vornherein wie z. B. in LippeDetmold, Liechtenstein, Schwarzburg-Sonderhausen, sowie HessenDarmstadt, oder er ordnete sie von Fall zu Fall ab, wie etwa in Hannover, Sachsen-Weimar-Eisenach, Sachsen-Hildburghausen, SachsenMeiningen, Sachsen-Altenburg, Braunschweig und Nassau. Das Recht zur Teilnahme an Sitzungen der Landtage oder Kammern war grundsätzlich unbeschränkt, wenn sich die Zutrittsberechtigten auch teilweise in Holstein und Schleswig, Hohenzollern-Sigmaringen, Nassau, Braunschweig, Sachsen-Meiningen, Sachsen-Coburg, Sachsen-Hildburghausen, Sachsen-Weimar-Eisenach, Baden, Hannover (1840) und Sachsen bei Abstimmungen zurückziehen mußten und einige Verfassungen für bestimmte Fälle vertrauliche Sitzungen der Landtage und Kammern vorsahen28 • Soweit "Ausschüsse oder Commissionen" nach den Verfassungen bestanden bzw. eingerichtet werden konnten, hatten Minister zu solchen Versammlungen nicht ohne weiteres ein Zutrittsrecht. Teilweise existierten "gemischte Commissionen" wie in Braunschweig (§ 72 Abs. 1) und Baden (§ 71 Abs. 1), denen sowohl Vertreter der Landstände als auch der Landesherren angehörten und die hinsichtlich der Grenzen der Zutritts rechte von Vertretern der Exekutive keine Probleme aufwarfen. Eine Trennung von Vertretern beider Gewalten sahen die Ausschüsse in Bayern vor. Hier gewährte das Edict von 1825 der Exekutive ein uneingeschränktes Zutritts recht für solche Beratungen, welche die "von der Regierung an die Kammer gebrachten Gesetzesvorschläge (§ 70)" betrafen. Ähnliche, aber enger gefaßte Regelungen bestanden in Sachsen (§ 125) sowie Holstein und Schleswig (§ 68). Hier oblag den Ausschüssen lediglich eine Anhörungspflicht, während in Schleswig und Holstein der "Commissarius" den eigentlichen Beratungen nur auf Einladung beiwohnen durfte. Noch strenger fiel die Vorschrift des § 169 der württembergischen Verfassung aus, wonach die Minister in die "ständischen Commissionen" nur dann eintreten durften, wenn sie eine Einladung erhalten hatten. Im übrigen waren die Bestimmung in Hohenzollern-Sigmaringen, Sachsen-Coburg, HessenDarmstadt und Kurhessen nicht von gleicher Klarheit. Danach hatten sich die Ausschüsse und Commissionen mit den Regierungen "ins Benehmen zu setzen". 2.3. Bedeutung der tlbemahme entsprechender Vorschriften

Sucht man nach einer Erklärung für die Einführung der nach französischen und belgischen Vorbildern geschaffenen Institute Zitier- und 28 Sachsen-Coburg, Sachsen-Meiningen-Hildburghausen, Sachsen-Altenburg, Braunschweig und Schwarzburg-Sonderhausen, vgl. im Anhang.

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2. Teil: Zitier- und Zutrittsrecht im deutschen Parlamentsrecht

Zutritts recht , so können sie zunächst einmal als natürliche Folge der allmählichen überwindung des Absolutismus und einer Organisation der Staatsgewalt nach den Prinzipien der Gewaltenteilung im konstitutionellen Staat29 gesehen werden. War im Absolutismus alle Staatsgewalt in einer Hand vereinigt, bedurfte es nunmehr nach Trennung von Exekutive und Legislative der Schaffung von Instituten, die die Aufgabe zu erfüllen vermochten, den notwendigen Kontakt, der insbesondere für Bereiche wie Gesetzgebung, Steuerbewilligung und Budgetrecht für den konstitutionellen Staat von fundamentaler Bedeutung war, auch nach der veränderten politischen Machtverteilung zu ermöglichen. Dennoch darf die Einführung der Institute nicht als zwangsläufige Folgeerscheinung der Funktionentrennung schlechthin verstanden werden. Dies unterstreicht die Ausgestaltung des Regierungssystems der Vereinigten Staaten von Amerika, einer parlamentarischen Demokratie mit präsidialer Spitze. Hierin hat die Gewaltenteilung ihre bedeutendste Ausprägung gefunden. Gerade in diesem System fehlt aber ein Zutritts recht und Zitierrecht, wie es dem konstitutionellen Staat häufig eigen ist, überhaupt, abgesehen von der Vorschrift des Art. 11 Abschnitt 3: Er (der Präsident) soll von Zeit zu Zeit dem Kongreß über den Stand der Dinge im Staate Bericht erstatten und Maßregeln, die er für notwendig und nützlich erachtet, zur Beratung empfehlen30 ; Demnach können beide Institute als eigentümliche Ausprägungen des konstitutionellen Staates Europas angesehen werden, die zu begreifen sind unter Berücksichtigung der starken Stellung der Regenten, auch nach überwindung des Absolutismus und Beschneidung ihrer Rechte durch den Konstitutionalismus, eine Ausprägung, die dem Gewaltenteilungsprinzip, wie es sich beispielsweise in den USA findet, gerade entgegenlief. Für die übernahme des Instituts Zutrittsrecht bieten sich daher im wesentlichen noch zwei weitere überzeugende Erklärungen an: Einmal wollten die Landesherren frei sein bei ihrer Entscheidung über die Berufung und Abberufung von Ministern und deren Stellvertretern. Eine Einschränkung auf Mitglieder der Landstände und Kammern hätte für sie eine kaum hinnehmbare Einengung ihres "Gottesgnadentums" bedeuten müssen 31 • Zum anderen sah sich der Landesherr dadurch in der Lage, durch seine Minister oder auch andere Staatsbeamte seine Standpunkte und Interessen gegenüber der VolksDazu im einzelnen noch unten 2. Abschnitt 1.4.2.3. Franz, S. 29. 11 Vgl. etwa zu den Kämpfen um die Einführung in W bei Göz, S. 145 f. und dort auch Fn. 1. !9

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1. Abschn.: 2. Verankerung in Verfassungen deutscher Länder bis 1848

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vertretung jederzeit zur Geltung bringen (privilegiertes Rederecht)32 zu können. Dieses Recht brachte dem Landesherrn dagegen nicht nur die von ihm erhofften Vorteile. Durch die Organisation des Zusammenwirkens von Regierung und Volksvertretung folgte zwangsläufig ein beständiger Kontakt zwischen beiden Organen, der für die Unterwerfung der Regierung unter eine wirksame Kontrolle der Volksvertretung von großem Wert war, wie vorher die Entwicklung in Frankreich und Belgien auch ohne positivrechtliche Regelung eines Zitierrechts und Mißtrauensvotums dokumentiert hatte 33 . Allerdings entschied darüber nicht zuletzt das Selbstverständnis eines Parlaments, keine Regierung zu akzeptieren, die sich nicht auf eine Mehrheit in der Volksvertretung zu stützen vermochte - was die Ereignisse im Deutschen Reich seit 1916 deutlich unterstrichen - und nicht in erster Linie die Existenz "konstitutioneller Kampfmittel" in den einzelnen Verfassungen34 . Einem vergleichbar stringenten Weg zur Einführung eines parlamentarischen Regierungssystems stand in Deutschland allerdings nicht zuletzt eine in den meisten Verfassungen enthaltene Ausdehnung des Zutrittsrechts entgegen, nämlich die Gewährung dieses Rechts nicht nur einem eng begrenzten Kreis von Ministern und deren Stellvertretern, sondern einer größeren Zahl von Staatsbeamten überhaupt 35 . Mit dem erweiterten Kreis von Personen, die auf Seiten des Landesherrn agierten, ging auf der anderen Seite eine Ausweitung der "Ministerverantwortlichkeit" einher. Der Kreis der für Regierungshandlungen Verantwortlichen, verwischte damit selbst die unscharfen Konturen "konstitutioneller Ministerverantwortlichkeit" . Dies verursachte eine Vermengung insbesondere von staatsrechtlichen und verwaltungsrechtlichen, aber auch strafrechtlichen sowie teilweise politischen An32 i. d. S. Hubrich, S. 208; Bazille (1), S. 98; Rönne (4), Bd. I, S. 320; Bornhak (2), S. 451. 33 i. d. S. auch Heinrich, S. 50 f.; Oeschey, S. 97. 34 Zu den "konstitutionellen Kampfmitteln" vgl. übersicht oben Fn. 94 - 96; wie hier: v. Beyme, S. 425; abw. Schönfeld, S. 21, der seine Aussage über den Wert des Zitierrechts jedoch im Anschluß gleich relativiert; wie hier auch Oeschey, S. 97. 35 Württemberg: entsprechend der o. a. klaren Gliederung der Regierung nur Minister und Departmentchefs. § 199 S. 2; Bayern Staatsministerien und andere Staatsbehörden, höhere Staatsbeamte §§ 5, 6; ähnlich Kurhessen §§ 100, 101; Hannover (33) § 151 Abs. 3; Sachsen §§ 110, 140 ff.; Baden § 67 Abs. 1 S. 4; Sachsen-Weimar-Eisenach § 5 Nr. 5; Sachsen-Anhalt § 37 Abs. 2; ansonsten "Staatsdiener" überhaupt: Hessen-Darmstadt Art. 109; SachsenHildburghausen § 2 h; Sachsen-Coburg § 78; Sachsen-Meiningen § 14 Nr. 6; Sachsen-Meiningen-Hildburghausen Art. 88; Nassau § 2 Nr. 2; HohenzollernSigmaringen § 70 Abs. 4; Hannover (40) § 90; Sachsen-Coburg: Gesetz, die Verantwortlichkeit der Staatsbeamten wegen Verfassungsverletzungen betreffend, v. 23. Dezember 1846.

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2. Teil: Zitier- und Zutritts recht im deutschen Parlamentsrecht

satzpunkten für eine Anklage gegen einen nahezu unüberschaubaren Kreis von in den Staatsapparat eingespannten Beamten und hinderte so schon frühzeitig eine Zuspitzung der vorgegebenen "konstitutionellen" zu einer parlamentarischen Verantwortlichkeit der Minister 36 • Die Einführung eines Zitierrechts zunächst in Frankreich und sodann in Belgien muß im übrigen auch als Ausdruck des verstärkten Interesses der Volksvertretungen gesehen werden, im Parlament nicht nur auf Kontakte mit Vertretern der Regierungen angewiesen zu sein, die einseitig durch das diesem Personenkreis zustehende Zutrittsrecht zustande kamen, sondern aus eigener Machtvollkommenheit einen Dialog mit der Regierung pflegen zu können. Die Stellung beider Institute in den Verfassungen Frankreichs von 1795 und Belgiens von 1831 legt die Vermutung nahe, daß die Herbeirufung von Regierungsmitgliedern als Gegenstück zu deren Zutrittsrecht verstanden wurde3 7 •

3. Entwicldung der Institute zwischen 1848 und 1918 Vom Jahre 1848 an wird der Blick - von der Verfassungsgeschichte der einzelnen deutschen Länder weg - verstärkt auf Bestrebungen auf gesamtdeutscher Ebene gelenkt, beginnend mit dem Verfassungswerk der "Frankfurter Paulskirche". Dennoch verdient beim weiteren Gang der Betrachtung wiederum Preußen besondere Berücksichtigung, da die engen Verflechtungen zwischen Reich und Preußen, die bis ins 20. Jahrhundert hinein Bestand hatten, wechselseitig Impulse für die Staatlichkeit beider Rechtssubjekte nach sich zogen38 • 3.1. Preußen

Die Revolution von 1848 machte auch vor Preußen nicht halt. Im März des Jahres 1848 sah sich der König genötigt, den sog. "Märzforderungen" nachzugeben39 • Der vereinigte Landtag wurde noch einmal auf den 2. April zusammengerufen. Hatte der König erst am 19. März ein neues Kabinett ins Amt gesetzt, so sah er sich aufgrund der zugespitzten Lage schon am 29. März wiederum gezwungen, dessen Mitglieder auszuwechseln. Das Ministerium Camphausen-Hansemann übernahm bis zu seinem Rücktritt am 20. Juni die Staatsgeschäfte4o • 38 s. oben Fn. 120; in diesem Sinne auch v. Beyme, S. 87; vgl. noch dazu Schönfeld, S. 19 f. Zu den Ansatzpunkten einer Anklage ausführlich bei Dambitsch, S. 335 ff. 37 In diesem Sinne: Senelle, S. 348; ähnlich Fauser, S. 101; Schönfeld, S. 28; MDHS, Rdnr. 1 zu Art. 43 GG. 38 Weiterführend dazu etwa:. Sattler, das preußisch-deutsche Problem und vor allem Schoeps; vgl. auch bei Mejer, S. 277 ff. 39 Einzelheiten bei Huber, Bd. 2, S. 571 ff.; Dokumente, Nr. 138 ff.

1. Abschn.: 3. Entwicklung der Institute zwischen 1848 und 1918

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3.1.1. Aufnahme der Institute in die Verfassung Nachdem der Vereinigte Landtag Anfang April ein Wahlgesetz verabschiedet hatte und eine "Verordnung über einige Grundlagen der künftigen preußischen Verfassung"'1 ergangen war, wude die zur Vereinbarung der Verfassung berufene Versammlung am 22. Mai eröffnet. Das Ministerium Camphausen-Hansemann legte Ende Mai einen Verfassungsentwurf vor 42 • Dieser durfte zwar nicht als Kopie der belgischen Verfassung von 1831 aufgefaßt werden, wies aber in weiten Teilen sehr starke Ähnlichkeit wie auch wortgleiche Nachbildungen auf. Eine Erklärung hierfür lag u. a. in der Person Hansemanns, der mit dem belgischen Recht bereits vertraut war und die belgische Verfassung für nachahmungswürdig erachtete 43 • Der Entwurf faßte die hier interessierenden Institute redaktionell folgendermaßen (§§ 33, 34): Die Minister haben Stimmrecht in der einen oder der anderen Kammer nur dann, wenn sie Mitglied derselben sind. Sie haben Zutritt zu jeder Kammer und müssen auf ihr Verlangen gehört werden. Jede Kammer kann die Gegenwart der Minister verlangen. Die Minister sind berechtigt, zu ihrer Vertretung oder Assistenz andere Staatsbeamte in die Kammersitzungen abzuordnen, welchen dann dieselben Befugnisse wie den Ministern zustehen. Mit der Aufnahme dieser Bestimmungen in den Verfassungsentwurf war erstmals neben dem bereits bekannten Zutritts recht ein Anspruch auf Herbeirufung von Ministern in einer deutschen Länderverfassung normiert, nunmehr gänzlich losgelöst von einer Verbindung mit Petitions-, Interpellations- sowie anderen Kontroll- und Informationsrechten. Die Nationalversammlung bestellte einen Ausschuß, der den Entwurf prüfen und darüber beraten sollte. Als Ergebnis seiner Arbeit legte dieser Ausschuß den "Entwurf der Verfassungs-Urkunde für den Preußischen Staat" vor44 • Die Institute bekamen mit Art. 53 des Entwurfs folgende Fassung: Die Minister sowie die zu ihrer Vertretung abgeordneten Staatsbeamten haben Zutritt zu jeder Kammer und müssen auf ihr Verlangen gehört werden. Jede Kammer kann die Gegenwart der Minister verlangen. Die Minister haben in der einen oder anderen Kammer nur dann Stimmrecht, wenn sie Mitglieder derselben sind. 40 Hierzu und zum folgenden: Huber, Bd. 2, S. 571 ff.; Schulze, Bd. I, S. 110 f.; Anschütz (2), S. 28 ff.; Arndt, A. (1), Einleitung; Schmoller, S. 201 ff., 208 ff. 41 Dokumente, Nr. 144. 42 Regierungs- oder Urentwurf bei Anschütz (2), S. 596 ff. 43 So oder ähnlich; Anschütz (2), S. 37; Huber, Bd. 2, S. 586; v. Einem, S. 71 f.; Fauser, S. 18, 101; Schönfeld, S. 27; Giese (4), S. 181 m. w. N. in Fn. 2. u Anschütz (2), S. 40 ff., 42, 614 ff.

2. Teil: Zitier- und Zutrittsrecht im deutschen Parlamentsrecht

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Der Ausschuß überreichte der Nationalversammlung den "Komissionsentwurf" am 26. Juli 1848. Diese vermochte hierüber wegen der erneut aufflammenden Unruhen jedoch nicht mehr abschließend zu befinden. Sie wurde aufgelöst. Der König setzte die "Verfassungsurkunde für den Preußischen Staat"45, die auf dem Kommissionsentwurf beruhte, einseitig in Kraft. Diese löste wenig später die "revidierte Verfassung"46 Anfang 1850 ab. Der Art. 53 des Kommissionsentwurfs blieb im wesentlichen unverändert 47 . Lediglich das Rede- oder Anhörungsrecht der Minister und ihrer Stellvertreter erhielt eine ausdrückliche Ergänzung. Sie mußten auf ihr Verlangen "zu jeder Zeit gehört werden" (Art. 60 Abs. 1). Die Geschäftsordnung des Abgeordnetenhauses vom 28. 3. 1849 sah in § 40 Satz 2 noch eine Ausweitung vor: "Auch den Assistenten muß auf Verlangen der Minister oder ihrer Stelltertreter das Wort erteilt werden48."

3.1.2. Bewährungsprobe Das für das deutsche Verfassungsleben junge Institut des Zitierrechts erlebte schon sehr bald eine ernste Bewährungsprobe. Ihr Vorspiel fand diese in dem schwelenden Konflikt um die Staatshaushaltsgesetze der Jahre 1862 und 1863 49. Die Regierung erkannte die Situation des Augenblicks und die für sie daraus resultierende "Gefahr" eines Übergangs zum parlamentarischen Regierungssystem. In diesem Zusammenhang legte Bismarck eingehend seine prinzipielle Auffassung zur staatsrechtlichen Stellung der Minister dar und erteilte allen Bestrebungen, die auch nur einen Schritt in Richtung auf ein parlamentarisches Regierungssystem bedeutet hätten, eine eindeutige Absage 50 . Als Anfang 1863 der Vizepräsident des Abgeordnetenhauses von Bockum-Dolffs den Kriegsminister Graf Roon in einer Rede unterbrach, sah die Regierung hierin eine flagrante Verletzung ihrer verfassungsmäßig verbrieften Rechte aus Art. 60 Abs. 1 (§40 GeschO)51. Im Gegenzug weigerte sie sich daraufhin, einer vom Abgeordnetenhaus beschlossenen Zitierung Folge zu leisten, bis durch Zusicherung gewährleistet worden wäre, daß die Unterbrechung einer Ministerrede keine Wiederholung gefunden hätte. Dokumente, Nr. 163. Dokumente, Nr. 168; Schwartz, S. 80 ff. 47 Vgl. Art. 58 der oktroyierten bzw. Art. 60 der revidierten Verfassung. 48 Zur GeschO Rönne (4), Bd. 1, S. 320, Fn. 7 m. w. N.; § 44 S. 2 GeschO v. 16. Mai 1876, abgedruckt bei Schwartz, S. 256. 49 Einzelheiten bei Huber, Bd. 3, S. 305 ff. 50 s. hierzu: Koch, Bd. 10, S. 151; Hintze, S. 599 f. 51 Einzelheiten m. w. N. dazu bei Hintze, S. 601 f.; Arndt, A. (1), S. 223; Dokumente, Nr. 54 - 59. 45

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1. Abschn.: 3. Entwicklung der Institute zwischen 1848 und 1918

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Dagegen stemmte sich das Abgeordnetenhaus seinerseits ganz entschieden und bekundete, eine Verständigung über diesen Punkt sei nicht möglich. Damit spielte es ganz eindeutig darauf an, daß die Regierung das Vertrauen des Parlaments verloren hätte und konsequenterweise zurücktreten, bzw. vom König entlassen werden müßte. Aber auch der König sperrte sich ganz entschieden gegen jedwede Bestrebung, etwa eine parlamentarische Regierungsweise dadurch herbeiführen zu wollen und erklärte in einer Botschaft vom 26. Mais2 : "Meine Minister besitzen mein Vertrauen, ihre amtlichen Handlungen sind mit meiner Billigung geschehen, und ich weiß es ihnen Dank, daß sie sich angelegen sein lassen, dem verfassungswidrigen Streben des Abgeordnetenhauses nach Machterweiterung entgegenzutreten." Konsequenz dieser Auseinandersetzung war die Auflösung des Hauses am 2. Septembers3 • Das unterlegene Abgeordnetenhaus sah sich zudem in der mißlichen Lage, seine Rechte nicht einmal mit Hilfe des konstitutionellen Kampfmittels - der Ministeranklage - durchsetzen zu können. Art. 60 Abs. 2 der Verfassungsurkunde blieb "lex imperfecta"54.

3.1.3. Ausgestaltung beider Institute Entsprechend dem Staats- und Verfassungsverständnis des Konstitutionalismus betonte auch die Regierung in Preußen, in Übereinstimmung mit dem gelebten Verfassungsverständnis in den übrigen deutschen Ländern, ihre Rechte auf Zutritt und Anhörung in den Häusern. Ihre Rechte gingen schließlich auch über die Normierung nach Art. 60 Abs. 1 hinaus. Einmal bestand die erwähnte personelle Erweiterung darin, daß auch Assistenten von zur Vertretung der Minister abgeordneten Staatsbeamten das Zutritts recht erhielten55 • Darüber hinaus hatte dieser Personenkreis nach der GeschäftsordnungS6 auch zu jeder "Kommission oder Abteilung" und selbst zu geheimen Sitzungen Zutritt. Demgegenüber versuchte das Ministerium das Recht gerade des Abgeordnetenhauses, die Anwesenheit der Minister verlangen zu können (Art. 60 Abs. 2), herunterzuspielen, obwohl es grundsätzlich seine verfassungsmäßige Pflicht "die schon im eigenen Interesse liege", bejahte. Die Regierung bat sich allerdings eine vorherige Unterrichtung wegen der übrigen zu erledigenden Geschäfte aus 57 . Abgesehen von Zitiert bei Hintze, S. 602. Zum Meinungsstand über das Verhältnis Regierung/Abgeordnetenhaus damals, vgl. bei Arndt, A. (1), S. 39 ff., 47 ff. 54 Arndt, A. (1), S. 224 m. w. N. 55 Arndt, A. (1), S. 222. 58 Arndt, A. (1), S. 222, 269; Rönne (4), S. 320 f. 67 So u. a. Hintze, S. 601 f. m. w. N., mißverständlich Schönfeld, S. 27. 52

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2. Teil: Zitier- und Zutritts recht im deutschen Parlamentsrecht

dem Fall einer Zitierung erkannte Bismarck keine Pflicht der Minister zur strikten Teilnahme an den Sitzungen an. Mit dem Recht der Kammern auf Herbeirufung der Minister verknüpfte man in der Regel die Möglichkeit, Aufklärung "über die zu ihrem Wirkungskreis gehörenden Gegenstände zu verlangen"58. Ein Anspruch auf Erteilung der geforderten Aufklärung bestand jedoch grundsätzlich nicht 59 , sondern nur soweit in der Verfassung ein besonderer Verpflichtungsgrund enthalten war, wie etwa nach Artikel 81 Abs. 1 und 3, Art. 99 und 10460 . Im übrigen überwog danach die Ansicht, daß kein Minister verpflichtet war, zu antworten oder sich sonst aktiv zu beteiligen; Resümee: man würdigte das Zitierrecht des Art. 60 Abs. 2 als "lediglich zu einer passiven Assistenz nötigende Bestimmung ohne praktische Bedeutung"61. Neben dem Zitierrecht regelte die Geschäftsordnung des Abgeordnetenhauses das Verfahren von Interpellationen einzelner Abgeordneter an die Minister62 • Die §§ 28 und 29 der Geschäftsordnung bestimmten hierüber: Interpellationen an die Minister müssen bestimmt formuliert und von 30 Mitgliedern unterzeichnet, dem Kammerpräsidenten überreicht werden, welcher dieselben dem Staatsministerium abschriftlich mitteilt und in der nächsten Sitzung dasselbe der Kammer zur Klärung darüber auffordert, ob und wann es die Interpellation beantworten wolle. Erklärt das Ministerium sich zur Antwort bereit, so wird an dem von ihm bestimmten Tage der Interpellant zu deren näheren Ausführung verstattet. Mit der Beantwortung ist die Interpellation als solche erledigt, und es bleibt jedem Mitglied der Kammer überlassen, den Gegenstand in Form der Anträge (§§ 26 - 29) weiter zu verfolgen. Das als Minderheitsrecht in die Geschäftsordnung aufgenommene Interpellationsrecht63 beinhaltete ebenso wie das mehrheits rechtlich konzipierte Zitierrecht keine Beantwortungspflicht, wie § 28 Satz 2 deutlich unterstrich. Die Verfassung traf über ein Interpellationsrecht keine definitive Bestimmung, legte allerdings eine Verpflichtung zur Schulze, S. 628. Anders könnte hier Hubrich, S. 209, verstanden werden, der wie später auch Anschütz davon spricht, "Gegenwart" bedeute nicht "stummes Dabeisitzen, sondern Beteiligung an den Verhandlungen", eine unbedingte Pflicht wohl aber auch nur in besonderen Fällen anerkannte. 60 Wie hier auch Rönne (4), Bd. 1, S. 322 f. (323 Fn. 1); Schulze, S. 628; Arndt, A. (1), S. 224; s. auch bei Magiera, S. 308. 61 So Bornhak (2), S. 453; i. d. S. auch Monz, S. 32 sowie Schönfeld, S. 31. 62 Dazu Rönne (4), Bd. 1, S. 323 und Hatschek (1), S. 103 ff.; die Geschäftsordnung von 1849 wurde 1862 und 1876 geändert. 63 Zum heutigen Verständnis vgl. noch unten 1.1.2. (2. Abschnitt); im übrigen Hatschek (1), S. 104. 58

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1. Abschn.: 3. Entwicklung der Institute zwischen 1848 und 1918

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Berücksichtigung von "Interpellationen" in Art. 81 Abs. 1 fest 64. Dies beruhte im übrigen auf "allgemeinem konstitutionellen Gebrauche"65 und besaß im Ganzen noch nicht die scharfen Konturen, wie die heutige Regelung der Interpellations- und Fragerechte66 . § 29 der Geschäftsordnung des Abgeordnetenhauses, der eine Diskussion im Plenum über die angeschnittenen Fragen verwehrte, schränkte dieses parlamentarische Kampfmittel zunächst erheblich ein. Erst die Änderung der Geschäftsordnung im Jahre 1862 (1876) ließ dieses Minderheitsrecht nicht bloß stumpfe Waffe sein. Von nun an durfte sich an die Beantwortung der Interpellation und vor allem an deren Ablehnung eine Diskussion anschließen67 . 3.2. Entwicklung auf Bundesebene

Nur wenig früher, bevor nämlich in Preußen der "Urentwurf" für eine preußische Verfassung vorgelegt wurde, hatten sich auf Bundesebene Aktivitäten zur Reform der Bundesverfassung entfaltet. Der Bundestag übertrug dem sog. "Siebzehnerausschuß"68 die Aufgabe, einen entsprechenden Verfassungsentwurf zu erarbeiten. Mit dem "Entwurf des Deutschen Reichsgrundgesetzes"69, kurz "Siebzehnerentwurf" genannt, fanden die Institute Zitier- und Zutritts recht erstmals Eingang in eine für ein Deutsches Reich vorgesehene Verfassung. Den Einfluß Preußens auf den Siebzehnerentwurf dokumentierte die führende Stellung Dahlmanns bei der Ausarbeitung des Entwurfs 70 . Der Vorbildcharakter der belgischen Verfassung trat auch hier unverkennbar hervor.

3.2.1. Unterschiedliche Rezeption der Institute Fast einen Monat früher als der preußische "Urentwurf" hatte der Siebzehnerentwurf konkrete Gestalt angenommen. Mit nahezu gleichem Wortlaut zur belgischen Verfassung normierte er in § 21: Die Reichsminister haben Stimmrecht in dem einen oder anderen Haus, wenn sie Mitglieder desselben sind. Sie haben Zutritt in jedem Haus und müssen auf ihr Verlangen gehört werden. Jedes Haus kann die Gegenwart der Minister verlangen. 84

85 86 87

Meyer / Anschütz, Lehrbuch, S. 333. Rönne (4), Bd. 1, S. 323, Fn. 2. Vgl. etwa die GeschO des RT von 1876 § 2; Hatschek (1), S. 103 ff., 111. §§ 33, 34, vgl. auch bei Hatschek (1), S. 109 f.; Schwartz, S. 268 f. (GeschO

v. 1876). 88 Ihm gehörten die 17 Abgeordneten der im "Engeren Rat" dazu Forsthoff S. 91 - stimmführenden Einzelstaaten an; Dokumente, Nr. 29 Art. 4. 69 Dokumente, Nr. 91. 70 Huber, Bd. 2, S. 596, 768.

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2. Teil: Zitier- und Zutritts recht im deutschen Parlamentsrecht

Im Reichsgesetz über die Einführung einer provisorischen Zentralgewalt für Deutschland71 fanden sich beide Institute ebenfalls, wobei das Verlangen, gehört zu werden, in ein Verlangen, zu erscheinen und Auskunft zu erteilen, umschlug. Die gesetzten Prioritäten spiegelten die Machtbedürfnisse und -verhältnisse wieder: Nr.9: Die Minister haben das Recht, den Beratungen der Nationalversammlung beizuwohnen und von derselben gehört zu werden. Nr.l0: Die Minister haben die Verpflichtung, auf Verlangen der Nationalversammlung in derselben zu erscheinen und Auskunft zu erteilen. Trotz des "interpellatoris.chen" Zusatzes "und Auskunft zu erteilen" erkannte man die Regelungsbedürftigkeit für Anfragen auch einzelner Abgeordneter an die Minister 72 • Die Verfassungs gebende Nationalversammlung in Frankfurt legte ihren Beratungen den Siebzehnerentwurf nicht förmlich zugrunde. Wenngleich die Reichsverfassung vom 28. März 1849 schon von der Gliederung her eher Anlehnung an die preußische Verfassung von 1848 fand, zeitigten doch einzelne im Siebzehnerentwurf niedergelegte Vorschläge auf die Reichsverfassung bestimmende Wirkung73 • Die Institute Zitier- und Zutritts recht erhielten eine Fassung, die dem Wortlaut nach zwischen den Bestimmungen im Siebzehnerentwurf und im Reichsgesetz über die Einführung einer provisorischen Zentralgewalt lag. Die mit dem Zutrittsrecht verbundene Anhörungspflicht gestaltete die Nationalversammlung zu einer "jederzeitigen", während das mit dem Zitierrecht verbundene Auskunftsverlangen eine unbedingte Beantwortungspflicht offenließ : § 121

Die Reichsminister haben das Recht, den Verhandlungen beider Häuser des Reichstages beizuwohnen und jederzeit von denselben gehört zu werden.

§ 122

Die Reichsminister haben die Verpflichtung, auf Verlangen jedes der Häuser des Reichstages in demselben zu erscheinen und Auskunft zu erteilen, oder den Grund anzugeben"weshalb dieselbe nicht erteilt werden könne.

Vom 28. Juni 1848, Dokumente, Nr. 82. StenBerNatVers. 11 S. 950: Ich glaube, daß nach dem Inhalt des Gesetzes über Einführung einer Zentralgewalt nöthig ist, die Minister in Kenntnis zu setzen über Das, worüber man eine Frage an sie stellen will, damit sie zum Zwecke der Antwort hier erscheinen, wozu sie nicht verpflichtet und nicht einmal absolut berechtigt sind. Sie sind nur verpflichtet, wenn der Beschluß der Nationalversammlung erfolgt. Vgl. dort auch zum Vorschlag Jordan, S. 951. 73 Einzelheiten bei Huber, Bd. 2, S. 767 ff. 71

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1. Abschn.:

3. Entwicklung der Institute zwischen 1848 und 1918

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Beide Änderungen gingen auf eine Kollektiverklärung der preußischen und der mit ihr vereinigten mittel- und kleinstaatlichen Regierungen zurück74 • Die Reichsgründung erwies sich als nicht durchführbar. Damit konnte auch die Reichsverfassung keine Verbindlichkeit erlangen. Die Institute Zitier- und Zutrittsrecht fanden sich im 19. Jahrhundert gemeinsam danach nur noch in der sog. Erfurter Unionsverfassung von 1849. Diese übernahm in § 120 das Zitierrecht wörtlich, wie es die Frankfurter Reichsverfassung normiert hatte, während das Zutrittsrecht einen deutscher Tradition entsprechenden Zusatz erhielt. Danach stand den von den Reichsministern bezeichneten Kommissarien dieses Recht ebenfalls zu. Die Unionsverfassung trat gleichsam nicht in Kraft7 5 •

3.2.2. Norddeutscher Bund und Deutsches Reich Die Norddeutsche Bundesverfassung von 1867 und die Reichsverfassung von 1871 setzten die bisher aufgezeigte Entwicklung der Institute nicht fort. Das Zitierrecht fehlte in den Verfassungen gänzlich, obwohl bei der Beratung der Verfassung für den Norddeutschen Bund durchaus der Antrag des Abgeordneten Dr. Braun im Raume stand: "Der Reichstag hat das Recht, bei seinen Beratungen die Anwesenheit des Bundeskanzlers zu verlangen 76 ." Ein Zutrittsrecht in dem bisher beschriebenen Sinne übernahmen die Verfassungen ebenfalls nicht. Art. 9 S. 1 der Bundesverfassung sowie Art. 9 Satz 1 der Reichsverfassung bestimmten übereinstimmend: Jedes Mitglied des Bundesrates hat das Recht, im Reichstage zu erscheinen und muß daselbst auf Verlangen jederzeit gehört werden, um die Ansichten seiner Regierung zu vertreten, auch dann, wenn dieselben von der Majorität des Bundesrates nicht adoptiert worden sind. 3.2.2.1. Zutrittsrecht und Reichstagspraxis

Um zunächst an die in der Reichsverfassung von 1871 niedergelegte Bestimmung des Art. 9 Satz 1 anzuknüpfen, ist festzuhalten, daß ein Zutritts- und damit verbundenes Anhörungsrecht zwar grundsätzlich bestand. Diese Rechte räumte die Verfassung aber nicht expressis verbis einer Exekutive ein, sondern jedem Mitglied des Bundesrates als solchem. Hierin lag ein wesentlicher Unterschied beispielsweise zu den Vorschriften des § 131 der Reichsverfassung von 1849 sowie dem Art. 60 Abs. 1 der preußischen Verfassung von 1850 und ein Bruch in der bisher erkannten Entwicklung dieses Instituts. 74 7S 78

Bergsträsser (2), S. 65. Einzelheiten zu genannten Komplex bei Mejer, S. 203 ff. Bei Kohl, Bd. 3, S. 259.

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2. Teil: Zitier- und Zutrittsrecht im deutschen Parlamentsrecht

Eine Erklärung dafür gibt das Fehlen näherer Regelungen über eine Reichsexekutive überhaupt. Die Bestimmungen hierüber entnahm man im wesentlichen den Art. 15 und 17 RV - mehr aus dem, was zwischen den Zeilen stand als in der Verfassung selbsp7. Eine Reichsregierung als kollegiales Organ sah die Verfassung danach nicht vor. Aus Art. 17 ergab sich, daß nur "ein einziger und eigentlicher Reichsminister" vorhanden sein konnte, nämlich der Reichskanzler 78 . Noch nach dem Entwurf, auf den diese Verfassung zurückging79 , "hatte dieser Beamte, durch welchen Preußen den Vorsitz im Bundesrath führt, nur als eine Art preußischer auswärtiger Minister daselbst fungieren sollen". An dieser streng monokratisch angelegten Regierungsform änderte sich auch durch das sog. "Stellvertretergesetz" vom 17. März 187880 nichts, denn sämtliche Ressorts blieben "trotz der Ernennung von Stellvertretern der Direktive und selbst unmittelbaren Eingriffen des Reichskanzlers unterworfen". Diese Stellvertreter wurden daher als "verantwortliche Un terminister" charakterisiert81 . In der Praxis trat der aufgezeigte Bruch in der Entwicklung des Zutritts recht allerdings kaum zu Tage. Sowohl der Reichskanzler als auch seine Stellvertreter nahmen ein solches Recht für sich in Anspruch. Für den Reichskanzler erwies sich dies als unproblematisch. Da er zugleich immer Mitglied des Bundesrates sein mußte 82 , stand ihm zwangsläufig das Recht aus Art. 9 Satz 1 zu, wenngleich auch nicht in seiner Eigenschaft als Exekutivorgan. Seinen Stellvertretern eröffnete er dieses Recht über einen Umweg. Sie mußten zu Bevollmächtigten eines Bundesratsmitgliedes ernannt oder als zur Vertretung des Reichskanzlers abgeordnete Kommissare bezeichnet werden 83 . War dieser Weg beschritten, so kamen nicht nur Kanzler und Stellvertreter in den Genuß weiterer in der Geschäftsordnung des Reichstages niedergelegter Rechte nach §§ 29 und 43. Diese Vorschriften dehnten einmal mehr den Kreis der Zutritts- und Redeberechtigten aus und gestanden daneben noch zu, auch "Abteilungen und Kommissionen mit beratender Stimme beiwohnen" zu dürfen84 . 77 Dazu Dambitsch, Anm. zu Art. 15 und 17; Stier-Somlo (4), S. 169 ff.; Laband (3), S. 375 ff.; (2), S. 60 und dort Fn. 3. 78 Stier-Somlo (4), S. 169 mit dem interessanten Hinweis auf die Parallele zum Kurfürsten von Mainz und seiner Kanzlerstellung im alten deutschen Reich. 79 Mejer, S. 289; Glum (1), S. 49; vgl. aber auch zur "lex Bennigsen" oben S. 44 Fn. 187. 80 RGBl. S. 7. 81 Laband (3), S. 385; Huber, Bd. 3, S. 822 ff. 8! Anders Bismarck, vgl. bei Kohl, Bd. 7, S. 46; ganz h. M. Dambitsch, S. 317 f.; Laband (3), S. 377 Fn; 1; (2), S. 46 Fn. 4. 83 Glum (1), S. 52; Dambitsch, S. 258; Huber, Bd. 3, S. 822 ff., 901.

1. Abschn.: 3. Entwicklung der Institute zwischen 1848 und 1918

77

3.2.2.2. Zitierrecht und Reichstagspraxis Ein Zitierrecht fehlte in der Verfassung überhaupt. Ob ein solches Recht, wenn schon nicht de jure, so doch de facto anerkannt war, muß bezweifelt werden85 Die Geschäftsordnung des Reichstages vom 10. Februar 1876 sah allerdings ein Interpellationsrecht vor 86 ; § 32 lautete: Interpellationen an den Bundesrath müssen, bestimmt formuliert und von

30 Mitgliedern unterzeichnet, dem Präsidenten des Reichstages überreicht

werden, welcher dieselben dem Reichskanzler abschriftlich mittheilt und diesen in der nächsten Sitzung des Reichstages zur Erklärung darüber auffordert, ob und wann er die Interpellation beantworten werde. Erklärt der Reichskanzler sich zur Beantwortung bereit, so wird an dem von ihm bestimmten Tage der Interpellant zu deren näheren Ausführung verstattet.

Danach hing die Beantwortung einer Interpellation und damit auch die Anwesenheit im Reichstag von der erklärten Bereitschaft der Regierung ab. Bei den Beratungen über die Verfassung des Norddeutschen Bundes hatten sich die Befürworter eines Zitierrechts nicht durchzusetzen vermocht. Selbst das soeben erwähnte Interpellationsrecht hatte keine Stütze in der Verfassung, anders als nach der preußischen Verfassung, die eine Berücksichtigung von Interpellationen noch vorschrieb. Damit waren die Kontrollbefugnisse des Parlaments gegenüber der Regierung allein aus der Verfassung heraus einer Beschränkung unterworfen. Bismarck, der allen nach seiner Ansicht zu weitreichenden parlamentarischen Bemühungen entgegentrat, zeigte von seinem Standpunkt aus völlig konsequent die überflüssigkeit des Zitierrechts auf87 : Die Regierungen haben ja das größte und dringendste Interesse, ihre Angelegenheiten beim Reichstag zu vertreten und hier zu erscheinen. Ich kann mir nur in dem Fall die Abwesenheit jedes Vertreters der Regierungen als möglich denken, daß eben die Regierungen ein dringendes Bedürfnis hätten, über die vorliegende Frage zu schweigen. Wollen sie nun in dem Fall gewissermaßen durch einen Haftbefehl den Bundeskanzler zwingen, daß er sich Ihnen zeigt, so weiß ich doch nicht - wenn ich mich in So auch Hatschek (3), S. 238; Dambitsch, S. 261; Arndt, A. (4), S. 121 ff. § 29: Die Mitglieder des Bundesrates und die Kommissarien desselben kön-

8'

nen den Abteilungen und Kommissionen mit beratender Stimme beiwohnen. Von dem Zusammentritt der Kommissionen, wie von dem Gegenstande der Verhandlungen muß dem Reichskanzler Kenntnis gegeben werden. § 43: Die Mitglieder des Bundesrates müssen auf ihr Verlangen zu jederzeit gehört werden. Auch den Assistenten muß auf Verlangen der Mitglieder des Bundesrates oder ihrer Vertreter das Wort erteilt werden. 85 So aber Schönfeld, S. 29 f. unter Berufung auf Huber, Bd. 3, S. 899 ff.; und Böckenförde (3), S. 79; wie hier Aschauer, S. 42 f. 88 Dokumente, Nr. 234, Fn. 13 mit Hinweis auf die vorgenommenen Änderungen; dazu auch Hatschek (1), S. 111 ff.; vgl. die nahezu identische Fassung des § 33, bzw. § 28 preuß.Abgeordnetenhaus, oben S. 78. 87 Sitzung vom 29. März 1867; Kohl, Bd. 3, S. 260; StenBer. RT S. 445.

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2. Teil: Zitier- und Zutrittsrecht im deutschen Parlamentsrecht

seine Stelle denke - welche Gewalt, welcher parlamentarische wenigstens, mich zwingen könnte, zu reden, wenn ich schweigen will, und die bloß schweigende Anwesenheit würde unter Umständen für die Regierungen eine Verlegenheit, für den persönlich beteiligten gewiß eine sein, namentlich aber unter Umständen in auswärtigen Fragen für die Regierungen .... Es kann ja sein, daß sie (Regierung) schweigen will, und jedes Schweigen hat immer etwas von dem, welches zuzustimmen scheint, wenn man wirklich dabei sitzt. Wenn Bismarck hier einmal von "den Regierungen" sprach, dann wieder von "dem Bundeskanzler" und "der Regierung", so unterstreicht dies, daß die Frage nach der endgültigen Ausgestaltung einer Reichsexekutive noch' nicht völlig geklärt warB 8 • Dennoch zehrte Bismarck hinsichtlich des Zitierrechts von einer siebzehnjährigen preußischen Erfahrung. Dabei stand er mit seiner Auffassung zur überflÜssigkeit des Instituts fest auf dem Boden der überwiegenden Rechtsauffassung hierzu 89 . Im Gegensatz zu früheren Äußerungen schien er aber bei Vorhandensein eines entsprechenden Rechts, die Pflicht zum bloßen Erscheinen als Rechtsfolge daraus nicht mehr in Frage zu stellen90 . Der Antrag Brauns9!, der nach der Rede Bismarcks noch ergänzt wurde, nämlich "der Reichstag hat das Recht bei seinen Beratungen die Anwesenheit des Bundeskanzlers oder eines Stellvertreters desselben zu verlangen" , fand dennoch keine Mehrheit. Auch von einem de facto Zitierrecht kann nicht gesprochen werden. Der Reichstag besaß keinesfalls die Macht, die Regierung nach Belieben jederzeit zur unbedingten Befolgung seines Wunsches auf Anwesenheit der Regierungsmitglieder zu veranlassen, wenngleich die Regierung dem erklärten Wunsch des Reichstages in der Regel Folge leistete. Fände bereits jene Auffassung breite Zustimmung, wonach die in Art. 17 Satz 2 niedergelegte Ministerverantwortlichkeit eine Verpflichtung der Regierung begründete, und zwar im Sinne eines Verfassungsgebots, "auf Verlangen vor der Volksvertretung zu erscheinen und vor ihr Auskunft zu geben"92, so fragte es sich, ob danach von einem selbständigen Institut "Zitierrecht" insbesondere auch für den Konstitutionalismus überhaupt noch ausgegangen werden könnte. Wie aufgezeigt ist den Parlamenten eine Kontrollkompetenz immanent. Ihre Kontrollmittel haben mit der Zeit eine immer größere Spezifizierung erfahren. 88 Vgl. StenBer. RT, Sitzungen vom 9., 23., 26. und 27. März 1876, Bd. I, S. 109 ff., 304, 330 ff., 389 ff., 369 und dort auch die Anträge und Ausführungen WeIdecks; überblick bei Huber, Bd. 3, S. 655 ff. 89 s. oben Fn. 58 - 60 (3.1.3.). 90 v. Waldow, S. 51 m. w. N. 91 s. oben Fn. 76 (3.2.2.1.). 92 So Böckenförde (3), S. 79; ähnlich Huber, Bd. 3, S. 898 ff. und im Anschluß daran Schönfeld, S. 30.

1. Abschn.: 3. Entwicklung der Institute zwischen 1848 und 1918

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Die zunächst nur fragmentarisch angeklungenen Petitions-, Informations- und Enqueterechte unterlagen insoweit einer Entflechtung. Hieraus resultierte die zunehmende Aufnahme voneinander abgegrenzter Institute in die jeweiligen Verfassungen oder Geschäftsordnungen. Als Kontrollmittel insgesamt schöpfen sie ihre rechtliche Kraft daneben aus der Kontrollkompetenz der Parlamente unmittelbar sowie einer MinisterverantwortIichkeit generell. Dabei handelt es sich - soweit nach der oben gegebenen Einteilung kein Mißtrauensvotum als Sanktion zur Verfügung steht - um eine konstitutionelle Verantwortlichkeit. Spezifisch und konkretisiert darf in diesem Fall von einer rein politischen Ministerverantwortlichkeit gesprochen werden93 • Aus dieser Kontrollkompetenz und der politischen Ministerverantwortlichkeit folgt nun in der Tat die Pflicht, vor dem Parlament Rede und Antwort zu stehen, und zwar insoweit auch für den Konstitutionalismus und nicht erst für Staaten mit parlamentarischen Regierungssystemen. Diese Pflicht bleibt aber in diesem Rahmen - und das ist entscheidend - Ausfluß dieser Verantwortlichkeit und wird nicht zu einer (Rechts)-Pflicht, mit dem Gebot an den jeweiligen Minister oder sonstigen Herbeigerufenen zu erscheinen und Auskunft zu geben. Die Sanktion der Verweigerung dieser Pflicht besteht im Konstitutionalismus mitunter in den Auswirkungen einer Debatte im Parlament und unter Umständen einer Anklage, soweit im übrigen eine Verfassungsverletzung der Minister oder des Kabinetts etc. beobachtet werden kann, im parlamentarischen Regierungssystem in einer etwaigen Abberufung von Ministern oder des Kabinetts. Der Unterschied liegt damit letztlich darin, daß mit dem Zitierrecht eine ganz konkrete Rechtspflicht verfassungsrechtlich normiert wurde, während die Kompetenz des Parlaments, Auskünfte zu verlangen, die Regierung nicht in gleichem Maße rechtlich band94 • In dieser Absolutheit darf die o. a. Ansicht daher auch nicht unwidersprochen bleiben95 • Unbestritten führte die Reichstagspraxis dahin, daß die Anwesenheit eines Regierungsmitgliedes vor allem seit Beginn des 20. Jahrhunderts die Regel bildete. Dennoch muß diese Anwesenheit eher im Zusammenhang mit den überkommenen Kontrollkompetenzen Abweichend Schönfeld, S. 54 m. w. N. in Fn. 3. i. d. S. Bekermann, S. 69 ff.; s. daneben bei Glum (1), S. 194 f. 95 Einschränkend auch Huber, Bd. 3, S. 901 f.; der so etwas wie eine "Ermessensreduzierung auf Null" anspricht: Die Mitglieder der Reichsleitung entschieden nach freiem Ermessen, zu welcher Zeit und in welchem Umfang sie ihrer Anwesenheitspflicht genügen wollten. Insbesondere mußten sie bei der Kollision zwischen dieser und anderen Pflichten abwägend entscheiden, welcher Obliegenheit der Vorrang gebühre. Aber wie jedes Ermessen, so hatte auch diese politische Entscheidungsfreiheit der Reichsleitung ihre Grenzen. 93

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2. Teil: Zitier- und Zutritts recht im deutschen Parlamentsrecht

eines Parlaments überhaupt betrachtet und dann in ein inneres Verhältnis zur (konstitutionellen wie parlamentarischen) Ministerverantwortlichkeit gebracht werden. Wie bereits in den Ländern bis 1848 dargelegt, besaßen die Volksvertretungen ein mehr oder weniger detailliert normiertes Recht, Kenntnis darüber zu erlangen, wie die Regierungen ihre Geschäfte führten, so selbstverständlich auch der Reichstag seit 1871. Ihm gegenüber war die Regierung in verschiedenen Fällen zur Erstattung von Berichten96 sowie zur Rechnungslegung durchaus (nicht nur politisch) verpflichtet (Art. 72). Soweit die Regierung dem nachkam, genügte sie jedoch ihrer aus Art. 17 Satz 2 fließenden Verpflichtung dem Parlament gegenüber. Im übrigen erkannte aber die Regierung noch eine "moralische" und wohl eher politische Verpflichtung an, im Reichstag zu erscheinen und Auskünfte zu erteilen97 • In diesen Fällen nahm sie allerdings einen "Beurteilungsspielraum"98 für sich in Anspruch. Sie entschied, wann ihre Anwesenheit ihr opportun erschien und Auskünfte erteilt werden sollten. Dies bereitete in der Bismarckära weniger Schwierigkeiten, und zwar nicht nur aufgrund der Persönlichkeit Bismarcks, sondern auch aufgrund einer infolge des Wahlrechts vorgefundenen Aufsplitterung in viele kleinere Gruppierungen, die ein Agieren nach dem Prinzip "divide et impera" ermöglichte99 . Nach 1890 engte das Parlament diesen Spielraum der Regierung zwar allmählich immer stärker ein, aber erst die zweite Hälfte des 1. Weltkrieges ließ einen derart starken Druck auf die Regierungen erkennen, daß nicht nur dem Wunsch auf Anwesenheit Folge geleistet wurde, sondern den Wünschen des Parlaments insgesamt. Dies war aber wohl weniger als Anerkennung eines de facto-Zitierrechts zu würdigen, sondern vielmehr als Folgeerscheinung nahezu vollends praktizierter parlamentarischer Regierungsweise 1oo • Dem widerspricht auch nicht eine Bemerkung des Staatssekretärs Dr. Nieberding in der Reichstagssitzung vom 21. März 1901, in der es um die Beeinflussung von Richtern durch den preußischen Justizminister ging101 : Nachweise bei Laband (3), S. 304 f., Fn. 4. Dambitsch, S. 259. 88 Um an den von Huber angedeuteten verwaltungs rechtlichen Begriff anzuknüpfen. 98 Einzelheiten bei Stuermer, S. 332 f.: "Das Bürgertum wurde zwar wirtschaftlich tonangebende Klasse, verzichtete aber auf den Anspruch, politisch herrschende Klasse zu werden." 100 Vgl. dazu Glum (1), S. 52 ff.; Treue, S. 23 ff. 101 StenBer. RT S. 2073 ff., 2075 D. 88 97

1. Abschn.: 3. Entwicklung der Institute zwischen 1848 und 1918

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"Meine Herren, der Herr Abgeordnete Heine glaubt, daß die Minister der einzelnen Bundesstaaten nicht nur hier zu erscheinen hätten, sondern auch für ihre Verwaltung, soweit sie sich auf die Reichsgesetzgebung gründet, verpflichtet seien, dem Hause Rechenschaft zu geben. Auch das ist ein verfassungsrechtlicher Irrtum. Verpflichtet, dem Reichstag Rede zu stehen über Beschwerden und Beschuldigungen, die hier erhoben werden, ist nach der Verfassung nur der Reichskanzler mitsamt seinen Stellvertretern. Wir werden immer bereit sein, Ihnen Rechenschaft abzulegen, sobald wir in die Lage gebracht sind, uns über die Dinge, die uns hier vorgeworfen werden, rechtzeitig zu orientieren." Mutet diese Äußerung zunächst wie eine Bestätigung jederzeitiger Präsenzpflicht zumindest der Reichsregierung an, so ist es doch der Gegenstand der Debatte, der allein Aufschluß darüber gibt, daß die hier ausgesprochene "Verpflichtung des Reichskanzlers und seiner Stellvertreter" in die Reihe der oben aufgezählten Kontrollrechte 102 des Reichstages zu stellen ist. Diese Verpflichtung folgte aus der Verfassung selbst, nämlich als Ausfluß des Art. 23 und dem darin verankerten Petitionsrecht mit der Gewährung "amtlicher Erörterung" aufgezeigter Mängepo3. Derartige Informations- und Kontrollrechte des Parlaments indizierten natürlich die Anwesenheit von Regierungsmitgliedern. Hierbei hob der Staatssekretär Dr. Nieberding die im übrigen vorhandene Bereitschaft zur Rechenschaftslegung hervor und nicht auch eine allgegenwärtige unbedingte Verpflichtung. Es blieb also durchaus ein Handlungsspielraum, der erlaubte, zu beurteilen, ob die eine oder andere Debatte für die Regierung überhaupt von Bedeutung war 104 • Dies unterstrich nicht zuletzt die Praxis in den Ausschüssen des Reichstages. Hier nahmen Regierungsmitglieder wenn sie überhaupt erschienen - unbestritten für sich in Anspruch, ob und wie sie Auskünfte erteilen wollten105 • Aus alledem ließ sich damit keine Rechtspflicht ableiten oder eine Praxis herausstellen, die es rechtfertigen könnte, von einem Zitierrecht de facto auszugehen. Abgesehen von den normierten Verpflichtungstatbeständen veranlaßte die Regierung allenfalls die Erkenntnis zum Erscheinen, daß andernfalls die Durchsetzung ihrer Politik gefährdet sein könnte. Die hierin erkannte Macht des Parlaments beruhte - wie die Entwicklung des Parlamentarismus deutlich dokumentierte106 - auf Rechnungslegung sowie Berichterstattung, Fn. 96 (3.2.2.2.). So Laband (3), S. 306 f.; dazu auch Dambitsch, S. 430 ff. i. V. m. S. 161 Ziffer 13. 104 i. d. S. Hatschek (3), S. 238 ff.; Huber (4), S. 183; Aschauer, S. 42 f.; Laband (3), S. 304 ff.; Stier-Somlo (4), S. 597; Monz, S. 23. 105 (Bismarck) StenBer. RT 1887, S. 354; (Weymann) 1885, S. 822 ff., 823. 108 s. oben 1. Teil (2.3.2.). 102 103

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2. Teil: Zitier- und Zutrittsrecht im deutschen Parlamentsrecht

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einer praktizierten Regierungsweise, die der in einem parlamentarischen Regierungssystem immer näher kam.

4. Zitier- und Zutrittsrecht nach der Weimarer Reichsverfassung Die letzten Kriegsjahre hatten also ein System hervorgebracht, das einem parlamentarischen Regierungssystem im wesentlichen schon entsprach, den eingangs aufgestellten Kriterien aber insgesamt nicht ganz gerecht werden konnte l07 • Die Weimarer Reichsverfassung beseitigte dieses geringe Manko durch Festschreibung der unverzichtbaren Elemente, die u. a. ein parlamentarisches Regierungssystem ausmachen. 4.1. Aufnahme der Institute Zitier- und Zutrittsrecht

Bevor die verfassungsgebende Nationalversammlung, die am 6. Februar 1919 in Weimar zusammengetreten war, die Weimarer Reichsverfassung in der Fassung vom 11. August 1919 verabschiedete, hatte sie sich mit insgesamt fünf Entwürfen zu beschäftigenl08 • Alle normierten ein Zitier- und Zutritts recht. Der Urentwurf vom 3. Januar (§ 67) enthielt insoweit eine identische Regelung mit dem sog. Preuß'schen Verfassungs entwurf vom 20. Januar 1919 (§ 72), der unter dem 21. Februar an die Nationalversammlung gelangte l09 : Jedes Haus kann die Anwesenheit des Reichskanzlers und der Reichsminister verlangen. Der Reichskanzler und die Reichsminister müssen im Reichstag jederzeit gehört werden. Diese Bestimmung wies eine unverkennbare Ähnlichkeit zu Art. 60 der preußischen Verfassung von 1850 aus, wenn auch der Personenkreis der jeweils Berechtigten oder Verpflichteten, zunächst auf Minister beschränkt und damit den Erfordernissen einer modernen Ministerregierung mit verantwortlichen Ministern angepaßt war. Bereits die Entwürfe der Reichsverfassung vom 17. Febr. (Art. 78) und vom 21. Februar 1919 - beide vom Reichsministerium des Innern vorgelegt llO bestimmten dann: Der Reichstag kann die Anwesenheit des Reichskanzlers und der Reichsminister verlangen. Vgl. dazu noch Stier-Somlo (4), S. 176 ff. Der Urentwurf vom 3. Jan. 1919 blieb allerdings zunächst unveröffentlicht; daneben existierten aber auch noch andere Entwürfe u. a. von StierSomlo (4), S. 236 ff., vgl. auch bei Kurtze, S. 38. 108 Texte bei Triepel, S. 6, 10; dazu Oeschey (2), S. 16 ff.; Stier-Somlo (2), 107

108

S.69. 110

Triepel, S. 17,27.

1. Abschn.: 4. Zitier- und Zutrittsrecht n. d. Weimarer Verfassung

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Der Reichskanzler, die Reichsminister und die von ihnen bestellten Regierungsvertreter haben zu den Sitzungen des Reichstages und seiner Ausschüsse Zutritt und müssen dort auf Verlangen jederzeit gehört werden. Schon der Entwurf vom 18. Juni 1919 zeigte wenig später eine nahezu gleiche Fassung wie der schließlich gültige Art. 33 der Weimarer Reichsverfassung. Der fünfte Entwurf hielt in Abs. 3 lediglich noch fest, daß Regierungsmitglieder auf ihr Verlangen "jederzeit" angehört werden mußten. Art. 33 WRV lautete schließlich: Der Reichstag und seine Ausschüsse können die Anwesenheit des Reichskanzlers und jedes Reichsministers verlangen. Der Reichskanzler, die Reichsminister und die von ihnen bestellten Beauftragten haben zu den Sitzungen des Reichstages und seiner Ausschüsse Zutritt. Die Länder sind berechtigt, in diese Sitzungen Bevollmächtigte zu entsenden, die den Standpunkt ihrer Regierungen zu dem Gegenstande der Verhandlungen darlegen. Auf ihr Verlangen müssen die Regierungsmitglieder während der Beratung, die Vertreter der Reichsregierung auch außerhalb der Tagesordnung gehört werden. Sie unterstehen der Ordnungsgewalt des Vorsitzenden. 4.2. Zitier- und Zutrittsrecht im parlamentarischen Regierungssystem der Weimarer Republik

Mit dem Art. 33 WRV hatten beide Institute erstmals in einer Republik mit einem parlamentarischen Regierungssystem einen festen Platz eingeräumt erhalten. Sie standen so neben Bestimmungen wie etwa Art. 54 und 34 WRV, die vom Wesen dieses Regierungssystems zeugten. Es drängte sich damit sogleich die Frage auf, welchen Stellenwert den Instituten in diesem System zukam. Schon die redaktionelle Fassung deutete auf verschobene Akzente hin: das Zitierrecht hatte seinen Platz vor dem Zutritts recht eingenommen.

4.2.1. Ausgestaltung des Zitierrechts Wohl als Ausdruck seiner größeren Bedeutung gegenüber seiner Stellung im 19. Jahrhundert nahm das Recht des Reichstages, die Anwesenheit des Reichskanzlers und der Reichsminister verlangen zu können, die vorderste Stelle (Art. 33 Abs. 1) ein und rückte damit vor die traditionellen Rechte der Regierung, denen im Konstitutionalismus die eindeutig gewichtigere Rolle gebührte ll1 . Die Verfassung gewährte nunmehr - um alle bisherigen Unklarheiten insoweit zu beseitigen neben dem Reichstag auch Ausschüssen112 ein Zitierrecht ausdrücklich. Entsprechend der Interpretation im Verfassungs ausschuß bestand 111 112



i. d. S. auch Schönfeld, S. 41.

s. dazu §§ 26 - 34 GeschO vom 17. Febr. 1923, RGBl. 11 S. 101.

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2. Teil: Zitier- und Zutritts recht im deutschen Parlamentsrecht

Einigkeit darüber, daß nur der zuständige Minister zitiert werden durfte l13 • Umstritten war später die Frage, ob Art. 33 Abs. 1 WRV, neben der Pflicht der Zitierten zu erscheinen, auch eine solche "Rede und Antwort zu stehen", umfaßte. Ein "interpellatorischer" Zusatz, wie ihn beispielsweise § 122 der Frankfurter Reichsverfassung von 1849 kannte, fehlte. Ebenso ließen Frage- und Interpellationsrechte überhaupt (§§ 55 ff., 60 ff. GeschO RT) einen ausdrücklichen Rückhalt in der Verfassung vermissen114. Nach Anschütz115 bedeutete "Anwesenheit" in Art. 33 Abs. 1 WRV "nicht stummes Dabeisitzen, sondern Beteiligung an den parlamentarischen Verhandlungen, insbesondere die Pflicht, auf Anfragen des Reichstages Rede und Antwort zu stehen. Abs. 1 gewährleistet m. a. W. dem Reichstag das Frage- oder Interpellationsrecht" 116. Diese Ansicht findet allerdings sowohl in der aufgezeigten Entwicklung dieses Instituts, als auch in der Bestimmung der Verfassung selbst keinen Rückhalt. Dabei soll an dieser Stelle noch offenbleiben, ob das Zitierrecht als Ausfluß parlamentarischer Ministerverantwortlichkeit angesehen werden muß 117. Hatte nämlich eine Verfassung dieses Institut aufgenommen, so folgte daraus immer nur die Pflicht, im Parlament zu erscheinen, es sei denn, ein interpellatorischer Zusatz, wie etwa in § 122 der Frankfurter Reichsverfassung, normierte eine andere, weitergehende Rechtsfolge. Nach richtiger Würdigung des Art. 33 Abs. 1 vermochte diese Vorschrift somit Regierungsmitgliedern einzig die Verpflichtung aufzuerlegen, auf Verlangen des Parlaments oder der Ausschüsse jederzeit anwesend zu sein118• Eine Pflicht, "Rede und Antwort zu stehen", war 113 Prot. VA 28. Sitzung vom 11. April, S. 2; Giese (3), S. 129 ff.; Anschütz (1), S. 213 Nr. 1. 114 Die Forderung danach erhob der Abgeordnete Dr. Cohn vgl. bei Heilfron, Bd. 2, S. 991 ff., 1003: In den Rechten, die dem Reichstag eingeräumt sind, fehlt mir eine, wie mir scheint, recht wichtige Bestimmung, die ich nicht in die Geschäftsordnung verwiesen, sondern in der Verfassung verankert sehen möchte, das ist nämlich das Recht des einzelnen Abgeordneten auf Interpellation, auf Anfrage an die Minister. 115 (1), S. 213 Nr. 1; s. oben Fn. 59 (3.1.3.). 118 Ähnlich Giese (3), 7. Aufl., S. 129 ff.; 8. Aufl., S. 105 f.; Hatschek (4), S. 673 f.; (5), S. 292; vgl. Arndt (3), S. 122 f.; Stier-Somlo (2), S. 154; Schönfeld, S. 5; Monz, S. 32 ff., 45; i. d. S. auch Aschauer, S. 43 und schon Hubrich, S. 209. 117 Dazu im einzelnen unten 1.4.2.3. (2. Abschnitt). 118 Wie hier Poetzsch-Heffter, S. 177 ff. Nr. 2: Eine staatsrechtliche Verpflichtung der Reichsminister auch das Wort zu ergreifen, ist in Art. 33 Abs.1 nicht bestimmt. Die Reichsminister können gute Gründe haben, sich (überhaupt oder wenigstens zunächst) auf die Entgegennahme vorgebrachter Klagen zu beschränken; so auch Lutterbeck, S. 123 und Gebhard, zu Art. 33 WRV Nr. 2; vgl. daneben bei Hatschek (5), S. 292, 285, 278; (4), 674, 728.

1. Abschn.: 4. Zitier- und Zutrittsrecht n. d. Weimarer Verfassung

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dadurch, daß sie nicht aus Art. 33 Abs. 1 WRV folgte, dennoch nicht in jedem Falle gegenstandslos geworden. Sie war vielmehr Ausdruck grundsätzlicher Abhängigkeit der Regierung vom Vertrauen des Parlaments. Die Nichtbeachtung derartiger parlamentarischer Spielregeln fand im parlamentarischen Regierungssystem Weimars eine Sanktion im Mißtrauensvotum (Art. 54) und unter Umständen sogar durch eine Ministeranklage (Art. 59 WRV). Das Zitierrecht trat damit in ein bestimmtes - allerdings selbständiges - Stufenverhältnis. Es diente dazu, der Verantwortlichkeit der Regierung Ausdruck zu verleihen und diese auch geltend machen zu können, indem die betroffenen Regierungsmitglieder zunächst herbeigerufen werden konnten. Herbeigerufen, war es an ihnen, im Parlament oder den Ausschüssen zu den aufgeworfenen Fragen Stellung zu nehmen. Taten sie dies nicht und verloren sie damit das Vertrauen des Parlaments, so liefen sie Gefahr, daß ihnen das Mißtrauen (54 WRV) des Parlaments ausgesprochen wurde119 • Wegen der Einbettung des Zitierrechts in ein solches selbständiges Stufenverhältnis vertraten beispielsweise der Berichterstatter des Verfassungsausschusses Dr. v. Delbrück sowie der Reichsminister des Tnnern Dr. Preuß übereinstimmend die Auffassung, die Bestimmung in Art. 33 Abs. 1 WRV sei an sich wegen der generellen Abhängigkeit der Regierung überflüssig120. Dennoch befürwortete der Berichterstatter die Aufnahme dieser Vorschrift in die Verfassung, "damit der alte Streit aus der Welt geschaffen wird"121. Er sprach mit dieser Bemerkung einmal das selbständige Zitierrecht der Ausschüsse an. Früher hatte man nämlich die Auffassung vertreten, diese Rechte besäßen die Ausschüsse als Teilkörper des Parlaments nicht schon deshalb, weil es dem Parlament gebührte. Es bedurfte danach jeweils eines Beschlusses des Parlaments insgesamt, um Regierungsmitglieder auch zur Anwesenheit in Ausschüssen verpflichten zu wollen, wenn diese Verpflichtungen überhaupt akzeptiert wurden. Zum anderen unterstellte Art. 33 Abs. 4 WRV Reichskanzler und Minister nunmehr ausdrücklich der Ordnungsgewalt 119 Poetzsch-Heffter, S. 177 ff.; v. Bieberstein, S. 534 ff., 536; Stier-Somlo (3), S. 408 f.; PereIs (2), S. 459; vgl. auch Meißner (1), S. 81 f.; (2), S. 57, 89 f.

und die Nachweise in Fn. 118. 120 Preuß, Prot. VA, 28. Sitzung, 11. April, S. 2: "Ich hatte mir überlegt, ob man die Bestimmung des Art. 78 Abs. 1 überhaupt gebrauche, da ich mir bei der Stellung der Minister zum Reichstag Konfliktfälle kaum vorstellen kann." Delbrück, S. 3: "Die ganze Bestimmung des Art. 78 Abs. 1 hat meines Erachtens keine große Bedeutung mehr. Die Weigerung von Ministern selbst zu kommen oder Akten zu schicken, beruhte früher auf der konstitutionellen Auffassung, wonach die Minister sich als Beamte des Königs betrachteten. Bei der heutigen Abhängigkeit der Minister vom Reichstag werden Konfliktfälle kaum in Betracht kommen." 121 Prot. VA, S. 3.

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2. Teil: Zitier- und Zutrittsrecht im deutschen Parlamentsrecht

des Reichstagsvorsitzenden, so daß sich Vorfälle wie in Preußen 1863 nicht wiederholen konnten. Nach alledem bestand seitens der Regierung keine Rechtspflicht zur Reaktion. Die Pflicht, vor dem Parlament "Rede und Antwort" zu stehen, war wie schon in den letzten Jahren des Kaiserreichs Folge politischer Notwendigkeit.

4.2.2. Zutritts- und Rederecht Inhaltlich änderte sich an der Ausgestaltung des Zutrittsrechts in der Weimarer Reichsverfassung nichts wesentliches gegenüber den vorangegangenen Regelungen. Die Verfassung blieb damit im Rahmen der bisherigen Entwicklung. Dieses Recht stand neben Reichskanzler und Reichsministern traditionsgemäß auch schließlich deren Beauftragten zu. Die Verfassung gewährte es nunmehr parallel zum Zitierrecht auch ausdrücklich gegenüber den Ausschüssen. Der Art. 9 Satz 1 aRV ging praktisch in Art. 33 Abs. 2 Satz 2 auf, wenngleich auch der Reichsrat (Art. 60 WRV) keinesfalls mit dem Bundesrat (Art. 6 aRV) identifiziert werden durfte. Eine Besonderheit bildete Art. 165 Abs. 4 WRV. Danach war einem Reichswirtschaftsrat122 eingeräumt, Gesetzesvorlagen von sozial- und wirtschaftspolitischer grundlegender Bedeutung zu beantragen, die dann von den Reichsregierungen beim Reichstag eingebracht werden mußten. In diesem Zusammenhang durfte der Reichswirtschaftsrat Mitglieder entsenden, die dann diese Vorlagen vor dem Reichstag vertreten konnten. Zu den "Sitzungen" des Reichstages und seiner Ausschüsse i. S. d. Art. 33 zählten auch geheime Sitzungen, so daß das Zutrittsrecht keinen Schranken unterworfen war. Das mit dem Zutrittsrecht verknüpfte Anhörungs- oder Rederecht erhielt in Abs. 3 eine eigene "abgesetzte" Regelung. Sie schwächte die Stellung der Berechtigten gegenüber dem früheren Rechtszustand. Die Vertreter der Länderregierungen hatten so nur während der Beratungen entsprechend der Tagesordnung Anspruch auf Gehör. Daneben ließ die Verfassung die "jederzeitige" Gewährung des Rederechts auch für die Reichsregierung fallen. Diese Streichung ging auf einen Antrag des Abgeordneten Gröber zurück123 , der eine große Anzahl "privilegierter Redner" befürchtete, deren Reihenfolge dann gleichsam einer Bestimmung hätte unterworfen werden müssen. Art. 33 Abs. 3 WRV bedeutete in dieser Fassung allerdings keinen grundlegenden Wandel gegenüber der Reichstagspraxis nach Art. 9 S. 1 aRV. Auch danach war es nämlich üblich, einen Redner nicht zu unterbrechen und erst nach Schluß seiner Rede das Wort erteilt zu bekommen124 • 122 Dieser kam praktisch nie wirklich zur Geltung; es bestand ein vorläufiger R. aufgrund VO vom 4. Mai 1920; später gemäß Gesetz über den vorläufigen R. vom 5. April 1933. 123 Heilfron, Bd. 5, S. 3146 f.

1. Abschn.: 4. Zitier- und Zutrittsrecht n. d. Weimarer Verfassung

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Art. 33 Abs. 4 bedeutete zudem eine weitere Beschränkung der Bewegungsfreiheit der Regierung. Danach waren alle Regierungsvertreter und Zutrittsberechtigten der Ordnungsgewalt des Reichstagsvorsitzenden unterstellt. Hierdurch stand jedoch eine grundsätzliche Einschränkung der Rechte auf Anwesenheit und Anhörung nicht in Frage 125 • Entgegen dem Wortlaut des Art. 33, Abs. 2 und 3 räumten schließlich Geschäftsordnung (§§ 96, 97) und Reichstagspraxis neben dem bereits genannten Kreis von Berechtigten ebenso dem Reichsrat (Art. 60) als solchem ein Zutritts- und Anhörungsrecht ein126 •

124 Anschütz (1), S. 215 Nr. 4 spricht dann auch nach wie vor von einem Recht auf jederzeitiges Gehör; vgl. daneben Arndt, A. (1), S. 223 Nr. 4; Hatschek (4), Bd. 1, S. 729 f. 125 Anschütz (1), S. 215 Nr. 4; PereIs (2), S. 465 f.; vgl. §§ 89 - 94 GeschüRT. 128 Anschütz (1), S. 215 Nr. 2; Bühler, S. 67; Poetzsch-Heffter, S. 177 ff. Nr. 4; Schönfeld, S. 45.

2. Abschnitt

Gegenwärtige Ausgestaltung bei der Institute im Bund 1. Das Zitierrecht Die dargestellte Entwicklung dieses Instituts zeigte bisher, daß es sich hierbei um ein Recht der Parlamente handelte, von einem mehr oder weniger umfangreichen Personenkreis von Vertretern der Exekutive - nach den Verfassungsbestimmungen häufig nur der Minister1 - die Anwesenheit im Plenum oder in den verschiedenen Ausschüssen zu verlangen. Lediglich die Frankfurter Reichsverfassung sowie die Erfurter Unionsverfassung2 verknüpften hiermit ausdrücklich eine Reaktionspflicht der Zitierten. Ihnen legten jene Verfassungsbestimmungen eine ausdrückliche Antwortpflicht auf. Demgegenüber fehlte vor 1848 in Deutschland das Zitierrecht in den Verfassungen der einzelnen Länder gänzlich. Hier war häufig nur eine Vermischung von Elementen aus Petitions-, Interpellations- sowie Enqueterechten zu beobachten. Das Bonner Grundgesetz knüpft an die aufgezeigte Entwicklung an. Neben dem Zitierrecht des Art. 43 Abs. 1 GG - eine fast wörtliche übernahme des Art. 33 Abs. 1 WRV3 - kennt es ein weiteres in der Verfassung normiertes Zitierrecht, nämlich das des Bundesrates und seiner Ausschüsse gemäß Art. 53 Satz 1 GG'. Diese Bestimmung, das parlamentarische Regierungssystem der Bundesrepublik sowie die Beantwortung der noch offenen Frage: Ist das Zitierrecht Ausfluß eines parlamentarischen Regierungssystems oder einer Ministerverantwortlichkeit? auf dem vorläufig aktuellen Stand der Entwicklung dieses Instituts ist für seine neuerliche Würdigung im Gefüge des Bonner Grundgesetzes nunmehr mit heranzuziehen. 1 Anders Art. 33 WRV; vgl. aber daneben die oben dargelegten Ausweitungen in den einzelnen Geschäftsordnungen. 2 Texte im Anhang. 3 Art. 55 HehE Abs. 1 ist im übrigen mit Art. 43 Abs. 1 identisch und hat entsprechend keine Änderungen erfahren. • Ein solches Recht kannte die WRV nicht, sondern nur eine dem Art. 53 GG insgesamt ähnliche Bestimmung in Art. 66 Abs. 1 und 67 S. 1 WRV.

2. Abschn.: 1. Das Zitierrecht

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Der Vollständigkeit halber sei noch darauf hingewiesen, daß ein weiteres Zitierrecht aufgrund einfachen Gesetzes gegenüber dem Wehrbeauftragten des Bundestages existiert (Art. 45 b S. 2 i. V. m. § 6 WehrbeauftrG: Der Bundestag und der Bundestagsausschuß für Verteidigung können jederzeit die Anwesenheit des Wehrbeauftragten verlangen). Dieses Zitierrecht, das ohne Vorbild in der Verfassungsgeschichte ist, betrifft jedoch nicht das Verhältnis von Legislative und Exekutive im gleichen Maße wie nach Art. 43 GG. Es resultiert aus der besonderen Stellung des Wehrbeauftragten als "Hilfsorgan des Bundestages" und wird daher in die nachfolgende Untersuchung nicht mit einbezogen. 1.1. Terminologische Grundlagen

Über die bisher gefundene inhaltliche Bestimmung des Instituts "Zitierrecht" hinaus, nehmen heute Rechtsprechung5 und Literatur Art. 43 Abs. 1 GG als Rechtsgrundlage für weitere der Regierung gegenüber geltend zu machende Informations- und Kontrollmittel in Anspruch. Die Vertreter dieser Auffassungen lehnen sich damit an die von Anschütz und Hubrich6 vertretenen Meinungen an. Die Vorschrift des Art. 43 Abs. 1 GG gilt mitunter als "Kardinalnorm parlamentarischen Kontakts" und begründet nach verbreiteter Ansicht nicht nur eine Antwortpflicht, sondern legt der Regierung zudem die Pflicht auf, "von sich aus über laufende Vorhaben zu informieren"7. In diesem Zu5 z. B.: Urteil des Niedersächsischen Staatsgerichtshofes vom 19.12.1957 StGH 1/25 - AÖR 83 (1958) S. 423 ff., 429: "so war man sich darüber einig,

daß das parlamentarische Regierungssystem, wie es der Niedersächsischen Verfassung zugrunde liegt, einen möglichst engen Kontakt zwischen Volksvertretung und Regierung erfordert. In übereinstimmung mit dem Staatsrecht des Bundes und der Länder enthält Art. 10 Abs. 1 die Grundlage für das parlamentarische Fragerecht (Interpellationsrecht) des Landtages und seiner Ausschüsse. Die Mitglieder der Staatsregierung sollen - so heißt es im Referentenentwurf zur Verfassung - verpflichtet sein, jederzeit im Parlament und in den Ausschüssen Rede und Antwort zu stehen. Die ergibt sich aus der in Abs. 1 des Art. 10 niedergelegten Anwesenheitspflicht der Landesregierung."

Beschluß des zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 18. Juni 1961 - 2 BvE 1/61 - BVerfGE 13 (1963) S. 123 ff., 125: "Antworten der Bun-

desregierung auf mündliche Fragen in der Fragestunde des Bundestages sollen dazu dienen, dem einzelnen Abgeordneten die für seine Tätigkeit nötigen Informationen auf rasche und zuverlässige Weise zu verschaffen. Sie gehören in den Rahmen des Frage- und Interpellationsrechts des Parlaments, das den Mitgliedern der Bundesregierung die verfassungsrechtliche Verpflichtung auferlegt, auf Fragen Rede und Antwort zu stehen." Aus der Formulierung ist wohl zu entnehmen, daß der Senat hier auf Art. 43 Abs. 1 GG hinweisen will.

e Vgl. oben, Fn. 115 (4.2.1.). 7 Schröder, zu Art. 43 GG, Rdnrn. 17 -19 m. w. N.; ausführlich gerade zu diesem Problemkreis: Lutterbeck, S. 178, 179 (3); Bogs, s. 209 ff.; Schneider, H.-P. (1), S. 628 ff.; Groß, Rolf (2), S. 60 ff.

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2. Teil: Zitier- und Zutrittsrecht im deutschen Parlamentsrecht

sammenhang bestünde somit ferner ein Anspruch auf Akteneinsicht und -vorlage sowie Zugang zu Datenbanken der Regierung. Nach alledem wird die Ansicht vertreten, Zitier- und Interpellationsrecht seien identische RechteS (Identitätsthese) oder in etwas abgeschwächter Form, Art. 43 Abs. 1 GG schließe zumindest das Interpellationsrecht, das sich in den einzelnen Bestimmungen der Geschäftsordnung konkretisiere, mit ein9 • (Konkretisierungsthese). Andere wiederum lassen sogar die Bedeutung des Zitierrechts gänzlich zurücktreten und nehmen ein Primat des Interpellationsrechts an10. Diese Meinungsvielfalt zwingt, die Erscheinungsformen der wesentlichen parlamentarischen Informations- und Kontrollmittel kurz zu skizzieren, um danach den Platz des Zitierrechts im System des Bonner Grundgesetzes bestimmen zu können. 1.1.1. Kontrollrecht unter anderen?

Hinsichtlich der überhaupt zur Verfügung stehenden Informationsund Kontrollmittell l muß zunächst einmal differenziert werden, nämlich: 1. wem gegenüber diese Rechte geltend gemacht werden und

2. ob sie unmittelbar oder mittelbar zum Ansatz kommen12 .

Die hier interessierenden Rechte sind einmal solche, die von einem obersten Verfassungsorgan (Parlament/Bundestag) einem weiteren obersten Verfassungsorgan (Regierung) gegenüber in Anspruch genommen werden. Funktionell handelt es sich damit um eine "Interorgankontrolle"13. Zudem kommen - soweit solche Rechte aus Art. 43 GG hergeleitet werden - diese Kontrollen und die damit erfragten Informationen nicht unmittelbar zur Wirkung, sondern nur über Mittlung 8 So u. a. Schneider, Ralf, Er!. 11 2; Hamann, S. 284; Hamann / Lenz, S. 464; Abelein, S. 150 ff., 151, 155; Dobiey, S. 317 spricht im Anschluß an BVerfGE 13, 125 von allg. Grundlage eines Informationsanspruchs; Obermeier, S. 135; Nowiasky (1), S. 89; Hendrichs, Rdnr. 6 zu Art. 53 GG, in: v. Münch. 8 So u. a. Mangoldt (1), S. 245, Er!. 2; v. Mangoldt / Klein, S. 936, Er!. 11 2; Schmidt-Bleibtreu / Klein, S. 490, Rdnr. 1; Model/Müller, Anm. 1, S. 338; Koellreuter (2), S. 193; Hesse, S. 238; Gehrig, S. 292; Delbrück, Rdnr. 35 zu Art. 53 a GG; Kröger, S. 142 und jüngst Herzog / Pietzner, S. 67 ff., 74. 10 So Schönfeld, S. 4 mit Nachweisen in Fn. 4; Eschenburg, (S. 604 ff., 608) scheint allerdings eher die Identitätsthese anzusprechen. Er geht offensichtlich davon aus, daß das IPR in Art. 43 GG eine Regelung gefunden hat. Zum Vorstehenden s. auch Magiera, S. 307 ff. l! Zu den Begriffen Kontrolle und Aufsicht s. im einzelnen bei Witte-Wegmann, S. 114 ff. 12 Zur Einteilung und Differenzierung s. auch bei Scheuner (1), S. 42 ff. und Kißler, S. 151; im übrigen dazu noch Witte-Wegmann, S. 114 ff. 13 Im Gegensatz zur "Intraorgankontrolle"; so Loewenstein (3), S. 167 ff.

2. Abschn.: 1. Das Zitierrecht

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des anderen obersten Verfassungsorgans. Bei der Frage nach etwaigen, dem Art. 43 GG immanenten, Informations- und Kontrollrechten kann es sich somit allenfalls um solche mit einer "Fremdinformationsmöglichkeit" handeln14 . Damit bleiben sog. "Selbstinformationsrechte" , nämlich ohne Vermittlung der Regierung Informationen zu erlangen und die Regierung direkt zu kontrollieren, hier unberücksichtigt. Zu diesen Rechten zählen u. a. das Enquete-Recht des Art. 44 GG, das Informationsrecht des Petitionsausschusses nach Art. 45 c i. V. m. Art. 17 GG wie auch die Institution des Wehrbeauftragten nach Art. 45 b GG15. Von der Systematik her wird auch das Recht der Haushaltsbewilligung - "Herzstück parlamentarischer Kontrolle" im 19. Jahrhundert16 - nicht Gegenstand der nachfolgenden Untersuchung sein können17 , wie auch ein weiteres klassisches Mittel zur Kontrolle der Regierung: die Ministeranklage 18 , die allerdings im Katalog des Grundgesetzes ohnehin nicht mehr zu finden ist. Mit dem Recht der Haushaltsbewilligung korrespondiert darüber hinaus jedoch noch ein Kontrollrecht, daß seine Stellung zwischen "Selbstinformations- und Fremdinformationsrechten einnimmt. Es handelt sich hierbei um das Recht der Rechnungsprüfung (Art. 114 GG), das insoweit als Kontroll- und Informationsrecht zu betiteln ist, als es dem Bundestag die Möglichkeit eröffnet, u. a. darüber zu wachen, ob die haushaltsrechtlichen Vorschriften gewahrt sind, die Ausgaben entsprechend dem Beschluß des Bundestages erfolgten und nicht etwa Gelder verschwendet wurden. Damit gibt diese Regelung nicht zuletzt einen wirksamen Hebel zur Verwaltungskontrolle. Diese Vorschrift bleibt beim weiteren Gang der Betrachtung dennoch ohne Beachtung, weil sie bei der Frage nach den aus Art. 43 GG fließenden Rechten wegen ihrer ausdrücklichen Regelung in Art. 114 GG zu keiner Kollision mit Art. 43 GG führt. Von den sog. "Fremdinformationsrechten" sollen hier nur diejenigen Beachtung finden, die entweder eine Stellungnahme des Kabinetts insZum Begriff Schneider, H.-P. (1), S. 630. Eingehend hierzu: v. Einem, S. 6 ff.; Lutterbeck, S. 118 ff.; Achterberg (4), S. 58 ff.; Gehrig, S. 251 ff., 276 ff., 287 ff., 296 f.; Scheuner (1), S. 42 ff.; überblick auch bei Katz, S. 146; Mössner, S. 62 f.; Maunz, S. 361 f.; Hesse, S. 238; wie hier auch MDHS zu Art. 45 c, Rdnr. 4 und dort auch Fn. 4; Magiera, S. 312 f.; a. A. Sauer, S. 10, der das Petitionsrecht hier nicht einordnet. Es handelt sich zwar nicht um ein Recht des Parlaments insgesamt, sondern um ein "Jedermann" (Menschenrecht) zustehendes Recht. Dennoch dienen die o. a. Rechte durchaus der Interorgankontrolle. Dies unterstreicht einmal der Wortlaut des Art. 45 b GG wie auch das Gesetz über die Befugnisse des Petitionsausschusses. 16 Leibholz, Sp. 2835 ff. 17 Achterberg (4), S. 56 f., dort auch Fn. 179; a. A. Katz, S. 146, vgl. auch bei Gehrig, S. 282 ff. 18 Dazu Henke, Sp. 1760 ff. 14

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2. Teil: Zitier- und Zutritts recht im deutschen Parlamentsrecht

gesamt oder einzelner Kabinettsmitglieder zum Ziel erklären19 • Regelungen haben insoweit - abgesehen von Art. 43 Abs. 1 GG - in der Verfassung selbst ausdrücklich keinen Niederschlag gefunden, sondern allein in der Geschäftsordnung des Bundestages2o • 1.1.1.1. Große Anfragen

Unter "Großen Anfragen" (§§ 100 -103 GaBT) versteht man ein von der Thematik her im wesentlichen uneingeschränktes Recht, schriftliche, mit einer Begründung versehene, Fragen21 an die Regierung insgesamt zu richten. Sie dürfen also nicht an einzelne Mitglieder der Regierung gestellt werden. Ihr bleibt es vorbehalten, wen sie zur Beantwortung der Frage aus ihrer Mitte entsendet. An sie gelangen die Fragen über den Bundestagspräsidenten, dies jedoch nur dann, wenn der Anfragende hierfür die erforderliche Unterstützung im Bundestag findet (§ 761, 751 f. GaBT). Er benötigt die Unterstützung einer Fraktion22 oder fünf vom Hundert der Mitglieder des Bundestages. Der Bundestagspräsident fordert die Regierung zur Erklärung auf, "ob und wann sie antworten werde". Erfolgt eine Beantwortung, so geschieht dies dadurch, daß die Antwort als Drucksache (§ 77 Abs. 1 GaBT) u. a. an die Mitglieder des Bundestages verteilt wird. Die Große Anfrage erscheint danach als Gegenstand der Tagesordnung (§ 24 Abs. 1 GaBT). Ebenso kann der Bundestag verfahren (§ 102 GaBT), wenn die Regierung überhaupt oder für die nächsten drei Wochen eine Beantwortung ablehnt. In jedem Fall muß eine Beratung aber immer dann erfolgen, wenn sie von einer Fraktion oder fünf vom Hundert der Mitglieder des Bundestages verlangt wird (§ 102 S. 2 GaBT). Die Beratungen beginnen in der Regel mit der Aussprache, es sei denn, die Beratung erfolgte nicht in der Dreiwochenfrist. In diesem Fall darf vor 18 So auch Kißler, S. 151; Achterberg (4), S. 61; andere mögliche Zielrichtungen nennte Morscher neben einer Kontrolle: 1. Geltendmachung der "Ministerverantwortlichkeit". 2. Einflußmöglichkeiten des Parlaments bzw. Teile desselben auf die Vollziehung - so nach Morscher (1), S. 30 m. w. N.; kritisch dazu Achterberg, AÖR 100 (1975), S. 477. 20 i. d. F. v. 2. Juli 1980, BGBl. I S. 1237; zum folgenden Einzelheiten bei Trossmann (2), S. 796 ff., (1), S. 148 ff., 168 f.; Achterberg (4), S. 62 f.; Mössner, S. 63; geschichtlicher überblick bei v. Einem, S. 25 ff. und Witte-Wegmann, S. 14, 40 ff.; Hatschek (1), S. 9; s. auch Eschenburg, S. 605 ff. mit Beispielen; Schäfer, Friedrich, S. 231 ff. mit Beispielen in Anlage X, S. 379 ff.; Gehrig, S. 293 f.; Kißler, S. 170 ff., Gündisch, S. 9; Lechner / Hülshoff, S. 235 ff.; Stein, § 3 III 3; Bundestagsdrucksache 8/3460. 21 Eine Begründung darf u. U. fehlen, wenn die Frage aus sich heraus eindeutig ist; so auch Trossmann (2), S. 799. 22 § 10 Abs. 1 S. 1 GOBT muß im Zusammenhang gesehen werden mit § 1 S. 1 und § 6 Abs. 3 BWG (BundeswahIG). Bei i. d. R. 518 Abgeordneten wäre die Unterstützung von 25,9 Abgeordneten erforderlich, es sei denn, durch überhangmandate ergäbe sich eine wesentliche Verschiebung.

2. Abschn.: 1. Das Zitierrecht

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der Aussprache einem der Anfragenden das Wort zu einer zusätzlichen mündlichen Begründung erteilt werden (§ 102 S. 3 GOBT). Während der Aussprache können Anträge 23 , die im Zusammenhang mit der Großen Anfrage stehen - akzessorisch sind - gestellt werden (§ 88 GOBT). Hierüber entscheidet der Bundestag im allgemeinen nach Schluß der Aussprache (§ 88 GOBT). Droht durch eine Flut Großer Anfragen eine Gefahr für die ordnungsgemäße Erledigung seiner Geschäfte, so besteht die Möglichkeit einer Beschränkung der Beratung gemäß § 103 GOBT. 1.1.1.2. Kleine Anfragen

In gleicher Weise wie die Großen Anfragen gelangen auch die Kleinen Anfragen an die Regierung (§§ 104, 75 Abs. 2, 76 Abs. 1 GOBT). Eine kurze Begründung kann angefügt werden. Im Gegensatz zur Großen Anfrage unterliegen diese dagegen einer Begrenzung in der Thematik. Für zulässig gelten nur Auskunftsersuchen, soweit sie "bestimmt bezeichnete Bereiche" kennzeichnen. Damit ist, wie bereits mit § 110 a. F. GOBT die frühere Einschränkung auf "bestimmt bezeichnete Tatsachen"24 aufgehoben. Die Kleine Anfrage findet ihre Erledigung durch Verteilung einer Antwort als Drucksache (§§ 77 Abs. 1, 76 Abs. 2 GOBT). Erhalten die Anfragenden dagegen innerhalb von vierzehn Tagen keine oder keine zufriedenstellende Antwort, so berechtigte sie dies nach § 110 Abs. 2 a. F. GOBT dieselben Fragen als Große Anfragen an die Regierung zu richten oder auch zum Gegenstand mündlicher Anfragen "nach den Richtlinien für die Fragestunde" zu machen. Der in der 8. WP eingesetzte Ausschuß für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung hielt einen entsprechenden Hinweis in § 104 n. F. GOBT für überflüssig 25 . 1.1.1.3. Einzelfragen Demgegenüber ist jedes Mitglied des Bundestages berechtigt, kurze Einzelfragen zur mündlichen oder schriftlichen Beantwortung an die Bundesregierung nach den "Richtlinien für die Fragestunde und für die schriftlichen Einzelfragen" zu richten (§ 105 GOBT). Für die sog. Fragestunden ist jedes Mitglied des Bundestages berechtigt, pro Sitzungswoche bis zu zwei Fragen zur mündlichen Beantwortung an die Bundesregierung zu richten. In jeder Sitzungswoche werden bis zu drei ~erartiger Fragestunden abgehalten. Die Münd23 Zur Differenzierung einzelner Anträge Trossmann (1), S. 15 f.; Achterberg (6), S. 91 ff. u Trossmann (1), S. 168 f. 25 s. dazu Anlagen-Band 257, Bundestagsdrucksache 8/3460, S. 112.

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2. Teil: Zitier- und Zutrittsrecht im deutschen Parlamentsrecht

lichen Anfragen, die jeweils in höchstens zwei Unterfragen aufgeteilt sein dürfen, unterliegen noch weitergehenden Einschränkungen als die vorgenannten Rechte. Den Anfragenden ist es nicht erlaubt, Feststellungen oder Wertungen mit einer Anfrage zu verbinden. Sie sind aus dem Bereich zu stellen, für den die Regierung verantwortlich zeichnet. Im übrigen sind zwei Zusatzfragen möglich. Soweit diese Voraussetzungen nicht erfüllt werden, gibt sie der Bundestagspräsident zurück. Betreffen die Fragen einen Tagesordnungspunkt der laufenden Sitzungswoche, so werden diese Fragen schriftlich beantwortet, es sei denn, hier wurde auf Aussprache und Begründung verzichtet. Fragen von offenbar nur lokaler Bedeutung werden der Bundesregierung vom Bundestagspräsidenten ebenfalls zur schriftlichen Beantwortung übermittelt. Im übrigen haben die Abgeordneten ihre Fragen so zeitig in vierfacher Ausfertigung einzureichen, daß diese spätestens bis Freitag 11.00 Uhr dem Parlamentssekretariat (Präsidenten) vorliegen. Fragen dürfen nur beantwortet werden, wenn der Fragesteller anwesend ist. Ist der Fragesteller abwesend, wird seine Frage schriftlich beantwortet, wenn er bis zum Beginn der Fragestunde beim Präsidenten um schriftliche Beantwortung gebeten hat. Fragen, die aus Zeitmangel in den Fragestunden einer Sitzungswoche nicht beantwortet werden können, beantwortet die Bundesregierung ebenfalls schriftlich. Parallel dazu eröffnet § 105 GOBT in Verbindung mit den Richtlinien für die Fragestunde jedem Mitglied des Bundestages die Möglichkeit, in jedem Monat bis zu vier Fragen zur schriftlichen Beantwortung an die Bundesregierung zu richten, die binnen einer Woche nach Eingang beim Bundeskanzleramt von der Bundesregierung beantwortet werden. Erfolgt innerhalb dieser Frist keine Beantwortung, so kann der Fragesteller verlangen, daß seine Frage in der ersten Fragestunde der Sitzungswoche, die auf den Fristablauf folgt, zur mündlichen Beantwortung aufgerufen wird. Ist die Frage inzwischen schriftlich beantwortet, kann der Fragesteller nur fragen, warum die Antwort nicht innerhalb der Wochenfrist gegeben wurde. 1.1.1.4. Aktuelle Stunde Die Aktuelle Stunde, die aus der Fragestunde entwickelt wurde, fand eine ausdrückliche Regelung bereits im Jahre 1970, allerdings "nur" in den sog. vorläufigen Bestimmungen über Aussprachen zu Fragen von allgemeinem aktuellem Interesse. Eingeführt wurde eine Aktuelle Stunde dagegen schon im Jahre 196426 • Mit der Aufnahme des § 106 in 28 s. im übrigen bei v. Einem, S. 44 ff. und Trossmann (1), S. 12 f.; (2), S. 945 ff.; Witte-Wegmann, S. 77 ff.; Kißler, S. 195 ff.; Schäfer,Friedrich, S. 237;

2. Abschn.: 1. Das Zitierrecht

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die GOBT von 1980 wird die Aktuelle Stunde nun erstmals in der GOBT ausdrücklich erwähnt. Die Regelung schafft zudem eine Rechtsgrundlage für die "Richtlinien (Anlage 5 zur GOBT) für Aussprachen zu Themen von allgemeinem aktuellem Interesse". Die Streichung des Wortes "vorläufig" in der überschrift soll als Hinweis verstanden werden, "daß sich die Aktuelle Stunde insgesamt gesehen, bewährt hat". Nach der bisher geltenden Regelung wurde unterschieden zwischen einer Aktuellen Stunde auf Antrag und einer Aktuellen Stunde auf Verlangen. Aufgrund der Neuregelung wird nunmehr zwischen drei verschiedenen Voraussetzungen unterschieden (11 abc der Richtlinien). Eine Aktuelle Stunde findet danach statt, wenn sie a) im Ältestenrat vereinbart wurde, b) von einer Fraktion oder von anwesenden fünf vom Hundert der Mitglieder des Bundestages zu der Antwort der Bundesregierung auf eine mündliche Anfrage oder c) unabhängig von einer für die Fragestunde eingereichten Frage von einer Fraktion oder von fünf vom Hundert der Mitglieder des Bundestages verlangt wird. Die Aktuelle Stunde ist demnach jetzt nicht mehr an eine vorhergehende Frage geknüpft, sondern ein Aktuelles Thema kann in der Aktuellen Stunde zu jeder Zeit behandelt werden. Da mehrere Voraussetzungen für die Durchführung einer Aktuellen Stunde geschaffen wurden, erfolgte eine Festlegung der Rangfolge der Aussprache zu Themen von allgemeinem aktuellem Interesse unter II der Richtlinien. An einem Sitzungstag des Bundestages wird nur eine Aussprache durchgeführt. Die Dauer der Aussprache ist auf eine Stunde beschränkt, wobei die von den Mitgliedern der Bundesregierung, des Bundesrates oder ihrer Beauftragten in Anspruch genommene Redezeit unberücksichtigt bleibt. Der einzelne Redner darf grundsätzlich nicht länger als fünf Minuten sprechen. Das Ziel, eine kurze Aussprache über aktuelle Themen zu erreichen, ist dabei nur zu verwirklichen, wenn sich insbesondere auch die Bundesregierung unbeschadet ihres Rechts aus Art. 43 Abs. 2 GG an diese Regelung hä}t27. Die Vorschriften sind abgedruckt bei Trossmann (2), S. 945 ff.: "Vorläufige Bestimmungen über Aussprache zu Fragen von allgemeinem aktuellen Interesse" i. d. F. v. 6. Mai 1970. Daneben gibt es seit 1973 noch eine sog. "Aktuelle Information", s. dazu bei Kißler, S. 200 ff.; zur Geschäftsordnung von 1980 s. daneben noch: Bundestagsdrucksache 8/3460, S. 112, 120 ff. 27 Die §§ 115, 116 a. F. GOBT räumten dem Bundestag früher noch das Recht ein, über die Ausführung seiner Beschlüsse von der Bundesregierung Auskunft zu verlangen. Die einzelnen Abgeordneten besaßen sodann die Möglichkeit einer "Beanstandung", wenn sie der Auffassung waren, die Re-

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2. Teil: Zitier- und Zutrittsrecht im deutschen Parlamentsrecht

1.1.1.5. Zitierrecht als Kontrollinstrument Im Zusammenhang mit den vorstehend aufgezählten Informationsund Kontrollrechten nennen eine ganze Reihe von Autoren das Zitierrecht des Art. 43 Abs. 1 GG28. Ob der Kontrollcharakter auch des Zitierrechts in diesem Sinne so selbstverständlich ist, wie es auf dem ersten Blick erscheinen mag, kann dennoch fraglich sein. Bestünde nämlich nach Art. 43 Abs. 1 GG allein das Recht auf Herbeirufung ohne jegliche Verbindung zu einem bestimmten Fragenkomplex - beispielsweise, weil die Anwesenheit eines Regierungsmitgliedes aus grundsätzlichen Erwägungen heraus für erforderlich erachtet wird - , so käme dem allein noch kein Kontrollcharakter ZU29. Dann ließe sich diese Bestimmung zu Recht als völlig bedeutungslos herausstellen30 , es sei denn, sie diente auf "selbständiger Stufe" dazu, weitere, in der Verfassung oder anderswo verankerte Informations- und Kontrollrechte "auf nächster Stufe" zur Geltung zu bringen31 . Aber selbst diese Funktion allein könnte sich allerdings in einem parlamentarischen Regierungssystem in aller Regel als entbehrlich erweisen32. Mit einer Herbeirufung ist jedoch immer gleichsam eine bestimmte Erwartungshaltung des Parlaments verknüpft, selbst wenn es die Anwesenheit einmal nur aus grundsätzlichen Erwägungen heraus für erforderlich erachten sollte. Im allgemeinen erhofft sich das Parlament doch zu dem jeweiligen Beratungsgegenstand die nach seinem Dafürhalten wünschenswerten Aufklärungen von Seiten der Regierung. Dies geschieht dann sogar mit sehr viel mehr Nachdruck als bei den bisher aufgeführten Kontrollmitteln, nämlich allein schon durch den unterschiedlichen geschäftsordnungsmäßig einzuhaltenden Weg. Danach werden an das Parlament ungleich höhere Anforderungen gestellt, so daß eine Beschlußfassung hier nicht in vergleichbar einfacher Weise zustande kommen kann. Darüber hinaus unterstreicht insbesondere die Entwicklung des Zitierrechts ein solches von der Anlage her vorhandenes Fragerecht. Sowohl die Einführung dieses Instituts als auch seine Stellung in der Verfasgierung sei dem Ersuchen nur unzureichend nachgekommen. Diese Rechte sind in der GOBT von 1980 nicht mehr statuiert, weil sie angesichts vielfältiger anderer Möglichkeiten, von der Regierung Auskünfte zu erhalten und an die Regierung Fragen zu richten, für überflüssig erachtet wurden. - Zur Auskunftspflicht im Rahmen der §§ 115, 116 a. F. GOBT s. bei Trossmann (2), S. 879; Achterberg (4), S. 63; Kißler, S. 202 f.; Derlien, S. 42. 28 Neben Fn. 8 - 10 (1.1.); Sauer, S. 3; Herzog, EvStL, Sp. 1767 f.; Achterberg (4), S. 61; Katz, S. 146; Maunz, S. 361 f.; anders dagegen Mössner, S. 59, 62 f.; vgl. daneben noch Scheuner (1), S. 47, 49; Gehrig, S. 292; Dobie, S. 317. 29 Mit ähnlicher Differenzierung: Versteyl, in: v. Münch, Bd. 2, S. 479; vgl. auch § 46 GOBT; s. auch Scheuner (1), S. 47, der von "Hilfsmittel" spricht. 30 Vgl. dazu oben 2. Teil,!. Abschnitt 3.1.3. 31 i. d. S. auch Morscher (2), S. 56, dort Fn. 27. 32 Dazu oben 2. Teil,!. Abschnitt 4.2.1. und dort Fn. 120.

2. Abschn.: 1. Das Zitierrecht

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sung33 legten die Vermutung nahe, daß damit ein gewisses Gegenrecht zum Zutritts- und Anhörungsrecht der Regierung geschaffen werden sollte. Danach dürfte dann dem Anhörungsrecht gegenüber ein allgemeines Fragerecht des Parlaments angenommen worden sein3'. Aufgrund dieser Umstände kann somit ein Fragerecht überhaupt als dem Zitierrecht immanent bejaht werden35 . Damit erfährt es dann grundsätzlich seine Stellung auch als Kontrollmittel unter anderen36 .

1.1.2. InterpelZations- und Zitierrecht In der Staatsrechtswissenschaft werden Interpellations- und Zitierrecht, wie oben bereits angedeutet37 , mitunter in einern sehr engen Zusammenhang gesehen. Was nun begrifflich unter Interpellation verstanden werden "darf"38, beantwortet die Wissenschaft nicht einheitlich. Das Spektrum reicht hier von einer Inanspruchnahme als Oberbegriff für jedwede Anfrage an die Regierung bis hin zu einer Eingrenzung auf die Große Anfrage 39 • Geht man auch hier zunächst einmal von der reinen Wortbedeutung aus, so bedeutet Interpellation - vorn Lateinischen interpellatio - eine Unterbrechung, Störung. Die Bedeutung des Verbs "interpellare" bezeichnet zudem ein "in die Rede fallen, dareinreden, mit Bitten angehen, behelligen". Projeziert man dies auf parlamentarische Verfahrensweisen, dann zeigt der Begriff "Interpellation" ganz allgemein ein dem Parlament (förmlich) eingeräumtes Recht an, die Regierung mit Vgl. dazu oben 2. Teil, 1. Abschnitt 2.3. bei Fn. 37. Daraus folgt allerdings nicht schon zwangsläufig - vom Normzweck her - auch die Pflicht zur Auskunfterteilung. Überspitzt formuliert besteht auf der Seite der Parlamentarier natürlich auch keine uneingeschränkte "Anhörungspflicht" wollte man hier auf eine deckungsgleiche Wechselbeziehung abstellen; aber so wohl Schönfeld, S. 6. 35 Ganz h. M. vgl. etwa bei Schröder, M. (2), Rdnr. 2, 4 und 21 m. w. N.; v. Einem, S. 70; Fauser, S. 111 mit Nachweisen für die Praxis des BT in Fn. 1. 36 Die von Versteyl, S. 479, in: v. Münch, gegebene Begründung mutet dagegen wie ein Zirkelschluß an. Das Fragerecht folgt aus dem Zitierrecht, dem er zunächst zu Recht allein die Bedeutung beimißt, "nur die Anwesenheit (zu) verlangen" zu können, nicht deshalb, weil es sich hierbei um ein Kontrollrecht handelt; allerdings auch nicht ohne weiteres umgekehrt, weil ein Fragerecht nicht immer auch ein Kontrollrecht sein muß. Zu Kontroll- und Informationsrechten werden aber alle auch als Fragerechte zu charakterisierenden "Fremdinformationsrechte" hier letztlich wohl zumindest durch den politischen Druck, den das Parlament im parlamentarischen Regierungssystem immer auszuüben vermag. In diesem Sinne folgt dann aus dem immanenten Fragerecht die Charakterisierung des Zitierrechts auch als Kontrollrecht. 37 Vgl. in diesem Abschnitt 1.1. 38 Zur Frage möglicher begrifflicher Fassung: Morscher (2), S. 56 (4.1.). 39 So u. a. Kißler, S. 157 f.; Einzelheiten im übrigen bei Morscher (1), S. 22 ff. 33

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"Bitten um Auskünfte behelligen" zu dürfen40 • Eine solche Interpellation bringt damit unter Umständen eine "Unterbrechung oder Störung" mit sich, soweit nämlich die normalen Tagesordnungspunkte hierdurch einen Aufschub erfahren41 • Darüber, ob eine solche Interpellation einen Anspruch auf "Erfüllung der Bitten", eine Pflicht zur Auskunftserteilung in sich birgt, trifft die reine Wortbedeutung dagegen (noch) keine Aussage 42 . 1.1.2.1. Interpellation als Oberbegriff Die umfassendste Bedeutung erlangt das Interpellationsrecht damit, daß unter diesem Begriff nicht nur das Zitierrecht 43 , sondern auch alle "formalisierten (An)fragen"44 von der Großen Anfrage bis hin zur aktuellen Stunde subsumiert werden45 . Diese extreme Ausweitung des Begriffs erfährt nun teilweise eine geringe Einschränkung dadurch, daß das Zitierrecht hier insoweit ausgeklammert wird, als darin die verfassungsrechtliche Grundlage des sich in der Geschäftsordnung des Bundestages konkretisierenden Interpellationsrechts erblickt wird46 • Im einzelnen tritt dabei jedoch nicht immer deutlich hervor, welches Spektrum von den "formalisierten Anfragen" jene Autoren unter dem Begriff Interpellation subsumiert sehen wollen. 1.1.2.2. Enger Begriff "Interpellation"

Ein enger Begriff klammert dagegen nicht nur das Zitierrecht völlig aus, sondern begreift unter Interpellation allein die Große Anfrage47 . Diese Auffassung findet ihre wesentliche Stütze in der historischen Entwicklung dieses Instituts und deckt sich zudem mit den herrschenden Ansichten der Kaiserzeit 48 und der Weimarer Republik49 . In Anlehnung hieran sowie an den überkommenen Sprachgebrauch soll deshalb unter Interpellationsrecht im folgenden nur die Große Anfrage gemäß § 100 GOBT verstanden werden. Vgl. Eschenburg, S. 605. So auch Sauer, S. 11. 42 s. aber Schönfeld, S. 4 f. und Gehrig, S. 292 c: "Zum Inhalt des Zitierrechts gehört auch das Interpellationsrecht. Die herbeigerufenen Mitglieder der Bundesregierung sind verpflichtet, auf Fragen zu antworten." 43 So die Vertreter der Identitätsthese (s. in diesem Abschnitt Fn. 8) sowie diejenigen, die ein Primat des Interpellationsrechts annehmen (Fn. 10). 44 Morscher (1), S. 29 f., 36 ff.; (2), S. 56, 66 ff. (2.3.), der allerdings im übrigen das Zitierrecht ausklammert. 45 Wie hier auch Scholler, S. 406; Kißler, S. 151; Sauer, S. 11. 46 Vgl. in diesem Abschnitt Fn. 9. 47 Wie hier Achterberg (4), S. 62; Kißler 151 m. w. N. in Fn. 10 - 11; Gehrig, S. 294; Frenkel, Nr. 658 ff., 661. 48 Hatschek (1), S. 111; Morscher (1), S. 23 - 36. 48 PereIs (2), S. 449 ff., § 58; Marschall v. Bieberstein (1), S. 536; im übrigen dazu Witte-Wegmann, S. 15 ff.; Morscher (1), S. 44 ff. 40

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Während es sich nun bei einer Subsumtion auch der übrigen formalisierten Anfragen unter den Begriff Interpellation und bei dem Versuch einer weiteren oder engeren Begriffsbildung heute letztlich um eine Frage der Zweckmäßigkeit handeln dürfte 50 , muß dagegen hinsichtlich einer Einbeziehung auch des Zitierrechts die Frage nach der Richtigkeit oder Nichtrichtigkeit aufgeworfen werden.

1.1.3. Zitierrecht als eigenständiges Institut, Nach Skizzierung der Informations- und Kontrollmittel des Parlaments fällt auf, daß diese, soweit hier die "Selbstinformationsrechte" in Frage stehen, mit dem allgemeinen Fragerecht des Art. 43 Abs. 1 GG nicht auf ein und derselben Stufe stehen. Die Eigenständigkeit des Zitierrechts hängt nun davon ab, inwieweit hier von ihrem Wesen grundverschiedene Rechte festgestellt werden können. 1.1.3.1. Identitätsthese und Primat des Interpellationsrechts Verfolgt man das Interpellationsrecht bis zu seinen Wurzeln zurück, so unterstreicht bereits die historische Entwicklung die Eigenständigkeit beider Institute. Zwar liegen die Keimzellen beider Institute in Frankreichs1 . Es ist jedoch nicht dieselbe Keimzelle, die beide Institute hervorbrachte. Auch ihre weitere Entwicklung wies keine Verschmelzung beider Rechte auf, wenngleich die Vorschrift des § 122 der Frankfurter Reichsverfassung einen interpellatorischen Zusatz kannte. Daß hiermit jedoch keine Verschmelzung von Zitier- und Interpellationsrecht einherging, erkannte man bereits damals ganz eindeutig. Nicht umsonst erhob sich die Forderung nach einer Verankerung des Interpellationsrechts in der Verfassung bereits bei den Arbeiten zur Frankfurter Nationalversammlung sowie später in der Verfassungsgebenden Nationalversammlung Weimars 52 • Zudem läßt die fast wörtliche Übernahme des Art. 33 Abs. 1 WRV, an dem die Verfassungsväter des Grundgesetzes in seiner redaktionellen Fassung nichts auszusetzen hatten, gerade nicht den Schluß zu, daß mit Erlaß des Grundgesetzes von der überkommenen Rechtsübung abgewichen werden sollte. Darüber hinaus war und ist das Zitierrecht ein Recht des gesamten Parlaments53 , während die Geschäftsordnung des Bundestages Interpellationen sowie alle übrigen dort normierten Anfragen als Minderheitenrechte ausgestaltet. Hebt die Verfassung in Art. 43 Abs. 1 GG Morscher (2), S. 56; im übrigen dazu Sauer, S. 12 f.; Kißler, S. 157 f. Vgl. oben 1. Abschnitt 1.1.; Witte-Wegmann, S. 15. 52 Vgl. im 1. Abschnitt, Fn. 2 und 114; Kißler, S. 160. 53 Vordergründig war dies auch bei § 115 a. F. GOBT der Fall, vgl. aber zur Praxis des Bundestages insoweit bei Kißler, S. 202 ff. 50 51



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wiederum die Präsenzpflicht von Regierungsmitgliedern als zentralen Punkt hervor, so tritt diese beim Interpellationsrecht gänzlich zurück. Es fordert die Anwesenheit von Regierungsmitgliedern nicht. Sie geben ihre Antworten schriftlich. Diese werden, wie oben beschrieben, als Drucksachen verteilt. Ebenso verhält es sich nicht nur bei der Kleinen Anfrage sowie Auskünften der Bundesregierung, sondern auch verschiedentlich bei Mündlichen Anfragen54• Identität von Zitier- und Interpellationsrecht und gar ein Zurücktreten oder Aufgehen des Zitierrechts im Interpellationsrecht kann demnach nicht anerkannt werden. Beide Rechte sind nicht nur in ihrer Entwicklung, sondern auch in Ausgestaltung und hinsichtlich ihrer Voraussetzungen verschiedenartig. Damit liegen auch vom Wesen her zwei völlig unterschiedliche Rechte vor 55 • 1.1.3.2. Konkretisierungsthese Liegt keine Identität beider Institute vor, so bedarf es noch der Klärung, ob Art. 43 Abs. 1 GG für das Interpellationsrecht und die übrigen geschäftsordnungsmäßigen Fragerechte eine Rechtsgrundlage bietet, um sie dann als Konkretisierung dieser Verfassungsbestimmung ansehen zu können56 • Augenscheinlich tritt zunächst zu Tage, daß der Anstoß zu einem solchen Gedanken davon getragen wird, eine verfassungsmäßige Verankerung des Interpellationsrechts und der übrigen Fragerechte zu konstruieren. Vorausgesetzt57 , eine solche Verankerung würde eine Antwortpflicht gebieten, so gelangte man damit gleichfalls zu einer Antwortpflicht hinsichtlich der geschäftsordnungsmäßig geregelten Rechte. Die Geschäftsordnung allein vermag eine solche Verbindlichkeit nämlich nicht herbeizuführen 58 • Diese Konkretisierungsthese findet allerdings ebenfalls keine Anerkennung. Sie muß im wesentlichen aus den gleichen Erwägungen heraus, wie sie bereits gegen die Identitätsthese vorgebracht wurden, abgelehnt werden. Auch sie setzt sich über jene, in der Entwicklung beider Institute immer schon vorhandene Eigenständigkeit hinweg. Sie s. etwa Nr. 14 und 20 der Richtlinien für die Fragestunde. So im Ergebnis auch: Sauer, S. 12; Schönfeld, S. 6, er bezeichnet allerdings das allgemeine Fragerecht des Art. 43 GG als Interpellationsrecht; Kißler, S. 151 f., 106 f.; Scholler, S. 407; Schröder, M. (2), Rdnr. 2 und 3. 58 Vgl. neben der o. a. Literatur die Auffassung der Rspr. in diesem Abschnitt 1.1. und dort Fn. 5. 57 Hierzu im einzelnen noch unten 1.4.2. 58 Achterberg (4), S. 61, 63; Witte-Wegmann, S. 80; Lechner / Hülshoff, S. 235; Arndt, K., S. 110 ff., 112; Schröder, M. (2), Rdnr. 5; Gehrig, S.295, Fn.245; Frenkel, Nr. 683. 54 55

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verkennt ferner die mangelnde Präsenzpflicht der Regierungsmitglieder nach den geschäftsordnungsmäßigen Fragerechten, die eben keine Begrenzung gerade auch des Interpellationsrechts auf den jeweiligen Beratungsgegenstand mit sich bringen, sondern im Gegenteil, eine "Unterbrechung" der normalen Tagesordnung. Sie übersieht ebenso die Ausgestaltung dieser Fragerechte als Minderheitenrechte im Gegensatz zum Zitierrecht, das einen Mehrheitsbeschluß des Parlaments verlangt. Die bereits im Wesen angelegten Unterschiede unterstreicht nicht zuletzt die Geschäftsordnung des Bundestages selbst in eindrucksvoller Weise. Sie setzt nämlich die geschäftsordnungsmäßige Regelung beider Institute gänzlich voneinander ab und bestimmt die Handhabung des Zitierrechts gerade losgelöst von den übrigen hier angesprochenen Fragerechten59 • Nach alledem muß somit nicht nur eine Identität zwischen Zitierund Interpellationsrecht verneint werden, sondern auch eine in den geschäftsordnungsmäßigen Fragerechten gesehene Konkretisierung des in Art. 43 Abs. 1 GG gewährleisteten Rechts. Vielmehr stehen sich hier zwei völlig selbständige Institute gegenüber, die auch nach den Verfahrensvorschriften unterschiedlichen Regelungen unterworfen sind. Das Interpellationsrecht findet damit in Art. 43 Abs. 1 GG keine Stütze60 • Um Verwechslungen vorzubeugen, soll im folgenden das allgemeine Fragerecht, das dem Art. 43 Abs. 1 GG immanent ist, als "unselbständiges Fragerecht" gekennzeichnet werden 61 • Dies deshalb, weil es einmal mit dem jeweiligen Beratungsgegenstand und einer Präsenzpflicht der Regierungsmitglieder untrennbar verknüpft ist, sowie zum anderen in der Verfassung selbst nicht zum Ausdruck kommt. 1.1.3.3. Geschäftsordnungsmäßige Handhabung des Zitierrechts

Mit Art. 43 Abs. 1 GG legt das Grundgesetz fest, daß der Bundestag und seine Ausschüsse die Anwesenheit jedes Mitgliedes der Bundesregierung verlangen können. Darüber, wie dies im einzelnen zu geschehen hat, trifft es keine definitive Aussage. Lediglich in Verbindung mit Art. 42 Abs. 2 Satz 1 GG ergibt sich, daß ein einfacher Mehrheitsbeschluß des Bundestages vorliegen muß, nicht etwa ein qualifizierter im 59 Zur Konstruktion einer Antwortpflicht für das Interpellationsrecht s. im übrigen bei Sauer, S. 22 ff.; Scholler, S. 407 ff.; Schröder, M. (2), Rdnr. 11 ff. jweils mit weiteren Nachweisen. 60 So auch Fauser, S. 118; Sauer, S. 25; Schönfeld, S. 9; Scholler, S. 407; Arndt, K., S. 112; v. Einem, S. 67 ff.; Schröder, M. (2), Rdnr. 43 a. 61 So auch im Anschluß an Konow, S. 320, Schönfeld, S. 8 f.; Schröder, M. (2), Rdnr.4.

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2. Teil: Zitier- und zutrittsrecht im deutschen Parlamentsrecht

Sinne des Art. 121 GG geboten ist 62 • Im übrigen erfährt das Zitierrecht durch die §§ 42, 68 und 74 der GOBT seine geschäftsordnungsmäßige Behandlung. § 46 Satz 1 a. F. GOBT63 räumte im Plenum jedem Abgeordneten das Recht ein, die Herbeirufung eines Regierungsmitgliedes zu beantragen. Ein solcher Antrag war allerdings unbeachtlich, wenn er nicht die erforderliche Unterstützung durch eine Mindestzahl von Abgeordneten (Fraktionsmindeststärke) fand (§ 46 S. 2 a. F. GOBT). Diese Differenzierung gibt § 42 der GOBT von 1980 zwar auf, inhaltlich besteht jedoch kein Unterschied, wenn es nunmehr heißt:

Der Bundestag kann auf Antrag einer Fraktion oder von anwesenden fünf vom Hundert der Mitglieder des Bundestages die Herbeirufung eines Mitgliedes der Bundesregierung beschließen. Da die Präsenzpflicht, wie oben erkannt, in untrennbarem Zusammenhang mit dem jeweiligen Beratungsgegenstand steht, muß ein solcher Antrag spätestens bis zur Eröffnung der Abstimmung, die diesen Beratungsgegenstand abschließt oder anders gesagt, bis zum endgültigen Schluß der Aussprache (§§ 25, 44 GOBT) gestellt sein64 • Es ist ein Geschäftsordnungsantrag (§§ 29, 27 GOBT), der als solcher - abgesehen von der einzuhaltenden Frist - im allgemeinen keiner Form und Unterstützung bedarf. Eine einschneidende Modifizierung bringt allerdings, wie bereits § 46 S. 2 a. F. GOBT, § 42 n. F. GOBT dadurch, daß ein Antrag auf Herbeirufung gemäß § 42 GOBT der Unterstützung einer Mindestzahl von Abgeordneten bedarf. Hat ein Antrag die erforderliche Unterstützung gefunden, so entscheidet hierüber der Bundestag mit der "Mehrheit der abgegebenen Stimmen" im Sinne des Art. 42 Abs. 2 Satz 1 GG (Abstimmungsmehrheit). Der Beschluß führt zu keinem Aufschub der Beratung bis zum Erscheinen des Herbeigerufenen (§§ 25 Abs. 2, 26 GOBT). Daß ein solcher Aufschub stillschweigend mitbeschlossen wurde, darf nicht unterstellt werden. Zwar bedürfen Anträge zur Vertagung von Beratung oder Sitzung einer entsprechenden Unterstützung wie ein Antrag auf Herbeirufung, und auch hier ist es der Bundestag, der den Beschluß darüber herbeiführt. Es wäre aber ohne einen ausdrücklichen Antrag nicht ersichtlich, über welche der beiden Rechtsfolgen überhaupt inzidenter mitentschieden werden sollte. Ein Antrag über Vertagung von Bera62 Schmidt-Bleibtreu / Klein, S. 1034 f. 63 Jedes Mitglied des Bundestages kann die Herbeirufung eines Mitgliedes der Bundesregierung beantragen. Der Antrag bedarf der Unterstützung von soviel anwesenden Mitgliedern des Bundestages, wie einer Fraktionsstärke entspricht. über den Antrag entscheidet der Bundestag. 84 Wie hier auch Trossmann (2), S. 298.

2. Abschn.: 1. Das Zitierrecht

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tung oder Sitzung ist daher gesondert zur Abstimmung zu stellen65 , zumal eine Unterbrechung u. U. einmal von der Mehrheit ausdrücklich gar nicht gewollt und andererseits dem weiteren Verlauf der Beratung auch abträglich sein kann. Würde dagegen die Herbeirufung so viel Brisanz in sich bergen und zu großer Unruhe im Plenum führen, so könnte der Bundestagspräsident in diesem Fall auf § 40 GOBT zurückgreifen und die Sitzung "auf bestimmte Zeit unterbrechen oder aufheben". Sollte sich bei einer Abstimmung über den Herbeirufungsantrag die Beschlußunfähigkeit des Hauses herausstellen, dann wäre der Präsident ohnehin gehalten, die Sitzung nach § 45 Abs. 3 Satz 1 GOBT sofort aufzuheben, mit der Möglichkeit, "für denselben Tag eine neue Sitzung mit derselben Tagesordnung" einzuberufen (§ 20 Abs. 5 S. 1 GOBT). Für die Ausschüsse des Bundestages wiederholt § 68 GOBT66 ihr eigenständiges Recht zur Herbeirufung von Mitgliedern der Bundesregierung. Gemäß § 74 GOBT kommen im übrigen für Beratung und Beschlußfassung in den Ausschüssen die Vorschriften der Geschäftsordnung entsprechend zur Anwendung, soweit hier keine spezielle Regelung vorliegt. Unter Berücksichtigung von § 42 GOBT bedarf es für einen Zitierbeschluß ebenfalls der einfachen Mehrheit im Ausschuß, während fraglich sein könnte, welcher Unterstützung ein entsprechender Antrag bedarf. Wird der Antrag von allen im Ausschuß vertretenen Mitgliedern einer Fraktion unterstützt, so wird dies ausreichend sein67 . Im übrigen wird bei der üblichen Ausschußstärke von 13 bis 33 Mitgliedern beispielsweise in der 8. Wahlperiode die Frage kaum praktisch werden, da der Antrag, bei einer Unterstützung von 5 010 der anwesenden Ausschußmitglieder, der Unterstützung von maximal zwei Personen bedürfte68 . 1.1.3.4. Justiziabilität Kommen in der oben bezeichneten Weise Beschlüsse des Bundestages oder seiner Ausschüsse zustande, so drängt sich die Frage auf, welche Wie hier auch Trossmann (2), S. 298; s. auch bei Achterberg (6), S. 102 f. Das Recht des Ausschusses, die Anwesenheit eines Mitgliedes der Bundesregierung zu verlangen, gilt auch, wenn es in einer öffentlichen Sitzung gehört werden soll. über einen entsprechenden Antrag ist in nichtöffentlicher Sitzung zu entscheiden. 87 Zum alten Recht s. bei Trossmann (2), S. 507; Fauser S. 115; Schönfeld, S. 75 geht von einer Unterstützung von so vielen Ausschußmitgliedern, wie der Anzahl von Ausschußvertretern einer Fraktion entspricht, aus. Unklar ist dabei, auf welche Fraktion dann abgestellt werden müßte (§ 12 GOBT). Zudem verlangte man dann auch eine sehr viel massivere Unterstützung als für Anträge im Plenum. Zur Sitzverteilung in den Ausschüssen s. § 57 GOBT bzw. § 3 Abs. 2 WPG für Wahlprüfung-A. 6B Mitgliederzahlen während der 8. WP.; siehe bei Burhenne unten Fn. 125. 65 68

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2. Teil: Zitier- und Zutritts recht im deutschen Parlamentsrecht

Sanktionsmöglichkeiten diesen Organen an die Hand gegeben wurden für den Fall, daß die zitierten Regierungsmitglieder ihren Beschlüssen nicht Folge leisten. Dabei soll, von der "parlamentarischen" Sanktion - einem Mißtrauensvotum - einmal abgesehen69 , der Blick auf eine etwaige Hilfe durch die "Dritte Gewalt", die Gerichte gelenkt werden. Um zu klären, ob und gegebenenfalls welche Gerichte sie dann anrufen könnten, muß zunächst der Charakter dieser Beschlüsse sowie ihrer etwaigen Nichtbefolgung gewürdigt werden.

1.1.3.4.1. Charakteristik Der Beschluß auf Herbeirufung eines Regierungsmitgliedes - als Akt des Bundestages oder seiner Ausschüsse - trifft eine Entscheidung. Sie beruht verfahrensmäßig nicht auf einer Beachtung der für das Zustandekommen eines Gesetzes (Art. 76 - 82 GG) vorgeschriebenen Normen. Damit können diese Entscheidungen nicht dieselbe Verbindlichkeit wie förmliche Gesetze für sich in Anspruch nehmen. Es handelt sich um eine andere Form einer Willenskundgebung des Parlaments und dies selbstverständlich auch bei seinen Ausschüssen. Diese nicht in Gesetzesform verabschiedeten Entscheidungen werden herkömmlicherweise als "schlichte Parlamentsbeschlüsse" bezeichnet7°. Schlichte Parlamentsbeschlüsse unterliegen ihrerseits einer Differenzierung. Man unterscheidet diejenigen, die in der Verfassung selbst oder in einem Gesetz überhaupt eine Regelung erfahren haben und jene, die eine ausdrückliche Stütze in einer Verfassungs- oder Gesetzesvorschrift vermissen lassen. Letztere werden auch als "Resolutionen" oder "Entschließungen" gekennzeichnet. Der Zitierbeschluß findet eine ausdrückliche Rechtsgrundlage in Art. 43 Abs. 1 GG, §§ 42, 68 GOBT. Er zählt somit zur ersten Gruppe der schlichten Parlamentsbeschlüsse71 • Die hier zu würdigenden Beschlüsse stellen des weiteren "Regierungsakte" im weiteren Sinne dar. Regierung im weiteren Sinne meint, daß sie als staatliche, leitende Tätigkeit nach dem pluralistischen System des Grundgesetzes nicht allein von der Regierung im organisatorischen Sinne, dem Regierungsorgan als solchem (Art. 62 GG), ausgeübt wird. Sie verteilt sich auf die Kompetenzbereiche aller Verfassungsorgane. Neben der Regierung im organisatorischen Sinne erlassen also auch Bundestag, Bundesrat, Bundespräsident und andere Verfassungsorgane materielle Regierungsakte 72 • s. dazu Obermeier, S. 97 bei Fn. 3. So Thoma (3), S. 221. 71 Weitere Einzelheiten hierzu bei Sellmann, S. 16 ff.; Obermeier, S. 1 - 8; beide untersuchen aber im folgenden die zweite Gruppe schlichter Parlamentsbeschlüsse. 69

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Unterscheidet man nun weiterhin in herkömmlicher Weise "freie und gebundene Tätigkeit" des Staates bei der Ausübung aller seiner Funktionen73, und scheidet zudem vom verfassungs rechtlichen Bereich den verwaltungsrechtlichen, so ergibt sich: "daß die Regierungsakte nichts anderes sind als Ermessensakte des materiellen Verfassungsrechts und der Regierungsbereich sich mit dem Ermessensbereich auf der materiellen Verfassungs ebene deckt" 74. Daraus folgt nun, daß zwar ein Zitierbeschluß, nicht aber seine Nichtbefolgung als Regierungsakt angesehen werden darf. Demgegenüber wären aber wiederum die Antwort des Zitierten - soweit eine solche als nicht zwingend erkannt werden sollte - und seine Antwortverweigerung als Regierungsakte zu charakterisieren. 1.1.3.4.2. Rechtsweg

Nach der Charakterisierung stellt sich nunmehr die Frage für den hier interessierenden Bereich, ob sowohl die Nichtbefolgung eines Zitierbeschlusses im Rahmen gebundener Tätigkeit als auch eine nicht zufriedenstellende Antwort oder eine verweigerte Antwort den Rechtsweg innerhalb der gegebenen Organisationsstrukturen7G zu eröffnen vermag. Alle drei denkbaren Fälle unterliegen dem öffentlichen Recht. Es handelt sich um Rechtsverhältnisse, die auf einem ;,öffentlichen Sonder-Rechtssatz" beruhen. Anspruch und Pflicht erwachsen aus Art. 43 Abs. 1 GG in Verbindung mit den Vorschriften der Geschäftsordnung des Bundestages. Dieser "öffentliche Sonder-Rechtssatz" kann hier nur einem Träger öffentlicher Regierung bzw. einem öffentlichen Organ zugerechnet werden. Anspruch und korrespondierende Pflicht sind somit öffentlich-rechtlich. Streitigkeiten hierüber sind öffentlich-rechtliche Streitigkeiten76 • Als solche eröffnen sie gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO den Weg vor die Verwaltungsgerichte, wenn sie "nichtverfassungsrechtlicher Art" sind. "Verfassungsrechtlich ist jede Streitigkeit, deren Gegenstand materiell dem Bundes- oder Landesverfassungsrecht zuzurechnen ist 77 ." Hier 72 So vor allem Kassimatis, S. 25 ff., 53, 54 ff.; überblick auch bei MDHS zu Art. 62 Rdnr. 1 - 12; v. Mangoldt / Klein, S. 1198; Eschenburg, S. 652 ff.; Einzelheiten auch bei MDHS, Rdnr. 24 zu Art. 19 Abs. 4 GG; häufig anzutreffende Bezeichnung: "gerichtsfreier Hoheitsakt" , was allerdings in der Tat auf der Ebene des Art. 19 Abs. 4 eine contradictio in adiecto vel in se bedeuten dürfte. Zum Rechtsschutz eines betroffenen Bürgers s. bei Sauer, S. 70 ff. 73 Jellinek, G., S. 616. 74 So Kassimatis, S. 93. 75 Im übrigen ist Kassimatis zuzugeben, daß die Frage der Justiziabilität - rechtspolitisch gesehen - eine reine Organisationsfrage der Justiz ist. 7t So im Anschluß an Wolff, S. 208 f.; Redeker / von Oertzen, S. 93 ff. 77 Redeker / von Oertzen, S. 94 m. w. N.; Kassimatis, S. 180 ff.

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2. Teil: Zitier- und Zutrittsrecht im deutschen Parlamentsrecht

könnte sich ein Streit aufgrund Nichtbeachtung einer Verfassungsnorm (Nichtbefolgung eines Zitierbeschlusses) oder über die richtige Auslegung einer Verfassungsnorm entwickeln (nicht zufriedenstellende, verweigerte Antwort). Gegenstand eines solchen Streits wären mithin die gegenseitigen rechtlichen Beziehungen von Trägern öffentlicher Regierung bzw. von öffentlichen Organen, die demselben "Verfassungskreis" angehörten 78 • Damit läge eine öffentliche-rechtliche Streitigkeit verfassungsrechtlicher Art vor, die nicht vor die Verwaltungsgerichte führen kann79 • Es verbleibt die Möglichkeit einer "Organklage" gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG in Verbindung mit § 13 Nr. 5 BVerfGG8o. In allen angesprochenen Fällen liegen die Voraussetzungen einer Organstreitigkeit vor. Ein Antragsteller könnte geltend machen, durch eine Maßnahme oder Unterlassung des Antraggegners in seinen, ihm durch das Grundgesetz übertragenen Rechten und Pflichten verletzt oder unmittelbar gefährdet zu sein (§ 64 Abs. 1 BVerfGG81). Antragsberechtigt sind gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG in Verbindung mit § 63 BVerfGG neben dem Bundestag grundsätzlich alle seine Organteile, soweit sie mit eigenen Rechten ausgestattet sind82 • Hierzu zählen unter anderem folgende Organteile des Bundestages: der Präsident, die Ausschüsse "zahlenmäßige Gruppierungen" oder Bruchteile der Mitgliederzahl des Bundestages sowie der einzelne Abgeordnete 8s • Ginge man nun strikt nach dem Wortlaut des § 64 Abs. 1 BVerfGG, so könnte jeder Organteil beliebige Rechte und Pflichten des Gesamtorgans verfolgen. Das Bundesverfassungsgericht hat jedoch diesen "weiten" Wortlaut eingeschränkt. Es kommt danach sowohl auf eine Verletzung eigener Befugnisse und Zuständigkeiten dieser Organteile an, als auch auf ihre Einrichtung als ständige Gliederungen innerhalb des Gesamtorgans. Daraus folgt nun eine Einschränkung des Antragsberechtigten auf Bundestag, seine Ausschüsse und Fraktionen84 • Die übrigen "zahlenmäßigen Gruppierungen" oder Bruchteile der Mitgliederzahl des Bundestages sind schon keine ständigen Gliederungen. Sie finden sich zur Geltendmachung eines konkreten Rechts immer erst zusammen. Die Antragsberechtigung der anderen genannten Organteile des Bundestages scheitern sodann in der Regel an der Verfolgung eigener Rechte 8s . So Friesenhahn (2), S. 334. Wie hier Kassimatis, S. 184. 80 MSBKU, Rdnr. 1 zu § 13 BVerfGG. 81 BVerfGE 2, 143 ff. 8! Hierzu die dezidierte Aufzählung bei MSBKU, Rdnr. 4 ff. zu § 63. 83 Einzelheiten bei MSBKU, Rdnr. 9 ff. zu § 63. 84 Bei letzteren ist allerdings nur Prozeßstandschaft gegeben. 85 So BVerfGE 2, 166; Bachof, AÖR 79 (1953/54), S. 110 f.; MSBKU, Rdnr. 15 ff., 17 zu § 64; Kassimatis, S. 198; anders KißIer, S. 155. 78 79

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Als Antragsgegner kommen die Bundesregierung und die einzelnen Bundesminister entsprechend ihrer Zuständigkeit in Betracht. In der Regel werden es allerdings die zuständigen Minister sein, da ihnen im allgemeinen eine konkrete Verletzung des Verfassungsrechts vorgeworfen werden wird B6 • Bei Beachtung der Form (§§ 23 Abs. I, 64 Abs. 2 BVerfGG) und der einzuhaltenden Frist (§ 64 Abs. 3 BVerfGG) wäre im übrigen ein entsprechender Antrag als zulässig anzusehen. Aufgrund eines solchen Antrages ist sodann das Bundesverfassungsgericht gehalten festzustellen, ob im konkreten Fall die Mißachtung der Zitierung gegenüber dem Bundestag oder seinen Ausschüssen als Unterlassung seitens des Antragsgegners einen Verstoß gegen Art. 43 Abs. 1 GG darstellte (§ 67 S. 1 BVerfGG). In diesem Zusammenhang könnte das Gericht ferner darüber entscheiden, ob in einer nicht zufriedenstellenden oder verweigerten Antwort eine Mißachtung der Zitierung und gleichsam ein Verstoß gegen Art. 43 Abs. 1 GG läge (§ 67 S. 3 BVerfGG). Eine weitergehende Entscheidung vermag das Gericht nicht zu treffen, insbesondere kann es nicht zu einem Handeln oder Unterlassen verurteilen87 • 1.2. Aktivlegitimlerte

Nach Darstellung der terminologischen Grundlagen, des Charakters sowie der Justiziabilität des Zitierrechts, soll im folgenden untersucht werden, wer Inhaber bzw. Verpflichteter dieses Rechts ist und welche Rechtsfolgen sich aus diesem Institut im einzelnen ergeben.

1.2.1. "Der Bundestag" Träger des Rechts aus Art. 43 Abs. 1 GG ist zunächst einmal "der Bundestag". Dieses oberste Verfassungsorgan läßt sich nun in verschiedene Organ teile gliedern, die mehr oder weniger selbständige Funktionen ausfüllen und unter Umständen eigenständig bestimmte Rechte wahrnehmen können. Neben den im Zusammenhang mit der Frage nach der Justiziabilität genannten Organteilen: Bundestagspräsident, Ausschüsse, Fraktionen und einzelne Abgeordnete, treten damit noch: Präsidium, Ältestenrat, Sitzungsvorstand und WehrbeauftragterB8 als Funktionsträger des Bundestages. Aus der ausdrücklichen Gegenüberstellung des (Gesamt)Organs "Bundestag" mit "seinen Ausschüssen" 86 Zu den hier auftretenden Problemen und zum Streitstand s. bei MSBKU, Rdnr. 18 ff. zu § 63 m. w. N.; Kißler, S. 155; Kassimatis, S. 200. 87 Leibholz / Rinck, Rdnr. 2 zu Art. 93 GG; Gehrig, S. 292. 88 Lohmann, S. 85 f.; 67 ff.

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welche in den älteren Vorschriften, abgesehen von Art. 33 Abs. 1 WRV, nicht erfolgte und damit zum Ansatz unterschiedlicher Auffassung über die Reichweite des Zitierrechts wurde 89 - läßt sich nun ableiten, daß "Bundestag" wie "Plenum" zu lesen ist. Als Inhaber des Rechts ist demnach insoweit das Plenum berufen90 • Unter Plenum versteht man die Vollversammlung einer Vertretungskörperschaft. Das Bundestagsplenum ist folglich die Vollversammlung des Bundestages, und zwar als eigentliches Entscheidungs- und Beschlußorgan, insbesondere im Gegensatz zu seinen Ausschüssen91 . Man kann somit auch sagen, als (Gesamt)Organ und damit als Träger des Zitierrechts stellt sich der Bundestag im Plenum dar 92 . Folglich war dann auch - nach der geschäftsordnungsmäßig beschriebenen Handhabung - jeweils ein Beschluß der Vollversammlung herbeizuführen, um die Anwesenheit eines Regierungsrnitgliedes im Bundestag zu erreichen. 1.2.2. "Der Bundesrat" Auch "der Bundesrat" besitzt ein Zitierrecht (Art. 53 S. 1 GG i. V. m. §§ 18, 19 GOBR)93. Er ist somit aufgrund dieser Verfassungsnorm ebenfalls aktivlegitimiert. Dabei ist "der Bundesrat" wiederum wie "Plenum" zu lesen, was sich hier gleichsam aus der Gegenüberstellung mit "seinen Ausschüssen" ergibt94 . Er faßt seine Beschlüsse mit mindestens der Mehrheit seiner Stimmen (Art. 52 Abs. 3 GG, § 27 GOBR). Seine Verhandlungen sind grundsätzlich öffentlich (Art. 52 Abs. 3 S. 3 u. 4). Sein Zitierrecht ist allerdings nicht mit dem des Bundestages vergleichbar. Dem Zitierrecht des Bundestages kommt im Rahmen des parlamentarischen Regierungssystems der Bundesrepublik nicht die Bedeutung zu, wie dem Zitierrecht des Bundestages. Der Bundesrat ist Teil des vom Grundgesetz für den Bundesstaat vorgesehenen Verfassungssystems. Er setzt eine verfassungsrechtliche Tradition fort, die auf die Bismarcksche Reichsverfassung zurückgeht, deren Wurzeln allerdings über die Frankfurter Reichsverfassung (8taatenhaus) sowie den Bundestag des Deutschen Bundes hinausreichen und Dazu im A. Abschnitt 4.2.1. Wie hier MDHS, Rdnr. 2 zu Art. 42 und 43 GG; Schröder, M. (2), Rdnr. 25 zu Art. 43 GG; Schmidt-Bleibtreu / Klein, S. 491; Berg, S. 23 m. w. N. in Fn. 9; Eschenburg, S. 555 ff. 91 Wie hier Rausch (2), S. 66; Eschenburg, S. 547; Lohmann, S. 47 ff. 92 Steiger, S. 81; Berg, S. 23. 93 Art. 53 S. 1 GG: Die Mitglieder der Bundesregierung haben das Recht und auf Verlangen die Pflicht, an den Verhandlungen des Bundesrates und seiner Ausschüsse teilzunehmen. s. dazu bei Lutterbeck, S. 131 ff.; Lechner / Hülshoff, S. 281. 94 Ziller (1. Aufl.), S. 38 ff., 66. 89

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bereits im Reichstag des Mittelalters zu finden sind, einer Vertretung der sog. Reichsstände 95 • Im bundesstaatlichen Aufbau ermöglicht er als ein "förderativ-demokratisches Bundesorgan" eine Repräsentation der Gliedstaaten96 • Seinen Befugnissen nach (Art. 50, 78, 79 Abs. 2, 80 Abs. 2, 81 GG) läßt er sich also als Organ des Bundes, seiner Zusammensetzung nach (Art. 51 GG) als ein ständiger Kongreß von Mitgliedern der Länderregierungen charakterisieren97 • Er nimmt eine Mittelstellung ein zu seinen unmittelbaren Vorgängern, dem Reichsrat der Weimarer Republik (Art. 60 WRV) und dem Bundesrat der Reichsverfassung von 1871 (Art. 6)98. Der Bundesrat ist Teil im Mechanismus verschiedener Organe, die die Staatsgewalt ausüben (Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG) und dessen Träger insgesamt das Volk ist (Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG), einem Mechanismus, in dem ihm das Grundgesetz bestimmte Funktionen zuweist, die es ihm ermöglichen, an einer Gewaltenbalance, einem Gewaltenausgleich im Sinne Montesquieus teilzunehmen. Er ist damit Glied eines Organisationsprinzips, das die Funktionentrennung anerkannt und zum "tragenden Prinzip" erklärt09 • Idealtypisch liegt die traditionelle Bedeutung der Gewaltenteilung100 in dem "Wie" politischer Machtverteilung, einer Verzahnung der "drei Gewalten" soweit, daß sie eine wechselseitige Kontrolle und fein ausgewogene Balancierung ermöglicht101 . Aber selbst dort, wo dieses Prinzip Anerkennung gefunden hat, ist es dennoch nirgends rein verwirklichtl°2 • Eine einschneidene Relativierung der Gewaltenteilung haben die Verfassungsväter des Grundgesetzes ohnehin dadurch herbeigeführt, daß sie sich eindeutig für ein parlamentarisches Regierungssystem ausgesprochen haben10a, so daß sich eine überschneidung der Funktionen der einzelnen Gewalten in verschiedenster Weise feststellen läßtl° 4 • Schäfer, H., S. 17 ff., 53 f. MDHS, Rdnr. 2 zu Art. 50 GG; vMK, S. 1001. 97 Eschenburg, S. 613 ff., 614. 9B Vonderbeck (3), S. 9 ff., 91 ff.; Stein, § 26 IV; Anschütz (1), S. 335 f. 99 Dazu u. a. Gehrig, S. 207 ff.; 258; Hesse, S. 194; vMK, S. 595 ff., 598; Leibholz / Rinck, Rdnr. 16 zu Art. 20. 100 Einzelheiten bei Gehrig, S. 207 ff. m. w. N. 101 i. d. S. auch BVerfGE 3, 247. 102 s. hierzu bereits oben 1. Teil 1.3. m. w. N. in Fn. 66. 103 Otto, S. 122 ff., 123; Gehrig, S. 158 f. 104 BVerfGE 3, 247; dieses Prinzip ist jedoch nirgends rein verwirklicht. Auch in den Staatsordnungen, die das Prinzip anerkennen, sind gewisse überschneidungen der Funktionen und Einflußnahmen der einen Gewalt auf die andere gebräuchlich. Ob Durchbrechungen des Prinzips durch den originären Verfassungsgeber überhaupt geeignet sein können, jene letzte Grenze 95

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2. Teil: Zitier- und Zutrittsrecht im deutschen Parlamentsrecht

Die Bedeutung des Zitierrechts des Bundesrates hängt nun davon ab, welchen Platz er selbst in diesem System des Grundgesetzes einnimmt. Fiele ihm eine gleichrangige Bedeutung zu wie dem Bundestag - etwa als "Zweite Kammer eines Parlaments"105 - so wäre seinem Zitierrecht das gleiche Gewicht zuzumessen, wie dem des Bundestages106 . In verschiedenen Fällen können nun zwar Gesetze nur durch übereinstimmende Willenskundgabe beider kollegialer Organe Bundestag und Bundesrat zustande kommen, immer dann nämlich, wenn die Zustimmung des Bundesrates erforderlich ist (Art. 77 Abs. 1 und 2 GG)1°7. Stellt man damit auf eine "intrafunktionelle" Aufteilung der Gesetzgebung ablos, so ist es möglich, insoweit von einem Zweikammersystem zu sprechen109. Aus der Parlamentsrechtsgeschichte heraus ist diese Charakterisierung insgesamt jedoch nicht haltbar llO • Der Bundesrat setzt sich nicht aus gewählten Volksvertretern zusammen. Von seiner Struktur her weicht er von förderativen Bundesorganen etwa in der Schweiz, Österreich oder den Vereinigten Staaten von Amerika ab, zugunsten des sog. Bundesratsprinzips, dem das Senatsprinzip gegenübersteht. Danach handelt es sich bei den Mitgliedern des föderativen Organs um in der Regel frei gewählte Vertreter (Senatoren)111. Ihre Wahl entspricht im allgemeinen nicht dem Wahlverfahren für die Abgeordneten der Volksvertretung oder der ersten Kammer. Sie mag direkt sein, wobei jedoch von der Wahlkreiseinteilung für die andere Kammer abgewichen werden kann, oder indirekt, indem die Parlamente der Gliedstaaten die Senatoren wählen. Im allgemeinen ist im Unterschied zur ersten Kammer auch die Zahl der Senatoren nicht abhängig und in Relation gesetzt zur Bevölkerung. Demgegenüber werden die Mitglieder des Bundesrates von den Länderregierungen bestimmt. Sie können ihre zu überschreiten, deren Nichtbeachtung zur Rechtsungültigkeit auch einer ursprünglichen Verfassungsnorm führen könnte, ist zumindest zweifelhaft." Zu den Formulierungen "letzte Grenze" wie auch "Kernbereich" sei angemerkt, daß es sich hier um hohle Begriffe handelt, mit denen letztlich nichts gewonnen ist. 105 Vonderbeck: (3), differenziert: parlamentarische zweite Kammer und nichtparlamentarische, sieht im Bundesrat also in jedem Fall eine zweite Kammer, S. 110 m. w. N. in Fn. 29. 108 Vonderbeck: (3), S. 19 f.; vMK, S. 1005. 107 BVerfGE 37, 363 ff. 108 s. bei Achterberg (4), S! 10 Fn. 5. 109 So auch MDHS, Rdnr. 6 zu Art. 38 GG; Eschenburg, S. 614; Koellreutter (2), S. 176.

110 Wie hier Achterberg (4), S. 10; Hesse, § 16 I; Überblick: über den Meinungsstand bei vMK, S. 1001 ff., 1005 ff.; Raschke, S. 45. 111 Vgl. aber Art. 36 Abs. 1,2. Halbsatz bayer. LVerf.

2. Abschn.: 1. Das Zitierrecht

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Stimmen zudem -länderweise - nur einheitlich abgeben und verstärken dadurch den Einfluß der Länder erheblich112 • Dem Bundesrat fehlen damit zwei wesentliche Elemente, die dem Bundestag eigen sind: unmittelbare Verantwortlichkeit und Abhängigkeit der Regierung 113 • Ihm fehlen darüber hinaus die allgemeinen parlamentarischen Kontrollmittel und vor allem - da keine Vertrauensabhängigkeit der Regierung besteht jegliche Handhabe zur Durchsetzung seiner Rechte, sieht man einmal im Zusammenhang mit dem Zitierrecht von einem möglichen Organstreit ab, der aber nur zu einem Feststellungsurteil führen kann114. Folglich darf das Zitierrecht des Bundesrates nicht mit dem Zitierrecht des Bundestages qualitativ auf eine Stufe gestellt werden. Es ist keines "im" parlamentarischen Regierungssystem115 • Allein der Bundestag als "zentralstaatlich-demokratisches Bundesorgan" ist die Volksvertretung des Bundesvolkes, das Parlament, nicht auch der Bundesrat. Er darf allenfalls als "unmittelbares Verfassungsorgan anderer Art, das ebenfalls berufen ist, an der Bildung des Bundeswillens mitzuwirken", bezeichnet werden116 • Dennoch soll der Vollständigkeit halber auch das Zitierrecht des Bundesrates und seiner Ausschüsse hier Berücksichtigung finden, zumal sich daraus unter Umständen Rückschlüsse auf die Ausgestaltung des Zitierrechts des Bundestages und seiner Ausschüsse ziehen lassen.

1.2.3. Ausschüsse des Bundestages Der Bundestag, ein Parlament von in der Regel 518 Abgeordneten, kann verständlicherweise seine anfallenden Arbeiten im Plenum jedenfalls nicht in allen Einzelheiten bewältigen. Dies wird augenscheinlich, wenn man an die steigende Flut verschiedenster Gesetzesvorlagen und Verordnungen denkt. So sind es in der Regel auch nicht die Beratungen im Plenum (§§ 78 ff. GOBT), die beispielsweise einem Gesetzesentwurf seinen prägenden Stempel aufdrücken, sondern häufig schon die Beratungen in den Ausschüssen, in denen die Sachkunde der Ausschußmitglieder im allgemeinen eine gewichtige Rolle spielt. Die Ausschüsse haben also insgesamt Teil an der Wahrnehmung aller Zuständigkeiten 112 So auch Eschenburg, S. 614 f.; Blumenwitz, Rdnr. 2 ff. zur Vorgem. zu Art. 50 - 53 GG. 113 Stein § 16 I; vMK S. 1007. 114 s. zum Vorstehenden auch bei Lutterbeck, S. 132; Scupin, Erl. II zu Art. 53 GG. 115 Keine parlamentarische Kontrolle im technischen Sinne nach MDHS, Rdnr. 6 zu Art. 53 GG; s. auch bei Schäfer (Hans), S. 57. 118 So MDHS, Rdnr. 1 ff., 5 zu Art. 38 Rdnr. 6 zu Art. 53 GG; vMK, S. 1008; Stern, S. 589.

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2. Teil: Zitier- und Zutrittsrecht im deutschen Parlamentsrecht

des jeweiligen Gesamtorgans. In ihnen vollzieht sich folglich ein bedeutender Teil des Willensbildungs- und Entschließungsprozesses des Bundestages117 • Art. 43 Abs. 1 GG gewährt das Zitierrecht neben dem Bundestag - der Bedeutung angemessen - ausdrücklich auch "seinen Ausschüssen". Deren Stellung innerhalb des Verfassungsorgans Bundestag legen §§ 54, 62, 63 GOBT fest. Sie sind Organe des Bundestages und entsprechend dem Stärkeverhältnis der Fraktionen zusammengesetzt. Wie bereits zuvor dargelegt, ermöglicht ihnen ihre Stellung als Organteil des Bundestages, in einem Organstreit Partei zu sein. Die Geschäftsordnung des Bundestages bestimmt gemäß §§ 62, 63 GOBT im wesentlichen die Funktion der Ausschüsse sowie ihre Rechte und Pflichten im Gefüge des Gesamtorgans. Sie sind danach "vorbereitende Beschlußorgane", berufen "zur Vorbereitung der Verhandlungen" und eingesetzt vom Bundestag. Dieser überweist ihnen ihre Aufgaben und legt ihnen damit gleichsam die Pflicht auf, dem Plenum bestimmte Beschlüsse zu empfehlen, "die sich nur auf die ihnen überwiesenen Vorlagen und Anträge oder mit diesen in unmittelbarem Sachzusammenhang stehenden Fragen beziehen dürfen". Sie können sich jedoch mit anderen Fragen aus ihrem Geschäftsbereich - auch wenn dies nicht im Rahmen der ausdrücklichen überweisung liegt befassen. Dieses Recht eröffnet § 62 Abs. 1 S. 3. Damit unterstreicht diese Regelung die grundsätzliche Abhängigkeit und Angebundenheit der Ausschüsse an den Bundestag. Während also ein "selbständiges Befassungsrecht" mit Gegenständen aus dem Geschäftsbereich der jeweiligen Ausschüsse für "Beratungen" eröffnet wird, darf es in die Empfehlungen an den Bundestag nicht mit einfließen. Danach legt diese Regelung nunmehr zugleich fest, daß den Ausschüssen das Zitierrecht auch in Fällen "selbständiger Befassung" außerhalb des Rahmens der eigentlichen überweisung gestattet sein SOIl118. Obwohl die Bezeichnung "Organe des Bundestages" darauf hindeuten könnte, sind die Ausschüsse nach alledem nicht "autonom", sieht man einmal von einigen wenigen Spezialregelungen - etwa Art. 44, 117 So u. a. Steiger, S. 119 ff.; Eschenburg, S. 547 ff.; Ellwein, S. 276 ff.; Versteyl, Rdnr. 19 - 21 zu Art. 43 GG, in v. M:ünch; Lohmann, S. 47; Achterberg (6), S. 144 f. 118 So auch Fauser, S. 115 f. Bereits die Fassung des § 60 Abs. 2 a. F. GOBT sollte klarstellen, daß ein Ausschuß gem. Art. 43 Abs. 1 GG, § 73 Abs. 1 a. F. GOBT auch dann vorgehen darf, wenn er einen Beratungsgegenstand von sich aus aufgreift (so auch Steiger, S. 132). Dies war nach der GOBT vom 6. 12. 1951 (BGBl. 1952 11, S. 389) umstritten. Damals weigerte sich der Bundesminister des Innern, Schröder, einer Zitierung des Ausschusses zum Schutze der Verfassung Folge zu leisten! Zu einem Organstreit kam es dennoch nicht, weil der Minister später "unter Aufrechterhaltung seines Rechtsstandpunktes" schließlich doch vor dem Ausschuß erschien. s. dazu Gross, W., S. 80.

2. Abschn.: 1. Das Zitierrecht

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45 a Abs. 2 und 45 c GG - ab, die einem Ausschuß im begrenzten Umfang eine unabhängige Stellung gegenüber dem Bundestag einräumen. Sie sind im übrigen nicht nur an die ihnen überwiesenen Beratungsgegenstände gebunden, sondern darüber hinaus nicht einmal berechtigt, untätig zu bleiben. Sie besitzen nicht das Recht der Gesetzesinitiative, und es gilt der Grundsatz, daß Ausschüsse keine Tätigkeit mit Außenwirkung entfalten dürfen119 • Auch dürfen in den Fällen, in denen dem Bundestag als Plenum Zuständigkeiten zugewiesen sind, diese nicht auf die Ausschüsse delegiert werden120 . Aus der vorstehenden Charakteristik läßt sich nunmehr folgern, was nach Art. 43 Abs. 1 GG unter "seinen Ausschüssen" zu verstehen ist: es handelt sich hierbei grundsätzlich um diejenigen, die als Vorbereitungsgremien, gewissermaßen als Hilfsorgane des Bundestages aus seiner Mitte eingesetzt und folglich im allgemeinen auch nur aus seinen Abgeordneten bestehen können l2l • Nicht zu "seinen Ausschüssen" gehören daher alle Gremien, in denen Bundestagsabgeordnete nur neben anderen Mitgliedern beteiligt sind. Dazu zählen unter anderem neben dem Vermittlungs- und Richterwahlausschuß Gremien wie etwa nach § 9 des Gesetzes zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses 122 der Kontrollausschuß beim Bundesausgleichsamt123 sowie der Bundesschuldenausschuß124 und natürlich auch solche Gre119 i. d. S. auch Steiger, S. 146 f. m. w. N.; s. daneben bei Frost, S. 38 ff. zu den zahlreichen Durchbrechungen und im übrigen bei Trossmann (2), S. 414 ff., 417, 419, 423; Achterberg (6), S. 144 ff.; zum "selbständigen Befassungsrecht" und der dadurch gegebenen Lockerung des Verhältnisses Plenum - Ausschüsse s. bei Steiger, S. 132 ff. und der dadurch eingetretenen qualitativen Änderung dort noch S. 134 (Fn. 108); Einzelheiten zur Zuweisung selbständiger, nach außen wirkender Entscheidungsbefugnisse an die Ausschüsse (S. 135 ff.) und den berechtigten massiven Bedenken gegen die Praxis, Ausschüsse durch ihre Entscheidungen an die Stelle des Plenums treten zu lassen sowie zur Problematik einer Delegation von Befugnissen überhaupt in diesem Rahmen, S. 139 m. w. N. 120 Einzelheiten hierzu und zu Abweichungen in der Praxis bei Steiger, S. 135 f. m. w. N.; Lohmann, S. 76 ff.; s. dagegen Art. 105 Abs. 5 bremLV. 121 Wie hier Schmidt-Bleibtreu / Klein, Rdnr. 3 - 5 zu Art. 43 GG; MDHS, Rdnr. 4 zu Art. 43 GG; Schröder, M. (2), Rdnr. 26 zu Art. 43 GG; Lohmann, S. 73; überblick bei Versteyl, Rdnr. 3 ff. zu Art. 43 GG, in v. Münch;: überblick auch bei Burhenne, S. 450621/-41 und 450701 ff. sowie 4200601/02 zur Einordnung sog. Enquetekommissionen siehe unten, S. 150 ff. 122 BGBl. 1968 I, S. 949; es handelt sich zwar um ein Hilfsorgan des BT, dieses Gremium nimmt aber eine derart krasse Sonderstellung ein, auch gegenüber den üblichen Untersuchungsausschüssen, daß es nach der hier vertretenen Auffassung berechtigt erscheint, ihn nicht zu den Ausschüssen des BT zu zählen. So auch Versteyl Rdnr. 9 zu Art. 43 GG, in: v. Münch; zu den verfassungsrechtlichen (berechtigten) Bedenken eingehend Pappermann, Rdnr. 33 - 37 zu Art. 10 GG; in: v. Münch. 123 (§ 313) BGBl. 1969 I, S. 1909. 124 Dazu Wiebel, Rdnr. 60 zu Art. 115 GG vollständiger überblick bei Schindler (2), S. 348 ff.

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2. Teil: Zitier- und Zutritts recht im deutschen Parlamentsrecht

mien - insbesondere Verwaltungsräte - mit Beteiligung von Mitgliedern des Bundestages etwa bei der Lastenausgleichsbank, Filmförderungsanstalt, dem Kuratorium für Politische Bildung, der Bundespost, Bundesbahn oder den Rundfunkräten der Deutschen Welle und des Deutschlandfunks. Sieht man von der möglichen Art ihrer Zusammensetzung ab, so lassen sich Ausschüsse von der Dauer ihrer Einsetzung und ihrer Funktion her einteilen in ständige Ausschüsse für bestimmte Sachgebiete und Sonderausschüsse für einzelne Angelegenheiten (§ 34 GOBT). Eine weitere Differenzierung kann bei den ständigen Ausschüssen die in der Regel für den Ablauf einer Legislaturperiode bestellt werden - vorgenommen werden nach der freien oder gebundenen Entscheidung über ihre Einsetzung. So obliegt dem Bundestag aufgrund der Regelung in der Verfassung selbst die Verpflichtung zur Einsetzung eines Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten, für Verteidigung und eines Petitionsausschusses, aufgrund einfachen Gesetzes die Formierung eines Wahlprüfungsausschusses (§ 3 Abs. 1 Wahlprüfungsgesetz), und nach der Geschäftsordnung des Bundestages müssen ein Haushaltsausschuß (§§ 95 Abs. 1, 96 Abs. 2 GOBT) und Ausschüsse für Immunitätsangelegenheiten (§ 107 GOBT) sowie für Geschäftsordnungsfragen bestellt werden (§§ 127, 128 GOBT)125. Soweit die Einsetzung von Ausschüssen mit der Zuweisung bestimmter Sachaufgaben nicht bereits vorgeschrieben ist, liegt es im Ermessen des Bundestages, welche Ausschüsse er formiert und mit welchen Aufgaben er sie betraut. Selbst die Größe ist i. d. R. nicht vorgegeben. Sie wird aber im allgemeinen bestimmt durch das Stärkeverhältnis der einzelnen Fraktionen untereinander 126. Organisatorische Änderungsmaßnahmen durch Neuformierung oder Zusammenlegung erscheinen hinsichtlich dieser Ausschüsse unbedenklich, während die Möglichkeit jederzeitiger Auflösung von Ausschüssen im übrigen einige rechtliche Probleme aufwerfen dürfte 127 • Sonderausschüsse, die in der Regel nur 125 Ständige Ausschüsse in der 8. WP: A. f. Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung (13); PetitionsA (27); AuswärtigerA (33); InnenA (27); RechtsA (27); FinanzA (31); HaushaltsA (33); A. f. Wirtschaft (31); Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (27); Jugend, Familie und Gesundheit (27); Arbeit u. Sozialordnung (33); VerteidigungsA (27); A. f. Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen (31); Raumordnung, Bauwesen und Städtebau (27); innerdeutsche Beziehungen (23); Forschung und Technologie (17); Bildung u. Wissenschaft (27); wirtschaftliche Zusammenarbeit (23); SportA (17); ein bekannter Sonderausschuß war in der 7. WP der A. f. Strafrechtsreform (17); die übergänge zwischen ständigen (Festausschüssen) und Sonderausschüssen können fließend sein, Steiger, S. 122; vgl. im übrigen die übersicht bei Schindler (2), S. 247 - 249. 128 Trossmann (2), S. 480 ff.; Steiger, S. 123. 127 Einzelheiten bei Achterberg (4), S. 30; Frost, S. 53; Steiger, S. 123.

2. Abschn.: 1. Das Zitierrecht

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für die Beratung eines Gesetzentwurfs bestellt werden, hören mit Erledigung der ihnen überwiesenen Aufgabe auf zu bestehen. Die Einrichtung von Ausschüssen erfolgt im übrigen aufgrund von Anträgen aus der Mitte des Bundestages durch Beschluß des Plenums 128 .

1.2.4. Ausschüsse des Bundesrates Der Bundesrat besitzt ebenso wie der Bundestag die Möglichkeit zur Einsetzung von Ausschüssen (Art. 52 Abs. 3 S. 2; Abs. 4 GG; § 11 GOBR). Er bildet in der Regel ständige Ausschüsse, kann aber für besondere Angelegenheiten weitere Ausschüsse einrichten (§ 11 Abs. 1 S. 1 und 2 GOBR). Zur Zeit bestehen vierzehn Ausschüsse 129 . Jedes Bundesland ist mit einem Mitglied in jedem Ausschuß vertreten130 , wobei es sich hierbei nicht um "Mitglieder der Regierungen der Länder" zu handeln braucht (Art. 51 Abs. 1 GG)131. Demnach kommen als Mitglieder der Ausschüsse auch Beamte der Länder insbesondere der Länderministerien in Betracht (Art. 52 Abs. 4 GG, § 11 Abs. 2 GOBR). In diesen Ausschüssen konzentriert sich, stärker noch als in denen des Bundestages, im wesentlichen die gesamte Arbeit des Bundesrates 132 . Als seine Hilfsorgane bereiten sie seine Beschlüsse und Stellungnahmen vor (§ 39 Abs. 1, 2; § 36 Abs. 1 GOBR). Ihre Arbeit erfährt im besonderen Maße hinsichtlich der Mitwirkung des Bundesrates im Gesetzgebungsverfahren eine außerordentlich wichtige Stellung. Aufgrund der verhältnismäßig kurzen Zeitspanne, die hier zur Beratung von Gesetzesvorlagen zur Verfügung steht - zwei bis sechs Wochen gern. Art. 76 Abs. 2 S. 2; 77 Abs. 2 S. 1 und Abs. 3 S. 1 GG - erfolgt die Vorbereitung in den Ausschüssen im allgemeinen bereits schon so vollständig und eingehend, daß die darauf gefaßten Beschlüsse vom Plenum angenommen werden können. "Praktisch wirkt sich dies dahin aus, daß nahezu allen Beschlußfassungen des Bundesratsplenums sogenannte Empfehlungen der Ausschüsse (§ 23 Abs. 4 GOBR) zugrundeliegen, an Hand derer die Abstimmung erfolgt 133." Das Plenum ist Dazu Steiger, S. 120 ff.; Trossmann (2), S. 428 ff. AgrarA (11); A. f. Arbeit und Sozialpolitik (11); Auswärtige Angelegenheiten (11); Fragen der Europäischen Gemeinschaften (11); FinanzA (11); A. f. Innerdeutsche Beziehungen (11); Jugend, Familie und Gesundheit (11); Innere Angelegenheiten (11); Kulturfragen (12); Rechtsausschuß (11); A. f. Verkehr und Post (11); Verteidigung (11); Städtebau und Wohnungswesen (11); WirtschaftsA (11). 130 i. d. R. also 11 Mitglieder; 10 + ein Vertreter Berlins. 131 Hierzu Hendrichs, Rdnr. 3 ff. zu Art. 51 GG, in: v. Münch. 132 Hendrichs, Rdnr. 10 ff. zu Art. 52 GG, in: v. Münch; Schäfer, H., S. 49. 133 So Schäfer, H., S. 49; Eschenburg, S. 616 ff.; MDHS, Rdnr. 9 zu Art. 52 GG. 128

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2. Teil: Zitier- und Zutritts recht im deutschen Parlamentsrecht

natürlich nicht an die Beschlüsse der Ausschüsse gebunden, da diese die Beschlußfassung des Plenums vorzubereiten haben. Im übrigen werden die Abstimmungsergebnisse von Plenum und den Ausschüssen schon deshalb Abweichungen aufweisen müssen, weil das Plenum über insgesamt fünfundvierzig Stimmen verfügt, die Ausschüsse dagegen in der Regel über nur elf Stimmen (§ 42 Abs. 2 GOBR, Art. 51 Abs. 2 GG)134, wobei durch die Verpflichtung zu einheitlicher Stimmabgabe seitens der einzelnen Länder Relationsverschiebungen auftreten (Art. 51 Abs. 3 S. 2 GG)135. Nach dieser Charakterisierung lassen sich zu den Ausschüssen des Bundesrates nicht solche Gremien zählen, die personell auch mit Mitgliedern besetzt sind, welche nicht die mitgliedschaftlichen Voraussetzungen nach Art. 52 Abs. 4 GG, § 11 GOBR erfüllen, oder funktionell von der Regelung der §§ 36 ff. GOBR abweichen und im übrigen nicht vom Bundesrat eingesetzt sind. Hierunter fallen demnach solche Gremien, die beispielsweise von den Ländern aus "sonstigem Anlaß" formiert wurden136 sowie der sog. Ständige Beirat (§ 8 GOBR)137. Hierbei handelt es sich lediglich um ein nach der Geschäftsordnung eingerichtetes Gremium, das beim Präsidenten (§ 8 GOBR) des Bundesrates gebildet wird. Ihm gehören die Bevollmächtigten der Länder an. Es tritt einmal wöchentlich zusammen. Der Ständige Beirat unterstützt den Präsidenten und das Präsidium bei der Vorbereitung der Sitzungen sowie der Führung der Verwaltungsgeschäfte des Bundesrates (§ 9 Abs. 2, § 15 Abs. 2 GOBR). Nicht von seiner Zusammensetzung, wohl aber von dem ihm zugedachten Aufgabenbereich lassen sich damit Parallelen ziehen zum Ältestenrat des Bundestages (§ 6 Abs. 2 § 20 Abs. 1 GOBT)138. Während nun Art. 43 Abs. 1 GG das Zitierrecht dem Bundestag und daneben seinen Ausschüssen ausdrücklich einräumt, ist die Vorschrift des Art. 53 Satz 1 GG in diesem Punkt nicht von gleicher Eindeutigkeit. Die Regelung könnte Anlaß geben, ein eigenes Zitierrecht der Ausschüsse des Bundesrates in Frage zu stellen139, da keine klare Aussage getroffen zu sein scheint, wer dem "Verlangen" nach Teilnahme von 134 Schmidt-Bleibtreu / Klein, S. 530. 135 i. d. S. auch Hendrichs, Rdnr. 10 zu Art. 52 GG, in: v. Münch; MDHS, Rdnr. 9 zu Art. 52 GG. 136 s. dazu bei MDHS, Rdnr. 2 zu Art. 53 GG, z. B. zur Ausführung des Königsteiner Abkommens über die überregionalen Kulturinstitute. 137 Schmidt-Bleibtreu / Klein, S. 537 wirft die Frage auf, ob es sich hierbei um einen Ausschuß des Bundesrates handeln kann. 138 Wie hier vMK, S. 1043 f. und Koellreutter (2), S. 196, a. A. Schäfer, H., S.48. 13U

Hendrichs, Rdnr. 3 zu Art. 53 GG, in: v. Münch; Eschenburg, S. 618.

2. Abschn.: 1. Das Zitierrecht

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Mitgliedern der Bundesregierung Nachdruck verleihen kann140. Dennoch sind für die Beschränkung einer verfassungsrechtlichen Zuweisung dieses Rechts allein an den Bundesrat als Plenum keine gewichtigen Gründe ersichtlich. Im Gegenteil läßt sich aus der mit Art. 53 GG korrespondierenden Vorschrift dem Art. 43 GG entnehmen, daß auch den Ausschüssen des Bundesrates das Zitierrecht ausdrücklich zustehen SOIl141. Dem Recht der Bundesregierung zur Anwesenheit im Plenum und in den Ausschüssen steht zunächst einmal eindeutig eine Pflicht zur Teilnahme an den Sitzungen sowohl im Plenum als auch in den Ausschüssen - wenn letzteres verlangt wird - gegenüber. Aus der Stellung "auf Verlangen" im Satz 1 vor "Verhandlungen des Bundesrates und seiner Ausschüsse" läßt sich nun in überzeugender Weise kein anderer Schluß ziehen, als die ausdrückliche Zuweisung des Zitierrechts auch an die Ausschüsse. Dies unterstreicht zudem die redaktionelle Fassung von Satz 3 im Art. 53 GG142. Dieser gewährt ein ständiges Informationsrecht lediglich dem Bundesrat, denn hier fehlt gerade die Gegenüberstellung Bundesrat-Ausschüsse, wie sie Satz 1 aufweist. Dem allein entspricht schließlich auch die Vorschrift des § 40 Abs. 2 GOBR und demgegenüber die Regelung in § 19 GOBR. Nach § 40 Abs. 2 dürfen die Mitglieder der Ausschüsse in den Ausschußsitzungen an die Mitglieder der Bundesregierung und deren Beauftragte Fragen stellen. Da nun aber die Bundesregierung nicht vom Vertrauen des Bundesrates abhängig ist und Vorschriften der Geschäftsordnung des Bundesrates sie nicht binden können, wäre diese Regelung zur Bedeutungslosigkeit verurteilt, stünde nicht auch den Ausschüssen ein eigenes Zitierrecht zur Seite. Nach alledem ist somit anzuerkennen, daß auch die Ausschüsse des Bundesrates ein eigenes, in Art. 53 S. 1 GG verankertes, Zitierrecht besitzen.

1.2.5. Untersuchungsausschüsse Untersuchungsausschüsse sind ebenso wie die bisher erwähnten Bundestagsausschüsse Hilfsorgane, die gleichsam die Arbeit des Plenums durch vorbereitende Maßnahmen fördern und erleichtern sollen143. Sie nehmen aber eine Sonderstellung unter den Ausschüssen schon deshalb ein, weil sie eine Verankerung in der Verfassung selbst erfahren haben. 140 141

i. d. S. wohl auch Hamann / Lenz, Er!. 1, zu Art. 53 GG. Wie hier MDHS, Rdnr. 8 zu Art. 53 GG; Schäfer, H., S. 57; vMK, S. 1051,

(111 2 f).

Vgl. dagegen Art. 67, S. 2 WRV. Dazu MDHS, Rdnr. 3 zu Art. 44 GG; Rechenberg, Rdnr. 10 zu Art. 44 GG; Schmidt-Bleibtreu / Klein, S. 495; Versteyl, Rdnr. 8 zu Art. 44 GG, in: v. Münch; Achterberg (2), S. 548. U2

1«3

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2. Teil: Zitier- und Zutrittsrecht im deutschen Parlamentsrecht

Entsprechend der Auf teilung der Funktion im parlamentarischen Regierungssystem der Bundesrepublik Deutschland steht ihre Einsetzung allein dem Bundestag, nicht auch dem Bundesrat zu (Art. 44 und 45 a GG). Sie zählen zu "seinen Ausschüssen" und unterliegen hinsichtlich ihrer Zusammensetzung denselben Voraussetzungen. Im Unterschied zu den übrigen Ausschüssen tagen sie allerdings grundsätzlich öffentlich. Um an die oben (1.2.3.) erfolgte Einteilung anzuknüpfen, lassen sich Untersuchungsausschüsse als eine besondere Art von Sonderausschüssen, die "für einzelne Angelegenheiten" eingesetzt werden (§ 54 S.2 GOBT), kennzeichnen144. Außerordentlich vielfältig ist der Bereich der Gegenstände, die Untersuchungsausschüsse aufgreifen können. Von großer Bedeutung schon aufgrund ihrer Resonanz in der breiten Öffentlichkeit - sind die sog. Skandalenqueten145. Daneben gehören zu den herkömmlichen Gegenständen von Untersuchungsausschüssen insbesondere noch: Wahlenqueten; administrative Enqueten; Justiz-Enqueten sowie legislative Enqueten146 . Art. 44 GG erfaßt damit grundsätzlich auch solche Ausschüsse, die "zur Vorbereitung von Entscheidungen über umfangreiche Sachkomplexe" eingesetzt werden (§ 56 GOBT)147. Soweit "gewöhnliche" Ausschüsse bestehen, die sich mit einer Materie befassen, welche Gegenstand einer Untersuchung werden soll, besteht die Möglichkeit, diese bestehenden Ausschüsse als Untersuchungsausschüsse einzusetzen148 . Gegenüber den von Fall zu Fall einzurichtenden Untersuchungsausschüssen (gekorene), läßt sich der Verteidigungsausschuß als "geborener" Untersuchungsausschuß bezeichnen, da ihm die Verfassung seinen Zuständigkeitsbereich von vornherein zuweist (Art. 45 a Abs. 2 GG). Das Untersuchungsrecht der Ausschüsse findet lediglich eine Schranke durch den dem Bundestag verfassungsmäßig zugewiesenen Aufgabenbereich. Diesen Kompetenzbereich dürfen sie als seine Ausschüsse nicht überschreiten. Zum anderen obliegt es den Ausschüssen, sich nur mit Angelegenheiten von öffentlichem Interesse zu befassen149. i. d. S. auch Rechenberg, Rdnr. 10 zu Art. 44 GG; Eschenburg, S. 551. In der 8. WP z. B.: Abhöraffäre Strauß und der Spionagefall Lutze / Wigel; im übrigen überblicke bei Versteyl, S. 498, in: v. Münch und Rechenberg, Rdnr. 4 zu Art. 44 GG. 148 MDHS, Rdnr. 4 zu Art. 44 GG; vMK, S. 942; Versteyl, Rdnr. 1, 2 zu Art. 44 GG, in: v. Münch; Achterberg (4), S. 58 f. 144

145

Zu Besonderheit hinsichtlich ihrer Zusammensetzung s. weiter unten. MDHS, Rdnr. 43 zu Art. 44 GG m. w. N. in Fn. 7; soweit aus dem Plenum keine Bedenken laut werden, erscheint diese Handhabung rechtlich zulässig. Danach besteht selbst die Möglichkeit für bestimmte Fälle, den Ältestenrat als Untersuchungsausschuß einzusetzen. 149 Trossmann (2), S. 438 ff.; Lohmann, S. 84; MDHS, Rdnr. 14 ff., 19 ff. zu Art. 44 GG. 147

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2. Abschn.: 1. Das Zitierrecht

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Untersuchungsausschüsse werden grundsätzlich vom Bundestag eingesetzt. Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG unterscheidet dabei nach dem Quorum der Unterstützung eines Antrags Mehrheits- und echte Minderheitsenqueten. Ihre Einsetzung kann zunächst mit einem selbständigen Antrag (§§ 76 Abs. 1, 10 Abs. 1, 75 GOBT) angeregt werden. Liegt die Zahl der den Antrag unterstützenden Abgeordneten unter einem Viertel der Mitglieder des Bundestages (Art. 121 GG), so hat dieser Antrag nur Erfolg, wenn das Plenum ihm folgt. Liegt dagegen ein Antrag mit der Unterstützung eines Viertels der Mitglieder des Bundestages vor, so besteht die verfassungsrechtliche Verpflichtung, einen Untersuchungsausschuß einzusetzen150 • Für den Verteidigungsausschuß gilt allerdings abweichend, daß die Initiative zur Einleitung eines Untersuchungsverfahrens bei ihm selbst liegt. Die Besonderheit ist somit darin zu sehen, daß er zur Untersuchung verpflichtet wird, wenn ein Viertel seiner Ausschußmitglieder dies verlangt. Da die Einsetzung von Untersuchungsausschüssen im übrigen Sache des Bundestages ist (Art. 44 Abs. 1 GG), muß er hierüber auch jeweils einen Beschluß des Plenums herbeiführen. Dem geht eine Prüfung der Zulässigkeit solcher Anträge voraus 151 • Die Geschäftsordnung des Bundestages schrieb früher ausdrücklich vor (§ 63 Abs. 1, S. 2 a. F. GOBT), daß die Anträge die Beweisthemen zu bezeichnen haben. D. h., die zu untersuchenden Tatsachen müssen klar erkennbar und anderen Tatsachenkomplexen gegenüber abgrenzbar sein 152 • Die Regelung der wichtigsten Verfahrensfragen ergibt sich aus Art. 44 GG selbst. Danach sind die Untersuchungsausschüsse mit "hoheitlichen" Befugnissen ausgestattet153 • Es kommen beispielsweise Vorschriften des Gerichtsverfassungsgesetzes sowie der Strafprozeßordnung entsprechend zur Anwendung. Die Ausschüsse dürfen danach Zeugen laden, vernehmen und vereidigen. Die Gerichts- und Verwaltungsbehörden müssen ihnen Rechts- und Amtshilfe leisten154 • Durch 150 Zur geschäftsordnungsgemäßen Handhabung dieses Antrages, s. im einzelnen bei Trossmann (2), S. 433, danach kann die Aufsetzung auf die Tagesordnung gem. § 24 Abs. 4 a. F. GOBT verlangt werden, und zwar entsprechend § 121 BGB "unverzüglich" (S. 122 f.); §§ 76, 75, 20 Abs. 4 n. F. GOBT. 151 Ein ausdrücklicher Beschluß fehlt in der Praxis häufig bei Minderheitsenqueten, dazu MDHS Rdnr. 35 zu Art. 44 GG, Fn. 4; Einzelheiten bei Trossmann (2), S. 434 ff.; Unzulässigkeit etwa wegen der Spezialregelung in Art. 45 a Abs. 3 GG, dazu Rechenberg, Rdnr. 7 zu Art. 44 GG. 152 Trossmann (2), S. 438; Rechenberg, Rdnr. 7 zu Art. 44 GG; die §§ 63 - 67 a. F. GOBT sind durch die Regelung des § 54 Abs. 2 n. F. GOBT für überflüssig erachtet worden. m Einzelheiten zum Verfahren bei Trossmann (2), S. 447 ff.; Rechenberg, Rdnr. 20 ff. zu Art. 44 GG; MDHS, Rdnr. 44 ff. zu Art. 44 GG; Lohmann, S. 85. m Eschenburg, S. 552; Schmidt-Bleibtreu / Klein, S. 497.

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2. Teil: Zitier- und Zutrittsrecht im deutschen Parlamentsrecht

diese Bestimmungen erhält das Zitierrecht dieser Ausschüsse eine wichtige Ergänzungl55.

1.2.6. Unterausschüsse Unterausschüsse entstanden aus der Parlamentspraxis heraus. Während nun aber die Geschäftsordnung des Bundestages über ihre etwaige Einsetzung keine Bestimmungen trifft, enthält § 39 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Bundesrates den Hinweis, daß seine Ausschüsse Unterausschüsse einsetzen dürfen. Die Formierung von Unterausschüssen gilt jedoch auch im Bundestag als ständige übung156 • Sie dienen ihrerseits häufig der Vorbereitung von Ausschußberatungen, insbesondere bei schwierigen und umfangreichen Beratungsgegenständen. Da die Geschäftsordnung des Bundesrates mit § 39 Abs. 4 eine ausdrückliche Regelung trifft157 können die Ausschüsse des Bundesrates gemäß § 42 Abs. 3 GOBR solche Unterausschüsse mit einfacher Mehrheit einsetzen. Für die Bundestagsausschüsse war dies bis zur ausdrücklichen Regelung in § 55 n. F. GOBT fraglich. Früher war ein Mehrheitsbeschluß sicher dann als ausreichend zu erachten, wenn kein Ausschußmitglied widersprach. Im übrigen mußte aber wohl Einstimmigkeit über die Einsetzung eines Unterausschusses gefordert werden, da sonst Interessen von Minderheiten tangiert oder gar Rechte verkürzt werden konnten158 • Auch die GOBT von 1980 räumt nunmehr den Bundestagsausschüssen das Recht ein, Unterausschüsse einzusetzen (§ 55 Abs. 1), es sei denn, daß ein Drittel der Ausschußmitglieder widerspricht. Das Recht, Unterausschüsse einzusetzen, steht daneben natürlich auch Bundestag159 und Bundesrat zu, wobei die Formulierung des § 11 Abs. 1 S. 2 GOBR offenläßt, ob unter Ausschüssen für besondere Angelegenheiten auch Unterausschüsse fallen sollen. Es liegt allerdings näher, hierin eher die Berechtigung zu sehen, Sonderausschüsse im Gegensatz zu ständigen Ausschüssen einzurichten. Danach stünde dem Bundesrat wie auch unstreitig dem Bundestag nicht schon geschäftsordnungsmäßig das Recht zu, Unterausschüsse zu berufen. Ihre Formierung wäre eine Abweichung von der Geschäftsordnung und bedürfte der entsprechenden qualifizierten Mehrheit (§ 48 GOBR, § 126 GOBT)16o. 155 Parallelen zum Verfahren von UntersuchungsA weist der WahlprufungsA auf. 156 s. die übersicht bei Schmidler (2), S. 247 - 249. 157 Vgl. auch § 9 GeschO VermA nach Art. 77 GG. 158 i. d. S. auch Trossmann (1), S. 255; (2), S. 499 f.; Lohmann, S. 81 ff. 159 Beispiele bei Trossmann (2), S. 430. 160 Trossmann (2), S. 430, 500.

2. Abschn.: 1. Das Zitierrecht

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Nun ist aber zu bedenken, daß Geschäftsordnungen mit einfacher Mehrheit geändert werden können (Art. 40 Abs. 1 S. 2 Art. 42 Abs. 2 S. 1; Art. 52 Abs. 3 S. 1 und 2 GG). Dabei besteht kein Anlaß, aus Art. 40 Abs. 1 oder 52 Abs. 3 GG den Schluß zu ziehen, diese Bestimmungen forderten eine Unverbrüchlichkeit dieser Geschäftsordnungen oder auch nur eine qualifizierte Mehrheit für eine Durchbrechung im Einzelfall. Demnach steht nichts im Wege, die Einsetzung von Unterausschüssen seitens des Bundesrates oder des Bundestages mit einfacher Mehrheit als rechtens anzusehen161 • Zweifelhaft ist allerdings, ob auch Unterausschüsse das Zitierrecht beanspruchen können162 • Hier muß differenziert werden. Setzen Bundestag oder Bundesrat derartige Ausschüsse ein, so handelt es sich um "ihre" Ausschüsse im Sinne der Art. 43 und 53 GG. Soweit sie im übrigen nur mit Abgeordneten der jeweiligen Organe besetzt sind, steht nichts im Wege, ihnen das Zitierrecht zuzubilligen163 • Etwas anderes gilt allerdings dann, wenn "ihre" Ausschüsse Unterausschüsse bilden. Dann handelt es sich nämlich lediglich um Teile dieser Ausschüsse, und solchen Teilen billigt weder Art. 43 noch Art. 53 GG ein Zitierrecht ZU l64 • Selbst durch die Vorschriften der §§ 39 Abs. 4 GOBR, 55 Abs. 1 GOBT ergibt sich keine andere Beurteilung. Zu denken wäre allenfalls an eine generelle Delegation der Befugnisse des Bundesrates bzw. des Bundestages an die von ihnen eingesetzten Ausschüsse in diesem Punkt. Eine derartige Delegation vermag sich jedoch auf keine wirksame rechtliche Grundlage zu stützen. Diese müßte nämlich den Rang jener Quelle haben, "auf der die Begründung der Kompetenz beruht, die delegiert werden soll", also Verfassungsrang165 • Somit steht den Unterausschüssen, soweit sie weder vom Bundesrat noch vom Bundestag direkt eingesetzt werden, kein Zitierrecht zu.

1.2.7. Gemischte Ausschüsse Als gemischte Ausschüsse lassen sich diejenigen Gremien bezeichnen, in denen nicht allein Abgeordnete des Bundestages oder Mitglieder des Bundesrates sitzen. Neben diesem Personenkreis kommen auch außerhalb dieser Gremien stehende Personen als Mitglieder in Betracht. Dies sind dann insbesondere Personen mit besonderer Sachkenntnis hinsicht181 Dazu ausfÜhrlich und mit Nachweisen im einzelnen K. F. Arndt, S. 97 ff., 106; zur Praxis des Bundestages, S. 98 f. 162 So Schröder, M. (2), Rdnr. 27 zu Art. 43 GG. 163 Wie hier Trossmann (2), S. 506 f. 164 So auch Trossmann (2), S. 506 f.; Schröder, M. (2), Rdnr. 27 zu Art. 43 GG 1M Vgl. demgegenüber etwa Art. 60 Abs. 3 GG oder Art. 105 Abs. 5 bremLV; im übrigen zur Frage einer Delegation s. bei Schenke, S. 118 ff., 123, 166 f. und Berg, S. 25 ff., 31, 33, 41 f.

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2. Teil: Zitier- und Zutrittsrecht im deutschen Parlamentsrecht

lich der von den Ausschüssen zu behandelnden Gegenstände. Zu den gemischten Ausschüssen zählen somit neben dem Gemeinsamen Ausschuß und dem Vermittlungs ausschuß auch der Richterwahlausschuß sowie Enquetekommissionen166. 1.2.7.1. Gemeinsame Ausschüsse

Gehören den soeben genannten Ausschüssen allein Mitglieder von Bundesrat und Bundestag an, so können sie auch als "gemeinsame Ausschüsse" dieser Organe angesprochen werden. Es handelt sich dann um gemeinschaftliche Einrichtungen beider gesetzgebender Körperschaften167. Ob diese Gremien ebenfalls ein Zitierrecht in Anspruch nehmen dürfen, läßt sich nur für jeden Ausschuß selbst beantworten. Der "Gemeinsame Ausschuß" nach Art. 53 a GG nimmt dabei gegenüber den anderen Gremien dieser Art eine Sonderstellung ein. Er ist selbst Verfassungs organ mit eigenen Kompetenzen168 . Er setzt sich zu zwei Dritteln aus Abgeordneten des Bundestages, zu einem Drittel aus Mitgliedern des Bundesrates zusammen. Einzelheiten über Zusammensetzung, Einberufung und Verfahrensbestimmungen regelt im übrigen seine Geschäftsordnung (Art. 53 Abs. 1 S. 4 GG)169. Seine Bedeutung liegt darin, daß er im Verteidigungsfall (Art. 115 a GG) an die Stelle von Bundestag und Bundesrat tritt (Art. 115 e GG), wenn dem Zusammentritt des Bundestages unüberwindliche Schwierigkeiten entgegenstehen oder der Bundestag nicht beschlußfähig ist. In dieser Situation steht ihm folglich auch ein Zitierrecht zu, da er dann die Funktionen beider Organe in sich vereinigt und innerhalb der Grenzen der Verfassung auch ihre Rechte wahrnehmen darf1 70 . Allerdings tritt der Gemeinsame Ausschuß auch in Friedenszeiten regelmäßig - mindestens zweimal im Jahr - zusammen. Seine Beratungen sind nicht öffentlich (§ 10 GOGA). In diesen Sitzungen steht ihm das Recht zu, von der Bundesregierung hinsichtlich ihrer Planungen für den Verteidigungsfall unterrichtet zu werden (Art. 53 a Abs. 2 S. 1 GG). Da ihm nun in Friedenszeiten über diesen Informationsanspruch hinaus keine weiteren Rechte zugewiesen sind, steht fest, daß ihm ein Zitierrecht nur im Verteidigungs fall zusteht171 • 166 s. bei Schönfeld, S. 115. 187 vMK, S. 1761. 188 Dazu im einzelnen Delbrück, Rdnr. 1 ff., 5 zu Art. 53 a GG; Lechner / Hülshoff, S. 293; Seifert, J.: Der Notstandsausschuß; Mitgliederzahl: 33. 169 GO v. 23. Juli 1969 (BGBl. I, S. 1102). 170 So auch Schönfeld, S. 121; Schröder, M. (2), Rdnr. 31 a zu Art. 43 GG; Delbrück, Rdnr. 44 zu Art. 115 e GG; MDHS, Rdnr. 4 zu Art. 53 a und Rdnr. 30 zu Art. 115 e GG.

2. Abschn.: 1. Das Zitierrecht

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Der Vermittlungsausschuß (Art. 77 GG) besitzt ein eigenes Zitierrecht nicht im gleichen Maße wie die bisher vorgestellten Ausschüsse. Da ihm Abgeordnete des Bundestages und Mitglieder des Bundesrates gleichermaßen angehören, ist er weder Organ des einen noch des anderen172 ausschließlich. Somit kann er sich weder auf Art. 43 Abs. 1 noch Art. 53 GG direkt berufen. Auch § 5 der Geschäftsordnung für den Vermittlungsausschuß173 kann allein ein Zitierrecht nicht einräumen, da diese Geschäftsordnung der Regierung keine Pflichten aufzuerlegen vermag. Für ausreichend sieht man allerdings an, daß sowohl der Bundestag und seine Ausschüsse als auch der Bundesrat und seine Ausschüsse ein Zitierrecht besäßen, so daß dem Vermittlungs ausschuß als gemeinsamem Gremium dieses Recht ebenfalls zustehen müsse 174 • Auf den ersten Blick scheint diese Argumentation nicht zu überzeugen. Sie gewinnt allerdings an Klarheit, wenn man sich vorstellt, daß statt des einen Vermittlungsausschusses organisatorisch ebenso die Möglichkeit bestünde, die je 11 Mitglieder beider Organe (§ 1 GOVermA) als selbständige Ausschüsse voneinander getrennt tagen zu lassen. Als vorbereitende Beschlußorgane stünde ihnen dann das Zitierrecht jeweils aus Art. 43 Abs. 1 GG bzw. Art. 53 S. 1 GG zu, was allerdings zu einer Doppelbelastung der herbeigerufenen Personen führen könnte, zum al ihre Anwesenheit unter Umständen zum selben Thema von jedem Ausschuß verlangt werden könnte. Die erforderliche Kommunikation zwischen den beiden Ausschüssen ließe sich im übrigen durch einen Unterausschuß herstellen. Dies müßte allerdings eine erhebliche Einschränkung der Effektivität nach sich ziehen, insbesondere eine schleppendere Behandlung der zu beratenden Gegenstände. Ein derart strenger Formalismus darf angesichts dieser Umstände nicht gefordert werden. Aus seiner Aufgabenzuweisung und aufgrund seiner Zusammensetzung verbietet sich daher für den Vermittlungsausschuß eine Schlechterstellung gegenüber Bundesrat, Bundestag und ihren Ausschüssen im Hinblick auf ein eigenes Zitierrecht. Die Zusammensetzung des Vermittlungsausschusses ist zwangsläufige Folge seiner Vermittlungsfunktion, wie sie ihm nach dem Grundgesetz 171 i. d. S. ebenfalls Delbrück, Rdnr. 34 zu Art. 53 a GG; MDHS, Rdnr. 6 zu Art. 53 a GG. 172 WesseI, S. 283 ff.; vMK, S. 1760 f. m. w. N. 173 Die Mitglieder der Bundesregierung haben das Recht und auf Beschluß des Ausschusses die Pflicht, an den Sitzungen teilzunehmen. MDHS, vor Rdnr. 1 zu Art. 77 GG. 174 Ganz überwiegende Ansicht: MDHS, Rdnr. 4 zu Art. 43 und Rdnr. 11 zu Art. 77 GG sowie Rdnr. 2 zu Art. 53 GG; Fauser, S. 115; WesseI, S. 301; Hamann / Lenz, S. 464; Schröder, M. (2), Rdnr. 31 zu Art. 43 GG.

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2. Teil: Zitier- und Zutrittsrecht im deutschen Parlamentsrecht

zugewiesen wird. Sie resultiert aus der Stellung von Bundestag und Bundesrat zueinander. In diesem Rahmen bereitet er die Beschlußfassung beider Organe vor (§ 39 Abs. 1 GOBR, § 62 Abs. 1 S. 2 GaBT), und zwar in der Weise, daß er für vom Scheitern bedrohte Gesetzesvorlagen Kompromißvorschläge erarbeitet, die dann ggf. von beiden Organen akzeptiert werden können. Er leistet damit "echte" Ausschußarbeit. Diese erfordert nun aber - gerade auch unter dem Blickwinkel, daß ein erheblicher Anteil von Gesetzesvorlagen aus der Ministerialbürokratie stammen - einen Kontakt zwischen Vermittlungsausschuß und Regierung, die ihrerseits an einer Kooperation Interesse finden muß. Demnach kann davon ausgegangen werden, daß § 5 der Geschäftsordnung des Vermittlungsausschusses in der gegenseitigen Ergänzung der Verfassungsvorschriften von Art. 43 und 53 GG eine verfassungsrechtliche Grundlage findet 175 • Damit besitzt auch der Vermittlungsausschuß ein Zitierrecht. Der dritte gemeinsame Ausschuß in dieser Reihe, der Richterwahlausschuß (Art. 95 Abs. 2 GG, § 5 RiWG) , kann sich demgegenüber nicht

auf ein Zitierrecht berufen. Er ähnelt zwar von seiner Zusammensetzung her dem Vermittlungsausschuß. Die entscheidende Abweichung ihm gegenüber liegt aber darin, daß er kein Vorbereitungsgremium, deutlicher noch, kein Hilfsorgan im oben bezeichneten Sinne darstellt. Vielmehr entscheidet er - zusammengesetzt aus den für das jeweilige Sachgebiet zuständigen Ministern der Länder und einer gleichen Anzahl von Mitgliedern, die der Bundestag wählt - gemeinsam mit dem zuständigen Bundesminister über die Berufung von Richtern für die nach Art. 95 Abs. 1 GG vom Bund errichteten obersten Gerichtshöfe176• 1.2.7.2. Enquetekommissionen Die Möglichkeit, Enquetekommissionen einzusetzen, enthält eine "grundsätzliche Neuerung", die mit der Geschäftsordnungsreform von 1969 eingeführt wurde 177 • Sinn und Zweck dieser Gremien umreißt § 56 GaBT. Dort heißt es in Satz 1: Zur Vorbereitung von Entscheidungen über umfangreiche und bedeutsame Sachkomplexe kann der Bundestag eine Enquete-Kommission einsetzen. 175

Ähnlich Wessel, S. 301; Fauser, S. 115; Lechner / Hülshoff, Anm. 2 zu

§ 5, S. 302.

176 MDHS, Rdnr. 61 ff. zu Art. 95 GG; Rdnr. 4 zu Art. 43 GG; vMK, S. 911; Schmidt-Bleibtreu / Klein, S. 491; Schröder, M. (2), Rdnr. 31 zu Art. 43 GG. 177 Im einzelnen Trossmann (2), S. 531 ff.; Steiger, S. 147 ff.; Kißler, S. 246 ff.; Schmittner, S. 694 ff.; Thaysen (3), S. 61 f.

2. Abschn.: 1. Das Zitierrecht Noch treffender bringt seine Aufgabe folgender Ausdruck178 :

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Hinweis zum

Die Enquete-Ko=ission soll uns, wie es in (§ 74 a a. F.) Abs. 1 heißt, helfen, Tatsachen zu finden, Analysen zu erstellen und vom Sachverstand her, die politische und gesetzgeberische Arbeit vorzubereiten. Es soll zu einer engeren Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft, Erfahrung und Praxis auf der einen Seite und Politik auf der anderen Seite kommen. Nach der hier vorgenommenen Einteilung handelt es sich bei diesen Gremien um gemischte Ausschüsse. Neben Mitgliedern von Bundestag und Bundesrat können ihnen auch "Nichtparlamentarier" , nämlich Sachverständige, angehören179 • Obwohl dem Bundestag allein ihre Einsetzung zusteht und er allein über ihre Zusammensetzung sowie ihren Auftrag befindet - alle Mitglieder auch die Sachverständigen werden von den Fraktionen benannt und vom Bundestagspräsidenten berufen - ist dennoch schon aufgrund ihrer Zusammensetzung fraglich, ob es sich um "seine Ausschüsse" im Sinne des Art. 43 Abs. 1 GG handeln kann und damit eine Berufung auf ein Zitierrecht ihrerseits zulässig wäre. Das Spektrum von Untersuchungsaufgaben, welche Enquetekommissionen zur Vorbereitung von Entscheidungen überwiesen werden können, deckt sich teilweise mit dem, was bereits vor ihrer Einführung Gegenstand des Enqueterechts überhaupt sein konnte 180 • Enquetekommissionen sind wie Untersuchungsausschüsse Organe des Bundestages. Er muß diese Gremien einsetzen, wenn dies von einem Viertel seiner Mitglieder verlangt wird (Art. 44 Abs. 1 S. 1 GG § 56 Abs. 1 S. 2 GOBT). Auch die Enquetekommissionen reflektieren von ihrer Zusammensetzung her das Kräfteverhältnis im Bundestag181 • Sie dienen ebenfalls als Vorberatungsgremien. Beide sind im allgemeinen an die Dauer einer Wahlperiode nicht gebunden und enden mit Erfüllung ihrer Aufgaben. Den Enquetekommissionen werden allerdings mit "umfangreichen und bedeutenden Sachkomplexen" erheblich umfangreichere Untersuchungsaufgaben zugedacht. Von daher darf wohl von einer Fortentwicklung des parlamentarischen Untersuchungsrechts gesprochen werden182 • Zitiert bei Trossmann (2), S. 531. s. bei Burhenne, S. 4506, 42 ff.; überblick bei Schindler (2), S. 262 - 265. 180 s. oben 1.2.5. und daneben noch bei Achterberg (2), S. 551, (5), S. 835 f.; vMK, S. 941. 181 Lechner / Hülshoff, Anm. 3 zu § 74 a, S. 220. 182 Pietzner, Sp. 2675 f., in: EvStL; Kißler, S. 247; Giesing, S. 125; Schmittner. S. 698 f.; Rechenberg, Rdnr. 14 zu Art. 44 GG; zur Abgrenzung zum "hearing" s. bei Achterberg (5), S. 835 f. 178

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2. Teil: Zitier- und Zutritts recht im deutschen Parlamentsrecht

Im Unterschied zu den herkömmlichen Ausschüssen des Bundestages gehören nun den Enquetekommissionen unter Umständen auch "Nichtparlamentarier" an. Eine Teilnahme von Nichtparlamentariern hatte es zwar immer schon geben können (§ 70 Abs. 1,5 GOBT), diese erlangten aber keinen Mitgliederstatus in derartigen Ausschüssen. Hierin tritt ihre unterschiedliche Stellung insbesondere auch gegenüber den Untersuchungsausschüssen - der ihnen wohl am nächsten stehende Typ parlamentarischer Gremien - deutlich hervor. Von den Ausschüssen des Bundestages unterscheiden sie sich im übrigen teilweise lediglich noch in der geschäftsordnungsrechtlichen Handhabung ihrer Berichte an den Bundestag. Diese können als Ergebnis ihrer Arbeit "erst im Wege parlamentarischer Initiative Eingang in den Geschäftsgang des Bundestages finden" 183. Dazu muß ein solcher Bericht somit entweder als Tagesordnungspunkt erscheinen oder vom Bundestag einem Ausschuß unmittelbar überwiesen werden. Nach alledem wird deutlich, daß Enquetekommissionen sich von Arbeit und AufgabensteIlung her nicht von den üblichen Ausschüssen des Bundestages abheben. Eine wesentliche Abweichung läßt allein ihre Zusammensetzung erkennen. Aus diesem Grunde wird ihr Ausschußcharakter im Sinne von Art. 43 Abs. 1 GG teilweise verneint184 • Ein weiteres Argument wird daneben aus einem Vergleich mit Art. 45 b GG in Verbindung mit § 14 Abs. 3 Wehrbeauftragtengesetz 185 gewonnen. Danach sieht das (Grund)Gesetz nämlich Organe des Bundestages ausdrücklich vor, die nicht mit Parlamentariern besetzt sind. Der Wehrbeauftragte als Hilfsorgan des Bundestages186 darf nach der Bestimmung des § 14 Abs. 3 Wehrbeauftragtengesetz kein Mitglied des Bundestages sein. Daraus ließe sich nun als Umkehrschluß gegen die Enquetekommissionen folgern, daß sie weder Hilfsorgane des Bundestages überhaupt noch Untersuchungsausschüsse seien187 , da die Mitgliedschaft von Nichtparlamentariern für diesen Fall gerade nicht vom Grundgesetz gedeckt werde. Dem dürfte aber sogleich entgegengehalten werden können, eine ausdrückliche Festschreibung sei eben deshalb So Trossmann (2), S. 532, 540; i. d. S. auch Schönfeld, S. 158 f. Trossmann (2), S. 532 f.; MDHS, Rdnr. 4 zu Art. 43 GG; 1971 schien auch der BT diese Ansicht zu teilen, er beschloß: Für die Beratungs- und Beschlußfassung in Enquetekommissionen gelten die Grundsätze der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages entsprechend. 185 Abgedruckt als Anhang zu Art. 45 b GG, in: BK: Der Wehrbeauftragte darf kein anderes besoldetes Amt, kein Gewerbe und keinen Beruf ausüben und weder der Leitung und dem Aufsichtsrat eines auf Erwerb gerichteten Unternehmens noch einer Regierung oder einer gesetzgebenden Körperschaft des Bundes oder eines Landes angehören. 186 Hemekamp, S. 513, in: v. Münch. 187 So Schmittner, S. 699. 183

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2. Abschn.: 1. Das Zitierrecht

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unterblieben, weil sie sich als überflüssig erweisen müßte, da die Verfassung selbst - zumindest für die Ausübung des Zitierrechts - eine ausreichende Rechtsgrundlage biete 188. Ob danach die abweichende Zusammensetzung der Enquetekommissionen für sich genommen ausreicht, ihren Ausschußcharakter und damit eine Inanspruchnahme von Art. 43 Abs. 1 GG zu verneinen, muß bezweifelt werden. Erfolgt nämlich eine Heranziehung sachverständiger Personen im Rahmen des § 70 Abs. 3 - 5 GaBT - womit u. U. derselbe Effekt, wenn auch ungleich schwieriger, zu erreichen wäre - , kommen von vornherein keine Bedenken auf. Der Unterschied liegt bei den Enquetekommissionen nun einzig in einer ständigen Hinzuziehung von Sachverständigen als Vollmitglieder und dies allein deshalb, um das Fachwissen von Experten auch außerhalb des Bundestages für die Arbeit des Bundestages durch Einräumung einer Vollmitgliedschaft besser nutzbar zu machen189. Die hier erkannte gravierende Abweichung gegenüber den herkömmlichen Ausschüssen kann folglich nicht als so herausragend angesehen werden, daß eine Enquetekommission nicht als Ausschuß im Sinne des Art. 43 Abs. 1 GG charakterisiert werden könnte. Letztlich tritt nämlich auch die Bedeutung der Vollmitgliedschaft der Sachverständigen hinter die Stellung der Abgeordneten in diesen Gremien zurück, denn sie reduziert sich doch wiederum auf eine schlichte Form von "Beratungshilfe" in lediglich qualifizierter Form gegenüber § 70 Abs. 3 - 5 GOBT19o. Demnach steht auch Enquetekommissionen ein Zitierrecht zu191 • Die hiergegen noch grundsätzlich bestehenden verfassungsrechtlichen Bedenken lassen sich insoweit ausräumen, als man für einen Zitierbeschluß die Forderung erhebt, daß dieser nur von den "ordentlichen" Abgeordneten des Bundestages im Ausschuß gefällt werden darf192 . Dennoch muß abschließend festgestellt werden, daß hier insgesamt eine klärende Regelung geboten erscheint193. 188 Zum Schlußbericht der Verfassungsenquetek. bei Schröder, M. (2), Rdnr. 29 zu Art. 43 GG; Schmidt-Bleibtreu / Klein, S. 491; Schmittner, S. 697 f. 189 So Lechner / Hülshoff, Anm. 1 zu § 74 a, S. 220; i. d. S. auch Schröder, M. (2), Rdnr. 30 zu Art. 43 GG. 190 i. d. S. wohl auch Schönfeld, S. 163 für das Zutrittsrecht. 191 Ebenso SchrÖder, M. (2), Rdnr. 30 zu Art. 43 GG; Schmittner, S. 697 f.; Schmidt-Bleibtreu / Klein, S. 491; a. A. MDHS, Rdnr. 4 zu Art. 43 GG. 192 s. zu ähnlichen überlegungen Trossmann (2), S. 546. 193 Dazu Achterberg (2), S. 551, der auf eine entsprechende Normierung in Berlin hinweist. Die Mitgliedschaft von Nichtparlamentariern in Enquete-K. ist im übrigen keine neue deutsche Entwicklung, sie war in Frankreich bereits im 19. Jahrhundert bekannt: s. bei Bekermann, S. 52.

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2. Teil: Zitier- und Zutrittsrecht im deutschen Parlamentsrecht

1.3. Passivlegitimierte

Der bezeichnete Kreis von Aktivlegitimierten kann die Anwesenheit von Mitgliedern der Bundesregierung (Art. 53 S. 1 GG) bzw. "jedes" Mitgliedes der Bundesregierung verlangen (Art. 43 Abs. 1 GG). über den Begriff "Bundesregierung" enthält Art. 62 GG mit seiner Legaldefinition eine weitergehende Aussage. Danach besteht die Bundesregierung aus dem Bundeskanzler und den Bundesministern. Ergänzende Bestimmungen hierzu enthalten ferner insbesondere das Gesetz über die Rechtsverhältnisse der Mitglieder der Bundesregierungl9 4, das Gesetz über die Rechtsverhältnisse der parlamentarischen Staatssekretäre l95 und die Geschäftsordnung der Bundesregierung l96 •

1.3.1. Bundeskanzler und Bundesminister Adressat des Zitierrechts kann zunächst einmal entsprechend der ihm vom Bundestag eingeräumten hervorragenden Stellung in der Bundesregierung der Bundeskanzler seinl97 • Er allein l98 zeichnet für die gesamte Politik verantwortlich. Damit rangiert er als Ansprechpartner für den Bundestag an erster Stelle, wenngleich diese herausragende Stellung in DetaiIfragen zurücktreten mag. Daneben kommen als weitere Adressaten eines Zitierrechts in erster Linie diejenigen Minister in Betracht, deren Geschäftsbereiche betroffen sind. Nicht einheitlich beantwortet wird dagegen die Frage, ob auch die Anwesenheit eines unzuständigen Ministers verlangt werden darf. Stellt man hier auf den Wortlaut von Art. 43 und 53 GG ab, so muß das Ergebnis lauten: Jedes Mitglied der Regierung - unabhängig von seiner Zuständigkeit - darf zitiert werden l99 • Dem ist zuzustimmen. Die Gegenmeinung überzeugt nicht, abgesehen von einer Berücksichtigung etwaiger Fälle krassen Mißbrauchs des Zitierrechts20o • Der Hinweis auf die nach Art. 33 WRV geübte Praxis und sein Verständnis im gegenteiligen Sinne201 kann unter Beachtung der Ausgev. 17. Juni 1953; BGBl. 1407 i. d. F. v. 27. Juli 1971; BGBl. I 1164. v. 24. Juli 1974 BGBl. I S. 1538. 19& v. 11. Mai 1952, GMBl. S. 137 i. d. F. v. 12. Juli 1976 gern. Bekanntmachung v. 12. Juli 1976, GMBl. S. 354. 197 Art. 63 Abs. 1; 64 Abs. 1; 65 S. 1; 67 Abs. 1, S. 1 GG; §§ 1- 7 GOBR. 198 Zur Ministerverantwortlichkeit s. unten 1.4.2.3. bei Fn. 264. 199 So u. a. MDHS, Rdnr. 5 zu Art. 43 und Rdnr. 9 zu Art. 53 GG; vMK, S. 936; 1050; Kißler, S. 153; Trossmann (2), S. 297; Fauser, S. 107 f.; Achterberg (6), S. 147; v. Einem, S. 79 f.; a. A. Trossmann (1), S. 163 f.; Schönfeld, S. 57 ff., 91; Schröder, M. (2), Rdnr. 33 zu Art. 43 GG; Versteyl, S. 479, in: v. Münch. 200 i. d. S. auch Trossmann (2), S. 297 unter Berufung auf BVerfGE 10, S. 4, 13 ff. 201 s. oben S. 94 sowie Hinweis bei Trossmann (1), S. 163 f. 194 195

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staltung des parlamentarischen Regierungssystems in der Bundesrepublik Deutschland nicht bestehen. Im Unterschied zur Weimarer Reichsverfassung besteht nämlich von der Normierung und Sanktionslage her, abgesehen von einer etwaigen strafrechtlichen oder zivilrechtlichen, weder dieselbe konstitutionelle noch parlamentarische Verantwortlichkeit der einzelnen Bundesminister202 • Diese leiten zwar ihre Geschäftsbereiche "selbständig und unter eigener Verantwortung" (Art. 65 Abs. 1 S. 2 GG), eine Verantwortung obliegt ihnen aber nicht auch dem Bundestag gegenüber in dem Maße, wie dies in Art. 56 WRV i. V. m. Art. 54 WRV zum Ausdruck kam 203 • Die Betonung der Verantwortlichkeit jedes einzelnen Ministers in der Weimarer Reichsverfassung erklärt die Auslegung des Art. 33 WRV dahin, daß nur zuständige Minister herbeigerufen werden durften, denn immer stand hier auch ihre persönliche Verantwortlichkeit dem Reichstag gegenüber in Frage. Mit der strukturellen Umgestaltung dieses Punktes im Grundgesetz und der Heraushebung der Stellung des Bundeskanzlers kann nun allerdings diese Auslegung für Art. 43 Abs. 1 GG keine Geltung mehr beanspruchen, zumal sie im Wortlaut dieser Verfassungsnorm keine Stütze findet. Dies gilt natürlich um so mehr für die Regelung nach Art. 53 S. 1 GG, weil sie in jedem Fall nichts mit parlamentarischer Verantwortlichkeit zu tun hat 204 • Die entgegenstehende Ansicht vermag sich zudem wohl kaum mit Erfolg darauf berufen, daß die Herbeirufung nur der zuständigen Minister vom Gewaltenteilungsprinzip verlangt werde 205 • Danach fordert die "sachliche Kooperationsfunktion" die Herbeirufung nur des für den anstehenden Beratungsgegenstand "verantwortlichen" Ministers, da nämlich das Parlament im übrigen aus der Zitierung "für seine Kompetenzen keinen Nutzen ziehen kann". Bedenkt man, daß die Bundesregierung selten "aus einem Guß" besteht und folglich zwangsläufig unterschiedliche Ansichten auch auf Regierungsseite immer wieder zum Ausdruck kommen werden, so kann es sehr wohl von Nutzen für das Parlament sein, auch einmal einen unzuständigen Minister herbeirufen zu dürfen. Darüber hinaus erscheint aber gerade eine Berufung auf das Gewaltenteilungsprinzip als nicht tragfähig. Dieses Prinzip, das doch gerade durch ein parlamentarisches Regierungssystem erheblichen Einschränkungen unterworfen ist, vermag überhaupt nur tangiert zu werden, wenn es in seinen "Kernbereichen" betroffen ist. Was darunter zu verstehen ist, kann aber, wenn überhaupt, nur mit großen Schwierig202 203 204 205

s. Meder, Erl. 6 zu Art. 65 GG; MDHS, Rdnr. 4 zu Art. 65 GG. s. daneben noch Art. 59 WRV. So vMK, S. 1050. Schönfeld, S. 91; einschränkend Schröder, M. (2), Rdnr. 32 zu Art. 43 GG.

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2. Teil: Zitier- und Zutrittsrecht im deutschen Parlamentsrecht

keiten ermittelt werden. Der "Kernbereich" könnte unter Umständen dann tangiert sein, wenn eine Gewaltenkooperation als Funktionszweck nicht mehr gewährleistet wäre. Dies muß allerdings schon deshalb in Frage gestellt werden, weil Ansprechpartner auf Regierungsseite immer zur Verfügung stehen werden. Ist es nicht der zuständige Minister, so kann man sich ggf. an den Bundeskanzler als einen für die gesamte Politik Verantwortlichen und damit Kompetenten neben dem jeweiligen Fachminister, halten. Berücksichtigt man hierbei zudem die beträchtliche Organisationsgewalt des Bundeskanzlers206 , so vermag nach der hier vertretenen Auffassung das Gewaltenteilungsprinzip als solches keine geeignete Beurteilungsgrundlage für diese Frage zwischen Parlament und Regierung abzugeben.

1.3.2. Staatssekretäre und sonstige Beamte Die klare Legaldefinition des Art. 62 in Verbindung mit Art. 43 Abs. 1 und 53 Satz 1 GG beschränkt den Kreis der Adressaten einer Zitierung auf Bundeskanzler und Bundesminister, wie dargelegt. Daneben besteht keine Möglichkeit, die Anwesenheit sonstiger Vertreter des Regierungsbereichs zu verlangen207 • Dies gilt nicht nur für Beamte aus der Ministerialbürokratie, insbesondere beamtete Staatssekretäre, sondern auch für parlamentarische Staatssekretäre2oB • Parlamentarische Staatssekretäre können Mitgliedern der Bundesregierung zur Unterstützung beigegeben werden (§ 1 ParlStG), die im einzelnen ihren Aufgabenbereich bestimmen. Sie vertreten den jeweiligen Bundesminister als Leiter einer obersten Bundesbehörde sowie bei Erklärungen vor dem Bundestag, Bundesrat und in den Sitzungen der Bundesregierung (§ 14 ParlStG), an denen sie regelmäßig teilnehmen (§ 23 Abs. 1 GOBRer). Bei "Verhinderung" eines Bundesministers wird dieser allerdings durch den dazu bestimmten Bundesminister vertreten209 • Angesichts des Aufgabenbereichs der parlamentarischen Staatssekretäre und aufgrund ihrer Stellung im Regierungsbereich nimmt es nicht Wunder, daß im Bundestag immer häufiger die Praxis aufkam, auch ihre Anwesenheit zu verlangen 210 • Gegen ein solches Vorgehen ist sicher s. dazu etwa Liesegang, S. 741 f., in: v. Münch. Schäfer, H. (2), S. 43 ff.; Laufer, S. 77; Trossmann (2), S. 296; Schönfeld, S. 58; Schröder, M. (2), Rdnr. 34 zu Art. 43 GG; Fauser, S. 106; a. A. Wahl (2), S. 346; unklar Majonica, S. 119. Zu abweichenden Bestimmungen auf Länderebene s. unten im 3. Abschnitt. 208 Zu beamteten und parlamentarischen Staatssekretären s. bei MDHS, Rdnr. 31 - 33 zu Art. 62 GG; vgl. auch § 36 Nr. 1 BBG. 209 Dazu Lechner / Hülshoff, S. 344 ff. 210 Nachweise bei Trossmann (2), S. 296 f. und insbesondere bei Schönfeld, S. 59 ff. 206 207

2. Abschn.: 1. Das Zitierrecht

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nichts einzuwenden, solange von der Bundesregierung einerseits keine Bedenken angemeldet werden und sich auf der anderen Seite der Bundestag oder die übrigen Aktivlegitimierten mit dem Erscheinen der parlamentarischen Staatssekretäre oder gar anderer Vertreter aus dem Regierungsbereich - also auch beamteter Staatssekretäre oder höherer Beamter - zufrieden geben, denn schließlich liegt es ja an den Aktivlegitimierten, ob sie die Anwesenheit eines Ministers begehren. Dennoch darf diese Praxis nicht darüber hinwegtäuschen, daß parlamentarische Staatssekretäre oder andere beamtete Personen keine Adressaten eines Zitierrechts im Sinne von Art. 43 Abs. 1 und 53 Satz 1 GG sein können211 • 1.4. Konsequenzen aus der Ausübung des Zitierrechts

Wird von einem der oben vorgestellten Aktivlegitimierten ein Zitierbeschluß gefaßt, so läßt sich daraus nach verbreiteter Auffassung eine doppelte Rechtsfolge ableiten. Danach obliegt es den Verpflichteten einmal vor dem entsprechenden Gremium zu erscheinen. Zum anderen wird an die Anwesenheit der Betroffenen die Erwartung geknüpft, daß der Herbeigerufene, wenn er vor dem Gremium erscheint, auch "Rede und Antwort" steht. Gerade hierin wird nicht selten eine wesentliche aus Art. 43 und 53 GG abzuleitende Verpflichtung gesehen, die neben diejenige zum Erscheinen tritt, sie gleichsam ergänzt. 1.4.1. Pflicht zum Erscheinen

Ein Zitierbeschluß legt dem Adressaten - also Bundeskanzler und/ oder Bundesministern - die verfassungsrechtliche Pflicht zur "Anwesenheit" bzw. zur "Teilnahme an Sitzungen" auf. Damit ist der Herbeigerufene gehalten - darüber besteht Einigkeit - , persönlich zu erscheinen212 • Die Entsendung eines "Beauftragten" ermöglichen Art. 43 Abs. 1 und 53 Satz 1 im Gegensatz zu Art. 43 Abs. 2 GG gerade nicht 213 • Da die Anwesenheitspflicht mit dem Beratungsgegenstand verknüpft ist 214 , wird der Herbeigerufene mit Erledigung der entsprechenden Tagesordnungspunkte aus seiner Pflicht entlassen. Unklar ist nun allerdings im einzelnen, wie verfahren werden soll, wenn der Adressat des Zitierbeschlusses seiner Anwesenheitspflicht, aus welchen Gründen auch immer, nicht genügen kann. In diesem ZuWie hier auch Versteyl, S. 479, in: v. Münch. MDHS, Rdnr.7 zu Art. 43 und 53 GG; Schmidt-Bleibtreu / Klein, S. 491 f.; Versteyl, S. 479, in: v. Münch; Schröder, M. (2), Rdnr. 36 zu Art. 43 GG; v. Einem, S. 80; Fauser, S. 109; Schönfeld, S. 66 ff. 213 Trossmann (1), S. 47 ff. 214 s. dazu bereits in diesem Abschnitt 1.1.3.2. 211

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2. Teil: Zitier- und Zutritts recht im deutschen Parlamentsrecht

sammenhang werden Überlegungen angestellt, ob der Zitierte sich dann vertreten lassen darf 215 • In derartigen Fällen kann es jedoch nicht darum gehen, die Zulässigkeit einer Vertretung zu prüfen, sondern allein, die Grenzen der persönlichen Anwesenheitspflicht festzustellen 216 • Deshalb handelt es sich auch nicht um eine Frage von Stellvertretung, wenn statt des Zitierten ein Beauftragter erscheint und beispielsweise das Parlament dies erkennbar billigt. Denn dann hat es sein zuvor auf einen bestimmten Minister oder den Bundeskanzler konkretisiertes Verlangen aufgegeben, da es doch gerade nicht verpflichtet ist, sich mit der Präsentation eines Stellvertreters abzufinden. Zwar sieht die Geschäftsordnung der Bundesregierung in § 14 eine abgestufte Vertretungsregelung vor217 • Diese Bestimmung der Geschäftsordnung vermag aber die Vorschriften der Art. 43 Abs. 1 und 53 Satz 1 GG nicht zu ändern218 , ebensowenig wie das Gesetz über die Rechtsverhältnisse der parlamentarischen Staatssekretäre hier eine Änderung herbeiführt219 • Denn die Übertragung von Befugnissen - ob Delegation oder Mandat - bedarf einer rechtlichen Verankerung auf gleicher Stufe wie die Quelle, die die Befugnisse selbst verleiht. Somit ließe sich ein entsprechender Erfolg lediglich durch eine Ergänzung der Art. 43 und 53 selbst oder auch der Art. 62 und 65 GG erzielen220 • Daher verbietet sich ein weiteres Nachgehen der Frage, ob in bestimmten Fällen eine Stellvertretung als zulässig erachtet werden darf. Es sind vielmehr die Grenzen persönlicher Anwesenheitspflicht zu ermitteln. Immer gibt es nämlich Situationen, in denen sich das Erscheinen des Zitierten als tatsächlich unmöglich erweist, wenn auch nur für eine gewisse Zeitspanne. Hier sei nur darauf hingewiesen, daß ein Minister auf grund dringender Regierungsgeschäfte verhindert ist und gar nicht am Ort weilt. Dies kann natürlich nicht bedeuten, daß die Aktivlegitimierten ihrer Rechte verlustig gingen. Sie besitzen zumindest immer die Möglichkeit, bei Nichterscheinen des Zitierten eine Organklage vor dem Bundesverfassungsgericht zu erheben. Unter Umständen besteht für die Regierung sogar die Gefahr, einem Mißtrauensvotum ausgesetzt zu sein. 215 So u. a. Versteyl, S. 479, in: v. Münch; v. Einem, S. 80; Fauser, S. 77; Model/Müller, S. 337 f.; MDHS, Rdnr. 7 zu Art. 43 GG; Kißler, S. 153; Laufer, S. 77. 216 So konsequent Schröder, M. (2), Rdnr. 37 - 39 zu Art. 43 GG. 217 Dazu Versteyl, S. 479, in: v. Münch. 218 Trossmann (2), S. 296; Schmidt-Bleibtreu / Klein, S. 491, Rdnr. 6. 219 § 1: "Unterstützung" könnte volles Vertretungsrecht bedeuten. 220 i. d. S. auch Lechner / Hülshoff, Anm. 3 zu § 1 ParlStG, S. 325 und Schröder, M. (2), Rdnr. 38 zu Art. 43 GG.

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Andererseits kann es nicht richtig sein, daß die Pflicht zu erscheinen keinen vernünftigen Grenzen unterworfen sein soll. Diese setzt die Verfassung demnach bereits voraus 221 • Somit kann die Anwesenheit sicher dann nicht verlangt werden, wenn eine Krankheit dem Herbeigerufenen das Erscheinen verbietet. Kollidieren im übrigen die Belastung des Zitierten durch seine Regierungsgeschäfte und die Anwesenheitspflicht, so kann nur im Einzelfall entschieden werden, ob eine "genügende Entschuldigung" vorliegt. Ein Rückgriff auf diesen unbestimmten Rechtsbegriff stellt eine Anlehnung an die Regelung des § 51 Abs. 2 Satz 1 StPO dar 222 • § 51 StPO regelt die Folgen des Nichterscheinens eines ordnungsgemäß geladenen Zeugen vor Gericht. Er befindet sich insoweit in einer mit einem herbeigerufenen Abgeordneten vergleichbaren Situation. Beide müssen grundsätzlich nach Aufforderung erscheinen. Den nicht erschienenen Zeugen treffen die Rechtsfolgen nach § 51 Abs. 1 StPO: Tragung der verursachten Kosten, Ordnungsgeld, unter Umständen Ordnungshaft. Dem entgeht er nur bei materiell "genügender Entschuldigung", wobei eine Abwägung der Belange des Zeugen und der Bedeutung der öffentlich-rechtlichen Zeugenpflicht unter Berücksichtigung des Verhandlungsgegenstandes und der Eilbedürftigkeit erfolgt223 • Der Rückgriff auf diesen Begriff darf als gerechtfertigt angesehen werden. Er bietet eine hinreichende, dennoch flexible, den Funktionen oberster Staatsorgane angemessene Beurteilungsgrundlage. Auch bei Verhinderung des Herbeigerufenen ist nämlich eine Abwägung geboten, und zwar unter Beachtung der Bedeutung gerade seiner Anwesenheit, beispielsweise für das Parlament, und der Dringlichkeit des jeweiligen Beratungsgegenstandes sowie von Grund und Dauer der Verhinderung. Immer muß jedoch auch das Übermaßverbot mit in die Waagschale geworfen werden. Führt eine solche Abwägung zum Ergebnis, daß die Verhinderung ,auf einem zumindest ebenso wichtigen Anlaß beruht wie andererseits die Anwesenheit verlangt wird, so darf das Nichterscheinen als genügend entschuldigt gelten. Demnach kommen neben Krankheit auch Reisen und Unabkömmlichkeit wegen anderer unaufschiebbarer und erforderlicher Dienstgeschäfte in Betracht. Nicht hierzu werden jedoch 221 Es drängt sich eine Parallele zum Verwaltungsrecht auf: ein Verwaltungsakt, den aus tatsächlichen Gründen niemand ausführen kann, ist in der Regel nichtig; s. bei Wolff / Bachhof, § 51111 b 4, im übrigen wie hier schon Jellinek, W. (2), S. 821 ff., 823; im Anschluß daran Schröder, M. (2), Rdnr. 41 zu Art. 43 GG; so auch Nawiasky (1), S. 89. 222 Der Vorschlag hierzu geht auf W. Jellinek (2) zurück, S. 821 ff. 223 So bei Kleinknecht, Strafprozeßordnung, 34. Aufl., München 1979, Rdnr. 6 zu § 51 StPO, S. 148.

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2. Teil: Zitier- und Zutrittsrecht im deutschen Parlamentsrecht

Redeverpflichtungen im Wahlkampf und ähnliche Verhinderungsgründe zu zählen sein224 • Folglich findet eine Zitierung ihre natürliche Grenze in der genügend entschuldigten Verhinderung der Adressaten225 •

1.4.2. Pflicht zur Auskunftserteilung? Während für die Zeit des Konstitutionalismus die Ansicht eindeutig überwog, das Zitierrecht erschöpft sich im bloßen Verlangen nach Anwesenheit von Regierungsmitgliedern, nötige somit allenfalls zu einer passiven Assistenz, fehlte nach übertritt zum parlamentarischen Regierungssystem nicht selten der Hinweis, mit der Anwesenheit sei gleichsam die (Rechts)Pflicht, Rede und Antwort zu stehen, verbunden. Das Grundgesetz trifft hierüber expressis verbis keine Aussage 226 • Ob Art. 43 Abs. 1 und Art. 53 Satz 1 GG für sich genommen oder unter Berücksichtigung tragender verfassungsrechtlicher Grundsätze sowie der Zielsetzung der gesetzlichen Regelung eine Antwortpflicht begründen, läßt sich nur dann bejahen, wenn das Institut Zitierrecht seit Einführung im konstitutionellen Staat einem Wandel unterworfen gewesen wäre. Der "Normbereich" müßte also in der Verfassungswirklichkeit aufgrund geschichtlicher Veränderungen eine von der ursprünglichen in der Norm ausgedrückten Anordnung - dem "Normprogramm" , das sich im wesentlichen am Normtext orientiert - abweichende Konkretisierung fordern 227 • In Frage steht somit die Ermittlung des aktuellen Normgehalts, wobei grundsätzlich veränderte Umstände veränderte Interpretationen nach sich zu ziehen vermögen22B • Als solcher Umstand käme u. a. der übertritt zum parlamentarischen Regierungssystem in Betracht. 224 Ein Fall, der Furore machte, ereignete sich am 29. März 1974. Die CDU/CSU Opposition verlangte die Anwesenheit des damaligen Finanzministers Helmut Schmidt und beklagte die einmal mehr mangelnde Präsenz von Regierungsmitgliedern im "Hohen Hause". Obwohl der parlamentarische Staatssekretär "seinen" Minister entschuldigte, er sei auf dem Weg zu einer Betriebsversammlung, um eine Redeverpflichtung einzuhalten, beharrte die Opposition auf einer Abstimmung über den Antrag auf Herbeirufung des Finanzministers. Bei der Abstimmung stellte sich nun allerdings heraus, daß nicht nur die Präsenz von Regierungsmitgliedern zu wünschen übrig ließ. Das "Hohe Haus" war nicht beschlußfähig. s. dazu Thaysen (1), S. 463 (Nr. 24), 466 f.; sowie die Glosse von Versteyl, Das Interpellationsrecht und der fliegende Minister, in: Berliner Anwaltsblatt, S. 74 f., 1974. 225 So im Ergebnis auch: Jellinek, W. (2), S. 821 ff.; Schröder, M. (2), Rdnr. 41 zu Art. 43 GG; Schönfeld, S. 68 f.; s. daneben bei MDHS, Rdnr. 7 zu Art. 43 GG; Fauser, S. 109; v. Einem, S. 80. 228 So auch Magiera, S. 308. 227 s. dazu bei Hesse, S. 19. 228 Lutterbeck, S. 149; Dobiey, S. 317; Larenz, S. 305, 307 ff.; trotz der massiven und teilweise berechtigten Kritik soll hier im wesentlichen den klassischen Grundsätzen einer juristischen Auslegung - wie sie grundlegend von Sovigy formuliert wurde - gefolgt werden. Dabei werden die unum-

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1.4.2.1. Grammatische Auslegung Um Normbereich und Normprogramm würdigen zu können, wird man sich zunächst einmal am Wortlaut der Norm selbst zu orientieren haben. Ausgangspunkt einer jeden Interpretation bilden daher Wortlaut und Wortsinn der jeweiligen Regelung. Gemäß Art. 43 Abs. 1 GG kann die "Anwesenheit" jedes Mitgliedes der Bundesregierung verlangt werden. Eine Antwortpflicht steht und fällt daher mit der Bedeutung dieses Begriffs. Was vom Wortlaut her unter "Anwesenheit" verstanden werden darf, ist an sich klar und unmißverständlich. Nach allgemeinem Sprachgebrauch versteht man unter Anwesenheit einer Person allein ihre körperliche Präsenz. Ein aktives Mitwirken, etwa in einer Sitzung eines Gremiums, kann Folge der Anwesenheit sein. Die Erteilung von Auskünften muß dagegen nicht notwendig mit der Anwesenheit dessen, von dem Auskunft begehrt wird, verbunden sein. Der Wortlaut des Art. 43 Abs. 1 GG läßt daher noch nicht die Interpretation eines Wortsinnes zu, wonach neben dem Verlangen nach bloßer Anwesenheit als Rechtspflicht eine weitere verfassungsrechtliche Verpflichtung tritt, wonach im Zusammenhang mit einer Zitierung gestellte Fragen zu beantworten wären229 • Demgegenüber ist der Wortlaut des Art. 53 Satz 1 bereits weiter gefaßt. Danach kann nicht nur die "Anwesenheit", sondern die "Teilnahme" von Regierungsmitgliedern an Sitzungen der entsprechenden Gremien verlangt werden. Besteht nicht allein die Pflicht oder das Recht, in Verhandlungen anwesend zu sein, sondern kommt vielmehr zum Ausdruck, daß Regierungsmitglieder an Verhandlungen teilzunehmen haben, so kommt hierin ein aktives Moment zum Tragen. Die Verpflichtung zur Teilnahme beinhaltet somit eher eine Reaktionspflicht der Regierung als die Verpflichtung zur Anwesenheit. Dabei läßt sich hinsichtlich der Intensität nichts darüber aussagen, ob diese Reaktionspflicht in einem Anspruch auf Auskunft besteht. Zumindest darf hier jedoch ein Anspruch auf formelle Beantwortung einer Frage angenommen werden. Hierunter ist allerdings lediglich eine Willenskundgebung von Regierungsseite zu verstehen, entweder eine matestrittenen Interpretationsregeln vorangestellt: grammatische und historische Auslegung. Danach folgt eine systematische Betrachtungsweise unter Reflektion eines "topischen" Verfahrens. Eine logische bzw. teleologische Auslegung muß dann den Schluß bilden und nur im engen Zusammenhang mit den übrigen Interpretationshilfen einer Würdigung unterzogen werden, will sie nicht bloß Blankett sein. s. hierzu im einzelnen bei Schramm, S. 121 ff.; Larenz, S. 305; Schröder, M. (1), S. 241; und insbesondere Hesse, S. 10 ff. mit ausführlichen Nachweisen über die unterschiedliche Anwendung der Interpretationsregeln sowie unterschiedlicher Gewichtung in Rechtsprechung und Lehre. 229 So auch v. Einem, S. 132 f.; Fauser, S. 110 f.

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2. Teil: Zitier- und Zutrittsrecht im deutschen Parlamentsrecht

rielle Antwort geben zu wollen oder die Erklärung, eine materielle Antwort zu verweigern, wobei es nicht darauf ankommt, ob dafür eine Begründung geliefert wird 230 • 1.4.2.2. Historische Auslegung Neben der sich am Wortlaut orientierenden Auslegung ist die historische methodisch unbestritten und gewinnt dadurch einen nicht zu unterschätzenden Stellenwert. Sie berücksichtigt den Entstehungsprozeß einer Verfassungsnorm, aber auch ihre geschichtlichen Wurzeln231 • Die im konstitutionellen Staat vorherrschende Rechtsauffassung stimmt mit dem Wortlaut des Art. 43 Abs. 1 GG insoweit überein, als man unter Anwesenheit lediglich das Verlangen nach körperlicher Präsenz verstand 232 • Als offensichtlicher Gegenpart zum Zutritts recht der Regierung ermöglichte das Zitierrecht dem Parlament, aus eigener Machtvollkommenheit Kontakte mit der Regierung herbeizuführen, selbst wenn sich diese lediglich auf ein Gegenwärtigsein von Regierungsrnitgliedern beschränkten, Kontakte aber, die sich zwischen den ansonsten streng getrennten und voneinander unabhängigen Organen nicht ohne weiteres ergaben. Die so eröffnete Möglichkeit zu Kontakten forderte, der eigenständigen Ausprägung im konstitutionellen Staat entsprechend, gerade keine Interpretation des Begriffs Anwesenheit dahin, auch eine Rechtspflicht zur Auskunftserteilung hieraus herzuleiten, da die Regierung sich als vom Parlament unabhängige Kraft begreifen konnte und sich demnach allein in den in der Verfassung normierten Fällen zur Rechenschaftsablegung verpflichtet sah. Erst nach Einführung eines parlamentarischen Regierungssystems bildete sich verstärkt die Auffassung heraus, Anwesenheit bedeute nicht nur "stummes Dabeisitzen", sondern enthalte die verfassungsrechtliche Verpflichtung, "Rede und Antwort" stehen zu müssen, und zwar auf alle im Zusammenhang mit der Herbeirufung aufgeworfenen Fragen. Auf welche veränderten Gesichtspunkte diese Auffassung ihre Interpretation des im übrigen redaktionell im wesentlichen unverändert übernommenen Instituts Zitierrechts stützte, ist im einzelnen nicht ersichtlich. Nicht zuletzt deswegen blieb sie nicht unwidersprochen. Es muß daher auch bezweifelt werden - insbesondere wegen der nicht unbeträchtlichen Gegenstimmen - , ob sich damit eine "herrschende Meinung" manifestieren konnte, selbst wenn die Parlamentspraxis dahinging, nach erfolgter Zitierung Rede und Antwort zu stehen 233 • Als 230 231 232 233

Zur Abgrenzung s. Bekermann, S. 71 f. Larenz, S. 315, 333. s. oben, im 1. Abschnitt 3.1.3. und 4.2.1. s. dazu oben im 1. Abschnitt 4.2.1. und dort bei Fn. 118 und Fn. 120.

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unbestritten galt nun allerdings, daß die Regierung deswegen Rede und Antwort zu stehen hatte, weil sie in ihrem Bestand und ihrer Zusammensetzung vom Vertrauen des Parlaments abhängig geworden war. Daraus ergab sich für die Regierung eine politische Notwendigkeit und - im Gegensatz zum konstitutionellen Staat - verstärkt der Zwang, auf Wunsch des Parlaments jederzeit zu erscheinen und Rede und Antwort zu stehen. Eine Rechtspflicht aus Art. 33 WRV, gewünschte Auskünfte uneingeschränkt erteilen zu müssen, konnte danach nicht anerkannt werden. Der Wille der Verfassungsväter des Grundgesetzes, in Art. 43 Abs. 1 GG eine verfassungsmäßige Rechtspflicht, ein Verfassungsgebot zur Auskunftserteilung im Zusammenhang mit einer Zitierung verankert zu wissen, könnte sich somit nur noch aus der unmittelbaren Entstehungsgeschichte dieses Artikels herleiten lassen, denn auf eine gefestigte, unumstrittene Auffassung zum Zitierrecht vermochten sich die Verfassungsväter gerade nicht berufen. Anders ausgedrückt, da die Frage: Rechtspflicht (als Gebot des Art. 43 Abs. 1 GG) oder nur politische Notwendigkeit (als Folge eines parlamentarischen Regierungssystems)?, zu Streit Anlaß gab, ja sogar die Überflüssigkeit des Zitierrechts in der Verfassungsgebenden Nationalversammlung Weimars herausgestellt worden war, drängte sich nunmehr insoweit eine klärende Regelung geradezu auf. Entscheidende Berücksichtigung verlangen folglich die Verhandlungen des Parlamentarischen Rates, der als verfassungsgebende Nationalversammlung am 1. September 1948 in der pädagogischen Akademie in Bonn zusammentrat234 • Wesentliche Grundlagen seiner Arbeit war der "Bericht über den Verfassungskonvent auf Herrenchiemsee (Ch. E.)235. Den Entwurf eines Grundgesetzes hatte der von den Länderministerpräsidenten eingesetzte Verfassungsausschuß auf der Herreninsel im Chiemsee erarbeitet. Es handelte sich allerdings nicht um den einzigen Entwurf, der dem Parlamentarischen Rat zugeleitet wurde 236 • Dieser hielt sich jedoch bei seiner Arbeit allein an Art. 55 Abs. 1 Ch. E., der mit dem heutigen Art. 43 Abs. 1 GG identisch ist. Das Institut Zitierrecht gab somit offenkundig zu keinerlei Zweifel oder Kritik Anlaß und durchlief folglich ohne Diskussion Organisations-, Hauptausschuß und Plenum237 • Dennoch darf hieraus noch nicht auf einen Willen der Verfassungsväter geschlossen werden, welcher mit Art. 43 Abs. 1 GG 234 Ihm gehörten 70 Mitglieder an, davon 5 nicht stimmberechtigte Berliner; neben dem Plenum existierten 6 Ausschüsse; Einzelheiten hierzu bei Wagner, S. IX ff. und Doemming, S. 3 f. 235 Abgeschlossen am 25. 8. 1948. 238 s. bei Doemming, S. 3 f. 237 s. bei Doemming, S. 365; Schröder, M. (1), S. 216, 218; Dtto, S. 127.

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jedem Herbeigerufenen zugleich die verfassungsmäßige Pflicht auferlegte - wollte er sich nicht eines Verfassungsverstoßes schuldig machen - , Auskunft zu geben. Dies unterstreicht der Umstand, daß die Frage des "Rede-und-Antwort-Stehens" lediglich im Zusammenhang mit Art. 67 GG (89 eh. E.) behandelt wurde, und zwar im Organisationsausschuß. Hier vertrat der Abgeordnete Dr. Katz (SPD) die Auffassung, Art. 67 GG schließe nicht ein "politisches Rede und Antwort stehen müssen" des einzelnen Ministers aus238 • Aus der Entstehungsgeschichte des Art. 43 Abs. 1 GG sowie den Wurzeln dieses Instituts, läßt sich somit eine Rechtspflicht zur Auskunftserteilung nicht herleiten. Hätte der Verfassungsgeber beabsichtigt, den zitierten Regierungsmitgliedern eine Auskunftspflicht aufzuerlegen, so hätte er sich an der oben vorgestellten Regelung des § 122 der Paulskirchenverfassung orientieren können239 • Hierin war ganz eindeutig eine Rechtspflicht zur Auskunftserteilung normiert, die mit einem redaktionell neu gefaßten Ausnahmekatalog zu Unsicherheiten in diesem Bereich keinen Anlaß mehr geboten hätte24o • 1.4.2.3. Systematische Auslegung Ein anderes Ergebnis könnte unter Umständen durch eine systematische Auslegung gewonnen werden 241 • Hierbei muß einmal der unmittelbare Zusammenhang, in dem eine Norm steht, und zum anderen der Gesamtzusammenhang Berücksichtigung finden, denn jede Verfassungsnorm ist grundsätzlich so auszulegen, daß sie im Zusammenspiel mit der Verfassungsordnung insgesamt sinnvoll erscheint. Dabei ist insbesondere hervorzuheben, daß die Verfassung Strukturprinzipien aufstellt, die eine integrierende Wirkung erzeugen, sowie die Notwendigkeit in sich birgt, nach dem Prinzip der Einheit der Verfassung vorhandende Widersprüche weitestgehend auszuschalten242 • Eine Auskunftspflicht ergibt sich zunächst einmal nicht zwingend aus dem unmittelbaren Zusammenhang. Art. 43 Abs. 1 GG steht im dritten Abschnitt des Grundgesetzes (Der Bundestag, Art. 38 - 49). Dieser Abschnitt normiert die Stellung des Bundestages insgesamt und trifft einige grundsätzliche Bestimmungen über Rechte und Pflichten seiner Mitglieder. Abgesehen von der Vorschrift des Art. 114 GG insbesondere s. bei Doemming, S. 424. i. d. S. auch Magiera, S. 308. 240 i. d. S. auch Fauser, S. 111 f.; ähnlich allerdings mit Hinweis auf eine formelle Pflicht - v. Einem, S. 133 f.; a. A. Schröder, M. (2), Rdnr. 43 zu Art. 43 GG. 241 s. etwa bei Schröder, M. (2), Rdnr. 22 - 24 zu Art. 43 GG. 242 s. dazu bei Hesse, S. 27 ff. 238 239

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und der in diesem Rahmen an sich systemfremden Regelung des Art. 53 GG finden sich im dritten Abschnitt des Grundgesetzes wesentliche parlamentarische Informations- und Kontrollrechte. Die Aufnahme des Zitierrechts in diesem Abschnitt läßt nun allerdings gerade nicht den Schluß zu, Art. 43 Abs. 1 GG beinhalte auch eine Pflicht zur Erteilung seitens des Parlaments gewünschter Auskünfte. Aus einer Gegenüberstellung mit den im gleichen Abschnitt und ihm nachfolgend normierten Enqueterechten kann nämlich der Hinweis gewonnen werden, daß Art. 43 Abs. 1 GG eine entsprechende verfassungsrechtliche Verpflichtung zur Auskunftserteilung eben nicht in sich birgt, da ihm gegenüber Untersuchungsausschüssen ausdrücklich ein eigenes Beweiserhebungsrecht zugestanden wurde, welches insbesondere ein Recht auf Akteneinsicht und Beamtenaussage im Regelfall einschließt243 • Daneben ist das Zitierrecht aber auch noch im Gesamtzusammenhang zu würdigen. Es hat sich als eine Folge der Trennung von Exekutive und Legislative im konstitutionellen Staat erwiesen244 , mit der Aufgabe, diese geschaffene Trennung für den dennoch notwendigen Kontakt beider Gewalten zu überbrücken. Zudem ließ sich das Zitierrecht als Bestandteil eines allgemeinen Kontrollrechts des Parlaments charakterisieren245 • Damit sind Verbindungslinien zwischen Zitierrecht und Gewaltenteilungsprinzip hergestellt. Die so gefundenen Berührungspunkte lassen es denkbar erscheinen, mangels ausdrücklicher Regelung, im Wege verfassungsimmanenter Auslegung eine verfassungsrechtliche Verpflichtung der Regierung zur Auskunftserteilung gegenüber dem Parlament begründen zu können 246 • Dies darf allerdings nur dann angenommen werden, wenn das Prinzip der Gewaltentrennung notwendigerweise neben dem Zitierrecht eine Auskunftspflicht forderte. Das Grundgesetz legt in Art. 20 Abs. 2 Satz 2 fest, daß die vom Volke ausgehende Staatsgewalt durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt werden muß. Daneben erhob das Bundesverfassungsgericht247 die Funktionentrennung zu einem tragenden Organisationsprinzip des Grundgesetzes 248 • Das Verhalten der Verfassungsorgane zueinander erfährt nun allerdings hierdurch allein noch keine Festlegung. Bereits angesichts des zuletzt genannten Umstandes sowie der vielfältigen Verschränkun243 244 245 246 247 248

So v. Einem, S. 133. s. oben im 1. Abschnitt 2.3. s. oben in diesem Abschnitt 1.1.1.5. und 1.1.2. Einzelheiten etwa bei v. Einem, S. 87 ff. E 3, S. 247.

s. dazu auch Doemming, S. 246 Nr. 8.

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2. Teil: Zitier- und Zutritts recht im deutschen Parlamentsrecht

gen von Funktionen der einzelnen Gewalten sind starke Zweifel angebracht, ob das Gewaltenteilungsprinzip überhaupt als geeignete Beurteilungs grundlage in diesem Rahmen herangezogen werden kann 249 • Dies verbietet sich darüber hinaus jedoch vollends, wenn man auf das anglo-amerikanische Verfassungs recht verweist, in dem die Gewaltenteilung ihre bedeutendste Ausprägung gefunden hat. In jener parlamentarischen Demokratie mit präsidialer Spitze ist zwar in einem gewissen Umfang das Recht der Exekutive verbürgt, in beiden Kammern des Kongresses zugegen zu sein250 • Es besteht aber weder ein entsprechendes Zitierrecht des Kongresses, noch ein in diesem Zusammenhang begründetes selbständiges Fragerecht, sieht man einmal von dem allerdings systematisch anders gestalteten Recht der Untersuchungsausschüsse ab. Demnach kann die Gewaltenteilung als solche nicht als Beurteilungskriterium für eine verfassungsimmanente Begründung einer Antwortpflicht nach Art. 43 Abs. 1 GG herangezogen werden251 • Entscheidender als durch das Prinzip der Funktionentrennung wird das Verhältnis von Parlament und Regierung im politischen System der Bundesrepublik durch ein parlamentarisches Regierungssystem geprägt. Hier besteht der Zwang eines nahen Zusammenwirkens zwischen Regierung und der sie tragenden Parlamentsmehrheit, verbunden mit dem natürlichen Drang zu einer Gewaltenvereinigung 252 • Unter Berücksichtigung dieses Zwanges könnte sich eine Auskunftspflicht der Regierung ermitteln lassen, wenn sich hinreichend Verbindungslinien zwischen parlamentarischem Regierungssystem und Zitierrecht knüpfen ließen. So im Ergebnis wohl auch Schroeder, M. (2), Rdnr. 23 zu Art. 43 GG. Der Präsident berichtet dem Kongreß über die Lage der Nation Art. II Abschn. 3 USVerf. - bei Franz, S. 29 - und kann dort bestimmte Maßnahmen zur Beratung empfehlen; der Vizepräsident ist bspw. zugleich Präsident des Senats. 251 So auch Sauer, S. 27; Schröder, M. (2), Rdnr. 23 zu Art. 43 GG; a. A. (aber wohl nicht im Ergebnis) v. Einem, S. 90 ff. Schröder a.a.O. weist hierneben noch zu Recht darauf hin, daß auch das Begreifen des Zitierrechts als Niederschlag des ungeschriebenen Prinzips der Verfassungsorgantreue dazu Schenke, S. 27, 35, 111 - nur eine Variante dieser Sichtweite ist, wie auch das Zurückführen des ungeschriebenen Prinzips interorganfreundlicher Verhaltenspflichten auf das Gewaltenteilungsprinzip - Herzog / Pietzner, S. 85 ff. -, so daß danach ebenfalls keine entsprechende verfassungsrechtliche Verpflichtung begründet werden kann. Dies bestätigen Herzog / Pie tzner indirekt selbst, in dem sie auf eine gewaltenvereinigende Sogwirkung eines parlamentarischen Regierungssystems verweisen (s. 88). Bestätigt werden kann jedoch nicht, daß jedes System mit Gewaltenteilung nach Gewaltenvereinigung dränge. Ein Rückgriff auf Art. 53 S. 3 und 43 GG sowie ein dahinterstehendes ungeschriebenes Normgefüge interorganfreundlicher Verhaltens- und Loyalitätspflichten erscheint zweifelhaft, da u. a. mit Art. 53 S. 3 GG eine Wirkung erzielt werden soll, die im Verhältnis RegierungParlament nur ein parlamentarisches Regierungssystem zu leisten vermag. 252 Herzog / Pietzner, S. 88 m. w. N. in Fn. 3. 249

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2. Abschn.: 1. Das Zitierrecht

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Nicht selten werden solche Verbindungslinien herauszustellen versucht und das Zitierrecht zwangsläufig als Ausfluß eines parlamentarischen Regierungssystems verstanden253 . Diese Würdigung des Zitierrechts widerspricht aber bereits der obigen Darstellung der Entwicklung dieses Instituts sowie der Entwicklung des parlamentarischen Regierungssystems in Deutschland. Es handelt sich bei dem Institut Zitierrecht vielmehr um eine Schöpfung des konstitutionellen Staates, in dessen politischem System es fraglos zu eigenständiger Bedeutung gelangte. Dieses Institut nivellierte dagegen die Einführung eines parlamentarischen Regierungssystems geradezu so vollkommen, daß man die übernahme des Instituts als überflüssig erachtete. Seine heutige geringe Bedeutung unterstreicht zudem die Zitierpraxis des Deutschen Bundestages254 • Darüber hinaus besitzen mit dem Bundesrat sowie dem Bayer. Senat ebenfalls Organe ein Zitierrecht, bei denen es sich nicht um Volksvertretungen handelt und die von ihrer Stellung her sowie aufgrund ihrer organisatorischen Einbindung gerade kein parlamentarisches Regierungssystem ausmachen. Ist nun das Zitierrecht nicht als Ausfluß eines parlamentarischen Regierungssystems zu werten, so erscheint es daneben ebenfalls zweifelhaft, ob dieses Institut einen "zwangsläufig parlamentarisierenden Effekt", "eine Sogwirkung in Richtung auf die Etablierung parlamentarischer Regierungen", ausübt und "dessen politischer Spannungsgehalt indes nur im parlamentarischen System seinen notwendigen institutionellen Ausgleich findet"255. Diese Charakteristika mögen dem Zitierrecht dann beigegeben werden können, wenn es die Verpflichtung zur Auskunftserteilung beinhaltet. Dieses ist für die Zeit des Konstitutionalismus zu verneinen, während für die Stellung des Zitierrechts im parlamentarischen System darauf noch eine Antwort gefunden werden muß. Gerade nämlich in der Phase des konstitutionellen Staates in Deutschland, in der praktisch der Übertritt zum parlamentarischen Regierungssystem vollzogen war, stand dem Parlament kein solches Institut zur Verfügung. Solange die Volksvertreter nicht gewillt waren, selbst Regierungsverantwortung zu übernehmen, förderten auch erweiterte parlamentarische Kontroll- und Informationsrechte nicht ohne weiteres den Durch253 vMK, S. 936; Giese / Schunck, zu Art. 43 GG, Erl. 11 1; v. Einem, S. 76; Versteyl, S. 473 f., in: v. Münch; Stern, S. 749; Schönfeld, S. 53 und S. 135; Schneider, Erl. 2 11, i. d. S. wohl auch Herzog / Pietzner, S. 73 ff.; Landsberg, Erl. 1 zu Art. 43; Spreng, Erl. 1 zu Art. 34; GeIler / Kelinrahm / Fleck, Erl. 1 zu Art. 45 GG. 254 s. in der Anlage und Thaysen (1), S. 459 ff.; wie hier auch Schröder, M. (2), Rdnr. 24 zu Art. 43 GG; MDHS, Rdnr. 1 zu Art. 43 GG; SchoIler, S. 407 Fn. 3; SBK, S. 492; Fauser, S. 117 Fn. 1; Kißler, S. 156 f. 255 So Schönfeld, S. 53.

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2. Teil: Zitier- und Zutrittsrecht im deutschen Parlamentsrecht

bruch zum parlamentarischen Regierungssystem. Vielmehr mußte die Entwicklung dann zwangsläufig an Dynamik verlieren und statisch werden, als zwar ein gewisses Abhängigkeitsverhältnis der Regierungen vom Parlament feststand, die Regierungen aber selbst nie aus dem Parlament hervorgingen. Auch in Frankreich vermochte das Parlament nach 1814, ohne ein eigentliches Zitierrecht erfolgreich den Weg zum parlamentarischen Regierungssystem zu beschreiten. Entscheidende Bedeutung kam somit dem Willen des Parlaments zu, selbst eine von seinem Vertrauen abhängige Regierung stellen zu wollen, um die politische Führung im System zu übernehmen und damit der vom konstitutionellen Staat aufgebauten Gewaltentrennung entgegenzuwirken. Fehlte dieser Wille, so vermochte auch das Zitierrecht allein keine der ihm zugedachten Wirkungen zu entfalten. Das Institut Zitierrecht ist daher sehr wohl ohne parlamentarisches Regierungssystem denkbar, wie auf der anderen Seite ein parlamentarisches Regierungssystem auch ohne Zitierrecht auskommen kann256 • Die Betrachtung im Gesamtzusammenhang ließe ggf. doch noch den Schluß auf eine mit dem Zitierrecht verbundene Auskunftspflicht zu, wenn dieses Institut als Ausprägung und Beweis parlamentarischer Ministerverantwortlichkeit verstanden werden müßte 257 • Eine Beantwortung dieser Frage hängt von der Ausgestaltung der Ministerverantwortlichkeit nach dem Grundgesetz überhaupt ab. Danach besteht aber eine selbständige Verantwortlichkeit im Sinne parlamentarischer Ministerverantwortlichkeit gegenüber dem Bundestag nicht. (Art. 65 S. 2; 67 GG). Dies unterstreicht die Behandlung der Frage einer Einzelverantwortlichkeit im parlamentarischen Rat. Die zunächst getroffene Entscheidung im Organisationsausschuß für eine volle parlamentarische Verantwortlichkeit jedes einzelnen Ministers wurde zugunsten eines Vorschlages des allgemeinen Redaktionsausschusses verworfen, der die parlamentarische Verantwortlichkeit auf den Bundeskanzler beschränkte 258 • Wenn auch der Bundestag eine Reihe von Möglichkeiten besitzt, gegen einzelne Minister vorzugehen, so kann dennoch nicht von einer direkten parlamentarischen Verantwortlichkeit einzelner Minister ausgegangen werden. Aus dieser Beschränkung direkter Verantwortlichkeit dem Parlament gegenüber auf den Bundeskanzler allein, folgt nun nach einer starken Literaturmeinung259 , daß Art. 43 Abs. 1 GG Ein Beispiel hierfür liefert England. Zu der hier vorgenommenen terminologischen Abgrenzung von "Ministerverantwortlichkeit" s. oben Fn. 121 (1. Teil). 258 s. b. Doemming, S. 424, 437 f., 442 f. 259 Wie hier Glum (2), S. 194; MDHS, Rdnr. 4 zu Art. 65 und Rdnr. 9 zu Art. 43 GG; Meder, Er!. 6 zu Art. 65; Kißler, S. 156, SBK, S. 492; Eschenburg (1), S. 610, (2), S. 199; Fr. Schäfer, S. 310; a. A. vMK, S. 936; Giese / Schunek, Erl. II 1 zu Art. 43 GG; Kröder, S. 5 ff.; Brandt, S. 154 ff., 161; Wiek, S. 113 f. 256

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2. Abschn.: 1. Das Zitierrecht

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nicht Ausdruck einer Ministerverantwortlichkeit sein könne. Ist dies nicht der Fall, so konkretisiert sich in Art. 43 Abs. 1 GG darüber hinaus aber auch nicht die Pflicht jedes einzelnen Ministers, vor dem Parlament Rede und Antwort stehen zu müssen. Nun wird darauf hingewiesen, daß es dennoch nicht Wille der Verfassungsväter gewesen sei, die Minister von jeglicher Verantwortung freizustellen 260 • Es ließe sich mit guten Gründen durchaus argumentieren, aus dem Fehlen einer speziellen parlamentarischen Ministerverantwortlichkeit dürfe nicht auf das Fehlen einer Ministerverantwortlichkeit überhaupt geschlossen werden. Diese bestehende Ministerverantwortlichkeit - so könnte man sagen - ist mit der Verantwortlichkeit im konstitutionellen Staat vergleichbar. Es fehlt ihr allerdings dessen "Kernstück", die Ministeranklage. An ihre Stelle tritt nun dafür eine Anreicherung mit Aspekten von politischer Verantwortlichkeit generell. Diese kommen zum Ausdruck in Mißbilligungsbeschlüssen, mit denen der Bundestag einen Minister tadelt, durch Einwirkung auf den Etat eines Ministers oder sogar im Ersuchen an den Kanzler, einen Antrag auf Entlassung eines Ministers an den Bundespräsidenten zu richten 261 • Diese Verantwortlichkeit hält demnach einem Vergleich mit der Ministerverantwortlichkeit im Kaiserreich prinzipiell stand. Insoweit besteht sie dann ebenfalls - wie in der konstitutionellen Monarchie - dem Parlament gegenüber 262 • In diesem Rahmen dürfte Art. 43 Abs. 1 GG danach als Ausprägung einer derartigen Ministerverantwortlichkeit gesehen werden. Der gleiche Stellenwert dieser Verantwortlichkeit wie im Konstitutionalismus - insbesondere im Kaiserreich - läßt nun aber gerade nicht den Schluß zu, daß damit dem Art. 43 Abs. 1 GG ein Auskunftsrecht des Parlaments gegenüber der Regierung immanent sein müßte. Denn kommt Art. 43 Abs. 1 GG als "Beweis" einer solchen Ministerverantwortlichkeit in Betracht, die von ihrer Qualität her weitgehend der in einer konstitutionellen Monarchie entspricht, so treten damit keine Umstände hervor, die dazu nötigten, 260 So etwa Wiek, S. 114 und Schönfeld, S. 56 mit dem Hinweis auf eine unwidersprochen gebliebene Äußerung des Abgeordneten Dr. Laforet, er ziehe aus der Formulierung im Art. 65 (93 Abs. 1 eh. E.) GG "unter eigener Verantwortung" den Schluß, "unter eigener Verantwortung gegenüber dem Parlament". Dieser Hinweis überzeugt aus zwei Gründen nicht: einmal erfolgte diese Äußerung im Hauptausschuß und wurde durch den Gang der weiteren Verhandlungen insoweit überholt, zum anderen bemerkte der Abgeordnete dies nur beiläufig, und zwar zu einem Zeitpunkt, als es gar nicht mehr um die Behandlung des Art. 93 eh. E. ging - er war bereits vorher vom Hauptausschuß angenommen worden -, sondern um Art. 94 eh. E. StenBer. HA, S. 36 f. 261 s. dazu bei Wiek, S. 114. 262 i. d. S. auch Glum (2), S. 193; s. dazu ebenfalls bei Schönfeld, S. 54 m. w. N. in Fn. 3.

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2. Teil: Zitier- und Zutritts recht im deutschen Parlamentsrecht

Art. 43 Abs. 1 GG nunmehr im Gesamtzusammenhang einer veränderten Würdigung zu unterziehen. Diese Sicht gebietet folglich ebenfalls nicht, in Art. 43 Abs. 1 GG eine verfassungsmäßige Pflicht auf Auskunftserteilung hineinzuinterpretieren. 1.4.2.4. Teleologische Auslegung

Das bisher durch die vorangestellten Auslegungskriterien gefundene Ergebnis muß - so hat es den Anschein - mit einer logischen oder teleologischen Auslegung kollidieren. Wie dargelegt263 , verband ein Parlament schon immer mit einer Zitierung die Erwartungshaltung, auf die zu behandelnden Fragenkomplexe gezielt Antworten zu erhalten. Dies zeigt sich nicht zuletzt auch in der Praxis des Bundestages dadurch, daß Anträge auf Herbeirufung eines Ministers nicht selten in der Begründung enden, der Betreffende möge sich zu einem bestimmten Thema äußern264 • Von daher entspricht es sicher Sinn und Zweck des Zitierrechts, nicht allein die physische Anwesenheit veranlassen, sondern auch von der Regierung die entsprechenden Auskünfte erlangen zu können. Will diese Auslegung - logisch oder teleologisch jedoch nicht nur Blankett sein, so muß hier im besonderen Maße die vorher gefundene Auslegung reflektiert werden. Die teleologische Auslegung erfüllt mithin ihre Aufgabe im wesentlichen als bestätigender ggf. überprüfender Faktor. Stehen jedoch die im übrigen gefundenen Auslegungsergebnisse ihr entgegen, so müssen die anderen Kriterien entsprechend ihrer Bedeutung im einzelnen maßgebend sein. Dies gilt um so mehr, wenn man sich der Ansicht anschließt, daß die constitio scripta als unübersteigbare Grenze einer Verfassungsinterpretation zu betrachten ist 265 • Die Interpretation einer Norm darf sich danach, will sie Auslegung bleiben, nicht darüber hinwegsetzen und die Grenzen beachten, die sich aus dem möglichen Wortsinn und dem Bedeutungszusammenhang ergeben. Nach alledem kann hier die teleologische Auslegung zu keinem, von dem bisher gefundenen, abweichenden Ergebnis führen.

1.4.3. Ergebnis und Stellungnahme War oben eine Rechtspflicht zum persönlichen Erscheinen des herbeigerufenen Ministers zu bejahen, so kann demgegenüber eine Rechtspflicht zur Erteilung von Auskünften daneben nicht anerkannt werden. Eine materielle Auskunftspflicht darf dieser Verfassungsnorm somit nicht entnommen werden266 • Daher vermag sie auch nicht die zentrale 263 264 265

s. oben in diesem Abschnitt 1.1.1.5. s. dazu auch die Beispiele bei Fauser, S. 111, Fn. 1. s. u. a. Larenz, S. 329 Fn. 48; Hesse, S. 30 f.

2. Abschn.: 1. Das Zitierrecht

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Bedeutung für einen Informationsfluß zwischen Parlament und Regierung einzunehmen, die ihr häufig beigegeben wird 267 • Eine verfassungsmäßige Verpflichtung zur Auskunftserteilung läßt sich in diesem Rahmen in überzeugender Weise auch nicht begründen. Die "Pflicht" zur Auskunftserteilung führte man insbesondere bereits unter der Weimarer Verfassung auf die parlamentarische Regierungsweise zurück. Die hierdurch gesteigerte politische Pflicht der Regierungsmitglieder zur Auskunftserteilung gegenüber dem Parlament wird letztlich auch im System der Bundesrepublik dem Sinn und Zweck des Zitierrechts gerecht. Konsequent muß daher gefolgert werden, daß aus Art. 43 Abs. 1 GG weder eine materielle noch formelle Pflicht zur Auskunftserteilung folgt 268 • Demgegenüber ließe sich aus Art. 53 Abs. 1 GG eine formelle Antwortpflicht herleiten, sicherlich jedoch nicht mehr269 • Teilnahme bedeutet nämlich immer auch, daß sie vom Teilnehmer getragen, somit von ihm selbst gesteuert und bestimmt wird. Es steht hier also zumindest in seinem freien Ermessen, welche Auskünfte er erteilt. Berücksichtigt man dabei, daß zwischen Bundesrat und Bundesregierung keine parlamentarische Abhängigkeit besteht, so läßt sich die Berechtigung einer Aufnahme dieser Vorschrift in das Grundgesetz allein damit schon belegen. Der Bundesrat hat - wie dargelegt - nicht unerheblich am Gesetzgebungsverfahren teil. Er bedarf damit gelegentlicher Kontakte, die er auf diesem Wege herstellen kann. Diese Funktion erfüllt nun das Zitierrecht des Art. 43 Abs. 1 GG nicht in gleicher Weise. Die Ausgestaltung des parlamentarischen Regierungssystems in der Bundesrepublik wirft zudem die Frage auf, ob das Zitierrecht in diesem System nicht entbehrlich ist 270 • Angesichts der durch die Etablierung von lediglich vier Parteien sowie der eingegangenen Koalitionen im Bundestag vorherrschenden Mehrheitsverhältnisse 271 und der geringen Bedeutung, die das Zitierrecht bisher gespielt 268 So u. a. auch Bogs, S.213; Groß, R. (2), S. 61; Kassimatis, S.102; v. Einem, S. 132; Trossmann (2), S. 298; ferner darf die Erteilung von Auskünften verweigert werden nach Ansicht von vMK, S. 937; Herzog / Pietzner, S. 79 m. w. N. in Fn. 1 und 2; MDHS, Rdnr. 8 zu Art. 43 GG wobei die Verweigerung von Auskünften - abgesehen von vMK - als Ausnahme zur Verpflichtung verstanden wird. 267 s. hierzu u. a. bei Lutterbeck, S. 126 ff., 148 ff.; Herzog / Pietzner, S. 73 ff., 79, 85 ff., 92. 268 Ebenso Fauser, S. 111 f. 269 Die Unterscheidung einer formellen Pflicht von einer materiellen ist allerdings rein dogmatisch begründet und muß letztlich gekünstelt wirken, da Verpflichtete ohnehin Inhalt und Umfang der Auskunft bestimmen, womit die Feststellung einer formellen Pflicht keinen Gewinn darstellt. 270 s. Fauser, S. 177 f. 271 s. dazu den überblick bei Schindler (2), S. 136 - 159.

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2. Teil: Zitier- und zutrittsrecht im deutschen Parlamentsrecht

hat272 , ist es sicher nicht ganz unberechtigt, das Zitierrecht als überflüssig, als überbleibsel des Konstitutionalismus abzutun. Bedenkt man jedoch, daß sich in den Wahlperioden von 1949 bis 1966 und 1969 bis 1980 aufgrund der Zusammensetzung des Parlaments statisch zu bezeichnende politische Landschaften herauskristallisierten, diese aber bereits durch den Sprung einer weiteren Partei in den Bundestag in Bewegung geraten müßten, da dann die Möglichkeit wechselnder Mehrheiten in einzelnen Punkten eher denkbar erschiene, so könnte das Zitierrecht in jenem Moment aus seinem Dornröschenschlaf erwachen und in einem neuen Lichte erscheinen. Es könnte dann - abgesehen von der noch größeren Abhängigkeit der Regierung vom Parlament aufgrund u. U. nicht mehr ganz so stabiler Mehrheiten - als "Vorstufe" zum Mißtrauensvotum273 eine durchaus berechtigte Funktion erfüllen; als Vorstufe deshalb, weil nach Art. 43 Abs. 1 GG keine qualifizierte Mehrheit erforderlich ist, während etwa Art. 67 GG die Mehrheit der Stimmen der Mitglieder des Bundestages verlangt. Die Einsetzung des Instituts Zitierrecht beinhaltet für die Regierung folglich eine ernstzunehmende Warnfunktion, die sie zur überprüfung ihrer Politik zwingt, will sie sich nicht der Gefahr eines Mißtrauensvotums ausgesetzt sehen274 •

2. Das Zutrittsrecht Die historische Darstellung des Zutrittsrechts ergab, daß es sich hierbei - ebenso wie beim Zitierrecht - um ein Institut handelt, das im 19. Jahrhundert bereits zum festen Bestandteil der meisten Konstitutionen deutscher wie auch einzelner europäischer Länder zählte und dessen Wurzeln sich im französischen Staat des ausgehenden 18. Jahrhunderts fanden. Seine Kodifizierung erfolgte früher als die des Zitierrechts. Sie privilegierte die Exekutive als zwangsläufige Folge der Schaffung eines konstitutionellen Staates unter weitgehender Beibehaltung überkommener Machtstrukturen des Absolutismus. Nicht zuletzt im Zutrittsrecht manifestierte sich die noch allgegenwärtige Prärogative, die Regenten und ihren Regierungen gegenüber den Volksvertretungen zukam270 • 272 In 31 Jahren 27 Anträge von denen 8 die erforderliche Mehrheit erhielten; Übersicht in der Anlage. 273 Nach Thaysen einem DemokIesschwert vergleichbar. 274 Aufgrund der vorstehenden Überlegungen erübrigt sich ein Eingehen auf die Frage einer Umgestaltung des Zitierrechts in ein Minderheitsrecht, da hierdurch allein nach der hier vertretenen Ansicht nichts gewonnen wäre! s. dazu: Achterberg (1), S. 703 f.; zusammenfassender Überblick bei Schröder, M. (2), Rdnr. 48 ff. zu Art. 43 GG. 275 Zu Art. 43 GG; Schröder, M. (2), Rdnr. 57 (m. w. N.).

2. Abschn.: 2. Das Zutrittsrecht

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Beginnt man die Betrachtung des Zutrittsrechts in Deutschland mit seiner Aufnahme in die Paulskirchenverfassung - sieht also einmal von einer früheren Verankerung in den meisten deutschen Länderverfassungen ab - so läßt sich unter Einbeziehung des hiermit nicht vollkommen in Einklang stehenden Zutrittsrechts im Kaiserreich ein durchgehendes FesthaIten an diesem Institut konstatieren; dies selbst nach Einführung eines parlamentarischen Regierungssystems in Deutschland. Das Grundgesetz normiert an zwei Stellen Zutrittsrechte: zunächst in Art. 43. Abs. 2 Satz 1: "Die Mitglieder des Bundesrates und der Bundesregierung sowie ihre Beauftragten haben zu allen Sitzungen des Bundestages und seiner Ausschüsse Zutritt" und sodann in Art. 53 Satz 1: "Die Mitglieder der Bundesregierung haben das Recht und auf Verlangen die Pflicht, an den Verhandlungen des Bundesrates und seiner Ausschüsse teilzunehmen." Es knüpft damit in direkter Folge an Vorschriften an, wie sie bereits die Weimarer Reichsverfassung kannte (Art. 33 Abs. 2 und Art. 65 Satz 2 WRV), wenn auch den Beratungen im parlamentarischen Rat die Regelungen der Art. 55 Abs. 2 Satz 1 und 73 Abs. 1 Satz 1 eh. E. unmittelbar zugrunde gelegt worden waren276 • 2.1. Terminologism.e Grundlagen

Der begrifflichen Erfassung des Zutrittsrechts277 begegnen von vornherein nicht ähnliche Schwierigkeiten wie der des Zitierrechts. Sein Wortlaut gab bisher keinen Anlaß zu Zweifeln, sieht man einmal von einer ab und an für notwendig gehaltenen restriktiven Auslegung der Vorschrift überhaupt in wenigen Fällen ab 278 • Aus dem Wortsinn und dem Bedeutungszusammenhang, in dem der Begriff "Zutritt" steht, ist daher - anders als aus dem Begriff "Anwesenheit" - nie mehr gefolgert worden, als zunächst einmal das bloße Recht physischer Präsenz in einem Gremium. Dagegen war die Möglichkeit seitens der Regierung, das Wort zu ergreifen und Stellungnahmen abzugeben, jeweils einer besonderen Regelung vorbehalten279 • Sieht man nun von dem unter276 Art. 55111: Die Mitglieder des Bundesrates und der Bundesregierung sowie die von ihnen bestellten Beauftragten haben zu allen Sitzungen des Bundestages und seiner Ausschüsse Zutritt. - Art. 73 11: Die Mitglieder der Bundesregierung haben das Recht und auf Verlangen die Pflicht, an den Verhandlungen des Bundesrates (Senats) und seiner Ausschüsse teilzunehmen. 277 s. dazu bereits 2. Teil, Einführung. 278 Dazu noch unten 2.3.1. 279 Dies galt auch für die bayerische Verfassung von 1818, obwohl darin ein Rederecht nicht ausdrücklich normiert war. Dies ergab sich nicht nur aus

10·

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2. Teil: Zitier- und Zutritts recht im deutschen Parlamentsrecht

schiedlich großen Kreis der Berechtigten und Verpflichteten ab, so läßt sich feststellen, daß nach der hier vorgenommenen Präzisierung und insbesondere unter Zugrundelegung des Ergebnisses der Würdigung des Zitierrechts, beide Institute in diesem Rahmen vollständig korrespondieren. Dem Recht des Bundestages bzw. Bundesrates und seinen Ausschüssen auf Herbeirufung von Regierungsmitgliedern entspricht somit als Korrelat die Pflicht der Gremien, dem genannten Personenkreis Zutritt zu gewähren. Eine teilweise erheblich weiterreichende "Deckungsfähigkeit" beider Institute wird dagegen im Schrifttum und der Rechtsprechung von Vertretern der sogenannten "Korrespondenzthese" herausgestellt280 , wobei die Betonung insbesondere darauf liegt: "dem Zitierrecht einschließlich des Frage- oder (und) Interpellationsrechts des Bundestages (gegenüber der Bundesregierung) nach Abs. 1 steht auf der anderen Seite das Recht des Bundesrates und der Bundesregierung (sowie ihrer Beauftragten) auf Anhörung nach Abs. 2 gegenüber"281. Der häufigen Absicht, mit der Korrespondenzthese nicht zuletzt einem Rederecht der Bundesregierung eine Auskunftspflicht gegenüberzustellen, wie überhaupt eine weiterreichende Korrespondenz von Zutritts- und Zitierrecht herauszustellen, muß nach der hier vertretenen Ansicht entgegengetreten werden282 . Eine Korrespondenz ist nur im Rahmen der oben angenommenen Präzisierung zu bejahen. Die hier verbrieften Rechte und Pflichten müssen auf das zurückgeführt werden, was sie zunächst einmal beinhalteten: Recht auf Herbeirufung bzw. Zutritt, nicht mehr. Sind weitergehende Rechtsfolgen gewollt, so fanden und finden sie im Zusammenspiel mit jenen Instituten ausdrücklich Erwähnung. Dies unterstreicht unter anderem der oben vorgenommene geschichtliche Rückblick. Danach gab es durchaus eine Normierung weitergehender Rechte und Pflichten, die ihrerseits wiederum korrespondierten. Beispielshaft müssen hierfür die Vorschriften der §§ 121, 122 der Paulskirchenverfassung genannt werden. Darin normierte der Gesetzgeber im Anschluß an das eigentliche Zutritts recht ein Redeund Anhörungsrecht ("und jederzeit von denselben gehört zu werden"), dem er dann im Anschluß an das Zitierrecht eine Pflicht zur Auskunftserteilung gegenüberstellte ("und Auskunft zu erteilen oder den Grund dem damaligen Staatsverständnis, aus der Machtvollkommenheit des Regenten, der ja auch die Kammer eröffnete oder vertagte, sondern wenig später schon aus der Geschäftsordnung selbst. 280 s. u. a. SBK, S. 490 Rdnr. 1; Versteyhl, S. 473 f. Rdnr. 1 in: v. Münch; Frost, S. 47 f., 62; einschränkend MDHS, Rdnr. 10 zu Art. 43 GG; Pietzner, S. 45; Achterberg (4), S. 61; NdsSTGH, AOR 83, S. 423 ff., 430. 281 So vMK, S. 937 und NdsSTGH, AOR 83, S. 423 ff., 430. 282 Gegen die Korrespondenzthese, allerdings mit anderer Ziel richtung, Schröder, M. (2), Rdnr. 52 zu Art. 43 GG.

2. Abschn.: 2. Das Zutrittsrecht

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anzugeben, weshalb dieselbe nicht erteilt werden könne"). Ließ der Gesetzgeber - im konstitutionellen Staat nicht ohne Absicht - etwa eine Auskunftspflicht entfallen, so mangelte es damit an einer vollständigen Korrespondenz beider Institute nicht nur hinsichtlich des Kreises der Berechtigten und Verpflichteten. Der wesentlichere "Mangel" in der Korrespondenz beider Institute lag und liegt auch noch nach dem Grundgesetz bei Einschluß von Rederecht und Anhörungsrecht in der fehlenden Regelung eines Auskunftsrechts, denn die Auslegung des Art. 43 Abs. 1 GG vermochte gerade diesen "Mangel" nicht zu kompremieren283 . Demnach darf gesagt werden: das Zutrittsrecht räumt dem berechtigten Personenkreis die verfassungsmäßig verbürgte Möglichkeit ein, in den genannten Gremien präsent zu sein. Damit eng verbunden, aber nicht damit gleichzusetzen, ist dann in der Regel das ebenfalls verfassungsmäßig verbürgte Recht dieses Personenkreises, jederzeit gehört werden zu müssen284 . Abgesehen von dieser begrifflichen Erfassung des Zutritts rechts läßt sich die Ausübung des Zutrittsrechts und damit eine etwaige Teilnahme an Verhandlungen von Bundestag, Bundesrat und ihren Ausschüssen als Regierungsakt bezeichnen285 . Die Ausübung des Rechts liegt im Ermessen der Mitglieder des Bundesrates und der Bundesregierung286 . Die Verwehrung des Zutritts würde einen verfassungswidrigen Eingriff in ihre Rechte darstellen. Soweit sich ein Streit aufgrund der Nichtbeachtung der entsprechenden Verfassungsnormen oder über die richtige Auslegung (etwa bei Sitzungen von Untersuchungs- oder Wahlprüfungsausschüssen) dieser Normen entwickelte, wäre Gegenstand dieses Streits die gegenseitige rechtliche Beziehung von Trägern (öffentlicher) Regierung bzw. öffentlicher Organe, die demselben "Verfassungsrechtskreis" angehörten. Damit läge ein öffentlich rechtlicher Streit verfassungsrechtlicher Art vor. Demnach bestünde die Möglichkeit einer Organklage gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG in Verbindung mit § 13 Nr. 5 VerfGG287. Neben der Regelung in der Verfassung selbst erfährt das Zutrittsrecht noch eine Behandlung in verschiedenen Geschäftsordnungen. Da 283 Vgl. demgegenüber die Vorschriften nach Art. 104 Abs. 2 der niederl. Verf. sowie Art. 52 Abs. 1 der österr. Verf. 284 Im Ergebnis so auch: Model/Müller, Anm. 2 zu Art. 43 GG und Schröder, M. (2), Rdnr. 71 zu Art. 43 GG; Piet~er hält zwar ein Zutrittsrecht ohne Rederecht für sinnlos (S. 43 Fn. 1), erkennt andererseits aber die Berechtigung als bloßes Beobachtungsrecht durchaus an. !8G s. dazu oben in diesem Abschnitt 1.1.3.4.1. 288 s. dazu bei Kassimatis, S. 102 Nr. 9 und dort auch Fn. 46. 287 Im übrigen s. dazu oben in diesem Abschnitt 1.1.3.4.2.

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2. Teil: Zitier- und Zutritts recht im deutschen Parlamentsrecht

an eine geschäftsordnungsmäßige Handhabung allerdings nicht ähnliche Anforderungen - insbesondere hinsichtlich des Verfahrens - wie an 'ein Z'itierrecht zu steHen sind, erscheinen die Vorschriften beispielsweise in der Geschäftsordnung des Bundestages auch vergleichsweise weniger aussagekräftig. Ausdrücklich findet das Zutrittsrecht dort keine (nochmalige) Erwähnung. Es wird bereits vorausgesetzt, wenn nämlich § 43 288 GOBT "nur" ein Recht auf jederzeitiges Gehör im Plenum unmittelbar im Anschluß an die geschäftsordnungsmäßige Behandlung des Zitierrechts aufgreift. Dementsprechend fehlt ebenfalls eine ausdrückliche Regelung des Zutrittsrechts zu den Ausschüssen. Hier trifft die Geschäftsordnung lediglich eine Aussage über eine "Unterrichtungspflicht" (§ 61 GOBT) gegenüber Zutrittsberechtigten289 . § 61 Abs. 3 GOBT steht zwar augenscheinlich im Zusammenhang mit Art. 43 Abs. 2 GG. Das Zutritts recht als solches wird aber hier gleichfalls vorausgesetzt und angesichts der klaren grundgesetzlichen Vorschrift290 eine ergänzende oder wiederholende Regelung in der Geschäftsordnung des Bundestages offensichtlich für überflüssig erachtet. Nur wenig mehr sagt daher auch die Geschäftsordnung des Bundesrates über dieses Institut aus. Ein Zutritts recht von Mitgliedern der Bundesregierung setzt die Geschäftsordnung ebenfalls voraus, wenn darin gleichsam "nur" eine Unterrichtungspflicht über Sitzungen des Bundesrates und seiner Ausschüsse festgelegt wird (§§ 15 Abs. 5; 37 Abs. 1)291. Da Art. 53 Satz 1 GG den Kreis der Zutrittsberechtigten gegenüber Art. 43 Abs. 2 Satz 1 GG auf Mitglieder der Bundesregierung beschränkt, nimmt die Geschäftsordnung insoweit eine "Korrektur" vor. Sie dehnt den Kreis der Berechtigten aus (§§ 18, 44 Abs. 1)292. Hierneben enthalten des weiteren die Geschäftsordnungen des Gemeinsamen Ausschusses (Art. 53 a GG) und des Vermittlungsausschusses (Art. 77 GG) eine dem Art. 53 Satz 1 GG nachgebildete Regelung über ein Zutritts recht zu diesen Ausschüssen (§ 11 Abs. 2 GOGA; § 5 GOVermA)293. 288 Die Mitglieder der Bundesregierung und des Bundesrates sowie ihre Beauftragten müssen nach Art. 43 Abs. 2 des Grundgesetzes auf ihr Verlangen jederzeit gehört werden. 289 Ort, Zeit und Tagesordnung jeder Ausschußsitzung sind den beteiligten Ministerien und dem Bundesrat mitzuteilen. s. dazu bei vMK, S. 939. 290 s. etwa Pietzner (1), S. 44. 291 § 15 Abs. 5 auf den § 37 Abs. 1 verweist: Ort, Zeit und die vorläufige Tagesordnung jeder Sitzung werdender Bundesregierung mitgeteilt. 292 § 18: An den Verhandlungen des Bundesrates können auch die Berichterstatter des Verrriittlungsausschusses und die Staatssekretäre des Bundes teilnehmen, andere Personen nur, wenn der Präsident dies zuläßt. - § 40 I: Mitglieder des Bundesrates und Beauftragten der Landesregierungen, die nicht Mitglieder der Ausschüsse sind, sowie Beauftragte der Bundesregierung können an Verhandlungen der Ausschüsse und Unterausschüsse ohne Stimmrecht teilnehmen.

2. Abschn.: 2. Das Zutrittsrecht

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2.2. Aktivlegitimierie

Die vom Grundgesetz in Art. 43 und 53 gewährten Zutrittsrechte zu den bezeichneten Gremien weisen Unterschiede im wesentlichen lediglich hinsichtlich des Kreises der Berechtigten auf. Dabei soll auch an dieser Stelle der Hinweis nicht fehlen, daß Art. 43 Abs. 2 Satz 1 GG zwar seinen Platz im Gefüge der Beziehungen zwischen Parlament und Regierung einnimmt, aber dennoch nicht als Ausfluß eines parlamentarischen Regierungssystems zu würdigen ist294 • In dieses Gefüge wird der Bundesrat auf grund seiner besonderen Stellung im föderalistischen Aufbau der Bundesrepublik im allgemeinen und seines Einflusses im Gesetzgebungsverfahren im besonderen hineingeschaltet, um sich über Vorgänge im Parlament, die seine Interessen und damit auch die der Länder berühren, frühzeitig informieren zu können. Dieses Hineinschalten läßt ihn jedoch nicht am parlamentarischen Regierungssystem teilhaben. Ebenso liegen die durch Art. 53 GG geschaffenen Beziehungen zwischen Bundesrat und Bundesregierung "außerhalb" des parlamentarischen Regierungssystems. Dennoch kommt dem Zutritts recht nach Art. 53 GG zum Bundesrat für die Bundesregierung praktisch eine weitaus größere Bedeutung zu als ihrem Zutrittsrecht nach Art. 43 Abs. 2 Satz 1 GG. Da der Bundesrat im System der Bundesrepublik einen durchaus ernstzunehmenden Machtfaktor für die Regierung darstellen kann, hat sie ein Interesse daran, sich beispielsweise über den aktuellen Stand eines Gesetzgebungsverfahrens im Bundesrat und seinen Ausschüssen auf dem Laufenden zu halten. Während nun ihr Zutrittsrecht zum Bundestag in aller Regel zweitrangig ist, da Regierungsmitglieder überwiegend gleichzeitig Abgeordnetenstatus besitzen295 , dürfen sie demgegenüber nicht zugleich Mitglieder des Bundesrates sein296 • Sie sind damit auf das Zutritts recht des Art. 53 Satz 1 GG angewiesen.

293 § 5 GOVermA, in Klammern die Fassung des § 11 Abs. 2 GOGA: Die Mitglieder der Bundesregierung haben das Recht und auf Beschluß des Ausschusses die Pflicht, an den (allen) Sitzungen (des Gemeinsamen Ausschusses) teilzunehmen. 294 So aber Versteyl, Rdnr. 1 zu Art. 43 GG, in: v. Münch; s. dagegen hierzu oben in diesem Abschnitt 1.4.2.3. 295 überblick über die Regierungsmitglieder ohne Bundestagsmandat bei Schindler (2), S. 194/95. 296 Wie hier vMK, S. 1287 IV 2 d, 3 m. w. N.; a. A. Giese, ErI. 11 1 zu Art. 43 GG; wie hier auch Liesegang, S. 760 Rdnr. 4, in: v. Münch; es bestünden allerdings keine Bedenken gegen eine Regelung, wie nach der WRV oder der USVerf., wonach ein Regierungsmitglied bspw. den Vorsitz im Bundesrat führt. s. auch bei Ziller, S. 43.

152

2. Teil: Zitier- und Zutrittsrecht im deutschen Parlamentsrecht

2.2.1. Die Mitglieder des Bundesrates und ihre Beauftragten Als Inhaber eines Zutritts rechts nach Art. 43 Abs. 2 Satz 1 GG nennt das Grundgesetz an erster Stelle die Mitglieder des Bundesrates und ihre Beauftragten. Der exponierten Stellung - vor Nennung der Regierungsmitglieder - kommt allerdings ganz offensichtlich keine weitere Bedeutung zu. Der Gesetzgeber dürfte bei dieser Aufzählung vielmehr den Aufbau des Grundgesetzes im Auge gehabt haben, wonach der Bundesrat im IV. Abschnitt, die Bundesregierung dagegen im VI. Abschnitt Erwähnung findet 297 . Mitglieder des Bundesrates (Art. 51 Abs. 1 GG) sind von den Länderregierungen bestellte Mitglieder dieser Regierungen. Es handelt sich somit um einen Personenkreis, dem in den Länderkabinetten "Sitz und Stimme" gebührt298 , also Ministerpräsidenten, Ministern bzw. Bürgermeistern und Senatoren, daneben in Bayern (Art. 43 Abs. 2 BayVerU) und Baden-Württemberg (Art. 45 Abs. 2 Satz BadWü VerfU) Staatssekretären und Staatsräten. Den formalen Anspruch, der an eine Bestellung als Mitglied des Bundesrates gestellt wird, umschreibt § 1 GOBR299. Zutrittsberechtigt sind in erster Linie die "ordentlichen" Mitglieder des Bundesrates30o . Daneben zählt die Geschäftsordnung des Bundesrates ebenfalls die stellvertretenden Mitglieder zu "seinen" Mitgliedern (§ 46 GOBR)301. Bereits die Wendung "im Sinne dieser Geschäftsordnung" gibt jedoch einen Hinweis darauf, daß diese Stellvertreter zwar im Organ "Bundesrat" in die Funktion der "ordentlichen" Mitglieder voll hineinwachsen, damit aber sicher kein Zutritts recht nach Art. 43 Abs. 2 Satz 1 GG in Anspruch nehmen können. Die Geschäftsordnung vermag ihnen ein solches Recht nicht einzuräumen. Zutrittsberechtigt sind sie erst dann, wenn sie den Platz eines ordentlichen Mitgliedes einnehmen, und zwar lediglich für die Dauer der Vertretung, dann jedoch im gleichen Umfang 302 . Während den gesetzlichen Bestimmungen (Art. 43 Abs. 2 Satz 1; 51 Abs. 1; § 1 GOBR) klar zu entnehmen ist, wer Mitglied des Bundesrates ist, trifft das Grundgesetz keine Bestimmung darüber, wer "Beauf297 So auch Schröder, M. (2), Rdnr. 53 zu Art. 43 GG. 298 So Schäfer, H., S. 34; Ziller, S. 38. 299 Die Regierungen der Länder teilen dem Präsidenten des Bundesrates die Namen der Mitglieder des Bundesrates, den Zeitpunkt ihrer Bestellung als Mitglieder des Bundesrates und der Landesregierungen und den Zeitpunkt des Erlöschens ihrer Mitgliedschaft mit. 300 Wie hier MDHS, Rdnr. 11 zu Art. 43 GG; Schönfeld, S. 109; Schröder, M. (2), Rdnr. 60 zu Art. 43 GG. 801 Mitglieder des Bundesrates und seiner Ausschüsse im Sinne dieser Geschäftsordnung sind auch die stellvertretenden Mitglieder. 302 Schönfeld, S. 109; Schröder, M. (2), Rdnr. 60 zu Art. 43 GG; a. A. Ziller, S. 75; Vonderbeck (1), S. 555.

2. Abschn.: 2. Das Zutrittsrecht

153

tragter" sein kann. Einer Bestimmung des Kreises der in Frage kommenden Personen stehen von daher nicht die gleichen Einschränkungen entgegen, wie der der Mitglieder selbst. Sie brauchen folglich nicht notwendigerweise einer Landesregierung anzugehören. Es kommen somit auch Beamte aus der Ministerialbürokratie in Betracht. Welche Mindestanforderungen an die Qualifizierung eines Beauftragten im übrigen zu stellen sind, wird nicht einheitlich beantwortet303 • Unbedenklich dürfte es sein, den Anspruch zu erheben, ein Beauftragter im Sinne des Art. 43 Abs. 2 Satz 1 GG müsse einen gewissen "Handlungsspielraum" besitzen, der es ihm ermöglicht, nicht allein die Funktion eines "Boten" im Sinne bürgerlichen Rechts zu erfüllen. Hierfür spricht einmal die in Art. 43 Abs. 2 angelegte Gleichwertigkeit von "Mitglied" und "Beauftragter" und die Verwendung des Begriffs "Beauftragter" im Gegensatz etwa zu "Abgesandter". Demnach darf als Mindestqualifikation ein, wenn auch nur geringer, Verhandlungsspielraum und damit auch ein gewisses Verhandlungsvermögen angenommen werden304• Die hieran zu stellenden Anforderungen finden unter anderem Ausdruck und zugleich eine Begrenzung in den Bestimmungen der §§ 1 ParlStG i. V. m. § 14 Abs. 2 GOBuReg sowie §§ 28 GOBuReg; 41 GGO II und 55 BBG, die hier zur Klärung herangezogen werden können. Danach muß ein Beauftragter in der Lage sein, die von der Bundesregierung beschlossenen Vorlagen "vertreten" zu können. Diese Bestimmungen vermögen allerdings die von der Verfassung selbst aufgezeigten weiten Grenzen weder zu erweitern noch einzuschränken. Demnach wird deutlich, daß an die Qualifikationsmerkmale keine strengen Anforderungen gestellt werden können, zumal auch eine Gegenüberstellung der Funktionen von Beauftragten und Boten, die zur Abgrenzung herangezogen worden sind, sich partiell überschneiden und damit starre Grenzen nicht festlegen lassen. Von daher liegt es zwar im Interesse des Auftraggebers, einen Beauftragten zu entsenden, der neben tatsächlichem Verhandlungsspielraum auch ein möglichst großes Verhandlungsvermögen besitzt. Der Auftraggeber ist jedoch hierzu gerade dann sicher nicht gezwungen, wenn er einen Beauftragten entsendet, der ggf. lediglich den Verlauf einer Plenarsitzung beobachten soll und nicht von vornherein mit der Marche ausgestattet wurde, Erklärungen für die Regierung abzugeben. Demnach genügt es grundsätzlich, wenn ein Beauftragter einen Informationsstand besitzt, der es ihm ermöglicht, die Auffassung bspw. des Auftraggebers reflektieren zu können. 303 vMK, S. 938; SBK, S. 492; MDHS, Rdnr. 12 zu Art. 43 GG; Schröder, M. (2), Rdnr. 62 zu Art. 43 GG. 304 So im Ergebnis auch Schönfeld, S. 95 f.; Schröder, M. (2), Rdnr. 62 zu Art. 43 GG; MDHS, Rdnr. 12 zu Art. 43 GG.

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2. Teil: Zitier- und Zutrittsrecht im deutschen Parlaments recht

Beauftragten obliegt schließlich nicht die Pflicht, sich in irgendeiner Weise zu legitimieren305 . In der Praxis findet sich allerdings die Tendenz, bei vertraulichen Sitzungen die Teilnehmerzahl klein zu halten. Es erscheinen dann nur "besonders benannte, auf Geheimhaltung verpflichtete Beauftragte" 306. Die Bestellung eines Unterbeauftragten durch einen Beauftragten scheidet nach dem Wortlaut des Art. 43 Abs. 2 Satz 1 GG aus, denn dabei handelt es sich nicht um "ihre", d. h. um Beauftragte der Mitglieder des Bundesrates307 . Während die Beauftragung nach dem Wortlaut des Grundgesetzes offensichtlich nur durch ein Mitglied des Bundesrates möglich erscheint, findet sich häufig der Hinweis, daß der Bundesrat darüber entscheidet, wer Beauftragter ist308 . Dem ist nur zuzustimmen, wenn man präziser ausdrückt, daß dem Bundesrat auch die Möglichkeit offensteht, Beauftragte zu bestellen. Um zu diesem Ergebnis zu gelangen, erscheint grundsätzlich weder eine Wortlautkorrektur erforderlich, noch die Begründung der Zulässigkeit einer solchen Beauftragung mit dem im Einklang stehenden "Inhalt und Kooperationszweck des Zutrittsrechts"309. Bestellte nämlich der Bundesrat etwa durch Beschluß im Plenum einen Beauftragten, um Bundesratsbeschlüsse im Bundestag und dessen Ausschüssen vertreten zu lassen (§ 33 GOBR), so wäre jener letztlich Beauftragter der Mitglieder des Bundesrates. Seine Beauftragung selbst erfolgte dann lediglich seitens mehrerer Auftraggeber, die den einen Auftraggeber, den Bundesrat, in ihrer Gesamtheit oder Mehrheit, verkörpern könnten, wobei ein derart gefaßter Beschluß als Wille des gesamten Bundesrates einschließlich der überstimmten Minderheit gelten würde, denn auch sie akzeptierte ja, daß der Wille der Mehrheit als Wille des (gesamten) Organs Geltung beanspruchte. Damit kann kein Widerspruch zu Art. 43 Abs. 2 GG beobachtet werden. Von daher bestehen folglich keine Bedenken gegen eine Beauftragung durch den Bundesrat als Gesamtorgan. Darüber hinaus verdient in diesem Zusammenhang die Stellung des Bundesratspräsidenten eine besondere Beachtung. Sie darf als janusköpfig bezeichnet werden. Einmal ist er 305 § 77 GOBR a. F. lautete dagegen: Die in den Sitzungen des Bundestages und ins einen Ausschüssen auftretenden Beauftragten der Mitglieder des Bundesrates (Art. 43 des Grundgesetzes) sind durch Auftragsschreiben eines Mitgliedes des Bundesrates zu legitimieren. 308 So Schröder, M. (2), Rdnr. 63 zu Art. 43 GG; Vonderbeck (1), S. 558; Schönfeld, S. 112 f. 307 Ebenso Schönfeld, S. 112; Schröder, M. (2), Rdnr. 64 zu Art. 43 GG. 308 s. § 33 S. 1 GOBR; der Bundesrat kann seine Mitglieder beauftragen, seine Beschlüsse im Bundestag und in dessen Ausschüssen zu vertreten. s. daneben Lechner / Hülshoff, S. 287 Anm. 1 zu § 33; SBK, S. 492; vMK, S. 938: MDHS, Rdnr. 12, 15 zu Art. 43 GG. 309 s. bei MDHS, Rdnr. 15 zu Art. 43 GG; Schönfeld, S. 95.

2. Abschn.: 2. Das Zutrittsrecht

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nämlich Mitglied des Bundesrates. Dieser wählt ihn für ein Jahr ohne Aussprache aus seinen Mitgliedern (§ 5 GOBR). Er verkörpert auf der anderen Seite durch seine Stellung und Funktion gleichsam das Organ "Bundesrat" (§ 6 GOBR). In dieser Funktion bleibt er dennoch Mitglied des Bundesrates und besitzt damit die Handhabe, Beauftragte zu bestellen, und zwar auch für den Bundestag, soweit die laufenden Geschäfte dies erfordern und er sich damit nicht in Widerspruch setzt mit etwaigen Beschlüssen des Plenums oder der Ausschüsse. In der Praxis gelten daher auch die höheren Beamten des Sekretariats des Bundesrates als Beauftragte des Bundesratspräsidenten310. 2.2.2. Mitglieder der Bundesregierung und ihre Beauftragten Der Begriff Mitglieder der Bundesregierung erfährt ebenso wie in kbs. 1 des Art. 43 GG seine Präzisi!erung durcl1 Art. 62 GG311. Neben Bundeskanzler und Bundesministern räumt Art. 43 Abs. 2 S. 1 GG auch ihren Beauftragten ein Zutrittsrecht ein. Diese Regelung geht damit über die Vorschrift des Art. 53 Satz 1 GG hinaus. Über den Kreis bzw. die Bestimmung des Kreises der Beauftragten trifft Art. 43 GG ebensowenig eine Aussage, wie über den Kreis der Beauftragten der Bundesratsmitglieder. Es steht somit grundsätzlich im Ermessen der Regierungsrnitglieder, ihre Auswahl zu treffen. Dabei steht es ihnen frei, ob eine Beauftragung für den Einzelfall oder generell erfolgt. Allerdings beanspruchen die Mindestqualifikationsmerkmale, wie sie für Beauftragte der Bundesratsmitglieder vorangestellt wurden, hier ebenfalls Geltung. Dabei bestehen gleichsam keine Bedenken, die Beauftragung durch die Bundesregierung als Kollegialorgan für zulässig zu erachten312 • 2.3. Reidlweite des zutrittsredlts

Besitzen nun die Mitglieder der Bundesregierung nach Art. 43 Abs. 2 und 53 Satz 1 GG die Möglichkeit jederzeitiger Präsenz im Bundestag, Bundesrat und seinen Ausschüssen, so steht ihren Beauftragten verfassungsmäßig nur ein Zutrittsrecht zum Bundestag und seinen Ausschüssen zu. Hier trifft die Geschäftsordnung des Bundesrates allerdings 310 s. bei Ziller, S. 75; Vonderbeck (1), S. 558; im übrigen sei angemerkt, daß in der Praxis im Parlamentsplenum regelmäßig nur ordentliche Mitglieder des Bundesrates auftreten, in den Parlamentsausschüssen dagegen überwiegend Beamte der Länder. - Schröder, M. (2), Rdnr. 67 zu Art. 43 GG m. w. N. 311 s. dazu oben in diesem Abschnitt 1.3. 312 Ebenso MDHS, Rdnr. 15 zu Art. 43 GG; Fauser, S. 28; Schönfeld, S. 95; Schröder, M. (2), Rdnr. 68 zu Art. 43 GG.

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2. Teil: Zitier- und Zutritts recht im deutschen Parlamentsrecht

eine ergänzende Regelung. Nach § 18 Abs. 1 GOBR können Staatssekretäre des Bundes ohne weitere Voraussetzungen an den Sitzungen des Bundesratsplenums teilnehmen. Andere Beamte - also insbesondere aus der Ministerialbürokratie - müssen vom Bundesratspräsidenten zugelassen werden. Im übrigen verleiht § 18 Abs. 2 GOBR der Bundesregierung ein großzügiges Beiziehungsrecht von Beauftragten313 • Diesem Personenkreis gewährt § 40 GOBR zugleich ein Zutrittsrecht zu Ausschüssen sowie Unterausschüssen. Es findet dabei aber keine Unterscheidung der Rechtsstellung von Staatssekretären gegenüber der von "anderen Personen" statt. Es ist vielmehr global von Beauftragten die Rede (§ 40 Abs. 1). In der parlamentarischen Praxis hat sich, ähnlich wie für Plenarsitzungen des Bundesrates, für Plenarsitzungen des Bundestages die Übung herausgebildet, (fast) ausschließlich Staatssekretäre - heute in aller Regel nur noch parlamentarische Staatssekretäre - als Beauftragte zu entsenden, während in den Parlamentsausschüssen im allgemeinen lediglich höhere Beamte aus der Ministerialbürokratie auftretenS14 • Daraus ergibt sich jedoch kein verfassungsmäßiges Gebot, die Auswahl von Beauftragten der Regierung in dieser Weise vorzunehmen. Das Ermessen bei der Ernennung und Auswahl von Beauftragten wird also insoweit nicht eingeschränktS15 • Eine Beauftragung von Beamten aus der Ministerialbürokratie überhaupt muß daher nach Art. 43 Abs. 2 Satz 1 GG auch für Plenarsitzungen als unbedenklich zulässig erachtet werden S16 • Abgesehen von einer unzulässigen Einschränkung der Auswahl eines Beauftragten im Hinblick auf dessen Person über das aufgezeigte Maß hinaus kommen ebenfalls keine Beschränkungen in sachlicher oder thematischer Hinsicht nach Art. 43 Abs. 2 GG in Betracht, etwa als Parallele zur Forderung nach Einschränkung des Zitierrechts insoweit, als nur ein zuständiger Minister herbeigerufen werden könnte S17• Sinn und Zweck des Zutritts rechts werden nämlich dann überstrapaziert, wenn man zwingend fordert, die Beauftragten müßten in der Beratung Lechner / Hülshoff, S. 280; SBK, S. 537. Schröder, M. (2), Rdnr. 69 zu Art. 43 GG; Fauser, S. 30, Fn. 4; vMK, S. 938; Schönfeld, S. 98; Lechner / Hülshoff, S. 206 Fn. 1 zu § 47; vgl. auch § 3 GGO 11, S. 414 ff.: Die erste und zweite Sitz-Reihe der Regierungsbank sind für die Bundesminister, Parlamentarischen Staatssekretäre und Staatssekretäre vorgesehen. - Andere Angehörige von Ministerien sollen auf der Regierungsbank nur Platz nehmen, wenn ihre Anwesenheit zu den einzelnen Punkten der Tagesordnung zwingend notwendig ist. 315 Schröder, M. (2), Rdnr. 69 zu Art. 43 GG m. w. N.; a. A. Fauser, S. 30; Schönfeld, S. 98 ff. 311 a. A. Schönfeld, S. 99. 317 s. in diesem Abschnitt 1.3.1.; s. aber auch Schönfeld, S. 98 ff. 313

814

2. Abschn.: 2. Das Zutrittsrecht

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zu den Tagesordnungspunkten stets sachlich und persönlich "interpellationsfähig sein". Selbst dann, wenn man das Zutritts recht als Teilnahmerecht charakterisiert318 , obliegt es den jeweiligen Zutrittsberechtigten selbstverständlich nicht, etwa Stellungnahmen abgeben oder sich in anderer Weise durch Wortbeiträge beteiligen zu müssen, wenn es ihnen nicht opportun erscheint319 • Das Zutrittsrecht ist nach wie vor als ein Recht der Regierung anzusehen, das in den aufgezeigten Grenzen mit dem Zitierrecht korrespondiert, aber keinen Kooperationszwang beinhaltet, wenn auch eine kooperationsfördernde Wirkung offen hervortritt. Eine Ermessensreduzierung bei der Auswahl von Beauftragten kann folglich nicht akzeptiert werden. Andernfalls erführe nämlich das Zutrittsrecht eine gänzlich neue Qualität, und zwar durch eine Betonung von Elementen jeweils aus Zitier- und Rederecht, die hier unzulässiger Weise in das Zutrittsrecht integriert würden. Das Zutrittsrecht gewährt somit die Möglichkeit zur Teilnahme, zwingt aber nicht von sich aus zur aktiven Teilnahme. Die Entscheidung darüber, wer als Beauftragter in welches Gremium zu entsenden ist, kann daher allenfalls als Stil-, nicht aber als Rechtsfrage betrachtet werden320 • Das Zutrittsrecht der Mitglieder des Bundesrates und ihrer Beauftragten unterliegt nach dem klaren Wortlaut des Art. 43 Abs. 2 Satz 1 GG ebenfalls keiner sachlichen, thematischen oder personellen Beschränkung. Es ist vor allem nicht davon abhängig, ob etwa im Bundestag Themen zur Debatte stehen, die mit dem Kompetenzbereich des Bundesrates korrespondieren. Vielmehr meint Art. 43 Abs. 2 Satz 1 GG alle Sitzungen des Bundestages und seiner Ausschüsse321 • Allerdings werden bedeutende Gesetzesvorlagen oder politisch brisante Themen, die auch dem Kompetenzbereich des Bundesrates zuzuordnen sind, im besonderen Maße Sachzwänge ausüben. Bundesratsmitglieder und ihre Beauftragten werden ihr Zutrittsrecht daher in derartigen Fällen in erster Linie in Anspruch nehmen. Damit eröffnet sich ihnen frühzeitig die Möglichkeit, an einer Normgestaltung mitwirken zu können und eine sonst erforderliche Anrufung des Vermittlungsausschusses bereits im Vorfeld ggf. auszuräumen. Ein in diesen Fällen ausgeübtes Zutrittsrecht erkennt zwar gerade die besondere Bedeutung für die gemeinsame Gesetzgebungsfunktion von Bundesrat und Bundestag an, sie zwingt aber zu keiner einschränkenden Interpretation des Zutrittsrechts. 318 s. u. a. Schönfeld, m. w. N. S. 99 f. 319 a. A. Schönfeld, S. 99 f. und insbes. S. 106 ff., der einen Beauftragten, der als Beobachter fungiert (S. 107), ablehnt. 320 Ebenso im Ergebnis Schröder, M. (2), Rdnr. 69 zu Art. 43 GG; SBK, S. 492; MDHS, Rdnr. 13 zu Art. 43 GG. 321 So auch Schröder, M. (2), Rdnr. 54 zu Art. 43 GG; a. A. Schönfeld, S. 109 ff., 143.

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2. Teil: Zitier- und Zutritts recht im deutschen Parlamentsrecht

Die Forderung nach der hier bezeichneten Beschränkung des Zutrittsrechts ist tendenziell bereits in der These enthalten, wonach die Mitglieder des Bundesrates nur als Vertreter des Bundesrates, nicht dagegen als Vertreter der Länder ein Zutrittsrecht besäßen322 • Diese These kann so ebenfalls nicht akzeptiert werden. Zwar ist Art. 43 Abs. 2 Satz 1 GG zu entnehmen, daß die ordentliche Mitgliedschaft im Bundesrat zunächst einmal eine Zutrittsvoraussetzung darstellt s23 • Die Bundesratsmitglieder sind damit aber nicht in jedem Fall allein Vertreter des Bundesrates, sondern können als Mitglieder des Bundesrates zugleich als Vertreter ihrer Länder auftreten, wenngleich sie auch kein Zutrittsrecht als Bevollmächtigte der Länder als solche beim Bund in Anspruch nehmen dürfen s24 • Wären sie allein Vertreter des Bundesrates, die einzig dessen Beschlüsse zu vertreten hätten, so müßte die Regelung des Art. 43 Abs. 2 Satz 1 GG unverständlich bleiben, wonach gerade allen Mitgliedern des Bundesrates und nicht nur seinen Bevollmächtigten ein Zutritts recht gewährt wird. Der Hinweis auf eine Verkennung der Rechtslagenänderung gegenüber Art. 33 Abs. 2 Satz 2 WRV vermag im übrigen auch nicht zu überzeugen und damit die obige These zu untermauern. Zwar waren nach Art. 33 WRV die Länder berechtigt, in die Sitzungen des Reichstages und seiner Ausschüsse Bevollmächtigte zu entsenden. Diese Bevollmächtigten waren allerdings in der Praxis zugleich Bevollmächtigte zum Reichsrat entsprechend einer Regelung der Geschäftsordnung des Reichsrates 325 • Danach liegt eine Veränderung der Rechtslage nunmehr allein darin, daß der Bundesrat auch als solcher berechtigt ist, seine Interessen durch seine Mitglieder im Bundestag und in den Bundestagsausschüssen vertreten zu lassen326 • Die heute fehlende Möglichkeit der Länder, ihre Beauftragten direkt zu entsenden, kann demnach nicht als derart gravierende Änderung verstanden werden, die es nahe legen müßte, die Regelung des Art. 43 GG so zu verstehen, daß die Mitglieder des Bundesrates lediglich noch als Bevollmächtigte des Bundesrates auftreten dürften. Danach kann zusammenfassend gesagt werden: Art. 43 Abs. 2 Satz 1 und Art. 53 Satz 1 GG gewähren dem darin genannten Kreis von Berechtigten den Zutritt zu allen Plenarsitzungen des Bundesrates, Bundestages, sowie Sitzungen ihrer Ausschüsse, und zwar grundsätzlich ohne jede Beschränkung. Das Zutritts recht gebietet keine Kooperation 322 s. bei vMK, S. 938; Schäfer, S. 59; MDHS, Rdnr. 11 zu Art. 43 GG; Versteyl, Rdnr. 28 zu Art. 43 GG; in: v. Münch. 323 So auch Vonderbeck (1), S. 556. 324 So schon v. Mangoldt (1), S. 245; s. auch Vonderbeck (1), S. 556; Schröder, M. (2), Rdnr. 55 zu Art. 43 GG. 325 s. dazu bei Anschütz (1), S. 314; v. Mangoldt (1), S. 245. 328 So im Ergebnis auch Schröder, M. (2), Rdnr. 55 zu Art. 43 GG m. w. N.

2. Abschn.: 2. Das Zutrittsrecht

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zwischen den obersten Verfassungsorganen. Es eröffnet lediglich die Möglichkeit zu Kontakten und dient u. a. als Grundlage für ein Redeund Anhörungsrecht. Lediglich an die Person der Beauftragten im Sinne des Art. 43 Abs. 2 GG sind Mindestanforderungen zu stellen, die sich aus der Verwendung des Begriffes "Beauftragter" selbst ergeben. Sie sind jedoch insbesondere angesichts eines mangelnden Kooperationszwanges nicht zu überspannen.

2.3.1. Zutrittsrecht zu Ausschüssen von Bundesrat und Bundestag Während das Zutrittsrecht zu Plenarsitzungen von Bundestag und Bundesrat - abgesehen von den vorangestellten grundsätzlichen Erwägungen - keine Probleme aufgibt, sind jene Stimmen nicht zu überhören, die eine Einschränkung des Zutritts rechts zu bestimmten Ausschüssen fordern. Sie weisen zu Recht darauf hin, daß die Arbeit verschiedener Ausschüsse des Bundestages durch ein uneingeschränktes Zutrittsrecht behindert, wenn nicht gar im Einzelfall in Frage gestellt werde 327 • Soweit nämlich Regierungs- und Verwaltungskontrolle im weitesten Sinne geübt werden soll, besteht die Gefahr, die Effektivität derartiger Kontrollen dann zu untergraben, wenn sich die zu Kontrollierenden über alle Schritte ihrer Kontrolleure unterrichten dürfen. Zutrittsbeschränkungen sind von daher für jene Ausschüsse in Betracht zu ziehen, die solche Kontrollaufgaben wahrnehmen. Zu nennen sind hierfür der Wahlprüfungsausschuß, Untersuchungsausschüsse sowie der Petitionsausschuß. Für sie werden Zutrittsbeschränkungen de lege lata teilweise für rechtens erachtet und durch teleologische Reduktion der Art. 43 Abs. 2 Satz 1 und 53 Satz 1 GG, den Hinweis auf speziellere gesetzliche Regelungen (Art. 41 Abs. 3 GG), eine Gegenüberstellung der Begriffe "Sitzung" und "Beratung" oder das In-Frage-Stellen des Ausschuß charakters gewonnen. Dennoch darf im Grundsatz als unstrittig gelten, daß sich das Zutritts recht auf alle - also auch auf nichtöffentliche, vertrauliche und geheime - Ausschußsitzungen von Bundesrat und Bundestag erstreckt328 • Der uneingeschränkten Geltung des Zutritts rechts zu den übrigen Ausschüssen von Bundesrat und Bundestag begegnen damit keine Bedenken.

327 s. etwa Ehmke, S. 50; These 7 c, S. 168; Friesenhahn, VVDStRL 16, S. 73, These 18; Pietzner (1), S. 43 m. w. N. in Fn. 11; Urteil des NdsSTGH a.a.O., S. 423 ff. nebst Anlagen und Anmerkung. 328 s. u. a. Trossmann (2), S. 300 ff., Rdnr. 3; Frost, S. 61 f. (Fn. 156/57); vMK, S. 938 und 1050; Giese, Erl. 11 2 zu Art. 43 GG; Hamann, S. 239; MDHS, Rdnr. 18 zu Art. 43 GG, Rdnr. 3 zu Art. 53 GG; Fauser, S. 31 ff., 54; Schröder, M. (2), Rdnr. 72 zu Art. 43 GG, Hamann / Lenz, S. 465.

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2. Teil: Zitier- und Zutrittsrecht im deutschen Parlamentsrecht

2.3.1.1. Wahlprüfungsausschuß

Die Wahlprüfung läßt sich als eine besondere Form parlamentarischer Untersuchung bezeichnen. Seit Beginn des 19. Jahrhunderts besaßen deutsche Parlamente im beschränkten Umfange das Recht, die Gültigkeit von Wahlen und insbesondere die Legitimation ihrer Mitglieder zu prüfen, und zwar als Teil eines parlamentarischen Untersuchungsrechts insgesamt329 • Kannte nun bspw. die Paulskirchenverfassung eine rein "parlamentarische" Lösung330 , so entschied sich demgegenüber die Weimarer Verfassung, beeinflußt von der Doktrin, "daß es sich bei einer Wahlprüfung materiell um Rechtsprechung handele", für ein Wahlprüfungsgericht aus Mitgliedern des Reichstages (3) und des Reichsverwaltungsgerichts (2)331. Das Grundgesetz kombiniert mit der Bestimmung des Art. 41 GG "parlamentarische" und "gerichtliche" Lösung. Es geht im Grundsatz vom Selbstprüfungsrecht des Bundestages aus 332 , läßt aber gegen eine Entscheidung des Bundestages eine "Beschwerde" an das Bundesverfassungsgericht zu333 • Allein hierdurch erfährt der Wahlprüfungsausschuß eine Sonderstellung gegenüber "normalen" Ausschüssen. Diese herausgehobene Stellung unterstreichen die Bestimmungen desWahlprüfungsgesetzes. Danach besteht ein formalisiertes Verfahren. Es gliedert sich in Vorprüfung, mdl. Verhandlung und Schlußberatung (§§ 5 ff.). Hinsichtlich Fristen, Ladungen, Zustellungen, Vereidigungen sowie Rechte und Pflichten von Zeugen und Sachverständigen finden die Vorschriften der Zivilprozeßordnung entsprechende Anwendung (§ 9 WPG). Die hiermit gekennzeichnete besondere Funktion und Arbeitsweise des Wahlprüfungsausschusses ähnelt damit sehr stark einem Gerichtsverfahren. Bereits von daher erhebt sich die Frage, ob nicht schon aus dieser Wesensverwandtschaft der Schluß gezogen werden darf, Vorprüfung und Schlußberatung gegenüber müßten Zutritts beschränkungen für rechtens erachtet werden334, wie dies in § 10 WPG anklingt 335 • Ehmke, S. 11 ff. § 112: Jedes Haus prüft die Vollmacht seiner Mitglieder und entscheidet über die Zulassung derselben. Ähnlich Art. 27 der Reichsverfassung von 1871. 831 Vg1. Art. 31 Abs. 3 WRV; Ehmke, S. 12; Rechenberg, Rdnr. 3 zu Art. 41 GG; Anschütz (1), S. 209 ff. 332 Art. 41 Abs. 1 S. 1: Die Wahlprüfung ist Sache des Bundestages. 333 s. dazu noch bei Doemming, S. 360 ff. 33' Unter Hinweis auf § 193 GVG, Groß, P. und R. (2), S. 331 1. Sp., 336 r. Sp.; Schönfeld, S. 146 f.; Fauser, S. 64 ff.; Pietzner (1), S. 46. 335 § 10 Abs. 1 WPG: Der WPA berät geheim über das Ergebnis der Verhandlung. - Abs. 2: An der Schlußberatung können nur diejenigen ordentlichen und beratenden Mitglieder des Ausschusses oder ihre Stellvertreter teilnehmen, die der md1. Verhandlung beigewohnt haben. 329 330

2. Abschn.: 2. Das Zutrittsrecht

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Von geringerer, wenn auch nicht zu übersehender Bedeutung für eine Forderung nach Zutrittsbeschränkungen, ist daneben ein regierungsbezogener Ermittlungszweck. Die Effektivität von Regierungsund Verwaltungskontrolle könnte hier Schaden nehmen, da Gegenstand der Untersuchungen auch Akte der Exekutive sein können, weil sie Vorbereitung, Durchführung und Feststellung einer Wahl in den Händen hält336 • Diese Gesichtspunkte zeigen, daß Betroffene einer etwaigen Einschränkung des Zutrittsrechts nicht nur Mitglieder der Bundesregierung und ihre Beauftragten, sondern in gleichem Maße Mitglieder des Bundesrates und ihre Beauftragten sein müßten. Soweit das gerichtsähnliche Verfahren angeführt worden ist, können alle Berechtigten aus denselben Erwägungen heraus betroffen sein. Steht der Kontrollcharakter im Vordergrund, so ist auf die Funktion der Länderregierungen bei Wahlen zu verweisen. Diese lassen sie in die gleiche Position rücken wie die Bundesregierung auch. Trotz der aufgezeigten Besonderheiten gilt das Zutrittsrecht aus Art. 43 Abs. 2 Satz 1 GG de lege lata auch für den Wahlprüfungsausschuß, und zwar ohne Beschränkung. Diese Auffassung läßt sich allerdings schwerlich durch einen globalen Hinweis auf die sogenannte Korollartheorie33 7 stützen. Danach stehen dem Bundestag - verstanden als Plenum - immer auch die Rechte zu, die seine Ausschüsse als seine Hilfsorgane besitzen, denn niemand darf eben mehr Rechte übertragen, als er selbst besitzt. Folglich darf auch ein Ausschluß von Zutrittsberechtigten in keinem Ausschuß erfolgen, weil dies im Plenum ebenfalls nicht möglich ist. Setzte man Bundestag und Plenum gleich, so wäre der These zuzustimmen, es handelte sich sodann nicht um einen Satz ohne Substanz338 • Zwar ist zuzugeben, daß in einigen Verfassungsnormen "Bundestag wie Plenum" gelesen wird, hieraus resultiert aber keinesfalls eine zwangsläufige Gleichsetzung und Identität. Vielmehr machen den Bundestag als solchen Plenum und Ausschüsse gemeinsam aus. Der Kompetenzbereich des Bundestages ist mithin größer als der des Plenums. Von daher besteht folglich die Möglichkeit durchaus, dem Plenum weniger Rechte einzuräumen als verschiedenen Ausschüssen, Rechte, die insgesamt allerdings wiederum dem Bundestag als Gesamtorgan zugerechnet werden 339 • 336 Vgl. §§ 8, 9, 30, 37 ff. BWG, §§ 1 ff. BWO; s. daneben bei Trossmann (1), S. 310 ff.; wissenschaftliche Abteilung des BT, AÖR 83, S. 451 ff., 453. 337 s. bei Lammers, S. 465, Fn. 85; grundlegend Zweig, Die parlamentarische Enquete nach deutschem und österreichischem Recht, ZPol 6 (1913), S. 265 ff.,

267.

So aber Arndt, A. (5), S. 291. So vor allem Pietzner (1), S. 45 arg. aus Art. 44 I 1, 45 I, 45 a I, III, 45 b; Schönfeld, S. 134; Partsch, S. 464 f., 467 f. 338

339

11 Meier

162

2. Teil: Zitier- und Zutritts recht im deutschen Parlamentsrecht

Das Zutrittsrecht läßt sich demgegenüber zunächst einmal nicht mit dem Hinweis einschränken, es handele sich beim Wahlprüfungsausschuß um keinen Ausschuß im Sinne des Art. 43 GG. Dieser besteht nämlich aus Mitgliedern des Bundestages, die lediglich, abweichend von § 57 GOBT, nach § 3 WPG gewählt werden. Er ist ferner Organ des Bundestages, vorbereitend tätig im Wahlprüfungsverfahren. Von der Charakteristik weicht er damit nicht von den übrigen Ausschüssen ab 340 . Die Befürworter einer Einschränkung des Zutrittsrechts341 vermögen sich ebenfalls nicht mit Erfolg auf § 10 Abs. 1 und 2 WPG, bzw. Art. 41 Abs. 3 GG zu berufen. Zwar stellt das Wahlprüfungsgesetz eine "nähere" Regelung i. S. d. Art. 41 Abs. 3 GG dar, damit wird dem Gesetzgeber allerdings keine Ermächtigung eingeräumt, zu Art. 43 GG eine lex specialis durch einfaches Bundesgesetz schaffen zu dürfen842 , die als nicht gleichrangiges Recht Art. 43 Abs. 2 Satz 1 GG einschränken würde. Das Wahlprüfungsgesetz bietet daher keine wirksame Rechtsgrundlage für eine Zutrittsbeschränkung. Der mit Art. 41 Abs. 3 GG ausgesprochene Verfassungs auftrag an den Bundesgesetzgeber erstreckt sich vielmehr allein auf die "Ausfüllung und Konkretisierung"343 des durch Abs. 1 und 2 von Art. 41 GG bereits vorgezeichneten Rahmens 344 • Dies gilt um so mehr, als der klare Wortlaut des Art. 43 Abs. 2 Satz 1 GG nicht einmal einen Ansatz bietet, um etwa durch teleologische Reduktion eine restriktive Auslegung befürworten zu können345 • Schließlich muß auch die Unterscheidung von "Sitzungen", zu denen ein Zutrittsrecht uneingeschränkt bestehen soll, sowie "Beratungssitzungen" , die vom Zutrittsrecht nicht erfaßt werden sollen, gekünstelt3 46 und als petitio principe betrachtet werden347 . Läßt das förmliche Verfahren mit seiner Gliederung in Vorprüfung, mdl. Verhandlung und Schluß betrachtung eine begriffliche Aufspaltung von Sitzung und Beratung noch verständlich erscheinen, so wird dies bei Beobachtung 340 s. bereits oben in diesem Abschnitt 1.2.3.; ebenso Grawert, S. 752; Trossmann (2), S. 302 f. 341 Vgl. oben Fn. 332, 333; s. daneben BT A. f. Rechtswesen und Verfassungsrecht, AOR 83, 449; Pietzner (1), S. 44. 342 Ebenso Trossmann (2), S. 302; Fauser, S. 66; Schönfeld, S. 148; MDHS, Rdnr. 19 zu Art. 41 GG; Beschluß des 3. Senats vom 20. Dezember 1960 BVerfGE 12, 45 ff., 53; Urteil des Hess. STGH vom 19. Mai 1976, VerwRspr. 28 (1977), 897 ff., 902. 343 MDHS, Rdnr. 19 zu Art. 41 GG. 344 Ebenso Schröder, M. (2), Rdnr. 78 zu Art. 43 GG. 345 Urteil des 2. Senats v. 14. Juli 1959, BVerfGE 10, 4, (17); Pietzner (1),

S. 44, 46. 346 347

So Fauser, S. 61 und Schnabel, S. 130 f. i. d. S. Pietzner (1), S. 44.

2. Abschn.: 2. Das Zutrittsrecht

163

der Arbeitsweise ständiger Ausschüsse bereits sinnentleert wirken müssen. Kein Streit besteht nämlich darüber, daß Zutritt auch bei "Beratungen" der ständigen Ausschüsse besteht. Dabei dürfte zudem eine "Beratung", die sich dort nicht als Bestandteil einer "Sitzung" erweisen sollte, zumindest als ungewöhnlich bezeichnet werden 348 . Nach alle dem läßt sich eine Einschränkung des Zutrittsrechts zu Sitzungen und Beratungen des Wahlprüfungsausschusses in der vorbezeichneten Weise nicht herbeiführen. Hierfür spricht nicht zuletzt die erkannte "Deckungsfähigkeit" von Zitier- und Zutrittsrecht für den aufgezeigten und präziseren Bereich349 . Aus der grundsätzlichen Unbeschränkbarkeit des Zitierrechts - abgesehen vom Mißbrauchsverbot folgt die grundsätzliche Unbeschränkbarkeit des Zutrittsrechts350 . Von daher ergibt sich auch allein der Ansatz, um dennoch - angesichts der Gefahren für die Effektivität des Verfahrens im Wahlprüfungsausschuß - das Zutrittsrecht in Ausnahmesituationen nicht schrankenlos gelten zu lassen. Einzige Rechtsgrundlage für eine solche Einschränkung ist daher "das durchgängig geltende Mißbrauchsverbot"351. Da aber gerade hierbei subjektive Erwägungen starke Einflüsse zeitigen können, ist es angesichts der klaren Regelung in Art. 43 Abs. 2 Satz 1 GG geboten, von Mißbrauch allein dann auszugehen, wenn dies eindeutig hervortritt. Muß das bejaht werden, darf ausnahmsweise der Zutritt zum Wahlprüfungsausschuß verwehrt werdenS52 • 2.3.1.2. Untersuchungsausschüsse

Ähnliche Bedenken, wie gegenüber einem uneingeschränkten Zutrittsrecht zum Wahlprüfungsausschuß begegnen einer Behandlung dieses Rechts zu Untersuchungsausschüssen, soweit es sich um sog. "Mißstandenqueten handelt 353 . Die Problemlage ist vergleichbar3 54 • Die Exekutive hätte es in der Hand, sich über Mittel und Ablauf eines Untersuchungsverfahrens zu informieren, sich darauf einzustellen und 348 So auch Fauser, S. 61; Stellungnahme der wissenschaftlichen Abteilung des Bundestages, AOR 83, 552 f.; Partsch, S. 469. 349 s. oben in diesem Abschnitt 2.1. 350 a. A. Schönfeld, S. 134 f. 351 So u. a. Trossmann (2), S. 303; BVerfGE 10, 4; Vonderbeck (1), S. 558,

Fn.34.

352 Setzt man dagegen beim Rechtsinstitut der Wahlprüfung an so Schröder, M. (2), Rdnr. 78 zu Art. 43 GG - so läuft man Gefahr, letztlich doch wieder die Sonderstellung des WPA herauszukehren und dann den Charakter i. S. d. Art. 43 GG erneut in Frage zu stellen. 353 Ehmke, S. 8; Partsch (2), S. 459 ff., 465; Groß, P. u. R., JR 63, 336; Schnabel, S. 132 ff.; Schröder, M. (2), Rdnr. 73 ff. zu Art. 43 GG; Köppler,

S.177.

354 Vgl. oben Fn. 332, 333; siehe daneben Bücker, S. 162 f., 167; Groß, R. (1), S. 639; Majonica, S. 124.

164

2. Teil: Zitier- und Zutrittsrecht im deutschen Parlamentsrecht

sogar durch bloße Anwesenheit bei der Beschlußfassung diese ggf. zu beeinflussen355 • Die grundlegenden Akzente im Untersuchungsverfahren unterscheiden sich jedoch von denen im Wahlprüfungsverfahren. Zwar läßt sich das Untersuchungsverfahren ebenfalls in drei Abschnitte gliedern, nämlich ein Stadium der Planung, eines der Beweiserhebung und endlich der Beschlußfassung356 . Ebenso finden hier (straf)-prozeßrechtliche Vorschriften (Art. 44 Abs. 2 Satz 1 GG) Anwendung. Anders aber als beim Wahlprüfungsausschuß rückt die Wesensverwandtschaft mit einem Gerichtsverfahren nicht so sehr in den Vordergrund, sondern tritt vielmehr hinter dem stärkeren Aspekt der Regierungs- und Verwaltungskontrolle zurück. Gerade aber diese Kontrolle erscheint in Frage gestellt, wenn den erkannten Unzuträglichkeiten nicht durch Zutrittsbeschränkungen begegnet werden könnte 357 . Zu Interessenkollisionen kann es insbesondere dann kommen, wenn ein Untersuchungsausschuß die "Öffentlichkeit" ausschließt (Art. 44 Abs. 1 Satz 2 GG, §§ 69, 70 GOBT), die Regierung aber dennoch sowohl während einer nichtöffentlichen Beweiserhebung als auch während der Beratung im Stadium der Vorbereitung und Planung oder Beschlußfassung ihr Recht auf Zutritt in Anspruch zu nehmen gedenkt. Probleme treten ferner auf, wenn ein Regierungsmitglied als Zeuge vernommen werden so1l358. Als Ausgangspunkt für die Erwägung einer Einschränkung des Zutritts rechts könnte - ähnlich wie beim WP A - die Sonderstellung von Untersuchungsausschüssen dienen, die diese aufgrund ihrer Funktion und Arbeitsweise zweifellos einnehmen. Die Besonderheiten, die regierungsbezogene Untersuchungsausschüsse auszeichnen, lassen sie dennoch nicht - ebenso wenig wie den WP A - die Stellung selbständiger Organe einnehmen, so daß sie nicht mehr als Ausschüsse i. S. d. Art. 43 GG angesehen 359 und damit gar nicht mehr von Art. 43 GG erfaßt werden könnten36o • Ebensowenig läßt sich eine generelle Einschränkung mit dem Hinweis auf Zweck oder Natur von Untersuchungsausschüssen, der nicht gefährdet werden dürfe, belegen361 • Dies gelänge allenfalls dann, wenn in Art. 44 GG eine Sonderregelung zu Art. 43 GG geEbenso Pietzner (1), S. 46 und dort Fn. 71. Pietzner (1), S. 43; s. dagegen bei Schönfeld, S. 141. 357 s. dazu bei Fauser, S. 56 ff.; Schönfeld, S. 130 f. 358 Vgl. § 58 StPO, Anm. 1 bei Kleinknecht, Komm. zur StPO 34. Aufl. München 1979. 359 Ebenso Fauser, S. 60; Schnabel, S. 119; Versteyl, S. 487, Rdnr. 8, in: v. Münch; Trossmann (2), S. 303: Niemand wird in Frage stellen, daß Untersuchungsausschüsse gemäß Art. 44 GG zu den Ausschüssen des Bundestages zählen, weil Art. 44 besondere Verfahrensvorschriften enthält. 3GO s. bereits oben in diesem Abschnitt 1.2.5. 3G1 Ehmke, S. 50, 168; Friesenhahn, VVDStRL 16, S. 73 These 18; s. daneben bei Fauser, S. 60 f. 355

356

2. Abschn.: 2. Das Zutritts recht

165

sehen werden könnte. Systematik und Wortlaut beider Vorschriften lassen jedoch hierauf jeden Hinweis vermissen362 . Beide Bestimmungen regeln vielmehr unterschiedliche Sachverhalte und allein Art. 43 Abs. 2 Satz 1 GG räumt neben Art. 53 Satz 1 ein Zutrittsrecht ein, und zwar zu allen Bundestagsausschüssen. Demnach hätte eine Einschränkung durch Art. 44 GG deutlich zum Ausdruck gebracht werden müssen, zumal die Problemlage bei Aufnahme der Vorschrift ins Grundgesetz nicht unbekannt war 363 . Demgegenüber muß der klaren Bestimmung des Art. 43 Abs. 2 Satz 1 GG - im Hinblick auf die Effektivität der Untersuchungsverfahren - eine Einengung der Vorschriften des Art. 44 Abs. 1 Satz 2, 42 Abs. 1 Satz 1 GG wie auch der §§ 19, 69, 70 GOBT bzw. 17, 37 GOBR entnommen werden. Damit verbietet sich erst recht ein genereller Ausschluß von "nicht öffentlichen Beratungssitzungen"364. Die Zutrittsberechtigten zählen nicht zur ausschließbaren Öffentlichkeit 365 . Öffentlichkeit im Sinne der angeführten Vorschriften meint nämlich gerade nicht die am Verfahren beteiligten Organe. Nach § 69 Abs. 2 S. 3 GOBT ist "die Öffentlichkeit" vielmehr hergestellt, wenn der Presse und sonstigen Zuhörern im Rahmen der Raumverhältnisse der Zutritt gestattet ist. Diese Öffentlichkeit zielt darauf, den Bürgern die Parlamentsarbeit im Rahmen des Möglichen plastisch zu machen was natürlich in erster Linie als Aufgabe der Massenmedien begriffen wird - , damit sich ihnen überhaupt ein Ansatz zur Kontrolle der von ihnen gewählten Abgeordneten oder Partei bietet und hiermit . eine Basis zur Identifizierung von Wählern und Gewählten366 . De lege lata findet daher Art. 43 Abs. 2 Satz 1 GG auch für Untersuchungsausschüsse unbeschränkt Anwendung367. Dennoch gilt auch hier der Grundsatz des Mißbrauchsverbots, so daß Ausnahmen von dem generell zu gewährenden Zutritt denkbar sind. Dies kann u. U. der Fall sein, wenn eine Beeinflussung des Untersuchungsverfahrens mit einem hohen Grad an Wahrscheinlichkeit zu erwarten und das Untersuchungsergebnis ganz offensichtlich gefährdet ist. Wegen der subjektiven KomEbenso Fauser, S. 61. Trossmann (2), S. 300 ff. Rdnr. 4; NdsSTGH, S. 437: Es gibt keine durchschlagenden Gesichtspunkte, die das Zutritts- und Ahhörungsrecht für die Untersuchungsausschüsse als sinnlos und zweckwidrig erscheinen lassen." a. A. Schönfeld, S. 142 ff. 364 Wie hier Versteyl, S. 489, Rdnr. 16, in: v. Münch; Lechner / Hülshoff, Anm. 14 zu § 73 GOBT, sowie Anm. 6 zu § 63 GOBT; Schröder, M. (2), Rdnr. 74 zu Art. 43 GG m. w. N. 365 Groß, P. und R. (2), S. 3311. Sp. ~6 So Versteyl, S. 463 Rdnr. 7 in: v. Münch; Rechenberg, Rdnr. 21 zu Art. 44 GG. 367 So u. a. Rechenberg, a.a.O.; Versteyl, S. 489, Rdnr. 16, in: v. Münch, vMK, S. 938; MDHS, Rdnr. 18 zu Art. 43 GG; Pietzner (1), S. 46; (3), Sp. 2675 f.; Frost, S. 71; Fauser, S. 63; Kißler, S. 223 f.; Schnabel, S. 118 ff. 362

363

166

2. Teil: Zitier- und Zutrittsrecht im deutschen Parlamentsrecht

ponente des Mißbrauchsverbots müssen hier jedoch ebenfalls strenge Maßstäbe angelegt werden. Daher kann beispielsweise nicht von vornherein das Zutrittsbegehren eines Regierungsmitgliedes, das zu einem späteren Verfahrensabschnitt noch als Zeuge vernommen werden soll, mit dem Hinweis hierauf als mißbräuchlich qualifiziert werden. Die Vorschrift des Art. 43 Abs. 2 Satz 1 GG gebietet vielmehr, etwaige Beeinträchtigungen des Zutrittsrechts so gering wie irgend möglich zu halten, so daß in einem solchen Fall zu bedenken ist, die Zeugenaussage zum frühstmöglichen Zeitpunkt abzuverlangen368 • 2.3.1.3. Petitions ausschuß Neben Wahlprüfungs- und Untersuchungsausschüssen nimmt der Petitions ausschuß (Art. 45 c GG; §§ 108 ff. GOBT) verfassungsrechtlich eine Sonderstellung ein. Er zählt zu den drei sog. Pflichtausschüssen, die aufgrund verfassungsrechtlicher Bestimmungen einzusetzen sind. Seine Einsetzung obliegt dem Parlament also zwingend. Seine Aufgaben sind verfassungsrechtlich vorgeschrieben und damit der Geschäftsordnungsautonomie des Bundestages entzogen369 • Erwähnung verdient der Petitions ausschuß in diesem Rahmen gerade deshalb, weil er als parlamentarisches Kontrollorgan bezeichnet werden darf. Als solches leistet er einen nicht zu unterschätzenden Beitrag zur Regierungs- und Verwaltungskontrolle. Traten nun bei den vorgenannten Ausschüssen Aspekte eines gerichtsähnlichen Verfahrens bzw. der Regierungskontrolle in den Vordergrund, so schwingen zwar auch hier beide Aspekte mit. Die Betonung liegt aber wohl eindeutig auf dem Aspekt der Verwaltungskontrolle. Mit Petitionen vermag nämlich jeder Bürger eine parlamentarische überprüfung staatlichen HandeIns zu erwirken370 , von hoheitlichem Handeln also, mit dem er in immer vielfältigerer Weise in Berührung gerät und von dem er somit auch immer häufiger betroffen sein kann. Zur überprüfung von Petitionen steht dem Ausschuß ein Aktenvorlage-, Auskunfts- sowie Zutritts recht u. a. gegenüber Bundesregierung und Bundesbehörden zu 371 • Er besitzt daneben das Recht, Petenten, Zeugen und Sachverständige anzuhören und damit insgesamt sehr wirksame und weitreichende KontrollmitteL Der hier geübten parlamentarischen Kontrolle begegnet nun allerdings im ähnlichen Maße, wie bei den zuvor genannten Ausschüssen, die Ebenso Trossmann (2), S. 304; Schnabel, S. 131 ff. Zu Bedenken insoweit s. bei Achterberg (5), S. 838, Fn. 54; im übrigen vgl. bei MDHS, Rdnr. 1 ff. zu Art. 45 c GG; Hernekamp, S. 529 ff., in: v. Münch. 370 Würtenberger, Rdnr. 3 zu Art. 45 c GG. 371 s. dazu das Gesetz über die Befugnisse des Petitions ausschusses des Deutschen Bundestages v. 19. Juli 1975, BGBl. I, S. 1921. 368 369

2. Abschn.: 2. Das Zutrittsrecht

167

Gefahr, daß diese Kontrolle durch ein uneingeschränktes Zutrittsrecht der Mitglieder der Bundesregierung, des Bundesrates und ihrer Beauftragten unterlaufen wird. Eine generelle Einschränkung muß jedoch auch für den Petitionsausschuß mit den gleichen Erwägungen wie zum Wahlprüfungsausschuß und zu den Untersuchungsausschüssen abgelehnt werden. Lediglich im Falle des Mißbrauchs kommt somit auch hier nur eine ausnahmsweise Verwehrung des Zutritts in Betracht. 2.3.1.4. Unterausschüsse Bei der Frage nach einem Zutrittsrecht zu Unterausschüssen ist ebenso wie bei der Frage nach ihrem Zitierrecht zu differenzieren372 • Beschließt danach bspw. das Bundestagsplenum die Einsetzung eines Unterausschusses, so steht dieser den übrigen vom Bundestag eingesetzten Ausschüssen grundsätzlich in nichts nach, er fungiert als Hilfsorgan des Bundestages. Er besitzt damit gleichsam ein eigenes Zitierrecht, und auch das Zutritts recht zu derartigen Ausschüssen weist damit keine Besonderheiten auf. Probleme ergeben sich dagegen dann, wenn Ausschüsse Unterausschüsse einsetzen. Diese Unterausschüsse zählen nicht zu den Ausschüssen des Bundestages oder Bundesrates. Sie gehören nicht zu "seinen" Ausschüssen i. S. d. Art. 43 GG bzw. 53 GG, denn nicht der Bundestag oder Bundesrat, sondern seine Ausschüsse haben sie eingesetzt. Sie stellen damit lediglich Teile "ihrer" Ausschüsse dar. Demgemäß kann ihnen auch kein Zitierrecht nach Art. 43 Abs. 1 GG, 53 GG zugebilligt werden, so daß man meinen könnte, zu diesen Unterausschüssen bestehe ebenfalls kein Zutrittsrecht. Daraus resultierte dann allerdings die Gefahr, und zwar selbst dann, wenn ein Unterausschuß nicht einmal die Haupttätigkeit des oder der "Mutterausschüsse" übernähme, allein durch überweisung wesentlicher Beratungsgegenstände, das Zutrittsrecht empfindlich zu beschneiden, was wegen der zu erzielenden effektiveren Arbeitsweise nicht in jedem Fall als Mißbrauch gewertet werden könnte. Obwohl nun den Unterausschüssen kein Zitierrecht zusteht, muß ihnen gegenüber dennoch ein Zutrittsrecht angenommen werden. Dem kann hier auch nicht mit dem Argument mangelnder Korrespondenz beider Institute begegnet werden. Während sich nämlich ein Unterausschuß selbst, d. h. durch Einsetzungsbeschluß seiner "Mutterausschüsse", des Zitierrechts begibt, bleibt er dennoch mit dem Zutrittsrecht belastet, auch wenn es sich nur noch um einen Teil eines anderen Ausschusses i. S. d. Art. 43, 53 GG handelt. Folgte man dem nicht, so stünde das Zutrittsrecht teilweise zur Disposition dieser Ausschüsse, was angesichts der Regelungen in Art. 43 Abs. 2 S. 1 GG und Art. 53 372

s. oben in diesem Abschnitt 1.2.7.

168

2. Teil: Zitier- und Zutrittsrecht im deutschen Parlamentsrecht

S. 2 GG als verfassungswidrig gewürdigt werden müßte. Somit besteht zu Unterausschüssen ebenfalls ein uneingeschränktes Zutrittsrecht.

2.3.2. Gemischte Ausschüsse Als gemischte Ausschüsse lassen sich diejenigen Gremien bezeichnen, die weder allein mit Abgeordneten des Bundestages noch mit Mitgliedern des Bundesrates besetzt sind 373 • Hier sind die aus Mitgliedern beider Organe gebildeten Gremien (gemeinsame A) zu berücksichtigen, nämlich der Gemeinsame Ausschuß nach Art. 53 a GG und der Vermittlungsausschuß nach Art. 77 Abs. 2 GG, sowie die Enquetekommissionen (§ 56 GOBT), denen auch Nichtparlamentarier angehören dürfen. Probleme für die Anerkennung eines Zutrittsrechts zu diesen Gremien ergeben sich daraus, daß sich ein solches Recht weder allein auf Art. 43 noch 53 GG stützen läßt oder der Ausschußcharakter dieser Gremien in Frage gestellt wird 374 • 2.3.2.1. Vermittlungs ausschuß Während sich hinsichtlich einer grundsätzlichen Anerkennung eines Zutrittsrechts auch zum Vermittlungsausschuß auf die Argumentation bezüglich der Anerkennung seines selbständigen Zitierrechts verweisen läßt, ergeben sich Abgrenzungsschwierigkeiten im einzelnen aus dem unterschiedlich großen Kreis der in Art. 43 und 53 GG genannten Zutrittsberechtigten. Weder Ausschuß des Bundestages noch des Bundesrates, sondern zusammengesetzt aus Mitgliedern beider Organe, konnte sich der Vermittlungsausschuß hinsichtlich seines Zitierrechts auf Art. 43 und 53 GG gemeinsam berufen. Gleiches gilt für ein Zutrittsrecht. Soweit es den Regierungsmitgliedern zusteht, findet ihr Recht im Grundgesetz vollständige "Deckung" 375. Dem trägt die Regelung des § 5 GOVA Rechnung, darin wird den Mitgliedern der Bundesregierung ihr Zutrittsrecht verbrieft. Den Regierungsbeauftragten steht dagegen ein Zutrittsrecht nach der Geschäftsordnung des Vermittlungsausschusses nicht zu. Die Teilnahme kann ihnen hiernach durch Beschluß gern. §§ 6, 8 GOVA gestattet werden376 • Diese Regelung ist von der Absicht getragen, den Teilnehs. oben in diesem Abschnitt 1.2.7. s. dazu bereits oben in diesem Abschnitt 1.2.7.1. 876 Ebenso Bryde, S. 173 Rdnr. 13, in: v. Münch; MDHS, Rdnr. 4, 17 zu Art. 43 GG; Schönfeld, S. 115 f.; vMK, S. 1764; WesseIs, S. 301 f.; Lechner / Hülshoff, S. 302, Anm. 2 zu § 5 GOVA. 878 § 6: Anderen Personen kann die Teilnahme an den Sitzungen nur durch Beschluß des Ausschusses gestattet werden. 873 874

2. Abschn.: 2. Das Zutrittsrecht

169

merkreis möglichst klein zu halten und damit gleichfalls die Anwesenheit von Regierungsmitgliedern zu erreichen377 • Diese Vorschriften der Geschäftsordnung hat der Vermittlungsausschuß demgemäß bisher auch strikt beachtet. In der Praxis wird allerdings bspw. Staatssekretären die Teilnahme an Ausschußsitzungen generell - wenn auch widerruflich - gestattet. In diesem Sinne hatte dann auch der Vermittlungsausschuß in seiner 4. Sitzung am 12. Juni 1950 formell den Beschluß gefaßt378 , "daß jeder anwesende Bundesminister und Staatssekretär die ihm erforderlich erscheinende Anzahl von Referenten an den Sitzungen beteiligen könne. Wenn jedoch der zuständige Bundesminister ohne Staatssekretär nicht anwesend ist, muß über die etwaige Teilnahme eines Referenten jeweils besonders nach § 6 beschlossen werden". Das Zurückbleiben der geschäftsordnungsmäßigen Regelung für den Vermittlungsausschuß hinter Art. 43 Abs. 2 S. 1 GG erscheint nicht unbedenklich. Sieht man einmal davon ab, daß die in Art. 53 S. 1 GG gegenüber Art. 43 Abs. 2 S. 1 GG vorgenommene Einschränkung rational ohnehin kaum faßbar sein dürfte, so könnte sich aus dem Umstand, daß es im Vermittlungsausschuß um Gesetzgebung geht, - also eine klassische Aufgabe von Parlamenten379 - der Zwang ergeben, für eine Entscheidung zugunsten einer Regelung, wie sie Art. 43 GG trifft, zu votieren. Auch könnte sonst die Arbeit der Bundesregierung erheblich behindert werden. Während nämlich Art. 77 Abs. 1 S. 1 GG deklariert: "Die Bundesgesetze werden vom Bundestag beschlossen", hat der Bundesrat lediglich im beschränkten Umfange an der Gesetzgebung teil. Er ist aber kein Parlament, nicht einmal eine zweite Kammer 380 , so daß hier die Bestimmungen der Verfassung vorrangig Beachtung verdienen könnten, die die Beziehung Parlament-Regierung ansprechen. Stellt man dagegen darauf ab, daß der Bundesrat ebenfalls berufen ist, an der Bildung des Bundeswillens mitzuwirken und erhebt ihn so dann für das Vermittlungsverfahren auf die gleiche Stufe mit dem Bundestag, so läßt sich auch vertreten, daß der Vermittlungsausschuß die Wahl gehabt hat zwischen einer Regelung nach Art. 43 Abs. 2 S. 1 und Art. 53 S. 1 GG. Da nun die starke Stellung des Bundesrates im Gesetzgebungsverfahren nicht zu verkennen ist, das Grundgesetz mit der Errichtung des Vermittlungsausschusses einen neuen Weg einschlug, der in der Verfassungsgeschichte ohne Beispiel ist381 und hierin wie auch in der paritätischen Besetzung eine Gleichrangigkeit von 377 378

378 380 381

vMK, S. 1764; WesseIs, S. 301 f.; Lechner / Hülshoff, S. 302. Zitiert bei WesseIs, S. 301. Mattern, S. 51: Die Gesetzgebung ist der Pulsschlag des Parlaments. s. oben in diesem Abschnitt 1.2.2. So Ziller, S. 23; Schäfer, S. 75.

170

2. Teil: Zitier- und Zutrittsrecht im deutschen Parlamentsrecht

Bundesrat und Bundestag für das Vermittlungsverfahren zum Ausdruck kommt, wird man die Entscheidung des Vermittlungsausschusses für eine geschäftsordnungsmäßige Regelung im Anschluß an Art. 53 S. 1 GG für verfassungs rechtlich akzeptabel halten dürfen 382. Auf ein verfassungskräftiges Zutrittsrecht können sich somit allein die Mitglieder der Bundesregierung berufen. Ihren Beauftragten, wie auch den Bundesratsmitgliedern - soweit sie dem Vermittlungs ausschuß nicht angehören - und ihren Beauftragten muß die Teilnahme durch Beschluß gern. § 6 GOV A gestattet werden383 . Der Nichtzulassung von Bundesratsmitgliedern und deren Beauftragten ließe sich entgegenhalten, ihnen dürfe einmal eine Teilnahme an Ausschußsitzungen des Bundesrates nicht versagt werden (Art. 43 Abs. 1 S. 1 GG)384, zum anderen besäßen sie auch als Nichtmitglieder von Bundesratsausschüssen dennoch ein Teilnahmerecht an Ausschußsitzungen des Bundesrates (§§ 40, 38 Abs. 2 GOBR), so daß sie zu Sitzungen des Vermittlungsausschusses ebenfalls zugelassen werden müßten. Diese Argumentation übersieht jedoch, daß sich die Bundesratsmitglieder - anders als die Mitglieder der Bundesregierung - lediglich auf Art. 43 Abs. 2 S. 1 GG stützen können, da die geschäftsordnungsmäßige Regelung des § 40 GOBR zur Disposition von Bundesrat und Bundestag steht und daher mit den §§ 3, 5 und 6 GOVA speziellere Vorschriften für den Vermittlungsausschuß geschaffen werden durften385 . 2.3.2.2. Der Gemeinsame Ausschuß Der Gemeinsame Ausschuß nach Art. 53 a GG ist selbst Verfassungsorgan und läßt sich auch außerhalb des Verteidigungsfalles als oberstes Bundesorgan qualifizieren386 . Als solches ist er weder Teil des Organs Bundesrat noch des Organs Bundestag, trotz seiner Bezeichnung als "Ausschuß" nicht ihr Hilfsorgan. Er kann somit auch nicht mit dem Vermittlungsausschuß verglichen werden. Mit diesem hat er lediglich gemeinsam, daß ihm ebenfalls Mitglieder von Bundestag und Bundesrat gemeinsam angehören, jedoch nicht im Verhältnis 1 : 1, sondern 2: 1. Obwohl er in die Funktion eines "Notparlaments" erst mit Feststellung 382 So im Ergebnis auch MDHS, Rdnr. 53 zu Art. 53 a GG; Schröder, M. (2), Rdnr. 81 zu Art. 43 GG; Schönfeld, S. 118 f. 383 Ebenso WesseIs, S. 302; Lechner / Hülshoff, Anm. 1 zu § 6 GOVA, S. 302; Schönfeld, S. 119; Schröder, M. (2), Rdnr. 82 zu Art. 43 GG; vMK, S. 1764 f. 384 s. bei Lechner / Hülshoff, S. 219 Anm. 14 zu § 73 Abs. 7 GOBT. 385 Lechner / Hülshoff, S. 302 Anm. 1 zu § 6 GOV A; ebenso Schönfeld, S.119. 381 So u. a. MDHS, Rdnr. 8 - 10 zu Art. 53 a GG; SBK, S. 540; Delbrück, Rdnr. 36 zu Art. 53 a GG; s. daneben auch bei Töpfer / Lind, Bd. 1, Nr. 303 zur Begründung zum 17. ÄndG Grundgesetz, S. 52 ff.

2. Abschn.: 2. Das Zutrittsrecht

171

des Verteidigungsfalles rückt, tritt der Gemeinsame Ausschuß schon in Friedenszeiten mindestens zweimal jährlich zu "Informationssitzungen" zusammen (§ 8 Abs. 2 GOVA). Ein Informationsrecht auch außerhalb des Verteidigungsfalles räumt ihm Art. 53 a Abs. 2 GG explizit ein. Dieses ist speziell auf den Verteidigungsfall ausgerichtet und soll den Gemeinsamen Ausschuß in den Stand setzen, daß er "jederzeit und ohne Übergangsschwierigkeiten seine Befugnisse aus Art. 115 e Abs. 1 GG übernehmen kann"387. Dieses Recht steht ihm jedoch ausschließlich zu, denn im übrigen werden die Rechte von Bundestag und Bundesrat nicht angetastet 388 . Daraus folgt ebenso wie für die Nichtanerkennung eines eigenen Zitierrechts in Friedenszeiten das Fehlen eines Zutrittsrechts zu diesem Organ. Anders als beim Vermittlungsausschuß fände nämlich ein solches Recht aufgrund der Funktion und Stellung des Gemeinsamen Ausschusses im System gerade keine Stütze in einer Kumulierung der Vorschriften der Art. 43 und 53 GG389. Im Verteidigungs fall bei unüberwindlichen Hindernissen für einen Zusammentritt des Bundestages oder seiner Beschlußfähigkeit steht dagegen zumindest ein Zutrittsrecht von Mitgliedern der Bundesregierung außer Frage. In dieser Situation tritt nämlich der Gemeinsame Ausschuß an die Stelle von Bundestag und Bundesrat und vereinigt damit die Funktionen bei der Organe in sich, womit gleichsam die Vorschriften der Art. 43 und 53 GG Berücksichtigung finden 390 . Dem trägt auch die Geschäftsordnung des Gemeinsamen Ausschusses Rechnung, wenn sie in § 11 Abs. 2 festlegt: "Die Mitglieder der Bundesregierung haben das Recht, ... , an allen Sitzungen des Gemeinsamen Ausschusses teilzunehmen." Diese Regelung bleibt allerdings hinter der des Art. 43 Abs. 2 S. 1 GG zurück. Die Regierungsbeauftragten werden nach der Geschäftsordnung wie "andere Personen" behandelt, denen lediglich durch Beschluß die Teilnahme an den Sitzungen gestattet werden kann391 • Die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit dieser Regelung muß bedenklich stimmen. Während sich im Vermittlungsausschuß Bundestag und Bundesrat gleichrangig gegenüberstehen, und sich damit eine Wahlmöglichkeit für eine Lösung i. S. d. Art. 43 oder MDHS, Rdnr. 10 zu Art. 53 a GG; SBK, S. 54!. Ebenso Lechner I Hülshoff, Anm. 1 zu Art. 53 a GG, S. 27; Delbrück, Rdnr. 36 zu Art. 53 a GG. 389 So auch Schröder, M. (2), Rdnr. 83 m. w. N. in Rdnr. 31 a zu Art. 43 GG; a. A. Schönfeld, S. 122 f. 390 Wie hier MDHS, Rdnr. 52 zu Art. 53 a GG; Schönfeld, S. 123; Schröder, M. (2), Rdnr. 83 zu Art. 43 GG; a. A. RechtsA des DT. BT. in seinem Bericht v. 27. Juni 1969, BT-Drs. V 4509, S. 3; zur übernahme auch der Pflichten von BT. und BR. s. bei MDHS, Rdnr. 44 zu Art. 53 a GG und Delbrück, Rdnr. 44 zu Art. 115 e GG. 391 Lechner I Hülshoff, S. 297 Anm. 3 zu § 11 GOGA. 387 388

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2. Teil: Zitier- und Zutrittsrecht im deutschen Parlamentsrecht

54 GG eröffnete, ist die Situation für den Gemeinsamen Ausschuß ungleich anders. Als selbständiges Verfassungsorgan nimmt er keine "echte" Ausschußarbeit wahr wie der Vermittlungsausschuß. Als "Notparlament" kann er vielmehr selbst als Gesetzgeber im Rahmen der ihm gezogenen Grenzen tätig werden, wie auch alle übrigen Funktionen von Bundestag und Bundesrat ausüben 392 . Die "Zweigliedrigkeit" des Gesetzgebungsverfahrens Bundestag und Bundesrat werden anders als im Vermittlungsverfahren nicht mehr beteiligt - ist zugunsten der verfassungsmäßigen Festlegung eines "Ein-Kammer-Systems"393 aufgehoben. Damit wird aber eindeutig die Funktion als Parlament in den Vordergrund geschoben, was nicht zuletzt in dem allerdings rein formalen Gesichtspunkt der Besetzung des Gemeinsamen Ausschusses mit doppelt so vielen Bundestagsmitgliedern wie Bundesratsmitgliedern zum Ausdruck kommt. Diese Stellung des Gemeinsamen Ausschusses gebietet eine Regelung, wie sie Art. 43 Abs. 2 S. 1 GG für den Zutritt zum Bundestag trifft, denn den Zugang zum Parlament hat die Verfassung in Art. 43 GG abschließend geregelt, und ein sachlich gerechtfertigter Ausschlußgrund für den Zugang von Regierungsbeauftragten ist nicht ersichtlich. Insbesondere finden keine Geheimschutzerwägungen Berücksichtigung, da gerade der Kreis der in Frage kommenden Beauftragten vor und nach der "Ausschußsitzung" mit der Materie ohnehin in stärkerem Maße befaßt sein dürfte als die Regierungsmitglieder selbst. Nach alledem ist die Regelung in § 11 Abs. 2 GOGA so nicht haltbar und verfassungsrechtlich nur dann unbedenklich, wenn sie durch den "Beauftragtenzusatz" des Art. 43 Abs. 2 S. 1 GG erweitert wird 394 • Ein Zutrittsrecht aller Bundesratsmitglieder und ihrer Beauftragten - wie es Art. 43 Abs. 2 S. 1 GG vorsieht wird dagegen bei dem "Ein-Kammer-System" entbehrlich. Die Partizipation des Bundesrates am Gesetzgebungsverfahren und die Beteiligung der Länder an der Bildung des Bundeswillens ist damit im Rahmen dieser Lösungsmöglichkeit sichergestellt. Die Informationslage verschlechtert sich für die Länder bzw. den Bundesrat prinzipiell nicht. Lediglich die Zahl der partizipationsfähigen Personen ist beschränkt. Die Wirkung einer solchen Beschränkung ist dabei nicht vergleichbar mit der für die Bundesregierung, da die Länder bei der Bestimmung der Mitglieder für den Gemeinsamen Ausschuß ohnehin sehr flexibel sein können (§ 4 GOGA). Die Bundesratsmitglieder, die zugleich AusSBK, S. 1072 f. Hendrichs, Rdnr. 23 zu Art. 53 a GG, in: v. Münch. 394 Ähnliche Bedenken bei Schönfeld, S. 124; jedoch ohne die hier gezogene Konsequenz; a. A. MDHS, Rdnr. 53 zu Art. 53 a GG, mit dem Hinweis auf u. U. erhebliche und bedenkliche Behinderungen der Regierungsarbeit und im Anschluß daran Schröder, M., Rdnr. 84 zu Art. 63 GG, der die Regelung lediglich verfassungspolitisch für bedenklich hält. 392

893

2. Abschn.: 2. Das Zutritts recht

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schußmitglieder sind, treten darüber hinaus funktionell in eine Stellung ein, wie sie auch die Bundestagsmitglieder im Gemeinsamen Ausschuß besitzen. Sie sind insbesondere nicht mehr an Weisungen der Länder gebunden395 • Die Mitglieder des Gemeinsamen Ausschusses insgesamt bilden damit eine "neue" Kategorie von "Not"-Parlamentariern, eben für eine besondere Ausnahmesituation. Aufgrund der Aufhebungen der Funktionenteilung zwischen Bundestag und Bundesrat kommt demnach aber auch Art. 43 Abs. 2 S. 1 GG nur noch in dem Rahmen zur Anwendung, wie es die neue Funktions"teilung" fordert, nämlich im Verhältnis Gemeinsamer Ausschuß - Bundesregierung, nicht aber gegenüber Mitgliedern des Bundesrates allgemein, denn diese haben ja eine neue, andere Stellung erfahren396 • Aus ihrer gleichrangigen Stellung im Gemeinsamen Ausschuß neben den Bundestagsabgeordneten folgt demnach auch, daß die nicht dem Gemeinsamen Ausschuß angehörenden Bundesratsmitglieder den nicht ausschußangehörenden Bundestagsabgeordneten gleichzustellen sind. Das parlamentarische Leben konzentriert sich zwar auf den Gemeinsamen Ausschuß, die Verfassungsorgane Bundestag und Bundesrat bestehen aber dennoch weiter, nur ist ihre Handlungsfähigkeit beeinträchtigt. Damit bleiben die Mitglieder dieser Organe weiterhin ihre ordentlichen Mitglieder, mit dem Anspruch am parlamentarischen Leben soweit als möglich beteiligt zu werden. Daraus folgt nun, daß die Bundesratsmitglieder im seI ben Rahmen Zutritt zum Gemeinsamen Ausschuß in Anspruch nehmen können müssen wie die Bundestagsabgeordneten auch. Demnach ist ihr genereller Ausschluß von nichtöffentlichen Sitzungen als verfassungswidrig anzusehen397 . Ist dieser Ausschluß ersichtlich durch keinen sächlichen Grund gerechtfertigt, so lassen sich demgegenüber doch gute Gründe für einen Ausschluß sowohl von Bundestagsabgeordneten und Bundesratsmitgliedern von geheimen Sitzungen des Gemeinsamen Ausschusses vorbringen (§§ 10 S. 2; 11 Abs. 3 GOGA). Hier ist die Eingrenzung des Sicherheitsrisikos zu nennen, das naturgemäß mit der Zahl der beteiligten Personen wächst398 • Zwar ist anzuerkennen, daß in Normalzeiten Bundesratsmitgliedern und ihren Beauftragten gemäß Art. 43 Abs. 2 S. 1 GG Zutritt zum Bundestag und seinen Ausschüssen auch bei geheimen Sitzungen nicht verwehrt werden kann. Hier muß jedoch die SBK, S. 541; Hendrichs, Rdnr. 20 zu Art. 53 a GG, in: v. Münch. Für ein Zutritts recht aller Bundesratsmitglieder und ihrer Beauftragten dagegen Schröder, M. (2), Rdnr. 85 zu Art. 43 GG; unklar Schönfeld, S. 126 f. und MDHS, Rdnr. 52 zu Art. 53 a GG; s. daneben bei Hendrichs, Rdnr. 21 zu Art. 53 a GG, in: v. Münch. 391 Im Ergebnis ebenso: MDHS, Rdnr. 52 zu Art. 53 a GG; Schönfeld, S. 126 f.; Schröder, M. (2), Rdnr. 85 zu Art. 43 GG; zur Öffentlichkeit i. S. d. § 73 Abs. 2 GOBT s. bei Delbrück, Rdnr. 64 zu Art. 115 e GG. 398 MDHS, Rdnr. 51 zu Art. 53 a GG; Schönfeld, S. 125 f. 395 396

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2. Teil: Zitier- und Zutrittsrecht im deutschen Parlamentsrecht

veränderte Funktionsverteilung durch Schaffung des Gemeinsamen Ausschusses sowie die besondere Situation berücksichtigt werden, in der dieser überhaupt nur agieren darf. Dies muß insoweit eine Berufung auf Art. 43 Abs. 2 S. 1 GG hier sinnentleert erscheinen lassen399 • Es dürfen daher die Bundesratsmitglieder von geheimen Sitzungen des Gemeinsamen Ausschusses im gleichen Maße ausgeschlossen werden wie die Bundestagsabgeordneten4oo • 2.3.2.3. Enquetekommissionen Enquetekommissionen weisen als gemischte Ausschüsse insoweit eine Besonderheit auf, als ihnen auch "Nichtparlamentarier" angehören dürfen. Dennoch ließen sie sich im aufgezeigten Rahmen401 als Ausschüsse im Sinne des Art. 43 GG charakterisieren. Hieraus resultiert mithin ein Zutritts recht ~er Mitglieder von Bundesregierung und Bundesrat sowie ihrer Beauftragten. überlegungen nach Einschränkung des Zutrittsrechts wie bei Wahlprüfungs-, Untersuchungs- und Petitionsausschuß sind unter Berücksichtigung der Aufgabenstellung dieser Enquetekommissionen nicht anzustellen 402 •

3. Anhörungs- oder Rederecht Neben dem Zitier- und Zutritts recht normieren Art. 43 und 53 GG ausdrücklich ein Anhörungs- oder Rederecht, das nach der hier vertretenen Auffassung in einer Auskunftspflicht im Zusammenhang mit dem Zitierrecht kein Gegenstück aufweist. Das Anhörungs- oder Rederecht steht in enger Verbindung mit dem "selbständigen" Zutrittsrecht, das Art. 43 Abs. 2 S. 1 und Art. 53 S. 1 GG gewähren. Es darf hiermit aber nicht gleichgesetzt werden. Zutritt zu den entsprechenden Gremien ist zwar eine natürliche Voraussetzung für die Geltendmachung des Anhörungsrechts. Diese Voraussetzung erfüllen aber bspw. die Regierungsmitglieder im allgemeinen bereits dadurch, daß sie gleichzeitig Abgeordnetenstatus besitzen, wenngleich dieses "unselbständige" Zutritts recht mitunter weitergehenden Einschränkungen unterworfen sein kann. Obwohl das Anhörungs- oder Rederecht selbständig und gleichrangig neben Zitier- und Zutritts recht tritt, soll es wegen seiner engen Verknüpfung mit dem Zutritts recht der Vollständigkeit halber in seinen wesentlichen Zügen noch kurz skizziert werden. a. A. Schröder, M. (2), Rdnr. 85 zu Art. 43 GG. Ebenso MDHS, Rdnr. 51 zu Art. 53 a GG; Schönfeld, S. 125 f. 401 Vgl. in diesem Abschnitt 1.2.7.2. 402 So auch Pietzner (1), S. 46; Köppler, S. 177; Schönfeld, S. 154 ff.; Partsch, S.465. 399

400

2. Abschn.: 3. Anhörungs- oder Rederecht

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3.1. Ausgestaltung nach dem Grundgesetz

Nach Art. 43 Abs. 2 S. 2 und Art. 53 S. 2 GG müssen die Mitglieder der Bundesregierung im Bundestag, Bundesrat und deren Ausschüssen jederzeit gehört werden. Im Bundestag und seinen Ausschüssen können ferner die Regierungsbeauftragten wie auch die Mitglieder des Bundesrates und deren Beauftragte ein Rederecht wahrnehmen. Diesem Personenkreis steht das Rederecht unabhängig davon zu, ob sie an den Sitzungen der entsprechenden Gremien "freiwillig", d. h., in Ausübung ihres Zutritts rechts teilnehmen oder nur deshalb anwesend sind, weil sie einem Zitierbeschluß Folge zu leisten hatten. Während sich diese Rechtsfolge aus Art. 53 S. 2 GG ohne weiteres entnehmen läßt, könnte dagegen Art. 43 Abs. 2 S. 2 GG aufgrund seiner Stellung im Art. 43 "irreführend" wirken403 , da sich diese Regelung unmittelbar nur auf die nach Abs. 2 S. 1 Anwesenden beziehe. Bereits ein Vergleich mit Art. 53 GG wie auch mit Art. 33 WRV zeigt - was unstreitig sein dürfte 404 - , daß kein vernünftiger Grund vorhanden ist, das Rederecht nicht auch Herbeigerufenen zu gewähren und demnach Art. 43 Abs. 2 S.2 wie einen Absatz 3 zu lesen. Das Grundgesetz schreibt ein äußerst weitreichendes Rederecht fest. Es setzt grundsätzlich weder inhaltliche noch zeitliche Schranken40s • "J ederzeit" im Sinne der Art. 43 und 53 GG bedeutet, daß für die Redeberechtigten keine Bindung an die jeweilige Tagesordnung besteht. Damit wird die Möglichkeit eröffnet, "außerhalb der Beratung" das Wort zu ergreifen, also auch vor Beginn und nach Schluß der Beratung. Selbstverständlich ist dies auch nach Ablauf der beschlossenen Redezeit zulässig 406 , jedoch nicht mehr nach Vertagung, Unterbrechung und Schließung einer Sitzung oder wenn deren Aufhebung zwingend geboten ist 407 • Demgegenüber wird die Ansicht vertreten408 , "jederzeit" GG beinhalte anders als nach Art. 43 GG nicht das Recht, Schluß der Beratung oder nach Ablauf der Redezeit oder außerhalb der Tagesordnung zu sprechen. Art. 53 Satz 2

in Art. 53 auch nach überhaupt entspräche

So MDHS, Rdnr. 19 zu Art. 43 GG. s. neben MDHS, Fn. 408, Schönfeld, S. 166. . 405 Ganz h. M.: MDHS, Rdnr. 21 zu Art. 43 GG, Rdnr. 10 u. 11 zu Art. 53 GG; vMK, S. 938; Hamann / Lenz, S. 465; Giese, Er!. 11 3; Giese / Schunck, Er!. 11 3 zu Art. 43 GG; Versteyl, S. 481 in: v. Münch; Fauser, S. 33; Schönfeld, S. 166 f.; dem entspricht auch die Entstehungsgeschichte: s. bei Doemming, S. 365 f.; 396 f. 406 So vMK, S. 938 m. w. N. und Schönfeld, S. 167 m. w. N. in Fn. 1 u. 2. (07 Vg!. §§ 22, 26, 40, 45 GOBT; 28 Abs. 2 GOBR; s. daneben Trossmann (1), S. 207 f.; MDHS, Rdnr. 21 zu Art. 43 GG; Schönfeld, S. 167. 408 vMK, S. 1052 in Abweichung zur 1. Auf!. Anm. 2 zu Art. 53 GG, S. 291. 403 404

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2. Teil: Zitier- und Zutritts recht im deutschen Parlamentsrecht

nämlich Art. 65 Satz 3 WRV409. Die heutige Fassung des Art. 53 GG weise dieselben Einschränkungen auf. Dem Weglassen der Wörter "während der Beratung" komme nur redaktionelle, keine sachliche Bedeutung ZU410 . Dies unterstreiche zudem der Umstand, daß die Geschäftsordnung des Bundesrates keine dem § 44 GOBT entsprechende Vorschrift aufweise. Eine solche Differenzierung zwischen Art. 43 und 53 GG kann angesichts des identischen Wortlauts und der Entstehungsgeschichte dieser Vorschriften nicht akzeptiert werden411 • Bedarf es schon einiger Mühe, den Begriff "jederzeit" jeweils unterschiedlich zu interpretieren, so verbietet sich ein solches Vorgehen unter Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte beider Artikel vollends. Die Fassungen, die Art. 43 und 53 GG zunächst zugrunde lagen, wiesen übereinstimmend die Beschränkung auf, das Rederecht nur "während der Beratung" ausüben zu dürfen412 • Der Wegfall dieser Beschränkung in beiden Artikeln, sowie die gleichzeitige Verwendung des Begriffs "jederzeit" lassen danach nur die Auslegung zu, dieser Begriff solle in beiden Vorschriften mit demselben Inhalt gefüllt werden. Dem widerspricht auch nicht das Fehlen einer dem § 44 GOBT entsprechenden Regelung in der Geschäftsordnung des Bundesrates. Eine solche Vorschrift erscheint zwar sinnvoll, keinesfalls aber zwingend geboten. Sie betrifft zudem nur die Regelung des Verfahrens des jeweiligen Gremiums in einer bestimmten Situation und dient damit lediglich präventiv der Klarstellung. In Entsprechung unerläßIicher parlamentarischer Rücksichtspflichten wird die Inanspruchnahme des Rederechts jedoch während einer Abstimmung oder "im Laufe einer Amtshandlung des Präsidenten" generell abgelehnt. Zwar findet das Rederecht insbesondere unter Berücksichtigung des Wortlautes der Art. 43, 53 GG eine Schranke grundsätzlich nur im Mißbrauchsverbot413 , und die Inanspruchnahme des Rederechts selbst während einer Abstimmung oder im Laufe einer Amtshandlung wird nicht zwingend in jedem Fall als Mißbrauch angesehen werden müssen414 . Dennoch wird man diese in der Praxis beste409 Sie müssen während der Beratung auf Verlangen jederzeit gehört werden. 410 vMK, S. 1052. 411 Im Ergebnis so wohl auch MDHS, Rdnr. 10 zu Art. 53 GG. 412 Art. 55 Abs. 2 S. 1 HChE: Sie müssen während der Beratung jederzeit gehört werden. Art. (68) und 73 Abs. 1 S. 2 HChE: Sie müssen während der Beratung auf Verlangen jederzeit gehört werden. 413 BVerfGE 10, 4; d. h. bspw. kein "Filibustern" und Behinderung der Parlamentsarbeit (Versteyl, S. 481, in: v. Münch) - kein Ausschalten der Opposition und Verhinderung der Darstellung ihrer Standpunkte - Verhinderung unbequemer Kritik ete. -. 414 Beachte vor allem, die Widerverwendung des Wortes "jederzeit" wie vor 1919!

2. Abschn.: 3. Anhörungs- oder Rederecht

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hende Einschränkung als verfassungsgemäß erachten dürfen. Sie entspricht der Natur des parlamentarischen Verfahrens und stellt eine immanente Schranke gegenüber Rede- oder Anhörungsrecht dar. Diesem Verfahren folgt die ständige Praxis konstitutioneller Parlamente, in denen Regierungsvertreter erst nach vorheriger Worterteilung ihr Rederecht in Anspruch nehmen durften. In Fortführung einer bereits im Kaiserreich geübten Parlamentspraxis415 wurde darüber hinaus das Wort immer erst dann erteilt, wenn ein Abgeordneter seine Rede beendet hatte. Demnach durchbricht das Anhörungs- oder Rederecht zwar die Rednerliste, nicht aber auch ein gerade ausgeübtes Rederecht eines Abgeordneten416 • Rede- oder Anhörungsrecht beinhalten keinen Zwang für den einzelnen Abgeordneten, im Plenarsaal bzw. in den Ausschüssen während der Dauer der Rede verweilen zu müssen. Es besteht lediglich die verfassungsmäßige Pflicht, dem berechtigten Personenkreis innerhalb der aufgezeigten Grenzen das Wort zu erteilen. Allerdings wäre es mißbräuchlich, das Rederecht durch willentliche Herbeiführung der Beschlußfähigkeit unterlaufen zu wollen417 • Im übrigen folgt das Rede- oder Anhörungsrecht in seiner Reichweite dem Zutrittsrecht. 3.2. Geschäftsordnungsmäßige Handhabung

Während das Zutritts recht geschäftsordnungsmäßig nur geringen Niederschlag gefunden hat, müßte es im Hinblick auf ein Rede- und Anhörungsrecht nicht verwundern, wenn die unumstrittene parlamentarische Praxis in den Geschäftsordnungen wiedergespiegelt worden wäre. Die verschiedenen geschäftsordnungsmäßigen Regelungen gehen jedoch sachlich nicht über den Wortlaut der Vorschriften von Art. 43 Abs. 2 S. 2 und 53 S. 2 GG hinaus. So wiederholen § 43 GOBT und § 11 Abs. 2 S. 2 GOGA diese Regelungen inhaltlich, während § 15 Abs. 5 S. 1 und § 18 Abs. 2 GOBR das Rederecht lediglich indirekt berühren und im übrigen voraussetzen. Dies geschieht ebenfalls in der Geschäftsordnung des Vermittlungsausschusses. Hier folgt ein Rede- oder Anhörungsrecht ebenso wie ein Zutritts recht aus einer Kumulierung der verfassungsmäßigen Rechte nach Art. 43 und 53 GG. Hierneben wirkt das Rederecht in weiteren geschäftsordnungsmäßigen Regelungen lediglich nach. Eine "Selbstbeschränkung" seitens der Regierungsmitglieder und ihrer Beauftragten bestimmt die Geschäftsordnung der s. dazu schon oben im 1. Abschnitt 4.2.2. MDHS, Rdnr. 21 zu Art. 43 GG; Fauser, S. 32 m. w. N. in Fn. 1 und 3 Trossmann (2), S. 306 f.; SBK, S. 492 f.; vMK, S. 938 f.; Schönfeld, S. 167. 417 Fauser, S. 33; MDHS, Rdnr. 21 zu Art. 43 GG; Schönfeld, S. 167, s. dort (S. 107 f.) zur Kritik an der Ausdeutung des Rederechts im Sinne der h. M. 415

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2. Teil: Zitier- und Zutrittsrecht im deutschen Parlamentsrecht

Bundesregierung sowie die gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesministerien. Danach hat bspw. ein Bundesminister mit Äußerungen in der Öffentlichkeit oder soweit sie für die Öffentlichkeit bestimmt sind, im Einklang mit den Richtlinien der Politik des Bundeskanzlers zu stehen418 und darf nicht gegen die Auffassung der Bundesregierung wirken (§ 28 Abs. 2 GOBuReg). Nach § 28 GOBuReg und §§ 41, 42 Abs. 1 S. 2 und Abs. 3 GGO II sind Regierungsvorlagen zudem nur von den zuständigen Bundesministerien "einheitlich" zu vertreten, so daß danach ein Rederecht nicht allen Regierungsmitgliedern oder deren Beauftragten wahllos zusteht. Ähnlich weitreichende Bestimmungen sind seitens des Bundesrates nicht festgelegt. Nur § 33 GOBR besagt, der Bundesrat könne zur Vertretung seiner Beschlüsse ein Bundesratsmitglied beauftragen. Für den Geschäftsgang im Bundestag regelt dessen Geschäftsordnung darüber hinaus als Antwort auf die Ausübung des Rederechts einige Konsequenzen, die von der Geschäftsordnung des Bundesrates nicht ausdrücklich gezogen wurden. Als zentrale Bestimmung muß § 44 GOBT genannt werden. Da es vorkommen kann, daß nach Schluß einer Beratung (§ 25 GOBT) oder nach Ablauf der vereinbarten Redezeit (§ 35 GOBT) ein Vertreter der Bundesregierung oder ein Mitglied des Bundesrates oder auch deren Beauftragte zum Gegenstand der beendeten Aussprache das Wort ergreifen, eröffnet § 44 Abs. 1 GOBT eine Reaktionsmöglichkeit des Parlaments, die aufgrund der Bestimmungen von § 25 und § 35 GOBT sonst verschlossen wäre. Die Aussprache wird automatisch wieder eröffnet, und zwar mit der gleichen Redezeit, die für die Beratung zuvor zur Verfügung stand, wenn sie nicht vom Bundestag neu festgesetzt wird. Damit auch abweichende Meinungen sowie die verschiedenen Parteirichtungen zu Wort kommen können, erhalten die Fraktionen, deren Redezeit zum Tagesordnungspunkt bereits erschöpft ist, dann noch einmal ein Viertel ihrer Redezeit, wenn ein Mitglied der Bundesregierung oder des Bundesrates bzw. deren Beauftragte in Durchbrechung der Rednerliste das Wort ergreifen (§ 44 Abs. 2 GOBT). Tun sie dies schließlich außerhalb der Tagesordnung, so muß im Anschluß daran eine Aussprache stattfinden, wenn dies von Mitgliedern des Bundestages (Fraktionsstärke) verlangt wird. Damit wird jedoch nicht die Möglichkeit eröffnet, Anträge zur Sache zu stellen (§ 44 Abs. 3 GOBT). Im übrigen bieten die §§ 35 Abs. 1 S. 4 und 28 .A!bs. 1 S. 1 GOBT sowie Ziffer III der "Richtlinien für Aussprachen zu Themen von allgemeinem aktuellen Interesse" (Anlage 5 zur GOBT) die Gewähr, von Seiten des Parlaments auf das Rederecht der Regierung und der Mitglieder des Bundesrates flexibel zu reagie418

Lechner / Hülshoff, S. 343 Anm. 1 zu § 12; Fauser, S. 34.

2. Abschn.: 4. Ordnungsgewalt in den Gremien

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ren, um die verschiedenen, im Parlament zum Ausdruck kommenden Ansichten, hinreichend Berücksichtigung finden zu lassen419 • 3.3. Charakter und JustiziabiUtlU

Neben der Ausübung des Zitier- und Zutritts rechts läßt sich auch die Wahrnehmung des Rede- oder Anhörungsrechts als Regierungsakt charakterisieren. Sie liegt im Ermessen der Mitglieder des Bundesrates, der Bundesregierung und ihrer Beauftragten. Die Verwehrung des Rederechts stellt eine Verletzung verfassungsmäßig verbürgter Rechtspositionen der Redeberechtigten dar. Ein Streit über die richtige Auslegung oder Nichtbeachtung der Art. 43 Abs. 2 S. 2 und Art. 53 S. 2 GG wäre auch hier ein öffentlich-rechtlicher Streit verfassungsrechtlicher Art. Gegenstand eines solchen Streits wäre die gegenseitige rechtliche Beziehung von Trägern (öffentlicher) Regierung bzw. öffentlicher Organe, die demselben "Verfassungskreis" angehörten. Es bestünde daher die Möglichkeit einer Organklage gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG i. V. m. § 13 Nr. 5 BVerfGG.

4. Ordnungsgewalt in den Gremien Der in Art. 43 und Art. 53 S. 1 und 2 GG genannte Personenkreis unterliegt bei Anwesenheit im Bundesrat oder Bundestag der Ordnungsgewalt des Bundesrats- bzw. Bundestagspräsidenten, in den Ausschüssen der des Ausschußvorsitzenden. Unter Ordnungsgewalt ist die allgemeine (Ordnungs)Gewalt zu verstehen, die aus dem Hausrecht und der Polizeigewalt fließt. Sie ist für den Bundestagspräsidenten in Art. 40 Abs. 2 S. 1 GG ausdrücklich niedergelegt. In räumlicher Hinsicht konkretisiert § 7 Abs. 2 S. 1 GOBT diese Bestimmung420 , während § 41 Abs. 1 GOBT eine personelle Abgrenzung trifft. Danach unterstehen "Sitzungsteilnehmer" , die nicht Mitglieder des Bundestages sind 421 , und Zuhörer der allgemeinen Ordnungsgewalt des Präsidenten. Er darf sich bei etwaigen Maßnahmen jedoch nicht auf den Katalog der (besonderen) Ordnungsmaßnahmen nach §§ 36 - 38 GOBT stützen, da autonomes Satzungsrecht den genannten Personenkreis nicht binden kann422 • Er besitzt allerdings die Möglichkeit, Ordnungsmaßnahmen zu treffen, s. dazu auch bei Fauser, S. 36 ff.; Schönfeld, S. 168 ff. Seine Geltung auch für die Ausschüsse ergibt sich aus §§ 74, 58, 59 GOBT: Lechner / Hülshoff, S. 216 Anm. 2 zu § 69 a. F. GOBT; MDHS, Rdnr. 22 zu Art. 43 GG; vMK, S. 939. 421 Auch der Personenkreis nach Art. 43, 53 GG: Trossmann (2), S. 291, Lechner / Hülshoff, S. 205 f. Anm. 1 zu § 45 a. F. GOBT. 422 Trossmann (2), S. 292; MDHS, Rdnr. 28 zu Art. 40 GG; vMK, S. 917 f.; Dennewitz / Schneider zu Art. 40 GG, Erl. II 6 c. 419

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2. Teil: Zitier- und Zutrittsrecht im deutschen Parlamentsrecht

die dem Katalog der §§ 36 - 38 GOBT entsprechen können, soweit dadurch die verfassungsmäßigen Rechte auf Anwesenheit und jederzeitiges Gehör nicht angetastet werden. Die Rechtslage entspricht der in der Weimarer Republik. Der einzige Unterschied zur Weimarer Reichsverfassung, die in Art. 33 Abs. 4 WRV den berechtigten Personenkreis ausdrücklich der Ordnungsgewalt des Vorsitzenden unterstellte, liegt heute lediglich darin, daß sich der "Vorsitzende" heute nicht direkt auf die in der Geschäftsordnung vorgesehenen Ordnungsmaßnahmen stützen darf423 . Der Bundesratspräsident vermag sich bezüglich seiner Ordnungsgewalt auf keine mit Art. 40 Abs. 2 S. 1 GG vergleichbare Vorschrift zu stützen. Dennoch ist seine Ordnungsgewalt im gleichen Umfange unbestritten wie die des Bundestagspräsidenten. Sie fließt aus "allgemein gültigem Parlamentsrecht"424 und findet eine Konkretisierung in §§ 6 Abs. 4 sowie 22 Abs. 1 GOBR, die §§ 7 Abs. 2 und 41 Abs. 1 GOBT entsprechen.

423 Anschütz (1), S. 215; Fauser, S. 94 ff. m. w. N.; zu verschiedenen Beanstandungen s. bei Trossmann (2), S. 293 f.; a. A. wohl Hendrichs, Rdnr. 6 zu Art. 53 GG, in: v. Münch. 424 Lechner / Hülshoff, S. 275 Anm. 4 zu § 6 GOBR; MDHS, Rdnr. 11 zu Art. 53 GG; vMK, S. 1052.

3. Abschnitt

Intranationale Rechtsvergleichung 1. Einführung Art. 28 GG schreibt in seinem Abs. 1 vor, daß die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern den Grundsätzen eines republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaates im Sinne des (Art. 20 GG) Grundgesetzes entsprechen sowie die Landesbevölkerung eine Vertretung haben muß, die aus allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahlen hervorgegangen ist. Dieser Umstand, wie die Einbindung der Länder in einen Bundesstaat überhaupt, bringt zwangsläufig eine weitreichende Übereinstimmung der Länderverfassungen hinsichtlich der Organisation des Staatsapparates mit sich, wenngleich damit weder eine Entscheidung zugunsten eines parlamentarischen Regierungssystems getroffen wird, noch Institute wie das Zitier- und Zutrittsrecht notwendigerweise Eingang in jede Landesverfassung finden mußten l • Die Organisation des Staatsapparates folgt in allen Ländern den Grundsätzen der Funktionentrennung. Dies wird, abgesehen von den Verfassungen Hamburgs und Hessens, in allen übrigen Verfassungen ausdrücklich hervorgehoben, obwohl die Organisationsstrukturen aller Länder die Funktionentrennung bereits hinreichend kennzeichnen. Wie im Bund übt das Volk seine Gewalt mittelbar durch die Länderparlamente aus (Landtag, Bürgerschaft, Abgeordnetenhaus). Stärker als im Bund finden sich daneben in einer Reihe von Länderparlamenten auch plebiszitäre Elemente. Danach ist die wahl- und stimmberechtigte Bevölkerung berufen, allein, neben oder zusammen mit der jeweiligen Volksvertretung bei der Änderung der Verfassung initiativ zu werden2 • Ferner besteht zwar eine generelle Zuständigkeit der Parlamente für Gesetzgebung und Regierungskontrolle. Nach verschiedenen Landesverfassungen3 existiert jedoch auch eine sog. "Volks gesetz ge1 Dazu und zum folgenden Einzelheiten bei Schunck / De Clerck, S. 321 ff.; Pestalozza, S. IX ff., mit den Texten der Landesverfassung im Anschluß an die Einführung. 2 bwLV Art. 64 Abs. 3; rhpfLV Art. 129 Abs. 1; bayLV Art. 75 Abs. 2 S. 2; bremLV Art. 125 Abs. 3 b, Abs. 4; hessLV Art. 123 Abs. 2. 3 bwLV Art. 59; bayLV Art. 71; bremLV Art. 69 - 74; hessLV Art. 117; nrwLV Art. 68; rhpfLV Art. 107 -109.

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2. Teil: Zitier- und Zutritts recht im deutschen Parlamentsrecht

bung", d. h., Gesetzesvorlagen können neben Regierung oder Abgeordneten ebenfalls vom Volk durch Volksbegehren eingebracht und durch Volksabstimmung beschlossen werden4 • Die plebiszitäre Komponente geht teilweise sogar soweit, daß dem Volk die Kompetenz zur Parlamentsauflösung eingeräumt wird 5 • Wie im Bund übernehmen auch in den Ländern Ausschüsse als Hilfsorgane wichtige Funktionen. Bemerkenswert, aber zugleich nicht ganz unbedenklich, ist in diesem Zusammenhang der Art. 105 bremLV. Diese Bestimmung legt erstmals in einer Verfassung fest, daß in die ständigen Ausschüsse, auch der Bürgerschaft nicht angehörende Personen zu Mitgliedern gewählt werden können. Mit dieser Qualifizierung durch die Verfassung selbst wird zweifellos in bemerkenswerter Weise parlamentsrechtlich Neuland betreten6 • Die "Nichtparlamentarier" rücken in die gleiche rechtliche Position wie alle übrigen Ausschußmitglieder. Bedenken ergeben sich nun dadurch, daß sie nicht durch Parlamentswahlen unmittelbar legitimiert sind, was um so schwerer wiegt, als die Ausschüsse von der Bürgerschaft im begrenzten Rahmen Befugnisse der Bürgerschaft übertragen bekommen können (Art. 105 Abs. 5). Damit sieht sich die Exekutive in den Ausschüssen mit einer zweiten "Kraft" konfrontiert. Die Problematik soll hier jedoch nicht weiter vertieft, auf die Besonderheit der Regelung nur hingewiesen werden. Der Spielraum des Landesgesetzgebers ist durch Art. 73 GG naturgemäß stark eingeengt. Er wird darüber hinaus auf dem Gebiet der konkurrierenden Gesetzgebung (Art. 74 GG) und selbst durch Rahmenvorschriften (Art. 75 GG) immer häufiger eingeschränkt, so daß sich seine Tätigkeit insbesondere noch auf das Kultur-, Polizei- und Gemeindewesen erstreckt. In allen Ländern sind die Regierungen (in Hamburg, Berlin und Bremen der Senat) in verschiedener Weise vom Vertrauen der Parlamente abhängig. Im allgemeinen finden sich in den Verfassungen sowohl Regelungen über die Erforderlichkeit einer Investiturabstimmung als auch die Möglichkeit eines Mißtrauensvotums. In der Regel dürfen die Regierungssysteme der Länder daher als parlamentarische Regierungssysteme angesprochen werden. Bei der Einsetzung der Regierung folgen Nordrhein-Westfalen (Art. 52) und Schleswig-Holstein (Art. 21, 22) der Regelung des Grundgesetzes und normieren ein sog. "Kanzlerprinzip" . Der Landtag wählt aus seiner Mitte den Regierungschef (Ministerpräsidenten), der wiederum die Minister beruft und entLetzteres auch im Saarland, Art. 100 saarLV. bwLV Art. 43; bayLV Art. 74, 18 Abs. 3; berl. LV Art. 39 Abs. 1; nrwLV Art. 35 Abs. 2, 68 Abs. 3; rhpfLV Art. 109. t § 56 (§ 74 a a. F.) GOBT ist zwar die ältere Vorschrift, sie ist jedoch nur autonomes Satzungsrecht. 4

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3. Abschn.: 2. Das Zitierrecht in den Länderverfassungen

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läßt. In einigen Ländern bedürfen demgegenüber auch die vom Ministerpräsidenten ernannten Minister der Bestätigung durch den Landtag 7 • In den Stadtstaaten wählen dagegen Abgeordnetenhaus bzw. Bürgerschaft die gesamte RegierungS. Abgesehen von Bayern enthalten darüber hinaus alle Landesverfassungen Bestimmungen über ein Mißtrauensvotum (destruktives oder konstruktives)9. Die bayerische Landesverfassung bestimmt lediglich, daß der Ministerpräsident zurücktreten muß, wenn eine "vertrauensvolle Zusammenarbeit" mit dem Landtag unmöglich geworden ist (Art. 44 Abs. 3 S. 2). Zwar steht außer Frage, daß der Freistaat Bayern systematisch als eine parlamentarische Demokratie zu charakterisieren ist, nicht dagegen kann seine Regierungsform als parlamentarisches Regierungssystem bezeichnet werden10 , wenn man davon ausgeht, daß Art. 44 Abs. 3 S. 2 ein Mißtrauensvotum nicht zuläßt. Nicht der Landtag, sondern die Regierung ist es (Ministerpräsident), die darauf zu achten hat, ob sie noch vom Vertrauen des Landtages getragen wird l l • Sie hat diese Feststellung zu treffen. Der Landtag kann dagegen die Abberufung der Regierung nur mittelbar erzwingen. Hierzu bedarf es nämlich entweder einer Ministeranklage (Art. 59, 61) oder eines Verfassungsstreitverfahrens (Art. 64). Die Landesverfassungen haben ebenso wie das Grundgesetz zahlreiche Änderungen erfahren. Dabei ist in deren Gesamtheit u. a. einmal ein Trend der Anpassung an das Bundesrecht zu erkennen, wie zum anderen aber auch eine nicht unbeachtliche Tendenz, die Stellung der Parlamente gegenüber den Regierungen zu stärken, was u. a. darin zum Ausdruck kommt, daß gerade diejenigen Mängel und Schwächen, die im Zusammenhang mit dem Zitier- und Zutrittsrecht auf Bundesebene verschiedentlich aufgezeigt werden, in den Landesverfassungen beseitigt oder abgeschwächt wurden.

2. Das Zitierrecht in den Länderverfassungen Die Verfassungen aller Bundesländer einschließlich West-Berlins enthalten ebenso wie das Grundgesetz ein Zitierrecht12 • Allerdings ist ein Vorbildcharakter der Regelung des Grundgesetzes bspw. auf die 7 bwLV Art. 46 Abs. 3; bayLV Art. 45,46; hessLV Art. 101 Abs. 4; ndsLV Art. 20 Abs. 3 u. 4; rhpfLV Art. 98 Abs. 2 S. 2; saarLV Art. 89 S. 2. 8 berlLV Art. 41; bremLV Art. 107; hambLV Art. 34. G saarLV Art. 90; bwLV Art. 54 Abs. 1; berlLV Art. 42 Abs. 2; bremLV Art. 110; hambLV Art. 35; hessLV Art. 114; ndsLV Art. 23; nrwLV Art. 61; rhpfLV Art. 99; schlhLV Art. 30. 10 a. A. wohl Schunck / De Clerck, S. 329; Pestalozza, S. XV. 11 Nawiasky / Leusser, Rdnr. 5 zu Art. 44. 11 s. überblick in der Anlage.

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2. Teil: Zitier- und Zutritts recht im deutschen Parlamentsrecht

Landesverfassungen, die zeitlich nach dem Grundgesetz erlassen wurden, nicht augenscheinlich. Dies läßt sich dadurch erklären, daß die Länder sich auf eigene, in früheren Länderverfassungen bereits vorhandene Vorbilder zu stützen vermochten. Weniger in der Sache als vielmehr in Einzelheiten, die landesrechtlichen Besonderheiten Rechnung tragen, weichen die Bestimmungen der Länder daher teilweise erheblich voneinander ab. 2.1. Inhaber des Zitierrechts

Ebenso wie im Bund besitzen ein Zitierrecht alle Länderparlamente nebst ihren Ausschüssen. Nach Art. 23 Abs. 1 S. 3 hambLV ist daneben auch der Vorstand der Bürgerschaft Inhaber eines Zitierrechts. Es handelt sich hierbei um ein Gremium, das sich gemäß Art. 18 Abs. 1 hambLV in Verbindung mit § 2 Abs. 2 der Geschäftsordnung der Bürgerschaft aus dem Präsidenten, dem ersten und zweiten Vizepräsidenten und vier Schriftführern zusammensetzt. Es ist beim ersten Zusammentritt des Parlaments zu wählen (§ 2 Abs. 1 GO). Es beschließt als Kollegialorgan. Aus der Formulierung des Art. 23 Abs. 1 S. 1 im Zusammenspiel mit S. 3 hambLV ergibt sich, daß der Vorstand den Senat jedoch nur ersuchen kann, Vertreter in die Sitzungen der Bürgerschaft und ihrer Ausschüsse zu entsenden, diese dagegen nicht zur Anwesenheit in Sitzungen des Vorstandes verpflichten kann, zumal es sich bei diesem Gremium darüber hinaus auch nicht um einen Ausschuß i. S. d. Art. 23 hambLV handeJt13. In Bayern steht ein Zitierrecht außer Landtag und seinen Ausschüssen auch dem Senat und dessen Ausschüssen ZU 14 • Der Senat tritt neben den Landtag als Vertretung der sozialen, wirtschaftlichen, kulturellen und gemeindlichen Körperschaften des Landes (Art. 34 bayLV). Er entspricht von seiner Struktur her überwiegend dem Senatstyp 15. Die Senatoren werden von den zuständigen Körperschaften gewählt (Art. 35, 36 bayLV). Der Senat besitzt auch das Recht, Gesetzesvorlagen im Landtag einzubringen. Dennoch handelt es sich hierbei ebensowenig wie beim Bundesrat um eine "echte" zweite Kammer16 , denn er kann auf keine unmittelbare Legitimation gegenüber dem bayerischen Volk verweisen und nimmt zudem als Organ im Gesetzgebungsverfahren nur eine beratende Funktion ein. Seinem durch einfaches Gesetz eingeSo auch Bernzen / Sohnke, S. 64 Rdnr. 2 zu Art. 18. Art. 42 bayLV i. V. m. Art. 25 des Gesetzes über den Senat; § 68 GOBS; s. dazu in der Anlage. 15 s. oben im 2. Abschnitt 1.2.2. 18 Schunck / De Clerck, S. 337; s. dazu auch bei Achterberg (4), S. 10; Sauer, S. 49 m. w. N. in Fn. 107; a. A. Nawiasky / Leusser, Er!. zu Art. 34 bayLV. 13

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3. Abschn.: 2. Das Zitierrecht in den Länderverfassungen

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räumten Zitierrecht kommt mithin auch nicht die gleiche Bedeutung zu, wie dem durch die Verfassung selbst der Volksvertretung gewährten Zitierrecht. Es läßt sich letztlich in etwa vergleichen mit dem Zitierrecht des Bundesrates. 2.2. Adressaten des Zitlerrechts

Adressaten eines Zitierbeschlusses sind die Landesregierungen bzw. Senate 17 • Die Landesregierungen setzen sich im allgemeinen aus einem Ministerpräsidenten und den Ministern zusammen. In Bayern zählen zur Landesregierung ebenfalls Staatssekretäre. Sie erhalten zwar Sitz und Stimme in der Staatsregierung (Art. 50 Abs. 2 S. 2 bayL V), nehmen aber dennoch nur die Funktion eines Ministerstellvertreters ein und sind entsprechend an Weisungen der Minister, denen sie zugewiesen sind, gebunden (Art. 51 Abs. 2 bayLV). Im Falle der Verhinderung des Ministers rücken sie dagegen uneingeschränkt in dessen Stellung ein. Der Vorteil gegenüber der bundesrechtlichen Regelung für das Parlament liegt unverkennbar darin, daß es selbst bei Verhinderung eines Ministers immer noch einen kompetenten (zuständigen), weil mit den Sachfragen vertrauten Ansprechpartner findet, der zudem dem Parlament gegenüber verantwortlich ist. Demgegenüber kommt es zwar in der Praxis des Bundestages ebenfalls vor, daß die Anwesenheit eines Staatssekretärs verlangt wird. Die wesentlich schwächere Stellung der parlamentarischen wie beamteten Staatssekretäre ist jedoch augenscheinlich18 und muß aus der Sicht des Parlaments als unbefriedigend gelten. Ebenfalls Staatssekretäre oder auch ehrenamtliche Staatsräte können in Baden-Württemberg als weitere Mitglieder der Landesregierung ernannt werden. Sie haben im Kabinett allerdings nur dann Stimmrecht, wenn es ihnen der Landtag durch Beschluß verleiht. Die Innehabung dieses Stimmrechts zeitigt jedoch keinerlei Auswirkungen auf ihre Adressateneigenschaft im Hinblick auf das Zitierrecht1 9 • über den Kreis der eigentlichen Mitglieder der Landesregierungen hinaus, dehnt als einzige die saarländische Verfassung den Adressatenkreis auch auf "Bevollmächtigte" der Landesregierung aus. Wie im Bund besteht schließlich nach den Landesverfassungen überwiegend die Möglichkeit, jedes Regierungsmitglied, unabhängig von seiner Zuständigkeit, herbeizurufen. Eine Einschränkung findet sich allerdings in der schleswig-holsteinischen Verfassung. Danach hat lediglich der Landtag das Recht, den Ministerpräsidenten zu zitieren. Die Landtagsausschüsse können - wie der Landtag im übrigen selbstver17

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Zur Zusammensetzung der Regierungen s. Hinweise in der Anlage. Schäfer, H. (2), S. 40; Nawiasky / Leusser, Rdnr. 7 z. Art. 50 bayLV. Zum Vorstehenden auch bei Schäfer, H. (2), S. 40.

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2. Teil.: Zitier- und Zutritts recht im deutschen Parlamentsrecht

ständlich auch - nur die Minister herbeirufen. Abweichende Bestimmungen enthalten insoweit ebenfalls die Verfassungen Hamburgs und Bremens. Danach kann die Bürgerschaft lediglich die "Anwesenheit von Vertretern des Senats verlangen" (Art. 98 Abs. 2 S. 1 bremLV), bzw. ist der Senat "zur Entsendung von Vertretern verpflichtet" (Art. 23 Abs. 1 S. 3 hambLV). "Vertreter" im Sinne dieser Vorschriften können sowohl Senatoren sein, also Mitglieder der Regierung, als auch Personen, die nicht der Regierung angehören. Wen der Senat entsendet, ist ihm überlassen. Die Abhängigkeit vom Vertrauen der Parlamente wird aber auch hier in der Regel dazu führen, daß dem Vorschlag der Bürgerschaft auf Entsendung eines bestimmten Vertreters entsprochen wird20 • 2.3. Auskunftspßidlt der Zitierten

Ebenso wie in der Rechtsprechung und Kommentierung zum Bundesrecht 21 findet sich in der Rechtsprechung und Kommentierung zum Landesrecht die Ansicht, das Zitierrecht sei Teil oder Grundlage des Interpellationsrechts22 • Das Zitierrecht muß jedoch ebenso wie auf Bundesebene als Recht der Mehrheit vom Interpellations- und sonstigem Fragerecht der Parlamentsminderheit scharf geschieden werden23 • Allein die Stadtstaaten Hamburg (Art. 24) und Bremen (Art. 100) haben in ihren Verfassungen das Recht festgeschrieben, daß in öffentlichen Angelegenheiten Abgeordnete unter Beachtung bestimmter Voraussetzungen Anfragen an den Senat richten dürfen24 • Diese Anfragen - je nachdem, in welcher Form sie gestellt werden - sind mündlich oder schriftlich zu beantworten. Dabei trifft den Senat grundsätzlich die Pflicht, alle Anfragen zu beantworten25 • Den Umfang der Auskunft bestimmt der Senat allerdings selbst (Fremdinformationsrechte) nach "pflichtgemäßem Ermessen". Aus Gründen der Geheimhaltung kann eine Antwortverweigerung möglich sein. Auch wird dem Senat ein eigener Beratungs- und Entscheidungsbereich zugestanden, der keiner Auskunftspflicht unterliegt26 • 20 Wie hier Bernzen / Sohnke, Rdnr. 3 zu Art. 23 hambLV; unklar Spitta, Erl. (Abs. 1) zu Art. 98 bremLV. 21 s. oben im 2. Abschnitt 1.1. 22 Nawiasky / Leusser, Rdnr. 2 zu Art. 24; Süsterhenn / Schäfer, Er!. 2 zu Art. 89; Meder, Erl. 1 zu Art. 24; Spreng zu Art. 34; Drexelius, Erl. 3 zu Art. 23. 23 Zinn / Stein, Er!. 2 u. 5 zu Art. 91; Pfennig / Neumann, Rdnr. 1 u. 2 zu Art. 34; unklar GeIler / Kleinrahm / Fleck, Er!. 5 z. Art. 45, differenziert aber bei Dickersbach, Anm. 4 u. 8 zu Art. 45; s. auch bei Landsberg, Er!. 1 zu Art. 34; Bernzen / Sohnke, Rdnr. 5 zu Art. 23. 24 Vg!. im übrigen die GO der LT; Nachweise zu den geschäftsordnungsmäßigen Bestimmungen bei Spitte, S. 190. 25 So Bernzen / Sohnke, Rdnr. 3 und 6 und Drexelius, Er!. 1 und 2 zu Art. 24.

3. Abschn.: 2. Das Zitierrecht in den Länderverfassungen

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Ganz überwiegend wird im übrigen dem selbständigen Fragerecht, das aus dem Zitierrecht folgt, eine Auskunftspflicht der Regierungen gegenübergestel1t27 • Angesichts der Bestimmungen in den einzelnen Länderverfassungen kann dem nur unter erheblichen Einschränkungen gefolgt werden. Mit denselben Erwägungen wie zu Art. 43 GG ist eine verfassungsmäßige Verpflichtung zur Auskunftserteilung, die allein aus dem Zitierrecht folgen soll, zu verneinen28 • Eine derartige Pflicht läßt sich aus der überwiegenden Zahl der Vorschriften in den Länderverfassungen nicht herleiten, insbesondere nicht durch Interpretation des Begriffs "Anwesenheit". Eine verfassungsmäßige Pflicht folgt einzig aus Art. 78 Abs. 2 saarlLV. Sie normiert ausdrücklich, daß die erschienenen Regierungsmitglieder oder ihre Bevollmächtigten Auskünfte zu erteilen haben29 • Unabhängig vom Zitierrecht besteht eine ausdrückliche Pflicht zur Auskunftserteilung gegenüber dem Landtag, darüber hinaus noch im Rahmen der Art. 94 hessLV, 90 rhpfLV und 79 saarlLV30. Dieses Auskunftsrecht ist ebenfalls als Mehrheitsrecht konzipiert31 • Mit der Verpflichtung der Landesregierungen hinsichtlich der überwiesenen Eingaben, Auskunft zu erteilen, ist jedoch in erster Linie das Petitionsrecht angesprochen, was aber dem Landtag unbeschadet dieser Charakteristik ein nicht zu unterschätzendes Kontrollmittel an die Hand gibt. Eine Auskunftspflicht - gleichsam unabhängig vom Zitierrecht - klingt daneben noch in Art. 44 Abs. 3 S. 1 bayLV an, wenn von Regierung und Landtag eine "vertrauensvolle Zusammenarbeit" gefordert wird. Eine solche bedingt nämlich eine weitreichende Information des Parlaments, womit allerdings auch hier ein eigener "Beratungsund Entscheidungsbereich" der Regierung kaum angetastet werden wird. Soweit man nun allerdings hieraus eine Auskunftspflicht herleitet, folgt sie selbst jedenfalls nicht aus dem Zitierrecht, sondern aus der politischen Zuordnung von Regierung und Parlament, wenn sie 26 Schunck / De Clerck, S. 344 Fn. 1; hambVerGH, DÖV 1973, 745 ff. (746) = DVBl. 1973, 885; Bernzen / Sohnke, Rdnr. 5. 27 Vgl. Nachweise oben in Fn. 21 und 22 in diesem Abschnitt. 28 Thieme, S. 432 f.; wie hier auch Nebinger, S. 200 f., Erl. 2 zu Art. 64 mit dem Hinweis auf die frühere württembergische Verfassung. s. auch Süsterhenn / Schäfer, Erl. 2 zu Art. 89 mit Hinweisen zu den Verfassungen Badens und Württemberg-Hohenzollerns. 29 s. bei Schranil, S. 123 f., der dieses Auskunftsrecht aber mit dem IPR gleichsetzt, jedoch zu Recht darauf hinweist, daß es als Teil der auch aus Art. 67 Abs. 2 saarLV fließenden Kontrollrechte des Parlaments gilt. 30 Die Vorschriften lauten übereinstimmend: Der Landtag kann an ihn gerichtete Eingaben der Landesregierung überweisen und von ihr Auskunft über eingegangene Anträge und Beschwerden verlangen. Nach Schranil, S. 124 f. ist damit - im Gegensatz zu Art. 78 Abs. 2 - die schriftliche Aus~ kunftserteilung zu verstehen; s. dazu auch bei Zinn / Stein, Anm. 4 zu Art. 94. 81 Unklar Süsterhenn / Schäfer, Erl. 2 zu Art. 89 und Erl. 2 zu Art. 90.

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2. Teil.: Zitier- und Zutritts recht im deutschen Parlamentsrecht

auch mit dem aus dem Zitierrecht fließenden selbständigen Fragerecht geltend gemacht werden mag. 3. Das Zutrittsrecht in den Länderverfassungen Neben dem Zitierrecht enthalten alle Länderverfassungen ein Zutrittsrecht32 . Zutrittsberechtigt sind durchweg alle Mitglieder der Regierungen sowie deren "Bevollmächtigte", "Beauftragte" oder "Vertreter"33. Allein der Art. 34 Abs. 2 berlLV läßt einen entsprechenden "Beauftragtenzusatz" vermissen. Inhaber des Zutritts rechts ist danach nur der Berliner Senat, nicht aber auch Beauftragte der Senatoren, wie ein Vergleich des Art. 34 Abs. 2 mit Abs. 3 und Art. 40 Abs. 2 berlLV unzweifelhaft veranschaulicht 34. Das Zutritts recht erstreckt sich ausnahmslos auf die Länderparlamente und überwiegend auch auf alle Ausschüsse dieser Parlamente35 . In verschiedenen Ländern ist die Diskussion um Beschränkungen des Zutrittsrechts insbesondere zu Untersuchungsausschüssen nicht ohne Nachwirkungen geblieben. Um die aufgezeigten Unerträglichkeiten auszuräumen, haben einige Länder die Konsequenzen gezogen und Verfassungs änderungen vorgenommen. Am weitesten geht dabei Art. 10 Abs. 3 ndsLV. Er schließt den jederzeitigen freien Zugang von Regierungsmitgliedern zu Untersuchungsausschüssen, zum Wahlprüfungsausschuß und zum Ausschuß zur Vorbereitung der Wahl der Mitglieder des Staatsgerichtshofs aus. Berlin (Art. 33 Abs. 4), Hamburg (Art. 23 Abs. 1 S. 2) und Nordrhein-Westfalen (Art. 45 Abs. 3) verwehren den Zutritt zu Untersuchungsausschüssen, während in Baden-Württemberg nach Art. 34 Abs. 2 S. 3 hierüber durch einfaches Gesetz eine Regelung getroffen werden darf36 .

4. Rederecht und Ordnungsgewalt in den Landesparlamenten Ein Rede- und Anhörungsrecht schreiben mit Ausnahme Bremens alle Landesverfassungen ausdrücklich vor. In der Regel wird bestimmt, daß die Regierungsmitglieder und ihre Beauftragten "jederzeit" oder 32 Hinsichtlich Art. 34 Abs. 2 berlLV unklar Landsberg, Erl. 2, S. 93; s. dagegen bei Pfennig / Neumann, Rdnr. 3, S. 176. 33 Vgl. die Vorschriften in der Anlage. S4 Ebenso Pfennig / Neumann, Rdnr. 3 und Landsberg, Erl. 4, S. 94. 35 In Bayern daneben auf den Senat und dessen Ausschüsse; in Berlin räumt die GoAvB auch Beauftragten ein Zutrittsrecht zu den Ausschüssen ein: § 25 Abs. 4, S. 2. 38 s. im einzelnen Drexelius, S. 44 Erl. 2 und Bernzen / Sohnke, Rdnr. 2 zu Art. 23 hambLV; Pfennig / Neumann, Rdnr. 2 b zu Art. 45 a. F. nrwLV; s. daneben bei Zinn / Stein, Erl. 6 zu Art. 92, S. 17 hessLV; Nawiasky / Leusser, Rdnr. 15 zu Art. 25 bayLV (S. 11).

3. Abschn.: 4. Rederecht und Ordnungsgewalt i. d. Landesparlamenten

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"auf Verlangen auch außerhalb der Tagesordnung" zu hören sind37 • Damit bewegt sich diese Bestimmung inhaltlich im Rahmen der Vorschrift des Art. 43 Abs. 2 S. 2 GG. Das jederzeitige Rederecht beschränkt die Verfassung Nordrhein-Westfalens auf Mitglieder der Landesregierung (Art. 45 Abs. 1 S. 3)38. Eine differenzierende Regelung enthält die Verfassung Berlins. Art. 34 Abs. 2 S. 2 bindet die Mitglieder des Senats an die Tagesordnung. Zu den Tagesordnungspunkten müssen sie allerdings jederzeit auf Verlangen gehört werden. Unabhängig von der Tagesordnung dürfen nur der Regierende Bürgermeister oder sein Stellvertreter (Bürgermeister) das Wort ergreifen, dies jedoch auch nur vor Eintritt in die Tagesordnung (Art. 34 Abs. 2 S. 1)39. In der Verfassung Bremens fehlt die Einräumung eines Rederechts überhaupt. Die Mitglieder des Senats vermögen sich dort lediglich auf § 40 Abs. 4 der Geschäftsordnung der Bürgerschaft zu stützen: "Mitgliedern des Senats ist auf ihr Verlangen, ohne daß jedoch ein Redner unterbrochen wird, jederzeit das Wort zu erteilen." In dieser geschäftsordnungsmäßigen Regelung findet die ständige Praxis in der Bürgerschaft Ausdruck. Bereits seit 1872 existierte in Bremen ein gesetzlich fixiertes Rederecht, das ab 1920 auch in der Verfassung ausdrücklich verankert worden war. Die Nichtaufnahme in die Verfassung von 1947 wird angesichts der bestehenden tatsächlichen Übung in der Bürgerschaft daher auch nicht als Verbot gewürdigt, sondern ein Rederecht vielmehr auch ohne ausdrücklichen Niederschlag in der Verfassung als geltendes Verfassungsrecht gewerteVo. Im Gegensatz zum Bundesrecht schreibt eine Reihe von Verfassungen ausdrücklich vor, daß die Regierungsmitglieder und ihre Beauftragten der Ordnungsgewalt der Landesparlamente und Ausschüsse unterstehen41 • Damit wird die "Ordnungsgewalt des Parlaments, die aus der Autonomie folgt und daher an sich nur auf Parlamentsmitglieder bezogen ist, auf die an den Sitzungen teilnehmenden Regierungsmitglieder und deren Beauftragte erstreckt" 42. Im Ergebnis kommt dieser Bestimmung angesichts der verfassungsmäßigen Verankerung der Institute Zitier- und Zutrittsrecht nur deklaratorische Wirkung zu. Die Vgl. die einzelnen Vorschriften in der Anlage. Wie hier Schröder, M. (2), 111, S. 52 zu Art. 43 GG; a. A. GeIler / Kleinrahm / Fleck, Erl. 3 zu Art. 45; Schönfeld, S. 48. 39 Landsberg, S. 94 Erl. 3 u. 4; Pfennig / Neumann, Rdnr. 4 zu Art. 34. 40 So Spitta, S. 187 f. 41 So: Art. 89 Abs. 4 rhpfLV; Art. 34 Abs. 4 berlLV; Art. 34 Abs. 2 S. 2 bwLV; Art. 45 Abs. 1 S. 2 nrwLV; Art. 23 Abs. 2 S. 2 hambLV; Art. 91 S. 4 hessLV; Art. 10 Aba. 2 S.3ndsLV. 4Z So Zinn / Stein, Erl. 10 zu Art. 91 hessLV. 37

38

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2. Teil: Zitier- und Zutrittsrecht im deutschen Parlamentsrecht

gleichen Befugnisse ließen sich nämlich ebenso wie auf Bundesebene aus dem Haus- und Polizeirecht der Landtagspräsidenten oder Vorsitzenden ableiten 43 , denn die verfassungsmäßigen Rechte der Regierungsmitglieder und ihrer Beauftragten können auch hier nicht eingeschränkt werden. Damit kommen eine Wortentziehung oder ein Ausschluß von Sitzungen keinesfalls in Betracht und erscheinen Verweisungen zur Sache dort bedenklich, wo keine Bindung an die Tagesordnung besteht 44 •

Zinn j Stein, Erl. 10 zu Art. 91 hessLV. a. A. Spreng, Erl. 3 zu Art. 34 bwLV; Landsberg, Erl. 5 zu Art. 34 berlLV; wie hier: Bemzen j Sohnke, Rdnr. 8 und Drexelius, Erl. 2 (S. 44) zu Art. 23 hambLV; Süsterhennj Schäfer, Erl. 4 zu Art. 89 rhpfLV; GeIler j Kleinrahm j Fleck, Erl. 6 zu Art. 45 nrwLV; Pfennig j Neumann, Rdnr. 5 zu Art. 34 berlLV. 43 U

3. TEIL

Internationale Rechtsvergleichung Sucht man weltweit in den Verfassungen der verschiedenen Staaten nach Bestimmungen, die es einerseits den Parlamenten oder von diesen eingesetzten Ausschüssen ermöglichen, Regierungsmitglieder nach einer parlamentarischen Verfahrensweise herbeizurufen und zu bestimmten Sachverhalten zu hören, wie auch andererseits nach Vorschriften, die es Regierungsmitgliedern gestatten, in Plenar- bzw. Ausschußsitzungen zugegen zu sein und angehört zu werden, dann fällt es nicht schwer, eine Vielzahl von derartigen parlamentarischen Verfahrensweisen nachzuweisen. Diese differieren im einzelnen allerdings sehr stark. Zwar kann häufig die Anwesenheit von bestimmten Personen verlangt oder als Folge einer Pflicht zur Beantwortung von Fragen sowie Interpellationen erzielt werden. Aber dennoch findet sich nur in verhältnismäßig wenigen Verfassungen ein förmliches Zitierrecht, wie es das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland festschrieb, während ein solches Zutritts- und Rederecht weitaus zahlreicher anzutreffen ist1•

1. Das Zitierrecht als Institut westeuropäischer Verfassungen Die vorangestellte Zurückverfolgung der Wurzeln des Instituts Zitierrecht hatte ergeben, daß es sich hierbei nicht um eine Schöpfung deutschen Verfassungs- und Parlamentsrechts handelte, sondern aus Belgien nach Deutschland gelangte. Die belgische Verfassung beein1 Eine ausgezeichnete übersicht über die Möglichkeit Regierungsmitglieder sowie auch andere Personen vor einen Parlaments ausschuß zu laden und das Recht dieser Personen dort das Wort zu ergreifen, vermitteln Hermen I Mendel, S. 518 ff., Tabelle 40; dort (Seite 528, Tabelle 41) findet sich ferner eine Zusammenstellung verschiedener Informationsmittel und -möglichkeiten der Parlamente (weltweit). In Tabelle 64 auf S. 854 ff. wird zudem über die Verbreitung und Handhabung von Fragerechten der Parlamente bzw. einzelner Abgeordneter informiert. - Leider fehlen Hinweise auf die entsprechenden Verfassungen und Geschäftsordnungen. Die Verfassungen der Welt jeweils auf dem neuesten Stand, sind enthalten in der Loseblattsammlung von Albert P. Blaustein I Gisberth Flanz: Constitutions of the countries of the world, New York, 191 ff., Stand 1979. Zur Institutionalisierung eines förmlichen Zitierrecht s. noch Frenkel, Nr. 536 ff. und Hinweise bei Fauser, S. 104 f. und v. Einem, S. 75 f.

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3. Teil: Internationale Rechtsvergleichung

flußte allerdings nicht allein die Verfassungsgesetzgebung in Deutschland. Sie zeigte ebenfalls Wirkung auf die meisten Staaten Mitteleuropas in der Mitte des 19. Jahrhunderts. Dabei war ihr Einfluß am bedeutendsten in den Revolutionsjahren jenen Jahrhunderts, in denen das liberale Bürgertum gegen die Obrigkeit opponierte, um mehr Rechte und Freiheiten für sich durchzusetzen. Die infolge der revolutionären Ereignisse oder auch nur aus Furcht vor dem überspringen eines auslösenden Funkens vielerorts erlassenen Verfassungen vermochten sich dabei an zwei voneinander verschiedenen Systemen zu orientieren: dem der Vereinigten Staaten von Amerika einerseits, wie auf der anderen Seite dem von Belgien sowie Frankreichs. Während England zwar ebenfalls Vorbildcharakter besaß, war angesichts einer nicht im gleichen Maße kodifizierten Verfassung und der langsam gewachsenen parlamentarischen Tradition, dieses System ungleich schwieriger nachzuvollziehen. So entschied sich bspw. die Schweiz mit ihrer Verfassung von 1848 in den Grundzügen für das amerikanische Vorbild. Demgegenüber hatten Deutschland, Griechenland, die Niederlande, Luxemburg, Spanien und auch Italien starke Anleihen bei dem belgischen Vorbild zu verzeichnen, die in Bezug auf ein Zitierrecht noch heute nachwirken2 • Von daher kann es auch nicht sonderlich verwundern, in verschiedenen Verfassungen Westeuropas dieses Institut in nahezu identischer Ausgestaltung wiederzufinden. Als bemerkenswert muß dabei gewürdigt werden, daß diese Kongruenz mit der belgischen Bestimmung über das Zitierrecht - abgesehen von Frankreich, England und der Schweiz - in einem Maße abnimmt, wie die räumliche Entfernung von Belgien zunimmt. Dabei ist zusätzlich ein Nord-Süd-Gefälle zu beobachten, nämlich dergestalt, daß die skandinavischen Länder sich in diesem Punkt am wenigsten mit der belgischen Verfassung decken, in sich dagegen eine Einheit aufweisen, wobei allerdings Finnland schon aufgrund seiner republikanischen Staatsform wiederum ein gewisses Eigenleben entwickelt hat3 • 1.1. Ausdrückliche Aufnahme des Instituts Zitierrecht in westeuropäische Verfassungen

Inhaltlich identische Regelungen eines Zitierrechts, häufig sogar unter Verwendung gleicher Termini, finden sich heute in den Verfassungen Belgiens, Griechenlands, Luxemburgs, der Niederlande, Österreichs s. bei Gilissen, S. 63. s. bei Stammen, S. 78 ff. und Andenaes, S. 7 ff. sowie Einleitung zu den Grundgesetzen Schwedens hrsg. v. schwedischen Reichstag, übersetzt v. K. M. Poellinger, Stockholm 1975. 2

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1. Das

Zitierrecht als Institut westeuropäischer Verfassungen

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und Spaniens4 • Alle Parlamente besitzen das Recht, Regierungsmitglieder herbeizurufen. Soweit zwei Kammern existieren5 , können beide Kammern dieses Recht in Anspruch nehmen. Nicht in jedem Fall gewähren die genannten Bestimmungen dagegen auch den Parlamentsausschüssen ein Zitierrecht. Dies geschieht lediglich in Griechenland, Österreich und Spanien. Ein solches Recht der Ausschüsse wird jedoch in Belgien bspw. auch ohne ausdrückliche Erwähnung in der Verfassung für selbstverständlich erachtet und bereitet den übrigen Parlamenten offensichtlich ebenfalls keine Schwierigkeiten6 • Von den genannten Vorschriften enthält allein die niederländische (Art. 104 Abs.) eine Bestimmung über eine selbständige, vom Zitierrecht losgelöste Auskunftspflicht der Regierung. Sie hat den Kammern mündlich oder schriftlich die verlangte Aufklärung zu geben, soweit eine Gefährdung von übergeordneten Staatsinteressen nicht zu beobachten ist. Das Zitierrecht als Institut findet in der Rechtsprechung und Lehre der oben erwähnten Staaten weniger Beachtung und birgt offensichtlich nicht den Stoff für eine kontroverse Betrachtung in sich, wie dies in der Bundesrepublik der Fall ist. Soweit überhaupt systematische Kommentierungen der Verfassungen vorliegen, kommt darin dem Zitierrecht nur ein geringer Stellenwert zu7 • 1.2. Vergleichbare Bestimmungen in westeuropäischen Verfassungen

Anders konzipiert, in seiner Wirkung jedoch dem Zitierrecht um nichts nach, steht die Bestimmung des Art. 75 h der norwegischen Verfassung. Danach besitzt das Parlament ein allumfassendes Vorladungsrecht. Es kann "jeden" in Staatsangelegenheiten persönlich vorladen, mit Ausnahme des Königs und der königlichen Familie. Es handelt sich also nicht um ein Zitierrecht in dem hier bisher vorgestellten Sinne, wenngleich es ein solches mit einschließt. Denn "jeder," im Sinne der oben angegebenen Vorschrift schließt selbstverständlich jeden Minister ein. Die Anwesenheit von Regierungsmitgliedern kann ferner nach den Verfassungen Dänemarks und Islands als Folgewirkung eines Auskunftsrechts erzielt werden. DanachB kann nämlich auf Antrag eines Abgeordneten mit Zustimmung des Folketings in Dänemark bzw. des Ober- und Unterhauses des Altings in Island jede öffentliche Ange, Die Bestimmungen in den genannten Ländern sind als Anlage beigefügt: vgl. dort; s. im übrigen noch bei Frenkel, Nr. 537 ff. 5 Belgien, Italien, Niederlande, Österreich, Spanien. 8 s. bei Senelle, S. 348 f.; Nasa, S. 1036 (1032 ff.). 7 s. bei Senelle, S. 348 f.; Nasa, S. 1036; Ringhofer, S. 236 f. 8 § 53 VerfDK; § 54 VerfIL. 13 Meier

194

3. Teil: Internationale Rechtsvergleichung

legenheit, in Island jede Frage von allgemeiner Natur, zur Beratung gebracht und von den Ministern darüber eine Stellungnahme verlangt werden. Dieses Fragerecht ist mit demjenigen vergleichbar, welches in der Bundesrepublik Deutschland aus dem Zitierrecht fließt. Es ist ebenfalls nicht identisch mit den allgemeinen Frage- und Interpellationsrechten der Parlamente. Auch hier handelt es sich nämlich um ein Recht des Parlaments insgesamt, um ein Mehrheitsrecht, denn die Fragen werden nur zugelassen, wenn das Parlament zustimmt. Unter Berücksichtigung dieses Hintergrundes läßt sich feststellen, daß ein selbständiges Zitierrecht hier entbehrlich wird, wie überhaupt ein Fehlen dieses Instituts dort augenfällig erscheint, wo sich Frage- und Interpellationsrecht als fester und unumstößlicher Bestandteil parlamentarischer Spielregeln herauskristaIlisiert haben, wie bspw. in Frankreich und später auch in England. Der vorstehend beschriebene Erfolg wird auch in Portugal erreicht. Das Parlament benötigt dort gleichsam kein Zitierrecht. Die portugiesische Verfassung verpflichtet Regierung und Parlament zu enger Zusammenarbeit schon in organisatorischer Hinsicht. Beide Organe treffen die Entscheidung über Sitzungen des Parlaments übereinstimmend. Von daher ist es auch nicht überraschend, daß die Regierungsmitglieder in aller Regel an den Sitzungen teilnehmen sollen, um nach Bedarf dem Parlament Rede und Antwort zu stehen. Finnland kennt kein verfassungsmäßiges Recht des Parlaments, konzipiert als Mehrheitsrecht, welches die Herbeirufung oder Anwesenheit von Regierungsmitgliedern nach sich zöge. Es normiert allerdings in seiner "Landtagsordnung" Vorschriften über "Anfragen und Interpellationen" (§§ 37, 37 a). Dabei muß darauf hingewiesen werden, daß diese Landtagsordnung nicht mit Geschäftsordnungen bundesdeutscher Verfassungsorgane verglichen werden darf, da ihr Verfassungsrang zukommt. Sie stellt dem zweiten Teil der Verfassung selbst dar. Das darin enthaltene Anfrage- und Interpellationsrecht steht damit auf einer Stufe, etwa mit dem in der österreichischen Verfassung nach Art. 52. Als Folgewirkung dieser Minderheitsrechte kann im Ergebnis allerdings gleichsam die Anwesenheit von Regierungsmitgliedern erzielt werden. Ähnlich verhält es sich in Schweden. Hier enthält die Reichstagsordnung in Kap. 6 ebenfalls Bestimmungen über Frage- und Interpellationsrechte, als deren Folgewirkung die Anwesenheit von Regierungsmitgliedern ebenfalls zu verzeichnen ist. Allerdings gebührt dieser Reichstagsordnung kein Verfassungsrang. Sie enthält jedoch alle wesentlichen Vorschriften über das Verhältnis von Parlament und Regierung 9• Ein ausdrückliches Zitierrecht fehlt ferner in der Verfas9

Vgl. Kap. 4 § 4 der schw. Verf.; Kap. 2 der schw. RTO.

2. Das Zutrittsrecht als Institut westeuropäischer Verfassungen

195

sung Liechtensteins. Sie legt jedoch in Art. 63 Abs. 4 fest, daß Regierungsvertreter Interpellationen von Abgeordneten zu beantworten haben 10 •

2. Das Zutrittsrecht als Institut westeuropäischer Verfassungen Im Gegensatz zum Zitierrecht findet das Institut Zutrittsrecht in nahezu allen westeuropäischen Verfassungen seinen Niederschlagl1 . Die verwendeten Formulierungen ähneln sich dabei sehr stark, wenn auch die Ausgestaltung des Instituts im einzelnen auch im Detail differiert. Ein ausdrückliches Zutrittsrecht gewähren die Verfassungen12 Belgiens, Dänemarks, Finnlands, Frankreichs, Griechenlands, Irlands, Islands, Italiens, Luxemburgs, Monaccos, der Niederlande, Norwegens, Österreichs, Portugals, der Schweiz und Spaniens. Nach der norwegischen Verfassung ist das Zutrittsrecht allerdings dadurch beschränkt, daß es nicht auch für vertrauliche oder geheime Sitzungen der beiden Abteilungen des Stortings gilt. Es besteht allerdings dort ebenfalls die Möglichkeit, den Zutritt zu gestatten. Die schwedische Verfassung enthält dagegen keine ausdrückliche Bestimmung über ein Zutrittsrecht von Regierungsmitgliedern. Dieses Recht setzt sie vielmehr bereits voraus, wenn sie in Kap. 4 § 4 den Ministern ermöglicht, sich zu Angelegenheiten, die in der Kammer entschieden werden sollen, im Rahmen der Geschäftsordnung zu äußern. Ebenso entbehrt die Verfassung Liechtensteins eine ausdrückliche Regelung hierüber, sie bestimmt allerdings, daß "der Regierungsvertreter" gehört werden muß (Art. 63 Abs. 4), womit für derartige Fälle gleichsam ein Zutrittsrecht vorausgesetzt wird. über ein Zutrittsrecht zu Parlamentsausschüssen trifft nur ein Teil der genannten Vorschriften eine ausdrückliche Aussage. So eröffnen die spanische und österreichische Verfassung13 den Regierungsmitgliedern ausschließlich die Möglichkeit, auch in den Parlamentsausschüssen anwesend zu sein, während in Finnland dieses Recht zwar ebenfalls den Ausschüssen gegenüber grundsätzlich gilt, die betreffenden Ausschüsse den Zutritt im Einzelfall aber auch verweigern können. Demgegenüber bezieht sich die Verfassung Portugals in Art. 180 Abs. 1 allein auf Plenarsitzungen, was ebenfalls dem Art. 66 Abs. 2 der griechischen VerfasText in der Anlage. Unbedeutende Kleinstaaten bleiben i. d. R. hier unberücksichtigt wie etwa San Marino, Andorra, Liechtenstein und Monacco. 12 s. in der Anlage. 13 Letztere mit einer Einschränkung hinsichtlich nichtöffentlicher Hauptausschußsitzungen des Nationalrates. 10 11

13'

196

3. Teil: Internationale Rechtsvergleichung

sung entnommen werden kann, wie eine Gegenüberstellung der Abs. 2 und 3 des Art. 66 vermittelt. Mit dem Zutrittsrecht verknüpft die überwiegende Zahl der Verfassungsvorschriften in aller Regel ein privilegiertes Rederecht der Regierungsmitglieder, das mit dem Rederecht des Art. 43 GG vergleichbar ist. Allein die norwegische Verfassung stellt insoweit die Regierungsmitglieder den übrigen Abgeordneten gleich. Die portugiesische Verfassung verweist hinsichtlich des Rederechts auf die Geschäftsordnung, ähnlich wie die schwedische Verfassung, nach deren Geschäftsordnung die Minister allerdings wiederum hinsichtlich ihrer Sprechzeit gegenüber Abgeordneten bevorzugt werden 14 • Am zurückhaltendsten und zugleich am offensten fallen hier die Bestimmungen der Verfassungen der Niederlande und der Schweiz aus, die formulieren, die Regierungsmitglieder könnten mit "beratender Stimme" an den Sitzungen teilnehmen.

14

Vgl. Kap. 2, 2.10.1., § 11 S. 2; 2.14.2., §§ 14, 15.

Schlußbetrachtung Vergegenwärtigt man sich an dieser Stelle noch einmal kurz die vorangestellten Erörterungen und erhebt man danach abschließend die Frage nach der Bedeutung, die heute noch den Instituten Zitier- und Zutrittsrecht im Grundgesetz zugemessen werden kann, so muß hierbei in ganz besonderem Maße die Einordnung im System insgesamt Berücksichtigung finden. Beginnt man die Betrachtung mit dem älteren Institut, dem Zutrittsrecht, dann läßt sich feststellen, daß dieser Bestimmung nicht allein deklaratorische Funktion zukommt und sich damit als überflüssig erweisen würde. Im parlamentarischen Regierungssystem dürfte zwar ein Anwesenheitsrecht von Regierungsmitgliedern im Parlament schon aufgrund der regelmäßigen AbgeordnetensteIlung der Regierungsmitglieder - im Grundsatz selbstverständlich sein. Eine ausdrückliche Regelung erscheint aber sinnvoll. Es vermag nämlich gerade für sonst problembeladene Fälle, wie etwa der Ausschließbarkeit von Regierungsmitgliedern von Parlaments- sowie Ausschußsitzungen, eine klärende und folglich entschärfende Wirkung für die Beziehungen beider Staatsorgane zu entfalten. Darüber hinaus ist es imstande, Kontakt zu anderen Staatsorganen überhaupt erst herzustellen, wie etwa zum Bundesrat, zu dem als Verfassungsorgan eigener Art aus den Beziehungen von Parlament und Regierung, so wie sie im parlamentarischen Regierungssystem per se existieren, keine vergleichbaren Beziehungen selbstverständlich sein können. Danach erfüllt ein Zutrittsrecht unter Berücksichtigung spezifischer Zuordnung verschiedener Verfassungsorgane eine wichtige Rolle für ein reibungsloses Funktionieren ihres von der Verfassung gewollten Zusammenwirkens, soweit sich dies als natürliche Folge eines parlamentarischen Regierungssystems nicht ergeben kann. Dennoch besteht die begründete Gefahr, das Zutrittsrecht im Verhältnis Parlament - Regierung als überkommenes Relikt des Konstitutionalismus insoweit abtun zu müssen, als es einer Regierung zu weitgehende Befugnisse einräumt und keinerlei Schranken unterliegt (Art. 43 Abs. 2 GG). Hier bietet sich ein Ansatz, die Stellung des Parlaments zu stärken, indem insbesondere für verschiedene Ausschüsse die Möglichkeit geschaffen wird, Sitzungen im Einzelfall auch für nicht "regie-

198

Schlußbetrachtung

rungsöffentlich" zu erklären, wie dies vielfach bereits auf Bundesländerebene zu beobachten war. Diese Forderung nach Einschränkung eines "grenzlosen" Zutritts rechts ist nicht zuletzt ein Postulat, welches die Einführung eines parlamentarischen Regierungssystems mit sich führt. Damit kann gleichfalls die Feststellung getroffen werden, daß ein parlamentarisches Regierungssystem ohne förmliches Zutritts recht sehr wohl auszukommen vermag - da hier ein Weniger an Regelung durchaus ein Mehr an parlamentarischem Leben bedeuten kann - ein nicht schrankenloses Zutrittsrecht mit diesem System aber durchaus zu harmonieren verstehen dürfte. Inwieweit nun dem Zitierrecht, das in Rechtsprechung und insbesondere Lehre wesentlich mehr Aufmerksamkeit erhält, im parlamentarischen Regierungssystem eine Daseinsberechtigung attestiert werden kann, läßt sich gleichfalls nur unter Berücksichtigung des Gesamtsystems, in das es jeweils eingebettet wurde, beantworten. Wie aufgezeigt, handelt es sich bei diesem Institut nicht um einen notwendigen Ausfluß eines parlamentarischen Regierungssystems. Da aus ihm auch keine Rechtspflicht zur Auskunftserteilung folgt, sondern nur eine solche Pflicht als politische einem parlamentarischen Regierungssystem innewohnt, vermag es auch nicht jene hochgesteckten Erwartungen zu erfüllen, so daß man geneigt sein könnte, seine überflüssigkeit als gegeben hinzunehmen. Dies läßt sich sicherlich um so eher bejahen, desto größer die Machtfülle eines Parlaments gegenüber der Regierung ist und deren Sturz keine Schranken gesetzt sind. Hierbei klingt jedoch bereits die durchaus unterschiedliche Ausgestaltung von parlamentarischen Regierungssystemen an, der in hinreichendem Maße Rechnung getragen werden muß. Bereitet der Verfassungsgeber einem Parlament Schranken und Hindernisse auf dem Weg zum Regierungssturz, stärkt also damit die Regierung, so entfernt sich diese Spezifikation eines parlamentarischen Regierungssystems von diesem System in gleichem Maße, wie es sich in seiner Funktionenverzahnung von Parlament und Regierung einem System nähert, das dem konstitutionellen, etwa dem des Deutschen Kaiserreichs, ähnlich wird, wenngleich auch die unterschiedliche demokratische Legitimation unverkennbar bleibt. Mit der schwindenden Machtfülle eines Parlaments wächst aber zugleich die Berechtigung einer Verankerung des Zitierrechts in der Verfassung. Wird nämlich ein Regierungssturz stark erschwert oder sogar nahezu unmöglich, ·-so kommt dem Zitierrecht eine gewisse Warnfunktion zu. Sind nämlich nur wenige Parteien im Parlament vertreten, wird naturgemäß eine Verschiebung von Parlamentsmehrheiten um so schwieriger, je ernsthafter die von ihr getragene Regierung der Gefahr eines Sturzes zu

Schlußbetrachtung

199

unterliegen scheint, da dann daneben nicht zuletzt die sie tragenden Fraktionen einen starken Zwang auf jeden Abgeordneten auszuüben versuchen werden. Die Gefahr eines Regierungssturzes ist nun bei einer Zitierung als solcher nicht zu beobachten, so daß hier und gerade hier auch einmal die zweifellos vorhandenen unterschiedlichen Strömungen in einer Partei und Fraktion hervorbrechen können, womit einmal die parlamentarische Diskussion stärker belebt werden kann, ohne gleichzeitig stabiler Regierungen verlustig gehen zu müssen. Kommt es nun zu einer Zitierung - der Beschluß setzt ja eine Parlamentsmehrheit voraus - so liegt gleichzeitig eine Warn- und Kontrollfunktion darin, daß sich die Regierung über die Gangbarkeit des Weges der von ihr eingeschlagenen Politik klar werden muß. Dadurch besteht die Chance, auch einmal Fraktionsminderheiten wirksam zu Wort kommen zu lassen, ohne der scharfen Sanktion - einem Regierungssturz - gegenwärtig zu sein. Im Parlamentarischen Regierungssystem der Bundesrepublik Deutschland könnte unter einem solchen Aspekt einem Zitierrecht eine akzeptable Rolle zufallen, eine Rolle, die es aufgrund der außerordentlich stabilen Mehrheiten, wie auch einer offensichtlich ebenso außerordentlichen Fraktionsdisziplin heute in immer selteneren Fällen zu übernehmen vermag.

Anlage

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davon zurückgezogen/zurückgestellt/ Verzicht .... ; ..........................

dabei Beschlußunfähigkeit festgestellt .. '"

0

1

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davon ohne Abstimmung .................

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1

davon mit Mehrheit zugestimmt ..........

davon bei Stimmengleichheit abgelehnt '"

1

0

davon einstimmig angenommen ..........

davon mit Mehrheit abgelehnt ............

7

5

2.WP 53 - 57

Anträge auf Herbeirufung von Regierungsmitgliedern .................

1. WP 1949 - 53

Schindler, Peter: 30 Jahre Deutscher Bundestag, S. 210 - 213.

0

1

1

0

0

0

1 0

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0

0 1

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0

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0

0

0

2

0

0

0

8.WP 76 - 80

0

1

0

4

7.WP 72 -76

1

0

0

0

1 2

0

0

1

1

0 0

2

0

0

6.WP 69 -72

0

5.WP 65 - 69

2

3

4.WP 61- 65

3

3

3. WP 57 - 61

gliedern durch das Parlament. In: Zeitschrift für Parlamentsfragen 5. (1974), S. 459 - 469.

Thaysen, Uwe: Zur Praxis eines grundlegenden parlamentarischen Kontrollrechts: Die Herbeirufung von Regierungsmit-

Quellen:

Herbeirufung von Regierungsmitgliedem zu Plenarsitzungen des Deutschen Bundestages seit der 1. Wahlperiode

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~ ~

7.

6.

5.

4.

3.

2.

1.

lfd. Nr.

10.12.54

21. 05. 54

18.06.53

10.10.51

13.06.51

31. 05. 51

09.05.51

Datum

Arbeitsminister

Schellenberg SPD

Bundeskanzler (Außenminister)

Bundeskanzler

Mellies SPD

Rehs SPD

Wirtschaftsminister

Mellies SPD

Vertreter des AA

Bundeskanzler

Bertram Zentrum

FDP-Fraktion

Bundeskanzler

Mitglied der Bundesregierung

SPD-Fraktion

Antragsteller

-

Ablehnung mit Mehrheit Ablehnung mit Mehrheit Einstimmige Annahme Ablehnung mit Mehrheit

Haushalt des BMI Deckung der Rentenzulage Freundschafts- und Konsularvertrag mit den USA Große Anfrage betr. Nationales Minderheitenrecht

-

Absetzung d. TO-Pkt.

-

Absetzung d. TO-Pkt. Zustimmung mit Mehrheit

Versorgung mit Hausbrandkohle und Nutzholz

ja

keine Abstimmung

-

Ablehnung mit Mehrheit

Äußerung BMJ zum Mitbestimmungsrecht Haushalt des Bundeskanzlers

unmittelbarer Erfolg

Abstimmungsresultat

Beratungsgegenstand

~

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14.

13.

12.

11.

10.

9.

8.

Ablehnung mit Mehrheit Zustimmung mit Mehrheit Ablehnung mit Mehrheit Zustimmung mit Mehrheit Ablehnung mit Mehrheit

Entwurf eines Wehrpflichtgesetzes Haushalt des Bundeskanzlers Gesetzentwurf über Berufsausbildung im Handel Sozialbericht 1959 und 2. Rentenanpassungsgesetz Gesetzentwurf zur Einführung von Bundesrecht im Saarland

Wirtschaftsminister

Bundeskanzler und Wirtschaftsminister

1 Kühn (Köln) SPD

SPD-Fraktion

06. 11. 591 FDP-Fraktion

24.06.591

Schoettle 05.07.571 SPD

08. 05. 57

1

zurückgezogen

Haushalt Verteidigungslasten betr. aus!. Streitkräfte

Finanzminister und Verteidigungsminister

Gülich SPD

Finanzminister

Bundeskanzler

Bundeskanzler

Zustimmung mit Mehrheit

Haushalt des BMI

Innenminister

Schmitt-VockenhauseniSPD

Erler 04.07.561 SPD

22.06.57

21. 06. 57

ja

Vertagung d. TO-Pkt.

ja

t-)

CJ1

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2L

2 O.

1 9.

18.

7.

6.

5.

lfd. Nr.

27.03.68

15.09.66

04.05.66

04.03.64

27.06.62

17. OL 62

29.06.60

Datum

Ablehnung mit Mehrheit Zustimmung mit Mehrheit Zurückstellung des Antrages Ablehnung mit großer Mehrheit

Entwurf eines Bundeskindergeldgesetzes Änderung des Länderfinanzausgleichsgesetzes Änderung des Grundgesetzes und Stabilitätsgesetzes Fragestunde (außerhalb/Rücktritt BMI)

FamiIienminister

Finanzminister oder ständigen Stell vertreter

Bundeskanzler

Bundeskanzler

Schellenberg SPD

SPD-Fraktion

Jahn (Marburg) SPD

Genscher FDP

-

Ablehnung bei Stimmengleichheit

Antrag betr. Berufsausbildungsgesetz

Arbeitsminister

Mommer SPD

-

Ablehnung mit Mehrheit

Gesetzentwürfe zur Aufhebung des Kaffeeu. Teesteuergesetzes

Wirtschaftsminister

Schäfer SPD

ja

-

nein

-

ja

Zustimmung mit Mehrheit

Entwurf eines Handwerkerversicherungsgesetzes

unmittelbarer Erfolg

Abstimmungsresultat

Bera tungsgegenstand

Arbeitsminister

Mitglied der Bundesregierung

SPD-Fraktion

Antragsteller

~ ~

11>

Cl

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N

8.WP 1976 (Stand 79)

20.06.75

Verteidigungsminister

keine Anträge

Änderung des Wehrpflicht- und Zivildienstgesetzes

I Ablehnung

Ablehnung mit Mehrheit

3. Beratung Haushalt 1975, hier: Rentenreform

1 CDU/CSUFraktion

26.

CDUICSUFraktion

Zustimmung mit großer Mehrheit

Große Anfrage betr. KSZE

Bundeskanzler

CDU/CSU17.10.74,I Fraktion

25.

27.

Beschlußunfähigkeit des Hauses

Jahresgutachten und J ahreswirtschaftsbericht 1973

Finanzminister

Rawe 29.03.741 CDU/CSU

24.

I Arbeitsminister

Verzicht auf Herbeirufung

Aktuelle Stunde Erhöhung der Postgebühren

Finanz- und Wirtschaftsminister

Stück:1en 02.03.721 CDUICSU

23.

21. 03. 76

Zustimmung mit Mehrheit

2. Steueränderungges. und Änderung Einkommensteuergesetz

Finanz-und Wirtschaftsminister

Krammig 24.06.711 CDU/CSU

22.

ja

zeitw. Aussetzung der Beratung

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208

Anlage

Normierung von Zitier- und Zutrittsrechten sowie ähnlicher Bestimmungen in Verfassungen seit 1791 Quellen: Altmann, Wilhelm: Ausgewählte Urkunden zur außerdeutschen Verfassungs-

geschichte. Franz, Günter: Staatsverfassungen. Godechot, Jaques: Les constitutions de la France depais 1789. Kaiser, Simon: Französische Verfassungsgeschichte von 1789 bis 1852. Pölitz, Karl (1): Die Verfassungen des Teutschen Staatenbundes seit dem Jahre 1789. - (2): Die Constitutionen der europäischen Staaten seit den letzten 25 Jahren. Frankreicl1

Verfassung vom 3. September 1791 Titel III, Kap. III, Abschn. IV, Art. 10 Die königlichen Minister haben Zutritt zur gesetzgebenden Nationalversammlung. Sie haben dort einen bestimmten Platz. Sie sollen jedesmal über Gegenstände ihrer Verwaltung gehört werden, wenn sie es fordern, oder wenn sie ersucht werden, Aufklärung zu geben. Sie sollen ebenso über Gegenstände gehört werden, die ihrer Verwaltung fremd sind, wenn die Nationalversammlung ihnen das Wort erteilt. Verfassung vom 24. Juni 1793

Art. 75 Der Vollzugsrat hat seinen Sitz bei der gesetzgebenden Körperschaft; er hat Zutritt und einen besonderen Platz am Sitzungsort. Art. 76 Er wird jedesmal gehört, wenn er Rechenschaft zu geben hat. Art. 77 Die gesetzgebende Körperschaft beruft ihn ganz oder zum Teil in ihre Mitte, wenn sie es für zweckmäßig hält. Charte Constitutionelle von 1814

Art. 54 Die Minister können Mitglieder der Kammer der Pairs oder der Deputierten sein. Sie haben außerdem Zutritt zu der einen oder anderen Kammer und müssen gehört werden, wenn sie es verlangen. Belgien Verfassung von 1831

Art. 88 Die Minister haben nur beschließende Stimme in einer der beiden Kammern, wenn sie ihr als Mitglied angehören. Sie haben Zutritt zu beiden Kammern und müssen auf Ersuchen gehört werden. Die Kammern können die Anwesenheit der Minister verlangen.

Anlage

209

Westphalen Verfassung von 1807

Art. 25 Die definitiv angenommene Redaction der Gesetzentwürfe soll durch Mitglieder des Staatsrathes unmittelbar den Ständen überbracht werden, welche, nach Anhörung der Beweggründe jener Gesetzentwürfe und der Berichte der Commission, darüber berathschlagen werden.

Bayern Verfassung von 1808

Titel IV § 7 Die auf solche Art vorbereiteten Gesetze werden an die Repräsentanten durch zwei, höchstens drei Mitglieder des geheimen Rathes gebracht; die Versammlung stimmt darüber durch den Weg des geheimen Scrutiniums nach der absoluten Mehrheit der Stimmen. Niemand ist befugt, das Wort zu führen, als die königlichen Commissaire aus dem geheimen Rathe und die Glieder der einschlägigen Commissionen der Repräsentanten.

Frankfurt Verfassung von 1810

§ 22 Die Redaction der Gesetzentwürfe soll durch zwei Mitglieder des Staatsrathes den Ständen überbracht werden, welche sodann darüber nach angehörten Beweggründen berathschlagen werden.

Köthen Verfassung von 1811

§ 14 S. 2 Die Stände discutieren über die Gesetzentwürfe mit demjenigen Staatsrathe, welcher dazu den Auftrag erhalten hat.

Nassau Verfassung von 1814

§ 3 S. 3 Bei den ordentlichen und außerordentlichen Versammlungen der Landstände werden wir zu den Sitzungen jeder Abtheilung Commissarien abordnen, welche an allen Verhandlungen Antheil nehmen, ohne jedoch bei den Abstimmungen zugegen zu sein.

Samsen-Weimar-Eisenadt Verfassung von 1816

§ 88 Abs. 2 Sollten bei neuen Gesetzesvorschlägen, oder anderen wichtigen Anträgen, mündliche Erörterungen den Gang der Geschäfte befördern können, so wird der Landesfürst, Minister oder andere Staatsbeamte, als seine Commissarien, zu einzelnen Sitzungen des Landtages abordnen, welche den Gegenstand nach seinen Beweggründen zu entwickeln, jedoch der landständischen Abstimmung und Beschlußfassung nicht beizuwohnen haben. 14 Meier

210

Anlage

Sadhsen-llUdburghausen Verfassung von 1817

§ 42 Abs. 3 Werden bei Gesetzesvorschlägen, oder anderen wichtigen Gegenständen, mündliche Erläuterungen für zweckdienlich erachtet, so wird der Regent ein Mitglied oder einige Mitglieder des Geheimraths, oder der Regierung zu den Sitzungen des Landtages abordnen, welche die Sache nach ihren Beweggründen entwickeln, jedoch der ständischen Abstimmung und Beschlußfassung nicht beiwohnen.

Bayern Verfassung von 1818

VII § 24 Die Staatsminister können den Sitzungen der beiden Kammern beiwohnen, wenn sie auch nicht Mitglieder derselben sind. (Ergänzende Regelungen finden sich im Edict über die Geschäftsordnung vom 28. Februar 1825, in §§ 51 und 52.) § 70

Um die an sie verwiesenen Gegenstände gehörig zu beraten, haben die Ausschüsse alle hierzu erforderlichen Erläuterungen zu sammeln und sich hierüber mit den betreffenden Staatsministern ins Benehmen zu setzen. Die zu diesem Zweck nöthigen Anschreiben werden auf Veranlassung der Ausschuß-Vorstände von dem Präsidenten erlassen. Bei den Beratungen, welche über die, von der Regierung an die Kammern gebrachte Gesetzesvorschläge, in den Sitzungen gepflogen werden, sind die hierzu benannten königlichen Commissairs beizuziehen, dergestalt, daß sie im Laufe der Beratung, bevor die Ausschüsse über die bemerkten Gegenstände Vortrag an die Kammern erstatten, rücksichtlich allen fallsiger Anstände und Modificationen mit ihren Erinnerungen persönlich gehört, und in dieser Absicht zu einem Zusammentritt eingeladen werden, auch ist ihnen außerdem, wenn sie, zum Zwecke nothwendiger Mittheilungen über Gesetzesvorschläge einen besonderen Zusammentritt mit dem betreffenden Ausschusse von ihrer Seite verlangen sollten, die Erfüllung dieses Verlangens nicht zu verweigern.

Liechtenstein Verfassung von 1818

§ 9 S. 1

Zur ordentlichen Versammlung der Stände werden Wir vor dem Schlusse eines jeden Jahres einen Landtag ausschreiben, wobei Unser zeitlicher Landvoigt in Vaduz, als unser landesfürstlicher Commissarius, den Vorsitz und die Leitung der Geschäfte zu führen, die Sitzung zu eröffnen und zu schließen hat.

Baden Verfassung von 1818

§ 76

Die Minister und Mitglieder des Staatsministeriums und großherzogliche Commissarien haben jederzeit bei öffentlicher und geheimer Sitzung Zutritt zu jeder Kammer, und müssen bei allen Discussionen gehört werden, wenn

Anlage

211

sie es verlangen. Nur bei der Abstimmung treten sie ab, wenn sie nicht Mitglieder der Kammer sind. Nach ihrem Abtritte dürfen die Discussionen nicht wieder aufgenommen werden. § 71 S. 1

Die landesherrlichen Commissarien treten zur vorläufigen Erörterung der Entwürfe mit ständischen Commissionen zusammen, so oft es von der einen oder anderen Seite für nothwendig erachtet wird.

Württemberg Verfassung von 1819

§ 169 Die Minister sind befugt, den Verhandlungen der beiden Kammern anzuwohnen, und an den Berathschlagungen Theil zu nehmen. Sie können sich auch von anderen Staatsdienern begleiten lassen, welche etwa den vorliegenden Gegenstand besonders bearbeitet haben, oder sonst vorzügliche Kenntniß davon besitzen. An den Sitzungen der ständischen Commissionen steht ihnen im Fall ausdrücklicher Einladung gleichfalls Theilnahme zu. § 38 S. 2

Haben sie diese (Stände) überzeugt, daß jene Stufenfolge beobachtet worden, und die Beschwerde eine Berücksichtigung verdiene, so ist ihnen auf ihr Verlangen von dem königlichen Geheimrathe die nöthige Auskunft über den Gegenstand zu erteilen.

Lippe-Detmold Verfassung von 1819

§ 50

Wenn es wegen der landesherrlichen Propositionen und Regierungsanträge mündlicher Entwicklung und ausführlicher Nachweisungen bedarf, so ernennt der Landesherr eine Commission, die den einzelnen Sitzungen, welche diesen Gegenständen bestimmt sind, beizuwohnen hat.

Braunschweig Verfassung von 1820

§71

Der Landesherr kann, seinem Gutfinden nach, Geheimräthe oder andere Staatsbeamte als Commissarien zu einzelnen Sitzungen der Seetion abordnen, um die an die Landschaft erlassenen Anträge mit ihren Gründen näher zu entwickeln und auseinander zu setzen. Die ständische Versammlung wird von der Abordnung solcher landesfürstlicher Commissarien und der Zeit ihrer Ankunft vorher benachrichtigt, dieselben bleiben jedoch bei ihren Berathschlagungen und Abstimmungen nicht gegenwärtig. § 72 Abs. 1 Würden mündliche Mittheilungen, Erörterungen und Berathungen zur Beförderung einer Angelegenheit oder eines Geschäfts zwischen Landesherrn und Ständen für zuträglich gehalten, so wird, von Seiten der Landesherrschaft, eine Zusammentretung des fürstlichen geheimen Rathscollegii oder anderer fürstlicher Commissarien mit einer ständischen Deputation veranlaßt. Auch die ständischen Seetionen können ihrer Seite in dazu geeigneten 14*

212

Anlage

Fällen darauf antragen, daß eine Deputation aus ihrer Mitte mündliche Aufklärung oder nähere Erläuterungen über landesherrliche Erlasse durch fürstliche Commissarien ertheilt werden mögen. Hessen-Darmstadt Verfassung von 1820

Art. 62 In beiden Kammern haben die Mitglieder des geheimen Staatsministeriums und die ernannten Landtagscommissarien freien Zutritt, ohne Stimmrecht.

Art. 96 Abs. 2 Die Ausschüsse haben sich mit den Mitgliedern des geheimen Staatsministeriums und den ernannten Landtagscommissarien zu benehmen, um die erforderlichen Nachrichten zu erhalten, oder um zu einer Ausgleichung etwaiger abweichender Ansichten zu gelangen. Sachsen-Coburg-Saalfeld Verfassung von 1821

§ 90 S. 3 Die Mitglieder des Landesministeriums haben bei der Ständeversammlung freien Zutritt, außer bei Abstimmungen und vertraulichen Sitzungen.

§ 94 S. 3 Zur Beförderung des Ganges der Geschäfte können wichtige Angelegenheiten durch Mitglieder des Landesministeriums oder besondere Commissionen in der Ständeversammlung noch besonders mündlich erörtert und erläutert werden. § 96 S. 1 u. 2 Zur Bearbeitung einzelner Gegenstände kann die Versammlung einige aus ihrer Mitte durch die Wahl, nach relativer Mehrheit der Stimmen ernennen! Diese Commissionen haben sich mit den Mitgliedern des Ministeriums oder den Landtagscommissarien zu benehmen, um die erforderlichen Nachrichten zu erhalten, oder um zu einer Ausgleichung etwaiger abweichender Meinungen zu gelangen.

Samsen-Meiningen Verfassung von 1824

§ 13 Zu den landschaftlichen Sitzungen können vom Landesherrn ein bis zwei Commissarien abgeordnet werden, die in demselben Antheil an den Deliberationen nehmen, aber kein wirkliches Stimmrecht, und sich, während der Abstimmung, zu entfernen haben.

Sachsen-Meiningen-Hildburghausen Verfassung von 1829

Art. 94 über die landesherrlichen Propositionen und Anträge wird zuerst die Discussion eröffnet, in welcher ein jeder seine Ansicht zu entwickeln befugt ist. An derselben nehmen die landesherrlichen Commissarien, so viel ihnen

Anlage

213

nöthig erscheint, Theil. Sie haben aber, wenn sie die nöthigen Erläuterungen gegeben haben, den Ständen zu fernerer Berathung ohne ihr Beisein Zeit zu lassen. Auch bleibt den Ständen das Recht vertraulicher Sitzungen vorbehalten, wo die landesherrlichen Commissarien nicht zugegen sind.

Scl1warzburg-Sonderhausen Verfassung von 1830

§ 9 Abs. 5 Wir, als Landesherr, werden dem Landtage Unsere Anträge schriftlich mittheilen, entweder auf einmal oder nach und nach. Wir werden zugleich einen landesfürstlichen Commissarius zu dem bevorstehenden Landtage ernennen, welcher dessen Sitzungen, so weit er es nothwendig und zweckmäßig findet, beiwohnt, sich über Unsere landesherrlichen Propositionen mit den Landständen berathet und zu seiner Zeit das Resultat Uns zur weiteren Entscheidung vorlegt.

Sacl1sen Verfassung von 1831

§ 125 Diesen Deputationen (§ 123, 124) werden, so oft die Deputationen selbst darauf antragen, durch königliche Commissarien die nöthigen Erläuterungen gegeben werden. Es muß jedoch jede Deputation, vor Abgabe ihres Gutachtens an die betreffende Kammer, die von ihr von dem königlichen Commissair in ihrer Sitzung mündlich mitzutheilenden, Bemerkungen hören, auch dieselben in Erwägung ziehen, und nach Befinden berücksichtigen. § 134 Die Mitglieder der Ministerii und die königlichen Commissarien haben den Zutritt zu den Sitzungen der Kammern, können an den Discussionen Antheil nehmen, und haben das Recht, zu verlangen, nach Schlusse derselben nochmals gehört zu werden, treten aber, wenn, so viel die Commissarien betrifft, diese nicht Mitglieder der Kammern sind, bei der Abstimmung ab. Nach ihrem Abtritte darf die Discussion nicht von Neuem aufgenommen werden.

Sacbsen-AJtenburg Verfassung von 1831

§ 232 Der Landesherr ordnet Commissarien zu mündlichen Eröffnungen und zur Theilnahme an den Berathungen in die Landesstube ab. Zu letzterem Berufe theilt der Präsident jedesmal 2 Stunden vor Eröffnung einer Sitzung dem Vorsitzenden im Ministerium die Tagesordnung mit.

§ 233 Die landesherrlichen Commissarien müssen so oft gehört werden, als sie es verlangen. Berufen sie sich auf Beibringung von Erörterungen und Nachweisungen, so wird auf ihren Antrag die Schlußfassung bis nach deren Vorlegung ausgesetzt. Kommen bei der Landschaft wesentliche Abänderungen von vorgeschlagenen Gesetzentwürfen und Bewilligungsanträgen in Frage, so ist die Erbittung und Zuziehung landesherrlicher Commissarien unerläßlich.

214

Anlage

§ 234 Abgesehen von Fällen, wo landesherrliche Commissarien nothwendig zugezogen werden müssen, kann die Landschaft auch vertrauliche Sitzungen ohne deren Beiseyn halten, in welchen jedoch niemals Beschlüsse gefaßt werden dürfen. Letztere setzen vielmehr allemal solche Discussionen voraus, an welcher landesherrliche Commissarien Antheil nehmen können. Es können daher die Berathungen und Niederschreibungen vertraulicher Sitzungen nicht öffentlich bekannt gemacht werden.

Hannover Verfassung von 1831

6. Kap. § 34 Die Landesherrschaft hat das Recht, wenn sie es für nöthig findet, Commissarien abzuordnen, welche den Sitzungen der Ständeversammlung beiwohnen, und an der Berathschlagung Theil nehmen können.

Kurbessen Verfassung von 1831

§ 92 Die Ständeversammlung ist befugt, über alle Verhältnisse, welche nach ihrem Ermessen auf das Landeswohl wesentlichen Einfluß haben, die zweckdienlichen Aufklärungen von den landesherrlichen Commissarien zu begehren. Auch werden in geeigneten Fällen die Vorstände der betreffenden Ministerialdepartments persönlich der Ständeversammlung die gewünschte Auskunft ertheilen. § 93

Ein jeder, von den Landständen zu einer vorbereitenden Arbeit oder Geschäftseinleitung gewählter Ausschuß kann zur Erlangung von Aufschlüssen über die ihm vorliegenden Gegenstände mit der churfürstlichen Landtagscommission sich benehmen, oder schriftliche Mittheilungen von den einschlägigen Behörden, und zwar hinsichtlich der im § 144 erwähnten Angelegenheiten unmittelbar, einziehen, auch die persönliche Zuziehung von den dazu sich hauptsächlich eignender Staatsbeamten durch die genannte Commission veranlassen.

Hobenzollern-Hecb.ingen Entwurf der Verfassung von 1832 § 70 Abs. 2 Diejenigen Erläuterungen, welche zu ihrer Berathung nothwendig sind oder welche sie fordern zu müssen erachten, sollen durch die Regierung oder dafür bestellte Commissarien (§ 114) erhoben, und dem Landtage auf diesem Wege mitgetheilt werden. § 108 Die landesherrlichen Propositionen werden dem Landtage durch landesfürstliche Commissarien eröffnet, welche bei der Versammlung freien Zutritt haben, jedoch der Abstimmung anzuwohnen nicht befugt sind. Zur Beförderung des Geschäftsgangs können diese Commissarien wichtige Berathungsgegenstände in der Versammlung noch besonders mündlich erörtern, auch haben sie, auf Verlangen der Abgeordneten, jede angemessene Nachweisung und Erläuterung über einzelne Gegenstände abzugeben.

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Hannover Verfassung von 1833

§ 114 Die Landesregierung hat das Recht, Commissarien abzuordnen, welche den Sitzungen der Ständeversammlung, jedoch als solche ohne Stimmrecht beiwohnen und an den Berathschlagungen Theil nehmen können.

Hohenzollern-Sigmaringen Verfassung von 1833

§ 157 Abs. 2 Die landesherrlichen Commissarien haben bei der Versammlung freien Zutritt, und müssen bei allen Discussionen, wenn sie es verlangen, gehört werden (§ 166), sind aber nicht befugt, den Abstimmungen anzuwohnen. § 157 Abs. 3 Wenn sie sich wegen der Abstimmung entfernt haben, darf nach ihrer Entfernung die Discussion nicht wieder aufgenommen werden. § 157 Abs. 4 Zur Beförderung des Geschäftsganges werden die Commissaire wichtige Berathungsgegenstände in der Versammlung noch besonders erörtern, auch haben sie auf Verlangen der Ständemitglieder jede angemessene Nachweisung und Erläuterung über einzelne Gegenstände abzugeben. Wenn die landesherrlichen Commissaire ihren Vortrag über den Inhalt der Proposition und über die Beweggründe dazu beendigt haben, erfolgt die übergabe an den Landtagsdirector, die etwa begehrte Empfangsbescheinigung und in der Regel die unverzügliche Betheiligung unter sämtliche Ständemitglieder durch Abdrücke oder Abschriften. § 158 So oft die landesherrlichen Commissaire erscheinen, um im Namen des Landesfürsten oder Regierung der Ständeversammlung Eröffnungen zu machen, bleiben die in der Tagesordnung stehenden Berathungen ausgesetzt, und diese werden erst nach geschlossenem Vortrage des landesherrlichen Commissionairs, falls dieser nicht eine andere Einleitung nothwendig machen sollte, wieder aufgenommen. § 147 Abs. 2 Um die an sie verwiesenen Gegenstände gehörig zu bearbeiten, haben die Commissionen alle hierzu erforderlichen Aufschlüsse, Acten und Urkunden zu sammeln, und sich mit der Landtagscommission in schriftliches oder mündliches Benehmen zu setzen, um die nöthigen Erläuterungen, Auskünfte und actenmäßigen Belege zu erwirken. § 147 Abs. 3 S. 1 Im Verweigerungsfalle machen sie Anzeige und Vortrag an die Ständeversammlung, welche hierauf die weiteren Auskünfte und die Actenvorlage unmittelbar bei der Regierung oder dem Landesfürsten nachzusuchen berechtigt ist.

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Holstein und SdlIeswig Verfassung von 1834

§ 43 Nach erlassenem Einrufungspatente werden Wir als Mittelsperson für alle Verhandlungen einen Commissarius ernennen, dem Wir den Umständen nach, entweder für die ganze Dauer, der Versammlung oder für einzelne in derselben vorkommende Gegenstände der Berathung einen oder den anderen Beamten beiordnen werden, damit sie nach näherer Anweisung Unsers Commissarius in der Versammlung erscheinen und über einzelne bestimmte Gegenstände die etwa erforderlichen Aufklärungen ertheilen. § 45 Unser Commissarius kann, jedoch ohne Stimmrecht zu haben, allen Sitzungen der Versammlung beiwohnen, und in denselben das Wort nehmen, sobald und sooft er es angemessen findet. Nur bei den Abstimmungen nach förmlicher Verhandlung (§ 74), und bei der Prüfung der ausgearbeiteten Schriften und Aufsätze (§ 54 und § 77) ist er nicht gegenwärtig. § 68 Den Ausschüssen (§ 66) kann Unser Commissarius, wann und so oft er will, schriftlich oder mündlich diejenigen Mittheilungen machen, welche er für erforderlich hält. Den Berathungen in den Versammlungen der Ausschüsse wohnt er aber nur bei, wenn er von ihnen dazu eingeladen worden ist.

Hobenzollern-Hecbingen Wahlordnung Titel 11 von 1835 § 52 Der Regierungscommissair hat jederzeit den Versammlungen beizuwohnen, auch kann er Vorträge in denselben halten, jedoch soll er sich bei den Abstimmungen selbst aller und jeder Theilnahme enthalten.

Verfassung von 1836

§ 31 Wenn es wegen der landesherrlichen Propositionen, welche vier Wochen vor dem Landtage den landständischen Deputierten mitgetheilt werden, oder wegen sonstiger Anträge, mündlicher Entwicklungen und ausführlicher Nachweisungen bedarf, so ernennt der Landesherr eine Commission, die den berathschlagenden Sitzungen, welche diesen Gegenständen bestimmt sind, zu dem angegebenen Zwecke beizuwohnen hat.

Hannover Verfassung von 1840

§ 100 Der König ist berechtigt, in jede Cammer Commissarien zu schicken, um den Sitzungen beizuwohnen und an den Berathungen Antheil zu nehmen. Die Commissarien haben kein Stimmrecht und müssen bei namentlicher Abstimmung, die Versammlung verlassen.

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Luxemburg Verfassung von 1841

Art. 20 Das Präsidium der Landstände führt der Gouverneur, der jedoch bei der Berathschlagung mitzustimmen nicht berechtigt ist.

Schwarzburg-Sonderhausen Verfassung von 1841

§ 185 Die Mitglieder des Geheimrathscollegiums und die landesherrlichen Commissarien haben das Recht, den Verhandlungen der Stände beizuwohnen, darin Erklärungen zu geben und .ihre Ansichten auseinander zu setzen; sie dürfen zwar einen Sprechenden nicht unterbrechen, können aber nach diesem vor jedem anderen Ständemitglied das Wort verlangen. Nur bei Verhandlungen über Beschwerden oder Anklagen gegen Staatsbeamte müssen sie sich zurückziehen. § 186 Es mag auf der Tagesordnung stehen, was da wolle, so wird dieselbe ausgesetzt, sobald ein Regierungsbevollmächtigter erscheint, um im Namen des Fürsten eine Eröffnung zu machen.

17er Entwurf von 1848

§ 21 Die Reichsminister haben nur Stimmrecht in dem einen oder anderen Hause, wenn sie Mitglieder desselben sind. Sie haben Zutritt in jedem Hause und müssen auf ihr Verlangen gehört werden. Jedes Haus kann die Gegenwart der Minister verlangen.

Frankfurt Reichsverfassung von 1849

§ 121 Die Reichsminister haben das Recht, den Verhandlungen beider Häuser des Reichstages beizuwohnen und jederzeit von denselben gehört zu werden. § 122 Die Reichsminister haben die Verpflichtung, auf Verlangen jedes der Häuser des Reichstages in demselben zu erscheinen und Auskunft zu erteilen, oder den Grund anzugeben, weshalb diese nicht erteilt werden könne.

Erfurt Unionsverfassung von 1849 § 119

Die Reichsminister und die von ihnen bezeichneten Kommissarien haben das Recht, den Verhandlungen beider Häuser des Reichstages beizuwohnen und jederzeit von denselben gehört zu werden. § 120 (wie § 122 Frankfurter Reichsverfassung)

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Preußen Verfassung von 1850

Art. 60 Die Minister sowie die zu ihrer Vertretung abgeordneten Staatsbeamten haben Zutritt zu jeder Kammer und müssen auf ihr Verlangen gehört werden. Jede Kammer kann die Gegenwart der Minister verlangen. Die Minister haben in einer oder der anderen Kammer nur dann Stimmrecht, wenn sie Mitglieder derselben sind.

Norddeutsooe Bundesverfassung von 1867 Art. 9 S. 1 Jedes Mitglied des Bundesrathes hat das Recht, im Reichstage zu erscheinen und muß daselbst auf Verlangen jederzeit gehört werden, um die Ansichten seiner Regierung zu vertreten, auch dann, wenn dieselben von der Majorität des Bundesrathes nicht akzeptiert worden sind.

Verfassung des Deutsooen Reiches von 1871 Art. 9 S. 1 ist identisch mit Art. 9, S. 1 der Norddeutschen Bundesverfassung.

Weimar Verfassung von 1919

Art. 33 Der Reichstag und seine Ausschüsse können die Anwesenheit des Reichskanzlers und jedes Reichsministers verlangen. Der Reichskanzler, die Reichsminister und die von ihnen bestellten Beauftragten haben zu den Sitzungen des Reichstages und seiner Ausschüsse Zutritt. Die Länder sind berechtigt, in diese Sitzungen Bevollmächtigte zu entsenden, die den Standpunkt ihrer Regierung zu dem Gegenstand der Verhandlung darlegen. Auf ihr Verlangen müssen die Regierungsvertreter während der Beratung, die Vertreter der Reichsregierung auch außerhalb der Tagesordnung gehört werden. Sie unterstehen der Ordnungsgewalt des Vorsitzenden. Art. 65 S. 2 Die Mitglieder der Reichsregierung haben das Recht und auf Verlangen die Pflicht, an den Verhandlungen des Reichsrats und seiner Ausschüsse teilzunehmen. Art. 65 S. 3 Sie müssen während der Beratung auf Verlangen jederzeit gehört werden. Art. 165 Abs. 4 Sozialpolitische und wirtschaftspolitische Gesetzentwürfe von grundlegender Bedeutung sollen von der Reichsregierung vor ihrer Einbringung dem Reichswirtschaftsrat zur Begutachtung vorgelegt werden. Der Reichswirtschaftsrat hat das Recht, selbst solche Gesetzesvorlagen zu beantragen. Stimmt ihnen die Reichsregierung nicht zu, so hat sie trotzdem die Vorlage unter Darlegung ihres Standpunktes beim Reichstag einzubringen. Der Reichswirtschaftsrat kann die Vorlage durch eines seiner Mitglieder vor dem Reichstag vertreten lassen.

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Zitier- und Zutrittsrechte in den Verfassungen der Bundesländer einschließlich West-Berlins seit 1945 Quellen: Beck-Texte, Verfassungen der deutschen Bundesländer.

Württemberg-Baden (24. Nov. 1946) Art. 64 Der Ministerpräsident und jeder Minister muß auf Verlangen des Landtages und seiner Ausschüsse an den Sitzungen teilnehmen. Der Ministerpräsident, die Minister und ihre Bevollmächtigten haben jederzeit Zutritt zu den Sitzungen des Landtags und seiner Ausschüsse und müssen gehört werden, wenn sie es verlangen. Baden-Württemberg (11. Nov. 1953) Art. 34 Der Landtag und seine Ausschüsse können die Anwesenheit eines jeden Mitglieds der Regierung verlangen. Die Mitglieder der Regierung und ihre Beauftragten haben zu den Sitzungen des Landtags und seiner Ausschüsse Zutritt und müssen jederzeit gehört werden. Sie unterstehen der Ordnungs gewalt des Präsidenten und der Vorsitzenden der Ausschüsse. Der Zutritt der Mitglieder der Regierung und ihrer Beauftragten zu den Sitzungen der Untersuchungsausschüsse und ihr Rederecht in diesen Sitzungen wird durch Gesetz geregelt. (Zur Regierung s. in Art. 45) Bayern (2. Dez. 1946)

Art. 24 Der Landtag und seine Ausschüsse können das Erscheinen des Ministerpräsidenten und jedes Staatsministers und Staatssekretärs verlangen. Die Mitglieder der Staatsregierung und die von ihnen bestellten Beauftragten haben zu allen Sitzungen des Landtags und seiner Ausschüsse Zutritt. Sie müssen während der Beratung jederzeit, auch außerhalb der Tagesordnung gehört werden. (Zur Regierung s. in Art. 43) Gesetz über den Senat v. 9. Febr. 1966/18. Dez. 1969 gern. Art. 42: Art. 25 Auf die Anwesenheit der Staatsregierung und ihre Mitwirkung bei den Verhandlungen findet Art. 24 der Bayrischen Verfassung entsprechende Anwendung. Berlin (1. Sept. 1950)

Art. 34 Das Abgeordnetenhaus und seine Ausschüsse können die Anwesenheit der Mitglieder des Senats fordern. Der Senat ist zu den Sitzungen des Abgeordnetenhauses und seiner Ausschüsse einzuladen. Der Regierende Bürgermeister oder sein Vertreter können vor Eintritt in die Tagesordnung unabhängig von den Gegenständen der Beratung das Wort ergreifen. Den Mitgliedern des Senats ist auf Verlangen jederzeit zu den Punkten der Tagesordnung das Wort zu erteilen.

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Die Mitglieder des Senats unterstehen in den Sitzungen der Ordnungsgewalt des Präsidenten des Abgeordnetenhauses oder des Vorsitzenden des Ausschusses. Zutritt zu Unterausschüssen nach Art. 33 Abs. 4 nur auf Beschluß. (Zur Regierung s. in Art. 40)

Bremen (21. Okt. 1947)

Art. 98 Dem Senat sind Zeit und Ort jeder Bürgerschaftssitzung und tunlichst auch aller Ausschußsitzungen rechtzeitig vorher mitzuteilen. Die Bürgerschaft und ihre Ausschüsse können bei einzelnen Verhandlungsgegenständen die Anwesenheit von Vertretern des Senats verlangen. Die Mitglieder des Senats und die vom Senat bestellten Vertreter haben zu den Sitzungen der Bürgerschaft und ihrer Ausschüsse Zutritt. (Zur Regierung s. in Art. 107)

Hamburg (6. Juni 1952)

Art. 23 Die Senatoren haben zu allen Verhandlungen der Bürgerschaft und ihrer Ausschüsse Zutritt; der Senat hat das Recht, auch andere Vertreter zu entsenden. Das gilt nicht für Untersuchungsausschüsse (Art. 25). Auf Ersuchen der Bürgerschaft, ihres Vorstandes oder ihrer Ausschüsse ist der Senat zur Entsendung von Vertretern verpflichtet. Den Vertretern des Senats ist auf ihr Verlangen jederzeit das Wort zu erteilen. Sie unterstehen der Ordnungsgewalt des Vorsitzenden. Von den Sitzungen der Ausschüsse ist dem Senat, soweit tunlich vorher Kenntnis zu geben. Anträge des Senats, die er als dringlich bezeichnet, sind vor allen anderen Gegenständen zu verhandeln. (Zur Regierung s. in Art. 33)

Hessen (1. Dez. 1946)

Art. 91 Der Landtag und jeder seiner Ausschüsse können die Anwesenheit des Ministerpräsidenten und jedes Ministers verlangen. Der Ministerpräsident, die Minister und die von ihnen bestellten Beauftragten haben zu den Sitzungen des Landtags und seiner Ausschüsse Zutritt. Sie können jederzeit auch außerhalb der Tagesordnung - das Wort ergreifen. Sie unterstehen der Ordnungsgewalt des Vorsitzenden. (Zur Regierung s. in Art. 100)

Niedersacbsen (13. April 1951)

Art. 10 Der Landtag und seine Ausschüsse können die Anwesenheit eines jeden Mitgliedes der Landesregierung verlangen. Die Mitglieder der Landesregierung und ihre Beauftragten haben zu den Sitzungen des Landtags und seiner Ausschüsse Zutritt. Sie müssen jederzeit gehört werden. Sie unterstehen der Ordnungsgewalt des Präsidenten und des Vorsitzenden. Die Vorschrift des Abs. 2 Satz 1 und 2 gilt nicht für Sitzungen der Untersuchungsausschüsse, des Wahlprüfungsausschusses und des Ausschusses zur Vorbereitung der Wahl der Mitglieder des Staatsgerichtshofes. (Zur Regierung s. in Art. 19)

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Nordrhein-Westfalen (18. Juni 1950) Art. 45 Die Mitglieder der Landesregierung und die von ihnen Beauftragten können den Sitzungen des Landtags und seiner Ausschüsse beiwohnen. Sie unterstehen der Ordnungsgewalt des Vorsitzenden. Den Mitgliedern der Landesregierung ist jederzeit, auch außerhalb der Tagesordnung das Wort zu erteilen. Der Landtag und seine Ausschüsse können die Anwesenheit jedes Mitgliedes der Landesregierung verlangen. Die Vorschrift des Absatzes 1, Satz 1 und 3 gilt nicht für Sitzungen der Untersuchungsausschüsse. (Zur Regierung s. in Art. 51)

Rheinland-Pfalz (18. Mai 1947)

Art. 89 Der Landtag und seine Ausschüsse können die Anwesenheit jedes Mitglieds der Landesregierung verlangen. Die Mitglieder der Landesregierung und ihre Beauftragten haben zu den Sitzungen Zutritt. Auf Verlangen müssen sie auch außerhalb der Tagesordnung gehört werden. Sie unterstehen der Ordnungsgewalt des Vorsitzenden. (Zur Regierung s. in Art. 98)

Saarland (15. Dez. 1947)

Art. 78 Die Mitglieder der Landesregierung und ihre Bevollmächtigten haben jederzeit zu den Sitzungen des Landtags und seiner Ausschüsse Zutritt und müssen auf ihr Verlangen auch außerhalb der Tagesordnung gehört werden. Auf Verlangen des Landtages oder seiner Ausschüsse müssen die Mitglieder der Landesregierung oder ihre Bevollmächtigten zu den Sitzungen erscheinen und Auskünfte erteilen. (Zur Regierung s. in Art. 88)

Scbleswig-Bolstein (15. März 1962) Art. 16 Der Landtag kann die Anwesenheit des Ministerpräsidenten und Landesminister, die Ausschüsse des Landtags können die Anwesenheit Landesminister verlangen. Die Mitglieder der Landesregierung und ihre Beauftragten haben zu Sitzungen des Landtags und seiner Ausschüsse Zutritt. Den Mitgliedern Landesregierung ist auf Verlangen jederzeit das Wort zu erteilen. (Zur Regierung s. in Art. 21)

der der den der

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Zitier- und Zutrittsrechte in Verfassungen westeuropäischer Staaten Quellen: Mayer-Tasch: Die Verfassungen der nicht-kommunistischen Staaten Europas. Geitner / Pule: Die Verfassungen der Staaten in der Europäischen Gemein-

schaft.

Blaustein / Flanz: Constitutions of the counties of the world.

Belgien

Art. 88 Die Minister haben nur beschließende Stimme in einer der beiden Kammern, wenn sie ihr als Mitglied angehören. Sie haben Zutritt zu beiden Kammern und müssen auf Ersuchen gehört werden. Die Kammern können die Anwesenheit der Minister verlangen.

Dänemark § 40

Die Minister haben von Amt wegen Zutritt zum Folketing und sind berechtigt, sich während der Verhandlungen zu Wort zu melden, sooft sie es wünschen, wobei sie sich im übrigen an die Geschäftsordnung zu halten haben. Stimmberechtigt sind sie nur, wenn sie zugleich Mitglieder des Folketing sind. § 53

Jedes Mitglied des Folketing kann mit dessen Zustimmung jede öffentliche Angelegenheit zur Beratung bringen und von den Ministern eine Erklärung darüber fordern.

Finnland

§ 36 Wünscht der Staatsrat dem Reichstag außerhalb der Tagesordnung in irgendeiner Angelegenheit, die die Regierung des Reiches oder dessen Verhältnis zu ausländischen Staaten angeht, eine Aufklärung zu geben, oder eine Mitteilung zu machen, soll die Sache dem Reichstag vorgetragen oder bis zu einer der folgenden Plenarsitzungen vertagt werden. § 52 Abs. 1 An Sitzungen und Beratungen eines Ausschusses dürfen die Mitglieder des Staatsrates teilnehmen, soweit nicht der Ausschuß im Einzelfall anders beschließt. § 59

Die Mitglieder des Staatsrates und Justizminister, wie auch der Justizbeauftragte des Reichstages sind berechtigt, den Vollsitzungen des Reichstages beizuwohnen und an den Beratungen teilzunehmen, nicht jedoch an der Beschlußfassung, sofern sie nicht Mitglieder des Reichstages sind. Will einer von ihnen sich äußern, wird ihm das Wort vor den anderen erteilt.

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Frankreidl

Art. 31 Die Mitglieder der Regierung haben zu den beiden Versammlungen Zutritt. Sie müssen auf ihr Verlangen gehört werden. Sie können sich von Regierungskommissaren begleiten lassen.

Griemenland

Art. 66 Abs. 2 Minister und Staatssekretäre haben freien Zutritt zu den Sitzungen des Parlaments und sie sollen gehört werden, sooft sie sich zu Wort melden.

Art. 66 Abs. 3 Das Parlament und die parlamentarischen Ausschüsse können die Anwesenheit der Minister und Staatssekretäre bei der Verhandlung solcher Angelegenheiten verlangen, die ihren Geschäftsbereich betreffen. Verfassung von 1952

Art. 78 Abs. 8 Die Minister haben freien Zutritt zu den Sitzungen des Parlaments und sie werden gehört, sooft sie sich zu Worte melden; sie stimmen jedoch nur ab, wenn sie Mitglieder des Parlaments sind. Art. 78 Abs. 9 Das Parlament und die parlamentarischen Ausschüsse können die Anwesenheit der Minister verlangen.

Irland

Art. 28 Abs. 8 Jedes Regierungsmitglied hat das Recht, den Sitzungen jedes Hauses des Oireachtas beizuwohnen und in jedem Hause gehört zu werden.

Island

§ 51 Die Minister sind kraft Amtes berechtigt, den Sitzungen des Althing beizuwohnen und unter Wahrung der Geschäftsordnung an den Erörterungen teilzunehmen, sooft sie es wünschen; ein Stimmrecht aber besitzen sie nur, wenn sie zugleich als gewählte Mitglieder dem Althing angehören. § 54 Jedes Mitglied kann in dem Haus, dem es angehört, eine jegliche Frage von allgemeiner Natur einbringen, und um den Bericht eines Ministers über diese Frage ersuchen, sofern das betreffende Haus die Erlaubnis dazu erteilt.

Italien

Art. 64 Abs. 4 Die Mitglieder der Regierung haben auch wenn sie den Kammern nicht angehören, das Recht und auf Verlangen die Pflicht, den Sitzungen beizuwohnen. Sie müssen auf Verlangen jederzeit gehört werden.

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Liec1ltenstein

Art. 63 Abs. 4 Der Regierungsvertreter muß gehört werden und ist verpflichtet, Interpellationen der Abgeordneten zu beantworten.

Luxemburg

Art. 80 Die Mitglieder der Regierung oder die Kommissare, die sie vertreten, haben Zutritt zu der Kammer und müssen gehört werden, wenn sie es verlangen. Die Kammer kann ihre Anwesenheit fordern.

Monaco

Art. 64 Die Staatsminister und die Berater der Regierung haben Zutritt zum Nationalrat, in dem sie bestimmte Plätze einnehmen. Sie müssen gehört werden, wenn sie es wünschen.

Niederlande

Art. 104 Die Minister haben einen Sitz in beiden Kammern. Sie haben als solche nur eine beratende Stimme. Sie können in der Sitzung von ihnen hierzu bestimmte Beamte zur Unterstützung heranziehen. Sie geben den Kammern mündlich und schriftlich die verlangten Aufklärungen, soweit dies nicht als mit den Interessen des Staates unvereinbar erachtet wird. Sie können von jeder der Kammern zum Erscheinen in der Sitzung aufgefordert werden.

Norwegen

Art. 74 Abs. 2 Wenn die Verhandlungen des Stortings eröffnet sind, haben der Staatsminister und die Staatsräte das Recht, im Storting sowie in dessen beiden Abteilungen anwesend zu sein und ebenso wie die Abgeordneten, jedoch ohne Stimmabgabe, an den stattfindenden Verhandlungen teilzunehmen, soweit diese bei offenen Türen stattfinden; bei Angelegenheiten, die bei geschlossenen Türen verhandelt werden, jedoch nur insofern es von dem betreffenden Ting gestattet wird. Art.75h Es obliegt dem Storting, jeden in Staats angelegenheiten persönlich vorzuladen, den König und die königliche Familie ausgenommen; jedoch gilt diese Ausnahme nicht für die königlichen Prinzen, soweit sie Ämter bekleiden.

österreich

Art. 75 Die Mitglieder der Bundesregierung sowie die von ihnen entsendeten Vertreter sind berechtigt, an allen Beratungen des Nationalrates, des Bundesrates und der Bundesversammlung sowie der Ausschüsse dieser Vertretungskörper teilzunehmen, jedoch an solchen Beratungen des Hauptaus-

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schusses des Nationalrates, die nach den Bestimmungen des Bundesgesetzes über die Geschäftsordnung des Nationalrates grundsätzlich nichtöffentlich sind, nur auf besondere Einladung. Sie müssen auf Verlangen jedesmal gehört werden. Der Nationalrat, der Bundesrat und die Bundesversammlung sowie deren Ausschüsse können die Anwesenheit der Mitglieder der Bundesregierung verlangen.

Portugal

Art. 180 Abs. 1 Regierungsmitglieder haben das Recht in Plenarsitzungen des Repräsentantenhauses zu erscheinen und dort zu sprechen, so wie es in der Geschäftsordnung bestimmt ist. Art. 180 Abs. 2 Die Sitzungen mögen in übereinstimmung mit der Regierung festgelegt werden. Diesen sollen die Regierungsmitglieder beiwohnen, um mündliche und schriftliche Anfragen zu beantworten sowie Bitten um Information seitens Mitgliedern des Repräsentantenhauses. Verfassung von 1933 i. d. F. von 1961 Art. 95 § 3 Die Minister, Staats- und Unterstaatssekretäre können an den Ausschußsitzungen teilnehmen; an den Sitzungen, in denen über Abänderungen beraten wird, die auf Vorschlag der Kooperativkammer erfolgen, kann ein Deligierter dieser Kammer teilnehmen. Art. 96 Die Abgeordneten können: I. schriftliche Fragen zur Aufklärung der Öffentlichkeit über irgendwelche Handlungen der Regierung oder Verwaltung stellen;

Schweden

Kap. 4 § 4 Wenn eine Sache in der Kammer entschieden werden soll, kann sich jedes Mitglied des Reichstages und jeder Minister dazu gemäß dem in der Reichstags-Geschäftsordnung näher Angegebenen äußern. Die Reichstags-Geschäftsordnung enthält Bestimmungen über Befangenheit. Kap. 2 der Reichstags-Geschäftsordnung 2.7.4. § 10

Auf jeder Sitzung kann jeder Abgeordnete und jeder Minister, mit den Ausnahmen, die diese Reichstags-Geschäftsordnung bestimmt, sich frei zu allen Fragen äußern, die gerade behandelt werden, und über die Gesetzmäßigkeit von allem, was sich auf der Sitzung zuträgt. 2.10.1. § 11 Niemand darf auf einer Sitzung an der Behandlung einer Angelegenheit teilnehmen, die ihn persönlich oder jemand ihn Nahestehenden betrifft. Ein Minister darf jedoch an der Beratung einer Sache seine Amtstätigkeit betreffend teilnehmen. 15 Meier

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Schweiz

Art. 101 Die Mitglieder des Bundesrates haben bei den Verhandlungen der beiden Abteilungen der Bundesversammlung beratende StiIrune und auch das Recht über einen in Beratung liegenden Gegenstand Anträge zu stellen.

Spanien

Art. 110 1. Die Kammern und ihre Ausschüsse können die Anwesenheit der Mitglie-

der der Regierung verlangen. 2. Die Mitglieder der Regierung haben Zugang zu den Sitzungen der Kammern und ihrer Ausschüsse und die Befugnis, das Wort zu ergreifen; sie können verlangen, daß Beamte ihrer Ressorts in diesen Sitzungen informieren.

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Sachverzeichnis Akteneinsicht 90 Aktenvorlage 90 Aktenvorlagerecht 166 Aktuelle Stunde 94 f., 98 - auf Antrag 95 - auf Verlangen 95 Anfrage - "formalisierte" 98 f. - große 92 f., 97 f. - kleine 93, 100 - mündliche 100 Anfragerecht 194 Anhörungspflicht 74 Anhörungsrecht 70, 75, 86, 148 f., 159, 174,177,179, 188 Antwortpflicht 100 Antwortverweigerung 105 Anwesenheit (s. a. Regierungsmitglied) 135 f. Auskunftserteilung 98 Auskunftspflicht 149, 174, 186 f., 193, 198 Auskunftsrecht 149, 166, 193 Auskunftsverlangen 62, 74 Ausschuß (Ausschüsse) 69 f., 83 ff., 103 f., 106 ff., 111 ff., 154 ff., 159, 164 ff. - Anwesenheit im 117 - Befassungsrecht, selbständiges 112 - Beschlüsse 116 - des Reichstages 81 - Einsetzung 114 f. - Gemeinsamer 170 ff. - - Besetzung 172 - - Mitglieder 173 - - Sitzungen 173 f. - - Stellung 172 - gemischter 121 f., 125, 168, 174 - Mitglieder 119 f.,172 f., 182 - Recht zur Herbeirufung von Mitgliedern der Bundesregierung 103 - Sitzungen 63, 159, 169 f., 172, 191, 197 - Sonderausschuß 114, 118, 120 - ständiger 54, 114 f., 120, 163, 182 - Verpflichtung zur Einsetzung 114 Ausschußarbeit 124, 172 Ausschußberatung 120 Aussprache 95 Authentizitätserklärung 38 16'

Beantwortungspflicht 72, 74 Beiziehungsrecht 156 Belgien 60, 67 f., 191 ff. Beurteilungsspielraum 80 Bismarcksche Reichsverfassung 108 Charte constitutionnelle 34, 40 Commission 65 - gemischte 65 - ständische 65 Demokratie 21 f. - parlamentarische 21, 29, 32, 50, 53, 66, 140, 183 - repräsentative 21, 23, 28 f. Deutscher Bund 34, 47, 108 Direktorialdemokratie 29 Diskussion, parlamentarische 51 Dreiteilungslehre 21 Dualismus 32, 47 Einzelfragen 93 Enquetekommission 122, 124 ff., 168, 174 - Ausschußcharakter 127 Enqueterecht 31, 63, 79, 88, 91, 125, 139 Entschließung (s. Resolution) 104 Erfurter Unionsverfassung 75, 88 Fragerecht (s. a. Aktuelle Stunde) 84, 97, 99 ff., 187 f. - Regelung 73 - unselbständiges 101 Fragestunde (s. a. Aktuelle Stunde) 93 f. Frankreich 58 ff., 67 f., 99, 142, 146, 192,194 f. Fremdinformationsmöglichkeit 91 Fremdinformationsrecht 186 Fünfzigerausschuß 45 Funktionentrennung 66, 109, 139 f., 181 Geheimer Rat 64 Gewaltenbalance 109

244

Sachverzeichnis

Gewaltenteilung (s. a. Funktionentrennung) 32 - Bedeutung 109 Gewaltenteilungslehre 42 Gewaltenteilungsprinzip 129 f., 139 f. - Kernbereichslehre 129 f. Gewaltentrennung (s. a. Funktionentrennung) 58, 142 Hauptausschuß 137 House of Commons 26 House of Lords 26 Identitätsthese 90, 100 Immunität 37 Indemnität 37 Informationsmittel 99 - gegenüber der Regierung 89 - parlamentarische 90 Informationsrecht 69, 79, 91, 96, 117, 171 - parlamentarisches 139, 141 Inkompatibilität 48 - Bundestagsmandat und Ministeramt 55 - Ministeramt und Abgeordnetenmandat 58, 60 - Reichstagsmandat und Bundesratssitz 52 - Reichstagsmandat und Ministeramt 54 Interorgankontrolle 90 Interpellation 99, 191, 194 f. - Beantwortung 77 - Begriff 97 - Berücksichtigung 73, 77 - historische Entwicklung des Instituts 98 - Verfahren 72 Interpellationsfähigkeit 157 Interpellationsrecht 31, 44, 49, 51, 54, 59, 63, 69, 72, 77, 84, 88, 90, 97 ff., 148, 186, 194 - Primat 90 - Regelung 73 Investiturabstimmung 31, 182 Justiziabilität 103, 107 Kabinett 27 - Abberufung 79 Kabinettsregierung 27 Kammer (Kammern) 36 ff., 41, 44, 60 ff., 66 - Herbeirufung von Ministern 72 - Sitzungen 63

- - vertrauliche 65 - Teilnahmerecht an Sitzungen 65 Kammerberatungen 44 - Teilnahmerecht der Minister 44 Kommissionen 63 - Sitzungen 63 Kompatibilität 30 Konkretisierungsthese 90,100 Konstitutionalismus 66, 71, 78 f., 83, 134, 141, 143, 146, 197 Kontrasignatur 38, 41, 43 Kontrolle, parlamentarische 91,166 Kontrollmittel 99 - gegenüber der Regierung 89 - parlamentarische 90, 111 Kontrollorgan, parlamentarisches 166 Kontrollrecht 69, 91, 96 - parlamentarisches 139, 141 Korollartheorie 161 Korrespondenzthese 148 Landesversammlung 36 f. - Auflösung 36, 38 - Einberufung 36 - Eröffnung 36 - Vertagung 36 Landstände 34 Landtag 36 ff., 61 f. - Sitzungen 63 - - vertrauliche 65 - Teilnahmerecht an Sitzungen 65 Märzforderungen 68 Märzminister 43 Mandat, ständisch-imperatives 36 Minister 31, 37 f., 53, 61 f. - Abberufung 79 - Anwesenheitspflicht 71 - Herbeirufung 63, 69 - Sitzungsteilnahme 72 - staatsrechtliche Stellung 70 - Stimmrecht 44 - Teilnahmerecht an Kammerberatungen 44 Ministeranklage 38, 48, 53, 55, 71, 85, 91, 143, 183 Ministerregierung 35, 41, 56, 58, 64, 82 Ministerverantwortlichkeit 78 f., 88, 142 f. - konstitutionelle 42 f., 49, 67 f., 80 - parlamentarische 60, 68, 80, 84, 142 f. - politische 79 Mißbilligungsbeschluß 143 Mißbrauchsverbot 163, 165 ff., 176 Mißstandsenquete 163 Mißtrauensvotum 30 f., 46, 49, 51, 55, 79, 85, 104, 132, 146, 182 f.

Sachverzeichnis Monarchie 21 - konstitutionelle 32, 50, 58, 60, 64, 143 - parlamentarische 50 Monismus 32 Monokratie 21 Musterparlament 26 Nationalrepräsentation 44 Nationalversammlung 45 f., 58 f., 69 - Geschäftsordnung 59 - Herbeirufung der Minister 59 - Frankfurter, Eröffnungssitzung 45 - verfassungsgebende 53, 61 74 82 99,137 ' , , - - deutsche 44 Nichtparlamentarier 125 f., 168, 174 182 ' "Notparlament" 170,172 Ordnung, verfassungsmäßige 181 Ordnungsgewalt 85, 87 Organisationsausschuß 137 f., 142 Organklage 106 Parlament 22 ff., 30 ff., 36 f., 54 ff., 67 f., 79 f., 84 ff., 96 f., 104, 110 f., 129 f., 133, 136 f., 139 ff., 144 ff., 151, 160, 166 f., 169, 172, 178 f., 184 ff., 191, 193 f., 197 f. - Auskunftsrecht 143 - Begriff 23 - Beschluß 85 - englisches 25 ff. - Fragerecht 97 - Informationsrecht 81 - Kompetenz 79 - konstitutionelles 177 - Kontrollkompetenz 77 ff. - Kontrollrecht 81, 139 - nationalstaatliches 43 - Präponderanz 33 - Sitzungen 194, 197 - Stellung 183 - Theorie und Praxis des 28 - von London 25 - von Paris 24 - Wahl 44 - Zuständigkeit 23,181 Parlamentarier 126 Parlamentarische Abhängigkeit 145 Parlamentarische Entwicklung 43 Parlamentarische Initiative 126 Parlamentarische Regierungsprinzipien 60 Parlamentarische Regierungsweise 28, 34 f., 38, 42, 46, 51, 60, 71, 80, 145 Parlamentarischer Rat 137, 142, 147

245

Parlamentarische Rücksichtspflichten 176 Parlamentarischer Vorsprung 42 Parlamentarische Spielregeln 85 Parlamentarisches Regierungssystem 21 ff., 29 ff., 42 ff., 46 ff., 50, 52 ff., 56, 58, 61, 67, 70, 79, 82 f., 85, 88, 96, 108 f., 111, 118, 129, 134, 136 f., 140 ff., 145, 147, 151, 181 ff., 197 ff. - Begriff 22 f. - Einführung 51 - "hinkendes" 53 Parlamentarische Tradition 192 Parlamentarisierender Effekt 141 Parlamentarisierung - der Regierungsverhältnisse 50 - der Reichsregierung 50 - "unvollkommene" 52 Parlamentarismus 22 f., 27 ff., 38, 42 f., 47,64 - Entwicklung 81 - "kontrollierter" 54 - Lehre vom echten 31 - nationalstaatlicher 47 - "unechter" 53 Parlamentarismusbegriff 27 ff. - umfassender 28 Parlamentarismusverständnis 28 Parlamentsarbeit 165 Parlamentsauflösung 31, 182 Parlamentsausschuß 156, 193, 195 Parlamentsbeschluß 27 - "schlichter" 104 Parlamentsmitglieder 189 Parlamentspraxis 46, 52, 120, 136, 156,

177

Parlamentsrecht 56, 180, 191 Parlamentsrechtsgeschichte 110 Parlamentssouveränität 42 Parlamentsvertreter 27 Parlamentswahlen 182 Paulskirchenverfassung 138, 147 f., 160 Petitionsausschuß 91, 159, 166, 174 Petitionsrecht 31, 37, 43, 63, 69, 79, 81, 88, 187 Pflichtausschuß 166 Plenarsitzung 153, 156, 158 f. Plenum 108, 111, 113, 115 ff., 137, 150, 154 f., 161 - Anwesenheit 117 Präsidialdemokratie 29 Räterepublik 52 Rat der Weisen Männer 25 Rechtsverhältnis 105 Rechtsvergleichung - internationale 191 ff. - intranationale 181 ff.

246

Sachverzeichnis

Rechtsweg 105 Redaktionsausschuß 142 Rederecht 59, 70, 86, 148 f., 157, 159, 174 ff., 188 f., 196 - privilegiertes 67 Regierung 22, 29 ff., 33, 35, 37 ff., 42 ff., 49 ff., 54 ff., 60 f. - Abhängigkeit 111 - Antwortpflicht 89 - Anwesenheit 80 - Auskunftserteilung 80 - Berichterstattung 80 - Bewegungsfreiheit 87 - Bildung 31 - Informationspflicht 89 - parlamentarische 27, 52, 60, 141 - parlamentarische Verantwortlichkeit 48, 53, 85, 111 - Präsenzpflicht 81 - Rechenschaftslegung 81 - Rechnungslegung 80 - Rechte 83 Regierungsangelegenheiten 41 Regierungskontrolle 31, 49, 54, 91 Regierungsmitglied(er) 30, 59, 62, 104, 136, 151 f., 155, 164, 166, 168, 172, 174 f., 177, 188 ff., 194 f. - Anhörungsrecht 83, 87 - Antwortpflicht 134 ff., 143 - Anwesenheit 54, 62, 78 f., 81, 96, 100, 108, 128, 131, 134 f., 169, 193 f. - - in Parlamentsausschüssen 195 - Anwesenheitspflicht 84,100 ff., 131 ff. - Anwesenheitsrecht 87, 197 - Auskunftserteilung in Ausschüssen des Reichstages 81 - Auskunftspflicht 138 ff., 142, 144 f., 148, 187 - Herbeirufung 68, 85, 102 ff., 144, 148, 185, 193 f. - Rederecht 148, 178, 196 - Teilnahme an Sitzungen 135 Regierungssystem der USA 66 - präsidentielles 53, 55 Regierungsvertreter, politische Verantwortlichkeit 38 Repräsentation, freie 36 Repräsentativsystem 28 f. Resolution 104 Richterwahlausschuß 122, 124 Richtlinien der Politik 48, 53, 55, 178 Sanktion, "parlamentarische" 104 Selbstauflösung 36 Selbstinformationsrecht 91, 99 Selbstversammlung 36 Senatsprinzip 110 Siebenerausschuß 44

Siebzehnerausschuß 45, 73 Siebzehnerentwurf 46,73 f. Skandalenquete 118 Sonder-Rechts satz, öffentlicher 105 Staat, konstitutioneller 136 f., 139, 141 ff., 146, 149 Ständeversammlung 41, 62 Ständiger Beirat 116 Stellvertretergesetz 52, 76 Storting 195 Stufenverhältnis 85 Terminologie 89 ff. Unterausschuß 120, 123, 156, 167 f. - Einsetzung 121 - Recht zur Einsetzung 120 Unterrichtungspflicht 150 Untersuchungsausschuß 54, 117 f., 125 f., 139 f., 149, 159, 163 ff., 174, 188 - Einsetzung 119 - "geborener" 118 - "gekorener" 118 - Stellung 164 - Verpflichtung zur Einsetzung 119 Untersuchungsrecht 125, 160 Veran twortlichkei t, konstitutionelle 41 f., 46, 53, 58, 79, 129 - parlamentarische 46, 48 f., 129 Verfahren, parlamentarisches 177 Verfahrensweise 97, 191 Verfassung(en) 34 ff., 41, 44, 46 ff., 53 f., 67, 69, 76, 79, 84, 86, 88, 99, 114, 127, 133, 136, 153, 169, 172, 181 f., 185 f., 192 f., 195 - belgische 60 ff., 68 f., 73, 191 - der Bundesländer 181 ff. - deutsche 56, 61 f. - französische 62, 68 - kontinentaleuropäische 58 - kurhessische 62 - preußische 43, 77, 82 - Weimarer s. Weimarer Reichsverfassung - württembergische 63 ff. Verfassungsausschuß 83, 137 Verfassungsentwicklung 34 - nationalstaatliche 43 Verfassungsgebung 35 Verfassungsrecht, anglo-amerikanisches 140 Verfassungswelle 40, 42 Verhandlungen, parlamentarische 84 Vermittlungsausschuß 122 ff., 150,157, 168 ff., 171, 177 Versammlungsregierung 46

Sachverzeichnis Vertrauens abstimmung 31 Volksdemokratie 28 Volksvertreter 36, 110 Volksvertretung 25 f., 28, 34, 36 f., 39, 42, 67 f., 78, 80, 111, 141, 146, 181, 185 Vorladungsrecht 193 Vorparlament 44 f.

247

Wahlprüfungsausschuß 159 ff., 166 f., 174, 188 - Stellung zu anderen Ausschüssen 160 Weimarer Reichsverfassung 52 f., 54 r .. 82 f., 86, 129, 147, 160, 180 . Zweikammersystem 36, 110