Zeitschrift für Psychologie: Band 180/181, Heft 1 1972/1973 [Reprint 2021 ed.]
 9783112579961, 9783112579954

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Band 180/181 (1972/1973)

Heft 1

Zeitschrift für Psycho logie mit Zeitschrift für angewandte Psychologie

Schriftleitung Friedhart Klix, Berlin • Hans-Dieter Schmidt, Berlin • Hubert Sydow, Berlin Redaktion Jürgen Mehl, Berlin • Friedrich Kukla, Berlin

Unter Mitwirkung von G. Clauß, Leipzig H . Düker, Marburg H . - J . Eysenck, London P . Fraisse, Paris J . J . Gibson, I t h a c a , N. Y. W . Hacker, Dresden H . Hiebsch, J e n a A. Kossakowski, Berlin D. Koväc, Bratislava

Z.

I'syihol.

A. N. Leontjew, Moskau B . F . Lomow, Moskau A. R . Luria, Moskau D. A. Oschanin, Moskau J . Piaget, Genf H . D. Rösler, Rostock W. P . Sintschenko, Moskau W . Straub, Dresden D. Wendt, Hamburg

JOHANN AMBROSIUS BARTH LEIPZIG

Zeitschrift für Psychologie, Band 180/181 (1972/1973) Heft 1 mit Zeitschrift für angewandte Psychologie, Band 90/91 Heft 1

INHALT GEISSLEE, H.-G., Berlin und K.-P. TIMPE, Berlin. Zur Analyse von Gruppenbildungsprozessen in der Wahrnehmung mit Hilfe von Wahlreaktionsexperimenten. Mit 5 Abbildungen

1

WOLF, E., Jena. Über das Zusammenwirken der kognitiven und emotionalen Komponente von Einstellungen zu Kooperationspartnern

15

MATERN, B., Dresden. Die regulative Funktion der Sprache in Tätigkeiten der Informationsübertragung. Mit 17 Abbildungen

41

Buchbesprechungen

82

Manuskripte

für Original

ab hancllun

gen und Referate

werden an Dr. J. Mehl, Sek-

tion Psychologie der Humboldt- UniversiUit, DDR—102 Berlin, Oranienburger Straße 18 erbeten. Für diese Zeitschrift werden grundsätzlich nur Arbeiten angenommen, die vorher weder im Inland noch im Ausland veröffentlicht worden sind. Das Manuskript ist satzfertig einzusenden, damit das Lesen der Korrektur bei Zeitmangel von der Bedaktion veranlaßt werden kann. Jede Abhandlung ist mit einer kurzen Zusammenfassung in 3facher Anfertigung für die Übersetzung in russischer und englischer Sprache abzuschließen. Mit der Annahme des Manuskriptes und seiner Veröffentlichung geht das alleinige Recht der Vervielfältigung, Verbreitung und Übersetzung auf den Verlag über. Von Originalarbeiten liefert der Verlag an Stelle eines Honorars 50 Sonderdrucke. Buchbesprechungen werden nicht vergütet, dafür wird das Besprechungsexemplar Eigentum des Referenten. Von der Zeitschrift für Psychologie erscheint jährlich 1 Band mit 4 Heften zum Preis von 50,—M zuzüglich Postgebühren. Die Zustellung erfolgt bis zur Abbestellung, die nur für das Ende des Bandes ausgesprochen werden kann. Anzeigen für die Zeitschrift bitte an die DEWAG-Werbung Leipzig, DDR - 701 Leipzig, Brühl 34-40, Ruf 79 740 einsenden. Zur Zeit gilt die Anzeigenpreisliste Nr. 3.

ZEITSCHRIFT FÜR PSYCHOLOGIE Band 180/181

Heft 1

(zugleich Zeitschrift f ü r angewandte Psychologie

Band 89)

A u s der Sektion f ü r Psychologie der Humboldt-Universität zu Berlin Lehrbereich Allgemeine Psychologie und Lehrbereich Arbeits- und Ingenieurpsychologie

Zur Analyse von Gruppenbildungsprozessen in der Wahrnehmung mit Hilfe von Wahlreaktionsexperimenten V o n H . - G . GEISSLER u n d IV.-P. TIMPE

Mit 5 Abbildungen

1. Ableitung der psychologischen Fragestellung . Die Veränderungen der materiell-technischen Basis der Produktion, wie sie gegenwärtig vor allem mit Hilfe der komplexen Rationalisierung vollzogen werden, führen zu qualitativ neuen Formen der Arbeitstätigkeit. Der Einsatz von EDVA, die Leitung ganzer Produktionsprozesse mit Hilfe von Rechnern sowie die Rationalisierung der technischen Produktionsvorbereitung und der Planung und Leitung des gesamten Reproduktionsprozesses kennzeichnen die neue Qualität der gesellschaftlichen Organisation der Produktion. Zur Beherrschung der Produktionsprozesse wird daher die effektive Funktionsteilung zwischen Mensch und technischer Anlage zum entscheidenden Kriterium, da mit dieser Funktionsverteilung u. a. die optimale Form des Informationsaustausches festgelegt wird. ' Für die theoretische und experimentelle Analyse dieses Sachverhaltes wurde der Begriff des Mensch-Maschine-Systems als zweckvolle Abstraktion der praktisch aufzufindenden Situation eingeführt und unlängst von K L I X [2] für die Ortung psychologischer Aufgabenstellungen zugänglich gemacht, Wesentlich ist, daß es in Abhängigkeit von der volkswirtschaftlichen Aufgabenstellung verschiedene Typen von Mensch-Maschine-Systemen, die sich durch einen unterschiedlichen Grad der automatisierten Signalverarbeitung auszeichnen, nebeneinander geben wird. Schwerpunkte der Entwicklung werden Systeme sein, in denen der Mensch mit elektronischen Datenverarbeitungsanlagen (als Prozeß- oder Informationsrechner) integriert ist, wobe auch adaptive technische Systeme in Zukunft an Bedeutung gewinnen werden Aus dieser Situation haben bzw. werden sich grundlegende Verlagerunger der Anforderungen an den Menschen in Abhängigkeit von seinen arbeits teiligen Funktionen ergeben. Diese Anforderungsverlagerung kann charakte risiert werden durch die 1

Z.Psychologie 180/181-1

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Z. Psycho!. Bei. 180/181 (1972/1973) II. 1

— Wandlung des Verhältnisses zwischen geistige und physischer Beanspruchung — Zunahme der psychischen Belastung — ständige Qualifikation und Spezialisierung des Menschen im Produktionsprozeß — veränderte Stellung des Menschen im Produktionsprozeß. Bei der psychologischen Analyse der sich herausbildenden neuen Tätigkeitsstruktur ergibt sich, daß Prozesse der Informationsaufnahme und -Verarbeitung erheblich an Gewicht gewinnen werden. Wir denken dabei an — Überwachungstätigkeiten in der Industrie, — Ein- und Ausgabetätigkeiten an Rechenanlagen, — Überwachung und Lenkung von Verkehrsflüssen (vor allem im Luft- und Schienenverkehr) sowie — spezielle Datenauswertungen in wissenschaftlichen Bereichen. Diese unterschiedlichen Situationen enthalten bezüglich ihrer Anforderungeinige invariante Merkmale. In jedem Fall muß für die Tätigkeitsausführung eine bestimmte Anzahl von Signalelementen, d. h. informationsvermittelnden Geräten, in charakteristischer Anordnung auf einer Fläche beobachtet werden. Veränderungen der Informationsparameter der Signalelemente müssen detektiert und speziellen Gedächtnisinhalten zugeordnet werden. Dabei bestehen z. B. zwischen den Auftrittswahrscheinlichkeiten der Zustandsveränderungen statistische Abhängigkeiten, oder es bestehen deterministische Regularitätseigenschaften im Signalangebot, die den Informationsinhalt der Signale beeinflussen. Wir haben es bei allen genannten industriellen Tätigkeiten mit Komponenten von einfachen oder komplexen Muster- und Situationserkennungsaufgaben zu tun. Innerhalb dieser prognostisch bedeutsamen Thematik erhalten Phänomene der Gruppenbildung immer größeres praktisches Gewicht und werfen viele bislang ungelöste Probleme auf. Der vorliegende Beitrag stellt einen Versuch dar, die Bedeutung von Faktoren der Gruppenbildung in unterschiedlichen Anforderungssituationen aufzuhellen. Dazu gehen wir aus von einer Darstellung solcher Typen von Wahlreaktionssituationen, die wesentliche Teile der zu untersuchenden Anforderungen tangieren. Unter Wahlreaktionssituationen werden hierbei alle Situationen verstanden, in denen diskrete Reaktionen auf Veränderungen der Informationsparameter von Signalelementen gefordert werden. 2. Eine formale Klassifikation von Wahlreaktionssituationen Die Untersuchung von gruppenbildenden Faktoren in der Wahrnehmung führte im Rahmen der Gestalttheorie zu der Formulierung sogenannter Gestaltgesetze (z. B. Überblick bei METZGER [4]), durch die Faktoren be-

I I . G. GEISSLEK/K.-P. TIJIPE, Zur A n a l y s e von Grnppenbilclungsprozessen

3

schrieben werden, clie die phänomenale Gliederung des Sehfeldes bestimmen. Der Rolle von Tätigkeitsanforderungen wurde hierbei jedoch keine Aufmerksamkeit geschenkt, obwohl eine hochgradige wechselseitige Abhängigkeit zwischen perzeptiver Gruppierung und in der Tätigkeit bewältigter Erkennungsanforderung besteht. Die Beschreibung von Gruppierungswirkungen setzt daher u. a. eine möglichst objektive Beschreibung der Reaktionsanforderung für relevante Anforderungsklassen voraus, deren wesentliches Element die formale Erfassung von Informationsdarbietung, Reaktionsmöglichkeiten und der zu realisierenden Reaktionsvorschrift ist. Zur formalen Beschreibung der Darbietungsseite in Wahlreaktionssituationen ist es üblich, lediglich eine Indizierung von Signalelementen einzuführen. Da bei der Betrachtung perzeptiver Gruppierungsanteile auch inaktive Elemente (d. h. Elemente, die im Rahmen der Tätigkeitsanforderung nicht aktuell als Informationtsträger wirksam werden, wohl aber perzeptiv gegeben sind) miteinzubeziehen sind, müssen wir von einer differenzierteren Darstellung ausgehen. Betrachtet seien Signalelemente S = (s^, s 2 , . . ., sn). Jedem Element s t sei in einem gegebenen Zeitpunkt eindeutig ein fester Koordinatenvektor x{ 6 X (räumliche Lage und andere konstante Eigenschaften) und ein variabler Zustandsparameter yt € Y zugeordnet. Y kann zum Beispiel eine binäre Menge (0,1) oder ein Intervall [a, 6] auf einem Kontinuum umfassen. Eine Menge K c S X X, die die tatsächlich realisierte Anordnung von Signalelementen beschreibt, bezeichnen wir als Trägerkonfiguration. Die Menge der zulässigen Reizmuster stellt dann eine Untermenge M er K X Y dar. Ferner sei R = {r0, rv r2, . . i'm] die Menge der (hier nicht näher charakterisierten) Reaktionen. Zur Klassifikation der Anforderungssituationen genügt es, nur die Menge Z er S X Y zu betrachten. Eine Reaktionsvorschrift kann hierbei als Abbildung Q : Z R verstanden werden. Formal ergibt sich damit die Möglichkeit, Reaktionsvorschriften als Abbildung zwischen Trägerelementen und Reaktionen unter gewissen für die Zustandsparameter gültigen Bedingungen aufzuschreiben. Eine erste Grobklassifikation von Wahlreaktionssituationen folgt aus den die Abbildung Q vermittelnden Relationen. Wir wollen von einfacher Zuordnung, im Gegensatz zu komplexer Zuordnung, dann sprechen, wenn die eingelernte Vorschrift Q als Liste gegeben ist, für die keine verkürzte Beschreibung durch einen Algorithmus möglich ist. Innerhalb der einfachen Zuordnung können je nach zulässigen Reiz- und Antwortmengen zahlreiche Situationstypen unterschieden werden. Wird als Antwortmenge nur R = {r 0 , r1 } „nicht vorhanden" und „vorhanden" (bzw. Quittierungen durch Tastendruck) verwendet, so sprechen wir in einem verallgemeinerten Sinne von Detektion (vgl. L T J C E , G A L A N T E R [ 3 ] ) . Die wohlbekannte Klasse von „Detektions-Erkennungssituationen" liegt vor, l*

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wenn außer der Nichtreaktion rQ disjunkte Antworten r 1; r2, . . ., rm zulässig sind. Diese Einteilung verfeinert sich, wenn man die zugehörigen Reizmuster in die Betrachtung einbezieht. Besonders wesentlich erscheinen folgende Fälle: 1. Es soll auf kritische Zustände einzelner Elemente reagiert werden (Einzelzuordnung) 1 2. Es soll auf kritische Muster reagiert werden (Musterdetektion und -identifikation) 3. Die Reaktionsvorschrift fordert die Zusammenfassung kritischer Zustände von Einzelelementen oder kritischer Muster (Musterklassifikation) 4. Die Reaktionsvorschrift erfordert die Zerlegung von Mustern in Teilmuster bzw. Einzelzustände (Separation) In Tabelle I sind die wichtigsten Möglichkeiten systematisch zusammengestellt worden. Über die dargestellten Situationen vom Typ der einfachen Zuordnung hinaus sind komplexe Zuordnungsleistungen von ständig wachsendem Interesse. Diese werden beispielsweise durch — strukturierte Reiz-Reaktions-Relationen, z. B. in Form zwischengeschalteter kognitiver Operationen — zusätzliche Bewertungen und Relationen über den Reizen und Reaktionen — strukturierte Reaktionsabläufe unter Berücksichtigung von Rückmeldungen vom gesteuerten Objekt gekennzeichnet. Der Versuch einer systematischen Erfassung solcher Wahlreaktionssituationen muß'an dieser Stelle jedoch zurückgestellt werden. 3. Gruppenbildung und Wahlreaktion ¡3.1. Möglichkeiten der Gruppenbildung]

Aus den aufgeführten Klassen von Wahlreaktionssituationen wollen wir hier nur zwei Extremvarianten unter dem Gesichtspunkt der Gruppierung behandeln. Unter Gruppierung im konventionellen Sinne verstehen wir hier die perzeptiv vermittelte Zerlegung j = {¡x^, [i 2 , . . ., fie} eines Musters /¿E M in disjunkte und erschöpfende Teilmengen f i u . . ., /ie, wobei hierarchische Gruppierungsmöglichkeiten vorläufig vernachlässigt werden. Um den oben genannten Problemklassen gerecht zu werden, müssen zusätzlich mindestens zwei Aspekte aufgenommen werden: 1 Dieser Fall wird wegen seines häufigen Auftretens in der Praxis gesondert herausgehoben. Im Prinzip ist er unter 2. subsummierbar.

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e das kritische Signal ciar, so hat dies offenbar geringen Einfluß auf die Gruppierung der Signalgeber. In diesem Fall ist zur Feststellung des kritischen Signales ein (zeitlicher) Suchprozeß erforderlich und es folgt, daß die Reaktionszeit stark von der Ausdehnung der Fläche abhängt, auf der die Signalgeber angeordnet werden. In vielen Experimenten hierzu wurde jedoch gerade diesem Aspekt keine Aufmerksamkeit geschenkt, obwohl mit wachsender Anzahl von Signalgebern auch die Fläche, auf der sie angeordnet sind, wachsen muß und gerade dieser Fall von praktischem Interesse ist. Hieran knüpfend führte R O T H E (1969) Untersuchungen durch, in denen die Anzahl der Signalgeber, die Größe der informationstragenden Fläche sowie die Anordnung der Signalgeber als perzeptiver Gruppierungsfaktor systematisch variiert und in Beziehung zur Verarbeitungsleistung gesetzt wurden. Als Signalgeber dienten Zeigermeßgeräte. Uber den Ausprägungsgrad der genannten Variablen gibt Abb. 1 Auskunft. Nach dem oben Gesagten sollte kein wesentlicher Einfluß der geometrischen Gruppierung auf die Identifizierungsleistung erwartet werden. Dem entsprach der experimentelle Befund, daß die mittleren Reaktionszeiten bei einer irregulären Anordnung der Signalgeber (s. Abb. 1) nicht in jedem Fall signifikant länger als bei regulärer Anordnung der gleichen Anzahl von Signalgebern auf der gleichen Fläche sind (z. B. bei 16 Signalgebern). Analysieren wir nämlich die Tätigkeit der Versuchspersonen, so gelangen wir zu der Hypothese, daß vor allem die für Augensuchbewegungen erforderliche Zeit verantwortlich für die Gcsamtreaktionszeit ist. Zur Prüfung dieser Behauptung wurde versucht, in Anlehnung an das City-block-Modell von A T T E N A V E [ 1 ] ein Maß für den Weg X(n) zu bestimmen, der beim Abtasten des Displays von den Augen zurückgelegt wird (dieser wird dann proportional der Zeit gesetzt). R O T H E [6] schlug vor, folgende Maßzahl zu verwenden:

8

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X In)« 10,60 M * 3,0 s Abb. 1. Anordnung der Signalgeber im D e t e k t i o n s e x p e r i m e n t . Neben den verschiedenen Mustern sind die nach Gleichung (2) berechneten Distanzzahlen X ( n ) sowie die gemessenen Detektionszeiten eingetragen V

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Projektion des Signalgebers j auf die Dimension /•; r Dimension (Index 1 :

senkrecht; I n d e x 2 : waagerecht); n Anzahl der Signalgeber.

H . G. GEISSLER/K.-P. TIMPE, Zur A n a l y s e von G r u p p e n b i l d u n g s p r o z e s s e n

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Die mit diesen Beziehungen für die verschiedenen I n f o r m a t i o n s q u e l l e n (s. A b b . 1) gewonnenen Distanzzahlen X (n) wurden ebenfalls in A b b . 1 eingezeichnet. T r ä g t man-über-diesen Zahlen X ( n ) die Verarbeitungszeit a u f , ergibt sich die in A b b . 2 dargestellte Gerade. U n a b h ä n g i g von der p h ä n o m e n a l e n

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G r u p p i e r u n g wurde also wieder eine monotone Beziehung zwischen I n f o r m a t i o n s a n g e b o t (d. h. Menge der Signalgeber) und Verarbeitungsleistung g e f u n d e n . E s ist jedoch zu betonen, daß sich das I n f o r m a t i o n s a n g e b o t hier nicht allein aus der Anzahl der Signalgeber b e s t i m m t , sondern auch v o n ihrer geometrischen A n o r d n u n g a b h ä n g t . D a m i t ist zunächst gezeigt, daß die p h ä n o m e n a l e Gruppierung i m S i g n a l a n g e b o t nicht allgemein zur S e n k u n g der Zeit bei der Inform a t i o n s v e r a r b e i t u n g — wie oft in der L i t e r a t u r b e h a u p t e t wird — f ü h r t . Allerdings gilt dies in unserem E x p e r i m e n t f ü r einen F a l l n i c h t : Die mittlere R e a k t i o n s z e i t bei 24 Signalgebern ist so klein, daß das Wirken einer nicht erfaßten Variablen a n g e n o m m e n wird. Hier können G r u p p i e r u n g s wirkungen vorliegen, die im Sinne einer R e d u k t i o n der A u g e n s u c h b e w e g u n g e n wirken und d a m i t die Verarbeitungszeit senken. In verschiedenen experimentellen Arbeiten gehen wir dieser F r a g e gegenwärtig nach.

3.3. Gedächtnismäßige Gruppierung und Yerarbeitungsleistung B e t r a c h t e n wir als zweiten Beispielfall den einer k o m p l e x e n Zuordnung, bei der sowohl die G r u p p i e r u n g innerhalb der einzelnen Muster als auch die gedächtnismäßig fixierte G r u p p i e r u n g zwischen den Mustern einen erheblichen Einfluß auf die Zuordnungsleistung besitzt. A m A u s g a n g s p u n k t der experimentellen Untersuchungen s t a n d die praktische Fragestellung, ob der Mensch im B i n ä r c o d e d a r g e b o t e n e Zahlen direkt als Dezimalzahlen zu lesen v e r m a g . A b b . 3 a schematisiert einen Beispielfall von 3 2 R e i z m u s t e r n aus einer ersten Versuchsserie.

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Abi). 3. Beispiele für die verwendeten Muster zur Darstellung von Binärzahlen. Das schraffierte Feld entspricht dem Wert 1, das leere Feld dem Wert Null. (Im Beispiel ist die Zahl 21 = 1 • 2» + 0 • 21 + 1 • 22 + 0 • 23 + 1 - 2 « dargestellt)

Die Reaktionsvorschrift ist durch eine arithmetische Verknüpfungsregel der Form « = i ' y W - 2 i=1

(3)

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gegeben, worin i die Felder von rechts nach links durchnumeriert und y(s;) den Wert 0 oder 1 annimmt, je nachdem, ob das entsprechende Feld dunkel oder hell ist. Abb. 4 stellt für aufeinanderfolgende Versuchstage den Abfall der Reaktionszeit t dar, einmal unter der Bedingung, daß der Zuordnungsalgorithmus vorgegeben wurde, zum anderen ohne Bekanntsein des Algorithmus [5]. tlins}

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Lernen ohne Algorithmus Lernen mit Algorithmus Theoretische Werte für erkennung

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V Übungstoge

Abb. 4. Die Veränderung der Zuordnungszeit von „Binärmustern" zu Dczimalzahlen mit der Übungszeit (gemittelt über alle im Versuch gezeigten Zahlen von 0 bis 31)

Charakteristisch für die letzte Bedingung ist ein scharfer Knick der Reaktionszeitkurve in der Gegend des neunten Ubungstages. Zum gleichen Zeitpunkt wurde (nach Berichten der Versuchspersonen) das Prinzip der geforderten Zuordnungsleistung erkannt. Daneben wird aus Abb. 4 deutlich, daß sich bei assoziativer Zuordnung entsprechend der vorangehenden Phase offenbar auch asymptotisch nicht das bei Bekanntsein der Vorschrift erreichte niedrige Reaktionszeitniveau einpegelt.

H. G. GEISSLEE/K.-P. TIMPE, Zur Analyse von Gruppcnlnldungsprozessen

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Worauf ist ein solcher Unterschied zurückzuführen? I m Sinne unseres vorgestellten Ansatzes haben wir zu Beginn des Versuches eine spontane Gruppierung der Muster in einem perzeptiven Eigenschaftsraum E. Über den zuzuordnenden Zahlen besteht ebenfalls eine subjektive Ordnung entsprechend einer Distanzfunktion cl^, die der objektiven Distanz \ni — gleichgesetzt sein möge. Obgleich die S t r u k t u r von E noch nicht als aufgeklärt gelten kann, ist sicher, daß als potentielle Merkmale neben einer Einzelrepräsentation der Signalzustände auch solche Eigenschaften des Gesamtmusters wie Anzahl der hellen und dunklen Felder, Anzahl der benachbarten Felder von gleichem Zustand, ausgezeichnete Symmetrieeigenschaften usw. eingehen. B e t r a c h t e t man in der Darbietung aufeinanderfolgende Muster M,(f •), so wird sich die spontane Gruppierung über ihnen von der über den zugehörigen Reaktionszahlen rt ( t j ) im allgemeinen unterscheiden, z. B . besteht zwischen den zu „ 1 6 " und „ 2 4 " gehörigen Mustern ein extremer Unterschied bezüglich der genannten Eigenschaften. Der Prozeß der Anpassung während des Trainings ist nach unserer obigen Hypothese als eine Angliederung der subjektiven Distanz über der Menge der Reizmuster M an die der zugeordneten Antwortmenge R durch Adjustierung von Gewichtsfaktoren zu verstehen. Tatsächlich beschreibt die geforderte Verknüpfungsregel selbst bereits einen möglichen Bewichtungsmodus, der auch auf die perzeptive Repräsentation der einzelnen Signalzustände angewandt werden könnte. Der beobachtete K n i c k im Reaktionszeitverlauf wäre dann z. B . dadurch zu erklären, daß die Einsicht in das Zuordnungsprinzip zu einer raschen Abspaltung irrelevanter Dimensionen führt. Die vorgelegte Interpretation bedarf noch einer vielseitigen Absicherung. E i n e wesentliche Stützung kann jedoch bereits aus dem Ergebnis einer weiteren Versuchsserie abgeleitet werden. Hierbei wurden neben Trägerkonfigurationen entsprechend Abb. 3 a solche entsprechend Abb. 3 b verwendet. Die Reaktionsvorschrift war den Versuchspersonen von vornherein bekannt. Die damit realisierte zusätzliche Gruppierung innerhalb der Reizmuster erleichterte in zweierlei Hinsicht die Annäherung an die durch die Verknüpfungsvorschrift geforderte Distanzbewertung: 1. Sie entspricht der monotonen Bewichtungszunahme der Einzelzustände nach erreichter Anpassung und führt damit zu einer Klassenzerlegung, die mit der Reaktionsgruppierung von vornherein verträglich ist. 2. Sie schließt bereits mit Beginn des Lernprozesses für die Bewertung irrelev a n t e Symmetrieeigenschaften aus. In der T a t zeigt ein Vergleich der Trainingsergebnisse (Abb. 5), daß hier ein bedeutend rascherer Abfall der Reaktionszeiten Rt zu verzeichnen ist. Sollte sich die vorgestellte Hypot hese auch für andere komplexe Zuordnungsleistungen bewahrheiten, so dürfte es möglich werden, systematische Ver-

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Z. Psychol. Bd. 180/181 (1972/1973) H. 1

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Abb. 5. Der Einfluß der Gruppierung im Reizmaterial auf die Lernleistung. Display I entspricht dem Mustertyp nach Abb. 3a, Display I I dem der Abb. 3b.

fahren zur Nutzung von Gruppierungswirkungen bei der Displaygestaltung für die einleitend genannten neuen Arbeitstätigkeiten zu entwickeln.

Zusammenfassung Phänomene der Gruppenbildung erhalten bei der psychologischen Analyse von Wabrnelimungspiozessen, wie sie bei Tätigkeiten in der modernen Industrie auftreten, ein immer größeres praktisches Gewicht. Der voilicgende Beitrag stellt einen Versuch dar, die Bedeutung von Gruppierungsfaktoren in unterschiedlichen Anforderungssituationen aufzuhel; len. Dazu wird von einer Klassifikation grundlegende] Typen von Wahlreaktionssituationen ausgegangen, worunter wir alle Situationen zusammenfassen, in denen diskrete Reaktionen auf diskrete Signale gefordert werden. In einem ersten Typ von Wahlreaktionsversuchen wurden Untersuchungen durchgeführt, in denen die Anzahl der Signalgeber, die Größe der informationstragenden Fläche sowie die Anordnung der Signalgeber als perzeptiver Gruppierungsfaktor systematisch variiert und in Beziehung zur Verarbeitungsleistung gesetzt wurden. Zu einem zweiten Typ von Wahlreaktionsversuchen wurde eine komplexe Zuordnung untersucht, bei der sowohl die Gruppierung innerhalb der einzelnen Muster als auch die gedächtnismäßig fixierte Gruppierung zwischen den Mustern einen wesentlichen Einfluß auf die Zuordnungsleistung besitzt. Die Untersuchungsresultate beluäftigen die Hypothese, daß die geforderte Zuordnungsleistung eine spezifische gedächtnismäßig fixierte Gruppierung bewirkt, die u. a. zur Abspaltung irrelevanter perzeptiver Dimensionen führt. Dieser Stvukturbildungsvorgang kann durch eine geeignete perzeptive Gruppierung innerhalb der Einzelmuster unterstützt werden.

Ii. C. GEISSLER/K.-P. TIMPE. Zur Analyse von Gruppeiibikhmgsprozessen

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Summary Investigation of group formation in perception is of increasing practical significance with regard to man-machine performance. An attempt was made to reveal the action of grouping factors under various conditions. For this purpose the analysis was based on a classification of fundamental types of choice reaction talcs. In one type of choise reaction experiments the number of signallers, the size of the information carrying area and the arrangement of the signallers as a perceptive grouping factor were systematically varied and put in relation to the processing performance. In another experiment a complex assignment was examined in which both the grouping within the individual patterns and the grouping between the fixed patterns by memory, has an appreciable influence on the assigning performance. The results suggest that the required assignment performance causes spezific grouping fixed by memory that leads to the separation of irrelepant perceptive dimensions. This structure-forming process can be facilitated by a suitable perceptive grouping within the individual patterns.']

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Literatur 1. 2.

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ATTNEAVE,

aispsychologische

Aufgabenstellung.

In:

K L I X , F . , J . NEUMANN, A . S E E B E R und

K.-P. TIMPE, Psychologie in der sozialistischen Industrie. Berlin 1972.

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6.

Z. Psychol. Bd. 180/181 (1972/1973) H. 1 Ltjce, R. L., R. R. Bush und E. G a l a n t e r : Handbook of Mathematieal Psychology. New York und London 1963. Metzger, W . : Psychologie. Darmstadt 1954. Neumann, J . , und K. P. Timpe: Der Einfluß perzeptiver und kognitive* Faktoren auf Erlernen des Dualkodes. In: Arbeitspsychologie und wissenschaftlich-technische Revolution, Berlin 1968. Rohte, J . : D i e Informationsdichte als Kenngröße der Yerarbeitungsleistung bei Überwachungstätigkeiten. Unveröffentl. Dipl.-Aibeit. Beilin 1970.

Anschrift der Verfasser: Dr. H.-G. Geisslek, Dr. K.-P. Timpe, Sektion Psychologie der Humboldt-Universität Berlin, DDR — 102 Berlin, Oranienburger Str. 18

Aus der Sektion Psychologie der Friedrich-Schiller Universität J e n a

Über das Zusammenwirken der kognitiven und emotionalen Komponente von Einstellungen zu Kooperationspartnern Von E.

WOLF

1. Problemstellung 1.1. Einleitung

„Die Menschen werden von den Aufgaben und den diese Aufgaben bewältigenden Kollektiven gebildet und erzogen. Dem Erzieher (im weitesten Sinne des Wortes) obliegt es, die richtigen Aufgaben und die entsprechenden Anforderungen zu stellen. Das Ziel jeder kooperativen Tätigkeit ist die optimale Bewältigung von Aufgaben — und der Erfolg ist der wirksamste Erzieher" ([10], S. 233). Wir wissen, daß die Bedeutung des subjektiven Faktors in unserer gesellschaftlichen Entwicklung in Zukunft weiter wachsen wird. Es ist daher notwendig, die Persönlichkeits- und Bewußtseinsentwicklung zu erforschen und zu lenken. Wir gehen dabei von der marxistischen Erkenntnis aus, daß sich der Mensch durch die Wesensmerkmale der freien bewußten Tätigkeit und der gesellschaftlichen Determiniertheit auszeichnet. Diese gesellschaftliche Determination vollzieht sich in der Arbeit. Im Gegensatz zum Tier befriedigt der Mensch seine Bedürfnisse nicht unmittelbar, sondern vermittelt. Er hat es gelernt, die zum Leben notwendigen Güter selbst zu produzieren, und diese Produktion erfordert die Kooperation mehrerer Menschen. Wir betrachten daher den Akt der Kooperation als den gesellschaftlichen Grundvorgang der zwischenmenschlichen Wechselwirkung. Diese Wechselwirkung findet gewöhnlich in kleinen Gruppen statt. Eine Gruppe definieren wir als räumliche und zeitliche Koexistenz mehrerer Menschen, die gemeinsam eine Aufgabe lösen unter Funktionsteilung und mit Hilfe von Kommunikation. 1 Kommunikation (K.) heißt Wechselwirkung durch Austausch von Informationen zwischen dynamischen Systemen, die über einen gemeinsamen Zeichenvorrat verfügen u n d 1

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Z. Psychol. Bd. 180/131 (1972/1973) II. 1

In Gruppen tritt durch geeignete Koordination der Einzelkräfte ein Leistungsvorteil gegenüber Einzelpersonen auf. Die Kommunikation ist das notwendige Mittel zur Koordination der Einzelkräfte. Daraus resultiert die große Bedeutung des Kommunikationsprozesses. 2 Wenn man die sachliche und erzieherische Leistung von Gruppen erhöhen will, muß man diesen Prozeß zu optimieren suchen. Das geht natürlich nur, wenn man die Wechselwirkung zwischen allen wichtigen Variablen der Gruppenleistung berücksichtigt. Von der Tätigkeit der Gruppe z. B., von ihren Aufgaben, ist abhängig, welche Mitgliederzahl, welche räumlichen und zeitlichen Kooperationsbedingungen, welche Leitungstechnik günstig sind, und auch welche Prestige-Struktur, welche Kommunikations- und Informationsstruktur sowie welches Wert- und Normensystem als optimal zu betrachten sind. Wir wissen, daß der Kommunikationsprozeß sehr wesentlich durch S y m p a thie- bzw. Antipathieerlebnisse, also durch Einstellungen zu den Kooperationspartnern modifiziert werden kann. E s ist auch bekannt, daß die Leistungsmotivation, die Anstrengungsbereitschaft, nicht nur abhängt von der Einstellung zum Ziel der Tätigkeit und zu den Mitteln, mit denen das Ziel erreicht werden soll, sondern auch von der Einstellung zu der Gruppe und den Personen, die die Forderungen stellen — und daß diese Einstellungen sich gegenseitig beeinflussen. Folglich wird sowohl die kollektive als auch die individuelle Kraftpotenz [10] durch Einstellungen sehr wesentlich mitbestimmt. Diese Untersuchung sollte klären helfen, unter welchen Bedingungen positive bzw. negative Einstellungen zwischen Kooperationspartnern entstehen. Diese Einstellungen widerspiegeln sich in der Gruppenstruktur, d. h. in den „verfestigten Bewertungen bestimmter interindividueller Beziehungen, wie sie in der Kooperation entstehen (Bewertungsmuster)" [10]. 1.2. Fragestellung Uber den Zusammenhang zwischen Bewertungsmustern und Gruppenmerkmalen kann man aus der Literatur folgendes ableiten: in der L a g e sind, Informationen aufzunehmen, zu speichern, umzuformen usw. Der E l e m e n t a r v o r g a n g der K . wird durch die Ivommunikationskette dargestellt: Zeichen werden v o n einer Quelle durch einen Auswahlvorgang aus einem Zeichenvorrat erzeugt, von einem S e n der aus einer statischen in eine dynamische Signalfoim umgesetzt und in dieser F o r m v o n einem E m p f ä n g e r beobachtet bzw. aufgenommen (nach KLAUS [11]). Wir betrachteten h i e r den Sepzialfall, in dem Sender und E m p f ä n g e r Menschen sind und die K . mit Hilfe v o n H andlungen, Ausdrucksbewegungen und/oder der Sprache erfolgt. 2 D a die Kommunikation aus den Erfordernissen der Kooperation entstanden ist, o r d n e n wir sie begrifflich der Kooperation unter, obwohl sie natürlich auch selbst Anlaß bzw. Z i e l der Kooperation werden kann.

E . WOLF, Einstellungen zu Kooperationspartnern

17

J e positiver — bis zu einem optimalen Grad — die Bewertungsmuster ausfallen, um so stärker sind der Zusammenhalt und die gegenseitige Beeinflussung der Gruppenmitglieder und um so höher sind die Gruppenleistung und die Zufriedenheit der Mitglieder bei Kooperation. Es bestehen dann nämlich mehr und intensivere Kontakte 3 , es treten weniger Mißverständnisse auf, die Mitglieder betrachten einander als sich selbst ähnlicher, beurteilen einander richtiger und äußern mehr Kritik aneinander — als Ausdruck größerer Ich-Beteiligung. Diese stärkere Ich-Beteiligung kann allerdings auch die Gruppenleistung beeinträchtigen, und zwar dann, wenn schwierige, konfliktreiche Entscheidungen kurzfristig zu treffen sind und die Gruppe noch ungenügende Erfahrungen mit solchen Situationen hat. Auch die Gruppennorm und der Führungsstil sind dabei von Einfluß. Die Bewertungsmuster können — zumindest vorübergehend — so positiv werden, daß sie die Aufgabenlösung behindern, indem sie die sachlichen Gegebenheiten hinter den persönlichen zu sehr zurücktreten lassen. Die Ergebnisse aller mir bekannten experimentellen Arbeiten über die Bedingungen positiver bzw. negativer Einstellungen zu Personen lassen sich ni. E. mit einer allgemeinen Bekräftigungstheorie interpretieren: Eine Person wird als sympathisch erlebt, wenn sie die andere direkt belohnt oder als potentiell dazu fähig betrachtet wird oder auf andere Weise mit einem als angenehm erlebten Zustand assoziiert wird, z. B. dadurch, daß sie einer früher als sympathisch erlebten Person ähnelt (Prinzip der Reizgeneralisierung). Der Bekräftigungsbegriff soll dabei aber weiter gefaßt werden als das bisher üblich ist. 4 Einstellungen entstehen durch den Erwerb von Erfahrungen, am schnellsten folglich durch eigene aktive (im Sinne der Ich-Beteiligung) Tätigkeit. Es kommt also darauf an, Aktivität zu wecken, indem Bedürfnisse oder Motive angesprochen werden. Wir müssen vor allem die Wirkungen des eigenen und fremden Verhaltens in o o ihrer Wechselbeziehung auf die Einstellungen untersuchen, um sie effektiv beeinflussen zu können. Diese Arbeit ist vorwiegend als Erkundungsversuch gedacht und soll der Ableitung präziserer Hypothesen dienen. 3 Scheinbar im Widerspruch hierzu steht die Tatsache, daß sich bei K o n f o r m i t ä t s d r u c k die K o m m u n i k a t i o n zu E x t r e m i s t e n — die j a abgelehnt werden — erhöht. Die I n t e n t i o n dieser erhöhten Kommunikation besteht aber darin, den E x t r e m i s t e n zu beeinflussen, i h n gewissermaßen vor der Ablehnung zu bewahren. E r wird also vermutlich als Mitglied d e r — positiv bewerteten — Gruppe noch akzeptiert, solange m a n mit ihm spricht — in d i e s e m Sinne. 4 Zur theoretischen Konzeption vgl. WOLF, E . : E i n Beitrag zur Kritik der Dissonanztheorie und Versuch eines neuen Ansatzes zu einer psychologischen Verhaltenstheorie. I n : M. Vorweg ( H r s g . ) : „Psychologische Probleme der Einstellungs- und V e r h a l t e n s ä n d e r u n g " , V d W Berlin 1971.

2

Z. Psychologie 180/181-1

18

Z. Psycho!. Btl. 180/181 (1972/1973) II. 1

U m vorhersagen zu können, was für Bewertungsmuster unter gegebenen Bedingungen in einer Gruppe vorherrschen werden und u m diese Bedingungen gezielt verändern zu können, muß man wissen, was von wem unter welchen Umständen — und möglichst auch warum — als Bekräftigung erlebt wird. Eine Person müßte als sympathisch erlebt werden, wenn sie der anderen mittel- oder unmittelbar angenehm bzw. subjektiv nützlich 5 ist. Was von einer Person als angenehm bzw. nützlich erlebt wird, ist durch ihre Identifikation mit den Normen ihrer Bezugsgruppen mitbestimmt und natürlich nur mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit vorhersagbar. E s soll vorausgesetzt werden, daß die erfolgreiche Lösung einer von der Versuchsperson übernommenen Aufgabe als nützlich erlebt wird. Wie beeinflußt nun unterschiedliches Leistungsverhalten die Einstellungen der Partner zueinander? Als Hypothese soll formuliert werden: Eine Person wird um so angenehmer von Ihren Kooperationspartnern erlebt und auch um so positiver eingeschätzt werden, je mehr sie — nach der Meinung des beurteilenden Partners — zur Lösung einer gemeinsamen A u f g a b e beiträgt. U m diese Hypothese prüfen zu können, mußte die Versuchsanordnung folgende Bedingungen erfüllen: 1. Der Beitrag der Partner zur Aufgabenlösung mußte unterschiedlich sein. 2. Dieser Unterschied konnte zwar objektive (d. h. nicht personale) Voraussetzungen haben, sie mußten aber als subjektive (d. h. personale) von den Partnern gedeutet werden. 3. Die Einstellung der Partner zueinander durfte im wesentlichen nur durch ihren Beitrag zur Aufgabenlösung beeinflußt werden. 2. Methodik 2 . 1 . Versuchsanordnung Unter reduzierten Versuchsbedingungen lösten drei Versuchspersonen (Vpn) gemeinsam eine Aufgabe. Systematisch variiert wurde ihre formelle bzw. informelle Autorität. Die Versuche wurden an einem Tisch mit sechs Kabinen durchgeführt, so daß die Partner einander nicht sehen konnten. Aus demselben Grund wurden sie im Abstand von zehn Minuten zum Versuch bestellt. J e d e Versuchsperson nahm nur an einem Versuch teil. Die Instruktion erfolgte einzeln an Ort und Stelle. 5 Der Begriff des Nutzens wird i. S. der Spieltheorie verwendet, nicht i. S. des P r a g m a tismus.

E. WOLF, Einstellungen zu Kooperationspartnern

19

Den Versuchspersonen wurde gesagt, daß sie während des Versuches keinerlei Lautäußerungen von sich geben dürfen und daß der Informationsaustausch nur schriftlich durch die Röhren zwischen den Kabinen geschieht. Der Versuch solle Aufschluß geben über die Qualität und die Besonderheiten der Zusammenarbeit unter solchen erschwerten Bedingungen. Jede der drei Versuchspersonen zog ein Los und erhielt daraufhin als Decknamen den Buchstaben A, B oder D. Das sind die Bezeichnungen in den benutzten Kabinen. Es arbeiteten immer nur drei Versuchspersonen zusammen, weil anzunehmen ist, daß man unter diesen Bedingungen kaum zu mehr als zwei Personen gut unterscheidbare Einstellungen erwerben kann. Die Aufgabe bestand darin, in das Schema eines Kreuzworträtsels die vorgegebenen Lösungswörter richtig einzusetzen. (Falsche Wörter waren nicht dabei.) Um den Leistungsaspekt zu betonen, wurden die Versuchspersonen gebeten, die Aufgaben möglichst schnell zu lösen. Fünf Versuchsreihen (VRn)'und zwei Zusatzreihen wurden durchgeführt. Versuchsreihe I Zwei Versuchspersonen (B und D) erhielten je die Hälfte der Lösungswörter. (Diese Hälften wurden von Versuch zu Versuch ausgetauscht zwischen B und D.) Sie machten abwechselnd einen oder zwei Lösungsvorschläge. Diese Vorschläge trugen sie mit Stempeln in eine Liste ein, die sie dann an die dritte Versuchsperson (^4) zurückgaben. A entschied über jeden Vorschlag. In der Instruktion wurde ihr mitgeteilt: „Damit Sie Ihre Entscheidungen immer richtig treffen können, erhalten Sie ein gelöstes Rätsel." Nur wenn die Versuchsperson A ihren Decknamen hinter den Vorschlag stempelte, war er angenommen, und alle drei Versuchspersonen durften das Wort an der entsprechenden Stelle in ihr Rätselschema eintragen. Auch über Anderungsvorschläge (z. B. „Ausradieren" eines schon eingetragenen Wortes oder das Einsetzen eines anderen an dieser Stelle) entschied A. Im Lösungsschema von B und D waren fünf Buchstaben vorgegeben, die aber nicht eindeutig festlegten, welches Wort dort hingehörte. Versuchsreihe IIa Auch hier entschied A über die Vorschläge von B und D. Jetzt erhielt aber Person D ein gelöstes Rätsel mit der Instruktion: „Damit die Lösung nicht zu lange dauert, sollen Sie nur richtige Vorschläge machen!" A und B bekamen ein Lösungsschema mit vier Buchstaben und zwei Wörtern. Zusatzreihe IIb Hier wurden nur fünf Buchstaben vorgegeben. Die Aufgabe ist etwas schwerer als bei VR II a. 2*

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Z. Psychol. Bd. 180/181 (1972/1973) H. 1

Zusatzreihe IIc Der Unterschied zur Zusatzreihe IIb bestand lediglich darin, daß der Versuch nach dem 24. Vorschlag abgebrochen wurde, wenn von 20 Vorschlägen nur 14 oder weniger zu richtigen Eintragungen führten. Den Versuchspersonen wurde dann gesagt, daß eine gewisse Zeitgrenze nicht überschritten werden könne und die anderen Gruppen nie soviel Zeit gebraucht hätten. Versuchsreihe III Wieder entschied A über die Vorschläge von B und D, aber niemand hatte ein gelöstes Rätsel. Jeder Versuchsperson wurden vier Buchstaben und zwei Wörter vorgegeben. V e r s u c h s r e i h e IV Hier erhielten drei Versuchspersonen je ein Drittel der Lösungswörter, machten abwechselnd Vorschläge und trafen auch gemeinsam ihre Entscheidungen. Person A bekam ein gelöstes Rätsel mit der Instruktion: „Damit die Lösung nicht zu lange dauert, sollen Sie nur richtige Vorschläge machen und auch nur richtigen zustimmen." Die beiden anderen bekamen ein Lösungsschema mit vier Buchstaben und zwei Wörtern. Versuchsreihe V (Kontrollreihe) Alle drei Versuchspersonen hatten je ein Drittel der Lösungswörter, machten abwechselnd Vorschläge und entschieden gemeinsam. Niemand erhielt zusätzliche Informationen. In jedem Lösungsschema waren vier Buchstaben und drei Wörter vorgegeben. Die Decknamen wurden ausgelost, damit die Versuchspersonen es für zufällig hielten, wem die Entscheidungsbefugnis in den Versuchsreihen I bis III übertragen wurde. Sie sollten also nicht den Eindruck bekommen, es könnte sich um eine „gezinkte" Versuchsperson handeln. Unterschiedlich viele Buchstaben bzw. Wörter wurden vorgegeben, um die Lösungszeit immer ungefähr auf eine Stunde zu beschränken. Formelle Autorität bedeutete alleinige Entscheidungsbefugnis (A in den Versuchsreihen I bis III), informelle Autorität hieß Verfügen über ein gelöstes Rätsel {A in der Versuchsreihe I, D in den Versuchsreihen IIa—c, A in der Versuchsreihe IV).

E . WOLF, Einstellungen zu Kooperationspartnern

21

Zusammenfassend sei das noch einmal symbolisch dargestellt: I II III IV V

^eg

A A

^eg

D De

D De De

B B B Be

Be e = Entscheidungsbefugnis g = Verfügen über ein gelöstes Rätsel („informelle Autorität") Ermittelt wurde für jede Person die Zahl der richtigen, falschen und überflüssigen Vorschläge und die Zahl der richtigen und falschen Entscheidungen. Außerdem wurde die Zeit gemessen, die jede Versuchsperson für ihre Vorschläge und Entscheidungen benötigte. 2.2. Das Erfassen der Einstellungen Nach der Lösung der Aufgabe wurde jede Versuchsperson einzeln über ihre Partner befragt. Dazu wurden folgende Verfahren verwendet: 1. Ein Paarvergleich zwischen neun geeichten Brunswik-Gesichtern unter der Fragestellung, welchem der beiden Strichgesichter der eine (und später der andere) Partner in der Vorstellung der befragten Versuchsperson jeweils eher ähnlich sein könnte; 2. Eine Einschätzung der Partner nach einem geeichten formalen Pölaritätenprofil; 3. Eine direkte Einschätzung der Partner nach sechs speziellen Polaritätenskalen ; 4. Eine freie Befragung nach sonstigen Eindrücken und nach der Beurteilung der Gruppenleistung und der eigenen Leistung. 2.3. Berechnung der Leistungspunkte Die Leistung jeder Versuchsperson und jeder Gruppe wurde getrennt nach Quantität, Qualität und Kooperation berechnet. Dazu wurden spezielle Formeln entwickelt. 6 Auf Grund der — von den Bedingungen abhängigen — unterschiedlichen Leistungsbewertung in den Versuchsreihen IV und V gegenüber den Versuchsreihen I bis I I I sind diese Versuchsreihen nur untereinander vergleichbar. 3. Ergebnisse Es wurden 85 Hauptversuche mit zusammen 255 Versuchspersonen durchgeführt, und zwar

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Z. Psychol. Bd. 180/181 (1972/1973) H. 1

in der Versuchsreihe

I IIa IIb IIc III IV V

16 13 10 7 11 11 17

Als Rohdaten lagen zunächst folgende Werte vor: Für jede Person und jede Gruppe die drei Leistungskriterien: Q u a n t i t ä t (Qt) Q u a l i t ä t (Ql) Kooperation (K) und die Einschätzungskriterien (für die Gruppen Mittelwerte): direkte Leistungseinschätzung (L) direkte Sympathieeinschätzung (S) direkte (Gesamt-)Einschätzung (d) Einschätzung nach den Strichgesichtern (Str) Einschätzung nach den Polaritätenprofilen (PP). Da die drei zuletzt angeführten Einschätzungen manchmal nicht gleichsinnige Ergebnisse lieferten, wurde zusätzlich die Streuung (St) dieser drei Einschätzungen berechnet. Dazu wurden die drei Werte normiert, getrennt für jede Versuchsreihe und für verschiedene Versuchspersonen-Positionen. Die wesentlichen Auswertungsverfahren waren: 1. Variauzanalysen zui Sicherung der Gruppen-Unterschiede bezüglich der Leistungen und Einschätzungen zwischen den Versuchsreihen und der Einzel-Unterschiede bezüglich der Leistungen und Einschätzungen innerhalb der und zwischen den Versuchsreihen. (Diese Ergebnisse mußten hier wegen Platzmangels stark gekürzt werden, Signifikanzangaben sind im Oiiginal enthalten). 2. Wilcoxon-Tests zui Sicherung der Bevorzugungs-Unterschiede innerhalb der Versuchsreihen, 3. Produkt-Moment-Korrelationen zwischen allen Leistungs- und Einschätzungskriteiien der Gruppen jeder Versuchsreihe und zwischen allen Leistungs- und den wichtigsten Einschätzungskriterien der drei Versuchspersonen jeder Versuchsreihe. 7 6 7

Nähere Angaben im Original. Als Irrtumswahrscheinlichkeit wurde jeweils a = 5°/ 0 zugrunde gelegt.

23

E. W o l f , Einstellungen zu Kooperationspartnern

3.1. Gruppenunterschiede zwischen den Versuchsreihen Tabelle I. Mittelwerte der Versuchsreihen Qt

Ql

I

30,90

28,54

IIa

43,48

35,44

IIb

40,75

IIc

8,29

III

26,82

26,23

IV

(68,69)

(29,95)

V

(60,00)

(24,17)

(10,20)

VR

K

L

S

d

Str

12,34

2,86

1,35

6,3

11,31

3,05

1,29

6,5

39,31

8,65

2,78

1,33

20,41

3,71

2,28

1,24

10,55

2,36

0,95

5,1

0,38

8,33

0,683

(10,42)

3,10

0,93

5,9

0,57

9,32

0,691

2,96

1,20

6,2

0,51

11,37

0,695

günstigstes Ergebnis 1 ungünstigstes Ergebnis]

y R n

I

PP

St

0,54

10,43

0,618

0,40

13,92

0,664

6,2

0,57

8,52

0,799

5,3

0,16

3,64

0,746

_II1

Bei einem groben Vergleich der Extremwerte innerhalb der Versuchsreihen I bis III fällt zunächst folgendes auf: Bezüglich der Quantitätsleistung steht die Versuchsreihe I I a an der Spitze, II c am Ende. Ebenso ist es bei der direkten Leistungseinschätzung und der Einschätzung nach dem Polaritätenprofil. Bei der Qualitätsleistung und der Strichgesichter-Einschätzung nimmt die Versuchsreihe IIb den ersten Platz ein, IIc wieder den letzten. Bei der direkten Sympathie-Einschätzung stehen diese drei Versuchsreihen aber im Mittelfeld. Es scheint also zumindest keine unmittelbare Abhängigkeit zwischen Leistung und Einschätzung zu bestehen. Die Streuung (St) zeigt in der Versuchsreihe I den geringsten Wert, in der Versuchsreihe IIb dagegen fällt den Versuchspersonen die Einschätzung ihrer Partner offenbar am schwersten. Die weiteren Ergebnisse zeigen, daß die Strichgesichter-Einschätzung vorwiegend die Leistung der Partner betrifft, während die Einschätzung nach dem Polaritätenprofil die emotionale Beziehung erfaßt. 3.2. Einzelunterschiede zwischen den und innerhalb der Versuchsreihen Tabelle II. Mittelwerte der Versuchspersonen I

IIa

B Qt 39,56 Q1 IC P P 33,35

28,18 31,46 11,75 19,07

D 24,95 25,63 12,94 22,24

32,76

27,29

B

D

44,79 32,96 12,92 22,08

52,88 37,92 9,69 27,51

24

Z. Psychol. Bd. 180/181 (1972/1973) H. 1

IIc

IIb

Qt Q1 K PP

A

B

D

31,59 17,44

31,23 23,09 12,9' 1,79

59,44 55,53 4,4 32,09

A 9,4 — 7,4

III

A Qt 29,36 QlK P P 16,57

B 25,85 27,25 10,82 24,04

B

D

— 6,0 12,54 5,86 0,54

21,46 28,27 1,57 17,49

IV

D 25,25 25,22 10,27 8,41

A 81,83 40,13 7,25 15,3

B

D

60,57 28,14 12,33 22,98

63,67 21,59 11,67 14,96

V

A Qt 62,1 Q1 24,60 K 10,70 P P 25,97

B 59,41 27,18 10,41 28,70

D 58,48 20,74 9,41 15,48

Die Zusatzinformation der vorschlagenden Person wird vorwiegend qualitativ wirksam, wenn die Aufgabe schwieriger ist. Bezüglich ihrer Quanütätslehtung unterscheiden sich I I a D und I I b D nicht signifikant voneinander. Auffallend ist die äußerst geringe Kooperationsleistung von D i n l l b . Bezüglich der Einschätzungen nach den Polaritätenprofilen entsprechen die Unterschiede der II c-Positionen zu den anderen der Hypothese, ebenso die Unterschiede von I I b B, III/) zu einigen anderen Positionen. Abgesehen von den II c-Positionen und den (leistungsmäßig nicht mit den anderen vergleichbaren) Versuchsreihen IV und V hat III D bei Zusammenfassung von Quantitäts- und Qualitätspunkten die absolut sch wächste Leistung der vorschlagenden Personen. II b B hat zwar absolut keine schlechte Leistung; der Unterschied zu D ist aber in dieser Versuchsreihe am größten, sogar größer als in I I c . I I b zeigt also die relativ geringste Leistung. Bevor wir diese Beziehungen weiter verfolgen, soll zunächst näher betrachtet werden, was die Versuchspersonen mit Sympathie oder positiver Einschätzung meinen.

E . WOLF, Einstellungen zu Kooperationspartnern

25

3.3. Zur Begründung der Einschätzungen Die Häufigkeitsrangreihe der Begründungen beinhaltet: 1. Gute und richtige Vorschläge bzw. Entscheidungen (132); Fehler (96) 2. Allgemeines Verhalten: „zerstreut", „aufgeregt", Verwechslungen, nicht an die Instruktionen gehalten, geräuschvoll u. ä. (130); das Gegenteil (33) 3. schnelles Arbeiten (82) langsames Arbeiten (94) 4. „Führungsverhalten" : „selbstsicher", „zielstrebig", „ a k t i v " u. ä. (56); das Gegenteil (40) 5. kooperatives Verhalten im engeren Sinne: Eingehen auf Vorschläge (23) das Gegenteil (20) Der Beitrag der Partner kann unterschiedlich groß sein. E r kann außerdem (1) unmittelbar auf die Lösung der Aufgabe gerichtet sein, (2) mehr mittelbar zur Lösung beitragen, indem nämlich die Leistung des Partners gefördert wird. Wir nehmen an, daß im zweiten Fall eine positivere Einschätzung erfolgt als im'ersten. Man erlebt die Lösung der Gruppenaufgabe doch wahrscheinlich umso stärker als Erfolg, je mehr man — im Vergleich zu den Partnern — selbst zur Lösung der Aufgabe beitragen konnte, zumal das gewöhnlich mit sozialer Anerkennung verbunden ist. Wir vermuten also, daß nicht nur die absolute oder relative Leistung an sich als positiver Beitrag gewertet wird, sondern auch ihre fördernde Wirkung auf die des beurteilenden Partners. Im Folgenden werden die Leistungs- und Einschätzungsbeziehungen der drei Versuchspersonen jeder Versuchsreihe daraufhin analysiert.

3.4. Bevorzugungsunterschiede und Korrelationen zwischen Leistungsund Einschätzungskriterien Die Gruppenwerte der Quantitäts- und Qualitätsleistung korrelieren in allen Versuchsreihen hoch positiv miteinander. Die Signifikanzgrenze wird nur in der Versuchsreihe I I c nicht erreicht. Zwischen Quantitäts- und

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Z. Psychol. Bd. 180/181 (1972/1973) I-I. 1

Kooperations- sowie zwischen Qualitäts- und Kooperationsleistungen kommen keine signifikanten Korrelationen vor. Es treten sowohl positive als auch negative Werte auf. Dabei erreichen die Korrelationen der Qualitäts- und der Quantität sleistungen mit den Kooperationsleistungen gewöhnlich ähnliche Werte. Eine Ausnahme bildet nur die Versuchsreihe II c. Hier korrelieren dieQuantitäts und die Kooperationsleistungen nicht miteinander, während die Qualitätsund Kooperationsleistungen fast signifikant positiv korrelieren. Man müßte vermuten, daß durch das Eingehen auf die Vorschläge von D im wesentlichen die Qualitätsleistung erhöht wird. Die vielfältigen Zusammenhänge zwischen den Leistungskriterien der drei Versuchspersonen jeder Versuchsreihe erschweren natürlich zum Teil die gegenseitigen Einschätzungen, vermitteln aber interessante Einsichten. / Die Leistungseinschätzungen (L) korrelieren nur in wenigen Fällen signifikant positiv mit den tatsächlichen Leistungen. (Bei den Einzelwerten kommen sogar signifikant negative Werte vor, und zwar in den Versuchsreihen I I b und ,IIc.) Die direkten Leistungs-(L) und Sympathieeinschätzungen (S) korrelieren häufiger und stärker positiv miteinander und in keinem Falle negativ. Das kann zum Teil als Ausdruck des Normbewußtseins betrachtet werden, denn zwischen Leistungs- und indirekten Einstellungskriterien kommen negative Korrelationen vor, wenn auch keine signifikanten. V e r s u c h s r e i h e I (A: f o r m e l l e und i n f o r m e l l e A u t o r i t ä t ) A —• B B —> A

(s) s

D —• A Bei allgemeiner gegenseitiger Leistungsförderung bestehen in dieser Versuchsreihe fast ausschließlich positive Korrelationen zwischen Leistungs- und Einschätzungskriterien. Besonders viele signifikante Korrelationen kommen zwischen den Leistungskriterien der Personen D und den von ihr erhaltenen Einschätzungen vor. j\Ian könnte vermuten, daß ihre Leistung vorrangig als Bezugspunkt für die gegenseitige Beurteilung der Partner dient. (D zeigt die geringste Leistung.) D wird auch am einheitlichsten eingeschätzt; der Unterschied zu den Partnern ist aber nicht sehr groß. Affektive Reaktionen treten kaum auf, höchstens D fühlt sich etwas frustiert durch die hohe Leistung von A. (L von B für A korreliert negativ mit Str von B für A. Man könnte vermuten, daß B die Person A 8

= signifikant für mindestens 1 Kriterium, —• = zieht vor

E. WOLF, Einstellungen zu Kooperationspartnern

27

eher objektiv einschätzt; die Bevorzugung von A durch D ist weniger ausgeprägt als die durch B.). Im übrigen erfolgt die Einschätzung in dieser Versuchsreihe recht objektiv und einheitlich im Sinne unserer Hypothese. Ve'rsuchsreiheIIä(^4:formelleAutorität,Z):informelleAutorität

A —y D B —• A D —• B (bei S t r : A) Die gegenseitige Leistungsförderung ist hier wesentlich geringer als in der Versuchsreihe I. Es treten keine signifikant positiven Korrelationen der Leistungskriterien zwischen den Versuchspersonen auf. Trotzdem werden die höchsten Quantitäts- und die zweithöchsten Qualitätsleistungen innerhalb der Versuchsreihen I bis III erreicht. Bei der sehr leichten Aufgabe scheint eine gegenseitige Förderung kaum nötig und möglich zu sein. Es treten nur drei signifikante, und zwar positive Korrelationen zwischen Leistungs- und Einschätzungskriterien auf. Person D wird deutlich einheitlicher beurteilt als die anderen. Man könnte vermuten, daß Ich-Beteiligung in dieser Versuchsreihe die Einheitlichkeit der Beurteilung erhöht, aber nicht unbedingt ihre Objektivität. B reagiert ausgesprochen affektiv auf die hohe Leistung von D, beurteilt nämlich die Leistung des schlechteren Partners höher und bevorzugt ihn auch nach den anderen Kriterien. Die absoluten Einschätzungswerte sind in dieser Versuchsreihe sehr hoch. Das ist vermutlich auf die erfolgreiche gemeinsame Aufgabenlösung zurückzuführen und auf den deutlich verschiedenen Beitrag der Partner dazu. Z u s a t z r e i h e I I b (^4: f o r m e l l e A u t o r i t ä t , D : i n f o r m e l l e A u t o r i t ä t )

A —> D («) B —, D D —• A In dieser Versuchsreihe muß man fast von einer gegenseitigen Leistungshemmung sprechen, zumindest zwischen B und D. Auffallend sind negative Korrelationen zwischen den Leistungs- und Einschätzungskriterien, die bei den Einzelwerten sogar überwiegen. Die Person B beurteilt ihre Partner am uneinheitlichsten — aber auch mit großer Ich-Beteiligung, was man aus der affektiven Reaktion schließen k a n n : Die Sympathieeinschätzung von B für D korreliert z. B. signifikant negativ mit der Qualitätsleistung von D. Man müßte annehmen, daß in der Versuchsreihe IIa die emotionale Komponente die Einschätzung von B bestimmt, während hier die kog-

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Z. Psychol. Bd. 180/181 (1972/1973) II. 1

nitive einflußreicher ist; der Leistungsunterschied ist wesentlich krasser als in VR I I a . Objektivität und Ich-Beteiligung schließen einander also nicht aus. Ich-Beteiligung erhöht die Einheitlichkeit der Beurteilung, wenn die emotionale Komponente für diese Beurteilung ausschlaggebend ist — wie in der VR I I a . Das heißt natürlich nicht, daß die Dominanz der kognitiven Komponente zu uneinheitlichen Beurteilungen führen muß. Das ist nur dann der Fall, wenn die emotionale Komponente bei der Urteilsbildung nicht gleichsinnig mitwirkt und stark genug ist, um „störend" einzugreifen. Z u s a t z r e i h e I I c (A: f o r m e l l e A u t o r i t ä t , D: i n f o r m e l l e A u t o r i t ä t A —• B —• D —>

B (s) (bei PP : D) D (bei L : A) B (s)

In dieser VR besteht eine einseitige Leistungsförderung durch D, die für A ) z. T. von B vermittelt wird. A und B schätzen die Leistung ihrer Partner falsch ein, offenbar auf Grund affektiver Mechanismen. (Der Leistungsunterschied ist fast ebenso groß wie in der VR IIb). Weder die emotionale noch die kognitive Komponente ist hier ausschlaggebend für die Beurteilungen. Die Konsistenz zwischen beiden ist aufgehoben. Man könnte von einer Desorganisation der Urteilsfähigkeit über die Partner sprechen. Dem leistungsschwächeren Partner wird von A die höhere Leistung zugeschrieben. Er wird auch nach dem indirekten Leistungskriterium (Str) und dem direkten Sympathiekriterium (S) bevorzugt. Nach dem indirekten Sympathiekriterium (PP) wird aber der objektiv leistungsstärkere Partner bevorzugt. Das müßte man als Wirkung der kognitiven Komponente auf die emotionale deuten, die sonst in der Einschätzung der Partner durch A vorherrscht. B schreibt dem leistungsstärkeren Partner die geringere Leistung zu, bevorzugt ihn aber nach den anderen Kriterien. Leistungs-und Sympathieeinschätzung divergieren also, wobei der objektiv leistungsstärkere Partner als sympathischer eingeschätzt wird. Dabei spielt wahrscheinlich eine Rolle, daß die Person A iürB überhaupt keinen Ansatzpunkt für eine Bevorzugung bietet. A versagt in dieser VR fast völlig. Die Punktbewertung der Leistung der Person in den VRn I bis III seheint im Vergleich etwas zu hoch zu sein. A ist ja in jedem Fall von den Vorschlägen der Partner abhängig. Deutlich wird das erst, wenn A keine Zusatzinformation hat und die Aufgabe so schwer ist, daß A sich nicht mehr auf die Richtigkeit der Vorschläge verlassen kann, also in den VRn IIb und IIc.

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B will offenbar nur die große leistungsmäßige Überlegenheit von D nicht anerkennen. Im Sinne unserer theoretischen Annahmen muß das als Vermeidung des stark negativen Affekts interpretiert werden. In der VR I I b fühlt sich B zwar auch durch die hohe Leistung von D frustriert, clie Gruppe löst aber die Aufgabe noch erfolgreich. Hier dagegen müßte sich B einen großen Teil der Schuld am Mißerfolg der Gruppe eingestehen. D wird am einheitlichsten beurteilt, gibt aber die uneinheitlichsten Urteile ab. D reagiert affektiv auf B, lehnt aber auch A wegen seines Versagens ab. Die absoluten Einschätzungswerte — zumindest die indirekten (PP und Str) — sind in dieser VR wesentlich niedriger als in den anderen. V e r s u c h s r e i h e I I I (A: f o r m e l l e A u t o r i t ä t ) A —• B B —• A (s) D —> B (bei L : ^4?9) Die Leistungsunterschiede zwischen den Vpn sind in dieser VR nicht deutlich, die Gruppenleistungen sind gering. Die Funktionen der einzelnen Vpn entsprechen nicht gut der Aufgabe. Das ist vermutlich der Grund für die recht negativen gegenseitigen Einschätzungen der Partner. Die direkten Sympathieeinschätzungen sind sogar noch"wesentlich niedriger als in der VR I I c ! B möchte sich vermutlich stärker von D absetzen und zieht A vor, B „fehlt" sozusagen die formelle Autorität. Die Person A kann ihrer Funktion kaum gerecht werden und reagiert affektiv auf den leistungsstärkeren Partner. — Diese Tendenz ist auch in den VRn IIa und IIb vorhanden. Dort kann sich A aber mit D überhaupt nicht mehr messen, so daß die affektive Komponente weniger die Einschätzung beeinflußt. A muß sich gewissermaßen mit der informellen Autorität (B) verbünden, um seine formelle behaupten zu können. Das ist für A mit ambivalenten Gefühlen verbunden. Die Person A schätzt B weder einheitlich noch objektiv ein. Sie scheint B's Leistungen nicht anerkennen zu wollen, findet B aber sonst sympathischer als D. A beurteilt B am uneinheitlichsten, wird aber selbst am einheitlichsten eingeschätzt. Die Korrelationen mit den Leistungskriterien zeigen, daß D die Person A recht objektiv einschätzt. Aus den Kooperationserfahrungen entstehen also bestimmte Bewertungen der Partner, die für die zukünftigen Aufgaben eine angepaßtere Funktionsteilung und damit eine höhere Effektivität der Gruppentätigkeit versprechen. 9

? = etwa gleiche Einschätzung beider Partner

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V e r s u c h s r e i h e IV {A-. i n f o r m e l l e A u t o r i t ä t ) A —> B (s) B —>D (bei Str: A) D — • ? (bei S u. P P : B) Die hohe Quantitätsleistung und Qualitätsleistung von A fördert die Gruppenleistung — allerdings so, daß die Leistungen von B und D negativ miteinander korrelieren, d. h. je mehr A den einen fördert, desto weniger kann er den anderen fördern. A und D (die Personen mit der höchsten und der niedrigsten Leistung) beurteilen einander am einheitlichsten und werden von B am uneinheitlichsten beurteilt. A zieht den leistungsstärkeren Partner vor. B reagiert affektiv auf A, schreibt D die bessere Leistung (L) zu, schätzt D auch sympathischer ein (S und PP), zieht aber nach dem indirekten Leistungskriterium (Str) die Person A vor. Es handelt sich vermutlich (ähnlich wie bei der Person A in VR IIc) um eine vorwiegend affektive Einschätzung, die durch die kognitive Komponente beeinflußt wird. D schätzt die Person A nach den Leistungskriterien (L, Str) höher ein, die Person B aber nach den Sympathiekriterien (S, PP). Bei B und besonders bei D divergieren also Leistungs- und Sympathieeinschätzung. Sie fühlen sich durch die sehr viel höhere Leistung von A frustriert und finden daher einander sympathischer. Den positiven Zusammenhang ihrer Leistungskriterien mit den Qtl ( = Zusammenfassung von Qualitäts- und Quantitätsleistung) von A kann man nicht als fördernd deuten. Diese „Förderung" ist nämlich mit gegenseitiger Leistungshemmung verbunden und führt real nicht zu höheren Leistungen (vgl. VR V!). B und D tragen wesentlich weniger zur Aufgabenlösung bei, ohne daß sie das erwarten konnten und erleben daher offenbar einen Mißerfolg. Außerdem wird Hilfe wahrscheinlich eher von einer Person erwartet und angenommen, deren Fähigkeiten man schon kennt oder die durch ihre Funktion dazu legitimiert erscheint (wie A in VR I!). V e r s u c h s r e i h e V (Kontrollreihe) A —• B (bei S: D?) B —>• A (s) D —• A In dieser Versuchsreihe gibt es keine signifikant positiven Korrelationen der Leistungskriterien zwischen den Versuchspersonen. Es gibt auch keine krassen Leistungsunterschiede zwischen Vpn, und affektive Momente spielen keine Rolle. Der Erfolg bei der Aufgabenlösung wird im wesentlichen als gemein-

E . W O L F , E i n s t e l l u n g e n zu

Kooperationspartnern

31.

samer erlebt. Die Einschätzungen aller Partner sind sehr einheitlich und objekliv. Die Quantitätsleistung scheint höher bewertet zu werden als die Qualitätsteistung. Das dürfte mit dem geringen Schwierigkeitsgrad der Aufgabe zusammenhängen.

3.5. Zusammenfassung der Ergebnisse (1) Die gegenseitigen E i n s c h ä t z u n g e n der Partner stehen in enger B e ziehung zu ihrer s a c h l i c h e n I n t e r d e p e n d e n z . Das beweist schon ein grober Vergleich der Korrelationen der Gruppenwerte: Die direkte Leistungseinschätzung (L) korreliert in den V R n I und V höher mit der Quantitäts- als mit der Kooperationsleistung, in der V R I V so gut wie gar nicht mit einem Leistungskriterium, in I I a etwa gleich hoch mit, allen, und in den übrigen V R n ( I I b , I I c und I I I ) höher mit der Kooperationsleistung als mit der Quantitäts- und Qualitätsleistung (Nur einmal tritt ein signifikanter Wert auf, und zwar in der V R V : Qt/L!). In den V R n I und V korreliert die Kooperationsleistung weder mit der Quantitäts- noch mit der Qualitätsleistung — im Gegensatz zu allen anderen V R n . In der V R I V hebt sich die Wirkung der Leistungs- und Kooperationskriterien bei den Gruppenwerten auf. ( A zeigt hohe Qt und Ql, aber geringe K, bei B ist es umgekehrt.) (2) E s muß allerdings beachtet werden, daß die Kooperationsleistung z. T. Ausdruck der Einstellung zum Partner sein kann. Diese ist aber in jedem Fall wesentlich von der Quantitäts- und Qualitätsleistung abhängig, wenn auch nicht unmittelbar. Dabei kann die direkte Sympathieinschätzung (S) stärker mit den Leistungskriterien korrelieren als die direkte Leistungseinschätzung. So korreliert S in den V R n I I c , I I I und I V stärker als L mit Qt undQl, in den V R n I, I I a und V etwa ebenso stark und in I I b geringer als L. Die Korrelationen S/K sind in I I c und besonders in I I a höher als die L/K (Leistungsförderung durch K ) , in I und I V sind sie gleich (annähernd 0, K hat kaum Einfluß auf die Leistung bzw. cler Einfluß hebt sich auf), in I I b uiid I I I sind sie geringer und in V etwas stärker negativ (Leistungshemmung durch K ) . (3) Die sachliche Interdependenz ermöglicht prinzipiell Vorhersagen der Bewertungsmuster. Wir können aus den Ergebnissen schließen, daß unter diesen Bedingungen sowohl eine relativ hohe Leistung als auch eine echte Förderung der Leistung des Partners als positiver Beitrag zur Lösung der Gruppenaufgabe gewertet und mit positiver Einschätzung beantwortet wird, wenn kein individuelles Ziel (Erfolgserlebnis) vereitelt wird.

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Bei großen und unerwarteten Leistungsunterschieden — besonders zwischen Personen mit gleicher Funktion — erleben die leistungsschwächeren Partner leicht einen Mißerfolg. Dieser führt oft zu affektiven Einschätzungen, die je nach den speziellen Bedingungen verschieden sein können. 1. F a l s c h e E i n s c h ä t z u n g Der Partner mit der geringeren Leistung wird als leistungsmäßig besser eingeschätzt und auch sonst bevorzugt — bei nicht zu krassen Leistungsunterschieden (IIa B). 2. R i c h t i g e , a b e r i n k o n s i s t e n t e E i n s c h ä t z u n g : Der leistungsstärkere Partner wird zwar bevorzugt, aber seine Leistung korreliert negativ mit der Einschätzung — bei krassen Leistungsunterschieden und fehlender bzw. mangelnder Förderung durch den Partner, wenn man sich für den Mißerfolg verantwortlich fühlt (IIb B, III A). (Das gilt auch für die Einschätzung von D für B in der VR IIc, obwohl D der leistungsstärkere Partner ist. D fühlt sich aber vermutlich besonders verantwortlich für den Mißerfolg der Gruppe.) 3. F a l s c h e , a b e r i n k o n s i s t e n t e E i n s c h ä t z u n g : Dem leistungsschwächeren Partner wird die höhere Leistung zugeschrieben, er wird aber nicht nach allen Kriterien bevorzugt — bei krassen Leistungsunterschieden trotz gewisser Förderung durch den Partner (IIc A und B, IV B). 4. E c h t e D i v e r g e n z — E i n s c h ä t z u n g : Die Leistungseinschätzung erfolgt richtig, der leistungsschwächere Partner wird aber für sympathischer gehalten — bei krassen Leistungsunterschieden und fehlender Förderung durch den Partner, wenn man sich kaum für seine geringere Leistung verantwortlich fühlt — weil es z. B. noch einen ebenso schlechten Partner in derselben Funktion gibt (IV D, evtl. kann man IV B auch hier einordnen). Die Streuung der Einschätzungen (St) korreliert nur in den VRn mit inkonsistenten Einschätzungen (IIb, IIc und III) in stärkerem Maße (aber nicht signifikant) mit anderen Merkmalen.

E. WOLF, Einstellungen zu Kooperationspartnern

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4. Diskussion der Ergebnisse 4.1. Zur Einordnung der Ergebnisse Obwohl die Ergebnisse jeder VR nicht einzeln vorhergesagt werden konnten und auch nicht alle unserer Hypothese entsprechen, konnten doch alle im Sinne unserer theoretischen Annahmen interpretiert werden. (1) Die VR III zeigte deutlich, daß in der Kooperation Erfahrungen gesammelt werden, die über die Bewertungsmuster zu einer angemesseren Rollenverteilung führen können. Nicht nur das Individuum, auch die Gruppe paßt sich auf Grund früherer Erfahrungen den sachlichen Anforderungen immer besser an — z. B. durch Änderung ihrer Struktur oder ihrer Normen (die wieder eine Grundlage der gegenseitigen Einschätzungen sind). Es wäre interessant zu untersuchen, unter welchen Bedingungen solche Erfahrungen von den Gruppen am besten ausgenutzt werden. Dazu wäre eine „funktionale Erfassung der Wirkzusammenhänge" [15] nötig. Man kann vermuten, daß es entsprechend dem optimalen Aktivierungsniveau des Individuums ein optimales emotionales Niveau in Gruppen gibt und daß dieses ebenfalls ein mittleres ist. (2) In realen Gruppen müßte die Einstellung der Partner zueinander ebenfalls von ihrem positiven Beitrag zur Lösung der Gruppenaufgaben bestimmt werden, sofern durch diesen Beitrag kein individuelles Ziel des Beurteilenden beeinträchtigt wird. Dabei ist der „positive" Beitrag immer durch die Meinung des Beurteilenden definiert, ebenso wie die „Gruppe" und die „Aufgabe". Diese Meinung ist natürlich nicht völlig „willkürlich", sondern von verschiedenen Bedingungen abhängig. Eine sehr wesentliche ist die Identifikation mit der Gruppennorm. Die in der Literatur angeführten Faktoren sind in realen Gruppen gemeinsam (mit unterschiedlichem Anteil) für die Bewertungsmuster verantwortlich. Sie wirken vermutlich um so stärker, je mehr sie die aktive Teilnahme am Gruppenleben und die Identifikation mit der Gruppennorm fördern. Aus der Literatur kennen wir drei Dimensionen der Mitglieder-Zufriedenheit in kleinen Gruppen, die gleichbedeutend sein dürfte mit. positiven Bewertungsmustern. Ihre Wirksamkeit scheint durch die Ergebnisse dieser Arbeit bestätigt zu werden: 1. Wahrnehmung des Fortschritts in Richtung der Gruppenziele (vgl. VR IIc mit allen anderen). 2. Einmütigkeit bezüglich der Rollenerwartung 10 (vgl. VR III mit I) 1° Von den Erwartungen abweichendes Rollenverhalten wird von der Gruppe härter „ b e straft" als abweichende Meinungen. 3

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3. wahrgenommene Freiheit teilzunehmen (vgl. VR IV mit V). Eine Quelle dieser Freiheit ist das aktive Mitwirken an der Gruppenaufgabe. Nur dann kann man den Erfolg als eigenen erleben. ([10] S. 150fT.) Gruppenziele, Rollenerwartungen und Teilnahme der Mitglieder (Art und Ausmaß) sind sicher die wichtigsten Übereinkünfte, die die Mitglieder einer Gruppe als „Norm" festlegen müssen. Dabei wird die Identifikation mit dieser Norm wesentlich davon abhängen, wie aktiv man an ihrer Schaffung mitwirken konnte. Unsere Vpn hatten diese Möglichkeit nicht. Die Gruppennorm bzw. das Ausmaß der Identifikation mit ihr bestimmt weitgehend, welches Verhalten und welche Einstellung eine Person als nützlich und positiv bewertet. Unsere Vpn erwarteten offenbar höchstens von der Person mit formeller Autorität eine besonders gute Leistung. In realen Gruppen dürften Mißerfolgserlebnisse durch die unerwartete Überlegenheit eines Partners wesentlich seltener sein bzw. nur zu Beginn der Gruppenentwicklung oder bei völlig neuen Anforderungen auftreten. In realen Gruppen wirken also noch andere Faktoren mit als in unseren Versuchen erfaßt wurden. Neben der Gruppennorm ist das z. B. die Einstellung des Partners zum Beurteiler (Wechselwirkung zwischen Selbst- und Fremdbild) und seine Fähigkeit zu kooperativer Leistung unter verschiedenen Bedingungen. 1 1 (3) Wichtig für eine effektive Entwicklung der Bewertungsmuster scheint zu sein, daß jedes Mitglied dieselbe Chance hat, durch Einsatz für die Gruppe Anerkennung zu erwerben. Daß soziale Anerkennung ein allgemeingültiges individuelles Ziel ist, ergibt sich m. E. aus der Notwendigkeit der Kooperation für den Menschen. Er erlebt gewöhnlich in dem Maße einen Erfolg seiner kooperativen Tätigkeit, in dem er merkt, daß seine Meinungen und Handlungen vom Partner dem Ziel entsprechend beachtet werden. Das Selbstbild ist eine Funktion der wahrgenommenen Reaktion der Umwelt auf das eigene Verhalten. (Die Wahrnehmung dieser Umweltreaktion kann natürlich verzerrt werden.) Ein ausgeprägtes Selbstwerterleben erhöht sicher das Lebensgefühl (und damit wieder die A k t i v i t ä t ) des Menschen. Es muß beachtet werden, daß Anerkennung gewöhnlich nicht von allen Personen, sondern von bestimmten Bezugspersonen besonders hoch geschätzt wird. Jedes Mitglied muß also sehen, daß sein Einsatz gerecht beurteilt wird. Welche Art der Anerkennung am wirksamsten ist, wird natürlich wieder von den relevanten Einstellungen des Individuums abhängen. (Sie können bei aus11 ALTDORFF (1966) fand, daß ein Mangel an kooperativer Fähigkeit für Außenseiter, a l s o für abgelehnte Gruppenmitglieder charakteristisch ist.

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reichender Identifikation mit der Gruppennorm aus dieser erschlossenen werden — näherungsweise.) Wenn Mitglieder mit geringeren Leistungen — die ja sehr verschiedene Gründe haben können — prinzipiell weniger anerkannt werden, werden sie sich weniger für die Gruppe einsetzen und noch weniger leisten. In unseren experimentellen Gruppen traten affektive Einschätzungen dann auf, wenn das individuelle Ziel (Erfolgserlebnis) in der und durch die Kooperation nicht bzw. nur mangelhaft verwirklicht werden konnte. E s scheint also ungünstig zu sein, Leistungsunterschiede sehr zu betonen. Besonders Überheblichkeit in jeder Form müßte energisch bekämpft werden. Gewürdigt werden sollte vor allem der Einsatz und die Intention zur Mitarbeit. Das heißt Bekräftigung der Einstellung statt des „äußeren" Verhaltens. Nur dann ist m. E . eine echte sozialistische Gemeinschaftsarbeit zu erreichen. Die durch solche Anerkennung wachsende Identifikation mit der Gruppennorm bewirkt dann eine bessere Ubereinstimmung der Gruppenziele mit den individuellen Zielen bzw. ihren Vorrang vor abweichenden individuellen Zielen. Erfolgreiche Kooperation ist nur möglich, „wenn alle an der Kooperation beteiligten Menschen dem gleichen Ziel zustreben und wenn sie das im Bewußtsein der Freiwilligkeit tun . . . Die Leistungsfähigkeit einer Gruppe hängt vom Ausmaß der freiwilligen Zielgerichtetheit der Einzelaktion a b . " [10]. 4.2. Zur Gültigkeit des Divergenztheorems Tüchtigkeit wird insofern Sympathie oder Beliebtheit bewirken, wie sie dem Beurteilenden in irgendeiner Weise nützlich ist. Die Unterschiede in den Ergebnissen der Untersuchungen bürgerlicher und marxistischer Sozialpsychologen zu dieser Frage haben m. E . zweierlei Gründe. 4.2.1. M e t h o d i s c h e

Gründe

In den Untersuchungen der bürgerlichen Autoren ( B A L E S 1950; S L A T E R 1955) wurden Tüchtigkeit und Beliebtheit durch Befragungen und Beobachtungen festgestellt. Tüchtigkeit „an sich" ist irrelevant für einen Beurteiler. Sie wird immer auf eigene bzw. gemeinsame Ziele bezogen werden. In den Untersuchungen von VORWERG [15] und E S S E R [9] wurde nach einem Partner für eine gemeinsame Tätigkeit gefragt. Dabei kann m. E . normalerweise 1 2 gar keine Divergenz zwischen Tüchtigkeit und Beliebtheit erscheinen, weil die Partner nicht nur nach der 12

Selbst wenn es sich um eine unangenehme Tätigkeit handelte, kann die Sympathie b e i

der Partnerwahl eine Rolle spielen. Divergenz könnte auftreten, wenn man zu einer

3*

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Z. Psychol. B d . 180/181 (1972/1973) H. 1

ihnen zugeschriebenen Tüchtigkeit bezüglich der gefragten Tätigkeit ausgewählt werden, sondern auch nach Sympathie. Die von V O R W E R G [ 1 5 ] ermittelten psychologischen Determinanten der Binnengliederung — Fähigkeit zu kooperativer Leistung und positive politische Haltung — bestätigen das. Die Fähigkeit zu kooperativer Leistung ist ja auch von der Person abhängig, nicht jeder kann mit jedem gleich gut zusammenarbeiten. W l E D E M U T H [ 1 7 ] stellte Fragen, die eine Trennung von Tüchtigkeit und Sympathie ermöglichten. Sie fragten z. B. welche Kollegen man für eine Auszeichnung wegen beruflicher Tüchtigkeit vorschlagen würde (Tüchtigkeit) und welche Kollegen man gern einmal zu sich nach Hause einladen würde (Beliebtheit). 4.2.2. S a c h l i c h e

Gründe

Tüchtige Leute können potentiell den anderen nützlicher sein als untüchtige. Ob sie es wirklich sind, hängt von ihrer Einstellung zu den Partnern ab, von der Vereinbarkeit der individuellen Ziele. Unter unseren gesellschaftlichen Verhältnissen sind die wesentlichen objektiven Voraussetzungen für eine tatsächliche gegenseitige Förderung gegeben, nicht aber unter kapitalistischen Verhältnissen, wo der Tüchtige sich im Konkurrenzkampf gegen die anderen durchsetzen muß — abgesehen von den extrem ungleichen Möglichkeiten der Angehörigen verschiedener Klassen, „tüchtig "zu werden. V O R W E R G [ 1 5 ] und E S S E R [9] untersuchten Gruppen von Lernenden, die folglich intensiv pädagogisch gelenkt wurden. W l E D E M U T H [ 1 7 ] fand in einem Industriebetrieb sowohl Gruppen mit Konvergenz von Tüchtigkeit und Beliebtheit als auch Gruppen mit Divergenz. Offenbar wird Divergenz begünstigt durch ein hohes Maß an tatsächlicher oder auch nur angenommener tüchtigkeitsabhängiger sozialer Mobilität. So fällt auf, daß das Verhältnis von Konvergenz- zu Divergenz-Gruppen gerade bei Wissenschaftlern noch ungünstiger ist (2:3) als in der Produktion (3:4) oder in der Verwaltung (3:1). Die subjektiven Voraussetzungen für gegenseitige Hilfe und Förderung entstehen im Prozeß der Persönlichkeitsentwicklung (in Gruppen mit gesellschaftlich relevanter Tätigkeit) und sind weitgehend abhängig vom Entwicklungsstand dieser Gruppen — bezogen auf den Kollektivzustand. Ein sehr wichtiger Faktor ist dabei die Führungsfunktion der Gruppe. Dielnhaber dieser Funktion müssen aufgabenorientiert sein, d. h. unbedingt Forderungen stellen. Wenn jedes Mitglied alle Forderungen für sich selbst als nützlich erleben würde, gäbe es nur positive Bekräftigungen durch die Forderungen — sofern es u n a n g e n e h m e n T ä t i g k e i t gezwungen wird und die Möglichkeit h a t , denjenigen als P a r t n e r d a f ü r zu wählen, der diese F o r d e r u n g gestellt hat.

E. WOLF, Einstellungen zu Kooperationspartnern

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keine Überforderungen sind, und der für tüchtig gehaltene Leiter müßte unbedingt sympathisch wirken. Natürlich ist das nicht immer möglich. Der Leiter hat gewöhnlich mehr Ubersicht und Einsicht in die Notwendigkeit bestimmter Forderungen, kann aber (aus zeitlichen und sachlichen Gründen) nicht immer erst jeden Mitarbeiter von seinen Anordnungen überzeugen. So scheint fast zwangsläufig eine ambivalente Einstellung zum Leiter die Folge zu sein. Die Tatsache, daß er als Leiter akzeptiert werden und einflußreich bleiben kann, läßt sich mit einer Vermutung von HOLLÄNDER (in BACKMANN/SECORD 1966) erklären. Er nimmt an, daß eine Person Führer wird, also Status erhält, auf Grund ihrer Konformität mit den Gruppennormen und ihrer Kompetenz bei der Erfüllung von Gruppenaufgaben. Von diesem Status-Gewinn (HOLLANDER spricht von „idiosyncrasy credit") kann die Person später gewissermaßen „zehren", wenn sie von der Gruppennorm abweicht, um Führungsaufgaben zu erfüllen. Dieser „Kredit" ist aber sicher begrenzt und dürfte nur bei sachlicher' Notwendigkeit in Anspruch genommen werden. (Vgl. auch HIEBSCH/VORWERG [10], S . 175ff.). HIEBSCH und VORWERG ([10], S. 171ff.) nehmen an, daß der Mechanismus der Identifikation wirksam werden muß als Voraussetzung für die Anerkennung eines Leiters durch die Gruppe. Wir halten das nicht unbedingt für erforderlich. Die Autoren weisen nach, daß die Wirkung des Leiters davon abhängt, wie weit er den Erwartungen der Mitglieder entspricht und daß diese Erwartungen sowohl auf dem historisch bedingten Bild vom Leiter als auch auf den Erfahrungen der Individuen mit realen Leitern beruhen. Zum Bild des „begnadeten" Führers vergangener Epochen gehört möglicherweise diese Identifikation. Heute jedoch scheint es gewöhnlich nicht mehr so zu sein — und es ist auch nicht nötig und bei uns nicht wünschenswert — daß jemand in einer neu zusammengestellten Gruppe sofort und nur auf Grund mehr oder weniger irrationaler Bedingungen als Leiter anerkannt wird. Zunächst wird ein Mitglied — vielleicht auch mehrere — spontan Leitungsverhalten zeigen, z. B. Vorschläge machen, was zu tun ist. Die Mitglieder werden den unterstützen, der ihre Interessen besser vertritt bzw. geschickter diesen Eindruck erwecken kann. Wenn sie seinen Anweisungen folgen, heißt das nicht unbedingt, daß sie sich mit ihm identifizieren. Wahrscheinlich haben die meisten sogar anfangs Vorbehalte und machen nur mit, weil ihnen selbst zunächst keine bessere Lösung eingefallen ist. Es wird aber letztlich vom Erfolg der Gruppenaktion, also vom Erfolg des Leiters abhängen, ob und in welchem Maße anfängliche Vorbehalte ihm gegenüber abgebaut werden. Mit dem Erfolg und Statusgewinn erwirbt der Leiter Autorität, die ihm die folgende Einflußnahme erleichtert.

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Zusammenfassung 1. Es wurde untersucht, wie unterschiedliches Leistungsverhalten die Einstellungen von Kooperationspartnern zueinander bestimmt. Unter reduzierten Versuchsbedingungen lösten drei Versuchspersonen gemeinsam eine Aufgabe. Systematisch variiert wurde ihie formelle und infoimelle Autorität — i. S. von Kompetenz. Als Hypothese wurde formuliert: Eine Person wird um so angenehmer von ihren Kooperationspartnern erlebt und auch um so positiver eingeschätzt, je mehr sie — nach der Meinung des beurteilenden Paitners — zur Lösung einer gemeinsamen Aufgabe beiträgt. 2. Aus den Ergebnissen aller Versuchsreihen wird geschlossen, daß sowohl eine relativ hohe Leistung als auch eine echte Föiderung der Leistung des Partners als positiver Beitrag zur Lösung der Gruppenaufgabe gewertet und mit positiver Einschätzung beantwortet wird, sofern kein bedeutsames individuelles Ziel vereitelt wird. 3. Bei großen und unerwarteten Leistungsunterschieden — besonders zwischen Partnern mit gleicher Funktion — erlebt der leistungsschwachere Partner leicht einen Mißerfolg, der zu affektiven Einschätzungen der Partner und auch zu Divergenz zwischen Leistungs- und Sympathieeinschätzung führen kann. Die Verwirklichung des individuellen Zieles (Erfolgserlebnis) durch die Kooperation erscheint in diesen Fällen stark eingeschränkt. Das Gruppenziel hat nicht den Vorrang. 4. In realen Gruppen werden solche Mißerfolge auf Grund der unerwarteten Überlegenheit eines Partners gewöhnlich nur zu Beginn der Gruppenentwicklung oder bei völlig neuen Anforderungen auftreten. Die Gruppennormen bzw. das Ausmaß der Identifikation mit ihnen bestimmten weitgehend, welches Verhalten und welche Einstellungen eine Person als nützlich und angenehm bewertet. 5. Tüchtigkeit führt in dem Maße zuBeliebthcit, in dem sie dem Beurteilenden angenehm bzw. nützlich ist. Divergenz von Tüchtigkeit und Beliebtheit wird durch ein hohes Maß an wahrgenommener tüchtigkeitsabhängiger Mobilität begünstigt. 6. Für eine effektive Entwicklung der Bewertungsmustev ist es wichtig, a) daß die Inhaber der Führungsfunktion nur bei sachlicher Notwendigkeit auf ihre Autorität zurückgreifen, b) daß jedes Mitglied dieselbe Chance hat, durch Einsatz für die Gruppe soziale Anerkennung zu erwerben. Es ist daher ungünstig, Leistungsunterschiede (die verschiedene Gründe haben können) sehr zu betonen. Gewürdigt werden sollten vor allem der Einsatz und die Intention zur Mitarbeit, um die Identifikation mit der Gruppennorm und damit ein „diszipliniertes Kooperationsverhalten"

(Hiebsch/VoRWERG [10], S. 150) zu fördern.

7. Wenn man die wichtigsten relevanten Einstellungen der Kooperationspartner erfassen kann, ist es möglich, aus den sachlichen Kooperationsbeziehungen, die emotionalen Beziehungen als Wahrsclieinlichkeitsaussagen abzuleiten.

Summary It was investigated how diffeicnt functional behaviour determines the attitudes of co-operational partners towards eacli olher. Three test persons jointly solved a problem under redueed test conditioas. Their formal and informal authority was systematically varied — in the sense of competence.

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Tlie results obtained from the test series pointed out that not only a relatively high performance but also true advancement of performance of the valueing person as positive contribution to a solution of a collective problem can be valued and answered with positive valuation. In case of failure, affective erroneous estimations between the partners and divergence between perfoimance and sympathy estimation can also occur. It ist theiefore unfavourable to emphasise the differences in performance (which can have different reasons). Especially the a c t i v i t y and the i n t e n t i t i o n to cooperation should be appreciated in order to advance the identification with the team's norm and thereb y a „disciplined cooperational behaviour" (HIEBSCH/VORWERG 1968, P. 150).

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