Zeitbuch: Autobiographische Aufzeichnungen eines Hermannstädter Archivars (1875-1925) 9783412211714, 9783412210250

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Zeitbuch: Autobiographische Aufzeichnungen eines Hermannstädter Archivars (1875-1925)
 9783412211714, 9783412210250

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Franz Zimme rmann Z e itb u c h

S c h r i f t e n z u r Lan d e s k u n d e s i e b e n b ü rg e n s ergänzungsreihe zum siebenbürgischen archiv im Auftrag des arbeitskreises für siebenbürgische landeskunde Herausgegeben von Harald roth und ulrich A. wien

band 34

Franz Zimmermann

Zeitbuch Autobiographische Aufzeichnungen eines Hermannstädter Archivars (1875–1925)

Ediert von Harald Zimmermann

2013

BÖHLAU VERLAG KÖLN WEIMAR WIEN

Gefördert vom Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Umschlagabbildung: Blick auf das Alte Rathaus von Hermannstadt mit den Archivräumen im ersten Obergeschoss (Fotografie um 1900 im Archiv des Siebenbürgen-Instituts, Gundelsheim/N.) © 2013 by Böhlau Verlag GmbH & Cie, Köln Weimar Wien Ursulaplatz 1, D-50668 Köln, www.boehlau-verlag.com Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig. Gesamtherstellung: WBD Wissenschaftlicher Bücherdienst, Köln Gedruckt auf chlor- und säurefreiem Papier ISBN 978-3-412-21025-0

INHALTSVERZEICHNIS Einleitung ...................................................................................................... Publikationen von Franz Zimmermann ........................................................ Literaturverzeichnis ...................................................................................... Abkürzungsverzeichnis .................................................................................

7 21 24 26

FRANZ ZIMMERMANNS ZEITBUCH Tagebuchblätter und Gleichzeitiges

Mein Lebenslauf 1850 bis 1873 .................................................................... Im Institut für österreichische Geschichtsforschung 1873 bis 1875 ............. Anstellung als Archivar in Hermannstadt 1875 ............................................ Antrittsbesuche in Hermannstadt 1875-1876 ................................................ Leseabend bei Teutsch 1875-1876 ................................................................ Besuche bei Berta 1876 ................................................................................ Als Kostkind in der Dietrichsburg 1875/6 .................................................... Meine Verheiratung mit Julie Theuerkauf .................................................... Fortsetzung des Urkundenbuches zur Geschichte Siebenbürgens ................

29 70 74 77 81 85 113 117 123

ABBILDUNGEN .......................................

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Arbeiten als Archivar an dem Archiv der Stadt Hermannstadt und der sächsischen Nation ................................................................................. Bauanlage Hallerwiese .................................................................................. Kampf mit einer Gaunerbande ...................................................................... Abschied von Hermannstadt ......................................................................... Versetzung in Ruhestand ............................................................................... Mein Lohn auf Erden ....................................................................................

145 159 174 184 191 194

ANHANG (Zusätzliche Texte)

Inhalt des Zeitbuches .................................................................................... Aus Zimmermanns Wiener Institutsarbeit von 1875 .................................... Bestimmungen über den Stadtteil Hallerwiese von 1890 ............................. Die Reverse des Barons Siskovicz von 1765 ................................................ Die Schlußentscheidung vom 10. Januar 1908 im Disziplinarprozeß .......... Aus Zimmermanns Apologie von 1908 ........................................................ Zur siebenbürgisch-deutschen Geschichtschreibung .................................... Mehr Fachmänner für unser Schrifttum ........................................................ Zur Gründung des Vereins der Siebenbürger Sachsen in Wien .....................

199 201 202 203 205 210 214 219 245

Register .........................................................................................................

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Einleitung

Franz Josef Zimmermann war von 1875 bis 1908 in Siebenbürgen Archivar der Sächsischen Nation und zugleich von Hermannstadt1 als ihrem Hauptort. Der 1850 eben hier in Hermannstadt Geborene hatte damit in relativ jungen Jahren und sofort nach Beendigung seines Geschichtsstudiums in der Wiener Universität einen Traumberuf als Historiker bekommen. Er stand im Dienste der höchsten politischen Autorität unter den Siebenbürger Sachsen und war sozusagen deren Gedächtnis, indem er ihr Archiv verwaltete, also jenes Amt, jene damals schon seit rund 400 Jahren bezeugte Institution2, wo alle relevanten Dokumente und Akten, Urkunden und Protokolle, amtliche Korrespondenzen und Schriften sorgsam aufbewahrt wurden, um bei Bedarf zur Verfügung zu stehen als Beweis dafür, was gültig und rechtens war, seit es mitten im Mittelalter von den Ungarnkönigen berufene und privilegierte deutsche Siedler in Siebenbürgen gab. Zimmermann war auch der erste für diesen Beruf speziell geschulte Stelleninhaber, da er nebst seinem Geschichtsstudium auch die Archivschule der Habsburger-Monarchie, das erst 1854 begründete „Institut für österreichische Geschichtsforschung“ in Wien, die Hohe Schule der sogenannten Historischen Hilfs- und Grundwissenschaften, wie vor allem Paläographie und Diplomatik, Schriftenkunde und Urkundenlehre, unter berühmten Professoren in den Jahren 1873 bis 1875 absolviert hatte3. Solche Kenntnisse weiterzugeben, war ihm in Hermannstadt dann ebenfalls aufgetragen4, weil man in dem an seiner Geschichte schon immer stark interessierten Sachsenvolk in damals politisch prekärer Lage durch ihn, den Archivar, eine Intensivierung historischer Kenntnisse und Forschungen erhoffte. 1 Vgl. über ihn T r a u s c h , S c h u l l e r , H i e n z , Schriftsteller-Lexikon, Bd. IV, S. 525528; R. S u t t e r, Siebenbürger Sachsen in Österreichs Vergangenheit und Gegenwart (1976), S. 164f.; H. Z i m m e r m a n n , Aus den Lebenserinnerungen des Hermannstädter Archivars Franz Zimmermann (1850-1935) (in: Revista Arhivelor, ser. III, vol. II, 1996, S. 67-87); K. G ü n d i s c h , Franz Zimmermann, der Anti-Teutsch (in: Siebenbürgische Zeitung, 15. Februar 2010, S. 7); auch F. S o n t a g , in: Figuri de arhivişti (Bukarest 1971), S. 241-250; jüngst H. Z i m m e r m a n n , Zimmermann über Zimmermann (in: Donauwellen. FS K. Schwarz, Wien 2012, S. 507-523). 2 Vgl. M. V l a i c u , 120 Jahre öffentliches Archiv in Siebenbürgen. Jubiläumsband (Hermannstadt 1996): Das Staatsarchiv Hermannstadt, S. 50ff., und G. G ü n d i s c h , Zur Geschichte des Archivs der Stadt Hermannstadt und der Sächsischen Nation, S. 85ff. Zur Sächsischen Nationsuniversität siehe unten Anm. 6. 3 Siehe L. S a n t i f a l l e r , Das Institut für österreichische Geschichtsforschung (Wien 1950), und A. L h o t s k y, Geschichte des Instituts für österreichische Geschichtsforschung (= MIÖG Erg.-Bd. XVII) (1954), bes. S. 168. 4 Siehe unten S. 76.

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Harald Zimmermann

Man verdankt Zimmermann die noch heute gültige Ordnung des Hermannstädter Archivs, dargelegt in einem „Führer durch dasselbe“, der 1881 und 1901 in zwei Auflagen gedruckt erschien, und dann nebst vielen historischen Studien und Abhandlungen5 vor allem eine dreibändige Edition der die Siebenbürger Sachsen oder besser gesagt „der Deutschen in Siebenbürgen“ betreffenden Urkunden in der Zeit von 1191 bis 1415 (in Hermannstadt 1892, 1897 und 1902 publiziert), deren Fortsetzung bis ans Ende des Mittelalters, bis zur Türkenschlacht von Mohács 1526 durch seine eifrige Sammeltätigkeit in allen möglichen Archiven und Bibliotheken vorbereitet wurde und mit weiteren vier Bänden (1937, 1975, 1981 und 1991) hauptsächlich durch den Fleiß von Zimmermanns zweitem Nachfolger im Archiv, Gustav Gündisch (†1996), und dessen Frau Hertha geb. Bittner (†1981) – beide ebenfalls Absolventen des Wiener Instituts für Geschichtsforschung – bis zum Jahre 1486 gediehen ist, also bis zur Gründung der Sächsischen Nationsuniversität, der politischen Vereinigung aller deutschen Siedlungsgebiete in Siebenbürgen6. Das alles weiß man! Weniger bekannt ist, dass sich Zimmermann auch kommunalpolitisch betätigt und verdient gemacht hat durch die Erschließung und Besiedlung der sogenannten Haller-Wiesen7 am südlichen Stadtrand von Hermannstadt als modernes Villenviertel, ein „Cottage“ wie in der Kaiserstadt Wien. Es sollte die kleine Hauptstadt der Siebenbürger Sachsen größer machen entgegen aller ihr anhaftenden Klein- und Kümmerlichkeit, die dem aus Wien Kommenden, in Wien und Jena Aufgewachsenen nicht verborgen geblieben war. Gleichwohl ist des Historikers und Archivars diesbezügliches Engagement zumindest verwunderlich. Man sollte annehmen, daß er, den man als Experten auf anderem Gebiete mit einigen Erwartungen berufen hatte, mehr als genug zu tun hatte in seinem Beruf und Amte. Zu bessern gab es hier und dort, angefangen von der unmöglichen Unterbringung des Archivs im Rathaus in ungeeigneten Räumen mit viel zu wenig Platz. Am liebsten hätte Zimmermann das Stadtarchiv abgestoßen und verselbständigt, weil er sich in erster Linie als Nationsarchivar fühlte, nicht bloß als Magistratsbeamter, der er tatsächlich war, während die Nationsuniversität ihm für seine ihr gewidmete Tätigkeit nur einen Gehaltszuschuss gab. Aber die Nation war eben mehr in seinen Augen und hatte für den jungen Historiker einen besonderen Klang8. 5

Siehe unten im Publikationsverzeichnis. Siehe dazu W. K e s s l e r (Hg.), Gruppenautonomie in Siebenbürgen. 500 Jahre siebenbürgisch-sächsische Nationsuniversität (= Siebenbürgisches Archiv Bd. 24) (1990). 7 Siehe dazu unten S. 159ff. und K. K l e i n , Franz Zimmermann – Vater der Hallerwiese (in: Siebenbürgische Zeitung, 15. Februar 2010, S. 7). 8 Siehe dazu unten bei Anm. 380. Die Vereinigung von Stadt- und Nationsarchiv war allerdings 1875 die Voraussetzung für die Anstellung Zimmermanns gewesen. Wegen seiner 6

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Im Siebenbürgen-Institut in Gundelsheim am Neckar wird im Archiv (unter der Signatur A 136 Bd. 2) aus dem Nachlass des 1935 verstorbenen Franz Zimmermann eine Autobiographie verwahrt, genannt „Zeitbuch“, aus der nun die interessantesten und wichtigsten Partien publiziert werden sollen. In drei hart gebundenen Schulheften hat der Autor zu verschiedenen Zeiten seine Erinnerungen an diverse Phasen seines langen Lebens in gesonderten Kapiteln niedergeschrieben, oft sich auch selbst wiederholend, mit nachträglichen Verweisen nach hierhin und von dorther, eigentlich ein ziemliches Durcheinander. Nicht alles eignet sich zur Publikation, teils wegen seines allzu privaten Charakters, teils weil Zimmermann rückhaltlos und ungeschminkt oft mehr als kritisch und polemisch seiner Meinung über seine Zeitgenossen und deren Verhalten Ausdruck gegeben hat. Auch Aufzählungen und Listen waren wohl nur ihm selbst erinnerungswert und nützlich; auf manchen Seiten wirkt die Autobiographie fast wie das Kontobuch eines Kaufmanns. Sicher hat Zimmermann selbst nie an eine Veröffentlichung seiner Memoiren gedacht, eher an eine Rechtfertigung vor sich selbst und seiner Familie. – Das „Zeitbuch“ kam aus dem Besitz von Zimmermanns jüngstem Sohne Otto (†1970), der als ehemals österreichischer, städtischer Beamter in St. Pölten seine Pension in Salzburg verlebte, zur eventuellen Auswertung an den ebenfalls nach Salzburg verschlagenen Mediascher Historiker Otto Folberth (†1991)9, der es dann nach Gundelsheim weitergab, ohne viel Gebrauch gemacht zu haben von den dortigen Aufzeichnungen. – Sie geben aber wertvolle Einblicke in die Denkungsart des Autors und die gesellschaftliche Situation vor allem in Hermannstadt. Otto Zimmermanns Interesse hatte lediglich der Genealogie gegolten, aber zu keinen Publikationen geführt. Die Familie Zimmermann stammt10 aus Henndorf im Harbachtal südlich von Schäßburg und nicht weit von der Quelle jenes Flüsschens, das dann akademischen Ausbildung sollte der Posten gehaltlich aufgebessert werden, indem sich zwei Institutionen die höheren Kosten aufteilten. – Unausgeführt blieb wegen anderer Aktivitäten das aus Wien nach Hermannstadt mitgebrachte Projekt einer umfassenden diplomatischen Untersuchung der Urkunden des für Siebenbürgen so wichtigen Ungarnkönigs Andreas II. (1205-1235); siehe dazu auch unten Anm. 170. 9 Vgl. über ihn S u t t e r (wie Anm. 1), S. 49ff., und T r a u s c h , S c h u l l e r , H i e n z , Schriftsteller-Lexikon, Bd. VI, S. 93ff.; auch W. M y ß (Hg.), Lexikon der Siebenbürger Sachsen (1993), S. 130f. 10 Siehe zum Folgenden H. Z i m m e r m a n n , Genealogische Gedanken über die Anfänge der Zimmermann in Henndorf im Harbachtal in Siebenbürgen (in: Siebenbürgische Familienforschung, 23. Jg., 2006, S. 72-81). Manche Belege für die Anfänge der Familiengeschichte besorgte Gernot Nussbächer aus dem Kronstädter Staatsarchiv, wo jetzt auch die Archivalien aus Schäßburg aufbewahrt werden. Eine Deszendenztafel ab dem 1654 zuerst in Schäßburg bezeugten Georg Czimmermann hat Franz Z. 1903 ausgearbeitet und vom Schäßburger Evangelischen Pfarramt beglaubigen lassen. Sie befindet sich im Siebenbürgen-Institut in Gundelsheim. Die Verwandtschaft zwischen Franz Josef und Harald Zimmermann geht auf

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bei Hermannstadt in den Zibin mündet. Als Historiker hat sich Franz Josef Zimmermann wie später sein Sohn Otto für Genealogie interessiert und ist seiner Familien-Aszendenz und -Deszendenz nachgegangen, was schon 1903 in einem pfarramtlich in Schäßburg beglaubigten Stammbaum seinen Niederschlag gefunden hat. Er reicht zurück bis zu einem 1680 in Schäßburg verstorbenen Thomas Czimmermann, als dessen Vater ein Georg Czimmermann genannt wird, der vor 1654 aus Henndorf nach Schäßburg übersiedelt war. Da Henndorf 1658 bei einem Tatarenüberfall abbrannte, kommt man mit der Suche in vielleicht schon rudimentär geführten Pfarrmatrikeln nicht weiter zurück in der Familiengeschichte. Nur aus zufällig erhaltenen Akten des jetzt in Kronstadt verwahrten Schäßburger Archivs weiß man, daß schon 1563 und 1569 ein Georg Czimmermann in Henndorf gelebt und als Hann und Ortsvorsteher eine gewisse Rolle in der Gemeinde gespielt hat. Es ist wohl dieselbe Familie, aus der ein Jahrhundert später auch die Schäßburger Georg und Thomas Czimmermann, Vater und Sohn, stammen und ebenso ein späterer Georg und ein Thomas Czimmermann, deren Namen auf der Empore der Henndorfer Wehrkirche und in der Schäßburger Klosterkirche genannt werden als Amtsträger der Gemeinde 1776 und 1813, weil damals hier und dort in der Kirche etwas restauriert wurde11. Georg und Thomas sind die alternativ gebrauchten Leitnamen auch des Schäßburger Familienzweiges. Man betätigte sich hier durch mehrere Generationen als Riemermeister. Noch Franz Zimmermanns Urgroßvater Thomas Zimmermann (1738-1826), sächsisch der „Remner Tummes“ genannt, wie man aus dem „Zeitbuch“ (Bd. II, fol. 42r) erfährt, übte dieses Handwerk aus und war eine Zeitlang im Äußeren Rat der Stadt Schäßburg als Orator oder „Wortmann“ der aus der Bürgerschaft gewählten Abgeordneten, der sogenannten Hundertmannen, tätig und zugleich als Nachbarvater im Stadtteil oben „auf der Burg“, in der Altstadt12. Sein Enkel, Franz Josefs Vater, Josef Andreas Zimmermann13, geboren 1810 in Schäßburg, hat aber studiert und wurde nach anderen juristischen den Schäßburger Riemermeister Thomas Zimmermann (†1826) (siehe unten bei Anm. 12) zurück, besteht also im 9. Grad der Zivilkomputation, was bedeutet, dass Haralds Urgroßvater, der Schäßburger Arzt Friedrich Wilhelm Zimmermann (1827-1868), und Franz Josef Zimmermann Vettern 2. Grades (Geschwisterenkel) waren. 11 Vgl. M. G l a t z , Henndorf im Wandel der Zeit (1994). 12 Das erst vor 1885 verkaufte Zimmermann-Haus stand auf dem Areal des ehemaligen Dominikanerklosters neben der Klosterkirche, „wo jetzt das Komitatshaus steht“ (so F. Z. 1911, Bd. II, p. 47) = heute Bürgermeisteramt (erbaut 1886-1888). Ich verdanke manche Informationen dem Schäßburger Pfarrer Hans Bruno Fröhlich, weiters Prof. Dr. Paul Niedermaier (Hermannstadt). Zur Topographie von Schäßburg siehe P. N i e d e r m a i e r , Stadtgeschichte – Atlas Rumäniens, C 1: Schäßburg (Bukarest 2000). 13 Vgl. über ihn Tr a u s c h , S c h u l l e r, H i e n z , Schriftsteller-Lexikon, Bd. IV, S. 528ff.; S u t t e r (wie Anm. 1), S. 169ff.; O. F o l b e r t h , Minister Thun und die Geschichte der Sie-

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Betätigungen 1844 Professor der neu begründeten siebenbürgisch-sächsischen Rechtsakademie in Hermannstadt14. Von dort berief ihn der österreichische Kultusminister Leo Graf Thun Hohenstein 1850 nach Wien in sein Ministerium als Referenten für die Belange der Protestanten in der Habsburger-Monarchie. Nachdem das wesentlich durch Zimmermann entworfene Protestantenpatent von 1861 der Evangelischen Kirche in Österreich die rechtliche Gleichstellung mit den Katholiken gebracht hatte, wurde er 1864 (bzw. schon 1859) Präsident des Evangelischen Oberkirchenrates, des Konsistoriums, als erster Protestant in diesem hohen Amte, das bisher kurioserweise einem Katholiken vorbehalten war, obzwar zur obersten Leitung der Evangelischen Kirche Augsburgischen und Helvetischen Bekenntnisses in Österreich bald nach Kaiser Josefs II. Toleranzedikt von 1781 im Jahre 1784 begründet bzw. aus Österreichisch-Schlesien15 nach Wien verlegt. Nach zehn Jahren auf eigenen Wunsch vorzeitig pensioniert, wurde der letzte Sachsengraf Conrad Schmidt v. Altenheim16 1874 sein Nachfolger in Wien und Josef Andreas Zimmermann lebte teils in Wien, teils in Hermannstadt, wo er dann auch 1897 verstorben ist. Eine Gedenktafel ziert seit neuestem (2011) sein Wohn- und Sterbehaus in der Wiesengasse 29 (heute: Str. Tipografilor). Es war auch das Geburtshaus seines nach dem Kaiser benannten Sohnes Franz Josef. Dass 1911 im Beisein auch des damaligen Sachsenbischofs Friedrich Teutsch an diesem Hause von der ungarischen Regierung eine Gedenktafel für den ungarischen Revolutionär-Dichter Sándor Petőfi alias Petrovics enthüllt wurde, der angeblich einmal dort „übernachtet haben soll“ (Bd. II, fol. 50v), war für Franz Zimmermann ein Ärgernis, zumal er wusste, dass man im März 1849 dort nach der Eroberung von Hermannstadt durch die magyarischen Insurgenten seinen freilich just als sächsischer Delegierter am Kaiserhof weilenden Vater gesucht hatte und verhaften wollte als Monarchisten mit der benbürger Sachsen (in: Jahrbuch der Gesellschaft für die Geschichte des Protestantismus in Österreich 80/1964, S. 47-65); M y ß , Lexikon (wie Anm. 9), S. 592; H. Z i m m e r m a n n , Berühmte Siebenbürger Sachsen in Wien (in: H. Z i m m e r m a n n , Siebenbürgen und seine Hospites Theutonici, Schriften zur Landeskunde Siebenbürgens, Bd. 20, 1996, S. 297f.); K. S c h w a r z , Providus et circumspectus (in: Siebenbürgisches Archiv 34/1999, S. 181-207), K. S c h w a r z , Ein evangelischer Laienbischof (in: Siebenbürgische Zeitung, 20. Dez. 2010, S. 15). 14 Siehe unten Anm. 45. 15 Nämlich aus Teschen, wohin das nach der Altranstädter Konvention von 1707 in Brieg auf Druck des (aus Wittelsbacher Dynastie stammenden) Schwedenkönigs Karl XII. eingerichtete Evangelische Konsistorium infolge der Schlesischen Kriege (1740-1763) verlegt worden war; vgl. N. C o n r a d s , Die Durchführung der Altranstädter Konvention in Schlesien (1971); H. Z i m m e r m a n n , Austria Sacra: Die Evangelische Kirche A. und H. B. in Österreich (1968), S. 25; G. R e i n g r a b n e r , Um Glaube und Freiheit. Eine kleine Rechtsgeschichte der Evangelischen in Österreich und ihrer Kirche (2007). 16 Über ihn vgl. S u t t e r (wie Anm. 1), S. 140f.

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bösen Absicht, „standrechtlich behandelt, das heißt erschossen zu werden“ (Bd. II, fol. 50v). – Für Franz Zimmermann und sein „Zeitbuch“ charakteristisch ist, dass er über seinen Vater gleichsam rezensierend und in kritischer Auseinandersetzung mit einem sicher gut gemeinten, 1910 in Siebenbürgen publizierten „Gedenkblatt“ (Bd. II, fol. 41v-50v) berichtet. Volle Hochachtung spricht hier und andernorts aus den Ausführungen des nun ebenfalls schon im Ruhestand befindlichen Sohnes, so sehr der junge Franz Josef Zimmermann oft in Gegensatz zu seinem Vater geraten war17, auch politisch: der Vater eher monarchistisch-österreichisch und konservativ gesinnt, der Sohn damals großdeutsch-national; der Vater ein „braver Beamter“ und vorher pflichtbewusster Student ohne „Verständnis für deutsches Studentenleben“ (Bd. II, fol. 18r), der Sohn als Student farbentragender Burschenschafter in einer schlagenden Verbindung; der Vater an der Spitze der Evangelischen Kirche Österreichs, der Sohn in grundsätzlicher Reserve zu Theologen speziell in der Kirchenleitung. Dass der Sohn, wie damals nicht selten, seine Schulzeit in Internaten18 verbracht und dann zu Hause Schwierigkeiten hatte, ist verständlich. Das ging so weit, dass Franz sich vom Elternhaus trennen und unter Verzicht auf das bereits begonnene Studium irgendeinen Kanzlistenposten annehmen wollte, nur um selbständig und nicht dauernden Vorwürfen ausgesetzt zu sein. Ohne elterliche Erlaubnis wurde der noch Minderjährige freilich nirgendwo genommen. Franz Zimmermanns Mutter Elisabeth Marie (1821-1899), schon mit 19 Jahren (1840) verheiratet, war die Tochter eines erst 1835 als Dietrich v. Hermannsthal geadelten kaiserlichen Offiziers in Siebenbürgen. Auch über diese angeblich von einem am Anfang des 17. Jahrhunderts in Bistritz bezeugten Barbier namens Deidericus abstammende Familie finden sich im „Zeitbuch“ mancherlei genealogische Daten, anscheinend vom Autor vor allem zur eigenen, dann auch der Kinder Information über die verwirrend weit verzweigte Verwandtschaft zusammengetragen19, die der natürlich auch als Historiker Interessierte ja erst nach seiner Anstellung in Hermannstadt so richtig kennengelernt hatte und gegen deren allzu intensive Bevormundung in der „Dietrichsburg“ in der Hermannstädter Wiesengasse 16 der „Wiener“ sich zur Wehr setzen musste.

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Vgl. dazu auch Z i m m e r m a n n , Zimmermann über Zimmermann (wie Anm. 1). Siehe S. 30ff. (1858-1866). Auch F. Z. hat später seine Kinder in Internaten erziehen lassen, so in der Anstalt der Herrnhuter Brüdergemeinde in Niesky in der Oberlausitz seine Söhne Robert (1886-1969) und Otto (1890-1970), den ältesten Gustav (1880-1943), der dann Berufsoffizier wurde, in der niederösterreichischen Kadettenanstalt in Hainburg. Die Töchter Else (1878-1946) und Hermine (1883-1909) erhielten nach der Pflichtschule Unterricht von Privatlehrern. 19 Siehe unten im Anhang das Inhaltsverzeichnis des „Zeitbuches“. 18

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Viel kürzer fiel die Berichterstattung20 über die Familie Theuerkauf aus, über des Archivars Schwiegereltern: Oberstleutnant Anton Edler v. Theuerkauf († 1911) und Julie geborene Trausch († 1894), anscheinend in Kronstadt wohlsituiert mit mehrfachem Hausbesitz und Sommerresidenz im Kurbad Zaizon/Zaisendorf bei Tatrang im Burzenland. Franz Josef war kein Freund des Militärs21, dafür nach eigener Einschätzung „nicht zugeschnitten“ (Bd. II, fol. 24v) und eher zu Spott über das unnütze militärische Treiben aufgelegt. Er hat zwar seine Dienstpflicht als „EinjährigFreiwilliger“ (Offiziersbewerber) abgeleistet, ihr Ende aber als „Erlösung von allem Übel“ herbeigesehnt (Bd. II, fol. 32v). Andererseits hatte er sich 1870 bei Ausbruch des deutsch-französischen Krieges mit anderen deutsch-begeisterten Wiener Studenten freiwillig gemeldet, war aber zu seinem Leidwesen als Österreicher nicht ins preußische Heer aufgenommen worden. Nur die Wiedereröffnung der deutschen Universität in Straßburg 1872 hat er als Wiener Delegierter der Studentenschaft miterlebt und mitgefeiert22. Nachdem die lieben Verwandten in Hermannstadt dann eine ganz und gar vormoderne Liebesgeschichte23 des frisch importierten Archivars kaputtgemacht hatten, um anders kuppeln zu können, und nachdem der Wiener getrotzt hatte: „Keine aus Hermannstadt!“, kam es 1877 zur Verheiratung24 mit der schon aus Wiener Besuchen bekannten Theuerkauf-Tochter Julie (†1934) aus Kronstadt, aber 1856 in Wien geboren. Merkwürdig zurückhaltend berichtet Franz zehn Jahre später über die Hochzeit in Kronstadt und von der „Hochzeitsreise“ über Mediasch nach Hermannstadt sowie dann über die sechs Kinder aus seiner Ehe, zwei Töchter und vier Söhne, und was aus ihnen geworden ist. Wie häufig in Memoiren spielt die Jugendzeit, an die man sich so gerne erinnert, auch umfangmäßig die größte Rolle, auch in Zimmermanns „Zeitbuch“. Diverse Indizien, Nennung von Daten und graphische Änderungen erlauben Rückschlüsse, wie die aus vielen Kapiteln bestehende „Autobiographie“ nach und nach zustande gekommen ist. Wie gesagt, es sind drei starke Schulhefte25 mit unlinierten Seiten, teils foliiert, teils paginiert – aber ob der erste Band wirklich der erste war, ist die Frage. Zwar hat Zimmermann auf das Deckblatt den Titel geschrieben: „Franz Zimmermanns Zeitbuch 1. Band. Tagebuchblätter und Gleichzeitiges 1868ff. von Franz Zimmermann“, aber das ist sichtlich ein späterer Text, wie ebenfalls das dann auf Seite 1 und 2 folgende „Inhaltsverzeichnis“. Zwar folgen nun auf 20 21 22 23 24 25

Wie Anm. 19. Siehe unten S. 50ff. über seinen Militärdienst. Siehe unten S. 60ff. Siehe unten S. 85ff. Siehe unten S. 117ff. Vgl. zum Folgenden das Inhaltsverzeichnis im Anhang.

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den ersten circa 100 Seiten „Akademische Nachrichten“, größtenteils nicht eigene Formulierungen, sondern Abschriften aus irgendwelchen Publikationen, was eben der Erinnerung für wert erachtet wurde von dem Studienanfänger, kopiert in fast schülerhafter Kalligraphie über Prüfungen und Professoren. Ab Seite 41 findet man „Burschenschaftliches aus Leipzig“, wo Franz 1869/ 1870 studiert hatte, mit diversen Mitgliederverzeichnissen und Mensuren und studentischem Komment. Dann war das erste Heft halb voll. Die folgenden Seiten füllen „Tagebuchblätter aus Hermannstadt“, aber sichtlich keine tagtäglichen Eintragungen, sondern spätere Reinschriften, umso notwendiger, weil sogar für den Autor (wie er einmal selbst bekennt26) im Nachhinein schwer lesbar (Bd. I, p. 126). Der Schreiber verrät sich selbst, wenn er anfangs (Bd. I auf p. 108) als Untertitel für die Herkunft dieses Textes festhält: „Aus meinem Notizbuche“. – Der zweite und auch der dritte Band wirken unmittelbarer durch den mehrfach zu beobachtenden Schrift- und Ductus-Wechsel. Die Datierung der einzelnen Kapitel kann sich auf gar nicht wenige Indizien stützen: Die angeblich „aus dem Notizbuche“ übernommenen „Tagebuchblätter aus Hermannstadt“ beginnen mit einem längeren Kapitel über die „Antrittsbesuche“ des eben ernannten Archivars und werden in der Überschrift auf „1875/76“ datiert. Sie gehen über in die ausführlich27 geschilderten „Besuche“ im Hause des Eisenhändlers Jickeli in der Reispergasse Anfang 1876, durch Gespräche mit dem Hausvater auch politisch, kulturell und vom gesellschaftlichen Standpunkt interessant, wo sich aber vor allem jene Romanze zwischen dem 25-jährigen Historiker und der 17-jährigen Haustochter Berta entwickelte. Ein „happy end“ wurde bekanntlich durch die Verwandtschaft schon im April 1876 verhindert und Zimmermann notiert, dass das „vor zehn Jahren“ geschehen sei (Bd. I, p. 148), was die Niederschrift auf 1886 datiert. Wenn dann das nächste Kapitel über die „Fortsetzung des Urkundenbuches zur Geschichte Siebenbürgens“ (Bd. I, p. 152) mit Zimmermanns Unterschrift endet, völlig unnötig in Memoiren, scheint die Abschrift eines offiziellen Berichtes wohl aus 1877 vorzuliegen. Graphisch gehört auch das Folgende in die gleiche Schreibphase. Obzwar sich bei einzelnen Kapiteln Datierungen finden wie „Schluß 31. März 1876“ (Bd. I, p. 170) oder „Abgeschlossen 24. Mai 1877“ (Bd. I, p. 174), muss man doch das jüngste im Kontext genannte Datum beachten, und das findet sich für Familie Dietrich und nennt (Bd. I, p. 177) 1891 bzw. über Berta Jickeli gar 1906 (Bd. I, p. 110). Graphisch deutliche Nachträge stammen aus 1916 und 1918 (Bd. I, p. 171 u. 180). Das lässt vermuten, dass 26

Siehe unten Anm. 246. Siehe unten S. 94: „Meine über Antrittsbesuche beabsichtigten Aufzeichnungen erweitern sich.“ 27

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mit dieser Niederschrift „aus dem Notizbuch“ erst im österreichischen Exil von dem schon pensionierten Franz Zimmermann begonnen wurde. Ein deutlich differenzierteres Bild bietet der 2. Band des „Zeitbuches“, der zum Unterschied vom ersten nicht paginiert, sondern nach älterem Brauch foliiert ist, vielleicht also auch zeitlich vor dem ersten zu rangieren hat. Er beginnt mit einem „Lebenslauf 1850 bis 1873“, also bis zum Beginn des Studiums im Wiener Institut für Geschichtsforschung. Viel Raum beansprucht das Studentenleben in Wien und Leipzig, worüber der Vater urteilt: „das heisse ich nicht studieren“ (Bd. II, fol. 36v), während der Sohn im Rückblick bemerkt (Bd. II, fol. 14), dass „das Verbindungsleben sehr bescheiden und nüchtern“ gewesen sei „gegen späteren Jahren“ und dabei 1898 nennt, was also der Terminus post quem bedeutet für diese Darstellung aus eigenem Erleben und vom Hören-Sagen. Ein „Nachtrag über den Fasching“ auf Bd. II, fol. 27v „zu Blatt 13“ deutet lediglich ein früheres Vergessen an, nicht eine Hinzufügung, wie die gleichartige Schrift zeigt. Eine Zäsur muss jedoch ab Bd. II, fol. 41v angenommen werden, denn es folgen 19 Seiten über des Vaters Tätigkeit, veranlasst – wie gesagt28 – durch ein im Jahre 1910 im siebenbürgischen „Volkskalender“ veröffentlichtes „Gedenkblatt“. Graphisch deutlich anders endet diese „Ergänzung“ mit der Erinnerung an die 1911 angebrachte Gedenktafel für Petőfi am Hermannstädter Elternhaus (Bd. II, fol. 50v) – neuerlich ein Terminus post quem für diese Niederschrift. Nach Schriftwechsel liest man dann aber fol. 51r über „Arbeiten als Archivar“, was sich zeitlich bis 1906 erstreckt (Bd. II, fol. 56r) und nachträglich in einen 1911 verfassten apologetischen „Lebensabriß“ (Bd. II, fol. 66ff.) verwiesen wird. Dazwischen finden sich Ausführungen über die Familie Theuerkauf, verfasst nach des Schwiegervaters Tod 1911, sowie wiederum ein Rückblick auf die Jahre im Wiener „Institut für Geschichtsforschung 1873-1875“ und über die „Anstellung in Hermannstadt 1875“. Die Schrift verweist diese Kapitel in den am Anfang des Bandes stehenden, auf frühestens 1898 zu datierenden „Lebenslauf“ (Bd. II, fol. 2r-41r). Vielleicht darf man annehmen, dass nach dessen vorläufigem Abschluss bei der Wiener Weltausstellung 1873 für die Fortsetzung einige Folien vorsorglich frei gelassen, dann aber doch nicht mit dem weiteren Curriculum vitae gefüllt wurden, sondern mit Niederschriften aus den Jahren 1910-1911. Der dann neuerlich skizzierte „Lebensabriß“, beginnend mit Bd. II, fol. 66r, weist eine ganz andere Handschrift auf, die sich, natürlich nicht ohne erkennbaren Tintenwechsel, bis fol. 89r und mit einem Nachtrag über „Sächsische Pflichterfüllung“ gar bis fol. 90v erstreckt und auf die Zeit nach 1911 datiert werden kann, auf den Abschluss der Archivübergabe in Hermannstadt. Das alles ist nicht im subjektiven Ich-Stil geschrieben, son28

Siehe oben S. 12.

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dern hat den Charakter einer objektiven Apologie des im Verdruss aus seinem Amte geschiedenen Archivars, der von sich nun in der dritten Person spricht. Aus den weiteren Abschnitten des „Zeitbuches“ interessieren vor allem noch die Ausführungen über die Besiedlung der Hermannstädter Haller-Wiesen29. Sie finden sich merkwürdigerweise erst nach graphisch ganz anderen Kapiteln über das von dem Pensionisten-Ehepaar Zimmermann 1907 bezogene, 1921 aber in schwierigen Zeiten wieder verkaufte Haus im niederösterreichischen St. Pölten. Der Bericht über die „Bauanlage Hallerwiese“ lässt sich aufgrund einer Fußnote (Bd. II, fol. 118v) auf die Zeit nach 1918 datieren. Andere Kapitel im 2. und 3. Band verweisen die Niederschriften auf nach 1919 (II, fol. 127r), 1920 (II, fol. 96r, fol. 146r, fol. 150v, fol. 159v), 1921 (II, fol. 95r, fol. 129r) oder gar auf die „Notlage“ der Familie in den Jahren 1924 und 1925 (Bd. III, p. 40ff. u. p. 83f.). 1925 enden dann die „Memoiren“ des nach Österreich zurückgekehrten Hermannstädter Archivars. Von seiner publizistischen Betätigung in den folgenden Jahren betreffend die Geschichte des Protestantismus in Österreich30 ist im „Zeitbuch“ nicht mehr die Rede. Darüber zu reflektieren, fehlte dem alten Mann wahrscheinlich sowohl die Lust als auch die Zeit. Franz Zimmermanns Rückblick auf seine Hermannstädter Amtstätigkeit als Archivar wandelte sich allmählich von einer Art Leistungsschau zu einer Apologie, zu der er sich gedrängt fühlte, weil ja sein vorzeitiges Ausscheiden aus dem aktiven Dienst (als Noch-nicht-Sechzigjähriger) nicht nur aus Krankheitsgründen erfolgte, sondern von einem gegen ihn in Gang gesetzten Disziplinarprozess überschattet war. Tief gekränkt durch Gegner, deren Feindschaft er freilich selbst verschuldet haben mochte – einerseits durch allzu selbstbewusstes Auftreten, anderseits durch offene Kritik der Zustände –, meinte er sich vehement verteidigen zu müssen. Das geschah nicht bloß gleichsam privat in dem ja höchstens der eigenen Familie zugänglichen „Zeitbuch“, sondern auch in drei Druckschriften, die er 1908, 1909 und 1910 in Wien mit über hundert Oktav-Seiten auf eigene Kosten hat erscheinen31 und verbreiten lassen, nachträglich, nachdem der Prozess in Hermannstadt schon mit einem Schuldspruch geendet hatte und eine Appellation abgewiesen worden war. Gegenüber diesen Publikationen wirkt die Apologie in der Autobiographie trotz ihrer polemischen Schärfe zu kurz und ungenügend. Man müsste alles zusammenfassen und aus den offiziellen Prozessakten dem

29 Siehe unten S. 159ff. und über Zimmermanns eigenes Haus in der Friedenfelsstraße vgl. G. S c h u s t e r , Edle Formen für die Villa. Neuklassizistische Wohnhäuser auf der Hallerwiese (in: Die Woche Nr. 703 vom 5. Juni 1981, S. 6). 30 Die Titel siehe unten im Publikationsverzeichnis. 31 Die Titel siehe unten Anm. 441.

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Prinzip des „audiatur et altera pars“ zu entsprechen versuchen32. Das übersteigt die Aufgabe eines Editors. Nur in einer gesonderten Abhandlung könnte der „Prozeß Zimmermann“ objektiv behandelt werden. Dass er auch den offiziell damit befassten Stellen einigermaßen unangenehm war, dem Hermannstädter Magistrat und der laut Zimmermann allein für ihn zuständigen Sächsischen Nationsuniversität, dass man das Verfahren sogar hier oder dort möglichst verhindern wollte, aber gegenüber anderen Optionen nicht durchdringen konnte, dass Zimmermann also auch Fürsprecher hatte, erfährt man gleichsam en passant33 aus den gedruckten Apologien und nicht aus dem „Zeitbuch“, zwar glaubhaft, aber eben nur einseitig. Einzig um den Text jener Autobiographie ist es aber dieser Edition zu tun. – Man möge sich vorläufig damit begnügen sowie mit einigen biographisch relevanten Dokumenten im Anhang34. Franz Zimmermann hat sich in seinem letzten Lebensjahrzehnt in Österreich – wie schon gesagt – der Geschichte des österreichischen Protestantismus zugewandt. Das geschah, zum Teil mit Hilfe seines Sohnes Robert (1886-1969), ebenfalls Absolvent des Wiener Instituts für Geschichtsforschung (1907-1909) und Archivar35, in mehreren Veröffentlichungen36 aus den Jahren 1925-1927, 1929-1931 und 1934, vor allem zur Verteidigung der Leistungen seines Vaters Josef Andreas Zimmermann, des Wiener Konsistorialpräsidenten. Und natürlich hatte Franz Josef dabei auch wieder einen Gegner im Visier – wie hätte es bei seinem Charakter anders sein können? Es war niemand geringerer als der emeritierte Professor für Kirchengeschichte an der Evangelisch-theologischen Fakultät in Wien, der aus Berlin stammende Georg Loesche († 1932), Autor unter anderem einer „Geschichte des Protestantismus in Österreich“ in drei 32 Siehe unten S. 174ff. Eine Darstellung des ganzen Prozesses wird nach Auffindung aller diesbezüglichen Akten im Hermannstädter Staatsarchiv möglich sein und ist geplant. Leider sind die gedruckten „Verhandlungsprotokolle der Sächsischen Universität“ in keiner deutschen Bibliothek vollständig vorhanden. Hier nur Folgendes: Als Beweis für den gewiss absurden Vorwurf, der Archivar habe zwei wichtige Dokumente, zwei Reverse des Generals Siskovicz von Juni und Juli 1765 betreffend die siebenbürgische Militärgrenze aus dem Archiv entwendet, um sie der Sächsischen Nationsuniversität um teures Geld zu eigenem Nutzen zum Kauf anzubieten, dient dem Schuldspruch von 1908 ein „kürzlich“ im Archiv aufgefundener Index-Band, der aber nicht, wie zugegeben wird, die beiden Reverse von Juni und Juli 1765 registriert, sondern bloß eine die Militärgrenze betreffende Notiz schon vom Mai 1765; vgl. dazu unten Anm. 442. 33 Siehe vor allem F. Z i m m e r m a n n , Ein Hermannstädter Verwaltungsspruch und der Antiquariatshandel (Wien 1908), S. 8f., auch unten, S. 210ff. 34 Siehe aber unten ab Anm. 431. – Autobiographisch interessant ist vor allem die erst 1925 unter dem Titel „Mehr Fachmänner für unser Schrifttum“ publizierte Schrift. Sie informiert auch über das Hermannstädter Archiv zur Zeit von F. Z. und davor. Die Anmerkungen stammen natürlich von F. Z., ebenso im Nachdruck unten S. 214ff. 35 Siehe S a n t i f a l l e r (wie Anm. 3), S. 132, Nr. 281, und L h o t s k y (wie Anm. 3), S. 352. 36 Siehe die Liste unten S. 23.

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Auflagen (1902, 1922 und 1930). Ihn37 meinte der Siebenbürger, der sein Wiener Studium an eben dieser theologischen Fakultät begonnen hatte, ehe er zur Historie wechselte, rezensieren, kritisieren, berichtigen und belehren zu müssen, weil er es durch seinen Vater besser zu wissen meinte als der in Österreich fremde Berliner. Nur anfangs hatte er dafür, wie man auf einem Titelblatt lesen kann, die „Unterstützung der Akademie der Wissenschaften in Wien“, deren Mitglied Loesche längst geworden war, auch aus konfessionellen Gründen, nicht nur wegen seiner wissenschaftlichen Verdienste. Zimmermanns letzte, wiederum klar polemische Publikation befasste sich ganz und gar antimonarchistisch mit „Österreich und Familie HabsburgLothringen“ und ist am 22. September 1934 in Druck gegangen, vier Monate vor dem Tode des Autors in Linz am 27. Januar 1935. Mit einem allerletzten Stück „Erinnerungen“ war Franz Zimmermann wieder in seine Jugendzeit gewandert, als er 1932 in der Zeitschrift des „Vereins der Siebenbürger Sachsen in Wien“, nach den siebenbürgischen Farben „Blau-Rot“ genannt, über die Gründung dieses Vereins vor 60 Jahren 1871 berichtete38. Er war einer der Initiatoren gewesen und neben ihm einige damals in Wien studierende Siebenbürger Sachsen. Schon seit 1850 gab es ja eine Studentenverbindung „Saxonia“ an der Wiener Universität39 und seit Jahrhunderten „berühmte Siebenbürger Sachsen in Wien“40, die nun endlich einen gesellschaftlichen, nicht bloß privaten Zusammenschluss fanden. Im Jubiläumsjahr 1931 machte man Franz Zimmermann zum Ehrenmitglied des Vereins, den er zu gründen mitgeholfen hatte. Seinen Erinnerungsartikel darüber unterzeichnete er mit „Franz Zimmermann, Archivar“, offensichtlich in ungebrochenem Stolz auf sein einstiges Amt41. Vielleicht kann man zusammenfassend über seine Autobiographie, über das Zustandekommen seines „Zeitbuches“ sagen, dass der junge Archivar in Hermannstadt ein „Notizbuch“ angelegt hatte, veranlasst durch die „Antrittsbesuche“, die er absolvieren musste, um sich zu erinnern, für nächste Begegnungen etwa, wen man alles kennengelernt hatte in der neuen, alten Heimatstadt. Erst zehn Jahre später (1886), nach Verheiratung und ersten 37

Vgl. über Loesche ÖBL Bd. IV, S. 278f.; NDB Bd. XV, S. 62f. Siehe unten im Anhang. 39 Vgl. J. N e u w i r t h , Das akademische Corps Saxonia in Wien 1850-1900 (1900). 40 Siehe H. Z i m m e r m a n n oben in Anm. 13. 41 Es fällt auf, dass in Zimmermanns Autobiographie während seiner Amtszeit in Hermannstadt (1875-1906) Wien kaum erwähnt wird; auch kein Besuch dort. Die geringe Bindung an die Hauptstadt mag mit der in Internaten, nicht im Elternhaus verbrachten Jugendzeit zusammenhängen. Wien wurde dann auch nicht der Zufluchtsort des pensionierten Hermannstädter Archivars. Ob er sich trotz aller Misslichkeiten eher in Siebenbürgen als in Österreich zu Hause gefühlt hat? Jedenfalls nennt er Hermannstadt seine „Vaterstadt“ (Bd. I, p. 118). 38

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Berufserfahrungen wurde diesen Notizen eine sozusagen literarische Form gegeben und dann im nächsten Lustrum (bis 1891) mit diversen Nachrichten, vor allem familiärer Art angereichert. Endlich mag sich (noch vor 1898) die Lust zu einem Rückblick eingestellt haben auf den ganzen „Lebenslauf“, der dann aber doch nur die schöne Jugendzeit bis 1873 memoriert hat. Was folgte, war nicht mehr so schön und erzwang einen neuen „Lebensabriß“ zum Rechtfertigen des Tuns und Lassens, wohl erst im österreichischen Exil und unruhigen Ruhestand nach 1907 oder gar 1911 abgefasst und später ergänzt. Wiederholungen und Textverweise machen eine streng der Niederschrift folgende Edition unmöglich. Zimmermanns im Allgemeinen gut lesbare Handschrift ist die zu seiner Zeit gebräuchliche sogenannte „deutsche“ Kurrentschrift, nur die Zitate stehen in runder, „lateinischer“ Kursive. Die Darbietung des Textes erfolgt in der Edition in der originalen Orthographie, ohne in Buchstabennoten (wie sonst üblich) auf die Eigenheiten aufmerksam zu machen. Nur bei Unregelmäßigkeiten wurde kommentarlos vereinheitlicht42. Der Seiten- oder Folienwechsel, jeweils am Rande angegeben, wird durch einen dünnen Strich (Schaft, eine hasta) kenntlich gemacht. Die Klammersetzung folgt den üblichen Editionsregeln, so dass eine runde Klammer bei Auflösung von Abk(ürzungen) gebraucht wird, eine eckige Klammer bei Er[gänz]ung von durch Tinte oder Papier beschädigten Wörtern; eine spitze Klammer dient für nötige Emendationen ┌ ┐ und Einfügungen; Häkchen zeigen zwischenzeilige (interlineare) oder am Rande (marginal) stehende Hinzufügungen des Autors an. In S p e r r druck stehen die Textstellen, die im Originalmanuskript unterstrichen sind. Unterstrichen sind in der Handschrift auch die Kapitelüberschriften. Bei Verweisen in den Anmerkungen meint p(agina) oder fol(io) immer die Handschrift, nicht die S(eiten) der Edition. – Das Register43 bemüht sich um eine exakte Identifizierung der Orts- und Personennamen, ohne voll gelingen zu können, weil der Bekanntenkreis von Franz Zimmermann natürlich spezieller war, als in biographischen Lexika zu finden. Nach Möglichkeit werden Lebensdaten angegeben, zumindest das Todesjahr, die Jahre der Amtszeit oder wenigstens das Jahr der Bezeugung in Zimmermanns „Zeitbuch“. Die Ortsnamen werden in ihrer deutschen Form registriert, jedoch immer auch die fremdsprachliche Bezeichnung angefügt, was Zimmermann schwerlich gebilligt haben würde – aber je länger je mehr bei schwindender Erinnerung an die Heimat der Siebenbürger Sachsen notwendig sein dürfte.

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42 So schreibt F. Zimmermann oft „Zal“ und „zälen“ ohne „h“, „Par“ und „Sal“ ohne Doppelvokal; die Umlaute meist in zwei Buchstaben „oe“, „ue“; „Gebuehr“ ohne „h“; „ph“ wird oft, aber nicht immer zu „f“; französisches „ou“ wird „u“. 43 Siehe unten S. 246.

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Ein Stück Erinnerung an dieses Siebenbürgen vor hundert und mehr Jahren, an das Leben damals und dort, an Freude und Ärger, Nichtiges und eben auch Wichtiges will die Publikation von Franz Zimmermanns „Zeitbuch“ (samt weiterführendem Kommentar) heute vermitteln. Tübingen im November 2012

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Publikationen von Franz Zimmermann Das älteste Siegel der Stadt Hermannstadt (in: Korrespondenzblatt 1/1878, S. 1-5). Das Archiv in Hermannstadt und der Sächsischen Nation in Siebenbürgen (in: Archivalische Zeitschrift 3/1877, S. 164-187 u. 4/1878, S. 237-248). Über die Herausgabe von Urkunden (in: Korrespondenzblatt 1/1878, S. 45 u. 68). Die mittelalterlichen Siegel der Stadt Kronstadt und des Burzenländer Distriktes (in: Korrespondenzblatt 1/1879, S. 107-110 u. 116-121). Das Brooser Urkundenbuch (in: Korrespondenzblatt 2/1879, S. 95-103). Hermannstädter Provinzialsiegel (in: Korrespondenzblatt 2/1879, S. 1 u. 114). Das Schäßburger Steuerregister aus dem Jahre 1504 bis 1508 (in: Korrespondenzblatt 2/1879, S. 11). Nösner Ortsnamen. Aus Urkunden (in: Korrespondenzblatt 2/1879, S. 55-56 u. 89). Katalog der Heltauer Pfarrer (in: Korrespondenzblatt 2/1879, S. 106). Das älteste Siegel der Stadt Hermannstadt (in: Korrespondenzblatt 2/1879, S. 2-5). Photographien von Urkunden aus siebenbürgisch-sächsischen Archiven (Hermannstadt 1879 u. 1880). Handschriftliche Urkundensammlungen siebenbürgischen Ursprungs (in: Korrespondenzblatt 2/1879, S. 113-114). Das Archiv der Stadt Kronstadt (in: Archivalische Zeitschrift 5/1880, S. 106-117). Das Brooser Urkundenbuch. Eine Kritik (Hermannstadt 1880). Die Wirtschaftrechnungen der Stadt Hermannstadt im Archiv der Stadt Hermannstadt und der Sächsischen Nation (in: Archiv des Vereins 16/1881, S. 629-651). Das Register der Johannes-Bruderschaft und der Artikel der Hermannstädter Schusterzunft aus dem 16. und 17. Jahrhundert (in: Archiv des Vereins 16/1881, S. 355-425). Rezension zu: F. Michaelis, Die Vereinigung des Kapitelarchivs von Karlsburg und des Konventarchivs von Kolosmonostor mit dem Landesarchiv in Ofenpest (Hermannstadt 1882) (in: Korrespondenzblatt 5/1882, S. 70). Das mittelalterliche Siegel der Stadt Bistritz (in: Korrespondenzblatt 6/1882, S. 97-98). Über die Herausgabe von Urkunden (in: Zeitschrift für österreichische Gymnasien 1882, S. 699). Das Wappen der Stadt Hermannstadt (in: Archiv des Vereins 17/1883, S. 338-346). Der Schweden-Durchzug durch Siebenbürgen um das Jahr 1714 (in: Archiv des Vereins 17/1883, S. 291-337). Die Urkunde König Andreas II. aus dem Jahre 1206 für die Siebenbürger Deutschen (in: MIÖG 5/1884, S. 539-564). Handschriftliche Urkunden-Sammlungen siebenbürgischen Ursprungs und ihr Wert besonders für die Periode bis zur Schlacht bei Mohács (1526) (in: Archiv des Vereins 19/1884, S. 99-125).

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Chronologische Tafel der Hermannstädter Plebane, Oberbeamten und Notare in den Jahren 1500 bis 1884 auf Grund archivalischer Quellen verfaßt (in: Archiv des Vereins 19/1884, S. 529-578). Die Nachbarschaften in Hermannstadt. Ein Beitrag zur Geschichte der deutschen Stadtverfassung und Verwaltung in Siebenbürgen (in: Archiv des Vereins 20/1885, S. 47-202). Aus alten Einbänden von Rechnungen aus den Jahren 1506-1691 (in: Archiv des Vereins 19/1885, S. 78). Die Ausgaben des Codex Altemberger (von Gustav Lindner) (in: Korrespondenzblatt 8/1885, S. 49-63; Nachdruck in: K. A. Eckhardt, Bibliotheca Rerum Historicarum, Neudrucke 6/1973, S. 387-401). Die Zeugenreihe in den mittelalterlichen Urkunden des Weißenburger Kapitels (in: Archiv des Vereins 21/1886, S. 121-160). König Ludwigs I. Urkunde von 1380 über das Asylrecht der Marienburger Kirche (in: MIÖG 8/1887, S. 65-83). Das Archiv der Stadt Hermannstadt und der Sächsischen Nation (Hermannstadt 1887) (2. Auflage 1901). Über den Weg der deutschen Einwanderer nach Siebenbürgen (in: MIÖG 9/1888, S. 46-62). Rezension zu: Katalog der Bibliothek der Evangelischen Landeskirche A. B. in Siebenbürgen (Hermannstadt 1889) (in: MIÖG 11/1890, S. 184-186). Über Archive in Ungarn. Ein Führer durch ungarische und siebenbürgische Archive (in: Archiv des Vereins 23/1891, S. 617-746). Urkundenbuch zur Geschichte der Deutschen in Siebenbürgen, 1. Bd., 1191 bis 1342 (Hermannstadt 1892). Über die Herkunft der Siebenbürger Sachsen (in: Korrespondenzblatt 16/1893, S. 113-114). Connumeratio civitatis et sedis Segesuariensis et cetera ad annum 1671 (in: Korrespondenzblatt 18/1895, S. 126-127). Die Herkunft der Siebenbürger Sachsen (in: Korrespondenzblatt 18/1895, S. 126127). Urkundenbuch zur Geschichte der Deutschen in Siebenbürgen, 2. Bd., 1342 bis 1390 (Hermannstadt 1897). Erklärung der Stadtvertretung der königlichen freien Stadt Hermannstadt betreffend weitere Beibehaltung des bisherigen amtlichen Namens der Stadt Hermannstadt in der Form „Hermannstadt“ (Hermannstadt 1900). Zur siebenbürgisch-deutschen Geschichtschreibung, besonders über die Besiedlungsfrage (in: MIÖG Erg.-Bd. 6/1901, S. 705-738). Das Archiv der Stadt Hermannstadt und der Sächsischen Nation (2. Auflage Hermannstadt 1901). Aktenstücke betreffend Errichtung eines Archiv-Gebäudes 1885-1902 (Hermannstadt 1902). Urkundenbuch zur Geschichte der Deutschen in Siebenbürgen, 3. Bd., 1391 bis 1415 (Hermannstadt 1902).

Publikationen

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Die neue Besoldungsvorlage und das Archiv zufolge Auftrags aus der städtischen Organisationskommission (Hermannstadt 1904). Die Lage des Archivs der Stadt Hermannstadt und der Sächsischen Nation (Wien 1905). Rezension zu: Franz Obert, Hermann von Salza und die Besiedlung des Burzenlandes (Wien 1905) (in: MIÖG 27/1906, S. 174-177). Über die Notwendigkeit der Errichtung eines Stadtarchivs (in: Troppauer Zeitung 231 u. 232/1906). Ein Hermannstädter Verwaltungsspruch und der Antiquariatshandel (Wien 1908). Aus der Vizegespanschaft Hermannstadt (Wien 1909). Kirchenheilige (in: Korrespondenzblatt 32/1909, S. 148-149). Archivariat und Antiquariat. Ein Beitrag zur Hermannstädter Verwaltungsgeschichte (Wien 1910). Magyaren und Sachsen 1848-1911. Ein politischer Leitfaden für Deutsche (Leipzig 1912). Die Übernahme der Handschrift des Urkundenbuches durch den Verein für siebenbürgische Landeskunde. Eine Berichtigung (Wien 1914). Mehr Fachmänner für unser Schrifttum (Hermannstadt 1925). Die Leiturkunden für die Neuordnung der Evangelischen Kirche im Gesamtstaat Österreich verfaßt von J. A. Zimmermann (Hermannstadt 1925). Aus dem Ministerium Thun. Aktenstücke und Briefe (Hermannstadt 1925). Das Ministerium Thun für die Evangelischen im Gesamtstaate Österreich 1849 bis 1860 auf Grund archivalischer Quellen (Wien 1926). Georg Loesche über das Ministerium Thun 1849-1860 (Steyr 1927). Rechtsurkunden der Evangelischen in Österreich 1815-1860. Mit Unterstützung der Akademie der Wissenschaften in Wien (Steyr 1929). Vorgeschichte und Durchführung des Patentes betreffend die Evangelischen vom 8. April 1861 (Steyr 1930). Georg Loesche als Geschichtsforscher (Steyr 1930). Das richtige Wappen von Siebenbürgen (in: Siebenbürgisches Deutsches Tageblatt vom 1. November 1930, Nr. 17246, S. 3). Georg Loesche Redivivus (Steyr 1931). Evangelische Rechtsprechung über das Briefgeheimnis (Linz 1932). Zur Gründung des Vereins der Siebenbürger Sachsen in Wien (in: Blau-Rot. Siebenbürgisch-sächsische Nachrichten herausgegeben vom Verein der Siebenbürger Sachsen in Wien 4/1932, S. 3-4). Das Urkundenbuch zur Geschichte der Deutschen in Siebenbürgen und die Wissenschaft (Steyr 1933). Österreich und die Familie Habsburg-Lothringen (Linz 1934).

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Abkürzungsverzeichnis

Abb. Abt. Anm. A. u. H. B. Bd./Bde. bes. Diss. ed. Erg.Bd. etc. f./ff. fol. Frh. FS F. Z. geb. gest. Hg./hg. Jg. Jh. k. k. MIÖG Nr. p. Prof. S. Ser. sog. stud. u. usw. v. verh. vgl. vol. z. B. z. T.

Abbildung Abteilung Anmerkung Augsburgisches und Helvetisches Bekenntnis Band/Bände besonders Dissertation edidit, ediert(e) Ergänzungsband et cetera folgend/folgende Folio Freiherr Festschrift Franz Zimmemann geboren gestorben Herausgeber/herausgegeben Jahrgang Jahrhundert kaiserlich königlich Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung Nummer pagina Professor Seite Serie sogenannt(e) studens und und so weiter von verheiratet vergleiche volumen zum Beispiel zum Teil

FRANZ ZIMMERMANNS ZEITBUCH Tagebuchblätter und Gleichzeitiges

Mein Lebenslauf 1850-1873

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Mein Lebenslauf 1850 bis 1873.

Franz Josef Zimmermann44, geboren laut Taufschein am 10. Sept(ember) 1850, nach Aussage der Mutter am 9. Sept(ember), in H e r m a n n s t a d t in Siebenbürgen, als Sohn des Professors der Rechtsfakultät45 Jos(ef) Andr(eas) Z(immermann)46 und der Elisabeth Marie geb(orene) Dietrich v. Hermannsthal, Tochter des Majors Mich(ael) D(ietrich) und der Elise geb(orene) Bogner47. Körperlich nicht stark fand meine Taufe bald statt, weil der Vater in eine Sitzung eilen mußte, über Vorschlag der Hebamme auf den Namen des Landesfürsten48.

44 Ein nicht als persönliche Erzählung, sondern in objektiver Diktion erst nach 1911 abgefasster „Lebensabriß“ findet sich im „Zeitbuch“ Bd. II, fol. 66r-90v. Aus ihm wird im Folgenden zusätzlich in den Anmerkungen zitiert. 45 Über die 1844-1887 bestehende Hermannstädter Rechtsakademie zur Ausbildung deutscher Beamter in Siebenbürgen und insbesondere im Territorium der sächsischen Nation vgl. U. W. A c k e r , Zur Geschichte der Hermannstädter Rechtsakademie (1844-1887) (in: Zeitschrift für siebenbürgische Landeskunde 1/1978, S. 120-129); M. V l a i c u , Die Hermannstädter Rechtsakademie und ihre rumänischen Studenten (in: Forschungen zur Volksund Landeskunde 31/1988, S. 30-40); weiters M y ß , Lexikon, S. 191, u. unten Anm. 98. 46 Seinem Vater Josef Andreas Zimmermann (1810-1897) hat F. Z. im „Zeitbuch“ Bd. II, fol. 41v-51v einige biographische Bemerkungen gewidmet, u. zw. fol. 41v-44v Berichtigungen zu einem 1910 in Hermannstadt erschienenen „Gedenkblatt“ von Pfarrer Dr. Richard S c h u l l e r (in Heltau), fol. 45r-46v über des Vaters „Amtstätigkeit“ im Kultusministerium in Wien 1850-1861, fol. 47r-48v ein „kurzer Lebenslauf“ und fol. 50r über Ehrungen des Vaters sowie fol. 50v über dessen Wohnhaus in Hermannstadt, Wiesengasse 29, das 1911 mit einer Gedenktafel für den ungarischen Revolutionsdichter Alexander Petőfi versehen wurde, der (laut F. Z.) „im Jahre 1849 in obigem Hause übernachtet haben soll“. Infolge der Erhebung Hermannstadts zur „europäischen Kulturhauptstadt“ 2007 ist das Haus seit 2011 auch mit einer durch das Demokratische Forum der Deutschen in Hermannstadt (wie an vielen anderen Häusern) angebrachten Gedenktafel für Josef Andreas Zimmermann ausgestattet. Da es auch schon 1847-1852 das Wohnhaus der Familie war, ist es nicht nur das Sterbehaus des Vaters (1897) und der Mutter (1899), sondern auch das Geburtshaus des Sohnes (1850). Das „Zeitbuch“ Bd. II, fol. 50v berichtet, dass nach dem Einzug der ungarischen Revolutionstruppen in Hermannstadt im März 1849 eine Hausdurchsuchung stattfand und man den bekannt monarchistisch gesinnten Vater standrechtlich erschießen wollte, der aber damals (1848/1849) nicht zu Hause weilte, sondern als Mitglied einer siebenbürgisch-sächsischen Delegation zum Kaiserhof gereist war. Umso ärgerlicher ist dem Sohn, dass 1911 die Anbringung der Gedenktafel für Petőfi unter den Auspizien des damaligen Sachsenbischofs Friedrich Teutsch stattfand. – Vgl. über Josef Andreas Zimmermann oben bei Anm. 13 in der Einleitung. Die Gedenktafel siehe unten Abb. 13. 47 Über die Familie seiner Mutter Elisabeth Marie Dietrich v. Hermannsthal (1821-1899), eine erst 1835 geadelte Offiziersfamilie, handelt im „Zeitbuch“ Bd. I, p. 170-177; Bd. II, fol. 96r findet sich dazu auch eine genealogische Tafel. Vgl. auch oben bei Anm. 19 in der Einleitung. – Vgl. über die Vorfahren von F. Z. oben S. 9f. in der Einleitung. 48 Kaiser Franz Josef.

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1850 Häufler aus Wien in Schulangelegenheiten in Hermannstadt auf Suche nach einem Referenten für das Kultusministerium49. Hospitiert bei meinem Vater in der Vorlesung, nach drei Mon(aten) fordert er ihn auf, nach Wien zu kommen. 1850-1852 Vater auf Probe i n W i e n . 1852 Min(isterial)Sekretär unter Graf Leopold Thun. Juli 1852 Fahrt mit Eltern und Bruder Wilhelm Heinrich mit Eilwagen über ┌ ┐ Temeswar, Szegedin nach Szolnok; 2 Fahrplätze ohne Gepäck 80 Gulden 50 Kon(ventions-)Münze . Von Szolnok mit Eisenbahn nach Wien. Wohnung Wieden, Heugasse, nächst dem unteren Eingang in den Schwarzenberggarten. 1854 Grossmutter Dietrich samt ledigen Töchtern Mathilde, geboren 6. Januar 1832, und Charlotte, geb(oren) 21. Okt(ober) 1834 | in Wien bei uns auf Besuch. Stadthäuser samt Kirche als Spielzeug. Fall in den Kirchturm, Verletzung am Kopf, älteste persönliche Erinnerung. 1856 mit Mutter und Bruder in Hermannstadt auf Besuch. 1858 Eintritt in die Vorbereitungsklasse des evangelischen Untergymnasiums A(ugsburgischen) B(ekenntnisses) i n O b e r s c h ü t z e n 51. Da Vater den Besuch evangelischer Schulen zunächst wünschte, wurden mein Bruder und ich nach O(berschützen) gebracht: Wien-W(iene)r Neustadt Eisenbahn, dann Wagenfahrt über Pitten, Seebenstein, am Türkensturz vorüber, über Aspang, den Wechsel, Pinkafeld im Eisenburger Komitat, Oberschützen. Fahrtdauer 1 Tag, ohne Wien-Neustadt, wo übernachtet wurde. Das O(berschützener) U(nter)g(ymnasium) hatte guten Ruf, stand unter der Direktion des Preussen Friedrich Wilhelm Schubert, später Direktor in Leutschau, Bielitz, W(iener) Neustadt. Mein erster Unterricht begann im 5. Jahr mit dem Lese- und Rechnenspiel, Buchstaben und Ziffern auf losen Kartons. Ich lernte neben meinem 1848 geb(orenen) Bruder mit, vom Hauslehrer. Mein Bruder besuchte vor Abgang noch eine öffentl(iche) Volksschule. In Oberschützen Schüler aus Ungarn, 49 Ministerialsekretär Ludwig Ritter v. Heufler-Hohenbühel († 1885); vgl. ÖBL II, S. 390. Gesucht wurde ein Referent für die Belange der Evangelischen in der Habsburgermonarchie; vgl. dazu F. Z i m m e r m a n n , Das Ministerium Thun, S. 47-65); S c h w a r z , Providus et circumspectus (wie Anm. 13), S. 181-207; auch F. G o t t a s , Die Geschichte des Protestantismus in der Habsburgermonarchie (in: A. Wa n d r u s z k a u. P. U r b a n i t s c h , Die Habsburgermonarchie 1848-1918, Bd. IV: Die Konfessionen, 1985), bes. S. 564; jüngst G. R e i n g r a b n e r , Um Glaube und Freiheit. Eine kleine Rechtsgeschichte der Evangelischen in Österreich und ihrer Kirche (2007). 50 Mit Feingehalt nach den 1762ff. im Deutschen Reich abgeschlossenen Konventionen. 51 Über die 1845 begründeten Evangelischen Schulanstalten in Oberschützen (Burgenland, damals noch zu Ungarn gehörig) und deren Gründer, den Pfarrer Gottlieb August Wimmer (1791-1863), vgl. B. H. Z i m m e r m a n n , Gottlieb August Wimmer (1965); K. F i e d l e r , Pfarrer, Lehrer und Förderer der Evangelischen Kirche im Burgenland (= Burgenländische Forschungen 40) (1959), bes. S. 165; d e r s . , Das evangelische Schulwesen im Burgenland (1961), und zuletzt den vom Museumsverein Oberschützen herausgegebenen Museumsführer: Dokumentation Pfarrer Gottlieb August Wimmer (2004), S. 39ff.

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weither, so Aladár Mariássy aus Marksdorf in der Zips, mein Genosse, dann | Schüler aus Steiermark und Niederösterreich. Deutsche Lehrer: aus Hessen Karl Rothe, später Direktor in Wien52. Unterricht und Geist waren deutsch, doch wurde auch magyarisch gesprochen, weil Magyaren unter den Pensionären sich befanden: drei Vidos v. Kolta. Mit dem U(nter)g(ymnasium) war ein Lehrerseminar verbunden, dessen Zöglinge in der Vorbereitungsklasse des U(nter)g(ymnasiums) Unterricht erteilten. Im Ort O(berschützen) war die evang(elische) Pfarrei, das Amt, überhaupt alles deutsch, selbst das Pensionat des Juden Mandl. Der schlechteste Lehrer war Zikeli aus Schäßburg, später Direktor, weder fachmännisch noch pädagogisch geschult53. 1858-9 Vorbereitungsklasse, 1859-60 1. Gymnasialklasse beendet. Am 4. Mai 1860 starb mein Bruder Wilhelm an Scharlach, ein ausgezeich┌ ┐ neter Schüler, dritte Gymnasialklasse , von Begabung, fleissig; er liegt in O(berschützen) begraben. Die Krankheit hatte so schnell zum bösen Ausgang sich gewendet, dass meine schwer bekümmerten Eltern den Bruder nicht mehr lebend vorfanden, als sie in O(berschützen) eintrafen. Wenn nicht weisser Schaum aus seinem Munde getreten wäre, hätte man ihn für schlafend halten müssen, als er am 6. Mai zur Beerdigung gehoben wurde. Er war mir ein guter Bruder, treuer Berater und Helfer. Traurige Erinnerungen knüpfen sich jetzt an O(berschützen), so dass ich wieder in’s Elternhaus zurück|kehren musste. Vorerst nahm meine Mutter Aufenthalt in dem benachbarten Säuerlingsbad Tatzmannsdorf, wo sie in der „Mühle“ wohnte und ich sie an freien Tagen besuchte. Nach Schluss des Schuljahres 1859-60 kam ich nach Wien, wo Hauslehrer, Wilh(elm) Albert Wohl, mich unterrichteten. Vater arbeitete im Amt immer in Ueberstunden, hatte keine Zeit, um sich mit mir abzugeben, und so suchte er in Sachsen und Thüringen nach einem Unterkommen für mich. Ende September 1861 fuhr Vater mit mir (Eisenbahn) über Gänserndorf, Brünn, Wildenschwert, Pardubitz, Prag, Melnik, Bodenbach, Pirna, Dresden nach Leipzig. An der Landesgrenze, in Bodenbach, Absperrung aller Wagentüren durch Gensdarmen, welche jedem Reisenden seine Legitimationspapiere, uns die beiden Pässe, abnahmen. Die amtliche Prüfung der Papiere erforderte eine Stunde, worauf alle Reisenden in einen abgesperrten Raum sich zu begeben hatten, wo Rückstellung der unverdächtig befundenen Papiere an deren Eigentümer stattfand. In Leipzig Ankunft nach 20stünd(iger) 52

Dr. Karl Rothe 1862-1872 tätig in der seit 1794 bestehenden Evangelischen Schule, vgl. K. K ä p p e l u. V. P i l e c k e , Die evangelische Schule in Wien (1894), S. 24, 26 u. 41, aber nicht als Direktor, dann im staatlichen Realgymnasium als Naturgeschichts-Professor. 53 Über Friedrich Zikeli (auch Zekely und Szekely geschrieben) († 1881 in Eisenach) siehe V. H. M ö k e s c h , Evangelische Pfarrer und Lehrer aus Siebenbürgen im Burgenland (in: Südostdeutsche Vierteljahrsblätter 24/1975), S. 121. Er kam 1859 nach Oberschützen, war 1863-1865 Direktor, dann als Geologe in Berlin, wohl eher Wissenschaftler als Pädagoge.

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Fahrt auf dem Dresdner Bahnhof, Uebernachten, nächsten Morgen Abfahrt vom Thüringer Bahnhof nach Apolda, von hier mit Omnibus54 über Isserstadt nach Jena, wo im „Schwarzen | Bär“ auf dem Fürstengraben, Lutherquartier55, abgestiegen wurde. Der Abgang von Hause war eine Notwendigkeit, nicht nur weil Vater amtlich und politisch mehr als genügend beschäftigt war, sondern auch weil die Großstadt keine Gelegenheit mir bot zum Verkehr mit Altersgenossen. Den damaligen Spielplatz der Wiener Jugend, das Wasserglacis längs des Wienflusses, durfte ich nicht besuchen, weil man dort leicht „Ungeziefer aufklauben“ könnte. Im Winter konnte ich wenigstens hie und da auf dem Schlitten eines fremden Buben für 10 Kr(euzer) einige Fahrten in den Stadtgraben hinab machen. Da aber meine Mutter gewissenhaft dabeistand, war diese Unterhaltung (beim Franzenstor) nur von kurzer Dauer. So brachte das Eintreten in die Privatlehranstalt des Professors Dr. Gustav Zenker in J e n a56 völlig veränderte Lebensweise für mich. Viele Unterrichtsstunden und Arbeitsstunden, aber auch regelmäßige Pausen zur Erholung im Freien, zum Spielen auf dem Turnplatz, zu regelmäßigen Spaziergängen | und zu Ausflügen in der weiteren Umgebung. Direktor Zenker, der Eigentümer und Leiter der Anstalt, ein tüchtiger klassischer Philologe, legte das Hauptgewicht auf Ausbildung der Schüler in den alten Sprachen. Von Klasse IIb an (13. bis 14. Lebensjahr) war für Realisten neben dem allgemein obligaten Französisch auch englischer Unterricht ermöglicht. Gymnasialschüler verließen in der Regel nach Beendigung der Klasse IIa die Anstalt mit dem Erfolg, daß sie in der Untersekunda eines thüring(ischen) oder preuß(ischen) Gymnasiums eintreten konnten. Die Lebensführung in Zenker’s Institut war einfach, jedweder Luxus in Verpflegung, Kleidung und Wohnung verpönt. …57 | Zenkers Institut hatte Pensionäre, Schüler welche in der Anstalt wohnten, und Städter, Schüler welche außerhalb der Anstalt wohnten und nur zum Unterricht erschienen, in wechselnder Zal: 100 und 70. Die Pensionäre stammten

54

Seit ca. 1825 Benennung für Pariser fiacre mit vielen Sitzplätzen für zahlende Fahr-

gäste. 55

Im August 1524 nach Einführung der Reformation 1523. Sein Quartier heute am Lutherplatz 2; vgl. H. K o c h , Geschichte der Stadt Jena (1966), S. 77. 56 Dr. Gustav Zenker (1808-1875) war seit 1854 auch Titularprofessor der Jenenser Universität. Über sein 1834 begründetes, nach seinem Tode 1876 auch wegen der Errichtung eines staatlichen Gymnasiums in Jena wieder aufgelöstes Schulinternat ist zum Gedenken lediglich am 6. Juni 1934 ein mit H. H. gekennzeichneter Artikel in der 129. Nummer der Jenaischen Zeitung erschienen. 57 Es folgt im „Zeitbuch“ Bd. II, fol. 4v-5v ein detaillierter Stundenplan sowie fol. 6r7r eine Federzeichnung der Anstalt am Jenenser Fürstengraben sowie ein Grundriss mit Beschreibung der einzelnen Räume.

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vornehmlich aus Thüringen, weiter aus verschiedenen preußischen Provinzen, Hamburg, Oesterreich, Sachsen, Rußland. Ende September 1861 Eintritt in Klasse IIIa. Ostern 1862 in Klasse IIb. Ostern 1863 in Klasse IIa. Ostern 1864 in Klasse Ib. Ostern 1865 in Klasse Ia. Ostern 1866 Privat- bzw. Einzelunterricht. Da im Frühjahr 1866 Abgang von Jena nach Wien feststand, erhielt ich im Sommer Einzelunterricht von Lehrer Leo Sachse in Mathematik und Naturwissenschaften. …57 | Im Sommerhalbjahr 1866 ferner Einzelunterricht in Sallust, Ilias und Physik. Im September 1862 Besuch meiner Eltern in Jena und mit ihnen Rundfahrt durch Thüringen: Abfahrt mit fürstlich Thurn und Taxis’schen Postwagen nach Rudolstadt, dann nach Sonneberg. Von hier mit Eisenbahn nach Coburg – auf der Feste Infantrist vor seinem Schilderhaus sitzend, das Gewehr an dasselbe angelehnt – , Eisenach (Wartburg), Gotha, Erfurt und Weimar. In den genannten Orten Aufenthalt und eingehende Besichtigung aller Sehenswürdigkeiten. In Weimar Besuch einer Theatervorstellung. Im Sommer 1863 meine Mutter in Jena für einige Wochen auf Besuch. Im September mit ihr Fahrt über Apolda (Jena – Apolda Wagenfahrt), Leipzig, Dresden, Prag, Wien (übernachtet), Pest, Temeswar, Lugos, Deva, Mühlbach nach Hermannstadt, wo mein Vater als Regalist58 an dem siebenbürgischen Landtage teilnahm. Von Temeswar bis Hermannstadt Fahrt im Postwagen, 36 Stunden. Einschließlich Uebernachten in Wien und in Temeswar dauerte die Fahrt Jena – | Hermannstadt fünf volle Tage, und zwar Jena – Apolda Wagen, Apolda – Temeswar Eisenbahn, Temeswar – Hermannstadt Postwagen. In Hermannstadt Wohnung bei Dr. med. Gottfried Tellmann, Wiesengasse 59 29 , 1. Stock. In Hermannstadt Wohnsitz60 meiner Großmutter, Majorswitwe Elisabeth Dietrich v. Hermannsthal, und deren Tochter Charlotte, geboren 21. Oktober 1834, Stadtprediger Martin Brukatsch mit Tochter Luise (später 58 Regalisten: die vom Landesherrn, also dem König von Ungarn, ernannten Mitglieder des siebenbürgischen Landtages, schon vor der endgültig erst 1868 vollzogenen Union des Großfürstentums Siebenbürgen mit dem Königreich Ungarn. 59 Siehe oben Anm. 46. 60 Laut „Zeitbuch“ Bd. I, p. 172 das Haus Obere Wiese 238, seit 1723 im Besitz der Familie Dietrich, jedoch ca. 1837-1870 auf Josef Andreas Zimmermann als Besitzer überschrieben, „um dem Vater Mitgliedschaft in der Stadtkommunität zu ermöglichen“, die er als Schäßburger und ohne Hermannstädter Grundbesitz nicht besaß. 1869/1870 wurde ein Neubau Wiesengasse 16 errichtet, von F. Z. meist die „Dietrichsburg“ genannt; siehe unten ab Anm. 305. Obere Wiese = der westliche Teil der späteren Wiesengasse, benannt nach dem ehemals unbebauten Terrain zwischen der Wiesen- und der Wintergasse bzw. hinter den Häusern an der Südseite des Großen Rings. Häusernummerierung in Hermannstadts Straßen nach Wiener Vorbild (vgl. C z e i k e , Lexikon III, S. 89f.) erst 1872 (siehe S i g e r u s , Chronik, S. 47).

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verehelichte Samuel Setz) und Sohn Gustav, später Pionieroffizier, dann Eisenbahningenieur61. 1863 wohnten die Eltern in Wien-Neubau, Gardegasse (dann Breitegasse) 14, 2. Stock: 3 Zimmer gegen die Gasse, 1 Kabinet, Küche und Vorzimmer gegen den Hof, hinter den k. k. Hofstallungen, mit Fernsicht auf den Kahlenberg. …62 61 Gemeint ist, dass Pfarrer / Prediger Martin Brukatsch natürlich ebenfalls seinen Wohnsitz in Hermannstadt hatte. Er hatte die Tante von F. Z., Luise Dietrich, 1855 geheiratet, die aber bereits 1856 starb. Aus dieser Ehe stammt der Sohn Gustav. Die genannte Tochter Luise stammt aus einer ersten Ehe des Pfarrers. 62 Ergänzend zählt F. Z. dann hier (fol. 8r-v) noch sämtliche Wiener Wohnungen der Familie Zimmermann auf, die im Laufe der Berichterstattung dann meist noch einmal aufscheinen. Hervorgehoben wird: „Piaristengasse bei Gritti, erste Wohnung mit Parkettfußboden, nur ¼ Jahr bewohnt, weil Hausherr Gritti wegen der vielen Bücher sofort kündigte“; Breitegasse 14 (siehe auch unten bei Anm. 70); Kaisergasse 37, 2. Stock, von Februar 1873 bis August 1875, 4 Zimmer, 1 Kabinet, Küche, Vorzimmer, 1100 Gulden (mit Zinskreuzern) (dazu fol. 40v:) „die schönste unsrer Wiener Wohnungen … mit Gartenbenützung“; Buchfeldgasse 17, 2. Stock bei Professor Dr. Gustav Frank (vgl. Anm. 78) bis Ende April 1897. – Wie kritisch F. Z. die Wohnverhältnisse in Wien und vor allem in Siebenbürgen beurteilte, zeigt in Bd. II, fol. 146v-149v das Kapitel „Ueber Aborte“ (in fast allen von den Eltern, von Verwandten und von ihm selbst bewohnten) Häusern, beschrieben als „Merkmal des Kulturzustandes“ und auch (seiner Meinung nach) als Desiderat der Geschichtsschreibung. Meist gab es bloß Senkgruben außerhalb der Wohnung. Erst 1906 fand F. Z. in seinem Haus in St. Pölten (siehe unten vor Anm. 467) ein Wasserklosett mit Anschluss an die Kanalisation, freilich ohne Anschluss an die Wasserleitung und daher nicht automatisch funktionierend, sondern nur nach Füllung eines hierzu angebrachten Wasserbehälters. – Die Zustände in Hermannstadt vor der Kanalisierung 1906: „1856, Hermannstadt, Wiesengasse, alte Dietrichsburg, Großmutter Elise Dietrich v. Hermannsthal samt Tochter Charlotte. – Abort, ebener Erde in einen Holzschopfen eingebaut, je ein Sitz für Dietrichs (im 1. Stockwerke!) und für die ebenerdige Mietpartei. Senkgrube, betäubender Duft. … 1875 Oktober, Hermannstadt, Wiesengasse 8. Als neuer Archivar. Abort außerhalb der Wohnung, rückwärts im Hofe Holzbude. Senkgrube, ohne Spülung. 1876 Frühjahr, Hermannstadt, Großer Ring 3. Absteigequartier der Eltern, dann als junger Ehemann. – Zwei Aborte außerhalb der Wohnung, gleich neben unsren Ausgängen. Senkgrube, keine Spülung. 1879, Hermannstadt, Heltauerg(asse) 43. – Abort auf offenem Gang, 10 Meter von der Wohnungstüre, Windschloß, im Winter bis an den Sitz zugefroren, eine ekelhafte Erinnerung. Senkgrube, ohne Spülung. 1883, Hermannstadt, Fleischergasse 25. – Abort auf offenem Gang, 6 Meter von der mittlern Wohnungstüre. Senkgrube, ohne Spülung. … 1886, Hermannstadt, Reispergasse 23. – 8 Meter von der Wohnungstüre entfernt, auf offenem Gang. Senkgrube, ohne Spülung. 1889, Hermannstadt, Wiesengasse 29, Otto’s und mein Geburtshaus. – Auf offenem Gange in Treppennische. Senkgrube, ohne Spülung. 1893, Hermannstadt, Straußenburggasse 3, außerhalb der Stadt. – Unsre im 1. (gegen den Garten 2.) Stock gelegene Wohnung hatte den Abort ebenerdig in besondrer Holzhütte, zweisitzig. Um nicht 6 Meter im Freien gehen zu müssen, ließ ich vom Hause aus ein Ziegeldach auf Holzstützen herstellen. Senkgrube, ohne Spülung. 1895, Sept(ember), Hermannstadt, Hallerwiese 5, im eigenen Hause. – 2 Aborte innerhalb der Wohnung, Fenster in Garten. Senkgrube, ohne Spülung. Trotz reichlicher Luftzufuhr Gestank“ (II, fol. 148f.)

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| Die dreiwöchigen „großen Ferien“ erfuhren für mich ausnahmsweise Verlängerung um 8 Tage. Im Oktober Rückkehr nach Jena, begleitet von Franz Gebbel. Fahrt über Temeswar (Wanzengasthof!), Pest, Wien, Leipzig, Apolda. – Ostern und Weihnachten fuhren die meisten Pensionäre ebenfalls nach Hause, zu Pfingsten nur die aus Jena’s Umgebung stammenden Schüler. 1865, am Ostermontag fand meine Konfirmation | in der Hauptkirche von Jena durch Professor Dr. Karl Schwarz statt. Seit Weihnachten Konfirmationsunterricht, während zwei Stunden, Dienstag und Freitag von 12 bis 1 h, zusammen mit einer Gruppe Mädchen, Fräulein Luden (Küchendragoner, wegen ihrer Länge) und Andre, aus ersten Kreisen. Meine Eltern kamen zur Einsegnung. Bei dem Festmahl hielt ich meine erste öffentliche Rede, ohne Zensur selbst verfaßt und frei gesprochen. Sie schloß mit Dank an das spartanische Erziehungssystem Zenkers, welches Gewähr dafür biete, daß der Schüler auch in schwierigen Lebenslagen später unschwer sich hineinfinden werde. – Als Unterrichtshonorar zahlte jeder Schüler Kirchenrat Schwarz 1 Louisdor. – Er sprach frei, gab schriftliche Arbeiten von jeder Stunde zur nächsten und prüfte häufig. Am Ostersonntag fand die Hauptprüfung statt. Ich denke, der glaubte, was er sagte vom Reiche Gottes und von dem ewigen Leben. Im September 1865 Fahrt mit Fräulein Eugenie Zenker, des Direktors Nichte, später Frau Professor Hilgenfeld, über Leipzig, Prag nach Wien, wohin Fräu|lein Eugenie von meinen Eltern eingeladen worden war. In Prag wurde Aufenthalt genommen und bei Professor Blazina gewohnt, dessen Sohn Pensionär bei Zenker war. Besuch bei Schneider Römisch und bei dem Juden Bruser, von welchen 2 bzw. 1 Sohn bei Zenker war. In Wien Besichtigung aller Sehenswürdigkeiten, öffentlichen Sammlungen, wobei Eugenie Zenker als feste Kennerin von Kunstmythologie sich zeigt. Ausflüge in Wien’s Umgebung. In Wien selbst als damalige erste Größe der feenhafte Weghuberpark unterhalb des Neubau’s, wo heute Kinderpark und Lastenstraße liegen63. Im Sommer 1862 und 1863 eintägige Turnfahrt (Fußpartie) in die Umgebung; im Sommer 1864 dreitägige Turnfahrt nach Kahla, Orlamünde, Teichel, Blankenhain (in einer Schmiere Aufführung von Faust), Magdala, Jena. Im Sommer 1865 fünftägige Turnfahrt nach Kahla, […]64 Orlamünde, Rudolstadt, Saalfeld, Ziegenrück, Burgk, Oberschlächtiges Eisenwerk, Burgk, Schleiz, Pösneck, Fröhliche Wiederkunft, Roda, Lobeda, Jena. Im Sommer 1866 (Pfingsten) sechstägiger | Ausflug mit Lehrer Leo Sachse und Hein I aus Düsseldorf auf den Inselsberg, Besuch der Ortschaften Tabarz, Kaberz, 63 Weghuberpark: 1840 von Alfred Weghuber mit Café-Haus eingerichtet, 1865 als Erholungsgebiet von der Gemeinde Wien übernommen und 1887 mit dem Deutschen Volkstheater ausgestattet; vgl. C z e i k e , Lexikon V, S. 595. 64 Spatium von 6 Buchstaben.

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Brottenrode, Ruhla, Winterstein, dann Altenstein und Liebenstein, Eisenach, Wartburg, Marienthal, Annenthal, Drachenschlucht, mit Eisenbahn nach Weimar, zu Fuß nach Jena. Gesamtausgabe für mich 5 Thaler, gleich 15 Mark. In Weimar freies Nachtquartier und zweimal freies Essen bei Sachse’s Eltern. Im April 1866 nimmt mein Vater meinen Abgang nach Wien in Aussicht, mitbestimmend wirkten dabei auch die politischen Verhältnisse65. In Jena hörten wir wenig von Politik. Der Konflikt zwischen Bismarck und dem preußischen Abgeordnetenhaus wurde aber vielfach besprochen, das preußische Junkertum abfällig beurteilt und Einigung Deutschlands durch Freiheit erstrebt, zuerst diese dann jene. Oesterreich konnte wieder wegen seiner nationalen Buntscheckigkeit (Zenker: „Euer Kaiser hat doch eine recht bunte Jacke an.“) und Klerikalismus in Thüringen zu Sympathie es nicht bringen. Man sah die Folgen der Kleinstaaterei („die Raubstaaten“, wie im Preußischen die thüringischen Staaten gleich | den nordafrikanischen Staaten Tunis und Tripolis66 genannt wurden) täglich unangenehm fühlbar, Verschiedenheit in Verfassung, Verwaltung und Recht, Vielgestaltigkeit im Geldwesen, in Maß und Gewicht, im Post- und Eisenbahnwesen. Die Post lag für ganz Thüringen in den Händen der Thurn und Taxis. Eisenbahn gab es allein zwischen Leipzig, Korbetha, Weimar, Erfurt, Eisenach (nach Bebra) und von Eisenach nach Meiningen und Sonneberg – Coburg67 (von Coburg über Lichtenfels nach Bayern). Im September 1866 Abgang von Jena, Fahrt mit Post über Rudolstadt nach Sonneberg. Von hier mit Eisenbahn über Coburg, Lichtenfels nach Erlangen, welches von Preußen besetzt ist. Uebernachten daselbst. Fahrt nach Nürnberg, ebenfalls von Preußen besetzt. Uebernachten daselbst. Fahrt nach Regensburg, von Preußen eben verlassen, von Bayern noch nicht besetzt. Uebernachten daselbst im Gasthof, wo Karl V. gewohnt hat68. Besuch der Walhalla. Fahrt nach Linz, wo in der „Kanone“ (Landstrasse) übernachtet wird. Fahrt nach Melk, wo wir den Bruder meiner Mutter Oberst | Gustav Dietrich v. Hermannsthal mit seinem Jägerbataillon antreffen. Das Bataillon hatte ein Drittel seiner Offiziere und Mannschaften im böhmischen Feldzug69 verloren. Der Onkel war sehr gedrückt und wortkarg. Fahrt nach Wien, wo wir nach siebentägiger Reise (sechsmaligem Uebernachten) eintrafen. Wohnung im siebenten Bezirk (Neubau) Breitegasse (vormals Gardegasse, später Schweighofergasse) 14, 2. Stock Tür 7. Die Wohnung bestehend aus 3 zweifenstrigen Gassenzimmern, 65

Am Vorabend des preußisch-österreichischen Krieges 1866. „Raubstaaten“ wegen der früher von hier aus im Mittelmeer betriebenen Piraterie. Der Vergleich mit Thüringen bleibt unklar. 67 Irrig umgestellt: Coburg – Sonneberg. 68 1546 während eines Regensburger Reichstages: Haus zum Goldenen Kreuz am Haidplatz; vgl. K. M ö s e n e d e r (Hg.), Feste in Regensburg (1986), S. 635. 69 Gegen Preußen. Schlacht bei Königgrätz am 3. Juli 1866. 66

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1 Hofkabinet, 1 Küche, 1 Vorzimmer, 1 kleinem Speisloch und kostete 750 Gulden pro Jahr70. Im Oktober Aufnahmeprüfung im k. k. G y m n a s i u m zu den Schotten71 i n W i e n , Freiung. Eintreten in die VII. Gymnasialklasse, etwas mehr als 40 Schüler. Die Lehrer, Benediktiner, alle tüchtige Fachmänner, so Hauswirth für Religion und Geschichte72, Mareta für Deutsch und Latein, Frieb für Griechisch, Gschwandtner für Mathematik, Physik und Philosophische Propädeutik. In der VIII. Klasse war Kickh unser Lateinlehrer. In Mathematik und Physik mußte ich fest arbeiten, um mich behaupten zu können und am | Schluß des Winterhalbjahres 1867/8 den elften Rangplatz zu erreichen. Der Unterricht wurde nur vormittags von 8 bis 12 1/2 h (10 h Messepause) erteilt. In einem Halbjahr gelangte ein Schüler aus jedem Gegenstand drei- bis viermal zur Antwort. Bei weniger oder nicht entsprechender Leistung konnte er sich zur Verbesserung melden, wobei das ganze bisherige Klassenpensum Gegenstand des Ausfragens bildete. Die Schulzimmer waren groß, hoch und hell, die Bänke aufsteigend, so daß der Ueberblick vom Katheder aus möglich war. Nur sehr schwer konnte gemogelt werden, da die Beaufsichtigung während geschlossener Arbeiten strenge war. Zum mündlichen Befragen mußten immer 3 bis 5 Schüler unmittelbar vor dem Lehrer antreten, mit dem Rücken gegen die erste Schulbank gestellt. Die Lehrer waren strenge, aber freundlich, machten treffende Bemerkungen; Frieb Humorist erwähnte Freitags gern, daß er nach dem Unterricht zum „Blumenstöckl“ auf Frühschoppen gehen werde. Am 31. Juli 1868 mündliche Maturitätsprüfung, vor- und nachmittag, bis nach 6 h. – Selbiger | Abend Zusammenkunft der Abiturienten beim „Schottenhammer“ I. Naglergasse. Dauer bis Mitternacht, der einzige Abend, welchen ich mit meinen Wiener Mitschülern731866 bis 1868 an öffentlichem Orte verbracht habe.

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Siehe bei Anm. 62. Seit 1807 bestehend; vgl. A. H ü b l , Geschichte des Unterrichts im Stift Schotten in Wien (1907), S. 99ff.; C z e i k e , Lexikon V, S. 140. 72 Ernst Hauswirth (1818-1901), seit 1852 Stiftsarchivar, dann ab 1881 Abt. Er war sicher nur der Geschichtslehrer von F. Z. Dass der Sohn des Evangelischen Konsistorialpräsidenten katholischen Religionsunterricht besucht habe, ist wohl unvorstellbar. Doch die Wahl dieses Gymnasiums anstatt einer staatlichen, nichtkonfessionellen Anstalt ist auffällig und erklärt sich aus deren gutem Ruf und der irenischen Gesinnung des Vaters. Seit Gründung des Gymnasiums 1807 war es rechtens, dass die „Akatholiken“ von ihren zuständigen Religionslehrern unterrichtet wurden und eine Teilnahmebestätigung am Religionsunterricht für die Klassifizierung im Zeugnis ausgestellt bekamen und vorlegen mussten; vgl. H ü b l (wie Anm. 71), S. 124. 73 Eine Liste der Abiturienten von 1868 findet sich bei H ü b l (wie Anm. 71), S. 297. Hier auch der Name von Franz Zimmermann. 71

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Die Jahre 1866 bis 1868 waren ausschließlich der Arbeit gewidmet, auch in den Ferien und an Feiertagen. Keinen einzigen Ausflug durfte ich unternehmen. Mit meinen Eltern an Wochentagen nachmittag bzw. abends Omnibusfahrt nach Schönbrunn, Gang durch den Park zu Domayer in Hietzing; Omnibusfahrt nach Döbling und Hohe Warte (Kaffeehausbesuch); Gang in den Stadtpark (Kursalon). Meine Unterhaltung bestand im Besuch des Dianabades oder der am Kaiserwasser liegenden Militärschwimmschule (im Sommer), und Eislaufen auf dem Eislaufplatz am Stubenring (30 Kreuzer für einmaliges Laufen), aber teuer und deshalb selten. Anfang August 1868 mit den Eltern Fahrt nach Toblbad bei Graz. Besichtigung der Stadt, Schloßberg, Hilmerteich, abends Theater. Mein Vater, seit November 1850 in Wien im Dienst, hat erst diesen Ur|laub als Erholungsurlaub erbeten und erhalten, wegen Schwindelanfällen. Dieser wegen hatte er im Jahre 1865 dem Biertrinken entsagt. Wein hat er nicht getrunken bis zum Jahre 1887, als nach schwerer Anthrax-Erkrankung74 ein Gläschen Wein ihm verordnet wurde. Der Vater benützte aber den Toblacher Aufenthalt nicht kurgemäß. Er saß meist im Kursalon oder auf dem Zimmer über Zeitungen, badete wohl, aber ging nicht in die Anlagen oder sonst spazieren. Einmal bestimmte Mutter ihn mitzugehen in der Richtung auf Liboch75. Nach 1/4 stündigem Gehen sagte er zu Mutter: „Ech wies net, wo ech bän“76, und wir mußten umkehren. Mitte September nach Wien. Im Oktober 1868 Immatrikulation als stud. phil. an der U n i v e r s i t ä t W i e n und als außerordentlicher Hörer an der k. k. evangelisch-theologischen Fakultät77 IX. Mariannengasse. Ich besuchte philologische Vorlesungen, bei Prof(essor) Vahlen und Privatdozent Hartel, Theolog(ische) Enzyklopädie und Literaturgeschichte bei dem im Jahre 1867 aus Jena berufenen Prof(essor) Gustav Frank, meinem Lehrer78 in Jena. Frank heiratete bald ein Fr(äu)l(ei)n Maria Nagy und mit | ihr das Haus Buchfeldgasse 17, wo später auch meine 74

Milz. Zu des Vaters Kehlkopfleiden infolge starken Rauchens siehe unten bei Anm. 141. Richtig: Lieboch, keine 3 km westlich von Toblbad entfernt. 76 Bd. II, fol. 41v schreibt F. Z.: „Meine Eltern sprachen miteinander immer im sächsischen Dialekt, mit mir immer hochdeutsch. Die ersten sächsischen Worte habe ich mit meinen Eltern gewechselt Ende der 80er Jahre.“ Gleichwohl konnte F. Z. am siebenbürgisch-sächsischen Wörterbuch mitarbeiten; vgl. unten S. 149. 77 Die 1821 begründete Evangelisch-theologische Lehranstalt in Wien, 1850 zur Fakultät erhoben, wurde erst 1922 in die Wiener Universität eingegliedert; vgl. K. S c h w a r z , Die Inkorporation der Evangelisch-theologischen Fakultät in die Alma Mater Rudolfina im Jahre 1922 (in: Wiener Jahrbuch für Theologie 2/1998, S. 393-428); weiters RGG VIII Sp. 1539. 78 Davor Cicero (?). Über Gustav Frank (1832-1904), Professor für Systematische Theologie an der Wiener Evangelisch-theologischen Fakultät, vorher seit 1859 Privatdozent in Jena; vgl. ÖBL I, S. 343. 75

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Eltern gewohnt haben79. Im Oktober meldete ich mich bei den „Neuen Akademischen Blättern“ (Leipzig, Priber) als Berichterstatter und lieferte Beiträge80 bis zum Frühjahr 1869. Ausgenommen den Besuch des Silesen-Kommerses (24. November 1868 mit Küfferle, Mohl und Andern) und des Lesevereins-Kommerses (7. Dezember 1868, Vereinspräsident Muth gegen Prosinagg, präsidierte und wies die Gegnerschaft zweimal scharf ab, unbekümmert um deren Mehrheit) kein einziger Kneipenbesuch oder geselliger Verkehr. Auf dem ersten Kommers die Redner Scherer und Bernd von hinreißender Wirkung, auch Hößlinger sprach gut. Am 7.XII. sprach Bernd wieder ausgezeichnet, zweifellos der Kopf der Silesia81 damals, bis über die nächsten Jahre hinaus, auch als Inaktiver Leiter der Burschenschaft. Die übrigen auf diesen Kommersen vertretenen Kulörs machten den Eindruck tiefster Blasenhaftigkeit82. Der Wiener Aufenthalt 1866 bis 1869 bot nicht so geselligen Anschluß wie das Jenenser Leben83, ja es streifte schon das Arrestmäßige, weshalb ich hinausstrebte. Vater wollte mich noch Philologie treiben lassen, | obwohl ich Geschichte als Hauptfach mir gewählt hatte, und so ging’s nach L e i p z i g , wo Ritschel und Curtius lehrten. Mit dem Personenzug Nordbahn verließ ich an einem Apriltag 1869 abends Wien und fuhr über Lundenburg, Brünn, Wildenschwert, Prag nach Dresden. Noch einmal hatte ich doppelte Wäsche angelegt als das übliche Reisekostüm. Mit einigen Gulden und Thalern in der Tasche – mein Monatsgeld sollte ich in Leipzig beheben – saß ich im Gefühle vollster Freiheit im Eisenbahnwagen und blickte in die schönen Frühlingsfluren an der Elster. In Bodenbach, an der sächsischen Grenze, fand Paß- und Gepäckrevision statt, etwas weniger umständlich als in früheren Jahren84. In Dresden Aufenthalt, Besichtigung der Sehenswürdigkeiten, Besuch bei Karl Badewitz (früher Turnlehrer in Hermannstadt), welcher mich mit Ernst Lüdecke bekannt machte. Mit diesem Ausflug in Plauenschen Grund. 79 Laut Bd. II, fol. 8v (siehe oben Anm. 62) bis April 1897 die in Wien von dem seit 1874 pensionierten Vater Josef Andreas Zimmermann beibehaltene Wohnung trotz längerer Aufenthalte in Hermannstadt (siehe unten S. 121). 80 Anscheinend anonym; jedenfalls ließen sich keine mit seinem Namen gezeichneten Artikel finden. 81 Über die von Wiener Studenten aus Österreichisch-Schlesien 1860 aus Protest gegen die von der Regierung geplante administrative Vereinigung ihrer Heimat mit Galizien begründete Burschenschaft Silesia und deren Leseverein in jener Zeit vgl. B i l g e r , Silesia, darin S. 17ff. auch über die angesprochenen Vorkommnisse vom 24. November und 7. Dezember 1868. 82 Blasiertheit? Aufgeblasenheit? Hochmütigkeit? 83 Siehe oben S. 32ff. 84 Siehe oben S. 31ff.

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Leipzig hatte Messe, infolge dessen alles überfüllt. Im Hotel „Liebe“ fand ich nur ein Hausknechtlager. Einmietung in der Lessingstraße, ein Zimmer mit Bedienung 5 Thaler monatlich, teuer. Immatri|kulation. Vorlesung bei Ritschel und Curtius über Plautus und italische Dialekte besucht. Das Schachertreiben in der Stadt, viele Juden, widerte mich an, weshalb ich auf einige Tage nach Jena fuhr, zu meinem Schulfreunde Anton Paulsen, welcher Arminenfuchs war. Auf dem Burgkeller, in Zwätzen, bei Schuldirektor Zenker eingeladen, mit den Arminen Ausflug auf die Rudelsburg, von dort Rückfahrt nach Leipzig. Während der Pfingstfeiertage Ausflug nach Gotha zu Mitschüler Böhme und mit diesem über Triberg, Korberg auf den Inselsberg. Am 7. Juni 1869 in die B u r s c h e n s c h a f t D r e s d e n s i a 85 eingetreten, im Ganzen mehr als 20 Aktive, darunter 6 Confüchse (Reiche, Herwig, Krafft, Meißner, Sterz, Hilpert). Mein Laibbursch Ernst Kleeberg stud. jur. aus Mühlhausen, mein Stubenknochen Karl Pietschker, stud. theol. aus Cöthen, zu welchem ich in die Sternwartenstraße zog, 1 Zimmer gegen die Strasse im 1. Stockwerk, 1 Schlafkammer g(e)g(en) den Hof, Bettwäsche, Bedienung und Frühstückkaffee mit 1 Brödchen, für beide zusammen 6 Thaler = 18 Mark monatlich. Die Kneipe, unser Mietlokal, war bei Schilling, Eck der Roß- und Nürnbergerstrasse. Das Verbindungsleben war gegen spätere Erlebnisse in deutschen burschenschaftlichen Kreisen in den | Jahren 1890, 1891, 1893, 1896 und 1898 sehr bescheiden und nüchtern. Collegienbesuch, seitens der älteren Burschen Seminarbesuch war gut. Die Mehrzahl der Aktiven nahm an den Unterhaltungen der Gesellschaft „die Rose“ teil, Besuch der beiden Stadttheater und der Gewandhauskonzerte. Teilnahme hieran wie auch Besuch öffentlicher Vorträge an nichtamtlichen Abenden entband vom Besuch der Kneipe. Es fanden statt: Montag Konvent, Donnerstag wissenschaftlicher Abend, Sonnabend Kneipabend, Sonntag und Mittwoch nachmittag Landbummel, an jedem Wochentage 4 bis 5 Fechtboden. Der Kneipabend begann 8,15 h 85 K. R ö m p l e r, Festgabe zum 50. Stiftungsfeste der Burschenschaft Dresdensia zu Leipzig 1853-1903 (Göttingen 1902). Im „Zeitbuch“ findet sich in Bd. I, p. 45-90 ein MitgliederVerzeichnis der Leipziger Dresdensia zu damaliger Zeit sowie anderer Korporationen mit im Folgenden öfters genannten Personen (vgl. unten im Register). Aus Siebenbürgen werden genannt: p. 68 Michael Rosenauer aus Mediasch, stud. theol. et hist. – p. 69 Gottlieb Theil aus Bogeschdorf, stud. theol. – p. 73 Heinrich Brandsch aus Mortesdorf, stud. theol. – p. 80 H(ugo) Meltzl (v. Lomnitz) aus Sächsisch Reen, stud. phil. – p. 81 J. Meyndt aus Birthälm, stud. theol. – p. 83 C. Reissenberger aus Hermannstadt, stud. theol. et phil. – p. 84 J. Schuster aus Mediasch, stud. theol. „guter Schläger“ – p. 88 A. Schiel aus Kronstadt, stud. philol. Vgl. dazu Th. F a b i n i , F. Te u t s c h , Die Studierenden aus Ungarn und Siebenbürgen auf der Universität Leipzig von der Gründung derselben 1409 bis 1872 (in: Archiv des Vereins 10/1872, S. 414f.). – Leibbursch = Freund; Stubenknochen = Zimmergenosse; vgl. F. G o l ü c k e , Studentenwörterbuch (1987).

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und schloß 3/4 11 h, ohne jede Verlängerung. 11 h war die amtliche Sperrstunde Leipzigs. Semesterantritts- und Schlußkneipe dauerten zufolge Erlaubnisscheines der Stadtbehörde bis 12 h, Kommerse bis 2 h. Das Mittagessen nahmen ┌ ┐ die Dresdenser in einem bestimmten Lokal (Hotel de Saxe) ein , woran ein kurzer Abstecher (im Winter) nach dem Kaffee Felsche (Ecke Grimmaische Strasse und Augustusplatz) oder (im Sommer) zu Bonorand im Rosenthal sich schloß. Sonntags 12 h fand amtlicher Frühschoppen statt, regelmäßig nicht länger als eine Stunde dauernd. Das offizielle Kneipen artete niemals aus; auch bei unseren Verkehrsgästen, zum Beispiel | bei dem Süddeutschen und dem Grünweißroten Kartell kannte man ein Durchkneipen der Nacht nicht. Vereinzelt gab es Trinker, in der Dresdensia Sperber (wohnte über einer Bierwirtschaft!) und Carstens, die aber unter den Aktiven Saufbrüder nicht fanden, sondern heimlich expurigten, ersterer war polnischer Herkunft, letzterer aus einer Seestadt schon als Pennäler ans Kneipen gewöhnt. In zwei Semestern habe ich’s nicht erlebt (wohl aber 1893), daß durch Spinnenlassen86 ein Aelterer in nicht zwei Stunden einen jüngeren fröhlichen Bundesbruder vollständig trunken gemacht hat. Zu übermäßigen Zechen fehlte es an der Zeit, weil zu allen amtlichen (offiziellen) Veranstaltungen nüchtern angetreten werden mußte, besonders aber weil es nicht üblich war, über die Schnur zu hauen87. Auch hätte es an Geld gemangelt. Die Monatswechsel beliefen sich meist auf 25 bis 30 Thaler, Pietschker 25 Thaler, und die erforderlichen Freßkisten mit Butter, Wurst, Schinken, um das Abendbrot im Wirtshaus ersparen zu können. Die Gesamtausgaben meines Vaters für mich in Leipzig bis zur Exmatrikulation (April 1869 bis April 1870), Matrikeltaxen, Kollegiengelder, Monatswechsel, Kleidung, Bücher, Reisen, betrugen monatlich 68 Thaler = 204 Mark; zwei Ferienmonate (August und September, genau Mitte | August bis Mitte Oktober) abgerechnet gibt das für zehn Monate 2040 Mark; dabei kommt in Betracht, daß ich die (damals teure) Fahrt Wien – Leipzig hin und zurück dreimal machte. Mensuren88 1 bis 2 pro Mann und Semester. Ich kam erst im November 1869 auf Mensur, dann zweimal im Februar mit den Germanen Knochenhauer, 86 Spinnen lassen? Keine Erklärung dafür in F. G o l ü c k e , Studentenwörterbuch (1987). Expurigare = expurgare = (sich) reinigen, oder: verschrieben aus expurgieren = erbrechen, kotzen. 87 Die Schilderung steht im Kontrast zu den Eindrücken des Vaters vom Studentenleben; vgl. unten nach Anm. 97. – Im „Zeitbuch“ Bd. II, fol. 97r-100v hat F. Z. beschrieben „Wie ich enthaltsam wurde“, was auf 1896 datiert und mit Warnungen vor Produkten der Hermannstädter Drei-Eichen-Brauerei begründet wird. Die Studentenzeit in Leipzig und Wien wird nicht mehr angesprochen. 88 Die Regeln der Mensuren hat F. Z. im „Zeitbuch“ Bd. I, p. 90-107 unter dem Titel „Paukcomment der D(resdensia) vom J(ahre) 1865“ wortwörtlich abgeschrieben.

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Ortweiler und Sch[…]89, wobei ich auspaukte (15 Minuten), 10 Blutige und 4 Nadeln einsteckte und 4 Blutige austeilte: „Silentium für 1 Gang Schläger auf 15 Minuten mit abgetretenen Sekundanten. Silentium! Das Spiel beginnt. Auf Mensur! Bindet die Klingen! Sind gebunden, los!“ – Die Mensuren fanden in der Stadt Leipzig statt, gewöhnlich im Tanzsale der Vereinsbrauerei (wo bei einer Abfassung die Braugehilfen wirksam eingriffen), auch im „Eldorado“ (Ecke der Rosentalstrasse) und in der Reutnitzer Brauerei. Die Korona setzte sich aus Verkehrsgästen und aus Philistern90 zusammen. Wie in Jena so herrschte auch in Leipzig größte Ruhe, man hörte nur das Anschlagen der Klingen (Glockenschläger91) und die Rufe der Sekundanten vor dem Einspringen. Die Auslage war frei, Kopfwendung beziehungsweise Drücken verboten. Der Paukarzt war ein alter Chirurg, der nur mit Wasser, Scharpie, Heftpflaster, Nadeln und Kompressen ar|beitete, dabei möglichst wenige Nadeln setzte, weil diese gezählt wurden. Im Sommer 1869 hatte die Dresdensia Contrahage-Mensuren92 mit den Hallenser Normannen, in Halle im Freien ausgeschlagen. In Paukverhältnis standen wir mit den B(urschenschaften) Arminia und Germania, von welchen wir beiläufig den Semestern entsprechend jeder eine Anzahl Karten holten. In einer Wirtschaft außerhalb der betreffenden Burschenschaftskneipe: „Ich wünsche mit Ihnen zu hängen“, worauf Kartenwechsel erfolgte. Auf Grund dieser Karten stellten die Fechtwarte die Mensurpare zusammen, was auch ohne vorher erfolgte Contrahage ziemlich nach gleichen Semestern geschah. Hilpert hatte mit den Lusaten (Corps, bei welchem mein Mitschüler Schalk aktiv war) eine unblutige Pistolenmensur, wofür er drei Monate Pleißenburg bekam, ein teurer Spaß für ihn wie für uns, da wir als Besuchstaxe 2 1/2 Groschen bar erlegen mußten. Im Hof der Pleißenburg ging man zu einer geschlossenen Tür eines Turms und läutete; dem die Türe öffnenden Kastellan händigte man 2 1/2 Groschen ein, worauf man die Treppe hinauf zu Hilpert geführt wurde. – Das Leben in der Verbindung bot viel Anregung schon durch die Herkunft der Leute aus den verschiedensten Gegenden, Preußisch Sachsen, Königreich Sachsen, Thüringen, Anhalt, Ostpreußen; im Winter 1869/70 | kam der Steirer 89

Spatium von ca. 6 Buchstaben in der Handschrift. Der Name ist nicht zu identifizieren. H. L e o n h a r d t , Geschichte der Leipziger Burschenschaft Germania (1818-1928) (1928) nennt S. 216 (allerdings zum Sommersemester 1869) nebst den Genannten: Gustav Scheibler, Alfred Schröder und Wilhelm Schmidt, sonst niemanden mit Sch am Anfang des Familiennamens im Wintersemester 1869/1870. 90 Verkehrsgäste: Mitglieder anderer studentischer Verbindungen; – Philister: Nichtakademiker. 91 Fechtwaffe mit halbkugelförmiger Metallglocke statt eines Korbes unterhalb des Griffs. 92 Duell zur Wiederherstellung der verletzten Ehre; von lateinisch contrahere = sich vereinbaren. Siehe auch gleich unten: hängen, von -hage.

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Hermann Pesendorfer dazu. Die zwei Siebenbürger93 schliefen täglich bis 12 h, waren forsche Schläger, aber sonst nach Kenntnissen und Benehmen gesellschaftlich unbrauchbar, kamen auch bald außer Verband. Sehr groß war die Zahl der Verkehrsgäste, allwöchentlich das Süddeutsche Kartell (das heißt die aus diesem Kartell in Leipzig studierenden Auswärtigen), das Grünweißrote Kartell, Rugier, Berliner Germanen, Bonner Franken; zu verschiedenenmalen Arminen a(us) d(em) Burgkeller, Bubenreuther, Breslauer Arminen, Gothen. Der Rugier Berendes (altes Haus mit uns verkehrendes), der Kieler Teutone Detlefsen und Andre verkehrten täglich mit uns. – An Privathäusern stand mir nur das Prof(essor) Fricke’s (Gustav Adolfvereins-Vorsitzenden94) offen; war dort nichts los infolge Pech mit dem männlichen Nachwuchs; mit einigen Besuchen und Candidaten-Thee’s war die Sache erschöpft. Mein Vater hat Beziehungen nicht angestrebt und so konnte er seinem Sohn nirgend die Türe öffnen. Zum Verbindungsleben gehört der Skat, ohne welchen Leipziger Studenten kaum denkbar waren. Nachmittags kurzer Skat um die Kaffeezeche (15 Pfennige) und an Abenden Bierskat um die Bierzeche. Letzterer Skat | wurde meist mit erlaubtem Mogeln gespielt; im Abfassungsfalle kostete ein Mogelfall 1 Strich. Um Geld zu spielen war nicht üblich. Im August folgte ich einer Einladung meines Laibburschen Kleeberg zu seinen Eltern nach Mühlhausen i(n) Thüringen, wo auch die Dresdenser Mehmel und Herwig zu Hause waren. Aufenthalt einige Tage. In demselben Monat Fahrt nach Wien, vorher den Silesen v. Muth begrüßt, welcher frisch verhauen von Göttingen durch Leipzig nach Wien fuhr. Während der F e r i e n i n W i e n (VIII. Breitegasse 14, 2. Stock) einige male bei Silesia (VII. Kochgasse 9 „Brauner Hirsch“) gewesen, doch nur drei getroffen, sicher Muth und Bernd. Mit meinen Eltern, Konrad Schmidt und dessen jüngsten Sohn Hermann einen Ausflug gemacht nach Korneuburg, von dort in Kahnfahrt (der Fährmann zu Schmidt auf dessen Frage: ob der Kahn auch umschlagen könne – „A Loch wirt’s a nöt in der Welt geben“) nach Klosterneuburg (Stiftskeller). –

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Theil und Schiel; siehe oben Anm. 85. Gustav Adolf Fricke (1822-1908), seit 1867 in Leipzig, Präsident des Gustav-AdolfVereins 1874-1899; vgl. F. H ä u s s e r , Geschichte der Universität Leipzig, Bd. IV/1 (2009), S. 75. Im „Zeitbuch“ Bd. III, p. 25-28 findet sich kopiert „Ein Erinnerungsblatt an Josef Andreas Zimmermann“ betreffend dessen Bemühungen um die Gründung eines „Vereins der Gustav-Adolf-Stiftung in Österreich“ und dessen Anschluss an den deutschen Hauptverein, wohl erst nach 1920 verfasst, Hg. Z i m m e r m a n n , Zimmermann über Zimmermann (wie oben Einleitung, Anm. 1, im Anhang). 94

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Unter dem Schutze des Bistritzer Tschismenmachers95 Ziegler, mit dessen Sohn stud. med. Gottfried Ziegler (später Arzt in Heltau bei Hermannstadt, dann in Bistritz) | und noch zwei Siebenbürgern durfte ich einen Ausflug Graz, Adelsberger Grotte, Triest machen. Als wir auf großem Lloyddampfer die Golffahrt antreten sollten, fehlte Ziegler senior; ich schnell in Wagen zum Gasthof gerast, wo der Gesuchte in tiefstem Schlafe lag; als wir zum Abfahrtsmolo kamen, dampfte unser Schiff in See. Wir besichtigten die Schiffswerfte, badeten (September) einige male im Meere und machten eine Bootsfahrt nach Capodistria. Auf der Rückreise Besuch von Graz. Im Oktober Fahrt nach L e i p z i g . Ende des Monates Rektoratswechsel, Fackelzug, wobei ich erstmals chargierte, darauf Dresdenser Kommers mit allen Verkehrsgästen neben dem Johannisfriedhof. Weihnachtsfeier der sechs verbliebenen Dresdenser auf meiner Bude. Im Januar 1870 zwei Rose-Abende, womit unsere Faschingsfreuden erledigt waren96. Im März Heimfahrt nach Wien, von der letzten Mensur, oberhalb des linken Auges frisch angeschnitten. Das war ein Empfang! Meines Vaters Stimmung war von schäbiger Seite97 vorbereitet worden. Er selbst hatte im Ganzen vier Semester auf dem königlichen Lyzeum und dann | (im 2. Studienjahre) auf dem Reformierten Collegium in Klausenburg studiert98. Beide Anstalten waren Schulen mit Pflichtbesuch und Halbjahrsprüfungen. Für deutsches Studentenleben fehlte ihm Verständnis. Nach seiner Anschauung glich die Mensur einer Walachen-Prügelei, de cu boz (mit dem Knüttel), wie er sich ausdrückte. Burschenschafter (Siebenbürger), besonders der Jenenser Teutone Schotsch, hatten ihn geprellt; Schotsch hatte sich sogar von Schuldirektor Zenker unter Berufung auf meinen Vater 200 Thaler herausgeschwindelt. 1867 die Pisto-




Tschismen von ungarisch csizma = Stiefel. Im „Zeitbuch“ Bd. I, p. 41-44 findet sich ein „Tagebuch aus Leipzig“ über die Zeit nur vom 14. bis 17. Dezember 1869 mit vor allem Notizen über Ereignisse in den studentischen Verbindungen. 97 In Bd. II, fol. 67r wird ein Heinrich Brandsch genannt. In der Liste der Leipziger Studenten (Anm. 85) wird er als Theologe aufgeführt. 98 Gemeint sind die Vorläufer der 1872 begründeten Klausenburger Universität: die unter Kaiser Josef II. aus dem Jesuitenkolleg erwachsene Hochschule („Lyzeum“) und das 1659 aus der von Fürst Gabriel Bethlen begründeten Lateinschule umgewandelte Kollegium der ungarischen Reformierten Kirche, vor der Errichtung der sächsischen Rechtsakademie (1844) in Siebenbürgen die einzige Möglichkeit für höhere Studien; vgl. über das Kolleg J. T ö r ö k , A kolozsvári ev. ref. kollegium története (Klausenburg 1905); Şt. P a s c u , Die Babeş-Bolyai Universität aus Cluj (Cluj 1972), S. 8ff.; M. B u c s a y, Der Protestantismus in Ungarn (1977-1979); und vor allem J. Va r g a , Protestantische Hochschulbildung in Siebenbürgen vom 16. Jahrhundert bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts (in: M. F o n t u. L. S z ö g i (Hgg.), Die ungarische Universitätsbildung und Europa, Pécs 2001, S. 173-182), sowie auch die anderen Beiträge in diesem Sammelband über eine im Jahre 2000 in Fünfkirchen veranstaltete wissenschaftliche Tagung. 96

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lenmensur für Schotsch – Saxone Lagerbauer in Kritzendorf, auf welcher letzterer erschossen wurde. Von Leipzig aus sendete der Siebenbürger Sachse B(randsch) eine Studentenfotografie an meinen Vater, die einen Studenten in Wichs, mit langer Pfeife, kneipend darstellte, worunter ein Spottvers des Sinnes: Dein Sohn studiert sehr fleißig. (Diese Sendung gelangte 1897 nach Vaters Tode zu meiner Kenntnis, als ich seinen Schreibtisch vornahm.) Als ich in meinem Einspänner vorfuhr, hatte ich 1 Thaler und einige Groschen bei mir, aber kein österreichisches Geld; Vater bezahlte den Einspänner und nahm dafür das deutsche Geld mir ab. Ich kam vollständig in Verschiß, auch die Mutter klagte über das entstellte Gesicht, in | welchem drei ältere Tiefquarten (aus November 1869), eine Hochquart und zwei Nasenschmisse (aus Februar 1870)99 sichtbar waren. Leider, ┌ ┐ konnte ich sagen, war der Kopf unberührt geblieben. Mit der Leipziger Herrlichkeit war es vorbei, ich sollte mich in Wien einschreiben lassen und mit 1. Oktober mein Einjährigen-Dienstjahr100 antreten, nachdem ich im Oktober 1869 zum 72. Infanterie-Regiment assentiert worden war. Im April sollte Vater kirchliche Angelegenheiten i n L e i p z i g u n d D r e s d e n ordnen; ich erwirkte, mich ihm anschließen zu dürfen behufs Exmatrikulation und Verabschiedung von den Dresdner Alten Herren. Dies Wort brachte ernüchternde Einwirkungen auf ihn hervor, er fragte genauer nach den Alten Herren und zeigte sich sehr erstaunt darüber, daß ehemalige aktive Dresdenser es zu Amt und Würden gebracht hätten und mit der Burschenschaft noch immer in Fühlung ständen. In Leipzig übergab ich die Kassenbücher und ward ohne Band entlassen, weil laut Kartell mit Silesia (Wien) und Stiria (Graz) ich in Wien als Silese hätte aktiv werden müssen, was häuslicher Verhältnisse halber eine Unmöglichkeit war. In Dresden verbrachte ich mit den Alten Herren einige Stunden in einer Gastwirtschaft (Matthei, Jenke, | Lotze usw.) und fand mich nach Vorschrift vor 11 h abends im Gasthof ein. Vater fragte, ob auch anderswo alte Dresdenser wohnten, worauf ich einige Namen und Wohnorte nannte. Damit war Dresdensia für ihn erledigt, er schien beruhigt zu sein darüber, mich von Leipzig losgelöst zu haben. Aber etwas Schreckliches widerfuhr ihm doch noch von dort; der alte Kulördiener Degen schickte, ohne mich vorher zu mahnen, eine Tretung wegen nicht mehr als 5 Thalern = 15 Mark unmittelbar an Vater in dessen Amtskanzlei. Das setzte einen Höllenlärm ab, und doch war das die einzige Schuld, welche Vater nach mir zu begleichen hatte.

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Über die beiden Mensuren siehe S. 41f. Siehe unten S. 50ff.

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Ueber Auftrag Vaters belegte ich weiter altphilologische Vo r l e s u n g e n , die ich aber nicht besuchte, ein Glück, daß ich darnach nicht befragt wurde; auch mußte ich bei Reméle Magyarisch belegen, was ich besuchte, wie auch Conze’s Vorträge über Geographie und Topographie von Hellas, sehr interessant, weil Conze selbst dort Studien gemacht hatte. Der Wiener Aufenthalt brachte mir nach zwei Seiten großen Gewinn. Bücher gab es mehr, als ich lesen konnte: Sugenheim „Deutsche Geschichte“, Häusser „Deutsche Geschichte“, Tellkampf „Die Franzosen in Deutschland“, Curtius „Griechische Geschichte“, Peter „Geschichte Roms“, Wattenbach „Geschichtsquellen im | Mittelalter“, Fortsetzung von Lorenz, Ranke „Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation“, desselben „Römische Päpste“ boten reichlich Beschäftigung101. Davon wurden Curtius und Peter bald auf die Seite gelegt. Dann saß ich wöchentlich mindestens einmal, auch öfter sobald Besuch kam, bei Vater im Kolleg. Im Jahre 1868 war Komes Konrad Schmidt (8. Februar 1868 durch magyarischen Eingriff widerrechtlich pensioniert) nach Wien übersiedelt102; jeden Samstag abend fand er sich etwa 6 h bei Vater ein, welcher in gewandtem Redefluß mit Schmidt über öffentliche Angelegenheiten, über Gegenwart und Vergangenheit, über Unterrichtswesen, Kirchenfragen und Politik sprach; von 1/2 8 bis 3/4 10 h fand das Gespräch während des Abendessens in meiner Gegenwart statt. Siebenbürgen und Ungarn kannte er genau, die österreichische Geschichte und die politische deutsche Entwicklung waren ihm geläufig, seine Belesenheit groß. Es galt als Zeichen besonderen Vertrauens zu den Zuhörern, wenn er seinen Vortrag unterbrach, ein Buch herbeiholte und ┌ zum besseren Verständnis des Gegenstandes einen Abschnitt selbst vorlas, zu ┐ welchem er aufklärende Bemerkungen machte . Viel konnte man von dem Manne lernen, dessen | Berufsstellung schon soviel Arbeit für ihn brachte, an welcher Andre genug gehabt hätten. Er fand noch Zeit, um ungezählte Bücher

101 Die genannten Werke sind: S. S u g e n h e i m , Geschichte des deutschen Volkes und seiner Kultur, 3 Bde. (Leipzig 1866); L. H ä u s s e r , Deutsche Geschichte vom Tode Friedrichs des Großen bis zur Gründung des Deutschen Bundes, 4 Bde. (3. Auflage, Berlin 1861-1863); J. L. Te l l k a m p f , Der Norddeutsche Bund und die Verfassung des Deutschen Reiches (Berlin 1866); E. C u r t i u s , Griechische Geschichte, 3 Bde. (Berlin 1857-1867); H. P e t e r , Der Krieg des Großen Kurfürsten gegen Frankreich 1672-75 (Halle 1870); W. Wa t t e n b a c h , O. L o r e n z , Deutschlands Geschichtsquellen im Mittelalter von der Mitte des 13. bis zum Ende des 14. Jahrhunderts (Berlin 1870); L. R a n k e , Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation, 8 Bde. (Berlin 1839-1846); L. R a n k e , Die römischen Päpste, ihre Kirche und ihr Staat im 16. und 17. Jahrhundert, 3 Bde. (Berlin 1834-1836). 102 Conrad Frh. Schmidt v. Altenheim (1810-1898), seit 1863 Sachsengraf, 1874 in Wien Präsident des Evangelischen Oberkirchenrats als Nachfolger von Josef Andreas Zimmermann; vgl. S u t t e r , Siebenbürger Sachsen, S. 140ff.; Z i m m e r m a n n , Berühmte Siebenbürger, S. 70.

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und tagtäglich einige politische Zeitungen verschiedenster Richtung zu lesen, darunter bis 1874 (seiner Pensionierung) stets ein katholisch-klerikales Blatt. Das baldige Hochgehen der politischen Wogen (Candidatur des Prinzen von Hohenzollern für den spanischen Königsthron103) verschaffte mir Verbesserung meiner häuslichen Stellung, denn Vater vergaß den Sohn, welcher sogar mit S i l e s e n Verkehr wagen durfte, soferne derselbe nur Tagesstunden in Anspruch nahm104. Dieselbe rüstete zu ihrem zehnjährigen S t i f t u n g s f e s t e , zu welchem seitens der Dresdensia Pietschker und ich – vorher mit dem Bande beteilt105 – abgeordnet wurden. Es machte den Eindruck, als ob die Silesia mit der Handhabung des Kartells (Dresdensia, Stiria) unzufrieden sei. Pietschker erwirkte, daß ich an sämtlichen Festveranstaltungen teilnehmen durfte, für die Kommersnacht freien Ausgang erhielt. Ueberhaupt war Pietschkers Einflußnahme auf die Eltern, besonders auf die Mutter eine für mich sehr vorteilhafte. Vater konnte es nicht fassen, daß ich, obgleich im April aus der Dresdensia geschieden, einige | Wochen später mit der Dresdensermütze von Hause fortging. Das Fest hielt sich innerhalb des üblichen Rahmens: Begrüßungsabend, Auffahrt, Kommers (in den Sälen der Gartenbaugesellschaft, zwischen Palais Koburg und Ringstraße gelegen), Katerfrühstück auf der Kneipe, Ausflug in die Hinterbrühl, aber die Reden von Silesenseite gingen nach Gedanken und äußerer Wiedergabe weit über das gewünschte Maß hinaus. Als die Uebergabe der neuen Fahne (zwei Fahnenbänder von der Dresdensia gestiftet) seitens der Alten Herren an die Burschenschaft stattfand, Max Hößlinger sprach und Adalbert Hoffmann, flankiert von Hößlinger und Dumreicher, auf dem Podium stehend die neue Fahne entrollte, da packte Begeisterung Alt und Jung, Silesen und Gäste, und man fühlte das Ergreifende der Weihestunde, in welcher eine junge auftretende Burschenschaft das schöne Symbol ihres Lebensverbandes empfing. Als wir mit Pietschker hinterher das Fest besprachen, bekannte er, daß er Aehnliches während seiner Leipziger vier Semester (Ostern 1868 bis Ostern 1870) nicht gehört hatte, allerdings war auch kein ähnlicher Anlaß gegeben. Auch die anwesenden Jenenser Arminen, welche ich teils von Jena, teils von Leip|zig her kannte, äußerten sich unbefragt sehr günstig über die erhaltenen Eindrücke. Auch der äußere Verlauf des Festes, Anordnung usw. klappte. 103 Leopold v. Hohenzollern-Sigmaringen (1835-1905) nach Vertreibung der spanischen Königin Isabella II. (1833-1868) (aus bourbonischer Dynastie) durch eine revolutionäre Militärjunta unter dem Marschall Francisco Serrano y Dominguez (1810-1885). 104 In seinem „Lebensabriß“ (Bd. II, fol. 97r) schrieb F. Z.: „Während meiner Wiener Semester (bis 1875) war mein abendliches Heimkommen strenge überwacht, da ich keinen Wohnungsschlüssel erhielt. Mein Vater öffnete mir auf das Läutesignal jedesmal die Wohnungstüre und überwachte als Pförtner auch, ob der Sohn in anständiger Verfassung erschien, was stets geschah.“ 105 Siehe dazu oben fol. 18v.

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Es blieb nicht ohne Kehrseite, die unvermeidlichen Schulden der Kulör wie auch finanzielle Belastung der Einzelnen. – Die Stiren waren durch mehrere Leute vertreten, darunter Schwab, Kaltenbrunner (Historiker), der verkneipte Gottsmatz, der in achttägigem Aufenthalte von Wien nichts gesehen hatte, als die beiden „Braunen Hirsche“ (Josefstadt, Kochgasse 9 und im Prater) und die Verkehrsstraßen zwischen beiden Wirtshäusern, mit Pferdebahn durch die Alserstraße, Franz Josef Quai, Aspernbrücke, Praterstrasse. Nach dem Fest traten Hold, Körbl (von Würzburg aus), Kurze, Moisisovius (in Jena Sommer 1869 gewesen, bei den Germanen), Ofner, Regius und Rißdörfer in Jena an mit dem Grünweißroten Kartell, bekamen wohl etwas Haue, aber hielten sich tadellos forsch. Ihr Glück war der neue Fechtmeister Ludwig Handmann106 in Wien, ein Schüler des Jenenser Fechtmeisters Roux, dessen Sohn in Leipzig Universitätsfechtlehrer war107. Handmann lehrte den geraden Stand mit hoher, freier Auslage, während der alte Fechtlehrer Maywald, bei welchem ich im Winter 1868/69 einen Fechtkurs genommen hatte, mit stark ver|hängter Auslage antreten ließ. Das Kräfteverhältnis, drei Burschenschaften gegen eine, lag für die Silesia ungünstig und Germanen (3), Frankonen (2) und grünen Hannoveranern (2) stellten alte ergraute Mensurwanzen. Auch der Armine Anton Paulsen (Konpennäler), der berühmte Schläger – „wer nicht ängstlich zuvor erwägt, wie Anton Paulsen Tiefquarten schlägt“ – hat die Silesen gelobt. Recht anregend war der Kreis älterer Silesen: Richter, Muth, Bernd, mit den Finken Loserth, Schönbach, Fournier, wo ich kibitzen konnte. Die freche französische Herausforderung brachte Krieg und für jeden guten Deutschen aufregende Tage. Kurz nach der deutschen Mobilmachung (16. Juli ff. 1870) wurden die deutschen Studenten zu einer Versammlung auf der Universität einberufen zum Zwecke der Stellungnahme gegenüber dem d e u t s c h f r a n z ö s i s c h e n K r i e g e . Die Universität samt benachbarten Häusern war aber von Polizisten besetzt, weshalb wir in das Kellerlokal Altinger und Kaubeck, verlängerte Wollzeile, zogen und dortselbst beschlossen: | Kundgebung der Teilnahme für den Sieg der deutschen Waffen, Eintritt in die Reihen der Kämpfer und Einleitung einer Sammlung für die deutschen Verwundeten. Diese im Juli abgehaltene Versammlung brachte die erste deutschfreundliche

106 F. Z. verwechselt (verständlich aus späterer Niederschrift des „Zeitbuches“) Vater und Sohn: Nicht Ludwig, sondern Hermann Handmann war 1870-1900 in Wien UniversitätsFechtmeister und ihm folgte sein Sohn Ludwig 1900-1937; vgl. ÖBL II, S. 177. 107 Vgl. über die Familie Roux NDB XXII, S. 148ff.: Heinrich Friedrich Roux († 1791), dessen Sohn Johann Wilhelm († 1846) und Enkel Wilhelm († 1897) waren alle Fechtmeister in Jena.

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Erklärung aus Oesterreich. Der norddeutsche Gesandte108 v. Schweinitz empfing unsere Anmeldung für den Kriegsdienst freundlich dankend, fragte ob wir unserer Militärpflicht als Oesterreicher bereits völlig entsprochen hätten; als dies verneint wurde, sagte er, da müsse er das Anerbieten mit Dank ablehnen. Die Sammlung wurde sofort eingeleitet und die Silesia erlegte als erste Burschenschaft 150 Gulden, wozu jeder Aktive (15) je zehn Gulden beisteuerte. Die Rachegedanken für Königgrätz (3. Juli 1866)109 schwanden und die Reise des Erzherzogs Albrecht nach Paris110 blieb ohne Folgen, als schon Anfang August die Franzosen deutsche Hiebe bekamen. Wir hatten auf Sieg der Deutschen gehofft und hatten Zutrauen in ihre Stärke, nachdem der von Napoleon III. beabsichtigte Plan, die Süddeutschen mindestens zur Neutralität bewegen zu können, fehlgeschlagen war, aber die kriegerischen Ereignisse des August übertrafen weit die kühnsten | Erwartungen auf unsrer Seite. Von Tag zu Tag verfolgten wir auf der Karte die Bewegungen der Deutschen. Die blutigen Schlachten vom 14. bis 16. August samt Einschließung Bazaine’s in Metz erregten Staunen unter den gemütlichen Oesterreichern. Die am 1. September einlangenden Siegesnachrichten (30. August) ließen ein Vereinzeln der Armee Mac Mahons erwarten, aber auch hierbei war die Wirklichkeit großartiger, als man das sich hatte vorstellen können111. Als Ferienausflug erwirkte ich mir Bewilligung und Geld zu einer Fahrt nach Schottwien und auf den Semmering mit Moisisovius. Am 4. September Abfahrt vom Südbahnhof. Da wurden eben Extrablätter verkauft mit der Nachricht von der Schlacht bei Sedan und der Einfangung des Friedensstörers Napoleon; wie schon oft hatte er auch diese unrühmliche Gelegenheit zum Lügen benützt, indem er vorschwindelte, den Tod vergeblich gesucht zu haben. Wir kauften einige Zeitungsblätter und meldeten das Ereignis drahtlich nach Schottwien. Dort stand bereits ein hoher Mast aufgerichtet (durch | Franz Krenthaler), an welchem bei Eintreffen einer hervorragenden Siegesbotschaft die deutsche Flagge gehißt werden sollte. 108 Nämlich des 1867 unter preußischer Führung gebildeten Bundes norddeutscher Staaten. 109 Niederlage Österreichs gegen Preußen. 110 Februar-März 1870 zur Herbeiführung eines Militärbündnisses zwischen Österreich, Italien und Frankreich gegen Preußen. Erzherzog Albrecht (1817-1895) war damals Feldmarschall und Oberkommandierender der österreichisch-ungarischen Streitkräfte; vgl. über ihn ÖBL I, S. 12f., auch NDB I, S. 170f., und B. H a m a n n , Die Habsburger. Ein biographisches Lexikon (1988), S. 44ff. 111 Zum Krieg und zu den „Augustschlachten“ bei Weißenburg und Wörth sowie bei Sedan (am 1. September 1870) vgl. C. Frh. v. d. G o l t z , Kriegsgeschichte Deutschlands im 19. Jahrhundert, 2. Teil (1914), S. 395ff.; J. G a n s c h o w, O. H a s e l h o r s t , M. O h n e z e i t (Hgg.), Der deutsch-französische Krieg 1870/71. Vorgeschichte, Verlauf, Folgen (2009), S. 87ff.

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Bei unserer Ankunft in Schottwien wehte hoch am Mast Schwarz-rot-gold, dann Siegesfeier, in welche L(andes)G(erichts)Rat Weißmayr samt Frau und Töchtern einbezogen wurden. Ausflüge nach dem Semmering, Sonnwendstein, Adlitzgräben. Nachzutragen ist mein Eintritt (nach dem Stiftungsfeste) als Konkneipant in die Silesia112. Mit 1. Oktober sollte ich mein D i e n s t j a h r a l s E i n j ä h r i g - F r e i w i l l i g e r 113 antreten, nach Vaters Wunsch. So fand ich mich denn in Zivilkleidern bei dem 72. Linieninfantrieregiment in der Franz-Josef-Kaserne nächst den Dominikanern ein, holte Nachrichten über die Beschaffung der nötigen Militärkleidungsstücke und besorgte diesbezügliche Einkäufe114, dann ging’s in Dienst. Mittlerweile waren die übrigen Freiwilligen in der Ausbildung schon fortgeschritten, hatten bereits gehen gelernt, weshalb ich einem drittjährigen Infantristen (einem deutschen Presburger) behufs Sonderabrichtung übergeben wurde. Das brachte mir den Vorteil, daß ich die Uebungsstunden bestimmen konnte. Am 20. Oktober rückte ich zur Abteilung der Freiwilligen ein, welche unter | dem Kadetten Neumann, dann weiter unter einem Leutnant, Hauptmann Eckart und Oberstleutnant Mazak v. Ottenburg stand. Dem Leutnant und dem Kadetten oblag dienstliche und militärwissenschaftliche Ausbildung der Freiwilligen, der Hauptmann war Leiter der Disziplin und der Oberstleutnant höchster Inspektor und oberster Gerichtsherr. Auf das Winterhalbjahr war ich mit rund vierzig Genossen den genannten Offizieren überliefert, so daß es sich wohl lohnte, diese Herren zu erproben und herauszubingen, was sich mit ihnen machen ließe. Annäherung an den Hauptmann, als die für uns wichtigste Person, ließ in ihm einen gemütlichen und liebenswürdigen Mann 112 Zum Stiftungsfest der Silesen am 1. Dez. 1870 siehe oben S. 47; B i l g e r , Silesia, S. 65ff. – Bemerkenswert ist, dass F. Z. nicht in die großteils aus Siebenbürger Sachsen bestehende „Saxonia“ in Wien eingetreten ist, die weniger deutsch-national als österreichischkonservativ galt; vgl. N e u w i r t h , Saxonia, bes. 32ff.; auch B i l g e r , S. 33. – Immerhin hat F. Z. aber am 4. März 1871 gemeinsam mit anderen siebenbürgisch-sächsischen Studenten in Wien an der Gründung des von ihnen initiierten „Vereins der Siebenbürger Sachsen in Wien“ mitgewirkt und darüber später in der Vereinszeitschrift „Blau-Rot. Siebenbürgischsächsische Nachrichten“ (4. Jg., Folge 1, 1932, S. 3-4) aus seinen Erinnerungen kurz berichtet. Siehe unten im Anhang. – Der Abdruck dieser „Erinnerungen“ im Wiener Vereinsblatt „Blau-Rot“ von 1932 erfolgte aus Anlass der 60-Jahr-Feier des Sachsenvereins (1931). Der damals in Linz lebende Franz Zimmermann wurde zum Ehrenmitglied des Vereins gewählt. Obmann des Vereins war damals der Wiener Apotheker Dr. Misch Müller († 1957), Sekretär und Schriftführer Dr. jur. Rudolf Zimmermann († 1961), des Editors Harald Z. Vater. Vgl. auch oben S. 18. 113 1870/1871. Als Reserveoffiziers-Bewerber statt der ansonsten damals dreijährigen Wehrpflicht. 114 Bei Offizieren und Offiziers-Bewerbern auf eigene Kosten.

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erkennen, einen Hort für Leute, die gegen ihren Willen in Uniform gesteckt worden waren. Der Leutnant glich einer vorgesetzten Null, dagegen versuchte der Kadett bissig zu werden; infolge Beschwerden beim Hauptmann wurden ihm die Giftzähne ausgebrochen. Der Oberstleutnant behauptete unbestritten den Rang eines richtigen Kommisknopfes; er haßte Intelligenz und so auch die noch junge Einrichtung der Freiwilligen. Im Dezember 1868 war diese Einrichtung mit der allge|meinen Wehrpflicht eingeführt worden. Der erste Freiwilligenjahrgang diente vom 1. März 1869 bis 31. Dezember 1869, der 2. Jahrgang 1. Oktober 1869 bis 30. Sept(ember) 1870. Wir standen im 3. Jahrgang, unter Offizieren, welche 1866 Hiebe erhalten hatten115, wie es hieß, durch den preußischen Schulmeister. Der Oberstleutnant wendete damals auch rasch sein Pferd, und das konnte er nicht vergessen. Es hatte sein Gutes, denn nur selten verschaffte er sich den ihm widerwärtigen Anblick der Freiwilligenschar, welche durch Borten an den Aermeln äußerlich gekennzeichnet war, die man zu seinem nicht geringen Verdruß Intelligenzbärtel nannte. Die Zeit der sogenannten Abrichtung brachte folgende Tageseinteilung: an jedem Wochentag antreten 6.30 h früh, bei günstigem Wetter Exerzieren vor der Kaserne (gegen den Aspernring zu) bis 3/4 9 h, bis Ende Oktober zum Teil in Zivilkleidern mit ärarischer Mütze, nachmittags von 1/2 2 h bis 5 h Exerzieren oder Feldübung in den Praterauen, bei schlechtem Wetter vor- und nachmittags Schule im Wohnzimmer der auf Staatskosten dienenden Freiwilligen in Dienst- und Exerzierreglement. Der Dienst erlaubte somit Kollegienbesuch und | Einrechnung des Dienstjahres in die Studienzeit, aber das wurde uns zu spät bekannt gegeben, und so belegte ich im Wintersemester 1870/71 keine Vorlesungen. Die Abrichtungsstunden waren erträglicher gemacht durch etliche Ruhepausen. Das Ringstrassenpublikum belustigte zwar sich nicht wenig an unsern Leistungen, aber wir dachten, in 2/3 Stunden ist auch dieser Scherz vorüber. Faul stand es mit dem Dienstreglement, aus welchem uns, wie der Hauptmann verriet, Prüfung durch den Oberstleutnant drohte. Vater hatte alle möglichen militärwissenschaftlichen Handbücher erworben, da sein Sinn höher hinaus ging als der seines fürs Militär nicht zugeschnittenen Sohnes, aber ein Exemplar des Dienstreglements fehlte mir und damit das wichtigste Hilfsmittel zu gründlicher Schulung, wie der Oberstleutnant meinte. Das (Degenfeld’sche) Dienstreglement116 war 1860 erschienen, im Buchhandel vergriffen und in

115 Im preußisch-österreichischen Krieg und besonders in der Schlacht bei Königgrätz; siehe oben Anm. 69. 116 Verfasst von General August Graf Degenfeld-Schonburg (1798-1876); vgl. ÖBL I, S. 174f.

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unsrer Abteilung nur in einem Exemplar vorrätig, so daß wir nur auf Zuhören in der Schule angewiesen blieben. Vom 18. auf den 19. November stellte das 72. Regiment die Wachmannschaft für den Garnisonswachdienst, wozu 2 Bataillons erforderlich waren, die Freiwilligen sollten mitgehen. | Am 17. Nov(ember) las uns der Leutnant die Wachvorschriften vor, und am 18. Nov(ember) traten wir mit den zum Dienst kommandierten Mannschaften auf dem Exerzierplatz längs der Ringstrasse zur Wachparade ein, alles in dunkelblauen Röcken, während die Mannschaft sonst noch die weißen Waffenröcke trug. Ich kam zur Augartenwache, welche 4 Wachposten zu bestreiten hatte und daher aus 1 Unteroffizier, 1 Gefreiten als Anführer und 12 Infantristen bestand, jeder der letzteren stand viermal je 2 Stunden auf Posten, ich vor dem Augartenpalais von 5 bis 7 h, 11 bis 1 h, 5 bis 7 h (am 19. November) und von 11 bis 1 h bzw. bis zum Eintreffen der neuen Wache. Der Unteroffizier und Gefreite sprachen deutsch und slowakisch, die Uebrigen nur slowakisch. Kaum hatten wir das Wachlokal bezogen, bat mich der Unteroffizier, den Uebernahmerapport auf die Hauptwache zu tragen (Am Hof, Kriegsministerium), was ich vergnügt besorgte, ebenso am Morgen den Frührapport mit der Meldung: die Wache wurde 1 1/2 h nachts visitiert, sonst nichts Neues. Dieser Gang bot mir die Möglichkeit, in einem Kaffeehause zu frühstücken und in der Zeitung zu lesen, daß wir Freiwilligen schon so weit fortgeschritten wären, um zum Wachdienst gebraucht werden zu können. Die Wachleute hatten Brot und Speck mit, ich kaufte von | einem benachbarten Händler Salami und Brot, nach dem Zapfenstreich widmete ich einen Krug Bier, aus dem jeder freudestrahlend einen Schluck empfing. Prinz Hohenlohe, des Kaisers Obersthofmeister, wohnte im Augartenpalais, dem als Offizier Präsentieren seitens des Postens gebührte. Im November gab es Exerzieren und zerstreute Fechtart der Freiwilligen der Garnison vor dem Kaiser im Prater. Dann galt es, Teilnahme an dem Lesevereinskommers117 im Dianasal (1. Dezember) zu ermöglichen. Stradella half mit einem Krankheitszeugnis, und der übliche Dienstzettel brachte zweitägigen Urlaub. Lueger’s Rede brachte die durch Kriegsnachrichten nicht wenig belebte nationale Begeisterung zu handgreiflichem Ausbruch, der die Hinausbeförderung von Lueger und Ge┌ ┐ nossen mit wirbelartiger Kunst zur Folge hatte. Vergleiche Bericht in der „Deutschen Zeitung“118. Schlußstein: Keilerei mit der Markomannia auf der Dominikanerbastei, wo Maschek, der eigentlich in allem die Markomannia 117

Nämlich der Burschenschaft Silesia. Ausführlicher über die „Schlacht im Dianasaal“ B i l g e r , Silesia, S. 66ff., laut Anm. 135 aufgrund einer von Robert Zimmermann († 1969) aus dem Besitz seines Vaters F. Z. zur Verfügung gestellten Sammlung von Zeitungsausschnitten. Die „Deutsche Zeitung“ wird hier nicht genannt; möglicherweise irrig von F. Z. zitiert, da sie erst seit 1871 erschien. Vgl. weiters kurz B. N i n k o v, Die politischen Anfänge Luegers im Lichte der Wiener Presse 118

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ausmachte, über das Geländer flog; dann mit „Randalieren, Contrahieren durch die Straßen zieht Silesia“ weiter bis zum Abfalle der Einzelnen in der Rich|tung ihrer Buden. Kurz vor Weihnachten kam es zu einer praktischen und theoretischen Prüfung durch den Oberstleutnant. Nach einigem Hin und Her auf dem Exerzierplatz vernahmen wir plötzlich den Ruf: „Wo ist der Zimmermann?“ Niemand rührte sich, denn es war uns zugeraunt worden, daß er es gerne sah, wenn die Mannschaft wie versteinert seinen stechenden Blicken stand hielt. Hohe innere Befriedigung wurde in der Muskulatur des vorhistorischen Strategen bemerkbar, in vollem Bewußtsein dessen, daß wenigstens vorläufig nicht nur das Schicksal des Angerufenen, sondern ein Pack junger Leute allein von ihm abhing. Mit dem Rufe „Heraus“ erkor er sich sein heutiges Sonderopfer, worauf ich auf ihn zuging, 3 Schritte vor ihm stehn blieb, präsentierte und mich meldete: „Herr Oberstleutnant, melde gehorsamst Freiwilliger Zimmermann“. Der Anschritt, das Zusammenschlagen der Hinterhaken, Präsentieren und Meldung, in seinen Augen lauter Dinge, welche den Weg zum höchsten Kommando ebneten, besänftigten augenscheinlich den mir nachsetzenden Paragrafenritter. „Sie schicken Dienstzettel in die Kasern und bleiben aus; Sie haben sich für den 2. und 3. De|zember frei gemacht; da steht“ – er zog meinen Dienstzettel mit Stradella’s Zeugnis hervor – „eine Krankheit, von der ich in mein Leben nix gehört hab. Herr Leutnant, gebens ihm 6 Rottenpare, er soll mir Gliederexerzieren.“ Das ging nicht schlechter als bei den übrigen Freiwilligen. Nachmittags kam Theorie, hauptsächlich Dienstreglement, worin alle Geprüften versagten. Er war außer sich: „Ja was ist denn das? Ich bin ein alter Soldat, aber in freien Stunden, am Sonntag, les ich im Dienstreglement“. In Uebereinstimmung damit führte er im Dezember 2 Sonntagstunden Schule ein und dann Unterricht aus Terrainlehre, Taktik, Waffenkunde usw. auch an Wochentagen, wozu noch drei junge Offiziere als Lehrer bestellt wurden; sie entledigten sich ihrer Aufgabe durch Vorlesen aus Lehrbüchern. Anknüpfend an die Bedeutung des Dienstes glaubte er, die Franzosen als Muster im Dienste greifen zu sollen; die bisherigen deutschen Siege119 schob er ruhig auf die Seite mit der Prophezeiung: „Wartens nur, bis die Preußen nach Paris kommen, da wern mer schauen, wie die schen in die Luft fliegen.“ Die Parteinahme des Oberstleutnants gegen die | Deutschen gab wieder Anlaß zu saftigen Wechselrede, namentlich mit den auf Staatskosten dienenden Freiwilligen, welche meist aus Ungarn für ein billiges Jahr nach Wien gekommen, franzosenfreundlich gesinnt waren; die Leute zeigten sich trotz (Diss. Wien 1946), S. 11f., und jüngst allgemein J. W. B o y e r , Karl Lueger (1844-1910). Christlich-soziale Politik als Beruf (2010), S. 75ff. 119 Siehe oben Anm. 111.

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Maturitätszeugnis sehr ungebildet, mußten daher gehörig angeschnauzt werden. Mein Verkehr beschränkte sich auf Moritz Eckart aus Wien (wohnte auch Breitegasse) und Hugo Girsik aus Schlesien. Weihnachten brachte ohne unser Zutun vier Tage dienstfrei, Neujahr einen freien Tag, und so ging Fühlung mit dem „Zivilen“ nicht verloren. Außerdem ließen sich von Januar 1871 bis März noch einige Tage als dienstfrei herausschälen. Im März ging es nach einer wenig erfreulichen Keilerei beim „Auge Gottes“ (an der Nußdorfer Linie) zum Hochgericht: Prüfung unter dem Vorsitze des Oberstleutnants zum Unteroffizier; hierbei war nicht nur aus Dienst- und Exerzierreglement praktisch und theoretisch, sondern auch aus den vorgetragenen militärwiss(enschaftlichen) Disziplinen Rechenschaft abzulegen. Aus permanenter Befestigung wurde ich über Vauban und Mezières befragt, und da gab ich mir einen gefährlichen Stoß; der Oberstleutnant fragte mich: „Haben Sie eine Festung gesehen?“, was | ich mit „Erfurt“ beantwortete, „So, sind Sie nicht über Prag gefahren?“ – „Befehlen Herr Oberstleutnant ja, aber Prag ist keine Festung.“ Das gab ein Gepolter über „Preußenseuchler“ und Geringschätzung der eigenen Einrichtungen. An des Hauptmanns Mienen konnte ich den ungünstigen Stand meines Züngleins ablesen, doch verlief meine militärische Beichte weiterhin nicht schlecht, aus dem letzten Gegenstande, Heeresadministration und Kanzleiwesen recht gut; als ich sogar die Größe des militärischen Kanzleipapieres (mit 13 beziehungsweise 8 Zoll) anzugeben wußte, glätteten sich die letzten Falten im Gesicht des Vorsitzenden und mindestens zwei Sterne schienen mir zu winken120. Alle Kandidaten wurden vom Regimentskommandanten zu Unteroffizieren ernannt, einige zu Zugsführern, die Mehrzahl, auch ich zu Korporalen. Hier folgt N a c h t r a g über den F a s c h i n g , auch zu Blatt 13121. Anfang des Jahres 1869 trat ich zum erstenmale aktiv in den Ballsal. Von Professor Arlt, dessen Tochter Marie ballfähig war, erhielt ich Karte und Einladung zum Josefinerball im Dianasal122, dann eine Karte zu einem Kränzchen im „Grünen Tor“. Den Ball besuchte | ich kostenlos für mich bis auf die Frackleihgebühr, nachdem ein Frack vom Hause nicht bewilligt worden war. Das Kränzchen vertrug schwarzen Rock. Die Mode verlangte turmähnliche Frisuren, weiß gepudert, wogegen eine Anzahl Professorentöchter mit einfach um den Hinter120 Nämlich als Dienstgradzeichen am Uniform-Kragen: Distinktion im österreichischen Militär. Zwei (elfenbein-weiße) Sterne = Korporal, niederster Unteroffiziersgrad. 121 Siehe oben bei Anm. 83. Nachtrag, weil Militärdienst 1870/71 eingeschaltet (siehe oben S. 50ff.). 122 Josefinum: Militärärztliche (Medizinisch-Chirurgische) Josefs-Akademie in Wien, gegründet 1785 von Kaiser Josef II.; vgl. C z e i k e , Lexikon II, S. 389. Ferdinand v. Arlt (1812-1887) war Ophtalmologe; vgl. ÖBL I, S. 28. Siehe auch unten S. 93. Zu den DianaSälen vgl. C z e i k e , Lexikon II, S. 29f.

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kopf gewundenem Zopfe erschien; Kleidung der Jugend einfach, eine Blume an der Brust oder im Haar, wenig oder gar kein Schmuck. Das Militärjahr brachte für mich Vereinfachung der Kleidungsfrage123. Zum Josefinerball und zum Protestantenball wurde ich eingeladen, zum Ball der Freiwilligen der Wiener Garnison ging ich als Zahlender; dieser Ball fand in dem Großen Musikvereinssal statt, vom 72. Regiment war ich in das Komitee ┌ ┐ entsendet worden, trat aber aus, als der Antrag in der Minderheit blieb: das Geld durch Zahlkarten einzubringen. Die Mehrheit glaubte durch Aussendung von Ehrenkarten denselben Zweck erreichen zu können, in der Hoffnung, die Empfänger der Ehrenkarte würden freiwillig hohe Beiträge leisten. Diese Erwartung wurde schmählich zu Schanden und der Ausfall war so bedeutend, daß auf je ein Komiteemitglied fast 50 Gulden Ersatzkosten aufgeschlagen werden mußten. Dabei war der Ballsal gepreßt voll, eine dichte Schar hoher und minderer Gra|tisblitzer, welche gaffte und überflüsssiger Weise Raum einnahm, gestattete nur langsames Hin-Herschieben, bis gegen Mitternacht die Reihen der famosen Ehrengäste sich lichteten. Desto mehr kam der Tanz zu seinem Rechte auf dem Unteroffiziersball unsres Regimentes, abgehalten beim „Großen Zeisig“ (Höller), Burggasse. Unser gutes Verhältnis zu den uns zugeteilten Unteroffizieren, durchweg anständige Leute, machte uns Teilnahme an diesem Balle zur angenehmen Pflicht. Wir leisteten Geldbeiträge und beteiligten uns am Tanze, so daß gelegentlich der Rast wir in den seitens der Unteroffiziere erstatteten Dank miteinbezogen wurden; ein sehr gelungener Abend armer Mannschaften, ohne jeden Exzeß. In einem dienstfreien Tag bestand der nachfolgende Lohn. Im April schied das 72. Regiment von Wien, so befanden wir uns, vom 1. April angefangen in die Kompagnien eingeteilt, nur einige Tage in diesem uns neuen Element. Ich gehörte zur 2. Kompagnie unter Hauptmann Ruprecht, Bataillonskommandant Major Anton Theuerkauf124, Besuchsbekanntschaft meiner Eltern, ein tüchtiger Offizier. Es machte sich großer Unterschied geltend zwischen dem ersten Halbjahr, innerhalb der Freiwilli|gen Abteilung, und dem neuen L e b e n i m K o m p a g n i e v e r b a n d e , dessen Hauptstamm Slowaken waren, noch ziemlich Naturvolk mit geringen Bedürfnissen; ich erfuhr da, welchen hohen Wert ein Zwirnsfaden, ein Knopf, ein kleines Stück Schreibpapier, eine Pfeife Taback besitzen konnte, aber es wurden mir auch recht deutlich bekannt die näheren Umstände über die Fortpflanzung des Menschengeschlechtes. Das ist die einzige Lebensfreude der Leute, begütigte ein Zugführer. Mein Putzer, Mrakowa, bedauerte sehr, den Monatsverdienst 123

Da Gala- oder Ausgangsuniform Festtagskleidung (Frack) ersetzte. Anton Theuerkauf († 1911 als pensionierter Oberst) wurde der Schwiegervater von F. Z.; siehe unten S. 119f. 124

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(2 Gulden) verlieren zu müssen, obgleich er mit mir viel Arbeit hatte: täglich das weiße Riemzeug am Tornister und Ueberschwung (Leibgurt für das Bajonett und den Unteroffiziersäbel) mit Kreidelösung überstreichen, viermal Schnürschuhe putzen und Montur abbürsten, Knöpfe blank reiben. Nur vereinzelt gab es Leute, die von Hause monatlich 1 Guldenzettel (immer in einfachen Briefen) Zulage erhielten. Ueber Ansuchen wurde ich mit den Freiwilligen Eckart und Girsik dem 21. Infanterieregiment (Tschechen) zugeteilt, welches in der Stiftskaserne (Mariahilferstraße) lag, zu unsrer Wohnung Breitegasse 14 nur um die Ecke. Die Mannschaft war fast ausnahmslos tschechisch, die Unteroffiziere sprachen auch deutsch. Mein Haupt|mann Neuwirth zeigte sich nicht erfreut über diesen Zuwachs zu seiner Kompagnie, brummte mich beim Rapport an und sein Ton fand Anklang bei den Offizieren, bei den Kadetten und bei den Feldwebeln. Der Kadett und die Feldwebel pumpten die Einjährigen an, mich vergeblich, und das besiegelte mein Verderben. Eine anzügliche Bemerkung des Rechnungsfeldwebels darüber, daß ich als Student noch keine Probe von Arbeitsleistung geliefert hätte, während er schon 9 Dienstjahre habe, gab ich sofort zurück mit den Worten: „Ja, 9 Jahre sind Sie auf dem Strohsack gelegen.“ Es brach Krieg aus. Selbigen Tages sagte mir der Korporal vom Tag: „Sie sind ins Dienstbuch eingeschrieben als nächster Tagskorporal.“ Nun ging das Drücken los mit allen Mitteln, welche der Militärdienst gemeinen Vorgesetzten in die Hand gibt, um Untergebene zu quälen, welche sich nicht ausbeuten lassen wollen. Aber diese Elenden hatten mit mir schlecht gerechnet. Keinen Kreuzer ließ ich mir abpreßen, aber ich war gelegentlich gastfrei gegenüber der Mannschaft, was die gewohnheitsmäßigen Soldatenschinder nur noch mehr in Harnisch brachte. Eine Kommandierung folgte auf die andre, als Korporal vom Tag, als Torinspektion, als Ordonnanz ins Kriegsministerium oder zum Generalkommando, als Aufseher | über die Riedleute125, welche im Kasernhofe oder außerhalb zu Handarbeit befohlen waren, in Garnisonswachdienst. In diesen Dienststellungen ist aber in die Hand des Unteroffiziers eine gewisse Macht gelegt, und diese spielte ich schonungslos aus, immer streng der Vorschrift beziehungsweise dem höheren Befehle folgend. Mich als Torinspektion zu bestellen, gewöhnte ich den Feldwebels bald ab, indem ich sie selbst beanstandete, als sie abends verspätet einrückten. 9 h war Zapfenstreich; nach dem Abblasen durfte die Torinspektion nur diejenigen Soldaten passieren lassen, welche, mit „Erlaubnisschein über die Zeit“ versehen, zeitgerecht einrückten. Ohne Federlesen meldete ich die Verspäteten, Infantristen wie Feldwebels. Der Ordonnanzdienst, bestehend in Austragen von Akten oder kleinen Schreibarbeiten, war dem Ausrücken vorzuziehen. 125

Riedleute: wohl von rieden = raiten = bezahlen, also Tagelöhner.

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Als Tagskorporal brach ich dem Dienst die Abendstunden von 9 bis 12 h ab und verschwand zur Silesia. Nicht angenehm war der Wachdienst, weil der Unteroffizier als Wachkommandant auch für die Mannschaft verantwortlich war, also gehörig aufpassen mußte. Zu den schlechtesten Wachen, Hofburg und Burgtor, konnte ich glücklicher Weise nicht befohlen werden, weil ich abweichende Uniform (nicht die des 21. Regiments) hatte. So kam ich jedesmal mit 9 bis 12 Infantristen und dem Gefrei|ten auf die Schießstätte in der Au, in das Neugebäude (Simmering), in die Nationalbank (Herrengasse) und als Arrestwache in das Garnisonsspital Nr. 1. Die Bankwache erhielt von der Bank eintägige Löhnung, als Spitalwache die im Spital übliche Kost. Einige Wochen lang währten die Kompagnieübungen, Exerzieren auf der Schmelz, Feldübungen im Wiental und Scheibenschießen. Wir hatten Wänzlgewehre126 mit aufklappbarem Verschlußstück, die ersten österreichischen Hinterlader; das Gewehr schlug stark zurück, bei manchem Schützen gab es Nasenbluten, auch war das (dreikantige) Bajonnet zu schwer. Wer auf 400 Schritte das Ziel, einen Mann, traf und mit dem Rechnungsfeldwebel gut stand, das heißt mindestens für ihn Zechen bezahlte, wurde Schütze und bekam die Schützenschnur. Die Bataillonsübungen fanden auf der Schmelz statt und in dem Gelände Galitzinberg, Heuberg, Schafberg bis gegen Grinzing, desgleichen die Regimentsübungen, meist 5 h Ausmarsch, bei Regenwetter fand in den einzelnen Zugzimmern Schule aus Dienstreglement, Exerzierreglement und Felddienst statt. Der Dienst nahm uns derart in Anspruch, daß Nebenbeschäftigung unmöglich war, um aber das Semester nicht zu verlieren, hatte ich einige Vorlesungen belegt. Im Juli fuhr meine Mutter | nach Hermannstadt und ich blieb allein auf meine Weckuhr angewiesen, die ich bald überschlief; als das Regiment durch die Breitegasse marschierte, erwachte ich. In die Kaserne127 laufen, anschirren und den nächsten Einspänner nehmen war in wenigen Minuten bewerkstelligt. In Folge von Sperrung einer Strasse erreichte ich auf Umweg das Regiment in der Nußdorferstrasse, mit Gelächter von Offizieren und Mannschaften empfangen, nur der Hauptmann, fortan Bataillonskommandant, und der neue Kompagnieführer Oberleutnant Haaß v. Grünenwaldt lachten nicht, als ich mich meldete. 24 Stunden Kasernarrest trug mein Diensteifer mir ein; hätte ich nicht krank im Bette liegen bleiben können? 126 Vgl. über den Waffenfabrikanten Franz Wänzl (1810-1881) in Marktl in Niederösterreich W u r z b a c h , Lexikon 52 (1885), S. 64f. 127 Die Stiftskaserne liegt nächst der Breitegasse (Nr. 14) im 7. Wiener Gemeindebezirk, wo F. Z. in der elterlichen Wohnung (siehe oben S. 34) auch während seines Militärdienstes wohnen durfte, wenn er dienstfrei hatte.

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Hier sei nachgetragen, daß Ostern mit dreitägigem und Pfingsten mit vier┌ ┐ tägigem Urlaub festlich begangen wurde, letzteres mit Theodor, Lyppl und Ofner auf einer Tur Vöslau, Großau, Gutenstein, Puchberg, Oberhof, wohin noch Juettner und Richter aus Wiener Neustadt kamen. Diese Urlaube erteilte der Hauptmann nur aus Angst, er könnte im Falle der Verweigerung in einer Zeitung verarbeitet werden. 1866 hatte unsere Armee reichlich Gelegenheit gehabt, zu erfahren, wie die preußischen Truppen gestützt auf Kartenstudium auf österreichischem Gebiete fol. 31v vortrefflich Bescheid wuß|ten. Das bewirkte auch bei uns Einführung des Kartenlesens und Beteilung der Unteroffiziere mit einem Blatt der Militärkarte 1 : 75000. Aber wir erhielten Exemplare einer alten Auflage, welche mit der Wirklichkeit nicht übereinstimmte, infolgedessen wiederholt Patrullen ihre Abteilung nicht wieder erreichten, sondern allein heimkehrten. So erging es mir einmal auf dem Gebiete von Neuwaldegg, indem ich mit fünf Mann in verbautes Terrain geriet, durch Rückzug Zeit und Fühlung mit meiner Kompagnie verlor und deshalb so schnell als möglich heimzog, um nicht hinter die Menage zu kommen. Ich führte meine Leute zur Endstation der Pferdebahn in Dornbach, löste Fahrkarten nach Ringstraße, und so fuhren wir fröhlich bis zur Ecke der Babenbergerstraße128. Kurz nach uns traf das Regiment in der Stiftskaserne ein. Bis der Rapport sich aufstellte, bei dem ich mich als eingerückt melden sollte, hatte schon ein Angeber unsre Pferdebahnfahrt dem Oberleutnant hinterbracht, was mich mit einem Tag Dunkelarrest bekannt machte. Da es in dem betreffenden Kasernloch tatsächlich ganz finster war, läßt sich darüber nichts sagen, als daß ich die Zeit verschlief. Zum nächsten Rapport trat ich, ohne die Feldwebels eines Blickes zu würdigen, an und r fol. 32 entsprach mit fester Stimme der | Vorschrift des Dienstreglements: „Herr Oberleutnant, Korporal Zimmermann bedankt sich für die erhaltene Strafe.“ Es war höchste Zeit, die Tage zu zählen, welche in dieser Gesellschaft zu verbringen ich verurteilt war, rund noch 60 Tage. Unter den Freiwilligen, auch bei Offizieren anderer Kompagnien fand die Pferdebahnfahrt günstigste Beurteilung, weil sonst bedeutende Verspätung unvermeidlich gewesen wäre. Meine Ueberzeugung richtig gehandelt zu haben, konnte durch den Dunkelarrest nicht erschüttert werden. Sehr bedauerte ich Vater, der darob beunruhigt war, aber durch den Freiwilligen Eckart sich aufklären ließ. Im August Abmarsch ins Brucker Lager, mein schwerster Tag, denn am Vortage des Abmarsches kam ich in den Tagesdienst. Bis zum Zapfenstreich endlose Gänge, und 2 h morgens wurde es in der Kaserne lebendig. 4 h Ausmarsch über Schwechat nach Fischamend, hier Nachtquartier, am 2. Tag über 128

Verlängerung der Mariahilferstraße im 1. Wiener Bezirk; wenige Minuten Fußweg bis zur Stiftskaserne am Anfang der Mariahilferstraße.

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Arbesthal nach Bruck. Dort 14 Tage täglich große Uebungen. Am 1. Tag kam ich auf die Lager-Hauptwache, dann war die Kunst des Feldwebels zu Ende, da ein Regimentsbefehl es verbot, Freiwillige durch Kommandierung der militärischen Beschäftigung zu entziehen. In der ersten Septemberhälfte folgte Manöver der Wiener Garnison in der Richtung Stockerau-Mis|telbach; wir marschierten nach Klosterneuburg, wo in unsrer Gegenwart eine Pontonbrücke über die Donau geschlagen wurde, dann hinüber gegen Mallebarn. Nächtigung auf Stoppelfeld, Verpflegung mit Konserven, Erbswurst, Gollasch; am nächsten Tag zum Kreuzenstein usw. Am 3. Tag über Korneuburg zur Taborlinie hinein in die Franz Josef-Kaserne, dem neuen Quartier des 21. Regiments. Im nächsten Befehl stand etwas von Beurlaubung des Hauptmanns Neuwirth und wir sahen ihn nicht mehr, den Mann, der trotz Verbotes seinen Privatbedarf aus der Militärfleischbank deckte und jeden Morgen durch den Tagskorporal in seine Wohnung bringen ließ. „Für den Herrn Hauptmann (folgt die Anordnung, und jedesmal) … und ein Stück Leber extra.“ Der Rest des September war für Offizierskandidaten dienstfrei. Ich verzichtete auf die Ehre, und so haspelte ich täglich einige Exerzierstunden ab, bis der 30. September die gewünschte Erlösung von allem Uebel brachte. Ueber Theodors (der im Jahre 1869/70 gedient hatte und Reservekorporal ┌ ┐ im 42. Regimente war) Rat erbat und erhielt ich Einteilung zu diesem (deutschböhmischen) Regiment, aber später sahen wir uns ohne unser Zutun dem Linieninfantrie-Regiment Hoch- und Deutschmeister Nr. 4 zugeteilt. | Das nächste Jahr, 1871/2, brachte feste Arbeit. Von den belegten K o l l e g i e n besuchte ich Oesterreich(ische) Geschichte bei Lorenz (unregelmäßig), Chronologie und Hohenstaufenzeit bei Sickel und einige geografische Vorlesungen bei Simony. Daheim arbeitete ich den 2bändigen Weber „Weltgeschichte“ durch129 und von Vaters Bibliothek130 fertigte ich einen Katalog an, in Foliobänden, einseitig beschrieben, so Zerlegung in Zetteln ermöglicht wurde; auch kopierte ich für Vater mehrere Aktenstücke, arcanissima wie er sagte. Ungeachtet dieses Fleisses gab es böse M e i n u n g s v e r s c h i e d e n h e i t e n ┌ ┐ zwischen Vater und mir, wenn ein Silesenabend mich gefangen genommen hatte, wo ich fröhlich mittat, in Folge knapper Haltung immer ohne Geld; ein Schwarzenberger131 und ein Stück Brot (zusammen 7 Kreuzer) war mein 129

Georg We b e r , Lehrbuch der Weltgeschichte, 2 Bde. (Leipzig 1846). Der Katalog ist 1889 in Hermannstadt durch das Landeskonsistorium der Evangelischen Kirche gedruckt worden, zumal Josef Andreas Zimmermann schon 1875 alle seine Bücher testamentarisch der siebenbürgisch-sächsischen Landeskirche vermacht hatte. Die Bibliothek kam dann nach seinem Tode (1897) in das Brukenthal-Museum; vgl. I t t u , Brukenthal-Museum, S. 48; weiters Te u t s c h , Gedenkrede, S. 30; S c h u l l e r , Gedenkblatt (wie Anm. 46), S. 94. 131 Bier aus der Brauerei der fürstlichen Familie Schwarzenberg-Krumau. 130

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gewöhnliches Abendbrot, wenn ich Ausgang hatte. Im November 1871 kam der Dresdenser Pesendorfer nach Wien und lud mich ins „Weiße Roß“ (Leopoldstadt) ein, wo seine Schwester und sein Schwager abgestiegen waren. Nach dem zu viert dort verbrachten Abend gab es eine derartige häusliche Entladung, daß ich beschloß, ohne Verzug Eintritt in den staatlichen Kanzleidienst anzustreben und aus der Erhaltung durch den Vater auszuscheiden; es war mir ohnehin sehr peinlich (seit 1866 fort), von ihm zu hören, es sei kein Kreuzer Ersparnis da, deshalb wünsche er, | mindestens noch zwei Jahre zu leben. Als ich Ende 1866 zum erstenmale diesen Ausspruch hörte, war ich so bestürzt, daß ich weinte und mit Mutter darüber sprach, welche mir Sorgen auszureden versuchte. Die erforderlichen Zeugnisse waren bald beisammen, und ich wanderte von baldiger Vorrückung träumend zu dem Polizeipräsidium, wo ich bei dem Kanzleivorstand anpochte; er nahm meine Zeugnisse, blätterte darin, als ob er etwas Fehlendes suche und fragte nach der Zustimmungserklärung des Vaters. Damit war dieser Fall erledigt. Ein zweiter Versuch, unterzukommen, schlug fehl, da ich die Prüfung aus Staatsrechnungskunde nicht nachweisen konnte, welche von dem Gemeindeamt Zwettl verlangt wurde. Die Auflösung der Silesia132 galt dem Vater als eine unabweisliche Forderung der staatlichen Ordnung, das Wiederauftun der Burschenschaft mit neuen Farben (Grün-weiß-gold) erschien ihm polizeiwidrig, und jeder weitere Verkehr mit solchen Leuten fiel bei ihm unter den Gesichtspunkt der Unzulässigkeit. Von solcher Ansicht geleitet beurteilte er meine Teilnahme an Veranstaltungen der Silesia. Etwas Besserung zu ihren Gunsten trat ein, als die Burschenschaft wieder in roten Mützen sich zeigen durfte. Bis nach | Ostern 1872 war ich mit Katalogisieren beschäftigt133, gegen 3000 Bände, ungerechnet die zahllosen Broschüren, welche nicht zu verzeichnen waren. Da kamen die Nachrichten von E r ö f f n u n g d e r U n i v e r s i t ä t S t r a ß b u r g 134. In Wien wurde in allgemeiner Studentenversammlung auch ich als Vertreter der Studentenschaft für Straßburg gewählt. Wider Erwarten ließ Vater für diese deutschnationale Sache sich erwärmen, obgleich das bei ihm schlecht angeschriebene Verbindungswesen vortreten mußte, aber die Sache war gut deutsch und das ergriff ihn. Die Silesia verlieh mir das Band 135, und so wurde sie in Straßburg durch Bürger, Eltz (Friedrich), Moisisovius, Ofner und mich vertreten. Ich fuhr voraus, um vorher einige Orte wenigstens kurz




Tatsächlich war die Burschenschaft Silesia am 14. Dezember 1870 wegen politischer Betätigung verboten, im Sommer 1871 aber wieder genehmigt worden; vgl. B i l g e r , S. 70f. 133 Siehe oben Anm. 130. 134 Wiedereröffnung 1872 nach der Schließung 1793 infolge der Französischen Revolution; vgl. St. R o s c h e r , Die Kaiser Wilhelms-Universität Straßburg 1872-1902 (2006), bes. S. 56f. über die Eröffnungsfeierlichkeiten. 135 Siehe dazu oben Anm. 105.

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zu besichtigen. Ende April ging es über München, Ulm, Stuttgart, Karlsruhe nach Straßburg, wo ich am 29. April anlangte. Der Bahnhof war von dienstfreien Soldaten besetzt, von welchen mehrere zum Zug stürzten und die aussteigenden Festgäste in Empfang nahmen; man wollte mich in Freiquartier (in Militärbaraken) führen, aber Vater hatte mir den Gasthof „Zum Rebstock“ vorgeschrieben und so begleiteten zwei Infantristen mich dorthin. Daselbst waren mehrere deutsche Herren untergebracht, auch der Staatsminister Freiherr v. | Roggenbach, welcher im Dezember 1871 vom deutschen Kaiser mit Einrichtung der Universität betraut worden war. Als ich zu Mittag an einem Seitentische allein speiste, erhielt ich von ihm, der mit anderen an langer Tafel saß, Einladung zur Tafel, wo ich mit ausgesuchter Freundlichkeit behandelt wurde; das wiederholte sich abends und zum Frühstück am 30. April, dann begannen die Festlichkeiten. Als ich meine Gasthofzeche bezahlen wollte, erfuhr ich, daß alles durch Herrn v. Roggenbach beglichen worden sei. Die Stadt erinnerte noch stark an die Belagerung136. Besonders die sehr mitgenommenen öffentlichen Gebäude, auch das Schloß waren noch nicht wieder hergestellt. In der Steinstrasse war die Fahrbahn frei gemacht, aber zu beiden Seiten derselben zogen sich hohe Schutthaufen hin. Kein Baum war sichtbar, nur die abgeschnittenen Stümpfe deuten ehemalige Promenaden oder Gärten an. Die Mehrzahl der Privathäuser hielten ihre Fensterladen geschlossen und in den Strassen waren Zivilpersonen nur wenige bemerkbar, desto mehr Militär. Die Mannschaft hatte dienstfrei und Befehl, den Festgästen in jeder Weise dienlich zu sein. Auf dem Bahnhofe, bei den Gasthöfen, am Münster, bei dem Schloß und in der Nähe der großen Wirtschaften standen Sol|daten in großen Trupps, durch alle Gassen bummelten Soldaten bei Tag und Nacht. Als ich aus dem Gasthof „Zum Rebstock“ auf die Gasse trat, war sogleich ein Soldat an meiner Seite und fragte, wohin ich zu gehen wünsche; ich sagte ihm, daß ich mir die Stadt besehen wolle, aber er möge sich um mich nicht bemühen. „Wir haben Befehl, die Herren zu begleiten“, und so machte ich diesen und andre Ausgänge mit Begleitung, welche Benützung Bädekers137 überflüssig erscheinen ließ. Am 1. Mai fand im Schloßhofe, über welchem Segeltuch mittelst hoher Masten gespannt war, die Eröffnungsfeier statt. Der Oberpräsident von Elsaß-Lothringen v. Möller erklärte (11 h) mit Rede und Verlesung der Stiftungsurkunde Kaiser Wilhelms die Universität für eröffnet; es folgte eine kurze geschäftsmäßige Rede des Rektors Professor Bruch mit verschiedenen Dankabstattungen, dann Gesang, dann Festrede Professors Anton Springer, worin er gut ausführte, daß wir hier auf altdeutschem Boden stehn, den wir 136 137

Vom 13. August bis 28. September 1870. Reisehandbuch des Verlages Karl Baedecker in Koblenz seit 1827.

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behaupten wollen. Daran reihten sich die Begrüßungen durch je einen Vertreter der deutschen (Waitz, Göttingen), oesterreichischen (Tomaschek, Wien) und schweizerischen Universitäten, sodann Dankesworte des Rektors Bruch, dessen Vortragsweise nicht der Bedeutung des Tages entsprach. An amtlichen Veranstaltungen folgten Festessen, Kommers, ein Kaffee|gartenbesuch und Ausflug (teils mit Eisenbahn) auf den Odilienberg. Die Straßburger Zeitung ist lesenswert, sie hat über das Fest genau berichtet138. Vom Odilienberg hat sie verschwiegen, daß Berthold Auerbach dort in der Klosterwirtschaft ein Faß bestieg und eine Rede halten wollte, als er begann „auf der Höhe“139 wurde er (weil Jude) von Studenten vom Fasse herabgeholt und zum Schweigen verurteilt, worauf er sich drückte. An einem Nachmittag von 5 bis 7 h fand im Kaffeehaus „Piton“ eine Burschenschafterzusammenkunft statt, bei welcher von unserer Seite140 auf zukünftige politische Vereinigung Oesterreichs mit dem Deutschen Reiche angespielt wurde, was seitens eines preußischen Stabsoffiziers höflich, aber ohne Umschweife zurückgewiesen wurde; sehr viel Innerarbeit müsse in Oesterreich erst verrichtet werden, bevor Annäherung ins Auge gefaßt werden könne. Deutscher Sang veranlaßte anwesende Französlinge ein Schmählied anzustimmen, was zu Keilerei und schließlichem Hinauswerfen der Frechen führte. Dies war, abgesehen von vereinzelten Contrahagen, auch Eltz, der einzige Mißton in dem sehr gelungenen Festverlauf; aber seit altersher kein ähnliches Fest ohne Contrahagen. Wir (Silesen) hielten mit den Dresdensern Eichelbaum und Vellinghausen und 138 Straßburger Zeitung und Amtliche Nachrichten für Elsaß-Lothringen. Hier wird tatsächlich im 3. Jahrgang (1872), Nr. 101ff. vom 2.-9. Mai 1872 ausführlich über die Eröffnung berichtet mit wörtlicher Wiedergabe aller Festreden und der eingelangten GlückwunschDepeschen, darunter vom 30. April der „deutschen Historiker der Universität Wien“, des (erst kürzlich begründeten; vgl. Anm. 112) „Siebenbürger Sachsen-Vereins Wien“, aus Hermannstadt „im Namen der Rechtsakademie“ (Prof. Friedrich Schuler) „v. Libloy“, vom 1. Mai der „deutschen Studenten Kronstadt’s“, der „Siebenbürger Deutschen aus Graz“, der „15 Siebenbürgisch-Sächsischen Studenten in Leipzig“, am 2. Mai der „in Jena studierenden Siebenbürger Sachsen … im Auftrag Schiel“ usw. Von den Siebenbürger Sachsen wird oft (wie z. B. aus Jena) die Situation der fern im Osten lebenden Deutschen betont, „Söhne deutscher Männer aus dem fernen Karpathenland“. Dass man in Kronstadt nach studentischem Brauch einen „kräftigen Salamander aufs Vivat, Floreat, Crescat der deutschen Universität Straßburg“ „gerieben“ habe, wird ebenfalls nach Straßburg telegraphiert. – Aus Wien war laut Zeitungs-Notiz vom 1. Mai am Abend des 27. April die aus 25 Studierenden bestehende Delegation nach Straßburg abgereist, u. zw. „1 evangelischer Theologe, 12 Juristen, 5 Mediziner, 6 Philosophen, 1 Techniker“. F. Z. ist gesondert gereist (siehe oben S. 60f.). 139 Nämlich auf dem Fasse. Angespielt wird auf Auerbachs 1865 erschienenen Roman „Auf der Höhe“. Berthold Auerbach (1812-1882) alias Moses Baruch Auerbacher, Schriftsteller (auch unter dem Pseudonym Theobald Chauber), war Burschenschafter und ein eifriger Verfechter der Judenemanzipation; vgl. NDB I, S. 434. 140 Folgt in Klammern: „d(es) A(kademischen) Ver(eins)“, dazu Fußnote: „Ein Vertreter des Wiener deutsch(en) akad(emischen) Lesevereins“.

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einigen Bonner Märkern zusammen; letztere hatten sich durch die Dres|denser uns vorstellen lassen. An allen amtlichen Veranstaltungen nahmen viele Offiziere, einschließlich die Generalität, teil. Die Burschenschaft Stiria begnügte sich leider mit Absendung telegrafischer Begrüßung. Durch einen für die Studenten besonders wichtigen Umstand unterscheidet die Straßburger Feier sich wesentlich von andern Universitätsfesten: die Festteilnehmer genossen alles frei, Wohnung, Bedienung, Essen, Festwein, Bier. Die Eisenbahnfahrt gegen Sankt Odilien hin war frei und auf den Eisenbahnstationen waren Tische mit Speisen und Getränken aufgestellt zu kostenloser Benützung. Nur in der Klosterwirtschaft St. Odilien kaufte sich jeder nach Belieben folgendermaßen: man ging in die Küche, schnitt sich selbst Schinken, Wurst oder Käse, dazu Butter und Brot und legte das Gewählte einer Nonne vor behufs Abschätzung, worauf man den Schätzwert bar bezahlte; Wein und Bier gelangten Schoppenweise zum Verkauf. Ueber die nationale Bedeutung der Straßburger Universitätsgründung brauche ich hier nichts zu schreiben, weil jedem Deutschen diese Bedeutung klar sein muß. Die umfassende Schonung, welche Kaiser Wilhelm zum Nachteile seiner Privatkasse den Geldbörsen der Festteilnehmer hat angedeihen lassen, ermöglichte es mir, ohne jemanden anzupumpen den Rückweg von Straßburg über Leipzig einzuschlagen. Am 4. Mai, im Morgengrauen, fuhr ich | nach Heidelberg, wo ich einige Stunden mit Alemannen verkehrte. Dann nach Frankfurt, Fulda, Eisenach, Jena (Arminia aus dem Burgkeller, mein Freund Paulsen, der heil aus dem Krieg 1870/1 heimgekehrt war), Leipzig, wo ich am 10. Mai eintraf. Dresdensia war recht gut beisammen, einige im Kriege gewesen. Neu war der Sonntagfrühschoppen bei verhängten Fenstern und Gasbeleuchtung; Pflaster-Wagner behauptete, die Teilnehmer verlören jedesmal den Begriff der Tageszeit, und in der Tat, der Frühschoppen dauerte bis in den Abend hinein und dann wußten einige nichts mehr von Tageszeit. In Halle besuchte ich Kleeberg (Einjähriger) und Herwig, welcher 1870/1 im Krieg gewesen war, gesund rückgekehrt, ┌ ┐ Abend bei B(urschenschaft) Germania . Am 20. Mai kehrte ich nach Wien zurück, zur Freude der Mutter gesund, während Vater seinen Ausspruch wiederholte: „Das heiße ich nicht studieren“, jedoch schien er etwas besänftigt, als er hörte, daß ich mit dem erhaltenen Gelde Auslangen gefunden habe. Auf den deutschen Eisenbahnen ließ man mich ohne Nachweis als rückkehrender Straßburger Festgast zu halbem Preise fahren. Nach zweimonatlichem Arbeiten und am S e m e s t e r s c h l u ß A u s f l u g mit Ofner, Lypp, Moi(sisovius), Sassi und Theodor | nach Liesing, Baden und Vöslau, ging ich mit den Eltern behufs Kaltwasserkur Vaters nach Kreuzen

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bei Grein. Als aber ein Badediener Vater zur Kur abholte, meinte er, das sei nicht nötig, und er unterzog sich der Kur (Dr. Kritschke) nicht, dampfte141 den ganzen Tag und las Zeitungen wie daheim. Vater war nicht einer Kur wegen sondern deshalb auf Urlaub gegangen, um den Fall Schulz in seiner möglichen Wirkung fern vom Amt betrachten zu können. Schulz, ein prüfungsloser reichsdeutscher Theologe, wollte in Graz Pfarrer werden, war aber von dem Oberkirchenrat einer Prüfung wegen von der Bewerbung ausgeschlossen worden, worüber, geschürt von dem weltlichen Rat Dr. Martin Schenker – der sich an Vaters Stelle setzen wollte142 – besonders in Judenblättern Lärm geschlagen wurde; vergeblich, Cultusminister v. Stremayr ließ sich nicht verleiten, gegen den Oberkirchenrat vorzugehen. Meine Mutter fand in Kreuzen Gesellschaft in Ofners Mutter und Frau Oberst Beck (nachmals143 Chef des Generalstabs). Zwischen 5 bis 7 ½ h war täglich Kegelschub, außer Beck noch Staatsarchivar v. Klinkowström, Kanzleidirektor Groget d’Orlearius, Hofrat Bronfelli, Dr. Seng u(nd) A(ndre). Nach dem Abendbrot ließ Fräulein v. Klinkowström polnische Bruk144 steigen, woran ich mit dem Gelde Gr(o)get’s (der selbst nicht mittun wollte) | einige male mich beteiligte, nur mit Verlust, meist gewannen Fräulein v. Klinkowström und ihr Bruder. Im Ganzen ein gemütlicher Aufenthaltsort, frei von Aufwand, Freibad und Kurräume nett, Wohnung gleichfalls, Verpflegung gut, bei welcher nur der abendliche Milchreis oder Milchgries von Einigen beanstandet wurde. Mit Hofrat Bronfelli verkehrte ich fast jeden Vormittag; er war in seinen Fächern, Statistik und Handelsgeografie sehr tüchtig, eine Lust ihm zuzuhören. Rückfahrt von Kreuzen mit Dampfer bis Krems, daselbst Aufenthalt, dann Ausflug nach Stift Göttweig. Für das Wi n t e r s e m e s t e r 1872/3 belegte ich nur das Kolleg bei Theodor Sickel über lateinische Paläographie des Mittelalters 1. Teil. Wie in seinen Vorlesungen über Geschichte sprach er, nur ab und zu in sein Heft blickend frisch und frei zu seinen Zuhörern, dieselben scharf aufs Korn nehmend, man fühlte seine vollständige Beherrschung des Stoffes heraus und folgte ihm gerne.

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Rauchen. Nämlich als Präsident des Evangelischen Oberkirchenrates (Konsistoriums); vgl. S c h w a r z , Providus, S. 195. Nachfolger Zimmermanns wurde dann der entlassene Sachsengraf Conrad Schmidt (siehe oben Anm. 102). Über die Grazer Affäre Schulz vgl. W. Wi s c h m e y e r, Innerprotestantische Kulturkämpfe: Der „Grazer Kirchenstreit“ 1871-1873 und die kirchenpolitische Debatte um den theologischen Liberalismus (in: Jahrbuch für die Geschichte des Protestantismus in Österreich 127/2011-12) (im Druck). Über den seit 1867 in Wien als juristischer Oberkirchenrat tätigen Dr. Martin Schenker aus Martinsdorf in Siebenbürgen († 1875) vgl. ÖBL X, S. 82. 143 Nämlich 1881. Vgl. über Friedrich Graf Beck-Rzikowsky (1830-1920) ÖBL I, S. 61f. 144 Bruk: Glücksspiel mit Karten, eine Art Poker. 142

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Außer Wattenbachs Anleitung (Leipzig, Hirzel)145 gab es kein Handbuch für das Studium der lat(einischen) Paläographie und Wattenbach war für Studienzwecke schwer benützbar, weil in ihm nicht die verschiedenen Alfabete, sondern die einzelnen Buchstaben in ihrer grafischen Entwicklung von der Römerzeit | angefangen durch das ganze Mittelalter hindurch dargestellt werden. Täglich nachmittag Studium auf der Universitätsbibliothek, besonders unter Benützung der „Monumenta graphica medii aevi“ (10 Lieferungen, Wien)146. Die Verleihung des Bandes147 und Inaktivierung änderte nichts in meinem bisherigen Verkehre in der Silesia. An den Konventen teilzunehmen hielt ich aus Rücksicht auf meine Stellung als Dresdenser nicht für angezeigt, denn mit dem Kartell (Silesia, Stiria, Dresdensia) waren die Silesen nicht zufrieden; ich auch nicht mit der Art des Aktivseins z(um) B(eispiel) gerade des Sprechers Friedrich Eltz, welcher zu den offiziellen Veranstaltungen (Konvent, Kneipabend, burschenschaftlicher Abend, Sonnabend 11 h Universitätsbummel mit folgender Frühkneipe – in der Gartenbaugesellschaft – täglich eine Stunde Fechtboden) wohl erschien, sonst aber sich in Unsichtbarkeit hüllte. Auswärtige Besucher mußten auch an nichtoffiziellen Tagen empfangen und begleitet werden, desgleichen ergab sich die Notwendigkeit, die Kulöre bei deutschnationalen Versammlungen eventuell auch Sonntags zu vertreten. Als in diesem (1872) Herbst der Jenenser Armine Andreas Berger uns besuchte, bekam er keinen Aktiven zu Gesichte, sondern Theodor und ich leisteten ihm Gesellschaft und führten ihn | nach Brunn – Sparbach – Mödling. Die Strohmannrolle, welche Eltz im Konvent spielte, in dem Bernd der eigentliche Leiter der Kulör, Friedrich Eltz nur sein Sprachrohr und Exekutor war, entsprach nicht meiner Auffassung vom Amte des Sprechers. Nach reichsdeutschen Begriffen, so auch bei der Dresdensia, bildete die Burschenschaft eine Familiengemeinschaft, welche sich täglich zusammenfand, die Aktiven besuchten die Kollegien, hielten aber sonst zusammen, wovon auch Ortsansässige sich nicht ausschlossen. Der an die Spitze berufene Kulörbruder war immer der wirkliche Führer der Burschenschaft, während zur Zeit da Eltz Sprecher genannt wurde, Bernd, der ausgezeichnete nationale Redner und gewandte Wechselredner, der tatsächliche Sprecher und Führer der Silesia gewesen ist. Damals ging die Rede unter den Aktiven um: „Wer weiß, ob’st morgen nit draußen bist.“ Schulden von 1870 her, die durch 145

Wilhelm Wa t t e n b a c h , Das Schriftwesen im Mittelalter (Leipzig, Verlag Hirzel 1871). 146 Theodor S i c k e l , Monumenta graphica medii aevi ex archivis et bibliothecis imperii Austriaci collecta, edita iussu atque auspiciis ministerii cultus et publicae instructionis caes. reg. Vindobonae 1859-1869, 10. Lieferung erst 1882; vgl. L. S a n t i f a l l e r , Theodor von Sickel, Römische Erinnerungen (1947), S. 87ff. 147 Siehe oben Anm. 135.

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das Gerede in der Studentenschaft noch größer gemacht wurden, und rasch folgende Ausschließungen, hielten ohne Zweifel manche Studenten ab, der Silesia sich zu nähern; es kamen die leutearmen Semester, während welcher wir wenigstens das Glück hatten, in den Burschen Breuss, Rader und Longo tüchtige Vertreter zu besitzen. Am 24. Oktober 1872 stieg der erhebende Schererkommers. Für unser Ehrenmitglied Professor Wilhelm Scherer war das Verbleiben an | der Wiener Universität unmöglich geworden, infolge der Neigung der Regierungskreise zur Rache für Königgrätz148. So ging diese tüchtige wissenschaftliche Kraft Oesterreich verloren, indem Scherer die germanistische Lehrkanzel an der im Mai d(ieses) J(ahres) eröffneten Universität Straßburg149 übernahm. Unter ungewöhnlich starker Teilnahme seitens der Studentenschaft verlief dieser Kommers, auf welchem v. Muth und Bürger in unserm Namen nach Form und Ausdrucksweise packend sprachen, Scherer in gefühlsreicher und begeisternder Art dankte und wehmutsvoll Abschied nahm. Meine paläographischen Studien nahmen nach meiner Meinung guten Fortgang, und so belegte ich für das S o m m e r s e m e s t e r 1873 bei Sickel Paläographie 2. Teil und bei Franz Kürschner Urkundenlesen. Bevor ich mich aber bei Sickel als Kandidat für das Institut für österreichische Geschichtsforschung meldete, fragte ich Eduard Richter um Rat. Dieser schrieb mir: „Wenn du schnell unterkommen willst, geh’ in die Lehramtsprüfung, wenn du aber gründliche historische Fachausbildung anstrebst, bewirb dich um Aufnahme in’s Institut.“ Im Sommer setzte ich Studium der Paläographie fort und beteiligte mich an den urkundlichen Uebersetzungsübungen bei Kürschner, welcher dabei auch deutsche Verfassungsgeschichte vortrug. Im Juni stellten sich dreizehn | Kandidaten zur Aufnahmsprüfung, von welchen laut Ministerialbescheid aus dem Juli 1873 sechs als ordentliche Mitglieder in das Institut aufgenommen wurden: Foltz, Ferdinand Kaltenbrunner, Simon Laschitzer, Johann Paukert, Eduard Wertheimer und ich150. Der Sommer 1873 war der Arbeit nicht gerade günstig. Die Anfang Mai eröffnete We l t a u s s t e l l u n g (in Neubauten zwischen der Prater-Hauptallee 148

1866; siehe oben Anm. 69. Siehe oben S. 60ff. 150 Siehe unten bei Anm. 171 und dazu S a n t i f a l l e r , Institut, S. 105f., und L h o t s k y, Institut, S. 166ff., auch über die genannten Instituts-Mitglieder. F. Z. rangiert als 64. Mitglied des Instituts seit dessen Gründung 1854. Sein Sohn Robert dann im 27. Kurs (1907-1909) als 281. Mitglied; siehe S a n t i f a l l e r , S. 132. Harald Zimmermann rangiert unter Nr. 592 im 55. Kurs (1951-1953). – Eduard Richter (1847-1905) war 1869-1871 Mitglied des Instituts für österreichische Geschichtsforschung gewesen, damals (1873) Gymnasialprofessor in Salzburg, ist als Professor für Geographie an der Grazer Universität und Mitglied der Österreichischen Akademie der Wissenschaften gestorben; vgl. ÖBL IX, S. 122f. Zur Freundschaft des Silesen mit F. Z. siehe oben fol. 21v. 149

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und der nördlich gelegenen Fahrstraße151) zog uns öfters an, da doch vieles dort zu sehen war, was nur weitreisenden Leuten bekannt wird, so japanische Erzeugnisse wie Menschen von dort, Indianerwigwam mit Originalindianern, Mohren und Kaffern. Studenten zahlten 10 Kreuzer Eintrittsgeld. Einzelner Herrscher oder deren Vertreter wegen ließen wir uns stundenlanges Warten nicht verdrießen, zuerst Friedrich Wilhelm, der deutsche Kronprinz, später Kaiser Wilhelm und Bismarck; Kronprinz Humbert von Italien, Eduard Prinz von Wales, welcher wie gewöhnlich ein Saufkollegium abhielt, der Schah von Persien152, der wegen seiner tierischen Gewohnheiten abseits, in Laxenburg, einquartiert wurde; dort verunreinigte er die Zimmer, auch schlachtete er in einem derselben ein Lamm. Ungarn trat hier zum ersten male als selbständiger Staat vor die Welt hin. In seiner altertümlichen Abteilung spielte der sogenannte Gelehrte Henßlmann den fachkundigen Aufseher | und Führer; unter Anderem fanden sich daselbst auch mittelalterliche Königsiegel ausgestellt, eines von König Andreas II. Nach dem gedruckten Katalog (von Henßlmann geleitet) lautete der Schluß der Siegelumschrift: 9. Dec(ember)153. – Dies nur eine Probe von dem angeblichen wissenschaftlichen Charakter der ungarischen Altertumsabteilung. Henßlmann hatte daselbst auch eigene Druckschriften ausgestellt154, in welchen er von einem selbständigen ungarischen Baustile faselte. Auch außerhalb der Rotunde und ihrer Umgebung bot Wien in jenem Halbjahre besondre Schaustellungen, die archivalische Ausstellung des Fürsten Schwarzenberg, veranstaltet durch dessen Archivar Berger, die wechselnden Ausstellungen im Künstlerhaus, im Oesterreichischen Museum für Kunst und Industrie, im Kunstverein (Tuchlauben). Aus dem Deutschen Reiche erschienen der inaktive Dresdenser Louis Baudler aus Koburg, der aktive Dresdenser Pflaster-Wagner und der aktive Dres(denser) Franz Wagner (dieser mit seinem Vater), keiner von diesen bekam einen aktiven Silesen zu Gesicht, obgleich Baudler im Mai und

151 Rotunde zwischen Prater-Hauptallee und Vorgartenstraße; vgl. J. P e m s e l , Die Wiener Weltausstellung von 1873: das gründerzeitliche Wien am Wendepunkt (1989). 152 Nâṣir ad-Dîn (1848-1896); vgl. dazu P e m s e l , Weltausstellung, S. 44. 153 Ungarn auf der Weltausstellung 1873. Special-Catalog der ausgestellten Gegenstände der Urproduction, Gewerbe, Wissenschaft und Kunst (Budapest 1873), zitiert bei P e m s e l , konnte aber nicht eingesehen werden. – Selbständigkeit Ungarns meint Ausgleich mit Österreich 1867. – Zum besonderen Interesse von F. Z. für den Ungarnkönig Andreas II. (1205-1235) und dessen Urkunden siehe unten Anm. 170. Ein Datum im Siegel natürlich eine Unmöglichkeit, sicher verlesen. Vgl. die Siegelabbildung in H. Z i m m e r m a n n , Der Deutsche Orden in Siebenbürgen (2011), Abb. 4. 154 Über Imre Henszlmann (1813-1888), als Archäologe Professor der Budapester Universität, und dessen Schriften vgl. ÖBL II, S. 275f.

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Pflaster-Wagner im Juni in Wien eintraf155. Theodor und ich führten Baudler auf den Semmering, nach welchem Ausfluge Vater fragte, ob noch viele solche Besucher kämen; Baudler war im Felde 1871 bis vor Paris gelangt, wurde infolge schwerer Strapazen von einem Herzleiden ergriffen, | doch blieb er tapfer ausharrend im Dienste bis zum Friedensschluß. Aus Siebenbürgen stellten sich als Quartiergäste bei den Eltern ein Tante Lotti Dietrich mit Selma v. Meltzl (Schwester des Unterstaatsanwaltes Oskar v. Meltzl), dann Josefine Dietrich geb(orene) v. Wayda, Mutter von Gustav, Moritz und Hermann Dietrich. Am 1. Nov(ember) 1872 war Vater die Wohnung Breitegasse (vordem Gardegasse) 14, 2. Stock gekündigt worden, da er die Steigerung um 400 Gulden nicht annahm156; erst im Januar fanden wir eine Wohnung VII. Kaiserstrasse 37, 2. Stock, welche über 1100 Gulden kostete; die schönste unsrer Wiener Wohnungen, gegenüber der Einmündung der Seidengasse gelegen, mit Gartenbenützung157… Große Preissteigerung ging der Weltausstellung voraus, jeder wollte sich bereichern, aber der erhoffte Massenbesuch Wiens blieb aus. Es kamen stattdessen der Krach158 und die Cholera. In den Praterwirtschaften wurden Salami und Käse auf Aktien gekrachter Anstalten serviert. Ein Cholerafall uns gegen|über verlief in 24 Stunden tötlich. Theodor, Bürger und ich rückten zur Waffenübung nach Korneuburg (Ergänzungsbezirksstation von Deutschmeister) ein, wo wir den Ausfall der Uebung erfuhren. Trotz der Vorschrift „Jede Einberufung zählt als aktive Dienstleistung“ wurde unser Erscheinen im Militärpaß nicht eingetragen, obgleich wir gestützt auf die Vorschrift es verlangt hatten. Ein amtlich verübter Betrug, durch welchen wir widerrechtlich zu einer neuerlichen Einrückung beziehungsweise Waffenübung gezwungen wurden159. Aus Siebenbürgen trafen ein und waren unsere Gäste: Ministerialrat Ludwig v. Greißing, Apotheker Karl Müller und Tochter Amalie, Gerichtsrat Josef Schneider, Dr. Gottfried Tellmann, Superintendent G(eorg) D(aniel) Teutsch samt ältester Tochter Wilhelmine, von Leipzig aus sein ältester Sohn Friedrich. Aus Oedenburg her besuchte uns Frau Major Theuerkauf mit ihrer ältesten Tochter Julie160; sie war nicht der Weltausstellung sondern ihres Gebisses wegen, wie sie sagte, nach Wien gekommen. Sie wußte nicht genug zu 155

Also während des Semesters. Anders oben Anm. 62. 157 Es folgt eine Federzeichnung mit Erklärungen: Grundriss der neuen Wohnung. 158 Börsenkrach am 9. Mai 1873; vgl. P e m s e l , Weltausstellung, S. 77ff. 159 Im August, wieder in Korneuburg. Siehe unten S. 71. 160 Die künftige Gattin von F. Z.; siehe unten nach Anm. 314. – Dr. med. Tellmann war Eigentümer von Zimmermanns Wohnhaus in Hermannstadt, Wiesengasse 29; vgl. unten bei Anm. 191 u. oben Anm. 46 u. 59. 156

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erzählen von (ihrer Lieblingstochter) Marie (geboren 3. Februar 1862), wie geschickt dieselbe und wie entwickelt dieselbe sei, während dessen die kleine Julie, geduldig hinnehmend dieses Hervorziehen ihrer Schwester, regungslos auf die Fensterscheiben guckte161.

161 Damit endet im „Zeitbuch“ das Hauptkapitel über den „Lebenslauf 1850-73“ (siehe oben S. 29ff.). Die nächsten Seiten II, fol. 41v-51v sind dem Vater Josef Andreas Zimmermann (1810-1897) gewidmet (siehe oben Anm. 46). Erst dann beginnt wieder der „Lebensbericht“ mit „Arbeiten als Archivar“ in Hermannstadt (ab 1875) (siehe unten S. 145ff.). Der sogenannte kurze „Lebensabriß“ (siehe oben Anm. 44) geht weit über 1875 hinaus.

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Institut für österreichische Geschichtsforschung 1873 bis 1875. Im Oktober 1873 begann der Studienbetrieb in dem Institut für österreichische Geschichtsforschung, welches in einem stockhohen Gebäude zwischen der Universität und der Dominikanerkirche, Fenster gegen diese, untergebracht war. 1 Vorstandszimmer, 1 Hörsal, 1 Arbeitszimmer mit 6 Arbeitstischen, Dienerwohnung; die Institutsbibliothek war in Bücherstellen im Arbeitszimmer, der paläographisch-diplomatische Apparat im Vorstandszimmer untergebracht. Besuch der Vorlesungen und Uebungen richtete sich nach den bestehenden Vorschriften, von Herbst 1874 an nach dem neuen Statut, vom 22. September 1874, nach welchem Statut auch Kunstgeschichte sowie Bibliotheks- und Archivkunde in den Studienbereich einzubeziehen waren162. Im Winter 1873/4 besuchte ich und arbeitete in den Uebungen fest mit: Sickel Geschichte des 17. Jahrhunderts, Chronologie des Mittelalters und Paläographische Uebungen; Zeißberg Annales Altahenses; Thausing Italienische Kunstgeschichte im Zeitalter der Renaissance; Siegel; Deutsche Reichs- und Rechtsgeschichte; diese 18 wöchentlichen Stunden, dazu Vorbereitung für die paläographischen Uebungen und Annalenlesung gaben viel Arbeit; so daß die Stunden von 9 bis 2 h und von 4 bis 7 h an Werktagen davon in Anspruch genommen wurden, mitunter auch über 7 h abends | hinaus. Diese Arbeitseinteilung blieb unverändert auch in den folgenden Semestern, in welchen auch Sonntag vormittag im Institute gearbeitet wurde. Im Sommersemester 1874 besuchte ich Sickel Geschichte der Karolinger und Diplomatische Uebungen, je 4 Stunden; Zeißberg Ansberti expeditio Friderici I. und Thausing Geschichte des Kupferschnittes und Formschnittes, je 2 Stunden. Im Winter 1874/5: Sickel Geschichte des Städtewesens im Mittelalter, 1 Stunde, und Diplomatische Uebungen, 4 Stunden; Zeißberg Quellenkunde der österreichischen Geschichte im Mittelalter und Lesung von Johannes Victoriensis, je 2 Stunden; Thausing Deutsche Kunstgeschichte im Mittelalter, 2 Stunden. Im Sommersemester 1875: Sickel Diplomatische Uebungen, 3 Stunden; Zeißberg Quellenkunde der österreichischen Geschichte, 2 Stunden; Thausing Bibliothekskunde und Kürschner Archivkunde, je 1 Stunde.

162 Vgl. über das 1854 vor allem zur Ausbildung für den Archivdienst und in den hiefür notwendigen sog. Historischen Hilfswissenschaften begründete Institut S a n t i f a l l e r , Institut und L h o t s k y, Institut, siehe schon oben Einleitung, Anm. 3. Das Statut publiziert bei L h o t s k y, Institut, S. 130ff.; vgl. auch unten S. 224f. im Anhang.

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Unter Sickels Leitung wurde gearbeitet in oberitalischen Urkunden, Alcuinbriefen, Urk(unden) aus Kroatien des 11. und 12. Jahrh(underts), Liber Diurnus163, Urk(unden) der ersten Karolinger, der Ottonen, Kaiser Friedrich II.; für auswärts besorgt Urk(unden)-Kollationen aus dem Haus-, Hof- und Staatsarchiv, Beschreibung und Datierung von Handschriften in der Hofbibliothek; Kopien griechischer kirchl(icher) Urkunden für das Ossolinski-Institut in Lemberg164. Sickels Lehr- und Arbeitsweise ist gekennzeichnet durch | Gründlichkeit, Bestimmtheit und Vorsicht. Er sagt und handelt dementsprechend: Bis hierher gehe ich bestimmt vor, das ist verbürgt, von hier an bedingt. Zeißberg und Thausing verraten Hofluft, leise sprechend, gefällig, lächelnd; Zeißberg der gefürchtete Examinator, Thausing milde, Kürschner Anfänger, aufrichtiger Förderer der Hörer165. Das Institut bietet ständigen persönlichen Verkehr mit den Lehrern, Einführung in die Fachliteratur. Als lehrreich hervorzuheben Sickels Stellungnahme (1873) gegen den von Karl Pertz herausgegebenen 1. Band Diplomata der Monumenta Germaniae Historica166; Besprechung in den Uebungen. Pertz verschwand als Gelehrter und Sickel trat bei den Monum(enta) ein. Im Sommer 1874 Vorarbeiten für eine Hausarbeit über Urk(unden) K(önig) Andreas II. von Ungarn. Im August Waffenübung bei Deutschmeister in Korneuburg. Im September Fahrt nach Hermannstadt, Arbeiten im Archiv und Nachfrage nach Andreanischen Urk(unden) in Siebenbürgen, nichts Neues; dabei erfahre ich, daß für die Fortsetzung des Siebenb(ürgischen) Urk(unden)b(u)chs 1. Band von Teutsch und Firnhaber167 nichts geschah; man will von 163

Das Formelbuch der päpstlichen Kanzlei im Früheren Mittelalter; vgl. L. S a n t i f a l l e r , Liber Diurnus, Hg. v. H. Zimmermann (= Päpste und Papsttum, Bd. 10) (1976). 164 Polnisches Kulturinstitut in dem zur Habsburger-Monarchie gehörigen Galizien, gegründet 1817 durch den Grafen Josef Ossoliński (1748-1826), damals Oberst-Landmarschall in Galizien; vgl. ÖBL VI, S. 260. 165 Zu den Genannten vgl. die Charakteristik bei L h o t s k y, Institut, S. 45ff. Theodor Sickel (1826-1908), 1869-1891 Direktor des Instituts; L h o t s k y, S. 135f. u. 215ff. – Heinrich Ritter von Zeissberg (1839-1899), Absolvent des Instituts (1861-1863), 1891-1896 Direktor des Instituts; L h o t s k y, S. 135f. u. 208f. – Moritz Thausing (1838-1884), Absolvent des Instituts (1859-1861), Kunsthistoriker, seit 1873 Universitätsprofessor; L h o t s k y, S. 134ff. – Franz Kürschner (1840-1882), Absolvent des Instituts (1863-1865), Archivar, seit 1872 Dozent für Historische Hilfswissenschaften. 166 Über die Urkunden der Merowinger (1872). Die Kritik von Th. S i c k e l , Monumenta Germaniae Historica. Diplomatum imperii tomus I. (1873). Vgl. dazu H. B r e s s l a u , Geschichte der Monumenta Germaniae Historica (1921), S. 471ff. 167 G. D. Te u t s c h , F. F i r n h a b e r, Urkundenbuch zur Geschichte Siebenbürgens, 1. Teil enthaltend Urkunden und Regesten bis zum Ausgang des Arpadischen Mannesstammes (1301) aus den Sammlungen des Vereins für siebenbürgische Landeskunde (= Fontes rerum

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1301 an weiter sächsische Stuhls- und Distrikturkundenbücher, also für jeden Stuhl und Distrikt gesondert, mit dem Jahre 1301 beginnend erscheinen lassen168. Im April 1875 Fahrt nach Pest nach Andreanischen Urkunden. Die Hauptsam(m)lung, das Ungarische Landesarchiv (Ofen, Landhausgasse) ist nicht zugänglich, angeblich weil dieses Archiv erst vor zwei Monaten eingerichtet worden sei169; von Sickel habe ich Empfehlungen an Gustav Wenzel und Wilhelm | Frankl, seit 1873 Fraknói geheißen; sie können nur laut ihrer Aussage nichts für mich tun; der Jude Frankl, als Getaufter römisch katholischer Geistlicher geworden, sagt, im Ungarischen Nationalmuseum sei nichts für meinen Zweck. Rückfahrt über Ujszöny, von wo aus ich die Familie Theuerkauf in Komorn besuche. – Meine Hausarbeit erstreckte sich nur auf einzelne innere Merkmale der Andr(eanischen) Urkunden170.

Austriacarum, 2. Abt.: Diplomataria et acta, 15. Bd.) (1857). Vgl. dazu Z i m m e r m a n n , Hospites, S. 289ff., auch unten Anm. 331. 168 Siehe dazu unten S. 123. 169 Tatsächlich nach entsprechendem Ministerialerlass vom 19. September 1874; vgl. J. J a k o b s , A Magyar Országos Leveltár (Budapest 1996), S. 19. 170 Da für Diplomarbeiten kein Druckzwang bestand, ist sie nie publiziert worden, fand aber sicher bei der späteren Edition des Urkundenbuches (siehe dazu unten nach Anm. 330) Berücksichtigung. Im Siebenbürgen-Institut in Gundelsheim befindet sich im Zimmermann-Nachlass (A 4362 Bd. 6, 2h) ein Manuskript aus 1875 „Beiträge zur Geschichte des Urkundenwesens und der Kanzlei K. Andreas II. von Ungarn“. Laut einer späteren Notiz am Deckblatt, gezeichnet von R(obert) Z(immermann), dem Sohn von F. Z., handelt es sich um die „Prüfungsarbeit, die Franz Zimmermann zur Staatsprüfung an dem k. k. Institut für österreichische Geschichtsforschung am 5. Juni 1875 eingereicht hat“. Es ist entweder eine Zweitschrift oder (wahrscheinlich, weil mit einem Institutsstempel versehen) das zur weiteren Bearbeitung des gestellten Themas zurückgegebene Original. Zu der nur 25 Seiten umfassenden Abhandlung gehört noch (in Gundelsheim A 136 Bd. 1) ein 95 Blatt dickes Heft mit Regesten der Andreas-Urkunden, Angaben über deren Überlieferung und wörtlichen Abschriften ihrer Protokolle und Eschatokolle, womit sich die Institutsarbeit von F. Z. vor allem beschäftigt hat. Diese wird am Deckblatt eingeleitet mit: „Vor den Ferien (Sommer 1874) gab Prof. Sickel den Rath für die Hausarbeit Material zu sammeln, denn es werde Hauptwerth auf kritische, genaue Bearbeitung noch unedierten Materials gelegt. Das Thema soll nicht umfassend sein, aber desto eingehender bearbeitet werden. Anfang December 1874 ergeht an die Instituts-Mitglieder die Aufforderung des 15. desselben Monats das gewählte Thema zur Begutachtung vorzulegen. Sämtliche Themata wurden genehmigt.“ – Agnes K u r c z , Arenga und Narratio ungarischer Urkunden des 13. Jahrhunderts (in: MIÖG 70/1962, S. 323-354) kennt die Institutsarbeit nicht. F. Z. schrieb später über Die Urkunde König Andreas II. aus dem Jahre 1206 für die Siebenbürger Deutschen (in: MIÖG 5/1884, S. 539-564) noch vor ihrer Edition im Urkundenbuch I, S. 9f., Nr. 17. Vgl. auch die Publikationsliste von F. Z. oben S. 21ff. Eine Diplomatik der Urkunden Andreas II. blieb unausgeführt, vgl. oben Anm. 8.

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Schriftliche Klausurprüfung am 13., 14. und 15. Juli 1875, mündliche Staatsprüfung am 22. Juli. Prüfungsgenossen Eduard Wertheimer, Johann Paukert, Simon Laschitzer, Ferdinand Kaltenbrunner und Karl Foltz171. Abschiedsbesuche bei Sickel, Thausing und Zeißberg. Aufrichtiger Dank besonders an Sickel für reiche Förderung der Studien während dieser schönen Arbeitsjahre.

171 Zu den Genannten siehe oben schon bei Anm. 150 und bei L h o t s k y, Institut, S. 166ff. Der in Budapest geborene Eduard Wertheimer (1848-1930) ist 1877 Professor an der Hermannstädter Rechtsakademie geworden und nach deren Schließung 1886 in Preßburg. Im „Zeitbuch“ wird er nicht weiter genannt, hatte also zu F. Z. keine besonderen kollegialen Kontakte.

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als Archivar in Hermannstadt 1875.

Vorverhandlungen mit Hermannstadt172, wobei ich als Hauptbedingung meiner Bewerbung dorthin angebe: Vereinigung der zwei Archivarstellen (von sächsischer Nationsuniversität und Stadt) und Bestellung eines dem Archivar untergeordneten Archivsekretärs; beides zugesagt. Universitätsnotär Karl Schneider, auch Mitglied der Stadtkommunität, arbeitete für die Sache. Am 6., auch am 10. August 1875 gelangte die ständige städtische Archivarstelle der Stadt Hermannstadt im „Sie(benbürgischen) Deutschen Tageblatt“ zur Ausschreibung. Mein Vater riet mir nicht ab, sagte aber: „Du wirst dort vieles anders finden, als du es gewohnt bist.“ Arneth hätte mich an das Haus-, Hofund Staatsarchiv genommen, aber die Aussicht auf selbständiges Arbeiten und der Gedanke, das Siebenbürgische Urkundenbuch weiterführen zu sollen173, bestimmte mich, nach Hermannstadt zu gehen. Feststellung des Bewerbungsgesuches am 21. August 1875, Erwählung zum ständigen städtischen Archivar in der Sitzung der Stadtkommunität am 27. September 1875, Abreise aus der neuen Wohnung VI. Kollergerngasse ┌ ┐ Mitte Oktober, Eidesablegung 23. Oktober, einige Tage später am 28. Oktober Uebergabe des Archivs an mich durch Schneider und Vizenotär Josef Drotleff, erster von Seite der sächsischen Nationsuniversität, letzterer seitens der Stadt. Auf meine Frage nach den verschiedenen Abteilungen des Archivs und nach den Vorarbeiten meiner Amtsvorgänger, erklärte Schneider, das wird Herr Vizenotär beantworten, denn das Archiv befindet sich, weil auf dem Rathause174,

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Im „Lebensabriß“ (Bd. II, fol. 67f.) heißt es (im Anschluss an die dort resümierte Studienzeit in Wien 1868-1875): „Bei Umschau nach einer Berufstellung ergab sich zunächst die Möglichkeit im Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchiv, geleitet von Arneth, eintreten zu können. Aber der in Hermannstadt, wo der Stadtarchivar gestorben und der sächsische Nationsarchivar freiwillig ausgeschieden war, an dem sächsischen Nationsarchiv sich eröffnende selbständige Wirkungskreis, ferner voraussichtliche Arbeit für Fortsetzung des Urkundenbuches zur Geschichte Siebenbürgens (1. und einziger Band 1857 erschienen), bestimmten Z(immermann) nach Hermannstadt sich zu melden, wo Aenderungen im Archivdienst für diesen Fall in Aussicht gestellt worden waren.“ – Die genannten Vorgänger von F. Z. in Hermannstadt waren der Stadtarchivar Gustav Seivert (seit 1872) († 1875) und der Nationsarchivar Wilhelm Wenrich (seit 1871) († 1895), beide als gelernte Juristen nur Hobbyhistoriker und natürlich nicht (wie F. Z.) speziell zum Archivdienst ausgebildet; vgl. über sie T r a u s c h , S c h u l l e r, H i e n z , Schriftsteller-Lexikon Bd. IV, S. 429ff. u. S. 495ff., über Wenrich jüngst auch G. N u s s b ä c h e r , Aus Urkunden und Chroniken, Bd. 9 (2010), S. 251-254. Vgl. weiters V l a i c u , Archiv, S. 62ff. 173 Siehe dazu unten S. 123ff. 174 Seit 1549 in dem vom Sachsengrafen (1481-1486) Thomas Altemberger († 1491) erbauten und dann von der Stadt aus dem Nachlass des Sachsengrafen (1522-1535) Markus

Anstellung als Archivar in Hermannstadt 1875

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| unter der unmittelbaren Obhut des Magistrates. Drotleff erklärt, nichts vom Archiv zu wissen, er habe es bis zur Stunde noch nie gesehen. Schneider sagt, der Akt sei beendet175, schließt die eiserne Archivtüre ab, während Drotleff die Holztüre verschließt und beide den betreffenden Schlüssel mitnehmen. So stehe ich da als Archivar ohne Archiv und nehme die im Archiv-Kanzleizimmer aufgestellten Indices und Repertorien der Urkunden in Durcharbeit, um wenigstens den Inhalt der Urk(unden) und die Arbeitsweise meiner Amtsvorgänger kennen zu lernen. Gleichzeitig Studium siebenbürgischer Literatur, zunächst Marienburg Geografie 2 B(än)de176. Vom 23. Oktober 1875 datiert erhalte ich vom Magistrat Anweisung auf meinen Gehalt, jährlich 1000 Gulden und 25 Prozent davon als Theuerungsbeitrag, zahlbar vom 15. Oktober angefangen; in der Stadtkasse wird aber die Auszahlung verweigert, weil Anweisung und Auszahlung nur vom 1. November an erfolgen könne; es bleibt bei 1. November177. Im Dezember geht in Erfüllung die in Aussicht gestellte Aufhebung der 2. Archivarstelle, welche bisher durch die sächs(ische) Nationsuniversität zeitweilig besetzt wurde. Einrichtung eines Archivamtes, mit dem Archivar als Amtsleiter und einem ihm untergeordneten Archivsekretär; der Archivar erhält Pempflinger († 1537) käuflich erworbenen Haus in der Fleischergasse; vgl. J. F a b r i t i u s D a n c u , Spaziergang durch Alt-Hermannstadt (1983) Nr. 39; H. F a b i n i , Gotik in Hermannstadt (= Siebenbürgisches Archiv Bd. 23) (1989), S. 160f. 175 Im Bd. II, fol. 51r: „Mir ist’s hier zu kalt – womit Schneider diese Amtshandlung schloss, nach einer Dauer von zehn Minuten.“ Dann fol. 51v Nachtrag: „Januar 1876 die Archivschlüssel übernommen.“ Siehe dazu auch unten S. 87. 176 Lucas Joseph M a r i e n b u r g , Geographie des Großfürstenthums Siebenbürgen (Hermannstadt 1813) (Ndr. hg. v. E. Wa g n e r = Schriften zur Landeskunde Siebenbürgens Bd. 12, 1987). Im „Lebensabriß“ Bd. II, fol. 51r wird noch hinzugefügt: August Ludwig S c h l ö z e r , Kritische Sammlungen zur Geschichte der Deutschen in Siebenbürgen (Göttingen 1795-1797) (jetzt Ndr. eingeleitet von H. Z i m m e r m a n n = Schriften zur Landeskunde Siebenbürgens Bd. 3, 1979) „und das Archiv des Vereins für siebenbürgische Landeskunde“. Laut „Zeitbuch“ Bd. II, fol. 41v hatte der künftige Hermannstädter Archivar schon als Gymnasiast kennengelernt: Josef Karl E d e r , De initiis iuribusque primaevis Saxonum Transsilvanorum commentatio (Wien 1792) und J. K. E d e r , Observationes criticae et pragmaticae ad historiam Transsilvaniae sub regibus Arpadianae et mixtae propaginis (Hermannstadt 1803). Vgl. zu den Genannten auch F. Z i m m e r m a n n , Geschichtsschreibung (in: MIÖG Erg.-Bd., 6/1901, S. 709ff.). 177 Dieselben Summen im „Lebensabriß“ (Bd. II, fol. 51v): „zusammen 1750 Gulden. Bei diesen Stammbezügen beliessen mich die Volksgenossen durch 29 Jahre, bis in das Jahr 1904, ungeachtet viermaliger Aufbesserung von Bezügen städtischer Beamter innerhalb dieses Zeitraumes“. Immerhin zählte F. Z. zu den höchstbezahlten Amtsträgern Hermannstadts. Laut seiner im „Auftrag der städtischen Organisierungskommission“ verfassten Broschüre über „Die neue Besoldungs-Vorlage und das Archiv“ (Hermannstadt 1904), S. 4, hatte 1875 (in Kronen umgerechnet) der Hermannstädter Bürgermeister 4 800 Kronen Gehalt (mit allen Zulagen), der Archivar 3 500, der Polizeidirektor 3 280. Vgl. auch unten S. 194ff. das Kapitel „Mein Lohn auf Erden“.

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von der sächs(ischen) Nationsuniversität einen jährlichen | Zuschuß von 500 Gulden, der Archivsekretär von gleicher Seite einen Gehalt von 500 Gulden; beschlossen von der sächs(ischen) Nationsuniversität am 16. Dezember, von der Stadtkommunität am 18. Dezember 1875. – 500 Gulden waren zu wenig für einen fachmännisch gebildeten Archivsekretär; in der betr(effenden) Kommissionssitzung konnte ich Erhöhung gegenüber Orator Bedeus nicht erreichen. – In derselben Sitzung von Nationsuniversität und Stadtkommunität wurde ich zum Leiter des Archivamtes bestellt. Neu wurde mir aufgetragen: Abhaltung eines Kurses über Paläographie und Diplomatik im April bis Juni für 3 bis 5 junge Männer, über deren Aufnahme in den Kursus der Archivar entscheidet, und jährlich Lieferung einer wissenschaftlichen Arbeit178. Den Kursus lehnte ich bei der Vorberatung ab, weil ich ihn für erfolglos halte; ich machte aber dann179 gute Miene zum bösen Spiel, weil besonders Schneider für ihn eintrat, welcher der Neuordnung des Archivdienstes sich sehr angenommen hatte. Die Archivlokalitäten umfaßten ein Gewölbe im alten Rathausbau, in welchem die Archivalien untergebracht waren, und zwei Kanzleizimmer in Neubau, Fenster gegen den Rathaushof. Wohnung, Zimmer und Kammer, nahm ich Wiesengasse 8, möbliert, monatlich 13 Gulden. Allsogleich Bekanntschaft gemacht mit Hermannstadts erbgesessener Bevölkerung: Pulex, Acanthia lectularia und Periplaneta orientalis180. Frühstück und Mittagessen erhielt ich für 15 Gulden monatlich in der Dietrichsburg, Wiesengasse 16181.

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Siehe dazu unten S. 145ff. die Aufzählung. Siehe dazu unten S. 100, 102, 106, 109, 157. – Im Siebenbürgen-Institut in Gundelsheim befindet sich im Zimmermann-Nachlass (A 4302, Bd. 6,2d) ein von F. Z. wohl für seinen Unterricht erarbeitetes Manuskrpit „Paläographie und Diplomatik für Archivbenutzer“. Siehe auch unten bei Anm. 283. 180 Floh, Bettwanze, Küchenschabe. 181 Domizil der Familie Dietrich, der mütterlichen Verwandten; siehe dazu schon oben in der Einleitung und Anm. 60, weiters unten ab S. 113 das Kapitel „Als Kostkind in der Dietrichsburg 1875/6“. 179

Antrittsbesuche in Hermannstadt 1875-1876

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| Antrittsbesuche

in Hermannstadt 1875-1876.

Aus meinem Notizbuche182. 1875 Oktober 25, Besuche bei den Verwandten Josefine Dietrich (Pepi Tante), Karl Dietrich, Gymnasiallehrer, Bruder des Mexikaners183, Stadtprediger Martin Brukatsch und Hirling – ein Bündel menschlicher Gegensätze. Josefine Dietrich empfängt mich mit lautem Geschrei und großer Herzlichkeit, kalt hingegen der Stubengelehrte Karl Dietrich, dem man völlige Unbrauchbarkeit als Unterrichter sofort anmerkt. Brukatsch und Hirling, pens(ionierter) Kanzleibeamter, keine Wassertrüber, geben väterlich wohlwollende Töne von sich. Oktober 28. Vorstellung bei Univ(ersitäts) Sekretär Karl Schneider, der am 24. d(ieses Monats) nicht zu treffen war. Sehr freundlich. Erfahrener Beamter, der auch über das Archiv und dessen Bedürfnisse etwas Bescheid weiß184. Spricht in Verehrung vom Vater. Erbietet sich, mir zu helfen und ersucht um Vertrauen. Besuch bei Superintendent Dr. G(eorg) D(aniel) Teutsch. Kein Alltagsmensch185. Ist von sich überzeugt. Frau und Töchter, Wilhelmine und Friederike, dürfen über Schönheit sich nicht beklagen. – Bei Franz Gebbel, Sekretär der Evangelischen Landeskirche, sehr warm aufgenommen. Freut sich umso mehr meines Kommens, als ich es nicht nötig habe, gerade im Sachsenland in Dienst zu treten186. Soll in ihm einen Freund erblicken. Oktober 29. Auf dem Stadtpfarrhof – Stadtpf(arrer) Friedrich Müller187 abwesend – übernimmt seine Frau meine Karte | mit den Worten: „Mein Mann ist nicht zu Haus.“ Läßt mich abdampfen. November 14. Bei Herrn Bürgermeister Adolph Gibel frage ich an, welche Stadtbeamten ich zu besuchen hätte, worauf er antwortet: „Das ist hier nicht

182 Die Niederschrift dieses Kapitels erfolgte wohl 1886, jedenfalls steht im „Zeitbuch“ Bd. I, p. 148f. (siehe unten bei Anm. 302) am Ende des Kapitels im Rückblick auf die nach Anm. 279 geschilderten Ereignisse: „Juli 2 … Morgen werden zehn Jahre voll sein, seit ein morsch gewordener Bund in Scherben gehen mußte …“. Gemeint ist die Freundschaft mit Berta Jickeli. – Vgl. über die im Folgenden genannten Personen unten im Register. 183 Samuel Adolf Dietrich „diente unter dem Schattenkaiser Maximilian, unsers Kaisers Bruder, in Mexiko“ (so Bd. I, p. 173f. zur Erklärung des Spitznamens). – Von Karl Dietrich sind keine besonderen wissenschaftlichen Leistungen bekannt. 184 Weniger freundliche Äußerungen finden sich oben S. 74f. 185 Das Verhältnis ist nicht freundlich geblieben; vgl. bes. unten S. 155f. 186 Siehe oben Anm. 172 wegen der Aussichten im Wiener Staatsarchiv. 187 Der spätere (1893-1906) Sachsenbischof. Zu seiner Charakteristik durch F. Z. siehe unten bei Anm. 209 u. Anm. 338; vgl. weiters B i n d e r , Bischöfe, 2. Bd. , S. 39ff.

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stili188, aber zu Herrn Senator Henrich können Sie gehen“. Karl Henrich, ein Polizeivorstand gemütlichster Amtsführung, leutselig, geschwätzig, wünscht mir, daß ich mein Beginnen nicht bereuen möge. Frau nicht sichtbar, dagegen zwei harmlose Töchter, aus welchen nicht ein Wort hervorzubringen ist. November 23. Frau Wilhelmine v. Wayda, geb(orene) v. Heydendorff, besucht, von meiner Mutter als ihre beste Freundin bezeichnet. Freundlich begrüßt, auch von ihrer Tochter, welche einen günstigen Eindruck macht. Hans Wayda auswärts. Alle drei übrigens schon im September 1874 kennen gelernt189. Dezember 6. Besuch von Familie Staatsanwalt Albert Arz v. Straußenburg, dessen Frau Marie Schwester meines Oheims Karl Gebbel190 ist. Er und sie angetroffen, scheinen mit Lotti Dietrich eng befreundet zu sein. Die erwachsene Tochter Marie soll ständig von einem Juristen Gündisch durch die Strassen begleitet werden. Frau Arz ist Schwesterkind mit Franz Gebbel. – Besuch bei Dr. Gottfried Tellmann, Stadt- u(nd) Stuhlsphysikus, Witwer, Schulfreund Vaters. In Tellmanns Hause, Wiesengasse 29, wohnten meine Eltern einige Jahre und ich wurde in diesem | Hause geboren191. Dr. Tellmann begrüßt mich recht herzlich. Er läßt seine ärztliche Tätigkeit zum Teil auf. Dezember 7. Gang zu Adolf Dietrich, Pepi Tante’s Schwager, genannt der kleine Dietrich. Ist Revisor der sächsischen Nationalkasse, an Geist, Wissen und Können unbedeutend, 1,3 Meter hoch. Schimpft über alles, was er nicht kennt, und vieles kennt er nicht. Wohnt einige Häuser weit vom Bahnhof und hat diesen wie auch die 1872 fertiggestellte Eisenbahn192 noch nicht gesehen, obgleich er gesund ist und täglich ausgeht. Dezember 11. Ueber Auftrag Besuch bei Senator Wilhelm Klein, mit den Eltern befreundet, nicht hervorragend, er sehr bedächtig, sie lebhaft: „Na ich hab schon gedacht, daß Sie uns nicht besuchen werden.“ Seine Söhne Wilhelm und Karl, in Wien Studenten, unterrichteten mich, ersterer in Klavier, letzterer in Gymnasialgegenständen193; Herr Klein schwänzte häufig, war im Unterrichten äußerst bequem und schläfrig.

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So von lat. stilus = Stil, Brauch, Sitte. Beim vorigen Besuch in Hermannstadt; siehe oben S. 71. 190 Mathilde Dietrich († 1919), die jüngere Schwester von F. Z.’s Mutter (vgl. „Zeitbuch“ Bd. I, p. 173 u. Bd. II, fol. 127r), war mit Karl Gebbel († 1903 als pensionierter Sektionsrat) verheiratet, Cousin des oben genannten Franz Gebbel. 191 Siehe dazu auch oben Anm. 46 und bei Anm. 59. 192 Nämlich die 1872 eröffnete Strecke von Klein Kopisch nach Hermannstadt, Abzweigung der damaligen Hauptstrecke von Diemrich bzw. Simeria über Weißenburg und Schäßburg nach Kronstadt; vgl. S i g e r u s , Chronik, S. 48. 193 Nichts davon oben. 189

Antrittsbesuche in Hermannstadt 1875-1876

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Dezember 21. Bei Univ(ersitäts) Sekretär, richtig: Notarius, Schneider, ihm dankend für Mitwirkung bei Neueinrichtung des Archivdienstes durch Bestellung eines gemeinsamen Archivamtes seitens der sächs(ischen) Nationsuniversität (Beschluß vom 16. Dezember) und der Stadtkom(m)unität (18. Dezember). Er war der Anreger und Förderer der Sache194. Er bedauert, daß die Beschlüsse lückenhaft sind, besonders über den Zweiherrendienst nichts gesagt, aber man wollte rasch hinüberkom(m)en, weil Aufhebung der sächs(ischen) Munizipalverfassung bevorstehe195, es sei fraglich, ob man dann dergleichen durchführen könne. | Bitte, an mich die Archivschlüssel auszufolgen, weil Amtieren ohne Zutritt zum Archiv ein Unding sei196; er sagt zu, muß noch mit Bürgermeister und Orator (Vorsteher der Kommunität) darüber reden. Erzähle von meinem mißglückten Versuche, mich Stadtbeamten vorzustellen, worauf er rät, Orator Bedeus und Kom(m)unitätsmitglied Jickeli, Eisenhändler, aufzusuchen; er will mich bei ihnen ankündigen. 1876 Januar 5. Vorsprechen bei Orator Josef Bedeus, Gründer einer Bodenkreditanstalt. Bedächtig, gewiß kein Redner; in alten Rechtsurkunden der Sachsen ist er nicht unbekannt. Sieht in der Abmachung betreffend das Archiv aus Dezember einen großen Fortschritt. Meinen Einwurf, daß für 500 Gulden Jahresgehalt ein geeigneter Archivsekretär sich nicht finden lasse, hält er für unbegründet, aber davon ließe sich später197 noch sprechen. „Wir freuen uns, daß Sie als Wiener nach Hermannstadt gekommen sind.“ Januar 6. Besuch bei Eisenhändler Karl Friedrich Jickeli. Dieses Namens, auch Jikeli, soll es Mehrere geben. Herr Jickeli höflich, ein feiner Kaufherr, wie er im Buche steht; er hörte von Univers(itäts) Notär Schneider über mich berichten und heißt mich herzlich willkommen, „freilich werde ich gegenüber Wien auf manches verzichten müssen“. Ich betone, daß es hauptsächlich auf die Arbeit ankomme, in welcher man Befriedigung suchen müsse. Seine Tochter198 kommt herbei, ernst, jedoch nicht unfreundlich. Herr Jickeli hofft, ich werde bei ihnen bald wieder mich sehen lassen, was ich verspreche. – Schau, schau, der Jünger Merkurs199, öffnet dem Fremdling sein Haus, als erster unter allen, welche ich besuchte. In meiner Tür steckt eine Karte von Superintendent | Teutsch200. So erweist sich das bisher leer gebliebene Karten-Schüsselchen nicht ganz nutzlos. 194

Siehe schon oben S. 74 u. 76. Tatsächlich erfolgt am 2. April 1876; vgl. Wa g n e r , Quellen, S. 240ff. Nr. 80. Vgl. dazu auch unten bei Anm. 291. 196 Siehe dazu schon oben bei S. 75. 197 Siehe oben S. 75f. u. unten S. 157f. 198 Berta, siehe unten S. 85ff. 199 Der römische Gott Mercurius als Patron der Kaufleute. 200 Siehe dazu unten das Kapitel „Leseabend“. 195

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Januar 8. Franz Gebbel befragt wegen allgemeiner Dienstvorschriften für Beamte. Einige gute Ratschläge: Verschwiegenheit in amtlichen Dingen. Amtsstücke nicht bedingungslos nach der zeitlichen Folge ihres Einlaufs erledigen, sondern die Wichtigkeit der Sache berücksichtigen. Der Beamte soll die Wahrheit sagen, aber er braucht nicht immer alles zu sagen, was er weiß. Seine scharfen Augen funkeln lächelnd als er vernimmt, daß ich noch keine Dienstvorschrift in Händen habe und die Archivschlüssel201 in Gegensperre bei zwei andren Beamten sich befinden202.

201 202

Siehe dazu S. 75 u. 79. Die Fortsetzung des Kapitels „Antrittsbesuche“ folgt unten S. 85ff.

Leseabende bei Teutsch 1875-1876

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Leseabend203 bei Teutsch 1875-1876.

Am 18. November 1875 werde ich nicht als neue Hermannstädter Berühmtheit, sondern einfach als Sohn meines Vaters zu dem Leseabend gerufen, welcher im Winterhalbjahre jeden Donnerstag von 6 bis 8 h bei Herrn Superintendent Teutsch stattfindet. Außer dem Hausherrn und dessen äl|testem Sohne Dr. phil. Friedrich Teutsch erscheinen zu diesem Abend Advokat Arz v. Straußenburg, Direktor der Bodenkreditanstalt Josef Bedeus v. Scharberg, Advokat Dr. Wilhelm Bruckner, Senator Heinrich Kästner, Stadtprediger Karl Klein, Stadtpfarrer Friedrich Müller, der Sekretär der Landeskirche Franz Gebbel, Dr. Karl Wolff, der Redakteur des seit 1. Januar 1874 erscheinenden Siebenbürgischdeutschen Tageblattes, und Gerichtsrat Friedrich Zweier. Zu den Teilnehmern am Leseabend gehört auch Gustav Kapp, als Abgeordneter in Pest weilend204. Herr Superintendent Teutsch empfängt die Herren in seinem Arbeitszimmer (das Eckzimmer des „Vatikans“205, wie Franz Gebbel sich ausdrückt) und führt bis 7 h oder etwas später ein Stehgespräch, wobei leichte Zigarren (Damas) gereicht werden. Dann folgt Lesung aus einem von Teutsch gebotenen Werke, was jedoch nur Nebenzweck des Abends ist. Teutsch braucht Ansprache, mehr wie viele Andre, kann aber nicht die verschiedenen Herren einzeln anbohren oder gar an die Stammtische der Wirtshäuser herabsteigen und auf solchem Wege Meinungen einholen. So versammelt er allwöchentlich einige Männer in seinem Hause. Leseabend ist Titel, das Schwergewicht ruht in der persönlichen gegenseitigen Meinungsäußerung, wobei die politischen Innerverhältnisse im Vordergrund stehn, aber auch andre speziell sächsische Dinge zur Besprechung gelangen. Ein drohendes Gewitter ist im Anzuge, die Aufhebung der alten sächsischen Munizipalverfassung befindet sich in Vorbereitung206.

203 Hiedurch wird das Kapitel über die „Antrittsbesuche“im 2. Bd. des „Zeitbuches“ (siehe oben S. 77ff. und Anm. 219) unterbrochen. Die Niederschrift im 1. Bd. erfolgte im März 1876 (siehe unten S. 83f.). 204 Über die Genannten siehe unten im Register. 205 Das „Bischofspalais“ in der Sporergasse (jetzt Str. General Magheru), 1802 erbaut als Wohn- und Geschäftshaus der Leder-Firma Anton Filek anstelle eines ehemals dem Sachsengrafen Johann Zabanius, Sachs v. Harteneck († 1703) und dessen Familie gehörigen Hauses, seit 1872 von der Evangelischen Kirche eingerichtet als Amtshaus für das Konsistorium und den 1867 von Birthälm nach Hermannstadt übersiedelten Sachsenbischof; vgl. S i g e r u s , Chronik, S. 36 u. S. 45. 206 Siehe Anm. 195.

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| Davon wird viel gesprochen. Teutsch fragt des öftern den Redakteur Wolff (in sächsischen Dialekt): „Was schreiben noch die schlechten Magyaren (Zakel207)?“ Teutsch feurig anpackend, ist ganz Sachse, Beherrscher des Wortes. In der täglichen Abendgesellschaft, in der auch ich zu Abend esse, deutete einmal Franz Gebbel durch Darstellung des die Pferde aufhaltenden Kutschers an, daß er (Gebbel) im Kirchenregimente208 gegenüber dem Ungestüm des hochwürdigen Herrn bremsen müsse. Weniger scharf national gibt sich Herr Stadtpfarrer Müller209, dessen Benehmen, die Hände stets in den Hosentaschen und stehend ein Bein über das andere gestellt wahrhaft abschreckt, in seiner Redeweise liegt ein jammernder Klageton. Bedeus läßt selten sich hören, was er sagt, kommt schläfrig, entsetzlich gedehnt heraus. Arz macht den Eindruck eines Helden hinter dem Ofen; jedem Satz schickt er einen Stotterton voraus. Bruckner machte mit skandalöser Dissertation den philosophischen Doktor210, soll als Advokat ein guter Geschäftsmann sein und jedermann vertreten, Sachsen wie Magyaren; im Verkehre ein widriger Bückling-Schnapphans. Zu ihm in schärfsten Gegensatz Franz Gebbel bedingungslos national, schneidig und zugleich überlegt, seine Äußerungen immer bestimmt wie ein Zitat aus einem Gesetzbuche; so zeigte er sich schon als Student im elterlichen Hause211. Kästner sicher unbedeutend, auf dem Rathaus als Faulpelz erkannt; hält den Leseabend für die zu regelmäßigen Nägelreinigen geeignetste Zeit und leistet sich während des Lesens ein Schläfchen. Klein schweigt sich aus, bequem in Bewegung und Rede wie vor fünfzehn Jahren als mein Hauslehrer212. | Wolff belesen und schlagfertig, ein Redakteur, der sich gewaschen hat, geht in der Arbeit für das junge Blatt völlig auf. Zweier zält nicht einmal eins. Die Beseitigung der munizipalen Einheit des Sachsenlandes213 wird uns sehr schwer schädigen, ein neuer Streich der Magyaren gegen die Sachsen, und so dreht sich das Gespräch hauptsächlich um das Thema: Magyarismus und Sachsentum.

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Zakel (sächsisch) = Szekler. Als Sekretär der Evangelischen Landeskirche seit 1865. 209 Siehe Anm. 187. 210 Wilhelm B r u c k n e r , Die Reformen Kaiser Josefs II. in Siebenbürgen (Jena 1867). Die Dissertation ist nur 30 Druckseiten stark und beschränkt sich fast nur auf die Nennung der josefinischen Reformen. 211 Über seinen Besuch in Wien 1864 siehe oben S. 35. 212 Siehe schon oben bei Anm. 193. 213 Siehe Anm. 195. 208

Leseabende bei Teutsch 1875-1876

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Bis gestern (30. März 1876)214 ist auf Grund der im Leseabend zu Tage getretenen Anschauungen und Urteile Folgendes als einhellig gebilligt zu betrachten. Seit dem Jahre 1867215 erfuhren die Sachsen seitens der Magyaren ohne Unterlaß Bedrückung in politischer und sprachlicher Beziehung. Die Magyaren legen es darauf an, den deutschen Laut in Ungarn zu ertöten. Alle einschlägigen Gesetze enthalten Bestimmungen, welche nicht nur für die Deutschen, sondern auch für die übrigen Nichtmagyaren ihr unbezweifelbares Recht auf freien Gebrauch der Muttersprache verletzen216. Das Deutsche wird aus Verwaltung, Justiz und Verkehrswesen hinausgedrängt, sogar Kirche und Schule werden diesbezüglich in Mitleidenschaft gezogen. Die Sachsen sind parlamentarischer wie behördlicher Gewaltherrschaft unterworfen, denn durch neuere Gesetze werden die den Sachsen in älteren Gesetzen gebotenen Garantien aufgehoben, und die magyarischen Behörden gehen im Magyarisieren über die neuen Gesetze noch erheblich hinaus. Die Pester Verhandlungen (22. März ff.) über die Zertrümmerung des Sachsenlandes217 liefern einen neuen untrüglichen Beweis für die dem Sachsentum feindselige Gesinnung der Magyaren, welche heute an die Versprechen sich nicht halten, die von | ihnen wenige Jahre früher auch den Sachsen gemacht worden waren. Die Sachsen müssen gegen die Magyaren in politische Opposition treten. Die „magyarische Wirtschaft“ kann zehn Jahre schwerlich überdauern, allein aus finanziellen Rücksichten. Lenkt das Gespräch in wissenschaftliche Richtung ein, versehen ausschließlich Teutsch und Müller die Hörer mit dem Nötigen. Alles ist ihnen geläufig, kein Spezialfach gibt es, in dem sie aufs Wort verzichten. In Geschichte samt Hilfswissenschaften218 kennen sie keine Periode oder keine Unterabteilung, 214

Siehe unten S. 84 das Abschlussdatum. Gemeint ist der österreichisch-ungarische Ausgleich von 1867. 216 Die damalige Stimmung unter den Siebenbürger Sachsen und in der Umgebung des Sachsenbischofs Teutsch hat ihren Widerhall auch in der „Sachsengeschichte“ von Teutsch gefunden; vgl. F. Te u t s c h , Geschichte der Siebenbürger Sachsen, Bd. 4 (1926), S. 3ff.: „Die Zertrümmerung des Königsbodens“, und F. Te u t s c h , Kleine Geschichte der Siebenbürger Sachsen (1924) (Ndr. hg. v. A. Möckel 1965), S. 243ff. Vgl. dazu weiters A. M ö c k e l , Geschichtsschreibung und Geschichtsbewußtsein bei den Siebenbürger Sachsen (in: Siebenbürgisches Archiv 6/1967, S. 1-21), bes. S. 12ff.; F. G o t t a s , Zur Nationalitätenpolitik unter der Ministerpräsidentschaft Kálmán Tiszas (in: Südostdeutsches Archiv 17-18. Bd., 1974-1975, S. 85-107), bes. S. 75f. zu den Siebenbürger Sachsen, und F. G o t t a s , Das Ende der Nationsuniversität und deren Ablösung durch die Evangelische Kirche im Spiegel der Berichterstattung des Siebenbürgisch-deutschen Tageblattes (in: Siebenbürgisches Archiv 24/1990, S. 367-388); auch C. G ö l l n e r , Die Auflösung der Sächsischen Nationsuniversität (1876), Vorgeschichte und Folgen (in: Siebenbürgisches Archiv 24/1990, S. 355-366). 217 Siehe Anm. 195. 218 Als Absolvent des Instituts für Geschichtsforschung (siehe oben bei Anm. 171) fühlte sich F. Z. als besserer Fachmann in den sog. Historischen Hilfswissenschaften wie Paläo215

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betreffs welcher sie sichern Urteilen sich enthielten. Fachgenossen plagen sich wohl mit mancher Frage, wenden und wägen behutsam, aber diese beiden glücklichen Menschen sitzen wissenschaftlich zu Gericht frei von jeder Sorge. Beide, in erhöhtem Maße Teutsch, werden stark persönlich, lassen an ihrem Gegner nichts Gutes und hauen immer von neuem auf ihn ein. Herr Teutsch versammelte gewiß die Besten aus Hermannstadt um sich. Diese wenigen beweisen, daß Ueberfluß an bedeutenden Männern hier nicht herrscht. – Schluß 31. März 1876.

graphie, Diplomatik, Sphragistik, Heraldik, Chronologie, Genealogie, Numismatik etc., obgleich Bischof Georg Daniel Teutsch ebenfalls Historiker und in Berlin sogar Schüler von Leopold v. Ranke gewesen war, ebenso sein Nachfolger Stadtpfarrer Friedrich Müller; vgl. B i n d e r , Bischöfe, 2. Bd., S. 8f., S. 41ff. u. S. 67ff. Zimmermanns Kritik an der seines Erachtens unwissenschaftlichen, eher populären „Sachsengeschichte“ von Georg Daniel Teutsch, deren erster, bis 1699 reichender Band 1874 schon in 2. Auflage vorlag: F. Z i m m e r m a n n , Zur siebenbürgisch-sächsischen Geschichtsschreibung (in: MIÖG Erg.-Bd., 6/1901) bes. S. 714ff.; vgl. auch unten im Anhang S.214ff.

Besuche bei Berta 1876

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| Januar 10. Finde Karte von „Kaufmann“ Jickeli vor. Also Kaufmann, nicht Eisenhändler220. Januar 13. Mittags bei Jickeli. Anfrage ob ich nach 5 h erscheinen dürfte. Tochter empfängt mich und bittet einzutreten. Da General Bumbum221 Minuten anrechnet, kann ich ihre Erkundigung nach meinem Einleben nur kurz beantworten. Sie schließt: Abends Fortsetzung. Handreichung. Türschließen. Sie nimmt demnach die Fortsetzung für sich in Anspruch, unter Absehen von andren Personen. – 5.15 h. Von der Tochter beim Eingang begrüßt. Hinüberführung des Gespräches ihrerseits auf die örtlichen Kleinstadtverhältnisse, dabei streifend die eingebürgerte Uebung des Stadtklatsches. Ich: Ein Zeichen, daß manche Leute nicht genügend nützlich beschäftigt sind. Auffallend scharf verurteilt sie das Klatschbasentum. Verweise auf meine zurückgezogene Lebensweise, welche mich solchem Geschwätz entrückt, muß anhaltend studieren. Sie wünscht Belehrung über deutsche Geschichte und das deutsche Volk in früheren Zeiten: „Gewiß können Sie | mir ein Buch nennen.“ Lobe ihre Wißbegier, werde Buch sofort zur Verfügung stellen, da ich solches besitze. – Herr Jickeli begrüßt mich wieder sehr höflich, will etwas Aufklärung über ┌ ┐ den Archivdienst, innerhalb dieser Woche kommt er in’s Archiv. Verabschiedung 6.30 h. – Januar 15. Herr Jickeli im Archiv. Dankt namens seiner Tochter für das ihr geliehene „ausgezeichnete“ Buch (Freytag Bilder aus der deutschen Vergangenheit222) und nimmt Bericht entgegen über meine dienstlichen 219 Eigentlich die Fortsetzung der Notizen über die „Antrittsbesuche“ (siehe oben S. 77ff.) ebenfalls wohl „aus dem Notizbuch“ später (1886) (siehe unten Anm. 302) niedergeschrieben. – Abweichend vom Manuskript wird im Folgenden unterschieden zwischen den Begegnungen von F. Z. mit Berta Jickeli und daran anschließenden Reflexionen des Schreibers einerseits und andererseits sonstigen Erinnerungen, besonders an politisch interessante Gespräche mit dem gelegentlich anwesenden Vater Karl Friedrich Jickeli (1821-1893). Berta Jickeli, geboren am 14. Dezember 1858 war im Januar 1876 also gerade erst 17 Jahre alt, der am 10. September 1850 (siehe oben Anm. 44) geborene Franz Zimmermann knapp 25-jährig. – Laut „Zeitbuch“ Bd. I, p. 180 wohnte die Familie Jickeli in Hermannstadt, Reispergasse 3 (heute Strada Avram Iancu) im Hause „Zum Stern“ (siehe unten Anm. 317) nahe dem Großen Ring und dem Alten Rathausturm, in einem der vornehmsten Wohngebiete in Hermannstadt. Hier fanden die Besuche statt. Zur Hausnummer siehe Anm. 60. 220 Siehe oben,S. 79. 221 Oberst Gustav Dietrich v. Hermannsthal (1818-1882), der Bruder der Mutter; siehe oben S. 36. 222 Gustav F r e y t a g , Bilder aus der deutschen Vergangenheit, 5 Bde. (im Leipziger Verlag Hirzel 1859-1867 erschienen), war F. Z. sicher schon in seiner Leipziger Studien-

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Aufgaben. Er muß hierüber auch sonst nachgefragt haben, ein tüchtiger Kopf, man spricht mit ihm gern. Einladung zum Mittagessen für den 17. d(ieses Monats). – Januar 17. 1 h bei Jickeli. Erwartet von der Tochter, gleich zu Tische, wo eine Frau mich begrüßt, welche jedenfalls zum Hause gehört. Er lenkt das Gespräch, in dessen Verlauf er Heiteres erzählt über den Herman(n)städter Eisenbahnverkehr, welcher derzeit je einen Abgangs- und Ankunftspersonenzug aufweist. Um nach Kronstadt zu gelangen, fahre man 3 /4 7 abends ab, übernachte auf einer Bahnstation und treffe am nächsten Tage 4 h nachm(ittags) in Kronstadt ein. – Zeit ist Geld, und so erfolgt vor 2 h Aufhebung der Tafel,

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worauf ich über Aufforderung in Gesellschaft der Tochter noch verbleibe, welche ich Berta nennen hörte. Hoffentlich nicht eine Berta, der man simsaladim bambasala dusaladim nachsingen223 wird; sie taut etwas auf, erwartet Wiedersehen, „wenn Sie dadurch nichts verlieren“. Um nicht auf leere Stelle zu geraten, entgegne ich fragend: „Vielleicht am 20. halb eins?“ – „Sehr schön.“ – Immerwährend kann man doch nicht über Urkunden und Büchern hocken, sonst versauert der Mensch. Dagegen schützt am besten Verkehr mit Jugend. Ernst ist sie, aber hell veran|lagt, und da sie jedesmal Wiedersehen betont, werde ich keinesfalls aufdringlich gelten können, wenn ich der auch im Tone freundlichen Aufforderung wiederzukommen entspreche. Januar 20. Angströhre auf zum Erkennungsbesuch, hier „Bratelvisite“ benannt224, aber nicht des Bratels wegen, sondern einem gewissen Zuge folgend. Sie steht bei der Türe, obgleich ein Besuch bei ihr weilt. Ihre Schwester Fritzi225 wird mir vorgestellt, welche mit verbindlichen Worten ihr Abgehen entschuldigt, zugleich mit Einladung an mich, sie jedenfalls zu besuchen. Die beiden Schwestern ähneln äußerlich nicht, verstehen sich indessen gut, wie Berta verriet, wenn auch erstere lebhafteres Benehmen zeigt. Nach kurzer Wechselrede Aufbruch. „Sie kommen wohl nächstens wieder.“ Wir verabreden übermorgen 5 h. zeit bekannt. Kaum glaubhaft ist, dass es von Berta Jickeli ähnlich aestimiert und in den „Leseabenden“ mit F. Z. ganz ausgelesen wurde (vgl. Anm. 238). 223 So abgewandelt aus similia similibus und abwertend gebraucht. Berta/Perchta steht in der deutschen Mythologie sowohl für die Anführerin der furchterregenden Hexen als auch für die aus der Bibel (Mk. 6,21ff.) bekannte Tochter der Herodias, die mit ihrem vermutlich schamlosen Tanz die Tötung Johannes des Täufers bewirkt hatte, also als Typus des leichtfertigen Mädchens (mittelalterlich: „Hübschlerin“). Berta = candida = hübsch (pejorativ). Vgl. auch: Handwörterbuch des Aberglaubens, Bd. VI, Sp. 1478ff., s. v. Perhta. 224 Bratelvisite? Braten (mittelhochdeutsch) = plaudern? 225 Verheiratet mit dem Apotheker Karl Jikeli; vgl. H. S c h u l l e r , Erinnerungen an die medizinische Versorgung von Hermannstadt (in: Siebenbürgische Familienforschung 28/2011), S. 79.

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Januar 22. Pünktlich ist sie beim Eingange und geleitet mich hinein. Ein Band Freytag liegt auf dem Tisch, Lesezeichen darin hübsch vorgerückt. Ich setze fort, während sie eine Handarbeit vornimmt, die reinste Menschenfalle. Sie erhascht kleine Pausen, um herüber zu blinzeln. Weiß nicht, ob ich es besser verbergen konnte. „Die Beleuchtung ist ungünstig, bitte ein wenig näher zu rücken“, meinte sie, natürlich nur um meine Augen besorgt. Sie wünschte mehr zu lesen, aber „wer im Hauswesen Ordentliches leisten will, darf sich von der wichtigen Arbeit nicht ablenken lassen.“ Ende der Woche werde ich nachfragen, ob Besuch genehm. – Unten treffe ich Herrn Jickeli, welcher gehofft hatte, mich noch vorzufinden. „Es freut uns sehr, daß Sie bei uns vorlieb nahmen.“ – Januar 23. Univers(itäts) Notär Schneider im Archiv. Betreibe Ausfolgung der Dienstvorschriften und der Schlüssel zum Archivgewölbe226, ohne welche Versehung des Dienstes unmöglich sei. Auch wünschte | ich Aufklärung über die Arbeiten des verstorbenen Stadtarchivars Seivert und des aus dem Dienste getretenen Nationalarchivars Wenrich227. Schneider will der Sache nachgehen. Januar 29. Nicht alle Wochen sind gleich lang, diese letzte wollte nicht enden. Wir begegneten uns mit gleichem Gedanken. „Es liest sich besser, wenn nicht gar so lange Unterbrechungen stattfinden.“ Morgen 5 h Leseabend. Da es plötzlich allerlei zu reden gibt, komme ich sehr knapp zum Mittagessen. Januar 30. Begrüßung bei der Türe mit gewohnter Artigkeit. Während des Lesens erscheint ihr Vater, muß aber bald fort. Sie hat Bedenken, ob sie mich nicht von gesellschaftlichen Verpflichtungen abziehe, vielleicht bei meinen Verwandten. „Freilich gibt es dort täglich Zusammenkünfte228, aber regelmäßig nur von älteren Frauen, die mir zum Teil ganz fernstehen; die sprechen nur von uralten Zeiten, wogegen junge Leute mit Gegenwart und Zukunft sich befassen (sie nickt zustimmend). Amtlich, bei Tage beschäftige ich mich mit alten Urkunden, der Abend bleibt für Andres frei.“ Ferner erwähne ich noch das eigentümliche Gewand der allabendlichen Frauengesellschaft in der Dietrichsburg: alles schwarz oder mindestens tiefdunkel gekleidet. Es ist ein schönes Vorrecht der Frauen, in lichter, lebensfrischer Kleidung sich zu zeigen auch bei Gelegenheiten, wo die Männer schwarz erscheinen müssen; da bildet eine solche schwarze Gesellschaft keine angenehme Augenweide. Uebrigens sei ich nicht ausdrücklich aufgefordert worden zum Erscheinen. „Man muß auch mit Altersgenossen verkehren“, bemerkt sie, „Jugend bedarf ihresgleichen, wenn auch häufige Berührung mit Aelteren einen guten Lehrmeister bringt.“ 226 227 228

Siehe oben S. 75 u. 79. Siehe oben Anm. 172. Siehe unten S. 113ff.

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„Nicht wahr, Sie sagen es offen, falls Sie verhindert wären zu kommen, nur kein Zwang, aber aufrichtig gesprochen, wir freuen uns ihres Besuches.“ Wir setzen nächste Lesung auf morgen abends an. Noch erbitte ich mir Wohnung von Schwester Fritzi229, welche ich morgen 12 h aufsuchen möchte. | Januar 31. Gestern Triumpf! Ich empfing unter Blicken, die nicht falsch sein können, die treuherzige Erklärung, daß sie meiner Besuche sich freue. Keine Steigerung, aber ein sehr wertvoller Positiv. Früh morgens Suche nach einer Blumenhandlung, vergeblich. Fragen in der Dietrichsburg würde mir zunächst die hier übliche Gegenfrage eintragen: wozu? Fragt man nach etwas, so wird man stets gefragt, wozu brauchen Sie es? Der alte Amtsdiener, der im Archiv reinigen soll, aber nur kneipt, hilft mir aus der Verlegenheit, indem er auf die Schwim(m)schulgasse verweist, wo Blumen erhältlich seien, in der Stadt gebe es kein einziges Blumengeschäft. Zur Mittagsstunde Antreten bei Apotheker Jikeli, welcher mit Bertas Schwester230 verheiratet ist, wo Berta mich begrüßt, sie sei gekommen, damit ich sicher gleich Einlaß finde. Er ist gerade heute im Dienst, verweilt einige Augenblicke. Allgemeines Gespräch. Ab mit Berta, die eingedenk meiner gestrigen Worte, im hellen Kleide ausgerückt ist. Schwarzbraun und hell, nicht übel. Bei ihrer Haustür flüstert sie: „Abends nicht vergessen.“ Gleich nach Tisch hinaus in die Schwimmschulgasse231, wo ich im letzten Hause einen Gärtner aus dem Deutschen Reiche eine Dunkelrose abkaufe, welche artigen Knix und lohnenden Blick einbringt. Wieder in lichter Gewandung, steckt die Rose gleich an. Sie las gestern abends noch ein gut Stück weiter, da sie wußte, der Text sei mir schon bekannt und sonst das Lesen des ganzen Buches zu weit ausspinnen würde. Wenn ich einverstanden wäre, will sie für sich von einem zum andern mal einen gewissen Abschnitt lesen. Sie spricht über den von ihr gestern gelesenen Abschnitt wie ein gewissenhafter öffentlicher Berichterstatter. Auch im mündlichen Verkehre offenbart sie ruhige Ueberlegung und kein loses Geschwätz entgleitet dem Gehege ihrer Zähne232. Der Vorleser trägt vor, aber seine Gedanken entwinden sich dem Lesestoff, weshalb soll die Zuhörerin da zurückbleiben, zumal weil sie von Zeit zu Zeit an der Rose etwas Dringliches | zu richten hat. Der Hausvater erscheint als

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Burgergasse 1 neben der Burgerstiege, in der Hermannstädter Unterstadt (siehe unten bei Anm. 253). 230 Friederike, genannt Fritzi; siehe oben Anm. 225. 231 Außerhalb der Stadt vor der Heltauer Bastei in der Heltauer Vorstadt von Hermannstadt, wo 1829 ein Schwimmbad (mit Wasser aus dem Schewis-Bach) eröffnet wurde, heute Str. Someşului im südwestlichen Hermannstadt; vgl. S i g e r u s , Chronik, S. 96. 232 Vgl. Homer, Ilias IV 350. Vgl. auch Eph. 4,29.

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gütiger Deus ex machina233, das Buch wird zugeklappt, und Gespräch setzt ein, an dem H(err) Jickeli aber nur auf Minuten teilnehmen kann. Wir trösten uns mit Verlängerung des Leseabends bis 7 h. Ein schöner Tag, so daß ich bekennen muß: diese Woche fing gut an. Blau möchte ich aber diesen Montag234 nicht nennen. Februar 5. Wenigstens auf einige Minuten bei ihr. Sie zeigt mir die Rose in Vase, „damit ihr Leben verlängert werde“. Sonntag paßt ihr. Auf meine Bemerkung, das sei, wie ich gehört hätte, der hier übliche Kränzchentag, erwiderte sie, daß sie sich von „solchen Vergnügungen“ fernhalte, wenn es eben ein Vergnügen sei. Viele Leute, auch solche, die in der Woche Zeit dazu haben – fügt sie bei – drängen sich gerade auch Sonntags auf die Gasse, um zu sehen und sich sehen zu lassen, „aber das ist nicht nach meinem Geschmack“. – Sie fragt nicht aus, wie das hier, wie es scheint, ebenso allgemeine wie schlechte Gewohnheit, welche zu üben sogar Personen sich erlauben, mit welchen man nicht vertraut steht. Glaubt sie, etwas erkunden oder Aufklärung über eine Sache anstreben zu sollen, so stellt sie nur eine Tatsache fest und wartet ab, was man dazu sagt. So kam sie heute: „Ich hörte, daß der Archivdienst neu eingerichtet wurde.“ Stimmt, antwortete ich, und gab eine kurze Darstellung in der Hauptsache. Februar 6. Sonntag eignet sich auch für mich besser als ein Wochentag, dem ich gleich beim Eintreten Ausdruck verleihe, was sie mit „Sehr lieb“ aufnimmt. Sie las wieder mehrere Lagen und faßte deren Inhalt mündlich in einige Sätze zusammen, bevor wir uns setzten, sie zur Arbeit, ich zum Buche. Nach Schluß griff ich das Kränzchenwesen auf, anknüpfend an ein Wiener Erlebnis aus dem Jahre 1874. Unter mehreren jungen Leuten befanden sich auch zwei Siebenbürger; das Gespräch drehte sich um den gesellschaftlichen Verkehr mit Mädchen, welcher nach der Erzählung | der Siebenbürger, in Hermannstadt hauptsächlich innerhalb der verschiedenen Kränzchen sich abwickle. Mädchen und Jünglinge träten in Schülerjahren zu Kränzchen zusammen, und jedes Mädchen habe einen bestimmten Herrn, die Mädchen seien sozusagen „vergriffen“. Schallendes Gelächter folgte auf die Mitteilung der Siebenbürger, und ein jeder lehnte es ab, einmal nach Hermannstadt zu gehen. Ohne dieser Warnung mich zu erinnern, zog ich ein Jahr später nach meiner Vaterstadt, aber weil ich der Facharbeit nachging, hätte mich von der beabsichtigten Ausfahrt nichts abhalten können. Sie meinte, die Erzähler hätten




233 Der im griechischen antiken Theater durch sein (oft maschinell bewirktes) Erscheinen die überraschende Lösung von Konflikten bewirkt. 234 Arbeitsfreier Tag, zunächst nur an den auf hohe kirchliche Feiertage (wie Ostern und Pfingsten) folgenden Montagen, später öfter zur Erholung von den (eventuell alkoholischen) Vergnügungen des vorherigen Sonntags.

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mit Unrecht das Kränzchenwesen verallgemeinert. Unfug bestehe aber dabei, der mitunter unangenehm endige. – Herr Jickeli bringt aus dem Bürger- und Gewerbeverein, dessen Vorstandsmitglied er ist, eine neue Jagdgeschichte nach Hause. Ein hiesiger Jäger lauerte mehrere Stunden einem Fuchs auf und fand, als er geschossen hatte, den Kater seines Nachbarn zu Tode getroffen; der Kater mußte als seltener Ausländer vom Jäger teuer bezahlt werden. Daran schließt sich ein Gespräch über den Jagdbetrieb als Vergnügen, welches sehr zeitraubend und kostspielig sei. Mancher Hermannstädter gehe eifrig jagen, um dabei tüchtig zechen zu können, und schließlich leide darunter das Familienleben. Herr J(ickeli) sprach mir aus der Seele, und ich gestand erneut, nie einen Jagdschuß getan zu haben; Jagd als Vergnügen gehöre unter den Müßiggang.

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Unverwandt hafteten ihre Blicke auf mir, aus welchen volles Einverständnis sprach. Beim Fortgehen drückte sie ihre Freude darüber aus, daß ich mit ihrem Vater übereinstimme, sie fühle mir nach, daß ich meine innerste Ueberzeugung vertrete. Sie mahnt: Sonntag! Februar 7. Noch sechs Tage! Weshalb sechs und nicht nur zwei oder drei? Wie der Mensch doch ungenügsam ist. Er möchte | immer mehr vom Guten, das ihm durch gütiges Geschick beschert wurde. Aber es wird so besser sein, als einen zweiten Besuchstag einzuschalten, dem später ein Hindernis in den Weg sich stellen könnte. Ich bin abhängig, ein Knecht von nunmehr zwei Herren. Februar 13. Wir lesen unter gegenseitiger sorgfältiger Beobachtung. Man kennt sich offenbar noch nicht hinreichend, und da kann man sich nicht satt sehen, weil fortwährend etwas Neues entdeckt wird, was festgehalten zu werden verdient. – Ihr Vater kommt mit der Nachricht, daß in kleinerem Kreise die Notwendig(keit) erörtert wurde, endlich eine Trinkwasserleitung zu bauen, weil das jetzige offene Leitungswasser aus dem Schewisbache gesundheitsschädlich sei. Er meint, der Kern der Bürgerschaft sei Gegner jeder Neuerung, die älteren Leute trinken nur Wein und das jüngere Geschlecht Bier, aber die Frage müsse gelöst werden. Die Wasserversorgung einer Stadt bildet, sage ich, gewiß eine ihrer ersten Aufgaben, ich als Einzelner vermisse zwar das Wiener Hochquellenwasser nicht, da gutes Trinkwasser ┌ ┐ aus dem Theaterbrunnen235 mir gebracht wird. Selbst Wien hatte übrigens bezüglich des Wasserholens bis vor Kurzem mangelhafte Zustände, stundenlanges Sitzen der Dienstboten auf den Holzbutten, bis eine an die 235 Zur Einrichtung der Wasserleitung (1884). Der „Theaterbrunnen“ war ein Pumpbrunnen nächst dem 1788 zum Theater ausgebauten „Dicken Turm“ (aus dem 16. Jh.) auf der Promenade im Süden von Hermannstadt; vgl. S i g e r u s , Chronik, S. 34; R o t h , Hermannstadt, S. 158. Siehe auch unten bei Anm. 241.

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Reihe kam; Vorzug der kleineren Gefäße vor den größeren; es ging nach der zeitlichen Folge des Eintreffens einer Magd beim Auslaufbrunnen, jedoch hatte unbedingten Vortritt die Pitsche (Glaskrug von 3/4 bis 1 Maß) vor dem Kleinkrug, der Steinkrug vor der Holzbutte. Welche Vergeudung von Arbeitskraft und Zeit in einer Großstadt, „die armen Hausfrauen“ – warf Berta ein; bei allem Schaffen und vornehmlich in der Hauswirtschaft sind gute Zeiteinteilung und dabei Zeitersparnis erforderlich. | Wir plaudern noch ein Weilchen allein. Ich erzählte von Professor Otto, wie er seine Dienstboten beim Straßenbrunnen überwachte, ob sie auf der Butte säßen, dann von Dr. Heller, der für sich das Trinkwasser filtrierte, seiner Frau aber bedeutet hatte, für Frauen sei das unfiltrierte Trinkwasser gesünder, weshalb sie auf letzteres große Stücke hielt. Es war 7 h durch, als ich mich erhob und scherzte: Also sparen wir mit der Zeit. „Sie spaßen doch“, fiel sie ein, „in acht Tagen ein Stündchen oder etwas mehr ist ja keine Zeitvergeudung.“ Wir schieden versöhnt. – Februar 17. Gestern ab(en)ds kam in der Gesellschaft (Franz Gebbel, Gerichtspräsident Freiherr v. Fillenbaum, Apotheker Müller Vater und Sohn, Gerichtsrat Zweier, Dr. med. Binder), in welcher ich regelmäßig das Abendbrot verzehre, die Rede auf Eisenhändler Jickeli. Es wurde betont, daß er nicht ein gewöhnlicher Kaufmann sei wie hundert andre auch, welche einfach sich damit begnügen, die Ware der Großhändler und Fabriken mit Zuschlag zu belegen und an den Kunden wahllos weiter zu geben; er arbeite in seinem Fache planmäßig für Fortschritt, indem er in eifrigem Studium stets das Neueste und Beste auf sein Lager bringe und so den Kunden mühelos auf der Bahn des Fortschrittes weiterführe. Von andrer Seite wurde hingewiesen auf sein feines Verständnis für örtliche kommunale Angelegenheiten und in allem sei er ein guter Sachse. – Sein Sohn studiert, doch sei er nach Vollendung seiner Studien zum Nachfolger in der Geschäftsführung ausersehen. Er wird als ordentlich bezeichnet. Nachmittags treffe ich Frau Apotheker Jikeli, welche mich freundlichst begrüßt und mit den Worten: „Nicht entwischen, wir haben wohl einen Weg“ – zur Begleitung ermuntert. Mit Dank angenommen. Schwestern, die einander gut sind, vertrauen sich gegenseitig, und Amor ist in allen Gestalten emsig bei der Arbeit, und auf allen Wegen, selbst wenn sie so holprig sind, wie das | Hermannstädter Pflaster, hüpft er einher. Notgedrungen muß sie mich wissen lassen, daß Berta jetzt nur für den Leseabend Interesse hat; sie sei glücklich, Ansprache gefunden zu haben, die ihrem Wesen so ganz gerecht wird. – Ich entgegne, daß ich dabei mehr Empfänger als Geber sei. „Sollte der Fasching Ihnen nicht zu viel Zeit rauben, bitte uns nächstens zu besuchen.“ – Ein deutlicher Fingerzeig, über den für

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Mädel wichtigen Fasching mich zu äußern, und so gestand ich offen, bis jetzt noch keinen hiesigen Ballsal betreten zu haben. Februar 20. Lächerlich vom starken Geschlecht zu sprechen. Ein Mädel guckt mit seinen klugen Augen mal hin, und der Vertreter des angeblich starken Geschlechtes ist in Fesseln geschlagen, deren er sich nicht zu entledigen vermag, wenn er auch seine ganze Kraft einsetzen wollte. Aber er will ja nicht, er ist überwältigt und läßt sich gängeln, nur möchte er ein Mißverständnis nicht aufkommen lassen. Gestern abends bei Apotheker Jikeli. Sehr höflich. Ich komme auf das letzthin gefallene Wort Fasching zurück und bedaure, daß ich verhindert bin, an Tanzfreuden teilzunehmen, um der Annahme vorzubeugen, als ob ich jemand auszuweichen beabsichtige oder als ob mir die hiesigen Bälle und Kränzchen nicht genehm wären; gerne hätte ich auch hier solche Veranstaltungen kennen gelernt, allein augenblickliches Fußleiden236 hindere mich am Tanzschritte. Frau Jikeli findet mein Fernbleiben gerechtfertigt, denn als junger Mann zuzusehen und die Insel237 zu bevölkern heiße nichts; im allgemeinen übrigens verringere sich die Tanzlust mehr und mehr, zum Beispiel auch ihrer Schwester bereite Tanzen kein Vergnügen. – Meine Gedanken eilen mir voraus zum Abendziele. Vorher Bummel auf der Oberen Promenade, welche trotz Sonntag wieder men|schenleer da liegt. Wie schlau die Mädel sind und die Mannsbilder lakierte Schiffskapitäne! Auf Umwegen erfahre ich, daß sie mindestens allabendlich meiner gedenkt. Den Inhalt des Textabschnittes, welcher von ihr an einem Abend gelesen wurde, zieht sie jedesmal so zusammen, wie sie ihn mir erzählen will. Sie ergreift Partei für die Schulreformer, klagt über unnötiges Abmühen mit Griechen und Römern238, während die Vergangenheit des deutschen Volkes vollständig im Mädchenschulunterricht gefehlt hätte. Auf dem Tische liegt eine Balleinladung, zufällig. Da bietet sich ja Gelegenheit, dem Vergnügen sich in die Arme zu werfen, sage ich; bedaure nur, daß ich wegen erfrörter Fußstellen nicht mittun kann, und daß infolgedessen mein Kurswert in der Mädchenwelt tief gesunken ist. „Bescheidenheit unterschätzt sich“, wendet sie ein; Tanzen bringe den Mädchen häufig nicht gewünschten Verkehr; Einladungen ergehen, um einem Zwecke Geld zuzuführen, man werde oft förmlich gepreßt zum Ballbesuche; es sei kein Wunder, daß die Ballgespräche in jedem Witzblatte verspottet würden; von wirklichen Genusse keine Spur, wenn man einen wildfremden Menschen feststellen hört, 236 Es handelt sich sicherlich nicht um eine Ausrede; siehe gleich unten, p. 122, weiters S. 97 u. 115. 237 Nämlich im Tanzsaal. 238 Die Bemerkung lässt darauf schließen, dass die Lektüre von Gustav Freytags „Bildern“ noch im ersten, über die Römerzeit und die Völkerwanderung handelnden Band steckte oder diese Kapitel noch in guter Erinnerung standen; vgl. auch Anm. 222.

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er habe einen noch nicht gesehen; der fühlt die Beleidigung gar nicht, als ob ein anständiges Mädchen jeder nützlichen häuslichen Arbeit enthoben sei und nichts andres zu tun habe, als die Gassen auf- und abzulaufen; ferner das schickliche Benehmen, „da greift einer frech nach meiner Damenspende, um in der Tanzordnung nachzuprüfen, ob ich wirklich für alle Walzer Tänzer bereits eingetragen hätte; aber eine Wendung zeigte ihm die Abgangseite“. – So ging das fort, denn der gekränkte berechtigte Mädchenstolz mußte sich Luft machen. „Ihr Standpunkt ist der einzig richtige“, warf ich ein und erzielte damit sichtliche Erleichterung | und Beruhigung. Man sollte, fuhr ich fort, in Hermannstadt den Wiener Brauch einführen: Einladen der Tänzer durch die Familien der Tänzerinnen, so wurde es auf meinem ersten Ball und so auch auf meinem letzten Tanzkränzchen in Wien gehalten. Die Mädchen versenden namens ihrer Eltern Eintrittskarten an diejenigen jungen Leute, welche von den Mädchen zu dem betreffenden Balle erwartet werden; getanzt wird nur mit Herren, welche durch Bekannte der Familie vorgestellt werden; während der Raststunde weilen die eingeladenen Tänzer als Gäste innerhalb der Familie. Wir Studenten hatten uns also um nichts zu kümmern als um zwei Par weiße Handschuhe. – Sie ist entzückt und wünscht Aehnliches für Hermannstadt. – Ja, sage ich, warum sollte das unmöglich sein, alles ist ausführbar, selbst der gestrengen Mode kann man etwas abdrücken, wenn der feste Wille und Zusammenhalten gesichert sind. Auf dem Josefinerballe239 1869, einem der ersten Bälle Wiens, erhielt die Mode einen kräftigen Stoß; im Gegensatz zu der modernen hochaufgetürmten und weißgepuderten Ballfrisur erschienen mehrere Mädchen ohne Einlagen glatt gekämmt, in der Mitte gescheitelt und der Haarzopf um den Hinterkopf gelegt; die einfach frisierten Mädchen wurden allgemein bewundert. – Als ich mich erhob, lud sie im Auftrage ihres Vaters ein, das Abendessen bei ihnen einzunehmen. – Trauerbotschaft! Herr Jickeli hatte zuverlässige Nachricht darüber, daß der von Tisza über die Aufhebung der sächsischen Munizipalverfassung vorbereitete Gesetzesentwurf bestimmt nächsten Mittwoch (23. Februar) dem Abgeordnetenhause werde vorgelegt werden240. Jickeli hält dies für eine furchtbare Schädigung des sächsischen Volkes; er meint, unsere | Abgeordneten werden, einige Schurken ausgenomnen, den Gesetzentwurf bekämpfen, die darin liegende unerhörte Rechtsverletzung öffentlich brandmarken, aber gewiß erfolglos; Gewalt geht hier vor Recht. Jickeli hält die gegenwärtige Verwaltung in Stadt und Stuhl für sehr besserungsbedürftig, aber es sei fraglich, ob die neue Verfassung fleißigere und gewissenhaftere 239

Siehe oben Anm. 122 und über den Wiener Fasching oben Anm. 121. Siehe dazu schon oben Anm. 195. Graf Koloman Tisza, ungarischer Ministerpräsident (1875-1890), linksliberal, Protestant. 240

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Beamten bringen werde. – Daß auf dem Rathause niemand sich überarbeitet, nahm ich schon wahr, aber ich schwieg davon, bemerkte nur, die Magyaren hätten von jeher das Deutschtum rücksichtslos verfolgt, und so sei dies nur ein Glied in der Kette ihrer deutschfeindlichen Maßnahmen. –

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Während des Essens sehe ich eine Flasche mit reinem Trinkwasser und sage: das ist auch eine gute Sorte. „Ihre Marke“, erwidert sie erfreut über die gelungene Aufmerksamkeit; „es ist nicht gut im Wassergenuß zu wechseln, und da wir in unseren vier Wänden für Ihr Wohl verantwortlich sind, ließen wir vom Theaterbrunnen241 Wasser holen.“ – 9.30 h Abschied. – Februar 21. Wir leben in einer kleinen Stadt und in einer kleinen deutschen Gemeinschaft; etwas mehr wie 10 000 Deutsche sollen in der Stadt sein. Da heißt es, sein Schifflein vorsichtig durchbugsieren, denn allerorten lauern Zuhörer, die eifrig horchen und das wenn auch nur Halbgehörte unter die Leute tragen. Man ist sehr mitteilsam, auch in Amtsräumen. Auf dem Rathause wurde erzählt, der Sohn des Bürgermeisters242 habe die Hundesteuerkasse neuerdings bestohlen, aber auch dieser Gaunerstreich werde vertuscht werden. Ein Anwesender urteilte: Na, wozu das Geschrei, nachdem der Bürgermeister den Schaden ersetzt hat. – Unter den Beamten, welche in meiner Nachbarschaft amtieren, sticht einer besonders hervor durch Faulheit, Obernotär Franz Schreiber, welcher verspätet kommt, vor der Zeit weggeht, an Nachmittagen gewöhnlich ausbleibt und während seiner kurzen An|wesenheit auf dem Rathause als Kiebitz von einer Amtsstube in die andre einfällt, schwatzend und stets mit langer Pfeife unter Dampf. Er suchte auch mich heim, wurde aber unter Hinweis auf das für die Archivkanzlei von mir eingeführte Rauchverbot hinausbegrüßt; der Mann kam herein, ohne sich mir vorzustellen. So ungehobelte Leute, die obgleich unbekannt einen anreden, gibt es hinreichend. – In meiner Türe findet sich Karte von Karl Jikeli, Apotheker. – Februar 22. Meine über Antrittsbesuche243 beabsichtigten Aufzeichnungen erweitern sich. Es gibt allerlei festzuhalten.

241

Siehe Anm. 235. Skandalgerüchte über Wilhelm und Albert v. Hochmeister, Vater und Sohn, siehe auch unten bei Anm. 269, 469 u. 475. F. Z. berichtet darüber kurz auch Bd. II, fol. 128r anlässlich der ihm ärgerlichen Benennung einer Hermannstädter Straße 1908 nach Hochmeister, womit freilich Martin v. Hochmeister geehrt werden sollte, der 1837 verstorbene Hermannstädter Bürgermeister (1817-1830), Buchdrucker und Verleger, unter anderem verdient als Begründer des Hermannstädter Theaters in dem von ihm angekauften Dicken Turm in der südlichen Stadtbefestigung (1788); siehe auch Anm. 235. Bürgermeister war bis September 1876 noch Adolf Gibel (siehe oben S. 77); vgl. F. Z i m m e r m a n n in: Archiv 19/1884, S. 562. 243 Siehe oben Anm. 182 und in der Einleitung. 242

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Polizeidirektor Henrich benachrichtigt mich, die Regierung habe zur Ablieferung der alten Zunftschriften an das Pester Nationalmuseum aufgefordert; er meine, diese Schriften fänden besseren Platz in unserem Archiv. Seiner Kenntnis nach befänden sich Urkunden bis König Sigismund zurück in der Zunftlade der Kaufleute, worüber ihr Erster, Herr Jickeli, werde Aufschluß erteilen können. – Henrich ahnt nicht die Bedeutung dieser Nachricht für mich. Nun gilt es haushalten und nicht weniger als zwei Gänge zu Herrn Jickeli aus der erwähnten Nachricht herauszuschlagen. – Von Henrich geht es um, daß ihm die neue Feuerwehr244 ein Dorn im Auge sei, er sehe sich in seinem Wirkungskreise beeinträchtigt und beharre darauf: „Wir brauchen keine Feuerwehr, denn auch bisher wurden die Löscharbeiten durch mich und meine Rauchfangkehrer zufriedenstellend besorgt.“ Februar 23. „Das ist schön, daß Sie gekommen. Gerade bin ich damit beschäftigt, einen Auszug aus dem gelesenen Abschnitt zu machen.“ Wir plaudern über dies und jenes so eifrig, daß ich erst spät ihrer äußeren Veränderung aufrichtiges Lob zolle; hat das Mädel die einfache Frisur gewählt, von welcher ich bei meinem letzten Besuche ihr erzählt hatte. Sie maß mich fest, als ich meinen Blick über sie | unbemerkt hinweggehen lassen wollte. Ihr mag ruhig gesagt werden, was ihr gut steht, sie wird sich nicht überheben. – – Mein Anliegen betreffs der Zunfturkunden hinterlasse ich bei ihr mit der Bitte um Verständigung, wann ich deshalb vorsprechen könnte. Sie schiebt rasch ein: „Natürlich v o r Sonntag.“ Bei der Tür fälle ich über die neue äußerliche Erscheinung mein Endurteil: „Sehr nett“, was sie lieblich schmunzelnd annimmt. Urteil? wie prosaisch, nein. Kann es ein Urteil geben da, wo das Gefühl alles beherrschend diktiert und diktieren wird, solange Menschen den Erdball beleben? Das Gefühl setzt sich in Worte um, wie sie von ihr erwartet wurden. – Februar 25. Herr Jickeli gibt mir Anweisung an den Schriftführer der Kaufleute, mit welchem ich die Sache zunächst besprechen solle; er selbst befürwortet schon jetzt Unterbringung der alten Zunfturkunden im Archiv, sie hätten schon manches wertvolle Stück infolge mangelhafter Besorgung verloren. An Ordnungssinn und Pflichttreu fehle es unter uns. – Er hat Nachricht, daß die Regierung den Gesetzesentwurf245 ohne wesentliche Aenderung durchbringen wolle. Mit der Entzifferung des folgenden Absatzes246, in starken Abkürzungen und verwischter Bleistiftschrift, plage ich mich nicht. Dem Sinne nach lautet der Text: die Regierung wird zum Obergespan des neuen Hermannstädter 244 245 246

Begründet 1872; vgl. S i g e r u s , Chronik, S. 48. Siehe Anm. 195. Nämlich im „Notizbuch“ (siehe oben Anm. 182 und in der Einleitung).

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Komitats den Renegaten Friedrich Wächter durch den Kaiser ernennen lassen247, was für uns einer tötlichen Beleidigung gleichkommen würde. –

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Sie scheint recht gut aufgeräumt, bringt das Lesebuch, klappt es aber gleich wieder zu und legt es abseits; es ist ja heute eigentlich kein Leseabend. Sie nimmt den Faden auf beim Wiener Fasching, das Großstadtleben wird besprochen, trotz Gelegenheit sich zu vergnügen, gerade in unsren Kreisen mehr häusliches Leben, Zeitungen und Bücher unumgängliches Bedürfnis. Sie kennt meinen Vater als Bücherfreund. Im Elternhaus wird nur Tüchtigkeit der Arbeit ge|schätzt; es ist fleißige Arbeit unser Erbteil. Wir treiben keinen Sport, der Geld verschlingt und von nützlicher Beschäftigung abzieht, Spiel und Kaffeehausleben lassen wir Andren über. Es ist hervorragende Pflicht eines jeden Mannes, unablässig an seiner Ausbildung weiterzuarbeiten, wenn er nicht gehindert wird durch edlere Genüsse; diese Grundsätze, sage ich, bemühe ich mich, auch hier zu betätigen. Ihre Mienen verraten vollkommenes Einverständnis. Nach ihrer Ansicht geht es in manchen Familien deshalb nicht recht zusammen, weil Mann und Frau oder eins von beiden allerlei „trautem“ Familienleben abträglichen Liebhabereien nachhängen. „Wenn ich nur erfahren könnte, worin das Vergnügen oder der Genuß besteht, beschäftigungslos, nicht spielend oder Zeitung lesend im Kaffeehause zu sitzen, Tag für Tag, oft stundenlang“. „Jedenfalls eine überflüssige, zeitraubende Gewohnheit“, sagte ich, über welche ich allerdings von hier nichts zu sagen weiß, da ich noch keinmal ein hiesiges Kaffeehaus besuchte; in Wien war der großen Entfernungen248 wegen ein Kaffeehaus in der Inneren Stadt unser Treffpunkt, jedoch nur für ein Stündchen. Nach dem, was man hier hört, zu urteilen, scheint Hermannstadt mehr Arbeit und weniger Vergnügen zu brauchen. Februar 27. Sie ist ernst, kein Gassenläufer249, nicht vergnügungssüchtig, dafür arbeitssam und häuslich. Doch war es notwendig, wenigstens gedrängt zusammenzufaßen die Lebensgrundsätze, welche zu befolgen ich mich jetzt bemühe und welche auch zukünftig mich leiten sollen. Tag für Tag wandern meine Gedanken hinaus in die Zukunft, auch sie tut es gewiß. Meine Zukunft heißt Arbeit, und das mußte sie unzweideutig aus meinem Munde erfahren. –

247 Friedrich Wächter war 1876-1883 Hermannstädter Obergespan und durfte als solcher auch den allerdings bedeutungslos gewordenen Titel „Sachsengraf“ führen. Als sächsischer Abgeordneter im Budapester Parlament hatte er der „jungsächsischen“ Richtung angehört, die aus politischem Realitätsbewusstsein mit der ungarischen Regierung zu kooperieren bereit war. Vgl. auch G ö l l n e r , Siebenbürger Sachsen, S. 128ff. 248 Von der elterlichen Wohnung in den Jahren 1865-1873 im 7. Wiener Gemeindebezirk in der Breitegasse (siehe Bd. II, fol. 147v, und oben Anm. 62) ist es allerdings nicht weit zumindest an die Grenze der Inneren Stadt am Ring. 249 Siehe unten S. 97 u. oben S. 89 u. 93.

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– Heute Pflichttag bei ihr. Wir kommen nicht weit, da Herr Jickeli früher erscheint, um mich sicher zu sprechen; ihre Zunfturkunden seien dem verstorbenen Archivar Seivert zur Benützung geliehen worden; seither fehlten mehrere, weshalb er | mir rate, nach Seiverts Nachlaß zu forschen. Herr J(ickeli) hat Pester Nachricht, daß die Regierung den Gesetzentwurf im März erledigen lassen werde250; dieser schwere politische Schlag soll für uns ein Ansporn sein zu energischer Innerarbeit, Förderung des Gewerbes durch geeintes Vorgehen; der Einzelne müßte solider werden, mit Frühtrunk und Gabelfrühstück im Wirtshause, mit Kaffeehaus und Kartenspiel müßte gründlich aufgeräumt werden; viel soziales Elend sei auf den Spielteufel zurückzuführen, auch unter den Beamten, welche durch Verschuldung in unrechte Abhängigkeit gerieten. – Ich denke mir: dem Manne, der Land und Leute genau kennt, hört man gerne zu, und als er die Türe hinter sich geschlossen hatte, bemerkte sie: „Gerne höre ich den Vater reden, er weiß gut Bescheid und jetzt berührt er auch lauter Interessantes, worüber er sonst im Hause nicht spricht.“ Ich hebe hervor, daß ich sehr dankbar ihrem Vater dafür sei, daß er mich seines Vertrauens würdige; „ein Anfänger im Amte wie ich bedürfe richtungsgebender Belehrung seitens Erfahrener“. Ihre Augen glänzen und drücken mir inniges Dankesgefühl aus für die rückhaltlose Anerkennung, welche ich ihrem Vater zubilligte. – Im Zeichen schönster Harmonie Trennung. Februar 28. In der Dietrichsburg abfällige Bemerkung über mein Fernbleiben von Bällen; im nächsten Augenblick setze ich meinen rechten Fuß, dessen große Zehe aufgebrochen ist, entkleidet auf den Stuhl, mit „Na, um das“ werde ich abgeurteilt. Aber noch etwas haben die Weiber auf der Pfanne: ich „stecke immer“ bei Jickelis, „was heißt denn das?“ Nichts weiter, als daß ich, wie ihr wißt, eingeladen und dann zu Besuch freundlich aufgefordert wurde; dieser Aufforderung entsprach ich, wie ich das von Wien gewohnt bin. – Erledigt. – Ich glaube nicht, daß mein Verkehr im Hause J(ickeli) allzu bekannt ist oder im Publikum zu weitergehenden Schlüssen Anlaß gab, weil | ich im Hauptklatschnest, auf dem Rathause, dieserhalb noch nicht interpelliert worden bin. Ferner gehört in Hermannstadt zum ordnungsgemäßigem Poussieren nach den Regeln der heimischen Kunst beständiges Gassenablaufen. Der Kourmacher muß seine Angebetene täglich mehrmals ringsum den Großen Ring und die Hauptgassen entlang neben sich hertreiben; der Kourmacher weiß, um welche Stunde seine Flamme beim Handelkramer oder sonst so dringlichen Bedarf nach Ware vorheucheln wird und versieht dann vor dem betreffenden Geschäftslokalen zeitweilig die Stelle des Schnarrpostens251. 250 251

Siehe Anm. 195. Schnarrposten = Sicherheitsdienst beim Militär (auf Vorposten).

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Februar 29. Auf dem Familienabend in der Dietrichsburg Sticheleien betreffs Tanzen und Fasching, vielleicht in dankbarer Erinnerung daran, daß die Dietrichschen Töchter durch Näharbeiten den Ballbesuch sich erkaufen mußten; aber Andre zu Ausgaben zu drängen, dünkt ihnen erlaubt. Tante Lotti beginnt, Großmutter sekundiert. Ich erwidere: „Arg hinterdrein, Fasching heut ex.“252 General Bumbum spöttisch: „Das ist ganz gleich, hier geht es den Leuten so ausgezeichnet, daß sie das ganze Jahr hindurch tanzen wie im Fasching.“ März 1. Der Fasching schloß mit einem Mißton, die Fastenzeit hebt recht günstig an. Katerfrei gab ich mich der Freude hin, sie zu begrüßen, als ich auf dem Wege in die Burgergasse zum Verwahrer der Schuster-Urkunden Berta zufällig begegne, die ihre Schwester besuchen will, welche Anfang der Burgergasse wohnt253. Auf meine Bemerkung, daß ich in der Sache nicht lange zu tun haben werde, bittet sie mich, auf dem Rückweg zu ihrer Schwester hinaufkommen zu wollen, wo sie mich erwarten werde. Rückkehr schon in einigen Minuten, weil der gesuchte Zünftler glücklicher Weise nicht daheim war. Sie öffnet mir mit den Worten: „Eine unverhoffte Freude, welche den langen Zeitraum bis Sonntag überbrückt.“ Schwager ist | heute dienstfrei. Als Fachmann soll er tüchtig sein, im mündlichen Verkehr einnehmend, er gibt einige gelungene Witze zum Besten, ruhig und gelassen. Er versorgt, wie sie auf dem Heimweg sagte, das Haus mit Witzen und hat große Freude daran, beim Erzählen ihre auf die Zuhörer geübte Wirkung zu beobachten, während er selbst kaum eine Miene verzieht. Auf ein Weilchen in ihrer Wohnung254, da sie meint, vielleicht käme ihr Vater mit Neuigkeiten nach Hause, welche mich interessieren. – Der Faden geht uns auch zu zweit nicht aus. Die Frau, welche bei Tische war255, passiert das Zimmer sehr artig grüßend; als ich pflichtschuldigst emporschieße, winkt sie unter freundlichem Zunicken ab. Hausmutter dürfte sie schwerlich sein, bleibt vorläufig ein Rätsel. Wo ist aber die Mutter, auswärts oder leidend? Oder hat Berta überhaupt keine Mutter256 und ist als Engel vom Himmel herabgestiegen, denn ein Engel ist sie. Wem sie in weiblicher Erbfolge ihr Sonne spendendes Wesen zu danken hat, kann schließlich mir ganz schnuppe sein. Ueber Familien-Abstammung da nachzugraben, liegt mir nicht, weil ich diese achtungswerten und lieben Menschen so nehme wie sie sind und wie sie es verdienen.

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29. Februar 1876, Dienstag vor Aschermittwoch (1. März). Apotheker Karl Jikeli und Gattin Friederike; siehe Anm. 225. 254 Reispergasse 3; siehe Anm. 219. 255 Siehe oben S. 86 zum 17. Jan. 256 Dazu am unteren Rand der Seite die Anmerkung: „Mutter gestorben, im März 1877 kam Stiefmutter aus Graz“. 253

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– März 2. In Sachen der Schuster-Urkunden jetzt nichts erreichbar. Der Verwahrer erklärt, sie würden die Urkunden nicht herausgeben, selbst wenn der Kaiser sie verlangen sollte. – März 4. In den ersten Monaten meines Hierseins hatte ich keinen rechten Sonntag. Vormittags Kanzlei, nachmittags bis in den Abend Marienburg Geographie257. In Wien vormittags Institut258, nachm(ittags) Ausflug oder Kaffeehaus, abends Herrengesellschaft bei den Eltern, wo Vater das Wort führte gleich einem hervorragenden Redner in einer Volkvertretung, hier halb Zwang, in Wien freie Wahl. Bald mußte ich mich an Vaters Ausspruch | erinnern, als ich ihm mitteilte, ich möchte mich nach Hermannstadt bewerben. Er riet mir nicht ab, sagte aber: „Du wirst dort vieles anders finden, als du es gewohnt bist.“ Das in Aussicht stehende selbständige Arbeitsfeld259 zog mich an, ich mußte in’s eigene Brot kommen. Das Blatt wendet sich erfreulicher Weise, denn sie schaffte mir Sonntage, und ich genieße die ganze Woche hindurch die frohe Anwartschaft auf den nächstfolgenden. März 5. Nach fünf Wochen ist ein Geschäftsgang in die Schwim(m)schulgasse wohl angezeigt, wo ich eine weiße Rose erstehe. Sie findet ihren Platz in dem nun ständig glatt gekämmten Haar. Es kommt die Rede auf Zeitschriften für’s Haus; sie liest regelmäßig die „Gartenlaube“260, vereinzelt auch Andres. Er261 ist für heute besetzt, sagt aber wenigstens guten Tag. – Ein sehr schönes Verhältnis: die Tochter drückt sich nicht seitwärts in den Büschen umher, verabredet nicht geheime Stelldicheins und empfängt nicht hinterrücks. Der Vater weiß, wer in’s Haus kommt und zu welcher Zeit es geschieht; Aufrichtigkeit unter einander sowie dem Fremden gegenüber, welche anheimelt. – März 6. Sickel lehrte uns, daß behufs Feststellung der Echtheit und Bedeutung einer Urkunde andre Urkunden als Vergleichsmaterial herangezogen werden müßten; er tat es selbst vor unseren Augen und wirkte überzeugend durch sein vorbildliches Arbeiten. Eine bewährte Prüfungsregel, welche mit Nutzen auch zur Beurteilung von Menschen anzuwenden ist, indessen mit dem Unterschiede, daß es beim Menschen im Wesentlichen auf die inneren Merkmale, bei der Originalurkunde zunächst auf die äußern Merkmale262 ankommt. Wir wägen das Tun und Lassen 257

Siehe Anm. 176. Siehe oben S. 70ff. 259 Siehe oben Anm. 172. 260 Wochenzeitschrift, seit 1853 in Leipzig erscheinend. 261 Vater Jickeli. 262 Äußere Merkmale der Urkunde: Beschreibstoff, Schrift, Besiegelung etc. Innere Merkmale: Sprache und Stil, Formular etc. 258

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verschiedener Menschen gegeneinander ab, verurteilen diese Handlungsweise und begrüßen zustimmend jene, schätzen | die Eigenschaften der Einzelpersonen ab, wobei wir in erster Reihe trachten müssen, das innerste Wesen zu erfassen und zu würdigen. Sie birgt einen gesunden Kern, welcher sich unbefangen äußert in Rede, Benehmen, Tagesarbeit, Häuslichkeit wie im Familienleben. Das ist viel, aber nicht zu viel gesagt über sie, die unbestreitbar den Vorrang behauptet vor den sich selbsterniedrigenden Gesichtern, welche mir immer wieder in die Beine laufen, obgleich ich wenig auf die Gasse komme. Tag und Nacht! – März 10. Wißbegierige melden sich zu dem Kursus über Paläographie und Diplomatik. In drei Monaten wollen die Hermannstädter aus Fächern etwas Nützliches lernen, mit welchen man in Wien durch drei Jahre zu tun hat263. März 12. Nach gedankenschwerem Bummel auf der Obern Allee Wiedersehen. Rose in Vase, hält sich gerade noch gestützt durch den Vasenrand. Wie der tappende Mensch Kleines für Großes zu halten geneigt ist, wenn er glaubt, ein inneres Sehnen stillen zu können. Sie mochte am Ende botanischer Studien halber die Rose in Wasser gesetzt haben264, um ihre Lebenskraft zu erproben, während ich mir einbilde, sie bringe damit sinnigen Erkennungsgruß mir dar. Der Forschungstrieb dieser von der Rose zum Spender und zurückwechselnden bezwingenden Augen geht nicht auf Erwerben tieferen Wissens in Pflanzenkunde aus. – Sie las über Bautätigkeit und Neubauten in Wien und meint hinsichtlich Wohnungen werden die hiesigen Verhältnisse im Vergleiche mit Wien etwas dürftig erscheinen. Ich wäre, sage ich, zufrieden, wenn ich zunächst eine hellere fände, denn Licht braucht | man vor allem übrigen. – Deshalb schätzt sie die elterliche Wohnung265, welche modern nicht genannt werden dürfe, aber sie würde auch wenn sie frei Wahl hätte, mit der Wohnung Aufwand nicht treiben, um jeden Wohnungsluxus ist’s schade. – Herr Jickeli kommt dazu und nennt seine Tochter „eine Professions-Sparerin“. „Aber – fährt er fort – nur zu sehr in unsrem nationalen Vorteile, wenn das weibliche Geschlecht mehr Sparsinn266 betätigen würde.“ Betreffs Bauwesen insbesondere Wohnungsbauten hält er sich stets auf dem Laufenden, das Neueste in Drucksachen hierüber geht ihm zu. Luxus in Wohnungsbauten ist für hier nicht zu befürchten, bürgerliche Besserung nicht sturzmäßig, nur allmälig zu erwarten. Es fehlt an kapitalkräftigen Baumeistern; 263

Siehe L h o t s k y, Institut, S. 130f. Zum Hermannstädter Kurs siehe oben Anm. 179. Siehe oben S. 88. 265 F. Z. wohnte in Hermannstadt Wiesengasse 8, nahe der „Dietrichsburg“ Wiesengasse 16; siehe oben Anm. 181, zum Umzug Anm. 318 u. 411. – Jickeli’s Wohnung Reispergasse 3; siehe Anm. 219. 266 Ansichten von F. Z. über das Sparen siehe auch unten Anm. 467. 264

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baulicher Aufschwung fußt auf den großen modernen städtischen Einrichtungen als Wasserleitung, Kanalisation, Beleuchtung, Pflasterung. Diese Fragen sind hier zum Teile in Studium. – Ich weise darauf hin, daß Städte von dem öffentlichen Interesse aus einen andren Weg vorgeschrieben erhielten als der Einzelne; dieser darf nicht über sein Vermögen hinaus Aufwendungen sich gestatten, sondern muß sich nach der Decke strecken; Gemeinden aber hätten die Pflicht, notwendige neuzeitliche Einrichtungen zu schaffen mit Kredit, weil die Nachkommen mittragen müßten an den Kosten für Schöpfungen, deren wohltätige Folgen eben auch der Nachwelt zum Nutzen gereichten. – Sie begrüßt erfreut, daß ich die Pflicht des Einzelnen zu sparen hervorhebe. Er schildert die Mehrheit der Bürgerschaft als jeder bedeutenderen Neuerung | abhold. Im Vordergrund stünden derzeit Wasserleitung und Kasernbauten; auch diesen gegenüber sei Opposition bemerkbar, obgleich die Leute selbst aus der Garnison Einnahmen hätten; es sei unglaublich, was für verbohrte Anschauungen man während der Verhandlungen über diese wichtigen Fragen zu hören bekomme. Da heißt es, Geduld haben. – Das Gespräch geht auf Musik über. „Auch hierin spart meine Tochter“, bemerkt Herr Jickeli und empfiehlt sich. – Ich bekenne mich offen als Unkundigen, wofür in meiner Nachbarschaft nach Tische zuweilen sieben Klaviere mich belästigen. – „Wie rücksichtslos spielen Leute auch zu schlechter Jahreszeit bei offenem Fenster und vertun häufig Zeit, auch wenn sie nichts ordentliches leisten; Uebermaß ist bei allen Nebenbeschäftigungen von Uebel. Aber ein Konzert und namentlich Gesangsaufführungen höre ich gerne“ – so urteilte sie. – „Ganz mein Fall; zwar weiß ich einer fremdländischen Diva nichts abzugewinnen, deutschen Sang indessen, besonders deutschen Chorgesang möchte ich nicht versäumen.“ März 13. Sie hat leider recht. Mailüfterl läßt noch auf sich warten, trotz dessen werden zwei Klapperkasten bei geöffnetem Fenster krampfhaft bearbeitet, aus zwei anderen Häusern vernimmt man gedämpfte Töne. Die Kanzlei ist meine Rettung. Keine Nebenbeschäftigung im Uebermaß treiben, ist ihr Grundsatz, an welchen sie freiwillig sich bindet; – nichts von Ueberschwenglichkeit, Dickauftragen oder geschmacklosem Protzentum im Äußeren, keine Superlative oder Ausdrücke wie das hier beliebte „kolossale“; alles in wohl tuendem Ebenmaß wie ihre Erscheinung. An ihren Redewendungen, an Beneh|men und Zeiteinteilung und -ausnutzung könnten Manche lernen. Kein Wunder wenn man ihr erliegt. Veni, vidi, victus sum!267

267

Vgl. Sueton, Caesar 37,2 nach dem Pontischen Krieg 46 v. Chr., vgl. B ü c h m a n n , S. 314f. – Mailüfterl weht; vgl. B ü c h m a n n , S. 173: Anton Frh. v. Klesheim 1845.

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– März 17. Unter den angemeldeten Kursusteilnehmern fällt auf Gustav Lindner, Direktor der Rechtsakademie268; was will dieser Alte dabei? Als deutscher Renegat und Magyarensöldling führt er sicher nichts Gutes im Schilde. § 17 meiner Amtsinstruktion spricht zwar nur von einem Kursus für „junge“ Männer, aber ich nehme ihn auf, damit er den Unterschied kennen lerne zwischen seinem Kolleglesen und dem meinigen. –

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Auf dem Rathause wird wieder der Beamte Hochmeister269 durchgehechelt, der tief in der Tinte stecken soll. In Wien müßte ein verschuldeter Beamter sofort sein Abschiedsgesuch einreichen, sobald seine Verschuldung bekannt geworden wäre; hier dient ein so unfreier Mensch unbehelligt weiter. März 19. Die Obere Allee ist mein Philosophengang, aber die Nachbargründe überhöhend, nicht tief gelegen wie der Jenenser. Der Fernblick in die Landschaft ladet förmlich ein zur Ausschau in die Zukunft. – Trachten in Stadt und Landen werden heute besprochen. Sie weiß gut Bescheid in siebenbürgischen Volkstrachten und legt einige Trachtenbilder vor, auch mehrere moderne Frauenbilder in illustrierten Zeitschriften; an einzelnen mißfällt ihr die Ueberladung der Gestalten mit Schmuck, was sie „unfein“ findet, und worin ich ihr beipflichte. – Sie selbst erscheint meist schmucklos, dann und wann ein Kreuz am Halse und einen zierlichen Ring an der linken Hand. Heute trägt sie ein (lichtes) Kleid wohl zum erstenmale, steht ihr rei|zend auch ohne Diamanten und Goldauflagen. – – Herr J(ickeli) gibt ebenfalls interessante Aufklärung über Volkstrachten; er kennt dörfliche Unterscheidungsmerkmale. – Die nächste Woche (Pester Verhandlung über sächsische Munizipialverfassung270) wird seiner Meinung nach unserer Geschichte ein trauriges Erinnerungsblatt einfügen. März 21. Direktor Lindner wünscht die Kursusstunden unter Berücksichtigung seiner Berufstätigkeit angesetzt wissen. Ueberholt, weil die Stunden im Einvernehmen mit der Gymnasialdirektion271, welche ein Schulzimmer zur 268 Vgl. über Lindner († 1905) T r a u s c h , S c h u l l e r , H i e n z , Schriftsteller-Lexikon Bd. IV, S. 267f. u. VIII, S. 410ff. Er war seit 1870 bis zur Schließung der Rechtsakademie 1887 deren Direktor (vgl. Anm. 272), dann Professor der 1872 begründeten Klausenburger Universität. Auch Lindner zählte zu den sog. „Jungsachsen“ (siehe Anm. 247). Einigermaßen verdienstvoll war seine Herausgabe des vom Hermannstädter Bürgermeister und Sachsengrafen Thomas Altemberger († 1491) zusammengestellten „Codex Altemberger“ (1885), neu hg. von K. A. E c k h a r d t , Der Schwabenspiegel bei den Siebenbürger Sachsen (= Bibliotheca rerum historicarum, Bd. 6) (1973) samt der kritischen Rezension von F. Z. aus Korrespondenzblatt 8/1885, S. 49-63 auf den Seiten 387-401. Vgl. jüngst D. M o l d t , Deutsche Stadtrechte im mittelalterlichen Siebenbürgen (= Studia Transylvanica, Bd. 37) (2009), S. 215ff. – Über die Amtsinstruktion siehe oben S. 76 u. 80. 269 Siehe schon oben Anm. 242 und unten S. 186f. 270 Siehe Anm. 195. 271 Hermannstädter Brukenthal-Gymnasium.

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Verfügung stellte, bereits festgesetzt sind: 1. April bis 15. Mai Montag, Mittwoch und Freitag von 4 bis 6 h, später nur Montag und Mittwoch. Lindner gilt als Stänker, als Professor weder Fachmann noch gewissenhafter Arbeiter; er war Advokat und wurde als Magyarone aus politischen Gründen zum Direktor der Rechtsakademie ernannt272. März 25. Am 22., 23. und 24. März Verhandlung des ungarischen Abgeordnetenhauses über den Gesetzentwurf über den Königsboden und die sächsische Universität273. Der Text der Vorlage wie die Verhandlung darüber beweisen, daß hier Rechtsbruch und Vergewaltigung vorliegen; wird von Direktor Lindner öffentlich gutgeheißen! Die Zertrümmerung des Sachsenlandes ist Tatsache. März 26. Die borstige Stimmung weicht erst, als ich an das Sonntagsziel näher herankomme, wo mir wie immer freundlicher Empfang wird. Nach Schluß des offiziellen Teiles reicht sie mir weitere Trachtenbilder; sie freut sich, selbige gefunden zu haben, damit ich doch bessere Aufklärung erhielte. „Aber – | sagt sie treuherzig – ich will mich nicht mit fremden Federn schmükken, mein Schwager274 war hauptsächlich bemüht um die Einsammlung der Bilder.“ Wie aus ihren Bemerkungen zu entnehmen war, hatte sie die Bilder genau vorgenommen, aber zu zweit ist’s doch etwas andres, und sie konnte mich auf Manches aufmerksam machen oder selbst Einiges entdecken, was ihr beim ersten Betrachten entgangen war. Wir sahen daher recht fleißig dazu, wenn auch die Augen hin und wieder einen Ruhepunkt außerhalb der Bildfläche suchen mußten; natürlich braucht das Auge einige Abwechslung, und auch von guten, aber toten Bildern weicht man gar nicht leicht ab und tut immer gerne einen Seitenblick in’s Leben. Wäre Hans Hopfen275 oder einer seiner Genossen im Meterschreiben Zeuge dieser gewissenhaften Besichtigung gewesen, so hätte er bei Bearbeitung des Stoffes ohne Zweifel hier ein neues Kapitel beginnen lassen mit der Ueberschrift: „Die Annäherung“. – Während Berta auf eine Weile abgerufen wird, begrüßt mich die Frau des Hauses276 ebenso höflich wie freundlich, erkundigt sich, ob ich in die neuen Verhältnisse mich eingelebt hätte. – – Mit Herrn Jickeli Besprechung der Pester Vorgänge; rohe Gewalt, Deutschfeindlichkeit, Magyarisierung277. März 27. Sie hat ihre eigene Meinung verschieden von der des abstrakten Künstlerstandpunktes, aber man hört ihr nicht ungerne zu. Zum Beispiel, ein 272

Siehe Anm. 268. Siehe Anm. 195. 274 Karl Jikeli; siehe Anm. 225. 275 Hans Hopfen (1835-1904), Schriftsteller in München, seit 1868 mit mehrbändigen Romanen hervorgetreten; siehe NDB IX, S. 610f. 276 Siehe oben Anm. 256. 277 Siehe G o t t a s (wie oben Anm. 216). 273

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Zigeunerbild mir reichend: „Ich begreife nicht, wie man einen so ungekämmten Menschen abbilden kann; die Leute leben vom Diebstahl.“ Auf meine Einwendung: „Das ist ein Charakterkopf“ – reicht sie mir nakte Zigeunerkinder, welche ich erläutere: „Das | sind schon mehr Charakterbäuche“, was sie zum Lachen bringt, nicht lange, erst nimmt sie die Walachen-Bilder auf: „Diese Pferdediebe und Brandleger verdienen auch keine Verbreitung, und ein deutscher Photograph sollte sich schämen, damit Geschäfte zu machen.“ Ein schöner Sonntag folgt dem andern, das Gefühl drängt vorwärts, das höher gesteckte Ziel muß doch endlich erreicht werden, aber wie und wann? In Gedanken scheint mir alles rosig, ich glaube nicht, von ihr eine schwarze Kugel278 zu erwarten sollen, meine weiße hat sie. Es wäre an der Zeit, das Herz sprechen zu lassen. März 30. Man kann alles, wenn der Wille vorhanden ist. Soweit bin ich im Klaren, daß sie als die Hauptperson von mir direkte befragt werden muß, nicht auf Umwegen und mittels Anspielungen. Ueber dieses Stadium sind wir schon hinüber; ich muß mich ihr in aller Form erklären. Im Grunde genommen gab es zwischen uns Wortspiel mit Andeutungen auf mögliche Eheschließung nicht; zu offener Aussprache gelangen wir aber, auch wenn es bald geschehen sollte, doch nicht plötzlich und unvermittelt, ich denke für sie nicht überraschend, denn zwischen uns herrscht gegenseitiges Verstehen. Oft stehn in den Mienen bedeutungsvolle Worte angeschrieben, und ihre Mienen zeigen mir unverändert ein bisschen mehr als einfache Gewogenheit. März 31. Zum Nachtische in der Dietrichsburg halten die Weiber mir eine Pauke wegen meiner „Bandlerei“, welchen Ausdruck ich zurückweise. General Bumbum bläst in dasselbe Horn und empfiehlt sich mit den Worten: „Kamerad, das ist nix für dich.“ Es geht heftig weiter; wenn es keine Band|lerei, sondern Ernst ist, umso schlimmer; mit „einer kranken Person“ verbindet man sich nicht. Auf meine Einwendung, daß ich von Krankheit nichts bemerkt hätte, wurde mir bedeutet: das verstehst du nicht. – Sollten sie die persönlichen Verhältnisse wirklich genau kennen oder mich schrecken wollen, um mich für eine Andre frei zu bekommen?279 Man wähnt die Sache im richtigen Geleise und dem Abschlusse nahe, und nun erwachsen ihm ungeahnte Hindernisse. Sie krank – nicht möglich! Diese Beschuldigung hat ihren Haken. April 1. Es wird weiter gepaukt. Junge Männer sollten sich belehren lassen und Vernunft annehmen, bevor es zu spät sei; aus dem persönlichen Umgange könne man nicht schließen auf den Gesundheitszustand; sie (die Weiber der Dietrichsburg) wären mit der halben Stadt bekannt und hörten „allerlei“. Mein Einwurf: also nicht mit der ganzen Stadt, vielleicht wohne die angeblich 278 279

Bei Abstimmungen gebraucht für „nein“. Richtig vermutet; siehe unten bei Anm. 286, 290 u. 324.

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„kranke Person“ in der andren Stadthälfte, entfesselt einen Wutausbruch, der weiter andauert, als ich sagte: es komme darauf nicht an, ob man „allerlei“ höre, sondern ob man eine Wahrheit höre. Da gibt es Widerlegen nicht, weil sie die Rede durchbrechend blind fortpoltern. Der ekelhaften Szene satt bemerke ich: Heute ist ja 1. April280 – und verdufte, begleitet von Donner und Blitz. – Wie wird das enden? – Vorläufig lasse ich mir den Sonntag nicht verderben. Während der abendlichen Vehmgerichtssitzung schlüpfe ich in die Küche und melde mich für morgen mittag ab; neue Brandreden dürften schon vorbereitet sein; das wird ein Bauchgrimmen geben, da sie nun nicht gehalten werden können. – April 2. Mittags im rauchgeschwängerten Offiziersbeisel Nawara, bei Petroleumbeleuchtung. Wir sind über siebenhun|dert Jahre im Lande, stoßen wacker an auf die hier vollbrachte Kulturarbeit, aber ein ordentliches Hotel und eine anständige Restauration gehören zu den frommen Wünschen. Essen ist eine notwendige Geschäftssache, die so oder so erledigt werden muß, kein Freudengenuß. Gegen Abend in’s Freie, dann zum unvermeidlichen Lesen. Ein Aufsatz über Hütteneinrichtung gibt dem Gespräch die Richtung. Sie war im Hochgebirge noch nicht, machte blos Waldausflüge, auch durch mehrere Stunden zu Fuß, in die Goldthäler und in der Umgebung von Michelsberg und Heltau; für Gebirge mangelt es an Unterkunft, man kann nur walachische Sennhütten, Stinen281 benützen, welche nicht einladend sind. Ueber Förderung der Touristik las sie auch in einer Alpenzeitschrift, daß Wege und Hütten gebaut und das Führerwesen geregelt werden, doch sei man hier noch nicht so weit; in Kronstadt habe man damit wenigstens begonnen. – Jickeli erklärt Gründung eines Gebirgsvereines für wünschenswert und aussichtsvoll282. – War d a s Gespräch mit einer kranken Person? Wären Zeugen zur Stelle gewesen: daß eine Kranke soviel Elastizität in Geist und Körper zur Schau hätte bringen können, müßte von den Zeugen verneint werden; frisches Leben in jedem Satze, in jeder Bewegung; nicht das geringste Anzeichen von Ermüdung, nicht einmal ein leiser Anflug von Mattigkeit war bemerkbar. So benimmt sich ein Kranker nicht, so spricht ein innerlich Leidender nicht. Eine aufrichtige Seele wie sie wäre auch gar nicht fähig, die Wirkungen ihrer Krankheit gänzlich zu verbergen und strotzende Gesundheit vorzutäuschen. Derlei Praktiken erfordern raffiniertes Schauspielertalent, was ihr völlig abgeht. 280 281 282

Tag für scherzhafte Lügen: „Aprilscherze“. Rumänisch: stînă. Gründung des Karpathenvereins erst 1880; vgl. S i g e r u s , Chronik, S. 51.

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In | ihrem Äußern spiegelt sich ihr inneres Wesen offen ab, da gibt’s nichts Falsches und Gemachtes. Nur ein Gesunder verfügt über gleiche und sich gleich bleibende Beweglichkeit und natürliche Munterkeit in Gebärde, Gang und Rede. Aber krank werden, das heißt überschnappen könnte das arme Ding, wenn ich vor es hintreten und rund heraus sagen würde: Verehrtes Fräulein, in der Dietrichsburg heißt es, Sie seien eine kranke Person. April 3. Ohne Abwechslung täglich der gleiche Nachtisch. Heute verstieg man sich in die höhere Pädagogik, und es fielen allgemeine Klagen über vorgebliche Schwierigkeit, die Jugend zu belehren. Ich stehe allein, Bumbum hält zu den Frauen, was meine Lage bedenklich macht. – – Beginn des Kursus. Hinweis darauf, daß meine Amtsinstruktion zur Abhaltung des Kursus mich verpflichte; ich sei weder Anreger dieser neuen Einrichtung, noch habe ich sie befürwortet, weil ich Feind jeder Halbheit sei. In drei Monaten läßt sich bei großer Aufmerksamkeit und mit eifrigem Privatstudium höchstens etwas Fertigkeit im Lesen der heimischen Schriftarten erreichen. Tieferes Eindringen in den Stoff sei ausgeschlossen283. April 4. Es geht über die Gemütlichkeit, denn es sind alle Register aufgezogen. Großmutter schlägt im Alterssessel den Takt, während Tante284 desto lebhafter in schier endlosem Redeschwall ihre Ansicht zur Geltung zu bringen sich bemüht; sie stützt sich dabei auf „authentische“ Nachrichten, welche sie „von verläßlicher Seite“ erhalten haben will, und welche den „kränklichen Zustand“ bestätigen. Meine Vorstellungen, daß ein Kranker im Hause nicht so anhaltend arbeiten, im Januar bei offnem Fenster Zimmer aufräumen, mehrstündige Fußpartien machen könne; daß ferner Kränklichkeit | in Miene, Gebärde, Bewegung und Rede hervortreten müßte, daß aber die angeblich Kranke in allem den Eindruck einer Gesunden hervorrufe – blieben wirkungslos. Ich sei falsch informiert, hieß es, und mein eigenes Urteil sei befangen; sie sei ein mürrisches Wesen und schließe sich von aller Welt ab, was kein gutes Zeichen. – Mit der Bemerkung: Für die Gasse ist sie allerdings verloren, mit Gassenläuferinnen sucht sie Wettbewerb nicht, – goß ich Oel in’s Feuer285. Während des Tobens winkte Onkel mir ab; er möchte mit mir abends sprechen. Der Ausdruck Gassenläuferin traf ihren Schützling Marie, mit welchem Tante mich verketten wollte286. Tante und Onkel beriefen sich auf dasselbe Hindernis, nämlich Krankheitszustand, aber ihr Beweggrund war ein verschiedener; Tante wollte 283 Dazu unten auf der Seite: „Aus Rücksicht auf die Väter des Kursus beschönigend dargestellt in meinem Amtsbericht vom 16. März 1877.“ Vgl. oben Anm. 178 u. Anm. 263. 284 Charlotte Dietrich. 285 H o r a z , Satiren II,3,321: Oleum addere camino. 286 Wohl Marie Arz v. Straußenburg gemeint; vgl. oben S. 78. Unten S. 118 ist von einer „Hermannstädterin“ die Rede. Zum „Gassenlaufen“ siehe auch oben Anm. 249.

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mich zu Gunsten einer Andren loslösen, Bumbum hatte die Nachkommenschaft im Auge. Er meinte, die Frauen sähen auch bis hinter den Unterrock; wer ein kränkliches Wesen heirate, verzichte von vornherein auf gesunde Nachkommenschaft. Mit Hinweis auf Berta’s Aussehen, Benehmen und Lebensweise, besonders ihre Arbeit im Hause konnte ich nicht überzeugen, daß man es hier mit gehässiger oder leichtfertiger Nachrede zu tun habe. Er ließ durchblicken, daß Tante nach Wien geschrieben und er über Bitte von dort es übernommen habe, mit mir „väterlich“ zu sprechen; er mische sich in weiteres nicht, aber das Eine rate er dringend: diese nicht. Aus seiner Erfahrung bringt er grausige Beispiele vor, wie Ehen mit Kranken unglücklich verliefen! Zugegeben, aber die Prämisse ist eben falsch, erfunden, erlogen. – Nur einem Lieblingsgedanken folgend brockte Tante mir die Suppe ein, gewann Bumbum und verursachte aufregende Szenen, als ob sie ge|dungener Agitator wäre. Eine alte Jungfer, anfang vierzig287 ist schon befähigt zu solcher Leistung und zur Entfaltung unbändigen Feuereifers. Ihr eine andre, bessere Meinung von Berta beibringen zu wollen, erscheint völlig aussichtslos. April 5. Für zeitgerechten guten Rat soll jedermann dankbar sich erweisen – höre ich bei Tische. – Entschließung wird mir sehr schwer, aber ich muß eine Entscheidung herbeiführen, gerade im Interesse Berta’s, vor welcher meine nächste Verwandtschaft einfach nichts wissen will. Zu früh träumte ich von Glück. Meine Hoffnung auf eine schöne Zukunft wird zu nichte. Erbitte ich ihr Jawort, so kommt sie in ein Wespennest, und ewiger Krieg blüht ihr, denn unversöhnliche Naturen sind an der Arbeit. Der Magenta-Onkel288 ist lange tot, und dessenungeachtet wird von seiner Mutter und Schwester immer noch gewettert über seine nach ihren Köpfen verfehlte Heirat. Eine traurige Existenz würde meine junge Frau führen, die nichts andres verbrochen hätte, als daß sie unbegründeter Weise nicht approbiert wurde. Das kann ich nicht auf mich nehmen. April 6. Klarheit mußte geschaffen werden. Vorsprachen bei ihrer Schwester289, welcher ich mitteile, daß ich leider wegen ungeahnten Hindernisses komme, welches meinen Plänen plötzlich in den Weg sich gestellt habe. Meiner Neigung folgend hätte ich in den nächsten Tagen Berta um eine Unterredung bitten und sodann mich ihr erklären wollen. Dem stehe aber entgegen der Widerspruch meiner nächsten Verwandtschaft, welcher würdige und freundliche Aufnahme des von mir aufrichtig verehrten Mädchens ausschließe; Berta käme in peinliche Konflikte, fände Streit statt Frieden, was ich unmöglich 287

Gemeint ist die Tante Charlotte Dietrich, geboren 1834. Johann Friedrich Dietrich, jüngerer Bruder (geboren 1827) von Franzens Mutter, als Hauptmann gefallen 1859 bei Magenta in der Lombardei im Krieg gegen das mit Frankreich verbündete Piemont, hatte erst 1856 eine Offizierstochter aus Wiener Neustadt geheiratet. 289 Friederike Jikeli. 288

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verantworten könnte; mein Glück sei dahin, jetzt gelte | es zu verhüten, daß ihre Schwester unschuldige Dulderin werde. – Ihre warme Teilnahme verriet mir, daß ich auch ihre Gunst in nicht geringem Maße besitze; sie weiß keinen andren Ausweg, als daß ich mich zurückziehe; schüchtern klopft sie an, wo denn der Grund zu suchen sei für die Gegnerschaft, worauf ich erwidere, daß man mit mir scheinbar andre Absichten habe. – Auf meine Frage und Bitte, meine Ansicht von der Lage ihrer Schwester und auch ihrem Vater übermitteln zu wollen, sagt sie: „Ihnen kann ich keine Bitte abschlagen, auch diese nicht, obwohl es für mich schrecklich ist, meiner Schwester so aufregende Nachricht zu bringen; ich weiß, sie wird entsetzt sein.“ Ich füge noch hinzu: „Bitte mit ihr zu besprechen und auch Herrn Vater zu befragen, was am besten zu tun sein werde.“ Sie sagt zu und meint, vorläufig solle ich, um Aufregung nicht zu erhöhen, vom Besuch im Elternhause absehen. April 8. Frau Friderike Jikeli sprach schon gestern mit ihrer Schwester, deren Seelenzustand sie mir nicht schildern will. Heute hätte sie gesagt: „daß ich mich in seiner Gesinnung nicht täuschte, ist mir wenigstens ein großer Trost im Unglück.“ Sie und Vater fänden es sehr gewagt, sich Zank und Streit auszusetzen und billigten Abbruch der Beziehungen. Beide lassen mich herzlich grüßen. Ich entgegne: „Ohne Erbarmen wurde gewissenlos ein schönes Verhältnis zertrümmert, aber insofern erfolglos, als die Vorgeschobene290 die meinige nicht werden wird.“ – Wir schieden bewegt. – Von edlen Menschen wurde ich abgetrennt. Die Thränenkrüglein könnte ich brauchen. April 9. Palmsonntag. Für heute Abend hatte ich mir vorgenommen, beim Abschied sie um Gewährung einer Unterredung für morgen Abend zu bitten; morgen wollte ich mich erklären und sie direkt um ihre Hand bitten. Nun kommen traurige statt | fröhliche Tage. – Das Gesetz über Sachsenland und Universität wurde in Pest als 12. Gesetzesartikel des Jahres 1876 gestern kundgemacht291. April 14. Beim Mittagstische fallen hie und da noch anzügliche Bemerkungen, welche ich ignoriere. Ich gab keine Erklärung darüber ab und werde auch keine Erklärung darüber abgeben, daß ich nunmehr verwaist sei. April 16. Ostern, das hergebrachte frohe Jahresfest, diesmal voll Kummer und Wehmuth. Heute wäre ich willkommener Gast in ihrer Familie, wenn – so aber weilen nur meine Gedanken dort, wohin ich nach Sitte und Recht eigentlich gehöre. Aber wozu das Nachgrübeln? Verloren und uneinbringlich.

290 Siehe Anm. 286. – Das „Tränenkrüglein“ ist ein Märchenmotiv, mit Perhta zusammenhängend; vgl. Handwörterbuch des Aberglaubens, Bd. VIII, Sp. 1107f. 291 Wa g n e r , Quellen, S. 240ff. Siehe auch oben Anm. 195 u. 216.

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– April 28. Vom 1. Mai angefangen Unterbrechung des Kursus292. Im Monat April schwänzte Direktor Lindner sechsmal, versäumte demnach zwölf Stunden. – Mai 1. Um den Ausfall von Kursus-Stunden nicht zu vermehren, gehe ich nicht nach Korneuburg, sondern mache die Wa f f e n ü b u n g beim 31. Linien-Inf(anterie)-Regimente i n H e r m a n ( n ) s t a d t mit. Zugeteilter Jägeroberlieut(nant) Prinz Komp(agnie) Kom(m)andant, Hersch, ein Jude aus Mediasch, Lieutnant. „Bart herunter“, womit man wie es scheint „die verfluchten Preissen“ nächstens schlagen zu können vermeint. Die Unteroffiziere sind Sachsen, aber nur wegen Kenntnis der deutschen Sprache; einige darunter Prachtexemplare von Dummköpfen; Mannschaft fast ganz walachisch, auch einige Zigeuner, eine unzivilisierte Horde. – Mai 6. Unter kleinen Geistern entartet man selbst. Formierung des Carré’s wird stets falsch, anders als bei Deutschmeister gemacht. Während „Ruht!“, als Hersch neben mir steht, verweise ich darauf, was den Juden so aufbringt, daß er end|los Carré formieren läßt. 293

Nachmittag Reinigung, während dessen mit meinem Leonberger in den äußersten Teil des Jungen Waldes, wo uralte Eichen stehn, von welchen sie mir erzählt hatte. Das Glück auf einer Kugel steht und wunderbar regiert 294, aber wunderbar gleich verwunderlich zu deuten; die Erinnerung blieb mir nur, der ich mich ungestört hingebe an dem Plätzchen, welches sie mit Recht so schön findet. – Mai 8. Aus meiner fremdnationalen Umgebung erwächst mir eigentlich Nutzen. Mir unverständliche Laute klingen an mein Ohr, mechanisch trabe ich in der orientalischen Gesellschaft einher und suche nicht im entferntesten bei dieser geisttötenden Zeitvergeudung mich hervorzutun; das ermöglicht mir, meinen Gedanken Sehnsucht stillend freien Lauf zu lassen. Vom Exerzierplatz aus bietet sich mir dieselbe Aussicht wie von der Obern Allee, sogar freier und so wandre ich genießend meinen einstigen Sonntagsweg, erhaben über das nachbarliche Schelten und Fluchen. Gedanken sind zollfrei 295.

292

Paläographie und Diplomatik; vgl. Anm. 179 und über Lindner Anm. 268. „Ruht!“ = Militärisches Kommando für entspanntes Stehen. – Leonberger, Pferd (?) aus der Züchtung in Leonberg in Württemberg. 294 Zitiert aus dem später auch ins Allgemeine Deutsche Commersbuch (1858), S. 232 aufgenommenene Gedicht „Reich der Freude“ (= „Mein Lebenslauf ist Lieb’ und Lust“) des Leipziger Schriftstellers und Verlegers Siegfried August Mahlmann von 1808; vgl. A. M a h l m a n n , Sämtliche Schriften, 1. Bd. (Leipzig 1839), S. 42, und über Mahlmann (1771-1826) NDB XV, S. 690f. 295 Aus Martin L u t h e r , Von weltlicher Obrigkeit (1523) nach Ulpian in den Digesten 48, 19, 18; vgl. B ü c h m a n n , S. 295. 293

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– Mai 17. Uebung gegen den Freispitzwald, auf dem Rückweg Berührung der Goldthäler, ebenfalls ein Ziel ihrer Ausflüge, welche ich nun auf unverhoffte Weise kennen lerne. – Mai 19. Jetzt geht’s schon weiter hinaus, und damit hat das Umherstampfen auf einer und derselben Stelle sein Ende erreicht. Uebung gegen Götzenberg, hinter Heltau. Auch hier war sie, und vielleicht schweifen in diesen Tagen ihre Gedanken auch in’s Freie, da sie von meiner Einrückung ohne Zweifel gehört haben wird. Der Götzenberg wird nicht bis hinauf erstiegen. – Mai 21. Die ehemals dreijährigen Diener werden entlassen, die ehemaligen Einjährigen müssen weiter dienen. Logik liegt eben dem Kom(m)ißtume ebenso ferne wie ein Pol dem andern. | – Mai 22. Kein Vergnügen im rauchigen und schmutzigen Nawara zu essen, aber da bin ich vor Sticheleien sicher. So hat die Waffenübung nicht allein das Gute der Bewegung im Freien und Kennenlernen der Umgebung. – Mai 25. Uebung in den Schellenberger Weingärten, wo aber Wein nicht, sondern nur Gestrüpp wächst. Bei zerstreuter Fechtart finden die Walachen ihre Rechnung. Die faule Bande nützt das Decken und Nieder gehörig aus, legt sich in die Furche und wird vor dem Abblasen nicht sichtbar. – Mai 28. Abrüstung. Mai 29. Meine Immunität erlischt. Mittagessen wieder in der Dietrichsburg, ohne Zwischenfall verlaufen. – Fortsetzung des Kursus. Die Leute können einfach nicht arbeiten; nicht einmal nakte Sätze wissen sie in’s Deutsche zu übertragen. Um die ausgefallenen Stunden teilweise einzubringen werden fortan dreimal wöchentlich je zwei Stunden abgehalten. – Juni 7. Die Mediascher Gymnasiallehrer Rudolf Theil und Karl Werner arbeiten an einem Urkundenbuch der Zwei Stühle, welches „fast druckreif“ sei. Was ich davon zu sehen bekomme ist nicht „fast druckreif“, sondern verfehlt ausgearbeitet. – Der Plan, über jeden sächsischen Stuhl beziehungsweise Distrikt ein besondres Urkundenbuch erscheinen lassen zu wollen, ist weder praktisch noch national; es müßte ein allgemeiner Codex diplomaticus Saxonum hergestellt werden, also statt elf Sonder-Urkundenbücher nur eines296.

296 Nämlich einschließlich von Hermannstadt für die Sieben Stühle (Broos, Mühlbach, Reußmarkt, Leschkirch, Schenk, Schäßburg, Reps), für die Zwei Stühle (Mediasch und Schelk) sowie für den Nösnergau um Bistritz und das Burzenland um Kronstadt; vgl. G. E. M ü l l e r , Stühle und Distrikte als Unterteilungen der Siebenbürgisch-Deutschen Nationsuniversität 1141-1876 (1941) (Ndr. mit Einleitung von K. G. Gündisch 1985 = Schriften zur Landeskunde Siebenbürgens, Bd. 10). – Siehe zum Urkundenbuch unten ab S. 123.

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– Juni 30. Abschluß des Kursus. Direktor Lindner war noch an weiteren fünf Tagen abwesend, gibt im Ganzen zweiundzwanzig geschwänzte Stunden; er wollte offenbar nur schnüffeln, | als Schnüffler gegen die „Altsachsen“297 ist er stadtbekannt, aber bei mir ging er ein; er wurde als hervorragender Nichtwisser und hohler Wichtigmacher entlarvt. – Ich schließe: „Falls die Herren ihre Studien fortzusetzen wünschen, stehe Lesematerial und andre literarische Hilfsmittel298 Ihnen auch weiterhin zur Verfügung.“ Juli 1. Abends treffe ich vor meiner Wohnung (Großer Ring 3)299 Apotheker Jikeli, der mich anhält und begrüßt, von mir hinaufgebeten; er sollte erkunden, wie es mir gehe, da sie gehört habe, ich sei eingerückt. Ich sage: Unter Larven die fühlende Brust 300, dachte ich in Feld und Wald offen an sie und beschäftigte mich mit der Frage der Trennung, welche ich nicht verschulden möchte; „wie würde Ihre Schwägerin dazu sich stellen, wenn ich erkläre, den Kampf gegen die Verwandtschaft aufnehmen zu wollen; ich kann unmöglich selbst Grund zum Rückzuge bieten.“ Er antwortet: „Auch diese Möglichkeit wurde reiflich erwogen, aber es widerstrebt meiner Schwägerin, Sie und sich selbst Anfeindungen auszusetzen, deren Ende nicht abzusehen ist; wir halten Ihr Vorgehen für durchaus korrekt, und hierüber bitte ich vollkommen beruhigt zu sein.“ – Mit warmen Worten danke ich, beifügend: „Niemand wird mir nachsagen dürfen, daß ich eine Hermannstädterin Ihrer Schwägerin vorgezogen hätte“; herzlichen Gruß an sie. – Auch eine biedere Natur wie sein Schwiegervater, ein Mann, aus dessen Worten und Wesen Aufrichtigkeit spricht. Juli 2. Wieder ein Sonntag zum Nachdenken. Bei Tische wird eine heiratsfähige Jungfrau angepriesen: wer die kriegte, der könnte sich gratulieren. Danke für Obst und Südfrüchte. Bald werden alle Mädchen hier aufspaziert sein. – Mit Greif301 hinaus zu den alten Eichen, welche bereits der Türkenzeit Zeugen waren. Morgen werden zehn Jahre voll sein302, | seit ein morsch gewordener Bund in Scherben gehen mußte, weil seine Glieder nicht zu einander paßten; heute 297 Politische Richtung (konservativ und national-sächsisch) unter den Siebenbürger Sachsen zum Unterschied von den „Jungsachsen“ (siehe oben Anm. 247); vgl. G ö l l n e r , Siebenbürger Sachsen, S. 128ff. Über Lindner siehe Anm. 268. 298 Siehe unten bei Anm. 394 zur Anschaffung eines paläographisch-diplomatischen Apparats im Hermannstädter Archiv. 299 Die Übersiedlung aus der Wiesengasse 8 (siehe Anm. 265) erfolgte im April 1876 (siehe unten bei Anm. 318); vgl. auch bei Anm. 328 über das Haus u. Abb. 10. 1906 wurde dort das Gebäude der Bodenkreditanstalt errichtet, das heute Bürgermeisteramt ist. 300 Zitat aus Schillers Gedicht „Der Taucher“; vgl. B ü c h m a n n , S. 123. 301 Siehe Anm. 293. 302 Was die aus früheren Notizen erfolgte Niederschrift auf Juli 1886 datiert; siehe schon Anm. 182.

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liegt ein hoffnungsfreudiges Bündnis zweier Seelen in Trümmern, welches aus gleichem Fühlen und Denken aufgekeimt war. Selbst die Erinnerung muß vor dem unabwendbaren Geschick weichen, denn es fruchtet nichts, zu klügeln über das Los, welches mich ereilte. Das Bewußtsein, recht gehandelt zu haben, wie sie303 und ihre Angehörigen treulich mir versichern, soll in der Not mir Tröster sein. Ἄτροπος waltet ihres Amtes304.

303 Über Berta Jickeli informiert weiters im „Zeitbuch“ Bd. I, p. 78-100 das 1906 niedergeschriebene Kapitel „Frauenlos“. Demnach hat Berta 1881 Wilhelm Nendwich geheiratet, Sohn eines Eisenhändlers mit Geschäft am Großen Ring, das freilich 1893 nach des Vaters Tod (1887) in Konkurs ging und von der Konkurrenzfirma Jickeli übernommen wurde. Wilhelm Nendwich soll laut F. Z. Alkoholiker gewesen sein und sich mehr um Geselligkeit z. B. im Rahmen des 1879 gegründeten Hermannstädter Männerchores „Hermannia“ (siehe S i g e r u s , Chronik, S. 51) gekümmert haben als um sein Geschäft. Ein freundschaftliches Verhältnis zwischen den Familien Zimmermann und Nendwich-Jickeli hat es weiterhin gegeben, zumal man eine Zeitlang (1883-1886) in der Fleischergasse 25 und dann auf der Hallerwiese (siehe unten nach Anm. 397) benachbart gewohnt hat: Laut Bd. I, p. 180 wohnte Berta 1906 in Miete bei Lehrer Friedrich Reissenberger, Hallerwiese 17. Der Bericht schließt, auch in der Schrift deutlich als Nachtrag (in St. Pölten) erkennbar: „Am 31. Mai 1918 erhalte ich von Frau Nendwich das Sieb(enbürgische) deutsche Tageblatt vom 27. Mai, in welchem ‚die trauernde Familie‘ anzeigt, daß Wilhelm Nendwich im 62. Lebensjahr am 25. Mai 1918 gestorben sei.“ Aus der Ehe waren zwei Kinder entsprossen, Berta und Wilhelm, was F. Z. zu schreiben veranlasst, dass bei „so prächtigen Kindern die Mutter unmöglich eine kranke Person“ (siehe oben S. 104) gewesen sein kann. 304 Die Parze (Schicksalsgöttin) der Unabwendbarkeit in der griechischen Mythologie. – In der Handschrift folgt zunächst das Kapitel über die „Fortsetzung des Urkundenbuchs“; siehe unten ab S. 123.

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Kostkind in der Dietrichsburg 1875/6.

Nach Abreise meiner Eltern (Oktober 1875) sehe ich mich als Kostkind, aber mit eigener Wohnung in die Dietrichsburg eingestellt305, was neben Anderm für mich eine Neuerung bedeutete. Der älteste Bruder meiner Mutter, Oberst Gustav Dietrich v. Hermannsthal, führte, seit 1869 in Hermannstadt ansässig, mit seiner Mutter und Schwester Charlotte gemeinsam Haushalt. Sie hatten die Erkerwohnung im 1. Stockwerke des Hauses Wiesengasse 16 (vormals Obere Wiese 238) inne, welches Oberst D(ietrich) im Jahre 1869/70 durch Baumeister Samuel Setz, Ehegatte der Luise Brukatsch, neu hatte aufbauen lassen. Meine Großmutter Elisabeth Dietrich, geb(orene) Bogner 1798 in Sächsischreen, heiratete 1817 den Hauptmann Michael Friedrich Dietrich, geb(oren) 1782 in Heltau, gestorben als Major in Csikszereda 1836, übersiedelte als Witwe nach Hermannstadt in das Dietrich’sche Haus Obere Wiese 238. Oberst Gustav Dietrich, geb(oren) 1818 in Bistritz, ging 1868 in Ruhestand nach Wien, 1869 nach Hermannstadt, war als nicht aktiv eingeteilt zum 78. k. k. Landwehrbataillon Suczawa306. | Charlotte Dietrich als jüngstes Kind geb(oren) in Csikszereda 1834. Sie leitete schon seit Jahren den Haushalt ihrer schwer beweglichen Mutter und besorgte die vom Onkel bestrittene Verpflegung, welche gegen pünktliches Erscheinen 7.30 h vorm(ittags) (Kaffeefrühstück) und 12.45 h nachm(ittags) (Mittagessen) sowie Zahlung monatlicher 15 Gulden auch mir zugänglich wurde. Alle drei sind lebhaften Temperaments und aufbrausend gegenüber abweichender Meinungsäußerung; unbewiesene und nicht beweisbare Behauptungen werden frisch und frei aufgestellt und hartnäckig wiederholt mit einem Eifer, als ob es sich um sichere Urteile und um die wichtigsten Dinge handle. Das Gespräch, im sächsischen Dialekt, nur mit mir hochdeutsch geführt, dreht sich um Leute, welche ich nicht kenne, und so bin ich stiller Zuhörer. Zu Fragestellung darf ich Anlaß nicht bieten, sonst würde mit allen Künsten der 305 Das Kapitel ist sichtlich ein Nachtrag. Es steht in der Handschrift chronologisch falsch hinter dem Kapitel über die 1877 erfolgte Verheiratung (siehe unten ab S. 117). Es enthält auch viele hier nicht weiter angezeigte Wiederholungen aus dem Kapitel „Besuche bei Berta“ (siehe oben S. 85ff.). – Über die „Dietrichsburg“ siehe oben Anm. 60 u. 181. Über F. Z.’s eigene Wohnung Wiesengasse 8; siehe oben S. 76. 306 Er veröffentlichte unter dem Titel „Unter Oesterreichs Doppeladler“ im Archiv des Vereins für siebenbürgische Landekunde 12/1881, S. 530-605 biographische Skizzen aller Siebenbürger Sachsen, die als Generäle oder Stabsoffiziere seit den Zeiten Maria Theresias (1744) im österreichischen Militär gedient hatten.

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Tiefbohrung weitergeforscht werden, bis wir den Antipoden in’s Gesicht sehen; glatte Auskünfte zu empfangen ist unmöglich, weil der Fragende peinlich genauer Ausforschung darüber unterworfen wird, zu welchem Zwecke er die erbetene Aufklärung benötigt, denn besonders die Frauen kümmern sich allzusehr um andre Personen. Selbst unbemittelt sorgen Großmutter und Tante sich nicht wenig darum, ob Andre dem Vergnügen nachgehen. Meine Leistungen hierin genügen ihnen nicht, und meine Entschuldigung: Mangel an Zeit und Geld, zieht in ihren Augen nicht. Unfähig, meine Lage als Anfänger im Berufe richtig beurteilen zu können, haben sie keine blasse Idee davon, wie sehr ich jeder Stunde zum Einarbeiten bedarf. | General Bumbum drückt nicht aufs Vergnügen, aber desto eifriger sind die Frauen dahinter, welche, die ältere an die Wohnung gebunden, die jüngere als Pflegerin meist daheim, selbst tüchtig sind in allen Zweigen der Hauswirtschaft und in weiblichen Handarbeiten; Tante Lotti macht das Eingreifen von Handwerkern vielfach überflüssig, weil sie selbst die Werkzeuge handhabt, eine Folge ihrer Lebenserfahrung. Es mußte bei der Witwe Major Dietrich mit wenig Erträgnis aus der untern Wohnung, mit dem Erlöse für Händearbeit der Töchter, Unterstützung der Söhne und Schwiegersöhne der Lebensunterhalt gedeckt werden. Ein Vorzug der Dietrichsburg ist das Fehlen eines Klaviers, deren sieben in meiner Nachbarschaft ihr Unwesen treiben. Jeden Dienstag nach 6 h wird Familienabend abgehalten und dabei Kaffee mit Abendbrot gereicht. Außer Obigen erscheinen zu diesem Abend Frau Josefine Dietrich (Witwe Gustav Dietrichs) und ihre Söhne Moritz, Gerichtskanzlist, und Hermann, Dr. juris, Advok(aturs) Konzipient, ferner Adolf Dietrich, Beamter der sächsischen Nationalbuchhaltung (Schwager der Josefine Dietrich), und Martin Brukatsch, evang(elischer) Stadtprediger, welcher mit meiner Tante Luise Dietrich, gestorben 1856, verheiratet war307. Auf das Abendbrot folgt Whistspiel der Herren, nur von Moritz gut gespielt. Zwischen den älteren Spielern gibt es regelmäßig scharfe Debatten wegen schlechten Spielens. Bei Großmutter und Tante (Dienstag ausgenommen) täglich nach der Jause Frauengesellschaft, mit Handarbeit und geschliffenem Mundwerk, meist ältere Jahrgänge. Ueber Auffor|derung komme ich einigemal dazu, merkte aber meine Ueberflüssigkeit unter diesen schwarz oder sonst dunkel umhüllten freiwilligen Gerichtsbeisitzern. Diese geschäftigen Austrägerinnen arbeiten mit Großmutter und Tante an dem Rufe aller Leute, woraus Stadtklatsch im 307 Über die Familie Dietrich v. Hermannsthal handeln im „Zeitbuch“ Bd. I, p. 170ff. zwei Kapitel unter dem Titel „Die Verwandten Dietrich 1876-1877“ und „Verwandtschaft Dietrich, jüngere Nachrichten 1882ff.“. Josefine geb. v. Wayda, verheiratet mit Gustav Dietrich, dem gleichnamigen Cousin von General Bumbum und der Mutter von F. Z. Er war Magistratsbeamter in Hermannstadt.

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Großen sich entwickelt und fama crescit eundo308. Großmutter kommt aus der Wohnung nicht heraus, kennt nur noch diese Unterhaltung des Redens und Urteilens über Andre und so wurde das ihr zur Gewohnheit und Bedürfnis. Dem frisch angekom(m)enen Enkel will sie etwas Lebensweisheit einimpfen; mehr mitmachen heißt es bei ihr zum Ueberdruß. Januar 7. Faschingsanfang gibt Anlaß zu Besprechung der Hermannstädter Bälle, bei welchen ich nicht fehlen sollte. Ich lasse den Kelch schweigend vorübergehen309. Das wiederholt sich wie eine Dienstesvorschrift einen Monat später. Februar 28. Abermals, heute besonders kräftig, wird darüber losgezogen, daß ich Bällen fernbleibe. Ich setze meinen rechten Fuß, dessen große Zehe aufgebrochen ist, entblößt auf einen Stuhl, finde aber Gnade nicht. – Selbigen Tages deshalb zur Rede gestellt, daß ich immer bei Jickeli’s stecke. Wird von mir abgewiesen. Februar 29, Dienstag. Auch der Familienabend wird von Großmutter und Tante zu Sticheleien über mein Fernbleiben vom Tanz benützt. Cui bono darf man fragen. Rein zwecklos als Nichttänzer einen Ball zu besuchen und mit den alten Ausmusterern die Insel310 zu bevölkern. Man wittert Menschenfleisch, es muß eine bestimmte Absicht vorwalten311. | 31. März. Abfällige Reden über meinen Verkehr im Hause Jickeli, sogar Warnung vor der Tochter312. – Zweifellos erwarb meine Bedienerin Greger sich eine Belohnung für Kundschafterdienst über meine Sonntagsgänge, denn in dem Gesprächskreise der Dietrichsburg wurde Familie J(ickeli) nie erwähnt. 1. April. Frühkaffee erhalte ich in der neuen Wohnung Großer Ring 3, 1. Stock, zugestellt, nehme also fortan nur das Mittagessen in der Dietrichsburg ein. – Heute neuerliche Pauke, dann vom 3. April weiter förmlicher Sturm, wie ich in mein „Tagebuch“ einschrieb. Schweren Verlust und keinen Gewinn erntete ich aus dem Dietrichsburger Geschwätz. Zerstörend wirkte es und erfolglos blieb das Ansetzen der Hebel, mich einzugarnen. Die böse Erfahrung härtete mich ab gegenüber Einblasungen, welche schon ihrer Aufdringlichkeit wegen mir zuwider waren. Im Mai, 1. bis 28., Unterbrechung des Kostverhältnisses, Mittagessen in der Rauchbude Nawara, Waffenübung, aber dauernd loszukommen ist undenkbar,




308

Vgl. Vergil, Aeneis IV 175. Matth. 26,39. Vgl. die Schilderung schon oben S. 106ff. 310 Vgl. Anm. 237. 311 Siehe schon oben Anm. 279. Cui bono = Cicero, Philippika 2,14. Vgl. B ü c h m a n n , S. 269. – Anspielung weiters auf Grimm’s Märchen „Der Teufel mit den drei goldenen Haaren“: „Ich rieche Menschenfleisch“. 312 Berta. Siehe schon oben ab S. 104 u. dazu Anm. 303. 309

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weil ich ganz fremd in der Stadt keinen andren Kostgeber vorschieben kann. Daher ausharren, die politischen Zustände sind viel drückender als unbedenklicher Klatsch313.

313 Siehe dazu Anm. 195 u. 216 und zur Waffenübung oben S. 109. – Mit dem „Tagebuch“ ist wohl das oben (bei Anm. 182) erwähnte „Notizbuch“ gemeint; siehe auch Anm. 219 und Abb. 4 den Untertitel des „Zeitbuches“ sowie in der Einleitung.

Meine Verheiratung mit Julie Theuerkauf

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Meine Verheiratung mit Julie Theuerkauf.

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Ein Beamter, mit 1000 Gulden Jahresgehalt in Hermannstadt angestellt, umso mehr ein höher besoldeter314, ist abgesehen von der Person eine nicht zu verachtende Partie, auch nach Ansicht der Frauen in der durch meinen Onkel Gustav Dietrich aufgebauten Dietrichsburg, Wiesengasse 16. Ich bezog Mitte Oktober 1875 in deren Nähe, Wiesengasse 8, eine durch die Verwandten gemietete Parterrewohnung, ein Gassenzimmer und eine Kammer, möbliert, monatlich 13 Gulden; Bedienung durch Frau Greger monatlich 2 Gulden; kleine Fenster, dunkel, aber gutes Trinkwasser in der Nähe, Pumpbrunnen neben der Theaterbastion; das offene städtische Leitungswasser ist einfach Stinkwasser. Frühkaffee und Mittagessen über Antrag der Verwandten in der Dietrichsburg genommen, gegen pünktliches Erscheinen und 15 Gulden Monatszahlung. Bald traten zu Tage erhebliche Abweichungen zwischen den Lebensanschauungen insbesondre meiner Großmutter und Tante Lotti Dietrich einerseits und mir andrerseits, denn die Frauenzimmer waren Mitmacher315 gewesen und wollten mich auf dieselbe Lebensbahn bringen; kaum ein Vergnügen war in der Zeitung angekündigt, als auch schon gefragt wurde, ob ich dabei sein werde. Unbegreiflich wie die alte an Bett und Lehnstuhl gefesselte Frau, welche als Witwe (seit 1836) auf Unterstützung durch ihre Kinder angewiesen war, und ihre Pflegerin, die zum Unterhalt des Hauses durch Handarbeit hat beisteuern müssen, so vergnügungsfreundlich werden konnten. Sie waren davon nicht zu überzeugen, daß ich, in ganz neue Verhältnisse, in mir | fremdem Lande vollauf zu tun habe, um mich einzuarbeiten; sie hatten keine Idee von dem Wirkungskreis eines selbständigen Archivars, der nach Vielem befragt wird, selbst aber nicht fragen darf, sondern wissen muß. Oft betonte ich, daß zu dringend notwendigen Studien in siebenbürgischer Literatur nur die Abendstunden mir zur Verfügung stünden, aber es nützte nichts. Gegen unbegründete Argumente vorgefaßter Meinungen ist es um jede Abwehr schade. Schließlich war Mitmachen für mich auch eine Geldfrage. Ich hatte mein gutes Auskommen und erübrigte etwas, jedoch wollte ich für Reisezwecke sparen; Anschaffung mehrerer siebenbürg(ischer) geschichtl(icher) Bücher war zunächst wichtiger als Vergnügen. Der Erhalter der Hauswirtschaft, General Bumbum, schob in der Regel ab, sobald ich wegen „Stubenhockens“ befaßt wurde. Ein wunder Punkt war ferner, daß ich abends bei Großmutter nur selten mich sehen ließ; bei ihr fand in den Abendstunden täglich Empfang statt,

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314 315

Siehe über die Bezüge des Archivars unten S. 194ff. Nämlich bei allen gesellschaftlichen Veranstaltungen in Hermannstadt.

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zu welchem meist ältere Frauen erschienen, die mit ihren Urteilen und ihrer meist schwarzen oder dunkelgrauen Toilette an die Vehme mahnten. Schon die dunkle Kleidung stieß mich ab, dann mir gleichgiltiges Gespräch, aber diese Zeit benötigte ich für Hausarbeit. Hinter dem Drängen der Verwandten, Vergnügen zu suchen, zeigte sich die Absicht, mich einzufädeln316, nachdem ich über freundliche Einladung im Hause J(ickeli) auch über die offizielle Vorstellung hinaus Verkehr gepflegt hatte. Da mußte meine Bedienerin Greger, eine gute Bekannte der Verwandten, auskundschaften, wohin meine regelmäßigen Gänge führten, die zum Teile den Wünschen meiner Nächsten nicht entsprachen. Einer stadtbe|kannten Gassenläuferin wollte man mich anketten, und so wurde mein Verkehr in der Familie J(ickeli) schonungslos beanstandet, sogar nach Wien darüber geschrieben, daß ich mich an eine „kranke Person“ mache. Da ich allein stand, brach ich mit Zustimmung der Familie J(ickeli) meine Beziehungen zu der Tochter des Hauses Stern317 ab, versicherte aber, daß eine Hermannstädterin die meinige nicht werden solle. Um vor allerlei überflüssigen Ratschlägen wenigstens morgens Ruhe zu haben, nahm ich seit April 1876 den Frühkaffee in meiner neuen Wohnung (Großen Ring 3, 1. Stock)318. Ein schönes, aussichtsvolles Verhältnis war zertrümmert, nun ging das Projektmachen los, um einem Schützling der Dietrichsburg mich zuzuführen. Die Manöver waren durchsichtig genug, um zu mißlingen. Die sich drängenden Empfehlungen gäben eine köstliche Grundlage für Feststellung weiblicher Vorzüge. Die Erste wird herausgestrichen als stets obenauf schwimmend (in Wahrheit: auf der Gasse), lachend und einst erste ihrer Schulklasse; eine Andre als bescheiden und sehr häuslich; eine Dritte als nicht übel und gescheit, zweite ihrer Schulklasse usw. Erfolglos, denn vorerst erklärte ich als Satisfaktion für die als krank Beschuldigte ihrer Schwester319 gegenüber die Vorgeschobene nicht annehmen zu wollen, und später erweiterte ich diese Ablehnung im Gespräche mit ihrem Schwager auf alle Hiesigen: keine aus Hermannstadt. Aber auch ohne Rücksicht auf dieses Gelöbnis konnten diese zirkusmäßigen Vorführungen nicht verfangen.

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Nämlich: zu verheiraten. Siehe unten bei Anm. 319 u. oben S. 78 über die „Gassenläuferin“ Marie Arz v. Straußenburg. 317 Wohnhaus der Familie Jickeli in der Reispergasse 3; siehe oben Anm. 219. 318 Siehe auch oben Anm. 299. 319 Friederike/Fritzi, Gattin des Hermannstädter Apothekers Karl Jikeli (siehe Anm. 225). Siehe auch oben S. 111. Über die für F. Z. in Aussicht genommene „Hermannstädterin“ siehe oben Anm. 286, bei 290 u. bei 317.

Meine Verheiratung mit Julie Theuerkauf

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Die Sirenengesänge fanden kein Ohr mehr, als meine Waffen|übung320 begann, 1. Mai 1876 (ursprünglich auf den 10. Mai angesetzt), und ich durch vier Wochen Wirtshausgast wurde. Dann kamen meine Eltern auf mehrwöchentlichen Besuch, während dessen ich bei ihnen zu Mittag aß. September bis in den Oktober besuchte ich das Reichsarchiv in München und das Landesarchiv in Graz (Zahn), um die Anordnung der Archivalien daselbst kennen zu lernen. Mit erspartem Gelde, mehr als 400 Gulden, machte ich die Reise nach Pest – Wien – München (mit Uhlirz zusammengetroffen) – Kempten, Lindau, Rorschach, St. Gallen, Zürich (mit Sickel und Hidber) nach Einsiedeln im Kanton Schwyz, zurück321 nach Wien, Graz, Pettau, Großkanizsa, Pest, Hermannstadt. Da kam es zu zwei Begegnungen, welche mich unvermutet auf den Heiratsweg brachten. Im Oktober, als ich auf der Rückreise begriffen bei den Eltern in Wien war, erschien Oberstlieutenant Anton Theuerkauf mit Frau Julie geb(orene) Trausch und Töchtern Julie, Marie und Josefine auf Besuch; er kam aus seiner Garnison Komorn, wollte in Pension gehen und in Kronstadt sich niederlassen. Der Sohn Rudolf war damals in Lähne’s Erziehungsanstalt in Oedenburg322. Ich war bei Theuerkaufs Besuch nicht zugegen, hörte von meiner Mutter, daß sie theilnehme und sich nach mir erkundigt hätten. Bei Gegenbesuch im „König von Ungarn“ (Schulerstraße) waren Theuerkaufs abwesend. Im November 1876 wurde Oberstleutnant Theuerkauf zur Superarbitrierung323 nach Hermannstadt befohlen, bei welcher Gelegenheit er mich besuchte und aus seinem Benehmen etwas | mehr als einen bloßen Höflichkeitsakt mich herauslesen ließ. Sein frühzeitiger Abgang aus dem Dienste, erst 52 Jahre alt, und bei voller Gesundheit wirkte überraschend; er genoß als Offizier guten Ruf, seine Verhältnisse waren geordnet, nur seine hitzige Frau gab Anlaß zu Regimentstratsch, was seine Stellung erschütterte. Sein Besuch bei mir regte in mir den Gedanken, seiner ältesten Tochter Julie (geboren 1856) mich zu nähern, was zunächst nur meine Eltern erfuhren, bei welchen ich anfragte, was sie von solcher Heirat hielten. Sie sprachen sich nicht dagegen aus, meinten aber, Frau Theuerkauf habe angespielt auf 320

Siehe oben, S. 109. Die genannten Personen: Josef v. Zahn 1874-1905 Direktor des steiermärkischen Landesarchivs († 1916); Karl Uhlirz (1854-1914), zuletzt Professor in Graz. Beide waren Absolventen des Wiener Instituts für Geschichtsforschung. Basil Hidber war 1868-1896 Professor in Bern († 1901). Vgl. auch W. We b e r , Biographisches Lexikon zur Geschichtswissenschaft (2. Aufl. 1987). 322 Über das von 1853 bis 1918 bestehende Ödenburger Internat und seinen aus Preußen stammenden Gründer Friedrich Laehne (1822-1881) vgl. Zs. L o s s o n c z y, A Soproni Laehne-fele nevelőintézet és gimnázium története (in: Soproni Szemle 26/1972, S. 228-245 u. 289-307). 323 Schiedsspruch höherer Instanz. 321

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mögliche Verbindung mit der zweiten Tochter Marie (geboren 1862)324; davon säuselte Frau Th(euerkauf) bereits im April 1875, als ich sie auf dem Sandberge, Fort auf dem rechten Donauufer, gegenüber Komorn besuchte. Frau Th(euerkauf) schickte Marie aus, sie solle die Umgebung des Sandberges mir zeigen; da fragte ferner Frau Th(euerkauf) bei meiner Verabschiedung Marie ganz unvermittelt: „Gefallt dir der Franz?“, was von der schon im Bette liegenden bejaht wurde. Aber die war noch sehr weit hinten. Sie hatte z(um) B(eispiel) keinen Begriff von dem Deutschen Reiche, keine Vorstellung von Europa, auch nicht von Ursprung und Mündung der Donau, an deren Ufer sie wohnte; auch hätte ich 4 bis 5 Jahre zuwarten müssen, ein Zeitraum, in welchem Manches gründlich sich ändern konnte. Ein Mangel bestand für alle Töchter: ihre Mutter führte zu Hause keine Küche, in Folge dessen die Töchter daheim Gelegenheit nicht fanden, Hauswirtschaft kennen zu lernen; Frau Theuerkauf ersparte sich die wichtigste Hausarbeit und setzte ihrem Mann und Kindern die Kostschalen irgend einer Kostwirtschaft vor. | Aber von einem sonst häuslichen zwanzigjährigen Mädchen durfte wohl vorausgesetzt werden, daß es nicht lernfaul sein werde. So beschloß ich im Dezember, bei Oberstlieutenant Theuerkauf um die Hand seiner Tochter Julie anzuhalten, welcher ich kein Fremder war, und deren Mutter obendrein als Ziel sich gesetzt hatte, einzige Söhne für ihre Töchter zu suchen; hier meldete sich einer325, der die erste heiratsfähige Tochter verlangte und ermuntert wurde, als Freier sich vorstellen zu wollen. Am heiligen Abend fand bei Pfarrer Josef Dück in Zeiden, dem Schwager Th(euerkauf)’s, meine Verlobung mit Julie statt, während welcher von Pfarrer Dück an mich die Frage gestellt wurde: „Haben Sie Schulden?“ Ich glaubte es mit einem Siebenbürger Brauch zu tun zu haben, sagte „Nein“ und schenkte meiner Braut ein schuldenfreies goldenes Armband326. Am Christtage traf in der Dietrichsburg Botschaft von meiner Verlobung ein. Es war ein Donnerschlag, nachzumerken an dem wortlosen Empfange, welcher bei der Rückkehr mir zu Theil wurde. Meine Eltern nahmen Julie gleich eigenem Kinde auf, mit Worten wie mit Taten, wie sie es verdiente; sie




324

Siehe auch oben S. 69. F. Z. war einziger Sohn seiner Eltern nach dem Tode seines Bruders Wilhelm 1860; siehe oben S. 31. 326 Vgl. „Zeitbuch“ Bd. II, fol. 57: „Während des Verlobungsaktes … richtete Pfarrer Dück an mich die Frage: Haben Sie Schulden? Ich setzte diese Frage auf Rechnung übler Siebenbürger Gewohnheit, wie ich so manche schon kennen gelernt hatte, und antwortete trocken: Nein. Im Herbst 1877, als ich gelegentlich eines Gespräches bei Superintendent Teutsch über Verlobungsbräuche auch diesen Vorfall erwähnte, erschallte Gelächter seitens der anwesenden Herren und Teutsch meinte herzlich lachend: Da muß eine besondere Anordnung des Burzenländer Kapitels dahinter stecken.“ 325




Meine Verheiratung mit Julie Theuerkauf

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hörte nicht scharf, aber es kommt ja auch auf den Willen an zu hören. – Als ich das Januargeld in der Stadtkasse behob, erklärten Kassier Bergleiter und Kontrollor Göbbel, aus ihrer Studentenzeit Frau Th(euerkauf) als Tänzerin zu kennen, als ihr Vater327 in Hermannstadt diente. Bergleiter sagte: „Jetzt kommt es ans Licht, weshalb Sie hier von jedem Mädchenverkehr sich fernhielten.“ Die Beamten wußten also von meinen Beziehungen zu Familie J(ickeli) nichts, denn sonst wäre ich bei dem auf dem Rathause wahllos üblichen familiären Tone darob ge|wiß angegangen worden. Noch einige zweitägige Ausflüge unternahm ich nach Kronstadt, reinste Büßerfahrten, von 3/4 7 h abends bis Nachmittag 4 h, inbegriffen zehnstündige Wartezeit auf der Eisenbahnstation Klein-Kopisch; einmal fuhr ich mit der Post, über Fogarasch, von Nachmittag 1 h bis 4 h früh, gleichfalls eine Qual, hoffentlich von meiner Braut nach Gebühr eingeschätzt. Da Theuerkaufs in einem alten Rumpelkasten, Purzengasse 46, hausten, konnte ich mit Julien’s Zustimmung sie in meine Wohnung328 einführen, erbaut im Jahre 1545. Als Absteigquartier meiner Eltern war sie bereits ganz eingerichtet, auch mit allem Küchenzeug versehen; ich kaufte für Julie zwei neue Schränke und Herr Theuerkauf beschaffte für das Empfangszimmer eine blaue Ripseinrichtung bestehend aus ein Sopha, zwei großen Armsesseln für 190 Gulden, aber ein dazugehöriges | Klavier stellte sich nicht ein, obgleich Julie zu den guten Klavierspielerinnen gehört und ihr Spiel in unsrem großen Empfangszimmer sehr schön zur Geltung gelangt sein würde. Das gehört in ein besondres Kapitel über den neuen Ehebund. Auch ein braves Mädchen, Rosa Hofbauer, Tochter eines Kurschmiedes in Leschkirch war gedungen. Die Hochzeit fand am 14. April (Sonnabend) 1877 in Kronstadt statt, die Trauung in der Stadtpfarrkirche durch Pfarrer Josef Dück von Zeiden, das Essen im Elternhause, Purzengasse 46. Teilnehmer: Theuerkauf samt Frau und Töchtern Marie und Josefine, Ministerialrat Ludwig v. Greißing, k. k. Landwehroberst Gustav Dietrich v. Hermannsthal, kön(iglicher) Rat Josef Plecker v. Pleckersfeld samt Gattin Luise (Schwester der Frau Theuerkauf), ┌ Pfarrer Dück samt Frau Josefine und Tochter Julie, Apotheker Hornung und ┐ Frau , meine Eltern (von Wien), das junge Par. Da von Kronstadt nach Pest beziehungsweise Hermannstadt täglich nur ein Zug verkehrte, blieb Julie bei ihren und ich bei meinen Eltern (Hotel Weiß, untere Schwarzgasse) über Nacht, und wir fuhren am 15. April vorm(ittags) 11 h ab; beste Gelegenheit, miteinander 327 Vgl. über den Historiker Josef Franz Trausch († 1871) in dem von ihm begründeten Schriftsteller-Lexikon, Bd. 3, S. 409ff. 328 In der Handschrift findet sich in Bd. II, fol. 101v eine Federzeichnung des Kronstädter Hauses mit ausführlicher Schilderung (siehe Anm. 407). Eine Grundrissskizze der Wohnung am Großen Ring 3 in der Handschrift Bd. I, p. 159 am unteren Seitenrand (siehe dazu auch oben Anm. 299). Vgl. auch Abb. 10.

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zu reden und sich kennen zu lernen, denn von den spärlichen Fahrgästen betrat keiner unser Abteil; in Mediasch übernachtet, am 16. April früh 5 h Wagenfahrt nach Klein-Kopisch und dorther mit Eisenbahn nach Hermannstadt, Ankunft vorm(ittags) 9,15 h. Meine Eltern bezahlten ihre und meine Hotelrechnung, General Bumbum die seinige selbst und fuhren einen Tag später nach Wien ┌ ┐ bzw. Hermannstadt. Julie und ich nahmen über seinen Auftrag während der nächsten vierzehn Tage das Mittagessen in der Dietrichsburg. | Am 17. April fand der erste Familiendienstag statt, zu welchem meine junge Frau erschien. Sie gab sich den Verwandten gegenüber anspruchslos, wie auch ich sie beurteilte, mit Anschauungen, wie man sie an Militärkindern beobachten kann, die von einer Schule in die andere wechseln mußten. Fast alle Anwesenden kannten ihre Mutter aus deren Herman(n)städter Zeit, und so ergab sich vielfaches Fragen, bei dessen Beantwortung Julie auffällig die Mama in den Vordergrund rückte, als: Mama bestimmte, wollte, tat usw., während Papa in Juliens Wörterbuch nicht vor kommt; es gibt keinen Papa, auch wenn man ihn von rechtswegen als anordnende oder handelnde Person erwarten müßte. Das wunderte mich, denn in Verbindung mit der Hochzeit trat nur der Vater Theuerkauf mir gegenüber in Tätigkeit. Ferner fiel auf, daß manche Ungenauigkeit mit unterlief. Jedenfalls eine stark aktive Schwiegermutter329, die aber bei Zimmermanns nur auf reine Gewissen wird stoßen können. Eine grobe Rücksichtslosigkeit verletzte mich schwer. Julie, ich und Andre befanden sich in Großmutters Zimmer, während Tante Lotti Dietrich und Onkel Martin Brukatsch im anstoßenden Eckzimmer verweilten; Tante Lotti sagte zu Brukatsch so laut, daß man es im Nebenzimmer hören mußte: „Jetzt hat die arme Seel’ Ruh’, der Jickeli hätte seine Tochter dem Franz sehr gerne gegeben.“ – So kann nur eine alte Jungfer handeln, die nichts von reiner Liebe weiß und in den Verkehrsformen schlecht beschlagen ist. Brukatsch schwieg und das Gespräch der beiden war zu Ende. Gewisse Entschädigung ward mir zu Teil infolge Rücksprache mit Berta’s Schwager, Apotheker Jikeli, welcher mich „zum Abschluß der Kostgängerei“ (als Kostnehmer bei meinen | Verwandten) beglückwünschte, nicht ohne feine Bespöttelung des Altjungferntums, welches Andern nicht gönnt, was ihm versagt blieb. Er sprach mit Berta ausführlich darüber und fand bei ihr dieselbe Auffassung, daß mein Schritt aus meiner Lage heraus sich erkläre. – Möchten doch diese edeln Leute immer ihres Gleichen begegnen.

329

Frau Theuerkauf ist 1894 gestorben, der Vater Theuerkauf 1911. Im „Zeitbuch“ Bd. II, fol. 60v-61r wird über den Nachlass gehandelt. Vgl. auch unten S. 163.

Fortsetzung des Urkundenbuches zur Geschichte Siebenbürgens

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Fortsetzung des Urkundenbuches zur Geschichte Siebenbürgens330.

Im Sommer 1874 mit Literatur über Urkunden K(önig) Andreas II. beschäftigt: Fejér, Codex diplomaticus Hungariae; Teutsch und Firnhaber, Ur(kunden) b(uch) z(ur) Geschichte Siebenbürgens, 1. B(an)d (Wien 1857); Codex patrius u(nd) A(ndre)331. – Im September Fahrt nach Hermannstadt, Arbeiten im Archiv und Erkundigung nach Andreanischen Urk(unden) in Siebenbürgen332; Frage nach Fortsetzung des Urk(unden)b(uches) zur Geschichte Siebenbürgens bei Superintendent Teutsch, welcher den ursprünglichen Editionsplan für aufgegeben erklärt. Im Jahre 1867 beschloss der Verein für siebenbürgische Landeskunde, als Fortsetzung zum Urk(unden)b(uch) vom Jahre 1301 angefangen weiter für die einzelnen sächsischen Stühle und Distrikte333 Sonderurkundenbücher erscheinen zu lassen. Stadtarchivar Seivert bemerkt, dass für die Mehrzahl der sächsischen Kreise Arbeiter nicht vorhanden wären und fertig noch kein einziges Stuhls- oder Distriktsurkundenbuch vorliege. Im Sommer 1876 stehen die Vorarbeiten334 so: Für Stadt und Distrikt | Bistritz arbeitete Gymnasiallehrer Storch in Bistritz ein „Urkundenbuch“ aus, welches die Zeit 1301 bis 1400 umfasst, Manuskript bei Pfarrer Wittstock in Heltau; Storch war gestorben, ohne Vorarbeiten für die Folgezeit zu hinter-

330 Bekanntlich das Hauptanliegen von F. Z. bei Annahme der Hermannstädter Archivarstelle; siehe oben Anm. 172. – Zum Urkundenbuch vgl. G. G ü n d i s c h , Das Urkundenbuch zur Geschichte der Deutschen in Siebenbürgen (in: Schriften zur Landeskunde Siebenbürgens Bd. 14/1987, S. 314-320) und H. Z i m m e r m a n n , Bemerkungen zur Geschichte des Vereins für siebenbürgische Landeskunde (in: Schriften Bd. 20/1996, S. 288ff.). Ein siebenbürgisches Urkundenbuch zu publizieren, hatte der 1841 begründete Verein zu seiner Hauptaufgabe erklärt. 331 Die genannten Werke sind: G. F e j é r , Codex diplomaticus Hungariae ecclesiasticus et civilis, 11 Bde. (Buda 1829-1844) und Codex ecclesiasticus patrius, 5 Bde. (Raab 18651873) sowie das schon oben Anm. 167 zitierte Urkundenbuch von Teutsch und Firnhaber. Es ist von der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in Wien zum Druck erst freigegeben worden, nachdem der Wiener Staatsarchivar Friedrich Firnhaber das von Georg Daniel Teutsch eingereichte Manuskript überarbeitet und korrigiert hatte. 332 Sicher im Zusammenhang stehend mit der Diplomarbeit von F. Z. im Wiener Institut für Geschichtsforschung; siehe oben Anm. 170. 333 Siehe Anm. 296. 334 Vgl. zum Folgenden über Broos, sowie über Bistritz A. B e r g e r, Urkunden-Regesten aus dem Archiv der Stadt Bistritz in Siebenbürgen 1203-1585 (aus dem Nachlaß herausgegeben von E. Wa g n e r ) 3 Bde. (= Schriften zur Landeskunde Siebenbürgens, Bd. 11) (1986-1995).

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lassen, jedoch sollte das Manuskript nach dem neuen Plane des Vereins bis zum Jahre 1526 fortgeführt werden. Urkundenbuch von Stadt und Stuhl Broos, zusammengestellt von Albert Amlacher, Lehrer in Broos (richtig nur Broos, weil der Ort Broos erst im 19. Jahrhundert zur Stadt erklärt wurde). Theile davon sehe ich ein, sind flüchtig gearbeitet. Im Jahre 1849 wurde während der Revolution das Brooser Archiv verschleudert. Amlacher gelang es, wertvolle Urkunden desselben zu erwerben. Einzelnes aus Berlin. Urkundenbuch der Zwei Stühle (Mediasch und Schelken), zusammengestellt durch Rudolf Theil und Karl Werner, beide Gymnasiallehrer in Mediasch; aber nicht druckreif, wie die Leutchen behaupten. Für ein Urkundenbuch des Schenker Stuhles sind einige Urkunden aus Schenker Dorfarchiven abgeschrieben worden. Storch’s Arbeit enthält Abschriften aus Originalen nur die wenigen Bistritzer Urkunden des 14. J(ahr)h(under)ts, vornehmlich aber Auszüge aus Fejér, Codex diplomaticus Hungariae335; Pfarrer Wittstock beabsichtigt nicht, Storch’s Arbeit zu erweitern und fortzusetzen. Amlacher’s Brooser Urk(unden)b(uch) bis zum Ende des 17. Jahrhunderts reichend, enthält Abschriften der von ihm gesammelten Originale des einstigen Brooser Archivs, einiges Material aus dem Karlsburger Kapitelarchiv und aus dem Herm(annstädter) Archiv. Er kopiert fehlerhaft, deutet Dorsualbemerkungen falsch u(nd) A(ndres) m(ehr); oberflächlich wie in seinem Gartenlaube-Aufsatz über „Eine Wolfsjagd in Siebenbürgen“336, bei welcher er nicht gegenwärtig war. Amlacher brachte das Manuskript zu den Vereins|tagen (August 1876) mit, um dasselbe durch den Verein für siebenbürgische Landeskunde drucken zu lassen. Das Urk(unden)b(uch) der Zwei Stühle enthält Abschriften von Urkunden aus dem Mediascher Stadtarchiv, aus Dorfladen der Zwei Stühle, aus dem Mediascher Kapitelarchiv und aus dem Herm(annstädter) Archiv, den Zeitraum bis 1526 umfassend. Aus letzterem Archiv ist das Material unvollständig, nicht verlässlich. Theil ist ein Kleinigkeitskrämer, der frohlockt, dass er Superintendent Teutsch auf e i n e m Lesefehler ertappt hätte (Teutsch Geschichte 2. Auflage I, 105: Andreas von Schaal, statt richtig Ecul = Häzeldorf)337. Werner 335

Zitiert oben Anm. 331. Die Gartenlaube, Jg. 1867, S. 126-127. T r a u s c h , S c h u l l e r, H i e n z , SchriftstellerLexikon, Bd. V, S. 41ff. kennt nur eine in Stuttgart 1868 erschienene Novelle „Eine Fuchsjagd in den Karpathen“. 337 Te u t s c h , Geschichte, Bd. I (21874), S. 105 (31899), S. 72: Andreas de Schaal (statt Ecul) (in der Vorlage wohl abgekürzt für villa Ecelini). Es handelt sich um die im Zimmermann’schen Urkundenbuch, Bd. I, S. 316, Nr. 342 erwähnte Vorsprache der Vertreter von Mediasch, Schelk und Birthälm bei König Karl Robert am 12. August 1315. 336

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ist ein stiller Schreibknecht. Beide lassen sich für den Plan der Herausgabe eines sächsischen Codex diplomaticus gewinnen. Am 26. August 1876 Vortrag in der Sitzung der historischen Sektion338: „Wie soll man Urkunden edieren?“, um gegenüber der in Siebenbürgen bisher beobachteten Arbeitsweise den heutigen Stand der Urkundenpublikation öffentlich festzustellen; auch erwähnte ich die Vorzüge eines einheitlichen Urkundenwerkes für das ganze Sachsenland. Ich hatte mit dem Vortrage nicht viel Glück; die alten Schulmeister und Theologen Teutsch und Müller, welche so nebenbei auch vom Fache sein wollen, meinten, auf diesem Wege käme man niemals zur Fortsetzung des Siebenb(ürgischen) Urkundenbuches; Müller sagte rund heraus: „Wenn das Brooser Urk(unden)b(uch) nicht gedruckt wird, kommt die sächsische Wissenschaft in Gefahr.“ Theils nicht verstanden theils ungenügend gewürdigt wurden die Vorzüge eines Urkundenwerkes, bei welchem Wiederholungen entfallen mussten, und in welchem ein nationales literarisches Denkmal für alle Siebenbürger Sachsen erstand. p. 152 | Den Verzicht von Theil und Werner auf Herausgabe ihres Manuskriptes benützend veranlaßte ich sie, bei Vorbereitung eines Codex diplomaticus mitzuwirken; mit ihnen richtete ich 1877 eine Eingabe an den Verein für siebenb(ürgische) Landeskunde des Inhalts, dass wir an die Ausarbeitung eines Codex diplomaticus Saxonum herantreten, zeitlich reichend bis zum Jahre 1526, und hierzu die Unterstützung des Vereins erbitten. Sofort Beginn mit Durcharbeiten der Literatur, Archivrepertorien und handschriftlichen Sammlungen durch mich. Im September und Oktober 1877 mein erster urkundlicher Studienausflug339, nach Kronstadt und in Burzenländer Ortschaften. – Da neues Material sich ergab und von dem Urk(unden)b(uch) zur Geschichte Siebenbürgens von Teutsch und Firnhaber 1. Band340 nur noch vier Exemplare vorrätig sind, wird auch die Herausgabe der Urkunden aus der Zeit vor dem Jahre 1301 vorbereitet341. | Der Verein342 hatte vor 10 Jahren die Herausgabe einzelner sächsischer II fol. 52r Stuhlsurkundenbücher beschlossen. Broos (Amlacher) und Mediasch (Theil 338 Nämlich des 1841 begründeten Vereins für siebenbürgische Landeskunde; siehe Anm. 330. 339 Im „Zeitbuch“ auch Bd. II, fol. 58 erwähnt: „Im Herbst 1877 ging ich … auf einige Wochen nach Kronstadt … In Sachen des von mir in Angriff genommenen Urkundenbuches fuhr ich auf die sächsischen Dörfer hinaus und forschte nach Urkunden, wozu Th(euerkauf) eine abfällige Bemerkung machte über diese nutzlosen Ausgaben. Auf zwei Dorffahrten hing er sich mir an, um zu sehen, was ich draußen mache …“ 340 Siehe Anm. 331. 341 Der so wörtlich ins „Zeitbuch“ aufgenommene Bericht schließt mit einer Unterschrift: „Zimmermann“. Er ist vermutlich in dieser Form auch offiziell irgendwo vorgelegt worden. 342 Das Folgende (aus Bd. II, fol. 52r-53v) stammt aus einem späteren Bericht von F. Z. über „Arbeiten als Archivar“ (siehe unten ab S. 145), wird aber dort verwiesen und erklärt

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fol. 52v

Franz Zimmermanns Zeitbuch

und Werner) lagen fertig vor. Das hätte den Separatismus der einzelnen sächsischen Städte und Kreise gestützt. Es galt, e i n nationales Werk zu schaffen als urkundliches Quellenbuch für alle Siebenbürger Deutschen. Das Brooser Urkundenbuch wurde trotz Ablehnung seitens der Wiener Akademie (Sikkel) und meiner dringenden Warnung gedruckt (1879)343, während Theil und Werner ihr Manuskript für ein allgemeines U(rkunden)b(uch) zur Verfügung ┌ ┐ | gestellt haben . Theil erwies sich als unbrauchbar. Circa 100 Kopien sollte er zunächst herstellen, jedoch lieferte er nichts und gab auch die Vorlagen (Abschriften des Vereins für siebenbürgische Landeskunde) nicht zurück. Werner half kopieren auf einer Reise nach Budapest (1882) und Deés und arbeitete zweimal im Kronstädter Stadtarchiv, auch lieferte er die Register zu den ersten Bänden des U(rkunden)b(uches). Durcharbeiten der Literatur, handschriftlicher Sam(m)lungen, Archivrepertorien und Korrespondenz nach allen Orten und Amtsstellen, wo Urkundenmaterial zur Geschichte der Deutschen in Siebenbürgen vermutet werden konnten oder bestimmt gewusst wurde. Die ältesten Leute wurden befragt über Vorhandensein von Urkunden, wobei aber wenig herauskam. ┌ ┐ Im September – Oktober 1877 begann ich das Reisen nach Urkunden mit einer Fahrt nach Kronstadt und in mehrere umliegende Gemeinden. Die Ausbeute war in Folge fleissiger Ausnützung der Zeit reich, aber ich brach dabei manche Stunde körperlicher Erholung ab, was schließlich schädlich als Zusatz in dem schon im Ruhestand zur Rechtfertigung verfassten „Lebensabriß“ (siehe Anm. 44 und unten Anm. 375). Daraus erklären sich manche Wiederholungen, z. T. wortgleich mit dem Text oben S. 123. Weil diese Passage im „Zeitbuch“ nach der Erwähnung der 1911 eingeweihten Gedenktafel für Petőfi (siehe oben Anm. 46) steht, muss auf eine Eintragung nach 1911 geschlossen werden. 343 Das Brooser Urkundenbuch, das wohl nach dem Vorbild des Urkundenbuches von Teutsch-Firnhaber (siehe Anm. 331) von der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in Wien publiziert werden sollte, ist in 3 Folgen im Archiv des Vereins für siebenbürgische Landeskunde, Bd. 15 (1880), S. 162-228, S. 231-295 u. S. 415-585 erschienen. Die Ablehnung der Akademie vom 10. Juli 1877 stammt nicht von Sickel, wie F. Z. vermutet, sondern von Ernst Birk (vgl. Akademie, Allgemeine Akten Nr. 448/1877). Birk geht aber kaum auf die wissenschaftliche Machart und Editionstechnik ein, sondern kritisiert die geringe Anzahl von Urkunden, von denen auch die meisten schon anderswo ediert und daher bekannt seien (vermutlich ist das Urkundenbuch von Teutsch-Firnhaber gemeint und wird Wiederholung des Drucks abgelehnt. Ich verdanke Kopien von Akt und Gutachten Dr. Stefan Sienell vom Akademie-Archiv in Wien). F. Z. ließ sein negatives, bis ins kleinste Detail gehende Urteil privat in der Druckerei Michaelis in Hermannstadt unter dem Titel „Das Brooser Urkundenbuch. Eine Kritik“ 1880 erscheinen, dessen erster Teil als Rezension im Korrespondenzblatt des Vereins für siebenbürgische Landeskunde 2/1879, S. 95-103 erschienen war; vgl. dazu unten S. 148. 1879 hat F. Z. die Schriftleitung der Zeitschrift niedergelegt, konnte also den 2. Teil seiner Kritik dort nicht mehr unterbringen; vgl. dazu unten S. 148). Aus welchen Gründen Müller die Publikation von Amlacher zu einer PrestigeAngelegenheit erklärt hatte, ist nicht durchschaubar.

Fortsetzung des Urkundenbuches zur Geschichte Siebenbürgens

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wirkt. Hinfort werden zahlreiche Ausflüge und | Reisen unternommen auf ┌ ┐ eigene Rechnung. Die 1882er Reise nach Budapest und Deés mit Werner 344 hat der Landeskundeverein bestritten, die übrigen mein Vater, Josef Andreas Z(immermann) († 19. Mai 1897) mit Geldbeträgen gefördert. Ueber die Reisen für das U(rkunden)b(uch) gibt ein Arbeitsbuch und die Ausgabenbücher genaue Antwort345. ┌ ┐ Am 20. August 1895 (vor Herausgabe des 2. Bandes346) berichtete ich in der Sitzung der historischen Sektion des Vereins ausführlich über den Stand der Vorarbeiten für das U(rkunden)b(uch). Ich eröffnete dabei, dass im Ung(arischen) Landesarchiv in Budapest durch Ordnungsarbeiten neues Material erschlossen worden sei und legte die Frage vor: soll das U(rkunden)b(uch) auf Grund und mit Benützung des schon gesam(m)elten Materials weiter herausgegeben werden oder soll erst das im Landesarchiv neu erschlossene Material hereingebracht werden? Die Sektion verneinte diese zweite Frage. Deshalb ist das Landesarchiv später nur in solchen Fällen besucht oder schriftlich in Anspruch genommen worden, wenn es sich um bereits vorhandene Abschriften handelte. Bei der Textredaktion und Regestenausarbeitung des 2. Bandes347 hat Georg ┌ ┐ Eduard Müller (seit 1. September | 1892 Hilfsarbeiter im Archiv , seit 1894 Archivsekretär) mitgearbeitet, die bezüglichen Arbeiten am 3. Band348 selbständig geleistet, doch wurden wichtige Fragen mit mir besprochen und jeder Druckbogen von mir überprüft. Ein Teil der Texte, auch des 3. Bandes wurde von mir allein bearbeitet. Nach Erfordernis schickte ich Müller auf Nachkollation nach auswärts, mit Benützung der vom Landeskundeverein für solche ┌ ┐ Zwecke 1896 bewilligten jährlich 100 Gulden. Ich selbst habe auf Rechnung dieses Geldes keinen Ausflug gemacht.349 … 344

Siehe oben S. 126. Nicht ins „Zeitbuch“ aufgenommen. Ob noch in Hermannstadt oder sonstwo archivalisch verwahrt, konnte nicht eruiert werden. 346 Das Erscheinen des 1. Bandes seines Urkundenbuches (Hermannstadt 1892) erwähnt F. Z. im „Zeitbuch“ Bd. II, fol. 44r im Zusammenhang einer Kritik des von Rudolf Schuller 1910 veröffentlichten „Gedenkblattes“ auf Josef Andreas Zimmermann, seinen Vater (siehe schon oben Anm. 46): „Als 1886 bis 1889 Teutsch das Manuskript für den 1. Band des von mir begonnenen Urkundenbuches bei sich behielt – 3 Jahre – ohne Bescheid darüber zu erteilen, wollte Vater ihn deshalb befragen, aber auf meine Bitte stand er von seinem Vorhaben ab. Als Teutsch für einen Druckbogen Urkundenbuch nur das übliche Abschriftenhonorar bewilligen wollte statt des Aufsatzhonorares (12 Gulden pro Druckbogen statt 24 Gulden), beabsichtigte Vater mit Teutsch zu reden, was aber über mein Ersuchen unterblieb.“ 347 Erschienen Hermannstadt 1897: für die Jahre 1342-1390. 348 Erschienen Hermannstadt 1902: für die Jahre 1391-1415. 349 Verwiesen wird (für die Fortsetzung) auf „Blatt 56!“. Ebenso findet sich auf fol. 56v ein Rückverweis: „zu Blatt 53!“. Auf fol. 53v folgen Ausführungen über „Arbeiten als Archivar“ (siehe unten ab S. 145). 345

fol. 53r

fol. 53v

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Franz Zimmermanns Zeitbuch

II fol. 56v

| Der 3. Band schließt mit dem Jahre 1415. Für die Jahre 1416 bis 1526 enthält das von mir vorbereitete Manuskript des U(rkunden)b(uches) mehr als 5 000 Urkundenabschriften; ferner350 auf Oktavzetteln Nachweise über die ┌ ┐ Quellen , Literatur (Drucke) und Aufbewahrungsorte der Urkunden. …351 | Die Handschrift des Urkundenbuches wurde von Z(immermann) an den II fol. 68v Verein für siebenb(ürgische) Landeskunde abgetreten, worüber die Druckschrift zu vergleichen ist: „Die Uebernahme der Handschrift des Urkundenbuches durch den Verein für siebenb(ürgische) Landeskunde. Eine Berichtigung von Franz Zimmermann“. Wien 1914.352

350 Das gesammelte Material, sofern nicht in den von Gustav Gündisch bearbeiteten Bänden (4. Bd., 1416-1437, Hermannstadt 1937; 5. Bd., 1438-1457, Bukarest 1975; 6. Bd., 1458-1473, Bukarest 1981; 7. Bd., 1474-1486, Bukarest 1991), befindet sich im Staatsarchiv in Hermannstadt. Dr. Martin Armgart in Speyer ist mit einer Edition befasst. 351 Auf Bd. II, fol. 56v mit Bleistift Verweis: „Gehört zu Blatt 68v“, auf fol. 68v Rückverweis: „Siehe … Blatt 56 verso“. Fortgesetzt wird mit fol. 56v mit dem Text unten S. 149f. über das Siebenbürgisch-deutsche Wörterbuch. 352 Es handelt sich um einen Privatdruck bei A. Holzhausen in Wien von 16 Seiten und ist veranlasst durch eine Aufforderung des Landeskundevereins vom 17. März 1914 zur Klärung der Eigentumsfrage an der unfertigen Handschrift und den gesammelten Materialien (– 5044 Urkundenabschriften werden genannt, darüber hinaus weitere Regesten –) für die noch geplanten Bände des Urkundenbuches, und publiziert auch die diesbezüglichen Verträge, Schriftsätze und Absprachen, einschließlich der leidigen Geldfrage. Siehe auch Anm. 346.

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ABBILDUNGEN

Abb. 1. Franz Zimmermann – Fotografie, undatiert, im Archiv des Siebenbürgen-Instituts Gundelsheim am Neckar.

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Abb. 2. Bild von Vater Josef Andreas Zimmermann mit Sohn Franz als Schüler (ca. 1864). Aus dem Familienalbum im Archiv des Siebenbürgen-Instituts in Gundelsheim am Neckar.

Abbildungen

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Abb. 3. Titelblatt der Wiener Institutsarbeit (1875), Handschriftlich im Archiv des Siebenbürgen-Instituts in Gundelsheim am Neckar.

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Abb. 4. Titelblatt des „Zeitbuches“.

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Abb. 5. Unterschrift am Ende des „Zeitbuches“ in der Fassung von 1886.

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Abb. 6. Titelblatt von Band I des Urkundenbuchs.

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Abb. 7. Eingang ins Archiv im (seit 1549) Alten Rathaus in Hermannstadt, vormals (seit 1471) Altemberger-Palais; jetzt Historisches Museum. Foto Petre Beşliu.

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Abb. 8. Das Nationsarchivgebäude (seit 1923) in der Armbrustergasse (heute Str.Arhivelor), gesehen vom Schillerplatz. Foto: Konrad Gündisch.

Abb. 9. Stempel des Nationsarchivs. Foto: Thomas Şindilariu, aus dem Hermannstädter Staatsarchiv.

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Abb. 10. Hermannstadt, Großer Ring (Nordseite) vor (1906) dem Bau der Bodenkreditanstalt (heute Rathaus), „neben dem katholischen Kirchturm“, Großer Ring Nr. 3, Wohnhaus Zimmermann in den Jahren 1876-1883. Foto im Archiv des Siebenbürgen-Instituts in Gundelsheim am Neckar.

Abb. 11. Hermannstadt, Großer Ring (Südseite) mit (links) Bischofs-Palais („Vatican“), seit 1872, (Mitte) „Haller-Haus“ (1537-1882) und (rechts) ehemaliges „Hechthaus“, Sitz der Nationsuniversität (1821-1876). Foto: Konrad Gündisch.

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Abb. 12. Josef Andreas Zimmermann (1869). Aufnahme von Julius Gertinger in Wien. Das Bild diente 1902 als Vorlage für ein Ölbild von Carl Dörschlag. Fotosammlung des Geschichtsmuseums Hermannstadt, Inv.Nr. 29279. Foto: Konrad Klein.

Abb. 13. Gedenktafel für Josef Andreas Zimmermann in Hermannstadt, Wiesengasse 29, errichtet 2011. Foto: Konrad Gündisch.

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Abb. 14. Die Hallerwiese um 1900. Im Hintergrund erheben sich erste Villen entlang der Friedenfelsstraße. Foto: Bildarchiv Konrad Klein.

Abb. 15. Straßenseite der Villa Zimmermann (2011), Str. Constantin Noica 9, früher Hallerwiese bzw. Friedenfelsstr. 5. Entwurf von Architekt Heinrich C. Eder (Hermannstadt) 1895. Foto: Konrad Klein.

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Abb. 16. Titelblatt der Broschüre, mit der Franz Zimmermann für „sein“ Stadtviertel Hallerwiese warb (1891). Ein in der Brukenthalbibliothek aufbewahrtes Exemplar mit handschriftlichem Vermerk des Autors. Sammlung Konrad Klein (Kopie).

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Abb. 17. Einer der beiden Siskovics-Reverse von 1765. Original im Staatsarchiv Hermannstadt, Colecţia de documente medievale U V nr. 1794. Foto: Konrad Gündisch.

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Abb. 18. Stadtplan von Hermannstadt 1896. Aus: Führer durch Hermannstadt und Umgebung (Hermannstadt 1896). Sammlung Konrad Klein.

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Abb. 19. Julie Theuerkauf. Mädchenbild aus dem Familienalbum im Archiv des Siebenbürgen-Instituts Gundelsheim am Neckar.

Abb. 20. Franz Zimmermann als Rentner. Foto aufgenommen am 30. Juli 1924 im Atelier Klinger in Braunau am Inn, anlässlich eines Familientreffens bei seinem Sohn Robert, dem Historiker und Archivar. Aus dem Familienalbum im Archiv des SiebenbürgenInstituts in Gundelsheim am Neckar.

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| Arbeiten als Archivar

II fol. 51r

an dem Archiv der Stadt Hermannstadt und der sächsischen Nation. … 1875-1876 …353 Einsam(m)lung von Daten über den Inhalt des Archivs ┌ als Information für Versehung des Dienstes; die Ergebnisse erschienen zum ┐ Teil in Löher’s Archival(ischer) Zeitschrift III. und IV. (München 1877 und 1878)354. … | 1877ff. Die beabsichtigte Fortsetzung der Urkundenregistrierung mußte fallengelassen werden, weil aus Verwaltungsrücksichten die grosse Massa der ┌ ┐ neueren Akten, 1701ff. vorerst leicht zugänglich gemacht werden mußte. Ordnung dieser Akten, auch der neu zugewachsenen Bestände bis zum Jahre 1850, Verzeichnen der fehlenden Nummern und Aufstellen. So bearbeitet Univ(ersitäts)- und Stadt- und Stuhlsmagistratsakten aus den Jahren 1701 bis 1789; Akten der sächsischen Nationsuniversität 1790 bis 1849; Akten des säch|sischen Komitates 1790 bis 1849; Akten des Hermannstädter Stadt- und Stuhlsmagistrates 1789 bis 1850; Akten des Hermannstädter Komitates 1784 bis 1790. – 1877ff. Anlegung von Verzeichnissen über die in dem Archiv vorhandenen Bände (Protokolle, Rechnungen usw.) …355 | Von meinen amtlichen Arbeiten seien einige erwähnt, welche von nicht unbedeutendem Erfolg für die Allgemeinheit gewesen sind, zum Teil auch in materieller Hinsicht: 1877ff. Zusammenstellung von archivalischem Material zum Beweise des Eigentumsrechtes der Stadt Hermannstadt auf das Rathaus. Minister Koloman Tisza nahm das Rathaus für den 1876 neu geschaffenen Komitat356 in Anspruch, liess aber den Gegenbeweis gelten, so dass der Stadt ihr Rathaus verblieb. Zusammenstellung von archivalischem Material | zum Beweis des Eigentumsrechtes der Stadt Hermannstadt auf den Magistratsbeamten-Pensionsfonds. Minister Tisza beanspruchte diesen Fonds für den neuen Komitat Am Anfang dieses Kapitels findet man im „Zeitbuch“ Bd. II, fol. 51r (hier ausgelassene) Erinnerungen an die Anstellung als Archivar in Hermannstadt und an die Übergabe des Archivs (wie oben S. 74ff. mit Anm. 172). 354 Archivalische Zeitschrift 3/1877, S. 164-187 u. 4/1878, S. 237-248 unter dem Titel: „Das Archiv in Hermannstadt und der Sächsischen Nation in Siebenbürgen“. Es folgen auf fol. 51r Ausführungen über die Anstellung und Bezahlung von Zimmermann als Archivar (wie oben Anm. 177). 355 Es folgen Ausführungen über die Arbeiten am Urkundenbuch; siehe oben S. 123ff. 356 Hermannstadt 1876, infolge der Auflösung der Nationsuniversität; siehe oben Anm. 195. 353

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(Ungarischer Gesetzartikel XXXIII ex 1876)357. Der Gegenbeweis gelang und die Stadt behielt den Fonds. 1878f. Die Echtheit der Urkunde Königs Ladislaus V. von 1453 betreffend Verleihung von Talmesch usw. an die Sachsen der Siebenstühle358 wurde im Prozesswege von walachischer Seite angefochten. Eine Kommission der ungar(ischen) Akademie sollte entscheiden. Korrespondenz darüber mit Franz Pulszky und Friedrich Pesty359 erwirkte ein für uns günstiges Urteil. – Die grossen materiellen Folgen waren erst 1907 übersehbar, als die sächs(ischen) Siebenrichter den Holzbestand in jenen Besitzungen für 18 Millionen Kronen zahlbar in 22 Jahren verkauften. Dank dem ungarischen Minister Daranyi, welcher den voreiligen Beschluß der Siebenrichter (im Jahre 1906) lautend auf Verkauf des Holzbestandes für 10 Millionen Kronen zahlbar in 40 Jahren 357

Vgl. Wa g n e r , Quellen, S. 240ff., Nr. 80. Jetzt im Urkundenbuch Bd. 5, S. 374ff., Nr. 2818 vom 3. Februar 1453 aus Preßburg. 359 Dazu am unteren Seitenrand deutlich spätere Berichtigung: „Nur mit Pesty unmittelbar, welcher mein über die Urkunde verfasstes, ihre Echtheit nachweisendes Gutachten Pulszky übergeben hat, 1882 und 1883.“ – Etwas ausführlicher ist die Schilderung dieses Falles in Bd. III, p. 80-81 (wohl erst 1924 niedergeschrieben): „Koloman Tißa’s … Knebelung sächsischen Rechtes (1876ff.) machte Gegnern Hoffnung, einen Hauptstreich gegen uns mit Erfolg führen zu können. Es ging um die ganze Talmescher Herrschaft, als die Echtheit der Verleihungsurkunde des Königs Ladislaus aus dem Jahre 1453 im Prozeßwege angefochten wurde. Diesem Angriff gegenüber versagten die Kräfte des Rechtsanwaltes Wilhelm Bruckner. Zeuge hierfür die Prozeßakten, welche keine von ihm ausgearbeitete, auf gewissenhafte fachmännische Prüfung der äußern und innern Merkmale der bezeichneten Urkunde sich stützende Darstellung der Echtheit enthalten. Eine solche jeden Fachmann überzeugende Beweisführung war unerlässliche Vorbedingung für Gewinnung des Prozesses. Zu diesem Mangel gesellte sich, wie aus den Prozeßakten hervorgeht, noch ein zweiter, indem die uns freistehende Beweisführung über die Echtheit leichtsinnigerweise aus der Hand gegeben wurde. Bruckner stimmte zu, daß die Frage (!) der Echtheit jener Urkunde durch eine von der ungarischen Akademie der Wissenschaften herzustellende Kommission entschieden werde. Das kommt einem groben Verstoß gleich, weil wir die Entscheidung umso weniger in fremde Hände legen lassen durften, als es sich um eine Urkunde eines öffentlichen Archives handelte. Der berufene Fachmann am Nationalarchiv wurde von der Universität nicht zu Rate gezogen, sondern nur kurz beauftragt, die genannte Urkunde an Bruckner zu übergeben. Das geschah am 11. Oktober 1882. Da ich auf andrem Wege Kenntnis von der Sache erhalten hatte und ich auf amtliche Befragung gefasst sein mußte, lag ein Gutachten über die Echtheit in meiner Tischlade bereits vor, als die Nachricht mir zukam, Franz Pulszky sei Vorsitzender und Friedrich Pesty Schriftführer der Akademiekommission. Briefwechsel mit letzterem … brachte mein Gutachten in Pesty’s Hände und die Entscheidung der Kommission fiel demselben entsprechend aus, lautend auf Echtheit der Urkunde. Von meinen maßgebenden Gutachten steht nichts in den Prozeßakten, wohl aber ist aus denselben ersichtlich, daß keiner unserer Leute wußte, wie man die Sache überhaupt anzupacken und die Urkunde für uns zu sichern habe … Gestützt auf die Akten ergibt sich, daß der … erzielte Erfolg mein Werk ist, daß ich somit zum Retter hoher Werte für die Universität wurde, abgesehen von den bedeutenden sittlichen und völkischen Werten der 1453er Verleihungsurkunde als eines glänzenden Zeugnisses für erprobte Vaterlandstreue.“ 358

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nicht genehmigt hatte360. Dank dem Archivar Z(immermann) für die Rettung dieser Urkunde? 1900. Erklärung der Stadtvertretung von Hermannstadt über Beibehaltung des bisherigen Namens in der Form | Hermannstadt, gedruckt 18 Oktavseiten361. – Der Magistrat wusste drei Tage lang nicht, wie er diese Sache behandeln solle, worauf Bürgermeister Drotleff mich ersuchte, das Stück zu bearbeiten. Tag- und Nachtarbeit zeitigte eine Schrift, welche als „Staatsschrift“ bezeichnet worden ist362, und in der Stadt wie auswärts begehrt wurde. 1887. „Das Archiv der Stadt Hermannstadt und der sächs(ischen) Nation.“ Ein gedruckter Führer durch dieses Archiv, ein Inventar desselben. Auf Amtskosten gedruckt und gratis abgegeben. 1901 Neue Ausgabe dieses Führers. Vorgedruckt eine Uebersicht über die älteren politischen Einteilungen von Siebenbürgen und ein Verzeichnis der siebenbürgischen Ortschaften; dies deshalb, weil die durch Gesetzartikel IV ex 1898 angeordnete Magyarisierung der Ortsnamen bevorstand363. 1895 bis 1902. In Folge von Überfüllung der Archivräumlichkeiten, Zuweisung von Schriften aus den Registraturen der sächsischen Universität und der Stadt Hermannstadt – trotz Abraten meinerseits – entstand sofort nach Mietung des Hausteiles Fleischergasse 8 grosser | Raummangel im Archiv. Wegen feuergefährlicher, eingebauter Lage und dringender Notwendigkeit, mehr Raum zu schaffen, arbeite ich schriftlich und mündlich für Errichtung eines Archivneubaues. Erfolg zunächst Beschluss der Stadtvertretung, einen A(rchiv)Neubau zu errichten, falls die Universität einen entsprechenden Beitrag dazu leisten werde. Auch die Universität erklärte sich für einen Neubau, vertagte aber Beschlußfassung, bis Geldmittel (Holzgeschäft364) vorhanden sein würden. 1906/7. Für den Archivneubau arbeitete ich auch in St. Pölten365, indem ich die Pläne

360 In seinem „Lebensabriß“ (Bd. II, fol. 89v-90r) stellt F. Z. die Angelegenheit anders dar; siehe unten S. 189f. – Siebenrichter sind die Vorsteher (Königsrichter, iudices regii) der sieben „Stühle“ des Sachsenlandes; vgl. M ü l l e r , Stühle und Distrikte, S. 11ff. Über die im Gemeinbesitz stehenden Siebenrichter-Waldungen (vor allem bei Talmesch) fungierten sie als Vermögensverwalter der 1876 (siehe oben Anm. 291) aufgelösten Sächsischen Nationsuniversität; vgl. dazu auch O. B i n d e r , Die Vermögensverwaltung der Nationsuniversität nach 1876 (in: Siebenbürgisches Archiv 24/1990, S. 389-409). 361 Titel, siehe oben S. 22 im Publikationsverzeichnis. 362 Von wem, ist nicht bekannt. 363 Vgl. Wa g n e r , Quellen, S. 245ff., Nr. 82 vom 15. Februar 1898, dazu C. G ö l l n e r , Das ungarische Ortsnamengesetz (1898) (in: Zeitschrift für siebenbürgische Landeskunde 7/1984, S. 172-176) und G ö l l n e r , Siebenbürger Sachsen, S. 198ff. 364 Siehe oben Anm. 360. 365 Wohnsitz von F. Z. nach seiner Pensionierung; siehe unten S. 185f.

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des Kreisarchivs in Bamberg für Hermannstadt366 verschaffte, in St. Pölten kopieren liess. Durch Neueinrichtung des Archivdienstes, besonders auch durch Unterstützung auswärtiger Forscher, erwuchs mir ausgedehnte Korrespondenz schon von 1880 an ff. Ueber die für Andre aus Gefälligkeit geleisteten Arbeiten gibt mindestens vom Jahre 1892 an ein Arbeitsbuch samt Fortsetzung Aufschluss; aber nur die wichtigsten Arbeiten sind in diesen beiden Oktavbüchern eingetragen367. Meine fachwissenschaftliche Korrespondenz ging in ein Gebiet hinaus beziehungsweise kam von dorther, welches innerhalb | der Grenzpunkte Stockholm – London – Paris – Montpellier – Rom – Sofia – Bukarest – Warschau – Petersburg liegt. 1878 und 1879 Redakteur des Korrespondenzblattes des Vereins für siebenbürgische Landeskunde, welches über Johann Wolffs (gestorben 1893) Anregung gegründet worden war. Ende 1879 legte ich freiwillig die Redaktion nieder, nachdem die von mir im Blatt veröffentlichte Kritik des Brooser Urkundenbandes368 – gedruckt vom Verein – beanstandet worden war369. 1879ff. war ich tätig für Organisation des Archivdienstes in Kronstadt und für Ordnungsarbeiten in dem Bistritzer Archiv370. 1890 bis 1900: Im Sept(ember) 1890 legte Aurel Brote den Antrag der Aca┌ ┐ demia Romana in Bukarest mir vor, Urkunden betreffend Rumänien und die Walachei aus ungarischen und siebenbürgischen Archiven für die Academia zu kopieren, gegen eine nach Einsendung einer gewissen Anzahl von Kopien zu zahlendes Honorar. Ich habe Kopien geliefert aus dem 14. bis 19. Jahrhundert, deren Vorlagen in Ungarn beziehungsweise in | Siebenbürgen sich befinden, von Urkunden, welche auch besonders für die siebenbürgische Geschichte von Bedeutung sind. Die Academia hat einen Teil meiner Urkundentexte in verschiedenen Werken schon herausgegeben ohne zu bemerken, dass die Texte von mir herrühren; es wird nur gesagt: im Besitze der Academie371.

366 Tatsächlich kam der Archivneubau in der Hermannstädter Armbrustergasse (heute Strada Arhivelor 2) erst 1923 zustande; vgl. V l a i c u , Archiv, S. 66; R o t h , Hermannstadt, S. 195. Siehe Abb. 8. 367 Ob in Hermannstadt noch im Archiv vorhanden? 368 Siehe oben Anm. 343. 369 Anders im apologetischen „Lebensabriß“ (Bd. II, fol. 71r), siehe unten S. 153. 370 Dazu Bd. II, fol. 71v: „Mit den dortigen Archivaren Friedrich Stenner und Dr. Albert Berger … ununterbrochen in Verkehr.“ 371 Dazu Bd. II, fol. 71v: „Mit Bericht von 1901 schloß … diese Arbeit ab.“ Eine von F. Z. nicht mehr zur Kenntnis genommene Danksagung erfolgte durch Nicolae Iorga, dem Herausgeber von Bd. 15/1 der „Documente privitoare la Istoria Românilor: Acte şi scrisori din arhivele oraşelor ardelene (Bistriţa, Braşov, Sibiu)“ (Bukarest 1911) im Vorwort, S. I.

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Für Monumenta comitialia regni Transylvaniae von Alexander Szilágyi kopierte ich aus unserem Archiv Andreas Frank Acta comitialia, veröffentlicht mit Szilágyi’s Dank im XII. Band372. Für Obergespan Gustav Thalmann arbeitete ich (wohl 1899) eine Abhandlung aus über Blau-rot373. Unter Minister Koloman Szell kam eine Denunziation nach Budapest betreffend Tragen der Farben Blau-rot im Hermannstädter Komitat. Meine Ausarbeitung beruhigte in Pest, so dass Weiteres in dieser Sache (bis zu meinem Weggang 1906) nicht erfolgte. – Ausser einigen Büchern habe ich aus Privatmitteln angekauft und dem Archiv geschenkt unter anderem: zwei Urkunden aus den Jahren 1372 und 1404 betreffend Reussmarkt; Universitätsprotokoll 1730-33; Siebenbürger Landtagsartikel 1679 und 1685; Seifensiederzunftbuch 1696-1748; Szekler Konskription, 1 Lederband, von 1722; Sieben|richterrechnung 1585 (in zweimaligem Ankauf erworben, von verschiedenen Besitzern); Hermannstädter Stadt- und Stuhlsmagistratsakten aus den Jahren 1802 bis 1850, 97 Nummern; Akten der sächsischen Nationsuniversität aus den Jahren 1792 bis 1849, 326 Nummern; Akten des sächsischen Komitiates aus den Jahren 1791 bis 1849, 64 Nummern; mehrere Handschriften geschichtlichen Inhaltes374. Als Vorarbeit für das Siebenbürgisch-deutsche Wörterbuch legte ich ein Verzeichnis jener im Archiv enthaltenen Schriftstücke aus der Zeit vor dem Jahre 1701 an, welche in deutscher Sprache verfasst sind oder deutschen Text aufweisen. In zwei zeitlich geordneten Teilen angelegt habe ich dieses 372 Über den Hermannstädter Ratsherrn und Landtagsdeputierten Andreas Frank vgl. T r a u s c h , S c h u l l e r , H i e n z , Schriftsteller-Lexikon Bd. IV, S. 115ff. Hier auch eine Auflistung der von A. S z i l á g y i , Monumenta comitialia, Bd. 12 (Budapest 1887) aus den im Hermannstädter Archiv handschriftlich verwahrten „Acta comitialia“ des Frank abgedruckten Landtagsakten von 1658-1661 mit Dank an Zimmermann XII, S. 537f. Siehe auch F. Z i m m e r m a n n , Archiv der Stadt Hermannstadt, S. 92f. 373 Vgl. A. A r z v. S t r a u ß e n b u r g , Die Farben des Wappens der Sächsischen Nation (in: Korrespondenzblatt 53/1930, S. 83-87 u. 279, sowie d e r s ., Das Wappen von Hermannstadt (in: Korrespondenzblatt 53/1930, S. 202ff.) über die von F. Z. angestoßene Debatte. Seine Arbeit von 1899 ist wohl nicht gedruckt worden, fehlt jedenfalls in seiner Publikationsliste (siehe oben S. 21ff.). Dort findet sich nur F. Z i m m e r m a n n , Das Wappen der Stadt Hermannstadt (in: Archiv des Vereins 17/1882, S. 338-346 ohne Bezug auf die Farben) und seine Stellungnahme im Siebenbürgischen Deutschen Tageblatt Nr. 17246 vom 1. November 1930, S. 3. Vgl. jetzt auch A. A r z v. S t r a u ß e n b u r g , Beiträge zur siebenbürgischen Wappenkunde (= Siebenbürgisches Archiv 16/1981), u. jüngst T. Ş i n d i l a r i u , Blau und Rot. Zur Geschichte der Farben der Siebenbürger Sachsen und ihrer Herkunft (in: Kronstadt und das Burzenland, hg. v. B. H e i g l , T. Ş i n d i l a r i u , Kronstadt 2011, S. 195-216), bes. S. 203: „Erst ab 1628 kommt es zu einer blau-rot gehaltenen Vereinheitlichung.“ 374 Diese Aufzählung wird im II. Bd., fol. 72r wiederholt und ist nach 1906 schon im Ruhestand in St. Pölten niedergeschrieben wohl sicher durch die gegen F. Z. erhobenen Anklagen (siehe unten S. 174ff.) veranlasst. – Über die Privatsammlungen von F. Z. vgl. Anm. 486.

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Verzeichnis dem Verein für siebenbürgische Landeskunde übergeben. (Seminarlehrer Robert Csallner arbeitete gestützt auf dieses Verzeichnis in dem Archiv)375. | Die Gemeinde Westen bei Hermannstadt (Walachen) begann gegen die II fol. 68r sächsische Nationsuniversität Prozeß wegen einiger Gebirge. Rechtsanwalt Wilh(elm) Bruckner meldete Ende des 19. Jahrhunderts an die säch(sische) Universität, daß der Prozeß zu Gunsten der Universität abschließend entschieden worden sei. Ueber Antrag Albert Arz v. Straußenburg erhielt Bruckner außer seinen Gebühren noch 6 000 Gulden als Anerkennung. – Anfang des 20. Jahrhunderts sagte Thalmann, der Vorsitzer der Universität, zu Z(immermann): „Der Bruckner behauptete, den Prozeß gegen die Westner gewonnen zu haben, aber nichts hat er gemacht. Jetzt ist der Prozeß wieder da. Haben Sie darüber etwas in dem Archiv?“ Auf Z(immermann)’s diesbezügliche Anregung erwiderte Thalmann: „Ich werde Bruckner zu Ihnen schicken.“ – Bruckner fol. 68v gesteht ein, den ur|barialen Charakter des Streitfalles nicht erkannt zu haben, worauf Z(immermann) ihm eine auf archivalischen Angaben beruhende archivalische Erklärung über das hier vorliegende Urbarialverhältnis ausfertigte. Mit Hilfe dieser Erklärung wurde der Prozeß gewonnen. – Rechtsanwalt Karl Roth, Schäßburger Universitätsabgeordneter, welcher in dieser Sache Z(immermann) befragte, teilte Z(immermann)s Ansicht und vertrat dieselbe in der Universität. …376 375

Damit schließt dieser Tätigkeitsbericht „Arbeiten als Archivar“, bekommt aber unter dem Titel „Arbeiten im Archiv“ in Bd. II, fol. 68r-70r eine Ergänzung, wobei öfters rückverwiesen und (wohl) gleichzeitig in der Erstfassung mit Bleistift auf die (spätere) Zweitfassung aufmerksam gemacht wird. Gleich anfangs liest man Bd. II, fol. 68r: „Siehe Blatt 51 verso 1877ff. …“ 376 Urbar = Besitz- und Güterverzeichnis von Grundherrschaften; vgl. G. R i c h t e r , Urbarlehre. Hilfswissenschaftliche Grundzüge (1979). Zu Westen vgl. G. E. M ü l l e r , Die ursprüngliche Rechtslage der Rumänen im Sachsenland (in: Archiv des Vereins 38/1912, bes. S. 207f.) – Etwas ausführlicher ist die Schilderung in Bd. III, p. 81-82 (wohl erst 1924 niedergeschrieben): „Die Gemeinde Westen … Dies alles erfuhr ich nachträglich aus dem gedruckten Universitätsprotokoll, da man das Archivamt auch in Sachen dieses Prozesses nicht in Anspruch genommen hatte … Der Prozeß mußte verloren gehen, weil die Sache unsererseits nicht urbarial behandelt wurde. Es ist möglich und notwendig, auf Grund von Archivalien den urbarialen Charakter des Streitfalles nachzuweisen und seine Durchführung als Urbarialgerichtssache zu beantragen. Thalmann: Reden Sie mit Bruckner darüber.– Das kann ich nicht ohne weiters, weil ich nicht berechtigt bin, ihm gute Lehren zu erteilen … Dieses Vorspiel findet sich in den Akten nicht verzeichnet, aber dieselben enthalten den von mir verfaßten, datirten und eigenhändig unterschriebenen Nachweis über das Urbarialverhältnis zwischen der Universität und Westen. Aus der Zeit vor Anfertigung meines Nachweises ist in den Akten kein Wort niedergelegt von den urbarialen Charakter der Angelegenheit, weil Bruckner hiervon nichts ahnte. Auf Grund und mit Hilfe dieses meines Nachweises wurde nunmehr seitens der Universität der Prozeß gewonnen. Gestützt auf die Akten ergibt sich, daß der … erzielte Erfolg mein Werk ist, daß ich somit Retter

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In den Mittheilungen des Instituts f(ür) österr(eichische) Geschichtsforschung erschienen aus Z(immermann)s Feder: | Ueber die Urk(unde) K(önig) Andreas II. v(on) 1206 für die Deutschen von Karako, Crapundorph und Rams, deren Echtheit Z(immermann) gegenüber G(eorg) D(aniel) Teutsch377 nachwies; – Ueber die Urk(unde) K(önigs) Ludwig I. v(on) 1380 betr(effend) das Asylrecht der Kirche zu Marienburg (bei Kronstadt); – Ueber den Weg der deutschen Einwanderer nach Siebenbürgen, eine grundlegende Arbeit für die Geschichte der Besiedlung Siebenbürgens, worin er die noch von G(eorg) D(aniel) Teutsch vertretene Ansicht über die Einwanderung Deutscher von Süden her durch das Alttal als unhaltbar nachweist und ihren Weg von Norden her dem Szamoschfluß entlang feststellte. Alle späteren Ausführungen von Friedrich Teutsch und Andren sind, ohne daß sie Z(immermann) nennen, auf dessen Darlegungen aufgebaut; – Zur siebenb(ürgisch) deutschen Geschichtsschreibung besonders über die Besiedlungsfrage378 (1901 im Sickel-Band erschienen), womit Z(immermann) den Zorn kritikscheuer siebenb(ürgischer) Theologen heraufbeschwor; die inmitten des Vereins f(ür) sieb(enbürgische) Landeskunde von Bischof Friedrich Müller angestiftete Verurteilung endigte im Januar 1902 mit Blosstellung der Gegner freien wissenschaftlichen Wortes, welches in Z(immermann)s Abhandlung überzeugend und der Form nach maßvoll zu Tage tritt. Eine Reihe von Aufsätzen sind im Archiv des Vereins für sieb(enbürgische) Landeskunde veröffentlicht, aus welchen hervor | zu heben eine Würdigung der Handschriftlichen Urkundensammlung (zur Geschichte der Deutschen in Siebenbürgen) siebenbürgischen Ursprungs. Auch über die Archive von Kronstadt und Bistritz schrieb Z(immermann) in die Münchener Archivalische Zeitschrift. Als Anzeiger und Beurteiler379 machte Z(immermann) sich wenig zu schaffen. Er war ein Freund nicht von verwässernden Anzeigen und machte sich hoher Werte für die Universität wurde …“ – Bd. II, fol. 68v folgt nach zwei Verweisen auf den ersten Tätigkeitsbericht („siehe Blatt 55 … Blatt 56“) ein Satz über die „Weiterführung des Siebenbürg(ischen) Urkundenbuches“ „aus völkischen Gründen mit Beschränkung auf die Deutschen in Siebenbürgen“. – Die dann aufgezählten historischen Abhandlungen und Rezensionen findet man oben S. 21ff. im Publikationsverzeichnis. 377 Te u t s c h - F i r n h a b e r (wie Anm. 167), S. 7f. 378 Die alte, von Martin Reschner († 1872) vertretene These von der Einwanderung der später sogenannten Siebenbürger Sachsen aus dem Süden, von der Donau und dem Alt hinauf, wird vertreten in der 2. Aufl. der Teutsch’schen Geschichte, 1. Bd. (1874), S. 15, jedoch nicht mehr in der von Friedrich Teutsch besorgten 3. Aufl. (1899), S. 10. Über Martin Reschner vgl. T r a u s c h , S c h u l l e r , H i e n z , Schriftsteller-Lexikon Bd. III, S. 108f. u. IV, S. 358. Siehe auch unten S. 214ff. den Abdruck aus der Abhandlung von 1901. 379 Als Rezensent also. Über die gleich anfangs als Beispiel angeführte Rezension des Brooser Urkundenbuches siehe auch oben Anm. 343.

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mit Recht lustig über die theologischen Kritiker, welche sich befähigt halten neben ihrem einen ganzen Mann erfordernden Beruf alljährlich Bücher zu besprechen im Gesamtausmaße von einigen tausend Druckseiten. Wenn aber Z(immermann) eine Besprechung schrieb, ging er desto gründlicher in’s Zeug, z(um) B(eispiel) über das Brooser Urkundenbuch von Amlacher: 1. Teil abgeurteilt im Korrespondenzblatt des Vereins für siebenbürgische Landeskunde 1879; mit der Anzeige des 2. und Schlußteiles des Urkundenbuches als selbständige Schrift erschienen: Das Brooser Urkundenbuch. Hermannstadt 1880. – Gustav Lindner, der Codex Altemberger, besprochen im Korrespondenzblatt 1885, in einer 16 Seiten umfassenden Anzeige. – Katalog der evangel(ischen) Landeskirche A(ugsburgischen) B(ekenntnisses), das Werk des Vielwissers, Stadtpfarrer Friedrich Müller, angezeigt in den Mittheilungen des Instituts ┌ f(ür) ö(sterreichische) Gesch(ichtsforschung). – Katalog der Brukenthalschen ┐ Bibliothek, angezeigt im Kor|respondenzblatt und im Siebenb(ürgisch) deutschen Tageblatt. Das Urteil über diesen nach Anlage und Ausführung verfehlten Katalog mußte absprechend lauten. Z(immermann) lieferte hierfür in jeder der zwei Anzeigen den Nachweis, aber jedesmal mittelst neuer Belege; nicht eine einzige Beweisstelle übernahm er aus einer Anzeige in eine andere. – Franz Obert, Hermann v(on) Salza und die Besiedlung des Burzenlandes. Wien 1905. Angezeigt in den Mittheilungen des Instituts f(ür) ö(sterreichische) Gesch(ichtsforschung) 1906. Die Obsorge der beiden Archiveigentümer380 hielt nicht gleichen Schritt mit der übermäßigen Vermehrung seiner Bestände. Aus den Registraturen der Universität wie der Stadt wurden Massen von Schriften dem Archiv überwiesen, aber weder für entsprechende Räumlichkeiten noch für weitere Arbeitskräfte vorgesorgt. Viele Schriften mußten in Haufen gelegt werden, wodurch sie für Benützung unzugänglich wurden. Das Archiv geriet in einen förmlichen Notstand. Z(immermann) ließ es an Aufklärung nicht fehlen und ergriff auch in Druckschriften zur Sache das Wort. Betreffs Neubaues – verschleppt infolge Untätigkeit des Herm(annstädter) Stadtmagistrates – stellte er das Schriftchen zusammen: „Aktenstücke betreffend Errichtung eines Archiv-Gebäudes. 18951902.“ Hermannstadt 1902. | Der Magistrat fertigte unter Zal 7594 aus 1904 vom 19. Mai 1904 eine Vorlage für die Stadtvertretung aus über die Regelung der Bezüge der städt(ischen) Beamten und Diener, wobei das Archivpersonal sehr schlecht wegkam. Die städtische Organisierungskommission forderte Z(immermann) wenigstens auf, über diese Vorlage zu berichten, welchem Auftrage er mit der Druckschrift entsprach: „Die neue Besoldungs-Vorlage und das Archiv“. Hermannstadt 1904. 380

Nationsuniversität und Magistrat von Hermannstadt. Siehe weiters auch unten bei Anm. 448.

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Darin wird unwiderleglich vor Augen geführt, daß der vom Magistrat hinsichtlich des Archivpersonals gemachte Besoldungsvorschlag viel zu niedrige Ansätze enthält, welche der Vorbildung und Berufstätigkeit der Archivbeamten nicht Rechnung tragen. Z(immermann) erbat sich hierüber die Wohlmeinung unabhängiger und einwandfreier Richter, Fachgenossen in Oesterreich und im Deutschen Reiche. Das Gesamturteil der Fachmänner über die Behandlung der Archivbeamten seitens der Archiveigentümer lautete vernichtend, und drastisch tritt um so schärfer hervor der Gegensatz zwischen schönen, dem Archive und seiner Bedeutung gewidmeten amtlichen Worten und der durch die Archiveigentümer ihm zu Teil gewordenen geringschätzigen Behandlung. – Die Aussprachen der Fachmänner, soweit | sie nicht Z(immermann)s Person angehen, findet sich abgedruckt in seiner Schrift: „Die Lage des Archivs der Stadt Hermannstadt und der sächs(ischen) Nation“. Wien 1905. – Wer diese Schrift vorurteilsfrei liest, bekommt den Eindruck, daß es sich hier um sträfliche Vernachlässigung eines vom völkischen Standpunkte aus besonders wichtigen Archives von seiten der Eigentümer handelt: Mangel an Raum, der vorhandene Raum zum Teil dunkel und feucht, das Ganze feuergefährlich eingebaut in Nachbarhäuser; die Kanzleizimmer schlecht heizbar; Mangel an Personal; Beamten und Diener unzureichend besoldet. 1878 und 1879 leitete Z(immermann) das Korrespondenzblatt des Vereins f(ür) sie(benbürgische) Landeskunde, welches über Anregung Johann Wolffs (gestorben 1893) begründet worden war, doch legte er die Leitung Ende 1879 nieder, da er mit der Art nicht einverstanden war, wie der Vorstand des Vereines, Superintendent G(eorg) D(aniel) Teutsch, den Betrieb der geschichtlichen Studien, sehr persönlich nicht sachlich, lenkte. Er war ein Gewaltmensch, welcher Widerspruch nicht duldete, vom Ausschusse des Vereines her auch nicht gewohnt war, weil demselben durchweg Theologen (Lehrer und Pfarrer) angehörten. …381 | Wenn sich Gelegenheit bot, alte Schriften durch Ankauf vor ihrer Abwanderung für Hermannstadt zu sichern, versuchte Z(immermann), die Archiveigentümer dafür zu gewinnen, wenn die betreffenden Schriften zur Ergänzung von Lücken in den Archivbeständen dienen konnten, aber erfolglos. Es mangelte an dem nötigen Verständnis, weil die Leistungen des Archives nicht nach den Elementen der Erträgnisberechnung sich bewerten ließen. Er griff daher selbständig ein, trat aber niemals in Wettbewerb mit dem Brukenthalschen Museum, welches ihm als eine völkische Stiftung der Hauptsammelplatz von siebenb(ürgisch) sächsischem Schrifttum war. Das Archiv verdankt 381 Es folgt (fol. 71r-v) fast wortwörtlich, was schon oben S. 148f., über die Archive in Kronstadt und Bistritz sowie über die Lieferung von Urkunden-Abschriften nach Bukarest und Budapest berichtet wurde.

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Z(immermann) eine Reihe wertvoller Ergänzungen, welche er klanglos und kostenlos für die Archiveigentümer in das Archiv einstellte382. | Durch Verkäufe von Schriftenmassen als Altpapier seitens des Magistrates, um Raum zu erzielen, und aus Verlassenschaften gelangte viel wertvolles Quellenmaterial in den Handel. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts verkaufte der Magistrat ohne vorherige Prüfung große Schriftenbestände, welche teilweise in den Besitz von Johann Filtsch (gestorben 1836) und Karl Neugeboren (gestorben 1861) übergingen. Durch käufliche Erwerbung aus Nachlässen hinter Josef Bergleiter, Johann Filtsch, Baron Geringer, v. Huttern, Daniel Neugeboren, Karl Neugeboren, Daniel Feniger, Jakob Rannicher, Konrad Schmidt, Friedrich Schuler v. Libloy, Johann Karl Schuller u(nd) Anderer brachte Z(immermann) eine ansehnliche handschriftliche Urkundensammlung zusammen. Dazu kaufte er Skartpapier383 aus dem Archiv der Finanzdirektion in Hermannstadt, welches er behufs Auswahl für das Archiv zur Verfügung stellte. Eine städtische Abordnung traf die Auswahl, und die Stadt vergütete Z(immermann) den von ihm bei der Finanzdirektion nach Gewicht erlegten Kreuzerpreis. Bei dem von dem Magistrat am 17. Oktober 1897 ohne vorherige Überprüfung der Schriften nach Gewicht veranstalteten Verkauf erstand Z(immermann) von Händlern sehr wertvolle Stücke. Vor Ueberführung der zum Verkaufe bestimmten, im | Rathaushofe freiliegenden Schriften hatte Z(immermann) Urkunden in cyrillischer Schrift in das Archiv genommen. Was damals im Gewichte eines Kilogramms 2 bis 4 Kreuzer kostete, erreichte bald den Einzelpreis für ein Stück mit 5, 10 oder noch mehr Gulden. Z(immermann)’s Sammlung wurde von Dr. Oskar v. Meltzl, Mitglied des Kuratoriums des Brukenthalschen Museums, der Besichtigung unterzogen, hierbei die älteren Urkunden mit wenigstens 9 000 K(ronen) Verkaufswert geschätzt, worauf die ganze Sammlung für 8 000 K(ronen) in das Eigentum des Museums überging (1905). Bald glaubte der Magistrat „Stadteigentum“, „Archiveigentum“ in der Sammlung wittern zu sollen, denn des Bürgermeisters Sachverständiger, Dr. Rudolf Theil, pensionierter Pfarrer, ein berüchtigter Hochstapler, stand hinter der Sache. In der Sammlung findet sich aber nicht ein Stück, welches nachweisbar mit böser Absicht aus dem

382 Schon aufgezählt oben Anm. 374. Niedergeschrieben sicher im Zusammenhang des gegen den Archivar ab 1906 betriebenen Disziplinarprozesses; siehe dazu unten S. 174ff. Siehe auch unten Anm. 486 über die „Zimmermannschen Sammlungen“. 383 Skartieren = zur Ausscheidung aus den „Karteien“ (des Archivs) bestimmt. Die Unterscheidung von archivwürdigem und entbehrlichem Aktenmaterial der diversen, zur Abgabe ans Archiv verpflichteten Ämter ist eine der Hauptaufgaben von Archivaren. Vgl. W. G o l d i n g e r , Geschichte des österreichischen Archivwesens (= Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs, Erg.-Bd. 5) (1957), S. 65ff.

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Archiv abhanden gekommen ist, sicher aber Stücke aus den von dem Magistrat veranstalteten Verkäufen alter Schriften. Für den Betrieb des Archivdienstes galt die unter dem 25. Januar 1876 ausgefertigte, von der sächsischen Nationsuniversität und der Stadt festgesetzte Archivamts-Instruktion384, über welche Z(immermann) im Betrieb des Archivdienstes aber weit hinausging, weil er in dem Archiv eine völkische Anstalt erblickte, welche in erster Reihe | mit Rücksicht auf die Eigentümer und zugleich unter Wahrung des Vorteiles des Deutschtums zu leiten und auszunützen war. Nach dem Wortlaute der im Archiv ausgehängten „Archivordnung“ konnte das Archiv an Wochentagen täglich durch fünf Stunden benützt und konnten Abschriften von Urkunden gegen Erlag bestimmter Taxen aus dem Archiv bezogen werden, aber Z(immermann) sah in diesen Bestimmungen lediglich eine Sicherung gegen Mißbrauch. Er kam Wünschen der Archivbenützer gerne nach, ließ auch durch zehn Stunden im Archive arbeiten und gab ungezählte Abschriften von Urkunden hinaus, ohne Entgelt von ihm außerhalb der Amtsstunden angefertigt. An der Vorschrift, nur für Amtszwecke Archivalien hinauszuleiten hielt er fest, weil das Archiv auch im 19. Jahrhundert durch Ausleihen von Schriften nachweislich große Verluste erlitten hatte. Z(immermann) machte die Benützung im Archiv, welches 1896 Wasserleitung und 1897 elektrische Beleuchtung erhielt385, so bequem, daß jeder Benützer zufrieden sein konnte. Zudem bot die durch Z(immermann) begründete Archiv-Handbibliothek schon bald nach 1875 die notwendigsten literarischen Hilfsmittel386. Superintendent G(eorg) D(aniel) Teutsch forderte Ausleihen von Archivalien, was Z(immermann) verweigerte. Teutsch richtete daraufhin im Jahre 1883 ein diesbezügliches Gesuch an | die sächs(ische) Universität, deren Mitglieder in der Mehrzahl Pfarrer und Lehrer, also Teutsch dienstlich untergeordnet waren. Sein Gesuch wurde von Z(immermann) abweisend begutachtet. Auf seinen Vorschlag, nicht persönlich, sondern von amtswegen, unter Zal und Beisetzung des Amtssiegels Schriften aus dem Archiv sich erbitten zu wollen, antwortete der eitle Teutsch ablehnend. Die Universität beging eine Verletzung der „Archivamts-Instruktion“387, indem sie dem Gesuch stattgab, aber 384 Siehe dazu oben S. 76 u. 80, auch V l a i c u , Archiv, S. 62 u. S. 98ff. den Text der Archiv-Ordnung von 1878, weiters Z i m m e r m a n n , Archiv, S. 201 die Benützer-Ordnung. 385 In Bd. II, fol. 59r wird eine Augenoperation erwähnt, der sich F. Z. schon 1880 in Wien unterziehen musste. 386 Siehe auch unten bei Anm. 394 über die Lehrmittel für den Paläographie-Kurs; vgl. auch Anm. 179. 387 Siehe Anm. 384 und dazu Protokoll über die am 14. Dez. 1883 stattgefundene GeneralVersammlung der sächsischen Universität, in: Protocolle der General-Versammlung der sächsischen Universität und der Siebenrichter in Hermannstadt 1883 (Hermannstadt 1884),

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die Stadtvertretung, in welcher Z(immermann) den Gegenstand ausführlich beleuchtete, wies das Gesuch ab. Darob großer Zornesausbruch bei Teutsch, dessen Sohn Friedrich sofort im Sieb(enbürgischen) deutschen Tageblatt über die der Wissenschaft feindliche Archivverwaltung einen Aufsatz veröffentlichen mußte388, aber kein vernünftiger Mensch ließ sich das einreden. Es war allbekannt, daß Z(immermann) jedem Archivbenützer behilflich sich zeigte, und daß er dienstfertig selbst mitarbeitete, um den Vorteil der Archivbenützer sei es in wissenschaftlicher Hinsicht oder in persönlicher Angelegenheit zu wahren und zu fördern. Aus den nach irriger Meinung toten Archivalien sollte Leben hervorquellen. – Es entsprach Teutsch’ Wesen, seinen Zorn mit ins Grab zu nehmen (gestorben 2. Juli 1893389). – Ego sum lex, hatte er als Gymnasialdirektor | in Schäßburg390 Gymnasiasten zugerufen, welche sich auf das geltende Schulgesetz zu berufen erlaubten. Auch außeramtlich nahm Z(immermann) öffentlicher Arbeit sich an, so im Verein für siebenbürgische Landeskunde, zu dessen Ausschußmitglied er 1880 gewählt wurde. Als Vorarbeit für das Siebenbürgisch-deutsche Wörterbuch legte er ein Verzeichnis jener im Archiv enthaltenen Schriftstücke aus der Zeit vor dem Jahre 1701 an, welche in deutscher Sprache verfaßt sind oder zum Teile deutschen Text enthalten. In zwei zeitlich geordneten Stücken übergab er dieses Verzeichnis dem Verein. Als gewähltes Mitglied der Stadtvertretung (seit 1877), später auch des ständigen (vorberatenden) Ausschusses derselben unterstützte er jeden Fortschritt und bekämpfte amtliche Mißwirtschaft, was ihm Feindschaft einbrachte.391 In Wort und Schrift trat er lebhaft ein für Errichtung des von Dr. Karl Wolff vorbereiteten Elektrizitätswerkes, dessen Erbauung 1893 begonnen und 1896 vollendet wurde, ungeachtet heftigen Widerstandes seitens verbohrter Philister, auch des Bürgermeisters Josef Drotleff. Seit 1888 Mitglied des Direktionsrates der Hermannstädter allgemeinen Sparkasse förderte er die durch ihren S. 181f., Nr. 75: „Gesuch des Superintendenten … um Ausfolgung von Archivalien … mit Rücksicht darauf, daß in den gewölbten Parterreräumlichkeiten … Sporergasse 4 … gleiche Sicherheit bietet, wie das Archivlocal … Beschluß: … Es sei im Sinne des Gesuches über ämtliches Einschreiten des Gesuchstellers demselben das Verlangte nach ordnungsmäßiger Ausfertigung der vorgeschriebenen Reverse auszufolgen …“ 388 „... Ob es nicht an der Zeit sei, ... die ... Schätze (des Archivs) ... nutzbarer zu machen, als es jetzt geschieht?“ So (F. Te u t s c h ) Die Benützung unserer Archive und Bibliotheken (in: Siebenbürgisch-deutsches Tageblatt v. 5. Sept. 1889, anonym). Dazu unten fol. 74r Fußnote: „Von Josef Andreas Z(immermann) auch Teutsch gegenüber nie anders als ‚das Haus- und Familienblatt‘ (der Familie Teutsch) genannt.“ – F. Z. hat die ärgerliche Affäre noch 1925 angesprochen in „Mehr Fachmänner“, S. 18; siehe unten S. 229f. u. 242 Anm. 55. 389 F. Z. schreibt irrig: 1892. 390 1850-1863. 391 Siehe unten S. 186f.

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Direktor Dr. Wolff eingeleitete und durchgeführte Erhebung derselben zu einem neuzeitlichen Bankunternehmen. Im Siebenbürgischen Karpathenverein, | dessen Ausschuß Z(immermann) seit der Gründung des Vereins (1880) angehörte, konnte man auf pünktliche Mitarbeit rechnen. Auf seinen Antrag (1888) hin kam es zur Gründung des Siebenbürgischen Karpathenmuseums in Hermannstadt. Die Erledigung der Evangel(ischen) Stadtpfarrerstelle Augsb(urgischen) Bek(enntnisses), deren jeweiliger Träger Vorsitzender des Kuratoriums des Brukenthalschen Museums war, im Jahre 1903 benützte Z(immermann) dazu, ein ausführliches Gutachten über die Verwaltung des Museums und vor allem betreffs Anstellung fachmännisch gebildeter Museumsbeamten bei dem Evangel(ischen) Presbyterium A(ugsburgischen) B(ekenntnisses) einzureichen. Erfolglos. Theologen sind allwissend und benötigen für Verwaltung eines Museums Fachbildung nicht. Es fanden daher auch in der Folgezeit Theologen im Nebenamt an dem Museum Anstellung zum Zwecke der Vermehrung ihres Einkommens. … 392 | Die Vernachlässigung des Archives seitens seiner Eigentümer393 war eine Folge dünkelhafter Ueberschätzung der | persönlichen Auffassung, auch wenn es sich um Fachfragen handelte und fachmännische Einsicht und Erfahrung das Wort ergriffen. Z(immermann) erfuhr das bereits 1877. Die Archivamts-Instruktion (§ 17) verpflichtete den Archivar, alljährlich einen dreimonatlichen Kursus über Paläographie und Diplomatik abzuhalten394, aber im Archiv fehlte es an den erforderlichen Unterrichtsmitteln. Kein Buch, keine einzige urkundliche Nachbildung lag vor. Z(immermann) schaffte die notwendigsten Bücher an und sorgte für Herstellung paläographischer Tafeln, indem er aus den Ersparnissen an der Archivdotation infolge Nichtbesetzung der Archivsekretärstelle395 Nachbildungen von Urkunden des Archivs anfertigen ließ. Das ging einem langjährigen Abgeordneten der sächs(ischen) Universität über seinen Kulturbegriff dörflichen Ursprunges weit hinaus, denn er tat bei Verhandlung dieser Sache innerhalb der Universität den Ausspruch: „Der Archivar soll nicht denken, daß er einem deutschen Staatsarchiv vorsteht.“ – Als Z(immermann) in mündlichem Verkehre mit Abgeordneten der sächs(ischen) Universität um Aufbesserung des Gehaltes des Archivsekretärs ersuchte, weil für 500 Gulden ein fachmännisch geschulter Bewerber nicht gewonnen werden könne, warf Rechtsanwalt Albert Arz v. Straußenburg ein: „Für die Stelle des Archivsekretärs genügt ein Mann, der so viel Latein gelernt 392 Es folgen in Bd. II, fol. 75r-76v Ausführungen über die Erschließung der Hermannstädter Hallerwiese für Wohnbauten; siehe unten S. 159ff. 393 Siehe Anm. 380. 394 Siehe oben Anm. 179, sowie weitere Äußerungen bei Anm. 292 u. bei Anm. 386. 395 Besetzt erst 1894 mit Georg Eduard Müller; siehe oben S. 127.

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und vergessen hat wie ich, ein besserer Kanzlist.“ – Dieser selbe Arz nahm Z(immermann) in Anspruch, als | Arz die Gemeinde Heltau im Hattertprozesse gegen Zood vertrat. Er war von Z(immermann)’s Beihilfe befriedigt und erklärte, jetzt wisse er wofür man das Archiv brauchen könne. Der Bekenner war zwei Jahrzehnte hindurch Abgeordneter der sächs(ischen) Universität und Mitglied der Stadtvertretung, hatte aber mangels Verständnisses kein helfendes Wort für die Nöte des Archives. Im Winter 1905 auf 1906 ging das Maß über396.

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Siehe unten S. 174ff.

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Bauanlage Hallerwiese397 | Die Hermannstädter Wohnungsverhältnisse lagen im Argen. Alte Häuser, II fol. 75r schlecht schließende Türen und Fenster, Eisenoefen, weiche Fußböden, mangelhafte Küchenherde, Aborte398 außerhalb der Wohnung399. – Z(immermann) sah deshalb nach einem Bauplatz sich um, auf dem er mittelst Darlehens ein Familienhaus zu errichten gedachte. Apotheker Karl Müller stellte hierzu seinen in der Salzgasse gelegenen Baugrund zur Verfügung, der aber wegen Staubplage sich nicht eignete. Im Juli 1890 erklärte Rechtsanwalt Wilhelm Bruckner in | einer bei den Drei Eichen (Brauerei und Gastwirtschaft des fol. 75v Stadtphysikus Dr. Friedrich Jikeli, 1889 eingerichtet) kneipenden Gesellschaft, er habe Auftrag die Hallerwiese400 zu verkaufen und bitte zuzugreifen. Pause, dann mehrfache Bedenken gegen den Kaufschilling, rund 12 000 Gulden für 19 1/2 Joch Wiesengrund. Z(immermann) erwähnte, daß er einen Bauplatz suche; es empfehle sich gleich den Augenschein vorzunehmen, was bei der Lage der Hallerwiese gegenüber der Brauerei bald erledigt war und zu dem Ende führte, daß Z(immermann) die Hälfte der Hallerwiese ankaufte. Der Kauf fand sofort Bekräftigung durch eine in der Gastwirtschaft ausgeschenkte Runde. Schon nach wenigen Tagen wurde Z(immermann) darüber sich klar, daß er mit einem Einzelbau dort nicht beginnen könne, bevor er nicht auch die andre Hälfte der Hallerwiese erworben und die Gründung einer behördlich genehmigten Bauanlage im Sinne einer planmäßigen Stadterweiterung erwirkt haben werde. So kaufte Zi(mmermann) auch die zweite Hälfte (August 1890) und machte sich an die Schaffung einer Bauanlage, für welche der Wiener Cottage-Architekt Bömches drei allgemeine Skizzen lieferte, nachdem er aus Situationsplan und Beschreibung die vorzügliche Eignung der Ha1lerwiese zu Bauzwecken ersehen hatte. Die drei Skizzen faßten ins Auge: 1. Verbauung der H(allerwiese) in geschlossener Bauart; 2. Kleinhäuser in geschlossener Bauart mit Vorgärten; 3. Einzelhäuser in Villenstil. So die Überschrift im „Zeitbuch“ Bd. II, fol. 116v (S. 165 unten). Die folgenden Ausführungen finden sich aber noch im „Lebensabriß“ von F. Z. (siehe oben Anm. 44) anschließend an den Bericht von seiner „öffentlichen“ Tätigkeit in Hermannstadt (siehe oben S. 156f.). 398 Siehe oben Anm. 62. 399 Dazu am Unterrand der Seite: „Ungeziefer aller Art massenhaft“. Siehe dazu auch oben Anm. 180. 400 Freies Gelände vor der durch den Sachsengrafen Petrus Haller (1557-1569) errichteten Haller-Bastei südlich von Hermannstadt, zur sog. Heltauer Vorstadt gehörig, ehemals Privatbesitz Hallers. 397

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Diese drei Skizzen gelangten zur Besprechung in einer | von dem Magistratsberichterstatter Julius Sigerus ad hoc einberufenen Kommission, welche sich für Skizze 3 entschied, deren Ausführung indessen wegen der tiefen Kältegrade am wenigsten empfehlenswert war. In Uebereinstimmung mit Skizze 3 arbeitete Bömches einen Parzellierungs-Plan aus, in welchem in der Mitte der Hallerwiese ein stumpfer Straßenwinkel vorgesehen; die einzelnen Baustellen hatten 300 bis 400 Quadratklafter Flächeninhalt; das Niveau der Längenstrasse, welche in den Schneidmühlbach zu entwässern war, verlief von der Dreieichenstraße allmählich ansteigend bis zur Rotenturmstraße, so daß geringere Erdbewegung auf der H(allerwiese) erforderlich wurde und der Ueberschuß an Aushub für Auffüllung der tiefern Stellen genügt hätte; in der Mitte war eine bepflanzte Rundung geplant. Auf Antrag Sigerus’ wurde diesem Plane Zustimmung versagt und gegen die Stimme Z(immermann)’s beschlossen: Geradlinige Längenstraße, Parzellengröße zu erhöhen; die Mitte der H(allerwiese) wird durchfahren, nicht bepflanzt; die Straßensteigung wird hauptsächlich in den ersten hundert Metern, von der Dreieichenstraße an gerechnet, überwunden; das südliche Rinnsal der Längenstraße findet Entwässerung nur nach der Dreieichenstraße hin. – Auf diese Richtpunkte gestützt arbeitete Stadtingenieur Otto Müß den Parzellierungsplan samt Niveauskizze in Z(immermann)’s Auftrage aus, welchen dieser am 12. November 1890 bei dem Magistrat einreichte. Die Eile, mit welcher diese Sache vom Berichterstatter, Magistrat und Baukommission | abgetan und in die Stadtverwaltung gebracht wurde, überraschte nicht wenige. Am 11. Dezember 1890 erhielt die auf der Hallerwiese geplante Bauanlage die zuständige Genehmigung seitens der Stadtvertretung, „weil – wie der Magistrat unter Zal 11 817 aus 1890 aussprach – hiedurch eine auf die Verschönerung der Stadt und die Errichtung gesunder Wohnstätten hinzielende Absicht manifestiert wird“. Später kam der wahre Grund der raschen Erledigung Z(immermann) zu Ohren. In der Bürgermeisterei waren Bedenken darüber aufgetaucht, Z(immermann)’s Plan ausführen zu lassen, ohne daß man einen sachlichen Grund dagegen hätte in’s Feld führen können. Der Berichterstatter Julius Sigerus zerstreute mit einem Schlage alle Bedenken, indem er sächsisch sagte: „Lasse man ihn nur hinaufgehen (das ist auf die Hallerwiese), damit er dort zu Grunde geht.“ Magistrat samt Stadtingenieur und die Hermannstädter sogenannten Kernbürger hatten keine Ahnung von der Sache. Diesen Leuten mit reichlichem Selbstbewußtsein und verschwindend geringer Urteilsfähigkeit ging erst nach einigen Jahren etwas Licht darüber auf, als mehrere Häuser der Hallerwiese

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erstanden waren. Z(immermann) baute im Jahre 1895 ein Einfamilienhaus401 und bezog dasselbe am 25. September 1895. …402 | Bevor403 ich die Ehe einging404 mit Julie v. Theuerkauf, Tochter des Oberst- II fol. 101r leutnant Anton Edler v. Theuerkauf und Julie geb(orene) Trausch, wohnhaft Kronstadt, Purzengasse 46, bewohnte ich in Hermannstadt405, Großer Ring 3, 1. Stock, 2 Zimmer, neben welchen meine in Wien VII, Breitegasse 14, 2. Stock, lebenden Eltern 2 Zimmer als Absteigequartier sich hielten. Die ganze Wohnung bestand aus 4 Zimmern, Küche und Speis; sie hatte zwei Zugänge vom Großen Ring, durch je einen Hof, und auch einen Zugang vom Kleinen Ring neben dem katholischen Kirchenturm. Die Wohnung war geräumig, lag günstig, war aber alt und unrein. Im Einvernehmen mit meiner Braut behielten wir diese Wohnung, welche vollständig möbliert, auch mit allem Küchengerät versehen war. Ich ließ für meine Frau 2 Schränke neu anfertigen und meine Schwiegereltern kauften eine sogenannte Salongarnitur bestehend aus Sofa, 2 großen | und 4 kleinen Armsesseln, 6 Stühlen und 2 Hockerln (lehnelose runde Stühlchen)406 … Daselbst407 zog ich in obige Wohnung schuldenfrei ein …408 401 Hallerwiese Nr. 5, später Friedenfelsstraße 5 (Str. Constantin Noica 5); Abb. 15. Vgl. G. S c h u s t e r , Edle Formen für die Villa. Neoklassizistische Wohnhäuser auf der Hallerwiese (in: Die Woche Nr. 703 vom 5. Juni 1981, S. 6) mit Abbildungen. Eine Federzeichnung der stattlichen Räumlichkeiten findet sich auch im „Zeitbuch“ Bd. II, fol. 78r. 402 Fortgesetzt wird sodann im „Lebensabriß“ mit dem Bericht über die „Vernachlässigung des Archives seitens seiner Eigentümer“ (siehe oben S. 157). 403 Die folgenden Absätze sind entnommen dem Kapitel über „Geldwirtschaft und Leistungen für meine Familie“ (fol. 101r-116r). 404 Siehe oben S. 117f.. 405 Siehe oben Anm. 299. 406 Es folgt eine kurze Erinnerung an die Hochzeit in Kronstadt am 14. April 1877 und an die „Hochzeitsreise“ von Kronstadt über Mediasch nach Hermannstadt am 15. und 16. April 1877; siehe schon oben S. 121f. 407 In einer Anmerkung am unteren Seitenrand (fol. 101v-102r) findet sich neben einer Skizze des Theuerkauf’schen Hauses in Kronstadt, Purzengasse 46 folgende Bemerkung: „Diese Wohnung (nämlich am Großen Ring in Hermannstadt) entsprach in jeder Hinsicht mindestens der elterlichen Wohnung Kronstadt, Purzengasse 46, im 1. Stockwerke gelegen; altes Haus, gegen die Gasse 2 je zweifenstrige Zimmer, gegen den Hof 1 Zimmer und Küche und 1 Kabinet, unter 3 m hoch, weiche Böden. Von dem kleinen Vorzimmer war ein Raum durch Bretterwand abgesondert, in welchem ein hoher Topf stand, der Leibtopf, Abort (!); dieser Topf wurde allabendlich in die Gosse entleert. Salon, im Winter nur Sonntags geheizt, Schlafzimmer der Eltern; im Hofzimmer, wo gespeist wurde, schliefen die Töchter (Julie, Marie, Josefine)“. 408 Es folgt fol. 102r-v eine Erklärung über die jährlichen „Amtsbezüge“ von F. Z. (im Wortlaut ähnlich wie oben Anm. 177) sowie über „Zuschüsse“ und „Unterstützungen“, die von Seiten der Eltern und Schwiegereltern (Zimmermann und Theuerkauf) „meist regelmäßig“ hinzukamen. Offensichtlich soll damit unterstrichen werden, dass F. Z. durchaus imstande war, sich als Bauherr auf der Hallerwiese (siehe unten S. 162f.) zu engagieren, nicht noch auf zusätzlichen Gelderwerb angewiesen war. Hervorgehoben wird jedoch fol. 102r

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| Im Jahre 1890 kaufte ich für mehr als 12 000 Gulden die Hallerwiese, über 19 Joch hochgelegenen Wiesengrund an dem Südrand Hermannstadts: 4 500 Gulden borgte ich aus, den Rest stellte meine Mutter, die sparsame Hausfrau, mir zur Verfügung. Für diesen ohne eigenen Pfennig gekauften Grund ließ fol. 103r ich drei Projekte behufs Verbauung ausarbeiten409… | Die Ausarbeitung dieser Projekte, die dazu erforderlichen Vorarbeiten, Ausmessen, Bestimmung der Höhenkoten, Skizzenzeichnung durch Ingenieur Friedrich Bömches in Wien und Stadtingenieur Otto Müß in Hermannstadt kostete weitere 700 Gulden. Ferner ließ ich die Straußenburggasse beschottern und ebenso den ersten von der Stadt angelegten Weg, von der Dreieichenstraße hinauf 100 Meter lang; 1892 kaufte ich von der Sparkasse Grund, ließ entlang der Turnschule einen Weg, 4 Meter breit, herstellen und verlegte den Turnschul-Brunnen an eine andre Stelle. So entstand eine Fußweg-Verbindung zwischen der Mitte der Hallerwiese und dem Theaterplatz. Später erwuchsen noch Kosten für Abgrenzungen, Wegeerhaltung, Auffüllungen, Wasserabflüsse, Grundbucharbeiten, Skizzen, Ankündigungen der verkäuflichen Baustellen, …410 fol. 103v | Im Jahre 1893 wünschte meine Frau in der Wohnung Wiesengasse 29 (Tellmann’s Haus, wo meine Eltern 1847 bis 1852 gewohnt haben) nicht mehr weiter411 zu verbleiben. Ich verständigte mich mit meinen Eltern412 und ersuchte sodann Theuerkauf, er möge in Rücksicht auf den Ausziehwunsch seiner Tochter ein Drittel der Hausbaukosten mir leihen, wogegen meine Eltern für ein auf der Hallerwiese zu erbauendes Einfamilienhaus Zweidrittel der Baukosten zuschießen würden. Theuerkauf lehnte ab, weil sie nur gut rentierende Wertpapiere besäßen, welche zu veräußern unklug wäre; dagegen wollte er von seiner Pension alljährlich 200 Gulden mir geben, womit ich die Zinsen für ein entsprechendes Darlehen aus einem Geldinstitut decken könnte. Dieses Anerbieten lehnte ich dankend ab und mietete vom 1. August 1893 angefangen die erste Stockwohnung bei Frau Johanna v. Larcher, Straußenburggasse 3.

bezüglich der „Mitgift“: „Meine Frau kam mit 30 Gulden = 60 Kronen nach Hermannstadt“, und fol. 102v über „außerordentliche Zuwendungen“ seitens der Eltern Zimmermann: „so November 1885 bis April 1886 Kurkosten für mich in Wien und Meran über 1000 Gulden“. 409 Wiederholt wird sodann, welche Bebauungspläne vorgelegt wurden, sowie die Entscheidung vom 11. Dezember 1890 (siehe oben S. 160). 410 Es folgen Ausführungen über erste Grundstück-Verkäufe auf der Hallerwiese an den städtischen Beamten Wilhelm Copony und an Architekt Heinrich Eder (siehe unten S. 166). 411 Die Übersiedlung in die Wiesengasse 29 wird oben Anm. 62 datiert auf 1889 laut „Zeitbuch“ Bd. II, fol. 149r. Eine Zeitlang (1883-1886) hatte man auch Fleischergasse 25 gewohnt; siehe schon Anm. 303; dann Reispergasse 23; vgl. oben Anm. 62. 412 Was dazu führte, dass die Eltern aus Wien nach Hermannstadt übersiedelten.

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1894 starb Frau Julie v. Theuerkauf. Nach ihr erbten (laut Erklärung Theuerkaufs) meine Frau, ihre Schwester Marie und alle Kinder dieser beiden | das fol. 104r Theuerkauf’sche Haus in der Johannisneugasse; die Schwester Josefine und Rudolf das Haus Roßmarkt 7. Wertpapiere seien nicht vorhanden und waren im Nachlaß auch nicht genannt. Nach dem Testament erbten meine Frau und meine Kinder zusammen die Hälfte obigen Hauswertes; meine Kinder hätten laut Testament ein Vierteil dieses Hauswertes. In Wirklichkeit erhielt aber meine Frau ausbezahlt 4 300 Gulden während meine Kinder Elsa, Gustav, Hermine, Robert und Otto zusammen 1800 Gulden = 3 600 Kronen zugewiesen erhielten. Dieser Kinderanteil wurde vom Waisenamt übernommen, später an die Kinder ausgefolgt. Den Fehlbetrag (Hälfte von 6 100 Gulden = 3 050 Gulden) mit 1 250 Gulden habe ich durch Zulagen und Verzinsung derselben hereingebracht. Im Januar 1895 schloß ich mit dem Baumeister Heinrich Eder einen Bauvertrag ab zur Erbauung eines Wohnhauses Hallerwiese 5. Der Bau kostete, nach Fertigstellung auch des Stakets und Anlegung des Gartens – Grundfläche 1 222 Quadratklafter413 – 37 000 Kronen. Die Erfordernis (18 500 Gulden) deckte ich mit eigenem Gelde 3 200 Gulden, Juliens Erbschaft 4 300 Gulden und Darlehen 11 000 Gulden. Als meine Frau von ihrem Onkel Josef Trausch erbte, gab sie 6 000 Kronen und | nach ihrer Tante Luise Plecker v. Pleckersfeld fol. 104v 3 000 Kronen zur Tilgung der Bauschuld414. Somit hat meine Frau von ihren Erbteilen, von welchen ich laut vorhochzeitlichem Vertrag gleichen Mitanteil hatte, im Ganzen 17 600 Kronen = 8 800 Gulden zu den Baukosten beigesteuert. Diese 17 600 Kronen sind das einzige Geld, welches ich aus Geldern meiner Frau für Zwecke meiner Familie in Anspruch genommen und verwendet habe. Am 1. April 1905 war415 unser Haus Hallerwiese 5 schuldenfrei. Nach meinem Vater, gestorben 19. Mai 1897 in Hermannstadt, fand sich ein Einlagsbuch der Wiener Sparkasse lautend auf 13 Gulden. Vaters kleiner Grundbesitz in Schäßburg ging auf meine Mutter über, welche denselben für 6 000 Kronen an die Stadt Schäßburg verkaufte. Meine Mutter, gestorben 18. März 1899 in Hermannstadt, widmete ihre Gelder für die Erziehung und Ausbildung der zwei jüngsten Kinder, Robert und Otto, 20 000 Kronen. 413 1 Klafter = 1,7 m2. Dazu am unteren Seitenrand: „Selbstkosten des Grundes im Jahre 1890 nicht ganz 100 Gulden gleich 200 Kronen“. 414 Josef Karl Trausch († 1903), zuerst Magistratssekretär in Kronstadt, Sohn des Historikers Josef Franz Trausch († 1871) und jüngerer Bruder von Franz Zimmermanns Schwiegermutter Julie Theuerkauf, geb. Trausch († 1894), Luise Plecker, geb. Trausch, deren ältere Schwester (1822-1905). 415 Schon 1906 erfolgte dann die Auflösung des Hermannstädter Haushaltes und am 7. Juni 1906 die Abreise aus Hermannstadt laut „Zeitbuch“ Bd. II, fol. 78v. Zum Verkauf des Besitzes siehe unten S. 185.

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Aus meinen literarischen Arbeiten ergab sich einiger Erlös, hauptsächlich aber aus den im Jahre 1890 für die Academia Romana in Bukarest von mir übernommenen und im folgenden Jahrzehnt aus geführten archivalischen fol. 105r Arbeiten, welche mir rund | 2 000 Kronen einbrachten. Diese Arbeiten neben meinen übrigen zu verrichten, nötigte zu größter Ausnützung der Zeit, insbesondre wurden die meisten Sonn- und Feiertage zu Arbeitstagen. Aus diesen Einnahmen konnte ich decken, was aus dem im Vergleich zur Arbeitsleistung kärglichen Gehalte nicht hätte bestritten werden können. Abgesehen von den regelmäßigen Ausgaben für den Haushalt, in welchem 1893 ein sechstes Kind, Paul Friedrich, sich einfand, der aber leider schon im August 1894 uns entrissen wurde, war es mir möglich meiner Familie nicht weniger, sondern mehr zu bieten als zum Beispiel die Theuerkauf’schen Töchter von ihren Eltern aus genossen haben. Unsere Hermannstädter Wohnungen von 1877 bis 1893 (Wiesengasse 29) waren nicht neu und ermangelten eines Gartens, aber die Wohnungen Straußenburggasse 3 und Hallerwiese, von uns in den Jahren 1893 bis 25. September 1895, beziehungsweise 25. Sept(ember) 1895 bis zum 7. Juni 1906 bewohnt, boten Gartenbenützung, und letztere Wohnung lag ja im eigenen Neubau. Im Hause lebten wir einfach, aber wir übten Gastfreundschaft an Verwandten wie Fremden; bei jedem geeigneten Anlasse nahmen wir zugereiste Gäste in fol. 105v Wohnung | und Verpflegung oder luden sie mindestens zu Tische ein, mehrere auch in Abwesenheit meiner Frau, so zum Beispiel Bierey, Vorstand des Dresdner Journalistenvereins; Dr. Konrad, Studiendirektor des Domkandidatenstifts in Berlin; Schultze, cand. theol. dieses Stifts; Ubald Felbinger, Chorherr in Klosterneuburg; Theobald Fischer, Professor in Marburg; M. Gehre, Realschulprofessor in Großenhain; Professor Hasse in Leipzig; Konsistorialrat Harmens in Magdeburg; Professor Gindely samt Frau in Prag; Robert Hoeniger, Professor in Berlin; Dr. Wilhelm Jordan in Frankfurt a(m) M(ain); Friedrich Kapp, Reichstagsabgeordneter, Berlin; Wilhelm v. Mossow, Vertreter der (Münchner) Allgemeinen Zeitung, Berlin; Professor August Meitzen, Berlin; Professor Dietrich Schäfer, Berlin416; Oberlehrer Sörensen, Chemnitz; Industrielehrer Kafemann, Görlitz; Bibliothekar Nentwig, Braunschweig; Stabsarzt Dr. Vormeng, Berlin; Dr. Robert Wuttke, Dresden; Oberstleutnant Zschüschen, Berlin. Dann zahlreiche Siebenbürger Sachsen. Sobald Ausflüge mit Gästen gemacht wurden, bezahlte ich Wagen und Verpflegung …417 416 Der Berliner (seit 1903) Historiker Dietrich Schäfer wurde 1905 Ehrenmitglied des Vereins für siebenbürgische Landeskunde; siehe Z i m m e r m a n n , Hospites, S. 281. 417 Es folgen Bd. II, fol. 105v-116r u. 122r-124r familiäre Dinge, wie insbesondere der Werdegang der 6 Kinder: „Meine Töchter Elsa (geb. 1878) und Hermine (1883-1909) besuchten die öffentliche evangelische Mädchenschule in Hermannstadt, einschließlich die höchste Klasse, und erhielten Privatunterricht; Elsa genoß Pensionsausbildung in Weimar,

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| Der von der Stadtvertretung Hermannstadt für die Errichtung einer Bauan- II fol. 116v lage, Einzelhäuser inmitten von Gärten, am 11. Dezember 1890 genehmigte Plan sah Einteilung der Hallerwiese in nur 45 Parzellen vor, zu wenig für 19 1/2 Joch Grund, 1 Joch gleich 1600 Quadratklafter. Die einzelnen Parzellen waren zu groß (zu teuer) für den Käufer und Erbauer nur eines Hauses und zu kostspielig für die Stadt hinsichtlich Erhaltung der Straßen, später auch der Wasserleitung und Beleuchtung. Von diesen Dingen hatte aber weder im Magistrat noch in den vorarbeitenden Kommissionen jemand einen Dunst. Mittelst eines Flugblattes verbreitete Z(immermann) Kenntnis von der Bauanlage, wies auf ihre Vorteile hin und auf die Möglichkeit auch auf JahresratenPump ein Haus sich erwerben zu können. Es stellten sich Frager ein, die mehr fragten, als sich bestimmt beantworten ließ, und verrieten, daß selbst studierte Leute vom Ganzen nicht eine blasse Ahnung hatten. Manche drückten sich deutlich aus, indem sie offen heraussagten: „Dort hinauf zieht kein Hund.“ Es mußte langsam die Erkenntnis sich durchringen, daß insbesondere ein an-




woran sich anschloß Aufenthalt in Berlin und Dresden …“ Elsa war dann nach einer schnell wieder aufgelösten Verlobung mit dem Komitatsvizenotär Samuel Kroner (geb. 1873), ihrem Schäßburger Cousin 2. Grades, 1904-1907 in kurzer, bald geschiedener Ehe mit dem aus Hermannstadt stammenden Wiener Bankbeamten Arnold Friedsmann verheiratet (gestorben 1946). „Mein Sohn Gustav, 4. April 1880 geboren, besuchte die Volksschule, dann bis einschließlich die 4. Gymnasialklasse des Gymnasiums in Hermannstadt“, kam dann in die Pionierkadettenschule in Hainburg in Niederösterreich und wurde Offizier (gestorben 1943 in Berlin) … Tochter Hermine heiratete 1905 den Hauptmann Karl Binder und starb 1909 nach der Geburt ihres dritten Kindes. … „Mein Sohn Robert, geboren 1. Juni 1886 in Hermannstadt, besuchte vier Volksschulklassen, kam Ostern nach Niesky in die Knabenerziehungsanstalt der Brüdergemeinde … Hier verblieb Robert sieben Jahre, bis Ostern 1903 … Ostern 1903 ging Robert nach Bielitz … und bestand mit gutem Erfolg die Maturitätsprüfung. Im Oktober 1904 ging er nach Berlin, ließ sich als Historiker und Jurist an der Universität einschreiben und wurde bei der Burschenschaft Germania aktiv …, für das Wintersemester 1905/6 ging er nach Wien, wo er in die Burschenschaft Silesia eintrat. … 1907 legte er die Aufnahmeprüfung im Institut für österreichische Geschichte ab, in welches er als außerordentliches Mitglied aufgenommen wurde, obwohl er von rechtswegen Aufnahme als ordentliches Mitglied verdient hätte. … Im Juli 1909 bestand Robert an dem Institut die Staatsprüfung mit befriedigendem Erfolge.“ Er arbeitete dann als Stipendiat im Grazer Landesarchiv und im Budapester Nationalmuseum, als „Hilfsarbeiter der Burschenschaftlichen Historischen Kommission“ in Gießen, Wien und München, schließlich als Dissertant von Professor Friedrich Meinecke (Freiburg i. Br.) auch in Göttingen, wurde 1913 im Archiv des Finanzministeriums in Wien angestellt, wechselte aber 1920 in die oberösterreichische Finanzadministration (gestorben 1969 in Linz). … „Mein dritter Sohn, Otto Heinrich, ┌so ┐ benannt nach dem lutherischen Pfalzgrafen Ott-Heinrich (1556-1559) (vgl. Bd. II, fol. 96v), geboren 23. September 1890 in Hermannstadt, Wiesengasse 29, besuchte vier Volksschulklassen daselbst und kam Ostern 1900 in die Knabenerziehungsanstalt in Niesky. … Im Juli 1909 legte Otto die Maturitätsprüfung (in St. Pölten) befriedigend ab, im Oktober ließ er sich in Wien als Jurist und bei der Burschenschaft Silesia als Fuchs einschreiben …“ Er wurde dann Magistratsbeamter in St. Pölten (gestorben 1970 in Salzburg). Sein Nachlass befindet sich im Siebenbürgen-Institut Gundelsheim.

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fol. 117r

sprechendes Famili|enheim nur mit einem Neubau geschaffen werden könne, ferner daß Festbesoldete, welche nach Hermannstadt verschlagen wurden, nur widerwillig alte Wanzenburgen mit entlegenen Aborten418 bezogen und nach menschenwürdigem Unterkommen sich sehnten. Mit dem unberechtigten sächsischen Kulturdünkel auch in dieser Richtung aufzuräumen war höchste Zeit. Im Dezember kauften Baumeister Heinrich Eder und Kontrollor Wilhelm Copony die Parzellen 1 und 2 (später Nr. 2 und 4) nächst der Dreieichenstraße. ┌ Schriftlicher Vertragsabschluß mit Copony am 9. Februar 1891, mit Eder am ┐ 10. April 1891. Copony begann zu bauen 1891, Eder vertagte sein Vorhaben, nachdem 1891 seine Frau gestorben war. Im Jahre 1892 zog Copony als erster Ansiedler auf die Hallerwiese. Im Magistrat war man sehr befriedigt, denn, berechneten diese Verwaltungsstümper, wenn Z(immermann) alle zwei Jahre einen Bauherrn auf die Hallerwiese zieht, wird es zum vollständigen Ausbau neunzig Jahre brauchen. An der oft wiederholten Frage: „Wie viel Parzellen hast Du schon verkauft?“ merkte man hämischen Freudenausdruck über den vorgeblich sicher zu erwartenden Mißerfolg. Z(immermann) lugte deshalb aus nach Personen, welche mit der Tatsache des Ankaufes auf der Hallerwiese diese selbst schon empfehlen würden, nach einem Arzt und einem Techniker. 1893 erwarben Spitalarzt Dr. Arthur fol. 117v Soterius | v. Sachsenheim und der neue Stadtingenieur Ludwig Lattenberg je eine Parzelle. Im Jahre 1893 kauften Buchholzer und Theis Grund, 1894 Csaki, 1895 Staatsanwalt Stefan Theil, 1895 baute Zimmermann, 1896 bauten Schiel und Albrich. Infolge der Ansiedlung des Lehrers Buchholzer und des Stadtingenieurs Lattenberg war die Stadt genötigt im Jahre 1893 den ersten (steilen) Abschnitt der Längenstrasse auszubauen, den Aufstieg aus der Straußenburggasse und den Steg über den Schneidmühlbach herzustellen. Letzteres geschah verspätet, so daß Buchholzers durch einige Wochen über eine quergelegte Bohle über den Bach turnen mußten. Da die Turnschule längst baufällig war, ersuchte die Konferenz der zwei Evang(elischen) Mittelschulen Z(immermann) um Ueberlassung von Grund für eine neue Turnschule samt Turnplatz. Z(immermann) bot 3 bis 5 Joch Grund an zum Preise von 60 Kreuzer für 1 Quadratklafter. Stadtpfarrer Friedrich Müller brachte (1892) im Presbyterium den Antrag zu Fall mit der Begründung: „Wir werden Z(immermann) nicht die Hallerwiese bezahlen.“ Müllers Kurzsichtigkeit bewahrte Z(immermann) vor namhafter Einbuße, weil gerade der nachgesuchte nordwestliche Teil der Hallerwiese wenige Jahre später viel mehr eintrug. 418

Siehe oben Anm. 62 und Anm. 180, auch Anm. 399.

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| Da von der Stadt nicht einmal die am 11. Dez(ember) 1890 übernommenen fol. 118r Verpflichtungen eingelöst wurden, half Z(immermann) auf eigene Kosten nach, ließ die Straußenburgstrasse beschottern, Kies auf die Bürgersteige führen und längs der Wege Bäume setzen bis zum Mittelpunkt der Hallerwiese. Die Aufdeckung eines alten Brunnens gegenüber der Kaltbrunngasse, welche Z(immermann) ausführte, ergab vorzügliches Trinkwasser, aber der Brunnenbau für jedes einzelne Haus wäre zu teuer gekommen. Der Magistrat wies das Ersuchen Z(immermann)’s um Anschluß der Hallerwiese an die in Bau begriffene Trinkwasserleitung (Wassergewinnungsanlage im Schewistale laut Plan von Baurat Salbach in Dresden) ab. Die Wiener Wasserwerksgesellschaft als Eigentümer der neuen Leitung erkannte ihren eigenen Vorteil und legte im Jahre 1895 Leitungsrohre durch die Straußenburggasse (unterhalb der Bachsohle) und auch von der Dreieichenstraße auf die Hallerwiese. Z(immermann)’s Ansuchen um Einbeziehung der Hallerwiese in das elektrische Stromnetz (erbaut 1893 bis 1896) blieb im Papierkorb des Berichterstatters Julius Sigerus liegen. Ueber Vorstellung Z(immermann)’s bei der Bauleitung des Elektrizitätswerkes fand aber die Hallerwiese vor | seiner Eröffnung im fol. 118v Jahre 1896 Anschluß an das elektrische Stromnetz. Dem Druck weiterer Ansiedler nachgebend mußte die Stadt auch die Strassenbeleuchtung elektrisieren an Stelle der drei Petroleumlampen, welche zur Beleuchtung von mehr als zweihundert Meter Wegeslänge hatten dienen sollen. Im Jahre 1892 kaufte Z(immermann) einen vier Meter breiten Grundstreifen des der Sparkasse gehörigen Turnschulgrundes und schenkte ihn der Stadt zum Zwecke der Eröffnung eines Fußweges zwischen Turnschulgasse und Schneidmühlgasse. Z(immermann) ließ den Streifen mit Kies überdecken, während die Stadt über den Bach einen Steg einrichtete, nachdem Karl Albrich (seine Frau Bürgermeisters Drotleffs Nichte!) inmitten der Hallerwiese sich angekauft hatte (1896). – Die Stadt gelangte aber nicht grundbücherlich in den Besitz dieses Grundstreifens, sondern er blieb dank der üblichen Bummelei Jahre hindurch auf Z(immermann)’s Namen eingeschrieben419. Z(immermann) nahm für sein Haus den schlechtesten Grund in Verwendung, welcher für Ziegelbrennen bis zu drei Meter Tiefe ausgehoben worden war. Der Baumeister ersparte somit das Kellergraben. Nach Zuführung von | Bauschutt fol. 119r und Abfällen bedurfte es Erde, weshalb Z(immermann) den walachischen Hof Schneidmühlgasse 1 ankaufte und von dort Erde auf die Hallerwiese führen ließ. Ringsum das Haus, nur zu Wegzwecken, wurde Bauschutt abgeladen und verteilt, welcher aus der Abtragung der alten Stadtmauer in der Harteneckgasse gewonnen wurde, vierspännig herbeigebracht. 419

Dazu am unteren Seitenrand: „Uebertragung auf die Stadt erfolgte erst 1918 und nur wegen Eingreifens der Sparkasse.“ Nachtrag schriftgleich mit Kontext!

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Lehrer Buchholzer legte Haus und Garten sich bei auf Pump. Seine Kostschüler sollten mit abzahlen helfen, und zu billigerer Ernährung derselben wie seiner Familie gedachte er Schweine zu halten, vorläufig nur drei, wie er sagte. Schweineaufzucht in einer als Villenviertel geplanten Bauanlage – diese Frage verdiente ohne Aufschub gründlicher erledigt zu werden. Als Buchholzer seinen Schweinestall bauen ließ, dessen Errichtung in seinem Hausplan nicht vorgesehen, demnach auch nicht bewilligt worden war, kam die Sache zu amtlicher Austragung und zur grundsätzlichen Feststellung: auf der Hallerwiese ist Halten von Schweinen verboten. So diente der Schweinestall zum Aufbewahren verschiedener Sachen, bis er am 2. Februar 1899 infolge von Unvorsichtigkeit der rauchenden Kostschüler abbrannte. Vor Ablauf des sechsten Jahres nach Eröffnung der Bauanlage standen acht fol. 119v Einzelhäuser fertig da, der | Abschluß an Trinkwasserleitung und elektrisches Stromnetz war vollzogen und vom Mittelpunkte der Hallerwiese über den Turnschulgrund und Theaterplatz zum Großen Ring ein Verbindungsweg geschaffen, dessen Länge weniger als 800 Meter beträgt. Es gab zwar immer Anstände mit der Stadtverwaltung, so die mangelhafte Herstellung der Fahrbahn, worin die Möbelwagen jedes Einziehenden stekken blieben. Die Bürgersteige erwarben sich durch ihren Sumpfcharakter mit Recht die Benennung Schandtrottoirs statt Sandtrottoirs. Vernachlässigung des Straßenkörpers blieb eingewurzelt. Als Artilleriemajor Friedrich Fr(ei)h(err) v. Boxberg (Hallerwiese 18) von Hermannstadt abging, sagte er: „Fünf Jahre hat der Magistrat mich hier im Dreck patschen lassen.“ (1904). Doch konnte man, was den Zuzug und die Nachfrage anbelangt, das Unternehmen bereits im Jahre 1896 als gelungen und im hoffnungsvollen Fortschreiten begriffen betrachten. Die hämischen Fragen420 nach der Anzahl der verkauften Parzellen verstummten, und auch der bissige Lehrer Wilhelm Weiß schwieg endlich, nachdem er einigemal die Hallerwiese „das gute VillenViertel“ genannt hatte. Der Verkauf der Baugründe und die Erbauung von fol. 120r Einzelhäusern mit oder ohne Mietwohnungen nahmen ihren Fort|gang, so daß der Berichterstatter Julius Sigerus gelegentlich eines Grundverkaufes (an Friedrich Schuster 1898) zu Z(immermann) sagte: „Du hast den Nutzen und ich die Arbeit.“ Da Z(immermann) auf seine fragende Miene nichts erwiderte, fuhr er fort: „Ein Fünfziger wird nicht zu viel sein.“ – Seine Arbeit bestand darin, daß er jeden vom Grund auch betreffs Besitzveränderung eingelaufenen Bescheid an die Registratur zur Aufbewahrung übergab, nachdem vom Stadtingenieur die Besitzveränderung vorgemerkt worden war. Z(immermann) tat, als ob er vom Anspruch nichts gehört hätte, und Sigerus ließ die Abweisung nach Möglichkeit die Hallerwiese entgelten. 420

Siehe oben fol. 117r.

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Die Durchführung der Längenstraße bis zur Rotenturmstraße, die Weiterführung von Beleuchtung, Wasserleitung und Bepflanzen der Straße mit Randbäumen mußte durch die Ansiedler selbst gefordert werden. Die Setzung von Bäumen besorgte der Verschönerungsverein, da Z(immermann) sich nur verbindlich gemacht hatte, bis zum Mittelpunkt der Hallerwiese Randbäume auf seine Kosten setzen zu lassen. Die Durchführung der Längenstraße, welche nach dem vom Stadtingenieur Müß über Antrag Sigerus’ ausgearbeiteten Plane stellenweise bis zu drei Metern die angrenzenden Bauparzellen überhöhte, verschlang ungezählte Fuhren von Schutt und Erde. Gegen Ablagerung von Kehricht, wodurch der Magistrat den Straßenkörper billiger, aber Gestank verbreitend herzustellen anfing, | erhoben die Bewohner der Hallerwiese fol. 120v berechtigte Einsprache. Der Magistrat ordnete Anlegung der Längenstraße in einer oberen Breite von nicht ganz zehn Metern an, während die Straßenbreite nach Plan (Beschluß der Stadtvertretung vom 11. Dezember 1890) einschließlich der beiden Bürgersteige vierzehn Meter betragen sollte. So erreichte die Längenstraße die anstoßenden Parzellen nicht. Die Oberfläche der Baugründe auf gleiche Höhe mit der Straße zu bringen, war Sache der einzelnen Parzellenkäufer, aber diesen oblag die Pflicht nicht, den längs ihrem Grunde tief liegenden (durch die Stadt ebenfalls auszufüllenden) Teil des Straßengrundes auch zu heben. Um Bauwerber anzuziehen ließ Z(immermann) gelegentlich durch die Baumeister Baumann und Eder sowie durch den Fuhrmann Juon Joandrea in Hammersdorf Bauschutt und Erde auf den zu erhöhenden Parzellen ablagern, wobei behufs Gewinnung der Zufahrt auch der nicht aufgefüllte Teil des zukünftigen Straßengrundes auf Z(immermann)’s Kosten gehoben wurde. Unmittelbar vor Verkauf der betreffenden Parzellen ließ Z(immermann) das auf seine Kosten zugeführte Schutt- und Erdmaterial auf andre Stellen verteilen, was dem Bürgermeister Josef Drotleff zu dessen nicht geringer Freude hinterbracht wurde. Die Polizeihauptmannschaft erhielt von ihm Auftrag, gegen Z(immermann) wegen Angriffes auf den städtischen Straßen|körper sofort einzuschreiten. Als fol. 121r Z(immermann) davon erfuhr, legte er dem Bürgermeister den Sachverhalt vor, aber erfolglos. Die Polizeihauptmannschaft beraumte örtlichen Augenschein an unter Teilnahme je eines Vertreters der Polizei und des städtischen Bauamtes; Z(immermann) konnte Zeugen mitbringen. Anfang März 1902 fand der amtliche Augenschein statt, welcher Z(immermann) einstimmig Freisprechung brachte, was den Bürgermeister derart in Zorn versetzte, daß er selbst nachsah. Mit dem Stadtbauamtsleiter Lattenberg unternahm er eine Amtsfuhre auf die Hallerwiese, wo Lattenberg die Sachlage anders nicht darzustellen vermochte, als das bei dem kommissionellen Augen schein geschehen war;




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vielleicht scheute er, der sonst mit dem Magistrat durch dick und dünn ging, das Urteil der anwesenden für Z(immermann) tätigen geschulten Erdarbeiter, welche den Fall genau kannten. Der Bürgermeister aber rief beim Abfahren: „Man muß ihn strafen!“. – Einem solchen Manne konnte anständiger Weise nur mit Verachtung begegnet werden. – Die durch den Magistrat gegen die Freisprechung bei dem Komitatsamt eingereichte Berufung wurde von diesem abgewiesen. Die Freisprechung Z(immermann)’s trat in Rechtskraft. Auf kleinliche Art suchte der Magistrat den Ruf der Hallerwiese zu schädigen. Wenn an einer Stelle derselben ein Strohbund oder etwas Kehricht fol. 121v abgeladen sich fand, erschien eine Magistratskommission am | Orte, worauf schriftlich an Z(immermann) Weisung erging, das Zeug sofort wegzuschaffen. Aber es wurde geduldet, daß der Stadtbeamte Gustav Theis und des Bürgermeisters Schwester Frau Stühler (Haus Albrich) durch Jahre ihren Kehricht auf benachbarte Gründe ablagerten. Der Magistrat duldete, daß der halb eingestürzte Steg über den Schneidmühlbach einige Tage in gefährlichem Zustande belassen wurde; Herstellung erfolgte erst auf Einschreiten der Polizeihauptmannschaft. Wassertümpel, welche sich bei starken Niederschlägen an zwei Stellen westlich von Petenyi und von Mauerer, manchmal für einige Tage bildeten, gaben dem Bürgermeister willkommenen Anlaß, auf Ges(etz)-Artikel 14 aus 1876 sich zu berufen421 und Z(immermann) die „Wegschaffung“ der „Teiche“ aufzutragen. Das Schaf422 der Verwaltung schnitt indessen dabei schlecht ab. In dem einen Fall berief Z(immermann) an das Komitatsamt, welches die Beseitigung des Teiches Petenyi, Z(immermann) und der Stadt anbefahl, weil das Wasser auf Grund dieser drei Eigentümer stand; es war aber während der vierzehntägigen Amtshandlung eingetrocknet. – Im andren Falle, westlich Mauerer, ließ Z(immermann) das Wasser samt Kröten binnen einigen Stunden auf den östlichen Grund herüberpumpen, und als der Schafsbefehl erging und überdies eine Mitteilung über den Froschteich auf der H(allerwiese) in dem

421 Vom 3. April 1876, veröffentlicht am 8. April; siehe: Landesgesetze des Jahres 1876 (Budapest 1876), S. 117ff., bes. S. 121, § 10: „Zum Behufe der Reinerhaltung der Atmosphäre in den Wohnungen hat die Behörde die Ablassung und Austrocknung der gesundheitsschädlichen Sümpfe und Moräste, sowie die Einführung eines den sanitären Anforderungen entsprechenden Kanalisierungs-Systems oder die Einleitung sonstiger, in dieser Beziehung als zweckmäßig erwiesener Verfügungen, ebenso auch die Anlage von Pflanzungen anzuordnen.“ 422 So für: Chef der Verwaltung, nämlich der Bürgermeister, damals Josef Drotleff (1894-1906).

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vom Bürgermeister verlegten Sieb(enbürgisch) deutschen Tagblatt erschien423, war der Froschteich verschwunden. …424 | Bauanlage Hallerwiese 1904 bis 1911.

II fol. 124v

Um die tiefer als die Straßenoberfläche gelegenen Parzellen begehrenswerter zu machen, ließ Z(immermann) Schutt und Erde herbeiführen und verteilen. Sehr ergiebig war die Zufuhr vom Neubau des Postamtsgebäudes Fleischergasse 16 und 18. Auch wurden die einzelnen Parzellen verkleinert, weil von den Käufern Gründe von rund 400 Quadratklaftern gewünscht wurden, auch etwas kleiner. Selbst als mehr als zwanzig Häuser erbaut waren und die Längenstraße für den Verkehr eröffnet war, gab es berechtigten Anlaß zu Klage gegen die saumselige Stadtverwaltung. Von dem Hause 30, in welches Major Egon Freiherr v. Cornaro eingezogen war, bis zur Rotenturmstraße fehlten elektrische Straßenbeleuchtung und Bürgersteig. Diesbezügliche Anzeige bei dem Magistrat bewirkte Herstellung dieser mitteleuropäischen Notwendigkeiten nicht. Cornaro klagte darüber dem Obergespan Thalmann, welcher, untertänig gegenüber Blechkragen425, dem Bürgermeister befahl, dem Verlangen Cornaro’s sofort zu entsprechen, widrigenfalls Bürgermeister und Bauamtsleiter Lattenberg der Disziplinarstrafe verfallen würden. Die Hallerwiese fand Anklang namentlich bei Wohnungssuchenden, welche von auswärts nach Hermannstadt versetzt wurden, die an neuzeitliche be|queme Einteilung der Wohnung gewöhnt waren. Es liefen Bestellungen auf fol. 125r Wohnungen ein, den Auftrag enthaltend, in erster Reihe auf der H(allerwiese) nachzufragen. Im Frühjahr 1906, bei Z(immermann)’s Abschied von Hermannstadt426 standen auf der Hallerwiese zweiunddreißig bewohnte Häuser. Das vom Magistratsrat oft mißbrauchte Sanitätsgesetz427 mußte weiterhin herhalten. Bis nach St. Pölten erstreckte sich des Magistrats Bannstrahl in Gestalt von Aufträgen an Z(immermann), einen gewissen Kehrichthaufen binnen einigen Tagen fortschaffen zu lassen. Nachdem der Auftrag in amtlichem Wege durch das Gemeindeamt St. Pölten Z(immermann) zugestellt wurde, war die Abräumungsfrist bereits verstrichen, bevor Z(immermann) in Hermannstadt 423

Nicht zu eruieren. Damit endet im „Zeitbuch“, Bd. II das Kapitel über die „Bauanlage Hallerwiese“. Es folgt ein kurzes Kapitel über F. Z.’s Tochter Hermine (1883-1909) und deren 1905 erfolgte Verheiratung mit dem Hauptmann Karl Binder (fol. 122r-v); siehe oben Anm. 417. 425 Offiziere, wegen ihrer metallenen Distinktionen am Kragen der Uniform-Jacke. 426 Siehe unten S. 184f. 427 Siehe Anm. 421. 424

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entsprechende Schritte hätte veranlassen können. Polizeihauptmann Robert Simonis war so freundlich, in solchen Fällen die Fortschaffung der sanitätsgefährlichen Ablagerungen vollziehen zu lassen. Im Frühjahr 1911 verkaufte ┌ ┐ Z(immermann) die letzte ihm gehörige Einzelparzelle in der Längenstraße (an Mathilde Bespaletz); im Herbst 1911 den Rest seines Besitzes auf der Hallerwiese, nämlich alle noch unverbauten, mit der Front gegen Süden (an der Leschkircher Straße) liegenden Parzellen an Viktor Hugo Borger. II fol. 125v

| Nachtrag zu Hallerwiese, Jahr 1899.

In Befolgung des von der Stadtvertretung am 11. Dezember 1890 gebilligten, betreffs Hallerwiesen-Anlage maßgebenden Straßenplanes trat ihr Eigentümer Z(immermann) zur Verbreiterung der Rotenturmstraße ein Stück Grund an die Stadt ab in der Breite von zwölf Metern und in der Länge von fünfundvierzig Metern. Diesem klar ausgesprochenen Zwecke entgegen wollte der Magistrat diesen Grund zur Errichtung eines städtischen Mauthauses verwenden. Hierdurch wäre, da den Mautinhabern Schweinezucht gestattet war, das Villenviertel geschädigt worden, aber das paßte gerade dem wegen jedes auf der Hallerwiese abgelagerten Kehrichthäufchens besorgten Magistrat. Die Entwicklung der Bauanlage zu hemmen und zu schädigen anstatt zu fördern war sein vergeblich erstrebtes Ziel. Als die Errichtung eines Mauthauses in der Stadtvertretung zur Verhandlung gelangte (20. April 1899) sprach Z(immermann) unter Berufung auf den Beschluß der Stadtvertretung vom 11. Dez(ember) 1890 dagegen, wurde aber vom Berichterstatter Sigerus wie vom vorsitzenden Schaf der Verwaltung428 daran fälschlich erinnert, daß er als der bei der Sache persönlich Beteiligter fol. 126r an der Verhandlung | nicht teilnehmen dürfe (§ 56 der Geschäftsordnung der Stadtvertretung). Diesen Einwurf widerlegend wies Z(immermann) mit Recht darauf hin, daß hier eine öffentliche Angelegenheit, Sicherung eines in Kraft befindlichen Beschlusses der Stadtvertretung in Rede stehe, und daß er (Zimmermann) nichts andres tue, als den Beschluß der Stadtvertretung vom 11. Dez(ember) 1890429 als gültig zu verteidigen; das sei nicht eine Privatsache, denn das von der Stadt beschlußmäßig gegründete Villenviertel sei eine öffentliche Institution. Trotz dessen verlasse er die Sitzung, überzeugt, daß die Stadtvertretung den Antrag des Magistrates nicht annehmen werde.

428 429

Siehe Anm. 422. Siehe oben fol. 116v u. fol. 118r.

Bauanlage Hallerwiese




Nach Z(immermann)’s Weggang ergriff das Wort Seminarlehrer Adolf Schullerus (Mann einer Nichte des Bürgermeisters und Schwager Karl Albrichs, Hallerwiese 13 angesiedelt), – welchem niemand vorwarf, in eigener Sache zu sprechen, – und erklärte sich gegen Errichtung eines Mauthauses auf dem von dem Magistrat dazu in Aussicht genommenen Platze. Die Stadtvertretung wies den Magistrat an, weitere Erhebungen über einen für das Mauthaus zu wählenden Bauplatz zu pflegen. – Die Erbauung eines Mauthauses, wogegen seitens sechzehn Haus- und Grundbesitzer auf der Hallerwiese unter dem 24. April 1899 schriftlich bei dem Magistrat Verwahrung eingelegt worden | war, unterblieb, und statt dessen wurde für den Mautinhaber fol. 126v im Hause Rotenturmstraße 3 Räumlichkeiten gemietet. Eine in der Rotenturmstraße eingerichtete Mautstelle konnte aber nach Eröffnung der Querstraße der Hallerwiese ihre Aufgabe nicht erfüllen, weil schon im Jahre 1899 Umgehung der Mautstelle (von der Schellenberger- und Leschkircherstraße aus über die Querstraße zur Turnschule) ermöglicht war. Mautpflichtige Ware gelangte auf diesem Wege mautfrei in die Stadt. Ordnungsgemäß war die Mautstelle außerhalb der Stadthäuser einzurichten. So klar wie Kloßbrühe – sagt man in Thüringen430.

430

Womit F. Z. an seine Schulzeit in Jena (siehe oben S. 32ff.) erinnert.

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Kampf mit einer Gaunerbande431 II fol. 81v | Gelegentlich Errichtung der Militärgrenze (1765)432 trat die sächsische Nation

fol. 82r

Ortschaften und Land zu diesem Zwecke an die Regierung ab. Hierüber stellte der Bevollmächtigte, General Siskovicz, zwei Reverse aus enthaltend die Zusage einer Entschädigung für die Abtretungen433. Diese zwei Urkunden gerieten schon im 18. Jahrhundert außer Sicht, und als man sie vom Jahre 1871 angefangen suchte behufs Geltendmachung der Entschädigung konnte kein Lebender über | dieselben Auskunft geben, auch war ihr Inhalt niemand bekannt. Im Jahre 1903 tauchten die beiden Urkunden im Antiquariat auf, und Z(immermann) kaufte sie, weil sie nachweislich ohne böse Absicht in Handel geraten waren, und weil der Entschädigungsanspruch in sächsischen Kreisen als noch nicht erloschen betrachtet wurde. Dieser belief sich auf eine Million Kronen, wogegen der Ankaufspreis mit zwanzigtausend Kronen nicht zu hoch erschien. Z(immermann) meldete die Urkunde bei dem Vorsitzenden der sächsischen Universität und der sächsischen Siebenrichter, Obergespan Gustav Thalmann, an und fragte, ob er (Zimmermann) blos kurz die Auffindung schriftlich melden oder auch die näheren Umstände der Auffindung anzeigen solle. So die Überschrift im „Lebensabriß“ Bd. II, fol. 66r. Fol. 79r heißt es „Kampf mit einer Gaunerbande sächsischer Volkszugehörigkeit.“ – Zimmermanns Disziplinarprozess 1906-1908 kann natürlich exakt nur unter Berücksichtigung des Prinzips audiatur et altera pars dargestellt werden, was intensivere Archivstudien in Hermannstadt erfordern würde. Von dort hat Thomas Şindilariu wenigstens das Schlussurteil zur Verfügung stellen können, vgl. unten S. 205ff.. Vgl. weiters S. 210ff. Zimmermanns Darstellung in seiner in Wien 1908 unter dem Titel „Ein Hermannstädter Verwaltungsspruch und der Antiquariatshandel“ publizierten Apologie (S. 6-11). Siehe auch unten S. 223f. 432 Vgl. M. B e r n a t h , Die Errichtung der Siebenbürgischen Militärgrenze und die Wiener Rumänenpolitik in der Josephinischen Zeit (in: Südostforschungen 19/1960, S. 164-192); C. G ö l l n e r , Die siebenbürgische Militärgrenze. Ein Beitrag zur Sozial- und Wirtschaftsgeschichte 1762-1851 (= Buchreihe der Südostdeutschen Kommission, Bd. 28) (1974) bes. S. 31ff., auch G. A. S c h u l l e r , Samuel von Brukenthal, Bd. 1 (1967), S. 165ff. 433 Abgedruckt im Anhang von Z i m m e r m a n n , Verwaltungsspruch, S. 54-56 u. unten S. 203f. aufgrund der inzwischen im Staatsarchiv Hermannstadt aufgefundenen (vgl. Anm. 447) Originale. Die Reverse datieren vom 15. Juni und 17. Juli 1765 und betreffen die Orte Sina im Territorium Selischte südwestlich von Reußmarkt, weiters Teile von Rakovitza bei Talmesch sowie auch Urwegen und Dobring. Sie waren, da es 1761-1768 keinen Sachsengrafen gab, für Samuel v. Brukenthal, damals siebenbürgischer Provinzialkanzler, als „sächsischen Nationaldeputirten … krafft der von der löblichen Sächsischen Nation ihm ertheilten Vollmacht“ ausgestellt. Die Zusage einer Entschädigung lautet ohne Bezifferung unpräzis: „… so ertheile ich Endesunterschriebener dem gedachten Nationsdeputirten Herrn v. Brukenthal dagegen diesen Revers und die schriftliche Versicherung, daß der löblichen sächsischen Nation dafür die Vergütung nach der Kameraltaxirung werde geleistet werden.“ Eine Einlösung des Versprechens konnte also nur durch die Sächsische Nationsuniversität oder deren Rechtsnachfolger beansprucht werden. 431

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Z(immermann) wies darauf, daß es sich nicht empfehle, den Ankauf in die Akten zu bringen, weil dann die Regierung Prüfung der von auswärts zugeflogenen Urkunden durch eine sachsenfeindliche Kommission vornehmen und Unechtheit aussprechen lassen könne. Thalmann erklärte, vorläufig sei nur die Tatsache zu melden, daß die Reverse da seien, die Siebenrichter würden das erforderliche Geld für den Ankauf „später schon herausdrücken können“. Derselben Anschauung war Universitätssekretär Karl Bock. Somit erstattete Z(immermann) im Jahre 1903 nur Anzeige vom Auftauchen der Urkunden434. Als für die Siebenrichter durch Verkauf von Holz grössere Geldbeträge verfügbar werden sollten (Februar 1906: Beschluß von Holzverkauf435) beauftragte Thalmann Z(immermann) über den Ankauf der Ur|kunden zu berichten, welchem Auftrage Z(immermann) sofort entsprach. In der zweiten Hälfte des Jahres 1906 stellte der Entschädigungsanspruch ┌ ┐ sich als verjährt heraus, weshalb die Siebenrichter am 17. Dezember 1906 beschlossen, vom Ankauf abzusehen. Da Z(immermann) erst am 22. Dezember von der Verjährung hörte, zog er seine Eingabe wegen Ankaufes der Urkunden nunmehr zurück436. Gleichfalls mit Beschluß vom 17. Dezember 1906 forderten die Siebenrichter Z(immermann) auf, über die Art der Erwerbung der Urkunden zu berichten. Das Zentralamt der sächsischen Universität, – Thalmann Vorsitzender, Orendi der neue Univers(itäts-)Sekretär – ließ diesen Beschluß ein Jahr hindurch liegen437 und gab die von den Siebenrichtern beschlossene Fragestellung ┌ ┐ erst am 5. November 1907 , zugestellt in St. Pölten am 7. November 1907, an Z(immermann) weiter, mit dem Auftrage, bis 14. November berichten zu wollen. Anstatt die naturgemäß von der Universität bzw. von den Siebenrichtern zuerst aufgegriffene, weil bei ihr anhängige Sache im eigenen Wirkungskreise zu Ende zu führen, ließ Thalmann dem am 29. Dezember 1906 von der Stadtbehörde gegen Z(immermann) angezettelten Verfahren seinen Lauf.







434 Die ordnungsgemäße Anzeige des Fundes durch F. Z. im Jahre 1903 bestätigt ein jüngst gefundenes Einreichungsprotokoll des Archivamtes von 1896-1933 im Fond Arhiva Arhivei des Hermannstädter Staatsarchivs unter Zl. 16 vom 26. Mai 1903: „Archivamt berichtet über Auffindung zweier Reverse des Barons Siskowicz aus dem Jahre 1765“. 435 Siehe dazu auch oben S. 146f. 436 Also schon nach Antritt seines Krankenurlaubes in Österreich im Juni 1906 (siehe unten bei Anm. 463). Aus der gedruckten Apologie von F. Z. aus dem Jahre 1908 „Ein Verwaltungsspruch“, S. 9 (siehe auch unten Anm. 447) erfährt man: „Am 3. Juli 1907 schickte ich die Reverse an den Bürgermeister für das Archiv ein …“ Das wird bestätigt durch ein Einreichungsprotokoll vom 17. Juli 1907; zitiert unten Anm. 447. 437 Zum zögerlichen Verhalten siehe unten Anm. 448.

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| Die Zeittafel des Treibens stellt sich wie folgt: 29. Dezember 1906 Anfrage von Realschulleiter Adolf Gottschling (Busenfreund Drotleffs) in der Stadtvertretung über den von Z(immermann) bewirkten Ankauf der Siskowicz-Reverse. 28. Januar 1907 Bericht Z(immermann)s hierüber an das Magistrats-Präsidium mit Bitte um Verlesung dieses Berichtes in der nächsten Sitzung der Stadtvertretung. – Dieser Bericht wurde der Stadtvertretung nicht vorgelegt. 14. Februar 1907 (zugestellt in St. Pölten 21. Februar) Aufforderung des Magistrates zur Rechtfertigung des Ankaufs der Urkunden binnen acht Tagen. 28. Februar, dazu Nachtrag vom 1. März, Vorstellung darüber. Auch diese Verteidigungsschrift Z(immermann)s ließ der Magistrat in die Stadtvertretung nicht gelangen. Dagegen erhielt der Stadtfiskal Dr. Hans Bordan, ein Augendiener des Magistrates, Auftrag zur Verfassung einer Anklageschrift, welche vom Magistrat im ständigen Ausschuß und in der Stadtvertretung wohl ausgenützt, dem Angeklagten jedoch zur Kenntnis nicht gebracht wurde. 8. Juli Einleitung des Disziplinarverfahrens gegen Z(immermann) durch den neuen Bürgermeister Albert Dörr aus der Sippe | Hochmeister438. Bürgermeister Dörr erläßt den Anklagebeschluß gegen Z(immermann) unter Berufung auf das dem Angeklagten nicht mitgeteilte Gutachten des Stadtfiskals. 6. August 1907 Z(immermann) beantwortet fünf durch den Bürgermeister an ihn gerichtete Protokollfragen. 21. Oktober (zugestellt in St. Pölten 28. Oktober) Verständigung des Vizegespans Gustav Reissenberger, daß Z(immermann) das Gutachten des Komitatsfiskals und den Stand des Prozesses bei dem Hermannstädter Bürgermeister einsehen könne; Frist 8 Tage. In Wirklichkeit 2 Tage, weil 6 Tage für Anfrage und Antwort erforderlich waren. Z(immermann) ersuchte den jüngeren Dr. Wilhelm Bruckner, ihn zu vertreten und erfuhr durch ihn, daß spätestens am 4. November Antwort nach Hermannstadt abgehen müßte. 4. November Äußerung Z(immermann)s (ausgefertigt dank fleißiger Beihilfe seines Sohnes Robert) über den gegen ihn angestrengten Disziplinarprozeß und Ersuchen über diesen Fall Sachverständige im Archivfache einzuvernehmen. 27. November Strafmandat des Vizegespans Reissenberger gegen Z(immermann) auf 500 Kronen Geldbuße, weil er „die der sächsischen Universität und der Stadt gehörigen Reverse angekauft“ habe; der Bitte um Einvernahme von Sachverständigen wurde Folge nicht gegeben.




438 Laut der Sippentafel auf S. 51 der Apologie „Ein Verwaltungsspruch“ war Albert Dörr’s (mütterlicher) Onkel Karl Benkner durch seine Ehe mit Wilhelmine v. Hochmeister ein Schwager von Bürgermeister (1884-1894) Wilhelm v. Hochmeister (gestorben 1897).

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20. Dezember Berufung Z(immermann)s gegen das Strafmandat des Vizegespans an die Disziplinarkommision des Ver|waltungsausschusses und Ersuchen um Einvernahme folgender Amtspersonen als Zeugen: Gustav Thalmann, Obergespan, Vorsitzender der sächsischen Universität und der sächsischen Siebenrichter; Karl Bock, Direktor der Bodenkreditanstalt, bis Ende 1905 Sekretär der säch(sischen) Universität; Josef Drotleff, bis Ende 1906 Bürgermeister der Stadt Hermannstadt; Albert Dörr, seit 1. Mai 1907 tätig als Bürgermeister der Stadt Hermannstadt; Georg Eduard Müller, Archivsekretär; Dr. Wilhelm Bruckner der Ältere, innerhalb der Jahre 1871 bis Ende 1906 Rechtsanwalt der sächsischen Nationsuniversität, seit 1876 sächs(ische) Universität, und der sächsischen Siebenrichter. 10. Januar 1908 Bestätigung des von dem Vizegespan erlassenen Strafmandats439 und Abweisung der Bitte Z(immermann)s um Einvernahme obgenannter Amtspersonen als Zeugen. – Berichterstatter der Disziplinarkommission war Dr. Gustav Henrich, aus der Sippe des Vizegespans440 und Rechtsfreund der Firma Josef Drotleff. Z(immermann) hatte schon in seiner Äußerung vom 4. Nov(ember) 1907 den jeden Unbefangenen überzeugenden Beweis dafür erbracht, daß eine Verletzung der Amtspflicht seinerseits weder nach dem Gesetze noch auch nach den Statuten oder Regierungsverordnungen vorliege, und daß auch eine Unvereinbarkeit des Ankaufs mit der Stellung als Archivar nicht | platzgreife. Das Vorgehen beruhe auf dem allgemein anerkannten Antiquariatsrecht und könnte den Siebenrichtern nichts als Nutzen einbringen. Wenn Z(immermann) tatsächlich mit den Reversen Stücke käuflich erworben habe, welche der sächsischen Universität und der Stadt gehörten, müßte Z(immermann) gerichtlich belangt werden, was aber von seinen amtlichen Bedrängern wohlweislich vermieden worden sei. Schon die Art und Weise der Prozeßführung: Gewährung nur sehr kurzer Antwortfristen, Vorenthaltung des Gutachtens des Stadtfiskals als der eigentlichen Anklageschrift, Verheimlichung von Z(immermann)’s Berichten gegenüber der Stadtvertretung, Verweigerung der von Z(immermann) erbetenen Einvernahme von Sachverständigen und Abweisung der von Z(immermann) nachgesuchten Verhörung von Amtspersonen als Zeugen – spricht deutlich für die feste Absicht der Gegner, Z(immermann) jedenfalls zu verurteilen. Z(immermann) schwieg nicht zu dem schamlosen Unrecht, welches an ihm nach einjährigem Bemühen von sächsischen Beamten gerade in jener Stadt begangen worden war, woher oft und oft der Schrei wegen Rechtsverletzung




Siehe den Text unten im Anhang S. 205ff. Laut der Anm. 438 genannten Sippentafel war Dr. Daniel (nicht Gustav) Henrich ein Cousin der Gattin des Vizegespans Gustav Reissenberger. 440

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seitens der Magyaren in die Welt hinausgesendet wurde. Z(immermann) rief gegen die Jammergestalten, welche die Aussagen von Sachverständigen und Zeugen fürchteten, die Oeffentlichkeit als Richter auf, wie er das in Hermannstadt nach Bedarf getan hatte. Allerdings mußte er die örtlichen Gewalthaber vorläufig gewähren lassen und den Ausgang | des Prozesses vorerst abwarten, aber unmittelbar nach Abschluß desselben brachte er die Angelegenheit öffentlich vor. Damit je eher mindestens seine ausführliche Darlegung vom 4. November 1907 bekannt werde, ließ er zunächst diese und in der Folge zwei weitere Druckschriften erscheinen441. … Unter der Nennung seines Namens wendete Z(immermann) sich an die weitesten Kreise, ließ die Druckschriften im Buchhandel auflegen und verteilte sie an zuständige Beurteiler im In- und Auslande. Außer der Rechtsfrage442 stellte Z(immermann) auch die Hermannstädter öffentliche Verwaltung unter Licht. Drastisch wirken die von Z(immermann) 441 Ein Hermannstädter Verwaltungsspruch und der Antiquariatshandel (Wien 1908 bei A. Holzhausen). – Aus der Vizegespanschaft Hermannstadt (Wien 1909 bei A. Holzhausen). – Archivariat und Antiquariat. Ein Beitrag zur Hermannstädter Verwaltungsgeschichte (Wien 1910 bei A. Holzhausen). – Alle drei Schriften mehr als 100 Seiten. – Aus der Sicht von F. Z. hatte die Sächsische Nationsuniversität als Archiveigner ihm entgegen früherer Praxis beim Ankauf von Archivalien (siehe oben S. 154) letztendlich die vorher in Aussicht gestellte Refundierung seiner zunächst privat aufgewendeten Kosten verweigert, obwohl er schon wegen des hohen Preises nie an eine Erwerbung der Reverse von 1765 für seine eigene Urkundensammlung (siehe Anm. 486) gedacht hatte und nun in finanzieller Schwierigkeit war. Seine Gegner aber argwöhnten anscheinend einen Diebstahl aus dem Archiv bzw. aus Brukenthal’schen Archivalien oder zumindest Hehlerei, da sich F. Z. weigerte, seinen Geschäftspartner, den Antiquitätenhändler zu nennen (siehe S. 208 das Urteil im Anhang), und sie bestritten das Recht des Archivars, entgegen den Interessen des Archivs und in Konkurrenz zu ihm, sich (wie damals viele Hobby-Historiker) als privater Sammler von historischen Altertümern wie auch Urkunden zu betätigen, selbst wenn sie für ihn nur musealen Wert haben konnten (vgl. Anm. 486) und eine private Geltendmachung der ohnehin vagen (siehe oben Anm. 433) Versprechungen von 1765 selbstverständlich völlig unvorstellbar war. Dass Brukenthal die ihm ausgestellten Reverse ans Nationsarchiv weitergegeben habe, wird nirgendwo bezeugt. Sie könnten also vor 1903 (vgl. Anm. 434) durchaus noch im Brukenthalpalais verwahrt worden sein. Über das Brukenthalsche Hausarchiv vgl. allerdings I t t u , Brukenthal-Museum, S. 19, Anm. 10, dass bes. nach 1849 „… zahlreiche Dokumente … in Privatbesitz …“ gelangten. 442 Siehe in der zitierten Apologie von 1908, S. 17: „Die Reverse sind überhaupt niemals Archivstücke gewesen, was aus den vorhandenen Protokollen und dem Befund der Reverse selbst mit Sicherheit hervorgeht, denn 1. in dem vollständig erhaltenen Eingangsprotokoll zum Jahre 1765ff. (ein Folioband im Archiv) werden die Reverse als Einlauf nicht erwähnt. Diesen Kronzeugen vor allen Sachverständigen und vor Gericht verschweigt der Magistrat. 2. In dem gleichzeitigen Sitzungsprotokoll des Hermannstädter Stadt- und Stuhlmagistrats, welches sich ebenfalls vollständig im Archiv befindet, werden die Reverse, entgegen dem damaligen Brauch, gleichfalls nicht genannt. 3. Die Reverse selbst tragen keinen auf die einstige Zugehörigkeit in die Registratur oder in das Archiv bezüglichen Vermerk.“ Laut eigener Aussage (in seiner Apologie v. 1908 S. 9; bzw. unten S. 211) hatte F. Z. die Reverse

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mit genauer Anführung von Amtszahlen und Zeit mitgeteilten Beispiele aus dem gar sehr der Besserung bedürftigen Hermannstädter Verwaltungsleben. Daraus geht hervor, daß Vizegespan Gustav Reissenberger dringend Veranlassung gehabt hätte, zuerst vor der eigenen Türe zu kehren, als einen alten Beamten verdächtigen zu lassen und unter schwerer Rechtskränkung mit Geldstrafe zu belegen443. am 3. Juli 1907 dem damaligen Hermannstädter Bürgermeister Albert Dörr zur Weitergabe an das Archiv zugeschickt (siehe Anm. 436). Das geschah mit der Absicht, dass man an den Originalen das Fehlen von Archivsignaturen und Eigentumsvermerken feststellen könne. Freilich war 1765 die Signierung von Archivalien noch nicht generell üblich. Über deren Registrierung in Hermannstadt siehe G. D u z i n c h e v i c i , Zur Geschichte des Staatsarchivs von Hermannstadt (in: Forschungen zur Volks- und Landeskunde 2/1959, S. 75-96), auch V l a i c u , Archiv, S. 53ff. Vgl. weiters Anm. 447. – Im Schuldspruch (siehe unten im Anhang) spielt als Beweis für die Archivierung der Reverse nach 1765 ein „Index-Fragment“ eine gewisse Rolle. Es konnte bisher im Hermannstädter Staatsarchiv nicht aufgefunden werden. Es dürfte aber ohnehin irrelevant sein, weil es laut dem Text nicht etwa die Registrierung der Siskovics-Reverse vom 15. Juni 1765 und vom 17. Juli 1765 enthalten haben soll, sondern eine Eintragung betreffend die Militärgrenze vom 12. Mai 1765; siehe schon oben Anm. 32. Im Gundelsheimer Siebenbürgen-Institut aber fand sich im Zimmermann-Nachlass (unter der Signatur A-4362 Bd. 9/2h) eine 1910 von G. E. Müller, dem Nachfolger von F. Z. im Archiv, vidimierte Abschrift (hergestellt von Dr. Joh. Roth, einem ehemaligen Mitarbeiter von F. Z. am Urkundenbuch) aus einem „Bruchstück eines alten Index nach Gegenständen und Loculamenten“ (insgesamt 55 Seiten) (mit der Hermannstädter Signatur U.Z. 1402/910). Laut Roth stammte seine Vorlage (also jenes „Bruchstück“) aus dem Ende des 18. Jahrhunderts (letzte Eintragung auf S. 29 von 1782). F. Z. soll dieses „Index-Bruchstück“ gekannt und auf einem „aufgeklebten Zettel“ darauf aufmerksam gemacht haben, dass auf „Blatt 3 Nr. 24 Sinna – Rakovitza“ genannt werde. Tatsächlich findet sich an dieser Stelle (S. 5 der Vorlage) (S. 6 der Abschrift von 1910) der Eintrag: „1765 Generalis Siskovitz assecurationes bonificationem de Sina et Rakovitza concernentes in duobus frustis“. Laut Roth „zeigt“ diese „Eintragung“ aber „einen andern Schriftzug“ als der übrige Text seiner Vorlage, nämlich des Originals des „Bruchstücks“. Eine spätere Einfügung kann nicht ausgeschlossen werden. Insgesamt waren laut der Abschrift Roths aus 1910 mehr als 500 „documenta“ in dem „Bruchstück“ regestriert worden, nach Betreff und chronologisch geordnet. Das älteste Dokument ist das merkwürdigerweise auf 1200 datierte „Andreanum“ von 1224 (auf S. 40 der Vorlage unter Nr. 13) (= S. 32 der Abschrift von 1910) (ed. Z i m m e r m a n n , Urkundenbuch 1, S. 32ff.). Nirgendwo in seinem 1892-1902 erschienenen „Urkundenbuch“ oder in seinem „Archivführer“ (2. Aufl. 1902) erwähnt F. Z. dieses handschriftliche Regestenwerk. Vermutlich ist es erst danach (vielleicht 1903, vgl. Anm. 434) aufgetaucht. 443 500 Kronen; siehe oben S. 176 zum 27. Nov. 1907. Am 12. Febr. 1908 berichtet der Hermannstädter Magistrat der sächsischen Nationsuniversität, dass „Archivar Franz Zimmermann die … über ihn verhängte Geldstrafe von 500 K. eingezahlt habe, wodurch … die Disziplinarsache erledigt erscheine“ (siehe Nationsarchiv Hermannstadt U.Z. 158/1908) (mit folgenden Marginalnotizen): Kenntnisnahme in der Generalversammlung der sächsischen Nationsuniversität; „von der Verlesung der Zuschrift Fr. Zimmermanns wurde Abstand genommen 3. Dez. 1908“. Den Schlussakt des Zimmermann-Prozesses hat der Kronstädter Archivar Mag. Thomas Şindilariu im Hermannstädter Staatsarchiv (2011) aufgefunden. Er befindet sich auch gedruckt in: „Verhandlungsprotokolle der Generalversammlung der sächsischen Universität und der Siebenrichter in der Zeit vom 14. bis 21. November 1908“

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Wie Z(immermann) sich verteidigt, kräftig seine Widersacher anpackt und sie als Heuchler entlarvt, wirkt äußerst wohl|tuend auf jeden Freund des Rechtes. Nicht Z(immermann), sondern der Vizegespan und seine Vorarbeiter gingen aus diesem, Rachegefühl entsprungenem Prozesse befleckt hervor. Das bezeugen unwiderleglich die Urteile hervorragender Juristen und Fachmänner, welchen die Prozeßakten übermittelt wurden444. Z(immermann)’s Druckschriften blieben unerwidert. Daß kein einziger der Angreifer auf seine Amtsehre ein Wort der Erwiderung zu sagen wußte, bietet vollkommene Genugtuung dem Manne, welcher bekannte: „Wenn ich genötigt wäre, mir das Geständnis zu machen, ich hätte während meiner Dienstleistung als Archivar in Hermannstadt allen meinen Vorgesetzten zu Gefallen zu leben mich bemüht, müßte ich vor mir selber mich schämen.“445 Weitere Genugtuung folgte. Nachdem im Herbst 1909 die Schrift „Aus der Vizegespanschaft Hermannstadt“ ihren Weg auch in die Amtszimmer der Berichterstatter für Komitate und für Städte im ungarischen Innenministerium gefunden hatte, näherte sich das amtliche Nichtstun des Obergespans Thalmann, unter welchem die Hermannstädter Verwaltung zurückging, seinem wohlverdienten Ende. Er mußte seine letzte Amtsreise nach Pest antreten, um dort den Befehl entgegen zu nehmen, allsogleich sein Abschiedsgesuch einzureichen. Das traf ihn wie ein Blitz aus heiterem Himmel. In seinem Aerger | richtete Thalmann an den Hermannstädter Komitat ein in deutscher Sprache verfaßtes Abschiedsschreiben – das einzige deutsche Schriftstück, welches der Komitat von ihm während seiner Obergespanschaft, in den Jahren 1891

(Hermannstadt 1909), S. 23, Nr. 43: „U.Z. 158/1908 connex 954/1908. Der Abgeordnete (Ernst Thullner) referiert über den Bericht des Magistrates Nagyszeben betreffend das Disziplinarverfahren und die Bestrafung des Archivars Zimmermann und die Aeußerung des Letzteren bezüglich der Reverse betreffend Rakovicza – von der Verlesung der Letzteren wird über Beschluß der Generalversammlung abgesehen – und stellt namens der Archivkommission den Antrag: Die wohllöbliche Generalversammlung wolle beschließen: Der Bericht des Nagyszebener Stadtmagistrats über die Erledigung der Disziplinarsache des Archivars Franz Zimmermanns wird zur Kenntnis genommen. Der Antrag wird einhellig zur Kenntnis genommen und sonach zum Beschluß erhoben.“ – Die prompte Bezahlung der Pönale noch im Februar 1908 war natürlich kein Schuldeingeständnis, sondern erfolgte wohl so rasch, um die ohnehin verzögerte Erledigung des Ansuchens um vorzeitige Pensionierung (siehe unten S. 191) nicht weiter zu behindern. – Vgl. auch die Darstellung des Prozessverlaufes aus der Anm. 441 genannten Apologie von F. Z. „Ein Verwaltungsspruch“ aus 1908, S. 6ff., nachgedruckt unten im Anhang S. 210ff. 444 In seiner Anm. 441 zitierten Schrift über „Archivariat und Antiquariat“ verweist S. 7f. F. Z. auf Gutachten aus den Staatsarchiven Berlin, München, Dresden, Karlsruhe, Budapest und Wien sowie S. 25f. als „ein Beispiel aus neuester Zeit, aus dem Jahre 1908“ auf den erst in Budapest, dann in Wien als Archivar tätigen Urkundensammler Dr. Ludwig Thalloczy. 445 Zitat aus der Anm. 441 zitierten Schrift über die Vizegespanschaft, S. 32.

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bis 1910, erhalten hat. Am 8. Mai 1910 trat Thalmann, am 6. Juni desselben Jahres Vizegespan Reissenberger in den Ruhestand446. Die sächsische Universität blieb regungslos gegenüber der Vergewaltigung, welche die politische Behörde an dem Archivar sich erlaubte, obgleich der Vorsitzer der Universität, Obergespan Thalmann, nicht nur den Verlauf des Prozesses, sondern auch seine Ursache genau kannte447. Die Universität hatte umso mehr Veranlassung, das Disziplinarverfahren näher sich anzusehen und ein Wort dazu zu sprechen, als der Ankauf der Siskovicz-Reverse sie als Rechtsnachfolgerin der sächsischen Nation allein, nicht auch die Stadt anging448. 446 Ein Konnex zwischen dem Prozess und den Pensionierungen lässt sich sonst nirgendwo ausmachen. Die Schrift über die „Vizegespanschaft“ (siehe Anm. 441) polemisiert (wie der Titel besagt) auch eher gegen die Amtsführung des Vizegespans Gustav Reissenberger als gegen die des Obergespans und nominellen Sachsengrafen Gustav Thalmann. Vgl. über dessen Informierung über den Fund der Reverse oben Anm. 434. 447 Siehe oben Anm. 434. In dem oben Anm. 434 zitierten „Einreichungsprotokoll“ findet sich unter Zl. 25 vom 17. Juli 1907, Mz. 9355/1907, die Notiz: „Magistrat fordert entsprechende Aufbewahrung der zwei Baron Siskoviczischen Reverse vom Jahre 1765, welche am 6. Juli 1907 durch Archivsekretär Müller übernommen worden sind, ferner Bestätigung des Empfanges dieser Reverse. Bericht über die Verwaltung derselben im hiesigen Archiv“. Inzwischen sind (2011) auch die Reverse von der Hermannstädter Archivarin Corina Sebişan im Staatsarchiv Hermannstadt (in der Colecţia de documente medievale) gefunden worden und können nun aufgrund der Originale publiziert werden (siehe unten S. 203f.). Es handelt sich um zwei Papierblätter (im Ausmaß von ca. 23 x 38 cm) ohne jeglichen kalligraphischen Aufwand in der damals gebräuchlichen deutschen Kurrentschrift wohl von einem Kanzleibeamten beschrieben und von Siskovics eigenhändig in lateinischer Kursive über dem aufgedrückten Siegel unterschrieben. Die Originale tragen tatsächlich keine Archivsignaturen aus 1765, wie Z i m m e r m a n n , Verwaltungsspruch, S. 17 schreibt (siehe oben Anm. 442). Unmöglich kann die Einordnung von Urkunden aus 1765 in eine Kollektion mittelalterlicher Dokumente (documente medievale) unter deutscher Archivleitung, also vor 1945 oder vor 1948, erfolgt sein, da für sie sicher die deutsche Periodisierung des Mittelalters bis zur Entdeckung Amerikas durch Columbus 1492 oder die ungarische bis zur Schlacht von Mohács 1526 gegolten hätte. Die Edition der Reverse im Anhang von „Ein Verwaltungsspruch“, S. 54-56 (siehe Anm. 441) normalisiert die Orthographie, anders die Edition unten im Anhang S. 203f.. 448 F. Z. bestritt also die Zuständigkeit des Magistrats für den Disziplinarprozess, während dieser auf dem Standpunkt stand, dass er in erster Linie Beamter der Stadt und für die Nationsuniversität nur zusätzlich im Nationsarchiv beschäftigt sei (vgl. auch Anm. 8 u. oben S. 75f.). – Immerhin scheint Z. im neuen Magistrat auch Fürsprecher gehabt zu haben; vgl. Z i m m e r m a n n , Verwaltungsspruch, S. 8f. u. unten S. 211f.: „Der Magistrat brachte die Angelegenheit in der Sitzung des ständigen Ausschusses der Stadtvertretung vom 24. Juni 1907 vor … Der Magistrat beantragte, es solle – obwohl das von dem Archivar in Sachen der Reverse befolgte Vorgehen nicht korrekt sei – über die Sache zur Tagesordnung übergegangen und dieser Antrag der Stadtvertretung zur Annahme empfohlen werden. Der ständige Ausschuß versagte indessen dem Magistratsantrag seine Zustimmung…“ Weiters: „Am 3. Juli 1907 schickte ich die Reverse an den Bürgermeister als Widmung für das Archiv ein … Der Bürgermeister meinte hierauf, daß nunmehr die ganze Angelegenheit zu einer bloßen Formalität geworden sei … Da kalkulierte der Bürgermeister, er könne den Archivar

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Franz Zimmermanns Zeitbuch

Das der politischen Behörde449 über den Archivar zustehende Disziplinarrecht schloß Freiheit in der Beurteilung des Disziplinarverfahrens für die Universität nicht aus. Noch im Jahre 1900 (UnivZl. 751 aus 1900, Sitzung vom 13. Dez. 1900) hatte die Universität „die ersprießliche Tätigkeit“ des Archivamtes anerkannt und „die schwierigen Dienstverhältnisse, die hierdurch bedingte erschwerte Besorgung der dem genannten Amt zufallenden Agenden“ gewürdigt, aber die Universität ließ Z(immermann)’s Rechtfertigung ungelesen in den Akten liegen. Die Uni|versität begann im Jahre 1907 die Früchte zu pflücken, welche sie Z(immermann)’s Arbeit in Sachen der Echtheit der Schenkungsurkunde Königs Ladislaus von 1453 betreffend die Herrschaft Talmesch verdankte (Holzgeschäft450), verschloß aber ihre Ohren sogar gegenüber der von ihr bei Z(immermann) bestellten Äußerung451. Ueber Beschluß der Universität vom 17. Dezember 1906 erging an Z(immermann) Auftrag (befördert durch Thalmann erst am 5. Dezember 1907) über den Ankauf der Siskovicz-Reverse zu berichten. Z(immermann)’s hierauf am 12. Dezember452 1907 gegebene Antwort gelangte aber in der Universität nicht zur Verlesung. Auch von Z(immermann)’s Äußerung vom 2. November 1908 wollte die Universität nichts wissen. Von sächsischer Seite wurde stets Beschwerde darüber geführt, daß der 43. Gesetzesartikel vom Jahre 1868453 seitens der Magyaren nicht eingehalten werde, und daß die im Gesetz verheißene Einrichtung der sächsischen Selbstverwaltung laut § 10 des obgenannten Gesetzes nur „mit Anhörung der Betreffenden“ (also der Sachsen) ins Werk gesetzt werden dürfe. Aber in der Universität regte sich ein Gefühl der Verpflichtung nicht, die Verteidigung eines aus Rache verfolgten Beamten mindestens anzuhören. nur freisprechen … Es würde in der Stadtvertretung Spektakel geben, weshalb er den Akt an den Vizegespan abgab …“ 449 Also statt der Nationsuniversität oder der Stadt dem Komitat als staatlicher Institution und dessen Repräsentanten, dem Obergespan und Vizegespan. Immerhin scheint man auch hier gezögert zu haben; vgl. Z i m m e r m a n n , Verwaltungsspruch, S. 9 (u. unten S. 212): „Der Komitatsfiskal Dr. Arnolf Böck hielt ganz richtig die politische Behörde zur Einleitung des Disziplinarverfahrens für nicht zuständig, ohne daß ein Strafantrag vonseiten der sächsischen Universität vorläge …“ Man wollte also das Verfahren wieder zurückweisen. – So jedenfalls die autobiographische Darstellung von Zimmermann, in seiner 1908 in Wien gedruckten Apologie. 450 Siehe oben S. 146f., u. bei Anm. 435. 451 Gemeint ist die am 17. Dez. 1906 erfolgte Anforderung eines Berichtes; siehe oben. Gemeint sind weiters die Vorgänge von Dez. 1906 bis Nov. 1907; siehe oben S. 174f. 452 Vgl. auch oben S. 175. 453 Betreffend die Union Siebenbürgens mit Ungarn; vgl. Wa g n e r , Quellen, S. 224ff.

Kampf mit einer Gaunerbande

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Laut Bescheid UnivZl. 1361 aus 1908 vom 3. De|zember wurde von der durch Z(immermann) erbetenen Verlesung seiner Äußerung vom 2. November 1908 in der Universität abgesehen, und in ihrer Sitzung vom 21. November 1908 wurde der Magistratsbericht Zl. 993 aus 1908 vom 12. Februar 1908 über die Durchführung des Disziplinarverfahrens zur Kenntnis genommen454.

Siehe oben Anm. 443. Es folgt im „Zeitbuch“ Bd. II, fol. 87r das Kapitel über die Versetzung in den Ruhestand (siehe unten S. 191ff.). 454

fol. 87r

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Franz Zimmermanns Zeitbuch

Abschied von Hermannstadt455 II fol. 114v | Die Art der Behandlung456 im Jahre 1904457 legte mir klar vor Augen, wie die

geistige Arbeit des Archivars bewertet wurde, und dies befreundete mich mit dem Plane des Rücktritts458. Dazu kam ein dienstlich sehr schlechter Winter 1905/6. Archivsekretär Georg Eduard Müller erkrankte im Herbst; da er für sich wissenschaftlich arbeitete459, war damals für mich wichtiger die Beihilfe des Amtsdieners Fleischer, der Ende Oktober erkrankte und am 1. Februar 1906 als vom Typhus genesen sich meldete. Für die Monate November bis Januar wurde vom Schaf 460 der Verwaltung (Bürgermeister Josef Drotleff) ein Diener nur zum Einheizen, einmal frühmorgens und einmal 2 h nachmittag, zur Verfügung gestellt. So mußte ich mich öfters mit Dienstmännern behelfen, welche ich für einzelne Stunden zum Ausheben und Versorgen von Archivalien auf meine Kosten anstellte. Die eigentlichen Archivräume unheizbar, in einzelnen Kanzleizimmern nach einstündigem Heizen in Kniehöhe nicht fol. 115r | mehr als 8 Grad Celsius erreichbar, über mir einen Magistrat, dem jegliche Fähigkeit abging, die Bedeutung des Archivdienstes beurteilen zu können, an der Spitze das Schaf der Verwaltung, welches persönlichem Vorteile nachjagte – recht üble Zustände.461

455 So die Überschrift im „Lebensabriß“ Bd. II, fol. 78v, wonach dann Ausführungen über die Übergabe des Archivs folgen (siehe unten bei Anm. 483). 456 Das Folgende aus dem Kapitel „Geldwirtschaft“ in Bd. II, fol. 101r-116r. 457 Angespielt wird auf die Nichtberücksichtigung des Archivars und des Archivsekretärs bei der Gehaltserhöhung der Hermannstädter Beamten; siehe dazu schon oben S. 152f., weiters F. Z i m m e r m a n n , Die neue Besoldungs-Vorlage und das Archiv (Hermannstadt 1904). 458 Andere Begründung im „Lebensabriß“ Bd. II, fol. 77v: „Am 19. Mai 1897 war Z(immermann)’s Vater, nachdem er im April seinen Wiener Haushalt Buchfeldgasse 17 aufgelöst hatte, in Hermannstadt gestorben. Am 18. März 1899 starb Z(immermann)’s Mutter. Umso weniger war für Z(immermann) Veranlassung gegeben, da länger zu bleiben, wo es am richtigen Verständnis für die Lebensbedürfnisse des Archives vollständig gebrach. Das mußte in Z(immermann) den Entschluß reifen lassen, den Ruhestand aufzusuchen, wenn auch Erkrankung zunächst an solchen Schritt erinnerte.“ Vgl. dazu unten Anm. 462. 459 Siehe seine Publikationen in T r a u s c h , S c h u l l e r , H i e n z , Schriftsteller-Lexikon, Bd. IX, S. 226ff. 460 Siehe Anm. 422. 461 Anders im „Lebensabriß“ Bd. II, fol. 77v: „… im Uebrigen durfte Z(immermann) sich selbst bedienen: Nachfeuern, Uebertragen von Archivalien aus dem Aufbewahrungsraum in die Kanzleizimmer des Beamten sowie der Archivbenützer, Stadtgänge zu Aemtern, zur Post, in Bibliotheken usw.“.

Abschied von Hermannstadt

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Als ich 1906 von heftigem Augenkatarrh befallen wurde462, erbat ich halbjährigen Urlaub …463 | Auflösung des Haushaltes auf der Hallerwiese 5, 1906. Auf Grund eigener II fol. 78r Ortskenntnis und nach Anfragen in und über mehrere Orte in Innerösterreich südlich der Donau fiel die Wahl auf Steyr464 in Oberösterreich, wo Bundesbruder465 Emil Stephan im Vorort Neuschönau eine Wohnung mietete. Das Haus Hallerwiese 5, dessen Gesamtkosten mit allen Nacharbeiten, Grundauffüllung, Pflasterung, Umfriedung, Wasserleitung (1895), elektrischer Leitung (1896) und Gartenanlage 18500 Gulden = 37 000 Kronen betrugen, ging durch Verkauf für 40 000 Kronen in den Besitz von Gymnasiallehrer Hans Connert und Frau Eleonore geb(orene) Schiel über. Im April schickte Z(immermann) einen Teil des Hausrates nach Steyr. Von | der Wohnung gab Z(immermann) fol. 78v Anfang Mai 1906 die südliche Seite an Connert zur Benützung und behielt für sich und seine Frau nur die 2 Zimmer, Vorzimmer, Küche und Speisekammer an der Nordseite. Von 1. Juli angefangen mietete Z(immermann) die erste Stockwohnung im Schobesbergerhause Wintergasse 7, wohin Anfang Juli die auf der Hallerwiese verbliebenen Möbel und andere Sachen durch die Archivamtsdiener Fleischer und Maichen Zerves aus Großau überführt wurden; Mietzins (4 Zimmer, Küche, Zubehör) aufs Jahr 700 Kronen. Am 5. Juni 1906 übergab Z(immermann) das Archiv466 und den Archivdienst an Archivsekretär Georg Müller und verließ Hermannstadt am 7. Juni mit halbjährigem Krankheitsurlaub. 7. Juni abends in Ofenpest eingetroffen, 8. Juni Fahrt nach Wien, Ankunft 1 h. Am 13. Juni Ankunft in Steyr und von da nach Herrichtung einiger beschädigter Möbelstücke am 20. Juni Auszug nach Neuschönau, Hauptstraße 20. Ende August 1906 nach St. Pölten, Schulpromenade 41, alsdann Umschau nach einem Bauplatz für Errichtung eines eigenen Wohnhauses. Ankauf von 712 Geviertmeter Grund in der Andreas Hoferstraße von der Sparkasse mit 16,6 Meter Gassenfrontlänge. Abschluß mit der Baukanzlei Heinrich Wohlmeyer, Bauführer Baumeister | Julius Raab. Nach der fol. 79r 462 Von einer Augenoperation schon 1880 ist die Rede in Bd. II, fol. 59r; in Bd. II, fol. 99r von Gelenkrheumatismus, der 1885/1886 eine längere Kur nötig machte (siehe auch oben Anm. 408); in Bd. II, fol. 99v von einem 1885 diagnostizierten Herzklappenfehler. 463 Ab Juni 1906 (siehe unten bei Anm. 466), dann um ein weiteres Halbjahr verlängert bis Juli 1907 (siehe unten bei Anm. 468), wonach dann gleich (am 7. Juli 1907) das Pensionierungs-Ansuchen zumindest beim Stadtmagistrat gestellt wurde (siehe S. 191). 464 In Bd. II, fol. 115r ist nur von einem „vorläufigen Sommeraufenthalt in Neuschönau bei Steyr“ die Rede. Eine Mietwohnung stand weiterhin in Hermannstadt (Wintergasse 7) zur Verfügung und auch das Amtszimmer im Archiv wurde zunächst nicht geräumt (siehe unten bei Anm. 482). Ob aber an eine dauernde Rückkehr nach Hermannstadt gedacht war, bleibt angesichts der Pläne eines Hausbaus in St. Pölten sehr fraglich. 465 Wohl ein Wiener Silese. 466 Siehe auch unten bei Anm. 483 u. 485.

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fol. 79v

Franz Zimmermanns Zeitbuch

im Juli 1907 vollzogenen Fertigstellung des Neubaues Andreas Hoferstraße 8, Conskriptionszal 861, erfolgte noch Zukauf der westlichen Nachbarparzelle im Ausmaße von 740 Geviertmeter, 26,45 Meter Gassenfrontlänge467. Z(immermann)’s Abwesenheit, durch Urlaubsverlängerung auf weitere sechs Monate468 erstreckt, bot seinen Gegnern auf dem Rathause willkommene Gelegenheit zu Verdächtigung von amtswegen. Als gewähltes Mitglied der Stadtvertretung (seit 1877) sprach Z(immermann) offen über Schäden in der städtischen Verwaltung und geriet dadurch in Gegensatz zu dem Magistrat, besonders zu den Bürgermeistern Wilhelm v. Hochmeister und Josef Drotleff. Eigentlicher Leiter der Stadtgeschäfte war von Bürgermeister Gustav Kapp’s Tode (1884) an bis Sommer 1901 Obernotär, später Magistratsrat Julius Sigerus, ein Neffe Hochmeisters, eine Person schlechtesten Leumundes, aber geschickt und findig. Er war bestechlich und benötigte viel Geld nicht blos für seine Gurgel. | Wilh(elm) v. Hochmeister wurde 1884 zum Bürgermeister gewählt deshalb, weil die Stadtbeamten allgemeiner Vorrückung seine Erwählung unterstützten und den Eintritt eines tüchtigen, außerhalb des Rathauses tätigen Mannes in den städtischen Dienst verhinderten; auch war er, ein unfähiger, schwacher Vorgesetzter, den Beamten gerade willkommen. Hochmeister war außerdem abhängig nach allen Seiten, da er, gänzlich verschuldet, unter Geldnot litt, und so brauchten die Beamten nicht zu fürchten, daß er auch nur in bescheidenem Maße von dem über den städtischen Dienstbetrieb ihm zustehenden Aufsichtsrechte Gebrauch machen werde. Im Jahre 1888 wurde H(ochmeister)’s Funktionszulage (nicht pfändbar!) auf 2 400 Kronen (vorher 200 Gulden, jetzt 1 200 Gulden) erhöht, ein Tropfen auf heißem Stein. Seine Miete, Stadthaus Großer Ring 11, 2. Stock, blieb er schuldig, was alljährlich 467

Die Kosten wurden aus dem Verkaufserlös der Villa auf der Hallerwiese bestritten. Das wird fortgesetzt in Bd. II, fol. 92r-95r unter der Überschrift „Hausbau in Sanktpölten“, nämlich in der Andreas Hofer-Straße 8, eine Villa, die schon am 26. Juni 1907 bezogen werden konnte (laut Bd. II, fol. 94v), aber 1921 wegen zu hoher Unterhaltskosten von F. Z. als Pensionist in der damaligen Inflationszeit nicht behalten werden konnte, sondern wieder verkauft werden musste (Bd. II, fol. 95 und fol. 128v-129r). Dazu gedrängt hatte anscheinend vor allem auch die Gattin. Man behielt nur eine Mietwohnung im selben Hause. Dazu F. Z.: „Es gibt als gefährlichste Feinde des Sparens Leute, welche Bedürfnisse nicht einschränken wollen und welche nicht ruhen, bis auch eine bescheidene Spareinlage aufgebraucht wird. Solche Menschen dulden liegenden Besitz nicht, sondern sie rufen: Geld! – um es auszugeben. Vom liegenden Besitz hängt aber Gedeih des eigenen Volkstums ab, in ihm soll das Volkstum verankert sein. Ohne Grund- und Hausbesitz kein deutsches Volk“ (so Bd. II, fol. 129r, vielleicht in Anlehnung an die Grimm’sche Wörterbuch-Definition von „Heimat“ = „Haus und Besitz“, jedenfalls kritisch gegenüber den Wünschen der Gattin). Seine finanzielle Situation hat F. Z. mehrfach in seinem „Zeitbuch“ festgehalten, bes. Bd. II, fol. 159 im Kapitel „Mein Lohn auf Erden“ (siehe S. 194f.) und Bd. III, p. 40-44 „Meine Notlage 1924“ sowie p. 83ff. „Lohn für Arbeit“ und „Lage 1925“. 468 Bis 1. Juli 1907.

Abschied von Hermannstadt

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jedem einzelnen Stadtvertreter gedruckt mitgeteilt wurde. Er veruntreute Amtsgeld, welches Z(immermann) im Jahre 1891 bei dem Magistrat eingereicht hatte, und ließ Z(immermann) als mit der Verrechnung rückständig wiederholt öffentlich ausweisen; eine Beschwerde Z(immermann)’s verschwand im Tische des Bürgermeister, welcher mindestens das Geld erst ersetzte (1894) als Z(immermann) mit öffentlicher Besprechung des Falles drohte469. Auch sonst eignete sich H(ochmeister) Geld an, welches samt Begleitakten dem Magistrat übergeben worden war, von 600 | (sechshundert) Gulden bis auf 2 Gulden herab; der Polizeiwachmann Mayer erhielt von der Polizeihauptmannschaft 10 Gulden für Amtsfahrt nach M(aros) Vasarhely, wovon ihm 2 Gulden und einige Kreuzer verblieben; H(ochmeister) nahm dieses Geld ab, erklärte es mündlich für verrechnet und verwendete es für sich. Sein Verhältnis zu einer Kellnerin brachte der außerhalb der Stadt liegenden Gastwirtschaft (Dreieichenbräu) Nutzen, weil aus diesem Anlasse das städtische Wirtschaftsamt für gute Erhaltung des Weges dorthin fleißig vorsorgte. – Unter solchen Umständen mußte es in der Stadtverwaltung krumm gehen. Sigerus begnügte sich nicht mit freier Hand, sondern wollte in höhere Bezüge gelangen, und so schickte er den städtischen Vizenotär Albert v. Hochmeister zu dessen Vater mit der Aufforderung, um Versetzung in Ruhestand einzuschreiten. Im Jahre 1894 wählte die Stadtvertretung, bei der Eselsleiter ausharrend, Josef Drotleff zum Bürgermeister, welcher seiner Aufgabe nicht gewachsen war; unfähig zu arbeiten und durch eigene Geschäfte (Druckerei, Verlag des Siebenbürgisch deutschen Tageblattes, der Landwirtschaftlichen Blätter und verschiedener Werke, Hauptteilnehmer an der Stearinkerzenfabrik, Landwirtschaft) in Anspruch genommen470. Infolgedessen waltete Sigerus in Fortsetzung als tatsächlicher Bürgermeister seines Amtes, während Drotleff, der von ihm Intrigant Rotlauf genannt zu werden pflegte, seine amtliche Stellung zur Förderung seines persönlichen Vorteils nach Kräften auszunützte. Drotleff | stahl nicht selbst wie sein Amtsvorgänger, aber sah Andren durch die Finger. Als Hochmeister starb (6. Juli 1897), veranlaßte er das Erscheinen eines ehrenden Nachrufes im Sieb(enbürgisch) deutschen Tageblatt. Der Komitatsoberingenieur Pechy ließ sich ein Wohnhaus bauen auf einem Grunde, der wegen Nähe des Munitionsdepots mit Bauverbot belegt war. Pechy beschwerte sich bei Drotleff darüber, daß er das Haus nicht beziehen könne, worauf Drotleff ihm riet, dem Berichterstatter Sigerus „etwas“ zu geben, dann werde die Bewilligung zum einziehen erteilt werden.




Siehe zu dieser Affäre unten bei Anm. 475, weiters oben Anm. 242 u. 269 zu 1876. Über die Drotleff’schen Unternehmungen in Hermannstadt siehe M y ß , Lexikon, S. 109f. 470

fol. 80r

fol. 80v

188

fol. 81r

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Die Stadtverwaltung verriet ungezählte Mängel. Ein Hauptübelstand lag in der Art der Geschäftsführung. Nicht die Fachbeamten der Stadt, Archivar, Forstmeister, Ingenieur, Kassier, Oberbuchhalter, Stadtphysikus, Steuerkassier, berichteten im Magistrat, ständigen Ausschuß und in der Stadtvertretung über die Angelegenheiten ihres Faches, sondern sie lieferten nur die notwendigen fachlichen Ausarbeitungen dem Magistrate ein, während ein Magistratsrat oder der Obernotär darüber Bericht erstatteten. Die Zuhörerschaft, welcher die Entscheidung zustand, bekam somit Vorträge von Beamten zu hören mit ausgeborgtem Wissen, welche daher den Gegenstand nicht beherrschten. Die verfehlte Einrichtung verstärkte Macht und Einfluß zum Schaden des Ganzen. Das Verrechnungswesen gab unausgesetzt zu | Klagen und berechtigten Bemängelungen Anlaß, aber der verdiente Buchhalter Karl Herzberg kämpfte gegen Windmühlen; er war nicht Berichterstatter und der Magistrat unterdrückte seine Bemängelungen. Kam es dennoch in der Stadtvertretung zu Tadel, öfters auch von seiten Z(immermann)’s, so erteilte Drotleff unwahre Aufklärung und der alte Schlendrian ging fröhlich seinen Weg. Sich nicht verblüffen zu lassen, war Leitsatz des Schafes der Verwaltung471, z(um) B(eispiel) klagte ein Bürger über die riesige Wanzenmenge im städtischen Spital, antwortete er mit gehobener Stimme: „Ich muß als Chef der Verwaltung gegen jede Verdächtigung unsrer Spitalsärzte protestieren; sie tun ihre Pflicht, und das Spital erfreut sich besten Rufes.“ Ernst heuchelte das stets hochrote fette Mopsgesicht, als der klagende Bürger kein Wort der Erwiderung fand und sich betroffen auf seinen Sitzplatz niederdrückte472. Es änderte sich nichts zum Bessern, als Sigerus geistig und körperlich gebrochen vom Schauplatz abtrat (1901) und sein Amt als ersten Berichterstatters überging auf seinen Vetter Albert v. Hochmeister, welcher schon zufolge Schwerhörigkeit den Amtspflichten nicht gewachsen war. Bei solcher Führung der Stadtgeschäfte war mannigfacher Mißerfolg unvermeidlich, doch allein der berechtigte Hinweis darauf brachte das Schaf der Verwaltung473 und seine Gehilfen in nicht zu rechtfertigende Aufregung, welche in blinden Haß ausartete gegen Z(immermann), den man auf dem Rat …474 | Drotleffs Vertrauensmann und täglicher Besucher Rudolf Theil mußte Stadtklatsch über Drotleff auskundschaften und zutragen, denn keine Quelle schien ihm zu trübe, als daß er nicht daraus schöpfte. Das bildete seine geistige Nahrung. Nicht ein Dutzend Beamter blieben fest, alle übrigen waren Angeber und hinterbrachten dem Bürgermeister jedes freimütige Wort. Schon




Siehe Anm. 422. Über diese Affäre ist nichts aktenkundig. Siehe Anm. 422. Infolge des Seitenwechsels ist der Satz unvollendet geblieben.

Abschied von Hermannstadt




im Jahre 1896 stand Zimmermann in Gegensatz zu ihm, der immer mehr seine dienstlichen Obliegenheiten hintansetzte. Bürgermeister Drotleff, gegen dessen unablässiges, mit dem Amte unvereinbarliches Arbeiten in eigenen Geschäftsangelegenheiten Z(immermann) aufgetreten war, und Berichterstatter Albert v. Hochmeister, dessen Vater wegen Unterschlagung von Amtsgeld durch Z(immermann) hatte gestellt werden müssen475, leiteten in dessen Abwesenheit476 von Hermannstadt einen „Feldzug der Rache“ ein. Als solcher erwies sich derselbe in Ansehung der gegen Z(immermann) mitwirkenden Personen wie bezüglich der Sache477. | Selbstgefälliges478 Herabsehen auf Andre und ausgiebige Ueberschätzung II fol. 89v der eigenen Bedeutung gehört zum Tagesbedürfnis der Sachsen. Ihre Presse verzeichnet, wenn es irgendwo krumm geht, schweigt aber zu Verfehlungen im eigenen Lager. Hand in Hand damit wird Vertuschung von amtswegen ┌ ┐ geübt, und so gibt es als beste Antwort auf das bekannte Geflunker von angeblicher Pflichterfüllung für den Kenner der Wirklichkeit nur Gelächter. Nach Gesetzartikel 12 aus 1876 soll das Vermögen der sächsischen Universität und der sächs(ischen) Siebenrichter Kulturzwecken dienen479. Des öftern erfuhr das Archiv Abweisung selbst wenn es um geringe Geldbeträge sich handelte mit der Begründung, es stehe Geld nicht zur Verfügung. Das traf nicht zu. Vergleiche Folgendes: Für die Ausnützung der Millionen versprechenden Waldungen der Siebenrichter bereitete Dr. Karl Wolff Gründung einer deutschen HolzverwertungsGesellschaft vor480, wodurch für das eigene Land und Volk ein viel größerer Nutzen zu erwarten war, als aus dem Verkauf der Holzbestände an Holzhändler erzielt werden konnte. | Wolffs rastloser Arbeit war es zu danken, daß im Herbst fol. 90r 1899 die Gesellschaft, an welcher sich zu beteiligen hervorragende Anstalten und Einzelpersonen aus Wien, Berlin und München zugesagt hatten, auf dem Papiere fertiggestellt war. Noch war die Genehmigung von der ungarischen Regierung einzuholen, welche Universitätssekretär Karl Bock zu erwirken nach Ofenpest fuhr. Bock sprach in der Sache bei Ministerialrat Nemeth vor, welchen er mit eintausend Gulden zu bestechen versuchte. Auf Nemeths Anzeige hin verweigerte das Ministerium der geplanten Holzgesellschaft die Genehmigung. Wolff’s Riesenleistung war dahin. Er mußte alle Schritte rückgängig machen, 475

Siehe schon oben Anm. 469. Krankenurlaub seit Juli 1906; siehe oben Anm. 463. 477 Es folgt die Darstellung des Disziplinarprozesses; siehe oben S. 174ff. 478 Das damit beginnende Kapitel steht unter der ironisch gemeinten Überschrift „Sächsische Pflichterfüllung“. 479 Vgl. Wa g n e r , Quellen, S. 241. 480 Siehe schon oben S. 146f. 476

190

fol. 90v

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worüber er schwer erkrankte. Die sächsische Universität beziehungsweise die Siebenrichter, in deren Dienste Bock stand, fanden sich nicht bestimmt gegen Bock das nach Recht und Gesetz unvermeidliche Disziplinarverfahren einzuleiten. – Weitere Schädigung des Vermögens der Siebenrichter: In der Sitzung der Siebenrichter vom 15. Dezember 1899 ereignete sich nachstehende Verhandlung. Zu Univers(itäts)-Zal 945 und 1200 aus 1899 berichtet Albert Arz v. Straussenburg über den Verlust der Siebenrichter bei Kabedo. Die Firma Michael und Peter Kabedo, welcher das Zentralamt | der sächsischen Universität (Obergespan Thalmann, Universitätssekretär Bock) ohne jede Sicherstellung 4 ½ prozentige Schankregal-Obligationen im Betrage von 25 000 Gulden zum Zwecke der Konvertierung übergeben hatte, unterschlug das Geld und sagte bald Konkurs an. Durch Weiterverkauf eines zur Konkursmasse gehörigen Hauses verringerte sich der Schaden auf den Betrag von 19 801 Gulden 32 Kreuzer. Albert Arz beantragte, da die Uneinbringlichkeit dieses Betrages erwiesen ist, wäre der Bericht des Zentralamtes hierüber zur Kenntnis zu nehmen und der Betrag von 19 801 Gulden 32 Kreuzer abzuschreiben. Einhellig angenommen! Kein Hahn krähte über diese neuerliche Schädigung des Vermögens der Siebenrichter und Niemand regte Untersuchungen an gegen das schuldige, in eigener Angelegenheit berichtende Zentralamt.

Versetzung in Ruhestand

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Versetzung in Ruhestand.

Am 29. Januar 1908 wurde das von Z(immermann) unter dem 7. Juli 1907 eingereichte Pensionsgesuch von der Stadtverwaltung erledigt mit Bewilligung einer Jahrespension von 2200 Kronen 80 Heller, zahlbar in Monatsraten im vorhinein. Ein bei der Universität unter dem 14. Dezember 1907 von Z(immermann) eingereichtes Pensionsgesuch fand unter Verletzung des Universitätsbeschlusses Zal 1057 aus 1883481 vom 13. Dezernber 1883 kurzer Hand Abweisung durch das Zentralamt der sächs(ischen) Universität. Dagegen erhob Z(immermann) am 4. Januar 1908 Einsprache, welcher von der Universität am 21. November 1908 Folge gegeben wurde mit Bewilligung einer Jahrespension von 1890 Kronen, zahlbar in monatlichen Raten im vorhinein. R ä u m u n g d e r K a n z l e i . Als Z(immermann) seinen Abgang auf Krankheitsurlaub vorbereitete482, sah er von Räumung seines Kanzleizimmers ab. Infolgedessen verblieb in demselben (nach Uebergabe des Archivdienstes und des Archivs an Archivsekretär Georg Müller 5. Juni 1906483) einiges Privateigen|tum (Schriften, Bücher, Antiquitäten), welches weil nicht als Archiveigentum gezeichnet, folglich als dem Archiv nicht gehörig zu erkennen war. Dreimal erschienen Amtskommissionen in der Archivkanzlei, um die hinter Z(immermann) in dessen Amtszimmer verbliebenen Schriften usw. festzustellen und über ihre Zugehörigkeit Entscheidung zu treffen, am 11. Oktober 1907, 8. Juli 1908 und 7. Juli 1909. Diese Kommissionen zählten vornehmlich Leute zu ihren Mitgliedern, welche mangels an Fachkenntnissen unzuständig waren, ein sicheres Urteil abzugeben. Es kamen im Wesentlichen folgende falsche Annahmen als richtungsweisend in Geltung: alles was im Kanzleizimmer vorfindig ist, gehört dem Archiv; 481

Protocolle (wie Anm. 387) in der Sitzungsperiode vom 12. November bis 15. December 1883, S. 175: „Die Archivbeamten sind hinsichtlich des aus der Universitäts-Cassa bezogenen Gehaltes und bzw. Gehaltszuschußes pensionsberechtigt gleich den übrigen Universitäts-Beamten.“ 482 Siehe oben Anm. 463. 483 Siehe oben S. 185. – Laut Z i m m e r m a n n , Vicegespanschaft, S. 29f. war die Archivarstelle erst am 9. März 1909 ausgeschrieben und am 5. April 1909 wiederbesetzt worden. Nachfolger Zimmermanns wurde der bisherige Archivsekretär Georg Eduard Müller bis 1936 († 1944). Neben ihm fungierte als Archivsekretär der wiederum in Wien im Institut für Geschichtsforschung ausgebildete Michael Auner 1912-1919. Vgl. über die beiden T r a u s c h , S c h u l l e r , H i e n z , Schriftsteller-Lexikon Bd. V, S. 70f. u. IX, S. 224ff. Auner († 1971) wurde 1919 rumänischer Archivdelegierter in Wien und ist danach in Österreich geblieben; vgl. S a n t i f a l l e r, Institut, S. 133, Nr. 288, und L h o t s k y, Geschichte des Instituts, S. 357f. Sowohl Müller als auch Auner waren auch fürs siebenbürgische Urkundenbuch tätig; vgl. G ü n d i s c h , Urkundenbuch, Bd. IV, S. VIIf. in der Einleitung.

II fol. 87r

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fol. 88r

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Franz Zimmermanns Zeitbuch

wer daraus etwas ausgefolgt wünscht, muß sein bezügliches Eigentumsrecht nachweisen; alle an die sächsische Nationsuniversität oder an die Stadt Hermannstadt seiner Zeit gerichteten Schriftstücke oder solche Schriftstücke, welche auch nur inhaltlich zu dem Archive in Beziehung stehn, gehören dem Archiv. Dem Archivsekretär Müller war aus Angst vor des Archivars Feinden eine Gänsehaut aufgelaufen und so beanspruchte er dabei auch solche Stücke für das Archiv, welche er vor der betreffenden kommissionellen als Z(immermann)’s Eigentum ausdrücklich anerkannt hatte. | Mit vorgenannten falschen Aufstellungen, vom Archivsekretär anläßlich des vorliegenden Falles und überhaupt zum erstenmale verteidigten Grundsätzen geriet er selbst und die amtliche Kommission in Hader. Kommission und Archivsekretär zogen den Kürzeren, als mehrere Parteien außer Z(immermann) Herausgabe von Schriften forderten. Der Verein für siebenbürgische Landeskunde, das Baron Brukenthalsche Museum, Bischof Friedrich Teutsch und Gutsbesitzer Friedrich Lunaczek meldeten ihre Ansprüche auf Urkunden und andre Schriften an, welche von den Genannten Z(immermann) geliehen und von ihm behufs Benützung in der Archivkanzlei hinterlegt worden waren. Die Kommission, welche am 7. Juli 1909 tagte, folgte die geforderten Stücke aus, und auch an Z(immermann) wurden schließlich Stücke herausgegeben, welche nach obigen Grundsätzen für das Archiv hätten zurückbehalten werden ┌ ┐ sollen. Die Mehrzahl der Z(immermann) gehörigen Schrift stücke und eine mehr als 300 Stück zählende Sammlung sächsischer Schulprogramme, welche ebenfalls sein Eigentum war, wurde ihm vorenthalten und als Archiveigentum erklärt. Es verdient hier angemerkt zu werden, daß das Archiv nicht ein Dutzend sächsischer Schulprogramme besaß, als Z(immermann) anfing, eine ┌ vollständige Reihe derselben, vom Jahre 1851 angefangen von allen sieben ┐ sächsischen Gymnasien zusammen zu stellen. Diese vollständige Reihe besorgte Z(immermann) auf seine Kosten und schenkte sie dem Archiv, was ┌ ┐ dem Archiv sekretär Müller wohl bekannt war484. | Die zweite Kommission, welche am 8. Juli 1908 amtierte, fand Gelegenheit dem Zentralamte der sächsischen Universität Vernunft einzureden, welches in Zuschrift an Z(immermann) aus Dezember 1907 diesem angekündigt hatte, es habe eine „inventarische Uebergabe des Archives“ stattzufinden. So konnte nur jemand schreiben, der in völliger Unkenntnis über den Umfang des Archives, über den Raummangel und über die geschichtete Einlagerung grosser Massen von Schriften sich befand. Die von dem Archivamt an das Zentralamt eingegebenen Berichte über das Archiv und zuletzt die auf Amtskosten veröffentlichete Druckschrift „Die Lage des Archivs der Stadt Hermannstadt und 484

Zu sonstigen Ankäufen siehe oben S. 153f.

Versetzung in Ruhestand

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der sächsischen Nation“ (Wien 1905) waren im Zentralamte offenbar nicht gelesen worden. Die Kommission sprach dann aus, daß inventarische Uebergabe des Archivs unmöglich sei, und daß es bei der seitens Z(immermann)’s an Archivsekretär Müller am 5. Juni 1906 erfolgten Uebergabe485 des Archivs sein Bewenden habe. Diese amtlichen Wichtigmacher, welche noch am 7. Juli 1909 mit den anspruchsberechtigten Parteien um deren Eigentum sich zu balgen für angemessen hielten, schickten an Z(immermann) auch Stücke, welche von diesem nicht verlangt worden waren; Stücke, welche nachweislich Eigentum | des Archivs sind. Da Z(immermann) die im Jahre 1910 seinem Hermannstädter Vertreter Dr. Wilhelm Bruckner ausgefolgten Stücke vorerst prüfen, auch auf Einlagen hin untersuchen mußte, stieß er erst im Jahre 1911 auf die dem Archive eigentümlich gehörigen Stücke. Z(immermann) übersendete diese Stücke in drei Paketen dem Zentralamte der sächs(ischen) Universität, welches unter Zal 361 vom 18. April 1911 und Zal 377 vom 24. April 1911 den Empfang der beiden ersten Pakete bestätigte, eine Bestätigung über den Empfang des dritten Paketes traf jedoch bei dem Absender nicht ein486. Das ganze amtliche Verfahren, am 11. Oktober 1907 begonnen und erst im Jahre 1910 abgeschlossen, macht einen widerlichen Eindruck487.

485

Siehe oben Anm. 483. Dass sich F. Z. wie manche seiner Zeitgenossen als Sammler von Urkunden und Handschriften betätigt hat, auch „in eigener Rechnung“, erwähnt G. G ü n d i s c h in seiner Einleitung (S. VII) zum 4. Bd. des Urkundenbuches (1937). Außerdem fand sich im Hermannstädter Staatsarchiv unter U.Z. 1114 aus 1907 ein „Verzeichnis der Akten und Urkunden der Zimmermannschen Sammlung“, die von F. Z. und wohl auch schon von seinem Vater Josef Andreas Z. zustande gebracht, im November 1907 vom BrukenthalMuseum (vgl. I t t u , Brukenthal-Museum, S. 48) dem Archiv zum Ankauf angeboten wurde: 6 Seiten mit nicht weniger als 48 (Sammel-)Nummern = mehr als 2 500 Stück. Vgl. auch G. A. S c h u l l e r in: Ostland, III (1921), S. 659ff. über die Zimmermann’schen Sammlungen im Brukenthal-Museum. 487 Es folgt ein nicht näher ausgeführter Hinweis auf ein Ereignis am siebenbürgischen Landtag von 1837 und eine Äußerung des Erzherzogs Ferdinand von Este als königlicher Bevollmächtigter während des Empfanges der sächsischen Delegierten im Brukenthal-Palais. Nichts davon bei F. Te u t s c h , Geschichte, 3. Bd. (1910), S. 93ff. und in der ungedruckten Wiener philosophischen Dissertation von G. L a n g , Der siebenbürgische Landtag von 1837/8 (Wien 1950). 486

fol. 89r

194

Franz Zimmermanns Zeitbuch

|

II fol. 158r

Mein Lohn auf Erden.

Als städtischer Archivar nach Hermannstadt gewählt (1875)488 bezog ich einen Jahresgehalt von 1 000 Gulden östr(eichischer) Währung und 250 Gulden Teuerungsbeitrag, welcher unter dem Titel Quartiergeld ausgefolgt wurde. Am 16. Dezember 1875 übertrug mir die Sächsische Nationsuniversität das Amt des Nationalarchivars, wofür vom 1. Januar 1876 ein jährlicher Gehaltszuschuß von 500 Gulden mir zuging. Somit erhielt ich vom Jahre 1876 an monatlich 145 Gulden 83 Kreuzer. In der Reihe der Stadtbeamten war ich (mit 1750 Gulden) der zweitbest besoldete, da der Bürgermeister 2 400 Gulden und der Polizeidirektor (später Polizeihauptmann) 1 640 Gulden hatten. Im Jahre 1883 bewilligte mir die sächsische Universität vier Fünfjahreszulagen von je 50 Gulden, von welchen die erste sofort für mich flüssig gemacht wurde, die zweite 1886, die dritte 1891. Im Jahre 1895 führte die Stadt Hermannstadt Dienstalterzulagen ein zu je 10 v(on) H(undert), so zwar daß ich sogleich in den Genuß der ersten Zulage (100 Gulden) trat. Von 1896 an erhielt ich die vierte Fünfjahreszulage der Universität, 1. Juli 1900 die zweite städtische Dienstalterszulage. Bei den wiederholten Aufbesserungen der Gehalte der städtischen Beamten fol. 158v wurde ich stets übergangen, wie in der Druckschrift: „Die neue | BesoldungsVorlage und das Archiv. Zufolge Auftrages aus der städtischen Organisierungskommission von Franz Zimmermann. 1904 Hermannstadt“ dargelegt 489. Aus dieser Schrift geht klar hervor, daß die Archivbeamten in der Besoldungsreihe immer mehr zurückgesetzt wurden. Mit 1. Januar 1876 trat der Archivar an die 2. Stelle (unmittelbar hinter den Bürgermeister); 1894 war er an der 5., 1896 an der 6. und 1904 (im neuen Vorschlage) an der 8. Stelle. Der Archivsekretär stand 1894 an 13., 1896 an 15. und 1904 an 25. Stelle, hinter Beamten, welche nicht einmal eine Mittelschule (Gymnasium oder Realschule) bis in die oberste Klasse besucht hatten. Die Schrift erzielte wenigstens den kleinen Erfolg, daß die Stadt für den Archivar 100 Kronen Gehaltserhöhung und 300 K(ronen) Quarttiergeldserhöhung beschloß.




Mein Lohn auf Erden

Ende 1904 setzten sich demnach meine Bezüge zusammen aus Gehalt von der Stadt 1050 Gulden = 2100 Quartiergeld von der Stadt 400 Gulden = 800 Dienstalterszulagen von der Stadt 300 Gulden = 600 Gehalt von der Universität 500 Gulden = 1000 Fünfjahres-Zulage von der Universität 200 Gulden = 400 2 450 = 4 900

195

Kronen Kronen Kronen Kronen Kronen Kronen

Mit 1. Juli 1905 stiegen meine Bezüge um 220 K(ronen) als vierte städtische Dienstalterszulage. Während ich über mein Ansuchen krankheitshalber beurlaubt war (1906)490 kam das große Holzgeschäft der | Siebenrichter zum Abschlusse, und aus den fol. 159r Millionen, welche vorzugsweise meinem Eingreifen zu danken sind491, fiel auch mir etwas in die Tasche. Am 17. Dezember 1906 setzte die Universität meine Bezüge fest mit 1 500 Kronen Gehalt und 750 Kronen als 5 Zulagen, zusammen 2 250 K(ronen). Somit Gesamtbezüge am Schluße meiner Dienstzeit von der Stadt 3 520 K(ronen), von der Universität 2 250 K(ronen), zusammen 5 770 Kronen. Für 32 Dienstjahre ergaben sich als Ruhegehalt von der Stadt 2 200 K(ronen) 80 H(eller), von der Universität 1 890 K(ronen), zusammen 4 090 K(ronen) 80 H(eller). Später erhöhte die Universität meine Pension auf 2 268 K(ronen), ferner gewährte sie Kriegsteuerungszulagen, welche im Jahre 1918 die Pension überschritten. Die Stadt mußte durch höhere Gewalt verhalten werden zur Bewilligung einer Kriegsteuerungszulage, welche, 1917 beginnend, jährlich 780 K(ronen) beträgt. Die Universität beschloß im Jahre 1919 neuerliche Steigerung der Ruhebezüge, mit Wirkung vom 1. September 1919, so daß meine Bezüge sind: Von der Universität Pension monatlich 189 K(ronen) = 94,50 Lei K(ronen) = 125,– Lei Von der Universität Kriegszulage monatlich 250 183,33 K(ronen) = 91,66 Lei Von der Stadt Pension monatlich Von der Stadt Kriegsteuerungszulage 65,00 K(ronen) = 32,50 Lei Zusammen monatlich 687,33 K(ronen) = 343,66 Lei Ende August 1920 fand in Siebenbürgen amtliche | Feststellung des Kronen- fol. 159v Wertes im Verhältnisse zur rumänischen Lei-Währung statt, wobei 2 Kronen gleich 1 Lei angesetzt wurden.

490 491

Siehe oben bei Anm. 463. Siehe oben S. 146f.

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Franz Zimmermanns Zeitbuch

Infolgedessen daß meine Quittungen für das 3. Vierteljahr 1920 verloren gingen, gelangten meine Bezüge verspätet in Lei-Währung zur Ueberweisung an mich492.

492 Schon II, fol. 157v handelt „Aus dem Hungerleben 1920“ hauptsächlich aber nur die damalige magere Verköstigung betreffend. Einige Ergänzungen finden sich dann im 3. Bd. des „Zeitbuches“ p. 40ff. unter dem Titel „Meine Notlage 1924“ und unter dem Titel „Lohn für Arbeit“. Siehe unten S. 201 das Inhaltsverzeichnis des Zeitbuches.

ANHANG

198

Anhang

Zusätzliche Texte Inhalt des Zeitbuches .................................................................................

199

Aus Zimmermanns Wiener Institutsarbeit von 1875 über die Urkunden König Andreas’ II. (ediert aus der im Nachlass Zimmermann, A 4362 Bd. 6, 2h, im Siebenbürgen-Institut in Gundelsheim verwahrten Handschrift) (siehe Abbildung 3) ................................................................................ 201 Bestimmungen über den Stadtteil Hallerwiese (1890). (Zur Verteilung bestimmtes Blatt, gedruckt bei W. Krafft in Hermannstadt auf Kosten von Franz Zimmermann, im Zimmermann-Nachlass in Gundelsheim) .................................................................................... 202 Die Reverse des Barons Siskovicz von 1765 (ediert aus den Originalen, in Arhivele Statului Sibiu, Colecţia de documente medievale UV nr. 1794 u. 1795) ..................... 203 Die Schlußentscheidung im Disziplinarprozeß Zimmermann von 1908 (ediert aus einer Kopie der Prozessakte, in Arhivele Statului Sibiu, DJAN-Sibiu, fond: E. G. Müller, dosar nr. 31, cutia 7, fol. 5-11) .......... 205 Aus Zimmermanns Apologie von 1908 (nachgedruckt aus F. Z i m m e r m a n n , Ein Hermannstädter Verwaltungsspruch und der Antiquariatshandel, Wien 1908, bei Adolf Holzhausen, S. 6-11) .............................................................. 210 F. Zimmermann, Zur siebenbürgisch-deutschen Geschichtschreibung (nachgedruckt aus MIÖG Erg.-Bd. 6/1901 = Festschrift für Theodor Sickel, S. 713-719) .................................................................. 214 F. Zimmermann, Mehr Fachmänner für unser Schrifttum (Hermannstadt 1925, bei F. Michaelis – E. Dück) ................................ 219 F. Zimmermann, Zur Gründung des Vereins der Siebenbürger Sachsen in Wien (1871) (nachgedruckt aus: Blau-Rot. SiebenbürgischSächsische Nachrichten, hg. vom Verein der Siebenbürger Sachsen in Wien, 4. Jahrgang, Februar 1932, Folge 1, S. 3-4) ............................ 245

Zusätzliche Texte

199

Inhalt des Zeitbuches 1. Band Akademische Nachrichten ......................................................................... Preisaufgaben der Wiener Evang. theol. Fakultät im Wintersemester 1868/9 ....................................................................................... Statistik der landwirtschaftlichen Anstalten in Halle und Plagwitz .... Licentiat Preuß in Berlin ..................................................................... Prorektorwahl in Heidelberg ............................................................... Professor Helmholtz ............................................................................ Würzburg: Proff. Clausius und v. Scherer – Wien: Proff. Hartel und Gomperz – Bonn: Proff. Clausius (Würzburg) und Walcker .... Statistik der Professorenzahl an den preußischen Universitäten im Wintersemester 1865/6 ............................................................. Jena: Prof. Göttling † ........................................................................... Wien: Verbindungen Walhalla, Aurora, Arminia und Teutonia ........... Hermannstadt: Rechtsakademie 1845/6 .............................................. Pest: Prof. Kerkapoly ........................................................................... Wien: Proff. Plechacek, Hlasiwetz, Bauer, Zschokke, Benedikt, Vivenot, Czyslarz ...................................................................... Jena: Die Universität nach dem Weimar’schen Staatshandbuche von 1864 .......................................................................................... Hermannstadt: Prüfungen an der Rechtsakademie März 1869 ........... Leipzig: Proff. Nietzsche und Fleischer .............................................. Wien: Über den katholischen Charakter der Universität, Gutachten des juridischen Doktorenkollegiums ........................................ Burschenschaftliches aus Leipzig .............................................................. Tagebuchbruchstück aus Dezember 1869 ........................................... Mitgliederverzeichnis der Dresdensia ................................................. Verzeichnis bekannter Studenten, Leipzig .......................................... Paukcomment der Dresdensia vom Jahre 1865 .................................. Tagebuchblätter aus Hermannstadt, in den Jahren 1875 bis 1877 aufgezeichnet ............................................................................................... Antrittsbesuche in Hermannstadt, 1875-76 ......................................... Fortsetzung des Urkundenbuches zur Geschichte Siebenbürgens ...... Meine Verheiratung mit Julie Theuerkauf ........................................... Als Kostkind in der Dietrichsburg ...................................................... Leseabend bei Teutsch 1875-1876 ...................................................... Die Verwandten Dietrich, 1876-1877 ................................................. Verwandtschaft Dietrich, jüngere Nachrichten 1882ff. ....................... Frauenlos .............................................................................................

1 1 3 3 4 6 7 8 9 10 10 13 13 14 19 22 22 41 41 45 71 90 108 108 149 153 162 166 170. 174. 178.

2. Band Mein Lebenslauf 1850-1873 ...................................................................... Bemerkungen zu Josef Andreas Zimmermann ..........................................

2r 41v

200

Anhang

Arbeiten als Archivar der Stadt Hermannstadt und der Sächsischen Nation .................................................................................................. „Tausend Küsse“ in die Wirklichkeit umgesetzt ........................................ Im Institut für österreichische Geschichtsforschung 1873 bis 1875 .......... Anstellung als Archivar in Hermannstadt 1875 ......................................... Lebensabriß ................................................................................................ Kampf mit einer Gaunerbande ............................................................ Versetzung in Ruhestand ..................................................................... Räumung der Kanzlei .......................................................................... Sächsische Pflichterfüllung. Die Sächsische Universität und ihr Beamtenpersonal ................................................................................. Franz Zimmermann lieferte ....................................................................... Ein magyarischer Archivar zum Kampf mit einer Gaunerbande ............... Hausbau in St. Pölten ................................................................................. Verkauf des St. Pöltener Hauses .......................................................... Unsere Verwandtschaft mit Dietrichs ........................................................ Familientage: Eltern, Frau, Kinder, Enkel ................................................. Wie ich enthaltsam wurde .......................................................................... Geldwirtschaft und Leistungen für meine Familie .................................... Bauanlage Hallerwiese ............................................................................... Hermine Zimmermann’s Glück und Ende ................................................. Weitere Leistungen für Karl Binder und Familie ................................ Bauanlage Hallerwiese 1904 bis 1911 ....................................................... Neuere kurze Familiennachrichten ............................................................ Hochmeistergasse in Hermannstadt ........................................................... Zu Haus-Verkauf ........................................................................................ Kriegsspeisezettel 1917 ............................................................................. Über Aborte ................................................................................................ Aus dem Hungerleben 1920 ....................................................................... Mein Lohn auf Erden .................................................................................

51r 57r 62r 64r 66r 79r 87r 87r 89v 91 r 91v 92r 95r 96r 96v 97 r 101 r 116v 122 r 123v 124v 127 r 127v 128v 130 r 146v 157v 158 r

3. Band Über Karl Binder ........................................................................................ Sein Verhältnis zu Familie Zimmermann ............................................ Der Verein der Gustav-Adolf-Stiftung in Österreich ................................. Hermine Zimmermann herzkrank? ............................................................ Meine Notlage 1924 ................................................................................... Zwei erfolgreiche Arbeiten für die Sächsische Universität ....................... Lohn für Arbeit .......................................................................................... Franz Zimmermanns Lage 1925 ......................................................... Hungerleben ........................................................................................

5. 15. 25. 29. 40. 80. 83. 83. 84.

Zusätzliche Texte

201

Beiträge zur Geschichte des Urkundenwesens und der Kanzlei König Andreas II. von Ungarn Von Franz Joseph Zimmermann, Mitglied des Instituts für österreichische Geschichtsforschung. Abgegeben am 5. Juni 1875.

Für den Diplomatiker dürfte es von besonderem Interesse sein, die Urkunden König Andreas II. von Ungarn einer Untersuchung zu würdigen, einerseits weil aus derselben für seine an politischen Stürmen so reiche Regierung neue Ergebnisse zu erwarten stehen, andrerseits aber weil aus seiner Zeit eben in Folge des Charakters seiner Regierung ein erheblicher Urkundenschatz erhalten ist. Von Jahr zu Jahr mehrt sich dieser Schatz durch neue Auffindung Andreanischer Urkunden. Durch das Vorausgeschickte mag mein Versuch gerechtfertigt sein, einzelne innere Merkmale einer bestimmten Gruppe der genannten Urkunden zu erörtern. Ich sage, nur einzelne innere Merkmale, da es mir trotz meiner Bemühungen bisher unmöglich war, eine annähernd hinreichende Zahl von Originalen einzusehen, um dann, gestützt auf die Autopsie auch von äußeren Merkmalen handeln zu können. Nur in 9 Originale … konnte ich Einsicht nehmen. Außerdem benützte ich 7 Originale späterer Zeit, welche Urkunden Andreas II. inseriert enthalten. Der gesamte Urkundenvorrath, wie er mir aus Druckwerken bekannt geworden ist, beläuft sich auf 227 Stücke. … Nach Context und Protokoll lassen sich die Andreanischen Urkunden in 2 Hauptgruppen scheiden, in Diplome und Litterae. Erstere enthalten im Text eine Arenga, Publicationsformel, Corroboration nebst Ankündigung des Siegels; im Eingangsprotokoll: verbale Invocation, Name u(nd) großen Titel; im Schlußprotokoll: Datum (Incarnationsjahr) mit der Unterschrift des Kanzlers, Zeugen, Regierungsjahr. Letztere bieten uns im Context: Adresse des Empfängers der Urkunde, Publications- und Corroborationsformel; im Eingangsprotokoll nur kleinen Titel, im Schlußprotokoll Corroboration und Datum (Incarnationsjahr), bisweilen auch Kanzlerunterschrift und Regierungsjahr: Die Urkunden der ersten Gruppe nennen sich selbst meist pagina; selten kommen vor die Bezeichnungen litterae, scriptum, vereinzelt carta, privilegium; die zweite Gruppe nennen sich besonders litterae und auch scriptum. Eine nähere Untersuchung der litterae dürfte für dieselben noch Unterabtheilungen ergeben. In den nachfolgenden Zeilen wende ich mich den Diplomen zu und ziehe hierbei besonders das Eingangsprotokoll … und die Kanzlei in Untersuchung . …

202

Anhang

Bestimmungen über den Stadtteil Hallerwiese. (Einhellig festgesetzt und beschlossen in der Sitzung der Stadtvertretung von Hermannstadt vom 11. Dezember 1890).

Mag.Z. 12420/1890. 1. Die vorliegende (vom 12. November 1890, Mag.-Zal 11817 von 1890), Eingabe des Herrn F r a n z Z i m m e r m a n n , wonach derselbe die ihm gehörige Hallerwiese unter der ausdrücklichen Bedingung zu Baustellen zu parzellieren beabsichtigt, daß auf den zu verkaufenden Bauplätzen nur solide Wohnhäuser, umgeben von entsprechenden Gartenanlagen, erbaut werden dürfen, wird zur genehmigenden Kenntnis genommen, weil hiedurch eine auf die Verschönerung der Stadt und die Errichtung gesunder Wohnstätten hinzielende Absicht manifestiert wird. 2. Zur Erreichung dieser Absicht und damit auf jenem Platze ein neuer Stadtteil, wenn auch nur im Laufe von Jahren, errichtet werden könne, ist durch die Stadt Hermannstadt und auf ihre Kosten das erforderliche Straßennetz unter der Bedingung herzustellen, daß das hiezu erforderliche Terrain vom Grundeigentümer unentgeltlich der Stadt überlassen wird. 3. Dieses Straßennetz wird (laut Situationsplan) derart festgesetzt, daß eine Längenstraße von der Dreieichenstraße bis zur Rotenturmstraße in der Breite von 14 Meter hergestellt wird. Auf diese Längenstraße sind zu ziehen die folgenden Querstraßen: aus der Straußenburggasse, zwischen dem evangelischen Friedhofe und dem Turnschulgrund, aus der Rotenturmstraße die gerade Verlängerung bis zur Promenade. 4. Vorläufig wird nur die Herstellung jenes Teiles der Längenstraße bis zur Einmündung der aus der Straußenburggasse zu führenden Querstraße in Aussicht genommen. 5. Die Straßen sind, wie erwähnt, in der Breite von 14 Metern einschließlich des beiderseitigen Trottoirs herzustellen, die Straßengräben auszupflastern, die Fahrbahn zu überschottern und die Fußwege zu übersanden. 6. Die Kanalisierung ist einer späteren Zeit vorzubehalten. 7. Bezüglich der auf diesem Stadtteile zu erbauenden Wohnhäuser wird ausgesprochen, daß die Bestimmungen des III. Abschnittes der Bauordnung für die Stadt Hermannstadt keine Anwendung finden. 8. Hinsichtlich der vor jedem Hause herzustellenden Vorgärten wird bestimmt, daß diese keine geringere Breite als 5 Meter erhalten sollen.

Zusätzliche Texte

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Die Reverse des Barons Siskovicz von 1765. (Zeilenwechsel wird durch Cruren / markiert.)

(I) Nachdem der Sächs(ische) Nations-Deputirte Herr / von Bruckenthal, krafft der von der Löbl(ichen) Sächs(ischen) / Nation Ihm ertheilten Vollmacht, den in dem / Herrmannstädter Stuhl belegenen Antheil des / Dorfes Sina, nach dessen bisherigen Umfang / und Gräntzen, und zwar in so weit die Portio/nes deren dortigen Adelichen Compossessorum / als welche anderweitig zu dem Granitz-Mili/tarStandt herbeygezohen worden, nicht mit / darunter begriffen sind, ferner denjenigen Antheil der angräntzenden Szelisztjer Territorii, welcher denen Ein/wohnern von Sina bishero von denen Septem Judicibus der / Sächs(ischen) Nation, gegen eine jährliche Taxam überlaßen / gewessen, und nunmehro durch neuaufgeworfene Gra/nitz-Hauffen bestimmt ist, und weiters einen an das / Dorf Sina angräntzenden schmahlen Strich Terrains von / denen angräntzenden Sächs(ischen) ReismarkerStuhls Dörfern / Urbegen und Doborka zum Behuf des Granitz-Milita/ris völlig abgetretten, und zu diesem Ende an Mich / übergeben, auch mir das förmliche Cessions-Instru/ment darüber behändiget hat; So ertheile ich Endes / Unterschriebener dem gedachten Nations-Deputir/ten Herrn von Bruckenthal dagegen diesen Re/vers und die schriftliche Versicherung, daß der löbl(ichen) / Sächs(ischen) Nation dafür die Vergütung nach der / Cam(m)eral-Taxirung werde geleistet werden. Zu / wessen mehrern Bekräftigung Ich diesen Revers / eigenhändig unterschrieben und untersiegelt. So / geschehen Sina den 15 Junii 1765. Der Röm(ischen) Kays(erlichen), auch zu Hungarn und / Böheim Königl(ichen) Apostol(ischen) May(estät) GeneralFeld/MarschallLieutnant, würklicher Hof/Kriegs-Rath, Obrister über ein Regiment / zu Fuß, des Militarischen Mariae Theresiae / Ordens Ritter, und zur Errichtung der Gra/nitz-Regimenter in Siebenbürgen Aller/höchst bestelter Commissarius Baron Siskovicz m(anu) p(ropria)

204

Anhang

(II) Nachdem der Sächsischen Nations-Deputirte / Herr von Bruckenthal, krafft der von der Löbl(ichen) / Sächs(ischen) Nation Ihm ertheilten Vollmacht, den / in dem Herrmannstädter Stuhl belegenen / Antheil des Dorfes Rakovicza nach dessen bis /herigen Umfang und Gräntzen, wie solche zwi/schen diesem Dorfe und denen herum lie/genden Dörfern Felsö Sebes, Talmatsch, Girels/au und Frek festgesetzet sind, und ferners/hin ohnverrückt verbleiben, nebst allen auf / diesem Territorio belegenen Waldungen und / zwar insoweit die Portiones deren dortigen / Adelichen Compossessorum, als welche anderwei/tig zu dem Granitz-Militar-Standt herbeyge/zohen werden, nicht mit darunter begriffen sind, / wie auch mit dem zu diesen Dorfe gehörigen / Gebürge Rakovicsanul, in soweit solcher der / Herrmannstädter Antheil des Dorfes Rako/vicza gemeinschaftlich mit denen dortigen / Compossessoribus besessen hat, zum Behuf des Gra/nitz Militaris abgetreten und zu diesem Ende an mich / übergeben, auch mir das förmliche Cessions-Instrument / darüber behändiget hat; So ertheile ich Endesunterschrie/bener dem gedachten Nations Deputirten Herrn von Bru/ckenthal dagegen diesen Revers, und die schriftliche Ver /sicherung, daß der Löbl(ichen) Sächs(ischen) Nation dafür die Ver/güttung nach der Cam(m)eral-Taxirung werde geleistet / werden. Zu wessen mehrerer Bekräftigung ich diesen / Revers eigenhändig unterschrieben und untersiegelt. So ge/ schehen Rakovicza den 17 Julii 1765. Der Röm(ischen) Kays(erlichen) auch zu Hungarn und Böheim Königl(ichen) /Apostol(ischen) May(estät) GeneralFeldmarchalLieutnant, / würklicher HofKriegsRath, Obrister über ein / Regiment zu Fuß, des Militar(ischen) Mariae Theresiae Or/dens Ritter, und zur Errichtung der Granitz Regi/menter in Siebenbürgen Allerhöchst bestelter / Commissarius Baron Siskovics m(anu) p(ropria)

Zusätzliche Texte

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Die Schlußentscheidung vom 10. Januar 1908 im Disziplinarprozeß Vom Verwaltungsausschuss des Szebener Comitates. Z(ah)l 2702/907. Gegenstand: Disciplinarsache des Archivars Franz Zimmermann. Dem Magistrate Hier. Der Disciplinarausschuss des Verwaltungsausschusses des Szebener Comitates hat in der am heutigen Tage abgehaltenen Sitzung die durch den Vicegespan des Szebener Comitates mit Entscheidung Z(ah)l 11403/907 erstinstanzlich erledigte Disciplinarsache des gemeinsamen Archivars der Stadt N(agy)szeben und der sächs(ischen) Universität Franz Zimmermann über die beim Vicegespan des Szebener Comitates am 19. Dezember 1907 unter Z(ah)l 12531 eingereichte Appellation des Beschuldigten der Prüfung unterzogen und die folgende

Schlussentscheidung erbracht. Der Disciplinarausschuss bestätigt unter Abweisung der Appellation des Beschuldigten die Schlussentscheidung Z(ah)1 11403/907 des Vicegespans des Szebener Comitates. Gegen diese Schlussentscheidung, deren ein Exemplar dem Beschuldigten, zu Handen des N(agy)szebener Advokaten Dr. Wilhelm Bruckner jun(ior), dem Magistrate der Stadt N(agy)szeben und dem Centralamte der sächs(ischen) Universität zuzustellen ist, ist im Sinne des § 99 des XXII. G(esetz) A(rtikels) ex 1886 und § 33 des XX. G(esetz) A(rtikels) ex 1901 nur ein Überprüfungsgesuch an den Herrn k(öniglichen) ung(arischen) Innerminister zulässig und ist dieses beim Vicegespan des Szebener Comitates einzureichen.

Begründung I. Bei Schaffung der siebenbürgischen Militärgrenze hatte Feldmarschallleutnant Baron Siskovitz im Frühjahr 1765 mit Baron Brukenthal als dem bevollmächtigten Vertreter der sächs(ischen) Nation wegen Überlassung der Gebiete der Siebenrichter von Szeliste, Sinna, Dobring, Urwegen und Rákovicza eine Vereinbarung getroffen und zum Beweis derselben zwei mit dem Datum vom 15. Juni und 17. Juli 1765 ausgestellte Reverse ausgestellt, in denen für die sächs(ische) Nation nach den überlassenen Gebieten das Recht auf Entschädigung ausgesprochen worden ist. Die sächs(ische) Universität und die Stadt N(agy)szeben haben sich infolge des Interesses der Siebenrichter und der Stadt N(agy)szeben an dieser Sache wegen Geltensmachung der nach Aufhebung des Institutes der Militärgrenze fällig gewordenen Entschädigungsansprüche um die Auffindung dieser beiden Dokumente seit lange bemüht. Auf die Zuschrift des Centralamtes der sächs(ischen) Universität an den Magistrat der Stadt N(agy)szeben dato 27. November 1883 wegen Suchen nach dem Dokumente über das Rakowitzaer Gebiet erstattete der Leiter des gemeinsamen

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Anhang

Archives der sächs(ischen) Universität und der Stadt N(agy)szeben Franz Zimmermann unter A(rchiv)Z(ah)l 36/883 den Bericht, dass derartige Akten sich im gemeinsamen Archive nicht befänden. Am 6. Mai 1903 unter Z(ah)l 16 berichtet der beschuldigte Archivar dem Centralamte der sächs(ischen) Universität, dass er von den eben damals aufgefundenen Originalurkunden Abschriften vorlege und beantragt, dass von diesen Originalurkunden die beglaubigte Abschrift angeordnet werden möge. Die vorgelegten Abschriften hatte Beschuldigter eigenhändig angefertigt und hebt bezüglich der Dokumente in seinem Berichte obiger Zahl hervor, dass sie insbesondere auch das Interesse der Stadt N(agy)szeben berührten. Am 14. Februar 1906, daher beinahe nach Ablauf von 3 Jahren teilt Beschuldigter dem Centralamte der sächs(ischen) Universität in einer Privateingabe mit, dass er die fraglichen 2 Urkunden um 20 000 K(ronen) aus Eigenem gekauft habe, dass es im Interesse der Siebenrichter liege, diese Dokumente zu erwerben und erbietet sich gleichzeitig, die Urkunden zu überlassen, wenn die Siebenrichter die durch ihn (den Beschuldigten) auf die Erwerbung aufgewendeten Baarauslagen d(as) i(ist) 20 000 Kronen ersetzen. Infolge dieses Kaufanbotes, das Aufsehen zu erregen geeignet war, wurde Beschuldigter zur Erklärung aufgefordert, – denn es ist tatsächlich ein aufsehenerregender Umstand, dass ein Archivar der Behörde, bei der er angestellt ist, ein solches Dokument, das eben nach der Natur der Sache zum Nachweise der Rechte seiner oberen Behörde geeignet ist und dessen ausschliessliche Zugehörigkeit eben zu dem durch ihn verwalteten Archive handgreiflich ist, – zum Kaufe anbietet; beschuldigter Archivar gab über die Art der Erwerbung die Aufklärung, dass er die Dokumente von einer Person, deren Namen anzugeben er sich weigere, angeblich um 20 000 Kronen gekauft, die Auszahlung der 20 000 K(ronen) aber durch ihn könnte er, abgesehen davon, dass hiedurch der Name des Verkäufers bekannt werde, schon deswegen nicht nachweisen, weil über den Kaufpreis zur Ersparung der Stempelgebühr (!) eine Quittung nicht ausgestellt worden sei. Im übrigen bemerkte er, dass er zum Ankaufe der Urkunden berechtigt gewesen sei, weil sie nicht aus dem durch ihn verwalteten Archive stam(m)en, oder wenn sie jemals dort aufbewahrt gewesen seien, jedenfalls vor seinem Eintritte in das Archiv dort schon nicht mehr gewesen seien. Im Laufe der Zeit aber, wenn die Stadt N(agy)szeben und die sächs(ische) Universität auf die Urkunden jemals ein Recht gehabt hätten, sei dies durch Verjährung jedenfalls erloschen, so dass die Urkunden damals, als er sie erworben habe, als verkehrsfähige Ware zu betrachten gewesen wären, so dass er sie ohne jedes Bedenken ankaufen konnte, umsomehr, weil eine solche Vorschrift nicht bestehe, welche ihm als Privatmann die Erwerbung von Urkunden verbietet. Er beruft sich darauf, dass bezüglich Erwerbung von Urkunden das überall allgemeiner Usus auch bei uns in Ungarn sei und hebt hervor, dass für das durch ihn verwaltete gemeinsame Archiv auch die Stadt N(agy)szeben ebenfalls solche Dokumente gekauft habe, deren Eigentumsrecht sie nicht geprüft habe, trotzdem die Urkunden einst das Eigentum anderer gebildet hätten. Denselben Standpunkt äussert Beschuldigter auch im Verlaufe der nach Einleitung des Disciplinarverfahrens geführten Untersuchung, sowie in seiner Appellation gegen die appellirte Vicegespansentscheidung und betont, dass sein Vorgang, der nur den Gegenstand eines archivalischen Fachurteiles bilden könne, keinen

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Einwand unterliegen könne, sondern es beweise sein Verhalten nur seine Opferwilligkeit, wenn er zum Zwecke der Wahrung der Interessen der Siebenrichter und der Stadt N(agy)szeben die ihm angebotenen Urkunden ohne Bedenken aus Eigenem gekauft habe nur zu dem Zwecke, dass er den Übergang derselben in fremde Hände verhindere. II. Diesem gegenüber sind vor allem die folgenden festgestellten Tatsachen hervorzuheben. Beschuldigter hatte Kenntnis davon, dass die Urkunden, von deren Zustandebringung die Möglichkeit des Beweises wichtiger Rechte abhing, schon seit Jahren den Gegenstand des Suchens bildeten. Über Auftrag seiner oberen Behörde hat er selbst gesucht und dem Centralamte der sächs(ischen) Universität im Jahre 1883 selbst berichtet, dass die Dokumente im Archiv nicht gefunden worden seien. Im Jahe 1903 berichtet er unter Z(ah)l 16 amtlich, dass von den eben damals im Originale aufgefundenen Dokumenten beglaubigte Abschriften anzufertigen wären, und legt zugleich die einfachen Abschriften vor. Im Monate Februar 1906 bietet er in einer Privateingabe die Dokumente um 20 000 K(ronen) zum Kaufe an. In dem Zeitraume von 3 Jahren erstattet er seiner Oberbehörde über die angeblich private Natur der Dokumente keinen Bericht, das heisst, er hält das Centralamt der sächs(ischen) Universität durch die in seinem Berichte vom 6. Mai 1903 Z(ah)l 16 enthaltenen Ausdruck, dass die Dokumente aufgefunden worden seien, in der Überzeugung, dass die Urkunden im Archive durch seinen Archivar gefunden worden seien, denn der Bericht lässt eine andere Deutung nicht zu. Später, da er nach seiner Aussage infolge der Waldverkäufe die Finanzlage der Siebenrichter für besser hält, bietet er die Dokumente als sein Privateigentum zum Kaufe an. Als er erfahren hatte, dass die Entschädigungsansprüche verjährt seien, zieht er sein Kaufanbot zurück und schenkt die beiden Urkunden am 3. Juli 1907, daher schon in der Zeit der Disciplinaruntersuchung in einem Briefe an den Bürgermeister der Stadt N(agy)szeben dem Archive und hätte hiedurch 20 000 K(ronen) verloren. In dem Einreichungsprotokoll des Stadt- und Stuhlsmagistrates vom Jahre 1765 findet sich mit dem Datum vom 12. Mai eine auf die Militärgrenzangelegenheit bezügliche Eintragung und der Umstand, dass die beiden Urkunden in einem alten Indexbruchstück aufgenommen sind ( – die jetzt erwähnten beiden Urkunden befinden sich im vereinigten Archive, die Abschriften sind den Disciplinarakten angeschlossen – ) macht die Zugehörigkeit der beiden Reverse zum Archive zweifellos, abgesehen davon, dass diese schon nach der Natur ihres Gegenstandes und der Interessenten nur in dieses vereinigte Archiv gehören können. Aus diesen Spuren aber ist nicht festzustellen, in welcher Zeit nach den erwähnten Eintragungen die beiden Dokumente aus dem Archive verloren gegangen sind. Der Verteidigung des Beschuldigten gegenüber kann die rechtliche und disciplinar Beurteilung der Sache mit Rücksicht auf die amtliche Stellung des Beschuldigten nur die folgende sein: Das vom Beschuldigten bezüglich des Handels mit Urkunden Vorgebrachte kann, obgleich er sich auf den allgemeinen Usus beruft, um seine bona fides hiedurch glaubwürdig zu machen, in vorliegendem Falle nicht angenommen werden.

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Das Eigentumsrecht der sächs(ischen) Universität und der Stadt bezüglich der Urkunden ist solange, als nicht glaubwürdig nachgewiesen ist, dass die Eigentümer auf ihr Eigentumsrecht verzichtet haben oder es auf andere übertragen haben, als aufrecht bestehend zu betrachten. Eine solche rechtslöschende Handlung des Eigentümers hat niemand bewiesen und das fortwährende Suchen nach den Urkunden lässt diese auch nicht vermuten. Die angebliche Erwerbung des Beschuldigten könnte aber nach den Verfügungen des Privatrechtes nur dann bestehen, wenn er sie bona fide mit dem zur Eigentumsübertragung berechtigten Vorgänger vollzogen hätte; § 367 und 1463 des A(llgemeinen) B(ürgerlichen) Ges(etz)b(uches). Die Prüfung des angeblichen Kaufgeschäftes von diesem Gesichtspunkte ist einerseits unmöglich, weil der Beschuldigte es selbst dazu macht durch die Weigerung den Namen des angeblichen Verkäufers zu nennen. – Anderseits schliessen aber die amtliche Stellung des Beschuldigten, die volle Kenntnis der Detailumstände der Angelegenheit und das, dass er beim Suchen der Urkunde selbst mitgewirkt hat, die bona fide für ihn vollständig aus. Der durch den Beschuldigten bezüglich des Handels mit Urkunden behauptete Usus könnte, wenn eine bona fides vorläge, bei Urkunden von rein geschichtlichen Werte noch den Gegenstand der Discussion bilden, aber in vorliegendem Falle, in dem er solchen Urkunden gegenüber stand, die nach der damaligen Auffassung zum Beweise noch geltend zu machender Rechte geeignet waren und daher für den Eigentümer von eminentem materiellen Werte waren, – kann dieser angebliche Usus den Gegenstand einer ernsten Erwägung nicht bilden, insbesondere zum Vorteile eines solchen Archivars, der eine das Eigentum seiner Oberbehörde bildende Urkunde wissentlich, unter Berufung auf einen solchen Usus erwerben will. Rechtlich ist daher der Standpunkt des Beschuldigten unbegründet und der Umstand, dass er den Namen seines angeblichen Rechtsvorgängers zu nennen und die Bezahlung der als Gegenwert der Urkunden angeblich gegebenen 20 000 K(ronen) nachzuweisen sich weigert, benimmt seinem Vorgange noch mehr den Schein der bona fides und qualificirt das behauptete Kaufgeschäft als nicht erwiesen zugleich als unwahre Behauptung. Damit erhält auch die disciplinäre Seite der Frage ihre Qualifikation. Der Archivar, der den in § 82 des XXII. Ges(etzes) Art(ikels) ex 1886 vorgeschriebenen Eid abgelegt hat, ist verpflichtet, die mit seinem Amte verbundenen Pflichten mit gewissenhafter Pünktlichkeit zu erfüllen. Die Verpflichtung dieser gewissenhaften Pünktlichkeit enthält auch jenes Gesetz, das für ihn die Erwerbung der fraglichen Urkunden, wie immer sie in seinen Besitz gelangt seien, verboten hat. In den Kreis der Verpflichtungen des Archivars gehört zweifellos auch das, dass er bei der Erwerbung von Urkunden, die ihrer Natur nach in das durch ihn verwaltete Archiv gehören, aber dort tatsächlich noch fehlen, ehrlich mitwirke. Es ist daher selbstverständlich, dass bei der Erwerbung solcher Urkunden die Archivbeamten als Koncurrenten nicht auftreten können. Dies schliesst die Stellung der Beamten direkt aus. Sie sind in erster Linie in der Lage, das Fehlen, die Wichtigkeit, Eignung und Wert der zu erwerbenden oder rückzuerwerbenden Urkunden am gründlichsten wahrzunehmen. Sollen wir sie berechtigen, dass sie ihre in dieser Hinsicht besonders hervorragende Stellung dazu benützen, um die Rolle der gefährlichsten Konkurrenten zu spielen? Der Archivar kann seine eigenen Interessen und die Interessen seines

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Dienstes gleichzeitig nicht pflegen. Hieraus versteht sich das Konkurrenzverbot von selbst. Die sonst unumschränkte Freiheit des Archivars zur Erwerbung von Urkunden endet dort zweifellos, wo in das Archiv gehörige Urkunden in Rede stehen. Nur wenn er seinen Charakter als Archivar ablegt, kann er solche Urkunden erwerben. Eine solche Ablegung seines amtlichen Charakters aber ist ihm verboten, weil er dann nicht nur seine mit seinem Amte verbundene Pflicht versäumt, sondern diese auch schwer verletzt, weil er mit der in seinem Amte erworbenen gesamten Erfahrung bewaffnet dem verratenen Amte als dessen gefährlichster Konkurrent gegenübertritt. Es war daher unbedingte Pflicht des Beschuldigten, von dem Auffinden der Urkunden seiner Oberbehörde sofort Bericht zu erstatten und diese hiedurch in die Lage zu versetzen, ihre Rechte an den Urkunden dem angeblichen Verkäufer gegenüber geltend zu machen und diese rückzuerwerben. – Statt dessen hat er einen solchen Bericht erstattet, der seine Oberbehörde irre geführt hat, ja das Concept seines Berichtes beweist direkte die Absicht irre zu führen. Denn unbestreitbar ist die Fähigkeit des Beschuldigten, klare, nicht miss zu deutende Berichte zu verfassen. Diesem nach hat er die auf das Auffinden der Urkunden gerichtete Bemühungen nicht nur nicht gefördert, sondern sie direkt vereitelt und sein Vorgehen noch damit gekrönt, dass er für die Urkunden, die in seinem Besitz unter schwerer Verletzung seiner amtlichen Pflichten und durch Missbrauch seiner Vertrauensstellung gelangt waren, auch materielle Vorteile zu erwerben bestrebt war. Denn das Kaufgeschäft und der angeblich gezahlte Kaufpreis ist durch nichts erwiesen und so kann das Kaufgeschäft als Bemäntelung seiner Gewinnsucht in Rechnung kommen umso mehr, weil der ganze Vorgang des Beschuldigten, aber auch die Behauptung selbst die Glaubwürdigkeit vollständig ausschliesst. Die Tatsache, dass der Vorgang des Beschuldigten nicht gelungen ist, kann an der Qualifizierung der Sache nichts ändern. Der geschilderte Vorgang bildet daher eine im Punkt a des § 90 des XXII. G(esetz) A(rtikels) ex 1886 umschriebene Pflichtverletzung und zwar der schwersten Art. Trotzdem hat der Disciplinarausschuss mit Rücksicht darauf, dass der Beschuldigte bis zur Begehung des den Gegenstand des Verfahrens bildenden Vergehens die mit seinem Amte verbundenen Pflichten einwandfrei erfüllt hat und bisher unbestraft war, die Verfügungen der appellirten Vicegespansentscheidung zu bestätigen befunden. Die Einleitung des Disciplinarverfahrens durch den Bürgermeister der Stadt N(agy)szeben ist im Sinne § 9 u(nd) der Genehmigungsklausel des mit Beschluss der Szebener Comitatsversammlung Z(ah)l 85/901 und der Innerministerial Verordnung Z(ah)l 5108/1892 genehmigten Übereinkommens über das Personale und die Verwaltung des gemeinsamen Archives rechtmässig erfolgt und ist daher der Einwand des Beschuldigten, dass die sächs(ische) Universität seine Bestrafung nicht gewünscht habe, unbegründet. Gegeben zu Nagyszeben aus der am 10. Januar 1908 abgehaltenen Sitzung des Disciplinarausschusses des Verwaltungsausschusses des Szebener Comitates. Thalman Gustav m(anu) p(ropria) Obergespan und Sachsenkomes

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Aus Zimmermanns Apologie von 1908 Des Prozesses erster Teil: Untersuchung, geführt von dem Hermannstädter Magistrat. Im Januar 1907 hörte ich aus privater Mitteilung, daß wegen des von mir vollzogenen Ankaufes der Reverse öffentlich Anfrage gestellt worden sei. Erst mit Anklagebeschluß vom 8. Juli 1907 wurde mir kurz die Tatsache mitgeteilt, daß in der Sitzung der Stadtvertretung vom 29. Dezember 1906 betreffs des bezeichneten Ankaufes eine Interpellation eingebracht worden sei. In einer an das MagistratsPräsidium unter dem 28. Januar abgesendeten Erklärung, enthaltend auch die Bitte um Verlesung derselben in der nächsten Sitzung der Stadtvertretung, habe ich darauf hingewiesen, daß die Reverse bereits vor meinem im Jahr 1875 erfolgten Dienstesantritt nicht in dem Archiv und in diesem überhaupt niemals sich befunden haben, daß der Ankauf alter Schriften den Archivbeamten in Hermannstadt nicht verboten sei, daß ich weder die Amtsinstruktion verletzt, noch eine sonstige Verfehlung begangen und daß ich mit dem Ankauf der Entschädigungssache nur genützt habe. Meine Erklärung vermochte indessen höchst überraschende Behandlung des Falles durch den Magistrat (Referent Magistratsrat Albert von Hochmeister) nicht zu verhüten. Der Magistrat nahm vielmehr ganz unvermittelt die Schuldfrage als ausgemacht an, hielt sich wissenschaftlich für ausreichend gerüstet festzustellen, daß die Reverse aus dem Archiv stammen und aus demselben abhanden gekommen seien, und erklärte den privaten Ankauf ohne weitere Umschweife für pflichtwidrig. In Magistratszahl 1774 vom 14. Februar 1907, gezeichnet: Theis, m. p., Bürgermeisterstellvertreter (in St. Pölten mir zugestellt am 21. Februar 1907), findet der Magistrat, ohne seine diesbezüglichen Aufstellungen zu beweisen, sich berechtigt („Nachdem diese beiden Reverse der sächsischen Universität, beziehungsweise der Stadt ausgestellte Urkunden sind –“), mich wegen privaten Ankaufs zur Verantwortung zu ziehen, wieso ich diese aus dem meiner Obhut anvertrauten Archiv stammenden und von dort abhanden gekommenen Urkunden als Privatkäufer habe ankaufen können, „ohne vorher – wie es meine Dienstesverpflichtung gewesen wäre – den Eigentümern des Archivs zu berichten, daß diese Urkunden von fremder Seite zum Kauf angeboten werden, und ohne denselben so die Gelegenheit zu geben, ihre Eigentumsansprüche auf die Urkunden zu machen oder dieselben sofort selbst zu erwerben“. – Rechtfertigungsfrist für mich acht Tage. In begründeter Vorstellung widerlegte ich unter dem 28. Februar 1907 mit Nachtrag vom 1. März 1907 die gegen mich erhobenen ungerechtfertigten Beschuldigungen, unter gleichzeitiger Besprechung der mit der Sache in engster Verbindung stehenden und von ihr nicht zu trennenden archivalischen Fachfragen. Die Frage der einstigen Zugehörigkeit der Reverse in unser Archiv, welche Zugehörigkeit der Magistrat wohl behauptet, aber nicht beweist und nicht beweisen kann, habe ich für jeden Sachverständigen und für jede Gerichtsbehörde überzeugend entschieden: Die Reverse sind niemals Archivstücke gewesen. Der Magistrat hat das Gegenteil behauptet, ohne die Originale der Reverse selbst gesehen zu

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haben. Zur Prüfung der archivalischen Zuständigkeit eines Stückes bleibt aber Einsichtnahme in das Stück selbst allererste Bedingung, ohne welche Einsicht ein sachgemäßes, in Fachkreisen oder vor Gericht verwendbares Urteil einfach undenkbar ist. Die in dem Akt an den Tag gelegte Unbekanntschaft des Magistrats mit der Rechtsfrage des Eigentumsrechtes einstiger Empfänger von Urkunden auf solche Stücke, welche im Laufe der Zeit ohne nachweisbaren Dolus in Handel geraten sind, nötigte mich, auch diese Frage klar und deutlich zu erörtern und dabei den nicht nur in Ungarn, sondern auch in allen anderen Kulturländern öffentlich betriebenen Antiquariatshandel mit alten Schriften zu beleuchten. Weiters habe ich nachgewiesen, daß kein Gesetz, kein Statut (Dienstvorschrift) den privaten Ankauf alter Schriften unverdächtiger Herkunft den Hermannstädter Archivbeamten verbietet; daß der Ankauf durchaus einwandfrei ist. Hierauf wurde der grundlos angeschuldigte Archivar dem „juristischen Fachmann“ der Stadt (§ 57 des Organisationsstatuts, Magistratszahl 7243 ex 1896), dem städtischen Amtsfiskal in Behandlung gegeben, und es kam ein Fiskalsgutachten als Anklageschrift zustande, welche im weiteren Verlauf des Verfahrens gegen mich amtlich verwendet worden ist, ohne daß mir, dem Angeklagten, vorher Gelegenheit geboten worden wäre, gegen die in der Anklageschrift des städtischen Amtsfiskals enthaltenen Beschuldigungen mich zu verteidigen. Der Magistrat brachte die Angelegenheit in der Sitzung des ständigen Ausschusses der Stadtverwaltung vom 24. Juni 1907 vor, ließ die dem Angeklagten unbekannte Anklageschrift – das Gutachten des städtischen Amtsfiskals –, sodann den auf dieses Gutachten sich stützenden Bericht des Magistrats verlesen und beinzichtigte den Angeklagten einer Verletzung der Amtspflicht. Der Magistrat beantragte, es wolle – obwohl das von dem Archivar in Sachen der Reverse befolgte Vorgehen nicht korrekt sei – über die Sache zur Tagesordnung übergegangen und dieser Antrag der Stadtvertretung zur Annahme empfohlen werden. Der ständige Ausschuß versagte indessen dem Magistratsantrag seine Zustimmung und ersuchte den Herrn Bürgermeister um Einleitung des Disziplinarverfahrens gegen den Archivar, damit dieser Gelegenheit erhalte, gegenüber den in der Anklageschrift des städtischen Amtsfiskals ausgesprochenen Beschuldigungen sich zu rechtfertigen. Des Prozesses zweiter Teil: Disziplinaruntersuchung, geführt von Herrn Bürgermeister Albert Dörr beziehentlich Vizegespan Gustav Reissenberger. Am 3. Juli 1907 schickte ich die Reverse an den Bürgermeister als Widmung für das Archiv ein, damit meine amtlichen Gegner, welchen die Reverse unbekannt waren, die Originale selbst einsehen könnten. Der Bürgermeister meinte hierauf, daß nunmehr die ganze Angelegenheit zu einer bloßen Formalität geworden sei, die zwar durchgeführt werden müsse, wobei es jedoch höchstens auf ein Pönale von 100 K(ronen) hinauskommen werde. Am 8. Juli 1907 erließ Herr Bürgermeister den Anklagebeschluß gegen mich, indem er zugleich das Fiskalsgutachten in der Weise mir zur Kenntnis brachte, daß er auf dasselbe sich berief und stützte, weshalb ich im Nachfolgenden auf das

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Fiskalsgutachten mit verweise. Am 1. August 1907 erhielt ich fünf Protokollarfragen vorgelegt, welche ich am 6. August beantwortete. Da kalkulierte der Bürgermeister, er könne den Archivar nur freisprechen oder zu 100 K(ronen) Geldstrafe verurteilen, in beiden Fällen würde es in der Stadtvertretung Spektakel (!) geben, weshalb er den Akt an den Vizegespan abgab. Hierauf trat in dem Fortgang des Prozesses von August bis Oktober eine Stockung ein. Der Komitatsfiskal Dr. Arnold Böck hielt ganz richtig die politische Behörde zur Einleitung des Disziplinarverfahrens für nicht zuständig, ohne daß ein Strafantrag vonseiten der sächsischen Universität vorläge, weil die ganze Angelegenheit vor der sächsischen Universität, beziehentlich vor dem Zentralamt derselben amtlich sich abgewickelt hatte. Der Bürgermeister bemühte sich, auf den Komitatsfiskal in gegenteiligem Sinne einzuwirken und ihn zu bestimmen, die Einleitung des Disziplinarverfahrens durch die politische Behörde auch ohne Antrag seitens der sächsischen Universität gutzuheißen. Mit Erfolg. Am 20. Oktober 1907 erklärte der Komitatsfiskal die Einleitung einer Disziplinaruntersuchung, auch ohne von der Universität einen diesbezüglichen Antrag abzuwarten, nicht nur für zulässig, sondern stellte selbst, ohne die Schuld des Angeklagten auch nur mit einem Worte zu beweisen, den Strafantrag, welchen später der Vizegespan in sein Erkenntnis als Strafmandat aufgenommen hat. Am 28. Oktober wurde ich von dem Herrn Vizegespan unter Zahl 9577 ex 1907 vom 21. Oktober 1907 davon verständigt, daß ich das Gutachten des Komitatsfiskals und den Stand des Prozesses bei dem Herrn Bürgermeister einsehen könne. Nachdem ich als Schwerkranker – was in den Prozeßakten amtlich festgestellt sich vorfindet – und von Hermannstadt 22 Eisenbahnfahrstunden entfernt von der Einladung des Herrn Vizegespans nicht Gebrauch machen konnte, ersuchte ich durch einen dortigen Rechtsanwalt um gefällige Übersendung des Gutachtens in Abschrift. Das am 2. November zu meiner Kenntnis gelangte Gutachten des Herrn Komitatsfiskals vom 20. Oktober 1907 wiederholt die Aufstellungen aus den magistratischen Akten, welche hier weiter unten für jeden Sachverständigen und für jeden Richter ohne Ausnahme überzeugend widerlegt sind, insbesondere auch die Behauptung von einem Eigentumsrecht der sächsischen Universität, beziehentlich der Stadt, an den Reversen. Der Herr Komitatsfiskal stellt wie der Anklagebeschluß vom 8. Juli, beziehentlich das Gutachten des Herrn Stadtfiskals, lediglich unbewiesene Behauptungen auf und schiebt ebenfalls die ganze Beweislast dem Angeschuldigten zu. Auch die Berufung des Herrn Komitatsfiskals auf Ges(etz)Art(ikel) XXII, § 90, Punkt a) ex 1886 ist – wie ich nachgewiesen habe – hinfällig, weil kein Gesetz, kein Statut (Dienstesvorschrift) und keine Regierungsverordnung den Archivbeamten den Ankauf alter Schriften verbietet, welche ohne nachweisbaren Dolus in Handel geraten sind. Um es hier kurz zu sagen – in der Folge ist ohnehin alles ausführlich besprochen – was in der Hauptstadt Budapest gestattet und nie beanstandet worden ist, muß auch in einer Provinzstadt des Königreichs Ungarn anstandslos gestattet sein und darf keinesfalls zu einer Anklage eines Beamten führen. Zur Aufklärung bemerke ich gleich hier, daß es nicht wahr ist, daß ich mich geflissentlich weigere, den Händler zu nennen und Quittung über den vollzogenen Ankauf vorzulegen; wahr ist, daß ich heute, nach vier Jahren, die Verkaufsbedin-

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gungen nachträglich zu ändern nicht in der Lage bin, und es reinste Privatsache eines Händlers ist, sich nennen zu lassen oder Quittungen zu geben, was übrigens auch nach dem Wortlaut des Beschlusses vom 8. Juli 1907 Gegenstand der Anklage nicht ist und von rechtswegen Gegenstand einer Anklage auch nicht sein kann. Es war und bleibt ausschließlich Privatsache des Archivbeamten, von wem und unter welchen Bedingungen er alte Schriften auf seine Gefahr und Kosten ankauft, welche, wie die Reverse erwiesenermaßen, ohne nachweisbare böse Absicht in Handel geraten sind, wogegen es einen Einspruch von rechtswegen nicht gibt.

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Zur siebenbürgisch-deutschen Geschichtschreibung … Durch die Gründung des Vereines für siebenbürgische Landeskunde (1842) wurden die Kräfte gesammelt und die literarische Thätigkeit hinsichtlich der siebenbürgischen Landesgeschichte, vornehmlich aber der Geschichte der Deutschen in Siebenbürgen, neubelebt, jedoch konnte es bis noch Mangels genügender Vorarbeiten zu keiner wissenschaftlichen Geschichte des Landes oder der Siebenbürger Deutschen kommen. Bei dem gänzlichen Mangel eigener siebenbürgischer deutscher Scriptores aus älterer Zeit, von Schlözer auf Rechnung der zu reichlich dotirten, trägen Geistlichkeit geschrieben, lag die Ausarbeitung einer, kritischen Anforderungen entsprechenden Geschichte des Landes oder auch nur der Deutschen ausserhalb der Möglichkeit vor Herausgabe des wichtigeren Urkunden- und Aktenmateriales und vor wissenschaftlicher Bearbeitung der neueren inländischen Chronisten. Das wurde nicht nur von Einzelnen richtig erkannt, welche bei Gründung und erster Einrichtung des Vereines mitgewirkt haben, sondern auch von dem Vereine selbst ausgesprochen, indem er als eine seiner ersten und wichtigsten Aufgaben die Vorbereitung eines „vaterländischen Codex diplomaticus“ bezeichnet und im Anschluss an Martin Reschners urkundliche Arbeiten in Angriff genommen hat. Dagegen schien es gleichzeitig wünschenswert ausser einigen Specialarbeiten doch wenigstens eine volksthümlich gehaltene Geschichte der Deutschen bald in den Händen des Volkes zu sehen, weshalb ein Preis ausgeschrieben wurde für „eine Geschichte der Siebenbürger Sachsen für das Volk“. Die Lage war von den stimmführenden Leuten klar erfasst: Der Moment, eine wissenschaftlichkritische Geschichte der Siebenbürger Deutschen in absehbarer Zeit fordern zu dürfen, war noch lange nicht gegeben, während die Abfassung eines Volksbuches recht wohl erwartet werden konnte, auf Grund der vorhandenen literarischen Behelfe. Es kann um so weniger ein Zweifel entstehen über die Bedeutung der Preisfrage und die darüber herrschende Auffassung, als zu genauer Erläuterung noch der Beisatz dem Ausschreiben hinzugefügt worden war „nach dem Muster von Zschokke’s Geschichte der schweizerischen Eidgenossenschaft, Geschichte für das Schweizervolk“1. An diese hat Georg Daniel Teutsch sich gehalten bei Abfassung seiner Geschichte der Siebenbürger Sachsen für das sächsische Volk, welche im Jahre 1852 in den beiden ersten Heften (bis 1526 reichend) erschienen und von dem Vereine mit dem ausgeschriebenen Preise betheilt worden ist. Ein Volksbuch hatte derselbe gefordert und ein solches ist von Teutsch, 1858 vollendet, gestellt worden. Man mag über die Art der Ausarbeitung, besonders über den von dem Verfasser eingehaltenen Stil verschiedener Meinung sein, das eine erscheint doch unumstösslich: eine geschichtliche Volkslectüre war damit gewonnen, wie solche bei dem damaligen Stande siebenbürgischer Vorarbeiten nicht leicht besser hätte geboten werden können. Eine wissenschaftlich kritische Geschichte der Deutschen in Siebenbürgen sollte das Buch aber gar nicht sein und ist es auch nicht. „So lange wir“ – bekennt Johann Karl Schuller in der Vorrede zu 1 Protokoll des Vereins für siebenbürgische Landeskunde (Hermannstadt 1846) 17, 27. – Bericht von J. K. Schuller, Sitzungsberichte der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften. Philos. histor. Klasse (1850) I, 88.

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seinem begonnenen geschichtlichen Handbuch – „keine kritische Sammlung der wichtigsten Scriptores rerum Transilvanicarum, kein siebenbürgisches Urkundenbuch, nur wenige erschöpfende Monographien über einzelne Momente unserer Geschichte besitzen; so lange es uns endlich an historischen Gesellschaften fehlt, welche mit vereinter und geregelter Kraft die Erforschung derselben betreiben: solange kann auch von einer vollendeten Geschichte Siebenbürgens füglich nicht die Rede sein“2. Das gilt ebenso für eine Landesgeschichte von Siebenbürgen wie für eine Geschichte allein der Deutschen in Siebenbürgen, denn auch für diese wird es mit minderen als den von Schuller angegebenen für eine Landesgeschichte erforderlichen Vorarbeiten keinesfalls abgehen. Zu den bündig und treffend den Stand der Geschichtsforschung kennzeichnenden Worten Schullers tritt noch das Urtheil des bekannten Grafen Josef Kemény hinzu, welcher über Schullers Umrisse und kritische Studien berichtend sagt, Schuller habe damit den Jüngeren gezeigt, „wie man eigentlich eine gediegene Landesgeschichte anlegen müsse“. Es wäre ungerecht, wollte man hinterher an Teutsch’s populäre Schrift einen streng wissenschaftlichen Massstab anlegen und jeden Abschnitt nach den Grundsätzen der historischen Methode und Kritik beurtheilen, denn das entfällt schon in Rücksicht auf die Flagge, unter welcher die Geschichte der Siebenbürger Sachsen für das sächsische Volk aufgetreten ist, aber umso nachdrücklicher muss Einsprache erhoben werden gegen den mehrere Jahrzehnte nach dem Erscheinen des Buches unternommenen Versuch, nachträglich dem Volksbuch wissenschaftliche Bedeutung und kritisch-methodische Historik zuzuschreiben. Keines von Beiden. So kann denn auch die Geschichte nicht als ein erster Wurf, der das Richtige getroffen haben soll, angesehen und auch nicht gewissermassen als ein fertiger Rahmen für die Geschichte der Deutschen in Siebenbürgen betrachtet werden, in welchen nur hier und da eine Ergänzung oder ein Nachtrag einzufügen sein werde3. „Die Klarheit über die methodischen Grundfragen der historischen Quellenbenutzung, die heute dem jüngsten Adepten der historischen Muse mit leichter Mühe sich erläutern lassen, ist erst durch jahrelange Praxis der Altmeister unserer Wissenschaft erreicht worden4.“ Die Grundsätze der historischen Forschung stehen fest, auch für uns in Siebenbürgen unabänderlich. Wir aber sind allerdings noch lange nicht soweit, um sagen zu können, Ranke und Genossen erreicht zu haben. Von einer wissenschaftlichen Gemeinschaft zwischen Teutsch’s Geschichte und Ranke’s Arbeiten und Arbeitsweise, wie gelegentlich angemerkt worden ist5, weiss die Welt nichts; Teutsch und Ranke gehören überhaupt nicht neben einander. Der methodischen Geschichtsschreibung und Geschichtsforschung von Niebuhr und Ranke an, tüchtig vertreten durch die Heidelberger Schule, dann durch Georg Waitz in Göttingen und seine Schüler u. s. f. ist der Entwicklungsgang der Forschung völlig fremd, vorerst in grösseren Zügen und Umrissen eine Darstellung zu entwerfen, ohne hierzu über die erforderlichen verlässlichen Quellen zu 2 Georg Daniel Teutsch im Archiv des Vereins für siebenbürgische Landeskunde. Neue Folge IX, 12. 3 Friedrich Teutsch im Archiv des Vereins für siebenbürgische Landeskunde. Neue Folge XXII, 620. 4 Reinhold Koser in Forschungen zur brandenburgischen und preussischen Geschichte I. 5 Friedrich Teutsch im Archiv des Vereins für siebenbürgische Landeskunde. Neue Folge XXVI, 329.

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verfügen und ohne quellenmässig gearbeitete Monographien, wogegen bei uns, wie bemerkt, Johann Karl Schuller erinnert hat. Nur von dem Einzelnen zum Allgemeinen vordringend, nicht aber umgekehrt, ist sachgemässe Geschichtsschreibung denkbar, also zuerst fachwissenschaftliche Arbeit in Einzelfragen, dann erst Fortschreiten zum Allgemeinen, wird unsere Losung sein und bleiben müssen6. Ein alter Grundsatz das, der aber wie eben zu sehen immer wieder betont werden muss. Um so weniger lässt sich posthume Erhebung eines für die wertesten Volkskreise berechneten Buches zu einem Werk wissenschaftlichen Ranges begründen, denn das könnte doch mancher Orten nicht ganz richtig erfasst und verstanden werden, vielmehr zu der falschen Voraussetzung führen, die Geschichte der Siebenbürger Deutschen sei – etwa bis auf ganz geringfügige Einzelheiten, welche aber von der Gesammtauffassung und Darstellung Wesentliches anders zu gestalten nicht ausreichend sein könnte – im Ganzen fertig gestellt. Das wäre allerdings ein schöner Erfolg, aber diese Etappe haben wir noch nicht erreicht und wir konnten auch bis heute diese Stufe bei dem heutigen Stande der Quellenforschung noch nicht erreicht haben. Mit verhältnismässig äusserst geringen Hilfsmitteln, ohne Specialurkundenbuch und ohne kritische Editionen der neueren siebenbürgischen Chronisten hat Teutsch viel geleistet. Für die ältere Zeit konnte er sich ausser auf Fejér Codex diplomaticus – für Ungarn und Siebenbürgen ein bedeutendes literarisches Ereignis zu derselben Zeit, da in Deutschland Johann Friedrich Böhmer schon mit seinen urkundlichen Arbeiten eingesetzt hatte – und von 1790 herwärts bekannt gewordene Urkunden auf das von ihm aus einer Reihe von Handschriften der Battyán’schen Bibliothek in Karlsburg herausgeschriebene Urkundenmaterial stützen, welches er auch für seine ersten geschichtschreibenden Einzelheiten verwertet hat. Für die neuere Zeit folgte er vornehmlich auch den erzählenden Geschichtsquellen, wie dieselben eben vorgelegen sind. Aus den Archiven unmittelbar hat Teutsch nicht gearbeitet, eben so wenig kann er aus „kritisch gesichteten“ zeitgenössischen Aufzeichnungen geschöpft haben, weil kritische Ausgaben solcher auch heute noch nicht existieren. Für die ersten vier Jahrhunderte, bis 1526, aus welchem Zeitraum allein die wichtigsten siebenbürgischen sächsischen Stadtarchive einige Tausend Nummern besitzen, hat Teutsch überhaupt nur wenige Urkunden für seine Darstellung benützt, die Archive von Bistritz, Dees, Hermannstadt (Stadtarchiv, siebenbürgisches Fiscalarchiv), Karlsburg, Klausenburg, Kronstadt, Mediasch, Ofen (Kammerarchiv) hat er bis zur Fertigstellung des das Mittelalter behandelnden Theiles (Heft 1 und 2, 1-52 erschienen) keinesfalls ausgebeutet. Aus seinem eigenen Wohnort (Schässburg) ist ihm die Mehrzahl der dort verwahrten älteren Urkunden (aus der Periode vor 1526) zur Zeit des Entstehens der beiden ersten Hefte nach dem Texte derselben zu schliessen unbekannt gewesen. Auch in der zweiten 1874 erschienenen, mannigfach geänderten Auflage, Neues namentlich in den Abschnitten 18 bis 21 (Cultur- und Sittenbilder) und Abschnitt 22 (über Pemfflinger), ist Zweck und Anlage des Buches als eines Volksbuches selbstverständlich unverändert geblieben, und so muss auch für diese Ausgabe der Titel einer wissenschaftlich kritischen Arbeit rundweg abgelehnt werden. Die Grundlagen sind fast unverrückt dieselben: etwas mehr Urkundenmaterial für die ältere Zeit, aber immerhin wenig genug im Vergleich zu dem thatsächlich vorhan6

Hans Witte neuerdings in Grenzboten 1900, 274.

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denen und in dem Zeitraum 1858-1874, welcher zwischen den beiden Auflagen liegt, zugänglich gewordenen urkundlichen Stoff, eine Reihe noch nicht kritisch bearbeiteter Chronisten für die neuere Zeit, wozu noch die Kunstgeschichte streifende Reflexionen und Daten aus Rechnungsbüchern treten. Die neueste Auflage, von Friedrich Teutsch herausgegeben, ist eigentlich nur eine Titelauflage, denn der Herausgeber hat laut Vorwort „Aenderungen nur da vorgenommen, wo das sichere Ergebnis der tiefern Forschung bei Einzelheiten solches verlangte,“ eine sehr wenig verheissende Zusage, aber auch diese ist nicht durchgeführt. Es gehört auf ein anderes Blatt, nicht hierher, ob Volksbücher geschichtlichen Inhaltes in Intervallen von fünfundzwanzig Jahren – 2. Auflage 1874, 3. Auflage 1899 – herausgegeben werden dürfen mit nur geringfügigen Aenderungen und ohne Benützung der mittlerweile publicirten und aus Archiven leicht erreichbaren neuen Quellen, denn vor dem Forum der Wissenschaft bleibt eben auch diese fast unveränderte Auflage das volksthümliche Geschichtenbuch nach Art von Zschokke’s Schweizerlands Geschichte, als welches Georg Daniel Teutsch dasselbe verfasst hat. Da es uns aber auf Feststellung des eben erreichten Standes der Geschichte der Deutschen in Siebenbürgen und des noch zu bebauenden Arbeitsfeldes ankommt, die Geschichte jedoch im Grossen sogar als fertig bezeichnet worden ist, wird Eingehen auf das Volksbuch von Teutsch nicht vermieden werden können bei dem Versuch, Richtpunkte für unsere historische Arbeit zu erzielen. Mit anderen Worten: Teutsch an und für sich könnte Gegenstand unserer Besprechung hier nicht sein, aber mit der in die Oeffentlichkeit getragenen nicht stichhältigen Aufstellung, dass durch Teutsch im Wesentlichen die Geschichte der Deutschen (Sachsen) in Siebenbürgen endgiltig geschrieben und zwar vom wissenschaftlichen Standpunkte aus im Ganzen abgeschlossen sei, ist zu rechten, weil eine derartige wissenschaftliche Bewertung der „Geschichte der Siebenbürger Sachsen für das sächsische Volk“ als den thatsächlichen Verhältnissen widersprechend nicht anerkannt zu werden vermag. Abgesehen von ganz namhaften Correcturen an Einzelheiten, die jetzt vorläufig unberücksichtigt bleiben sollen, werden nicht nur die wichtigsten Fragen aus der Vergangenheit der Siebenbürger Deutschen bei gewissenhafter Prüfung ganz anders als bisher sich darstellen, sondern auch gegen die Art der Quellenbenützung Einwendungen zu erheben sein. Man wird sich damit rückhaltlos in Uebereinstimmung bekennen, wenn gesagt wird: „Noch eine ganze Reihe höchst wichtiger Fragen aus dem Rechts-, Cultur- und anderweitigen Leben unseres Volkes, unseres Heimatlandes harrt der Lösung“7, aber ein weiteres Zusammengehen wird unmöglich, wenn später, wie erwähnt, ungeachtet anerkannten Mangels wichtigster Vorarbeiten der Spruch erfolgt, Georg Daniel Teutsch habe die Geschichte der Siebenbürger Deutschen im grossen Ganzen fertiggestellt und dabei „das Richtige getroffen“8, was mit Recht wird bezweifelt werden müssen. Die wichtigsten Punkte aus der Geschichte der Deutschen in Siebenbürgen sind bis heute keineswegs in einer Weise bearbeitet und klargestellt, um die Aufstellung zu rechtfertigen, es seien die Grundlagen gegeben, es sei die Geschichte im grossen Aufbau fertig und es erübrige nur noch, hier und da eine Kleinigkeit bei- oder einzufügen. So stehen wir nicht. Um nur 7

Friedrich Teutsch im Archiv des Vereins für siebenbürgische Landeskunde. N. F. XVII

226. 8

Ebenda. XXII, 620.

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Einiges hervorzuheben: Die Vorgeschichte Siebenbürgens, Gang und Art, Charakter und Motiv der Besiedlung durch Deutsche, die Ständegliederung unter den Deutschen (Adel, Bürger, Bauern), die Städtegründung, Verfassung, die älteste kirchliche Eintheilung, die vielfach abweichende Stellung der verschiedenen Colonistengruppen zur Kirche und Geistlichkeit, die Beziehungen der Deutschen zu den Nachbarländern Moldau und Walachei, die Stellung der Deutschen als dritter siebenbürgischer Landstand und der Wirkungskreis der siebenbürgischen Landtage, die neuere Stadtverfassung von dem 16. Jahrhundert angefangen – das sind doch alles Hauptpunkte aus dem Leben der Siebenbürger Deutschen, sämmtlich nicht abschliessend behandelt. Bevor aber so wichtige Punkte nicht erledigt sind und solange allein in diesen, gewiss allgemein mit als grundlegend anerkannten Fragen nicht genügend vorgearbeitet worden ist, kann von einem fertigen Aufbau der Geschichte der Deutschen in Siebenbürgen nicht einmal in Umrissen die Rede sein. …

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Mehr Fachmänner für unser Schrifttum Gelegentlich der 63. Vollversammlung des Vereines für siebenbürgische Landeskunde (13. August 1921) wurde auf den Mangel eines Gelehrtenstandes unter uns und gleichzeitig auf das fühlbare Bedürfnis nach einem solchen hingewiesen, weshalb einige Stellen für fachwissenschaftlich ausgebildete Beamte an dem Nationalarchive, dem naturhistorischen und dem Brukenthalischen Museum geschaffen werden müssten. „Es ist zu bedauern, daß die Ausgestaltung des Nationalarchives nach dieser Seite nicht in Angriff genommen und durchgeführt worden ist, so lange die Möglichkeit vorhanden war.“1 Ferner in diesem Zusammenhange: „Anregung, umfassende Anregung, Widerspruch und Prüfung an fremder Meinung braucht gerade der wissenschaftliche Arbeiter.“ Diese Erinnerung ist nicht nur nach ihrer Quelle, sondern auch inhaltlich so bedeutsam, daß es wohl nicht unangebracht erscheinen wird, wenn ich zu der Sache spreche, welcher ich durch Jahrzehnte nahestand. War es für mich ja Gewissens- und Amtspflicht, die Forderung fachmännischer Schulung für Anwärter des Archivdienstes geltend zu machen und, den Verhältnissen Rechnung tragend, Vermehrung der Fachbeamtenstellen in Antrag zu bringen. Es wird leider nicht mitgeteilt, zu welcher Zeit die Möglichkeit zur Ausgestaltung des Nationalarchives nach dieser Seite hin vorhanden gewesen sein soll. Innerhalb der Jahre 1875 bis 1906 gewiß nicht, denn alle meine diesbezüglichen Vorschläge blieben seitens der Archiveigentümer unberücksichtigt, wie hier nachgewiesen werden wird. Ende des 18. und zu Anfang des 19. Jahrhunderts waren in dem der sächsischen Nation und der Stadt Hermannstadt eigentümlich gehörigen Archive Ordnungsarbeiten besorgt worden durch Verwaltungsbeamte, wie sie gerade zur Verfügung standen. Die Behütung des Archives lag in den Händen je eines Beamten der sächsischen Nationsuniversität und des Hermannstädter Stadt- und Stuhlsmagistrates. In dieser Eigenschaft erbarmte sich Friedrich Michael Herbert, nachmals Gründer (1841) und Direktor der Hermannstädter allgemeinen Sparkassa, einer größeren Anzahl von Urkunden und anderen Einzelstücken aus der Zeit vor dem Jahre 1700, welche er vor dem Verkaufe als Altpapier bewahrte und der Urkundenabteilung als Nova collectio posterior anschloß (1825 ff.). Indessen ging immer noch ein größerer Teil der auf dem Rathausdachboden frei liegenden Schriften durch Kauf in andere Hände über2. Es mangelte an einem archivalisch geschulten Fachmann. Ein Ersuchen des Vereines für siebenbürgische Landeskunde um „Ordnung“ des Archives bewog die sächsische Nationsuniversität zu dem Beschlusse, an das Nationalarchiv einen „wissenschaftlich gebildeten, in den Geschäften und den historischen Hilfswissenschaften bewanderten Mann“ zu berufen. Doch geschah nichts, weil alles in Atem gehalten wurde durch die mit der Regierung Franz Josefs einsetzenden, sich überstürzenden innerpolitischen Wandlungen. Im Jahre 1865 bekannte sich die Nationsuniversität neuerdings zu diesem Beschlusse, da 1 Friedrich Teutsch, Archiv des Vereins für siebenbürgische Landeskunde. Neue Folge. 40, 461f. 2 Die Lage des Archivs der Stadt Hermannstadt und der sächsischen Nation. Wien 1905. 51, 53.

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„unsere Archive stets die vorzüglichsten Quellen unserer Geschichte sein werden und kein Volk, das sich nicht selbst aufgibt, diese vernachlässigen darf“ und der Inhalt unserer Archive zur Beleuchtung und Beschützung unsrer Rechte diene3. Von der zweifellos dringendsten Maßregel, Bestellung eines Fachmannes, sah man leider ab und ging zunächst daran, den Gegenstand am unrechten Ende anpackend, Vorschriften für Ordnungsarbeiten zu erlassen, anstatt fachmännische Beratung und Hilfe in Anspruch zu nehmen. Aus der Feder von Verwaltungsbeamten konnten zweckdienliche Vorschriften unmöglich erwartet werden. Andrer Reihenfolge der Maßnahmen hätte es bedurft: zuerst Bestellung mindestens zweier Fachmänner als ständige und ausschließliche Archivbeamte, welchen die Abfassung einer auf der Höhe der Zeit stehenden Dienstanweisung zu übertragen gewesen wäre. Die erste Frucht, „Entwurf zu einer Dienstinstruktion für den Hermannstädter Magistrats-Archivarius“4 blieb ohne weitere Folgen. Die Revolution 1848-49 und die nächsten Aenderungen in der öffentlichen Verwaltung verhinderten Anbahnung von Verbesserungen im Archivdienst. Man klammerte sich an das Wort „Instruktion“ an und glaubte damit ein Mittel gefunden zu haben zu ausreichender Befriedigung der Bedürfnisse, welchen gerecht zu werden ein öffentliches Archiv berufen ist. Aber es dämmerte doch in einigen Köpfen, und man kam wenigstens ab von dem bisherigen Brauche, die beiden Archivare aus den Reihen der Verwaltungsbeamten nicht nur zu nehmen, sondern auch im Verwaltungsdienste weiter zu beschäftigen. Die Mehrheit der sächsischen Nationsuniversität, welche die politische Färbung des Bewerbers als die wichtigste Eigenschaft betrachtete, wählte den Jungsachsen Wilhelm Wenrich, Hauptmann im Ruhestande, zum „zeitlichen Nationalarchivar“, worauf die Stadt Hermannstadt Gustav Seivert als städtischen Archivar bestellte. Der im Jahre 1871 herausgegebenen „Instruktion zur Regelung des sächsischen Nationalarchives“5 sieht man die unzuständige Herkunft gleich im ersten Paragrafen an, welcher lautet: „Die Regelung des sächsischen Nationalarchives zerfällt in die Regelung des Urkunden-, Akten- und Protokoll-Archives.“ Der an die Regelung (Ordnung) schreitende Beamte hat somit die in dem Archivraum vereinigten Schriftenmassen nach ihrer äußeren Form, nicht nach der amtlichen Ausstellung, wie es die Archivlehre erheischt, in drei Abteilungen zu bringen. In § 13 werden in Widerspruch mit dieser Dreiteilung auch andere Archivalien, „Rechnungen usw.“, genannt. Dringende Gefahr, daß verfehlte Einteilung und Aufstellung platzgreifen könnten, bestand nun nicht, weil Wenrich Anweisung zuging, die Stücke der Urkundenabteilung, welche als solche bereits verzeichnet in Schubladenschränken untergebracht war, in zeitlicher Folge neu zu verzeichnen und hierbei die von Gustav Seivert dem unerschöpflichen Dachboden entnommenen zweihundert Urkunden in die Verzeichnung einzubeziehen. Als alter Offizier richtete er sich nach den in den §§ 2 bis 12 der Instruktion von 1871, gleichlautend in der von 1873, beziehungsweise 18746 niedergelegten Weisungen, so wie er es verstand, worüber ich mich hier nicht zu äußern habe. Daß aber die verantwortliche Behörde das Grundrepertorium, vier Ganzbände, mit den von Wenrich 3 4 5 6

Univers.Zahl 753 aus 1848, 502 aus 1865 und 641 aus 1865. – Die Lage des Archivs 8. Komitiats-Zahl 332. 1847. – Univers.-Zahl 141. 1848. Univers.-Zahl 456 aus 1871. Univers.-Zahl 1240 aus 1873 und 268 aus 1874.

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durchgeführten Uebertragungen aller Urkundentexte in die oratio obliqua sowie das zweibändige Realrepertorium von Wenrich selbst in Reinschrift anfertigen und nicht durch einen tüchtigen Kanzleibeamten schreiben ließ, ist tadelnswert. § 15 der Instruktion sieht Zuweisung erforderlicher Schreibhilfe ausdrücklich vor. Repertorien sind in leicht lesbarer, von Unarten freier, fester Kanzleischrift, nicht aber in einer Harschrift herzustellen, welche dem Augenlicht abträglicher ist als die Mehrzahl der betreffenden Urschriften. Vom fachmännischen Standpunkte aus war freilich anders vorzugehen, nicht im Einklange mit der Instruktion, welche einem falschen Wegweiser gleicht. Nicht Neuverzeichnung der in Repertorienbänden schon eingetragenen Stücke der Urkundenabteilung, sondern Sichtung und schriftliche Aufnahme der übrigen im Archivraum aufgestapelten Schriften musste die nächste Aufgabe des Archivpersonals sein. Dem dringlichen Raummangel etwas zu begegnen, ließen die Archiveigentümer anschließend an das Archivgewölbe einen Neubau mit drei Zimmern errichten, von welchen zwei dem Archiv überwiesen wurden, ferner das Gewölbe ausbessern und mit Holzgestellen versehen. Während dieser Bauarbeiten fand das Archiv in dem kleinen Kommunitätssaale (Turmzimmer) Unterkommen, worauf es wie vordem in dem Gewölbe zusammengepfercht zur Aufstellung gelangte7. Auf der Suche nach Urkunden Königs Andreas II. in Hermannstadt anwesend (September 1874) wurde ich gelegentlich Einholens der Benützungserlaubnis von Universitätsnotär Karl Schneider befragt, ob ich an dem Archive in Dienst zu treten wünsche. Obgleich ich den Eindruck hatte, daß er dem Archivdienste gut gesinnt sei und seine Bedeutung außerordentlich schätze, durfte ich, weil unbekannt mit den näheren Umständen, mich nicht binden. Insbesondere sprach dagegen das böse Verhältnis, in welchem die zwei einander nebengeordneten Archivare gegenseitig gestanden hatten, welches von Seivert erwähnt und von Schneider bestätigt wurde; da Gegensperre bestand und daher keiner ohne Mitwirkung des andern das Archiv betreten konnte, gab es allein aus diesem Anlasse fortwährend Streit8. – Als auch die Stadtgemeinde, infolge Ablebens Seiverts (1875) die Neubesetzung der Archivarstelle vornehmen sollte, trat neuerlich das Ansinnen an mich heran, dem Dienste in Hermannstadt mich widmen zu sollen. Es stand in Aussicht, daß die Archiveigentümer erfüllbare Wünsche gerne berücksichtigen würden, weshalb eine Darlegung von mir unter der Hand eingesendet werden möge, wie der Archivdienst künftig eingerichtet sein solle. – Diese Anregung, von Schneider gegeben, deutet einen Wendepunkte in der Geschichte des Archives an, denn nach ihr rückte, Instruktion hin oder her, nunmehr die Befähigung des Archivpersonals in den Vordergrund. Hieraus ergab sich von selbst der Inhalt der von mir zusammengestellten Leitsätze9 betreffs Personal, Lokalitäten und Einrichtung. Als Vorstand des Archives wird ein Archivar, Fachmann, als eigentlicher Archivleiter bestellt, dessen Obsorge das gesamte Archiv anvertraut wird, und welcher demgemäß sowohl die Schlüssel der zu dem Archivraum führenden Türen als auch die Schlüssel der 7

Magister-Zahl 8920 vom 8. Oktober 1872. Herm. Magistr.-Zahl 1472 aus 1872. – Univers.-Zahl 946 aus 1875. 9 Unter dem 21. Juni 1875 ausgefertigt; hier ohne wesentliche sachliche Auslassung gekürzt. 8

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einzelnen Archivschränke in Verwahrung hat. Dem Archivar obliegen alle Arbeiten, welche auf die Verwaltung, Ordnung und die wissenschaftliche Verwertung des Archives sich beziehen. Vertretung des Archives nach auswärts durch den Archivar. – Diesem unmittelbar untergeordnet ein fachmännisch gebildeter Archivsekretär, welchem Ausführung der vom Archivar ihm übertragenen Arbeiten obliegt. Er ist Stellvertreter des Archivars. – Ständige dem Archiv ausschließlich gewidmete Bedienung. – „Lokalitäten und Einrichtung lassen nicht viel, sondern alles zu wünschen übrig. Die Lokalitäten sind zu klein, feucht und kalt, und die Einrichtung – es fehlt sogar eine Waschvorrichtung – entspricht nicht einmal bescheidensten Ansprüchen.“ Verkehr mit dem Publikum. Schriftliche Arbeiten für Parteien sind zu bezahlen und die Einnahmen für eine Archiv-Handbibliothek zu verwenden10. Gehalt, Nationsuniversität und Stadtvertretung bestimmen als Gehalt je 1 250 Gulden, zusammen 2 500 Gulden. Hiervon 1 000 Gulden seitens der Stadt und 500 Gulden seitens der Nationsuniversität für den Archivar11, 250 Gulden seitens der Stadt und 750 Gulden seitens der Nationsuniversität für den Archivsekretär; die den Beamten der genannten Behörden etwa bewilligten Teuerungsbeiträge, Wohnungsgelder kommen auch den Archivbeamten in der ihrer Gehaltsstufe entsprechenden Höhe zu. Der Archivar erhält jährlich 24 Gulden Kanzleipauschale von der Stadt, der Archivsekretär ebensoviel von der Nationsuniversität. Außerordentliche Kanzleierfordernisse anlässlich von Registrierungsarbeiten werden abgesondert gedeckt. Amtsberichte. Jährlich oder alle drei Jahre über den Gang der Archivverwaltung, Benützung des Archives, Verkehr mit Parteien – Archivbenützung, Vorsichtsmaßregeln. – Urlaub für jeden der Beamten jährlich sechs Wochen, um mit dem Fortschritt der Wissenschaft sich bekannt machen und Verkehr mit Fachgenossen pflegen zu können. – Näheres über die Bibliothek und die Amtsstunden bleibt der Feststellung durch die Archivverwaltung vorbehalten. Die Hauptforderung, Auflassung der beiden einander nebengeordneten Archivarstellen und Anstellung eines Sekretärs, weiters Bezüge des Archivars als Vorstand des Archivars wurden gleich nach meinem Eintreten in den Dienst (23. Oktober 1875) gutgeheißen12. Archivbedienung, Einrichtung, Amtsstunden, Verkehr mit Parteien und Gründung einer Handbibliothek erfuhren nach und nach im Sinne meiner Darlegung Erledigung. Hinsichtlich der Befähigung und des Gehaltes des Archivsekretärs, dann Anordnung eines paläographisch-diplomatischen Kursus behauptete die Gegenmeinung Josef Bedeus, Orator, das heißt: Vorsitzender der Kommunität, nicht zum Nutzen des Dienstes das Feld. Er verzichtete auf fachmännische Schulung und begnügte sich daher mit 500 Gulden Gehalt, während ich 1000 beantragte, als Entlohnung für eine fachmännische Kraft. Bedeus erklärte es für möglich, daß junge Leute auch bei 500 Gulden Gehalt den Archivdienst erstreben, für welchen sie durch 10

Im September 1874 besaß das Archiv nicht ein einziges Buch. Einschließlich den Teuerungsbeitrag mit 250 Gulden, zusammen 1 750 Gulden = 3 500 Kronen, womit der Archivar vom 1. Jänner 1876 an zwischen den Bürgermeister (4 800 Kronen) und Polizeidirektor (3 280 Kronen) eingereiht erschien. 12 Beschlüsse der sächsischen Nationsuniversität vom 16. und der Stadtkommunität vom 18. Dezember 1875. 11

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Teilnahme an einem dreimonatlichen Kursus über Paläographie und Diplomatik sich vorbereiten könnten13. – Also zuerst ins Amt, hinterher Vorbildung in Eile binnen drei Monaten! – Ich mußte auf die Unmöglichkeit aufmerksam machen, in so kurzer Zeit, mangels jeglicher fachwissenschaftlicher Hilfsmittel etwas rechtes zu lernen, während man in Wien zur Bewältigung des umfangreichen Lernstoffes drei Jahre brauche; auch unsre Leute müssten an vollwertigen Lehranstalten Ausbildung suchen. Mehrjährige Erfahrung bestätigte meine Voraussetzungen. Der Posten des Archivsekretärs war auserkoren zur Unterbringung von Leuten, welchen Eintritt in anderweitigen Dienst versagt blieb. Aber es gelang, jeden diesbezüglichen Anschlag, das Archiv zu schädigen, abzuwehren, während der dabei gewonnene Einblick in den Rattenkönig von Vetternwirtschaft für den Neuling lehrreich wurde. – Von den Kursusteilnehmern arbeitete nur einer mit Erfolg. Wir freuen uns heute noch seiner ausnehmenden Tüchtigkeit im Dienste unseres Volkes. Mit Neueinrichtung des Archivdienstes setzte auch Führung eines Einreichungsprotokolles ein, welches auch zum Vormerken der von Parteien für Schreibarbeiten gezahlten Taxen benützt wurde. Aber nur gewisse Einläufe, welche festgehalten zu werden verdienten, gelangten zur Eintragung, und sogenanntes Zahlenmachen behufs Vortäuschung steigenden Geschäftsverkehres wurde vermieden. Gleichzeitig trat hiezu ein Protokoll über Archiv-Benützung, später Katalog der ArchivBibliothek und Protokoll über das Ausleihgeschäft. Rasch folgende Taten der Vorgesetzten lieferten den Beweis von der Unfähigkeit leitender Männer, archivalische Arbeiten, gegründet auf ein im Zustande von Lagerware befindliches Archiv, richtig zu beurteilen. Wenige Tage nach der Eidesablegung erhielt ich über Einschreiten des Orators Bedeus von dem Magistrat (Zal 9185 aus 1875) Auftrag, eine „urkunden- und aktenmäßige Sachgeschichte des Bürgerspitals-, Almosen- und Armenfonds“ zu verfassen. Der eben erst in Hermannstadt eingetroffene Beamte, welchem zwar das Archiv in Worten „übergeben“, aber in demselben Augenblick ohne vorherige Mitteilung über die in dem Archive eingelagerten Schriftengruppen und deren beiläufigen Inhalt wieder unter Doppelsperre gesetzt worden war, sollte eine dreifache Fondgeschichte von Adam bis in die Gegenwart einfach aus dem Aermel schütteln. Unter Berufung auf die zeitliche Grenze des Archives (1799, Instruktion § 13) lehnte ich zunächst Fortführung der Arbeit über dieses Jahr hinaus ab, was Bürgermeister Adolf Gibel zur Kenntnis nahm. – Am 29. Juli 1876 konnte ich einen Teil der Arbeit, mit dem Jahre 1728 abschließend, dem Magistrat vorlegen, worauf Bedeus die für Fortsetzung der Geschichte zusammengestellten Quellennachweise von mir abholte und die Sache für erledigt erklärte. Gleich behende war die sächsische Nationsuniversität mit einer Aufgabe zur Stelle. Ich sollte nach den Reversen in dem Archive suchen, welche General Baron Siskovicz über die Abtretungen der sächsischen Nation für Zwecke der Militärgrenze seiner Zeit ausgestellt habe14. Der „Fachmann“ sollte postwendend Rat schaffen, obgleich drei Jahre früher unter Mitwirkung von Vertretern der 13

Archivamts-Instruktion vom 25. Januar 1876. Univers.-Zahl 63 und 112 aus 1876. Von anderen Quellen abgesehen, geht allein aus diesem Auftrage hervor, daß die Stadt Hermannstadt an der Ausfertigung der Reverse und der darauf sich gründenden Entschädigung keinen Anteil hatte. 14

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Nationsuniversität amtlich ausgesprochen worden war, daß derartige Reverse im Archive sich nicht befänden.15 Bereits im Jahre 1851 war festgestellt worden, daß kein lebender Sachse die Reverse kenne und daher niemand über ihren Inhalt Aufschluß zu geben in der Lage war16. Die unausgesetzten Bemühungen, einen Fachmann dem Archiv zuzuführen, hatten lange keinen Erfolg. Mit bloß 500 Gulden belastet ging die Angelschnur leer in die Luft. Ausländer betrachteten das Anerbieten als einen schlechten Witz, und Einheimische wollten aufs Ungewisse hin, nach erlangter fachmännischer Ausbildung doch soviel zu bekommen, um leben zu können, nicht Zeit und Kosten verlieren mit Studien im Institut für österreichische Geschichtsforschung in Wien, einer weltbekannt gewordenen Schöpfung des Ministers für Kultus und Unterricht, Graf Leo Thun, des Vaters des österreichischen Unterrichtswesens. An keiner deutschen Universität bestand eine ähnliche Anstalt, und so versuchte ich, Mitglieder des Instituts für Hermannstadt zu gewinnen. Auch heute steht dasselbe, so weit die deutsche Zunge klingt, einzig da. Ueber Zweck und Einrichtung geben die derzeit geltenden Vorschriften folgende Aufklärung: „Das Institut für Geschichtsforschung“, wie jetzt nach dem Ministerialerlasse, Zal 23 758 aus 1919 vom 24. Juli 1920, der Name lautet, ist eine mit der philosophischen Fakultät der Wiener Universität verbundene, dem Bundesministerium für Inneres und Unterricht unmittelbar unterstehende Anstalt. Sie bezweckt, Studierende, welche sich eingehenden historischen Studien zuwenden wollen, mit den Quellen und Denkmälern im weitesten Umfange sowie mit ihrer wissenschaftlichen Behandlung vertraut zu machen. Eine weitere Aufgabe des Institutes ist es, die fachmännische Heranbildung von Beamten für Archive, Bibliotheken, Museen und staatliche Denkmalpflege zu erzielen. Der Kursus im Institute zerfällt in ein Vorbereitungsjahr und zwei Jahre wirklicher Mitgliedschaft, zusammenfallend mit der Dauer des Universitäts-Studienjahres. Die im Institute betriebenen Studien sind teils verbindliche, teils wünschenswerte. Die verbindlichen Studien umfassen: im Vorbereitungsjahre Quellenkunde der österreichischen Geschichte, Paläographie, Chronologie, allgemeine Kunstgeschichte; im ersten Jahre der Mitgliedschaft Geschichte der Verfassung und Verwaltung Oesterreichs, mit Uebungen, Diplomatik (Kaiser- und Papsturkunden), Siegel- und Wappenkunde, Kunstgeschichte mit Uebungen (Mittelalter); im zweiten Jahre der Mitgliedschaft Lesung und Kritik österreichischer Geschichtsquellen, Diplomatik (Privaturkunden und praktische Uebungen), Archiv- und Bibliothekskunde, Kunstgeschichte mit Uebungen (Renaissance- und Neuzeit). Für Institutsmitglieder, welche Kunstgeschichte als Spezialfach wählen, tritt eine gewisse Aenderung des Studienplanes ein, unter besonderer Bevorzugung erweiterter und vertiefter Ausbildung in Kunstgeschichte. Als wünschenswert gelten Studien in Mittelhochdeutsch, deutsche Rechts- und Verfassungsgeschichte, Kirchenrecht, Wirtschaftsgeschichte, Literatur und Altertümer des Mittelalters, geschichtliche Geographie, Münzenkunde, Kenntnis lebender Sprachen (Französisch, Italienisch, Englisch, slawische Sprachen). Die Vorlesungen und Uebungen werden von Universitätsprofessoren besorgt und sind allgemein zugänglich. Nur für gewisse Uebungen wird die Zahl der Teilnehmer beschränkt. Teilnahme an den Studien des Vorbereitungsjahres ist jedem Studenten 15 16

Bericht vom 6. November 1872 ad Univers.-Zahl 1022. Ein Hermannstädter Verwaltungsspruch und der Antiquariatshandel. Wien 1908. 16f.

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anheimgestellt, jedoch ist Anmeldung bei der Leitung des Instituts erforderlich. Im sechsten Halbjahre vornehmlich geschichtlichen Studienbetriebes haben die Bewerber um Aufnahme in das Institut spätestens bis 15. Juni diesbezügliches Gesuch bei der Leitung des Institutes einzureichen und sodann der Aufnahmsprüfung sich zu unterziehen. Ueber die Aufnahme der ordentlichen Mitglieder (sechs) entscheidet das Ministerium auf Antrag des Lehrkörpers. Ueberdies können auch außerordentliche Mitglieder, ohne Anspruch auf ein Institutsstipendium, durch den Lehrkörper aufgenommen werden. Die Stipendien, derzeit monatlich 500 Kronen, fallen infolge der Geldentwertung nicht ins Gewicht. Die Institutsmitglieder sind an der Universität immatrikuliert und haben an allen im Institute vorgeschriebenen Vorlesungen und Uebungen regelmäßig teilzunehmen. Am Schlusse des zweiten Mitgliedsjahres findet vor einer durch das Ministerium ernannten Kommission die Staatsprüfung statt. Sie besteht aus drei Teilen: Hausarbeit über einen freigewählten Stoff, welcher mit den im Institute betriebenen Studien in Zusammenhang steht; schriftliche Klausurarbeiten, aus Quellenkunde, Verfassungs-, Verwaltungsgeschichte, Paläographie, Diplomatik, Kunstgeschichte; mündliche Prüfung aus Paläographie, Diplomatik, Siegelkunde, Chronologie, Archiv-, Bibliothekskunde, Quellenkunde, Geschichte der Verfassung und Verwaltung, Kunstgeschichte. Für Kandidaten mit Kunstgeschichte als Spezialfach wird der vorbezeichnete Prüfungsstoff vermindert und dafür ergänzt aus jenen Fächern, welche für den Musealdienst und Beschäftigung bei der staatlichen Denkmalpflege vorzugsweise in Betracht kommen. – Auch außerordentliche Mitglieder des Instituts können sich für die Staatsprüfung stellen und das bezügliche Zeugnis erwerben.“ –

Was Graf Thun ins Werk gesetzt und Theodor Sickel mit unbeugsamer Beharrlichkeit ausgebaut haben, ging als Erbe in die Obhut würdiger Schüler des Meisters über. Die Namen Engelbert Mühlbacher (†), Emil Ottenthal, Oswald Redlich, Alfons Dopsch, Josef Strzygowski bürgen für den im Institute gepflegten wissenschaftlichen Geist, dem es zu danken ist, daß die geschichtlichen Studien in Oesterreich mustergiltig betrieben werden und die deutsche Wissenschaft reiche Nahrung schöpfen kann aus vorzüglichen Facharbeiten. Zahlreiche Gelehrte und Fachmänner wirken an Universitäten, Archiven, Bibliotheken und Museen, die ihre Ausbildung im Institut genossen haben. Diese Anstalt ist in ihrer Art nicht vergleichbar mit den geschichtlichen Seminaren. Eine ansehnliche Handbibliothek, reiche paläographische und kunstgeschichtliche Hilfsmittel, ständiger Verkehr der Mitglieder des Institutes mit den Lehrern sichern den Studien Erfolg. Den Mitgliedern öffnet sich Zutritt zu Wiener Archiven und Sammlungen und bietet sich ferner nicht zu unterschätzende Gelegenheit, mit auswärtigen Gelehrten und Fachmännern in Verbindung zu treten. – Allerdings wird ungeteilte Hingabe an den Lehrstoff mit Recht gefordert, denn es sollen selbständig arbeitende Fachmänner aus dem Institut hervorgehen, weshalb dringend davon abzuraten wäre, bloß für ein bis zwei Jahre einzutreten. Wollen wir in Rücksicht auf die im Institute vertretenen Fächer Ansätze für einen Gelehrtenstand gewinnen, wäre es daher angezeigt, Errichtung von Fachbeamtenstellen zu fördern und Schritte zu tun, welche verlässlichen Stellenanwärtern ordnungsmäßige dreijährige Fachstudien im Institut möglich machen. Wenn hier des Wiener Institutes in gebührender Weise gedacht wurde, soll damit nicht ausgesprochen sein, daß nicht auch an anderen deutschen Universitäten Fachbildung erworben werden könne für fruchtbare Betätigung im Schrifttum. Aber die

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Ausbildung muß planmäßig gesucht werden durch Mitarbeiten in Seminaren. Mit Anhören eines Vortrages im Halbjahre, selbst bei einem hervorragenden Professor, kann fachwissenschaftliche Schulung zum Beispiele für Geschichtsforschung nicht erreicht werden. In den geschichtlichen Uebungen liegt der Schwerpunkt. Ferner muß der Studienanwärter eine gewisse Beschränkung sich auferlegen. Vielerlei schadet der Gründlichkeit. Nippen hier und dort entbehrt nicht eines gewissen Reizes, aber das eigentliche Fachstudium kommt dabei zu kurz. Fachmänner, die andrer Hilfe nicht bedürfen, sondern selbständig schaffen, sollen die nötige geistige Rüstung mit sich bringen. Ein Versuch mittelst der Presse dem Archivdienste zu nützen, schlug fehl. Ein Aufsatz, welcher mit den Worten schließt, „daß Stadt und Universität die Schritte nicht tun, welche notwendig wären zur Besetzung der seit vierzehn Jahren systemisierten und ebenso lang unbesetzten Archivsekretär-Stelle“, erfuhr seitens des „Siebenbürgisch-deutschen Tagblattes“ Ablehnung (1889, Schriftleiter Seminardirektor Friedrich Teutsch). Da trat plötzlich der Abgeordnete Adolf Zay, ein Freund des Grafen Albert Apponyi, wie er sich selbst ausgab, in die Fußstapfen anderer, welche nicht so sehr zum Vorteile der Allgemeinheit wie aus persönlichen Gründen mit Stellenbesetzung sich befassten, und beantragte in der sächsischen Universität Abfassung eines neuen Uebereinkommens zwischen der Universität und der Stadt Hermannstadt „betreffend die Anstellung, Besoldung und das Dienstverhältnis des Personals, sowie die Verwaltungskosten des Archives der Stadt Hermannstadt und der sächsischen Nation“. Der Universitätskonzipist Adolf Ulbrich, mit seinem Vorgesetzten, Universitätssekretär Karl Bock, in Zwiespalt geraten, hielt seinen Beruf für verfehlt und wünschte, an dem Archiv beschäftigt zu werden. Die hierzu notwendige Befähigung glaubte er aus Löhers Archivkunde als Nürnberger Trichter und als Teilnehmer an dem Kursus über Paläographie, hauptsächlich aber durch den Einfluß des Abgeordneten Adolf Zay erwerben zu können. Als Beweis für sein Streben nach wissenschaftlicher Betätigung erwirkte er vom Bischof Teutsch Vorschlag beziehungsweise Bestellung zum Sekretär des Vereines für siebenbürgische Landeskunde. In den kommissionellen Verhandlungen zwischen Vertretern der Universität (Stadtpfarrer Gottlieb Budaker, Pfarrer Johann Lehrer, Adolf Zay) und der Stadt (Landeskirchensekretär Karl Fritsch, Gymnasiallehrer Martin Schuster, Gymnasiallehrer i. R. Ludwig Reissenberger) unter Beteiligung des Archivars ging es hitzig zu, denn heftiger Kampf entbrannte wegen der Forderung fachmännischer Befähigung der Archivbeamten. Wurde diese in Sicherheit gebracht, so schwand die Aussicht, den Schützling dem Archive aufzuhalsen. Alle Anwesenden merkten, daß es sich um die Entscheidung der für ordnungsmäßige Archivverwaltung wichtigsten Frage handle, und niemand ergriff für Zay’s Vorschlag Partei, geprüfte oder ungeprüfte Juristen gleichberechtigt mit Fachmännern zum Archivdienste zuzulassen. Der Vorsitzende, Budaker, verschloß die Türe mit dem Bemerken, daß Entfernen aus der Sitzung vor beendigter Verhandlung nicht gestattet werde. – Mit sechs gegen eine Stimme wurde beschlossen: „Bewerber um eine Beamtenstelle an dem Archiv müssen ein Zeugnis über die abgelegte Fachprüfung aus Geschichte vorlegen

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und den Nachweis entsprechender Kenntnisse aus dem Gebiete der historischen Hilfswissenschaften erbringen.“17 Zay musste sich laut Mehrheitsbeschluß mit dem völlig sinnlosen Zusatz begnügen: „In Ermangelung solcher Bewerber aber werden Juristen mit abgelegter staatswissenschaftlicher Staatsprüfung oder staatswissenschaftlichem Doktorat zur Bewerbung zugelassen, wenn sie die entsprechenden Kenntnisse aus Geschichte und den historischen Hilfswissenschaften nachweisen. Die Archivseigentümer behalten sich überdies vor, dem betreffenden Beamten den Besuch eines Fachkurses, eventuell über ungarische Rechtsgeschichte und ungarisches Staatsrecht aufzuerlegen.“ – Es wäre überflüssig, diesen Gallimathias zu zergliedern, der nur deshalb knappe Mehrheit erlangte, weil die Kommissionsmitglieder Zay’s langatmiges Geflunker gründlich satt hatten. Immerhin bleibt zu bedauern, daß dieser Zusatz Annahme fand, weil besonders wir in unsrer vereinzelten völkischen Lage nur anerkannte Fachmänner auch auf diesem Gebiete brauchen können. Von einem nicht gehörig ausgebildeten, bloß aus Not in das Archiv verschlagenen Beamten ist weder dienstlich noch für die vaterländische Geschichtschreibung brauchbare Arbeit zu erhoffen. Bei Feststellung der Bewerbungsbedingungen müssen wir jedes Unterbieten und jede Unklarheit um so mehr vermeiden, als bei Handhabung derselben ohne Bedenken leicht vorschriftswidrig verfahren wird. So geschehen auch anlässlich der Wahl des Archivars (5. April 1909), für welche Vizegespan Gustav Reissenberger unter Verletzung obigen Uebereinkommens nicht weniger als drei unbefähigte Anwärter in die Wahl gab, von denen zwei seinem Verwandtenkreise angehörten. Niemand erhob gegen dieses gesetzwidrige Vorgehen Einspruch, doch wählte die Stadtvertretung den einzigen befähigten Bewerber18. Auch Zay’s Versuch, dem Archivar die Führung zu entreißen, missglückte, indem es bei der alten Verfügung blieb, daß der Sekretär dem Archivar untergeordnet sei, was Zay zu streichen beantragt hatte. Einen kleinen Fortschritt bedeutete die Möglichkeit der Aufnahme eines wissenschaftlichen Hilfsarbeiters, wenn auch mit überflüssigen, durch Zay vertretenen Einschränkungen. Dagegen glückte es nicht, für Bestellung eines dritten fachmännischen Beamten Stimmung zu machen, obgleich – Zeuge die von mir vorgelegten amtlichen Ausweise – namhafte Vergrößerung des Archives durch Zuführung großer Schriftenmassen aus den Registraturen von Universität und Stadt eingetreten war. Da im Jahre 1875 für das mit dem Jahre 1799 abgeschlossene Archiv zwei Beamte als erforderlich erkannt worden waren, mußte nach der von dem Jahre 1882 angefangen zunehmenden Vergrößerung wenigstens noch ein dritter Beamter in Dienst gestellt werden. Weshalb Zay Aufrechterhaltung der überlebten Archivamts-Instruktion vorschlug, anstatt sie bedarfsmäßig ändern zu lassen, blieb unbegründet. Da der Konkurs über Antrag des Archivars auszuschreiben war, unterblieb Antragstellung. Das Zentralamt, beziehungsweise Sekretär Bock, welcher Albrich gerne, möglichst bald, in den Rücken gesehen hätte, beauftragte mich unter 17 Festgestellt am 7. Dezember 1890. Beschlüsse der Stadtvertretung vom 11. Dezember und der sächsischen Universität vom 13. Dezember 1890. 18 Zimmermann, Aus der Vizespanschaft Hermannstadt. Wien 1909. 29ff.

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Verletzung des Uebereinkommens, allsogleich Antrag zur Ausschreibung eines Konkurses vorzulegen, und gleichzeitig ging mir von Albrich Anmeldung zu für den nächsten Kursus über Paläographie und Diplomatik. Er wurde abschlägig beschieden. Von Bock dieserhalb befragt, verwies ich auf § 17 der ArchivamtsInstruktion: „Ueber die Aufnahme entscheidet der Archivar“, worüber ich niemand Rechenschaft schuldig sei. Da die Macher Zay-Albrich, ohne Befähigungsnachweis beibringen zu können, nicht lange darnach in einträgliche Pfründen hinauffielen, hatte das Archiv von ihnen nichts mehr zu fürchten. Daß Konkursausschreibung von dem Archivar zu beantragen ist, liegt in den Verhältnissen wohl begründet, welche die Amtsstellen als Vertrauensposten erscheinen lassen. Wir haben nicht für jeden beliebigen, wenngleich formell Befähigten Raum weil wir Leute benötigen, von welchen wir volle Teilnahme für Heimat und Volk erwarten zu dürfen glauben. Die Inhaber der Archivbeamtenstellen sollen vor allem den Vorteil der Archiveigentümer wahren, für deren Rechte umsichtig eintreten und die schützen, wenn es nötig würde. Weiters Gemeinden und Körperschaften beraten. Aber auch bodenständigen Familien und Einzelpersonen darf Hilfe in Besitz- und Erbschaftsangelegenheiten, in Personen- und Verwandtschaftsfragen nicht verweigert werden. Teils durch zuvorkommende Unterstützung der Arbeiten anderer, teils durch eigene schriftstellerische Tätigkeit für Pflege der heimatlichen Geschichte eifrig zu wirken, ist eine der vornehmsten Pflichten der Beamten, deren Ausübung in ihren Folgen dem Vaterlande und dem ganzen Volke zugute kommt. Endlich müssen die Beamten sich befähigt und dienstbereit zeigen zur Förderung der allgemeinen geschichtlichen Forschung und Geschichtsschreibung. Wissenschaftliche Körperschaften, Akademien und Vereine erwarten mit vollem Rechte Beihilfe seitens der Archive19. Je kleiner die Gemeinschaft, desto mehr soll mit Gefälligkeit Wünschen und Bedürfnissen von Archivbenützern begegnet werden. Als Haupteigenschaft der Beamten gelte nächst der fachwissenschaftlichen Befähigung Gefälligkeit. Die Beamten sind auch der Benützer wegen da. Sie sind deshalb auch in dieser Richtung zur Verwertung des Archives verbunden. In vorstehend gekennzeichnetem Sinne wurde die Archivverwaltung von dem Jahre 1875 angefangen geführt. Die Bestimmungen über Archivbenützung dienten lediglich zur Verhütung von Missbrauch. In besonderen Fällen und bei Gegenseitigkeit fand Versendung von Archivalien statt und stand das Archiv länger als fünf Stunden offen, nach Einführung der elektrischen Beleuchtung (1897)20 bis zu zwölf Stunden. Der vorgeheuchelte Wissenschaftstrieb konnte sich nicht beklagen. Das Archiv bot reichlich Arbeitsgelegenheit, auch mehr als erwünscht war, so im Sommer 1879, als eine „Kommission der ungarischen historischen Gesellschaft“ in Hermannstadt „wissenschaftlicher Zwecke halber“ sich einfand. Allein der eifrige Friedrich Pesty hielt von früh bis abends, abgerechnet eine Stunde Mittagspause, im Archiv aus, während die übrigen „Gelehrten“ sonst wo zu tun 19 Näher entwickelt in meinem von amtswegen mir abverlangten Gutachten über Errichtung eines Stadtarchives in der Landeshauptstadt Troppau, abgedruckt in der „Troppauer Zeitung“, 1906, Folge 231 und 232. 20 Gleich der Einführung der Wasserleitung (1896) durch den Magistrat abgelehnt, aber zufolge Auftrages seitens des Obergespans Gustav Thalmann, Vorsitzers der sächsischen Universität, ausgeführt.

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hatten; ein Großteil wurde vom städtischen Wachtmeister in einem Nachtgeschäft auf der Sagstiege betreten. Eine voreilig veröffentlichte Nachricht mußte von ihrem Verbreiter dahin berichtigt werden, daß man sich geirrt habe, weil Archivalienversendung an Archive und Bibliotheken möglich sei und die Benützungszeit im Notfalle bis zu 12 Stunden ausgedehnt werde21. – Durch § 21 der Archivamts-Instruktion über Abschriften von Archivalien, angefertigt von Archivbeamten für Parteien, erwuchs diesen ein Schaden nicht. In gerichtlichen Streitfällen nahm ich jeder Partei mit Seelenruhe die vorgeschriebene Taxe ab, weil die Abschriften während der Amtsstunden angefertigt wurden und amtlich beglaubigt hinausgingen. Schriftstellern aller Art und wissenschaftlichen Körperschaften lieferte ich unter Ausnützung meiner Freizeit regelmäßig für sie kostenlos Abschriften, Auszüge oder Mitteilungen, wie in meinen Arbeitsbüchern genau verzeichnet steht. Sie legen Zeugnis ab für die Beziehungen des Archives mit Fachkreisen und für die Art des Dienstbetriebes. In einem Punkte blieb der Wortlaut der Archivamts-Instruktion bedingungslos in Kraft, gemäß welcher Archivalien an Einzelpersonen nicht ausgeliehen werden dürfen. Dies Verbot lag klar vor, es war unmöglich, daran zu deuteln und seinen Sinn zu ändern, und es musste aus Gründen der Sicherung des Archivbestandes ausnahmslos durchgeführt werden. Erst der erlittene Schaden machte die Archiveigentümer klug, denn als das Verbot erging (1871), hatte das Archiv durch Ausleihen an Einzelpersonen bereits äußerst wertvolle Stücke verloren. Wie es scheint, für immer, denn während meiner Dienstzeit fanden ungeachtet planmäßiger Nachforschung nur wenige Archivalien, die auf Zetteln, einer Schranktüre und an einem Gewölbepfeiler als ausgeliehen vermerkt waren, ihren Weg in das Archiv zurück. So zum Beispiel fehlten im Jahre 1875 die Universitätsprotokolle 1, 4, 5, 6 und 12. Als Band 4, aus 1544 bis 1563, auftauchte, erwarb ich ihn für das Archiv. Aus Band 1 bringt Friedrich Müller eine Mitteilung22. Ueber die Bände 5 und 6, aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, schreibt Friedrich Schuler v. Libloy23, daß er diese Bände „nicht weiter einsehen konnte, da dieselben seit Jahr und Tag von den verdienstvollen Schäßburger Geschichtsforschern erhoben sind“. Schuler behalf sich mit einem Joseph Andreas Zimmermann eigentümlich gehörigen Inhaltsverzeichnis, welches aus den Bänden auch ganze Beschlüsse bringt und heute den einzigen Ersatz für die Urschriften darstellt. Welcher Vorteil, fragt man mit Recht, erstand für die heimische Forschung durch Hinausgabe dieser Protokolle? In unsrem Schrifttum merkt man nichts von einer Verwertung ihres Inhaltes. Es war höchste Zeit, mit diesem Unfug Schluß zu machen, um so mehr, als seit dem Jahre 1872 für Arbeitsplätze der Archivbenützer gesorgt ist, und seit 1880 bietet die Handbibliothek genügende, sich stetig vermehrende Hilfsmittel. Wer in dem Standorte des Archives wohnt, ist in der Lage, in der Archivkanzlei sich einzufinden. Als daher ein Gesuch des Superintendanten G. D. Teutsch um Ausfolgung von Archivalien in die Wohnung amtlich an mich herantrat (1883), befürwortete ich mittelst erschöpfenden Berichtes Abweisung desselben. An der Universität entwik21 Deutsche Geschichtsblätter. Herausgegeben von Armin Tille. Gotha 1902. 3. Band 113 und 172. Minerva, 9. Jahrg. 1899-1900. 367. 22 Deutsche Sprachdenkmäler aus Siebenbürgen. Hermannstadt 1864. 23 Statuta iurium municipalium Saxonum. Hermannstadt 1853. 244.

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kelte Albert Arz v. Straußenburg, daß die Universität an die von ihr gutgeheißene Instruktion nicht gebunden, sondern berechtigt sei, Archivalien auszuleihen, an wen sie wolle. Dieser merkwürdigen, inmitten einer Körperschaft ausgesprochenen Rechtsanschauung, welche selbst unausgesetzt auf Einhaltung bestehender Gesetze durch die Regierung zu dringen genötigt war, pflichtete aber die Stadtvertretung nicht bei. Abweichend von der Universität, welche das Verbot für den Gesuchssteller allein aufgehoben wissen wollte, beschloß sie fast einhellig Aufrechterhaltung des Verbotes ohne Ausnahme. – Der Gesuchsteller hätte sein Ziel erreicht, wenn er, was ihm freistand und mündlich rechtzeitig nahegelegt wurde, auf amtlichen Wege um Ausfolgung bestimmter Stücke eingeschritten wäre, wogegen es Einrede nicht geben konnte. Aber das wollte er nicht. Wie es eigentlich mit der Archivbenützung durch Parteien zu halten sein werde, schrieb die bald gemachte äußerst lehrreiche Erfahrung vor. Der erste sich vorstellende (1876) Benützer war Dr. Gustav Lindner, Direktor der Rechtsakademie, mit dem Magistratsbeamten Franz Schreiber und dem Buchdrucker Wilhelm Krafft Hauptvertreter der unter dem Namen Jungsachsen bekannten magyarischen Parteigänger in Hermannstadt. Auf Grund des von ihm beigebrachten, von dem Vorsitzenden der sächsischen Nationsuniversität und dem Bürgermeister unterschriebenen Erlaubnisscheins bekam er einige auf die Abtei Kerz bezügliche Urkunden vorgelegt. Da er kein einziges der Stücke zu lesen vermochte, erschien die Sache verdächtig und zwang zu scharfer Beaufsichtigung dieses bis dahin unbekannt gewesenen Forschers. Einige Monate später stellte sich unerfreulicher Weise heraus, daß von Lindner an dem Archiv Verrat geübt worden war, indem er Alexius Jakab, Beamten des Gubernialarchivs in Klausenburg, einen grimmigen Sachsenfeind24, über das Vorhandensein von Kerzer Abteiurkunden im Archive verständigte, worauf dieser, gleich Lindner, die Rechtslage verleugnete und die Kerzer Urkunden für das im Jahre 1875 in Ofenpest errichtete Ungarische Landesarchiv in Anspruch nahm (Vortrag in der Ungarischen Akademie, 1876). Daraufhin wurde unter Zustimmung der Vorgesetzten folgende Bestimmung getroffen: „Die Absicht der Benützung des Archivs zu wissenschaftlichen oder anderen Privatzwecken ist unter genauer Bezeichnung des Gegenstandes der archivalischen Studien in dem Archiv anzuzeigen, worauf von hier aus der zur Benützung erforderliche Erlaubnisschein vermittelt wird, ausgenommen, wenn gegen die um Archivbenützungsrecht einschreitende Person Bedenken hinsichtlich Vertrauenswürdigkeit vorliegen. In diesem letzteren Falle wird das schriftliche Verfahren mittelst Gesuches veranlasst.“ – Verlässlichkeit war entscheidend für Empfehlung der Erlaubnis, und die Beaufsichtigung wurde nach Bedürfnis verschärft. Als während meiner Abwesenheit aus den Akten betreffend den einige Jahre andauernden Nachlasstreit hinter Timothe Georgewics einige Stücke gestohlen worden waren, kamen die in dieser Sache später im Archiv vorsprechenden Parteien unter fortwährende strenge Beaufsichtigung. Es wurde ihnen auf einmal immer bloß ein Aktenstück gegen schriftliche Bestätigung eigenhändig, und der Amtsdiener, neben den Archivbenützern Platz nehmend, durfte die fremden Hände nicht aus den Augen verlieren. Diese Maßregeln empfahlen sich umsomehr, als ein großes Vermögen Gegenstand des Streites war, und desselben habhaft zu werden, 24 Es genügt, seine Schrift einzusehen: A Királyföldi viszonyok ismertetése (Kunde von den Verhältnissen des Königbodens). Pest 1871-1876. 2 Bände.

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aus allen Windrichtungen auch Leute herbeieilten, welche ihren Beruf verschwiegen. Der mich vertretende Schlüsselbewahrer, Expeditsleiter Theil, war eben kein Fachmann und unterließ die bei Hinausgabe und Uebernahme der Akten dringend gebotene Vorsicht. Weil indessen die gestohlenen Akten zu Nutz und Frommen des Rechtes und zum Schaden der Diebe Abschriften, ausgestellt und beglaubigt durch das Archivamt, bei dem zuständigen Gerichtshof in Bukarest vorlagen und die Urschriften für die Archiveigentümer oder wissenschaftliche Zwecke völlig wertlos waren, unterblieb amtliche Verfolgung dieses Vorfalls. In Berücksichtigung der Bedeutung des Archives müssen dessen Beamte, wie es in jedem anderen öffentlichen Berufe zum Vorteil der Gesamtheit gehalten werden soll, die zur Lösung ihrer oben dargelegten Aufgaben erforderlichen Befähigung besitzen, andernfalls würde das Archiv seinen Zweck nicht erfüllen. Unbefähigte sind außerstande, irgend jemand beizustehen und Rat zu erteilen, werden sich unbeholfen zeigen für Prüfung eines Antiquarkataloges wegen möglicher Erwerbung darin ausgebotener Schriften und werden sich geradezu lächerlich machen bei Versuchen, aus dem Archive abhanden gekommenen Archivalien nachzuspüren. Der Eintritt des Anwärters für das Lehramt der Geschichte, Georg Eduard Müller, zuerst unter dem Titel als wissenschaftlicher Hilfsarbeiter (1892) dann als fachmännischer Archivsekretär (1894), konnte die berechtigte Forderung nach einer dritten Arbeitskraft nicht verdrängen. Mittelst Eingabe an den Magistrat brachte ich diesen Archivschmerz neuerdings zur Verhandlung25; bald darauf wieder, als die Stadtvertretung zufolge Beschlusses vom 31. Oktober 1901 eine „OrganisierungsKommission“ gewählt hatte mit dem Auftrage, über die Magistratsvorlage26, betreffend den Stand der Beamten und ihre Besoldung, Bericht zu erstatten und Antrag zu stellen. Schon am 8. November befanden sich, von mir verfaßt, in den Händen der Kommission „Erhebungen über den Archivdienst. Zum internen Amtsgebrauch für die städtische Organisierungs-Kommission“ – worin die Notwendigkeit der Bestellung einer dritten Arbeitskraft ausführlich begründet wurde. Auch war der Nachweis erbracht, daß die Stadt durch die Abgabe von Schriftenmassen an das Archiv in erhöhtem Maße zur Arbeitsvermehrung beigetragen habe, was sich aus den beigeschlossenen Verzeichnissen über den Umfang (Bestand an Archivalien) und mittelbar aus den Angaben über den Belegraum folgern ließ27. Die Kommission erkannte eine dritte Stelle als ein dringendes Bedürfnis an und beantragte deren Einrichtung (1902). Als Bürgermeister Josef Drotleff nach mehrjährigem Schweigen28 behufs Abfassung eines Verwaltungsberichts auch dem Archiv Bericht abverlangte, schob ich wieder an der Sache, worauf der Bürgermeister auch in seinem Berichte der Notwendigkeit der Bestellung einer fachmännisch gebildeten Kraft an dem Archiv Ausdruck verlieh29. Aus meinem an ihn erstatteten Berichte entnahm er als Begründung, „daß in kürzester Zeit alle jene Verwaltungsbeamten abgetreten sein werden, welchen die älteren Verfassungs-, Verwaltungs- und Rechtsverhältnisse unserer Heimat noch aus den ersten Jahren ihrer Dienstzeit bekannt waren. Sind schon in 25 26 27 28 29

Archivzahl 34 vom 6. Oktober 1901. Magistr.-Zahl 75 aus 1901. Die Lage des Archivs 46ff. Städtisches Organisationsstatut vom 8. Juli 1896, § 19. Vorgelegt in der Sitzung der Stadtvertretung vom 17. September 1903.

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den letzten siebenundzwanzig Jahren von dem Archiv in verschiedener Richtung hinsichtlich öffentlicher wie privater Rechtsfragen Vorarbeiten beigestellt worden, so wird dies in der Zukunft noch häufiger der Fall sein. Das Archivpersonal hat ganz besonders Gelegenheit, beobachten zu können, wie sehr in unseren Kreisen die Kenntnis der Vergangenheit schwindet, wie Verfassungszustände, die vor etwas mehr als zwei Jahrzehnten bestanden haben – so zum Beispiel der Begriff des Königsbodens – in Kreisen der Intelligenz unbekannt sind.“ Bei gesunden öffentlichen Verwaltungsgegenständen konnte somit, der Meinung der Kommission nach zu schließen und gestützt auf des Bürgermeisters Wort, der dritte Beamte als sichergestellt betrachtet werden. Jedoch trat folgender unerfreuliche, die damaligen Verwaltungszustände grell beleuchtende Widerspruch zutage. Ungeachtet sorgfältig begründeter, wiederholter Anregung und Empfehlung von Seiten des Archives, trotz Beschlusses der Kommission und öffentlich abgegebener Erklärung des Bürgermeisters brachte der Magistrat im Jahre 1904 eine neue Vorlage30 vor die Stadtvertretung, in welche der wissenschaftliche Hilfsarbeiter Aufnahme nicht gefunden hatte und wobei nicht nötig erachtet wurde, diesen Widerspruch zu rechtfertigen. Ein zweitesmal gelangte ich in der Organisierungskommission zu Worte31, aber erfolglos, weil der 1902 in der Kommission herrschende, dem Archive günstige Wind umgeschlagen hatte. Aus der neuen, von der Stadtvertretung am 9. September 1904 angenommenen Besoldungsvorschrift, verglichen mit älteren Organisationen, ist ersichtlich, welche Behandlung die Archivbeamten seit dem Jahre 1875 herwärts erfahren haben. Der Archivar ging von der zweiten Gehaltsstufe im Jahre 1875 auf die achte im Jahre 1904 zurück, der Archivsekretär sank von der dreizehnten Stufe im Jahre 1894 auf die achtzehnte 1904. Berufung auf Abgang der Mittel war niemals ernst zu nehmen. Alljährlich erfolgten Aufwendungen für außerordentliche Zwecke. Die Universität bewilligte zum Beispiele in den Jahren 1892 und 1893 weit höhere neue jährliche Unterstützungen als das Archiv für einen dritten Beamten nötig gehabt hätte. Ueber plötzlichen Antrag fand die Stadtvertretung sich bestimmt, fünf neue Musikantenstellen für die städtische Musikkapelle zu schaffen (27. April 1903), und niemand fragte, woher das Geld dazu nehmen. Daß während meiner Dienstzeit kein möglicher Versuch unterlassen wurde, fachmännische Befähigung der Archivbeamten das Wort zu reden und ihre Zahl zu vermehren, ist hiermit sattsam erwiesen, Bei dem engen Zusammenhange, in welchem die Raumfrage mit der des Personals steht, erwächst die Verpflichtung, hierauf des näheren einzugehen. Dank der verständnisvollen Teilnahme, welche Bürgermeister Gustav Kapp (1877 bis 1883 im Amte, † 1884) und Universitätssekretär Karl Schneider (in Ruhestand getreten 1885, † 1890) dem Archiv bezeugten, konnte mit 1. Oktober 1882 das an den oben erwähnten Neubau des Rathauses aus dem Jahre 1872 anstoßende Hochgebäude des Hauses Fleischergasse 8, von dem Archiv bezogen werden. Dadurch war die Möglichkeit geschaffen für Aufstellung der nach Jahren und den alten Amtszahlen geordneten Akten des Hermannstädter Stadt- und Stuhlsmagistrates und der 30

Magistr.-Zahl 7594 vom 19. Mai 1904. Die neue Besoldungsvorlage und das Archiv. Zufolge Auftrages aus der städtischen Organisierungskommission. Hermannstadt 1904. 31

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sächsischen Nationsuniversität aus dem Zeitraume 1701 bis 31. Oktober 1784 in den bisherigen zwei Kanzleizimmern, während die Kanzlei in den ersten Stock des gemieteten Hauses verlegt wurde. In die ebenerdigen Räumlichkeiten, obgleich feucht und dunkel, kamen in den folgenden Jahren so gewaltige Schriftmassen aus den Registraturen von Universität und Stadt, daß ganze Berge von ordnungslos aufeinander liegenden Schriften entstehen mußten. Diesbezügliche Klagen der Archivverwaltung schlummerten in den Akten, bis die Universität Verhandlungen mit der Stadt in Antrag brachte darüber, wie die Räumlichkeiten vermehrt und wie dem den Archivbenützern zugewiesenen Zimmer mehr Licht zugeführt werden könne32. Diese letztere Beschwerde der Archivverwaltung wurde gegenstandslos infolge Einführung der elektrischen Beleuchtung (1897). Die Erinnerung an alte Ausverkäufe brachte den Berichterstatter Julius Sigerus auf den Gedanken, im Archive Raum zu gewinnen durch Veräußerung von Akten nach Gewicht, zu welchem Geschäfte die übel beratene Stadtvertretung eine Skartierungskommission wählte. Das Ergebnis der Tätigkeit dieser Kommission fiel nicht nach Wunsch des Magistrates aus, welcher die Pflicht gehabt hätte, vorher die Universität von seinen Absichten zu verständigen. In ausführlicher Rede und Gegenrede erbrachte der Archivar den unwiderleglichen und auch auf die Kommission überzeugend wirkenden Nachweis, daß es im Vorteil der Archiveigentümer nicht liege, durch Ausscheiden von Schriften Raum zu erstreben. Der vom Archivar gestellte Antrag: in Erwägung dessen, daß größere für uns derzeit als wertlos erscheinende Schriftenbestände, durch deren Abgabe nennenswerter Raum frei werden würde, im Archiv nicht vorhanden sind; in Erwägung daß durch Ausscheidung einzelner an Zahl und Raumbedürfnis geringer Schriftstücke Entlastung des Archivs nicht herbeigeführt werden könne; in Berücksichtigung des äußerst wichtigen Umstandes, daß man heute unmöglich mit Bestimmtheit voraussagen könne, ob man ein gewisses, im Archive aufbewahrtes Stück später zu gebrauchen nötig haben werde; endlich in Anbetracht dessen, daß unser Archiv einen geschichtlich gewordenen, unveräußerlichen Schatz der Eigentümer bildet, wird Entnahme und Verkauf auch nur eines einzigen Schriftstückes abgelehnt – erfreute sich beifälliger Annahme durch die Kommission. Aber verkauft wurde dennoch. Ohne vorherige Mitteilung an die Stadtvertretung und ohne vorherige Prüfung der Schriften auf ihre Brauchbarkeit hin, ließ der Magistrat entgegen der sofortigen mündlichen Einrede des Archivars Akten und Urkunden von dem südlichen Dachboden herunterholen und an den Meistbietenden öffentlich verkaufen, „damit nicht weitere Räumlichkeiten von dem Archiv angesprochen werden könnten“ (1897)33. Es war kein leichtes Stück Arbeit, welches bevorstand, nachdem der Magistrat über fachmännisches Einraten hinwegging, während er selbst über keinen Berichterstatter verfügte, der ein Archiv und seine Bedürfnisse richtig zu beurteilen befähigt gewesen wäre. Die von Bürgermeister Drotleff mit der Berichterstattung betrauten Magistratsrat Julius Sigerus, dann Obernotär Albert v. Hochmeister hatten, wie auch die Behandlung der Raumfrage deutlich bewies, keine Ahnung von der Sache. In dieser waren während der Jahre 1897 bis 1900 nicht weniger als 32 Univer.-Beschluß vom 2. Oktober 1895. – Univers.-Zahl 1090 vom 24. November 1895, Zuschrift an den Magistrat. 33 Magistr.-Zahl 17069 aus 1897. – Lage des Archivs 7f.

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vier Betreibungen des Magistrates durch die Universität34 erforderlich, um das Ziel zu erreichen. Sekretär Bock ließ aber nicht locker und zeigte sich dem Magistrat weit überlegen. Als derselbe sogar zu einer mit den Tatsachen in Widerspruch stehenden Behauptung seine Zuflucht nahm: „Im Uebrigen reichen die jetzt dem Archiv neu zugewiesenen großen Räume auch nach Ansicht des Archivars zur vollkommen entsprechenden Aufstellung aller noch ungesichteten Akten der sächsischen Universität aus“35 – beauftragte die Universität den Archivar, ein fachmännisches Gutachten über das Raumbedürfnis der Universität vorzulegen36. Nun war es an der Zeit, den unter den gegebenen Verhältnissen einzig möglichen Standpunkt hervorzuheben und zu betonen, dass zu zweckdienlicher, endgiltiger Aufstellung die Aufführung eines Neubaues sich empfehle. Der hierüber der Universität erstattete, durch mündliche Besprechung mit den Archivkommissionsmitgliedern der Universität unterstützte Bericht vom 23. Sept. 1899 fand Gehör, jedoch wurde der städt. Archivkommission der Vortritt überlassen. Dieselbe beantragte grundsätzlich Aufführung eines Archivgebäudes unter der Voraussetzung, daß die Universität einen entsprechenden Beitrag zu den Baukosten bieten werde, welchen Antrag die Stadtvertretung annahm (28. April 1902). Als heiterer Zwischenfall sei festgehalten, daß der Berichterstatter Albert v. Hochmeister in der Stadtvertretung diese seit sieben Jahren schwebende und verhandelte Angelegenheit als noch nicht spruchreif erklärte! – Der durch Holzverkauf der Siebenrichter ihrer Kasse zufließende Erlös (1907 ff.) beeinflusste den Archivbau insoferne, als über den ursprünglichen Bauplan hinausgegangen werden konnte. Ein Neubau muß selbstverständlich zur Einstellung neuer, fachmännischer Arbeiter führen. Infolge ausreichender Aufstellung der Archivalien wurden große Schriftmassen zugänglich, welche vorher, weil in Haufen übereinanderliegend, eine tote Ware bildeten. Da sie nicht benützbar waren, brauchte der Archivbesorger bloß nach Möglichkeit um ihre trockene und sichere Aufbewahrung sich zu kümmern. Das ändert sich bei ordnungsgemäßiger Aufstellung; ist einmal Benützbarkeit erreicht, dann macht sich Bedürfnis der Vermehrung der Beamtenzahl geltend. Wenn diesem nicht Rechnung getragen wird, wäre der Zweck des im September 1923 bezogenen Neubaues nur sehr unvollständig erreicht. Die vorerwähnten Stockungen in den Verhandlungen wären nicht eingetreten, wenn der Archivleiter tatsächlich als fachmännischer Berater der Stadt gegolten hätte wie unter Bürgermeister Kapp, unter welchem gewöhnlich persönliche Vorsprechen des Archivars bei ihm die betreffende Amtssache zur Entscheidung brachte. Diese Uebung schnitt ab mit Kapps Tode (1884). Während dem Namen nach Wilhelm v. Hochmeister und Josef Drotleff als Bürgermeister unterschrieben, führte in Wirklichkeit das Magistratsmitglied Julius Sigerus die Zügel (bis zu seiner im Frühjahr 1901 eingetretenen Dienstunfähigkeit), und das Archiv geriet unter Vormundschaft. Nicht der Fachmann, sondern ein vom Archivdienste nichts verstehender Stadtbeamter trug die von dem Archiv einlaufenden Stücke in dem Magistrat und der Stadtvertretung vor. Es wirkte manchmal wahrhaft 34 Univers.-Zahl 28 vom 8. Januar und vom 21. Juli 1897. – Univers.-Zahl 675 vom 24. August 1898. – Univers.-Zahl 566 vom 8. August 1900. 35 Magistr.-Zahl 12581 vom 26. Oktober 1898. – Aktenmäßig widerlegt laut Arch.-Zahl 21 vom 30. August 1897 und Arch.-Zahl 20 vom 6. Dezember 1898. 36 Univers.-Zahl 956 vom 29. November 1898.

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belustigend, wenn einer der Magistratsräte oder der Obernotär, frei von jeglicher Fachkenntnis, ausgerüstet mit geborgtem Wissen, über eine Sache notdürftig einige Sätze herausstammelte. Nach der Stadtverfassung hätte nichts Betrauung der Fachbeamten der Stadt, als Archivar, Forstmeister, Kassier, Oberbuchhalter, Oberingenieur, Stadtphysikus usw. mit Berichterstattungen hindern können, aber darin erblickten Bürgermeister und Magistrat Einschränkungen ihrer Macht, auf welche sie Hauptgewicht legten. Diese verfehlte Geschäftseinteilung gipfelte in der gesunder Verwaltung Hohn sprechenden Bestimmung, daß Stadtwirtschaft und Ueberwachung (Buchhaltung) ein und dem selben Berichterstatter, dem Stadtregenten Sigerus anvertraut waren. Der Archivar, der es gewagt hatte, in seiner Eigenschaft als gewählter Stadtvertreter nach alten Rückständen in der Berechnung städtischer Gelder von seiten Magistratsmitgliedern sich zu erkundigen, sollte in Abhängigkeit erhalten werden. Auch als Obergespan Thalmann diese den öffentlichen Vorteilen abträgliche Geschäftseinteilung beanstandete (1902), blieb dieselbe auch weiterhin aufrecht37. Nur keine Fachmänner zu Worte kommen lassen – klang dem Archiv aus dem Rathaus und dem Komitatsamt entgegen, obgleich das Archivfach mittelst Landesgesetzes (Gesetzartikel I aus 1883) als besonderes Wissensgebiet anerkannt war. Einschlägiges an den Vizegespan Gustav Reissenberger im Jahre 1907 gestelltes Ansuchen um Einvernahme von Sachverständigen wurde abgewiesen38. Alte Mißwirtschaft kann aber das berechtigte Verlangen nicht entkräften, daß der Archivleiter in allen zwischen Stadt und Archiv schwebenden Amtsangelegenheiten als unmittelbarer Berichterstatter selbsttätig zu sein hat. Archive halten, was bis jetzt gebührender Beachtung nicht gewürdigt wurde, an und für sich den Grundsätzen der Erträgnisrechnung die Wage. In dem Archivinhalt sind Werte verkörpert, welche bei Aufrollen von Besitz- und anderen Rechtsfragen Umsetzung in greifbare Münze erfahren. Auch ist nicht gering anzuschlagen der dabei in Betracht kommende sittliche und völkische Wert. Das hätte man sich mindestens seit fünfzig Jahren in unserem Volke beständig gegenwärtig halten sollen. Es wäre uns manche Täuschung erspart worden, aber fast unglaublich geringwertige Einschätzung erlebte das Archiv auch von Seiten unserer öffentlichen Vertreter. Die politischen Säulen waren eingestürzt, die öffentliche Gewalt wendete sich feindselig gegen uns, und niemand zog die daraus notgedrungen sich ergebenden Folgerungen. Der Besitz der Archiveigentümer wurde angegriffen, aber nach wie vor hielt man die Taschen zu, wenn eine Bitte des Archivs vorlag. Als Minister Koloman Tisza das Rathaus der Stadt nehmen (1877) und den Pensionsfond einziehen wollte, weil der Komitat Hermannstadt Unrecht darauf hätte, fand der Rechtsanwalt der Stadt, Dr. Karl Conrad, die entsprechende Feder nicht, und das Archiv gelangte zum Worte. In den beiden Fällen erbrachte es, zurückgreifend bis in das Jahr 1545, beziehungsweise 1809, den Nachweis des unbezweifelbaren Eigentumsrechtes der Stadt, worauf der Minister seine Forderung zurücknahm und die Stadt mit einer Abschlagszahlung belastete. Die sächsischen Siebenrichter sahen sich bald einer noch heikleren Frage und von größter Tragweite gegenübergestellt, als die Echtheit der Schenkungsurkunde des Königs Ladislaus von 1453 betreffend die Herrschaft Talmesch vor Gericht 37 38

Archivariat und Antiquariat 16 ff. Aus der Vizegespanschaft Hermannstadt 7ff.

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angefochten wurde. Ungerüstet trat man in die Angelegenheit ein, ohne den zur Verfügung stehenden Fachmann zu Rate gezogen zu haben. Dieser erhielt den nackten Auftrag, fragliche Urkunde herauszugeben (11. Oktober 1882). In den Akten findet sich seine fachmännisch-wissenschaftliche Darstellung der Echtheit. Anstatt hierfür zu sorgen, gab man das Spiel sozusagen aus der Hand und stimmte zu, daß die Entscheidung der Echtheits-Frage durch die Ungarische Akademie zu treffen sein werde. Deren damit betraute Abordnung unter Vorsitz des Politikers Franz Pulszky hielt sich infolge für uns günstiger Vermittlung Friedrich Pesthy’s an ein ihr zugestelltes fachmännisches Gutachten, so daß sie selbst nach den Regeln der Urkundenlehre wissenschaftlich völlig gedeckt war. Dem damals ersten magyarischen Fachmann, dem Verteidiger der gefälschten Martinsberger Gründungsurkunde, Ladislaus Fejerpataky, sich anzuvertrauen, schien selbst Pulszky nicht geheuer. Nur das Archiv brachte die Wahrheit zur Geltung. – Die unvermeidlichen Folgen im Falle unseres Unterliegens hätten sich ohne Schwierigkeit von selbst ergeben: Kein Holzgeschäft der Siebenrichter, kein Antrag Dr. Karl Wolff zum besten unsrer Schulen, kein Goldregen, abgesehen von dem hohen sittlichen und völkischen Werte der 1453er Verleihungsurkunde als eines glänzenden Zeugnisses für erprobte Vaterlandstreue. Am 13. August 1900 traf auf dem Hermannstädter Rathause ein Akt ein, mit welchem Bürgermeister und Räte samt Obernotär und dem städtischen Rechtsanwalt nichts anzufangen wussten. Hermannstadt sollte einen magyarischen Rufnamen erhalten. Da keiner der „Berichterstatter“ sich bloßstellen wollte, ersuchte der Bürgermeister den Archivar um Bearbeitung des Aktes. Zum Schaden der Sache strich eine von dem Bürgermeister einberufene Stadtvertretergruppe über Antrag Oskar v. Meltzl’s die ganze rechtsgeschichtliche Einleitung, etwa ein Dritteil der Arbeit, angeblich als nicht zum Gegenstand gehörig. Daß die Magyaren unablässig auf die älteren Gesetze sich berufen, sobald es ihnen paßt, fand nicht Beachtung, und so gelangte die „Erklärung der Stadtvertretung der königl. freien Stadt Hermannstadt betreffend weitere Beibehaltung des bisherigen amtlichen Namens der Stadt Hermannstadt in der Form „Hermannstadt“ – ihres Kopfes beraubt vor die Stadtvertretung (15. September 1900)39. Aber Inhalt und Form der auch in derart beschnittenem Zustande hinausgehenden Erklärung lassen den Wert des Archives unter fachmännische Obsorge für unser völkisches Dasein erfassen. Einige Jahre später bot sich dem Archive wieder Gelegenheit, den gründlich verfahrenen Karren zum besten der Universität aus dem schlechten Wege herauszuziehen. Auch eine Geldfrage. Es hieß einmal, der Streitfall mit der Gemeinde Westen sei beendigt, und in dieser Verbindung beantragte Rechtsanwalt Albert Arz in einer Universitäts-Sitzung für den Rechtsvertreter der Universität eine außerordentliche Vergütung. Anfang dieses Jahrhunderts sagte mir der Vorsitzende der Universität, Obergespan Gustav Thalmann, daß der erwähnte Streitfall neuerdings vorliege, und fragte, ob ich etwas darüber im Archive habe. Ich erwiderte, daß der Streitfall verloren gehen mußte, weil in Vertretung der Universität das urbariale Wesen der Sache außeracht gelassen worden sei. Im Gefolge dieses Gespräches stellte ich gestützt auf bestimmte Archivalien ein amtliches Zeugnis aus über das zwischen der Universität und der Gemeinde Westen bestandene urbariale Verhältnis. Aus der Zeit vor Ausstellung dieses Zeugnisses kommt in den Akten kein 39

Zu Magistr.-Zahl 14226 aus 1900.

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Wort vor, welches das urbariale Wesen der Sache erraten ließe. Auf Grund dieses Zeugnisses wurde der Streitfall gewonnen, welcher Erfolg demnach niemand anderem als dem Archiv gutzuschreiben ist40. Diese warnenden Erfahrungen genügen, um jedem Einsichtigen die hohe Bedeutung des Archives in verschiedenen Richtungen klar zu machen. Ein Erschlagener bedarf eines Archives nicht, aber ein Volk, welches als Kultureinheit weiteren Bestand erstrebt und aufsteigende Entwicklung erhofft, wird seiner Archive nicht entraten dürfen. Alle in Zahlen gepreßten, auf ein Archiv angewendeten Grundsätze der Erträgnisrechnung werden durch ein gut geleitetes Archiv zuschanden gemacht. Es würde zu weit führen, durch Beispiele zu beleuchten, wie das Archiv auch im Vorteile seiner Einzelbenützer aus dem Kreise der Bevölkerung nur fachmännische Kräfte anzustellen und zu verwenden in der Lage ist. Aber der Archivsekretär ohne Latein, in Hermannstadt, wo bis zum Jahre 1848 lateinische Amtsschriften einlangten, wo wichtige Nationalurkunden in lateinischer Sprache erliegen, wo von tiefgreifender Archivbenützung ohne Kenntnisse dieser Sprache keine Rede sein kann, muß doch dieser sein Plätzchen finden. Mehrere Jahre hindurch war auch Rechtsanwalt Albert Arz v. Straußenburg Mitglied der sächsischen Universität. Als ich wieder einmal die Notwendigkeit der Besserstellung des Sekretärspostens (500 Gulden jährlich, für welchen Lohn sich niemand fand) in Erinnerung brachte, glaubte Arz, Sieger bleiben zu können mit der Erklärung: „Für die Stelle des Archivsekretärs genügt ein Mann, der soviel Latein gelernt und vergessen hat wie ich, ein besserer Kanzlist.“ – Ein in diesem Sinne vorgebildeter Archivbeamter (als Stellvertreter des Archivars!) hätte in den oberwähnten, auch den Geldbeutel recht empfindlich treffenden urkundlichen bzw. rechtsgeschichtlichen Fragen unwiderruflich versagen müssen. – Nach einiger Zeit stand Arz mit einem Streitfalle am Berge und erbat sich Hilfe aus dem Archiv, welches ihm zum vollen Erfolge verhalf. Auf seine Dankesabstattung mit den Worten, jetzt wisse er, wozu das Archiv brauchbar sei, erwiderte ich auf die Akten hinweisend: „ Aber ohne Latein nicht.“ – Kurz nachher mußte ein junger Rechtsanwalt bei dem Archiv einschreiten um Uebersetzung eines Abschnittes aus einer lateinisch verfassten Konskription aus dem 18. Jahrhundert.

40 Damit sind die falschen, durch die Presse verbreiteten Nachrichten aktenmäßig widerlegt, insbesondere „Kronstädter Zeitung“, Folge 65 vom 19. März 1904. – Friedrich Teutsch (G. D. Teutsch, Geschichte seines Lebens. Hermannstadt 1909, S. 435) bemerkt, daß Bruckner es zu danken war, daß wertvollster Besitz in schweren Streitfällen für die sächsische Nationsuniversität gerettet wurde. – Das stimmt in so allgemeiner Fassung nicht. Möglich, daß Bruckner, ohne aus dem sächsischen Nationalarchiv ein Schriftstück zu benötigen, Streitfälle zu Gunsten der Universität geführt und gewonnen hat. Innerhalb der Jahre 1875 bis 1906, während welcher ich Bewahrer des Archivs war, erschien er nur zweimal in dem selben, eben wegen der hier berührten Fälle, welche er als Rechtsanwalt durchführte. Jedoch bezüglich keines derselben sorgte er für die Hauptsache, nämlich für Beibringung des zum Gewinnen des Streitfalles unbedingt erforderlichen Beweisstoffes. – Im ersten Falle begehrte er von mir nichts als Ausfolgung der königlichen Urkunde aus 1453, im zweiten Falle sagte er, daß er von den Thalmann Auftrag habe, wegen des Westener Streitfalles bei mir Rat zu holen.

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In einem anderen Falle unterlag Arz, als er gegen Erben auftrat, welche Feststellung ihres unanfechtbaren Stammbaumes durch das Archiv veranlaßt hatten41. Zuweilen stößt man auf die verehrte Meinung, daß einmalige Sichtung und Ordnung eines Archives genüge, und dann sei fachkundige Verwaltung überflüssig. Erstens wird es noch vieljähriger fleißiger Arbeit bedürfen, bis dem Archive die auszeichnende Eigenschaft „geordnet“ wird nachgesagt werden dürfen. Als Archivgast weit umhergekommen traf ich auf kein einziges Archiv, welches nach Ansicht seines Versorgers die vorerwähnte Glückstufe erreicht hätte. Zweitens dürfen, sobald das Archiv mit berechtigtem Selbstbewußtsein als „geordnet“ öffentlich sich angemeldet haben wird, die vorstehend besprochenen, auf Grund des Archivinhaltes zu leistenden Arbeiten nicht zum Stillstande kommen, so lange Deutsche auf der von den Vätern mit im Dienste für ihr neues Vaterland erworbenen und nicht ganz unrühmlich behaupteten Scholle ihre Lebensarbeit gewissenhaft obliegen. Darum berufsmäßig ausgebildete Beamte, und nur solche an das Archiv, in einer seiner nunmehrigen Zugänglichkeit Rechnung tragenden erhöhten Anzahl! Dann wird sich von selbst ergeben nachhaltigere Förderung der heimischen geschichtlichen Tätigkeit durch befruchtende Mitarbeit der an dem Archive wirkenden Fachmänner. Das Samuel Baron Brukenthal’sche Museum wäre ohne Zweifel mit dazu berufen, bei der Schaffung eines Gelehrtenstandes mitzuwirken, schon aus Gründen der Gegenseitigkeit. Das Museum wird aus dem erhöhten Stande von Fachmännern erheblichen Vorteil ziehen, und andererseits werden der heimischen Arbeit mehr fachmännisch Kräfte sich annehmen können. Stiftungsgemäß bilden der jeweilige Stadtpfarrer und ein weltliches Mitglied des evang. Landeskonsistoriums A. B. das die Verwaltung des Museums führende Kuratorium, in welches auch der Gymnasialdirektor Aufnahme fand. Die Beamtenstellen wurden an Hermannstädter Lehrer oder Geistliche als Nebenamt vergeben, welche für den Dienst am Museum nicht befähigt waren. Vereinzelt nahm die Verwaltung die Mithilfe von Fachmännern in Anspruch, bei Ausbesserung und Verzeichnung der Gemälde. Im wesentlichen beruht der Katalog derselben auf den durch Dr. Theodor Frimmel, Wien, in den Jahren 1894 bis 1899 gemachten Feststellungen. Als die wichtige Frage an die Verwaltung herantrat, einem allgemeinen Wunsche entsprechend einen Bibliothekskatalog herzustellen, wurde der Mangel fachmännischer Kräfte für die Benützer der Bibliothek sehr unangenehm fühlbar. Unter Hinweisung auf den mißratenen Katalog der Bibliothek der evangelischen Landeskirche A. B. (Hermannstadt 1889)42 erfolgte in einer Sitzung der Hermannstädter 41 Zwanzigster Jahresbericht der evang. Gemeinde A. B. in Hermannstadt (Hermannstadt 1904), 23. 42 Von geringer Einschätzung des Fachwissens zeugt das Vorgehen des Landeskonsistoriums, welches diesen Katalog an deutsche Universitäten zu versenden für gut befand. Unter Zahl 289, 1889 vom 11. Januar 1889 erging folgendes Ausschreiben: „In dankbarem Gedenken an die reichen Geistesschätze, welche die Bibliothek der evangelischen Landeskirche A. B. in Siebenbürgen der Wissenschaft deutscher Hochschulen zu danken hat, gibt sich das achtungsvoll unterzeichnete Landeskonsistorium die Ehre, ein Exemplar des soeben im Druck erschienenen Kataloges der Bibliothek der löblichen Bibliotheks-Verwaltung zur Verfügung zu stellen.“ – Der Spender des bedeutenderen Teiles der Landeskirchen-Biblio-

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evangelischen Gemeindevertretung seitens eines Mitgliedes Anfrage nach den Grundsätzen, welche für die Herausgabe eines Kataloges maßgebend sein werden. Der Vorsitzende Friedrich Müller erwiderte, ohne auf den Plan der Verwaltung einzugehen, daß der Katalog nicht nach der Art des Konsistorialkataloges angefertigt werde. Im Jahre 1897 erfuhr die Gemeinde, daß der Druck des Kataloges bei dem 16. Druckbogen angelangt sei, während die weiteren Jahresberichte über den Katalog schweigen. Seine ersten Hefte ließen entnehmen, daß der Verwaltung nichts ferner liege als bibliothekarische Fachkenntnis. Auch die Verwaltung mußte der Anschauung sich anschließen, daß der Katalog schlecht und daher unnütz sei, und stellte seine Weiterführung ein. Aber aus der Zahlung dieses Lehrgeldes leitete die Verwaltung die einzig mögliche Schlußfolgerung nicht ab, wenigstens einen bibliothekarischen Fachmann an das Museum zu berufen. Unterdessen wuchs das Museum in den Abteilungen Bibliothek, Handschriften und sächsische Kunstaltertümer derart an, daß nebenamtlich Besorgung um so weniger anzuraten ist. Aus dem Bibliotheksdienst mag folgender Vorfall Erwähnung finden. Die Bibliothek bezog im Jahre 1876 aus der Wiener Hof- und Staatsdruckerei das Werk Theodor Sickel „Monumenta graphica medii aevi“ in neun Großheften (1. bis 9. Lieferung) und einer Mappe (10. Lieferung). Die Hefte waren benützungsfähig selbst hergestellt und erreichten mit 61-47 Zentimeter die größte noch zulässige handliche Benützungsform. Die 10. Lieferung enthielt einzelne kleinere Schrifttafeln. Jahr für Jahr wurde das Werk seitens des Archives benützt. Als es am 5. Januar 1903 wieder erbeten wurde, erschien das erste und bedeutendste deutsche paläographische Werk in neuem Gewande und damit in einer seiner Benützung hinderlichen Verfassung. Nicht zehn Lieferungen kamen ins Archiv, sondern ein Band, Halbleder, 76-56 Zentimeter, im Gewichte von 15.4 Kilogramm, in welchen die Verwaltung alle Schrifttafeln hatte zusammenbinden lassen. Damit war das Werk unter die ewigen Bibliothekshüter verwiesen43. Nicht allein die berührten Anstalten bedürfen weiterer fachmännisch geschulter Arbeiter, sondern die Entwicklung des Schrifttumes selbst stößt fortwährend auf dieses arge Mißverhältnis zwischen dringendem Bedarf und unzulänglicher Deckung. thek, Joseph Andreas Zimmermann, sah sich genötigt, gegen die Einrichtung des Kataloges Einsprache zu erheben. Er weist darauf hin (Eingabe an das Landeskonsistorium vom 14. März 1889, Zahl 599. 1889), daß er die von ihm in Wien unter dem Zwange beschränkten Raumes vorgenommene Einteilung und Ausstellung der Bücher nur zum Zwecke eigener Uebersicht über das an die Kirche abgegebene Material gemacht habe; daß er nicht hätte voraussetzen können, es werde diese seine Einteilung für Katalogisierungen in der Bibliothek beibehalten werden. Hätte er von derartigen Vorbereitungen des Kataloges Kenntnis gehabt, so würde er sich gegen Beibehaltung seiner Einteilungsweise ausdrücklich verwahrt haben. Zimmermann will durch seine Erklärung dem allfallsigen Vorwurf bibliothekarischer Fachleute begegnen, „als habe er sich vermessen, mit der berührten Einteilung seiner Schenkung das für das Ganze erforderliche wissenschaftliche System ersetzen zu wollen, – als treffe ihn irgend welcher Anteil an der vom wissenschaftlichen wie praktischen Standpunkt aus nicht zu billigenden Einrichtung der Druckschrift Katalog usw.“ 43 Um auch jeden Schein zu vermeiden, als ob ich einen bestimmten „Kurator“ des Museums treffen wolle, wartete ich Erledigung der Stadtpfarrerstelle ab und reichte im Jahre 1903 einen Aufsatz bei dem Presbyterium ein, in welchem ich fachmännische Besorgung des Museums empfahl. Günstiger Erfolg dieser Erinnerung ließ sich nicht wahrnehmen.

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Der Mangel an Fachmännern trat auch für das Urkundenbuch fühlbar in Erscheinung. Die Fortsetzung des Urkundenbuches zur Geschichte Siebenbürgens von Teutsch und Firnhaber (1. Band, Wien, Akademie, 1857) war mittelst Veröffentlichung von Sonderurkundenbüchern der verschiedenen sächsischen Stühle und Distrikte in Aussicht genommen, jedoch ließen sich mangels an Arbeitern nur einige Ansätze erreichen. Anregungen und Versprechungen erwiesen sich als unausführbar. Im Jahre 1868 erging an Finanzrat Josef Trausch das Ersuchen44, die Sammlung und Bearbeitung der Urkunden des Kronstädter Kreises zu übernehmen. Ihm lag aber mittelalterliche Schrift mindestens soweit ab wie Polarforschung. Viel schrieb er ab, „ex apographo“, aber den Urquellen ging er nicht nach. So kam es zu nichts, ebensowenig bei Samuel Schiel45, der im Jahre 1870 die auf Herausgabe der Kronstädter Urkunden bezüglichen Arbeiten dem Verein für siebenbürgische Landeskunde vorlegen zu können hoffte. Im Jahre 1874 traf man in Siebenbürgen auf niemand, der unter die fachmännisch geschulten Urkundenkenner mit Recht hätte gezählt werden dürfen. Als ich im Jahre 1907 die Fortsetzung des Urkundenbuches46 in die Hände des Vereinsausschusses gelegt hatte, fand sich hierfür nur eine Arbeitskraft, obgleich die Arbeiten seit einigen Jahren einfacher sich gestalteten. Längere Reisen, verbunden mit hohen Eigenkosten wie in früheren Jahren sind nicht vorauszusehen. Die Frage wie Nachträge zu behandeln seien, wurde von mir innerhalb des Vereines zur Beratung und Entscheidung gebracht. Am 20. August 1895 (vor Erscheinen des zweiten Bandes) berichtete ich über den Stand der Vorarbeiten zur Fortsetzung des Urkundenbuches in der Sitzung der historischen Sektion. Hierbei verwies ich darauf, daß im Ungarischen Landesarchiv in Ofenpest durch weitere Ordnungsarbeiten neues Urkundenmaterial erschlossen worden sei, und stellte die Frage: soll das Urkundenbuch auf Grund und mit Benützung des schon gesammelten Materials hereingebracht werden? oder soll erst das im Landesarchiv neu erschlossene Material hereingebracht werden? – Die Sektion verneinte einhellig diese zweite Frage und bejahte die erste Frage, was vom Vereinsausschuß beistimmend zur Kenntnis genommen wurde47. Erfreulicherweise findet sich Fertigstellung der Handschrift des vierten Bandes für das Jahr 1923 angefragt (Archiv, Neue Folge 40, 468). Infolgedessen gelangten fortan auswärts erliegende urkundliche Vorlagen nur in solchen Fällen zur Benützung, wenn es sich um neuerliche Ueberprüfung der Quellen handelte. Recht lebhafte Teilnahme zeigte sich an dem Schaffen des Vereins, und es gelangten Anregungen und Anträge betreffs wünschenswerter Forschungen mehr als hinreichend an den Ausschuß, aber, von den Kosten abgesehen, es fehlte an Arbeitern. Das sollten in erster Reihe Fachmänner sein. Zwar ist, neben ausdrücklicher Betonung der Wissenschaft, von anderer Seite der Meinung Ausdruck verliehen worden: „Der Natur der Sache nach können die in ihnen (den Heften des 44

Jahresbericht 1867-1868. Jahresbericht 1869-1870. 46 1. bis 3. Band (einschließlich Jahr 1415), Hermannstadt 1892 bis 1902. 47 Im Sektionsbericht wird dieser Sektionsbeschluß nicht erwähnt, ist aber als tatsächlich gefaßt derzeit noch durch Zeugen feststellbar, wie auch der darauf sich gründende Ausschußbeschluß. 45

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„Archives“ des Vereins) enthaltenen Abhandlungen nicht den Anspruch erheben, im Mittelpunkt gelehrte Forschung zu stehen,“48 aber das Streben muß auf wissenschaftliche Arbeitsweise gerichtet sein. – Wiederholt beschäftigte man sich mit der Frage der Aufnahme der heimischen Baudenkmale, insbesondere der Burgen. Am 7. Dez. 189049 wurde Anfertigung von Grundbegriffen und Ansichten der sächsischen Kirchenburgen grundsätzlich beschlossen, später folgte ein Beschluß über Verzeichnung der sächsischen Baudenkmale. Eifrig war die Buchhandlung Gräser, Wien, zur Stelle und verpflichtete sich zur Herausgabe von Burgenbeschreibungen gleich in drei Bänden (2. Mai 1895)50. Ohne Fachmänner mußte aber auch der von Adolf Schullerus eingebrachte, im eben erwähnten Beschlusse inbegriffene Antrag (20. August 1895)51, die Burgbefestigungen untersuchen zu lassen, ein frommer Wunsch bleiben. Das Ziel ist auch weiterhin unverändert, neben den vorhandenen hübschen burgenkundlichen Bildertafeln die Ausarbeitung wissenschaftlicher Darstellungen zu erstreben. Wir brauchen einen Otto Piper, welcher vor „Burgenforschung“ „ohne die umfassendsten und eingehendsten Vorstudien auf dem Gebiete der Burgenkunde“ eindringlich warnt.52 Unerledigt mußte auch verabschiedet werden der wichtige Antrag G. Adolf Schuller, „die Agrar- und Siedlungsforschung auf breiter Grundlage neu aufzunehmen und insbesondere durch Beschaffung der Flurarten und Sammlung der Hattertnamen die historisch-urkundliche Forschung zu unterstützen“. – Die Ausschußkommission äußerte sich dazu mit Recht in dem Sinne, daß die erwähnte Arbeit einen ganzen Mann erfordere und erfolgreich nicht durchgeführt werden könne als vierte oder fünfte Nebenbeschäftigung. Die vor mehr als dreißig Jahren großangelegt gedachte Arbeit von Adolf Schullerus und Oskar Wittstock, Beschreibung der sächsischen Gemeinden, ist augenscheinlich nicht zur Ausführung gelangt; ebenso harrt die von Adolf Schullerus vor zwanzig Jahren beantragte Herausgabe eines siebenbürgisch-deutschen Zunfturkundebuches noch ihrer Erledigung. Man sieht, es herrscht zweifellos Bedarf an fachmännischen Kräften. Darum Fachmänner heran! Es gilt, nur den Anfang zu machen, und die Durchführung wird so schwierig nicht sein, vielmehr ist daraus für beide Teile, für die Anstalten selbst, wie für deren Benützer und für unser Schrifttum überhaupt günstige Wirkung vorauszusehen. Inwieweit dabei Besuch des Wiener Institutes für Geschichtsforschung in Berücksichtigung gezogen werden müßte, wurde oben dargelegt. Die Unterbringung des Institutes im Universitätsgebäude ermöglicht Teilnahme zum Beispiel auch an sprachwissenschaftlichen Vorlesungen und Uebungen. Seit Frühjahr 1924 befindet sich die Evangelisch-theologische Fakultät in Nachbarschaft der Universität, Liebiggasse 5. In den provisorischen Bestimmungen aus 1860 war bei dem Landeskonsistorium die Errichtung einer Archivar-Stelle in Aussicht genommen und in § 117 die Stelle 48

„Siebenb.-deutsches Tageblatt“ vom 4. April 1900. Gezeichnet Ss. Jahresbericht 1890-1891. 50 Jahresbericht 1894-1895. 51 Jahresbericht 1895-1896. 52 Die Burgruine Wertheim a. M. Würzburg 1896, 52. – Die Beschreibungen der Rosenauer Burg (Groß-Kühlbrandt, Hermannstadt 1896) und der Repser Burg (Heinrich Müller, Hermannstadt 1900) sind nicht im Sinne Pipers verfaßt. 49

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eines besonderen Beamten „für das Archiv“ festgelegt. Als später die Notwendigkeit einer Vermehrung der Kanzleikräfte eintrat, wurde die Archivarstelle ihrer eigentlichen Bestimmung entzogen und mit einem Verwaltungsbeamten besetzt. In Rücksicht auf den Umfang von Archiv und Bibliothek mit einer in Zunahme begriffenen Handschriftensammlung wäre für einen Fachmann Beschäftigung reichlich gegeben. Ob auch an anderen Stellen in Hermannstadt und auch in anderen Städten Fachmänner zum Dienste heranzuziehen wären, sollte nicht ungeprüft gelassen werden. Die wertvolle Anregung kann aus unserer Mitte selbst heraus wirksame Förderung erfahren, wenn weise Selbstbeschränkung geübt und Verwendung aller Kraft auf Betätigung des Einzelnen in einem bestimmten Fache zur Regel werden53. Es ist einfach unmöglich, gediegene Facharbeit zu liefern, wenn ein und derselbe Arbeiter in mehreren wissenschaftlichen Fächern tätig ist und vielleicht sogar im öffentlichen Leben regelmäßig an leitender Stelle mitwirkt. Das führt zu Halbheit und Verbreitung irriger Anschauungen. Die eingangs angeführte Erinnerung – Notwendigkeit von Anregung, Widerspruch und Prüfung an fremder Meinung – ist aller Beherzigung wert. Das sind angenehme Töne, welche unter uns seit Jahrzehnten nicht betätigt wurden. Bald nach dem Buchdrucker Gött in Kronstadt das Siebenbürger Wochenblatt gegründet hatte (1837), erging aus demselben der wohlberechtigte Ruf nach dem Rechte freier Meinungsäußerung und mit recht gutem Erfolg. Aber später änderte sich das und gute handschriftliche Beiträge gelangten infolge falscher Beurteilung oder aus persönlichen Gründen nicht in die Oeffentlichkeit. Ein in öffentlichem Vorteile geschriebener Aufsatz wurde oben als nicht angenommen erwähnt (S. 226). Ueber den Weg der deutschen Einwanderer nach Siebenbürgen (Mitteilung des Inst. f. ö. Gesch. IX.) erschien im Tageblatt ein irriger Bericht, worauf ich eine rein sachlich gehaltene Erwiderung einsendete. Sie kam an mich zurück. Es war ein schlechter Trost zu hören, daß wenig später sogar dem ehemaligen ersten Schriftleiter des Blattes, Dr. Karl Wolff, die Spalten desselben verschlossen blieben. Es galt die Weisung aus dem Vatikan54, so daß gegenteilige Anschauungen öffentlich nicht aufkommen konnten55, ein Zustand, welcher der heimischen Arbeit nicht förderlich war, weil in der Presse häufig genug Ansichten hervortraten, welche in den vorhandenen Quellen Begründung finden.

53 Vgl. Zur siebenbürg.-deutschen Geschichtsschreibung, besonders über die Besiedlungsfrage. MIÖG. Erg. Band 6, 737 f. (Innsbruck 1901). 54 So benannte Franz Gebbel, Sekretär der evangelischen Landeskirche († 1877), den evangelischen Bischofsitz in Hermannstadt nachweislich zuerst im Jahre 1869. Für Nachfolger wäre der Ausdruck nicht ohne weiteres verständlich. 55 So wird es nicht Wunder nehmen, daß auch der damals lebende älteste Zeitungsschreiber, der zu den zeitlich ersten Mitarbeitern des Kronstädter Wochenblattes gehörte, mit der neuen, in der Presse gegenüber der Meinungsfreiheit bekundeten Richtung sich nicht abfinden konnte. Demzufolge wurde das „Siebenb.-deutsche Tageblatt“ in der Zeit, als Friedrich Teutsch Schriftleiter war (September 1886 ff.), von J. A. Zimmermann regelmäßig, auch im Verkehre mit G. D. Teutsch, nie anders als „Das Haus- und Familienblatt“ bezeichnet.

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Die Sache hat auch heiteren Anstrich, wenn man bedenkt, daß gleichzeitig mit Knebelung der Meinungsfreiheit im eigenen Lager gewaltig in der Luft umhergefuchtelt wurde mit Kampf ums Recht. Die Handschrift des ersten Bandes des Urkundenbuches lag durch zwei Jahre bei Vereinsvorstand Teutsch, da es an Fachmännern zu ihrer Beurteilung fehlte. Als die Herausgeber endlich mahnten, wies der Vereinsausschuß dieselben an den Vorstand, von dem sie eine Reihe Bemerkungen erhalten würden, was mündlich und schriftlich geschah. Es sei gestattet, zur Kennzeichnung dieser Bemerkungen die beiden ersten hierher zu setzen. Die aus dem Ungarischen Landesarchiv aufgenommenen Urkunden der Könige Emerich von 1204 und Andreas von 1206 für Johannes Latinus56 sind Fälschungen – ohne Begründung. – Ferner buchstäblich: … 1315 … Keresfew (Kreisch) …; das sollte heißen, die von König Karl im Jahre 1315 betreffend Keresfew gleich Kreisch (!) ausgestellte Urkunde fehlte in der Handschrift. Selbstverständlich, weil Keresfew (Ursprung der Körösch) nicht zu den deutschen Niederlassungen zählt, im Nordwesten Siebenbürgens liegt, und mit Kreisch (Keresd) bei Schäßburg nicht gleichbedeutend ist. In dieser Art ging es weiter. Zu dergleichen sollte man schweigen. Dagegen war nicht beanstandet worden, daß die Texte von mehr als zwanzig, aus älteren Drucken bekannten und das Siebenbürger Deutschtum betreffenden Urkunden in der eingereichten Handschrift sich nicht befunden haben. Im Jahre 1901 fachte Bischof Friedrich Müller, satzungswidrig und sachlich unberechtigt, einen förmlichen Sturm gegen mich an, weil ich über die vom Vereine geleistete Arbeit (im vorerwähnten Aufsatze Mitteil. Erg.-Band 6) angeblich unrichtig und wissenschaftlich nicht begründet geurteilt hätte57. In der dienstfertigen Presse wurde getadelt, daß ich der „Geschichte der Siebenbürger Sachsen für das sächsische Volk“ wissenschaftliche Bedeutung nicht zuerkannt hätte. Das ist wahr, aber ich zollte dem Buche das höchste Lob in seiner Eigenschaft als Volksbuch, wie solches nach dem Muster von Zschokkes Schweizergeschichte der Verein für siebenbürgische Landeskunde in seinem Preisausschreiben gewünscht hätte. Die Sache entbehrte nicht einer komischen Seite, denn niemand war zur Stelle, der ausgerüstet mit dem erforderlichen Fachwissen, den Angriff wirksam hätte vertreten können. Eine Kriegserklärung ohne Armee! Zur Verteidigung der angeblich geschmähten Arbeiten des Vereines rückte auch ein Fachmann für alles aus, der es zustande gebracht hatte, an einem sächsichen Gymnasium in Religion, Latein, Deutsch, Geschichte und Geographie, Hebräisch und Turnen zu unterrichten. Vom Kern des Gegenstandes nichts wissende Leute, die auch nicht ein Jahr lang in einem geschichtlichen Universitäts-Seminar jemals gearbeitet hatten, machten sich wichtig, da die Presse secundum ordinem es mit der von obenher angedeuteten Richtung hielt. Ruhiger sachlicher Besprechung blieb die Presse verschlossen. Je kleiner der Arbeiterkreis, desto schädlicher erweist sich Ketzerrichterei. Sie verfällt obendrein der Lächerlichkeit, wenn unberufene Richter ein Urteil sich anmaßen in Fachfragen, an welche sie stofflich nicht vertraut herantreten. Nur fachmännischer Betrieb wird zur Erreichung des Zieles führen, zu wissenschaftlich verbürgter Wahrheit. 56

Urkundenbuch I, 7. Verhandlungsschrift des Vereins für siebenbürgische Landeskunde vom 25. August 1901 und vom 25. Jänner 1902. 57

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Insoferne ist den oben angeführten Worten über die Notwendigkeit von Anregung, Widerspruch und Prüfung an fremden Meinungen einer nicht zu unterschätzende Bedeutung beizulegen, wenn sie in die Tat umgesetzt werden. – Also bleibe ein jeder hübsch bei seinem Fache, greife in abseitsgelegene Gebiete nicht über, unterstütze in seinem Wirkungskreise Vermehrung der Fachmänner in unserer Mitte, und das heimische Schrifttum wird hieraus erheblich Nutzen ziehen!

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Letzte Memoiren 1932 Zur Gründung des Vereins der Siebenbürger Sachsen in Wien (1871) Die Anregung zur Gründung eines Vereins der in Wien lebenden Siebenbürger Sachsen ist von Franz Gebbel (gestorben 1877), dem verdienstvollen Leiter und Hauptmitarbeiter des Siebenbürgisch-deutschen Wochenblattes (Hermannstadt 1868ff.), nachmals Begründer der sächsischen Volkspartei und ihrer Vertretungskörper (1876) ausgegangen. Gebbel war in den Jahren 1856 bis 1863 eifriges Mitglied der Wiener sächsischen Skuptschina. Er sendete für Vereinsgründung zehn Gulden an mich, worauf ich zunächst mit dem Juristen Hermann Dietrich (Hermannstadt) den Plan erörterte, weil er gleich mir Gelgenheit hatte, allwöchentlich Verhandlungen erfahrener Männer auch über sächsische Angelegenheiten beizuwohnen. Wir zogen die vor den Rigorosen stehenden Mediziner Tartler und Heinrich Zell ins Vertrauen. Beide hörten offenbar von einer Neuigkeit. Auch Tartler verriet nicht, daß er an ein Zusammenfassen der Wiener Sachsen in einem Verein bereits gedacht habe. Daß er aber während unserer Vorarbeiten andern gegenüber das Bedürfnis nach einem Vereine betont haben wird, darf schon bei der ihm eigenen freundlichen Lebhaftigkeit angenommen werden. Wir einigten uns über den Zweck des Vereines, der kein politischer, wohl aber im Sinne Franz Gebbels ein völkischer Stützpunkt werden sollte. Es mußte stets der Blick auf die Heimat gerichtet bleiben, wo unser Stamm in einen heftigen Kampf gegen die Magyarisierung des gesamten öffentlichen Lebens gedrängt war. Mit einem Satzungsentwurf und zehn Gulden Spende traten wir vor die erste Vollversammlung, welche die Satzungen genehmigte und Dr. Tartler zum Vorstand wählte. Doch ging er bald nach Kronstadt. Ihm folgte als Vorstand Dietrich. Das durch Gustav Kapp, Abgeordneten von Hermannstadt, und Franz Gebbel gegründete Siebenbürgisch-deutsche Tagblatt (mit Jänner 1874), geleitet von Dr. Karl Wolff, hielt den vom Wochenblatt vorgezeichneten Weg inne und bot fortan reichen Stoff für den ersten Teil der wöchentlichen Vereinsabende. Sie fanden statt in der Gastwirtschaft „Zum Lothringer”, 1., Kohlmarkt. – Wir standen aus Ueberzeugung im deutschen Heerlager und nahmen Teil an allen völkischen Kundgebungen; die Vereinsgründung vollzog sich lediglich unter der Einwirkung des natürlichen Gefühls für die Heimat, wo rohe Gewalt alles Recht niederschlug, zum Teil unter beschämender Mithilfe eigener Volksgenossen. Franz Zimmermann, Archivar, Linz

REGISTER (Registriert sind nur die in der Edition von F.Z.’s Autobiographie enthaltenen Orts- und Personennamen, nichts aus den Anmerkungen und zusätzlichen Texten.)

A Adelsberg/Postojan, Ort in Krain, Slowenien: Adelsberger Grotte 44 Adlitz, Ort nächst dem Semmering in Niederösterreich: Adlitzgraben 50 Albrecht, Erzherzog († 1895) 49 Albrich, Karl, Lehrer in Hermannstadt († 1911) 166, 167, 170, 173 Alcuin, Abt in Tours († 805) 71 Alemannia/Alemannen, Studentenverbindung 63 Alt/Olt, Fluss links zur Donau in Rumänien 151 Altaich, Alteich = Nieder-Altaich, Ort in Niederbayern 70 Altemberger, Thomas, Sachsengraf (1481-1486) 152 Altenstein, Ort in Thüringen 36 Amlacher, Albert, Lehrer in Broos († 1939) 124, 125, 152 Amor, römische Liebesgottheit 91 Andreas II., ungarischer König (12051235) 67, 71, 72, 123, 151 Andreas von Hetzeldorf (Ecul), Repräsentant des Mediascher Stuhls (1315) 124 Anhalt, Territorium in Norddeutschland 42 Annenthal, Ort in Thüringen 36 Drachenschlucht 36 Ansbert, mittelalterlicher Autor (1197) 70 Apolda, Ort in Thüringen 32, 33, 35 Arbesthal, Ort bei Bruck an der Leitha in Niederösterreich 59 Arlt, Ferdinand v., Professor (Ophtalmologe) in Wien († 1887) 54 Marie, Tochter 54 Arminia/Arminen, Studentenverbindung 40, 42, 43, 47, 48, 63, 65 Arneth, Alfred v., Direktor des Staatsarchives in Wien († 1897) 74

Arz v. Straußenburg, Albert, Rechtsanwalt in Hermannstadt († 1901) 78, 81, 82, 150, 157, 158, 190 Marie, Gattin (geb. Gebbel) (1835-?) 78 Marie, Tochter (1858-?) 78, 106 Aspang, Ort in Niederösterreich 30 Aspern, Ort, heute zu Wien gehörig 48, 51 Auerbach, Berthold (Moses Baruch), Literat († 1882) 62 Augsburg, Ort in Bayern 152, 157 B Babenberger, Dynastie in Österreich 58 Baedeker, Karl, Buchhändler und Verleger in Leipzig († 1859) 61 Baden (bei Wien), Ort in Niederösterreich 63 Badewitz, Karl, Turnlehrer in Hermannstadt, dann in Dresden († 1882) 39 Bamberg, Ort in Bayern 148 Baudler, Louis, Student (Dresdenser), dann Regierungsrat in Koburg 67, 68 Baumann, Baumeister in Hermannstadt (um 1905) 169 Bayern, Land 36 Bazaine, François, französischer Marschall († 1888) 49 Bebra, Ort in Hessen 36 Beck-Rzikowsky, Friedrich, Graf, Offizier († 1920) 64 Bedeus v. Scharberg, Josef, Orator in Hermannstadt und Direktor der Bodenkreditanstalt († 1901) 76, 79, 81, 82 Benedikt von Nursia, Mönchsvater (ca. 550): Benediktiner Orden 37 Berendes, Student (Rugier) 43 Berger, Andreas, Student (Armine), dann Archivar bei Familie Schwarzenberg († 1919) 65, 67

Orts-, Personen- und Sachregister

Bergleiter, Josef Gustav, Beamter (Kassier und Buchhalter) in Hermannstadt († 1896) 121, 154 Berlin, Ort in Deutschland 43, 124, 164, 189 Bernd, Friedrich, Student (Silese), dann Gymnasial-Professor in Wien († 1893) 39, 43, 48, 65 Bespaletz, Mathilde, Besitzerin in der Hallerwiese (1911) 172 Bierey, Journalist in Dresden 164 Bielitz/Biala, Ort in Oberschlesien (jetzt Polen) 30 Binder, Karl, Arzt in Agnetheln, dann in Hermannstadt († 1889) 91 Bismarck, Otto v., Reichskanzler († 1898) 36, 67 Bistritz/Besterce/Bistriţa, Ort in Siebenbürgen 44, 113, 123, 124, 148, 151 Blankenhain, Ort in Thüringen 35 Blazina, Josef, Professor (Chirurg) in Prag († 1885) 35 Bock, Karl, Sekretär der Sächsischen Nationsuniversität (bis 1905), dann Direktor der Bodenkreditanstalt 175, 177, 189, 190 Bodenbach, Ort bei Tetschen/Dečin in Nordböhmen 31, 39 Bogner siehe Dietrich, Elisabeth Böhme, Schüler in Jena (1869) 40 Böhmen, Territorium 36, 59 Bömches, Friedrich, Architekt in Wien († 1898) 159, 160, 162 Bonn, Ort am Rhein 43, 63 Bordan, Dr. Hans, Hermannstädter Stadtfiskal (1907) 176 Borger, Viktor Hugo, Besitzer in der Hallerwiese (1911) 172 Boxberg, Friedrich v., Offizier in Hermannstadt (1904) 168 Brandsch, Heinrich, aus Mortesdorf, Theologiestudent in Leipzig, dann Pfarrer und Dechant in Siebenbürgen 45 Braunschweig, Ort in Niedersachsen 164 Breslau/Wrozław, Ort in Schlesien (jetzt Polen) 43 Breuss, Student (Silese) (1871) 66 Bronfelli, Geograph (1871) 64

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Broos/Szászváros/Orăştie, Ort in Siebenbürgen 124-126, 148, 152 Brote, Aurel, Direktor der TransylvaniaVersicherung in Hermannstadt († 1897) 148 Brottenrode, Ort in Thüringen 36 Bruch, Johann Friedrich, Professor in Straßburg († 1874) 61, 62 Bruck an der Leitha, Ort in Niederösterreich 58, 59 Bruckner, Wilhelm (der Ältere), Rechtsanwalt in Hermannstadt († 1915) 81, 82, 150, 177, 159 Bruckner, Wilhelm (der Jüngere), Rechtsanwalt in Hermannstadt († 1965) 176, 177, 193 Brukatsch, Martin, Stadtprediger in Hermannstadt († 1882) 33, 77, 114, 122 Luise, geb. Dietrich, Gattin († 1856) 113 Luise, Tochter, verh. Setz 33 Brukenthal, Samuel v., Gubernator in Siebenbürgen († 1803) 152-154, 157, 182 Brunn am Gebirge, Ort in Niederösterreich 65 Brünn/Brno, Ort in Mähren 31, 39 Bruser, Prager Jude (1865) 35 Bubenreuther, Student (Armine) in Leipzig (1869/1870) 43 Buchholzer, Ernst, Lehrer in Hermannstadt († 1935) 166, 168 Budapest/Ofenpest, Ort in Ungarn 33, 35, 119, 121, 126, 127, 149, 185 Bukarest/Bucureşti, Ort in Rumänien 148, 164 Bumbum siehe Dietrich, Gustav Bürger, Student (Silese) (1873) 60, 66, 68 Burgk, Ort in Thüringen 35 Burzenland/Barcaság/Ţara Bârsei, Territorium 125, 152 C Capodistria/Koper, Ort in Istrien (jetzt Slowenien) 44 Carstens, Julius, Student (Dresdenser) (1869/1870) 41

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Register

Chemnitz, Ort in Sachsen 164 Coburg siehe Koburg Connert, Hans, Gymnasiallehrer in Hermannstadt (1906) 185 Eleonore, Gattin (geb. Schiel) 185 Conze, Alexander, Professor der Archäologie in Wien († 1914) 46 Copony, Wilhelm, Beamter (Kontrollor) in Hermannstadt (1892) 166 Cornaro, Egon, Freiherr v., Offizier in Hermannstadt (1904) 171 Cöthen/Köthen, Ort in Anhalt 40 Crapundorph siehe Krapundorf Csallner, Robert, Lehrer am Pädagogischen Seminar in Hermannstadt († 1944) 150 Csaki, Michael, Professor (Historiker) in Göttingen, dann in Berlin († 1896) 166 Csíkszereda/Szeklerburg/Miercurea Ciuc, Ort in Siebenbürgen 113 Curtius, Georg, Professor in Leipzig († 1885) 39, 40, 46 Cyrill/Kyrill (genannt Konstantin), Slawenmissionar († 869) 154 D Darányi, Ignaz, ungarischer Minister († 1927) 146 Deés/Desch/Dej/Burglos, Ort in Siebenbürgen 125, 126, 127 Degen, Kulördiener in Leipzig (1870) 45 Degenfeld-Schönburg, August, General († 1876) 51 Detlefsen, Student (Teutone) in Kiel (1870) 43 Deutsch 31, 37, 45, 46, 48-50, 52, 53, 56, 59-67, 70, 81, 83, 85, 92, 101, 103, 109, 110, 113, 126, 149, 151, 152, 156, 171, 187 Deutschland/Deutsches Reich/reichsdeutsch 36, 46, 62, 67, 70, 88, 120, 153 Deutschtum/Deutsches Volk 94, 155 Deutschmeister, Wiener Infanterie-Regiment 68, 71, 109 Deva siehe Diemrich Diana, römische Göttin 38, 52, 54

Diemrich/Déva/Deva, Ort in Siebenbürgen 33 Dietrich v. Hermannsthal, Familie 29, 98 Adolf, Revisor der Nationalkasse 78, 114 Charlotte („Tante Lotti“) († 1916) 30, 33, 68, 78, 98, 113, 114, 117, 122 Elisabeth Marie, verh. Zimmermann, Mutter († 1899) 29 Elisabeth/Elise, geb. Bogner, Großmutter († 1879) 29, 30, 33, 113, 114, 117 Gustav („General Bumbum“), Oberst, Onkel († 1882) 36, 85, 98, 104, 106, 107, 113, 114, 117, 121, 122 Gustav, Cousin 68, 114 Hermann, Dr. iur. in Hermannstadt, Advokatur-Konzipient († 1917) 68, 114 Johann Friedrich („Magenta-Onkel“) († 1859) 107 Josefine („Pepi-Tante“), geb. v. Wayda († 1910) 68, 77, 78, 114 Karl, Gymnasiallehrer in Hermannstadt 77 Luise, verh. Brukatsch († 1856) 114 Mathilde, verh. Gebbel († 1919) 30 Michael Friedrich, Offizier (Major), Großvater († 1836) 29, 113, 114 Moritz, Cousin, Gerichtskanzlist in Hermannstadt 68, 114 Samuel Adolf („der Mexikaner“), Offizier (1830-?) 77 „Dietrichsburg“, Wohnhaus in Hermannstadt, Wiesengasse 76, 87, 88, 97, 98, 104, 106, 110, 113-115, 117, 120, 122 Döbling, Vorort von Wien 38 Dommayer, Franz († 1900), Casinobesitzer in Wien-Hietzing 38 Dominik, Ordensgründer († 1221): Dominikaner Orden 50, 52, 70 Donau, Fluss 59, 120, 185 Dornbach, Vorort von Wien 58 Dörr, Albert, Bürgermeister von Hermannstadt (1907-1918) 176, 177 Drachenschlucht, südlich von Eisenach in Thüringen 36

Orts-, Personen- und Sachregister

Dresden, Ort in Sachsen 31-33, 39, 45, 164, 167 Dresdensia, Studentenverbindung 4045, 47, 60, 62, 63, 65, 67 Drotleff, Josef, Vizenotar, dann Bürgermeister von Hermannstadt (18941906) 74, 75, 147, 156, 167-169, 174, 176, 177, 184, 186-189 Dück, Josef, Pfarrer in Zeiden († 1883) 120, 121 Josefine, Gattin 121 Julie, Tochter 121 Dumreicher, Christian Armand, Student (Silese), dann österreichischer Politiker († 1908) 47 Düsseldorf, Stadt am Rhein 35 E Eckart, Moritz, Militär-Kamerad (1871) 54, 56, 58 Eckart, Hauptmann in Wien (1871) 50 Eder, Heinrich, Baumeister in Hermannstadt († 1939) 163, 166, 169 Eduard VII., englischer König († 1910) 67 Eichelbaum, Student (Dresdenser) (1871) 62 Einsiedeln, Ort in der Schweiz 119 Eisenach, Ort in Thüringen 33, 36, 63 Eisenburg/Vasvár, Ort in Ungarn 30 Elsaß/Elsass, Territorium 61 Elster, Weiße E., Fluss bei Leipzig rechts zur Saale 39 Eltz, Friedrich, Student (Silese) 60, 62, 65 Englisch 32 Erfurt, Ort in Thüringen 33, 36, 54 Erlangen, Ort in Bayern 36 Europa, Kontinent 120 F Faust, Sagengestalt 35 Fejér, Georg, ungarischer Historiker († 1851) 123, 124 Felbinger, Ubald, Chorherr in Klosterneuburg 164 Feniger, Daniel 154 Fillenbaum, Freiherr v., Gerichtspräsident (1876) 91

249

Filtsch, Johann, Pfarrer in Hermannstadt († 1836) 154 Finken, Studentenverbindung 48 Firnhaber, Friedrich, Archivar in Wien († 1860) 71, 123, 125 Fischamend, Ort in Niederösterreich 58 Fischer, Theobald, Professor (Geograph) in Marburg († 1910) 164 Fleischer, Simon, Amtsdiener in Hermannstadt (1905/6) 184, 185 Fogarasch/Fogaras/Făgăraş, Ort in Siebenbürgen 121 Foltz, Karl, Historiker († 1879) 66, 73 Fournier, August, Professor (Historiker) in Wien († 1920) 48 Fraknói (alias Frankl), Wilhelm, ungarischer Historiker († 1924) 72 Frank, Andreas, siebenbürgischer Historiker (um 1650) 149 Frank, Gustav, Professor (evang. Theologe) in Wien († 1924) 38 Marie, geb. Nagy, Gattin 38 Franken/Frankonen, Studentenverbindung 43, 48 Frankfurt am Main, Ort in Hessen 63, 164 Frankl siehe Fraknói Frankreich, Land: Franzosen 46, 49, 53 Französisch 32, 48 Französlinge 62 Freispitzwald bei Hermannstadt 110 Freytag, Gustav, Schriftsteller († 1895) 85, 87 Fricke, Gustav Adolf, Professor (Theologe) in Leipzig († 1908) 43 Frieb, Bernhard, Professor im Wiener Schotten-Gymnasium (1868) 37 Friedrich I., Kaiser (1152-1190) 70 Friedrich II., Kaiser (1212-1250) 71 Friedrich Wilhelm, Kaiser († 1888) 67 Fulda, Ort in Hessen 63 G St. Gallen, Ort in der Schweiz 119 Gallitzin/Golizyn, russische Adelsfamilie: Gallitzinberg im Westen von Wien 57 Gänserndorf, Ort in Niederösterreich 31

250

Register

Gebbel, Franz, Sekretär der sächsischen Landeskirche in Siebenbürgen († 1877) 35, 78, 80-82, 91 Karl, Sektionsrat in Hermannstadt († 1903) 78 Mathilde, geb. Dietrich, Gattin († 1919) 30 Marie, verh. Arz v. Straußenburg (1835-?) 77 Gehre, M., Realschullehrer in Großhain 164 Geringer, G., Frh. v. Ödenberg, General († 1825) 154 Germania/Germanen, Studentenverbindung 41-43, 48, 63 Gibel, Adolf, Bürgermeister in Hermannstadt (1861-1887) 77 Gindely, Anton, Professor (Historiker) in Prag († 1918) 164 Girsik, Hugo, Offizier in Wien (1870) 54, 56 Göbbel, Beamter (Kontrollor) in Hermannstadt (1877) 121 Goldthal, westlich von Hermannstadt 105, 110 Görlitz, Ort in Schlesien 164 Gotha, Ort in Thüringen 33, 40 Gothen, Studentenverbindung 43 Göttingen, Ort in Niedersachsen 43, 62 Gottschling, Adolf, Realschulleiter in Hermannstadt († 1918) 176 Gottsmatz, Student (Stiria) in Graz (1870) 48 Göttweig, Ort in Niederösterreich 64 Götzenberg, südlich von Hermannstadt 110 Graz, Ort in der Steiermark 38, 44, 64, 119 Greger, Putzfrau bei Zimmermann in Hermannstadt (1875/1876) 115, 118 Greif 111 Grein, Ort an der Donau in Niederösterreich 64 Greißing, Ludwig v., Ministerialrat in Wien (1873, 1877) 68, 121 Griechen, Volk 37, 46, 71, 92 Griechenland/Hellas, Land 46 Grinzing, Vorort von Wien 57

Groget d’Orlearius, Kanzleidirektor (1871) 64 Großau, Ort bei Baden in Niederösterreich 58 Großau/Kereszténysziget/Cristian, Ort bei Hermannstadt 185 Großenhain, Ort in Schlesien 164 Groß-Kanizsa/Nagykanizsa, Ort in Ungarn 119 Grünenwaldt siehe Haaß v. G. Grün-weiß-gold, Studentenverbindung in Wien (Silesia) 60 Grün-weiß-rot, Kartell, Studentenverbindung in Leipzig 41, 43, 48 Gschwandtner, Sigismund, Professor im Wiener Schotten-Gymnasium († 1896) 37 Gündisch, Georg, Jurist in Hermannstadt († 1932) 78 Gustav Adolf, König von Schweden (1611-1632) 43 Gutenstein an der Piesting, Ort in Niederösterreich 58 H Haaß v. Grünenwald, Offizier in Wien (1871) 57 Halle an der Saale, Ort in Sachsen 42, 63 Haller, Peter, Sachsengraf (1557-1569): Hallerwiese, Villenviertel südlich von Hermannstadt 159-173, 185 Drei-Eichen-Straße 159, 160, 162, 166, 167 Friedenfelsstraße/Str. Constantin Noica/Hallerwiese 5 161, 185 Kaltbrunngasse/Str. Izvorului 167 Längenstraße 160, 166, 169, 171, 172 Leschkircherstraße/Str. Ştefan cel Mare 172, 173 Mauthaus 172, 173 Querstraße 173 Rotenturmstraße/Str. Revoluţiei 160, 169, 171-173 Schellenbergerstraße/Bulevardul Vasile Milea 173 Schneidmühlgasse 167 Straußenburgstraße/Str. Budislavu 162, 164, 166, 167 Turnschule 162, 166-168, 173

Orts-, Personen- und Sachregister

Hamburg, Ort in Deutschland 33 Hammersdorf/Szenterzsébet/Guşteriţa, Ort bei Hermannstadt 169 Handmann, Hermann, Fechtmeister in Wien (1870-1900) 48 Ludwig, Fechtmeister in Wien († 1937) 48 Hannoveraner/Grüner Kartell, Studentenverbindung 48 Harmens, Konsistorialrat in Magdeburg 164 Hartel, Wilhelm, Professor (Philologe) in Wien († 1907) 38 Harteneck siehe Sachs v. H. Hasse, Professor in Leipzig 164 Häufler siehe Heufler Häusser, Ludwig, Historiker († 1867) 46 Hauswirth, Ernst, Professor im Wiener Schotten-Gymnasium († 1901) 37 Heidelberg, Ort in Baden 63 Hein, Schulfreund (aus Düsseldorf) im Jenenser Internat (1866) 35 Hellas siehe Griechenland Heller, Dr., Arzt in Wien (1876) 91 Heltau/Nagydisznód/Cisnădie, Ort in Siebenbürgen 44, 105, 110, 113, 123, 158 Henrich, Dr. Gustav, Rechtsanwalt in Hermannstadt († 1950) 177 Karl, Polizeidirektor und Senator in Hermannstadt († 1890) 78, 95 Henßlmann, Emerich/Imre, Archäologe in Budapest († 1888) 67 Hermann v. Salza, Hochmeister des Deutschen Ritterordens (12091239) 152 Hermannstadt/Nagyszeben/Sibiu, Ort in Siebenbürgen passim Obere Allee 100, 102, 109 Bahnhof 78 Brukenthal-Museum 152-154, 157, 192 Burgergasse/Str. Ocnei 98 Drei Eichen 159, 160, 187 Fleischergasse/Str. Mitropoliei 147, 171 Großer Ring/Piaţa Republicii 97, 111, 115, 118, 161, 168, 186 (Brukenthal-)Gymnasium 102 Hallerwiese siehe dort

251

Harteneckstraße 167 Karpathen-Museum 157 Kleiner Ring/Piaţa Mică 161 Nawara, Restaurant 105, 110, 115 Postamt 171 Obere Promenade/Bulevardul C. Coposu 92 Obere Wiese 113 Rathaus 74, 76, 94, 97, 102, 121, 145, 186 Rechtsakademie 29, 102, 103 Salzgasse/Str. Constituţiei 159 Schwimmschulgasse/Str. Someşului 88, 99 Stern, Haus in der Reispergasse/Str. A. Iancu 118 Theater 90, 117, 118, 162, 168 „Vatican“, Bischofspalais 81 Wiesengasse/Str. Tipografilor 29, 33, 76, 78, 113, 117, 162, 164 Wintergasse/Str. T. Popovici 184, 185 Hermannsthal siehe Dietrich v. H. Hersch, Offizier aus Mediasch in Hermannstadt (1876) 109 Herwig, Martin, Student (Dresdenser) in Leipzig (1870), dann Professor in Erfurt 40, 43, 63 Herzberg, Karl, Beamter (Buchhalter) in Hermannstadt (circa 1900) 188 Hessen, Land 31 Hetzeldorf (Häzeldorf)/Eczel (Ecul)/Aţel, Ort bei Mediasch in Siebenbürgen 124 Heuberg, Anhöhe bei Wien 57 Heufler-Hohenbühel, Ludwig, Ministerialsekretär in Wien († 1885) 30 Heydendorf siehe Wilhelmine Wayda Hidber, Basilius, Professor (Historiker) in Bern († 1901) 119 Hietzing, Vorort von Wien 38 Hilgenfeld, Adolf (Professor für Kirchengeschichte) in Jena († 1907) 35 Eugenie, geb. Zenker, Gattin 35 Hilpert, Max, Student in Leipzig (Dresdenser), dann Jurist 40, 42 Hinterbrühl, Ort bei Mödling in Niederösterreich 47 Hirling, Beamter in Hermannstadt (1875) 77

252

Register

Hirzel, Salomon, Verleger in Leipzig († 1877) 65 Hoch- und Deutschmeister, Regiment 59, 68, 109 Hochmeister, Wilhelm, Bürgermeister von Hermannstadt (1884-1894) († 1897) 176, 186, 187 Albert, Sohn, Magistratsbeamter (1876) 102, 187-189 Hoeniger, Robert, Professor (Historiker) in Berlin († 1929) 164 Hofbauer, Rosa, Bedienerin bei Zimmermann (1877) 121 Hofer, Andreas, Tiroler Freiheitskämpfer († 1810) 185, 186 Hoffmann, Adalbert, Student (Silese), dann Ministerialrat im Handelsministerium in Wien († 1894) 47 Hohe Warte, Berg westlich von Wien 38, 52 Hohenlohe-Schillingfürst, Konstantin, Obersthofmeister in Wien († 1896) 52 Hohenstaufen, Dynastie 47, 59 Hohenzollern-Sigmaringen, Leopold, Fürst, Thronkandidat in Spanien († 1905) 47 Hold, Student in Wien (1870) 48 Hopfen, Hans, Literat († 1904) 103 Hornung, Apotheker in Kronstadt (1877) 121 Hößlinger, Max, Alter Herr (Silese) (1868) 39, 47 Humbert/Umberto, König von Italien (1878-1900) 67 v. Huttern, Michael, Hermannstädter Bürgermeister (1797-1811) 154 I Indianer, Volk 67 Innerösterreich, Territorium 185 Inselsberg = Großer Inselsberg im Thüringer Wald 35, 40 Isserstadt, Ort bei Jena in Thüringen 32 Italien, Land 40, 71 J Japan, Land 67 Jena, Ort in Thüringen 32, 33, 35, 36, 3840, 42, 44, 47, 48, 63, 65, 102, 103

Jenke, Hans, Student in Leipzig (Dresdenser) (1870), dann Prokurist in Essen 45 Jickeli, Karl Friedrich, Eisenhändler in Hermannstadt († 1885) 79, 85-87, 89, 90, 91, 93, 95, 97, 101-103, 105, 115, 118, 121, 122 Berta, Tochter 79, 85-112 Friederike/Fritzi, Tochter, verh. Jikeli (1876) 86, 88, 91, 92, 108 Jikeli, Friedrich, Stadtphysikus in Hermannstadt (1876) 159 Karl, Apotheker in Hermannstadt (1876) 88, 91, 92, 94, 111, 122 Joandra, Juon, Fuhrmann in Hammersdorf (1895) 169 Johann von Viktring (Victoriensis), Kärntner Chronist († 1345) 70 Jordan, Wilhelm, Dr. in Frankfurt a. M. 164 Juden, Volk 31, 35, 40, 62, 64, 72, 109 Juettner, Josef, Student in Wien (Silese) (1870) 58 Junger Wald, bei Hermannstadt 109 K Kabedo, Michael Peter, Firma 190 Kaberz, Ort in Thüringen 35 Kafemann, Industrielehrer in Görlitz 164 Kaffern, Volk in Afrika 67 Kahla, Ort in Thüringen 35 Kahlenberg, Berg bei Wien 34 Kaltenbrunner, Ferdinand, Historiker († 1902) 48, 66, 73 Kapp, Friedrich, Reichstagsabgeordneter in Berlin 164 Kapp, Gustav, Abgeordneter (1875), dann Bürgermeister von Hermannstadt (1877-1884) 81, 186 Karako/Krakau/Cricău, Ort bei Weißenburg in Siebenbürgen 151 Karl V., Kaiser (1519-1556) († 1558) 36 Karlsburg siehe Weißenburg Karlsruhe, Ort in Baden 61 Karolinger, Dynastie 70, 71 Karpathen, Gebirge in Rumänien 157 Kästner, Heinrich, Senator in Hermannstadt (1876) 81, 82 katholisch 47, 72, 161 Kempten, Ort in Bayern 119

Orts-, Personen- und Sachregister

Kickh, Klemens, Professor am Wiener Schotten-Gymnasium (1868) 37 Kiel, Ort in Holstein 43 Klausenburg/Kolozsvár/Cluj-Napoca, Ort in Siebenbürgen 44 Kleeberg, Ernst, aus Mühlhausen, Student (Dresdenser) in Leipzig, dann Jurist (1869, 1871) 40, 43, 63 Klein, Wilhelm, Senator in Hermannstadt (1875) 78 Karl, Sohn, Stadtprediger in Hermannstadt (1893-1903) 78, 81, 82 Wilhelm, Sohn, Klavierlehrer 78 Klein-Kopisch/Kis Kapu/Copşa Mică, Ort in Siebenbürgen 121, 122 Klinkowström, Clemens, Archivar in Wien († 1887) 64 Klosterneuburg, Ort in Niederösterreich 43, 59, 164 Knochenhauer, Student (Germane) in Leipzig (1870) 41 Koburg/Coburg, Ort in Bayern 33, 36, 67 Kolta siehe Vido v. Kolta Komorn/Komáron, Ort an der Donau in Ungarn 72, 119, 120 Königgrätz/Hradek Králové, Ort in Böhmen 49, 66 Konrad, Dr., Direktor des Berliner Domstiftes 164 Korberg, Ort südwestlich von Gotha in Thüringen 40 Korbetha = Groß Korbetha, Ort südwestlich von Leipzig in Sachsen 36 Körbl, Karl, Student in Würzburg (1870) 48 Korneuburg, Ort in Niederösterreich 43, 59, 68, 71, 109 Köthen/Cöthen, Ort in Anhalt 40 Krafft, Georg, Student (Dresdenser) in Leipzig (1869), dann Gymnasialprofessor in Goslar 40 Krapundorf/Igen, Ort bei Weißenburg in Siebenbürgen 151 Krems, Ort an der Donau in Niederösterreich 64 Krenthaler, Franz, Student in Wien (1870) 49 Kreuzen, Kurort nordwestlich von Grein in Oberösterreich 63, 64

253

Kreuzenstein, Burg bei Korneuburg in Niederösterreich 59 Kritschke, Dr., Kurarzt in Bad Kreuzen (1871) 64 Kritzendorf, Ort an der Donau bei Klosterneuburg in Niederösterreich 45 Kroatien, Land 71 Kronstadt/Brassó/Braşov, Ort in Siebenbürgen 86, 105, 119, 121, 125, 126, 148, 151, 161, 163 Küfferle, Student (Silese) in Wien (1868) 39 Kürschner, Franz, Dozent (Kunsthistoriker) in Wien († 1882) 66, 70, 71 Kurze, Student in Wien (1870) 48 Kyrill = Cyrill L Ladislaus V. (Postumus), ungarischer König (1440-1457) 146, 182 Laehne, Friedrich, Pädagoge in Ödenburg (1822-1881) 119 Lagerbauer, Rudolf, Student (Saxone) in Wien († 1867) 45 Larcher, Johanna v., Besitzerin auf Hallerwiese (1893) 162 Laschitzer, Simon, Historiker in Wien († 1908) 66, 73 Lattenberg, Ludwig, Stadtingenieur in Hermannstadt (1893) 166, 169, 171 Laxenburg, Ort (mit Schloss) südlich von Wien in Niederösterreich 67 Leipzig, Ort in Sachsen 31, 33, 35, 36, 39-45, 47, 48, 63, 65, 68, 164 Lemberg/Lwiw, Ort in Galizien (heute Ukraine) 71 Leonberg, Ort westlich von Stuttgart in Württemberg 109 Leopoldstadt, Wiener Gemeindebezirk 60 Leschkirch/Ujegyház/Nocrich, Ort in Siebenbürgen 121 Leutschau/Levoča, Ort in der Zips, Slowakei 30 Libloy siehe Schuler Liboch, Ort südwestlich von Graz bei Toblbad in der Steiermark 38 Lichtenfels am Main, Ort in Bayern 36

254

Register

Liebenstein = Bad Liebenstein, Ort in Thüringen 36 Liesing, Vorort von Wien 63 Lindau, Ort am Bodensee in Bayern 119 Lindner, Gustav, Direktor der Hermannstädter Rechtsakademie († 1905) 102, 103, 109, 111, 152 Linz an der Donau, Ort in Oberösterreich 36 Lobeda, Ort südlich von Jena in Thüringen 35 Löher, Franz, Archivar in München († 1892) 145 London, Ort in England 148 Longo, Student in Wien (1871) 66 Lorenz, Ottokar, Professor (Historiker) in Wien, dann in Jena († 1904) 46, 59 Loserth, Johann, Professor (Historiker) in Graz († 1936) 48 Lothringen, Territorium 61 Lotze, Richard, Student (Dresdenser) in Leipzig (1870), dann Mediziner in Dresden 45 Lüdecke, Ernst, Studenten in Dresden (1869) 39 Luden, Konfirmandin in Jena (1865) 35 Ludwig I., ungarischer König (1342-1382) 151 Lueger, Karl, Wiener Politiker und Bürgermeister († 1910) 52 Lugosch/Lugos/Lugoj, Ort in Rumänien 33 Lunaczek, Friedrich, Gutsbesitzer 192 Lundenburg/Břeclav, Ort an der Thaya in Mähren 39 Lusaten/Lausitzer, Studentenverbindung in Leipzig 42 Luther, Martin, Reformator († 1546) 32 Lyppl, Student in Wien (Silese) (1871) 58, 63 M Mac-Mahon, Patric Maurice, französischer General († 1893) 49 Magdala, Ort in Thüringen 35 Magdeburg, Ort in Sachsen-Anhalt 164 Magenta, Ort in der Lombardei: Magenta-Onkel siehe Dietrich, Johann Friedrich

Magyaren, Volk 31, 46, 82, 83, 94, 102, 103, 178, 182, siehe auch Ungarn Mallebarn, Ort an der Donau, gegenüber von Klosterneuburg in Niederösterreich 59 Mandl, Pensionat in Oberschützen, Burgenland (1858) 31 Marburg, Ort in Hessen 164 Mareta, Hugo, Professor im Wiener Schotten-Gymnasium (1868) 37 Mariássy, Alador, aus Marksdorf in der Slowakei, Schüler im Internat in Oberschützen († 1886) 31, 151 Marienburg/Földvár/Feldioara, Ort im Burzenland, Siebenbürgen 63, 151 Marienburg, Lukas, siebenbürgischer Geograph († 1821) 31, 75 Marienthal, Ort bei Eisenach in Thüringen 36, 75, 99 Märker, Studentenverbindung in Bonn 36, 63 Markomannia, Studentenverbindung 52 Marksdorf/Markušovce, Ort in der Zips (Slowakei) 31 Markt Schelken siehe Schelken Marosvásárhely siehe Neumarkt Maschek, Student (Markomanne) in Wien (1870) 52 Matthei, Oswald, Student (Dresdenser) in Leipzig, dann Rechtsanwalt († 1886) 45 Mauerer, Hausbesitzer auf der Hallerwiese (1902) 170 Mayer, Polizist in Hermannstadt 187 Maywald, Fechtlehrer in Leipzig (1869) 48 Mazak v. Ottenburg, Offizier (1870) 50 Mediasch/Megyes/Mediaş, Ort in Siebenbürgen 109, 110, 122, 124, 125 Mehmel, Adolf, Student (Dresdenser) in Leipzig (1870) 43 Meiningen, Ort in Thüringen 36 Meißner, Friedrich Karl, Student (Dresdenser) in Leipzig (1869) 40 Meitzen, August, Professor (Nationalökonom) in Berlin († 1910) 164 Melk an der Donau, Ort in Niederösterreich 36 Melnik, Ort in Böhmen 31

Orts-, Personen- und Sachregister

Meltzl v. Lomnitz, Hugo, Professor (Germanist) in Klausenburg († 1908) 154 Meltzl v. Lomnitz, Oskar, Staatsanwalt in Hermannstadt († 1905) 68 Selma, Schwester (1873) 68 Merkur/Mercurius, römische Gottheit 79 Metz, Ort in Lothringen 49 Mezières, Ort in den Ardennen 54 Michelsberg/Kisdisznód/Cisnădioara, Ort in Siebenbürgen 105 Mieresch/Maros/Mureş, Fluss links zur Theiß in Siebenbürgen 187 Mistelbach, Ort im Marchfeld in Niederösterreich 59 Mödling, Ort in Niederösterreich 65 Mohl, Student (Silese) in Wien (1868) 39 Mohren = Afrikaner 67 Moisisovius, Student (Silese) in Wien (1870) 48, 49, 60, 63 Möller, Eduard, Oberpräsident in ElsassLothringen († 1880) 61 Montpellier, Ort in Frankreich 148 Monumenta Germaniae Historica 71 Mossow, Wilhelm v., Journalist in Berlin 164 Mrakowa, Offiziersdiener in Wien (1871) 55 Mühlbach/Szászsebes/Sebeş, Ort in Siebenbürgen 33 Mühlhausen, Ort in Thüringen 40, 43 Müller, Friedrich, Sachsenbischof (18931906) († 1915) 77, 81-83, 125, 151, 152, 166 Müller, Georg Eduard, Historiker, Archivar in Hermannstadt († 1944) 127, 177, 184, 185, 191-193 Müller, Karl, Apotheker in Hermannstadt (1873, 1876) 68, 91, 159 Amalie, Tochter (1873) 68 München, Ort in Bayern 61, 119, 145, 151, 164, 189 Müß, Otto, Stadtingenieur in Hermannstadt (1890) 160, 162, 169 Muth, Richard v., Student (Silese) in Wien (1868, 1870), dann Direktor des Lehrerseminars in St. Pölten († vor 1910) 39, 43, 48, 66

255

N Nagy, Maria, verh. Frank (1868) 38 Napoleon III., französischer Kaiser (1852-1870) († 1873) 49 Nemeth, Ministerialrat in Budapest 189 Nentwig, Bibliothekar in Braunschweig 164 Neugebäude, habsburgisches Schloss in Simmering bei Wien 57 Neugeboren, Daniel, Sachsenbischof (1806-1822) 154 Karl, Kanzlist in Hermannstadt († 1861) 154 Neumann, Kadett in Wien (1870) 50 Neumarkt am Mieresch/Marosvásárhely/ Târgu Mureş, Ort in Siebenbürgen 187 Neuschönau, Ort bei Steyr in Oberösterreich 185 Neustadt siehe Wiener Neustadt Neuwaldegg, Wiener Vorort 58 Neuwirth, Offizier in Wien (1870) 56, 59 Niederösterreich, Land 31 Nordafrika, Land 36 Norddeutscher Bund, Staatenbund in Deutschland 49 Normannen, Studentenverbindung in Halle 42 Nürnberg, Ort in Bayern 36 Nußdorf, Vorort von Wien 54, 57 O Oberhof, Ort bei Nasswald in Niederösterreich 58 Oberösterreich, Land 185 Obert, Franz, Stadtpfarrer in Kronstadt († 1908) 152 Oberschützen, Ort im Burgenland 30, 31 Ödenburg/Sopron, Ort in Ungarn 68, 119 Odilienberg/St. Odilien, Ort im Elsass 62, 63 Ofen/Buda/Ofenpest 72, 185, 189, siehe auch Budapest Ofner, Student (Silese) in Wien (1870) 48, 58, 60, 63, 64 Orendi, Dr. Julius, Sekretär der Sächsischen Nationsuniversität (1905) 175 Orlamünde, Ort an der Saale in Thüringen 35

256

Register

Orlearius siehe Groget Ortweiler, Student (Germane) in Leipzig (1870) 42 Ossoliński, Josef Max, polnischer Graf in Galizien, Mäzen († 1826) 71 Österreich, Land 33, 36, 45, 46, 49, 57-59, 62, 66, 67, 70, 151-153, 194, siehe auch: Innerösterreich, Niederösterreich, Oberösterreich Ostpreußen, Land 42 Ottenburg siehe Mazak Otto, Johann Karl Theodor, Professor (Kirchenhistoriker) in Wien († 1897) 91 Ottonen, Dynastie 71 P Pardubitz/Pardubice, Ort in Böhmen 31 Paris, Ort in Frankreich 49, 53, 68, 148 Paukert, Johannes, Archivar in Wien († 1915) 66, 73 Paulsen, Anton, Student (Armine) in Jena (1869, 1871) 40, 48, 63 Pechy, Komitats-Oberingenieur 187 Persien, Land 67 Pertz, Karl, Historiker († 1881) 71 Pesendorfer, Hermann, Student (Dresdenser) in Leipzig (1870), dann Rechtsanwalt in Innsbruck 43, 60 Pest 33, 35, 72, 81, 83, 95, 97, 102, 103, 108, 119, 121, 149, 180, 185, 189, siehe auch Budapest Pesty, Friedrich, ungarischer Historiker († 1889) 146 Petenyi, Hausbesitzer auf der Hallerwiese (1902) 170 Peter, Karl Ludwig, Professor (Althistoriker) in Jena († 1893) 46 Petersburg/St. Petersburg, Ort in Rußland 148 Pettau/Ptuj, Ort in Slowenien 149 Pflaster-Wagner, Student (Dresdenser) in Leipzig (1871) 63, 67, 68 Philister 42 Pietschker, Karl, Student (Dresdenser) aus Cöthen in Leipzig (1869/70), dann Pfarrer in Potsdam 40, 41, 47 Pinkafeld, Ort im Burgenland 30 Pirna, Ort in Sachsen 31

Pitten, Ort in Niederösterreich 30 Plauen, Ort in Sachsen 39 Plautus, römischer Dichter († 184 v. Chr.) 40 Plecker v. Pleckersfeld, Josef, Kgl. Rat (1877) 121 Plecker v. Pleckersfeld, Luise (geb. Trausch), Tante von F.Z. († 1905) 121, 163 Pleißenburg, Burg bei Leipzig 42 Polen, Land 41, 64 St. Pölten, Ort in Niederösterreich 147, 148, 171, 175, 176, 185 Pößneck, Ort in Thüringen 35 Prag/Praha, Ort in Böhmen 31, 33, 35, 39, 54, 164 Prater, Erholungsgebiet in Wien (2. Bezirk) 48, 51, 52, 66, 68 Preßburg/Bratislava, Ort in der Slowakei 50 Preußen Territorium 32, 33, 36, 42, 51, 53, 54, 58, 62, siehe auch Ostpreußen Volk 109 Priber, M. G., Verleger in Leipzig (18611876) 39 Prinz, Offizier in Hermannstadt (1876) 109 Prosinagg, Student (Silese) in Wien (1868) 39 Protestanten, Religionsgemeinschaft 55 Puchberg, Ort in Niederösterreich 58 Pulszky, Franz, ungarischer Politiker († 1897) 146 R Raab, Julius, Baumeister in St. Pölten (1906) 185 Rader, Student (Silese) in Wien (1871) 66 Rams siehe Rumes Ranke, Leopold v., Historiker († 1886) 46 Rannicher, Jakob, Ministerialbeamter in Budapest († 1875) 154 Regensburg, Ort in Bayern 36 Regius, Otto v., Student (Dresdenser) in Wien (1870), dann MagistratsSekretär in Wien 48

Orts-, Personen- und Sachregister

Reiche, Alfred, Student (Dresdenser) in Leipzig (1869), dann Arzt in Dresden 40 Reissenberger, Gustav, Vizegespan in Hermannstadt (bis 1910) 176, 179, 181 Reméle, János, Professor (Hungarologe) in Wien († 1873) 46 Reußmarkt/Szerdahely/Miercurea Sibiului, Ort in Siebenbürgen 149 Richter, Eduard, Student (Silese) in Wien (1873), dann Professor (für Geographie) in Graz († 1905) 48, 58, 66 Rißdörfer, L. v., Student in Wien (1870) 48 Ritschel, Friedrich Wilhelm, Professor (Altphilologe) in Leipzig († 1876) 39, 40 Roda, Stadt Roda, Ort in Thüringen 35 Roggenbach, Franz, Frh. v., Staatsminister in Baden († 1907) 61 Rom, Ort in Italien 46, 148 Römer, Volk 65, 72, 92 Römisch, Schneider in Prag (1865) 35 Rorschach, Ort am Bodensee in der Schweiz 119 Rosental, Landschaft bei Jena 41, 42 Roth, Karl, Rechtsanwalt in Schäßburg (um 1900) 150 Rothe, Karl, Lehrer in Oberschützen (1858), dann in Wien 31 Roux, Johann Wilhelm, Fechtmeister in Jena († 1846) 48 Roux, Wilhelm, Fechtmeister in Leipzig († 1897) 48 Rudelsburg an der Ilm, Ort nördlich von Jena in Thüringen 40 Rudolstadt an der Saale, Ort in Thüringen 33, 35, 36 Rugier, Studentenverbindung 43 Ruhla, Ort in Thüringen 36 Rumänien, Land 148, 164 Rumes/Romosz/Romos, Ort bei Broos in Siebenbürgen 151 Ruprecht, Offizier in Wien (1871) 55 Russland, Land 33

257

S Saalfeld an der Saale, Ort in Thüringen 35 Sachs v. Harteneck, Johannes Zabanius, Sachsengraf († 1703) 167 Sachse, Leo, Lehrer in Jena (aus Weimar) (1866) 33, 35, 36 Sachsen, Land 31, 33, 39, 42 Sachsen (Saxones), Siebenbürger Sachsen 79, 82, 83, 91, 109, 125, 146, 182, 189, siehe auch Siebenbürgen Altsachsen, Partei 111 Sachsenheim siehe Soterius Sächsisch Reen/Regen/Szászrégen/Reghin, Ort in Siebenbürgen 113 Salbach, Baurat aus Dresden in Hermannstadt (1895) 167 Sallust, römischer Historiker († 35 v. Chr.) 33 Salza = Langensalza, Ort in Thüringen 152 Sassi, Student in Wien (1871) 63 Saxonen/Saxonia, Studentenverbindung in Wien (seit 1850) 45 Saxones siehe Sachsen Schaal/Sállya/Şoala, Ort bei Mediasch in Siebenbürgen 124 Schafberg, Berg im westlichen Wien 57 Schäfer, Dietrich, Professor (Historiker) in Berlin († 1929) 164 Schalk, Student (Lusate) in Jena (1870) 42 Scharberg siehe Bedeus Schäßburg/Segesvár/Sighişoara, Ort in Siebenbürgen 31, 150, 156, 163 Schelken = Marktschelken/Nagyselyk/ Şeica Mare, Ort in Siebenbürgen 124 Schellenberg/Sellenberk/Şelimbăr, Ort bei Hermannstadt in Siebenbürgen 110 Schenk = Großschenk/Nagysink/Cincu, Ort in Siebenbürgen 124 Schenker, Dr. Martin, Oberkirchenrat in Wien († 1875) 64 Scherer, Wilhelm, Professor (der Germanistik) in Wien, dann in Straßburg († 1886) 39, 66 Schewisbach, Bach rechts zum Zibin in und bei Hermannstadt 90, 167

258

Register

Schiel, Eleonore, verh. Connert 185 Schiel, Hausbesitzer auf der Hallerwiese (1895) 166 Schleiz, Ort im Vogtland in Sachsen 35 Schlesien, Territorium 54 Schmelz, Truppenübungsplatz in Wien 57 Schmidt v. Altenheim, Konrad, Sachsengraf (1863-1868), dann (seit 1874) Präsident des Evangelischen Oberkirchenrats in Wien († 1884) 43, 46, 154 Hermann, Sohn (1870) 43 Schneider, Josef, Gerichtsrat in Siebenbürgen (1873) 68 Schneider, Karl, Nations-Notar in Hermannstadt (1875/1876) 74-77, 79, 87 Schneidmühlbach, Bach bei Hermannstadt, rechts zum Zibin 160, 166, 170 Schobesberger, Hausbesitzer in Hermannstadt 185 Schönbach, Student (Finke) in Wien (1870) 48 Schönbrunn, Palais in Wien 38 Schotsch, Student (Teutone) aus Siebenbürgen in Jena (1870) 44, 45 Schotten, Mönchsorden 37 Schottwien, Ort in Niederösterreich 49, 50 Schreiber, Franz, Städt. Obernotar in Hermannstadt (1876) 94 Schubert, Friedrich Wilhelm, InternatsDirektor in Oberschützen (18501860) 30 Schuler v. Libloy, Friedrich, Direktor der Hermannstädter Rechtsakademie († 1900) 154 Schuller, Johann Karl, StatthaltereiSekretär in Hermannstadt († 1865) 154 Schullerus, Adolf, Seminar-Leiter in Hermannstadt († 1928) 173 Schultze, Theologiestudent in Berlin 164 Schulz (richtig: Schultz), Erhard, Pfarramtskandidat in Graz (1871), dann Pfarrer in Bukarest (1872-75) († 1888 in Leipzig) 64

Schuster, Friedrich, Hausbesitzer auf der Hallerwiese (1898) 168 Schwab, Student (Stiria) in Wien (1870) 48 Schwarz, Dr. Karl, Pfarrer und Kirchenrat in Jena (1865) 35 Schwarzenberg, Johann Adolf, Fürst und Brauereibesitzer († 1888) 59, 67 Schwechat, Ort in Niederösterreich 58 Schweinitz, Hans Lothar v., deutscher Gesandter in Wien († 1901) 49 Schweiz, Land 62 Schwyz, Ort in der Schweiz 119 Sedan, Ort in Frankreich 49 Seebenstein, Ort in Niederösterreich 30 Seivert, Gustav, Stadtarchivar in Hermannstadt († 1875) 49, 50, 68, 87, 97, 123 Semmering, Ort und Berg in Niederösterreich 49, 50, 64, 68 Seng, Dr., Kurgast in Bad Kreuzen (1871) 34 Setz, Gustav, Ingenieur in Hermannstadt (1863) 33, 34 Luise, geb. Brukatsch, Mutter 64 Samuel, Vater, Baumeister in Hermannstadt 34, 87, 97, 113 Sickel, Theodor, Professor (Historiker) in Wien († 1908) 59, 64, 66, 70-73, 99, 119, 126, 151 Siebenbürgen, Territorium 29, 46, 68, 71, 74, 75, 81, 102, 117, 120, 123126, 128, 147-153, 156, 157, 171, 187, 195 Sachsenland 77, 82, 83, 103, 108, 125 sächsisch 78, 79, 81, 82, 93, 102, 110, 113, 123, 125, 145, 153, 174, 177, 182 sächsische Nationsuniversität 74-76, 78, 79, 103, 108, 145, 147, 149, 150, 152, 153, 155, 157, 158, 174177, 181, 182, 189-195 Siebenbürger 43, 44, 89 Siebenbürger Sachsen 43, 44, 45, 72, 89, 110, 125, 164 Siebenrichter, Institution 146, 149, 172, 174, 175, 177, 189, 190, 195 Sieben Stühle, Territorium 146

Orts-, Personen- und Sachregister

Sigerus, Julius, Magistratsbeamter in Hermannstadt († 1901) 160, 167, 168, 169, 186, 187, 188 Sigismund, Kaiser (1411-1437) u. ungarischer König (seit 1387) 95 Silesia/Silesen, Studentenverbindung 39, 43, 45, 47-50, 53, 59, 60, 62, 65-67 Simmering, Vorort von Wien 57 Neugebäude 57 Simonis, Robert, Polizeihauptmann in Hermannstadt († 1906) 172 Simony, Friedrich, Professor (Geograph) in Wien († 1896) 59 Siskovicz, Josef, Frh. v., General († 1783) 174, 176, 181, 182 Slowaken, Volk 52, 55 Sofia, Ort in Bulgarien 148 Somesch/Szamos/Someş, Fluss links zur Theiß in Siebenbürgen 151 Sonneberg, Ort in Thüringen 33, 36 Sonnwendstein, Berg östlich vom Semmering in Niederösterreich 50 Sörensen, Oberlehrer in Chemnitz 164 Soterius v. Sachsenheim, Dr. Arthur, Arzt in Hermannstadt (1893) 166 Spanien, Land 47 Sparbach, Ort bei Mödling in Niederösterreich 65 Sparta, Ort in Griechenland 35 Sperber, Felix, Student (Dresdenser) in Leipzig (1870) 41 Springer, Anton, Professor (Kunsthistoriker) in Bonn († 1891) 61 Steiermark, Territorium 31 Steirer, Einwohner 42 Stephan, Emil, Student (Silese) in Wien, dann in Steyr wohnhaft (1906) 185 Sterz, Alwin, Theologiestudent (Dresdenser) in Leipzig (1869) 40 Steyr, Ort in Oberösterreich 185 Stiria, Studentenverbindung in Graz (Steiermark) 45, 47, 48, 63, 65 Stockerau, Ort in Niederösterreich 59 Stockholm, Ort in Schweden 148 Storch, Gymnasiallehrer in Bistritz († vor 1876) 123, 124 Stradella, Arzt in Wien (1870) 52, 53 Straßburg/Strassbourg, Ort im Elsass 60-63, 66

259

Straußenburg siehe Arz Stremayr, Karl v., Kultusminister in Wien († 1904) 64 Stuttgart, Ort in Württemberg 61 Suceava (Szuczawa), Ort in Rumänien (Moldau) 113 Süddeutsches Kartell, Studentenverbindung 41, 43 Sugenheim, Samuel, Historiker in Frankfurt am Main († 1877) 46 Szamosch siehe Somesch Szegedin, Ort in Ungarn 30 Szekler/Zakel, Volk in Siebenbürgen 82, 149 Szell, Koloman, ungarischer Minister († 1915) 149 Szilágyi, Alexander, Historiker († 1899) 149 Szolnok, Ort in Ungarn 30 T Tabarz, Ort in Thüringen 35 Talmesch/Nagytalmács/Tălmaciu, Ort in Siebenbürgen 146, 182 Tatzmannsdorf = Bad Tatzmannsdorf, Ort im Burgenland 31 Taxis, lombardische Adelsfamilie 33, 36 Teichel, Ort in Thüringen 35 Tellkampf, J., Historiker (1866) 46 Tellmann, Dr. Gottfried, Arzt in Hermannstadt († 1880) 33, 68, 78, 162 Temeschburg/Temesvár/Timişoara, Ort im Banat 30, 33, 35 Teutonen, Studentenverbindung 43, 44 Teutsch, Friedrich, Sachsenbischof (1906-1932) († 1933) 68, 81, 151, 156, 192 Teutsch, Georg Daniel, Sachsenbischof (1867-1893) 68, 71, 77, 79, 81-84, 123-125, 151, 153, 155, 156 Friederike, Tochter 77 Wilhelmine, Tochter 68, 77 Thalmann, Gustav, Hermannstädter Obergespan und Sachsengraf (1891-1910) 149, 150, 171, 174, 175, 177, 180-182, 190 Thausing, Moriz, Professor (für Kunstgeschichte) in Wien († 1884) 70, 71, 73

260

Register

Theil, Rudolf, Gymnasialprofessor in Mediasch († 1910) 110, 124-126, 154, 188 Stefan, Staatsanwalt in Hermannstadt (1895) 166 Theis, Gustav, Magistratsbeamter in Hermannstadt (1893, 1902) 166, 170 Theodor, Student (Silese) in Wien (1873) 58, 59, 63, 65, 68 Theuerkauf, Familie 72, 119-121, 163, 164 Theuerkauf, Anton, Offizier († 1911) 55, 119-122, 161 Josefine, Tochter, verh. Fabricius († 1913) 119, 121, 163 Julie, geb. Trausch, Gattin († 1894) 68, 119-122, 161, 163 Julie, Tochter, verh. Zimmermann († 1934) 68, 69, 117, 119, 120, 122, 161 Marie (1873) (1876), Tochter, verh. Fabritius (1862-1940) 69, 119121, 163 Rudolf (1876), Sohn 119, 163 Thun-Hohenstein, Graf Leo, Minister († 1888) 30 Thüringen, Land 31-33, 36, 42, 43, 173 Thurn und Taxis, Adelsfamilie 33, 36 Tisza/Tißa, Koloman, ungarischer Ministerpräsident (1875-1890) († 1902) 93, 145 Toblach/Toblbad, Ort in der Steiermark 38 Tomaschek, Wilhelm, Professor (Geograph) in Wien († 1901) 62 Transylvania siehe Siebenbürgen 149 Trausch, Josef, Beamter in Kronstadt, Historiker († 1871) 121 Josef Karl, Sohn, Beamter in Kronstadt († 1903) 163 Josefine, Tochter 163 Julie, Tochter, siehe Theuerkauf († 1894) Luise, Tochter, verh. Plecker († 1905) 163 Trausch, Rudolf 163 Triberg, Ort in Thüringen 40 Triest, Ort in Italien 44 Tripolis, Ort in Libyen 36

Tschechen, Volk 56 Tunis/Tunesien, Land 36 Türken, Volk 111 Türkensturz, Berg bei Neunkirchen in Niederösterreich 30 U Uhlirz, Karl, Historiker († 1914) 119 Újszöny, östlicher Vorort von Komorn in Ungarn 72 Ulm, Ort in Württemberg 61 Ungarn (Hungaria), Land und Volk 30, 46, 53, 67, 72, 83, 103, 119, 123, 124, 127, 146, 148, 180, siehe auch Magyaren V Vahlen, Johannes, Professor (der Philologie) in Wien (1871) 38 Vatican siehe Hermannstadt Vauban, Sebastien, französischer Festungsingenieur († 1707) 54 Vellinghausen, Friedrich = Schulz-Vellinghausen, Student (Dresdenser) in Leipzig (1871), dann Oberlandesgerichtsrat in Königsberg 62 Vido v. Kolta, ungarische Adelsfamilie 31 Viktring, Ort in Kärnten 70 Vormeng Dr., Stabsarzt in Berlin 164 Vöslau, Ort in Niederösterreich 58, 63

W Wächter, Friedrich, Hermannstädter Obergespan und Sachsengraf (1876-1883) 96 Wagner, Franz, Student (Dresdenser) in Leipzig (1871), dann Rechtsanwalt in Berlin 67 Wagner siehe Pflaster-Wagner Waitz, Georg, Professor (Historiker) in Göttingen und Präsident der Monumenta Germaniae Historica († 1886) 62 Walachei, Territorium 148 Walachen, Volk 44, 104, 105, 109, 110, 146, 150, 167, siehe auch Rumänen

Orts-, Personen- und Sachregister

Wales, Territorium 67 Walhalla, Denkmal bei Donaustauf in Bayern 36 Wänzl, Franz, österreichischer Waffenfabrikant († 1881) 57 Warschau, Ort in Polen 148 Wartburg, Burg bei Eisenach in Thüringen 33, 36 Wattenbach, Wilhelm, Professor (Historiker) in Heidelberg, dann in Berlin († 1897) 46, 65 Wayda, Familie 68 Hans, Offizier († 1918) 78 Wilhelmine, geb. v. Heydendorff († 1883) 78 Weber, Georg, Historiker († 1888) 59 Wechsel, Gebirge zwischen Niederösterreich und Steiermark 30 Weghuber, Alfred, Cafetier in Wien (1865) 35 Weimar, Ort in Thüringen 33, 36 Weiß, Wilhelm, Lehrer in Hermannstadt (1904) 168 Weißenburg/Karlsburg/Károlyfehérvár/ Alba Iulia 124 Weißmayr, Landesgerichtsrat (1870) 50 Wenrich, Wilhelm, Stadtarchivar in Hermannstadt († 1895) 87 Wenzel, Gustav, Rechtshistoriker († 1901) 72 Werner, Karl, Gymnasialprofessor in Mediasch, dann Pfarrer in Großkopisch, Mitarbeiter am Urkundenbuch († 1913) 110, 124-127 Wertheimer, Eduard, Professor (Historiker) an der Hermannstädter Rechtsakademie, dann in Preßburg († 1930) 66, 73 Westen/Vestény/Veştem, Ort bei Hermannstadt 150 Wien, Ort in Österreich passim Alserstraße 48 Aspernbrücke, Aspernring 48, 51 Au/Augarten 52, 57 Babenbergerstraße 58 Blumenstöckl 37 Breitegasse/Gardegasse/Schweighofergasse 34, 36, 54, 56, 57, 68, 101, 161

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Buchfeldgasse 38 Burg/Hofburg/Burggasse 52, 55, 57 Cottage 159 Dianabad/Dianasaal 38, 52, 54 Dominikanerkloster, Bastei 50, 52, 70 Franzenstor 32 Franz-Josefs-Kaserne 50, 59 Freyung 37 Gartenbaugesellschaft 47, 65 Heugasse 30 Herrengasse 57 Am Hof 52 Hofstallungen 34 Josefinum 54, 55, 93 Josefstadt 48 Kai/Quai 48 Kaiserwasser 38 Koburg Palais 47 Künstlerhaus 67 Lastenstraße 35 Leopoldstadt 60 Musikverein 55 Neubau 34, 35, 36 Prater 48, 51, 52, 66, 68 Ring 38, 47, 51, 52, 58 Rotunde 67 Schotten, Benediktinerkloster, Gymnasium 37 Schulerstraße 119 Schwarzenberggarten 30 Stadtpark 38 Stiftskaserne 56, 57, 58 Stubenring 38 Tabor 59 Theologische Fakultät 38 Tuchlauben 67 Universität 66, 70 Wasserglacis 32 Wasserwerk 167 Weghuberpark 35 Wieden 30 Wollzeile 48 Wiener Neustadt, Ort in Niederösterreich 30, 58 Wien-Fluss im Wien-Tal aus dem Wiener Wald rechts zur Donau 32, 57 Wildenschwert/Ústi nad Orlici, Ort in Böhmen 31, 39

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Register

Wilhelm I., Kaiser (1871-1888) 61, 63, 67 Winterstein, Ort bei Eisenach in Thüringen 36 Wittstock, Joachim Heinrich, Pfarrer in Heltau († 1901) 123, 124 Wohl, Wilhelm Albert, Hauslehrer in Wien (1860), dann (1891-1919) Pfarrer in Lechnitz 31 Wohlmeyer, Heinrich, Baumeister in St. Pölten (1906) 185 Wolff, Johann, Philologe in Hermannstadt († 1893) 148, 153 Karl, Redakteur, Volkswirtschaftler in Hermannstadt († 1929) 81, 82, 156, 157, 189 Würzburg, Ort in Bayern 48 Wuttke, Dr. Robert, in Dresden 164 Z Zabanius, Johannes, siehe Sachs v. Harteneck Zahn, Josef v., Archivar in Graz († 1916) 119 Zakel = Szekler 82 Zeiden/Feketehalom/Codlea, Ort in Siebenbürgen 120, 121 Zeißberg, Heinrich, Professor (Historiker) in Wien († 1899) 70, 71, 73 Zenker, Dr. Gustav, Pädagoge in Jena († 1875) 32, 35, 36, 40, 44 Eugenie, Nichte, verh. Hilgenfeld 35 Zerves, Maichen, Archivbedienstete aus Großau in Siebenbürgen 185 Ziegenrück, Ort bei Saalfeld in Thüringen 35 Ziegler, Stiefelmacher in Bistritz (1870) 44

Ziegler, Gottfried, Student in Wien (1870), dann Arzt in Heltau, später in Bistritz 44 Zigeuner, Volk 104, 109 Zikeli/Zékely, Dr. Friedrich, aus Schäßburg, Lehrer, dann Direktor (bis 1865) in den Oberschützener Schulanstalten († 1881) 31 Zimmermann, Franz Josef passim Elisabeth Marie, geb. Dietrich v. Hermannsthal, Mutter († 1899) 29 Else, Tochter († 1946) 163 Gustav, Sohn († 1943) 163 Hermine, verh. Binder, Tochter († 1909) 163 Josef Andreas, Vater, OberkirchenratsPräsident in Wien († 1897) 29, 127 Julie, geb. Theuerkauf, Gattin († 1934) 119, 121, 122, 163 Otto, Sohn († 1970) 163 Paul Friedrich, Sohn († 1894) 164 Robert, Sohn († 1969) 163, 176 Wilhelm Heinrich, Bruder († 1860) 30, 31 Zips, Territorium in der Slowakei 31 Zood/Cód/Sadu, Ort westlich von Talmesch in Siebenbürgen 158 Zschüschen, Oberstleutnant in Berlin 164 Zürich, Ort in der Schweiz 119 Zwätzen, Ort bei Jena in Thüringen 40 Zweier, Friedrich, Gerichtsrat in Hermannstadt (1875) 81, 82, 91 Zwei Stühle (Mediasch, Schelken) 110, 124 Zwettl, Ort in Niederösterreich 60