Die Spur des Zeichens: Das Zeichen und seine Funktion in der Philosophie des Mittelalters und der frühen Neuzeit 9783110803150, 3110155265, 9783110155266

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Die Spur des Zeichens: Das Zeichen und seine Funktion in der Philosophie des Mittelalters und der frühen Neuzeit
 9783110803150, 3110155265, 9783110155266

Table of contents :
Vorwort
Prolog im Himmel
Einleitung
I. Die spätantiken Quellen der scholastischen Zeichentheorie
A. Augustinus
1. Augustinus’ Stellung in der Geschichte der Zeichentheorie
2. Sprache und Zeichen (De dialectica)
3. Die gnoseologische Funktion der Zeichen (De magistro)
4. Die entwickelte Theorie des Zeichens (De doctrina Christiana)
5. Das verbum mentis als das wahre Wort (De trinitate)
6. Das zeichentheoretische Erbe Augustins
B. Boethius
1. Die Peri hermeneias-Übersetzung
2. Der Ordo orandi
3. Die drei Ebenen der oratio
II. Die mittelalterliche Theorie des Zeichens I: Von Abailard bis zum 14. Jahrhundert
A. Pierre Abailard
B. Die Entstehung einer ausgearbeiteten Zeichentheorie in der 2. Hälfte des 13. Jahrhunderts
1. Roger Bacon
2. Ps.-Robert Kilwardby
3. Die Grammatica speculativa
C. Die geistigen Begriffe als Zeichen
D. Präsenz, Repräsentation und Zeichen in der scholastischen Theorie der Erkenntnis
E. Das Zeichen in der Logik des 14. Jahrhunderts
1. Oratio mentalis und oratio vocalis
2. Konsequenzen des logischen Zeichenbegriffs
III. Die mittelalterliche Theorie des Zeichens II: Das Zeichen in der Logik des 15. und frühen 16. Jahrhunderts
A. Die Bestimmung des terminologischen Feldes von ‘signum’, ‘significare’ und ‘repraesentare’
B. Die Strukturierung des Begriffsfeldes von ‘significare’ und ‘repraesentare’
1. Die Unterscheidung von vier Weisen des Bezeichnens und Repräsentierens
2. Significare naturaliter und significare ad placitum
C. Terminus mentalis, vocalis, scriptus
IV. Die Zeichentheorie der Frühen Neuzeit I: Das Zeichen in der Logik der posttridentinischen Scholastik
A. Mittelalterliche und frühneuzeitliche Zeichentheorie
B. Die Definition des Zeichens
C. Die ratio signi und die Zeichenrelationen
D. Der metaphysische Status der Zeichenrelationen
1. Die funktionale Bestimmung des Zeichens
2. Die formale Bestimmung des Zeichens durch seine Relationen
E. Die Zeichenklassifikation
1. Die Unterscheidung von Signum formale und Signum instrumentale
2. Der Zeichenstatus der Konzepte
3. Die Unterscheidung von signum naturale, Signum ad placitum (ex institutione) und signum ex consuetudine
F. Die Theorie der Sprachzeichen
1. Der Grund der Signifikation sprachlicher Ausdrücke
2. Die Signifikation sprachlicher Ausdrücke
3. Die Signifikation der Schrift
V. Die Zeichentheorie der Frühen Neuzeit II: Das Zeichen in der Metaphysik
A. Das Zeichen in der protestantischen Schulmetaphysik des 17. Jahrhunderts
B. Das Zeichen in der Metaphysik des 18. Jahrhunderts
VI. Das Zeichen in der nichtscholastischen Philosophie der Prämoderne
A. Das Zeichen in der Naturphilosophie der Frühen Neuzeit
B. Das Zeichen in der Theorie der perzeptiven Erkenntnis
1. Descartes’ Occasionalismus des Zeichens
2. Repräsentation und Zeichen in der Arnauld-Malebranche-Kontroverse
3. Berkeleys ‘naturall language’
4. Leibniz’ Metaphysik der Repräsentation
C. Die Funktion arbiträrer Zeichen für das Denken
1. Das Verhältnis von Sprache und Denken in der Philosophie des 17. Jahrhunderts
2. Leibniz’ Konzept der cognitio symbolica
3. Leibniz’ Projekt der characteristica universalis
4. Ausblick auf die Entwicklungen des 18. Jahrhunderts
Verzeichnis der Abbildungen
Sigla
Literatur
Quellen
Sekundärliteratur und neuere Literatur
Sachregister
Namenregister

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Stephan Meier-Oeser Die Spur des Zeichens

W G DE

Quellen und Studien zur Philosophie Herausgegeben von Jürgen Mittelstraß, Günther Patzig, Wolfgang Wieland

Band 44

Walter de Gruyter · Berlin · New York 1997

Die Spur des Zeichens Das Zeichen und seine Funktion in der Philosophie des Mittelalters und der frühen Neuzeit

von

Stephan Meier-Oeser

Walter de Gruyter · Berlin · New York

1997

© Gedruckt auf säurefreiem Papier, das die US-ANSI-Norm über Haltbarkeit erfüllt.

Die Deutsche Bibliothek -

CIP-Einheitsaufnahme

Meier-Oeser, Stephan: Die Spur des Zeichens : das Zeichen und seine Funktion in der Philosophie des Mittelalters und der frühen Neuzeit / von Stephan MeierOeser. - Berlin ; New York : de Gruyter, 1997 (Quellen und Studien zur Philosophie ; Bd. 44) Zugl.: Berlin, Freie Univ., Habil.-Schr., 1995 ISBN 3-11-015526-5

© Copyright 1997 by Walter de Gruyter & Co., D-10785 Berün Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Ubersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen Printed in Germany Druck: Arthur Collignon GmbH, Berlin Buchbinderische Verarbeitung: Lüderitz & Bauer GmbH, Berlin

Für Kolja, Julian, Maurice

Vorwort Die vorliegende Studie, deren Ausarbeitung im Herbst 1 9 9 4 abgeschlossen war, wurde im Herbst 1995 als Habilitationsschrift vom Fachbereich für Philosophie der Freien Universität Berlin angenommen. Sie ist, wie in solchen Fällen üblich, das Resultat einer sich über viele Jahre erstreckenden Beschäftigung mit dem Thema, einer Beschäftigung, die ohne die vielfache Unterstützung von Seiten der Familie, Freunde und Kollegen wohl kaum zu schaffen gewesen wäre. Es waren, von den ersten Anfängen bis zu Drucklegung, zahlreiche wertvolle Diskussionen, Hinweise sowie Kritik oder auch nur das bekundete Interesse, die das Projekt am Leben hielten. Für all das und manches mehr möchte ich an dieser Stelle Thomas Leinkauf, Sven K. Knebel, Wilhelm Schmidt-Biggemann, Roland Posner, Irène Rosier und Claude Panaccio herzlich danken. Mein besonderer Dank aber gilt meinem Lehrer, Wolfgang Hübener. Zum einen, weil es dessen Vorlesungen und Seminare waren, die mich - vor langer Zeit - die hier verfolgte Spur haben aufnehmen lassen, und unsere späterhin gemeinsam abgehaltenen Lehrveranstaltungen wesentlich dazu beigetragen haben, daß ich sie nicht wieder verlor. Zum anderen, weil die uneigennützige Gewährung des freien Zugriffs auf sein - Freunde wissen, wovon ich rede - überaus reiches Textarchiv an vielen Stellen die causa materialis bildete, ohne die historische Arbeiten keine wären. Berlin Friedenau, im August 1 9 9 7

Inhalt Vorwort Prolog im Himmel Einleitung

VII XII XV

I. Die spätantiken Quellen der scholastischen Zeichentheorie A. Augustinus 1. Augustinus' Stellung in der Geschichte der Zeichentheorie 2. Sprache und Zeichen (De dialéctica) a) Das gesprochene Wort und die Depotenzierung der Schrift b) Verbum, dicibile und res als Momente der sprachlichen Signifikation 3. Die gnoseologische Funktion der Zeichen (De magistro) 4. Die entwickelte Theorie des Zeichens (De doctrina Christiana) a) Die Definition des Zeichens b) Res und signa c) Die Klassifikation der Zeichen 5. Das verbum mentis als das wahre Wort (De trinitate) 6. Das zeichentheoretische Erbe Augustins B. Boethius 1. Die Peri hermeneias-Übersetzung 2. Der Ordo orandi 3. Die drei Ebenen der oratio

II. Die mittelalterliche Theorie des Zeichens I: Von Abailard bis zum 14. Jahrhundert A. Pierre Abailard B. Die Entstehung einer ausgearbeiteten Zeichentheorie in der 2. Hälfte des 13. Jahrhunderts 1. Roger Bacon a) Die Bestimmung des Zeichens als Relation b) Die Definition des Zeichens

1 1 1 7 9 11 13 20 20 23 24 30 32 34 34 37 40

42 43 50 50 51 53

χ

Inhalt

c) Die Klassifikation der Zeichen d) Die Theorie der Sprachzeichen 2. Ps.-Robert Kilwardby 3. Die Grammatica speculativa C. Die geistigen Begriffe als Zeichen D. Präsenz, Repräsentation und Zeichen in der scholastischen Theorie der Erkenntnis E. Das Zeichen in der Logik des 14. Jahrhunderts 1. Oratio mentalis und oratio vocalis 2. Konsequenzen des logischen Zeichenbegriffs

III. Die mittelalterliche Theorie des Zeichens II: Das Zeichen in der Logik des 15. und frühen 16. Jahrhunderts A. Die Bestimmung des terminologischen Feldes von 'signum', 'significare' und 'repraesentare' B. Die Strukturierung des Begriffsfeldes von 'significare' und 'repraesentare' 1. Die Unterscheidung von vier Weisen des Bezeichnens und Repräsentierens 2. Significare naturaliter und significare ad placitum a) Die verschiedenen Weisen natürlicher Bezeichnung b) Die verschiedenen Weisen 'willkürlicher' Bezeichnung C. Terminus mentalis, vocalis, scriptus

54 59 65 72 77 86 103 106 110

114

115 126 126 138 138 147 153

IV. Die Zeichentheorie der Frühen Neuzeit I: Das Zeichen in der Logik der posttridentinischen Scholastik

171

A. Mittelalterliche und frühneuzeitliche Zeichentheorie B. Die Definition des Zeichens C. Die ratio signi und die Zeichenrelationen D. Der metaphysische Status der Zeichenrelationen 1. Die funktionale Bestimmung des Zeichens 2. Die formale Bestimmung des Zeichens durch seine Relationen a) Francisco de Araújo (1580-1664) b) Johannes a Sancto Thoma (1589-1644) E. Die Zeichenklassifikation

171 175 184 192 197 205 205 213 235

Inhalt

1. Die Unterscheidung von signutn formale und signum instrumentale 2. Der Zeichenstatus der Konzepte 3. Die Unterscheidung von signum naturale, signum ad placitum (ex institutione) und signum ex consuetudine F. Die Theorie der Sprachzeichen 1. Der Grund der Signifikation sprachlicher Ausdrücke 2. Die Signifikation sprachlicher Ausdrücke 3. Die Signifikation der Schrift

XI

.

238 251 262 272 273 279 302

V. Die Zeichentheorie der Frühen Neuzeit II: Das Zeichen in der Metaphysik

308

A. Das Zeichen in der protestantischen Schulmetaphysik des 17. Jahrhunderts B. Das Zeichen in der Metaphysik des 18. Jahrhunderts

308 331

VI. Das Zeichen in der nichtscholastischen Philosophie der Prämoderne

337

A. Das Zeichen in der Naturphilosophie der Frühen Neuzeit B. Das Zeichen in der Theorie der perzeptiven Erkenntnis 1. Descartes' Occasionalismus des Zeichens 2. Repräsentation und Zeichen in der Arnauld-Malebranche-Kontroverse 3. Berkeleys 'naturall language' 4. Leibniz' Metaphysik der Repräsentation C. Die Funktion arbiträrer Zeichen für das Denken 1. Das Verhältnis von Sprache und Denken in der Philosophie des 17. Jahrhunderts 2. Leibniz' Konzept der cognitio symbolica 3. Leibniz' Projekt der characteristica universalis 4. Ausblick auf die Entwicklungen des 18. Jahrhunderts

337 350 354

Verzeichnis der Abbildungen Sigla Literatur Quellen Sekundärliteratur und neuere Literatur Sachregister Namenregister

426 426 427 427 444 469 474

363 376 384 389 389 402 407 415

Prolog im Himmel Ag: „Ein Zeichen gibt es nicht." 1 La: „Je dümmer und unwissender die Zeiten sind, desto mehr (wird) von Zeichen und Bedeutung ... gesprochen." 2 Fr: „Verachte niemand die Zeichen!" 3 O und Ri (zusammen): „Bei allem Denken deuten wir Zeichen." 4 Pa und Wy (durcheinander): „Habt also auf die Zeichen Acht" J / „Man muß auf die Zeichen achten." 6 Pe: „Wir können nicht ohne Zeichen denken." 7 Po: „Im Allgemeinen sind alle Mittel, derer wir uns zum Erkennen Sprechen bedienen, Zeichen." 8 Fi:

und

„Wechselwirkung durch Zeichen ist also Bedingung der Menschheit." 9

H o : „Ja, was auch immer wir täglich hören oder sehen, reden oder tun, all das ist Zeichen." 1 0 Fi:

„So gewiß Menschen sind, so gewiß sind Zeichen." 1 1

T h : „Der eigentliche Mensch, das heißt die Vernunft und der G e i s t . . . bestehen einzig und allein in der Kunst der Zeichen." 1 2

1 2 3

AGRIPPA nach DIOGENES LAERTIUS, De vitis... philosophorum I X , 96. J . H. LAMBERT, Anlage zur Architektonik (1771) § 647. G. FREGE, Über die wissenschaftliche Berechtigung einer Begriffsschrift: Zeitschrift

Philosophie und philosophische Kritik NF 81 (1882) 48.

4 5 6 7

für

OGDEN/RICHARDS, Die Bedeutung der Bedeutung ( 1 9 7 5 ) 2 8 4 f . PARACELSUS, Sämtliche Werke, hg. K. SUDHOFF ( 1 9 2 3 - 3 3 7 ) 7 . 4 5 4 . J . WYCLIF, Trialogus ( 1 8 6 9 ) 2 4 4 : „oportet ad signa attendere." C. S. PEIRCE, Collected Papers ( = CP) 5 . 2 6 5 : „ W e have no power of thinking without signs."

Ars logica ( 1 9 4 8 ) 9a: „in universum instrumenta, quibus ad cognoscendum et loquendum utimur, signa sunt."

8

JOHANNES A SANCTO THOMA (J. Poinsot),

9

J. G. FICHTE, Vorlesungen über Logik und Metaphysik, SS 1797, in: Kollegnachschriften Bd.

10

1 (1977) 295. J . P. HOFIUS, De signo et signato ( 1 6 7 1 ) 3 : „Imo quicquid quotidie audimus vel vidimus, loquimur aut agimus, id omne signum ... est."

11

omnia

J. G. FICHTE, Vorlesungen über Logik und Metaphysik, SS 1797, in: Kollegnachschriften Bd. 1 (1977) 296.

XIII

Prolog im Himmel

Pe: „Wenn wir denken, dann erscheinen wir selbst, so wie wir in diesem Moment sind, als Zeichen." 1 3 C:

„der Mensch [ist] nur noch Abstraktion, ein Zeichen." 1 4

ein

hypothetisches

Phantom...,

eine

Pe: „Das Mensch-Zeichen." 1 5 Sfo: „Die ganze Natur ist übervoll von Zeichen." 1 6 Go: „Daraus folgt, daß allen Dingen unter Gott die Definition des Zeichens zukommt und sie somit Zeichen sind." 1 7 Ma: „Jedes Ding in der Welt ist ein Zeichen." 1 8 Ge: „Jegliches geschaffene Ding ist ein Zeichen." 1 9 Pe: „Das gesamte Universum ist angefüllt mit Zeichen, wenn es nicht sogar ausschließlich aus Zeichen zusammengesetzt ist." 2 0 Fi: „Ist es denn aber wahr, daß wir die Welt nur so als ein Zeichen betrachten können?" 2 1 Wi: „Das Universum Zeichen." 2 2

und

alle

Einzeldinge

im

Universum

sind

gewisse

Fi: „Aber ist denn die W e l t . . . bloßes Zeichen oder ist sie etwas reelles, an und für sich bestehendes?" 23

12

13

14

15 16 17

18 19 20

21 22

23

F. THUROT, De l'entendement et de la raison. Introduction à l'étude de la philosophie (Paris 1830-33) 1.175: „II faudra avouer que l'homme tout entiere, c'est-à-dire la raison et le génie, qui élèvent au-dessus de tout ce qui a vie et mouvement sur ce globe, consistent uniquement dans l'art des signes." C. S. PEIRCE, CP 5.383: „When we think, then, we ourselves, as we are at that moment, appear as sign." V. COUSIN, Préface zu MAINE DE BIRAN: Nouvelles considérations sur les rapports du physique et du morale de l'homme. Ouvrage posthume de M. de Biran (Paris 1834) XVII; vgl. U. RICKEN, Sprachtheorie und Weltanschauung in der Europäischen Aufklärung (1990) 103. C. S. PEIRCE, CP 5.313: „the man-sign". C. SFONDRATI, Cursus philosophicus t. 1 (1696) 440: „Tota rerum natura signis abundat". F. GONÇALEZ, Logica tripartita (1639) 91a: „infertur omnibus rebus infra Deum convenire ... definitionem signi, et consequenter esse signa". P. MARGALLUS, Utriusque logices scholia (1965) 146f: „omnis res mundi est signum." J. GERSON, De modis significandi (1706) 816: „quaelibet res creata signum est". C. S. PEIRCE, CP 5 . 4 4 4 η. 1: „the entire universe ... is perfused with signs, if it is not composed exclusively of signs". J. G. FICHTE, Vorl. über Logik u. Met. SS 1797, $ 927, in: Kollegnachschr. 1 (1977) 407. WILHELM VON AUVERGNE, De universo (1674) 613a : „universum, et singula universi, signa quaedam sunt". J. G. FICHTE, Vorl. über Logik u. Met. SS 1797, $ 927, in: Kollegnachschr. 1 (1977) 407.

XIV

Prolog im Himmel

Pto: „Die sichtbare Welt ist das ausdrücklichste Zeichen... Nicht nur wird die Welt ganz richtig ein Zeichen sondern auch mit Recht eine Versammlung von beinahe unzähligen Zeichen genannt." 24 Wy:„Jedes Geschöpf ist Zeichen des Schöpfers... Gott aber ist Zeichen jedweder Sache ... und daraus folgt, daß jegliches ein Zeichen ist." 25 Pto: „Gott aber ist doch kein Zeichen, sondern das unmittelbare Signifikat aller Dinge." 26 Ma: „Gott ist sich selbst ein Zeichen." 2 7

Alle: „Was aber ist ein Zeichen?"

24

25

26

27

J. B. PTOLEMAEUS, Philosophia mentis et sensuum (1698) 135ab: „Mundus sensibilis est explicatissimus signum ... Non modo Mundus dicitur rectissime signum, sed iure appellatur Congregatio quaedam pene innumerabilium signorum." J. WYCLIF, Trialogus (1869) 244: „omnis creatura est signum creatoris... Deus etiam est signum cujuslibet rei ... et per idem sequitur, quod quodlibet est signum." J. B. PTOLEMAEUS, Pbilosophia mentis et sensuum (1698) 135b-136a: „Deus vero signum non est, sed omnium rerum immediatum significatum." P. MARGALLUS, Utriusque logices scholia (1965) 146f: „Deus est signum sibi ipsi."

Einleitung Wenn zutrifft, was gegen Ende jenes Entwicklungsganges des Zeichens, dessen Spur hier verfolgt werden soll, zum verbreiteten Konsens geworden ist, nämlich daß die „Wechselwirkung durch Zeichen ... Bedingung der Menschheit" ist, 1 und daß „der eigentliche Mensch, das heißt die Vernunft und der G e i s t . . . einzig und allein in der Kunst der Zeichen" besteht, 2 dann war das Zeichen nicht nur vor dem Menschen, sondern auch - zumindest eine - Bedingung der Möglichkeit seines Auftretens. Doch Gegenstand der folgenden Investigationen 3 sind nicht die Zeichen selbst. Es geht um Zeichentheorie, die nicht anders manifest wird, als in Zeichen über Zeichen. Aber auch die literarische Spur des Zeichens führt weit zurück und verliert sich erst dort, wo sich die literarischen Zeichen selbst verlieren. 4 Mag es auch zweifelhaft sein, inwieweit mit Recht von einer Zeichentheorie schon bei den Vorsokratikern gesprochen werden kann; eine umfassende Geschichte der Theorie des Zeichens - die hier nicht beabsichtigt ist - hätte dort, am Anfang, zu beginnen, bei Heraklit 5 und Parmenides, 6 Piaton 7 und Hippokrates. 8 Denn bereits da beginnt das Zeichen mehr zu sein als jene einfachen Feldzeichen, Wegmarken etc., die oft als erste genannt zu werden pflegen, wenn es um die Exemplifizierung von „Zeichen" geht.

1

J . G. F I C H T E , Vorlesungen 1 (1977) 295.

2

F. THUROT, S. Prolog im Himmel, Anm. 12. Vgl. J . M . CHLADENIUS, Disputatio philosophica de vestigiis ( 1 7 4 9 ) 1 5 : „Omnis actio nostra, quae circa vestigiis versatur, investigatio a nobis appellatur." Zur Frühgeschichte der Reflexionen über das Zeichen vgl. G. M A N E T T I , Le teorie del segno

3

4

über Logik und Metaphysik, SS 1 7 9 7 , in: Kollegnachschriften Bd.

nell'antichità classica (1987). 5

Zu Heraklit vgl. L. ROMEO, Heraclitus and the Foundations of Semiotics: Versus 15 ( 1 9 7 6 ) 73-90.

6

Zu Parmenides vgl. W . D E T E L , Zeichen bei Parmenides: Zeitschrift für Semiotik 4 ( 1 9 8 2 ) 221-239. Zu Platon vgl. R . D E M O S , Plato's Philosophy of Language: The Journal of Philosophy 6 1

7

( 1 9 6 4 ) 5 9 5 - 6 1 0 ; E . COSERIU, Die Geschichte der Sprachphilosophie von der Antike bis zur Gegenwart ( 2 1 9 7 5 ) 1 . 2 1 - 2 9 ; P. S C H M I T T E R , Das Wort als sprachliches Zeichen bei Piaton und de Saussure, in: Gedenkschrift für J o s t Trier, hg. H. BECKERS u. H . S C H W A R Z ( 1 9 7 5 ) 4 5 - 6 2 ; D . DL CESARE, La semantica nella filosofia greca ( 1 9 8 0 ) 8 9 - 1 5 5 ; G. M A N E T T I , Le teorie del segno ( 1 9 8 7 ) 8 0 - 1 0 3 ; T . B O R S C H E , Was etwas ist ( 1 9 9 0 ) 3 5 - 1 0 6 . 8

Zu Hippokrates und der antiken medizinischen Semiotik vgl. T . A. SEBEOK, Symptome, systematisch und historisch: Zeitschrift für Semiotik 6 ( 1 9 8 4 ) 3 7 - 4 5 ; G. M A N E T T I , Le teorie del segno ( 1 9 8 7 ) 5 7 - 7 9 .

XVI

Einleitung

Während Zeichen (σήμα) vor Parmenides vor allem militärische Anweisung, Wegzeichen, Vorzeichen und Mahnzeichen war, nannte man nach Parmenides zunehmend auch stützende Belege und Prämissen in unvollständigen Schlüssen Zeichen (σημενον). In gewissem Sinne ist dies der Beginn der philosophischen Karriere des Begriffs „Zeichen"; einer Karriere, die, vergleicht man das, was dieser zunächst besagt, mit den im Prolog getroffenen Aussagen über seine erkenntnistheoretische oder metaphysische, anthropologische oder theologische Valenz, sicherlich ihresgleichen sucht; die jedoch nur möglich wurde durch grundlegende Veränderungen am Begriff des Zeichens selbst. Die Geschichte dieser Veränderungen sowie der zeichentheoretischen Diskussionen, die zu ihnen führten, nachzuzeichnen, wird eine wesentliche Aufgabe der vorliegenden Studie sein. Dabei geht es nicht um die Freilegung impliziter Zeichentheorien am Bestand der philosophischen Tradition. Denn wo sich das Feld der expliziten Zeichentheorie als derart umfangreich und intensiv kultiviert erweist,

scheint

es

methodisch

ratsam,

die

sogenannten

'impliziten

Zei-

chentheorien', ohnehin zumeist nachträgliches Konstrukt und Projektion, beiseite zu lassen. Weil aber die Wege des Zeichens zwar nicht unergründlich aber doch verschlungen und weitverzweigt sind, mag es sinnvoll sein, der besseren Orientierung halber bereits vorab einige Wegmarkierungen zu setzen. W e n n im folgenden die Spur des Zeichens erst bei Augustinus und Boethius aufgenommen wird, so hat das - neben der notwendig begrenzten Kapazität eines endlichen Autors - seinen sachlichen Grund darin, daß eben hier der späterhin wirksam gewordene Zeichenbegriff seinen Ausgang nimmt. Voraugustinisch war das Zeichen (σημεΐον) im eigentlichen, d.h. seiner Definition entsprechenden Sinn, wie auch immer es konkret gefaßt worden sein mag, Mittel der Inferenz. Erst mit der von Augustinus formulierten Zeichendefinition verbindet sich der Anspruch, alle Arten von Zeichen, die natürlichen Indizes ebenso wie die willkürlich eingesetzten Zeichen, zu bestimmen. Und es ist dieser augustinische Begriff des signum,

von dem die scholastische Tradition ausgeht und auf

den sie sich, affirmativ oder kritisch, stets beziehen wird. Sofern hier ältere semiotische oder semantische Ansätze virulent werden, sind sie im wesentlichen über Augustinus und Boethius vermittelt (Kap. I). Eine zumindest überblicksartige Darstellung der mittelalterlichen Erörterungen über das Zeichen - mehr ist hier kaum zu leisten - erschien insofern erforderlich zu sein, als das Mittelalter eben keineswegs nur jenes häufig apostrophierte „âge du symbole" ist, sondern jene Epoche, in der unter Anknüpfung an die Vorgaben von Augustinus und Boethius aber auch in Auseinandersetzung mit diesen die Grundlagen für die spätere Entwicklung der Zeichentheorie gelegt werden. Die Geschichte des Zeichenkonzepts verläuft, wie jede andere auch, weder geradlinig noch kontinuierlich. Eine wichtige Phase ist die zweite Hälfte des 13. Jahrhunderts. Hier zeichnet sich mit Roger Bacon, Ps.-Kilwardby - der bereits explizit eine eigenständige „scientia de signis" propagiert - sowie im

XVII

Einleitung

Rahmen der spekulativen Grammatik eine zunehmende Berücksichtigung des Zeichens als eines Grundbegriffs der

scientia sermocinalis

ab (Kap. II A-B).

Zugleich wird hier in deutlicher Absetzung von Augustinus die Neubestimmung der Konzepte als Zeichen vollzogen, welche sich als eine der markantesten Umbruchstellen in der Geschichte der Zeichentheorie erweist (Kap. II C). Hatte das

signum

in der älteren Tradition, die Stoa bildet hier die Ausnahme,

seinen eigentlichen Ort im Bereich der äußeren, sinnlich wahrnehmbaren Dinge, so beginnt es nun gleichsam ins Innere des Geistes einzudringen und okkupiert jenen Raum der mentalen Präsenz, von dem abgesetzt und ausgeschlossen zu sein zuvor zu seiner wesensmäßigen Bestimmung zählte. Der Begriff des Zeichens wird somit, sei es als repräsentierendes Medium, sei es als unmittelbarer Akt der Erkenntnis, zu einer grundlegenden Kategorie der Beschreibung kognitiver Repräsentation (Kap. II D). W a r der terminologisch verwendete Begriff des

signum

in der terministi-

schen Logik des 12. und frühen 13. Jahrhunderts speziell auf die Bezeichnung der synkategorematischen Ausdrücke begrenzt, so tritt er im frühen 14. Jahrhundert, weil die Konzepte jetzt selbst als Zeichen gelten, ins Zentrum der mentalistischen Logik. Am deutlichsten vielleicht zeigt sich dies bei Ockham, der unter konsequenter Instrumentalisierung des Zeichenbegriffs metaphysische Problematik

(universale, relatio)

in semantische Fragestellungen übersetzt (Kap.

II E). So wichtig jedoch der Begriff des Zeichens für Ockham ist, so wenig geht es ihm bereits um eine allgemeine Theorie des Zeichens. Denn aufgrund der strikten Beschränkung des Zeichenkonzepts auf logikrelevanten Propositionalzeichen, d.h. auf Zeichen, die als oder innerhalb einer

propositio

fungieren,

konnte - und sollte - nur ein begrenzter Ausschnitt zeichentheoretischer Thematik in den Blick kommen. D a ß die Logik langfristig zum Ort der Entwicklung einer allgemeinen Theorie des Zeichens wird, liegt insofern zu einem nicht unerheblichen Teil daran, daß das spätere 14. Jahrhundert in vieler Hinsicht von Ockham abweicht. Im Gegensatz zu Ockham entwickelt die terministische Logik des ausgehenden Mittelalters die logisch-semantische Thematik auf der Grundlage einer detaillierten Analyse der verschiedenen Verwendungsweisen der einschlägigen Begrifflichkeit

(terminus, significare, repraesentare, signum

etc.; Kap. III A-B).

Hierbei wird die Erörterung nicht von vornherein auf deren engeren, logisch relevanten Sinn beschränkt. Vielmehr werden auch die Konsequenzen, die sich für konkrete Fragestellungen aus der Ansetzung der verschieden weit gefaßten Begriffsbestimmungen ergeben können, ausführlich durchgespielt; mit der Konsequenz, daß sich an den Rändern des logischen Diskurses eine Behandlung eigentlich logikfremder, zeichentheoretisch aber durchaus relevanter Themen anzulagern beginnt. Wie in der mentalistischen Logik des 14. Jahrhunderts bilden auch in der Logik um 1 5 0 0 die Mentaltermini das Zentrum der logischen Semantik. Das

XVIII

Einleitung

Mentalzeichen, der geistige Begriff, ist das erste und eigentlichstes, alle anderen erst ermöglichendes Zeichen („signum mentale est primum et principalissimum signum, sine quo voces et scripta significare non possunt"). Das führt jedoch gerade nicht dazu, daß die Analyse der übrigen Zeichenarten aus dem Gegenstandsbereich der Logik ausgeschlossen werden. Die steigende Konjunktur der Berücksichtigung allgemeiner zeichentheoretischer Themen, wie sie sich in der Logik um 1500 abzeichnet, findet, vielfach modifiziert, ihre Fortsetzung in der sich in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts formierenden Logik der Zweitscholastik. Zwar stammen die von ihr behandelten zeichentheoretischen Fragestellungen ebenso wie das Spektrum ihrer Beantwortung sowie das hierfür verwendete theoretische und terminologische Instrumentarium überwiegend älteren Diskussionen. Die Theorie des Zeichens avanciert hier jedoch - obwohl oder weil die Differenziertheit und das Niveau der mittelalterlichen Logik nur noch selten erreicht wird - in einem vorher nicht gekanntem Maß zu einem eigenständigen Thema, wobei ihre Darstellung im Rahmen der logischen Kurse mitunter die Form umfangreicher und in sich geschlossener Zeichentraktate annimmt (Kap. IV). Ungefähr zeitgleich mit der ansteigenden Konjunktur einer allgemeinen Thematisierung des Zeichens in der Logik der katholischen Zweitscholastik formiert sich auf Seiten der protestantischen Schulphilosophie mit der Restitution der durch Luther und Melanchthon zunächst aus dem Lehrbetrieb der protestantischen Hochschulen ausgeschlossenen Metaphysik das zweite Zentrum der frühneuzeitlichen Zeichentheorie. Die hier propagierte und fest in den metaphysischen Themenkanon aufgenommene „doctrina generalis de signo et signato" bildet die historische Grundlage für die Behandlung Zeichenlehre im Rahmen der Metaphysik, wie sie sich, trotz erheblicher formaler und inhaltlicher Modifikationen, besonders in der Wolffischen Schule bis ins späte 18. Jahrhundert fortsetzt (Kap. V). Zeichentheorie im engeren Sinn, als Reflexion über die ratio signi, den Begriff, die Konstitutionsbedingungen, Einteilungen und Funktionsweisen des Zeichens, hat auch in der Frühen Neuzeit ihren Ort fast ausschließlich im scholastischen Diskurs. Nichtsdestoweniger besetzt das Begriffsfeld des Zeichens hier, ohne selbst von einer ausgearbeiteten Zeichentheorie im genannten Sinn getragen zu sein, zentrale Systemsstellen des naturphilosophischen, metaphysischen und erkenntnistheoretischen Diskussionen der außerscholastischen Philosophie. Ebenso, wie sich die hermetisch-platonische Naturphilosophie der frühen Neuzeit mit dem paracelsistischen Zeichenkonzept der signatura rerum von der 'offiziellen' Physik und Medizin der Hochschulen absetzt, vollzieht sich der komplexe Prozeß der Ablösung der neuzeitlichen Naturwissenschaft von der älteren Naturphilosophie und der magia naturalis in erheblichem Maße auf der Grundlage sich wandelnder Zeichenkonzeptionen; sei es durch eine Modifikation der inhaltlichen Bestimmung der Dingsignaturen selbst oder durch die Neu-

XIX

Einleitung

bestimmung der adäquaten Methode der

interpretatio naturae

(Bacon), sei es

durch das Progamm einer empirischen Physik auf der Grundlage des epikureischen Zeichenbegriffs (Gassendi) oder durch die Ausrichtung auf die mathematischen Zeichen des Buchs der Natur (Kepler, Galilei) (Kap. VI A). Eine nicht weniger markante Spur hinterläßt das Zeichen in der erkenntnistheoretischen und metaphysischen Diskussion. Über Descartes wird das willkürlich eingesetzte Zeichen und die durch es geleistete occasionelle Verursachung der Konzepte, wie sie von der zeitgenössischen scholastischen

Sprachtheorie

beschrieben wurde, zum paradigmatischen Modell für den Versuch einer Lösung der erkenntnistheoretischen Seite des Leib-Seele-Problems (Kap. VI Β 1). In der Fluchtlinie dieser Problematik wird die Begrifflichkeit des Zeichens und der Repräsentation nicht nur für die erkenntnistheoretische Kontroverse über die adäquate Bestimmung der Ideen wichtig (Kap. VI Β 2 ) ; Zeichen und Repräsentation werden, wie bei Leibniz und Berkeley, zu tragenden Begriffen der philosophischen Beschreibung der Welt (Kap. VI Β 3 - 4 ) . Darüber hinaus wird, in deutlicher Absetzung von der gesamten älteren Tradition, dem arbiträren Instrumentalzeichen eine grundlegende Funktion für das Denken

zugewiesen

(Kap. VI C 1-3). Nachdem das späte 17. und frühe 18. Jahrhundert im Rahmen der Metaphysik, Logik und Erkenntnistheorie hochspekulative Theorien des Zeichens entworfen hat, zeichnet sich im weiteren Verlauf des 18. Jahrhunderts eine deutliche Wendung zum Konkreten und eine stärkere Betonung des empirischen Charakters der Zeichentheorie ab. Es geht nicht mehr, wie im leibnizschen Programm der

characteristica universalis,

um die Invention eines Zeichensystems

zur Gewinnung eines allgemeinen Wissens, sondern um die Gewinnung einer allgemeinen Wissenschaft von den Zeichensystemen. Dieser Abkehr von den großen Zeichenspekulationen korrespondiert vielfach eine 'Semiotisierung' der verschiedenen Einzeldisziplinen, wie sie besonders an der Hermeneutik oder der Ästhetik deutlich wird, in denen der Zeichenbegriff nun eine zentrale Funktion erhält (Kap. VI C 4 ) . Als Locke am Schluß seines

derstanding

Essay concerning Human Un-

das Programm einer Semiotik formulierte, waren die umfangreich-

sten semiotischen Diskussionen der frühen Neuzeit bereits geführt. In auffälligem Kontrast hierzu steht nicht selten das historische Selbstverständnis der neueren, modernen Zeichentheorie. Es noch nicht sehr lange her, daß die These vertreten wurde: „L'histoire de la sémiologie n'est pas longue. Avant Saussure, on trouve, surtout chez les logiciens, des rémarques générais concernant les signe ou les symboles." 9 Mag auch die Semiotik oder Semiologie heute im allgemeinen nicht mehr durch einen solchen Grad der Amnesie ihrer eigenen Geschichte gekennzeichnet sein; auch in neueren Arbeiten kann die antike und mittelalterliche Zeichentheorie noch unter dem Titel „préhistoire du

'

E . BUYSSENS,

La communication et l'articulation linguistique

(21967)

12.

XX

Einleitung

signe" geführt werden. 10 Und auch dort, wo zugestanden wird, daß seit je her „many distinguished thinkers have devoted ... much time and effort to signs and meaning", meint man darauf insistieren zu müssen, daß „semiotics start to take shape as a discipline and as a science only during the twentieth century." 11 Wenigstens als Disziplin und Wissenschaft also - was immer das konkret heißen mag - soll die Zeichentheorie eine Errungenschaft des 20. Jahrhunderts sein: „Es hat immerhin bis zum Ende des vorigen bzw. zum Anfang unseres Jahrhunderts gedauert, bis eine zunehmende Reihe brauchbarer, wiewohl ziemlich einfallsloser Versuche von den ersten Standardwerken der neuen Wissenschaft abgelöst wurde." 1 2 Derartige Einschätzungen sind allerdings zu einem erheblichen Teil jenem Umstand geschuldet, auf den hinzuweisen mittlerweile selbst schon „nahezu topischen Charakter" 1 3 hat: dem Fehlen einer umfassenden Geschichte der Semiotik. In ähnlicher Form wie bereits Morris 1 4 und Sebeok 1 5 konstatiert noch Romeo: „Semiotic(s) ist probably the only discipline which ... does not have as yet a written and comprehensive history in any language." 16 Und das wird wohl auch noch eine Weile so bleiben. Denn angesichts der immensen Fülle des in großen Teilen noch unbearbeiteten Materials kann auch die vorliegende Darstellung der Geschichte der Zeichenkonzeptionen nur selektiv und unvollständig sein.

10 11 12

CH. P. BOUTON, La signification. Contribution a une linguistique de la parole (1979) 13-23. P. BUISSAC, The 'Golden Legend' of Semiotics: Semiotica 17 (1976) 3 7 1 - 3 8 4 . S. ULLMANN, Grundzüge der Semantik. Die Bedeutung in sprachwissenschaftlicher Sicht (1967) 5.

13 14 ls 16

Vgl. A. ESCHBACH, Einleitung zu: B. H. SMART, Grundlagen der Zeichentheorie (1978) 10. C. W. MORRIS, Signs, language, and behaviour (1946) 285. T . A. SEBEOK, Contributions to the doctrine of signs (1967) 4, Anm. 8. L. ROMEO, Charles Morris and the history of semiotics, in: A. ESCHBACH (Hg.), Zeichen über Zeichen über Zeichen (1981) 227.

... verbis de verbis agere tarn implicatimi est, quam dígitos digitis inserere et confricare, ubi vix dinoscitur, nisi ab eo ipso, qui id agit, qui digiti pruriant et qui auxilientur prurientibus. - (Mit Wörtern über Wörter zu sprechen ist genauso verwickelt wie ein Verflechten und Reiben der Finger mit den Fingern: bis auf den, der es selber tut, kann einer kaum unterscheiden, welche Finger jucken und welche den juckenden helfen wollen.)

De magistro V, 14

I. Die spätantiken Quellen der scholastischen Zeichentheorie A. Augustinus 1. Augustinus' Stellung in der Geschichte der Zeichentheorie Die herausragende Bedeutung Augustine für die Geschichte der Zeichentheorie ist unbestritten. Augustinus ist nicht nur die wichtigste Verbindungsstelle von antiker und mittelalterlicher Semiotik. Seine für die Zeichentheorie des Mittelalters grundlegenden zeichentheorischen Ausführungen blieben bis ins 13. Jahrhundert die einzige ausgearbeitete Lehre vom Zeichen und darüber hinaus bis in die Neuzeit eine zentrale Größe der Zeichentheorie, auf die man sich - affirmativ oder kritisch - zu beziehen hatte. Sein Stellenwert für die spätere Entwicklung der Zeichentheorie ist jedoch keineswegs auf eine bloße Vermittlerfunktion älterer Lehren beschränkt. Mit Augustinus eröffnet sich insofern ein von den älteren Reflexionen über das Thema des Zeichens abweichender neuer Ansatz, als hier erstmalig die Sprache ins Zentrum der Zeichentheorie tritt. 1 Erst durch diese Integration von sprachlichem und natürlichem Zeichen wurde langfristig die Entwicklung einer Semiotik im allgemeinen Sinne ermöglicht. Zwar konnten bereits vor Augustinus auch die sprachlichen Ausdrücke in einem unspezifischen Sinn als Zeichen (σημεία) aufgefaßt wer-

1

Vgl. hierzu R. A. MARKUS, St. Augustine on Signs: Phronesis 2 ( 1 9 5 7 ) 6 4 f ; vgl. U. DUCHROW, 'Signum' und 'superbia' beim jungen Augustin ( 3 8 6 - 3 9 0 ) : Revue des Études Au-

gustiniennes 7 (1961) 369; M. L. COLISH, The Minor of Language. A Study in the Medieval Theory of Knowledge ( 1 9 8 3 ) 4 5 ; M . BARATIN, Les origines stoïciennes de la théorie Augustinienne du signe: Revue des Études Latines 5 9 ( 1 9 8 1 ) 2 6 6 ; G. MANETTI, Le teorie del

segno nell'antichità classica (1987) 226f; TH. EBERT, Dialektiker und frühe Stoiker bei Sextus Empiricus

( 1 9 9 1 ) 2 9 ; T . BORSCHE, Zeichentheorie im Übergang von den Stoikern zu

Augustin: Allgemeine Zeitschrift f. Philos. 19 (1994) 41-52.

2

Die spätantiken Quellen der scholastischen Zeichentheorie

d e n . 2 D i e ausgearbeiteten v o r a u g u s t i n i s c h e n T h e o r i e n d e s σ η μ ε ί ο ν b e h a n d e l n j e d o c h nicht die s e m a n t i s c h e Problematik der B e d e u t u n g sprachlicher A u s d r ü c k e s o n d e r n die l o g i s c h - m e t h o d o l o g i s c h e T h e m a t i k der Inferenz aus natürlichen Z e i c h e n . 3 Als selbstverständlich vorauszusetzen, d a ß die W ö r t e r a u f g r u n d ihrer Leistung d e s σημάινενν s c h o n je als σ η μ ε ί α a u f g e f a ß t w u r d e n , s t ö ß t z u m a l an der s t o i s c h e n U n t e r s c h e i d u n g v o n σ η μ α ί ν ο ν u n d σ η μ ε ΐ ο ν auf e i n e n d e u t l i c h e n W i derstand. D i e s e freilich w i r d in d e n Darstellungen zur s t o i s c h e n L o g i k nicht selten dadurch verunklärt, d a ß b e i d e s g l e i c h e r m a ß e n mit ' Z e i c h e n ' o d e r 'sign' übersetzt wird. D a ß sich unter A n s e t z u n g e i n e s s o l c h e n Z e i c h e n v e r s t ä n d n i s s e s das Verhältnis v o n σ η μ α ί ν ο ν u n d σ η μ ε ΐ ο ν verwirren m u ß , liegt auf der H a n d . 4

2

3

4

Vgl. z.B. PLATON, Soph. 262 a 6f; ARISTOTELES, De int. I 16 a 5; Soph. el. I, 165 a 4; Rhet. III. 1404 a 20-23; 1405 a 9-12; 1410 b 10-21; SEXTUS EMPIRICUS wertet (Adv. Math. VIII, 289-290) die sprachlichen Ausdrücke als hypomnestische Zeichen. Vgl. R. Α. MARKUS, Augustine on Signs (1957) 64: „... no one would dispute that words are signs; but for no writer is the theory of signs primarily a theory of language, nor is the reflection on language carried on in terms of "signs'." Hinsichtlich dieses Punktes des Verhältnisses von Augustinus zur älteren Zeichentheorie hat es in der Forschung einige Mißverständnisse und Kontroversen gegeben. Seine anfängliche Zustimmung zur Darstellung von Markus (vgl. U. DUCHROW, 'Signum' und 'superbia' beim jungen Augustin (386-390): Revue des Etudes Augustiniennes 7 (1961) 369) revidiert Duchrow später und meint, es sei „verfehlt, eine besondere Originalität Augustine darin zu suchen, daß er die Worte ausschließlich als Zeichen faßt" (U. DUCHROW, Sprachverständnis und biblisches Hören bei Augustinus (1965) 50f. Offensichtlich im Anschluß daran wendet sich T. Borsche zunächst unter kritischer Bezugnahme auf Markus' Feststellung, daß für Augustinus die Wörter „signs par excellence" sind, gegen die verbreitete - von Markus so gar nicht vertretene - Ansicht, Augustins Bestimmung der Wörter als Zeichen sei ungewöhnlich und stelle eine Neuerung dar und meint: „Man wird umgekehrt von folgender Sachlage ausgehen können: Seitdem überhaupt auf ονόματα reflektiert wurde, galt es als selbstverständlich, daß sie τι σημαίνει oder daß sie Zeichen sind" (T. BORSCHE, Macht und Ohnmacht der Wörter (1986) 130). In Übereinstimmung mit Markus stellt er später jedoch fest, „daß in der gesamten Antike - bis Augustinus - die sprachlichen Zeichen nicht im Zentrum der Rede von den Zeichen stehen. Zwar wird beiläufig stets anerkannt, daß Namen Zeichen (σημΕΐα) sind und daß sie etwas bezeichnen bzw. bedeuten (σημαίνειν), doch gelten sie keineswegs als eine privilegierte Art von Zeichen" (T. BORSCHE, Was etwas ist (1990) 144). Mit Recht betont er (Zeichentheorie im Ubergang von den Stoikern zu Augustinus: Allgemeine Zeitschrift f . Philos. 19 (1994) 42), daß Augustinus in seinem modifizierenden Rückgriff auf die stoische Sprachtheorie einen „grundsätzlichen zeichentheoretischen Perspektivwechsel vollzieht." Die sich durch die identische Übersetzung ergebende Konfusion zeigt sich deutlich bei B. MATES (Stoic Logic ( 3 1971) 13) wenn er angesichts der „Schwierigkeit", daß nach Sextus Empiricus das stoische „sign (το σημαίνον)" im Gegensatz zum λεκτόν materiell sein soll, eine Aussage (αξίωμα) als eine Art λεκτόν gilt und somit das 'sign' [d.h. das σημαίνον] keine Aussage sein kann, Sextus aber an anderer Stelle das 'sign' [d.h. das σημείον] explizit als αξίωμα beschreibt, konstatiert, „I do not know how to explain this difficulty." Mates selbst hat die naheliegende Lösung dieser Schwierigkeit vor Augen, wenn er in einer Fußnote bemerkt, „Perhaps in technical Stoic language, το σημαίνον and τό σημεΐον are not synonymous." Die durch die geichlautende Übersetzung von σημαίνον und σημεΐον mit 'sign' bedingte Suggestion der Identität von beidem war offenbar zu stark, um zu erkennen, daß, wie Z. TELEGDI (Zur Herausbildung des Begriffs 'sprachliches Zeichen' und zur stoischen Sprachlehre: Acta Linguistica Academiae Scientiarum Hungaricae 26 (1976) 298)

3

Augustinus

Wenn etwa Jackson bemerkt: „It is not clear how these two terms for 'sign' are related" 5 , so ist dem entgegenzuhalten, daß σημαίνον und σημεΐον eben nicht zwei Ausdrücke für 'sign' sind und es schon deshalb nicht sein können, weil es jenen Begriff des Zeichens, von dem diese beiden je verschiene Ausdrücke sein könnten, stoisch nicht gibt. Vielmehr ist es umgekehrt so, daß 'sign' die gleichlautende Übersetzung für zwei ganz verschiedene stoische Ausdrücke ist. Das stoische σημαίνον, das Bezeichnende, ist eine Aussage oder ein einzelnes Wort. Es bezeichnet oder bedeutet (σημαίνει) das σημαινόμενον, das Bezeichnete, das λεκτόν, d.h. den vom sprachlich Bezeichnenden sowie von dem nach der Stoa ebenfalls materiellen Gedanken abgehobenen immateriellen Aussagegehalt. Ein solches λεκτόν kann als Antezedens einer gültigen Implikation, in der etwas enthüllt wird, fungieren und wird dann als αξίωμα zu einem σημεΐον, zu einem Zeichen. Während es also in semantischer Perspektive das σημαινόμενον eines σημαίνον ist, ist es in semiotischer Perspektive das σημεΐον eines σημειωτόν, eines von ihm zeichenhaft Enthüllten, nämlich des den Nachsatz jener Implikation bildenden Lektons, welches, wenn die Implikation tatsächlich ausgesprochen wird, ebenso wie das σημεΐον seinerseits ein σημαινόμενον oder λεκτόν, ein sprachlich Bezeichnetes sein wird. Die Zeichenbeziehung liegt dabei ganz auf der Ebene vollständiger λεκτά und ist deutlich unterschieden von der zwischen den sprachlichen Aussagen und diesen λεκτά bestehenden Beziehung des σημάινειν. Ein Zeichenbegriff, der die verschiedenen Weisen des Bezeichnens allgemein hätte zusammenfassen können, scheint vor Augustinus nicht definiert worden zu sein.6 Die überlieferten antiken Zeichendefinitionen zumindest sind auf das in seiner semantischen Funktion genommene Sprach-'Zeichen' nicht anwendbar und sollen es offenbar auch gar nicht sein. Die Aristotelische Theorie des Zeichens (σημεΐον), durch die das Zeichen fest im Themenkanon der antiken Philosophie etabliert worden zu sein scheint, ist eine Theorie des Zeichenschlusses,7 deren vornehmliche Aufgabe in der Klassifikation und Systematisierung der συλλογισμοί έκ σημείων besteht.8 Der

5

richtig anmerkt, „die Schwierigkeit verschwindet, wenn man einsieht, daß die Stoiker unter semaînon.den sprachlichen Ausdruck ..., unter semeton aber das ... Anzeichen verstanden, und daß diese in der Tat grundverschiedene Dinge sind." B. D. JACKSON, The Theory of Signs in St. Augustine's De doctrina Christiana: Revue des Études Augustiniennes 15 (1969) 48.

6

Vgl. T . BORSCHE, Was etwas

7

Zur Zeichentheorie bei Aristoteles vgl. G. WELTRING, Das ΣΗΜΕΙΩΝ in der aristotelischen, stoischen, epikureischen und skeptischen Philosophie (1910) 6-28; R. HALLER, Untersuchungen zum Bedeutungsproblem in der antiken und mittelalterlichen Philosophie: Archiv für Begriffsgeschichte 7 (1962) 65-75; K. OEHLER, Die Anfänge der Relationenlogik und der Zeichenschluß bei Aristoteles: Zeitschrift für Semiotik 4 (1982) 259-66; G. MANETO, Le teorie del segno (1987) 114ff; H. WEIDEMANN, Aristotle on Inference from Signs: Phronesis 34 (1989) 343-351.

8

Vgl. W . DETEL, Z e i c h e n bei P a r m e n i d e s : Zeitschrift

ist ( 1 9 9 0 ) 1 4 5 .

für Semiotik

4 (1982) 222-224.

4

Die spätantiken Quellen der scholastischen Zeichentheorie

aristotelische Begriff des Zeichens, der in seinem technischen Verständnis auf einen älteren Gebrauch zurückverweist,9 ist situiert im Konfinium von Logik und Rhetorik; σημεία sind Beweismittel. Ein Zeichen, d.h. jene Form des Zeichen, dem Aristoteles eine förmliche Definition gibt und dem sein Hauptinteresse gilt, ist: ein beweisender Satz (bzw. ein Satz mit Überzeugungskraft; πρότασις αποδεικτική), ein notwendiger oder ein glaubhafter. Denn bei wessen Sein eine Sache ist oder bei wessen Eintreten sie früher eingetreten ist oder später eintreten wird, das ist ein Zeichen, daß sie geschehen ist oder daß sie ist. 10

Das σημεΐον bezieht sich, ganz gleich, wie diese problematische Stelle gedeutet wird und unabhängig davon, ob es sich beim Zeichen um einen Sachverhalt oder den ihn zum Ausdruck bringenden Satz handelt, im Unterschied zu den die παθήματα der Seele bezeichnenden σύμβολα / σημεία nicht auf Inkomplexes; es bezeichnet keine Sachen, sondern erschließt Sachverhalte. Trotz aller bestehenden Differenzen stimmen die antiken Zeichentheorien hinsichtlich des inferentiellen Charakters des Zeichens (und des propositionalen Charakters des durch das Zeichen Enthüllten) mit Aristoteles überein. So charakterisiert die Zeichendefinition der Dialektiker 11 das σημεΐον als „eine in einer wahren Implikation vorangehende maßgebliche Aussage, die den Nachsatz zu enthüllen vermag." 12 Diese Bestimmung wird bekanntlich von der stoischen Zeichentheorie - die nicht mit der stoischen Semantik13 ineinsgesetzt werden darf 14 - übernommen. 15 9

10 11

12

13

14

Die von Aristoteles getroffene Unterscheidung von σημεΐον (unsicheren Zeichen) und τεκμήριον (sicheren Zeichen) z.B. hat ihren Ursprung in der älteren medizinischen Semiotik. Schon HLPPOKRATES fordert in seiner Prognostik unter Verwendung genau dieser Terminologie die Kenntnis und Unterscheidung der sicheren Zeichen und anderen Symptome; vgl. T. A. SEBEOK, Symptome, systematisch und historisch: Zeitschrift für Semiotik 6 (1984) 43. ARISTOTELES, Anal, prior. Β 27, 70a6-9 Daß von der Existenz einer eigenständigen Zeichentheorie der Dialektiker (namentlich Philons) auszugehen ist, die den Ausgangspunkt der stoischen Semiotik bildet, hat Ebert unlängst überzeugend dargelegt; vgl. TH. EBERT, Dialektiker und frühe Stoiker bei Sextus Empiricus (1991) 60ff. vgl. DERS., The origin of the Stoic theory of signs in Sextus Empiricus (1987). Vgl. F. JÜRß, Zum Semiotik-Modell der Stoiker und ihrer Vorläufer (1993). PS.-GALEN, Historia philosopha 9, Κ. HOLSER, Die Fragmente zur Dialektik der Stoiker (= FDS) 1027. Nach EBERT (Dialektiker und frühe Stoiker (1991) 66ff) handelt es sich hierbei um die Zeichendefinition Philons. Zur stoischen Theorie sprachlicher Bedeutung vgl. K. BARWICK, Probleme der stoischen Sprachlehre und Rhetorik (1957); A. A. LONG, Language and Thought in Stoicism, in: Ders., Problems in Stoicism (1971) 75-113; Ζ. TELEGDI, Zur Herausbildung des Begriffs 'sprachliches Zeichen' und zur stoischen Sprachlehre: Acta Linguistica Academiae Scientiarum Hungaricae 26 (1976) 267-305; A. GRAESER, The Stoic Theory of Meaning, in: The Stoics, hg. J. M. Rist (1978) 77-100. D i e g e l ä u f i g e A p o s t r o p h i e r u n g d e r s t o i s c h e n S e m a n t i k als Z e i c h e n t h e o r i e b a s i e r t auf d e r

gängigen Ubersetzung des 'σημαίνον' mit 'Zeichen' bzw. 'sign'. Vgl. ζ. Β. B. MATES, Stoic Logic (31973) 13ff; B. D. JACKSON, The Theory of Signs in St. Augustine's De doctrina

Augustinus

5

Während das Zeichen bei Aristoteles noch an der Grenze von Logik und Rhetorik steht und lediglich einen marginalen Teil der Logik ausmacht, erhält es in der Stoa erheblich mehr Gewicht 16 und wird zu einem zentralen Bestandteil der Logik 17 und Epistemologie. 18 Auch in der späteren zeichentheoretischen Kontroverse zwischen den Epikureern19 und der Stoa, wie sie insbesondere aus

15

16 17

18

19

Christiana: Revue des Études Augustiniennes 15 (1969) 47f; R. A. MARKUS, St. Augustine on Signs: Phronesis 2 (1957) 61. Nicht weniger problematisch ist die Beschreibung des Verhältnisses von σημειον und σημειωτόν, zwischen dem Zeichen und dem durch das Zeichen Enthüllten, als J e lien entre le signifiant et le signifié"; vgl. G. VERBERE, La philosophie du signe chez les stoïciens, in: Les stoïciens et leur logique (1978) 407f; vgl. ebd. 412f; vgl. DERS., Der Nominalismus der stoischen Logik: Allgemeine Zeitschrift f . Philos. 2 (1977) 45. Vgl. SEXTOS EMPIRICUS, Pyrrh. Hyp. II 104; Adv. Math. VIII 245 (FDS 1029). Ob dadurch, wie Ebert meint, auch die Übernahme der von Philon eingeführten Unterteilung in hypomnestische und endeiktische Zeichen durch die Stoa impliziert ist, ist eine andere Frage, die hier zum Glück nicht entschieden zu werden braucht. Daß diese Distinktion, die nirgends explizit der Stoa zugeschrieben und mit vielem, was sonst vom stoischen Zeichenkonzept berichtet wird, schwer vereinbar zu sein scheint, tatsächlich ein Bestandteil der stoischen Zeichenlehre ist, kann jedenfalls mit guten Argumenten bezweifelt werden; vgl. G. WELTRING, Das ΣΗΜΕΙΩΝ (1910) 39ff; G. PRETI, Sulla dottrina del ΣΗΜΕΙΩΝ nella logica stoica: Rivista critica della filosofia 11 (1956) 10; D. N. SEDLEY, On signs, in: Sciences and speculation, hg. J. BARNES u.a., (1982) 241; D. GLIDDEN, Skeptic semiotics: Phronesis 28 (1983) 213-255, bes. 218. Vgl. G. WELTRING, Das ΣΗΜΕΙΩΝ (1910) 28. Vgl. G. VERBERE, La philosophie du signe chez les stoïciens (1978) 401. Bereits V. BROCHARD (La logique des stoïciens: Archiv für Geschichte der Philosophie 5 (1892) 460) konstatierte, „la logique stoïcienne est essentiellement une sémiologie". Das ist jedoch insofern zu relativieren, als das σημειον nach stoischem Verständnis nicht den gesamten Bereich gültiger Implikationen umfaßt (was es wohl müßte, wenn stoische Logik 'ihrem Wesen nach' Zeichenlehre wäre), sondern gerade zur Kennzeichnung einer besonderen Form der Implikation dient. Vgl. SEXTUS EMPIRICUS, Adv. Math. VIII 245f. Ein Zeichen ist (VIII 256; FDS 1029): „1. eine Aussage; es geht 2. in einer wahren Implikation, die mit Wahrem beginnt und mit Wahrem endet, als der maßgebliche Vordersatz voran; es vermag 3. den Nachsatz zu enthüllen; und 4. ist es durchweg ein gegenwärtiges Zeichen für etwas Gegenwärtiges." Damit ist deutlich gemacht, daß das Zeichen (1.) keine Sache ist, sondern eine Aussage, genauer: etwas durch eine Proposition Ausgesagtes (Lekton), ein Axiom, und zwar (2.) nicht in einer beliebigen wahren Implikation sondern nur in einer solchen, die von Wahrem auf Wahres schließt; aber auch nicht (3.) in einer beliebigen wahren Implikation, sondern nur in einer solchen, bei der der Nachsatz nicht schon selbst offenkundig ist (wie im Fall „Wenn es Tag ist, ist es hell"). Der Zeichenprozeß ist (4.) seinem ganzen Umfang nach auf der Ebene der vollständigen Lekta angesiedelt. Nicht die Dinge werden durch das Zeichen enthüllt, sondern die den Sachverhalten korrespondierenden vollständigen Lekta. In der Implikation z.B.: „Wenn dieser am Herz verwundet ist, wird dieser sterben" ist der Vordersatz nicht Zeichen des zukünftigen Todes, sondern Zeichen des gegenwärtigen, wahren Satzes über den zukünftigen Tod (VIII 255). Auch in dieser Hinsicht scheint die entscheidenden Weichenstellung bei Philon erfolgt zu sein. Vgl. TH. EBERT, Dialektiker und frühe Stoiker (1991) 72. Zur epikureischen Zeichenlehre, ihren Quellen und ihrer Bedeutung für die hellenistische Zeichendiskussion vgl. PH. Η. U. Ε. A. DE LACY Supplementary essays III-V, in: PHILODEMUS, On methods of inference (1978) 165-230.

6

Die spätantiken Quellen der scholastischen Zeichentheorie

dem Referat Philodems bekannt ist,20 ist das σημεΐον ausschließlich als inferentielles Zeichen präsent. 21 Zur Diskussion steht hier das Kriterium der Gültigkeit zeichengestützter Inferenz, die Frage also, worin der Schluß vom Bekannten auf Unbekanntes seine zureichende Begründung findet. 22 Die in diesem Kontext durchgängig betonte „enthüllende Natur" (φύσις έκκαλυπτική)23 des σημεΐον ist von anderer Art als die signifikative Funktion sprachlicher Ausdrücke. Mit dieser enthüllenden Funktion, die in der Stoa stets den Kern der Bestimmung des σημεΐον ausmacht, läßt sich das σημαίνον schlechterdings nicht verbinden. Es mag daher kein Zufall sein, daß gerade dort, wo die endeiktische Funktion des Zeichens abgewiesen und das σημεΐον somit auf das hypomnestische Zeichen reduziert wird, nämlich bei Sextus Empiricus, sich deutliche Anzeichen einer Nivellierung der stoischen Unterscheidung von σημαίνον und σημεΐον finden. 24 Denn auf der Grundlage der rein hypomnestischen Funktion des Zeichens verschwindet der Gegensatz von natürlichen Indizes und sprachlichen Zeichen, gehen die Kriterien der Unterscheidung von beidem verloren oder fallen zumindest nicht nicht mehr ins Gewicht. Wenn also ein Weg zur augustinischen Konzeption des Zeichens hinführt, dann am ehesten noch der skeptische. Davon abgesehen jedoch waren die verschiedenen Felder des Zeichens, bzw. dessen, was bei Augustinus dann 'Zeichen' heißen wird, noch deutlich voneinander getrennt. Daß das σύμβολον / σημεΐον vom Anfang von Peri hermeneias, der sprachliche Ausdruck, unmittelbar etwas mit dem σημεΐον vom Ende der ersten Analytiken zu tun haben könnte, wird bei Aristoteles ebensowenig erkennbar, wie die Stoa davon auszugehen gehabt hätte, daß das σημαίνον und das σημεΐον nur verschiedene Arten eines beide umfassenden allgemeinen Konzepts des Zeichens sind. Denn daß das sprachliche Bezeichnen und die zeichenvermittelte Inferenz tatsächlich als verschiedene Versionen ein und desselben,

20

PHILODEMUS, [De signis], On methods of Inference (1978); vgl. G. MANETTI, Le teorie del segno

21

22

(1987) 183-200.

Wenn Philodem in diesem Zusammenhang auf eine Ambiguität in der stoischen Verwendung des Zeichenbegriffs hinweist, dann nur insofern, als die Stoiker, wie er meint, mit σημεΐον sowohl die Erscheinung, von der aus etwas inferentiell erschlossen wird, als auch die Inferenz (σημείωσις) selbst bezeichnen (De signis XXXVI 56). Vgl. G. WELTRING, Das ΣΗΜΕΙΩΝ (1910) 47ff; P. H. u. E. A DE LACY, Supplementary Essays (1978) 214ff.

23

V g l . z.B. SEXTUS EMPIRICUS, Adv. Math.

24

So versucht bereits SEXTUS EMPIRICUS die stoische Semiotik mit Hilfe der stoischen Semantik zu widerlegen, indem er fälschlich unterstellt, daß die Beziehung zwischen dem Zeichen (σημεΐον) und dem durch es Bezeichneten oder Enthüllten (σημειωτόν) als ein σημαίνειν charakterisiert werden könne. Vgl. Adv. math. VIII 264 (FDS 700): „Wie wir ... oftmals gezeigt haben, bezeichnet (σημαίνει) das eine und das andere wird bezeichnet. Nun bezeichnen aber die Laute, während die Lekta bezeichnet werden, und dazu gehören auch die Aussagen (αξιώματα). Da die Aussagen also allesamt bezeichnet werden und da das, was bezeichnet, etwas anderes ist, kann das Zeichen wohl keine Aussage sein."

VIII, 2 5 2 ( F D S 1 0 2 9 , 6 0 ) .

Augustinus

7

nämlich des 'Zeichens', aufgefaßt und bestimmt werden, ist so selbstverständlich nicht. Es scheint vielmehr erst dadurch nahegelegt zu werden, daß ein gemeinsamer Name für beides eingeführt und in terminologischem Gebrauch ist.25 Vom Standpunkt logischer Praxis aus gesehen sind offenbar beide Wege gangbar: die Differenz betonend, beidem einen verschiedenen Namen zu geben und eine je eigene Theorie sprachlicher Bedeutung und eine Theorie der Zeichenschlüsse zu entwickeln, wie es die Stoa getan hat, oder aber, wie Augustinus, die Konkordanz betonend, für beides eine gemeinsame Benennung und Theorie einzuführen - um dann allerdings die Differenzen mit Hilfe von zum Teil mühevoll erarbeiteten Distinktionen 26 wiederum deutlich werden zu lassen. Augustinus hat mit weitreichenden Konsequenzen für die Geschichte der Zeichentheorie den zweiten Weg eingeschlagen, ohne ihn freilich sehr weit gegangen zu sein. Denn sein Interesse galt weniger der Exposition einer allgemeinen Theorie des Zeichens als der Situierung des Sprachzeichens im Rahmen einer allgemeinen Zeichenklassifikation. 27

2. Sprache und Zeichen (De dialéctica) Bereits in seiner unvollendet gebliebenen Frühschrift De dialéctica behandelt Augustinus die Sprache bzw. das verbum unter dem Oberbegriff des Zeichens. Zu diesem Zweck präsentiert er eine Zeichendefinition, die, anders als ihre antiken Vorgänger, das signum nicht mehr nur als natürliches Indiz bestimmt: Signum est quod se ipsum sensui et praeter se aliquid animo ostendit (Zeichen ist, was sich selbst dem Sinn und über sich hinaus etwas dem Geist zeigt). 28

Ihre spätere, in De doctrina Christiana vorgestellte und im Mittelalter aufgrund ihrer Referierung am Anfang des Sentenzenbuchs des Petrus Lombardus prominentere Variante lautet: Signum ... est res praeter speciem quam ingerit sensibus, aliud aliquid ex se faciens in cogitationem venire... (Ein Zeichen ist ein Ding, das neben dem sinnlichen Erkenntnis-

25

26

27 28

Vgl. hierzu etwa noch - oder genauer: wieder - B. BOLZANO, Wissenschaftslehre, hg. J. BERG, B. Bolzano-Gesamtausgabe, hg. E. WINTER u.a., I, 13/1 (1989) $ 285, S. 91: „Das Wort Zeichen hat meines Erachtens zwei sehr unterschiedene Bedeutungen. Denn wenn wir den Rauch ein Zeichen des Feuers, das Erröthen ein (nicht ganz sicheres) Zeichen der Schuld nennen u. dgl.: so verstehen wir unter dem Zeichen etwas ganz Anderes, als wenn wir von dem Worte: Gott sagen, daß es in deutscher Sprache das Zeichen von dem Begriffe eines Wesens von unbedingter Wirklichkeit sey. Ich will nicht in Abrede stellen, daß es möglich wäre, einen Begriff, der diese beiden Bedeutungen umfaßte, auszudenken; allein ich glaube nicht, daß auch dieser eine Bedeutung des Wortes Zeichen sey, und zwar die ursprüngliche, aus welcher jene beiden erst müßten abgeleitet werden." Vgl. etwa HUSSERLS Ausführungen über „Ausdruck" und „Anzeichen" in seinen Logischen Untersuchungen 11/1, Teil 1, Kap.l. Vgl. M. L. COLISH, The Minor of Language (21983) 46. AUGUSTINUS, De dialéctica

V 9, 7f ( 1 9 7 5 ) 8 6 .

8

Die spätantiken Quellen der scholastischen Zeichentheorie bild, das es den Sinnen mitteilt, aus sich heraus etwas anderes in das Denken kommen läßt)29. B e i d e D e f i n i t i o n e n w e r d e n v o n d e r F o r s c h u n g als i n h a l t l i c h ä q u i v a l e n t be-

trachtet.30

W ä h r e n d sie es h i n s i c h t l i c h d e s w i c h t i g e n A s p e k t s d e r

triadischen

S t r u k t u r d e r Z e i c h e n s z w e i f e l l o s s i n d , w i r d bei n ä h e r e r B e t r a c h t u n g e i n e A b w e i c h u n g e r k e n n b a r , d i e a u f e i n e w e s e n t l i c h e V e r ä n d e r u n g in d e r Konzeption

der Leistung der Zeichen

hindeutet:

augustinischen

Die Funktion

kann g e m ä ß der späteren Definition und des ihr zugrundliegenden s t ä n d n i s s e s o f f e n b a r n i c h t m e h r o h n e w e i t e r e s als ostensio

der

Zeichen

Zeichenver-

beschrieben

wer-

den.31 Dazu später. Wird

die h i s t o r i s c h e

Bedeutung Augustine

für d i e E n t w i c k l u n g

der

Zei-

c h e n t h e o r i e i m a l l g e m e i n e n m i t R e c h t d a r i n g e s e h e n , d a ß e r d i e in d e r A n t i k e getrennten Theorien

der Sprache und des natürlichen

Zeichens

miteinander

verbindet, i n d e m er den natürlichen Indizes und den willkürlichen sprachlichen Z e i c h e n e i n e g e m e i n s a m e D e f i n i t i o n g i b t , w ä h r e n d alle ä l t e r e n D e f i n i t i o n e n d e s σ η μ ε ί ο ν o d e r signutn

s i c h a u s s c h l i e ß l i c h a u f e r s t e r e b e z o g e n , s o fällt g l e i c h w o h l

a u f , d a ß s i c h d i e A u g u s t i n i s c h e D e f i n i t i o n in i h r e r F o r m u l i e r u n g n i c h t s e h r w e i t v o n j e n e n ä l t e r e r B e s t i m m u n g e n d e s Z e i c h e n s e n t f e r n t , w i e sie i m K o n t e x t d e r R h e t o r i k e t w a v o n C i c e r o 3 2 u n d Q u i n t i l i a n 3 3 o d e r in d e r T h e o l o g i e v o n O r í g e nes34 h e r b e k a n n t sind.

29

30

31

AUGUSTINUS, De doctrina Christiana II.L ( 1 9 6 3 ) 35. Von diesen wurde jedoch nur die erstere in ihrer Ursprünglichen Form rezipiert. Die De doctrina Christiana entstammende Definition findet sich später durchgehend in zweifacher Weise modifiziert. Zum einen fällt das „ex se" fort, zum anderen wird „cogitatio" durch „cognitio" ersetzt. Zum Verhältnis der beiden Zeichendefinitionen vgl. H. RUEF, Augustin über Semiotik und Sprache ( 1 9 8 1 ) 82ff.; Vgl. T. BORSCHE, Was etwas ist (1990) 143, Anm. 54. Mit dem die Zeichendefinition aus De dialéctica tragenden Begriff des estendere folgt Augustinus dem Sprachgebrauch von Varrò, dessen Bedeutung für diese Schrift mehrfach betont wurde (vgl. J . PLNBORG, Das Sprachdenken der Stoa und Augustine Dialektik: Classica et Mediaevalia 23 ( 1 9 6 2 ) 159; U. DUCHROW, Sprachverständnis und biblisches Hören bei Augustinus ( 1 9 6 5 ) 5 7 ) und der dasselbe als Umschreibung des significare sprachlicher Ausdrücke verwandte. Vgl. TERENTIUS VARRÒ, De lingua latina V 3 : „multa verba aliud nunc ostendunt, aliud ante significabant." Im Hintergrund steht hierbei vermutlich das im Griechischen, zumal bei PLATON, als Äquivalent des σημαίνειν gebräuchliche δηλοϋν.

32

CICERO, De inventione 1, 30, 4 8 : „Signum est, quod sub sensum aliquem cadit et quiddam significat, quod ex ipso profectum videtur, quod aut ante fuerit aut in ipso negotio aut post sit consecutum et tarnen indiget testimonii et gravioris confirmationis, ut crúor, fuga, pallor, pulvis, et quae hic sunt similia." Im wesentlichen handelt es sich hierbei lediglich um die Transposition der aristotelischen Darstellung des Zeichenschlusses (Anal, prior. 2, 2 7 70a7ff) in einen forensischen Kontext.

33

QUINTILIAN, Institutionis oratoriae lib. V., I X . 1-16; bes. 9: „signum vocatur... σημείον (quamquam id quidam iudicium, quidam vestigium nominaverunt), per quod alia res intelligitur." Quintilian verbleibt mit seinen kurzen Ausführungen 'de signis' ganz im Rahmen der beweistheoretischen Thematisierung des Zeichens, wie sie sich in den aristotelischen Analytiken findet. Eine Sonderposition wird nur insofern erkennbar, als er die signa, argumenta und exempta als die drei Teile einer probatio artificialis nennt und sich damit explizit

Augustinus

9

Bereits mehrfach wurde in der Augustinusliteratur auf die äußere Ähnlichkeit dieser Definitionen zur augustinischen hingewiesen, dabei aber stets hervorgehoben, daß jene durchgängig strikt auf indexikalische Zeichen beschränkt sind und somit als Quelle für Augustinus nicht in Betracht kommen. Sie dienen eher als Kontrastfolie, auf der die Besonderheit der Augustinischen, gerade auch die verba betreffenden Zeichenkonzeption umso deutlicher hervortreten kann. Das ist nicht falsch. Nur besagt der Umstand, daß der Geltungsbereich der Definitionen ein anderer ist, noch nicht, daß diese oder ähnliche Zeichendefinitionen nicht als Quelle oder Vorlage für die Ausformulierung seiner eigenen Zeichendefinition gedient haben. Augustinus entwirft seine Zeichendefinition nicht ex nihilo, sondern orientiert sich an den bereits vorliegenden gebräuchlichen Definitionen des Zeichens. Wenngleich bei ihm das sprachliche Zeichen ins Zentrum der Zeichentheorie tritt, so ist die allgemeine Zeichendefinition von den älteren Definitionen des natürlichen indexikalischen Zeichens her entwickelt. Das Neue an der augustinischen Zeichendefinition ist damit nicht die Definition selbst, sondern der mit ihr verbundene Anspruch, sie gelte auch und zumal für die Sprachzeichen.

a) Das gesprochene Wort und die Depotenzierung der Schrift Das als Zeichen bestimmte Wort ist für den frühen Augustinus gesprochenes Wort.3S Die Schrift (litterae), vom Menschen eingeführt, um die den Wörter zwangsläufig zukommende Beschränkung auf zeitliche und räumliche Präsenz zu kompensieren, d.h. um ihnen Dauerhaftigkeit zu verleihen36 und um die Kommunikation mit Abwesenden zu ermöglichen,37 ist lediglich ein sekundäres Zeichensystem, das genau genommen nicht aus Wörtern, sondern aus „Zeichen von Wörtern" (signa verborum) besteht.38 Die Verweigerung des verbum-Charakters

34

35

36 37

38

gegen die verbreitete Subsumtion der Zeichen unter die Argumente wendet (V. I X , 1). In jedem Fall kommen die Zeichen bei Quintilian nur als indexikalisch Zeichen in Betracht. Zu Quintilians Zeichenbestimmung vgl. G. MANETO, Le teorie del segno ( 1 9 8 7 ) 2 2 0 f f . ORIGENES, Comment, in Epist. ad Rom. 4 , 2 ( M P G 14. 9 6 8 C ) : „Signum ... dicitur, cum per hoc quod videtur aliud aliquid indicatur...". Vgl. R. A. MARKUS, St. Augustine on Signs ( 1 9 5 7 ) 6 4 . Sachlich besteht jedoch gegenüber der augustinischen Zeichenkonzeption der entscheidende Unterschied, daß Orígenes „Zeichen" nicht für Wörter, sondern auschließlich für Wunder oder Beweise verwendet; vgl. U. DUCHROW, Sprachverständnis (1965) 50, Ann. 91. Vgl. hierzu D. W . JOHNSON, Verbum in the early Augustine ( 3 8 6 - 3 9 7 ) : Recherches Augustiniennes 8 ( 1 9 7 2 ) 2 5 - 5 3 . De doctr. ehr. II 8 ( 1 9 6 3 ) 3 5 , 25ff. De trinitate X V 10, 1 9 ( C C S L 5 0 a , 4 8 6 , 93ff): „Inventae sunt etiam litterae per quas possemus et cum absentibus conloqui, sed ista signa sunt v o c u m . . . " Ebd.; vgl. De dial. V, 12f. ( 1 9 7 5 ) 8 6 f : „ O m n e verbum sonat. Cum enim est in scripto, non verbum est sed verbi signum; quippe inspectis a legente litteris occurrit animo, quid voce prorumpat. Quid enim aliud scriptae quam se ipsas oculis, praeter se voces animo

10

Die spätantiken Quellen der scholastischen Zeichentheorie

gegenüber der Schrift braucht hierbei nicht als Ausdruck des „Logozentrismus" interpretiert und damit begründet zu werden, daß „die Epoche des Logos ... die Schrift (erniedrigt), die als Vermittlung der Vermittlung und als Herausfallen aus der Innerlichkeit des Sinns gedacht wird."39 Sie scheint vielmehr - zumindest für den frühen Augustinus - zunächst etwas mit der Etymologie des Wortes 'verbum' zu tun zu haben („appellata sunt... verba a verberando"40), welche es per se auf das Gehör bezogen sein läßt und nicht, wie die Schrift, auf den Gesichtssinn.41 Sicherlich liegt der Grund dafür weniger im Uberzeugtsein Augustine von der Korrektheit der Etymologie als in der durch sie zum Ausdruck gebrachten Bezogenheit des verbum auf das Gehör.42 Denn daß bei Augustinus der Bezug der Zeichen zu den verschiedenen Sinnen Relevanz für deren Bestimmung besitzt, zeigt sich noch an der Zeichenklassifikation von De doctrina Christiana, wo genau dieser als Kriterium der Einteilung der signa data dienen wird.43 In De Dialéctica definiert Augustinus das verbum als „Zeichen eines beliebigen Gegenstandes, das von einem Sprecher ausgesprochen ist und von einem Hörer verstanden werden kann (uniuscuiusque rei signum, quod ab audiente possit intelligi, a loquente prolatum).44 Die kommunikative Funktion der Sprache45 ist damit konstitutives Moment der Definition des Verbum: „Denn es gibt

ostendunt. E t paulo ante diximus signum esse quod se ipsum sensui et praeter se aliquid animo ostendit. Quae legimus igitur non verba sunt sed signa verborum." 39

J . DERRIDA, Grammatologie ( 1 9 8 3 ) 2 7 . Antiker Beleg für den „Logozentrismus" oder „Phonozentrismus" der abendländischen „Präsenzmetaphysik" ist bei Derrida jedoch nicht Augustinus sondern Aristoteles, De int. I, 16 a 3.

40

De mag. V 12, 5 4 f . Hiermit ist offenbar angespielt auf die geläufige Definition der vox als „aër ictus"; vgl. die Belege bei U. DUCHROW, Sprachverständnis ( 1 9 6 5 ) 4 8 , Anm. 7 7 . Vgl. De doctr. ehr. II 8 ( 1 9 6 3 ) 3 5 , 2 5 .

41

De mag. IV 8, 3 4 - 4 0 : „Aug. Quid? cum verba scripta invenimus, num verba non sunt? An signa verborum verius intelliguntur, ut verbum sit, quod cum aliquo significatu articulata voce profertur - vox autem nullo alio sensu quam auditu pereipi potest. Ita fit, ut cum scribitur verbum, signum fiat oculis, quo illud, quod ad aures pertinet, veniat in m e n t e m . "

42

Bereits in De dialéctica referiert Augustinus im Rahmen seiner Kritik an der stoischen Etymologiepraxis die verschiedenen Ableitungen von „verbum" (De dial. VI, 9). Neben der in De magistro instrumentalisierten Etymologie (verbum a verberando) nennt er die Ableitung vom Wahren (verbum a vero). Wenngleich er derartige Reflexionen generell als nutzlos zurückweist („unde sit dictum [sc. verbum] non curemus, cum quid significet intelligamus"), ist es doch auffällig, daß die grundlegende Verschiebung im Verbum-Begriff, wie sie sich zwischen De dialéctica und De magistro auf der einen Seite zu De Trinitate auf der anderen vollzieht, exakt den beiden angeführten Etymologien entspricht. Z u m „verbum v e r u m " als dem eigentlichen W o r t in Abgrenzung vom bloßen „verbum foris sonans" in De Trin. s. Anm. 147.

43

Vgl. De doctr. ehr. II 5ff.

44

De dial. V 7 , 6 ( 1 9 7 5 : 86). Vgl. hierzu R. SIMONE, Sémiologie augustinienne: Semiotica RUEF, Augustin über Semiotik und Sprache ( 1 9 8 1 ) 86.

45

6 ( 1 9 7 2 ) 15ff. bes. 18; H.

11

Augustinus

keinen anderen Grund des Bezeichnens... als den, das, was der Zeichengeber in seinem Geist t r ä g t , . . . in den Geist eines anderen zu übertragen". 4 6

b) Verbum, V o m verbum,

dicibile und res als M o m e n t e der sprachlichen Signifikation das im Akt der Bezeichnung v o m Gehör

stimmlicher Laut (vox articulata)

als artikulierter

wahrgenommen wird, ist das dicibile

(das Sag-

bare) als dasjenige zu unterscheiden, welches der Geist aus dem W o r t wahrnimmt oder erkennt 4 7 und was im Geist beschlossen liegt. 4 8 Es ist zugleich dasjenige, was im Geist des Sprechers v o r dem Aussprechen des W o r t e s w a r , 4 9 also der Bedeutungsgehalt des W o r t e s als geistige Konzeption (verbi in mente cepito)50

, d.h. der Begriff (intellectus, notio)

der Sache 5 1 bzw. die

des sprachlichen Ausdrucks. 5 2 Das, was vom verbum

con-

significatio

bezeichnet wird, ist nach

Augustinus allerdings nicht das geistige dicibile sondern die von ihrem Erkanntsein unabhängige Sache, 5 3 die, wie die verwendeten Beispiele zeigen, nicht auf konkrete Dinghaftigkeit festgelegt ist, sondern ebenso auch ein Ereignis oder Sachverhalt sein kann. 5 4

46

47

48

49 50 51

52

53

54

De doctr. ehr. II 3 (1963) 34, 17-20: „Nec ulla causa est nobis significandi ... nisi ad ... traiciendum in alterius animum id quod animo gerit qui signum dat." Vgl. De dial. V 8, 9f (1975: 90): „... dicibile ... est... quod in verbo intellegitur et animo continetur". Vgl. De dial. V, 8, 4ff (1975: 88): „Quidquid autem ex verbo non aures sed animus sentit et ipso animo tenetur inclusum, dicibile vocatur". Eine ähnliche Formulierung findet sich bereits bei TERTULLIAN: „Verbo non sonum solo sapiunt, sed et sensum nec auribus tantummodo audienda sunt, set et mentibus." (Scorpiace 7. 5, in: Opera II (CCSL 2/2) Turnhout 1954); vgl. R. H. AYERS, Language, Logic, and Reason in the Church Fathers (1979) 12f. Was Tertullian als „sensus" bezeichnet, nennt Augustinus „significatio"; vgl. De quant, anim. XXXII 66 (PL 32, 1072), s. Anm. 52. De dial. V, 8, 16 (1975: 90): „... cum animo sensa sunt, ante vocem dieibilia erunt." De dial. V 8, 7 (1975: 88). Vgl. die parallelen Ausführungen Augustine in der ca. ein Jahr später entstandenen Schrift De quantitate animae XXXII 65 (PL 32, 1071f): „A. Die ergo, utrum posses gnarus latinae linguae nominare in loquendo solem, si non intellectus solis praecederet sonum. E. Nullo modo possem. A. Quid? ... nonne in tua cogitatione man et, quod expressa voce alius auditurus est? E. Manifestum est." Vgl. ebd. XXXII 66 (PL 32, 1072): „Cum ergo nomen ipsum sono et significatione constet, sonus autem ad aures, significatio ad mentem pertineat, nonne arbitraris in nomine, velut in aliquo animante, sonum esse corpus, significationem autem quasi animam soni?" Vgl. U. WŒNBRUCH, 'Signum', 'significatio' und 'illuminatio'bei Augustinus (1971) 78f. De dial. V, 7, 6 (1975: 86): „Res est quidquid vel sentitur vel intellegitur vel latet." Vgl. V, 7, 25 (1975: 88); V, 8, 2; (1975: 90) V, 8, 17ff; vgl. H. RUEF, Augustin über Semiotik und Sprache (1981) 109; vgl. De quantitate animae XXXII 65 (PL 32, 1071); vgl. De mag. XIV, 45: „... quis tarn stulte curiosus est, qui filium suum mittat in scolam, ut quid magister cogitet discat?" In De magistro bezeichnet er die objektsprachlichen Nomina als signa rerum, wobei mit res hier sowohl die res visibiles wie die res intelligibiles umgriffen werden. Vgl. De mag. IV, 8, 79-81: „... audibilia ... signa sunt... rerum partim visibilium sicut est Romulus, Roma, flu-

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Die spätantiken Quellen der scholastischen Zeichentheorie

Verschiedentlich wurde versucht, das Augustinische dicibile als Äquivalent des stoischen λεκτόν zu interpretieren. 55 Eine nähere Analyse liefert jedoch gewichtige Argumente gegen eine solche Gleichsetzung. 56 So kann das stoische λεκτόν im Unterschied zum augustinischen dicibile nicht als mentales oder psychisches Ereignis im Sinne einer 'verbi in mente concepito' charakterisiert werden, 57 da die Gedanken nach stoischer Lehre materiell sind, das λεκτόν dagegen aber als etwas Immaterielles gekennzeichnet ist. Und anders als das als σημαινόμενον bestimmte stoische λεκτόν ist nach Augustinus gerade nicht das dicibile sondern vielmehr die res das vom sprachlichen Ausdruck Bezeichnete. 58 Es mag sein, daß die Bedeutung, die bei Augustinus der semiolinguistischen Thematik zukommt, sich zu einem erheblichen Teil von seiner - wie auch immer modifizierenden - Aufnahme stoischer Lehren herleitet, 59 wie sie besonders in De dialéctica deutlich ist, in der die zentralen Themen der stoischen Semantik präsent sind. 60 Die Charakterisierung von De dialéctica als „the most extensive treatise on stoic grammar and dialectic that survives" 61 ist jedoch insofern mißverständlich, als die Schrift zwar enge Bezüge zur stoischen Semantik aufweist, bei näherer Betrachtung jedoch die inhaltlichen Differenzen weitaus überwiegen. Trotz des starken stoischen Einflusses auf die Begrifflichkeit von De dialéctica ist festzustellen, daß „bei gleicher Terminologie und gleichen Vorstel-

55

56 57

58

59 60 61

vius, partim intelligibilium, sicut est virtus." Vgl. K. BARWICK, Probleme der stoischen Sprachlehre und Rhetorik (1957) 12; U. DUCHROW, Sprachverständnis und biblisches Hören bei Augustinus (1965) 55; B. D. JACKSON, The Theory of Signs in St. Augustine's De doctrina Christiana: Revue des Études Augustiniennes 15 (1969) 47f. Vgl. H. RUEF, Augustin über Semiotik und Sprache (1981) 108f. Augustinus umschreibt das dicibile auch als „quod fit in mente per verbum" (De dial. V 8, lOf). Es würde, wenn überhaupt, eher der stoischen λογική φαντασία entsprechen. Vgl. H. RUEF, Augustin über Semiotik und Sprache (1981) 108. Mehrfach wurde eine weitere Differenz in der Unmöglichkeit der Übertragung der von Augustinus behaupteten Vorgängigkeit des dicibile gegenüber dem sprachlichen Ausdruck auf das λεκτόν festgestellt. NUCHELMANS (Theories of Proposition. Ancient and Medieval Concepts of the Bearer of Truth and Falsity (1973) 116f) kommt, indem er davon ausgeht, daß das augustinische dicibile „ante vocem" im Geist existieren soll, während das stoische λεκτόν als ein tatsächlich in Worten ausgedrückter Gedanke zu verstehen sei, zu dem Schluß: „What Augustine intends by dicibile cannot be the Stoic lekton." In Übereinstimmung damit betont Α. GRAESER (The Stoic Theory of Meaning (1978) 87ff), daß das λεκτόν eher als „what is said" oder „what is meant" denn als „that which can be expressed" interpretiert werden muß, denn, wie auch H. RUEF (Augustin über Semiotik und Sprache (1981) 91) meint: „Gemäss der Stoa entstehen und bestehen ... die σημαινόμενα (bzw. λεκτά) erst mit dem Aussprechen eines Wortes oder einer Äusserung." Hierbei ist jedoch zu berücksichtigen, daß die Stoa mit ihrem Konzept des λόγος ένδιάθετος durchaus in der Lage war, die Lautvorgängigkeit (wenngleich nicht die Sprachvorgängigkeit) des λεκτόν zu vertreten. Vgl. G. MANETTI, Le teorie del segno (1987) 226f. Vgl. R. SIMONE, Semiologia agostiniana (1969) 95. M. IRVINE, Interpretation and the Semiotics of Allegory in Clement of Alexandria, Origen, and Augustine: Semiotica 63-1/2 (1987) 52.

13

Augustinus

lungsschemata der eigentlich stoische Geist aus den Worten entfernt und ihnen oft ein entgegengesetzter Sinn unterlegt" wird. 6 2 Differenzen zeigen sich nicht nur bei den einzelnen Begriffen, wie dem des dicibile, sondern auch in der Gesamtkonzeption. Das seiner Thematisierung der Sprache als Zeichen zugrundegelegte Verständnis des signum als res weicht wesentlich vom stoischen Zeichen (σημεΐον) ab, welches als αξίωμα oder λεκτόν niemals eine res sein konnte. Insofern ist Ruefs Festellung berechtigt, daß die augustinische „Zeichentheorie mit der stoischen Theorie des σημεΐον nichts zu tun hat." 6 3 Aber auch die Abweichungen von der stoischen Semantik, der Theorie des σημαίνον, sind erheblich. Augustinus lehnt die für die Stoa eminent wichtige Etymologie ab. 6 4 Geht die Stoa von der enuntiato als dem Ort der Verbindung von σημαίνον und σημαινόμενον aus, so Augustinus vom einfachen sprachlichen Ausdruck. Und hatte die Stoa mit ihrem formalen Konzept des λεκτόν eine semantisch orientierte Sprachtheorie entworfen, so stehen in Augustinus' Theorie des sprachlichen Zeichens eher die psychologischen und kommunikativen Momente im Vordergrund. 6 5

3. Die gnoseologische Funktion der Zeichen (De magistro) Die gnoseologische Funktion der Zeichen, insbesondere der Sprache, bildet, ausgehend von der Frage „quid ... videmur efficere velie, cum loquimur?" (was wollen wir bewirken, wenn wir reden), 66 das thematische Zentrum von De magistro,67 jenes auf den ersten - und wohl auch auf den zweiten - Blick recht ver-

62 63 64

65

U. DUCHROW, Sprachverständnis und biblisches Hören bei Augustinus (1965) 49f. H. RUEF, Augustin über Semiotik und Sprache (1981) 104. Vgl. U. DUCHROW, Sprachverständnis und biblisches Hören bei Augustinus (1965) 58ff; J. PlNBORG, Das Sprachdenken der Stoa und Augustins Dialektik (1962) 177. Vgl. T . TODOROV, Théories

Phronesis

66 67

du symbole

( 1 9 7 7 ) 3 5 ; R. Α. MARKUS, St. Augustine on Signs:

2 (1957) 72; H. RUEF, Augustin über Semiotik

und Sprache

(1981) 86; G.

MANETTI, Le teorie del segno ( 1 9 8 7 ) 2 2 6 f . Augustins Konzept des Sprachzeichens steht in dieser Beziehung Theophrast wesentlich näher als der Stoa. Denn Theophrast hat, wie Ammonius in seinem peri hermeneias-Kommentar referiert, eine „doppelte Beziehung" der Rede zum Hörer und zu den Dingen gelehrt und hat somit, wie Ruef betont, mit Augustinus die wichtigen M o m e n t e der triadischen Zeichenrelation sowie der Bezugnahme der Zeichenlehre auf den Menschen gemeinsam. Vgl. H . RUEF, Augustin über Semiotik und Sprache ( 1 9 8 1 ) 8 4 f ; zu Theophrast vgl. R. HALLER, Untersuchungen zum Bedeutungsproblem in der antiken und mittelalterlichen Philosophie: Archiv, f. Begriffsgeschichte 7 (1962) 91. De mag. I, 1, 3f.

Zu De mag. vgl. U. DUCHROW, Sprachverständnis

und biblisches

Hören bei

Augustinus

( 1 9 6 5 ) 6 2 f f ; dort auch die ältere Literatur; vgl. E. SCHÄDEL, Aurelius Augustinus, De stro ( 1 9 7 5 ) ; G. MADEC, Analyse du D e magistro: Revue des Etudes Augustiniennes

(1975) 63-71.; T. BORSCHE, Macht und Ohnmacht der Wörter. Bemerkungen

magi21

zu Augustins

'De magistro', in: Sprachphilosophie in Antike und Mittelalter, hg. B. MojSISCH ( 1 9 8 6 ) 1 2 1 - 1 6 1 ; DERS., Was etwas ist ( 1 9 9 0 ) 1 4 8 - 1 5 6 ; H . ARENS, *De Magistro', Analysen eines

14

Die spätantiken Quellen der scholastischen Zeichentheorie

worrenen Dialogs zwischen Augustinus und seinem Sohn Adeodatus, der sich bei näherem Hinsehen jedoch stellenweise als äußerst kunstvoll gearbeitet erweist. Denn was Augustinus hier vorführt, ist im wesentlichen nichts anderes, als ein diffiziles Spiel mit dem tragenden Begriff der eigenen Zeichendefinition aus De dialéctica, dem ostendere und seinen Bedeutungsnuancen. Ein Spiel, das letztlich zu einer kritischen Revision bzw. zur Präzisierung und Limitation des die funktionale Bestimmung des Zeichens tragenden Begriffs des ostendere führen wird. Wie der Titel andeutet, steht diese zeichentheoretische Thematik in einem perspektivischen Bezug auf das eigentliche, theologische Thema der Schrift, die Frage danach nämlich, wer Lehrer und Meister sein soll. Eine Frage, deren Beantwortung sich für Augustinus zwangsläufig aus der Bestimmung der Leistung des Zeichens ergibt. Augustinus konstatiert zunächst zwei Gründe für den Gebrauch von Sprache: das Belehren (docere) und das Ins-Gedächtnis-Rufen oder Vergegenwärtigen {commemorare). Den Ausgangspunkt für die kritische Prüfung dieser Funktionen von Sprache bildet auch hier der Zeichencharakter der Wörter.68 Zeichen aber kann nur sein, was etwas bezeichnet: „Quid? signum nisi aliquid significet, potest esse signum?"69 Hiermit bereits ist der zeichentheoretische Problemhorizont des Dialogs im wesentlichen vorgegeben. Denn wenn jedes Wort Zeichen ist und Zeichen etwas ist, das etwas bezeichnet, dann muß sich sagen (dicere), darlegen (pandere), ja - gemäß der in De dialéctica gegebenen Definition des signum - zeigen (ostendere) lassen, was das von einem beliebigen Wort Bezeichnete ist. Inwieweit ein solches möglich ist, soll das anhand des Vergil-Verses „Si nihil ex tanta superis placet urbe relinqui" (Ob nichts von solch großer Stadt wollen übriglassen die Götter) untersucht werden.70 In folgerichtiger Sequenz werden die verschiedenen Möglichkeiten durchgespielt. Dem scheinbar lockeren Gesprächsverlauf liegt offenbar eine ausgearbeitete Zeichenklassifikation zugrunde. Zunächst werden sprachliche Zeichen daraufhin befragt, inwieweit sie geeignet sind, das Bezeichnete zu zeigen. Hierbei

68

69 70

Dialogs von Augustinus, in: De ortu grammaticae, hg. G. L. BURSILL-HALL u.a. (1990) 1734. De mag. II 3, 1: ,,Aug.[ustinus] Constat ergo inter nos verba signa esse. Ad.[eodatus] Constat."; vgl. ebd. IV, 9. „... dicimus... signa universaliter omnia, quae significant aliquid, ubi etiam verba esse invenimus." Ebd. II 3, 3f. Augustinus verschärft damit im Laufe des Gesprächs gezielt die Bedingungen der gestellten Aufgabe bis hin zu dem die Zeichendefinition von De dial, tragenden ostendere. Während er zunächst nur fordert „Die mihi, quid singula verba significent" (II 3, 13), verlangt er bald das "conare, ut potes, ... verba quid significent pandere" (II 4, 50f) um dann darauf zu insistieren, daß er „illa ipsa, quorum haec signa sunt, mihi si posses vellem ut ostenderes" (II 4, 70ff). Dieses ostendere jedoch, und hierauf scheint es Augustinus anzukommen, kann seinerseits in unterschiedlicher Weise verstanden werden. Während es zunächst im Sinne eines 'Zeigens a u f aufgefaßt wird (III 5, 7ff; s. Anm. 76), verschärft es sich anschließend zu einem nicht mehr zeichenhaften 'Zeigen von' bzw. „non significando monstare" (III 6, 4 5 0 -

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legen sich zwei Weisen nahe: Zum einen die Ersetzung eines Wortes durch ein synonymes („ex" = „de"), 71 was jedoch insofern zurückgewiesen wird, als es darum geht, jenes eine von den beiden synonymen Ausdrücken Bezeichnete aufzuweisen [panciere).71 Zum anderen die Deskription oder Nominaldefinition des Wortes. 73 Auch dieses Verfahren wird von Augustinus verworfen, da so nur Wörter durch Wörter, d.h. Zeichen durch Zeichen dargelegt werden, die gestellte Aufgabe aber angeblich das Zeigen (ostendere) desjenigen war, von dem sie Zeichen sind („Ego autem ilia ipsa, quorum haec signa sunt, mihi si posses vellem ut ostenderes.") 74 In diesem Sinne erweist sich ein ostendere des Signifikats als durch sprachliche Zeichen nicht erreichbar. Wer spricht, präsentiert nur Wörter, diese aber zeigen nicht die Dinge, die sie bedeuten. Insofern erscheint die gestellte Aufgabe als unlösbar - zumindest im Medium sprachlicher Zeichen, da auf jede Frage nach dem Signifikat, die die ostensio desselben einfordert, nur Wörter als Antwort gegeben werden können („non possumus respondere nisi verbis"). 75 Da sich die Sprache somit als zur Erfüllung der gestellten Aufgabe untauglich erweist, lenkt Augustinus im folgenden den Blick auf verschiedenen Arten nichtsprachlicher Zeichen. Zunächst wird die Funktion der deiktische Zeichen am Beispiel des Fingerzeigs (digito ostendere; digito demonstrare) untersucht.76 Ein solches Zeigen jedoch erfordert die Präsenz77 und die Sichtbarkeit78 des Signifikats und hätte somit einen sehr begrenzten Gegenstandsbereich. Anders scheint es sich dagegen bei gestischen und mimischen Zeichen zu verhalten, durch welche ganze Geschichten darstellbar sind ("histriones totas in theatris fabulas sine verbis saltando plerumque aperiunt et exponunt").79 Aber auch diese Zeichen sind nicht geeignet, das geforderte Zeigen der durch das Wort bezeichneten Sache zu gewährleisten. Denn, wie Adeodatus betont, im Fall des durch den Vergil-Vers vorgegebenen Wortes "ex" "non modo ego, sed ne ipse quidem saltator histrio tibi sine verbis quid signified posset ostendere."80 Das Versagen auch der mimetischen Zeichen ist jedoch grundsätzlicherer Natur. Denn selbst unter der fiktiven Annahme, es gebe keine solche Begrenzung der Möglichkeit eines mi-

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Vgl. De mag. III 4, 52ff. Vgl. ebd. III 4, 60f. Vgl. ebd. III 4, 62-66. Vgl. ebd. III 4, 69-72. Vgl. ebd. III 5, Iff. Vgl. ebd. III 5, 7ff: „... si quererem, tres istae syllabae quid significent, cum dicitur 'paries', nonne posses digito ostendere, ut ego prorsus rem ipsam viderem, cuius signum est vox trissylabum verbum...?" Vgl. ebd. III 5, 13. Vgl. ebd. III 5, 24ff. Vgl. ebd. III 5, 34f. Vgl. ebd. III 5, 37f.

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metischen Zeigens von Seiten der Gegenstände, wird auch dieses Zeichen eben nur Zeichen und nicht die Sache selbst sein. Weswegen auch hier nur, wenn auch nicht ein Wort durch ein Wort, so doch ein Zeichen durch ein Zeichen indiziert wird, während doch, wie Augustinus betont, das Gezeigtwerden ohne Zeichen („non significando monstrari") gefordert war.81 Mit dem hier geforderten nicht zeichenhaften Zeigen tritt erstmals ein anderer Bedeutungsaspekt des ostendere in Erscheinung, der zu einer radikalen Wende im Gedankengang führen wird. Es geht in letzter Konsequenz eben gar nicht um das deiktische 'Zeigen auf, sondern um das exhibitive 'Zeigen von' im Sinne einer Präsentation der Sache selbst. Ein solches Zeigen der Sachen selbst aber ist dem sich Zeichen bedienenden menschlichen Lehrer nicht möglich, denn auch die zunächst in dieser Rücksicht nicht problematisierten deiktischen Zeichen zeigen nicht in diesem Sinne die Sache, sondern zeigen auf die Sache. Wenn es also zunächst so scheint, als könne nichts ohne Zeichen gezeigt („Nihil itaque video, quod sine signis ostendi queat")82 bzw. gemäß der Ausgangsüberlegung, nichts ohne Zeichen gelehrt werden („nondum prorsus exstat quod sine signis doceri posse videtur"),83 so liegt dem ein Verständnis des ostendere im Sinne der Deixis zugrunde. Wechselt die Bedeutung des ostendere zu einem nicht zeichenhaften Zeigen im Sinne eines exhibere, so ergibt sich nicht nur, daß im Gegensatz zum zuvor Festgestellten nichts in diesem Sinne durch Zeichen gezeigt werden kann („falsum... illud sit, quod nobis paulo ante videbatur nihil esse omnino, quod sine signis possit ostendi"), sondern auch, daß alle Dinge ohne Zeichen durch sich selbst gezeigt werden („milia rerum animo occurrunt, quae nullo signo dato per se ipsa monstrentur")84 - freilich von einem anderen, als dem menschlichen Lehrer: solem certe istum lucemque haec omnia perfundentem atque vestientem, lunam et caetera sidera, terras et maria quaeque in his innumerabiliter gignuntur, non per se ipsa exhibet atque ostendit deus et natura cernentibus? - (Die Sonne aber und das Licht, das alle Dinge überströmt und bekleidet, der Mond und die übrigen Gestirne, die Länder und Meere und die unzählig darin hervorgebrachten Dinge, legen nicht Gott und die Natur dies alles durch sich selbst dar und zeigen es den Betrachtern?)85

Und weil sich allein mit einem solchen, die unmittelbare Präsenz des Erkenntnisgegenstandes herstellenden ostendere das docere verbinden kann, wird Augustinus die erkenntnisvermittelnde Funktion der Zeichen im allgemeinen und der Sprache im besonderen zurückweisen und die radikale - in De doctrina

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Ebd. III 6, 42-46: „Quare hic [sc. saltator histrio] quoque non quidem verbo verbum, sed tarnen signo signum nihilo minus indicabit, ut et hoc monosyllabum 'ex' et ille gestus unam rem quandam significent, quam mihi ego vellem non significando monstrari." Ebd. III 6, 52f. Ebd. X 30, 46f. Ebd. X 32, 103-107. Ebd. X 32, 109-113.

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Christiana wiederum zurückgenommene bzw. relativierte86 - These vertreten, daß nichts durch Zeichen erlernt wird: "Denn wenn mir ein Zeichen gegeben wird, und ich nicht weiß, von welchem Ding dieses ein Zeichen ist, kann es mich nichts lehren. Wenn ich es aber weiß, was lerne ich dann durch das Zeichen?"87 Der komplexe Gedankengang von De magistro bewegt sich damit, kurz zusammengefaßt, auf der Grundlage der Gleichsetzung von ostendere und docere. Solange das ostendere als ein demonstratives 'Zeigen auf interpretiert wird, das eben nicht anders als durch Zeichen möglich ist, muß es so scheinen, als könne nichts ohne Zeichen gelehrt werden. In dem Moment jedoch, wo das ostendere im Sinne des exhibitiven 'Zeigen von' in Erscheinung tritt, das eben durch Zeichen nicht geleistet werden kann, und sich herausstellt, daß eine Gleichsetzung mit dem docere nur für letzteres gilt, trennt sich das significare vom docere, so daß für das Zeichen nurmehr die rememorative und admonitive Funktion reklamiert werden kann. Das Sprachzeichen besteht aus den beiden Elementen Laut (sonus) und Bedeutung (significatio).ss Während jener unmittelbar perzipiert wird, kann die Bedeutung erst vermittels der erkannten Sache erfaßt werden.89 Die Sacherkenntnis ist damit das primäre und jeder sprachlichen Bezeichnung Zugrundeliegende. So zeigt insbesondere die Betrachtung des kindlichen Spracherwerbs, daß die Bedeutung der Wörter erst durch die wiederholte Erfahrung des konstanten Gebrauchs derselben in Rücksicht bereits durch unmittelbare Anschauung bekannter Dinge erlernt wird, wir also „durch jene Zeichen, die Wörter genannt werden, nichts lernen, sondern vielmehr eher die im Laut verborgene Bedeutung durch die erkannte Sache, die bezeichnet wird, erlernen, als daß wir diese durch jene Wortbedeutung erfassen".90 Doch mehr noch: Nicht nur wird das Zeichen erst vollkommen erkannt, wenn die Kenntnis der von ihm bezeichneten res gegeben ist;91 bevor durch die Kenntnis der Zuordnung des gesprochenen Wortes zur bereits bekannten Sache es als Zeichen für diese erfaßt wird, ist nicht nur die Bedeutung des Wortes un86 87

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De doctr. ehr. I, 4 (1963) 9, 4f. De mag. X , 33, 1 1 4 - 1 7 : „... fortasse nihil invenies, quod per sua signa discatur. Cum enim signum mihi datur, si nescientem me invenit, cuius rei signum sit, docere me nihil potest, si vero scientem, quid disco per signum?" So Augustinus schon in dem kurz vor De mag. entstandenen Dialog De quantitate animae ( X X X I I 66, PL 3 2 , 1072); s. Anm. 52. De mag. X , 34, 141-144: „In quo tarnen signo cum duo sint, sonus et significatio, sonum certe non per signum pereepimus, sed eo ipso aure pulsata, significationem autem re, quae significatur, aspecta." De mag. X , 34, 154-57: „... per ea signa, quae verba appellantur, nos nihil discere; potius enim ... vim verbi, id est significationem quae latet in sono, re ipsa, quae significatur, cognita discimus, quam illam tali significatione percipimus"; vgl. ebd. 78. Vgl. De triti. Χ 1, 1: „neque ullum perfecte signum noscitur, nisi cuius rei signum sit cognoscatur."

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bekannt, es selbst wird vielmehr überhaupt nicht als Zeichen, sondern lediglich als sotius, d.h. als Ding wahrgenommen. 92 In einer detaillierteren Analyse der bei der Erlernung der Bedeutung sprachlicher Zeichen vorliegenden Zeichensituation macht Augustinus jedoch deutlich, daß bereits die Zuordnung der bekannten Dinge zu den zu erlernenden Wörtern nur zeichenvermittelt funktionieren kann. Denn um erkennen zu können, auf welche Sache und in welcher Weise sich ein gegebener sprachlicher Ausdruck bezieht, bedarf es gewisser Zeichen, bedarf es der Gestik, Mimik und des Tonfalls als einer Art natürlicher, allen Menschen verständlicher Sprache. 93 Zwischen die Kenntnis der Dinge und die Erlernung der Wörter tritt damit die natürliche Sprache gestischer Zeichen. Deren ursprünglich hinweisende Funktion geht nach der Konstituierung der Verbalsprache an diese über. Und weiter wird sie es in gnoseologischer Rücksicht auch kaum bringen. Sprache ist ein System rememorativer, 94 im besten Fall admonitiver Zeichen, die die Sachen nicht darreichen, sondern uns nur ermahnen, die Erkenntnis in 92

Vgl. De mag. X , 33, 124-33: „... cum primum istae duae syllabae, cum dicimus 'caput' aures meas impulerunt, tarn nescivi quid significarent, quam cum primo audirem legeremve sarabaras. Sed cum saepe diceretur 'caput', notans atque animadvertens, quando diceretur, repperi vocabulum esse rei, quae mihi iam erat videndo notissima. Quod priusquam repperissem, tantum mihi sonus erat hoc verbum; signum vero esse didici, quando cuius rei signum esset inveni, quam quidem ... non significatu, sed aspectu didiceram. Ita magis signum re cognita quam signo dato ipsa res discitur." Die hier implizit formulierte These, daß zur Erfassung eines Zeichens als Zeichen stets eine doppelte Erkenntnis erforderlich ist, nämlich sowohl die des Zeichens wie auch die der bezeichneten Sache, wird im späten Mittelalter ein wichtiges Bestimmungsmoment des Instrumentalzeichens.

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C o n f e s s i o n e s I, 8 (PL 3 2 : 666f): „Cum ipsi appellabant rem aliquam et cum secundum earn vocem corpus ad aliquid movebant, videbam et tenebam hoc ab eis vocari rem illam, quod sonabant, cum eam vellent ostendere. H o c autem eos velie, ex motu corporis aperiebatur, tamquam verbis naturalibus omnium gentium, quae fiunt vultu et nutu oculorum, caeterorumque membrorum actu, et sonitu indicante affectionem animi in petendis, habendis, reiicendis, fugendisve rebus. Ita verba in variis sententiis locis suis posita, et crebro audita, quarum rerum signa essent, paulatim colligebam, measque iam voluntates edomito in eis signis ore per haec enunciabam. Sic cum his, inter quos eram, voluntatum enunciandarum signa communicavi..."

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Vgl. De trin. IX, 12: „cum autem ad alios loquimur, verbo intus manenti ministerium vocis adhibemus, aut alicuius signi corporalis, ut per quandam conmemorationem sensibilem tale aliquid fiat etiam in animo audientis, quale de loquentis animo non recedit." Zur lediglich rememorativen Funktion von Sprache vgl. J . PLNBORG, Das Sprachdenken der Stoa und Augiistins Dialektik (1962) 176f.; R. SIMONE, Semiologie augustinienne (1972) 26. - Mehrfach bereits wurde auf eine Nähe zwischen dem augustinischen und dem skeptischen Zeichenbegriff von Sextus Emipiricus hingewiesen, welcher ebenfalls die Wörter unter die hypomnestischen Zeichen rechnet {Adv. Math. VIII, 289-290). Vgl. K. KUYPERS, Der Zeichen- und Wortbegriff im Denken Augustins (1934) l l f ; R. A. MARKUS, St. Augustine on Signs (1957) 62ff. Nach T. BORSCHE (Macht und Ohnmacht der Wörter (1986) 138) schließt sich Augustinus „offenkundig und bis in die Wortwahl hinein" eng an die Argumentation der Skeptiker an. Borsche hat mit Blick auf De magistro zu Recht darauf hingewiesen, daß trotz aller Ubereinstimmungen ein markanter Unterschied zwischen beiden darin besteht, daß es Sextus Empiricus um die Abweisung der von den 'Dogmatikern' als Erkenntnisgrund gewerte-

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den Sachen selbst zu suchen: "... verba ... admonent tantum, ut quaeramus res, non exhibent, ut norimus."95 Durch sie selbst wird nichts im eigentlichen Sinne gelehrt, d.h. keine Erkenntnis vermittelt, es sei denn die Erkenntnis von ihnen selbst. Denn: Is me ... aliquid docet, qui vel oculis vel ulli corporis sensui vel ipsi etiam menti praebet ea, quae cognoscere volo. Verbis igitur nisi verba non discimus, immo sonitum strepitumque verborum... - (Derjeinge lehrt mich etwas, der meinen Augen oder irgendeinem Körpersinn oder sogar meinem Geist selbst das darbietet, was ich erkennen will. Durch die Wörter also lernen wir nichts als Wörter, oder vielmehr: Klang und Geräusch von Wörtern...) 96

Wenngleich Augustinus sich in De magistro darauf beschränkt, die Unmöglichkeit des Belehrtwerdens durch Sprachzeichen zu behaupten, gibt er deutlich zu verstehen, daß dasselbe ebenso auch für jede andere Form von gestischen oder ikonischen Zeichen gilt.97 Denn der Grund für die Untauglichkeit der Zeichen zur Vermittlung von Wissen liegt für ihn nicht im arbiträren Charakter der Sprachzeichen, sondern darin, daß Erkenntnis allein aus der unmittelbaren Gegenwart des Erkannten kommt, die Zeichen aber, und das gilt für Zeichen im allgemeinen, eben nicht das Bezeichnete selbst sind.98 Bestimmend für die Argumentation von De magistro ist ein Verständnis des docere im Sinne einer Vermittlung von Wissen, d.h. von gewisser Erkenntnis. Wenn diese aber die Unmittelbarkeit, die Präsenz des Erkannten erfordert, so sind genaugenommen die Begriffe von Wissen und Vermittlung miteinander unvereinbar und die Frage nach der Möglichkeit eines Lehrens als Wissensvermittlung bereits im Moment, in dem sie gestellt wird, negativ entschieden. Dieses hoch angesetzte Verständnis des docere gilt es auch zu berücksichtigen, wenn das Verhältnis von De magistro und De doctrina Christiana und die scheinbare Dementierung der Kernthese der früheren Schrift durch die spätere betrachtet wird. Beide Schriften operieren mit einem unterschiedlichen Konzept von doctrina und scientia. Doctrina - als das, was gelehrt wird - ist nach De magistro auf scientia, auf Wissen beschränkt und nachdrücklich vom bloßen Glauben, von der fides, abgehoben. Das docere und discere, auf das hin in De magistro die Leistungsfähigkeit der Zeichen befragt wird, findet seine Erfüllung erst in der allein durch die sinnliche oder geistige visto gewährleisteten unmit-

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ten Anzeichen geht, Augustinus dagegen um die mit der Erkenntnis einer Sache gleichgesetzte Bedeutung der Wörter. De mag. XI, 36, 1-3. De mag. XI, 36, 3-6. De mag. X, 35, 158-164. Das Zeichen ist im Außen loziert, das docere im Innern, vgl. Epist. 144, 1 (PL 33, 591A): „hoc agit il le (sc. deus) et efficit, qui per ministros suos rerum signis extrinsecus admonet, rebus autem ipsis per seipsum intrinsecus docet." Zur augustinischen Theorie der Erkenntnis mit Blick auf die Zeichentheorie vgl. U. WIENBRUCH, 'Signum', 'significatici' und 'illuminatici' bei Augustinus (1971) 80ff.

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telbaren Präsenz des Gegenstandes" und damit genau dort, wo bereits nach stoischer und epikureischer Lehre für das Zeichen kein Raum und keine Funktion mehr bleibt. Mittels der Zeichen gelangt man 'lediglich' zur fides nicht aber zum Wissen. Eine solche, noch die Spuren eines neuplatonischen Vernunftkonzepts aufweisende Abhebung des Wissens vom bloßen Glauben scheint für Augustinus nach der Wende von 396 nicht mehr angemessen zu sein. Christliche Lehre hat es wesentlich mit Überlieferung und fides zu tun, und das heißt nach Lage der Dinge eben: mit Zeichen. Insofern stellt die in De doctrina Christiana getroffene Aussage, daß die Dinge durch Zeichen gelernt werden, keine förmliche Revision des in De magistro Gesagten dar. Was gewechselt hat, ist nicht das grundsätzliche Verständnis der Leistung von Zeichen, sondern, auf der Grundlage eines geänderten Konzepts von Wissen, die Bewertung des von ihnen Geleisteten.100

4. Die entwickelte Theorie des Zeichens (De doctrina Christiana) a) Die Definition des Zeichens Die einflußreichsten Ausführungen Augustine zur Theorie des Zeichens finden sich in De doctrina Christiana. Ihr entstammt die im Mittelalter bis ins 13. Jahrhundert als kanonisch geltende Zeichendefinition:

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Vgl. De mag. XII, 3 9 - 4 0 : „De illis [sc. sensibilibus] cum interrogamur, respondemus, si praesto sunt ea, quae sentimus... Hic ille, qui interrogat, si non videt, credit verbis et saepe non credit, discit autem nullo modo, nisi et ipse quod dicitur videt, ubi nam non verbis, sed rebus ipsis et sensibus discit. ... [XII, 40] Cum vero de his agitur, quae mente conspicimus ..., ea quidem loquimur, quae praesentia contuemur in illa interiore luce veritatis...; sed tum quoque noster auditor, si et ipse illa secreto ac simplici oculo videt, novit quod dico sua contemplatione, non verbis meis. Ergo ne hunc quidem doceo vera dicens vera intuentem; docetur enim non verbis meis sed ipsis rebus deo intus pándente manifestane."

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Das wird deutlich an einer offensichtlich mit Blick auf De mag. XII, 3 9 f (vgl. Anm. 90) getroffenen Feststellung in De trin., wo die in jener Schrift massiv vorgenommene Abhebung des scire und discere von jeder Form zeichenhafter Vermittlung in scharfer Form zurückgewiesen wird. Auch hier geht Augustinus von einer Dichotomie der Wissensgestände aus („Cum enim duo sint genera rerum quae sciuntur, unum earum per sensum corporis percipit animus, alterum earum quae per se ipsum...") Er wendet sich hier jedoch nicht nur gegen jene, die ein durch die Sinne vermitteltes Lernen von Wahrem in Zweifel ziehen („... absit a nobis ut ea quae per sensus corporis didicimus vera esse dubitemus"), sondern weist auch die Verneinung der Möglichkeit eines durch sprachliche Uberlieferung vermittelten und durch übereinstimmende und beständige Indizien bestätigten Wissens zurück: „Absit etiam ut scire nos negemus quae testimonio didicimus aliorum; alioquin esse nescimus oceanum, nescimus esse terras atque urbes quas celeberrima fama commendat; nescimus fuisse homines et opera eorum quae histórica lectione didicimus; nescimus quae quotidie undecumque nuntiantur et indiciis consonis constantibusque firmatur..." (De tritt. X V , 12, 21, CCSL 5 0 a 4 9 3 , 66-81).

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Signum ... est res praeter speciem quam ingerit sensibus, aliud aliquid ex se faciens in cogitationem venire... (Ein Zeichen ist ein Ding, das neben dem sinnlichen Eindruck, dem es den Sinnen mitteilt, aus sich etwas anderes in das Denken kommen läßt). 101

Wenngleich weder von der scholastischen Tradition noch auch von der neueren Forschung eine Differenz zu der in De dialéctica gegebenen Bestimmung des Zeichens („Signum est quod se ipsum sensui et praeter se aliquid animo ostendit") 102 wahrgenommen worden ist, wird durch die nähere Analyse der zeichentheoretischen Ausführungen von De magistro offenkundig, daß es sich bei der Neuformulierung um die direkte Konsequenz einer in dieser Schrift nachdrücklich vorangetriebenen Problematisierung der älteren Definition handelt. Der Bruch zwischen den beiden Zeichendefinitionen läßt sich textlich präzis verorten. Es ist jener entscheidende Wendepunkt von De magistro, an dem die zunächst starkgemachte These, nichts könne ohne Zeichen gelehrt werden, in ihr Gegenteil umschlägt und nun als falsch erkannt wird, „quod nobis paulo ante videbatur nihil esse omnino, quod sine signis possit ostendi" 1 0 3 . Wenn derart deutlich an der Schlüsselstelle des Dialogs dem Zeichen genau jene Funktion abgesprochen wird („Non enim mihi rem, quam significat, ostendit verbum..."), 104 durch die es zwei Jahre zuvor noch definiert worden war, dann wird das kein Versehen sondern bewußte Inszenierung sein. Es ist daher kein Zufall, sondern Ausdruck einer veränderten Zeichenkonzeption, daß die später in De doctrina Christiana gegebene, in De magistro der Formulierung nach bereits anklingende 105 Zeichendefinition das 'ostendere' durch ein 'faciens in cogitationem venire' ersetzt. Beides hat eine andere Vollzugsrichtung. Während die ostensio dem Geist etwas 'von außen' her zukommen läßt, meint das 'facere in cogitationem venire' ein 'von innen' her ins Bewußtsein kommen lassen. Nur diese Definition ist mit dem in De magistro herausgearbeiteten Theorie der vornehmlich exzitativen und rememorativen, allenfalls noch admonitiven Zeichenfunktion ohne weiteres vereinbar. Denn für Augustinus steht in De magistro das ostendere im Begriffsfeld von exhibere, manifestare,106 101

Dedoctr. ehr. II. 1 (1963) 35. De dial. V 9, 7f (1975: 86). 103 De mag. X, 32, 104f. 104 De mag. X, 32, 118. los Vgl. De mag. I, 2, 72-76: „... quamvis nullum edamus sonum, tarnen, quia ipsa verba c o gitamus, nos intus apud animum loqui, sic quoque locutione nihil aliud agere quam commemorare, cum memoria, cui verba inhaerent, ea revolvendo facti venire in mentem res ipsas, quarum signa sunt verba." (Hervorhebung von mir). 106 Vgl. De mag. X, 32, 106-13. Augustinus spielt hier die Begrifflichkeit von exhibere, manifestare und ostendere gegen die lediglich admonitive oder rememorative Funktion der Zeichen aus. Daß es im wesentlichen um das ostendere geht, zeigt die Häufigkeit seiner Verwendung in diesem Zusammenhang. Vgl. De mag. II 4, 71; III 5, 9. 33. 38; III 6, 52. 65. 75. 83. 102

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Ein Zeichen kann zwar auf etwas hinweisen oder aufmerksam machen (admonere). Als ein solches aber hat es ausschließlich die Funktion, den Erkennenden zur Suche nach der unmittelbaren Präsenz des Gegenstandes zu bewegen, aus welcher allein die Erkenntnis entspringen kann und die für das Funktionieren jeder zeichenhaften Verweisung bereits vorausgesetzt ist. Auch der wahrgenommene Rauch vermittelt die Erkenntnis des 'subesse ignetrt' nur dann, wenn der Zeichenrezipient bereits über eine Erkenntnis des Feuers verfügt („rerum expertarum animadversione et notatione cognoscitur ignem subesse"). 107 Mit Blick auf die im Anschluß an die Bestimmung des Zeichens getroffene Unterscheidung von signa naturalia und signa data erläutert Augustinus diese Definition einerseits durch die bekannten Beispiele von „vestigium" und „fumus", andererseits durch die die Konzepte erkennen lassenden sprachlichen Ausdrücke sowie konventionelle Signale.108 Hiermit werden, in einer voraugustinisch nicht belegbaren Form, die natürlichen Indizes und die willkürlich eingesetzten Sprachzeichen in einer gemeinsamen Definition zusammengefaßt. Daß eine solche Verbindung von Heterogenem nicht ohne innere Spannung durchführbar ist und nicht nur Gemeinsamkeiten erschließen sondern auch Differenzen verbergen kann, liegt auf der Hand. So ist von der aristotelischen wie von der stoischen Logik her gesehen offenkundig, daß die Struktur einer auf natürliche indexikalische Zeichen beruhenden Semiose eine ganz andere ist als die des Bezeichnens (σημαίνειν) mittels sprachliche Ausdrücke. Während ein einfacher unverbundener sprachlicher Ausdruck sich signifikativ auf Inkomplexes (gleichgültig ob auf eine res oder einen conceptus) bezieht, ist ein stoisch gedachtes σημεΐον nicht nur selbst etwas Komplexes bzw. ein vollständiges Lekton, sondern auch stets Zeichen von Komplexem. Das Bezeichnete, der durch das Zeichen als dem Vordersatz einer gültigen Implikation enthüllte Nachsatz hat notwendig propositionalen Charakter. Die Besonderheit der sprachlichen Ausdrucksleistung, die sie von den natürlichen Zeichen aber auch von den Signalen abhebt, geht in der allgemeinen Zeichendefinition verloren. Diese Differenz der Signifikation willkürlichsprachlicher und natürlicher Zeichen wird von Augustinus nicht eigens thematisiert, wohl auch deshalb, weil er die natürlichen Zeichen nur einführt um sie sogleich wieder aus dem Gegenstandsbereich seiner Zeichenerörterungen auszuschließen. Zumindest aber sind bei Augustinus in der Exemplifikation der natürlichen Zeichen noch Spuren der älteren Theorie des σημεΐον, wie sie in der Stoa und den aristotelischen Analytiken vorliegt, sichtbar. Denn anders als in 107 108

De doctr. ehr. II 2 (1963) 34, 5f. De doctr. ehr. II 1 (1963) 33, 25ff: „... vestigio viso transisse animal cuius vestigium est cogìtamus et fumo viso ignem subesse cognoscimus, et voce animantibus audita adfectionem animi eius advertimus, et tuba sonante milites vel progredì se vel regredì [...] oportere noverunt."

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nahezu der gesamten späteren Überlieferung der Beispiele von vestigium und fumus bezeichnen diese nach Augustinus - zumindest gemäß den unmittelbar im Anschluß an die Definition vorgestellten Beispielen - nicht einfach das Tier bzw. das Feuer, sondern die komplexen Sachverhalte des „transisse animal" und „subesse ignem".109 Erstaunlicherweise scheint das späterhin fast niemandem aufgefallen zu sein. Nur selten und erst spät wird wieder ausdrücklich darauf hingewiesen, daß die natürlichen endeiktischen Zeichen - aber auch willkürlich eingesetzte Signale - eine komplexe Erkenntnis in Form eines Urteils vermitteln und ihr Signifikat somit propositionale Struktur aufweist.110 b) Res und signa Die Dinge und die Zeichen bilden und strukturieren zusammengenommen nach De doctrina Christiana den Gegenstandsbereich jeglichen Wissens, denn, wie Augustinus in jenem Satz formuliert, der durch seine Aufnahme an den Anfang der Sentenzen des Petrus Lombardus im Mittelalter an denkbar prominenter Stelle tradiert wurde: „Omnis doctrina vel rerum est vel signorum, sed res per signa discuntur" (Jede Lehre handelt von Dingen oder von Zeichen, aber die Dinge werden durch die Zeichen gelernt).111 Die Unterscheidung von Dingen und Zeichen ist jedoch nicht im strikten Sinne disjunktiv: „Jedes Zeichen ist auch ein Ding, denn was kein Ding ist, ist gänzlich nichts. Nicht aber ist jedes Ding auch ein Zeichen". 112 Die Grenze zwischen Dingen und Zeichen - und damit das Zeichen selbst ist nicht ontologisch, sondern funktional bestimmt: Zeichen sind Dinge, die dazu dienen, etwas zu bezeichnen („res ... quae ad significandum aliquid adhiben-

109 Yg| A n m - 108. Inwieweit Augustinus selbst diesen Unterschied noch wahrgenommen hat, läßt sich nicht mit Sicherheit sagen. Unmittelbar anschließend spricht er in derselben Schrift vom „fumus significans ignem" (II 2 ( 1 9 6 3 ) 34, 4). Doch dabei kann es sich um eine elliptische Formulierung handeln, wie sich sich bereits bei Sextus Empiricus finden läßt. 1 1 0 WILHELM VON OCKHAM weist im Rahmen einer Unterscheidung von imago und vestigium darauf hin. Vgl. Ord. 1 d.3 q . 9 ( O T II, 5 4 7 ) : „... vestigium, nisi sit impedimentum, ducit non tantum in notitiam recordativam illius cuius est, sed etiam ducit in notiticam complexam alicuius veritatis contingentis de ipso." Hinsichtlich des in der Scholastik als Standardbeispiel für das signum ad placitum dienenden vor der Weinschänke ausgehängten Laubkranzes (circulus ante tabernam) wird die propositionale Bezeichnungsstruktur im 13. J h . von Ps.-RoBERT KlLWARDBY betont: „... circulus non est signum vini sed ostendit alicubi vendi vinum." ( C o m m e n t . in Prise, ma., hg. K. M . FREDBORG u.a.,: Cahiers de l'Institut du Moyen-Age grec et latin 15 ( 1 9 7 5 ) 5 6 ) . Sie bleibt aber innerhalb der scholastischen Zeichentheorie umstritten. Vgl. Kap. III, Anm. 2 0 3 . 1 1 1 AUGUSTINUS, De doctr. ehr. 1 4 ( 1 9 6 3 ) 9 , 4f. Vgl. PETRUS LOMBARDUS, Sententiae I, d. 1, c. 1, 1 ( 1 9 7 1 ) 5 5 . 112

De doctr. ehr. I 5 ( 1 9 6 3 ) 9, 15ff: „omne signum etiam res aliqua est; quod enim nulla res est, omnino nihil est. Non autem omnis res etiam signum est." Vgl. De dial. V 8, 2 f : „ita esse verba signa rerum, ut res esse non desinant."

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tur"). 113 Dinge dagegen im eigentlichen Sinne sind in diesem lediglich Kontext negativ bestimmt als solche, die nicht zur Bezeichnung von etwas verwendet werden („quae non ad significandum aliquid adhibentur"), wie ein Stück Holz, ein Stein, ein Tier usw. So stehen den Dingen im eigentlichen Sinne, die keine unmittelbare Zeichenfunktion haben, wenngleich sie auch als Zeichen verwendet werden können und denen somit neben ihrer Brauchbarkeit als Dinge auch Zeichenfunktion zukommen kann, die Zeichen im eigentlichen Sinne als diejenigen Dinge gegenüber, die, wie die Wörter, keinerlei Funktion als Dinge haben, sondern deren ganzer Nutzen allein im Bezeichnen besteht.114 Es mag zunächst so scheinen, als sei diese Unterscheidung zwischen res und signa bereits mit Blick auf die im zweiten Buch behandelten signa data getroffen. Gleichwohl gilt es hierbei zu beachten, daß das adhibere und uti nicht präzis im Sinne einer Zeichenproduktion oder aktiven Zeichenverwendung zu lesen ist, sondern ebenso und sogar vorrangig im Sinne einer Zeichenrezeption. Etwas ist nicht allein dadurch ein Zeichen, daß es als ein solches Zeichen verwendet 'gegeben' - wird, sondern auch und zumal dadurch, daß es als Zeichen für etwas 'genommen' wird. Die Wortwahl Augustine scheint mit Bedacht so getroffen zu sein, daß sie beides umfaßt. Denn andernfalls würde das, was im zweiten Buch als Beispiel des signum naturale angeführt wird, aus der Bestimung des Zeichens herausfallen. Alles, was als natürliches Zeichen fungiert, ist zunächst ein Ding. Erst dadurch, daß es als ein Zeichen für etwas genommen wird, erhält es Zeichencharakter. Die hervorgehobene Zeichenhaftigkeit der sprachlichen Ausdrücke rührt daher, daß ihrem Auftreten als Dingen - eben weil sie als solche keinerlei Funktion haben - ihre Verwendung als Zeichen stets intentional voraufgeht und zugrundeliegt. Während die Dinge als natürliche oder willkürliche Zeichen verwendet werden können, weil es sie gibt, gibt es die artikulierten sprachlichen Laute, weil sie als Zeichen verwendet werden können. c) Die Klassifikation der Zeichen Augustinus unterteilt die Zeichen zunächst in natürliche und 'gegebene' (signa naturalia, signa data).ns Kriterium für die natürlichen Zeichen ist, daß sie, wie z.B. der Rauch hinsichtlich des Feuers, ohne eine Bezeichnungsabsicht über sich selbst hinaus aus sich etwas anderes erkannt sein lassen („sine voluntate atque ulla appetitu significandi praeter se aliquid aliud ex se cognosci faciunt,

113

Ebd.; vgl. R. SIMONE, Sémiologie

augustinienne

( 1 9 7 2 ) 19; T . TODOROV, Théories

du

sym-

bole (1977) 44. 114

De doctr. ehr. I 5 ( 1 9 6 3 ) 9, l l f f : „Sunt alia signa quorum omnis usus in significando est, sicut sunt verba. N e m o enitn utitur verbis nisi aliquid significandi gratia."

115

De doctr. ehr. II, 2f.

Augustinus

25

sicuri est fumus significans ignem"). 116 Signa data dagegen sind jene, „die sich Lebewesen gegenseitig geben, um so gut als möglich ihre Gemütsbewegungen, Gefühle und Kenntnisse aller Art anzuzeigen" („quae sibi quaequae viventia invicem dant ad demonstrandos quantum possunt motus animi sui, vel sensa aut intellecta quaelibet"). 117 Diese sind, so wie sie im Kontext ihrer Abgrenzung gegenüber den natürlichen Zeichen eingeführt werden, zunächst nicht ohne weiteres als „konventionelle" Zeichen zu verstehen,118 wenngleich sie zumeist als solche übersetzt werden. 119 Denn ausschlaggebend für ihre Bestimmung als signa data ist nicht ihr etwaiger konventioneller Charakter sondern das Vorhandensein einer Bezeichnungsintention seitens des Zeichensenders.120 Ebenso erfolgt die Charakterisierung der signa naturalia zunächst nur negativ durch das Fehlen einer solchen. Denn daß die Partikel „aliquid ex se cognosci faciunt" bei Augustinus nicht als positives Bestimmungsmoment der natürlichen Zeichen im Sinne eines später zur Definition des naturaliter significare gebräuchlichen „ex se", 121 „ex natura sua" 122 oder „ex natura rei" 123 zu lesen ist, wird bereits daraus ersichtlich, daß es sich hierbei um eine aus der zuvor gegebenen Definition des Zeichens im allgemeinen übernommene Formel handelt, die somit das natürliche Zeichen nur insofern betrifft, als es Zeichen, nicht aber, insofern es natürliches Zeichen ist. Der konkrete Sinn dieses qua Definition auch für die signa data anzusetzenden „ex se" bleibt letztlich undeutlich.124 Es scheint jedoch auf das cognosci und nicht auf das facere und damit auf das Zeichen als Erkenntnisgrund, nicht aber als Grund der Bewirkung der Erkenntnis bezogen zu sein. 125 116 117 118

119

120

121 122

Ebd. II, 2 (1963) 3 4 , 1-3. Ebd. II, 3 ( 1 9 6 3 ) 3 4 , 15ff. Vgl. J . ENGELS, La doctrine du signe chez Saint Augustine, in: Studia Patristica, hg. F. L. CROSS ( 1 9 6 2 ) 3 6 6 - 3 7 3 ; vgl. B. D. JACKSON, The Theory of Signs in St. Augustine's De doctrina Christiana (1969) 14f. Vgl. On Christian Doctrine, übers, v. J . F. SHAW, in: Nicene and Post-Nicene Fathers, ser. 1, vgl. 2 (New York 1887) 5 3 6 ; La doctrine chétienne, übers, v. G. COMBES u. J . FARGES, in: Œuvre de Saint Augustin, ser. 1, t. 11 (Paris 1949) 2 4 1 . Bei Augustinus heißt das in erster Linie: beim Menschen. Inwieweit im Falle tierischer Zeichenkommunikation eine förmliche Zeichenabsicht (voluntas significandi) anzusetzen ist, wird offen gelassen. Vgl. De doctr. ehr. II, 4. Vgl. z.B. PETRUS MARGALLUS, Logices utriusque scholia (1965) 90. Vgl. z.B. PETRUS HURTADO DE MENDOZA, Disputationes de universa philosophia ( 1 6 1 7 ) 144;

J. PONCRJS, Philosophiae ad mentem Scoti cursus integer ( 4 1659) 276b. 123

Vgl. z.B. JOHANNES MAIOR, Termini

(1508) fol. lOvb; FRANCISCO DE ARAUJO,

riorum in universam Aristotelis Metaphysicam tomus primus (1617) 352. 124

125

Commenta-

In der mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Überlieferung der augustinischen Zeichendefinition fällt diese Partikel fast durchgängig weg. Verantwortlich hierfür war offenbar die Form der Zitation im Sentenzenbuch des Petrus Lombardus. Im letzteren Sinn wird das „ex se" z.B.in der Übersetzung von S. MLTTERER interpretiert („Ein Zeichen ist nämlich eine Sache, die außer ihrer sinnenfälligen Erscheinung aus ihrer Natur heraus noch einen anderen Gedanken nahelegt"); Bibliothek d. Kirchenväter, Reihe 1, Bd. 4 9 (1925) 4 9 .

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Die spätantiken Quellen der scholastischen Zeichentheorie

Denn die Betonung einer solchen 'ex se' erfolgenden Eigenleistung der Zeichen würde nicht nur der zeichenkritischen These von De magistro widersprechen, sondern ebenso dem, was hier in De doctrina Christiana über die Unterscheidung zwischen Dingen und Zeichen sowie über den Grund des Bezeichnens der signa naturalia gesagt wird. Wenn nämlich gemäß der im ersten Buch getroffenen Distinktion zwischen Ding und Zeichen ein Ding allein durch ein signifikatorisches uti oder adhiberi zu einem Zeichen wird, dann ist klar, daß die als natürliches Zeichen fungierende Sache nicht bereits aufgrund ihrer eigenen Natur Zeichen ist. Zu einem solchen wird es vielmehr erst dadurch, daß es von einem Rezipienten als ein solches genommen wird. Das findet sich im zweiten Buch bestätigt. Denn Augustinus exemplifiziert hier seine Definition der signa naturalia mit der Bemerkung, daß der Rauch das Feuer insofern bezeichnet als aus der Betrachtung und Kenntnis der bereits aus Erfahrung bekannten Dinge der Sachverhalt des 'subesse ignem' erkannt wird.126 Die Charakterisierung von Zeichen als signa naturalia bedeutet also nicht, daß sie von Natur aus Zeichen sind, sondern daß sie in einem natürlichen Verhältnis - in diesem Kontext kommt dafür nur ein kausales Dependenzverhältnis in Betracht - zu dem bezeichneten 'aliquid' stehen. Während, wie sich bereits aus der allgemeinen Zeichendefinition ergibt, in einer vollständigen, adäquaten Beschreibung der Zeichensituation das Zeichen stets als Element einer dreistellige Relation zwischen dem bezeichneten 'Etwas', dem Zeichen selbst und demjenigen, für den es Zeichen von etwas ist, dargestellt werden muß, beruht die Dinstinktion der Zeichen in signa data und naturalia offenbar auf zweistelligen, die dreistellige Zeichenrelation fundierenden Relationen, nämlich der Kausalbeziehung des Zeichens zum Signifikat oder des willentlichen Hervorgebrachtseins des Zeichens seitens eines Zeichensenders. Nach Markus sind beide Zeichentypen unterschieden „according to whether the relation of dependence is between the sign and the object, or between the sign and the subject." 127 Das ist prinzipiell richtig gesehen, bedarf jedoch einer Präzisierung, wie sie bereits Jackson vorgeschlagen hat. 128 Denn die beiden angesprochenen Dependenzrelationen verhalten sich nicht exakt symmetrisch. Im Fall des natürlichen Zeichens hat dessen kausale Abhängigkeit vom bezeichneten 'aliquid' eine doppelte Funktion. Einerseits ist sie der Grund für das Auftreten des Dinges, das als Zeichen verwendet werden kann, andererseits legt sie eben dadurch die Signifikation desselben fest, d.h. bestimmt, für was es als Zeichen genommen werden kann. Anders verhält es sich bei den signa data. Das bloße Faktum des willentlichen Gegebenseins determiniert hier noch nicht den Signifikatsbezug. Im Rahmen der Charakterisierung der Zeichen als signa data bezieht sich also der Wille 126 127 128

Vgl. Anm. 107. R. A. MARKUS, St. Augustine on Signs (1957) 72. Vgl. Β. D. JACKSON, The Theory of Signs in St. Augustine's De doctr. ehr. (1969) 14f.

Augustinus

27

genaugenommen nicht auf deren Bedeutung, sondern lediglich auf deren Okkurrenz. 129 Die in der Definition der 'gegebenen' Zeichen zunächst noch ausstehende Bestimmung ihres Verhältnisses zu ihren Signifikaten wird erst in späteren Passagen der Schrift nachgeholt. Dort tritt dann gerade der konventionelle, in einer Übereinstimmung unter den Mitgliedern einer Sprechergemeinschaft begründete Charakter der eingesetzten sprachlichen Zeichen deutlich hervor, wenn Augustinus feststellt, daß bestimmte Zeichen und Laute bei den Griechen und Römern „non natura, sed placito et consensione significando 1 3 0 verschiedenes bedeuten. Vor diesem Hintergrund unterscheidet Jackson zwei Ebenen, auf denen bei der Gegenüberstellung von natürlichen und gegebenen Zeichen das Vorhandensein oder Fehlen eines Willens zum Tragen kommt: 1. hinsichtlich der Okkurenz und 2. hinsichtlich der Signifikanz der Zeichen. Während das signum naturale in bezug auf beides natürlich fundiert ist, sind die gegebenen Zeichen hinsichtlich ihrer Okkurrenz als data bestimmt, hinsichtlich ihrer Signifikanz jedoch durch „placitum et consensio". 1 3 1 Hieran wird nach Jackson die Problematik einer einfachen Gleich- bzw. Übersetzung von signa data mit „konventionellen" Zeichen manifest: „Although will operates in both signa data and consensio, it operates for different ends in each, namely, for occurrence and for significance. T o translate 'data' by 'conventional' is to confuse these ends." 1 3 2 Aber auch hier bedarf es noch einer weitergehenden Präzisierung. Denn wenn Augustinus an der von Jackson herangezogenen Stelle von „placito et consensione" spricht, liegt damit nicht nur einfach eine Reduplikation vor, die es, das „et" als „seu" lesend, erlauben würde, beides gleichzusetzen. Placitum und consensio meinen nicht exakt dasselbe und haben im Zusammenhang der Konstitutionsbedingungen sprachlicher Zeichen unterschiedliche Funktionen. Während die Wirksamkeit des placitum auf Diversifizierung geht, bewirkt die consensio gerade im Gegenteil die zum Funktionieren willkürlicher Zeichen erforderliche Übereinstimmung. Das placitum hat genaugenommen zwei Aspekte. Zum einen - aus der Perspektive der Zeichenproduktion - die willkürliche Einsetzung des Zeichens zur Bezeichnung von etwas. 1 3 3 Zum anderen - aus der Perspektive des Gegenstandsbezugs - die Arbitrarität des Zeichens, d.h., negativ formuliert, das Fehlen jeglicher Art einer natürlichen Relation zum Signifikat. Damit läßt sich aber noch nicht der Grund dafür angegeben, warum das gegebene Zeichen überhaupt bezeichnet bzw. 'gilt' und somit letztlich Zeichen ist.

129

Vgl. B. D. JACKSON, The Theory of Signs in St. Augustine's De doctrina Christiana (1969) 14.

130

De doctr. ehr. II, 24, 37, 12.

131

Vgl. Β. D. JACKSON, The Theory of Signs in St. Augustine's De doctrina Christiana (1969) 15.

132

Ebd. Vgl. De musica

133

VI, 11, 2 4 : „vocabulis ... placito, non natura imponuntur."

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Die spätantiken Quellen der scholastischen Zeichentheorie

Denn die für das Zeichen grundlegende Funktion des aliquid facere in cogitationem venire ist durch das bloße placitum allein nicht begründbar. Ein signum datum fungiert nicht deshalb als Zeichen, weil es nach freiem Belieben subjektiv gegeben, sondern weil es Gegenstand eines intersubjektiven Gebrauchs ist. Für sein Funktionieren als Zeichen muß das placitum zu einem gemeinschaftlichen werden: „Namque omnia quae ideo valent inter homines, quia placuit inter eos ut valeant, instituta hominum sunt." 134 Beides, sowohl der mit dem placitum angesprochene arbiträre - und nicht konventionelle - Charakter der Einsetzung der Nomina, als auch die Notwendigkeit einer darüber hinausgehenden Instanz der Begründung ihrer Geltung zeigt sich deutlich, wenn Augustinus feststellt: „... res omnium mentibus communiter sunt insitae, nomina vero, ut cuique placuit, imposita, quorum vis auctoritate atque consuetudine maxime nititur." 135 Jener Instanz der Vergesellschaftung des placitum, die Augustinus hier als auctoritas oder consuetudo anführt, entspricht in De doctrina Christiana die consensio. Die Tatsache, daß und die spezifische Weise, in der die Zeichen die Geister zu bewegen vermögen, d.h. gelten,136 resultiert unmittelbar aus dem Konsens der Sprechergemeinschaft: „sicut ergo hae omnes significationes pro suae cuiusque societatis consensione ánimos movent, et quia diversa consensio est, diverse movent." 137 Die Valenz bzw. die Signifikation der ad placitum gegebenen Zeichen leitet sich erst aus dem Konsens der Sprechergemeinschaft ab: „nec ideo consenserunt in eas homines, quia iam valebant ad significationem, sed ideo valent, quia consenserunt in eas." 138 Das Sprachzeichen läßt sich in seinem tatsächlichen Funktionieren als Zeichen, d.h. als ein aliquid aliud faciens in cogitationem venire, nur unter Einbeziehung des Rezipienten adäquat beschreiben. Das ist schon aus der in De dialéctica gegebenen Definition des verbum („Verbum est uniuscuiusque rei signum, quod ab audiente possit intelligi, a loquento prolato") ersichtlich.139 134

De doctr. ehr. II, 25, 38, 4f. J.

135

De musica III, 3.

136

Zur Bestimmung des valere als Form des movere vgl. De dial. (1975) 100: „Vis verbi est, qua cognoscitur quantum valet. Valet autem tantum quantum movere audientem potest. Porro movet audientem aut secundum se aut secundum id quod significai aut ex utroque communiter. ... Iam vero non secundum se, sed secundum id quod significat verbum movet, quando per verbum accepto signo animus nihil aliud quam rem ipsam intuetur, cuius illud signum est quod accepit."

137

De doctr. ehr. II 24, 37, 18ff.

138

De doctr. ehr. II 24, 37, 20ff. Augustins Einsicht in die Notwendigkeit, für die Analyse und Bewertung sprachlicher Äußerungen die komplexe, Sprecher und Hörer umfassende kommunikativen Situation zu berücksichtigen, zeigt sich auch im Rahmen seiner Theorie der Lüge (vgl. De mendacio; CSEL

139

ENGELS {La doctrine du signe chez Saint Augustine (1962) 372) konstatiert unter Bezugnahme auf diese Stelle, daß der Terminus 'placitum' bei Augustinus den Sinn von „décision collective" habe. Der Charakter einer kollektiven Bestimmung kommt dem 'placuit' jedoch erst durch den Zusatz „inter eos" zu. Erst durch die in der consensio begründete Gemeinschaftlichkeit des placitum wird das durch es Konstituierte zum einem Institut.

Augustinus

29

Sprachzeichen bedürfen, um als Zeichen fungieren zu können, der Gegenwart einer Gemeinschaft von Zeichenverwendern, die die Regeln ihrer Verwendung aufstellt und respektiert. 140 Die hier vorgeführte Differenzierung zwischen dem placitum und der consensio, durch welche auf Seiten des signum datum, anders als bei Jackson, nun drei Ebenen vorliegen, nämlich das 'datum' hinsichtlich seiner Okkurrenz, das 'placitum' hinsichtlich seiner Willkürlichkeit und die 'consensio', hinsichtlich seiner Geltung, hat auf Seiten des natürlichen Zeichens seine Entsprechung. Denn auch hier gilt, daß zum natürlichen Auftreten und zur natürlichen Beziehung zwischen dem Zeichen-Ding und dem bezeichneten Etwas die Kenntnis oder Erfahrung jener Beziehung hinzukommen muß, damit das Ding tatsächlich als Zeichen genommen und so zum Zeichen von etwas für jemanden wird. Auch nach De doctrina Christiana gibt es damit, hierin besteht durchaus Übereinstimmung mit den zeichenkritischen Ausführungen von De magistro, keine Zeichen, die eine 'Ersterkenntnis' vermitteln. Nachdem Augustinus die natürlichen sowie die hinsichtlich ihrer Natürlichkeit oder ihrem 'Gegebensein' nicht festgelegten tierischen Zeichen nur einführt, um sie sogleich aus dem Gegenstandsbereich der doctrina Christiana auszuschließen, präsentiert er eine Einteilung der zur menschlichen Kommunikation verwendeten Zeichen gemäß den Sinnesvermögen, an die sie adressiert sind: „einige gehören zum Gesichtssinn, die meisten zum Gehör, nur sehr wenige zu den übrigen Sinnen." 141 Die beherrschende Stellung der Wörter unter den gegebenen Zeichen 142 gründet nach Augustinus jedoch nicht allein in ihrem quantitativen Übergewicht, 143 sondern auch in dem Umstand, daß sich alles durch

41, 415). Hier wird deutlich gemacht, daß Täuschung ein Phänomen ist, das entscheidend von der Auffassungsweise der Mitteilung durch den Zeichenempfänger abhängt und daß sich somit die willentliche Täuschung oder Lüge vollständig nur im Rahmen einer komplexen Situation beschreiben läßt, zur der die Überzeugung und Intention des Zeichensenders ebenso gehört, wie die Auffassungsweise seitens des Rezipienten und die Einschätzung derselben durch ersteren. 1 4 0 Vgl. R. SIMONE, Sémiologie augustinienne (1972) 15f: „L'importance du fondement social de l'activité sémiotique est une des points théoriques sur lesquels Augustin insiste le plus et ... une des innovations de sa sémiologie qui a le plus d'éclat." 141 Dedoctr. ehr. II, 5 (1963) 35, 2f. 142 vgl. De doctr. ehr. II, 6: „Verba ... prorsus inter homines obtinuerunt principatum significando..." 1 4 3 Die Tatsache, daß jedes lauthafte Zeichen der menschlichen Kommunikation seine schriftliche Entsprechung hat und somit das quantitative Übergewicht eigentlich auf Seiten der visuellen Zeichen liegen müßte, bleibt trotz der wenig später erfolgenden Erwähnung der litterae als signa verborum (II, 8) unberücksichtigt. Erklären läßt sich dies nur mit der augustinischen Einschätzung der Schrift als einem System sekundärer Zeichen (Zeichen von Zeichen), welche sich in signifikativer Weise nicht auf die Dinge selbst beziehen, sondern eben nur „praeter se voces animo ostendunt"; vgl. De dial. V, 12f., s. Anm. 38.

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Die spätantiken Quellen der scholastischen Zeichentheorie

nichtsprachliche gegebene Zeichen Bezeichenbare auch mit Hilfe von Wörtern ausdrücken läßt, nicht aber umgekehrt.144 5. Das verbum mentis als das wahre Wort (De trinitate) Das sich seines unangefochtenen Prinzipats unter allen Zeichen „quibus inter se homines sua sensa communicant"145 sichere gesprochene Wort findet bei Augustinus später seinen Meister in jenem Wort, das Wort ist, weil es - nicht Zeichen, sondern - Gleichnis desjenigen Wortes ist, das in De magistro noch als der innerer Lehrer (Christus) gegen die bloß zeichenhaften Wörter ausgespielt wurde. Dabei wird die am Schluß von De magistro vollführte Depotenzierung der Zeichen gegenüber der Innensphäre geistiger Erkenntnis in der in De trinitate entfalteten Lehre vom 'verbum mentis' fortgeführt. Ebenso, wie in De dialéctica und De magistro das geschriebene Wort als das nur uneigentliche vom eigentlichen, gesprochenen Wort abgesetzt wird, erscheint das „verbum quod foris sonat" 146 hier als äußerliches Zeichen des Gedankens (cogitatio) bzw. des wahren,147 geistigen Wortes, „das wir im Herzen sprechen und das weder griechisch noch lateinisch noch irgendeiner anderen Sprache zugehörig ist", 148 da es „prorsus antecedit linguas istas." 149 Solche Wörter bilden die Elemente der als „locutiones cordis" (Reden des Herzens)150 bestimmten menschlichen cogitationes. Diese sind nicht nur von der äußeren, gesprochenen Rede unterschieden, sondern ebenso auch von dem lautlosen Memorieren der „imagines sonorum" (Lautbilder)151 in Form der „cogitatio vocis". 152 Denn die Gedanken vollziehen

De doctr. ehr. II, 7 (1963) 35, 22ff. De doctr. ehr. II, 5 (1963) 35, lf. 146 De trin. XV, 11, 20, 1. 147 vgl. De trin. XV, 12, 22: „Haec igitur omnia, et quae per se ipsum et quae per sensus sui corporis et quae testimoniis aliorum pereepta seit animus humanus, thesauro memoriae condita tenet. Ex quibus gignitur verbum verum quando quod scimus loquimur, sed verbum ante omne sonum, ante omnem cogitationem soni. Tunc enim est verbum simillimum rei notae, de qua gignitur et imago eius quoniam de visione scientiae visio cogitationis exoritur, quod est verbum nullius linguae, verbum verum de re vera, nihil de suo habens sed totum de ilia scientia de qua nascitur." Das wahre Wort ist damit gegenüber dem Wissen, aus dem es entspringt, kein anderes. Hierin steht es in Analogie zum göttlichen Wort. Zu Augustins Theorie des geistigen Wortes vgl. W. BEIERWALTES, ZU Augustins Metaphysik der Sprache: Augustinian Studies 2 (1971) 179-195. 144 145

148

149 150 151

De trin. XV, 10, 19, 77ff: „... quod in corde dieimus; quod nec graecum est nec latinum, nec linguae alieuius alterius..." Sermo IIS, 3. De trin. XV, 10, 18, 36. Ebd. XI, 10, 19, 65ff: „Quisquís igitur potest intelligere verbum non solum antequam sonet, verum etiam antequam sonorum eius imagines cogitatione volvantur (hoc est enim quod ad nullam pertinet linguam, earum scilicet quae linguae appellantur gentium quarum nostra latina est) ... iam potest videre per hoc speculum atque in hoc aenigmate aliquam verbi illius similitudinem de quo dictum est: in principio erat verbum..."; Vgl. De mag. I, 2,

Augustinus

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sich als „locutio interior" 153 in „verba nullius linguae" (Worten keiner Sprache), 1 5 4 bzw. genauer: in Worten, die keiner der Nationalsprachen angehören („ad nullam pertinet linguam, earum scilicet quae linguae appellantur gentium"). 1 5 5 Die so bestimmte innere Rede sprengt den Rahmen dessen, was auch nach einem weit gefaßten Verständnis für gewöhnlich als Rede gelten könnte. Denn sie ist als Sprechen nicht verschieden vom geistigen 'Sehen' oder 'Hören'. 1 5 6 Trotzdem handelt es sich beim verbum mentis nach augustinischem Verständnis nicht lediglich um eine metaphorische Übertragung des Wortbegriffs. Vielmehr erscheint vor dem Hintergrund der theologischen Verbum-Spekulation gerade das verbum mentis als Wort im eigentlichen Sinne, während das gesprochene Wort als Zeichen des inneren nur „Stimme des Wortes" ist und lediglich aufgrund seiner manifestierenden Funktion hinsichtlich desselben als W o r t bezeichnet wird: ... verbum quod foris sonat signum est verbi quod intus lucet cui magis verbi competit nomen. Nam illud quod profertur carnis ore vox verbi est, verbumque et ipsum dicitur propter illud a quo ut foris appareat assumptum est. - (Das Wort, das draußen erschallt, ist Zeichen des Wortes, das innen leuchtet, dem mit größerem Recht der Name 'Wort' zukommt. Denn was mit dem Mund des Fleisches hervorgebracht wird, ist die Stimme des Wortes und heißt 'Wort1 nur aufgrund jenes Wortes, von dem sie, damit es draußen erscheine, angenommen wurde.)157

71ff (1970) 159: „... te credo animadvertere, etiamsi quisquam contendat, quamvis nullum edamus sonum, tarnen, quia ipsa verba cogitamus, nos intus apud animum loqui, sic quoque locutionem nihil aliud agere quam commemorare, cum memoria, cui verba inhaerent, ea revolvendo facit venire in mentem res ipsas, quarum signa sunt verba." Das innere Sprechen als lautloses Memorieren der Wörter ist nach De magistro noch nicht der Vollzug des Denkens selbst, sondern hat als Memorieren der gesprochenen Wörter nur die Funktion, die Gedanken an die Dinge selbst zu aktivieren. Die später in de trinitate vorliegende Begrifflichkeit fehlt hier noch. Das intus loqui ist noch nicht die Ebene der geistigen sprach-

freien verba mentis, sondern die der inutginatio vocis. Die verba im Gedächtnis sind noch nicht die verba mentis. DUCHROW {Sprachverständnis und biblisches Hören (1965) 136) hat

gezeigt, daß Augustinus noch um 3 9 1 die präzise Vorstellung des inneren Wortes nicht kannte. 152 153 154

155 156

157

De trin. XV, 15, 25, 68f. Ebd. X V , 10, 18, 5 8 . Ebd. X V , 14, 24, 32ff: „Verbum autem nostrum, illud quod non habet sonum neque cogitationem soni, sed eius rei quam videndo intus dicimus, et ideo nullius linguae est atque inde utcumque simile est in hoc aenigmate Uli verbo dei quod etiam deus e s t . . . " Ebd. X V , 10, 19, 66ff. De trin. X V , 10, 18, 52ff: „Nec tarnen quia dicimus locutiones cordis esse cogitationes ideo non sunt etiam visiones exortae de notitiae visionibus quando verae sunt. Foris enim cum per corpus haec fiunt aliud est locutio, aliud visio; intus autem cum cogitamus utrumque unum est."

De trin. XV, 11, 20, Iff.

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Die spätantiken Quellen der scholastischen Zeichentheorie

Das stimmliche Wort ist als „index cogitationis" 158 gegenüber dem geistigen Wort nun das, was zuvor die Schrift gegenüber dem gesprochenen Wort war: bloßes Zeichen. 159 6. Das zeichentheoretische Erbe Augustine Durch Augustinus wird der Begriff des Zeichens im scholastischen Diskurs etabliert. Versucht man, zusammenfassend das zeichentheoretische Erbe Augustine - das freilich weder durchgängig homogen ist noch späterhin überall angetreten wurde - zu inventarisieren, so werden insbesondere die folgenden Titel von Bedeutung sein: Augustinus formuliert die lange Zeit als verbindlich geltende Definition des Zeichens, welche erstmals ebenso die natürlichen Indizes wie die sprachlichen Zeichen umfaßt und damit so etwas wie eine allgemeine Funktionsbestimmung des Zeichens gibt. Die mit dieser Definition vorgenommene Integration der vormals getrennten Felder des Zeichens erfolgt dabei unter deutlicher Prädominanz der sprachlichen Zeichen. Insofern steht hier erstmalig die Sprache im Zentrum zeichentheoretischer Reflexionen und nicht, wie in der aristotelischen, stoischen oder epikureischen Zeichentheorie, die logisch-gnoseologische Problematik der Zeichenschlüsse. Augustinus geht es um die Rückbindung des sprachlichen Ausdrucks an den allgemeineren Begriff des Zeichens. Gerade durch den Zeichenbegriff wird Sprache, wird das gesprochene Wort zugleich auf das 'eigentliche', geistige Wort bezogen und von ihm abgesetzt. Es ist Wort überhaupt nur insofern es Zeichen des inneren Wortes ist und ist somit nicht eigentlich Wort, sondern eben nur Zeichen des Wortes.

158

159

Sermo 197 (PL 39: 2112): „... vox sonus est index cogitationis; verbum vero ipsa cogitatio. Sicut enim quando verbum concipimus, necessaria est vox quasi quoddam vehiculum verbi..." Durch diese Bestimmung des Verhältnisses von gesprochenem und geistigem Wort ist die Eindeutigkeit der augustinischen Position hinsichtlich des Signifikats sprachlicher Ausdrükke aufgehoben. Das verbum foris sonans ist Zeichen des geistigen Wortes. Gleichwohl scheint Augustinus hiermit keinen dezidierten Positionswechsel hin zu einer Theorie der Bezeichnung der Konzepte vollzogen zu haben. Denn auch in De trinitate werden die voces als Zeichen „earum quas cogitamus rerum" bestimmt; De trin. XV, 10, 19, 95. Zwar läßt diese Formulierung die Frage unentschieden, ob hiermit die „res extra" oder die „res ut concepta" gemeint ist, eine Alternative, die in der mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Debatte um das Signifikat der sprachlichen Ausdrücke von Bedeutung sein wird. Keinesfalls jedoch sind die Worte Augustine hier so zu verstehen, daß, wie M. BEUCHOT (Signo y lenguaje en San Augustin: Dianoia 32 (1986) 25) meint, die voces „signos del pensamiento" bzw. „signos directos de los conceptos" sind und folglich die Konzepte selbst „signos directos da las cosas"; mit der Konsequenz, daß dann schon vor diesem Hintergrund sich die UnVollständigkeit der augustinischen Zeichendefinition erweise. Das Zeichen als das per se Äußerliche läßt sich nach Augustinus nicht mit der Sphäre des Inneren, Geistigen verbinden.

Augustinus

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Diese „Pejorisierung des Zeichens"160 durch Augustinus, dem das Zeichen zugleich im wesentlichen seinen Stellenwert im scholastischen Diskurs verdankt, bleibt späterhin virulent. Zwar wird sie dort wirksam ausgeschaltet, wo, wie besonders im späten Mittelalter, das verbum mentis, der geistige Begriff, selbst als Zeichen par excellence erscheint. Aber die zeichenkritischen Momente der augustinischen Auffassung markieren stets eine Gegenposition, welche das Zeichen aus dem Bereich der mentalen Präsenz und Unmittelbarkeit herauszuhalten bemüht ist; eine Position, die gerade von zahlreichen 'neuzeitlichen' Autoren der frühen Neuzeit vertreten wird. Dieselbe Ambiguität, die sich bei Augustinus vor dem Hintergrund der theologischen Verbumspekulation am Begriff des Wortes abzeichnet, zeigt sich auch an der Bestimmung des Verhältnisses von Sprechen und Denken. Wie das gesprochene Wort nicht 'eigentlich' Wort ist, so konstituieren die eigentlichen, geistigen Worte eine Rede, die eigentlich keine ist. Die als locutio charakterisierte cogitatio vollzieht sich sprachfrei, insofern sie jenseits jeder gesprochenen oder imaginierten Sprache liegt. Die Beschreibung des Denkens als sprachlich strukturiert und dennoch sprachfrei wird im späten Mittelalter zu einem wichtigen Ansatzpunkt für die etwa von Ockham und Pierre d'Ailly vorgelegten Entwürfe einer transidiomatischen Mentalgrammatik. Anders als die stoische Theorie des λόγος ένδιάθετος oder die von Boethius aufgegriffene aristotelische Lehre von der triplex oratio, differenziert Augustinus zwischen der inneren Lautvorstellung und dem sprachfreien Denkvollzug, eine Unterscheidung, die besonders in der spätmittelalterlichen terministischen Logik Bedeutung erlangt. Die mit der augustinischen Bestimmung des Zeichens vorgenommene Verbindung der beiden zuvor getrennten Bereiche der natürlichen Indizes und Sprachzeichen findet ihren Niederschlag in der Einführung einer Zeichenklassifikation, welche die signa in die beiden Hauptgattungen der natürlichen und willkürlich eingesetzten Zeichen unterteilt. Diese Distinktion ist zwar für die späteren Zeichentheorien zu einer Selbstverständlichkeit geworden. Als oberste Einteilung der Zeichen ist sie jedoch, zumindest historisch gesehen, keineswegs selbstverständlich. Denn die vorher gebräuchliche φύσει/θέσει-Alternative bezog sich allein auf die Frage nach dem Ursprung sprachlicher Ausdrücke; die förmlichen Zeichendistinktionen der älteren Tradition jedoch legten die Schnitte anders. Die Distinktion von naturale / ex instituto steht ebenso quer zur aristotelischen Unterscheidung von sicheren und wahrscheinlichen Zeichen wie zu der den Dialektikern zugeschriebene Einteilungen in hypomnestische und endeiktische Zeichen. Augustinus legt das Zeichen definitorisch auf sinnliche Wahrnehmbarkeit fest. Vermutlich liegt hier ein wesentlicher Grund dafür, daß die bei Boethius 160

W. BEIERWALTES, ZU Augustins Metaphysik

der Sprache (1971) 193.

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Die spätantiken Quellen der scholastischen Zeichentheorie

zumindest angedeutete Möglichkeit, die Konzepte selbst als Zeichen zu bestimmen, bis zur Mitte des 13. Jahrhunderts nicht konsequent aufgegriffen wurde.

B. Boethius 1. Die Peri

hermeneias-ÜbeTsetiung

Wenn sich die Bedeutsamkeit einer philosophischen Aussage nach der Zahl ihrer späteren Kommentierungen und dem Umfang der sich auf sie beziehenden Kontroversen bemißt, dann (und nur dann) gehören die kurzen Auslassungen über die Signifikation der sprachlichen Ausdrücke und das Verhältnis von gesprochenem Wort, Schrift, Begriff und Sache, die Aristoteles seiner Schrift peri hermeineias voranstellt, zweifellos zum Bedeutendsten, was in der Geschichte der Philosophie je formuliert wurde. Durchaus zu recht gelten sie als „the most influential text in the history of semantics" 161 und als „common starting point for virtually all medieval theories of semantics". 162 Dabei sind gerade die entscheidenden Passagen dieser lapidaren Feststellungen eher wächsern. Denn es existieren mehrere Lesarten des Textes, die, wenngleich sie z. T. nur voneinander abweichende schriftlichen Akzente in den ursprünglich noch in 'akzentfreiem' Griechisch aufgezeichneten und daher mehrdeutigen Text einführen, diesen eben dadurch auch inhaltlich in höchst unterschiedlicher Weise akzentuieren. 163 Bis heute besteht Dissens sowohl darüber, was die sprachlichen Ausdrücke nach Aristoteles bezeichnen, 164 als auch darüber, wie sie bezeichnen. 165

161

162

163

N. KRETZMANN, Aristotle on Spoken Sound Significant by Convention, in: Ancient Logic and its Modern Interpretation, hg. v. J. CORCORAN (1974) 3. J. MAGEE, Boethius on signification and mind (1989) 8. Vgl. J. ISAAC, Le Peri Hermeneias en Occident de Boèce à Saint Thomas (1953); H. ARENS, Aristotle's Theory of Language and its Tradition (1984). Zur philologischen, für den philosophischen Gehalt jedoch folgenreichen Problematik vgl. die detaillierten Darstellungen von E. MONTANARI (La sezione linguistica del PERI HERMENEIAS

164

di Aristotele

( 1 9 8 4 - 8 8 ) und J . MAGEE, Boethius

(1989) 8-48.

Der von der Mehrzahl der spätantiken Kommentatoren favorisierten und über Boethius' Kommentar - wenn auch nicht durch seine Ubersetzung - der scholastischen Tradition vermittelten Interpretation gemäß sagt Aristoteles explizit, daß die sprachlichen Ausdrücke in erster Linie Zeichen (σημεία) der Konzepte sind - und damit implizit, daß sie in zweiter Linie und vermittelst der Konzepte Zeichen der Sachen sind. Nach N. KRETZMANN (Aristotle on Spoken Sound Significant by Convention (1974) 3-21) jedoch spricht Aristoteles an der betreffenden Stelle (De int. 16a 6) gar nicht davon, daß die sprachlichen Ausdrücke vorrangig die geistigen Begriffe und in zweiter Linie die Dinge bezeichnen, sondern es geht ihm vielmehr um die Feststellung, daß sie die geistigen Begriffe in erster Linie als natürliche Zeichen (σημεία) und nicht als konventionelle (σύμβολα) bezeichnen. Aus einer solchen Interpretation würde folgen, daß Aristoteles an dieser Stelle nicht einmal implizit

Boethius

Die

Bedeutung,

die

Boethius

für

die

35

Geschichte

der

Zeichentheorie

k o m m t , ergibt sich im wesentlichen daraus, d a ß seine Ü b e r s e t z u n g u n d mentierung v o n Teilen des aristotelischen Organons, insbesondere der

Peri hermeneias,

Schrift

d i e w i c h t i g s t e - u n d bis ins 1 2 . J a h r h u n d e r t e i n z i g e - Q u e l l e f ü r Sein

Peri-

ist d e r B a s i s t e x t f ü r d i e u m f a n g r e i c h e s c h o l a s t i s c h e

Dis-

die mittelalterliche R e z e p t i o n der aristotelischen S e m a n t i k b i l d e n . 1 6 6 hermeias-Kommentar

zu-

Kom-

kussion (Duns Scotus wird mit R e c h t von einer „ m a g n a a l t e r c a d o "

sprechen)

der F r a g e n a c h d e r Signifikation bzw. d e m Signifikat der sprachlichen A u s d r ü k ke. Dabei w e r d e n d u r c h Boethius' Übersetzung und K o m m e n t i e r u n g einige für die G e s c h i c h t e der S e m a n t i k b e d e u t s a m e interpretatorische getroffen:

(1) Boethius übersetzt an der entscheidenden

Vorentscheidungen

Stelle die b e i d e n

griechischen Original zur Charakterisierung der gesprochenen und

nen W ö r t e r (τα έν τη φονη - γραφόμενα) v e r w e n d e t e n T e r m i n i ' σ ύ μ β ο λ α ' 'σημεία' unterschiedslos mit ' n o t a e ' 1 6 7

im

geschriebe-

und verstellt damit v o n v o r n h e r e i n

und die

etwas von einer Signifikationsbeziehung der sprachlichen Ausdrücke in Rücksicht der Dinge sagt, so daß nach Kretzmann Aristoteles hier „not even a sketch of a general theory of meaning" präsentiert (ebd. 5). Zu einem ählichen Resultat kommt, wenngleich auf anderem Weg, J . PÉPIN (Σύμβολα, Σημεία, Ό μ ο ι ώ α τ α , in: Aristoteles. W e r k und Wirkung, hg. J . WIESNER ( 1 9 8 5 ) 2 2 - 4 4 ) , dem zufolge Aristoteles hier behauptet, daß die Laute als Laute zunächst natürliche Zeichen der π α θ ή μ α τ α und erst als sprachliche Ausdrücke σ ύ μ β ο λ α derselben sind. Uberwiegend wird jedoch die traditionelle Interpretation der aristotelischen Semantik als adäquat angesehen. Vgl. H. WEIDEMANN, Ansätze zu einer semantischen Theorie bei Aristoteles: Zeitschr. f. Semiotik 4 ( 1 9 8 2 ) 2 4 1 - 2 5 7 ; bes. J . MAGEE, Boethius (1989) 34ff. 165

Bei dieser Frage geht es um die Interpretation der aristotelischen Bestimmung des Nomen als signifikativ κ α τ ά σ υ ν θ ή κ η ν . Zumeist wird dies - in Übereinstimmung mit der Verwendung von ' σ υ ν θ ή κ η ' in PLATONs Kratylos ( 3 8 4 d 1) - im Sinne von „gemäß Übereinkunft" wiedergegeben. Es gibt jedoch abweichende Deutungen. Nach J . ENGELS (La doctrine du signe chez Saint Augustine ( 1 9 6 2 ) 3 6 8 f ) existieren gewichtige Gründe, anzunehmen, daß die intendierte Bedeutung durch die Übersetzung „per compositionem" ausgedrückt werden müßte. Denn im Kontext der Stelle mache ein Verständnis als secundum conventionem keinen befriedigenden Sinn, während dessen Ersetzung durch per compositionem den Definitionen größere Kohärenz verleihen würde. Ein Nomen wäre dann ein stimmlicher Laut, der durch Zusammensetzung signifikativ ist, dessen Teile jedoch, anders als beim Satz, für sich allein genommen, nicht signifikativ sind. Diese These wird nach Engels u. a. durch die sich offenbar auf D e int. beziehende Definition des Nomens in der aristotelischen Poetik (ονομα δε έ σ τ ι φ ω ν ή σ υ ν θ ε τ ή σ η μ α ν τ ι κ ή ) gestützt. Nach E. COSERIU (L'arbitraire du signe ( 1 9 6 8 ) 8 8 ) dagegen hat die Formel bei Aristoteles den Sinn von „historisch eingerichtet".

166

Z u r Semantik bèi Boethius vgl. K. BERKA, Die Semantik des Boethius: Helikon 8 (1968) 4 5 4 - 5 9 ; J . MAGEE, Boethius ( 1 9 8 9 ) ; H. ARENS, Aristotle's Theory of Language and its Tradition ( 1 9 8 4 ) 2 0 5 - 2 3 0 .

167

In der Übersetzung von Boethius (ed. L. MINIO-PALUELLO, Aristoteles latinus II. 1) lautet der aristotelische T e x t : „Sunt ergo ea quae sunt in voce earum quae in anima passionum notae, et ea quae scribuntur eorum quae sunt in voce. Et quemadmodum nec litterae omnibus eaedem, sie nec eaedem voces; quorum autem hae primorum notae, eaedem omnibus passiones animae sunt, et quorum hae similitudines, res etiam eaedem." Zur boethianischen Übersetzung von De int. I, 16 a3-6 vgl. J . MAGEE, Boethius ( 1 9 8 9 ) 4 9 - 6 3 .

36

Die spätantiken Quellen der scholastischen Zeichentheorie

Frage, ob Aristoteles hiermit nicht, wie Kretzmann und Pépin vermutet haben, zwischen der durch Konvention begründeten Zeichenbeziehung der sprachlichen Ausdrücke als σύμβολα von ihrer natürlichen Zeichenbeziehung als σημεία differenzieren wollte. Wie insbesondere Weidemann und Magee gezeigt haben, kann jedoch davon ausgegangen werden, daß die durch die boethianische Ubersetzung vollzogenen Reduktion die Intention des aristotelischen Textes nicht affiziert. 168 Daß Boethius hier nicht von 'symbola' oder 'symboli' sondern von 'notae' spricht, mag damit zu tun haben, daß 'symbolus' (bzw. 'symbolum') aufgrund seiner Verwendung für das apostolische Glaubensbekenntnis als unpassend erscheinen konnte, während die Ubersetzung mit 'nota' immerhin durch Cicero legitimiert war. 1 6 9 Und daß er eben von notae und nicht von signa spricht, hat seinen Grund darin, daß 'signum' für Boethius offenbar vorrangig die lateinische Entsprechung des im terminologisch strikten Sinn verwendeten griechischen Ausdrucks σημενον darstellt, wie Aristoteles ihn in den Analytica priora gebraucht, nicht aber seiner unspezifischen Verwendung in Peri hermeneias.170 Wenn das zutrifft, und Magee hat dies m. E. überzeugend dargelegt, wäre die boethianische Ubersetzung keine nachlässige Nivellierung sondern ein später Reflex des antiken Bewußtseins der Differenz von σημεΐον und σημαίνον. (2) Boethius legt den hinsichtlich des Signifikats sprachlicher Ausdrücke nicht eindeutigen und in verschiedenen Varianten überlieferten Aristotelestext (De int. I, 16a 6) auf unmittelbare und vorrangige Konzeptbezeichnung fest. 171 (3) Er übersetzt die aristotelische Charakterisierung der Bezeichnungsweise der Wörter als 'κατά συνθήκην' (gemäß Ubereinkunft) mit „secundum placitum" 1 7 2 und ist damit im wesentlichen verantwortlich für die historisch wirksam gewordene Terminologie zur Bestimmung des willkürliche Zeichens

(signum ad placitum)173

in Opposition zum signum naturale. Hiermit gibt er

dem T e x t eine Tendenz, die im 'κατά συνθήκην' nicht ohne weiteres angelegt ist. Denn mit dem 'secundum placitum' verbindet sich bei Boethius nicht das Moment der Konvention, der Ubereinkunft oder der von Augustinus betonten

Vgl. J. MAGEE, Boethius (1989) bes. 34ff. 169 Vgl. CICERO, Top. VIII.35: „... sunt verba rerum notae. ¡taque hoc quidem Aristoteles σύμβολον appellat, quod Latine est nota." Vgl. BOETHIUS, In Top. Cie. (PL 64: 1111B): „... nota vero est quae rem quamque désignât, quo fit ut omne nomen nota sit, idcirco quod notam facit rem de qua praedicatur, id Aristoteles σύμβολον nominavit." 1 7 0 Vgl. J. MAGEE, Boethius (1989) 57ff. 1 7 1 Vgl. J. MAGEE, Boethius (1989) 49ff. 1 7 2 BOETHIUS, Comment, in lib. Aristotelis peri herm., secunda editto (1880) 52, 28f. 173 Vgl. J. ENGELS, Origine, sens et survie du terme boécien 'secundum placitum': Vivarium 1 (1963) 87-114. 168

Boethius

37

consensio, sondern das der der natürlichen Signifikation entgegengesetzten willkürlichen Einsetzung.174

2. Der Ordo orandi Anders als bei Augustinus ist die Semantik bei Boethius nicht an eine allgemeine Erörterung des Zeichens zurückgebunden, sondern bleibt gemäß der Vorgabe des Aristotelischen Textes auf eine Theorie der significatici, der sprachlichen Bezeichnung, beschränkt.175 Boethius präsentiert besonders in der ausführlicheren secunda editto seines Perihermeneias-Kommentars eine detaillierte Analyse der vier von Aristoteles erwähnten Elemente des Signifikationsprozesses (res, intellectus, voces, scripta) und der zwischen ihnen bestehenden Zeichenbeziehungen. Diese vier „semiotischen Grundelelemente"176 unterliegen einer naturgemäßen, genetischen Abfolgeordnung. 177 Denn: „die Sache geht dem Begriff voraus, der Begriff aber dem sprachlichen Ausdruck, der sprachliche Ausdruck der Schrift", d.h. ohne Dinge gäbe es keine Begriffe oder Verständnisse, ohne Begriffe keine sprachlichen Ausdrücke und ohne diese keine Schrift. Dies ist jedoch nicht in dem Sinne umkehrbar, daß in jedem einzelnen Fall die Verwendung von Schriftzeichen notwendig die Kenntnis der durch sie bezeichneten vox impliziert, daß den sprachlichen Ausdrücken immer ein Begriff zugrunde liegt oder daß für jeden Begriff eine res als Referent gegeben ist.178 Zwischen den vier Elementen besteht keine völlige Gleichrangigkeit. Einerseits ist der Kernbereich der für jede beliebige Form der oratio wesentlichen

174

BOETHIUS, Comment, in lib. Aristotelis peri herm., secunda editto (1880) 54f: „secundum placitum ... est, quod secundum quandam positionem placitumque ponentis aptatur. nulluni enim nomen naturaliter constitutum est..."; vgl. 59, 5ff: „... quoniam nulla nominum significatio naturaliter est, sed omne nomen positione désignât, idcirco dictum est secundum placitum."

175

Vgl. J. MAGEE, Boethius (1989) 61ff. Vgl. K. BERKA, Die Semantik des Boethius: Helikon 8 (1968) 454. BOETHIUS, Comment, in lib. Aristotelis peri herm., secunda editto (1880) 20, 26ff: „... quattuor ista sunt, ut litterae quidem significent voces, voces vero intellectus, intellectus autem concipiant res, quae scilicet habent quandam non confusam neque fortuitam consequentiam, sed terminata naturae suae ordinatione constant, res enim semper comitantur eum qui ab ipsis concipitur intellectum, ipsum vero intellectum vox sequitur, sed voces elementa id est litterae. rebus enim ante propositis et in propria substantia constitutis intellectus oriuntur. rerum enim semper intellectus sunt, quibus iterum constitutis mox significatio vocis exoritur. praeter intellectum namque vox penitus nihil désignât, sed quoniam voces sunt, idcirco litterae, quas vocamus elementa, repertae sunt, quibus vocum qualitas designetur." Ebd. 21, 28-30: „praecedit autem res intellectum, intellectus vero vocem, vox litteras, sed hoc convertí non potest, neque enim si litterae sint, mox aliqua ex his significatio vocis exsistit. hominibus namque qui litteras ignorant nullum nomen quaelibet elementa significant. nec si voces sint, mox intellectus esse necesse est. plures enim voces invenies quae nihil omnino significent. nec intellectui quoque subiecta res semper est. sunt enim intellectus sine re ulla subiecta..."

176 177

178

38

Die spätantiken Quellen der scholastischen Zeichentheorie

Ordnung allein durch die drei Elemente res, intellectus und vox konstituiert, zu denen die Schrift als ein gegenüber der gesprochenen Sprache sekundäres Zeichensystem lediglich als Annex hinzutritt179 und daher bei der Analyse der oratio auch übergangen werden kann. 180 Andererseits räumt Boethius den voces, genauer den Nomina und Verben, hinsichtlich des Bezeichnens einen Vorrang nicht nur gegenüber den scripta sondern auch gegenüber den intellectus ein: „Cum igitur haec sint quattuor: litterae, voces, intellectus, res, proxime quidem et principaliter verba nominaque significant."181 Das significare hat seinen eigentlichen Ort auf der Ebene der sprachlichen Ausdrücke, obwohl es, anders als bei Augustinus, nach Boethius von der Sphäre des Geistes nicht prinzipiell ausgeschlossen bleibt, und zudem gilt, daß jegliche Signifikation den voces von Seiten der intellectus her zukommt („quidquid est in voce significationis ab intellectibus venit"). Denn der Umstand, daß die Bedeutung der nomina, verba oder orationes von den intellectus kommt, wird von Boethius damit begründet, daß es diese sind, die unmittelbar von den sprachlichen Ausdrücken bezeichnet werden, nicht aber damit - Ockham wird hier genau andersherum argumentieren -, daß die intellectus selbst bezeichnen.182 Die naturbedingte genetische Folgeordnung der den Ordo orandi konstituierenden Elemente verhält sich genau invers zu der Bezeichnungsrichtung innerhalb desselben: Die scripta bezeichnen die sprachlichen Ausdrücke, diese vornehmlich die Konzepte sowie in zweiter Linie die Dinge, die Konzepte endlich bezeichnen ausschließlich die Dinge: Haec (sc. voces) vero principaliter quidem intellectus, secundo vero loco res quaque désignant. Intellectus vero ipsi nihil aliud nisi rerum significativi sunt. 1 8 3

Damit deutet sich bei Boethius bereits - zumindest in der lateinischen Tradition erstmalig184 - eine von der aristotelischen Textvorlage her nicht gestützte

179

Ebd. 20, 12-25: „Sive enim quaelibet interrogatio sit atque responsio, sive perpetua cuiuslibet orationis continuatio atque alterius auditus et intelligentia, sive hic quidem doceat ille vero discat, tribus his totus orandi ordo perficitur: rebus, intellectibus, vocibus. Res enim ab intellectu concipitur, vox vero conceptiones animi intellectusque significat, ipsi vero intellectus et concipiunt subiectas res et significantur a vocibus. Cum igitur tria sint haec per quae omnis oratio conlocutioque perficitur, res quae subiectae sunt, intellectus qui res concipiant et rursus a vocibus significentur, voces vero quae intellectus désignent, quartum quoque quiddam est, quo voces ipsae valeant designari, id autem sunt literae." Vgl. In librum de interpretatione prima editto (PL 64: 297B).

180

Ein solcher Ausschluß der Schrift aus der semantischen Analyse findet sich bei AMMONIUS, In de int. 19, 18. Vgl. J. MAGEE, Boethius (1989) 68f. BOETHIUS, secunda editto (1880) 24, lOff. Ebd. 43, 18-21: „... quoniam et verba et nomina et oratio intellectuum principaliter significativa sunt, quidquid est in voce significationis ab intellectibus venit." Ebd. 24, 10-15. In ähnlicher Form findet sich bei STEPHANOS (In de int., 5, 21, CAG XVIII, 3) die Feststellung eines durchgehenden ordo der vier Elemente von res, conceptus, vox, scriptura, welcher durch denselben Terminus, hier den des έξαγγέλλεσται (verkünden, bekanntmachen),

181 182

183 184

Boethius

39

einheitliche Organisierung der Elemente des ordo oratidi in der Begrifflichkeit des Zeichens an, wie sie erst in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts wieder in Erscheinung treten und sich durchsetzen wird. Den sprachlichen Ausdrücken kommt aufgrund ihrer Stellung innerhalb des eine doppelte Bezeichnung zu. Sie bezeichnen sowohl unmittelbar den Begriff einer Sache als auch in zweiter Linie die Sache selbst. 185 Die Priorität der Konzeptbezeichnung 186 und der sekundäre Charakter der Bezeichnung der Dinge sind dabei nach dem Modell des semantischen Dreiecks konzipiert, d.h. so, daß die sprachlichen Ausdrücke „zwar vorranging die Begriffe, die Dinge jedoch ... in einer sekundären Bezeichnung durch die Vermittlung der Begriffe" bezeichnen („principaliter quidem intellectus, res vero ... secundaria significatione per intellectuum medietatem"). 187 Boethius liegt damit auf der Linie jener Theorie sprachlicher Bezeichnung, die Ebbesen als „Porphyrian semantics" charakterisiert hat. 188

ordo orandi

185

186

187

188

strukturiert wird. Diese Darstellungsweise scheint jedoch älter zu sein, da auch bei PROBUS, der vermutlich dieselbe Quelle wie Stephanus benutzte, ein solcherart durchsystematisierter ordo significatíonis vorliegt. In der lateinischen Übersetzung von J . G. E. HOFFMANN (De Hermeneuticis apud Syrios Aristoteleis (Leipzig 1 8 7 3 ) 9 5 ; zit. n. J . MAGEE, Boethius (1989) 70) lautet der syrische T e x t : „Docet nos igitur de his quattuor, quae quidem ex eis signified, quid autem per eas significetur... . Actiones enim solum significantur non significantes. Cogitatio autem significat et significatur. Significat quidem actionem; significatur autem voce. V o x autem similiter significat et significatur. Significat quidem cogitationes, significatur autem per scripta. Scripta autem significant solum." BOETHIUS, In librum de interpretatione prima editto (PL 64) 2 9 8 f : „Vox ... etiam intellectum rei significat, et ipsam rem. Ut cum dico lapis, et intellectum lapidis (corr. ex lapides) et ipsum lapidem, id est ipsam substantiam désignât. Sed prius intellectum, secundo vero loco rem significat. Ergo non omnia quae vox significat passiones animae sunt, sed illa sola quae primae; primo enim significatur intellectus, secundo vero loco res." Diese wird von Boethius dort, w o es ihm unmittelbar um eine Exposition des aristotelischen Textes geht, so stark hervorgehoben, daß hier mitunter die sekundäre Sachbezeichnung gar nicht mehr in Erscheinung tritt (vgl. In lib. de int. editto prima (PL 6 4 ) 2 9 7 D 2 9 8 A ; vgl. secunda editio 2 7 , lOff: „Aristoteles ... nominibus et verbis res subiectas significan non putat, nec vero sensus vel etiam imaginationes."; vgl. 3 4 , 2 5 f : „... quidquid est in voeibus significativum, id animae passiones désignât."). Nur so ist es zu erklären, daß Boethius späterhin geradezu als Hauptautorität jener Position gelten konnte, der zufolge die sprachlichen Ausdrücke ausschließlich die Konzepte bezeichnen. Eine solche Präsentation ist jedoch stark verkürzend. Die Akzentuierung der Konzeptbezeichnung ergibt sich nämlich, wie Boethius im Anschluß an Porphyrius deutlich macht, allein aus der in Peri hermeneias eingenommenen Perspektive auf das Problem sprachlicher Bezeichnung. Denn gerade hierin unterscheidet sich der Skopus der beiden Schriften. Während es die Intention von Peri hermeneias ist, die voces zu behandeln, „in tantum, quantum conceptiones animi intellectusque significent", handelt handeln die Kategorien „de significativis rerum voeibus" (ebd. 7f.). Vgl. In categorías Aristotelis (PL 6 4 : 160A): „Est igitur hujus operis intentio de voeibus res significantibus, in eo quod significantes sunt tractare." Secunda editio 3 3 , 2 8 - 3 1 ; vgl. ebd. 7, 15f. Wenn die Sprachäußerungen nicht Zeichen für die Begriffe sind, dann bezeichnen sie nach Boethius überhaupt nichts: „praeter intellectum ... vox penitus nihil désignât"; ebd. 2 1 , 4f. Vgl. S. EBBESEN, Semantics - Stoic, Late Ancient, and Medieval, in: Zeichen und Realität,

40

Die spätantiken Quellen der scholastischen Zeichentheorie 3. Die drei Ebenen der oratio Die im Zusammenhang mit der Exposition des ordo orandi getroffene Unter-

scheidung der oratio

in eine geschriebene, eine gesprochene und eine geistige

Rede, wie Boethius sie als Lehre des Porphyrius 1 8 9 sowie der Peripatetiker 1 9 0 referiert, ist besonders für die spätmittelalterliche terministische Logik bedeutsam geworden. Die geistige Rede ist dabei ebenso wie das Augustinische mentís und die spätere oratio mentalis

verbum

nicht aus W ö r t e r n natürlicher Sprachen

gebildet, sondern aus den transidiomatischen geistigen Begriffen, die, gemäß Aristoteles „eaedem apud o m n e s " (bei allen Menschen dieselben) sind. Anders als Augustinus, differenziert Boethius jedoch nicht zwischen einer transidiomatischen Ebene des mentaliter

loqui und einem lautlosen inneren Rememorieren

hg. K. Oehler (1984) 383-388, hier 384. Vgl. OERS., The Odyssey of Semantics front the Stoa to Buridan, in: History of Semiotics, hg. A. Eschbach u. J. Trabant (1983) 67-85; vgl. DERS., Commentators and Commentaries on Aristotle's sophistici elenchi, vol. 1 (1981) c. IV. 4.3, S. 141ff. Das von Boethius beschriebene Signifikationsmodell hat seinen Ursprung in der spätantiken Bestimmung des Status der aristotelischen Kategorien (vgl. J. PlNBORG, Logik u. Semantik im MA (1972) 33f.). So beschreibt Simplicius in Anlehnung an Porphyrius (vgl. S. EBBESEN: Semantics - stoic, late ancient and medieval (1984) 384) und in Übereinstimmung mit der herrschenden Meinung der Ammonius-Schule (J. PlNBORG, Logik u. Semantik im MA (1972) 34; Η. WEIDEMANN, Ansätze zu einer semantischen Theorie bei Aristoteles (1982) 242) den Skopus der Kategorienschrift dahingehend, daß sie „von den ersten einfachen, die ersten und allgemeinsten Seienden vermittels der einfachen und ersten Begriffe bezeichnenden sprachlichen Ausdrücken" handelt (vgl. SIMPLICIUS: In Cat. Comm., CAG Vili, 13, 19-21.; vgl. SIMPLICIUS / WILHELM VON MOERBEKE: Commentaire sur les Catégories d'Aristote, trad, de G. de Moerbeke, hg. A. PATTIN (1971) 18, 12-14: „... de simplicibus vocibus est et prima et generalissima entium significantibus per medios simplices et primos conceptus." - Wenn EBBESEN dieses semantische Modell weiter auf die Stoa zurückführt (Semantics (1984) 383: „The credit (or blame) for explicitly introducing the 'semantic triangle' belongs to the Stoics of the third-second centuries B.C."), so ist das insofern problematisch, als das Lekton nicht mit dem Noëma gleichzusetzen ist (vgl. H. W. ENDERS, Sprachlogische Traktate des Mittelalters und der Semantikbegriff (1975) 29ff.). Entsprechend weist auch Ammonius die stoische Theorie des λεκτόν als eines zwischen die Konzepte und die Sachen tretenden Mediums explizit zurück. Vgl. AMMONIUS: In de int., Commentarla in Aristotelem Graeca IV/5, 17, 24ff; vgl. AMMONIUS / WILHELM VON MOERBEKE, Commentaire sur le Peri hermeneias d'Aristote. Trad, de G. de Moerbeke (1961) 32): „... prius nos docet Aristoteles..., quae sunt quae principaliter et immediate ab ipsis (sc. vocibus) significantur, et quod conceptiones sint, per haec autem media res, et nihil aliud oportet praeter haec intueri medium inter conceptionem et rem, quod quidem Stoici supponentes dicibile volebant nominare." Und nicht zuletzt bezieht sich das stoische σημαίνον auch nicht einmal mittelbar in einer als σημαίνειν beschreibbaren Beziehung auf die äußere Sache, das τυγχάνον. 189

BOETHIUS, secunda

editio

( 1 8 8 0 ) 3 6 , l O f f : „ P o r p h y r i u s v e r o ... t r e s posuit o r a t i o n e s , u n a m

q u a e litteris c o n t i n e r e t u r , s e c u n d a m q u a e v e r b i s a c n o m i n i b u s p e r s o n a r e t , t e r t i a m

quae

mentis evolveret intellectus..." E b d . 2 9 , 1 7 - 2 1 : „ ... Peripatetici r e c t i s s i m e p o s u e r u n t tres esse o r a t i o n e s , u n a m q u a e scribi

possit elementis, alteram quae voce proferri, tertiam quae cogitatione conecti unamque intellectibus, alteram voce, tertiam litteris contineri."

Boethius

41

der sprachlichen Ausdrücke in Form einer cogitatio vocis.191 Und ebenso bleibt das Zeichen im Unterschied zu Augustinus nicht prinzipiell von der Mentalsphäre ausgeschlossen. Die Parallelisierung von oratio vocalis und oratio intellectus im Rahmen der Exposition des ordo orandi geht an einigen Stellen so weit, daß Zeichenbegrifflichkeit auch auf die Ebene der Konzepte anwendbar wird. Wie die Schrift die gesprochene Rede bezeichnet und diese die stumme oratio des Geistes, so bezeichnet letztere die von ihr erfaßten Sachen. 1 9 2 Die hiermit eröffnete Möglichkeit einer Bestimmung der Konzepte als Zeichen wurde jedoch weder von Boethius selbst noch von den späteren an ihm orientierten Autoren konsequent aufgegriffen. Erst um die Mitte des 13. Jahrhunderts werden sie dann allerdings mit massiven und weitreichenden Folgen für die Entwicklung der Zeichentheorie - explizit als signa betrachtet.

191

192

Wenn Boethius von der „tacita cogitatio" spricht, ist damit die bei allen Menschen identische „oratio intellectus" gemeint; vgl. Anm. 192 Ebd. 24, 2 1 - 2 7 : „Hoc autem ... solum cognosci oportet, quod ea quae sunt in litteris eam significent quae in voce consistit et ea quae est vocis oratio quod animi atque intellectus orationem designet, quae tacita cogitatione conficitur, et quod haec intellectus oratio subiectas principaliter res sibi concipiat ac designet. ex quibus quattuor duas quidem Aristoteles esse naturaliter dicit, res et animi conceptiones, id est earn quae fit in intellectibus orationem, idcirco quod apud omnes eaedem atque immutabiles sint." Vgl. ebd. 24, 14f. Vgl. J . MAGEE, Boethius (1989) 71, Anm. 25.

II. Die mittelalterliche Theorie des Zeichens I: Von Abailard bis zum 14. Jahrhundert Nicht selten verbindet sich die Rede von „Mittelalter und Zeichen" mit der klischeehaften Vorstellung eines ganz und gar in einem 'symbolischen' Weltbild befangenen Mittelalters, von welchem gilt, „dans toute sa culture, le Moyen Age est l'âge du symbole". 1 Zwar ist eine solche, im frühen Mittelalter verbreitete „vision symbolique du monde", in der „tout est signe, symbole ou allégorie" 2 auch in späterer Zeit noch anzutreffen. Dann jedoch fast ausschließlich im Rahmen der symbolischen Theologie und der Theorie der Interpretation der Hl. Schrift. Nach der besonders von der Viktorinerschule im 12. Jahrhundert ausgearbeiteten Theorie der Bibelexegese ist es das Charakteristikum der Hl. Schrift, daß in ihr, im Unterschied zu profanen Texten, nicht allein die Wörter vermittels der Begriffe die Dinge bezeichnen, sondern daß auch die so bezeichneten Dinge selbst zu symbolischen Zeichen für andere Dinge werden. 3 Dieses hermeneutische Modell bildet die Grundlage für die Annahme eines umfassenden symbolischen Zusammenhangs der Dinge, in welchem diese als von Gott eingesetzte Zeichen fungieren. 4 Die „significatio rerum" (genitivus subiectivus), d.h. die von den Dingen geleistete Bezeichnung, übertrifft dabei die durch menschlichen Gebrauch eingesetzte Bedeutung der Wörter sowohl an Dignität („in sacra pagina excellentior valde est rerum significatio quam vocum") 5 als auch an Präg1 2

M. D. CHENU, La Théologie au Xlle siècle (Paris 1957) 161. J. BlARD, Logique et du signe au XJVe siècle (1989) lOf.

3

(Ps.)-RLCHARD VON ST. VICTOR, Speculum ecclesiae, PL 177, 3 7 5 B : „In libris ... ethnicorum voces tantum mediantibus intellectibus res significant. In divina pagina non solum intellectus et res significant, sed ipsae res alias res significant."; HUGO VON ST. VICTOR, De scripturis et scriptoribus sacris, PL 175, 12A: „Habet ... sacrum eloquium proprietatem quemdam ab aliis scripturis differentem, quod in eo primum per verba quae recitantur de rebus quibusdam agi tur, quae rursum res vice verborum ad significationem aliarum rerum

4

HUGO VON ST. VICTOR, Eruditio didascalica VII, 4 (PL 176, 8 1 4 B - C ) : „Universus ... mundus iste sensibilis quasi quidam liber est scriptus digito Dei, hoc est virtute divina creatus, et singulae er eat u rae quasi figurae quaedam sunt non humano placito inventae, sed divino arbitrio institutae ad manifestandam invisibilium Dei sapientiam." Vgl. JEAN GERSON, De modis significando in: Œuvres complètes, vol. 9 (Paris 1 9 7 3 ) 6 2 5 [ 1 7 0 6 : 8 1 6 ] : „... quaelibet res creata signum est a primo significante D e o constitutum."

5

HUGO VON ST. VICTOR, De scripturis et scriptoribus sacris, cap. 14, s. Anm. 6 ; vgl. HUGO VON ST. VICTOR, Eruditio didascalica V, 3 : „excellentior valde est rerum significatio quam vocum, quia hanc usus instituit, illam natura dictavit. Haec hominum vox est, ilia vox dei ad homines. H a e c prolata périt, illa creata subsistí t . "

proponuntur." Vgl. F. OHLY, Vom geistigen Sinn des Wortes im Mittelalter (1977), 4f.

Pierre Abailard

43

nanz. Denn die Dinge haben, anders als die sprachlichen Ausdrücke, nicht nur lediglich zwei oder drei Bedeutungen, sondern ebenso viele, wie sie Qualitäten besitzen („voces non plus quam duas aut tres habent significationes. Res autem tot possunt habere significationes quot habent proprietates"). 6 Ein derartiger „symbolischer Kosmos" 7 indes ist weder repräsentativ für 'das' Mittelalter in dem Sinne, daß „le symbolisme universel s'étend à tout le moyen âge", 8 noch ist er allein im Mittelalter zu finden. Denn zum einen verbannt die scholastische Philosophie, die eine durchaus rationale Theorie des Zeichens und seiner Funktionen ausbildet, das symbolisch-allegorische Denken an die Ränder des philosophischen Diskurses. Und zum anderen wird gerade in der frühen Neuzeit und in ausdrücklicher Opposition zur scholastischen Philosophie - im Umkreis der hermetisch-platonischen Naturphilosophie das Konzept eines umfassenden innerweltlichen Symbolzusammenhanges wieder massiv in den Vordergrund treten.

A. Piene

Abailard

Unter jenen Autoren, die im späten 11. und frühen 12. Jahrhundert maßgeblich zur Herausbildung der scholastischen Rationalitätsstandards beigetragen haben, ist Abailard, zumal was die Zeichentheorie und die Theorie der Signifikation betrifft, zweifellos der wichtigste. 9 Wie Abailard deutlich macht, erschöpft die in den Kompetenzbereich der Logik fallende Signifikation sprachlicher Ausdrücke (significatio vocum) nicht den Gesamtbereich der Bezeichnung.

6

7 8 9

RICHARD VON ST. VICTOR, Excerptiones

II, 5 , P L 1 7 7 : 2 0 5 D ; vgl. F. OHLY, Vom

gästigen

Sinti des Wortes im Mittelalter (1977) 6; vgl. HUGO VON ST. VICTOR, De scripturis et scriptoribus sacris, cap. 14 (PL 175: 20f): „Philosophus in aliis scripturis solarti vocum novit significationem; sed in sacra pagina excellentior valde est rerum significatio quam vocum: quia hanc usus constituit, illam natura dictavit: Haec hominum vox est, ilia Dei ad homines. Significatio vocum est ex placito hominum: significatio rerum naturalis est, et ex operatione creatoris volentis quasdam res per alias significan. Est etiam longe multiplicior significatio rerum quam vocum. Nam paucae voces plus quam duas aut tres significationes habent. Res autem quaelibet tam multiplex potest esse in significatione aliarum rerum, quot in se proprietates visibiles aut invisibiles habet communes aliis rebus. Vgl. M.-TH. D'ALVERNY, Le cosmos symbolique du Xlle siècle: AHDLMA 20 (1953) 31-81 A. MAIERÙ, 'Signum' dans la culture médiévale (1981) 57. Zur Logik und Semantik bei Abailard vgl. M. T. BEONIO-BROCCHIERI FUMAGALLI, The Logic of Abelard (1969); L. M. DE RlJK, La signification de la proposition (dictum propositionis) chez Abélard (1975); DERS., Abailard's semantic views in the light of later developments (1981); W. L. GOMBOCZ, Abaelards Bedeutungslehre als Schlüssel zum Universalienproblem (1980); A. DE LIBERA, Abélard et le dictisme (1981); Κ. JACOBI, Die Semantik sprachlicher Ausdrücke, Ausdrucksfolgen und Aussagen in Abailards Kommentar zu Peri hermeneias (1981); DERS., Abelard and Frege: The Semantics of Words and Propositions (1983); J. JOLIVET, Abélard et Guillaume d'Ockham, lecteurs de Porphyre et de Boèce (1981); DERS., Arts du langage et théologie chez Abélard (1982); P. CALEFATO, Dimensione semantica e problema della communicazione nella linguistica di Pietro Abelardo (1983).

44

Die mittelalterliche Zeichentheorie von Abailard bis zum 14. Jahrhundert

Denn auch die Dinge bezeichnen; 10 sei es, daß sie ebenso wie die Wörter eigens zur Ausübung von Zeichenfunktion (significarteli officium) eingesetzt worden sind, wie der „circulus ante tabernam", der zum Zeichen des Weinverkaufs vor der Taverne ausgehängte Laubkranz, 11 sei es, daß sie aufgrund einer Ähnlichkeit, einer gewohnheitsbedingten Assoziation („secundum consuetudinem") oder eines zwischen ihnen und anderen Dingen bestehenden Verhältnisses („secundum aliquam earum ad se habitudinem") diese durch ihr eigenes Erkanntsein zur Erkenntnis kommen lassen. 12 Es ist bei Abailard gleichwohl eine Tendenz sichtbar, im Anschluß an die von Augustinus in De doctrina Christiana entworfene Opposition von res und signa den auf Einsetzung beruhenden Zeichen hinsichtlich ihrer Zeichenhaftigkeit einen Vorrang einzuräumen. So spricht er diesbezüglich von einem „proprie significare" 13 oder grenzt etwa die eingesetzte vox als die allein signifikative von der nicht eingesetzen ab, die ohne als signifikativ ausgezeichnet zu sein, etwas bezeichnen kann. Denn das significare ist bei Abailard in Anlehnung an Aristoteles (De int. 16b 2 0 ) konzipiert als die Hervorbringung eines Verständnisses oder Begriffs („constituere intellectum") auf Seiten des Hörers. Und in diesem allgemeinen Sinne vermag jede lautliche Äußerung - ohne signifikativ im beschriebenen Sinne zu sein - etwas zu bezeichnen, da sie uns in jedem Fall versichert, daß der- oder dasjenige, von dem sie hervorgebracht worden ist, ein Lebewesen ist. 14 Der Begriff der institutio ist dabei jedoch seinerseits denkbar weit gefaßt

10

11

12

13

14

Vgl. P. ABAILARD, Dialéctica, hg. L. M. DE RIJK ( 1 9 5 6 ) 111: „Est autem significare non solum vocum, sed etiam rerum." P. ABAILARD, Logica ingredientibus, Glossae ... super Peri ermenias, in: Peter Abaelards Philosophische Schriften, hg. Β. GEYER ( 1 9 2 7 ) 3 3 5 : „... voluntas hominum nomina et verba ad significandum instituit nec non etiam res quasdam, ut circulum vel signa quibus monachi utuntur. Non enim significare vocum tantum, verum etiam rerum." Vgl. Dialéctica ( 1 9 5 6 ) p. I l l : „Saepe etiam ex similitudine res quaedam ex aliis significantur, ut achillea statua ipsum Achillem repraesentat. ... Saepe tamen ex aliis rebus alias incidamus, non secundum institutionem aliquam significandi, sed magis secundum consuetudinem vel aliam earum ad se habitudinem. Cum enim aliquem videmus quem cum alio videre consuevimus, statim et eius quem non videmus, reminiseimur, aut cum patrem vel filium alicuius videmus, statim ex habitudine relationis alium concipimus." Vgl. J. JOLIVET, Arts du langage et théologie chez Abélard ( 1 9 8 2 ) 62ff. Dialéctica ( 1 9 5 6 ) 1 1 1 : „Nunc etiam per signa aliquid innuimus et hae quidem rerum proprie significare dicuntur quae ad hoc institutae sunt, sicut et voces, ut significandi officium teneant." Logica ingredientibus, Glossae ... super Peri ermenias ( 1 9 2 7 ) 3 3 5 f : „Significare Aristoteles accipit per se intellectum constituere, significativum autem dicitur, quidquid habile est ad significandum ex institutione aliqua sive ab homine facta sive natura. ... Per significativum separat a nomine voces non significativas, quae ñeque ab homine ñeque a natura institutae sunt ad significandum. Nam licet unaquaeque vox certificare ( 3 3 6 ) possit suum prolatorem animal esse, sicut latratus canis ipsum esse iratum, non tamen omnes ad hoc institutae sunt ostendendum, sicut latratus est ad significationem irae institutus."

45

Pierre Abailard

und läßt die Alternative von menschlicher „institutio ad placitum" und natürlicher Einsetzung zu.15 Als eingesetztes Zeichen gilt demzufolge alles, was um einer Bezeichnung willen existiert. So handelt es sich auch beim Hundegebell („latratus canis"), weil von der Natur zur Bezeichnung des Zornes eingesetzt, um eine „vox significativa ex institutione".16 Abailard unterteilt (s. Abb. 1) damit die sprachlichen Ausdrücke, wie die Zeichen im allgemeinen, in (bloß) signifizierende und signifikative.

signa

signifícantia sine institutione; secundum consuetudinem vel aliam habitudinem

significativa

vox —> suum prolatorem pater —• filium

ex institutione naturae latratus canis - » canem gemi tus iníirmorum —> dolorem

ex institutione hominis = ex impositione = secundum placitum nomen —> intellectum / rem circulus ante tabemam —> vinum

Abb. 1: Die Zeichenklassifikation nach Abailard

Während erstere ohne eine Einsetzung (institutio) etwas bezeichnen, sind letztere sigifikativ aufgrund einer Einsetzung, sei es durch die Natur (bzw. Gott) oder den Menschen, in welchem Fall ihnen das 'ad placitum' im eigentlichen Sinne zukommt;17 ohne freilich dadurch in jedem Fall etwas aktualiter oder gegenwärtig bezeichnen zu müssen. Denn: Logica ingredientibus, Glossae ... super Peri ermenias (1927) 335: „significativum autem dicitur, quidquid habile est ad significandum ex institutione aliqua sive ab homine facta sive natura". 1 interpositio tenebrosi corporis) wie in dem der philosophia moralis gibt (delectatio - » habitus voluntarius). Die signa ex institutione lassen sich unterscheiden in solche „(quae) sunt instituía ad significandum tantum" und solche, die, wie die Sakramentalzeichen, „sunt instituta ad significandum et sanctificandum". Erstere sind unterteilt in voces und eingesetzte nichtsprachliche Zeichen (Gesten, Kreis vor der Taverne, Bilder).111 Eine Gefährdung der scientia de signis könnte sich, wie contra-kxgumente zur ersten Frage nach der Möglichkeit einer Wissenschaft von den Zeichen („an possit esse scienta de signis") zeigen, besonders durch die den signa unterstellte Sinnlichkeit, Unverläßlichkeit oder gar Falschheit ergeben. Die von Ps.Kilwardby gegebene Begründung des „quod sie" ist insofern von Interesse, als sie durch die Darlegung der Bedingungen der Möglichkeit einer solchen Zeichenwissenschaft zugleich die Bestimmung der von derselben einzunehmenden Betrachtungsweise des Zeichens formuliert. So macht Ps.-Kilwardy in der Antwort auf das Argument, welches unter Hinweis auf die aus der augustinischen Zeichendefinition folgenden Sinnlichkeit des Zeichens einerseits und auf die aristotelische Lehre von der Unmöglichkeit einer Wissenschaft von Einzeldingen andererseits die Möglichkeit einer scientia de signis leugnet, deutlich, daß der Wissenschaftscharakter der scientia de signis in der Betrachtung des Zeichens im Allgemeinen, d.h. unter Abstraktion von dessen materiellen, zufälligen Bedingung, gründet.112 Im übrigen sei, wie er mit auffälliger Beiläufigkeit jene These formuliert, deren weitreichende Konsequenzen für die Zeichentheorie wohl erst im späten Mittelalter absehbar wurden, die augustinische Zeichendefinition eben nicht universal gültig, da sie auf die als Zeichen der Dinge fungierenden passiones animi nicht anwendbar ist.113

109

Ebd., 6ff.

110

Ebd., 3 : „... dicendum q u o d diversae sunt scientiae de signis."

111

Ebd., 3 f .

112

Ebd., 4 : „... signum potest dupliciter acci pi. U n o m o d o sub ratione signi et est sic obiectum intellectus apud quem aliquid derelinquit... Alio m o d o secundum substantiam et h o c dupliciter, uno m o d o secundum esse materiale et sensibile et sub ratione qua est hic et nunc, et sic est sensibile, et h o c m o d o non est scientia de signis. Alio m o d o potest considerari signum sub ratione universalis abstract! a particularibus signis, et sic cum habeat rationem universalis potest esse scientia de s i g n o . "

113

Ebd., 4 : „Potest etiam dici q u o d ista definiti o non est universaliter vera de quolibet signo quia passiones animi sunt signa rerum et tamen non ingerunt speciem suam sensibus."

68

Die mittelalterliche Zeichentheorie von Abailard bis zum 14. Jahrhundert

Die in einem weiteren cowira-Argument den Zeichen unterstellte fallibilitas betrifft, wie Ps.-Kilwardby betont, diese nur, insofern sie in ihrer Funktion für einen auf ihre Signifikate bezogenen „actus iudicandi" betrachtet werden. So gesehen, sind die Zeichen in der Tat mitunter „falsch" und unverläßlich und der durch sie generierte Habitus kein Wissen, sondern eher eine Einbildung oder Meinung. 114 Die scientia de sigttis jedoch betrachtet die Zeichen präzis in Rücksicht des durch sie geleisteten „actus significando. So genommen aber sind sie untrüglich, da sie stets das bezeichnen, das zu bezeichnen sie geeignet sind; denn andernfalls wären sie überhaupt keine Zeichen. 115 Von hier aus wird deutlich und damit der Einwand ihrer Falschheit abgewiesen - daß den Zeichen eine „doppelte Wahrheit" zukommt. Zum einen jene dem Zeichen als Zeichen wesensmäßige Wahrheit, die ihm vom Akt des Bezeichnens her zukommt, insofern es das bezeichnet, was zu bezeichnen es geeignet ist, unabhängig davon, ob das Signifikat existiert oder nicht. Zum anderen jene Wahrheit, die dem Zeichen aufgrund seines Signifikats und somit nur akzidentell zukommt. Weil aber die scientia de sigttis das Zeichen präzis als Zeichen betrachtet, kann sie sich der „veritas essentialis" ihres Formalobjekts stets sicher sein. 116 Ihre Wissenschaftlichkeit resultiert aus der Zuschärfung des Blicks auf das Zeichen. Sie betrachtet die signa ausschließlich insofern sie ihre Signifikate bezeichnen, nicht, insofern sie etwas über diese „sagen". Während hinsichtlich der nicht auf einer Einsetzung beruhenden Zeichen, wie der natürlichen (z.B. Wirkung als Zeichen der Ursache) oder „moralischen" (z.B. äußere Handlungen als Zeichen des guten oder schlechten Willens), die Theorie der Zeichen nicht von der der Signifikate abgetrennt werden kann, so daß diese in den Gegenstandsbereich der „scientia naturalis vel moralis" fallen, existiert für diejenigen Zeichen, die der Verstand sich als Instrument der Mitteilung seiner Begriffe bildet, eine eigenständige, als Verstandeswissenschaft („scientia rationalis") bestimmte Wissenschaft von den Zeichen. 117

114

Ebd., 4f: „Alio modo possunt (sc. signa) considerar! quantum ad ea quae significantur per ipsa quantum ad actum iudicandi per ipsa, et sic quandoque (5) sunt falsa et fallibilia, et habitus generatus per signa secundum quo huiusmodi non est habitus qui est scientia sed potius phantasiaa vel opinio."

115

Ebd., 4 : „... signa possunt ... consideran uno modo quantum ad actum significandi et sic sunt infallibilia, eo quod semper significant ea quae nata sunt signficare, aliter enim non essent signa." Ebd., 5 : „... duplex est veritas signi, quaedam est essentialis signo in quantum signum est, et haec veritas debetur ei ab actu significandi. Cum enim significat signum id quod debet significare, sive id sit sive non sit, verum est signum quia significat illud uod natum est significare. Et haec veritas est signo essentialis... Alia est veritas signi accidentalis quae debetur signo ratione rei significatae... Sed numquam est scientia de signis falsis in quantum falsis sunt, sed in quantum signa sunt, et hoc modo debetur eis veritas essentialis." Ebd., 6 : „... quaeritur ... utrum scientia de signis debeat dividi ex opposito contra scientia de rebus. ... Dicendum quod signorum quaedam sunt in genere naturae, ut effectus naturalis qui est signum sui causae. Quaedam vero in genere moris, sicut operationes exteriores

116

117

Die Entstehung einer ausgearbeiteten Zeichentheorie im 13. Jahrhundert

69

Wie bei Bacon erhält damit auch bei Ps.-Kilwardby die Problematik der Spracheinsetzung besonderes Gewicht. Zur Erklärung des Vorgangs der Einsetzung sprachlicher Ausdrücke greift Ps.-Kilwardby auf die von Anselm von Canterbury her übernommene augustinische Unterscheidung von äußerer, sinnlicher und innerer geistiger Rede 1 1 8 sowie auf die von Johannes Damascenus her referierte stoische Unterscheidung von λόγος ένδιάθετος und λόγος προφορικός119 zurück.

sunt signa bonae vel malae voluntatis... Et talia signa non significant ex institutione, et de talibus signis non est scientia separata a significatis; scientia enim de talibus signis est naturalis vel moralis. Aliud est signum cuius principium effectivum et completivum est ratio, et dicitur signum rationale quia est instrumentum quod ratio sibi format ad exprimendum affectus vel conceptus, et de talibus signis est scientia separata a significatis." 118

Vgl. ebd., 5 2 . Die Differenzierung von äußerer und innerer Rede steht bei Anselm von Canterbury im Rahmen einer an Augustinus orientierten Unterscheidung von drei Weisen der Rede (locutio) (vgl. M . DAL PRA, Studi sul problema logico del linguaggo nella filosofia medievale, I: „Cogitatio v o c u m " e „cogitatici rerum" nel pensiero di Anselmo: Riv. crit. star, filos. 9 ( 1 9 5 4 ) 3 1 2 f f ) . Anselm betont, daß die Rede des Geistes oder des Verstandes nicht als stummes Memorieren sprachlicher Ausdrücke zu verstehen ist, sondern als die gedankliche Erfassung der Dinge selbst im Geiste (vgl. ANSELM VON CANTERBURY, Monologion, Opera omnia 1 ( 1 9 6 8 ) 2 4 f : „Mentis autem sive rationis locutionem hic intelligo, non cum voces rerum significativae cogitantur, sed cum res ipsae ... acie cogitationis in mente conscpiciuntur." Die drei Weisen des Sprechens vollziehen sich nach Anselm somit entweder durch die Verwendung äußerer, sinnlich wahrnehmbarer Zeichen oder die innere gedankliche Verwendung dieser Zeichen oder aber so, daß diese Zeichen weder in sinnlicher noch in unsinnlicher Weise verwendet, sondern vielmehr die Dinge selbst, sei es in Form körperlicher Vorstellung oder verstandesmäßiger Einsicht 'gesprochen' werden, (ebd.: „... rem unam tripliciter loqui possumus. Aut enim res loquimur signis sensibilibus, id est quae sensibus corporeis sentiri possunt sensibiliter utendo; aut eadem signa, quae foris sensibilia sunt, intra nos insensibiliter cogitando; aut nec sensibiliter nec insensibiliter his signis utendo, sed res ipsas vel corporum imaginatione vel rationis intellectu ... intus in mente nostra dicendo."). Die Elemente dieses geistigen Redens bezeichnet er ausdrücklich als „verba ... naturalia ... et apud omnes gentes eadem" (ebd., 35). Sie gelten, wie bei Augustinus, als W o r t e im eigentlichsten Sinn (maxime proprium et principale verbum), da sie, indem sie zugleich „similitudines et imagines rerum" (Ähnlichkeiten und Abbilder der Dinge (ebd., 4 8 ) sind, aufgrund dieser ihrer Ähnlichkeit zu den Dingen ihre Objekte ausdrücklicher bezeichnen (expressius signant) als alle anderen Wörter. Sie bilden nicht nur das Zentrum von Sprachlichkeit - die anderen Wörter sind um ihretwillen erfunden -, sondern auch von Erkenntnis: W o sie gegeben sind, bedarf es keiner anderen Wörter zur Erkenntnis der Sache, und w o sie unmöglich sind, ist keines derselben geeignet, die Sache zu zeigen (Ebd., 3 5 : „alia omnia verba propter haec sunt inventa: ubi ista sunt, nullum aliud verbum est necessarium ad rem cognoscendam; et ubi ista esse non possunt, nullum aliud est utile ad rem ostendendam.").

119

Vgl. ebd., 5 8 ; vgl. M . MÜHL: Der λόγος ένδιάθετος und προφορικός von der älteren Stoa bis zur Synode von Sirmium 3 5 1 : Archiv für Begriffsgeschichte 7 ( 1 9 6 2 ) 7 - 5 6 ; K. HOLSER: Die Fragmente zur Dialektik der Stoiker ( 1 9 8 4 - 8 8 ) 5 8 2 f f . Die stoische Unterscheidung von λ ό γ ο ς ένδιάθετος und προφορικός war bereits im 2. Jh. n. Chr. Gemeingut der Peripatetiker geworden (vgl. M . MÜHL, 2 9 ) . Das Begriffspaar ist terminologisch zuerst bei PHILON VON ALEXANDRIEN belegt (De Ahrahamo $ 8 3 ; K. HOLSER, Die Fragmente zur Dialektik der Stoiker ( = FDS) Nr. 5 3 4 ) , wird aber erst - SEXTUS EMPIRICUS (Adv. Math. VIII 2 7 5 ) referiert es allgemein als Lehrstück der Dogmatiker - von PORPHYRius (De absentia III, 2 [FDS 5 2 9

70

Die mittelalterliche Zeichentheorie von Abailard bis zum 14. Jahrhundert

Die sich aus der Ansetzung einer doppelten Seinsweise der vox, nämlich äußerlich und sinnlich wahrnehmbar einerseits und innerlich und geistig andererseits, ergebende Frage, ob sich der Einsetzungsakt auf die innere oder die äußere vox bezieht („utrum institutio fiat in voce sensibili exteriori aut in voce mentali interiori"), 120 wird durch ein vermittelndes „sowohl als auch" beantwortet: „dicendum quod in utraque, sed in exteriori fit institutio interiori mediante." 121 Der stimmliche Laut, die vox, hat in der Seele eine zweifache Seinsweise. Zum einen nach Art der übrigen erkennbaren Dinge wie in einer abstraktiv erkennenden Substanz, zum anderen wie in einem sie hervorbringenden Prinzip, „et tunc habet esse in ea per appetitum et imaginationem." Letztere ist, weil allen Lebenwesen gemeinsam, der Grund für die auf einen solchen diffusen appetitus inationalis oder, mit Avicenna, 122 instinctus naturalis zurückführbare natürliche Signifikanz der tierischen und einiger menschlicher Laute. 123 Für die Mitteilbarkeit der Vielheit und Verschiedenheit der in der menschlichen Seele vorhandenen Affektionen und cogitationes reicht der natürliche Instinkt jedoch nicht aus, sondern es bedarf einer weitergehenden Differenzierung der lautlichen Äußerungen. Ist also die mit dem Willen zur Mitteilung verbundene Vielheit der Affekte der Grund der lautlichen Äußerungen, so wird die Vielheit der distinkten Affektionen und cogitationes zum Grund für die distinkten lautlichen Äußerungen. 124 Die Instanz für die Verbindung der in der A]) eindeutig der Stoa zugeschrieben. Unter Hinzunahme der Schrift zu einer dreifachen Unterscheidung des lògos ausgebaut, ging sie - etwa bei Ammonius und Porphyrius - in die K o m m e n t a r e z u m a r i s t o t e l i s c h e n O r g a n o n e i n ( v g l . PORPHYRIUS: In 2 6 - 2 8 ; AMMONIUS: In de Int.

Cat.

64, 28-30;

101,

2 2 , 1 3 - 2 1 ; 2 3 , 1 2 - 1 5 ) , von w o h e r sie B o e t h i u s aufgriff und

der lateinischen Tradition vermittelte. Der Sache nach findet sich die Unterscheidung zwischen äußerer und innerer Rede freilich schon bei Platon und Aristoteles. Vgl. C. CHIESA, Le problème du langage intérieur chez les stoïciens: Revue internationale de philosophie 197 ( 1 9 9 1 ) 3 0 1 . 2 1 . Zur Unterscheidung von „logos exterior" und „logos interior" vgl. z.B. DOMINICUS GUNDISSALINUS, De divisione philosophiae ( 1 9 0 3 ) 7 7 f . 120 121 122 123

124

Vgl. P S . - R O B E R T KLLWARDBY, Comment, sup. Priscianum maiorem ( 1 9 7 5 ) 5 2 . Ebd. 5 7 Vgl. AVICENNA, De anima V, 1, ed. VAN R I E T ( 1 9 7 2 ) 7 5 , 9 5 . P S . - R O B E R T KlLWARDBY, Comment, sup. Priscianum maiorem ( 1 9 7 5 ) 5 7 : „ H a e enim duae virtutes [sc. appetitus u. imaginatio] concurrunt ad formationem vocis, ut dicit Philosophus, et hoc tarn in brutis quam in hominibus, sed inbrutis vis appetitiva et imaginativa sunt ut in pluribus indistincte et confuse etiam per modum naturae cuiusdam. Unde non consiliantur bruta nec délibérant, hoc enim est rationis proprium, sed natura aguntur potius quam imaginatione. Unde dicit Damascenus quod irrationabilibus irrationalis est appetitus, et a naturali aguntur, quem appetitum appellat Avicenna naturalem instinctum, propter quod voces brutorum animalium significant per modum naturae illud quod significant. Non enim faciunt Consilia nec inquisitiones operum suorum, ut Damascenus dicit, et quia natura est eadem in omnibus brutis animalibus genere vel specie, ideo in omnibus brutis animalibus vociferare potentibus est uniformitas vociferandi genere aut specie."; Vgl. R O G E R BACON, Comp, studii theol., n. 3 7 , s. Anm. 6 6 . P S . - R O B E R T KLLWARDBY, Comment,

sup.

Priscianum

maiorem

(1975)

58:

„In

hominibus

vero est multitudo atque diversitas affectionum et cogitationum per distinctionem, et quia multitudo affectionum cum volúntate exprimendi causa est vocandi... necesse est quod

Die Entstehung einer ausgearbeiteten Zeichentheorie im 13. Jahrhundert

71

menschlichen Seele vorliegenden Sachbegriffe (similitudines rerum) imaginierten Lautbildern (vocum intentiones et imaginationes) ist, Kilwardby unter Zitierung von Johannes Damascenus ausführt, die oder excogitatio. In ihrem Vollzug konstituiert sie die Denkbewegung einer inneren Rede. 1 2 5

mit den wie Ps.phronesis in Form

Anders als die locutio interior bei Augustinus, die oratio in intellectibus bei Boethius oder Anselms locutio mentis vollzieht sich der sermo interior Ps.Kilwardbys nicht unabhängig und abgehoben von jeder Sprache. Er unterscheidet zwar den als intellectus, similitudo rei oder intentio significabilis bezeichneten transidiomatischen geistigen Begriff von der intentio vocis und übernimmt damit die bei Boethius nicht vorhandene augustinische Differenzierung des mentalen Bereichs in die Ebene des sprachfreien verbum mentis einerseits und die der lautlosen imaginatio vocis andererseits. Der sermo interior - „complens [complectens?] tarn speciem significabilem quam vocis intentionem" -, durch den und in dessen Ähnlichkeit die äußere Rede formiert wird, vollzieht sich jedoch, anders als das mentaliter loqui bei Augustinus, die mentis locutio bei Anselm und die oratio mentalis bei Boethius, nicht allein im Medium der sprachfreien intellectus, sondern ist seinerseits gebildet aus den mit diesen durch Einsetzung (ex institutione), gleichwohl aber unmittelbar (statim) verbundenen „intentiones vocis praecogitatae et ρ raeco η ce ptae. " 1 2 6 Der metaphorische Cha-

125

126

multitudo affectionum et cogitationum distinctarum fit causa distincte vocandi." Ebd. 5 8 : „'... phronesis ... dilatata facit cogitationem endiatentum (sic!), id est interius dispositum sermonem, nominatam. Sermo autem interior secundum Damascenum est motus animi plenissimus in excogitativo factus sine aliqua enuntiatione, ex quo prolatus sermo provenit per linguam enarratus.' Haec sunt verba Damasceni, et per hoc patet divisio motus rationalis animae secundum ipsum in interius dispositum sermonem et prolatum sermon e m . " Vgl. JOHANNES DAMASCENUS, De fide orthodoxa II c. 2 2 (PG 94, 943A). PS.-ROBERT KILWARDBY, Comment, sup. Priscianum ntaiorem ( 1 9 7 5 ) 5 9 f : „... patet quod apud animam est sermo intranee dispositus, quo quidem et ad cuius similitudinem fit prolatus. Apud animam igitur statim cum haec intentionem significabilem fit praeexeogitatio vocis, qua talem intentionem sive intelligentiam deceat vel oporteat significari, et illi intention! vocis applicatur intentio significabilis sicut finis ei quod est ad finem. Consequenter quia ad hoc quod huiusmodi intellectus alii manifestetur exigitur aliquod signum sensibile, quia nihil est in intellectu quod prius non fuerit in sensu, movet anima rationalis per appetitum et imaginationem membra deputata ad formationem vocis... et formatur vox sensibilis iuxta intentionem vocis praecogitatae et praeconceptae apud animam proferentis earn, et fit sermo exterior idem continens et repraesentans quod per sermonem interiorem continebatur et repraesentatur. ... Et igitur vox exterior sensibilis habet quadruplicem comparationem: unam ad intentionem vocis interioris ad cuius similitudinem figuratur, al ¡am ad intellectum seu similitudinem rei, tertiam ad ipsum sermonem interiorem complentem (complectentem?) tarn speciem significabilem quam vocis intentionem, quartam ad rem extra quae per vocem significatur intellectu movente. Respectu primi est signum naturale, quia omnis effectus naturaliter repraesentat illud cuius est effectus; sed respectu secundi, tertii et quarti est significativum ex institutione; sicut enim in voce interiori fit praecognitio vocis antequam fiat verbum mentale et deliberatur apud eam qua voce oporteat talem intellectum significari, ita vox exterior (60) sensibilis significabit illam speciem ex institutione facta apud animam deliberatione praecedente."

72

Die mittelalterliche Zeichentheorie von Abailard bis zum 14. Jahrhundert

rakter der 'inneren' oder 'geistigen Rede' ist damit, ohne daß jedoch die der transidiomatischen intentio significabilis ausfällt, zurückgenommen. als sermo interior ist die innere Rede für Ps.-Kilwardby offenbar nur als plexion der geistigen Begriffe und der gedachten sprachlichen Ausdrücke bar.

Ebene Denn Komdenk-

Der nach der Mitte des 13. Jahrhunderts in Oxford von Autoren wie Roger Bacon, Robert Kilwardby und Ps.-Kilwardby entwickelte Ansatz einer ganz auf dem Zeichenbegriff aufruhenden Thematisierung von Sprache und Grammatik bildet - trotz aller konzeptioneller Differenzen 1 2 7 - den theoretischen Ausgangspunkt für die wenig später in Paris entstehende „grammatica speculativa".

3. Die Grammatica speculativa Die mittelalterliche Grammatik steht zunächst in der Tradition Priscians. 128 Seit der Mitte des 11. Jahrhunderts formiert sich jedoch eine wachsende Kritik an den Lehren Priscians, 129 der, wie etwa Wilhelm von Conches bemerkt, zwar die verschiedenen Redeteile und grammatikalischen Formen beschrieben, dabei aber die Gründe für deren Einführung gänzlich übergangen habe („causas vero inventionis diversarum partium et diversorum accidentium ... praetermittit"). 1 3 0 Diese zunehmende Distanzierung von Priscian führt in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhundert zu einem deutlichen Neuansatz, zur Konstitution der grammatica speculativa,131 welche zu jener Zeit neben der terministischen Lo127

128 129 130

131

M . SLRRIDGE, The Science of Language and Linguistic Knowledge: John of Denmark and Robert Kilwardby, in: S. EBBESEN (Hg.), Sprachtheorie in Spätantike u. Mittelalter (1995) 109-134. Zur Geschichte der Grammatik s. R . H. ROBINS, Ancient and Mediaeval Grammatical Theory in Europe (1951). Vgl. L. M. DERIJK, Logica modemorum II/L (1967) 255-63. WILHELM VON CONCHES, De philosophia mundi, vgl. C H . THUROT, Extraits de divers manuscrits latins pour servir à l'histoire des doctrines grammaticales au moyen-âge ( 1 8 6 8 ) 1 7 . Zur Theorie An grammatica speculativa bzw. der modi significandi vgl. H. Roos, Die Modi significandi des Martinus de Dacia. Forschungen zur Geschichte der Sprachlogik im Mittelalter, (1952); G. R. GODFREY, The Language Theory of Thomas of Erfurt: Studies in Philosophy 57 (1960) 22-29; Ders., A Medieval Controversy concerning the Nature of a General Grammar: General Linguistics 7 ( 1 9 6 7 ) 7 9 - 1 0 4 ; B . E. O'MAHONEY, A medieval semantic: The scholastic 'Tractatus de Modis Significandi': Laurentianum 5 (1964) 448-486; J. PLNBORG, Mittelalterliche Sprachtheorien. Was heißt Modus significandi? in: Festschrift Heinrich Roos ( 1 9 6 4 ) 6 6 - 8 4 ; DERS. Die Entwicklung der Sprachlogik im Mittelalter ( 1 9 6 7 ) ; Ders., Die Logik der Modistae: Studia Mediewistyczne 16 (1975) 39-97; Ders., Speculative Grammar, in: Cambridge Hist, of Later Medieval Philos. (1982) 254-69; G. L. BURSILLHALL, Speculative Grammars in the Middle Ages ( 1 9 7 1 ) DERS., Towards a History of Linguistics in the Middle Ages, 1100-1450, in: Studies in the History of Linguistics: Tradition and Paradigms, hg. D. Hymes ( 1 9 7 4 ) 7 7 - 9 2 ; DERS., Some Notes on the Grammatical Theory of Boethius of Dacia, in: History of Linguistic Thought and Contemporary Linguistics, hg. H. Parret ( 1 9 7 6 ) 1 6 4 - 8 8 ; H. W . ENDERS, Sprachlogische Traktate des Mittelalters und der Semantikbegriff (1975) 37-56; P. H. SALUS, Universal Grammar 1000-1850, in: History of

Die Entstehung einer ausgearbeiteten Zeichentheorie im 13. Jahrhundert

73

gik den wichtigsten Rahmen philosophischer Reflexionen über Sprache bildet. Diese ab ca. 1270 in Paris ausgearbeitet vorliegende grammatische Theorie, die sich selbst als scientia speculativa begreift132 und ihre Aufgabe nicht darin sieht, Sprache zu lehren oder die Voraussetzungen zum korrekten Verständnis von Texten bereitzustellen, sondern die vielmehr die Natur und die formale Organisation von Sprache zu beschreiben und zu erklären sucht, entspricht ihrem allgemeinen Programm nach im wesentlichen der von Ps.-Kilwardy beschriebenen scientia de stgnis als einer rein formalen Betrachtung der Sprachzeichen.133 Die spekulative Grammatik abstrahiert, zumindest ihrem eigenen Anspruch nach, unter Rekurs auf die Begrifflichkeit von signum und significatio von allen konkreten Einzelsprachen - und im Prinzip sogar von der Vokalsprache im Allgemeinen. Denn daß sie sich mit den sprachlichen Ausdrücken, bzw. genauer mit der Strukturen der vokalsprachlichen Zeichensysteme befaßt, ist ihr nicht wesentlich. Alles nämlich, „was Zeichen einer bezeichneten Sache sein kann", kann, wie Martin von Dacien betont, „auch Gegenstand der Betrachtung eines Grammatikers sein." Nur weil die sprachlichen Ausdrücke im Vergleich zu den körperlichen Gesten, der Sprache der Augen und dergleichen die wichtigeren und zur allgemeinen Mitteilung geeigneteren sind, handelt der Grammatiker von jenen und nicht von diesen. Das aber ergibt sich, wohlgemerkt, per accidens.134 Insofern ist die Grammatik, wie Johannes von Dacien betont, auch nur „zufällig" {per accidens) eine scientia sermocinalis.m Der Anspruch auf Wissenschaftlichkeit war angesichts der aristotelischen Bestimmung von Wissenschaft als Erkenntnis des Allgemeinen nur unter der Linguistic Thought and Contemporary Linguistics, hg. H . Parret ( 1 9 7 6 ) 8 5 - 1 0 1 ; J . A. TRENTMAN,

Speculative Grammar and Transformational Grammar: A Comparison of Philo-

sophical Presuppositions, in: History of Linguistic Thought and Contemporary Linguistics, hg. H . Parret ( 1 9 7 6 ) 2 7 9 - 3 0 1 ; I. ROSIER, La théorie médiévale des modes de signifier: Langages 6 5 ( 1 9 8 2 ) 1 1 7 - 1 2 8 ; DIES., La grammaire spéculative des Modistes ( 1 9 8 3 ) ; DIES., Signes et Sacrements. T h o m a s d'Aquin et la grammaire spéculative: Revue des Sciences philosophiques et théologiques 7 4 ( 1 9 9 0 ) 3 9 2 - 4 3 6 ; R . LAMBERTINI, Sicut tabernarius vinum

significai per circulum: Directions in contemporary interpretations of the Modistae, in: On the Medieval Theory of Signs, hg. U. E c o u. C. M a r m o ( 1 9 8 9 ) 1 0 7 - 4 2 ; C. MARMO,

132

133

134

135

Semio-

tica e linguaggio nella scolastica (1994). BOETHIUS DE DACIA, Modi significandi q. 3, 6 2 f ( 1 9 6 9 ) 18. Vgl. BOETHIUS DE DACIA, Modi significandi q. 10, 4 1 : „grammaticus vocem considérât, secundum quod ipsa est rei signum et modorum significandi subiectum." MARTINUS DE DACIA, De modis significandi, 1 0 ( 1 9 6 1 ) 7 : „Et sciendum quod vox per accidens consideratur a grammatico. Quia omne quod potest esse signum rei significatae etiam potest esse de consideratione grammatici. Sed quia vox est habilius signum quam aliquid aliud, utpote nutus corporeus et conniventia oculorum et huiusmodi, ideo plus consideratur a grammatico; et intelligendum quod hoc est per accidens." Vgl. JOHANNES DE DACIA, Summa grammatica ( 1 9 5 5 ) 1 8 6 , l l f f : „... dicendum est, quod grammaticus vocem per se, ita quod per essentiam suam, non considérât, nec considérât vocem in quantum significativa est, considérât tarnen ipsam, in quantum est signum habile respectu conceptuum grammaticalium." JOHANNES DE DACIA,

Summa grammatica ( 1 9 5 5 ) 5 7 , 12f.

74

Die mittelalterliche Zeichentheorie von Abailard bis zum 14. Jahrhundert

Voraussetzung begründbar, daß die Grammatik Universalgrammatik

ist und

nicht die je verschieden konstruierten Reden sondern die in allen Sprachen identischen F o r m e n und Strukturen zum Gegenstand hat. Diese sich aus dem Wissenschaftsanspruch der Grammatik ergebenden Konsequenzen wurden, sowohl was die Abstraktion von der konkreten Rede, als auch was die Einheit der Grammatik betrifft, bereits von den o x f o r d e r Autoren deutlich formuliert. 1 3 6 Die Modisten postulieren nicht nur die Identität der Universalgrammatik, sie geben - denn auch dies gehört zum Geschäft einer regulären Wissenschaft - die Ursache hierfür an: omnia idiomata sunt una grammatica. Et causa huius est, quia cum tota grammatica accepta sit a rebus ... et quia naturae rerum sunt similes apud omnes, ideo et modi essendi et modi intelligendi sunt similes apud omnes illos, apud quos sunt illa diversa idiomata, et per consequens similes modi signifìcandi, et ergo per consequens similes modi construendi vel loquendi. Et sic tota grammatica, quae est in uno idiomate, est similis illi, quae est in alio idiomate - (alle Sprachen sind hinsichtlich der Grammatik identisch. Der Grund dafür ist, daß die gesamte Grammatik von den Dingen her entwickelt ist..., und weil die Naturen der Dinge bei allen Menschen ähnlich sind, so sind auch die Seinsweisen und die Erkenntnisweisen [selbst] bei all jenen ähnlich, bei denen die Sprachen unterschiedlich sind, und folglich sind auch die Bezeichnungsweisen ähnlich und somit ebenfalls die Weisen der Sprachkonstruktion oder des Sprechens. Und somit ist die ganze Grammatik, die sich in einer Sprache findet, ähnlich der in einer anderen Sprache).« 7 Die grammatica

speculativa

entwickelt damit die allgemein anerkannte ari-

stotelische Auffassung, daß ebenso wie die Natur der Dinge auch die geistigen Begriffe bei allen Menschen dieselben („iidem apud o m n e s " ) sind, weiter zu der These von der die Universalgrammatik aller Sprachen tragenden zwischen den Seinsweisen der Dinge (modi essendi), Intellekts ( m o d i intelligendi)

und den Bezeichnungsweisen (modi

der verschiedenen Wortklassen (nomina, grammatischen Akzidentien (numerus, 136

verba,

casus).138

Isomorphic

den Erkenntnisweisen des

adiectiva,

adverbia

significando etc.) und

Obwohl es sich bei den W ö r -

Bereits ROBERT KlLWARDBY betont (vgl. G. L. BURSILL-HALL, The Grammatical Doctrine of Boethius of Dacia ( 1 9 7 6 ) 1 7 0 ) : „Cum scientia maneat eadem apud omnes, et subiectum eius idem manet, quare subiectum grammaticae debet manere idem in omnibus. Sed oratio constructa vel vox literata ordinabilis propter congruum non idem manet apud omnes; quare non erit subiectum grammaticae." Zur Universalität der Grammatik vgl. ROGER BACON, Grammatica graeca (hg. NOLAN/HIRSCH, p. 27): „Grammatica una et eadem est secundum substantiam in omnibus Unguis, licet accidentaliter varietur." Ein der pariser Grammatica speculativa vergleichbares Konzept der modi signifìcandi findet sich bei den oxforder Autoren allerdings noch nicht. Der Begriff 'modus signifìcandi' bezieht sich hier lediglich auf die Unterscheidung der Zeichen in natürliche und eingesetzte (Vgl. ROGER BACON, Opus tertium ( 1 8 5 9 ) 1 0 0 ; PS.-KlLWARDBY, Comment, sup. Prise, maiorem ( 1 9 7 5 ) 64).

137

138

De modis significandis, q. 2, 42ff (1969) 12. Vgl. JOHANNES DE DACIA, Summa grammatica (1955) 54f: „...grammatica est accepta a rebus... Sed nature rerum sunt eedem secundum speciem et essentialiter apud omnes, ergo et earum proprietates, que sunt modi essendi, a quibus accipiuntur modi intelligendi et per BOETHIUS DE DACIA,

Die Entstehung einer ausgearbeiteten Zeichentheorie im 13. Jahrhundert

75

tern um willkürlich eingesetzte Zeichen handelt (daher die Verschiedenheit der Idiome), stehen die Bezeichnungsweisen derselben, vermittelt über die Erkenntnisweisen, mit den Seinsweisen der bezeichneten Dinge in einem natürlichen Korrespondenzverhältnis (daher die grammatikalische Identität der Idiome). Die Einsetzung der sprachlichen Ausdrücke zum Bezeichnen (impostilo ad significandum) ist hinsichtlich der Bezeichnungsweisen letztlich durch die Eigenschaften der Dinge motiviert. Da sich nämlich die willkürlichen sprachlichen Ausdrücke von sich aus gänzlich indifferent gegenüber jeglicher Signifikation verhalten, müssen sie durch den Intellekt des Sprachinstitutors zur Bezeichnung von Bestimmtem determiniert werden.139 Dieser Intellekt muß jedoch, wie etwa Thomas von Erfurt meint, als passives und von sich selbst her unbestimmtes Vermögen, seinerseits hierzu erst durch die Dingeigenschaften determiniert und motiviert werden.140 Insofern korrespondiert jedem modus significandi eine Eigenschaft oder Seinsweise des bezeichneten Dinges. Die grammatische Struktur jeder Aussage ist damit bis in ihre einzelnen Komponenten hinein gleichsam Abbild eines extramentalen sachlichen Zusammenhanges. So konzipiert, ist Sprache ihrem Ursprung und Wesen nach philosophisch. Der Sprachinstitutor, der eben nicht nur Namengeber ist, sondern die grammatikalischen Strukturen und Regeln der Sprache festgesetzt oder genauer: der Ordnung der Dinge entsprechend eingericht hat, ist unter der Voraussetzung einer solchen Sprachauffassung nicht Grammatiker sondern Philosoph.141 Ist das Begriffsfeld von signum und significatio die Grundlage für die Entstehung des Programms der nicht mehr auf konkrete Formen von Rede bezogenen grammatica speculativa, so ist es zugleich der Ansatzpunkt, von dem aus diese consequens modi significandi et postmodum modi construendi." Vgl. JOHANNES DE DACIA, Summa grammatica (1955) 106: „... quia (vox) indifferentiam de se habet ad significandum respectu quorumcumque, cum aliquando fit significativa, oportet, quod ab aliquo ad significandum aliquid determinetur. Illud determinans est intellectus, a quo vox recipit suam significationem seu impositionem, propter quod vox dicitur esse significativa ad placitum..." 140 Vgl THOMAS VON ERFURT, Grammatica speculativa, cap. 2 η. 6: „.... notandum, quod cum huiusmodi rationes, sive modi significandi activi non sint figmenta, oportet omnem modum significandi activum ab aliqua rei proprietate radicaliter ori ri; quod sic patet; quia cum intellectus vocem ad significandum sub aliquo modo significandi activo imponit, ad ipsam rei proprietatem aspicit, a qua mdoum significandi activum originaliter trahit; quia intellectus cum sit virtus passiva, de se indeterminata, ad actum determinatum non vadit, nisi aliunde determinetur: unde cum imponit vocem ad significandum sub determinato modo significandi activo, a determintata rei proprietate necessario movetur: ergo cuilibet modo significandi activo, correspondet aliqua proprietas rei, seu modus essendi rei." 1 4 1 BOETHIUS DE DACIA, Modi significandi q. 1 (1969) 6f: „qui invenit earn (se. grammaticam), non fuit grammaticus, sed erat philosophus proprias naturas rerum diligenter considerans. Modi enim significandi ... a modis intelligendi accepti sunt, et quanta est differentia inter modos significandi, tanta est differentia inter modos intelligendi, a quibus accepti sunt. Modi autem intelligendi accepti sunt a propriis modis essendi rerum..." 139

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Die mittelalterliche Zeichentheorie von Abailard bis zum 14. Jahrhundert

im 14. Jahrhundert von Ockham, Buridan, Aurifaber, Pierre d'Ailly und anderen kritisiert und „destruiert" wird. 142 Was Ockham an der modistischen Grammatik verwirft, ist nicht das Konzept einer allen gesprochenen Sprachen in identischer Form zugrundeliegenden Universalgrammatik; denn um eine solche handelt es sich letztlich auch bei der von ihm selbst skizzierten Grammatik der oratio mentalis. Zwei andere Aspekte stehen im Vordergrund: zum einen die Behauptung der strikten Strukturanalogie von Sprache (mental oder vokal) und äußerer Realität, d.h. die „consimilis distinctio inter voces vel intentiones in anima significantes et inter ipsa significata";143 zum anderen ist es die mit der Rede von den modi significarteli verbundene unzulässige Hypostasierung derselben. Die verschiedenen signifikativen sprachlichen Ausdrücke 'haben' nicht verschiedene Bezeichnungsweisen, sondern bezeichnen nur auf verschiedene Weise das, was sie bezeichnen.144 Die unter den Modisten verbreitete Charakterisierung der ratio significandi bzw. des modus significandi activus als etwas im Einsetzungsakt dem sprachlichen Ausdruck Hinzugefügtes (dictioni superadditum)145 und diesem als seinem Subjekt Inhärierendes146 steht zumeist im Zentrum der späteren Auseinandersetzungen mit der Theorie der modi significandi,147 Zur Debatte steht damit die washeitliche Bestimmung der Signifikation, die Frage also danach, wie - bzw. ob überhaupt - die ratio significandi ontologisch beschreibbar ist. Nach Aurifaber ist das „Zeichensein" (esse signum) nichts zur Lautmaterie real nach Art eines Akzidens Hinzukommendes. Und in genau diesem Sinn wird die Existenz der modi significandi geleugnet. Ein sprachlicher Ausdruck ist allein durch seinen Gebrauch signifikativ, nicht aber aufgrund von etwas, das ihm wie eine Form oder Qualität zugeeignet ist („... negatur modus significandi, quia vox 142 YGI hierzu J. BLARD, Logique et théorie du signe au XTVe siècle (1989) chap. 4: „Les critiques sémiologiques de modes de signifier"; Vgl. L. KACZMAREK, Modi significandi und ihre Destruktionen (1988). 143 144

145 146 147

WILHELM VON OCKHAM, Expos, in lib. PorphyrU de praedicabilibus, OP II (1978) 158. WILHELM VON OCKHAM, Summa logicae III, 4, cap. 10, 193f (OP I, 1974) 798: „... est me· taphorica locutio, dicendo quod dictiones habent diversos modos significandi, quia per talem orationem intelligitur ist oratio 'diversae dictiones diversimode significant illa quae significant'." Vgl. THOMAS VON ERFURT, Grammatica speculativa, cap. 6. Ebd., cap. 5. Damit freilich wird letztlich keine genuine Eigenlehre der Modisten attackiert, sondern ein Lehrstück, das diese nur von der älteren Grammatik übernommen haben (vgl. PETRUS HELIAS, summa super Priscianum (1978) 54: „vox est materia nominis, imposito vero facta est ad significandum, quasi forma nominis quare additur ipsi voci." Vgl. Ps.-KLLWARDBY, Comment, in prise, ma. (1975) 80: „Dicendum quod significativa potest dupliciter consideran: uno modo in quantum vox et secundum suam substantiam, et sic eius forma est modus proferendi. Alio modo in quantum est significativa, et sic potest dici quod eius forma est significatio, non substantialis sed accidentalis."). Es handelt sich vielmehr um ein Lehrstück, das, im Rückgang auf Augustinus, mittelalterlich verbreitet ist und sich ebenso bei Thomas von Aquin und den Thomisten findet. S. Kap. IV, Anm. 84f.

Die geistigen Begriffe als Zeichen

77

ex solo usu et exercitio significat et non ex aliquo, quod sibi formaliter vel subiettive acquiratur"). 1 4 8 Der eigentliche, vorrangige Ort der Signifikation ist nicht die vox sondern der Intellekt selbst. 149 Das Bezeichnen ist nicht, wie die Modisten behaupten, ein Akzidens der vox, sondern des Intellekts. 150 Insofern haben, wie auch Pierre d'Ailly betont, die Modisten sich vergeblich bemüht, die ratio significandi als eine Art Entität in die sprachlichen Ausdrücke zu legen. Denn der Grund der Signifikation liegt nicht in der signifikativen vox sondern in dem die bezeichnete Sache erfassenden Intellekt. 151 Diese Kritik hat, wie die grammatica speculativa selbst, ihre Grundlage in der um die Mitte des 13. Jahrhunderts einsetzenden Neubewertung und Neubestimmung des Zeichens. Denn die Verlagerung der Signifikation auf die Ebene des Intellekts bzw. der Konzepte setzt voraus, daß entgegen aller augustinischen Vorgaben, die geistigen Begriffe selbst Zeichencharakter haben.

C. Die geistigen Begriffe als Zeichen In der Logik des 12. und frühen 13. Jahrhunderts besitzt der Zeichenbegriff noch nicht den Status einer grundlegenden Kategorie. Wenn hier der Begriff 'signum' terminologische Verwendung findet, dann zumeist in einem sehr speziellen, technischen Sinn zur Bezeichnung der die Suppositionsweise kategorematischer Termini festlegenden synkathegorematischen Ausdrücke (z.B. omnis, ntillus als „signa universalia", quidam, aliquis als „signa particularia"). 152 Generell wurde im Anschluß an Aristoteles und die boethianische Übersetzung von einem 'significare' nur hinsichtlich der sprachlichen Ausdrücke und der geschriebenen Wörter gesprochen. Die geistigen Begriffe (passiones animae, intel-

lects, conceptúe) galten als similitudines nicht aber als signa rerum. Um die Mitte des 13. Jahrhunderts vollzieht sich hier eine konzeptionelle Verschiebung, die, zunächst scheinbar nur eine Nuancierung, von fundamentalen Konsequenzen für die weitere Entwicklung der Zeichentheorie sein wird: Die Konzepte 148

149

150

151

152

JOHANNES AURIFABER, Determinationes de modis significandi ( 1 9 6 7 ) 2 2 7 . Vgl. ebd.: „... esse signum non est aliquid accidens in voce, nam non est nisi usus vocis pro alio. Sed ex hoc, quod nos utimur aliqua pro nostra volúntate, ex hoc nichil illi rei acquiritur, nisi usus et operatio nostra circa illam rem." Ebd. 2 2 6 : „... significare et consignificare est duobus modis, uno modo principal i ter, et sic intellectus noster significat et consignificat, et unus homo alicui per intellectum tamquam per agens principale. Alio modo dicitur significare et consignificare secundario tamquam quo, et sic vox significat et consignificat." Ebd. 2 2 9 : „... significare est accidens intellectus; sed vox est illud quo significat intellectus." PIERRE D'AILLY, Conceptus (s. a.) fol. b4rb-va: „Frustra ... et in cassum laborant qui nituntur ponere rationem significandi aliquam entitatem in voce existente ex qua ipsa vox sit formaliter significativa, quoniam ratio significandi non est in voce significante, sed in intellectu ipsam rem significatam apprehendente." Vgl. z.B. Lo&ca „ut dicit", in: L. M . DE RlJK, Logica modernorum II/2 ( 1 9 6 7 ) 3 8 3 .

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Die mittelalterliche Zeichentheorie von Abailard bis zum 14. Jahrhundert

selbst werden - ohne dadurch jedoch ihren Status als Ähnlichkeiten der Dinge zu verlieren - als Zeichen der Dinge bestimmt. Zwar gibt es Ansätze dazu bereits vorher. Boethius hatte bei seiner Darstellung des Ordo orarteli die intellectus als „rerum significativi" charakterisiert und war damit über die Vorgaben des aristotelischen Textes hinausgegangen. Eine ebensolche Abweichung von der Textvorlage zeigt sich an einer Stelle bei Anselm von Canterbury und zwar gerade im Zusammenhang mit der Exposition und Begründung der augustinischen Lehre von der Eminenz des geistigen Wortes. Die verba mentis können, wie Anselm sagt, „non absurde dici tanto veriora, quanto magis rebus quarum sunt verba similia sunt et eas expressius signant". 1 5 3 Geistiges und körperliches W o r t sind hier nicht, wie bei Augustinus, durch den Hiatus der absoluten Differenz von Unmittelbarkeit und bloßer Zeichenhaftigkeit getrennt. Ihr Verhältnis ist, trotz aller auch von Anselm betonten Verschiedenheit, beschreibbar mittels einer graduellen Differenzierung hinsichtlich der Ausdrücklichkeit des Bezeichnens. Auch Abailard dehnt den Zeichenbegriff über den engeren Bereich sinnlich wahrnehmbarer Gegenstände aus, wenn er die, wiewohl von ihm deutlich von den intellectus unterschiedenen Vorstellungsbilder der imaginatio als „quaedam intersigna" bezeichnet. 154 Aber solche vereinzelten Anwendungen von Zeichenbegrifflichkeit auf den mentalen Bereich erfolgen eher beiläufig und ohne daß etwas aus ihnen folgt. Erst um 1 2 5 0 verdichten sie sich zu einer dann schnell auf breiter Front sich durchsetzenden Tendenz. 1 5 5 Biard nennt diese Erweiterung des Zeichenbegriffs auf die „passions de l'âme" eine „tendence commune aux textes oxoniens de cette période". 1 5 6 Das ist richtig. Sie ist jedoch keineswegs ausschließlich auf das Oxforder Milieu begrenzt. Denn ebenso wie Roger Bacon und Ps.-Kilwardby charakterisieren auch Nicolaus von Paris, 157 Lambert von Auxerre 1 5 8 oder AeMonologion c. 1 0 , opera omnia 1 ( 1 9 6 8 ) 2 5 . Logica ingredientibus, glossae super peri ermenias (1927) 3 1 5 f ; vgl. den

153

ANSELM VON CANTERBURY,

154

PIERRE ABAILARD,

155

156

stark von Abailard abhängigen Perihermeneias-Kommentar Paris B.N. 15.015; vgl. L. M. DE RlJK, Logica modernorum (1967) II/1.212. Daß sich das Zeichen nicht ohne weiteres, wie in der Augustinischen Definition, auf sinnliche Wahrnehmbarkeit festlegen läßt, scheint kurz vor 1250 im Kontext sakramentaltheologischer Erörterungen bemerkt worden zu sein. So räumt RICHARD FLSHACRE (ca. 1235/45) in seinem Kommentar zum 4. Sentenzenbuch unter Hinweis auf den eucharistischen Leib Christi und den der Seele im Taufakt eingeschriebenen 'character' ein, daß „aliqua signa sunt tantum intelligibilia et speciem nullam ingerunt sensibus". Das Abrücken von der Augustinischen Zeichendefinition erfolgt hier gleichwohl mit erdenklicher Behutsamkeit. Diese kann zwar nicht mehr als die „universalis definitio signorum" gelten; immerhin jedoch als die „eorum quae proprissime et magis communiter et magis universaliter sunt signa, id est signorum potissime." Vgl. I. ROSIER, La parole comme acte (1994) 114. Vgl. J . BLARD, Logique et théorie du signe au XZVe siècle (1989) 28. Einen spezifisch englischen, von der pariser Logik abweichenden Ansatz meinte bereits J. PLNBORG (The English

Contribution 157

to Logic before Ockham (1979) 35) hierin sehen xu Wonnen.

Vgl. NICOLAUS VON PARIS, Syncategoreumata, hg. Braakhuis (1979) 1: „... omnis vox est ad significandum, quoniam, ut dicit Aristoteles, voces sunt notae earum quae sunt in anima

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Die geistigen Begriffe als Zeichen

gidius Romanus 1 5 9 die Konzepte als Zeichen. Die Konsequenzen dieser Neubestimmung sind mannigfaltig und von z.T. fundamentaler Bedeutung für die weitere Entwicklung der Zeichentheorie: 1. Der Begriff des Zeichens ersetzt bei der Bestimmung der geistigen Begriffe den der sitnilitudo. Zwar werden sie in der Regel durchaus noch als Ähnlichkeiten der Dinge aufgefaßt, prinzipiell ist damit aber die Möglichkeit eröffnet, das Zuordnungsverhältnis der Begriffe zu den Dingen nicht mehr in einer Ähnlichkeitsbeziehung zu suchen. Denn eine Zeichenbeziehung kann ebenso wie in einer Ähnlichkeit - oder einem willkürlichen Einsetzungsakt - auch in einem kausalen Abhängigkeitsverhältnis begründet sein. 2. Es erfolgt eine Neubestimmung des Zeichenbegriffs selbst. Die das Zeichen auf sinnliche Wahrnehmbarkeit festlegende augustinische Zeichendefinition wird, da sie eben auf die geistigen Begriffe nicht anwendbar ist, vielfach als zu eng gefaßt abgelehnt 160 oder aber ihrer Intention nach erweitert. So bemerkt Scotus hinsichtlich des von Augustinus in seiner Definition über das Zeichen Gesagten: „Quod verum est non solum de signo sensibili accipiendo sensum stricte pro sensu corporali, sed verum est etiam de signo [corr. ex: sensum] incorporali, accipiendo sensum generaliter pro potentia cognitiva." 1 6 1 3. Das Zeichen besetzt von nun an die zentrale Stelle des 'semiotischen Dreiecks'. Dasjenige, welches die Beziehung zwischen dem äußeren Zeichen und dem Referenzobjekt herstellt und garantiert, hat selbst Zeichencharakter. Dadurch gewinnt der Begriff des signum generell an Bedeutung, da er so eine durchgehend einheitliche Strukturierung der Elemente des ordo orandi ermög-

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161

passionum, idest significant intellectus, qui sunt signa rerum; et ita voces significant res...". In den wohl ebenfalls von Nicolaus von Paris stammenden Summe metenses (vgl. BRAAKHUIS, English Tracts on Syncategorematic Terms (1981) 135) wird die Bezeichnung der synkategorematischen Ausdrucke als signa von der Rede von den sprachlichen oder intellektuellen Zeichen abgehoben {Summe metenses, L.M. DE RLJK, Log. Mod. 2/1.482): „... signa nuncupantur, quia significant modum significandi vel supponendi quem habet terminus cui adduntur, cum signum sit, ut dicit Augustinus, quod preter speciem sensibilem quam sensibus ingerit, aliud in mente venire facit. Ut patet de circulo per quem vinum venale apprehenditur. Licet igitur omnis vox signum dicatur, sicut innuit Aristoteles quod voces sunt signa intellectuum, intellectus autem rerum et ita voces rerum, iste tarnen dictiones signa dicuntur antonomastice quia sunt signa signorum, idest significant modos supponendi in signis rerum..." Vgl. LAMBERT VON AUXERRE, Logica (1971) 2 0 5 : „Significatio termini est intellectus rei ad quem intellectum rei vox imponitur ad voluntatem instituentis: nam, sicut vult Aristoteles in primo Perihermeneias voces sunt signa passionum quae sunt in anima, id est in intellectu; intellectus autem sunt signa rerum." AEGIDIUS ROMANUS, Expositio in artem veterem ( 1 5 0 7 ) fol. 47vb: „... illa quatuor se habent per ordinem, littere, voces, similitudines et res: littere sunt note vocum: et voces sunt significate a litteris: et sunt signa passionum: passiones sunt sígnate a vocibus: et sunt signa rerum, et res sunt ita sígnate quod non sunt signa." Vgl. R O G E R BACON, De signis, I, 2 , vgl. Anm. 4 8 ; Ps.-KLLWARDBY, Comment, sup. Priscianum maiorem (1975) 4, vgl. Anm. 113. JOHANNES DUNS SCOTUS, Ord.

I V d.6 q . 1 0 n.5, op. omn. ( 1 8 9 1 - 9 5 )

16.620b.

80

Die mittelalterliche Zeichentheorie von Abailard bis zum 14. Jahrhundert

licht. Infolgedessen tritt auch Boethius' terminologische Bestimmung der voces und scripta als notae mehr in den Hintergrund und wird, ohne freilich ganz aufgegeben zu werden, überwiegend durch den Begriff des Zeichens ersetzt. Dem aristotelischen Basistext der mittelalterlichen Signifikationstheorie {De int. I, 16a 3ff) zufolge waren die geschriebenen Wörter σύμβολα der sprachlichen Ausdrücke, diese σημεία und σύμβολα der passiones animae und diese wiederum ομοιώματα (similitudines, Ähnlichkeiten) der äußeren Sache. Diese Triplizität der Termini war von Boethius - der Sache nach wohl in Ubereinstimmung mit der aristotelischen Intention - auf eine Zweiheit reduziert worden, indem er die Schrift und die gesprochenen Wörter in identischer Weise als notae bestimmte. Was nun um die Mitte des 13. Jahrhunderts sich vollzog, war die weitere Reduzierung der in der boethianischen Übersetzung noch bestehenden Zweiheit von nota und similitudo auf den einheitlichen Begriff des signum. Einer solchen Reduktion steht jedoch nicht allein die Augustinische Bestimmung des Zeichens entgegen; es gibt für sie auch, anders als für die von Boethius vorgenommene Vereinheitlichung, im aristotelischen Text selbst keinen Ansatzpunkt.162 Dennoch wird in auffälliger Einhelligkeit die Neubestimmung der Konzepte als Zeichen nicht gegen die aristotelische Lehre, sondern als aristotelische Lehre eingeführt.163 Jene Autoren, die den Konzepten Zeichencharakter zuschreiben, tun dies, wie sich bei Nicolaus von Paris,164 Roger Bacon, 165 Lambert von Auxerre,166 Heinrich von Gent, 167 Richard von Middleton168 u.a. 169

162

Zur Abhebung der als natürliche Ähnlichkeiten bestimmten Konzepte von den willkürlichen symbola oder signa vgl. AMMONIUS, Commentaire sur le Peri Hermeneias d'Aristote. Traduction de Guillaume de Moerbeke ( 1 9 6 1 ) 3 7 : „... conceptiones quidem similitudines vocat (sc. Aristoteles) rerum, voces autem non vult vocare similitudines conceptionum, sed symbola et signa, et litteras vocum. Differì autem similitudo a symbolo, secundum quod similitudo quidem naturam ipsam rei, prout possibile est, repraesentare vult, et non est in nobis ipsam fingere ..., symbolum vero aut signum (utroque enim modo nominai ipsum Philosophus) totum in nobis habet, tamquam subsistât ex sola nostra intentione..."

163

S o bereits bei AGANAFAT, Thesaurus philosophorum ( 1 9 8 0 ) 1 1 5 : „Dicimus quod cum Aristotiles quod sicut est in voce ita est in anima, debet sic intelligi quod sicut similitudines que sunt in anima, sunt signa ipsarum rerum, ita voces sunt signa ipsarum similitudinum que sunt in a n i m a . " Vgl. Anm. 157. Vgl. Anm. 4 8 . Vgl. Anm. 158. Vgl. HEINRICH VON GENT, Summa quaestionum ordinarium, a. 7 3 q. 6 ( 1 5 2 0 ) 2. fol. 2 7 2 v : „Secundum Philosophum in libro peri herme. Voces sunt notae intellectuum, et earum passionum quae de rebus sunt in anima, quae sunt conceptus: et verba mentalia nullius linguae sunt: et notae rerum proxime et immediate: quae si in mente non essent, notas rei vocales ad significandum res quaerere non possemus."

164 165 166 167

168

169

Vgl. RICHARDUS DE MEDIA VILLA, Super quatuor libros sententiarum... quaestiones subtilissimae, 1 d. 2 2 a . l ( 1 5 9 1 ) 2 0 4 a : „...Phil. lib. I. periherm. Voces sunt notae earum passionum, quae sunt in anima, et intellectus sunt signa rerum." Vgl. OCKHAM, Expos, iti lib. periherm. ( 1 9 7 8 ) 3 4 7 ; HUGOLINUS VON ORVIETO, Physikkommentar ( 1 9 7 2 ) 7 8 ; Noch die CONIMBRICENSES (Comment. in univ. Artist, dial., t. 2 ( 1 6 0 7 )

Die geistigen Begriffe als Zeichen

81

zeigt, überwiegend in dem Bewußtsein, damit die Auffassung des Aristoteles zu vertreten. Scotus meint Aristoteles für diese Auffassung geradezu zitieren

zu

können: „intellectio ut est obiecti, est signum naturale eius (I. Peri Hermeneias: „Passiones sunt notae rerum" et hoc naturaliter)." 170 Ganz gleich, welche philologischen Gründe für dieses Phänomen einer allgemein verbeiteten Lektüre von etwas, das weder im Aristotelischen Text noch in dessen Ubersetzungen von Boethius oder Moerbeke steht, anzusetzen sind; für die Plausibilität und die faktische Durchsetzung dieser Aristotelesaneignung dürfte die Suggestivkraft der Einheitlichkeit eine entscheidende Rolle gespielt haben. Der aristotelisch-boethianische ordo orarteli wird so nämlich durchgängig im Begriffsfeld des Zeichens beschreibbar, denn: littere, voces, passiones anime et res sunt adinvicem ordinata secundum rationem signi et significati, quia littere significant ipsas voces, et voces anime passiones, passiones anime autem significant ipsas res. - (Schrift, Sprache, Begriffe und Dinge sind gemäß dem Begriff des Zeichens und Bezeichneten einander zugeordnet, denn die Schriftzeichen bezeichnen die sprachlichen Ausdrücke und die sprachlichen Ausdrücke die Leidenschaften der Seele, die Leidenschaften der Seele aber die Sachen selbst). 1 7 1

Nicht zuletzt deshalb verhandelt man das Lehrstück später zumeist unter Bezeichnungen wie „ordo in significando", 172 „ordo significationis" 173 oder „ordo signorum". 174 Diese Tendenz zur Vereinheitlichung und Analogisierung der Elemente des ordo significationis kann sogar dazu führen, daß die mit der Zei-

170 171

172

173

174

17) behaupten hinsichtlich der Bestimmung der Konzepte als Zeichen, obwohl auch der von ihnen abgedruckte Text von Periherm. I nichts dergleichen enthält: „Neque hoc latuit Aristotelem, cum hoc cap. inter signa conceptus enumeravit." SCOTUS, Ord. I d. 22 q un., appendix A, opera omnia (1950ff) 5.388, 22-23. ANTONIUS ANDREAS, Scriptum in arte veteri (1508) fol. 63va. Vgl. OCKHAM, Expos, in lib. Periherm., in: Opera philosophica, t. 2 (1978) 347. Vgl. LAMBERTOS DE M O N T E , Copulata supra veterem artem Arisi, sec. viam thomistarum (1488) fol. 135rab: „Aristoteles in ista propositione famosa et magne subtilitatis tria proponit ex quorum uno intelligitur quartum. proponit enim scripturam voces et anime passiones, ex quibus intelligitur res ad extra. (...) Est autem inter illa quattuor talis differentia. Nam scripta sunt signa tantum scilicet vocum et non signata. vox autem est signum et signatum simul respectu diversorum quia signum rei conceptae et signatum scripti, res concepta seu passio similiter est signum et signatum, signum rei ad extra et signatum vocis, sed res ad extra est signatum tantum. (...) Notandum quod inter praedicta quattuor est duplex ordo. Unus est in significando, et sic scriptum est primum, deinde vox, tertio res concepta et ultimo res ad extra. Alius est ordo in essendo, et sic est praecise oppositus ordo..."; ANTWERPENER KOMMENTAR, Loycalia... cum ...commento (1486) fol. B2r; vgl. FRANCISCUS MURCIA DE LA LLANA, Selecta circa Aristotelis dialecticam (1621) 403b-404a. Vgl. THOMAS VON AQUIN: Expos, lib. peryermenias I 2, Op. omn. I 1, hg. Commissio Leonina, 2., verb. Aufl. (1989) 9a; WALTER BURLEIGH: Comment, in lib. Periherm. (comment. medius), hg. S. F. BROWN, FS 33 (1973) 52. Vgl. WALTER BURLEIGH, Super artem veterem (1497) fol. k3va: „Talem igitur ordinem signorum assignat hic Aristoteles, scilicet passiones anime hoc est similitudines rerum existentium in anima significant res extra, et nomina et verba prolata significant passiones anime..."; vgl. JOHANNES RAULIN, In logicam Aristotelis commentarium (1500) fol. g4ra.

82

Die mittelalterliche Zeichentheorie von Abailard bis zum 14. Jahrhundert

chenordnung verbundene Lehre von der triplex oratio auch auf das vierte Element der Zeichenordnung, die res, hin erweitert wird. Das ist der Ursprung für Walter Burleighs später vieldiskutierte und umstrittene Lehre von der propositio in re.17S 4. Die durch die Charakterisierung der Konzepte als signa rerum eröffnete Möglichkeit, das Verhältnis von scriptura, vox, conceptus und res durch das Begriffspaar von signurn und signatum zu regulieren, hat Konsequenzen für die Frage nach dem Signifikat der sprachlichen Ausdrücke, d.h. für die „difficilis dubitatio utrum vox significet species apud animam an res" (schwierige Frage, ob der sprachliche Ausdruck das Erkenntnisbild in der Seele oder die Sache bezeichnet). 1 7 6 Die Kontroverse hierüber hat eine lange Tradition. Wenn Scotus von der „magna altercatio ... de voce, utrum sit signum rei vel conceptus", dem großen Streit über den sprachlichen Ausdruck, ob er Zeichen der Sache oder des Begriffs ist, spricht, 1 7 7 so steht dahinter offenbar eine Passage des Perihermeneias-Kommentars von Boethius, an der dieser, seinerseits Porphyrius referierend, auf die bereits bei den „antiqui philosophi" umstrittene Frage hinweist, „quid esset proprie quod vocibus significaretur" (was es eigentlich ist, das von den sprachlichen Ausdrücken bezeichnet wird). 1 7 8 Zunächst liefert das Modell der von den scripta zu den res durchlaufenden Signifikationsbeziehung ein starkes Argument für die alte, von den griechischen Aristoteles-Kommentatoren ausgebildete, über Boethius 179 der lateinischen Tradition vermittelte 180 und besonders durch Thomas von Aquin verbreitete 181

175

BURLEIGH, Super artem veterem ( 1 4 9 7 ) fol. c4ra: „Est ... talis ordo in significando secundum Philosophum primo Perihermenias: litterae scriptae significant voces prolatas et voces prolatae passiones animae et passiones animae idest conceptus animae significant res. undo sicut in isto ordine est dare primum significans scilicet litteram scriptam, ita est dare ultimum significatum, quod sic significatur, quod ulterius non significat. et illud non potest esse conceptus. ergo est res... ergo in rebus est aliquod compositum, cuius subiectum est res et praedicatum similiter, quod dicitur propositio in re." Vgl. W . HÜBENER, Studien zur

Theorie der kognitiven Repräsentation in der mittelalterlichen Philosophie (1968) 611f; vgl.

J . BLARD, Logique et théorie du signe au XTVe siècle ( 1 9 8 9 ) 153ff. Die damit verbundene Erweiterung der triplex oratio um eine „oratio fundamentalis" wird besonders deutlich bei

JOHANNES TINCTORIS, Dicta tinetoris super Summulas Petri hyspani (1486) fol. B4rb: „...

triplex est oratio scilicet mentalis vocalis et scripta cui potest addi fundamentalis in re. Mentalis est ilia que componitur extremis mentalibus. Vocalis est ilia que componitur extremis vocalibus. Scripta est ilia que componitur ex scriptis. Et fundamentalis est ilia que componitur extremis fundamentalibus in rebus ipsis repertis. Et similiter posset distingui nomen mentale vocale et scriptum et fundamentale. Et similiter verbum mentale vocale scriptum et fundamentale. Quia dicit philosophus quod littere significant voces, voces significant conceptus, et conceptus significant res." 176 177

Vgl. ROGER BACON, De signis V, 163 ( 1 9 7 8 ) 132. SCOTUS: Ord. I d. 2 7 q. 1-3, op. omn., hg. C. BALIC ( 1 9 5 0 f f ) 6 . 9 7 .

178

BOETHIUS, Comment, in lib. Aristotelis peri herm., secunda editto (1880) 26f.

179

S.o., Kap. I, Anm. 1 8 7 .

180

Vgl. ANONYMUS, Tractatus de proprietatibus sermonum (de Rijk, Logica

modernorum

2 / 2 . 7 0 7 f ) : „Solet autem esse questio an sermo significet proprie cogitationem an res ipsas

83

Die geistigen Begriffe als Zeichen

Lehre, daß die voces

unmittelbar die Begriffe und über deren Vermittlung die

D i n g e (res mediantibus

conceptibus)

bezeichnen. 1 8 2 Unter den frühesten Befür-

wortern des Zeichencharakters der Begriffe finden sich daher gerade Vertreter dieser semantischen Position, w i e Ps.-Kilwardby, 1 8 3 Lambert v o n Auxerre, Aegidius R o m a n u s 1 8 4

Richard v o n M i d d l e t o n 1 8 5

oder der frühe Scotus. 1 8 6

Zur

Begründung der über die Konzepte vermittelten D i n g b e z e i c h n u n g dient dabei oftmals der in A n l e h n u n g an den bekannten Lehrsatz „causa causae est causa causati" ( D i e Ursache einer Ursache ist [auch] Ursache des [von dieser] Verursachten) formulierte semiotische Grundsatz „signum signi est signum signati" (Das Z e i c h e n eines Z e i c h e n s ist [auch] Z e i c h e n des [von diesem] Bezeichneten). 1 8 7

181

182

que cadunt in cogitationem. (...) Et potest dici quod sermo significat utrumque, et intellectum et rem, sed unum mediate, aliud immediate: sermo enim exponit immediate intellectum: inquantum enim est res intellecta et cogitata, exprimitur per sermonem, sed primo et proprio modo intendit sermo rem. De rebus enim est locutio, sed per intellectum medium. Qui intellectus est via in res. Sermo enim est via in intellectum, intellectus autem in res."; vgl. PS.-RICHARD VON ST. VICTOR, Speculum eccles., PL 177, 375B: : „... voces tantum mediantibus intellectibus res significant..." Vgl. THOMAS VON AQUIN, Expos, lib. Peryerm. I, 4, 112f, in: Op. omn. (Leonina), t. Γ 1 (1989) l i a : „... non... potest esse quod (sc. voces) significent immediate ipsas res, ut ex modo significandi apparet: significat enim hoc nomen „homo" naturam humanam in abstractione a singularibus, unde non potest esse quod significet immediate hominem singularem. Unde Platonici posuerunt quod significaret ipsam ydeam hominis separatam; set, quia hec secundum suam abstractionem non subsistit realiter secundum sentenciam Aristotili, set est in solo intellectu, ideo necesse fuit Aristotili dicere quod res significant intellectus conceptiones immediate, et eis mediantibus res."; vgl. De pot. q 7 a 6 c: „... sciendum quod significatio nominis non immediate refertur ad rem, sed mediante intellectu: sunt enim voces notae earum quae sunt in anima passionum, et ipsae intellectus conceptiones sunt rerum similitudines." vgl. Sth. I, q. 13 a. 1 conci. S. Kap. IV, Anm. 383f.

183

PS.-ROBERT KILWARDBY, Comment,

184

Vgl. Anm. 159. Richard von Middleton präsentiert die beiden Positionen von vorrangiger Konzeptbezeichnung und vorrangiger Sachbezeichnung als vertretbare Meinungen, ohne sich definitiv für eine der beiden zu entscheiden. Vgl. RLCHARDUS DE MEDIAVILLA, Super quatuor libros sententiarum... quaestiones subtilissimae, 1 d. 22 a.l (1591) 205a: „... aliqui dicunt, quod nomen per prius significat conceptum factum de re, quam rem ipsam... et huic videtur concordare Philos. I. periher. dicens, litterae sunt signa vocum, voces sunt signa passionum animae conceptivum, et ipsae passiones signa rerum." Zur semantischen Theorie der beiden ca. 1295 entstandenen, Scotus zugeschriebenen Perihermeneias-Kommentare vgl. E. P. BOS, The Theory of the Proposition according to John Duns Scotus's Two Commentaries on Aristotle's Perihermeneias, in: Logos and Pragma, hg. L. M. DE RlJK, C. A. G. BRAAKHUIS (1987) 121-139; bes. 126ff.; C. MARMO, Ontology and semantic in the logic of Duns Scotus, in: On the Medieval Theory of Signs, hg. U. E c o u. C. MARMO (1989) 143-93, bes. 160-64 u. 175ff; J. BLARD, Logique et théorie du signe au XlVe siècle (1989) 48ff.

185

186

187

sup. Priscianum

maiorem

(1975) 67. Vgl. Anm. 113.

Vgl. LAMBERT VON AUXERRE, Logica (1971) 206: „... vox p r i m o et per se immediate est

signum intellectus rei; ulterius vero mediate est signum rei. Sicut enim dicitur quod quidquid est causa cause est causa causati sic potest dici suo modo quod quidquid est

84

Die mittelalterliche Zeichentheorie von Abailard bis zum 14. Jahrhundert

Zugleich ergibt sie hieraus jedoch auch die Möglichkeit einer fundamentalen und folgenreichen Umstrukturierung des semiotischen Dreiecks. Denn gerade dadurch, daß die litterae, voces und conceptus darin übereinkommen, Zeichen der res zu sein, können sie, wie Scotus deutlich macht, auch nach dem Modell mehrerer auf die selbe Ursache hingeordneter Wirkungen konzipiert werden, die zwar eine jeweils unterschiedlich große Nähe oder Unmittelbarkeit zur gemeinsamen Ursache aufweisen, von denen aber keine selbst Ursache einer anderen ist; mit der semantischen Konsequenz, daß litterae, voces und conceptus nun als „signa ordinata eiusdem signati" (auf das selbe Signifikat hingeordnete Zeichen) erscheinen. 188 Den Begriffen kommt zwar eine konstitutive Funktion für das Zustandekommen sprachlicher Bezeichnung zu; sie sind, wie man später sagen wird, die Bedingung, ohne die die sprachlichen Ausdrücke nicht bezeichnen würden (conditio, sine qua voces non significarent) 189 , fungieren deshalb aber, wie bereits Heinrich von Gent klargestellt hatte, nicht schon als „media in significando", so, als ob die gesprochenen Wörter die Dinge nur dadurch bezeichnen können, daß sie zunächst unmittelbar die Konzepte bezeichnen („quasi verba vocalia non significent res nisi mediante significatione ... conceptuum, sie quod immediate significent... conceptus"). 1 9 0 Wenngleich es also nach Scotus zwischen diesen signa ordinata eine Rangordnung hinsichtlich der Unmittelbarkeit der Bezeichnung gibt, ist deswegen jedoch das eine noch nicht im eigentlichen Sinne Zeichen des anderen. 191 Dies

signum signi est signum significati, et sic rei [sic! res] est significatum. Vox que est signum signi, scilicet intellectus, erit signum significati, scilicet rei, sed immediate est signum intellectus, mediate autem signum s i g n i . v g l . SCOTUS, In primum librum Perihermeneias quaestiones, q. 2 (1891-95) 1.541b [(1639) 1.187b]: „... d i c i t u r , q u o d s p e c i e s i n t e l l i g i b i l i s immediate significatur per vocem, sed illa dupliciter consideratur, aut inquantum est quid in se accidens, scilicet informans animam; aut inquantum repraesentat rem. Primo modo, non significatur per vocem..., sed secundo modo cum enim omne signum, inquantum signum, sit signum signati, sequitur, quod vox significans similitudinem inquantum sigum rei, significat ipsam rem, sed mediate, quia scilicet immediate significat id quod est signum ei, inquantum est signum." Dieser semiotische Lehrsatz gilt später als „Celebris regula Scoti". Vgl. CoNIMBRlCENSES, Comment, in univ. Arist. dial. (1607) 2. 3 3 ; vgl. Β. TELLEZ, SJ,

Summa universae philos. (1642) 79b.

188

Vgl. Anm. 191.

189

PETRUS HURTADO DE MENDOZA,

Disputationes de universa philosophia

(1617)

147;

vgl.

RAPHAEL AVERSA, Logica (1623) 123F. 190

191

HEINRICH VON GENT, Summa quaestionum ordinarium, a. 7 3 q. 6 (1520) 2. fol. 272v. Vgl. SCOTUS, Ord. I d. 27 q. 1-3 n. 83, in: Opera omnia, ed. C. BALIC (1950ff) 6 . 9 7 : „Licet magna altercatio fiat de voce, utrum sit signum rei vel conceptus, tarnen breviter concedo quod illud quod significatur per vocem proprie, est res. Sunt tarnen signa ordinata eiusdem signati littera, vox et conceptus, sicut sunt multi effectus ordinati eiusdem causae, quorum nullus est causa alterius, ut patet de sole illuminante plures partes medii; et ubi est talis ordo causatorum, absque hoc quod unum sit causa alterius, ibi est immediatio cuiuslibet respectu eiusdem causae, excludendo aliud in ratione causae, non tarnen excludendo aliud in ratione effectus immediatioris. Et tunc posset concedi aliquo modo effectum propinquiorem esse causam effectus remotioris, non proprie, sed propter prioritatem illam quae est in-

Die geistigen Begriffe als Zeichen

85

ist die Grundlage für Ockhams semantische Theorie der Subordination der sprachlichen Ausdrücke unter die Konzepte, die im Spätmittelalter und der frühen Neuzeit weite Verbreitung gefunden hat. 5. Insofern die Begriffe mit den sprachlichen Ausdrücken hinsichtlich ihres Zeichenseins übereinkommen, kann, wo deren Ahnlichkeitscharakter gegenüber ihrem Zeichencharakter in den Hintergrund tritt, die oratio mentalis in enger Analogie zur Sprache konzipiert werden.192 Hierdurch wird das besonders von Ockham entfaltete Konzept einer mentalistischen Logik ermöglicht, deren Gegenstand nicht mehr vokalsprachliche Aussagen, sondern die diesen korrespondierenden Mentalakte sind. 6. Die Bestimmung der Begriffe als signa führt damit - besonders im ausgehenden Mittelalter - zu einer engen Verbindung von Logik und Erkenntnistheorie im Medium des Zeichenbegriffs. 7. Im Zusammenhang damit vollzieht sich eine terminologische Neubestimmung des significare. Dieses ist, wo die Konzepte oder intellectus selbst als Zeichen gelten, nicht mehr im alten Sinne als ein kommunikativ vermitteltes constituere intellectum definierbar. Das im erkenntnistheoretischen Kontext für die Beschreibung der geistigen Erkenntnismittel gebräuchliche Begriffsfeld der repraesentatio erhält eine vorher so nicht gegebene Bedeutung für die logische Semantik und verbindet sich mit dem der significatio, indem beide Begriffe entweder gleichgesetzt werden oder aber das significare zum Unterbegriff des repraesentare wird. Deren Verhältnis wird dann besonders in der pariser Logik um 1500 zum Gegenstand umfangreicher Diskussionen und bildet noch im 17. Jahrhundert ein zentrales Problem der Zeichentheorie. 8. Zumindest mittelbar dürfte die Bestimmung der geistigen Begriffe als signa auch das Motiv der sich im ausgehenden Mittelalter abzeichnenden allgemeineren Berücksichtigung und Darstellung des Zeichens im Kontext der Logik sein. Denn erst vor dem Hintergrund einer solchen Bestimmung hat die Logik nicht mehr ausschließlich willkürliche Zeichen, sondern auch oder sogar vornehmlich natürliche Zeichen zum Gegenstand. 9. Das Zeichen beginnt, in ein neues Verhältnis zum Begriff der Präsenz zu treten. Nach der älteren, augustinischen Auffassung war das je schon auf Äußerlichkeit festgelegte Zeichen von der Sphäre des verbum mentis, bzw. jener Din-

ter tales effectue ad causam; ita potest concedi de multis signis eiusdem signati ordinatis, quod unum aliquo modo est signum alterius (quia dat intelligere ipsum), quia remotius non signaret nisi prius aliquo modo immediatius signaret, - et tamen, propter hoc, unum proprie non est signum alterius, sicut ex alia parte de causa et causis." Im Scotismus wird das semantische Modell der signa ordinata übernommen. Vgl. z.B. NICOLAUS DE ORBELLIS, Su-

192

per textu P. Hispani expos. (1489) fol. a4v. Vgl. W. HÜBENER, Der theologisch-philosophische

Konservativismus des Jean Gerson, in: Miscellanea Mediaevalia 9, hg. A. ZIMMERMANN (1974) 1 7 1 - 2 0 0 ; J . PINBORG, The English Contribution to Logik before Ockham: Synthese 40-1 (1979) 37f.

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Die mittelalterliche Zeichentheorie von Abailard bis zum 14. Jahrhundert

gen, „quae praesentia contuemur in illa interiore luce veritatis",193 ausgeschlossen. Wenn Derrida meint: Man kann in der klassischen Weise einer Philosophie der Intuition und der Präsenz das Zeichen tilgen. Diese nämlich tilgt das Zeichen, indem sie es ableitet, so wie sie die Reproduktion und die Repräsentation ausstreicht, indem sie sie als bloße Modifikation plötzlich zur einfachen Präsenz hinzutreten läßt. Und weil eine derartige Philosophie wahrlich DIE Philosophie und die okzidentale Geschichte - den Begriff des Zeichens auf diese Weise konstituiert und etabliert hat, ist dieser von Anfang an und in seinem Sinnkern durch den Willen nach Ableitung oder Tilgung gekennzeichnet 194 ,

dann mag das für das augustinisch gedachte Zeichen zutreffend sein. 195 Mit der Bestimmung der conceptus als signa jedoch beginnt das Zeichen als Mentalzeichen selbst den Bereich der Intuition und kognitiven Präsenz zu besetzen. So gefaßt, erweist es sich als resistent gegen alle Versuche seiner Ableitung oder 'Tilgung' von Seiten der Präsenz. Denn es gibt hinter ihm keine Präsenz mehr, von der aus es getilgt werden könnte, weil es eben keine Präsenz gibt, die nicht je schon Zeichen wäre. D. Präsenz, Repräsentation und Zeichen in der scholastischen Theorie der Erkenntnis Insofern das Zeichen Mittel nicht nur der Manifestation des Verborgenen,196 sondern auch der Vergegenwärtigung des Abwesenden197 und d.h. - weil Vergegenwärtigung bzw. Repräsentation nur in Rücksicht auf ein Erkenntnisvermögen gedacht werden kann - der Herstellung kognitiver Präsenz ist, besetzt das Zeichenkonzept eine wichtige Systemstelle in der Diskussion des Erkenntnisproblems. Denn wenn einerseits gilt: „intelligere est aliquid praesens habere", 198 und andererseits das significare als „facere praesens potentiae cognoscenti" definiert werden kann, dann ist das funktional durch Repräsentation, d.h. durch Herstellung von Präsenz charakterisierte Zeichen zumindest überall dort Voraussetzung von Erkenntnis,199 wo die Präsenz des Erkenntnisgegenstandes selbst nicht als unmittelbar gegeben angenommen wird. Das Zeichen ist

AUGUSTINUS, De magistro XII, 40. J. DERRIDA, Die Stimme und das Phänomen (1979) 105. 1 9 5 Damit allerdings auch für den außerscholastischen Zeichenbegriff der frühen Neuzeit, der aufs Ganze gesehen - wiederum der augustinische sein wird. 1 9 6 Vgl. THOMAS VON AQUIN, 4 Sent, d 1 q 2 a 1, op. omn., ed. Fretté/Maré, 10. 8b: „... signum, quantum est in se, importât aliquid manifestum quoad nos, quo manuducimur in cognitionem alicujus occulti." 197 Vg| JOHANNES DE ORIA, Summularum volumen primum (1987) 157: „repraesentare est rem praesentem, que erat absens, facere."

193

194

198

199

PETRUS AUREOLI, 1 Sent.

d. 3 5 , pars 1, a. 1 ( 1 5 9 6 ) 7 5 5 b .

THOMAS VON AQUIN, In Psalmos, 26, 6, Op. omn., 18. 377: „omnis repraesentatio fit per aliqua signa".

Präsenz, Repräsentation und Zeichen in der Theorie der Erkenntnis

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als Erkenntnismedium auf das Engste mit dem Problem der Erkenntnis verbunden. 2 0 0 Der Themenkomplex von Erkenntnis und kognitiver Repräsentation wurde im Mittelalter in einer Ausführlichkeit und Differenziertheit erörtert, die ihn in wenigen Sätzen kaum angemessen darstellbar sein läßt. 201 Entsprechend kann es im Folgenden nur um jenen begrenzten, wenngleich zentralen Ausschnitt des Problems gehen, der durch die Begriffe von Präsenz, Repräsentation und Zeichen markiert wird. Das grundlegende Problem der Erkenntnis erscheint - in seiner ganzen Trivialität und Tragweite - schlaglichtartig an jener vielzitierten Aristotelesstelle (De anima III, 8, 4 3 1 b 2 9 ) , wo es heißt, „nicht der Stein ist in der Seele, sondern seine Form (bzw. species)". Oder anders formuliert: nulla res distincta ab ipso intellectu, ... potest esse in se sufficienter presens ipsi intellectui [...], oportet igitur, quod per aliquid aliud ipsi intellectui fiat presens - (kein vom Intellekt unterschiedenes Ding kann an sich selbst dem Intellekt hinreichend präsent sein, also muß es durch etwas anderes dem Intellekt präsent gemacht werden).202 Das Problem der Erkenntnis ist im Wesentlichen eines der Präsenz. Diese bildet, wenn auch in äußerst unterschiedlichen inhaltlichen Bestimmungen, den systematischen Kern sämtlicher gnoselogischer Positionen. W o die Präsenz des Gegenstandes in Rücksicht auf das erkennende Vermögen nicht vorausgesetzt wird, bedarf es eines Mediums, das diesen, obwohl abwesend, doch in irgendeiner Weise anwesend sein läßt. Die Argumentationsfigur ist hierbei überall dieselbe: Non est possibile, res secundum se esse praesentes ipsi intellectui, propter quod oportet, eas in ipso intellectu existere per suas similitudines, quibus intellectus informants possit ipsas res intelligere. - (Es ist nicht möglich, daß die Dinge selbst dem Intellekt präsent sind, weshalb es notwendig ist, daß sie im Intellekt durch ihre Ähnlichkeiten existieren, durch welche informiert, der Intellekt die Dinge selbst erkennen kann).203 Das ist die Grundlage der im 13. Jahrhundert von Autoren wie Roger Bacon, Albertus Magnus, Thomas von Aquin, Aegidius Romanus u.a. ausgebildete Theorie der species oder Erkenntnisbilder. 204 Diese species, die, vereinfachend Vgl. THOMAS VON AQUIN, De ventate q. 9 a. 4 ad 4 (1972) 289b: „... communiter possumus signum dicere quodcumque notum in quo aliquid cognoscatur; et secundum hoc forma intelligibilis potest dici signum rei quae per ipsam cognoscitur..." 2 0 1 Vgl. hierzu W. HÜBENER, Studien zur Theorie der kognitiven Repräsentation in der mittelalterlichen Philosophie (1968); O. GRASSI, Intuizione e significato. Adam Wodeham ed il problema della conoscenza nel XIV secolo (1986); K. H. TACHAU, Vision and certitude in the age of Ockham. Optics, epistemology and the foundations of semantics 1250-1345 (1988). 2 0 2 PS.-RICHARD OF CAMPSALL, Logica contra Ocham, in: The Works of Richard Campsall, Bd. 2, hg. E. A. Synan (1982) 107. 2 0 3 AUGUSTINUS TRIUMPHUS, Opusculum perniile de cognitione animae, II, 2, zit. nach C. PRANTL, Gesch. d. Logik im Abendlande (1855-1870) 3.276. 204 YGI MAIER, Das Problem der 'species sensibiles in medio' und die neuere Naturphilosophie des 14. Jahrhunderts, in: Dies. Ausgehendes Mittelalter (1967) 419-51. Zur Entstehung 200

88

Die mittelalterliche Zeichentheorie von Abailard bis zum 14. Jahrhundert

gesagt, als vom Gegenstand ausgesandte äußere species sensibiles die Überwindung seiner räumlichen Distanz zum Erkennenden sowie als innere species intelligibiles die Überwindung seiner metaphysischen 'Distanz' zum geistigen Erkenntnisvermögen, d.h. seine Präsenz gegenüber dem Intellekt bzw. seine Verbindung mit demselben bewirken sollen,205 werden zum Teil als Zeichen der Dinge bestimmt.206 Im allgemeinen sind sie jedoch als ein repräsentierendes Medium (medium repraesentativum) charakterisiert, das, ohne selbst erkannt zu werden, die Erkenntnis des von ihm Repräsentierten ermöglicht. Die Annahme solcher species war durchaus umstritten. Aber auch dort, wo sie verworfen werden, wird nicht etwa das Präsenzpostulat aufgegeben. Die Ablehnung geschieht vielmehr auf der Grundlage divergierender Präsenzannahmen. Heinrich von Gent etwa kann die Existenz der species intelligibiles leugnen, gerade weil ihm zufolge das Intelligible selbst dem Intellekt unmittelbar präsent ist („intelligibile ... bene potest esse praesens intellectui) und damit jedes zusätzlich angenommene Medium der Erkenntnis nur hinderlich sein würde.207 Lediglich zur sinnlichen Wahrnehmung sind species erforderlich, da hier eben gilt: quia sensibile ... non potest per suam substantiam esse ... praesens vi sensitivae ... oportet, quod sit ei praesens per suam speciem - (weil der Sinnesgegenstand nicht seiner Substanz nach dem Sinnesvermögen präsent sein kann, ist es erforderlich, daß er diesem durch sein Erkenntnisbild präsent ist). 2 0 8

Eine forcierte Betonung der Präsenz von Erkenntnisgegenstand und Erkenntnisakt bildet auch bei Petrus Johannes Olivi den Ausgangspunkt für die

205

206

207

208

und Entwicklung der Speciestheorie vgl. die grundlegende Arbeit von K. H. TACHAU, Vision and certitude (1988). Vgl. F. SuÄREZ, De anima, lib.3 c . l n.4, Op. omn. 3 (1856-78) 6 1 4 : „Unio objecti cognoscibilis cum potentia necessaria est in omni cognitione, est fere communis opinio theologorum et philosophorum, qui in potentiis cognoscitivis ponunt similitudines quasdam objectorum ut per illas objecta uniantur potentiis, easque vocant species intentionales, species quidem, quia sunt formae repraesentantes: intentiones vero non, quia entia realia non sint, sed quia rationi deserviunt, quae intentio dici sol et." Vgl. ROGER BACON, Opus tertium, cap. 21 (1859) 100. vgl. Anm. 4 1 ; vgl. Κ . H . TACHAU, The Response to Ockham's and Aureol's Epistemology (1982) 189. Zur species intelligibilis als signum bei SCOTUS, vgl. In primum lib. Periherm. q. 2 (1891-95) 1.541b [(1639) 1.187b]. Da im Thomismus das Zeichen als etwas bestimmt ist, das vorgängig selbst erfaßt sein muß, werden die species impressae, von denen dies gerade nicht gilt, hier nicht als signa, sondern als imagines oder similitudines beschrieben. Die Frage nach dem Zeichencharakter der species wird im 17. Jh. zu einem Standardthema der Logik und Erkenntnistheorie. Quodl. IV, q. 7 ( 1 5 1 8 ) fol. 93v: „... Ubi ... contingit, quod res per suam essentiam est in intellectu aut praesens ei, multo melius potest eum ad se intelligendum determinare per suam essentiam quam per speciem informantem." vgl. W. HÜBENER, Studien zur Theorie der kognitiven Repräsentation in der mittelalterlichen Philosophie (1968) 286. HEINRICH VON GENT, Quodl. X I , 5 ( 1 5 1 8 ) fol. 4 5 1 D .

HEINRICH VON GENT,

89

Präsenz, R e p r ä s e n t a t i o n u n d Z e i c h e n in der T h e o r i e der E r k e n n t n i s

Abweisung der species intelligibiles. Denn, so Olivi, wo der Blick des Erkenntnisvermögens sich „in allergegenwärtigster Weise auf das Objekt selbst richten kann, ist es nicht erforderlich, daß es jenem durch etwas anderes repräsentiert wird, als durch sich selbst" (quando aspectus potentiae praesentialissime figetur in ipso objecto, non oportebit quod per aliud sibi repraesentetur, quam per semetipsum).209 Zwar ist auch für ihn ohne Repräsentation Erkenntnis nicht denkbar. Diese hat jedoch nicht den Charakter eines zwischen den Gegenstand und den Erkenntnisakt tretenden Mediums, sondern ist der aktuale Erkenntnisakt selbst.210 Wenn, wie von jeher, das Zeichen seinen Ort im Spannungsfeld von Präsenz und Abwesenheit hat, verliert es, wo die Sache selbst präsent ist, jede Funktion: „quando res praesens est, non est opus imagine rei." 211 In genauem Gegensatz zu Heinrich von Gent sah bereits Abailard eine solche Präsenz gerade im Fall der sinnlichen Perzeption als gegeben an. Während er deshalb hierfür die Annahme von vermittelnden Erkenntnisbildern als überflüssig ablehnte, ließ er diese nur für die imaginative und intellektuelle Erkenntnis gelten.212 Es ist offenkundig, daß hier ein anderer Begriff der Präsenz als bei Heinrich von Gent vorliegt. Ahnlich verhält es sich bei Scotus. Wenn Scotus betont, daß die äußeren Wahrnehmungsgegenstände selbst dem Erkenntnisvermögen realpräsent sind und es zu ihrer Wahrnehmung folglich keiner species bedarf, so besagt dies für ihn nichts anderes, als daß jene sich in einer angemessenen räumlichen Nähe (approximatio) befinden, um auf das Erkenntnisvermögen einwirken und gemeinsam mit diesem eine species intelligibilis im Intellekt als Abbild des Gegenstandes erzeugen zu können. Von dieser äußeren, realen Präsenz des Gegenstandes ist jedoch seine kognitive Präsenz als ein Erkennbares oder Repräsentiertes („sub ratione cognoscibilis seu repraesentati") zu unterscheiden, die dieser erst im Medium der species intelligibilis erhält.213 Beide Weisen der Präsenz 209

PETRUS JOHANNES OLIVI,

Quaestiones in librum secundum sententiarum,

hg. V. B. JANSEN

(1922-26) 2.429. 210

Ebd. 3 . 1 3 0 .

211

PIERRE ABAILARD,

Logica ingredientibus, Glossae ... super Peri ermenias

(1927) 322.

212 v g l . ebd. „ . . . rem ipsam in se ipsa s p e c u l a m u r , q u a e sensui ipsa se r e p r a e s e n t a t . S e d et ipsam i m a g i n e m rei si c o g i t a m u s , per se i p s a m , n o n per aliam i m a g i n e m a c c i p e r e v i d e m u r , q u i a c u m ipsa s e r e p r a e s e n t a t intellectui, non est o p u s p r o e a a l i a m s u p e r p o n e r e .

Ceteras

v e r o res insensibiles n o n nisi per i m a g i n e s p r o eis c o n s t i t u r a s intelligere p o s s u m u s

nec

et i a m i p s o s i n t e l l e c t u s . " V g l . ebd. 3 1 4 f : „ S e n s u s i t a q u e p e r c e p t i o q u a e per ipsam rem h a b e tur, n o n per s i m i l i t u d i n e m rei, n e c e s s a r i o t o l l i t u r re sublata, i m a g i n a t i o v e r o vel i n t e l l e c t u s per q u a n d a m rei effigiem, q u a m a n i m u s c o n f i n g i t , s u b l a t a q u o q u e re sive p e n i t u s d e s t r u c t a r e t i n e t u r . ... ( 3 1 5 ) . . . d u m res praesens est, q u a e a t t r a c t a t u r sensu, i m a g i n e n o n e g e m u s , sed ipsa rei Veritas et sensu et c o g n i t a t i o n e percipitur nulla i n t e r c e d e n t e i m a g i n e . " 213

SCOTUS, Ord.

I, d . 3 p.3 q . l ( 1 9 5 4 : 2 3 2 f ) : „... r e s p o n d e o q u o d o b i e c t u m respectu p o t e n t i a e

p r i m o h a b e t p r a e s e n t i a m r e a l e m , videlicet a p p r o x i m a t i o n e m t a l e m ut possit g i g n e r e t a l e m s p e c i e m in intellectu, q u a e est r a t i o f o r m a l i s i n t e l l e c t i o n i s ; s e c u n d o , per illam s p e c i e m gen i t a m , q u a e est i m a g o gignentis, est o b i e c t u m praesens sub r a t i o n e c o g n o s c i b i l i s seu repraesentati. P r i m a p r a e s e n t i a p r a e c e d i t n a t u r a l i t e r s e c u n d a m , q u i a p r a e c e d i t i m p r e s s i o n e m spe-

90

Die mittelalterliche Zeichentheorie von Abailard bis zum 14. Jahrhundert

stehen in unmittelbarem Z u s a m m e n h a n g mit der durch Scotus eingeführten und später intensiv rezipierten u n d diskutierten Unterscheidung v o n intuitiver und abstraktiver Erkenntnis. 2 1 4 Bewirkt der Gegenstand selbst dadurch, daß er d e m Erkenntnisvermögen

seiner

eigenen

wirklichen

Existenz

nach

präsent

ist

(„praesens in propria existentia actuali"), teilursächlich die Erkenntnis, so ist diese intuitiv (cognitio intuitiva).

Ist dagegen jene, gegenüber der Existenz oder

Präsenz des Gegenstandes sich indifferent verhaltende, weil im Gedächtnis verbleibende species

intelligibilis

delt es sich u m eine cognitio

teilursächlicher Beweggrund der Erkenntnis, hanabstractiva.215

Gregor v o n Rimini akzentuiert ge-

genüber der scotistischen Insistenz auf Realexistenz und Realpräsenz stärker das M o m e n t der - im mittelalterlichen Sinn verstandenen - objektiven Präsenz des Gegenstandes im Erkenntnisvermögen als d e m Wesensmerkmal intuitiver Er-

214

215

ciei per quam est formaliter secunda praesentia. - Quando ergo accipitur quod „species in intellectu non est causa praesentiae obiecti", dico quod falsum est de praesentia sub ratione cognoscibilis, saltem intellectione abstractiva, de qua modo loquimur; et cum probatur quod „prius est obiectum praesens quam species", illud verum est de praesentia reali, qua agens est praesens passo. Et intelligo sie, quod in primo signo naturae est obiectum in se vel in phantasmate praesens intellectui agenti, in secundo signo naturae - in quo ista sunt in intellectu possibili, ut agentia passo - gignitur species in intellectu possibili, et tunc per speciem est obiectum praesens sub ratione cognoscibilis." Zu Scotus Theorie der species intelligibiles und ihrer Wirkung im späteren 14. Jahrhundert vgl. F. CORVINO, La nozione di „specie intelligibile" da Duns Scoto ai maestri agostiniani del secolo XIV (Gregorio da Rimini e Ugolino da Orvieto): Rivista di Filosofia Neoscolastica 70 (1978) 149-178. Vgl. SCOTUS, Reportata Parisiensia, prol. q 2 η 15 (1891-95) 22.41b: „Duplex est cognitio, quaedam quidem est per speciem, quae est rei non in se praesentis, et haec vocatur cognitio rei abstractiva; alia est cognitio rei ut habet esse in actuali existentia, et haec dicitur cognitio intuitiva. Et haec duplex cognitio patere potest in cognitionibus potentiarum sensitivarum; visus enim apprehendit visibile ut existit actualiter, et huic correspondet cognitio intuitiva intellectus. Phantasia vero sive imaginatio apprehendit illud visibile per speciem repraesentantem in absentia rei, quamvis non sit ibi praesens in actuali existentia, et huic correspondet cognitio abstractiva intellectus." Zur Theorie der cognitio intuitiva und cognitio abstractiva vgl. S. F. DAY, Intuitive Cognition. A Key to the Significance of the Later Scholastics (1947); C. K. BRAMPTON, Scotus, Ockham and the Theory of Intuitive Cognition: Antonianum 40 (1965) 449-466; J. F., BOLER, Ockham on Intuitive Cognition: Journal of the History of Philosophy 11 (1973) 95-106; DERS., Intuitive and abstract cognition, in: CHLMP, 460-78; R. G. WENGERT, The sources of intuitive cognition in William of Ockham: FS 41 (1981) 415-47; G. CANNIZZO, Il sorgere di 'notitia intuitiva' all'alba del pensiero moderno Oxford- Parigi nell'Europa del primo trecento (1984); O. GRASSI, Intuizione e significato. Adam Wodeham ed il problema della conoscenza nel XIV secolo (1986); M. E. REINA, Cognizione intuitiva ed esperienza interiore in Adamo Wodeham: Rivista di Storia della Filosofia 41 (1986) 19-49; 211-244; C. PANACCIO, Intuition, abstraction et langage mental dans la théorie occamiste de la connaissance: Revue de Métaphysique et de Morale 97(1992) 61-81.. Vgl. SCOTUS, Quodl. 13, 10 (1639) 12.310: „... cognitione intuitiva res in propria existentia est per se motiva obiective, in cognitione autem abstractiva est per se motivum aliquid, in q u o r e s h a b e t esse c o g n o s c i b i l e : sive sit causa virtualiter continens rem, ut cognoscibile,

sive ut effectue, puta species, vel similitudo repraesentative continens ipsum, cuius est similitudo."; Vgl. L. HONNEFELDER, Ens inquantum

ens (1979) 231.

91

Präsenz, Repräsentation und Zeichen in der Theorie der Erkenntnis k e n n t n i s . 2 1 6 Eine s o l c h e cognitio

intuitiva

ist e i n e i n f a c h e s E r k e n n e n , d u r c h d a s

e t w a s unmittelbar in sich selbst erkannt w i r d ( a l i q u i d immediate noscitur).

in se ipso

cog-

D u r c h d i e v o n der „praesentialitas o b i e t t i v a " d e s E r k e n n t n i s g e g e n -

standes abstrahierenden cognitio

abstractiva

sentativen M e d i u m erfaßt (aliquid

d a g e g e n w i r d e t w a s in e i n e m reprä-

in aliquo

medio

repraesentativo

cognosci-

tur).217 G e g e n S c o t u s lehrt Petrus A u r e o l i unter V e r w e i s auf w a h r n e h m u n g s p s y c h o l o g i s c h e P h ä n o m e n e w i e S i n n e s t ä u s c h u n g e n , v i s u e l l e N a c h b i l d e r u. ä. d i e M ö g lichkeit d e s S e h e n s einer n i c h t präsenten Sache, einer i n t u i v e n E r k e n n t n i s „sine praesentia rei visae". 2 1 8 A u c h das impliziert j e d o c h k e i n e A b k e h r v o m Präsenzparadigma. V i e l m e h r v o l l z i e h t sich n a c h Aureoli selbst n o c h d i e intuitive Erfass u n g d e s A b w e s e n d e n im M o d u s der G e g e n w ä r t i g k e i t ( „ i m m o d e absenti praesentialiter"). 2 1 9 D e n n d i e s i n n l i c h e u n d u m s o m e h r d i e intellektuelle Intuition ist n i c h t auf d i e reale Präsentialität d e s G e g e n s t a n d e s a n g e w i e s e n . 2 2 0 Es ist zu u n t e r s c h e i d e n z w i s c h e n der realen Präsenz (praesentia in e s s e reali) u n d der Präsenz i m M o d u s d e s Erkanntseins o d e r E r s c h e i n e n s (praesentia in e s s e c o g n i t o et 216

GREGOR VON RIMINI: Lectura super pritnum et secundum sententiarum, hg. A. D. TRAPP u. V. MARCOLINO, Lib. 1 d. 3 q. 3 a. 1. Tomus I. (1981) 392 : „... notitia videtur dicenda abstractiva, non quia abstrahat ab existentia rei, quasi ipsa existentia non possit abstractive cognosci, nec quia abstrahlt a condicionibus singularibus, sed quia quodammodo abstrahlt a praesentialitate obiectiva rei cognitae. Nam in tali notitiae modo non obicitur res ipsa immediate menti secundum se [...] sed aliquod eius repraesentativum, et ideo quasi absens videtur cognosci res ipsa. Intuitiva vero notitia, quia immediate res ipsa obicitur, ipsa praesens est obiectiva menti, esto quod non sit praesens existenter, immo etiam nullibi existât, dummodo tunc ipsa in se immediate noscatur, si hoc possibile sit." Vgl. T. KOBUSCH, Sein u. Sprache (1987) 167; zu Gregors Theorie der intuitiven Erkenntnis vgl. C. MARMO, Gregory of Rimini: notitia intuitiva, species and Semiotics of Images, in: Knowledge and the Sciences in Medieval Philosophy (1990) 2. 257-264.

217

GREGOR VON RIMINI, ebd. p. 389 f. Vgl. W. ECKERMANN: Wort und Wirklichkeit. Das Sprachverständnis in der Theologie Gregors von Rimini und sein Weiterwirken in der Augustinerschule (1978) 223; vgl. HUGOLINO VON ORVIETO: Physikkommentar, hg. v. W. ECKERMANN (1972) 89: „Notitiam ... intuitivam voco omnem notitiam simplicem, qua aliquid formaliter in se ipso immediate cognosci tur... Abstractivam ... notitiam voco notitiam quandam simplicem, qua formaliter quid in alio medio repraesentativo cognoscitur." Vgl. O. GRASSI, Intuizione e significato (1986) 147ff; T. KOBUSCH, Sein und Sprache (1987) 141ff; Κ. H. TACHAU, Vision and certitude (1988) 85ff. An zahlreichen Stellen betont Aureoli die Unabhängigkeit der intuitiven Erkenntnis von der realen oder aktualen Präsenz der res; vgl. PETRUS AUREOLI, Scriptum super primum Sent. (1953-56) 1.198, 37f: „... intuitiva notitia fieri potest re absente nec actualiter praesente..."; ebd., 200, 123f: „... realitas visionis non exigit realem praesentiam obiecti existentis..."; ebd., 201, 136f: „... est enim intuitiva (sc. apparitio) absque praesentialitate rei." AUREOLI, Commentarius Prot. q. 1, ed. P. BOEHNER, Notitia intutiva of non existents according to Peter Aureoli (1948) 416; vgl. Scriptum super primum Sent. (1953-56) 1.204, 42ff: „Ocularis ... notitia fertur super praesens modo praesentiali, immo et super absens modo praesentiali..."; vgl. O. GRASSI, Intuizione (1986) 159. AUREOLI, Scriptum super primum Sent. (1953-56) 1.199, 91ff: „... intuitio sensitiva separari potest a reali praesentialitate obiecti; ergo multo fortius intuitio intellectus poterit separa-

218

219

220

92

Die mittelalterliche Zeichentheorie von Abailard bis zum 14. Jahrhundert

apparenti). AHein letztere, die Aureoli auch als Präsenz „in quodam esse intentionali" bezeichnet, 2 2 1 ist mit der intuitiven Erfassung eines Gegenstandes notwendig verbunden. 2 2 2 Nicht jedoch als die der Erkenntnis selbst vorgängige Voraussetzung. Denn das Erkennen selbst, die kognitive Repräsentation, ist es, die das Ding in den Seinsmodus gegenständlicher Präsenz nach Art eines Erscheinenden versetzt: „... intelligere formaliter non est aliud, quam illud, quo res ponitur in esse praesenti obiective per modum apparentis." 2 2 3 Die reale Präsenz des Erkenntnisgegenstandes ist damit ohne Bedeutung für die Realität des Erkenntnisaktes („realitas visionis non exigit realem praesentiam obiecti") 2 2 4 sondern entscheidet lediglich darüber, ob dieser wahr ist oder nicht. Denn Erkenntnisgegenstand ist nicht das Ding in seinem realen, sondern in seinem ge-

genständlichen oder intentionalen Sein (esse obiectivum; esse intentionale) bzw., gemäß dem von Aureoli geprägten Begriff, in seinem „Erscheinendsein" (esse

apparens). Ein solches „gegenständliches Präsentsein im Modus eines Erscheinenden"

(esse praesens obiective per modum apparentis)225 erhält das Ding ohne Hinzutreten eines vermittelnden Dritten durch den Akt des Erkennens selbst. Das Konzept eines gegenständlichen oder intentionalen Seins des Erkenntnisgegenstandes im Intellekt (esse obiectivum bzw. intentionale), eine Begrifflichkeit, die im 19. Jahrhundert von Franz Brentano in expliziter Anknüpfung an die „Scholastiker des Mittelalters" wieder aufgegriffen 226 und besonders durch Husserl - wenn auch in abweichender inhaltlicher Bestimmung - nachhaltige Wirksamkeit entfaltet hat, 2 2 7 ist im Kontext der Bestimmungen des Seinsmodus des Erkannten als eines solchen bereits vor Aureoli gebräuchlich. Aureoli weicht von der älteren Auffassung jedoch insofern ab, als er nachdrücklich den medialen Charakter desselben verwirft. Das esse apparens Aureolis ist, hierin unterscheidet es sich von den species,228 kein vom äußeren Gegenstand real verschiedenes Drittes, sondern lediglich ein für das Zustandekommen von Erkenntnis

221

222

223

Sent d 3 2 , a 2 ( 1 5 9 6 ) 1 . 7 2 6 aD: „... res exteriores dicuntur intelligi et cognosci ex eo, quod in quodam esse intentionali fiunt praesentes intelligenti." AUREOLI, Eommentarius Prol. q. 1, ed. P . BOEHNER, Notitia intutiva of non existents according to Peter Aureoli (1948) 4 1 4 : „Dico, quod obiecti praesentia quaedam est in esse reali, quaedam in esse cognito et apparenti. Ista secunda requiritur, sed prima non requiritur, nisi ad veram visionem"; Vgl. O . GRASSI, Intuizione (1986) 158. AUREOLI, 2 Sent, d 11, q 3, a 2 (1605) 2. 132bC; vgl. 4 Sent d. 50, q un a 2 (1605) 2.243 bC: „... repraesentare non est aliud quam obiectum actu praesens exhibere, hoc autem idem est et intelligere." Vgl. T. KOBUSCH, Sein und Sprache (1987) 166. AUREOLI, 1

Scriptum super primum Sent. ( 1 9 5 3 - 5 6 ) 1 . 2 0 0 . Sein und Sprache (198η 166. F . BRENTANO, Psychologie vom empirischen Standpunkt (1955) 1.124; vgl. 2.8f. Vgl. T . KOBUSCH, Sein und Sprache ( 1 9 8 7 ) 2 7 1 - 9 5 ; vgl. F . A. PREZIOSO, La 'species' medievale e i prodromi del fenomenismo moderno ( 1 9 6 3 ) .

224

AUREOLI,

225

V g l . T . KOBUSCH,

226

227

228

Vgl. A. MAIER, Das Problem der species

sensibiles in medio" (1967) 425f.

Präsenz, Repräsentation und Zeichen in der Theorie der Erkenntnis

93

n o t w e n d i g e r anderer Seinsmodus ebendesselben („non est aliquid aliud quam res extra sub alio m o d o essendi"). 2 2 9 O c k h a m , der Scotus' Agumentation zugunsten einer aus der Präsenz des Gegenstandes abgeleiteten unmittelbaren, nicht durch species

vermittelten sinnli-

chen W a h r n e h m u n g auf die intellektuelle Erkenntnis überträgt, 2 3 0 hat das nicht gelten lassen. D e n n er betont gegenüber Aureoli, daß die res durch die intuitive Erkenntnis kein w i e auch immer geartetes Sein erhält, das ein Mittleres zwischen d e m äußeren D i n g und d e m Akt der Erkenntnis darstellt, sondern vielmehr o h n e irgendein M e d i u m unmittelbar erkannt wird: „in nulla cognitio intuitiva ... constituitur res in q u o c u m q u e esse q u o d sit aliquod m e d i u m inter rem et actum c o g n o s c e n d i . Sed dico q u o d ipsa res immediate, sine o m n i m e d i o inter ipsam et actum, videtur vel apprehenditur". 2 3 1 O c k h a m formuliert, die sensibiles

u n d intelligibiles

species

gleichermaßen verwerfend, eine grundsätzliche Kritik

an der repräsentationalistischen Theorie der Erkenntnis, i n d e m er den N a c h w e i s führt, daß ein solches M e d i u m nicht nur überflüssig ist, 2 3 2 sondern auch die ihm v o n den Speciesbefürwortern z u g e w i e s e n e Funktion der Erkenntnisvermittlung qua Repräsentation überhaupt nicht erfüllen könnte. Hierbei bedient er sich einer Argumentationsfigur, die ihren historischen Ursprung in der augustinischen - genau g e n o m m e n bereits in der pyrrhonischen - Zeichenkritik 2 3 3 hat:

229

230

231 232

233

AUREOLI, 1 Sent. d. 27, pars 2, a. 2 (1596) 626a: „ ... necesse est quod res extra, quoad actum intellectus, capiant quoddam esse et ita res posita in esse formato non est aliquid aliud quam res extra sub alio modo essendi." Vgl. O. GRASSI, Intuizione (1986) 161. OCKHAM, Scriptum in lib. 1 Sent. (Ordinatio) d. 27, q. 2 (1979) 201, 5-14: „... quandocumque aliqua potentia est perfecte disposita ad aliquem actum et obiectum secundum se totum et quamlibet partem est perfecte praesens, tunc potest sequi actus distincte apprehendendi illud obiectum sine omni notitia confusa praevia. Hoc patet quia non minoris perfectionis est intellectus dispositus et non impeditus ... quam visus vel quaecumque potentia sensitiva. Sed potentia sensitiva, si obiectum suum sit convenienter praesens, et potentia sit sufficienter disposita, statim distincte apprehendit illud obiectum." OCKHAM, Quaest. in lib. 1 Sent. (Reportatio) d. 27 q. 3, OT IV (1979) 241. Die traditionell den species zugewiesene Funktion, die Distanz zwischen äußerem Erkenntnisgegenstand und Erkennendem zu überbrücken, entfällt bei Ockham bereits aufgrund seiner physikalischen Lehre von der Möglichkeit einer Fernwirkung (actio in distans). Vgl. OCKHAM, 2 Sent. q. 12-13 (1981) 274f; vgl. hierzu A. GODDU, William of Ockham's Arguments for Action at a Distance: FS 44 (1984) 227-44. Die Annahme einer actio in distans impliziert für Ockham keineswegs eine Preisgabe des Präsenzpostulats. Der Gegenstand ist präsent. Nur ist diese Präsenz nicht als lokale Präsenz zu deuten, sondern als das Vermögen einer unmittelbaren Einflußnahme. Unter Bezugnahme auf Ockham wird Gervasius Waim später diese Form der Präsenz als eine des contactus virtualis im Gegensatz zum räumlichen contactus matbematicus bezeichnen. Vgl. GERVASIUS WAIM, Tractatus noticiarum (Paris 1528) fol. d 2va, zit. nach A. BROADIE, The circle of John Mair (1989) 18: „... contactu virtuali dicitur aliquid praesens et immediatum alteri quando sic est praesens quod potest ibi causare effectum dato quod non sit ibidem per essentiam seu per contactum mathematicum. Isto supposito dico cum Ockham quod ad hoc quod agans agat in aliquod passum non requiritur quod agans et passum sint immediata immediatione correspondente tactui mathematico." Augustinus ging es in De magistro in erster Linie um den Erweis des rememorativen Cha-

94

Die mittelalterliche Zeichentheorie von Abailard bis zum 14. Jahrhundert

Die Erkenntis des Repräsentierten ist nicht das Resultat, sondern die Voraussetzung jeder Repräsentation: Repraesentatum oportet esse prius cognitum; aliter repraesentans numquam duceret in cognitionem repraesentati tamquam in simile. Exemplum: Statua Herculis, numquam ducit me in cognitionem Herculis, nisi prius vidissem Herculem, nec aliter possum scire, utrum statua sit similis aut non. - (Das Repräsentierte muß vorher erkannt sein, denn anders würde das Repräsentierende niemals zur Erkenntnis des Repräsentierten als eines Ähnlichen führen. Beispiel: Die Statue des Herkules führt mich niemals zur Erkenntnis des Herkules, wenn ich diesen nicht vorher gesehen habe, noch könnte ich wissen ob die Statue ihm ähnlich ist oder nicht). 2 3 4

rakters der sprachlichen Ausdrücke; er hatte jedoch zu verstehen gegeben, daß dieser ebenso auf alle anderen Zeichen zutrifft. Auch diese starke Version der augustinischen These war im Mittelalter bekannt und in Gebrauch. Vgl. MATTHAEUS VON AQUASPARTA, Quaestiones de cognitione, q. 6 (1957) 320f. 3 3 6 : „... dicit Augustinus quod impossibile est cognosci signum (321) nisi cognoscatur illud cuius signum est... (336) ... dicendum quod absque dubio, ad hoc quod cognoscatur causa per effectum vel signatum per signum, oportet aliquam cognitionem praecedere de causa vel de signo, sed generalem, indeterminatam et in habitu. Postmodum autem per effectus et per signa manuducitur in ampliorem et magis determinatam cognitionem." 234

OCKHAM, Scriptum in librum secundum sententiarum (Reportatio) q. 12-13 (OT V, 1981) 274. Vgl. Scriptum in librum primum sententiarum, Ordinatio, d. 3 q. 9 (OT II, 1970) 544f: Ockham geht hier im Rahmen einer Analyse von Spur (vestigium) und Bild {imago) auf die verschiedenen Arten ein, in denen etwas ein anderes zur Erkenntnis kommen läßt. Diese Ausführungen sind insofern von Relevanz für die Zeichentheorie, als das hier verhandelte „ducere in notitiam" als Äquivalent des augustinischen „facere in cogitationem venire" im Spätmittelalter und in der Frühen Neuzeit die Formel zur Beschreibung der Funktion des Zeichens ist (s. Kap. IV, Anm. 60). Ockham unterscheidet zunächst zwischen einer unmittelbaren Hinführung zur Erkenntnis eines anderen ohne Erkanntsein des Hinführenden selbst und einer vermittelten, wenn etwas dadurch, daß es selbst erkannt wird, die Erkenntnis des anderen verursacht. Bei der vermittelten Erkenntnisverursachung ist zwischen der Verursachung einer erstmaligen Erkenntnis und der einer Erinnerung, d.h. der bloßen Aktuierung einer bereits vorliegenden habituellen Erkenntnis zu differenzieren. Entscheidend ist, daß Ockham in diesem Zusammenhang deutlich macht, daß kein Einzelding durch sein Erkanntwerden zur Ersterkenntnis eines anderen, unbekannten Einzeldinges führen kann, sondern - gut augustinisch (De magistro) - lediglich in der Lage ist, zusammen mit der habituellen Kenntnis teil ursächlich eine Widererinnerung desselben zu bewirken. Und dies ist die Form, in der jegliches Repäsentative zur Erkenntnis des Repräsentierten führt: „Sed tarnen aliquid ducere in noticiam alicuius potest intelligi dupliciter: vel tamquam causativum notitiae alterius mediante sua notitia, ita quod notitia ipsius sit causa notitiae alterius. Vel immediate sine notitia, sicut intellectus ducit tamquam causa in notitiam cuiuslibet intelligibilis, Primo modo contingit dupliciter, quia vel ducit in primam talem notitiam vel cognitionem, vel tantum facit rememorationem de aliquo habitualiter noto. Primo modo notitia singularis est causa notitiae universalis et notitiae praemissarum est causa notitiae conclusionis. Sed isto modo nunquam notitiae unius rei incomplexae est causa notitiae primae alterius incomplexae... Secundo modo una res incomplexa mediante notitia sua potest esse causa partialis rememorationis alterius rei habitualiter notae, ita quod notitia habitualis necessario concurrit in ratione causae partialis. Et tale sic cognitum potest vocari repraesentativum alterius, nec est aliquid aliud proprie repraesentativum, et isto modo tam vestigium quam imago repraesentant illud cuius sunt vestigium vel imago."

Präsenz, Repräsentation und Zeichen in der Theorie der Erkenntnis

95

Indem aber die species nie die Funktion, um derentwillen sie angenommen wurden, erfüllen können, werden sie überflüssig und verlieren ihre raison d'être. Ockham weist zwar die species mit Hilfe genau jenes Arguments ab, durch das Augustinus das unmittelbare Gegebensein des Erkannten in der Innensphäre geistiger Präsenz von der bloß rememorativen Funktion der Zeichen abgehoben hatte. Das infolge der Bestimmung der Konzepte als signa rerum grundlegend gewandelte Verständnis des Zeichens verhindert nun jedoch, daß die für die Erkenntnistheorie fundamentale Kategorie der Präsenz gegen das Zeichen ausgespielt werden kann. 235 Was bei Ockham durch das Insistieren auf die Notwendigkeit - und das Gegebensein - der unmittelbaren Präsenz der Erkenntnisobjekte236 'getilgt' wird, ist das Bild, ist jede Form eines wie schwach auch immer bestimmten Mediums zwischen dem Erkenntnisakt und seinem Gegenstand; es bleibt jedoch: das Zeichen. Ockhams vollständige Ausschaltung der species sensibiles und intelligibiles ist allerdings überwiegend auf Ablehnung gestoßen. Die meisten der zeitgenössischen und späteren Autoren, wie Johannes de Reading, 237 Walter Chatton, 238 Johannes Buridan, Nicole Oresme, 239 Gregor von Rimini, Hugolino von Orvieto, Marsilius von Inghen 240 oder Pierre d'Ailly241 nehmen in der einen oder anderen Form die Existenz repräsentierender species an, 242 sei es auch nur, wie 23î

Das wird erst dort wieder möglich, w o das augustinische Zeichenkonzept erneut zur Geltung gelangt. Nur so erklärt es sich, daß Arnauld genau dieselbe Argumentationsfigur - unter Vertauschung der Begriffe von signum und repraesentatio - gegen Malebranches Ideenlehre verwenden wird (s.u.).

236

Vgl. OCKHAM, Quaestiones in lib. secundum sententiarum (Reportatio) q. 12-13 (1982) 2 6 4 , 2 1 f : „... cognitio intuitiva non potest naturaliter causari sine existentia obiecti et praesentia..."; 2 6 9 , 14f: „... sine omni specie ad praesentiam obiecti cum intellectu sequitur actus intelligendi..."; 3 0 0 , Iff: „... [obiectum] sine omni specie per se ipsum potest esse praesens in ratione obiecti intellectui sicut est praesens sensui sine omni specie."; 3 1 0 , 3 f : „... obiectum ... in cognitione intuitiva est praesens in se; in abstractiva est praesens in habitu."

237

Vgl. Quaestio loannis de Reading de necessitate specierum intelligibilium defensio doctrinae

238

Scoti, ed. G. GÂL: FS 2 9 ( 1 9 6 9 ) 6 6 - 1 5 6 . Vgl. K. H . TACHAU, Walter Chatton on sensible and intelligible species: Revista di Storia della Filosofia 4 0 ( 1 9 8 5 ) 7 1 1 - 7 4 8 ; O. GRASSI, Intuizione e significato. Adam Wodeham ed il

239

problema della conoscenza nel X7V secolo, (1986) 61ff. Vgl. NICOLE ORESME, Questiones super libros Aristotelis de anima ( 1 9 8 0 ) 6 2 8 : „... idem est

species, ydolum, ymago, vel similitudo. Ideo ymaginatur quod sit quaedam qualitas similis obiecto et ipsum naturaliter repraesentans, sicut ymago speculi similis est objecto. ... actus in proposito non est aliud nisi motus ipsius animae et seipsam agere et cognoscere ... habitus non est nisi i n c l i n a d o ad actum..." 240

241

MARSILIUS VON INGHEN, Quaestio: Utrum sensus sit virtus passiva, in: Quaestiones zu D e anima, M S Wien, Nationalbibliothek 5 4 3 7 , zit. nach P. MARSHALL, Parisian Psychology in the Mid-Fourteenth Century: AHDIMA 5 0 ( 1 9 8 4 ) 1 7 9 : „... dicitur quod in sentiendo il le species dicuntur sensibiles quia sunt representative seu significative alicuius obiecti."

Vgl. O . PLUTA, Die philosophische Psychologie des Peter von Ailly. Ein Beitrag zur Geschich-

te der Philosophie des späten Mittelalters (1987) 68f.

242 Vgl. K. H . TACHAU, T h e problem of the „species in medio" at O x f o r d in the generation

96

Die mittelalterliche Zeichentheorie von Abailard bis zum 14. Jahrhundert

etwa Gregor von Rimini, der Ockhams Argumentation gegen eine durch species vermittelten Ersterkenntnis übernimmt, 243 um Ockhams vielfach als problematisch erachtete Habitus-Theorie 244 ihrer Funktion nach durch die Annahme rememorativer species zu ersetzen. 245 Das Äquivalent der species intelligibilis expressa ist aus logischer Perspektive die intentio animae, der conceptus, d.h. der geistige Begriff. Hinsichtlich der washeitlichen Bestimmung dieser Begriffe gibt es verschiedene Positionen, die sich, gemäß dem von Ockham verwendeten, 246 vereinfachenden, im Prinzip aber korrekten Einteilungsschema, zunächst darin unterscheiden, daß die einen den Begriffen ein subjektives Sein in der Seele zuschreiben (esse subiettive in anima), die anderen dagegen lediglich ein intentionales Sein (esse obiective, esse intentionale).247 Bekanntermaßen ist der mittelalterliche Sinn dieser Termini dem heutigen Sprachgebrauch in gewisser Weise konträr. Subjektives Sein im Intellekt besagt gerade ein wirkliches, reales Sein in der Seele. Dies kann auf zweierlei Weise gedacht werden. Auf die eine erscheint der Begriff als eine Qualität der Seele, die vom Akt des Erkennens real unterschieden ist, und dessen unmittelbaren Gegenstand ausmacht („qualitas animae

after O c k h a m : Medieval Studies 4 4 ( 1 9 8 2 ) 3 9 4 - 4 4 3 ; D I E S . , The Response to Ockham's and Aureol's Epistemology (1320-1340), in: Engl. Log. in Italy in the 14th and 15th Cent., hg. v. A. Maierù ( 1 9 8 2 ) 1 8 5 - 2 1 7 . 243

G R E G O R VON R I M I N I , 1 Sent d. 3 q. 1 a. 2 ; 4 2 L - M : „... Quisquís novit aliquam rem in aliqua specie, necessario actu vel habitu novit illam speciem esse speciem vel imaginem seu signum illius. Sed nullus, qui aliqua sensibilia non sentit in se, potest nosse ilia in aliqua specie... M i n o r autem patet de se. Qui enim viderit imaginem Herculis in pariete et numquam vidisset Herculem, non plus nosset illam esse imaginem eius quam Hectoris vel Achillis."

Physikkommentar

244

Z u r Kritik an Ockhams Habitus-Lehre vgl. z.B. HUGOLINUS DE O R V I E T O , ( 1 9 7 2 ) 73 f.

245

Die Funktion der species ist bei Gregor keine im strikten Sinn kognitive, sondern eine rekognitive (vgl. W . E C K E R M A N N , Wort und Wirklichkeit. Das Sprachverständnis in der Theologie Gregors von Rimini ( 1 9 7 8 ) 144ff). Die Dinge werden zunächst unmittelbar in sich selbst wahrgenommen. Erst durch eine solche immediate Erfassung entstehen überhaupt als Abbilder der Dinge in der Seele species, die dann im Fall der Nichtpräsenz der gesehenen Sachen an deren Statt die Erkenntnis terminieren. Sie substituieren die abwesenden Dinge und garantieren der Erkenntnis die für sie erforderliche Präsenz des Gegenstandes. GREGOR VON R I M I N I , 1 Sent. d. 3 q. 1 a. 1, hg. D. TRAPP, ( 1 9 7 9 f f ) 1. 3 1 7 , 2 9 f f : „... cum sensibilia absentia intelligimus quae prius sensibus praesentia intelleximus, intuemur eorum species. Sicut sensus exterior intuetur immediate ipsa sensibilia; et inspiciendo species suas comprehendimus illa ... ut ipsae species apud nos sunt loco et vice ipsorum sensibilium, quae non possunt semper nobis esse praesentia." Insofern ist ohne ein solches repräsentierendes M e dium Erinnerung nicht möglich. Vgl. 2 Sent, d 7 q 3 a 1, ( 1 9 7 9 f f ) 5. 139, 17ff: „... tali rep r e s e n t a t i v o deleto penitus nulla recordatio naturaliter fieri potest in nobis sicut docet experientia, nisi prius aliud repraesentativum formetur in a n i m a . " Z u r Gregors Kritik an Ockhams Habitus-Lehre vgl. 2 Sent. d. 7 q. 3 Additio 3 6 , ( 1 9 7 9 f f ) 5 . 113ff.

246

OCKHAM, Expos, in lib. Periherm., Prooemium S 3 - 1 9 (OP I I , 1 9 7 8 ) 3 4 8 - 6 9 . Zu dieser Unterscheidung vgl. z . B . HERVAEUS NATALIS, Tractatus de secundis ( 1 4 8 9 ) fol. a3vb-4ra.

247

intentionibus

Präsenz, Repräsentation und Zeichen in der Theorie der Erkenntnis

97

dictincta realiter ab actu intelligendi, terminans sicut obiectum ipsum actus intelligendi"). 248 Auf die andere Weise ist der Begriff nicht etwas Drittes zwischen dem Ding und dem Erkenntnisakt, sondern letzterer selbst („ipse actus intelligendi"). Gegenständliches oder intentionales Sein dagegen besagt gerade die Leugnung jedes irgendwie realen Seins. Denn die Begriffe haben nach der eine solche Seinsweise annehmenden Fiktumtheorie keine reale Existenz; vielmehr ist ihr Sein nichts anderes als ihr Erkanntsein („esse eorum non est aliud quam ipsa cognosci"). 2 4 9 Sie sind Fiktionen, die der Intellekt sich nach dem Vorbild der von ihm erkannten Einzeldinge bildet. Sie existieren nicht auf realere Weise, als das von einem Architekten im Geiste entworfene Schloß, bevor es gebaut ist. 250 Und trotzdem ist es in diesem seinen Erdachtsein (esse fictum) genau so, wie später das wirkliche Schloß draußen („est tale in esse ficto quale est aliud extra"). 2 5 1 Ockham hatte zunächst selbst unter dem Einfluß Heinrichs von Harclay diese Fiktumtheorie vertreten. 252 Nachdem er noch in seinem Kommentar zu Peri hermeneias der Akttheorie und der Fiktumtheorie dieselbe Plausibilität zumißt, in der zweiten Redaktion der Ordinatio dann bereits eine Ausweichposition für die Fiktumtheorie anbietet, 253 entscheidet er sich in der Summa logicae, veranlaßt durch die Kritik Walter Chattons, 254 eindeutig zugunsten der Akttheorie 248 249 250

OCKHAM, Expos, in lib. Periherm., Prooemium $ 4, 4 - 6 (OP II, 1 9 7 8 ) 3 4 9 . Ebd. $ 7, lOf (OP II, 1 9 7 8 ) 3 5 9 . Die Fiktumtheorie weist in einigen Punkten enge Übereinstimmungen mit Abailards Theorie der als „intersigna" dienenden figmenta auf, d.h. jener „imagines vel simulacra rerum, quas sibi animus fingit, ut in eis res absentes contemplari queat." Vgl. P. ABAILARD, Logica

ingredientibus, Glossae ... super Peri ermenias (1927) 315: „... similitudines sive imagines rerum, quae figmenta quaedam sunt animi et non existentes verae, sicut castella illa phan-

tastica...". Vgl. Logica ingredientibus, Die Glossen zu Porpbyrius (1919) 20: „... Intellectus

251

252

actio quaedam est animae, unde intelligens dicitur, forma vero in quam dirigitur, res imaginaria quaedam est et ficta, quam sibi, quando vult et qualem vult, animus c o n f i â t . . . " OCKHAM, Expos, in lib. Periherm., Prooem. $ 7, 17 (OP II, 1 9 7 8 ) 3 6 0 .

Vgl. HENRICUS DE HARCLAY: Quaestio de significato conceptus universalis (fons doctrinae Guillelmi de Ockham), hg. G. GÁL: FS 3 1 ( 1 9 7 1 ) 1 7 8 - 2 3 4 ; hier 2 2 4 f f ; vgl. F. E. KELLEY, Some Observations on the „fictum" Theory in Ockham and its Relations to Hervaeus Natalie: FS 3 8 ( 1 9 7 8 ) 2 6 0 - 8 2 .

253

Scriptum in librum primum sententiarum (Ordinatio) d. 2 q. 8, additio posterior (1970) 289ff. Prinzipiell hält er aber auch hier noch die Auffassung für plausibel, daß der tus, bzw. die qualitas „aliquid aliud ab intellectione" ist (ebd. 2 9 1 , 11).

254

concep-

Vgl. G. GAL, Gualteri de Chatton et Guillelmi de Ockham controversia de natura conceptus universalis ( 1 9 6 7 ) 197ff; W. HOBENER, Rezension zu: Guilelmus de Ockham, Scriptum in librum primum Sententiarum: Archivum franciscanum historicum 6 4 ( 1 9 7 1 ) 2 1 4 f ; 2 2 3 . Bei Chatton, der die Konzepte als natürliche Zeichen der Dinge auffaßt (vgl. WALTER CHATTON, Reportatio I, d.3 q. 2 ( 1 9 6 7 ) 2 1 1 : „(conceptus) ... sunt signa naturalia rerum. Licet enim voluntarium (est) quod definitio sit in mente, quod tarnen per se significet rem si ponatur in mente non est voluntarium"), wird die Koinzidenz von Erkennen und Bezeichnen (vgl. ebd. 2 0 2 : „... 'intelligi' est 'significan', quia intellectio est signum naturale obiecti sui") bereits zur These einer Konformität von sprachlicher und mentaler Aussage erweitert; vgl. ebd. 2 1 0 : „... praedicare et subicere non est aliud quam causare intellectio-

98

Die mittelalterliche Zeichentheorie von Abailard bis zum 14. Jahrhundert

und gegen jede Annahme eines Dritten zwischen dem Akt und dem Gegenstand; 2 " sei es auch eines solchen, das, wie bei Aureoli, der Sache nach oder, wie in der Fiktumtheorie, der Existenz nach keines ist. Denn ein solches Medium wäre für Ockham, weil er es nicht anders denn als ein medium quod begreifen kann, der Erkenntnis hinderlich, da es den kognitiven Immediatbezug auf die Sache selbst verstellen würde: ... tale fictum impediet cognitionem rei; igitur non est ponendum propter cognitionem. Assumptum patet, quia illud ... est ... quoddam tertium medium inter cognitionem et rem; igitur si illud fictum intelligitur, tunc res extra non intelligitur. E t tunc quando formo hanc propositionem mentalem 'Deus est trinus et unus', non intelligo Deum in se sed illud fictum, quod videtur esse absurdum. - (... ein solches Fiktum würde die Sacherkenntnis verhindern; also darf man es nicht zur Begründung der Erkenntnis annehmen. Das erhellt, weil jenes ein mittleres Drittes zwischen der Erkenntnis und der Sache ist. Wenn also jenes Fiktum erkannt wird, dann wird die äußere Sache nicht erkannt. Wenn ich so nämlich jene geistige Aussage bilde, „Gott ist dreifältig und einer", dann meine ich damit nicht Gott selbst sondern jenes Fiktum, was absurd zu sein scheint). 2 5 6

Hier zeigt sich, wie Ockhams Erkenntnisimmediatismus mit seinem Bezeichnungsimmediatismus verbunden ist. Durch die Konzeption geistiger Erkenntnis als einer der gesprochenen Rede weitgehend strukturanalogen oratio mentalis wird die von der älteren Theorie der unmittelbaren Sachbezeichnung sprachlicher Ausdrücke gebräuchliche Argumentation zu einem Erweis der Unmöglichkeit eines zwischen den Erkenntnisakt und der von ihm bezeichneten res angenommenen Dritten. Ein solches zwischen den Erkenntnis- bzw. den mentalen Bezeichnungsakt und die res tretendes fictum würde die absurde Konsequenz mit sich bringen, daß in der genannten Mentalproposition die Dreieinigkeit nicht von Gott selbst sondern von dem entsprechenden fictum prädiziert würde, so wie nach Bacon der Satz „Socrates currit" unter der Vorraussetzung einer Konzeptbezeichnung der sprachlichen Ausdrücke den Un-Sinn „Species Socratis in anima currit" ergäbe.257 Die These einer analogen Verweisungsstruktur von Erkenntnisakt und sprachlichem Bezeichnungsakt war bereits zuvor zur Stützung signifikations-

255 256 257

nes ordinate in mente uniformiter quomodo ordinantur in propositione in voce..."; Noch vor Chatton operiert, ebenfalls in Oxford, ROGER BACON mit dem Modell von terminus und oratio mentalis. Vgl. Communia mathematica (1940) 64: „... Intellectus ... simplices sunt dicciones et termini mentales, intellectus compositi sunt oraciones, propositiones et argumenta." Vgl. OCKHAM, Summa logicae I 12, 34-39 (OP I, 1974) 43. OCKHAM, Quodl. IV, q. 35 (1980) 473. ROGER BACON, De signis V, 164 (1978) 133. - Ockham selbst verwendet in der Expositio in librum Perihermeneias, Prooemium S 6, (1978) 352, das „Socrates currit"-Beispiel zur Stützung der Akttheorie. - Ein entsprechendes Argument hatte bereits ABAILARD (Dialéctica (1956) 154) formuliert: Aussagen werden „de rebus ipsis, non de intellectibus" getroffen. Andernfalls wären Sätze, wie „si est homo, est animal" ohne notwendige Konsequenz, da der Begriff 'Mensch' ohne den Begriff 'Lebewesen' subsistieren kann. Zur späteren Verwendung dieses Arguments vgl. Kap. IV, Anm. 398ff.

Präsenz, Repräsentation und Zeichen in der Theorie der Erkenntnis

99

theorischer Positionen instrumentalisiert worden. Burleigh hatte nämlich behauptet: „... sicut est in actu intelligendi sie est in actu significandi."258 Auf der Grundlage einer „quasisprachlichen" Konzeption der Erkenntnis als oratio mentalis läßt sich eine solche Argumentation indes auch in der Gegenrichtung lesen. Ebenso, wie sich nach Scotus und Heinrich von Gent der sprachliche Ausdruck signifikativ allein auf die res bezieht, ohne zuvor etwas von dieser und ihm selbst verschiedenes Drittes zu bezeichnen, ist nach Ockham der Akt der Erkenntnis allein und unmittelbar auf die Dinge selbst und nicht zunächst auf irgendein wie auch immer bestimmtes Medium gerichtet. Es wird insofern kein Zufall sein, daß die definitive Entscheidung gegen die /i'cíww-Theorie bei Ockham in dem Moment erfolgt, als die Theorie der oratio mentalis mit ihrer Analogisierung von gesprochener und geistiger 'Rede' stärkeres Gewicht erhält. Alles, was durch die Annahme eines vom Erkenntnisakt verschiedenen Dritten geleistet werden soll, wie das Stehen für etwas anderes oder das Bezeichnen eines anderen, kann nach Ockham auch unmittelbar durch den Akt selbst geleistet werden.259 Für diesen Wechsel von der fictum- zur Akttheorie ist damit Ockhams Bestimmung des Zeichens grundlegend. Denn das Motiv hierfür ist nicht allein das Ökonomieprinzip, sondern die Anwendung dieses Prinzips auf die Definition der Konzepte als etwas, das als Zeichen Teil einer mentalen Aussage sein kann.260 Angesichts dieser Betonung der logischen Funktion des Bezeichnens und Supponierens innerhalb der mentalen Rede stellt sich die Frage, inwiefern die intentiones animae oder Konzepte bei Ockham auch nach dem Wechsel von der Fiktum- zur Akttheorie noch als „Ähnlichkeiten" 0similitudines) der Dinge konzipiert sind. Obwohl sich bei ihm keine förmliche Zurückweisung des Ahnlichkeitsscharakters der Konzepte, sehr wohl aber zahlreiche Äußerungen zugunsten eines

258

Vgl. WALTER BURLEIGH, Quaestiones in librum Perihermeneias (1974) 2 1 2 : „... sicut est in actu intelligendi sie est in actu significandi. Sed in actu intelligendi est considerare tria, scilicet rem intellectam et ipsum intellectum intelligentem, et speciem mediante qua res intelligitur, sic quod ilia species non est illud quod primo intelligitur sed res primo intelligitur mediante specie. Sic in actu significandi est reperire tria: vocem significantem, rem significatam et speciem rei mediante qua res significatur. Et sicut species non est illud quod primo intelligitur sic species non est illud quod primo significatur sed res mediante species." Es ist verständlich, daß Scotus, der zwar einen Bezeichnungs- aber keinen Erkenntnisimmediatismus vertritt, diese Argumentationsweise nicht ohne weiteres gelten läßt. Vgl. SCOTUS, In prirnum librum Perihermeneias quaestiones, op. omn. (1891-95) 1.543b [(1639) 1.189a]: „... potest negari ista consequentia, nihil intelligitur, nisi per speciem, ergo nihil significatur, nisi per speciem...".

259

OCKHAM,

260

Vgl. J . BlARD, Logique

Summa ¡ogicae I, 12 (OP I, 1974) 4 3 : „... 'frustra fit per plura quod potest fieri per pauciora'. Omnia autem quae salvantur ponendo aliquid distinetum ab actu intelligendi possunt salvari sine tali distineto, eo quod supponere pro alio et significare aliud ita potest competere actui intelligendi sicut alii signo. Igitur patet praeter actum intelligendi non oportet aliquid aliud ponere." et théorie du signe (1989) 107.

100

Die mittelalterliche Zeichentheorie von Abailard bis zum 14. Jahrhundert

solchen finden, 2 6 1 wird besonders in der neueren Ockham-Literatur überwiegend eine massive Abkehr Ockhams v o m alten Ähnlichkeitsparadigma Abbildmodell der Konzepte betont. 2 6 2

oder

Richtig daran ist zumindest, daß für

Ockham die Funktion der Konzepte nicht in ihrer Ähnlichkeit hinsichtlich der Dinge, sondern im Supponieren für diese innerhalb einer mentalen Aussage besteht. Und es ist eigentlich nicht verwunderlich, daß mit der von O c k h a m vorgenommenen Zuschärfung des Zeichenbegriffs auf seinen logischen Gebrauch auch das wichtigste Zeichen, der conceptos,

auf seine logikrelevante Funktion

reduziert wird und folglich nicht mehr in seiner traditionellen Bestimmung als similitude

sondern als etwas von etwas Prädizierbares erscheint. 2 6 3 Aber eben-

sowenig, wie der logische Zeichenbegriff von Ockham als adäquate Beschreibung des Zeichens in seiner ganzen Weite intendiert ist - im sakramentaltheologischen Kontext operiert O c k h a m selbstverständlich mit einem anderen Zeichenbegriff -, ist mit der Festlegung des präzis in seiner logischen Funktion genommenen Konzepts auf die Eignung zur Supposition zwängsläufig dessen Bestimmung als Ähnlichkeit ausgeschlossen. N a c h Quodl.

IV, q. 3 5 scheint sie die-

se sogar vorauszusetzen. 2 6 4

261

Vgl. OCKHAM, Quodl. V, q. 7 (1980) 506: „... quaelibet talis cognitio [sc. abstractiva] sive conceptus aequaliter est similitudo et repraesentat omnia individua simillima, et ita non plus est conceptus proprius unius quam alterius." vgl. Quodl. I, q. 13 (1980) 74: „nulla cognitio abstractiva simplex est plus similitudo unius rei singularis quam alterius sibi simillimae...; vgl. Summa logicae I, 12, 26ff (1974) 42: „Partes ... propositionum mentalium vocantur conceptus, intentiones, similitudines et intellectus."; vgl. Quaestiones in libros physicorum, q. 2, 6 (1984) 399: „Conceptus est similitudo rei extra..."; ebd. q. 4, 24f, 405: „... dico quod non omnis similitudo de re in anima est conceptus rei, sed solum illa quae est cogitatio actualis..."; ebd. q. 6 ad primum: „... habere illam intellectionem confusam hominis non est aliud quam habere unam intellectionem, qua non magis intelligitur unus homo quam alius. Et hoc non est aliud quam quod talis cognitio non est magis similitudo unius hominis quam alterius hominis, sed tali cognitione magis intelligitur unus homo quam asinus; et hoc, quia talis cognitio aliquo assimilationis modo assimilatur magis homini quam asino."; vgl. Anm. 264.

262

Eine nach Ockhams Abkehr von der Fiktumtheorie erfolgende Zurückdrängung des Konzepts der similitudo in der Erkenntnislehre hat bereits E. HOCHSTETTER, Studien zur Metaphysik u. Erkenntnislehre Wilhelms von Ockham (1927) 89, 103-108, konstatiert. Vgl. auch F. HOFFMANN, Die Schriften d. Oxforder Kanzlers Johannes Luttereil (1959) 170. Unter den neueren Arbeiten vgl. bes. R. IMBACH, in: WILHELM VON OCKHAM, Texte zur Theorie d. Erkenntnis u. d. Wissenschaften (1984) 54 u. 220; A. TABARRONI, Mental signs and the theory of representation in Ockham (1989); J. BLARD, Logique et théorie du signe (1989) 61ff. OCKHAM, Expos, in lib. periherm. (1978) 349: „... in proposito accipitur passio animae pro aliquo praedicabili de aliquo, quod non est vox nec scriptura, et vocatur ab aliquibus intentio animae, ab aliquibus vocatur conceptus." OCKHAM, Quodl. IV, q. 35 (1980) 474. Ockham leitet hier gerade die Fähigkeit der Erkenntnisakte, für Gegenstände zu supponieren, aus ihrer Ähnlichkeit diesen gegenüber ab: „... dico quod tarn intentio prima quam secunda est vere actus intelligendi, quia per actum potest salvari quidquid salvatur per fictum, eo quod actus est similitudo obiecti, potest significare et supponere pro rebus extra, potest esse subiectum et praedicatum in propositione, potest esse genus, species etc., sicut fictum."

263

264

Präsenz, Repräsentation und Zeichen in der Theorie der Erkenntnis

101

In deutlicher Opposition zur gängigen neueren Darstellung der Erkenntnistheorie Ockhams ist diese unlängst von Claude Panaccio als „une forme de 'représentationalisme'"265 beschrieben worden. Panaccio weist mit Recht darauf hin, daß nach Ockham im Fall der cognitio abstractiva „l'acte abstractif ... signifie certaines choses précisément parce qu'il en est une similitude»"266 und zeigt, daß Ockham, indem er den Referentenbezug des singulären intuitiven Aktes mit dessen Kausalbeziehung zur erkannten res begründet, keinesweges dessen Bestimmung als similittido ausschließt. Panaccio geht m. E. jedoch zu weit, wenn er den conceptus oder Erkenntnisakt allein aufgrund der Tatsache, daß er similitude ist, als Bild ('image') charakterisieren zu können meint.267 Denn damit wird genau das vorausgesetzt, was bereits die Gegenposition in die Irre geführt hat: die Gleichsetzung von similitudo und imago. Eine solche Gleichsetzung von Ähnlichkeit und Bildhaftigkeit ist jedoch unzulässig. Denn anders als bei der similitudo ist mit dem Bildbegriff, zumindest für Ockham, immer der Charakter eines medium quod, eines selbst erkannten Dritten zwischen dem Akt der Erkenntnis und deren Objekt impliziert.268 Insofern ist bei Ockham lediglich die Anwendung der Begrifflichkeit von imago und - mit Einschränkung269 - repraesentatio auf die Erkenntnisakte ausgeschlossen, nicht aber die der similitudo.270 C. PANACCIO, Intuition, abstraction et langage mental dans la théorie occamiste de la connaissance: Revue de métaphysique et de morale 97 (1992) 61-81, hier 62. 2 6 6 Ebd. 81. 267 Vgl. ebd. 69: „... un concept est toujours pour Occam une sorte d'image des chose qu'il représente, une similitudo."; vgl. 81: „l'acte lui-même - et même l'act intuitif - [est] ... vu par Guillaume comme une représentation, c'est-à-dire une image de l'objet, une similitudo..." 2 6 8 Insofern lehnt Ockham auch in Kontexten, in denen er die Konzepte als similitudines beschreibt, ihre Charakterisierung als idola ab. Denn die Bildbegrifflichkeit ist integraler Bestandteil seiner - nun kritischen - Darstellung der Fiktumtheorie. Vgl. Quaestiones in libros physicorum, q. 1, 29-32 (1984) 398: „... tale idolum non ponitur propter aliud nisi ut supponat pro re vel ex eo componatur propositio vel ut sit communi ad res, etc., et ista verius competunt intellectioni [nach der Edition von F. CORVINO (1955) 277: intentioni] quam tali idolo. Superflue igitur ponitur tale idolum." 2 6 9 Eine präzise Bestimmung von Ockhams Position hinsichtlich der Repräsentation ist schwierig. Während er in Rep. II q. 12-13 und Ord. I d. 3 q. 9 (s. Anm. 234) Repräsentation auf Vermittlung von rememorativer Erkenntnis festgelegt hat und in der Summa logicae I, 1 (vgl. Anm. 288) die Mentalzeichen von einer solchen gerade abhebt, bezeichnet er in Quodl. IV q. 3 (vgl. Kap. IV, Anm. 55) - gemäß einer von drei möglichen Weisen des Verständnisses von „repraesentare" - die cognitio selbst als „repraesentans" und spricht in Quodl. V, q. 7 sowie in Quaest. phys. 7 (s. Anm. 261) von einem Repräsentieren des conceptus bzw. der cognitio. Es ist möglich, daß hier nur ein gegenüber den frühen Verwendungen laxerer Gebrauch des Repräsentationsbegriffs vorliegt. Es ist aber ebenso denkbar, daß Ockham sich in den späten Schriften auch in diesem Punkt der Position Chattons weiter annähert, der den Erkenntnisakten ein „repraesentare" ebenso wie ein „significare" zugeschrieben hat. 2 7 0 Wenn im frühen 16. Jahrhundert Johann Eck gegenüber der „communis sententia" die These vertritt, daß die Konzepte die Sachen nicht aufgrund einer natürlichen Ähnlichkeit, 265

102

Die mittelalterliche Zeichentheorie von Abailard bis zum 14. Jahrhundert

Konzepte sind für Ockham natürliche Zeichen sowie - wenngleich dem keine unmittelbare logische Relevanz zukommt und dies dementsprechend zumeist nicht eigens betont wird -Ähnlichkeiten; Repräsentationen sind sie nur im uneigentlichen Sinn, in keinem Fall aber sind sie Bilder. Hätte Ockham die Konzepte vom Begriff der similitudo abgelöst, so wäre dies etwas, was die zumindest zeitweilig vorgenommene Trennung von Signifikation und Repräsentation sowie die damit verbundene Zuordnung der Konzepte zu jener und ihre Abgrenzung von dieser tatsächlich zu sein scheint: ein Charakteristikum oder mehr noch, ein proprium der Erkenntnistheorie Ockhams. Denn in aller Regel werden nicht nur von den älteren sondern auch von den zeitgenössischen und späteren Autoren wie Walter Burleigh, 271 Johannes Aurifaber, 272 Gregor von Rimini, 273 Albert von Sachsen, 274 Marsilius von Inghen 275 oder Pierre d'Ailly 276 die geistigen

sondern eines natürlichen Kausalverhältnisses bezeichnen, da schwer zu erklären sei, wie die immaterielle cognitio einer materiellen res extensa ähnlich sein soll, so tut er dies auch unter ausdrücklicher Distanzierung von Ockham. Vgl. JOHANN ECK, Aristotelis Stagyrite Dialéctica, I (1516) fol. 71vb-72ra: „... communis sententia est conceptum significare naturaliter ex naturali similitudine, ita quod conceptus est similis obiective secundum Scotus, vel subiective secundum Ocham, in repraesentando, sicut res est in essendo, unde analogiam sumere potes in speculo, in quo relucent rerum imagines: ita in speculo intellectus similitudines ac notiones contineantur; hinc appellantur species, ideae, simulachra... Sed contra... Placet ergo mihi notiones animi et conceptus significare ex naturali habitudine, sed non ex naturali similitudine. Difficile enim esset assignare quomodo res mere immaterialis sicut est cognitio esset similis rei materiali et extensae." 271

Commentarius medius (1977) 5 6 f : „dicendum quod ista propositio 'eaedem sunt passiones animae apud omnes' debet intelligi quod passio animae, scilicet similitudo rei, significat idem apud omnes, quoniam apud omnes significai rem cuius est similitudo. Unde si esset aliqua vera imago Herculis, ubicumque foret ista imago semper significaret Herculem, nec esset in uno loco imago Herculis et in alio loco imago alterius, unde ista imago significaret idem apud omnes. Et eodem modo passio animae quae est similitudo rei in anima significat idem apud omnes." Vgl. Super artem veterem (1497) fol. k3vb: „... passiones animae sunt primae in significando: quia immediate significant res quarum sunt similitudines..." BURLEIGH,

Determinano de modis significandi ( 1 9 6 7 ) 2 2 6 : „... duplex est signum, scilicet quod per naturam est signum, et quod per nostram voluntatem est signum, scilicet quia nos ipsum accipimus pro alio. Primum signum est idem apud omnes, et hoc est conceptus primario rei sive similitudo in anima..."

272

JOHANNES AURIFABER,

273

GREGOR VON RIMINI bestimmt die Leistung der Konzepte durchgängig unter Verwendung des Begriffs „repraesentare"; Vgl. Lectura super primum et secundum sententiarum, hg. D. TRAPP (1979ff) Z.B. 1.363, 3 0 ; 1.365, 3 ; 1.415,12. ALBERT VON SACHSEN, Perutilis logica (1522) fol. 4vb: „Intentio secunda est similitudo aliqua existens in intellectu naturaliter repraesentativa alicuius vel aliquorum ea ratione qua ulterius est signum, vel sunt signa aliorum." Vgl. Quaestiones in artem veterem (1988) n. 737. MARSILIUS VON INGHEN, Suppositiones (1983) 54. PIERRE D'AILLY, conceptus (s.l. s.a.) fol. blrb. Der conceptus ist hier bestimmt als „naturaliter proprie repraesentans rem."

274

275 276

Das Zeichen in der Logik des 14. Jahrhunderts Begriff als natürliche Ähnlichkeiten, Repräsentationen oder imagines

103 der Dinge

beschrieben. 2 7 7

E. Das Zeichen in der Logik des 14. Jahrhunderts Obwohl die significatio

in der terministischen Logik des 1 3 . Jahrhunderts 2 7 8

als das Fundament aller „proprietates terminorum" gilt, 2 7 9 äußert sich die Generation von Petrus Hispanus und Wilhelm von Sherwood nur spärlich über die signification*0

Sie wird kurz beschrieben als die „praesentatio alicuius formae ad

intellectum" (Vergegenwärtigung irgendeiner F o r m gegenüber dem Intellekt) 2 8 1 bzw. die „rei per v o c e m secundum placitum repraesentatio" (Die Repräsentation einer Sache durch einen willkürlich eingesetzten sprachlichen Ausdruck) 2 8 2 und von der Supposition 2 8 3

abgegrenzt: Ein W o r t besitzt außerhalb einer Aussage

Die Charakterisierung der Konzepte als similitudines rerum leitet sich bekanntlich aus Aristoteles' Peri hermeneias her. Die Kommentierungstradition dieser Schrift ist jedoch auch eine Quelle für die diesbezügliche Verwendung des wwgo-Begriffs. Vgl. AMMONIUS, Commentaire sur le Peri Hermeneias d'Aristote. Traduction de Guillaume de Moerbeke (1961) 34: „... conceptiones ... imagines enim sunt apud animam rerum."; ebd. 38: „... necesse [est] conceptionum unamquamque imaginem esse rei ... velut in tabula animae scripta." Eine weitere wichtige Quelle ist die augustinische Tradition. Vgl. AUGUSTINUS, De Irin. XV, 12, 22; ANSELM VON CANTERBURY, Monologion, p. 48 (s. Anm. 118), WILHELM VON AUVERGNE, De universo I, 20 (1674) 1. 613b: „ ... verbum intellectuale, quod usualiter vocant verbum in mente ... non est nisi imago, vel similitudo rei intellectae, et cogitatae."; ANDREAS DE NOVOCASTRO, 1 Sent d 1 q 1 (1514) fol. 17va, vgl. W . Hübener, Studien zur Theorie der kognitiven Repräsentation (1968) 609. 278 Vg| q P R C T I ) L a dottrina della vox significativa nella semantica terministica: Riv. crit. star, filos. 10 (1955) 223-64; L. M. DE RlJK, Log. modernorum II/l. ( 1 9 6 η 123ff; J. PLNBORG, Log. u. Semantik im MA (1972) 55ff; A. GHISALBERTI, La semiotica medievale: i terministi, in: Per una storia della semiotica (1981) 53-68. 2 7 9 LAMBERT VON AUXERRE, Logica (1971) 205: „... significatio est sicut perfectio termini et proprietates termini supra significationem fundantur." Zur Theorie der proprietates terminorum vgl. J. PlNBORG, Log. u. Semantik im MA (1972) 58ff; A. DUMITRIU, History of Logic, 1 ( 1 9 7 η 13Off; L. M . DE RLJK, The Origins of the Theory of the Property of Terms, in: Cambridge Hist, of Later Med. Phil. (1982) 161-73; C. A. DUFOUR, Die Lehre der Proprietates Terminorum. Sinn und Referenz in der mittelalterlichen Logik (1989). 2 8 0 Vgl. L. M. DE RLJK, 'Significatio' y 'suppositio' en Pedro Hispano: Pensamiento 25 (1969) 225-34; L. P. BOTERO, Semantics in Petrus Hispanus' Tractatus: Semiotica 63-1/2 (1987) 83-87; H. A. G. BRAAKHUIS, The View of William of Sherwood on some Semantical Problems and their Relation to those of Roger Bacon: Vivarium 15 ( 1 9 7 η 111-42. 2 8 1 WILHELM VON SHERWOOD, lntroductiones in logicam ( 1 9 8 3 ) 2 6 5 ; vgl. J . PINBORG, Logik u. Semantik im MA (1972) 64. 277

282

PETRUS HISPANUS, Tractatus

283

Die Theorie der Supposition, des „Stehens für" eines Terminus bezieht sich auf die Bestimmung der Auffassungs- oder Verständnisweise desselben gemäß den Wahrheitsbedingungen der ihn enthaltenden Aussage. Dabei geht es um die Klärung, bei welchem Verständnis der Termini ein Satz wahr oder falsch bzw. ein syllogistischer Schluß gültig oder ungültig ist (vgl. BARTHOLOMAEUS ARNOLDI VON USINGEN, Summa compendiaria totius logicae ( 1 5 0 7 ) fol. f6r: „finis suppositionis est per eam cognoscere an oratio sit vera vel falsa"). Zur

(1972) 79.

104

Die mittelalterliche Zeichentheorie von Abailard bis zum 14. Jahrhundert

Signifikation, jedoch - mit Ausnahme der suppostilo position; die significatio die suppostilo

naturalis284

- keine Sup-

gründet in der Einsetzung des sprachlichen Ausdrucks,

in der Verwendung des bereits signifikativen W o r t e s für etwas

(„acceptio ipsius termini iam significantis rem pro aliquo") und ist damit der Supposition vorgeordnet („significatio prior est suppositione"). 2 8 5 Einer eingehenden Analyse wird jedoch erst die Supposition unterzogen. Bei O c k h a m tritt dagegen die Signifikation und damit der Zeichenbegriff deutlich in den Vordergrund. 2 8 6

Er begründet, in vielen Punkten an die Zei-

chenanalysen seiner O x f o r d e r Vorgänger (Bacon, Ps.-Kilwardby, Scotus) anknüpfend, seine Logik auf dem Konzept des Zeichens. 2 8 7

Diese hat es aus-

schließlich mit Zeichen zu tun, vorrangig mit mentalen, in zweiter Linie mit lautlichen oder schriftlichen. Dabei handelt es sich jedoch um einen speziell für die Belange der Logik zugeschärften Zeichenbegriff. Denn Ockham schränkt das logische Zeichen von vornherein auf ein solches ein, das über die allgemeine, der augustinischen Definition des Zeichens entsprechende Bestimmung desselben als etwas „quod aliquid facit in cognitionem venire" (das etwas anderes in die Erkenntnis kommen läßt) hinaus durch seine Eignung charakterisiert ist, für jenes zu supponieren oder - dies betrifft die Synkategoremata - einem so bestimmten Zeichen in einer Aussage beigefügt zu werden (natum est pro ilio supponere vel tali addi in propositione). 2 8 8

284

Theorie der suppositio vgl. E. ARNOLD, Zur Geschichte der Suppositionstheorie: Symposion. Jahrbuch für Philosophie 3 (1952) 1-134; P. BOEHNER, A Medieval Theory of Supposition: FS 18 (1958) 240-89; A. R. PERREIAH, Approaches to Supposition-Theory: The New Scholasticism 45 (1971) 381-408; O. DUCROT, Quelques implications linguistiques de la théorie médiévale de la supposition, in: History of Linguistic Thought and Contemporary Linguistics, hg. H. PARRET (1976) 189-227; D. P. HENRY, Suppositio and Significatio in English Logic, in: English Logic and Semantics (1981) 361-385. Zur satzunabhängigen suppositio naturalis vgl. L. M. DE RLJK, The Development of Suppositio Naturalis in Medieval Logic, I: Natural Supposition as Non-contextual Supposition: Vivarium 9 (1971) 71-107 u. II: Fourteenth Century Natural Supposition as Atemporal (Omnitemporal) Supposition: Vivarium 11 (1973) 43-79; C. PANACCIO, Supposition naturelle et signification occamiste, in: De ortu grammaticae (1990) 255-270.

285

PETRUS HISPANUS, Tractatus

286

Vgl. J. BlARD, La redéfinition ockhamiste de la signification (1981) 452. Vgl. J. BlARD, Logique et théorie du signe au XTVe siècle (1989) 18f. OCKHAM, Summa logicae I, 1 (1974) 8f: „... signum dupliciter accipitur. Uno modo pro omni ilio, quod apprehensum aliquid aliud facit in cognitionem venire, quamvis non faciat mentem venire in primam cognitionem eius, sicut alibi est ostensum, sed in actualem post habitualem eiusdem. Et sic vox naturaliter significat, sicut quilibet effectus significat saltern suam causam, sicut etiam circulus significat vinum in taberna. Sed tarn generaliter non loquor hic de signo. Aliter accipitur signum pro ilio, quod aliquid facit in cognitionem venire et natum est pro ilio supponere vel tali addi in propositione, cuiusmodi sunt syncategoremata et verba et illae partes orationis, quae finitam significationem non habent - vel quod natum est componi ex talibus - cuiusmodi est oratio. Et sic aeeipiendo hoc vocabulum 'signum' vox nullius est signum naturale."

287 288

(1972) 80.

105

Das Zeichen in der Logik des 14. Jahrhunderts

D a s Z e i c h e n w i r d d a m i t im H i n b l i c k a u f das aus d e r älteren t e r m i n i s t i s c h e n L o g i k ü b e r n o m m e n e K o n z e p t d e r S u p p o s i t i o n definiert. D i e Signifikation ist z u m i n d e s t im B e r e i c h u n d aus d e r P e r s p e k t i v e d e r L o g i k - n i c h t m e h r e t w a s d e r S u p p o s i t i o n V o r g ä n g i g e s , s o n d e r n hat diese insofern zur V o r a u s s e t z u n g , als hier n u r s o l c h e Z e i c h e n b e h a n d e l t w e r d e n , die g e e i g n e t sind, als Teil e i n e r A u s s a g e zu f u n g i e r e n . 2 8 9 S p ä t e r w i r d m a n diese v o n O c k h a m in d e r Summa

logicae

aus

d e m G e s a m t b e r e i c h aller m ö g l i c h e n Z e i c h e n a u s g e g r e n z t e Klasse d e r logikrelevanten Z e i c h e n „signa propositionalia",290

„signa o r a t i o n a l i a " 2 9 1 ,

o d e r - mit

e i n e m T e r m i n u s , dessen P r ä g u n g in e i n e m n a c h w e i s b a r e n Z u s a m m e n h a n g mit O c k h a m s A u s f ü h r u n g e n s t e h t - „ s i g n a s u p p o s i t i v a " 2 9 2 n e n n e n . E s ist a b e r g e r a d e

289

290

291 292

Die Frage der konzeptuellen Priorität der suppositio vor der significatio, wie sie M. J. Loux (Significatio and Suppositio: Reflections on Ockham's Semantics: The New Scholasticism 53 (1979) 407-427) hervorgehoben hat, ist umstritten. C. PANACCIO (Propositionalism and Atomism in Ockham's Semantics (1984) 67) hat mit Recht vor einer einseitigen Prioritätsbehauptung gewarnt: „Neither the notion of signification nor that of supposition is logically prior to the other one in Ockham's Semantics. ... The capacity for supposition is a differential property of the categorematic signs, but this in no way entails that the idea of supposition is prior to or more fundamental than that of signification." J. BLARD (Logique et théorie du signe (1989) 91ff) hat ausführlich das komplexe, zirkuläre Verhältnis beider dargelegt: „... la signification, élaborée à partir du concept de supposition, et posée comme présupposée par cette dernière"(93). Vgl. z.B. JOHANNES RAULIN, In logicam Aristotelis commentarium (1500) fol. a5rb; JOHANNES B O I X , Tractatus conceptuum et signorum (1493); vgl. V. M U Ñ O Z DELGADO, Juan Aznar y su tratado de los términos (1513) según la via escotista (1974) 3 1 2 ; GASPAR LAX, Parve divisiones terminorum magistri Gaspari Lax. cum terminis eiusdem (ca. 1502) d4vb. Vgl. JOHANN ECK, Aristotelis Stragyrite Dialéctica 1 (1516) fol. 61vb. Der historische Zusammenhang dieses von Paul von Venedig eingeführten Begriffs zu Ockham ist folgender: Albert von Sachsen diskutiert vor dem Hintergrund der aus der Summa logicae übernommenen Unterscheidung der beiden Verständnisweisen des Zeichens (s. Anm. 288) die Frage nach der Umkehrbarkeit des Bezeichnungsverhältnisses von terminus und res und antwortet, daß die Dinge Zeichen für die Termini zwar unter der Voraussetzung des ersten, allgemeineren Verständnisses von „Zeichen" sein können, nicht jedoch im zweiten Sinne da sie nicht geeignet sind, in irgendeiner propositio für dieselben zu supponieren (vgl. ALBERT VON SACHSEN, Perutilis logica (1522) fol. 2vb: „... res ita bene possunt significare términos sicut termini ipsas... Nihilominus quamvis res significent términos per quos significantur: tarnen non sunt apte nate per eis supponere in propositione mentali, vocali, vel scripta. Et ideo non sunt signa terminorum secundo modo capiendo signum: quamvis bene sint signa terminorum primo modo capiendo signum."). In direktem Anschlug an Albert gibt Paul von Venedig dieselbe Antwort - nun allerdings unter Verwendung des Begriffs „signum suppositivum". Vgl. PAULUS VENETUS, Logica magna (1979) 76: „ ... res non sunt aptae natae pro terminis in propositione supponere, sed bene econtra, ideo non sunt signa terminorum saltim suppositiva." (Hervorhebung von mir). - Durch die Übernahme dieses Begriffs durch TOLETUS wird er, zusammen mit seinem Gegenbegriff, dem signum manifestativum, bis ins 18. Jahrhundert hinein zum Standardkanon scholastis c h e r Z e i c h e n d i s t i n k t i o n e n g e h ö r e n . Z u TOLETUS, RUBIUS, VERANI U. COMPTON CARLETON

s. Kap. I V , Anm. 4 3 0 ; Vgl. P. VALLIUS, Logica (1622) 615bf; H. HEINLEIN, Philosophia rationalis (1677) 3 8 6 ; P. RENTZ, Philosophia ad mentem angelici doctoris divi Thomae Aquinatis, t. 1 (1714) 5 3 8 ; B. LLNGEN, Cursus Philosophicus, annus primus sive logica (1718) 186. Diese Unterscheidung ist auch in der protestantischen Schulphilosophie geläu-

106

Die mittelalterliche Zeichentheorie von Abailard bis zum 14. Jahrhundert

diese durch die Integration der Supposition in die logische Definition des signum und des significare293 vorgenommene Zuschärfung des Zeichenbegriffs, die ihn umso enger an die Logik und die Logik an ihn bindet.

1. Oratio mentalis und oratio vocalis Unter Berufung auf Boethius konstatiert Ockham eine „triplex oratio", d.h. drei Ebenen der Rede, denen gemäß er drei Formen von Termini unterscheidet: geschriebene, gesprochene und „erkannte" (termini concepii bzw. termini mentales).294 Letztere sowie die aus ihnen gebildeten Propositionen, entsprechen den augustinischen verba mentalia, von denen gilt, daß sie keiner idiomatischen Sprache angehören295 und sich häufig aufgrund des Defekts derselben in keiner solchen adäquat zum Ausdruck bringen lassen.296 Das Denken ist ein geistiges Sprechen: „loqui mentaliter non est nisi cogitare actualiter."297 Ockham steht mit einer solchen Darstellung des Denkens als einer Art des inneren Sprechens in einer langen Tradition. Während die stoische Unterscheidung von λόγος ένδιάθετος und λόγος προφορικός298 in der doppelten Bedeutung von 'λόγος' gründet, besitzt deren lateinische Adaptation zwangsläufig metaphorischen Charakter. Hiermit liegt die paradoxe Situation vor, daß 'linguistische' Begrifflichkeit (verbum, locutio, oratio, dicere etc.) - mitunter in massiver Form299 - zur Beschreibung eines Bereiches verwendet wird, dessen Sprachfreiheit zugleich mit Nachdruck behauptet wird (verba nullius linguae).

fig; vgl. J . H . ALSTED, Metaphysica ( 1 6 1 3 ) 186f; CHR. SCHEIBLER, Metaphysica ( 1 6 3 6 ) 3 6 3 ; A. FROMME, Exercitationes metaphysicae ( 1 6 5 1 ) 3 7 9 ; J . SCHULTETUS, Disp. metaph. De signo et signato ( 1 6 5 9 ) fol. B 3 r ; D. DERODON, Logica restituía ( 1 6 5 9 ) 5 0 0 ; G. O . GRIMMIUS, Disp. inauguralis philosophica De Signis ( 1 6 9 5 ) 10. Eine terminologische Variante bildet die offenbar aus dem Begriff der suppositio personalis abgeleitete Unterscheidung von signum

personale und signum impersonale; NICOLAUS A S. IOHANNE BATTISTA, 293

vgl. C. FRASSEN, Philosophia académica (1686) 338; Philosophia Augustiniana ( 1 6 8 7 ) 2 5 f ; GERVASIUS VON

BREISACH, Cursus philosophicus, t. 1. ( 1 6 9 9 ) 2 4 2 f . Vgl. OCKHAM, Summa logicae I, 3 3 ( 1 9 7 4 ) 95f.

Summa logicae

294

OCKHAM,

295

Ebd.: „... isti termini concept! et propositiones ex eis compositae sunt ilia verba mentalia, quae ... Augustinus ... dicit nullius esse linguae...". Ebd. I, 15 ( 1 9 7 4 ) 4 2 : „... quandocumque aliquis profert propositionem vocalem, prius format interius unam propositionem mentalem, quae nullius idiomatis est, in tantum quod multi frequenter formant interius propositiones quas tamen propter defectum idiomatis exprimere nesciunt."

296

1,1 ( 1 9 7 4 ) 7 .

OCKHAM, Quodl. I, q. 6 ( 1 9 8 0 ) 3 7 . S. Anm. 119. 299 Vgl. MAGISTER CONRAD, Tractatus excellentissimi Magistri Conradi O.P. de intentionibus ( 1 9 8 1 ) 5 3 1 : „Dicitur autem verbum cordis, quia per talia, quae in seipso intellectus format, h o m o loquitur sibi ipsi. Intellectus vere est quasi quaedam linguae animae, actus vero intelligendi est sicut motio linguae ad loquendum, species intelligibilis est sicut ars loquendi, conceptus vero mentis est sicut verbum prolatum." 297

298

Das Zeichen in der Logik des 14. Jahrhunderts

107

Für Augustinus wie für die augustinische Tradition des Mittelalters stellt sich jedoch auf der Grundlage der theologischen Verbttm-Spekulation der metaphorische Charakter dieser Redeweise nicht als ein solcher dar. Vielmehr gilt gerade der transidiomatische geistige Begriff, das verbum mentís, als Wort im eigentlichen Sinne. 300 Nicht also ist nach dieser Auffassung die Applikation von linguistischer Terminologie auf die Mentalsphäre eine bloß metaphorische Ubertragung, sondern umgekehrt: Rede im eigentlich Sinn ist locutio mentis. Diese aber vollzieht sich nicht in Wörtern der idiomatischen Sprachen, sondern, wie Anselm von Canterbury sagte, in „natürlichen und bei allen Völkern identischen Wörtern" (verba ... naturalia ... et apud omnes gentes eadem). 301 Nach Durandus a Sto. Porciano besetzt das geistige Wort gleichsam das Zentrum all dessen, was Wort oder generell Manifestation genannt zu werden pflegt. Kein Wort, kein Manifestatierendes, das nicht lediglich denominativ von jenem her ein solches genannt wird, das wesensmäßig Wort und Manifestierendes ist. 302 Ockham verbindet die augustinische Auffassung von der Präeminenz des geistigen Sprechens mit der im aristotelisch-boethianischen Lehrstück des ordo orandi angelegten strukturellen Entsprechung der drei Redeformen. Rede im eminenten Sinne ist geistige Rede, oratio mentalis. Diese bildet den eigentlichen Gegenstand seiner mentalistischen Logik. Die aus der Parallelisierung der orationes sich nahelegende Annahme der Korrespondenz von Vokal- und Mentalsprache erlaubt es Ockham, das theoretische und terminologische Instrumentarium der terministischen Logik auf die Ebene der oratio mentalis anzuwenden.303 Auch die intentiones animae, die geistigen Begriffe, lassen sich entsprechend den Wortklassen einteilen. Zwar gibt es verschiedene Abweichungen der Mentalgrammatik von der Struktur der gesprochenen Sprache, indem alles nicht zu den notwendigen Erfordernissen des Bezeichnens („necessitas significationis") gehörige von der oratio mentalis ausgeschlossen wird, so daß es hier z.B. weder Synonyme noch die Unterschei-

300

Vgl. BONAVENTURA, 1 Sent. 2 7 , 2 , 1, 4 c: „... verbum exterius ... non est verbum, sed verbi signum..."; DURANDUS A STO. PORCIANO, 1 Sent. 2 7 , 2 , 7 ( 1 5 7 1 ) fol. 7 7 : „Uno modo (verbum dicitur) illud quod est exterius intellectu concipitur secundum quod homo dicitur loqui alteri. Alio modo dicitur verbum conceptus intellectus secundum quem conceptum dicimus hominem cogitantem sibiipsi loqui. Et istud dicitur verbum mentis, sicut primum dicitur verbum vocis. Sed quia volens verbum formare exterius praeconcipit illud per imaginationem, ideo dicitur tertio modo verbum actus imaginationis quo concipimus vocem exteriorem sic vel sic formari antequam formemus. Inter haec autem verbum mentis dicitur propriissime verbum, vox enim exterior non dicitur verbum, nisi quia significat conceptum intellectus, vel rem per intellectum conceptam...".

301

ANSELM VON CANTERBURY,

25, Uff.

3 0 2

303

Monologion 10, Opera omnia 1, hg. v. F. S. Schmitt (ND 1968)

DURANDUS A SANCTO PORCIANO, 1 Sent 2 7 , 2 , 7 ( 1 5 7 1 ) fol. 7 8 . Vgl. Summa logicae I, 3 (1974) llff; Zu den Übereinstimmungen und Abweichung von oratio mentalis und oratio vocalis vgl. auch Quodl. V, q. 8 (1980) 508ff. Vgl. W. HOBENER, „Oratio mentalis" und „oratio vocalis" in der Philos, des 14. Jh. (1981) 490f.

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Die mittelalterliche Zeichentheorie von Abailard bis zum 14. Jahrhundert

dung grammatischer Genera gibt. Insgesamt jedoch ist die Struktur des - sprachfreien - Denkens in Termini der Sprachlichkeit beschreibbar. Das Äquivalent des Augustinischen verbum mentis, der conceptos, ist zwar jeder Bindung an eine idiomatische Sprache enthoben. Im Gegensatz zu Augustinus wird er nun jedoch als Zeichen bestimmt. Was zuvor nicht Zeichen sondern gerade durch seine Differenz gegenüber der Sphäre der Zeichen ausgezeichnet war, ist nun Zeichen im eigentlichen, eminenten Sinn. Das Verhältnis der drei Ebenen der oratio ist durch die von Scotus vorbereitete304 Theorie der Subordination reguliert. Mit dieser verwirft Ockham unter Berufung auf Aristoteles das letzten Endes aristotelische Signifikationsmodell des semantischen Dreiecks. Die voces und passiones sind signa subordinata. Die sprachlichen Ausdrücke bezeichnen nicht unmittelbar die Konzepte und durch deren Vermittlung die Dinge („res mediantibus conceptibus"), sondern sie bezeichnen diese ebenso direkt, wie es die Konzepte tun: Dico autem voces esse signa subordinata conceptibus seu intentionibus animae, non quia proprie accipiendo hoc vocabulum „signa" ipsae voces semper signifìcent ipsos conceptus animae primo et proprie, sed quia voces imponuntur ad signifìcandum illa eadem, quae per conceptus mentis signifícantur, ita quod conceptus primo naturaliter significat aliquid et secundario vox significat illud idem. - (Ich sage aber, daß die sprachlichen Ausdrücke den Konzepten oder Intentionen der Seele untergeordnete Zeichen sind, nicht weil bei eigentlicher Auffassung des Wortes „Zeichen" die sprachlichen Ausdrücke stets die Konzepte der Seele zuerst und eigentlich bezeichnen, sondern weil sie zur Bezeichnung eben desselben eingesetzt worden sind, das durch die Begriffe des Geistes bezeichnet wird, und zwar so, daß der Begriff zuerst und auf natürliche Weise etwas bezeichnet und der sprachliche Ausdruck dasselbe an zweiter Stelle). 305

Würde der Begriff sein Signifikat wechseln, so hätte dies unmittelbar eine entsprechende Ersetzung des Signifikats bei dem ihm subordinierten sprachlichen Ausdruck zur Folge. Die in dieser Weise als „sekundär Bezeichnende" (secundario significantia)306 bestimmten sprachlichen Ausdrücke hängen in ihrer Signifikation gänzlich vom conceptus ab, ohne jedoch diesen deshalb selbst zu bezeichnen. Das Verhältnis der voces zu den Konzepten ist keines der Signifikation, sondern eines der Subordination.307 Dieses Verhältnis zwischen dem 304

Vgl. W. HÜBENER, „Oratio mentalis" und „oratio vocalis" in der Pbilos. des 14. Jh. (1981) C . MARMO, Ontology and semantic in the logic of Duns Scotus ( 1 9 8 9 ) 1 6 4 ; A. TABARRONI, Mental signs and the theory of representation in Ockham ( 1 9 8 9 ) 1 9 9 . Vgl. 495;

SCOTUS, Ord. I d. 2 7 q. 1-3 n. 83, s. Anm. 191. In der Ordinatio

305

306 307

(I d. 2 2 q. un. a. 1 ( 1 9 7 9 )

50) spricht Ockham, wie Scotus, noch von signa ordinata: „... dico quod non est intentio Philosophi quod voces primo significant passiones animae, sed quod passiones animae et voces sunt quaedam signa ordinata, ita quod voces instituuntur ad signifìcandum, non ipsas passiones animae, sed res illas quarum sunt illae passiones, et aliquo modo illae passiones sunt signa ¡Harum rerum." OCKHAM, Summa logicae 1,1 ( 1 9 7 4 ) 8 . Ebd. U. E c o (Denotation (1989) 64) bemerkt hierzu: „What happens with Ockham - and happened with Bacon - is that the semiotic triangle is definitly put upside down. Words are non

Das Zeichen in der Logik des 14. Jahrhunderts

109

s p r a c h l i c h e n A u s d r u c k u n d d e m B e g r i f f h a t s e i n e E n t s p r e c h u n g in d e r S u b o r d i nation der Schrift unter die v o x . 3 0 8 in R ü c k s i c h t d e r voces,

D i e S c h r i f t ist lediglich s e k u n d ä r e s Z e i c h e n

d i e z u m i n d e s t u n t e r allen w i l l k ü r l i c h e i n g e s e t z t e n Z e i -

c h e n , w i e e r in w ö r t l i c h e m A n s c h l u ß a n A u g u s t i n u s f o r m u l i e r t , d e n

principatus

innehaben.309 W ä h r e n d O c k h a m v o n d e r b o e t h i a n i s c h e n T r i c h o t o m i e d e r oratio vocalis,

scripta)

(mentalis,

a u s g e h t , f i n d e t im w e i t e r e n 1 4 . J a h r h u n d e r t d i e in d e r a u g u s t i -

nischen T r i c h o t o m i e entwickelte Binnendifferenzierung des inneren in e i n e S p h ä r e d e r „ c o g i t a t i o r e i " (verbum

mentis,

conceptus

rei)

Sprechens

und eine der

„cogitatio v o c i s " stärkere Berücksichtigung. G r e g o r v o n Rimini setzt unter Bez u g n a h m e a u f A u g u s t i n u s u n d A n s e l m d i e im G e i s t e g e d a c h t e n V o k a l z e i c h e n als einen eigenen „genus enuntiationum m e n t a l i u m " 3 1 0

an. P i e r r e d ' A i l l y , d e r a u c h

n o c h d i e S c h r i f t z e i c h e n k o n z e p t u a l i s i e r t , f ü h r t d e n „ c o n c e p t u s v o c i s vel s c r i p t u r a e " als terminus

308

309

310

311

mentalis

im u n e i g e n t l i c h e n S i n n . 3 1 1 Z w i s c h e n d i e s e m u n d d e m

connected primarily to concepts and then, through mental mediation, to things: they are directly imposed upon things and states of affairs." Was bei Ockham geschieht, ist weniger das auf-den-Kopf-Stellen des semantischen Dreiecks, als vielmehr dessen Substitution durch ein nicht mehr in der Begrifflichkeit der significatio 'trigonometrisch' beschreibbares Konkurrenzmodell. Es trifft von daher auch nicht zu, daß die Begriffe nicht mehr in erster Linie mit den Konzepten „connected" sind. Was bei Ockham aufgegeben wird, ist keineswegs die Verbindung von sprachlichem Ausdruck und Mentalkonzept, sondern die Annahme, diese müsse als Signifikationsbeziehung charakterisiert werden. OCKHAM, Summa logicae 1,1 (1974) 8 : " Et sicut dictum est de vocibus respectu passionum seu intentionum seu conceptuum, eodem modo proportionaliter quantum ad hoc tenendum est de his, quae sunt in scripto respectu vocum."; vgl. Expositio in librum perihermenias Aristotelis (1978) 3 4 7 : „Dicit ... Philosophus quod vox est nota passionis animae propter quendam ordinem eorum in significando, quia primo passio significat res et secundario vox significat non passionem animae sed easdem res quas significat passio; ita quod si passio mutaret significata sua statim vox eo ipso, sine omni nova impositione vel institutione, mutaret significata sua. Et istud est manifestius de voce et scripto..." OCKHAM, Summa logicae I, 12 (1974) 4 1 : „Scriptura est signum secundarium respectu vocum, quia inter omnia signa ad placitum instituía voces obtinent principatum."; s. Kap. I, Anm. 141. GREGOR VON RIMINI, 1 Sent. Prol. q. 1 a. 3, hg. D . TRAPP u. V . MARCOLINO (1979ff) 1. 30, 2 6 - 3 1 , 2 : „... duplex est genus enuntiationum mentalium: Quoddam enim est earum, quae sunt vocalium enuntiationum imagines vel similitudines ab exterioribus vocibus in animam derivatae...; et istae non sunt eiusdem rationis in omnibus hominibus, sed aliae sunt in Graeco, aliae in Latino..." Vgl. PIERRE D'AILLY, Conceptus (s.l. s. a.) fol. blva-b: „... terminorum mentalium quidam est terminus mentalis proprie dictus. Alius improprie dictus. terminus mentalis improprie dictus est conceptus vocis vel scripture sinonime tali voce. ... est talis conceptus qui licet significet naturaliter proprie vocem vel scripturam cuius est naturalis similitudo potest tarnen cum hoc significare ad placitum et subordinari alteri conceptui qui solum naturaliter significat, verbi gratia conceptus huius vocis 'homo' naturaliter proprie significat illam vocem 'homo' quia est eius naturalis similitudo, sed ad placitum significat omnes homines singulares (blvb) et ut sic subordinatur in significatione illi conceptui qui naturaliter proprie est representativus omnium hominum." Vgl. hierzu W. HOBENER, Der theologischphilosophische Konservativismus des J . Gerson: Miscellanea Mediaevalia 9 (1974) 193-196.

110

Die mittelalterliche Zeichentheorie von Abailard bis zum 14. Jahrhundert

eigentlichen Mentalterminus besteht ihm zufolge kraft Gewohnheit eine solch enge Verbindung und wechselseitige Konkomitanz („colligantia seu mutua concomitantia inter conceptum naturalem ... et conceptum ... vocis"), daß bei der Bewirkung des einen unmittelbar auch die des anderen erfolgt (uno conceptu moto per obiectum suum ... statim movetur alius conceptus). 312 Die hier betonte Parallelität der inneren Sprach- und Denkoperationen hat jedoch ausschließlich die Funktion, die Prozesse des Sprechens und Verstehens, d.h. die Ubersetzung geistiger Konzepte in körperliche Laute und umgekehrt, zu erklären. Sie impliziert noch keinen Einfluß der Sprache auf das Denken. Denn die einfachen Elemente der Mentalsprache bleiben, auch wenn sie stets den Elementen einer Vokalsprache zugeordnet sind, als 'Ähnlichkeiten' der Dinge in einem unmittelbaren Bezug zu denselben und in eben diesem Sachbezug von den sie begleitenden Wörtern unbehelligt. Erst im Laufe des 17. Jahrhunderts werden sich inneres Sprechen und Denken soweit annähern, daß mit der Wende zum 18. Jahrhundert die Konkomitanz verschiedentlich als Koinzidenz erscheint und so von einer konstitutiven Funktion der Sprache für das Denken ausgegangen wird. 313

2. Konsequenzen des logischen Zeichenbegriffs Es ist durchaus berechtigt, die Logik Ockhams als „régie par le concept de signe" zu bezeichnen. 314 Insofern nämlich, als unter durchgängigem Rekurs auf den Zeichenbegriff eine semiologische Neudefinition der grundlegenden Begriffe der Logik erfolgt. 315 Hierin ist Ockham zwar nicht originell, sondern in vielen Punkten durch ältere und zeitgenössische Autoren, wie etwa Walter Chatton angeregt und vorbereitet. Doch wohl nirgendwo anders erfolgt die Instrumentalisierung des Zeichenbegriffs mit größerer Konsequenz. Sie bewirkt, daß auf der Grundlage einer konsequenten Einzeldingontologie die zentralen metaphysischen Probleme in semantische Fragestellungen transformiert werden. Am deutlichsten zeigt sich dies an der Universalienproblematik. Gemäß der universalienrealistischen Position konnte das Universale definiert werden als etwas, daß zugleich in mehrerem sein („quod aptum natum est, esse in pluribus") und eben dadurch von vielem prädiziert werden kann („quod praedicatur de multis"), oder auf eine Kurzformel gebracht: „universale est, quod de sua aptitudine est in multis et de multis" (Ein Universale ist, was seiner Eignung nach in vielem und

312

PIERRE D'AILLY, 1. Sent., q. 3, a. 1, hg. L. KACZMAREK, in: Ders.: 'Notitia' bei Peter von Ailly. In: O . PLUTA (Hg.): Die Philosophie im 14. und 15. Jahrhundert ( 1 9 8 8 ) 4 0 3 f .

313

Vgl. Kap. V I C. J . BlARD, Logique et théorie du signe au XJVe siècle ( 1 9 8 9 ) 102. Vgl. ebd. 1 0 2 - 2 5 .

314 315

111

Das Zeichen in der Logik des 14. Jahrhunderts

von vielem ist).316 Nach Ockhams Einzeldingontologie ist eine solches „universale in essendo" (dem Sein nach Allgemeines) unmöglich. Jedes auch nur vorstellbare existierende Ding ist ein Singulare, ein der Zahl nach eines.317 Das gilt auch für das Universale („quodlibet universale est una res singularis").318 Denn dieses ist nichts anderes als eine - der Sache nach singulare - intentio animae, die eben dadurch zu einem Allgemeinen wird, daß sie ein von mehrerem prädizierbares Zeichen ist („intentio animae dicitur universalis, quia est signum praedicabile de pluribus").319 In analoger Weise transformiert Ockham aber auch die gerade für die Bestimmung des Zeichens äußerst wichtige metaphysische Problematik des ontologischen Status der Relation in eine semantische Fragestellung. Es gibt nur „res absolutae", Einzeldinge. Diese werden jedoch auf unterschiedliche Weise benannt. Während einige Nomina von ihren Signifikaten absolut ausgesagt werden können, d.h. ohne daß ihnen irgendein anderes Substantiv, das nicht im Nominativ steht, hinzugefügt wird (man kann von jemandem sagen, er sei ein Mensch, nicht aber, er sei irgendjemandes Mensch), gibt es andere, die nomina relativa, die dadurch gekennzeichnet sind, daß sie stets mit einem casus obliquus eines anderen Substantivs verbunden werden können (es ist unmöglich, daß jemand Vater ist ohne irgendjemandes Vater zu sein). 320 Mit dem Relativen und der Relation hat Ockham zufolge Aristoteles nicht extramentale, von den Einzeldinge verschiedene Entitäten gemeint, sondern allein die Nomina als Teile einer gedachten, gesprochenen oder geschriebenen Aussage.321 Eine metaphysische Bestimmung des Zeichens als vom Zeichending selbst abgehobene Relation, ist, zumindest so, wie sie etwa von Thomas von Aquin oder Scotus und später im 17. Jahrhundert von Johannes a Sancto Thoma - und später im 19. Jahrhundert von Peirce - vorgenommen wurde, nach Ockham damit gerade aufgrund der semantischen Bestimmung der Relation als Zeichen unmöglich.322

316

Vgl. ALBERTUS M A G N U S , De praedicabilibus (1977) 63.

3 1 7

OCKHAM,

318

OCKHAM,

319

Ebd., 49.

3 2 0

321

322

II, 1 ;

vgl. A . DUMITRIU, History of Logic 1

Expositio in lib. Porphyrie de praedicabilibus, Prooemium Summa logicae I , 1 4 ( 1 9 7 4 ) 4 8 .

S 2 (1978)

11.

O C K H A M , Summa logicae I, 4 9 (1974) 154f Ebd. I 4 9 , 4 7 f f (1974) 155: „Aristoteles nihil posuit relativum nec ... relationem nisi solum nomen ex quo nata est propositio mentalis, vocalis vel scripta componi." Auf diese Differenz zwischen Scotus und den Nominales macht später JOHANNES DE ORIA (Summularum volumen primum (1987) 157) aufmerksam: „... significatio, intentio et impositio et similia abstracta secundum Scotum, significant respectum signi ad signatum. Sed, secundum nominales, significant ipsa signa significantia." Die Identifikation der Relation mit dem Zeichen selbst richtete sich jedoch nicht nur gegen -Scotus, sondern auch und überwiegend gegen Versuche, die Existenz der modi significandt mit der aus der Imposition resultierenden Relation des sprachlichen Zeichens auf sein Signifikat zu beweisen. So wendet sich der Verfasser der häufig PIERRE D'AILLY zugeschriebenen Destructiones modorum

112

Die mittelalterliche Zeichentheorie von Abailard bis zum 14. Jahrhundert

Ockhams Position als „Nominalismus" zu bezeichnen, ist jedoch zumindest insofern irreführend, als nicht - oder nur in zweiter Linie (secundario) - der sprachliche Ausdruck das Universale ausmacht, sondern vielmehr die intentio atiimae, der geistige Begriff; und dieser ist eben kein „bloßer Name" im landläufigen Sinn, sondern ein natürliches, bei allen Menschen identisches Zeichen. Nur wenn die Bezeichnung „Nominalismus" vom Mentalnomen her begriffen wird, hat sie ihre Berechtigung. Die „nominalistische", oder besser konzeptualistische Position, die das Allgemeine ebenso wie die Wahrheit - denn diese ist nichts anderes als die wahre Proposition („veritas est propositio vera"), 323 d.h. jene, in der Subjekt und Prädikat für dasselbe supponieren324 - auf der Ebene der Zeichen ansiedelt und für die damit der unmittelbare Gegenstand von Wissenschaft ebenfalls das Zeichen - in Form der die Dinge bezeichnenden wahren Mentalpropositionen - ist,325 war im Spätmittelalter zwar verbreitet, aber keineswegs dominierend. Ein genuiner Ockhamismus zumal ist selten. Obwohl Ockham die Berücksichtigung des Zeichens im Rahmen der Logik entscheidend durchgesetzt hat, hätte er, wären seine Thesen durchgängig übernommen worden, die Ausbildung einer allgemeinen Theorie der Zeichen mindestens ebenso nachhaltig verhindern können. Sie wurden es nicht. Bereits der für das späte 14. Jahrhundert bestimmendere Johannes Buridan weicht an verschiedenen, nicht unerheblichen Punkten von Ockham ab, indem er auf der Grundlage eines anders konzipierten Verhältnisses von Signifikation und Supposition die sprachlichen Ausdrücke wieder unmittelbar die geistigen Begriffe bezeichnen sowie den Zeichencharakter der Konzepte in den Hintergrund treten läßt und damit die Logik wieder als scientia sermocinalis behandelt.326 Albert von Sachsen ist Ockham demgegenüber erheblich enger gefolgt, doch zeichnet sich auch bei ihm bereits die späterhin zunehmende Tendenz einer Aufhebung der strikten Beschränkung auf das Zeichen im engeren, logischen Sinne ab, wenn er das significare allgemein als „aliquid intellectui repraesentare" definiert.327 Tatsächlich scheint gerade er der Ausgangspunkt für viele jener Theoreme und Fragestellungen zu sein, deren ausführliche Diskussion in der Logik des späten 15. und frühen 16. Jahrhunderts den Boden für eine Thematisierung significandi (hg. v.

L . KACZMAREK ( 1 9 9 4 ) 9 2 ) gegen die Modisten, „qui ponunt relationem esse rem distinctam ab utroque termino relationis et etiam a fundamento". Demgegenüber vertritt er die These, „quod relatio quae résultat per impositionem vocis non est aliqua res distincta a signo significante..."

323 324

Scriptum in ¡ib. primum Sent., Ordinatio (1979) 578. Summa logicae ( 1 9 7 4 ) 2 5 0 .

325

Das ist freilich nicht so zu verstehen, als würde Ockham, indem er sagt, daß der Gegenstand des Wissens die Zeichen sind, zugleich auch behaupten: und nicht die Sachen. Denn die Mentalzeichen Ockhams sind ja gerade so konzipiert, daß sie sich nicht, wie die species (zumindest so wie Ockham sie verstand), gleichsam vor die Dinge stellen und eine unmittelbare Erkenntnis derselben verhindern.

326

Vgl. J . B I A R D , Logique et théorie du signe au X7Ve siècle ( 1 9 8 9 ) 197ff. A L B E R T VON SACHSEN, Quaestiones in artem veterem, n. 6 9 8 ( 1 9 8 8 ) 4 7 2 .

327

Das Zeichen in der Logik des 14. Jahrhunderts

113

des Zeichenbegriffs bereiten wird, die weit über die von Ockham dem Zeichen zugewiesenen Grenzen hinausgeht. Autoren wie Marsilius von Inghen oder Pierre d'Ailly folgen entweder Buridan oder nehmen weitere Umbesetzung an der Lehre Ockhams vor. Was sie trotz aller Differenzen verbindet, ist die zentrale Bedeutung, die dem Konzept des Zeichens bei ihnen zukommt. Doch auch eine solche war nicht unumstritten. Denn die bei Augustinus sich zeigende pejorative Bestimmung des Zeichens hat ebenfalls ihre Tradition. Schroffe Kritik an der Überbewertung des Zeichens durch die „doctores signorum" kommt insbesondere von universalienrealistisch ausgerichteten Theologen wie J o h n Wyclif oder Stanislas von Znojmo, für den das Umherirren in den leeren und nutzlosen logischen Zeichen geradezu die unmittelbare Folge des menschlichen Sündenfalls ist: „in penam peccati sumus necessitati in his vacuis et inanis signis erranter ambulare". 3 2 8

328

STANISLAS VON ZNOJMO,

De vero et falso

den Doctores signorum (1990).

(1971) 207;

vgl.

W . HÜBENER,

Wyclifs Kritik an

III. Die mittelalterliche Theorie des Zeichens II: Das Zeichen in der Logik des 15. und frühen 16. Jahrhunderts Mit Ockham ist der Zeichenbegriff ins Zentrum der Logik getreten und besetzt dort wesentliche Systemstellen. Durch die strikte Beschränkung auf das logikrelevante Propositionalzeichen, d.h. auf ein solches Zeichen, das als oder innerhalb einer propositio fungiert, konnte - und sollte - jedoch nur ein begrenzter Ausschnitt zeichentheoretischer Thematik in den Blick genommen werden. Demgegenüber ist es für die spätscholastische terministische Logik charakteristisch, daß hier die logisch-semantische Thematik auf der Grundlage einer Analyse möglicher, in ihrer Bedeutungsweite stark differierender Verwendungsweisen der einschlägigen Begrifflichkeit (terminus, significare, repraesentare, signum etc.) entwickelt wird, die Erörterungen dabei jedoch nicht auf deren jeweils engeren, logisch relevanten Sinn begrenzt bleiben, sondern auch die Konsequenzen, die sich für konkrete Fragestellung aus der Ansetzung der verschieden weit gefaßten Begriffsbestimmung ergeben können, ausführlich durchgespielt werden. Hierdurch lagert sich gleichsam an den Rändern des logischen Diskurses eine Behandlung - eigentlich - logikfremder, zeichentheoretisch aber durchaus relevanter Problemstellungen an. Ihren Höhepunkt erreicht diese seit dem 14. Jahrhundert zunehmende Tendenz in der Schule von Johannes Maior (John Mair) am pariser Collège de Montaigu (Möns Acutus), dem bedeutendsten und einflußreichsten Zentrum spätscholastischer Logik.1 Die Schriften Ockhams spielen hier eher eine untergeordnete Rolle. Weitaus enger sind die Bezüge zu Autoren wie Albert von Sachsen, Paul von Venedig und v.a. Pierre d'Ailly. Einen prägenden Einfluß hatte die Maior-Schule aufgrund der dort zahlreich vertretenen spanischen Logiker wie Coronel, Lax, Dolz, Enzinas, Celaya oder Soto besonders auf die Entwicklung der Logik in Salamanca und Alcalá.2

1

2

Z u r Maior-Schule vgl. R. G. VLLLOSLADA, La universidad de Paris durante los estudios de Francisco de Vitoria O.P. (1507-1522) ( 1 9 3 8 ) ; H. ELIE, Quelques maîtres de l'université de Paris vers l'an 1 5 0 0 : AHDLMA 25/26 (1950/51) 1 9 3 - 2 4 3 ; V. MUÑOZ DELGADO, La obra lógica de los españoles en Paris ( 1 5 0 0 - 1 5 2 5 ) : Estudios 26 ( 1 9 7 0 ) 2 0 9 - 8 0 ; E. J . ASHWORTH, Language and Logic in the post-medieval period ( 1 9 7 4 ) ; A. DUMITRIU, History of Logic 2 ( 1 9 7 7 ) 198ff; A. BROADIE, George Lokert. Late Scholastic Logician ( 1 9 8 3 ) ; DERS., The circle of John Mair. Logic and Logicians in Pre-Reformation Scotland ( 1 9 8 5 ) . Vgl. V. MUÑOZ DELGADO, La Lógica Nominalista en la Universidad de Salamanca (15101530) ( 1 9 6 4 ) ; DERS., La lògica en Salamanca durante la primera mitad del siglo X V I : Sai-

Das terminologische Feld von 'signum', 'significare' und 'repraesentare'

115

A. Die Bestimmung des terminologischen Feldes von 'signum', 'significare' und 'repraesentare' Ockham hatte in der Summa logtcae den Begriffen 'signum' und 'significare' eine logikspezifische Präzisierung gegeben, indem er den Zeichenbegriff von vornherein auf das durch Eignung zur Supposition ausgewiesene Zeichen beschränkte. Logik hat es ausschließlich mit solchen Zeichen zu tun, die geeignet sind, innerhalb eines Aussagesatzes eine Funktion auszuüben, und sie hat es mit den Zeichen auch nur insofern zu tun, als sie dazu geeignet sind. Ockhams Bemühung um eine Präzisierung des logischen Zeichenbegriffs entspricht, wenngleich das von ihm zu diesem Zweck instrumentalisierte Kriterium der Suppositionstauglichkeit vorher nicht in diesem Sinne Verwendung gefunden hat, gängiger Praxis. Wo immer seit Augustinus das Zeichen als solches im Rahmen der Logik thematisiert worden war, erfolgte dies unter ausdrücklicher Betonung, daß es nicht seinem ganzen Umfang nach in den Gegenstandsbereich der Logik fällt. Das Zeichen im allgemeinen war nur insofern von Interesse, als es die übergeordnete Gattung des eigentlichen Gegenstandes der Logik ausmachte: „logica solum [... est] de signis qui sunt termini" (Die Logik handelt nur von Zeichen, die Termini sind).3 Eben deshalb konnte auch Paul von Venedig, wie Menghus Blanchellus bemerkt, seine Logik unmittelbar mit einer Darstellung der Termini beginnen lassen. Denn das Zeichen als solches übersteigt die Grenzen der Logik.4 Ockhams Differenzierung der unterschiedlich weit gefaßten Verständnisweisen von „Zeichen" wird in der spätscholastischen Logik mehrfach aufgegriffen. Menghus Blanchellus und Jacopo Ricci z.B. stellen dem eigentlichen, in Anlehnung an Ockham definierten Zeichen ein allein durch das „ducere in cognitionem" unter Weglassung der augustinischen Bestimmung des „aliquid aliud" charakterisiertes Zeichen im weitestmöglichen Sinn gegenüber. Während im weiten Verständnis jedes Ding Zeichen sein kann, ist der Begriff des Zeichens unter Ansetzung der von Ockham vorgegebenen Limitation nach Menghus weniger

manticensis 14 ( 1 9 6 7 ) 1 7 1 - 2 0 7 ; DERS., La lógica en la Universidad de Alcalá durante la primera mitad del siglo X V I : Salmanticensis 15 ( 1 9 6 8 ) 1 6 1 - 2 1 8 ; DERS., Pedro de Espinosa y la logica en Salamanca hasta 1 5 5 0 : Anuario filosofico 16 ( 1 9 8 3 ) 1 1 9 - 2 0 8 ; A. DUMITRIU,

3 4

History of Logic, vol. 2 (1977) 201ff. Vgl. ALBERT VON SACHSEN, Quaestiones in artem veterem ( 1 9 8 8 ) 1 4 2 . MENGHUS BLANCHELLUS, Commentimi cum quaest. super logicam Pauli Veneti

( 1 4 9 2 ) fol. e 8 r b - f l r a : „... signum in communitate sua scilicet totam suam significationem est communius termino. Et sic excedit limites logice: et ideo nego ut sic sit de consideratione logici... quia enim signum est communius termino tunc magister debuisset incipere tractatum suum a signo et non a termino. ... licet signum sit communius termino: quia tamen excedit limites logice: non incipit ab e o . "

116

Das Zeichen in der Logik des 15. und frühen 16. Jahrhunderts

allgemein als der des Terminus, da er sich nur auf die der Supposition fähigen Termini bezieht. 5 Dieser restriktiven, damit aber auch präzisen Verwendung des Zeichenbegriffs Ockhams steht mit der Pariser Logik um 1 5 0 0 ein Ansatz gegenüber, der das Konzept des Zeichens im Horizont seiner größtmöglichen Extension entwickelt und, ausgehend von dem weitesten Verständnis, erst über umfangreiche Erörterungen der sich aus einem solchen weitgefaßten Begriffsverständnis ergebenden Konsequenzen sukzessiv zu präziseren Begriffsbestimmungen gelangt. Johannes Maior präsentiert eine vierfache Unterscheidung der Verständisweisen von 'signum', die neben dem weitestmöglichen Zeichenbegriff auch das augustinisch und das ockhamistisch konzipierte Zeichen enthält und diese drei in eine klare Ordnung hinsichtlich des jeweils vorliegenden Begriffsumfangs von 'Zeichen' bringt. 6 Eine analoge Differenzierung der Verständnisweisen von 'terminus' - und entsprechend von 'signum', denn „signum et terminus sunt termini convertibiles" 7 - gibt Johannes Dolz. 8

5

MENGHUS BLANCHELLUS, Commentum cum quaest. super logicarti Pauli Veneti ( 1 4 7 6 ) fol. alva: „Signum dupliciter capitur. uno modo large et sie describitur communiter Signum est illud quod apprehensus ab intellectu ducit ipsum in cognitionem alieuius rei. Et ut universaliter vera sit descriptio debet intelligi in aptitudine et sie signum est genus ad terminum cum sit communius eo. est enim commune ad terminum constitutivum orationis et ad circulum ante tabernam. Aliomodo capitur stricte et sie describitur Signum est quod apprehensum ab intellectu ducit ipsum in cognitionem alieuius rei et supponit pro illa, et sie signum est minus commune quam terminus diffinitus hic quia competit solis terminis qui possunt supponere."; vgl. JACOPO RICCI D'AREZZO, Obiectiones et annotationes super logicatn Pauli Veneti ( 1 4 8 8 ) fol. a2rb: „... ly signum dupliciter describitur. unomodo sie. Signum est quo apprehenso id est quod si apprehendatur faciat nos venire in cognitionem alieuius et sie quodlibet res mundi sive sit terminus sive non: est signum quia eo apprehenso venimus in cognitionem alieuius puta ad minus sui ipsius... Alio modo describitur sic, signum est illud quo apprehenso venimus in cognitionem alieuius pro quo potest in propositione supponere: vel est unum quod potest addi pro determinativo illi tanquam habens officium circa illud vel est aggregativum ex ambobus."

Libri quos in artibus... compilavit, liber terminorum ( 1 5 0 8 ) fol. 10rb-va: „aliquid dicitur esse signum quadrupliciter et proportionabiliter de significare et repraesentare dicatur. Primo modo aliquid dicitur esse signum quum repraesentat se sive aliud a se: sive potest poni in propositione sive non. et hoc modo quelibet res mundi est signum. Secundo modo aliquid dicitur esse signum quum repraesentat aliud a se: sive potest poni in propositione pro ilio sive non. et hoc modo simulachrum herculis dicitur esse signum. et isto modo capit beatus Augustinus ... Tertio modo capitur signum pro ilio quod significat aliud a se et potest poni in propositione pro ilio, ut iste terminus homo. Quarto modo capitur signum pro ilio quod significat se sive aliud a se dummodo potest poni in propositione pro ilio ut buf. Inter istas acceptiones talis est ordo quod omne signum secundo modo est signum primo modo: et per consequens quodlibet signum tertio modo, primo modo est signum... sed signum quarto modo ab alijs acceptionibus excluditur."

6

J . MAIOR,

7

J . DOLZ,

8

Termini ( 1 5 1 1 ) fol. 6vb. Ebd.: „... est advertendum quod ly terminus potest capi quattuor modis. Primo modo pro omni quod significat se: sive significat aliud a se sive non et isto modo quelibet res mundi est terminus, et si dicatur quod pari forma sequitur quod quelibet res mundi esset propositio. Nam quelibet res mundi ad minus in potentia propinqua significat se esse... concedo

Das terminologische Feld von 'signum', 'significare* und 'repraesentare'

117

Die hiermit vorliegende Bewegung der Präzisierung ist zwar nicht unähnlich der von Ockham vorgenommen Abhebung des logischen Zeichens vom Zeichen im allgemeinen Verständnis. Die gleiche Geste folgt hier jedoch einer anderen Intention und hat entsprechend eine ganz andere Wirkung. Sie dient in erster Linie nicht zur Ausgrenzung logisch irrelevanter Zeichenkonzeptionen, sondern läßt, ja eröffnet allererst einen breiten Raum für die Diskussion von Fragestellungen, die sich nur unter Zulassung des von Ockham ausgeschlossenen Zeichenverständnisses ergeben und somit aus der von Ockham vorgegebenen Perspektive als logikfremd zu gelten hätten. 9 Zudem zieht die Begrenzung des signum hier in der Regel keine entsprechende Einschränkung des Begriffs des significare nach sich. 10 Sofern überhaupt eine Präzisierung durch die Darstellung der unterschiedlichen Verständnisweisen von 'signum' intendiert ist, wird diese durch das weit gehaltene Verständnis des significare konterkarriert. 11 Das significare12 erscheint hier, ohne wie bei Ockham an das supponere zurückgebunden zu sein, allgemein als ein „Erkennenmachen" (facere cognoscere)13 oder „zur Erkenntnis von etwas Hinführen" {facere in cognitionem venire; ducere in cognitionem) und ist damit an der älteren Bestimmung des repraesentare in dessen weitestmöglichem Verständnis orientiert, nach welchem es von all

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sequelam. Secundo modo: capitur pro omni ilio quod significat aliud a se et a suo simili et a suo prolatore et a suis partibus sive pro ilio sit ponibilis in propositione sive non. Et isto modo circulus pendens ante tabernam est terminus... Tertio modo capitur pro omni ilio quod significat aliud a se et a suo simili et a suo prolatore et a suis partibus et cum hoc pro talibus est ponibilis in propositione pro tali significato: et isto modo ly homo est terminus. Quarto modo capitur ly terminus pro omni ilio quod est ponibilis in propositione tamquam subiectum vel predicatum: vel exercens aliquod officium sive talis significet aliud a se et a suo simili et a suo prolatore et a suis partibus sive non: et isto modo ly buf est terminus similiter et quelibet littera alphabet!: et isto modo capitur in proposito et proportionabiliter ly signum potest capi quattuor modis..." So betont etwa GASPAR LAX, Parve divisiones terminorum (1502) fol. a4vb: „In toto isto capitulo capitur ly significare et ly signum large prout se extendit ad significare naturaliter communiter..." Damit operiert er mit dem weitestmöglichen Zeichenverständnis. Trotz des im Sinne Ockhams präzisierten Zeichenbegriffs entspricht das significare bei Menghus der augustinischen Zeichendefinition. Vgl. MENGHUS BLANCHELLUS, Commentum cum quaest. super logicam Pauli Veneti (1476) fol. a 2ra: „Significare dupliciter sumitur. Unomodo communiter et sic significare est aliquid intellectui repraesentare et istomodo quilibet terminus aliquid significat quia aliquid intellectui repraesentat quia saltern se ipsum. quod potest probari per hoc medium: omnes ens est aptum natum causare similitudinem sui intellectui, aliter non esset intelligibile [Ausg. 1492: imaginabile]. Aliomodo sumitur proprie et sic significare est aliquid intellectui extra se repraesentare sive naturaliter sive ex impositione et sic sumitur in proposito." G . LAX, Parve divisiones terminorum ( 1 5 0 2 ) fol. a4vb; vgl. Anm. 2 2 . Vgl. E. J . ASHWORTH, Language and Logic in the post-medieval period (1974) ch. 1; DIES.,

Jacobus Naveros (fi. ca. 1533) on the Question: 'Do Spoken words signifiy Concepts or 13

Things' (1987) 190ff. Vgl. PETRUS MARGALLUS, Utriusque logices scholia ( 1 9 6 5 ) 1 4 8 : „Est autem significare facere cognoscere, id est, esse cognitionem vel efficere earn vel cognoscere per earn..."; vgl. PIERRE D'ALLLY, conceptus (s.a.) fol. blrb.

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Das Zeichen in der Logik des 15. und frühen 16. Jahrhunderts

jenem gilt, „quod aliquo modo facit ad hoc quod res cognoscatur" (was auf irgendeine Weise dazu breiträgt, daß eine Sache erkannt wird).14 Dementsprechend kann das significare im Anschluß an Albert von Sachsen und unter deutlicher Abkehr von der von Ockham in der Summa logicae vorgenommenen Bestimmung des Zeichens und Bezeichnens als „aliquid intellectui repraesentare" (dem Intellekt etwas repräsentieren)15 charakterisiert werden. Diese Definition des significare - und damit indirekt auch des Zeichens durch die Funktion der Repräsentation löst seit dem späten 14. Jahrhundert zunehmend die von Aristoteles bzw. der boethianischen peri hermeneias16 Übersetzung her entwickelte, bis dahin dominierende Bestimmung desselben als ein „constituere intellectum"17 ab. Zwar wird letztere auch im ausgehenden Mittelalter noch überliefert,18 sie verliert jedoch zunehmend an Bedeutung; nicht zuletzt wohl deshalb, weil das constituere intellectum schwerlich eine adäquate Beschreibung des Bezeichnens sein kann, wenn die geistigen Begriffe (intellectus bzw. conceptus) selbst als Zeichen gelten.19 Die Bindung des significare an das repraesentare ist von weitreichender Bedeutung. Denn die Identität oder Differenz dieser beiden Begriffe wird wegen ihrer Relevanz für die konkrete Bestimmung des Zeichens - mehr oder weniger 14 15

16

Vgl. HERVEUS NATALIS, Quodl. 5 q. 1, (1513) fol. 113vb, s. ANM. 50. Quaest. in artem veterem, n. 698 (1988) 472; vgl. J . GERSON: De modis significandi, in: Œuvres complètes 9 (1973) 625 [1706: 4.816]; MENGHUS BLANCHELLUS, Commentum cum quaest. super logicam Pauli Veneti (1476) fol. a 2ra; JOHANNES DE LAPIDE, Libri Ortis logicae Porphyrie et Aristotelis (Inc. s.a.) fol. 12va: „... significare in proposito est aliquid intellectui repraesentare."; J. RAULIN, In logicam Aristotelis commentarium (1500) fol. g4vb; C . JAVELLUS, Logicae compendium (1555) fol. 16v: „... significare est aliquid intellectui repraesentare. Unde idem est terminum esse per se significativum, et esse per se repraesentativum alicuius apud intellectum." ALBERT VON SACHSEN:

V g l . De

int.

1 6 b 2 0 , vgl. BOETHIUS, De

int.,

Arist. lat. II. 1 - 2 , hg. L. MINIO-PALUELLO

( 1 9 6 5 ) 7). 17

Vgl. Flores parvi, in: Les Auctoritates Arist., hg. J . HAMESSE (1974) 305; vgl. WILHELM VON CHAMPEAUX, vgl. L . M . DE RLJK, Logica modemorum H/1, 140f; P. ABAILARD, Glossae ... super Peri ermenias, hg. B. GEYER, BGPhThMA 21 (1927) 309; 335f; AEGIDIUS ROMANUS, Expos, in artem vet. (Venedig 1507, ND 1968) fol. 50v; MARTIN VON DACIEN, Quaest. super lib. Periherm., Opera, hg. H. Roos (1961) 243; JOHANNES VON DACIEN, Summa gramm., hg. A. O T T O , Corp. Philos. Danicorum Medi i Aevi 1 (1955) 182; SIGER VON BRABANT, Quaest. in met., hg. A. MAURER (1983) 157; RADULPHUS BRITO, Super arte vet. quest. (Venedig s.a.) fol. i 7va-b, vgl. J. PLNBORG, Bezeichnung in d. Log. d. 13. Jh.: Mise. Med. 8 (1971) 275f; JOHANNES DUNS SCOTUS, In primum lib. periherm. quaest., Op. om., hg. L. WADDING (1639) 1.189b, JOHANNES BURIDAN, Tractatus de suppositionibus (1957) 181.

18

Vgl. J . TLNCTORIS, Dicta super Summulas Petri hysp. (1486) fol. G4vb; C. WLMPINA, Congesto (ca. 1498) fol. A6v; PETRUS DE BRUXELLIS: Summularum artis dial, interpr. (1512) fol. o7vb; M . HUNDT, Compendium totius logices (1507) fol. 18r; HIERONYMUS A SANCTO MARCHO, Compendium praeclarum quod parva log. seu summulae dicitur (1507) fol. a6v; E. WONSIEDEL, Cursus philos. (1509) fol. Elvb. Vgl. E . J . ASHWORTH, Jacobus Naveros (fl. ca. 1533) on the Question: 'Do Spoken words signifiy Concepts or Things'' (1987) 191.

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Das terminologische Feld von 'signum', 'significare' und 'repraesentare'

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explizit - bis ins 18. Jahrhundert hinein eines der meistdiskutierten Kontroversthemen der scholastischen Zeichentheorie darstellen. Die auf den ersten Blick weit gefaßte Definition des significare als „aliquid intellectui repraesentare" wird zumeist als zu restriktiv angesehen, denn sie verbietet - wörtlich genommen - die Anwendung des significare auf die synkategorematischen Ausdrücke, da diese nicht im eigentlichen Sinne 'etwas' (aliquid) repräsentieren. Ockham hatte in seiner Zeichendefinition den Synkategoremen sowie den anderen Redeteilen, denen keine bestimmte Bezeichnung {finita significatio) zukommt, dadurch Rechnung getragen, daß er den Zeichenbegriff auch auf all das angewendet wissen wollte, was, ohne selbst supponieren zu können, innerhalb einer Proposition einem supponierenden Terminus hinzugefügt werden kann. Im Unterschied zu dieser logisch-funktionalen Bestimmung des Bezeichnungsmodus der synkategorematischen Ausdrücke, werden sie seit dem späteren 14. Jahrhundert mittels einer Ausweitung des Repräsentationsmodus in die Definition des significare integriert. Das Bezeichnen umfaßt nach diesem Verständnis das gesamte Feld des 'irgendwie' Repräsentierenden. Seinen Ausdruck findet dies in der für das Spätmittelalter geradezu als 'klassisch' zu bezeichnenden Definition des significare als „aliquid vel aliqua vel aliqualiter intellectui repraesentare" (dem Intellekt etwas oder mehreres oder auf irgendeine Weise repräsentieren),20 bzw., nach der häufigeren, das Erkenntnisvermögen nicht notwendig auf den Intellekt festlegenden und somit auch noch auf zeichenorientiertes Tierverhalten anwendbaren21 Fassung „aliquid vel aliqua vel aliqualiter potentiae cognitivae repraesentare" (einem Erkenntnisvermögen etwas oder mehreres oder auf irgendeine Weise repräsentieren).22 Diese beschreibt ungefähr den Grundkonsens der

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J . DULLAERT, Questiones super duos libros Peri hermeneias (1515) fol. 3va: „significare nihil aliud est quam intellectui aliquid vel aliqualiter repraesentare." Daß dies das Motiv für die Substitution des 'intellectui' durch das 'potentiae cognitivae' ist, bekundet PIERRE D'ALLLY ausdrücklich; Conceptus (s.a.) fol. b3rb: „...dicitur potentie cognitive et non intellective quia non solum hominibus aliquid significatur sed etiam brutis..."; vgl. J . DORP, Compendium logice (1499) fol. h3vb: „... videndum est diffinitive quid sit significare, unde ab aliquibus sic diffinitur. Significare est intellectui aliquid vel aliqua vel aliqualiter repraesentare. et secundum illud repraesentare aliquid intellectui est generare noticiam illius in intellectu, vel esse formalem noticiam eius. Sed contra illam definitionem arguo. Nam si esset bona sequeretur quod brutis nihil significaretur: consequens est falsum et contra experientiam. Probatur consequentia: quia dicitur in diffinitione significare est intellectui etc. Modo in brutis non est intellectus."; vgl. ebenso J. MAIOR, Libri quos in artibus ... compilavit, liber terminorum (1508) fol. lOrb; J . CELAYA, Introductiones (ca. 1511) fol. a4vb. PETER VON BRÜSSEL (Pierre Crockeart) hat eine entsprechende Modifikation an der ältere Definition des significare als 'constituere intellectum' vorgenommen. Vgl. PETRUS DE BRUXELLIS, Summularum artis dialectice ... interpretatio (1512) fol. o7vb: "Significare enim est intellectum in potentia cognitiva constituere: Et dicitur potentia cognitiva: quia brutis potest aliquid significari quae tarnen non habent intellectum." Vgl. z.B. G. LAX, Parve divisiones terminorum (1502) fol. a4vb: „... significare sic diffinitur. Est potentie cognitive aliquid vel aliqua vel aliqualiter representare. [...] Ex ista diffinitione

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spätscholastischen Bestimmung des Bezeichnens. In zahlreichen Definitionsvarianten werden weitere Präzisierungen oder Modifikationen vorgenommen. Die verbreitetste ist die von Pierre d'Ailly eingeführte, die Bezogenheit jeden Bezeichnens auf kognitive Mentalprozesse betonende Definition als „potentie cognitive earn vitaliter immutando aliquid vel aliqua vel aliqualiter repraesentare" (einem Erkenntnisvermögen, es vital verändernd, etwas oder mehreres oder auf irgendeine Weise repräsentieren). 23 Pierre d'Ailly charakterisiert in seinem einflußreichen coMcepiws-Traktat die notitia oder den conceptus, den Erkenntnisakt bzw. der Mentalterminus 24 und damit das Zeichen im eigentlichsten Sinn der sachlichen Bestimmung nach als eine „Vitalis immutatio", 25 als eine 'Vitalveränderung' eines Erkenntnisvermögens. 26 Mit dieser in die Definition des significare eingehenden Bestimmung des „vitaliter immutare" 27 wird der Bezug zur Erkenntnis und zum Erkenntnisvermögen zu einem konstitutiven Moment jeder Form der Signifikation. 28 Bezeichnung und Repräsentation sind auch unter der Extrembedingung göttlicher Allmacht nicht anders denn als Modifikation eines Erkenntnisvermögens zu potest patere quid sit signum. Unde signum est quod apprehensum facit venire in noticiam alicuius vel aliquorum. vel quod significat aliqualiter."; HIERONYMUS A SANCTO MARCHO, Compendium ( 1 5 0 7 ) fol. a6v: „... significare est intellectum de re constituere, id est, est aliquid vel aliqua vel aliqualiter potentie cognitive repraesentare."; J . DoLZ, Termini (ca. 1511) fol. 10ra-b: „Significare in generali sie diffinitur. Est potentie cognitive alquid vel aliqua vel aliqualiter representare."; J . CELAYA, Introductiones (ca. 1511) fol. a4vb; C. PSCHLACHER, Compendiarius parvorum logicalium liber ( 1 5 1 2 ) fol. 5v; Zu weiteren Auto-

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ren vgl. A. A. Coxrro, Lógica, semántica e conhecimento na escolástica peninsular prérenascentista (1980) 86. PIERRE D'AILLY, Conceptus (s.a.) fol. b l r a ; vgl. W.HÜBENER, Der theologisch-philosophische Konservativismus des Jean Gerson ( 1 9 7 4 ) 191ff, J . BIARD, Logique et théorie du signe au XIVe siècle ( 1 9 8 9 ) 2 6 5 f f . B . ARNOLDI VON USINGEN, Summa competid, totius log. ( 1 5 0 7 ) fol. s5r: „... Significare ... est aliquid potentiae cognitivae ipsam vitaliter immutando repraesentare."; ebenso J . GEBWILER, Magistralis totius parvuli compii. ( 1 5 1 1 ) fol. h4r; J . ALTENSTAIG, Dialéctica ( 1 5 1 4 ) fol. a 8r; J . ECK, Aristotelis Staggite dialéctica 1 ( 1 5 1 6 ) fol. 71ra.

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PIERRE D'AILLY, Conceptus (s.a.) fol. b l r b : „Notandum e s t . . . quod terminus mentalis, conceptus sive actus intelligendi et notitia rei apprehensiva idem sunt." Zur Übernahme und inhaltlichen Modifikation der von Johannes de Ripa geprägten Formel der 'immutatio Vitalis' durch Ailly vgl. W. HOBENER, Der theologisch-philosophische Konservativismus des Jean Gerson ( 1 9 7 4 ) 1 9 I f f ; L. KACZMAREK, 'Notitia' bei Peter von Ailly ( 1 9 8 8 ) 3 9 0 f ; DERS., Vitalis immutatio ( 1 9 9 0 ) ; J . BLARD, Logique et théorie du signe ( 1 9 8 9 ) 265ff). PIERRE D'AILLY, Conceptus (s.a.) fol. b l r a : „... Vitalis immutatio ... est actualis noticia sive cognitio effective partialiter causata a potentia cognitive vitaliter perceptiva et inherens ipsi potentie cognitive vitaliter perceptive." Vgl. Anm. 2 3 , 2 6 , 28ff. Vgl. J . GEBWILER, Magistralis totius parvuli compilatio ( 1 5 1 1 ) fol. h 4r-v: „Significare sic describitur. Est potentie cognitive aliquid vel aliqua vel aliqualiter ipsam vitaliter immutando repraesentare. ... Dicitur in diffinitione 'ipsam vitaliter' etc. quia absque vitali immutatione nihil cuipiam significatur: quia in significando potentia elevatur ad cognoscendum illud quod significatur ei. Quare communiter dicitur: quod vitaliter immutare sit elevare potentiam cognitivam ad cognoscendum aliquid etc."

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denken. Sie haben ihren eigentlichen Ort im Innern der Erkenntnis. Zwar könnte der Erkenntnisakt, insofern er seinem ontologischen Status nach eine Qualität ist, kraft göttlicher Allmacht in einen Stein als seinen substantiellen Träger versetzt werden; er würde diesen jedoch weder vital verändern, noch wäre er dort, ebenso wie abstrakt für sich allein genommen, eine Vitalis immutatio oder Erkenntnis. 29 Denn eine solche impliziert nach Ailly, der die skotistische Lehre von der teilursächlichen Mitwirkung des Erkenntnisvermögens an der Produktion der cognitio übernimmt, stets die Beziehung auf eine sie teilursächlich bewirkende Erkenntnispotenz. 30 Keine Erkenntnis ist innerlich und wesensmäßig an sich selbst Erkenntnis („nulla cognitio est cognitio essentialiter et intrinsece") in dem Sinne, daß die cognitio oder notitia als solche eine isolierbare metaphysische Entität wäre. Vielmehr wird die 'cognitio' genannte res zu einer Erkenntnis erst durch eine hinzukommende äußerliche Beziehung auf ein vital perzeptives Vermögen. 31

Die verschiedenen Ausdrücke von conceptus, actualis noticia, actus intelligent oder mtalis immutatio stehen zwar für dieselbe res oder qualitas, konnotieren jedoch jeweils die dieser notwendig zukommenden Beziehungen auf die be-

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PIERRE D'AILLY, Conceptus (s.a.) fol. blra: „... si deus in lapide produceret actualem noticiam de homine, hoc est illam qualitatem que est actualis noticia hominis, non propter hoc diceretur lapis vitaliter immutari nec illa qualitas esset Vitalis immutatio lapidis: quia lapis non est vitaliter perceptivus talis noticie nec ad earn concurrit effective." Ebd.: „Vitalis immutatio est actualis notitia sive cognitio effective partialiter causata a potentia cognitiva vitaliter perceptiva et inhaerens ipsi." PIERRE D'AILLY, Tractatus de anima, c. 11 (1987) 64f: „... nulla cognitio ... est cognitio ... essentialiter et intrinsece, quia aliquid dicitur essentialiter et intrinsece tale, quando non stat ipsum non esse tale. Sed si ilia res, quae nunc est cognitio ... per divinam potentiam esset in lapide vel sine subiecto, ipsa non esset cognitio omnis cognitio ... est cognitio ... sive Vitalis motio vel operatio per habitudinem proprie causalem et effectualem ad potentiam vitalem, quia, cum hoc non conveniat tali rei per denominationem intrinsecam ..., oportet, quod per habitudinem extrinsecam ad potentiam vitaliter perceptivam. Sed non potest explicare, quae sit ilia habitudo sive quid est dictum vitaliter immutare talem potentiam, nisi per habitudinem proprie causalem vel effectualem, scilicet per hoc, quod talis res est in ipsa potentia vitaliter perceptiva ut eius causa formalis vel est in ipsa ut eius effectue in genere causae efficientis." Vgl. JEAN DE RIPA, Lectura super primum sent. ( 1 9 6 1 ) 242. Diese relationale Bestimmung der Erkenntnis wird von Johannes Maior für die Konzepte übernommen; vgl. J. MAIOR, Libri quos in artibus ... compilavit, liber terminorum ( 1 5 0 8 ) fol. 4rb-va: „... conceptus talem qualitatem non absolute significat sed connotando quod potentie (4va) cognitive inhereat et ab ea effective partialiter causetur iuxta illud augustini a cognoscente et cognito partitur noticia: defectu cuius si ad imaginationem noticia quam ego habeo de sorte poneretur in lapide desineret esse noticia quod patet quia dicitur noticia solum respectu illius quod potest denominari noscens. illud suadetur ex communi modo loquendi hominum quia aliter non possumus probare significantias terminorum. Ex ilio infertur quod conceptus non est essentialiter et intrinsece conceptus. Essentialiter et intrinsece est quando non stat illam rem esse in rerum natura quin ipsa sit talis ut albedo non stat rem que est albedo esse in rerum natura per quamcumque potentiam quin eadem sit albedo, secus est de noticia..."

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zeichnete Sache oder das Erkenntnisvermögen. 32 Wenn die forcierte Betonung der unmittelbaren und aus sich selbst heraus (mediante se, non mediante alio) geleisteten Bezeichnung der Gegenstände durch die Mentalzeichen eine gewisse Tendenz zu einem dyadischen Zeichenkonzept zu implizieren scheint, 33 so zeigt sich hier deren definitive, erkenntnismetaphysisch festgelegte Grenze: Auch für das jede Signifikation erst ermöglichende und tragenden Mentalzeichen gilt, daß es Zeichen von etwas nur sein kann, indem es zugleich Zeichen für etwas, nämlich für ein vital perzeptives Vermögen ist. Die Problematik der genannten Definitionen des significare liegt neben der mehrfachen Bedeutung des repraesentare nicht zuletzt darin, daß Definiens (repraesentare) und Definiendum (significare) semantisch nicht klar unterschieden sondern vielfach synonym verwendet werden. So betont Johannes Maior ausdrücklich, daß das repraesentare nicht aufgrund einer größeren Allgemeinheit sondern allein aufgrund seiner größeren Bekanntheit als Gattungsbegriff des significare fungiert. 34 Trotz der zahlreichen Nuancierungen, 35 hinter denen nicht selten ausgewachsene Kontroversen stehen, besteht die fundamentale Gemeinsamkeit all

32

PIERRE D'AILLY, Conceptas (s.a.) fol. b2vb: „... conceptus, actualis noticia, actus intelligendi, Vitalis immutatio pro eadem re sive qualitate supponunt. Cognotant tarnen isti termini aliquas habitudines illius qualitatis, que istis nominantur nominibus ad aliquod extrinsecum, puta ad potentiam intellectivam vel ad rem intellectam cognitivam vel rem cognitam."

33

Vgl. J . BOLER, Peirce, Ockham and Scholastic Realism (1980) 2 9 1 : „The definition of a sign which Ockham takes over from Augustine is actually very close to the explicitly triadic analysis that Peirce proposes: a sign is something that brings somethings else to mind... But Ockham seems to find no inconsistency in treating concepts as dyadic: The having of the concept is an individual mental event and constitutes 'cognizing' an object... Ockham's emphasis on the directness of natural signification is meant to bring out a contrast with the way conventional signs are parasitic on previous signs."

34

J . MAIOR,

35

Libri quos in artibus ... compilavit, liber terminorum ( 1 5 0 8 ) fol. lOrb. Weitere Definitionen bestimmen das significare z.B. als „aliud a se intellectui [bzw. potentiae cognoscitivae] repraesentare" (MENGHUS BLANCHELLUS, Commentimi cum quaest. super logicam Pauli Veneti (1476) fol. a 2ra; J . CucHTOVEUS, Introd. artificiales (1535) fol. 6r; D. DE SOTO, Summulae (1554) fol. 2rb), „aliquid vel aliqualiter aliud a se et a suo prolatore potentiae cognitivae repraesentare" ( C . PSCHLACHER, Compendiarius parvorum logicalium liber (1512) fol. 5v), „repraesentare per terminum aliquid, aliqua vel aliquo modo" (HECTOR BOETHIUS, Explicatio quorundam vocabulorum (1519) fol. a2rb) oder als „potentie cognitive aliquid vel aliqua vel aliqualiter earn instrumentaliter immutando repraesentare." PS.-MARSILIUS VON INGHEN, Comment, in primum et quartum tract. P. Hisp. (1495) fol. ρ 6v; vgl. J . DORP, Compendium logice (1499) fol. h 4ra. Vgl. J . RAULIN: Quaest. super duos lib. Periherm. (1500) fol. g 4va: „Significare est aliquid vel aliqua vel aliqualiter potentie cognitive earn vitaliter immutando instrumentaliter et immediate [sic: mediate] repraesentare. ... dicitur vitaliter immutando quia oportet potentiam cognitivam cui aliquid significatur percipere signum per quod immutamur et quod aliquid ei repraesentet, quia nisi homo perciperet circulum ante tabernam, talis circulus nichil ei significaret et ideo surdi nichil capiunt per voces. Dicitur immediate [sic: mediate], quia licet prolator vocis aliquid repraesentet audienti per voces suas non tarnen proprie indicat illas quas per

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dieser Definitionen in der ausgeprägten gnoseologischen Orientierung des Zeichenkonzepts. Anders als in Ockhams Bestimmung des Zeichens steht hier nicht die Supposition oder der Bezug zum Referenten im Vordergrund, sondern der Bezug zum Erkenntnisvermögen. Das Zeichen ist nicht in erster Linie dadurch bestimmt, daß es innerhalb einer Proposition Funktion ausüben kann, sondern dadurch, daß es in gnoseologisch relevanter Weise auf ein Erkenntnisvermögen einwirkt: „Ein Zeichen ist ein Ding, das denken macht" (signum est res faciens cogitare).36 Im Gegensatz zu Ockhams semantischer Zeichenkonzeption ist die des Spätmittelalters eher pragmatisch. Dabei kann der Bezug zum Zeicheninterpreten in einem Maße stark gemacht werden, daß Zeichenhaftigkeit nur im Falle eines aktualen Bezeichnungsvollzugs hinsichtlich eines Erkenntnisvermögens zugelassen wird. In diesem Sinne wären, wie Albert von Sachsen - ohne sich allerdings dieser Position anzuschließen darlegt, die Wörter in einem geschlossen Buch, da sie gegenwärtig keinem Erkenntnisvermögen etwas repräsentieren, nicht signifikativ - mit der provokant anmutenden Konsequenz, daß, da Wahrheit eine Sache der korrekten Signifikation ist, „in der geschlossenen Bibel kein in ihr geschriebener Satz wahr oder falsch ist".37 Ausschlaggebend für die semantische Ausrichtung von Ockhams Zeichenkonzeption war in erster Linie die Bindung des signum (im logisch relevanten Sinne) an die suppositio, d.h. - nach Ockhams Verständnis - die Funktion der „pro alio positio", dergemäß der „terminus in propositione stat pro aliquo."38 Doch auch am Begriff der Supposition läßt sich die pragmatische Umorientierung der Semantik und die alles beherrschende und regulierende Zentralstellung der cognitio nachvollziehen. Denn unter Betonung des traditionell zur Bestimmung der suppositio gehörenden Moments der acceptio sowie des hiermit implizierten Bezugs auf ein zeicheninterpretierendes Vermögen kommt

36 37

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voces significantur, quia non immediate repraesentat auditui signata vocum sed mediantibus suis vocibus et verbis. Dicitur instrumentaliter ad differentiam intellectus qui est principale agens." P. MARGALLUS, Vtriusque logices scholia (1965) 146. ALBERT VON SACHSEN, Quaestiones in artem veterem, n. 698 (1988) 472: „... significare est intellectui aliquid repraesentare. Ex ista descriptione infero quod cum aliquis terminus intellects nihil repraesentat, non significat aliquid, nec est significativus; ex quo ulterius sequitur quod in Biblia clausa nulla propositio in ea scripta est vera vel falsa. Patet hoc, quia tunc scriptum in ea nihil significat, cum intellectui nihil repraesentat..."; Vgl. H. PARDO, Medulla dyalectices (1505) fol. 7rb. Ohne die aktuale Realisation einer dem gesprochenen oder geschriebenen Satz korrespondierenden Mental proposi ti on wäre jener weder wahr noch falsch noch Uberhaupt ein Satz: „... propositio vocalis vel scripta dicunt vere vel false secundum quod subordinantur mentalibus veris vel falsis. Ex quo sequitur correlarium quod Veritas et falsitas non conveniunt proposition! vocali vel scriptae nisi mediante mentali. Dico enim quod si non habeatur actualiter mentalis propositio correspondens proposition! vocali tunc propositio vocalis non vera neque falsa ymo non est propositio, quia non significat. numquam enim aliquid significat nisi actualiter habeatur noticia de ilio quod significatur." OCKHAM, Summa

logicae I, 63 (1974) 193.

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Hieronymus de Sancto Marcho hinsichtlich der Supposition zum selben Resultat, wie Albert von Sachsen: Der durch das Schließen des Buches bewirkte Ausschluß des zeicheninterpretierenden Intellekts hat, weil Supposition in gewissem Sinne selbst nichts anderes ist als die cognitio, zur Folge, daß dort weder von Termini und deren Supposition noch von Wahrheit oder Falschheit weiter die Rede sein kann. 39 Das freilich sind eher Extrempositionen. In der Regel verständigt man sich darauf, daß die Definition des significare - entsprechendes gilt auch für das supponere40 - nur im Sinne einer aptitudo, einer Eignung zum Repräsentieren zu verstehen sei, 41 so daß auch das Fehlen eines aktualen Bezugs zu einem Zeichenrezipienten die Zeichenhaftigkeit der Zeichen nicht beeinträchtigt. Insofern richtet sich Paul von Venedig, indem der zwischen dem aktuellen Bezeichnen und dem Signifikativsein unterscheidet, gegen die von Albert aufgezeigte Konsequenz. 42 Albert selbst hatte in Übernahme der Zeichendefinition Ockhams der

Compendium ( 1 5 0 7 ) fol. B3v: „... quaeritur utrum termini scripti in libris clausis supponant. Et breviter dico quod non, quia suppositio saltem pro denominato non est nisi cognitio. Sed nullo intellectu adveniente non est aliqua cognitio, ergo neque est aliqua suppositio. Et si dicatur in libro clauso sunt termini, nego, immo dico quod non est Veritas neque falsitas secluso intellectu." Eine solche Betonung der Abhängigkeit der Supposition und damit der Aussagenwahrheit von der aktuellen Erfassung durch einen Intellekt findet sich auch bei A. CORONEL, Secunda pars rosarij Logices ( 1 5 1 7 ) fol. A4va: „si nullus intellectus intelligeret et ista propositio esset 'homo est animal', licet essent homines, extrema eius non supponerent pro eodem, immo nec diceretur vera intrinseca denominatione..."

39

HIERONYMUS DE SANCTO MARCHO,

40

Vgl. J . DORP, Perutile compendium totius logicae (1499) fol. h3ra-b. Dorp referiert zwei Auffassungsweisen 'de quidditate suppositionis': Die eine, welche die Supposition jeder Art von Termini (mentales, vocales, scripti) mit dem den Terminus auffassenden geistigen Akt identifiziert (actus animae quo mediante terminus mentaliter accipitur pro aliquo), und die andere, welche die Supposition jeweils in die Termini selbst verlegt (quilibet terminus supponens est met sua suppositio). Letztere ist als 'magis communis' ausgewiesen. Ihr gemäß bemerkt Dorp, wiederum mit Blick auf das geschlossene Buch: „... ad hoc quod terminus supponat non requiritur quod actu accipiatur ab aliquo in propositione pro aliquo vel aliquibus: quia tunc subiectum huius propositionis'deus est' scriptum in libro clauso non supponeret. Sed sufficit quod si aliquis circa illum debite adverteret ipsam acciperet in propositione pro aliquo vel aliquibus." Vgl. C . PSCHLACHER, Compendiarius parvorum logicalium liber (1512) fol. 163v.

41

D. DE SOTO, Summulae (1554) fol. 3va: „Verba in definitione non dicunt actum: sed aptitudinem. Ad hoc enim quod res aliqua sit signum, non exigitur quod actu repraesentet: sed satis est quod sit apta repraesentare in potentia propinqua, id est, nulla mutatione facta per quam talis res acquirat novam potentiam significandi." Vgl. MENGHUS BLANCHELLUS, Commentum cum quaest. super logicam Pauli Veneti (1476) fol. a l v a ; J . TLNCTORIS, Dicta

super Summulas Petri hyspani (1486) fol. Blvb-B2ra; G. LAX, Parve divisiones terminorum

(1502) fol. a3rb; J . ECK, In summulis Petri Hispani explanatio (1516) fol. 83va. Diese Auslegung ist keineswegs neu; vgl. bereits ROBERT HOLKOT, 2 Sent, q.2 (1518) fol. ilva: „dico quod termini positi in diffinitione (sc. signi) qui sonant in actum debent exponi ut sonent in aptitudinem; ut dicatur scilicet signum est etc. qua nata sunt devenire in notitiam alterius." 42

Logica magna I ( 1 9 7 9 ) 7 8 : „... licet non quilibet terminus actu significet, tarnen est significativus. Et isto modo conceditur quod in libro clauso sunt multa vera, non

PAULUS VENETUS,

125

Das terminologische Feld von 'signum', 'significare' und 'repraesentare'

in ihr enthaltenen Partikel des 'apprehensutn'

einen von Ockham vermutlich so

nicht intendierten Sinn 4 3 unterlegt: Zeichen ist dasjenige, das, wenn es aufgefaßt wird, etwas in die Erkenntnis kommen läßt. 44 Aber diese Sprachregelungen ändern grundsätzlich nichts an der völligen Abhängigkeit des Zeichens hinsichtlich seiner Leistungen vom Erkenntnisvermögen. Ein so bestimmter Zeichenbegriff verstärkt zwangsläufig die in der Theorie der 'oratio

mentalis'

bei Ockham und mehr noch bei Pierre d'Ailly angelegte

Tendenz zur vorrangigen Berücksichtigung kognitiver Prozesse und führt damit zur Verschmelzung von Logik und Erkenntnistheorie. Das Konzept des Zeichens und das zeichentheoretische Vokabular ist mehr denn je der Ort, an dem sich Logik und Erkenntnistheorie treffen und verbinden. Die zentrale Begrifflichkeit von Logik und Erkenntnistheorie ist identisch oder definiert sich wechselseitig. Der Erkenntnisakt (notitia), dessen Behandlung im Spätmittelalter zur Herausbildung einer eigenen, neben die Terminitraktate tretenden Textgattung von Notitiatraktaten führt, 45 ist als kognitiver Repräsentationsakt in einer Form definiert, die präzis der gängigen Zeichendefinition entspricht: Notitia est qualitas potentiae cognitivae inhaerens vitaliter immutativa potentiae aliquid vel aliqua eidem repraesentans. - (Eine Erkenntnis ist eine dem Erkenntnisvermögen inhärierende, es vital verändernde Qualität, die diesem etwas oder mehreres repräsentiert).46

Hierin trifft sie sich mit dem Leitbegriff der Logik, dem 'Terminus', der ebenfalls als ein auf natürliche oder willkürliche Weise bezeichnendes Zeichen definiert

ist

(„Terminus

...

est

...

signum

significans

naturaliter

vel

ad

placitum); 47 wobei das Bezeichnen in erster Linie durch das Repräsentieren de-

43

44

45 46

47

quia actu significent, sed quia sunt significativa veri cum fuerint apprehensa, et hoc sine nova impositione." Die Funktion, die das 'apprehensum' in Ockhams Bestimmung des Zeichens hat, scheint nicht die der Sicherung der Konstanz des Zeichens auch im Falle des Fehlens einer aktualen Beziehung auf ein zeicheninterpretierendes Erkenntnisvermögen zu sein. Denn das 'apprehensum' taucht bei Ockham - anders als bei Albert - nur bei der Bestimmung der aus der Logik ausgeschlossenen Verständisweise des Zeichens im allgemeinen auf. ALBERT VON SACHSEN, Perutilis logica (1522) fol. 2va: „... dico... quod non dicebatur solum hoc quod illud est signum quod facit aliquid venire in cognitionem: sed dicebatur, quod illud est signum quod cum est apprehensum facit aliquid venire in cognitionem: quamvis tamen termini mentales, vocales et scripti non faciant aliquid venire in cognitionem, nec semper reducant me ad memoriam: tamen sic se habent quod quando apprehenduntur reducuntur aliquid ad memoriam: quare sequitur ipsos esse signa semper." Vgl. A. BROADIE, Notion and Object. Aspects of Late Medieval Epistemology (1989). GEORGE CRAB, Tractatus noticiarum (ca. 1503) fol. a2ra; vgl. A. BROADIE, Notion and Object (1989) 12; vgl. PIERRE D'AILLY, 1 Sent, q.3, a . l (1988) 399: „Notitia est actus aliquid repraesentans potentiae vitaliter perceptivae. Vel sic: Notitia est actus uniens potentiam perceptivam vitaliter cum obiecto." P. MARGALLUS, Logices utriusque scholia ( 1 9 6 5 ) 8 6 . 'Signum' kann sowohl als Gattungsbegriff von 'terminus' fungieren, als auch mit diesem gleichgesetzt werden. Vgl. A. CORONEL, Termini (1506) fol. Alva: „Terminus est signum ponibile in propositione. ... Ponitur

126

Das Zeichen in der Logik des 15. und frühen 16. Jahrhunderts

finiert ist und das Repräsentieren wiederum - hier schließt sich der Kreis - dadurch, daß es entweder eine Erkenntnis (notitia) bewirkt oder selbst Erkenntnis ist: significare est repraesentare potentiae cognoscenti. Repraesentare vero est producere notitiam, vel esse notitiam (Bezeichnen ist dem Erkenntnisvermögen etwas repräsentieren. Repräsentieren aber ist eine Erkenntnis hervorrufen oder eine Erkenntnis sein). 4 8

B. Die Strukturierung des Begriffsfeldes von 'significare' und

'repraesentare'

Das Begriffsfeld von 'significare' und 'repraesentare' und damit der Raum des Zeichens in seiner größtmöglichen Weite wird in der spätscholastischen Logik besonders durch zwei einander überlagernde Distinktionssysteme strukturiert. Zum einen unterscheidet man mehrere - meist vier - Weisen des Bezeichnens oder Repräsentierens. Zum anderen wird die traditionelle Distinktion zwischen dem 'significare naturaliter' und 'significare adplacitum' weiter ausdifferenziert. 1. Die Unterscheidung von vier Weisen des Bezeichnens und Repräsentierens Die Bestimmung und Differenzierung verschiedener Weisen des Repräsentierens war im Mittelalter vor allem für die Erörterung des theologischen Lehrstücks von der Repräsentation der Kreaturen durch die göttliche Wesenheit von Bedeutung. 49 So bildet auch bei Hervaeus Natalis die Frage „utrum natura divina ex natura rei sine operatione intellectus sit repraesentativa plurium" den Ausgangspunkt für eine nähere Analyse des Repräsentationsbegriffs. Hierbei unterscheidet er drei Weisen des Repräsentierendseins (esse repraesentativum). 1) Etwas repräsentiert, insofern es wie ein selbst erkannter Gegenstand zur Erkenntnis des Repräsentierten hinführt (Bsp.: imago herculis). 2) Etwas repräsentiert, indem es einen Erkenntnisakt motiviert ohne selbst Gegenstand einer Erkenntnis zu sein (Bsp.: species). 3) Der Erkenntnisakt selbst ist die repraesentatio formalis als die eigentliche Repräsentation, die das Repräsentativsein der übrigen repraesentativa allererst ermöglicht. Nur für den actus intelligendi ver-

48

49

'signum' loco generis tamquam terminus communior. Omnis enim terminus est signum et non econtra. ponitur 'ponibile in propositione' loco differentie, imago enim herculis est signum sed non est terminus quia non est signum ponibile in propositione." Vgl PETRUS DE BRUXELLIS, Summularum artis dialectice ... interpretatio (1512) fol. a6ra: „Terminus enim seu signum in tota sui communitate dividitur in vocalem, mentalem et scriptum." P. MARGALLUS, Logices utriusque scholia (1965) 66ff; vgl. G. LAX, Parve divisiones terminorum (1502) fol. a5ra: „... repraesentare est facere cognoscere aliquid vel aliqua vel aliqualiter."; HECTOR BOETHIUS, Explicatio quorundam vocabulorum (1519) fol. a2ra: „Repraesentare est mutare potentiam cognitivam ad cognoscendum." Vgl. hierzu W. HOBENER, Studien zur Theorie der kognitiven Repräsentation in der mittelalterlichen Philosophie (1968).

Die Strukturierung des Begriffsfeldes von 'significare' und 'repraesentare' wendet Hervaeus den den Aktcharakter konnotierenden Terminus der sentatio,

während die imago und die species

lediglich als repraesentativa

127 repraeange-

sprochen werden. Aber auch diese Bestimmung k o m m t ihnen nicht dadurch zu, daß sie etwas durch sich selbst repräsentieren, sondern nur insofern, als sie geeignet sind, eine formale Repräsentation bzw. einen Erkenntnisakt zu bewirken. 5 0 Unter Ansetzung dieser Formen des Repräsentativseins kann der Gebrauch des W o r t e s 'repraesentare'

extensional differenziert werden. 5 1 Im weiten

Verständnis {large) läßt sich das repraesentare

oder das gleichbedeutende

mani-

festare hinsichtlich all dessen aussagen, was auf irgendeine Weise dazu beiträgt, daß eine Sache erkannt wird. Im eigentlichen Sinne {proprie)

repräsentiert das-

jenige, in welchem etwas sinnlich oder intellektuell erkannt wird. N o c h eigentlicher aber (magis proprie) repräsentiert der geistige Begriff oder conceptus das verbum

als eine v o m Intellekt hervorgebrachte

Form.52

Eine vergleichbare

Auflistung unterschiedlicher Verwendungsweisen des repraesentare im vierten Quodlibet

bzw.

gibt O c k h a m

im Rahmen der Behandlung der Frage „Utrum Deus re-

praesentet creaturas": ... dico quod 'repraesentare' accipitur multipliciter: uno modo accipitur pro ilio quo aliquid cognoscitur; et sie repraesentans est cognitio et repraesentare est esse illud quo aliquid cognoscitur, sicut cognitione aliquid cognoscitur. Aliter accipitur 'repraesentare' pro ilio quo cognito aliquid aliud cognoscitur, sicut imago repraesentat illud cuius est per actum recordandi. Tertio modo accipitur 'repraesentare' pro aliquo causante cognitionem, sicut objectum vel intellectus causat cognitionem. - (Ich sage, daß 'repräsentieren' in mehrfachem Sinn aufgefaßt wird: Auf eine Weise wird es für alles das genommen, wodurch etwas erkannt wird; und so ist das Repräsentierende die Erkenntnis und 'repräsentieren' besagt dasjenige zu sein, wodurch etwas erkannt wird. Auf eine andere Weise wird 'repräsentieren' für dasjenige genommen, durch welches, indem es

5 0

51

5 2

Quodl. 5 q. 1, (1513) fol. 113vb: „... aliquid potest esse repraesentativum alterius tripliciter. primo modo sicut obiectum ducens in cognitionem repraesentati. ut imago herculis repraesentat herculem. Secundo sicut species repraesentat rem: cuius est species: et movet ad actum intelligendi secundum ponentes species. Tertio modo sicut actus intelligendi: qui quidem actus intelligendi est repraesentatio formalis rei apud intellectum: alia sunt repraesentativa: puta obiectum: et species sunt repraesentativa inquantum repraesentationem formalem: quae est ipse actus intelligendi: nata sunt efficere." Vgl. hierzu W. HOBENER, Studien zur Theorie der kognitiven Repräsentation in der mittelalterlichen Philosophie (1968) 387ff. HERVAEUS NATALIS, Quaestiones de verbo, zit. nach dem von W . HOBENER (Studien zur Theorie der kognitiven Repräsentation (1968) 388f. unter Kollationierung von Cod. Vat. lat. 772, fol. 21va) hergestellten verbesserten Text: „... dicendum, quod repraesentare et manifestare potest accipi large et proprie et magis proprie, large dicitur repraesentare omne illud, quod aliquo modo facit ad hoc quod res cognoscatur. et sic intellectus agens et species intelligibilis et breviter quicquid facit aliquo modo ad cognitionem rei, dicitur aliquo modo repraesentare et manifestare, proprie vero dicitur repraesentare et manifestare omne illud in quo sensu vel intellectu aliquid cognoscitur, sicut forma existens in speculo dicitur repraesentare rem, cuius est similitudo, vel manifestare, magis proprie dicitur manifestare et repraesentare illud quod intellectus in se format ad hoc, quod rem in eo intelligat formando definitionem vel enuntiationem, immo ut magis proprie loquar conceptus significatus per definitionem vel enuntiationem." HERVAEUS NATALIS,

Das Zeichen in der Logik des 15. und frühen 16. Jahrhunderts

128

selbst erkannt wird, etwas anderes erkannt wird, wie das Bild dasjenige, dessen Bild es ist, vermittels einer Erinnerung repräsentiert. Auf eine dritte Weise wird 'repräsentieren' für etwas eine Erkenntnis bewirkendes genommen, so wie der Gegenstand oder der Intellekt die Erkenntnis verursacht.) 53 D i e s e U n t e r s c h e i d u n g e n v o n F o r m e n des repraesentare

w e r d e n in d e n 7 0 e r

J a h r e n des 1 4 . J a h r h u n d e r t s v o n Pierre d'Ailly 5 4 auf die T h e o r i e d e r Signifikatio n ü b e r t r a g e n . D e s s e n Differenzierung u n t e r s c h i e d l i c h e r W e i s e n des

significare

bildet - z u m i n d e s t w a s die v e r w e n d e t e T e r m i n o l o g i e betrifft - die u n m i t t e l b a r e V o r l a g e für die in d e r pariser L o g i k u m 1 5 0 0 'quadrupliciter

repraesentare'

bzw. 'significare',

ausgearbeitete L e h r s t ü c k

des

einer v i e r f a c h e n U n t e r s c h e i d u n g

des R e p r ä s e n t i e r e n s o d e r B e z e i c h n e n s . I n s o f e r n ist die sich hierbei a b z e i c h n e n d e vollständige V e r s c h m e l z u n g d e r Begrifflichkeit v o n R e p r ä s e n t a t i o n und Signifik a t i o n , die D o m i n g o de S o t o s p ä t e r d u r c h a u s f o l g e n r e i c h für die G e s c h i c h t e d e r Z e i c h e n t h e o r i e kritisieren w i r d , bereits in d e r G e n e s e dieses L e h r s t ü c k s angelegt. D a s significare

w i r d v o n Pierre d'Ailly in einer O c k h a m s Auflistung d e r ver-

s c h i e d e n e n A r t e n des repraesentare

entsprechenden

W e i s e differenziert.

Zu-

n ä c h s t u n t e r s c h e i d e t e r - w o h l weil, a n d e r s als bei O c k h a m , eine s y s t e m a t i s c h e

53

OCKHAM, Quodl. IV q. 3 (1980) 310. Die erste Weise des Repräsentierens, auf welche Gott, weil er seinem Wesen nach Erkenntnis von allem ist, alles, jedoch nur für sich selbst, repräsentiert, entspricht mit ihrer Gleichsetzung von repraesentare und cognoscere dem späteren formaliter repraesentare (Hervaeus: magis proprie). Die zweite Weise, die dadurch charakterisiert ist, daß aus einem Erkannten etwas anderes erkannt wird, und die somit ihrer Struktur nach dem Zeichen der augustinischen Definition entspricht, korrespondiert mit dem späteren instrumentaliter repraesentare (Hervaeus: proprie), das nach Ockham nichts anderes ist, als die Bewirkung einer rememorativen Erkenntnis, welche als mittelbare Zweiterkenntnis je schon das Vorhandensein einer unmittelbaren Ersterkenntnis voraussetzt (Vgl. ebd. 3 1 1 : „... sie repraesentare non est nisi ducere intellectum in notitiam recordativam vel rememorativam alieuius...; et hoc non in primam cognitionem simplicem et propriam ..., sed in secundam notitiam communem multis si sit simplex, vel in notitiam compositam propriam .... Sicut per hoc quod video imaginem Pauli, non dueor in primam notitiam Pauli, quia illa praesupponitur et naturaliter causatur a Paulo solum, sed dueor in notitiam aliquam compositam propriam Paulo, vel forte in notitiam communem..."). Die dritte Weise, d.h. etwas nach Art eines Gegenstandes oder des Intellekts die Erkenntnis verursachend repräsentieren, umfaßt die beiden späteren Arten des obiective und des effective repraesentare (Hervaeus: large).

54

Zu Ailly vgl. B. MELLER, Studien zur Erkenntnislehre des Peter von Ailly (1954); G. LINDBECK, Nominalism and the Problem of Meaning as Illustrated by Pierre d'Ailly on Predestination and Justification (1959); A DUMITRIU, Wittgenstein's Solution of the Paradoxes and the Conception of the Scholastic Logician Petrus de Ally acó (1974); W. HÜBENER, Der theologisch-philosophische Konservativismus des Jean Gerson (1974) bes. 191ff; P. V. SPADE, Introduction, in: PETER OF AILLY, Concepts and Insolubles (1980) 1-15; L. KACZMAREK, Modi Significandi and their Destructions (1984); M. CHAPPUIS, L. KACZMAREK u. O. PUTTA, Die philosophischen Schriften des Peters von Ailly, Authentizität und Chronologie (1986); O. PLUTA, Die philosophische Psychologie des Peter von Ailly (1987); L. KACZMAREK, 'Notitia' bei Peter von Ailly, Sent.l, q.3. (1988); J. BLARD, Logique et théorie du signe au XlVe siècle (1989) 264ff.

Die Strukturierung des Begriffsfeldes von 'significare' und 'repraesentare'

129

Einteilung und nicht nur eine Aufzählung möglicher Verwendungsweisen des Begriffs 'repraesentare' bzw. 'significare' intendiert ist - in einer zweigliedrigen Distinktion zwischen dem significare als „ducere in cognitionem rei" und als „esse ipsamet noticiam": Significare est idem quod signum rei facere hoc [est] esse signum alicuius rei. verumtamen dupliciter aliqua res potest dici signum alicuius rei. unomodo ut ducit in noticiam illius rei cuius est signum. Alio modo quia est ipsamet noticia rei. Secundo modo dicimus conceptum esse signum rei cuius tale conceptus est naturalis similitudo, non quod ducat in noticiam illius rei sed quia est ipsamet noticia rei naturaliter proprie repraesentans rem. - (Bezeichnen ist dasselbe wie ein Zeichen der Sache machen, d.h. Zeichen einer Sache sein. Eine Sache kann aber auf zweierlei Weise Zeichen einer Sache genannt werden. Auf die eine Weise, insofern sie zur Erkenntnis jener Sache führt, deren Zeichen sie ist. Auf die andere Weise weil sie die Erkenntnis selbst der Sache ist. Auf die zweite Weise nennen wir den Konzept Zeichen der Sache, von der dieser eine natürliche Ähnlichkeit ist, nicht weil er zur Erkenntnis jener Sache führt, sondern weil er die Erkenntnis selbst der Sache ist und auf im eigentlichen Sinn natürliche Weise die Sache repräsentiert.) 55

Pierre d'Ailly bemerkt damit die Unzulänglichkeit der Definition des significare durch die gebräuchliche, aus der augustinischen Zeichendefinition abgeleitete Bestimmung des ducere in cognitionem. Denn das ducere in notitiam trifft, nachdem die Konzepte selbst zu Zeichen geworden sind, nurmehr auf eine der beiden obersten Zeichengattungen zu. Ihm steht dasjenige Zeichen gegenüber, das nicht zur Erkenntnis einer Sache hinführt, sondern selbst die Erkenntnis der Sache ist. Auf die vermutlich von Ailly eingeführte Unterscheidung zwischen einem significare instrumentaliter und einem significare formaliter angewandt, heißt dies, daß das Moment des zur Erkenntnis Hinführens, welches in der älteren mittelalterlichen Zeichentheorie das Zeichen in seinem gesamten Umfang definierte, nur für das erstere, das später so genannte Instrumentalzeichen, gilt, nicht aber für das, was später signum formale genannt werden wird. Beide stehen einander jedoch nicht gleichwertig gegenüber. Denn dadurch, daß neben dasjenige, dessen Zeichenhaftigkeit in der Funktion des ducere in cognitionem begründet ist, etwas tritt, das aufgrund seiner Eigenschaft des esse cognitionem als Zeichen ausgewiesen ist, gerät das im ersten Sinne Bestimmte in unmittelbare Abhängkeit zu diesem. Das von Hervaeus Natalis beschriebene Verhältnis zwischen dem repraesentativum und der repraesentatio überträgt sich damit auf das instrumentell und formal Bezeichnende. Galt für den Gegenstand oder die species nach Hervaeus, daß sie repraesentativa sind, „inquantum repraesentationem formalem, quae est ipse actus intelligendi, nata sunt efficere" (insofern sie geeignet sind, eine formale Repräsentation, welche der Akt des Erkennens selbst ist, zu bewirken),56 so wird hier deutlich, daß jedes erkenntnisinduzierende Zei-

55 56

PIERRE D'AILLY, Conceptus (s.a.) fol. blrb. Vgl. Anm. 50.

130

Das Zeichen in der Logik des 15. und frühen 16. Jahrhunderts

chen Zeichen nur ist, indem es jenes Zeichen induziert, das unmittelbar durch sich selbst Zeichen ist. Die erste Klasse jener Zeichen, die nicht selbst die Erkenntnis jener Sache sind, in Rücksicht auf die sie als Zeichen gelten, sondern zu dieser hinführen sie umfaßt die zweite und dritte Weise des repraesentare bei Ockham -, ist gemäß den von Ockham her übernommenen Kriterien weiter unterteilt in solche Zeichen, welche die Ersterkenntnis einer Sache bewirken und solche, die lediglich zu einer die Ersterkenntnis bereits voraussetzenden rememorativen Zweiterkenntnis führen. Im ersten Sinne bezeichnen etwa die Akzidentien die Substanz, die Geschöpfe den Schöpfer und jedes Ding sich selbst; als Beispiele für das Zeichen im zweiten Sinne dienen die Spur oder die sprachlichen Ausdrükke.57 Das vitaliter immutare als die Grundbestimmung des pragmatischen Bezugs eines jeden Zeichens zu einer die notifia effektiv verursachende Erkenntnispotenz erhält bei Ailly, je nach Art des Zeichens, eine nähere Spezifizierung als formale, instrumentale oder objektive Vitalveränderung. Hierbei ergibt sich jedoch das Problem, daß die für die nähere Differenzierung des vitaliter immutare verwendeten Termini sich nicht exakt entlang der hier vorgezeichneten Grenzen des Bezeichnens gegeneinander abheben und die beiden Unterscheidungen des significare sich somit nur bedingt aufeinander abbilden lassen. Das formaliter vitaliter immutare beschreibt die Art und Weise, in der das Erkenntnisvermögen durch die unmittelbare Erfassung einer Sache modifiziert wird und damit präzis die Bezeichnungweise der Konzepte, d.h. jener Zeichen, die selbst die Erkenntnis der durch sie bezeichneten Sache sind.S8 Die beiden Arten des instrumentaliter und obiective vitaliter immutare dagegen hat Ailly selbst nicht in Form einer präzisen Disjunktion voneinander abgehoben. Während er in den Insolubilia zwischen significare formaliter und significare obiective unterscheidet, operiert er in den Conceptus mit dem Gegensatzpaar von significare formaliter und significare instrumentaliter.59 Das significare obiective ist gegenüber dem significare instrumentalster das weitere und verweist lediglich auf den Umstand, daß 57

i8

59

PIERRE D'AILLY, Conceptus (s.a.) fol. b l r b : „Primo modo adhuc dupliciter quia una res potest ducere in noticiam alterius rei primariam sicut vicem qui causet primariam noti ci am de re. et sie omnis res nata est esse signum suiipsius, quia nata est causare potentie cognitive primo noticia suipsius. sic etiam una res habens habitudinem aliquam naturalem ad aliam rem sicut accidens ad substantiam vel ut creatura ad creatorem potest ducere in noticiam primariam illius rei et per consequens esse signum alterius rei. Alio modo aliquid dicitur signum rei quia ducit in noticiam secundariam sive rememorativam supponendo primam noticiam et sic vestigium inquantum huiusmodi ducit in noticiam rei cuius est vestigium. Similiter hoc modo termini ad placitum instituti ducunt in noticiam secundariam sive rememorativam rei significatae supponendo primam noticiam rei significatae." Ebd. fol. b2vb: „... conceptus est actualis noticia alicuius rei causata in anima partialiter ab obiecto. scilicet a re concepta sive cognita, et partialiter etiam a potenti a cognitiva formaliter vitaliter immutans ipsam potentiam intellectivam." Vgl. hierzu J . BLARD, Logique et théorie du signe (1989) 283.

D i e S t r u k t u r i e r u n g des B e g r i f f s f e l d e s v o n ' s i g n i f i c a r e ' u n d ' r e p r a e s e n t a r e '

131

das so Bezeichnende selbst erkannt d.h. zum Gegenstand einer significatio oder repraesentatio formalis wird,60 so daß z.B. die imago regis im Gegensatz zum „conceptus mentalis quem habeo de rege" den König in objektiver Weise bezeichnet.61 Dieses Beispiel der imago regis, das geeignet ist, die spezifische Form der den Konzepten zukommenden similitudo naturalis von der bilhaften Ähnlichkeit eines ikonischen Zeichens abzuheben, verunklärt zugleich den eigentlichen Sinn des obiective significare, welches an anderen Stellen zur Bestimmung der gegenständlichen Selbstbezeichnung verwendet wird. Jedes Ding bezeichnet, mag es auch sonst noch Zeichen von anderem sein, als res zunächst in objektiver Weise sich selbst.62 Kriterium für das obiective significare ist, daß das so Bezeichnende sich selbst in gegenständlicher Form zeigt oder bezeichnet, unabhängig davon, ob es darüber hinaus etwas anderes bezeichnet oder nicht. Es verhält sich damit indifferent gegenüber dem Gegebenseins oder Nichtgegebensein einer über sich selbst hinausgehenden Verweisung auf anderes. Hinsichtlich der vox significativa ad placitum spricht Ailly dagegen von einem „vitaliter immutando instrumentaliter repraesentare".63 Die adverbiale Bestimmung des 'intrumentaliter' markiert die Differenz zu der vom Intellekt teilursächlich geleisteten effektiven Vitalveränderung seiner selbst sowie zu der durch den Konzept geleisteten formalen Vitalveränderung desselben.64 Die Bedingung des an sich selbst Erfaßtseins gilt jedoch auch für die das Erkenntnisvermögen instrumentell verändernden Zeichen. Insofern bezeichnet alles, was instrumentaliter bezeichnet, auch - und zwar zunächst - obiective, so daß sich die Signifikation des instrumentellen Zeichens auf Seiten des Zeicheninterpreten durch die Verbindung zweier Begriffe realisiert, desjenigen nämlich des Zeichens und desjenigen des Bezeichneten.65 Aufgrund der von Ailly vorgenom-

60

PIERRE D'AILLY, Insolubilia

(s.a.) fol. c 4 r a : „... s i g n i f i c a r e a l i q u i d o b i e c t i v e nihil a l i u d est

q u a m esse o b i e c t u m a l i c u i u s c o g n i t i o n i s f o r m a l i s . " 61

E b d . fol. c 4 r a : „ . . . c u m s i g n i f i c a t i o ... sit idem q u o d alicuius obiecti p o t e n t i e c o g n i t i v e rep r a e s e n t a t i o , i d e o sicut r e p r a e s e n t a t i o p o t e s t fieri dupliciter, s i c u t et s i g n i f i c a t i o ,

scilicet

o b i e c t i v e e t f o r m a l i t e r . E x e m p l u m primi, d i c i m u s enim q u o d y m a g o regis s i g n i f i c a t regem n o n q u i d e m f o r m a l i t e r sed o b i e c t i v e . E x e m p l u m secundi. d i c i m u s e n i m q u o d c o n c e p t u s m e n t a l i s q u e m h a b e o d e rege significat r e g e m , non q u i d e m o b i e c t i v e sed f o r m a l i t e r , q u i a est f o r m a l i s c o g n i t i o r e g i s . " 62

PIERRE D'AILLY, Insolubilia

(s.a.) fol. c 4 r b : „... q u a e l i b e t res per prius o b i e c t i v e significat

seipsam q u a m a l i q u a m aliam r e m . . . " 63

PIERRE D'AILLY, Conceptus

(s.a.) fol. b 3 r a - b : „ " V o x significativa a d p l a c i t u m est q u a e ap-

p r e h e n s a a b auditu e x i m p o s i t i o n e q u a m actu h a b e t n a t a est p o t e n t i a e c o g n i t i v a e e a m vitaliter i m m u t a n d o i n s t r u m e n t a l i t e r a l i q u i d vel a l i q u a vel aliqualiter r e p r a e s e n t a r e a l i u d a se, a s u o p r o l a t o r e vel a suis partibus, nisi a l i q u o d illorum significet e x i m p o s i t i o n e . " 64

E b d . fol. b 3 r a : „ . . . p o n i t u r h i c i n s t r u m e n t a l i t e r q u i a ipse intellectus c a u s a t in ipso e f f e c t i v e partialiter a c t u m intelligendi sive a c t u a l e m n o t i c i a m de re et seipsum vitaliter i m m u t a t eff e c t i v e partialiter, ipsa v e r o a c t u a l i s n o t i c i a sive a c t u s intelligendi ipsum i n t e l l e c t u s f o r m a l i ter vitaliter i m m u t a t e t f o r m a l i t e r est ipsa Vitalis i m m u t a t i o . . . "

65

V g l . PIERRE D'AILLY, Tractatus

de anima

( 1 9 8 7 ) 6 9 : „... species in m e m o r i a e x i s t e n s est

q u a e d a m res s e c u n d u m se et est i m a g o vel s i m i l i t u d o alterius rei, s i c u t e t i a m p i c t u r a leonis.

132

Das Zeichen in der Logik des 15. und frühen 16. Jahrhunderts

menen Substitution der älteren Begrifflichkeit der Repräsentation durch die der Signifikation wird aus der traditionell anerkannten, von der Bezeichnung aber in der Regel unterschiedenen oder ihr ausdrücklich entgegengesetzten Selbstrepräsentation 6 6 eines jeden Dinges eine F o r m der Bezeichnung. 6 7 Bei Augustinus setzte die Präsenz der Dinge von außen und von innen her dem Bereich des Zeichens seine Grenzen. Ebenso, wie der Hinweis, daß „... milia rerum animo occurunt, quae nullo signo dato per se ipsa m o n s t r e n t u r " 6 8 von ihm gegen die These, die Dinge könnten nur durch Zeichen gelehrt werden, ausgespielt wurde, war das Zeichen auf der anderen, inneren Seite von jenen Dingen, „quae praesentia contuemur in illa interiore luce veritatis", 6 9 d.h. von der Sphäre des verbum

mentis ausgeschlossen. W e d e r das mentaliter

das Sichselbstzeigen der Dinge konnte als ein significare Auffassung der Konzepte als Zeichen das verbum

loqui

noch

gelten. W a r mit der

mentis selbst zu einem

signum

geworden und damit die erste Grenze, durch die der augustinische Zeichenbegriff seine Kontur erhielt, gefallen, so fällt mit dem significare dem naturaliter

communiter

significare

obiective

bzw.

die zweite. N a c h Ailly ist nicht nur die

Erkenntnis des Dinges ein Zeichen, sondern das Sichzeigen der Dinge selbst ist ein Signifikationsvorgang, in dem jede res als Zeichen ihrer selbst agiert. In der Logik um 1 5 0 0 werden diese Vorgaben zum Lehrstück der vier Weisen

des

Repräsentierens

re!significare)

66

67

6 8

69

oder

Bezeichnens

(quadrupliciter

repraesenta-

systematisiert. M a n unterscheidet dabei:

Cum igitur talis species apprehenditur secundum se tantum, ipsa tunc cognoscitur et non per illam rem, cuius est imago, et talis cognitio est notitia praesentis... Sed cum apprehenditur, ut est imago alterius, tunc per illam notitiam et ipsa apprehenditur et res, cuius est imago, cognoscitur, et talis cognitio est sensatio imaginis praesentis et memoria rei absentis, scilicet cuius est imago. Unde patet, quod de tali specie possumus habere duplicem notitiam, unam, qua ipsa cognoscitur secundum se, ut est quaedam res, aliam, qua cognoscitur ut imago alterius, quem duplicem modum notitiae etiam invenimus respectu signorum ad placitum sicut vocum et scripturarum." Zur Verwendung des medialen se repraesentare im Sinne von „sich stellen" oder „sich bei Gericht einfinden" im Römischen Recht vgl. H. HOFMANN, Repräsentation. Studien zur Wort- und Begriffsgeschichte von der Antike bis ins 19. Jh. (1974) 107f. Natürlich gibt es auch hierfür ältere Vorgaben. Schon Martin von Dacien führt die gegenständliche Selbstrepräsentation als einen Fall des in einem extensiven, uneigentlichen Verständnis genommen significare. Vgl. MARTIN VON DACIEN, Quaestiones super librum Perihermeneias (1961) 243: „... dicendum quod significare accipitur dupliciter, scilicet proprie et extensive. Primo modo significare est aliquid intellectum repraesentare. Nam significare est intellectum alii constituere et hoc modo oportet, quod significatum sit aliud a signo. Secundo modo significare est se ipsum repraesentare et sic non differt significatum a signo." ALBERT VON SACHSEN, Quaestiones in artem veterem ( 1 9 8 8 ) 4 7 2 : „... omnis terminus est significativus suiipsius, sicut omnis res mundi est naturaliter suiipsius significativa; ergo omnis terminus est significativus."; vgl. ebd. 476. Die Problematik der Selbstbezeichnung spielte bei der Behandlung der insolubilia seit dem 14. Jahrhundert eine wichtige Rolle. Vgl. F. BOTTtN, The Mertontan's Metalinguistic Scierie and the Insolubilia ( 1 9 8 5 ) 2 3 9 . AUGUSTINUS, De maestro Χ , 3 2 , 1 0 6 - 1 3 . De magistro XII, 40.

Die Strukturierung des Begriffsfeldes von 'significare' und 'repraesentare' (1) significare

effective

133

(bewirkend bezeichnen), d.h. nach Art einer Wirkur-

sache einen Begriff verursachen („Significare effective est se habere per m o d u m cause efficientis ad cognoscendum aliquid vel aliqua vel aliqualiter"). 7 0 In dieser Weise repräsentiert oder bezeichnet der Intellekt selbst all jenes, dessen Begriff er verursachend in sich erzeugt. ( 2 ) significare

obiective

(gegenständlich bezeichnen), d.h. sich nach Art eines

Erkenntnisgegenstandes zur Bewirkung einer Erkenntnis verhalten. In diesem Sinne bezeichnet oder repräsentiert jedes Ding sich selbst, da es in gegenständlicher Weise die Erkenntnis seiner selbst bewirkt und ausbreitet („quelibet res mundi se significat: quia est obiective diffusiva noticie suiipsius") 7 1 . ( 3 ) significare

formaliter,

d.h. der Begriff einer Sache bzw. der Akt sein,

durch den etwas erkannt wird. Auf diese Weise repräsentieren allein die Mentaltermini, bzw. die geistigen Begriffe („esse noticiam alicuius rei vel esse actum quo solo mediante potest aliquid [...] cognosci: et isto m o d o soli termini mentales repraesentant"). 7 2 (4) significare

instrumentaliter,

d.h.

das Instrument

sein, durch

dessen

Vermittlung wir uns den Begriff irgendeiner Sache bilden („esse instrumentum mediante quo formamus noticiam alicuius rei"). 7 3 In dieser Weise repräsentieren oder bezeichnen alle sinnlich wahrnehmbaren Zeichen. In der Regel wird dabei zwischen den beiden Begriffen des repraesentare significare

70 71

72 73 74

nicht differenziert. W ä h r e n d etwa bei L a x , 7 4

Celaya, 7 5

und

oder Na-

J. DOLZ, Termini (ca. 1511) fol. 9vb; s. Anm. 77. J. MAIOR, Libri quos in artibus ... compilavit, liber terminorum (1508) fol. 10va-b. Das ist ein gegenüber der Bestimmung des significare obiective bei Pierre d'Ailly eingeschränktes Verständnis desselben. In der weiten, das significare instrumentaliter mit umfassenden Bedeutung findet es sich noch bei J. RAULIN, Quaestiones super duos libros Perihermeneias (1500) fol. g5ra: „... diversimode una res potest repraesentare aliam, unomodo formaliter et aliomodo obiective. unde repraesentare obiective est esse obiectum et causa alicuius cognitionis sicut imago regis repraesentat regem obiective, sed repraesentare formaliter est esse formalem noticiam alicuius obiecti ut noticia quam habeo in mente de rege repraesentat formaliter michi regem..."; vgl. E. J. ASHWORTH, Domingo de Soto and the Doctrine of Signs (1990) 38. G. LAX, Parve divisiones terminorum (1502) fol. a5ra-b; s. Anm. 74. J. DOLZ, Termini (ca. 1511) fol. 9vb, s. Anm. 77. G. LAX, Parve divisiones terminorum (1502) fol. a5ra-b: „Quadrupliciter ponitur aliquid repraesentare scilicet obiective, effective, formaliter et instrumentaliter. Obiective repraesentare est habere se per modum obiecti ad causandum noticiam alicuius rei et istomodo quaelibet res potest repraesentare omnia entia mundi quia potest esse obiectum ad causandum noticiam omnium entium. nam unus conceptus communis ab uno solo supposito in ratione obiecti potest causari sicut ly sol naturaliter loquendo. Effective repraesentare est causare noticiam alicuius rei in ratione cause efficientis. et isto modo anima repraesentat effective omnis ilia quorum noticiam causat. sed isti duo modi repraesentandi quia impropria sunt non sunt in usu apud logicos. Repraesentare formaliter est esse noticiam alicuius rei vel esse actum quo solo mediante potest aliquid vel aliqua vel aliqualiter cognosci: et isto modo soli termini mentales repraesentant. repraesentare instrumentaliter est esse instru-

134

Das Zeichen in der Logik des 15. und frühen 16. Jahrhunderts

veros 7 6 die Unterscheidung auf das repraesentare bezogen ist, wenden Dolz 7 7 und Alphonsus de Cordoba 7 8 sie auf das significare an, Manderston explizit auf beides. 79 Das Lehrstück ist in dieser Form nicht unumstritten. Zweierlei ist problematisch und stößt entsprechend bei einigen Autoren auf Kritik. Zum einen die Weite des kaum mehr begrenzbaren Raumes der Repräsentation und Signifikation. Es kann bezweifelt werden, daß die Begrifflichkeit des significare oder repraesentare tatsächlich auf alle vier Formen Anwendung finden kann. Zum anderen die Aufhebung jeder Differenz von Repräsentation und Signifikation. Pierre d'Ailly selbst hatte die vom Erkenntnisvermögen teilursächlich geleistete effektive Vitalimmutation nicht als eine eigene Form des significare ausgewiesen. Entsprechend ist bei Hieronymus de Sancto Marcho und Petrus Margallus unter Ausschaltung des significare oder repraesentare effective nur von ei-

75

mentum quo mediante cognoscimus vel possimus cognoscere in potentia propinqua aliquid vel aliqua vel aliqualiter. et isto modo termini vocales significant termini mentales..." J . DE CELAYA, Introductioties dialecticae ( 1 5 1 1 ) fol. a4vb: „... repraesentare est facere cognoscere aliquid vel aliqua vel aliqualiter quadrifariam dicit aliquid repraesentare; uno modo obiective, et nihil aliud est, quam esse obiectum quo mediante causatur noticia vel actus intelligendi et isto modo quidlibet ens mundi dicitur repraesentare quia quidlibet ens mundi potest esse obiectum ad productionem noticiae suiipsius. Secundo modo dicitur aliquid repraesentare effective, et nichil aliud est quam esse causam efficientem noticie vel actus intelligendi et isto modo anima natura dicitur repraesentare effective. Tertio modo dicitur aliquid repraesentare formaliter et est esse noticiam vel actum intelligendi et isto modo termini mentales dicuntur repraesentare. Quarto modo dicitur aliquid repraesentare instrumentaliter et est esse instrumentum quo mediante causatur noticia vel actus intelligendi et isto modo dicuntur repraesentare termini vocales et scripti."

76

J . NAVEROS, Praeparatio

dialecticae·,

vgl. E. J . ASHWORTH, Jacobus

Naveros

the Question: 'Do Spoken words signify Concepts or Things f (1987) 191f.

(fl. ca. 1533)

on

77

J . DOLZ, Termini (ca. 1 5 1 1 ) fol. 9vb-10ra: „... quadrupliciter contingit significare, scilicet obiective: et effective, formaliter: et instrumentaliter. Significare obiective nihil aliud est quam se habere per modum obiecti: ad causandum eius noticiam... Significare effective est se habere per modum cause efficientis ad cognoscendum aliquid vel aliqua vel aliqualiter. Et isto modo anima intellective significat cum sit causa efficiens talium noticiarum sive actuum. Repraesentare formaliter est esse conceptum sive actum in ordine ad tale vel tale. Et isto modo solum terminus mentalis dicitur significare. Significare instrumentaliter est esse instrumentum, et esse instrumentum mediante quo formamus [lOra] noticiam alicuius rei. Et isto modo termini mentales non significant instrumentaliter: sed solum vocales et scripti..."

78

Vgl. V. MUÑOZ DELGADO, LOS "Principia Dialectices" (1SÍ9) de Alonso de Córdoba (1972) 55. Vgl. W . MANDERSTON, Compendiosa Dialectices Epitome ( 1 5 2 8 ) fol. Β lra-b: „... ponitur quadruplex acceptio de ly significare seu de ly representare, scilicet significare obiective, significare effective, significare formaliter, et significare instrumentaliter. unde obiective significare est concurrere in ratione obiecti ad causandam notitiam alicuius rei. ... Effective representare est concurrere in ratione cause efficientis ad productionem notitie. ... Formaliter representare est esse notitiam vel actum quo aliquid vel aliqua vel aliqualiter significatur. .. Instrumentaliter representare est esse instrumentum quo mediante causatur in ipsa potentia cognitiva n o t i t i a . . . "

79

Die Strukturierung des Begriffsfeldes von 'significare' und 'repraesentare'

135

nem dreifachen Repräsentieren oder Bezeichnen die R e d e . 8 0 Die Tätigkeit des Erkenntnisvermögens ist nach dieser Auffassung weder als repraesentare als significare

Johannes Siliceo einen Schritt weiter, indem er die vier Weisen des effective,

noch

adäquat beschreibbar. 8 1 In dieser Abhebung beider Begriffe geht

formaliter

und instrumentaliter

repraesentare

bezüglich des

obiective, significare

auf die beiden letzten M o d i reduziert und somit nur die Unterscheidung von significare

formaliter

(als „esse conceptum rei vel rerum aut actum syncathegori-

maticum aliqualiter repraesentans") und significare

instrumentaliter

(als „esse

instrumentum quo aliquis terminus mentalis procreatur") gelten läßt. 8 2 Diese Ansätze zu einer Unterscheidung von Repräsentation und Signifikation werden von Domingo de Soto konsequent fortgeführt. 8 3

Seine Kritik richtet

sich sowohl gegen die von den 'Summulistae' vorgenommenen Bestimmung des repraesentare

als facere cognoscere84

- auf welches nach Soto allein die vierfache

Unterscheidung anwendbar ist 85 - wie gegen deren Gleichsetzung mit dem sig-

80

81

82

83 84

85

Compendium ( 1 5 0 7 ) fol. Blr-v: „...aliquid dicitur tantum tribus modis repraesentare seu significare rem aliquam. vel quia est ipsa cognitio formalis rei, et ista significatio est propriissima significatio, ita quod alia dicuntur significare per attributionem ad istam. Secundo aliquid dicitur significare, quia est quod per Cognitionen! cognoscitur. Tertio modo, quia ipso cognito aliquid cognoscitur, et hoc modo imago repraesentat rem cuius est imago, quia cognita imagine cognoscitur res per quandam rememorationem. hoc modo similiter vox ad placitum instituía significat rem ad quam imposita est ad significandum, quia cognita voce cognoscitur res."; P. MARGALLUS, Utriusque logices scholia (1965) 86: „... significare est repraesentare potentiae cognoscenti. Repraesentare vero est producere notitiam, vel esse notitiam. Est autem notitia qualitas qua potentia cognitiva cognoscit. Trifariam enim aliquid repraesentat: active, formaliter, et instrumentaliter." Für den Hagenauer Petrus Hispanus-Kommentar dagegen ist gerade dies der Sonderfall, an dem sich beide Begriffe voneinander trennen. Denn die Seele repräsentiert, indem sie den Begriff einer Sache bildet, sich den entsprechenden Gegenstand, sie bezeichnet ihn sich jedoch nicht. Nur dadurch, daß auch dieser Akt der Repräsentation für den göttlichen Intellekt ein Zeichen ist, sind beide Begriffe kongruent oder gleichrangig 'in supponendo'; d.h. von all dem, von dem das repraesentare gilt, kann auch das significare wahrheitsgemäß ausgesagt werden. Vgl. HAGENAU, Commentum in primum et quartum tractatum Petri Hispani (1495) fol. p6v: „... licet omne repraesentare sit significare et econverso, quia quicquid repraesentat aliquam rem etiam significat eandem rem, quia ad minus domino deo. propter quod ly repraesentare non est superius in supponendo ad ly significare, tarnen adhuc significat generalius. quia non omne repraesentans aliquam rem alicui significat eandem rem alicui; significat enim eandem rem eidem, ut anima formans in se conceptum lapidis repraesentat lapidem eidem, tarnen non significat lapidem eidem." Vgl. J . MARTÍNEZ SILICEO, Prima sectio dialecticae ( 1 5 1 7 ) 13r-v, vgl. V. M U Ñ O Z DELGADO, La Lógica Nominalista en la Universidad de Salamanca (1964) 211. Vgl. E. J. ASHWORTH, Domingo de Soto and the Doctrine of Signs (1990) 37ff. Vgl. G. LAX, Parve divisiones terminorum (1502) fol. a 5ra: "repraesentare est facere cognoscere aliquid vel aliqua vel aliqualiter"; vgl. J. DE CELAVA, lntroductiones dialecticae (1511) fol. a 4vb. D. DE SOTO, Summulae (1554) fol. 2rb: „Summulistae percontari, quid nam sit repraesentare. Et respondent, quod est facere cognoscere aliquid. Ubi notandum est quod quadrifariam potest aliqua res facere cognoscere se vel aliam, effective, obiective, formaliter, et instruHIERONYMUS DE SANCTO MARCHO,

136 nificare.

Das Zeichen in der Logik des 15. und frühen 16. Jahrhunderts In dieser koextensiven Verwendungsweise der drei Begriffe sieht Soto

den Grund für die terminologische Verwirrung und das W a n k e n der Logik 8 6 und strukturiert die vier Modi als hierarchisches Gefüge neu: latíus ... extendit facere cognoscere, quam repraesentare, et repraesentare quam significare ... facere cognoscere contingit quadrupliciter, effective, obiective, formaliter, et instrumentaliter. Repraesentare tarnen tripliciter, obiective, formaliter, et instrumentaliter. Sed significare tantum dupliciter, formaliter, et instrumentaliter. Et per consequens ... illa tria non sunt idem, sed habeant sicut supenus, et inferius - (Das Erkennenmachen erstreckt sich weiter als das Repräsentieren und das Repräsentieren weiter als das Bezeichnen. ... Erkennenmachen gibt es in vierfacher Weise, nämlich bewirkend, gegenständlich, formal und instrumental. Repräsentieren jedoch in dreifacher Weise, gegenständlich, formal und instrumental. Aber Bezeichnen nur auf zweifache Weise, formal und instrumental. Folglich sind diese drei nicht dasselbe, sondern verhalten sich wie Uber- und Untergeordnetes). 87 Diese von Soto v o r g e n o m m e n e Neuordnung des Verhältnisses der vier Begriffe hat weitreichende Konsequenzen. Z u m einen wird das repraesentare fective,

ef-

die reflexive Selbstrepräsentation, ausgeschlossen. Die intellektuelle Er-

kenntnisleistung ist nicht als eine F o r m der Repräsentation - oder gar Signifikation - beschreibbar. Sotos Sprachregelung steht damit im Gegensatz zu älteren Formulierungen, durch die zumindest die göttliche Erkenntnis als ein 'sibi aliquid repraesentare'

86

87 88

beschrieben wurde. 8 8 Z u m anderen wird die gegenständliche

mentaliter. Exempli gratia. Cum video imaginem Imperatorie, imago ipsa est causa obiectiva cognitionis quae movet visum, visus vero est causa efficiens, et notitia visiva ab utroque producta, est causa formalis: sed respectu notitiae, qua recordor Imperatorie, imago ilia est instrumentum." Ebd. fol. 2va: „... inde coepit res Dialéctica labare dum pro suo quisque placito coeperunt abuti termini." Ebd. fol. 2va-b. Vgl. A. CORONEL, Termini (1506) fol. B3va: „... deus quamlibet rem possibilem sibi naturaliter repraesentat quia quamlibet rem possibilem mediante seipso cognoscit."; J. MAIOR, Libri quos in artibus ... compilavit, liber terminorum (1508) fol. 5ra: "repraesentat (deus) sibi omne verum..."; J. DE ORIA, Summulae (1518) 107: „Sola essentia divina seipsam naturaliter proprie significat sibi ipsi." Seit dem 17. Jahrhundert wird ein solches 'sibi aliquid repraesentare', das die Vorlage für das besonders im Wolffianismus gebräuchlich gewordene deutsche "sich etwas vorstellen' ist, zunehmend auch für die menschliche Erkenntnis verwendet. Vgl. R. AVERSA, Logica (1623) 124b: „Homo in seipso cognoscit, sibique repraesentat obiectum, per actum suae cognitionis, per quam etiam dicitur mentaliter loqui, et proferre verbum mentis in suo intellectu."; vgl. B. BARO, Joan. Duns Scotus ... per universam philosophiam ... contra adversantes defensus (1664) 4a: „potentia repraesentat sibi significatum eliciendo intellectionem eius." Oftmals wird sie jedoch abgelehnt, da, wie Rodrigo de Arriaga betont, das Erkenntnisvermögen dasjenige ist, dem der Gegenstand repräsentiert wird, nicht aber dasjenige, welches repräsentiert. Auch hier ist die Frage nach der Identität von Repräsentation und Signifikation sowie der Bewertung des repraesentare effective noch deutlich präsent. Vgl. R. DE ARRIAGA, SJ, Cursus philosophicus (1668) 214ab: „Patri Lynceo ... [vgl. R. LYNCEUS, Universa philosophia scholast. (1654) 204b] non placet, quod dixerim, repraesentare, et significare, esse idem, ait enim, potentiam et obiectum repraesentare effective res cognitas, et tarnen ut sic non esse signum. Haec tamen obiectio nulla est, quia repraesentare effective, non est proprie repraesentare, sed producere reprae-

Die Strukturierung des Begriffsfeldes von 'significare' und 'repraesentare'

137

Selbstrepräsentation, das se repraesentare, zum Punkt, an dem repraesentare und significare sich voneinander scheiden. Etwas kann sich selbst repräsentieren, nichts jedoch kann sich selbst bezeichnen. Damit wird, drittens, das Zeichen auf formale und instrumentale Bezeichnung begrenzt. Das formaliter significare bzw. repraesentare besagt, daß etwas allein durch sich selbst und nicht vermittels eines anderen etwas repräsentiert. Da Repräsentation und Bezeichnung ihren Ort im Erkenntnisvermögen haben, kann eine solche Unmittelbarkeit nur die der Erkenntnis selbst sein. Das formaliter significare kommt allein den notitiae zu. Das dem entgegengesetzte significare instrumentaliter setzt eine solche Kenntnis des Signifikats bereits voraus. Insofern sind für Zustandekommen einer instrumenteilen Bezeichnung stets zwei Kenntnisse oder Begriffe konstitutiv, der des Zeichens selbst und der der Signifikation. 89 Tendenziell geht die Begrenzung des significare bei Soto über die Reduktion der vierfachen auf eine zweifache Bezeichnung hinaus. Denn auch die Erkenntnis oder der Begriff ist für Soto nicht im Vollsinn Zeichen des Gegenstandes, so daß „im eigentlichen Sinn des Wortes nichts auf formale Weise repräsentiert oder bezeichnet". Allein die Furcht, sich zu weit vom Sprachgebrauch der Schulen zu entfernen, verhindert die vollständige Restitution des augustinischen Zeichenbegriffs. 90 Mit dieser deutlich artikulierten Reserve gegenüber dem Zeichenstatus der Konzepte kündigt Soto mit weitreichenden Konsequenzen für die Entwicklung des neuzeitlichen Zeichenbegriffs den in dieser Frage seit der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts vorherrschenden Konsens auf.

8 9

sentationem... Respondeo, me etiam retorquere hoc argumentum Lyncei, nam potentia est, cui repraesentatur obiectum, non quae repraesentat... ideo semper manet verum, q u o d dixi, repraesentare et significare esse idem." Besondere Bedeutung erhält die Figur des 'sibi aliquid repraesentare' in der Auseinandersetzung zwischen Malebranche und den „Messieurs les Cartésiens"; s. u. D . D E S O T O , Summulae ( 1 5 5 4 ) fol. 2vb: „... est notandum q u o d significare, seu repraesentare formaliter, est esse potentiae formalem notitiam, vel ex seipso, et non mediante alio repraesentare. Significare autem instrumentaliter est, q u a n d o res, praeexistente cognitione sui, aliud a se repraesentat, uti vestigium significat animal quod transivit... Unde ut res aliqua repraesentet aliam instrumentaliter, duae notitiae requiruntur. Primo, notitia ipsius instrumenti, et deinde notitia significationis." Vgl. P I E R R E D ' A I L L Y , Tractatus de anima ( 1 9 8 7 ) 69.

9 0

D E S O T O , Summulae ( 1 5 5 4 ) fol. 2vb: „Est tarnen hic unum valde notandum, quod secundum sententiam Augustini ... non solum lapis non significat, sed nec notitia ipsa proprie est signum obiecti, et ideo nec proprie est dicenda significare, sed est potius ipsa significatio, ut f o r m a qua res significatur, quare iuxta propriam significationem verbi, nihil repraesentat, aut significat formaliter. Et quia significare et esse signum idem sunt, et signum secundum Augustinum est illud, quod instrumentaliter significat: Nihilominus, ne tam longe abiicimus m o d u m loquendi scholarum, concedimus duos modos significandi, scilicet formaliter, et instrumentaliter. Et dicimus, Augustinum tantum loquutum fuisse de secundo m o d o significandi, scilicet instrumentaliter." D.

138

Das Zeichen in der Logik des 15. und frühen 16. Jahrhunderts 2 . Significare naturaliter und significare ad placitum

Seit der Antike steht im Zentrum jeder Zeichenklassifikation die Distinktion

von signum naturale und signum ad placitum. Das ist in der Zeichentheorie des ausgehenden Mittelalters nicht anders. Die intensive Berücksichtigung spezieller zeichentheoretischer Fragestellungen führt hier jedoch zu erheblichen Modifikationen des Verständnis dieser Begriffe selbst, sowie der Bestimmung ihres gegenseitigen Verhältnisses. Es gehört zur Logik des scholastischen Diskurses, daß 'Neues' in ihm kaum anders gedacht und formuliert werden kann, als so, daß am überlieferten Bestand der Distinktionen Differenzierungen und Umbesetzungen vorgenommen werden. M a g es sich bei diesen im Einzelnen auch nur um Nuancierungen handeln, so können sie, indem sie die traditionellen nungsverhältnisse der tragenden Begriffe in Bewegung versetzen,

Zuord-

erhebliche

konzeptionelle Veränderungen zur Folge haben. Gerade an der hier vorliegenden Problematik der Bestimmung des significare placitum

naturaliter

und significare

ad

zeigt sich das in aller Deutlichkeit.

a) Die verschiedenen Weisen natürlicher Bezeichnung Das Feld natürlicher Bezeichnungen wird im Spätmittelalter zumeist unterteilt in 1) 'significare

naturaliter

bezeichnen), 2 ) 'Significare

communiter'

naturaliter

proprie'

che Weise bezeichnen) und 3 ) 'significare

(auf allgemeine Weise natürlich (in eigentlichem Sinn auf natürli-

naturaliter

ex instinctu

naturae'

(aus

einem natürlichen Instinkt heraus natürlich bezeichnen). Die unmittelbare Vorlage auch dieser Distinktion ist Pierre d'Aillys

concep-

fws-Traktat, w o dieser zwei Arten des natürlichen Bezeichnens unterscheidet: ... significare naturaliter capitur dupliciter. Uno modo proprie. Alio modo communiter. Significare naturaliter proprie est aliquid seipso et non mediante alio aliquid potentite cognitive earn vitaliter immutando repraesentare et sic dicimus conceptum qui est naturaliter similitudo alicuius rei proprie repraesentare. ... Sed significare naturaliter communiter est non seipso sed mediante alio aliquid potentie cognitive eam vitaliter immutando repraesentare et hoc convenit cuilibet rei. quaelibet enim res ex natura sua habet quod est nata causare sui conceptum in potentia intellectiva: et sic mediante tali conceptu est nata repraesentare potentie cognitive. Ex quo sequitur quod omnis res significat vel nata est significare seipsam naturaliter communiter. Significare autem naturaliter proprie solum convenit terminis mentalibus. - (Auf natürliche Weise Bezeichnen wird auf zweifache Weise verstanden. Einerseits im eigentlichen Sinn. Im eigentlichen Sinn auf natürliche Weise Bezeichnen heißt etwas durch sich selbst und nicht vermittels eines anderen einem Erkenntnisvermögen, es vital verändernd, zu repräsentieren; und so sagen wir, daß ein geistiger Begriff, der auf natürliche Weise die Ähnlichkeit einer bestimmten Sache ist, im eigentlichen Sinn repräsentiert. ... allgemeinen auf natürliche Weise Bezeichnen heißt etwas nicht durch sich selbst sondern vermittelst eines anderen einem Erkenntnisvermögen, es vital verändernd, zu repräsentieren; und so kommt es jedem beliebigen Ding zu. Denn jeglichem Ding kommt aufgrund seiner Natur die Eignung zu, in einem Erkenntnisvermögen den Begriff seiner selbst zu verursachen und ist

Die Strukturierung des Begriffsfeldes von 'significare' und 'repraesentare'

139

so vermittelst dieses Begriffs dazu geeignet, dem Erkenntnisvermögen [sich] zu repräsentieren. Daraus folgt, daß jedes Ding sich selbst auf gemeinhin natürliche Weise bezeichnet oder in der Lage ist dies zu tun. Das im eigentlichen Sinn auf natürliche Weise Bezeichnen kommt dagegen allein den Mentaltermini zu). 9 1

Diese Distinktion ist erschöpfend nur für die logischen Zeichen, die Termini, nicht jedoch für das Zeichen im allgemeinen. Denn die natürlichen Zeichen im 'klassischen' Verständnis (imago, vestigium, effectus) lassen sich in dieser Distinktion nicht unterbringen. Das gilt zunächst auch für die um das significare naturaliter ex instinctu naturae erweiterte Trichotomie der Weisen des natürlichen Bezeichnens. An ihr wird deutlich, wie die Ausweitung des Gegenstandsbereichs zeichentheoretischer Erörterungen innerhalb der Logik mit der von der älteren Tradition geprägten Terminologie in Konflikt gerät und diese ihrer Intention nach verändert. (1) Das 'Significare naturaliter communiter' besagt nach der in der MaiorSchule gebräuchlichen Terminologie soviel wie gegenständliche Selbstrepräsentation (obiective sese repraesentare)92 und entspricht insofern dem significare (bzw. repraesentare) obiective.93 Extensional betrachtet, konstituiert es die weitestmögliche Bestimmung von Zeichen und die umfänglichste Zeichenklasse. Denn in diesem Sinne ist jedes Ding Zeichen, weil zumindest Zeichen seiner selbst, da es, sich als Erkenntnisgegenstand darbietend,94 die Kenntnis seiner selbst diffundiert: Significare naturaliter communiter est cognitionem [sui] efficere vel [se] obiective representare h o c est esse obiectum significationis et hoc modo quelibet res mundi se significat: quia est obiective diffusiva noticie suiipsius. - (Auf gemeinhin natürliche Weise bezeichnen ist eine Erkenntnis [seiner selbst] bewirken oder [sich] in gegenständlicher Weise repräsentieren, d.h. Gegenstand einer Bezeichnung sein, und auf diese Weise bezeichnet jegliches Ding auf der W e l t sich selbst, weil es in gegenständlicher Weise die Kenntnis seiner selbst verbreitet). 9 5

Die theoretische Grundlage für die Annahme einer solchen natürlichen Selbstbezeichnung - den historischen Ausgangspunkt bilden Albert von Sachsen, Pierre d'Ailly und Paul von Venedig96 - ist das weite Verständnis des significare Conceptus (s.a.) fol. b2rb. Introductorium perutile in Aristotelis dialecticen (1527) fol. 14ra: „Significare na-

91

PIERRE D'AILLY,

92

J . MAIOR,

93

94

95 96

turaliter communiter est obiective sese repraesentare, sive in ratione obiecti objicere, obiectum est res per aliquam notitiam agnitum, ut albor quem cernís repraesentat se tue potentie visive, quaelibet res partialiter cognitionem sui efficit." Vgl. P . MARGALLUS, Utriusque logices scholia (1965) 90: „... significare naturaliter communiter... vocant significare obiective, sicut significare formaliter coincidit cum significare naturaliter proprie..." Vgl. PETRUS DE BRUXELLIS, Summularum artis dialectice ... interpretatio ( 1 5 1 2 ) fol. a6rb: „Significare naturaliter communiter est secundum quod quelibet res seipsam representat aut potentie cognitive objicitur."

J. MAIOR, Libri quos in artibus... compilavit, liber terminorum (1508) fol. 10va-b. Vgl. PAULUS VENETUS, Logica magna I ( 1 9 7 9 ) 4 0 : „... termini vocales vel scripti seipsos naturaliter significant, sicut et aliae res sensibiles seipsas enim intellectui per intentionem

140 als facere

Das Zeichen in der Logik des 15. und frühen 16. Jahrhunderts

cognoscere

unter Tilgung der in der augustinischen Zeichendefinition

mit der Funktionsbestimmung des 'faciens in cogitationem (bzw. cognitionem) venire' verbundenen Partikel des 'aliquid aliud'. Das 'significare naturaliter communiter', bisweilen als uneigentliche Form des Bezeichnens geführt, 97 ist hinsichtlich des Signifikats jedoch insofern eingeschränkt, als es hier nicht um die Bewirkung einer Erkenntnis von Beliebigem geht, sondern nur um die gegenständliche Bewirkung der Erkenntnis seiner selbst, um das 'noticiam de se

causare*98 oder das 'posse efficere cognitionem sui',99 allenfalls noch um die Bewirkung der Erkenntnis von Ähnlichem, 100 so, wie - in peircescher Termino-

propriam repraesentant, quemadmodum facit homo, lapis, et sic de aliis. Cum ergo significare non sit aliud quam rei similitudinem memoriae vel virtuti cognitivae repraesentare vel conceptum primum in anima causare, igitur tales seipsos significant et hoc naturaliter..."; vgl. ebd. 4 2 : „... aliquis terminus supponit pro se, sed omne supponere est significare; ergo talis significat se. ... maior patet de multis terminis supponentibus materialiter... Item ... omne sensibile naturaliter significat seipsum, sed terminus vocalis vel scriptus est sensibile; igitur talis seipsum naturaliter significat... nam omne sensibile sive sit proprium sive commune sui ipsius agit intentionem in aliquam virtutem interiorem mediante qua a virtute cognoscitiva apprehenditur." 97 98

Vgl. J . DE ORIA, Summulamm volumen primum ( 1 9 8 7 ) 107. Vgl. J . RAULIN, In logicam Aristotelis commentarium ( 1 5 0 0 ) fol. d3vb: „... signorum naturaliter significantium quaedam significant aliquid naturaliter proprie et alia significant naturaliter communiter ... terminus dicitur illud significare naturaliter communiter cuius non est propria et naturalis similitudo ita quod nata est causare suum conceptum in potentia vitali, ut ly h o m o significat naturaliter communiter se ipsum et sibi simili et propterea dicitur significatio naturalis communis et sic quelibet res mundi se ipsam naturaliter communiter repraesentat et in potentia vitali nata est objective et parcialiter noticiam de se causare."; vgl. J . AZNAR, Termini secundum viam realium ( 1 5 1 3 ) ; vgl. V . M U Ñ O Z DELGADO, Juan Aznar y su tratado de los términos ( 1 9 7 4 ) 3 1 0 ; W . M ANDERSTON, Compendiosa Dialectices Epitome ( 1 5 2 8 ) fol. Β 3 ra.

Vgl. BERNARDUS B O R G E N S « , Introductorium in summulas Petri Hispani ( 1 5 1 4 ) fol. b l r b : „Significare naturaliter communiter est posse efficere cognitionem sui et sic quaelibet res mundi significat naturaliter communiter, quia qualibet talis potest causare cognitionem sui." 100 Vgl. G. LAX, Parve divisiones terminorum ( 1 5 0 2 ) fol. a 8 v b - b l r a ) : „Significare naturaliter communiter est efficere cognitionem in ratione obiecti hoc est concurrere in ratione obiecti ad causandum noticiam alicuius rei... ( b l r a ) ... et isto modo significandi quelibet res significat se et suum simile." Vgl. Β . ARNOLDI VON USINGEN, Exercitium veteris artis ( 1 5 1 4 ) fol. S4r: „Significare naturaliter communiter est significare non se ipso sed per conceptum superadditum. E t illud convenit omnibus rebus mundi. Est enim commune omnibus rebus significare sic se vel sibi simile realiter, ut lapis realis sic significat se ipsum vel sibi similem."; J . ECK, In summulis... explanatio ( 1 5 1 6 ) fol. 5vb: „... significare naturaliter communiter est significare seipsum vel sibi simile, absque eo quod sit formalis cognitio suiipsius." Die Formel des 'sibi simile' scheint auf den, genauer: auf einen der beiden logischen Ursprungsorte und Anwendungsbereiche dieser Annahme der Selbstbezeichnung zu verweisen, auf die suppositio materialis, für deren Definition sie traditionell gebräuchlich ist. Vgl. JOHANNES BURIDAN, Tract, de suppositionibus ( 1 9 5 7 ) 2 0 1 : „... suppositio materialis dicitur quando vox supponit pro se aut pro sibi simili..." Die Betonung der Selbstbezeichnung aller Dinge lag insofern besonders in der Buridan-Schule nahe, für die im Unterschied zu Ockham die 99

Die Strukturierung des Begriffsfeldes von 'significare' und 'repraesentare'

141

logie - jedes token die Kenntnis der anderen token desselben type bewirkt, bzw. diese bezeichnet. 101 Der Umstand, daß durch die geläufige Trichotomie des significare naturaliter der größte Teil der natürlichen Zeichen nicht erfaßt werden kann, ist offenbar der Grund dafür, daß sich außerhalb der Maior-Schule verschiedentlich ein erweitertes Verständnis des significare naturaliter

communiter

finden läßt, welches ikonische 102 oder natürliche Zeichen im allgemeinen 103 umfaßt. (2) Das 'Significare naturaliter proprie'

ist dadurch ausgezeichnet, daß auf

diese Weise etwas allein unmittelbar durch sich selbst ein anderes bezeichnet oder repräsentiert („mediante se, et non mediante alio"). 1 0 4 Es entspricht damit

101

102

103

104

materiale Supposition als Form des signifikativen Sprachgebrauchs galt. Vgl. ALBERT VON SACHSEN, Quaestiones in artem veterem ( 1 9 8 8 ) 4 7 6 f . Vgl. ANM. 67. Vgl. HAGENAU, Commentum in primutn et quartum tractatum Petri Hispani ( 1 4 9 5 ) fol. p7r: „Significare naturaliter est significare ex conditione sue nature, vel naturali habitudine signi ad signatum. prima partícula convenit terminis naturaliter proprie significantibus. Secunda autem terminis naturaliter communiter significantibus. et sic il le terminus 'homo' in mentali illius ' h o m o est species' significat naturaliter communiter illos términos 'homo', 'homo', ' h o m o ' . " In ausdrücklicher Weise hebt Johannes Maior bei der Analyse der Rezeption sprachlicher Zeichen token und type voneinander ab; vgl. J . MAIOR, Introductorium perniile in Aristotelis dialecticen ( 1 5 2 7 ) fol. 18vb: „Vox ... vel scriptura causat tres conceptúe, duos non ultimatos, et ultimatum unum, haec vox 'homo' causat unum conceptum repraesentativum singulariter illius vocis, sicut quaelibet res creata obiective naturaliter causat notitiam singularem sui... Secundo vox causat unum conceptum communem repraesentativum illius vocis et similium, ut patet in mentali istius 'homo est species'... Subordin a t e tertio, haec vox homo conceptui ultimato omnium hominum repraesentativo." Nach J . TRUTVETTER, Breviarium dialecticum ( 1 5 0 0 ) fol. h l v , bezeichnet dasjenige naturaliter communiter, „quod est simile repraesentato: sed non medium illud quo formaliter apprehenditur et cognoscitur. Sic imago hominis figurata repraesentat hominem cui in lineamentis est similis. Nam hec non est formale cognitionis medium: sed illa apprehensa intellectus similitudinem quandam hominis vivi in se elicit.'' Der Grund für eine solche Bestimmung ist ein erweitertes Verständnis des ursprünglich nur im Sinne der suppositio materialis gemeinten Formel des 'sibi simile'. Vgl. J . ALTENSTAIG, Dialéctica ( 1 5 1 4 ) fol. b l v : „Significare naturaliter communiter est significare ex naturali habitudine signi ad signati: vel ex conditione naturae: ut gemitus infirmum, fumus ignem. Sic imago hominis figurata repraesentat hominem naturaliter communiter cui in lineamentis est similis." Dies ist eirt extensives Verständnis der im Hagenauer Kommentar gegebenen Definition des significare naturaliter communiter-, vgl. Anm. 101. G. LAX, Parve divisiones terminorum ( 1 5 0 2 ) fol. a8vb: „Significare naturaliter proprie sic diffinitur. Est significare mediante se et non mediante alio aliquid vel aliqua vel aliqualiter. Exemplum patet de ilio termino mentali ultimato ' h o m o ' . " Vgl. PETRUS TARTARETUS, EXpositio super textu logices Aristotelis ( 1 4 9 5 ) fol. 3 0 7 v b : „... terminus dicitur significare naturaliter proprie illud quod repraesentat formaliter seipso et non mediante alio, et sic significare naturaliter proprie praecise convenit notieijs vel conceptibus ipsius animae quia nihil aliud repraesentat suum significatum non mediante alio."; J . MAIOR, Libri quos in artibus ... compilavit, liber terminorum ( 1 5 0 8 ) fol. 10va-b: „Significare naturaliter proprie est significare mediante se vel significare immediate vel formaliter representare, ut noticia quam habeo de iohanne formaliter iohannem representat. id est est quedam forma mediante qua anima mea cognoscit iohannem ... et talis cognitio ab anima mea et a iohanne cognita pro-

142

Das Zeichen in der Logik des 15. und frühen 16. Jahrhunderts

dem 'significare formaliter'. Das aber bedeutet, daß es identisch ist mit dem 'esse cognitionem',105 so daß, wie schon Pierre d'Ailly betont hatte, 106 die geistigen Begriffe die einzigen Zeichen sind, die auf eigentliche Weise natürlich bezeichnen: „soli termini mentales et omnes tales dicuntur naturaliter proprie significare". 1 0 7 Denn nur hier ist die unmittelbare Bezeichnung des Gegenstandes ohne eine weitere vermittelnde oder begründende Instanz gegeben, 108 nur hier ist das Zeichen, der geistige Begriff, die unmittelbare selbstsuffiziente Bezeichnung des Gegenstandes. Alle übrigen Zeichen sind auf den Begriff hingeordnet, indem sie ihn entweder verursachen oder ihm subordiniert sind. Dieser ist damit der Garant für das Funktionieren von Bezeichnung schlechthin. Das geht weit hinaus über die Feststellung, daß man von einem Bezeichnen sinnvollerweise nur in Rücksicht auf eine zeicheninterpretierende intellektuelle Natur sprechen kann. 109 Denn das jede Signifikation erst Ermöglichende ist selbst ein Bezeichnen im allereigentlichsten Sinn, so daß jedes anderer Bezeichnen überhaupt nur von diesem her ein solches genannt wird („ipsa cognitio formalis... est propriissima significatio, ita quod alia dicuntur significare per attributionem ad istam"). 1 1 0

105

duci tur." J . D O L Z , Termini (1511) fol. 12va; BERNARDOS BORGENSIS, lntroductorium in summulas Petri Hispani (1514) fol. blrb. P. MARGALLUS, Utriusque logices scholia (1965) 88ff: „Significare naturaliter proprie est esse cognitionem alicuius vel aliqualiter, vel est significare ex propria natura mediante se, vel illud includere, ut visio nigredinis se ipsa et sua propria natura significai nigredinem." Vgl. PETRUS DE BRUXELLIS, Summularum artis dialectice ... interpretatio (1512) fol. a6rb: „"Significare naturaliter proprie est esse conceptionem alicujus: ut naturalis similitudo hujus vocis buf significat naturaliter proprie hanc vocem buf."

106 107

108

109

110

S. Anm. 91.

Compendiosa Dialectices Epitome (1528) fol. Β 3ra; vgl. A. CORONEL, Termini (1506) fol. B3ra: „Naturaliter proprie significare. Est immediate id est mediante seipso aliquid vel aliqua vel aliqualiter significare et sic repraesentare praecise convenit terminis mentalibus."; Vgl. PETRUS A SPINOSA, Tractatus terminorum, fol. 3v, zit. nach V. M U Ñ O Z DELGADO, Pedro de Espinosa y la logica en Salamanca hasta 1550: Anuario filosofico 16 (1983) 152.: „Significare naturaliter proprie est esse noticiam anime quo modo soli termini mentales significant. Significant idem apud omnes. Terminus mentalis dicitur naturalis similitudo obiectiva. Notitia vocatur naturalis similitudo obiectiva, quia talis est in genere signi qualis res ad extra in genere significati..." Zum Begriff der similitudo objectiva vgl. Anm. 161. W . MANDERSTON,

Vgl. J . ALTENSTAIG, Dialéctica (1514) fol. b l v : „Significare naturaliter proprie est significare ex conditione suae naturae: Et sic in significando nulli alteri subordinari ut conceptus naturaliter proprie significant." J . GERSON, De modis significandi, in: Œuvres complètes 9 ( 1 9 7 3 ) 6 2 5 [ 1 7 0 6 : 4 . 8 1 6 ] : „Significatio nec proprie nec convenienter accipitur, nisi per respectum ad naturam intellectual em, quae potest uti signo." HIERONYMUS DE S . MARCHO, Compendium ( 1 5 0 7 ) fol. B l r . In ähnlicher Form bemerkt auch Estanyol hinsichtlich des formaliter significare, „hoc modo significare est propriissime significare, cum nihil rem aliquam perfectius repraesentet quam propria illius rei notitia"; vgl. ANGEL ESTANYOL, Termini ( 1 5 0 4 ) fol. a 3v; zit. n. E . J . ASHWORTH, Domingo de Soto

and the Doctrine of Signs

(1990) 40.

Die Strukturierung des Begriffsfeldes von 'significare' und 'repraesentare'

143

Wenn die alles Bezeichnen letztlich ermöglichende Instanz der geistigen Akte selbst als ein Bezeichnen bestimmt wird, ist es notwendig, sie als ein unmittelbar durch sich selbst und nicht vermittels eines anderen Bezeichnendes zu denken. Denn andernfall geriete man, wie Johannes Raulin betont, zwangsläufig in einen infiniten Regress, 111 gleichsam in eine peircesche unendliche Semiose oder, wie Johannes Maior es nennt, in einen „Abgrund des Bezeichnens" (abyssus in significando). 112 Wenn es keine unmittelbare Erkenntnis gibt, dann gibt es überhaupt keine; und wenn diese nicht unmittelbar bezeichnet, dann gibt es überhaupt keine Bezeichnung. (3) 'Significare naturaliter ex instinctu naturae': Die Kennzeichnung eines Bezeichnens „aufgrund eines natürlichen Instinktes" (significare ex instinctu naturali) diente in der älteren Tradition im Rückgriff auf Avicenna zur Unterscheidung der unwillkürlichen lautlichen Äußerung (Bsp. latratus canis; gemitus infirmorum) von den eingesetzten sprachlichen Ausdrücken. 113 Dieses Verständnis bleibt auch im Spätmittelalter das dominierende. Das „ex instinctu naturali" bezieht sich dabei auf die Unwillkürlichkeit der Zeichenproduktion. Die Zuordnung des lautlichen Zeichens zu seinem Signifikat beruht nicht auf einer willentlichen Einsetzung, sondern auf einer natürlichen und damit bei allen Lebewesen derselben Art identischen Inklination, gewisse Affekte durch bestimmte Zeichen auszudrücken. 114 111

J. RAULIN, Quaestiones super duos libros Perihertneneias (1500) fol. d3vb: „... conceptus ultimatus se ipso formaliter significat quicquid naturaliter proprie significat. Patet quia est significatio qua aliqua res significatur, sed significatio nichil aliud est quam repraesentatio illius cuius est significatio, et illa repraesentatio formalis est ipsamet conceptus. Nam conceptus se habet ut quedam ymago formalis non tarnen obiectiva sicut imago cesaris rei per ipsum concepte. et confirmatur nisi seipso formaliter significaret hoc esset quia significaret suum significatum mediante alia significatione distincta ab eo et tunc queretur de illa significatione utrum se ipsa significet vel mediante alia, si seipsa eadem ratione erit status ad primam significationem. si mediante alia et sic erit processus in infinitum."

112

J. MAIOR, Introductorium perutile in Aristotelis dialecticert (1527) fol. 14ra: „Significare naturaliter proprie est formaliter, et seipso repraesentare. Porro si conceptus suam significantiam mediante alio significaret in abyssum significando iterur [sic: iretur (?)]." Vgl. DERS., Summule ( 1 5 1 4 ) fol. lrb. Ein dem Inhalt nach identisches Argument hatte bereits Walter Chatton gegen die von Ockham zunächst vertretene Fiktum-Theorie der Konzepte geltend gemacht und ihn damit zur Übernahme der Akt-Theorie bewegt. Vgl. WALTER CHATTON,

Utrum sit aliquis conceptus communis et universalis Deo et creaturae, in: G. GÄL, Gualteri de Chatton et Guillelmi de Ockham controversia de natura conceptus universalis (1967)

113

114

2 0 4 : „... praeter tuum fictum oportet ponere aliud fictum, et praeter illud aliud tertium, et sic in infinitum." Vgl. PS.-ROBERT KILWARDBY, Comment, in Prise, ma. ( 1 9 7 5 ) 5 7 ; ROGER BACON, Compen-

dium studii theol. (1988) 60. Vgl. hierzu U. Eco et al., On animal language in the medieval classification of signs (1989). Vgl. J. TLNCTORIS, Dicta super Summulas Petri hyspani (1486) fol. A8ra: „... vox significativa naturaliter significat ex instinctu naturae quae inclinât animal ad proferendum talem vocem imperfectam ad exprimendum suas affectiones..."; vgl. ebd. fol. A8rb-va: „... vocum significativarum alia est significativa naturaliter. Alia ad placitum. Cuius divisionis ratio est quia omnis vox significativa habet ordinem sive relationem ad suum significatum. vel ergo

144

Das Zeichen in der Logik des 15. und frühen 16. Jahrhunderts

Die Unterscheidung der Weisen natürlichen Bezeichnens w a r

ursprünglich

nur für die logikrelevanten Z e i c h e n , d.h. für K o n z e p t e u n d sprachlichen Ausd r ü c k e e n t w i c k e l t w o r d e n . Soll d i e T r i c h o t o m i e a u f d a s n a t ü r l i c h e Z e i c h e n im allgemeinen a n g e w e n d e t w e r d e n , erfordert das zwangsläufig eine der

jeweiligen

obiective

Distinktionskriterien.

Hinsichtlich

des

significare

Umdeutung naturaliter

w u r d e , wie gesehen, verschiedentlich eine Ausweitung des ursprüng-

lich i n t e n d i e r t e n Sinn d e s 'sibi simile' zeichnende

a n g e s e t z t e n habitudo

Eine ähnliche, zeichentheoretisch c h e n Sinns w i r d a m significare

s o w i e d e r für d a s a u f diese W e i s e B e -

naturalis

zum

Bezeichneten

bedeutsamere Modifikation

naturaliter

ex instinctu

E b e n s o , w i e d i e e i n z e l n e n B e g r i f f e v o n signum,

naturae terminus

vorgenommen. des

ursprüngli-

vollzogen. e t c . sind a u c h d e r -

a r t i g e F o r m e l n v e r s c h i e d e n a u s l e g b a r . D a s zeigt sich b e r e i t s bei J o h a n n e s M a i o r , w e n n e r b e t o n t , d a ß e r im K o n t e x t d e r T e r m i n i d a s 'ex instinctu i m a l l g e m e i n e n S i n n e v o n 'ex

natura

angepaßten Verständnis verwendet.115 anders getroffen w e r d e n ; 1 1 6

rei',

naturae'

s o n d e r n in e i n e m d e m

nicht

Gegenstand

Eine solche Entscheidung konnte

auch

u n d M a i o r selbst w i r d sie in s e i n e n s p ä t e r e n D a r -

stellungen der T e r m i n i anders treffen.

talis ordinatio sit secundum instinctum naturae et sic est vox significativa naturaliter. Vel talis ordinatio sit secundum placitum imponentis. sic est vox significativa ad placitum. ... vox significativa naturaliter est ilia quae apud omnes idem repraesentat ut gemitus infirmorum (A8va) dolorem, et latratus canum iram vel gaudium. ... vox significativa naturaliter significat ex instinctu naturae. ... Sed vox significativa ad placitum non significat idem apud omnes sed solum significat apud illos qui cognoscant impositionem eius ad significandum."; J . VERSOR, Commentario in Petri Hispani Summulas (1572) 7: „... vox significativa naturaliter est ilia, quae apud omnes homines idem significat, ut gemitus infirmorum. Cuius ratio est, quia talis vox ordinatur ad significandum, et repraesentandum suum significatum per instinctum naturae, quae inclinât animal ad formandum talem vocem."; ANTWERPEN, Loycalia ... cum ...commento (1486) fol. B2r: „...vox significativa naturaliter significat idem apud omnes homines. Ratio est quia ilia vox significat ex instinctu naturae, que inclinât animal ad formandum talem vocem imperfectam ut exprimat suas affectiones scilicet iram gaudium famem vel sitim etc. Et quia natura est eadem apud omnes, et eodem modo inclinât animalis ad exprimendum suas affectiones." Vgl. G. LAX, Parve divisiones terminorum (1502) fol. b l r a ; J . AZNAR, Termini secundum viam realium·, vgl. V. M U Ñ O Z DELGADO, Juan Aznar y su tratado de ¡os términos (1974) 3 1 0 ; C. PSCHLACHER, Compendiarius parvorum logicalium liber (1512) fol. 6r; W. MANDERSTON, Compendiosa Dialectices Epitome (1528) fol. Β 3ra¡ F. TITELMANS, Naturalis philosophiae compendium, lib. 9, cap. 11 (1561) fol. 139r. 115

116

MAIOR, Libri quos in artibus ... compilavit, liber terminorum ( 1 5 0 8 ) fol. lOvb: „Significare ex instinctu nature non capitur in terminis ut tantum valet sicut significare ex natura rei quia tunc quodlibet significare naturaliter esset ex instinctu nature representare, et sic philosophi accipiunt quando dicunt quodlibet leve ascendere posse et grave descendere ex instinctu nature vel ex natura rei quod pro eodem convertibiliter accipiunt. Sed hic capitur appropriate... Et sic diffinitur significare ex instinctu nature, est aliud a re representare: non ex impositione nec formaliter, ut latratus canum iram vel gaudium ex instinctu nature représentât." Vgl. BERNARDUS BORGENSIS, Introductorium in summulas Petri Hispani (1514) fol. b l r b : „Significare ex instinctu naturae non capitur in proposito pro inclinatione naturali alicuius

J.

Die Strukturierung des Begriffsfeldes von 'significare' und 'repraesentare'

145

Worum es hierbei letztlich geht, ist die bereits von Roger Bacon aufgewiesene doppelte Bedeutung des Naturbegriffs als „Substanz oder Wesen irgendeines Dinges" (substantia sive essentia cuiuslibet) einerseits sowie als „ohne Überlegung handelnde Kraft" (virtus agens sine deliberatione) andererseits, welche ihn veranlaßt hatte, jene Zeichen, die - im älteren Sinn - „ex instinctu naturae" bezeichnen, aus der Klasse der signa naturalia herauszunehmen und sie als eine eigene Spezies den signa data zuzuordnen. 117 Durch die Erweiterung des Verständnisses des 'significare naturaliter ex instinctu naturae', die vorgenommen wird, um die natürlichen Zeichen insgesamt in der Klassifikation des significare naturaliter unterbringen zu können, fallen die beiden von Bacon auseinandergehaltenen Arten des natürlichen Bezeichnens wiederum zusammen. Allerdings dergestalt, daß das natürliche Instrumentalzeichen nun generell aufgrund der - letztlich kontingenten - terminologischen Vorgaben aus der Perspektive der natürlichen Inklination dargestellt wird. Das aber ist eine psychologische Perspektive, bei der nicht das Verhältnis von Zeichen und Bezeichnetem, sondern der pragmatische Bezug zum Zeichenrezipienten im Vordergrund steht. Durch die Applikation auf die Klasse der natürlichen Instrumentalzeichen verändert zugleich das 'ex instinctu naturae' seinen ursprünglichen Sinn. Die damit zum Ausdruck gebrachte natürliche Inklination bezieht sich nicht mehr, wie beim gemitus infirmorum oder latratus canis, auf die Unwillkürlichkeit der Zeichenproduktion, 118 sondern beschreibt den Vorgang der Zeicheninterpretation als einen natürlichen Prozeß. Entsprechend definiert Pierre Crockaert: Significare naturaliter ex instinctu naturae est significare ex naturali inclinatione cognoscentis... - (Auf natürliche Weise aufgrund eines natürlichen Instinktes Bezeichnen ist aus einer natürlichen Neigung des Erkennenden heraus Bezeichnen). 1 1 9

Zunächst ist diese Erweiterung des significare ex instinctu naturae kaum sichtbar. Sie zeigt sich lediglich daran, daß neben die traditionellen Beispiele dieses Signifikationstypus kommentarlos der Rauch als Zeichen des Feuers und

117 118 119

sed ut tantum videlicet sicut significare aliud a se id est repraesentare aliud a se non naturaliter proprie vel ex impositione, ut latratus canum, gemitus infirmorum." Selbst wo das 'ex instinctu naturae' von der natürlichen Inklination abgerückt wird, bleiben die für diese traditionell gebräuchlichen Beispiele präsent. S.o., Kap. II, Anm. 64. Vgl. z.B. ANTWERPEN, Loycalia ... cum ...commento (1486) fol. B2r, s. Anm. 114. PETRUS DE BRUXELLIS, Summularum artis dialectice ... interpretatio (1512) fol. a6rb. Vgl. P. MARGALLUS, Logicae utrisque bases (1965) 90: „... significare ex instinctu naturae diffinitur a quibusdam: est significare ex inclinatione intelligentis seclusa impositione." Was Margallus an dieser Definition kritisiert, ist lediglich die durch das 'intelligentis' implizierte Unmöglichkeit einer Anwendung auf tierische Zeichenverwendung. Er stellt jedoch nicht in Frage, daß sich die Inklination, im Gegensatz zum älteren Verständnis der Formel, auf den Vorgang der Zeicheninterpretation bezieht.

146

Das Zeichen in der Logik des 15. und frühen 16. Jahrhunderts

damit das klassische Exempel des signum naturale tritt; 1 2 0 später dann auch die Spur 1 2 1 , das Bild und jedes auf einer Kausalbeziehung beruhende Zeichen. 1 2 2 Die Naturalität dieser Zeichen ist, so betrachtet, nicht oder nicht in erster Linie in der natürlichen Beziehung von Zeichen und Bezeichnetem begründet, sondern vielmehr in der mentalen Verknüpfung der Erkenntnis des Zeichens und der Erkenntnis des Bezeichneten; darin also, daß der Intellekt oder das Erkenntnisvermögen aufgrund einer natürlichen Inklination unwillkürlich von der Erkenntnis des einen zu der des anderen gelangt. 123 Hiermit wird zumindest die Möglichkeit angedeutet, daß sich die Naturalität der natürlichen Zeichen aus der Perspektive der Zeicheninterpreten als Gewohnheit darstellen läßt. 124

120 Vgl. J . MAJOR, Summule (1514) fol. lrb: „Significare ex instinctu naturae est sine impositione dare aliquid intelligere apprehendenti: ut risus laetitia, ut gemitus infirmi dolorem repraesentat. sic lachryme animi amaritudinem, et fumus ignem..."; J . ECK, In summulas ... explanatio (1516) fol. 5vb: „... est significare naturaliter ex instinctu naturae, quando repraesentat ex instinctu vel proprietate naturae tali cui non est simile nec eius cognitio: ut gemitus infirmorum: fumus ignis..." 121

Vgl. J . MAIOR, Introductorium perutile inAristotelis dial. (1527) fol. 14ra-b: „Significare ex instinctu nature, est absque impositione naturali alterius rei notitiam efficere. Quo modo gemitus hominis bellueve anxietatem indicat, homo tamen animai cautum sub velamine quodam dolorem nonnumquam gemitu simulât, sat est sine impositione is significatus oritur, hac enim quod quaelibet suum prolatorem désignât, sic etiam fumus caminum exiens ignem praesignificat tamquam eius basim. Itaque ex cognitione lamentabilis vocis atque fumi primario in doloris notitiam atque rogi secundario devenimus, hoc etiam modo vestigium rem cuius est vestigium, scripturaque scriptorem notificat."

Logicae utrisque bases ( 1 9 6 5 ) 9 0 : „... significare ex instinctu naturae est significare non ex impositione vel naturaliter proprie potentia (quae hie vocatur instinctus naturae) movente se principaliter, et ex se ipsa et sua inclinatione ad cognoscendum per signum. Quomodo fumus significat ignem et regulariter effectus suam causam. Quomodo creaturae significant Deum. Aliquae ut vestigium, aliquae ut imago, ut impressio pedis lupi significat lupum illue transisse. Et quodlibet ens aliud a se significat ex instinctu naturae, ut si a Petro entis producatur notitia, Petrus omnia entia ex instinctu naturae significat."

122 VGL. P. MARGAIXUS,

123 Vgl. J . DE ORIA, Tractatus elementorum dyalectice (1988) 107: „Naturaliter ex instinctu significare est conceptum de suo significato causare aliud a se ratione naturalis habitudinis quam habet ad ipsum. Ut fumus, naturaliter ex instinctu, representat ignem et gemitus dolorem. Pro quo sunt aliqua notanda. Primum quod naturalis instinctus est terminus connotativus supponens pro aliqua potentia cognitiva connotando quod ex apprehensione unius obiecti nata est venire in cognitionem alterius propter naturalem habitudinem unius ad alterum. Ut yrundo, ex apprehensione immutationis aeris, venit in cognitionem tempestatis futuris. Similiter delphin, ex apprehensione immutationis maris, venit in cognitionem tempestatis sequentis. ... H o c enim eius convenit ex instinctu naturali, hoc est dictu, quia ex apprehensione unius obiecti nata est venire in cognitionem alterius occulti." - Oria unterscheidet jedoch desweiteren zwischen dem communiter significare ex instinctu naturae, „cum scilicet signum causat conceptum sui signati, sive signum sit cognitum sive non, et sie omnes species sensibiles et intelligibiles significant naturaliter ex instinctu" und dem specialiter significare ex instinctu naturae „ut ... est signum cognitum causans conceptum sui signati, ut fumus cognitus causat conceptum ignis" (ebd. 108). 124 Vgl. J . AZNAR, Termini secundum viam realium (1513) 3Of, zit. n. V. M U Ñ O Z DELGADO,

Juan Aznar y su tratado de los términos (IS 13) según ¡a via escotista (1974) 310: „Adverte

Die Strukturierung des Begriffsfeldes von 'significare' und 'repraesentare'

147

b) Die verschiedenen Weisen 'willkürlicher' Bezeichnung Ebenso wie das significare naturaliter erfährt auch das significare ad placitum im Spätmittelalter eine weitere Ausdifferenzierung. Den Hintergrund hierfür bildet der Umstand, daß aufgrund der verstärkten Berücksichtigung und Diskussion konkreter Fallbeispiel die Unzulänglichkeit der traditionellen Dichoto-

mie des Zeichens in ein signum naturale und ein signum ex impositione (bzw. datum, ex institutione) offenkundig wurde. Es gibt Zeichen, die weder die Standardkriterien eines natürlichen Zeichens erfüllen (significare ex natura sua bzw. significare idem apud omnes) noch auf einen förmlichen Einsetzungsakt zurückgeführt werden können. 125 Beispiele hierfür sind einserseits transumptiv oder metaphorisch verwendete sprachliche Ausdrücke (lupus in fabula) sowie andererseits die hier erstmals als eigener Zeichentyp in breiterem Umfang berücksichtigten gewohnheitsbedingten Zeichen, wie der circulus ante tabemam (Laubkranz vor der Taverne) als Zeichen des Weinverkaufs oder der Hund, der dadurch, daß man ihn mehrmals seinem Herren vorauseilen gesehen hat, zum Zeichen für dessen Nahen wird. Die Wahrnehmung der zeichentheoretischen Relevanz der Gewohnheit ist als solche nichts Neues. Ihre wichtige Funktion für die Geltung der eingesetzten Sprachzeichen war bereits vorher deutlich betont worden. Die consuetudo erscheint dabei als dasjenige, was erst das dem singulären Einsetzungsakt korrespondierende private placitum des Sprachinstitutors zu einem allgemeinen macht und ihm Dauer verleiht und somit der punktuellen impositio synchrone und diachrone Ausbreitung verschafft. Gerade weil die sprachlichen Ausdrücke willkürlich eingesetzt sind, bedarf ihre Geltung, schon Augustinus hatte das gesehen, sowohl der Autorität des Einsetzers wie der Gewohnheit,126 d.h. der Aufnahme durch die Sprechergemeinschaft.127 Insofern stellt sich der Vertragscharakter sprachlicher Bezeichnung schon bei Heinrich von Gent als gemeinschaftliche Gewohnheit dar.128 Und ebenso wie für die Erklärung der kollekti-

125

126 127

128

quod vox significativa significat ... suum prolatorem naturaliter i.e. ex quoddam instinctu naturae vel consuetudine audiendi eum." Das Problem wird auch in der neueren Semiotik noch diskutiert. Vgl. BERNARD E. ROLLINI, Natural and Conventional Meaning: An Examination of the Distinction (1976). In dem hier der systematischen Kritik dieses 'Dualismus* vorangestellten historischen Uberblick fehlen die älteren Erörterungen des signum ex consuetudine jedoch. AUGUSTINUS, De musica III, 3 ; s. Kap. I, ANM. 135. Vgl. W . MANDERSTON, Compendiosa Dialectices Epitome ( 1 5 2 8 ) fol. Β 4va: „impositio est actus voluntatis per quem terminus imponatur ad significandum ... quedam est sufficiens, et ad talem requiruntur duo: scilicet quod fiat ab habente auctoritatem et quod recipiatur apud illos quoad fit illa impositio."

Summa quaestionum ordinarium (1520) 2. fol. 2 7 6 r : „... nomina alteri cum quo loquendum esset signa esse non possent..., nisi ipse similiter prius rem significatam cognosceret quoquo modo: et nisi esset prius ei indicatum quoquo modo: et tale nomen talis rei indicativum esset: et sic per consuetudinem quasi ex pactione inter se omnium qui sunt eiusdem linguae, talis vox talem rem proprie significat."

HEINRICH VON GENT,

148

Das Zeichen in der Logik des 15. und frühen 16. Jahrhunderts

ven Geltung von Sprache war die Gewohnheit ein wichtiges Moment der Beschreibung des individuellen Spracherwerbs.129 Bei jener Form des significare ex consuetudine jedoch, die hier zur Diskussion steht, liegt der Fall insofern anders, als sie nicht im Zusammenhang mit einer förmlichen Einsetzung steht oder sich als deren Folge ergibt, sondern gänzlich unabhängig von jeder Art der im herkömmlichen Sinn verstandenen impositio ihren unmittelbaren Grund allein in einer Gewohnheit hat. Die Einordnung solcher Fälle des Bezeichnens in die vorgegebene Dichotomie von natürlichem und willkürlichem Zeichen macht, sofern nicht die 'klassische' Dichotomie selbst preisgegeben werden soll, die Einführung von Differenzierungen erforderlich, die zwangsläufig Bedeutungsverschiebungen an der von der älteren Tradition in der Regel synonym verwendeten Begrifflichkeit von 'ad placitum', 'ex impositione' und 'ex institutione' nach sich ziehen. Es war naheliegend, die problematischen Fälle von willkürlichem Zeichengebrauch und gewohnheitsbedingter Signifikation über eine Ausweitung des Verständnisses der impositio in die vorgegebene Distinktion der Bezeichnungsweisen zu integrieren. In der Maior-Schule unterscheidet man zumeist zwei grundsätzliche Arten von Zeicheneinsetzung. Zum einen die eigentliche impositio formalis, bzw. autentica oder directa, die dem älteren, nicht näher spezifizierten Verständnis der Einsetzung entspricht, zum anderen die impositio indirecta, virtualis, non authentica etc., die im wesentlich nur negativ durch ihre Abgrenzung von der ersteren bestimmt ist. Es gibt unterschiedlicheAnsätze, dieses terminologische Instrumentarium zur Lösung des sich stellenden Klassifikationproblems zu verwenden. Einige Autoren, wie etwa George Lokert und Johannes de Celaya führen alle nicht durch den oder die ersten Spracheinsetzer autorisierten, also auch die gewohnheitsbedingten Zeichen auf die zweite Form der impositio zurück.130 Ebenso unterscheidet Cranston zwischen eigentlicher und uneigentlicher Einsetzung, ordnet jedoch das significare ex consuetudine, je nachdem, ob es sich um eine allgemeinverbindliche 'consuetudo laudabilis' oder eine partikuläre Gewohnheit

129

Vgl. ALBERT VON SACHSEN, Perutilis logica (1522) fol. a2va: „... sic pueri in primo addiscunt significationes verborum. Junior enim audiens seniorem postulare panem a matre: et videt quod mater dat sibi, assuescit sic similiter loqui quando indiget pane." Auch PIERRE D'AILLY spricht von einer gewohnheitsmäßigen Verbindung von mentalem Lautbild und Sachbegriff; s. Kap. II, Anm. 3 1 2 .

130

G. LOKERT, zit. n. A. BROADIE, George Lokert (1983) 194: „Significare ad placitum est significare non apud omnes vel significare ex impositione formali aut virtuali. Dicitur impositio formalis voluntaria institutio facta per actum formalem voluntatis alieuius habentis auctoritatem vel per plures actus tales plurium habentium auetoritatem. Et terminus dicitur significare ex impositione virtuali quando ex sola consuetudine vel consecutive ad impositionem formalem significat." Dasselbe Distinktionsschema verwendet Johannes de Celaya; vgl. E. J . ASHWORTH, The historical origins of John Poinsot's Treatise on Signs (1988) 140f.

Die Strukturierung des Begriffsfeldes von 'significare' und 'repraesentare'

handelt, der einen oder der anderen dieser Unterarten des significare placitum zu. 131

149

ad

Auch Johannes Aznar versucht, das significare ad placitum seu ex impositione durch Unterscheidung eines vierfachen Bezeichnens aufgrund von Einsetzung (1. a primo imponente (Adam); 2. a secundo imponente (Namengebung qua Taufe); 3. a tertio imponente (communitas oder Autorität); 4. a quarto imponente (Gewohnheit oder willkürlicher Gebrauch)) 132 für die Aufnahme der gewohnheitsbedingten Zeichen offenzuhalten. Zwar wird hier das 'ad placitum' gleichsam zum Gattungsbegriff des 'ex impositione'. Die Synonymie von beidem bleibt jedoch - wenn auch nur um den Preis eines Äquivokwerdens des Begriffs der Einsetzung - insofern gewahrt, als auch hier noch jedes significare ad placitum ein significare ex impositione ist und umgekehrt. Anders verhält es sich dort, wo das significare ex consuetudine von jeglicher durch Einsetzung begründeter Bezeichnung abgehoben wird. Hier bricht die von der älteren Tradition zumeist vorausgesetzte Synonymie von 'ad placitum' und 'ex impositione' auseinander. Denn so gesehen kann nicht mehr jede Form willkürlicher Bezeichnung als ein significare ex impositione oder ex institutione beschrieben werden. Bereits im Hagenauer Petrus Hispanus-Kommentar treten neben das significare ex impositione als weitere Unterarten des significare ad placitum das significare ex voluntario usu (Bezeichnen aufgrund eines willkürlichen Gebrauchs)

131

D. CRANSTON, Termini ( 1 5 1 3 ) fol. d4, zit. n. A. BROADIE, The circle of John Mair ( 1 9 8 5 ) 3 4 : „Significare ad placitum proprie est significare ex institutione voluntaria alicuius habentis auctoritatem. Et sic illud dicitur esse significatum ad placitum proprie alicuius termini de quo verum est dicere quod illud voluit primus impositor per aliquem terminum significare. Terminus vero dicitur significare ad placitum improprie quando significat ex impositione secundaria vel consuetudine non idem apud omnes." Von dieser consuetudo ist

jene laudabilis consuetudo zu unterscheiden, die als Äquivalent der impositio authentica betrachtet wird. vgl. ebd. fol. e2, BROADIE 3 3 : „Duplex est impositio. Quaedam authentica et dicitur ilia quae fit ab aliquo homine habente auctoritatem vel ab una communitate vel ex laudabili consuetudine." Dieses Verständnis der consuetudo liegt offenbar auch bei Hector Boethius zugrunde, wenn er sie mit der institutio libera gleichsetzt und beidem ein uneigentliches Bezeichnen ad placitum gegenüberstellt. Vgl. HECTOR BOETHIUS, Explicatio quorundam vocabulorum ( 1 5 1 9 ) fol. a2rb: „Quaedam res repraesentant se aut alias natura... Alie res repraesentant ex libera institutione seu consuetudine ut signum vinum ante tabernam, characteres vel litere ea que significant. Nonnulle res repraesentant illicitive ad placitum quia non omnibus ut figura lupi imicitiam ovi, equus regis regem, liber Joannis Joannem et ita de similibus." Die bei Cranston vorliegende Doppeldeutigkeit des Begriffs der consuetudo zeigt sich bereits bei Abailard. Obwohl er (Dialéctica ( 1 9 5 6 ) 111) zwischen eingesetzten Zeichen (signa propria) und gewohnheitsbedingt bezeichnenden unterscheidet, spricht er (ebd. 99) von den „...(voces), quarum impositio naturalis non est, sed consuetudinis." 132

J . AZNAR, Termini

secundum

viam realium

( 1 5 1 3 ) 29ff; vgl. V. MUÑOZ DELGADO, Juan

nar y su tratado de los términos (1513) según la via escotista (1974) 309.

Az-

150

Das Zeichen in der Logik des 15. und frühen 16. Jahrhunderts

sowie das significare ex consuetudine.133 Während ein willkürlicher Gebrauch im Fall der Verwendung eines bereits signifikativen Zeichens in einem von der ursprünglichen Einsetzung abweichenden Sinn vorliegt, fallen unter das significare ex consuetudine jene nicht den Kriterien des signum naturale entsprechenden Zeichen, deren Signifikation kein Einsetzungsakt voraufgeht. Zwar läßt sich das, was hier als 'usus voluntarius' geführt wird, nach Maior, Coronel, Lax und Dolz noch als eine Form von nichtauthentischer oder virtueller Einsetzung bestimmen. Für das significare ex consuetudine gilt dies jedoch offensichtlich nicht im selben Maße. Insofern gehen auch sie, wie im Fall des significare naturaliter, von einer dreifachen Unterteilung des significare ad placitum aus, indem sie neben die beiden Arten der impositio als eigenständige Form willkürlicher Bezeichnung das significare ex consetudine stellen, 134 das

133

Vgl. HAGENAU, Commentum in primum et quartum tractatum Petri Hispani ( 1 4 9 5 ) fol. a7v: „vox significativa ad placitum (est), quae ad voluntatem primi instituentis id est ex impositione actu facta vel voluntario usu vel consuetudine significat aliquid scilicet vel aliqua vel aliqualiter... E x ilio patet quod non solum vox imposita ad significandum significat ad placitum sed etiam illam quae significat ex voluntario usu ut patet de ilio termino 'lupus' in illa propositione 'lupus est in fabula' qui significat hominem inimicum non ex impositione sed voluntario usu. ... Sic etiam circulus ante tabernam significat ad placitum vinum non ex impositione ñeque volunatrio usu sed ex consuetudine." Vgl. C. PSCHLACHER, Compendiarius parvorum logicalium liber ( 1 5 1 2 ) fol. ér-v: „Vox significativa ad placitum est ilia: que ad voluntatem primi instituentis, id est ex impositione vel usu voluntario aut consuetudine aliquid significat. E x illa diffinitione habetur quod principium significationis ad placitum est voluntas: quia voces non sunt eedem apud omnes: ideo non significabunt idem apud omnes: sed secundum aliam et aliam imponentium voluntatem: aliud et aliud voces ad placitum significabunt. Dicitur in diffinitione usu voluntario vel consuetudine Nam illa: lupus est in fabula: non ex impositione sed voluntario usu significat... Ita et frondes ante tabernam non ex impositione: nec usu voluntario: sed consuetudine venale significat vinum."

134

J . MAIOR, Libri quos in artibus... compilavit, liber terminorum ( 1 5 0 8 ) fol. lOvb: „Significare ad placitum est ex impositione vel consuetudine representare, ut iste terminus h o m o in significando homines. Et duplex est impositio. quedam autentica que est per impositionem unius in tota communitate auctoritatem habentis. Alia est non autentica et particularis qua utuntur disputantes et potissimum obligatores..."; G. LAX, Parve divisiones terminorum ( 1 5 0 2 ) fol. b3ra: „Tripliciter contingit significare ad placitum. Primo modo ex impositione directa ad hoc facta quemadmodum iste terminus homo significat omnes homines veros ex impositione nam directe fuit impositus ad significandum illos. Secundo modo contingit significare ad placitum ex impositione non directe ad illud facta sed indirecte et isto modo ille terminus homo significat omnes homines pictos ... propter similitudinem quam habent cum hominibus veris: et isto modo impositionis propositiones significant, non quia sint imposite ad significandum directe, sed consecutive ex impositionibus partium... Tertio modo aliquid potest significare ad placitum ex consuetudine..."; J . DOLZ, Termini ( 1 5 1 1 ) fol. 14va-15ra: „Triplex est significare ad placitum. Quoddam est significare ad placitum directe seu formaliter... aliud est significare ad placitum indirecte ... Aliud est significare ad placitum ex consuetudine, et est quando aliquis terminus significat aliquid propter aliquam consuetudinem quae habetur..."

Die Strukturierung des Begriffsfeldes von 'significare' und 'repraesentare'

nach

Oria

seinen

Grund

allein

in

der

Häufigkeit

oder

151

Wiederholung

(frequentatici) eines beobachteten Ereigniszusammenhanges hat. 1 3 5 Die Dichotomie von natürlicher und willkürlicher Bezeichnung bleibt so durch die Aufhebung der Synonymie von ad placitum und ex impositione

zwar

grundsätzlich gewahrt. Es zeigt sich jedoch, wie durch die fortschreitende Differenzierung des significare naturaliter ebenso wie durch die im vorigen Abschnitt behandelte des significare ad placitum

der den strikten Dualismus von signum

naturale und ad signum placitum begründende Hiatus zwischen beiden zu verschwinden beginnt. Denn im jeweils letzten Einteilungsglied, d.h. dem significare ex instinctu naturae sowie dem significare ex consuetudine

zeichnet sich eine

deutliche Konvergenz der beiden Zeichengattungen ab. Gewohnheit und natürliche Inklination sind traditionell unmittelbar aufeinander bezogen und können sich bis zur UnUnterscheidbarkeit einander annähern. 136 Die consuetudo

mar-

kiert die Nahtstelle von Willkürlichkeit und Naturalität, jenen Grenzbereich, an dem die Zuordnungsverhältnisses nicht mehr eindeutig feststellbar sind und in Bewegung geraten. 137 135

136

137

J . DE ORIA, Summularum volumen primum (1987) 109: „Terminus significans ex consuetudine est terminus ad placitum repraesentans ex eius frequentatione aliquid significandum, quod sine illa frequentatione non significat iliud, ut ex frequenti usu quo quis utitur aliquo equo vel alia re est signum quod est dominus eius." Vgl. THOMAS VON AQUIN, Summa theologiae I/II, 5 8 , 1 : „Mos autem duo significat; quandoque enim significat consuetudinem...; quandoque vero significat inclinationem quamdam naturalem, vel quasi naturalem, ad aliquid agendum. (...) Et huic signification! moris propinque est alia significatio, quae significat consuetudinem; nam consuetudo quodammodo vertitur in naturam, et facit inclinationem similem naturali." Das zeigt sich konkret auch daran, daß das traditioneller Weise als natürliches Zeichen geltende Bild, die imago herculis, in der Maiorschule unter Rekurs auf die consuetudo als signum ad placitum präsentiert werden kann. Motiviert dürfte dies durch Ockhams bekannte Instrumentalisierung des Herkulesbildes zur Widerlegung der Speziestheorie sein. Denn wenn, wie Ockham gezeigt hat, die imago herculis nur jenen den Herkules zu repräsentieren vermag, die bereits eine Erkenntnis von ihm besitzen, dann heißt das, daß das Bild das Kriterium des signum naturale, 'idem apud omnes' zu bezeichnen, nicht erfüllt. Johannes Maior macht jedoch deutlich, daß mit der Subsumption desselben unter das signum ad placitum dessen Charakterisierung als signum naturale nicht definitiv ausgeschlossen ist, da es Eigenschaften von beiden aufweist. Die scheinbar so definitive Grenze von natürlicher und willkürlicher Bezeichnung verliert ihre Eindeutigkeit und beginnt durchlässig zu werden. Vgl. J . MAJOR, Introductorium perniile in Aristotelis dialecticen (1527) fol. 15va-b: „... Herculis simulacrum ex consuetudine Herculem verum repraesentat, et ad placitum consuetudinaliter (15vb), naturaliter rustico qui nihil de Hercule audivit non repraesentat Herculem. Sed ymago cum recitatione hystorie Herculeae Herculem repraesentat. ... At dicis ... Herculem repraesentabit propter aptitudinem ymaginis. Contra, ilio dato illa ymago nedum Herculem, sed quodlibet animal bone magnitudinis significabit... Si quispiam tarnen contendat significantiam ymaginis Herculeae, et similes naturaliter improprie emanare, cum ilio seriose non digladiabor, cum significatio est improprie dieta, aliquas proprietates significationis naturalis, ac aliquas proprietates termini ad placitum significantis imitatur, quocirca aliquibus nonnullis ex instinctu naturae persuadebitur..."; vgl. W. MANDERSTON, Compendiosa Dialectices Epitome (1528) fol. Β 4rb: „... ymago ilia (sc. Herculis) non représentât herculem naturaliter quia non apud quemeunque apprehendentem illam ymagi-

152

Das Zeichen in der Logik des 15. und frühen 16. Jahrhunderts

An der Behandlung des Problems durch Domingo de Soto ist dies deutlich abzulesen. In der ersten Auflage seiner Summulae operiert er mit dem von Celaya und Lokert verwendeten Distinktionsschema des significare ad placitum, da er, anders als Johannes Maior, nicht bereit ist, die Synonymie von 'ad placitum' und 'ex impositione' aufzugeben. Indem er jedoch zugleich sieht, daß es Fälle von gewohnheitsbedingter Signifikation gibt, die sich nicht unter das significare ex impositione subsumieren lassen, da es sich bei ihnen nicht nur um eine gewohnheitsmäßige Erweiterung eines bereits durch formale Einsetzung signifikativen Zeichens {significare ex impositione consuetudinaria) handelt, sondern, wie im Beispiel von Hund und Herr oder bei den auf dem Tisch ausliegenden Servietten als Zeichen des bevorstehendes Mahles, um ein significare ex mera consuetudine, ist er gezwungen, letzteres aus dem Bereich des willkürlich eingesetzten Zeichens herauszunehmen und, den strikten Dualismus von signum naturale und ad placitum preisgebend, als eine eigenständige dritte Art zwischen beidem anzusetzen.138 Diesen Lösungsansatz wird er in den späteren Auflagen seiner Summulae selbst verwerfen. Allerdings nicht so, daß er das aus der Klasse der willkürlichen Signifikation ausgegliederte significare ex mera consuetudine wieder an seinen Ursprungsort zurückversetzt, sondern vielmehr so, daß er es ganz auf die Seite der natürlichen Signifikation treten läßt. Es ist nämlich, wie er bezüglich des geläufigen Standardbeispiels derartiger Zeichen konstatiert, ganz natürlichen, daß man angesichts der ausgelegten Servietten aus Gewohnheit an das Essen denke. Insofern erfordert die in einer Gewohnheit begründete Semiose nicht die Einführung einer eigenen Zeichenklasse, da das signum ex consuetudine auf das signum naturale reduziert werden kann.139 Eine solche Zuordnung impliziert jedoch einen grundlegenden Perspektivwechsel in der Betrachtung des Zeichens. Das Kriterium der Klassifikation des signum ex consuetudine wird nicht mehr von der Zeichenproduktion her gewonnen - denn eine solche ist hier überhaupt nicht gegeben -, sondern von Seiten der Zeichenrezeption. Die Natürlichkeit des signum naturale beruht in die-

138 139

nern facit venire in notitiam herculis. ... Quemlibet ymago significat omne id cuius est ymago ad placitum improprie ex similitudine et non naturaliter. ... Et quando dicis talis ymago non fuit imposita ad significandum herculem distinguo vel impositione formali et primaria et sic concedo, vel impositione (B 4va) equivalenti et secundaria et sic nego. Unde ex consuetudine ... talis ymago significat herculem, et illa consuetudo hominum equivalet imposition!." Vgl. E. J. ASHWORTH, The historical origins of John Poinsot's Treatise on Signs (1988) 141f. D. DE SOTO, OP, Summulae (1554) 3rb: „Significare ex consuetudine, est significare ex usu quodam praeter impositionem. Ut canis saepe visus praecedere dominum suum significat ipsum, et mappae super mensam, significant futurum prandium. Aliqui vocant istas impositiones consuetudinarias: sed certe inepte, et improprie. Nam nunquam mappae institutae sunt ad significandum prandium: nec canis ad significandum dominum: sed naturale est ut visis mappis recordemur prandij propter consuetudinem: et non propter aliquam impositionem. Et ideo non adiecimus in textu hoc tertium membrum significare ex consuetudine: quia sano modo potest comprehendi sub hoc quod est significare naturaliter."

Terminus mentalis, vocalis, scriptus

153

sem Fall nicht auf einem natürlichen Verhältnis von Zeichen und Signifikat, sondern auf der Naturalität der internen Erkenntnisbewegung auf Seiten des Zeichenrezipienten, darauf also, daß die Erfassung des Zeichens unmittelbar die des Bezeichneten stimuliert. Dasjenige, was es Soto ermöglichte, diese Neuzuordnung des significare ex consuetudine vorzunehmen, waren damit Änderungen am Konzept der natürlichen Signifikation, wie sie sich im Rahmen der Diskussion des significare ex instinctu naturae ergeben hatten. C. Terminus mentalis, vocalis, scriptus Die Termini, die tragenden Elemente des logischen Aussagesatzes, sind einer der Hauptgegenstände der spätscholastischen Logik und werden als eine Art logisch-semantische Propädeutik am Anfang der logischen Lehrbücher, vielfach aber auch in eigenen Termini-Traktaten behandelt. Traditionell werden sie gemäß dem aristotelisch-beothianischen Lehrstück der triplex oratio hinsichtlich des jeweiligen Zeichenmediums, in dem sie realisiert sind, in geistige, gesprochene und geschriebene Termini unterschieden. Ebenso wie der Zeichenbegriff erfährt auch der Begriff des Terminus in der Logik des ausgehenden Mittelalters eine starke Ausweitung gegenüber der älteren Verwendung. Konnte Albert von Sachsen mit seiner Feststellung: „logica solum [... est] de signis qui sunt termini" (Die Logik handelt nur von Zeichen, die Termini sind)140 den Bereich der die Logik betreffenden Zeichen noch im Sinne Ockhams eingrenzen, so verliert ein solcher Satz durch die Entgrenzung des Terminus-Begriffes seine limitierende Funktion. Durch die enge Bindung der Definition des Terminus an die des Zeichens und des Bezeichnens oder Repräsentierens partizipiert der Begriff des Terminus an der Generalisierung des Zeichenbegriffs, denn in seinem allgemeinsten Verständnis ist er mit diesem identisch: Terminus est signum quod ex impositione quam actu habet vel ex natura sua potentiae cognitivae earn vitaliter immutando aliquid vel aliqua vel aliqualiter natum est significare. - (Ein Terminus ist ein Zeichen, das aufgrund einer Einsetzung, die ihm aktuell zukommt, oder aus seiner eigenen Natur in der Lage ist, einem Erkenntnisvermögen, es vital verändernd, etwas oder mehreres oder auf irgendeine Weise zu bezeichnen). 141

Insofern kann der Terminus in seinem weitesten Verständnis extensional sogar dem 'significare naturaliter communiter' entsprechen, was besagt, daß „quelibet res mundi est terminus".142 Die terministische Logik der Spätscholastik operiert also weiterhin mit der klassischen Trichotomie der Termini in geistige,

140 141

142

Vgl. ALBERT VON SACHSEN, Quaestiones inartem veterem ( 1 9 8 8 ) , 1 4 2 . Vgl. PIERRE D'AILLY, Conceptas, in: Conceptas et insolubilia (s.a.) fol. a8vb; vgl. W . HÜBENER, Der theologisch-philosophische Konservativismus des ]ean Gerson ( 1 9 7 4 ) 1 9 1 . J. DOLZ, Termini (ca. 1511) fol. 6vb.

154

Das Zeichen in der Logik des 15. und frühen 16. Jahrhunderts

sprachliche und geschriebene. 143 In auffälliger Deutlichkeit wird dabei mitunter jedoch die prinzipielle Beliebigkeit der Verwendung äußerer Zeichen betont. Die Arbitrareität der Zeichen, die Tatsache also, daß weder die Schrift noch das gesprochene Wort wesensmäßig die ihnen zugeordneten Signifikate bezeichnen, wird auch auf die Schrift und die sprachlichen Laute als Zeichenmedium bezogen. Keineswegs ist die Sprache „phonozentristisch" durch das Privileg einer größeren Nähe zur „Innerlichkeit der Seele" ausgezeichnet. Jede beliebige Sache der Welt kann ad placitum bezeichnen und in derselben Weise wie sprachliche Ausdrücke zur Bezeichnung der Wörter oder anderer Dinge eingesetzt werden. Die assoziative Verknüpfung, die uns aus der Wahrnehmung eines Gegenstandes zur Erkenntnis oder Erinnerung einer anderen führt, ist beliebig herstellbar, wie sich etwa an den Praktiken der Gedächtniskunst zeigt, durch die äußere Dinge, wie ein Stück Holz oder ein Stein, zur Bezeichnung eines Wortes oder einer Proposition eingesetzt werden. 144 Paul von Venedig geht sogar noch weiter. Denn er bezieht die Beliebigkeit der Zeichen nicht nur auf ihre Funktion für die rememorativen Bezeichnung oder die Kommunikation, sondern auch auf ihre Bedeutung für logische Operationen, wenn er behauptet, es sei grundsätzlich möglich, mit Stäben Syllogismen zu bilden und mit Steinen Schlußfolgerungen anzustellen. 145 Wenn wir das nicht tun und ebensowenig mit Hilfe beliebiger Dingqualitäten wie der Wärme oder Gerüchen kommunizieren 146 sondern uns eben der Sprache und Schrift bedienen, so liegt

Vgl. dazu E. J . ASHWORTH, Language and Logic in the postmedieval period (1974) 42ff; G. NUCHELMANS, Late-Scholastic and Humanist Theories of the Proposition (1980) 16ff. 144 Vgl. J . RAULIN, Quaestiones super duos libros Perihermeneias (1500) fol. d4ra: „... nulla ... vox aut scriptura essentialiter et de se significat illud ad quod significandum fuit imposita. ... quelibet res mundi potest ad placitum significare... ergo sicut est in potestate nostra imponere voces ad significandum res ad extra, ita possumus res ad extra imponere ad significandum voces aut alias res. ita quod sicut voces et scripture apprehense a nobis reducunt nobis ad memoriam res quas ad placitum significant, puta aliquando res ad extra apprehense faciunt nos venire ad cognitionem aliarum rerum et reducunt illas ad memoriam. ... unde studentes in arte memorie imponunt res ipsas ad extra, puta lignum aut lapidem ad significandum unam propositionem aut unum vocabulum. Et si queratur ... quare potius sunt imposite voces aut scripture ad significandum quam alias res ad extra. Respondetur. quia facere voces aut scripturas est magis in potestate nostra quam facere alias res ad extra." 143

145

PAULUS VENETOS, Logica magna I, (1979) 7 8 : „... cum quaeritur quare magis imposimus voces et scripta ad significandum res quam alias qualitates, respondeo quod hoc non est magis naturale ipsis vocibus vel scriptis quam alias qualitatibus, quia similes conceptus posset elicere sibi anima per alias qualitates sicut per scripta vel voces... Et si ex hoc conciuditur quod possemus cum baculis syllogizare et cum lapidibus concludere ... conceditur conclusio. Sed quia tales res non sunt ita faciliter per nos operabiles non utimur illis in arguendo sicut scriptis vel vocibus, quae voluntatibus nostris facilius subiungatur."

146

Vgl. ALBERT VON SACHSEN, Perutilis logica (1522) fol. 2vb: „... dubitatur, quare voces et scripta magis imponimus ad significandum res quam alias qualitates sicut caliditas, fri gì tas etc. Respondetur: quod hoc non est magis naturale vocibus et scripturis quam aliis qualitatibus: sed hoc est immo quia factio vocis et scripti magis est in nostra potestate quam factio aliarum qualitatum: et immo quia sunt magis nobis promptiora ad exprimendum mentes et

Terminus mentalis, vocalis, scriptus

155

das allein an deren größerer Operabilität 147 . Es ist lediglich der Umstand, daß wir die sprachlichen Lautqualitäten jederzeit bilden können, wenn wir es wollen, nicht aber die Gegenstände der übrigen Sinne, wie etwa die Farben oder Gerüche, dem sich die größere Angemessenheit der Verwendung von Vokalsprache verdankt.148 Die Mentaltermini bilden, wie schon bei Ockham, das Zentrum der logischen Semantik. Bezeichnung läßt sich, weil ganz in Termini kognitiver Prozesse bestimmt, nur in bezug auf ein Erkenntnisvermögen denken. Die mens ist der eigentliche Ort jeder Bezeichnung. Die Erkenntnis (notifia) selbst ist die Signifikation im eigentlichsten Sinn; 149 so wie auch das Mentalzeichen, der geistige Begriff, erstes und eigentlichstes, die anderen erst ermöglichendes Zeichen ist („signum mentale est primum et principalissimum signum, sine quo voces et scripta significare non possunt"). 150 Die sprachlichen Ausdrücke - oder generell alle äußeren Zeichen 151 - können nur vermittels der allein von den Konzepten geleisteten immediaten Signifikation etwas bezeichnen: „tota significatio dependet a (termino) mentali." 152 So gesehen bezeichnet jegliches Zeichen mediante conceptu (vermittels eines Begriffs). Denn wenn es geradezu das Proprium des conceptos ist, daß er mediante se et non mediante alio bezeichnet, dann wird die mediantibus conceptibus erfolgende Signifikation zum Bestimmungsmerkmal aller übrigen Zeichen.

conceptum: quia ea facere magis spectat ad potestatem nostram. igitur talia imposita sunt ad significandum: et non alie qualitates." 1 4 7 PAULUS VENETUS, s. Anm. 145; vgl. MENGHUS BLANCHELLUS, Commentant cum quaest. super logicam Pauli Veneti (1492) fol. f3va: „Si autem queris quare magis imponimus voces quam alias qualitates ad significandum. Respondetur quod taies non sunt ita faciliter per nos opinabiles [sic: operabiles]: sicut voces que nostris voluntatibus subjiciuntur." Vgl. DAVID CRANSTON, Tractatus terminorum (Paris ca. 1513) fol. e2; vgl. A. BROADIE, The circle of John Mair (1985) 37. 1 4 8 ANTWERPEN, Loycalia ... cum ...commento (1486) fol. B l v : „Licet quinqué sunt obiecta sensuum exteriorum, tarnen inter omnia sonus vox magis conveniens est ad significandum conceptus ... quam obiecta aliorum sensuum. Et ratio est, quia voces sunt in potestate nostra et formamus eas dum volumus, non autem hoc possumus de obiectis aliorum sensuum, puta de coloribus, saporibus et cetera; ergo est magis conveniens ad significandum conceptus anime quam cetera sensitiva." 149 Vgl. J. RAULIN, In logicam Aristotelis commentarium (1500) fol. g5vb) „... significatio nichil aliud est quam noticia intellectus quae principaliter est causata ab intellectu et instrumentaliter a voce significativa ita licet significatio sit actus vocis tamquam cause Instrumentalis est tarnen actus interior anime tanquam cause principalis." 1 5 0 F. DIEL, Modemorum summulae logicales (1489) fol. a5v. 1 5 1 J. RAULIN, In logicam Aristotelis commentarium (1500) fol. g4vb: „... nullum signum exterium significat suum significatum nisi mediante conceptu qui est naturalis similitudo sui significati, patet quia non potest significare suum significatum intellectui nisi tale significatum ab intellectu cognoscatur. Sed illud non potest ab intellectu cognosci nisi mediante conceptu qui est naturalis similitudo eius ..." 1 5 2 PETRUS A SPINOSA, Tractatus terminorum, vgl. V. MUÑOZ DELGADO, Pedro de Espinosa y la logica en Salamanca hasta 1550: Anuario filosofico 16 (1983) 152f.

156

Das Zeichen in der Logik des 15. und frühen 16. Jahrhunderts

Hierdurch erhält die Formel von der Bezeichnung mediante mediantibus

conceptibus

eine von ihrem ursprünglichen,

conceptu

bzw.

porphyrianischen,

boethianischen oder thomistischen Verständnis grundsätzlich abweichende Bedeutung. Denn sie meint hier gerade nicht, daß die Konzepte, gemäß der sich bei Boethius oder T h o m a s von Aquin mit dieser Formel verbindenden Auffassung, den unmittelbar bezeichneten Durchgangspunkt der mittelbar auf die Sachen ausgerichteten Signifikation bilden. Sie sind vielmehr der Ursprungsort jeder Signifikation: „originalis significatio est in conceptibus". 1 5 3 Die Formel des mediante

conceptu,

zunächst von den Vertretern einer nach dem Modell des

semiotischen Dreiecks konzipierten Signifikation sprachlicher Ausdrücke verwendet, wird somit unter Verkehrung ihrer ursprünglichen Intention von den skotistischen oder ockhamistischen Befürwortern einer unmittelbaren Sachbezeichnung übernommen und mit der Subordinationstheorie verbunden. 1 5 4 Die jede Signifikation fundierende Bezeichnungsbeziehung der Mentaltermini oder Konzepte zu den Dingen wird als die nicht mehr weiter ableitbaren „immediata ratio totius significationis" zumeist als eine Ähnlichkeitsbeziehung beschrieben. 1 5 5

Diese steht jedoch nicht in einem Konkurrenzverhältnis zur

F. DIEL, Modemorum summulae logicales (1489) fol. d5v: „... vox et scriptum significant ad placitum ex subordinatione: quia subordinantur conceptui ad significandum idem cum conceptu et eodem modo absoluto vel connotativo, non autem significant sine alio medio: sed dumtaxat mediante huiusmodi conceptu, cuiusmodi conceptui subordinabantur in sua impositione. Et sic originalis significatio est in conceptibus." 154 Vgl. G. BIEL, Collectorium circa quattuor libros Sententiarum, 1. d. 22 (1973) 496: „... non omnis vox significat conceptum mentis, licet omnis vox significet mediante conceptu mentis, accipiendo conceptum pro actu cognoscendi. Patet. Nam 'homo' significat realem et singularem hominem, pro quo etiam supponit, et non conceptum; quia pro conceptu non supponit, licet non significet hominem nisi mediante conceptu mentis."; PETRUS TARTARETUS, Expositio ... in summulas Petri Hispatti (1514) fol. 37D: „vox significativa ad placitum significat rem ad extra, non conceptum: ut iste terminus Ioannes significat illam rem quae est Ioannes, mediante tamen conceptum illius rei et non significat illum conceptum: quia non videtur quod terminus fuerit impositus ad significandum illum conceptum."; G. LAX, Parve divisiones terminorum (1502) fol. b6rb: „... quilibet terminus vocalis et scriptus significane habet terminum mentalem correspondentem sinonimum mediante quo significat et nullus vocalis vel scriptus potest significare, nisi mediante mentali."; A. CORONEL, Termini (1506) fol. B3ra-b, s. Anm. 185; vgl. J. RAULIN, In logicam Aristotelis commentarium (1500) fol. g4va-b. 153

155

P. SANCHEZ CIRUELO, Paradoxae quaestiones (1538) fol. 3r; zit. η. V. MUÑOZ DELGADO, La lógica como "scientia sermocinalis" en la obra de Pedro Sánchez Ciruelo (1470-1554): Estudios 22 (1966) 35: „Dictum est enim quod voces et scripture non significant ex sua natura sed ex voluntaria impositione auctorum atque ex voluntaria subordinatione earum ad dictiones mentales, et denique mentales dictiones non ex volúntate humanam sed ex sua natura significant, quia sunt naturales similitudines rerum ab obiectis et a potentia causate. Et huius rei nulla est querenda ratio, sed in eis stat ultima resolutio et immediata ratio totius significationis totiusque veritatis aut falsitatis..."

157

Terminus mentalis, vocalis, scriptus

K a u s a l b e z i e h u n g , s o n d e r n leitet s i c h , w i e b e s o n d e r s v o n Seiten d e r T h o m i s t e n betont wird, aus einer solchen ab.1S6 D i e M e n t a l t e r m i n i o d e r K o n z e p t e g e l t e n in d e r R e g e l als similitudines

rer-

u m . 1 5 7 D e n n d i e a l l g e m e i n a n e r k a n n t e T h e s e v o n d e r G l e i c h h e i t d e r B e g r i f f e im G e i s t e aller M e n s c h e n läßt sich, will m a n n i c h t a u f d a s T h e o r e m d e s A n g e b o renseins d e r „ I d e e n " 1 5 8

z u r ü c k g r e i f e n , n u r u n t e r R e k u r s a u f e i n e s o l c h e strikt

e i n d e u t i g e B e z i e h u n g zu d e n überall i d e n t i s c h e n D i n g e n ( b z w . D i n g n a t u r e n ) beg r ü n d e n . 1 5 9 V e r s c h i e d e n t l i c h w e r d e n d i e K o n z e p t e a u c h als effigies,

simulachra

o d e r imagines

gemacht,

der Dinge bezeichnet.160

Dabei wird jedoch deutlich

156 Vgl. J . VERSOR, Quaestiones super totam veteris artem Aristotelis (1494) fol. 60ra): „... passiones id est conceptus ... sunt naturales et expressae similitudines rerum causatae ab ipsis rebus in intellectu nostro possibili."; JOHANNES DE LAPIDE, Libri artis logice Porphyrii et Aristotelis (Inc. s.a.) fol. I 2va: „... Vocantur (sc. passiones) etiam similitudines rerum: et hoc per comparationem ad res a quibus naturaliter causantur."; LAMBERTOS DE MONTE, Copulata supra veterem artem Arist. sec. viam thomistarum (1488) fol. 136ra: „... quod passiones animae naturaliter significant, patet quia effectus naturale rei est naturale similitudo suae causae, sed passiones in animae natura causantur per aliquam similitudinem impressam ab ipsis rebus modo naturae, ergo sunt ipsarum rerum naturales similitudines, et per consequens naturaliter significant." 1 5 7 Vgl. z . B . PAULUS VENETUS, Logica magna I (1979) 4 6 ) : „... terminus mentalis significai rem ex convenientia et similitudine accidentali ad talem rem." Vgl. ebd. 66ff; vgl. W. MANDERSTON, Compendiosa Dialectices Epitome (1528) fol. Β 6ra-b: „Terminus mentalis est qualitas nata inherere potentie cognitive: et illi aliquid, vel aliqua, vel aliqualiter, immediate et formaliter representare. Et omnis talis vel est conceptus et tunc dicitur naturalis similitudo alicuius rei vel aliquarum rerum, vel est actus sincathegorematicus..." 1 5 8 Natürlich ist um 1 5 0 0 der Ideebegriff, den erstmals auf die menschlichen Begriffe angewendet zu haben Descartes im Ruf steht, noch nicht in diesem Sinne gebräuchlich. Das heißt aber nicht, daß er nicht in diesem Sinne gebraucht werden konnte. Johann Eck z. B. kennt ihn bereits in dieser Verwendung. Vgl. J. ECK, Aristotelis Stagyrite Dialéctica (1516) fol. 71va: „... analogia sumere potes in speculo in quo relucent rerum imagines: ita in speculo intellectus similitudines ac notiones rerum contineantur: hinc appellantur species, ideae, simulachra etc." 159 Vgl. PETRUS TARTARETUS, Expositio super textu logices Aristotelis (1495) fol. 307ra: „Est autem convenientia inter passiones anime et res ad extra: quia sicut res ad extra sunt eedem apud omnes ita passiones anime seu conceptus qui sunt naturales similitudines rerum sunt eedem apud omnes."; J . TLNCTORIS, Dieta super Summulas Petri byspani (1486) fol. Q5rb: „... conceptus sive passiones anime sunt idem apud omnes. Eadem enim est similitudo naturalis repraesentans lapidem in mente greci et latini."; MENGHUS BLANCHELLUS, Commentum cum quaest. super logicam Pauli Veneti (1476) fol. a2vb: „... causa quare terminus vocalis vel scriptus non significat idem apud omnes est quia non significat rem ex aliqua convenientia et similitudine quam habet cum rem quemadmodum terminus mentalis significat ex similitudine et convenientia cum re sed solum ex impositione primi impositoris..." 1 6 0 J . MAIOR, Libri quos in artibus ... compilavit, liber terminorum (1508) fol. 4rb: „Terminus mentalis est conceptus animae vel passio naturaliter significans et vocatur nonnumquam actus intelligendi, noticia rei apprehensiva, Vitalis immutatio, effigies, simulachrum, cognitio."; vgl. P. MARGALLUS, Logices utriusque scholia (1965) 92ff: „terminus mentalis est res naturaliter proprie significans. Unde talia vocabula species, imago, notitia, cognitio, simulachrum, naturalis similitudo, pro eodem accipiuntur, scilicet pro cognitione et qualitate in anima existente vel potentia cognoscente quae, ut solet dici, efficitur a re cognita et cogno-

158

D a s Zeichen in der Logik des 15. und frühen 16. Jahrhunderts

daß es sich keinesfalls um eine gewöhnliche und wechselseitige Beziehung im Sinne einer 'similitude» linealis'

(figürlichen Ähnlichkeit) handelt, so daß auch

umgekehrt die bezeichneten Dinge den sie bezeichnenden oder repräsentierenden Konzepten ähnlich wären, sondern vielmehr um die besondere F o r m einer einseitigen 'similitudo intentionalis',

die eben „nihil aliud est quam representare

illam rem naturaliter proprie" (in nichts anderem besteht, als jene Sache auf natürliche Weise im eigentlichen Sinne zu repräsentieren). 1 6 1 Nicht also wird die Repräsentation aus der Ähnlichkeit abgeleitet, sondern umgekehrt die Ähnlichkeit aus der natürlichen Repräsentation. 1 6 2 Das mag keine befriedigende Antwort auf die Frage nach dem Verhältnis der Konzepte zu den Dingen sein. Zumindest aber wird damit deutlich, daß dieses nicht als ikonisches Abbildverhältnis im naiven Sinn gedacht werden darf. Entsprechend der augustinischen Unterscheidung der beiden Formen innerer Rede, wie sie u.a. von Gregor von Rimini und Pierre d'Ailly aufgegriffen und ausgearbeitet wurde, wird in der Logik um 1 5 0 0 der Mentalterminus in einen

terminus mentalis bzw. conceptus ultimatus und einen terminus mentalis non ultimatus differenziert. Während jener der, wie er noch bei Ailly heißt, eigentli-

scente. Solet etiam vocari Vitalis immutatio, quia alterat et immutat animarti et potentiam cognoscentem, quae dicitur vita."; J . MARTINEZ SILICEO, Dyalectica ( 1 5 1 7 ) fol. 5r, zit. n. L. HICKMAN, Modern Theories of Higher Level predicates ( 1 9 8 0 ) 1 0 1 : „Terminus mentalis est terminus qui est rei vel rerum imago anime inherens; aut passio modo alio se habens."; ANTWERPEN, Loycalia ... cum ...commento ( 1 4 8 6 ) fol. B 2 r : „... conceptus est species, ymago vel similitudo existens in anima." 161

W . MANDERSTON, Compendiosa Dialectices Epitome ( 1 5 2 8 ) fol. Β 7ra: „... tota causa quare haec notitia est representativa sortis naturaliter proprie est, quia est eius naturalis similitudo intentionalis, non autem linealis. Et quando infertur si a. est simile b. b. est simile a. distinguam consequentiam, si loquaris de similitudine intentionali nego, si vero loquaris de similitudine linealis seu protractativa concedo consequentiam, unde esse naturalis similitudo intentionalis alicuius rei nil aliud est quam representare illam rem naturaliter proprie." Vgl. D. DE SOTO, Summulae ( 1 5 2 9 ) fol. 8rb: „Similitudo... obiectiva nec consistit in aliqua essentiali proprietate nec in lineatione aut alio reali accidente nec in hoc solum quod ab obiecto fuerit producta, sed certe conceptus ex eo solet vocari naturalis similitudo obiectiva quia est naturalis forma per se repraesentans obiecti: quod habet ex natura rei, quia videlicet ab intellectu speciebus eius informato producitur. Quare nec sequitur obiectum esse naturalem similitudinem obiectivam conceptus, nec species naturales similitudines obiectivam eiusdem obiecti." In ähnlicher Weise hatte bereits der im Maior-Zirkel bekannte ANDREAS DE NOVOCASTRO - sein Kommentar zum ersten Sentenzenbuch wurde 1 5 1 4 auf Veranlassung von M a i o r in Paris gedruckt - den besonderen Charakter der für die kognitive Repräsentation anzusetzenden Ähnlichkeit hervorgehoben. Vgl. 1 Sent d 1 q 1 ( 1 5 1 4 ) fol. 17va (zit. n. W . HÜBENER, Studien zur Theorie der kognitiven Repräsentation in der mittelalterlichen Philosophie ( 1 9 6 8 ) 6 0 9 ) : „... cum dicitur quod rerum summe dissimilium non potest esse eadem similitudo et imago naturalis, verum est de similitudine secundum configurationem et convenientiam seu propinquitatem qualitatum, non autem de similitudine et imagine quae est per obiectivam repraesentationem et exhibitionem..."

162

D. DE SOTO, Summulae ( 1 5 5 4 ) fol. 5va: „... dicitur notitia similitudo obiecti, non quod habet similia lineamenta, sicut imago pietà est simili regis: sed dicitur intentionaliter similis, propterea quod suapte natura repraesentat obiectum."

Terminus mentalis, vocalis, scriptus

c h e M e n t a l t e r m i n u s ( t e r m i n u s mentalis o d e r similitudo

naturalis

proprie

dictus)

159

ist,163

d.h. die

notitia

rei, a l s o d e r B e g r i f f d e r S a c h e , h a n d e l t es s i c h bei letz-

t e r e m u m d e n B e g r i f f o d e r d i e m e n t a l e Ä h n l i c h k e i t des s p r a c h l i c h e n

Zeichens

o d e r d e s s e n s c h r i f t l i c h e n Ä q u i v a l e n t s . 1 6 4 D i e D i s t i n k t i o n ist, b e r e i t s d i e v e r w e n d e t e B e g r i f f l i c h k e i t m a c h t d i e s d e u t l i c h , w i e s c h o n bei Ailly i m R e k u r s a u f d i e Analyse der Rezeption sprachlicher Äußerungen entwickelt. Im A k t des H ö r e n s o d e r L e s e n s w i r d - o h n e d a ß sich das als t a t s ä c h l i c h e t e m p o r a l e A b f o l g e d a r s t e l l t - z u n ä c h s t ein m e n t a l e s Bild d e s L a u t e s b z w . d e r S c h r i f t e r z e u g t , d a s d a n n z u r E x z i t a t i o n d e s m i t i h m habituell v e r b u n d e n e n S a c h b e g r i f f s f ü h r t . 1 6 5 (s. A b b . 3 )

Diese Unterscheidung wird auch später noch verschiedentlich verwendet Vgl. J . BoiX, Tractatus conceptuum et signorum (1493) 21; vgl. V. M U Ñ O Z DELGADO, Juan Aznar y su tratado de los términos (1513) según la via escotista (1974) 3 0 9 ; vgl. J . RAULIN, Commentarium in logicam Aristotelis (1500) fol. a5va-b: „... terminorum mentalium quidam sunt mentales proprie dicti sive ultimati. Alij sunt improprie dicti sive non ultimati. Proprie dicti sunt qui naturaliter aliquid vel aliqua vel aliqualiter significant. Improprie dicti sunt qui licet sint in anima, sunt tamen vocum ad placitum institutarum similitudines naturales et ab eis in anima derivan tur." 164 Vgl. TARTARETUS, PETRUS, Expositio in summulas Petri Hispani (1514) fol. 37rb: „... vox significativa habet duplicem conceptum: unum mediante quo significat rem ad extra: et talis conceptus non est nisi noticia rei significatae per talem vocem. Habet alium conceptum qui est noticia illiusmet vocis ... Primus dicitur conceptus ultimatus, alius dicitur non ultimatum"; J . MAJOR, Libri quos in artibus ... compilavit, liber terminorum (1508) 9vbff; DERS., Introductorium perniile in Aristotelis dialecticen (1527) fol. 18rbff; J . DOLZ, Termini (1511) fol. 18vb; J . AZNAR, Termini secundum viam realium (1513) 28f; vgl. V . M U Ñ O Z DELGADO, Juan Aznar y su tratado de los términos (1513) según la via escotista (1974) 3 0 8 f : „Terminus mentalis est quod mente concipitur, id est, mentis vel animi conceptus. (...309) Terminus mentalis ultimatus describitur sic: est quod naturaliter significat rem quam vocalis vel scriptus ad placitum significant... Est naturalis similitudo rei seipso seu immediate repraesentans rem, id est, non mediante voce nec scriptura... Conceptus non ultimatus est conceptus de voce vel scriptura ..."; BERNARDUS BORGENSIS, Introductorium in summulas Petri Hispani (1514) fol. b l r a : „Conceptus ultimatus est cognitio distincta significati ultimati alicuius termini. Conceptus non ultimatus est cognitio distincta significati non ultimati alicuius termini, ut cognitio per quam cognosco istum terminum 'sortes' est conceptus non ultimatus huius termini 'sortes'. Nota quod duplex est significatum alicuius termini, quoddam ultimatum, et est illud ad quod talis terminus est impositus principaliter ad significandum, ut omnes lapides sunt significatum ultimatum huius termini 'lapis'. Alius est non ultimatus et est illud ad quod talis terminus minus principaliter est impositus ad significandum ut omnes tales termini 'lapis' sunt significatum non ultimatum huius termini 'lapis'." 1 6 5 Vgl. J . MAIOR, Libri quos in artibus ... compilavit, liber terminorum (1508) fol. lOra: „Conceptus vocatur ultimatus quia regulariter est posterior conceptus quem de termino habemus. Terminus enim duos causat conceptus ut capto isto termino rex generat efficienter in audiente primo conceptum huius vocis rex postea conceptum rei significatae. Et licet uterque instantanée producatur conceptus tamen non ultimatus est prior saltern natura et presuppositus tempore vel natura conceptu ultimato dummodo conceptus ultimatus causetur a termino, sed non econverso cum terminus conceptum non ultimatum naturaliter repraesentat ultimatum vero ad placitum. Etiam dicitur conceptus ultimatus quia ibi intellectus ultimo quiescit et non ultimatus opposito modo dicitur, ut prolata hac voce anthropos coram Latino apprehensa voce animus auditoris non quiescit sed in conceptum rei significatae cum discursu significationis progreditur." Genau genommen werden, wie Maior 163

Das Zeichen in der Logik des 15. und frühen 16. Jahrhunderts

160

von

jfttfcUectue

Γ

fcnpttira non riamante νΐώηαηιβ fConccptite Abb. 3 : J . ECK,

Iti Summulas P. Hispani... explanatio ( 1 5 1 6 ) fol. 76V

Der Sache nach entspricht diese Begriffsdistinktion der traditionellen Unterscheidung von conceptus vocis und conceptus rei. Aber während in der älteren Verwendung dieser Begrifflichkeit die internalisierten Sprachzeichen nur in ihrer Funktion für die Produktion166 oder Rezeption167 des gesprochenen Wortes, allenfalls als mögliches Signifikat desselben, Berücksichtigung fanden,168 wird die Ebene des conceptus non ultimatus bei Ailly und den späteren Autoren als ein eigener Bereich von Mentalzeichen betrachtet, deren spezifische Signifikationsbezüge es im Rahmen des immer komplexer werdenden Gefüges sprachlicher Verweisung zu berücksichtigen gilt. Ockham hatte dem Begriff des significare durch seine Bindung an die personale Supposition feste Grenzen gesetzt. Diese Grenzen der Signifikation werden an anderer Stelle ausführt, nicht nur zwei, sondern drei Begriffe hervorgerufen. So verursacht der gehörte oder geschriebene Terminus 'Mensch' neben dem Sachbegriff nicht nur den mentalen Begriff des - in peircescher Terminologie - token 'Mensch', sondern auch den des type 'Mensch'. S. Anm. 101. 166 V g l . PS.-ROBERTKILWARDBY, S. K a p . II, A n m . 1 2 6 . 167

Vgl. SCOTUS, Reportata Parisiensia II, d. 42. q. 4, Opera (1891-95) 23.225a: „... vox significativa solum est signum rememorativum ad placitum. Unde vox tantum immutat sensum auditus nec habet causare in sensu vel in phantasia vel in intellectu nisi conceptum vocis ex

168

AEGIDIUS ROMANUS,

Expositio supra libros elenckorum Aristotelis, 1.1, c . 2 ( 1 4 9 6 ) fol. l i r a :

„... v o x p r o l a t a d u p l i c i t e r significat. U n o m o d o r e p r a e s e n t a t c o n c e p t i o n e m sui ipsius. a l i o m o d o r e p r a e s e n t a t c o n c e p t i o n e s et r a t i o n e s r e r u m , p r i m o m o d o v o x r e p r a e s e n t a r e potest, q u o d est in i m a g i n a t i o n e , ut v o x p r o l a t a e x t r a signum est v o c i s i m a g i n a t a e . ... s e c u n d o v e r o m o d o p r o u t per n o m i n a s i g n i f i c a n t u r r a t i o n e s r e r u m , v o c e s sic sunt signa i n t e l l e c t u u m . " ; ALBERT VON SACHSEN,

Quaestiones in artem veterem, n. 7 2 6 ( 1 9 8 8 ) 4 8 2 : „... q u o d t e r m i -

n u m esse s i g n i f i c a t i v u m c o n c e p t u s intelligitur d u p l i c i t e r : u n o m o d o illius c o n c e p t u s qui est sua n a t u r a l i s s i m i l i t u d o . A l i o m o d o , illius c o n c e p t u s cui ille t e r m i n u s s u b o r d i n a t u r in significando."

161

Terminus mentalis, vocalis, scriptus

jedoch bald schon aufgegeben. Gerade durch die Einführung zusätzlicher Unterscheidungen kommt es zu einer immer stärkeren Ausweitung im Verständnis derselben. Bereits Albert von Sachsen operiert mit der Unterscheidung von vorrangigem (principaliter) und sekundärem Bezeichnen ex consequenti und läßt die voces nicht allein auf die erste Weise die res sondern in deutlicher Abweichung von Ockham auf die zweite Weise die ihnen entsprechenden Konzepte so wie jede andere Ähnlichkeit der Sache bezeichnen.169 Neben das significare naturaliter proprie - und nur um dieses ging es Ockham im Rahmen der Logik - tritt das significare naturaliter communiter und das signficare ex instinctu naturae. Ebenso wird das significare ad placitum unterteilt in ein significare proprie, bei dem das eingesetzte Zeichen dasjenige bezeichnet, für das es eingesetzt wurde - und nur um dieses ging es Ockham im Rahmen der Logik -, und ein significare improprie, für das dies, ohne dadurch schon den Kriterien natürlicher Bezeichnung zu entsprechen, nicht gilt. Wo aber solche Unterscheidungen nicht mit der Intention getroffen werden, die jeweils nicht durch Eigentlichkeit ausgezeichneten Weisen des Bezeichnens aus dem Gegenstandsbereich der Logik auszuschließen, sondern vielmehr das so gewonnene terminologische Instrumentarium zu weitergehenden semantischen Analysen genutzt wird, muß das Resultat, wenn zudem noch die an der Signifikation beteiligten Elemente vervielfältig werden, zwangsläufig eine mitunter kaum mehr begrenzbare Multiplikation der Signifikationsbeziehungen sein. 170

169

V g l . ALBERT VON SACHSEN,

Quaestiones in artem veterem

( 1 9 8 8 ) n. 7 2 7 - 7 3 7 : „ . . . a l i q u e m

terminum dicimus significativum dupliciter: uno m o d o principaliter, alio m o d o secundarie s i v e e x c o n s e q u e n t ) ; v e r b i g r a t i a , sicut h i c t e r m i n u s

homo

significat principaliter hominem

v e r u m , et e x c o n s e q u e n t i s i g n i f i c a t h o m i n e m d e p i c t u m , qui est s i m i l i t u d o et s i g n i f i c a t i v u m et y m a g o h o m i n i s v e r i . (... 7 3 0 ) . . . n o n o m n e s termini p r i m e i m p o s i t i o n i s a d p l a c i t u m instituti s i g n i f i c a n t p r i n c i p a l i t e r c o n c e p t u s q u i b u s s u b o r d i n a n t u r in s i g n i f i c a n d o e x e o r u m i m p o s i t i o n e , s e d p r i n c i p a l i t e r res q u a r u m illi c o n c e p t u s sunt n a t u r a l e s s i m i l i t u d i n e s . P r o b a t u r p r i m o , n a m i l l u d t e r m i n u s p r i n c i p a l i t e r s i g n i f i c a t q u o i m m e d i a t i u s f a c i t v e n i r e in Cognition e n ! et in a p p r e h e n s i o n e m a u d i e n t i s ; s e d multi termini p r i m a e i m p o s i t i o n i s

principalius

r e m e x t r a q u a m c o n c e p t u m cui s u b o r d i n a n t u r in s i g n i f i c a n d o f a c i u n t v e n i r e in c o g n i t i o n e m a u d i e n t i s ; e r g o etc. ( . . . 7 3 7 ) ... q u i d q u i d s i g n i f i c a t p r i n c i p a l i t e r r e m , s i g n i f i c a t eius s i m i l i t u d i n e m s e c u n d a r i o et e x c o n s e q u e n t i ; s e d termini a d p l a c i t u m instituti (...) s i g n i f i c a n t p r i n c i p a l i t e r res et n o n c o n c e p t u s . . . (ex q u o ) s e q u i t u r q u o d s i g n i f i c a n t p r i n c i p a l i t e r res e x t r a et p e r c o n s e q u e n s s i g n i f i c a n t s i m i l i t u d i n e s e a r u m in a n i m a s e c u n d a r i o et e x c o n s e q u e n t i . " 170

V g l . HIERONYMUS DE SANCTO MARCHO,

Compendium praeclarum

( 1 5 0 7 ) fol. B l v : „... po-

test p o n i u n u s o r d o v o c u m et c o n c e p t u u m in s i g n i f i c a n d o a d m o d u m u n i u s s i g n i f i c a t i , n a m n o t i c i a h o m i n i s p r i m o n a t u r a l i t e r p r o p r i e s i g n i f i c a t s e i p s a m . et n o n m e d i a n t e a l i a n o t i c i a i l l u d c u i u s est n o t i c i a , patet p e r r e g u l a m ... , q u o d o m n i s n o t i c i a m u n d i n a t u r a l i t e r p r o p r i e r e p r a e s e n t a t i l l u d c u i u s est n o t i c i a . S e c u n d o iste t e r m i n u s v o c a l i s ' h o m o ' s i g n i f i c a t a d p l a c i t u m u l t i m a t e i l l a m r e m q u a e est h o m o m e d i a n t e c o n c e p t u m qui est n a t u r a l i s s i m i l i t u d o illius rei q u a e est h o m o . ... T e r t i o m o d o ly h o m o a d p l a c i t u m n o n u l t i m a t e s i g n i f i c a t seu p o t e s t s i g n i f i c a r e o m n e s t é r m i n o s sibi s y n o n y m o s m e d i a n t i b u s n o t i t i i s i l l o r u m t e r m i n o r u m . Q u a r t o iste t e r m i n u s v o c a l i s ' h o m o ' s i g n i f i c a t seu p o t e s t s i g n i f i c a r e s e i p s u m

naturaliter

c o m m u n i t e r m e d i a n t e n o t i c i a q u a e est n a t u r a l i s s i m i l i t u d o illius t e r m i n u s ' h o m o ' . ... Q u i n to conceptus

illius t e r m i n u s v o c a l i s ' h o m o '

significat naturaliter

proprie illam

vocem

162

Das Zeichen in der Logik des 15. und frühen 16. Jahrhunderts

Das hierdurch konstituierte komplexe Gefüge der Verweisungsbezüge ist charakteristisch für die logische Semantik des ausgehenden Mittelalters. Man wird es hinsichtlich der Komplexität seiner Struktur mit einigem Recht als 'spätgotisch' bezeichnen können. Zugleich ist es ein deutlicher Ausdruck dessen, was treffend als „Zeichenfreudigkeit des Terminismus" 171 beschrieben worden ist. Die Vervielfältigung der an den Termini analysierten Signifikationsbeziehungen jedenfalls geht vielfach über den Bereich dessen, was in irgendeiner Weise logische Relevanz beanspruchen könnte, weit hinaus. Der sprachliche Ausdruck 'homo' bezeichnet nicht nur den wirklichen Menschen, sondern darüber hinaus sich selbst naturaliter communiter, den Sprecher naturaliter ex instinctu naturae oder ex consuetudine;172 er bezeichnet auf uneigentliche Weise (improprie) das ihm entsprechende mentale Lautbild, d.h. den conceptus non ultimatus, den conceptus ultimatus sowie sich selbst und alle seine Teile. 173 Denn die vox 'homo' bezeichnet den conceptus hominis dadurch, daß sie ad placitum unmittelbar den Menschen bezeichnet, dessen Ähnlichkeit jener Begriff ist. Der conceptus non ultimatus 'homo' (d.h. das mentale Lautbild) dagegen bezeichnet den wirklichen Menschen, weil dieser conceptus das natürliche Abbild jener vox ist, die den wirklichen Menschen ad placitum bezeichnet. Und weil der conceptus ultimatus hominis seinerseits eine natürliche Ähnlichkeit dieses Menschen ist, bezeichnet der conceptus non ultimatus über die Vermittlung des Zeichens, d.h. der vox, und des Bezeichneten, d.h. des Menschen, auch den conceptus ultimatus etc. etc. (vgl. Abbildung 3). 1 7 4

171 172

'homo' ... Sexto idem conceptus ad placitum ultimate significat illam rem quae est homo mediante noticiam illius rei quae est homo ... quia omnis noticia vocis vel scripture significat ad placitum ultimate illud quod vox vel scriptura significat ad placitum mediante notieia illius rei. Séptimo noticia illius vocis 'homo' significat seipsam naturaliter communiter mediante illius noticie quae vocetur b. et b etiam significat seipsam naturaliter communiter mediante alia noticia quae est naturaliter similitudo ipsius b quae vocetur C et sic in infinitum." Vgl. W. HOBENER, Wyclifs Kritik an den Doctores signorum (1990) 131. Vgl. J. AZNAR, Termini secundum viam realium (1513) 30f, zit. n. V. MUÑOZ DELGADO, Juan Aznar y su tratado de los términos (1513) según la via escotista (1974) 3 1 0 : „Adverte quod vox significativa significat primo seipsam naturaliter communiter. Secundo suum prolatorem naturaliter i.e. ex quoddam instinctu naturae vel consuetudine audiendi eum. Tertio significat ad placitum res ad extra quas imposita est ad significandum. Ex quo sequitur quod una et eadem vox significat ad placitum et naturaliter tam communiter quam ex instinctu naturae."

173

J. MAJOR, Libri quos in artibus ... compilavit, liber terminorum (1508) fol. 29vb: „... quilibet terminus significativus, conceptum ultimatum, conceptum non ultimatum, scripturam, se et partes eius cum prolatore improprie significat ut haec vox "homo", sed homines ad extra proprie et ultimate significat."

174

J. ECK, Aristotelis Stragyrite Dialéctica (1517) fol. 71vab: „... terminus ... bivariam significat ad placitum. Primo directe quando directe est impositus ad significandum illud proprie vel improprie seu analogice... Secundo indirecte seu consecutive quando significat aliquid ad placitum non directe, sed consecutive, ut quia est naturalis similitudo directe significantis. Hoc iterum tribus modis contingit nam potest significare consecutione signati, ut vox

Terminus mentalis, vocalis, scriptus

Abb. 4: J . ECK, Aristoteli...

163

Dialéctica (1517) fol. 71v.

Es ist nicht verwunderlich, daß eine solche artifizielle Sicht auf das Phänomen sprachlicher Bezeichnung bei den Humanisten auf Unverständnis und Kritik stoßen mußte. 175 Hinsichtlich des Verhältnisses von Sprache und Schrift erfolgt im Spätmittelalter eine Umstrukturierung der Zeichenordnung. Der boethianischen ordo orarteli und der daraus entwickelte ordo significandi der Hochscholastik war

175

Eckardus significat conceptus Eckardi: Consecutione signi ut conceptus vocis homo significai hominem, sicut ipsa vox: Consecutione signi et signati simul ut conceptus scripti homo significat conceptum hominis vivi." Vgl. J . L. VIVES, De causis corruptionis artium, op. omn. (1785) 5 . 1 3 4 f : „Vocem omnem volunt (se. dialectici recenti) significare se, et suum prolatorem, et prolatori similem quin etiam scriptorem, et tabellarium, et pennam, et manum, et Latinam litteram, et Romanos, et Carmentam inventricem, et alia ridicula: quod si circulus oenopolii sit hederaceus, significabit Vergilium quoniam hederá coronabantur poetae, veteres item ac ruinosos parietes qui hederá soient vestiri, et 'festina lente' significabit Augustum Caesarem, quod is dicto ilio soleret delectari; et laurus populum Carthaginesem, quod de ilio triumphans Africanus, lauro est coronatus: tum locus omnis eum, quem aliquando in eo loco vel vidimus, vel audivimus fuisse: et alia ridicula absque numero: non est hoc significare, sed admonere, et alicui aliud ex alio venire in mentem. (... 135) Sed de significando, quis melius potest, aut debere praecipere, quam grammaticus, aut certe populus, 'Quem paenes arbitrium est, et jus, et norma loquendi?'" Daß die von Vives hier ridikUlisierten Bezeichnungsbeziehungen nur unter Ansetzung des significare improprie behauptet wurden, dürfte ihm als ehemaligem Schüler des Collège de Montaigu bekannt gewesen sein, machte aber offenbar für seine grundsätzliche Kritik an einer solchen Sprachbetrachtung keinen Unterschied. Dort, wo er zu argumentieren versucht, geht seine Begründung jedoch ins Leere. Denn wenn er darauf verweist, daß es sich bei derlei nicht um ein significare handelt, sondern um ein admonere, d.h. um ein 'alicui aliud ex alio venire in mentem', so bestimmt er das admonere ja gerade durch die traditionelle augustinische Definition des significare.

164

Das Zeichen in der Logik des 15. und frühen 16. Jahrhunderts

durch Roger Bacon, besonders aber Scotus und Ockham dahingehend umgebaut worden, daß die Sprachzeichen zu den Mentalzeichen nicht mehr in einem Bezeichnungs- sondern nur noch in einem Subordinationsverhältnis stehen, selbst aber jeweils unmittelbar die Dinge bezeichnen. Nicht definitiv entschieden war damit die Frage nach dem Verhältnis von Schrift und Sprache. Ockham hatte sich für eine Subordination der scriptum unter die vox ausgesprochen. 176 Eine ebensolche nimmt auch Buridan an, wenngleich er, die thomistische mediantibus-conceptibus-These mit der ockhamistischen Subordinationstheorie kurzschließend, in Abweichung von Ockham Subordination und Signifikation parallel führt. 177 Obwohl dieses Modell der direkten Subordination der Schrift unter die vox im Spätmittelalter ebenso vertreten wird 178 wie besonders seitens der Thomisten - die ältere, aus dem boethianischen ordo orandi entwickelte Auffassung einer von der Schrift über die voces und conceptos zu den res durchlaufenden Signifikationsordnung, in der das jeweils frühere das jeweils folgende unmittelbar bezeichnet, 179 wird nun im Anschluß an Pierre

176

177

OCKHAM, Summa logicae I, 1 ( 1 9 7 4 ) 8. JOHANNES BURIDAN, Summulae, tract. 1, hg. J . PINBORG ( 1 9 7 6 ) 8 4 : „Notandum est etiam quod sicut se habent voces significativae ad placitum ad significandum conceptus mentales, sic se habent scripturae ad significandum voces, unde voces non significant res extra animam nisi mediantibus conceptibus quibus s u b o r d i n a n t e , nec etiam scripturae significant conceptus aut res alias nisi quia significant voces istos conceptus designantes." J . RAULIN stellt zwar fest, daß die Schrift de facto subordinativ und signifikativ auf die sprachlichen Ausdrücke bezogen ist. Dies ist für ihn jedoch lediglich das Resultat einer willkürlichen, von keinerlei Notwendigkeit begleiteten Festsetzung, die, wie der 'circulus ante tabernam' zeigt, ebensogut hätte anders ausfallen können ( C o m m e n t a r i u m in logicam Aristotelis ( 1 5 0 0 ) fol. g5ra): „... licet scripture voeibus subordinentur in significando tarnen ilia sub o r d i n a t e non est necessaria hoc est licet stante impositione scripturarum et vocum scripture immediate significent voces tarnen scripture sic possunt imponi ad significandum quod significarent res ad extra sine medio vocum sicut circulus taberne immediate significat vinum venale sine hoc quod repraesentet hanc vocem 'circulus' quia res ad extra possunt cognosci ignorata significatione vocum, ergo talis subordinatio scripturarum ad voces non est necessaria ex parte rerum sed facta ex volúntate impositorum."

178

Vgl. J . B o i x , Tractatus conceptuum et signorum ( 1 4 9 3 ) 9; vgl. V. MUÑOZ DELGADO ( 1 9 7 4 ) 3 1 0 : „Termini scripti, vocales et mentales sic se habent ad invicem quod tantum scripti sub o r d i n a n t e in significando vocibus et voces subordinantur conceptibus."; E. WoNSIEDEL, Cursus philos. ( 1 5 0 9 ) fol. E l v b : „Est... considerandum quod non est intentio philosophi quod scriptura significet tantum vocem, et vox tantum passionem, sed tam vox quam scriptura significant immediate rem. Dicit enim infra capitulo de verbo 'Significare est intellectum rei constituere'... Ideo dicendum est quod ideo dicitur scriptura vocem et vox passionem significare, quia licet quodlibet significet rem, tarnen sunt signa subordinata sic quod prius non significaret nisi posterius significaret."

179

Vgl. J . VERSOR, Quaestiones super totam veterem artem ( 1 4 9 4 ) fol. 6 0 r a ; M . HUNDT, Compendium totius logices ( 1 5 0 7 ) fol. 18r: „Res significatur tantum. Conceptus rei significat et significatur. V o x significat et significatur. Scriptura significat tantum. ... voces significantur per scripturam et significant mentis conceptum."; G. FRILDEN, Exercitium veteris artis ( 1 5 0 7 ) fol. v5va: „... scriptum significat tria videlicet vocem, conceptum rei, et rem. sed vox et conceptus sunt signata et ulterius significativa sed res est principale signatum."; JOHANNES DE LAPIDE, Libri artis logice Porphyrii et Aristotelis (Inc. s.a.) fol. I2va-b: „... im-

165

Terminus mentalis, vocalis, scriptus

d'Ailly 1 8 0 häufig die Schrift aus ihrer Unterordnung unter die gesprochene Sprache herausgenommen und selbst als unmittelbar den Mentaltermini subordiniert angesehen. 1 8 1 Konsequenzen hat dies vor allem für die Konzeption von Schrift. Denn w o Schrift nicht mehr der gesprochenen Sprache sondern unmittelbar den Mentalzeichen subordiniert ist, verliert sie den Charakter eines jener gegenüber sekundären Zeichenmediums. Derrida hat die Geschichte der Metaphysik, der Philosophie insgesamt, von den Vorsokratikern bis Heidegger als die - sich gegenwärtig schließende - E p o che des Phonozentrismus (bzw. Logozentrismus) beschrieben, in der die Schrift, konzipiert lediglich als Zeichen von (Sprach-)Zeichen, als „Vermittlung der Vermittlung", „erniedriegt" worden sei. 1 8 2

Daß die philosophische Tradition

dieser ' E p o c h e ' durchaus über andere Modelle von Schriftlichkeit verfügte, zeigt sich mit Nachdruck an den Bestimmungen von scriptum

und terminus

scriptus,

wie sie sich besonders im frühen 1 6 . Jahrhundert im Umkreis der Pariser MaiorSchule finden lassen. Schrift ist hier keineswegs nur Supplement und abhängiges Sekundärphänomen der gesprochenen Sprache. Denn auch im Falle, daß es niemals Sprache gegeben hätte, würde, wie Petrus Tartaretus betont, die Schrift aufgrund ihrer Subordination unter die Konzepte ihre Signifikate bezeichnen. 1 8 3 Sie ist damit, weil

180

181

182

183

posuit (sc. homo) igitur voces ad significandum intellectus: et scripta ad significandum voces..."; Β. MANZOLUS, Dubia super logicarti Pauli Veneti (1523) fol. 19v. Diese Modell des Ordo significations wird verschiedentlich auch von Scotisten vertreten; vgl. J. TlNCTORIs, Dicta super Summulas Petri hyspani (1486) fol. A7vb: „... voces significant res mediantibus conceptibus. Et significantur per scripturas immediate. Conceptus vero se ipsis significant res immediate. Et significantur per voces immediate et per scripturas mediate."; JOHANNES DE MAGISTRIS, Quaestiones super totum cursurn logice (1490) fol. F 5va: „... scripture sunt ad placitum signa vocum et voces passionum. passiones vero sunt rerum naturales similitudines." PIERRE D'AILLY, Insolubilia, in: Conceptus et insolubilia (s.a.) fol. b4vb-5ra: „... propositio vocalis et scripta subordinantur mentali, sed non oportet quod vocalis et scripta subordinentur sibi invicem inter se, sicut multi ponunt. Nam si quis legit propositionem scriptam vel intelligit, intendit quid per ipsam significatur ultimate vel non... Si sic tunc illa propositio scripta immediate sibi repraesentat mentalem et non oportet quod repraesentet vocalem et mediante illa quicquid et qualitercunque ipsa significat ad extra." Vgl. W. HOBENER, Der theologisch-philosophische Konservativismus des Jean Gerson (1974) 196; J. BLARD, Logique et théorie du signe au XZVe siècle (1989) 274. H. PARDO, Medulla dyalectices (1505) fol. 7rb; J. GEBWILER, Magistralis totius parvuli artis logices compilatio (1511) fol. a7r; C. PSCHLACHER, Compendiarius parvorum logicalium liber (1512) fol. 8r; J. ECK, In summulas ... explanatio (1516) fol. 5vb; P. SANCHEZ CIRUELO, Paradoxae quaestiones (1538) fol. 3r; vgl. V. MUÑOZ DELGADO, La lógica como'scientia sermocinalis' en la obra de Pedro Sánchez Ciruelo (1966) 35. Vgl. J. DERRIDA, Grammatologie (dt. Übers, ν. De la grammatologie, Paris 1967), Frankfurt a. M. 1987, 27. PETRUS TARTARETUS, Expositio in summulas Petri Hispani (1514) fol. 37rb-va: „Dicunt etiam aliqui quod scripturae subordinantur vocibus, id est non significant sua significata nisi mediantibus vocibus: sed hoc est falsum. Nam dato quod numquam esset vox, nihilominus scripturae repraesentent sua significata mediantibus conceptibus."

166

Das Zeichen in der Logik des 15. und frühen 16. Jahrhunderts

eben nicht mehr als Supplement der gesprochen Sprache aufgefaßt, auch nicht auf alphabetische Schrift festgelegt. Konnte nach Ockhams Subordinationsmodell das Verhältnis von terminus mentalis, vocalis und scriptus noch im Bild einer von Dignitätsunterschieden gekennzeichneten Feudalordnung (rex, dux, comes) beschrieben werden,184 so tritt hier die Schrift als eigenständiges und gleichwertiges Zeichenmedium neben die gesprochene Sprache. Daß es nicht zuletzt gerade die forcierte Betonung der tragenden Funktion der Mentalsprache für jede Art von Bezeichnung ist,185 die diese Umwertung motiviert - „originalis significatio est in conceptibus", heißt es bei Diel186 -, macht deutlich, daß 'Logozentrismus' durchaus nicht notwendig „zugleich ein Phonozentrismus ist", wie Derrida meint.187 Wenn sich die Logik zunehmend außerlogischen Zeichen öffnet, diese aber mit dem terminologischen Instrumentarium der älteren Tradition beschreiben muß, dann wird die Schrift, genauer der terminus scriptus zum Ort, an dem diese Integration vornehmlich stattzufinden hat. Dafür ist zunächst die Ausweitung des Schriftbegriffs erforderlich. Genau diese wird in der Pariser Logik um 1500 mit Nachdruck bis an ihre äußerste Grenze getrieben, wo der Schriftbegriff beginnt, ebenso metaphorisch zu werden, wie es das linguistische Vokabular von 'verbum', 'oratio' und 'locutio' hinsichtlich der Mentalsphäre seit Augustinus gewesen ist. Skripturalität ist nicht durch ein derivatives Verhältnis zur gesprochenen Sprache charakterisiert, sondern durch ihren spezifischen Bezug zum Apparat der menschlichen Wahrnehmung. In diesem Sinne definiert Johannes Maior: „terminus scriptus est terminus qui oculo corporali percipi potest" (geschriebener Terminus ist ein solcher, der mit körperlichem Auge gesehen werden kann).188

184

RICHARD LAVENHAM, Summulae logicales ( 1 9 8 0 ) 3 7 9 : „... terminus mentalis non est alicujus idiomatis vel linguae sed omnis terminus vocalis vel scriptus est alicujus idiomatis. Primus igitur terminus scilicet mentalis dignior est secundo et secundus dignior est tertio. Propter quod secundus et tertius subordinantur primo et tertius subordinatur secundo eo modo quo regi et duci comes subordinari dicuntur."

185

A. CORONEL, Termini ( 1 5 0 6 ) fol. B3ra-b: „Nullus ... terminus vocalis vel scriptus mediante se sed significat mediante termino mentali cui subordinatur. Et causa terminus vocalis vel scriptus non potest aliquid significare nisi terminus mentalis illud. Terminus autem mentalis potest aliquid significare esto quod nullus alius significet illud."

186

F. DIEL, Modernorum summulae logicales ( 1 4 8 9 ) fol. d5v: „... vox et scriptum significant ad placitum ex subordinatione: quia subordinantur conceptui ad significandum idem cum conceptu et eodem modo absoluto vel connotativo, non autem significant sine alio medio: sed dumtaxat mediante huiusmodi conceptu, cuiusmodi conceptui subordinabantur in sua impositione. Et sic originalis significatio est in conceptibus."

187

J . DERRIDA, Grammatologie (1983) 25. J . MAIOR, Libri quos in artibus... compilavit, liber terminorum ( 1 5 0 8 ) fol. 4va; vgl. G. LAX, Parve divisiones terminorum (ca. 1 5 0 2 ) fol. b é r a j J . DoLZ, Termini (ca. 1 5 1 1 ) fol. 16rb·, PETRUS DE BRUXELLIS, Summularum artis dialectice ... interpretatio ( 1 5 1 2 ) fol. a6ra; W . MANDERSTON, Compendiosa Dialectices Epitome ( 1 5 2 8 ) fol. Β 6ra.

188

significat est quia significat terminus

Terminus mentalis, vocalis, scriptus

167

Der Raum der Schrift transzendiert damit den Bereich der per se auf vox articulata bezogene Buchstabenschrift, denn: ein Terminus scriptus wird nicht deshalb so genannt, weil er eine aus Charakteren und Buchstaben bestehende Schrift ist, sondern weil er vermittels des Gesichtssinns einem Erkenntnisvermögen etwas in eigendicher Weise repräsentiert. - (non enim dicitur terminus scriptus, quia sit scriptura ex caracteribus aut litteris constans, sed quia potentie cognitive aliquid proprie representat, mediante visu). 1 8 9

So bestimmt, kann nicht nur jeder einer beliebigen Materie eingeschriebene oder eingeformte Terminus, sondern, gegen das engere logische Verständnis von 'terminus', auch der den Weinverkauf anzeigende Laubkranz vor der Taverne (circulus ante tabernam) als Schrift charakterisiert werden.190 Vor einem solchen Hintergrund ist es nicht verwunderlich, daß der Begriff der Schrift auch den Bereich der willkürlichen Zeichen hinter sich zu lassen vermag: „Scripturarum significativarum", heißt es bei dem Lefèvre d'Étaples-Schüler Jodocus Clichtoveus (Josse Clichtoue), „quaedam ad placitum significai, ut dictio 'homo', scripta, quaedam naturaliter, ut imago in speculo" (Von den signifikativen Schriftzeichen bezeichnen einige willkürlich, wie das geschriebene Wort 'Mensch', einige auf natürliche Weise, wie das Bild im Spiegel).191 Das Spiegelbild als natürlicher terminus scriptus: Was bei Thomas von Aquin explizit als Gegenmodell zur Repräsentation der Schrift figuriert ist damit selber zur Schrift geworden.192 Ausschlaggebendes Kriterium für Schriftlichkeit ist allein die Sichtbarkeit der Zeichen. Es ist ein solches Schriftverständnis, dem auch George Dalgarnos spätere Charakterisierung des Gestikulierens als einer Form des Schreibens verpflichtet ist.193 Einige Autoren dehnen den Definitionsbereich der Schrift noch weiter aus und bestimmen den terminus scriptus generell als „terminus alio sensu quam auditu perceptibilis" (einen mit einem anderen Sinn als dem Gehör wahrnehmbaren Terminus),194 so daß jeder sieht-, riech-, schmeck- oder tastbare Körper als Schrift fungieren könnte („omne sensibile corpus quattuor externis sensibus posse esse terminum scriptum").195 Bisweilen treiben derartige Erörterung über Summulamm volumen primum

189

J . DE ORIA,

190

Ebd.; vgl. J. MAIOR, Libri quos in artibus... compilavit, Uber terminorum (1508) fol. 4va. J . CLICHTOVEUS, Introductiones artificiales in logicam Iacobi Fabri Stapulensis (1535) fol. 104v. Vgl. THOMAS VON AQUIN, Quaes, disp. de veritate, Op. omn. (Leonina) 21.1 (1975) 200sq.: „... repraesentatio speculi in hoc differt a repraesentatione libri quod repraesentatio speculi immediate refertur ad res, sed libri mediante cognitione: continentur enim in libro figurae quae sunt signa vocum, quae sunt signa intellectuum, qui sunt similitudines rerum." G. DALGARNO, Ars signorum (1661) 2: „... judico usum literarum ... fuisse ab initio; licet homines in materia solida et ad figuras conservandas apta nondum scribebant: qui enim caput nutat, oculo connivet, digitum movet in aere, etc. (ad mentis cogitata exprimendum) is non minus vere scribit, quam qui literas pingit in charta, Marmore, vel aere." P. MARGALLUS, Logices utriusque scholia (1965) 92. Ebd. 162f.; vgl. J . DE ORIA, Summularum volumen primum (1987) 105.

191

192

193

194 195

(1987) 106.

168

D a s Zeichen in der Logik des 15. und frühen 16. Jahrhunderts

die materielle Seite der Zeichen kuriose Blüten, wie etwa Maiors Feststellungen, man könne sich 4 0 Jahre lang ausschließlich von (aus Brot und Käse geformter) Schrift ernähren, das Subjekt einer Proposition könne das Prädikat erwärmen 196 oder aber wie Margallos Hinweis, daß, da die vox in physikalischer Hinsicht eine Art vapor (Dampf) sei, jeder Vokalterminus durch Kondensation zu Schrift bwerden könne. 197 Was hiermit gezeigt werden soll, ist offenbar die Gleichgültigkeit der Zeichenfunktion gegenüber der materiellen Realisation des Zeichens. Durch die bewußte Ausweitung des Bestimmungshorizonts von Schrift und Sprache, die eine Berücksichtigung weiterer semiotischer Problemfelder innerhalb der Logik ermöglichte, werden zeichentheoretisch durchaus relevante Einsichten gewonnen. Denn erst jenseits des eigentlichen logisch-semantischen Kernbereichs werden Unterscheidungen möglich, wie die von Johannes de Oria präsentierte Distinktion zwischen dem „terminus absolute significans" (selbständig bezeichnenden Terminus) und dem „terminus ex circumstantia significans" (aufgrund bestimmter Umstände bezeichnenden Terminus). 198 Während Termini im ersteren Sinn die im eigentlichen Verständnis genommenen Sprachzeichen sind, handelt es sich bei signifikativ verwendeten Dingen (z.B. Glockengeläut, Kruzifix, Laubkranz vor der Taverne), stets um - hier als stimmliche oder schriftliche charakterisierte - Termini im zweiten Sinne. Oria überträgt hiermit die Einsicht in die Kontextabhängigkeit der Supposition sprachlicher Ausdrücke auf den Bereich der Signifikation außersprachlicher Zeichen. So wie der einzelne, für sich genommen bereits signifikative Terminus erst innerhalb des Satzkontextes eine bestimmte Supposition erhält, erlangen die außersprachlichen Zeichen durch den situativen Kontext ihres Auftretens überhaupt erst ihre bestimmte Bedeutung (significatio). 1 9 9 Es hängt von den äußeren 196

J . MAJOR, Libri quos in artibus ... compilavit, liber terminorum ( 1 5 0 8 ) fol. 4va: „... sequi tur quod h o m o potest vivere quadraginta annos precise comedendo términos scriptos, ut si in pane caseo hujusmodi rebus sculpantur caracteres. ... sequitur quod alicuius propositionis subiectum potest calefacere predicatum in sensu composito stante ordine rerum, probatur et sculpatur ' h o m o est animal' subiecto existente intense calido et praedicato remisse."

197

P. MAGALLUS, Utriusque logices scholia ( 1 9 6 5 ) 1 6 2 : „... tenendo ... vocem esse vaporem vel exalationem, et ... vapor est aqua et exalatio est terra, tunc etiam concedendae sunt tales conclusiones: terminus scriptus potest esse vocalis et omnis terminus vocalis potest esse scriptus ut liquet per condensationem..."

198

J . DE ORIA, Summularum volumen primum ( 1 9 8 7 ) 1 0 6 : „... terminus vocalis absolute representans est terminus vocalis potentie cognitive notificans aliquid quacumque circumstantia remota. Sed terminus vocalis, ex circumstantia significans, est terminus vocalis potentie cognitive aliquid notificans, aliqua circumstantia posita, qua remota non sic significaret." Z u Oria vgl. V. MUÑOZ DELGADO, La Lógica Nominalista en la Universidad de Salamanca ( 1 9 6 4 ) 3 1 1 - 3 6 0 ; DERS., Introducción al pensamiento de Juan de Oria ( 1 5 1 8 ) : Revista española de teologia 4 3 ( 1 9 8 3 ) 7 5 - 1 1 6 .

199

J. DE ORIA, Summularum volumen primum ( 1 9 8 7 ) 1 0 9 : „... terminus significans ad placitum ex circumstantia est terminus ad placitum significans aliqua circumstantia posita, qua remota non sic significaret, ut pulsatio campanelle tempore elevationis sacramenti

169

Terminus mentalis, vocalis, scriptus

Umständen der Zeit oder des Ortes ab, ob das Glockengeläut eine Aufforderung ist, zur Kapitelversammlung oder aber zum Essen zu g e h e n ; 2 0 0 und das Bildnis des Gekreuzigten repräsentiert im sakralen Kontext des Kirchenraumes die Aufforderung, ihn anzubeten, nicht jedoch in der Werkstatt des Malers oder Bildhauers („imago crucifixi in ecclesia posita, representat quod est adoranda, ubi non sic representaret in d o m o pictoris vel statuifici"); 2 0 1

ein Laubkranz be-

zeichnet v o r der Taverne den Weinverkauf, nicht aber im W a l d . 2 0 2

Darüber

hinaus sind diese gemäß den Umständen bezeichnenden Termini nach Oria dadurch gekennzeichnet, daß sie in der Regel Sachverhalte bezeichnen und somit, wie der als „terminus scriptus ex circumstantia significans" aufgefaßte ante

tabernam,103

stets propositionalen Charakter

circulus

besitzen. 2 0 4

significat adorationem in ilio tempore et genuflexionem, quam in alio tempore non significant." 2 0 0 Ebd., 106: „... duplex est terminus vocalis: unus absolute significans, alter significans ex circumstantia. Sub primo modo continentur omnes voces imposite ad significandum. Sub secundo continentur omnes soni tube, cymbali aut phistule quia ex alia circumstantia temporis, loci aut modi représentant, ut cymbalum in religione uno modo sonans representat conventum capituli et alio conventum ad refectionem. Similiter tuba, in exercitu, uno modo significat aggressum in hostes et alio representat fugam ab eis." 2 0 1 Ebd. 106f. 202 Vgl. p. MARGALLUS, Utriusque logices scholia (1965) 166; vgl. J . DOLZ, Termini (1511) fol. 6vb. 2 0 3 J. DE ORIA, Summularum volumen primum (1987) 107: „... omnes termini scripti ex circumstantia significantes regulariter sunt propositiones, ut circulus pendens ante tabernam." Die Charakterisierung des circulus ante tabernam - des neben fumus und vestigium am häufigsten angeführten Beispiels der scholastischen Zeichentheorie - als Proposition ist jedoch nicht neu, sondern hat eine mindestens zu Ps.-Kilwardby zurückreichende Geschichte; vgl. Ps.-KlLWARDBY, Comment, in Priscianum maiorem (1975) 56: „... circulus non est signum vini sed ostendit alicubi vendi vinum". Buridan erötert an diesem Beispiel das Problem, ob die Komplexität einer Proposition auf der Ebene des Zeichenvehikels eine Entsprechung haben müsse, oder ob auch Inkomplexes dadurch, daß es eine Mentalproposition bezeichnet bzw. beim Zeicheninterpreten konstituiert, selbst als Proposition angesehen werden kann, wobei er jedoch der Auffassung den Vorrang einräumt, daß eine Proposition im strikten Sinne aus diskreten, den verschiedenen Teilkonzepten einer Mentalproposition subordinierten Zeichen bestehen müsse (vgl. J. BURIDAN, Sophismata VI, soph. 3 (1977) 107f). Insofern gilt der circulus ante tabernam bei AJLPHONSUS DE CORDOBA und ANTONIUS SBARROYA lediglich als propositio inconsueta (vgl. V. MUÑOZ DELGADO, Los "Principia Dialectices" (1519) de Alonso de Cordoba (1972) 55). Ausgehend von Buridan, die Frage nach dem propositionalen Charakter jedoch im entgegengesetzten Sinne entscheidend, behandelt Dorp das Problem, wie der so aufgefaßte circulus innerhalb der klassischen Dreiteilung von propositio mentalis, vocalis und scripta zu verorten sei, wobei er die Auffassung vertritt, daß er, wenngleich nicht aus litterae bestehend, am ehesten den Charakter einer propositio scripta habe. Vgl. J. DORP, Perniile compendium totius logicae (1499) fol. 6va; zu Dorp vgl. auch J. ECK, Aristotelis Stagyrite Dialéctica (1516) fol. 75va-b. Der propositionale Charakter des circulus ante tabernam wird noch im 17. Jh. kontrovers diskutiert. Während z.B. F R A N C I S C U S BONAE SPEI (Commentarti tres in universam Aristotelis Philosophiam (1652) 12a) und PETRUS DE COMITIBUS (Philosophia rationales (1671) 518) ihn annehmen, wird er von J. LALEMANDET {Cursus philosophicus (1656) 225) abgelehnt.

170

204

Das Zeichen in der Logik des 15. und frühen 16. Jahrhunderts

Summularum volumen primum ( 1 9 8 7 ) 1 0 6 : „terminus ex circumstantia significans regulariter representat aliquid esse vel non esse. Ex quo fit quod omnis talis terminus est propositio". Die Abhängigkeit der Bezeichnungsleistung des circulus vom situativen Kontext verwendet Petrus Margallus als Argument gegen dessen Bestimmung als terminus scriptus. Kein schriftlicher Terminus fällt allein aufgrund einer räumlichen Bewegung von seiner Bedeutung herunter, was beim circulus jedoch der Fall ist, der eben nur vor der Taverne den Weinverkauf bezeichnet, nicht mehr jedoch, wenn man ihn von dort entfernt. Vgl. P. MARGALLUS, Vtriusque logices scholia ( 1 9 6 5 ) 1 6 6 : „... nullus terminus scriptus cadit a sua impositione per solum motum localem, sed ille ramus per separationem eius a domo, desinit esse terminus scriptus, quia non amplius significat vinum, quando est in nemore vel in alio loco quam in domo."

J . DE ORIA,

IV. Die Zeichentheorie der Frühen Neuzeit I: Das Zeichen in der Logik der posttridentinischen Scholastik A. Mittelalterliche und frühneuzeitliche Zeichentheorie Das komplexe Gefüge der Kontinuitäten, Transformationen und Neuansätze, welches das Verhältnis von mittelalterlicher und frühneuzeitlicher Logik und Metaphysik bestimmt, ist auch für die Entwicklung der Zeichentheorie vom 14. bis zum 17. Jahrhundert charakteristisch. Der Fundus der frühneuzeitlichen Zeichentheorie ist im wesentlichen gebildet durch mittelalterliche Vorgaben. Sowohl die zentralen zeichentheoretischen Fragestellungen, als auch das Spektrum ihrer Beantwortung sowie das hierfür verwendete theoretische und terminologische Instrumentarium der Prämoderne entstammen überwiegend älteren Diskussionen. Das heißt freilich nicht, daß es eine kontinuierlich durchgehende und geradlinige Tradition mittelalterlicher Zeichentheorie gegeben hat. Denn in Mitteleuropa war nach der Auflösung der pariser Maior-Schule und mit der Durchsetzung der humanistischen, d.h. unter Ausblendung der scholastischen Diskussionen stärker am aristotelischen Original oder an Cicero orientierten Logik1 die Zeichentheorie zunächst fast vollständig von der Bildfläche verschwunden. Ein Blick in die mitteleuropäische oder italienische Logik der Dezennien um die Jahrhundertmitte 2 zeigt, daß dem Zeichenbegriff hier keine besondere Rolle zukommt. Zumeist ist er einfach abwesend. 3 1

2

Vgl. JOHANNES ARBORHJS, der ca. 1530 in seiner Compendiaria in dialéctica elementa introducilo (s.a.: 48) die Wende der pariser Logik als Auszug aus der sophistischen Höhle beschreibt: „... gaudeo, quod plurimi in hac Lutetiana academia nunc ab inferís et labyrintheis sophistarum cavernis ad perspicuam verae philosophiae lucem revocentur." Zur Entwicklung der frühneuzeitlichen Logik vgl. W. RISSE, Die Logik der Neuzeit, Bd. 1 (1964); E. J. ASHWORTH, Language and Logic in the post-medieval period (1974) bes. 1-25; Dies., Changes in Logic Textbooks from ÌSOO to 16S0: The New Aristotelianism, in: Aristot e l i s m u s u n d R e n a i s s a n c e , hg. v. E. KEßLER, C H . H. LOHR U. W . SPARN ( 1 9 8 8 ) 7 5 - 8 7 .

3

Das gilt, hier nur einige Beispiele, ebenso für die humanistisch-rhetorische Logik aristotelischer Prägung (J. CAESARIUS, Dialéctica, Köln 1520; H. LUETANUS, Erotemata dialectices, Wien 1562; J. HOSPINIANUS STEINANUS, De controversiis dialecticis, Basel 1576), die Melanchthonschule (PH. MELANCHTHON, Erotemata dialectices, Wittenberg 1548; E. SARCERJUS, Dialéctica, Marburg 1536), die Ramisten (J· PLSCATOR, Exercitationum logicarum libri II, s.l. 1585), Philippo-Ramisten (A. POLANUS, Logicae libri 2, 3Basel 1598) und die Eklektiker (R. GOCLENIUS, Problematum logicorum libri IV, Marburg 1590-95), wie für die 'reinen' Aristoteliker und Averroisten (A. BERNARDUS MIRANDULANUS, Institutio in uni-

172

Das Zeichen in der Logik der posttridentinischen Scholastik

Durch die Verdrängung der summulistischen Thematik und der eingehenden Erörterung der Termini war die ältere Systemstelle der Behandlung der Zeichentheorie ausgefallen. Und jene Systemstelle, an der im 17. Jahrhundert die Zeichentheorie ihren neuen Ort finden sollte, die Exposition von Peri bermeneias, war durch die engere Orientierung an der aristotelischen Textvorlage einer Aufnahme von generellen zeichentheoretischen Erörterungen noch nicht zugänglich. 4 Die Ausführungen setzen in der Regel unmittelbar mit der Darstellung von tiotnen und verbum ein, ohne daß diese an den allgemeineren Begriff des Zeichens zurückgebunden werden. Ein anderes Bild bietet die Logik der iberischen Halbinsel, 5 wo durch die Vermittlung der aus Paris zurückklehrenden spanischen und portugiesischen Logiker der Maior-Schule mit der Behandlung der Summulae auch das Begriffsfeld von signum, significare und repraesentare zunächst weiterhin Gegenstand der Logik blieb. Zumindest lange genug, um von hier aus über die sich im Zuge der Gegenreformation formierende Zweitscholastik wieder nach Mitteleuropa reimportiert werden zu können. Auch hier machte sich mit der Zeit zunehmend humanistischer Einfluß geltend, der sich vielfach sowohl im Ausschluß vieler als „kurios" erachteter Fragen, wie auch in der generellen stark ausgeprägten Tendenz zur Straffung und Systematisierung der Inhalte zeigt.

4

5

versant logicam, Basel 1545; H. BALDUINUS, Expositio in libellant Porphyrii de quinqué vocibus... Eiusdem commentarla in libros Aristotelis de interpretatione absoluta..., Mailand 1549; N. A. PACCA, Endixes logicae, Neapel 1557; M. DONIENSIS ORMAZIUS, De instrumento instrumentorum sive De dialéctica libri sex, Venedig 1569; B. PETRELLA, Logicarum disputationum libri Septem, Padua 1584). Der genannte ARBOREUS gibt dem ersten Kapitel seines Peri hermeneias-K.ommenta.TS zwar den Titel „De signis" (Luculentissimi ... in librum peri hermeneias Aristotelis Commentarij [s.a.: 17-31]), der Begriff des Zeichens wird jedoch nicht eigens thematisiert. Vgl. hierzu V. MUÑOZ DELGADO, Fuentes impresas de Lógica hispano-portuguesa del siglo XVI, in: Repertorio de historia de las ciencias eclesiásticas en España, 1 (1967) 435-64; DERS., Lógica Hispano-Portuguesa hasta 1600 (Notas bibliográfico-doctrinales), Repertorio de historia de las ciencias eclesiásticos en España 4 (1972) 9-122; DERS., La Lógica Nominalista en ¡a Universidad de Salamanca (1510-1530). Ambiente - literatura - doctrinas (1964); DERS., Domingo Báñez y las Súmmulas en Salamanca a fines del siglo XVI: Estudios 21 (1965) 3-20; DERS., La lógica en Salamanca durante la primera mitad del siglo XVI: Salmanticensis 14 (1967) 171-207; DERS., La lógica en la Universidad de Alcalá durante la primera mitad del siglo XVI: Salmanticensis 15 (1968) 161-218; DERS., La obra lógica de los españoles en Paris (1500-1525): Estudios 26 (1970) 209-80; DERS., Pedro de Espinosa y la logica en Salamanca hasta 1550: Anuario filosofico 16 (1983) 119-208; vgl. ferner RAMÓN CEÑAL, La historia de la lógica en España y Portugal de 1500 a 1800: Pensamiento 28 (1972) 277-319; AMÂNDIO A. COXITO, Lógica, semántica e conhecimento na escolástica peninsular prérenascentista (1980); E. J. ASHWORTH, Jacobus Naveros (fl. ca. 1533) on the Question: 'Do Spoken words signifiy Concepts or Things?', in: Logos and Pragma, hg. L. M . DE RLJK, C. A. G . BRAAKHUTS (1987) 189-214; D I E S . , Domingo de Soto (1494-1560) and the Doctrine of Signs, in: De ortu grammaticae, hg. G. L. BURSILL-HALL, S. EBBESEN U. E. F. K. KOERNER ( 1 9 9 0 ) 3 5 - 4 8 .

mittelalterliche und frUhneuzeitliche Zeichentheorie

173

Die inhaltlichen Kontinuitäten sind daher begleitet von erheblichen Veränderungen und Transformationen. Das Schwinden des Interesses an den Summulae, das sich bereits aus der statistische Verteilung der Editionen der Petrus Hispanus-Kommentare, ersehen läßt,6 findet seine Ausdruck in expliziten Aussagen des frühen 17. Jahrhunderts. Petrus Hurtado de Mendoza zeichnet 1617 eine Skizze der von ihm aus jüngeren Geschichte der summulistischen Literatur und der Logik insgesamt, deren dominierende Tendenz eindeutig die der - von Hurtado positiv bewerteten - Verkürzung ist. Die „vetusti dialectici" sind nach Hurtado so weitschweifig verfahren, daß sie die gesamte natürliche und göttliche Philosophie in den Kerker der ihrem Namen nicht gerecht werdenden Summulae warfen. Noch Domingo de Sotos Kommentare sind für Hurtados Geschmack viel zu ausführlich. Soto sei aber von Villalpando durch einen kurzen, klaren und eleganten Stil „beschnitten" worden, der seinerseits wiederum von Toletus an Kürze und Klarheit übertroffen wurde. Beide haben das alte Chaos der Summulae aus den Schulen verbannt, indem sie die „Finsternis und den Schrecken der sprachlichen Ausdrücke" vertrieben haben. Nachdem dann Petrus Fonseca mit seinen Institutiones dialecticae das Licht nach Portugal gebracht hatte, konnten schließlich die Conimbricenses am glücklichsten und angemessensten von allen die Logik darstellen.7 In dieser ganz mit den gängigen Topoi neuzeitlicher Scholastikkritik durchsetzten historischen Skizze, an der deutlich wird, wie weit sich die jesuitische Neu-Scholastik dem Humanismus öffnen konnte, benennt Hurtado jedoch zugleich die wichtigsten Stationen, auf denen die Theorie des Zeichens ihren Weg in die scholastische Logik des 17. Jahrhunderts nahm. Um in diesem Prozeß der zunehmende Verdrängung der Summulae, in welche das Zeichen in der Pariser Logik um 1500 noch fest integriert war, nicht ebenfalls ausgeschlossen zu werden, mußte für die Zeichentheorie eine systematische Neuzuordnung vorgenommen werden. Sie erfolgt bei Fonseca und Toletus, die die bei Soto noch vorhandenen Rudimente der Zeichentheorie übernehmen und aus dem summulistischen Zusammenhang herauslösen. Während Fonseca das Zeichen im Rahmen einer nicht mehr an Petrus Hispanus sondern an Aristoteles orientierten logisch-semantischen Propädeutik behandelt, d.h. im Kontext der einleitenden

6

7

Vgl. W . RISSE, Bibliographia logica I, Index Commentatiorum. PETRUS HURTADO DE MENDOZA, SJ, Disp. de univ. Philos. (1617) 1: „Vetusti Dialectici perperam hunc tractatum Summulas vocarunt, nam in eis tradendis tarn fuse laxeque vagantur, ut nihil viderentur acturi, nisi in Summularum carcerem omnem philosophiam naturalem, atque divinam detrudere... Dominicus Soto ... Summulis Petri Hispani affulsit commentarijs in eius libros: sed admodum fusis. Sotum circuncidit Villalpandus stylo brevi, claro, et eleganti. Villalpandum superat Toletus brevitate et claritate, qui antiquum illud, et immane chaos Summularum ex scholis ablegarunt: caeptaque est Philosophia brevi, ac dilucide doceri, fugatis vocum tenebris, et horrore. Petrus Fonseca suis institutionibus lucem attulit Lusitaniae: tandem Collegium Conimbricense in sua Logica nuperrime evulgata, omnium felicissime, et aptissime his de rebus disputavit."

174

Das Zeichen in der Logik der posttridentinischen Scholastik

Darstellung der logischen Grundbegriffe von nomen und verbum,8 wird ihm von Toletus jene Systemstelle zugewiesen, an der es im 17. Jahrhundert seinen festen Ort finden wird, die Exposition der Aristotelischen Schrift pert hermeneias.9 Ausschlaggebend für die endgültige Durchsetzung dieser Zuordnung dürfte vor allem der einflußreiche Kommentar zur Aristotelischen Logik der Conimbricenses gewesen sein, durch dessen ausführliche Behandlung des Zeichens 10 das signum als Thema der Logik im 17. Jahrhundert fest etabliert wurde. Im Gegensatz zur allgemeinen Tendenz der Straffung und Verkürzung der Logik avanciert im 17. Jahrhundert gerade die Theorie des Zeichens in stärkerem Maße zu einem Thema mit eigener Geltung, wobei ihre Darstellung im Rahmen der logischen Kurse mitunter die Form und den Umfang von in sich geschlossenen Zeichentraktaten annimmt. Gegen Ende des Jahrhunderts macht sich dann im Zusammenhang mit dem allmählichen Niedergang des scholastischen Diskurses auch ein Rückgang der Zeichentheorie bemerkbar. Der theoretische Gehalt gerät zum Stoff, der möglichst kurz und in einfacher lehrhafter Form präsentiert wird. Diese Entwicklung - von der es natürlich Ausnahmen gibt - manifestiert sich bereits äußerlich im Format und Umfang der philosophischen Kurse. Mit dem Ubergang vom Folio- zum Quart- oder Oktavformat setzt sich eine Tendenz zur Handlichkeit durch, die zwangsläufig auch den Inhalt betrifft. Die Texte werden Lehrbücher; ausführliche Problemdiskussionen haben in solchen keinen Platz. Die Positionen und Argumente stehen in der Regel fest und können kurz referiert werden. Eine markante Ausnahme bildet erneut die Entwicklung auf der iberischen Halbinsel, wo gerade im ausgehenden 17. und bis weit in 18. Jahrhundert hinein umfangreiche zeichentheoretischen Fragestellungen gewidmete Traktate entstehen - die vielleicht umfangreichsten in der Geschichte der Zeichentheorie. Obwohl zumeist ungedruckt geblieben, 11 bezeugen die zahlreichen Manuskripte die Präsenz des Zeichens im damaligen universitären Logikbetrieb. 12 Doch an-

8

PETRUS DE FONSECA, SJ, Institutionum

9

F. TOLETUS, SJ, In lib. 1 peri herm., in: Opera omnia philosophica (Köln 1 6 1 5 / 1 6 ) 2. 208f. Soto selbst geht in seinen In dialecticam Aristotelis commentant ... recogniti ( 1 5 5 4 ) nicht auf das Zeichen ein.

10

CONIMBRICENSES, SJ, In libros Arist. de interpretatione, c. 1, in: Commentarti Collegii Conimbricensis e Societate Jesu in universam dialecticam Aristotelis ( 1 6 0 7 ) 2 . 6 - 7 5 . Eine Ausnahme bilden PETRUS DE CANDAMO, OP, Opusculum de signis, notitiis et conceptibus per quaestiones et capita divisum ( 1 6 9 7 ) [ 5 3 9 p.] u. SILVESTER ARANHA, SJ, Disp. logicae, pars 3, De signis ( 1 7 4 5 ) [ 1 8 8 p.]. Wenn auch nur ein kleiner Teil der im folgenden aufgeführten Manuskripte die Qualität dieser beiden Schriften aufwiese, wären hier noch einige Schätze zu heben.

11

12

dialecticarum

libri octo ( 1 5 7 2 ) lib. 1, cap. 8ff.

VGL. JOSÉ ALVARES, SJ, Additamenta ad logicam Conimbricensem. Pro universalibus, signis et topicis, M S : Evora B P ms. 1 1 8 - 1 - 8 ; Lisboa B N , ms. 2 4 3 5 (XVIII), 3 1 2 fs.; FRANCISCO DE AMARAL, De universalibus et signis, M S : B. Ajuda ms. 51-1-11 n. 2 ( X V I I ) ; ANONYMUS, De signis, de universalibus, M S : Porto B M ms. 1 0 8 0 ( 1 6 9 9 ) , 2 7 1 fs.; GONZALO ANTÚNEZ

175

Die Definition des Zeichens

ders als ca. 1 5 0 Jahre zuvor, als von der iberischen Halbinsel aus mit der Wiederbelebung der scholastischen Philosophie auch eine Renaissance des Zeichens erfolgte, vermochte dieser lokal begrenzte Diskurs auf die Entwicklung nördlich der Pyrenäen keinerlei Einfluß mehr zu nehmen. Die scholastische Philosophie des 18. Jahrhunderts war eher noch bereit, sich durch die Öffnung gegenüber dem Wolffianismus der aktuellen Entwicklung anzupassen, als sich der Hege solcher philosophischer 'Dinosaurier' zu widmen.

B. Die Definition des

Zeichens

Während in der Logik um 1 5 0 0 das Verb „significare" den Einsatzpunkt der zeichentheoretischen Eröterungen markiert, steht im 17. Jahrhundert das Substantiv „Signum" im Zentrum. An die Stelle der spätmittelalterlichen Theorie der significatio tritt hier eine Philosophie des Zeichens. Was also ist ein Zeichen? Es liegt auf der Hand, daß die Fülle der unterschiedlichen Formen von Zeichen die präzise Angabe der durchängig für alle und nur für sie geltenden Kriterien zu einem unlösbaren Problem werden läßt. (ANTONES), SJ, Speculations logicae in quinqué tractatus distributee (De universalibus, de signis), MS: Porto BM ms. 662 (XVII), 400 fs.; Luis BATTISTA, Tractatus logicus pro universalibus et topicis et signis, MS: Lisboa BN ms. 4922 (ca 1694); GREGORIO BARRETO, SJ, Apis philosophiere Labores. (De universalibus, De signis), MS: Coimbra BU ms. 2237 ( X V I I ) , 2 1 7 fs.; CAYETANO BOTELHO DE LUCANA Ε ALMEIDA, De universalibus,

De

anteprae-

dicamentis, De signis, De triplici intellectus operatione, MS: Coimbra BU ms. 2279, 343 fs.; ANDRÉS CARNEIRO, Tractatus unicus de additamentis ad logicam Conimbricensem (De universalibus,

de signis),

M S : C o i m b r a B U ms. 2 2 3 2 ( 1 6 8 4 ) , fs. 1 - 1 2 2 ; IGNACIO CARVALHO, SJ,

Opus philosophtcum ... in tres distributus tomos, quorum primus continet logicam (De universalibus, de ente rationis, de signis, MS: Evora BP ms. 125-1-7 (1672), 261 fs.; MANUEL CORREIA, Tractatus

de signis, MS: Lisboa B N ms. 1916 (ca. 1672); MATÍAS CORREIA, SJ, In

digestum philosophorum concilium sive de opinionibus philosophicis (De universalibus, de signis), MS: Porto BM ms. 402 (1685), 497 fs.; GREGORIO DA COSTA, Additamentum secundum ad logicam sive doctrina de signis, MS: Lisboa BN ms. 2196 (1683); JUAN COSTA, Tractatus logicus (De universalibus, De signis), MS: Porto BM ms. 895 (1711), 240 fs.; FRANCISCO DE LA PURIFICACION, Logica. De universalibus. De signis, MS: Evora BP ms. 1181-10 (1720), fs. 1-618; JUAN HENRIQUES, Tractatus tertius pro signo, MS: Coimbra BU ms. 2276, 74 fs.; AUGUSTÍN LOURENÇO, SJ, Tractatus de signis et futuris contigentibus et operationibus intellectus, MS: Braga BP ms. 308 (XVII), 325 fs.; JAVIER DE MATOS, SJ, Metarsioleschia (De universalibus, de signis, de veritate et falsitate), MS: Coimbra BU ms. 2231 (1683), 252 fs.; BENITO PEREIRA, Tractatus secundus de signis, MS: Lisboa BN ms. 2159 (XVII); MANUEL PEREIRA, Additamenta ad logicam. De signis, de intellectu, de notitiis, de topicis, MS: Lisboa BN ms. 2214 (1656); AUGUSTÍN QUARESMA, De signis et topicis, MS: L i s b o a B N ms. R e s e r v a d o s 4 0 3 3 ; E v o r a BP, ms.

118-2-14 (1685);

ANTONIO TELLEZ,

Doctrina de signis et intellectionibus et etiam de Physica, MS: Lisboa BN Pomb. 19 (1680); MANUEL VELOSO, Disp. selectae in logicam. De universalibus et signis, MS: Lisboa BN ms. 4813 (ca. 1670); SEBASTIÁN VLDIGAL, Opus logicum. De universalibus et de signis. De intellectionibus, MS: Lisboa BN ms. 2032 (XVIII). (Die Angaben stammen aus V. MUÑOZ DELGADO, Logica hispano-portuguesa e iberoamericana en el siglo XVII: Cuadernos Salmantinos de filosofia 9 (1988) 279ff.

176

Das Zeichen in der Logik der posttridentinischen Scholastik

Und werden zudem noch die gängigen Anforderungen an eine reguläre Definition in Anschlag gebracht, die zur Angabe der übergeordneten Gattung und der spezifischen Differenz verpflichteten, kann es nicht verwundern, daß man sich in der Regel wohl darüber im Klaren war, keine Wesensdefinition im strikten Sinne sondern lediglich eine deskriptive Definition bieten zu können. 1 3

Aber

auch eine solche mußte, wenn sie adäquat sein sollte, die für alle Zeichen geltenden Merkmale angeben können. Die meisten Autoren sahen das am ehesten durch die aus Petrus Hispanus' Bestimmung der vox significativa14

abgeleitete

und durch Soto bekanntgemachten Zeichendefinition geleistet: Signum est, q u o d potentiae c o g n o s c e n t i aliquid repraesentat - (Ein Zeichen ist etwas, das einem Erkenntnisvermögen etwas repräsentiert) 1 5

13

Vgl. SAMUEL DE LUBLINO, OP, In universam Aristotelis logicarti quaestiones (1620) 387: „Definitio signi in communi quae est quod potentiae cognoscitivae aliquid repraesentat, non est in rigore quidditativa: sed tarnen conveniens. Prob. Prima pars. De ratione definitionis quidditativae est, quod in ea sit proprium Genus et propria differentia: sed hic non apparet quid habet rationem Generis et propriae differentiae. Minor prob, nam ly Quod in definitione positum, seu Res quae potentiae cognoscitivae aliquid repraesentat, non est Genus: sed quasi Genus, non enim omnis res potentiae cognoscitivae aliquid repraesentat. Secunda vero pars probatur. Ad hoc ut aliqua descriptio explicet natura rei, sufficit ut earn separet ab omni alio: sed potentiae cognoscitivae aliquid repraesentare, separat signum ab omni alio..."; vgl. F. MURCIA DE LA LLANA, Selecta circa Aristotelis dialecticam (1621) 399b-400a: „... definitio significationis ... est 'Significare est rem facere cognoscere'. In qua ponitur loco generis 'facere', et loco differentiae 'cognoscere'. Unde praedicta definitio est descriptiva, quia nec verum genus, nec veram differentiam continet. Quod si quaeras, quae sit definitio essentialis? Respondeo non cognosci: multae enim sunt res, aut quia sunt perfectissimae, aut quia minimae, quarum essentia non cognoscitur."

14

Cf. PETRUS HISPANUS, Tractatus I, 3 (1972) lf: „Vox significativa est ilia que auditui aliquid repraesentat..." D. SOTO, OP, Summulae 1554, fol. 2 r ; P. FONSECA, SJ, ìnst. dial. (1572) 11: „Significare nihil aliud est, quam potentiae cognoscenti aliquid repraesentare. Cum autem omne, quod aliquid repraesentat, sit signum rei quae repraesentatur, efficitur ut quicquid rem aliquam significat, sit signum eius."; CONIMBRICENSES, SJ, Commentarti in univ. Aristotelis dialecticam (1607) 2.7; P. HURTADO DE MENDOZA, SJ, Disp. de universa philosophia (1617) 8: „Signum est, quod aliquid repraesentat potentiae cognoscenti, id est quod facit, ut aliquid cognoscatur: nam repraesentare potentiae, facere praesens, et facere, ut potentiae cognoscat, sunt synonyma."; SAMUEL DE LUBLINO, OP, In universam Aristotelis logicam quaestiones (1620) 387; B. TELLEZ, SJ, Summa universae philosophiae (1642) 77; J. IOANNIZET ECHALAZ, Philosophia (1654) 214a: „...signum potest considerari in actu primo, vel in actu secundo; signum in actu primo est id, quod est aptum aliquid potentiae cognoscitivae repraesentare; signum vero in actu secundo est id, quod potentiae cognoscenti aliquid actualiter repraesentat."; M. CORNAEUS, SJ, Curriculum philosophiae peripateticae (1657) 172: „Signum est quod significat, vel aliquid repraesentat. Significare autem est facere praesens potentiae cognoscenti."; M. SCHÖNMAN, SJ, Radii logici (1657) 10; Β. COLUMBUS, OFM, Novus cursus philosophicus (1669) l i b : „Est autem signum universe sumptum, quod potentia cognoscenti aliquid repraesentat..."; H. HEINLEIN, OSB, Philosophia rationalis (1677) 385b: „Signum late loquendo est, quod significat vel aliquid repraesentat. Significare autem et repraesentare est facere praesens potentiae cognoscenti."; B. LINGEN, SJ, Cursus philos, t. 1 (1718) 184: „Signum in genere est, quod potentiae cogno-

15

Die Definition des Zeichens

177

Ebenfalls seit dem Mittelalter sehr verbreitet ist die aus der von Augustinus in De doctrina Christiana entwickelten Definition bzw. deren mittelalterlich und frühneuzeitlich überlieferter Version abgeleitete, die Festlegung des Zeichens auf sinnliche Wahrnehmbarkeit jedoch tilgende Bestimmung: Signum est id, quod facit nos in alicuius rei cognitionem venire (Ein Zeichen ist etwas, das uns zur Erkenntnis irgendeiner Sache kommen läßt).16 Wenngleich das in ihr formulierte Kriterium des „facere in cognitionem venire" bzw. „ducere in cognitionem" nicht so oft Eingang in die förmlichen Zeichendefinitionen findet wie das zumindest frühneuzeitlich dominierende „aliquid repraesentare potentiae", bilden die genannten Formeln das vielleicht am häufigsten zur Beschreibung der spezifischen Leistung des Zeichens verwendete Instrumentarium.17 Neben diesen Basisdefinitionen finden sich zahlreiche Varianten, in denen zumeist versucht wird, die Resultate der Erörterung spezieller Zeichenproblematik für die Zeichendefinition im allgemeinen fruchtbar werden zu lassen um so den Gegenstandsbereich des Zeichens durch die Angabe weiterer für es und den Akt des Bezeichnens als konstitutiv erachteter Bestimmungsmomente einzugrenzen. Die gebräuchlichsten sind:

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scitivae aptum est aliquid repraesentare."; S. ARANHA, SJ, Dtsp. logicae (1745) 240f. R. DE ARRIAGA, SJ, Cursus philosophicus (1632) 178a: „Divus Augustinus ... definivit Signum esse id, quod praeter speciem quam ingerit sensibus, aliquid aliud facit in cognitionem venire. Haec definitio non convenit omnibus signis, quia signum formale, v.g. cognitio, dum manifestat aliud a se, non facit nos in sui venire notitiam tantum vero convenit signis instrumentalibus: sed ñeque omnibus, quia species impressa est signum instrumentale, et tarnen non est necessum ut ipsa cognoscatur. Signum autem in communi, prout abstrahlt ab utroque, definiri potest, est id, quod facit nos in alicuius rei cognitionem venire."·, GERVASIUS VON BREISACH, OFMCap, Cursus philosophicus (1699) 249. Gegen diese Definition wendet sich F. DE OVIEDO, SJ, Integer cursus philos. (1640) 137a: „Signum in universum definiunt nonnulli 'id quod facit nos devenire in cognitionem alicuius rei'. Verumtamen haec definitio exacta non est; quia convenit causis respectu suorum effectuum, ex causarum enim cognitione in cognitionem suorum effectuum devenimus, et tamen causae iuxta communem loquendi modum non dicuntur effectuum signa. (...) Exciperem ego effectus in quibus principia intendunt speciem conservare, quales sunt omnes univoci..."); Poncius kritisiert sie unter Verwendung der im Spätmittelalter gegen das effective und obiective significare vorgebrachten Argumenten sowie mit dem schon von Ailly formulierten Hinweis auf die Unzulänglichkeit dieser Bestimmung für die Beschreibung der als Zeichen verstandenen Konzepte. Vgl. J. PONCIUS, OFM, Philosophiae ad mentem Scoti cursus integer (1659) 266a: „Haec descriptio non placet, quia obiectum facit nos venire in cognitionem sui venire, et tamen non propterea dici potest signum. Rursus Deus ipse facit nos in cognitiones multarum rerum venire..., nec tamen ab ullo vocatur signum illarum rerum. Praeterea cognitio est signum rei, quae cognoscitur per ipsam secundum hunc authorem, et tamen ludicrum esset dicere quod cognitio deduceret in cognitionem, aut faciat nos venire in cognitionem." S. u., Anm. 60.

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Das Zeichen in der Logik der posttridentinischen Scholastik

Signum est quod potentiae cognoscenti aliquid repraesentat a se distinctum - (Ein Zeichen ist etwas, das etwas von ihm Unterschiedenes dem Erkenntnisvermögen repräsentiert). 18 Diese Definition postuliert die Verschiedenheit von signum und significatum: Nichts ist Zeichen seiner selbst. Das Lehrstück der Unmöglichkeit einer Selbstbezeichnung, das bereits im antiken Zeichenbegriff implizit enthalten ist 19 und in der augustinischen Zeichendefinition („... aliquid aliud ex se faciens in cogitationem venire") explizit zum Ausdruck gebracht wird, war im 13. Jahrhundert geläufig. 20 Es leitet seine Plausibilität offensichtlich aus einer vorrangigen Berücksichtigung des natürlichen Zeichens her, da dieses entweder in einer Kausalbeziehung oder in einer Ähnlichkeit - die nach scholastischer Auffassung Identität gerade ausschließt - zum Bezeichneten fundiert ist. Anders liegt der Fall jedoch bei den willkürlich eingesetzten oder, allgemein, logikrelevant Zeichen. In diesem Kontext hatte bereits Augustinus - abweichend von seiner eigenen Zeichendefinition - die Möglichkeit der Selbstbezeichnung betont. 21 In der scholastischen Logik des Spätmittelalters hatte das Problem der Selbstreferenz seinen festen Ort in der Behandlung der suppositio materiate. Während im Anschluß an Ockham die suppositio materialis als nichtsignifikativer Sprachgebrauch aufgefaßt wurde, 22 folgte die Mehrzahl der Autoren dem

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Summa philosophiae (1614) 2 6 : „... significare nihil aliud esse quam facultati cognoscenti quidpiam a se diversum repraesentare."; F. ARAV, OP

EUSTACHIUS A SANCTO PAULO, O P ,

Commentariorum in univ. Arist. Metaphysicam tomus I. (1617) 351a: „Signi ... communis ratio ut sic, in eo consistit, ut aliquid aliud a se potentia cognoscitivae repraesentet."; JOHANNES A SANCTO THOMA, OP, Ars logicae (1948) 646a; F. GONÇALEZ, SJ, Logica tripartita (1639) 89: „Signum in communi est quidquid aliud a se distinctum repraesentat potentia cognoscitiva."; T H . COMFTON CARLETON, SJ, Philosophia universa (1649) 157a: „... signum in communi recte quis difiniverit; 'est quod potentiae cognoscenti aliquid a se distinctum repraesentat, sive ipsum cognoscatur, sive non'."; COSMAS DE LERMA, OP, Cursus philos. t. 1, (1649) 2 : „ E s t . . . signum quod potentiae cognoscitivae aliquid aliud a se repraesentat"; IRENAEUS A SANCTO JACOBO, OP, Integer cursus philosophicus ad mentem Thomae (1658), 14a; B . BARO, O F M , Joan. Duns Scotus ... per univ. philos. ... defensus (1664) 3 : „... si tarnen velis quis admittere formalia pro vere signis, et audire definitionem unam omnium sit ista: signum est quod repraesentat aliud potentiae."; F. OHM, OP, Summa philosophica (1692) 99: „Signum est quod potentiae cognoscitivae aliud a se repraesentat, repraesentare autem est reddere rem praesentem potentiae."; A, OSWALDT, OP, Spicilegium philosophicum collectum in agro thomistico (1697) 3 : „Definitur signum, quod sit id, quod potentia cognoscitiva aliud a se repraesentat."; PETRUS DE CANDAMO, OP, Opusculum de signis, notitijs et conceptibus (1697) 1: „Est ergo signum: Obiectum potentiae cognoscitivae aliud a se repraesentans."; J . G . BOYVIN, O F M , Philosophia Scoti (1701) 3 1 3 . 19

20 21 22

Uberall dort, wo das Zeichen im Spannungsfeld von Verborgenheit und Offenbarkeit angesiedelt ist und seine Funktion darin gesehen wird, etwas Verborgenes oder Abwesendes kognitiv präsent und offenbar zu machen, wäre eine Selbstbezeichnung in sich widersprüchlich. Vgl. THOMAS VON AQUIN, Quaest. disp. de peritate, q.7 a. 1, ed. R. SPIAZZI (1964) 128a. AUGUSTINUS, De magistro VI, 17f. Vgl. M. HUNDT, Compendius totius logices (1507) fol. 165r: „Nulla dictio materialiter po-

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Die Definition des Zeichens

Ansatz Buridans und vertrat, wie Albert von Sachen, Paul von Venedig oder Paul von Pérgula, unter Bezugnahme auf die materiale Supposition die Möglichkeit einer Selbstbezeichnung der Termini. 2 3 Hierbei fiel verschiedentlich die Diskrepanz zur augustinischen Zeichendefinition auf. So wehrt etwa Conradus W i m pina das Argument, die augustinische Zeichendefinition lasse sich nicht mit dem Konzept der suppositio

materialis

vereinbaren, mit der Bemerkung ab, daß die-

ser eher das Sakramentalzeichen als das logische Zeichen definiert habe. 2 4 Die logische Problematik der materialen Supposition bildet offenbar den Hintergrund der in der Logik um 1 5 0 0 durch die Gleichsetzung von und significano obiective

in F o r m des significare

naturaliter

communiter

repraesentatio

bzw.

significare

vielfach zugelassenen Selbstbezeichnung der Termini. In kritischer Ab-

setzung von diesem Sprachgebrauch greift insbesondere Soto wieder das alte Lehrstück auf und instrumentalisiert es zur terminologischen Abgrenzung von significare

und repraesentare.

Über Soto wird die These von der Unmöglichkeit

einer Selbstbezeichnung im 1 7 . Jahrhundert wiederum zu einem überwiegend anerkannten zeichentheoretischen Gemeinplatz. 2 5 Damit ist freilich noch nicht entschieden, ob es sich bei der postulierten Verschiedenheit von Zeichen und Bezeichnetem um eine reale oder lediglich eine gedankliche bzw. modale handelt. 2 6 Diese Frage, von der Zweitscholastik in der Regel im zweiten Sinne be-

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sita logice supponit. Cuius ratio est, quia non signifìcat aliud a se, et ideo non est vox significativa proprie sed vox non significativa et ideo non supponit." ALBERT VON SACHSEN, Quaestiones in artem veterem, n. 710f (1988) 476f: „... circulus pendens ante tabernam non solum significat vinum, sed etiam significat seipsum; ergo consimili ratione et termini, non solum significant suas res significatas, sed etiam significant seipsos. ... quilibet terminus potest supponere pro se, ergo quilibet terminus potest significare se. Consequentia tenet, quia suppositio praesupponit significationem."; PAULUS VENETUS, Logica magna, p. 1 c. 2 (1979) 40: „... non solum termini mentales seipsos et alia significata primaria a se distincta significant: sed etiam termini vocales vel scripti seipsos naturaliter significant, sicut et aliae res sensibiles seipsas enim intellectui per intentionem propriam repraesentant, quemadmodum facit homo, lapis, et sic de aliis. Cum ergo significare non sit aliud quam rei similitudinem memoriae vel virtuti cognitivae repraesentare vel conceptum primum in anima causare, igitur tales seipsos significant et hoc naturaliter...". C . WlMPINA, Congestio

(ca. 1 4 9 8 ) fol. A 7 v : „... ad A u g u s t i n u m d i c i m u s q u o d p o c i u s diffi-

nit s i g n u m s a c r a m e n t a l e q u a m l o g i c a l e . " 25

Vgl. CoNiMBRicENSES, Anm. 237; vgl. SAMUEL DE LUBLINO, OP, In universam Aristotelis logicam quaestiones (1620) 395: „Nulla res potest significare seipsam in quantum est signum. Probatur. Oppositae relationes non possunt eidem convenire, secundum eandem considerationem, sed relatio signi et signati sunt oppositae adinvicem. Ergo signo non possunt convenire ut signum. ... Secunda conclusio. Signum significat seipsum non prout est signum, sed sub opposite relatione signât."; F. GONÇALEZ, S J , Logica tripartita (1639) 93b: „... unam eademque rem posse, et solere esse signum multis modis respectu diversorum, sed nihil posse esse signum omnino sui ipsius."; C. F. VÈRANI, Phil. univ. specul. (1684) 6a; J. B . DE BENEDICTS, SJ, Philos, peripat. (1688) 510; J. G . BOYVIN, OFMObs, Philos. Scoti (1701) 313.

26

Roger Bacon hatte mit Blick auf die Problematik sprachlicher Selbstreferenz betont, daß bereits eine gedankliche Unterscheidung zur Wahrung einer Signifikationsbeziehung hinreichend ist. Als Beleg hierfür dienten ihm die zum Verkauf ausgestellten Waren, die als Sub-

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Das Zeichen in der Logik der posttridentinischen Scholastik

antwortet, wird insbesondere in der sakramentaltheologisch motivierten Kontroverse zwischen den Lutheranern und Calvinisten über die adäquate Bestimmung des Zeichens bedeutsam. 27 Noch gegen Ende des 17. Jahrhunderts bezeichnet Nicolaus a S. Iohanne Baptista die Frage nach der Verschiedenheit von Zeichen und Bezeichnetem als „sehr kontrovers" und widmet ihr eine eingehende Erörterung. 28 Signum est quod ordinatur ad aliquid repraesentandum potentiae cognoscitivae - (Zeichen ist, was dazu bestimmt ist, etwas dem Erkenntnisvermögen zu repräsentieren). 29 Bei Franciscus de Oviedo ist die von Toletus terminologisch eingeführte und von Rubius übernommene Distinktion - auf beide beruft sich Oviedo 30 - zwischen dem signum proprium und dem signum improprium in die allgemeine Zeichendefinition eingegangen. 31 Diese Bestimmung verdankt sich dem Bestreben, den, wenn jede Wirkung als Zeichen ihrer Ursache gilt, extensional nicht begrenzbaren Zeichenbegriff einzuschränken und zu präzisieren. Den historischen Hintergrund bildet offenbar Augustinus' prominenter Versuch der Abgrenzung von res und signa, demzufolge mit Blick auf das Kriterium der Zeichenproduktion nicht allen als Zeichen fungierenden Dingen in gleichem Maße Zeichencharakter zukommt. Denn neben den Dinge, die nur beiläufig als Zeichen genommen werden können, gibt es solche, die je schon als Zeichen intenstanzen Zeichen ihrer eigenen Verkäuflichkeit sind. Vgl. Kap. II, Anm. 6 5 . Dasselbe Argument ist noch im späten 17. Jahrhundert geläufig. Vgl. C. FRASSEN, O F M , Philos, académica 1.1 ( 1 6 8 6 ) 3 3 7 b : „...non ... necesse est signum distingui realiter a re significatica. ... fructus venales prae foribus Mercatorum appensi, tarn seipsos quam alios ibidem esse fructus venales significant." ; GERVASIUS VON BREISACH, O F M C a p . Cursus philosophicus, t. 1. ( 1 6 9 9 ) 2 3 9 : „Dices: Caro in Macello; equus in foro, pannus ante fores mercatoris etc. sunt signa illius carnis, equi, et pani venalis: ergo idem est signum suiipsius, proindeque signum non facit semper venire in cognitionem alterius re a se. Resp. Carnem in macello, equum in foro etc. non esse signa carnis, equi, et panni, sed existentiam earum in illis locis esse signum venalitatis." 27 28

29 30 31

S. Kap. V, Anm 7 6 .

Philos, augustiniana ( 1 6 8 7 ) 1 5 - 2 0 . Er unterscheidet in diesem Zusamenhang zwischen natürlichen und willkürlichen Zeichen und wertet die Selbstreferenz als ein Proprium der letzteren: „Dico ... nullum signum ...naturale esse sui ipsius signum. ... communiter omne signum distingui a re significata; non tarnen implicare dari signum instrumentale ad placitum, quod sit sui ipsius signum." (16). NICOLAUS A S. IOHANNE BAPTISTA,

F. OVIEDO, SJ, Integer cursus philosophicus ( 1 6 4 0 ) 4b. Vgl. ebd. 13 7f. F. TOLETUS, SJ, Introductio in universam Aristotelis logicam, in: Opera omnia philosophica ( 1 6 1 5 ) 2 0 8 b : „... signum proprium est, quod non solum sui cognitione alterius facit cognitionem: sed etiam ad hoc ordinatum est, sive a natura sive ab alio, ut aliud indicet: quo pacto ramus appositus est proprium signum vini vendibilis, quia sui cognitione facit cognitionem vini, et ad hoc ordinatum est, ut indicet vinum. Improprium autem est, quod sui quidem cognitione aliud facit cognoscere, non tamen ad hoc ordinatum est, ut fumus est signum ignis, et effectue causarum, et e contra, sed non sunt propria signa, cum non ad hoc ordinata sint."; Vgl. A. RUBIUS, SJ, Logica mexicana ( 1 6 0 5 ) 19f.

Die Definition des Zeichens

181

diert und gegeben sind und „deren ganzer Nutzen im Bezeichnen besteht".32 Unter den natürlichen Zeichen kommen hierfür, wie Rubius meint, in erster Linie die traditionell als „vox naturaliter significans" beschriebenen Zeichen in Betracht, d.h. tierische oder unwillkürlich hervorgebrachte, innere Affekte bezeichnende menschliche Laute. De facto werden durch dieses Kriterium alle Zeichen vom Typ 'Spur -> Tier', 'sprachlicher Ausdruck —> Sprecher' oder 'Wirkung -» Ursache', d.h. natürliche Indizes, aus dem Bereich des Zeichens im eigentlichen Sinne ausgeschlossen. Eine vergleichbarer Versuch der Limitation des Zeichens im eigentlichen Sinne auf vom Menschen oder der Natur - was immer das heißen mag - eingesetzte Zeichen findet sich bereits in Abailards Bestimmung des „significativum" als „quidquid habile est ad significandum ex institutione aliqua sive ab homine facta sive natura".33 Verständlicherweise variiert der Bereich derjenigen Dinge, die als von der Natur intendierte Zeichen angesehen werden. Denn wo die geistigen Konzepte selbst als Zeichen aufgefaßt werden, liegt es nahe, gerade sie als Exempel des signum proprium zu verwenden.34 Bereits die Conimbricenes haben sich gegen die Unterscheidung der Zeichen in eigentliche und uneigentliche ausgesprochen;35 wohl deshalb, weil das hiermit in Anschlag gebrachte Kriterium der intendierten Zeichenproduktion mit ihrem allein an der Funktion der Erkenntnisvermittlung orientierten Zeichenbegriff nicht vereinbar war und sie, da sie den Grund des Zeichenseins bei den signa naturalia in die Natur der Dinge selbst legten, eine von der Ordnung der Dinge abgehobene natürliche, göttlich intendierte Zeichenordnung nicht akzeptieren konnten.36 Nach Arriaga dagegen ist eine solche 'Sprachregelung' mehr Gewicht will er der Frage nicht beimessen - insofern inadäquat, als sie nicht nur gegen das allgemeine Zeichenverständnis verstößt, sondern auch außer Acht läßt, daß 'Zeichen' in erster Linie ein natürliches Phänomen ist und die signa ad placitum, weil - mit Ausnahme der sprachlichen Ausdrücke - im Vergleich zu den natürlichen Zeichen nur sehr gering an Zahl, eher von den als

32 33

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AUGUSTINUS, De doctr. christ., vgl. Kap. I, Anm. 114. Vgl. ABAILARD, Logica ingredientibus, Glossae ... super Pert ermenias (1927) 335; vgl. DERS., Dial. (1956) 111: „Nunc etiam per signa aliquid innuimus et hae quidem rerum proprie significare dicuntur quae ad hoc institutae sunt, sicut et voces, ut significandi officium teneant." Vgl. CHR. SCHEIBLER, Metaphysica (1636) 362f: „Signa propria sunt, quae significant, et ad hoc instituta sunt, ut significent. Talia sunt conceptus, species intelligibilis, et similia signa. Signa impropria sunt, quae signant quidem, tarnen per se non sunt instituta (a natura vel aliunde) ut signent. Sic effecta sunt signa causarum." Vgl. CONIMBRICENSES, SJ, Commentarti in univ. Aristotelis dialecticam (1607) 2.16: „Minus frequens, minusque accomodata est illa divisto qua signa bipartiuntur in propria, et impropria." Vgl. Anm. 109.

182

Das Zeichen in der Logik der posttridentinischen Scholastik

Zeichen par excellence geltenden signa naturalia

her überhaupt „ Z e i c h e n " ge-

nannt werden. 3 7 Einen ganz anderen, ja konträren Sinn wird dieselbe F o r m e l („Signum est id quod ordinatum est ad manifestandum intellectui aliquid distinctum ab ipso signo") gegen E n d e des Jahrhunderts bei dem von Leibniz geschätzten Jesuiten Giovanni Battista Tolomei annehmen, 3 8 da hier die W e l t selbst - und zwar vorrangig - einen göttlich instituierten Zeichenzusammenhang (ordo

significandt)

darstellt. 3 9 Signum est, q u o d media sui c o g n i t i o n e aliquid repraesentat - (Zeichen ist, was vermittels seiner Erkenntnis etwas repräsentiert) 4 0 37

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39

40

bzw. Signum est,

R. DE ARRIAGA, SJ, Cursus philosophicus (1668) 213b: J a m dixi, rem hanc esse de modo loquendi, in qua eo ipso mihi displicet haec doctrina, quia revera est contra communem sensum hominum... Et revera si attente id consideremus, signa ad placitum, exceptis vocibus, sunt valde pauca respectu naturalium. et illa videntur potius denominata a signis natural i bus, quam e contrario, ideoque potius, quae naturalia sunt, deberent dici per excellentiam signa." Vgl. J. Β. PROLEMAEUS, SJ, Philosophia mentis et sensuum (1698) 132a. Wohl nirgends wird dem Zeichen eine höhere Dignität zugewiesen als in Tolomaeis Philosophia, in der die Welt als eine Art Zeichenhymnus ad gloriarti Dei erscheint: „... Mundus sensibilis est explicatissimus signum ... Mundus totus est ordinatus ad gloriam Dei, sed eo ipso est signum, ... Non modo Mundus dicitur rectissime signum, sed iure appellatur Congregatio quaedam pene innumerabilium signorum; Sume vel minimam reculam ex naturalibus, illam scito plurimarum rerum esse signum. Primo, signum est Dei creatoris, et conservatone... Secundo, signum est naturalium causarum ... a quibus recula illa producta est. Haec duplex significatio inest omnibus rebus mundanis...; inde res quaelibet capax est dandi humano intellectui particulam quamdam felicitatis juxta verissimum illum effatum: Felix, qui potuit rerum cognoscere causas. Causas per signa tantum cognoscere possimus; adeoque felicitas illa provenit a signis." Der Wert der Welt als Zeichen übertrifft den Nutzen der Welt als Welt bei weitem: „Mundus qua ratione est significativus, tanto praestantior est se ipso quatenus utili; quantum praestat anima nostra corpori nostro. Nil ex rebus istis mundanis percipi potest emolumenti maioris; quam quod per illas in cognitionem veniamus rerum a sensibus maxime secretarum, et potissimum summae, et infinitae illius rei, quae Deus est." (135b). Ebenso ist die Zeichenwahrheit der Dinge höher einzuschätzen als ihre 'ontologische' Wahrheit, die ihnen als Dingen zukommt: „Veritas, seu cognoscibilitas relativa, quae rebus mundanis inest ex eo quod sunt signa, major, et aestimabilior est, quam Veritas earundem rerum absoluta..." (136b). Vgl. ebd. 135b-136a: „Sunt plurimae res in mundo, quae (nisi velimus confingere incredibiles quasdam utilitates) nullam aliam utilitatem praestant hominibus, quam quod signa sint: e contrario nulla rerum sensibilium est, quae utcumque sit insigniter utilis non illa quoque sit signum: est enim prorsus rectae rationi difforme ut res aliqua sensibilis extet nil a se distinctum significet. Hactenus locuti sumus de mundo sensibili, et rebus, quae sensu aliquo percipi possunt: si de substantiis corporeis, quae sunt tantum mediate sensibiles loqui velimus, ordo significandi sic potest instituí; ut accidentia sensibilia sint signa substantiae corporeae: haec vero creatam substantiam spiritualem significet: et substantia spiritualis (Angelus, vel anima rationalis) sit signum Dei: Deus vero signum non est, sed omnium rerum immediatum (136a) significatum..." A. BERNALDUS DE QUIROS, SJ, Opus philosophicum ( 1 6 6 6 ) 192b: „(Signum est) quod aliud a se potentia repraesentat; sed non placet, etenim species, habitus, et potentia dum causant cognitionem, aliud repraesentant, tarnen non sunt signa: ideo ego definió: Quod media sui

Die Definition des Zeichens

183

quod cognitum ducit nos in Cognitionen] alterius - (Zeichen ist, was als Erkanntes uns zur Erkenntnis von anderem führt).41 Diese Definitionen orientieren sich enger an der augustinischen Bestimmung des Zeichens, bei der die sinnliche Wahrnehmbarkeit ein konstitutives Bestimmungsmerkmal desselben ausmacht. Mit der Einführung der Bedingung des Erkanntseins des Zeichens kann jedoch sehr Verschiedenes intendiert sein. So kann mit ihr die definitorische Ausschaltung der Formalzeichen bezweckt sein;42 das muß aber nicht der Fall sein. Denn nach thomistischer Auffassung wird das signum formale, die species expressa oder das verbum mentis zusammen mit dem Gegenstand selbst erkannt. Es ist damit ein, wie z.B. Franciscus Bonae Spei sagt, „cognitum ut quo". Dieses Kriterium bietet sich dort an, wo die nach allgemeiner Auffassung selbst nicht erkannten species impressae nicht als signa eingestuft werden sollen. Ebenso wird damit vermieden, daß die Zeichendefinition auch dasjenige beschreibt, was, wie das Erkenntnisvermögen, bewirkend repräsentiert ( e f f e c t i v e repraesentat). Signum est, quod in alicuius veritatis cognitionem quempiam ducit (Zeichen ist, was irgendjemanden zur Erkenntnis irgendeiner Wahrheit führt).43 Diese Definition bezieht das signum nicht auf die prima operatio mentis, die simplex apprehensio, sondern auf die secunda operatio mentis, das iudicium als den logischen Ort der Wahrheit. Ein solches in der Tradition der stoischen Semiotik stehendes Zeichenkonzept, demzufolge jedes Zeichen ein die Existenz des Signifikats anzeigendes „Argument" ist, vertritt etwa auch Petrus de Comitibus.44

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43 44

cognitione aliquid repraesentat; ly sui cognitione praescindit a cognitione in actu exercito vel actu signato..." F. BONAE SPEI, OCarm, Commentarti tres in universum Aristotelis Philosophiam (1652) 10a: „... signum prout commune est etc., recte definitur 'quod cognitum ducit nos in cognitionem alicuius.' Dixi 'quod cognitum', puta ut 'quo' vel ut 'quod'; quia formale semper est ut 'quo' cognitum, sive cognitio alterius materialis aut spiritualis. (10b) ... cum intellectus non nisi cognoscendo moveatur et fiat veniens in cognitionem, sic ut ipsius moveri et in cognitionem sit cognoscere, nihil potest facere intellectum nostrum venire in alieujus rei cognitionem, nisi cognitum." Vgl. C. F. VERANI, Philosophia universa speculativa (1684) 6a: „Signum proprie non est medium quo cognoscendi, sed medium quod, ita ut non sit medium cognoscendi nisi ut cognitum."; Auf dieser Linie liegt auch J. B. DE BENEDICTIS, SJ, Philosopha peripatetica, t. 1 (1688) 508: „... de ratione signi proprie accepta non est, quod sit prius, vel posterius in natura, sed solummodo quod sit nobis praecognitum..."; vgl. S. DUPASQUIER, OFM, Summa philos, scholast. etscotistica (1705) 372. R. LYNCEUS, SJ, Universa philos, scholast. (1654) 203 a. P. DECOMITIBUS, OESA, Philosophia rationalis (1671) 495: „Omne signum est argumentum indicans existentiam signati. ... signum debet esse tale, ut non solum faciat nos venire in simplicem apprehensionem, seu cognitionem sui et signati, sed etiam debet facere, ut nos veniamus in iudicium, quo affirmemus existentiam illius, cuius est signum. Atque adeo de-

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Das Zeichen in der Logik der posttridentinischen Scholastik

Zumeist werden die genannten Definitionen explizit der Augustinischen Zeichendefinition („Signum est res praeter speciem quam ingerit sensibus, aliud aliquid ex se faciens in cogitationem venire") gegenübergestellt, welche für zu eng erachtet wird, da sie allein für die sinnlich wahrnehmbaren Instrumentalzeichen, nicht aber für die Formalzeichen bzw. die geistigen Begriffe gilt. Doch ist die Kritik an der augustinischen Zeichendefinition nicht einhellig. Verschiedentlich wird - im Anschluß an Scotus45 - versucht, sie durch eine erweiternde Interpretation dem gewandelten Zeichenverständnis anzupassen. Denn wenn man das in ihr enthaltene „sensibus" auch für den „sensus incorporalis" gelten läßt, erfüllt sie, wie Dupasquier später betonen wird, sogar in besonderem Maße die formalen Kriterien einer adäquaten Definition.46 Und weil die Frage nach dem Zeichenstatus der Konzepte alles andere als definitiv entschieden war, halten etliche Autoren an der augustinischen Definition fest.47 Allen diesen Definitionen gemeinsam ist die Einbindung des Zeichens in ein dreistelliges Beziehungsgefüge.48 Etwas ist Zeichen von etwas für jemanden - oder, mit den Worten von Peirce: „A sign stands for something to the idea which it produces, or modifies".49

C. Die ratio signi und die

Zeichenrelationen

Wie gesehen, ist der doppelte Bezug des Zeichens auf das Signifikat einerseits und das Erkenntnisvermögen andererseits fester Bestandteil der wie auch immer ansonsten voneinander abweichenden Zeichendefinitionen. Wo indes von zwei Beziehungen auszugehen ist, stellt sich die Frage nach der Gewichtung derselben sowie nach ihrem Verhältnis zum Formalbegriff des Zeichens. Diese

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bet habere rationem praemissae, in ordine ad iudicium." Eine Gleichsetzung von ''signum' und ' a r g u m e n t u m ' war von Cicero her bekannt. Vgl. A. BURSIUS, Dialéctica Ciceronis (1604) 292. S. Kap. II, Anm. 161. Vgl. S. DUPASQUIER, O F M , Summa philosophiae scholasticae, et scotisticae ( 1 7 0 5 ) 3 7 2 f : „Haec definitio explicat naturam signi per verum genus, et per veram differentiam ejus; nam sensus illius definitionis est, quod signum debet prius cognosci, et per sui cognitionem facit nos venire in cognitione alterius. Primum habet rationem generis, convenit enim cum omnibus objectis potentiae cognoscitivae: Secundum vero habet locum differentiae, nam per hoc differt signum ab iis objectis, in quorum cognitione sistit potentia." Vgl. D. BANEZ, O P , Institutions minoris dialecticae ( 1 6 3 1 ) 2 7 ; R. CRAKANTHORP, Logicae libri quinqué ( 1 6 2 2 ) 2 2 ; Β . BARO, O F M , Joan. Duns Scotus ... per univ. philos. ... defensus ( 1 6 6 4 ) 3 b : „... signum est quod ducit in alterius cognitionem excitando speciem illius in intellectu percipientis signum propter connexionem quam habet res illa quae dicitur signum cum ea quae dicitur significatum... Vides ergo definitionem Augustini sustinere posse ut absolute universalem, quia nimirum ea quae sub illa non comprehenduntur nec sub signo comprehenduntur. "

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Auf die Dreistelligkeit des scholastischen Zeichenkonzeptes hat bereits H. ROOS hingewiesen (Sprachdenken im Mittelalter: Classica et Mediaevalia 9 (1948) 205f). C. S. PEIRCE, Collected Papers ( 1 9 3 1 - 5 8 ) 1 . 3 3 9 .

Die ratio signi und die Zeichenrelationen

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Frage bildet den Ausgangspunkt der dem Umfang wie dem Einfluß nach bedeutendsten Zeichenlehre des beginnenden 17. Jahrhunderts, derjenigen der Conimbricenses. 50 Sie wenden sich dabei - obwohl der Stellenwert dieses Problems auffallend niedrig angesetzt wird 51 - gegen die namentlich an Bonaventura 5 2 und Scotus 53 festgemachte aber auch bei einigen recentiores vertretene Position, derzufolge von den beiden Rücksichten allein die auf die bezeichnete Sache untrennbar mit dem Begriff des Zeichens verbunden sei, wohingegen die auf das Erkenntnisvermögen eine auf jene Relation folgende Eigenschaft des Zeichens sei, da bereits aufgrund einer natürlichen oder sich willkürlicher Einsetzung verdankenden Verbindung mit dem Signifikat das Zeichen seine Eignung erhalte, ein Erkenntnisvermögen die durch es bezeichnete Sache erkennen zu lassen. 54 Demgegenüber vertreten sie die Auffassung, daß das Zeichen wesensmäßig beide Beziehungen einschließt, da der vollständige Begriff des Zeichens sich nicht ohne dessen Vermögen erfassen läßt, irgendeinem Erkenntnisvermögen eine Sache gegenwärtig zu machen. Ein weiteres Argument für die wesentliche Zugehörigkeit der Rücksicht auf das Erkenntnisvermögen zum Begriff des Zeichens ergibt sich für sie daraus, daß die beiden Arten des formalen und instrumenteilen Zeichens sich aus eben dieser Rücksicht ableiten, die Art aber nur durch einen wesentlichen Teil differenziert werden kann. 5 5 Beide Rücksichten erscheinen nach der Darstellung der Conimbricenses als nicht im gleichen Maße durch die Tradition abgesichert. Während die Beziehung auf das Signifikat als allgemein anerkannt vorausgesetzt werden kann, ist 50

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52 53

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55

Vgl. hierzu J. P. DOYLE, The Conimbricenses on the Relations Involved in Signs, in: Semiotics, hg. J. N. Deely (1984) 567-76. CONIMBRICENSES, SJ, Commentarti in univ. Aristotelis dialecticam (1607) 2.9: „Non est tanti momenti haec res, ut in alterutrum parte multum insistendum sit..." Vgl. Kap. II, Anm. 46. Vgl. JOHANNES DUNS SCOTUS, Reportata parisiensia IV d. 1 q. 2, n. 3, Op. omn. (1891-95) 23. 546a: „... duo importât, scilicet respectum ad signatum quod signât, et [das bei Vivès hier stehende „ad" ist m.E. zu streichen] fundamentum, in quo est respectus hujus signi. Unde signum dicitur respective ad aliquod signatum, ut pater ad filium..." Vgl. Ps.-SCOTUS, Meteorologium liber primus, q. 24 a. 1 (1891-95) 4. 115a-b: „... signum est relatio ad signatum, et ideo signum est, per quod devenimus ad significationem signati, sicut per fumum devenimus in cognitionem ignis." Damit ist offenbar auf Positionen gezielt, die betonen, daß das Zeichen auch im Fall des gegenwärtigen Fehlens eines Bezugs zum Zeicheninterpreten (Schrift im geschlossenen Buch) Zeichen bleibt. Vgl. Kap. III, Anm. 40f. CONIMBRICENSES, SJ, Commentarti in univ. Aristotelis dialecticam (1607) 2.9: „... verisimilius videtur signum formaliter includere utramque habitudinem. Quod primo colligitur ex definitione, ubi utraque ex aequo exprimitur; idque iure optimo: nam si mens consulatur, non potest apprehendi integra signi ratio, quin concipiatur potestas objiciendi rem alicui potentiae. Secundo respectus ad potentiam variat speciem signi; ergo pertinet ad illiud essentiam. Consequentia est optima, quia species non variatur nisi per partem essentialem. Antecedens probatur. Quoniam signum formale, et instrumentale sunt duae signorum species in hoc dissidentes, quod unum percipitur a potentia: aliud non percipitur; qui sunt respectus ad potentiam."

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D a s Zeichen in der Logik der posttridentinischen Scholastik

die Frage, ob das Zeichen zugleich auch die Beziehung zum Erkenntnisvermögen einschließt, kontrovers. Ihre Antwort lautet: Wir bejahen dies eher, wie es auch die neueren Autoren durch jene von ihnen getroffenen Unterscheidung zu tun scheinen, dergemäß der Begründung der gegenteiligen Auffassung zuzugestehen ist, daß in jeglichem Zeichen die Beziehung auf die Sache früher ist als diejenige auf das Erkenntnisvermögen... Abzulehnen ist es jedoch, wenn daraus gefolgert wird, daß in jener ersteren Beziehung der Begriff des Zeichens erfüllt wird. Wenn wir nämlich jene ganze Beziehung bei einer Sache annehmen, die keine Angemessenheit besitzt, mit irgendeinem Erkenntnisvermögen zur Repräsentation des Bezeichneten zusammenzukommen, so würde diese Sache nicht Zeichen genannt werden; wie auch der Rauch nicht hinsichdich des Gehörs, von dem er nicht wahrgenommen wird, sondern in Rücksicht der Augen Zeichen des Feuers genannt wird. Es kann also geschehen, daß die zweite Beziehung die erste voraussetzt; dennoch besteht der vollständige Begriff des Zeichens in beiden. 56

Was hier ausgetragen wird, hat nicht den Status einer Kontroverse zwischen einem dyadischen und einem triadischen Zeichenbegriff. Denn auch die gegenteilige Auffassung impliziert keinesfalls das, was adäquat als zweistellige Zeichenkonzeption beschreibbar wäre. Nirgends wurde das triviale Faktum bestritten, daß eine Semiose, daß der tatsächliche Prozeß des Bezeichnens und damit das Zeichen in seinem aktualen Funktionieren nur unter Berücksichtigung zumindest - der beiden Beziehungen auf das Signifikat einerseits und auf ein Erkenntnisvermögen andererseits konzipierbar ist. Zur Diskussion steht lediglich, ob der Begriff des Zeichen aus der tatsächlichen Bezeichnungsleistung her entwickelt und an dieser festgemacht werden muß. Auch Bonaventura hatte bei seiner relationalen Bestimmung des Zeichens eine Beziehung auf das Erkenntisvermögen behauptet, diese jedoch, weil sie als Erkanntsein oft nur habituell gegeben ist, nicht zur Essenz des Zeichens gerechnet, um so auch das gegenwärtig nicht wahrgenommene Zeichen noch als solches gelten lassen zu können. Die Conimbricenses dagegen erklären gemäß der vorherrschenden Auffassung des duplex respectus, daß der Bezug auf ein Erkenntnisvermögen durch die Bedingung der Erkennbarkeit des Zeichens oder allgemeiner: seiner Eignung (aptitudo), mit einem solchen zur Bildung einer Erkenntnis zusammenwirken zu können, je schon impliziert sei.57 Deshalb verpflichtet auch das von Bonaventura angeführte Fallbeispiel des aktuell nicht 56

Ebd. 2 . 1 0 : „Certum ergo signum formaliter significare habitudinem ad rem. Solum existit dubitatio, an simul includat habitudinem ad potenentiam; cuius partem affirmantem magi s probavimus, et Recentiores sua illa distinctione videntur admittere. Iuxta quam rationem pro parte negativa concedendum est, respectum ad rem in quovis signo esse priorem ilio, qui est ad potentiam...; negandum tarnen, q u o d inde infertur, in ilio priori absolví rationem signi. Si enim intelligeremus totam illa habitudinem in re aliqua absque proportione, ut concurreret cum aliqua potentia ad repraesentandum significatum, non appellaretur ea res signum: ut non appellatur fumus signum ignis respectu auris, a qua non percipitur, sed respectu oculi; fieri ergo potest, ut secunda habitudo supponat priorem; in utraque tarnen constituatur perfecta ratio signi."

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Ebd. 2 . 8 f.

Die ratio signi und die Zeichenrelationen

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wahrgenommenen Zeichens nicht zur Annahme der Position einer einzigen, dem Zeichen wesentlichen Relation auf das Signifikat. Denn der als aptitudo konzipierte Interpretantenbezug bleibt auch in einem solchen Fall bestehen.58 Dieser Auffassung liegt die wesentlich ältere Übereinkunft zugrunde, daß die Definitionen des Zeichens oder der vox significativa, wenngleich sie dem Wortlaut nach einen Akt beschreiben, im Sinne einer aptitudo zu verstehen sind.59 Die Distanz zwischen diesen Position ist also kaum größer als die Differenz von habituellem Erkanntsein und aktueller Erkennbarkeit. Das mag für Ansätze, denen es um eine präzise Bestimmung des Zeichens und seiner Relationen im System metaphysischer Begrifflichkeit geht, einen Unterschied machen. Für die Beschreibung seines Funktionierens indes trägt das nichts aus. Und genau dies ist offenbar der Grund dafür, daß die Conimbricenses die Relevanz der Frage relativ niedrig veranschlagen. Denn es ist gerade charakteristisch für ihren Ansatz, daß sie bemüht sind, das Zeichen so weit wie möglich von metaphysischer Problematik freizuhalten und ganz von den Bedingungen seines Funktionierens her zu interpretieren.

58

Dies gilt auch unter verschärften Bedingungen, wie ARRIAGA (Cursus philos. (1632) 179a) deutlich macht: „... signum non exigere actual em repraesentationem, quia fumus, etiamsi a nullo videatur, tunc tarnen est signum ignis: item cognitio obiecti, licet a Deo poneretur in lapide, haberet tarnen rationem signi, quia habet aptitudinem ut repraesentet in actu secundo suum obiectum." Das hier angeführte Beispiel des durch göttliche Allmacht in einen Stein versetzten Erkenntnisaktes sollte mit der von Pierre d'Ailly in die spätmittelalterliche Definition des significare eingeführten Bedingung des vitaliter immutare gerade aus dem Bereich des Bezeichnens ausgeschlossen werden. Vgl. Kap. III, Anm. 29. Worum es Arriaga geht, ist die Klarstellung, daß die aptitudo und damit die ratio signi solange gewährleistet ist, als das Zeichen, ohne irgendeine Änderung an ihm selbst erfahren zu müssen, etwas repräsentieren würde, wenn es mit einem Erkenntnisvermögen zusammenwirkt.

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D. SOTO, Summulae (1554) fol. 3va: „Verba in definitione non dicunt actum: sed aptitudinem. Ad hoc enim quod res aliqua sit signum, non exigitur quod actu repraesentet: sed satis est quod sit apta repraesentare in potentia propinqua, id est, nulla mutatione facta per quam talis res acquirat novam potentiam significandi." Vgl. Introductiones montanae minores, vgl. L. M. DERIJK, Log. mod. 2/2 (1967) 12: „Nec est dicendum simpliciter vocem esse significativam que ... significat actualiter, sed que habet aptitudinem significandi..."; ROBERT HOLKOT, 2 Sent. q. 2 (1518) fol. ilva: „dico quod termini positi in diffinitione [sc. signi] qui sonant in actum debent exponi ut sonent in aptitudinem; ut dicatur scilicet signum est etc. qua nata sunt devenire in notitiam alterius."; MENGHUS BLANCHELLUS, Commentum cum quaest. super log. Pauli Veneti (1476) fol. alva; J. TLNCTORIS, Dicta super Summulas Petri byspani (1486) fol. Blvb-B2ra; G. LAX, Parve divisiones terminorum (1502) fol. a3rb; J. ECK, In summulis Petri Hispani explanatio (1516) fol. 83va; F. BONAE SPEI, OCarm, Comment, tres in univ. Arist. philos. (1652) l i a . Ein später Vertreter dieser Lesart ist U. ECO; vgl. Semiotik (1987) 38f: „Ich möchte die morris'sche ... Definition übernehmen, derzufolge »etwas ein Zeichen nur deshalb ist, weil es von einem Interpreten als Zeichen für etwas interpretiert wird...... Ich möchte die morrissche Definition nur insofern modifizieren, als die Interpretation durch einen Interpreten, die anscheinend das Zeichen charakterisiert, als mögliche Interpretation durch einen möglichen Interpreten zu verstehen ist."»

188

Das Zeichen in der Logik der posttridentinischen Scholastik

De facto ist der Bezug auf das Erkenntnisvermögen in allen geläufigen Zeichendefinitionen, der augustinischen ebenso wie der im 17. Jahrhundert an ihre Stelle tretenden, präsent oder steht sogar im Vordergrund, wie bei den aus der augustinischen Zeichendefinition entwickelten und traditionell zur Beschreibung des Zeichens verwendeten Formeln des facere in cognitionem venire oder ducere in cognitionem, bei denen das Erkenntnisvermögen das direkte Objekt der vom Zeichen geleisteten 'Tätigkeit' ist. Denn das facere in cognitionem venire oder ducere in cognitionem meint in der Regel nicht, wie man zuerst vermuten könnte und wie es bei Augustinus tatsächlich der Fall ist, daß etwas in die Erkenntnis gebracht wird, sondern im Gegenteil, daß das Erkenntnisvermögen oder der Zeicheninterpret zur Erkenntnis von etwas gebracht wird. Akkusativobjekt ist nicht das Signifikat, sondern der Zeicheninterpret. Das Signifikat erscheint nur im Genitivus obiectivus als dasjenige, zu dessen Erkenntnis der Zeicheninterpret oder das Erkenntnisvermögen geführt wird.60 In der Regel war damit klar, daß das Zeichen beide Beziehungen innerlich einschließt61 und anders nicht konzipiert werden kann.62 Denn, wie Arriaga betont, ist der Bezug auf das Erkenntnisvermögen bereits durch die Bestimmung des Zeichens als eines Repräsentierenden impliziert, da Repräsentation sich nicht anders als in bezug zu jener Instanz beschreiben lasse, der allein die Repräsentation wesensmäßig zukommt.63 Entsprechend heißt es auch bei Tellez: 60

THOMAS VON AQUIN, Sth. III, q. 6 0 , a. 4 : „Signum ... est, per quod aliquis

devenit

in

cogni-

tionem alicuius."; Ps.-RLCHARD OF CAMPSALL, Works ( 1 9 8 2 ) 2 . 7 8 : „'significare' non sit nisi 'in cognitionem huius ducere', et vox ad cognicionem conceptus saltern confusam nos ... ducat..."·, ALBERT VON SACHSEN, Perutilis logica ( 1 5 2 2 ) fol. a2va-b: „... res aliquando ap-

prehense faciunt venire intellectum in cognitionem terminorum et reducunt ita términos ad memoriam..."; vgl. ebenso PAUL VON VENEDIG, Logica magna ( 1 9 7 9 ) 4 6 ; MENGHUS BLANCHELLUS, Commentum cum quaest. super logicam Pauli Veneti ( 1 4 7 6 ) fol. a l v a : „... signum est illud quod apprehensum ab intellectu ducit ipsum in cognitionem alicuius rei."; JACOPO RICCI D'AREZZO, Obiectiones et annotationes super locicam Pauli Veneti ( 1 4 8 8 ) fol. a2rb: „... Signum e s t . . . quod si apprehendatur faciat nos venire in cognitionem alicuius..."; G. LAX, Parve divisiones terminorum ( 1 5 0 2 ) fol. a4vb: „... signum est quod apprehensum facit venire in noticiam alicuius . . . " (die Hervorhebungen stammen von mir). Vgl. ferner z.B. ANM. 4 1 (BONAE SPEI), 4 7 (BARO), 6 7 (LYNCEUS), 101, 1 0 5 , 1 0 8 (CONIMBRICENSES), 113 (OVIEDO), 1 1 6 (ARANHA), 1 1 8 (SFONDRATI) 144, 153, 1 5 6 (ARAÚJO), 1 6 9 (LUBLINO), 171, 191, 1 9 2 , 1 9 4 , 2 1 0 (A STO. THOMA), 2 3 3 (MASIUS, DELALLANA), 2 3 9 (TOLETUS), 2 4 3 (ARRIAGA, TELLEZ), 2 4 4 (MASTRIUS, DERODON, LOCHERER), 2 4 9 (A STO. IOHANNE BATTISTA), 2 5 4 (LERMA), 2 5 7 (VERANI), 2 6 6 (PONCRJS, QUIROS, BARTHOLINUS, GONÇALEZ, CATTANEUS), 2 6 7 (DUHAMEL), 2 8 2 (HURTADO), 2 8 7 (GUFL), 3 0 4 (COMPLUTENSES), 3 1 0 (RENTZ), 4 3 0 (RUBIUS) 4 3 3 (IOANNIZ ET ECHALAZ). 61

SAMUEL DE LUBLINO, OP, In univ. Arist. logicam quaest. ( 1 6 2 0 ) 3 8 8 : „... signum indudit intrinsece duos respectus, alterum ad rem significatam, et alterum ad potentiam cognoscitivam, quorum uterque explicatur in definitione..."

62

NICOLAUS AS. IOHANNE BATTISTA, Philosophia augustiniana ( 1 6 8 7 ) 15f: „Non posse concipi signum nisi cum duplici habitudine, una ad rem significatam, altera vero ad potentiam respectu cuius est signum." R. DE ARRIAGA, SJ, Cursus philosophicus ( 1 6 3 2 ) 179a: „Adverte ... signum dicere ordinem et ad potentiam cognoscentem, et ad rem significatam. Ad potentiam quidem cognoscen-

63

Die ratio signi und die Zeichenrelationen

189

Essentia signi consistit in repraesentatione, cum duplici respectu essentiali ad rem, et ad potentiam. - (Das Wesen des Zeichens besteht in der Repräsentation mit einer doppelten wesensmäßigen Beziehung auf die Sache und auf das Erkenntnisvermögen). 64

Damit steht fest, daß das Wesen des Zeichens aus beiden Bezügen integriert wird65 und in ihnen die Natur des Zeichens besteht,66 zumindest aber das Zeichen nur unter Berücksichtigung beider definiert werden kann.67 Nach einer anderen, vorwiegend von Thomisten wie Francisco de Araújo und Johannes a Sancto Thoma vertretenen Auffassung, sind beide Beziehungen zu einer einzigen, im Vollsinne dreistelligen Zeichenrelation integriert, welche direkt auf das Signifikat und indirekt (in obliquo) auf das Erkenntisvermögen abzielt.68 Dort schließlich, wo das Zeichen speziell in seiner kommunikativen Funktion thematisiert wird, kann der Bezug zum Erkenntnisvermögen weiter ausdifferenziert und der Bezeichnungsakt als vierstelliges Relationsgefüge interpretiert werden. Denn da sprachliche Ausdrücke intentional auf Mitteilung bezogen sind, es zu einer solchen aber ebensowohl eines Rezipienten bedarf, der in der Lage ist, diese zu verstehen, wie eines Zeichensenders, der einen Gedanken qua Zeichen mitzuteilen beabsichtigt, handelt es sich dort, wo einer dieser Bezüge fehlt, nicht im eigentlichen Sinne um eine Semiose.69 In diesem Sinne gilt dann hinsichtlich des willkürlichen Zeichen, wie Hurtado de Mendoza meint, auf den diese Erweiterung zurückgeht: Signum dicit respectum ad tría: primo ad intellectum a quo imponatur, secundo ad personam cui significat, tertio ad rem, ad quam imponatur - (Ein Zeichen impliziert einen Bezug auf dreierlei: erstens auf den Intellekt, von dem es eingesetzt wird, zweitens auf die Person, der es etwas bezeichnet, drittens auf die Sache, für die es eingesetzt wird). 70

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tem, quia cum signum sit repraesentativum, debet respicere potentiam cui possit convenire repraesentatio formaliter: haec autem sola est potentia cognoscens ... Ad rem significatam etiam debet dicere ordinem, quia non potest esse signum, quin respiciat aliquid quod signified." B. TELLEZ, SJ, Summa universae philosophiae (1642) 80a. S. ARANHA, S J , Disp. logicae ( 1 7 3 5 ) 2 4 1 : „... essentiam signi integran ex duobus respectibus, uno ad rem significatam, altero ad potentiam, cui significat." J . B . Du HAMEL, Philosopha vêtus et nova ( 1 6 8 2 ) 1 8 1 : „Signum definiri solet, id quod facultati cognoscenti aliud a se repraesentat. Ex qua definitione liquet, signum ad duo referri, nempe ad facultatem, quae cognoscit, et ad rem ipsam, quae per signum repraesentatur: ac cujusque signi natura in duplici illa relatione consistit." R. LYNCEUS, SJ, Universa philos, scholast. (1654) 205a: „... signum definiri debet, quod ad alicuius notitiam quempiam ducit: at partícula alicuius, dénotât rem significatam; et quempiam, indigat potentiam cognoscentem: definiri ergo debet per respectum ad utrumque." S. u., III. D 2 a u. b. Vgl. R. DE ARRIAGA, SJ, Cursus philosophicus (1632) 183a: „Ratio significandi in actu secundo consistit in eo, quod quis audiens illam vocem, veniat de facto in cognitionem rei per illam significatae, et quod ipse proferens vocem intelligat quae dicit." P. HURTADO DE MENDOZA, S J , Disp. de universa philosophia ( 1 6 1 7 ) 1 4 5 .

190

Das Zeichen in der Logik der posttridentinischen Scholastik

Das von einem Papageien hervorgebrachte Wort ist dieser Auffassung nach ebensowenig Zeichen im Vollsinn, wie das zu einem Stein gesprochene. 71 Diese Position wurde von einigen Jesuiten übernommen, 72 die damit betonte Notwendigkeit eines dem Zeichen zugrundeliegenden Verständisses oder Begriffs auf Seiten des Zeichensenders blieb jedoch umstritten. Zumeist sah man das Zeichenverständnis seitens des Zeichenrezipienten für das willkürliche Zeichen ebenso wie für das natürliche als hinreichend an. 73 Ausführlich setzt sich Caramuel de Lobkowitz mit Hurtados These des triplex respectus auseinander. Wenn man schon annimmt, daß die Signifikation in einer Relation besteht (Caramuel wird dies aufgrund seines - vorsichtig formuliert - eigenwilligen Signifikationsmodells 74 später bestreiten), dann reicht bereits die einfache Relation zum Signifikat für Begründung der essentia significationis aus. Denn allein durch die Relation zur bezeichneten Sache wird der

71

Ebd. 1 4 5 : „... voces ab animante prolatae, ut quando psittacus loquitur, non sunt significativae ad placitum, quibus non utitur psittacus tamquam signis... Item si quis loquitur lapidi, aut bruto, proprie nihil significat, quia illae res sunt incapaces cognoscendi per signum ad placitum. ... Item si quis utatur vocibus nil significantibus ad libitum, nullum dat signum, quia deest relatio ad rem significatam, et ad ilium, cui debet significare. Igitur ad rationem signi ad placitum requiritur, ut qui dat signum, aliquid velit significare, et ille, cui dat, id possit percipere per signum."

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F. DE OVIEDO, SJ, Integer Cursus philos. ( 1 6 4 0 ) 140a: „vox significativa triplicem dicit respectum. Ad proferentem, qui illam substituit loco conceptus repraesentantis obiectum, ad quod significandum vox est imposita... Dicit insuper respectum ad audientem ex se capacem concipiendi rem significandam, ex vi signi. Tandem dicit respectum ad rem, quam significat." J . IOANNIZ ET ECHALAZ, Philosophia ( 1 6 5 4 ) 2 1 5 a : „... verbum triplicem habitudinem et ordinem essentialiter includere, alium ad rem quam significat, alium ad conceptual proferentis, quam exprimit, alium ad intellectum audientis, cui talem rem repraesentat..."; vgl. auch S. CHAUVIN, Lexicon philosophicum ( 1 7 1 3 ) 5 9 9 a : „... significationem ex triplici respectu componi: dictio enim significativa respicit, primo intellectum, a quo imponitur; secundo personam, cui significat, tertio rem, cui imponitur."

73

Explizit gegen Hurtado argumentiert z.B. TH. COMPTON CARLETON, SJ, Pbilosophia universa ( 1 6 4 9 ) 158. Ihm folgt im Wesentlichen G. GUARINI, Placita philosophica (1665) 730a. Eine vermittelnde Postition vertritt F. BONAE SPEI, OCarm, Commentarii tres in universam Aristotelis Philosophiam ( 1 6 5 2 ) I I a : „... signum sonare actum, ut patet ex ipsius definitione: nihil tarnen obstat agnoscere signa aptitudinalia, et in actu primo, dum nihil actu significant, et talia sunt voces, dum a non intelligente proferuntur, leguntur aut imprimuntur, unde latius patet loqui, quam significare in actu secundo, non vero quam significare in actu primo, quae non satis distinguit Pater Thomas Comptonus..."

74

Vgl. J . CARAMUEL DE LOBKOWITZ, OCist, Rationalis et realis philosophia ( 1 6 5 4 ) 4 : „ ... est... significatio ... quaedam transessentiatio aut transsubstantiatio moralis, vi cujus voces in res significatas moraliter convertuntur, manentibus dumtaxat accidentibus aut speciebus audibilibus."; Gegen Caramuels signifikationstheoretische Verwendung des Mysteriums der Transsubstantiation wird später C. F. VERANI ( P h i l o s o p h i a universa speculativa (1684) l i b ) das Modell der Inkarnation ins Feld führen: „... quemadmodum Caramuel explicat significationem vocis cum re significata per mysterium Eucharistiae: ita clarius possemus explicare singificationem vocis cum coceptu mentali significato per aliud mysterium incarnationis. ...possemus dicere verbum vocale esse ipsum conceptum mentalem, materiali tarnen voce vestitum, ut nostris sese insinuet auribus."

Die ratio signi und die Zeichenrelationen

191

sprachliche Ausdruck signifikativ, d.h. zu einem signum in actu primo, bzw. zu einem Zeichen, das etwas bezeichnet; wenngleich noch nicht gesagt werden kann, daß es jemandem etwas bezeichnet. Denn für ein solches tatsächlich signifizierendes Zeichen in actu secundo ist es erforderlich, daß diese Relation dem Hörer bekannt ist. Caramuel operiert hier nicht mit der Annahme einer zweiten Relation, sondern mit einer Modifikation der die Signifikation als solche begründenden Relation zum Signifikat. Entsprechend muß auch für die kommunikativ verwendeten Zeichen keine dritte Relation angesetzt werden. Es ist lediglich erforderlich, daß sowohl dem Sprecher wie dem Hörer die Relation bekannt ist. 75 Unter dieser Voraussetzung sind eben auch die voces psittacorum, die von Papageien hervorgebrachten Wörter, signifikativ und, sofern sie vom Hörer verstanden werden, sogar signifizierend. Die von Caramuel beigebrachten Argumente sind schlagend: Hurtado sage mir doch bitte, warum, wenn sie (die voces psittacorum) denn nichts bedeuten, die Holländer, die diese Vögel aus Indien nach Europa importieren, ihnen mit so großem Fleiß ihre Häresien beibringen und wir ihnen mit so großer Sorgfalt erst wieder ihre Frechheiten und Gotteslästerungen abgewöhnen? Welche edle und anständige Jungfrau würde es wagen, einen Papageien zu besitzen, der unzüchtige Reden hält? 76

Aus der Perspektive der Zeicheninterpretation macht es offenbar keinen Unterschied, ob dem gesprochen Wort oder der Rede auf Seiten des Sprechers ein Verständnis zugrundeliegt oder nicht. Das ist jedoch eine Problematik, die speziell die adäquate Beschreibung sprachlicher Kommunikation betrifft. Sie steht somit nicht zwangsläufig in Konkurrenz zu der hinsichtlich des Zeichens im allgemeinen formulierten Theorie des duplex respectus. Immerhin aber zeichnet sich hier bereits ab, daß zur Beschreibung einer konkreten Semiose in der Regel mehr Elemente erforderlich sind, als die nur beiden zur abstrakten Bestimmung des Zeichens verwendeten Relationen.

75

76

J. CARAMUEL DE LOBKOWITZ, OCist, Rationalis et realis philosophia (1642) 6a: „Sane si dicerem significationem esse relationem, non quidem triplicem sed simplicem relationem ponerem ad salvandam essentiam significationis in actu primo. ... Signum in actu primo dicit relationem ad rem significatam, et hoc sufficit ut significet aliquid, non tarnen ut alicui. Signum in actu secundo, nempe illud quod significat aliquid alicui, dicit relationem vocis ad rem significatam, non qualitercumque sed qua cognitam, ab eo cui significat. (...) Verba tandem ut ad collocutionem pertineant debent habere relationem ad res significatas, hancque cognitam audienti et proferenti; colloquium enim conceptuum communicatio est, et haec per incognita signi fieri non potest." Ebd. 6a: „... dicat mihi Hurtadus, si illae nihil significant, cur Hollandi qui has volucres ex Indiis in Europam important, tanto studio eas docent suas haereses? cur nos tanta cura sordes et blashemias dedocemus? Quae virgo ingenua et nobilis auderet habere psittacum verba impudica proferentem?"

192

Das Zeichen in der Logik der posttridentinischen Scholastik

D. Der metaphysische

Status der

Zeichenrelationen

Die relationale Bestimmung des Zeichens oder sogar seine ausdrückliche Einordnung in die Kategorie der Relation, wie sie sich bereits bei Sextus Empiricus findet, ist ein gängiges Lehrstück der mittelalterlichen Zeichentheorie. 77 Doch erst in der Logik der Zweitscholastik avanciert im Kontext der Erörterung der ratio signi, des Begriffs oder Bestimmungsgrundes des Zeichens, d.h. die Frage nach dem metaphysischen Status der Zeichenrelation, zu einem der Hauptthemen der Zeichentheorie. Natürlich hat auch dies eine Vorgeschichte. Bereits Johannes Duns Scotus hatte im Rahmen seiner Behandlung des Sakramentalzeichens die metaphysische Konstitution des signum aus der relatio signi und des sie tragenden Fundaments zur Entwicklung einer systematischen Zeichendistinktion zu instrumentalisieren versucht. 78 Dabei ergibt sich die grundlegende Dichotomie von signum naturale und signum ad placitum aus dem Status der Relation als einer realen oder gedanklichen. 79 Weitere aus der Relation auf das Signifikat ableitbare Zeichendistinktionen sind die zwischen dem immer sein Signifikat „beisichhabenden" oder „nachsichziehenden", d.h. die Existenz desselben verbürgenden und daher stets wahren „signum efficax" und jenem Zeichen, das, wie die sprachliche Proposition, dies nicht leistet, 80 sowie die Unterscheidung des Zeichen gemäß der

77

S. Kap. II, Anm. 4 2 f . Vgl. THOMAS VON AQUIN, Sth. 2/2 a. 2 ad 3 : „... relatio ... importatur in n o m i n e s i g n i . . . " ; SCOTUS, vgl. A n m . 5 3 ; J . GERSON, S. A n m . 9 5 ; J . DORP, in: JOHANNES

BURIDAN, Compendium totius logicae ( 1 4 9 9 ) fol. g7va: „... ly signum est species ad ly ad aliquid correlative dictum ad signatum."; G. FRILDEN, s. Anm. 95. 78

Reportata Parisiensia IV, d . l , q.2, n.3, Op. omn. ( 1 8 9 1 - 9 5 ) 2 3 . 5 4 6 a : „Et cum signum hoc duo importet, vel necessario requirat, scilicet fundamentum et relationem, ex hoc sequitur quod ex parte utriusque potest distingui."

79

Ebd.: „Ex parte autem relationis, quam importât signum, distinguitur signum primo in signum naturale, et importât relationem realem ad signata; tum etiam, in signum ad placitum tantum, et non naturale, quod importât relationem rationis, ut sunt voces et nutus Monachorum, quia ista possunt significare alia, sicut ista, si placeret institutionibus [? instituentibus]..." Zur Bestimmung der relatio signi der willkürlich eingesetzten Zeichen als eine gedankliche Relation vgl. Ord. IV, d.6, q . 1 0 , Op. omn. ( 1 8 9 1 - 9 5 ) 16. 6 2 1 a .

80

Ebd. 5 4 6 a - b : „Alia est divisio in signum, quod semper habet suum signatum secum, quantum est ex parte sui, et tale signum es verum et efficax, sicut eclipsis est signum efficax interpositionis terrae inter Solem et Lunam; et ita est similiter de aliis signis naturalibus. Aliud est signum, quod non habet suum significatum secum, cujusmodi signum est propositio quam proferimus, quia non est in potestate nostra quod tale signum, ut propositio, secum habet rem, quam significat, et hoc signum non est semper verum, sed aliquando falsum." Das signum efficax ist nicht nur durch die Wahrheit oder Gewißheit bestimmt, sondern darüber hinaus dadurch, daß das Signifikat auf das Zeichen gemäß der natürlichen Ordnung folgt. Vgl. Ord. IV d . l q.2, op. omn. ( 1 8 9 1 - 9 5 ) 1 0 5 b : „Proprie ... dicitur signum efficax, si adhibito signo, sequitur signatum ordine naturae, et non e converso, quia si signum sequeretur signatum suum ordine naturae, etsi potest esse signum certum, si nunquam carerei ilio signato praecedente, non tarnen esset efficax, quia nullo modo ejus posito efficaciam haberet respectu signati, sed e converso." Als signum efficax, später auch signum practicum genannt, gelten in der Sakramentaltheologie speziell die Sakramente des Neuen Bundes.

193

Der metaphysische Status der Zeichenrelationen

zeitlichen sticum

Verweisungsrichtung

u n d signum

chenrelation

in

signum

kann gemäß

rememorativum,

signum

progno-

Hinsichtlich des F u n d a m e n t s d e r

demonstrativum.61 der Vielzahl

und Verschiedenheit

der

als

Zei-

Zeichen

fungierenden Gegenstände unterschieden werden.82 D e n historischen H i n t e r g r u n d für die F r a g e nach d e m metaphysischen Status der

Zeichenrelation

bilden

ferner

mittelalterliche

Diskussionen

washeitliche B e s t i m m u n g der Signifikation sprachlicher A u s d r ü c k e ,

über

n e n d a r ü b e r also, w a s es eigentlich h e i ß t , d a ß ein s p r a c h l i c h e r A u s d r u c k t u n g (significatici)

die

DiskussioBedeu-

'hat'.

Im Anschluß an Augustinus' Bemerkung, daß das sprachliche Z e i c h e n L a u t u n d B e d e u t u n g ( s o n u s et significatio)

aus

besteht,83 wurde im Mittelalter häu-

fig u n t e r V e r w e n d u n g m e t a p h y s i s c h e r K a t e g o r i e n h i n s i c h t l i c h d e s

sprachlichen

Z e i c h e n s z w i s c h e n d e m Z e i c h e n v e h i k e l , d . h . d e m s t i m m l i c h e n L a u t (sonus)

als

d e r m a t e r i e l l e n S e i t e d e s Z e i c h e n s u n d d e r S i g n i f i k a t i o n als d e r f o r m a l e n S e i t e d e s s e l b e n u n t e r s c h i e d e n . D i e S i g n i f i k a t i o n ist d a m i t - b e s o n d e r s n a c h t h o m i s t i s c h e r A u f f a s s u n g - g l e i c h s a m (quasi)M

oder o h n e relativierende Beifügung

F o r m 8 5 o d e r g e n a u e r : e i n e a k z i d e n t e l l e F o r m {forma

accidentalis)

die

des W o r t e s , 8 6

81

Reportata Parisiensia IV, d. 1, q.2, n.3, Op. omn. ( 1 8 9 1 - 9 5 ) 2 3 . 5 4 6 b . Diese zum Standardrepertoire der sakramentaltheologischen Zeichenlehre gehörende Distinktion entstammt ursprünglich der Medizinsemiotik. Der in der ps.-galenischen Schrift Introducilo seu medicus unter die Hauptteile der Medizin gerechnete σ η μ ε ι ω τ ι κ ό ν μέρος (GALEN, Opera omnia, hg. v. C. G. KÜHN ( 1 8 2 1 - 3 3 ) 18/2, 6 3 3 ) umfaßt, auf die medizinische Praxis bezogen, die drei Bereiche der Erkenntnis des Vergangenen, Untersuchung des Gegenwärtigen und Vorhersage des Zukünftigen (eb. 6 9 0 ) . Vgl. AVICENNA, Cantica, p. I, 2, 2 2 1 ( 1 5 0 7 /1964: fol. 5 6 4 r b ) ; vgl. A. MAIERÙ, 'Signum' dans la culture médiévale (1981) 64;

82

Vgl. Reportata Parisiensia IV, d. 1, q.2, n.5, op. omn. ( 1 8 9 1 - 9 5 ) 2 3 . 5 4 7 a : „Quantum etiam ad suum fundamentum, potest signum multipliciter dividi. Potest enim hoc signum instituí in uno sensibili unius sensus, ut in re visibili aut audibili, vel aliquo hujusmodi, sicut in suo fundamento, vel in pluribus sensibilibus multorum sensuum, vel in multis sensibilibus ejusdem sensus, ut oratio longa, in qua sunt multa sensibilia, et multae dictiones fundantes istam relationem importatam per hujusmodi signum, potest signum instituí in uno sensibili, vel pluribus..."

83

AUGUSTINUS, De magistro X , 3 4 , 1 4 2 ; vgl. WILHELM VON SHERWOOD, Introd. LOHR, Traditio 3 9 ( 1 9 8 3 ) 2 6 6 .

84

Vgl. THOMAS VON AQUIN: Expos, lib. Peryerm. I, 4, l l l f , 2. verb. Aufl., in: Op. omn., t. Γ 1 ( 1 9 8 9 ) 2 1 : „significatio est quasi forma nominis"; J . GERSON: De concordia met. cum log., Œuvres complètes 9 ( 1 9 7 3 ) 6 3 4 [ 1 7 0 6 : 4 . 8 2 3 ] : „Significatio dictionis voluntarie facta, dici potest forma sua; ita quod in dictione significativa ad placitum, dictio est velut materiale seu substractum, et significatio quasi formale suum."

85

Vgl. ROBERT KILWARDBY, Praedicamenta, zit. bei O. L.EWRY: R. Kilwardby on Meaning, Misc. med. 13/1 ( 1 9 8 1 ) 3 7 9 : „significatio dicitur tripliciter: aut actus et forma significantis, aut ipsum significatum, aut comparano signi ad significatum, et sic est significatio qualitas."; PS.-ALBERTUS MAGNUS, De modo oppon. et respond., hg. L. M. DE RLJK, Die mittelalterl. Traktate De modo oppon. et respond. ( 1 9 8 0 ) 2 5 8 , 2 6 : „significatio ... dictionis est forma eius"; vgl. DOMINICUS DE FLANDRIA, Quaest. super XII lib. Met. ( 1 5 2 3 ) fol. m 2ra; ANTWERPEN, Loycalia ... cum ... commento ( 1 4 8 6 ) fol. L3r: „significatio termini est eius f o r m a m " ; vgl. Β. MANZOLUS, Dubia super log. P. Veneti ( 1 5 2 3 ) fol. 2 2 r .

in log., hg. C.

194

Das Zeichen in der Logik der posttridentinischen Scholastik

w e l c h e aus d e m bloßen L a u t erst einen bedeutungshaltigen sprachlichen druck

( v o x significativa)

macht;

d.h. einen solchen,

V e r m ö g e n d e s B e z e i c h n e n s ( v i s significarteli

dem

Aus-

die Kraft o d e r

b z w . vis significativa)

zukommt.

das In-

sofern sind die F o r m o d e r d e r f o r m a l e Teil des Z e i c h e n s , d.h. die Signifikation u n d d i e vis significandi chensein spectos)

identisch.87

D i e significatio

des sprachlichen Ausdrucks

indem

des Zeichens z u m Bezeichneten88

len C h a r a k t e r d e s Z e i c h e n s b e g r ü n d e t . e i n e d e m Z e i c h e n b z w . d e r vox

ist d e r G r u n d f ü r d a s Z e i -

sie als d i e R e l a t i o n

(relatio,

den hierfür erforderlichen

Die Bestimmung

re-

relationa-

der Signifikation

z u k o m m e n d e F o r m , vis b z w . ratio

o d e r R e l a t i o n m u ß t e z w a n g s l ä u f i g zu K o n t r o v e r s e n ü b e r d e r e n

als

significandi

ontologischen

Status führen. F ü r die Logik

des

17. Jahrhunderts

ist b e s o n d e r s d i e P o l e m i k v o n

Scotus gegen T h o m a s v o n Aquin von Bedeutung. T h o m a s hatte davon c h e n , d a ß d i e R e d e d i e intentiones

animae

enthalte89

und dem

Duns

gespro-

sprachlichen

A u s d r u c k ( v o x sensibilis) e i n e „vis spiritualis a d e x c i t a n d u m i n t e l l e c t u m " zuge-

86

Vgl. PS.-ROBERT KILWARDBY, The Comment, on ascribed to R. Kilwardby ( 1 9 7 5 ) 80. Vgl. J . TINCTORIS, Dicta super Summulas Petri hysp. ( 1 4 8 6 ) fol. G 2vb; GENTILE DE M O N T E S. MARIE: De arte et modo disputando, hg. L. M . DE RLJK, Die mittelalterl. Traktate De modo oppon. et respond. ( 1 9 8 0 ) 3 2 9 .

87

J . VERSOR, Commentarla

88

PETRUS HISPANUS, Tractatus ( 1 9 7 2 ) 8 0 : „Significatio est signi ad signatum"; P. TARTARETUS, Expos, in summulas Petri Hisp. ( 1 5 1 4 ) fol. 5 1 v : „significatio non est nisi respectus rationis signi ad significatum".; ANTWERPEN, Loycalia ( 1 4 8 6 ) fol. Κ 6v: „significatio est relatio signi ad signatum".; B. MANZOLUS, Dubia super log. P. Veneti ( 1 5 2 3 ) fol. 2 2 r : „ ' N o m e n ' significai quaedam formam vocis vel scripture... sed formaliter significat illam formam: materialiter vero subiectum illius forme, scilicet vocem vel scripturam. forma autem ilia est relatio quaedam rationis et quaedam secunda intentio. quae videtur esse quaedam relatio signi ad suum signatum. fit enim vox aliqua nomen: cum constituitur nota id est signum ... et secundum quosdam est aptitudo ad significandum vel talis significatio. illud enim videtur forma alicuius: a quo habet quod sit tale, sed vox habet quod sit nomen: ex eo quod significat tali modo, ergo significatio talis videtur forma eius quae tamen est relatio quaedam ut dictum est."; A. RUBIUS, SJ, Logica mexicana ( 1 6 0 5 ) 4 4 ; F . ARAV, O P , Commentariorum in univ. Arist. Metaphysicam tomus I. ( 1 6 1 7 ) 3 5 3 b ; S. DE LUBLINO, O P , In universam Aristotelis logicam quaestiones ( 1 6 2 0 ) 3 8 8 f ; F . GONÇALEZ, SJ, Log. tripart. ( 1 6 3 9 ) 9 4 a ; J . CARAMUEL DE LOBKOWITZ, OCist, Rationalis et realis philos. ( 1 6 4 2 ) 6.

89

THOMAS VON AQUIN, IV Sent. d . l , q . l , a.4, q. la 2, ad 2 (ed. M o o s , t. 4 ; 1 9 4 7 ) p. 35sq., n.

in Petri Hispani Summulas ( 1 5 7 2 ) fol. 6v-7r: „... sciendum quod vox significativa duo includit. Primum est materiale, quod est ipsa vox. Secundum est formale, quod est virtus significandi, et repraesentandi actualiter suum significatum, quae virtus sibi provenit per institutionem, et ordinationem ad significandum. per hoc enim quod ipsa ponitur ad aliquod significandum, et efficitur signum eius, accipit virtutem repraesentandi actualiter illud significatum. et haec virtus quandoque vocatur significatio habitualis."; G. BREYTKOPFF, Compendium sive parvulus antiquorum ( 1 5 1 3 ) fol. a4r: „... principia vocis significative sunt duo scilicet materiale et formale, materiale ut vox. formale ut virtus repraesentandi actualiter suum significatum."; EUSTACHIUS A SANCTO PAULO, OCist, Summa philosophiae ( 1 6 1 4 ) 2 5 : „... nota in unoquoque termino duo posse considerari, unum instar materiae, nempe rem in qua inest vis significandi, ut est mens, vox, seu sonus articulatus, et scriptura; alterum instar formae, quae est ipsa vis significandi, sive significatio."

1 4 8 : „sermo audibilis ... continet intentiones animae..."

Der metaphysische Status der Zeichenrelationen

195

billigt.90 Gegen eine solche, im Sinne einer dem sprachlichen Ausdruck durch den Einsetzungssakt aufgeprägten qualitas interpretierte Bezeichnungskraft desselben wandte sich Scotus,91 da für ihn der vox durch den Einsetzungsakt keine Form oder reale Relation sondern allenfalls eine gedankliche Relation mitgeteilt wird: „per impositionem ... non recipit aliquam absolutam formam, nec relationem, nisi forte rationis".92 Diese auch von Burleigh übernommene93 Ablehnung der Bestimmung der significano als einer der vox inhärierende „forma accidentata" hat ihre Entsprechung in der mentalistischen Kritik an der Theorie der modi significattdi, nach welcher der modus significandi, bzw. nach Radulphus Brito die ratio significandi, als hinzugefügte Form (forma superaddita) im sprachlichen Ausdruck „sicut in subiecto"94 enthalten ist und eine kategoriale Verortung der vox significativa im praedicamentum relationis begründet.95 90 91

92

93

94

95

Summa theol. III, q. 62 a.4 ad 1. Quaest. in 2 Sent, d

4 2 q. 2 ad 2, op. omn. (1639) 6/2. 1058f: „... nihil valet, quod dicunt aliqui, quod vox significativa continet in se conceptum rei, quem causat in animo audientis. Si enim hoc esset verum: tunc vox significativa audita movere posset intellectum audientis, secundum illam intentionem, inquantum scilicet est sic significativa, et tunc vox Latina significativa moveret intellectum Graeci audientis earn, ad conceptum, quem exprimit, quod falsum est. Unde per hoc, quod est significativa, nulla qualitas sibi imprimitur, nec aliquem conceptum in se continet: sicut nec in circulo causatur qualitas aliqua de novo, per hoc, quod imponitur ad significandum vinum. Ideo dico, quod vox significativa solum est signum rememorativum ad placitum. Unde vox tantum immutat sensum audientis: nec habet causare in sensu, vel in phantasia, vel in intellectu, nisi conceptum vocis ex se: auditu tamen immutato a voce significativa, immutatur phantasia, et memoria, et rememoratur rei, cui tale nomen fuit impositum, et sic excitât intellectum ad considerationem illius rei, cuius prius (1059) habuit notitiam." SCOTUS, Quaest. in 4 Sent. d. 1 q. 4, op. omn. (1891-95) 16.159a [(1639) 8. 90a]. Zur Bestimmung der significatio als relatio rationis vgl. J . AURIFABER, s. Anm. 95, J . TINCTORIS, Dicta super Summulas Petri hysp. (1486) fol. Q6ra; P. TARTARETUS, vgl. Anm. 88. WALTER BURLEIGH, Super artem vet. ( 1 4 9 7 ) fol. le 7rb: „... quamvis nomen sit nomen per institutionem imponentis tamen non est res artificialis, quia per hoc quod instituitur ad significandum nulla forma accidentalis sibi inhaerens acquiritur. Res enim praesupposita omni impositione imponitur ad significandum. Unde signum, quod est res naturalis, puta circulus, potest instituí ad significandum vinum in taberna, ita vox naturalis, puta circulus, potest instituí ad significandum absque hoc quod aliqua forma nova sibi acquiritur." Vgl. RADULPHUS BRITO, Quaest. sup. Prise, min., hg. H. W. ENDERS / J . PINBORG (1980) 160: „... dico quod ratio significandi activa ... est in voce sicut in subiecto, quia vox de se non est signum rei ...; ergo si vox fit signum ... hoc est per aliquod existens in voce. Tunc arguo: illud quod formaliter refertur ad alterum, in se habet principium suae relationis; sed vox formaliter est signum rei et consignum suae proprietatis; ergo in voce est ratio significandi per quam vox refertur ad rem significatam et ratio consignificandi per quam refertur ad rei proprietatem. Ergo illae rationes significandi et consignificandi sunt in voce." Vgl. ebd. 1 5 1 . Vgl. J . GERSON, De modis significandi, Œuvres complètes 9 (1973) 6 2 5 [1706: 4 . 8 1 6 ] : „Signum a quo significatio dicitur, non accipitur absolute, sed ad aliquid et relative, dum intelligitur ut signum, sicut species coloris in oculo non accipitur ut res. Signum et signatum dictum relative, magis accipit relationem istam ab actione rationis vel intellectus rerum habitudinem considerantis, quam a rebus, ut res sunt absolute...". Hiermit wendet sich Gerson gegen das Verständnis der significatio als einer realen, den voces inhärierenden

JOHANNES DUNS SCOTUS,

196

Das Zeichen in der Logik der posttridentinischen Scholastik

Diese Diskussionen über die metaphysische und relationstheoretische Bestimmung der Signifikation sprachlicher Ausdrücke, die in der Pariser Logik des späten 15. und frühen 16. Jahrhunderts nur eine untergeordnete Rolle spielt, wird in der Logik des 17. Jahrhunderts wieder verstärkt aufgegriffen und weitergeführt. Sie steht nun jedoch in einem neuen Kontext, denn sie bildet nurmehr einen Teilaspekt der ins Zentrum der Zeichentheorie tretenden Analyse der Zeichenrelationen und der relationstheoretischen Bestimmung des Zeichens im allgemeinen. Diese Entwicklung verdankt sich in erster Linie thomistischen Autoren, die im frühen 17. Jahrhundert die relationstheoretische Bestimmung des Zeichen - nicht ohne Kritik aus den eigenen Reihen 96 - aus der Metaphysik in die Logik einführen und zu einer komplexen Metaphysik des Zeichens ausbauen. Das hat seinen Grund in der von Risse deutlich hervorgehobene Differenz des jesuitischen und thomistischen Logikkonzepts. Die Logik der Jesuiten ist aufs Ganze gesehen - im Gegensatz zum thomistischen Ansatz nicht mehr am ens rationis orientiert, sondern an den drei operationes mentis (Begriff, Urteil, Schluß). Grundlegend für den von Toletus und den Conimbricenses eingeführten neuen Typ der Logik ist „im Unterschied zur thomistischen Theorie der

Form. Der relationale Charakter des Zeichens als Zeichen, seine Bezogenheit auf das Signifikat, verdankt sich eher der die Verhältnisse der Dinge zueinander betrachtenden Tätigkeit des Verstandes oder Intellekts als den Eigenschaften der res absolutae selbst. Gerson schließt sich in diesem Punkt der älteren Kritik an der Theorie der modi significandi an. Schon JOHANNES AURIFABER hatte sich gegen eine kategoriale Verortung der vox significativa im praedicamentum relationis gewandt und ihr lediglich eine relatio rationis oder relatio secundum dici zuerkannt. Vgl. Determinatio de modis significandi ( 1 9 6 7 ) 2 2 8 : „... dico, quod non acquiritur ei relatio nisi circa ipsam vocem intellectus habet in relationem rationis et secundum dici et non secundum esse, que non est vere in predicamento relationis. Et ideo non vox per illa, reponitur in predicamento relationis." Aurifaber richtet sich hiermit vermutlich gegen RADULPHUS BRITO, Quaest. super Priscianum minorem ( 1 9 8 0 ) 1 2 2 f : „... cum vox per se sit in genere qualitatis, si fit signum vel consignum est in genere relationis, hoc erit per rationem sibi superadditam; vox enim refertur ad ( 1 2 3 ) rem significatam per istam rationem significandi." Dieser Charakterisierung der ratio significandi als etwas der vox Hinzugefügtes sowie die daraus abgeleitete Zuordnung des sprachlichen Ausdrucks zur Kategorie der Relation entspricht die Bestimmung der significatio seitens der Thomisten; vgl. G. FRILDEN, Exercitium veteris artis ( 1 5 0 7 ) fol. x 2 r b - x 3 r a : „Arguitur... nullum signum est vox. (...) Nam signum est de praedicamento relationis: vox de praedicamento qualitatis. (...) Dicendum ... quod ... (verum) est de signo formaliter sumpto: videlicet pro relatione unde signum denominatur, sed non est (verum) de signo capto materialiter prout significat illud quod habet in se rationem signi... (x3ra) licet vox sit quoddam in se naturale: forma tarnen superaddita per voluntatem, ut hoc vel illud significet, non est naturalis."; vgl. BARTHOLOMAEUS MANZOLUS, S. A n m . 8 8 . 96

So bemerkt D. BAÑEZ in seinen Institutiones minoris dialecticae ( 1 6 3 1 : 2 7 ) mit Bezug auf die geläufige Definition des Nomens als „vox significativa secundum placitum sine tempore": „De qua partícula [sc. 'significativa'] mirum est quam multa metaphysicalia quidam ex modernis disputare quae non solum inutilia, sed etiam incipientis Dialecticam discere nociva sunt. N o s igitur de signis et modis significandi pauca in praesenti necessaria esse censemus."

Der metaphysische Status der Zeichenrelationen

197

Seinsweisen, des ens reale und rationis, die meisterhafte... Beherrschung der Psychologie."97 Nach ihrem Verständnis ist die Logik nicht die „Lehre ... von den den Begriffen, Urteilen und Schlüssen zugrunde liegenden nur gedachten idealen Seinsweisen, sondern von den Funktionen des Begreifens, Urteilens und Schließens. Ihr liegen nicht substantiell gedachte Wesenheiten, sondern funktionelle, das Sein begreifende Akte zugrunde. Die Auflösung der thomistischen starr substantiellen Doktrin in ein geschmeidigeres funktionelles Verfahren führt im Laufe der Entwicklung gelegentlich zu regelrecht psychologistischen Thesen."98 Dementsprechend wendet sich die Mehrzahl der jesuitischen Autoren gegen eine Wesensbestimmung des Zeichen im Horizont der Relationenmetaphysik und versucht demgegenüber das Zeichen von den Bedingungen seines Funktionierens her zu erklären.

1. Die funktionale Bestimmung des Zeichens Besonders tritt ein solcher Ansatz in der Logik der Conimbricenses zutage. Sie betonen, daß es sich bei den von ihnen als zum Begriff des Zeichens gehörig erachteten Beziehungen zur bezeichneten Sache und zum Erkenntnisvermögen, aus denen das Zeichen „entsprießt" (efflorescit), nicht um Relationen im eigentlichen Sinne, sondern lediglich um gewisse metaphysisch unbelastete „Eignungen und gleichsam Vermögen" (aptitudines quaedam et velut potentiae) handelt.99 Zwar ergeben sich am komplexen Phänomen des Zeichens gewisse Relationen. Der Wesensbegriff des Zeichens wird jedoch nicht durch diese, sondern durch deren Fundamente konstituiert.100 Der Vorteil dieses Ansatzes besteht ihrer Meinung nach vor allem darin, daß er eine funktionale Bestimmung des Zeichens ermöglicht, durch welche das Zeichen unter weitgehender Ausklammerung des mit metaphysischer Problematik belasteten Relationsbegriffs allein durch die Bedingungen seines Funktionierens beschrieben werden kann: Damit nämlich das Wort 'Mensch' das hinreichende Fundament besitzt, uns zur Erkenntnis des Menschen hinzuführen, genügt es, daß es eingesetzt worden ist und von uns als jenen äußerlichen Willensentschluß bei sich führend verstanden wird, welcher, wenngleich er nirgends auf physikalische Weise besteht, auf moralische Weise in der stimmlichen Äußerung verbleibt. Auf diese Weise überdauert in der Münze die königliche Anordnung, dank welcher ohne irgendeine Relation ihr Wert für so oder so hoch eingeschätzt wird. Und was ist es nötig, beim Richter eine gedankliche Relation zu seiner Rechtsprechung zu erdichten, wenn eingesehen wird, daß er zu dieser Aufgabe bestimmt 97 98 99

100

Vgl. W. RISSE, Log. d. Neuzeit I (1964) 359f. Ebd. 360. CONIMBRICENSES, SJ, Commentari i in univ. Aristotelis dialecticam (1607) 2.10. Ebd.; vgl. ebd. 30: „... signum constituitur formaliter per fundamenta relationum ad rem, et potentiam". Zum Begriff des Fundaments der Relation s. Anm. 102 u. 104ff. Zur Erklärung des Begriffs s. auch Anm. 163.

198

Das Zeichen in der Logik der posttridentinischen Scholastik worden ist? Ebenso leicht läßt sich dasselbe bei den natürlichen Dingen zeigen. Denn man versteht das Zeichen seinem Formalbegriff nach als durch dasjenige konstituiert, welches der Grund dafür ist, daß es das Erkenntnisvermögen zur Erkenntnis der bezeichneten Sache befähigt. Dieses aber leistet das Zeichen mittels der zugrundeliegenden Angemessenheit hierzu und nicht durch die Vermittlung einer Relation. Also wird es dadurch auch seinem Wesen nach konstituiert. Der Untersatz braucht nur durch das Beispiel des Rauches belegt zu werden, bei dem niemand die Relation zum Feuer wahrnimmt sondern vielmehr seine von diesem abhängige Natur. Der Rauch führt nämlich deshalb zur Kenntnis des Feuers, weil er ohne dieses nicht sein kann. Diese Begründung kann ebenso auch auf die eingesetzten Zeichen angewandt werden. 1 0 1 D i e T a t s a c h e , d a ß Z e i c h e n stets d u r c h die H i n o r d n u n g a u f einen Z i e l p u n k t

definiert u n d v e r s t a n d e n w e r d e n , b e d e u t e t eben nicht s c h o n , d a ß in d i e s e m a u c h d e r f o r m a l e B e s t i m m u n g s g r u n d des Z e i c h e n s besteht. Sie läßt sich v i e l m e h r d a r aus erklären, d a ß sich das F u n d a m e n t d e r R e l a t i o n n a c h A r t eines t r a n s z e n d e n t a len Bezugs v e r h ä l t , w e l c h e r i m m e r d u r c h einen Z i e l p u n k t erklärt w i r d . 1 0 2

Die

C o n i m b r i c e n s e s leugnen nicht, d a ß sich a m Z e i c h e n R e l a t i o n e n a u f d a s Signifikat e b e n s o w i e a u f d a s E r k e n n t n i s v e r m ö g e n feststellen lassen. S o ist i h n e n zufolge die relatio

signtficandi

im Fall d e r v o m Intellekt u n a b h ä n g i g e n n a t ü r l i c h e n

Z e i c h e n - die reale E x i s t e n z des Signifikats u n d die R e a l d i s t i n k t i o n v o n Z e i c h e n u n d B e z e i c h n e t e m v o r a u s g e s e t z t - eine reale R e l a t i o n . 1 0 3

D e n n diese v e r f ü g e n

stets über ein reales F u n d a m e n t , w e l c h e s , allgemein f o r m u l i e r t , d a s V e r h ä l t n i s (proportio)

v o n Z e i c h e n u n d B e z e i c h n e t e m i s t , 1 0 4 d.h. dasjenige a u f g r u n d des-

sen das Z e i c h e n z u r E r k e n n t n i s des B e z e i c h n e t e n f ü h r t . 1 0 5 K o n k r e t a u s g e d r ü c k t

101

Ebd. 11: „Nam ut vocabulum 'Homo' habeat sufficiens fundamentum ad nos perducendos in notitiam hominis, satis est, quod impositum fuerit, et a nobis intelligatur, ut secum deferens illam extrinsecam voluntatem; quae etsi physice nusquam sit, moraliter tarnen intelligitur in voces perseverare. Quemadmodum in nummo durât regia constitutio, cuius merito, absque ulla relatione, tanti, vel tanti aestimatur. Et in iudice quid opus est ad illius iurisdictionem respectum rationis fingere, si intelligatur ad hoc muneris electus. Aeque facile est idem ostendere in naturalibus. Nam signum per id intelligitur constitutum in sua ratione formali, quod est ratio promovendi potentiam in notitiam rei significatae: at hoc praestat media proportione fundamentali; non vero interventu relationis; ergo per id constituitur in formali ratione signi."

Ebd. „... idcirco explicari signum per ordinem ad terminum, quia fundamentum relationis habet se per modum respectus transcendentalis, qui semper explicatur per terminum." Zur Bestimmung der relatio transcendentalis vgl. Ebd. 1.459. Die relatio transcendentalis ist keine dem Subjekt hinzukommende Form, sondern die auf anderes hingeordnete Natur desselben, wie zB. die Natur der Wirkung hinsichtlich der Ursache oder der Materie hinsichtlich der Form. 103 Yg| e b ( i υ - „Signa naturalia habent relationes significandi reales, nisi aliqua desit conditio ex ijs, quas Philosophi deposcunt ad relationem realem. ... Quoniam huiusmodi signa non pendent ab intellectu; ergo si alioqui sint realia, existentia, et realiter distincta, fundabunt relationem realem." 1 0 4 Ebd.: „... universim loquendo constat fundamentum relationis in signo naturali esse proportionem inter signum et significatum." 1 0 5 Ebd.: „Fundamentum remotum relationis in signo naturali est reale. Probatur. Huiusmodi fundamentum est illud, ratione cuius signum ducit in cognitionem rei... id autem necessario

102

Der metaphysische Status der Zeichenrelationen

199

ist damit das Fundament der Zeichenbeziehung im Fall des natürlichen Zeichens entweder die Natur des Zeichens bzw. der als Zeichen fungierenden Sache selbst oder aber ein ihr zukommendes reales Vermögen: Z . B . ist es bei den formalen Zeichen die Repräsentation selbst, welche deren Natur und Wesen ausmacht. Bei den instrumenteilen Zeichen, sofern sie Wirkungen sind, wie der Rauch hinsichdich des Feuers, ist das Fundament die verursachte Natur. Sind sie jedoch Ursachen, wie das Feuer hinsichtlich des Rauches, ist es die Kraft, durch welche die Ursache wirkt. Diese ist bisweilen die Natur selbst, besweilen ein hinzukommendes reales Vermögen. 1 0 6

Das heißt aber letztlich nichts anderes, als daß im Fall der natürlichen Zeichen die Zeichenbeziehung, die relatio signi, mit dem kausalen Dependenzverhältnis von Zeichen und Bezeichnetem koinzidiert. Dabei handelt es sich bei den Instrumentalzeichen um das einer Wirkursächlichkeit, bei den Formalzeichen um das einer Exemplar- oder äußerliche Formalursächlichkeit.107 Die Relation zum Erkenntnisvermögen dagegen ist im Fall der Instrumentalzeichen durchgängig eine gedankliche, in der Erkennbarkeit (intelligibilitas) der als Zeichen fungierenden Dinge fundierte Beziehung, da diese Zeichen aufgrund ihres Erkanntseins zur Erkenntnis von anderem führen. Bei den Formalzeichen dagegen handelt es sich aufgrund der von ihnen geleisteten realen Beeinflussung des Erkenntnisvermögens und weil sie diesem als Formen real inhärieren, um eine

relatio realis.108

10fi

107

108

est reale; quoniam in signo formali est id, quod realiter causat cognitionem: in instrumentali vero id, quod cognitum est ratio cognoscendi significatum." Ebd. 14: „Exempli causa, in formalibus est ipsa repraesentatio, quae est eorum natura, et essentia; in instrumentalibus, si sint effectus, ut est fumus respectu ignis, fundamentum est eius natura causata ab igne: si vero sint causa, ut ignis respectu fumi, est virtus, per quam causa operatur: quae aliquando est ipsa natura, aliquando potentia realis superaddita." Ebd.: „Relatio signi per ordinem ad rem coincidit cum relationibus causae, vel effectus, aut ullius dependentiae, si qua fuerit. ... Nam habitudo unius natura ad aliam, vel est quia una supponit aliam a qua accipiat esse: vel quia est talis, ut ea posita necessario alia consequatur. Qui respectus non sunt aliij quam effectus, vel causae. Illud tamen non omittendum est in signis instrumentalibus videri respectus esse in genere cusae efficientis: in formalibus in genere causae exemplaris, seu formalis externae; quia in prioribus attenditur sola dependentia in esse. Unde ut plurimum inserviunt ad indicandam existentiam significati praesentem, praeteritam, vel futuram. In posterioribus similitudo, et imitatio; quo circa repraesentare possunt obiectum absolute non respiciendo existentiam." Gegen eine solche Gleichsetzung der Zeichenbeziehung mit der Kausalbeziehung wendet sich später explizit Tellez mit seiner Betonung eines beim formaliter, d.h. präzis als Zeichen genommenen Zeichen anzusetzenden wesensmäßigen Unterschiedes beider Beziehungen. Vgl. B. TELLEZ, SJ, Summa uttiversae philosophiae (1642) 81a: „Relatio signi distinguitur essentialiter a relatione causae, vel effectus, (etiam in signis, quae sunt causae, vel effectus) non quidem materialiter, sed formaliter." Ebd.: „... in instrumentalibus ... omnes esse rationis; quia fundantur in eorum intelligibilitate; haec enim signa ex eo ducunt in aliorum notitiam, quia percipiuntur. In formalibus videntur esse reales: quoniam haec realiter influunt in cognitionem potentiae; sive enim sint conceptus sive species impressae, communiter sunt formae realiter inhaerentes potentiae cum sufficienti fundamento relationis causae formalis. Quamquam species praeter hune

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Das Zeichen in der Logik der posttridentinischen Scholastik

Entscheidend für das Zeichenkonzept der Conimbricenses ist jedoch - und wohl nicht zuletzt deshalb werden die Zeichenrelationen von ihnen eher beiläufig im Kontext eines Nebenarguments einer gar nicht auf die ratio signi bezogenen Frage behandelt -, daß nicht die Zeichenrelationen sondern deren Fundamente den Wesensbegriff des Zeichens ausmachen; was ihrem Verständnis nach soviel bedeutet, wie: der Grund dafür sind, daß etwas Zeichen ist oder als Zeichen fungieren kann. Die ratio formalis der natürlichen Zeichen ist die Natur des Zeichendinges selbst. Steht ein Ding seiner Natur nach mit einem anderen in einem Kausalverhältnis, dann bildet diese seine die Kausalbeziehung implizierende Natur (= relatio transcendentalis) das Fundament der Zeichenbeziehung und ist, sofern mit der Erkennbarkeit des als Zeichen fungierenden Dinges auch die Beziehung zum Erkenntnisvermögen gewährleistet ist, der Grund für sein Zeichensein. Das läßt sich einfacher ohne Verwendung des Relationsbegriffs ausdrücken. Ist ein Ding die Ursache oder Wirkung von etwas anderem, dann kann es demjenigen, der das weiß, zum Zeichen für das andere dienen. Mehr ist nicht erforderlich um ein natürliches Instrumentalzeichen in seinem Funktionieren zu beschreiben. Die natürliche Zeichenordnung entspricht der natürlichen Ordnung der Dinge, so daß, letztere vorausgesetzt, auch Gott sie weder eigens einzusetzen braucht, noch - per impossibile angenommen, er wollte es - sie ändern könnte: Solange der Rauch die Natur hat, die er hat, ist er, ob Gott will oder nicht, ein Zeichen für Feuer. 109 Dieses Zeichenkonzept, nach dem der Formalgrund des Zeichens - trotz der Betonung des für die Definition des Zeichens und zum Verständnis seines Funktionierens notwendig erforderlichen duplex respectus in der Natur des Zeichendinges besteht, bzw. im Fall der sprachlichen Ausdrükke oder generell der signa ad placitum, in der auf moralische Weise fortbestehende Einsetzung oder äußerlichen Benennung (denominatio extrínseca) derselben, ist die in den Reihen der Jesuiten und Skotisten vorherrschende Auffassung vom Zeichen. 110 Da hier das Zeichen von seiner Funktion her aufgefaßt und die ratio signi in seine Bezeichnungsleistung gelegt wird, erfolgt in diesem Zusammenhang oft-

respectum, habeant al i um conceptum causae, quatenus effective et forte exemplariter, concurrunt ad cognitionem." 109 v g |. ebd. 2 0 : „Et quia significatio naturalis fundatur in natura rei ... nulla ratione censeri potest imposita a volúntate Dei: imo si per impossibile Deus nollet, ut fumus suapte natura significaret ignem, nihilominus, si talem naturam habeat participatam ex ideis, illum repraesentabit." Diese strikte Verbindung von Natur- und Zeichenordnung dürfte auch der Grund für die Kritik der Conimbricenses an der von Toletus eingeführten Unterscheidung von sigrtum proprium und improprium sein. Vgl. Anm. 3 6 110

Bezüglich der signa ad placitum vgl. L. DE LOSSADA, SJ, Cursus philosophicus (1883) 158: „Vera ... sententia, quam tenent communiter Nostri, et Scotistae, docet, vocem esse Signi ad placitum constituí per denominationem extrinsecam, cujus forma est Majorum, aut Populi voluntas, prout moraliter perseverane in acceptatione et memoria Posteriorum."

Der metaphysische Status der Zeichenrelationen

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mais eine Differenzierung der ratio signi bzw. der significatio in eine solche in actu primo und in eine solche in actu secundo. Gerade an der Bestimmung der letzteren, d.h der aktuellen Bedeutung, wird die funktionale Orientierung des hier vorausgesetzten Zeichenkonzepts sowie der bereits von Risse konstatierte psychologistische Einschlag der jesuitischen Logik manifest, der gemäß die significatio bzw. die „ratio signi in actu secundo" bestimmt ist als die „actualis expressio rei significatae", d.h. als die „ipsa perceptio" 111 oder die „intellectio actualis" der bezeichneten Sache seitens des Zeichenrezipienten. 112 Die Signifikation und damit der Formalgrund des Zeichens selbst realisiert sich in letzter Instanz im Erkenntnisakt des Hörers. Die hier verhandelte Problematik bezieht sich jedoch, weil allgemein bereits das potentielle Zeichen als Zeichen gilt, auf die ratio signi in actu primo, d.h. auf dasjenige, welches der Grund dafür ist, daß eine Sache als Zeichen fungieren kann. Sie besteht, weil das natürliche Zeichen das „ducere in cognitionem" von sich aus leistet, 113 in der Natur oder der entitas114 der Sache selbst bzw. in der 111

112

113

114

P. HURTADO DE MENDOZA, S J , Disp. de universa philosophia ( 1 6 1 7 ) 1 4 6 : „... signum in actu primo est posse exprimere obiectum, ergo in actu secundo est actualis expressio obiecti, quia actus secundus potentiae expressivae est actualis expressio, sicut actus secundus potenti ae activae est actio, quia expressivus constituitur per expressionem, in potentia, quae potentia reducitur ad actum per expressionem in actu, idem est de potentia discendi, atque docendi, haec autem expressio est cognitio rei significatae per signum, quia intellectui nihil exprimitur nisi per cognitionem, nec repraesentatur, nec fit praesens: nam posse representare est posse efficere ut intellectus per signum, rem repraesentatam percipiat: ergo significatio est ipsa perceptio."; vgl. ebd. „Ratio signi actualis, sive in actu secundo, consistit in actuali expressione, et perceptione rei significatae per illud; quia esse signum in potentia próxima, sive in actu primo, est posse rem significare, id est, habere iam impositionem ad id munus ... ergo significare actu, est actu exprimere ac percipi rem significatam per signum, ergo, dum intellectus nil percipit per illud, nil illi significat actu." Vgl. D. DERODON, Logica restituía (1659) 4 9 5 : „In signo quolibet duo sunt distinguenda, scilicet materiale et formale, tam in actu primo, quam in actu secundo. Materiale seu materia signi, est ipsa entitas rei quae aliquid repraesentat aut significat. Formale vero seu forma signi in actu primo, est vis significandi, quae identificatur cum entitate rei, aut distinguitur ab ipsa, iuxta diversitatem signorum... At formale seu forma signi in actu secundo, est significatio aut perceptio rei significatae per signum. Materia et forma in actu primo constituunt tantum signum potentiale seu signum potentia; Materia vero et forma signi in actu secundo, constituunt signum actúale, seu signum actu."

Vgl. G. CHABRONUS, SJ, Philos. (1662) 2 0 8 : „Significatio in actu secundo vocis alicuius est intellectio actualis audientis illam."; vgl. S. ARANHA, SJ, Disp. logicae ( 1 7 4 5 ) 3 8 4 . Vgl. F. DE OVIEDO, SJ, Integer cursus philos. (1640) 138a: „In signorum naturalium ratione formali assignanda nulla est difficultas, certum enim est haec per se ipsa repraesentare suum obiectum, vel ducere in cognitionem illius..." Vgl. M . CORNAEUS, SJ, Curriculum philosophiae peripateticae (1657) 173: „Ratio signi naturalis in actu primo est ipsa rei entitas. Probatur. Quia ratio signi in actu primo est potentia significandi sive repraesentandi intellectui rem signatam. Atqui haec potentia est ipsa rei entitas. V.g. in fumo potentia significandi ignem est ipsa fumi entitas." Vgl. J . B. PTOLEMAEUS, SJ, philosophia mentis et sensuum (1698) 134b: „Porro notabis vim illam significativam, si de signo naturali loquamur, esse ipsam entitatem signi seu ejus cognoscibilitatem objectivam: hoc est id, quod cognosci potest de illa re, quae est signum, quae si bene

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Das Zeichen in der Logik der posttridentinischen Scholastik

damit implizierten wesensmäßigen Beziehung des Zeichendinges zu seinem Signifikat. 115 Das kann zwar, wie bei den Conimbricenses selbst, in relationstheoretischer Begrifflichkeit als transzendentale Relation oder als fundamentale Beziehung (respectus fundamentalist16 beschrieben werden; denn diese ist eben nichts anderes als das den Bezug zur bezeichneten Sache implizierende und die relatio significandi fundierende Natur des Zeichendinges. 117 Damit verbunden ist aber immer die explizite Abweisung der These, daß es sich bei den Beziehungen des Zeichen zum Signifikat und zum Erkenntnisvermögen um prädikamentale, d.h. reale Relationen handelt. 118

per aliqua proportionata motiva cognoscatur, deprehenditur esse conexa, et correspondens cum altera re, ita ut dum ista cognoscitur altera etiam cognoscatur....". Zumeist sind - wie bei den CONIMBRICENSES - die Bestimmung der ratio signi für das sigttum naturale von dem in einer Kausalbeziehung zum Signifikat stehenden Zeichen her entwickelt, die sich nicht ohne weiteres auf den Fall des ikonischen Zeichens anwenden lassen. Der zum Calvinismus übergetretene Derodon, dessen Logik aber noch eng an der scholastischen Form orientiert ist, führt hier in konsequenter Weise als eine von jenem abgehobene Unterart des natürlichen Zeichens das signum artificiale ein. Vgl. D. DERODON, Logica restituía (1659) 4 9 6 : „... in signis naturalibus, quae non sunt artificialia, rationem formalem signi in actu primo, scilicet vim significandi, non esse aliquid distinctum ab entitate rei; eo quod res illa ex natura et essentia sua, atque adeo per seipsam et per propriam entitatem sit significativa: In signis vero arti fi ci al i bus, rationem formalem signi in actu primo, esse qualitatem aliquam, puta figuram: In utrisque autem rem denominari signum potentiale denominatione intrinseca a vi significandi quae est in re." Die Auszeichnung 'artifizielP meint hier soviel wie 'kunstvoll', nicht 'künstlich'. Denn hinsichtlich seines Zeichencharakters wird das signum artificiale, das gemalte Bild (pictura), gerade vom eingesetzten Zeichen unterschieden. Vgl. ebd., 4 9 5 : „Signum artificiale, puta imago Petri a pictore facta respectu ipsius Petri, revocari debet ad signum naturale, quod comprehendit omnia signa quae non sunt ex instituto. Licet enim imago pendeat a volúntate pictoris in sui productione, non tarnen in repraesentatione..." 115

Vgl. C. F. VERANI, Philosophia universa speculativa (1684) 8f.: „Formalem rationem constitutivam signi, ut sic, esse habitudinem quandam ad rem significatam. ... Formalem rationem constitutivam signi naturalis esse habitudinem essentialis ad rem significatam. Ratio est. Quia ut signum naturaliter significet debet essential iter, ac necessario necti cum signato; non enim fumus naturaliter (9a) significaret ignem, nisi necessario emitteretur ab igne, ac necteret essentialiter igni.

116

Vgl. S . ARANHA, S J , Disp. logicae (1745) 256f: „Sintne respectus Signi fundamentales, an praedicamentales? ... Respondeo, esse fundamentales. Ita comuniter Recentiores. Prob. Signum formaliter consistit in illis respectibus, (257) per quos est potens ducere in cognitionem significati; atqui entitas signi, v.g. causae, seclusa relatione distincta, est potens ducere in cognitionem effectue, cum per suam absolutam entitatem sit cum ilia connexa: ergo·" Vgl. C. SFONDRATI, Cursus philosophicus t. 1 (1696) 4 4 9 : „Patet..., signum formaliter consistere in relatione transcendental!, non praedicamentalis, quamvis haec consequi ad illam possi t . "

117

118

Vgl. Ebd. 4 4 8 : „Haec ... habitudo, quam dicit signum tum ad rem signatam, tum ad potentiam cognoscentem, non videtur esse relatio praedicamentalis. 1. Quia nec ad potentiam nec ad rem significatam refertur, ut ad purum terminum; potentiam enim excitât ad cognoscendum, rem vero significatam unit et repraesentat potentiae. 2. Signum non requirit existentiam rei significatae, imago enim Caesaris etiam mortuum repraesentat; et sol in occasu

Der metaphysische Status der Zeichenrelationen

203

Umso mehr wird hinsichtlich der willkürlichen Zeichen der Versuch der Verlegung der ratio formalis signt bzw. der damit gleichgesetzten significano {in actu primo) oder vis significativa in reale oder gedankliche Relationen zurückgewiesen. Bei diesen tritt an die Stelle der entitas signi, die hier, anders als bei den natürlichen Zeichen, nichts zum Zeichensein beiträgt, der willentliche Einsetzungsakt, 119 die impositio. Diese ist oder bewirkt - die Formulierungen gehen hier oftmals durcheinander - nichts anderes als eine denominatio extrínseca, eine äußerliche Benennung, die im Zeichen nichts setzt und ihm nichts hinzufügt. 120 Da es sich hierbei jedoch um einen einmaligen, zeitlich zurückliegenden Akt handelt, muß erklärt werden, wie dieser in physischer Hinsicht nichtexistierende Akt seiner zeichen- und bedeutungskonstituierenden Wirkung nach überdauert. Die gebräuchliche Formel hierfür lautet, daß die Einsetzung oder die denominatio extrínseca und das heißt: die ratio signi auf moralische Weise bestehen bleibt (moraliter manet), solange sie nicht widerrufen wird. 121 Eine präzise inhaltliche Bestimmung erhält dabei das „moraliter manere" zunächst nicht. Es ist kaum mehr als die Konstatierung eines im Modus des 'als ob' (ac si) ausgedrückten 'trotzdem'. Auf moralische Weise bestehen bleiben besagt lediglich, daß etwas, obwohl realiter nicht mehr gegenwärtig, alle Wirkungen in der Weise zeitigt, als ob es noch physisch präsent wäre. 1 2 2

119

120

rubens futuram serenitatem. 3. Si signum dicit formaliter relationem praedicamentalem ergo signum non significat nisi media hac relatione, ergo nec ducit in cognitionem rei significatae, nisi cognoscas hanc relationem... hoc vero est falsum. 4. Significare est posse rem aliquam cognoscenti manifestare, haec vero manifestatio fit cognita sola relatione transendentali..." Vgl. M . CORNAEUS, SJ, Curriculum philosophiae peripateticae (1657) 173: „Ratio signi ex instituto, in actu primo, est voluntas imponentis moraliter perseverane." Β . MASTRIUS/ Β . BELLUTUS, O F M , Disp. in Org. Aristotelis (1644) 2 6 1 b : „Dicendum ... est significationem in actu primo nullam formam realem, et intrinsecam ipsi voci dicere, absolutam, aut respectivam, sed solum denominationem extrinsecam derivatam in ipsa a volúntate primi instituentis."; Vgl. J . IOANNIZ ET ECHALAZ, Philosophia (1654) 215bff.; S . DUPASQUIER, O F M , Summa philosophiae scholasticae, et scotisticae (1705) 3 8 1 .

121

Vgl. P. HURTADO DE MENDOZA, SJ, Disp. de universa philosophia (1617) 145: „Difficultas est, in quo constat haec ratio signi in actu primo? Nonnulli dicunt consistere in quadam relatione reali: quibus ego non assentior ... Alij dicunt esse relationem rationis, verum relatio rationis est mera fictio intellectus... sed ad significandum non requiritur huiusmodi fictio: ergo ... Adverte signum ad placitum in sua primaeva institutione constituí formaliter per ilium actum voluntatis, quo primus author voluit eo signo uti ad hanc rem, ad eum modo, quo actio dominij creati consistit in eo actu, quo Deus, aut Princeps voluit, ut Petrus esset Dominus unius equi, et ratio legis consistit in eo actu, quo Princeps voluit subditum obligare. Hic actus, licet physice transierit, manet tarnen moraliter, dum non retractatur...."; R. DEARRIAGA, SJ, Cursus philosophicus (1632) 181f: »Dicendum igitur est, significationem vocum esse denominationem extrinsecam ex libera volúntate (182) hominum nondum retractata, sed adhuc moraliter permanente."; D. DERODON, Logica restituía (1659) 4 9 6 ; J . Β. PROLEMAEUS, SJ, Philosophia mentis et sensuum (1698) 134b.

122

P. HURTADO DE MENDOZA, SJ,

Disp. de universa philosophia ( 1 6 1 7 ) 1 4 5 : „Sed quid est moraliter manere: Praestare omnes effectus, ac si physice maneret, ita ut iuxta regulas prudentiae omnes effectus illi actui tribuantur ac si non esset realiter praeteritus."; vgl. J . IOANNIZ

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Das Zeichen in der Logik der posttridentinischen Scholastik

In Analogie zur Bestimmung der ratio signi beim natürlichen Zeichen sowie dem - auch heute noch - üblichen Sprachgebrauch entsprechend, demzufolge dem willkürlichen Zeichen Bedeutung „verliehen" wird und es diese „hat", liegt es nahe, die ratio signi auch des signum ad placitum in das Zeichen selbst zu verlegen und den Sachverhalt so darzustellen, als werde durch den Einsetzungsakt irgendetwas ins Zeichen gesetzt, 123 als bleibe etwas am Zeichen zurück, nämlich seine vis significativa, d.h. seine Eignung, im Intellekt des Zeichenrezipienten den Begriff der bezeichneten Sache wachzurufen. In der Regel ist man sich jedoch der Uneigentlichkeit einer solchen Redeweise bewußt. 124 Zwar wurde verschiedentlich auch die denominatio extrínseca im Sinne einer gedanklichen Relation oder eines ens rationis125 oder morale interpretiert oder gesagt, daß, wie Aversa vorsichtig formuliert, eine solche mittels einer gedanklichen Relation erklärt werden kann. 126 Zumeist wird hier jedoch betont, daß eine solche, auf moralische Weise fortbestehenden denominatio extrínseca weder eine Relation noch ein wie auch immer geartetes Sein (ens rationis, ens morale) impliziert. 127 Man ist bemüht, zur Vermeidung metaphysischer Problematik ohne Philosophia ( 1 6 5 4 ) 2 1 6 b : „... talis vocis impositio licet praeterita physice, est praesens moraliter, unde sicut praeceptum, quo superior ligat subditum ad aliquid faciendum, si non sit retractatum, censetur nunc manere moraliter, licet physice praeterierit, quia nunc eodem modo obligat subditum ad illam rem faciendam, ac si maneret physice, ita impositio..."; H . H E I N L E I N , O S B , Philosophia rationales ( 1 6 7 7 ) 3 8 7 : „Moraliter existere, quod licet realiter amplius non sit tamen prudenti hominum existimatione censetur idem adfecere ac si existeret." Für die Thomisten freilich war gerade dieses 'als o b ' Kriterium für ein ens rationis. Vgl. J O H A N N E S A S A N C T O T H O M A , Ars logica ( 1 9 4 8 ) 2 8 6 a (unter Zitierung von T H O M A S V O N A Q U I N , De natura generis, Opuse. 4 2 cap. 1): „ T u n c efficitur ens rationis, quando intellectus nititur apprehendere, quod non est, et ideo fingit illud ac si esset ens." ET ECHALAZ,

1 2 3

Philos, univ. specul. ( 1 6 8 4 ) 9 : „Rationem formalem constitutivam signi ad placitum esse habitudinem moralem positam ab Authore institutionis in entitate assumpta libere ad significandum. Ratio est. Quia signum ad placitum ex vi propriae entitatis nullam habet connexionem, ac habitudinem cum re signata. ... tantum Institutor ponit in signo ad placitum habitudinem moralem passivam." C . F . VERANI,

124

Vgl. F. S U A R E Z , S J , De sacramentis, Op. omn. ( 1 8 5 6 - 7 8 ) 2 0 . 2 1 : „... ratio signi [ex institutione] praecise oritur ex impositione, quae re ipsa facta est, quamvis nihil in re ponit physice, nisi denominationem extrinsecam, a reali actu provenientem: moraliter vero et quasi more humano loquendo, relinquitur in re imposita ad significandum habilitas quaedam, seu aptitudo ad excitandum intellectum, ut rem aliam cognoscat, nam hae denominationes extrinsecae, quatenus manent in memoria et existimatione humanum, multum valent ad huiusmodi actiones morales et humanas, ut facile potest exemplis declarari, in potestate jurisdictionis, in gradu doctoratus; haec enim et similia, solum per quandam extrinsecam deputationem et denominationem fiunt."

125

Vgl. Β. C O L U M B U S , O F M , Novus cursus philos. ( 1 6 6 9 ) 2 1 8 a . R. A V E R S A , Logica ( 1 6 2 3 ) 1 2 2 a : „ S i g n i f i c a l o ... [sc. in potentia próxima] non est aliquid intrinsecum in voce, sed est denominatio realis extrínseca ab actu voluntatis, et potest explican per relationem rationis."

126

127

Vgl. F . D E O V I E D O , S J , Integer cursus philos. ( 1 6 4 0 ) 138a: „... difficultas est de signis, quae non naturaliter per se ipsa, sed ex libera hominum impositionem significant. (...) Fert communis sententia rationem formalem signi in vocibus et aliis signis ad placitum esse extrinsecam denominationem procedentem a volúntate illorum, quibus datum fuit nominibus

Der metaphysische Status der Zeichenrelationen

205

die Annahme irgendwelcher dem sprachlichen Laut hinzugefügter Relationen oder Entitäten auszukommen. Ein signum ad placitum

ist Zeichen genau des-

halb, weil es von jemandem als solches eingesetzt wurde und diese Einsetzung bekannt ist. 128 Auch hier gilt: Die ratio formalis des Zeichens besteht in nichts anderem, als den zur Beschreibung seines Funktionierens erforderlichen Minimalbedingungen.

2. Die formale Bestimmung des Zeichens durch seine Relationen Während die Conimbricenses den Begriff des Zeichen als durch eine - potentiell oder aktuell - Zeichenfunktion ausübende Sache erfüllt sehen, legen die Thomisten, wie Francisco de Araújo oder Johannes a Sto. Thoma, das Gewicht stärker auf die Unterscheidung zwischen dem materialiter, d.h. als Zeichending, und dem formaliter, d.h. präzis als Zeichen aufgefaßten Zeichen. Hiermit wird die ratio formalis signi, der Bestimmungsgrund des Zeichens, in die von der entitas des als Zeichen fungierenden Dinges abgehobene Sphäre der Zeichenrelationen verlagert. Daraus ergibt sich ein deutlich von der funktionalen Bestimmung abweichendes, relationstheoretisch orientiertes Konzept des Zeichens.

a) Francisco de Araújo ( 1 5 8 0 - 1 6 6 4 ) Bei Araújo 129 bildet die Erörterung der gedanklichen Relation 130 die Systemstelle, an der er die Zeichenthematik in seinen Metaphysikkommentar integriert. Auch Araújo geht es vorrangig um die Bestimmung der ratio signi. Der

128

129

130

et rebus significationem imponere, ita tenent omnes Doctores praeter paucos. Verumtamen, quia nonnulli asserunt extrínsecas denominationes importare ens rationis, ideo asserunt rationem signi dicere formaliter ens rationis. Alij vero qui tenent extrínsecas denominationes dicere quoddam ens morale in hoc ente morali rationem signi constituunt. Illi vero, qui defendunt extrínsecas denominationes nihil addere supra fundamenta, a quibus dicuntur trahere originem, et ab his nullo modo distingui, consequenter defendunt signum nihil aliud dicere, quam vocem aut rem tanquam materiam, et liberam voluntatem, qua homines statuere per talem vocem aut rem in cognitionem deveniri talis obiecti..." Vgl. A . B E R N ALDUS DE QUIROS, SJ, Opus philosophicum (1666) 194a: „Dubitabis primo per quid constituantur [sc. voces] in ratione signi? Thomistae ponunt relationem realem, alij rationis; alij ens quoddam morale. Sed male, nam sine his sola intellecta volúntate Authoris linguae, quod ly homo significet audienti animal rationale, iam vox homo significativa intelligitur; quare haec est denominatio extrínseca a volúntate instituentis, ut moneta habet valorem ex volúntate Principis non retractata ex quo nunc actu vox significet, quia actu haec voluntas non est retractata." Zu Araújo vgl. M. BEUCHOT, La doctrina tomistica clásica sobre el signo. Domingo de Soto, Francisco de Araújo y Juan de Santo Tomás: Critica 12 (1980) 39-60. FRANCISCUS ARAV (ARAÚJO), O P , Commentariorum in universam Aristotelis Metaphysicam tomus primus (1617) 345ff: „De divisione relationis rationis in primam et secundam intentionem."

206

Das Zeichen in der Logik der posttridentinischen Scholastik

allgemeine Begriff des Zeichens, jener also, der sowohl für das natürliche wie das willkürliche, sowohl für das formale wie das instrumentale Zeichen gilt, besteht für ihn, in Übereinstimmung mit der zeitgenössisch vorherrschenden Zeichendefinition, darin, daß das Zeichen „aliquid aliud a se potentiae cognoscitivae repraesentat". 131 Hinsichtlich dieser ratio des Zeichens stellt sich zunächst die Frage, „An relatio signi sit rationis in omnibus signis, vel an sit in aliquibus realis" [Ob die Relation des Zeichens bei allen Zeichen eine gedankliche, oder bei einigen eine reale ist]. 132 Nach Araüjo besteht die ratio formalis signi im Falle der natürlichen Zeichen in einer realen Relation, da jene ihr Sein einer realen Ursache verdankt und sie dem natürlichen Zeichen Kraft seiner realen Hervorbringung zukommt. 133 Dies gilt ebenso für die natürlichen Instrumentalzeichen, wie etwa die Sterne als Zeichen der zukünftigen Wirkungen im sublunaren Bereich 134 oder den Urin als Zeichen der Gesundheit, 135 wie für das natürliche Formalzeichen, den geistigen Konzept. Denn dessen significatio ist nichts anderes, als die durch ihn geleistete Repräsentation des Gegenstandes, und diese ist, weil in der Natur des Konzepts selbst begründet, notwendig real. 136 Hierbei ist jedoch die reale significatio bzw. repraesentatio nicht selbst die relatio signi, sondern das Fundament derselben. Die zum Sein selbst des geistigen Begriffs gehörende Realrepräsentation besteht in einer transzendentalen Hinordnung auf den Gegenstand, von dem dieser Begriff abhängt, gemessen und bestimmt wird. 137 In diesem Sinne bildet sie das Fundament der Zeichenbeziehung als einer realen Relation der „dritten Art", d.h. einer realen Maßziehung. 138 131 132 133

134

F. ARAV, OP, Comment, in univ. Arist. Met. 1.1. ( 1 6 1 7 ) 3 5 1 a . Ebd. 3 5 0 b - 3 5 8 a . Ebd. 3 5 1 b : „Haec ratio signi formaliter sumpta in signis naturalibus non est relatio rationis, sed realis. ... probatur primo, quia illa relatio formaliter est realis, quae habet causam realem sui esse, et quae competit subiecto ex vi suae realis productionis..." Ebd.: „... relatio signi a qua stella dicuntur signa: habet causam realem, et convenit eis ex vi suae creationis: etenim a principio, quando Deus illas creavit, dixit Genes. I. 'Fiant lu-

minaria in firmamento caeli, et dividant diem oc noctem, et sint in signa, et tempora, et dies, et annos etc.' ergo illa relatio signi, a qua luminaria caeli dicuntur signa naturalia futurorum effectuum in his sublinaribus, est realis." 135

Ebd.: „Respectus, quem dicit urina ad sanitatem, est respectus signi significantis sanitatem, et est realis, ergo. M i n o r patet, quia i Ile respectus signi est fundamentum analogiae attributionis, qua sanum dicitur realiter de animali et de urina: i Ile enim respectus fundat hanc praedicationem: Urina est sana, quae praedicatio fit secundum denominationem realem (licet extrinsecam) sed fundamentum analogiae et denominationis realis debet esse reale, praeveniens intellectus operationem..."

13e

Ebd.: „Conceptus, quem intellectus format de aliqua re, est vere signum naturale illius...; et eius significatio est realis: ergo. M i n o r patet, nam eius significatio est ipsa repraesentatio, qua repraesentat suum obiectum: H a e c autem repraesentatio proculdubio realis est, quia est naturalis conceptui..."

137

Vgl. Anm. 2 6 4 . Ebd., 3 5 2 a : „... illa realis repraesentatio, quae pertinet ad entitatem absolutam ipsius conceptus, est relativa transcendentaliter, hoc est, consistit in ordine transcendental! ad

138

D e r metaphysische Status der Zeichenrelationen

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Ein weiteres Argument für den realen Charakter der Zeichenrelation beim signum naturale ergibt sich nach Araújo daraus, daß dieses gemäß der geläufigen Bestimmung desselben „ex natura sua repraesentat aliud a se". 139 Eine den Dingen von Natur aus zukommende Eigenschaft aber ist real und intellektunabhängig. Damit sind bei den natürlichen, d.h. von Natur aus auf die Repräsentation von anderem hingeordneten Zeichen hinsichtlich des Fundamentes der Relation die erforderlichen Bedingungen einer relatio realis erfüllt. Immer dann, wenn das Repräsentierte bzw. das Signifikat des Zeichens selbst real existiert und damit ein realer Bezugspunkt als die zweite Bedingung einer Realenbeziehung gegeben ist, ist die Zeichenrelation eine relatio realis.140 Im Fall der Nichtexistenz des Signifikats dagegen handelt es sich bei der Zeichenbeziehung lediglich um eine gedankliche Beziehung, eine relatio rationis. Dies allerdings widerfährt dem natürlichen Zeichen lediglich akzidentell, da seine Zeichenbeziehung aufgrund seiner Natur und seines Fundaments eigentlich real sein sollte und nur durch das Fehlen der Existenz des äußeren Bezugspunktes akzidentell aufhört, dies zu sein, wobei zugleich mit dem Fortfall der Realbeziehung eine gedankliche entsteht. 141 Bei den signa ad placitum ist die Zeichenrelation als relatio rationis sowie als prima intentio charakterisiert. Ersteres ist dadurch begründet, daß sich die Relation nicht einer natürlichen Hinordnung, sondern einer Beziehungsstiftung seitens des Verstandes verdankt, letzteres durch die im Anschluß an Herveus Natalie vorgenommene allgemeine Bestimmung der intentio prima als eine unmittel-

obiectum a q u o dependet, mensuratur et specificatur: ergo fundat relationem realem tertij ordinis, quae non est alia, quam relatio repraesentativi, sive signi. Conseq. patet. N a m fundamentum relationis realis est o r d o transcendentalis unius extremi existentis ad aliud existent" 139

Vgl. Anm. 1 4 2 .

140

Ebd. 3 5 2 a : „... ex parte fundamenti et termini relatio signi naturalis habet omnes conditiones desideratas ad relationem realem: ergo est realis. Antecedens patet. N a m ex parte fundamenti est o r d o ex natura rei; sunt etenim signa naturalia ex natura rei ordinata, et instituía ad repraesentandum aliud a se, v.g. imago Β. Dominici ex natura rei est instituta et ordinata ad repraesentandum beatum D o m i n i c u m ; ex parte etiam alterius extremi aliquando est realis existentia, q u a n d o res repraesentata est in rerum natura: sed nihil amplius ad relationem realem desideratur, quam fundamentum in reali ordine unius ad alterum consistens, et coexistentia alterius extremi: e r g o . "

141

Ebd. 3 5 3 a : „ R e l a t i o signi in signis naturalibus, quando architypus non existit, est rationis, per accidens, ex defectu cuiusdam conditionis requisitae. Prima pars probatur. Ad relationem realem praedicamentalem una ex conditionibus requisitis est alterius extremi existentia... ergo deficiente architypi existentia, relatio signi non erit realis, sed rationis. Secunda pars probatur. N a m q u a n d o aliqua relatio ex sua natura, ex proprijs meritis sui subiecti et fundamenti, debebat esse realis, sed ex defectu extrinseci non est realis, per accidens, desinit esse realis: at relatio signi naturalis, quantum est ex sua natura, et ex meritis sui fundamenti, debet esse realis... ergo quando deficit existentia extrinseci termini, per accidens desinit esse realis, et l o c o illius consurgit relatio alia rationis."

208

Das Zeichen in der Logik der posttridentinischen Scholastik

bar aus einem realen Akt, hier der Einsetzung, folgende und in diesem fundierte gedankliche Relation. 142 Die Bestimmung des Zeichens als Relation bindet dasselbe in seinem relationalen Status unmittelbar an die Existenz oder Nichtexistenz des Signifikats. Die Existenz des Referenten entscheidet über den relationalen Status des Zeichens. Eine solche relationale Konzeption des Zeichens steht zwangsläufig in einem Spannungsverhältnis zur funktionalen Bestimmung desselben. Denn ganz offensichtlich führt, so ein Einwand, den sich Araújo ebenso wie Johannes a Sto. Thoma stellen, das Bild des Königs das Erkenntnisvermögen in der selben Weise zur Erkenntis des lebenden wie des toten Königs. Während sich für das Funktionieren des Zeichens durch den Fortfall des realen Signifikats nichts ändert, ergeben sich hierdurch auf der Ebene der Zeichenrelation, auf der nach Araújo und Johannes a Sto. Thoma aber der Formalbegriff des Zeichens liegt, grundlegende Veränderungen. Denn durch den Ausfall des realen Zielpunktes muß an die Stelle der ihrer Existenzbedingungen beraubten realen Zeichenrelation eine neue, gedankliche Relation treten - ohne daß freilich für irgend jemanden etwas von diesem metaphysischen Schauspiel zu merken oder es in irgendeiner Weise für die Funktion des Zeichens von Belang wäre. 143 Vor diesem Problemhintergrund konstatiert Araújo, daß in einigen Relativa, zu denen eben auch der Terminus und das Zeichen gehören, zwei Wirkungen oder Leistungen (exercitia) vorliegen; nämlich einerseits eine intrinsische, wesentliche, von einer solchen Relation untrennbare und aus der Relation selbst hervorgehende, sowie andererseits eine akzidentelle und abtrennbare, die aus dem Fundament der Relation hervorgeht. So ist beim Zeichen, hier der imago regis, die intrinsische und wesentliche Leistung desselben, sich auf das Signifikat zu beziehen. Denn das ist es, was die Signifikationsbeziehung ausmacht. Die Leistung dagegen, das Erkenntisvermögen zur Erkenntnis des Signifikats hinzuführen und dieses Signifikat zu repräsentieren (ducere potentiam in cognitionem signati, et illud repraesentare), ist nur eine akzidentelle Wirkung. Denn dem Bild kommt es auf Grund seiner Form und Zeichnung zu, das dargestellte Vorbild zu repräsentieren. Hierbei ist es von der Zeichenrelation selbst nur wie von einer conditio concomitans abhängig. Und weil eben die Form, unabhängig von der

142

143

Ebd. 353b: „Relatio signi in omnibus ... signis ad placitum est ens rationis, et prima intentio. Nam ... est relatio rationis unius extremi ad alterum, quando ad illud non ordinatur ex natura sua, sed per comparationem rationis comparantis unum ad alterum: at signa ad placitum non ordinantur ad signata ex natura rei, sed ex ordinatione extrínseca Intellectus illa instituentis ad significandum: ergo. Confirmatur. Humanuni decretum et Imperium immediate nihil causat reale in rebus ad extra... Ex his patet secunda pars conclusionis. Nam prima intentio ... est illa relatio, quae immediate consequitur ad aliquam actionem realem, et in illa fundatur: sed huiusmodi est relatio signi, siquidem posita activa institutione, statim consurgit significatio in vocibus..." Ein analoges Problem ergab sich aus der relationalen Bestimmung des Zeichens bereits bei Roger Bacon. S.o., S. 61f.

Der metaphysische Status der Zeichenrelationen

209

aktualen Existenz oder Nichtexistenz des darstellten Königs dieselbe bleibt, bleibt auch - trotz der Veränderung hinsichtlich der Relation - die Leistung des Repräsentierens und der Erkenntnisvermittlung identisch. 1 4 4

Damit ist eine

deutlich Trennung der den Formalbegriff des Zeichens konstituierenden Relation oder Bezugnahme auf das Signifikat (ratio referendi)

von der repräsentieren-

den oder zur Erkenntnis hinführenden Funktion des Zeichens vorgenommen. N a c h der Klärung des ontologischen Status der Zeichenrelation stellt sich die Frage nach ihrem vorrangigen Bezugspunkt bzw. nach ihrer formalen Struktur: „An haec relatio signi ... per ordinem ad potentiam cognoscitivam constituatur (Ob diese Relation des Zeichens durch eine Hinordnung auf das Erkenntnisvermögen konstituiert wird). 1 4 5 Diesbezüglich lassen sich, wie Araújo feststellt, zwei grundsätzliche Positionen unterscheiden. W ä h r e n d nach der einen (I.) die ratio signi präzis in der Hinordnung des Zeichens auf das Signifikat besteht, geht die zweite (II.) von einer gleichzeitigen Hinordnung auf das Signifikat und das Erkenntnisvermögen aus. Hinsichtlich der konkreten Beschreibung dieser Hinordnung auf zwei Zielpunkte gibt es jedoch mehrere konkurrierende Modelle. (II. 1) Das Zeichen bezieht sich mit ein und derselben Relation und in derselben Weise auf das Signifikat und das Erkenntnisvermögen, aus denen als partielle Zielpunkte nur ein totaler Zielpunkt integriert wird. 1 4 7 144

145 14Ä

147

F. ARAV, OP, Comment, in univ. Ansí. Met. t. I. (1617) 355a-b: „... praenotandum valde est, in aliquibus relativis duos effectus, seu duo exercitia, reperiri: alterum intrinsecum, inseparabile et essentiale a tali relatione, ut a ratione formali proveniens; alterum accidentale, et separabile a tali relatione, ut a conditione quadam ibi exercita dependens, a fundamento vero relationis ut a ratione formali, proveniens. Huiusmodi relativa sunt, praedicabile, terminus, signum, etc. ... in signo, v.g. in imagine regis, effectus intrinsecus et essentialis relationis signi, est referri ad signatum: est enim ipsa significationis relatio, ratio referendi ad signatum: at ducere potentiam in cognitionem signati, et illud repraesentare, est effectus accidentalis, et separabilis a fundamento, ut a ratione formali, et a relatione signi, ut a con(355b)ditione concomitante proveniens: imago enim ratione figurae et lineamentorum habet repraesentare suum prototypum, et ducere potentiam in cognitionem illius dependenter a relatione ut a quadam concomitante conditione: Et quia figura eadem perseverai, vivo et mortuo rege, eadem etiam efficacia repraesentandi et ducendi potentiam manet vivo et mortuo rege, non obstante quod relatio varietur." Ebd. 358a-362b. Ebd. 358a-b: „Dubitatur ... An haec relatio signi ... per ordinem ad potentiam cognoscitivam constituatur? ... In hoc dub. versatur sententia. Prima asserii rationem signi constituí formaliter per ordinem praecise ad signatum. Secunda asserit constituí per ordinem ad signatum, simulque ad potentiam. Auetores tarnen huius sententiae, ut explicent qualiter eadem ratio simul respicit duos términos, scilicet signatum, et potentiam, divisi sunt in tres modos dicendi." Ebd. 358a-b: „Quidam ... dicunt (358b) signum per eandem relationem respicere ex aequo signatum, et potentiam ut duos términos partiales: integrantes unum totalem." Die hier referierten Positionen sind nur schwer konkreten Autoren zuzuweisen. Eine der hier angesprochenen Position zumindest hinsichtlich der Vereinigung der beiden in ihrer Gleichrangigkeit (aeque primo) betonten Relationen zu einer einzigen nahekommende Auffassung vertritt später Poncius. Vgl. J. PONCIUS, OFM, Philosophiae ad mentem Scoti cursus integer

210

Das Zeichen in der Logik der posttridentinischen Scholastik

(11.2) Das Zeichen bezieht sich mittels verschiedener Relationen auf das Signifikat und das Erkenntnisvermögen, wobei die Relation auf das Erkenntisvermögen immer - auch im Fall der natürlichen Zeichen, bei denen die Relation auf das Signifikat eine relatio realis ist - eine relatio rationis ist und zur ersten nicht wie ein wesentlicher Teil, sondern wie ein komplettierender Modus hinzutritt. 148 (11.3) Das Zeichen bezieht sich zwar mit derselben Relation auf das Signifikat und das Erkenntnisvermögen, auf beides jedoch in unterschiedlicher Weise, denn auf das Signifikat vorrangig und wie auf einen 'terminus qui' (Zielpunkt, der...), auf das Erkenntnisvermögen jedoch nachrangig und wie auf einen 'terminus cui' (Zielpunkt, dem...).149 Araújo lehnt die erste Meinung (I.) ab: Das Zeichen besteht, wie bereits dessen Definition deutlich macht, nicht in der Relation auf das Bezeichnete präzis für sich genommen und unter Ausschluß der Beziehung auf das Erkenntnisvermögen. 1 5 0 Es bezieht sich ihm zufolge jedoch auch nicht, wie II.l behauptet, in ( 1 6 5 9 ) 2 6 8 a : „Signum nullum ... ut tale, prius respicit rem significatam, quam potentiam, cui significat, nec e contra: nec consequenter dicit duos respectus, quorum unus sit prior altero, sed eodem indivisibiliter respectu aptitudinali respicit utrumque." Dies richtet sich explizit „contra aliquos, qui existimant quod prius respiciat rem, quam potentiam et quod respectus, quam dicit ad obiectum, sit essentialiter illi, respectus vero ad potentiam proprietas ad illam priorem sequens." Die Integration der beiden respectus auf das Signifikat und das Erkenntnisvermögen zu einem einzigen, ist nach Poncius aufgrund der Tatsache, daß sich das Zeichen unmöglich auf das eine bezieht, ohne sich zugleich auf das andere zu beziehen, geradezu durch das Sparsamkeitsprinzip geboten: „... quia non sunt multiplicanda entia aut formal itates sine necessitate: sed non est nécessitas ulla multiplicandi huiusmodi respectus, quandoquidem unico respectu possit quis tendere in plura, quando non potest tendere in unum ex illis, quin necessario tendat in alterum, nec potest intelligi ut tendens in unum, quin intelligatur tendens in alterum: sed signum non potest nec respicere, nec intelligi respicere rem significatam per modum signi, quin respiciat et intelligatur respicere potentiam, cui significat, nec e contra: ergo uno respectu debet dici utrumque respicere. Rursus nulla est ratio, ob quam dicatur potius respicere rem significatam prius quam potentiam aut e contra: ergo utrumque aeque primo debet dici respicere." 148

F. ARAV, OP, Comment, in univ. Arist. Met. t. I. ( 1 6 1 7 ) 3 5 8 b : „Alij ... dicunt, quo signum respicit signatum per unam relationem, et potentiam per aliam, quae relatio in omnibus signis, etiam in naturalibus constitutis per relationem realem, est relatio rationis, et intégrât unam essentiam signi cum ilia relatione ad signatum, non ut pars essentiae, sed ut modus complectivus [sic: completivus] illius, ad eum modum, quo ... completur ... obiectum fidei per annexam obscuritatem."

149

Ebd. 3 5 8 b : „Alij denique Metaphysici dicunt signum, per eandem relationem respicere signatum, et potentiam: sed non ex aequo. Signatum quidem principalius, et ut terminum, qui, potentiam vero minus principaliter, et ut terminum, cui."

150

Ebd. 3 5 8 b : „Respondeo dicendum primo. Signum non constituitur per ordinem ad signatum praecise sumptum, et cum exclusione potentiae. ... et probatur ex diffinitione signi: est enim illud quod aliquid aliud a se potentiae cognoscitivae repraesentat, quibus in verbis explicatur formalis ratio signi, et haec explicatur per ordinem ad potentiam: ergo non consistit in ordine ad solum signatum. Confirmatur. Actus proprius signi est repraesentare, quod est cum ordine ad potentiam cognoscitivam: cui fit repraesentatio: ergo et signum in sua essentia dicit ordinem ad potentiam."

Der metaphysische Status der Zeichenrelationen

211

derselben Weise (ex aequo) auf das Signifikat und das Erkenntnisvermögen, noch auch ist die Relation zum Erkenntnisvermögen, wie II.2 annimmt, nur ein die Relation zum Signifikat komplettierender Modus. Denn einerseits können das Signifikat und das Erkenntnisvermögen nicht den adäquaten Zielpunkt einer einfachen Relation bilden, da sich das Zeichen auf das Erkenntnisvermögen stets in der Relation der Erfaßbarkeit oder Erkennbarkeit und damit in einer gedanklichen Relation bezieht, während die Relation auf das Signifikat jedoch, wie bei den natürlichen Zeichen, eine reale Relation sein kann. Andererseits ist die Annahme einer eigenen, die Relation zum Signifikat komplettierenden Hinordnung auf das Erkenntnisvermögen unnötig, wenn, wie Araújo zeigen wird, das Zeichen sich mit derselben wesenhaften Hinordnung auf das Signifikat auch auf das Erkenntnisvermögen bezieht. 151 Araújo schließt sich damit der Position II.3 an: Das Zeichen besteht wesensmäßig in einer einzigen, einfachen, sich primär auf das Signifikat als den terminus qui und sekundär auf das Erkenntnisvermögen als den terminus cui beziehenden Relation. 152 Beide zusammen bilden den in der Definition des Zeichens als eines das Erkenntnisvermögen zur Erkenntnis des Signifikats Hinführenden angegebenen Totalterminus der Zeichenrelation. 153 In Form von Einwänden problematisiert er dieses Modell der Zeichenrelation. Zunächst scheint die hier vorliegende, lediglich sekundäre Berücksichtigung

151

152

153

Ebd. 3 5 8 b - 3 5 9 a : „... Dico secundo: signum non respicit potentiam et signatum ex aequo, ñeque ordo ad potentiam est modus completivus ordinis ad signatum. Prima pars conclus i o n s statuitur contra primum modum explicandi secundam sententiam, et probatur, quia potentia, et signatum nequeunt integrare unum adaequatum (359a) terminum unius simplicis relationis: ergo. Ante, quia ad potentiam solum refertur: signum relatione rationis. Etenim rei at i o signi ad potentiam, est relatio apprehensibilis sive cognoscibilis, quae est relatio rationis, ex eo enim quod potentia cognoscitiva potest apprehendere illud, denominatur apprehensibile, ordo autem ad signatum in signis naturalibus est realis, ut dictum est: ergo. Confirmatur. Relatio signi non dicitur ad convertentiam cum potentia: ergo non respicit potentiam, ut correlativum principale. ... Antee, autem probatur: signum enim non dicitur potentiae signum, sed signati: ergo. Secunda pars statuitur contra secundum modum explicandi eandem sententiam et probatur. Nam ... eodem ordine essentiali, quo signum respicit signatum; respicit etiam potentiam: ergo chimericus est ordo ille ad potentiam completivus alterius ordinis ad significatum." Ebd. 3 5 9 a : „Dico tertio. Signum constituitur essentialiter per unicam simplicem relationem ad signatum, primario, et ad potentiam secundario terminatam. Prima pars conclusionis probatur: Nam illud per quod aliquod relativum diffinitur, et cum quo dicitur ad convertentiam, est terminus eius primarius, sed signum diffinitur per ordinem ad signatum... Signum enim est signati signum, et est illius repraesentativum... Deinde probatur secunda pars simul cum prima. Nam quando aliquod ens respectivum respicit duos términos ordine quondam, alterum ut 'quod', et alterum ut 'cui', illum respicit primario, et hunc secundario, qua ratione amore actus, teste Div. Thom. I. p. q. 2 0 ar. 1 ad 3. cum tendat in haec duo, scilicet in bonum, quod quis vult alicui, et in eum cui vult bonum..." Ebd. 3 6 0 a : „... relativum debet diffiniri per ordinem ad suum terminum totalem: et ita signum diffinitur per ordinem ad signatum, et ad potentiam: nam diffinitur, quod sit ductivum potentiae in cognitionem signati."

212

Das Zeichen in der Logik der posttridentinischen Scholastik

der Relation des Zeichens auf das Erkenntnisvermögen insofern problematisch zu sein, als gerade diese Relation konstitutiv für die Spezifikation der Zeichen zu sein scheint. Denn bei gleichbleibendem Signifikat kann das Zeichen durch den Wechsel des Erkenntnisvermögens, auf das es sich bezieht, ein anderes werden: Mein geistiger Begriff einer Sache ist, wie Araújo anhand eines gebräuchlichen Beispiels ausführt,154 für mich ein signwn formale, für einen diesen meinen Begriff erfassenden Engel dagegen ein signum instrumentale. Das Problem, das sich hier stellt, ist folgendes: Wenn das Zeichen als Zeichen wesentlich durch die Relation auf das Signifikat bestimmt ist, muß auch die Unterscheidung der Formal- und Instrumentalzeichen aus derselben ableitbar sein. Araújo versucht dies, wie später Johannes a Sto. Thoma, durch die Ansetzung einer auf Seiten des Gegenstandes selbst liegenden unterschiedlichen Repräsentierbarkeit zu lösen.155 Der Annahme einer sich sowohl auf das Signifikat wie auf das Erkenntnisvermögen beziehenden dreistelligen Zeichenrelation steht zudem die Schwierigkeit entgegen, daß es sich unter Voraussetzung der Existenz des Signifikats bei der Relation des natürlichen Zeichens auf dasselbe um eine relatio realis handelt, bei der zum Erkenntnisvermögen jedoch um die Hinordnung eines passiv Erfaßbaren auf ein aktiv Erfassendes und damit um eine relatio rationis, und folglich das Zeichen sich nicht auf beide Bezugspunkte mittels derselben einfachen Relation beziehen kann. Araújo hebt diesen Einwand mit dem Hinweis, daß es sich zwar um ein und dieselbe Relation handelt, die sich jedoch in unterschiedlicher Weise auf ihre Bezugspunkte bezieht, so daß sie das Signifikat „ut quod", wie dasjenige, das repräsentiert wird, das Erkenntnisvermögen aber „ut cui", wie dasjenige, dem repräsentiert wird, berührt. Die gedankliche Relation des Erfaßtwerdens durch das Erkenntnisvermögen ist zwar zur aktualen Hinführung des Erkenntnisvermögens auf das Signifikat erforderlich. Der wesensmäßige Grund des Zeichens jedoch, wie er der aktualen Bezeichnungsleistung voraufgeht, wird nicht durch das Erfaßtsein des Zeichens konstituiert.156

154

155

156

V g l . CONIMBRICENSES, SJ, Commentarii in univ. Aristotelis dialecticam ( 1 6 0 7 ) 2 . 2 3 . F. ARAV, OP, Comment, in univ. Arist. Met. 1.1. ( 1 6 1 7 ) 3 6 0 b - 3 6 1 a : „... arguitur, quia stante identitate signati, propter diversitatem potentiae, contingit distingui ipsa signa: ergo potentia ex aequo concurrit ad specificationem signi, vel est eius terminus totalis. Antecedens p a t e t . . . conceptus, quem ego habeo de Petro, est respectu mei intellectus signum formale; et respectu Angeli Gabrielis, v.g. intuentis mediante meo conceptu Petrum, subinduit rationem signi Instrumentalis... Ad hoc argumentum respondetur... ( 3 6 1 a ) quod i Ile conceptus habet duplicem formalitatem, alteram signi formalis, quatenus seipso meo intellectui repraesentat formaliter Petrum: alteram signi Instrumentalis, quatenus praecognitus a quocumque alio intellectu, ducit ilium instrumentaliter in cognitionem Petri: quae duplex formalitas non desumitur praecise ex ordine ad potentias, sed ex ordine ad eundem Petrum, ut diversimode repraesentabilem per illum conceptum propriae et alienae potentiae..."; Vgl. JOHANNES A STO. THOMA: Ars logica ( 1 9 4 8 ) 6 6 9 a b .

Ebd. 3 6 1 b - 3 6 2 a : „Tertio arguitur: existente signato imaginis, v.g. Regis, relatio signi est realis... et relatio ad potentiam est rationis, quia est ordo apprehensibilis passivae, ad ap-

Der metaphysische Status der Zeichenrelationen

213

Hiermit sind die wesentlichen Elemente der thomistischen Zeichenkonzeption des 17. Jahrhunderts formuliert,157 die zu Beginn der 30er Jahre dann von Johannes a Sto. Thoma weiter ausgefaltet und systematisiert werden: Die ratio formalis signi liegt nicht im Fundament der Zeichenrelationen, sondern in diesen selbst. Hierbei handelt es sich im Fall der natürlichen Zeichen - und unter Voraussetzung der Existenz des Signifikats - um reale, im Fall der eingesetzten Zeichen dagegen um gedankliche Relationen. Diese, von der dem Zeichen als Zeichen äußerlichen und bereits durch die transzendentale Relation des Fundaments geleisteten Funktion der Repräsentation und Hinführung zur Erkenntnis abgehobene Zeichenrelation besteht wesensmäßig in der bloßen Bezugnahme (ratio referendi) auf das Signifikat. Diese kann, wie Araújo für die Konzepte deutlich macht - Johannes a Sto. Thoma wird das auf alle Arten von Zeichen übertragen - als Maßrelation (relatio mensurae) beschrieben werden, insofern das Zeichen am Bezeichneten das Maß seiner selbst findet. Da die in der Zeichendefinition zum Ausdruck gebrachte Funktion des Zeichen, - wie später bei Johannes a Sto. Thoma stehen die Definition und der herausgearbeitete Formalbegriff des Zeichens in einem problematischen Spannungsverhältnis -, etwas anderes einem Erkenntnisvermögen zu repräsentieren, bereits durch die fundamentale Ebene des Zeichens geleistet wird, haben die durch den eventuellen Fortfall des Signifikats bedingten Änderungen des relationalen Status des Zeichens keinerlei Einfluß auf seine Funktion. Die Beziehungen des Zeichen zum Signifikat und zum Erkenntnisvermögen sind zu einer einzigen Relation integriert, so daß das formaliter als Zeichen betrachtete Zeichen wesentlich durch eine dreistellige Relation konstituiert wird, die sich direkt auf das Signifikat und indirekt auf das Erkenntnisvermögen bezieht.

b) Johannes a Sancto Thoma (1589-1644) Die differenzierteste und theoretisch anspruchsvollste Erörterung des Zeichens vor dem Hintergrund der Relationentheorie findet sich im frühen 17.

157

prehensivum active: sed relatio realis, et relatio rationis nequit esse eadem simplex relatio; ergo signum non respicit signatum, et potentiam eadem simplici relatione. ... (362a) Ad argumentum nego minorem, ñeque enim ordo ad potentiam est alius ab ordine ad signatum; sed idem, qui attingit signatum ut quod, et primario; potentiam vero ut cui, et secundario; et licet ad actualem ductionem potentiae requiratur apprehensio activa potentiae, ex qua in signo résultat relatio apprehensi, sive proxime apprehensibilis; tamen ratio signi essentialis, ut praevenit actúale exercitium, non constituitur per esse apprehensum, aut apprehensibile proxime, sed per relationem ductivi, ut radicaliter et remote a potentia apprehensibilem, quae radicalis, et remota apprehensibilitas non ponit in numero cum entitate ipsa relationis signi; et ita est realis, quando haec est realis." Die beiden weiteren von Araújo erörterten zeichentheoretischen Fragen („An ratio signi, in signis formalibus vere et univoce salvetur, et in quo consistât"; 362b-366b); „An in signo instrumental! vera et specialis ratio signi reperiatur, et in quo consistât"; 366b-370b) beziehen sich nicht auf die hier behandelte Problematik der Zeichenrelationen.

214

Das Zeichen in der Logik der posttridentinischen Scholastik

Jahrhundert bei Johannes a Sancto Thoma (Jean Poinsot).158 Johannes a Sto. Thoma setzt den Stellenwert des Zeichenbegriff für den Logiker hoch an. Weil nämlich, „alle Instrumente, derer wir uns zum Erkennen und zum Sprechen bedienen, Zeichen sind, muß der Logiker, um seine Instrumente ... exakt zu kennen, auch wissen, was ein Zeichen ist."159 Die erste, kurze Exposition des Zeichens in den Summulae ist, wie bereits Ashworth mit Recht gegenüber Deely betont hat, 160 durchaus konventionell. Im Wesentlichen hält sich Johannes an die Vorgaben der Summulae von Soto, dessen dreifache Unterscheidung des Gegenstand-Seins161 er ebenso übernimmt, wie dessen Systematisierung der vier, extensional differenzierten Weisen des facere cognoscere. Die ausführliche Behandlung des Zeichenbegriffs, der aufgrund der mit ihm verbundenen komplexen metaphysischen Relationsproblematik für Anfänger ungeeignetet ist, verlagert er, gängiger Praxis entsprechend, an die sich auf Peri hermeneias beziehende Systemstelle seiner Logikkurses.162 Denn wie bei Araújo, 158

Zur Zeichentheorie des Johannes a Sto. Thoma vgl. J. A. OESTERLE, Another Approach to the problem of Meaning: The Thomist 7 (1944) 233-63; J. A. CASAUBON, Para una teoria del signo y del concepto mental como signo formal: Sapientia 10 (1955) 270-83; J. G. HERCULANO DE CARVALHO, Segno e significazione in joao de Sao Tomás (1961); J. N. DEELY, The two Approaches to Language: Philosophical and Historical Reflections on the Point of Departure of Jean Poinsot's semiotic: The Thomist 38 (1974) 856-907; DERS., Neglected Figures in the History of Semiotic Inquiry: John Poinsot, in: History of Semiotics, hg. A. Eschbach u. J. Trabant, 1983, 115-26; DERS., The Coalescence of Semiotic Consciousness, in: Frontiers in Semiotics, hg. J. Deely u.a., 1986, 5-34; DERS., The semiotic of John Poinsot: Yesterday and tomorrow: Semiotica 69 (1988) 31-127; M. BEUCHOT, La doctrina tomistica clásica sobre el signo. Domingo de Soto, Francisco de Araújo y Juan de Santo Tomás: Critica 12 (1980) 39-60; E. J. ASHWORTH, The Historical Origine of John Poinsot's Treatise of Signs: Semiotica 69 (1988) 129-147; C. CHIESA, Note historique par une définition postmédievale du signe: Revue de théologie et du philosophie 114 (1982) 141-158.

159

JOHANNES A SANCTO THOMA, Ars logica,

160

hg. B . REISER ( 1 9 4 8 ) 9 a : „... in u n i v e r s u m o m n i a

instrumenta, quibus ad cognoscendum et loquendum utimus, signa sunt, ideo ut logicus exacte cognoscat instrumenta sua scilicet termini et orationes, oportet, quod etiam cognoscat, quid sit signum." Eine solche Betonung der Bedeutung der Zeichen für die menschliche Erkenntnis ist nicht singular. Vgl. F . GONÇALEZ, SJ, Logica tripartita (1639) 95a: „... exploratum est nos homines uti necessario, et quidem magna nostra utilitate, omnibus signis ..., siquidem valde crescit nostra scientia, notitiâ et usu signorum, praesertim sensibilium..."; vgl. J. B. ProLEMAEUS, SJ, Philos, mentis et sensuum (1698) 136a-b: „Si nulla haberemus signa ..., nil amplius sci rem us nisi quod bruta sentiunt: id enim solum possemus intelligere: nam quod praeterea intelligitur id per signa cognoscitur." E. J. ASHWORTH: The historical origins of John Poinsot's Treatise on Signs: Semiotica 691/2 ( 1 9 8 8 ) 1 3 1 .

161

162

Vgl. JOHANNES A SANCTO THOMA, Ars logica (1948) 9a-b. 1. Objectum motivum tantum als jenes, das das Erkenntnisvermögen zur Bildung eines Begriffs oder einer Erkenntnis (notitia) von etwas vom bewegenden Objekt selbst Verschiedenem bewegt, wie z.B. „das Bild des Kaisers, das dazu bewegt, den Kaiser zu erkennen"; 2. Objectum terminativum tantum als die durch die von einem anderen Gegenstand hervorgerufene Erkenntnis erkannte Sache, wie z.B. „der mittels eines Bildes erkannte Kaiser"; 3. Objectum terminativum et motivum simul als der sich selbst zeigende und die Erkenntnis seiner selbst bewirkende Gegenstand. Bereits in der dem ersten Band seines Logikkurses vorangestellten Vorrede an den Leser

Der metaphysische Status der Zeichenrelationen

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ist auch bei Johannes a Sto. T h o m a die Exposition des Zeichens ganz v o m Begriff der Relation her entwickelt. Dabei setzt er die Problematisierung des relationalen Status des Zeichens jedoch höher an als jener, wenn er nicht von der hatte Johannes - in Übereinstimmung mit der zeitgenössigen Kritik an der älteren Gestalt der summulistischen Logik - angekündigt, daß er die oftmals in den Summulae behandelte und mit der Funktion dieses Textes als einer logischen Prodädeutik unvereinbare metaphysische Thematik aus diesem Kontext herausnehmen und sie an den ihr eigentlichen Ort, nämlich einen sich auf das erste Buch von Peri hermeneias beziehenden Tractatus de signis et notitiis expedieren werde. Diese Stelle ist für Deelys Poisot-Interpretation von zentraler Bedeutung. Ihr entstammt - es ist, anders als in der von Deely hergestellten, modifizierten Textform, die einzige Stelle, an der Johannes a Sto. Thoma explizit von einem solchen spricht - nicht nur der Titel seiner Edition, an ihr hängt auch die Stilisierung des Textes zum eigentlichen Beginn der „semiotic revolution, which has become an intellectual movement only in our century" (JOHANNES A STO. THOMA, Tractatus de Signis, Second Semiotic Marker, p. 19). Denn dadurch, daß Johannes a Sto. Thoma die Kommentierung von Peri hermeneias durch einen (nach Deelys Übersetzung) Treatise on signs and notices or modes of awareness (p. 5) ersetzt, formuliert er, so Deely, „a critique of the entire tradition of Latin Aristotelism which had developed a logic exclusively of terms and propositions, and arguments made from these, whereas in fact „interpretation" is a much broader activity coextensive with the entire life of the mind" (ebd., First Semiotic Marker, p. 7). Daran erweise sich die Radikalität des Textes: „it takes up again the then traditional point of entry into philosophical study, and reshapes that point of departure according to a semiotic understanding of the fundamental activity of mind - namely, awareness as such." (ebd., p. 19; vgl. auch J. Ν. DEELY, The two Approaches to Language: The Thomist 38 (1974) 861). Als Johannes seine Ars Logica verfaßte, war die durch Peri hermeneias markierte Systemstelle des Aristotelischen Organons bereits längst zum bevorzugten Ort der Verhandlung der Zeichenthematik geworden. Zwar wurde diese in der Regel lediglich der eigentlichen Kommentierung des Textes vorangestellt, ohne diese, wie bei Johannes - zuvor allerdings bereits bei Hurtado de Mendoza - ganz zu verdrängen. Aber allein darin, daß er die sonst übliche Behandlung von nomen, verbum, enuntiatio oder der futura contigentia übergeht, kann schwerlich eine Revolution bestehen. Wenn Johannes in seiner Vorrede von einem Tractatus de signis et notitiis spricht, so verweist das nicht auf ein neues „semiotic understanding of the fundamental activity of mind", sondern in erster Linie auf eine ältere Tradition. Bereits Ashworth hat in diesem Zusammenhang auf den Tractatus Conceptuum et signorum von Ledelh hingewiesen (JACOBUS LEDELH, Tractatus conceptuum et signorum (Paris 1495); vgl. E. J. ASHWORTH, The Historical Origine: Semiotica 69 (1988) 132f). Es gibt mehrere solcher Traktate in der Logik um 1500 (Vgl. JOHANNES BoiX, Tractatus conceptuum et signorum ... introductorias ad nominalium doctrinam sane intelligendam (Valencia 1493); G. LOKERT, Scriptum in materia notitiarum (Paris 1513); R. CENALIS, Processus noticiarum (Paris 1510) oder D. CRANSTON, Tractatus noticiarum (Paris 1517); vgl. A. BROADIE, Notion and Object (1989); DERS., Medieval notions and the theory of ideas: Proceedings of Aristotelian Society 87 (1986-87) 153-167). Wenn Ashworth (1988: 133) meint, „in the second half of the sixteenth century such independent treatises ceased to be written", so ist das nicht ganz richtig. Zwar sind diese Traktate im frühen 17. Jahrhundert nicht verbreitet - sie kommen erst in der zweiten Jahrhunderthälfte wieder stärker in Mode (vgl. die Anm. 12 angeführten Titel); der von Johannes a Sto. Thoma in seiner Vorrede provisorisch verwendeten Titel Tractatus de signis et notitiis ist jedoch auch im frühen 17. Jahrhundert nicht singulär. Denn bereits 1616 veröffentlichte sein Ordensbruder Marcos de los Huertos seine logischen Disputationen zusammen mit einem Tractatus de signis, noticiis et conceptibus (vgl. MARCOS DE LOS HUERTOS, OP, Dialecticae disputationes cum tractatu de signis, noticiis et conceptibus (Toledo 1616).

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Das Zeichen in der Logik der posttridentinischen Scholastik

Frage nach dem gedanklichen oder realen Charakter der Zeichen ausgeht, sondern zunächst die bei Araújo schon implizit beantwortete Frage stellt, ob das Zeichen überhaupt zur Gattung der Relation gehört („Utrum signum sit in genere relarionis"). Was damit zur Diskussion steht, ist das Problem, ob es sich beim Formalbegriff des Zeichen, der ratio formalis signi, um eine „seinsmäßige Relation" (relatio secundum esse) oder um eine „Relation des Genanntwerdens" (relatio secundum dici), bzw., was dasselbe ist, um eine transzendentale Relation handelt.163 Worum es hierbei geht, ist also nichts anderes, als die direkte Auseinandersetzung mit dem Zeichenkonzept seiner einstigen Lehrer, der Conimbricenses, bzw. in inhaltlicher Perspektive, die Entscheidung der Frage, ob die

163

Die zum Verständnis dieser Fragestellung erforderliche Begrifflichkeit hatte er in der Quaestio 17 [577b] folgendermaßen erklärt: „... in jener Seinsgattung, die Relation genannt wird, muß dreierlei zusammenkommen, nämlich das Subjekt, das Fundament und der Bezugspunkt. Subjekt ist wie bei allen Akzidenzien jenes, was durch die Relation geformt und benannt wird. Das Fundament wird gleichsam als Grund und Ursache benötigt, von dem her diese Relationen ihre Seiendheit und ihr Sein erhalten. Der Bezugspunkt ist gleichsam das, zu dem jene Rücksicht hin tendiert und in dem sie zur Ruhe kommt. Und wenngleich für jede Seiendheit und Form eine Ursache erforderlich ist, so wird doch speziell von der Relation gesagt, daß für sie ein Fundament erforderlich ist, weil die anderen Formen nur eine Ursache erfordern, um ins Sein gesetzt zu werden und zu existieren, die Relation jedoch erfordert aufgrund ihrer minimalen Seiendheit und weil sie dem eigenen Begriff gemäß auf anderes hin ist, ein Fundament nicht allein um zu existieren sondern auch um des Existierens fähig zu sein, d.h. um eine reale Seiendheit zu sein. [...578a] Von hier aus wird es nicht schwer fallen, zwischen den Relationen des Genanntwerdens und den seinsmäßigen, den realen und den gedanklichen, zu unterscheiden. Seinsmäßige Relativa und solche des Genanntwerdens unterscheiden sich aus der Tätigkeit selbst, weil bei den seinsmäßigen Relativa der ganze Grund und die ganze Tätigkeit in der Bezugnahme besteht, und deshalb sagt man, daß sie sich auf ihren Bezugspunkt als auf einen reinen Bezugspunkt beziehen. Die Tätigkeit aber oder der Grund der Relation des Genanntwerdens besteht nicht in der reinen Bezugnahme auf einen Bezugspunkt, sondern darin, etwas anderes zu tun, woraus eine Relation folgen mag. [... 5 7 8 b ] Hieraus steht auch fest, daß die transzendentale Relation, die von der Relation des Genanntwerdens nicht verschieden ist, ihrer vornehmlichen Bedeutung nach keine Relation meint, sondern etwas für sich Bestehendes, auf das irgendeine Relation folgt oder folgen kann. ... Die realen und die gedanklichen Relationen, welche Unterscheidung nur bei der seinsmäßigen Relation angetroffen wird, unterscheiden sich durch das Fehlen irgendeiner der für eine realen Relationen erforderlichen Bedingungen. Es werden aber fünf Bedingungen erfordert..., zwei von Seiten des Subjekts, zwei von Seiten des Bezugspunktes und eine von Seiten der Relate. Seitens des Subjekts, daß es ein reales Seiendes ist und ein reales Fundament oder einen realen Fundierungsgrund bereitstellt. Seitens des Bezugspunktes, daß dieser eine reale und wirklich existierende Sache ist und zweitens, daß er real vom anderen Außenglied der Relation verschieden ist. Seitens der Relate aber, daß sie zur selben Seinsordnung gehören... Dafür, daß irgendeine Relation eine kategoriale ist, ist es erforderlich, daß sie jene Bedingungen hat, durch die sie sich von der gedanklichen und der transzendentalen Relation bzw. der Relation des Genanntwerdens unterscheidet, und also wird die kategoriale Relation so definiert, daß sie eine reale Form ist, deren gesamtes Sein auf etwas anderes hin ist. Durch die erste Teilbestimmung unterscheidet sie sich von der gedankliche Relation, die keine reale Form ist, durch die zweite von der transzendentalen Relation und jeglichem für sich Bestehenden, dessen ganzen Sein nicht auf etwas anderes hin ist, weil es auch etwas für sich Bestehendes ist."

Der metaphysische Status der Zeichenrelationen

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ratio signi, wie jene meinen, im Fundament der Zeichenrelation (bzw., was dasselbe ist, in einer transzendentalen Relation oder einer relatio secundum dici) oder vielmehr in der Relation selbst liegt, unabhängig davon, ob es sich bei dieser um eine gedankliche oder eine reale handelt. Aus diesem allgemeinen Problemansatz erklärt sich die Verwendung des die reale und gedankliche Relation umfassenden Begriffs der seinsmäßigen Relation (relatio secundum esse).164 Johannes a Sancto Thoma eröffnet seine Exposition des Zeichenbegriffs durchaus zeittypisch - mit der Ersetzung der nur dem Instrumentalzeichen angemessenen Augustinischen Zeichendefinition durch jene geläufige Bestimmung des Zeichens als etwas „das einem Erkenntnisvermögen etwas anderes repräsentiert".165 Grundlegend für die weitere Entwicklung des Formalbegriffs des Zeichens ist die bereits von Araújo getroffene Unterscheidung zwischen dem manifestierenden oder repräsentierenden Moment des Zeichens und dessen Hinordnung auf anderes, nämlich auf die repräsentierte Sache einerseits und das Erkenntnisvermögen, dem diese repräsentiert wird, andererseits.166 Für die Klärung des relationalen Status des Zeichens ist diese Unterscheidung insofern von Bedeutung, als das Manifestierende oder Repräsentierende als solches nicht notwendig eine Relation impliziert, da etwas sich selbst oder aber ein anderes manifestieren kann, ohne von diesem abhängig zu sein (z.B. Licht -» Farben; Prämissen —> Schlußfolgerung).167 Das aber bedeutet, daß das Zeichen, wenn anders es formal in einer Relation besteht, von der bloßen Repräsentation abgelöst und an die noch näher zu bestimmende Hinordnung auf anderes gebunden werden muß; was letztlich auf eine Dementierung der eingangs vorausgesetzten Zeichendefinition hinausläuft. Denn etwas ist nicht deshalb schon Zeichen im Vollsinn, weil es etwas anderes manifestiert oder repräsentiert, sondern aufgrund seiner spezifischen Hinordnung auf das Signifikat und das Erkenntnisvermögen.

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Ebd. 646b: „Et loquimur hic de relatione secundum esse, non de relatione praedicamentali, quia loquimur de signo in communi, prout includit tam signum naturale quam ad placitum, in quo involvitur etiam signum, quod est aliquid rationis, scilicet signum ad placitum." Ebd. 646a: „... signum est 'id, quod repraesentat aliud a se potentiae cognoscenti'. Quam definitionem ita communiter tradidimus, ut complecteremur omnia signorum genera, et formale et instrumentale. Nam vulgaris definitio, quae circumferri solet apud theologos in initio 4. Sentent, ex Augustino: 'signum est quod praeter species, quas ingerit sensui, aliquid facit in cognitionem venire', instrumentali signo solum convenit. Ebd.: „In nostra ... definitione ad rationem signi in communi duo concurrunt: Primum est ratio manifestativi seu repraesentativi. Secundum ordo ad alterum, scilicet ad rem, quae repraesentatur, quae debet esse diversa a signo, nihil enim est signum sui nec significat se, et ad potentiam, cui manifestât et repraesentat rem a se distinctam." Ebd. 646a-b: „... manifestativum ut sic constat non dicere relationem, tum quia potest salvari in ordine ad se et sine respectu ad alterum, ut quando lux manifestai seipsam, quando obiectum repraesentat se, ut videatur, etc.; tum quia potest aliquid manifestare alterum sine dependentia ab [646b] ipso, sed potius per dependentiam alterius a se, sicut principia manifestant conclusiones, lux colores..."

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Das Zeichen in der Logik der posttridentinischen Scholastik

Die manifestierende Funktion eines Zeichens ist - im Gegensatz zum manifestativum im allgemeinen - stets mit zwei Momenten verbunden, die für das Zeichenkonzept von Johannes a Sto. Thoma eine zentrale Rolle spielen werden, nämlich einerseits mit der Hinordnung auf ein anderes (ordo ad alteram) und andererseits mit der Abhängigkeit (dependentia) vom Bezeichneten: „Denn das Zeichen ist immer weniger als das Bezeichnete und von diesem wie von seinem Maß abhängig." 168 Beide Momente sind, zumal in der thomistischen Zeichenlehre, zwar durchaus geläufig. 169 Doch niemals zuvor wurden sie mit solchem Nachdruck in den Mittelpunkt der Bestimmung des Zeichens gestellt. Vor dem Hintergrund dieser Unterscheidung präzisiert Johannes a Sto. Thoma die eingangs gestellte Frage, „ob dieser formale Seinsgrund des Zeichens zuerst und an sich in einer seinsmäßigen Relation besteht, oder aber in einer Relation des Genanntwerdens bzw. in einem selbständig Bestehenden, welches eine solche Relation begründet." 170 Gegen die ausführlich referierte Position der Conimbricenses, der zufolge „der Formalbegriff des Zeichens im Allgemeinen nicht in einer seinsmäßigen Rücksicht auf die bezeichnete Sache und das Erkenntnisvermögen besteht, sondern in einer Rücksicht des Genanntwerdens bzw. in etwas für sich Bestehendem, das diese Relation fundiert", 171 setzt Johannes seine The-

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Ebd. 6 4 6 b : „At vero manifestativum signi invenitur et cum ordine ad alterum, quia nihil seipsum significat, licet se repraesentare possit, et cum dependentia, quia signum semper est minus significato et ab ipso ut a mensura dependens."

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Z u r Charakterisierung der Zeichenrelation als Maßbeziehung vgl. F. ARAV, OP, Comment, in univ. Arist. Met. t. I. ( 1 6 1 7 ) 3 5 2 a (vgl. Anm. 138) u. 3 6 3 a (vgl. Anm. 3 0 8 ) . Araújo hat das Vorliegen einer solchen relatio mensurae jedoch explizit nur hinsichtlich der Formalzeichen, d.h. der geistigen Konzepte, behauptet. Zu der - letztlich augustinischen - These von der 'Minderwertigkeit' des Zeichens vgl. SAMUEL DE LUBLINO, OP, In universum Aristotelis logicam quaestiones ( 1 6 2 0 ) 3 8 7 : „... ad rationem signi non tantum hoc requiritur ut ducat in cognitionem alterius quomodocumque, sed in quo magis cognitio humana perficitur, ut patet in Sacramentis inductive...". Auch späterhin ist dies, zum Teil unter expliziter Bezugnahme auf Johannes a Sto. T h o m a ein geläufiges Bestimmungsmoment des Zeichens. Vgl. P. M . CAUVINUS, OP, Cursus philometapbysicus ( 1 6 9 2 ) 17a-b: „... colligi possunt quaedam conditiones signi ... [17b] Tertia quod repraesentet deficienter, vel cum subordinatione ad signatum, qua ratione denegatur essentiae divinae perfectissime repraesentanti creaturas, similiter causae manifestanti effectus (ut vult J o . a S. T h o . ) principijs manifestantibus conclusiones, et lumini illustranti colores, quia id non praestant cum subordinatione ad rem manifestatam, sed magis e contra."; Vgl. den stark von Johannes a Sto. T h o m a beeinflußten PETRUS DE CANDAMO, OP, Opusculum de signis et notitiis ( 1 6 9 7 ) 15ff. oder noch V. GUFL, O S B , Philos, scholast. univ. ( 1 7 5 0 ) 2 7 . Das Zeichen hat als Mittel intellektuell weniger erstrebsam zu sein als das Ziel; aber offensichtlich nicht nur intellektuell: „... esset autem (signum) medium inordinatum, si intellectualiter esset magis expetibile, quam finis: et revera magis est expetibile de igne, quam de fumo cogitare: utilius humano commercio de vino venali, quam de ramo lauri." J. B. PROLEMAEUS, SJ, Philos, mentis et sensuum (1698) 134.

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JOHANNES A SANCTO THOMA, OP, Ars Logica ( 1 9 4 8 ) 6 4 6 b : „... an formalis ¡sta ratio signi consistât in relatione secundum esse primo et per se, an in relatione secundum dici seu in aliquo absoluto quod fundet talem relationem." Ebd. 6 4 6 b - 6 4 7 a : „Aliqui Auetores existimant [ 6 4 7 a ] rationem signi in communi non

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se: „Ratio Signi formaliter loquendo non consistit in relatione secundum dici, sed secundum esse." [Der Formalbegriff des Zeichens besteht, formal gesprochen, nicht in einer Relation des Genanntwerdens, sondern in einer seinsmäßigen Relation]. 172 Die hier verwendete Präzisierung des „formaliter loquendo" ist insofern wichtig, als sie genau die Differenz zwischen dem Zeichenkonzept von Johannes a Sto. Thoma und dem der Conimbricenses sowie jenen Punkt markiert, an dem Johannes - ebenso wie bereits Araújo - von der in der Definitionsformel des „aliud a se repraesentat" zum Ausdruck gebrachten Zeichenkonzeption Sotos abweicht. Denn in dieser formalen, das Zeichen als Zeichen betrachtenden Perspektive, erscheint es nicht nur als ein etwas anderes Repräsentierendes. Zwar bildet die Funktion, etwas anderes zu repräsentieren, wie sie durch die das Zeichen materialiter betrachtende Perspektive demselben zugewiesen wird, eine Voraussetzung des Zeichens. „Der Begriff des Zeichens besteht jedoch nicht allein darin, sondern fügt noch etwas über das bloße Repräsentieren hinaus hinzu und besagt formal genommen das Repräsentieren von etwas anderem im Modus des Zurückbleibens hinter oder der Abhängigkeit von der bezeichneten Sache und zwar so, daß es gleichsam deren Stelle vertritt." 173 Das formaliter genommene Bezeichnen ist damit, anders als bei Soto, vom Repräsentieren nicht allein extensional als das Repräsentieren eines anderen unterschieden. Es hat auch intensional eine ganz andere Bestimmung.174 Konsti-

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consistere in respectu secundum esse ad rem significatam et ad potentiam, sed in respectu secundum dici seu in aliquo absoluto fundante illam relationem. [...] Non ergo signum formaliter in relatione consistit, sed in fundamento relationis. Et hoc ductivum ad alterum cognoscendum nihil aliud est, quam ipsa ratio repraesentativi seu manifestativi..." Ebd. 647b. Ebd. 647a-b: „Dixi 'formaliter loquendo', quia materialiter et praesuppositive dicit rationem manifestativi seu repraesentativi alterius... Formaliter autem ratio signi non dicit solam rationem repraesentativi alterius ... [647b] Igitur repraesentare aliud requiritur quidem ad signum, sed non in hoc solo consistit; addit autem supra repraesentare, et formaliter dicit repraesentare aliud deficienter vel dependenter ab ipsa re significata, et quasi vice illius substituendo." Deelys Bemerkung, daß „apparently for the first time, Poinsot established a systematic distinction between signification and representation, where the role of representation is isolated and identified within signification" (J. DEELY, The Coalescence of Semiotic Consciousness, in: Frontiers in Semiotics, hg. J. Deely, B. Williams, F. E. Kruse (1986) 16) ist, sieht man von der Erstmaligkeitsbehauptung ab, zumindest teilweise korrekt. An diesem Punkt greift der Hinweis von E. J. AsHWORTH (The Historical Origine (1988) 139) auf Sotos Modifikation der Unterscheidung der vier Weisen des facere cognoscere - die Johannes in seinen Summulae übernimmt - zu kurz. Zwar hat Ashworth mit Recht auf die Taditionalität des Lehrstücks hingewiesen, daß etwas zwar sich selbst repräsentieren, nicht aber sich selbst bezeichnen kann. In dieser extensionalen Differenzierung erschöpft sich jedoch die von Johannes a Sto. Thoma in Anschlag gebrachte Unterscheidung zwischen repraesentare und significare nicht. Repraesentare ist, wie er ausdrücklich betont, nicht das Genus, sondern das Fundament des significare. Eine solche Verhältnisbestimmung der beiden Begriffe ist bei Soto nicht gegeben. Sie findet sich aber vor Johannes bereits bei Araújo, von woher er sie of-

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Das Zeichen in der Logik der posttridentinischen Scholastik

tutiv für das Zeichen als Zeichen ist nämlich, daß es sich auf das Signifikat „wie auf ein Maß seiner selbst und auf ein vorrangig zu Erkennendes" bezieht, „dessen Stelle es einnimmt und das es vertritt, wenn es dasselbe dem Erkenntnisvermögen erschließt".175 In dieser Stellvertreterfunktion des Zeichens und seiner Maßbeziehung zum Signifikat besteht - formal betrachtet - die Natur und das Wesen des Zeichens.176 Und es ist genau diese, traditionell als kategoriale Relation verstandene Maßbeziehung, die dem formaliter genommenen Zeichen die Charakterisierung als seinsmäßige Relation garantiert.177 Hierbei ist die Bestimmung des Zeichens als Stellvertreter noch die schwächste Form, in der Johannes a Sto. Thoma die seinsmäßige Bezogenheit des Zeichens auf das Bezeichnete zum Ausdruck bringt. Das Zeichen ist, als Surrogat oder Substitut, gekennzeichnet durch Dependenz und Defizienz gegenüber des Signifikat.178 Es ist ein dem Signifikat als seinem Prinzipal Dienendes („quasi ministrans ipsi ut principali",179 „subserviens",180 „deserviens et ministrans"181), ist gleichsam Knecht und Sklave des Signifikats,182 der, weil weniger wichtig als dieses, sich dem Bezeichneten gegenüber stets selbst zurücknimmt. Das Zeichen steht zum Signifikat in einer „relatio subiectionis",183 seine ratio formalis ist „subiecta et substituens pro signato et i lim inferior in ratione signi"184 etc. Johannes a Sto. Thoma verwirft jedoch das von den Conimbricenses über das Zeichen Gesagte nicht einfach; er insistiert vielmehr darauf, daß es nicht für das Zeichen als Zeichen sondern nur für das materialiter in seiner manifestierenden oder repräsentierenden Funktion betrachtete Zeichen bzw. das Fundament des Zeichens gültig ist. Damit wird die Theorie der Conimbricenses nicht einfach abgewiesen, sondern vielmehr als die fundamentale aber eben nicht die ratio formalis signi konstituierende Ebene des Zeichens in die komplexe Bestimmung desselben integriert. Das Zeichen hat stets das Repräsentieren oder Manifestieren zum Fundament und zur Voraussetzung, so daß jedes Zeichen

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fenbar übernommen hat. JOHANNES A SANCTO THOMA, OP, Ars Logica (1948) 6 4 7 b : „... respicit [sc. signum] significatimi non ut pure manifestatum ... a se, sed ut principale cognoscibile et mensuram sui, cuius loco subrogatur et cuius vices gerit in deducendo ad potentiam."

176 vgl. ebd. 648a-b. Nach Johannes steht „ex ipsa natura et [648b] quidditate signi" fest, daß die „ratio signi non consistit tantum in hoc, quod est repraesentare seu manifestare aliud a se, sed in tali modo manifestandi, quod est repraesentare aliud tamquam inferiori modo ad illud, ut minus principale ad magis principale, ut mensuratum ad suam mensuram, ut substitutum et vices gerens ad id, pro quo substituitur et cuius gerit vices." 1 7 7 Ebd. 648b. 1 7 8 647b. 1 7 9 649a. 1 8 0 651b 1 8 1 648b. 1 8 2 Vgl. 649b. 1 8 3 Vgl. 651a-b. 1 8 4 Ebd. 651b.

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immer auch repräsentiert. Aber auch am Zeichen selbst haben die beiden Momente des Manifestierenden und des Bezeichnenden voneinander abweichende, ja komplementäre Bestimmungen. Das Zeichen bezieht sich zwar als Manifestierendes und Repräsentierendes in transzendentaler Weise auf das Bezeichnete; in seiner präzisen Bestimmung als ein durch das Signifikat Gemessenes und diesem gleichsam Dienendes, bezieht es sich auf dasselbe jedoch in einer seinsmäßigen Relation.185 Doch nicht nur der Status, auch die Richtung der Relationen des Manifestierenden und des Bezeichnenden differieren oder laufen konträr: Während nämlich das als transzendentale Relation bestimmte repraesentare oder repraesentativum esse das Erkenntnisvermögen zu seinem vorrangigen Zielpunkt hat,186 bezieht sich das significare seu significativum esse aufgrund der hiermit implizierten Stellvertretung hinsichtlich des Signifikats genau umgekehrt direkt in einer seinsmäßigen Relation auf das Bezeichnete. „Das Zeichen dient und hilft dem Bezeichneten nämlich insofern, als es dieses dem Erkenntnisvermögen darreicht und gleichsam wie ein vorrangiges Repräsentierbares präsentiert."187 Aufschlußreich ist in diesem Zusammenhang das mehrfach von Johannes a Sto. Thoma instrumentalisierte Bild, demzufolge man beim Diener oder Stellvertreter eines anderen zweierlei unterscheiden kann,188 „nämlich einerseits die Unterordnung unter diesen als seinen Herrn, dessen Stelle er vertritt, und andererseits die Aufgabe, zu der er diesem dient und dessen Stelle vertritt." In analoger Weise muß das Zeichen, wenngleich es sich als ein Repräsentierendes auf das Erkenntnisvermögen bezieht, um diesem das Bezeichnete zu manifestieren, und es in dieser Rücksicht auf das Erkenntnisvermögen für sich genommen nicht in einer seinsmäßigen Relation zu bestehen braucht, in seiner Unterordnung unter das Bezeichnete und insofern es sich auf dieses wie auf sein Vorgesetztes und das Maß seiner selbst bezieht, notwendigerweise in einer seinsmäßigen Relation zu diesem bestehen.189

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Ebd. 6 4 9 a : „... signum, licet in ratione manifestativi et repraesentativi respiciat signatum transcendentaliter, tarnen ut dicit rationem mensuran et substituti respectu signati, et quasi ministrans ipsi ut principali, respicit ipsum relatione secundum esse." Ebd. 649a: ..."discernitur differentia inter rationem manifestativi et significativi, quod manifestativum principaliter respicit potentiam ut terminum, ad quem tendit vel quem movet, et similiter repraesentare aliquid potentiae solum perficitur per hoc, quod reddat aliquid praesens potentiae cognoscibiliter, quod secundum ... non est aliud quam similitudinem alterius continere. Ista autem continentia similitudinis sine aliqua relatione dari potest, quae sit relatio secundum esse... Non ergo repraesentare et manifestare in relatione secundum esse consistunt." Ebd. 6 4 9 b : „At vero significare seu significativum esse directe sumitur per ordinem ad signatum, pro quo substituit et cuius vices gerit tamquam medium, quo signatum ducitur ad potentiam. In hoc enim ministrat et deservit signum ipsi signato, quod defert illud et praesentat potentiae tamquam suum principale repraesentabile..." Vgl. 106a. Ebd. 6 4 9 b : „... sicut etiam in ministro et substituto alterius duo consideramus, scilicet su-

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D a s Zeichen in der Logik der posttridentinischen Scholastik

Bei der Analyse des Zeichens in den manifestierenden und signifizierenden Teil, fällt - wie bei Araújo - die ganze 'Tätigkeit' des Zeichens, das Erkenntnisvermögen zur Kenntnis der bezeichneten Sache zu führen, und damit die gesamte Funktion, um derentwillen man sich der Zeichen bedient, auf jene Seite des Manifestativen, die gerade nicht die ratio formalis signi ausmacht. 190 Johannes a Sto. Thoma selbst macht das deutlich anhand des schon von Araújo in ähnlicher Weise instrumentalisierten Problems der Bestimmung der Zeichenrelation eines natürlichen Zeichens im Falle der Nichtexistenz des bezeichneten Gegenstandes. Denn die formale Beschreibung des signum naturale als reale Relation - die eben nur dann gegeben sein kann, wenn ihre Außenglieder real existent sind - wirft zwangsläufig das Problem auf, wie vor diesem Hintergrund die Bezeichnung von Nichtexistentem möglich sein soll. Die hier angesprochene Frage ist keinesfall peripher. Johannes a Sto. Thoma selbst bewertet sie als das Hauptfundament jener Zeichenkonzeption, gegen die er hier anschreibt. Da nämlich ein Zeichen wie das Bild des toten Kaisers offenkundig in eigentlicher Weise eine nichtexistierende Sache bezeichnet, scheint es eben deshalb auch formal ein Zeichen zu sein. Ist es doch naheliegend, anzunehmen, daß das, was formaliter bezeichnet auch formaliter ein Zeichen ist. Dennoch kann es sich bei einem solchen Zeichen nicht formal um eine Relation handeln, weil es auf einen nichtexistierenden Bezugspunkt hin keine kategoriale Relation gibt. Das aber hieße, daß das Zeichen nicht formal in einer Relation besteht. 191 Johannes antwortet, daß in einem solchen Fall das Zeichen nicht formal Zeichen bleibt, sondern lediglich virtuell und fundamental. Da das Zeichen aber aufgrund seines Fundamentes biectionem ad alterum, cuius gerit vices, ut ad principale, et effectum, pro q u o ministrat et vices eius gerit. Sic ergo signum, licet in repraesentando respiciat potentiam, ut ei mani festet signatum, quia ad hunc effectum destinatur et assumitur, et in hac praecisa consideratione ad potentiam non petat consistere in relatione secundum esse, tarnen in subordinatione ad signatum, quatenus respicit ipsum ut principale et ut mensuram sui, necessario debet in relatione ad ipsum consistere, sicut servus dicit relationem ad dominum et minister seu instrumentum ad suum principale." 190 191

Z u Araújo s. Anm. 1 4 4 . Ebd. 3 5 0 b : „Praecipuum fundamentum sententiae oppositae est, quia signum rem non existentem formaliter significat, u t . . . imago imperatorie mortuum imperatorem. E r g o formaliter est signum; ab actu enim ad potentiam bene valet: 'Significat, ergo est signum', et tarnen formaliter non est relatio, quia ad terminum non existentem non datur relatio praedicamentalis. E r g o signum formaliter in relatione non consistit. Confirmatur, quia formalis ratio signi salvatur per hoc, q u o d sit vere et formaliter ductivum potentiae ad suum signatum. Sed ducere potentiam ad signatum non fit media relatione, sed media proportione et connexione, quae est inter signum et signatum, quae est fundamentum relationis. E r g o signum formaliter non consistit in relatione, sed in fundamento relationis. M a i o r constat ex definitione signi ' q u o d repraesentat aliquid potentiae cognoscenti', ergo est ductivum potentiae ad signatum. M i n o r probatur, quia ut signum mihi repraesentet, non est necesse, quod cognoscam relationem eius , sicut rusticus ex vestigio cognoscit animai non cogitando de relatione, et bruta utuntur signis, ut infra dicetur, nec relationem cognoscunt, sed solum signatum, prout cognoscitur in signo. Ergo si relatio non cognoscitur, relatio non ducit, et sic non pertinet ad formalem rationem signi."

Der metaphysische Status der Zeichenrelationen

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das Erkenntnisvermögen bewegt, d.h. insofern es ein manifestativum bzw. repraesentativum ist, und nicht aufgrund seiner Relation, 192 ist der Schluß vom Bezeichnen auf das Zeichensein nicht zwingend. Denn bereits das virtuelle Zeichensein ist hinreichend zur Realisierung einer aktuellen Bezeichnung. 193 Das formaliter genommene Zeichen ist als seinsmäßige Relation vom Akt des Bezeichnens und vom erkenntnisstiftenden 'exercitium' des Zeichens abgehoben. Die hier zutage tretende Opposition gegen die funktionale Bestimmung des Zeichens, d.h. jene, die - wie die Conimbricenses - die ratio formalis signi in dessen Tätigkeit der Bezeichnung und Erkenntnisvermittlung verlegt, wird von Johannes mit Nachdruck formuliert. Zum vollen signifikativen Funktionieren des Zeichens ist zwar das durch die transzendentale Relation des Zeichens auf das Signifikat geleistete Manifestieren oder Repräsentieren des bezeichneten Gegenstandes bzw. das dadurch bewirkte ducere in cognitionem erforderlich. Darüber allein jedoch das Zeichen definieren zu wollen, hieße es insofern unterbestimmt sein zu lassen, als es eben das Spezifikum des Zeichens ausmacht, dieses nach Art eines dem Signifikat Untergeordneten, Unterworfenen und dessen Stelle Vertretenden zu leisten. 194 Das Zeichen enthält beides: sowohl eine das Erkenntnisvermögen bewegende Kraft, als auch die Hinordnung eines Stellvertretenden auf dasjenige, an dessen Stelle es dieses bewegt: „Und das erste ist

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Ebd. 651a: „...existente signo et significatione virtuali formaliter ducit potentiam ad signatum, et tarnen formaliter non est signum, sed virtualiter et fundamentaliter. Cum enim maneat ratio movendi potentiam, quod fit per signum, in quantum repraesentativum est, etiamsi non maneat relatio substitutionis ad signatum, potest exercere functiones substituentis sine relatione, sicut servus vel minister potest exercere operationes sui ministerii etiam mortuo domino, ad quem dicit relationem, et in qua formaliter consistit ratio servi et ministri."

193

Ebd. 6 5 1 a : „...dato, quod relatio signi naturalis realis sit, respondetur, quod mortuo imperatore non manet signum formaliter, sed virtualiter et fundamentaliter. Signum autem ratione sui fundamenti movet potentiam, non ratione suae relationis, sicut pater non ratione relationis generat, sed ratione potentiae generativae, et tarnen formaliter consistit in relatione." PEIRCE beschreibt - ebenfalls für das ikonische Zeichen - die Konsequenz der Nichtexistenz des Signifikats in genau entgegengesetztem Sinn: Das Zeichen fungiert in diesem Fall nicht als Zeichen, dadurch ändert sich jedoch nichts an seinem Charakter als Zeichen. Vgl. C. S. PEIRCE, Collected Papers II, p. 142: „An Icon is a sign which refers to the Object that it denotes merely by virtue of characters of its own, and which it posses, just the same, whether any such Object actually exists or not. It is true that unless there really is such an Object, the Icon does not act as a sign; but this has nothing to do with its character as a sign." Während nach Johannes a Sto. Thoma die Existenz des Signifikats für das Zeichensein des Zeichens, nicht aber für des Akt des Bezeichnens vorausgesetzt ist, betrifft ein solcher Umstand nach Peirce nicht das Zeichensein sondern verhindert lediglich den Akt des Bezeichnens.

194

Ebd. 652a: „... dicimus, quod formalis ratio signi consistit in hoc, quod est posse ducere aliquem in cognitionem signati, non potentia quomodocumque, sed subiecta et substituente pro signato et illi inferiori in ratione signi."

224

Das Zeichen in der Logik der posttridentinischen Scholastik

eine transzendentale Relation, das zweite eine kategoriale. Und in der zweiten besteht das Zeichen, nicht in der ersten..." 195 Damit wird deutlich, daß die Differenz von repraesentare und significare bei Johannes a Sto. Thoma nicht in der traditionellen Weise konzipiert ist. Das Repräsentierende ist nicht der Gattungsbegriff des Zeichens, sondern dessen Fundament: „repraesentativum non est genus signi, sed fundamentum". Und in dieser Bestimmung eines Fundamentes muß es auch in der geläufigen Zeichendefiniton verstanden werden. Nicht jedoch als ein bloßes Repräsentierendes, „denn so bezieht es sich nur entfernt auf die Zeichenfundierung, sondern als ein solches, das für das Bezeichnete einsteht und ihm hinsichtlich des Repräsentierens und des zum Erkenntnisvermögen Hinführens untergeordnet ist." 1 9 6 Das Zeichen hängt als Relation wesensmäßig von seinem Fundament ab, welches allein die spezifische Tätigkeit des zeichenhaften Repräsentierens leistet. Denn dem formal genommenen Zeichen kommt, wie den anderen Arten seinsmäßiger Relationen auch, keine andere Tätigkeit zu, als die der bloßen Bezugnahme. 197 Bereits in der ersten Formalanalyse des Zeichenbegriffs und der ihn tragenden Fundierungsverhältnisse zeigt sich das Zeichen als ein komplexes Gefüge von auf mehreren Ebenen liegenden verschiedenartigen Relationen. Die von ihrem Fundament abgehobene Maß- und Stellvertreterrelation ist eine relatio secundum esse, und entsprechend ist das Zeichen als Zeichen seinem ganzen Sein nach Relation. Damit ist aber weder die Frage geklärt, ob es sich beim natürlichen Zeichen um eine reale Relation handelt, noch ist die Struktur dieser Relation selbst hinreichend bestimmt. Zur Beantwortung der Frage nach dem realen oder gedanklichen Status der Zeichenrelation des signum naturale ist es, wie Johannes a Sto Thoma meint, erforderlich, mehrere Relationen zu unterscheiden, die am Zeichen zusammenkommen können. Hierbei handelt es sich, wie sich aus der geläufigen Definition des Zeichens als etwas „was etwas anderes einem Erkenntnisvermögen repräsentiert", ergibt, (1) um Relationen auf das Erkenntnisvermögen und (2) um Relationen auf die bezeichnete Sache.

195

196

197

Ebd.: „... consideratur in signo et vis movens potentiam et ordo substituentis ad id, pro quo movet. Et primum est relatio transcendentalis, secundum praedicamentalis. Et in secunda consistit signum, non in prima..." 6 5 4 b : „... repraesentativum non est genus signi, sed fundamentum, sicut generativum non est genus paternitatis, sed fundamentum; nec repraesentativum tantum, sic enim solum remote se habet ad signum fundandum, sed repraesentativum tale, id est substituens pro segnato eique subordinatum in repraesentando et ducendo ad potentiam. Et ponitur in definitione signi sicut fundamentum, quod pertinet ad relationem, dependet enim essentialiter a fundamento...". Ebd. : „... si relatio sit alicuius causae vel effectus vel exercitii, totum ipsum exercitium fit per fundamentum; relatio enim aliud exercitium non habet quam respicere, si sit relatio secundum esse, sicut pater ratione fundamenti generat, dominus ratione fundamenti imperat, minister ratione fundamenti substituit et operatur, signum ratione fundamenti repraesentat."

D e r metaphysische Status der Zeichenrelationen

225

Handelt es sich bei einem Zeichen um ein außerhalb des Erkenntnisvermögens liegendes, instrumentelles Zeichen, so muß das Zeichen, um etwas anderes repräsentieren zu können, sich wie ein an sich selbst erkennbarer Gegenstand verhalten, damit dadurch, daß es erkannt wird, das zeicheninterpretierende Vermögen zur Erkenntnis von etwas anderem gelangen kann. Ist es jedoch ein formales und somit innerhalb des Erkenntnisvermögens liegendes Zeichen, d.h. ein geistiger Begriff, handelt es sich um eine reale und intentionale Repräsentation, die der Sache nach eine Qualität ist, jedoch eine Ahnlichkeitsrelation zur repräsentierten Sache sowie eine Hinordnung auf das Erkenntnisvermögen besitzt.198 Dafür, daß ein bestimmtes Zeichen eher dieses als jenes repräsentiert, muß bei ihm eine gewisse Übereinstimmung oder Proportion zum bzw. eine Verbindung mit dem Bezeichneten angetroffen werden. Johannes a Sto. Thoma nennt diesbezüglich, in Übereinstimmung mit der älteren Tradition sowie mit der Peirceschen Trichotomie von „index", „icon" und „symbol", drei Formen der Relation zum Signifikat. Entweder handelt es sich um eine Kausalbeziehung {index), oder um das Verhältnis der Ähnlichkeit oder des Abbildes oder irgendeiner anderen Proportionalität (icon) oder aber, wie bei den willkürlichen Zeichen, um die „Einsetzung und Bestimmung durch die Ôffentlichkeit"(s)>mèo/).199 Aber in diesen Relationen, die das Zeichen entweder dem Erkenntnisvermögen oder dem Bezeichneten anpassen, besteht nach Johannes weder der formale und washeitliche Begriff des Zeichens noch auch dessen Relation zum Bezeichneten, „wenngleich die Conimbricenses ... die gegenteilige Auffassung vertreten". 200 Die den genannten Rücksichten und Verhältnisse zugrundeliegenden Begriffe des Gegenstandes, der Ursache oder Wirkung oder des Abbildes finden sich nämlich auch unabhängig vom Begriff des Zeichens. Zudem liegen der Relation

198

Ebd., 3 5 5 b : „oportet discernere plures relationes, quae in signo concurrere possunt. E t de aliquibus non est dubium, quod in signo naturali possint esse reales, non tarnen illae sunt ipsa formalis et quidditativa relatio signi. Cum enim signum iuxta suam definitionem dicatur 'id, q u o d repraesentat aliquid potentiae cognoscenti', oportet, q u o d in signo, ut repraesentet aliud, si sit signum extra potentiam, habeat rationem obiecti cognoscibilis in se, ut eo cognito ad aliud potentia deveniat; si vero sit signum formale et intra potentia, q u o d sit realis et intentionalis repraesentatio, quae in re qualitas quaedam est, cum relatione tarnen similitudinis ad id, cuius est repraesentatio, et ordine ad p o t e n t i a m . "

199

E b d . : „Similiter habet inveniri in signo aliqua convenientia seu proportio et c o n n e x i o cum tali significato, ut dicatur repraesentare h o c potius quam illud. Q u a e proportio seu convenientia varia est. Aliquando enim est effectus ad causam vel causae ad effectum, sicut fumus significat ignem ut effectus, nubes vel ventus significat pluviam ut causa. Aliquando est similitudinis vel imaginis vel cuiuscumque alterius proportionis; in signis autem ad placitum est impositio et destinatio a república."

200

Ebd. 6 5 5 b - 6 5 6 a : „ C u m signum se habeat ad signatum et ad potentiam, possunt [ 6 5 6 a ] praecedere ad construendam rationem signi vel respectus seu rationes, quae habilitent ipsum ad potentiam vel ad signatum. Sed in istis non consistit formalis et quidditativa ratio signi nec relatio eius ad rem significatam, licet oppositum sentiant C o n i m b r i c . 1. Periherm. q. 1. art. 2 . "

226

D a s Zeichen in der Logik der posttridentinischen Scholastik

auf die Sache in den genannten Fällen ganz andere Fundamente zugrunde, als der Relation des Zeichens. So ist z.B. die Kausalbeziehung in einer Tätigkeit fundiert und die Abbildrelation in einer imitierenden Ähnlichkeit gegenüber dem Dargestellten, ohne daß damit eine Hinordung auf ein Erkenntnisvermögen impliziert wäre. Die Relation des Zeichens dagegen ist fundiert „in dem Ausgerichtetsein eines Gemessenen auf sein Maß nach Art eines für ein anderes einstehenden Repräsentierenden in Hinordnung auf ein Erkenntnisvermögen." 201 Die Frage also ist, „ob jene wesensmäßige und ganz eigentümliche Relation des Zeichens, die über all diese hinaus angetroffen wird oder aus ihnen hervorgeht, im Falle der realen oder natürlichen Zeichen eine reale Relation ist." Es ist klar, daß die Antwort bei Johannes a Sto. Thoma positiv ausfällt: Ich antworte also und sage: Die Relation des natürlichen Zeichens zu dem von ihm Bezeichneten, durch die das Zeichen in seinem Zeichensein konstituiert wird, ist - die Existenz der Bezugspunkte sowie die übrigen Bedingungen einer realen Relation vorausgesetzt - von sich aus und kraft ihres Fundamentes real und nicht gedanklich. 202

Nach Johannes a Sto. Thoma ergibt sich das aus der Natur und der Washeit des Zeichens selbst, die eben darin besteht, „daß es etwas Bekannteres ist, durch welches ein Unbekannteres repräsentiert und manifestiert werden soll." Die hiermit beschriebene Relation beruht auf zwei Voraussetzungen. Zum einen, daß die Erkennbarkeit der als Zeichen fungierenden Sache geeigneter ist als die der bezeichneten Sache, das Erkenntnisvermögen zu bewegen, und zum anderen, daß das Zeichen speziell auf dieses Signifikat hin bestimmt und ausgerichtet ist, damit es das Erkenntnisvermögen eher auf diese als auf eine andere Sache hinbewegt. 203 Da es sich nach Johannes im Fall des natürlichen Zeichens bei beidem um etwas Reales handelt, kann auch die dadurch fundierte Relation nicht anders als real sein. Daß aber die Erkennbarkeit eines Dinge - die eben nicht mit der gedanklichen Relation des Erkennbaren auf das Erkenntnisvermögen verwechselt wer-

201

Vgl. ebd. 6 5 6 a : „... ratio obiecti sine ratione signi invenitur, ratio etiam effectus vel causae vel similitudinis aut imaginis sine ratione signi possunt reperi ri. Item quia diversum fundamentum et rationem formalem dicit relatio ad rem aliquam, ut ad effectum vel causam, q u o d fundatur in actione, vel imaginis, quod fundatur in similitudine imitationis sine ordine ad potentiam, vel signi, q u o d fundatur in mensurato ad mensuram per modum repraesentativi substituentis pro alio in ordine ad p o t e n t i a m . "

202

Ebd. 6 5 6 b : „ R e s p o n d e o ergo et dico: Relatio signi naturalis ad suum signatum, qua constituitur in esse signi, realis est, et non rationis, quantum est ex se et vi sui fundamenti et supponendo existentiam termini ceterasque conditiones relationis realis." Z u den Bedingungen für das Vorliegen einer realen Relation vgl. Anm. 1 6 3 .

203

Ebd. 6 5 7 a : „...fundamentum conclusionis deducitur ex ipsa natura et quidditate signi quae in eo consistit, q u o d sit aliquid magis notum, quo repraesentetur et manifestetur ignotius... Ad h o c autem, q u o d aliquid sit notius altero illudque reddat cognoscibile et repraesentabile, requiritur, q u o d cognoscibilitas isti us sit habilior altera ad movendum potentiam, et determinata seu affecta ad tale signatum, ut ad illud potius moveat quam ad a l i u d . . . "

Der metaphysische Status der Zeichenrelationen

in

den darf 204 - an sich selbst etwas Reales ist, steht insofern fest, als sie jeder Tätigkeit des Intellekts vorhergeht. „Würde das Ding nämlich durch die Tätigkeit des Intellekts erkennbar werden, wäre es durch sein Erkanntsein erkennbar und somit vor der Erkenntnis nicht erkennbar, was aber widersprüchlich ist, weil bei uns die Erkenntnis vom Erkennbaren herrührt; wenn es aber von dem Verstand oder der Erkenntnis erkennbar gemacht würde, dann wäre die Erkenntnis früher als die Erkennbarkeit und stammte folglich nicht von dieser wie von einem Gegenstand her." 2 0 5 Entsprechend ist auch die größere Erkennbarkeit der als Zeichen dienenden Sache etwas Reales, da sie aus der „größeren Kraft und Wirksamkeit des Bewegens und Manifestierens, welche an sich etwas Reales ist", herrührt. 206 Ebenso ist die Verbindung (connexio) des Zeichens mit der bezeichneten Sache real. „Daß nämlich der Rauch eher Feuer als Wasser repräsentiert und die Spur eines Rindes eher das Rind als einen Menschen und der geistige Begriff des Pferdes eher ein Pferd als einen Stein, ist in einer gewissen realen und innerlichen Proportion jener Zeichen zu jenen Bezeichneten fundiert. Aus einer realen Proportion und Verbindung zu etwas entsteht aber eine reale Relation." 2 0 7 Insofern bei den willkürlich eingesetzten Zeichen an die Stelle der natürlichen Proportion oder connexio die denominatio extrínseca tritt, ist klar, daß bei diesen Zeichen die hierdurch fundierte Signifikationsbeziehung, die eben nicht mit der sie fundierenden denominatio selbst gleichgesetzt werden kann, eine gedankliche ist. 208

204 20î

Vgl. Ebd. 657b. Ebd., 657a-b: „... ante omnem operationem intellectus res est cognoscibilis. Si enim per operationem intellectus cognoscibilis redderetur, esset cognoscibilis per [657b] esse cognitum, et sic non esset cognoscibilis ante cognitionem, quod répugnât, quia cognitio sumitur in nobis a cognoscibili, si autem per rationem seu per cognitionem redditur cognoscibile, prior est cognitio quam cognoscibilitas, et consequenter ab illa ut ab obiecto non sumitur."

206

Ebd. 6 5 7 b : „Quod autem cognoscibilitas in uno sit maior aut manifestior altera, ... sumitur ... ex maiori vi et efficacia movendi et manifestando quae in se aliquid reale est." Daß Johannes zuvor (652a; vgl. Anm. 195) die „vis movens potentiam" als relatio transcendentalis beschrieben hat, widerspricht dem nicht, da es sich bei einer solchen Relation ja gerade um etwas für sich Bestehendes handelt, das lediglich nach Art einer Relation benannt wird.

207

Ebd. 658a: „Nam quod fumus repraesentet potius ignem quam aquam, et vestigium bovis potius bovem quam hominem, et conceptus equi potius equum quam lapidem, in aliqua reali proportione et intrinseca istorum signorum cum illis signatis fundatur; ex reali autem proportione et connexione cum aliquo realis relatio innascitur."

208 vgl. ebd., 6 5 8 b : „Ex dictis colliges in signis ad placitum rationem signi etiam per relationem ad signatum explicandam esse. Sed relatio ista rationis est, et non solum consistit signum in extrínseca denominatione, qua redditur impositum seu destinatum a república ad significandum, ut aliqui recentiores putant, eo quod sine illa fictione intellectus per solam ipsam impositionem denominatur signum. Ceterum haec impositio requiritur quidem tamquam fundamentum relationis et rationis signi, quia per illam habilitatur et destinatur aliquid, ut sit signum, sicut per hoc, quod proportionatur et connectitur aliquod signum naturale cum tali signato, fundat relationem signi ad ipsum." Unter Einfluß von Johannes a Sto. Thoma heißt es später bei dem Thomisten P . M . CAUVINUS (Cursus philometaphysicus

228

Das Zeichen in der Logik der posttridentinischen Scholastik

Nachdem somit für Johannes a Sto. Thoma geklärt ist, daß die ratio signi in einer, vom Fundament des Zeichens abgehobenen seinsmäßigen Relation besteht, die im Fall der natürlichen Zeichen eine reale, im Fall der willkürlichen Zeichen dagegen eine gedankliche ist, ergibt sich, weil in der Definition des Zeichens eben auch dessen Hinordnung auf ein Erkenntnisvermögen enthalten ist, die bereits von Araújo ausführlich diskutierte Frage, „Utrum sit eadem relatio signi ad signatum et potentiam" (ob die Relation des Zeichens zum Bezeichneten und zum Erkenntnisvermögen ein und dieselbe ist).209 Jedes Instrumentalzeichen muß zunächst selbst als Gegenstand erkannt werden, um das Erkenntnisvermögen zum Signifikat führen zu können. Insofern besitzt es, wie jeder das Erkenntnisvermögen terminierende Gegenstand, eine Hinordnung auf dasselbe. Diese Rücksicht oder die Hinordnung, die das Zeichens auf das Erkenntnisvermögen hat, insofern es dessen Gegenstand ist, muß jedoch verschieden sein von der Hinordnung oder der Rücksicht als Zeichen, weil es in dieser Rücksicht eines Gegenstandes mit den anderen Gegenständen, die nicht Zeichen sind, übereinkommt und sich in der selben Weise wie diese gegenständlich auf das Erkenntnisvermögen bezieht.210 Weil sich das Zeichen aber nicht bloß nach Art eines Gegenstandes, sondern auch signifikativ auf das Erkenntnisvermögen bezieht, bleibt zu untersuchen, ob es sich 1) mit derselben Relation, mit der es sich auf das Bezeichnete bezieht, und in Hinordnung auf welches es den Begriff eines Zeichens annimmt, auch auf das Erkenntnisvermögen bezieht, dem dieses Bezeichnete durch das Zeichen manifestieren wird; oder ob es vielmehr 2) eine Relation auf das Bezeichnete besitzt, die unabhängig ist von der Rücksicht auf das Erkenntnisvermögen, sich aber als Gegenstand in einer anderen Relation auf das Erkenntnisvermögen bezieht, und beides zur Konstituierung des Zeichenbegriffs zusammenkommen muß, oder ob bereits 3) im Begriff des Zeichens selbst, unabhängig von der Bestimmung als Gegenstand, eine doppelte Relation angetroffen wird, nämlich eine auf das Erkenntnisvermögen und eine andere auf das Bezeichnete.211 (1692) 17ab): „... colligi possunt quaedam conditiones signi ... Secunda quod duplici ratione [se. signum] referatur ad signatum, nempe transcendental!, quatenus eius essentia recte explicare non potest, nisi in ordine ad signatum, et praedicamentali, vel secundum esse, quae in signo formali, aut naturali dicitur realis si supponat existentiam termini, in ilio vero ad placitum, rationis..." 209 210

211

JOHANNES A SANCTO THOMA, OP, Ars Logica (1948) 664a. Ebd.: „Certum est in signis externis, et quae prius cognoscuntur, ut ducant ad signatum, inveniri ordinem ad potentiam, sicut in reliquie obiectis cognitis et terminantibus cognitionem, cum clare appareat talia signa cognosci ut obiecta, sicut fumus prius videtur ut obiectum, deinde ex cognitione sui ducit in signatum. Unde respectus seu ordo signi ad potentiam in ratione obiecti distinctus debet esse ab ordine seu respectu in ratione signi, cum in hoc respectu obiecti conveniat cum aliis obiectis, quae signa non sunt, et eodem modo atque illa potentiam respicit obiective." Ebd. 6 6 3 b - 6 6 4 a : „Ut [664a] ergo non solum pure obiective, sed etiam significative respiciat

Der metaphysische Status der Zeichenrelationen

229

D i e hier aufgezeigten Alternativen sind damit folgende: Entweder 1) bezieht sich das Z e i c h e n als Z e i c h e n in einer - dreistelligen - Relation s o w o h l auf das Signifikat u n d auf das Erkenntnisvermögen oder 2) das Z e i c h e n bezieht sich als Z e i c h e n nur auf das Signifikat, auf das Erkenntnisvermögen jedoch lediglich als Erkenntnisgegenstand o d e r 3) das Z e i c h e n bezieht sich als Z e i c h e n mittels zweier unterschiedener Relationen auf das Signifikat und das Erkenntnisvermögen. Johannes a Sto. T h o m a vertritt, w i e bereits Francisco d e Araújo, die erste Position, der g e m ä ß sich das Z e i c h e n als Z e i c h e n in einer dreistelligen Relation direkt auf das Signifikat und indirekt auf das Erkenntnisvermögen bezieht. U n d w i e jener differenziert er hierbei z w i s c h e n den Relationen, die d e m Z e i c h e n als D i n g u n d jenen, die i h m als Z e i c h e n z u k o m m e n , denn: Wenn das Erkenntnisvermögen und das Bezeichnete als in direkter Weise durch die Relation berührte Bezugspunkte betrachtet werden, erfordern sie im Zeichen notwendigerweise eine doppelte Relation, aber auf diese Weise bezieht sich das Zeichen direkt auf das Erkenntnisvermögen insofern es [das Zeichen] Erkenntnisgegenstand ist, nicht formal als Zeichen. Wird aber das Erkenntnisvermögen als ein indirekt berührter Bezugspunkt betrachtet, so wird das Bezeichnete und das Erkenntnisvermögen in einer einzigen Zeichenrelation berührt, und diese ist der eigentliche und formale Begriff des Zeichens. 212 Er ist sich bewußt, hiermit eine Minderheitsposition zu vertreten. 2 1 3

Denn

bei den v o n ihm vorgeführten Alternativen handelt es sich nicht nur u m theoretische Möglichkeiten, sondern, überwiegend u m konkret vertretene Positionen. Johannes a Sto. T h o m a referiert diesbezüglich f o l g e n d e Auffassungen 2 1 4 : Einige meinen ..., das Zeichen bestehe aus zwei gleichermaßen zusammenkommenden Relationen, von denen die eine auf das Bezeichnete, die andere auf das Erkenntnisver-

212

213 214

potentiam, inquirendum restât, an illamet relatio, qua significatum respicit, et in ordine ad quod rationem signi induit, illamet etiam respiciat potentiam, cui signatum hoc manifestandum est a signo; an vero relationem habeat ad signatum purificatam et absolutam a respecto) ad potentiam, alia vero relatione respiciat potentiam in ratione obiecti, et utraque concurrat ad rationem signi constituendam, vel etiam in ipsa ratione signi praeter rationem obiecti reperiatur duplex relatio, altera ad potentiam, altera ad signatum." Ebd. 664ab: „... Conclusio: Si potentia et signatum considerentur ut termini directe attacti per relationem, necessario exigunt duplicem relationem in signo, sed hoc modo signum respicit potentiam directe ut obiectum, non formaliter ut signum. Si vero consideretur potentia ut terminus in obliquo attactus, sic unica relatione signi attingitur signatum et [664b] potentia, et haec est propria et formalis ratio signi." Ebd., 664b: „Non conveniunt in hac conclusione plures ex recentioribus." Ebd., 664b: „Aliqui enim existimant signum consistere in duplici relatione ex aequo concurrente, altera ad signatum, altera ad potentiam. Alii vero etiam in signo, ut distinguitur ab obiecto, duplicem relationem agnoscunt, signati et potentiae, licet non ex aequo constituentem rationem signi, intrinsece tamen et essentialiter requisitam. Quomodo autem una istarum relationum comparetur ad aliam, an ut genus vel ut differentia vel ut passio vel ut modus, difficillime explicant. Alii ex potentia et signato confiant unum integrum terminum formalem quasi ex materialibus partibus. Alii negant signum ut signum respicere potentiam, et alii respicere signatum, sed totam essentiam signi consistere in quadam apprehensibilitate a potentia ut medium ad cognoscendum aliud."

230

Das Zeichen in der Logik der posttridentinischen Scholastik m ö g e n g e h t . 2 1 5 Andere erkennen auch beim Z e i c h e n , insofern es v o m Erkenntnisgegenstand unterschieden wird, eine doppelte Relation (auf das B e z e i c h n e t e u n d das Erkenntnisvermögen), die, wenngleich sie n i c h t gleichermaßen den B e g r i f f des Z e i c h e n s konstituiert, d o c h innerlich und wesensmäßig erforderlich ist. A u f w e l c h e W e i s e aber ein e dieser R e l a t i o n e n m i t der anderen verbunden wird, ob wie eine Gattung oder eine Differenz, w i e eine Eigenschaft oder ein M o d u s , erklären sie nur m i t größten Schwierigk e i t e n . 2 1 6 A n d e r e vereinigen das Erkenntnisvermögen und das Bezeichnete gleichsam

215

Hiermit ist möglicherweise auf Tellez Bezug genommen. Dessen Summa universae philosophiae erscheint zwar erst 1 6 4 2 im Druck. Sie war jedoch bereits spätestens 1 6 3 0 fertiggestellt (vgl. CH. LOHR, Renaissance Aristotle Commentaries II, Renaissance Authors ( 1 9 8 8 ) ) . In deutlicher Abwendung von der Zeichenkonzeption der Conimbricenses, deren Gleichsetzung von Zeichen- und Kausal relati on er kritisiert (vgl. Anm. 107), legt auch Tellez das formalissime genommene Zeichen in die - seiner Auffassung nach - prädikamentalen Relationen zum Signifikat und zum Erkenntnisvermögen. Vgl. B. TELLEZ, SJ, Summa universae philosophiae ( 1 6 4 2 ) 8 1 a : „... at vero in signo instrumentali quatuor reperiuntur: Primum est materialitas rei ...; Secundum est fundamentum ad significandum, pro quo dicitur sumi fundamentaliter (quod fundamentum in signis naturalibus, est proportio ad significandum, in signis vero ex instituto, est impositio). Tertium est uterque respectus transcendentalis, pro quibus sumuntur signa formaliter. Quartum sunt relationes praedicamentales ad rem, et ad potentiam, in quibus dicuntur formalissime consistere haec signa." - Daraus, daß sich ein Zeichen nur als Zeichen von etwas für ein Erkenntnisvermögen konzipieren läßt, folgt nach ihm jedoch noch nicht die Einheit der Relation auf diese beiden Zielpunkte. Die Relationen auf das Signifikat und das Erkenntnisvermögen werden nicht zu einer einzigen, dreistelligen Relation integriert. Vgl. ebd. 8 2 a : „Omnes signum tarn formale, quam instrumentale, si formalissime sumatur pro duplici relatione ad rem, et ad potentiam, est compositum per accidens. Probatur, quia hae relationes sunt omnino superadditae... Objicis. Non datur duplex relatio in signo ad potentiam, et ad rem, ergo etc. Probatur antecedens, quia signum necessario postulat potentiam, cui significat, et rem quam significat: ergo non habet duplicem relationem. Probatur consequentia, quia quando termini necessario postulantur, una sufficit relatio, sicut contingit in specie respectu suorum inferiorum. Respondeo negando antecedens, et ad probationem danda est maior ratio, quando enim termini sunt ejusdem rationis, et idem fundamentum, una tantum datur relatio... quando vero termini sunt diversae rationis, ut est potentia et res significata, requirit diversa relatio." Ebenso arumentiert später S. ARANHA, SJ, Disp. logicae, pars 3 : De signis ( 1 7 4 5 ) 2 4 6 - 4 9 .

216

Das dürfte sich in erster Linie auf Samuel de Lublino beziehen, der beim Zeichen zwei zumindest gedanklich unterschiedene - Relationen ansetzt und versucht, das Problem, wie angesichts der Verschiedenartigkeit dieser teils realen, teils gedanklichen Relationen die Einheit des Zeichens begründet werden kann, unter Abweisung des genus-differentiaModells durch das für die Beschreibung des Verhältnisses von Zeichenträger und significatio geläufige Materie-Form-Modell zu lösen. Vgl. SAMUEL DE LUBLINO, OP, In universam Aristotelis logicam quaestiones ( 1 6 2 0 ) 3 8 8 f : „... signum includit intrinsece duos respectus, alterum ad rem significatam, et alterum ad potentiam cognoscitivam, quorum uterque explicatur in definitione... et quidem in signis ad placitum utraque haec habitudo est ens rationis, quia provenit ex impositione: et vero in signo naturali, ordo ad signatum, est relatio effectue ad causam, in imagine autem, exemplati ad exemplar, et ita est relatio realis si causa et exemplar existant, ordo autem ad potentiam est relatio obiecti terminativi seu cogniti ad cognoscentem. N e c mihi objicias ex eo quod signum naturale duas relationes includit, non posse haberi unicam natura, signi cum ex reali et rationis non possit esse unum: hoc enim bene currit, si unum cum altero se haberet per modum Generis et differentiae, quod nunquam de signo est asserendum. Est tarnen aliquid unum ex reali ut ex materiali, et ex ente rationis tanquam formali, patet hoc in terminis logice sumptis, in quibus materiale est

Der metaphysische Status der Zeichenrelationen

231

wie materielle Teile zu einem einzigen formalen Bezugspunkt. Andere verneinen, daß das Zeichen als Zeichen sich auf das Erkenntnisvermögen bezieht, 217 und wieder andere, daß es sich auf das Bezeichnete bezieht, und meinen, daß das ganze Wesen des Zeichens in einer gewissen Erfaßbarkeit als Mittel zur Erkenntnis von etwas anderem seitens des Erkenntnisvermögens besteht. 218 W ä h r e n d die letztgenannten Theorien einer einseitigen Beziehung des Zeichens auf das Signifikat oder das Erkenntnisvermögen aufgrund ihrer Unvereinbarkeit mit der gängigen Zeichendefinition nicht näher diskutiert werden, verbietet sich die als dritte Alternative vorgeführte Position einer doppelten Relation des formal aufgefaßten Zeichens nach Johannes a Sto. T h o m a bereits aufgrund der sich hieraus ergebenden Unmöglichkeit einer Zuordnung des Zeichens zur Kategorie der Relation. 2 1 9 Die zweite Alternative dagegen ist dadurch ausgeschlossen, daß sich die als die ratio formalis

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219

signi ausgewiesene dreistellige

vox, formale ens rationis, scilicet significatio... Ordo ergo ad signatum, est fundamentum in signo ordinis ad potentiam, et exinde habet quod significet potentiae. Sed haec significatio, licet materialiter una sit quia eius fundamentum, hoc est impositio, unum est, formaliter tarnen due sunt habitudines distinctae secundum rationem..." Diese Position vertreten im frühen 18. Jahrhundert mit Nachdruck Gabriel a Conceptione (zu einem Vergleich seiner Zeichentheorie mit der des J. a Sto. Thoma vgl. J. A. CASAUBON, Para una teoria del signo y del concepto mental como signo formal: Sapientia 10 (1955) 270-83) sowie die RIPENSES. Vgl. GABRIEL A CONCEPTIONE, OMerc, Cursus artium t.l (1704) 14: „Signum ultimo differentialiter adacquate constituitur per solum ordinem ad signatum." Den Hintergrund bildet eine Kontroverse mit dem Dominikaner Petrus de Candamo (vgl. hierzu V. MUÑOZ DELGADO, La lógica de Gabriel de la Concepción y su incorporación en el 'Cursus Philosophicus Ripensis': Estudios 24 (1968) lOff), der - obwohl ansonsten deutlich von Johannes a Sto. Thoma beeinflußt, hier von ihm abweichend (Vgl. JOHANNES A STO. THOMA, 680a) - in einer ausführlichen Argumentation u.a. unter Hinweis auf die Figur des „ducere in cognitionem" die Existenz eines „significare effective" seitens der Instrumentalzeichen zu begründen versucht (vgl. P. DE CANDAMO, OP, Opusculum de signis, c. 3, q. 5 (1697) 3, 39a-77b). Auch formal betrachtet leistet nach Candamo das signum instrumentale die Funktion eines obiectum motivum. Für Gabriel a Conceptione sowie die ihn wörtlich übernehmenden RiPENSES (d.h. der Cursus philosophicus des der Universität Alcalá angegliederten Colegio de Santa Celilia in Ribas del Jarama) kommt das Zeichen nur als ein obiectum terminativum in Betracht. Im Zusamenhang mit der Zurückweisung jeder Wirksamkeit des significare oder repraesentare (beide Begriffe werden synonym verwendet) in Rücksicht auf das Erkenntnisvermögen, betonen sie die ausschließliche Hinordnung des formal genommenen Zeichens auf das Signifikat. Die gesamte Bewegung und Effizienz des Zeichens liegt dem eigentlichen significare lediglich als Voraussetzung vorauf. Vgl. RiPENSES, OMerc, Cursus philosophicus (1716) 16: „... non dari repraesentare aut significare effective... Significare, in quo ultima et adaequata differentia signi consistit, non importât aliqualiter aliquam connexionem cum potentia... sed unice dicit ordine ad signatum: ergo significare formaliter nullam dicit efficientiam... Tota motio et efficientia obiecti, licet signi, est quid praesuppositum et antecedens ad hoc quod est significare et repraesentare. Ergo in hoc quod est significare aut repraesentare nulla datur efficientia." Vgl. Vgl. J. B. PROLEMAEUS, SJ, Philos, mentis et sensuum (1698) 134b: „Porro notabis vim illam significativam, si de signo naturali loquamur, esse ipsam entitatem signi seu ejus cognoscibilitatem objectivam..." Ebd. 664a: „... sic non erit signum in praedicamento relationis, quia in ratione signi non est unica relatio, sed pluralitas relationum."

232

D a s Zeichen in der L o g i k der posttridentinischen Scholastik

Zeichenrelation nicht auf zwei zweistellige Relationen reduzieren läßt. Da sich das Zeichen nämlich auf die bezeichnete Sache nur insofern bezieht, als es diese einem Erkenntnisvermögen präsentiert und nahebringt, läßt sich die Relation zu jener überhaupt nicht ohne eine Relation zu diesem konzipieren.220 Denn es ist bei derartigen Relationen der Stellvertretung oder Repräsentation unmöglich, „daß sie sich auf das beziehen, dessen Stelle sie vertreten, nicht aber auf das, um dessen willen oder in Hinordnung auf welches sie diese Stellvertretungsfunktion ausüben, weil das Ersetzende oder Stellvertretende von etwas in einer bestimmten Rücksicht und in Hinordnung auf einen bestimmten Zweck die Stelle desselben vertritt; andernfalls wäre jene Stellvertretung unbestimmt, weil sie doch vom Zweck her, um dessen willen sie geschieht, bestimmt wird." 221 Eine dreistellige Relation ist allerdings mit dem traditionellen aristotelischen Relationsbegriff des ad aliquid nicht ohne weiteres vereinbar. Relationen bestehen, genau genommen, eben nicht 'zwischen' den Dingen - eine solche durch den modernen, hinsichtlich seiner ontologischen Implikationen zumeist unreflektierten Sprachgebrauch nahegelegte intermediäre Existenz wäre auch hartgesottenen Realisten zu weit gegangen - sondern sind etwas an Dingen, durch welches diese auf anderes 'hin' sind (esse ad). Die Vereinbarkeit der dreistelligen Zeichenrelation mit der Relationskategorie des ad aliquid ist nach Johannes jedoch insofern gewährleistet, als sich das Zeichen indirekt auf das Erkenntnisvermögen insofern bezieht, als im Bezeichneten selbst das einem Erkenntnisvermögen Manifestierbarsein eingeschlossen ist. Denn hierdurch wird, „weil das Bezeichnete nicht Bezugspunkt der Relation ist, insofern es etwas für sich Bestehendes ist oder in irgendeiner anderen Beziehung, sondern insofern es ein dem Erkenntnisvermögen Repräsentierbares ist, das Erkenntnisvermögen selbst mit Notwendigkeit von jener Relation berührt, die das Bezeichnete nicht ausschließlich als das berührt, was es an sich selbst ist, sondern als ein dem Erkenntnisvermögen Repräsentierbares; und so berührt sie in gewisser Weise das Erkenntnisvermögen in dieser Bestimmung des einem anderen Manifestierbaren, nicht indem sie das Erkenntnisvermögen abgesondert berührt, sondern indem sie dasjenige berührt, das dem Erkenntnisvermögen repräsentierbar ist..." 222 220

Ebd., 6 6 5 a b : „... non potest dici, q u o d signum sit relativum ad signatum et non ad potentiam, sed solum terminet potentiam. Répugnât enim intelligere, q u o d signum referatur ad signatum, si absolvatur a potentia et [ 6 6 5 b ] sine ordine aliquo ad ipsam concipiatur, quia in tantum respicit signatum, in quantum illud defert et praesentat potentiae. E r g o ista relatio ad signatum ut potentiae manifestandum répugnât, quod absolvatur a p o t e n t i a . "

221

Ebd., 6 6 6 a : „Répugnât enim in istis relationibus, quae per modum substituentis et repraesentantis se habent, q u o d respiciant id, cuius gerunt vices, et non id propter q u o d vel in ordine ad q u o d substituunt, quia substituens seu gerens vices alicuius secundum aliquam determinatam rationem et in ordine ad aliquem determinatum finem gerit vices illius; alioquin substitutio ilia determinata non esset, cum ex fine, propter quem fit, d e t e r m i n e t u r . "

222

Ebd., 6 6 6 a b : „ E t ita cum signatum non respiciatur, ut est aliquid absolute in se vel secundum alium ordinem, sed ut manifestabile potentiae, necessario ipsa potentia tangitur in obliq u o ab illa relatione, quae attingit signatum non sistendo in ilio ut in se praecise, sed ut

D e r metaphysische Status der Zeichenrelationen

233

Diese Konstruktion ermöglicht es auch, daß im Fall der natürliche Zeichen die komplexe Gesamtrelation des Zeichens, obwohl sich das Zeichen als Gegenstand auf das Erkenntnisvermögen nur in einer gedanklichen Relation bezieht, real ist. 223 Formal als Zeichen genommen ist das Zeichen nur indirekt auf das Erkenntnisvermögen bezogen. Die direkte Relation, die das Zeichen als selbst erfaßbarer Gegenstand (im Fall eines Instrumentalzeichens) oder als erkenntniskonstituierende Form (im Fall eines Formalzeichens) auf das Erkenntnisvermögen hat, ist jedoch, wenngleich nicht selbst zur Zeichenrelation gehörig, wesensmäßige Voraussetzung sowohl der dreistelligen Zeichenrelation als auch für das Funktionieren des Zeichens. Denn ohne sie könnte sich das Zeichen auf das Bezeichnete überhaupt nicht wie auf ein dem Erkenntnisvermögen Manifestierbares beziehen. Würde nämlich das Zeichen nicht als ein Gegenstand das Erkenntnisvermögen bewegen, könnte es auch nicht als ein Zeichen manifestieren. Und trotzdem: „wenngleich allein kraft der Rücksicht auf das Bezeichnete, in der indirekt das Erkenntnisvermögen mit eingeschlossen ist, das Zeichen keine Repräsentation vollzieht, wenn nicht die Bewegung des Erkenntnisvermögens hinzukommt, insofern das Zeichen auch bewegender Gegenstand ist, so hat es das Zeichen doch von jener Rücksicht auf das Bezeichnete, daß diese Bewegung signifikativ ist, d.h. eine stellvertretende hinsichtlich eines anderen, welches es bezeichnet..." 224

manifestabile potentiae, et sie aliqualiter attingit potentiam in illa ratione [ 6 6 6 b ] manifest a b a s alteri, non seorsum attingendo potentiam, sed attingendo id, q u o d manifestabile est potentiae..." 223

Ebd., 6 6 8 a : „ Q u a r e cum signum sub formalitate signi non respiciat potentiam directe, h o c enim est formalitatis obiecti, sed respiciat rem significabilem seu manifestabilem potentiae, sic potentia ut in obliquo inclusa in ilio o b j e c t o manifestabili attingitur a reali relatione signi, quia non respicitur potentia seorsum, sed ut inclusa in eo, q u o d reale est o b i e c t o ut manifestabili potentiae; ubi totum, quod attingitur actu et formaliter reale est, et solum potentia, cuius est obiectum, intrat ibi de c o n n o t a t o et in o b l i q u o . "

224

Ebd., 6 6 6 b - 6 6 7 a : „Verum quidem est, quod, ut signum respiciat signatum h o c modo, id est ut manifestabile potentiae, praesupponitur essentialiter, q u o d ipsum signum alia relatione respiciat potentiam, vel tamquam obiectum apprehensibile, si sit signum instrumentale, vel tamquam forma constituens apprehensionem, si sit signum formale, et sic deserviat ad deveniendum in notitiam alterius ut signum instrumentale vel formale. Ceterum ista relatio signi ad potentiam, ut diximus in initio articuli, non est signi ut signum formaliter, sed ut obiecti vel formae; praesuppositive autem ad signum requiritur, quia etiam est obiectum movens potentiam, et nisi moveat ut obiectum, non manifestabit ut signum, formaliter autem una relatio distinguitur ab alia. E t licet ex vi solius respectus ad signatum, in q u o oblique includitur potentia, cui manifestabile est, non exerceat repraesentationem, nisi adiungatur m o t i o potentiae, ut obiectum motivum [ 6 6 7 a ] est, tamen ex respectu ilio ad signatum habet, q u o d illa m o t i o significativa sit, id est vicaria et substituens pro alio, q u o d significat, non principalis pro s e . "

234

Das Zeichen in der Logik der posttridentinischen Scholastik

Johannes a Sancto Thoma kommt damit auf der von Araújo vorgegebenen Grundlage zu einer sehr subtilen Analyse der im Zeichen zusammenkommenden Fundierungsverhältnis und 'Als'-Strukturen: Das Zeichen bezieht sich als Ding auf die Bezeichnete Sache in einer transzendentalen Relation der kausalen Abhängigkeit, Ähnlichkeit (im weitesten Sinne) oder der willkürlichen Einsetzung. Zugleich bezieht sich das Zeichen als Ding nach Art eines Erkenntnisobjekts (in einer gedanklichen Relation), d.h. als ein das Erkenntnisvermögen bewegender Gegenstand auf das Erkenntnisvermögen; doch ist das eben nicht die Relation, in der sich das Zeichen als Zeichen auf das Erkenntnisvermögen bezieht - denn etwas als Ding zu betrachten und etwas als Zeichen zu betrachten ist zweierlei. Diese Beziehung des Zeichens als Zeichen auf das Erkenntnisvermögen läßt sich nur indirekt über die direkte Relation des Zeichens als Zeichen auf das Bezeichnete konstruieren, die ihrerseits jedoch verschieden ist von der erstgenannten Beziehung, die das Zeichen als Ding auf die Bezeichnete Sache hat. Denn diese Beziehung des Zeichens als Zeichen ist nicht die der kausalen Abhängigkeit, Ähnlichkeit oder der willkürlichen Zuordnung, sondern die der Stellvertretung. Da diese die bezeichnete Sache jedoch nicht einfach nur als das berührt, was sie an sich selbst ist, d.h. als Sache, sondern als ein dem Erkenntnisvermögen Repräsentierbares, ist in dieser Relation des Zeichens als Zeichen auf den bezeichneten Gegenstand als ein dem Erkenntnisvermögen Repräsentierbares je schon die indirekte Beziehung des Zeichens als Zeichens auf das Erkenntnisvermögen enthalten. Und genau in dieser dreistelligen Relation, in der sich das Zeichen als Zeichen direkt auf den Gegenstand und indirekt auf das Erkenntnis bezieht, besteht der Formalbegriff des Zeichens, die ratio formalis signi. Dafür jedoch, daß das Zeichen überhaupt als Zeichen fungieren, d.h. das Erkenntnisvermögen zur Erkenntnis der bezeichneten Sache hinführen kann, sind die Relationen, die dem Zeichen als Ding zukommen, wesentliche Voraussetzung. Denn wäre es nicht durch die Beziehung, in der es als Ding zur bezeichneten Sache steht, als Zeichen gerade dieser Sache angepaßt, gäbe es keinen Grund dafür, daß das Zeichen eher diese als eine andere bezeichnet. Und würde es sich nicht zugleich selbst als Erkenntnisgegenstand auf das Erkenntnisvermögen beziehen, könnte es sich auch als Zeichen nicht auf die bezeichnete Sache als eine dem Erkenntnisvermögen zu repräsentierende beziehen. Hiermit bestimmt Johannes a Sto. Thoma das Zeichen als Zeichen als eine dreistelligen Relation, die weit mehr meint, als daß etwas jemandem etwas anderes repräsentiert. Denn diese Beschreibung trifft ebenso auf die Zeichenkonzeption der Conimbricenses zu, von der Johannes sich polemisch absetzt. Getragen ist dieses relationenmetaphysische Zeichenkonzept jedoch von z.T. massiven ontologischen Verdinglichungen. So setzt etwa die Realität der Zeichenrelation voraus, daß das Bezeichenbarsein (esse significabile) oder Repräsentierbarsein

Die Zeichenklassifikation

235

des Signifikats etwas Reales ist 2 2 5 , oder macht die Unterscheidung von signum formale und instrumentale - weil sie nicht aus der nicht existierenden direkten Beziehung des Zeichens auf das Erkenntnisvermögen ableitbar ist - die Annahme einer auf Seiten der Signifikate gegebenen unterschiedlichen Repräsentierbarkeit erforderlich. 2 2 6 Derartige metaphysisch nicht unproblematische Hypostatiserungen, wie sie sich bei Johannes a Sto. Thoma zwangsläufig aus der Konzeption der ratio formalis signi als einer seinsmäßigen dreistelligen Zeichenrelation ergeben, waren der Hauptgrund dafür, daß seine Semiotik späterhin kaum und außerhalb des Thomismus überhaupt nicht rezipiert worden ist. Insofern war gerade das, was aus der Perspektive der neueren Semiotik als besonderes Verdienst der Zeichentheorie des Johannes a Sto. Thoma erscheint, das Konzept des Zeichens als einer dreistelligen Relation, das, was seine Aufnahme verhinderte. Wenn John Deely Johannes a Sto. Thoma als eine jener Figuren der Semiotikgeschichte darstellt, deren „neglect has been almost because of their importance for a discipline and doctrinal point of view whose time had not yet come", 2 2 7 so ist dies eine Einschätzung von einer semiotischen Position aus, die in der Nachfolge des 'Ultrarealisten' Peirce eine wesentlich unkritischere Einstellung zum Begriff der Relation entwickelt hat, als sie jenen jesuitischen aber auch skotistischen Autoren des 17. Jahrhunderts zueigen war, denen die metaphysische Folgeproblematik einer solchen Zeichenbestimmung deutlich vor Augen stand.

E. Die Zeichenklassifikation Die Klassifikation der Zeichen ist seit der Antike integraler Bestandteil der Zeichentheorie. Während sich die Bemühungen und eine differenzierte Klassifi225

226

Ebd., 667b-668a: „... relatio ad signatum, etiam ut manifestabile potentiae, realis esse potest, [668a] quia in obiecto esse significabile et repraesentabile potentiae aliquid reale est..." Ebd. 669a: „... divisio signi in formale et instrumentale est divisio per diversas species, quae directe non sumuntur ex solo diverso respectu ad potentiam, sed ex diversa relatione ad signatum ut diverso modo repraesentabile potentiae. Est enim repraesentabile aliquod obiectum duplici medio repraesentativo, scilicet medio in quo et medio per quod. Et primum fundat repraesentationem formalem intra potentiam informantem, secundum repraesentationem instrumentalem extra potentiam moventem. Unde in ipso signato repraesentabili invenitur diversa ratio seu fundamentum ad terminandum istas [669b] diversas repraesentationes seu modos repraesentandi in signis, licet res repraesentata materialiter sit eadem." Vgl. F. DE ARAÚJO, S. Anm. 155.

227

J. Ν. DEELY, Neglegted Figures in the history of semiotic inquiry: jean Poinsot (1983) 116. Wenn Deely (ebd.) meint: „Not until the work of Charles Sanders Peirce in our own days do we encounter again a semiotic of comparable energy and scope", so wird eine solche Einschätzung - unbeschadet des außergewöhnlich hohen theoretischen Niveaus der Zeichenlehre des Johannes a Sto. Thoma - durch die umfangreicheren Darstellungen von Petrus de Candamo oder Silvester Aranha sowie das umfängliche, noch nicht erschlossene handschriftliche Material der iberischen Logik des späteren 17. Jahrhunderts zumindest erheblich relativiert.

236

Das Zeichen in der Logik der posttridentinischen Scholastik

kation in der Logik um 1 5 0 0 in erster Linie auf das significare bzw. repraesentare bezogen, man also verschiedene Weisen des Bezeichnens unterschied, steht in der Logik der Zweitscholastik wiederum, wie in der älteren mittelalterlichen Tradition, die Distinktionen der signa im Vordergrund (s. Abb. 5). Sprach man dort etwa vom significare formaliter oder instrumentaliter, so wird daraus in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts die Distinktion von signum formale und signum instrumentale. Ein solcher Wechsel in der Darstellungsperspektive kann mehr sein, als lediglich eine andere Ausdrucksweise für eben dasselbe. Denn durch den Begriff des signum ist immer auch eine res mitbenannt. Das hat Konsequenzen. Eine betrifft die im vorigen Abschnitt behandelte Problematik des relationalen Status des Zeichens. Denn eine solche Fragestellung scheint sich überhaupt erst dort aufzudrängen, wo nicht mehr von der Semiose, bzw. der Tätigkeit des significare sondern vom Begriff des Zeichens ausgegangen wird. Eine 'Metaphysik des Zeichens', wie sie sich besonders ausgeprägt bei Johannes a Sto. T h o m a findet, scheint einen solchen Perspektivwechsel zur Voraussetzung zu haben.

Signun I ! Naturale. Aibitruism. I Inftnimentale. Formile.

Sifauitt.

Maturale.

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I

mainai.

Spccul

Spccubtírum. Fxaâicum. M h n L w . ^ Suppolitinim.

Aparl.wiquaû ·Α pólle- Demon- Progoo¿poKCfiori. riori. ñrujvii. Aicua»

DemonArativo. Similitud; nariurn unperfeai.

Rcmcmoratlvua.

Proportionale,

No· do0n/uk.

Doflltaalc.

Ί

Vulgare. Sjrmbolicum. Privatum. Publicum·

L

Pírnutm. Ptr J a w

Per voces.

Abb. 5: Di e Arbor philosophica signorum nach G. Β. Ptolemaeus Hinsichtlich der Zeichenklassifikation beinhaltet dieser Darstellungsansatz die Problematik, daß die mit ihm verbundene Redeweise leicht suggerieren kann, die Zeichen ließen sich, weil „'Zeichen' nicht nur eine Relation besagt, sondern auch jenes, in dem die Relation ist und das von ihr affiziert und ihr ge-

Die Zeichenldassifikation

237

mäß benannt wird" (signum non solum dicit relarionem, sed etiam illud, in quo relatio, et quod ab illa afficitur, et denominatur), 228 als Dinge behandeln, und dementsprechend die Einteilung der Zeichen adäquat auf eine Einteilung der Dinge abbilden; so als sei etwa der sprachliche Ausdruck ein willkürliches, der geistige Begriff ein formales oder der Rauch ein natürliches Zeichen. In der Regel ist man dieser Suggestion nicht erlegen. Denn wenngleich genau dies die Weise ist, in der vielfach gesprochen wird, ist man sich doch durchaus bewußt, daß ein und dasselbe Zeichen (genauer: Zeichenvehikel) nicht nur unter verschiedene - das wäre trivial - sondern auch unter diametral entgegengesetzte Zeichenklassen fallen kann: „... unam eademque rem posse, et solere esse signum multis modis respectu diversorum..."229 Das wird - wenngleich man mitunter deutliche Mühe hat, gegen die Sprache anzuschreiben - explizit für die verschiedenen Zeichendistinktionen von signum certum - probabile,230 signum 231 naturale - ex institutione bzw. ad placitum betont. Selbst die Unterscheidung von signum formale und instrumentale bildet keine absolute Abgrenzung. 232

228 229 230

231

232

P. VALLIUS, SJ, Logica (1622) 619b. F. GONÇALEZ, SJ, Logica tripartita (1639) 93b. J. CARAMUEL DE LOBKOWITZ, OCist, Praecursor logicus (1654) 5: „ (Signum)... in certum probabilemque distingui solet; non quidem ut genus in species, sed ut subjectum in diversa accidentia: quoniam idem omnino signum, quod respectu unius est certum, respectu alius, qui habet minorem rei notitiam, solet esse probabile." B. TELLEZ, SJ, Summa univ. philos. (1642) 96a: „Signum naturale etiam potest esse signum ex instituto, respectu eiusdem... quia, cum impositio humana sit adeo libera, poterit quis imponere fumum ad significandum ignem ex instituto..."; J. CARAMUEL DE LOBKOWITZ, OCist, Praecursor logicus (1654) 5: „Suppono tanquam certum eandem rem, posse simul habere significationem ad placitum et naturalem, ut... probat tubarum clangor, qui naturaliter et a posteriori indigitat insufflantis anhelitum ceu causam, et moraliter milites admonet, ut sciant quid debeant facere in certamine."; B. F. SCHMIDT, SJ, Expeditio dialéctica altera pro signis (1666) 5: „Nihil obstare, quo minus idem signum possit simul esse instituto, naturale, et respectu quorundam etiam ex consuetudine." Zumeist wird dies dadurch belegt, daß ein conceptus im menschlichen Intellekt für einen Engel als Instrumentalzeichen der durch ihn bezeichneten Sache dienen kann. Vgl. CONIMBRICENSES, SJ, Commentarti in univ. Aristotelis dialecticam (1607) 2. 23. Vgl. F. ARAV, OP, S. Anm. 155; Andere Autoren betonen, daß etwas auch hinsichtlich desselben Signifikats und in Rücksicht desselbe Erkenntnisvermögen zugleich Formal- und Instrumentalzeichen sein kann. Vgl. R. DE ARRIAGA, SJ, Cursus philos. (1632) 179b: „Adverte, eamdem rem posse esse signum formale et instrumentale eiusdem rei respectu diversorum: cognitio enim, qua Angelus me cognoscit, est signum formale respectu ipsius Angeli, respectu vero Dei in ilio actu cognoscentis hominem, est signum instrumentale: imo etiam respectu ipsius Angeli reflexe cognoscentis illum actum, et in ilio hominem, potest ea cognitio esse signum in strumentale..."; F. BONAE SPEI, OCarm., Comment, tres in univ. Arist. philos. (1652) l i b : „... idem signum, respectu ejusdem cognoscentis, posse esse formale et instrumentale ejusdem; omnis enim prima intentio formalis, supra quam reflectit secunda formalis existens in eodem intellectu est tale signum."

238

Das Zeichen in der Logik der posttridentinischen Scholastik

1. Die Unterscheidung von signum formale - und signutn instrumentale W i e g e s e h e n , w a r d i e u r s p r ü n g l i c h in t h e o l o g i s c h e m

Problemzusammenhang

entwickelte Unterscheidung v o n mehreren Weisen des Repräsentierens u m

1500

in d e r p a r i s e r M a i o r - S c h u l e u n t e r R ü c k g r i f f a u f P i e r r e d ' A i l l y z u m

Lehrstück

v o m vierfachen

Repräsentieren

repraesentare

b z w . significaré)

ausgebaut worden, welches dann durch D o m i n g o de Soto

oder Bezeichnen

(quadrupliciter

k r i t i s c h e r A b s e t z u n g v o n e i n e m u n d i f f e r e n z i e r t e n G e b r a u c h v o n facere scere,

repraesentare

u n d significare

in e i n h i e r a r c h i s c h e s O r d n u n g s g e f ü g e

f ü h r t u n d in d i e s e r F o r m d e r L o g i k d e r Z w e i t s c h o l a s t i k v e r m i t t e l t w u r d e . w a r d e r B e g r i f f d e s significare

präzisiert u n d sein G e l t u n g s b e r e i c h

d u r c h d i e D i s t i n k t i o n v o n formaliter

u n d instrumentaliter

in

cognoüberDamit

vollständig bestimmt

significare

und ausgemessen w o r d e n . Die extensionale Differenzierung der vier W e i s e n des facere

cognoscere

b l e i b t i n s b e s o n d e r e b e i d e n T h o m i s t e n bis w e i t ins 1 7 . J a h r -

h u n d e r t hinein gängiges Lehrstück, w o es die G r u n d l a g e für die aus

Thomas

v o n A q u i n selbst nicht o h n e weiteres zu e n t w i c k e l n d e B e h a n d l u n g d e r K o n z e p t e als Z e i c h e n b i l d e t . In d i e s e m S i n n e f i n d e t e s s i c h e t w a b e i D i d a c u s

233

Masius233,

D. MASIUS, OP, Comment, in duos lib. Arist. de Int. ( 1 6 1 7 ) 7b-8a: „Animadvertendum est ..., quatuor modis posse rem aliquam efficere cognitionem, primo modo tanquam causa efficiens, secundo tanquam forma, tertio velut instrumentum, et quarto tanquam obiectum. Illud producit cognitionem tanquam causa efficiens, quod efficit cognitionem, qua ratione intellectus est causa efficiens intellectionis et sensationis. Illud producit cognitionem ut forma, quod est ipsa forma cognoscendi, quomodo intellectio efficit cognitionem, eo quod sit eadem (8a) forma intelligendi. Illud praeterea efficit cognitionem ut instrumentum, quod manuducit facultatem cognoscendi ad rem ipsam cognoscendam, quemadmodum imago Regis, est causa instrumentaría cognitionis ipsius Regis, ducit enim nos in cognitionem Regis. Tandem obiecta cognita, ut homo, vel coelum, producunt cognitionem tanquam obiecta. ... est adnotandum repraesentare, ablato primo modo, eius quod est producere cognitionem, ut causa efficiens, tribus aliis modis (eisdem scilicet quibus aliquid facit alterum cognoscere) evenire posse, scilicet ut forma, ut instrumentum, et ut obiectum: nam cum repraesentare nihil aliud sit, quam facere aliquid praesens facultati cognoscendi, tribusque modis possit illi aliquid esse praesens, vel ut forma quaedam, sicut cognitio est praesens facultati, vel ut instrumentum, quemadmodum imago Regis est praesens visui ad Regem ipsum cognoscendum, vel ut obiectum denique, quemadmodum ipsemet Rex se repraesentat visui, totidem etiam tribus modis evenit repraesentatio, ut forma, ut instrumentum, atque ut obiectum. Animadvertendum est ... significationem esse duplicem, unam formalem, et alteram instrumentalem; formalis est ipsamet cognitio inhaerens facultati cognoscendi. Instrumentaría est ilia quae velut instrumentum ducit nos ad alia cognoscenda. Unde duplex erit signum, Instrumentarium unum, et alterum formale." Hier zeichnet sich eine terminologische Undeutlichkeit ab, die sich aus der semantischen Nähe von facere und efficere ergeben kann. Masius vertauscht beides bei seiner Darstellung des formaliter und des instrumentaliter repraesentare (7b-8a), so daß er davon spricht, „intellectio efficit cognitionem". Zu einer völligen Verwirrung der Begriffe führt dies bei F. MURCIA DE LA LLANA, der ebenso wie dem Intellekt auch der cognitio das 'efficienter' zuschreibt, und das dadurch freigewordene 'formaliter' der imago Caesaris und den voces zuweist, wodurch es nicht mehr vom 'instrumentaliter' abgehoben werden kann. Vgl. Selecta circa Arist. dialecticatn ( 1 6 2 1 ) 3 9 9 b - 4 0 0 a : „... 'Facere cognoscere' multipliciter sumi. Primo sumitur efficienter. Qua ratione noster intellectus facit cognoscere rem, quia ipse efficienter producit cognitio-

239

Die Zeichenklassifikation

Samuel de Lublino 234 oder Johannes a Sto. Thoma 2 3 5 . Bei den Jesuiten dagegen fällt das Lehrstück späterhin zumeist aus, 236 da diese nicht mehr direkt auf Soto, sondern auf ihre eigenen Autoren, wie Fonseca, Toletus oder die Conimbricenses zurückgreifen, bei denen es nicht überliefert ist. 237 Zugleich war jedoch mit der von Soto unter Berufung auf die Augustinische Zeichendefinition am formaliter significare angebrachten Cautele der Uneigentlichkeit eine Tendenz zur weiteren Reduzierung des Bezeichnens von einem dupliciter auf ein 'simpliciter' - d.h. instrumentaliter

- significare

manifest ge-

worden, die leicht zur Revision der seit der Mitte des 13. Jahrhunderts geläufigen Bestimmung der Konzepte als Zeichen hätte führen könne. Der Zeichenstatus der geistigen Begriffe war erneut prekär geworden. Nur die Furcht, sich zu nem... Similiter ipsa cognitio efficienter facit nos cognoscere. Secundo potest sumi ... formaliter penes hoc, quod sit aliquid forma, qua cognoscimus. Qua ratione imago Caesaris, quia est forma, seu figura repraesentativa Caesaris facit nos cognoscere formaliter Caesarem: sic similiter voces, scripturae, et conceptus, faciunt nos cognoscere formaliter." 234

235

236

In univ. Arist. logicarti quaest. ( 1 6 2 0 ) 3 8 5 : „repraesentare nihil aliud est, quam aliud facere cognoscere, adeo ut illud in rigore dicatur alterum repraesentare; quando ordinatur ad hoc, ut eo inspecto sit mihi praesens aliquid aliud: sive hoc fiat obiettive, sive effective, sive formaliter, sive etiam instrumentaliter: quando enim video aliquam tabulam in qua depictus est Imperator, illa tabula ... facit me cognoscere Imperatorem per modum obiecti, quatenus per suam speciem movet visum, qui postea efficit visionem Imperatoris, et per consequens facit me cognoscere Imperatorem effective quia efficit cognitionem. Sed cognitio supponens obiectum, et causam efficientem, v.g. visum, formaliter est Imperatoris significativa; adeo ut tunc aliquis dicatur Imperatorem cognoscere, postquam habuerit cognitionem hoc modo productam, caeterum imago, pro quanto est instrumentum respectu meae cognitionis, quo viso recordor Imperatoris visi in alio tempore, facit me cognoscere Imperatorem instrumentaliter.... E t quamvis haec tria pro eodem accipiuntur, scilicet significare, potentiae cognoscitivae aliquid repraesentare, et facere cognoscere; nihilominus magis communius est facere cognoscere quam repraesentare, et repraesentare communius quoddam est quam significare..." SAMUEL DE LUBLINO, O P ,

JOHANNES A STO. THOMA, Ars Logica ( 1 9 4 8 ) 9b. W i e gesehen, entwickelt er jedoch im Rahmen seiner ausführlichen Analyse des Zeichens und seiner Relationen eine von dem in den Summulae referierten traditionelle Lehrstück abweichende Unterscheidung der beiden Begriffe von repraesentare und significare. Von den Jesuiten führt es im späten 16. Jahrhundert noch F. DUARTE an; vgl. Comment, in ( 1 5 8 5 ) fol. 6r: „... sequitur ... id quod communiter docent Dialectici, scilicet non esse idem significare, repraesentare et facere cognoscere nam significare tantum contingit dupliciter, formaliter et instrumentaliter... repraesentare vero tripliciter, scilicet formaliter, instrumentaliter et obiective nam ipsa cognitio hominis ilium repraesentat formaliter, vox ' h o m o ' instrumentaliter ipse autem homo se repraesentat obiective quia est obiectum quod cognoscitur. at vero facere cognoscere contingit quadrupliciter scilicet formaliter instrumentaliter obiective et effective."

univ. logicam Arist.

237

Die CoNIMBRICENSES greifen auf Sotos Unterscheidung nur hinsichtlich der Unmöglichkeit einer Selbstbezeichnung zurück; vgl. Comment, in univ. dial. Arist. ( 1 6 0 7 ) 2. 14f: „... negandum est idem esse repraesentare, ac significare: nam illud est universalius, et idcirco adhibetur in definitione signi pro genere. Quae maior universalitas explicatur a D. Augustino. Quem sequitur Soto ca. 2 Summularum. Et recentiores .... Quia significare solum se extendit ad alia diversa a significante; repraesentare vero, et ad alia, et ad ipsum repraesentans."

240

Das Zeichen in der Logik der posttridentinischen Scholastik

weit vom Sprachgebrauch der Tradition zu entfernen, verhinderte bei Soto die vollständige Rückkehr zur augustinischen Zeichenkonzeption. Sie fand nicht statt. Nichtsdestoweniger stand die für die weitere Geschichte der Zeichentheorie fundamentale Frage, ob die conceptas aus dem Raum des Zeichens auszuschließen seien, zunächst auf des Messers Schneide. Denn von den beiden für die spätere Entwicklung der Logik im 17. Jahrhundert maßgeblichen Autoren, Francisus Toletus und Petrus de Fonseca, 2 3 8 hat ersterer, als direkter Schüler Sotos, die Konzepte überhaupt nicht mehr als Zeichen geführt 239 und letzterer sie ebenfalls nur unter Vorbehalten zugelassen. 240 Aber diese wenn auch nur eingeschränkte Zulassung war entscheidend für die spätere Bestimmung des Zeichenbegriffs, zumal als Fonseca in diesem Zusammenhang die ältere Unterscheidung des formaliter und instrumentaliter significare erstmals explizit als förmliche Zeichendistinktion formuliert: ... signa duabus divisionibus dispartiuntur: altera in signa formalia, et instrumentalia (liceat enim ita loqui) altera in naturalia, et ex instituto. Signa formalia sunt similitudines, seu species quaedam rerum significatarum in potentijs cognoscentibus consignatae, quibus res significatae (12) percipiuntur. ... Dicuntur autem formalia signa, quia formant, et quasi figurant potentiam cognoscentem. - (Die Zeichen werden mittels zweier Distinktionen unterteilt: durch die eine in Formalzeichen und Instrumentalzeichen (es sei nämlich gestattet, so zu reden), durch die andere in natürliche und eingesetzte. Formalzeichen sind Ähnlichkeiten oder gewisse in die Erkenntnisvermögen eingezeichnete Erkenntnisbilder der bezeichneten Dinge, durch die die bezeichneten Dinge erfaßt werden. ... Sie werden Formalzeichen genannt, weil sie das Erkenntnisvermögen gleichsam formen und prägen). 2 4 1

Dies dürfte der Ort sein, an dem sich die ältere, schon bei Pierre d'Ailly greifbare Unterscheidung zwischen einem formaliter und instrumentaliter significare erstmals zu der für die spätere Zeichentheorie zentralen Distinktion von

signum formale und signtim instrumentale verdichtet hat.

Das signum formale ist im Wesentlichen dadurch gekennzeichnet, daß es abhängig von der jeweils zugrundeliegenden Auffassung vom verbum mentis242 sowie der Konzeption der species sensibiles und intelligibiles - entweder, wie die Vgl. W. RISSE, Logik der Neuzeit I, 359. Gemäß der ratio studiorum der Jesuiten sollten Toletus und Fonseca als die maßgeblichen Logiklehrbücher dienen. 2 3 9 Toletus operiert, als habe er sich den ermahnenden Hinweis seines salmantizenser Lehrers zu Herzen genommen, ganz auf der Grundlage des augustinischen Zeichenbegriffs; vgl. F. TOLETUS, Introd. in univ. Arist. log. (1615/16) 1. 208a: „Signum, ut dicit Augustinus ..., est res praeter speciem, quam ingerit sensibus, aliquid aliud facit in cognitionem venire, id est, est res, quae per sui cognitionem alterius cognitionem inducit...". 2 4 0 P. DE FONSECA, SJ, Institutiones dialecticae (1572) 12: „Differunt (sc. signa formalia et signa instrumentalia) etiam hac ratione, quod priora illa nec admodum usitate nominantur signa, nec satis proprie dicuntur repraesentare: haec vero posteriora maxime. Unde D. Augustinus quasi complexus omnia, quae populari sermone signa dicerentur, hoc modo signum definivit: Signum est, quod et seipsum sensui et praeter se aliquid animo ostendit." 2 4 1 Ebd. l l f . 242 VGL. H. J. MÜLLER, Die Lehre vom verbum mentis in der spanischen Scholastik (1968). 238

Die Zeichenklassifikation

241

Jesuiten und einige Scotisten meinen, ohne selbst erkannt zu werden 243 oder, gemäß der Auffassung insbesondere der Thomisten sowie der Mehrheit der Scotisten, ohne ein vorgängiges Erkanntsein seiner selbst zur Kenntnis eines anderen hinführt. 244 Die konkrete Bestimmung des verbum mentis ist für diese Differenzierung insofern von Bedeutung, als es eben dieses Wort des Geistes, bzw. der conceptus, ist, welches nach allgemeiner Auffassung das Formalzeichen ausmacht. Dort jedoch, wo es, wie bei der Mehrzahl der jesuitischen und scotistischen Autoren, mit dem Erkenntnisakt selbst oder der ratio cognoscendi gleichgesetzt wird, macht es offenbar keinen Sinn, ein Erkanntsein des signutn formale anzunehmen, da es selbst dasjenige, wodurch etwas erkannt wird. 245

243

Vgl. P. DE FONSECA, SJ, Inst. dial. ( 1 5 7 2 ) 12: „...illa (sc. signa formalia) non sunt a nobis necessario percipienda, ut ipsorum perceptione in rei significatae cognitionem veniamus."; R. DEARRIAGA, SJ, Cursus philos. ( 1 6 3 2 ) 1 7 9 b : „... quod sine cognitione sui ducit nos in alterius cognitionem..."; B. TELLEZ, SJ, Summa utiiv. philos. ( 1 6 4 2 ) 7 8 a : „Signa formalia ... sunt imagines rerum, quae potentijs cognoscentibus consignatae, non cognita ducunt nos in cognitionem rerum."; J . IOANNIZ ET ECHALAZ, Philos. ( 1 6 5 4 ) 3 b : „... quod per se ipsum formaliter absque cognitione sui facit nos aliud cognoscere..."; G. CHABRONUS, SJ, Philos. ( 1 6 6 2 ) : „... non cognitum ducit in cognitionem..."; C. FRASSEN, O F M , Philos, académica t . l ( 1 6 8 6 ) 3 3 6 ; C. SFONDRATI, Cursus philos, t . l ( 1 6 9 6 ) 4 4 7 : „... quod non cognitum ducit in alterius cognitione"; C. KR1SPER, O F M , Philos, scholae scotist. ( 1 7 3 5 ) 7 : „... quod non cognitum ducit nos in cognitionem alterius...". In der protestantischen Schulmetaphysik findet sich diesè Bestimmung u.a. bei CHR. SCHEIBLER, Metaphysica ( 1 6 3 6 ) 3 6 2 u. A. CALOVIUS, Scripta philosophica (1651) 626

244

F. ARAV, OP, Comment, in univ. Arist. Met. t. 1 ( 1 6 1 7 ) 3 5 1 a : „... conceptus, quem quis format de aliquo obietto, est signum formalis talis obietti, quia seipso formaliter absque ulla praevia sui cognitione illud repraesentat." Vgl. JOHANNES A STO. THOMA, OP, Ars logica ( 1 9 4 8 ) 6 9 5 a - b . Johannes operiert hier, sichtlich bemüht, T h o m a s von Aquin, trotz des von ihm geforderten vorgängigen Erkanntseins des Zeichens (De veritate, q . 9 a.4 ad 5 : „De ratione signi proprie accepta ... est ... quod sit nobis praecognitum") für die Existenz von Formalzeichen in Anspruch zu nehmen, mit einer stark modifizierten Form der auf das Formalzeichen selbst bezogen cognitio praevia. Das signum formale ist nicht „praecognitum ut obiectum, sed ut ratio et forma, qua obiectum redditur cognitum intra potentiam, et sie est praecognitum formaliter, non denominative et ut res cognita."; vgl. COSMAS DE LERMA, OP, s. Anm 2 5 4 ; F. OHM, OP, Summa philos. ( 1 6 9 2 ) 9 9 : „... quod seipso sine praevia cognitione aliquid repraesentat.". Wenngleich auch die Scotisten mehrheitlich die Formulierung „absque praevia cognitione" verwenden, so unterscheidet sich ihre Position doch insofern deutlich von der der Thomisten, als ihnen zufolge das signum formale nicht Produkt der Erkenntnis, sondern die ratio cognoscendi ist, durch die der Gegenstand erkannt wird. Vgl. B. MASTRIUS / B. BELLUTUS, O F M , Disp. in Org. Aristotelis ( 1 6 4 4 ) 4 b : „... (signum formale) est illud ... quod absque sui praevia cognitione aliud nobis repraesentat, et in eius cognitionem ducit.... illud ...vocat praecise rationem cognoscendi, quatenus praecise est quo aliquid cognoscitur, et non quod cognoscitur."; vgl. PETRUS A S. CATHARINA / THOMAS AS. JOSEPH, O F M o b s , Cursus philosophicus ( 1 7 3 2 ) 3 5 : „Signum formale dicitur, quod non est prius cognitum, sed est ratio formalis cognoscendi aliud, ut cognitio, qua cognosco h o m i n e m . " ; M . PANGER/ Κ. KAZENBERGER, O F M , Philos. Arist. universa ( 1 7 3 9 ) 1 8 4 b ; A. LOCHERER, O F M , Clypeus philosophico scotisticus ( 1 7 4 2 ) 5b. Dies gilt auch dort, wo, wie bei Suárez, eine Modal disti η kti on zwischen der Tätigkeit des Intellekts und dem verbum mentis angenommen wird. Vgl. F. SuÁREZ, De anima 3, 5, 11, Op. omn. ( 1 8 5 6 - 7 8 ) 3 . 6 3 3 b : „ ... dicendum (sc. verbum mentis) vere dari. Secundo distin-

245

242

Das Zeichen in der Logik der posttridentinischen Scholastik

Anders verhält es sich bei den Thomisten, die in der Regel zwischen dem Erkenntnisakt, der selbst nicht Zeichen ist, 246 und dem durch ihn hervorgebrachten verbum mentis als demjenigen, in dem etwas erkannt wird, unterscheiden. Hier gilt dann, daß die Erkenntnis des Formalzeichens zugleich die Erkenntnis des durch es Bezeichneten ist, 247 „quia non duplicat obiectum cognitum ñeque cognitionem". 248 Die unterschiedliche Auffassung hinsichtlich der Frage, ob das Erkanntsein des Zeichens als konstitutives Moment zur ratio signi gehört, entscheidet auch darüber, ob den species impressae ebenfalls Zeichencharakter zugeschrieben wird oder nicht. Da diese offensichtlich in keiner Weise selbst wahrgenommen werden, verbietet sich ihre Bestimmung als Zeichen nicht nur dort, wo im Anschluß an die augustinische Zeichendefintion ein „prius cognitum" 2 4 9 des Zeichens postuliert wird, sondern auch dort, wo, wie nach thomistischer Auffassung, überhaupt von einem ein Erkanntsein - und sei es auch nur ein „non prius cognitum" - des Zeichens ausgegangen wird. Die species impressae sind zwar Ähnlichkeiten der Dinge, haben jedoch nicht den für das Zeichen geforderten Charakter eines selbst erkannten Erkenntnismediums, 250 sondern fungieren vielmehr als Teilprinzipien der Erkenntnis. 251 Im Gegensatz dazu handelt es

gui modaliter ab actione intellectus ut productio est, ab actu vero ut est qualitas producta nullo modo. T e r t i o non esse id, in quo fit cognitio, aut supplere vicem objecti, sed esse id, quo ipsum objectum cognoscitur tanquam conceptu formali rei cognitae, siquidem ut res possit intelligi, necesse est, ut in intellectu vitaliter quodammodo formetur: ilia ergo forma verbum est... unde verbum conceptus objectivus mentis non est, sed formalis."; vgl. DERS., Disp. met. 2, 1, 1, Op. omnia 2 5 . 6 4 f . : „Conceptus formalis dicitur actus ipse seu ... verbum quo intellectus rem aliquam ... concipit..." 246 247

248 249

Vgl. JOHANNES A STO THOMA, OP, Ars logica ( 1 9 4 8 ) 7 1 2 a - b . Vgl. F. ARAV, OP, Comment, in univ. Arist. Met. t. I. ( 1 6 1 7 ) 3 6 8 b : „... conceptus ex vi eiusdem repraesentationis cognoscet imaginem et obiectum illius..." Vgl. JOHANNES A STO THOMA, OP, Ars logica ( 1 9 4 8 ) 6 9 4 a . Vgl. NICOLAUS A S. IOHANNE BATTISTA, Philosophia augustiniana ( 1 6 8 7 ) 1 4 : „Dico ... species veram signi rationem non habere. Prob. I. Per nos non datur signum formale; ergo si species deberent esse signum, utique signum instrumentale esse deberent; sed species non possunt esse signum instrumentale; ergo nullo pacto possunt esse signum. ... Confirmatur. Signum instrumentale prius cognitum ducit in cognitionem; sed species non ducunt in cognitionem prius cognitae; sed solum faciunt venire in cognitionem alterius, causando cognitionem obiecti. (...) Prob. 2. N e c etiam admittentibus signa formalia possunt dici formalia signa ... quia non sunt ratio formalis, et immediata cognoscendi aliud, cum non sint formalis repraesentatio obiecti, sed tantum causalis, et effective."

250

Vgl. JOHANNES A STO THOMA, OP, Ars logica ( 1 9 4 8 ) 7 0 8 a - b : „Species impressa non est forma intelligibilis, quae sit aliquid notum, in quo aliquid cognoscatur... Species autem impressa solum est id, quo potentia cognoscit tamquam principio... Ergo non habet rationem signi..."

251

Vgl. F. ARAV, OP, Comment, in univ. Arist. Met. t. I. ( 1 6 1 7 ) 3 6 3 b : „Species impressa, sive sensibilis, sive intelligibilis, nullatenus est signum. ... Nam de ratione signi, ultra hoc quod est repraesentare aliud a se, requiritur, quod mediet inter obiectum repraesentatum, et potentia, cui fit repraesentatio: sed species impressa non sic médiat, quia tenet se ex parte potentiae ut comprincipium ipsius cognitionis, ita ut ex illa et potentia fiat una integra poten-

243

Die Zeichenklassifikation

sich bei i h n e n für d i e M e h r z a h l d e r J e s u i t e n u n d S c o t i s t e n u m Z e i c h e n , g e n a u e r : u m signa

formalia.252

In j e d e m F a l l j e d o c h h e r r s c h t E i n v e r s t ä n d n i s d a r ü b e r , d a ß d a s F o r m a l z e i c h e n k e i n medium

quod,

kein z u n ä c h s t selbst e r k a n n t e s M e d i u m , s o n d e r n - w i e d e r u m

a b h ä n g i g v o n d e r j e w e i l s z u g r u n d e l i e g e n d e n A u f f a s s u n g v o m verbum

mentis

f ü r d i e J e s u i t e n u n d S c o t i s t e n e i n medium

das',

d i e T h o m i s t e n d a g e g e n e i n medium

quo,253

in quo,254

e i n ' M e d i u m , durch e i n ' M e d i u m , in dem'

kannt wird. Das F o r m a l z e i c h e n bezeichnet, hier w e r d e n die im z u r B e s t i m m u n g e n d e s formaliter prie

repraesentare

o d e r significare

e t w a s er-

Spätmittelalter naturaliter

pro-

g e b r ä u c h l i c h e n F o r m e l n ü b e r n o m m e n , w e s e n s m ä ß i g d u r c h sich selbst

se formaliter)^255 sum)256

l ä ß t a l s o u n m i t t e l b a r d u r c h s i c h s e l b s t ( i m m e d i a t e per

das Erkenntnisvermögen zur Erkenntnis der Sache k o m m e n . o d e r , n a c h H u r t a d o , w e i l e s d i e ratio

formalis

(per

se

ip-

„Formal"

w i r d es n a c h F o n s e c a d e s h a l b g e n a n n t , weil es d a s E r k e n n t n i s v e r m ö g e n s a m bildet u n d f o r m t 2 5 7

für

gleichcogno-

tia cognoscitiva, proxime potens cognoscere: ergo species impressa non est signum formale." 252

253

254

255

256

257

Vgl. z.B. P. FONSECA, SJ, Institutiones dialecticae ( 1 5 7 2 ) LLF; B. MASTRIUS / B. BELLLTTUS, O F M , Disp. in Org. Aristotelis ( 1 6 4 4 ) 4 b ; R. LYNCEUS, SJ, Universa philos, scholast. (1654) 2 0 6 ; C. F. VERANI, SJ, Philosophia universa speculativa ( 1 6 8 4 ) 6 b ; J . G. BOYVIN, Philosopha Scoti ( 1 7 0 1 ) 3 1 4 ; M . PANGER/ Κ. KAZENBERGER, O F M , Philos. Arist. universa ( 1 7 3 9 ) 1 8 4 b ; A. LOCHERER, O F M , Clypeus philosophico scotisticus ( 1 7 4 2 ) 5 b ; vgl. EUSTACHIUS A STO. PAULO, OCist, Summa philosophiae ( 1 6 1 4 ) 2 6 ; D. DERODON, Logica restituía (1659) 4 9 6 ; C. SFONDRATI, Cursus philosophicus, t. 1 ( 1 6 9 6 ) 4 4 9 . Vgl. CONIMBRICENSES, SJ, Commentant in tres libros de anima ( 1 6 2 9 ) 4 8 7 : „... conceptum esse duntaxat signum formale, esseque id, quo rem obiectam percipimus." Vgl. F. Suárez, SJ, De anima 3, 5, 11, Op. omn. ( 1 8 5 6 - 7 8 ) 3 . 6 3 3 b : „ ... dicendum (se. verbum mentis) ... non esse id, in quo fit cognitio, aut supplere vicem objecti, sed esse id, quo ipsum objectum cognoscitur tanquam conceptu formali rei cognitae, siquidem ut res possit intelligi, necesse est, ut in intellectu vitaliter quodammodo formetur: illa ergo forma verbum est..."; vgl. Β. MASTRIUS / Β. BELLUTUS, O F M , Disp. in Organum Arist. ( 1 6 4 4 ) 4b. Vgl. JOHANNES A STO THOMA, OP, Ars logica ( 1 9 4 8 ) 6 9 4 . Vgl. COSMAS DE LERMA, OP, Cursus phil. t. 1, lib. 1 cap. 1 $ 2 ( 1 6 4 9 ) 5 : „ O m n e signum medium est ductivum potentiae in cognitionem signati. Unde iuxta duplicem rationem medij ductivi prima assignatur divisio signi. Est enim medium ductivum, alterum per quod, alterum autem medium in quo. M e dium per quod, est illud quod prius cognitum ducit in cognitionem alterius. Medium vero in quo, est illud in quo obiectum sic relucet, ut absque praevia cognitione ipsius medij ducat in cognitionem obiecti. Iuxta hanc igitur medij distinctionem primo dividitur signum in communi, et in tota sua latitudine aceptum in signum formale et instrumentale." F. DE OVIEDO, SJ, Integer Cursus philos. ( 1 6 4 0 ) 1 3 7 a : „Signum formale dici solet illud, quod per se formaliter suum objectum potentiae significat, seu id quod formaliter constituit potentiam cognoscentem objectum illud, cuius dicitur signum." F. BONAESPEI, O C a r m , Comment, tres in univ. Arist. Phil. ( 1 6 5 2 ) I I b : „Signum Formale est, quod immediate per se ipsum, sive nulla mediante sui cognitione ... ducit nos in cognitionem alicujus."; A. OSWALDT, OP, Spicilegium philosophicum ( 1 6 9 7 ) 3 : „... quod se ipso et non mediante alio rem repraesentat, id est, ita ut non prius attingitur signum et deinde signatum, sed una cognitione utrumque cognoscatur." S. Anm. 2 4 1 ; vgl. F. SUÁREZ, SJ, De divina substantia 2, 13, 1, Op. O m n . ( 1 8 5 6 - 7 8 ) 1 . 9 3 a : „[conceptus formalis] dicitur formaliter repraesentare, quia informando potentiam facit illi

244

Das Zeichen in der Logik der posttridentinischen Scholastik

scendi258 ist, d.h. die Form, durch die etwas erkannt wird. 259 Es ist damit die Erkenntnis (cognitio) selbst oder das ausdrückliche Erkenntnisbild (species expressa), durch das wir uns einen Gegenstand vorstellen oder vergegenwärtigen, ohne daß es hierzu, wie im Fall des signum instrumentale, eines weiteren Zeichens bedarf. Es ist jenes Zeichen, das allein durch seine Entität das Erkenntnisvermögen zu einem aktual erkennenden macht. 2 6 0 Das signum formale, d.h. in erster Linie der geistige Begriff 261 oder die geistige Erkenntnis selbst (ipsa cognitio)262 - in eigentlicher, wenngleich weniger vollkommener Weise gilt auch die sinnliche Erkenntnis als Formalzeichen 263 - ist damit unter allen Zeichen als

praesens obiectum."; DERS. Disputationes met. 30, 11, 3 3 : „Haec autem repraesentatio formaliter dicitur fieri per ipsum actum intelligendi, seu verbum, non quia in eo sit formalis convenientia..., sed quia ipse actus est forma, quae informando intellectum, intentionaliter sue intelligibiliter illi refert objectum, et hoc est formaliter repraesentare illud." Vgl. R. LYNCEUS, SJ, Univ. Philos, scholast. (1654) 2 0 6 b : „... quod informando potentiam ei facit aliquid innotescere..."; C. F. VERANI, Philos, univ. specul. (1684) 6b: „... quod seipso informando potentiam illam ducit in cognitionem alicuius..." 258

Vgl. P. HURTADO DE MENDOZA, SJ, Disp. deuniv. philos. (1617) 143f: „... quod repraesentat rem tanquam ratio cognoscendi; quae definitio soli convenit cognitione, illa enim potentiae repraesentat obiectum."; B . MASTRIUS/B. BELLUTUS, O F M , Disp. in Organum Arist. (1644) 4b: „... vocatur praecise rationem cognoscendi, quatenus praecise est quo aliud cognoscitur..."; J . CARAMUEL DE LOBKOWITZ, OCist, Rationalis et realis philos. (1642) 4b: „... non cognoscitur sed est ratio qua objectum cognoscatur."; M . CORNAEUS, SJ, Curriculum philosophiae peripateticae (1657) 173: „... quod significat et repraesentat rem formaliter, seu tanquam ratio formalis cognoscendi. Talis est ipsa cognitio, haec enim est formalis obiecti repraesentatio."; H . HEINLEIN, OSB, Philosophia rationalis (1677) 3 8 5 f : „Signum formale est, quod significat et repraesentat rem formaliter, seu tanquam ratio formalis cognoscendi. Talis est ipsa cognitio."

259 YG| O. CATTANEUS, SJ, Cursus philos., t.L (1677) 6 9 0 : „... signum formale est ipsa cognitio hoc est illa forma, qua formaliter cognoscimus obiectum." 260 Vgl. p. HURTADO DE MENDOZA, SJ, Disp. de univ. philos. (1617) 8f: „Hoc signum est cognitio, quae est formalis repraesentatio obiecti, signum expressum sive species expressa illius, unde per ilia nobis repraesentamus obiectum, quin sit necessarium aliud signum, quod est esse signum formale: id est per suam (9) solam entitatem reddit potentiam cognoscentem, unde patet omnes términos mentales esse significativos, quia omnes sunt species expressa, et imago sui obiecti, per quam est praesens potentiae cognoscenti."; Β. BARO, O F M , Joan. Duns Scotus ... per univ. phil. ... defensus (1664) 4a: „... ratio formalis significandi signo naturali formali realiter est ipsa entitas signi..." Β. TELLEZ, SJ, Summa univ. philos. (1642) 88a. D. MASIUS, OP, Commentarla in duos lib. Arist. de Int (1617) 8a: „... [significatio] formalis est ipsamet cognitio inhaerens facultati cognoscendi."; P. HURTADO DE MENDOZA, SJ, Disp. de universa philosophiae (1617) 8: „Hoc signum est cognitio, quae est formalis repraesentatio obiecti...."; B. F. SCHMIDT, SJ, Expeditio dialéctica altera pro signis (1666) 2 : „Signum naturale formale dicitur cuiusvis obiecti repraesentatio Vitalis, sive deinde sit cognitio intellectus, sive phantasiae, aut sensuum externorum actus."; A. BERNALDUS DE QUIROS, SJ, Opus philos. (1666) 193a; HEINLEIN, S. Anm. 2 5 8 ; CATTANEUS, s. Anm. 259. 263 YG| P ARAV, O P , Comment, in univ. Arist. Met. t. I. (1617) 3 6 4 a : „In notitijs sensitivis etiam reperitur vera ratio signi formalis, quamvis non ita perfecte sicut in conceptibus. Haec conclusio, quoad primam partem, probatur. Nam ratio signi formalis ... est sita in hoc, quod notitia seipsa et formaliter sit obiectum repraesentativa, sed omnis notitia sensi261

262

Die Zeichenklassifikation

245

dasjenige ausgezeichnet, das wesensmäßig und seinem ganzen Sein nach Zeichen ist, da ihm, anders als den Instrumentalzeichen, die zeichenkonstitutive Doppelbeziehung auf das Signifikat und das Erkenntnisvermögen bereits materialiter, d.h. als das, was es an sich selbst ist, zukommt. 264 Denn es ist seinem Sein nach vom Erkenntnisvermögen nicht abtrennbar, zugleich aber, weil formale Ähnlichkeit oder Bild 265 der bezeichneten Sache, stets auf diese bezogen. Im Gegensatz zum signum formale wird das signum instrumentale im allgemeinen als dasjenige Zeichen bestimmt, das, indem es selbst erkannt wird (mediante sui cognitione)266 oder - wie besonders die Thomisten eigens betonen

tiva est huiusmodi: ergo. Minor declaratur. Nam notitia sensitiva aut est interioris (corr. ex: inferioris) potentiae sensitivae, verbi gratiae cogitativae phantasiae, sensus communis; aut est sensuum exteriorum; si prima, etiam est formalis et expressa similitudo obiecti, quia in potentijs sensitivis, maxime in cogitativa, formatur per sensationem quoddam verbum et idolum interius, in quo obiectum repraesentatur, per quod potentia ipsa formaliter, et in actu secundo, assimilatur obiecto: si autem fiat sermo de notitia exterioris sensus, haec non est productio alicuius idoli, proptera quod immediate attingit obiectum praesens physica et localis praesentialitate, quae excludit indigentiam verbi et termini interioris producti... Et ideo licet illam formaliter et complete non assimiletur potentia exterioris sensus ad obiectum: assimilatur tarnen incomplete... unde ea (364b) ratione, qua est similitudo et representativa obiecti, est eius signum; et quia imperfectiorem rationem similitudinis haec notitia subinduit, quam illae in quibus idolum producitur: ideo haec est imperfectius signum quam aliae."; vgl. JOHANNES A SANCTO THOMA, OP, Ars logica (1948) 704a-b: „Etiam idolum seu species expressa sensibilis in potentiis interioribus est signum formale respectu talium potentiarum."; vgl. F. GONÇALEZ, Logica tripartita (1639) 93a: „Signum ... formale ... est visio coloris, quae quin ipsa videatur, repraesentat nobis colorem a se ipsa distinctum: sic etiam sunt quicumque alijs actus potentiae cognoscentis..."; SCHMIDT, s. Anm. 262. 264

Vgl. Β. TELLEZ, SJ, Summa univ. philos. (1642) 82b: „... omne signum dicere duplicem illam habitudinem; cum hac tamen distinctione, quod signa instrumentalia solum formaliter, signa vero formalia, non formaliter solum, sed etiam materialiter sumpta, dicant hos duos respectus, quia essentialiter sunt signa."; D. DERODON, Logica restituía (1659) 4 9 7 : „Notandum ..., signum formale etiam materialiter sumptum dicere respectum essentialem et transcendental em ad potentiam et ad rem repraesentatam; quia signum formale per suam essentiam formaliter et essentialiter est signum, dependens essentialiter a potentia et objecto: At signum instrumentale materialiter sumptum, non dicit respectum essentialem et transcendentalem ad potentiam et rem significatam, quia ut sic est absoluta res, nec a potentia, nec a re significata essentialiter dependens...".

265

Vgl. CONIMBRICESES, SJ, Comment, in univ. Arist. dial. ( 1 6 0 7 ) 2 . 1 7 : „Formalia ... signa sunt imagines et similitudines rerum, quae potentiis consignatae ducunt in rerum notitiam."; D . D E R O D O N , Logica restituía ( 1 6 5 9 ) 4 9 6 : „Signum formale est imago in potentia cognoscente qua percipitur res significata...". Vgl. F. DUARTE, SJ, Comment, in univ. logicam Arist. (1585) fol. 5v: „Illud significat instrumentaliter quod mediante sui cognitione aliud repraesentat, ut vox 'homo' hominem."; Β. TELLEZ, SJ, Summa univ. philos. (1642) 78a: „... quae cognita ducunt nos in cognitionem rerum."; F. BONAE SPEI, OCarm., Comment, tres in univ. Arisi, philos. (1652) l i b : „Signum instrumentale est, quod aliqua mediante sui cognitione a se realiter distincta, ducit nos in cognitionem alicuius..."; J. PONCIUS, OFM, Philos, ad meníem Scoti Curstts integer (1659) 2 6 7 a : „... quod cognitum ducit in cognitionem alterius."; A. BERNALDUS DE QUIROS, SJ, Opus philos. (1666) 193a „... quod media sui cognitione ducit in significatum." - Eine

266

246

Das Zeichen in der Logik der posttridentinischen Scholastik

- vorgängig

selbst erkannt wird, 2 6 7 zur Erkenntnis von etwas anderem hinführt.

Damit entspricht dem Instrumentalzeichen ein doppelter conceptos,268

d.h. in

der durch das Instrumentalzeichen ausgelösten Semiose kommen stets zwei Erkenntnisse (notitiae,

conceptus)

zusammen: die des Zeichens sowie die der be-

zeichneten Sache. Die unmittelbare Quelle dieser Bestimmung des signutn strumentale

sind Sotos Ausführungen zum instrumentaliter

in-

significare:

Sonderposition hat zeitweilig HURTADO DE MENDOZA vertreten. Weil er offenbar Bedenken hatte, die species impressa der cognitio selbst als dem Formalzeichen, „quo solo et sine alio potentia redditur cognoscens" zu sehr anzunähern, subsumierte er sie in seinen Sutnmulae zunächst unter die Instrumentalzeichen. Denn das Charakteristikum des Formalzeichens, daß es „se solo, nihil aliud a se distinctum faciendo, suum repraesentat obiectum", trifft auf das sinnliche oder intelligible Erkenntnisbild nicht zu. Dieses ist nicht die Erkenntnis, sondern bewirkt sie. Insofern erfüllt es eher das Kriterium des Instrumentalzeichens, welches „non se solo repraesentat, sed faciendo aliquid a se distinctum, nempe cognitionem, quae est signum formale" (Disp. de univ. philos. (1617) 9). Eine Zuordnung der species impressae zu den signa instrumentalia machte jedoch die unübliche Unterscheidung der Instrumentalzeichen in erkannte und nicht erkannte notwendig. Vgl. ebd.: „Signum instrumentale est duplex: alterum quod sine cognitione sui facit nos venire in cognitionem alterius rei, ut speciem impressam, quam color ejaculat in oculos, et per illos ad intellectum, est instrumentum faciens oculos et intellectum venire in cognitionem albedinis, et tarnen necesse non est cognosci speciem impressam... Signum alterum instrumentale est, quod per cognitionem sui movet intellectum ad cognitionem rei significatae per illud. In omnibus convenit cum altero instrumentali, nisi quod hoc eget praevia cognitione sui ad excitandam cognitionem obiecti, secus illud." Obwohl Hurtado später von dieser Auffassung abrückt und die species impressae dem signum formale zuordnet (ebd. 143f)> wurde die zunächst getroffene Unterscheidung verschiedentlich aufgegriffen. Vgl. F. GoNÇALEZ, SJ, Logica tripartita (1639) 92b; O. CATTANEUS, SJ, Cursus philosophicus, t.l (1677) 690. 267

Anders als hinsichtlich des Erkanntseins des signum formale besteht bezüglich des signum instrumentale kein sachlicher Dissens zwischen den Scotisten und Jesuiten auf der einen und den Thomisten auf der anderen Seite. In der Regel wird allgemein davon ausgegangen, daß das Instrumentalzeichen zunächst selbst erkannt wird, daß also das Erfassen des Zeichens dem des Bezeichneten voraufgeht. Daß die Thomisten auf die Vorgängigkeit der Erkenntnis des Instrumentalzeichens so großes Gewicht legen, hat seinen Grund in der Bestimmung des Formalzeichens. Während für die Jesuiten und Scotisten, nach denen die Formalzeichen nicht selbst erkannt werden, das bloße Erkanntsein des Instrumentalzeichens hinreichendes Kriterium seiner Unterscheidung vom Formalzeichen ist, müssen die Thomisten, denen zufolge auch das Formalzeichen selbst erkannt wird, die Unterscheidung von signum formale und instrumentale an der Vorgängigkeit der Erkenntnis des letzteren festmachen. Vgl. F. ARAV, OP, Comment, in univ. Arist. Met. t. I. (1617) 366b: „... signum instrumentale ... vere et proprie ducit potentiam in cognitionem signati: peculiari tarnen modo...: qui modus peculiaris consistit in hoc quod praeexistenti cognitione sui, et tamquam instrumentum et medium, per quod excitet potentiam, et faciat illam quasi quodam discursu venire in cognitione signati."; R. DE ARRIAGA, SJ, Cursus philos. (1632): „... quod et seipsum, et aliud a se in seipso prius cognito manifestât..."; Β. MASTRIUS / Β. BELLUTUS, OFM, Disp. in Organum Arist. (1644) 4b; J. B. DUHAMEL, Philos, vetus et nova (1682) 181; NICOLAUS A S. IOHANNE BATTISTA, Philos, augustiniana (1687) 14. Comment, in univ. logicam Arist. ( 1 5 8 5 ) fol. 5V: „... necessario respondet duplex conceptus, alter rei quae repraesentat, alter rei repraesentatae, nam viso fumo necessario cognosco fumum et ignem." F. DUARTE, S J ,

Die Zeichenklassifikation

247

Significare ... instrumentaliter est, quando res, praeexistente cognitione sui, aliud a se repraesentat... Unde ut res aliqua repraesentet aliam instrumentaliter, duae notitìae requiruntur. Primo, notitia ipsius instrumenti, et deinde notìtia significationis. - (Ein instrumentelles Bezeichnen liegt vor, wenn eine Sache, unter vorheriger Erkenntnis ihrer selbst, etwas von sich verschiedenes repräsentiert... Damit also irgendeine Sache eine andere auf instrumentelle Weise bezeichnet, sind zwei Erkenntnisse erforderlich. Zuerst die Erkenntnis des Instruments selbst und dann die Erkenntnis der Bedeutung). 2 6 9

Durch ein instrumentelles Zeichen werden beim Zeichenrezipienten notwendigerweise zwei Begriffe oder Erkenntnisse hervorgerufen,270 also etwa im Fall einer sprachlichen Bezeichnung der Begriff oder das mentale Bild des lautlichen oder schriftlichen Zeichens selbst, der conceptus vocis oder scripturae, sowie der Begriff der durch es bezeichneten Sache, der conceptus rei significatile: Illud tarnen est omnino necessarium, ut cum audimus voces, aut legimus scripta significativa ex instituto, duo semper in nobis conceptus gignantur, alter ipsius vocis, aut scripturae, qui in homine etiam ignaro idiomatis gigni potest, alter rei significatae, qui non gignitur, nisi in eo, qui tenet significationem vocabuli. Voces namque et scripta sunt signa instrumentalia ... quae necessario sunt percipienda, si ipsorum interventu res significatae cognoscendae sunt. At prior ille conceptus dici solet Non ultimatus: posterior Ultimatus. Aptius tarnen ille diceretur Médius, hic Ultimus. - (Es ist absolut notwendig, daß, wenn wir sprachliche Ausdrücke hören oder geschriebene lesen, die aufgrund einer Einsetzung signifikativ sind, in uns stets zwei Begriffe hervorgerufen werden, zum einen der des gesprochenen oder geschriebenen Ausdrucks selbst, der auch in einem der Sprache unkundigen Menschen hervorgerufen werden kann, zum anderen derjenige der bezeichneten Sache, der nur bei dem hervorgerufen wird, der die Signifikation des Wortes kennt. Die gesprochenen und geschriebenen Ausdrücke sind nämlich Instrumentalzeichen ... die notwendigerweise wahrgenommen werden müssen, wenn durch sie die bezeichneten Sachen erkannt werden sollen. Jener erstere Begriff pflegt 'nichtultimativer Begriff genannt zu werden, letzterer 'ultimativer B e g r i f f . Passender jedoch würde jener 'mittlerer Begriff, dieser 'letzter Begriff genannt werden). 2 7 1

269 270

271

D. DE SOTO, OP, Summulae (1554) fol. 2vb. Vgl. P. HURTADO DE MENDOZA, SJ, Disput, de univ. philos. ( 1 6 1 7 ) 9 : „Signum (sc. instrumentale), quod per cognitionem sui facit nos venire in cognitionem rei per illud significatae, aliud est pure intellectuale, quia per solum intellectum percipitur. Aliud est sensibile, quia sensu externo percipitur. Quod egregie definitum est a Beato Augustino, 'Signum est, quod praeter speciem, quam ingerit sensibus, facit nos in alterius rei cognitionem venire'. Ly 'speciem' sumi potest vel pro specie impressa, quam obiectum sensibile trajicit in sensu: vel melius pro sensione ipsa, quam recte Augustinus vocat speciem, quia, cum sit cognitio in sensu producta, est species expressa, et formalis imago obiecti. Praeter hanc cognitionem, aliam causat signum, nempe cognitionem de re significata: fumus (exempli gratia, aut vestigium animalis) movet sensum ad cognitionem sui. Ex qua sensione excitatur intellectus, et cognoscit fumum, et vestigium: quibus cognitis movetur per fumi cognitionem ad cognitionem ignis, et per cognitionem vestigij ad cognitionem animalis: itaque duae cognitiones oriuntur ex hoc signo, altera circa signum ipsum, altera circa signatum."; J. B. PROLEMAEUS, SJ, Philos, mentis et sensuum (1698) 134: „Vis significativa humani signi Instrumentalis consistit in virtute, quam habet signum, ut sensu aliquo perceptum ab homine, excitet in illius intellectu duas cogitationes, unam de signo, aliam de re significata..." P. DES FONSECA, S J , Inst. dial. ( 1 5 7 2 ) 1 6 . Hiermit öffnet sich eine historische Perspektive,

248

Das Zeichen in der Logik der posttridentinischen Scholastik

Damit aber wird deutlich, daß die Definition des Instrumentalzeichens als ein selbst wahrgenommenes und zuvor erkanntes Zeichen lediglich das Kriterium angibt, durch welches es vom Formalzeichen abgegrenzt ist, nicht jedoch - zumindest nicht explizit - die für sein Funktionieren erforderlichen Bedingungen benennt. Denn damit ein solches Zeichen seine Zeichenfunktion ausüben kann, ist es keineswegs hinreichend, daß die als Instrumentalzeichen fungierende res selbst erfaßt wird; es muß auch die significatio und damit auch die durch es bezeichnete Sache bekannt sein. Insofern beschreibt die duplex notitia nicht allein die Struktur der vom Instrumentalzeichen getragenen Semiose, sondern zugleich die für ihr Zustandekommen erforderlichen Bedingungen. Das dürfte, wenngleich dies nicht bei allen Autoren hinlänglich deutlich zum Ausdruck gebracht wird, in der Regel vorausgesetzt worden sein. So betont z.B. Francisco de Araujo bei der Bestimmung des signum instrumentale explizit zwar nur die Notwendigkeit der vorgängigen Erkenntnis des Zeichens. Er macht jedoch bei der Analyse der unterschiedlichen Arten, in denen ein Zeichen, z.B. ein Bild, betrachtet werden kann, deutlich, daß die beim Instrumentalzeichen vorausgesetzte Erkenntnis sich nicht lediglich auf das signum als res bezieht, sondern vielmehr auf das Zeichen als Zeichen und somit als Kenntnis seiner Bezeichnungsbeziehung zugleich auch die der bezeichneten Sache beinhaltet.272 Damit ist die durch das Instrumentalzeichen geleistete Hervorbringung der Erkenntnis der Sache lediglich die Exzitation einer bereits habituellen Kenntnis. Das ducere in cognitionem ist nicht die Induzierung von Ersterkenntnis. Instrumentalzeichen sind in diesem Sinne rememorative Zeichen, die je schon die Kenntnis des Signifikats voraussetzen. Das entspricht dem, was bereits Augustinus in De magistro explizit für die wichtigste Art der Instrumentalzeichen, die die bis auf Augustinus' Abhebung des verbum mentis von der cogitatici vocis zurückreicht. In ihr steht auch die im 14. Jahrhundert eingeführt terminologischen Unterscheidung zwischen dem conceptus non ultimatus und dem conceptus ultimatus, die, besonders über die Vermittlung von Pierre d'Ailly in der Logik um 1 5 0 0 eine wichtige Rolle bei der Beschreibung sprachlicher Bezeichnungsvorgänge spielt und eine Standarddistinktion der Termini bildet. 272

F. ARAV, OP, Comment, in untv. Arist. Niet. t. I. ( 1 6 1 7 ) 3 6 6 b - 3 6 7 a : „...notandum est, cognitionem ilia praeviam signi Instrumentalis tripliciter posse attingere signum, v.g. imaginem B. Dominici. Primo modo potest terminar! ad imaginem, ut res quaedam est tali figura, et tali lineamentis affecta. Alio modo potest terminan ad illam imaginem, ut signum est, idest, ut refertur ad prototypum relatione signi: ita ut cognoscatur relatio signi in actu signato, seu per modum cuiusdam quidditatis, ( 3 6 7 a ) et etiam ut quae res est respectiva. ... cognitio primo modo bene potest terminari ad signum: quin terminetur ad signatum cognitio. vero secundo modo, eo ipso quod terminatur ad signum, ut constitutum relatione signi, terminari debet ad signatum, non ut tale ens est talis aut talis naturae, sed ut formaliter est illius correlativum, et subest relatione signati ... Quando igitur in diffinitione signi Instrumentalis praevia desideratur cognitio signi ad cognitionem signati, ... fit sermo ... de cognitione primo, et praecipue de cognitione secundo modo: quia ad cognitionem rei significatae praerequiritur notitia instrumenti significantis, quod res sit, et quod talem habeat significationem."

Die Zeichenklassifikation

249

sprachlichen Ausdrücke, behauptet und für das Zeichen im allgemeinen zumindest nahegelegt hatte. 273 Hinsichtlich der sprachlichen Ausdrücke war generell unbestritten, auch wenn mißverständliche Formulierungen verschiedentlich Anlaß zum Disput geben konnten, daß sie nicht von sich aus die Kenntnis der bezeichnete Sache auf Seiten des Hörers bewirken können, daß also die Sprachzeichen im Fall der Unkenntnis ihrer Bedeutung lediglich zur Bildung des conceptus non ultimatus, nicht aber des conceptus ultimatus führen. Damit jedoch war noch nicht entschieden, ob dies die sprachlichen Ausdrücke betrifft insofern sie willkürliche Zeichen sind, bei denen eben keinerlei innere Verbindung zum Signifikat vorliegt, oder aber insofern sie instrumentelle Zeichen sind; was bedeuten würde, daß es in gleicher Weise auch für alle übrigen - natürlichen - Instrumentalzeichen gilt. Bei diesen lag der Fall insofern schwieriger, als die natürlichen Zeichen, gemäß einer der beiden zu ihrer Definition gebräuchlichen Standardformeln - die andere war das aristotelische 'idem apud omnes' - dadurch charakterisiert sind, daß sie „aus ihrer eigenen Natur heraus" (ex natura sua) etwas bezeichnen. 274 Diese Formulierung ist freilich nicht in jeder Hinsicht eindeutig. Ist mit ihr gemeint: „Signum naturale est, quod suapte natura aliquid significat", 275 bzw. „(quod) suapte natura aliquid significandi vim (habet)" 276 oder ist damit vielmehr gesagt: „Signum naturale est, quod ex se habet, ut per sui cognitionem alterius cognitionem faciat..."? 277 Das sind auf den ersten Blick kaum merkliche Nuancierungen. Bereits die letzte Formulierung aber legt zumindest nahe, daß die Bedingung des Vorausgesetztseins einer habituellen Kenntnis des Signifikats für die natürlichen Zeichen nicht gilt und es gerade insofern vom willkürlichen Zeichen unterschieden ist. Tatsächlich ist es verschiedentlich explizit in diesem Sinne gesehen worden. So meint etwa Derodon: Signum naturale in se habet naturam sufficientem ad protrahendam potentiam cognoscentem in signifícatum, nihil supponendo in cognoscente: Signum vero ex instituto nihil habet in se quod possit movere potentiam in cognitionem significati, sed in cognoscente supponit et requirit memoriam significationis. - (Das natürliche Zeichen hat in sich eine Natur, die, ohne irgendetwas im Erkennenden vorauszusetzen, hinreichend ist, das Erkenntnisvermögen zum Signifikat zu führen: Das eingesetzte Zeichen dagegen hat nichts an sich, das das Erkenntnisvermögen zur Erkenntnis des Signifikats bewegen kann, sondern erfordert und setzt im Erkennenden das Gedächtnis der Bedeutung voraus.) 278

Eine solche prononcierte Behauptung der Selbstsuffizienz des natürlichen Zeichens zur Hinführung zur Erkenntnis der bezeichneten Sache geht sehr weit und ist entsprechend selten. Denn hinsichtlich der Standardbeispiele des signum 273 274 275 276

277 278

De magistro X, 25. S. Anm. 294. B. COLUMBUS, OFM, Noms cursus philos. (1669) 12a. J . H . ALSTED, Metaphysial

( 1 6 1 6 ) 187.

F. TOLETUS, S], Introducilo in univ. Arist. log. 1 (1615) 208b. D. DERODON, Logica restituía (1659) 495.

250

Das Zeichen in der Logik der posttridentinischen Scholastik

naturale, des Rauches als eines Zeichens des Feuers oder der Spur als eines Zeichens des vorübergegangenen Tieres (bzw. des „transisse animal") konnte leicht nach augustinischem Muster argumentiert werden, daß z.B. der Rauch jemanden, der niemals Feuer gesehen hat, kaum zur Erkenntnis desselben hinführen könnte: Requiruntur enim duae notitiae, ut signum suam significationem erga nos exerceat. Altera notitia est ipsius rei, quae signum est. Altera notitia est rei signifícatae. Si enim ignis nullam notitiam habeas, numquam fumus tibi ignem significant, quamvis de se significativus sit. - (Es sind nämlich zwei Kenntnisse dafür erforderlich, daß das Zeichen seine Bezeichnung uns gegenüber ausüben kann. Die eine Kenntnis ist die der Sache selbst, die das Zeichen ist. Die andere Kenntnis ist die der bezeichneten Sache. Wenn Du nämlich keinerlei Kenntnis vom Feuer hättest, würde Dir der Rauch niemals das Feuer bezeichnen, wenngleich er von sich aus bezeichnend wäre). 2 7 9

Die duplex notitia ist das Charakteristikum des signum instrumentale. In der Regel galt es damit als jenes Zeichen, das Augustinus in seiner Definition bestimmt hatte, unabhängig davon, ob man darüber hinaus noch Formalzeichen annahm oder ob man die duplex notitia lediglich als Beschreibung der Vollzugstruktur oder aber als die Voraussetzung der durch es getragenen Semiose betrachtete. Insofern ging man zumeist davon aus, daß es sich bei den Instrumentalzeichen um sinnlich wahrnehmbare, äußere Zeichen handelte.280 Dabei implizierte jedoch für sich genommen das Kriterium des vorgängigen Erkanntseins des Zeichens nicht notwendig eine solche Begrenzung auf äußere, sinnlich wahrnehmbare Zeichen. Ein dergestalt eingeschränkter Begriff des Instrumentalzeichens hatte zur Folge, daß die Distinktion von signum formale und instrumentale nicht letztlich erschöpfend sein konnte und einen Bereich möglicher Zeichen unberücksichtigt ließ. Denn spätestens seitdem man allgemein zwischen

conceptus médius bzw. non ultimatus und conceptus ultimatus unterschied, war klar, daß die am Instrumentalzeichen festgestellte komplexe Struktur der duplex notitia auch nicht sinnlich wahrnehmbaren, geistigen Zeichen zugrundeliegen kann.281 Genau darum ersetzt Hurtado de Mendoza den Begriff des signum instrumentale durch den weiter gefaßten, auch geistige Zeichen umfassenden Begriff des signum materiale.2*2 Die Distinktion von signum formale und signum

279 280

281 282

D. BAÑEZ, OP, Institutiones minores dialecticae (1631) 27. Vgl. F . DE OVIEDO, SJ, Integer Cursus philos. (1640) 137a; C . F . VERANI, Philos, univ. specul. (1684) 6b: „Instrumentale est, quod se habens extra potentiam illam ducit in notitiam alterius, ut est ramus appensus significans vinum vendibilem." Vgl. z.B. PIERRE D'AILLY, Tractatus de anima, c. 11 (1987) 69; s. Kap. III, ANM. 65. P. HURTADO DE MENDOZA, SJ, Disput, de univ. philos. ( 1 6 1 7 ) 1 4 3 F : „Signum formale est, quod repraesentat rem tanquam ratio cognoscendi; quae definitio soli convenit cognitione, illa enim potentiae repraesentat obiectum. Hue potest reduci species impressa, quae, licet non sit formalis (144) obiecti repraesentatio, est tarnen virtualis, et convenit cum cognitione, quia utraque repraesentat non prius cognita, estque virtualiter formalis repraesentatio obiecti. Signum materiale est quod prius cognitum ducit in cognitionem alterius, quae definitio convenit omni signo, tam corporeo, quam spirituali. Nam creaturas spirituales posse

Die Zeichenklassifikation

251

materiale ist nicht am Kriterium von Spiritualität und sinnlicher Wahrnehmbarkeit des Zeichen orientiert, sondern eher an dem von unmittelbarer, formaler Gegenstandsrepräsentation und mittelbarer Bezeichnung. 2) Der Zeichenstatus der Konzepte Bei seinem Weg aus den spätmittelalterlichen Summulae in die Logik des 17. Jahrhunderts ist am Zeichen eine Tendenz sichtbar geworden, die den geistigen Begriff (conceptas), der in der Logik um 1500 noch unbestritten als Zeichen par excellence und als das jede Form der Signifikation erst ermöglichende und tragende „primum et principalissimum signum"283 gelten konnte, hinsichtlich seiner Zeichenhaftigkeit zumindest problematisch werden ließ. Man war sich im frühen 17. Jahrhundert darüber im Klaren, daß die Distinktion von signum formale und instrumentale ein Lehrstück jüngeren Datums darstellt, das in der Logik der veteres (d.h. der Autoren des 13. Jahrhunderts) wohl aufgrund gewisser Vorbehalte gegen eine Behandlung der Konzepte als Zeichen nicht anzutreffen war. 284 Der Zeichenstatus der Konzepte war also nicht unumstritten. Fonsecas eingeschränkte Zulassung des signum formale wirkte auch in diese Richtung nach. In direktem Anschluß an ihn betonte Francisco Duarte, daß dem signum instrumentale das significare mit größerer Eigentlichkeit zukomme als dem Formalzeichen. 285 Auch bei Suárez kommt das Bewußtsein von dem aus der Unvereinbarkeit mit der augustinischen Zeichendefinition resultierenden problematischen Status eines nicht selbst erkannten Zeichens (signum incognitum) deutlich zum uti spiritualibus signis mihi non est dubium. ... Item haec definitio latius patet ea, quam tradit D. Augustinus. 'Signum est' (inquiens) quod, praeter speciem, quam ingerit sensibus, facit nos in alterius rei cognitionem venire', quae in solum signum materiale sensu percepibile quadrat, si vero auferatur ly 'sensibus', recidit in nostram." 283

F. DlEL, Modemorum summulae logicales (1489) fol. a5v.

284

Vgl. CONIMBRICENSES, SJ, Comment, in univ. Arist. dial. (1607) 2.17: „Secundam divisionem haud inculcant veteres, ea fortasse ratione, quod formalia minus proprie signa putent." Die Conimbricenses versuchen jedoch, sie gleichwohl auch als historisch legitimiert nachzuweisen, indem sie Belege dafür anführen, daß auch in der Hochscholastik die Konzepte verschiedentlich als Zeichen galten. Dabei machen sie jedoch zugleich deutlich, daß ein solches, die Konzepte mit umfassendes Verständnis von 'Zeichen' ein reflektiertes ist, das nicht dem ursprünglichen, im allgemeinen Sprachgebrauch sich durchhaltenden Sinn des Wortes entspricht. Vgl. ebd. 7: „... bifariam signum accipi: videlicet presse, et secundum primaevam institutionem: aut fuso vocabuli significatu, et secundum Philosophorum consuetudinem. Priori modo signum ea tantum comprehendit, quae sub sensu cadunt; cum enim omnis nostra cognitio exordium capiat a sensu, et signum sit, quo in alicuius rei cognitionem pertrahimur; effectum est inde, ut homines ea primo signa appellarint, quae sensus movent. Posteriori modo complectitur notio signi tarn sensibilia, quam spiritualia." Vgl. P. VALLIUS, SJ, Logica (1622) 611b; s. Anm. 290.

285

F. DUARTE, SJ, Comment, in univ. logicam Arist. (1585) fol. 5v: „... Inter hae duo signa instrumentale proprius dicit significare..."

252

Das Zeichen in der Logik der posttridentinischen Scholastik

Ausdruck. Da für ihn jedoch, weil repraesentare

und significare

„fast dasselbe

ist", alles, was repräsentiert, „irgendwie" auch Zeichencharakter hat, läßt er die signa incognita als Zeichen gelten. 286 Aber der Charakter der Uneigentlichkeit haftete dem Formalzeichen auch weiterhin an und sei es auch nur ex negativo durch die besondere Betonung der Eigentlichkeit der

Instrumentalzeichen:

„proprie et simpliciter" kann den stärker an Toletus orientierten Complutenses zufolge nur das signum instrumentale

Zeichen genannt werden. 2 8 7

Damit war wiederum die um die Mitte des 13. Jahrhunderts mit der Einführung der Konzepte als Zeichen akut gewordene Frage nach der Geltung der augustinischen Zeichendefinition aufgeworfen. Franciso de Araújo referiert im frühen 17. Jahrhundert diesbezüglich zwei konkurrierende Auffassungen; zum 286

287

F. SUAREZ, S J , Opera omn. ( 1 8 5 6 - 7 8 ) 2 . 2 3 7 b - 2 3 8 a : „... s i c u t . . . distinximus duplex medium cognoscendi, scilicet cognitum et incognitum, ita hic posse distingui duplex signum, scilicet cognitum, et incognitum, licet revera juxta descriptionem signi, quam dialectic) tradunt, signum proprie non sit, nisi medium cognitum: nam signum dicitur, quod praeter speciem quam ingerit sensibus, aliquid aliud facit in cognitionem venire, quae data est de signo sensibili, et cum proportione applicar! (238a) potest ad intelligibile, et in ea supponitur, signum prius seipsum cognoscendum offerre, et per illud transitum fieri in alterius rei cognitionem quod est, esse medium cognitum. Tamen, quia omne id, quod aliud repraesentat, aliquo modo induit rationem signi, quia repraesentare, et significare, fere idem sunt, ideo species intelligibilis, sicut repraesentat id cujus est species, ita significat illud, et consequenter, illius esse signum dici potest. Et secundum hunc loquendi modum species intelligibilis dicetur signum incognitum..."

inArist. dial. ( 1 6 6 8 ) 7a: „Signum ... instrumentale est illud, quod ... proprie, et simpliciter dicitur signum." Vgl. SAMUEL DE LUBLINO, OP, In univ. Aristot. logicarti quaest. ( 1 6 2 0 ) 3 8 6 : „Est ... de ratione signi propriissime, quod sit prius cognitum..."; S. IZQUIERDO, SJ, Pharus scientiarum ( 1 6 5 9 ) 1 0 4 b : „signum instrumentale ... loquendo proprie signum absolute et simpliciter vicetur dicendum."; A. SEMERY, SJ, Triennium philosophicum ( 1 6 8 8 ) 6 4 5 : „Formale vocant ipsammet cognitionem objecti. (...) Cognitio tamen satis improprie dicitur signum respectu potentiae illam habentis, cum sit ipsamet objecti perceptio. Tamen in hac re loquendum est cum omnibus. (...) Signum instrumentale ... intelligimus nomine signi simpliciter..." Zur Charakterisierung der Instrumentalzeichen als „signa propriissima" vgl. J . PONCLUS, O F M , Philosophiae ad mentem Scoti cursus integer ( 1 6 5 9 ) 2 6 6 a ; vgl. S. CLARAMONTIUS, SJ, Σ Η Μ Ε Ι Ω Τ Ι Κ Η moralis ( 1 6 6 5 ) 10: „Signum, si exactissime sumatur, est tum sensibile quippiam, tum posterius re indicata." Später unterscheidet Gufi zwischen dem „reinen" Instrumentalzeichen und mehren Formen „unreiner" Zeichen. Vgl. V. GUFL, O S B , Philosophia scholastica universa ( 1 7 5 0 ) 2 7 : „Signum purum est, quod in ratione signi est completum et per se tale, ac sequentibus conditionibus vestitum, scilicet quod 1. per se est cognoscibile a potentia, non vero duntaxat per aliud. 2. Q u o d in se est praecognitum. 3. Q u o d ut praecognitum per modum medii ducit in cognitionem alterius, 4. Q u o d rationem signi non ex consequenti importât sed per se vi institutionis suae. 5. Q u o d signum sit quodammodo subordinatum signato. Non purum est, quod deficit in aliquo horum requisitorum. Unde ex defectu Imi requisiti signum purum non est species sensibiles et intelligibilis impressa. Item excluduntur respectu nostrum (pro hoc statu) omnia entia spiritualia, item entia rationis, privationes etc. E x defectu 2di eaedem species similiter eliminantur. Ex defectu 3tii removentur imagines. Ex defectu 4ti exluduntur effectus naturales naturaliter fluentes, item causae tarn principales quam instrumentales, excepto, si causae instrumentales causantm in quantum signa sunt; prout de s a c r a m e n t i loquimur. E x defectu 5ti specialiter adhuc excluduntur causae principales." COMPLUTENSES, Disp.

Die Zeichenklassifikation

253

einen diejenige, die sie als nur einen Teil der Zeichen, nämlich die sinnlich wahrnehmbaren Instrumentalzeichen betreffend auffaßt, für welche Position er auf Soto verweist, zum anderen die etwa von Bañez vertretene Position, nach der die Definition für alle Zeichen gilt, da es eben nur sinnlich wahrnehmbare Instrumentalzeichen gibt. 2 8 8 W o im Anschluß an Augustinus die sinnliche Wahrnehmbarkeit als konstitutives Bestimmungsmoment des Zeichens betrachtet wurde, mußten die Konzepte von vornherein aus dem Bereich des Zeichens herausfallen. 289 Doch bildet die fehlende Wahrnehmbarkeit in der Regel nur vordergründig das Ausschlußkriterium der Formalzeichen. Es geht eher um die Struktur (duplex notifia) und die funktionale Bestimmung des Zeichen (ducere

iti cognitionem, facere cognoscere). Und das waren Fragen, an denen das Verhältnis von Repräsentation und Signifikation erneut Relevanz erhielt. Das spätmittelalterliche Konzept des Zeichens war getragen durch die es innerlich zusammenhaltende Gleichsetzung von significare und repraesentare. Sie ist der Grund dafür, daß auch die Konzepte als Zeichen bestimmt werden konnten. Denn wenn das Zeichen allgemein definiert ist als etwas, das etwas repräsentiert, und das repraesentare selbst verstanden wird als ein „rem praesentem facere", als Herstellung von mentaler Präsenz, dann sind auch die signa formalia Zeichen; mehr noch: dann sind sie sogar Zeichen im eminenten Sinne, denn die Vergegenwärtigung, weil immer auf ein Erkenntnisvermögen bezogen, ist nicht anders als durch mentale Präsenz möglich und als solche nur von den Konzepten zu leisten. In dieser, über die Gleichsetzung mit der Repräsentation vermittelten Rückbindung des Zeichens an die Funktion der Herstellung geistiger Präsenz gründete die beherrschende Stellung des signum mentale in der Logik um 1 5 0 0 . An dieser Gleichsetzung von repraesentare und significare hängt aber auch in der Logik des 17. Jahrhunderts im wesentlichen die Legitimation der Bestimmung der Konzepte als Zeichen. Ebenso deutlich, wie bei Suárez, zeigt sich dies etwa bei Paulus Vallius, der trotz allem, was gegen die Behandlung der Konzepte als Zeichen spricht, eine solche allein durch die Identität von significare und repraesentare begründet sieht:

288

F. ARAV, OP, Comment, in univ. Arisi. Met. t. I. ( 1 6 1 7 ) 3 5 0 b - 3 5 1 a : „De sensu ... illius (sc. definitionis) non est idem modus sentiendi apud omnes. Nam Soto ... sentit in hac definitione solum comprehendi ab Augustino signa instrumentalia. ... Sed alij existimant, hanc diffinitionem esse adaequatam signi ut sic, quia in ea sunt sententia, ut putent, rationem signi proprie salvari in solis signis sensibilibus et instrumentalibus, de quorum numero fuit Bañesius noster..."

289

Vgl. R. CRACKANTHORP, Logicae libri quinqué ( 1 6 2 2 ) 2 2 2 f : ,,'signum est, quod seipsum sensu i, et praeter se aliquid animo ostendit', ut recte définit Augustinus lib. de Princ. Dial.... Atque hinc Aquinas recte colligit, part. 3 q. 6 0 art. 4 ' E a quae proprie signa sunt, esse sensibilia...' ... Adde etiam eadem ratione nullum ullius rei conceptum signum esse, cum conceptus nullus ( 2 2 3 ) nisi exterius significetur, sensibilis sit."

254

Das Zeichen in der Logik der posttridentinischen Scholastik Signa ... instrumentaba sunt... proprie signa, et defíniuntur sancto Augustino ...; immo secundum communem hominum conceptionem haec sola vocantur signa. ... Et quamvis antiqui sola signa instrumentalia videantur agnoscere ..., bene tarnen assignata sunt signa formalia, quia significare nihil aliud est, quam potentiae cognoscitivae aliquid repraesentare; idest aliquam rem praesentem facere, quod etiam signis formalibus convenit. (Instrumentalzeichen sind eigentliche Zeichen, und sie werden von Augustinus definiert ...; ja nach der gewöhnlichen Auffassung der Menschen werden nur sie Zeichen genannt. ... Und wenngleich die Alten nur die Instrumentalzeichen anzuerkennen scheinen, so werden doch zu Recht die Formalzeichen angeführt, denn bezeichnen ist nichts anderes als etwas einem Erkenntnisvermögen repräsentieren, d.h. irgendeine Sache präsent machen, was auch den Formalzeichen zukommt). 2 9 0

Während also in der spätmittelalterlichen Logik die Gleichsetzung von re-

praesentare und significare dazu führte, den geistigen Begriff, das signum mentale, zum eigentlichen Zeichen werden zu lassen, hat sie in der Logik des 17. Jahrhunderts vielfach die Funktion, den Konzepten neben dem nun vielfach die Rolle des signum proprium übernehmenden Instrumentalzeichen überhaupt noch die Zugehörigkeit zu Kategorie des Zeichens zu sichern. Das deutet auf komplexe Verschiebungen und Umakzentuierungen am Begriffspaar von signifi-

care und repraesentare hin. Vallius leitete, hierin durchaus repräsentativ für die Zeit, den Zeichenstatus der Konzepte daraus ab, daß 'bezeichnen' und 'repräsentieren' gleichbedeutend sind, repräsentieren aber die Herstellung von Präsenz besagt; da letzteres aber die Konzepte leisten, repräsentieren sie und sind damit, eben weil repräsentieren und bezeichnen dasselbe ist, auch Zeichen. Allgemein anerkannt war, daß Konzepte repräsentieren und daß Repräsentation soviel wie Herstellung von Präsenz meint. 2 9 1 Um daraus die Bestimmung der Konzepte als Zeichen abzuleiten, mußte jedoch angegeben werden können, worin die von Suárez mit dem „fere idem sunt" vage genug zum Ausdruck gebrachte Identität von repraesentare und significare besteht. Denn angesichts der älteren Geschichte der beiden Begriffe konnte eine vollständige Synonymie keineswegs als selbstverständlich vorausgesetzt werden. 2 9 2 Auch in der spätmittelalterlichen Logik selbst gibt es deutliche

290

291

292

P. VALLIUS, SJ, Logica (1622) 611b; vgl. die Zeichendefinition von HURTADO DE MENDOZA, SJ Disp. de universa philosophia (1617) 8; s. Anm. 15. CoNIMBRlCENSES, SJ, Comment, in univ. dialect. Arist. (1607) 2.11: „... repraesentare est rem praesentem facere." Insbesondere in der Sakramentaltheologie wurde spätestens seit Hugo von St. Victor eine deutliche Unterscheidung getroffen zwischen dem auf willkürlicher Einsetzung beruhenden significare und dem aus der similitudo sich herleitenden repraesentare der Sakramente. Vgl. HUGO VON ST. VICTOR, Dialogue de sacramentis legis naturalis et scriptae, P L 176, 35a; OERS.: De sacramentis·, PL 176, 3 1 7 : „sacramentum est corporale vel materiale elementum foris sensibiliter propositum ex similitudine repraesentans, et ex institutione significans, et ex sanctificatione continens aliquam invisibilem et spiritalem gratiam." Die Formel „ex similitudine repraesentans, ex institutione significans" wird besonders im 13. Jahrhundert häufig zur Definition des sacramentum verwendet. Vgl. hierzu I. ROSIER, Signes et Sacrements: Revue des Sciences philosophiques et théologiques 74 (1990) 392-436; bes. 394ff.

Die Zeichenklassifikation

255

Ansätze, die dort häufig promiskue verwendeten Begriffe auseinanderzuhalten. Diese Tendenz einer Dissoziierung der Begriffe von repraesentare und significare findet ihren deutlichen Ausdruck in Sotos Transformation des älteren Lehrstücks vom quadrupliciter repraesentare. Eine Unterscheidung von repraesentare und significare kann auf verschiedene Weise begründet werden. Soto machte die Differenz an der gegenständlichen Selbstrepräsentation der Dinge, am repraesentare obiective, fest: Etwas kann sich selbst repräsentieren, sich aber nicht selbst bezeichnen. Nach dieser Auffassung ist der Begriff der repraesentatio von dem der significatio allein durch seine größere Extension abgesetzt. Aus einer solchen Differenzierung ergeben sich keine prinzipiellen Schwierigkeiten für die Bestimmung der Konzepte als Zeichen, da die hierfür erforderliche Gleichsetzung von repraesentare und significare hinsichtlich des relevanten Bereichs des instrumentaliter und formaliter repraesentare/significare durch deren Ubereinkommen in der allgemeineren Funktion des facere cognoscere gewährleistet ist, denn es gilt: verba 'significare', seu 'esse signum' et 'repraesentare' in sano sensu sibi omnino aequipollere, quatenus perinde valent ac ista 'facere cognoscere', 'nos ducere in cognitionem'... - (Die Wörter 'bezeichnen' oder 'Zeichen sein' und 'repräsentieren' sind, recht verstanden, gänzlich gleichbedeutend, insofern sie nämlich soviel meinen wie 'erkennen machen', 'uns zur Erkenntnis führen'.,.) 1 9 i

Als Begründung der für die Charakterisierung der Konzepte als Zeichen vorausgesetzten Identität von significare und repraesentare dient ihr Übereinkommen in der allgemeineren Funktion des facere cognoscere bzw. ducere in cognitionem. Das konnte insofern als plausibel erscheinen, als diese Funktionsbestimmung ebenso wie die daraus abgeleitet Variante des „ducere in Cognitionen!" tatsächlich als Standardformel zur Beschreibung und Definition sowohl des Zeichens wie der Repräsentation gebräuchlich war.294 Als Grundlage, auf der das repraesentare und das significare zusammenkommen sollen, ist das jedoch, historisch gesehen, durchaus schlecht gesichertes Terrain. Denn eine solche funktionale Bestimmung des Zeichens entstammt ursprünglich einer Zeichenkonzeption, für die Zeichen immer Instrumentalzeichen war. Ihr Ursprung liegt nämlich in der augustinischen Zeichendefinition von De doctrina Christiana („signum est res praeter speciem quam ingerii sensibus aliquid aliud ex se faciens in cogitationem venire") oder genauer in deren mittelalterlich überlieferten Version, in der durchgängig von einem „faciens in cognitionem venire" die Rede ist. Bei der Anwendung auf Formalzeichen wird diesen Formeln ihr Ursprung ebenso zum Problem, wie der aus der aristotelische Schrift peri hermeneias abgeleitete Definition des significare als constituere intellectum: Sie passen nicht oh-

293 294

F. GONÇALEZ, SJ, Logica tripartita (1639) 91a. Vgl. Anm. 60.

256

Das Zeichen in der Logik der posttridentinischen Scholastik

ne weiteres zum gewandelten Zeichenkonzept. Denn wo die cognitio oder die notitia selbst als Zeichen gilt, kann das ducere oder facere venire in cognitionem bzw. notitiam kaum adäquate Bestimmung des Zeichens in seiner ganzen Weite sein. Die augustinische Zeichendefinition ist in ihrer mittelalterlich überlieferten Form nicht nur hinsichtlich ihres ersten Teils (signum est res praeter speciem quam ingerit sensibus) sondern auch hinsichtlich ihres zweiten Teils (aliquid aliud faciens in cognitionem venire) mit dem Konzept des Formalzeichens schwer vereinbar. Während die offensichtliche, sich aus dem ersten Teil ergebende Unvereinbarkeit mit der Bestimmung der Konzepte als Zeichen stets bemerkt wurde, ist die intrikatere Problematik des zweiten Teils nur selten explizit thematisiert worden. Pierre d'Ailly immerhin hatte die hierin angelegte Schwierigkeit deutlich gesehen und deshalb die gängige, auch von Autoren, die, wie Ockham und Albert von Sachsen,295 den Zeichencharakter der Konzepte betonten, verwendete Definition des Zeichens entsprechend erweitert. Etwas ist Zeichen entweder, weil es zur Erkenntnis derjenigen Sache führt, deren Zeichen es ist (ducit in noticiam illius rerum cuius est signum), oder aber, weil es, wie der conceptus, die Erkenntnis der Sache selbst ist (non quia ducat in noticiam illius rei sed quia est ipsamet noticia rei naturaliter proprie repraesentans rem).296 Diese Unterscheidung, die in der spätmittelalterlichen Definition des formaliter significare/repraesentare als „esse notitiam" eine deutliche Spur hinterlassen hat, 297 ist der historische Ausgangspunkt jener terminologischen Entwicklung, die bei Fonseca schließlich zur Distinktion von signum formale und signum instrumentale führt. Das signum formale ist damit das Ergebnis eines begriffgeschichtlichen Transformationsprozesses, an dessen Ende sein Zeichenstatus genau durch dasjenige Bestimmungsmoment des „facere cognoscere" bzw. „ducere in cognitionem" gesichert werden soll, in Abgrenzung zu welchem das formaliter significare an dessen Anfang als eine eigene, von den Instrumentalzeichen unterschiedene Form des Bezeichnens herausgestellt worden war. Was jetzt die Zugehörigkeit der Konzepte zur Kategorie des Zeichens gewährleisten soll, würde nach Ailly, wenn als einziges Kriterium für Zeichen genommen, eine solche Zuord-

29i

296

297

Vgl. O C K H A M , Summa logicae I, 1, 8f; ALBERT VON SACHSEN, Perutilis logica ( 1 5 2 2 ) fol. 2ra; vgl. Ps.-RLCHARD OF CAMPSALL, Logica contra Ocham c . l , Works ( 1 9 8 2 ) 2 . 7 8 : „...'significare' non ... [est] nisi 'in cognitionem huius d u c e r e ' . . . " PIERRE D'AILLY, conceptus (s.a.) fol. blrb, s. Kap. I I I , Anm. 5 5 ; vgl. P. MARGALLUS, Utriusque logices scholia ( 1 9 6 5 ) 1 4 8 , s. Kap. I I I , Anm. 1 3 . Vgl. G . L A X , O F M , Parve divisiones terminorum ( 1 5 0 2 ) fol. a5ra-b; J. DE CELAYA, Intro-

ductions dialecticae ( 1 5 1 1 ) fol. a4vb: „... repraesentare est facere cognoscere aliquid vel aliqua vel aliqualiter... Tertio modo dicitur aliquid repraesentare formaliter et est esse noticiam ..."; W . M A N D E R S T O N , Compendiosa Dialectices Epitome ( 1 5 2 8 ) fol. Β lra-b; D . DE S O T O , OP, Summulae ( 1 5 5 4 ) fol. 2vb. Alternative Formulierungen sind „esse conceptum" (J. D O L Z , Termini ( 1 5 1 1 ) fol. 9vb-10ra) oder „esse cognitionem" (J. SILICEO, prima Sectio dialecticae ( 1 5 1 7 ) 13r-v; vgl. V. M U Ñ O Z DELGADO ( 1 9 6 4 ) 2 1 1 ) .

257

Die Zeichenklassifikation

n u n g g e r a d e verhindert haben u n d mußte deshalb durch das „ q u i a est i p s a m e t noticia" ergänzt werden. W o eine solche Erweiterung der Zeichenbestimmung nicht explizit vorgen o m m e n w i r d - u n d sie ist s e l t e n 2 9 8 -, w o a l s o d a s ducere Cognitionen!

o d e r facere

venire

in

f ü r d a s Z e i c h e n in s e i n e r g a n z e n W e i t e g e l t e n s o l l , b l e i b t d i e Z e i -

c h e n h a f t i g k e i t d e s als cognitio

o d e r notitia

s ä t z l i c h a n g r e i f b a r . D e n n d a s ducere V e r s c h i e d e n h e i t v o n signum

b e s t i m m t e n signum

in notitiam

u n d notitia

formale

grund-

impliziert zwangsläufig eine

u n d ist f o l g l i c h g e n a u g e n o m m e n n u r

auf das Instrumentalzeichen anwendbar. Insofern k ö n n e n sich g e r a d e auch die G e g n e r d e s signum

formale

a u f j e n e F o r m e l b e r u f e n , d i e bei d e s s e n B e f ü r w o r -

t e r n d i e I d e n t i t ä t v o n significare

u n d repraesentare

begründen und damit die

K o n z e p t e als Z e i c h e n b e s c h r e i b b a r m a c h e n soll. D e n n es ist, w i e d e r A u g u s t i n i s t N i c o l a u s a S. I o h a n n e B a p t i s t a b e t o n t , l ä c h e r l i c h , z u b e h a u p t e n , d a ß d i e Erk e n n t n i s u n s zur E r k e n n t n i s ( v o n e t w a s ) k o m m e n läßt ( r i d i c u l u m v i d e t u r a s s e r e re c o g n i t i o n e m f a c e r e n o s v e n i r e in c o g n i t i o n e m ) . 2 9 9 W e n n d a s Z e i c h e n a d ä q u a t d a d u r c h b e s t i m m t ist, d a ß es z u r E r k e n n t n i s v o n e t w a s a n d e r e m

hinfürt,300

k a n n d a s s o g e n a n n t e F o r m a l z e i c h e n , g e r a d e w e i l es d i e E r k e n n t n i s s e l b s t ist, nicht Z e i c h e n sein.301 S o t o h a t t e d i e B e g r i f f e d e s repraesentare

u n d significare

lediglich extensional

d i f f e r e n z i e r t , i h r e I d e n t i t ä t in d e m d u r c h i n s t r u m e n t a l e u n d f o r m a l e R e p r ä s e n tation/Bezeichnung bestimmten Bereich des Zeichens jedoch nicht k o n s e q u e n t

298

299

Einer der wenigen, die im 17. Jahrhundert eine Pierre d'Ailly entsprechende Erweiterung der Beschreibung des Zeichens und damit eine Einschränkung des Geltungsbereichs des „ducere in cognitionem" vornehmen, ist D. MASIUS, OP, Comment, in duos lib. Arisi, de Int. (1617) 8a: „Animadvertendum est... significationem esse duplicem, unam formalem, et alteram instrumentalem; formalis est ipsamet cognitio inhaerens facultati cognoscendi. Instrumentaría est ilia quae velut instrumentum ducit nos ad alia cognoscenda. Unde duplex erit signum, instrumentarium unum, et alterum formale." NICOLAUS A S. IOHANNE BATTISTA, Philosophia augustiniana (1687) 12f: „Non dari signum formale, Prob, signum debet ducere potentiam in cognitionem rei significatae; sed cognitio non ducit in cognitionem, cum ipsa sit cognitio cognoscens; ergo non potest dici signum ducens in cognitionem: nam ridiculum videtur asserere cognitionem facere nos venire in cognitionem." Vgl. J. PONCIUS, OFM (Philosophiae ad mentem Scoti cursus integer (1650) 266), der aus diesem Grund die von Arriaga verwendete Definition des Zeichens durch das facere cognoscere ablehnt.

Vgl. B. BARO, OFM, Joan. Duns Scotus ... per univ. philos ... defensas (1664) 3b: „... signum est quod ducit in alterius cognitionem excitando speciem illius in intellectu per cipientis signum propter connexionem quam habet res ilia quae dicitur signum cum ea quae dicitur significatum... Vides ergo definitionem Augustini sustinere posse ut absolute universalem, quia nimirum ea quae sub illa non comprehenduntur nec sub signo comprehenduntur." 301 Yg| ebd. 2a: „Dico signa quae dicuntur formalia scilicet species tam impressas quam expresses non esse proprie signa. Ratio pro impressis est quod agerunt vices objecti, objectum autem non est signum ergo nec species impressas. ... Ratio pro expressis est quod signum est medium cognitionis, expressa species non est medium sed finis potius, et ipsa cognitio, ergo. ...signum ut sic non est nisi instrumentale." 300

258

Das Zeichen in der Logik der posttridentinischen Scholastik

in Frage gestellt. Doch konnte die Differenz von significare und repraesentare, anders als in der Nachfolge Sotos, nicht nur extensional sondern auch intensional konstruiert werden. Die so bestimmte Differenz betrifft dann nicht mehr nur den Umfang der beiden Begriffe in dem Sinne, daß über den durch ihre Ubereinstimmung in der Funktion des facere cognoscere vordergründig gesicherten zentralen Bereich der scheinbaren Identität von Repräsentation und Signifikation hinaus ein Randbereich anzusetzen ist, an dem zwar noch das repraesentare, nicht aber mehr das significare seinen Ort hat; sie bedeutet vielmehr, daß beides in grundsätzlich und durchgängig verschiedener Weise auf Erkenntnis bezogen ist. Der Schnitt, an dem sich das repraesentare vom significare trennt, muß, so gesehen, nicht an der Außengrenze sondern vielmehr im Innern des von Soto abgesteckten Feldes des Zeichens verlaufen. D.h. nicht erst das obiective repraesentare, sondern auch das formaliter repraesentare liegt jenseits des Zeichens. Genau betrachtet, ist die bei Soto manifest werdende Tendenz zu einer Reduktion des Zeichens auf instrumentelle Bezeichnung bereits zugleich eine Tendenz, die auf eine solche mehr als nur extensional gefaßte Bestimmung der Differenz beider Begriffe hinausläuft. Genau in dem Moment nämlich, wo diese Reduktion tatsächlich vollzogen wird, muß die extensionale von selbst in eine intensionale Unterscheidung umschlagen. Denn indem das formaliter repraesentare aus dem Bereich des Zeichens herausgenommen wird und damit ebenso wie das obiective repraesentare in Opposition zu diesem tritt, ist das Zeichen wiederum, wie bei Augustinus, in ein negatives Verhältnis zum Begriff der Präsenz gesetzt. Es wird begrenzt durch jene beiden Formen von unmittelbarer äußerer Präsenz der Dinge (obiective repraesentare) und unmittelbarer innerer Präsenz im geistigen Wort (formaliter repraesentare), die durch die mittelalterliche Erweiterung des Zeichenbegriffs um die Konzepte sowie die Figur des obiective significare erst in den Raum des Zeichens selbst aufgenommen worden waren. Zeichen und Repräsentation scheiden sich, so betrachtet, am Begriff der Präsenz. Dasjenige, das im Vollsinne repräsentiert, ist eben dadurch vom Bereich des Zeichens ausgeschlossen. Denn als Repräsentierendes leistete es mehr und steht über dem 'bloßen' Zeichen. In genau diesem Sinne wendet sich Bañez gegen die unangemesse Redeweise einiger „moderni", welche die Konzepte als in ausdrücklicher Weise und durch sich selbst repräsentierende Zeichen der Dinge darstellen. Bereits dem gängigen lateinischen Sprachgebrauch gemäß besagt der Begriff des Zeichens, wie er meint, gerade eine unvollkommene Repräsentation der Sache. Wer bloß bezeichnet, macht die Sache nicht „ex integro" präsent. Insofern können die sprachlichen Ausdrücke, weil sie die geistigen Konzepte nicht in ausdrücklicher und formaler Weise repräsentieren, sondern lediglich gewisse, der Vollkommenheit der bezeichneten Sache nicht angemessene Instrumente sind, im eigent-

Die Zeichenklassifikation

259

lichen Sinne Zeichen genannt w e r d e n . 3 0 2 Die Konzepte dagegen, weil sie alle Vollkommenheit der repräsentierten Sache in der Weise des Erkennbarseins formal in sich enthalten, sind nicht Zeichen sondern Repräsentationen, Bilder oder Ähnlichkeiten der Dinge; so wie ja auch das göttliche W o r t nicht Zeichen, sondern Bild des Vaters ist. 3 0 3 In Ubereinstimmung mit der augustinischen Zeichenkonzeption wird das Instrumentalzeichen zum Zeichen schlechthin. Die im Anschluß an Pierre d'Ailly von Soto, F o n s e c a und andere in Rücksicht auf das Instrumentalzeichen herausgearbeitete Bedingung der duplex

notitia wird somit zu einem generell für alle

signa gültigen Bestimmungsmerkmal: ... cuilibet signo respondeat duplex cognitio, quae solet appellari notitia. Prima est ipsius signi, qua scilicet signum cognoscitur, ut cognitio fumi. Secunda est, qua cognoscitur res ilia cuius est signum, ut cognitio ignis. - (Jeglichem Zeichen entspricht eine doppelte Erkenntnis, die auch „notitia" genannt zu werden pflegt. Die erste ist die des Zeichens selbst, durch die nämlich das Zeichen erkannt wird, wie z.B. die Erkenntnis des Rauches. Die zweite ist die, durch welche jene Sache erkannt wird, von der es ein Zeichen ist, wie z.B. die Erkenntnis des Feuers). 304 Das aber heißt letztlich nichts anderes, als daß das Zeichen wiederum - wie schon bei Sextus Empiricus und Augustinus - seinem ganzen Umfang nach zu einem rememorativen Zeichen wird. Denn das Funktionieren des Zeichens erfordert auf Seiten des Zeicheninterpreten stets zwei Begriffe (notitiae), nämlich sowohl den des Zeichens selbst als auch den des Signifikats. 305 Die duplex 302

303

304

305

noti-

Inst, minoris dial. ( 1 6 3 1 ) 2 8 : „Non desinam hoc in loco advertere, quam improrie loquantur quidam moderni, dum aiunt mentales conceptus signa esse rerum, qui expresse, et seipsis formaliter repraesentant. Etenim, etiam secundum Latinae linguae proprietatem, ratio signi, et significandi imperfectam repraesentationem in se habet respectu rei repraesentatae. Nam profecto si quis expresse aliquam veritatem doceat, inepte diceremus illam significasse. Qui enim significat, non ex integro rem praesentem facit. Et quia voces mentales conceptus, non expresse, et formaliter repraesentant, sed instrumenta quaedam sunt, quae non adaequant rei significatae perfectionem: idcirco proprie signa, et significare dicuntur." Ebd. 28f: „At vero mentales conceptus quia omnem perfectionem (29) [rei] repraesentatae in seipsis formaliter in esse intelligibili continent, ideo non signa, sed imagines expressae rerum dicendi sunt. Sicut et Verbum in Divinis imago, quidem est Patris, non autem signum." Vgl. M . WEISS, OSB, Logica (1627) 10: „Quae autem aliqui appellant signa formatta, proprie signa non sunt, sed sunt ipsae rerum cognitiones. ... Unde quae iili appellant signa instrumentalia ... proprie signa sunt, signa autem formalia, proprie signa non sunt. Similitudines tarnen dici possunt." Vgl. COMPLUTENSES, Disp. inArist. dial. ( 1 6 6 8 ) 7a: „Significare ... est: potentia cognoscitiva aliud a se repraesentare, atque ita signum erit illud: Quod praeter sui cognitionem alterius cognitionem inducit... Quod fit ut cuilibet signo respondeat dùplex cognitio, quae solet appellari notitia. Prima est ipsius signi, qua scilicet signum cognoscitur, ut cognitio fumi. Secunda est, qua cognoscitur res illa cuius est signum, ut cognitio ignis." D . BAÑEZ, O P , Inst, minores dial. ( 1 6 3 1 ) 2 7 : „In primis utamur doctrina D . Augustini, signum ita diffinientis 'Signum est quod praeter speciem quam ingerit sensibus aliquid aliud facit in cognitionem venire'... Requiruntur enim duae notitiae, ut signum suam significationem erga nos exerceat. Altera notitia est ipsius rei, quae signum est. Altera notitia est rei D . BAÑEZ, O P ,

260

Das Zeichen in der Logik der posttridentinischen Scholastik

tia ist somit wesentliches Charakteristikum des signum und grenzt das significare vom repraesentare als dem unmittelbaren, bildhaften facere praesens der Konzepte ab. 306 Damit ist genau die Umkehrung dessen erreicht, was Ockham - zumindest zeitweilig - hinsichtlich des Verhältnisses von repraesentare und significare gelehrt hatte. Denn nach Ockham war es gerade das Charakteristikum der Repräsentation, daß für ihr Funktionieren die Kenntnis des Repräsentierten je schon vorausgesetzt war; weshalb die Konzepte ihm zufolge eben Zeichen sind, nicht aber im eigentlichen Sinne repräsentieren. 307 Im Kontext des scholastischen Diskurses betrachtet, stellen beide, Ockham ebenso wie Bañez, Randpositionen dar. Die von Ockham in seiner Polemik gegen die Speciestheorie vorgenommene Bestimmung des repraesentare als mittelbare Vergegenwärtigung ist, zumindest in der sich daraus ergebenden Konsequenz, daß so eine weitere Anwendung des Repräsentationsbegriffs auf die die Dinge unmittelbar bezeichnenden Konzepte unmöglich wäre, späterhin nicht wirksam geworden. Auf der anderen Seite wurde Bañez' Versuch, den Konzepten das significare abzusprechen, aus den Reihen seines eigenen Ordens angegriffen. Araújo und Johannes a Sto. Thoma etwa wenden sich explizit gegen das Zeichenkonzept von Bañez, indem sie deutlich machen, daß das Zeichen nicht oder nicht vorrangig 308 - durch defiziente Repräsentation des Signifikats, sondern durch funktionale Subordination unter dasselbe charakterisiert ist. 309

significatae. Si enim ignis nullam notitiam habeas, numquam fumus tibi ignem significabit, quamvis de se significativus sit." 306 v g l . V. GUFL, O S B , Philosophia scholastica universa ( 1 7 5 0 ) 2 4 : „...signum formale solet vocari id, quod formaliter seipso ducit in cognitionem alterius; uti species sensibiles ac intelligibiles. Ast jam ostendi, hujusmodi res non habere rationem signi. (...) M i n i m e signum confundendum cum imagine: Quippe haec repraesentat, illud tantum indicat rem. Ratio est: quia signum est, quod praeter speciem sui aliud facit in cognitionem venire. Ergo species signi propria et illud aliud in esse cognoscibili debent inter se differre: Atqui imago et repraesentatum in esse cognoscibili inter se non differunt, sed species imaginis est species repraesentati, non quidem materialiter, sed formaliter, immo imago in esse repraesentativo est ipsum repraesentatum... ; ergo signum nequit esse imago. Eadem ratio evincit quoque, quod neque species expressa habeat rationem signi. (...) Pariter Legatus Principis supra signum Principis est elevatus, cum potius ejus sit imago politica seu moralis, praedita char a c t e r repraesentativo: Signi autem non est repraesentare sed indicere." Vgl. Kap. II, Anm. 2 3 4 u. 2 6 9 . 308 Vgl. F. ARAV, OP, Comment, in univ. Arisi. Met. t.l ( 1 6 1 7 ) 3 6 2 b - 3 6 3 b : „Ratio signi naturalis, univoce, et cum omni proprietate, in conceptibus nostri intellectus reperitur. ... ( 3 6 3 a ) Dices, quod repraesentatio illa formalis conceptus deficit a ratione signi, quia non repraesentat obiectum deficienter, et diminute, sed expresse, et perfecte; cum tarnen de ratione (signi) sit, imperfecta ac diminuta repraesentatio, quae potius est insinuatio quaedam, ut ipsum nomen 'Signum' denotatur. Sed contra. Nam conceptus hominis v.g. vere mensuratur ab homini, ut ab obiecto et exemplari: ergo fundat relationem tertij ordinis, quae est mensurati ad mensuram; et consequenter deficientiam habet respectu obiecti, ut subinduit rationem mensurae. Antecedens patet, Nam ille conceptus est imago expressa hominis, consistens in quodam ordinem repraesentativi hominis, sed omnis ordo et tendentia ad ali307

Die Zeichenklassifikation

261

Erweitert man den Betrachtungsrahmen jedoch, wird sich diese Symmetrie erheblich verschieben. Denn der 'neue' Zeichenbegriff der außerscholastischen Philosophie des 1 7 . und 1 8 . Jahrhunderts wird im wesentlichen gerade derjenige von Bañez und der stärker am augustinischen Zeichenkonzept orientierten konservativen Fraktion der Thomisten sein. 3 1 0 Das Zeichen der „philosophia n o v a " ist Instrumentalzeichen. 3 1 1 W ä h r e n d Soto noch, um - wie er ausdrücklich betonte - sich nicht zu weit von der Sprachregelung der Schulen zu entfernen, die Existenz von Formalzeichen zugelassen hatte, ist ein solches Zugeständnis zumal d o r t nicht zu erwarten, w o der augustinische Einfluß dominierend war. Von daher ist es auch verständlich, daß sich die berühmt gewordene Zeichendefinition der Logik von Port-Royal 3 1 2 eng an die älteren Bestimmungen des Instrumentalzeichens anlehnt und damit das Zeichen im augustischen Sinne 3 1 3 interpretiert: ... quand on ne regarde un certain objet que comme en représentant un autre, l'idée qu'on en a est une idée de signe, et ce premier objet s'appelle signe. C'est ainsi qu'on regarde d'ordinaire les cartes et les tableaux. Ainsi le signe enferme deux idées, l'une de la chose qui représente, l'autre de la chose représentée; et sa nature consiste à exciter la seconde par la premiere. 314

309

310

311

312

313 314

quod extrinsecum obiectum, specificatur et mensuratur ab ilio, ergo." Vgl. JOHANNES A STO. THOMA, OP, Ars logica (1948) 696b: „... deficiens ... repraesentatio et imperfecta non est de ratione signi, sed accidit illi. Sufficit autem, quod ex se sit subserviens signato et vices gerens obiecti repraesentati et loco illius substituens, siquidem in quantum tale est inferius eo, pro quo substituit." Vgl. P. RENTZ, OSB, Philosophia, t. 1, Logica (1714) 535: „... duplex interveniat cognitio, una ipsius Signi, quae fit per sensum, alia rei significatae quae fit per intellectum: unde a ratione signi excluduntur tum species intentionales, tum ipsae cognitiones, quae potentiam intellectivam ducunt quidem in cognitione alterius rei absque praevia tarnen cognitione sui. Signa igitur proprie dicta non sunt, etsi ab aliquibus signa formalia appellantur." Der konservative Thomismus hat lange genug an der augustinischen Position festgehalten um im späten 17. und 18. Jahrhundert mit seiner Zeichenkonzeption wiederum auf der Höhe der Zeit zu sein. J. B. DUHAMEL, Philos, vetus et nova (1682) 182: „... colligitur, signum omne esse Instrumentarium, idque ante percipi, quam in alterius rei cognitionem nos ducat: tametsi forte non ex omni parte cognoscitur." Vgl. E. POURCHOT, Institutio philosophica, t. 1, cap. 6: De idearum signis (1700) 77ff. Zur Zeichentheorie der Logik von Port-Royal vgl. H. E. BREKLE, Semiotik und linguistische Semantik in Port-Royal: Indogermanische Forschungen 69 (1964) 103-121; L. MARIN, La critique du discours (1975); DERS., Un chapitre dans l'histoire de la théorie sémiotique: La théologie eucharistique dans „La Logique de Port-Royal", in: History of Semiotics, hg. Α. Eschbach u. J. Trabant (1983) 127-44; M. BREVA-CLARAMONTE, The Sign and the Notion of 'General' in Sanctius and Port-Royal: Semiotica 24 (1978) 353-370; P. SWIGGERS, La théorie du signe à Port-Royal: Semiotica 35 (1981) 267-85; DERS., Port-Royal. Autour du signe, in: Geschichte und Geschichtsschreibung der Semiotik, hg. K. D. Dutz u. P. Schmetter (1986) 119-131; DERS., La sémiotique de Port-Royal: Du savoir au vouloir (-dire): Semiotica 66 (1987) 331-44. Darauf hat bereits A. ROBINET (La langue a l'âge classique (1978) 9) hingewiesen. ANTOINE ARNAULD / PIERRE NICOLE, La Logique ou l'art de penser I, 4 (1965) 53; vgl. A

262

Das Zeichen in der Logik der posttridentinischen Scholastik

Die von Foucault als spezifische Neuerung des Zeichenmodells der Logik von Port-Royal herausgestellte „Reduplikation" der Repräsentation, an der nicht zuletzt wesentliche Momente seiner Interpretation der Episteme des „âge classique" hängen,31S ist bei Lichte besehen nichts anderes als das, was die ältere Tradition am Instrumentalzeichen mit dem Begriff der „duplex notitia" beschrieben hatte und was von jenen Autoren, die das Formalzeichen aufgrund seiner Unvereinbarkeit mit der augustinischen Zeichendefintion ablehnten, zum Kriterium für das Zeichen im allgemeinen erklärt worden war. Das Zeichenkonzept der Logik von Port-Royal ist somit nicht, wie Foucault meint, Ausdruck einer neuen „dualistischen Theorie des Zeichens, die sich unzweideutig der komplexeren Organisation [sc. des Zeichens] der Renaissance gegenüberstellt". Es handelt sich auch nicht um die Aufhebung einer älteren Organisation des Zeichens, die seit der Antike „stets ternär gewesen" wäre,316 sondern um ein Stück augustinische Tradition, wie sie in der Zeichentheorie der frühen Neuzeit durchaus verbreitet ist. Der Eindruck der Novität kann sich nur dort ergeben, wo die hermetischneuplatonische Naturphilosophie317 und deren Signaturenlehre318 als die Wissensform des 16. Jahrhunderts genommen und damit ein Teildiskurs für das Ganze gehalten wird.319 In dieser gleichsam synekdochischen Verkürzung aber bleibt der wichtigste Diskurs, innerhalb dessen - wie schon im Mittelalter - im 16. und 17. Jahrhundert das Zeichen diskutiert wurde, die scholastische Logik, unberücksichtigt. Und hiermit in Beziehung gesetzt, erscheint das Zeichenkonzept der Logik von Port-Royal eben nicht mehr als Repräsentant von etwas grundsätzlich Neuem, sondern erweist sich im wesentlichen als durchaus traditionell oder mehr noch, als konservativ. 3. Die Unterscheidung von signum naturale, signurn adplacitum (ex institutione) und signum ex consuetudine Die zweite zentrale Zeichendistinktion neben der von signum formale und signum instrumentale ist die 'klassische' Unterscheidung von signum naturale

315 316 317

ARNAULD, Défense de M. Arnauld, in: OEuvres ( 1 7 7 5 - 8 3 ) 3 8 . 5 8 7 . Vgl. M . FOUCAULT, Die Ordnung der Dinge III, 4 ( 2 1 9 7 9 ) 98ff. Ebd. Vgl. S. MEIER-OESER, Hermetisch-platonische Naturphilosophie, in: F. Ueberwegs Grundriß der Geschichte der Philosophie, Teil 6 (17. J h . ) , hg. H . Holzey u. W . Schmidt-Biggemann (erscheint demnächst).

318

Vgl. S. MEIER-OESER, Signatur phie, Bd. 9 ( 1 9 9 5 ) 7 5 0 - 5 4 .

319

Vgl. z.B. P. SwiGGERS, La sémiotique de Port-Royal ( 1 9 8 7 ) 3 3 3 : „Du 16ème au 17ème siècle, le statut du signe a changé de façon radicale: le signe n'est plus un élément du monde, une entité empirique, mais il est devenu un instrument d'interprétation et de communication."

- Signaturenlehre,

in: Historisches Wörterbuch der Philoso-

263

Die Zeichenklassifikation und signum

ad placitum

bzw. signum

ex institutione.

W i e bereits in der Logik

um 1 5 0 0 wird auch hier deren Erörterung massiv überlagert von der Problematik des signum

ex

consuetudine.

Das natürliche Zeichen wird allgemein als ein solches definiert, das unabhängig von einer menschlichen Einsetzung aufgrund seiner eigenen Natur das Vermögen des Bezeichnens besitzt. 3 2 0 Insofern bezeichnen die natürlichen Zeichen allen Menschen dasselbe (idem apud omnes).321

Z u ihnen gehören all jene

Zeichen, die mit ihrem Signifikat durch eine Ähnlichkeits- oder Kausalbeziehung verbunden sind. 3 2 2 Als Exempel dienen zumeist der Rauch als Zeichen des Feuers sowie die als similitudines

rerum

(Ähnlichkeiten der Dinge) geltenden

Konzepte oder Mentaltermini. Willkürliche oder durch Einsetzung gebildete Zeichen (signa ad placitum,

ex institutione

bzw. ex impositione)

bezeichnen da-

gegen etwas nicht aufgrund ihrer eigenen Natur, sondern verdanken, wie die sprachlichen Ausdrücke, ihre Signifikanz allein einer willkürlichen Einsetzung. In der Zeichentheorie um 1 5 0 0 war die Eindeutigkeit dieser Dichotomie vor allem durch die stärkere Berücksichtigung des signum suetudine

320

321

322

(bzw. significare)

ex

con-

problematisch geworden, für das weder das eine noch das andere im

Vgl. F. TOLETUS, SJ, Introd. in univ. Arist. log., (1615) I, 208b; Vgl. P. HURTADO DE MENDOZA, SJ, Disput, de univ. philos. (1617) 144; P. VALLIUS, SJ, Logica (1622) 620b; R. DE ARRIAGA, SJ, Cursus philos. (1632) 180a; T H . COMPTON CARLETON, SJ, Philosophia universa (1649) 157ab; J. PONCIUS, OFM, Philos, ad mentem Scoti Cursus integer (1659) 267b; B. COLUMBUS, OFM, Novus cursus philosophicus (1669) 12a: „Signum naturale est, quod suapte natura aliquid significat, idemque apud omnes dénotât." Vgl. P. DE FONSECA; SJ, Inst. dial. (1572) 11; F . DUARTE, SJ, Comment, in univ. logicam Arist. (1585) fol. 6r; CONIMBRICENSES, SJ, Comment, in univ. dial. Ansí.(1607) 2.17; P. HURTADO DE MENDOZA, SJ, Disput, de univ. philos. (1617) 144. Auch in der zeitgenössischen protestantischen Schulmetaphysik ist das signum naturale durch die beiden Kriterien des 'ex natura sua' und 'idem apud omnes' charakterisiert; vgl. C. TLMPLER, Metaphysicae systema methodicum Libri V (1606) 321: „Distinguendum est inter signa naturalia et arbitraria, illa enim sunt eadem apud omnes, cum Natura, a cuius ordinatione pendent, sit eadem. Haec vero non sunt eadem apud omnes gentes, sed diversa quippe quae pendent ab institutione voluntaria..."; R. GOCLENIUS, Lexicon philosophicum (1613) 1046: „Signa sunt Naturalia habentia vim a natura aliquid significandi conceptus. Itaque apud omnes idem significant.; Β. KECKERMANN, Scientiae metaphysicae compendiosum systema (1615) 88: J'hysikòn signum est quod ab ipsa rerum natura vim habet significandi."; J. H. ALSTED, Metaphysial (1616) 187: „Signa naturalia sunt, quae apud omnes idem significant, seu potius quae suapte natura aliquid significandi vim habent." C. SCHEIBLER meint, man müsse deutlicher sagen: „signa naturalia dicuntur ea, quae naturalem connexionem habent cum suis significatis." (Metaphysica (1636) 369); vgl. A. FROMM, Exercitationes metaphysicae (1651) 370. Vgl. R. DE ARRIAGA, SJ, Cursus philosophicus (1632) 181a-b: „... dupliciter posset aliqua res habere naturalem significationem alterius, vel quia ex se est effectus, aut causa necessaria illius. ... Aliter posset realiter repraesentare rem propter similitudinem physicam cum illa..."; vgl. JOHANNES A STO. THOMA, OP, Ars logica (1948) 355b, s. Anm. 199; F . BONAE SPEI, OCarm, Comment, tres in univ. Arist. Philos. (1652) l i b : „Signum [sc. naturale] non male ... dividitur in signum a priori, ut causa respectu effectu necessarii; a posteriori, ut effectus respectu causae necessariae; et a proportione, ut statua respectu Caesaris..."

264

Das Zeichen in der Logik der posttridentinischen Scholastik

eigentlichen Sinn gilt. Bei der Verortung dieser Zeichen in der Dichotomie von

signum naturale und signum ad placitum hatte man die Wahl zwischen dem Aquivokwerden des Begriffs der impositio (Celaya, Lokert, Manderston), der Preisgabe der traditionell vorausgesetzten Synonymie von ad placitum und ex impositione (Hagenauer Kommentar, Pschlacher, Maior, Lax, Dolz) oder der Aufgabe der strikten Dichotomie selbst (Soto). In der Logik um 1 5 0 0 wurde das signum ex consuetudine als Unterart des signum ad placitum behandelt, was entweder dadurch erreicht wurde, daß es als eine besondere Form der impositio virtualis o.ä. konzipert wurde, oder aber so, daß man es als eigene Unterart des signum ad placitum selbstständig neben die eingesetzten Zeichen treten ließ. Diese Weise der Einordnung des gewohnheitsbedingten Zeichens bleibt weiterhin eine häufig vertretene Position. Toletus erwähnt das signum ex consuetudine als ein solches, das weder aufgrund seiner Natur, noch aufgrund einer menschlichen Einsetzung („nec ex natura sua, nec ex humano instituto") sondern aufgrund einer Gewohnheit den Zeicheninterpreten zur Erkenntnis des Signifikats kommen läßt. 323 Um die sich hiermit eröffnende Möglichkeit einer förmlichen Trichotomie zu vermeiden, wiederholt Fonseca die in der Logik um 1 5 0 0 geläufige Figur unter Verwendung einer leicht veränderten Terminologie. Bei ihm tritt als übergeordnete Gattung der nichtnatürlichen Zeichen an die Stelle des signum ad placitum das - mit diesem der Sache nach identische - signum ex institutione, welches sich unterteilt in die Arten des förmlich eingesetzten (signum ex impositione) und des in einer Gewohnheit oder einem willkürlichen Gebrauch begründeten Zeichens. 3 2 4 Eine solche Reduktion des signum ex consuetudine auf willkürliche Zeichen vertritt auch Hurtado de Mendoza. 3 2 5 Vallius betont, offenbar mit Bezug auf Fonseca, daß die Unterteilung der nichtnatürlichen Zeichen in die zwei Genera (ex impo-

sitione - ex consuetudine) und die dadurch bedingte Abhebung des signum ex

323

324

F. TOLETUS, SJ, In lib. 1 Periherm. c . l , q.2, in: Introductio in universam Arist. log. (1615) 1.208f: „Signum ex consuetudine est, quod nec ex natura sua, nec ex humano instituto, alterius facit cognitionem, sed ex quadam consuetudine; sicut canis saepe aliquem sequens praevisus inducit illius cognitionem: et mappae appositae sunt signa prandij ex quadam consuetudine, quia prope tempus prandij soient apponi mappae." P. FONSECA, SJ, Inst. dial. ( 1 5 7 2 ) 1 3 : „Signa ... ex instituto sunt, quae ex hominum volúntate et quadam quasi compositione significant. Quorum rursus duo sunt genera. Nam quaedam significant ex impositione, utpote voces, quibus homines colloquuntur, et scripta, quibus absentes inter se communicant: alia ex consuetudine et communi usurpatione, quo pacto ea quae foribus appenduntur significant res venales." Dasselbe Klassifikationsschema findet sich bei dem in logischen Dingen stark von Fonseca abhängigen J. H. ALSTED, Metaphysial ( 1 6 1 6 ) 1 8 8 ; vgl. auch H . L. CASTANEUS, Celebriorum distinctionum tum philosophi-

carum tum theologicarum synopsis 325

(1659) 425.

P. HURTADO DE MENDOZA, SJ, Disput, de univ. philos. (1617) 144: „Signum aliud naturale... Aliud signum est ad placitum (ad quod reduco signum ex consuetudine) quod ... ex intrinseca sua natura non repraesentat rem, sed ex mero hominum libito."

Die Zeichenklassifikation

265

consuetudine vom eingesetzten oder konventionellen Zeichen nicht impliziert, daß es deshalb weniger ad placitum sei. 326 Den Unterschied zum förmlich eingesetzten Zeichen begründet Franciscus Bonae Spei mit der Partikularität und 'Privatheit' der Einsetzung durch einzelne Menschen oder Regionen. 327 Das Fehlen der öffentlichen, allgemeinverbindlichen Autorität ist damit Charakterisitikum des signum ex consuetudine.328 Gewohnheit ist diesem Verständnis nach partikuläre Gewohnheit, ist Abweichung vom allgemeinen Zeichengebrauch der umfassenden Sprechergemeinschaft. Für Balthazar Tellez ist die begrenzte Allgemeinheit des gewohnheitsbedingten Zeichens gerade Ausweis seiner Verschiedenheit vom natürlichen, idem apud omnes bezeichnenden Zeichen. Indem er die Zeichen zunächst in natürliche und nichtnatürliche distinguiert und letztere weiter unterteilt in die signa ad placitum oder ex instituto kann er die problematische und von Araujo kritisierte Abgrenzung von 'ex impositione' und 'ex institutione', wie sie sich bei Fonseca ergab, vermeiden. 329 Während nach Octavius Cattaneus die willkürlichen Sprachzeichen sich einer rechtskräftigen vertraglichen Vereinbarung verdanken, gründet die Signifikanz der signa ex consuetudine allein in ihrem Gebrauch. 330 Nicolaus a S. Iohanne

326

P. VALLIUS, SJ, Logica ( 1 6 2 2 ) 6 2 0 b : „Quamvis ... aliqui distinguant signa ilia, quae non sunt ex natura rei, in duo genera; nimirum in ea, quae significant ex impositione, et veluti conventione; et ea, quae ex consuetudine, seu communi usurpatione, etiam si nulla fuerit compositio seu conventio; haec tamen duo genera signorum omnia sunt ad placitum, et non ex natura rei, et parum refert quomodo hoc placitum ab aliis omnibus intelligatur et recipiatur, et in nominibus, et vocibus huiusmodi distinctio locum non habet, quia debent homines vel ea conventione expressa, vel tacita, et virtuali significare."

327

F. BONAESPEI, OCarm, Comment, tres in univ. Arist. Philos. ( 1 6 5 2 ) I l a : „... signa illa (seil, mappae appositae; canis herum sequens) esse ex instituto, non quidem communi, sed privato certarum personarum, et Provinciarum: si quis enim canem semper abegisset non sequeretur, et si mensa semper strata teneretur, mappa prandium non significaret, potius quam merendam."

328

P. M . CAUVINUS, OP, Cursus philometaphysicus ( 1 6 9 2 ) 15: „(signum) Dividitur ... in naturale et ad placitum, ad quod etiam reducitur signum ex consuetudine, quod nempe ex solo usu sine publica authoritate, vel impositione repraesentat ut ramus ante tabernam, quod est signum vini vendibilis."

329

B. TELLEZ, SJ, Summa univ. philos. ( 1 6 4 2 ) 7 7 : „... mappae appositae sunt signa prandij: haec autem et similia signa, non sunt signa naturalia, quia signa naturalia idem apud omnes significant ex naturali proportione, quod non convenit his signis... Quapropter, ut ... divisio (sc. in sign, naturale und sign, ex institutione) adaequate fiat in duo membra sic proponenda est, ut fiat in signa naturalia et non naturalia: signa autem naturalia constituant unam veluti speciem infimam formaliter sumptam: signa vero non naturalia dividantur in duas veluti species, quia signa, quae non naturaliter significant aut habent vim significandi ex placito et humano volúntate, et sunt signa ex instituto, aut habeant hanc vim significandi ex humana consuetudine, et constituunt hanc aliam speciem signorum de novo, quae merito dicentur signa ex consuetudine."

330

O. CATTANEUS, SJ, Cursus philosophicus, t . l ( 1 6 7 7 ) 6 9 1 : »... signum ad placitum ... usurpatur a libera volúntate hominum ad aliquid significandum. Huiusmodi signum aliud est signum ex consuetudine, quod nimirum usus invaluit, ut aliquid significaret, ita sonus aeris

266

Das Zeichen in der Logik der posttridentinischen Scholastik

Baptista betont dagegen die Willkürlichkeit der Gewohnheitszeichen unter Insistenz auf dem Fehlen einer notwendigen Verbindung von Zeichen und Bezeichnetem und versucht das in Abwandlung des häufig verwendeten Beispiels der ausgelegten Servietten als Gewohnheitszeichen für das bevorstehende Mahl mit Hilfe eines gleichsam 'pawlovschen' Gedankenexperiments zu belegen. Der Hund wird, wenn er wahrnimmt, daß der Tisch gedeckt wird, aufgrund einer durch frühere Wahrnehmungen im sinnlichen Gedächtnis bedingten Assoziation das bevorstehende Essen vorhersehen. Weil solches auch für den menschlichen Betrachter zutrifft, galt das signum ex consuetudine seit Soto oftmals als natürliches Zeichen. Nicolaus a S. Iohanne Baptista sieht das anders, indem er das Fallbeispiel nicht aus der Perspektive der Zeichenrezeption, sondern aus der des Zeichengebrauchs betrachtet. Nach ihm bleibt der Mensch nämlich Herr dieser Zeichen, da er in der Lage ist, sie willkürlich zu verwenden, indem er das Essen aufschieben und den Hund hierdurch täuschen kann.331 Erstmals wurde die gewohnheitsbedingte Signifikation in der zweiten Auflage der Summulae von Domingo de Soto auf natürliche Bedingungen zurückgeführt. Diese Reduktion auf das signum naturale wird im späteren 16. und 17. Jahrhundert insbesondere von Thomisten übernommen.332 Sie findet sich jedoch verschiedentlich auch bei Scotisten.333 Araújo moniert gegenüber Fonseca die Unzulässigkeit einer Abhebung des 'ex impositione' vom 'ad placitum' und meint, die Gewohnheit konstituiere einen auf natürliche Weise inklinierenden Habitus. Aufgrund seines metaphysischen, relationstheoretisch fundierten Zeichenkonzepts ist er jedoch gezwungen, das signum ex consuetudine als eine le-

331

332

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Campani significat ex consuetudine principium lectionis: signum ex pacto est illud, quod inducit in cognitionem alterius rei dependenter a pacto, sive obligatione." NICOLAUS A S . IOHANNE BATTISTA, Philosophia augustiniana ( 1 6 8 7 ) 2 3 f: „Quaeres ..., an in hac divisione (sc. signum naturale - ad placitum) includatur signum, quod ex consuetudine dicitur. Resp. includi, quia ex libero hominum placito provenit, quod ita significet: nam etsi canis videns sterni mensam, accedat, praevidens propinquam mensam; attamen sternere mensam non habet naturalem, aut necessariam connexionem cum propinqua comestione: canis vero movetur ex memoria sensitiva, quando enim videt sterni mensam excitantur in eo species commestionis, ideoque accedit: sed si differatur prandium, remanet illusus, ex quo patet esse signum ad placitum; quia placitum fuit hominibus, quod sternere mensam significet propinquam comestionem." Vgl. THOMAS DE MERCADO, Commentarios lucidísimos al texto de Pedro Hispano (1572) (1986) 5 9 ; D. MASIUS, OP, Comment, in duos lib. Arisi, de Int. (1617) 9a: „Animadvertit... Sotus signa ex consuetudine revocari ad naturalia. sunt enim fere naturalia, ut visis mappis appositis in mensa, statim cognoscimus esse horam prandij." Vgl. J . PONCIUS, O F M , Philosophiae ad mentem Scoti cursus integer (1659) 2 6 7 b : „... intelligi per signum naturale illud quod significat independenter ad instituto, sive ex natura sua intrinseca, sive ex aliquo alio accidente id ipsi competat. H o c autem sine dubio competit adventui canis: nam ex eo quod saepe videbatur advenire cum domino, proposito adventu ipsius, excitatur species adventus domini."

Die Zeichenklassifikation

267

diglich unvollkommene Art des natürlichen Zeichens aufzufassen, da jenem die gewöhnlich beim signum naturale gegebene relatio realis nicht zukommt. 3 3 4 In Anlehnung an die von Soto in der ersten Auflage seiner Summulae

noch

vertretenen Trichotomie des Zeichens behauptet sein Schüler Toletus: Signum in communi triplex est. Quoddam naturale: quoddam voluntarium, sive ex instituto, vel ad placitum, quod idem est: Quoddam ex consuetudine quadam. - (Das Zeichen im allgemeinen ist dreifach. Eines ist das natürliche: ein anderes das willentliche bzw. durch Einsetzung oder gemäß Übereinkunft gebildete, was dasselbe ist: wieder ein anderes ist Zeichen aufgrund einer gewissen Gewohnheit.)335 Abweichend von Fonsecas, zur Vermeidung einer solchen Trichotomie intendierten Subordination unter das signum ex institutione legen viele jesuitische Autoren im Anschluß an Toletus mehr Gewicht auf die Eigenständigkeit des signum ex consuetudine. Ihnen zufolge ist es als eigener Zeichentypus gleichrangig auf derselben Ebene angesiedelt wie das willkürliche und das natürliche Zeichen, mag es auch, wie Rubius betont, eine große Ähnlichkeit mit dem letzteren aufweisen, da die Gewohnheit selbst nichts anderes ist als eine „zweite Natur". 3 3 6 In diesem Sinn konstatiert auch Izquierdo: „Signum in primis est triplex". Er definiert das signum ex consuetudine als dasjenige, „quod supposita consuetudine oriunda ab hominum arbitrio aliud notificat quoquo modo" (welches unter der Voraussetzung einer aus dem menschlichen Willen entstandenen Gewohnheit etwas anderes auf irgendeine Weise bezeichnet). Damit wird nach Izquierdo jede menschliche Handlung oder Gewohnheit zum Zeichen des-

334

335 336

F. ARAV, OP, Comment, in univ. Arist. Met. t. I. ( 1 6 1 7 ) 3 5 6 a - b : „... Fonseca ... dicit, signum prima sui divisione dividi in signum naturale, et in signum ad placitum; et hoc subdividi in signum ad placitum ex impositione, et in signum ad placitum ex consuetudine. Itaque in sententia huius auctoris ( 3 5 6 b ) signum ex consuetudine est vere et complete species signi ad placitum, condistincta a signo ex impositione. Sed haec solutio mihi non placet. T u m , quia significare ex impositione, et significare ad placitum, sunt idem adacquate, et convertibiliter. Placitum enim hominum non nisi quaedam libera institutio est... T u m ... quia consuetudo vertitur in natura, quatenus ex illa generatur habitus inclinans ad instar naturae: et ideo visis mappis, naturaliter recordamur prandij, propter consuetudinis inclinationem. Unde melius S o t o ... signum ex consuetudine sub signo naturali, tamquam quid imperfectum, comprehendit; quod quia imperfectum est in ilio genere, numquam pervenit ad tantam perfectionem, ut eius significatio sit realis, sed est rationis, habens quodammodo fundamentum in consuetudine, quae imitatur naturarci." F. TOLETUS, SJ, Introducilo in univ. Arist. log., In lib. 1 Periherm. c . l , q . 2 ( 1 6 1 5 ) I, 2 0 8 b . A. RUBIUS, SJ, Logica mexicana ( 1 6 0 5 ) 2 0 : „Omisso signo improprio, subdividitur proprium in naturale, ad placitum, et ex consuetudine, quod certe magna cum naturali similitudinem habet, cum consuetudo ... altera sit natura." Als eigenständige Zeichenklasse neben

dem signum naturale und ad placitum findet sich das signum ex consuetudine u.a. bei M. CAXOL, Dialéctica ( 1 6 3 3 ) fol. lOv; vgl. V . MUÑOZ DELGADO, El compendio de 'Dialéctica' ( 1 6 3 3 ) de Martín Cajol, professor de la Universidad de Huesca: Estudios 2 7 ( 1 9 7 1 ) 2 2 0 ; Β. F. SCHMIDT, SJ, Expeditio dialéctica altera pro signis ( 1 6 6 6 ) 2 : „(Signum) Naturale, pro differentia habet connexionem naturalem: ex instituto ob connexionem a volúntate hominum dependentem, ex consuetudine vero ob connexionem experimentalem potentiae cognoscenti aliquid manifestat."

268

Das Zeichen in der Logik der posttridentinischen Scholastik

sen, was mit Regelmäßigkeit aus ihr zu folgen pflegt („universim quidlibet solitum ab hominibus fieri notificat id, quod ex eo regulariter sequi solet"). 337 Bei Petrus de Comitibus dagegen bezeichnet es eher die Voraussetzung seiner Verwendung. Denn es handelt sich um solche Zeichen, deren Verbindung zum Signifikat in einer allmählich entstandenen Gewohnheit fundiert ist, sie nur dann zu verwenden, wenn die 'Sache', deren Zeichen sie sind, tatsächlich der Fall ist. In diesem Sinne ist etwa das purpurne Gewand Zeichen der Königswürde.338 Der Fonsecaschüler Francisco Duarte wendet sich sowohl gegen die Ansetzung einer eigenen dritten Zeichenklasse des natürlichen Zeichens, wie gegen die einseitige Reduktion des Gewohnheitszeichens auf das natürliche oder das willkürliche Zeichen und schlägt eine flexiblere, die jeweilige Fundierung der Gewohnheit berücksichtigende Zuordnung vor: Ist die Gewohnheit in der Natur der Sache begründet, kann die entsprechende significatio auf ein naturaliter significare reduziert werden, ist sie es nicht, auf ein significare ad placitum.339 Diesen Ansatz der fallweisen Reduktion des gewohnheitsbedingten Zeichens auf das natürliche oder das willkürliche übernimmt auch Johannes a Sto. Thoma und arbeitet ihn weiter aus. Dabei verwendet er jedoch andere Einteilungskriterien als Duarte. Nach Johannes a Sto. Thoma ist hinsichtlich jener Zeichen, „die nicht aus irgendeiner öffentlichen Einsetzung..., sondern allein durch den Willen Einzelner, welche sie häufig verwenden, zur Bezeichnung von irgend etwas angepaßt werden" (quae non publica aliqua institutione, ... sed ex sola volúntate particularium frequenter illis utentium ad aliquid significandum accommodantur) zu unterscheiden, ob die Gewohnheit etwas zum Zeichen einsetzt, in welchem Fall es sich um ein signum ad placitum handelt, oder ob sie einfachen den konstanten Gebrauch einer Sache besagt, aufgrund dessen diese zum Zeichen von etwas anderem wird. In diesem Fall kann das signum ex consuetudine auf das signum naturale zurückgeführt werden. Ist die Gewohnheit dort die Ursache des Zeichens (z.B. „populus consuetudine sua introducat ... aliquem vocem ad

S . IZQUIERDO, S J , Pharus scientiarum ( 1 6 5 9 ) 104b. 338 p E T R U S D E COMITIBUS, OESA, Philosophia rationalis ( 1 6 7 1 ) 4 9 4 : „Signa ex consuetudine sunt ilia, quae habent connexionem cum re significata, ex eo quod paulatim inducta fuerit consuetudo, illa non adhibendi, nisi quando datur tale obiectum, cuius sunt signa, ut est paludamentum purpureum, ad significanda, regiam dignitatem." Solche bekleidungssemiotischen Beipiele für das signum ex consuetudine findet man recht häufig. Vgl. C. SFONDRATI, Cursus philosophicus t. 1 ( 1 6 9 6 ) 4 4 8 : „... signum ad placitum ... vel est signum ex pacto, v.g. voces; vel ex quasi pacto, ν.g. Sacramenta, quae sunt signa gratiae; vel ex mera consuetudinem ut vestís mulieris signum mulieris, corolla florea signum virginitatis, e t c . " 337

339

F. DUARTE, SJ, Comment, in univ. logicam Arist. (1585/86) fol. 5v-6r: „... significare contingit dupliciter scilicet naturaliter et ad placitum... (6v) Alii addunt tertium membrum sive significare ex consuetudine ut mappae significant prandium, et ... S o t o h o c reducat ad significare naturaliter. Forsan melius dices, quod sive ilia consuetudo fundatur in natura rei, ut quod canis praecedat dominum, et talis significatio reducit ad significare naturaliter, sive non fundatur in natura rei, et sic reducit ad significare ad placitum, ut mappae significant prandium."

Die Zeichenklassifikation

269

significandum), so verhält sie sich hier nach Art einer Wirkung, welche zur Erkenntnis ihrer Ursache hinführt: Die Gewohnheit, mit Servietten zu essen, ist der Grund dafür, daß die ausgelegten Servietten zum Zeichen des bevorstehenden Mahles werden; ebenso, wie auch jede Induktion in der Häufigkeit bzw. der Gewohnheit, etwas sich oftmals ereignen zu sehen, fundiert ist. 340 Da jede Wirkung natürliches Zeichen ihrer Ursache ist, kann auch die Gewohnheit, zumal durch die mit ihr verbundene Häufigkeit befestigt und bestätigt, zu einem solchen werden. 341 Sie geht zwar aus freien Akten hervor. Das widerspricht jedoch nicht dem natürlichen Charakter einer solchen gewohnheitsbedingten Semiose. Denn ihr Formalgrund besteht nicht in einer freien äußerlichen Einsetzung oder in den einzelnen, an sich freien Akten, sondern in deren Häufigkeit und dem durch ihre Widerholung gleichsam als natürliche Wirkung generierten Habitus. Das signum ex consuetudine ist damit die ehemals freie und willkürliche Handlung, die im Laufe ihrer Wiederholungen ihre Willkürlichkeit qua Habitualisierung gegen ihre Zeichenhaftigkeit eingetauscht hat. 342

Vgl. JOHANNES A SANCTO THOMA, OP, Ars logica (1948) 719ab: „Si consuetudo respiciat aliquod signum, destinando illud et proponendo pro signo, tale signum fundatum in consuetudine erit ad placitum. Si vero consuetudo non proponat aliquid vel instituât pro signo, sed dicat simplicem usum alicuius rei et ratione illius assumatur aliquid in signum, tale signum reducitur ad naturale. Itaque consuetudo vel potest esse causa signi, sicut si populus consuetudine sua introducat et proponat aliquam vocem ad significandum; vel potest se habere ut effectus, qui nos manuducit ad cognoscendam suam causam, sicut canis frequenter visus comitari aliquem manifestat, quod sit dominus eius, et consuetudo comedendi in mappis manifestat nobis prandium, quando mappas videmus appositas, et in universum fere omnis inductio fundatur in frequentia et consuetudine, qua videmus aliquid saepe fieri." - Letzteres entspricht der von Roland Barthes in die neuere Semiologie eingeführten Theorie der universellen Semantisierung der Gesellschaft, welche besagt, daß „sobald es eine Gesellschaft gibt, ... jeder Gebrauch zum Zeichen dieses Gebrauchs [wird]". Vgl. R. BARTHES, Elemente der Semiologie (1981) 36. 3 4 1 Vgl. JOHANNES A SANCTO THOMA, Ars logica (1948) 7 1 9 b - 7 2 0 a : „... consuetudo, ut est quidam effectus, ducit nos in cognitionem suae causae eo modo, quo alii effectus suas causas ostendunt; et multo magis consuetudo, quam alii effectus, quia frequentia efficiendi aliquid firmat, quod illud sit effectus talis causae. Sed omnis effectus repraesentat suam causam, in quantum procedit ab illa, et ita habet aliquam convenientiam et proportionem. Ergo (720a) talis significatio fundatur in aliquo naturali, scilicet in processu effectus a sua causa et convenientia cum ilia. Ergo consuetudo ut effectus fundans significationem reducitur ad causam naturalem." 342 Vgl. ebd. 720ab: „Primo arguitur, quia consuetudo non est effectus naturalis, sed moralis et liber, ergo non potest fundare rationem signi naturalis. ... Antecedens ... probatur, quia consuetudo est idem, quod mos, a quo actus dicuntur morales... (720b)... respondetur..., quod licet a sua causa libera procedat et sie denominetur effectus liber, tarnen ratio formalis significandi non est aliqua libera deputatio, sed ipsa frequentia et repetitio actuum, et haec naturaliter significat, quia non moralis, id est extrínseca deputatio, quae solum rnoraliter denominat, sed intrinseca processio actuum eorumque frequentatio et multiplicatio constituit signum ex consuetudine. Ergo naturaliter convenit illi significatio, sicut etiam actus liberi multiplicati générant habitum tamquam naturalem effectum et non liberum."

340

270

D a s Zeichen in der Logik der posttridentinischen Scholastik

Dieses Verfahren, die signa ex consuetudine fallweise auf das natürliche oder willkürliche Zeichen zurückzuführen, wird im 17. Jahrhundert zum vorherrschenden. Der Rekurs auf die Habitualisierung und die Regularität einer Handlungsfolge als der Grundlage für die Reduktion eines Teils der signa ex consuetudine auf das signum naturale, wie Johannes a Sto. Thoma ihn vorschlägt, ist sicherlich sachgerechter als deren Begründung durch die Fundierung der Gewohnheit in der Natur der Dinge, wie sie Duarte unternommen hatte. Dennoch wird, obwohl der Begriff der natura rei hier letztlich unbestimmt bleibt, in der Regel gerade diese übernommen. 343 Die Konsequenz ist eine Unsicherheit in der Zuordnung des Standardbeispiels der rnappae, die mal als willkürliche Zeichen, 3 4 4 mal als natürliche 345 geführt werden.

343

Vgl. D. DERODON, Logica restituía ( 1 6 5 9 ) 4 9 5 : „Signa ex consuetudine referuntur ad signa naturalia, si consuetudo fundetur in natura rei; ad signa vero ex instituto, si consuetudo fundetur tantum in volúntate et beneplacito."; C. SFONDRATI, Cursus philosophicus t. 1 ( 1 6 9 6 ) 4 5 3 : „Signum ex consuetudine est verum signum: sed aliquando est signum ad placitum, aliquando naturale. Ad placitum, si consuetudo ilia sit placito et approbatione totius Reipubl. acceptata, ut videlicet res aliqua aliud significet; talis enim consuetudo vim habet legis. Sic corolla floribus intexta puellarum capitibus imposita signum est virginitatis ex consuetudine apud Helvetos recepta. Aliquando erit signum naturale. Sic praecursio canis significat Dominum secuturum, quia haec praecursio et adhaesio est naturalis cani, qui naturaliter herum amat et comitatur."; P. RENTZ, OSB, Philosophia ad mentem angelici doctoris divi Thomae Aquinatis ( 1 7 1 4 ) 5 3 8 : „Signum experimentale seu ex consuetudine est, quod praeter se aliquid aliud repraesentat ex usu, vel communi hominum acceptione, ut hederá foribus appensa significat vinum vendibile. At vero hoc signum ex consuetudine non constituit peculiarem signi speciem condistinctam a naturali et voluntario, sed reductive vel ad signum naturale pertinet, si consuetudo fundetur in natura, vel ad signum voluntarium, si fundetur in volúntate humana."

344

Vgl. F. GONÇALEZ, S], Logica tripartita ( 1 6 3 9 ) 9 1 b - 9 2 a : „... ut iudicetur, an aliquid sit signum naturale, solum inspiciendum est modus significandi, quem habet postquam a Deo, vel ab alia causa libera factum est; et cum is modus significandi sit insitus a natura creaturis effectis, et non aliunde ipsis impositus ex alicuius beneplacito, propterea signa naturalia censentus. Ad hoc signum naturale reducuntur primo signa, quae vocant ex consuetudine naturali, ut et praecursus caniculi significans adventum Heri ... (92a) ... Ad hoc signum (se. ad placitum) pertinent non solum voces, quas dixi, sed res plurimae, quae impositae sint ad res alias significandae ... et item signa quae vocantur ex consuetudine, si tarnen consuetudo sit ex impositione libere volentium, ut mappae stratae, quae signa sunt horae prandendi, et ramus ante tabernam, qui significat ad placitum vinum venale..."; TH. COMPTON CARLETON, SJ, Philosophia universa ( 1 6 4 9 ) 157ab: „Signum ad placitum est, quod licet ex natura sua non habeat vim aliquid significandi, habet tarnen beneplacito hominum, sive id impositione fiat, sive consuetudinem ex tacita scilicet hominum conspiratione; et consensu.... signum ex consuetudine est hederá appensa quae vinum significat vendibile; mappa positae caenam etc. licet signum ex consuetudine nonnumquam ad naturale revocari possit, quia in natura fundatur, ut si canis visus denotet adventum Domini, quia ilium solet comitari. Unde signum ex consuetudine semper vel ad naturale signum reducitur, vel ad signum ad placitum."

345 YG| Ρ OHM, OP, Summa philosophica ( 1 6 9 2 ) 9 9 : „Signum instrumentale dividitur in naturale et ad placitum. naturale est, quod ex sua natura remota hominum institutione idem significat apud omnes. tale signum est fumus respectu ignis, et universaliter, effectus respectu sua causae. Signum ad placitum est quod non significat ex sua natura, sed ex insti-

271

Die Zeichenklassifikation

Bei Antonius Bernaldus de Quiros wird das signum

ex consuetudine

weder

der klassischen Zeichendistinktion von signum naturale und signum ad placitum an untergeordneter Stelle eingegliedert noch auch diesen als gleichwertige Zeichenklasse zur Seite gestellt, sondern es beginnt vielmehr, sich auf das ganze Gebiet der Zeichen auszudehnen. Es hat nicht mehr den Status einer bestimmten und damit extensional beschränkten Zeichenklasse, sondern avanciert zum Grund der Signifikanz der instrumenteilen Zeichen schlechthin, denn: si bene notetur nobis nihil signum est, nisi ex consuetudine; ñeque enim ex fumo aliter cognoscimus ignem, nisi quia assueti sumus videre fumum coniunctum cum igne - (recht betrachtet, ist für uns etwas nur kraft Gewohnheit ein Zeichen; denn auch durch den Rauch erkennen wird das Feuer nur deshalb, weil wir gewohnt sind, den Rauch in Verbindung mit Feuer wahrzunehmen.) 346

Die Gewohnheit dringt damit gleichsam ins Innere des Zeichens ein, beschreibt den Grund seines Funktionierens, d.h. den Grund der jeweiligen Verbindung der Idee des Zeichens mit der Idee des Bezeichneten. Sie hat hier genau jene Funktion, die in der Maior-Schule dem mit der consuetude eng verbundenen Begriff des instinctus naturalis zukam. 3 4 7 In gewisser Weise befindet man sich hier am Fluchtpunkt jener sich in der Logik um 1 5 0 0 abzeichnenden Kon-

vergenz von signum ad placitum ex consuetudine und signum naturale ex instinctu naturae, von dem aus betrachtet die Differenz von willkürlich eingesetztem und natürlichem Zeichen sich insofern aufzulösen beginnt, als es hier nicht um die objektive Fundierung der Zeichenrelation in einer Ähnlichkeit, Kausalbeziehung oder menschlichen Einsetzung geht, sondern um den subjektiven Grund des Funktionierens der Zeichen. Was sich damit andeutet, ist die Möglichkeit einer Beschreibung des Zeichens allein über die Konstanz und Regularität seiner Verbindung mit dem Bezeichneten, unabhängig davon, wie diese Verbindung sachlich fundiert ist. Denn daß A als Zeichen von Β fungiert, gründet unmittelbar nicht in einem etwaigen Kausalverhältnis zwischen beiden, sondern in der Konstanz der Verbindung zwischen der Wahrnehmung oder dem Begriff von A und B, welche selbst wiederum unmittelbar entweder in einer Gewohnheit (signum ex consuetudine) oder in einer Disposition des zeicheninterpretierenden Vermögens (signum ex instinctu naturae) fundiert ist. Es ist nicht verwunderlich, daß sich eine solche Perspektive auf das Zeichen überall dort nahelegt, wo der Kausalitätsbegriff problematisch geworden ist. Insofern wird der Zeichenbegriff von Berkeley und

346 347

tutione hominum. hoc modo voces sunt signa rerum. Ad haec duo signa reducitur signum ex consuetudine. Si consuetudo fundatur in ipsa rei natura, tunc signum ex consuetudine est naturale, sic mensa praeparata, quae alias est signum ex consuetudinem reducitur ad signum naturale, nam fundatur in ipsa rei natura, cum mensa ordinarie non propter aliud praeparatur, quam ob comestionem. Si vero consuetudo fundatur in volúntate hominum, est signum ad placitum, quale signum est ramus ante tabernam." Vgl. A. BERNALDUS DE QUIROS, S J , Opus philosophicum ( 1 6 6 6 ) 193a. S. o., S. 145ff.

272

Das Zeichen in der Logik der posttridentinischen Scholastik

Reid deutliche Parallelen mit dem Konzept des signum ex consuetudine bzw. dem seines spätscholastischen Pendants, des signum ex instinctu naturae aufweisen. 3 4 8

F. Die Theorie der Sprachzeichen. Wenn auch in der scholastischen Philosophie des 17. Jahrhunderts die durch die aristotelische Schrift Peri hermeneias markierte Systemstelle des logischen Cursus zum Ort einer vorher nicht in diesem Maße anzutreffenden generellen Thematisierung des Zeichens geworden ist, bildet die Erörterung der Sprachzeichen, der voces und scripta, doch nicht nur den äußeren Anlaß der Zeichentheorie, sondern in der Regel auch den Fluchtpunkt, auf den hin diese ausgerichtet ist. Hierbei geht es vornehmlich um die verschiedenen Aspekte der Signifikation sprachlicher Ausdrücke. Die in der scholastischen Logik des 17. Jahrhunderts breit diskutierte Theorie der Sprache erforderte eine eigene Darstellung. Im Folgenden kann sie nur in groben Umrissen skizziert werden. Bei der Erörterung der Sprachzeichen stehen, aufs Ganze gesehen, drei Fragen im Vordergrund: 1) die Frage nach dem Grund der Signifikation sprachlicher Ausdrücke. Das ist die Frage danach, ob sie naturaliter oder ad placitum bezeichnen. In diesen Zusammenhang gehört die gesamte Problematik der Sprachinstitution sowie der Geltung sprachlicher Bedeutung. 2 ) die Frage nach dem Zielpunkt sprachlicher Bezeichnung, danach also, was das Signifikat der sprachlichen Ausdrücke ist, die res, die conceptus oder beides. Hierbei handelt es sich um die Fortsetzung der alten „magna altercatio". 3 4 9 3) Die Frage nach dem Maß der Bedeutung (mensura significationis) sprachlicher Ausdrücke. Diese wird in der Regel in der Form „utrum voces possint rem perfectius significare audienti quam sit nota loquenti" (Ob die sprachlichen Ausdrücke eine Sache auf vollkommenere Weise bezeichnen können, als diese dem Sprecher bekannt ist) gestellt. Ich werde mich im Folgenden auf die beiden ersten Fragen beschränken.""

348

349 350

Vgl. G. BERKELEY, The Theory of Vision vindicated and explained, sect. 39, Works (194857) 1.264. s. Kap. VI, Anm. 225; TH. REID, Inquiry into the Human Mind, V, 3, Phil. Works (1895) 1.122, s. Kap. VI, Anm. 230. S. Kap. II, Anm. 177. Eine Darstellung dieser Thematik am Beispiel von Compton Carleton findet sich bei J. P. DOYLE, Thomas Compton Carleton, S.J.: On Words Signifying More Than Speakers or Makers Know or Intend: Modem Schoolman 66 (1988-89) 1-28. Die mittelalterliche Vorgängerdiskussion, an die, wenn auch unter Veränderung der Frageperspektive, das 17. Jahrhundert anknüpft, präsentiert E. J. ASHWORTH, „Can I speak more clearly than I understand?" A Problem of Religious Language in Henry of Ghent, Duns Scotus and Ockham: Historiographia linguistica 7 (1980) 29-38.

Die Theorie der Sprachzeichen

273

1. Der Grund der Signifikation sprachlicher Ausdrücke. Wenn es sich, wie mit Aristoteles, Augustinus und Boethius feststand, bei den Sprachzeichen nicht um natürliche Zeichen handelte, mußte nicht allein erklärt werden, warum der an sich bedeutungslose Laut etwas bezeichnet, sondern ebenso, warum er, und das offenbar über einen längeren Zeitraum hinweg, für alle Mitglieder einer Sprechergemeinschaft - mehr oder weniger - dasselbe bezeichnet. Nicht allein die Signifikanz, auch die allgemeine Geltung sowie die relative Konstanz der Signifikation sind erklärungsbedürftig. Die Meinungen darüber, wie die aristotelische Formel des κατά συνθήκην zu verstehen sei, gehen bekanntlich weit auseinander. Das Deutungsspektrum reicht von der bloßen Zusammensetzung lautlicher Elemente („secundum compositionem") bis zum Verständnis im Sinne von „historisch eingerichtet". 351 Die von Boethius durchgesetzte Übersetzung mit „secundum placitum" vermag jedoch, ganz gleich, wie diese Formel ihrerseits aufgefaßt werden mag, ohne weiteres kaum eine hinreichende Begründung für die Konstanz der Signifikation in Raum und Zeit liefern. Die signa ad placitum bezeichnen, das hebt sie gerade von den natürlichen Zeichen ab, zwar nicht idem apud omnes?51 Dennoch meint das ad placitum eben nicht die Beliebigkeit der jeweiligen Sprachverwendung. Eine Möglichkeit, die Sprache trotz des arbiträren Charakters ihrer Elemente nicht der völligen Beliebigkeit preiszugeben, besteht darin, das placitum an ein singuläres Subjekt zu binden und als den Willensentschluß des ersten Spracheinsetzers zu deuten: „Ad placitum ... est significatio termino imposita secundum placitum instituentis." 353 Die Annahme einer ersten Spracheinsetzung - die im scholastischen Diskurs zunächst in der Regel übrigens nichts mit der Lehre vom adamitischen Sprachursprung zu tun hat - wird vielfach als notwendig erachtet, um die Verbindlichkeit sprachlicher Signifikation ableiten zu können und das ad placitum sich nicht in die völlige Indifferenz des jeweiligen Beliebens aufzulösen zu lassen. 354 So verstanden, entspricht das ad placitum den in der scholastischen Terminologie oftmals an dessen Stelle tretenden Wendungen von ex institutione 351 352

353 354

S. Kap. I, Anm. 164f. Vgl. F. TITELMANS, Dialecticae considerations libri sex (1557) 192: „... illae (sc. voces) naturaliter significant, quae apud omnes homines ubique locorum sive gentium, idem significant, ut gemitus quem infirmus emittit, dolorem significat... Canis latratus, significat famem aut iram... Ex naturali enim dispositione et influxu habent illae voces, ut sic apud omnes idem significant. Illae vero dicuntur ad placitum significare, quae non idem apud omnes homines repraesentant."

H. GREVE, Tractatuli sex parvorum loycalium perutiles (vor 1497) fol. A4r. Vgl. J. VERSOR, Comment, in Petri Hispani Summulas (1572) fol. 8r: „... si vox significet ad placitum, sua significatio erit variabilis in infinitum, et sic nulla erit certa cognitio de significatione vocis significativae. ... (8v) ... dicitur quod illud quod sit ad placitum cuiuslibet indifferenter variatur in infinitum, non tarnen id, quod determinate sit ad placitum unius, sicut est vox significativa, quae solum ad placitum primi instituentis."

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Das Zeichen in der Logik der posttridentinischen Scholastik

und ex impositione. Hierdurch kann zwar die im placitum angelegte Vielheit auf eine Einheit gebracht werden. Es bleibt dann jedoch zu erklären, wie diese Einheit sich Allgemeinheit zu verschaffen vermag, d.h. wie der singuläre Willensentschluß zu einem allgemeinverbindlichen wird und der punktuelle Einsetzungsakt synchrone und diachrone Dimensionalität erlangt. Für sich allein genommen reichen die Institutions- oder Impositionsformeln und der Rekurs auf das placitum eines Einzelnen ebensowenig zur Begründung des gemeinschaftlichen Funktionierens von Sprache aus, wie es die augustinische Bestimmung dieser Zeichen als signa data getan hätte. Eine Möglichkeit, diesem Problem aus dem Wege zu gehen, bestand darin, als das tragende Subjekt der Einsetzung oder des placitum nicht einen singulären Sprachinstitutor sondern die Sprechergemeinschaft (communitas) anzusetzen. 355 Damit verlagert sich jedoch lediglich das Problem, bzw. kehrt sich um. Denn so ist zwar die - zunächst zumindest synchrone - Allgemeinheit des placitum garantiert. Es bleibt dann jedoch zu erklären, wie dieses placitum aller sich als ein einheitliches konstituieren konnte. In beiden Fällen wird die Lösung in der Sphäre politischer oder juristischer Begrifflichkeit gesucht. Dort ist es die Autorität, die dem partikulären Willensakt allgemeine Verbindlichkeit verleiht, 356

355

Vgl. JOHANNES BURIDAN, Summulae, tract. 1, hg. v. J . PINBORG ( 1 9 7 6 ) 8 9 : „Sed tu queres quomodo ille voces que sunt nomina et verba sunt ad placitum, utrum ad placitum meum vel tuum. (Dico) quod aliqua sunt (nomina) et verba significativa eorundem et eodem modo uni toti magnitudini communitati: voces latine omnibus latinis et voces gallice omnibus gallicis. Et non est in potestate mea vel tua assignare vel mutare huiusmodi significationem communem, sed hoc fuit in potestate primi imponentis illud ydioma vel primorum imponentium, (qui) ad placitum suum talibus vocibus tales significationes dederunt, sicut et adhuc multi inter se concordes possunt fabricare ad placitum unum ydioma quo uterentur, sicut de illis qui locuntur garganicum [d.h. 'Jargon']."; vgl. J . DORP, Perniile compendium totius logicae ( 1 4 9 9 ) fol. a3vb: „... notandum: quod vox non dicitur significativa ad placitum: quia significet ad placitum meum: vel tuum: aut quia significet ad placitum duorum vel trium: sed quia significat ad placitum totius communitatis vel alicuius habentis auctoritatem in communitate." Vgl. JOHANNES A STO. THOMA, Ars logica ( 1 9 4 8 ) 6 5 5 b 4 7 f : „... impositio et destinatio a república"; vgl. ebd. 6 5 8 b 3 6 ; 6 5 9 a .

356

Vgl. W . MANDERSTON, Compendiosa Dialectices Epitome ( 1 5 2 8 ) fol. b 3rb: „Significare ad placitum ... proprie est significare ex impositione voluntaria alicuius habentis auctoritat e m . " ; vgl. J . TLNCTORIS, Dicta super Summulas Petri hyspani ( 1 4 8 6 ) fol. A8rb: „... ille que significant ad placitum ordinantur ad significandum secundum placitum primi imponentis et habentis auctoritatem impositionis vocis sicut fuerunt patriarche, prophete et ceteri principes quibus est data auctoritas." Ganz ohne die Zustimmung und den Konsens der 'Untergebenen* kommt allerdings auch eine solche 'Autoritätstheorie der Bedeutung' nicht aus. Der Signifikationsdezisionismus wird zwar verschiedentlich recht weit getrieben (vgl. R. DEARRIAGA, SJ, Cursus philosophicus ( 1 6 3 2 ) 182a: „... si vellet Rex ut haec vox ' h o m o ' significaret lapidem, mutaretur illius significatio, eo praecise quod retractavit primam hominum inpositionem liberam, quae iam post retractationem nec moraliter manet."; vgl. Anm. 3 5 8 ) . Aber auch hier gilt, daß der autoritative Willensentschluß gegen den kollektiven Widerstand des Volkes die Signifikation nicht wirksam begründen könnte. Z u r voluntas des Einsetzers muß der consensus subditorum hinzukommen: „...neque in illa volúntate aliam efficaciam agnosco, quam in superioris volúntate, dum mandat ut aliquid fiat, cui

275

Die Theorie der Sprachzeichen hier dagegen der Vertrag oder der Konsens, der die Einheitlichkeit des

placitum

begründet. In beiden Fällen konstituiert der einsetzende Wille die Signifikation der sprachlichen Ausdrücke nach Art eines Gesetzes oder Rechtsinstituts. Z w a r ist das Motiv der Analogisierung von Spracheinsetzung und Gesetzgebung bekanntermaßen alles andere als neu. 3 5 7 D o c h gerade im 1 7 . Jahrhundert scheint das juristische Modell der Konstitution und des Funktionierens von Sprache zum dominierenden Paradigma geworden zu sein. Sprache gilt zumeist als nach Art einer Anordnung oder eines Gesetzes 'erlassen'. 3 5 8 Dabei kann die Sprache insgesamt - teilweise sogar die Rede 3 5 9 - als vertraglicher Verpflichtungszusammenhang erscheinen. Denn allein die aus dem ursprünglichen Stiftungsvertrag resultierende Verpflichtung

(obligatio) aller Mitglieder der

Sprechergemein-

schaft, die sprachlichen Ausdrücke nur gemäß der vertraglich vereinbarten Bedingungen zu gebrauchen, gewährleistet die Verläßlichkeit und Konstanz der Sprache und konstituiert so überhaupt erst die Signifikation der sprachlichen Ausdrücke. 3 6 0 Dieses Modell bot Erklärungsmöglichkeiten für das Problem der

357 358

359

360

tarnen physice possumus absolute resistere, moraliter tarnen tenemur id facere. Unde fateor, si omnes subditi noluissent auctori linguae assentiri, non mansuram eam vocem significativam. Propterea ultra voluntatem illius, requirerem ego consensum subditorum, sicut, ut perseverer ea significatio, requiritur ne populus in universum conveniat ad immutandam eam significationem." (ebd.). Vgl. PLATON, Kratylos 389 a. Vgl. P. HURTADO DE MENDOZA, SJ, Disp. de universa philosophia (1617) 145, vgl. Anm. 120; R. DE ARRIAGA, SJ, Cursus philosophicus (1632) 182a; R. LYNCEUS, SJ, Universa philosophia scholastica (1654) 209b: „... notandum est ..., voluntatem Principis, qua statuit, ut audita quadam voce, certae cuiusdam rei certa ac destinata cognitio in audiente excitetur et in pronuntiante supponitur, efficere posse, ut semper audita ea voce talis habeatur cognitio: ea enim voluntas lex quaedam est: cur ergo a subditis acceptata, et a Principe non retractata respectu sui obiecti efficax esse nequit?" Vgl. O. CATTANEUS, SJ, Cursus philosophicus, t.l (1677) 701: „... locutio est quidam contractus socialis inter loquentem, et audientem unicuique liber, quia unicuique est liberum loqui, vel non loqui, sed hic contractus fundatur in obligatione mutua ex parte loquentis ad non decipiendum auditorem, et ex parte audientis ad fidem habendam loquenti, quia pósito, quod aliquis velit loqui non est sibi liberum se obligare, seu non obligare ad dicendum verum." Vgl. J. Β. GIATTINI, SJ, Logica (1651) 428: „Advertendum ..., quod hic ipso, quod ista signa sunt ad placitum non possent significare commode ad commercia naturae universalis, nisi involvetur obligatio in loquente adhibendi ista signa quando habet tales conceptúe; si enim non daretur haec obligatio in loquente, sed aeque honeste posset quislibet mentiri, certe audiens numquam esset certus, neque probabiliter de ulla re, quam audiret et sic tolleret de medio utilitas vocum et loquutionis. Quare necesse fuit, ut daretur haec obligatio communis qua tenerentur omnes, qui volunt tali idiomate loqui; haec autem obligatio non est quid subsequens ad vim significativam vocum, sed est constituens ipsam vim significativam."; P. DE COMITIBUS, OESA, Philosophia rationales (1671) 498f: „Suppono ex legibus, omnem contractum mutuum, inducere utrinque obligationem, seu titulum onerosum, ex parte utriusque contrahentis... Quare cum institutiones linguarum factae fuerint ex contractu, seu quasi conctractu, quem fere homines inter sese, non adhibendi tales voces, nisi ad hoc obiectum significandum, ones institutiones linguarum induxerunt ipsis contrahentibus, seu

276

Das Zeichen in der Logik der posttridentinischen Scholastik

Fortdauer der Einsetzung, insofern man sich auf die moralische Perseveranz der Willensdekrete berufen konnte. 361 Dem moraliter meutere korrespondiert auf der Ebene der Sprache der die Geltung garantierende usus. Ist der Konsens das Fundament der Signifikation, so ist der Gebrauch die „tacita istius consensus continuano". 3 6 2 Das ad placitum der sprachlichen Ausdrücke bezieht sich also keineswegs auf deren jeweilige Verwendung. Diese ist durch den ursprünglichen Einsetzungsakt und die Gewohnheit bzw. den Gebrauch verbindlich festgelegt. Es bezieht sich nur auf den Akt der Spracheinsetzung oder die ersten Spracheinsetzer. Insofern kann aus der Perspektive der nachkommenden Sprecher die Signifikation als quasi natürlich erscheinen. Und zwar nicht nur, weil die die Konstanz der Bedeutung gewährleistende und den individuellen Spracherwerb begründende consuetudo als „zweite Natur" immer schon eine gewisse Tendenz zur Naturalisierung mit sich bringt, 363 sondern bereits deshalb, weil, wie verschiedentlich be-

instituentibus, et per illos etiam posteris obligationem, illas non adhibendi, nisi quando vere datur illud obiectum, ad quod significandum illas adhibent. ... Significatio vocum consistit formaliter, in connexione morali earum cum veritate obiecti, resultante ex obligatione veracitatis." Wie O. CATTANEUS, SJ, (Cursus philosophicus, t . l (1677) 697f) betont, ist die obligatio veracitatis hinsichtlich der signa complexa durch das Lügenverbot begründet. Aber auch die Signifikanz der einfachen sprachlichen Ausdrücke, die weder Wahres noch Falsches bezeichnen, hängt von dem Vertrag oder der Obligation ab (698): „voces incomplexae, quae ñeque verum, ñeque falsum significant, ... (sunt) significativae rerum dependenter a pacto, seu obligatione." Gegen eine solche Obligationstheorie der Bedeutung' einfacher sprachlicher Ausdrücke wendet sich Giovanni Battista Benedetti. Für ihn gilt sie erst auf der Ebene der Satzbedeutung: Dico ... complexa vocum significatio, quae et dicitur significatio per modum argument!, involvit formalissime obligationem ex institutione tanquam ex lege profectam, ita ut haec ipsa obligatio sit forma significationis"(J. B. DE BENEDICTIS, SJ, Philosophia peripatetica, t. 1 (1688) 518). S. Anm. 3 5 6 . 362 Vgl. D. DERODON, Logica restituía (1659) 4 7 7 : „Vox debet esse communi consensu et usu recepta: Consensus quidem necessarius est, quia est fundamentum et causa significationis: Usus vero requiritur, quia est tacita istius consensus continuatio; unde fit ut vox quae non est in usu, admittat suam significationem: hinc illud tritum, 'verba valent usu sicut nummi'." Vgl. Β. LINGEN, SJ, Cursus philosophicus (1713) 187: „... vox ilia (sc. homo) vim habeat significandi tale animal, praecise per hoc, quod per voluntatem institutoris ad hoc significandum erit assumpta, qua posita accepit, et qua sola nunc ablata perderet vim suam significandi. ... Dixi tarnen: est volitio Instituentis, declarata, acceptata, et moraliter perseverane: Nisi enim ista volitio usuris talis signo innotescat, ab eisque acceptetur, non erit signum proxime expeditum ad significandum... Deinde nisi perseveret moraliter, hoc est deducatur in usum, neque per voluntatem, contrariamve consuetudinem, vel non usum abrogetur, non poterit tale signum exercere porro vim significandi." 361

363

Bei Pierre d'Ailly hat die consuetudo die Funktion, die beiden Ebenen der oratio mentalis, den coneptus vocis und den conceptus rei miteinander zu verbinden. Es besteht eine wechselseitige Konkomitanz, beide Ebenen laufen parallel, aber eben dadurch auch getrennt von einander. Giattini faßt diese Verbindung von Sprache und Denken enger. Ihm zufolge wird durch das häufige Hören einer vox zusammen mit der Wahrnehmung der durch sie bezeichneten Sache vermittels Gewohnheit eine „species complexa" generiert, die, genau wie das Saussuresche Zeichen, sowohl das Lautbild, wie den Begriff oder die Vorstellung der

Die Theorie der Sprachzeichen

277

tont wird, die sprachlichen Ausdrücke gerade dadurch, daß sie ursprünglich willentlich eingesetzt wurden, für die späteren Sprecher nicht ad placitum bezeichnen können. Andernfalls nämlich hätten sich die ersten Spracheinsetzer, da die willentliche Signifikation selbst nicht Gegenstand des die Signifikation konstituierenden Willensaktes sein konnte, zwangsläufig in einen performativen Widerspruch verwickeln müssen. Sie konnten also nur wollen, daß die sprachlichen Ausdrücke den späteren Sprechern gelten 'als ob' sie natürliche Zeichen wären. 364 Das juristische Modell der Begründung sprachlicher Bedeutung bleibt, unabhängig davon, ob als Konsens- oder Autoritätstheorie formuliert, der Annahme eines ursprünglichen Einsetzungsaktes verpflichtet. Eine solche Annahme gerät jedoch, abgesehen davon, daß sie, wenn zur Erklärung des Sprachursprungs verwendet, ihrerseits begründungsbedürftig ist - denn in welcher Sprache wurde der Konsens herbeigeführt, in welcher das Einsetzungsdekret allgemein mitgeteilt? 365 -, in Konflikt mit dem in zunehmendem Maße bewußt werdenden Phänomen der Sprachveränderung. Sache umfaßt; vgl. J . B. GlATTINI, Logica ( 1 6 5 1 ) 4 3 1 : „... generantur ... species complexae talium vocum simul et talium obiectorum ex ipsa consuetudine." - Das ist genau jenes Phänomen, welches auch R. Barthes beschrieben hat; vgl. R. BARTHES, Elemente der Semiologie ( 1 9 8 1 ) 4 3 : „Die Verbindung von Laut und Begriff ist das Ergebnis einer kollektiven Dressur (z.B. des Erlernens der französischen Sprache); und diese Verbindung - welche die Bedeutung ist - ist keineswegs arbiträr..., sondern im Gegenteil notwendig. ... W i r werden also ganz allgemein sagen, daß das Band zwischen Signifikant und Signifikat in der Sprache im Prinzip ein vertraglich festgelegtes Band ist, aber daß es sich dabei um einen kollektiven Vertrag handelt, der in einer langen Temporalität steht ..., und infolgedessen gewissermaßen naturalisiert ist." 364

Vgl. J . B. GlATTINI, SJ, Logica ( 1 6 5 1 ) 4 0 3 f f : »... primo quaerimus, quodnam fuit obiectum voluntatis Antiquorum quando voluerunt, ut haec vox Coelum, significaret hoc obiectum; eadem enim est ratio de caeteris vocibus; etenim antiqui vel voluerunt, quod haec vox significaret naturaliter vel significaret ad libitum; non primum, quia talis vox non habet hanc naturam, ut significet ( 4 0 4 ) hoc obiectum potius, quam aliud; ñeque secundum, quia significare ad libitum est significare ex volúntate ipsorum; ergo si voluerunt, ut haec vox significaret ad libitum, voluerunt suam volutionem, per quam haec vox esset significativa ad libitum. Quid ergo voluit illa volitio, per quam haec vox reddita est significativa ad placitum, certe non potuit velie seipsam; nunquam enim possum velie meum ipsum velie, per quod volo, sed deberet assignari obiectum volitum contradistinctum ab ipsa volitione, a qua denominatur volitum dico, obiectum volitionis antiquorum esse, ut voces se haberent respectu posterorum, ac si essent signa naturalia rerum, quas significant."; J . B. PrOLEMAEUS, SJ, Philosophia mentis et sensuum ( 1 6 9 8 ) 1 4 0 : „Volitio illa (sive lex, sive pactum fuerit) in qua consistit vis significativa doctrinaliter vocabulorum habuit pro obiecto, hoc est voluit, quod in communi hominum aestimatione illa vocabula reputarentur, veluti essent signa naturalia suorum significatorum doctrinalium."

36i

In letzter Konsequenz bleibt jeder Theorie einer ursprünglichen Spracheinsetzung nurmehr der Rekurs auf die göttliche Sprachinstitution oder eine natürliche Gestensprache. Vgl. GERVASIUS VON BREISACH, OCap, Cursus philosophicus ( 1 6 9 9 ) 2 4 1 : „Instabis ... Si nulla voces significent naturaliter, quomodo potuit ill is imponi vis significandi? nam per voces debebant homines convenire de significatione earum. Respondeo 1. id Adam prima vice ex suo placito sine tali conventione fecisse. Resp. 2. id gestibus et aliis signis potuisse fieri...";

278

Das Zeichen in der Logik der posttridentinischen Scholastik

Gerade für dieses Problem konnte das Konzept des signum ex consuetudine einen neuen Lösungsansatz bereitstellen. Es ermöglichte nämlich, daß unter Aufrechterhaltung des juristischen Paradigmas die Gewohnheit die Funktion der mythischen Figur des ersten Sprachgesetzgebers übernehmen konnte. Denn, wie Johannes a Sancto Thoma unter Hinweis auf die Gesetzeskraft des Gewohnheitsrechts betont, die consuetudo vermag mit derselben Autorität eine Sache zum Zeichen werden zu lassen, mit der sie ein Gesetz begründet. Durch sie werden neue Worte in die Sprache eingeführt, die vorher nichts bedeuteten, wie auch viele ehemals signifikative Wörter nichts mehr bedeuten, weil sie außer Gebrauch geraten sind.366 Seine Ausführungen bewegen sich auf dem ihn auszeichnenden außergewöhnlich hohen Argumentationsniveau. Originell indes ist er auch in dieser Frage nicht. Denn bereits bei Clemens Timpler findet sich dieses Erklärungsmodell sprachlicher Signifikation deutlich formuliert. Im Rahmen der Frage „An vocabula sint signa naturalia, an arbitraria" diskutiert Timpler die beiden Positionen der - vermeintlichen - „sententia Piatonis" und der „sententia Aristotelis". Timpler schließt sich der letzteren an. Dabei wird jedoch die traditionelle Formulierung dieser Position deutlich modifiziert. Denn gegenüber dem boethi-

J. B. DE BENEDICT«, SJ, Philosophia peripatetica, t. 1 (1688) 514f: „Dices... sequi processimi in infinitum, si voces omnes ad placitum significent, hoc enim ipsum placitum ostendi aliis debet: nec nisi per voces, aute ergo istae etiam significant ad placitum: atque hoc placitum ostendi prius debet per alias voces etc. aut tandem deveniendum est ad voces naturaliter significantes. Haec difficultas de facto nulla est; omnes enim primitivae linguae a solo Deo institutae sunt, et infusae... Caeterum potuere linguam aliquam primi ipsi homines instituere, suumque placitum ostendere non per aliam linguam, sed per nutus...". Dieses Problem wurde bereits von Johannes Maior eingehend erörtert. Vgl. J. MAJOR, Introductorium perutile inAristotelis dialecticen (1527) fol. 15rb: „... argumentor quod non sit possibile imponere idioma, ponamus Cyrus dixisse tribus comitibus 'volo quod homo significet homines' alij audivissent illas voces: sed eas minime intellexissent quamvis per diem totam noctumque loqueretur. Respondetur, vides sicut primordia scientiarum sunt difficilia traditu... Sic principium huius lingue esset istis difficile. Sed habitis tribus aut quatuor propositionibus, quibus poterant explicare conceptus suos, ut puta 'volumus quod a significet hoc, et b illud', reliqua sunt facilia, potest Cyrus tangere Romulum in pectore pronunciando 'Romulae', et decedere ab eo vocando cum nutu attractivo vocabulo Remulo, alij percipientes hoc vocassent eum Romulum, et sic de alijs nominibus. De pane, demonstrando ilium digito poterant dicere panis, et frequenter postea 'Da mihi panem', et ilio non fuisset intellectus. Sed si panem attraxisset sibi, tunc facile intelligeretur ab alijs, et sic intellexissent 'da mihi vinum', 'da mihi carnes'..." 366

JOHANNES A SANCTO THOMA, OP, Ars logica (1948) 719b: „... consuetudinem habere vim legis. Ergo consuetudo introducens aliquid ad significandum eadem auctoritate introducit rem ilia in signum, qua ipsa lex introduceret. Si autem ex lege publica aliqua vox proponatur in signum, est vere signum ad placitum, quia auctoritate publica instituitur. Ergo consuetudo, quae vice legis subrogatur et auctoritatem legis habet, eodem modo constituit signum ad placitum. Et hoc modo videmus multas voces introductas in república ad significandum, quae ante non significabant, quia non erant in usu, et multa verba modo non significant, quae olim significabant, quia iam abierunt in desuetudinem."

Die Theorie der Sprachzeichen

279

anischen ad placitum, tritt die mehrfach formelhaft wiederholte Figur des „ex usu et consuetudine" massiv in den Vordergrund. Das traditionelle Einsetzungsparadigma der Sprachursprungserklärung wird von der dem deutlich zum Ausdruck gebrachten Bewußtsein einer fortwährenden Sprachveränderung 367 angemesseneren 'Gebrauchstheorie der Bedeutung' zurückgedrängt. Zwar kann in den zur Stützung der aristotelischen Position verwendeten, freilich nicht durchgängig kohärenten Argumenten noch mit dem Konzept der institutio operiert werden; zwar bleibt die Formel des „ex usu et consuetudine" flankiert von der des „ex communi pacto ac consensu" bzw. „ex communi conventione et pacto". Letzteres wird aber offensichtlich nicht mehr im Sinne eines historisch einmaligen Vertragsschlusses interpretiert, sondern in die Zeitachse gedehnt. Die Einsicht, daß der Gebrauch und die Gewohnheit nicht nur für die Veränderung oder Deformation der Sprache, sondern auch für die Gewährleistung ihrer Fortdauer von Bedeutung sind, wäre als solche nicht neu. Der traditionelle Erklärungsrahmen wird jedoch dort verlassen, wo, wie hier, aus der Funktion für die conservatio auf die Funktion für die origo zurückgeschlossen wird: ... v o c a b u l a conservantur usu et consuetudine, n e per oblivionem pereant: E r g o etiam ex usu et consuetudine voluntaría volentium introducta sunt orta. Λ q u a enim causa aliquid c o n s e r v a t o , ab eadem etiam oritur. - ( D i e W ö r t e r werden durch den G e b r a u c h und die G e w o h n h e i t aufrechterhalten, damit sie n i c h t durch das Vergessen zugrundegehen: Also sind sie auch als durch den G e b r a u c h und die willendiche G e w o h n h e i t der sie eingeführt wissen W o l l e n d e n entstanden. D e n n von derselben U r s a c h e her, von der etwas aufrechterhalten wird, entsteht dieses a u c h ) . 3 6 8

Die Signifikation von Sprache erscheint hier aus der Perspektive ihrer Geltung (valor). Aus diesem durch die Begriffe von usus und consuetude bestimmten Blickwinkel aber verblaßt der Erklärungswert der institutio oder impositio zwangsläufig: Geltung läßt sich nicht einsetzen, sondern ergibt sich, bei den Wörtern ebenso wie beim Geld, 369 aus dem allgemeinen Gebrauch.

2. Die Signifikation sprachlicher Ausdrücke Die Signifikation der sprachlichen Ausdrücke, d.h. die „difficilis dubitatio utrum vox significet species apud animam an res" (schwierige Frage, ob der 367 Vgl. C. TlMPLER ( 1 6 0 6 : 3 2 5 ) : „... signa naturalia nunquam mutantur: vocabula autem omnibus seculis et ubique gentium mutari soient. Alia enim antiquantur, alia innovantur, alia intereunt, alia oriuntur. Testis hujus rei est nostra Germanica lingua, quae intra annos ducentos tantam passa est mutationem, ut maiorum nostrorum vocabula hodie audita vel lecta, multa non intelligantur, perinde ac si peregrina aliqua lingua in loquendo vel scribendo usi fuissent." 3 6 8 C. TlMPLER, Metaphysicae systema methodicum libri V ( 1 6 0 6 ) 3 2 5 . 3 6 9 Ebd. 3 2 6 : „... vocabula magnam similitudinem habent cum monetis seu nummis. Ergo sicut monetae valent ex usu communi hominum; ita etiam vocabula."

280

Das Zeichen in der Logik der posttridentinischen Scholastik

sprachliche Ausdruck das Erkenntnisbild in der Seele oder die Sache bezeichnet),370 bzw., wie Scotus sagt, die „magna altercado ... de voce, utrum sit signum rei vel conceptus» (der große Streit über den sprachlichen Ausdruck, ob er Zeichen der Sache oder des Begriffs ist)371 ist in der scholastischen Logik der frühen Neuzeit ein zentrales Thema der Erörterung des Zeichens. Die von Bacon und Scotus aufgewiesene Alternative von res und conceptus markiert dabei nur die möglichen Extrempositionen, zwischen denen sich ein feinnuanciertes Spektrum divergierender Antworten entfaltet. Hierbei lassen sich im wesentlichen vier Positionen unterscheiden, denen zufolge die sprachlichen Ausdrücke entweder (1) unmittelbar die geistigen Begriffe, (2) unmittelbar die geistigen Begriff und vermittels dieser die Dinge, (3) unmittelbar die Dinge oder (4) unmittelbar die geistigen Begriffe und die Dinge bezeichnen. Die Theorie der Konzeptbezeichnung der voces, d.h. die Position, nach der die sprachlichen Ausdrücke vorrangig die geistigen Begriffe (conceptus, passiones, intellectus, intentiones) bezeichnen, konnte sich auf Aristoteles selbst372 sowie die daraus entwickelte boethianische Beschreibung des Ordo orandi berufen.373 Überall dort, wo der ordo orandi nach dem boethianischen Modell präsentiert wurde, bezeichnen die voces, zumindest unmittelbar, die geistigen Begriffe.37'· Unterstützt wurde diese Position durch Augustinus' Bestimmung des verlautenden Wortes als eines Zeichens des inneren Wortes („verbum quod foris sonat signum est verbi quod intus lucet"),375 deren Übernahme zumindest eine starke Tendenz implizierte, letzteres zum vorrangigen Signifikat sprachlicher Ausdrükke zu erklären.376 Weitere Argumente für diese These leiteten sich aus der im

De signis

370

ROGER BACON,

371

JOHANNES DUNS SCOTUS, Ordinatio De int. 16a 2 - 3 .

372 373

374

(1978) 132.

I d. 2 7 q. 1-3, op. omn., hg. C. BALIC ( 1 9 5 9 f f ) 6 . 9 7 .

Vgl. ARS MELIDUNA, in: L. M . DERIJK, Logica modemomm 2/2 ( 1 9 6 7 ) 2 9 8 : „Aristoteles ... causam inpositionis ipsarum vocum recipiens dixit eas esse notas earum passionum que sunt in anima, idest intellectuum. (...) Boecius quoque ipsam causam inposicionis considerane ait eas principaliter significare intellectus, secundario vero res: principaliter, inquit, significant intellectus, idest cum significent intellectus propter ipsos significandos sive exprimendos sunt inposite; secundario vero significant res sive appellant, quia cum significant res propter aliud eas significant, scilicet propter intellectus." LAMBERT VON AUXERRE, Logica,

hg. F. ALESSIO ( 1 9 7 1 ) a 2 0 6 ; AEGIDIUS ROMANUS, Expositio FRANCISCUS DE MAYRONIS, Passus ( 1 4 8 9 ) fol. m 7va; SIGER VON COURTRAI, Comment, in De int., hg. C. VERHAAK ( 1 9 6 4 ) 9; LAMBERTOS DE MONTE, Copulata sup. vet. art. Arist. sec. viam thomist. ( 1 4 8 8 ) fol. 135rab; M . HUNDT,

supra lib. elench. Arist. ( 1 4 9 6 ) fol. l i r a ;

375

376

Comp, totius logices (1507) fol. 18r; E. WoNSIEDEL, Cursus philosophicus (1509) fol. Elva. De trin. X V , 11, 2 0 , C C S L 5 0 , 4 8 6 . Vgl. BONAVENTURA, 1 Sent. d. 2 7 , 2 , 1, 4 E; DURANDUS A S. PORCIANO, 1 Sent. 27, 2, 7 ( 1 5 7 1 ) fol. 7 7 r a ; GRATIADEI ESCULANUS, O P , Comment, in totam artem veterem ( 1 4 9 1 ) fol.

AUGUSTINUS,

i5ra: „...quaeramus utrum dictio significet passionem animae. (...) ad istius quaestionis evidentiam est breviter considerandum quod est duplex dictio: et duplex verbum, quia est verbum vocale quod profertur sensibili voce: et est verbum mentale quod profertur non

Die Theorie der Sprachzeichen

281

Rückgang auf die aristotelische Politik getroffenen Bestimmung der Sprache als des dem Menschen natürlichen Instruments zur Mitteilung seiner Begriffe 377 sowie aus dem Rekurs auf die Spracheinsetzung ab. So bildete nach Abailard der Begriff hinsichtlich des Grundes der Erfindung sowie der Funktion sprachlicher Ausdrücke die vorrangige Bedeutung derselben 378 oder betonte Johannes von Dacien, daß „ad hoc quod vox fiat significativa requiritur conceptus, qui debet significan per vocem" (damit der sprachliche Ausdruck signifikativ werden kann, bedarf es eines geistigen Begriffs, der durch den sprachlichen Ausdruck bezeichnet werden muß). 379 Gleichwohl sind nicht weiter qualifizierte Aussagen, wonach die sprachlichen Ausdrücke die Konzepte bezeichnen, 380 in der scholastischen Tradition nur selten zu finden. In den Texten des 17. Jahrhunderts wird die Position der Konzeptbezeichnung im Rahmen der Auflistung der widerstreitenden Meinungen zwar stets unter Hinweis auf Boethius 381 oder Augustinus erwähnt, scheinbar jedoch nirgends übernommen.

voce sed mente intelligente ipsam rem. Et verbum quidem vocale est signum verbi mentalis: et ad ipsam (sic) significandum imponitur. quia igitur verbum procedit a dicente: sicut est duplex verbum, ita est duplex dicere: unum quidem vocale, quod nihil aliud est quam vocem proferre, et significare id quod dictum est in mente. Aliud vero est dicere mentale quod non est aliud quam mente exprimere id quod menti objicitur. unde cum aliquid objicitur intellectui, et intellectus exprimit in seipso intelligendo illud, dicit tunc ipse intellectus non vocaliter, sed intellectualiter sibiipsi: quid sit illud. Et cum hoc quod dicit primo sibiipsi vult dicere alteri, assumit vocem ad significationem eius, ex quo patet, quod dictio vocalis est signum dicti intellectualis."; C. WLMPINA, Congestio textus nova proprietatum log. (ca. 1498) fol. A 5r. - Ockham hatte sich sich explizit gegen ein solche Verständnis der augustinischen Bestimmung des Verhältnisses von äußerem und innerem Wort gewendet; vgl. Anm. 4 3 2 . 377

Vgl. AEGIDIUS ROMANUS, Expositio in artem veterem (1507) fol. 47vb; JOHANNES DE LAPIDE, Libri artis logice Porphyrii et Aristotelis (Inc. s.a.) fol. I 2v: „Causa autem necessitatis significandi fuit hec: quia cum homo sit animal intellectuale et naturaliter communicativum et sociale: necesse erat ut alteri suas intentiones manifestaret: ideo oportuit esse aliqua signa quibus hoc fieret: imposuit igitur voces ad significandum intellectus"; Β. LECTIUS, Theses logicae de interpretation! (1646) 7f; G. B. GLATTINI, SJ, Logica (1651) 4 2 7 ; Β. F. SCHMIDT, Expeditio dialéctica altera pro signis (1666) 24f: „...illud voluerunt institutores principaliter et immediate significan, quod immediate vellent esse notum illi, cui loquuntur. sed ex natura hominis sociali patet, quod non res, sed ipsos conceptus prineipalius vellent esse notos lilis, cui loquuntur. ergo hos significant." Vgl. E. RUEDORFFER, Salisburgensis thomista phi-

378

losophus (1732) 201f. PIERRE ABAILARD, Glossae ... super Peri ermenias (1927) 3 0 9 ; vgl.

ARS MELIDUNA, S. L . M .

DERIJK, Log. mod.2/2 (1967) 296.

Summa grammatica, hg. A. O T T O , ( 1 9 5 5 ) 1 7 9 . Zeger van Kortrijk, Commentator van Perihermeneias, hg. C . VERHAAK (1964) 9; C . JAVELLUS, Logicae compendium (1555) fol. 17r: „... termini ad placitum significant conceptum intellectus."; Β . MANZOLUS, Dubia super logicam Pauli Veneti iuxta viam realium philosophorum (1523) fol. 19v; F . PLCCOLOMINI, Discursus ad univ.

379

JOHANNES VON DACIEN,

380

SLGER VON COURTRAI,

381

log. (1603) 13. So schon bei JOHANNES DUNS SCOTUS, In primum lib. periherm. quaest., q. 2, op. omn. (1891-95) 1.540b, oder J . DULLAERT, Quaest. super duos libros Peri hermeneias Arist. (1515) fol. 3 va; Vgl. CONIMBRICENSES, S J , Comment, in univ. dial. Arist. (1607) 2. 3 7 ; J .

282

Das Zeichen in der Logik der posttridentinischen Scholastik

D i e v o n d e n s p r a c h l i c h e n A u s d r ü c k e g e l e i s t e t e B e z e i c h n u n g f i n d e t , s o f e r n sie sich ü b e r h a u p t a u f d i e K o n z e p t e r i c h t e t , a n d i e s e n n i c h t i h r e G r e n z e ; a u c h d i e Dinge werden

bezeichnet.

Im

Rahmen

einer vorausgesetzten

unmittelbarem

K o n z e p t b e z e i c h n u n g wird d e m R e c h n u n g getragen d u r c h die F o r m e l , d a ß die voces „res mediantibus conceptibus"

(die D i n g e v e r m i t t e l s d e r B e g r i f f e )

be-

zeichnen. Diese, d e m Modell des semantischen bzw. semiotischen Dreiecks korr e s p o n d i e r e n d e Auffassung382 w u r d e zur 'offiziellen' L e h r e des T h o m i s m u s , 3 8 3 fand aber auch außerhalb desselben Vertreter.384 Sie stellt n i c h t lediglich e i n e E r w e i t e r u n g d e r ' i n t e n s i o n a l e n ' S e m a n t i k

con-

d a r . Z w a r s t i m m t sie m i t d i e s e r h i n s i c h t l i c h d e r F r a g e n a c h

dem

ceptus-These

u n m i t t e l b a r e n Signifikat s p r a c h l i c h e r A u s d r ü c k e ü b e r e i n ; sie w e i c h t v o n i h r a b e r i n s o f e r n d e u t l i c h a b , als sie in aller R e g e l die res als d i e v o r r a n g i g e n Signifikate bestimmt.385

382 383

Die

Konzepte

werden

unmittelbar

(immediate) bezeichnet,

die

IOANNIZ ET ECHALAZ, Philosophia (1656) 218a. Vgl. Kap. II, Anm. 188. THOMAS SUTTON, Commentary on the Categories, hg. A. D. CONTI (1985) 190; MAGISTER CONRAD, Tract, de intentionibus, hg. C. STROICK (1981) 5 4 3 ; DOMINICUS DE FLANDRIA, Quaestionum super XII libros Methaphisice (1523) fol. m 3rb; ANTWERPEN, Loycalia cum commento (1486)fol. Β 5r; LAMBERTOS DE MONTE, Copulata supra veterem artem (1488) fol. 135va; J . VERSOR, Quaest. super totam artem veterem (1494) fol. 60ra; M . POLICH VON MELLERSTADT, Cursus log. comment. (1512) fol. 23vb; JOHANNES A STO. THOMA, OP, Ars Logica (1948) 105 a-b; C. ALAMANNI, OP, Summa philosophiae D. Thomae Aquinatis (1640) 123ab: „... necesse est dicere, quod nomina et verba significant res, et conceptus, sed hos immediate, et per prius, illas vero mediate, mediantibus scilicet conceptibus, et per posterius..." Bei den Thomisten findet sich - anders als bei den Vertretern der Positionen (3) und (4) - entsprechend häufig der ordo significationis in seiner 'klassischen' Form präsentiert. Vgl. D. MASIUS, OP, Comment, in duos lib. Arist. de Int. t . l (1617) 5a; F. MURCIA DE LA LLANA, Selecta circa Arist. dialecticam (1621) 403b-404a.

384

P. FONSECA, SJ, Inst. dial. (1572) 15f: „... conceptus significant res immediate, id est, nullo alio interiecto signo: voces autem intervenientibus rerum conceptibus, quorum sunt próxima signa et notae, ut ait Aristoteles: scripta vero non solum in