Zacharias Werner’s ausgewählte Schriften: Band 13 Zacharias Werners ausgewählte Predigten, Band 3 [Reprint 2022 ed.] 9783112628065

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Zacharias Werner’s ausgewählte Schriften: Band 13 Zacharias Werners ausgewählte Predigten, Band 3 [Reprint 2022 ed.]
 9783112628065

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Zacharias Werner s

ausgewählte -Gchriften. Aus seinem handschriftlichen Nachlasse herausgegeben

von

seinen

Freunden.

Dreizehnter Band.

Einzige und rechtmäßige Original - Gesammtausgabe in 12 Bänden.

Grimma,

»erlag»-Gomvtoir.

18 4 0.

Zacharias Werner s

ausgewählte Predigten. Aus seinem handschriftlichen Nachlasse herausgegeben

von

seinen

Freunden.

Dritter Band. Predigten vom stebenzehnten Sonntage nach Pfingsten bis zum vierten Sonntage im Advent.

Grimma, 18 4 0.

Am siebenzehnten Sonntage nach Pfingsten. Lexrr „Selig ist der Leib, der dich getragen bat, und die Brüste, die du gesogen hast." Luc. 11. Kap., 27. V.

Ueber die Worte will ich heute am Feste des heiligen Rosenkranzes predigen, wenn wir zuvor Gottes Geist um Beistand bitten.

Der goldene Rosenkranz ist wunderschön und ganz. Also singt mau in den Kirchen und bei Wallfahrten. Wenn Einer mit den Erscheinungen in der Natur recht bekannt ist, so wird er am meisten durch den Anblick der aufgehenden Sonne erfreuet seyn. Wenn die Sonne hervorgehet hinter den Gebirgen, ein immer helleres Gelb, dann ein immer dunkleres und herrlicheres Noth wird, endlich als eine feurige Kohle am Himmel steht und die Erde immer mehr und mehr beleuchtet; wenn endlich die Wögelein alle erwachen und ein allgemeines Loblied an­ stimmen , um gleichsam ihren Schöpfer zu loben und zu preisen; da möchte der Mensch auch gleich niedersinken und in das Chor der Vögel einstimmen, um den Schöpfer der schönen Natur, um mit ihnen Gott den Herrn zu lo­ ben, anzubeten und zu danken. Ein weit herrlicherer

1*

4 Anblick ist es aber, wenn man das gläubige Volk beten sieht. Und das Glück hatte ich in meinem jammervollen Leden, ich sah das Volk auf dem Wege und in Mariazell beten mit Inbrunst, und das ist wenigstens für mich, ich weiß nicht wie eß Andern geht, ein Herz erquickender An­ blick. Dieses brauchte ich als Einleitung zu der Erklä­ rung des heutigen Nosenkranzfestes. Im Jahre 1571 wurde die Stadt Wien von den Türken befallen, und im Vertrauen auf die Mutter Gottes durch Gebet des Rosen­ kranzes besiegt. So fetzte Pabst Innocenz glorwürdigen Gedächtnisses daß Fest des heiligen Rosenkranzes ein, quf den ersten Sonntag des Octobermonates. Durch Gebet des Rosenkranzes stärkten sich viele Heilige. Im Jahre

1716 wurde Ungarn auch wieder von den Türken befallen, und gerettet durch Gebet des heiligen Rosenkranzes. Deßhalb hat auch der Pabst Jedem, der den Rosenkranz mit Liebe betet, einen Ablaß von 5 Jahren verliehen. Das ist die Entstehung des Rosenkranzfestes, welche die Kirche jährlich begehet. Ich habe vergangenen Sonntag über die Worte: „ich glaube an Gott" zu predigen be­ gonnen, sprach da erst von dem Finden Gottes, wir fin­ den Gott nicht in der Natur, nicht in uns, nicht in unse­ rer Vernunft, nicht bei Anderen. Wir müssen int6 erst selbst vernichten, unsere Sündhaftigkeit einsehen, uns de­ müthigen; dann finden wir Gott , den allmächtigen lie­ benden Vater. Aber ehe wir den Vater recht kennen ler­ nen, müssen wir die Mutter kennen und preisen. Es ist mir ein erwünschter Zufall, möchte ich sagen, wenn nicht Zufall zu sagen ein Unsinn wäre, da Alles Schickung Got­ tes ist, daß gerade heute an einem Sonntage das Rosen­ kranzfest fällt. Darum wollen wir also heute die liebende Mutter Gottes erst loben, und dann in meinen künftigen Predigten will ich von der Vaterschaft Gottes sprechen. Vielleicht wird mir Gott die Gnade schenken, dadurch

5 eknkge Seelen zu retten, oder für den Himmel zu gewin­ nen. Und ich werde es vielleicht, wenn er mir beistehet, der in dem Schwachen mächtig ist. Ich lege aber nun heute zum Grunde meiner Predigt das Werslein des alten Liedes: Der goldne Rosenkranz Ist wunderschön und ganz.

Der goldne Rosenkranz ist wunderschön, das ist mein erster Theil. Und ganz, das ist mein zweiter Theil. Das wollen wir erörtern, erst flehen wir aber zu der Mutter der Barmherzigkeit. Zu dir flehen wir in allen Nöthen und Anliegen unsers Lebens, du bist jederzeit un­ sere Hülfe, unser Schutz. Bitte, heilige Jungfrau, dei­ nen Sohn Jesus Christus für unö. Sey allezeit Mutter. Du hast ja noch keinen Sünder, der sich zu dir wandte, verstoßen, verlaß auch und nicht. Große Verehrerin der Mutter Gottes, heilige Angela! heilige Ursula! Schützerinnen dieses Tempels. Alle Heiligen Gottes bit­ tet für uns. Der goldne Rosenkranz ist wunderschön. DaS sind herrliche und sehr wahre Worte, ich kenne keine schöneren. Eine Mutier tragt Sorge ihres Kindes. Der Vater über­ laßt das Kindlein der Mutter, er, seiner Arbeiten und Geschäfte wegen, findet nicht Zeit genug, um die Sorge über ein kleines Kind zu übernehmen, übergibt da­ her das Kind der liebenden Mutter, die es geboren hat. Diese nähret eß, pflegt das Kind, wendet Tag und Nacht ihr liebendes Mutterauge nicht davon, sorget dafür, trach­ tet nur immer nach dem Wohle des Kiudleins, erziehet eö endlich. Alles dieses, alle Pflege eines Kindes über­ läßt der Mann seiner Gattin, die freudig und gerne alle Plagen und Sorgen des Kindes wegen erträgt, um end­ lich die große Freude zu haben, das Kind heranwachsen

6 zu sehen, und eß dann zum Engel Gottes zu erziehen. Gott unser Aller Water aber, der brauchte die Pflege sei­ ner Kinder nicht erst der Mutter zu überlassen. Ihn hal­ ten keine Geschäfte ab, er allein erhält, ernährt und erziehet. Aber er erbarmete sich seiner gefallenen Kinder und stellte die Mutter vor unß, die liebende Mutter Gottes. Sie, die allerreinste, heiligste Jung­ frau, hatte er auserkoren zitr Mutter unsers Erlösers, sie, die leuchtende Sonne, sollte uns das Licht der Welt, die Alles erleuchtende, erwärmende und belebende Gnaden­ sonne, Jesum Christum gebären. Und es geschah. Sie brachte das Heil der Welt zur Welt'sie hatte Jesum,, daß Fleisch gewordene Wort, aus ihrem reinen Schooße ohne Schmerzen geboren. Gleich nachdem sie eingewilligt hatte, die Mutter Gottes zu werden, empfing sie Jesum von dem heiligen Geist, und gebar ihn dann im Stalle zu Bethlehem. Brachte Jesum, ihren göttlichen Sohn, den größten Schatz, den sie hatte, Gott im Tempel zum Opfer dar. Unb da weissagete ihr Simon, da fing ihre Reihe von Schmerzen an. Endlich starb er, ihr einziges Kleinod, am Kreuze, sie blieb unter demselben stehen, bat Jesum für das ganze Menschengeschlecht, und brachte da das fürchterlichste Opfer, das schmerzlichste, aber auch herr­ lichste Gott dar. Es heißt: „Jesus ist der Jungfrau erstgeborner Sohn." Er war ihr erstgeborner Sohn, aber sie ist nicht allein seine Muter, sie hat noch viele Söhne. Jesum gebar sie ohne Schmerzen, aber dann, als er am Kreuze für uns starb, als er seinen Geist aushauchte, da gebar sie unter dem Kreuze daß ganze Menschengeschlecht unter den fürchterlichsten Schmerzen. Da gebar sie unS Alle, jeden Menschen zum ewigen Leben, durch, das Opfer, welches sie Gott demüthig darbrachte, durch den Schmerz, den sie bei dem Tode ihres göttlichen Sohnes am Kreuze empfand. Aber ein herrlicheres, ein wunderbareres Opfer

7 ist noch nie und wird nie mehr gebracht werden. Und deß­ halb ist Maria unsere Mutter. Jesus Christus, unser Herr und Erlöser, empfahl das ganze Menschengeschlecht, vnö Alle, seiner Mutier am Kreuze, alß er schon ster­ bend sprach: Weib, siehe deinen Sohn. Unter diesen Worten verstand er, der liebende Herr, alle Menschen. Nnö Alle, jeden Sünder, jeden schon am Rande deß Ver­ derbens stehenden, in der Unbußfertigkeit verharrenden, jeden Menschen, nicht nur uns Christen, sondern Alle, daß ganze Menschengeschlecht empfahl er ihr, Weib, siehe, daß ist dein Sohn. Und dann sprach er nicht, Johannes, sonderns Jünger, das ist deine Mutter. O trostreiche, erquickende Worte, du Mutter Gottes bist unsere Mut­ ter, wir sind deine Söhne. Sie hat Jesum aber aus ihrem eigenen Fleische geboren. Das ewige Wort wurde Fleisch, nahm Fleisch an im allerreinsten Schooße der keuschesten Jungfrau. Nicht aus einem anderen, sondern aus ihrem eigenen Fleische durch Mitwirkung deS heiligen Geistes. Du Mutter der reinsten Liebe, hast Jesum aus deinem eigenen Fleische geboren. Wir, wenn wir treu bleiben bis ans Ende, werden ihn in unserem Fleische schauen, aber du hast ihn aus deinem Fleische geboren. Bitte für uns! Sie ist die Mutter der Barmherzigkeit. Gott ist Richter und ist gerecht, Gott allein ist gerecht, aber Maria, die Mutter Gottes, wenn eß nicht zu kühn gesagt wäre, will nicht gerecht seyn, nur barmherzig. Der Vater ist gerecht, die Mutter aber barmherzig. Sie will nicht Mutter der Gerechtigkeit, sondern Mutter der Barmherzigkeit seyn, unseres mühseligen Lebens Süßig­ keit und Trost, unsere Zuflucht und Fürsprecherin. Wer auf die Mutter Gotteß vertrauet, gehet nicht verloren, und um ein Beispiel zu Leben, so nehme ich das einfachste. Wenn ein Priester eine Generalbeichte eines groben Sün­ ders höret, der lebenslang ruchlos lebte, nun aber Buße

8 zu thun anfängt und in Thränen zerfließet, fragt ihn, wie er auf den Weg der Besserung, zu der Gnade, Buße zu thun, gekommen ist. So werdet Ihr hören, daß der Sünder doch noch ein Fünkchen Liebe zu der Mutter Got­ tes, zu der Mutter der allerreinsten und schönsten Liebe hatte, und sie, die sich aller Sünder erbarmet, bat für ihn und reißet ihn am Ende noch aus den Flammen und führet ihn in die ewigen Freuden, denn sie will Alle selig machen, alle Menschen in den Himmel erheben. Und nun, Gott sey Lob und Dank! ist die Zeit wieder vorüber, wo man die Mutter Gottes vergaß, wo die Liebe zu ihr erstarb, wo man sie nicht mehr als Jungfrau, fonbrai als ein Weib betrachtete, wo man alle Ehrfurcht verlor, diese fürchterliche Zeit ist nun, Gott Lob! ziemlich vor­ über. In Oestreich aber faßte dieses Unglück nicht Wur» zel, und deßhalb sey und ist Oestreich immer gesegnet, weil es zu der Mutter Gottes Vertrauen und Liebe heget. Nun ich darf aber nicht immer bei Ausrufungen stehen bleiben, sondern ich bin Euch Frage und Antwort schul» big. Einige Heiligen versichern, sie hätten Erscheinungen deS bösen Feindes gehabt. Erlaubt mir, daß ich heute mit meinen Reden spazieren gehe. Also ich sagte: einige Heilige versichern, daß ihnen der Urfemd des Menschen­ geschlechtes erschienen sey. Sie sagten, FüchterlichereS könne man nichts sehen noch denken, als die Gestalt deS bösen Feindes und daS Gefühl bei dem Anblicke desselben. Ja sie versichern sogar, sie wollten lieber Mill onen Jahre im Reinigungsfener büßen, als noch einmal eine so furchtbare Erscheinung des Teufels zu haben. Die Qua­ len des Reinigungßfeuers seyen weit kleiner, als die beim Anblicke einer solchen Gestalt. Gott bewahre uns Alle dafür! Ich sage aber nun gerade das Gegentheil davon. Wenn Einer von Euch vielleicht in Rom war, so wird er die Schönheit dieser heiligen und merkwürdigen Stadt

9 wissen und würdigen. Wenn man auf den großen Platz, eingeschränkt mit einer festen Maner, kommt, wo Biele als Märtyrer starben, wo viele Heiligen geschunden und gemartert wurden, und glorreich ihr Leben für den Herrn gaben. Und dann sieht man ein großes Kreuz triumphirend dastehen, durch dessen Kraft sie gesieget haben. Dann kommt man über die Treppe hinauf auf das Kapi» tolium, wo man die Palläste der großen aber grausamen Herrscher ältester Zeit erblickt, deren gräßliches, gottlo­ ses Borhaben oft von Gott zerstört wurde. Dann er­ blickt man den Ort, wo der letzte Götzenaltar stand, an dessen Stelle nun einer der ältesten Tempel stehet. End­ lich kommt man an die große herrliche Peterskirche und in den Batikan, da muß man entzückt die Kunst bewundern, die in diesen beiden Gebäuden im höchsten Grade zu er­ kennen ist. Da hat die Kunst und Wissenschaft ihren höch­ sten Grad erreicht, und, ohne zu übertreiben, man möchte anbetend niedersinken und Gott loben. Das wird Euch ein Jeder, der Rom, Vie herrlichste Stadt, wo sich die

ganze alte Geschichte vereinigt, wo sowohl Kunst, Wis­ senschaft als Schönheit die höchste Stufe erreicht haben, gesehen hat, sagen, und Ihr werdet Euch überzeu­ gen, daß ich Wahrheit rede, wenn ich sage, daß man an­ betend auf die Knie in den Staub sinken möchte. Das ist aber nur ein irdischer, das Auge erquickender Anblick. Gesetzt aber den Fall, die größte Erscheinung erschiene uns, es erschiene uns die übergebenedeiete Jungfrau, die Mutter Gottes und Jesus Christus, die Gnadensonne, wir würden, ich bin überzeugt, von dem Glanze, von der göttlichen Schönheit augenblicklich geblendet, wir könnten vor Wonne diesen Augenblick nicht überleben, wir müßten sterbend niedersinken, denn diese Klarheit, diese strahlende Schönheit könnten wir armen Sünder nicht ertragen. Aber das laß ich dahingestellt seyn. Wir haben aber et-

10 was, worin wir daß Bild der Mutter Gottes und Jesum sehen. Es ist der Rosenkranz. Die fünfzehn Geheimnisse des Rosenkranzes, denn der goldne Rosenkranz ist wunderschön. Wir müssen aber erst noch sehen, was ein Ro­ senkranz ist und was wunderschön ist. Daß Gold ist mit Recht das schönste und edelste aller Metalle, es ist die Sonne der übrigen Metalle Die Rose heißt mit Recht die Königin der Blumen .» ihr Duft sowohl als ihre Ge­ stalt ist herrlich. Rosen geflochten in ein Ganzes, in einen Kranz, ist gewiß sehr schön. Was kann man der Köni­ gin, der Mutter Gottes, der schönen Liebe Schöneres, als einen Rosenkranz winden? Was heißt denn aber wun­ derschön? Was Wunder ist, daß wissen wir nicht, denn

wenn wir etwas nicht wissen, so nennen wir es Wunder. Aber was ist schön ? Wir werfen mit den Wörtern schön, wunderschön, so viel herum, wie mit Kreuzern, und soll­ ten wohl sparsamer damit seyn. Alles was uns gefallt, nennen wir schön und mißbrauchen dieses Wort sehr. Ich will sowohl Gebildeten, als auch dem Wolke das Wörtlein „schön" recht deutlich erklären. Schön ist die Er­ scheinung der reinen Liebe Wohl gemerkt, schön heißt die Erscheinung der reinen Liebe. Daß ist schön. Denket nun nach, was die Erscheinung der reinen Liebe ist, den­ ket, daß sie nur göttlich ist, und seyd daher mit dem Worte „schön" behutsamer Wir nennen Alles, was unsere Sinne, unsere Augen ergötzet, schön, haben sehr unrecht. Denn schön ist nur die Erscheinung der reinen Liebe. Wer das nicht glauben will, der denke recht darüber nach. Wiele glauben es vielleicht nicht, weil sie es nicht mit Handen greifen können, und nennen Alles. was sie nicht mit ihren groben, plumpen Handen betasten können, Lüge. Da müßte die Sonne, welche dort in das Winkelchen scheint, auch Luge seyn , denn Ihr fühlet sie nicht. Aber die Mauer oder einen Eiszapfen, den Ihr mit Euren groben

11 Handen betasten und fassen könnt, würdet Ihr Wahrheit

nennen. Aber das lasse ich nun auch unberührt. Nun wissen wir, was das Herrliches ist der Rosenkranz, und wie wahr die Worte find, der goldne Rosenkranz ist wun­ derschön. Er ist gewunden von fünfzehn herrlichen Rosen, die nie verblühen. Was kann es Schöneres geben, als: Gegrüßet seyest du Maria, du bist voll der Gnaden, der Herr ist mit dir, du bist gebenedeiet unter den Weibern, und gebenedeiet ist die Frucht deines Leibes Jesus, den du Jungfrau von dem heiligen Geiste empfangen hast; den du zur Elisabeth getragen hast; den du Jungfrau geboren hast; den du im Tempel geopfert hast; den du im Tem­ pel wieder gefunden hast. Dieses sind die freudenreichen. Maria empfing Jesus von dem heiligen Geiste. Auch wir empfangen den heiligen Geist, nicht nur am Pfingstfeste, sondern täglich, wenn wir reumüchig und bußfertig um ihn flehen. Er kömmt allezeit zu uns, so wie er die übergebenedeiete Jungfrau überschattete. Dann ging sie gleich freudig zu ihrer Freundin, zur heiligen Elisabeth, und trug Jesum, ihren Schatz mit sich. Durch ihre bloße Gegenwart wurde Johannes im Mutierleibe schon gehei­ ligt. Nur ihre Gegenwart war hinlänglich, um geheiliget zu werden. Dann hatte sie, als reine Jungfrau, Jesum aus ihrem reinen Schooß, daß Kindlem Jesus ge­ boren. Ohne Schmerzen hatte sie ihn geboren, den Him­ mel in der Brust, anbetend lag sie vor dem Kindlein. Und dann ging sie in den Tempel mit ihrem Kindlein und brachte es Gott zum Opfer, das reinste Opfer, das nur gebracht werden kann und worüber keiner unsrer Spötter es wagen darf, nur den Mund aufzuthun. Endlich ver­ lor sie ihn, ihren größten Schatz, im Tempel, und fand ihn wieder. Wir Alle, ich glaube Wenige ausgenommen, haben Jesum auch verloren, suchen ihn immerwährend, aber wenn er uns gnädig ist, so finden wir ihn auch im

12 Tempel, Das sind die freudenreichen Geheimnisse deS goldnen Rosenkranzes. Dann kommen die fünf schmer­ zensreichen. Aye Maria, du Guadenvolle, gebenedeiet ist die Frucht .dMes.Le.LL.es, Jesus, der Blut geschwitzet hat, der gegeißelt, der gekrönet wurde. Der das schwere Kxeuz getragen hat, der gekreuziget wurde und am Kreuze gestorben ist. Das Alles sah sie, wenn auch nicht mit Augen, so in ihrem Herzen. Wie Blut aus der Stirne ihres Sohnes gedrungen ist, wie er mit groben Geißel­ hieben zerfleischet wurde. Wie spitze Lernen in sein hei­ liges Haupt drangen. Wie der zarte Heiland das schwere Kreuz gen Golgatha trug. Und endlich wie er gekreuziget wurde, sie stellte sich unter daß Kreuz und sah ihn sterben. Alles dieses, was ihr Sohn für uns litt, ertrug sie mit gehorsamer Demuth und demüthiger Liebe. Kann es einen schöneren Schmerz geben? Nein! Dieser Schmerz der übergebenedeieten Mutter Gottes ist wunderschön. Alles was wir Schmerz nennen, ist nichts dagegen, und wir müssen nach der Verkehrtheit unseres Herzens sagen: dieser Schmerz ist wunderhaßlich. Jedoch wahrer reiner Schmerz ist uns Vortheilhast, sichender Schmerz führt zum Leben, aber nicht nur allein Schmerz, sondern Gott Lob! es gibt auch noch eine Freute, die zum Leben führt. Einen schöneren Schmerz, als den der seligsten Jungfrau, kann^s nicht geben. Wenn wir Sünder aber diese fünf schmerzensreichen Geheimnisse betrachten, und dagegen unser sündhaftes Leben, so müssen wir wie zermalmt da­ stehen und den nagendsten herzzerreißendsten Schmerz füh­ len. Da kommen uns aber wieder zum Troste die fünf glorreichen Geheimnisse entgegen. Diese sind dann Bal­ sam für das zerfleischte Herz. Der von den Todten auferstanden ist. Der in den Himmel aufgefahren ist. Der

uns den heiligen Geist sandte. Der dich, Jungfrau, in den Himmel ausgenommen hat. Der dich, Jungfrau, ge-

13 krönet hak. Ist das etwa etwas Großes, daß Jesus von den Todten auferstanden ist? Nein, für ihn gewiß und wahrhaftig nicht, aber er hat den Stachel deS Todes zer­ brochen und den Sieg der Hölle vernichtet. Dann ist er glorreich in den Himmel aufgefahren und sitzet zur Rechten des Vaters. Endlich erbarmete er sich unser und sandte uns den heiligen Geist, den Tröster, der ausgehet vom Vater und Sohn. Und endlich nahm er dich, seligste Jungfrau, in den Himmel auf, wo du ewig bei ihm bist. Und dann wurdest du von der heiligen Dreieinigkeit zur Königin der Engel gekrönet. Ach meine lieben Freunde, heißt es nicht in dem Liedlein mit Recht: Der goldne Ro­ senkranz ist wunderschön. Und Ihr Gelehrten und Gebil­ deten, sagt mir, habt Ihr bei Eueren Dichtern, deren große Einbildungskraft Ihr so lobet, habt Ihr in den Werken Euerer großen Dichter so etwas Schönes, so etwas Herrliches gesehen oder gelesen? Nein! das ist nur göttlich. Und wer so zux Mutter Gottes betet, wird erhöret. Sie verlangt nicht einmal fb viel Gebete. Nur Liebe, mir einen Seufzer zu ihr, nur einige Thränen, nicht einmal Worte, das ist ihr schon genug, und sie erbarmet sich unser. Kann man das Schwärmerei nennen, wie viele alberne Gelehrte faseln. Wer, was reine Wahr­ heit ist, Schwärmerei nennt, ist ein Thor, und lasset mich und andere redliche Prediger mit derlei Reden urrd Be­ merkungen ungestört. Ich gehe zum zweiten Theil. Der goldne Rosenkranz ist wunderschön und ganz. Daß er wunderschön ist, haben wir nun gesehen. Aber wie er ganz ist, wollen wir nun noch sehen. Wenn man den Rosenkranz, wenn ihn ein frommer guter Christ betet, was wird er thun? Wird er nur so gleich vom Geschäft Weggehen, und den Rosenkranz beten? Ich zweifle. Wenn das Gebet Frucht bringen soll, so muß man sich doch ein wenig dazu vorbereiten. Man muß sich in die

14 Gegenwart Gottes versetzen und denken, Gott ist überall gegenwärtig, er sieht Alles was man thut-, höret jedes Wort. Gott hat uns nach seinem Ebenbilde erschaffen, und will, daß wir ihm immer ähnlicher werden sollen. Wir

müssen es auch trachten, zu thun, und aus Liebe zu Gott und zu der Mutter Gottes beten, sonst handeln wir wie die Thiere. Die Spinne macht auch ihr Gewebe und die Ameise ihre Wohnungen, wissen aber nicht warum. Wenn aber der Mensch, der Christ, arbeitet oder betet, so muß er wissen warum und wie und zu wem. Ferner muß man vorher über alle seine Sünden Nachdenken und sie bereuen, aus Liebe zu Gott, weil man dadurch Gott beleidiget hat, und sagen: Gott sey mir Sünder gnädig! Ferner sich aller seiner Anliegen erinnern und sie Gott vortragen. Sich seiner Freunde und Feinde erinnern, um ihr Glück, ihre Se­ ligkeit bitten. Wenn Einer allein selig werden wollte, so wäre er strafbar, aber der wahre Christ will Alle mit sich in den Himmel erheben, will nicht allein selig werden. Dann muß man sich besonders aller derjenigen, die noch im Neinigungsseuer büßen, erinnern, und Gott bitten, er möge Alle von ihren Qualen befreien. Und dann kann man den Rosenkranz zu beten anfangen, gleichviel, ob den freudenreichen oder den schmerzenreichen oder den glor­ reichen. Dann wird er herrliche Früchte bringen. Aber nur nicht gleich so ohne alle Vorbereitungen beten, das ist ein Handwerksgebet und das will Gott nicht. Manche Eltern, mancher Hausvater, manche Hausmutter beten mit ihren Kindern den Rosenkranz. Aber wie? Sie zwin­ gen die Kinder mit Harte dazu, ja sogar Manche mit Prü­ gelLegen ihnen das Rosenkranzbeten oft sogar zur Strafe auf. Gehen dann von Geschäften gleich, ohne sich ein klein wenig nur vorzubereiten, zum Rosenkranz­ beten, denken dabei Gott weiß wohin, nehmen darunter wieder andere Geschäfte vor. Heißt dann das beten? Die

15 Spötter haben dann sehr Recht, wenn sie sagen: Der Ro­ senkranz ist schlecht. Der Rosenkranz überhaupt ist nicht schlecht, aber wenn sie sagen: der Rosenkranz, der nur so hingeplappert wird, ist schlecht, da haben sie Recht. Und das Rosenkranzbeten ist sogar in Übeln Ruf gekom­ men, Gott verzeih' mir die Sünde, aber ich muß es deutsch heraussagen. Und warum? Weiler so schlecht gebetet und nur hingeplappert wurde. Sollen wir deßhalb ihn gar nicht beten? Gott verhüte es. Ja aber nicht so ohne alle Vorbereitung, wie ich sagte, daß es manche Hausva­ ter und Hausmütter thun, die'ihre Kinder mit Zank dgzu

treiben. Gott will keine Judenchristen und Judenchristin­ nen, sondern will echte katholische Christen, die Liebe ler­ nen und kennen Eine Mutter lerne doch Liebe und impfe sie dann ihren Kindern ein, lerne sie von der übergebenedeieten Mutter, ermahne ihre Kinder mit liebreichen Worten und nicht mit rauhen, dann wird sie mehr Früchte davon bringen. Sie trachte doch, ihren Kindern ein gu­ tes Beispiel zu geben, denn sie muß ihr Vorbild seyn. Wenn die Eltern nicht mit einem guten Beispiele voran­ gehen , woher sollen dann die Kinder etwas Gutes lernen, und heutzutage ist eß leider der Fall, daß es alte Thoren und Thörinnen gibt, die über das Göttliche lachen, statt daß sie beten und Buße thun sollten. Ihr werdet aber einwenden, ich merke es: da sind die Vorbereitungen län­ ger, als der Rosenkranz selbst, wenn wir uns erst in die Gegenwart Gottes versetzen sollen, wenn wir über unsere Sünden nachdenken und sie bereiten sollen, wenn wir uns erst der Verstorbenen erinnern.sollen. Das werden aber nur die Handwerkschristen sagen. Dazu braucht man nur we­ nige Minuten Der Hausvater, die Hausmutter und die Kinder knieen nieder und sagen: „Mein Herr und Hei­ land, ich danke dir, daß du mir wieder die Gnade erwie­ sen hast und mir diesen Lag schenktest, wo ich dich und

16 deine göttliche Mutter loben und preisen kann. Siehe gnädig auf uns herab, vergib uns alle unsere Sünden und laß uns Gnade finden. Erbarme dich auch aller unserer Freunde und Feinde. Gib unsern Feinden Freunde und lindere den Schmerz unserer Freunde. Sey auch allen Verstorbenen gnädig und barmherzig und besonders er­ barme dich aller derjenigen, die im Reinigungßfeuer schmachten. Herr erhöre unser Gebet. Auch du, Mutter Gottes, wende deine barmherzigen Augen zu uns und bitte allezeit für uns!" Aller Menschen muß man sich erinnern, denn wir können Allen durch das Gebet helfen. Der Christ wird durch das Gebet beinahe allmächtig, möchte ich sa­ gen. Das ist beiläufig die ganze Vorbereitung, und dann wird der Rosenkranz gebetet und Früchte bringen. Ich wiederhole es noch einmal: wer auf die Mutter Gottes vertrauet und sie liebet, der gehet nicht zu Grunde, d.n erhöret sie und bittet, bettelt und flehet bei ihrem Sohne für uns und wird erhöret. Der heilige Anselmus sagt: „Ein Gebet zu der Mutter gerichtet wird eher erhöret, als zu Gott." Das ist ein kühnes Wort, aber auch ein wah­ res. Sie ist die Klammer, an die wir uns allezeit klam­ mern können und müssen, sie ist ein Strick, an den wir uns halten können, wenn wir zu fallen glauben. Ferner sage ich noch einmal: Die heilige Dreieinigkeit ist gerecht, die Mutter Gottes aber nur barmherzig. Sie hat noch Keinen, der zu ihr flehete, verstoßen, sie wird auch noch unsere Mütter seyn. Der heilige Apostel Paulus ermah­ net uns also zu der Liebe der Mutter Gottes: Seyd nicht Kinder der Magd, sondern trachtet Kinder der Freien zu werden. Dann, wenn wir ihr ergeben sind, durch Schmerz sie zu unserer Mutter erworben haben, dann wird unö aber auch eine große Freude zu Theil. Ich will sie Euch noch schnell sagen die große Freude der reinen Liebe zu der Mutter Gottes, zu der Mutter der schönsten Liebe. Dann

17 erhalten wir eine Freude, die nie mehr getrübet, aber im­ mer vermehret wird, denn die Liebe nimmt dann immer mehr zu. Und das ist gewiß eine schöne Freude, dann dürfen wir vor keiner Gefahr mehr zittern, ja nicht ein­ mal vor dem Tod, denn sie verläßt uns dann auch nicht und bittet ihren göttlichen Sohn immer für uns, ja sogar wenn uns Alles anklagt, sie bittet noch um unsere Begna­ digung. Und nun, wenn Gott seinen Segen über diese Worte Libt, so werden sie in manchem Herzen vielleicht Wurzel fassen und Früchte bringen. Und nachdem wir heute unsere Mutter gepriesen haben, wollen wir künfti­ ges Mal, wenn mir Gott beistehet, von Gott dem Vater sprechen, und zu den Worten greifen: Ich glaube an Gott den Water. Amen!

Am achtzehnten Sonntag nach Pfingsten. Text: „Da aber bas Volk dieses sah, fürchtete es sich, und pries Gott, der den Menschen solche Macht gegeben hat." Matttz. 9. Kav. 8. Vers.

Ueber diese Worte deS heutigen Evangeliums will ich heute am achtzehnten Sonntage nach Pfingsten nun predi­ gen, wenn wir zuvor Gottes Geist um Beistand bitten. Der Mensch ist hier auf Erden von Gott mit großer Macht begabt, der Mensch ist Herr aller Thiere. Er hat die Macht, Thiere aller Art abzurichten, zu zahmen. Er kann sogar das größte und gewaltigste Thier, den Wallfisch, durch List locken und dann fangen. Der Mensch kann sich aller Thiere bemächtigen und sie abrichten, sage ich. Das Thier ist allerdings auch gelehrig, ahmet Dinge nach, die es siehet, wie z. B. ein Thier, wel­ ches den Menschen am nächsten kömmt, der Affe, der die XIII. Predigten HI. 2

17 erhalten wir eine Freude, die nie mehr getrübet, aber im­ mer vermehret wird, denn die Liebe nimmt dann immer mehr zu. Und das ist gewiß eine schöne Freude, dann dürfen wir vor keiner Gefahr mehr zittern, ja nicht ein­ mal vor dem Tod, denn sie verläßt uns dann auch nicht und bittet ihren göttlichen Sohn immer für uns, ja sogar wenn uns Alles anklagt, sie bittet noch um unsere Begna­ digung. Und nun, wenn Gott seinen Segen über diese Worte Libt, so werden sie in manchem Herzen vielleicht Wurzel fassen und Früchte bringen. Und nachdem wir heute unsere Mutter gepriesen haben, wollen wir künfti­ ges Mal, wenn mir Gott beistehet, von Gott dem Vater sprechen, und zu den Worten greifen: Ich glaube an Gott den Water. Amen!

Am achtzehnten Sonntag nach Pfingsten. Text: „Da aber bas Volk dieses sah, fürchtete es sich, und pries Gott, der den Menschen solche Macht gegeben hat." Matttz. 9. Kav. 8. Vers.

Ueber diese Worte deS heutigen Evangeliums will ich heute am achtzehnten Sonntage nach Pfingsten nun predi­ gen, wenn wir zuvor Gottes Geist um Beistand bitten. Der Mensch ist hier auf Erden von Gott mit großer Macht begabt, der Mensch ist Herr aller Thiere. Er hat die Macht, Thiere aller Art abzurichten, zu zahmen. Er kann sogar das größte und gewaltigste Thier, den Wallfisch, durch List locken und dann fangen. Der Mensch kann sich aller Thiere bemächtigen und sie abrichten, sage ich. Das Thier ist allerdings auch gelehrig, ahmet Dinge nach, die es siehet, wie z. B. ein Thier, wel­ ches den Menschen am nächsten kömmt, der Affe, der die XIII. Predigten HI. 2

18 Geberden der Menschen nachahmet. Der Affe, wenn er es sieht, stellt sich an das Feuer, wärmet sich an demsel­ ben , läuft um das Feuer und macht allerlei Dinge. Aber es ist noch keinem Affen eingefallen, sich selbst Feuer an­ zumachen. Ferner sind Alle gleich, aber das Thier kann Nicht aus sich heraus, wie der Mensch, der sich emporhebt.

Eine Spinne ist so künstlich wie die andere, ein Hund so gelehrig wie der andere. Das ist aber bei dem Menschen ganz anders. Der Mensch kann Alles erlernen, er kann Alles nachahmen, kann aber auch Manches erfinden. Der Mensch, das Ebenbild Gottes, allerdings ein gefallenes, elendes, aber wieder erlöstes Wesen, hat von seinem Schöpfer hienieden auf Erden -viele Kräfte erhalten. Aber der Mensch muß nicht in sich bleiben, er ist erkoren für das Höchste. Er soll einst göttlich werden. Das sage nicht ich, sondern der große Kirchenlehrer, der heilige Augustinus. Gort ist Mensch geworden, auf daß die Menschen Götter werden. Ferner sagt der große Kirchenlehrer: Der Mensch soll in Allem Gott nachahmen. Der Mensch soll trachten, Gott immer naher zu kommen, denn er ist-sein Ebenbild. Im­ mer soll der Mensch daß Beispiel des Höchsten, seines Schöpfers Gott nachzuahmen suchen. Nun will ich heute einen unendlich großen Gegenstand beginnen und von der heiligsten Dreieinigkeit sprechen, und mit Zittern im ersten Theile zeigen: Wie ist Gott dreieinig? Im zweiten Theile aber: Wie ist der Mensch in sei­ ner Art dreieinig? Also wie ist Gott dreieinig, mein erster Theil. Wie ist der Mensch dreieinig, mein zweiter Theil. Dreieiniger Gott, Water, Sohn und heiliger Geist, stehet mir bei, damit, wenn vielleicht mein Unternehmen unbesonnen, oder etwas zu voreilig war, ich nicht unter­ liege. Gebt mir Kraft und Starke. Heilige Maria,

19 Mutter GotteS, bitte du auch für unS! Heilige Ursula und Angela, Schutzheilige dieses LempelS! Alle heili­ gen Engel und Heiligen Gottes, bittet für uns bei dem großen dreieinigen Gott, damit wir ihn erkennen. Es war heute vor vierzehn Lagen, als ich von Gott zu sprechen anfing, und die Textesworte hatte: „Freund rücke hinauf." Worte, die ich mit vieler Freude gespro­ chen hübe. Diese Lextesworte scheinen nicht viel mit denenvon welchen ich sprach, Zusammenhang zu haben, jedoch ich habe sie nicht ohne Grund gewahlet, denn sie konnten nicht paffender seyn. Einige von Euch werden sich vielleicht zu erinnern wissen, daß in dem Evangelium die Rede von der Demuth war, indem es hieß: Menn du bei einem Gastmahle geladen bist, so setze dich nicht oben an, denn es tönnte ein Vornehmerer als du kommen, und du müßtest weichen, und daß wäre eine Schande; sondern man muß den letzten Platz einnehmen, und dann wird der­ jenige, der dich geladen hat, kommen und sprechen: Freund rücke hinauf, und das wird uns dann eine Ehre seyn. Ich sprach damals von dem Finden Gottes/ Man findet Gott nicht in der Natur, nicht am gestirnten Himmel, nicht bei den Menschen, nicht in unserem Verstände, in unserer Selbstgerechtigkeit/ sondern wenn wir ihn gesucht haben, wir selbst einsehen, wie nichtswürdig wir sind, wie sündhaft, wie elend. Wenn wir einsehen aus dem Grund des Herzens, daß wir uns an etwas weit Höheres, weit über Erde und Staub Erhabenes, an Gott klammern müssen, wenn wir unsere Clendigkeit recht einsehen und den niedrigsten Platz einnehmen, uns demüthigen, denn wir können unS nie genug demüthigen, dann werden wir auch solche Worte hören: „Freund rücke hinauf!" und wer spricht sic? Gott, den wir gesuchet und nirgends, alS in der herrlichen Demuth gesunden haben. Demuth, Selbstvernichtung ist daS Mittel, Gott den Höchsten zu

2*

20 finden. Ehe wir aber Gott den Vater kennen lernen, müssen wir von dec heiligen Dreieinigkeit sprechen, und dann wenn mir Gott beistehet, werde ich künftiges Mal von Gott dem allmächtigen Va­ ter sprechen. Kas heutige Evangelium ist mir aber sehr erwünschet zu meinem heutigen Gegen­ stand. „Der Herr trat in das Schifflein, fuhr wieder zurück, und kam in eine Stadt Seine Stadt war nämlich Kapharnaum, wo er sich meistens aufzuhal­ ten pflegte, und da brachten sie einen Gichtbrüchigen zu ihm, der auf einem Bette lag. Als nun Jesus ihren Glaube» sich, sprach er zu dem Gichtbrüchichigenr „Sey getrost.-mein Sohn, dir werden deine Sünden vergeben." Und die närrischen Schriftgelehrten, die eben so närrisch waren als unsere Gelehrten und Gebildeten heutiger Zeit, diese sprachen unter ein­ ander: Dieser lästert Gott. Als aber Jesus diese gottlosen Worte hörte, wandte er sich zu ihnen, in­ dem Er wußte, daß sie in ihren Herzen immer Arges gegen Ihn, die reinste Liebe trugen, so sprach er zu tiefen Thoren: „was ist leichter zu sagen;

dir werden deine Sünden vergeben, oder zu sagen: steh auf und geh? “ Und dann sprach er zu dem Gicht­ brüchigen, damit die Schristgelehrten sähen, welche Macht des Menschen Sohn hieniedep hat: „Steh auf, nimm dein.Bett und geh in dein Haus." Und er stand wirklich auf, nahm sein Bett, an welches er fest, gekettet war und ging von dannen. Dann staunte und fürchtete sich das Volk, und pries Gott den Allmächtigen. Was ist denn aber eigentlich gicht­ brüchig? Ein gichtbrüchiger Mensch hat alle seine Glieder, er hat den Kopf, Hande, Füße, aber er ist ganz gelähmt, sie können den Kopf nicht rechts, nicht links umdrehen, die Hände nicht zum Kopf

21 bringen'/ geschweige denn zu den Füßen. Da- ist körperlich gichtbrüchig. Wir alle sind aber mehr oder weniger gichtbrüchig, nicht körperlich, sondern geistig, unsere Seele und unser. Herz ist gichtbrüchig. Unser Herz wurde durch die Sünde gichtbrüchig. Und der 'Herr erbarmet sich aber auch über uns und heilet un­ manchmal, ja immer wenn, wir wollen. Aber wir alle sind gichtbrüchig durch unsere Jämmerlichkeit, un­ sere Nichtswürdigkeit, unser gelahmte- Herz erhebet sich nicht mehr frei und liebend zu Gott, denn un­ sere Sündhaftigkeit ist zu groß und hat die Liebe in uns ersticket. Die Grundlage unseres Herzens ist un­ sere Nichtswürdigkeit, sagte unlängst ein verehrter Freund von mir, und daö ist sehr wahr. Das Beste waS wir noch thun können ist, daß wir unsere Nichts­ würdigkeit einsehen, daß wir einsehen, wie elend, wie schlecht- wie nichtswürdig wir find. Daß wir also unsere Nichtswürdigkeit einsehen, daß ist VaS Beste das wir thun können. Aber daß wir nichts­ würdig sind und es nicht einsehen, daß ist schlecht, sehr schlecht, das ist dumm, absurd, obwohl es der Fall bei vielen von unseren gelehrten Herren ist, die sich für äußerst tugendhaft, gelehrt dünken, und nichtswürdig,' elend sind. Denn die Selbstgerechtig-

keit macht uns noch schlechter. Das Mittel ist noch daß wir unsere Elendigkeit erkennen und bekennen. Wenn wir uns dann für recht schlecht, wie wir auch jetzt find, erkennen, und uns demüthigen, wenn wir einsehen, daß wir uns an etwas klammern müssen, wenn wir nicht mehr zu dem Schöpfer flehen können, finden wir den Vater, Gott den Mater. Wenn auch unser Glaube nicht fest ist, so siehet der liebende Vater auf den Glauben der Anderen, auf den Glau­ ben derjenigen, die ihn mit ihrem Blut bezeuget ha-

22 den, auf den Glauben der Millionen Märtyrer, und erbarmet sich unser. Der Gichtbrüchige, von dem im heutigen Evangelium die Rede ist, hatte einen elen­ den jämmerlichen Glauben, er wollte nur gesund ge­ macht werden, gedachte aber nicht, daß seine körper­ liche Gichtbrüchichkeit weit kleiner als die seiner Seele ist, daß er vielleicht seiner Sünde wegen krank ist. Das ist bei uns nicht besser, wir wollen vergnügt seyn, Zufriedenheit, Glück, Gesundheit, Freunde, Schätze, alles Mögliche, erwägen aber nicht, daß un­ sere Nichtswürdigkeit an unserer -Unzufriedenheit und Friedlosigkeit Ursache ist-, wären wir fromm, so hätten wir den Frieden. Aber da Gott überaus barmherzig ist, so siehet er auf den Glauben der Anderen, so wie bei dem Gichtbrüchigen, und spricht: sey getrost mein Sohn, dir werden deine Sünden vergeben. Dieses ist wohl weit größer als zu sagen, „steh auf, nimm dein Bett und geh in dein Haus." Und Kraft, diese Worte, deine Sünden sind dir vergeben, zu sprechen, gab Jesus seinen Aposteln, diese den Bi­ schöfen , und durch Hände Auflegen und Gebet ^Geben diese wieder diese Kraft den Priestern- Sünden zu ver­ geben und zu taufen. Und der Water erbarmet sich unser und sendet seinen eingebornen Sohn unsern Erlöser Jesus Christus voll der Gnade und Wahr­ heit, in die Welt. Und dieser endlich als er in den Himmel auffuhr, sandte den heiligen Geist, uns zur Stärkung, zur Kraft, zum Troste, da haben wir nun die heilige Dreieinigkeit, gleich an Eigenschaften, nur verschieden an Person. Der Vater ist von Ewig­ keit her. Der ist von dem Water nicht erschaffen, nicht geboren, sondern erzeuget, und der heilige Geist gehet vom Water und Sohne aus. Es giebt nicht drei Götter, sondern einen Gott in drei Personen.

23 Der Vater ist ewig, der Sohn ewig, der heilige Geist ewig, doch nicht drei ewige, sondern einer in drei Personen. Der Vater ist unendlich, der Sohn unendlich, der heilige Geist unendlich; doch nicht drei sind unendlich, sondern einer in drei Personen. Der Water ist allmächtig, der Sohn allmächtig, der hei­ lige Geist allmächtig, doch nicht drei sind allmächtig, sondern einer in drei Personen u. s. w. Dem Va­ ter schreibet man die Kraft, dem Sohn die Weis­ heit, und dem heiligen Geist vorzüglich die Liebe zu. Nicht daß die Kraft ohne Weisheit und Liebe ist, die Weisheit ohne Liebe und Kraft, und die Liebe ohne Kraft und Weisheit. Aber diese Eigenschaften hat die Kirche jeder Person vorzüglich beigelegt. Dem Water als Schöpfer die Kraft. Dem Sohn als Lehrer die Weisheit, dem heiligen Geiste.als Tröster die Liebe. Au diesen drei göttlichen Personen, zu der heiligen Dreieinigkeit muß sich das Ebenbild Gottes erheben, und um Gnade flehen. Ferner findet der Mensch in allem in der ganzen Natur die heilige Dreieinigkeit, er erhebet seinen Blick gen Himmel und erblicket das Herrlichste, die Sonne, erblickt ihren Glanz, Warme, Licht, sollten also drei Sonnen seyn? aber es ist nur eine, die diese drei Kräfte hat. Der Mensch denkt, hat Gedanken, und erfreuet sich der Gedanken, und es ist immer dasselbe, die Denkkraft. Mehr kann man die heilige Dreieinigkeit nicht ergrün­ den. Die heiligen Väter, die alle Hochachtung für die heilige Dreieinigkeit hatten, sie sagen mit Zittern folgen­ des. Der Vater ist von Ewigkeit, von dessen Daseyn konnten sie nichts sagen. Dann blickte Gott sein herrliches, allmächtiges Bild mit Freude und Wohl­ gefallen daran und daö war der Sohn. Endlich Va­ ter und Sohn liebten sich, und als Gott liebten

24 sie sich mit der reinsten heiligsten Liebe, und diese Liebe zwischen Vater und Sohn ist der heilige Geist, und also ist die heilige Dreieinigkeit. Das ist Alles was die erleuchtetsten und heiligsten Kirchenvater von der heiligsten Dreieinigkeit sagen , und zwar mit Zit­ tern und Beben und sie setzen immer hinzu: O du Meer, du unermeßlicher Abgrund, wer kann in Dich dringen, wer kann Dich ergründen, sey uns gnädig. Und wir armen Menschen können nichts mehr sagen, wir müssen nur immer ausrnfen: O Heiligstes! Drei­ einigkeit, wir wollen es nicht wagen Dich zu ergrün­ den, aber sey, uns nur gnädig und barmherzig , da­ mit wir einst von Dir Vater, Sohn und heiliger Geist, mit der Krone der ewigen Freuden gekrönet werden. Wir können Dich ewig nicht ergründen, aber ewig er­ blicken und schauen können wir Dich, wenn wir treu bleiben bis ans Ende, und Du uns gnädig bist. Das ist Alles was ich Euch von der heiligen Dreieinigkeit zu sagen hatte und sagen konnte, mehr konnte und durste ich nicht über dieses unergründliche höchste Ge­ heimniß sagen. -Mehr darüber zu sagen wäre. Frevels und besonders an einer Stelle wo ich stehe, wo ich jedes Wort mit Zittern nnd Beben ausspreche, und jedes mit dem größten Bedacht abwägen muß, da­ mit ich nicht ein unwahres, oder unbesonnenes Wort ausspreche ES war -war sehr wenig waS ich Euch gesagt habe, aber der Gegenstand ist so unendlich groß und wichtig, daß wir arme Menschen nicht mehr zu sagen wagen dürfen, da doch die größesten Kirchenväter nicht mehr sagten. Nun wollen wir, waS weit verständlicher und trostreicher für uns ist, im zweiten Theile von der Dreieinigkeit des Menschen sprechen

25 ES ist viel trostreicher für uns, daß wir von dem Verständlichen sprechen, als von dem was wir- nicht ergründen können, wir wollen daher nun von und sprechen, wie wir dreieinig sind. Die heiligen Kirchen­ väter theilten die Dreieinigkeit des Menschen in drei Gaben: Daß Gedächtniß, die Vernunft und den Willen. Ihr werdet nur wohl alle, meine lieben Freunde, einräumen daß ich nicht von dem Gedächt­ niß spreche, was man gewöhnlich Gedächtniß nennet^ ich spreche von dem nicht, ob ich gestern spaHieren gegangen bin, oder ob ich vorgestern etwas Gutes ge­ gessen habe. Ich spreche nicht davon. DaS Gedächt­ niß erinnere uns, daß wir nach dem Ebenbilde Gottes geschaffen sind und das sagt uns das Gewissen. Daß Gedächtniß füllt die Kluft zwischen Sollen, Können' und Müssen, und unserem Thun oder Han­ deln anS. Das Gewissen sagt uns was wir thun sollen, was gut und böse ist, was wir meiden oder thun müssen. Ferner daß wir das Gute was zum Heile führet, thun müssen. Ferner daß wir ersteres thun können, wenn wir es wollen, und daß wir nur das Wahre, Echte, Reine sollen. Das sagt das Gewis­ sen, und das sagt uns daß Gedächtniß. Der Ver-, stand urtheilet darüber, zersetzet unS das Gute, die Nothwendigkeit desselben, lehret uns daß Christen­ thum. Und endlich der Wille muß der Hausknecht, wenn ich sagen soll, von dem Gedächtniß und dem Verstand seyn, Alles was diese ersteren vorschreiben, was der Verstand für gut findet, das muß der Wille ins Werk bringen. Diese drei Gaben hat ein jeder, mehr oder weniger, keiner ist davon ausgenommen. Einem jeden sagt sein Gewissen, daß ist gut, das schlecht. Eß werden hier unter denen, die in diesem Kirchlein versammelt sind, einige gelehret, gebildet, andere

26 wieder weniger gebildet seyn. Aber zwischen uns Al­ len ist kein Unterschied; ein jeder, der Ungebildetste kann das Gute von dem Bösen unterscheiden, ein jeder hat Verstand, darum wenn endlich einmal die Dummheit von Redensart von gelehrt, gebildet, ver­ ständig, ungebildet, vornehm und derlei Dingen im Christenthums aushörete, denn es ist Albernheit; vor Goll ist kein Unterschied, nur zwischen dem from­ men Gottesfürchtigen, und dem gottlosen Bösewicht. Ferner sagt daß Gewissen durch das Gedächtniß ei­ nem jeden den Unterschied zwischen dem Wahren und Falschen, zwischen dem Grtten mw Bösen, zwischen dem Reinen, Echten und Unreinen.' Das kann ein jeder un­ terscheiden, er braucht nicht erst gelehret zu seyn. Ein jeder siehet auch das ein was gut und böse ist. Mancher thut das Böse, weiß daß eß schlecht ist, verabscheuet es bei Anderen, halt es aber-bei sich für Lugend. Der Volksbetrüger genannt Wucherer, lauft auf die Börse, sagt da, es wird Krieg mit Rußland oder Preußen, um nur seinen Beutel zu fül­ len. Wenn man ihm von Wucher spricht, so verabscheuet er ihn, und will den Namen Wucherer nicht tragen. Und geschweige denn erst der Abscheu der Menschen vor dem Kuppler. Der Wucherer weiß sehr gut, daß Wucher schlecht ist, halt es aber bei sich für keine Sünde, und das macht den Menschen zum Lhier. Betrachtet einmal die sieben Todsünden; aber von den Todsünden haben wir jetzt nicht Zeit zu sprechen. Aber betrachtet sie einmal, machen sie uns nicht zum Thiere? Ja, die Lodsünden machen uns ganz zum Thiere, diese haben wir ganz mit dm Thieren gemein. Und so sehr ich Euch alle meine, lttben Freunde verehre, so werdet Ihr mir Alle, keinen ausgenommen, eingestehen, daß Ihr Alle in Euerem Leben schon ein Lhier wart, so

27 thierisch habt seyn wollen, mich mit .eingeschlossen. Wenn wir Böses oder Uebles thun, einsehen, daß eS schlecht ist, es aber beschönigen, so wollen wir ein Thier seyn, und sind es auch, ja noch ärger, denn wir haben Verstand und handeln thierisch; das Thier hingegen handelt vernunftlos, es zerreißt den Men­ schen ohne zu wissen daß es übel ist. Also davon ab. Das Gedächtniß, nicht das was uns der Schöpfer in den Kopf eingegraben hat, sondern was er uns in das Herz geleget hat, sagt uns schon wie wir han­ deln müssen als Gottes Ebenbild um Gott nachzu­ ahmen und nicht wie ein Thier. Und dazu braucht man nicht gelehret zu seyn. Ich kenne alte Bauern­ frauen, die weder lesen noch schreiben können und verehre sie, die besser verstehen was ich predige als manche gelehrten Herren, welche sagen, es ist ein.gro­ ßer Unterschied zwischen einem Gelehrten und vielleicht einem'Kamschadalen der nichts gelernt hat. Eben so wenig, ein Unterschied zwischen einem Christen und ei­ ner Christin ist, eben so wenig ist zwischen dem Un­ menschen möchte ich sagen und dem Kamschadalen, den du verachtest, ein Unterschied. Im Gegentheil wenn man ihnr daS lernte was du gelernet hast, so wird er ein guter Christ, wahrend du Gelehrter nur den Titel Christ unverdienter Weise trägst Ich bitte Euch um Verzeihung, und Ihr werdet mir wohl verzeihen, meine lieben Freunde des Volkes, wenn ich in ewigen meiner Predigten wie zum Beispiel in der heutigen, nicht trachte Euch zu rühren, Thrä­ nen abzulocken. Das ist nicht mein Zweck. Ich will Euch christlich denken lernen und das ist der Zweck meines beinahe sieben Jahre langen Wirkens hier in Wien. Christlich denken will ich Euch lernen. Also daS Gedächtniß ist das Erste und Nothwendigste, und

28 daß ist die Stimme des Gewissens. Der Verstand urtheilet darüber. Aber wir müssen auch unsern Ver­ stand nur mit dem Guten nähren, das stärket ihn zum ewigen beben, und nicht mit albernen Dingen unserer Zeit, was ihn verdirbt für das Höchste. Dann kommen uns mir fast zeitliche vergängliche Dinge j» den Sinn, verschiedene böse Gedanken. Und wenn nun endlich einmal der dumme Spruch: Gedanken sind zollfrei, aufhörete. Es ist falsch. Gedanken sind, nicht zoll­ frei. Wenn sie unvermuthet kommen, dann ja, denn dafür können wir nicht, und wenn uns die gottlose­ sten Gedanken kamen-- es ist keine Sünde, wenn wir ihn gleich außschlagen. Wir müssen aber darüber nicht nachsinnen, und brüten und grübeln, und lange daran erklären, ihn gleich für Zeit und Ewigkeit ver­ bannen. Denn daß Nachdenken darüber macht ihn zur Sünde, und wenn wir durch diesen Gedanken gesündiget haben, die Sünde gleich bereuen. Wiele kom­ men aber alle Augenblicke beichten, und es ist immer dieselbe, immer dieselben Sünden, gar keine Besse­ rung, und wenn man dann diesen Herren und Frauen auf den Grund dringt, so siehet man wie schwarz es in ihrem Innern ist. Wir sagen manchmal in und außer dem Beichtstuhl: Gott sey mir armen Sünder gnädig, denken aber nicht dabei was für große Sünder wir sind, sagen es nur g^.s RedensArt , und das hilft nicht. Wieder Andere kommen vor lauter Weinen, Heulen, Schreien, Jammern, Angst was weiß ich gar nicht zur Besserung, können sich wegen Betrübniß gar nicht aufrecht richten. Das ist auch nicht recht. Wir müssen um gut zu leben un­ ter der Gegenwart Gottes leben, Gott vor Augen haben, und" dazu empfehle ich die gute Meinung jeden

Morgen.

Nicht nur einige Water Unser und Ave Ma-

29 ria, obwohl eS auch gut ist wenn wir eS thun, son­ dern die gute Meinung jeden Morgen und des AbendRechenschaft von unserem Lebenswandel ablegen. Jeden Morgen sagen: Mein Herr, du hast mir wieder einen neuen Lag geschenket, an dem ich dich loben kann, wo ich vieles, was ich versäumet, wiederholen kann unter deinem Beistände, wo ich manche Lugend mir wieder eigen machen kann, und manches Laster aus­ rotten will, wenn du mir Gnade verleihest. So stehe mir denn zu meinen heutigen Unternehmungen wieder bei, damit ich im Guten weiter komme, und zu dei­ ner Ehre diesen Tag vollende. Dann recht über seine Sünden die uns das Gedächtniß hervorrust, nachden­ ken und sie zu meiden sich vornehmen, diese gute Meinung den Lag über erneuern, und dann muß der Hausknecht, der Wille herbei eilen, und es auf Anordnung ins Werk bringen. Und des Abends wie­ der strenge Rechenschaft von Allem was den Lag über geschehen ist, ablegen; das hast du dir vorgenommen zu thun, hast du eS auch wirklich gethan? hast du deine Pflichten gewissenhaft erfüllet? Hast du unter den Augen Gottes gewandelt? Hast du deine Lieblittgssünden gemieden? Bist du in den Lugenden und Frömmigkeit weiter geschritten? Hast du nichts Bö­ ses gethan? und dann Reue über die begangenen Sünden erwecken. Und in Ausführung des Guten im­ mer weiter schreiten, nie stehen bleiben; denn wer stehen bleibet, der gehet rückwärts; immer vorwärts gehen, die heilige Dreieinigkeit ist keinem Menschen, der sich des Guten befleißet, abhold; sie hilft ihm immer und am Ende siegen. Das muß täglich ge­ schehen; man braucht zu dieser guten Meinung und Erforschung nicht erst viele Worte zu suchen, sondern nur einige kräftige Gedanken. Ferner wird kein from-

30 mer echter Christ allein wollen selig, sondern sagen, du, du, du, du, sollst auch selig werden, trachte darnach, alle Menschen müssen wir suchen auch zur Seligkeit zu bringen, und das wird der Mensch, der alle seine, drei Gaben, mit denen ihn Gottt ausge­ rüstet hat: Gedächtniß, Verstand und Willen verei­ nigt und nicht missbraucht. Sie werden nicht denken wie Manche, die nur an dem Irdischen kleben. Die glauben: wenn ich, der ich als gelehrt bekannt und verehret bin, christlich dachte, so würde ich von mei­ nen Freunden und Verehrern, die Dummköpfe sind, als ein Dummkopf verlacht-werden. Oder wenn ich angestellt wäre, so würde mir mein Oberer, der ein Heide, ein getaufter ist, abhold, wenn ich ein we­ nig christlich dächte und das könnte mir in meiner Cariere schaden. Oder warn ich ein Wucherer wäre, so könnte ich meinen lieben Kinderleins kein so großes Vermögen zum Schwelgen und Verschwenden hinter­ lassen, wenn ich christlich wäre. Oder wenn ich eine schöne Dame wäre, so könnte ich weniger gefallen, wem ich christlich wäre, da doch die Dame, da sie auch nur ein Mensch ist, sollte erst suchen Gott zu gefallen. Oder wenn ich ein junger gebildeter Mensch wäre und ein wenig christlich dächte und wäre, so könnte ich nicht Alles so aburtheilen und verwerfe» wie jetzt. Ach ich bitte Euch, Ihr armen Leute, den­ ket doch, daß Ihr so wie wir Alle nicht von dieser Welt seyn, daß wir nur hienieden für die Ewigkeit erzogen werden. Erwäget doch den Satz: „was nützet es mir wenn ich die ganze Welt gewönne, aber Schaden an meiner Seele leide." Denket nur daran, damit wenn Ihr Euer Leben Hingebet, Ihr am Ge­ richte Euere verlorene Seele nicht mehr retten kön­ net, erörtert doch das, denn sonst gehet IHv zu

31 Grunde. Der gute Christ aber, der seine drei Gäben nicht verschwendet, wird nicht so sprechen und han­ deln tote die Mitmenschen, sondern wird christlich seyn', und trachten christlich zu werden, und wenner deßhalb auch von anderen dummen Leuten als dumm und narrisch erkläret wird. Und wenn sie sündigen, so spricht Jesus zu ihnen, so wie im heutigen Evan­ gelium zu dem Gichtbrüchigen: Mein Sohn sey.ge­ trost, deine Sünden sind dir vergeben,-steh auf und wandele. Und er wird sich erheben, und anbeten, er wird mit Liebe beten: ich glaube an Gott den all­ mächtigen Vater. Amen.

Am neunzehnten Sonntage nach Pfingsten. Tert.

„ZachauS stieg auf einen wilden Feigenbüum, damit er Jesum sehn möchte, weil er daselbst vorüber gehen müßte."

Ueber die Worte deß heutigen Evangeliums am Kirchweihfeste, will ich nun an eben demselben Feste zu Euch predigen, zuvor will ich aber in Euerer Ver­ einigung Gott um Seinen heiligen Geist anflehen. „Ich sahe, spricht der große heilige Johannes, der Lieblingßjünger Jesu Christi, der in Seinem Schvoße lag, ich sahe, spricht Johannes in seinem heiligen Buche, genannt die Offenbarung, in welchem die Him­ melsschlüssel verborgen sind, ich sahe die heilige Stadt, das neue Jerusalem, von Gott aus dem Himmel herabfahren, sie war wie eine Braut gezieret, die für ihren Bräutigam geschmücket ist. Und ich hörete

eine starke Stimme von dem Throne herab, die sprach: Sieh da den Tabernakel Gottes bei den Menschen, und er wird bei ihnen wohnen; sie werden sein Volk

31 Grunde. Der gute Christ aber, der seine drei Gäben nicht verschwendet, wird nicht so sprechen und han­ deln tote die Mitmenschen, sondern wird christlich seyn', und trachten christlich zu werden, und wenner deßhalb auch von anderen dummen Leuten als dumm und narrisch erkläret wird. Und wenn sie sündigen, so spricht Jesus zu ihnen, so wie im heutigen Evan­ gelium zu dem Gichtbrüchigen: Mein Sohn sey.ge­ trost, deine Sünden sind dir vergeben,-steh auf und wandele. Und er wird sich erheben, und anbeten, er wird mit Liebe beten: ich glaube an Gott den all­ mächtigen Vater. Amen.

Am neunzehnten Sonntage nach Pfingsten. Tert.

„ZachauS stieg auf einen wilden Feigenbüum, damit er Jesum sehn möchte, weil er daselbst vorüber gehen müßte."

Ueber die Worte deß heutigen Evangeliums am Kirchweihfeste, will ich nun an eben demselben Feste zu Euch predigen, zuvor will ich aber in Euerer Ver­ einigung Gott um Seinen heiligen Geist anflehen. „Ich sahe, spricht der große heilige Johannes, der Lieblingßjünger Jesu Christi, der in Seinem Schvoße lag, ich sahe, spricht Johannes in seinem heiligen Buche, genannt die Offenbarung, in welchem die Him­ melsschlüssel verborgen sind, ich sahe die heilige Stadt, das neue Jerusalem, von Gott aus dem Himmel herabfahren, sie war wie eine Braut gezieret, die für ihren Bräutigam geschmücket ist. Und ich hörete

eine starke Stimme von dem Throne herab, die sprach: Sieh da den Tabernakel Gottes bei den Menschen, und er wird bei ihnen wohnen; sie werden sein Volk

32 seyn, und Gott selbst wird bei ihnen und ihr Gort seyn. Er wird alle Thränen von ihren Augen wi­ schen, und es wird kein Lod mehr seyn. Das sind die herrlichen Worte Johannes, (^offenbaret von Gott. Es ist nicht die 3Kde von einem aus Holz verfertig, len Tabernakel, sondern wir Menschen sollen der La» bernakel Gottes seyn, sein Herz soll der Tempel deS Allerhöchsten seyn, sein Herz soll die Wohnung deS liebenden Gottes seyn, in welches die heiligste Drei» einigkeit einziehet, von der wir voriges Mal spra­ chen. Meine lieben Freunde, die meine Predigten fort» gehend besuchen, werde ich erinnern: daß ich nun in meinen Predigten, wo ich die Christenlehre zu erläutern mit Gott vorgenommen habe, daß ich nun die Lehre von Gott begonnen habe. Heute vor vierzehn Tagen aber, bei Gelegenheit des Rosenkranzfestes haben wir unsere Mutter gepriesen, und recht zu erkennen ge» suchet. Dann wollten wir zu der Lehre von Gott dem Water schreiten, mußten aber zuvor noch von der heiligen Dreieinigkeit sprechen. Ich habe sie voriges Mal, ich kann wohl sagen, mit Furcht und Jittern, anzudeuten versuchet, sprach aber nur sehr wenig da­ von, indem es viel zu erhaben und groß für uns ist. Heute aber als am Kirchweihfeste lieget es mir gar nicht fern, auch von diesem Feste etwas zu sagen. Ich will aber nicht vom eigentlichen Kirchweihfeste handeln, auch nicht von der Gemeinschaft der Hei­ ligen, die die Kirche ausmachen, denn davon werbt ich am Feste Aller-Heiligen sprechen, auch nicht von der Kirche, denn wenn ich es erlebe, wills Gott, so werde ich ohnehin in meinen weiteren Katechismus­ predigten daraus zurückkommen, ich will sprechen wie wir unsere Herzen zu Tempeln Gottes weihen sollen, ich will Euch das an dem Beispiele zwei Gott erge-

33 dener heiliger Seelen zeigen, denn wir müssen immer nur von Anderen sprechen, uns das Beispiel Anderer vor­ legen, denn unsere Eigenliebe und unser Stolz er­ laubet nicht, daß wir uns demüthigen. Also ich will Euch im ersten Theile zeigen zwei Gott ergebene Seelen, große Heilige, deren Herzen Tempel Gottes waren. Im zweiten Theile aber: Wie wir uns zu Tempeln Gottes erziehen müsse«. Heilige Maria, Mutter Gottes, Tochter des Vaters, Mutter des Sohnes, Braut des heiligen Geistes. Stehe uns bei! Bitte Deinen göttlichen Sohn Jesum Christum für uns um seine Gnade, da­ mit unsere Herznr Ihm allezeit ergeben seyen, und damit Er allezeit bei uns bleiben möge bis an das Ende. Heilige Apostelfürsten, Petrus und Paulus, bittet für uns! Heilige Ursula, deren Fest die Kirche heute begehet, heilige Angela, Schützermnen dieses Tem­ pels! bittet für uns. Und du große heilige Theresia bitte auch für uns! Es ist immer für den frommen guten Christen eine Erquickung, Trost, Freude, wenn er in dem Evan­ gelium-Buche,, welches ich da neben mir liegen habe, lies't, wenn er die Göttlichkeit, Wahrheit dar­ innen erkennet, und den höheren, , tieferen darinnen verborgenen Sinn nach eifrigem Nachdenken errath. Der würdige Geistliche, Herr Schmitt von St. Ste­ phan, hat in seinem Hausbuche, was ich nicht ge­ nug empfehlen kann, alle Evangelien für jeden Sonn­ tag und Festtag ertheilet und erläutert, so wie auch manche Glaubenßwahrheiten und die vorzüglichsten Satze der Heiligen Schrift erörtert. Das heutige Evan­ gelium ist wie alle übrigen auf das heurige Kirch­ weihfest sehr schön eingetheilet und sehr paffend.

Xlll. Predigten III.

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34 Wie kömmt denn das, da doch im ganzen Evan­ gelium keine Sylbe von Kirche oder Kirchweihe vor­ kömmt^ Dennoch werdet ihr sehen, daß es nicht ge­ nauer mit dem heutigen Feste verbunden fegn könnte. Jesus der göttliche Heiland kam nach Jericho, und wie immer war Er auch da» von einer großen Schaar Volkes umringet. Dies Volk wußte nicht, daß Er der göttliche Heiland ist, war nicht davon über­ zeuget, erkannte aber doch Seine Gottheit, die überall hervorblickte, so wie die Sonne, wenn sie von dicken schwarzen Wolken' verhüllet ist, hie und da ihre Lieblichen Strahlen hervorwirft. Also das Volk ahnete in ihm das Göttliche, und war von den Wor­ ten Seines Mundes hingerissen, nm sich belehren zu lassen. Und da war denn in Jericho ein Mann, ^ge­ nannt Zachaus, war der Vornehmste un'ter den Zöll­ nern, mit einem Worte ein Iolleinnehmer, und der wollte den Jesus kennen lernen. Dieser Zachaus klein von Person, konnte nicht über die Menge Volkes sehen, wollte aber doch Jesum kennen lernen, lief also voraus, und stieg auf einen wilden Feigenbaum, der gerade an dem Orte stand, wo Jesus vorüber mußte. Der wilde Feigenbaum dienete damals zum Spotte und Sprichworts wegen seiner elenden Ge­ stalt. Er war klein, ganz krumm, seine Aeste Hai­ ren gar keine ordentliche Form, sie waren alle ver­ bogen, krumm, verdrehet, überhaupt hatte der Baum eine wunderliche schlechte Gestalt, heißt eigentlicher, nach dem Urtexte übersetzt, der narrische Feigenbaum. Da lachte das Volk über den Zachaus. Das kleine Männchen Zachaus, auf dem krummen wilden nar­ rischen Feigenbäume so oben sitzend, kann lächerlich ausgesehen haben. Aber Jesus, der allwissend ist, wußte, daß eine Seele hier sey, deren Stunde des

35 Heiles, deS ewigen Lebens nun schlagen sollte. GingJesuS vorüber, sgh fich um und sah den IachänS auf dem wil­ den Feigenbaum/ und sprach: IachauS, steige eilends her­ ab, denn heute muß ich in deinem Hause einkehren. O welches Heil ist diesem Zöllner, den manche sogar für einen Heiden erklärten/ wiederführen/ er stieg nur auf den wilden Feigenbaum um Jesum zu sehen und Je­ sus begnadigte ihn und bekehrete ihn. Sachäuö stieg aber eilends von dem Baum und nahm Jesus freu­ dig auf. Jesus aber sprach ferner/ fich nicht an den Spott und die Einwürfe der albernen gottlosen Pha­ risäer, die da murreten, daß er bei einem Sünder einkehrte, wendend: Zachäus, heute ist diesem Hause Heil widerfahren, weil dieser auch ein Sohn Abrabams ist; denn des Menschen Sohn ist gekommen das Verlorene zu suchen, und selig zu machen. Die elen­ den Pharisäer murreten, daß Jesus zu einem Sün­ der einkehre; wie thöricht und albern ihre Einwen­ dungen waren, das ist einem jeden klar, denn in Jesus Christus ist das Wort Fleisch geworden nm die Sün­ der selig zu machen, sie zu bekehren, für den Him­ mel zu gewinnen, und da sollte Er nicht bei den Sün­ dern einkehren. Wie unglücklich wären wir, wenn nicht Jesus zu uns Sündern käme? Wir müssen aber auch auf den wilden Feigenbaum steigen, so wie IachäuS um Jesum zu sehen und zu finden, wir müssen auch auf diesen närrischen Feigenbaum klettern, der den Heiden ein Aergerniß und den Juden zum Spotte die­ net, und nicht nur den Juden sondern auch unseren jetzigen getauften Heiden, daß ist bekannt. Ihr werdet wohl errathen können, was dieser wilde närrische Fei­ genbaum ist? Es ist das Kreuz, an welches wir unS klammern müssen, was wir ersteigen müssen um Je­ sum zu sehen. Wit müssen durch Kreuz und Leiden 3*

36 uns zu Mein starken, allerdings müssen wir deßhalb Spott, Hohn, Verfolgung ertragen von den thö­ richten Unchristen. Und ist dieses nicht hinlänglich, so tritt Zorn, Bosheit, ja Wuth, Alle- was Christenthum heißt zu vertilgen, bei ihnen ein. Sie werden aber nie das Kreuz stürzen, sie werden in kurzem Märtyrer machen, aber das Kreuz können und werden sie nie stürzen, daß Kreuz wird immer trinmphirend dastehen.

Wenn es nicht noch, Gott sey Dank dafür, viele gute Christen, die sich an daß Kreuz fest klammern, gäbe; so hätten wir am Ende keine Feiertage zu Ehren der, nbergebenedeieten Jungfrau, keine zu Ehren des heiligen Kreuzes, keine des Gedächtnisses Jesu Christi, zu Ehren der Heiligen mehr, aber Jesus Christus ist allezeit bei uns und wird die Feinde der Kirche nicht siegen lassen, sondern uns durch Kreuz und Leiden stärken und darinnen bewähren. Nun aber will ich euch zwei Heilige, große, gottergebene verführen, die auch durch das Kreuz gesieget haben. Es ist die große heilige Theresia, deren Fest vergangene Woche war, und die heil»ge Märtyrerin Ur­ sula , Deren Fest heute ist. Beide sind sehr groß. The­ resia ist von reicher und vornehmer Geburt. Schon in ihrer Kindheit entflammete ihre heilige Seele für Gott, schon in ihren frühesten Kindesjahren liebte sie Gott über Alles und war bereit für ihn zu sterben. Sie mit ihrem kleinen Bruder wollten ans dem väterlichen Hause ent­ fliehen, nach dem rohen heidnischen Theil Spaniens zie­ hen , um dort den Märtyrer - Tod für das Evangelium zu sterben. Jedoch von diesem Vorhaben wurde sie von ei­ nem ihrer Verwandten abgehalten und bewacht. Endlich aber hatte sie das Unglück verschiedene Romane und Ko­ mödien zu lesen, jedoch für daß Reine, Schuldlose ist nichts unrein. Jedoch da sie als eine Spanierin feurig war, so gab

37 sie ihr Vater schon in ihrem em und zwanzigsten Jahre in ein Kloster. Da entfaltete sich ihr Herz immer mehr. UeberauS begabt war sie mit allen Geisteßgaben, hatte be­ wunderungswürdige Kenntnisse und besonders die große Kenntniß der Heiligen. Worin bestehet denn die? Es ist gar nichts gesuchet, sehr einfach. Sie bestehet in zwei Sätzen. Gott ist groß, ich bin sehr klein. Gott ist Alles, ich bin gar nichts. Das ist eine große Kenntniß, die man nicht gleich wie man sie wünschet, erlangt.

Die heilige Theresia erlangte sie durch häufiges Lesen der Heiligen Schriften und Legenden. Endlich wollte sie aber Gorr prüfen. Sie wurde durch lange achtzehn Jahre mit einer außerordentlichen Leere, Trockenheit ihres Herzens heimgesucht. Sie sah immer auf die Sand­ uhr nm zu sehen, ob ihre Gebete nicht bald endeten, sie gedachte nicht mehr mit Freude an Gott, der Ge­ danke an Gott erquickte, tröstete sie nicht mehr, sie ließ nach in ihrem Gebete, in ihrem flammenden Ei­ fer für das Höchste, sie ließ nach in ihren häufigen Betrachtungen, kurz ihr Herz war leer, trocken; und in diesem fürchterlichen Zustande lebte sie 18 volle lange qualvolle Jahre. Endlich aber sah Gott ihre Geduld an,' und überschüttete sie wieder mit allen möglichen Gnadengaben, so daß sie in der Fülle ihrer Demuth außr.'ef: „Verschone mich o Gott! verschone mich, nur nicht so viel Gnaden, ich kann es nicht übertragen." Nun suchte sie einen erloschenen Orden herznstellen, die Earmeliter, dazu war ihr der hei­ lige Petrus von Alkantara behülflich, aber da trat sie wieder auf einen gefährlichen Schritt, sie wurde allgemein verfolget, von allen Kanzeln donnerte man gegen sie, jedoch sie ließ nicht nach, und erreichte viele Earmeliter-Klöster, Mannes- und Frauen - Klö-

38 fier. Endlich hatte sie verschiedene Erscheinungen. Der Heiland -erschien ihr einige Male. Diese Erscheinun­ gen ängstigten sie Anfangs sehr, sie entdeckte sie aber allen ihren Beichtvätern. Und waS thaten die Beicht­ vater. Sie werden nach ihrer Pflicht gehandelt ha­ ben, — sie werden ihr, Kraft ihres schweren Amtes, verschiedenen Rath gegeben haben — ich lasse es aber dahin gestellt seyn. Sie wird ihre Befehle erfüllet haben, denn jede Anordnung des Beichtvaters muß uns Befehl seyn und wir müssen sie gewissenhaft er­ füllen. Das ist nicht mein Satz, sondern die Worte der Kirche. Was sagten aber die/Beichtvater? Sie sagten, eö sey Blendwerk,« Täuschung, Versuchung, und wenn sie wieder eine Erscheinung hatte, so sollte sie das Kreuz über ihn machen, damit er weiche, denn es sey'die Erscheinung des bösen Feindes, und wenn er noch nicht weiche, so sollte sie ihm ins Gesicht speien. Das zu thun war ihr fürchterliche Qual, jedoch bei der näch­ sten Erscheinung that sie es, und der Heiland lobete sie, und sagte: sie habe ihre Pflicht gethan und sey ge­ horsam gewesen. Endlich nahm sie dann immer mehr an Erkennt-iß und Liebe zu Gott zu, dann war ihre Seele ganz für Jesum Christum entbrannt, endlich nachdem sie viele Mannes- und Frauenklöster errichtet hatte, starb sie im testen Jahre ihres, man kaun sa­ gen herrlichen, thatenreichen, aber auch schmerzenreichen Lebens. Sie starb um die Krone der ewigen Herrlich­ keit ans den Händen ihres Bräutigams Jesu Christi zu empfangen. Nun will ich Euch noch eine zweite große Heilige schnell verführen, es ist die heilige Ursula. Man hat von ihrem Leben wenige Züge ausgezeichnet wegen der feindlichen Invasion der Hunnen, die fast in ganz Europa große Verheerungen anrichteten. Ursula war eine Königs-Tochter aus Britannien, dem heuti-

39 gen England. Sse ging da mit »einer großen Schaar nach Rom um zu wallfahrten. Da kam sie zu Köln in die Hände der Hunnen, als dieses heidnische Volk die blühende Jungfrau mit ihren Jungfrauen sah, wurde eS ergrimmet, sie ermahnete ihre Schaar für das Evan­ gelium, für Jesum Christum zu sterben, und ihre ganze Schaar starb den herrlichen glorreichen Martyrertod mit ihr. Sie hat auch viele Jungfrauenschaaren in den Ursulinerklöstern, über welche die st lige Angela, die Grün­ derin derselben ist, die Oberherrschaft darüber über­ gab. Sie hat noch Schaaren von Jungfrauen in Eu­ ropa, so wie auch hier in diesem Kloster unter dein» Schutze der heiligen Ursula. Ich habe selbst in Köln die Kirche gesehen, wo an allen Wanden in der Kirche die Gebeine der Jungfrau uud der heiligen Ursula, die als Märtyrerinnen starben, .angehangen sind. Auch habe ich daselbst das Grabmal der heiligen Ursula gesehen. Diese beiden Heiligen Theresia und Ursula, könnte man gleich nach der Mutter Gottes stellen, wenn eS nicht kühn gesagt wäre. Sie lebten und endeten als reine Jungfrauen und sind doch beide Mütter. Sie sind beide Jungfrauen geblieben, und haben doch viele Söhne und Töchter. Sie haben Klöster errichtet und da viele Jungfrauen und Jünglinge zum ewigen Le­ ben geboren und erzogen. Theresia und Ursula tra­ gen beide eine dreifache Krone, die Krone der Jung­ frauen, die Krone der Lehrer und die Krone der Mär­ tyrer. Sie blieben treu bis ans herrlichste Ende ihrem schönen Jungfrauen-Stande, haben ihn nicht im Mindesten verletzet. Als Lehrerinnen stehen sie beide glorreich da, denn Theresia war Lehrerin und ist es noch durch ihre herrlichen Schriften, und Ursula ermahnte ihre Jungfrauen für den Glauben und das Evangelium zu sterben. Sie flößte ihnen Muth ein, zu kämpfen

40 den schwersten aber auch herrlichster» Kampf, und end­ lich Ursula gab ihr Blut für den Glauben, Theresia hingegen starb nicht einen blutigen Märtyrer - Tod, aber ihr Leben war auch »eine Kette von Leiden, die sie mit Ergebung in den Willen Gottes und mit Geduld und De­ muth ertrug, "Venn die Demuth machte ihr noch mehr die Krone des Lebens erlangen. Nun will ich aus dem Beispiele dieser beiden Heiligen eine kurze Anwendung auf uns machen.

Was müssen wir thun,

um uns und Andere zu

Tempeln Gottes zu machen, um Gott aus lebendigen Steinen einen Tempel zu errichten? Diese Frage ist schon sehr oft falsch gelöset worden', besonders in un­ serer jetzigen Zeit thut eß sehr Noth sie deutlich zu erklären, denn nun wollen und werden alle gescheiten Leute gute Christen, die Unchristen aber werden nie Christen, fromme, echte, gute Christen werden, das ist eine bekannte Sache. Ein Baumeister, der ein Haus oder einen Tempel erbauet, braucht nur die dazu nö­ thige» Materialien gehörig zu kennen, und sie dann fest und schön zusammen zu fügen. Aber von Kir­ chen von Stein und Holz spreche^ ich nicht, auch nicht von ihrer Errichtung. Nun wollen wir noch erst wis­ sen, was das Fest der Kirchweihe ist. Der Bischof, der die Kirchenweihe vornimmt, muß den Tag vor­ her strenge fasten. Der verstorbene alte Fürst - Erzbi­ schof, mein Wohlthäter, fastete noch einige Wochen vor seinem Tode, als er die Kirche zu Gumpenderf eingeweihet. Erst ehe die Weihe vorgenommen, wird die Kirche ganz gereinigt. Dann tritt der Bischof mit der Geistlichkeit zu dem Kirchenthor, betet an demselben. Die Partikeln werden vorgetragem In der Kirche werden an den Wänden zwölf Kreuze unmnget mit

41 LorbeerkrLnzen gemalt. Der Bischoft tritt hinein, sal­ bet mit Chrisam diese Kreuze, dann werden sie eingerauchert und Kerzen herumgesteckt. Wenn dieses vollen­ det ist, werden die Altäre eingeweihet, auf welche die Partikeln geleget werden, und dann wenn die Kirche vollends eingeweihet ist, tritt der Bischof zu dem Al­ tare um das Meßopfer darzubringen, oder vielmehr unser ewiger Hohepriester Jesus Christus, der, einmal in das Heiligthum einging und ewige Erlösung gefunden hat, bringet selbst seinem ewigen, himmlischen Vater daS allerheiligste Opfer dar. Das ist mit wenig Worten die Kirchweihe. Nun aber wie müssen wir unsere Herzen zu Tempeln Gottes erziehen, das will ich Euch nur noch in den wenigen Augenblicken, die wir noch haben, schnell im Vorübergehen sagen. Heute zu Lage ist leider! der Fall, daß man lehren will, ohne vorher selbst etwas gelernet zu haben. Wir armen Menschlein von gestern, möchte ich sagen, die wir uns vor einem Jahr oder vor zwei Jahrey oder vor einem halben Jahre, oder vor einem Moiiat be­ kehret haben , aber eben so als wenn wir uns gar nicht be­ kehret hätten, die wir vor einem Lage von unserem Fall ein wenig aufstehen, den andern fallen wir, wollen An­ dere belehren, erziehen, bekehren, ohne uns erst selbst erzogen zu haben. Ach das gehet nicht so schnell. Wie lange haben nicht die Heiligen gearbeitet, und sich vor­ bereitet , ehr sie Andere belehrten und erzogen. Vorher ehe wir Andere erziehen wollen, Vas sage ich nicht nur Euch Vatern und Müttern, sondern auch Euch Lehrerin­ nen, Erziehern und Erzieherinnen, Euch Jünglingen und Jungfrauen, denn auch Ihr Jungfrauen könnet Mütter werden, könnet Kinder unter Eurer Leitung haben, für die Ihr einst verantwortlich seyn müsset, auch nicht allein zu denen spreche ich, sondern zu einem Jeden und ei­ ner Jeden von Euch, denn meine lieben Freunde

42 und Freundinnen,

ein jeder Mensch ist ein Erzieher,

ein Jeder Hal Jüngere, die sich an ihn klammern, die ihn lieben, ein Jeder kann einen Andern erziehen, einen Andern etwas Besseres lehren, einen Jeden bekehren. Ein Jeder kann Erzieher seyn. Also was muß man erst thun. Erst unsern Stolz, unsere Eigenliebe und unsere Selbstverblendung ausrotten. Weder Lüge reden noch selbst Lüge seyn, und uns in der schönen Tugend der De­ muth üben, unser stolzes Ich ganz in uns zermalmen. Den Satz: Gott ist Alles , Gott ist das Höchste, und ich bin nichts, ich bin Staub und Erde, immer erwägen und unserem Innersten einpragen, es wirklich fühlen, daß Gott das Höchste, Herr aller Geschöpfe, wir nicht werth find, nach seinem Ebenbilde geschaffen zu seyn. Lerne uns durch Selbstkasteiung, Selbstabtödtung erziehen und bewahren, so wie Vas Gold im Feuer bewahret und ge­ läutert wird. Uns recht im Christenthum unterrichten, und die Sünde, jedes schlechte Beispiel vermeiden, uns Christi Lehre erst recht klar machen, damit wie es Andern klar und verständlich machen können. Erst müssen wir das Kreuz ersteigen, damit wir Andere auch dahin bringen können, und wenn wir auch anfangs straucheln, wir wer­ den durch Gottes Hilfe doch nicht verloren gehen; um aber Andere zu erziehen, müssen wir uns im Gebete zu Gott stärken, damit wir dieses Amt treu, gewissenhaft erfüllen und unsere Kinder zu dem ewigen Heile bringen mögen. ES giebt thörichte Väter und Mütter, Erzieher und Erzieherinnen, die nur ihre Kinder glänzen lassen wol­ len, die nur ihren Verstand mit schaalen, leeren, elenden Dingen der Welt und des Verderbens erfüllen, um damit sie als gelehret erscheinen, vor armen albernen Menschen. Nicht das, Vater, Mütter, Erzieher, soll Euer Iweck seyn. Bedenket doch alle Zeit, daß Euch Gott diese See­ len Euerer Kinder nur anvertrauet habe, und daß Ihr

43 strenge Rechenschaft von Euerer Erziehung ablegen müsset vor dem gerechten Richterstuhle Gottes. Denket immer daran: daß Ihr sie zu Engeln Gottes, zu Tempeln Got­ tes erziehen sollet. Erfüllet ihr Herz mit der Lehre Jesu Christi, lehret ihnen Demuth, Euern Kindern, und Liede. Gebet ihnen kein Aergerniß, erinnert Euch der Worte: „Wehe dem von welchem Aergerniß kommt, es wäre ihm besser, roeitn man ihm einen Mühlstein an den Hals gehanget und ihn in Vas Mett- wo es am tiefsten ist, versenket hätte." Denn die Seelen Euerer Kinder, die durch Euere Schuld in ewiger Qual schmachten, wer­ den einst vor Gott und Euch treten, werden Euch beschul­ digen, daß Ihr Schuld an ihrer Pein seyd. Das bitte ich Euch, erinnert Ench daran, Ihr werdet Euere Kinder sorgfältig erziehen. Ein Heiliger sagte: die Erziehung ist ein königliches und apostolisches, ein englisches, ein göttliches Amt. Königlich weil es sehr groß ist, weil der König immerwährend Gesetze geben, und unter seinem Volke Ruhe zu haben trachten muß und Gehorsam zu for­ dern hat. Also auch Eltern und Erzieher müssen ihren Kin­ dern befehlen, und die Befehle durch den Gehorsam und die Ruhe in Erfüllung bringen. Apostolisch, weil die Apostel nur das Evangelium, Jesu Lehre dem Volke mit Liebe vortrugen, Eltern müssen ihren Kindern vorzüglich Jesu Lehren mit Liebe, Mit Eifer für Ihn einprägen. Eng­ lisch, weil Vie Eltern und Erzieher gleich unserm Schutzengel über ihre ihnen anvertrauten Seelen wachen müssen. Und endlich göttlich, weil sie dazu Macht, Starke von Gott dem liebenden Vater nothwendig haben. Be­ sonders denket, daß Ihr Euere Kinder nicht für dieseWelt, sondern für Gott, für den Himmel erziehen sollet. Las­ set ihnen keine irrigen Begriffe verbringen, sondern ihren zarten Seelen präget Liebe für Gott ein, und unterrichtet sie recht für das Christenthum. Die Klöster der Ursuli-

44 rierinnen beschäftigten sich allezeit mit Erziehung und Bil­ dung der Kinder. Die hiesigen Klosterfrauen thun eS auch, und bringen auch reichliche Früchte. Wien hat viele fromme und gute Frauen und Mütter Euch würdi­ gen Klosterfrauen.zu verdanken. Erziehet sie allezeit für Gott und Christi Lehre. Wir wollen aber dieses heutige Kirchweihfest nicht für Euch verloren seyn lassen. Reini­ get heute noch Euere Herzen, erbauet sie zu Tempeln Gotres, rottet,heute alle Sünden aus, damit Euere Herzen eine Wohnung Jesu seyn. Und um dazu zu gelangen, wollen und müssen wir den wilden närrischen Feigenbaum, der der Heiden Aergerniß und der Juden Verderben ist, besteigen, nm Jesum zu sehen und um auch Gnade zu er­ langen. Wir müssen daß Kreuz umklammern, darauf steigen und uns vornehmen, nicht mehr zu sündigen, da­ mit auch der Herr zu uns sprechen möge: heute will ich in deinem Hause einkehren, heute ist deinem Hause Heil wie­ derfahren, denn er ist gekommen, daS Verlorene zu su­ chen und selig zu machen. Für Jesum wollen wir lebe» und sterben, durch ihn allein siegen wir. Und er möge dieses Kloster segnen, Ihr aber, verehrte Klosterfrauen, bleibet allezeit Ritterinnen deS Glaubens, bleibet immer diesen Eueren klösterlichen, friedlichen Mauern treu, ge­ trennt von der verkrüppelten, elenden Welt, in der wir Uebrigeu leben. Und nun wollen wir heute in unser Gebet die würdige Oberin dieses Klosters besonders einschließen. Was sie ist, wußte der verstorbene Fürst Erzbischof und er sagte eS Mir, ich will aber ihre Demuth nicht schamroth machen. Sie hat treu gearbeitet, wir wollen für sie beten, damit sie treu bleibe bis an'ß Ende. Aber wir wollen auch zu Gott beten, daß er uns starken und erleuch­ ten möge, damit wir treu bleiben bis an's Ende, um einst Alle zu empfangen die Krone des ewigen LebenS. Amen.

45 Am zwanzigsten Sonntag« nach Pfingsten. Lextr „Das Königlein oder sprach zu ihm: Herr komme hinab!" Joh. 4. Kap. 49. .P, Ueber diese Worte des heutigen Evangeliums am zwanzigsten Sonntage nach Pfingsten will ich nun predi­ gen , zuvörderst müssen wir aber Gott um seinen Beistand bitten. Es gab vornehme Familien, deren Ahnen sehr vor­ nehm und angesehen waren, und die theils durch eigdne Schuld, theils durch Gottes Fügung ganz herabgekommen sind und sich des Adels und Ranges ihrer Ahnen gänzlich beraubt sehen. Dieses ist sehr häufig der Fall. Jedoch sie haben noch zum Troste, daß sie sich des hohen Adels ihrer Ahnen erinnern und wünschen können, doch noch vielleicht wieder dazu zu gelangen. Ein solches Bei­ spiel haben wir ganz deutlich an dem heiligen Joseph, ja selbst an der übergebenedeieten Jungfrau Maria! Beide waren sie aus dem königlichen Geschlechte Davids

und sind so tief gesunken von ihrer Hoheit, daß Joseph ein armer Zimmermann wurde und Maria in Dürftig­ keit schmachtete. Also gehet es auch heut zu Lage mit uns. Wir finden viele solche gesunkene Familien, und, um es mit einem Worte zu sagen, die Meisten von uns, ja wir Alle sind gesunken, haben eß verdient unsrer Sün­ den wegen, und sind auch wenigstens die Meisten durch unsere eigene Schuld und Unbesonnenheit dahin gekom­ men. Ich möchte sagen das Königlein Mensch, der aus­ erkoren war zum Könige der ganzen Natur, und dann erst zum höchsten Ziele bestimmt war,, erniedrigte sich zu einem so kleinen machtlosen Königlein, möchte ich sagen. Er, daß Ebenbild Gottes, erniedrigte sich so tief durch seine eigene Schuld. Jedoch Gott, der König, der Kai­ ser, der Allerhöchste, erbarmte sich über uns arme Men-

46 scheu und wollt? unser Water seyn. Einige von Euch, meine Neben Freunde, werden sich erinnern, daß ich eine Reihe von Predigten dem Glauben widmete, und zwar mehrere den Worten: „ich glaube", und einige der Lehre von Gott. Heute aber will ich in meinen Katechismus­ predigten weiter schreiten 'und die Lehre von Gott dem

Water abhandeln, oder vielmehr einleiten. Ich will also heute von Gott dem allmächtigen Water sprechen, und zwar im ersten Theile: Wie ist Gott allmächtiger Vater an und für sich? Im zweiten Theile: Wie trostreich es für unS Menschen ist, daß Gott un­ ser Vater ist. Dreieiniger Gott, liebender Vater, erlösender Sohn und Heilger Geist, stehe mir Schwachen bei. Heilige Ma­ ria, Mutter Gottes, bitte für uns. Heilige Apostel Si­ mon und Juda, Schutzheilige dieses Tages! Heilige Ur­ sula und Angela, Schutzheilige dieses Tempels, alle Heiligen Gottes bittet für uns! Ich habe vorletzten Somttag, wie Ihr Euch erinnern werdet, es gewagt, Euch die heiligste Dreieinigkeit anzudenten. Darüber, über diesen heiligen unergründli­ chen, daher höchst geheimnißvollen Gegenstand läßt sich nicht predigen, sondern sie läßt sich nur anbeten und glau­ ben , jedoch andeuten. Vergangenen Sonntag hingegen, am allgemeinen Kirchweihfeste, sagte ich, wo Gott woh­ nen will. Nicht in der Natur, nicht in von Stein und Holz erbauten Tempeln, sondern in uns , in unsere Her­ zen will die heilige Dreieinigkeit einziehen, wenn wir ihr nicht selbst den Eingang verschließen, wie so Viele. Nun, nachdem wir Alles das betrachtet und uns deutlich ge­ macht haben, wollen wir zu den Worten: „ich glaube an Gott den Vater" übergehen. Wie kommt es denn aber, daß die Kirche sagt: „an den allmächtigen Vater", warum

47 denn nicht: „an den höchst weisen, allwissenden, barm­ herzigen, höchst heiligen, gerechten Gott"? warum denn gerade den „allmächtigen"? Sie that eS, um die vielen Worte zu ersparen, denn was verstehet man unter dem Worte „Allmacht?" Was heißt das: Gott der allmäch­ tige Vater? Gott kann Alles was er will, was er will, das kann er gleich und das ist auch gleich. Die g§nze Welt ist nur der Hauch seines Mundes, wie der Psalmist sagt. Allmächtig heißt also: Alles waS man will, au­ genblicklich können, und das kann Gott, also verstehet sich unter dem Satze: „allmächtiger Bater^ alle übrigen Eigenschaften, daß Gott allwissend ist, und weil er all­ wissend ist, daß er auch allgegenwärtig ist und daher all­ mächtig. Nun stehen aber zwei große beruhigende Sätze vor uns, Gott ist im Allgemeinen allen Menschen trost­ reich, hülfreich, und dann auch einem jeden Christen oder Menschen ist Gvtt Stärke und sein Vater. Ich spreche aber nicht von Menschen, die sich bis zum Thiere erniedri­ gen. Nicht von diesen Halbthieren, oder vielmehr von diesen Ganzthieren, ja sie erniedrigen sich unter das Thier, nicht von diesen spreche ich, denn diese denken gar nicht mehr an Gott, oder mit einer Gleichgiltigkeit, die nur den Heiden eigenthümlich ist. Der Mensch trachtet aber immer nach, wenn er es auch nicht fühlet,'sein Herz rufet immerwährend: Herr! eile, mir zu helfen! Herr komm hinab , komm hinab! Der Mensch hat aber das Glück, eine Sache zu wünschen, die er nicht besitzt; eine Gabe, die ihm mangelt, zu wünschen; und was wünschet es in Allem, was nicht böse ist, daß bitte jch Euch gut zu mer­ ken, es wünschet immer.Gott, der die reinste Liebe ist, daß Wesen, was die Liebe ist, das ist Gott, und Gott wünschet ein jedesMenschenherz. Der Mensch wünschet Alles zu können, Alles, was er will, in's Werk zu setzen, er. wünschet große Macht und Gott ist allmächtig. Der

48 Mensch will Alles, will viel wissen, er will wissen, wie er geboren wurde, wie er stirbt, wann er stirbt, er will wissen, von wannen er gekommen ist und wohin er nach dem Tode fahrt, und das weiß Gott, denn er ist allwis­ send. Der Mensch hat einige Wörter und Sätze gelernt, die er zerstückelt und nach seiner Art zusammensetzet, ver­ schmelzet und verbindet, wie das heut zu Lage schon geht, und am Ende kommt sehr wenig heraus; er will Alles ein­ richten,,Alles verbessern, und Gott ist höchst weise. Der Mensch will barmherzig seyn und ist doch sehr unbarm­ herzig. Ist das barmherzig, wenn man ihm verschiedene Schmeicheleien sagt, so lange will er Einem wohl, wenn man ihm aker die Wahrheit sagt, oder ihn, wie man sagt, beleidigt, gleich ist die Unbarmherzigkeit da , und so geht es leider mit uns Allen. Wir wollen wünschen, barm­ herzig zu seyn, und Gott ist barmherzig, er allein ist barmherzig mit uns armen elenden Menschen. Der Mensch will gerecht seyn; ach wie ist das möglich, da wir nicht allwissend sind, er will den Guten belohnen, den Bösen bestrafen. Und wir sollten das Wort gut und böse nicht so viel im 'Munde tragen, wie wir es haben, In dem Augenblicke sagen wir, der Mensch ist gut, der ist böse, das ist ein guter Mensch, das ist ein schlechter. Wir soll­ ten davon schweigen. Jesus Christus unser Herr sagte' selbst: „richtet nicht, so werdet ihr nicht gerichtet wer­ den." Es ist schon genug , wir haben schon Alles gethan, kpnnen wir uns selbst strenge richten. Wir wünschen ge­ recht zu seyn und Gott ist gerecht. So könnte ich mit Euch alle Eigenschaften durchgehen, wenn die Zeit nicht zu kurz wäre. Alles, was der Mensch wünschet, ist Gott. Er wünscht weise zu seyn, ist,es aber nicht, sagte selbst, wse die Gebildeten von Euch wissen werden, der größte gelehrte Heide: ich weiß, daß ich nicht viel weiß, daß ich nichts, weiß. Das glauben elende Dummköpft

49 nicht, die, weil sie überaus dumm sind, das Vernünf­ tige leugnen, aber alle wirkliche Weisen sind darin über­ ein gekommen. Wir wünschen Weisheit und indem wir sie wünschen, ist Gott die höchste Weisheit vor unsi Wir wünschen Barmherzigkeit, finden sie in dieser armen dürf­ tigen Welt nicht, denn wenn wir hungernd dastehen, dar­ bend und schmachtend nach dem Brote des Lebens, was erhalten wir? einen Stein, o grausame Welt, jedoch wir wünschen und suchen Barmherzigkeit,- finden sie bei Gott, der allein gerne hilft, der jede Thräne trocknet, der Allen beistehet. Wir wünschen Seligkeit, Friede, und Gott ist überaus selig und war ewig selrg. Alles, was unser unruhiges Herz wünschet, findet es, Gott befriedigt jedes Verlangen, denn Alles, was der vernünftige Mensch su­ chet und wünschet, jede Eigenschaft wonach er trachtet, ist Gott. Da sehen wir, wie gnädig, wie liebend Gott ist mit UNS Sündern. Aber wie kann er denn anders seyn, da er die Liebe ist. Nun aber, wie ist er denn un­ ser Vater? Gott sprach durch sein ewiges Wort: du bist mein geliebter Sohn, heute habe ich dich erzeuget. Und der Psalmist David sagt: Zu wem hat Gott das gespro­ chen, als zu dem Gottmenschen. Zu Jesum Christum un­ serm Herrn und Erlöser, und er kam in die Welt und starb für unß am Kreuze, und da waö die Vaterschaft Gottes geschlossen, Jesus Christus ist unser Bruder ge­ worden und Gott unser liebender Vater, der Alles nur zu unserm Wohle und Heile eingerichtet hat, der uns liebt, pfleget und wartet, der sich immer unsrer erbarmet. Er liebte unß so, daß er seinen eingebornen Sohn in die Welt sandte, um uns zu erlösen und selig zu machen. Er gab unß alle mögliche Mittel, daß sehen wir schon in der Weltgeschichte. Ich kann nicht von Euch Allen, meine lieben Freunde verlangen, daß Ihr Alle der Weltgeschichte kundig seyd, daß Ihr sie Alle gelernet habt. Aber um XIII. Predigten III. 4

50 mich deutlich außzudrücken, kommt sie mir vor/ wie ein Mensch ohne Herz, oder ein Herz, was gar nicht ge­ fühlvoll ist, wo Alles erstorben ist Die ganze Weltge­ schichte, das wird mir ein Jeder einränmen, auch Ihr, die Ihr vielleicht nur Manches gehört habt,. ist eine Reihe von Albernheiten, Dummheiten, Gottlosigkeiten, Ruch­ losigkeiten und Grausamkeiten. Adam und Eva, das erste Menschenpaar, herrlich von Gott erschaffen, ließen sich durch eine Schlange verleiten, thaten Böses. Was thaten ihre beiden Söhne? Der eine war sogar ein Mör­ der, und was für einer? ein Brudermörder, er schlach­ tete mit Wuth seinen frommen Bruder. Die Nachkom­ men waren böse, trieben Abgötterei und Ruchlosigkeiten. Gott ließ sie ermahnen zur Buße, es fruchtete nicht. Also er vertilgte sie Alle durch die Sündfluth, nur acht Personen rettete er. Was half es aber? diese wurden wieder so ruchlos. Endlich kam der Lhurmbau zu Babel, da war nun die Verwirrung vollends fertig. Ein Jeder herrschte anders, der eine Hausvater lebte mit seiner Fa­ milie gut, der andere böse. Ein Volk zog dahin, das andere dorthin, es war Mit einem Worte vollkommene Unordnung. Ein Volk betete Gott an, das andere einen Götzen. Dann kam Abraham, Isaak und Jakob, diese waren gottesfürchtig, ihre Kinder und Kr'ndeskinder und Enkel und was weiß ich, diese übten wieder Ruchlosigkei­ ten aus. Diese kamen dann in die egyptische Gefangen­ schaft und wurden da gedrückt und gezüchtiget und gepeiniget. Da erbarmte sich Gott doch wieder über das israe­ litische Volk, und sandte Moses, zu dem er sprach: ich bin der ich bin, gehe zu ihnen, um sie aus Egypten zu füh­ ren. Moses führte sie in die Wüste, als er auf den Berg Sinai ging, Gesetze von Gölten erhalten, tanzte und sprang das Volk um ein goldnes Kalb herum, welches es anbetete; als dieses Moses, der heilige Mann, sahe,

51 warf er, entbrannt von gerechtem Zorrt, die Gesetztafelu an die Felsen, um sie zu zertrümmern, und begehrte dann von Gott noch einmal Gesetze. Dann lebten sie eine kurze Zeit fromm, beteten Gott an, fielen aber wieder ab. Endlich aber wollte sie Gott züchtigen, ließ sie von Fein­ den bekriegen. Wenn sie gezüchtiget wurden, bekehrten sie sich und wandten sich zu Gott, wenn es ihnen gut ging, trieben sie Abgötterei. Endlich kam dann JesuS Christuß, unser Herr und Heiland, starb am Kreuze, nach­ dem er uns belehrt hatte, bat für seine Mörder den himm­ lischen Vater, und indem er starb, zerriß der Vorhang des Tempels, die Synagogen wurden zerstört, die, bis Jesus am Kreuze starb, eben so viel, als unsere katho­ lische Kirche war, und -alle Menschen wurden zwar erlö­ set. Der Tempel zu Jerusalem wurde vernichtet und wird nimmermehr erbauet werden. Er sollte wieder er­ bauet werden, mehre Male wurde angefangen, aber im­ mer drang Feuer aus der Erde, um die Abbeiter zu fres­ sen. Für den Glauben sahen wie dann eine zahllose Menge Märtyrer sterben, geschlachtet von Heiden. Da sollte das Blut der vülen Märtyrer, ja was noch mehr ist, das Blut Jesu Christi, uns bessern und fromm ma­ chen, sollte alle Heiden bekehren ? SteinI Stein! Stein! Und das ist noch nicht genug, nehmet das erste beste Zektungßblatt, nehmt es morgen, übermorgen, wenn Ihr wollt, sehet, wie sich in Europa, ich will nicht einmal von den andern Völkern sprechen, Alle gegeneinander empören, wie sie wüthen. Ich will aber nicht mehr da­ von sprechen, denn die Zeit ist zu kurz, und um nur ge­ rade die Wahrheit zu sagen, wenn auch die Zeit nicht zu kurz wäre, es würde mich ekeln, von der unbegreiflichen Ruchlosigkeit zu sprechen. Sollen wir, da wir nicht in das Nichts deßhalb zerstiebet sind / nicht an Gott glauben, nicht glauben, daß er unser Vater ist. Das verhüte 4»

52 Gott! Wenn er nicht unser Vater wäre, so batte er uns schon lange Alle in das Nichts/ aus dem wir gekom­ men sind, zerstiebet. Aber der Vater erbarmet sich im­ mer seiner Kinder. Ware nicht Gott unser Vater, wir müßten verzweifeln, wir müßten es, hatten wir nicht das Versöhnungsblut Jesu Christi. Jedoch Gottes Barm­ herzigkeit ist überschwenglich, er erbarmt sich jedes Men­ schen, ja sogar des Heiden, denn auch die Heiden hat Je­ sus Christus mit seinem kostbaren Versöhnungsblut erlö­ set. Uns Alle, Keinen ausgenommen. Gott der Vater will uns Alle selig machen, aber wir treten das Blut sei­ nes Sohnes mit Füßen und eilen selbst'in's ewige Verder­ ben. Aber der Vater sieht uns noch immer nach, straft uns manchmal liebreich, um uns zu retten. Ware er nicht unser Vater, so Aiürde er nicht so langmüthig mit uns elenden Sündern seyn. Gott ist also allmächtiger Vater, wie er es ist, sahen wir. Aber daß er allmäch­ tiger Vater ist, verschafft uns Frieden, Freude, Trost, und wie uns das Trost verschafft, davon nun noch im zwei­ ten Theile. Mich hat Gott der Vater erschaffen , ich sage Gott hat mich erschaffen. Jesus Christus hat mich mit seinem Blute erlöset, Gott hat mich zum Menschen und zum Christen erschaffen und mich seinen Sohn, sein Kind ge­ nannt. Unsere Patriarchen, die weit frömmer waren, als wir, nannte er nicht seine Km,der, sondern nur seine Freunde. Abraham, den Held des Glaubens, Isaak, den Held der Treue, Jakob, den Starken und Besieger Gottes. And uns elende Menschen, uns Sünder nennt Gott seine Kinder, seine Söhne, er ist unser Vater.. O wie glücklich sind wir Menschen,- wie glücklich sind wir Christen", Kinder Gottes zu seyn. Uud welche nieder­ trächtige Demuth haben wir, wenn man Niederträchtig­ keit mit Demuth verbinden könnte, oder Demuth nieder»

53 trächtig neunen könnte, also ich sage: wie niederträchtig find wir, wenn wir »ns so bis zu den Thieren erniedrigen und Thiere.sind, so könnten wir handeln, wenn unser Vater auch ein Thier wäre, und er ist Gott, das aller­ höchste,- liebevollste Wesen, und wir sind so schlecht, so gottlos, wenigstens Wiele heut zu Tage. So niederträch­ tige Wesen sind wir, die wir doch von Gott zu einem so hohen Ziele erschaffen sind. Wir handeln gar nicht so, als wenn Gott unser Vater wäre. Jedoch da Gott unser Water , da er allmächtiger Vater ist, so haben wir daraus überaus viel Trost zu schöpfen. Wir als seine Kinder ha­ ben hienieden nichts zu fürchten. Keine irdische Macht, keinen König, keinen Kaiser und sey er der mächtigste. Ich ehre den Monarchen, denn er ist hienieden Gottes Stellvertreter und ist von Gott zum Monarchen eingefetzet. "Ich gehorche ihm, denn er hat Macht, Gesetze zu geben, die befolgt werden müssen. Ich liebe ihn, weil er gerecht ist und weil es meine Pflicht erfordert, aber ich fürchte ihn nicht. Jesus Christus, der mehr von der Ho­ heit und Würde deß himmlischen Vaters wußte, sagte selbst: Fürchtet nicht die, die den Leib todten, die Srele aber nicht todten können. Fürchtet vielmehr den, der euch ewig verdammen kann. . Was können den Christen irdische Mächte erschrecken?' Sie können seinen Leib, den Staubkörper todten, der Seele aber keinen Schaden thun, aber Gott kann uns, wenn wir ihn nicht fürchten und ge­ horsamen, in's ewige Feuer stürzen. Gott der Water ist aber nicht unser Richter. Daß Gott Alles überaus weise und vortrefflich gemacht hat, so auch hier, nicht er „als unser Water, der Mitleid mit uns hat, will dann, wenn wir von Allem Rechenschaft ablegen müssen, unser stren­ ger Richter seyn, nicht er wollte das Urtheil der Werdammniß über den ruchlosen Sünder, der unbekehrt starb, aussprechen. Er übergab das Richteramt seinem emge-

54 dornen Sohne, unserm Erlöser Jesum Christum. Er, der uns mit seinem kostbaren Versöhnungsblute erlöset hat, wird auch strenge Rechenschaft von uns. fordern und das gerechte Urtheil über uns aussprechen. Aber der Christ hat nichts zu fürchten, nur Gott. Furcht Gottes ist der Weisheit Anfang. Der heilige Johannes, der Lieblingjünger des Herrn, der an seinem Schooße lag, sagt zwar: wo Furcht ist, da ist keine Liebe. Aber Furcht des Herrn muß ein jeder Christ haben, denn sie ist der Weisheit Anfang, denn Weisheit ist Liebe. Dann, wenn der Christ Liebe zu Gott gelernt hat, fürchtet er nichts. Wir lesen in den Zeitungen von dem gelben Fieber, und wenn eS hierher käme, was so viele Menschen schlachtet, wir Christen haben nichts zu fürchten, der Christ wird sagen: Schicke o Herr Pest oder Krankheiten, was du willst, ich fürchte es nicht, denn ich liege in deinem Schooße, o Vater der Liebe. Der Christ fürchtet keine Pest, keinen Schmerz, kein Unglück, kein Leiden, denn er hat etwas in sich, was ihn beruhiget, sein Herz ist mit Gott erfüllt, es liegt in den treuen liebenden Armen des himmlischen Vaters. Der treue Christ ist immer ruhig, in seinem Herzen wohnt und herrscht immerwährend der Friede. Er kann wohl mit Recht die gelehrten und ge­ bildeten Weltmenschen, die immer unruhig umherirren, mit all' ihrem Reichthum und die frommen Seelen verach­ ten und geringschätzen. Diese können ihnen wohl sagen, weder Gelehrsamkeit, noch Reichthum , noch Glück, noch Gesundheit.machen glücklich, man kann in Dürftigkeit, in Armuth immer glücklich, immer friedlich seyn, wah­ rend Ihr mit all' Eurem Glücke unzufrieden, trostlos um­ herirret, nur bei Gott findet man Trost, wenn das Herz nicht mit Sünden beladen ist und man Gott liebt, so hat man überall Ruhe, immer Trost und Friede, denn dni wahren Frieden findet mau nur bei Gott. Diese Leute,

55 die ein frommes, Gott-rvohlgefalliges Herz verachten, denen sollte man einen Zaum und ein Gebiß in das Maut legen, um mit den Worten deß Propheten zu sprechen» Gott gab ihnen Freiheit, gab sie ihnen, damit sie dadurch sich den Himmel erwerben, und sie verschwenden sie< Gott der Vater ist aber immer unser Trost. Meine lieben Freunde, ich. Euer treuer', Euch dankbarer, und wollte Gott, ewig liebender Freund, trachte, Euch nicht nur zu belehren, sondern Euch auch zu trösten, trösten will ich manches beklemmte trauernde Herz, vielleicht ge­ lingt eß mir manchmal durch Gottes Hilfe, denn Gott allein giebt Trost, nirgends als bei Gott finden wir Trost. Wenn wir trostlos verlassen find, und auf unsere Ver­ wandten, die mit uns verbunden sind, auf unsere Freunde oder auf Gönner bauen, waS gar die größte Albernheit ist, diese helfen uns nicht auf, Gott dem Vater müssen wir vertrauen, zu ihm flehen, und wenn auch mancher Christ lange flehet, lange nicht erhöret wird, glaubt, Gott will ihn nicht erhören, wenn er spricht: o Water, zögere nicht so lange, ich kann es nicht mehr übertragen. Wenn man­ ches trostlose Herz jammert und klagt; ach em solches be­ klemmtes Herz verstehe ich sehr gut, ich wollte, daß ich Gott so gut verstünde, es flehet unaufhörlich und der Va­ ter erhöbet sein Kind und spricht: Weißt du denn nicht, daß ich keinen Sünder verstoße, daß ich allen vergebe, wenn sie sich zu mir wenden, ich will nicht den Tod deS Sünders, sondern daß er sich bekehre und lebe, ich erhöre dich auch, ich bin bei dir, ich will dich trösten, sey ruhig. Und so tröstet der Vater Alle. Ach flehet doch Alle zu ihm, Alle Ihr armen und nothleidenden, Alle Ihr trost­

losen und verlassenen, Alle Ihr unterdrückten und be­ klemmten Christen, Alle Ihr Unglücklichen, Alle Ihr Witwen und Waisen, und besonders alle Ihr Sünder. Flehet zu Gott, der noch Euer liebender Water ist, der

56 fich noch über Euch erbarmet. Höret auf zu sündigen, und Kraft des Versöhnungsblutes Jesu Christi wird er Euch nicht verstoßen, sondern sprechen: Und wenn deine Sünden so both wie Scharlach waren, ich will dich weißer waschen, denn der Schnee. Thuet Buße alle Ihr Sün­ der, alle Menschen, die Ihr betrübt rmd beladen seyd, flehet zu dem Vater, sprecht: ich bin krank, mache mich gesund; ich bin beladen und betrübt, tröste mich; ich bin elend, heile mich, stärke mich, erbarme dich meiner. Und wenn Ihr ohne Unterlaß flehet, so werdet Ihr erhört werden, denn Gott ist der allmächtige barmherzige Vater. Amen/

Am Festtage aller Heiligen. Tert:

„freuet euch und frohlocket, weil euch eine große Belohnung im H'mmcl ücrbebultcn ist." Matth. 5. Kap. 12. L.

Ueber diese Worte des heutigen Evangeliums am Festtage Aller Heiligen werde ich nun predigen, so Gott will, zuvor müssen wir aber den heiligen Geist um seinen Beistand bitten. ' >

„Freuet euch und frohlocket, weil euch eine große Belohnung im Himmel vorbehalten ist." Diese Worte stehen im Evangelium, aber es will denn doch nicht so recht mit unserer Freude gehen, wenn wir diesen Satz dem Satze: „nichts Unreines und Beflecktes kann in das Him­ melreich eingehen," gegenüber stellen, da können wir uns nicht so recht aus dem Grunde unsers Herzens freuen, da wir Alle unrein sind. Am ersten Weihnachtsfeiertage, an dem Lage, wo die Engel in den Höhen sangen: „Ehre sey Gott in der Höhe, und Friede den Menschen auf Er­ den, die eines guten Willens." An dem hohen Weih­ nachtsfeste, wo unser Heiland, wo das Kindlein Jesus

56 fich noch über Euch erbarmet. Höret auf zu sündigen, und Kraft des Versöhnungsblutes Jesu Christi wird er Euch nicht verstoßen, sondern sprechen: Und wenn deine Sünden so both wie Scharlach waren, ich will dich weißer waschen, denn der Schnee. Thuet Buße alle Ihr Sün­ der, alle Menschen, die Ihr betrübt rmd beladen seyd, flehet zu dem Vater, sprecht: ich bin krank, mache mich gesund; ich bin beladen und betrübt, tröste mich; ich bin elend, heile mich, stärke mich, erbarme dich meiner. Und wenn Ihr ohne Unterlaß flehet, so werdet Ihr erhört werden, denn Gott ist der allmächtige barmherzige Vater. Amen/

Am Festtage aller Heiligen. Tert:

„freuet euch und frohlocket, weil euch eine große Belohnung im H'mmcl ücrbebultcn ist." Matth. 5. Kap. 12. L.

Ueber diese Worte des heutigen Evangeliums am Festtage Aller Heiligen werde ich nun predigen, so Gott will, zuvor müssen wir aber den heiligen Geist um seinen Beistand bitten. ' >

„Freuet euch und frohlocket, weil euch eine große Belohnung im Himmel vorbehalten ist." Diese Worte stehen im Evangelium, aber es will denn doch nicht so recht mit unserer Freude gehen, wenn wir diesen Satz dem Satze: „nichts Unreines und Beflecktes kann in das Him­ melreich eingehen," gegenüber stellen, da können wir uns nicht so recht aus dem Grunde unsers Herzens freuen, da wir Alle unrein sind. Am ersten Weihnachtsfeiertage, an dem Lage, wo die Engel in den Höhen sangen: „Ehre sey Gott in der Höhe, und Friede den Menschen auf Er­ den, die eines guten Willens." An dem hohen Weih­ nachtsfeste, wo unser Heiland, wo das Kindlein Jesus

57 geboren wurde, da, sage ich, können wir uns Alle freuen, sogar der Sünder, oder vielmehr der Sünder am meisten, denn nun beginnt wieder seine Erlösung und Begnadi­ gung, der Welterlöser ist geboren worden. Das ist ein «Tag der Freude und des Jubels für uns Alle. Aber der heutige Lag Aller Heiligen macht uns nicht so viel Freude, sollte sie uns aber machen , wenn wir nur ein wenig besser waren, und soll uns anspornen, aneifern, nach jenem gleichen Ziele zu trachten. Als ich heute früh vor sechs Uhr von der Maria Stiegen hierher ging, um zu predigen, war es noch ganz finster und ein dicker Ne­ bel. Auf den Straßen war es noch ganz dunkel und ruhig, hie und da sah ich Leute in diese und andere Kirchen gehen, Leute, die des Morgens eilen, ihren Gott zu loben. Ich mußte durch den Nebel, weil ich predigen mußte; sah hie und da Schildwachen, die nicht in die Kirche gehen konnten, weil sie ihren Posten besetzen mußten. In der Kirche war aber schon Alles recht schön erleuchtet, mrd gute Menschen waren schon versammelt, ihren Schöpfer und Erlöser zu preisen. Aber sie hatten auch kein Bleibens in der Kirche, sie konnten nicht immer darin bleiben und beten. Viele, oder Manche vielleicht, als sie so vor dem hochwürdigsten Gute lagen und es recht inbrünstig und liebend anbeteten, haben viele Gnaden erhalten, und vielleicht ihren Kum­ mer, ihren Jammer, ihr Elend vergessen. Aber die gu­ ten Leute mußten die Kirche wieder verlassen und die Freude war dahin. Ach meine lieben Freunde! das ist Alles ein Bild des Menschen, das ist unser jämmerliches Bild. Wir sind hienieden nur Pilgrimme, haben hier keine bleibende Statte, müssen sterben, alles Irdische verlassen, und vielleicht haben wir auch dort noch keine bleibende Statt, vielleicht müssen wir noch büßen unserer Sünden wegen. Wollte Gott der Herr, daß wir dort ein Bleibens, eine sichere, bleibende, nimmer zu ver-

58 lassende Stadt hätten, dann sollten uns die Worte des heiligen Ciprinus froher, ertönen: wer wollte nicht gerne daß Schisflein besteigen, das uns wieder in unsere Heimath bringt. Jedoch wir wollen uns auch des Gedächt­ nisses Mer Heiligen erinnern und freuen, wollen nicht trostlos seyn, denn vergangenen Sonntag in meiner letz­ ten Predigt erhielten wir Trost, indem wir sahen, daß Gott unser allmächtiger Vater ist, Alle, sind seine zwar gefallenen, aber durch Jesu Christi Blut theuer erkguften, daher erlösten Kinder. Heute wollen wir zu unse­ rem noch größerem Troste weiter schreiten und zwar spre­ chen: „Ich glaube an Gott den allmächtigen Vater, Schöpfer des Himmels." Was heißt: „den Himmel schaffen", oder wie hat Gott den Himmel geschaffen? das ist mein erster Theil. Wie müssen wir mit Gott den Himmel schaffen, wie müssen wir Gott den Himmel schaffen helfen? das ist mein zweiter Theil. Allmächtiger Vater, Schöpfer des Himmels! Herr und Heiland Jesus Christus! stehe uns bei, damit wir nicht erliegen, sondern treu beharren bis an's Ende. Königin Aller Heiligen, die du an der Spitze Aller Hei­ ligen stehest, heilige Maria, Mutter Gottes, bitte für uns. Alle ihr heiligen Apostel bittet für uns. Alle ihr neun Chöre der Engel, Erzengel und Thronen, Herr­ schaften und Fürstenthümer, Gewaltigen und Cherubinen, und ihr, die ihr dem allerheiligsten Altarsakramente am nächsten seyd und es anbetet, ihr großen Seraph'neu bittet für uns. Alle ihr heiligen Patriarchen und Pro­ pheten, Märtyrer und Bekenner, Beichtiger und Ein­ siedler. Alle ihr heiligen Frauen unö Jungfrauen, auch ihr, Ursula und Angela, Schätzerinnen dieses Tempels, alle ihr Heiligen Gottes, bittet für uns. „Freuet euch und frohlocket, weil euch eine große

59 Belohnung im Himmel vorbehalten ist." Was ist aber der Himmel? Der Himmel, den wir über nnö erblicken, was ist der? Er ist ein Zelt, wenn ich so sagen kann, was über unseren Erdball gespannt ist, er ist ein Ge­ webe von allerlei Dünsten, die emporsteigen. Aber die­ ser Himmel ist auch nicht, wie uns Allen bekannt'ist,

immer so schön und herrlich, wie er uns an heiteren La­ gen erscheint, er ist mit finstern, schwarzen Wolken be­ deckt. Auf diesem über unsere Erde gespannten Gewebe erblicken wir die herrlich leuchtende, Alles belebende und erwärmende Sonne am Mittage, und in einer hellen hei­ tern Nacht, die unzählige Menge Sterne und den Mond. Allerdings ist dieses, was wir Himmel nennen, sehr schön, aber vergänglich, veränderlich, denn eß ist irdisch Die Sonne scheint in ihrem vollen Glanze, es kommt eine trübe Wolke und verhüllt sie unsern Augen. Das ist der Himmel, den wir erblicken, aber von diesem über uns ge­ spannten, bloß aus Dunsten beschaffenen Gewebe spreche ich nicht, ich will von einem ewigen, unvergänglichen Himmel, dessen wir Alle harren, sprechet. Da der liebe Herr Gott Alles so wunderschön und herrlich und zu un­ serm Heile behülflich eingerichtet hat, so ist für uns dieser irdische Himmel ein Worschmack für das Himmelreich, vielleicht, ja gewiß nur ein sehr geringer, jedoch zur Er­ kenntniß, oder vielmehr zur Hinweisung auf unsere h-he Bestimmung hinreichender. Won diesem Himmel spreche ich aber nicht. Es heißt im katholischen Glaubensbekennt­ nisse: Schöpfer Himmels und der Erde. Won der Erde spreche ich aber heute nicht, nur von dem Himmel. Die Erde ist nur durch den Hauch seines Mundes geschaffen, wie David sagt. Himmel und Erde sind aber seiner Hände Werke und durch den Hauch seines Mundes hervorgebracht. Ich spreche aber von dem Himmel, der nicht nur durch den Hauch seines Mundes, sondern durch seine

60 große göttliche Macht entstanden ist. Also waS ist dieser Himmel, worin besteht er? Aus der unabsehbaren Zahl der Auserwahlten, die in ewiger Freude und Herrlichkeit Gott anschauen, loben, preisen und genießen in alle Ewig­ keit. An diesem Himmel thürmen sich keine Wolken, keine Nacht erscheint, denn die Sonne, die da leuchtet, kann nie getrübt werden, es leuchtet da die Gnadensonne Jesus Christus, der eingeborne Sohn, im vollen Glanze, der da spricht: ich bin das A und O, der Anfang und das Ende. Kommt her und schöpft von dem Wasser des Le­ bens umsonst, durch ihn, durch Jesum Christum wird daß Himmelreich erleuchtet. Und das Himmelreich ist die streitende, leidende, aber siegende Kirche im Himmel. Was diese Kirche ist, kann ich nun weitlauftig nicht zer­ setzen, aber wenn ich es erlebe, was vielleicht mit Gottes Gnade, die in den Schwachen ist, geschieht, werde ich doch in meinen Katechismuspredigten darauf zurückkom­ men. Also die streitende, leidende, siegende Kirche ist der Himmel, der ewige, in welchem ewiger Lag, ewige Wonne ist, wobin aber schwer zu gelangen ist, jedoch durch Gottes Hülfe können wir Alle siegen und dorthin gelangen, wo kein Lod, kein Unglück, kein Jammer mehr ist, wo nur ewiger Friede, Freude und Ruhe ist, nicht Friede, den die friedlose Welt zu geben wahnt, sondern göttlicher. Erst um dahin zu gelangen, müssen wir durch die Pforten des Lodeß gehen, und den entscheidenden Au­ genblick verschwenden, den Viele verschwendet haben und ihn ewig büßen und bereuen. Was der Lod ist, was der Hintritt in die andere Welt ist, wird einem erst klar, der schon auf dem Lodtenbette liegt, wenn die Aerzte sa­ gen : nun ist Alles vorbei. Wenn die Lodtenkerze in der Hand deß Sterbenden brennt, wenn die theuren Lieben klagen und weinen und der Priester Gottes, der Gesalbte hereintritt, derKranke schon halb scheidend zu ihm spricht:

61 Ach Alles ist vorbei. Der Priester aber spricht durch Got­ tes Kraft, er schüttet Trost in die Seele des Scheidenden, er sagt: nein, nichts, gar nichts ist vorbei, nichts als deine Sünden sind vorüber, Alles wird erst geschehen, und Jesus Christus wird erst vollbringen. Und der Ster­ bende wird Reue und Buße fühlen und gern und freudig scheiden aus diesem Jammerthale, und wenn er fromm war, in die ewige Herrlichkeit eingehen. Es sagte ein­ mal Einer, der tod ist: sterben, schlafen, träumen. Es ist nicht wahr, der Lod ist kein Traum. Aber, meine lieben Freunde, nicht das ist nun unsere Betrachtung, wir wollen ja den Himmel, in das Himmelreich eingehen, was müssen wir denn thun, um dahin zu gelangen? Chri­ sten seyn, christlich handeln, christlich arbeiten. Laßt Euch nicht irre machen, wenn elende Spötter, die nun Gott Lob nicht mehr so viel geachtet, daher auch nicht widerlegt »erden, denn sie selbst werden einst sprechen muffen: Lasset Euch nicht irre machen, wenn diese jäm­ merlichen Menschen sagen, eö giebt heute zu Tage mehr Heiden als Christen, wer soll denn in den Himmel ein­ gehen. Lasset diese Elenden, sie selbst sind getaufte Hei­ den, wir Alle, wenn wir für das Himmelreich arbeiten, können in dasselbe eingehen, obwohl es viele Heiden, Türken, Inden u. A. giebt. Ich sage ferner: ein Heide, Jude, oder Türke, sey er wer er wolle, der einsieht, nachdem er vom Christenthums gehört hat, wie nothwen­ dig, wie trostreich es sey, und er ein wahres ernstes Ver­ langen hat, Christ zu werden und die Taufe zu empfan­ gen, so empfängt er die Begierdtaufe, und wenn er im­ mer bis an'S Ende diesem Wunsche Iren und ergeben bleibt, wenn eS nicht in Wirklichkeit geschehen, so geht er, nach den Verheißungen Gottes und der Kirche, in die ewige Seligkeit ein. Dieses soll aber nicht unsere Trägheit, Nachlässigkeit, ja Bosheit anspornen, denn

62 da Gott so gnädig mit uns Menschen ist, so sollen wir seine Gnade erkennen und nicht mißbrauchen. Wenn wir Christen trage sind und fast wie Heiden leben, so gehen wir nicht ein, sondern werden am Tage des Gerichtes zer­ schmettert von dem gerechten Richter und müssen diese Zer­ schmetterung ewig fühlen. Das sage ich unS zur War­ nung. Aber Heiden und Juden können selig werden. In der heutigen Epistel aus der Offenbarung Johannes ge­ nommen, stehet: „Ich sahe einen Engel vom Anfänge der Sonne heraufkommen, der hatte daß Zeichen des le­ bendigen Gottes, und er rief mit starker Stimme zu den vier Engeln, die Macht hatten, der Erde und den Men­ schen zu schaden, und sprach zu ihnen: Ihr sollet weder der Erde , noch dem Meere, noch den Baumen Schaden zufügen, bis wir nicht die Knechte unseres Gottes an ihren Stirnen zeichnen." Und welches Zeichen ist das, mit dem die Knechte Gottes an ihren Stirnen bezeichnet werden sollten. Mit dem Zeichen des heiligen Kreuzes, durch welches wir siegen. „Und ich hörte, die Zahl der Gezeich­ neten, Hundert und vierzig tausend waren aus allen Stam­ men der Kinder Israel gezeichnet, ans jedem Stamme zwölf Tausend." Ach nun sind mehre gezeichnet mit dem Zeichen des Kreuzes und die Schaar der Heiligen hat da­ durch gesieget. „Darnach sah ich, spricht Johannes wei­ ter, sah ich eine große Schaar, aus allen Heiden, Ge­ schlechtern, Völkern und Sprachen, welche niemand zah­ lenkonnte, diese standen vor dem Throne und dem An­ gesichte des Lammes, sie waren mit weißen Kleidern be­ kleidet , und trugen Palmen in ihren Handen, und riefen mit lauter Stimme: Heil sey unserm Gott und dem Lamme. Aber Engel standeu um den Throu nnd fielen auf ihre An­ gesichter nieder, beteten Gott an, und sprachen: Amen, Lob und Klarheit, Weisheit und Danksagung, Ehre, Macht und Starke sey unserem Gott von Ewigkeit zu

63 Ewigkeit." Also sehen wir beute die unzählige Schaar von Heiligen. Sehen die nie gefalleneu über die Heiligen noch erhabenen Engel, die Gott unaufhörlich loben unpreisen, deren sich der Herr bedienet. Er stellte sie über uns, als unsere Beschützer, uns zu bewachen, und nicht von uns zu weichen. Dann bedienet Er sich ihrer um unS zu belehren, und ferner auch noch um uns zu strafen, zu züchtigen und zu ermahnen, zurückzukehren auf die Bahn des Heiles. Sie schauen immerwährend Gott, Jesum Christum an, und sind ewig in Gloria und Herrlichkeit erhaben. Daß "von den Engeln. Nun sage ich aber kurz und schrecklich, daß es Engel gibt, die gesunken sind in die ewige Verdammniß ihres Stolzes wegen. Gestürzet auS dem Reiche des Lichts, der Freude, in das höllische Feuer, Satan mit seiner Engelschaar. Unsere kleinen Satane hingegen, deren es Wiele gibt, leugnen das, so wie auch den Teufel und die Hölle, wir übrigen glauben es aber und warnen uns vor dem Stolze. ÄZir sehen heute unsere

Patriarchen, die schwer arbeiteten, um ihr Ziel zu er­ reichen, wie schwer war es ihnen bloß immer nur auf den Messias zu hoffen und auf seine Ankunft zu glauben. Sie thaten eß aber, blieben treu bis ans Ende, erhielten die Krone des Lebens. Wie schwer mußten die Propheten Gotteß kämpfen unter dem ruchlosen Volke, wie schwer mußte es ihnen nicht seyn btr Götzen auszurotten, den Glauben und hie Anbetung Gottes herzustellen, wie viel mußten sie gegen die Götzen- und Baalspfaffen käm­ pfen. Sie siegten aber durch Gottes Hilfe. Alle Heili­ gen mußten sehr viel, sehr schwer, bitter arbeiten, alle waren Märtyrer, wenn nicht alle dem Körper, doch dem Geiste nach. Allein die unschuldigen Kindlein, die Gott allein würdigte, noch in ihrer Schuldlosigkeit und Einfalt bald nach ihrer Geburt als die ersten Märtyrer für Jesu zu sterben, nach einem Minutenlangen Schmerz. Diese

64 allem litten nicht, diese allein berief Gott als seine ersten schuldlosen Märtyrer und von diesen Kindlein heißt es in der Schrift: „sie spielen mit ihren Palmenkronen am Al­ tare des Lammes.,, Wir sehen die Märtyrer, die erst nach langen schweren Arbeiten und Leiden den blutigsten Märtyrer-Tod des Glaubens wegen starben, aber auch gleich die schöne, glorreiche Martyrerkrone empfingen. Wir sehen Bekenner, Beichtiger, die bald vor dem Grim­ me des Volkes in Höhlen fliehen mußten, dann wieder Bücher schrieben, wo man entbrennet von ihrer Liebe und ihrer Erleuchtung seyn muß; dann sehen wir sie wieder Jesum Christum laut und öffentlich bekennen, im Beicht­ stühle Funken der Liebe in fast erloschene steinerne Her­ zen zu sprühen. Und ein redlicher Beichtvater, der furchtsam und zitternd im Beichtstühle sitzet und es ehrlich meinet, der kann hier auf Erden nicht belohnet werden. Dann sehen wir Einsiedler und Mönche, geschieden von der Welt, von den irdischen Lüsten, bloß für Gott leben und 'arbeiten. Endlich sehen wir heilige Frauen und herrliche Jungfrauen, die für ihren Seelenbrautigam treu arbeiteten. Der heilige Penno saget von Jung, fnuten unter den Heiligen, sind die Jungfrauen den Lilien gleich. Die Märtyrer sind die Rosen, die Jungfrauen die Lilien. Die Jungfrauen arbeiteten auch fürs Höchste; aber wie er der größte unserer Predidiger sagte: was hat eine Jungfrau zu fürchten. Sie hat nichts zu fürchten, keine Gefahr, kein Unglück, sie hat nichts zu fürchten, denn sie ist mit ihrem Seelenbrautigain hienieden schon vereiniget. Alle Heiligen, keinen auögenontmen, alle arbeiteten schwer für den Herrn, lit­ ten viel, gingen alle erst durch Leiden, Trübsale, Ver­ folgungen, in die Herrlichkeit ein. Alle Heiligen waren Märtyrer. Schon Johannes, der Größte vom Weibe ge­ boren, war ein Märtyrer. So könnte ich Euch alle Hei-

65 ligrn mit den Blumen der Phantasie außmalen, aber ich ehre die Stelle, auf der ich stehe, zu sehr, als auf Phan­ tasie zu denken, als mit Blumen derselben zu glanzen, ich will Euch vielmehr belehren, und trachten Euch zu der ewigen Herrlichkeit, wo die Heiligen thronen, zu verhelfen, damit wir auch einst Glieder der streitenden, leidenden und siegenden Kirche im Himmel werden, die das Panier des Kreuzes erhebet und durch dasselbe sieget. Ihr meine Lie­ ben möget in Euerem Innern Euch selbst die Heiligen ma­ len und ihr Beispiel nachahmen, denn Gott hat uns zu freien Geschöpfen geschaffen, und da wir Freiheit haben, so müssen wir Gott den Himmel schaffen helfen, denn wir können Gott Alles nachmachen. Und wie wir das thun, davon nun noch im zweiten Theile. Ich bin ein Mensch, die Heiligen waren Menschen, ich bin ein Mensch wie die Heiligen. Wie schaffen aber wir Menschen mit Gott dem allmächtigen Vater, Schö­ pfer des Himmels, den'Himmel. O Jesus Christus, lehre

Du uns das, Du Fleisch gewordenes Wort lehre uns das, damit wir siegen, predige du statt mir. Der gnädige Herr that es auch, er schreibt uns Alles vor was wir thun müssen, er giebt uns Regeln, die wir nur lernen müssen. Einst als der Herr viel Volk um sich sah, stieg Er auf ei­ nen Berg um zu lehren, und da hielt Er die herrlichste al­ ler Predigten. „Und als sie sich niedergesetzet hatten, öff­ nete Er seinen Mund." Er öffnete ihn um wieder etwas Großes, nur Göttliches zu lehren. Und da saget Er uns denn alle Regeln, die wir erlernen müssen, um selig zu werden, und er sprach denn also: „Selig sind die Armen am Geiste, denn ihrer ist das Himmelreich." Nicht die. Armen, die in Dürftigkeit schmachten, verstehet der'Herr, der Arme, Dürftige, oder der Reiche, Vornehme, sie können beide arm seyn, denn nicht Dürftigkeit meint der Herr, sondern Armuth am Geiste. Daß wir Alles was

XIII, Predigten UI.

5

66 wir haben, auf Gott beziehen, einsehen, daß wir nicht werth sind der vielen Wohlthaten, mit denen uns Gott überhäufet hat. Daß wir weun wir, Lugenden erlernet oder etwas Gutes gethan haben, es nicht als unser Werk erkennen, sondern als eine besondere Gnade des Herrn. Daß wir, wenn wir Lugenden ausüben, uns derselben nicht rühmen, sondern sie für sehr gering betrachten, daß wir unS nicht für gut und fromm halten; das ist Armuth am Geiste, und die kann der Arme so wie der Reiche haben. Und wer diese Armuth hat, der ist reich, denn der Herr sagt: „Selig sind Hie Sanftmüthigen, denn sie werden die Erde besitzen." Ach Sanftmuth ist eine der schönsten Lugenden, der wir Alle nachjagen wollen^ da wir sie viel­ leicht Alle lucht, Wenige mrr kennen. Ich weiß recht gut, daß Sanftmuth schwer zu erlangen ist. Was ist aber Sanftmuth: Geduld, Geduld nichts Anderes, wenn wir aus Liebe zu Gott leiden, Alles ohne Murren und Unwil­ len als eine Schickung Gottes tragen. Geduld hatten die Heiligen, sie waren nicht so ungestüm wie Viele von uns, sie murrten nicht über Alles, über jede Kleinigkeit wie wir. Frommen meine lieben Freunde ist Geduld sehr viel. Eine Minute Geduld um Jesu Christi willen ist mehr, ist hülf-

reicher als wenn wir einen halben Tag auf den Knieen lie­ gen und beten, oder einen ganzen Tag bei Wasser und Brot fasten. Wenn wir die Geduld gelernt haben, dann werden toij die Erde besitzen, werden Herr über unsere Körper werden. Selig sind die Trauernden, denn sie wer­ den getröstet werden. Welche Trauernden, nicht die, die nm irgend ein irdisches Wesen, um einen Freund oder ein Geschöpf trauern, weinen, klagen, wie die Heiden, nicht diese, sondern der Herr verstehet unter den Trauern­ den diejemgen, die ihr Unrecht einsehen, und darüber trauern, die über ihre Sünde weinen, die betrübet sind und klagen, daß sie sich durch die Sünden vor Gott miß-

G7 fällig machen, diese, nachdem sie lange getrauert haben, diese werden getröstet werden. Nicht irdischen Trost werden sie erhalten, sondern Trost von Oben, von Gott, denn Er allein kann dauernden Trost geben. Selig sind die nach Gerechtigkeit hungert und dürstet. Nach der Gerechtig­ keit, von der sie sich entfernet haben, von dem Vater der Gerechtigkeit. Denn wenn sie recht darnach hungert und durstet, denn nachdem sie wie der verlorne Sohn, nach­ dem er sich von dem Vater entfernt hat, nachdem er an­ fangs von den Trebern vielleicht mit Appetit gegessen hat, dann kann er nicht mehr davon essen, dann hungert und dürstet ihn nach der Kost des Vaters, aber diese Kost ist noch nicht da, er fühlet eine Leere, Trockenheit in sich. Und dieser Hunger und Durst nach der Gerechtigkeit ist vielleicht Vielen bekannt, mir ist sie auch nicht sehr unbe­ kannt. Dann aber nahet der Vater und speiset ihn mit seiner göttlichen Kost, dann wird er gesattiget durch den Genuß des Lebens, dann will und kann er auch nicht mehr zurück blicken in die Ungerechtigkeit, denn Gott ist bei ihm. Alleluja! „Selig sind die Barmherzigen, denn sie werden Barmherzigkeit erlangen." Trachtet meine theuern Freunde nach der Barmherzigkeit, damit Ihr sie wieder empfanget. Und Ihr Reichen und Wohlhabenden, ver­ schließet Euer Herz nicht vor Eueren dürftigen, Noth­ leidenden Brüdern. Erkundiget Euch aber auch nach Ar­ men, die es nothwendig haben, damit Ihr nicht gegen Andere barmherzig seyd. Viel Vornehme, besonders hier in Wien, sind barmherzig, helfen gerne, wenn aber Arme kommen, so sind die Kammerdiener nnd Kammer­ frauen, die Dienstboten mit ihnen so grob, daß sie nicht einmal die Gnade haben, die Herrschaft zu erblicken. Seyd barmherzig wo Ihr könnet, und wo nicht anders durch Rath, ach trachtet darnach, damit Ihr einst-vor dem -strengen, gerechten Richter auch Barmherzigkeit r»

68 Langet. „Selig sind die ein reines Herz haben, denn sie werden Gott anschauen." Ein reines Herz hat Niemand, aber nach und nach können wir dazu gelangen, wir meiden anfangs alle Todsünden, dann wenn wir das erlernet ha­ ben, so trachten wir auch die häßlichen Sünden auszurotten, nehmen uns vor, jede Gelegenheit zu meiden, und dann ziehet Gott in unser Herz ein, und wir werden ihn einst ewig mit seinen Engeln und Heiligen anschauen. „Selig sind die Friedsamen, denn sie werden Kinder Got­ tes genannt werden." Ach das ist ein schöner Name. WaS kann es Schöneres als den Frieden geben. Richt den Frie­ den, den uns die Welt auf einige Augenblicke giebt, son­ dern den Frieden von Gott, den Er in unser Herz leget. Der uns nie kann geraubet werden, und mag Unglück und Verfolgung und Krankheit, Armuth, Gefahr uns be­ stürmen, es raubet uns den Frieden nicht, denn wir lie­ gen in den Handen Gottes, und wenn wir den Frieden hienieden haben, so bleibet er uns ewig, denn wir sind Kinder Gottes. „Selig sind diejenigen, die um der Ge­ rechtigkeit willen Verfolgung leiden, denn ihrer ist das Himmelreich." Ehe wir aber wegen der Gerechtigkeit Ver­ folgung leiden, müssen wir sie erst kennen, diese Verfol­ gungen litten die Heiligen, und deßhalb ist ihrer auch das Himmelreich eigen. Nachdem wir alle diese Lugenden besitzen, können wir das freudig hören: „Selig seyd Ihr, wenn Euch die Menschen um meinet willen schmähen, ver­ folgen und böse wider Euch reden und lügen." Wenn wir die Lugenden alle besitzen, von denen uns der Herr früher unterrichtete, dann werden wir gerne Alles wegen Jesum Christum leiden, und eine Ehre und Freude daraus ma­ chen, dann können wir getrost seyn, dann wenn wir diese Lugenden uns durch Gottes Hülfe eigen gemacht haben, schaffen wir mit Gott den Hirümel, denn dann werden w'r Heilige und bevölkern ihn. Und am Ende des Eran-

69 gelium spricht der Herr: „Freuet Euch und frohlocket" weil Euch eine große Belohnung im Himmel Vorbehalten, Ich will Euch als ein katholischer Priester sagen: wenn Ihr Euch freuen, wenn Ihr frohlocken sollet. Morgen, morgen, wenn sich die Kirche aller Abgestorbenen, die noch im Fegefeuer ihrer Sünden wegen leiden, erinnert und für sie betet. Morgen erfreuet Euch, sie rufen: erbarmet Euch, erbarmet Euch. So erbarmet Euch denn über sie, erbarmet Euch und betet für sie um Erlösung. 'Seyd nicht trostlos, weinet nicht, Kinder, die Ihr Euere Mut­ ter, Eueren Vater, Gatte, der du deine Gattin, Weib, die du deinen Mann verloren hast, hier zeitlich durch den aber Gott sey gelobet nicht ewig, Freund der du deinen Freund, armer Hülfloser, der du deinen Wohlthä­ ter verloren hast, trauert nicht, er lebet, betet zu Gott um seine Erlösung. Und auch du ««gerathener, Sohn, der du deine Mntter mit frühen grauen Haaren ins Grab ge­ tragen hast, sey nicht trostlos, frohlocke Morgen, Du kannst noch gut machen, was Du verschuldet hast, bete für die Seelen im Fegefeuer und für deine Eltern. Ver­ zaget nicht, sondern erbarmet Euch Aller, betet für Alle, denn Alle sind unsere Brüder, und freuet Euch und froh­ locket, denn einst werdet Ihr mit ihnen, mit Euern treuen Lieben, in ewiger Freude versammelt und vereini­ get seyn, und mit ihnen bei Gott wohnen, denn Eure Belohnung wird groß seyn im Himmel) Amen.

70 Am ein und zwanzigsten Sonntag nach Pfingsten. Lrrt: ,41nb als der König zu rechnen an fing, wurde ihm einer »orge» steller, der fbm zehn raufend Pfund schuldig war." Warth. 18. Kar. 24. V.

Nebe^diese Worte des heutigen sonntäglichen Evan­ geliums will ich nun zu Euch predigen, zuvor wollen wir aber den Heiligen Geist um seinen Beistand bitten. Ich habe in meiner vergangenen Predigt am Feste Al­ ler Heiligen gezeigt, wie der Himmel erschaffen ist, nu dem ich in meinen Katechismußpredigten weiter gegangen bin und gesagt habe: ich glaube an Gott den allmächti­ gen Vater, Schöpfer des Himmels, den wir mit unseren Augen über uns erblicken, besonders des Himmels, dessen wir Alle harren, des Himmels, wo ewige Freude und Herr­ lichkeit ist, wo die heilige Dreieinigkeit herrschet in Ewig­ keit Wir sahen, daß er bestehet in der streitenden, leiden­ den und siegenden Kirche, wo alle Heiligen und Seligen ihren Lohn empfangen, wo sie ewig Gott anschauen, nicht wie wir arme Sünder wie durch einen Spiegel, wie der Apostelfürst Paulus sagt: sondern sie sehen Gott und die ganze heilige Dreieinigkeit im vollen Glanze. Das ist der Himmel, wovon wir sprachen, und uns an dem Gedächtnisse aller Heiliges erfreneten, die Gott der Herr uns auch zum Troste gegeben hat, die durch ihre Fürbitte bei Gott uns viele Gnaden erlangen helfen, die auch unsere Gebete vor-

rragen, und Gott immerwährend für uns bitten, damit wrr einst mit ihnen Gott loben und preisen mögen. Aber manche Spötter und gebildete Religionspartei beschuldi­ gen uns, daß wir die Heiligen anbeten, und ihre Bilder auch. Obwohl ich, wenn mir Gott noch Leben und Ihr, meine lieben Freunde, noch länger Geduld schenket, ich

71 in meinen Predigten darauf zurückkommen werde, so be­ merke ich nun nur voraus zu unserer Rechtfertigung, daß wir Christen, wir katholische Christen, beten keinesweges die Heiligen an, wir bitten nur die Heiligen um ihre Fürbitte bei Gottt, wir verehren die Heiligen, beten sie aber nicht an; so wie auch ihre Bildnisse, die wir in unsern Tempeln haben, nicht, wir erinnern uns nur durch ihre Abbildung um so kräftiger, und verehren itnufo mehr die Verdienste Jesu Christi, um Ihm dem gnädigen Herren zu danken für die unendlichen Gnaden, mit denen Er seine Heiligen ausgerüstet, und für die vielen Gna­ den, die Er uns armen, elenden Sündern verliehen hat. Ferner wissen die Heiligen von uns, was auch Manche leugnen, sie sehen unser Elend, unsernJammer, sie wis­ sen von unserm Unglücke, von unserem Kummer und Noth, von allem, unserem Leiden. Sie hören unsere Gebete, sie wissen Alles was an uns nagt, was uns schmerzt, und nicht nur die Heiligen, sondern auch nur die Seligen. Wie sollten sie das Alles nicht wissen, da sie immerwährend Gott anschauen, sie sehen durch Gott wie durch einen Spiegel alle Menschen, die. noch hier auf Erden wohnen, sie sehen die heilige Dreieinigkeit und durch sie, wie durch einen Spiegel alle unsere.Anliegen, alle unsere Betrüb­ niß. Sie sehen Jesum Christum, und durch Hhn wie durch einen Hellen Spiegel alle unsere Nöthen, all' unser Flehen und trachten, wenn wir uns bekehren nach dem Gu-' ten, all' unser Jammern und Klagen. Sie sehen durch Gott wie wir von der Welt verfolget werden, wie wir trauern. Aber sie sehen auch unsere Bosheit, unsere Ruch­ losigkeit, unser immerwährendes Rennen nach Sünden, unsere Lauigkeit und Gleichgiltigkeit für Gott, wie wir ermahnet werden, aber kein Gehör geben, sie sehen und wissen es, und betrüben sich darüber. Aber gewiß ist eS, daß sie Alles von uns wissen/ weil sie Gott den Allgegen,

72 wartigen. Allwissenden, Allmächtigen ansehen. Danun nur vorläufig, daher genug. Nun heute will ich weiter gehen und sagen: „ich.glaube an Gott den allmäch­ tigen Baker, Schöpfer Himmels und der Erde." Da wollen wir sehen, wie Gott Alles erschaffen hat, und zwar den Hauptgegenstand ergriffen. Gott hat den Menschen erschaffen. Da will ich von dem, was wir verloren haben, von der verschwendeten Unschuld des Menschen, was uns am nächsten liegt, handeln. Die ersten Menschen waren unschuldig, ehe noch der Fluch der Erbsünde auf ihnen lag, das ist mein erster Theil. Und, — waren auch wir unschuldig? Das ist mein zweiter Theil. Unschuldiges Lamm , Herr! Erlöser Jesus Christus stehe uns bei! O du Lamm Gottes, welches hinweg nimmt die Sünden der Welt, erhöre uns! verschone unser­ barm dich unser. Heilige Maria, Mutter Gottes, die Du allein ohne Sünde wärest, die Du ohne Sünde em­ pfangen und geboren wurdest.^ Die Du makellos und rein bliebst und Jesum geboren hattest, deren Schutzfest auch heute hier in Wien gefeiert wird, erbarme Dich unser: stehe uns bei. Auch ihr Schutzheilige dieses Tempels, hei­ lige Ursula und Angela bittet für uns. Alle Heiligen Got­ tes, deren Fest wir erst vor einigen Tagen gefeiert haben, bittet Alle für uns. Ein König wollte mit feinen Knechten Rechnung hal­ ten , und es wurde ihm gleich als er csiifing, einer vorge-

stellet, -der ihm zehn tausend Pfund schuldig war. Ein Pfund ist nach unserer Rechnung in Silber zwei tausend Gulden, das macht beiläufig zusammen zwanzig Millio­ nen im Silber, eine ungeheure Summe, ein Jeder der rechnen kann/kann es sich selbst zusammer^zählen, und wird sehen, daß es richtig ist, und leider-kann man heut Vx Tage auch hier in Wien nur viel zu gut rechnen. Heute

73 handle ich vom Könige und heute.vor acht Lagen habe ich von einem Königlein, was ein Beamter, em Diener ist, gehandelt, welches den Herren bat, "seinen Knecht zu heilen. Heute aber spreche ich von einem König, der sei­ nem Knecht die ungeheuere Schuld nachläßt. Also nun davon ab, um damit ich zu meinem heutigen Gegenstand komme. Also Gott ist Schöpfer Himmels und der Erde. Was ist, was heißt Schöpfer, erschaffen. Wir müssen aber, was uns naher liegt, erst wissen, was uns Gott ist. Gott her von Ewigkeit, nie erschaffen, erkannte sich, sah ein Bild, sah daß es vollkommen ist, liebte sich selbst, und diese vollkommene Erkenntniß und Liebe ist Gott. Was heißt denn aber schaffen, erschaffen? Ein christlicher Schriftsteller, der hochselige Graf Stolberg, vergleicht sehr schön und richtig, schaffen und.schöpfen, aus sich selbst etwas, wie aus einer Quelle schöpfen heißt schaf­ fen. Schaffen, erschaffen heißt aber eigentlich aus nichts etwas hervorbringen. Aus dem Nicht etwas hervorbringen, heißt schaffen. Das kann kein Mensch, Gott unser allmächtiger Vater allein, kein Mensch kann aus nichts, aus etwas was noch nie gewesen ist, hervorbringen, Gott allein nur ist eS, deßhalb ist Er allmächtiger Schöpfer,. Er die ewige Liebe brachte Alles was ist, Himmel und Erde aus nicht- hervor, bloß durch sein augenblickliches Wort war augenblicklich Alles was da ist; aus sich schöpfte die ewige Liebe Alles, durch sein allvermögendes Wort. Wie erschuf denn aber Gott Him­ mel und Erde und den Menschen? Hierüber belehret uns die Bibel. ,,Jm Anfang hat Gott den Himmel und die Erde erschaffen. Aber die Erde war leer und es war fin­ ster auf der Tiefe, und der Geist des Herrn schwebete über den Wassern. Und Gott hat gesprochen: „Es werde Licht und.es ward Licht." Gott hat gesehen das Licht, daß es gut war, und schied das Licht von der Finsterniß, Und

74 nannte das Licht Tag, und die Finsterniß Nacht. ES ist geworden Abend und Morgen, ein Tag. Und Gott hat gesprochen: es werde eine Feste zwischen den Wassern und scheide die Wasser. Da hat Gott gemacht die Feste, geschieden die Wasser unter der Feste, von den Wassern über der Feste. Und es ist also geschehen. Gott nannte die Feste Himmel, und es wurde aus Abend und Morgen der zweite Tag. Und Gott hat gesprochen: es sammeln sich die Wasser unter dem Himmel an einen besondern Ort, daß man das Trockene sehe. Es geschah also. Und Gott hat das Trockene genennet Erde, und die Sammlung der Gewässer hat er genennet Meer. Und Gott hat gesehen, daß eS gut war. Da sprach Gott: Es lasse die Erde auf­ gehen grünes GraS und Kraut, daß sich besaame, und fruchtbare Bäume, deren ein jeder nach seiner Art Frucht trage, und habe seinen eigenen Saamen bei ihm selbst auf Erden. Und es geschah also. Und Gott hat gesehen, daß es gut war. Eß ist geworden Abend und Morgen, der dritte Tag. Und Gott hat gesprochen: es werden Lichter an der Feste des Himmels, und scheiden Tag und Nacht, und seyen Zeichen, Zeiten, Tage und Jahre. Und schei­ nen an der Feste des Himmels und erleuchten die Erde. Und es ist also geschehen. Gott hat gemacht zwei große Lichter: ein großes Licht, daß es dem Tag Vorstände, und ein kleines Licht, daß es der Nacht Vorstände; dazu auch die Sterne. Gott hat es gesehen, daß es gut war, und es ist geworden Abend und Morgen, der dritte Tag. Und Gott hat gesprochen: die Wasser bringen hervor die we­ benden Thiere mit lebendigen Seelen und das Gevögel auf Erden, unter der Feste des Himmels. Und Gott hat er­ schaffen große Wallfische, und alles das eine, lebendige und webende Seele hat, daß die Wässer hervorgebracht, und alles Gevögel, ein jedes nach seiner Art. Und Gott har gesehen, daß es gut war. Gott hat sie gesegnet und

75 gesprochen: Seyd fruchtbar und mehret euch, erfüllet daß Wasser des Meeretz, und die Vögel mehren sich auf

Erden. Und es war geworden Abend und Morgen der fünfte Tag. Und Gott hat gesprochen: die Erde bringe hervor lebendige Seelen, Vieh, Gewürme und Thiere auf Erden, ein jedes nach seiner Art. Und es ist gesche­ hen. Gott hat eß gesehen, und eß war gut. Nun war also Himmel und Erde erschaffen, sie mit Thieren, mit lebenden Wesen gezieret, dann aber wollte Gott das größte

seiner Schöpfung noch machen, und er that eß, war so gnädig und sprach: Wir wollen den Menschen machen, nach unserem Bildniß und Gleichniß, und der da herrsche über die Fische im Meere, über die Vögel unter dem Him­ mel, über das Vieh, und über Alles was auf Erden kriecht. Und Gott hat geschaffen den Menschen nach sei­ nem Ebenbilde; da stand er nun, der Mensch, das Eben­ bild Gottes, der König der Natur. Und Gott führete dem Adam alle Thiere, alle Vögel, Alles vor, und Gott sprach: Ich unterwerfe sie Dir, herrsche über die Vögel unter dem Himmel und über alle Thiere, die sich auf Er­ den bewegen. Und Adam gab einem jeden Viehe und Vo­ gel unter dem Himmel einen andern Namen. Aber es fand sich dem Adam keine Gehilfin ihm gleich. Da sprach der Herr: ES ist. nicht gut, daß der Mensch allein sey, wir wollen ihm eine Gehilfin, die ihm gleich ist, machen. Da ließ Gott der Herr einen tiefen Schlaf fallen auf den Adam. Und da er entschlafen war, hat er genommen eine feiner Rippen, nnd erfüllte sie dafür mit Fleisch. Und Gott der Herr bauete die Rippe, so er dem Adam genommen hatte, zu einem Weibe, und brachte sie zu Adam. Da sprach Adam: Nun das ist Bein von mei­ nem Bein und Fleisch von meinem Fleisch. Diese wird men Männin heißen, darum daß sie von dem Manne ge­ nommen ist. Darum wird der Mensch seinen Vater und

76 seine Mutter verlassen, und an seinem Weibe bangen, und werden zwei seyn in Einem Fleisch. Und sie waren beide nackt, der Adam und sein Weib, und schameten sich nicht. Gott segnete sie dann und sprach: Seyd fruchtbar und mehret Euch, füllet die Erde. Gott befahl ihnen von al­ len Baumen deß Paradieses zu essen, gab ihnen aber gleich ein Gebot: Du sollst essen von allen Baumen deß Para­ dieses; aber von dem Baume der Erkenntniß des Guten und Bösen sollst Du nicht essen. Denn welchen Tag Du davon issest, wirst Du des Todes sterben. Die Bibel be­ ginnet mit den Worten: Im Anfänge schuf Gott Him­ mel und Erde, und Johannes der Liehlingßjünger deß Herrn sangt seine Evangelien also cur: „Im Anfänge war fcctfr Wort und daß Wort war bei Gott und Gott war das Wort und durch dasselbe ist Alles gemacht was gemacht ist. „Dieses les' ich aus der Bibel; weil ich immer gerne aus dem Grunde, aus der Quelle schöpfe, und recht deutlich seyn will. David hielt seinem Volke immer die Wohlthaten Gottes vor, wie er sie aus

dec Wüste befreiet, und in das gelobte Land Kanaan kom­ men, wie-r sie vor dem Feinde geschüHet hat. Das plagte David immer seinem Volke ein, wir Priester hingegen müs­ sen dem Volke immer die Bibel, die Lehre Gottes, die alte Geschichte und die Evangelien vorhalten - wenn sich auch" Manche über Langeweile in Predigten beklagen, das geht den Prediger, das gehet mich nichts.an, sie sollen lange Weile haberr, ich kann nicht helfen, ich muß meine Pflicht erfüllen, gute Christen werden nie, wenn sie Gottes Wort hören, sich darüber beklagen , sondern sie wollten immer Gottes Lehre hören, die übrigen mögen Geduld haben. Also wir sahen mm, wie unser lieber Herr Gott uns Menschen, oder wollte ich sagen, den Ersten Menschen Adam, und dann die Männin seine Gehilfin Eva erschuf. Gott wollte auf der Erde Geschöpfe haben, die ihn loben und

77 preisen sollten, obwohl er zum Hiob sagte: Wo wärest Du als mich die Morgensterne und die Morgenröthe lode­ ten? Gott wollte ein Ihm ähnliches Wesen haben, waS Ihn erkennte, und schuf den Menschen Adam, und seine Gehilfin, die von ihm genommen war, Eva, die Män­ nin zart als ein Weib, aber da sie vom Manne stammte, stark und mächtig. Diese beiden Menschen blieben oder vielmehr waren ihrem Schöpfer treu, waren gleich schuld­ losen Kindern. Erkannten in Allem Gott, den Schöpfer der ganzen Natur, lodeten und priesen ibn. Befolgten freudig und gern alle seine Gebote bis sie das Unglück hatten sich verführen zu lassen und zu sündigen, davon aber spreche ich heute nicht, das spare ich mir auf die künftige Predigt so Gott will. Sie hatten Geistesgaben, die Gott selbst kn ihnen ausbildete, denn Er der Herr der Natur belehrete sie selbst, sie empfingen freudig und Ite« bend den Unterricht. Erkannten Gott mit einer Klarheit, dir nur die Unschuld besitzen kann, mit einer Klarheit sa­ hen sie Gott, wovon wir kaum einen Begriff haben , denn wir arme Sünder erblicken Gott nicht klar, vor unseren Augen ist sein herrlicher göttlicher Glanz verborgen, wir könnten diesen Anblick aber unsererSüuden wegen nicht er­ tragen; aber die ersten Menschen sahen ihn mit dieser göttlichen Klarheit, denn ihr Herz war rein, war flecken­ los. Sie erkannten in der ganzen Schöpfung ihren Gott, sie freueten sich ihres Gottes und liebten ihn überaus, denn was konnte ihre Freude trüben? Nichts, nur die Sünde trübet, stürzet, ja vernichtet sie, und diese kannten sie noch nicht. Ihr reines, kindliches, schuldlos ses Herz kannte nichts Unrechtes, nur Gott erfüllte es. Ihre Erkenntniß Gottes war auch daher sehr rein und klar, weil sie durch nichts verdunkelt werden konnte. Sie waren ja unschuldig. Der Mann Adam mit der Männin

Eva liebten sich mit einer Liebe, wovon wir kaum reden

78 können, mit einer Liebe, wovon die größte reinste irdische Liebe kaum ein Schatten ist, sie liebten sich nut jener Liebe, die Gott in ihr unbeflecktes Herz legte. Kein Lod sollte sie trennen, denn sie sollten nie sterben, darin sind alle Kirchenvater überein gekommen. Und wenn sie einst auch sollten hinüber wandeln, so wäre es kein Lod gewesen, sondern ein Hinüberschweben durch einen noch köstlicheren, süßeren, sanfteren Schlaf, als der erste Schlaf war, in welchem Adam die Eva erhielt. Aber durch die Sünde kam der Lod in die Welt. Rein, schuldlos, kindlich, lie­ bend waren die beiden ersten Menschen, sie hatten Frei­ heit, mißbrauchten sie aber nicht, kannten kein Unglück, keinen Haß, ihr Friede wurde durch nichts getrübt. Mir wollen aber nun den ersten Mann und das zarte Weib für jetzt dahin gestellt seyn lassen, da wir sehen , wie schuld­ los sie vor ihrem Falle waren. Wir wollen sehen, ob wir auch so waren, wollen uns die Frage beantworten: Waren wir auch einmal schuldlos? Davon im zweiten Lheile. Als der König zu rechnen anfing, kam ihm ein Knecht vor, der ihm zehn Lausend Pfund schuldig war. Da er aber nicht hatte, womit er den Herrn bezahlen konnte, befahl der Herr, ihm sein Weib und seine Kinder zu ver­ kaufen, die Diener oder Schuldner als Sclaven zu ver­ kaufen , damit er bezahlet werden konnte. Der Knecht aber fiel nieder und' sprach: Herr habe Geduld mit mir, ich will dir Alles bezahlen. Er hätte gewiß nicht so viele gute Worte angewandt und so viel gebeten, wenn er dem Herrn diese ungeheuere Summe hatte bezahlen können. Der gnädige Herr erbarmte sich aber über diesen Knecht und ließ ihm die ganze große Schuld nach. Als aber die­ ser Knecht hinaus ging , fand er einen seiner Mitknechte, der ihm hundert Pfennige schuldig war, diesen packte er an mit Grimm, würgete ihn und schrie ungestüm: De-

79 zahle mir, was du schuldig bist! Und dieser warf sich vor ihn und bat: Habe Geduld mit mir, ich null dir Alle­ bezahlen. Der unbarmherzige Knecht wollte aber nicht Geduld haben, dachte nicht daran, daß ihm sein Herr die ungeheuere Summe nachließ, sondern warf ihn in's Ge­ fängniß, bis er die kleine Schuld würde bezahlt haben. AIs dieß seine Mitknechte sahen, wurden sie sehr betrübt und erzählten ihrem Herrn, was sich zugetragen hatte. Da forderte ihn sein Herr und sprach: Du boshafter Knecht, ich habe dir die ganze Schuld nachgelassen, weil du mich darum gebeten hast, solltest du dich nicht auch über deinen Mitknecht erbarmet haben, wie ich mich über dich erbarmet habe? Der Herr erzürnte sich dann, aller­ dings gerechter Weise, übergab ihn den Peinigern, bis er die ganze Schuld würde bezahlet haben. „Also wird euch mein himmlischer Vater auch thun," spricht der Herr zur Warnung und Drohung für uns, die wir nicht viel besser handeln. „Also wird euch mein himmlischer Vater auch thun, wenn nicht ein Jeder aus euch seinem Bruder von Grunde seines Herzens vergeben wird." Wir Menschen handeln fast eben so, kaum sind wir durch das Saerament der Laufe rein gewaschen von der Erbsünde, kaum sind wir zu unserer Erkenntniß gelangt, kaum fangen wir an zu denken, unsern Verstand zu entfalten, so fallen wir ab von Gott, besudeln das reine Kleid unserer kindlichen Unschuld mit Sünden, fangen an, gegen unsern Nächsten unbarmherzig zu werden. Gott vergibt uns unsere große Schuld, wir aber vergeben unsern Nächsten die kleinste nicht, dann müssen wir uns doch erkennen. Denket Euch einen Vatermörder, ich muß es Euch ein wenig schrecklich machen, damit es in Euren Herzen Wurzel fasse, und eS Euch zur Warnung ewig diene, damit Ihr nicht auch diese traurigen Folgen fühlet- Denket Euch einen Vatermör­ der, dem eine höhere innere Stimme daß schreckliche Wort

80 grinzend und heulend in's Ohr raunt: Mörder! Vater­ mörder ! Wie wird diesen unglückseligen Mischen wohl zu Muthe seyn. Aber ach! Gottes Erbarmungeri sind groß, er kann noch Gnade erhalten, was wird er sich Her­ vorrufen? Seine Jugendjahre, seine Lage der Unschuld, wird er vor sich sehen. E? war in seinen Jugend», in seinen Kindesjahren der Unschuld nicht so ruchlos, wie er es wurde, seinen Vater zu ermorden. Er liebte den Va­ ter sehr, empfing von ihm am Namenstage sein-erstes Geschenk, vielleicht ein schönes Kleid, mit Freude, mit reiner kindlicher Freude. Der gute Vater ließ allerlei kochen, um seinen Sohn zu erfreuen. Wenn er als Kind nur von der Sünde sprechen hörte, so grauete ihm und er bebte augenblicklich zurück. Das wird er sich Hervorrufen, und vielleicht, wenn ihm Gott beisteht, Gnade'finden und nicht verloren gehen. Ich will Euch heute nicht alle Geistesgaben und körperlichen Kräfte vormalen, nicht Euch alle Gnaden und Mittel, die uns Gott gegeben hat, vorhalten, nicht Alles, was wir von Gott erhalten ha­ ben , will ich Euch heute, wie ich schon oft that, vorhal­ ten und Hervorrufen, denn die Zeit drängt, und wohin? sie drängt zur Ewigkeit. Nicht das ist heute mein Zweck, sondern ich will einem Jeden von Euch nur kurz feine ver­ schwendete Unschuld Hervorrufen, daß er sich daran erin­ nere, ich wollte daß Ihr mir folgtet und Euch bessert. Aber ich will eß nicht im Allgemeinen thun, sondern beson­ ders einen Jeden, so viel als möglich, vorhalten. Dazu ist aber die kurze Zeit, die wir haben, nicht hinlänglich, aber ein Jeder, eine Jede, sollen heute gleich in ihrem Kämmerlein sich ihre verlorne Unschuld, oder vielmehr durch eigene Schuld verschwendete, zurückrufen, soll sich fragen: wie und wodurch er eS gethan hat. Aber dir Zeit ist noch nicht vorüber, wir können noch Vieles gut machen, wir können noch unsere Schuld büßen, Buße

81 thun. Der Jüngling, wenn auch der gefallen-, fast schon nichtswürdige, der durch seine Ausschweifungen und Wollüste früh zum Greis gewordene kann auch noch Allegutmachen. Aber ich spreche jetzt nicht nur zu dem Ge­ fallenen, sondern auch zu dem noch Unverdorbenen, der sein Kleid der Unschuld noch nicht ganz besudelt hat, zu dem guten ehrlichen Jüngling spreche ich auch, der kann und soll sich vornehmen, die Schöpfung neu zu gestalten, da Alles so tief gesunken ist. Haltet das nicht für Schwär­ merei oder Phantasterei, für überspannte Ausdrücke und Redensarten, es ist ein großes aber wahres Wort. Ich weiß recht wohl, daß ein Mensch nicht hinlänglich ist, di­ ganze Schöpfung neu zu gestalten, aber wenn sich der treue starke Jüngling, so wie auch der schon verdorbene, ernstlich vornimmt, das zu thun, er es in's Werk bringt, wenn er denkt: ich bin gefallen, habe meine Unschuld schon verloren, will aber Muth fassen, will ein neues besseres Leben beginnen, will trachten, nicht tiefer zu fal­ len, will mich von dem Taumel und Verderben der Welt losreißen, will ernster nach dem Wahren trachten. Wenn er das ernstlich denkt, und sich vernimmt, Andere durch sein Beispiel auch von dem Wege des Verderbens auf den Pfad des Heils zu bringen, er kann es, er kann viele Herzen und dahersdie Schöpfung neu gestalten. Die Jungfrau trachte erst, ihr Kleid der Unschuld, was ihr von dem Vater, von ihrem Gott gegeben ist, ja rein zu erhalten. Haltet Euch, Jungfrauen, entfernt von dem, wo man sie verliert, meidet die Sünde. Euer zar­ tes aber auch starkes Herz, welches nach Liebe lechzet, verlasse die verblendete Liebe, laßt es doch sinken in die Arme Eures liebenden Brautigams, kettet Euch an ihn, da erhaltet Ihr für Eure Liebe großen Lohn ’ weihet ihm allein Euer Herz, Eure Liebe sey Jesum Christum unserm Herrn geweihet, da mag es für ihn in den hellsten LiebesXIII. Predigen in. 6

82 flammen lodern. Verschwendet doch nicht Eure hohe Würde, denn Ihr müßt einst Rechenschaft ablegen. Haus­ vater, Hausmütter, trachtet, damit Ihr allezeit zu unser Aller Stammmutter blicken könnt, ohne Euch zu schämen, ohne zu sehen, wie Ihr Euch erniedrigt habt; vergiftet nicht gleich in der zartesten Blüthe die Seelen Eurer Kin­ der, die Ihr zu Engeln Gottes erziehen sollt, vergiftet nicht ihre zarten Setten, um sie in der schnöden Welt glanzen zu lassen, was, Gott sey es geklagt, auch hier häufig der Fall ist, seyd behutsam, erhaltet ihre Unschuld, denn Ihr müßt strenge Rechenschaft ablegen. Wir Alle haben sie gehabt die herrliche Unschuld, aber verloren. Wenn wir Priester, wenn ich oder ein anderer Priester, die wir täglich durch Gottes Macht und Gnade den Leib und das Blut des Herrn weihen,.eine hohe Wurde, die Gott den ersten Menschen, Adam und seinen Propheten nicht einmal verliehen hat, wenn wir mit tückischem, boshaftem Herzen am Altare stünden, um Gott das heiligste Meßopfer darzubrkngen, oder wenn ich oder ein Anderer mit unreinem, sündhaftem, ruchlosem Herzen auf der Kan­ zel stünde und mit Gottlosigkeit Unwahrheit lehrte, wem würde ich schaden, wen würde ich betrügen? Gott? Ach wie kann ich denn Gott, den allwissenden, den allgegen­ wärtigen Gott betrügen oder belügen? Das Volk, die­ jenigen frommen Christen, die sich an mir erbauen wollen, wahrend ich nur voll Verstellung dastehe, Groll in mei­ nem Herzen traget Nein, das Volk will sich an mir erbauen, es hört mich, glaubt als Christen, halt meine Reden für Wahrheit und befolgt sie. Oder wenn ich oder ein Anderer mit unreinem Herzen im Beichtstühle säße, mit Trägheit und Unaufmerksamkeit die Beichte hörte, wen betröge ich denn dadurch? Gott kann ich nicht be­ trügen, daS Volk will sich erbauen, wen denn, wenn ich so handelte? Mich selbst betröge ich, mir selbst raubte

83 ich die ewige Seligkeit und gäbe mich der Verdammrnff preis. Aber Gott sey dafür, daß Einer so handele, aber keiner wird das wagen, denn Niemanden als sich selbst betrügt er. Wir Alle waren als Kinder unschuldig, ha­ ben aber durch unsere Sünden uns erniedrigt; wir Alle müssen und können rufen: Lage der Unschuld, ach kehret wieder! Der Wucherer hat vielleicht Anfangs Anderen geholfen, wo er konnte, hat vielleicht manchem Anderen ein paar Kreuzer gegeben, nun aber, nicht nur daß er fünf, sechs Procent, sondern fünfundzwanzig, fünfzig, hundert Procente nimmt, und Witwen und Waisen um das Wenige, was sie vielleicht haben, bringt. Der Gei­ zige har vielleicht, als ein kleiner achtjähriger Dube, seine Semmel, oder was er hatte, mit seinem armen Mitbru, der getheilt, nun aber, um vierzehn Lage länger auf eine kleme Schuld zu warten, stürzt er lieber, um nur gleich das Geld zu haben,-arme Familien in'S Unglück. Ach, so geht es heut zu Lage sehr oft, der Kaufmann^ gleich bei seinem Anfänge, trägt es darauf an, sich Vermögen zu machen, dann macht er Crida und stürzt Wiele in’6 Unglück. Der Prediger, der Priester, der bei einem jeden Schritt, den er wagt, einen gefährlichen Stoß thun kann, ich, der ich hier auf einer gefährlichen spitzen Stelle stehe, will, kann, muß, soll und darf Euch wohl die Wahrheit sagen. Wenige von uns können, ich will nicht einmal sagen zu unsern ersten Eltern, sondern zu unsern Ahnen aufblicken. Es gibt Grafen, Cavaliere, die sich schämen müssen, sich ihrer Ahnen und Vorfahren, die vor zwei­ hundert Jahren gelebt haben, zu erinnern, die sich mit diesen nicht mehr vergleichen können, die, weil sie Geld haben und vornehm snd, glauben, sie können sich Allem überlassen, sie thun eS auch und überlassen sich aber auch dem ewigen Verderben, wenn sie nicht umkehren. Sie müssen sich in ihrem Innern schämen, wie sie handeln,

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84 da sie dem Volke zum Beispiel seyn sollten. Aber, Gott sey Dankes gibt auch noch in unserer neuesten Zeit Für­ sten,. Grafen, Cavaliere, Adelige, die es nicht nur dem Namen nach, sondern in der Wirklichkeit sind und ihrem Stande gemäß handeln, Gott wird es ihnen lohnen. Aber wir können Alles wieder gut machen. Wenn ich eß nur einem Jeden und einer Jeden in's Ohr donnern und in's Herz graben könnte: der Mensch muß haben Stolz auf seine Menschenwürde und Demuth vor Andern, Demuth in sei­ nem Herzen. Dieser edle Stolz und jene herrliche De­ muth lassen sich ganz enge mit einander verbinden, da­ durch könnten wir vielen Uebeln vorbeugen, aber wir kön­ nen alle unsere Sünden gut machen durch das Verdienst Jesu Christi. Wir können alle Aergernisse, die wir ge­ geben haben, unmöglich gut machen, wir können unsere Sünden nicht gntmachen, aber das Blut Jesu Christi und eine reumüthige Beichte waschen uns rein. Wir müs­ sen in Allem auf das versöhnende Blut und auf die Ver­ dienste Jesu vertrauen und hoffen. Manche Leute kom­ men und sagen: sie haben Anfechtungen - böse Gedanken, Zerstreuungen u. s. w., sie hören nicht auf zu heulen, so daß sie gar nicht weiter kommen. Sie denken aber nicht daran, und das soll unser Trost seyn, sie erinnern sich nicht der Worte Jesu, der einst kommen wird uns zu rich­ ten, sie denken nicht daran, was er fragen wird am Ge­ richte. Er hat es selbst gesagt und er weiß Alles am besten: Ich bin hungrig gewesen, hast du mich gespeiset? Ich bin durstig gewesen, hast du mich getranket? Ich bin nackt gewesen, hast du mich gekleidet? Ich bin krank ge­ wesen, hast du mich besuchet? Dann die Antwort, die darauf kommt, ist entscheidend, das Ja oder Nein, ich habe eß gethan, ich habe es unterlassen. Wenn wir ;a sagen können, so werden wir ewig' selig, wenn wir nein sagen müssen, verdammt. Also wir wollen nicht, was

85 die meisten und auch guten Christen nicht thun, nur immer auf uns selbst, auf unser eignes Wohl denken, wir wollen auch Anderen helfen, gegen Andere barmherzig seyn, wir müssen nur immer denken, daß wir Gott dem Herrn un­ sere Schuld nie bezahlen können, daß wir ihm nie die (Summe, mit der wir gewuchert haben, zurückzahlen

können. Wir wollen also Andern helfen, denn ein Jeder hat Gelegenheit zu helfen, ein Jeder kann helfen, wenn er nur will, wir wollen es also thun, nicht gleich über eine kleine Beleidigung ergrimmt seyn gegen unsern Nebenmenschen Gott vergibt uns unsere Sündenlast und wir wollten die kleine Beleidigung unserm Mitbruder nicht nachsehen? Wir wollen so manche kleine Beleidigung mit Geduld ertragen, manches kleine Vergehen bei An­ deren nachsehen, barmherzig gegen ihn seyn. Wir wollen uns in der Geduld und Demuth üben, nicht über kleine »Unbilden klagen, und dann, daran denken Viele nicht, die nur immer über sich klagen, den Feinden vergeben, denn manche gute Christen, wenn ihnen etwas zugefügt wurde, klagen gleich über die böse Welt. Ach klaget nicht und vergebt nur Euren Feinden. Und saget, wenn für Euch, wie Ihr glaubt und jammert, keine Hilfe mehr ist, nun ich sehe schon, für mich ist es nun gleich keine Hilfe, gut, ich will mich fallen lassen und Anderen, wo ich kann, durch Rath und Thut helfen. Und wenn sie das thun, dann wird ihnen auch geholfen und sie werden einst einen großen Lohn erhalten. Dann, wenn wir so handeln, wie der Christ handeln soll und muß, können wir freudig beten: ich glaube an Gott den allmächtigen Vater, Schö­ pfer Himmels und der Erde. Und können getrost sagen: vergieb uns unsere Schuld, so wie wir vergeben unseren Schuldiger». Amen!

86 Am zwciundzwanzigsteu Sonntage nach Pfingsten. L exrr „Messen ist daö Dildniß und die Ue-erschrift?" Matth. 2. Kap. 20. V.

Ueber diese Worte des heutigen Evangeliums will ich heute predigen, zuvor müssen wir aber Gottes Geist um Beistand mir ufern „Wessen ist dasBildniß und die Überschrift?" fragte der liebende Jesus, als die Schriftgelehrten ihn wieder sangen wollten, denn daö war immer ihre Absicht, ihn in's Verderben zu stürzen, das konnten sie aber nicht, denn Jesu Macht war größer. Also die Pharisäer hielten Rath, wie sie Jesum fangen könnten, und sandten ihre Jünger sammt den Herodianern zu ihm. Es war damals Herodes König, die Juden standen unter römischer Botmäßigkeit, jedoch waren die Juden dem römischen Kaiser und Herodes sehr abhold, die Herodianer ihm aber zngethan; um Jesum zu verfolgen, vereinigten sie sich, wie es heut zu Lage auch noch geht, die Religionspartheien, sind sie gegen einander auch schlechte Katholiken und getaufte Heiden, sie verei­ nigen sich Alle, wenn es ans Verfolgung des Christen­ thums ankommt, und helfen sich da gegenseitig recht brü­ derlich. Also diese gingen zu Jesum Christum und spra­ chen: Meister, wir wissen, daß du wahrhaft bist und den Weg Gottes in der Wahrheit lehrest, du fragest auf Niemand, denn du siehest nicht auf die Person des Men­ schen, sage uns also, was meinst du, ist es erlaubt, dem Kaiser Zins zu geben oder nicht? Jesus aber, die höchste Allmacht, der allmächtige, allwissende Jesus, der ihre Bosheit und Falschheit kannte, der in ihr tückisches Herz mit göttlichem Blick sah, sagte: ihr Heuchler, was ver­ suchet ihr mich? Und was that dann der Herr? sagte er

87 etwa: ihr sollt dem Kaiser keinen Zins bezahlen? Hätte er gesagt: ihr müßt dem Kaiser Zins bezahlen, so hätten ihn die gegen den Kaiser erbitterten Juden gesteinigt; Hatt­ er gesagt: ihr sollt dem Kaiser keinen Zins bezahlen, so hatten die boshaften Herodianer ihn augenblicklich gestei­ nigt. Was that er also? Er begehrte den Ainsgroschen, sah ihn an und sprach: „Wessen ist das Bildniß und die Ueberschrift?" Und als sie antworteten: „des Kaisers", da sprach Jesus, die höchste Weisheit, der man nie etwas in den Weg legen kann: „So gebet also dem Kaiser, waS des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist." Nun, waS konnten diese elenden Versucher ihm in den Weg legen? Nichts. Beschämt, aber auch belehrt, mußten sie von dannen ziehen. Jesus befahl, dem Kaiser zu geben, was ihm gebührt, setzte aber gleich hinzu: und gebet Gott, was Gottes ist. Ich glaube wohl, dieses Evangelium braucht auf einer Kanzel iy Wien nicht weiter erklärt zu werden, da sich hier ein Kaiser befindet, der immer Gott giebt, was Gottes ist. Wir wollen daher lieber auf unS blicken und fragen: Wessen Bildniß und Ueberschrift wir tragen. Wir haben voriges Mal die Schöpfung betrachtet und gesagt: ich glaube an Gott den allmächtigen Vater, Schöpfer des Himmels und der Erden. Wir /ahen da auch, und zwar im erster: Theile nach dem Buche Moses, die Erschaffung der ersten Menschen und den Stand ihrer Unschuld, und im zweiten Theile: ob auch wir unschuldig waren. Heute aber will ich weiter schreiten in meinen Katechismnßpredigten und mit Gott einmal den Fall der ersten Menschen betrachten. Wie fielen die ersten Menschen, und ihr Zustand nach ihrem Falle, mein erster Theil. Wie sind wir gefallen, mein zweiter Theil. Du aber, Herr, Erlöser, Jesus Christus, der du Alles wieder gut machest, was wir verschuldet haben, sey

88 uns gnädig. mache auch bei uns Alles gut und stehe mir bei. Heilige Maria, Mutter Gottes, die du ohne Sün­ den empfangen und geboren wurdest, die du ganz rein, ohne Sünden gelebt hast, stehe uns bei, bitte für mich. Du großer Bekenner und Held Gottes, heiliger Mär­ tyrer, der du gesiegt hast; heiliger, großer Stanislaus Koska, Schutzheiliger dieser Stadt unv dieses ganzen Rei­ ches, heiliger Leopolduß, deren Feste alle diese Woche gefeiert werden, bittet für uns. Auch ihr Schutzheilige dieses Tempels, Ursula und Angela, alle Heiligen Got­ tes bittet für uns. Ich habe Euch also in meiner letzten Predigt die Er­ schaffung der ersten Menschen gezeigt, und gesagt, daß sie schuldlos, rein, gut, fromm, Gott wohlgefällig, er­ geben waren, daß sie gleich schuldlosen Kindern im Pa­ radiese lebten und sich liebten, sich noch mit keiner Sünde verunreinigt hatten, denn sie kannten die Sünde noch gar nicht, sie hatten noch keinen Hang dazu, wie wir arme Sünder, die wir uns fast bloß der Sünde übergeben und das Gute ersticken. Nicht so war es mit den ersten Men­ schen, die kannten noch keine Sünde, sie waren gleich un­ schuldigen Kindern Wir fragten uns auch, ob wir schuld­ los waren, und fanden, daß wir es waren, als wir nur erst durch die heilige Laufe rein gewaschen waren, da aber kam ich in meinem Eifer schon auf unseren Fall, was ich mir erst auf die heutige Predigt sparen wollte, was ich auch heute mit Gott vollbringen will. Ich sprach also von unserer ehemaligen Unschuld. Wer konnte mich denn verstehen? wer verstand mich da? kleine neugeborne Kin­ der sind nur unschuldig und diese verstehen mich nicht, zu diesen kann ich nicht sprechen, und wir verstehen es nicht, Ihr wenigstens, ich nicht. Nun aber wollen wir die Sünde, den ersten Fall der ersten Menschen betrachten, wollen die Erbsünde naher kennen, mit Gott. Ich sage

89 mit Gott, denn ohne Gott fündigen wir, aber mit Gott betrachten und erkennen wir die Sünde. Also wie fielen unsere ersten Eltern? Gott gab ihnen, wie Ihr wißt, daß leichte Gebot, von allen Früchten des Paradieses zu essen, nur von dem Baume des Erkenntnisses des Guten und Bösen nicht. Das war gewiß ein leichtes Gebot, und für die ersten Menschen wäre es noch leichter gewesen, als für uns gefallene Menschen. Eva, unsere Stamm­ mutter, wurde auf dem Baume des Erkenntnisses, viel­ leicht als sie eben vorüber ging, eine Schlange gewahr. Es heißt im Buche Moses von der Schlange: Und die Schlange war listiger, denn alle Thiere auf der Erde, die Gott der Herr gemacht hatte. Und Eva sah djeseS listige aber häßliche Thier auf dem Baume des Erkennt­ nisses, verweilte aber dabei, was fie nicht hätte thun sollen und die Schlange sprach zu ihr: Warum hat euch Gott geboten, daß Ihr nicht essen sollt von den Baumen dieses Gartens? Und Eva, statt augenblicklich die Schlange zu verlassen, antwortete: Wir essen ja von den Früchten dieser Bäume, nur von dieser Frucht hat uns Gott zu essen verboten, denn sonst müssen wir sterben. Da sprach die listige verführerische Schlange abermals zur Eva: Ihr werdet nicht des Lode- sterben, denn wel­ ches Lage- ihr davon essen werdet, werden eure Augen aufgethan und ihr werdet wie Gott werden. Oder viel­ mehr wie die Götter, sagte die Schlange. Und Eva sah diesen für das Auge schönen Baum unverrückt an, ließ sich von der Schlange verführen, brach eine Frucht ab und aß, gab auch ihrem Mann davon und er aß auch. Also fielen unsere Stammeltern , wurden verführt durch die Schlange, und Adam durch sein Weib Eva. Sie hieß aber nicht gleich Eva, sondern Adam nannte sie bei ihrer Erschaffung Männin, da sie vom Manne stammte, dann, nach dem Falle erst, Eva, Leben, Mutter der

90 Lebendigen. So fielen die ersten Menschen, die, obwohl schön erwachsen und blühend, so waren sie doch schuldlos wie Kinder, und nun durch eine augenblickliche Lust, von der Frucht des Erkenntnisses zu essen, verführt durch die Schlange, stürzten sie in die Sünde und stürzten auch uns in's Verderben. Sie brachten die Sünde in die Welt. Ich will Euch nun kurz zeigen, wie die Erbsünde auf uns überging, und ein wenig auf den Grund dringen. Wenn auch meine Predigt Manchen ein wenig langweilig wird, wenn sie auch nicht voll von erfreulichen und muntern poe­ tischen Ausdrücken und unterhaltend ist, eine Predigt ist keine Komödie, sondern in einer Predigt handelt es sich darum, Gottes Wort kennen zu lernen uiit) in unser Herz zu graben und unsere Schlechtigkeit zu kennen, das ist der Zweck einer Predigt und nicht nur zu erlustigen. Also die ersten Menschen sündigten, weil sie verführt wur­ den, wer verführte sie? die Schlange; was war die Schlange, wer war in der Schlange? der Urfeind des Menschengeschlechts, der Teufel. Da ich mich immer nur an die Aussprüche unsers göttlichen Heilandes halte, da nur er die größte Weisheit und reinste Wahrheit ist, so sage ich zu unserer Belehrung von dem Teufel, was JesuS uns lehrte: Der Satan ist ein Mörder von Anfang, seine Aussprüche sind Lügen, daher ist er der Vater der Lügen. Das ist wahr, denn der Herr sagt es selbst. Der böse Feind nahm die Gestalt einer Schlange an, ver­ suchte, sie zu verführen und in'ß Verderben zu stürzen, und es gelang ihm, er stürzte sie, aber doch nicht in's ewige Verderben, denn Gottes Gnade war größer. Der Satan war die Schaar gefallener Engel, die sich gegen Gott empörten , ihr Fall war die erste Rebellion des Stolzes und sie fielen auf ewig. Die ersten Menschen sündigten und die Erbsünde kam in die Welt, wir Alle sino mit ihr behaftet. Wie das ist, weiß Niemand, e6 ist ein

91 göttliches Geheimniß und kann daher nicht auf der Kan­ zel erklärt werden, sondern wir müssen es glauben. Wie das geschieht, daß, weil die ersten Menschen gesündigt haben, wir Alle sündigen, kann ich Euch nicht erklären, denn ich verstehe es nicht, ich weiß es selbst nicht, und wenn es Einer weiß, dem wünsche ich Glück dazu, ich glaube aber, daß nicht ich allein, sondern Keiner es weiß, und darüber fragt nur einen gelehrten Philosophen, nicht solche Philosophen, die fich in den Wein-, Bier- und Kaffeehäusern finden und elendes, dummes Je ug schwa. Hen, sondern einen wahren gelehrten, und er wird Euch dasselbe sagen. Aber daß wir Alle mit den ersten Men­ schen gesündigt haben, das ist unstreitig, das ist gewiß und wahrhaftig, denn alle Kirchenvater sind überein ge­ kommen, und in der Lridentinischen Kirchenversammlung, wo, wie bekannt, die größten, vernünftigsten und erleuch, tetsten Kirchenväter versammelt und von Gott gestärkt waren, heißt es, wer etwas dagegen sagen wollte, daß nicht alle Menschen die Erbsünde an sich haben, daher mit den ersten Menschen gesündigt haben, der ist unwiderruf­ lich ausgeschlossen aus unserer Versammlung. Also ich glaube, Keiner wird es wagen, dieß zu leugnen, oder darüber zu lächeln, wenigstens kein Vernünftiger wird das thun; wer noch darüber lächelt, für den wollen,wir beten, daß ihm Gott gnädig sey, daß er. nicht einst die schrecklichen Folgen fühle. Der heilige Apostel Paulus sagt auch in seinem Sendschreiben an die Römer: „gleich­ wie die Sünde durch einen Menschen in die Welt einge­ gangen ist, und durch die Sünde der Lod, so ist also der Lod zu allen Menschen, in welchem alle gesündigt haben, durchgedrungen." Das steht hier im Katechismus, den ich immer mit mir habe. Also können wir dagegen nichteinwenden, obwohl Manche sagen werden, das sey ein wenig «»philosophisch gesprochen, wie man jetzt zu sagen

92 pflegt. Wenn Euch das Einer sagt, so fragt doch einen solchen Philosophen, er möge Euch erklären, warum eS unphilosophisch sey, er möge Euch sagen, was die Sünde ist, woher sie kommt, wo sie ihren Ursprung hat, wo ihr Grund ist, oder auf welchem Grunde sie ruhet, denn daS ist eben der größte Unsinn; wenn die Sunde auf etwas, auf einem Grunde beruhete, so wäre sie keine Sünde, denn Alles, was einen Grund hat, ist keine Sünde, das ist gewiß und wahrhaftig. Fragt einmal so einen Philoso­ phen, er möge Euch das ein wenig auseinander setzen, und wenn er sagt, das ist so und so, so glaubt es nicht, denn glaubt nur, er weiß nicht was er spricht, er versteht sich selbst nicht, aber hier istfkeine philosophische Lehrkanzel, damit ich Euch das Alles zersetze, sondern es kommt jetzt darauf an, und ich bestrebe mich. Euch den Glauben recht inne zu machen. Also durch die Sünde kam der Lod in die Welt, die ersten Menschen sündigten, und mit diesem Augenblick waren sie sterblich und wir Alle, aber Dank dir, du ewige Liebe, nicht ganz sterblich, nur unser Kör­ per stirbt, nicht aber unsere Seele, wir zerfallen nicht in das Nichts, sondern sterben, um ewig zu leben. Ach habe Dank, .daß wir nicht ewig hier in diesem Iammerthale, auf dieser elenden Erde leben müssen, sondern wenn wir treu bleiben und enden, eines bessern Lebens harren können und von Gott die Krone des Lebens erlangen. Die Sünde brachte den Tod in die Welt. Wir Alle sind mit der Erbsünde belastet, trachten aber, uns wieder empor­ zurichten, nur durch unsere ohnmächtige Kraft können wir nichts, sondern durch Gottes Macht, die uns stärkt, und durch das Versöhnungsblut Jesu Christi, was für uns floß. Adam und Eva wurden verführt, oder vielmehr, um deutlich zu seyn, sie wurden versucht, hatten aber wi­ derstehen können, da sie noch mehr Kraft von Gott hat­ ten, als wir schon gefallene Menschen, sie kannten noch

93 die Liebe Gottes in vollem Maße, Gott war bei ihnen, aber sie konnten nicht widerstehen, die listige Schlange bewegte sie dazu sehr kräftig, sagte ihnen: ihr werdet so weise und verständig, wie die Götter, und da entstand die Lust in ihnen, vollkommener zu werden, und sie fielen. Meine lieben Freunde, es ist ein Sprichwort: „keine Tu­ gend ist ohne Prüfung," und das ist sehr wahr. Gott prüft uns, um uns zu bewahren im> Glauben, und wenn wir nicht der vielleicht manchmal schweren Prüfung un­ terliegen, sondern siegen, dann haben wir eine Tugend errungen, daher ist es wahr: „keine Tugend ohne Prü­ fung." Gott wollte die ersten Menschen prüfen, aber sie erlagen. Alle Heiligen wurden geprüft. Die Engel prüfte Gott, aber ihr Stolz empörte sich und sie fielen, nur der, der genannt wird: Michael, wer ist wie Gott, der siegte mit einer unzähligen Schaar seiner Untergebe­ nen. .Maria, die übergehenedeiete Jungfrau, wurde sie nicht geprüft? war ihre Prüfung nicht schwer, als sie unter dem Kreuze stand und ihren göttlichen Sohn sterben sah? und sie erlag nicht, sondern blieb standhaft im Ver­ trauen auf Gott. Also war auch die Versuchung der ersten Menschen, war auch nur eine Prüfung. Und gleich nach­ dem sie gefallen waren, wurden sie gewahr, daß sie nackt waren und schämten sich. Wie geschah denn das? Gott hatte sie ja nackt erschaffen, wie schämten sie sich denn? Was kann es Herrlicheres geben, als einen blühenden, nackt einherschreiteaden Menschen, Gott hat uns ja nackt erschaffen und sie schämten sich, warum? Die erste Folge der Erbsünde, es entstand in ihnen falsche Schaam, sie sahen ein, daß sie sündigten und schämten sich gegenseitig, bei ihrer Erschaffung wußten sie nichts von der falschen Schaam, die wir auch kennen, wir würden uns gewiß Alle schämen, wenn wir nackt waren, und warum? weil wir gesündigt haben. Also sie schämten sich und Gott

94 erbarmte sich ihrer und gab ihnen Kleider von Thierfeven, Schürzen von großen Baumblattern. Wir, da wir uns schämen, bedecken uns auch mit allerlei Kleidungsstücken und Mänteln, die oft recht albern außsehen, und warum? weil wir albern sind. Dann entstand bei den ersten Men­ schen die Lüsternheit, sie wollten allerlei genießen, ver­ schiedene Genüsse haben, sich an dem Irdischen erfreuen; dann ihre Begierdelust, ihre Begierden waren nicht mehr so rein, so heilig, wie vorher, ihr Wille war mehr zum Bösen als zum Guten geneigt, daß Gute zu thun kam ihnen schwerer an, denn sie hatten jetzt schon einmal ge­ sündigt, daher hatten sie nicht mehr die Reinheit des Her­ zens. Sie strebten nicht mehr so nach Gott, sahen ihn nicht mehr mit jener Klarheit, als vor dem Falle. Ferner waren sie in der Sclaverei, nicht in Gottes Sklaverei, sondern ihre eigenen Sclaven, obwohl Gott der Herr zu Kain sprach, als er seinen Bruder erschlagen, als er sün­ digen wollte: Hinter dir wird die Begierde der Sünde seyn und du wirst über sie herrschen. Jedoch waren sie ihre eigenen Sclaven , sie wollten immer aus sich heraus, konnten eß aber nicht. Sie wollten nimmermehr zur Er­ kenntniß gelangen, und was erkannten sie, Gott etwa? Ja, aber nicht mehr mit jener kindlichen, einfältigen Liebe, sondern sie fürchteten sich vor ihm, sie hatten ja fein Gebot übertreten. Sie erkannten ihr Unrecht, ihre Sünden, sie haben von dem Baume der Erkenntniß des Guten und Bösen gegessen. Aber das Döse, was sie gethan, hatten sie immer vor Augen. Schämten sich ge­ genseitig, weil sie gesündigt hatten. Das Gute kam ihnen schwerer an. Daß sind die Folgen der Erbsünde und dar­ aus entstand Elend, Schmerzen, Krankheit, Trübsal, Noth, Jammer, daß Alles entstand auö der Erbsünde, und daß müssen wir tragen und dann sterben. Aber wir haben es nicht nur der Erbsünde wegen verdient, sondern

95 unserer anderen Sünden wegen. Gott sprach dann zu Adam: Siehe Adam ist eben geworden, wie einer auS uns, und weiß nun das Gute und Böse. Daß, o Gott, sagtest du zum Spotte des Menschengeschlechtes etwa? Nein, dreieiniger Gott, du wolltest und willst ja noch, daß wir so werden, wie du, daß wir dir ähnlich werden, du hast uns ja begnadiget und erlöset mit deinem göttli­ chen Wersöhnungblute, du willst, wir sollen zur Erkennt­ niß gelangen und einst Alle selig werden. Du sagst es also nicht zum Spotte. Und der heilige Augustinus sagt: O glücklicher Fall, der uns so große Erlösung gebracht. Nun genug von dem Falle unserer Stammeltern, nun wollen wir noch im zweiten Theile sehen, wie wir gefallen sind. Ich habe Euch nun nach der Bibel den Fall der er­ sten Menschen gezeigt, nun wollen wir unS einmal fra­ gen, ob wir, oder wie wir gefallen sind, denn daß wir Alle gefallen sind, ist gewiß, da wir Alle mit den ersten Menschen gesündigt haben, wie das geschehen ist, ist uns unbekannt, aber doch sehr wahr, denn wir müssen als katholische Christen Alles glauben, was uns Gottgeleh­ rethat. Also wie sind totv denn gefallen? auf dieselbe Art, wie die ersten Menschen; durch was fielen die, durch Fürwitz und Stolz gelangen wir auch zur Sünde, nicht nur wir, sondern alle Menschen, z. B. die Chinesen, die nichts von europäischen Sitten und Gebrauchen wissen, sie kennen den Fürwitz, und ein chinesischer Weiser sagt: durch den Fürwitz gelangten wir zur Weisheit. Es ist wahr, aber nicht immer, selten zur rechten, denn um wahre Weisheit zu erlernen, brauchen wir keinen Fürwitz, sondern Liebe. Die ersten Menschen fielen auch dadurch, was lockte Eva, als sie auf dem Baum des Erkenntnisses deS Guten und Bösen die Schlange sah , was hatte sie da zu verweilen, da sie doch immer im Anblicke ihre-

96 Mannes, des Königs der Natur war, da der König und die Königin' der ganzen Natur, der Mann mit der Män­ nin sich immerwährend an ihrem gegenseitigen Anblick er‘ götzten, was hatten sie sich da bei einem Thiere zu verwei­ len; sie waren aber Menschen, obwohl weit größer als wir, obwohl schuldlos, sie hingen doch an dem Irdischen, ihr Fürwitz gestattete eß ihnen nicht, sich gleich von die­ sem Baume zu entfernen. Und dann, als sie die Schlange ansprach, verweilten sie doch noch bei dem Baume. End­ lich aber wurde Stolz in ihrem reinen Herzen rege, sie glaubten der tückischen Schlange, glaubten, sie würden wie Gott, der Stolz spornte sie zur Vollkommenheit an, sie fielen. Aber Gott erbarmte sich ihrer und ließ ihnen und uns Erlösung anheim fallen, so große Erlösung, daß wir zu einem sehr großen, hohen, herrlichen Ziele gelan­ gen können. Keiner von uns kann und wird es wagen, den ersten Stein auf Eva zu werfen. Sie ist gefallen, brachte die Sünde und den Tod in die Welt, ist aber den­ noch unsere gute heilige Mutter Eva, Mutter des ganzen Menschengeschlechts. Ich habe in meiner letzten Predigt aus Eifer für den Herrn etwas unbesonnen schon Manches gesagt, was ich mir hatte für jetzt sparen sollen, will Euch aber nun deutlicher zeigen, wie wir gefallen sind, und da sey denn nun gleich die erste Frage: waren wir auch einmal schuldlos? Ja, Gott Lob! wir waren Alle schuldlos. Gleich nach unserer Geburt, nachdem wir durch

das Dav der heiligen Taufe rein gewaschen wurden von der Erbsünde, nachdem wir in die Kirche oder in das Chri­ stenthum ausgenommen wurden, waren wir rein, flecken­ los gewaschen durch das Blut Jesu Christi und das heilige Sakrament der Taufe. Auf die Taufe werde tcfrin mei­ nen Katechismuspredigten, will's Gott, wenn ich's er­ lebe und von den Sakramenten sprechen werde, zurück­ kommen. Also da waren wir Alle schuldlos, das ist unser

97 Lrost, Alle waren wkr rem, der Ruchloseste von nnS war als ein Kind fromm, heilig. Wir glaubten Alle mit kindlicher Einfalt und mit einfältiger Liebe, wir erkann­ ten vielleicht, ja gewiß, damals Gott besser, als jetzt, denn unsere Sünden verdunkeln unsere Erkenntniß deS Guten. Wir beteten gerne, wir betrachteten mit Liebe und Dankbarkeit Jesum am Kreuze, wenn uns unsere treuen Eltern, die um unser ewiges Wohl besorgt waren, vor ein Kruzifix knieen ließen, oder uns Heiligenbilder zu küssen gaben. Waren wir da nicht Alle schuldlos? Ja! dagegen kann Niemand etwas einwenden. Schämten wir uns da? nein, wir hatten ja noch nicht gesündigt. Dann aber, durch was fielen wir? Durch schlechte Gesellschaft, elende Nachbarn, ungezogene gottvergessene Gespielen, ja Erzieher und Lehrer. Manche Eltern, und auch hier in Wien, ich muß es sagen, verderben selbst ihre Kinder, oder durch Lehrer und Erzieher erhalten sie schlechte Leh­ ren. Sie sagen: willst du denn immer ein Kind bleiben, wenn wir vielleicht erst acht Jahr alt waren, willst du immer kindisch, dumm, unwissend bleiben, schäme dich doch, nimm dich einmal so recht zusammen und werde ein vernünftiger, erwachsener Mensch, lege das Kindische ab. Was dir da deine Eltern zeigen, sagen und lehren, ist Alles nicht wahr, sie lügen dir vor, laß dich nicht damit hinreißen. Werde doch gebildet und gelehrt. Und so werden die armen Kinder verführt, zumal in den gebilde­ ten Standen, sie fangen zu sündigen an, und wenn dann einmal die erste Sünde begangen ist, dann sündigt man darauf los, daß keine Hemmung mehr statt findet, was leider auch manchmal der Fall ist. So werden wir Alle verführt, fallen Alle durch Stolz und Fürwitz. Und dann erkennen wir die traurigen Folgen, dann ist bei uns der Sündenfall der ersten Menschen vollständig in unserem XIII. PredigtM III. 7

98 Heizen gemahlen. Ach dann bereuen wir es, wenn unS Gott gnädig ist. Ihr aber, die Ihr Eure Unschuld noch nicht ganz verschwendet habt, o laßt Euch nicht verfuhren, nicht locken. Die Folgen sind fürchterlich. Die immer­ währenden Gewissensbisse, die StiMnie, die uns unauf­ hörlich zürnst: du hast gesündigt. Diese immerwährende Qual und Pein, der immerwährende Kampf mit den» Guten und Bösen, o meine lieben Freunde, diejenigen von Euch, die dies fühlen, werden mir Recht geben. Aber es ist noch nicht zu spat, wenn wir sie auch verloren haben, wir wollen wieder darnach trachten. Also Ihr noch ziemlich Schuldlosen, o bewahret Eure Unschuld,

denn sie ist schwer zu erkaufen. Hütet Euch vor Versu-chung, sie zu verlieren. Hütet Euch vor der listigen Schlange, denn sie zischt noch immer. Nun genug davon. Künftigen Sonntag werde ich, so Gott will, von der Er­ lösung sprechen, von der Ahnung und Nothwendigkeit der Versöhnung, und damit will ich meine Predigt für die­ ses Kirchenjahr schließen. Und Ihr Schuldvollen als auch Schuldosen, eilet Alle übermorgen zu der kleinen Kapelle des heiligen Stanislaus Koßka, zu dem großen heiligen Jüngling, der hier in Wien gelebt und auch hier gestor­ ben ist. Eilet hin zu ihm, die Ibr so viel von Liebe schwatzet, aber noch gar nichts, als die Irebern davon gekostet habt. Leset dre Lebensbeschreibung dieses großen achtzehnjährigen Jünglings, der so viel Liebe zu Gott kannte, daß sie ihn verzehrt hatte, der des Nachts Eis auf dm offenen Busen legen mußte, denn sein Herz brannte von Liebe, so daß sie ihn getödtet hatte. Geher hin zu dem heiligen Stanislaus, bittet ihn, er möge für ihn Gott itm die ewige Liebe bitten, daß Ihr auch Liebe kennen lernet; wir wollen Gott Alle darum bitten, der uns so liebt.

SS tfeBi, die du mich -um Dilde Deiner Gottdei: haft gemacht, Liedr, die dü mich so milde. Hast behütet und bewach:, Liede, die der Lust Gefilde Ha: geschmückt mit Segenspracht, Liede, dir ergeb' ich mich. Dein -u bleiben ewiglich. Amen!

Am drciundzwanziqsten Sonntage nach Pfingsten. Text: „Sey getrost, meine Tochter " Matth. 9. Kap. 22. 93.

Ueber diese Worte deS heutigen Evangelium- will ich heute, am dreiundzwanzigsten Sonntage nach Pfingsten, zu Euch predigen, wenn wir zuvor Gottes 'Geist um Bei­ stand bitten. Denket Euch einen gefahrvollen Tag, um das, was ich heute sagen will, zu versinnbildlichen denket Euch also einen gefahrvollen Tag - der vielleicht trübe ist, wo die Straßen mit dickem Nebel, wie z. V. heute morgen, bedeckt find, die Soldaten aber dennoch treu ihre gefahr­ vollen Posten bewachen, die Feinde auch thätig find und die Bürger.der Stadt zitternd und furchtsam einher schrei­ ten auf dem gefahrdrohenden Wege, die in Angst und Furcht sind, in die Hände der ergrimmten Feinde zu fal­ len und dem Tode sich preiszugeben. Aber eß ist ein SDilf, der, wenn sie dahin gelangen, sie gegen alle feindseligen Angriffe und Eindrücke schützet, ein Zufluchtsort, wo sie geborgen, wo sie in Sicherheit gestellt sind. Also ist eö mit uns Menschen, die wir hier auf diesem Jammerthals, auf dieser Erde leben. Immerwährend stürmen die Feinde auf uns, suchen uns zu stürzen, immerwährend befallen uns die Lüste des Verderbens, immerwährend werden wir

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100 zu fangen gesucht, jeder Schritt nicht recht sorgfältig und überlegt gewagt, ist gefahrvoll für uns. Die Engel, un­ sere Schützer, sind gleich den Soldaten auf ihren Posten, bewachen uns, damit wir nicht gänzlich den Feinden in die Hande fallen, aber es ist ein Ort, wo wir auch in Sicher­ heit gestellt sind, es ist die Erlösung, die Sehnsucht nach der Erlösung, wo wir dann gegen alle irdischen verführe­ rischen Eindrücke gesichert sind und in ewiger Freude, triumphirend des Sieges, bei Gott wohnen. Die Sehn­ sucht nach der Erlösung, die Hoffnung darnach, ist unsere Helferin, und diese besteht in einem seligen Lode. Ich habe Euch heute vor vierzehn Lagen den Stand der thu schuld der ersten Menschen nach der Bibel gezeigt, wir sahen, daß sie vollkommen im Stande der Unschuld wa­ ren vor ihrem Falle, und haben dies dann auf uns bezo­ gen, daß auch wir so glücklich waren, unschuldig zu seyn. Vergangenen Sonntag aber sahen wir den Fall der ersten Menschen, sowie auch den unsrigen, und haben daher unsere Unschuld verloren. Nun bleibt mir heute davon nichts mehr zu sagen übrig, denn wir müssen, da wir un­ sere Unschuld verloren haben, erst denjenigen erkennen und finden, durch den wir sie wieder erhalten, und daS, glaube ich, werden wir, wenn mir Gott Leben giebt, durch den Advent und durch die Fasten vollenden. Heute aber werde ich von dem, was uns jetzt am nächsten liegt, von der Sehnsucht nach der Erlösung sprechen. Diese Sehn­ sucht nach Erlösung liegt in dem Herzen eines jeden Men­ schen, den Wunsch nach einem seligen Lod hat ein jeder Mensch. Das soll denn auch der Gegenstand meiner heu­ tigen Predigt seyn. Wie hat Gott die ersten Menschen, und nicht nur diese, sondern das ganze Menschengeschlecht zu der Sehn­ sucht nach Erlösung erzogen? das ist mein erster Lheil.

101 Wie hat unö Gott zur Sehnsucht nach Erlösung er­ zogen , daö sey mein zweiter Theil. Wenn wir dieses, womit ich meine Predigten in die­ sem Kirchenjahr, dessen Ende künftigen Sonntag ist, be­ schließen will, betrachtet haben, dann wollen wir beute über vierzehn Tage, als am ersten Sonntage, wollen wir preisen den herrlich leuchtenden Mond, Maria die übergebenedeite Jungfrau, und die Sonne Jesum Christum. Die Gnadensonne Jesus Christus sey denn auch mit unö noch gnädig. Stehe mir bei, damit ich Deinem treuen Wolke die Sehnsucht nach der Erlösung recht klar mache, die Du unß einst, wenn Du uns gnädig bist, schenken wirst. Stehe unöMen bei, damit wir treu bleiben biß an's Ende, nm die Erlösung zu erlangen. Heilige Maria! Mutter Gotteß, Du leuchtender Morgenstern, du herrlicher Stern deö Meeres, ach sey unö barmherzig, Du bist ja die Mut­ ter der Barmherzigkeit und Gnaden, sey uns gnädig, bitte für unö. Heilige Apostel-Fürsten Petrus und Paulus, heiliger Joseph! Auch ihr, Ursula und Angela , Schutz­ heilige dieses Tempels, bittet für uns. Alle unsere Schutz­ engel und Schutzheiligenalle Heiligen Gottes bittet für unö.

Wir betrachteten vergangenem Sountag nach der Bi­ bel den Fall der ersten Menschen. Sahen, wie sie fielen durch eigene Schuld, daß sie sich verführen ließen durch die Worte der listigen, verführerischen, lügenhaften, teuflischen Schlange. Und mit dem ersten Menschen sün­ digten wir Alle, wie der heilige Apostel Paulus sagt, was aber für unö ein unergründliches Geheimniß ist, was wir nur anbetend glauben müssen. Gleich augenblicklich nach dem Sündenfalle wurde ihr Verstand geschwächt und ihr Wille, der erst bloß mit dem Guten und Reinen erfüllet war, der begann jetzt sich mehr zum Bösen zu neigen, e6 trat daö ein, was der Apostel Paulus sagt: „das Gute

102 was ich will, daß thue ich nicht, und daß Böse wa ich nicht will, daß thue ich." Ach das. war auch der Fall bei den ersten Eltern, sie wußten vor ihrem unglücklichen Fall nichts vom Bösen, und dann erkannten sie es recht wohl. Gleich nach ihrem Falle schämten sie sich, daß sie nackt waren. Schämten sie sich vorher? Nein! Gott hat sie so geschaffen, warum sollten sie sich schämen? Aber die falsche Scham war die erste Frucht des Falles, dann entstand Lüsternheit, Begierdelust, die Sclaverei, sie waren ihre eigenen Sclaven. Alles dies geschah nach, der Sünde und entstand daraus. Die falsche Scham war aber die erste Frucht, und Adam und Eva, die vorher frei Gott anschaueten, sich Ihm kindlich und freudig näherten, wenn er sie rief, sie versteckten sich hinter die Bäume des Paradieses, vor dein Angesichte des Herrn. Und Gott der Herr rief Adam, und sprach zu ihm: Adam wo bist Du? Und er sprach: „O Herr, ich habe Deine Stimme im Paradiese gehöret und fürchtete mich, denn ich war nacket, darum versteckte ich mich " Sie wollten sich vor den allgegenwärtigen und allwissenden Gott verstecken, der jeden ihrer, der jeden Schritt von uns siehet, der in unser Innerstes siehet, vor dem wollten sie sich verbergen. Dann sprach Gott weiter zu dem gefallenen Adam: „wer hat es Dir gesagt, daß du nacket wärest, Du hättest denn gegessen von Dem Baume des Erkenntnisses des Guken

und Bösen, davon^ich Dir gebot, Du solltest nicht da­ von essen? " Da sprach Adam: das Weib, das Du mir zur Gesellin gegeben hast, hat mir gegeben von dem Bäum und ich habe gegessen. Da sprach Gott der Herr zum Weibe: Warum hast Du das gethan? Daß Weib aber sprach: Die Schlange hat mich betrogen, und ich habe gegessen Und dann sprach Der Herr zu der Schlange: Weil Du solches gethan hast, bist du verflucht unter allem Biehe und unter allen Thieren ans dem Felde, auf Deinem

103 Bauche sollst du gehen und dem Lebenlang Erde essen. Dann aber ehe der gnädige Herr den Fluch über daS Men­ schengeschlecht aussprach, o so segnete er es auch, er sprach zur Schlange: Und ich will Feindschaft setzen zwi­ schen dir und dem Weibe, und deinem und ihrem Saamen; derselbe wird dir deinen Kopf zertreten, und du wirst ihren Fersen.gehässig seyn. Nur der Fersen! Alleluja, Gott der Herr ist sehr gnädig mit mi6, das müssen wir Alle einsehen, ehe er das Menschengeschlecht und die Erde ver­ fluchte , so sprach er vorher noch seinen Segen. Ich will Feindschaft setzen zwischen dir und dem Weibe, zwischen deinem und ihrem Saamen. Ihr Saame wird dir den Kopf zertreten und du niedere Schlange wirst nur ihren Fersen gehässig seyn. Ist das nicht Segen gesprochen über das Menschengeschlecht und der Saame des Weibes hat ihvauch den Kopf zertreten, Und dann sprach der Herr zum Weibe: Ich will Dir viel Schmerzen und Kummer machen, ich will Deine Schwangerschaft vermehren, und Du sollst Deine Kinder mit Kummer und Schmerzen ge­ bären, und Du sollst unter Deines Mannes Gewalt seyn, und er soll Dein Herr seyn. Ich spreche nun zu Euch Ihr Mutter: habt Ihr nicht alle Euere Kinder unter großen Schmerzen geboren, habt Ihr sie nicht mit Kummer und Angst geboren; aber als Ihr sie gebaret, littet Ihr nicht gerne und freudig diese Schmerzen, saget, hat der Gnädige nicht in diesem Augenblicke, als Ihr das Kind zur Welt brachtet, hat er nicht Trost in Euer Herz^zu gießen ge­ wußt. Hat er nicht in Euere Seelen Freuden gelegt, die Euch Euere Schmerzen erträglich, ja freudig machen, hör­ tet Ihr nicht auch , oder fühltet Ihr es nicht vielmehr, daß in Euch etwas sprach, so wie Eva bei der Geburt ihres ersten Kindes Kain sprach: ich habe einen Menschen geboren dem Herren. O saget, hattet Ihr nicht Trost, und dann die Freude das Kindleiu zu umarmen, dem

104 Herrn einen Engel geboren zu haben. Ja, der gnädige Herr ist immer barmherzig. Und dann sprach er weitet zum Manne: „Weil Du die Stimme Deines Weibes ge­ höret hast, und von dem Baume gegessen, davon ich Dir geboten, und sprach: Du sollst nicht'davon essen, also verflucht sey die Erde in Deiner Arbeit, mit vieler Ar­ beit sollst Du Dich darauf Dein Lebenlang-nähren, Dor­ nen und Disteln wird sie Dir tragen, und Du wirst die Krauter auf dem Felde essen. Im Schweiße Deines An­ gesichtes sollst Du Dein Brot essen, bis daß Du wieder zur Erde werdest, aus der Du genommen bist, denn Du bist Staub und sollst wieder zu Staub werden. Also hat Gott wegen der Sünde der ersten Menschen die Erde ver­ flucht, aber wie gnädig war er; ehe er sie verfluchte, sprach er noch seinen Segen über sie aus und wie herrlich ist diese verfluchte Erde. Sehen wir diese verfluchte Erde einmal an, wie schön sie mit Krautern und dem herrlich­ sten Getreide bedecket ist, wie diese verfluchte Erde er­ quickende Früchte allerlei Art hervor bringt; wie zahl­ reich sie mit Thieren, mit lebenden Wesen bedecket ist, wie die herrliche Som« strahlet und wärmet,' und wie bei Nacht der liebliche Mond sie freundlich erleuchtet. O wie gnädig war nicht der Fluch über die Erde. Jedoch ist sie ein Jammerthal, und dazu machen wir sie. Nicht nur Adam, sondern wir Alle essen unser Brot im Schweiße unseres Angesichts. Es trete einer hervor, der sein Brot nicht im Schweiße seines Angesichtes esse. Wir Alle sind beladen mit Arbeit und tragt sie uns nicht häufiger Diesteln und Dornen als gute Früchte. Ja! uns Alle traf der Fluch der ersten Menschen, uns Alle traf er, wir Alle müssen zu Staub, aus dem wir gekommen sind, werden. Aber Gott sey dafür gelobet. Alleluja! Adam der erste Mensch wurde neun hundert und dreißig Jahre alt, und einer seiner Nachkommen, Methusalem, wurde neu»

105 hundert und sechzig Jahre, und dieser ist der älteste be­ kannte Mensch. Aber wir wollen Gott danken, daß wir nur kurze Zeit leben, wir wollen Gott preisen, daß wir nur eine Hand voll Jahre, so eine kurze Spanne Zeit le­ ben, was wäre das für ein fürchterlicher elender Zustand, wenn wir so mehrere hundert Jahre in diesem Jammer, thale leben müßten in einem so elenden Zustande, nein! Lob und Preis dem gnädigen barmherzigen Gott, daß er unsere Lebenslange abgekürzt hat, daß wir früher der Er­ lösung durch einen seligen Tod entgegen sehen können, wir waren alle bejanrmernswerth, wenn wir diese elende Hülle langer bewohnen müßten. Also dafür hat Gott auch wie­ der für uns gesorget. Adam aber nannte gleich nach dem Falle augenblicklich nachdem Gott sagte: Du sollst Deine Kinder mit Schmerzen gebaren, er nannte sie Eva, Mutter aller Lebendigen, vorher hat er sie nicht geuenuet, dann aber nannte er sie gleich Eva. Nun um weiter zu kommen, alle Menschen haben die Sehnsucht nach der Er­ lösung , wir Alle wünschen sie. Adam und Eva erzeugten Kain und den Abel mit) mehrere Kinder. Den ersten nannten sie Kain, ein Herr. Diese brachten dem Herren Opfer, Kain die Erstlinge der Feldfrüchte, er war ein Ackersmann, Abel die Erstlinge des Viehes, denn er war ein Hirte. Kain der erste Mensch erzeugt von den ersten Menschen, war schon böse, und ermordete seinen Bru­ der. Vorher ehe er diesen grausamen Entschluß ausführete, ermahnte ihn noch der allgütige Herr: Warum er­ grimmest Du Dich und warum verzerrest Du Deine Ge­ berde? Thust Du wohl, so wirst Dir es vergolten wer­ den , thust Du aber übel, alsbald wird Deine Sünde zu­ gegen, vor der Thüre seyn; aber unter Dir, wird ihre Begierde seyn, und Du wirst über sie herrschen. Und dann tödtete^r Abel. Und Gott frug den Kain: so wie cr zu Adam sprach: Adam wo bist Du, obwohl der

106 Herr sehr gut wußte und immer weiß wo wir sind, so frug er auch den Kain um seinen Bruder, sprechend: Wo ist Dein Bruder Abel? .Und Kain in sich verstockt antwortete trotzig: Ich weiß nicht, bin ich meines Bru­ ders Hüter? Gott aber, der die -Sünder nicht verwirft, sprach dennoch zum Kain: Was hast Dü gethan? Die Stimme Deines Bruders schreit zu mir von der Erde; und nun wirst Du verflucht seyn auf der Erde, die ihren Mund hat aufgethan und Deines Bruders Blut von Deinen Han­ den empfangen. Wenn Du sie bauen wirst, wird sie Dir nicht ihre Früchte geben, unstat und flüchtig wirst Du seyn auf Erden. Kain aber sprach zum Herrn schon in sich gehend: „Meine Missethat ist größer, als daß sie mir vergeben werden möge." Er fing schon an zu ver­ zweifeln und sprach weiter: Siehe Du treibst mich heute von dem Erdboden, und ich werde mich vor Deinem An­ gesicht verbergen, und werde unstat und flüchtig seyn auf Erden: also wird es mir ergehen, daß mich todt schlage wer mich findet. Aber der Herr sprach zu ihm, sich wieder erbarmend: Es soll nicht also geschehen, denn wer Kain todt schlägt, der soll siebenfältig gestrafet wer­ den. Und der Herr machte ein Zeichen an Kain, daß ihn nicht ein Jeder todt schlagt, der ihn findet. Und Kain ent­ fernte sich von dem Herrn, nahm ein Weib und erzeugete Kinder. Welches Zeichen der Herr an dem Kain gemacht hat, wissen wir nicht, es ist wieder ein göttliches Geheim­ niß. Dann vermehrte sich das Menschengeschlecht, fiel aber von Gott ab, wurde ruchlos. Gott sandte Noah zu ihnen, ließ ihnen mit der Sündfluth drohen, sie gänzlich zu vertilgen, wenn sie sich nicht besserten, und ließ ihnen hundert und zwanzig Jahre zur Besserung Zeit. Da sie aber immer auch loser wurden, gebot Gott dem Noah, die Arche zu bauen; dann befahl er ihm mit seiner Frau, seknen drei Söhnen und ihren Frauen hinein zu gehen und von

107 allen Thieren zwei Paare mit zu nehmen. Und dann ließ Er vierzig Tage und Nachte ununterbrochen regnen und vertilgte das ganze Menschengeschlecht. Noah aber mit seinen sieben Angehörigen blieb ein Jahr in dem Schiffe. Daun ging er auf Gottes Be­ fehl Heralls und brachte Gott ein Opfer. Was diese Opfer bedeuteten und ob sie dem Herren wohlgefällig sind, können wir nicht ergründen. Diele haben schon versucht eö zu erklären, aber keinem ist eß gelungen. Aber sie müs­ sen alle hingedeutet haben auf- das große Opfer, welches wir nicht nur am Charfreitag, sondern täglich bei jedem heiligen Meßopfer anbeten. Dann bildete der Herr einen Regenbogen am Himmel, zum Bundeszeichen daß er nie mehr das ganze Menschengeschlecht vertilgen wolle. Und Gott sprach: ich will hinfüro nicht mehr die Erde verflu­ chen um der Menschen Willen, denn die Anschläge und Gedanken deß menschlichen Herzens sind zu dem Bösen geneiget. Und ich will nicht mehr schlagen was da lebet, wie ich gethan habe. Es soll keine Sündstuth mehr kommen, die die Erde verderbe. Und keine Sündfluth vertilgte daS Menschengeschlecht. Wenn Euch aber elende Leugner der Sündfluth kamen, die daran nicht glauben wollen, denen gebet nur zur Antwort: Leset nur in der Geschichte, Ihr werdet finden , daß bei jeder Nation, daß bei allen Völ­ kern einer Sündfluth gedacht wird. Denn nach der Sündfluth vermehrten sich die Menschen wieder, blieben eine kurze Zeit treu, fielen dann wieder ab. Dann entstand der Lhurmbau zu Babel, und die Verwirrung der Spra­ chen, wv einer den andern nicht verstand, so wie heut zu Lage bei uns, denn wir verstehen auch einer den andern nicht, und sind ganz verwirret. Dann fiel daß Volk von dem Herrn ab. Nur Abraham, Isaak und Jakobs diese drei blieben ihm treu. Endlich kam das Volk nach Egyp­ ten , wurde da geplagt und gedrückt, bat zu Gott um Sr-

108 lösung. Gott gewahrte sie ihnen, sandte den Mose- zu den Israeliten und ließ sie auf eine wunderbare Art auEgypten in die Wüste führen. Da erhielt das Volk durch Moses von Gott Gebote. Wenn das Volk von Gott ab­ fiel, wurde es bekriegt, da wandte es sich abermals zu Gott, und wurde von den Feinden.befreiet. Endlich wollte das Volk in der Wüste nicht mehr bleiben und ward aufrührksch, da strafte sie Gott, indem er giftige Schlan­ gen entstehen und zu den Israeliten kommen ließ, deren Viß tödtlich war. Da erkannten sie wieder ihr Unrecht und hofften auf Erlösung. Und Gott ließ eine eherne Schlange errichten, wo ein Jeder^ der diese eherne Schlange mit Vertrauen auf. Gott anblicken würde, geh eilet wird. Endlich führte dann Josua das Volk in das gelobte Land. Josua heißt eben so viel als Jesus, beide heißen Heiland. Dann wurde das Volk von Richtern beherrscht, einer derselben war der gewal­ tige Simson, der die Philister besiegte. Der letzte war Samuel, ein großer weiser Mann. Das Volk wollte aber nicht mehr von Richtern beherrschet werden, und sagten zu Samuel: Gib uns einen König, dem wollen wir unterthänig seyn. Samuel stellte ihnen alte Pflichten, die sie gegen den König hatten, vor, und gab ihnen auf ^Gottes Befehl einen. Der endete aber in Verzweiflung als Selbst« mörder. Dann sehen wir den David, der als Knabe den Niesen Goliath bekämpfte , den hatte Gott zum Könige

auserkoren , und berief ihn von der Heerde dazu. Der re­ gierte weise, und war ein großer Seher Gottes und ein Ahnherr Jesu Christi. Er prophezeite Jesum Christum sein Leiden und Sterben, so genau, daß er sogar vorhersagte, daß um seine Kleider das Loos geworfen werde. Wer sei­ nen ein und zwanzigsten Psalm nicht kennt, der lese ihn, Ihr werdet staunen, wie alle seine hundert und fünfzig Psalmen fast göttlich sind, was alle Dichtkunst überschreitet

10» und wo wir überall die Sehnsucht nach der Erlösung ver­ nehmen. .Der große selige Graf Stollberg, der von Jedem verehret zu werden verdienet, und nachdem er zu dem katho­ lischen Glauben übergegangen ist/ und die Geschichte mit sei­ nem herrlichen Buche über die Religion bereichert hat, sagt: Alles was Dichtkunst und Poesie ist, muß auf Sehnsucht nach Erlösung beruhen. Das sage ich nicht dem großen Graf Stollberg nach, sondern sage es mit ihm. Denn wenn sich die Dichtkunst bloß an das Irdische kettete, so wäre sie nichts, aber sie muß aus dem Herzen sprechen, und da finden wir schon bei den Griechen, in den Gedichten ihrer weisesten Männer, Sehnsucht nach Erlösung. Der heilige Augustinus sagt hierüber: in dem Liede des Men­ schen müssen Funken von Glauben-, Hoffnung und Liebe seyn. Und das ist auch sicher, in jedem Gedichte muß sich das Göttliche aussprechen. Es ist aber hier nicht der Ort und die Zeit das aus einander zu setzen, aber die Gebil­ deten, die sich vielleicht hier befinden möchten, werden mich schon verstehen. Dann nach David sehen wir Salomon, endlich unter Ierobeam theilte sich das Reich in Israel und Juda. Dann fielen die Juden in die babylonische Gefangensä-aft, bekehrten sich da wieder, hofften auf Erlösung, und kamen dann endlich nach siebenzig Jahren wieder in ihr Vaterland. Dann trat Daniel auf, der weissagete sogar die Ankunft des Messias, die Zeit und den Ort, wenn und wo er geboren werden wird. Endlich der Prophet Malachias beschreibt das heilige Meßopfer umständlicher, spricht: ich verachte die Opfer, die ihr mir bringet, darum werde ich mir ein heiliges, reines, unbeflecktes allgemeines Opfer bereiten. Endlich verstummeten dann alle Prophe­ ten, die Juden fielen unter römische Botmäßigkeit. Gott hörete auf zu sprechen. Aber es erschien dann Derjenige, auf den Wenige mehr hofften, der von vielen vergessen wurde und wird, es erschien Derjenige, der uns Allen

110 Erlösung brachte, es erschien Jesus Christus. zum zweiten Theil.

Ich gehe

Sey getrost, meine Tochter. Also sprach der gnädige Herr im heutigen Evangelium zu dem Weibe, und zu der Tochter deß Obersten sprach er: das Mädchen ist nicht todt, sie schlaft nur. Dieses herrliche göttliche: sey getrost, meine Tochter, spricht der Herr dreimal. Gott will keinen Menschen untergehen lassen, Er will alleM'enschen selig machen. Barmherzigkeit ist das Wesen des Herrn. Liebe ist das Wesen von Gott, und Gerechtigkeit tritt nur dann ein, wenn'wir zu Gericht gerufen werden, wenn wir Recheirschaft von unserm Lebenswandel ablegen, nur dann tritt Gottes Gerechtigkeit ein, aber in unserm Leben nicht, da quillet uns nur immer Barmherzigkeit und Liebe von Gott entgegen. Daher spricht auch der Herr das: sey getrost meine Tochter, zu uns. Gott sprach schon diese Worte zu den ersten Menschen nach ihrem Falle, ehe er zu Adam sprach: um Deinetwillen sey die Erde verflucht, ehe er das Men­ schengeschlecht verfluchte, sprach er: sey getrost, meine Tochter. Denn wenn wir gesündiget haben, wenn wir uns von Gott entfernet haben, unsere Sünden aber ein­ sehen, uns zerknirrschen, dann erbarmet sich der Herr des reuigen Sünders, des büßenden, und spricht: sey getrost, meine Tochter. Er höret diese Wote, sie werden aller­ dings wieder versauseln, er wird sündigen, aber nicht mehr fallen, denn er erinnert sich der Worte: sey getrost, meine Tochter; und dieses gibt ihm Trost und Starke, -und er wird nicht verzagen. Denn ein Tropfen Trost von Gott ist auf Jahre hinlänglich, und endlich wird der Herr noch einmal cs sprechen, er wird es in dem. Augenblicke des seligen Todes sprechen. Dieses liebliche: sey getrost, meine Tochter, o könnten wir Menschen daß Glück haben sie zu hören; aber es höret sie Jeder noch in dem Augen,

111 blicke deß Lobes, in dem Augenblicke, wo er gleich darauf L't'e Worte höret: gehet ein, Ihr Gerechten, in das Reich Gottes. Dieser Augenblick möge uns Gott Allen schen­ ken, und wenn wir treu bleiben bis ans Ende, so wird er ihn im6 schenken. Aber ein jeder Mensch hat die Sehn­ sucht nach der Erlösung, in dem Herzen eines jeden Menr schen liegt diese Sehnsucht, und diese Erlösung erlangen wir durch ein seliges Ende. Als wir Kinder waren und die blinkenden Sternlein von dem Himmel greifen woll­ ten, um sie zu küssen und mit ihnen zu spielen. Als wir den Namen Jesus noch nicht aussprechen konnten und doch schon Kreuzchen an unsere Herzen drückten und Mut­ tergottesbilderchen küßten, da waren wir Gott lob! noch schuldlos, , da kannten wir noch keine Sünde und hatten keine Sehnsucht nach der Erlösung so wie jetzt. Dann aber haben wir gesündiget, dann machte uns die Sünde elend, dann quälte sie uns, dann entstand diese Sehn­ sucht in uns, die nie erlischt. Aber wenn wir trostlos sind, so nur zu dem geflüchtet, der gesaget: werdet wie die Kindlein. Es ist sehr viel und etn>as. Großes ein Kind Gottes zu seyn, obwohl es Viele gering schätzen. Aber keiner verzage, und wenn er alle Sünden der Welt be­ gangen hatte, wenn er ein Kain und Judas zugleich seyn könnte, er verzage nicht, er wird durch Gottes Gnade auch begnadiget werden, denn Alleluja unser Gott ist barmherzig. Es wird ihm der Erlöser auch noch erschei­ nen, und sein Herz wird auch nach Erlösung schmachten. DaS bilde mir keiner ein, daß es nicht wahr sey, ich kenne auch das Zyenschenherz. Ihr aber, denen Euch auch klar geworden sind die Worte Hiobs: ich weiß , daß mein Er­ löser lebt, ich werde ihn in meinem eigenen Fleische schauen. O ich bitte Euch, die Ihr auch wisset und fühlet, daß Euer Erlöser lebet, die Ihr nach ihm lechzet; o ich bitte Euch am Schluffe meiner Predigten dieses Kirchenjahres,- be-

112 wahret ihn, ach seyd behutsam, daß Ihr ihn nicht ver­ lieret. Und wenn Ihr auch gesündiget und trostlos seyd, der Herr sprach ja: kommet her zu mir, die Ihr trostlos und beladen seyd, ich. will Euch erquicken. Er giebt uns schon Trost.

'

Wenn der Sünder Iwt gewonnen Reue, Demuth und Geduld, Und ivöS er mit Gott begonnen, Hut vollbracht mit Gottes Huld, Menn in treuer Thronen Bronnen Rein gewaschen ist die Schuld, Dann, nach wohlvollbrachtcm Laus, Thut des Friedens Thor sich auf.

Gott schenket un$ den Frieden, der uns erquicket.

Wenn Ihr, die Ihr wisset und rufet: ich weiß, daß mein Erlöser lebt! wenn Ihr gesündiget habet, trenn Ihr überall Trost gesuchet und nirgends gefunden habt, dann eilet zu dem Beichtstühle, bekennet, be­ reuet Euere Sünden, weinet nicht muthlose Thrä­ nen, sondern goldene Zähren der Reue, dann wird Euch der Silberblick des Lebens, wenn ich so sagen soll, aufgehen. Und dann wenn Ihr durch den schwachen Mund des Priesters die Absolution erhalten habt, dann gehet hin zu Euerem Erlöser und genießet Ihn freudig und liebend, und trachtet Ihn nicht mehr zu verlieren. Nun ehe ich schließe, noch eine Bitte, die mich betrifft, und ich glaube wenn mau immer für Andere gedacht, so kann und darf män wohl arich einmal an sich denken, ich bitte Euch, die Ihr mir gewogen seyd, mich in Euer Gebet einzuschlie­ ßen, da ich morgen geistliche Betrachtungen für mich an­ stellen will, die ungefähr zehn Lage dauern, Gott um Reue und Buße und Vergebung meiner Sünden bitten will. Und Gott für meine arme Seele um Gnade zu bit­ ten , und auch um einen glückseligen Tod.

113 Ich habe einmal gesagt: Diele verfugen, nur Ofner kann richten; Dies Wort ist Balsam dem morschen Gebefnl Weil es noch Zeit ist -um Einz'gen zu flüchten. Der jetzt noch lächelt, doch bald kommt zu richten, Ach laßt die Zeit nicht verloren unS seyn!

Daher bitte ich auch meine lieben Beichtleute oder die sonst ein Anliegen an mich haben, mir diese zehn Lage zu schenken, denn bis Sonntag über achtLage werde ich keinen sprechen und predige daher künftigen Sonntag nicht. Heute über vierzehn Lage aber, wenn ich lebe, will ich mit Euch freudig ausrufen; ich glaube an Jesus Christus. Amen.

2fm LrxK

ersten Sonntage im Advent.

„Wenn aber dieses zu geschehen anfängk, so sehet, und hebet Euere Häupter auf, weil Euere Erlösung nahe ist." 8ur. 21. Kap. 28. B.

Ueber diese Worte des heutigen Evangeliums am er­ stell Sonntag vor der Ankunft des Herrn will ich heute zu Euch predigen, zuförderst müssen wir Gottes Geist um Beistand bitten. Es werden unter den Erwachsenen 'von Euch, beson­ ders unter Euch Wienern wenige seyn, die nicht ein Kriegs­ heer ausziehen sahen. Ihr konntet es bei Gelegenheit der Schlachten bei Aspern, Wagram, auch bei Waterloo, sehen. Wenn da das Heer vollkommen gerüstet und geordnet ist, so beginnet es dann fortzuziehen. Die Trommeten ertönen, freudige harmonische Musik erschal­ let, der Ton der Trompete vermehret die Musik, über­ haupt freudig ist der Anblick. Das Heer ziehet auch dem Feldherrn freudig, ja jubelnd nach, nicht denkend der Gefahr, denn es ziehet das Vaterland zu retten. Hie und da aber erblicket man eine Gattin, die von ihrem XIII. Predigten IU 8

113 Ich habe einmal gesagt: Diele verfugen, nur Ofner kann richten; Dies Wort ist Balsam dem morschen Gebefnl Weil es noch Zeit ist -um Einz'gen zu flüchten. Der jetzt noch lächelt, doch bald kommt zu richten, Ach laßt die Zeit nicht verloren unS seyn!

Daher bitte ich auch meine lieben Beichtleute oder die sonst ein Anliegen an mich haben, mir diese zehn Lage zu schenken, denn bis Sonntag über achtLage werde ich keinen sprechen und predige daher künftigen Sonntag nicht. Heute über vierzehn Lage aber, wenn ich lebe, will ich mit Euch freudig ausrufen; ich glaube an Jesus Christus. Amen.

2fm LrxK

ersten Sonntage im Advent.

„Wenn aber dieses zu geschehen anfängk, so sehet, und hebet Euere Häupter auf, weil Euere Erlösung nahe ist." 8ur. 21. Kap. 28. B.

Ueber diese Worte des heutigen Evangeliums am er­ stell Sonntag vor der Ankunft des Herrn will ich heute zu Euch predigen, zuförderst müssen wir Gottes Geist um Beistand bitten. Es werden unter den Erwachsenen 'von Euch, beson­ ders unter Euch Wienern wenige seyn, die nicht ein Kriegs­ heer ausziehen sahen. Ihr konntet es bei Gelegenheit der Schlachten bei Aspern, Wagram, auch bei Waterloo, sehen. Wenn da das Heer vollkommen gerüstet und geordnet ist, so beginnet es dann fortzuziehen. Die Trommeten ertönen, freudige harmonische Musik erschal­ let, der Ton der Trompete vermehret die Musik, über­ haupt freudig ist der Anblick. Das Heer ziehet auch dem Feldherrn freudig, ja jubelnd nach, nicht denkend der Gefahr, denn es ziehet das Vaterland zu retten. Hie und da aber erblicket man eine Gattin, die von ihrem XIII. Predigten IU 8

11* liebenden Gatten traurig Abschied nimmt/ dort eine treue Mutter, die sich unter Thränen der Schmerzen, ja des herz­ zerreißendsten Schmerzens, von ihrem einigen Sohn sich trennent, manches Ange wackerer Krieger siehet man gefarbet von einem herrlichen Naß, sein Herz bricht auch, je­ doch ermannet ziehet er fort. Manche gehen zu kühn und muthig, ja tollkühn. Andere zu verzagt und schüchtern, jedoch wieder Andere mit weisem Muthe vertrauend auf den treuen Feldherrn, durch dessen Leitung sie siegen, aber auch fallen können. Nun endlich kommt es zur Schlacht; nun gilt es^Sieg oder Tod. Die Trommeten ertönen lär­ mender, die Musik ertönt in ihrer vollen Stärke, die Trompeten erschallen von allen Seiten / um gleichsam das donnernde Getöse der Kanonen zu überwiegen und we­ niger hörbar zu machen, um den Kriegern Muth eirrznflößen, um sie freudig zu machen. Nun aber wenn der Feldherr fällt, wenn ihn das tödtende Blei getroffen, dann verlieren seine treuen Krieger ihren Muth, dann beginnet allgemeine Verwirrung und Flucht. Also ist es nicht mit uns Christen. Jesus Christus der eingeborne Sohn Got­ tes ist gekommen in die Welt, ist unser einziger Feldherr, und die Ihm folgen, siegen. Er ist gefallen, Er ist am Kreuze gestorben , nm damit wir leben und nicht fallen, durch Seinen freiwilligen Fall erhielten wir Kraft um zu siegen. Dann wenn am letzten Gerichte die großen Ge­ richtsposannen ertönen, wenn es zur Schlacht kommt, wenn unser Feldherr herrlich, mächtig als Richter vor uns stehet, wo es unsern Sieg gilt, dann werden Wiele freudig erscheinen, dann werden Seine treuen Nachfolger den schönen Sieg erkämpfen, dann ist das Böse kraftlos. Denn Er ist gefallen, auf daß wir uns erheben und ewige Freude genießen. Nun will ich aber heute am ersten Sonn­ tag vor der Ankunft deß Herrn, jetzt da uns Gott diesen Advent erleben ließ, meine Katechismuspredigten fort-

setzen und heute von Jesu Christo sprechen. Ich glaubr an Jesum Christum. Dies soll heute unsere Betrachtung seyn. ' WaS ist Jesus Christus? Das ist mein erster Theil. Wie verbindet uns die Ankunft Jesu Christi, der Ad­ vent ins Fleisch? das ist mein zweiter Theil. Jesus Christus, Fleisch gewordenes Wort, unser Er» loser, stehe uns bei , damit diese heilige Zeit nun auch zu unserem Heile diene. Gieb uns die Gnade, daß wir Dei­ ner heiligen Menschwerdung, Deiner Geburt freudig ent­ gegen gesehen, und damit sie auch für uns fruchtreich sey. Stehe uns bei und bitte für uns, heilige reinste Jungfrau Makia! Mutter Gottes, aus Dir wurde das Heilige, dessen wir harren, geboren; bitte für uns , daß wir wür­ dig seine Geburt erwarten. Auch Ihr, heilige Ursula und Angela , Schätzerinnen dieses Tempels, bittet für nnS. Was ist Jesus Christus,' wer ist IesuS Christus? Die heilige untrügliche katholische Kirche hat sehr weislich die Betrachtung Jesu Christi auf den Advent bestimmet, wo wir seiner Ankunft harren. Also wir wollen es auch nach den Worten: ich glaube an Jesum Christum. Che wir aber glauben, müssen wir wissen, was Jesus Christus ist. Hierüber belehret uns am besten der heilige Johannes, der Lieblingßjünger des Herrn, der an seinem Schooße lag und der nach der Mutter Gottes, die größte Kenntniß der Liebe, die Gott ist, hatte. Er beginnet sein Evangelium also: ,,Im Anfänge war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort. Dieses war vom Anfänge bei Gott. Alle Dinge sind durch dasselbe gemacht und nichts von dem was gemacht wurde, ist ohne dasselbe gemacht wor­ den. In ihm war das Leben und das Leben war das Licht der Menschen, und das Licht leuchtete in den Finsternissen, mit) die Finsternisse haben es nicht begriffen. Es war ein Mensch von Gott gesandt, mit Namen Johannes. Die»

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116 ser kam zum Zeugnisse, damit er Aeugnrß von dem Lichte geben sollte, auf daß Alle durch ihn glaubeten. Er war nicht daS Licht, sondern daß er Zeugniß gäbe von dem Licht ES war ein wahrhaftiges Licht, welches alle Men» ,schen erleuchtet, die in die Welt kommen. Es war in der Welt und die Welt ist durch dasselbe gemacht worden und hat es nicht erkannt. Er kam in'sein Eigenthum und die Seinigen nahmen ihn nicht auf. Wie viele ihn aber anfnahmen, denen gab er Macht Kinder Gottes zu wer­ den, die an seinen Namen glauben; welche nicht aus dem Geblüte, noch aus dem Willen des Mannes, sondern auS Göll geboren sind. Und das Wort jfl Fleisch geworden und hat unter uns gewöhnet, und wir haben seine.Herr­ lichkeit gesehen, eine Herrlichkeit wie dem Eingebornen des Vaters gebührte, voll der Gnade und Wahrheit." DaS ist Jesus Christus, Er ist das fleischgewordene Wort, kam in die Welt um uns zu erlösen, und ist der Sohn, der Eingeborne des ewigen Vaters. Was aber die heiligste Dreieinigkeit ist, können wir nicht ergründen, wie ich schon in einigen meiner früheren Predigten gesagt, wir können nur dieses heiligste Geheimniß andeuten und gläu­ big liebend anbeten. Jesus Christus ist gleich mit dem Vater. Die Heiligen, die größten Kirchenväter sagen: Gott ist von Ewigkeit, er erkannte seine Vollkommenheit, liebte sich und dieser Gedanke ist Jesus Christus, mehr konnten sie auch nicht sagen, denn es ist ein unerforschliches Geheimniß. Aber JesuS Christus ist von gleicher Wesenheit mit dem Vater und hat gleiche Macht. In der nicäischen Kirchenversammlung, die die bekannte älteste ist, wurde gesagt: Jesus Christus ist Gott vom Gotte, Licht vom Lichte, wahrer Gott vom wahren Gotte. DaS sagten die damaligen Kirchenväter, und das ist sehr wahr. Jesus ist Gott vom Gotte, denn er hat dieselben göttli­ chen Eigenschaften als der Vater, er besitzet dieselbe

117 Weisheit, dasselbe Licht, dieselbe Klarheit. Ferner ist aber Jesus Christus wahrer Gott und wahrer Mensch. Er ist GotteS und Mariens Sohn. Er ist der eingeborne Sohn deS ewigen himmlischen VaterS und der Sohn der übergebenrdeieten Jungfrau Maria, allerdings von dem heiligen Geiste empfangen, hat aber in dem reinsten Schooße der seligsten Jungfrau Fleisch angenommen/ Fleisch von ihrem Fleische, und ist aus ihm geboren wor­ den. Jesus Christus ist nicht erschaffen, sondern von dem Vater gezenget. Er kam in die Welt um uns elende Menschen, uns nichtswürdige Sünder zu erlösen, gab sein Dlukfür uns hin, damit wir erlöset wurden; konnte Er, der gnädige barmherzige Gott und Herr mehr für uns thun? nein! gewiß und wahrhaftig nicht. Er war so gnädig Fleisch anzunehmen, kam zu uns elenden sündhaf­ ten Staubgeschöpfen, wurde wegen nnS Staub, um uns mit seinem himmlischen Vater zu versöhnen, Halleluja! Und nun ist die Zeit da, wo wir seiner Ankunft mit Sehn­ sucht entgegen sehen. Nun ist die heilige Zeit, wo wir wieder erlöset werden, der herrliche Advent, unsere Freudenzeit, obwohl die Altare violett bedeckt find, wo die Priester in violetter Farbe erscheinen zum Zeichen der Trauer, auch schwarz und roth. Roth des Versöhnung-hluteS um Jesu willen, welches für unß floß, schwarz zum Zeichen der Trauer über unsere Sünden, die auch schwarz und finster sind. DieseZeit ist eine heilige Trauer-, aber auch Freudenzeit, denn wir trauern unserer Sün­ den wegen, freuen uns der Ankunft des Ewigen, der jede Sünde tilget. In der Messe verstummten die Freudenge­ sänge, das Gloria in excelsis Deo, und das Halleluja, bis auf die herrlichste aller Nächte der Weihnachten, wo die Kirche alle Freudengesänge erschallen läßt, wird wie­ der das Gloria gesungen. Ehre sey Gott in der Höhe und Friede den Menschen auf Erden, die eines guten Wil-

118 lenS sind. O wir wollen uns glücklich preisen, daß der Advent alle Jahre ist. So wie alle Jahre ein neuer Früh­ ling erquicket, der uns die Früchte der Erde gibt und be­ lebt, ebenso nothwendig, ja weit nützlicher ist der Ad­ vent, der. Frühling des Christenthums. Der Frühling gibt unS nur die Früchte der Erde, aber der göttliche Früh­ ling Advent genannt, der bringet uns Erlösung, und da­ für sey dem Herren Dank. Damit wir uns aber heute nicht zu sehr freuen, so laßt uns die weise Kirche heute das Evangelium vom Weltgerichte vorlesen, an dem Lage wo wir unseren Lohn oder unsere Strafe erhalten, söllen-wir gedenken, wo unser Feldherp zum zweiten und letzten Male erscheinen wird, wo wir-mit Ihm in die Schlacht ziehen werden, wo wir fallen oder stegen. Ich habe aber schon früher angedeutet, daß unser göttlicher Feldherr gefallen ist, damit wir Alle nicht fallen, son­ dern uns freudig erheben und siegen durch Jesum Chri­ stum. Denn wenn wir Ihm treu nachgefolget sind, dür­ fen wir vor dem Gerichte nicht zittern sondern uns freuen, denn dann werden, wir glorreich und herrlich dastehen. Dann wird das Böse keine Macht mehr haben, dann wird eS von dem Guten zernichtet. Die Bösen können dann den Guten und Gerechten nicht schaden, sie nicht mehr ver­ folgen, denn dieser Zeitpunkt ist dann vorüber , sondern sie werden von den Treuen, Gerechten besieget, und ihre Macht wird ohnmächtig, sie werden nur den Spruch, das Urtheil deS Richters hören, und diese in ewige Qual, jene hingegen in ewige Freuden eingehen, wir wollen aber nicht Muthlos seyn, obwohl in dem heutigen Evangelium ste­ het: „eS werden an Sonne, Mond und Sternen Zeichen geschehen, auf Erden wird Bedrangniß der Völker wegen des ungestümen Rauschens des Meeres und der Wasserfluthen entstehen." Ach diese Bedrangniß ist jetzt schon aus der Erde verbreitet, und warum? weil wir, weil Wiele

119 in dem Laumel leben. das Rauschen des Meere- und die Wasserfluthen fhit die geräuschvollen Freuden der Welt, die Menschen, die im Laumel des Verderbens leben, nicht gedenkend ihres Heiles. Und die Menschen werden von Furcht und Erwartung der Dinge, verschmachten, die über den ganzen Erdkreis kommen werden, denn es werden die Kräfte der Himmel erschüttert werden und alsdann wird man des Menschen Sohn in einer Wolke kommen sehen. Allerdings ist das für uns, besonders für den Sünder und wir sind alle Sünder, schrecklich, jedoch wir verzagen nicht, denn es heißt wieder: „Hebet Euere Häupter auf, weil Euere Erlösung nahe ist " Und wir leben noch und eben jetzt in jener herrlichen Zeit, wo Jesus Christus in das Herz eines jeden Menschen kommen will, ach so las­ set uns denn zu Ihm eilen, zu dem der uns erlöset. Je­ sus Christus ist gekommen, wie ich schon oft gesagt habe, um bei rms in unserem Herzen die Kluft zwischen demSollen, Wollen und Können und Vollbringen auszufullen. Er mußte auch nicht kommen, Er muß nichts, wenn Er nicht will, denn Er ist uns armen Menschen gar nichts schuldig. Aber die ewige allbarmherzige Liebe, der gnädige Gott, kam zu uns, weil er wollte, denn wenn Gott nicht hatte kommen wollen, so wären wir Alle verloren, denn keiner kann und könnte uns erlösen, nur der Gottmensch

Jesus Christus. Er ist wahrer Gott und Mensch,, Er litt als Mensch, Er starb als Mensch, Er lehrte aber nicht als Mensch, sondern als Gott, als die höchste Wahr­ heit und Weisheit. Als Mensch aber litt Er unserer Sün­ den wegen. Jesus heißt der eingeborne Sohn, weil er ein Herr, Heiland, Erlöserist. Wäre Er nicht in die Welt gekommen, so wären wir nicht erlöset, sondern verloren, denn kein Mensch könnte uns erlösen, kein Mensch hätte unsere Sündenlast tilgen können, nur Jesus. Alle unsere Leiden, alle Martern und Qualen der Märtyrer, nichts

120 kennte unsere Sünden tilgen, könnte nicht eine unserer Sünden gegen den himmlischen Vater tilgen , nur Jesus Christus allein der Gottmensch. Er kam in die Welt, be­ lehrte uns, wollte uns Alle retten und selig machen, denn Er sagte, wer an mich glaubet, wird selig werden. Dann litt Er unaussprechlich, und dann wöllte Er den schmerz­ lichsten Lod am Kreuze sterben, da neigte Er sein Haupt, empfahl seinen Geist in die Hande seines ewigen Vaters und hauchte seinen Geist aus, hat in diesem Augenblicke das Menschengeschlecht erlöset, die Sünde getilget, den Stachel des Lobes zerbrochen, den Sieg der Hölle vernichtet und ist unser Erlöser geworden. Christus heißt ein Gesagter, mld Jesus ist ein doppelt Gesalbter. Nur zwei Stände von Menschen werden gesalbet, Könige und Priester, und JesuS der König aller Könige und unser Hoherpriester ist also doppelt als König und Hoherpriester gesalbet. Er ist unser Aller Herr und würdiger König: Es heißt ja: „Fürchte Dich nicht Lochter, siehe Dein König kömmt." Er ist der gnädige Herr, der seine Kinder liebet. Dann ist er unser ewiger Hoherpriester, ist einmal einLegangen inS Heiligthum und hat ewige Erlösung erfunden. Wir Prie­ ster haben wohl auch das Recht, die große Gnade erhal­ ten, Gott täglich dasheilige unbefleckte Opfer zu bringen. Wir nahen uns aber dem Altare mit Furcht und Zittern um das große Versöhnungßopfer unblutig darzubringen. Jesus Christus, der ewige heiligste Hohepriester ging aber nur einmal ein ins Heiligthum und brachte ewige Erlösung, brachte dem ganzen Menschengeschlechte Gnade. Wir Priester müssen aber erst für unseren und des sündi­ gen Volkes Sünde Gott ein Opfer bringen, um Erlösung zu erhalten. Aber Jesus Christus, der reinste heiligste, Er brachte nicht für sich, sondern nux für uns daß Dersöhnungsopfer und ist unser Hohepriester. Also deßhalb wollen wir nicht verzagen, sondern unsere Häupter eiche-

121 den, weil unsere Erlösung herzu nahet, und diese heilige Zeit zu unserem Heile anwenden, damit wir, wenn JesuS Christus, der in der Zeit noch Erlöser ist, einst als stren­ ger Richter kommen wird, nicht zittern dürfen, damit wir auch dann nicht trostlos verzagen, denn dann gilt es unser Heil, denn wir nicht vor dem Lode zittern dürfen, denn er bringt uns ja zu dem, auf dessen Ankunft wir war­ ten. Wir wollen uns nun aber nicht bloß freuen, son­ dern auch die Mittel sehen, die uns der Ankunft Jesu freudiger entgegensehen lassen, wir wollen nun noch be­ trachten, wie uns die Ankunft Jesu in's Fleisch verbindet. Davon nun noch im zweiten Theile. Ich habe, meine lieben Freunde, schon mehrere Male an demselben Lage, als am ersten Adventsonntage, Je­ sum Christum mit dem Sohne eines Königs verglichen, dessen Unterthanen den König beleidigt haben, und im Kerker auf den Lod sitzend, des Sohnes harren, der die Strafe bei dem Water zu vermindern und zu beschwich­ tigen suchte Die Sünder, die Beleidiger des königlichen Waterß suchen sich aber auf den Sohn vorzubereiten. Heute lasse ich aber dieses Gleichniß dahin gestellt und führe es nicht weiter aus, denn ich habe Anderes, was mehr zu unserm Heile dient, zu sagen. Wir Alle harren des Erlösers, eigentlich sollten wir uns Alle auf seine An­ kunft vorbereiten, und Wiele lassen vielleicht auch diesen Advent, der vielleicht der letzte ist, den sie erleben, dahin gestellt, bleiben doch immer im Taumel und gedenken nicht, daß sie Sünder sind und auch jetzt begnadigt wer­ den können, denn alle Sünder können jetzt, wenn sie ihre Sünden ernstlich bereuen, bekennen und sich bessern, Gnade finden. Bedenket doch das heutige Evangelium, was zu unserer Warnung dienen soll, ach gedenket doch, daß Je­ sus Christus noch einmal, aber nicht mehr als Erlöser, sondern als Richter kommen wird, daß wir keme Barm-

122 Herzigkeit mehr erlangen können. Nun aber, wer wird uns, wer wird den Sünder richten? Gott der allmächtige Water? Nein! er ist unser liebender Water, er erbarmet sich nur seiner verlornen Kinder, er sandte seinen eingebornen Sohn , Jesum Christum in die Welt, um uns zu erlösen, er will dann nicht unser strenger unerbittlicher Richter seyn, er, der nur begnadiget und Barmherzigkeit übet, will dann nicht das Werdammungsurtheil über sein ruchloses Kind aussprechen. Er erbarmet sich hienieden aller Sünder, denn wir sind Alle seine Kinder, und dann sollte er uns richten? Nein, das wollte der Water nicht, rr übertrug das Richteramt seinem eingebornen Sohne, der uns mit seinem Blate erlöset hat, dep sein Leben für uns Sünder gegeben hat, unserm Erlöser übertrug der Vater das Richteramt. Jesus Christus wird einst kom­ men in den Wolken des Himmels, zu richten alle Men­ schen, obwohl er in seiner Herrlichkeit, mit Glan; und Schönheit angethan, göttlich schön ist, so werden die Bö­ sen zittern, und sein Anblick wird ihre Qual vermehren. Die Heiligen, denen der Herr manchmal erschien, können seine Schönheit nicht schildern, aber Allen ist er als ein blühender, herrlicher, nur allein göttlicher Jüngling er­ schienen, so daß sie Alle bei seinem Anblick wonnetrunken waren und nur liebend anbeten konnten. Wir, wenn wir treu bleiben, werden ihn einst auch erblicken, und er wird uns nicht mehr entrissen werden. Aber wir müssen arbei­ ten, um dahin zu gelangen. An daß heutige Evangelium,

oder nur an das Weltgericht denken, imb das Weltgericht ist noch eine Kleinigkeit, denn daß ist nur die allgemeine Bekanntmachung, sondern gleich nachdem sich die Seele von der irdischen Staubhülle trennt, werden wir gerichtet. Wenn Zeichen an Sonne, Mond und Sternen geschehen werden, oder wenn der letzte Augenblick vorüber ist, wenn der Sünder in der Unbußfertigkeit gestorben ist, dann

123 werden ihn diese herrlichen Worte nicht trösten: „erhebet eure Häupter, weil eure Erlösung herzu nahet," sondern sie werden verzweifelnd rufen: „Fallet, ihr Sterne, fallet über unö, und ihr Hügel bedecket uns." Dann wird die donnernde Gerichtsposaune erschallen, Jesus Christus, wird als Weltrichter kommen, der immerwährend dem Sünder zuruft, der ihn retten und selig machen wollte, der immerwährend vor seinem Herzen stand und daran klopfte, der unaufhörlich um seine Seele bettelte, der bis zu dem letzten Augenblicke den ruchlosen SüKder nicht ver­

ließ, nun wird er als strenger Richter kommen und sagen: „Ich habe dich erlöset mit meinem Blute, ich habe dich bewacht, ich habe dich mit Gnaden überschüttet, ich habe um deine Seele gebettelt, aber du hast mir kein Gehör gegeben, hattest du einen Augenblick meine Gnade ge­ braucht, du wärest gerettet, aber du hast nicht einen Au­ genblick, nicht die letzte Minute benutzt. Du hast die Hungrigen nicht gespeiset, die Dürstenden nicht getränket, den Armen nicht beigestanden, so lege nun Rechenschaft ab." Und wer wird nun für den Sünder sprechen? Die Mutter Gottes? Nein! sie ist dann nicht mehr Fürspre­ cherin, sondern auch Anklägerin. Sein Schutzengel? Nein-, da fliehet er ihn. Sein Schutzheiliger, sein NamenSpatron, dessen Namen er trug und der ihn Lebens lang auf allen Pfaden begleitet hat? Nein, er spricht nicht für den Sünder. Seine Freunde? seine Lieben? seine Kinder etwa? Nein Wer denn? Er selbst! Und was? Ich schaudere, es außzusprechen. Er spricht selbst das Berdammungßurtheil über sich aus, er stehet nun seine Ruchlosigkeit ein und kann nichts Anderes sprechen, als: ich bin der Verdammniß preis gegeben, ich verdiene nichts als die Verdammniß. Er selbst, der unglückselige Sün-' der, muß das Urtheil der Verdammniß über sich aussprechen, und der Richter Jesus Christus bestätiget e6 nur

124 noch, und ex gehet in die ewige Verdammniß, in die ewigen Qualen ohne Rettung, ohne Trost ein. Aber weg mit diesem schrecklichen Bilde, was vor unserer Seele schwebt. Wir leben ja noch, wir können Alles in dieser heiligen Zeit wieder gut machen. Jesus Christus ist ja nicht gekommen, um das zerknickte Rohr zu zerbrechen und das glimmende Docht auszulöschen, sondern er ist gekommen, um uns selig zu machen. Er ruft uns zu: „Folget mir nach!" Er will, wir sollen unser Kreuz auf uns nehmen, nicht sein Kreuz, denn das wäre unsern Schultern zu schwer, nur unser eignes Kreuz sollen wir ans uns nehmen und ihm nachfolgen, Und das wollen wir auch thlln^ besonders jetzt in dieser heiligen seit. Der Herr sagte: „Sehet den Feigenbaum und alle Baume an, wenn sie schon ausschlagen, so wisset ihr, daß der Sommer nahe ist " Nun ist der Advent da, also wissen wir Christen, daß die Ankunft Jesu Christi folgt, so wollen wir uns vorbereiten; es war aber auch ein Fei­ genbaum, den der Herr verfluchte, so wollen wir trach­ ten, daß wir nicht auch ein solcher wilder Feigenbaum, den der Herr verfluchte, werden. Nun ist die Zeit des Heils, wir wollen sie also nicht lassen für uns verloren gehen, weg nun von allen Zerstreuungen, weg von dem Gepränge der Welt. Lasset uns nicht auch diese Zeit ver­ lieren. Der Apostelfürst, der heilige Paulus sagt: „Brü­ der: Wisset , daß die Stunde schon da ist, vom Schlafe aufzustehen, denn unser Heil ist jetzt naher, als wir es glaubten. Die Nacht ist vergangen, der Tag ist ange­ brochen; darum lasset auch uns die Werke der Finsterniß ablegen und die Waffen des Lichtes anziehen." Wir wollen auch die Werke der Finsterniß ablegen und die nothwendigen Waffen des Lichtes ergreifen, durch die wir siegen, denn die Stunde., wo wir erwachen sollen, kommt bald, ja sie ist auch schon da, wir müssen uns hüten, da-

125 mit wir den hellsten Tag nicht verschlafen. Wir wolle« also jetzt unsere Sünden recht ernstlich bereuen, und unbüten oor der Sünde, allen Haß und Groll gegen Andere ersticken, und alle unsere Freunde und Feinde lieben, allen Zank, Hader und Zwiespalt entfernen, friedlich leben, denn glücklich der, der keinen Feind zurückläßt wenn er scheidet. Darum wollen wir uns Abbruch thun und nicht schwelgen, nickt uns der Wollust und Zügellosigkeit über» lassen. Der Apostel sagt ferner hierüber: „Lasset un­ ehrbar wie am hellen Tage wandeln, nicht in Fressen und Sckufen, nicht in Unzucht und Geilheit, nicht in Zank und Eifersucht; sondern ziehet den Herrn Jesum Christum an." Und dessen wollen wir auch uns bestreben, es gad so viele Greise und Jünglinge, Frauen und Jungfrauen, die hienieden schon allem Irdischen entsagten und nur allein ihrem Seelenbräutigam nachfolgten und ihn auch wirklich hienieden schon besaßen. Wir wollen uns also in dieser Zeit auch in der Enthaltsamkeit üben. Die ersten Christen fasteten den ganzen Advent hindurch, die Kirche war aber so nachsichtig, nur einige Fasttage anzuordnen. In manchen strengen Klöstern fastet man aber noch die

ganze Adventzeit hindurch. Ferner wollen wir unser Ge­ bet vermehren, es soll uns nicht ein bloßes Schaarwerk seyn, sondern wir wollen mit kindlicher Liebe zu Gott be­ ten. Nicht nur alle Sonntage ein Viertelstündchen eine Messe hören, ein jeder Hausvater möge sich doch mit sei­ nen Kindern und Hausgenossen im Gebete üben, und ein Jeder widme doch wenigstens in dieser heiligen Zeit Jesum Christum täglich ein Stündlein. Ferner Almosen geben, die Armen unterstützen, die Hungrigen speisen, die Dür­ stenden tranken, die Nackten bekleiden. Ich weiß, das Volk dieser gesegneten Stadt ist wohlthätig, aber es giebt doch auch hier viele ungekannte Nothleidende, es fließen viele Thränen, die ungesehen bleiben, die nicht getrocknet

J26 werden. Gebt also nicht nur den unverschämten Bettlern auf den Straßen, sondern gehet in die Hütten der wahren Nothleidenden, bekümmert Euch um Solche, die es wirk­ lich bedürfen, und zu diesen traget Euren Ueberfluß, Gott wird es Euch lohnen. Gehet hin zu den Dürftigen und saget: mein Bruder, Jesus Christus ist dein und mein Bruder, er hat dich und mich erlöset, mir hat er aber mehr gegeben als dir, hat uns aber zur Wohlthätigkeit und Nächstenliebe ermahnet, so will ich dir denn helfen, deine Thränen, die hier im Verborgenen fließen, trocknen, damit wir uns einst ewig freuen an dem Orte, wo jede Thräne getrocknet wird. Aber zage nicht, sondern berei­ chere Andere durch dein Gebet, harre desjenigen, der uns zürnst: erhebet eure Häupter, dieweil eure Erlösung herzu nahet.

Amen.

Am zweiten Adventsonntage. Text: „Bist du derjenige, der kommen soll, oder sollen wir auf einen Anderen märten I** Matth. 11. Kap. 3. V.

Ueber diese Worte des heutigen Evangeliums, am -weiten Sonntage der Zukunft Jesu Christi, will ich heute -u Euch predigen, wenn wir zuvor Gott um seinen Bei­ stand bitten. Als Gott der Herr die Welt erschaffen, hatte er auch zwei große Lichter gemacht, eines damit es den Tag und eines damit es die Nacht erleuchte. Jenes nannte Gott Sonne, dieses den Mond. Die Sonne sollte ihre Strah­ len dem Tage spenden und ihn freundlich und herrlich mit ihrem glänzenden Lichte erlerrchten. Des Nachts hinge­ gen sollte der Mond sie erhellen, der sein liebliches Licht von der Sonne erhält. Also ist e§ auch im Leben des

J26 werden. Gebt also nicht nur den unverschämten Bettlern auf den Straßen, sondern gehet in die Hütten der wahren Nothleidenden, bekümmert Euch um Solche, die es wirk­ lich bedürfen, und zu diesen traget Euren Ueberfluß, Gott wird es Euch lohnen. Gehet hin zu den Dürftigen und saget: mein Bruder, Jesus Christus ist dein und mein Bruder, er hat dich und mich erlöset, mir hat er aber mehr gegeben als dir, hat uns aber zur Wohlthätigkeit und Nächstenliebe ermahnet, so will ich dir denn helfen, deine Thränen, die hier im Verborgenen fließen, trocknen, damit wir uns einst ewig freuen an dem Orte, wo jede Thräne getrocknet wird. Aber zage nicht, sondern berei­ chere Andere durch dein Gebet, harre desjenigen, der uns zürnst: erhebet eure Häupter, dieweil eure Erlösung herzu nahet.

Amen.

Am zweiten Adventsonntage. Text: „Bist du derjenige, der kommen soll, oder sollen wir auf einen Anderen märten I** Matth. 11. Kap. 3. V.

Ueber diese Worte des heutigen Evangeliums, am -weiten Sonntage der Zukunft Jesu Christi, will ich heute -u Euch predigen, wenn wir zuvor Gott um seinen Bei­ stand bitten. Als Gott der Herr die Welt erschaffen, hatte er auch zwei große Lichter gemacht, eines damit es den Tag und eines damit es die Nacht erleuchte. Jenes nannte Gott Sonne, dieses den Mond. Die Sonne sollte ihre Strah­ len dem Tage spenden und ihn freundlich und herrlich mit ihrem glänzenden Lichte erlerrchten. Des Nachts hinge­ gen sollte der Mond sie erhellen, der sein liebliches Licht von der Sonne erhält. Also ist e§ auch im Leben des

Christen, Gott hat auch die Gnade gehabt, uns zwei große Lichter voranzustellen. Auch ein unendlich großeLicht, welches den guten, echten, wahren Christen allezeit erleuchtet, was ihn immerwährend erwärmet und in sei­ ner Seele lodernde Flamme der Liebe erwecket, Gott hat die Gnadensonne Jesus Christus unsern Herrn uns gege­ ben. Er leuchtet dem guten Christen, in dessen Herzen es schon voller Lag ist. Aber auch des Sünders hat sich Gott wieder erbarmet, sein Nacht umwundnes Herz sollte auch durch ein reines, makel-fleckenloses Licht er­ hellet werden, woran er sich zu dem großen Gnadenlichte emporranken soll und kann. Er hat uns den herrlichen Mond, der sein Licht von der Gnadensonne erhalt, die übergebenedeiete Jungfrau Maria zur Mutter gegeben. Gott hat sich wieder unendlich gnädig gegen uns erzeiget, vergaß des Sünders nicht, wollte uns Sünder auch ein Licht schenken, daß sein dunkles Herz erhelle, an das er sich klammern kann, wenn er es nichr wagt^ seinen Blick emporzuheben zu der Gnadensonne Jesus Christus, so flehet er zu der Mutter Gottes, zu.der seligsten Jungfrau Maria. Gleich nach Jesum Christum und Mariam sehen wir heute den großen Heiligen, Johannes den Läufer, den größten vom Weibe gebornen, den man wirklich einen leuchtenden Stern nennen kann. Aber nun wollen wir uns doch erst zu Jesum und Maria erheben, und dann erst den großen Johannes uns vorführen. Jetzt leben wir gerade in jener glücklichen Zeit, wo wir unsere Blicke zu Maria erheben müssen, um dann Jesum Christum ihren göttlichen Sohn zu erkennen und in unser Herz aufzuneh­ men; jetzt, in dieser heiligen Adventszeit wollen wir daS thun. Heute will ich nun das fortsetzen, wovon ich vori­ gen Sonntag zu handeln angefangen, will heute noch von Jesum Christum sprechen, nach Maßgabe meiner Lextesworte. „Bist du derjenige, der kommen soll, oder sollen

128 wir auf einen Anderen warten." Davon wollen wir auch im ersten Theile handeln, und zwar: „Ist Jesus Chri­ stus derjenige, dessen wir warten sollen?" Und im zweiten Theile: haben wir auch feiner geharrt, oder warten wir vielnrehr auf ihn oder auf einen An­ deren? - Jesus Christus, mein Herr und Erlöser, stehe uns bei! Gib mir Kraft, denn nur seit gestern gehöre ich dir mehr als sonst an. Heilige Maria, Mutter Gottes, un­ sere Mutter, stehe uns bei, bitte für uns. Heiliger Jo­ hannes der Täufer! Seliger Miana, Alphonsus Liguori! Auch ihr, heilige Ursula und Angela, Schätzerinuen dieses Tempels! Alle Heiligen Gottes bittet für

uns! Wir haben vorigen Sonntag gesagt, daß Jesus Chri­ stus der Sohn Gottes, unser Herr und Erlöser ist, und sind zu den Worten: „ich glaube an Jesum Christum" gekommen. Heute wollen wir diesen Gegenstand fortse­ tzen. In dem nicaischen Concilium, oder in der Kirchen­ versammlung zu Nicaa, in einer der ältesten, denn sie war einige Jahrhunderte nach Jesu Christo, in dieser also, die als kanonisch erkannt worden ist, wurde gesagt, oder viel­ mehr hinzugesetzt: „Ich glaube an Jesum Christum un­ sern Herrn, Gott von Gott, Licht vom Lichte, wahren Gott vom wahren Gott, den eingebornen Sohn des Va­ ters , empfangen von dem heiligen Geiste und geboren aus Maria der Jungfrau." Daß wurde da beschlossen und dieses beten wir auch im apostolischen Glaubensbekennt­ nisse. Jesus Christus ist der eingeborne Sohn des Va­ ters, voll der Gnade und Wahrheit, hat^gleiche Macht, gleiche Eigenschaften mit dem Vater, wie wir schon oft gehört haben. Jesus Christus also wurde empfangen von dem heiligen Geiste und geboren aus Maria, der seligsten Jungfrau. Der Prophet Iesaias sagt: „Siehe eine

129 Jungfrau wird empfangen und einen Sohn gebären, der wird Emmanuel (Gott mit uns) heißen." Das sagte schon der Prophet Jesaias und so geschah es. Gestern feierte die Kirche abermals freudig die Empfangniß der seligsten Jungfrau. Sie empfing das Heilige, was aus ihr geboren werden sdllte, von dem heiligen Geiste, ohne Hülfe eines Mannes, sondern durch Gottes allmächtiges Wort. Sie war unter allen Menschen auserkohren zur Mutter des Allerhöchsten, aus ihr sollte Jesus Christus unser Erlöser geboren werden, sie, eine arme Jungfrau, wählte der Herr. Sie war aber demüthig und deshalb wählte sie Gott zu einer so großen Ehre, denn sie selbst sagte: Der Herr hat die Demuth seiner Magd angesehen und alle Geschlechter werden sie selig preisen. Gott der Herr erbarmte sich unser und wollte die Finsterniß erleuch­ ten, die Gefallenen erlösen, wollte seinen Sohn in die Welt senden und er sollte aus Maria geboren werden. Sie empfing in ihrem allerreinsten Schooße Jesum Chri­ stum durch göttliche Macht und gebar uns ihn, den Welt­ erlöser, bald kommt die Zeit, die herrliche Weihnacht, W(T sie ihn schmerzenlos zur Welt brachte. Jesus Chri­ stus ist, obwohl von dem heiligen Geist empfangen, Fleisch von ihrem Fleisch, denn in ihrem reinen Schooße wurde ja Gott Mensch , in ihrem Schooße wollte das ewige Mort Fleisch werden, sich in dön Staub, in die Welt versenken, um uns zu erlösen. Aber wie kommt es denn, daß Gott gerade Maria zu der Mutter seines Soh­ nes wähltet er konnte ja unter seiner Schaar von Engeln einen wählen; aber nein! eine arme Jungfrau sollte die höchste Gnade erlangen, Mutter Gottes zu werden, und warum? weil sie die einzige war, die nicht die Erbsünde hatte, die keine Sünde an sich hatte, und wenn es für Gott eine Schwierigkeit gäbe, so wäre das die größte gewesen. Aber bei Gott giebt es keiiie Schwierigkeiten,

XIII. Predigten III.

9

130 für Gott und bei Gott ist nichts unmöglich, denn wie kann Gott der Allmächtige Schwierigkeiten haben. Also Gott wählte Maria, Vie seligste Jungfrau, weil sie die Einzige war, die mit der Erbsünde nicht behaftet war, denn sie wurde, daß ist gewiß, ohne Sünde empfangen und geboren, dagegen ist einmal schlechterdings nichts einzuwenden, und wer eß wagen sollte, Mariam nur- zu beschuldigen, daß sie eine einzige Sünde begangen oder nur den Hang zur Sünde hatte, der ist ein unwiderlegbarer Bösewicht oder Lhor, aber ich zweifle sehr, daß eS ein Mensch wagen würde. Gott würdigte Maria aber auch zur'Mutter Gottes, weil sie nie seiner Gnade wider­ stand, weil Gott wußte, daß sie die Einzige war, die am wenigsten, ja nie seiner Gnade widerstehen würde, daher hat sie Gott von Ewigkeit zur Mutter feines Sohnes be­ stimmt. Denn der Mensch hat das unglückselige Vor­ recht, daß er der Gnade Gottes widerstehen kann , ich sage mit Recht das unglückselige Vorrecht, denn das ist oft unser Unglück, das ist es eben, wodurch wir oft sün­ digen. Und waiß giebt uns dieses Recht, der Gnade Got­ tes zu widerstehen? unsere Freiheit, die wir schlecht be­ nutzen, die wir', statt um das Höchste damit zu erringen, falsch zur Sünde anwenden, die wir zur Willkür machen, und das ist unser Unglück, was auch mit dem Sünden­ falle entstand. Gott war so gnädig, uns die Freiheit, die wir durch die Erbsünde verloren, durch den Erlösungs­ tod Jesu Christi wieder zu geben, und wir machen so elen­ den Gebrauch davon. Gott respektiret die Freiheit des Menschen, das sage nicht ich allein, das istnicht mein Satz, sondern das sagten alle Kirchenväter, ja die Bibel sagt es, Gott respektiret die Freiheit des Menschen zu sehr, als sie zu beschränken, Gott will den Menschen nicht zu einem beschränkten freiheitslosen Wesen machen, sondern zu einem freien, zu einem Wesen, welches Wahl zwischen

131 ewiger Seligkeit und ewiger Verdammniß hat, welches

über sein Glück hienieden schon entscheiden kann, das habe ich schon so qft gesagt, wollte Gott, daß wir es unserm Innern einpragen möchten. Also sie, die übergebenedeiete Jungfrau, war die einzige, die der Gnade Gottes nicht widerstand, denn Gott hat uns Allen Gnaden erzeigt, überschüttet uns noch immerwährend mit zahllosen unver­ dienten Gnaden, und wir widersetzen uns oft so keck, möchte ich sagen. Aber damit wir die Gnade Gottes ge­ hörig zu unserm Heile anwenden können, haben wir wie­ der Gnade nothwendig, denn der Mensch kann nichts Gu­ tes thun und unternehmen ohne Gottes Gnade, und Gott der gnädige Herr erweiset uns Allen so viele Gnaden, wir dürfen sie nur benutzen. Ja, mein Herr und Heiland, wir können dir nicht genug für Alles danken, ach vergieb uns, wenn wir deine Gnade nicht erkennen, wir wollen sie aber jetzt anwenden, wollen dir nimmermehr wider­ stehen. Maria, die seligste Jungfrau, diese allein wider­ setzte sich der Gnade Gottes nie, sie hatte nie gesündigt, ja sie hatte in ihrem ganzen Leben nie einen Hang zur Sünde, denn sie war ohne Erbsünde empfangen und ge­ boren, ihr Herz war rein, heilig, unbefleckt, makellos und von Ewigkeit nur Gott geweihet, kein anderer Ge­ danke als ein heiliger, als an Gott beschäftigte sie, und ihre Seele lebte nur für ihren Gott, so war der Tempel, in welchem die ewige Liebe Fleisch werden wollte, beschaf­ fen, und deshalb wurde sie zur Mutter Gottes auserkohren, darum empfing sie Jesum Christum in ihrem reinen Schooß. Deshalb sagte der Prophet Jesaias zu dem fremden König Achaz zum Troste: „eine Jungfrau wird empfangen und gebühren, ihr Kind wird Emmanuel hei­ ßen." Ferner setzt der Prophet in der alten Sehersprache hinzu: „Butter und Honig wird er essen, damit er wisse da- Böse zu verwerfen und das Gute zu erwählen." Nicht

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132 daß Jesus sich eines Mittels bediente, sagte der Prophet: „Butter und Honig wird er essen," sondern um gleich seine Gottheit zu bezeugen. Denn daß ist schlechterdings unmöglich, zu laugnen, daß Jesuö nicht das Böse zu ver­ werfen und daß Gute zu erwählen wußte. Man kann fragen^ Ist Jesus Mensch geworden? Ist er wahrer Gott und Mensch zugleich? Ist er am Kreuze gestorben? Hat er alle Menschen erlöset? Diese Fragen können wir, obwohl sie sehr keck sind-, an uns thun und sie beantwor­

ten, aber diese Frage: Kann Jesus das Gute von dem Bösen unterscheiden und richten? diese frevelhafte Frage wage Keiner. Denn davon sind wir sicher überzeugt, Je­ sus, als Richter, kann es ohne alle Hülfe. JesuS Chri­ stus ist, wie sein Vater, allmächtig, allwissend, daher verhüte Gott, daß solche Zweifel in uns entstehen. Ma­ ria gebar also Jesum Christum, ihren göttlichen Sohn. Da sagt der Prophet Iesaias von Jesum: „Sein Name ist: Wunderbar, Nathgeber, Gott, Starke, ewiger Ba­ rer, Friedensfürst." Er ist es auch, denn wo Jesus nicht ist, da ist kein Friede. Er ist in die Welt gekommen, um uns zu erlösen, ist Mensch geworden, wie wir sind, ist geboren worden wie wir, war nackt bei der Geburt, fror, hungerte wie wir, aß, trank, schlief wie wir, nahm auch Schmerzen, menschliche Gebrechlichkeiten an, nur die Sünde nicht. Alles Uebrige hatte er sonst körperlich mit uns gemein. Aber alle Kirchenvater sind übereinge­ kommen, daß er nie gelacht habe, nur geweint, aber nicht geweint wie wir, sondern Thränen, köstlicher als Perlen und Diamanten, Thränen, die nur göttlich waren; und für wen vergoß er diese Thränen? Für wen, als für uns Sünder, schon seine erste Thräne floß für das gefallene Menschengeschlecht, jede seiner Thränen ist Balsam auf unsere Wunden. Er ist der, der da kommen soll, keines Anderen dürfen wir harren, als des Erlösers, des Kind-

133 leinS, welches von einer Jungfrau geboren wurde, die unser Trost ist, denn gleich nachdem unsere Stammmut­ ter gefallen aber auch erlöset wurde, sprach der Herr, der gnädige Gott, zur Schlange: „ich will Feindschaft setzen zwischen dir und dem Weibe und deinem und ihrem Sa­ men, dieselbe wird dir deinen Kopf zertreten und du wirst ihren Fersen gehässig seyn." Maria, die Mutter Gotteß, sie hat der höllischen Schlange den Kopf zertreten, sie hatte aber keine Macht über sie, ihre Macht hat Maria zertreten, denn sie ist die Mutter Desjenigen, der die Hölle überwunden. Sie ist unsere Hülfe. Es ist schwer sich ohne Mutter, zu behelfen, und besonders uns gefalle­ nen Kindern, aber wir haben eine Mutter, die Mutter Gottes ist unsere Mutter die uns nicht verläßt, Gott gab sie uns zur Mutter. Sie ist auch nicht bloß eine Mutter Gottes, und unsere Muter; sie ist auch eine Mutter der Barmherzigkeit. Jg heiligste Jungfrau, Du bist unsere Mutter, wer sich zu Dir wendet, der kann nicht verloren gehen, Du verläßt keinen, Du bittest immerwährend für uns, Du bist barmherzig, wenn gegen uns Alles unbarm­ herzig ist, wenn wir zu Dir flehen, Du erhörest unser Gebet, und bittest Deinen Sohn für uns und wir erhalten Gnade. O zu Dir wollen wir allezeit fliehen, denn Du bist unsere Zuflucht. Maria ist nur die Mutter der Barm­ herzigkeit. Gott, Jesus Christus ist gerecht; Maria nur barmherzig. Sie ist hienieden noch die Mutter des Ruch­ losesten. Wenn wir, wenn der größte Sünder nicht wa­ get, seinen Blick zu dem Allerheiligsten Altarssakrament zu erheben, wenn er es nicht waget zu Jesus Christus zu flehen, o dann ist er doch noch nicht verloren, hat doch noch Trost, er kann noch seinen Blick zu der Mutter Got­ tes erheben und durch Ihre Fürbitte Gnade erhalten, sie ist die Zuflucht der Sünder, sie bittet allezeit bei ihrem göttlichen Sohn für uns, der, wie wir sehen, derjenige ist,

134 der kommen soll, und auf dessen Ankunft wir Alle war­ ten. Nun aber wollen wir sehen, ob wir nur auf Ihn und auf keinen Andern gewartet haben, und ob wir unS auch auf Ihn gehörig vorbereitet haben. Davon noch-im zweiten Theil. , Wir haben nurz die Mutter Gottes rmsere Mutter gepriesen, und auch erkannt, daß Jesus Christus derjenige ist, der kommen soll, und daß wir keines andern warten dürfen. Da wir so dem herrlich leuchtenden Mond die übergebenedeiete Jungfrau verglichen haben, so will ich Euch nun den größten vom Weibe gebornen, den großen heiligen Johannes, den Lauser, den größten der Pro­ pheten,' der ein wahrer leuchtender Stern ist, vorführen, von dem Jesus im heutigen Evangelium selbst sagt, in­ dem er zu dem Volke sagt: „was seyd Ihr hinaus gegan­ gen zu sehen? einen Propheten. Das sage ich auch Euch, und noch mehr als einen Propheten, denn von diesem ste­ het geschrieben: Siehe, ich sende meinen Engel vor Dir her, der Deinen Weg vor Dir bereiten wird." Dieses ist Jesu Zeugniß von Johannes, er wurde schon im Mut­ terleibs geheiliget, und mit dem heiligen Geist erfüllet, er wurde zum Vorläufer Jesu bestimmet. Er erkannte Jesum schon im Mutterleibe, denn als Maria die seligste Jungfrau, seine Mutter Elisabeth besuchte, so sprang Johannes in ihrem Leibe auf. Zacharias sein Vater, sagte selbst: Gebenedeit sey Gott der Herr, denn Du Kind­ lein wirst ein Prophet des Höchsten heißen, denn Du wirst vor dem Herrn hergehen, ^aß Du seinen Weg bereitest, und seinem Wolke Erkenntniß der Seligkeit gebest, zur Vergebung der Sünden. DaS ist auch Johannes geworden, ein großer Prophet, eine Stimme in der Wüste, die dem Volke Buße predigte. Derselbe Johannes sollte dann seine Jünger zu Jesum geschickt ha­ ben, Ihn zu fragen: Bist Du derjenige, der kommen

135 soll, oder sollen wir auf einen Andern warten. Der Johanne-, der Jesum schon im Mutterleibs erkannt hatte, sollte Ihn dann erst haben fragen lassen, ob Jesus wirklich der Mes­ sias sey. Das wäre eine Thorheit gewesen, seine Jünger also frügen Jesum: Bist Du derjenige, der kommen soll,

oder sollen wir auf einen Andern warten? Was antwor­ tete ihnen Jesus, sagte Er ihnen etwa gerade, daß^ Er der Messias sey? Nein! Er sagte ihnen nichts Anderes, als das, was hier im Evangelium stehet. Gehet hin und erzählet was Ihr gesehen und gehöret habet. Die Blin­ den sehen, die Lahmen gehen, die Aussätzigen werden gereiniget, die Tauben hören, die Todten stehen auf; den Armen wird das Evangelium geprediget, selig ist der sich an mir nicht ärgert. Als aber diese hingegangen waren, fing Jesus an dem Volke zu reden vom Johannes: „Was seyd Ihr in die Wüste hinaus gegangen zu sehen? Ein Rohr, das vom Winde hin und her getrieben wird? Ach meine lieben Freunde, da habt Ihr meine Lebensgeschichte hier in dem Satzlein: ein Rohr, das vom Winde hin und hergetrieben wird, das sind wir Alle, wir Alle werden durch den geringsten Wind, der auf unsere Seele kommt, wie ein Rohr hin und her getrieben, ja so daß es drohet zu brechen, wir wankelmüthige, unentschlossene Men­ schen sind das; Jesus sagte: die Blinden sehen; die da­ mals sahen, sie sehen aber nicht mehr,, nur sehr Wenige noch, so Viele von uns sind blind, nicht körperlich, son­ dern geistig blind, und könnten, aber wollen nicht sehen. Jetzt in diesem Zeitalter sollten uns doch Allen die Au­ gen aufgehen, aber wie manche verhalten sich die Au­ gen, damit sie nur ja kein Licht erblicken, damit ihnen der Schleier der Verblendung nur ja nicht entfallt. Sie konn­ ten Alle sehend werden, wollten aber nicht, fürchten sich das Licht zu erblicken und könnten es in dieser Zeit jede Stunde. Nehmet nur das erste beste Ieitungsblatt und

136 leset, eß wirb Euch wie Schuppen von den Augen fallen, Ihr werdet sehen, daß Ihr im Finstern gewandelt seyd, Ihr werdet sehen, wie nothwendig wir Licht haben. Aber Wenige werden jetztsehend und warum, weil sie selbstnicht sehend werden wollen^ weil sie sich auch vor der Gnade Gottes verschließen. Die Lahmen gehen. Sie gingen damals, jetzt sind wir lahm, wenn es heißt für Gott ar­ beiten, der Seligkeit hinken wir nur entgegen/ wenn es aber auf Erlustigungen, auf Gewinnst, auf irgend einen irdischen Nutzen und Vortheil ankommt, da kommen und laufen wir recht schnell, da sind auf einmal alle unsere für Gott lahmen Glieder gerade; dann aber wdnn es wieder Gottes Sache gilt, sind wir wieder krumm und elend, aber nicht weil wir eß sind, sondern weil wir es seyn wol­ len, Gott will uns Alle heilen, wir wollen aber nicht. Die Aussätzigen werden gereiniget. Die damaligen Aus­ sätzigen auf Jesu Wort, doch wir geistig Aussätzigen selten, und wir könnten doch, haben doch auch ein Reinigungs­ mittel, das heilige Sakrament der Beichte, aber wir ver­ unreinigen sie auch, sie ist ein Reinigungsmittel, eine große Gnade Jesu, wir benützen sie fast gar nicht, kommen nur aus Gewohnheit. Manche betrachten daß heilige Beicht­ sakrament wie ein Scharwerk, kommen, werfen da ihre Last, die sie drückt, schnell ab, um wieder eine neue Last, vielleicht eine noch schwerere aufzuladen. Diese werden nicht gereiniget von ihrem Sündenaussatze, sondern sie be­ sudeln sich dadurch noch mehr, mißbrauchen diese Gnade Gottes auch, jedoch Miele, Gott Lob', reinigen sich wirk­

lich dadürch, und genießen dann Stärkung im heiligen Al­ tarsakrament. Jesum war es nicht genug, für uns Mensch zu werden, am Kreuze für unsere Sünden zu sterben, uns durch seinem Tod zu erlösen, sondern Er g bt sich uns auch noch im heiligsten Altarsakrament dar, nahm kleine unansehnliche Brodsgestalt an, damit wir Ihn kosten kön-

137 neu. So lasset ihn uns denn freudig genießen, mit Liebe wie eß den Christen gebühret. Manche, sagen sie, empfin­ den Leere dabei, und es ist auch wahr, Gott laßt manch­ mal in dem Herzen des Christen beim Genusse des heilig­ sten Altarssakramentes: Leere, Dürre, Trockenheit ent­ stehen, aber nicht muthlos seyn, die Liebe entstehet schon, nicht furchtsam, Gott gibt schon wieder seine-Gnade, Die Lauben hören. Jetzt hören fie aber nicht mehr, hö­ ren das Wort Gottes, aber so als wenn sie nichts höreten, denn sie wollen nicht hören. Sie gehen in Predigten, bringen aber keine Fruchte, sündigen wie früher^ Diese können viele Ausreden finden. Dieser Prediger hat die Gnade Gottes nicht, Jesu Lehre recht vorzutragen, die Leute-zu rühren, er wirkt nicht auf ihr Herz, er ist ihnen nicht fromm genug, und so eine Menge schaaleS täppisches Zeug bringen sie hervor, wollen nicht hören, hören daß Evangelium, was doch der Prediger nicht an­ ders als wie es ist vortragen kann, hören es, aber so wie Taube Ach so gehet es häufig, sie dürften nur einmal den Entschluß fassen: nun will ich das Wort Gottes mei­ nem Innern ein wenig einimpfen, dann wird es mit Got­ tes Hülfe schon gehen! Nein das wollten sie aber nicht, Alles, nur nicht Gottes Wort, das ist ihnen etwas Ent­ setzliches; die Todten stehen auf, oder sind vielmehr auf­ gestanden , denn wie Wenige stehen jetzt auf. Alle Sün­ der, die geistig todt sind, können auferstehen wenn sie den

ernsten Morsatz fassen, aber leider bleiben Miele todt. Den Armen wird das Evangelium geprediget, ach das ist die größte Wohlthat. Welchen Armen? etwa denen, die nichts in der Lasche haben? Nein! denen die sich arm am Geiste, für gering, für elend erkennen, die nichts auf sich, sondern Alles auf Gott beziehen, diesen wird das Evangelium geprediget. Was ist das Evangelium, die Lehre Jesu, Gottes Wort, das wird ihnen geprediget,

138 diese erhalten eine wahre Kenntniß Gottes. Dann sagt Jesus: selig ist, der sich an mir nicht ärgert, ach mein Jesu, wir haben es auch schon gethan, wir wollen es aber nicht mehr thun, sondern dich nur lieben. Ja meine lie­

ben Freunde, wir armen Priester stehen hier auf den Kan­ zeln, und flehen und bitten, nicht für uns, sondern um Euerer Seelen, und was eifert uns dazu an, die Liebe zu Jesu Christo. Wir Menschen sind aber ein Rohr in der Wüste, das vom Winde hin und her getrieben wird. Wir essen, trinken, schlafen den ganzen Tag, gehen in alle Lustbarkeiten, in alle Schauspielhäuser und Komödien, und denken den ganzen Tag, die ganze Woche nicht an den lieben Gott, als alle Sonntage in einem Viertelstündchen Meßopfer, wo es.mit ein paar gedankenlos dahingemachlen Kreuzen abgethan ist. So, meine Freunde, kommt man nicht zur Seligkeit, wenn wir nicht besser werden, aber ich hoffe, so sind Wenige von uns; denn wenn man es auch eine Zeit lang so gemacht hat, wenn wir so nach dem Ir­ dischen gerannt sind, wem sind wir in die Hände gelau­ fen? Wem anders, als dem Richter, der dann mit star­ kem Arm kommt und saget r Dis hierher und nicht weiter, hier sollen sich deine stolzen Wellen legen, wenn er fra­ gen wird: Habe ich dich durch die Taufe rein gewaschen? was wird der S'ünder antworten? Ja. Hast du meine Gnadenstrahlen in Dir nie gefühlet? Ja. Hast Du Dir nie vorgenommen sie zu benützen? Ja! Nun ist es zu spät, hattest Du früher an Drin Heil gedacht, nun büße was Du verbrochen hast. Ich will Euch damit nicht schrecken, furchtsam und bange machen, sondern nur war­ nen. Wir sind wankelmüthige Menschen. Heute werden wir gerühret und weinen, morgen beten wir, übermor­ gen beichten wir, wollen nimmermehr Gott beleidigen, den vierten Tag kömmt irgend ein Geck, ein Bösewicht, ein Verführer, eine Verführerin, wir lassen uns wieder

139 verführen und sind die Alten. Da habt Ihr die ganze Ge­ schichte, und sehest, ob wir nicht ein Rohr sind, das vom Winde hin und hergetrieben wird. Aber findet man denn nur darin Freude? ich kann Euch versichern, meine lieben Freunde, ich wollte, ich wußte nicht so viel von Vergnügen und Lustbarkeiten, ich habe den Kelch derselben bis auf den letzten Tropfen geleeret, und meine Feinde, wenn sie mir daß nachsagen,, lügen nicht, aber ich versichere Euch, diese Vergnügen erfreuen am Ende nicht, verursachen nur Reue und Schmerz, mit Gott aber sieget man über diese irdischen Freuden, die gewiß keine sind. Doch warum kön­ nen wir uns dann nicht davon losreißen, und uns der höch­ sten, reinsten, süßesten Freuden in Jesu erfreuen, o sie sind unendlich köstlicher, als diese der Welt, und sie dauern ewig. Laßt uns denn einmal uns bloß in Gott freuen, unsere Freunde in Gott und unsere Feinte wegen Gott lieben. Ach ist eS denn so schwer ein reines Herz zu haben, bestehet denn die Freude nur darin, wenn man ein steinernes, eisernes, unerschütterliches Herz im Bu­ sen tragt. Nein, meine Freude bestehe in einem reinen Gott liebenden Herzen. Ach so lasset uns denn einmal daS irdische, elende Leben verlassen und der himmlischen Freu­ den, derjenigen die nur von Oden kommen, erquicken; denn diese sind Balsam, diese kosten uns dann keine Pein. Um nun dazu zu gelangen, so wollen wir unS denn in dieser Zeit noch üben, und wollen die Armuth am Geiste eigen machen, damit wir einst ewig reich werden Ei­ ner der arm werden will, aber noch nicht arm ist, empfiehlt sich in Euer Gebet, damit ich durch Gottes Hülfe diese Gnade erlangen möge, und damit schließe ich denn nun für heute meine Predigt, Gott möge uns allezeit bei­ stehen, das sey unsere Bitte. Allmächtiger Siegesfürst, stehe uns bei, damit wir, was wir mit Dir angefangen, auch durch Dich vollenden mögen, und treu bleiben bis

140 ans Ende und dann von Dir einst die Krone VeS ewigen Lebens zn empfangen. Amen?

Am dritten Sonntage im Advent. Sext: „Ich bin eine Stimme des Rufenden in der Wüste." Job. 1. Kav. 2L.D. i Neber diese Worte des heutigen Evangeliums am drit­ ten Sonntage im Advent will ich nun zn Euch predigen. Zuvor müssen wir aber Gott um Beistand bitten. Wenn ein großer feierlicher Zug geschehen soll, ein Krönungszug eines großen Kaisers oder Königs/ oder ein Dermahlungszug eines Kaisers, so gehen immer die He­ rolde voxan, die dem Volke die Ankunft deß Monarchen verkünden. Also thut auch unsere liebe Mutter Kirche uns in dieser Adventzeit, sie führet uns den großen Herold Christi in den Evangelien vor, den größten vom Weibe Gebornen, den heiligen Johannes den Täufer. Diesen führet sie uns vor, es ist die Stimme des Rufenden in der Wüste, der dem Herrn den Weg bereitet. Johannes ver­ kündet uns die freudige Ankunft Jesu, Er ist sein Vor­ läufer, und rufet dem Volke zu, bekehret es, wendet eß zur Buße, deßhalb heißt eß, oder sagt er selbst von sich: ich bin die Stimme des -Rufenden in der Wüste. Es gibt auch jetzt noch bei dem Menschen Wüsten, unser Herz ist eine Wüste. Jedoch es giht eine doppelte Wüste. Eine wel­ che voll des abscheulichsten Ungeziefers ist, wo es ganz finster und düster ist; das ist daß Herz des Gottlosen, des großen Sünders, welches ganz*mit demUnrathe der Sün­

den besudelt, voll von Ruchlosigkeiten, Lücke, Boshei­ ten, Haß, Groll und allen Lastern ist, und diese Wüste ist, wie ein guter Prediger sagte, sehr schlecht. Die an­ dere Wüste ist schon reiner vom Ungeziefer, lichter, lieb­ licher. Also ist eß mit dem Herzen des Sünders, der seine Schlechtigkeit einsiehet und sich bekehret, desjenigen, in

140 ans Ende und dann von Dir einst die Krone VeS ewigen Lebens zn empfangen. Amen?

Am dritten Sonntage im Advent. Sext: „Ich bin eine Stimme des Rufenden in der Wüste." Job. 1. Kav. 2L.D. i Neber diese Worte des heutigen Evangeliums am drit­ ten Sonntage im Advent will ich nun zn Euch predigen. Zuvor müssen wir aber Gott um Beistand bitten. Wenn ein großer feierlicher Zug geschehen soll, ein Krönungszug eines großen Kaisers oder Königs/ oder ein Dermahlungszug eines Kaisers, so gehen immer die He­ rolde voxan, die dem Volke die Ankunft deß Monarchen verkünden. Also thut auch unsere liebe Mutter Kirche uns in dieser Adventzeit, sie führet uns den großen Herold Christi in den Evangelien vor, den größten vom Weibe Gebornen, den heiligen Johannes den Täufer. Diesen führet sie uns vor, es ist die Stimme des Rufenden in der Wüste, der dem Herrn den Weg bereitet. Johannes ver­ kündet uns die freudige Ankunft Jesu, Er ist sein Vor­ läufer, und rufet dem Volke zu, bekehret es, wendet eß zur Buße, deßhalb heißt eß, oder sagt er selbst von sich: ich bin die Stimme des -Rufenden in der Wüste. Es gibt auch jetzt noch bei dem Menschen Wüsten, unser Herz ist eine Wüste. Jedoch es giht eine doppelte Wüste. Eine wel­ che voll des abscheulichsten Ungeziefers ist, wo es ganz finster und düster ist; das ist daß Herz des Gottlosen, des großen Sünders, welches ganz*mit demUnrathe der Sün­

den besudelt, voll von Ruchlosigkeiten, Lücke, Boshei­ ten, Haß, Groll und allen Lastern ist, und diese Wüste ist, wie ein guter Prediger sagte, sehr schlecht. Die an­ dere Wüste ist schon reiner vom Ungeziefer, lichter, lieb­ licher. Also ist eß mit dem Herzen des Sünders, der seine Schlechtigkeit einsiehet und sich bekehret, desjenigen, in

141 dessen Innern die Sünden, die Laster zum Theil anßgerottet sind, aus dessen Herzen schon die Nacht fliehet und der Tag anbricht, wo schon Demuth und Liebe keimt, das

sich schon zu seinem Erlöser kehret, und den Weg des .Heils wenn nicht schon wandelt, doch anfangt zu gehen. Diese Wüste ist dem Herren schon angenehm, diejenigen, die auch ihr Inneres so beschaffen wissen, können schon freudig der Zukunft Jesu Christi ins Fleisch harren, derm da will Er in das Herz eines Jeden und der lieblichste Gar­ ten Gottes blühet dann in seinem Innern. Ich will heute also auch von der Wüste unserer Herzen handeln. Wie war die Wüste beschaffen, in welcher Jesus Chri­

stus Mensch wurde, oder in welcher herrlichen Wüste wurde Gott Mensch? Das ist mein erster Theil. Wie sollen wir, wie soll;’eni Jeder seine Wüste einrichtey oder wje soll sie beschaffen seyn, damit Jesus Chri­ stus einziehen kann, das sey.mein zweiter Theil. Du aber Herr! Jesus Christus/ steheuns bei! Schütte Deine Gnade in unser Herz, schenke uns Licht, damit wir Dich recht erkennen. Es heißt in der heutigen Epistel: „erfreuet Euch!" wir können uns aber noch nicht recht freuen, ach hilf uns, Herr, dazu. Heilige Ma­ ria, Mutter Gottes, ach bitte doch Du allezeit für uns, hilf uns zur Freude, damit wir allezeit singen mögen : Maria scy gcgrüßct. Du lichter Morgenstern!

Der Glanz, der Dich umfließet. Verbündet uns den Herrn;

£3cn jeder Makel rein, Sollst Du Gebenedeite, Des Höchsten Mutter seyn!

O so bitte allezeit für uns, damit wir Gnade finden. Großer heiliger Johannes der Täufer! Heiliger keuscher Josephe Auch Ihr Ursula und Angela, Schutzheilige dieses Tempels, alle Heiligen Gottes bittet für uns!

142 Also wir wollen jetzt in dieser heiligen Zeit der Zu­ kunft Jesu Christi die seligste Jungfrau recht betrachten und verehren, damit wir dann, bis sie uns Jesum geboren hat und mit Ihm Freuden und Leiden getheilet, mit ein­ ander betrachten, wir wollen denn heute noch von ihr handeln. Ihr wisset, ich bin in meinen Katechismuspredigten im Glauben zu dem Satze: ich glaube an Jesum Christum, den eingebornen Sohn des Vaters, gezeuget von dem heiligen Geist, geboren aus Maria der Jungfrau, gekommen, und da wollen wir denn heute dabei stehe» bleiben. Sie, die seligste Jungfrau war von Gott von

Ewigkeit her auserkoren zur Mutter deS Allerhöchsten, der Prophet sagt: „Ehe noch der Abgrund war, war ich und spielte am Throne mines Schöpfers und der Herr versenkte sich in mein Tabernakel " Sie war von Ewig­ keit bestimmt, der Schlange den Kopf zu zertreten und den zu gebaren, der das Menschengeschlecht erlösen sollte, sie war diejenige, in deren heiligstem, reinstem Schooß der­ jenige Fleisch werden sollte, auf den man über vier tau­ send Jahre wartete. Sie empfing Jesum von dem heili­ gen Geist und gebar Ihn ohne Schmerzen. Maria, die übergebenedeiete Jungfrau wurde im Jahre viertausend sechs und dreißig in dem Stadtlein Nazareth geboren. Ihre Eltern waren Anna, eine fromme Frau, und ihr Vater hieß Joachim. Beide waren sehr gottesfürchtig, schenkten jede Sünde, beteten,ost im Tempel zu Gott und hatten schon -in hohes Alter erreicht ünd keine Kinder. Endlich aber hatte Anna die Freude und empfing Maria und brachte sie ohne Sünde zur Welt. Sie, die seligste Jungfrau wurde, wie ich schon oft gesagt und wie Ihr wis­ set, ohne Sünde empfangen und geboren, und war die ein­ zige, die den Fluch der Erbsünde nicht an sich hatte. Ihre Eltern erzogen sie gleich in ihren zartesten Kindesjahren

143 bloß für Gott', und in ihrem vierten Jahre gingen sie mit ihr schon in den Tempel zu Jerusalem, um sie da dem Lempeldienste zu widmen und gänzlich für Gott zu erziehen. Da blieb sie bis in ihr eilftes Jahr. Ihre Zeit war eingetheilt in Gebet und verschiedene Beschäftigun­ gen. Immerwährend dachte sie nur an Gott, gänzlich weihete sie ihre Seele Gptt dem Herren, er erfüllte sie gänzlich, sie stärkte sich immer im Gebete, denn das war ihre Hauptbeschäftigung; mit keiner, nicht mit der klein­ sten Sünde befleckte sie ihr.herrliches Kleid der Unschuld, denn sie kannte die Sünde weder, noch die Neigung da­ zu. Im Tempel also, wohin sie ihre Eltern schon im vier­ ten Jahre führten, verlebte sie ihre zartesten, blühendsten kindlichen Lage, bis in ihr eilftes Jahr, wo sie wieder nach Nazareth zu ihren Eltern kehrte. Da lebte sie dann freudig wieder nur dem Herrn, keine irdische Lust, kein Verlangen nach Reichthum, Ehre, Schönheit, nichts er­ füllte ihre Seele als Gott, treu bewahrete sie ihre herr­ liche Jungfrauschaft. Sie war durch Gottes Gnade zu diesem herrlichen, bloß durch göttliche Eingebung erlang­ ten Vorsatz gekommen, nie ihren jungfräulichen Stand zu verletzen, Gott immer als reine Jungfrau zu dienen. Sie allein war es, die diesen schönen Entschluß faßte. Alle übrigen israelitischen Jungfrauen trachteten sich zu ver­ mahlen, denn aus ihnen sollte der Messias geboren wer­ den , es wurde bei den Juden zum Sprichwort: Verflucht die Unfruchtbaren. Jeder wollte zu der größten Ehre ge­ langen, Mutter deß Messias zu werden, nur Maria, die demüthigste, gehorsamste, heiligste, reinste der Jung­ frauen entsagte gänzlich dieser hohen Ehre, und wollte Gott immerwährend ihre Jungfräulichkeit widmen und gänzlich nur Ihm gefallen, obwohl sie mit einem treuen, frommen, keuschen Manne, auch aus dem königlichen Geschlechte David, einem Zimmermanne, Namens Joseph

144 verlobet war, sie lebte aber noch in ihrer Eltern Haufe

Endlich aber als sie, die Lilie unter den Jungfrauen, die unser Mer Beispiel ist, als sie fünfzehn Jahre war, da sollte in Erfüllung gehen, was von den Propheten ist ver­ kündiget werden. Sie, die anspruchlos auf alle irdische Ehre war, die Allem entsagte um nur Gott zu gefallen, Ihr sollte die hohe Gnade, Mutter Gottes, zu werden, ver­ liehen seyn, und wie gelangte sie dazu? Durch ihre De­ muth und ihren Gehorsam, durch ihre Reinheit und Schuldlosigkeit. Ach, Ihr Jungfrauen, fasset doch auch diesen herrlichen Entschluß der seligsten Jungfrau, widmet doch auchEmre schön blühendenKindesjahre undIugendjahre dem Herrn, fasset doch auch den Entschluß, Euere Iungsrauschaft treu zu bewahren, der Lohn, den Ihr dafür erhal­ tet, ist unendlich groß. Aber wenn Ihr Euere zarten Kindes­ jahre dem Herrn nicht geweihet habt, so verzaget nicht, Ihr habet jetzt auch noch Zeit, nehmet Euch jetzt vor, ihm zu dienen, zu lieben, zu ehren. Also that Maria, endlich als sie, das herrliche fünfzehnjährige Magdlein in ihrem

Kämmerlein allein war und betete, da kam der Erzengel Gabriel, die Starke Gottes, das ist der Name dieses Engels, da kam er in ihre Zelle, sprechend: „Sey ge­ grüßt, Du Gnadenvolle. Der Herr ist mit Dir, Du bist gebenedeiet unter den Weibern." Da erschrack sie über die­ sen Gruß und die Gestalt, sie, die jeden Blick eines Man­ nes floh und vermied, sie sah jetzt einen Mann in ihrer Jelle, dann erschrack sie über den Gruß: sey gegrüßet, Du Gnadenvolle, der Herr ist mit Dir, Du bist gebenedeiet unter den Weibern. Sie war und wollte ja kein Weib seyn, sie war die reinste, heiligste Jungfrau. Und der Gruß: sey gegrüßt, Du Gnadenvolle, sollte sie dieser nicht in Furcht setzen, da sie eben demüthig auf den Knieen lag und ihren Gott grüßte, da ließ ihr Herr sie.grüßen. Ach das ereignete sich sicher am frühesten Morgen, al-

145 die heiligste Jungfrau ihren Schöpfer pries, es war der herrlichste aller Morgen, den wir nur denken können, der Morgen deß Christenthums, der Tag wo die Ankunft un­ sers Erlösers seiner Muster sollte verkündiget werden, der Tag, an dem Gott dachte: warum soll ich nicht frucht­ bar seyn? ich will fruchtbar seyn, ich will gebaren, und also kam der Engel mit der herrlichsten aller Botschaf­ ten. Gott ließ eine arme Jungfrau du Gnadenvolle nennen. Uns verleihet er auch Gnaden, aber nur immer ein Lröpflein, was für uns doch noch zu viel, aber der seligsten Jungfrau strömten Gnaden entgegen, sie rvar und ist voll der Gnaden, zu ihr flehen wir ja allezeit und sie erbarmet sich über uns, und wir erlangen Barmher­ zigkeit. Also der Engel Gabriel, die Stärke Gottes, und begrüßte sie mit diesem Gruße: Sey gegrüßt, Du Gnadenvolle, der Herr ist mit Dir, Du bist gebenedeiet unter den Weibern, und sprach: Fürchte Dich nicht, Maria; fürchte Dich nicht, Du Gnadenvolle, denn siehe, Du hast bei Gott Gnade gefunden.- Kann es eine herrli­ chere Botschaft geben, als diese, ach wenn wir die Worte höreten, Du hast Gnade bei Gott gefunden. Ja wir haben aber auch große Gnaden bei Gott gefunden, Gott hatte uns nicht mehr Gnade ertheilen können, wir fin­ den sie durch den, der da ist, der nun kommen wird, des­ sen Mutter die seligste Jungfrau Maria ist, durch Jesum Christum, aber sie ist die Gnadenvolle für uns Alle, sie brachte der ganzen Welt Heil: deßhalb singen wir in dem herrlichen Liede, wo Jeder, der es höret oder singet, Rüh­ rung fühlen und in Thränen zerfließen muß, deßhalb sage ich, singen wir in dem schönen Adventliede: Thauet Himmel, den Gerechten, Wolken, regnet ihn herab.

Konnten wir mehr Gnade erlangen; nein! gewiß und wahrhaftig nicht, mehr konnte Gott nicht für uns XIH.

Predigten III.

10

146 thun, alS er that.

Qer Engel sprach weiter:

„Siehe,

Du wirst in Deinem Leibe empfangen und einen Sohn ge­ bären, Du sollst ihm den Namen Jesus geben. Dieser wird groß seyn und ein Sohn des Allerhöchsten genannt werden." Also nun sprach Gott durch den Mund seines Engels das große Wort unserer Erlösung aus. „Du sollst in Deinem Leibe empfangen und einen Sohn gebaren, Du sollst ihm den Namen Jesus geben." Nun waren wir un­ serer Erlösung sicher, nun war das Wort gesprochen und daö ewige Wort wollte Fleisch annehmen und Mensch wer­ den wegen uns. Dieser wird groß seyn und ein Sohn deß Allerhöchsten genannt werden; daß war er von Anbeginn und bleibt es in alle Ewigkeit, Gottes Sohn. Die ewige Liebe war er, sonst hatte Er nicht die große unendliche Gnade für uns gehabt, Staub zu werden, für uns zu ster­ ben. „Gott der Herr wird ihm dem Thron seines Vaters David geben, er wird über das Haus David ewig herr­ schen, und seines Reiches wird kein Ende seyn." Daß Al­ les sagte der Engel der Jungfrau Maria. Und sie sprach : Wie soll das geschehen, da ich keinen Mann erkenne? Sie sprach diese Worte nicht zweifelnd an Gottes Allmacht, sie wußte, daß bei Gott nichts unmöglich ist, aber sie über­ legte es sehr weislich, aber nicht vergessend der Allmcht Gottes. Sie war wohl, wie ich schon früher bemerkte, mit dem keuschen Joseph verlobt, aber nicht vermahlt. Da antwortete der Engel: „Der heilige Geist wird über Dich kommen , und die Kraft des Allerhöchsten wird Dich über­ schatten. Darum wird das Heilge, was aus Dir geboren werden will, Gottes Sohn genannt werden. Und sieh, Elisabeth hat selbst einen Sohn in ihrem Alter empfan­ gen." Alles dieß verkündete ihr der Engel, sie wußte, daß sie die Mutter des Sohnes Gottes werden sollte, und was antwortete sie, regte sich etwa Stolz in ihrem Innern? Nein! Demüthig sprach sie gehorchend der Verkündigung

147 GotteS, diese herrlichen Worte: Siehe, ich bin eine Magd des Herren, mir geschehe nach seinem Willen. Kann man herrlichere Worte hören, ach konnte sie demüthiger seyn? Nein! was konnte sie sagen, als diese Worte: Ich bin eine Magd des Herren, mir geschehe nach seinem Willen. Ach, wenn wir immer so antworteten, selig waren wir Alle. Mit diesen Worten war bestätiget die Geburt Jesu, sie willigte ein, wollte des Höchsten Mutter seyn. Wenn Alles nntergehet, wenn alle Brunnen der Gnaden ver­ giftet würden, wenn alle Wahrheiten als Lüge erkläret würden, diese Worte bleiben ewig felsenfest stehen, dieses kann nie untergehen; nein, daß ist felsenfest, ewig wer­ den wir diese Worte hören: ich bin eine Magd des Herren, mir geschehe nach seinem Wrllen. Ach meine Freunde, könnte ich über diesen Satz nur ein Jahr statt einer Stunde predigen, oder vielmehr nicht predigen, sondern nur alle die Lobeserhebungen der Heiligen Euch bemerken, und wie sie Alle wetteifern, das Lob der seligsten Jung­ frau zu singen. Wie ein Ambrosius, Augustinus, Bernhardus, wie sie sich Alle bestreben. Dean nach den Wor­ ten : ich bin eine Magd des Herrn, mir geschehe nach sei­ nem Willen, hören wir diese tröstlichen Worte: „und das Wort ist Fleisch geworden, hat unter uns gewöh­ net, und wir haben seine Herrlichkeit gesehen, eine Herrlichkeit als des'Eingebornen vom Vater, voll der Gnade und Wahrheit." Nun dessen können wir uns jetzt auch erfreuen. Maria empfing ihren Sohn in ihrem reinen Schooße, beging keine Sünde vor dem Augen­ blick ihrer Empfangniß, bis zu der glücklichen Stunde als sie Jesum zur Welt brachte. Unb zu dem Glück Mutter Gottes zu werden, gelangte sie durch ihre Demuth und Ge­ horsam. Eva's schändlicher Ungehorsam und empörender Stolz stürzte sie, dadurch sündigte sie, aber Maria's Gehorsam und Demuth brachte uns Erlösung. Maria

10*

148 der seligsten Jungfrau können wir auch nicht genug dan­ ken, und dann nie genug demüthig gegen sie seyn, gegen die Mutter des Asterhöchsten seyn, durch die wir die Se­ ligkeit erlangen können, sie bittet für uns, daß er in un­ ser Herz eingehet. Wie müssen wir aber unser Herz auf diese Wüste vorbereiten, damit Er hinein ziehen kaun? Davon nun noch im zweiten Theil. Die Schriftgelehrten und Pharisäer gingen zu Jo­ hannes, oder diese sandten vielmehr Priester und Leviten zu dem größten vom Weibe Gebornen, ihn zu fragen, wer er sey, sich um seine Person zu befragen. Das war eben keine Sünde, sie frugen nur, wer er sey. Also sie gin­ gen zu ihm in die Wüste und frugen: Wer bist Du? Und er leugnete es nichts er bekannte es: ich bin nicht Christus. Der heilige GregorLus, der Große, be­ merkt da sehr schön, daß Johannes, indem er frei sagte, ich bin nicyt Christus, durch dieses freie, demüthige Geständniß schon sagte, wer er sey. Gleich mußte man merken, daß er ein großer, nur reine Wahrheit liebender Prophet ist. Die Juden frugen weiter:* Wer denn? wer bist Du denn? Bist Du Elias? Johannes antwor­ tete: ich bin es nicht?' Die Juden glaubten, Elias würde vorJesum kommen und noch einmal predigen. So wie die Christen auch glau­ ben, Elias würde vor dem Weltgericht noch einmal kom­ men und predigen. Er aber sagte,, verdröße Johannes: ich bin es nicht. Die Juden frugen weiter: .Bist Du ein Prophet? Er antwortete: Nein! Und Johannes war doch gewiß ein Prophet, ja noch mehr als ein Prophet, daß sagte Jesus selbst. Also wer bist Du denn?. Was sa­ gest Du von Dir selbst? Ich bin eine Stimme deß Rufenden in der Wüste, bereitet den Weg des Herrn, wie der Prophet Jesaias gesagt hat. Also die Stimme des Rufenden in derWüste war Johannes, predigte dem Volke

149 Buße, taufte aber nicht, wie wir getaufet werden soni'crn nur mit Wasser. Meins lieben Freunde, lasset unü jetzt tn dieser Zeit Alle Stimmen des Rufenden in derWü^ ste seyn; lasset uns Alle den Weg des Herren bereiten, noch in dieser Gnadenzeit, damit er dann möge in unser Herz eingehen, und damit wir am Weihnachtötage mögen wieder freudig das Gloria und Alleluja anstimmen. Was müssen wir am ersten thun, um dem Herrn den Weg zu be­ reiten. Erstens müssen wir. rms durch strengeres Gebet üben, nicht nur immer an die lärmenden Freuden, an den Taumel der Welt gedenken, an dieses elende schaale Zeug, was uns nicht zum Leben, sondern zum Verderben führet. Es heißt im Evangelium, wenn vom Gerichte die Rede ist, „es ist,gut, daß dieLage abgekürzet sind, sonst würden We­ nige selig." Allerdings ist es gut, Alles was der Herr gemacht hat, hat er gut gemacht, wie kann Gott etwas machen, als was vollkommen ist? Warn: die Lage län­

ger, so würde gar Ruchlosigkeit, Zügellosigkeit und Ver­ derben herrschen, aber die Lage sind abgekürzet, trenn die Zeichen, die rms der Herr verkündete, geschehen werden, so nahet das Gericht. Jetzt geschehen manche solche Zeichen, vielleicht ist es nicht fern; wenn die Lage nicht abgekürzt werden, so würden wir gar alle Sünden auf uns häufen, aber Gott hat sich rmser wieder erbar­ met. Wir brauchen nicht zu finden: Himmel thauet den ®crcii)tcn> Wolken regnet ihn herab.

Aber derThaudes Himmels nicht, sondern die Wonnen, mit denen Gott derr Gerechten erfüllet. Also durch Ge­ bet wollen wir uns bereiten, dann durch Betrachtungen. Wir müssen doch besonders in dieser Zeit unsere Sündhaf­ tigkeit erkennen, unfern Stolz demüthigen, jede Rehling desselben unterdrücken, doch einmal alle Gnaden Gottes mit unserer Schlechtigkeit vergleichen, doch einmal diese

150 Frage an unS stellen: Was ist Gott/ und was bin ichs Die Heiligen dachten auch darüber nach/ der heilige FrancißkuS von Assisi wachte ganze Nächte und betrachtete nur immer diese Fragen: wer ist Gott und wer bin ich? Wir wollen unS auch diese Fragen ans Herz legen: wer ist Gott? Wenn ich sage Gott/ da kann ich nicht mehr viel sagen, da fallen mir gleich alle Wohlthaten/ mit denen er mich und alle Menschen überschüttet hat/ ein. Gott/ der gnädige Herr erschuf uns, wusch uns rein von der Erb­ sünde, will unS noch immer unsere Sünden vergeben. Sah auf das gefallene Menschengeschlecht gnädig herab, wollte Mensch werden, deßhalb singen wir im herrlichen Advent-Liede: Don feinte Vaters Freuden Knm jeht bas Wort herab, Für Sünder hier zu leiden. Zu suchen Tod und Grab; Es wählte Deinen Leib, Mit Fleische sich zu kleiden. Gebenedeites Weib. Den Schatz, den Du empfangen, D bring' ihn bald zur Welt.

Er wurde Mensch, versenkte sich in die Welt, lehrte «ns, fror, hungerte, litt für uns, statt daß er hienieden Ehre und Reichthum genießen sollte, heißt es in den Psalmen David-: ich bin ein Wurm und kein Mensch, bin der Hohn des Volkes und der Spott der Leute. Wurde verfolget, gemißhandelt, starb endlich am Kreuze, er­ löste unS, erwarb uns wieder die Seligkeit. Neberschürtet uns noch mit Gnadengaben, setzte das heiligste Altars­ sakrament zu unserem Heile ein, bittet um unsere Seele, rufet uns immerzu: kommt her zu mir, kommet herzu. Und was thun wir elende Menschen's Wir Staub und Asche, derErdwurm, bedienet er sich der unendlichen den? Nein, er empöret sich vor Gott, erniedriget sich, besudelt sich mit Sünden, dieser elende Mensch, dieses un-

151 dankbare Geschöpf. Wir rennen der Verdammniß ent­ gegen, statt die Seligkeit zu erwerben. Wir müssen Gott hienieden lieben, loben, ehren und dienen, um ihn einst ewig zu genießen. Das habe ich schon tausendmal gesagt. Und wenn man mich beschuldet, daß ich immer dasselbe sage: ich weiß es, und warum? um cs Euerem Innern recht einzuprägen und Eueren, Seelen zu gewin­ nen. Wer Gott dem Herren hienieden nicht dienet, kann ihn nicht ewig genießen. Wir dienen, um einen großen Lohn zu erlangen. Wir müssen uns nur recht oft diese beiden Fragen: was ist Gott? und was bin ich? vorlegen. Gott ist unendlich groß, ich sehr klein. Gott ist meine Starke, meine Macht ist Ohnmacht. Aber was haben wir Alle gethan? Ich schäme mich nicht hier auf dieser Stelle, wo eß nur Wahrheit gilt, auch gemein und niedrig zu sprechen. Eß trete einer auf, eine der besten von Euch, der sagen kann, er habe nicht alle Gnaden mißbraucht. Es trete einer auf, es wage sich nur einer aufzutreten, der sa­ gen kann, er habe sich nicht, in seinem Leben nicht nur ein- sondern mehrere Male bis unter daß nichts, aber das wäre noch nicht Alles, denn das Nichts ist etwas, was nicht da ist, aber es trete einer auf und wage zu sa­ gen, ich schäme mich nicht es hier auszufprechen: ich war in meinem Leben kein Vieh. Wir Alle haben uns bis un­ ter das Vieh erniedriget, durch unsere thierischen Leiden­ schaften der Lüsternheit. Das ist unstreitig. Statt uns zu Gott, zu dem Höchsten zu erheben, waren wir hier noch schlechter. Wir wollten mit unserem Witz, mit unserem elenden dürre gewordenen Verstand, ich sagr mit unserem bischen dürre gewordenen Verstand durch die Sünde sind wir Alle dumm geworden, der Weise, der Vernünftige sündiget nicht, wollten wir uns einschmeicheln. Machen vor den Leuten tausend Komplimente und Bücklinge, krie­ chen vor ihnen, suchen elende Schmeicheleien, damit einer

152 uns liebt, und treiben so unser Spiel mit unsern tau­ send Göttern, die wir haben. Lieben sie, so lange sie uns holdselig sind, wenn sie uns die Wahrheit sagen, sind wir ihre Feinde. Nur den lieben Gott, ter so gnädig ist, vergessen wir. Ach ich kann mit dem heiligen Ambrosius und der großen heiligen Theresia ausrufen: Liebe Du wirst nicht geliebet. Gott, die weise Liebe liebt uns unendlich und wir sie nicht. Aber die Ihr auch so gehandelt habt, verzaget nicht, Gott entziehet Euch seine Gnade nicht. Zhr könnet Euch noch bessern und bekehren. Ihr

habet noch Zeit, Ihr lebet noch. Jesus Christus will auch in Euer Herz eingehen. Der pirworfenste Sünder kann noch.selig werden, bei Gott ist'nichts unmögliche Alles kann noch geschehen. Gott kann das Geschehene unge­ schehen machen. Und es gibt keine Zeit bei Gott. Bei Gott ist nichts zu spat, wenn es mir geschiehet. Mir wollen zu ihm flehen, unsere Elendigkeit gestehen. Die Sünde fliehen, uns im Gebet starken, Buße thun, dann können wir freudig der herrlichen Weihnacht, dem Früh­ ling deß Christenthums entgegensehen, und Jesus wird in «Nser Herz einziehen. Aber um dazu zu gelangen, vamik auch uns der Himmel thauet und die Wolken erquickenden Regen regnen, zu der seligsten Jung­ frau wollen wir flehen, uns vor sie werfen-, um ihre Fürbitte bitten. Zu Dir, seligste Jungfrau, wollen wir flehen. Du Gnadenvolle, laß uns thauen, laß uns Gnade von Oben regnen,' Bitte Du für uns, Du unsere Zuflucht, Du Trösterin aller Hülflosen. Zu der Mutter der Barm­ herzigkeit wollen wir uns wenden, denn Du kennst die Gerechtigkeit nicht, sondern Du bist nur barmherzig. Du wirst es auch mit uns seyn, Gott, Deinen göttlichen Sohn für uns um Gnade bitten, damit wir Ihn einst mit Dir ewig loben und preisen. Amen l

153 Am vierten Sonntage im Advent. Text: „Alle Menschen werden den Heiland Gottes sehen/' Kap. 6. V.

Luc. 3,

Ueber diese Worte des heutigen Evangeliums am viertelt und letzten Adventsonntage will ich nun zu Euch predigen, zuvor wollen wir aber erst Gottes Geist um Beistand bitten. Gott hat den Menschen die schöne Gabe deS Gesan­ ges verliehen, ich sage die schöne Gabe des Gesanges, denn der Mensch erhebt sich dadurch auch zu Gott. Wir singen, wenn wir beten, wir singen, wenn wir uns er­ freuen und fröhlich sind. Wir preisen Gott auch mit dem Gesänge, wie tu der Rorate des Morgens, wo daS schöne Lied angestimmt wird. Ihr drücket auch oft Eure Freude durch Gesang attS. Aber diese schöne erfreuliche Gabe artet auch oft auS, Zügellosigkeit beginnt auch da, wie hier, wie bei Allem heut zu Lage. Völker singen und morden dabei, drücke» durch den Gesang Freude auS, und iü ihrem Innern wüthet Rache, sie singen und ver­ gießen Blut, morden gleich Wahnsinnigen. Jedoch da­ von ab in dieser schönen Gnadenzeit der Zukunft Jesu Christi in's Fleisch. Nun ertönen herrliche Gesänge, daS Benediktus und Magnifikat, Gesänge, die allein göttlich sind, Gesänge, wo man wohl sagen kann, sie müssen unser Herz zu Gott erheben, die reine heilige Freude auSdrücken, worin wir den großen gnädigen Gott loben und preisen. Ich will mut heute, am letzten Sonntage der Zukunft Jesu Christi im Fleisch, nicht abweichend von meinem Ziele meiner Katechismußpredigten, imd auch nicht vergessend meiner Textesworte: „Alle Menschen werden den Heiland Gottes sehen", feilte von der herrlichen Ein­ falt des Herzens handeln. Von der Einfalt der schönsten Vorbereitung, um den Heiland zu sehen, will ich mit

154 Gott sprechen. Und zwar wollen wir sie an Maria, der übergebenedeieten Jungfrau und Mutter Gottes, an Elisabeth, Joseph und Zacharias sehen. Das sey auch die Betrachtung meines ersten Theiles. Wie sollen wir nach dem Beispiele dieser einfaltigen heiligen Personen zur Einfalt gelangen? das ist mein zweiter Theil. Aber zu dir wollen wir flehen, Herr! Heiland Jesus Christus. Stehe du uns bei, damit wir einfaltig werden, wie du es wärest, denn sonst werden wir dich nicht sehen in Ewigkeit, also so gib uns deine Gnade, damit wir das erlangen, wonach wir nun zu trachten anfangen wol­ len -Heilige Maria, Mutter Gottes, einfaltige Magd des Herrn, bitte für uns. Heiliger Johannes der Läufer! Heilige Ursula und Angela, Schätzerinnen dieses Tem­ pels! Seliger Alphonsuö Maria Liguori! Alle Heiligen Gottes, bittet für uns. Wir Alle harren nun jetzt des Erlösers, wir Alle har­ ren nun freudig auf seine Ankunft, jedoch damit wir nns freuen können, müssen wir erst unser Herz danach einrichren. Dasjenige, was wir Alle, um zur Seligkeit gelan­ gen zu können, wollen, sollen und müssen, ist Jesus Christus der Gekreuzigte, der eingeborne Sohn des ewi­ gen Vaters, der gelitten hat, gestorben, aber auch auf­ erstanden ist mit Gloria und Herrlichkeit. Er soll der Einzige seyn, den wir wollen, sollen nüd müssen, dessen wir harren können, aber lewer nicht immer thun. Desjcnigew, der uns Heil bringt, können wir vergessen? Es wäre kaum glaublich. Biele trauern der Unbußfertigen wegen, wir können mit Recht auch in der Zeit, in der wir leben, rufen, wie der Prophet Jeremias in seinen Klage­ liedern: „Die Greise haben sich auf die Erde niedergesetzt und haben geschwiegen; Asche haben sie auf ihre Häupter gestreuet und sich in Dußsacke gehüllet. Und die Töchter

155 Sion haben ihre Häupter zur Erde gebeugt." Wir kön­ nen diese Worte ganz auf uns beziehen, aber nicht ver­ zagen, denn Jesus Christus ruft: „Ich entbrenne, mein Volk zu erlösen, und o ich brenne schon." Aber das will ich nun weiter nicht ausführen. Ich sollte Euch auch noch die Ankunft Jesu Christi recht Vorhalten, aber ich will eS nicht thun.K Ihr werdet wissen, daß wir hertte noch bei dem Satze: „ich glaube an Jesum Christum unsern Herrn, empfangen von dem heiligen Geist, geboren aus Maria der Jungfrau," stehen geblieben sind. Heute vor acht Lagen sprach ich von der Menschwerdung Jesu Christi im Schooße der seligsten Jungfrau gezeuget, das ewige Wort würdigte sich, Fleisch anzunehmen und geboren zu werden. Gleich aber nach seiner Menschwerdung, schon im Schooße feiner reinen heiligsten Mutter, litt dos Kindlein Jesus, bis zu dem Augenblicke, als er am Kreuze sein Haupt neigte und rief: „Vater, in deine Hande befehle ich mei­ nen Geist ’" Das will ich heute aber nicht berühren, will's Gott, so sey das unsere Betrachtung bis an's Ende der Fastenzeit. Jesus Christus aber, von dem Augenblicke seines Menschwerdens, litt schon im Leibe seiner Mutter, hierüber aber lege ich den heiligen Schleier, der dieses Geheimniß bedeckt, ich darf es nicht wagen, eS zu ent­ hüllen, denn es wäre Sünde, wenn ich es mit Worten hier wollte andeuten. Der große Thomas a Jesu versuchte es, uns in seinen fünfzig herrlichen Betrachtungen des Leidens und Sterbens Jesu hierüber zu belehren. Ich kann diese Betrachtungen aber auch nicht genug em­ pfehlen. "Jesus litt damals schon, Maria aber, die seligste Jungfrau, litt noch nicht, sie war noch mit Freude erfüllt, das Schwert Simons war ihr ja noch nicht durch die Seele gegangen. Dann erst theilte sie mit Jesum, ihrem göttlichen Sohne Freuden und Leiden, jetzt aber trübte noch nichts ihre reine Freude in Gott, denn obwohl

156 sie wußte, daß er gekommen ist, daß Volk zu erlösen, so war ihr doch sein Leiden und Tod noch nicht enthüllt. Aber ich will heute von allen dem nicht sprechen, sondern eß ist mir heute um etwas Antzeres zu thun, ich will Euch vorbereiten zu der Geburt des Herrn, damit wir Alle ihn sehen mögen, was wir auch werden mit Gottes Gnade. Der Geburt und Ankunft des Herrn wollen wir, will's Gott, uns übermorgen erfreuen, heute wollen wir uns noch erst darauf vorbereiten. Maria also sey nun jetzt unser erstes Vorbild. Gleich nach der Verkündigung des Engels, gleich nachdem sie das Heilige empfangen und durch des Engels Botschaft vernommen hatte, daß auch Elisabeth, ihre Base in ihrem Alter, mit einer Leibes­ frucht gesegnet worden sey, als sie die Fülle der Gnade der Gottheit vernahm, machte sie sich auf, unternahm eine beschwerliche gefahrvolle Reise über das Gebirge, um ihre Anverwandte Elisabeth zu besuchen. Als sie zu ihr kam, da fuhr auch in Elisabeth ein göttlicher Strahl, und prophetisch rief sie in der Fülle ihrer Freuden, als sie den Gruß der Maria vernahm, aus: „Gebenedeiet ist die Frucht deines Leibes; und woher kommt mir das, daß die Mutter meines Herrn zu mir kommt!" Sie konnte auch das Glück nicht fassen, so wie wir es nicht fassen können. Ferner sprach sie: „Denn siehe, sobald die Stimme deines Grußes in meinen Ohren erschollen ist, da ist das Kind vor Freude in meinem Leibe aufge­ sprungen. Und selig bist du, die du geglaubet hast, denn eß wird vollbracht werden, was zu dir von dem Herrn ist gesaget worden." O herrliche Worte der Elisabeth, bloß von Gott sind sie ihr eingegeben worden.' Allerdings ist erfüllet worden au Mana, was ihr ist geweißaget worden, denn sie ist die Mutter Jesu geworden, sie, die Gnaden­ volle, sollte ja Mutter des Allerhöchsten werden und ward es. Und bloß durch den Besuch der seligsten Jungfrau

157 wurde schon daS Kindlein Elisabeths im Mutterleibe ge­ heiligt, ünd Erkannte seinen Heiland, dessen Vorläufer es werden sollte. Aber was antwortete Maria auf Eli­ sabeths Worte? Sie sprach herrliche aber einfältige Worte, sie sprach: „Benediktus! Meine Seele erhebe den Herrn und mein Geist hat sich erfreuet in Gott meinem Heilande. Denn er hat die Demuth seiner Magd angese­ hen. Denn siehe, von nun an werden mich alle Geschlech­ ter selig preisen, denn er hat große Dinge an mir gethan, der da mächtig ist und dessen Name heilig ist. Und seine Barmherzigkeit wahret ewiglich von einem Geschlechte in daß andere über die, die ihn fürchten." Ach sind daS nicht herrliche Worte, Worte, die nur die göttliche Mut­ ter., erfüllt mit dem heiligen Geiste, sprechen konnte. Ihre Demuth erwarb ihr diese höchste Ehre, Mutter GotteZ zu werden, und prophezeiend sagte sie, was wirklich in Erfüllung gehet und gehen wird, daß sie alle Geschlechter selig preisen werden, verloren der, der sie vergißt, denn der Herr hat gro^ße Dinge an ihr gethan. Gottes Barmherzigkeit wahret von einem Geschlechte zum andern, sprach sie, und sehen wir das nicht auch jetzt noch? haben wir das nicht Alle in unserm allerdings kurzen Leben erfahren, aber auch die Gerechtigkeit und Barmherzigkeit endet, denn Viele mißbrauchen sie, vergessend des Augenblickes, wo sie endet, Maria sagte doch selbst, diese Barmherzigkeit wäre nur über die Geschlechter, die Gott fürchten, und ich setze hinzu, die ihn lieben und treu bleiben, die einfaltiglich auf ihn hof­ fen. Maria sagt ferner: „Er hat mit seinem Arme Ge­ walt erzeiget, er thut mit seiner Kraft große Thaten und die in ihres Herzens Sinn hoffärtig sind, hat er-zerstreuet." Haben wir da nicht Beispiele jeder Art? Durch Hoffart gelangt Keiner zu Gott. Der große Thomas von Kempis sagt: „Zwei Flügel, die uns zu Gott erheben, sind Ein-

158 falt und Treuheit.^ Werl ich nun von diesem herrlichen Werke spreche, bemerke ich "gelegentlich, daß nun der Thomas von Kempis übersetzt ist, ,und zwar sehr treu, was daß Höchste ist, von einem recht braven Mann, und zwar ist diese neue Auflage so wohlfeil veranstaltet, daß sich ein Jeder, der Aermste, dieses wirklich goldene Buch kaufen kann. Es kostet einige fünfzig Kreuzer, und für dieses Meld hat ein Jeder einen Schatz für Zeit und Ewig­ keit. Ich habe eine Vorrede dazu gemacht, aber das ist das Schlechteste dabei. Jeder von Euch, der dieses köst­ liche Buch noch nicht hat, kaufe es sich, er wird den Nu­ tzen, den er davon hat, schon selbst finden. Also der Tho­ mas von Kempis sagt: Einfalt und Lreuheit. Einfalt des Herzens und Willens, und Treuheit des Gemüthes. Durch Stolz und Hoffart, ach meine Freunde, da kommt man nicht zum Guten, führet uns nur in's Verderben. Maria, die übergebenedeiete Jungfrau, wählte Gott zur Mutter seines Sohnes-, weil sie einfältig, demüthig, treu war, Tugenden, die wir nachahmen müssen. Denn wenn wir hoffartig waren, so würde Gottes gewaltiger Arm uns zerstreuen. Und die Mutter Gottes sprach wei­ ter: „Er hat die Gewaltigen von dem Stuhle abgesetzt und die Demüthigen erhoben. Die Hungrigen hat er mit Gütern erfüllet und die Neichen leer gelassen. Er ha^ Israel, seinen Diener, ausgenommen und ist seiner Barmherzigkeit eingedenk gewesen , die er unsern Vatern, Abraham und seinen Söhnen, ewiglich zugesagt hat." Ach Maria, du übergebenedeite Jungfrau, du hast wahr, hast göttliche Worte gesprochen, Worte, die in Erfüllung gehen und gehen werden. Dir wollen wir allezeit ver­ trauen, zu dir flehen, so werden wir nicht verloren ge­ hen. Daher ist auch Oestreich und diese liebe theure Wienstadt so gesegnet, denn es hat dich nie vergessen, flehet immerwährend auf dich vertrauend, und deshalb

159 lebt eL auch in Frieden, wahrend jetzt andere Staaten und Völker, wo du zum Theil vergessen wurdest, sich empö­ ren, gegen einander reiben, ihre Könige und Monarchen stürzen wollen und sich gegen sie empören, ja sogar gegen den Kaiser aller Kaiser, gegen Gott, sich entgegenstellen. Aber wir hoffen auf deine Fürbitte, wir vertrauen auf dich, denn du bist Mutter der Barmherzigkeit. Gott erbarmt sich nicht nur über die Kinder Israel, sondern über uns Alle, wir Alle sind seine Kinder. Ach meine Freunde, sehet doch, wie herrlich das Gespräch der seligsten Jung­ frau war; welche Unterredungen sie noch mit ihrer Base Elisabeth hielt, ist nicht ausgezeichnet, drei Monate blieb sie bei ihr und bediente sie und dann kehrte sie wieder in ihr Haus. Welche herrliche Gespräche mögen sie noch gehalten haben/ wenn wir aber in unsere elenden Gesell­ schaften kommen, was sprechen wir? das Erste ist, un­ sern Nächsten verleumden, seine Ehre abschneiden, seinen guten Namen untergraben, alle möglichen Lügen auf ihn dichten. Ist das nicht sehr schlecht gehandelt? Heißt daö christlich seyn? Nein! Unsere Freude ist da gottlos und nur eigennützig. Worüber frevele sich die seligste Jung­ frau? etwa darüber, daß sie unter allen Menschen die Ehre hatte, Mutter Gottes zu seyn? Nein, nicht dar­ über, sondern unserer Erlösung, daß nun ein Erlöser ge­ boren werden soll, darüber freuete sie sich, mehr als über die Ehre, die ihr zu Theil ward. Heißt das reine ein­ fältige Freude, Freude für Andere? Nun aber zu dem dritten Punkt, den ich bemerken muß. Joseph, ein keuscher, reiner, gerechter Mann, wie eß von ihm heißt, Mariens verlobter Bräutigam, erfuhr, ehe Maria noch bei ihm war, daß sie schwanger sey. Da, obwohl er gerecht war, wurde er betrübt, hatte bittere Minuten, ja Stunden und Lageaber er war ein gerech­ te r und frommer Mann, er wollte die Ehre der reinsten

160 Jungfrau, für die er sie hielt und verehrte, mehr verehrte als liebte, oder, um besser zu sagen, die er liebend ver­ ehrte , er wollte ihre Ehre nicht zu Schanden machen, son­ dern dachte, sich heimlich von ihr zu entfernen. Maria sah die bittern traurigen Augenblicke Josephs, aber schwieg, sie tröstete ihn nicht. Aber Gott rechtfertigt alleß Schuldlose, und dem bekümmsrten Joseph erschien im Schlafe ein Engel und sprach: Joseph, du Sohn Da­ vids, trage kein Bedenken, Mariam, dein Eheweib, zu dir zu nehmen; denn das in.ihr erzeuget ist, das kommt vom heiligen Geist her und ist Gottes Sohn. Joseph aber, nicht nur gerecht, sondern auch einfaltig glaubend, war augenblicklich von seinem Irrthume entfernt, glaubte den Worten des Engels und trug kein Bedenken mehr. Handelte er nicht schön? und nun dachte er, sich heimlich von ihr zu entfernen, damit sie ihre Ehre nicht verlöre. Maria aber, die demüthige Jungfrau, sah Josephs Schmerz, war aber zu stolz, um ihre Ehre zu vertheidi­ gen. Wie? sie zu stolz? Ja, edler Stolz und Demuth vereinigen sich sehr schön. Der edle Stolz rst auf die herr­ liche Demuth gepflanzt, beides sind Lugenden, denn der Mensch muß stolz seyn, aber nicht, wie Diele unserer Zeit, stolz auf irdisches Glück. Nein, daö ist nichtswür­ diger Stolz, aber stolz müssen wir seyn auf unsere Ehre, Menschen nach Gottes Ebenbild zu seyn. Dann vereini­ get sich dieser Stolz sehr eng mit der Deyruth. Sehen wir da nicht schönsie Beispiel an Joseph von Demuth, Einfalt, Liebe, Gerechtigkeit. Nun noch zum dritten Punkte. Zacharias war ein Priester damaliger Zeit , und der EngelGottes verkündete ihm, wie ich öfters bemerkte, einen Sohn, er wollte es nicht gleich glauben und wurde stumm bis nach der Geburt des Kindleins. Elisabeth harte also das Kindlein geboren , und man wollte ihm bei der Beschneidung den Namen seines Wat-rs Zacharias

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geben, aber Elisabeth wollte nicht, und Zacharias »ahm ein Täfelchen und schrieb: Johannes soll sein Name seyn. Und augenblicklich war seine Zunge wieder gelöset und er rief aus: „Gebenedeiet sey Gott der Herr Israels, denn er hat sein -Volk heimgesucht und gelöset. Und er hat unS

ein Horn aufgenchret in dem Hause seines Dieners Da, rids. Wie er geredet hat durch den Mund seiner Prophe­ ten, so vom Anfänge der Welt gewesen sind: daß er und erlösete von unsern Feinden und von der Hand Atter, die uns hassen, und -Barmherzigkeit erzeigete unsern Vätern, und gedachte an seinen heiligen Schwur und an den Eid, den er unserm Vater Abraham geschworen hat, uns zu geben: daß wir ohne Furcht und aus der Hand unserer Feinde erl.öset, ihm dieneten in Heiligkeit und Gerech­ tigkeit, vor ihm all unser Leben lang." Sind das nicht wahre Worte , die der Prophet Zacharias da spricht? Er spricht als wenn schon Alles geschehen wäre, als wenn uns das Horn der Seligkeit, Jesus Christus, der Erlö­ ser, woran mir uns klammern müssen, geboren wäre, aber bei den Propheten giebt es keine Zeit, denn bei Gott giebt es keine Zeit. Jetzt hören wir überall freudige Ge­ sänge der Ankunft Jesu Christi entgegen tönen, überall ertönet es : es nahet, es kommt der Erlöser. ÄLir aber, um ihn, den Erlöser, den wir Alle so nothwendig haben, zu sehen, müssen wir einfältig, demüthig, gehorsam werden, wie Maria, deren Gehorsam Eva's Ungehorsam bezwang und versöhnte, wir müssen Mariens, Elisa­ beths , Josephs und Zacharias Beispiel der Einfalt nach­ ahmen, Gott anbeten, und um ihn anzubeten und zu die­ nen, anschauen. So lange wir Gott nicht anschauen, werden wir ihm nicht recht dienen und lieben. Und eß ist doch so leicht, die Einfalt führet-uns auch dahin, denn die Demuth wird erhöhet, Gottes Gnade stärket unS schon, denn diese haben wir nothwendig. Wie werden XIII. yiiDißtcn III.

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162 wir aber durch das Beispiel dieser heiligen Personen ein­ fältig? rvie schauen wir Golt an, und bereiten uns da­ durch auf die Ankunft Jesu? Davon-nun noch im zweiten Theile. Ich habe Euch im Anfänge der Einleitung das Evan­ gelium vorgelesen. Eß handelt davon, daß daß jüdische Reich getheilt wurde und zwar in vier Theile, wovon jeder Theil von einem Monarchen beherrscht wurde. Eß war gerade in der Zeit, wo Alles in der größten Verwirrung und Un­ ordnung war. Eß sollte nur ein Hoherpriester seyn, aber dessen Schwiegersohn kaufte sich mit Geld von der römi­ schen Oberherrschaft die Hohepriesterstelle, und so wurde damals auch Alles verschachert. Gott ließ aber von Jo­ hannes, dem Sohne deß Zacharias Buße predigen, und zwar die Bußtaufe zur Vergebung der Sünden, wie in dem Buche der-Weißagung Jesaias geschrieben stehet. „Die Stimme des Rufenden in der Wüste bereitet den Weg des Herrn und ebnet seine Fußsteige." Ich nicht nur allein, sondern ich glaube, jeder christliche Prediger wird wohl auch, zumal heute, noch jBuße predigen, dem Herrn den Weg bahnen, und da ist die Einfalt dasjenige, dessen wir uns am meisten bemeistern müssen, denn es thut darum Noth. Um zur Einfalt auch zu gelangen, müssen wir, wie ich schon im ersten Theile anzeigte, Gott anschauen, um ihm recht nach der Weise Jesu zu dienen. Aber wie können wir denn Gott anschauen, er ist ja unsern Augen nicht sichtbar. Könpen wir Jesum Christum anschauen? Ja, an hölzernen, steinernen, goldenen Kruzifixen, aber was sehen wir da, als eine Figur? Noch mehr, wir sehen ihn auf unsern Altaren im hochwürdigsten Gute. Was sehen wir aber da? Ein kleines Stück Brot, aller­ dings ist da Jesus wirklich gegenwärtig, aber entäußert seiner Gottheit, verhüllt in kleiner Brotsgestalt. Wie können wir ihn also anschaueu? Einige Heiligen hatten

163 das Glück, Jesum wirklich zu sehen, und können unS nicht genug ihre Wonne ausdrücken, wir haben aber diese Gnade tont Gott nicht. Aber dennoch können wir ihn er­ schauen, wir müssen unsern Geist erheben zu Gott, un­ sere geistigen Augen über daß Irdische erheben, so schauen wir Gott an in seinem vollen Glanze. Dann Gott immer vor Augen haben, an ihn denken, nicht vergessen seiner Wohlthaten. Ja dä werden manche Geschäftmänner sa­ gen: ich habe Geschäfte, ich muß mein Amt erfüllen, ich habe Frau und Kinder, muß für sie sorgen, habe eine Wirthschaft zu besorgen, wie kann ich denn den ganzen Tag an Gott denken und Gott anschauen? Gut, ich sage dir Handwerks- oder Geschäftsmann, Beamter, Kauf­ mann, Fabrikant, Advokat, und mögen sie Namen ha­ ben wie sie wollen, Ihr Alle seyd verpflichtet, ich weiß eß, Eure Pflichten zu erfüllen, für Eure Familie zu sorgen, aber Ihr könnt doch immer Jesum vor Augen haben. Und wie kommt das? Was will Jesus Christus? Daß wir Alle selig werden? Ja, ich glaube, wohl Jeder wird gerne selig werden. Also wir wollen selig werden, was wollen wir damit? Die Seligkeit. Wer gibt uns die Seligkeit? Jesus Christus allein. Wen will ich also? Jesum Christum, keinen Andern, ihn allein. Was thue ich, wenn ich ihn will? Ihn lieben; und was, wenn ich ihn liebe? Ihn anschauen. Da habt Ihr es, wie Ihr immer Jesum vor Augen haben und doch dabei Eure Pflichten und Geschäfte erfüllen könnt, und das ist Ein­ falt, nur Eines wollen wir, nur Jesum Christum allein. Oder, um mich deutlicher zu machen, einfältig seyn, heißt nur Eine Falte im Herzen haben, nur Eines allein wün­ schen. Gott ist einfältig, denn er ist nur die Liebe und die Liebe ist einfältig, weil sie nichts Anderes, als lieben und geliebt werden will. Ach meine lieben Freunde, so werdet denn doch einmal einfältig, es ist nichts Leichte11*

164 res, nichts Tröstenderes, nichts Herrlicheres. Trachtet doch nach Einem/ nach Jesum Christum allein, erfüllet nicht Euer Herz mit Mehren, Alles, was Euch von ihm ab führet, das vermeidet, Alles, was Euch entfer­ net, das fliehet, jeden Weg, der Euch irre führet, schla­ get nicht ein. Und ist es denn so schwer, nur Einen zu wollen? Nein! gewiß und wahrhaftig. Schwer ist es aber, zwischen Mehren zu kämpfen. Aber sind wir ein­ fältig, demüthig, liebend? Nein, gerade das Gegen­ theil. Gleich sind wir mit Haß erfüllt, gleich wurzelt Groll, Rache in unserm Innern, die Vornehmen und Neichen, wie die Armen. Letztere sind aber oft noch besser. Die Reichen aber, wenn, sie nicht Buße thun, laßt der Herr leer. Manche Reiche, die mit irdischen Reichthümern begabt sind, halten sich zu reich und vor­ nehm, als Gott zu folgen, als an Gott zu denken, aber sie fühlen es am Ende doch; wir sehen ja, wie sie fried­ los umherirren, freudenlos an jedem Genusse Theil neh­ men, wir sehen ja, und sie werden es selbst sehen, wie unglücklich sie mit ihrem Reichthums sind. Wahrend manche Arme, die trostlos waren, nach Genuß des Lei­ bes Und Blutes unsers Herrn, wie sie freudig getröstet von dannen gehen, wie sie der Herr mit reichlichen Gü­ tern beschenkt hat, wie unendlich glücklicher, froher sie sind, denn der Herr begabt sie mit Gnaden. Ferner sind wir statt demüthig,, stolz. Wenn Einer oder Eine, die zuvor unsere Freuyde waren, nicht nur Lügen von uns, sondern reine Wahrheit sagen, wie sind wir gleich in Wuth, gleich wünschen wir ihnen alles Unglück. Wenn uns Einer vor der Welt darstellte, wie schlecht wir wirk lich sind, wie wir handeln, ohne uns zu verunehren, son­ dern wie wir bei.gesunder Ueberlegung sehen müssen, daß wir wirklich so sind, sind wir nicht gleich seine Tod­ feinde, verleumden wir ihn nicht wo wir können, verge-

165 den wir ihm etwa? Nein! nein! und wir hatten nichts zu ver­ geben, denn er hat uns, im tiefsten Sinne genommen, nicht beleidigt-, wir müssen gestehen, daß er nur Wahr­ heit geredet hat. Und was thun wir nun? uns in's Verterbeu stürzen. Sehen wir nicht jetzt auch hier in dieser Wienstadt schändliche Wucherer, die nicht mit ihrem ohne­ hin großen rechtmäßigen Profit zufrieden sind, denn da waren sie keine Wucherer, sondern die fünfzig, sechzig, ja sogar achtzig Procent nehmen, und arme unglückliche Familien in's Verderben stürzen, ihnen ihr Herz zerflei­ schen, das Herzblut aussaugen, wie handeln diese elen­ den Menschen? Unheil und Unglück sehen sie, sie saugen

so Manchem den letzten Tropfen aus, da steht er nun da, der Unglückliche, und endet a.m Ende als ein Selbstmör­ der, was nun leider bei uns zur Lagesgeschichte wird. Er stürzt diesen Menschen in's ewige Verderben. Solche beweinerrswerthe Falle ereignen sich oft. Hat der Wuche­ rer, der Selbstmörder an Gott gedacht und Gott allein gewollt? Nein, sonst hatten sie nicht so gehandelt. Wir erlebten nicht so viele Selbstmorde, wenn wir Gott mehr vor Augen hätten. Aber das thut der Selbstmör­ der nicht, er vergaß Gott und wir müssen ihn daher be­ weinen, diesen Wahnsinnigen, und am Ende kommt die Verzweiflung und er endet, Gott vergessend, als Selbst­ mörder. Dieser, Wahnsinnige vergaß Gott, und an sei­ nem Ende vergaß Gott ihn, 'und deßhalb muß uns sehr bange nm seine Seele seyn. Jedoch nicht Alle sind Wahnsinnige, Manche thun es mit reifer Ueberlegung, es wird immer bemäntelt unter Krankheit, Wahnsinn,

allerdings kann und giebt es solche traurige Falle, aber nicht immer. Gottvergessenheit ist der Keim, Stolz die Wurzel, Verzweiflung das Ende. Aber dann, wenn die Iornschale des barmherzigen aber auch gerechten Gottes voll ist, wenn der Wucherer, der den unglücklichen

16k Selbstmörder, wenn ihm Gott nicht gnädig war, in die Hölle gestürzt hat und er unbußfertig endet, so sehe er zu, daß er nicht in einemoch tiefere Hölle stürzt. Jedoch Keiner verzage, wenn auch sein Ende nahet, er kann noch Buße thun. Es giebt eine Blut- und Begierde­ taufe. Die Begierdetaufe bestehet darin, daß man das heiße Verlangen hat, nur getauft zu werden. So ist es auch mit der Buße. Es gab große Heilige, die nicht getaust waren, aber ihr Blut für den Glauben Hingaben, und nun als Märtyrer verehrt werden, so wie es auch Heilige giebt, die in ihrem Liberi ruchlose Sünder und Sünderinnen waren, und durch Gottes Gnade als Hei­ lige endeten. Aber der Wucherer thue bei Zeiten Buße, Jeder und Jede thue ohne Aufschub Buße, denn Allen kann noch vergeben werden, und besonders in dieser Gna­ denzeit. Wenn mir ein Wucherer käme, vor mir in Thränen zerfließend, was sage ich ihm? Du mußt Deine Schuld, Dein erpreßtes ungerechtes Vermögen, was Du Armen und Dürftigen erpreßt hast, zurückstellen, dann kann ich sagen durch Gottes Kraft: Deine Sünden sind Dir vergeben. Aber wenn Du es nicht zurückstellest, so kann ich Dir nicht sagen, Deine Sünden sind Dir verge­ ben, ziehe hin, aber nicht in Frieden. Wenn er es nicht thut, den gestohlnen Schatz nicht zurückgiebt, so waren seine Thränen Krokodilsthränen und stürzen ihn nur^noch tiefer. Jeder thue Buße; wenn wir in unserm Innern daß Böse fühlen, so müssen wir unser eisernes Herz zer­ knirschen und wenn es in Stücke springen sollte; es ist besser, daß wir unsere Seele retten. Nun rufet uns das heutige Evangelium zu etwas, was mir leid thut Euch zn sagen, meine theureü Frsunde, aber ich bin verpflich­ tet, so traurig es auch ist. Alle Thäler sollen ausge­ füllt und alle Berge und Hügel erniedriget werden. Alle Thäler der Zweifel, der Muthlosen, der Trostlosen müs-

167 sen mit Jesum Christum, dcm einzigen Erlöser und Trö­ ster erfüllt und eine Ebene gemacht werden, wo De­ muth und Einfalt erfüllet werden. Alle ihr kühn euch emporragenden Hügel und Berge des Stolzes müsset ab­ getragen werden, jeder Keim deß Stolzes erstickt, jede Pflanze des Uebermuthes ausgerottet, jede Ruhmsucht unterdrückt werden, Alles, was sich kühn und stolz er­ hebt, muß erniedrigt, Alles, was sich erniedriget, er­

höhet werden. Alles was krumm ist, muß gerade, und was ungleich ist, zu einem ebenen Wege werden. Leid thut es mir, mit so etwas Traurigem meine heutige Predigt zu enden, aber es ist besser, als daß wir ewigen Schaden leiden, es ist besser, wir sind heute traurig, um am herrlichen Weihnachtsfeste freudig über unsere Er­ lösung, über unser Heil zu seyn. Also auch hier in dieser treuen geliebten Wienstadt muß Alles, was krumm und verdrehet ist, gerade, watz ungleich ist, eben werden.

Die Wucherei muß aufhören, denn erwäget doch den Satz: ,/Was nützet es mir, wenn ich die ganze Welt ge­ wönne, aber an meiner Seele Schaden leide." Der Wu­ cher und sündische Kuppelei, dessen Name schon diese hei­ lige Stelle entwürdigt, das Niederträchtigste von Allem muß aufhören, dann werden wir weniger Selbstmorde erleben, weniger solche traurige Falle werden sich ereig­ nen, denn nicht jeden Selbstmörder, ich muß einmal leider darauf zurückkommen, können wir wahnsinnig nennen. Viele werden durch diese beiden Laster dahin gebracht, und wir müssen zitternd und bangend für sie beten. Alles das muß enden, alle Rache und Habsucht, aller Groll, Alles muß eben werden, denn sonst kann auch Gott seine volle Zornschale über uns gießen, zumal über uns Deutsche, denn wir verdienen es. Jedoch Keiner verzage, selbst der Ruchloseste kann nach gethaner Buße noch selig werden. Jeder, der einsiehet, wie schlecht, wie sündhaft er ist,

1G8 der glaubet, er muß die Verdammniß verdienen, der glaubet, wenn es keine Hölle gebe, so müsse blos für ihn eine ge­ schaffen werden, der erhalt Gnade. Auch beten treue Christen fromm für die Bösen und Lasterhaften; halten wie Abraham mit Gott oft Rechtswechsel, als er die Städte Sodom und Gomorra vertilgte, und Gott sprach: und wenn zehn Gerechte in der Stadt wären, ich würde sie ver­ schonen. > Gott wird also auch die Bösen von uns der Gu­ ten, Frommen willen verschonen. Nur Alles gerichtet auf den, dessen wir warten, dann können wir seiner An­ kunft wieder freudig entgegen sehen, und Alle den Heiland

Gottes schauen, anbeten und mit seiner Gnade lieben in Ewigkeit»' Amen!

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