Zacharias Werner’s ausgewählte Schriften: Band 11 Zacharias Werner ausgewählte Predigten, Band 1: Vom Weihnachtsfeste bis zum fünften Sonntage nach Ostern [Reprint 2022 ed.] 9783112628126

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Zacharias Werner’s ausgewählte Schriften: Band 11 Zacharias Werner ausgewählte Predigten, Band 1: Vom Weihnachtsfeste bis zum fünften Sonntage nach Ostern [Reprint 2022 ed.]
 9783112628126

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Zacharias Werner s

ausgewähtle -Achristen. Aus seinem handschriftlichen Nachlasse herausgegeben

von

seine n

Freunden.

Eilfter Band.

Einzige und rechtmäßige Original - Gesammtausgabe in 12 Bänden.

Grimma, Berlagr-Gomvtoir.

184 0»

Zacharias Werner s

ausgewählte Predigten. Aus seinem handschriftlichen Nachlasse

herausgegeben

von

seinen

Freunden.

Er st er Band. Vom Weihnachtsfeste bis zum fünften Sonntage nach Ostern.

Grimma, »erlagS-Gomvt.oir. 1840.

Predigten vom Weihnachtsfcstc bis jum fünften Sonntage nach Vftern.

Am Weihnachtsfeste. 5fr?.

„Es traten aber Wirten in derselben Gegend, dir wateten nnb hüteten zu Nachts ihre Hertden, und sieh der Engel deS Herrn stand bei ihnen, die Herrlichkeit Gottes innleuchtete sie, und sie wurden von großer Furcht eingenommen." Lneas 2, Vers 6. 9.

lieber diese Worte unsers heutigen heiligen Evange­

liums will ich heute am hohen Weihnachtsfeste predi­ gen, und zwar mit Andacht, vernehmet mich aber auch mit Andacht. Heute wollen wir uns freuen der Geburt des Herrn, diese unsere Freude soll aber nicht kindisch seyn, son­ dern eine wahre un'd reuige Freude. Es ist uns Prie­ stern heute aufgetragen, drei heilige Messen zu lesen. Wir nehmen diesen Auftrag mit Zittern und Furcht an. Möchte Gott geben, daß sie zu unserem Heile Dienen. Diese drei Messen bedeuten die dreifache Geburt des Herrn. Im Eingänge der ersten Messe wird augezeigt, wie der Sohn vom Vater erzeuget wurde von Ewigkeit. Im Eingänge der zweiten Messe die menschliche Geburt des Herrn, und endlich im Eingänge der dritten Messe die Geburt des Herrn in unserem Herzen. Gott ist Mensch geworden Mein erster Theil. Der Mensch soll göttlich werden. Mein zweiter Theil.

4 Es erging der Befehl vom Kaiser Augustus, die Menschen zu zahlen und ein Jeder mußte in feinen Ge­ burtsort gehen, um sich ein schreiben zu lassen. Joseph und Maria, welche aus dem Stamme Davids waren, gingen nach Bethlehem, welches übersetzt so viel als Brodstadt heißt, um sich einzuschreiben. Bethlehem ist auch der Geburtsort Davids. Wegen Menge der Men­ schen fanden sie keine Herberge und mußten in einem Stalle wohnen. In derselben Nacht wurde der Herr geboren. Seine göttliche Mutter wickelte ihn in Win­ deln und legte ihn in eine Krippe, zwischen zwei unschul­ dige Thiere, einem Ochsen und einem Esel, welche so glücklich waren den Herrn zu sehen. Neben dem Kindelein lag die göttliche fünfzehnjährige Jungfrau ganz in Anbetung versunken, und hinter ihr der treue Joseph. Es wurde aber kein Wort gewechselt. Es war eine kalte Dezembernacht und das Kindelein fror im kalten Stelle. Ich bin überzeugt, daß in dieser Nacht nicht die Sterne geleuchtet haben, denn es wurde.ja das Licht der Welt geboren, gegen welches der Glanz aller Sterne nichts ist, so wie sich die Sonne verfinsterte, als der Herr am Kreuze hangend sein Haupt neigte und starb. Endlich von des Oechsleins und Eseleins Hauch erwärmt., schlug das Kindelein seine Augen auf und weinte. Diese Thrä­ nen stossen schon über den ersten Verdammten. Die guten Hirten weideten des Nachts ungeachtet der Kalte ihre Heerden. Plötzlich umschattete sie eine große Lichte, und der Engel des Herrn erschien ihnen und sie fürchte­ ten sich. Der Engel aber sprach: Fürchtet euch nicht, ich verkündige euch eine große Freude, der Heiland ist euch geboren, ihr werdet ein in der Krippe liegendes in Windeln gewickeltes Kind finden. Und es erscholl in der Luft das Chor der seligen Geister, das: Ehre sey Gott in der Höhe und Friede den Menschen auf Erden,

5 eines guten Willens sind. Die Vögel fingen an zu singen, und Alles wurde rege und es ward um Mitternacht der herrlichste Lag. Die guten Hirten gingen gleich gen Bethlehem/ um den Heiland zu sehen und anzubeten. Sie fanden das Kiudelein und brachten das Schönste und Liebste was sie hatten zum Opfer, und daö Kiudelein lächelte auf die ihm geopferten Lämmer. Und so wurde Gott Mensch, und ist noch Mensch, Gott und Mensch, und wir werden ihn einst in der Ewigkeit als Mensch sehen. Die Seligen suchen ihn auch als Mensch, ja so­ gar die Verdammten am letzten Gerichte, was ihre Pein nur noch vermehren wird. Also freuen wir uns der Ge­ burt des Herrn, daß er sich erniedrigen wollte, ein ar­ mes, hungerndes, weinendes Kiudelein zu werden, dessen Wohnung ein Stall und dessen Lager eine Krippe war. Aber dieß ist noch nicht die größte Erniedrigung des Herrn, auch nicht daß Er am Kreuze zwischen zwei Missethätern starb, sondern daß er in unsere steinernen sündhaften Herzen eingehen wollte und noch eingehen will, wenn wir ihn nur hereinlassen. Jetzt ist also der Anfang unserer Erlösung nahe, wir können uns aber nicht recht herzlich freuen, weil wir es nicht verstehen. Unsere Freude war viel größer und rei­ ner, als wir noch unschuldige Kinder waren, und uns freueten, wenn der Christbaum hereingetrageu wurde und Väterchen, Mütterchen und manche andere Freunde des Hauses zugegen waren. Wir können stolz darauf seyn, daß Gott Mensch geworden ist, um uns zu erlösen, aber wir sehen es auch ein, daß wir es nicht werth sind. Es ist gerade so, als wenn ich einem Bettler einen besseren Lape pen gebe, als sein Nachbar hat, so wird er stolz darauf seyn, wenn ich ihn aber zum Könige erhöbe, so wird er sich gedemüthigt fühlen und einsehen, daß er es nicht werth ist. Nun im zweiten Theile der Mensch soll göttlich werden.

Der Mensch soll göttlich werden. Ja das ist leicht und schnell gesagt, es kann aber nicht seyn, wenn er nicht selbst dazu beitragt. Es muß jetzt dem Menschen eine Ehre seyn, daß er Mensch ist. Er muß sich aber auch nicht bis zum Thiere erniedrigen. Leset wie die Christen in Amerika wütheten gegen ihre Nebenmenschen, welche nicht ihres Glaubens waren, sie sind mit reißenden Wöl­ fen zu vergleichen und hatten sie die Kraft auch mit grim­ migen Tigern. Und mancher Heide, Türke, Jude ist besser als ein Christ, als em katholischer Christ. Ihnen ist auch der Heiland geboren, und sie werden einst vor Gottes Gericht die Christen anklagen. Wir müssen also um uns zu vergöttlichen nicht so handeln. Wir müssen Gottes höchste Barmherzigkeit be­ trachten, wir müssen also auch gegen unsern Nebenmenschen, sey er Heide, Türke, Jude, auch Barmherzig­ keit üben. Gott ist aber auch höchst gerecht, daher müssen wir auch gerecht seyn, nicht unsern Nächsten richten, son­ dern uns richten ohne Entschuldigungen und ohne Barm­ herzigkeit, damit wir am jüngsten Gericht nicht gerichtet werden. Gott ist allein höchst heilig und selig, wir müssen uns auch bestreben einst selig zu werden. Als ich so über dieses Evangelium nachdachte, kam ich auf einen sonderbaren Gedanken, den ich wirklich noch nirgends gelesen habe, und ich glaube, daß ich nicht irre. Nämlich: warum Gott den Hirten am ersten die Geburt seines ekngebornen Sohnes verkündigte. Es heißt in der heiligen Schrift: „Gott liebt den Armen und macht ihm seinen Willen am ersten kund." Ja da hatte er die Ge­ burt des Herrn auch den Fischern und Bettlern verkün­ digen können, die sind ja auch arm. Warum denn gerade den Hirten, welche des Nachts ihre Heerden weideten? Wir alle sollen über unsere Begierden, Leidenschaften, Triebe und Gedanken Hirten seyn, wir sollen ihnen keine

7 Gewalt lassen. Triebe wache::',

Sotten über unsere l-eidenschaften und auch des Nachts sollen wir sie hüten.

Wenn wir dieses Alles thun und denken, so werden wir vergöttlichet werden. Dann ist Hunger, Durst, Kälte, Leiden, Verfolgungen, Teufel, Hölle, Tod, Alles un­ ter mir, und das ist der Friede der Menschen auf Erden, die eines guten Willens sind, und wie der, der jetzt als ein armes Kindelein in der Krippe liegt, dann aber am Kreuze für der Menschen Sünden starb, sprach: ,,es ist vollbracht!" also spreche auch ich: es ist vollbracht mit Gott, der in dem Schwachen mächtig ist. Amen!

Am Sonntage in der Oktave der Geburt des Herrn. Text. „Sich dieser ist zum Falle und zur Auferstehung vieler in Israel, und zu einem Zeichen, dem man widersprechen wird, gesetzt wor­ den; und das Schwert wird deine Seele durchdringen, damit vieler Herzen Gedanken offenbar werden." Lucas.

Ueber diese Worte unseres heutigen heiligen Evange­ liums will ich am letzten Tage des Jahres zu euch predigen. Wenn der Winter mit seinen bleiernen Armen kömmt, könnte man sagen, sind die herrlichen Fluren und alle Walder und Alles, was man sieht, mit Eis be­ deckt. Die Waldvögel verstummen und Alles bergt sich vor der Kälte. Wenn aber der Frühling kömmt, so be­ leben sich Wiesen und Fluren, und das Chor der Vögelein erschallt, und Alles verkündet den Frühling und freut sich desselben. Vierhundert Jahre aber vor Christi Ge­ burt verstummten auch die Propheten, bis endlich Za­ charias vom Herrn verkündigte, dann Elisabeth, als sie Maria besuchte, mit dem Gruße: Gebeuedeiet bist du unter den Weibern, und gebeuedeiet ist die Frucht deines

7 Gewalt lassen. Triebe wache::',

Sotten über unsere l-eidenschaften und auch des Nachts sollen wir sie hüten.

Wenn wir dieses Alles thun und denken, so werden wir vergöttlichet werden. Dann ist Hunger, Durst, Kälte, Leiden, Verfolgungen, Teufel, Hölle, Tod, Alles un­ ter mir, und das ist der Friede der Menschen auf Erden, die eines guten Willens sind, und wie der, der jetzt als ein armes Kindelein in der Krippe liegt, dann aber am Kreuze für der Menschen Sünden starb, sprach: ,,es ist vollbracht!" also spreche auch ich: es ist vollbracht mit Gott, der in dem Schwachen mächtig ist. Amen!

Am Sonntage in der Oktave der Geburt des Herrn. Text. „Sich dieser ist zum Falle und zur Auferstehung vieler in Israel, und zu einem Zeichen, dem man widersprechen wird, gesetzt wor­ den; und das Schwert wird deine Seele durchdringen, damit vieler Herzen Gedanken offenbar werden." Lucas.

Ueber diese Worte unseres heutigen heiligen Evange­ liums will ich am letzten Tage des Jahres zu euch predigen. Wenn der Winter mit seinen bleiernen Armen kömmt, könnte man sagen, sind die herrlichen Fluren und alle Walder und Alles, was man sieht, mit Eis be­ deckt. Die Waldvögel verstummen und Alles bergt sich vor der Kälte. Wenn aber der Frühling kömmt, so be­ leben sich Wiesen und Fluren, und das Chor der Vögelein erschallt, und Alles verkündet den Frühling und freut sich desselben. Vierhundert Jahre aber vor Christi Ge­ burt verstummten auch die Propheten, bis endlich Za­ charias vom Herrn verkündigte, dann Elisabeth, als sie Maria besuchte, mit dem Gruße: Gebeuedeiet bist du unter den Weibern, und gebeuedeiet ist die Frucht deines

8 Leibes, und Johannes, welcher vor Freude im Mutter­ leibe sprang, und bei der Geburt des Herrn die Engel im Himmel-durch das: Ehre sey Gott in der Höhe, end­ lich Simon, als Maria ihr Kindelein in den Tempel brachte, um es Gott vorzustellen, und durch die alte Anna, welche nie den Tempel verließ. Wir sehen nach

der Geburt deß Herrn seinen ersten Blutzeugen, den hei­ ligen Stephanus, den Märtyrer-Tod sterben, und seine letzten Worte waren: Herr, rechne ihnen diese That nicht zur Sünde! Dann sehen wir den heiligen Johannes den Evangelisten, welcher immer nur Liebe predigte, denn er sagte immer: Liebet euch unter einander, Kinderchen liebt euch, und als sie ihn fragten: Väterchen, weißt du denn nichts anderes? so antwortete er: Nein! liebt euch nur Kinderchen. Endlich sehen wir die unschuldigen Kindelein, welche Gott würdigte, ehe sie noch sprechen konnten, den Märtyrer-Tod zu sterben, und welche auch schon ihr schuldloses Blut für den Herrn vergossen hat­ ten, aber dafür auch schon reichlich belohnet wurden, denn es heißt in der heiligen Schrift: „Sie spielen am Throne Gottes mit ihren Kronen." Jetzt lobte Alles den Herrn, denn jetzt war der Früh­ ling der ganzen Welt gekommen, wo Alles neu belebet wurde. Der Herr hat sich aber doch immer am ersten den Armen verkündiget, dem Zacharias, den Hirten, dem alten armen Simon, in# der Anna, denn der heilige Am­ brosius sagt: Kein Stand ist bei Gott ausgenommen. Jetzt will ich aber heute eine ernste Betrachtung am Schlüsse dieses Jahres mit Euch vornehmen, und die Kirche hat dieses Evangelium gerade auf den letzten Sonntag im Jahre gelassen, damit wir da mögen ernst­ lich betrachten, ob der Herr zu unserem Falle oder zu unserem Anferstehen gekommen ist. Welchen ist der Herr zum Falle gekommen. Mein

9 erster Theil, und welchen ist er zur Auferstehung gekom­ men. Mein zweiter Theil. Dieß wollen wir ernst be­ trachten und einen Blick in unser Herz werfen. Du aber, o Herr Jesu, gebe uns deine Gnade, da­ mit wir es recht erkennen mögen, ob du zu unserem Falle oder zu unserer Auferstehung gekommen bist. O! gebe, daß tu zu unserer Auferstehung gekommen seyn mögest. Gieße den Geist deiner Gnade über uns, den heiligen Geist! Gott Vater, Gott Sohn und heiliger Geist, hei­ lige Dreieinigkeit, sey uns gnädig, stehe uns armen Sün­ dern bei. Heilige Maria! du Himmelskönigin, bitte für uns. Du keuscher und treuer Joseph, heilige Ursula und Angela, bittet Alle für uns. Wenn der Blitz aus der Donnerwolke fahrt, so trifft er nicht die Blumen ans den Wiesen, sondern die hohe stolze emporragende Eiche. Es wurde von jeher dem Herrn widersprochen, und es wird ihm noch täglich wider­ sprochen, und es wird ihm auch immer widersprochen werden. Es gibt Leute, welche keck über das Kreuz spot­ ten. Ein solcher jämmerlicher elender Gotteslästerer wird nie aufhören, über das Kreuz, die Kirche und die Religion Jesu zu spotten, und wenn der Herr schon am letzten Gerichte kommen wird zu richten die Lebendigen und die Todten, so wird der Fluch noch auf seiner Zunge ersterben, er wird aber in die ewige Verdammniß ein­ gehen. Diese erbarmungswürdigen nnd jämmerlichen Lästerer erfinden sich noch Lügen, sagen, die Kirche ver­ damme. Ein Häuflein Heiden, welches nie was vom ka­ tholischen Glauben gehört hat, verdamme die Kirche, sa­ gen diese elenden Spötter. Die Kirche verdammt nicht, auch die Heiden nicht, welchen nicht das Evangelium geprediget wurde. ES ist aber überall schon geprediget worden. Denn die Kirche kann nicht verdammen und nicht selig machen ohne Jesum Christum, er kann aber

10 verdammen nnd selig machen ohne sie, der Herr. Alle, welche glauben und getaufet sind, werden selig werden, und das sagt auch seine Kirche. Nur diejenigen, welche glauben, können selig werden, wenn sie auch nicht getaufet sind; denn es gibt ja eine Blut-und Begierdentanfe. Wenn mancher nur das Verlangen hat getaufet zu werden, wenn er nicht die Gelegenheit hat, so kann er selig werden, aber glauben muß er. Es ist also nicht wahr, daß die Kirche verdammet: Dieß ist blos die Er­ findung unserer erbarmiglichen Heiden, welche getaufet sind, aber nichts glauben, sondern lästern. Ich lache, und alle vernünftigen Christen werden lachen, wenn diese erbarmiglichen, jämmerlichen, elenden, ohnmächtigen Wichte von der Vaterschaft Gottes plappern. Ueber dieß belehrt uns der heilige Apostel Paulus in der heutigen Epistel an die Galater. „So lange der Erbe klein ist, so ist unter ihm und einem Knechte kein Unterschied, obwol er ein Herr aller Güter ist; sondern er ist unter den Vormündern und Verwesern bis auf die Zeit, welche von dem Vater bestimmt ist: also auch wir, da wir klein waren, wurden wir als Knechte unter der Juchtschule der Welt gehalten. Als aber die Erfüllung der Zeit gekom­ men war, da hatte Gott seinen Sohn gesandt, der von einem Weibe geboren, und dem Gesetze unterworfen yoar, auf daß er diejenigen, welche unter dem Gesetze wa­ ren, erlösete, damit wir an Kindesstatt angenommen würden. Weil ihr nun Kinder seyd, so hat Gott den Geist seines Sohnes in euere Herzen gesandt; welcher ruft: Abba Vater.' Deswegen ist nun Knecht mehr, son­ dern ein Cohn; wer aber ein Sohn ist, der ist ein Erke durch Gott." Wie können wir Kinder Gottes seyn, wenn nicht Jesus Christus sein Sohn und unser Bruder wäre. Erst ehe Jesus Christus Mensch geworden ist, hat Gott nie sich Vater genannt. Er wollte nur als Herr angc-

11 betet und verehret werden. Bei Abraham ließ er sich herab, sein Freund zu seyn. Er wollte damals knechti­ sche Furcht und knechtischen Gehorsam. Jetzt ist er aber unser Vater und verlangt nur Liebe und nicht Furcht. Ihr, werdet aber auch niemals bei diesen ohnyrächtigen Menschen Demuth finden, sondern sie sind vielmehr stolze, hoffärtige, übermüthige Menschen, und findet Ihr einen demüthigen, so straft mich Lügen. Es gibt zweierlei solcher Menschen, welche Jesum widersprechen. Die ersten sind diejenigen, welche es freiwillig und wissent­ lich thun, das sind jene groben Sünder, von welchen ich jetzt sprach. Dann die zweite Classe glaubt zwar Alles, was sie zu glauben hat, aber übrigens ist Zorn, Rache, Haß, Habsucht, Ehrgeiz, Hoffart, Neid, Groll, ich weiß nicht was Alles in ihrem Herzen. Diese wider­ sprechen auch dem Herrn. Aber diese werden sich doch eher noch bekehren, und hätten sie Sünden wie Purpur, so können sie, wenn sie sich bessern und Buße thun, wei­ ßer als Schnee durch das Blut des Herrn gewaschen wer­ den. Jetzt wollen wir uns fragen, ob wir dieses Jahr hindurch gefallen oder auferstanden sind. Die meisten von uns werden aber sehen, daß wir das Gute, was .wir gewollt haben, nicht gethan und daß wir das Böse,

was wir nicht thun wollten, gethan haben. Daß sich nur unser Haß gegen unsere Nebenmenschen mehr in unser Herz gewurzelt hat, daß wir nur Gebete herplappern, ohne zu denken warum, daß wir nur schon wollten, wenn wir in der Kirche waren, herauskommen, um unsern Ergötzlichkeiten nachzujagen, daß wir ehrgeiziger, hof­ färtiger geworden sind, also daß wir schlechter gewor­ den sind. Jetzt habe ich im Allgemeinen gefragt, nun will ich einmal mich selbst fragen. Ich, der ich alle Sonntage predigte die Lehre Jesu, habe^ich es auch aus Liebe zu Gott gethan, oder um meinen Ehrgeiz zu ver-

12 mehren? Ich, der ich täglich Gott das heiligste Opfer

brachte^ vor dem die Engel und Erzengel auf die Kniee fallen. Habe ich es mit reinem aufrichtigem Herzen ge­ than? Der ich den reuigen Sündern im Beichtstühle die Absolution ertheilte, welche dann gerechtfertigt in ihr Haus gingen, ich aber nicht gerechtfertiget zurückkehrte. Dieß sind Fragen, die ich an mich stellen kann. Wenn sich ein Hausvater oder eine Hausmutter fragt: habe ich die Seelen meiner Kinder oder Untergebenen vervollkommt, habe ich beigetragen, daß sie in der Religion gut unterrichtet wurden, daß sie fromm oder böse ge­ worden sind, habe ich meine Standespflichten gehörig er­ füllt oder nicht? Und die meisten von uns werden sehen, daß sie schlechter geworden sind, und wir alle, wenigstens die meisten werden sehen, daß sie gefallen sind. Gibt es Einen der sagen kann: der Herr ist gekommen zu mei­ ner Auferstehung, der sagen kann, er ist besser, er ist heiliger geworden. O! wenn es einen solchen hier gibt, so wird er es nicht sagen; denn die Heiligen loben sich nicht selbst. Wir arme gefallenen Sünder müssen aber ihn bitten, daß er für uns betet. Der Herr ist deßhalb auch zu unserem Falle gekommen, weil uns Gott Freiheit gegeben hat, und weil Gott diese Freiheit des Menschen zu viel 'ehrt, um sie zu beschranken. Also wir haben in rnserer Macht, das Gute zu thun und das Böse zu lassen. Gott hat uns viel gegeben, deßhalb verlangt er auch viel von uns. Wir aber sind leider alle gefallen. Auch der größte Engel Gottes, Luzifer ist seines Stolzes wegen gefallen und ist ewig verdammet. Für diesen kam auch der Herr zu seinem Falle. Ich will euch aber nicht trost­ los machew, sondern im zweiten Theile wollen wir uns damit trösten: welchen ist der Herr zur Auferstehung ge­ kommen? Es war ein Mann in unserer neuesten Zeit, welcher

13 am Geists groß war, und welcher sich höher als die

höchste Ceder erheben wollte, und auch erhob. Wegen diesem Wellbeherrscher mußten Millionen von Menschen fallen. Er beraubte das sichtbare Oberhaupt der Kirche ans Erden seinerMacht, und wüthete fürchterlich. Er drohte unserem Oberhaupte der Kirche nicht mit dem Lode, sondern, die christliche Religion gänzlich zu ver­ tilgen. Da stand dieser wie ein Heiliger ganz wie ein Fels, jedoch nicht verzagt, denn er war der Nachfolger des Felsenmannes der Kirche, Petri. Aber nun kam Gottes Macht über diesen großen Mann und sprach: Bis hier her und nicht weiter, du bist gewogen, aber zu leicht befunden. Dieser Wdltbeherrscher ist gedemüthiget und erniedriget worden, aber der heilige Greis thront wieder auf seinem Stuhle, welcher durch das Blut so vieler Märtyrer geziert ist, mit aller Macht. Also wir müssen

uns auch demüthigen. Demuth ist zu unserer Auferste­ hung nothwendig. Wenn wir demüthig find und unsere begangenen Sünden bereuen, und hätten wir so viele wie Haare am Kopf, und wären sie zentnerschwer, wir könten sie alle abwerfen und einst Heilige werden. Wir haben Heilige, welche den Märtyrer-Lod gestorben sind, rmd welche, die im Bette starben. Heilige, die sich kasteieten, und welche,- die aßen und tranken wie alle Menschen. Dann Heilige, welche Gelehrte und Weise waren, aber auch Heilige, welche weder lesen noch schrei­ ben konnten. Aber demüthig waren sie alle, geglaubet und geliebet haben sie. Wir wollen uns aber heute in unserem Kämmerlein niederwerfen und nachdenken, ob wir gefallen fuifc, ob wir besser oder schlechter wurden,

und dann bereuen wir unsere Fehler, wenden uns zum Kreuze Christi und sprechen demüthig: Ja Herr! ich bin tief gefallen, ich will trachten, daß du zu meinem Aufeostehen gekommen bist, will mich bessern und will de-

14 müthlg seyn. Und wenn wir dieses recht lebhaft den.ken und thun, dann können wir kämpfen gegen Sünde,

Lod und Teufel. Schwachen mächtig am Schlüsse dieses Würde segnen, wie

Dann wird uns der, der in dem ist, beistehen. Jetzt will ich Euch Jahres, Kraft meiner priesterlichen Simeon. Meine Augen haben aber

noch nicht den Herrn gesehen, betet für mich, daß ich ihn auch einst schauen möge. Auch danke ich Euch recht herzlich, für alle die Güte, Nachsicht und Liebe, die Ihr für mich hattet. Ich will für Euch beten, daß Euch Gott in diesem kommenden neuen Jahre beistehe, damit Ihr auch einst, wie Simeon ausrufen möget: Herr, laß deinen Diener nun in Frieden fahren, denn meine Augen haben den Heiland gesehen. Amen'.

Am N euj a h rs ta g e. Text. ,.In der Zeit, nncbbcm acht Tage rcrfleffcij waren, und das Kind beschnitten wurde, gab man tbm den Manien Jesus "

Ich wünsche Euch heute am ersten Tage des neuen Jahres Glück. Es ist aber ein Unterschied zwischen Wünschen. Der Laye hat andere, der Priester auch an­ dere; aber weit höhere, weit größere. Wenn Euch ein Priester Glück wünschet, so muß er Euch auch die Mit­ tel zur Erfüllung Eurer Wünsche an die Hand geben. Ich habe gestern mit Euch eine ernste Betrachtung vor­ genommen, und wir haben erwogen, welchen der Herr zum Falle und welchen er zur Auferstehung gekommen ist. Ich habe Euch ersucht oder vielmehr aufgefor­ dert, die letzten Stunden dieses Jahres nicht mit Tän­ deleien und Ergötzlichkeiten zuzubringen, sondern einen Rückblick in das verflossene Jahr zu werfen, um zu se-

14 müthlg seyn. Und wenn wir dieses recht lebhaft den.ken und thun, dann können wir kämpfen gegen Sünde,

Lod und Teufel. Schwachen mächtig am Schlüsse dieses Würde segnen, wie

Dann wird uns der, der in dem ist, beistehen. Jetzt will ich Euch Jahres, Kraft meiner priesterlichen Simeon. Meine Augen haben aber

noch nicht den Herrn gesehen, betet für mich, daß ich ihn auch einst schauen möge. Auch danke ich Euch recht herzlich, für alle die Güte, Nachsicht und Liebe, die Ihr für mich hattet. Ich will für Euch beten, daß Euch Gott in diesem kommenden neuen Jahre beistehe, damit Ihr auch einst, wie Simeon ausrufen möget: Herr, laß deinen Diener nun in Frieden fahren, denn meine Augen haben den Heiland gesehen. Amen'.

Am N euj a h rs ta g e. Text. ,.In der Zeit, nncbbcm acht Tage rcrfleffcij waren, und das Kind beschnitten wurde, gab man tbm den Manien Jesus "

Ich wünsche Euch heute am ersten Tage des neuen Jahres Glück. Es ist aber ein Unterschied zwischen Wünschen. Der Laye hat andere, der Priester auch an­ dere; aber weit höhere, weit größere. Wenn Euch ein Priester Glück wünschet, so muß er Euch auch die Mit­ tel zur Erfüllung Eurer Wünsche an die Hand geben. Ich habe gestern mit Euch eine ernste Betrachtung vor­ genommen, und wir haben erwogen, welchen der Herr zum Falle und welchen er zur Auferstehung gekommen ist. Ich habe Euch ersucht oder vielmehr aufgefor­ dert, die letzten Stunden dieses Jahres nicht mit Tän­ deleien und Ergötzlichkeiten zuzubringen, sondern einen Rückblick in das verflossene Jahr zu werfen, um zu se-

15 hen, ob wir es zu unserem Vortheile oder zu unserem

Nachtheile zurückgelegt haben, das heißt zu unserem Falle oder Auferstehen. Wir haben gesehen, wenigstens die meisten von uns, daß wir gefallen sind, wir müssen aber nicht muthlos seyn, wir müssen festen gediegenen Muth haben auf Jesum Christum, auf seinen Versöhnungstod. Daß wir nicht muthlos seyn sollen, zeigte der alte Hoffbauer an dieser Stelle recht schön, indem er sagte: „Wenn ein Kind fällt, so bleibt es eine Weile

Liegen, verweilt auf dem Platz, wo es gefallen ist, weint und schreit, und schlagt auch wohl den Fleck; hin: gegen ein Erwachsener wird aufstehen und weiter ge­ hen." Es ist auch mit einem Wanderer zu vergleichen. Er wird nicht an den Weg, welchen er zu machen hat, muthlos denken, sondern wird wohl manchmal stehen bleiben, um die Gegend, wo er ist, zu betrachten, dann aber wird er muthig weiter schreiten. Wir sind alle mit Pilgern zu vergleichen; wenn wir immer würden muthlos stehen bleiben, ja da würden wir nie weiter kommen, würden hingegen immer tiefer fallen. Also wir müssen nicht muthlos seyn. Heute wollen wir uns aber freuen, daß wir das neue Jahr erlebt haben. So kurz das heutige Evangelium ist, so ist es doch sehr reichhaltig und erfreuend für uns. Es handelt nämlich vom Gesetze. Der Herr wurde am achten Tage nach seiner Geburt beschnitten, und ihm der Name Jesus gegeben. Er unterwarf sich aber freiwillig und stand­ haft diesem Gesetze. Es war bei den Juden das Ge­ setz, daß sie am achten Tage beschnitten wurden, zum Zeichen der Reinigung von der Erbsünde, es war aber kein Sakrament, aber doch schon ein Vorbild des Sakramentes der Taufe. Der Herr unterwarf sich frei­ willig dem Gesetze, und wir müssen beschämt zurücktreten, obwohl wir demselben sollten suchen nachzukom-

16 men, soll mein erster Theil seyn, und die vollkommene Erfüllung der Gesetze, mein zweiter Theil. Also mein Gegenstand ist, die Erfüllung der Gese­ tze. Jesus unterwarf sich dem Gesetze und unsere Be­ schämung. Mein erster Theil. Vollkommene Erfüllung derselben, mein zweiter Theil. Du aber, o Herr Jesus, der du dich gerne und freiwillig deinem Gesetze unterzogst, gieb auch uns die

Gnade, daß wir dieselben genau erfüllen und uns den­ selben gerne unterwerfen. Lege uns selbst dein santteS Joch und deine leichte Last auf, damit wir dir Nachfol­ gen. Heilige Maria, schmerzensreiche und demüthige Mutter Gottes, lerne uns demüthig seyn, und die Ge­ setze auf uns nehmen, bitte für uns. Heilige Ursula und Angela, Schützerinnen dieses Tempels, bittet für uns.

Der Herr unterwarf sich also seinem eigenen Ge­ setze, denn der Apostel sagt: ,,Der Herr des Lebens und des Todes unterwarf sich seinem eigenen Gesetze." Er wurde nämlich beschnitten am achten Tage seiner Menschwerdung. Schon da floß sein sündenloses Blut, welches wir in der heiligen Communion empfangen. Denn am Oelberge drang blutiger Schweiß aus seiner herrlichen Stirn, und endlich floß aus seiner Seite Blut und Was­ ser als ihm der Hauptmann nach seinem Tode die Lanze in die Seite stieß. Blos für uns steinerne Sünder floß das Blut des Lammes, welches der Welt Sünde trägt. Bei der Beschneidung entäußerte sich der Herr gänzlich seiner Gottheit, denn da sah man kein Zeichen. Bei seiner Geburt war das Chor der Engel wach, um ihn zu loben und zu preisen. Als er sich von Johannes taufen ließ, war er freilich unter der Menge von Men-

17 scheu verborgen, aber Johannes erkannte ihn, der hei­ lige Geist ließ sich in Gestalt einer Laube hernieder, und es erscholl die Stimme: „Dieser ist mein vielge­ liebter Sohn, an dem ich mein Wohlgefallen habe." Als er sein Lehramt antrat und vom Teufel ver­ sucht wurde, kam ein Engel zu ihm. Als er am Oelberge betete, schickte der Water einen Engel zu seinem Sohn, um ihn zu trösten, und als endlich der Herr am Kreuze zwischen zwei Schachern starb, gab die Erde ihre Todten heraus, die Sonne verfinsterte sich und der Vor­ hang des unwürdigen Tempels zerriß. Also sehen wir, daß sich der Herr dem Gesetze unterwarf. Nicht nur, daß er den Kreuzestod starb, sondern als Kind wollte er auch beschnitten werden. Wir müssen also beschämt zurücktreten. Wir müssen aber auch trachten, die Gesetze des Herrn des Lebens und deß Todes zu erfüllen. Aber nicht erstens aus knechtischer Furcht vor Gott oder aus Furcht vor der Hölle. Zweitens, daß wir blos die gro­ ben Sünden meiden, übrigens aber Groll und Haß ge­ gen unsere Nächsten hegen. Drittens nicht nur immer bei den todten Buchstaben stehen bleiben und viertens muß man sich nicht nur mit dem äußeren Gottesdienst begnügen, sondern auch in den inneren eindringen. Ich sage, aus knechtischer Furcht vor Gott. Ihr müsset ja nicht glauben, Gott ist ein Henker, ein Zuchtmeister oder ein Scharfrichter, er ist ja ein liebender Vater. Oder aus Furcht vor der Hölle. Wir müssen' uns den Gesetzen aus Liebe zu Gott und wegen Gott unterwerfen. Es ist zwar nicht schlecht, wenn^wir mit der knechtischen Furcht anfangen. Zweitens sage ich, wir müssen uns nicht nur von groben Sünden enthalten, übrigens aber unsern Näch­ sten hassen, Groll, Rache und Neid in unserem Herzen tra­ gen. Es gibt eine Menge Leute, welche sich einer Menge Kleinigkeiten wegen anklagen, die gar nicht der Anklage Werners Predigten I.

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18 werth sind. Aber wenn es gilt sich mit seinem Feinde zu versöhnen , ihm die Hand zu geben, ihn zu lieben, da wehren sie sich. Sie sagen zwar: Ich wünsche ihm alles Gute, die ewige Seligkeit, ja das glaube ich, daß sie ihn los werden. Wir klagen uns auch gerne ver­ schiedener Kleinigkeiten an und sagen recht gerne, wir sind arme Sünder, weil wir da fromm erscheinen wol­ len. Aber.wehe einem solchen Scheinheiligen, er wird einst vor dem Throne Gottes zittern, und in die ewige LZerdammniß gestürzet.werden. Drittens sage ich, man muß nicht immer beim todten Buchstaben stehen blei­ ben. Es gibt Keule', welche täglich ihre bestimmten Ge­ bete ablesen, und so wie ein Handwerk mit dem Gebete treiben. Sind sie dann abgelesen, so ist es mit dem lieben Gott abgethan, dann denken sie au ihn nicht mehr. Es wird ihnen in einer heiligen Messe in di-efem hal­ ben Stündchen zeitlang, aber in einer elenden, erbärm­ lichen, jämmerlichen Komödie nicht. In der Messe fal­ len ihnen allerlei Thorheiten und Tändeleien ein, in der Komödie hingegen, da werden sie ihnen so recht vorgestettt nach Herzenswunsch, und endlich viertens müssen wir» uns nicht nur mit dem äußeren Gottes­ dienst begnügen, sondern wir müssen uns auch mit Gott beschäftigen, wenn wir nicht in der Kirche sind, müs­ sen also in den innern Gottesdienst einzudringen suchen. Beim äußeren Gottesdienste müssen wir an fangen, nicht gleich in das Innere eindringen wollen. Es ist gerade so, als wenn man von der Erde auf den Stephans­ thurm .springen wollte. Man muß aber stufenweise hinaufgehen. PLir nzüssen nicht so sprechen wie manche elende, stolze, aberwitzige Gecken, welche sagen: „Der äußere Gottesdienst gehört nur für/gemeine Leute, für den Pöbel, aber nicht für verständige Leute. Ich habe eingedrungen in das Innere, habe es verstanden, habe

19 mich über das Aeußere erhoben." Und wer wird dieS sagen? Etwa ein altes Mütterchen? Oder ein ver­ nünftiger Mensch? Nein, unbartige Buben, niederträch­ tige Mädchen und Weiber, welche glauben, wenn sie ein halbes Jahr hindurch ein Paar elende Bücher ge-' lesen haben, so haben sie Alles verstanden, sich aber übrigens nur mit Tändeleien abgeben. Glaubt es vernünftigeren Leuten , als Ihr seyd, welche auch lange Zeit geirrt und gestrauchelt haben, und manches erfahren haben, welche aber nach langem Arbeiten und Trachten verstanden haben, was innerer Gottesdienst ist. Ihr aber müsset arbeiten, tüchtig arbeiten und beten. Euer Geist muß sich vor Gott beugen, und Euere stolzen Kniee müssen sich auch vor Gottes Thron beugen, und Euere Arme nach der seligen Jungfrau Maria ausstrecken, und sie bitten, sie möge für Euch bitten, möge Euch Demuth und Liebe lernen; so lange Ihr Demuth mit) Liebe nicht kennt, so könnet Ihr nicht selig werden, und wenn ein Mensch ohne Liebe in den Himmel käme, so wäre er nicht einmal glücklich. Denn wenn der Teufel einen Augen­ blick lieben könnte, so würde er ihn stürzen, er kann aber nicht lieben. Glauben, hoffen und lieben muß inan, sonst kann man nicht selig werden. Nun im zweiten Theile von der genauen Erfüllung der Gesetze. Man muß die Gebote Gottes gern und aus Liebe zu ihm erfüllen. Man muß sie nicht nur erfüllen, weil sie Gesetze sind, sondern weil es Gottes Wille ist. Wenn wir sie recht vollkommen erfüllen wollen, so müssen wir die ganze Last auf uns nehmen, sie ist ja leicht. Nicht nur einen Theil oder ein Gesetz. Es ist gerade so, als wenn ich eine Last nur auf eine Schulter lüde, ja da werde ich unter ihr erliegen, ich muß sie aber auf beide Schultern laden," und sie mit beiden Handen recht tüchtig

20 ergreifen, dann wird sie mir leicht werden. Klfo wenn ich alle Gebote Gottes aus Liebe zu ihm erfülle, so werden sie mir leicht werden. Wenn ich denke und frage: Was ist Gott? Die Liebe! Was will er? Liebe! Was sollen wir? Lieben! dann werden wir es, müssen wir es, können wir es. Wenn wir aber denken: Ach! das ist schwer, ja da werden wir nie weiter kommen, werden nie alle Gesetze erfüllen. Was macht manchen Leuten die Fastengebote so schwer. Etwa ob sie ein Stück Fleisch oder Fisch essen? Nein! aber die Erinnerung an die herr­ lichen Braten, welche sie hatten essen können. Wir müssen niemals rückwärts sehen. Immer nur bei Erfüllrmg der Gesetze denken: Gott ist die Liebe, ich muß es also aus Liebe zu ihm thun. Wenn ich dieß denke, so wird mir nichts schwer, Alles leicht, ja der MärtyrerTod nicht schwer. Was ist bei Gott groß? Etwa die Sonne? Nein! Der ganze Erdball? Nein! sondern ein Herz, was ihn und den Nächsten liebt. Bei diesem sucht er Wohnung, obwohl für Gott kein Raum ist, obwohl für ihn nichts groß und nichts klein ist. Das sehen wir ja an der kleinen Hostie, da ist er als Gott und Mensch verborgen, er könnte aber eben so gut, Gott verzeihe mir's! in einem Spenadelkopf seyn, aber in das Herz eines ihn liebenden Menschen will er eingehen z Also wegen Gott müssen wir Alles gerne thun, seine Last ist aber auch leicht, und sein Joch ist sanft. Wir haben ja nicht mehr das schwere Gesetz Moses: Auge um Auge und Zahn um Zahn. Wir sind ja nicht mehr Kinder der Magd, sondern der Freien, nicht Kinder Evas, sondern Mariens Kinder. Wir haben auch vollkommene Freiheit. Und was ist Freiheit? Ich will Euch Philosophen fragen, wenn es welche-hier gibt. Was ist Freiheit? und Ihr werdet mir nichts anders sagen können als: Freiheit ist vollkommene Gesetzlichkeit. Also wir müssen aus Liebe zu

21 Gott seine Gesetze vollkommen erfüllen. Wenn ich Gott liebe, und es kömmt cm Mensch und überfallt mich des Nachts, droht mir, mich zu ermorden. Wenn ich kein anderes Mittel zu meiner Rettung finde, so kann ich diesen meinen Mörder tödten, ohne daß ich vor Gott eine Sünde begehe, noch das Gesetz übertrete. Aber ich denke, wenn ich diesen meinen Mörder umbringe, so rette ich mein elendes, vergängliches, irdisches Leben­ stürze aber die/en in die ewige Verdammniß, der doch auch mein Bruder, durch Jesum Christum erlöset, ist, so werde ich das Messer fallen lassen, für ihn um Ver­ gebung seiner Sünden beten, und so sterben einen glor­ reichen Märtyrer-Ted. Nur Gott lieben, so ist ja nichts schwer. Und das ist ja das, was ich auch durch sechs Jahre lernen wollte, weßhalb ich verlacht und ver­ spottet wurde, ich mache mir aber eine Freude daraus, daß mich Gott dazu würdigte. Also wenn Ihr immer werdet Gott vor Augen haben und ihn lieben, so werden Euch die Gebote nicht schwer, sondern leicht, ja zu leicht werden, und Ihr würdet Euch noch mehr auflegen. Nur Liebe zu Gott! Ich finde keine andern Worte mehr, nur Liebe zu Gott. Und ehe wir schließen, wollen wir noch unser Gebet vereinigen für alle Menschen. Gott segne unsern Kaiser, damit er ihm Kraft und Starke verleihe, sein schweres Amt zu erfüllen. Gott segne seine Gemahlin und seine Familie. Gott segne unsern Oberhirten der Kirche. Gott segne auch alle geistlichen Stände. Gott segne den Bruder des Kaisers, welcher in den geistlichen Stand trat und das Oberhaupt der Kirche ist. Gott segne alle Klöster, auch dieses Kloster, in welchem manche fromme Kloster­ frau für fich und für uns betet. Gott segne Euch Alle. Gott segne den Lehr-, Wehr - und Nährstand. Dem Lehrstand gebe er Kraft, nur Gutes zu lehren. Dem

22 Mehrstand, seinem Monarchen und Vaterlands treu zu bleiben, und dem Nährstand, auch nicht seinen ärmeren Rebenmenschen zu vergessen. Gott segne alle unsere Freunde und Feinde. Gott segne alle Verstorbenen. Gott segne alle unsere Hingeschiedenen Freunde, und be­ sonders die, welche wir dieses Jahr hindurch verloren haben. Er segne den alten Fürst Erzbischof, welcher auch dieses Jahr starb. Er segne den Schwarzenberg, welcher den Sieg erfocht, jetzt aber auch schon in Gott ruht, Gott gebe ihm auch den ewigen Sieg. Gott segne den alten Klemens Hoffbauer, manche Schwester dieses Klosters, er segne Alle, welche noch im Fegefeuer schmachten. Gott seane uns Alle in Ewigkeit. Amen.

Am ersten Sonntage nach der Erscheinung des Herrn. Text.

„Und es geschah, daß sie ihn nach drei Tagen mitten unter den Lehrern in dem Tempel siycn sanden, wo er sie anhörete und fragcte."

Luea?.

Ueber diese Worte unsers heutigen heiligen Evange­ liums will ich in Gegenwart meines Herrn und Erlösers predigen. Ich habe Euch bemerklich gemacht, wie schön und passend die Kirche die Evangelien mittheilte. Wir haben gesehen, wie die Kirche am Neujahrstage gerade das Evangelium von der Beschneidung des Herrn wählte, zum Zeichen,. daß wir unsere Sünden abwerfen und bes­ sere, frömmere Menschen werden sollen. Wir sahen gestern das Fest der Erscheinung des Herrn. Dieß war der Lag, wo den Heiden das Licht der Welt sollte ent­ decket werden, und sie gingen nach Bethlehem und brach-

22 Mehrstand, seinem Monarchen und Vaterlands treu zu bleiben, und dem Nährstand, auch nicht seinen ärmeren Rebenmenschen zu vergessen. Gott segne alle unsere Freunde und Feinde. Gott segne alle Verstorbenen. Gott segne alle unsere Hingeschiedenen Freunde, und be­ sonders die, welche wir dieses Jahr hindurch verloren haben. Er segne den alten Fürst Erzbischof, welcher auch dieses Jahr starb. Er segne den Schwarzenberg, welcher den Sieg erfocht, jetzt aber auch schon in Gott ruht, Gott gebe ihm auch den ewigen Sieg. Gott segne den alten Klemens Hoffbauer, manche Schwester dieses Klosters, er segne Alle, welche noch im Fegefeuer schmachten. Gott seane uns Alle in Ewigkeit. Amen.

Am ersten Sonntage nach der Erscheinung des Herrn. Text.

„Und es geschah, daß sie ihn nach drei Tagen mitten unter den Lehrern in dem Tempel siycn sanden, wo er sie anhörete und fragcte."

Luea?.

Ueber diese Worte unsers heutigen heiligen Evange­ liums will ich in Gegenwart meines Herrn und Erlösers predigen. Ich habe Euch bemerklich gemacht, wie schön und passend die Kirche die Evangelien mittheilte. Wir haben gesehen, wie die Kirche am Neujahrstage gerade das Evangelium von der Beschneidung des Herrn wählte, zum Zeichen,. daß wir unsere Sünden abwerfen und bes­ sere, frömmere Menschen werden sollen. Wir sahen gestern das Fest der Erscheinung des Herrn. Dieß war der Lag, wo den Heiden das Licht der Welt sollte ent­ decket werden, und sie gingen nach Bethlehem und brach-

23 feit daß Vornehmste, was sie hatten, zum Opfer, das Gold der Liebe, den Weihrauch der Andacht und die

Myrrhen der Entsagung. Auch sahen wir die Flucht .nach Egypten, und auch wieder die Rückkehr des Herrn nach Nazareth, und heute sehen wir den Herrn als ein zwölfjähriges Kind, oder vielmehr Knaben im Tempel. Es war Zufall, aber nein nicht Zufall, denn es gibt keinen Zufall, es war Schickung Gottes, daß heute hier

in diesem Tempel das allerheiligste Altarßsakrament aus­ gesetzt ist, und deßhalb wählte ich auch heute diese Worte zum Tevt: „Und es geschah, daß sie ihn mitten unter den Lehrern in dem Tempel sitzen fanden, wo er sie arrhörete und fragete." Ich will also heute vom heiligsten Altarssakramente sprechen und zwar ganz. einfaUiglich und schlicht, im ersten Theile.- Der Herre hört uns an, und im zweiten Theile: Er frügt uns aber auch. Du Anfänger und Wollender, Herr und Erlöser, Jesus Christus, der du dich von deiner Gottheit und Menschheit entkleidetest, mit) hier im allerheiligsten Al­ tarssakramente am Altare, in kleiner Brodsgestalt ver­ hüllet bist, uns aber anhörest und uns auch fragest, gebe uns die Gnade, daß wir uns würdig dir nähern und dich anbeten, damit wir dich auffindeu. Heilige Maria, Mutter Gottes, die du deinen Sohn verloren hast, aber am dritten Tage wieder in dem Tempel fandest, wir haben ihn auch verloren, suchen ihn auch drei Tage, ha­ ben ihn aber noch nicht gefunden, bitte für uns, heilige Maria, daß wir ihn auch finden. Bittet für uns alle, ihr Engel und Erzengel, die ihr um das Allerheiligste unsichtbar versammelt seyd und es aubetet. Alle ihr Heiligen, die ihr im Himmel versammelt auch in Anbe­ tung versunken seyd, und auch du, Ursula und Angela, Schätzerinnen dieses Tempels, bittet Alle für uns. Es war daß Gesetz bei den Juden, daß sie dreimal

24 des Jahres nach Jerusalem in den Tempel gehen mußten, nm dort Gott anzubeten. Das geschah an den drei größ­ ten Festtagen, nämlich: am Osterfeste, am jüdischen Pfingstfeste und am Lauberhüttenfeste. Es war aber nur die Pflicht der Manner. Wenn die Frauen mitgin­ gen , so war es ihr eigener guter Wille. Es verbanden sich auch viele Leute aus verschiedenen Gegenden und Ortschaften, um nach Jerusalem zu ziehen, so wie man z. D. bei uns nach Maria-Zell wallfahrtet. Joseph zog auch hin, es steht aber nur im Evangelium am Osterfeste, er zog vermuthlich nur einmal des Jahres hin, wegen der weiten Entfernung des Städtchens Nazareth von Jerusalem; denn es waren vier Tagereisen; Maria be­ gleitete ihren Mann und nahm Jesum, welcher zwölf Jahre alt war, mit. Als sie auf ihrer Rückreise Jesum vermißten, dachten sie, er sey bei ihren Verwandten und Bekannten. Er war aber nicht bei ihnen. Maria war besorgt, und nachdem sie schon eine Tagreise zurückgelegt hatten, reiseten sie wieder nach Jerusalem, und fanden Jesum vermuthlich am Ende des dritten Tages im Tempel mitten unter den Lehrern, wo er sie anhörte und fragte. Und als sie ihn sahen, verwunderten sie sich und Maria sprach: „Mein Sohn, warum hast du uns dieß gethan? Sieh, dein Vater und ich haben dich mit Schmerzen gesuchet." Maria nannte sich aus Demuth nach ihrem Maun. Und Jesus sprach zu ihnen: „War­ um habt ihr mich gesuchet. Wisset ihr denn nicht, daß ich mich mit Dingen, die meinen himmlischen Vater betreffen, beschäftigen muß?" Sie verstanden aber diese Worte nicht, und Maria behielt sie in ihrem Herzen. Sie wußte wohl, daß Jesus gekommen sey, die Men­ schen zu belehren und zu erlösen, aber Alles entdeckte ihr Gott noch nicht. Und Jesus kehrte mit ihnen nach Nazareth zurück, war seinen Aeltern untevthanig. Der

25 Herr war einem armen Zimmermanne/ der bloß fein Nährväter war, Unterthan. Nahm zu an Weisheit und Alter und Gnade vor Gott und den Menschen. Wie kann Gott selbst an Weisheit zunehmen? Er nahm nicht zu an Weisheit, sondern er entfaltete sie nur nach und rach, wie wir es sehen. Gerade so wie wenn die Sonne des Morgens aufgeht, so ist sie nur ein feuriger Funke, aber je höher und höher sie steigt, je lichter und lichter wird sie, bis sie endlich am Mittag in voller Pracht am Himmel steht und ihre Strahlen lieblich verbreitet. Wir haben den Herrn auch verloren und suchen ihn auch drei Lage. Der Abend des zweiten und längsten Tages und der Anfang des dritten ist der beste. Der erste Lag ist die Kindheit, wo man die Sünde noch nicht kennt, wo man immer nach dem Glänzenden und Blinkenden greift; denn die Kinder greifen nach allem Glänzenden und stellen sich dadurch schon Gottes Macht und Herrlichkeit vor; sie wollen die Sterne und die Sonne vom Himmel greifen, dieß ist der erste Tag, in welchem wir den Herrn suchen. Der zweite Tag, wo wiv ihn suchen, ist der, wo sich unser Verstand entwickelt, wo wir schon sündigen, und es-ist nicht zu kühn gesagt, wir suchen den Herrn auch mit der Sünde. Wir müssen aber nicht, wie der Stolze blos nach äußerem Lob, wie der Wollü­ stige den irdischen Gütern nachstreben, blos unsere Sinne auf irdische Gegenstände heften, oder wie der Geizige, unser Ohr vor dem Flehen unsers dürftigen Nebenmenschen verschließen. Und endlich der dritte Tag ist der­ jenige, wo der erste Funke der Gnade in uns fällt, wo wir unsere Nichtswürdigkeit an fangen zu erkennen, wo wir unsere Sündhaftigkeit und Lieblosigkeit einsehen. Die ersten zwei Tage haben wir Alle erlebt, wenige schuldlose Kinder, welche sich vielleicht unter uns be­ finden, ausgenommen. Wer den dritten Tag verschleu-

26 bett, wer, in den schon em Funke der Gnade siel, dem Herrn sein Herz wieder verschließt, der wird ihn nicht mehr finden. Der Herr ist aber jetzt auch in dem Tem­ pel. Er ist unter katholischen Lehrern im katholischen Tempel. Es war ihm nicht genug ein Kindelein zu werden, das im Stalle fror, es war ihm nicht genug, als Missethäter am Kreuze zu sterben, er entkleidete sich seiner Gottheit, so wie auch seiner Menschheit, und wollte in einem kleinen Stückchen Brod beinahe schon 2000 Jahre im allerheiligften Altarssakramente bei uns seyn, und wird immer bis ans Ende der Tage bei uns seyn. Hier ist er, nachdem er uns schon erlöset hat, schon den Kreuzestod gestorben. Da wird und wurde er von fielen verspottet und mit Füßen getreten. Und dennoch hört er uns an. Was hörst du denn, mein Herr Jesus? Dein Gebet, das Vaterunser? Oder den englischen Gruß? Oder andere Gebete aus Büchern, welche dir gedankenlos hergeplappert werden? Ja, du hörst sie auch an, aber du hörst unsere Gedanken, auch die verborgensten, du hörst unser Herz an. Wir können ja, mein Herr Jesus, nicht einmal beten: Dein Wille geschehe. Geheiliget werde dein Name. Wir können nicht immer beten, wie du am Oelberge zu deinem himmlischen Water'betetest: ,/Vater! wenn es möglich ist, so nimm diesen Kelch von mir, jedoch nicht mein, sondern dein Wille geschehe." Dieß können die seligen Geister, die Engel und Heiligen beten. Wir arme Sün­ der müssen noch beten: Gieb uns heute unser tägliches Brod. Wir müssen noch beten: Führe uns nicht in Versuchung. Und endlich müssen wir noch beten: Erlöse uns von allem Uebel. müssen noch um Nahrung und Kleidung bitten. Eine arme Witwe oderein armer Mann, der ein Häuflein Kinder hat, wird um tägliches Brod bitten. Es giebt aber auch ein Brod für das Hetz

27 und dieses Brod ist die Liebe, das bist du, o Herr Jesuö. Du hörst also unser Herz an. Wenn ein Sünder, der zwar seine Sünden noch nicht, bereuet hat, sich auf die Stufen Deines Altars hinwirft und spricht: Ja Herr, ich habe gesündigt, ich sehe es ein, ich bin nicht werth, vor Dir zu erscheinen, habe dich beleidiget, habe dich verloren, meine Sünden sind zentnerschwer, ich kann sie keinem Menschen bekennen, ich muß mich schämen. Aber o Herr, gebe mir die Gnade, daß ich sie erkennen und recht bereuen möge, gebe, daß ich dich wieder finde. Der Herr hört es an und nicht vergebens. Und hatte er Sünden wie Sand am Meere, wenn er sie recht aus Grund des Herzens bereuet und sich bessert, so werden sie ihm vergeben werden. Denn Gott ist ja höchst barmherzig. Und über einen Sünder, der sich bekehrt, ist im Himmel mehr Freude als über neunundneunzig Gerechte. Wenn sich, ein zaghafter Christ, eine trostlose Christin vor das heiligste Altarssakrament wirft und spricht: Herr, ich gehe überall herum, zu deinen Priestern und Lehrern, finde aber nirgends Trosts es sind blos Worte. Ich lese in allen Büchern, lese dein Evangelium, verstehe es nicht, finde aber auch keinen Trost. O Herr! gieße nur einen Strahl deines Trostes, deiner Gnade, deiner Liebe in mein trostloses HerzDer Herr wird es anhören und nicht vergebens. Wenn Einer, der nie geglaubet hat, sich zu dir hinwirft und sagt: Herr! die Leute sagen, du bist Gott, ich will es ihnen also glauben, lehre du es mich selbst, daß du Gott bist, lehre mich glauben, hoffen, lieben. Und er wird nicht vergebens bitten. Wenn ein Christ oder eine Christin, welche glaubt, der Herr ist nicht bei ihr, sich vor den Herrn wirft und spricht/ O Herr! ich habe dich verloren, du bist fern von mir, Du hast mich verlassen, mein Herz ist leer, kalt,

todt, du kannst nicht in meinem Herzen bei dieser EiS-

28 kalte, Leere und Erstarrung seyn. Ach Herr! komm' wieder zu mir, erfülle mein Herz, ehe es gänzlich er­ starret. Ich habe es erst vom Rande der Hölle entfernt und falle schon wieder. Und der Christ und die Christin, welche so vor dem allerheiligsten Altarssakrament stehen, höret der Herr und sie bitten.nicht vergebens. Und die größten Heiligen sagen, das merkt Euch, je leerer, wüster, kälter das Herz ist, da ist der Herr gewiß, wenigstens im Anzüge, da fangt der Weg zu unserem Heile an. Der Herr ist aber noch verborgen. Das sagen die größten Heiligen. Also der Herr höret unser Bitten und Flehen an; er fragt uns aber auch, davon im zweiten Theile. Der Herr-frägt uns aber auch, er erhebt nicht gleich sein Haupt, wie bei Lazarus Grabe und spricht: „La­ zarus stehe auf!" sondern er fragt uns erst, ehe er seinen Gttgdenstrahl über uns verbreitet. Er frägt nämlich: „Habe ich dich erschaffen? Habe ich dich aus dem Nichts erschaffen? Habe ich dich.erschaffen gemußt?" Das-ist viel. Nein, was ist für die Liebe zu viel? „Bin ich wegen dir ein Kind geworden? Habe ich dich bekehret? Bin ich wegen dir gegeißelt und mit Dornen gekrönt worden? Bin ich für dich am Kreuze gestorben?" Ist das nicht viel.? Nein!, was ist für die Liebe zu viel? „Habe ich dich erlöset? Habe ich dich erlösen gemußt? Hatte ich nicht nur ein Sßoct sprechen können?" Das ist doch gewiß viel? Nein! für di.e Liebe ist ja nichts zu viel, nichts zu groß. „Habe ich nicht jeden Tag dei­ nes Lebens gezahlt? Habe ich nicht deine Haare gezahlt? Bin ich nicht barmherzig? Kannst du so viel sündigen, als ich vergeben? Bin ich nicht immer bei dir?" Und wenn dann der Christ und die Christin spricht: Ja Herr, wie kannst du denn bei mir seyn, mein Herz ist ja wüst, leer, kalt und todt. Und dann wird der Herr wieder

29 fragen: „ Mußt du nicht glauben? Mußt du nicht ge­ duldig seyn? Mußte ich nicht geduldig seyn? Brannte ich nicht vom ersten Augenblicke an, wo die ersten Men­ schen fielen, euch zu erlösen, ein Kind zu werden, euch za belehren und für euch zu sterben? Mußte ich nicht warten, bis die Zeit gekommen ist, die voraußgesagt wurde, wo ich geboren werden sollte? Mußte ich nicht lange 33 Jahre leben, ohne noch die Menschen erlöset zu haben?" Erst müssen wir Geduld haben, ehe der Herr zu uns kömmt. Er ist zwar immer bei uns, ehe er sich uns offenbaret. Er mußte auch lange warten, ehe er sein Erlösungswerk vollbringen konnte, und auch erst zu der Zeit, wo es von den Propheten geweißagt wurde. Er mußte seine Verfolger und Feinde fliehen, die ihn steinigen wollten, um den Kreuzestod zu sterben. Also wir müssen geduldig seyn. "Dann sagt der Herr: Bringet mir das Gold euerer Vernunft, denn die Ver­ nunft ist nach der Liebe das Größte, nur muß sie der Liebe unterthünig seyn, den Weihrauch der Andacht und endlich die bitteren Myrrhen der Entsagung zum Opfer. Und dieses müssen wir Alle thun. Dann wird unö der Friede, von dem die Engel bei der Geburt des Herrn verkündigten, indem sie sangen: „Ehre sey Gott in der Höhe, und Friede den Menschen auf Erden, die eines guten Willens sind." Also auf Erden wird uns schon Frieden, wenn wir eines guten Willens sind, und alles dasjenige, was wir dem Herrn zum Opfer bringen, wird uns tausendfältig bezahlet werden. Also, o Herr Jesu, ver du hier verborgen «bist, gebe uns den Frieden hier auf Erden schon, und dann erst den ewigen Frieden. Und diesen Frieden gebe er uns und allen Menschen, die eines guten Willens sind. Amen 1 '

30 Am zweiten Sonntage nach der Erscheinung des Herrn. Lcrt.

„Zn der Zeit ward eine Hochzeit zu Kana in Galiläa gehalten, wobei die Mutter Zesu sich cinfand'. Jesus und seine Jünger wurden mit zur Hochzeit geladen. Zohcmnes 2, Vers 1. 2.

Wenn ein Kaiser oder ein König einen seiner Beam­

ten in eine Provinz schickt, um dort seine Stelle zu ver­ treten, so muß er ihm Gold, Silber, Ehre und Ansehen geben. Wenn der Beamte auch in seinem Innern den Kaiser oder König nicht liebt, aber seine Pflicht thut, so ist es genug. Er muß aber, um in der Provinz den König vorzustellen, wie ich schon sagte, Gold, Silber, Schutz und Ansehen haben, sonst kann er es nicht. Als einst die heiligen Apostel Petrus und Paulus gingen, fanden sie am Wege einen Lahmen, welcher sie anbettelre. Der heilige Petrus sagte zu dem Lahmen: „Sieh' mich an." Und dieser dachte, daß er Geld be­ käme, und dann sprach der Apostel: „Stehe auf und wandele." Dieses Wunderwerk machte Aufsehen unv die Apostel wurden vor Gericht gezogen, und da sprach Petrus, der Felsen der Kirche: „Was sehet ihr uns an, ich habe keine Schatze und kein Geld, that aber dieses Wunder durch die Kraft desjenigen, welchen ihr gekreuzigec habet, welcher aber auferstanden ist, durch Jesum Christum." Wir brauchen aber, um unsere Pflicht zu thun, nicht Gold, Silber und Schatze wie der Beamte; aber wir brauchen die Kraft Jesu Christi. Ich habe aus verschiedenen Gründen dieses Evangelium gewählt. Ein Grund, warum ich dieses wählte, ist, weil ich schon am Neujahrstage über das Evangelium vom Namen Jesu predigte. Jetzt will ich aber unter­ suchen, und zwar im ersten Theil: Die Bedeutung des Namens Jesu und seiner Gnade. Und im zweiten Theile:

31 Wie wir handeln müssen, wenn wir im Namen Jesu handeln wollen. Du aber, Herr Jesu! der du die Lahmen gehend, die Lauben hörend, die Blinden sehend und die Todten lebend machst, der du von allen Geschöpfen im Himmel, auf Erden und unter der, Erde an gebetet und verehret wirst, gebe uns die Gnade, daß wir dich recht erkennen, daß wir immer in deinem Namen, vor welchem sich alle Kniee beugen müssen, wandeln und Alles wegen dir thun. Heilige Maria, Mutter Gottes, du siehst, daß es bei uns auch an Mein mangelt, bitte für uns, daß sich unsere Wasserthranen in köstlichen Wein verwandeln mögen. Schutzheilige dieses Tempels, heilige Ursula und Angela, alle Heiligen Gottes, bittet für uns. Ich habe Euch in der Einleitung gezeigt, daß, wenn der Beamte auch den König in seinem Herzen nicht liebt, er doch seine Pflicht thun kann. So ist es auch bei einem Soldaten, welcher angeworben ist, seinen Monarchen aber nicht liebt, und ungern Soldat ist, wenn er aber-brav, tapfer, wacker ist und seine Pflichten erfüllt, so kann man nicht mehr begehren. Wir Christen brauchen aber kein Gold und Silber, aber wir brauchen Kraft von Jesum Christum, wir müssen ihn lieben. Der Herr wirkte sein erstes Wunder bei einer Hochzeit, weil er selbst eine dreifache Hochzeit haltet: das sage nicht ich, sondern der große Kirchenlehrer, der heilige Augustinus. Diese dreifache Hochzeit des Herrn ist: als er auf die Welt kam, vermahlte er sich mit der Menschheit, dann als er am Kreuze für der Welt Sünden starb, vermahlte er sich mit seiner Kirche, und endlich will er sich mit uns Allen vermahlen, wir Alle sind Braute des Herrn. Kana heißt Eifer, Nacheiferung, Nachstrebeu. Jesus war mit seinen Jüngern und seiner Mutter auch auf dieser Hochzeit, und als es am Weine gebrach, sagte

32 seine Mutter zu ihm: ,;Sie haben keinen Wein." Und Jesus sprach zu ihr: ,,Weib, was habe ich mit dir zu thun, meine Stunde ist noch nicht gekommen." Der milde Jesus sagte zu seiner göttlichen Mutter: Weib! was habe ich mit dir zu thun, dieß war blos eine Prü­ fung, er wollte nur seine göttliche Mutter prüfen, setzte aber hinzu: „Meine Stunde ist noch nicht gekommen." Gott prüfet uns auch, aber wie ? Wenn ich einen Du­ katen prüfen will, so lege ich ihn auf eine Goldwaage, nm zu sehen, ob er das gehörige Gewicht hat. Ich kann ihn aber auch auf eine andere Art prüfen, nämlich ich lege ihn in6 Feuer, um ihn von allen Schlacken zu reinigen. Gott braucht uns nicht zu prüfen, er weiß so, wie wir sind. Seine Prüfungen sind: Leiden, Un­ glück, Trübsal, Verfolgungen, Versuchung. Dadurch erzieht er uns zum Guten, erzieht uns strenge, aber mit Nutzen. Es ist ein Glück, welcher Leiden, Ver­ folgung, Schmerzen leidet, und ein Unglück, wenn man nichts leidet. Diejenigen, welche Gott liebt, prüft er, und prüft sie strenge, um zu sehen, ob,wir ihn lieben und treu bleiben bis ans Ende. Wenn wir ihn aber lieben, so will er eß auch von unsern Lippen hören; denn der Herr fragte den heiligen Petrus: „ Simon Johanna liebst du mich? Weide meine Lämmer. Simon Johanna Liebst du mich? Weide meine Schafe", und endlich rief der Herr noch einmal: „Simon Johanna liebst du mich?" Also prüft uns der Herr, so wie er seine göttliche Mutter

prüfte. „Alles,

Seine Mutter aber sprach zu den Dienern: was er euch sagen wird, daß thuet." 'Wir

müssen Alles thun , was uns der Herr sagt und gebietet, wir müssen uns aber auch an die selige Jungfrau Maria wenden und sie bitten, sie möge für uns bitten, unv wer auf sie vertrauet und immer zu ihr inbrünstig betet, der wird nicht verloren gehen, denn was sie den Herrn

33 bittet, geschieht, er schlagt uns nichts ab. Es waren aber daselbst steinerne Wasserkrüge, und diese gebot Jesus zu füllen und dann sprach er: „Schöpfet nun davon und bringet es dem Speisemeister. < Und als der Speisemeister das zu Wein gewordene Wasser kostete, rief er den Bräutigam und sprach: „Jedermann setzet zuerst den guten Wein vor, und wenn man trunken ist, so setzet er den geringen auf." Ja das geschieht aller.« dings in der Welt. Anfangs gibt sie uns den guten Wein, dann aber, wenn wir trumken sind wie das Vieh, so gibt sie uns unlauteres Wasser, Trebern mit Wasser vermischt. Denn die Welt verspricht uns sehr viel, näm­ lich Ergötzlichkeiten und Belustigungen. Wenn wir aber davon ganz trunken sind, so laßt sie uns im Stich, gibt uns dann Wasser mit Galle vermischt, gibt uns die Pistole, das Messer, den Strick. Warum erlebten wir vorige Woche so viele Selbstmorde?. Aus Vergessenheit Gottes, wenn man Gott nicht vor Augen hat. Wenn wir wahre Christen waren, so sollte ein einziger solcher Selbstmord in einer Stadt, wo so viel gepredigt wird, ein Bußtag seyn. Aber das iss gar nicht der Fall, die Leute sagen vielmehr: gestern hat sich einer den Hals abgeschnitten, vorgestern hat sich einer aufgehangen, eS ist Hypochondrie, Melancholie, Schwermuth. Es kann wohl bei manchen dieser unglücklichen Menschen Krankheit seyn und diesen wird vielleicht Gott barmherzig seyn. Aber wenn sich einer mit voller Geistesgegenwart ganz ruhig und vorsätzlich ums Leben bringt, dieser ist ver­ muthlich ewig verdammt, sedoch ich will nicht richten. Also dieß ist zuweilen der Wein, welchen uns die Welt reicht. Sie sagt: warum sich in klösterliche Mauern sperren und nicht die Welt genießen. Es ist wohl ganz recht gesagt, wir können rms belustigen, ergötzen, jedoch müssen wir nicht ausarten, und wenn man ein angenehLcrncrö Prcdigrcn

I.

3

34 mer Gesellschafter seyn will, so muß man über das aller­ heiligste Altarssakrament und über die Kirche und Re­ ligion lachen. Wir ^bekommen also von der Welt dann schlechten Wein. Jedoch wir müssen Alles und wenn cd eine Kleinigkeit ist, im Namen Jesu thun und Alles im Namen Jesu leiden, unsere Leiden und Nerfolgungen gerne tragen und aus Liebe zu Jesum Christum. Wir haben nicht blos Märtyrer, welche gesteinigt, ge­ köpft und gemartert waren, aber auch solche, welche von ihren Leiden und Gram langsam getödtet wurden, und denen eben dann die Martyrerkrone gereicht wurde. Gott gibt uns also erst den schlechten Wein und dann den guten, von welchem wir niemals genug haben kön­ nen. Wir müssen auch den Wein unserem Speisemeister bringen, nämlich unserem Gewissen, und dieses wird uns sagen, ob er gut oder schlecht ist. Jede gute That bringt uns der Lügend naher, jedes inbrünstige Gebet, jede aufrichtige und reumüthige Beichte, jede Thräne, die ich trockne, jede Thräne, die ich einem verstockt?:: Herzen auspresse, indem ich ihm zudonnre, jedes Glas Wasser, was ich einem Durstenden reiche, aber aus Liebe zu Jesu Christo und jn seinem Namen muß es geschehen. Dann werden wir der Seligkeit immer naher kommen, und was ist Seligkeit? Seligkeit ist freie Liebe! Hier ist unsere Liebe noch tu der Bande , wir lieben zwar, aber noch nicht frei, wir lieben jeden Tag unseres Lebens, wir suchen überall Lfehe, finden sie aber nicht. Wenn wir aber wirklich nur Jesum Christum lieben, so wer­ den wir wünschen, schon aus diesem Kerker zu kommen, in welchem wir noch gefesselt sind, um dann frei lieben zu können. Wir müssen trachten, nicht Kinder der Magd, sondern Kinder der Freien zu werden. Wenn ich nicht Alles aus Liebe zu Jesum Christum und in sei­ nem Namen thue, so bin ich ein tönendes Erz und eine

35 klingende Schelle.

Also nur Alles im Namen Jesu thun,

so werden wir Alle unsere Pflichten, erfüllen. Ich will Euch nur Liebe lernen, denn wenn ich Euch Allen Euere Pflichten von der Kanzel sagen sollte, da müßte ich alle Lage und Sonntage nur davon sprechen, und ich kenne ja nicht Euere Verhältnisse und spreche ja nicht zu Kin­ dern, sondern zu Männern und Frauen, welche in der Religion gebildet und unterrichtet sind. Wenn wir Alles im Namen Jesu und aus Liebe zu ihm thun werden, so wird es uns leicht werden, unsere Pflichten zu erfüllen, so wird uns nichts schwer werden. Dann wird uns schwer werden zu sündigen, und wer es bis dahin ge­ bracht hat, der nehme sich in Acht, daß er nicht falle. Wie müssen wir aber handeln, wenn wir im Namen Jesu handeln? Davon im zweiten Theil. Ich habe Euch schon durch das Gleichniß von dem Dehnten und Soldaten gezeigt, daß diese ihre Pflichten gehörig erfüllen können, ohne ihr Oberhaupt zu lieben. Dieß ist bei uns Christen, die wir durch Jesum Christum erlöset und hn Namen des Vaters, SohneS und heiligen Geistes getaufet sind, nicht. Wir können unsere Pflich­ ten nicht erfüllen ohne Liebe zu Jesum Christum. An­ fangs ist uns zwar sein Name nur ein Ton, ein Schall, ein Klang, und auch manchmal ein unangenehmer, aber je öfter wir ihn nennen, je angenehmer wird er, je mehr werden wir ihn lieben, bis er endlich unser Herz ganz erfüllt. Eine Braut, deren geliebter Bräutigam lange Zeit von ihr entfernt ist, wird immer seiner gedenken, sein Name wir ihr Herz erfüllen. Sie wird mit Sehn­ sucht auf die Stunde warten, wo sie am Altare durch das Sakrament der Ehe mit ihm unzertrennlich verbun­ den wird. Bei einer großen Belustigung wird sie sich nicht zu sehr erfreuen, und bei einer Trauer nicht.zu sehr betrüben, denn der Gedanke an ihren Bräutigam erfüllt

3 *

36 ihre Seele. Und wenn er kömmt, so wird sie sich schmü­ cken und vor den Spiegel treten, um ihm dann geschmückt entgegeneilen zu können, um ihm zu gefallen und sein Herz an sich zu ziehen. Wir sind Alle Braute des Seelenbräutigams Jesus Christus. Wir müssen uns auch schmücken, mit Tugenden aber, damit, wenn der Herr kömmt, er Wohlgefallen an uns hat. Wir müssen uns schmücken wie die zehn Jungfrauen, Ihr kennet ja das Evangelium von den fünf Weisen und den fünf Thö­

richten, damit, wenn es um Mitternacht erschallt: Auf! der Bräutigam kömmt! wir bereit sind. (£6 ist freilich Lei uns noch nicht Mittag, aber die Mitternacht kann bald kommen. Denn der Herr kömmt wie ein Dieb in der Nacht. Hatten sich diese, welche sich vorige Woche ermordeten, eher geschmückt, denn vor acht Lagen dach­ ten sie vielleicht noch nicht, daß bald die letzte Stunde ihres Lebens da seyn würde, und als die größte Ver­ zweiflung kam, gerufen hatten: Jesu Maria! Jesu Maria! sie würden nicht verloren gegangen seyn. Wir müssen also immer bereit seyn, damit, wenn es Mitter­ nacht wird, wir nicht zittern. Wir müssen nicht nur die mosaischen Gesetze erfüllen, und wie werden die zehn Ge­ bote Gottes gehalten? Du sollst nicht stehlen, legen die Leute so aus: Du mußt es nicht grob, nicht plump, nicht sichtbar anstellen, daß du nicht durch die Polizei bestraft werdest. Du sollst nicht tödten. Das sehen wir bei den Begräbnissen, die Leidtragenden, die Frau Gemahlin, die Fräulein Tochter, der Herr Sohn haben den Ver­ storbenen freilich nicht mit dem Messer umgebracht, aber so lange gekränkt, geärgert und gequält, bis er starb. Wie wird das Gebot: Du sollst nicht falsches Zeugniß wider deinen Nächsten geben, erfüllt? In den meisten Gesellschaften, wenn man angenehm unterhalten will, so muß man die Ehre seines weit besseren Nächsten ab.

37 schneiden. So werden die zehn Gebote Gottes erfüllt. Wir müssen, wenn wir im Namen Jesu handeln wollen, Alles aus Liebe zu ihm erfüllen. Im Anfänge wird es uns wohl schwer werden, jedoch nach und nach müssen wir es lernen. Wenn jemand tanzen lernet, so muß er erst die fünf Positionen lernen, und sich drehen und wenden, er wird wohl im Anfang ungeschickt aussehrn. Wenn man aber einen Balletmeister ranzen sieht, der alle Wendungen und Touren mit Leichtigkeit macht, so ist eß ein Vergnügen, ihm zuzusehen. So ist es auch mit uns, im Anfänge wird es uns schwer werden, Alles im Namen I^su und aus Liebe zu ihm zu thun. Wir müssen aber mit Kleinem anfangen, jedes Opfer, was ich ihm im Verborgenen bringe, macht dem Herrn Wohl­ gefallen. Wenn ich aber das Größte thue und aus Stolz, so mißfallt es dem Herrn. Wenn einer den MärtyrerTod stürbe, was doch das Grüßte ist, und thut es nicht aus wahrer Liebe zu Gott, sondern aus Stolz, so ist er kein Märtyrer, sondern ein Frevler. Also nur Alles thun im Namen Jesu und aus Liebe zu ihm. Du aber, o Herr Jesu! der du uns Allen eine Hoch­ zeit bereitet hast, nämlich mit dir, o Seelenbrautigam, der du. Allen die ewige Seligkeit bereitet hast, die Su­ chenden werden dich finden, die Zagenden werden ge­ tröstet werden, die nach dir Hungernden und Durstenden wirst du sättigen, und was hast du erst denen bereitet, welche dich finden. Gebe uns aber, o Jesu! deinen Segen nnd deine Gnade. Unt> diesen Segen gebe er uns Allen, nun will ich Euch segnen, im Nanren des Herrn. Amen!

38 Am dritten Sonntage nach der Erscheinung des Herrn. Text.

„Ich will, sey run!"

Mattb. 8, Vers 3.

Als der Herr Mensch wurde, sangen die Engel: „Ehre sey Gott in der Höhe und Friede den Menschen auf Erden, die eines guten Willens sind." Diese sehr bedeutungs­ vollen Worte sangen die Engel. Was ist für Gott eine Ehre? Für Gott ist dieß eine Ehre, daß er sich erniedrigen wollte, ein Mensch zu werden, nur die Menschen zu erlö­ sen, und was ist der Friede des Menschen? Der Friede des Menschen ist der Glaube. Also wenn wir Friede haben wollen, so müssen wir eines guten Willens seyn. Um aber diesen zu erhalten, müssen wir glauben. Ich will auch heute vom Glauben handeln. Erster Theil: Wie kommen wir zum Glauben, wie wird er in uns er­ zeugt? Zweiter Theil: Was bewirkt der Glaube in uns? Ich will also im ersten Theile untersuchen die Erzeugung des Glaubens in uns, und im zweiten, was der Glaube in uns bewirke. Jesus Christus!-Anfang und Ende, lehre bit uns selbst den wahren Glauben, ohne welchen keine Hoffnung, keine Liebe, kein guter Wille ist. Stehe uns bei und besonders mir in meiner heutigen Schwachheit. Heilige Maria, Mutter Gottes! bitte für uns, daß wir den Glauben recht erkennen. Schutzheilige dieses Tages, hei­ lige Agnes, dreizehnjährige Jungfrau und eine der größ­ ten Märtyrinnen und Blutzeugen Jesu Christi, bitte für uns, daß wir auch den Glauben so erkennen, wie du ihn schon in deinem dreizehnten Jahre erkannt hast, und dein Blut für den Herrn vergossen hast. Heilige Ursula und Angela, Schützerinnen dieses Tempels, alle Heiligen Gottes, bittet für uns.

Ich will also heute Len Glauben untersuchen, und

39 dazu leistet mir das heutige Evangelium gute Dienste. Nachdem der Herr seine Bergpredigt vollendet hatte, ging er herab und es kam ein Aussätziger zu shm. Ich habe Euch schon mehrere Male erklärt, was der Aussatz sey. Es ist nämlich eine Krankheit, welche im Morgen­ lande und mehreren andern heißen Ländern herrschte und noch herrscht, welche ungefähr wie der Krebs sich immer weiter verbreitet und sehr ansteckend ist, so daß sich ein Aussätziger von aller menschlichen Gesellschaft trennen mußte, und eines entsetzlichen Todes starb, wenn man ihm nicht Mittel rieth. Wir Alle sind mit dem .Aussätze befallen, freilich nicht am Körper, jedoch die Seele mit dem Aussätze der Sünden. Der Aussätzige ging zum Herrn, betete ihn an und sprach: Herr', wenn du willst, kannst du mich reinigen. Und der Herr streckte seine Hand aus, berührte ihn und sprach: „Ich will, sey rein!" Und der Aussätzige ward rein. Dann sprach aber der Herr: „Hab Acht, daß du es niemanden sagest, sondern geh hin und stelle dich per dem Priester, bring' das Opfer, welches Moses befohlen hat,, zum Zeng.nisse." Die Aussätzigen mußten sich damals den Prie­ stern zeigen, welche bestimmten, ob er rein ist oder nicht. Also wir Alle sind mit dem Aussatze an der Seele be­ haftet. Wir müssen aber auch glauben, so wie der Aus­ sätzige geglaubet hat, um rein zu werden. Was gehört aber znm Glauben? Ein doppelter Witte und der ist: daß wir uns ernstlich vornehmen, Alles zu glauben, und zweitens auf Gott dabei vertrauen und dem Glauben ein Opfer bringen. Steht uns Gott immer bei? Ja! Will er, daß wir glauben sollen? Ja! Und warum gibt es Leute, welche nicht glauben? Weil sie nur Alles für einen todten Buchstaben, weil sie das: „Ehre sey Gott in der Höhe und Friede den Menschen auf Erden, die eines guten Wittens sind", auch nur für einen todten

40 Buchstaben betrachten.

Wenn man eiw Gedicht liest oder

selbst dichtet, so wird man sehen, wie Mangelhaft es ist, was aber Gott sagt, oder vielmehr die Engel singen, das ist höchst vollkommen, da ist ein jedes Wort sehr bedentungvoll. In diesem „Ehre sey Gott in der Höhe und Friede den Menschen auf Erden, die eines guten Willens sind" ist der ganze Glaube enthalten. Aber ivir wollen mit unserer gebrechlichen Vernunft, welche weder den Lod begreift, welche nicht begreift, wie wir mit den Augen sehen, das Göttliche verstehen und ergründen. Aber deßhalb können und müssen wir doch Alles glauben, was uns die heilige Schrift und die Kirche lehrt. Wenn wir nicht glauben, können wir nicht lieben und auch nicht hoffen, denn unsere Hoffnung wäre eitel. Da sagt tin Dichter recht schön und wahr: „Wenn ich nicht hab' den Glauben und die Liebe, Wo wäre dann die Hoffnung / die mir bliebe?"

Denn wenn ich nicht glaube, so kann und nicht lieben. Wenn einer auftrate, lieht, und sagt: Ich verstehe, was ich 'warum ich liebe; so sage ich ihm: es

ich nicht hoffen welcher irdisch liebe, ich weiß, ist nicht wahr.

Es kann aber keinem auftreten und mich Lügen strafen. Es können aber alle Menschen glauben, keiner ausge­ nommen. Man hört manchmal die^elende Klage: Ich möchte gerne glauben, wenn ich nur könnte, llnd manche eingebildeten Weisen oder Aftergelehrten sagen: Ich be­ neide dieses oder jenes alte Mütterchen um ihren Glau­ ben; so sage ich ihm: du Lügner! du Thor, du darfst keinen beneiden, denn du kannst auch glauben, wenn du nur willst, du willst es aber nicht, denn du mußt dem Glauben ein Opfer bringen und das kannst du nicht, bil­ dest du dir ein, du mußt es aber, sonst kannst du freilich nicht glauben. Dieses blos für diejenigen, welche sich so beklagen. Alle Menschen können also glauben, keiner

41 ausgenommen/ auch der Ruchloseste; denn Gott der Herr steht Allen bei, er liebt alle Menschen, ja sogar den Ruchlosesten liebt er noch. Denn er hat ihn noch nicht verworfen, er lebt noch, er wandelt noch in dem Lichte der Sonne. Gottes Liebe hat ja keine Grenzen. Die irdische Liebe, und sey es die reinste, ist nichts gegen Gottes unendliche Liebe, es ist gerade so als eins dieser Kerzchenflämmchen gegen das herrliche Sonnenlicht. Aber wenn wir glauben wollen, so müssen wir dem Glauben ein Opfer bringen, und was ist dieses Opfer? das merkt Euch, unsere Lieblingßsünde, welche in unserem inner­ sten, verborgensten Theile unseres Herzens eingewurzelt ist. Eß gibt Leute, welche Alles glauben wollen, ja noch mehr, aber diese ihre Lieblingssünde lassen, nein sie können es nicht. Der Wollüstige will Alles unter die Armen vertheilen, sein ganzes Vermögen, aber den Hang zur Wollust will er nicht lassen. Der Geizige will glau­ ben, will seinem Nächsten in Allem helfen, aber nur mit fünf Gulden nicht, das ist ihm unmöglich. DaS gallsüchtige Weib, es glaubt Alles, es plappert täglich eine Menge Gebete her, lauft alle Augenblicke zur Beichte, sie will aber Alles lieber thun, als ihrer Fein­ din verzeihen, sie lieben, sie will lieber barfuß nach Jerusalem gehen, nur nicht ihrer Feindin verzeihen. Ein Mädchen, welche einige Talente besitzt, welche ver­ nünftig ist, welche mehrere elende Romanchen und Ko­ mödien gelesen hat, die diejenigen, welche sie schrieben, vielleicht selbst nicht wußten und verstanden, was sie schrieben, welche vielleicht ein Bischen hübsch ist, welche von Gott ein wenig ausgezeichnet ist, welcher man es gesagt hat, und sie es weiß, daß sie Talente hat, daß sie reizend ist, wird eS unmöglich unterdrücken können, blos sich für gebildet, vernünftig und schön zu halten, diesen Gedanken wird sie imräer mit sich tragen, und

42 diesen Stolz zu unterdrücken, wird ihr einmal ganz un­ möglich seyn. Also es ist schlechterdings unmöglich/ recht lebendig zu glauben, ohne dem Glauben diese un­ sere Lieblings-.,u.N.d. .Gewohnheitsfluche,, als Zorn, Neid, Stolz, Hoffart, Groll, Haß, Wollust, Habsucht, Geiz, rch weiß nicht welche Namen sie alle haben, zum Opfer ?u bringen. Was macht es aber, daß wir dieses Opfer so ungern bringen? Weil wir immer bald Gott, bald unserem Feind anhangen, weil wir immer ein Gemisch mit Gott und unserem Urfeind machen. Warum will ich denn unseren Feind nicht nennen? Weil wir bald Gott und bald dem Teufel dienen. Mir müssen Gott dem Herrn des Lebens und des Todes allein dienen, bei Gott ist keiy Tag und keine Nacht, kein Aufgang und Niedergang der Sonne, kein Licht und keine Finsterniß. Wenn wir dem Glauben dieses Opfer nicht bringen dürf­ ten, würden wir auch statt drei göttliche Personen zehn glauben. Aber dieses Opfer müssen wir ihm bringen, wenn wir glauben gelernt haben, dann können wir hoffen und unsere Hoffnung wird nicht eitel seyn, und dann werden wir auch lieben. Wir müssen uns aber zum Herrn wenden und sprechen: Herr! wenn du willst, so kannst du mich reinigen, und der Herr wird sagen: Ich. will, sey rein. Der Herr will, wir Alle sotten rein werden. Aber glauben, hoffen, lieben müssen wir. Was erzeugt aber der Glaube in uns? Davon im zwei­ ten Theil. Es kam ein Hauptmann aus Kapernaum zu dem Herrn und sprach: Herr! mein Knecht liegt zu Hause art der Gicht und leidet große Qual. Wir liegen auch Alle an der Gicht und können uns nicht rühren, unsere Seele ist mit der Gicht behaftet und vermag sich nicht zu regen. Dann sprach drr Herr zum Hauptmann: „ Ich werde kommen und ihn gesund machen." Der Haupt-

43 manu hingegen antwortete: „Herr - ich bin nicht würdig, daß du eingehst in mein Haus, sondern sprich nur em Wort, so wird mein Knecht gesund werden." Und als dieß Jesus hörte, sprach er: „Wahrlich, einen so gro­ ßen Glauben habe^ ich in Israel noch nicht gefunden. Ein schönes Beispiel des Glaubens und der Liebe gibt uns aber auch die heilige Agnes, deren Fest wir heute feiern. Diese Heilige, welche eine der größesten ist, sollte in ihrem dreizehnten Jahre an einen irdischen Bräu­ tigam vermählt werden, und sie sagte: „Ich habe den Seelenbräutigam gefunden, wenn ich ihm anhange, so bleibe ich keusch, wenn ich ihn berühre, so bin ich rein, wenn ich ihn umklammre,. so ist er mein." Und nach­ dem sie diese Worte sprach: führte man sie zum Tode. Es war kein Theil ihres Körpers, der nicht mit Wunden bedeckt war, und der heilige Ambrosius sagt, welcher einer der größesten ist: Ihr Leib war nicht groß genug, um alle Wunden zu fassen. Und der Scherge, welcher ihr das Haupt abschlagen sollte, bebte und zitterte , sie aber nicht. Der heilige Ambrosius, welcher nicht genug Worte findet, um ihr lobzusingen, sagt: Ehe sie den Tod noch kannte, hatte sie ihn schon überwunden. Wenn, wir diese große Märtyrin um ihren Glauben dürften beneiden.- Wir dürfen es aber nicht. Wir müssen nur dieses heilige Kind um ihre Fürbitte bitten. Die dreizehn­ jährige Jungfrau beschämt uns greise Sünder. Ihr Jungfrauen, die Ihr noch nach irdischer Liebe rennt, müßt Ihr Euch nicht schämen vor dieser Heldin des Glaubens und der Liebe. Jedoch der heilige Ambrosius sagt, wenn wir die Heiligen loben und ehren wollen, so müssen wir nicht bei dem Lobe stehen bleiben, sondern ihr Beispiel nachahmen. Es ist aber kein Mensch ohne Sünde, die heilige Maria, die Mutter Gottes ausge­ nommen, welche ohne Sünde empfangen wurde, und

44 vielleicht Johannes der Läufer , welcher schon im Mutter­ leibe geheiliget wurde. Alle übrigen Menschen, alle Heiligen sind oder waren mit der Erbsünde behaftet, auch die heilige Agnes war mit der Erbsünde behaftet. Wir müssen aber fest glauben, an Jesum Christum uns wenden, und zu ihm sprechen wie bei der heiligen Commimioiu Herr! ich bin nicht würdig, daß du eingehst unter mein Dach, sondern sprich nur ein Wort, so wird meine Seele gesund. Wir müssen alle Lage und alle Stunden reumüthig an unsere Brust schlagen und spre­ chen gleich dem Zöllner: Mein Gott und mein Herr! sey mir armen Sünder gnädig! und der Herr wird uns er­ hören und beistehen. Ja der Gerechte selbst fallt sieben­ mal im Lage, sagt der heilige Paulus, und Gott laßt ihn sehr tief fallen, dann spricht er aber: Ach Herr! halte mich, ich falle! wie Paulus sagt, und er wird sich wieder aufrichten. Und der, welcher am Kreuze sprach: „Eß ist vollbracht!" der aber auch sprach' „Also hat Gott die Welt geliebt, daß er seinen eingedornen Sohn in dieselbe sandte, damit Alle, die an ihn glauben, selig werden", wird uns beistehen. Denn sein versöhnendes Blut floß sür alle Menschen, durch dieses werden wir von den Sünden rein. Und wir müssen uns zum allerheiligsten Altarssakrament wenden und spre­ chen: Ach Herr! wenn du willst, kannst du mich reini­ gen. Und wenn wir Dieses recht oft sagen, mit wahrem lebendigem Glauben und reumüthigem und demülhigem Herzen, so wird der Herr zu uns sprechen! „Ich will, sey rein!" Wenn ich jetzt in diesem Augenblick sterben sollte, und mich alle meine Sünden anktagen würden, alle diejenigen Seelen, welche ich auf meinem Gewissen habe, vor Gott treten und mich anklagen, was werde ich ihnen entgegenstellen? Etwa einige Tugenden, welche ich ausübte? Nein! Einige gute Werke? Nein! Was

45 denn? Das Versöhnungsblut Jesu Christi, welches für

mich und alle Menschen floß, und dieses wird mich recht­ fertigen oder anklagen. Du aber, o Herr Jesu ', sey uns Sündern gnädig! Wenn du willst, so mache uns rein, und du willst es. , Lehre uns selbst glauben, hoffen, lieben, gebe uns deinen Segen und deinen Frieden, und diesen Segen gebe er uns Allen, damit wir des Friedens theilhaftig werden, denn der ganze Glaube und Friede ist in den Worten der Engel enthalten, nämlich in den: „Ehre sey Gott in der Höhe und Friede den Menschen ans Erden, die eines guten Willens sind." Amen!

Am vierten Sonntage nach dec Erscheinung

, Text.

des

Herrn.

„Wer ist er, daß ihm die Winde und das Meer gehorchen.?" Matth. 8, Vers 27.

Unter den tausend mannichfaltigen Gegenständen un­ seres Lebens erinnern wir uns Alle vieler Leiden, Keinen ausgenommen. Es gibt wohl viele Leute, welche wenig Freuden kennen, aber gewiß keinen, der keine Leiden kennt. Wir können unsere Gedanken nicht recht mittheilen, wie wir wollen, nicht einmal durch die Sprache. So ist es auch mit dem, was wir Dichtersprache nennen, wir können zwar das Leiden unserer Nächsten recht le­ bendig vorstellen, wir können leblose Dinge oder Gegen­ stände durch sie beleben. Eben so ist es in dem heutigen Evangelium, in welchem der Sturm des Meeres recht lebendig vorgestellet wird. Es ist freilich nur eine Natur­ erscheinung, aber jedes Ereigniß in der Natur, ja die ganze Natur ist für uns ein Beispiel, eine Schule. Ich will jetzt nur bei der natürlichen Naturerscheinnng stehen bleiben, und da liegt die sehr einfache Frage vor uns:

45 denn? Das Versöhnungsblut Jesu Christi, welches für

mich und alle Menschen floß, und dieses wird mich recht­ fertigen oder anklagen. Du aber, o Herr Jesu ', sey uns Sündern gnädig! Wenn du willst, so mache uns rein, und du willst es. , Lehre uns selbst glauben, hoffen, lieben, gebe uns deinen Segen und deinen Frieden, und diesen Segen gebe er uns Allen, damit wir des Friedens theilhaftig werden, denn der ganze Glaube und Friede ist in den Worten der Engel enthalten, nämlich in den: „Ehre sey Gott in der Höhe und Friede den Menschen ans Erden, die eines guten Willens sind." Amen!

Am vierten Sonntage nach dec Erscheinung

, Text.

des

Herrn.

„Wer ist er, daß ihm die Winde und das Meer gehorchen.?" Matth. 8, Vers 27.

Unter den tausend mannichfaltigen Gegenständen un­ seres Lebens erinnern wir uns Alle vieler Leiden, Keinen ausgenommen. Es gibt wohl viele Leute, welche wenig Freuden kennen, aber gewiß keinen, der keine Leiden kennt. Wir können unsere Gedanken nicht recht mittheilen, wie wir wollen, nicht einmal durch die Sprache. So ist es auch mit dem, was wir Dichtersprache nennen, wir können zwar das Leiden unserer Nächsten recht le­ bendig vorstellen, wir können leblose Dinge oder Gegen­ stände durch sie beleben. Eben so ist es in dem heutigen Evangelium, in welchem der Sturm des Meeres recht lebendig vorgestellet wird. Es ist freilich nur eine Natur­ erscheinung, aber jedes Ereigniß in der Natur, ja die ganze Natur ist für uns ein Beispiel, eine Schule. Ich will jetzt nur bei der natürlichen Naturerscheinnng stehen bleiben, und da liegt die sehr einfache Frage vor uns:

46 Gebieten die Winde dem Meere? Dieß ist keineswegs der Fall. Wenn es stürmisch ist, so empört sich das Meer allerdings, und grause Wellen thürmen sich und drohen jedem Schiffe, und sey es das größte Kriegsschiff, Untergang. Wenn aber die Sonne in ihrem vollen Glanze scheinet und keine Wolke den Himmel trübet, so herrscht Ruhe auf dem Meere und es folget der Sonne, welche sich in demselben spiegelt wie in einem Spiegel, und es fluthet saust. Ich wählte heilte nicht ohne Grund diese Worre zum Text, nämlich: „Wer ist er, daß ihm die Winde und das Meer gehorchen?" Denn ich glaube, daß sie einen jeden erleuchten werden. Ich will nämlich von Leiden sprechen, wie es gewöhnlich meine Art ist, ohne viel Gekünsteltes zu suchen und ganz einfach. Ich will also untersuchen im ersten Theile: „Was erschaffet oder erreget Leiden in uns?" und im zweiten Theile: „Was beschwichtiget oder befriediget unsere Leiden." Herr Jesus Christus, der du unaussprechlich viel gelitten hast, was kein Mensch ertragen könnte, gebe uns die Gnade, daß wir unser Kreuz, wie du willst, auf uns nehmen und dir nachfolgen. Gebe, daß uns deine Dornenkrone, mit welcher du wegen uns gekrönet wur­ dest, uns einst als eine Freudenkrone, als die Krone der Seligkeit gereicht werde. Heilige Maria! Mutter Got­ tes! schmerzenreiche Mutter mit dem siebenstacheligen Schwerte im Herzen, welches aber in viel größere Freu­ den verwandelt wurde, bitte für uns, daß auch einst un­ sere Leiden in Freuden verwandelt werde». Heilige Ur­ sula und Angela! Schutzheilige dieses Tempels, bittet für uns und besonders du, heilige Agnes, deren zweites Fest die Kirche heute feiert, alle Heiligen Gottes, die ihr schon durch unendliche Freuden belohnet seyd, bittet Alle für uns.

Der Herr fuhr also auf dem See Genezareth, von

47 welchem manchmal in dem Evangelium die Nede ist. Dieser See war drei deutsche Meilen lang und eine breit, und sehr oft durch Stürme beunruhiget. Uni denselben lagen kleine Städte, in welchen sich der Herr während seines Lehramtes aufhielt und in eigener Person predigte. Es erhob sich also auch damals/ als der Herr auf ihm fuhr, ein Srurm, und Jesus schlief; die Jünger waren aber in großer Angst und sprachen zu Jesu: „Meister, rette uns, wir gehen zu Grunde." Und Jesus sprach zu ihnen: Warum seyd ihr so furchtsam, ihr Klein­ gläubigen?" Dann stand er auf, gebot den Winden und

dem Meere und sogleich war Alles ruhig, und die Leute verwunderten sich und sprachen: „Wer ist der, daß ihm die Winde und das Meer gehorchen?" Dieses Wunder begab sich im zweiten Jahre des Lehramtes des Herrn und war sein fünftes bekanntes Wunder. Und die Leute verwunderten sich und sprachen: „Wer ist er, dap ihm die Winde und das Meer gehorchen?" Dieß sagten die Leute, nicht die Apostel, denn es war Ser Geist der Gnade, der heilige Geist über sie ausgegossen, denn sie waren noch keine Apostel, sondern Leute, sagt der heilige Hieronymus. Und sie verwunderten sich darüber. Dieß Wunderwerk des Herrn ist gar nicht zum verwun­ dern; denn für denjenigen, welcher ein verstocktes und böses Herz eines fast schon verworfenen Sünders erweicht und bekehrt, ist es gar nicht viel, den Winden und dem Meere zu gebieten. Wir wundern uns sehr oft und fast immer über Dinge im gewöhnlichen Leben, welche nicht zum verwundern sind, und verwundern uns keinesweges über Dinge, die zum Wundern sind. Ich versprach Euch aber von Leiden zu sprechen. Also was erreget Leiden in uns? Die Antwort darauf ist kinderleicht. Was erschaff^ also Leiden in uns? Die Leidenschaften. Die Antwort liegt ganz natürlich in der Frage. Leiden sind

48 Folgen der Leidenschaften. Unser Register von Leiden­ schaften erschaffet, erreget alle unsere Leiden. Ich will Euch diese Register aufzahlen. Also ich bin stolz. Die Leute beschuldigen mich, daß ich von der Kanzel beichte, das ist aber gar nicht der Fall, wenn ich beichten will, so gehe ich zum Beichtvater. Aber wenn ich sage: ich bin stolz, so soll sich ein jeder und eine jede von Euch fragen, denn Ihr seyd Menschen und ich bin ein Mensch wie Ihr, was mich betrifft, das betrifft auch Euch. Also ich bin stolz Nu warum soll ich denn nicht stolz seyn? Ich bin ja nach Gottes Ebenbild erschaffen, durch Jesum Christum erlöset, ich kann stolz seyn auf die Vaterschaft Gottes, auf die Mutterschaft Maria und auf die Bruderschaft Jesu Christi. Ich will mächtig seyn. Warum sott ich es nicht? Ich habe ja Macht durch Jesum Christum, er ist in mir mächtig und daS sehen wir bei den Aposteln, welche Macht haben, die Engel zu richten. Ich will reich seyn. Warum soll ich eS nicht seyn? Gott will ja, daß wir reich seyn sollen, reich an Lugenden. Wir haben ja die Lehre Jesu und Jesum Christum selbst, sind wir nicht reich? Ich will genießen, will mich freuen. Nu das kann ich ja, ich kann genießen, kann mich freuen, ich darf nicht mein Leben blos Leiden widmen, Gott will ja, daß wir uns freuen. Ich will lieben und will auch wieder geliebet werden, und dieß ist recht schön, Gott will es ja selbst. Da habt Ihr dieses Register unserer Leidenschafen. Ich kann wohl stolz seyn, aber mein Stolz muß auf Jesum Christum und auf Gott gerichtet seyn, dann ist er edel und Gott wohlgefällig. Ich kann mächtig seyn, aber meine Macht muß auf Jesum Christum beruhen. Ich kann reich seyn, nämlich an Tugenden, welche ich erhalte, wenn ich auf Jesum Christum vertraue und ihn liebe. Ich kann auch genießen, kann mich freuen. Gott will eS

49 selbst, aber wir müssen nicht ausarten. Wir müssen aber nicht nur dem Irdischen anhangen. Denn was ist Leidenschaft, als wenn wir uns an das Irdische klam­ mern und das Himmlische vergessen, wenn wir, wie ich schon hundertmal gesagt habe, als Christen erzogen und in der katholischen Religion unterrichtet sind, aber wie Heiden denken. Wir lernten den Katechismus auswen­ dig, wissen aber nicht, was wir plappern, wir singen, sagen fünfzigmal des Tags daß Vaterunser her, nehmen uns aber nicht die Mühe, eine einzige Bitte zu verstehen. Wir schreiben alle unsere Leiden natürlichen Folgen zu. Wir glauben, sie kommen von Gott, aber nein, Gott ist nur der Geber des Guten und nicht des Bösen. Der heilige Augustinus sagt: „Gott prüfet den Gerechten mit Leiden, daß er im Guten verharre, und den Bösen, da­ mit er sich bessere." Das versteht ein Kind. Wir er­ schaffen aber alles Leiden in uns selbst durch unsere Lei­ denschaften. Wir verbittern uns selbst das Leben, frei­ lich werden wir hier noch nicht völlig glücklich, erst bis in der Ewigkeit. Hier sind wir ja noch in Banden, noch in dem Kerker, unser irdisches Leben ist nur eine Pilger­ schaft, ich möchte sagen: wir reisen hier wie die Könige incognito. Wir müssen uns aber über unsere Leiden er­ heben. Es gab Heilige, welche zehn, fünfzehn, ja zwanzig Jahre durch Schmerzen dahin lagen, aber man hörte sie nie klagen, sie lächelten. Und ich kenne eine Jungfrau, welche viele Jahre unaussprechlich viel litt, und welche sagte; „Ich weiß, es kostet mich nur ein Gebet und ich kann gesund werden, ich will es aber nicht." Und diese Heilige war die heilige Theresia, die große Liebesmeisterin. Ich kenne keine größere als sie. Dann Sanct Lorenzi wurde langsam auf dem Rost ge­ braten, Sanct Polykarp wurde verbrannt und Sanct Ignatius wurde den wilden Thieren vorgeworfen. Diese Werners Predigten

I.

4

50 Heiligen litten allerdings viel Schmerzen, darum find sie auch Märtyrer, aber sie hatten sich über dieselben erhoben, gleichsam wie ein Berg., dessen Spitze von der Sonne beleuchtet ist, wahrend der Fuß noch im Gewitter unD ©ütuii steht. Sv sind wir aber nicht. Menn sich ein Mann durch schlechte Wirthschaft um all sein Ver­ mögen gebracht hat, so wird er sich gramen, sich selbst hassen, und statt durch Thätigkeit wieder empor zu kom­ men, sich immer nur mit dem Gedanken beschäftigen, daß er sich um Alles brachte. Ein Weib, welche durch schlechte Erziehung nichtswürdige Mädchen und Knaben erzieht, welche dann von denselben verachtet, gepeinigt und gegrämt wird, wird sich nicht fragen und sagen: Ich erhalte jetzt Gleiches mit Gleichem, ich habe auch meine verstorbene Mutter mit frühen grauen Haaren in's Grab gejagt, habe sie auch schlecht behandelt und gegrämt, und erhalte jetzt denselben Lohn von meinen Kindern. Eine Jungfrau, welche glaubt, wenn sic ihren geliebten Verführer, welcher ihr verschiedene Schmeicheleien sagt, welcher ihr sagt, sie habe Talente, sie sey schön, nicht immer bei sich hat, so ist es ihr unmöglich zu leben, wenn er nicht immer an ihrer Seite ist, so springt ihr Herz. Diese wird sich auch nicht an Jesum Christum den Seelen­

bräutigam wenden, und würde sie es, so würde er ihr Herz erfüllen. Ein Jüngling, welcher-vollkommen ge­ sund war und es durch s.ine Leidenschaften dahin gebracht hat, daß er leichenblaß wie ein Gerippe herumgeht, wird sich und die ganze Welt hassen und nicht trachten, seiye Leidenschaften zu bezähmen, um seine verlorene Gesund­ heit wieder zu erhalten. So sind wir Alle, wir schreiben alle unsere Leiden, von welchen wir selbst die Urheber sind, nur natürlichen Ereignissen zu- Gott will ja nicht, daß wir immer leiden sollen. Wir müssen aber auch, wenn wir solche haben, uns über sie erheben, sie ohne Murren

51 ertragen, unser Kreuz auf unS nehmen, freilich nicht, 'das Kreuz Jesu Christi, denn das wäre für uns viel zu schwer, das könnten wir nicht ertragen, denn was Jesus Christus litt, das ist unaussprechlich, wir müssen aber Alle unser Kreuz auf uns nehmen und ihm Nachfolgen. Also wir sahen, daß wir nur selbst Ursache aller unserer Leiden sind, nämlich daß wir durch unsere Leidenschaften alle Leiden in uns hervorbringen. Was beschwichtiget, befriediget aber diese unsere Leiden? Davon im zweiten Theil. Also wir bringen unsere Leiden selbst in uns hervor, durch unsere Leidenschaften, wie ich schon sagte. Was müssen wir aber thun, um sie zu befriedigen? Es war ein Mann, Namens Hiob, im Lande Husch. Dieser hatte viele Söhne und Töchter, Reichthümer und Heerden, denn fm Morgenlande machten die Heerden die größten Reichthümer aus. Und als einst Hiob nichts Uebles vermuthete, kam ein Bote und sagte ihm, alle seine Kinder seyen todt, und endlich kam ein zweiter Bote und sagte, alle seine Heerden seyen theils erschlagen, theils gestohlen. Als dieß der fromme Hiob hörte, ward er sehr betrübt. Gott wollte ihn aber noch strenger prü­ fen, und er bekam den Aussatz, da mußte er sich nun noch von allen Menschen trennen, arm war er nun auch, er mußte sich in einxn Kothhaufen setzen, um nur seine Schmerzen zu vermindern, kratzte er sich seine Geschwüre mit Scherben. Alles menschlichen Trostes und aller Hülfe war er beraubt, und seine Frau spottete noch sei­ ner und sprach: „Segne Gott und stirb." Das heißt: Verlaß den Gott, an den du bisher geglaubet hast und stirb, es ist ja keine Hülfe mehr, stürze dich in die ewige Verdammniß. Endlich kamen drei seiner Freunde" zu ihm, um ihn zu trösten. Als sie ihn aber sahen, «zer­ rissen sie ihre Kleider und wachsten sieben Tage und 4 *

52 fieben Nachte bei ihm./ und dann versuchten sie ihn zn trösten. Endlich aber gerieth Hiob in Verzweiflung/ er verfluchte den Lag seiner Geburt, er sagte: Ware ich lieber nie geboren worden, hatte ich nie das Tageslicht erblickt, hatte mich meine Mutter gleich bei meiner Geburt erwürgt, so dürfte ich jetzt nicht so große Qual leiden. Seine Freunde konnten ihn aber auch nicht trö­ sten, wenigstens.nicht vollkommen, denn sie waren leidige Tröster. Es ist wahr, wenn man diese Lrostesworte der Freunde im Buche Hiob liest, so muß man erstaunen, denn eß ist das größte Meisterstück menschlicher Bered­ samkeit. Als Hiob in die größte Verzweiflung gerieth, da war Gott bei ihm, gebot, daß sich die Freunde ent­ fernten, und dann tröstete Gott den Hiob mit seinem göttlichen Trost, hielt ihm sein Unrecht vor, und Hiob bekannte es und rief aus: Ich weiß, daß mein Erlöser lebt., ich werde ihn selbst schauen in diesem meinem Flei­ sche, und kein anderer als ich! Und dann wurde er allmahlig wieder gesund und Gott gab ihm Meß wieder zehnfach, was er verloren hatte, auch gab er ihm wieder viele Kinder und fein Stamm war gesegnet bis auf Kin­ deskinder. Und Hiob brachte für sich und seine Freunde Gott ein Opfer zur Danksagung. Also wir müssen auf Gott vertrauen, alle Menschen sind leidige Tröster, Gott allein kann uns den wahren Trost geben, und was müssen wir rufen in den größten Leiden, was wird uns trösten ? Wir müssen rufen wie Hiob vor der Geburt des Herrn prophetisch rief: „Ich weiß, daß mein Erlöser lebt, ich werde ihn in diesem meinem Fleische schauen, und kein anderer als ich!" Wir müssen also blos auf Gott ver­ trauen, die Menschen kennen uns nicht trösten, denn sie sind leidige Tröster. Vor dem Beichtvater können wir unser Herz ausschütten, und der wird uns den groben Trost geben, aber dann müssen wir uns zu Gott wen-

53 bett und tym alle unsere Leiden Vortagen,

wir können

wohl sagen wie der Herr am Oelberge betete: Water! nimm diesen Kelch von mir, jedoch nicht ment, sondern dein Wille geschehe, o Herr! und dann wird uns'Golt den feinen Trost geben. — Wenn ich einem Diebe sage: Wen» tu so fort stiehlst, so wirst du noch gehangen, so gibt er mir zur Antwort: Vielleicht auch nicht. Wenn ich einem Wucherer sage: Du wirst noch tuufenb Gulden Strafe zahlen müssen, so antwortet er mir: Wenn ich hunderttausend Gulden gestohlen habe, so kann ich schon zehntausend zahlen. Wenn ich einem Wollüstigen sage: Du wirst noch krank werden und dann erst ewig bestrafet, ewig verdammet. Ueber die ewige Verdammniß wird er lachen, und dann wird er sagen: Es gibt alte Wol­ lüstlinge und sind noch nicht krank geworden, so kann ich es noch weiter treiben. Dieß richtet man bei dieser Art Menschen durch Warnung aus. Diese Leute machen eigene Gesetze und Systeme über Leidenschaften. Wenn Euch aber ein solcher Mensch mit seinen elenden Regeln, Gesetzen und Systemen kömmt, so lacht ihm ins Gesicht auf meine .Verantwortung. Es gibt aber auch sehr viele Leute, welche sagen: Jetzt kann ich cs nicht mehr ertra­ gen, habe es schon lange ertragen, nun ist es mir aber unmöglich. So sage ich ihm: Du Thor'. Gott schickt dir nicht mehr, al» du ertragen kannst. Die Leiden sind aber auch zur Besserung und zum -Beharren im Guten nothwendig. Ein Weib, welches mit ihrem Manne un­ zertrennlich verbunden ist und von ihm gequält unt ge­ martert wird, würde vielleicht, wenn es ibr gut ginge, nicht so inbrünstig vor dem allerheiligsten Altarösakrament flehen, so oft den Leib und das Blut des Herrn würdig empfangen. Ein Mann, der ein Häuflein Kinder und nicht genug Brod für sie hat, würde vielleicht, wenn es ihm gut ginge, nicht soviel Vertrauen auf Gott ha-

54 den, als jetzt in seiner Noth. Er vertrauet aber auf Gott und übergibt ihm seine Kinder, und Jesus Christus behütet sie, denn er sprach: „Lasset die Kleinen zu mir, denn ihrer ist das Himmelreich." Also nur auf Gott in Allem vertrauen, er wird einst kommen, die Guten zu belohnen und die Bösen zu bestrafen. Denn es heißt in der heiligen Schrift: „Der Herr wird kommen mit der Wurfschaufel in der Hand und wird seine Damme rei­ nigen, er wird den Weizen vom Unkraut absondern und die Bösen von den Guten." Wir müssen uns zu Jesum Christum im heiligsten Altarssakrament wenden, denn da ist Jesus Christus wirklich als Gott und Mensch, freilich nicht mit dem Glanz und der Herrlichkeit, wie er zur Rechten des Vaters sitzet, aber eben so wahr, und' der Herr, der am Kreuze sprach: „Es ist vollbracht'." wird uns beistehen. Aber wir müssen uns auch zu der seligen Jungfrau Maria wenden und sie um ihre Für­ bitte bitten. Aber wir müssen bei Allem Geduld haben, ohne diese werden wir nicht getröstet werden. Nur Ge­ duld, Geduld und immer Geduld. Wenn sie uns auch schwer wird, nur immer Geduld, denn die Geduld ist nach der Demuth und der Liebe das Größte. Denn Liebe, Demuth und Geduld sind im Christenthum unzertrenn­ lich. Wir müssen also Jesum Christum auch um Ge­ duld bitten. Und du, o heilige Maria, Mutter Gottes! bitte für uns, dgß wir unser Kreuz auf uns nehmen und es mit Geduld tragen mögen. Amen I

55 Am fünften Sonntage nach der Erscheinung des Herrn. Text. „Herr, hast du nicht guten Saamen auf deinen Acker gcsact? Woher hat er denn das Unkraut?" Matth. 13, 33erd 27. 28.

Wenn wir einen Pallast erblicken, so werden wir tm ersten Augenblicke über seine Pracht entzücket seyn. Je naher wir dieses herrliche und majestätische Gebäude betrachten, so ziehet uns seine Schönheit noch mehr an, wir sehe^, wie jeder einzelne Theil zum Ganzen noth­ wendig ist, und wir werden die Kunst des Baumeisters bewundern. So ist es auch, wenn wir durch den Anblick eines schönen und prächtigen Gartens erfreuet werden, wenn uns der Wohlgeruch der Blumen entgegen duftet, so wird uns der Anblick dieses Gartens allerdings ent­ zücken, wenn wir aber naher treten und sehen, wie jede Blume, jede Pflanze zur Schönheit, Erhabenheit und Vollkommenheit des Ganzen beitragt, so sehen wir, daß auch Menschenhände das Vollkommene, das Göttliche nachahmen können. So ist es auch mit dem Evangelium, mit dem Buche aller Bücher. Ich mag aufschlagen was ich will, so werde ich sehen, daß ein jedes Wort zum Ganzen nützlich, ja nothwendig ist. Aber je mehr ich es untersuche, muß ich erkennen, daß es göttlich ist; denn jedes Kapitel ist sehr reichhaltig. Und das sehen wir auch an dem heutigen, nämlich in den ^Dorten: „Herr, hast du nicht guten Saamen auf deinen Acker gesäet? Woher hat er den^ das Unkraut?" Ueber dieses Evangelium habe ich schon vor sechs Jahren geprediget, an dieser Stelle, und bemerkt, daß wir nicht nur der Acker, sondern auch der Säemann sind. Nachdem der Herr nach dem Städtchen Kapernaum ging, von welchem auch oft im Evangelium erwähnt wird, setzte er sich an das Ufer des galiläischen Meeres und lehrte das Volk.

56 Erst predigte er von dem Senfkirnlein und dann folgte das heutige Evangelium/ nämlich die Parabel vom guten Saamen und dem Unkraut. Nun will ich heute nach Maßgabe meiner Textesworte von der Verführung han­ deln, in dieser Zeit, in welcher wir jetzt leben, nämlich in der Faschingszeit, wo es Noth thut. Was ist Ver­ führung? mein erster Theil. Was sind die Folgen der Verführung? mein zweiter Theil. Dreieiniger Gott, Vater, Sohn und heiliger Geist! stehe uns bei. Gebe uns die Gnade, daß wir den Ver­ führer von dem Tugendhaften unterscheiden, daß wir den Engel des Lichts vom Engel der Finsterniß erkennen, und daß wir das Gute von dem Bösen unterscheiden mö­ gen. Jesus Christus, der du guten Saamen aus deinen Acker gesäet hast, gebe, daß er wohl gedeihen möge, stehe uns bei, laß den bösen Feind keine Macht über uns haben. Und du, o h.iliger Geist! gieße den Geist deiner Gnade, den Geist der Erkenntniß über uns aus. Heilige Mutter Gottes! du unsere Hülfe und Zuflucht, helfe uns und bitte für uns. Heilige Ursula und Angela! Schutzheilige dieses Tempels, alle Heiligen Gottes, bit­ tet für uns. Also vorigen Sonntag habe ich von den Leiden ge­ sprochen, und heute will ich vielmehr von den Freuden sprechen. Wir sehen, daß wir Menschen auf dieser Erde Leiden ertragen müssen. Daß wir in diesem Staubkörper, unserer Pilgerschaft, die wir irdisches Leben nennen, nicht vollkommen glücklich seyn können. Wir sahen, daß wir selbst unsere Leiden erregen, nämlich durch die Leiden­ schaften. Daß wir sogar das Gute und Erlaubte leiden­ schaftlich behandeln. Nämlich wir können stolz seyn, aber auf Jesum Christum. Wir wollen genießen, Gott will, daß wir ewig die ewige Seligkeit genießen sollen. Wir wollen mächtig seyn, wir wollen herrschen, Gott

57 will es auch.

Mächtig sollen wir aucb seyn, beim der

Apostel sagt: Wir werden einst an Gottes Seite sitzen und mit ihm die bösen Engel richten. Wir wollen und können uns freuen, denn Gott will, wir sollen uns in Ewigkeit freuen. Wir sahen, daß Jesus Christus nur dem Anscheine nach schlief, jetzt aber immer über uns

wachet. Wir hatten auch sehen können, daß das Schiff­ lein Petri die christkatholische Kirche ist, welche ungeach­ tet der vielen Stürme, welche sie erlitt und noch erleiden wird, nie untergeht, daß sie sich immer wieder glorreich erhebt und unerschütterlich ist. Denn Jesus Christus wachet immer über sie. Was ist aber der gute Saame, welcher auf den Acker gesäet wird? Diesen guten Saatnen hören wir ja immer, es ist die Lehre Jesu. Wir unterdrücken ihn aber auch manchmal in uns. Indem aber die Leute schliefen, kam sein Feind und saete Un­ kraut unter den Weizen und ging hinweg. Ich muß hier noch bemerklich machen, daß es in Palästina, wo sich der Herr aufhielt, unter dem Weizen eine Art Unkraut gab, welches man Afterweizen nennt und das dem guten Weizen sehr ähnlich ist, so daß man ihn schwer unter­ scheiden kann, und wenn man ihn genießt, so hat er üble Folgen für die Gesundheit. Also während die Leute schliefen, kam der Feind und säete Unkraut auf den Acker. Wir stehen nun freilich Alle, ich stehe auf der Kanzel, Ihr stehet um die Kanzel, wir wachen nun Alle, aber nur dem Anscheine nach. Der Herr sagte: „Wachet und betet, damit ihr nicht in Bersuchung fallet." Es gibt vielleicht wohl manche hier, welche wachen und beten, aber vielleicht auch welche, deren Seelen schlafen, und diese müssen auf ihrer Hut seyn, daß sie die Zeit nicht verschlafen gleich den fünf thörichten Jungfrauen. Wir müssen wachen und beten, damit, wenn der Bräu­ tigam kömmt, denn er kömmt wie ein Dieb in der Nacht,

58 wir Del in unseren Lampen, in unseren Herzen haben,, nämlich Del der Tilgenden. Denn unser zeitliches Leben -muß ein immerwährendes Gebet seyn, wir müssen immer beten und wachen. Und wenn wir schläfert , kömmt der Feind und säet Unkraut auf unseren Acker. Dieser Feind ist der Fürst der Finsterniß, welcher auch schon das erste Menschenpaar Adam und Eva im Paradies verführte. Er stellt sich uns immer als gut, nie als böse vor. Denn er sprach auch zu dem ersten Elternpaare: „Warum esset ihr nicht Früchte dieses Gartens?" und als sie sagten: „ Wir essen von allen Früchten', nur von diesen: Baum

hat uns Gott zu essen verboten." Und der böse Feind sagte: „Wenn ihr davon esset, so werdet ihr vernünft tiger und Gott ähnlicher werden, ihr werdet das Gute von dem Bösen richtig unterscheiden." Und er stürzte sie und brachte durch sie die Sünde in die Welt Es war nicht die Frucht die Folge, denn es war die Frucht dcw Erkenntniß. Weil es aber Gottes Gebot war, denn Gott sagte: „Won allen Früchten dieses Gartens könnet ihr essen, nur von diesem Baume, vom Baume der Er­ kenntniß nicht." Und weil Gott ihnen verbot, davon zu essen, darum wurden sie dann bestrafet. Aber daß es die Folge der Frucht gewesen wäre, keineswegesAlso wenn wir von dem bösen Feind versuchet werden, so stellet er uns immer vor, wir werden Gott ähnlicher und besser werden. Also wachen müssen wir, denn sonst säet der Feind Ullkraut auf unseren Acker, und dieses Unkraut wüthet fürchterlich in uns, es verstecket unser Herz und unser Gewissen. Wir sind aber selbst manch­ mal unsere Feinde. Wir säen selbst Unkraut in unser Herz, wir unterdrücken selbst den guten Saamen. „Und als das Unkraut aufgewachsen war und Frucht brachte, zeigte sich das Unkraut." Und da sagten die Knechte: „Herr, hast du nicht guten Saamen auf deinen Acker

59 gesaet? Woh r hüt er denn düs Unkraut?" Und der Herr sagte: ,,Das hat der Feind gethan." Za wohl hat auch bei uns das Unkraut der Feind gesaet, denn Jesus Christus pflanzet nur den guten Saamen in uns, er ist immer bei uns im heiligsten Geheimnisse des Altars. Er vermehret täglich noch seine Gnade, nämlich in der heiligen Messe, wo er geopfert wird, so wie er sein blu­ tiges Bersöhnungsopftr am Kreuze für uns brachte, so wird er auch auf dem Altare auf unblutige Weise in dem heiligsten Meßopfer geopfert und da fließet uns noch immer seine Gnade zu. Aber wir erkennen sie nicht, wir sind manchmal unsere eigenen Feinde, denn unser Dich­ ten und Trachten ist vom Anfang an böse. Schon als Kinder wollten wir Alles haben, was wir sahen, wollten wir essen, griffen nach allem Bunten und Blinkenden, wollten in unserem Wahne die Sterne vom Himmel greifen, um mit ihnen zu spielen wie mit einem Spiel­ zeuge. Jetzt sind wir aber keine Kinder mehr, wir sind Manner und Frauen, zum Theil alte Manner, be­ jahrte Frauen, wir sind theils Alle ans den Kinder­ schuhen heraus, handeln aber nicht viel besser als Kinder. Der heilige Apostel Paulus sagt: ,,Als ich ein Kind war, handelte ich wie ein Kind, jetzt aber bin ich ein Mann und handle anch wie ein Mann." Wir aber handeln nicht wie Erwachsene. Wir können unsere Leidenschaften nicht unterdrücken und besonders unsern Stolz, und ein jeder weiß es aus seiner eigenen Erfahrung, wie schwer er zu unterdrücken ^ist, und ich weiß es von mir selbst. Und doch ist Alles, was wir aus Stolz thun, Gott un­ unangenehm und mißfällig. Wenn ich aus Stolz pre­ digte, nur um Euch zu gefallen, so wäre es Gott miß­ fällig. Und wir sollen doch nicht stolz seyn, wir sollen vielmehr unsere Nichtigkeit, ja Nichtswürdigkeit erken­ nen und demüthig seyn. Wir müssen Gott danken, daß

60 er uus zu Menschen erschaffen hat, da wir nicht einmal werth sind, daß uns Gott zu Steinen oder Pflanzen er­ schaffen hatte. Es gibt Leute, deren Gedanken nur An­ fangs Stolz war, sie bringen es dann so weit, daß sie sa­ gen wie der Pharisäer im Tempel: „Herr, ich danke dir, daß ich nicht bin wie diese Leute." Statt daß wir unsere Nichtigkeit erkennen sollten, sagen wir: „Herr, ich danke dir, daß ich nicht bin wie diese Leute." Dann wollen wir nicht einmal, Daß sich andere Leute vervoll­ kommnen und ausbilden, daß sie sich uns nähern. Wir beneiden jeden andern um seine Talente und Fähigkeiten. Anfangs ist nur das Böse bei uns ein Gedanke, vielleicht ein unschuldiger, dann nähren wir ihn immer, ergötzen, erfreuen uns daran, dann wird er zu Worten, welche schnell gesagt sind, aber viel hervorbringen können, und endlich wird dieser unbedeutende Gedanke zum Werke, und dadurch kann und wird auch oft viel Unglück gestiftet. Also das Unkraut, von welchem wir nicht nur der Acker, sondern auch zuweilen, ja fast immer der Säemann sind, ist Anfangs nur ein Gedanke, dann entstehen daraus Worte und endlich Handlungen. Jetzt also will ich von den Freuden handeln. Die Kirche hat in dieser Zeit, in welcher wir jetzt leben, erlaubt, sich zu ergötzen, zu er­ freuen, zu erholen und zu stärken durch Speise, Trank und durch erlaubtes Vergnügen, auf die herannahende Fastenzeit, zu welcher noch mehrere Tage, ja Wochen sind. Die Kirche gewähret nun, sich zu erfreuen und auf die Fasten vorzubereiten, wo wir dann das Leiden und Sterben Jesu Christi betrachten sollen, und uns mit ihm an das Kreuz schlagen müssen. Wir können uns durch erlaubtes Vergnügen allerdings freuen, aber nicht ausschweifen und aus arten. Wie viele Schlacht" Opfer gibt es, welche zeitlich und auch ewig unglücklich sind, ein einziger Abend, eine Stunde, ja nur ein Au-

61 genblick stürzet manche und niand^n ins Verderben, und ich muß es zu unserer Schande sagen, daß es in der Faschingszeit in unseren katholischen bändern viel arger zugeht als in denjenigen, deren Bewohner nicht katho­ lisch sind. Ich will aber rein Freudenstörer seyn, er­ freuet Euch, gehet in Gesellschaften, ja ich verbiete Euch sogar nicht den Tanz, wenn er Euch Freude ver­ schaffet, aber nicht Tanze, deren Anblick und Stellung schon entehret, ich will sie nicht einmal hier nennen, an welchen aber die Juseher, ja die Mütter Wohlgefallen haben, und manche thörichte Mutter darüber lächelt, indem sie glaubt, dieser Jüngling könnte vielleicht ihre Tochter einmal heirathen. Ein -Verführer oder eine Verführerin hat vielleicht Anfangs einen verstohlenen Blick in der Kirche gebeichtet, oder einen bösen Gedan­ ken, endlich hört er aber auf dieses zu thun', er denkt nicht mehr an Gott, nicht mehr an Gottes Gebote, er überlaßt sich dem Vergnügen und Ausschweifungen, end­

lich kömmt die Augenlust und Fleischeslust dazu, undec stürzet sich und dieses sein unglückliches Schlachtopfer ins zeitliche und vielleicht ins ewige Verderben. Ein noch unschuldiges Mädchen oder ein noch unverdorbener Jüngling kann in einem Augenblick der Raub, die Beute des zeitlichen und ewigen Todes seyn, und könnte ich ein solches unglückliches Schlachtopfer den Handen des Verführers entreißen, ich würde mein Leben hergeben, mein zeitliches. Aber wehe den thörichten Müttern, welche ihreTöchter, indem sie glauben, sie glanzen zu lassen, selbst ins Verderben führen, welche sich dann, wenn es zu spat ist, wenn das Schlachtopfer schon dahin liegt, zeitlich und auch ewig, wenn ihr Gott nicht in Gnaden beisteht, ver­ loren ist, die Haare aus dem Kopfe raufen. Hatte sie frü­ her auf das Wohl ihrer Tochter gedacht. Hatte ich die Macht des Erzengels Michael und die stimme der Apo-

62 stel, welche in alle Welt erschallt/ so würde ich sie war­ nen. Ein Verführer, welcher schon ein unschuldiges Mäd­ chen in das Verderben gestürzt hat, in dessen Klauen schon ein Lamm verblutete, der noch auf Erden wandelt, der auch schon mehr als ein gewöhnlicher Sünder, der ein Bö­ sewicht ist, der ist aber doch noch nicht verloren, denn er ist noch auf Erden, er lebt noch, der kann und wird doch noch gerettet werden, wenn Gottes Gnade über ihn größer ist, als seine Sünde, als seine Missethaten. Er wird er­ kennen müssen, daß es einen Gott gibt, an den er in seinem Taumel nicht gedacht hatte, daß Gott größer ist^als er, er wird ausrufen müssen vom Schmerz und innerer Qual hingerissen: O Gott! du bist doch weit größer als ich! Und dann wird aber der Herr mit seiner Auchtruthe über ihn kommen, und ihn strenge züchtigen, wenn er ihn von dem ewigen Verderben entreißt. Aber derjenige Verfüh­ rer, oder diejenige Verführerin, deren letzter Augenblick vorüber ist, o Gott! wenn deine Gnade nicht ihren Fre­ vel üherwiegt! sind verloren. Diese Verführer haben ganz recht, daß sie den Teufel verleugnen, denn da bedarf man keines Teufels, sie sind ja selbst die lebendigen Teufel, also haben sie gar nicht unrecht, daß sie ihn nicht erkennen wollen. Ich glaube aber, daß es dieser Gattung Menschen nicht hier gilt, daß wir nicht in der Gesellschaft solcher verabscheuungswürdigen Menschen sind, und gibt es nicht ein solches Scheusal hier, zu diesem spreche ich nicht, denn sie sind verabscheuungswürdig. Ich spreche nur zu Euch, Ihr Unverdorbenen und warne Euch vor diesen Ungeheuern. Wir sahen nun, wie sich diese Menschen bis zum Vieh er­ niedrigen, wir sahen, daß sie sich und Andere ins Verderben stürzen, und daß die Folgen davon sehr schlimm, fürchter­ lich sind, davon im zweiten Theile. Diese Thiermenschen sind theils stolze und wollüstige Leute. Sie sind so stolz, daß sie keinen andern Menschen sich nahen. Ein sogenann-

63 teß gutes Herz, das merkt euch meine Freunde, ist für alles empfindlich, hingegen der Wollüstige, der Verführer wird wohl anfangs auch empfindlich seyn, denn er hat vielleicht auch ein gutes Herz, daun aber wird er immer unempfind­ licher, bis er endlich gar nicht mehr gerühret wird^ ihm nichts mehr empfindlich ist, er gegen nichts mehr Mitleid findet, keinen Schmerz mehr fühlet, er gegen alles gleichgiltig bleibet. Und wenn ihm die Schatten seiner verbli­ chenen Eltern vertraten, wenn ihm die Opfer, welche er brachte, erschienen, er wird ungerührt bleiben. Er wird gegen das Unglück und Elend seines Mitmenschen kein Mitleid fühlen, er wird sich endlich selbst zur Last, die Welt wird ihm auch zur Last werden, er wird sich und alles, was ihn umgibt, hassen. Wenn Ihr Euch aber vor diesem unglücklichen Dasein, und dann erst vor der ewigen Verdammniß hüten wollet, so nehmet Euch vor diesen Wölfen in Schafskleidern in Acht. Ihre Reden sind lauter Sen­ tenzen, Lobesreden, Honigworte. Sie sind voll Witz wie es die Welt nennt. Wenn Euch, Ihr Unverdorbenen, ein foh cherVerführer kömmt und saget: „Meine Theuren, warum wollen sie sich nicht erfreuen, warum nehmen sie nicht Theil an diesem erlaubten Vergnügen?" so blicket ihn stolz an und entfernt Euch von ihm. Sehet ihm ins Auge und durchs Auge ins Herz, bittet Gott, daß er Euch beistehe diesem verführerischen Menschen durchs Auge ins Herz zu sehen, damit Ihr erkennen möget, wie sein Inneres beschaf­ fenist. Wenn sich aber Euch, Ihr Jünglinge, eine Jungfrau mit niedergeschlagenen Augen nähert, und wenn sich Euch, Ihr Jungfrauen, ein tugendhafterIüngling ernst und ohne Lobesreden und Schmeicheleien nähert, so könnet Ihr mit ihm, wenn es die Umstände erlauben, ein unauflösliches Band knüpfen. Aber vor den Verführern hütet Euch, denn ein Augenblick kann Euch ins zeitliche und auch ins ewige Verderben stürzen. Und welche fürchterlichen Folgen erst

64 kommen, o könnte ich sie Euch eben so schrecklich und fürch­ terlich als sie sind schildern, könnte ich Euch sie schildern und vorstellen, damit Ihr Euch vor ihnen hütet. Und wenn Ihr es nicht glaubet, welches elende Dasein und Ende diese Menschen haben, so gehet in die Krankenhäuser, und sehet sie an, wie sie da liegen von körperlicher Pein dahin ge­ streckt, und dann erst, was noch arger ist, die stimme ihres

Gewissens hören müssen, welche sie bis dahin nicht hören wollten, welche sie unterdrückten, nun aber können sie diese fürchterliche, nagende Stimme nicht mehr unterdrücken. Gehet zu den Gerichteten, höret diejenigen, welche an den Galgen geknüpft werden, wie sie den Augenblick, in wel­ chem sie sich ins Verderben stürzten, und das unglückliche Schlachtopfer, welches sie brachten, verfluchen. Aber auch Ihr Mütter und Water, Euch warne ich, Eure noch unver­ dorbenen Kinder nicht an solche Orte zu führen, sie nicht selbst ins Verderben zu stürzen. Es schrieb einer, welcher aber nicht katholisch ist, ein Buch, welches heißt: Daß Buch der Mütter. Ich wollte, daß ein Katholik es ge­ schrieben hatte, oder eines schrieb. Also wir sehen die fürchterlichen Folgen der Verführung. Wir sehen das Un­ kraut, den Afterweizen unter dem guten Saamen. Der Af­ terweizen hat aber eine zweifache Wirkung, erstens verblendet und schwächt er das Gesicht, macht es blöde, und zweitens ist er für den Magen sehr schädlich. Das Un­ kraut, welches aber der Feind säet, hat auch eine doppelte Wirkung wie wir sehen, erstens verstockt es unser Herz, macht es gefühllos, und zweitens verblendet es unsere Sin­ nen, und am Ende kommt erst die Augenlust und Fleisches­ lust dazu, und dann kann uns nur mehr Gott retten. Wir können uns erfreuen, müssen aber erst Gott bitten und Je­ sum Christum, daß er uns bei stehen möge, und die Mutter Gottes bitten, daß sie für uns bei ihrem Gotte, Erlöser und Sohne, der ihr nichts abschlägt, bitte, und bei unseren

65 Freuden auf Gatt denken, dann ist auch unsere Freude Gott wohlgefällig, und unserem Heile nicht nachtheilig. Gott laßt aber noch das Unkraut, mit dem guten Sarnen auf seinem Acker stehen, Gott laßt die Guten noch mir den Dösen wandeln, bis am letzten Gericht, wird er die Guten in sein Reich anfnehmen und dieBösen in das Reich der Finsterniß stürzen. Gott läßt die Dösen nicht unge­ straft auf Erden wandeln, denn er ist ja höchst barmherzig und langmüthig, er laßt ihnen noch Zeit, sich zu bekehren, zu bessern. O Gott, der du noch das Unkraut mit dem gu­ ten Weizen, auf deinem Acker stehen laßt, bewahre die Unschuld, stehe ihr bei nicht ein Opfer des Verderbens zu werden. Erbarme .dich derjenigen, welche sich vielleicht schon insVerderben stürzen, bewahre sie, daß sie nicht mehr tiefer fallen. Und o Herr! über die schon Gefallenen gieße deine Gnade aus, über diese erbarme dich besonders, daß sie, so lange es noch Zeit ist, ihr Unrecht einsehen, sich zu Dir o Quell des Lebens wenden, und sich an Deinem Kreuz noch emporranken. Stehe uns allen bei, bewahre uns vor

allen Bösen, und gebe uns einst die ewige Seligkeit. Du o heilige Maria, Mutter Gottes, die du immerwährend verherrlichet am Throne Gottes stehest, und die Königin aller Heiligen und Engel bist, breite deine Flüglein über die Jugend aus, daß sie nicht ein Raub der Finsterniß wird. Ditte für diejenigen, welche schon einen Schritt in das Verderben thaten, daß sie nicht weiter gehen, sondern umkehren. Stehe denen bei, die vielleicht schon bald in daß Reich der Qual rennen. Und für diejenigen bitte aber bei deinem göttlichen Sohn, besonders welche verloren sind, wenn er sie nicht mit der Fülle seiner Gnade überschüttet. Bitte, daß der böse Feind keine Macht mehr über sie hat. Bitte auch bei deinem göttlichen Sohn unserem Herrn und Erlöser, daß diese meine Worte, welche für mich selbst zu schwach sind, durch ihn Kraft erhalten, und XL

Predigten I.

5

CG Früchte bringen mögen. Bitte für uns alle, daß der Herr uns immer bewahren möge vor allem Unglück und uns mit in sein Reich des Lichtes und der Freuden ausnehrnen möge. Amen!

Am sechsten Sonntage nach der Erscheinung des Herrn. Text.

„Das Himmelreich ist einem Scnfkernlein gleich, welches cm Mensch nimmt und auf seinen Äcker säet." Matth. 13, Vers 31.

Alles Große ist eines kleinen Beginnens, auch alles was Gott erschuf. Das Größte was Gott erschuf ist der Mensch, Gottes Ebenbild, und welcher eine Hülle Gottes seyn soll. Wir müssen aber, um die Hülle Gottes zu wer-"

den, das Senfkörnlein auf unferen Acker säen, und dieses Senfkörnlein ist die schöne Lugend, die Demuth, ohne welche wir nicht in das Himmelreich eingehen können. Und diese Lugend kennet Ihr Alle, mich mit eingeschlossen, nicht, sie muß uns schon von Gott gegeben seyn, denn alle gute Gabe kommt von Gott. Es ist gerade so, wenn wir, statt demü­ thig zu seyn, stolz sind, wie mit Oem bekannten Sprichworte, wenn etwas böses, ungeschicktes im Hause geschieht, so sagt man, der Niemand hat's gethan. Alle christlichen Kirchenlehrer sind übereingekommen, daß die Demuth nothwendig ist, um dann die andern christlichen Lugenden zu erhalten. Es sagte mir erst unlängst ein frommer Lehrer: Es gibt Kaiser und Könige, Vornehme und Ge­ meine, Einsiedler und Mönche, Bischöffe und Priester, Bettler und Arme, alle möglichen Stande in der Hölle; aber nur keine Demüthigen, denn diese sind in dem Reiche Gottes. Und warum wählte Gott Maria zu ferner Mutter, als wegen ihrer Demuth, und sie sprach: „Der Herr hat die Demuth seiner Magd angesehen, und sie wird von al-

CG Früchte bringen mögen. Bitte für uns alle, daß der Herr uns immer bewahren möge vor allem Unglück und uns mit in sein Reich des Lichtes und der Freuden ausnehrnen möge. Amen!

Am sechsten Sonntage nach der Erscheinung des Herrn. Text.

„Das Himmelreich ist einem Scnfkernlein gleich, welches cm Mensch nimmt und auf seinen Äcker säet." Matth. 13, Vers 31.

Alles Große ist eines kleinen Beginnens, auch alles was Gott erschuf. Das Größte was Gott erschuf ist der Mensch, Gottes Ebenbild, und welcher eine Hülle Gottes seyn soll. Wir müssen aber, um die Hülle Gottes zu wer-"

den, das Senfkörnlein auf unferen Acker säen, und dieses Senfkörnlein ist die schöne Lugend, die Demuth, ohne welche wir nicht in das Himmelreich eingehen können. Und diese Lugend kennet Ihr Alle, mich mit eingeschlossen, nicht, sie muß uns schon von Gott gegeben seyn, denn alle gute Gabe kommt von Gott. Es ist gerade so, wenn wir, statt demü­ thig zu seyn, stolz sind, wie mit Oem bekannten Sprichworte, wenn etwas böses, ungeschicktes im Hause geschieht, so sagt man, der Niemand hat's gethan. Alle christlichen Kirchenlehrer sind übereingekommen, daß die Demuth nothwendig ist, um dann die andern christlichen Lugenden zu erhalten. Es sagte mir erst unlängst ein frommer Lehrer: Es gibt Kaiser und Könige, Vornehme und Ge­ meine, Einsiedler und Mönche, Bischöffe und Priester, Bettler und Arme, alle möglichen Stande in der Hölle; aber nur keine Demüthigen, denn diese sind in dem Reiche Gottes. Und warum wählte Gott Maria zu ferner Mutter, als wegen ihrer Demuth, und sie sprach: „Der Herr hat die Demuth seiner Magd angesehen, und sie wird von al-

67 len Geschlechtern gepriesen werden." Nun will ich auch heute von der Demuth sprechen. O Gott gebe meinen Worten Kraft, über einen.Gegenstand zu sprechen, den ich nicht kenne und nicht verstehe. Ich will im ersten Theile untersuchen, warum sollen wir demüthig seyn, und im zweiten Theile, wie wir demüthig werden. „Mein Gott und Herr Jesus Christus, der du Knechtsgestalt angenommen hast, um uns zu erlösen, gebe uns deine Gnade, daß wir die Demuth erkennen und er­ halten. Heilige Maria Mutter Gottes, bitte für uns. Heilige Ursula, Angela, alle Schutzheiligen, dieses Tem­ pels, dieses Tages, alle heiligen Engel, die ihr euerer De­ muth wegen, schon reichlich belohnet seyd, bittet alle für uns." Ich habe über dieses Evangelium schon vor sechs Jah­ ren in dieser Kirche geprediget. Der Gegenstand ist aber unerschöpflich, so daß man alle Tage darüber predigen könnte. Also demüthig sollen wir seyn, und wie erhalten wir denn diese Demuth, der wir nachjagen sollen, die wir aber nicht kennen, die wir an einem jeden, der sie besitzt, loben und beneiden. Wir müssen Jesum Christum nach­ ahmen, wir müssen Jesu Christi Beispiel nachahmen. Denn Jesus Christus mußte erst das Wort vom Water erhalten, obwohl er selbst Gott ist ehe er Mensch werden konnte, uns zu erlösen, und er starb am Galgen des Kreu­ zes für uns, an diesem Galgen des Kreuzes, ich wieder­ hole es noch Einmal, an welchem sich noch die Heiden ärgern, ja sogar die getauften Heiden, unsere katholischen Heiden. Der Herr war also auch demüthig, er wurde verspottet, gegeißelt, mit Fausten geschlagen, verspieen und daun starb er am Kreuze, nachdem er aber seinen Geist aus­ hauchte, schwebte er glorreich zu seinem Water empor und sitzet mit Glanz und Herrlichkeit zu seiner Rechten. Also wir müssen des Herrn Beispiel der Demuth nachahmen. 5 *

68 Sc lang? wir nicht demüthig sind, werden wir nicht glatt» den, hoffen und auch nicht lieben, und der heilige Kirchen­ lehrer Augustinus sagt: die Demuth ist das Erste, das Zweite und das Dritte im Christenthume. WaS verhin­ dert aber bei uns die Demuth? unser Stolz, dieser laßt nicht zu, daß wir demüthig seyn. Der heilige Franziscus von Assisi ging mit zu Boden geschlagenen Augen auf der Straße, und er sagte zu seinem Junger, „Jetzt gehe ich predigen." Nachdem er einige Straßen durchging, fragte ihn sein Jünger: „Du hast ja nicht geprediget, lieber Vater?" Der Heilige antwortete. „Haben wir nicht geprediget, indem wir frommen Schrittes und mit zu Boden ge­ schlagenen Augen auf der Straße gingen?" Blos durch das Aeußere predigte dieser Heilige. Wir könnten alle Lehrer seyn, wir könnten alle predigen, wir könnten alle durch unser Aeußeres und'demüthiges Benehmen lehren. Wir könnten es, könnten die Leute demüthig machen, durch unser Beispiel, aber wir thun es nicht. Wir müssen Der muth lehren, nicht blos mit großen Worten herum werfen, nicht blos durch Blumen der Sprache, aber durch unser Beispiel- Ohne Demuth ist unser Glaube nicht acht, un­ sere Hoffnung eitel, und unsere Liebe nicht vollkommen. Durch die Demuth müssen wir alle übrigen Tugenden er­ langen. Dieses Senfkörnlein müssen wir auf unsern Acker säe«, so klein es ist, so wächst es zu einem Baum, und wird größer als alle Kräuter, unter welchem nicht nur die Vö­ gel unter seinen Zweigen wohnen, sondern man heizet auch im Morgenlande mit seinem Holze die Zimmer. Eben so klein als das Senfkörnlein ist, muß auch unsere De­ muth anfangen, und sie wird auch- zu einem herrlichen Baum emporwachsen. Denn Alles nimmt einen kleinen Anfang, gleich dem Senfkörnlein. So nahm auch die ka­ tholische Kirche ihren Anfang. Jesus Christus erniedrign-, demüthigte sich und wollte in dem Städtchen Nazareth ge«

69 Loren werden, in Nazareth, in diesem unbedeutenden SD erb chen, aus welchem man sagte, daß gar nichts Gutes kom­ men könne, wurde in einem Stalle geboren, welcher nur den Hirten zur Herberge diente, wuchs auch in Nazareth heran, war eines armen Kimmcrmanns Sehn, wie ihn seine Feinde nannten, und half seinem Vater in seiner Hantierung bis in sein dreißigstes Jahr. Dann trat mit einem Male der Zimmermanns Sohn auf und predigte mit einer Kraft, mit welcher noch kern Mensch geprediget hat, noch predigen kann. Wirkte Wunder mit einer Macht, die kein Mensch besitzt, wurde aber dann wieder verleum­ det, verfolgt-und endlich starb er am Kreuze und empfahl seinen Geist in die Hande seines himmlischen Vaters. Dann scheu wir die heiligen Apostel, welche arme unwis­ sende Bauersleute, armselige Fischer waren, welche nichts als ihre Netze hatten. Jesus predigte zu ihnen, lehrte sie sein Evangelium, sie verstanden -aber nicht was er ihnen lehrte. Nach seiner Himmelfahrt aber überschattete sie der Geist seiner Gnade, und Petrus trat aus und predigte mit einer Kraft, welche alles zum Erstaunen brachte und taufte an diesem Tage noch fünftausend Menschen; und dann lehrten sie alle, verbreiteten das Evangelium in der ganzen bekannten Welt, und besiegelten endlich die Lehre ihres göttlichen Meisters mit ihrem Blute. Was brachte sie aber dazu, als, daß sie demüthig waren, und der Herr war' auch demüthig, obwohl er selbst Gott war, denn er sagte: „Der Vater ist größer als ich." Und am Oelbergebetete er: „Vater, nimm diesen Kelch von mir, doch nicht mein, son­ dern dein Wille geschehe." Also nur Demuth, nur demü­ thig seyn, dann werden wir Gott wohlgefällig seyn. Was ist denn aber nur die Demuth, der wir nachjagen sollend Demuth ist das lebendige Gefühl unserer Abhängigkeit von Gott. Wir müssen lebendig fühlen, daß wir nur von Gott abhängen. Ich sage lebendig, denn ich mache einen

70 Unterschied zwischen dem todten und dem lebendigen Ge­ fühl. Es gibt wohl Leute, welche es zugeben, daß sie von Gott abhangen, und dieß ist ein todtes Gefühl, denn mit dem bloßen Augeben ist es nicht gethan, wir müssen es aber lebendig-wirklich fühlen, daß wir von Gott ab­ hangen, und es kann es Keiner leugnen, ohne wahn­ sinnig zu seyn. Wir müssen uns aber an Jesum Chri­ stum klammern und ihn um Demuth bitten. Der hei­ lige Hieronymus sagt: „In Gottes Handen ist mir wohl, da bin ich sicher." Wenn wir demüthig sind, dann wird uns der Glaube in der Dämmerung, die Hoffnung im Morgenroth und die Liebe im vollen Glanze der Sönne erscheinen. Wir müssen uns aber nicht an dem Baum der Welt, den sie den Baum der Erkenntniß nennt, fest halten, denn dieser wird unter unsern Handen einschrumpfen, verwelken, seine Blatter werden abfallen, und dann wird er einsinken; aber an den Galgen des Kreuzes müssen wir uns klammern, und dieses Kreuz wird uns empor heben, und wir werden getröstet werden und die Demuth erlangen. Ein Demüthiger wird sich aber noch immer demüthigen. Wenn er einen seiner Mitmenschen, der stolz ist, sieht, so wird er ihn seines Stolzes weg?n nicht verachten, sondern sagen: Dieser ist auch mit mir erlöset, er hat aber die Gnaden, welche auch über ihn ausgegossen sind, nicht benutzet, wie er es hatte sollen, so wie ich sie auch nicht recht benützet habe. Er wird hn»ter demüthig seyn, dann aber wird ihm einst die herrliche Krone der ewigen Freuden, geziert mit allen schönen Lugenden, welche er besaß, gereichet werden. Unsere Gelehrten, Philosophen genannt, irren aber im­ mer trostlos'umher, sie scheinen aber, geben sich das Ansehen, als wenn sie getröstet waren, sie scheinen zu­ frieden, ihr Stolz laßt es aber nicht zu, diese ihre LrostLosigkeit, Unzufriedenheit erkennen zu lassen. Wenn man

71 sie naher kennen lernet und wenn sie aufrichtig werden, so sagen sie: Wir suchen! 'Warum denn suchen? Es

ihr Stolz manchmal weichet, und dieß geschieht zuweilen, Wir suchen.! Wir suchen! ist ja schon Alles gefunden.

OGott! Jesus Christus , bist du denn so grausam, daß du uns immer nur suchen und nichts finden Laßt. Nein, mein Herr,, du bist nicht so grausam gegen uns, sobald wir dich suchen, wirklich suchen, so finden wir dich ja gleich, du willst ja selbst, daß wir dich finden. Und wenn wir Jesum Christum suchen, den finden wir bald. Wenn wir die heilige Hostie, so klein sie ist, recht wür­ dig, mit wahrem Glauben mit) Viebc genießen, so können wir unendlich groß werden. Darm wird Gott der Herr Misere Demuth ansehen, so wie er sie bei der heiligen Maria ansah, und ihr die größte Ehre erwies, nämlich sie zur Mutter seines Sohnes wählte, denn gibt es eine größere Ehre^ als Mutter Gottes zu seyn? Dann wird

also Gott auch unsere Demuth ansehen, so lange wir aber nicht demüthig sind, so werden wir nicht den Glau­ ben, die Hoffnung und bi-e Liebe erhalten. Und ein Mensch ohne Glaube/ ohne Hoffnung und ohne Liebe kann nicht in das Himmelreich eingeheu. Dieser Mensch ist noch weniger als Thier, denn er war bestimmt, Tu­ genden zu erwerben und sich einst der ewigen Seligkeit zu erfreuen, und er that es nicht. Also demüthig müssen wir seyn, diese schöne herrliche Lugend wird aber auch von Gott in uns gepflanzet, denn alles Gute kommt von oben, vom Vater des Lichtes. Nun also sehen wir, daß wir demüthig seyn müssen, um uns einst des ewigen Lichtes zu erfreuen, aber was für Mittel müssen wir anwenden, um demüthig zu werden? Davon im zwei­

ten Theile. Wir müssen allen Stolz in uns unterdrücken. Es gibt aber Leute, bei welchen der Stolz eine doppelte

72 Leidenschaft hervorbringt. Nämlich wenn sie von hoher Geburt sind, Talente haben oder Ehrentitel, ein hohes Amt oder viele Wissenschaften erlernt haben, so sind sie darauf stolz und wollen, ein jeder Mensch soll sie deß­ halb verehren und schätzen, sie wollen "überall als das,

was sie sind oder sich einbilden zu seyn, angesehen wer­ den, und wenn man sie nicht als das betrachtet, so erregt es in ihnen Haß, Groll, Nachsucht, Unverträg­ lichkeit und noch mehr Hoffart. Es ist aber eine Narr­ heit. Gerade so, als wenn ich jemanden des Abends oder des Nachts auf der Straße, wo es finster ist, begegne, und er mich nicht grüßet, weil er mich nicht erkennt oder nicht sieht, und ich mich deßhalb beleidigt fühlen wollte. Ihr Stolzen, soll ich es Euch noch sagen, soll ich die Kürze der Zeit dazu anwenden, Euch noch Eueren Stolz vorzuhalten, indem ich schon sechs Jahre hier predige, es wird mir schwer, wieder so eine gemeine Sprache zu führen. Also Du Stolzer, der Du wegen Deinem Titel oder auf Dein Geld stolz bist, eß ist Alles in Gottes Handen, Du kannst bald Alles verlieren, und hatte es Dein Nebenmensch, den Du seiner Armuth wegen ver­ achtest, er würde es'gewiß besser anwenden, er würde nicht sein Geld auf unnöthige Dinge, aus Wollust oder Lüsternheit verschwenden, er würde es besser anwenden. Du, der Du wegen Deinen Talenten stolzierest, die Dir auch von Gott gegeben sind, und Du Deinen Neben­ menschen wegen seiner Unwissenheit erniedrigest, Du wirst noch einst auf den, auf welchen Du jetzt herab­ siehst, hinaufschauen. Er wird einst vor Gottes Thron erhöhet werden, und Du wirst gedemüthiget, erniedriget werden. Du, der Du Deiner hohen vornehmen Geburt wegen stolzierest, und Deinen Nächsten, der von ge­ meiner Herkunft, aber weit besser als Du bist, verach­ test. Der gemeine so wie der vornehme Pöbel ist bei

73 Gott alles erns, ist gleich. Gott sicht nicht auf Reich­ thum oder Armuth, auf hohe oder niedre Herkunft, son­ dern auf ein edles tugendhaftes Herz. Du stolzes Weib, soll ich es Dir noch sagen, die Du Deine ärmere aber demüthige Nachbarin verspottest und verleumdest, daß sie wird erhöhet werden, und Du wirst erniedriget wer­ den, denn ihre Demuth wird Gott ansehen und erhöhen, und Deinen Stolz wird er beugen. Du stolze Dirne, die Du Deiner Schönheit wegen stolz bst, nimm einen Lodtenkepf und betrachte ihn, denn Tu wirst auch bald so werden, soll ich es Dir noch wiederholen, daß das häß­ lichste Gesicht, wo Demuth ist, schön, herrlich ist, und das schönste Gesicht, wo Stolz ist, häßlich ist. Also nur Demuth, und diese Demuth wird uns Gott geben, wir müssen aber, um sie zu erhalten, nicht die Hande in den Schooß legen, wir müssen uns in der Demuth üben und dann wird uns Gott diese Lugend geben, denn alles Gute kömmt vom Water des Lichtes, und das sage ich noch für uns katholische Christen, wir haben Jesum Christum zum Beispiele, wir haben seine Lehre und er­ halten Kraft durch die sieben heiligen Sakramente, welche er zu unserem Heile eingesetzt hatte. Es ist mit dem Christenthums nicht so, als wenn wir eine andere Wissen­ schaft erlernen wollen. Wir erhalten erst durch die Ue­ bung die Wissenschaft, wir müssen uns also auch in der Demuth üben. Man kann auch die Lehre Jesu nicht wie etwas anderes, was Zhr lernen wollt, auf den Fingern aufzahlen. Wir müssen uns üben, durch Uebung werden wir sie erlernen und erkennen. So ist es auch mit der Demuth, wir müssen uns in ihr üben, allen Stolz un­ terdrücken und uns demüthigen. Derjenige, der sich in der Demuth übet, wird einen jeden Menschen, ja den schlechtesten, als seinen Mitmenschen, als seinen Mit­ erlösten ansehen. Er wird seine Fehler nachsehen und

74 sagen , daß er Gottes Gnade und Güte nur noch miß.brauche. Er wird alle -Verleumdungen und Verfolgun­ gen mit Geduld und gerne ertragen. Wenn seine La* lente, Gelehrsamkeit, Kenntnisse/ ,welche er wirklich besitzt/ ja sogar seine Lugenden verkannt werden, so wird er deßhalb nicht rachsüchtig seyn, sondern geduldig alles Böse, was man von ihm sagt, ertragen, denn er wird einst vor Gottes Gericht gerechtfertiget werden, seine Tugenden bekannt gemacht und seine Feinde, folger und Verleumder werden armselig und beschämt dastehen. Jene werden erhöhet werden, denn sie haben sich gedemüthkget, die Stolzen hingegen erniedriget wer­ den. Das sage ich Euch Gerechten, gerecht ist zwar nie­ mand, das versteht sich von selbst, Gott allein ist höchst gerecht, aber dieses sage ich Euch Ihr Frommen, Ihr Demüthigen. Aebet Euch also, meine lieben Freunde, in der Demuth. Ich liebe Euch so, daß ich immer, so­ gar wenn uns Gott gnädig ist, in der Ewigkeit bei Euch seyn möchte. - Uebel Euch also in der schönen Tugend, in der Demuth. Der heilige Franz von Sales, der Bi­ schof war, was doch das schönste Amt ist, wurde-ver­

leumdet, und verspottet, man redete ihm viel Uebles und Böses nach, man beschuldigte ihn, daß er mit Lauigkeit sein Amt verwalte, er aher vertheidigte sich gar nicht, sondern sprach: „Meine Bischofwürde liegt in Gottes Handen." Er war demüthig bis an sein Ende, und wurde dann vor Gottes Thron glorreich gerechtfertigt und belohnet, von der Kirche aber als Heiliger cano-nisiret. Also wir müssen uns auch immer demüthigen, alle unsere Verfolgungen gerne und aus Liebe zu Jesum Christum ertragen. Ein Menschs der sich recht in der Demuth übet, wird sogar Verfolgungen und Verleum­ dungen suchen, freilich nicht auf freier Straße, nicht öffentlich, daß es Aergerniß erreget, .aber im Geheimen.

75 Das muffen wir auch thun, wir muffen willig und mit Freuden unser Kreuz auf uns nehmen, Leiden und Ver­ folgungen gerne ertragen, Gott wird unsere Demuth einst ansehen, und wir werden einst vor Gottes Thron glorreich verherrlichet werden, unsere Feinde und Ver­ folger hingegen werden in ihrer elenden Jämmerlichkeit, dastehen. Nun will ich Euch noch zum Schlüsse dieses Hausmittel rathen. Ihr müsset täglich'betrachten, alles Gute kommt «von oben und alles Böse von unten. Ihr müsset Euch manchmal im Stillen demüthigen, müsset lebendig erkennen Euere Abhängigkeit von Gott, und Ihr werdet sehen, daß Ihr um sechs Stunden weiter kommet, daß Ihr, wenn Ihr Euch manchmal eine Demüthigung und sey es Anfangs eine kleine, aufleget, weiter kom­ met, als wenn Ihr Euch, ich weiß nicht wie, kasteret, und Ihr könnet Heilige werden. Nicht alle Heiligen haben sich kasteiet, nicht alle waren Einsiedler und Mönche, nicht alle sind gemartert worden, aber alle waren demüthig, keiner stolz, denn nur die Demüthigen werden durch das Himmelreich belohnet. Probirt es nu** einmal und übet Euch in der Demuth, aber anhaltend, und Ihr werdet sehen, daß Ihr weiter kommen werdet. Und dann, wenn Ihr Euch in dieser schönen Tugeich geübet habet, so kommet wieder und Ihr werdet dann ganz anders von der Demuth sprechen. Und dieses Senfkörnlein Demuth ist auch der Sauerteig, den ein Weib nimmt und in drei Scheffel Mehles mischt. Und diesen Sauerteig müssen wir Alle nehmen und unter die drei Scheffel Mehles, die Erkenntniß, den Willen und die Macht mischen. Dann, wenn wir dieses Senfkörnlein gefunden haben, werden wir den wahren Frieden, das größte Glück auf Erden erlangen, welchen schon die Engel bei der Geburt des Herrn verkündigten, indem sie sangen: „Ehre sey Gott in der Höhe und Friede den

76 Menschen auf Erden,

die öines guten Willens sind."

Also wenn wir die Demuth kennen und haben, dann werden wir glauben, lebendig glauben, hoffen und unsere Hoffnung wird nicht eitel seyn, und wir werden des Frie­ dens theilhaftig werden. Wir müssen aber auch die hei­ lige Maria, die Mutter Gottes um ihre Fürbitte bei ihrem göttlichen Sohn bitten, und bei Jesum Christum müssen wir um seine Gnade und seinen Beistand flehen. Du aber, o Herr IesuS Christus! gebe uns deine Gnade. stehe uns bei, daß wir unser Kreuz auf uns nehmen, und es aber auch aus Liebe zu dir tragen. Gebe uns diese schöne Tugend der Demuth, ohne welche wir nicht glau­ ben , hoffen, lieben können, und ohne diese Tugenden auch nicht in dein Reich der Freuden eingehen können. Gebe uns die heilige Geduld, welche wir auch'zur Er­ lernung der Demuth nothwendig haben. Dir sey Ebre, Lob und Preis, du allein, der du in uns mächtig bist, seyst geehrt, gelobt und gepriesen in Ewigkeit. Amen!

Am Sonntage Se-ptuagesima. Tert. „Was sicht ihr den ganzen Tag nriifug." Matth. 20, Vers 6. Was macht, daß daß Meer nicht gleich einer Lache faulet? Die Bewegung desselben, es ist keinen Augenblick ruhig, es beweget sich immer, eine Welle bildet sich aus der andern, eine stoßet sich an der andern. Was erhält den Körper des Menschen als seine Bewegung, daß daß Blut immer rege ist und sich in den ganzen Kör­ per verteilet; wenn es aber in unseren Adern stocket, so ist der Mansch eine leblose Leiche, er ist todt, ohne Bewegung todt. Also Bewegung ist nothwendig zu un­ serer Erhaltung. Unsere Seele muß aber auch thätig

76 Menschen auf Erden,

die öines guten Willens sind."

Also wenn wir die Demuth kennen und haben, dann werden wir glauben, lebendig glauben, hoffen und unsere Hoffnung wird nicht eitel seyn, und wir werden des Frie­ dens theilhaftig werden. Wir müssen aber auch die hei­ lige Maria, die Mutter Gottes um ihre Fürbitte bei ihrem göttlichen Sohn bitten, und bei Jesum Christum müssen wir um seine Gnade und seinen Beistand flehen. Du aber, o Herr IesuS Christus! gebe uns deine Gnade. stehe uns bei, daß wir unser Kreuz auf uns nehmen, und es aber auch aus Liebe zu dir tragen. Gebe uns diese schöne Tugend der Demuth, ohne welche wir nicht glau­ ben , hoffen, lieben können, und ohne diese Tugenden auch nicht in dein Reich der Freuden eingehen können. Gebe uns die heilige Geduld, welche wir auch'zur Er­ lernung der Demuth nothwendig haben. Dir sey Ebre, Lob und Preis, du allein, der du in uns mächtig bist, seyst geehrt, gelobt und gepriesen in Ewigkeit. Amen!

Am Sonntage Se-ptuagesima. Tert. „Was sicht ihr den ganzen Tag nriifug." Matth. 20, Vers 6. Was macht, daß daß Meer nicht gleich einer Lache faulet? Die Bewegung desselben, es ist keinen Augenblick ruhig, es beweget sich immer, eine Welle bildet sich aus der andern, eine stoßet sich an der andern. Was erhält den Körper des Menschen als seine Bewegung, daß daß Blut immer rege ist und sich in den ganzen Kör­ per verteilet; wenn es aber in unseren Adern stocket, so ist der Mansch eine leblose Leiche, er ist todt, ohne Bewegung todt. Also Bewegung ist nothwendig zu un­ serer Erhaltung. Unsere Seele muß aber auch thätig

77 seyn, sonst ist sie todt, sie muß sich auch beschäftigen und nicht müßig seyn. Heute am Sonntage Septuager sima beginnt die Kirche die Einleitung zur Faste, denn die ersten Christen fingen schon heute an zu fasten, und fasteten durch siebzig Tage,'darum heißt der heutige Sonntag Septuagesima, Siebziger. Dann fastete man sechzig Lage, Sexagesima, dann durch fünfzig Lage, Quinquagesima, und endlich so wie wir jetzt durch vier­ zig Lage, Quadragesima. Also von heute an sollen wir uns durch ernste Betrachtungen vorbereiten, um dann das Leiden und Sterben Jesu Christi recht zu betrachten. ZZon heute an' verstummet in der heiligen Messe das Gloria und das Alleluja, dessen man sich bedienet zum Zeichen der Freude, diese Freudengebete verstummen bis zur Urstande des Herrn, dem Ostersonntag, wenn wir ihn erleben, den Freudentag. Auch ziehen heute die Prie­ ster violette Meßgewänder an. Dieses Violet soll auch in den Herzen der Priester Lrauer, aber auch Freude über unsern Erlöser zu gleicher Zeit erregen. Also Thä­ tigkeit ist zu unserem Leben nothwendig, auch zmunserem geistigen. Wir müssen jetzt in dieser Zeit auch thätig seyn, um zu erkennen und uns zu erfreuen der Thätig­ keit des Herrn. Ich will nun auch heute von der Thä­ tigkeit sprechen, ohne welche, wie ich schon zeigte, der Mensch todt ist. Wie war und ist Gott thätig? mein erster Theil. Wie sind wir und wie sollen wir thätig seyn? mein zweiter Theil. Du aber, o Herr Jesuder du Alles gemacht hast, ohne dich ist nichts gemacht, was gemacht ist. Stehe du mir heute bei, daß ich dieser christlichen Gemeine recht zeigen möge, wie du thätig warst und bist, und wie wir es seyn sollten. Gebe uns deine Gnade, daß wir thätig sind. Heilige Mutter Gottes! die du immer unser Be­ stes willst, die du immer um unser Wohl besorget bist,

78 die du immer wegen uns thätig bist, bitte für uns, daß wir es auch sind. Heilige Ursula, heilige Angela , hei­ liger Bischof und Märtyrer Simon, alle Schutzheiligen dieses Tempels und dieses Tages, bittet Alle für uns. Also ohne Bewegung, ohne Thätigkeit Lod , kein Leben. Nm die Thätigkeit Gottes, wie ich Euch im ersten Theile zeigen will, zu erkennen, leister mir das heutige Evangelium gute Dienste. Also „das Himmel­ reich ist einem Hausvater gleich, welcher früh Morgens ausging, Arbeiter in seinen Weinberg zu dingen " Alle Kirchenlehrer kamen überein, daß der Hausvater Gott selbst ist, der Weinberg ist die christkatholische Kirche, die Religion, und die Arbeiter sind wir Menschen. „Als er aber mit den Arbeitern um einen Groschen zum Tage­ lohn eins geworden war, schickte er sie in seinen Wein­ berg." Der Groschen zum Tagelohn ist die ewige Se­ ligkeit, deren wir uns Alle würdig machen sollen. Ich

muß nun noch bemerklich machen, wenn es heißt: Er ging um die erste, dritte, sechste, neunte und eilfte oder letzte Stunde aus, so ist das bei uns^nders Bei den Israe­ liten war die erste Stunde Sonnenaufgang, und diese ist bei uns sechs Uhr Morgens. Die dritte Stmide ist neun Uhr Vormittags, die sechste Stunde ist zwölf Uhr Mittags, die neunte Stunde ist drei Uhr Nachmittags, und endlich die eilfte Stunde ist bei uns fünf Uhr Abends oder Sonnenuntergang. Der Herr war aber von Anfang an thätig, denn er sprach: Es werde Licht, und es ward Licht. Dann schuf er sein Ebenbild, den glorrei­ chen Menschen, das erste Menschenpaar. Diese hatte er schon um die erste Stunde gedungen, dieses erste Elternpaar hatte Gott selbst belehret und um die erste Stunde gedungen. Um die dritte Stunde hatte Gott den Noah und Abraham gedungen, mit) dem Abraham, Isaak und Jakob hat Gott schon seinen eingebornen

79 Sohn verkündiget. Um die sechste Stunde die Prophe­ ten, welche das Volk lehrten und unterrichteten, welche aber auch mit Strafe von Gott droheten, wenn sich das Volk nicht bessern wollte, und dann weissageten sie vom Herrn, wurden aber verachtet, ja sogar viele getödtet, aber Gott hatte immer wieder andere berufen. Und endlich um die neunte Stunde kam der Herr selbst, wnrde ein weinendes, hungerndes Kindlein, in Bethle­ hem in einem Stalle geboren, und lehrte dann das Volk, berief Alle zu sich, wurde dann aber verfolgt und starb am Kreuze für uns, und empfahl seinen Geist in Sie Hande seines Vaters. Dann berief er um die nennte Stunde die Apostel, welche arme Landleute und Fischer waren, dann aber große Kirchenlehrer wurden. Dann sehen wir viele tausend Märtyrer, Jünglinge, blühende Knaben, zarte Jungfrauen, zitternde Greise. Endlich um die eilfte Stunde sind wir Alle gedungen. Gott der Herr hat also alle Menschen in seinen Weinberg ge­ dungen. Wir Alle sotten Arbeiter seines schönen Wein­ berges seyn. UNd wenn er uns fragt: „Waö steher ihr da den ganzen Lag müßig?" können wir auch .sagen: „Es hat uns niemand gedinget?" Nein! Gott hat uns vom Anfänge an gedinget, das erste Menschen­ paar im Paradiese schon. Gott hat sich immer unser erbarmet, obwohl wir Sünder sind, denn Gottes Erbarmungen sind sehr groß, und ich kann von nichts Anderem sprechen als von den ErbarmungeN Gottes. Des kleinen Kindes hat sich Gott schon erbarmet, denn wenn das Kind geboren wird, so ist es hülfloser als das Thier, denn dieses sangt doch bald nach der Ge­ burt an zu kriechen. Für das Kind ist gesorget, d^r liebende Vater, die Irene Mutter, welche es im keuschen und reinen Schooße getragen hat, eiten herbei, sorgen für das Kind und pflegen es, und Gott hat auch des

89 Kindes nicht vergessen,- er sorgte auch dafür, denndurch die heilige Laufe wird es von der Erbsünde gereiniget und schon in den Weinberg des Herrn gedinget. Und

wenn es heranwachst, sind treue Lehrer und Erzieher bereit, es zu unterrichten. Gott hat''aber für das Heran­ wachsende Kind gesorget. Er rüstet es ans mit seinen Gnaden und stärket, stählet es zu jedem Kampfe durch das heilige Sakrament der Firmung. Und als wir als Kinder noch mit unschuldigen Lippen die heilige Corm miniien empfingen, und nicht wrrßten, was und warum wir empfingen, so waren wir doch würdiger dazu und Gott wohlgefälliger. Und wissen wir jetzt, da wir doch keine Kinder mehr sind, was wir empfangen? Nein! wir wissen es nicht. Gott hatte sich also vom Anfang an über uns erbarmet, er war immer thätig, er will uns Allen, den Ersten wie den Letzten den Groschen zum Tagelohn geben, wenn wir ihn verdienen, wir müssen aber nicht müßig dastehen, wir müssen auch thätig seyn, und davon nun im zweiten Theile. Am Anfang sprach Gott: „ Wiele sind berufen, we­ nige aber auserwahlet." Dieser fürchterliche Spruch könnte das Blut in unseren Adern stocken machen: „Viele sind berufen, wenige aber auserwahlet." Diese schreck­ lichen Worte sprach der Herr, er sprach aber auch: „Alle, die an mich glauben, werden selig werden." Aber weg von dem Gräßlichen, wir müssen also glauben, und wir Alle haben den Hang zur Hoffnung, wir Alle hoffen einst die ewige Seligkeit zu erhalten. Wenn uns der fürchter­ liche Spruch: „Wiele sind berufen, wenige aber auserwählet" gleich einer schwarzen Gewitterwolke entsetzet, so müssen wir nicht verzagen und es ist sogar eine Sünde, wenn wir immer dächten, wir werden verdammet wer­ den, denn das wäre Mißtrauen auf Gottes Barmher­ zigkeit, eine der größten Sünden. Also wir können und

81 müssen sogar die ewige Seligkeit hoffen, wir müssen, um die ewige Seligkeit zu erlangen, nicht müßig seyn, wir müssen arbeiten, wir müssen thätig seyn Sind wir etwa müßig? Nein, keineswegs. Wir sind immer in Bewegung, wenn etwas Neues zu sehen ist, so müssen wir es sehen, wenn auf-der Straße das Mindeste ge­ schieht, so rennen und laufen wir hin, in allen Komö­ dien , auf allen Batten, auf allen Marktplätzen, an der Donau, ich weiß nicht wo wir überall seyn müssen, ja Gott verzeih mir's, wenn ein neuer Prediger auftritt, so müssen wir ihn sehen. Wir sind immer thätig, nie müßig, aber dieses ist ein thätiger Müßiggang. Solche Müßiggänger, solche Tagediebe sind wir doch nicht wie diejenigen, welche den ganzen Tag auf den Straßen stehen und nichts thun, Wollüstlinge jrnd, wir müssen sie nur ehren, weil sie Menschen sind, aber übrigens müssen wir sie meiden, denn sie sind verabscheuungs­ würdig. Wir müssen mis eine Beschäftigung suchen, denn das Sprichwort: „Müßiggang ist aller Laster An­ fang" ist sehr wahr. David wäre gewiß nicht in die Sünde gefallen, tonnt er gearbeitet hätte, die Städte Sodom und Gomorrha waren nicht untergegangen, wa­ ren die Einwohn ar derselben nicht müßig gewesen. Also wir müssen uns beschäftiget. Wir haben aber auch immer Beschäftigung. Wenn eine Jungfrau sagt, sie habe Zeit genug, sie habe nichts zu thun. O, sie hat Zeit genug und genug, viel zu thun, indem' sie sich vor­ bereitet zu einer treuen Gattin, zu einer zärtlichen Mut­ ter, die für das Wohl ihrer Kinder besorgt ist. Ein Jüngling hat auch immer genug zu thun, indem er trachtet, dem Staate einst nützlich zu werden Ein Hausvater oder eine Hausmutter, welche sechs Kinder hat, und sagt, sie habe nichts nt thun, so leugne ich es, ich leugne ihr es ans den Kopf. Sie hat genug

XI. Predigten I.

6*

82 Beschäftigung, wenn sie für die Erziehung ihrer Kinder­

besorgt ist. Aber nicht wie manche Hausvater des Abends in elende Komödien laufen, und sich nNr immer belu­ stigen wollen. Soll ich es Dir, Du Richter, noch sagen, der Du doch ein vernünftiger Mann seyn sollst, daß Du, statt Dich nur zu ergötzen und zu belustigen, lieber Deine hundert und noch mehr Prozesse schlichten solltest, Dich der bedrängten Wittwen und Waisen anuehmen solltest: Man kann sich und muß sich, wenn man es nöthig hat. zerstreuen, zwei , drei Stunden des Tages, nebst dem erforderlichen Schlaf, aber nach der Arbeit, nicht vor der-Arbeit, nach gcthaner Arbeit kann mau ruhen. Und leset in der Geschichte, so werdet Ihr sehen, daß sich alle Weisen, alle Heiligen beschäftiget haben, die Einsiedler in der thebaischen Wüste, welche drei­ hundert Jahre nach Christi Geburt schon gestiftet wur­ den, Hatter sich beschäftiget, sie flochten Körbe unv ander.- Dinge mehr; fraget diese Klosterfrauen und an­ dere Klostcrgeistliche, ob sie Zeit haben. Sie beschäf­ tigen sich mit häuslichen Dingen. Und ein jeder Stand hat genug zu thun, hat genug Arbeit, und sey er was immer, der Beamte, der Fabrikant , der Handelsmann, der Krieger, der Handwerker, Bauer. Wenn man aber weise ist und arbeitet, so muß man auch nicht wieder immer an sein Auskommen, an seinen Lebensunterhalt an seine Arbeit denken, wie so viele, welche nur des Morgens ganz schnell ein Vaterunser herplappern, des Abends auch nur ein Vaterunser, und des Sonntags geschwinde in eine halb? Messe gehen, und diese ist schon die bessere Gattung Menschen. Aber ein jeder Vernünf­ tige, wenn vr es ist, wird des Morgens, ehe er an seine Arbeit geht, die sogenannte gute Meinung, die in einem jeden Gebetlüchlcin, auch in dem einfältigsten steht, beten, er wird des Morgens diese Fragen an sich

83

legen: 4x.t mich Gott zum Menschen oder zum Vieh erschaffen? Hat er mich zu einem Christen oder zu einem Heiden erschaffen.? Ist diese meine Beschäftigung den» Staate/ meinem Nächsten und mir nützlich und Gott wohlgefällig? Und nachdem er diese Fragen an sich ge­ stellt hat, so wird er an seine Arbeit gehen und dabei

an Gott denken, und'aus Liebe zu Jesum Christum ar­ beiten, und des'Abends wird er wieder dieses Büchlein, die gute Meinung, vornehmen, ich meine nicht ein ge­ drucktes Buch, sondern das Gewissen, und wird es umblattern und wird sehen, was er den Lag hindurch ge­ than hat, und dann wird er an seine Brust schlagen und sagen: Gott sey mir armen Sünder gnädig! Und das müssen wir Alle thun, und arbeiten müssen wir auch, denn Gott befahl es uns, und er befahl es auch den ersten Eltern schon, denn er sprach: ,,Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brod essen" Und das Paradies gab ihnen Gott, um es zu bepflanzen und zu bearbeiten. Wir Alle müssen arbeiten imtr dann werden wir etwas Vollständiges, Ganzes hervorbringen. Ich weiß nicht, ob Ihr schon einmal eine Fabrik mit Aufmerksamkeit be­ trachtet habt, wie ein jeder beschäftiget ist, und wie end­ lich Alle zusammen ein schönes Ganzes erzeugen. Ich kann es nicht leugnen, ich sehe eine' Fabrik immer mit großem Vergnügen an. Also arbeiten müssen wir, und auch in dem Weinberg des Herrn müssen wir'arbeiten, denn er war auch immer thätig und ist es noch. Wir müssen auch bei unserer Arbeit an Gott den Herrn denken und aus Liebe zu ihm arbeiten, und trachten, immer mehr Lugenden zu erlangen. Und der Herr wird uns einst den Groschen zum Lage^ohn geben, eben so wie de­

nen, die er um die erste, dritte, sechste, neunte Stunde gedungen hat, wenn wir auch erst um die eilfte Stunde gedunaen sind. tfuS Ihr, die Ihr auch erst, so wie ich,

6 *

84 spät berufen wurdet, die Ihr auch lauge Zeit Eueres Lebens im Finstern geirrt habt, die Ihr aber erkannt habet, daß Ihr im Finstern wandelt und trachtet das Licht zu finden, verzaget nicht. Wenn wir tüchtig ar­ beiten , so werden wir auch den Groschen erhalten, wir sind um die eilfte Stunde gedungen. Und Ihr Jung­ frauen und Jünglinge, die Ihr noch unschuldig seyd, hütet Euch, hütet Euere Unschuld, bewahrt Euer Herz vor groben Sünden, bittet Gott um seinen Beistand, und wenn vielleicht Stolz in Euerem Herzen keimet, so unterdrücket ihn gleich. Hütet Euch auch noch in dieser Faschingszeit, daß Ihr Euch nicht auch, wie vielleicht schon manches unglückliche Schlachtopfer, ins zeitliche und vielleicht auch ins ewige Verderben stürzet. Flattert nicht wie die Mücke um das Licht, bis sie hineinfallt in das Verderben. Und denket immer an Gott, an Jesum Christum, denn er ist immer bei Euch, er begleitet Euch immer, jd sogar auf den Tanzsaal, und wenn Ihr im­ mer an ihn denken werdet, so gehet Ihr nicht verloren. Bittet aber nur immer Eueren göttlichen Seelenbrautigam und seine göttliche Mutter um seinen Beistand und um ihre Fürbitte, und arbeitet. Wir müssen also auch Alle thätig seyn, denn wir sind Alle in des Herrn Wein­ berg gedungen, und der Herr will uns auch Alle mit dem schönen Groschen, der ewigen Freude belohnen. Du aber, o Herr Jesu! stehe du uns immer bei, segne alle unsere Arbeiten, wir wissen, daß du in uns Schwachen mächtig bist, und in dir leben, weben und sind wir, jetzt und in Ewigkeit. Amen!

85 Am Sonntage Scxagesimä. 2 ex t.

,, Was über auf die gute Erde fiel, sind die, welche bü8 Wort bereit, es mit willigem und bestem Herzen behalte^ und in der Geduld Frucht bringen." Lueaö 8, Ners 15.

Wenn wir die Geschichte der Menschen durchgehen, so sehen wir, daß sie sich Immer mit dem beschäftigten, was zu ihren Bedürfnissen nothwendig war. Dieß sehen wir schon bei den ersten Eltern. Kain trieb Ackerbau, Abel beschäftigte sich mit der Viehzucht. Die meisten, fast alle trieben aber damals das Hirtenleben, da hatten sie keine festen Wohnungen, sondern zogen mit ihren Heerden immer dahin, wo sie genug Wasser und Wiese fanden. Im Orient beschäftiget man sich noch sehr häufig mit der Viehzucht. Erst spater trieb man den Ackerbau, und da hatte man feste, bestimmte Wohnungen und mußte mehr Geduld haben. Dieses heutige Evangelium wurde uns von den drei heiligen Evangelisten Lucas, Matthaus und Marcus so ziemlich gleichförmig mitgetheilt. Als Jesus zu Kapernaum war, trat er in einen Kahn oder Nachen wegen der Menge deß Volks und lehrte vom Saemann, wie wir heute sehen. Dieß trug sich im zweiten Jahre seines Lehramtes zu. Nun heute sollen wir Freude und Trost haben, denn der Herr erklärte selbst das heu­ tige Evangelium und hat es mir recht leicht gemacht. Er belehrte nämlich das Volk vom Anhören des Wortes Gottes. Also vom Anhören der göttlichen Lehre. Da­ von will ich nun auch heute sprechen, so Gott will, und zwar im ersten Theile untersuchen: „Was macht cs bei uns, daß wir die Lehre Jesu, das Wort Gottes hören, und daß eß keine Frucht in uns bringet?" Und im zweiten Theile will ich Euch zeigen, wie wir die göttliche Lehre anhören müssen, damit sie Frucht bringe. Also Hinder­ nisse der rechten Anhörung deS Wortes Gottes, mein

86 erster Theil.

2srt und Weise, das Wort Gottes zu hö­

ren, damit es Frucht briüge , mein zweiter Theil. ' Du aber, c göttlicher Säemann, Jesus Christus, streue dein Korn aus auf unseren Acker und gebe, daß es gedeihe und vielfältige Früchte bringe. Heilige Ma­ na, Mutter Gottes, du unsere Fürsprecherin, bitte für uns. Heilige Apostelfürsten Petrus und Paulus. heilige Ursula, Angela, alle Schutzheilige dieses Tempels, alle unsere Schutzengel, bittet für uns. Also heute hat es mir unser göttlicher Heiland leicht gemacht, denn er erklärte selbst dieses Gleichniß. Wir

sollen Freude und Trost haben, wie ich schon sagte. Ich will aber nach Art der alten Kirchenlehrer, welche, wenn der Herr selbst erklärte, es seyn ließen zu erklären, son­ dern ihm nur nachfolgten> unb dieß will ich nun auch thun. Also „ein Säemann ging aus, seinen Säumen zu säen." Dieser Saemann ist Jesus Christus, welcher vom Vater des Lichts voll der Gnade und Wahrheit aus­ ging, Knechtsgestalt annahm und sich in die Zeit ver­ senkte. Sein Saame ist seine göttliche Lehre, voll der Wahrheit, welche er theils selbst lehrte, theils durch seine Jünger, die man Apostel nennt, predigen ließ. Er selbst, die ewige Wahrheit, der Weg, das Leben, lehrte das Volk. „Und indem er faete, fiel ein Theil auf den Weg, wurde zertreten und die Vögel der Lust fraßen ihn auf." Wenn man auf einer Wiese oder einem Acker immer tritt, so kann freilich der Saame nicht aufgeben, sondern er wird zertreten und von den Vögeln verzehrt. „Ein Theil st.l auf einen Felsen und da er aufging, verdor ete er, weil er keine Feuchtigkeit hatte." Es kann und ist wohl manchmal auf einem Felsen eine Schicht gute Erde, N'elche den Saamen aufnimmt, wenn er aber aufgegangen ist, so har er keine Feuchtigkeit und verdorret. „Ein Theil fiel unter die-Dörner und die

87 Dörner, welche mit aufgingen, erstickten ihn." Das ist eben dasselbe, was man Mißwachs nennet „(Sin Theil fiel abernuf gute Erde, ging auf und-trug hun­ dertfältige Frucht." Als der Herr dieses sagte, rief er: „Wer Ohren hat zu hören, der höre!" Der Herr rief: „Wer Ohren hat zu hören, der höre!" Der gött­ liche Heiland vergaß sich selbst, als es das Heil der Menschheit galt, als es zu unserem Besten war. Als er im Garten Gethsemane gefangen wurde, als er von Judas den verräterischen Kuß erhielt, .als er von Kai­ phas zu Annas, von Annas zu Pilatus, von PilatuS zu Herodes und von Herodes wieder zu Pilatus geschleppt wurde, als er gegeißelt, gekrönt, verspottet, ja sogar als er, das Lamm, welches der Welt Sünden tragt, gekreuziget wurde, schwieg er und seufzte nur im Stillen und sprach: Mein Gott! mein Gott! warum hast du mich verlassen! Als es aber das Heil der Welt, der Men­ schen galt, rief er laut: „Wer Ohren hat zu hören, der höre! " Es fragten ihn aber seine Jünger, was dieses Gleichniß bedeute. Die Apostel frugen, 'sie schämten

sich nicht, so wie unsere vielwissenden', hochtrabenden Gelehrten, welche Alles zu wissen glauben und niemals fragen , aber deßhalb auch nichts wissen. Also die Jün­ ger frugen ihn, sie frugen aber Jesum, die höchste Weis­ heit und Gnade, und er sprach zu ihnen: „Euch ist es gegeben, die Geheimnisse des Reiches Gottes zu wissen, die andern aber hören es in Gleichnissen, damtt sie, ob sie schon sehen', doch nicht sehen, und ob sie schon hören, doch.nicht verstehen." Dieß sprach der Herr zu seinen Jüngern, diese hatte er bestimmt, die Geheimnisse seines

Reiches zu wissen, dem übrigen Volke trug er aber seine Lehre in Gleichnissen vor. Denn wir sind nicht im Stande, das Göttliche, das Vollkommenste zu verstehen, wir müssen nur glauben, was uns dcr Herr lehrre.

88 Hier muß ich noch bemerklich machen, was ich schon ein­ mal bei einer andern Gelegenheit sagte, daß eS einen zwiefachen Verstand gibt, nämlich denjenigen, wo eine Sache, welche man verstehen will, ganz natürlich vor uns liegen muß, welche man so zu sagen mit den Handen greifen kann, und dieser Verstand ist für das gemeine Leben ganz gut. Um aber die Lehre Jesu zu verstehen, müssen wir einen höheren Verstand haben, und diesir ist aber die Vernunft und führt uns zum Anschallen des Lichtes nahe. Wer diesen höheren Verstand besitzt, der sey damit ruhig, der schweige davon, und wer ihn nicht hat, der bitte Gott darum und strebe darnach. Also um die göttliche Lehre zu verstehen, ist der Verstand, welcher für das gemeine Leben recht gut ist, zu wenig, dazu müssen wir einen höheren Verstand haben, wie ich jetzt eben sagte. Nun erklärt der Herr selbst das Gleichniss, denn er sprach: „Der Saame ist das Wort Gottes." Wie hören wir aber das Wort Gottes in der Kirche? Wir hören es nicht nur in den Predigten, sondern auch im Beichtstühle und durch Regungen. Also wie hören wir es? Sechs Worte hören wir, zwanzig nicht. Statt auf die Lehre Jesu zu denken und unsere ganze Aufmerk­ samkeit darauf zu verwenden , kommen uns ganz andere Gedanken in den Sinn, wo wir heute Abend hingehen werden, in welche Lusthanser, in welche Komödie, auf einen Ball, dieß denken wir, und welche so die Predigt hören, die sind sehr schlechte Hörer. Wieder andere sind diejenigen, welche sich einige Worte oder Ausdrücke, de­ ren sich der Prediger bediente, gemerkt haben, sie dann ihren Freunden und Freundinnen erzählen, diese bringen eß aber ins Lächerliche", lachen und spotten darüber, und dieses geschieht nicht selten. Diese sind auch recht schlechte Hörer. In der Predigt sollen wir immer aufmerksam seyn und unß nicht zerstreuen, denn es ist ja Gottes Wort.

89 Wenn jetzt ein Abgeordneter des Kaisers, sein Oberkämmerer aufträte und ein Edikt des Kaisers ablesen würde, wie gäben alle Leute Acht, daß ihnen nur kein Wort eiib ginge, und daß Wort des Kaisers aller Kaiser wird so schlecht angehört, das Wort der ewigen Wahrheit und Liebe wird mit Unaufmerksamkeit und Zerstreuung ange­ hört. Es gibt Leute, welche bald zu diesem Prediger, bald zu jenem laufen, und dieses geschieht bet unsern Jungfrauen und Weiberlein sehr häufig. Sie gehen bald zu diesem, dessen Predigt vielleicht eine kleine Aehnlichkeit mit einem Romanchen, welches sie lasen, mit einem Gefühlchen, welches sie empfanden, hatte; bald zu je­ nem, weil er mit verschiedenen BllNnen der Sprache seinen Dortrag zieret. Auch ist es sehr unrecht, wenn man sagen höret: dieser Prediger gefällt mir, dieser gefallt mir nicht, dieser ist gut, jener ist schlecht. Alle find gut, Keinen ausgenommen, denn sie verkündigen ja Alle Gottes Wort, und dieses ist ja immer gleich, ob eS mit blumigem Dortrage oder ganz schlicht vorgetragen wird. Ihr wäret ja Narren, daß Ihr Euch dränget, um die Worte eines elenden Menschen zu"hören, und ich, daß ich predige. Aber sie verkündigen Alle Gottes Wort. Die heilige Theresia, -die doch die größte Kennerin war, sagte, alle Predigten seyen gut unD schön. Aber damit ich wieder auf das Evangelium znrückkomme. Der Herr sprach also: „Die am Wege sind die, welche es hören, darnach kömmt der Teufel und nimmt das Wort von ihren Herzen, damit sie nicht glauben und selig werden." Es gibt Leute, welche das Wort Gottes hören, sich vor­ nehmen, es zu behalten, aber dann kömmt der Teufel und nimmt es von ihnen, damit sie nicht glauben und nicht selig werden. Der Teufel braucht nicht in eigener Person zu kommen, er hat schon seine Helfershelfer und es ist bekamst, daß er die Kunst der Beredsamkeit be-

90 sitzet, dieß sahen wir schon bei der Schlange im Para­ diese , als der böse Feind die ersten Menschen verführte. Und dann nimmt er durch seine Beredsamkeit das Wort des Herrn von ihnen, damit sie nicht glauben an Gott und seine Lehre, und wenn sie dieses nicht thun, können sie nicht in das Himmelreich eingehen, sondern werden eine Beute der ewigen Verdammniß werden. „Die auf dem Felsen sind die, welche, wem: sie das Wort hören, es mit Freuden aufnehmen; aber sie Haden keine -Wurzel, sie glauben eine Zeit lang, und zur Zeit der Anfechtung fallen sie ab." Da gibt es auch Viele, welche, wenn sie das Wort hören, es willig und gerne annehmen, gerühret werden , so daß ihre Äug n gleich von Thränen über­ fließen; aber sie haben dann keine Standhaftigkeit im Christenthum, und diese muß man doch haben. Sie glauben nur, so lange sie keine Verfolgung ihres Glau­ bens wegen leiden müssen; aber gleich zur Zeit der An­ fechtung fallen sie ab, da denken sie wieder nicht an Gottes Wort. Wenn ihnen einer sagt: warum denn nur immer glauben, warum denn nur immer an Gott denken, und warum denn diese übertriebene Liebe zu Gott- Ach du mein Gott, übertriebene Liebe zu dir, der du doch die größte Liebe bist, man kann dich ja nie genug lieben, und wir können dich noch nicht lieben,, ü du unendliche Liebe, wir müssen dich ja über Alles lieben und können dich doch niemals genug lieben. Sobald sie nur angefochten werden, bei der kleinsten Verfolgung fallen sie von Gott ab. „Was unter die Dörner fiel, sind die, welche das Wort hören, aber von Sorgen, Reichthümern und Wollüsten dieses Lebens, in welche sie sich einlassen, ersticket werden und keine Frucht brin­ gen. " Es gibt Leute, Hausvater und Hausmütter, welche recht fromme und gute Christen sind, so zwar, daß sie Ehrfurcht durch ihren Anblick erregen, sobald

91 w.stn sie betrachte-t, man sie schaßet. Und diese hören das Wort Gottes »auch gerne, aber ihre Sorgen beschäf­ tigen sie zu sehr, so daß, da sie nur um ihre Kinder, um ihr Auskommen besorgt sind, das Wort Gottes keine Früchte bringen kann. Wenn sie in der Predigt sind, so nehmen sie sich vor, diese Sorgen zu verbannen, sie können es aber nicht, und manche sorgen sich und wiffen nicht warum, man k-önnte sagen: sie haben Sorgen ohne Noth. Diejenigen, welche große Reichthümer besitzen, hören auch das Wort Gottes, nehmen sich vielleicht auch vor, nicht blos an diese und an Vermehrung derselben zu denken, aber sie thun es nicht, sie glauben, sir müssen ihre Schatze in die Ewigkeit mitnehmen, und es heißt: kein Reicher kann in das Reich Gottes eingehen. Sie bringen auch keine Früchte, denn sie hangen sich zu viel an das Irdische. In der Predigt wird vielleicht mancher Geizige so gerührt, daß er vielleicht alle seine Kastew öffnen würde; der Wollüstige verflucht seine Wollust, Cu will Alles, was er noch yat, unter die Armen verLheilen, er that es zwar bisher auch, denn wenn er zehn Gulden seiner Wollust und Lüsternheit wegen verschwen­ det hat, so warf er manchmal auch einen Gulden den Armen zu. Aber nachdem sie aus der Kirche sind, so erfüllen wieder die Wollust, die Reichthümer, die Sor­ gen ihre Seele, ersticken den guten Saamen des ewigen Lebens, und es wird keine Frucht in ihnen hervorge­ bracht. Wir müssen uns aber nicht blos an das Irdische klammern, denn da wird nie die Lehre unsers göttlichen Meisters Frucht in uns bringen, da werden wir immer schlechte, nie gute Hörer seyn, und wenn wir das Wort Gottes hören, so muß es mit Aufmerksamkeit seyn. Ich gehe zum zweiten Theil. „Was aber auf die gute Erde siel, sind die, welche das Wort hören, es mit willigem, ja bestem Herzen be-

92 halten, imb in der Geduld Frucht bringen." Heute hat es mir aber unser Herr recht leicht gemacht, er hat mir den zweiten Theil ganz hergeschrieben. Ihr wisset, daß ich Euch im zweiten Theile zeigen ^wollte die Art und Weise, wie wir das Wort Gottes hören sollen, damit es Früchte fn uns bringet. Wir müssen das Wort Got­ tes mit bestem und willigem Herzen behalten, saget der Herr. Wir müssen allen Stolz in uns unterdrücken und demüthig seyn, wir müssen dem Herrn und seinem Worte nicht nur einen Theil unseres Herzens geben, sondern wir müssen ihm es ganz geben, wir müssen ihm den Kern des Herzens'einräumcu, damit er hineinziehen kann; denn unser Herz sst der Acker, auf welchen der göttliche Säemann, unser Herr und Heiland Jesus Christus, sei­ nen Saamen, sein göttliches Wort feiet, es soll aber nicht nur ein Acker, sondern ein blumiger, herrlicher Garten des Herrn seyn, in welchem er wie durch Nosen wandeln will. Also den Kern unseres Herzens müssen wir ihm einräurrun mib ihm dasjenige, was darin ein­ gewurzelt ist, zum Opfer bringen. Ich kann Euch nicht sagen, was in diesem Innersten Euch sticht, was mich sticht, das weiß ich, von Euch kann ich es aber nicht wissen. Mit willigem und bestem Herzen. sotten und müssen wir das Wort behalten. Mit willigem Herzen müssen wir diese Lehre behalten, mit dem besten Willen, ohne diesen bringt sie auch keine Früchte, ohne diesen können wir auch nicht bekehret werden. Man sollte glauben, der Herr hätte bei seinem Lebenswandel blos durch ein Wort, durch einen Blick alle Menschen bekeh­ ren können; er konnte es auch, alle diese, welche den Willen hatten, sich zu bekehren, wurden auch zu Gott gewandt, aber warum wurden die Schriftgelehrten, die Hohenpriester, die Priester mit unVriestrrlichem

Herzen nicht bekehrt,

nicht gebessert,

als

weil sie mit

93 verstocktem Herzen und mit Willen, sich nicht bekehren zu lassen, hingingen, seine Lehre zu hören. Der böse Wille sträubt sich oft gegen Gottes Gnade, daher müs­ sen wir das Wort der ewigen Wahrheit mit willigem und bestem Herzen annehmen, mit bestem Herzen, saget der Herr, dann werden wir Frucht bringen. Aber wir müssen immer au Gottes Lehre denken und ihm dienen, fremi sonst kommen die Vögel des Himmels und fressen den Saamen aus, wie der Herr bei einer andern Gelegen­ heit sagt» Und diese Vögel des Himmels sind unsere Gedanken, welche beflügelt sind und sich himmelwärts manchmal schwingen, aber unsere bösen Gedanken neh­ men das Gute von uns, ersticken es. Also immer müssen wir Gott dienen. Es gibt viele Leute, welche in der Fastenzeit heilig und fromm seyn wollen, welche sich da wirklich bekehren und das Wort Gottes annehmen. Mit dem Ostermontag aber werfen sie das, Kleid der Bekeh­ rung von sich und überlassen sich wieder der gottlosesten Schwelgerei, der Wollust und andern: mehr. Diese dienen eilf Monate dem Teufel und einen Monat Gott. Ich wünsche und Gott gebe, daß ihre letzte Stunde in der Fastenzeit wäre, w:> sie bekehret sind. Denn sonst sind sie der Raub der ewigen Verdammnis. Denn der Herr kömmt wie ein Dieb in der Nacht, wir müssen immer bereitet seyn, dem Herrn zu folgen und diese ir­ dische Pilgerschaft wohl benützen. Also mit bestem und willigem Herzen müssen wir daß Wort behalten und in der Geduld Frucht bringen. Wir müssen geduldig seyn, nicht gleich wollen, daß wir die Lehre Jesu verstehen, wenn wir trostlos umherirren, gleich getröstet seyn. Wir müssen mit Gott, mit uns selbst und mit unserem Nächsten Geduld haben. Es sagte mir eine erleuchtete Christin, es sey nichts Schwereres im Ehristenthume, als mit sich selbst Geduld zu haben. Wir können nicht

V4 gleich getröstet werden,

nicht gleich bekehret werden.

Und es gibt Leute, welche,, wenn sie den größten Theil ihres Lebens in Unkeuschheit, Schwelgerei verlebt, gleich sobald sie sich zu Gott wenden, getröstet werden wollen. Sie müssen jetzt mit dem gütigen Gott, der so lange mit ihnen Geduld hatte, auch geduldig seyn. Sollen wir aber nichts lieben als Gott? Nein ! Wir sollen Alle un­ seren Nächsten lieben. Es ist ganz recht, wenn die Gat­ tin den Gatten, die Mutter den Sohn, der Sohn die Mutter, der Freund den Freund liebt. Diese Liebe muß abev^ auf Jesum Christum, dem allerlieblichsten, dem allerschönsten, dem allerbesten beruhen, dann ist sie er­ laubt. Also Geduld müssen wir haben, und diese Ge­ duld haben so wenige, und wie schwer sie uns wird, das könnet Ihr Alle aus eigener Erfahrung wissen, und ich weiß es aus meiner eigenen, und ohne sie können wir doch nicht Kinder Gottes, Erben des Himmelreiches wer­ den. Es gibt aber keinen Geistlichen, welcher nicht von vielen Christen, besonders Christinnen die Klage hörte: Ich weiß es, Gott liebt mich nicht, er ist fern von mir, er hat mich verlassen, er laßt mich trostlos. Und wenn man sie fragt: Glaubst du an Gott und liebst du ihn? Ja, ich liebe ihn über Alles. Hast du ihm auch das Innerste, den Kern deines Herzens eingeräumt? Ja.' Hast du ihm ein Opfer gebracht, und besonders das größte Opfer, dasjenige, was dich in deinem Innersten sticht? Ja, ich habe ihm schon manches Opfer gebracht. Bringe ihm auch noch dieses. Armer Christ! Arme Christin! Gott verlaßt dich nicht, er verlaßt keinen Menschen, der ihn nicht verlaßt. Weißt du denn nicht, daß du Geduld haben mußt. Habe nur noch mit deinem Gott Geduld, der mit dir so lange geduldig war, du wirst dann getröstet werden. Lasse aber nicht ab von der Geduld, lasse nicht ab von der Hoffnung, liebe immer-

95 diesen Gott, von dem du glaubest, daß er dich verlaßt, und du wirst sehen, daß du durch die Geduld Frucht brin­ gest. Gott verlaßt Keinen, er will Alle in sein Reich aufnehmen. Die, welche ihn aber lange Zeit verfolgt haben, laßt er lange trostlos, diese, wenn er sich ihrer erbarmet, züchtiget er strenge. Gott sprach auch zu Paulus dem Apostelfürsten, welcher ihn und seine An­ hänger verfolgte: Saulus! Saulus! Warum verfolgst du mich? Du wirst den Stachel fühlen. Also nur Ge­ duld und nicht verzagen, ich-habe es ja schon hundert­ mal gesagt, ein Tropfen des köstlichen Versöhnungs­ blutes Jesu Christi kann alle Menschen von ihren Sün­ den, und wären sie wie Sand am Meere, reinigen, wei­ ßer waschen als der Schnee. Man hört täglich von der Geduld sprechen, man hört sagen: Das ist ein guter Tropf, er steckt Alles gerne ein, er ist ein geduldiges Schaf. Wenn ein solcher um Christi Willen so handelt, dann ist es achte Geduld, widrigenfalls ist sie verächt­ lich. Aber wir müssen nicht die Geduld, wenn wir sie haben, aufgeben, wir müssen in ihr verharren. Es gab viele, ja sehr fromme Christen, welche sehr lange Jahre hindurch Gott anhingen, plötzlich aber verließen sie die Geduld, fielen von Gott ab und fanden vielleicht schwer­ einen Platz im Reiche des Herrn. Ich könnte Euch viele Beispiele anführen, aber die Kürze der Zeit laßt es nicht zu, ich behalte mir es aber vor auf em anderes Mal, denn sie sind sehr merkwürdig und wichtig. Also nur Gedult, Ausdauer in ihr, dann werden wir Früchte

bringen, mit bestem Herzen daß Wort behalten, mit gutem Äüillen cs annehmen, dann werden wir fromm, gut werden, Trost und Frieden erlangen. Denn die Engel sangen: „Friede den Menschen aus Erden, die eines guten Willens sind." Wenn wir Geduld haben, werden wir einst mit der ewigen Seligkeit belohnt werden,

96 und da wird sich unser Glaube in Schauen deö Ange­ sichtes Gottes und seiner Herrlichkeit verwandeln, un­ sere Hoffnung befriediget, unsere Demuth erhöhet wer­ den, und auch die schwere Geduld wird aufhören, denn sie wird in vollkommene Liebe verwandelt werden. Wir werden dann in dem ewigen blühenden Jerusalem uns ewig erfreuen, wenn wir hier Geduld gelernt haben, und Gott, der in dem Schwachen mächtig ist, wird sie uns geben. O Herr Jesu! du ewiges Leben, du unend­ liche Liebe-, gebe, daß dein Saame auf guten Acker fallt, daß wir ihn mit dem besten Willen und mit reinem Her­ zen aufnehmen und mit Sorgfalt bewahren, dauüt nicht der böse Feind ihn von uns nimmt, damit wir in der Geduld reichliche, hundertfältige Früchte bringen mögen. Und o Herr, unser Heiland und Erlöser Jesus Christus, gebe uns diese Geduld, um die wir flehen, und gebe uns wahre Liebe zu dir, und belohne uns einst mit der Krone der ewigen unendlichen Freuden. Und dazu ver­ helfe er uns Allen. Amen!

Am

Sonntage Quinquagesima.

$ e x t. „ Sich auf, bcin Sl(iubrl)(it bir geholfen." Turas 18, Derk 42.

Es ist kein schönerer, herrlicherer Anblick, als der gestirnte Himmel, als wenn man bei einer mondhellen Nacht unter freiem Himmel steht. Da hat man eine weite und erquickende Aussicht. Eine weite, indem mau die unendliche Menge Sterne und die Milchstraße betrach­ tet, und erquicken muß der herrliche Anblick, das fun­ kelnde Licht der Sterne. Aber wir werden auch zu glei­ cher Zeit durch diesen Anblick gedemüthiget und müssen unsere Unsterblichkeit erkennen. Wir werden gedemü-

96 und da wird sich unser Glaube in Schauen deö Ange­ sichtes Gottes und seiner Herrlichkeit verwandeln, un­ sere Hoffnung befriediget, unsere Demuth erhöhet wer­ den, und auch die schwere Geduld wird aufhören, denn sie wird in vollkommene Liebe verwandelt werden. Wir werden dann in dem ewigen blühenden Jerusalem uns ewig erfreuen, wenn wir hier Geduld gelernt haben, und Gott, der in dem Schwachen mächtig ist, wird sie uns geben. O Herr Jesu! du ewiges Leben, du unend­ liche Liebe-, gebe, daß dein Saame auf guten Acker fallt, daß wir ihn mit dem besten Willen und mit reinem Her­ zen aufnehmen und mit Sorgfalt bewahren, dauüt nicht der böse Feind ihn von uns nimmt, damit wir in der Geduld reichliche, hundertfältige Früchte bringen mögen. Und o Herr, unser Heiland und Erlöser Jesus Christus, gebe uns diese Geduld, um die wir flehen, und gebe uns wahre Liebe zu dir, und belohne uns einst mit der Krone der ewigen unendlichen Freuden. Und dazu ver­ helfe er uns Allen. Amen!

Am

Sonntage Quinquagesima.

$ e x t. „ Sich auf, bcin Sl(iubrl)(it bir geholfen." Turas 18, Derk 42.

Es ist kein schönerer, herrlicherer Anblick, als der gestirnte Himmel, als wenn man bei einer mondhellen Nacht unter freiem Himmel steht. Da hat man eine weite und erquickende Aussicht. Eine weite, indem mau die unendliche Menge Sterne und die Milchstraße betrach­ tet, und erquicken muß der herrliche Anblick, das fun­ kelnde Licht der Sterne. Aber wir werden auch zu glei­ cher Zeit durch diesen Anblick gedemüthiget und müssen unsere Unsterblichkeit erkennen. Wir werden gedemü-

97 lhiget, weil wir sehen müssen, wie klein wir und dieser Punkt, auf welchem wir leben, Erde genannt, sind gegen das Heer der Sterne. Aber nein, klein sind wir nicht, denn wir sind ja nach dem Ebenbitde deß Gottes, welcher alle diese Sterne, deren Glanz gegen seine Herr­ lichkeit nichts ist, hervorbrachte, erschaffen. Ich wollte den Menschen kennen lernen, welcher so vermessen wäre, sich unter freien gestirnten Himmel zu stellen und zu sagen: ich bin sterblich, kein Mensch kann es sagen, ohne blind, verblendet zu seyn. Der heilige Ignatius von Lojola sagt vom gestirnten Himmel: „ Wie ekelt mir die Erde, wenn ich den Himmel betrachte." Dieses als Einleitung. Ich wählte heute nicht ohne Grund die Worte zum Texte: „Sieh auf, dein Glaube hat dir geholfen", denn ich will von unserer Blindheit sprechen, von unserer geistigen Blindheit, und dann vom Glauben, von dem wahren hülsreichen Glauben. Ich will Euch im ersten Theile zeigen: Worin besteht der hülfreiche Glaube und wie gewinnen wir ihn? und im zweiten Theile: Wie bewahren wir den hülfreichen Glauben, der zum Leben führt? Du aber, Jesus Christus, Anfänger und Vollender alles Guten, stehe du mir heute bei, daß ich diesen mei­ nen Brüdern recht zeigen möge unsere Blindheit und den wahren hülfreichen Glauben, der zum Leben führt. Stehe du mir bei und gebe mir Kraft, heiliger Geist. Heilige Maria, Mutter Gottes, heilige Glaubenshelden und Apostel fürsten Petrus und Paulus, heilige Ursula and Angela, Schätzerinnen dieses Tempels, heiliger Lucius, Schutzheiliger dieses Tages, alle Heiligen Got­ tes, bittet für uns. Im Anfänge des vierten Jahres deß Lehramtes, des Herrn ging er mit seinen Jüngern gen Jerusalem, um dort zu leiden und zu sterben für unö Menschen, um unS

XL Predigten I.

7

98 von unserer Blindheit, welche mit der ersten Sünde emtrat, zu erlösen. Und da sprach er zu seinen Jüngern: ,/Sehet/ wir gehen hinauf nach Jerusalem/ und es wird Alles vollzogen werden, was von des Menschen Sohn durch die Propheten ist geschrieben worden. Denn er wird den Heiden überantwortet/ verspottet, gegeißelt und verspieen werden." Da sehen wir die Gottheit des Herrn, denn wer könnte als Gott, als Jesus Christus künftige Dinge voraus sagen, mrd so genau, das Kleinste sagte er seinen Jüngern voraus, daß er verspottet, ge­ geißelt, verspieen, gekreuziget werde werden. Er sprach weiter: „Und nachdem sie ihn werden gegeißelt haben, werden sie ihn tödten, und er wird am dritten Lage wie­ der auferstehe.n." Dieß sagte er seinen Jüngern. Da sehen wir wieder die Gottheit des Herrn, denn hier auf dieser Erde ersparen wir unseren Lieblingen allen Schmerz,aber der Herr sagte es ihnen voraus, er wollte sie stah­ len, fest machen, bewähren , so wie das Gold im Feuer, aber er sagte ihnen auch wieder zum Troste, daß er am dritten Tage glorreich auferstehen werde. „Sie aber verstanden keines von diesen Dingen; denn diese Rede war ihnen verborgen und sie begriffen es nicht, was gesaget wurde." Denn es war der Geist, der heilige Geist noch nicht über sie ausgegoffen, denn sie wurden erst am Pfingsttage mit dem Geiste des Lichtes, der Gnad§ und der Wayrhett überschüttet. Und der Herr schritt schnell vor ihnen her, der Meister schritt seinen Jüngern voran, aber damals schritt er mit einer Kraft, mit ei­ nem Feuer, welches nur göttlich seyn kann, denn er brannte schon, um sein Erlösungswerk zu vollbringen. Er brannte, damit nur daß Feuer, welches schon in ihm brannte, angezündet würde. Es umschattete ihn schon eine Lichte, gleich der, mit welcher er am Tabor umleuch­ tet wurde; denn nun sprach sich immer seine Gottheit

99

aus, gleich so, als er im Garten gefangen wurde und er zu der Heidenrotte sprach: „Ich bin es", so wurden sie von seinem Blick zu Boden geblitzt. Dieses habe ich Euch nun nur so hingeworfen, um Euch ans das zu führen, was ich Euch zeigen wollte. „Es begab sich aber, da er sich Jericho näherte, daß ein Blinder am Wege saß und bettelte." Als Jesus gen Jerusalem zog, kam er nach Jericho. Jericho heißt übersetzt so viel als Mond,

Mondeswechsel, abnehmender Mond, überhaupt hatten damals alle jüdischen Städte sehr bedeutungsvolle Na­ men. Also als sich der Herr Jericho näherte, saß ein Blinder am Wege und bettelte. Dieser Blinde war kör­ perlich blind und auch geistig blind. „Da er das vor­ übergehende Volk hörte, fragte er, was dieses wäre. Sie sagten ihm, daß Jesus von Nazareth vorüberginge." Dieß sagte das Nolk. Sie nannten ihn, den Herrn, die ewige Wahrheit und Liebe, Jesum von Nazareth. Un­ sere Gelehrten und Weisen, die zum Pöbel gehören, sagen uns auch: der Weise von Nazareth, denn sie glau­ ben, sie sind eben so weise als Jesus von Nazareth, der die höchste Weisheit ist, sie wollen sich mit ihm gleich­ messen. Also „als dieses der Blinde hörte, daß Jesus von Nazareth vorüberginge, schrie er und sprach: „ Jesu, du Sohn Davids, erbarme dich meiner." Er wußte wohl, daß Jesus nur aus dem Stamme Davids seyn könne, daß er ein Sohn Davids seyn kann. Und die voran gingen, fuhren ihn mit rauhen Worten an, daß er schweigen sollte. Wenn wir uns zu Jesum wenden und ihn bitten und anbetteln, so werden wir auch so rauh angesprochen. Der Stolze sagt: Warum denn seine Vernunft unterordnen, warum sie beugen und auf sol­ ches Hirngespinst anwenden? Der Wollüstige sagt: Warum denn alles Vergnügen aufopfern, warum sich gar nicht erfreuen und immer nur an Gott denken? und 7 *

100 manche sagen gar: Warum denn nur Alles den Gifwu düngen der Priester aufopfern? Die Weltfurchtsamen sagen: Warum sich denn verspotten lassen, warum sich einen Betbruder, eine Betschwester, einen Scheinheili­ gen nennen lassen? Aber dieser: müssen wir kein Gehör geben, so wie der Blinde, welcher auch rucht auf die rauhen Worte der Vorübergehenden hörte, sondern noch viel mehr und starker schrie: „Du Sohn Davids erbarme dich meiner." Jesus stand still und befahl ihn zu sich zu führen. Jesus, die höchste Liebe, stand stille, am Grabe seines Freundes Lazarus stand er auch stille, weinete und sprach: „Lazarus unser Freund schlaft." Aber wann steht der Herr stille, steht er auch bei uns stille., die ewige Liebe. Ja, wir können eß auch dahin bringen, aber nicht blos durch das rnündltche Gebet, so schön, so herr­ lich, so löblich es ist, wir müssen auch ans Grund deß Herzeils, mit festem Glauben und Vertrauen rufen, ohne nachzulassen, wenn wir auch abgehalten werden zu rufen: „Erbarme dich unser! Erbarme dich meiner!" Dann wird auch der Herr bei uns stehen bleiben. Also man führte den Blinden zu Jesum. Hier macht der heilige Apostel Paulus die schöne Bemerkung, denn er sagt: „Dieselben Leute, welche dem Blinden erst zuschrieen, er solle schweigen, sagten ihm dann, machten ihn auf­ merksam, daß der Herr ihn rufe und führten ihn zu ihm. " Denn sie mußten erkennen, daß Jesus Gott ist. Und als er sich ihm genähert hatte, fragte er ihn und sprach: „Was willst du, das ich dir thun soll?" Jesus, der allwissend ist, fragte ihn, er wußte wohl, was er wolle, er wollte es aber von seinen Lippen bören. Der Herr will auch bei uns den Glauben von unseren Lippen haben, und der Blinde sprach: „Herr, daß ich sehe." Und Jesus sagte zu ihm: „Sieh' auf, dein Glaube hat dir geholfen." Und alsbald sah er, folgte ihm nach und

101 pries Gott. Für diesen Blinden war eS wohl, daß er am Wege saß und bettelte. Wir stehen aber auch Alle am Wege, denn Jesus Christus im heiligsten Altarssa­ krament ist der Weg, die Wahrheit und das Leben, und bei ihm stehen wir. Ihr werdet Euch denken, daß der Blinde hatte um ein Almosen, um einige Groschen bet­ teln sollen. Ihr habt nicht Unrecht, er that es auch, als er aber hörte, daß Jesus vorüberginge, so bettelte er ihn, daß er ihn sehend machen möge, und diese Worte: „Herr, daß ich sehe" rief er mit festem Wcrtrauen und Glauben, mit hülfreichem Glauben, darum wurde er auch geheilet. Der Blnrde wäre sehr thöricht gewesen, wenn er Jesum um einige Groschen gebettelt hatte, denn da hatte ihn der Herr nicht geheilet, nicht sehend, gemacht, weil er aber rief: „Jesu, du Sohn Davids, erbarme dich meiner", und weil Jesus von seinem Glauben überzeugt war, darum heilte er ihn gleich. Er gab ihm nicht nur das Augenlicht, sondern seine geistige Blindheit nahm er von ihm, er erleuchtete ihn. Jesus hatte früher schon einen Blinden geheilet, aber nicht so schnell, denn sein Glaube war nicht so fest. Er nahm erst Speichel und vermischte ihn mit Erde, be­ strich die Augen des Blinden damit und dann wurde er erst sehend. Aber bei diesem Blinden, von dem im heu­ tigen Evangelium die Rede ist, sprach Jesus gleich: „Sieh' auf, dein Glaube hat dir geholfen." Jesus heilte auch erst spat einen Blinden, welchen er aber auch erst selbst blind machte, denn er war einer der größten Verfolger der Christen, er wollte das Kreuz, welches immer glorreich erhöhet ist, und welches wir jetzt allein in der Fastenzeit betrachten sollen, denn alle Zieraten sind verdecket, nur das Kreuz sollen wir sehen, stürzen. Ihr wisset, daß ich den Rache schnaubenden SauluS, dann Liebe lehrenden Paulus meine. Denn als er gerade

102 Rache schnaubend gen Damascus rannte, wurde er zu Boden geprallt, itnD er hörte eine Stimme aus dem Himmel: „Saulus! Saulus!" und dann rief er: „Herr, was willst du?" und der Herr sprach: „Saulus! Sau­ lus ! warum verfolgst du mich, es wird dir schwer wer­ den , gegen den Stachel auszuschlagen." Und er wurde blind und mußte blind nach Damascus geführet werden. Dann aber sah er sein Unrecht ein. Der Herr machte ihn wieder sehend und rüstete ihn aus zum größten seiner Glaubenshelden. Also was nützet? Nichts als der Glaube. Aber es gibt auch einen Glauben, welcher zum Verderben führt, und das ist der todte Glaube. So wie das Versöhnungsblut Jesu Christi für Alle floß, und doch sehr Wiele verdammet "sind, so führet auch dieser

todte Glaube zum Verderben, und dieser ist es eben, der die Hölle so bevölkert. Was ist aber der Glaube? Im Katechismus steht: Der Glaube ist ein übernatürliches Licht, eine Gabe-Gottes, wodurch man Alles fest und

ungezmeifelt für wahr halten muß, was Gott geoffenbaret hat, und was die katholische Kirche zu glauben vorstellet, es sey schriftlich oder mündlich, oder durch Eingebung,- oder durch Offenbarung. Aber unser Glaube muß lebendig, hülfreich seyn, er muß zum Leben führen. Was ist aber der hülfreiche Glaube und wie gewinnen wir ihn denn? Durch Uebung, wir müssen Alles auf Gott, auf Jesum Christum beziehen, alles Glück, alles Unglück. Wir müssen zu ihm hinaufsehen, aber nicht immer uns zum Mittelpunkt betrachten, nicht immer auf unser erbärmliches Ich, auf unsere Jämmerlichkeiten und Elendigkeiten dieser irdischen Pilgerschaft, Leben genannt, sehen, und Gott den Herrn des Lebens um den Glauben bitten, ihn bitten, er möge uns auch sehend machen. Um was bitten wir ihn aber? Wir bitten um Dergnügen, um den Genuß irgend einer Lust, die wir

103 ijerne genießen wollen, die wir uns nicht versagen können, oder vielmehr wollen, denn wir können Alles, wollenes aber nicht. Wir sind im Stande, um den eitlen Land der Reichthümer, um Ansehen, um Würden, ich weiß nicht einmal um was Alles zu bitten, statt um Licht in unserer Blindheit. Wir müssen uns im Glauben üben, wir müssen immer rufen: „Herr, erbarme dich, er­ barme dich meiner 1" Dann wird der Herr stille stehen und uns heilen. Wir müssen ihm aber dann Nachfolgen, und ehe wir den Glauben erhalten, nicht verzagen, wie manche, ja viele Leute, welche sagen: Ich bin von Gott verlassen, er verlaßt mich, ich weiß es, er will mich nicht heilen. So werden wir niemals den hülfreichen Glauben erhalten. Wir müssen uns auch üben, wie sich der Blinde gewiß übte. Wir müssen alle Sünde ver­ meiden, jede Gelegenheit fliehen und durch Gedanken, Worte, geschweige denn durch Werke die Sünde meiden. Wir müssen Alles auf Gott beziehen und nichts auf uns, dann erhalten wir den wahren nützlichen Glauben, dann werden wir sehen und von unserer Blindheit geheilet werden. Wer diesen Glauben gewonnen hat, der wird schwer mehr davon ablassen. Jedoch es heißt: Wer da stehet, nehme sich in Acht, daß er nicht falle, und den, der in dem Schwachen mächtig ist, müssen wir ohne Un­ terlaß um seinen Beistand bitten. Wie müssen wir aber diesen hülfreichen Glauben, wenn wir ihn gewonnen haben, bewahren? Davon im zweiten Lheile. „Sieh' auf, dein Glaube hat dir geholfen." Diese Worte sprach der Herr zu dem Blinden. Der Herr will uns Allen helfen, und es kann kein Christ und keine Christin auftreten und sagen, daß ihr der Herr nicht hilft. Er hilft Allen, durch eine einzige wahre, recht reumüthige Beichte kann uns geholfen werden, aber wahrhaft reumüthig muß sie seyn, dann ist sie recht,

104 nicht nur so, daß wir immer eine Menge auswendig ge­ lernter Sünden hersagen und dem armen Priester so die Absolution abgewinnen, denn da glauben wir, wir kön­ nen wieder aufs Neue lossündigen. Wenn wir auch los­ gesprochen werden, wenn auch der Priester das Kreuz über uns macht, deßhalb hat uns Gott noch nicht ver­ geben. Gott verzeihet uns nur, wenn wir die Sünden recht bereuen. Unsere Beichte ist aber manchmal blos eine auswendig gelernte Liste von Sünden und, Gott verzeihe es mir, wenn ich lästere, sie dient zum Spotte der Unchristen. Dieß ist nicht "deine Schuld, mein Gott und Herr des Lebens, nicht die Schuld deiner Kirche, noch deiner Religion, aber unsere Bosheit ist Schuld daran. Wenn diese Unchristen spotten wollen, so können sie es, und ohne Unrecht, wenn sie sagen: Sehet, wie sie mit dem Sündensacke auf der Schulter belastet hin­ gehen, um den Sack, weil er zu schwer ist, abzuwerfen, damit sie wieder einen neuen aufladen können. Sie ha­ ben nicht Unrecht, wenn sie das sagen, aber wenn wir eine wahre reuige Beichte thun, dann wird uns geholfen werden. Wir müssen alle unsere Sünden bekennen, reumüthig, nicht weil wir deßhalb die ewige Verdammniß verdienet haben, wir verdienen sie auch Alle, aber wir müssen aus Liebe zu Gott, weil wir ihn beleidiget haben, unsere Sünden bereuen, wir müssen uns wirklich vorneh­ men, den ernsten Vorsatz fassen, nicht wieder zu sündi­ gen, alle Gelegenheiten zur Sünde meiden, alle sünd­ haften Werte, Gedanken und Werke verbannen, dann werden wir unsere Nichtigkeit erkennen. Es gibt Leute, welche sich ein Gewissen daraus machen, wenn sie nicht bei jeder Beichte weinen, welche glauben, sie sey nicht gültig, wenn sie nicht einige Thränen erpressen. Wir können thranenlos im Beichtstühle knieen, aber daß Herz muß Thränen der Reue vergießen, dieses muß vom

105 Schmerz zerrissen seyn, in dem Innersten müssen wir Schmerz empfinden, dann ist sie nützlich. Dann ist e6 aber noch nicht abgethan. Wenn uns auch Gott schon vergeben hat, so müssen wir uns nicht vergeben, wir müssen immer Buße thun t immer in unser Herz hinein­ bohren , wir müssen recht ins Innerste bohren, und wenn es auch verbluten oder zerspringen sollte. Wir müssen immer täglich des Morgens uns -vornehmen, nicht zu

sündigen, und des Abends uns strenge Rechenschaft ab­ legen, was wir gethan haben, das Böse', was wir viel­ leicht thaten , müssen wir trachten gut zu machen und ins künftige meiden. Dann werden wir den fruchtbaren, Fruchtbringenden, den nützlichen, zum Leben führenden Glauben in uns bewahren; dann wird der Herr Wohl­ gefallen an uns finden, und in der Fastenzeit müssen wir diesen Glauben recht üben, damit wir gleichsam aus den Wunden des Herrn sein köstliches Blut fließen, die Dor­ nenkrone, welche ihm ins innerste Mark drang, sehen, und endlich ihn am Kreuze sterben sehen. Ab'er alle Ue­ bungen des Glaubens, alle Betrachtungen, Alles muß aus Liebe zu Jesu Christo geschehen, sonst ist man ein tönendes Erz und eine klingende Schelle. Ich kann nicht anders, ich muß auch noch dieses sagen: „Wenn ich die Sprache aller Menschen und Engel redete, die Liebe nicht hatte, so wäre ich ein tönendes Erz und eine klingende Schelle; wenn ich weissagen könnte, alle Geheimnisse und alle Wissenschaft besäße und allen Glauben hatte, also , daß ich Berge versetzte, die Liebe aber nicht hatte, so wäre ich nichts; und wenn ich alle meine Güter.zur Speise der Armen austheilie und meinen Leib zum Ver­ brennen dargabe, die Liebe aber nicht hatte, so würde mir dieses nichts nützen; denn die Liebe ist geduldig, sie ist gütig; die Liede beneidet nicht, sie handelt nicht leichtsinniss, sie blast sich nicht auf, sie ist nicht ehrg?izig.

106 nicht eigennützig, nicht jähzornig, sie denket nichts ArgeS,

sie erfreuet sich nicht über die Ungerechtigkeit, sondern über die Wahrheit; sie leidet Alles, sie glaubet Alles, sie hoffet Alles, sie duldet Alles. Die Liebe vergeht nimmermehr^ wenn gleich die Weissagungen ein Ende nehmen, oder die unterschiedlichen Sprachen aufhören, oder die Wissenschaften vergehen; denn unser Wissen ist unvollkommen, und unser Weissagen ist auch unvollkom­ men. Wenn aber das Vollkommene erscheinen wird, so wird das Unvollkommene aufhören. Denn als ich ein Kind war, redete ich wie ein Kind, verstand wie ein Kind und dachte wie ein Kind; da ich aber ein Mann geworden bin, legte ich das Kindische ab." Wenn werden denn wir Manner werden, wenn werden wir das Kindische ab­ legen und wie Manner handeln? „Wir sehen jetzt gleich­ sam durch einen Spiegel im Dunkeln, alsdann aber wer­ den wir Gott von Angesicht zu Angesicht sehen. Jetzt erkenne ich Gott unvollkommen, alsdann werde ich ihn erkennen, wie ich von ihm erkannt werde. Nun bleiben die drei: der Glaube, die Hoffnung und die Liebe; die Liebe ist aber die größte aus ihnen-" Diese schönen, herrlichen Worte las ich aus dem heiligen Apostelfürsten Paulus, dem Liebeslehrer, denn ich kann Euch die Liebe nicht lehren, denn ich habe sie selbst nicht. Aber Alles, was Ihr thut, meine Lieben, thuet aus Liebe zu Gott, dann werdet Ihr weiter kommen und den hülfreichen Glauben erhalten. Aber immer nur Gott um ihn bitten, er wird ihn uns geben und uns beistehen, daß wir ihn, nachdem wir ihn gewonnen haben, bewahren. Zu dir aber, der du der Anfänger und Vollender des Glaubens bist, zu dir, o Herr Jesus Christus, wollen wir flehen, der du alles Gute vollendest und gibst, der du uns auch jetzt beigestanden hast, gebe, daß es reichliche Früchte bringe, gebe uns diesen Glauben und die schönste Tugend,

107 die Lieb«. Du aber, o Herr, seyst alle Zeit gelobt, geehrt und gepriesen. Amen:

Am Ostersonntag. Text. „Alleluja! Alleluja! Alleluja! Wer wird uns den Stein von des Grabes Eingang hinwegwälzen? Alleluja!" Marcus 16, Vers 3.

Ueber diese Worte will ich heute am Ostersonntage predigen und meine Predigten wieder fortseHen, so Gott will. Nun aber wollen wir Gott um seinen göttlichen Beistand bitten. Alleluja! der Herr ist auferstanden! Wir sind er­ löset, wir sind versöhnet. Das Grab ist leer und Jesus Christus ist wirklich und wahrhaftig auferstanden, Alle­ luja! Diese frohe Botschaft muß ich Euch heute verkün­ digen als ein Herold der Kirche. Jesus Christus ist ge­ kommen in diese Welt und hat Fleisch angenommen, ist für uns am Kreuze gestorben und brachte uns also die Erlösung. Wir wären aber noch nicht erlöset gewesen, wenn nicht Jesus Christus auferstanden wäre. Mas wäre unser Glaube, wenn nicht Jesus Christus auferstanden wäre? Sollten, könnten, dürften wir an einen glauben, der die Bande des Todes nicht brechen kann? Nein! Aber Jesus Christus der Gekreuzigte ist wahrhaftig aufer­ standen, Alleluja Er brachte uns Erlösung, er brach den Stachel des Todes und den Sieg der Hölle. Leben und Tod kämpfen immerwährend miteinander, aber wir

siegen durch Jesum Christum, den Gekreuzigten und Auf­ erstandenen. Heute ist ein Freudentag für uns Christen, für uns glückliche Katholiken. Heute singt unsere Kirche daö Alleluja. Nicht nur in unserer, sondern in der ganzen bekannten Welt erschallen die Freudengesänge,

107 die Lieb«. Du aber, o Herr, seyst alle Zeit gelobt, geehrt und gepriesen. Amen:

Am Ostersonntag. Text. „Alleluja! Alleluja! Alleluja! Wer wird uns den Stein von des Grabes Eingang hinwegwälzen? Alleluja!" Marcus 16, Vers 3.

Ueber diese Worte will ich heute am Ostersonntage predigen und meine Predigten wieder fortseHen, so Gott will. Nun aber wollen wir Gott um seinen göttlichen Beistand bitten. Alleluja! der Herr ist auferstanden! Wir sind er­ löset, wir sind versöhnet. Das Grab ist leer und Jesus Christus ist wirklich und wahrhaftig auferstanden, Alle­ luja! Diese frohe Botschaft muß ich Euch heute verkün­ digen als ein Herold der Kirche. Jesus Christus ist ge­ kommen in diese Welt und hat Fleisch angenommen, ist für uns am Kreuze gestorben und brachte uns also die Erlösung. Wir wären aber noch nicht erlöset gewesen, wenn nicht Jesus Christus auferstanden wäre. Mas wäre unser Glaube, wenn nicht Jesus Christus auferstanden wäre? Sollten, könnten, dürften wir an einen glauben, der die Bande des Todes nicht brechen kann? Nein! Aber Jesus Christus der Gekreuzigte ist wahrhaftig aufer­ standen, Alleluja Er brachte uns Erlösung, er brach den Stachel des Todes und den Sieg der Hölle. Leben und Tod kämpfen immerwährend miteinander, aber wir

siegen durch Jesum Christum, den Gekreuzigten und Auf­ erstandenen. Heute ist ein Freudentag für uns Christen, für uns glückliche Katholiken. Heute singt unsere Kirche daö Alleluja. Nicht nur in unserer, sondern in der ganzen bekannten Welt erschallen die Freudengesänge,

108 das Alleluja und das Gloria, welches die Kirche gestern zu singen begann. Alleluja heißt: Lobe den Herrn! Ja er sey auch gelobet und gepriesen, ihm allein sey Lob und Preis! Heute haben wir Freude, aber unsere Freude, die Freude des Christen muß ernst seyn. Ich betrachtete in den Fastenpredigten das Ziel des Menschen, feilte Sündhaftigkeit und wie er sich wieder erheben kann. Am Charfreitag, sprach ich, müssen wir unsere Sünden, alle unsere Scheingerechtigkeiten und alle unsere Leiden in daß Grab Jesu, der wieder auferstanden ist, werfen. Heute sprechen wir von etwas ganz anderm. Betrachtet nur einmal den Unterschied der Tage. Betrachtet den Charfreitag, wo die Kirche trauerte, wo Jesus Christus im Grabe lag, und sehet den herrlichen Ostersonntag, wo Jesus Christus auferstanden ist, Alleluja! Also eS heißt im Evangelium: Wer wird uns den Stein von des Grabes Eingang hinwegwalzen? Denn er war sehr groß. Wir müssen dieselbe Frage thun. Aber der Stein ist schon weggewalzt. Jesus Christus hat ihn selbst weg­ gewalzt. Er mußte es auch, auf daß das Menschenge­ schlecht erlöset würde. Seit dem Falle der ersten Men­ schen, viertausend Jahre hindurch lag der Stein vor dem Grabe; aber Jesus Christus kam und alShald war er hinweg. Wir wollen heute auch davon handeln und ernst betrachten, wer wird uns den Stein abwalzen? Wie walzte Jesus Christus seinen eigenen und auch unseren Stein von dem Grabe? das ist mein erster Theil. Wie müssen wir den Stein hinwegwalzen? mein zweiter Theil. Dieses wollen wir betrachten, so du uns deinen Bei­ stand verleihest, Auferstanvener, du unser Erlöser, Jesuß Christus! Wir feiern nun die heiligen Ostern, o gebe, daß ein Fünklein in unser kaltes Herz fallt und fache dann du den Docht an, daß er in einer hellen Flamme zu dir emperlydre. Stehe unß bei, daß die Ostern nicht für

109 uns vorüber sind, sondern daß wir einst immer und ewig

mit dirQstern feiern. Heilige Schmerzensmutter Maria ober vielmehr Mutter Gottes/ Königin der Engel/ siehe uns bei und sende deine Engel zu uns, bitte für uns. Heiliger Petrus und Johannes, alle unsere Schutzengel/ heilige Ursula, heilige Angela/ Schützerinncn dieses Tempels, bittet für uns. Alle Heiligen Gottes, die ihr auch schon auf ewig apferstanden seyd, bittet Alle für uns. Also Jesus Ehristus kam auf diese Welt, starb end­ lich am Kreuze unter den fürchterlichsten Schmerzen, und wurde dann von Joseph von Arimathia und von Nicodemuß mit köstlichen Specereien gesalbet und begraben. Ter hohe Rath, die Hohenpriester sagten zu Pilatus, weil Jesus schon früher sagte: nach drei Lagen werde ich wieder auferstehen, so sagten sie: /.Wir haben un­ erinnert/ daß dieser Verführer sprach: Ich will in drel Tagen wieder auferstehen, darum befiehl/ daß man das Grab biß an den dritten Tag bewache/ denn es könnten vielleicht seine Jünger kommen und ihn stehlen und zum Volke sagen: Er ist auferstanden; und der letzte Irrthum wäre dann ärger als der erste." Das sagten diese Böse­ wichter. Das Grab Jesu wurde also wirklich von heid­ nischen Wachtern recht sorgsam bewacht und versiegelt. Jesus Ehristus ging aber unter diesen drei Lagen in die Vcrhölle zu den Patriarchen und Propheten, welche zwar da ohne Qualen, aber auch ohne Freuden lebten. Ihr einziger Trost war die Hoffnung an den Erlöser. Da befreiete er sie und hatte ihnen schon die Krone der ewigen Herrlichkeit erworben. Was konnten aber diese elenden Menschen bewachen. Jesus Christus ist auferstanden bei versiegeltem Grabe, und der Stein wurde dann erst durch ein Erdbeben auf die Seite geworfen. Am dritten Tage der Sabbathe früh vor Sonnenaufgang gingen aber Ma«

110 riü Magdalena, Maria, Jakobs Mutter, die Schwester der Mutter Gottes und Salome, die drei heiligen Frauen, zum Grabe Jesu. Sie wollten ihren Herrn noch im Grabe besuchen, noch ihre Liebe zu ihm beweisen, indem sie kostbare Salben gekauft hatten, um seinen Leichnam zu salben. Unterwegs aber sprachen sie: Wer wird uns den Stein von des Grabes Eingänge hinwegwalzen? Denn er war sehr groß. Aber als sie etwas naher ka­ men, sahen sie, daß der Stein hinweg war. Maria Magdalena aber, die so sehr ihren Herrn liebte, eilte voraus, und als sie zu dem Grabe kam und eß leer fand, weinte sie und eilte zurück und rief: Das Grab ist leer, sie haben meinen Herrn hinweggetragen. Von Angst be­ flügelt eilte sie in die Stadt, um den Aposteln diese für sie traurige Nachricht zu bringen. Die anderen Frauen aber gingen zu dem Grabe mit mehr Besonnenheit, aber minderer Liebe, denn Maria Magdalena war nur ganz von Schmerz und Liebe durchdrungen, so daß sogar viel­ leicht in diesem Augenblicke ihr Glaube wankte, sie hielt sich in diesem Augenblicke hoffnungslos, aber bald wurde sie getröstet, bald erfreuet, denn ihre Liebe war fest. Jesus sagte ja selbst von der Magdalena: Sie hat sehr viel geliebet, deßhalb wird ihr auch viel vergeben werden. Also die übrigen Frauen gingen zu dem Grabe und sahen mit Entsetzen zwei Engel in langen weißen Kleidern und das Schweißtuch Jesu im Grabe, mit weißen Kleidern, die Farbe der Unschuld und der Liebe. Da sagte der En­ gel: Fürchtet euch nicht, ihr suchet Jesum von Nazareth, den Gekreuzigten, er ist-auferstanden, und ist nicht hier, sehet den Ort, wo sie ihn hingelegt haben. Gehet hin, saget es seinen Jüngern und dem Petrus, daß er in Ga­ liläa vor euch hergehe, daselbst werdet ihr ihn sehen , wie er euch gesaget hat. Unterdessen kam auch auf die Bot­ schaft der Magdalena, Petrus und der Lieblingsjünger

111 des Herrn, der im Schooße des Herrn lag. Johannes kam früher zum Grabe, wartete aber auf Petrum und ließ ihn, den ersten Pabst der Kirche, aus Achtung früher zum Grabe treten. Sie sahen auch die Engel und das leere Grab, und erhielten schon die Botschaft von den Frauen, daß er auferstanden ist. Alleluja! Maria Magdalena kam aber wieder zum Grabe, weinte und flehete bei demselben. Endlich aber erschien ihr der Herr in Gestalt eines Gartners und rief hinter ihr: Ma­ ria! Aber dieser Ton war ihr noch nicht deutlich, sie er­ blickte aber den Herrn, den sie für den Gartner hielt. Sie erblickte den ewigen Gartner, der alle Blumen seines herrlichen Gartens wartet und pfleget zur ewigen Blüthe. Und sie sprach zu ihm: „Herr, wo hast du meinen Herrn hingebracht? Sage mir es, damit ich ihn suche." Dann gab sich ihr der Herr zu erkennen itnb sprach: „Maria!" Ach, keine sterbliche Zunge kann diesen Laut hervorbrin­ gen; durch keine Musik kann die Herrlichkeit dieses Wor­ tes, dieses himmlischen Klanges ausgedrückt werden. Nur Jesus kann ihn sagen, er ruft ihn den Gerechten zu, und wenn wir treu bleiben bis ans Ende und uns Gott gnädig ist, so werden wir ihn ewig hören. Der Herr rief also zu Magdalenen: „Maria!" und sie er­ kannte ihren Herrn, rief: „Rabbuni!" und sank zu seinen Füßen. Heil dir, Magdalena, denn dir ist der Heiland nach seiner göttlichen Mutter am ersten erschie­ nen. Heil Euch auch, Ihr Frauen und Jungfrauen, denn Euer Geschlecht würdigete der Herr, indem er Euch am ersten erschienen ist. Euer Geschlecht, besonders das der Jungfrauen, ist herrlich, und in dieser Zeit, wo der Glaube so mit Füßen getreten wird, ich muß es sagen, seyd Ihr eS, Ihr Frauen und Jungfrauen, nicht alle aber, die den Glauben noch aufrecht halten und ihn ver­ fechten. Also so raffet Euch Alle auf und folget Euerem

112 Herrn, der auferstanden und der Magdalena erschienen ist. Der Stein war also vom Grabe weg. Jesus Chri­ stus ist gekommen auf diese Erde, wollte aus dem reinen Echooße der heiligen Jungfrau Maria dringen,, dann starb er am Kreuze und brachte uns Versöhnung, ver­ söhnte uns wieder mit seinem himmlischen Vater, machte uns wieder zu Kindern Gottes. Jesus Christus mußte der Gerechtigkeit Gottes willen wieder glorreich aufevstehen, um dem Menschengeschlechte Heil zu bringen, um damit wir an ihn glauben, auf ihn hoffen und ihn lieben, damit uns nichts in Schrecken setzen kann, kein Leiden, kein Schmerz, denn die Seele muß Herr des Körpers werden. Nichts soll und kann den achten Christen er­ schrecken, nicht einmal der Tod. Auch diesen darf er nicht fürchten, aber das Gericht darf er nicht vergessen. So wie bei dem israelitischen Volke Ostern hieß Durch­ zug durch daß rothe Meer, eben so ist der Tod nichts anderes als ein Zerrbild für den Christen, ein Durchzug durch ein finsteres Meer, welches bald durchwandert ist, und er tritt dann zu Dem, der so viel für ihn gelitten hat, der mit Blitzesschnelle, noch schneller als dieser liebliche Sonnenstrahl, in die Kirche siel (eben fallt ein Sonnen­ strahl in diesen Tempel), aus seinem Grabe drang und glanzend hervorging, und dann aufgefahren ist gen Him­ mel zu seinem ewigen Water, ewig glänzend ist. Die heilige Theresia sagt, nachdem ihr der Herr einmal "er­ schienen: Die Sonne ist gegen den Glanz deS Herrn kaum eine glimmende Kohle. Im Tode hört der fromme Christ das Wort des Herrn, welches er zu Magdalenen sprach: ,.Maria!" Da ist er schon bei seinem Herrn und ich habe einmal gesagt, als ich vom Tode teö Gerechten sprach, ich sagte da: Denn der ihn überwunden, Der Sieger, liegt gekrönt,

113 Der Kampf ist hingeschwunden, Die Sund' ist ausgesöhnt; Maria steht unö fächelt Ihm sanfte Kühlung zu^ Und der Erlöser lächelt Und ladet ihn zur Ruh'! Den Christen kann dieß Zerrbild, der Jod nicht er­ schrecken, denn da wird er vereiniget mit Gott. IesuS Christus hat durch seine und seines Himmlischen BaterS Macht uns mit ihm ausgesöhnt, und ist durch seine Kraft auferstanden und walzet so den Stein von unserem Grabe. Auch nahm er die Sünde, die der Stein vor des Grabes, vor deß Herzens Eingang ist, hinweg. Aber Herr müssen wir über unseren Körper werden. Mir können wohl kla­ gen und jammern in Leiden und Schmerzen, aber auf den Auferstandenen bauen und trauen, denn er ist unser Hort und unser Schild. Jesus Christus, ganz entäußert von feine-r Gottheit, betete am Oelberge: Mein Vater, wenn es möglich ist, so nimm diesen Kelch von mir, doch nicht mein, sondern dein Wille geschehe. Da klagte Jesus aller­ dings, denn in dieses Stunde gingen alle unsere Wollüste, aller Stolz, Neid, Habsucht, Hoffart, alle Sünden an ihm vorüber. Er, das unschuldige Lamm, mußte un­ schuldig Alles leiden. Dann schickte aber sein himmli­

scher Vater nur einen Engel zu dem Herrn und er wurde getröstet. Endlich wurde er ans Kreuz geschlagen, be­ decket mit Striemen und Strömen Blutes, kein Theil seineß heiligen Leibes war wundenlos, Hande und Füße waren "durchbohrt, die Dornenkrone drang ihm bis in­ innerste Mark. Am Kreuze in der Fülle seiner Schmer­ zen rief er: „Mein Gott! mein Gott! warum hast du mich verlassen?" Ganz entstellt durch Wunden wurde er; denn der Ahnherr Jesu Christi, David sagte schon: „Ich werde der Spott aller Menschen, der Hohn der Leute XL Prrdigtcn i. 8

114 seyn. Ich bin ein Wurm und kein Mensch.^ Endlich aber am dritten Lage stand er auf, sein Angesicht leuch­ tete und glanzte noch mehr als auf Tabor, als er seinen Jüngern verherrlichet erschien. Seine Nagelmale hatte er aber noch, sonst aber war er herrlich und schön. Ist dann aufgefahren gen Himmel und hat einen Namen, der über alle Namen ist, den Namen Jesu, vor dem sich alle Kniee im Himmel, auf Erden und unter der Erde beu­ gen, und alle Zungen bekennen müssen, daß er der Herr ist; wie der heilige Apostel Paulus saget- Also sehen wir die göttliche Kraft des Herrn, wie er den Stein von feinem und von unserem Grabe walzte. Wir müssen aber auch Mitwirken, wir müssen auch den Stein-von dem Eingänge unseres Grabes wälzen. Wie wir das thun können und thun müssen, im zweiten Theile. „Brüder/ reiniget den alten Sauerteig, auf daß ihr ein neuer Teig seyd, wie ihr ungesäuert seyd; denn unser Osterlamm Christus ist geopfert worden. Darum lasset uns die österliche Speise essen, nicht in dem alten Sauerteige, noch in dem Sauerteige der Bosheit und Schalkheit, sondern in dem ungesäuerten Leige der Lau­ terkeit und Wahrheit." Diese Worte sagte der heilige Paulus in der heutigen Epistel. Was spricht denn der Apostel sa viel vom Sauerteige? Der Sauerteig ist alle unsere Sünden. Diese sollen wir nun in dieser Osterzeit ablegen und einen neuen Lebenswandel beginnen. Wir müssen den alten Menschen ausziehen und einen andern anziehen, dann werden wir die Ostern recht feiern. .Ich will Euch aber Euere Osternfreuden nicht stören. Aber heißt das Euere Freuden stören, wenn ich Euch durch ein Viertelstündchen ernste Ermahnungen und Verweise die ewige Freude gewinnen will? Also wir müssen uns von

den Todten trennen. Der Engel im Grabe des Herrn zu den Frauen, wie ein anderer Evangelist sagt: Was

115 suchet ihr den Lebendigen bei den Todten? Wir suchen auch immer cüles Lebendige bei dem Todten, wir suchen Jesum Christum den Gekreuzigten bei den Todten. Also entfernet Euch, laßt ab von dem Irdischen, denn das Irdische ist todt, seyd Christen. Wenn mich einer, ein elender Feind des Christenthums fragt: Was ist ein Christ? so antworte ich: Ein Christ ist ein im Namen des Vaters, Sohnes und heiligen Geistes getaufter und erlöseter Mensch, der Alles Jesum Christum nachahmet, so viel er nur kann. Das ist ein Christ, ein katholischer Christ. Also vom Todten muß er ablassen, er muß ab­ lassen von der elenden Gesellschaft der Menschen. Also müssen wir uns Alle in Klöster einsperren? Es sind aller­ dings sehr glücklich diejenigen, welche darinnen leben, aber deßhalb dürfen wir nicht Alle in das Kloster gehen. Wer kann und will, der thue es, wer aber abgehalten wird, wer nicht darf, der übertritt kein Gebot; denn es ist nur ein Nath und kein Gebot Gottes. Aber wo wir können, so müssen wir uns von unseren todten Ge­ sellschaften trennen. Sollen wir aber deßhalb mit keinem Sünder umgehen? Wir Priester müssen wohl am meisten in einer solchen unangenehmen und sogar für unser Heil gefährlichen Gesellschaft leben, wir müssen es aber. Aber Ihr seyd keine Priester und Priesterinnen, Ihr kön­ net also die Sünder, die todten Gesellschaften meiden,ausgenommen, wenn jemand durch ein sakramentalisches Band verbunden ist, der bleibe. Wenn eine Frau einen bösen, gottlosen Mann hat, soll sie sich von ihm ent­ fernen? Nein, sie bleibe bei ihm und bitte Gott, daß sie ihn durch ihr Gebet und Flehen rette. Soll die Tcchter, die gottlose Eltern hat, sich von ihnen trennen? Nein, sie bleibe bei ihnen, lebe mit ihnen. Sollen die treuen, frommen Eltern ihren ungerathenen Sohn, ihre gottlose Tochter verlassen und sie ganz dem Verderben

8 *

116 preis geben? Ach! sie sollen bei ihnen bleiben, sie können ihre Herzen vielleicht noch auf den Weg der Lugend brin­ gen. Zweitens sollen wir auch erlösen. Erlösen können wir nicht, das konnte nur Jesus Christus; aber befreien, gewinnen können wir. Jesus Christus erlöset und wir können bekehren. Wir müssen erst durch die Gnade Gottes und durch unser eigenes Mitwirken unsere Seele gewinnen, uns bekehren; dann können wir durch unser Beispiel, durch Rath und Lhat andere bekehren und wieder durch Gottes Gnade, denn ohne dieselbe können wir nichts thun, andere Seelen für den Himmel gewin­ nen. Ferner müssen wir auch so wie Jesus Christus auf; erstehen. Freilich so wie er können wir nicht anferstehen, denn er ging Allen voran, aber durch ihn können wir auf­ erstehen , durch ihn sind auch die Heiligen anferstanden. Da werden wir nicht erst, nach dem Lode auferstehen, sondern hier auf dieser Erde schon. Aber vor Allem müssen wir christlich denken und uns recht im Christenthume klar unterrichten, dann werden wir zu allem Uebrigen gelangen. Ich sagte am Charfrcitag, alle unsere Scheinweishekt, alle Scheintugenden ins Grab Jesu wer­ fen. Wenn diese Weisheit uns klar wäre und wenn wir ryüßten, was Lugend ist, dann wäre sie zu unserem Heile. Aber in übrigen Dingen unterrichten wir uns, nämlich in der Mythologie der Götter, der Heiden aus manchem seichten Büchelchen, und ich muß es sagen, daß derlei Unterricht für beiderlei Geschlecht, aber besonders bei Mädchen, lächerlich ist, wenn es nicht beweinenswerth wäre, denn es führt nicht zum Quelle des Lebens. Ich bin gesonnen, wenn mir Gott das Leben schenkt, vielleicht in vierzehn Lagen einige Katechismuspredigten zu halten. Also vor Allem uns das Christenthum klar machen, dann werden wir besser wissen, was das Chri: stenthum heißt, — aber man nimmt elende Vüchelchen, —

117 ferner alle Sünden werden, alle entfernen und ordentlich anfangen, christlich zu denken. Nicht erst dieses wieder auf dje künftige Fastenzeit aufschieben, gleich heute be­

ginnen , nicht lange warten und nach einem Jahre zur Beichte gehen, und sich verschiedener Zerstreuungen im Gebete anklagen, wo es besser und Gott zu danken wäre, wenn man gar nicht zur Beichte gegangen wäre. Und so sind sehr viele Beichten, aber wie können sie anders seyn nach den erbärmlichen Büchelchen, deren man sich bedie­ net, nach den elenden, erbärmlichen Büchelchen, Gott ist die reinste Liebe, können sie gar nicht anders seyn. Also aufgemacht noch in dieser österlichen Zeit, Jesum Christum nachgefolget, mit ihm auferstanden und christ­ lich denken. Das will ich Euch lernen und das war und ist noch der Zweck aller meiner Predigten. Erkennet ein­ mal, was daß Christenthum ist. Ohne das Christenthum gibt es keine Wissenschaft. Die Afterweisen und After­ gelehrten kommen schon zum Kreuz gekrochen, sehen ein, wie wenig sie gewußt haben, ja nichts haben sie gewußt, sie kommen unter das Kreuz und bitten um ein bischen Weisheit, die sie zu haben geglaubet. Der wahre Glaube an Gott und seine Kirche, die Hoffnung der ewigen Selig­ keit und die Liebe zu Gott, die Befolgung aller Gesetze aus Liebe zu Gott und Jesum Christum, dem Gekreuzig­ ten, das ist das Christenthum, das katholische. Und wenn auch Verfolgungen drohen, fürchtet Euch nicht; fürchtet Eilch nicht, zaget nicht, wenn Ihr in den Zei­ tungen leset, wie Alles bunt untereinander geht. ES werden noch Millionen von Märtyrern für ihn bluten, aber das Christenthum kann und wird nicht untergehen, es ist gebauet auf den Felsen Petri und Jesum Christum. Wir werden immer Sieger seyn und jeden Kampf bekäm­ pfen in Ewigkeit. Amen!

118 Nachmittagspredigt am Ostersonntage,

bei Gelegenheit des Opferganges. Text.

„Vergesset aber nicht der Wehlthat und des Mltleidcns; denn mit solchem Dpfcr dienet man Gott." Hebräer 13, Vers 16.

Ueber diese Worte will ich nun unter Gottes Gnade meine kurze Predigt halten. Erst müssen wir aber seinen Geist um "Beistand bitten. Wir hatten heute an diesem schönen Freudentage können spazieren gehen und uns erfreuen, wir haben uns aber anstatt dieses Genusses in diese vier Mauern begeben. Haben wir nicht viel gethan? Aber was ist aller Genuß, was ist der Schein der Sonne, welcher hier hereinblicket, gegen die Thränen der Armen, welche fließen werden, wenn sie eine milde Gabe erhalten. Diese Thränen kön­ nen und bringen uns gewiß reichliche Früchte. Ich brauche Euch, theure Wiener, nicht erst zur Wohlthä­ tigkeit aufzumuntern, denn ich bin von Euerer Güte und Mildthätigkeit überzeugt und sie sind bekannt. Ich kann nicht erst alle Wohlthätigkeitsanstalten aufzahlen, das Blindeninstitut, das -Bürgerversorgungshaus, den Damenverein. Dieser ist löblich, denn Frauen, welche ih­ ren armen Brüdern und Schwestern helfen, nenne ich vornehme Damen. Bei Feuersbrunst und Wassersnoth Verunglückten gibt es gute Menschenfreunde, welche in öffentlichen Blattern zur Wohlthätigkeit der Armen auf­ fordern, und wo die Verunglückten mehr bekommen, als sie verloren, und so mehrere Anstalten. Also zur Wohl­ thätigkeit darf ich Euch nicht auffordern; aber ich will von der Art und Weise, mit der man wohlthut und wohl­ thun soll, in dieser kurzen Predigt sprechen. Wie thun wir wohl? mein erster Theil. Wie sollen wir wohl­ thun? mein zweiter Theil. Du unendlicher und ewiger Wohlthäter, Herr und

119 Heiland Jesus Christus, der du uns ganz überhäufet hast mit Wohlthaten, gebe uns Gnade, daß auch wir nach deinem Willen wohlthun. Du Wohlthäterin aller Men­ schen, heilige Maria, Mutter Gottes, bitte für uns. Heiliger Augustinus, heilige Monica, die Ihr alle Wohl­ thäter seyd, bittet für uns. ■Also wie und warutn thun wir wohl? Wir thun wohl, um unseren armen, dürftigen, nothleidenden Mit­ menschen zu helfen. Es ist Gottes Wille. Moses er­ mahnte schon die Israeliten zum Wohlthun, Johannes erjnahnet auch dazu, und derjenige, der über Moses und Johannes ist, Jesus Christus, der Gekreuzigte, gebietet es uns selbst. Er will, er sprach: „Was ihr dem Ge­ ringsten von mir thut, das habt ihr mir gethan." Je­ sum Christum können wir nichts geben, denn ihn haben wir nicht bei uns; zwar wir haben ihn immerwährend bei uns im allerheiligsten Altarssakrament, und da können wir ihm nicht wohlthun, aber seinen Lieblingskindern, welche er hinterließ, denn er ist aufgefahren gen Himmel, denen können und müssen wir wohlthun. Es ist gar nichts sehr Lobenswürdiges, wenn wir jemanden ein Al­ mosen gegeben haben, denn wir haben nichts als unsere Pflicht gethan. Wie thun wir aber wohl? Nach unserem Vermögen. Von dem, was wir überflüßig, von dem, was wir nicht selbst zu unserem Lebensunterhalt gerade nothwendig haben, davon müssen und können wir den Armen geben. Wir müssen berechnen nach unserem Ein­ kommen, wie viel wir davon übrig haben, um damit die Armen zu unterstützen. Wir müssen aber nicht suchen, um uns und unserer Familie genug zu erübrigen. Es hat einmal einer gesagt: Vorsicht ist die Mutter der Weisheit. Ich tadle es nicht, aber zu große, übertrie­ bene Vorsicht ist nicht die Mutter der Weisheit. Es ist allerdings recht, wenn man sich etwas erspart, daß,

120 wenn mich Unglück oder Krankheit trifft, ich doch etwas habe, oder wenn ich spare, .weil ich Familie habe, so gehet eS auch noch mitaber nur nicht zu viel Vorsicht, denn sonst, sage ich, ist diese Vorsicht die Mutter der Thorheit. Aber die Weisheit ist die Mutter der Vor­ sicht. Wenn eß keine Weisheit gäbe, woher lehrten wir denn Vorsicht? Gott ist die höchste Weisheit und deßhalb bat er mit Armen und mit Reichen die Erde bewohnet. Also nachdem wir es können. Wir muffen vernünftig wohlthun und nicht unvernünftig. Bei der Messe betet der Priester: Trachte, daß deine Andacht vernünftig sey. So ist es auch mit dem Wohlthun. Wenn einer eine Million hat und er gibt das Jahr den Armen nicht funfr oder sechshundert Gulden, ist daß Vorsicht, vernünftige? Nein! Thorheit ist es. Oder es kömmt einer und sagt: Ich habe gar nichts übrig, ich brauche Alles selbst noth­ wendig , ich habe Familie. Ferner wäre eß eine Schande, wenn ich niemals in die Komödie oder auf Spaziergänge ging; so sag-e ich ihm: Mein liebster Freund, gehe nicht so oft in die Komödie,' es ist keine Schande. Eß ist keine Schande, wenn du ein halbes Jahr länger in einem Rocke gehest oder nicht. Es ist keine Schande, wenn du jähr: lich nm ein paar Tafeln weniger und das Geld den Armen gibst, dafür hast du ihre Thränen, ihr Gebet; und ich muß es sagen, hier in Wien wird sehr stark den Vergnü­ gungen nachgehangen. Ich habe gar nichts dagegen, wenn ein ordentlicher Mann, der die ganze Woche hindurch gearbeitet hat, im Sommer mit seinen Kindern spazie­ ren, oder im Winter einmal ins Theater geht, aber nur gegen den Taumel von Lustbarkeiten warne ich. Auch gibt es hier in Wien, wie ich hörte, verschiedene Bälle, Conzerte, Akademien und Komödien für die Armen. Ich tadle diese Art wohlzuthun gar nicht, aber wenn man­ cher Vater und manche Mutter ihre unverdorbene Tochter

121 oder ihren guten Sohn mitnehmen, und diese bei dieser Wohlthat ihre körperliche Gesundheit verlieren, welche wieder erstattet werden kann, auch manchmal ihre Seelen vergiftet werden, so ist diese Wohlthätigkeit viel zu groß, denn das ist unvernünftige Wohlthätigkeit. Ich habe aber noch nirgends so viel vom Staate reden gehört, als hier in Wien. Ich weiß wohl auch, was der Staat ist; aber der Staat kann nicht Allen helfen, und dafür wäre ein sehr leichtes Mittel. Eß dürsten nur zwölf Bürger zusammentreten und ein jeder gäbe etwas, so wäre der Verlust für keinen zu groß, und ich bin überzeugt, in kurzer Zeit wären über fünfhundert Bürger vereiniget;' denn es gibt hier in Wien, in der Hauptstadt Deutsch­ lands, viele brave Bürger und überhaupt wohlthätige Menschen. Ich kenne Reiche und Bemittelte, welche den zwanzigsten, den fünfzehnten, den zehnten, den ach­ ten, den sechsten, ja den fünften Theil ihres Einkom­ mens jährlich den Armen geben. Ich will sie nicht nen­ nen, nm ihre Demuth nicht zu verletzen, aber sie sind bekannt. Also nicht übertriebene Vorsicht,. denn noch kein Wohlthätiger ist ein Bettler geworden.'/ Die Thrä­ nen und das Gebet des Armen erbittet Segen. Also gebet den Armen von dem, was Ihr überflüßig habt, und Ihr habt gar nichts Großes, sondern blos Euere Pflicht ge­ than. Nun aber, wie sollen und müssen wir wohlthun? Davon in unserem ganz kurzen zweiten Theile. Also, meine lieben Freunde, wie müssen wir wohl­ thun? Aus Stolz! Ach, da thäten wir eine Sünde. Der heilige Apostel Paulus sagt: Wenn ich mein ganzes Ver­ mögen unter die Armen vertheilte und habe die Liebe nicht, so nützt es mir nichts. Etwas weiter sagt er: Wenn ich meinen Leib verbrennen ließe und habe die Liebe nicht, so bin ich ein tönendes Erz und eine klingende Schelle. Also auß Liebe zu Gott, der die unendliche

122 Liebe ist, um Gottes Willen müssen wir es thun, aris reiner Liebe zu Jesum Christum, dem Gekreuzigten. Denn wenn es ans Liebe geschieht, so ist es Gott wohl­ gefällig. Gott ist die Liebe, 'und was will die Liebe anders als wieder geliebet werden. Gott und den Näch­ sten müssen wir lieben. Wenn eine arme Witwe, welche selbst kaum genug Brod hat, mit ihrer ärmeren Nach­ barin ihr Brod theilt, oder ihr ein Stück davon herab­ schneidet und es aus Liebe zu Gott thut, so hat sie sehr viel gethan. Wenn ein Armer zu mir kömmt und er mich so lange quält und bittet, und ich gebe ihm dann, um ihn nur los zu werden, einen oder ein paar Gulden, habe ich da meine Pflicht gehörig erfüllt? Nein, ich habe nichts Besseres gethan, als wenn ich gar nichts gegeben hätte, denn ich habe es nicht aus Liebe gethan. Jesus

Christus saß auch einmal bei dem Opferkasten und war ganz gleichgültig gegen die Gaben der Neichen. Endlich kam eine arme Witwe und die legte zwei Scherflein in den Gotteskasten, das ist ein Pfennig, nach unserem Gelde gerechnet, zwei halbe Kreuzer, das macht einen Kreuzer. Da sprach Jesus: Diese hat am meisten gegeben, denn sie that es aus Liebe, That sie es aus Liebe zu Jesum Christum? Ach, die arme Witwe hat ja nichts von ihm gehöret. Sie that es aber aus Liebe zu den Nächsten und das war Jesum angenehm. Also nur Alles aus Liebe zu Jesus, dann haben wir ein Verdienst, dann wird er einst sprechen: Ich war hungrig, ihr habt mich gespeiset; ich war durstig, ihr habt mich getränket; ich war nackt, und ihr habt mich bekleidet; ich war ein Fremdling, und ihr habt mich beherberget; denn Alles, was wir seinen Kindern, den Armen geben, das haben wir ihm gethan. Dadurch salben wir ihn wie Joseph von Arimathia mit Spezereien, wenn wir ein wundes Herz eines kranken, auf dein Strohe liegenden Bruders heilen; denn Jesus

123 sprach: „Kommet zu mir, ihr Armen und ihr Kleinen, denn euch ist das Himmelreich bereitet." Alle diesigen, welche den Armen milde Gaben spendeten, waren geseg­ net, der Segen der Großvater und Altvater verbreitete sich auf Kindeskinder. Sie gingen nie betteln, sie waren immer gesegnet durch das Gebet der Armen, und wenn sich ihr irdischer Segen verminderte, den ewigen gewin-. nen sie bestimmt. Manche lassen sich dadurch vom Wohl­ thun abhalten, indem sie sagen: Die Armen verschwen­ den Alles, belügen nur, um etwas zu erhaschen. Es ist allerdings manchmal wahr, aber wir haben vor Gott un­ sere Pflicht der Nächstenliebe erfüllt, und um das Werwenden haben wir uns nicht zu kümmern. Aber die thrä­ nen des Dankes der Annen werden uns erst wohlthvn, wenn wir auf dem Sterbelager liegen Ich spreche heute nicht nur, um für die Armen etwas zu bekommen, son­ dern um Eueren Seelen auch einen Schatz zu erwerben. Deßhalb halte ich mich nicht an die Zeit, denn auf dieser Stelle muß ich für die Ewigkeit sorgen. Also wenn wir auf dem Sterbelager liegen, wenn die Augen schon ge­ brochen sind, wenn wir das Heulen und Flehen der Uningen nicht mehr hören, den Schein der Todtenkerze, die man uns in die Hand gibt, nicht mehr sehen, wenn der Priester die Sterbegebete betet, da kommen die Thränen des Dankes der Armen uns zu Hülfe, machen uns den Kampf leichter und verschaffen uns durch und mit Got­ tes Gnade den ewigen Segen. Nun treue, von mir in­ nigst dankbar geliebte Wiener, heute an dem großen Freudenlage, an dem Osterfeste, habet Ihr wieder Ge­ legenheit, bei dem Opfergange Euere Nächstenliebe zu beweisen. Heute könnet Ihr wieder Thränen trocknen und Thränen des Dankes, der Freude empfangen. Mor­ gen könnet Ihr Euch durch erlaubte ZZergnügungen er­ freuen, heute aber spendet den Armen etwas, damit sie

124 nicht darben. Amen.

Gott wird Euch dafür segne»/

reichlich.

Am Ostermontage. Text. „Bleibe bei uns, denn es will Abend werden, und der Tag bat sich schon geneigct. Alleluja! Alleluja! Alleluja!" Lucas 21, Vers 29. Ueber diese Worte des heutigen Evangeliums will ich heute zu Euch predigen, erst wollen wir aber Gottes Geist um Beistand bitten. Wie kömmt es, daß tost heute an einem so großen Freudenfeste, an dem Feste unserer Erlösung, an einem so herrlichen, frohen Morgen vom Abend werden spre­ chen? Am Morgen, an einem so lieblichen Morgen, an welchem sich die ganze schöne Natur freuet, sprechen wir da vom Abend. An einem Morgen, welcher sich mit dem großen Freudenfeste gleichsam auch zu freuen scheint, auf welchen sich die gairze Natur schon lange vorbereitete, und welcher einen herrlichen Frühling, den wir lange nicht hatten, verkündiget, da sagen wir: Es will Abend wer­ den. Ich spreche nicht von der Natur, vom Abende der Natur, sondern vom Abendwerden in unserer Seele, in dieser ist es Abend bei vielen von uns. Non diesem Abende in unserer Seele spreche ich, da neiget sich der Tag, wenn der Herr nicht in unserem Herzen ist. Mor­ gen ist es dann, wenn der Herr bei uns ist. Wir können «ns heute noch freuen, denn der Herr ist wirklich aufer­ standen. Es ertönt in der ganzen weiten Welt, wo daß Christenthum ausgebrektet ist, ein allgemeines Alleluja, ein freudenreiches Gloria erschallet noch nach dem gestri­ gen. Also ich will heute auch von der Freude, von der ernsten Freude deß Christen sprechen , von der wehmü­ thigen, immer Trost suchenden, fast trostlosen, aber

124 nicht darben. Amen.

Gott wird Euch dafür segne»/

reichlich.

Am Ostermontage. Text. „Bleibe bei uns, denn es will Abend werden, und der Tag bat sich schon geneigct. Alleluja! Alleluja! Alleluja!" Lucas 21, Vers 29. Ueber diese Worte des heutigen Evangeliums will ich heute zu Euch predigen, erst wollen wir aber Gottes Geist um Beistand bitten. Wie kömmt es, daß tost heute an einem so großen Freudenfeste, an dem Feste unserer Erlösung, an einem so herrlichen, frohen Morgen vom Abend werden spre­ chen? Am Morgen, an einem so lieblichen Morgen, an welchem sich die ganze schöne Natur freuet, sprechen wir da vom Abend. An einem Morgen, welcher sich mit dem großen Freudenfeste gleichsam auch zu freuen scheint, auf welchen sich die gairze Natur schon lange vorbereitete, und welcher einen herrlichen Frühling, den wir lange nicht hatten, verkündiget, da sagen wir: Es will Abend wer­ den. Ich spreche nicht von der Natur, vom Abende der Natur, sondern vom Abendwerden in unserer Seele, in dieser ist es Abend bei vielen von uns. Non diesem Abende in unserer Seele spreche ich, da neiget sich der Tag, wenn der Herr nicht in unserem Herzen ist. Mor­ gen ist es dann, wenn der Herr bei uns ist. Wir können «ns heute noch freuen, denn der Herr ist wirklich aufer­ standen. Es ertönt in der ganzen weiten Welt, wo daß Christenthum ausgebrektet ist, ein allgemeines Alleluja, ein freudenreiches Gloria erschallet noch nach dem gestri­ gen. Also ich will heute auch von der Freude, von der ernsten Freude deß Christen sprechen , von der wehmü­ thigen, immer Trost suchenden, fast trostlosen, aber

125 niemals hoffnungslosen Freude. Also, merkt wohl auf, von der wehmüthigen, Trost suchenden, nie hoffnungs­ losen Freude will ich sprechen. So war auch die Freude der Jünger, die nach Emmaus gingen. Ich will im er­ sten Theile die wehmüthige, Trost suchende, aber nicht hoffnungslosen Freude der Jünger in Emmaus betrach­ ten, und im zweiten Theile unsere Freude, wir wollen jene auf uns beziehen. Du aber,. Herr und Heiland Jesus Christus, der du wahrhaft auferstanden bist, stehe du uns heute bei, daß es bei uns nicht Abend werde, oder nicht Abend bleibe, daß wir einst einen ewigen Morgen genießen, gebe uns Gnade. Heilige Schmerzensmutter Mana oder vielmehr, wie dein Name ist, Königin der neun Chöre der seligen Geister, stehe uns bei, bitte für uns. Alle ihr Chöre der Engel und Erzengel, bittet für uns. Heiliger Igna­ tius, Franciscus, Xawerius, Stanislaus, Aloisius von Conzagel, alle ihr Schutzheilige dieses Tempels, bittet für uns. In der Zeit gingen zwei aus den Jüngern Jesu an demselben Tage in einen Flecken, mit Namen Emmaus, der bei sechzig Feldweges von Jerusalem entlegen war. Won den zweiundsiebzig Jüngern Jesu gingen zwei mit­ einander nach Emmaus, wo der eine ein Häuschen hatte. So wie die Namen aller indischen Städte besondere Be­ deutung hatten, so war es auch mit Emmaus und Jeru­ salem. Jerusalem heißt Friede, Freude, und Emmaus heißt Trost, Freude suchen. Emmaus war ungefähr zwei Stunden von Jerusalem entfernt. Sie gingen nach Emmaus, um Trost zu suchen, denn sie waren sehr be­ trübt über den Lod Jesu. Also sie wollten sich ein wenig in der Natur erfreuen. Wir können sie nicht verdenken, sie waren ja Menschen wie wir. Und sie redeten mitein­ ander von allen Dingen, die sich zugetragen hatten. Sie

126 redeten von allem dem, was sich mit Jesu dem Gekreu­ zigten zugetragen hatte, von seinen Leiden und Tode. Da sie nun also redeten und sich untereinander befragten, nahete sich Jesus zu ihnen und ging mit ihnen. Er, der auferstanden ist, gesellte sich zu seinen Jüngern, die Trost

suchten. Er allein konnte sie trösten, denn ihre Trau­ rigkeit war nur wegen seinem Tode. Ihre Augen waren aber verblendet, daß sie ihn nicht erkannten. Er wollte sie nicht trösten, er wollte erst sich von ihrem Schmerz überzeugen. Und er sprach zu ihnen: Was sind das für Reden, die ihr miteinander auf dem Wege führet, und warum seyd ihr traurig? Der Herr wußte wohl, warum sie traurig waren, er wollte eß aber aus ihrem Munde hören. Da antwortete einer, mit Namen Kleophaß, und sagte zu ihm. Man weiß nicht gewiß, wer dieser Kleophaswar, aber man vermuthet, daß er der Mann von der Schwester der Mutter Gottes war. Also dieser sprach: Bist du allein so fremd in Jerusalem, daß du nicht weißt, was daselbst in diesen Tagen sich zugetra­ gen hat? Ach! Jesus war nicht fremd in Jerusalem, denn er gab nur Trost, nur Frieden. / Waren die Jünger in Jerusalem geblieben, sie wären eher getröstet worden, aber sie wollten sich in der Natur zerstreuen, trösten. Die Natur kann aber keinen Menschen trösten. Und da sprach Jesus zu ihnen: Was denn? Er frug wieder, der Allmächtige. Und sie sageten: Mit Jesum von Naza­ reth, der ein großer Prophet war, ein vor Gott und vor allem Volke in That und Worten mächtiger Mann. Das Geständniß der Jünger von Jesu war allerdings recht. Er war ein großer Prophet, er war der größte,

der Prophet aller Propheten, denn er sprach durch dea Mund der Propheten. Er war vor Gott und allem Volke in That und Worten ein mächtiger Mann. Allerdings war er es, aber er war nicht nur ein mächtiger, sondern

127 allmächtiger Manu in That und Worten; denn was gib» es Herrlicheres, Vollkommeneres, als seine Lehre. Wer kaun Todte erwecken, wie er den Lazarus, die Tochter des Jairus und viele andere erweckte? Nur er, nur Jesus kann dieß. Ferner sprach der Kleophas: Weißt du nicht, wie ihn unsere Hohenpriester und Obersten zum Todesurtheil überantwortet und gekreuziget haben? Wir Hoffeten, daß er Israel erlösen würde, und nun über dieses Alles ist es heute der dritte Tag, da solches ge­ schehen ist. Ach, die Jünger wußten es noch nicht, aber er ist auferstanden, hat uns Alle erlöset, befreiet und versöhnet mit seinem Vater. Er ist gestorben, ist aber am dritten Tage in aller Frühe auferstanden. „ So ha­ ben uns auch etliche von den Weibern von den Unsrigen erschrecket, welche vor Tages Anbruch bei dem Grabe waren, und da sie seinen Leib nicht gefunden halten, ka­ men und sagten, daß sie eine Erscheinung der Engel ge­ sehen hätten, welche sageten, er lebe. Ja, er ist auch auferstanden, das Grab war leer, der Stein war hin­ weg. Und als etliche von den llnsrigen zu dem Grabe hingegangen sind, haben sie es also befunden, wie die Weiber gesaget hatten; ihn aber haben sie nicht gefunden. Aber der Herr war schon auferstanden, ist ihnen aber nicht erschienen, bloß seiner Mutter und der Magdalena ist er erschienen." Und er sprach zu ihnen: O ihr Tho­ ren! wie langsam ist euer Gemüth, alles dasjenige zu glauben, wovon die Propheten geredet haben. Ihr Glaube war noch nicht fest, sie waren zaghaft, denn der heilige Geist wurde erst unter Gestalt feuriger Zungen über sie ausgegossen. Ferner sprach der Herr: Mußte denn nicht Christus dieses leiden und also in seine Herr­ lichkeit eingehen? Mußte Jesus dieses leiden? Ja! Ei­ gentlich mußte er gar nichts leiden, denn er ist uns gar nichts schuldig; aber wenn er nicht gelitten hatte, so

128 waren wir Alle verloren. Er mußte leiden, weil er wollte und weil er es versprochen hat, uns zu erlösen, und er kann, nicht lügen, deßhalb mußte er leiden und ging also in seine Herrlichkeit ein, leuchtet dort über alle Sonnen, denn die Sonne ist gegen seinen Glanz eine schwarze Kohle. Es wurde schon von den Propheten prophezeihet, David sagte schon: Ich werde der Spott des Volkes seyn; ich bin ein Wurm und kein Mensch. Und der Prophet Iesaias sagt hiezu: Er wird anferstehen und einen Namen erhalten, der über alle Namen ist, vor dem sich alle Kniee im Himmel, auf Erden und unter der Erde beugen müssen. Da sing Jesus an von Moses und allen Propheten zu reden und legete ihnen dasjenige aus, was von ihm in allen Schriften war gesaget wor­ den. Ach! wir wollen ihn auch bitten, daß er die Gnade habe und uns manchmal etwas auslege. Alle unsere Auslegungen sind nichts gegen die herrlichen des Herrn. Wir bleiben immer im Finstern, wenn wir auch hier ein Lichtchen, dort ein Lichtchen finden, so verschwindet es bald wieder; aber was der Herr erklärt, das kann kein Mensch sagen, auch der größte Dichter vermag es nicht. In unseren Büchelchen sind keine Erklärungen. Es gibt wohl Bücher, die gut sind, aber auch elende in Taschen­ format-, die sich in alle Taschen schmiegen, diese elenden Bücher, so wie das: Gott ist d>'e reinste Liebe, diese werden uns niemals die Schrift erklären, sondern, sie machen sie immer dunkler. Aber wir müssen den Herrn bitten, daß er uns manchmal auch ein wenig die Schrift erkläre, so wie den Jüngern von Emmaus. Und sie kamen nahe zu dem Flecken, wo sie hingingen. Da stellete sich der Herr, als wollte er weiter gehen. Ach! das ist gut, wenn sich der Herr nur stellet. Hatte er sich am Grabe Lazari, als er Thränen weinte, den herrlichen Balsam für uns, verstellt? Nein, da verstellte er sich

129 nicht/ da brach ihm sein göttliches Herz, da fühlte er Schmerz und weinete. Verstellte er sich am Oelberge, als seine Seele betrübt war, als er zu seinem himmli­ schen Vater betete: Wenn es möglich ist, so laß diesen Kelch an mir vorübergehen? Als er blutige Thränen weinte, verstellte er sich? Nein, da verstellte er sich nicht; aber bei den Jüngern in Emmaus stellte er sich, als wollte er fortgehen. Sie nöthigten ihn und sprachen: Bleibe bei uns;^denn es will Abend werden, und der Lag hat sich schon geneiget. Es war auch in ihrer Seele Abend geworden, aber bald wuxde es Helle, klar. Er ging also mit ihnen hinaus. O wie glücklich waren diese Jünger, der Herr ging mit ihnen in die Hütte und er­ leuchtete auch ihr Herz. Da er nun mit ihnen zu Tische saß, nahm er das Brod, segnete es, brach es und gab eß ihnen. Er nahm also das Brod in seine Hande, dankte seinem himmlischen Vater, segnete es, brach eS und gab es ihnen. Es war aber nicht mehr Brod, son­ dern sein Leib und Blut. Die Jünger hatten sich auf die heilige Communion vorbereitet, ohne daß sie es wuß­ ten, durch ein Liebeswerk der Nächstenliebe, indem sie den hohen Reisenden, welchen sie nicht kannten, nöthigten, bei ihnen zu bleiben. Nachdem sie die heiligste Commu­ nion empfangen hatten, wurden ihre Augen aufgethan und sie erkannten ihn; er aber verschwand vor ihren Augen. Dann wurde ihnen klar, daß es Jesus war, daß er auferstanden ist und Israel und das ganze Menschenge­ schlecht erlöset hat. Aber er verschwand vor ihren Augen. Alsdann sprachen sie untereinander: War unser Herz nicht in uns entzündet, da er mit uns auf dem Wege redete und uns die Schrift außlegete? Freilich mußte ihr Herz und jedes Menschenherz entzündet werden, wenn Jesus mit ihnen spricht und die Schrift erkläret. Und sie standen sogleich auf, gingen wieder nach Jerusalem

XI. predigten I.

9

130 und fanden die Eilf sammt denen versammelt, welche bei ihnen waren. Diese berichteten: Der Herr ist wahrhaft auferstanden und dem Simon erschienen. Ja, er ist wirk­ lich auferstanden und dem Felsen der Kirche § dem Simon Petrus erschienen, dem Petrus, auf den unsere Kirche gegründet ist. Die Jünger von Emmaus suchten Freude, aber ihre Freude war Anfangs eine wehmüthige, Trost suchende, aber doch nicht hoffnungslose Freude, denn sie fanden Jesum. Sie erzahleten, was sich auf dem Wege -»getragen hatte, und wie sie ihn am Brodbrechen er­ kannt haben. Nun sehen wir, wie die Jünger von Em­ maus den Herrn gefunden haben; und nun wollen wir sehen, wie wir ihn finden, und wollen dieses auf uns beziehen im zweiten Theile. Also wir suchen auch Freude, wir suchen auch Trost, wir suchen sie überall, wo wir nur können. Wo suchen wir aber Freude, Trost? Ich spreche heute nicht von der Freude, die wir bei der Sünde suchen; ich spreche nicht, wie der Wucherer, der Listige, der Geizige, der Ver­ führer Freude sucht, denn ich will dieses herrliche, hei­ lige Freudenfest nicht mit Sünden besudeln, ich will heute nicht in dem Pfuhle der Sünden wühlen, sondern ich will sprechen, wo der Christ Freude sucht. Wir suchen sie in der Natur; so herrlich sie ist, sie kann uns nicht trö­ sten, denn die Natur ist Gottes Fußschemel. Ihr hat^t heute an diesem herrlichen Morgen können spazieren ge­ hen und Euch erfreuen können, aber Ihr seyd hierher in diese dunkle Kirche gekommen, um Gottes Wort zu hören, und das ist recht löblich. Also die Natur kann uns nicht trösten. Die schimmernden Sterne können uns nicht trö­ sten. Der Trostlose wird sagen zu den Sternen: Ihr Sterne, wie könnet ihr so freundlich glanzend scheinen, wahrend ich Trostloser hier ohne Freude, ohne Trost bin, und ihr könnet mich nicht trösten. Wenn wir mit unseren

131 Freunden, wenn ein Mann mit seiner Ehegattin spazieren geht, uns mit ihnen unterhalten, sie können uns nicht trösten, denn ihre Rede ist ein bloßes Wortgeklingel; und wir verstehen uns ja hienieden in Lieser Welt nicht, erst in jener Welt, in der Ewigkeit werden wir uns verstehen, dann werden wir erst lieben. Wenn wir auch unsere Freunde recht lieben, daß wir glauben, wir können nicht von ihnen lassen, wir lieben sie doch nicht vollkommen, wir lieben auch Gott nicht genug, wir kennen nicht die Liebe. Wir müssen aber Gott lieben. Der heilige Gregorius, der große Kirchenlehrer, sagt: Liebt, daun wer­ det ihr die Liebe lernen. Unsere Freunde können uns kei­ nen Trost geben, denn wir verstehen sie auch nicht. Ich habe einmal gesagt: Ach! wer wird hienieden von Andern verstanden, Auch wenn uns vereinet, was Lieben uns scheint? Wenn reuende Treuen einander dort fanden, Die wissen es ewig, wie Liebe vereint. Also auch diese trösten nicht. Wir nehmen also Dücher, wir nehmen den Katechismus, die heilige Schrift und an­ dere Erbauungöbücher; wir lesen sie, finden aber keine Freude, keinen Trost, denn wir verstehen nicht, was wir lesen. Die Jünger in Emmaus verstanden es auch nicht eher, als bis der Herr es ihnen erklärte. So herrlich diese Dücher sind, so sind sie nur, wie ich schon gestern sagte, das ABC, denn es sind blos Worte aus Buch­ staben zusammengesetzt, sie trösten uns auch nicht, und die elenden andern Büchelchen trösten gar nicht, sondern machen noch trostloser. Man kann die herrlichsten Trost­ worte auf ein Quartblattchen schreiben, wenn wir sie lesen, sie trösten doch nicht. Wenn aber der Christ schon ganz des Trostes beraubt sich halt, so wird er sagen: Mein Gott, ich sehe schön, für mich ist kein Trost, keine Hülfe mehr; aber ich will meinen übrigen Brüdern wohl-

9 *

132 thun, ich will trachten, diesen zu helfen. Und dann, wenn er seinen Aermeren Hilst, wenn er ein Werk der Nächstenliebe verrichtet, dann trtib der Herr kommen. Der Christ wird glauben, nun ist der Herr ganz ferne, und da ist er gerade ganz nahe, da ist er schon im Herzen des Christen, und dann wird er zu fragen anfangen. Ach, ich glaube, ich habe es scheu einmal gesagt, über die Fragen Jesu könnte man ein herrliches Buch schrei­ ben, so schön sind sie; er wird fragen: Du Christ, du Christin, was ist dir widerfahren, was ist denn ge­

schehen? Er wird fragen wie die Jünger zu Emmaus-r Was denn? Und wenn dann der Christ, die Christin alle ihre Trostlosigkeit, ihren Schmerz klagen, dann wird der Herr sagen: Wußtest du Christ, du Christin denn nicht, daß du dieses leiden mußt, um in deine Herrlich­ keit einzugehen. Oder er wird sagen: O ihr Thoren, wie langsam ist euer Gemüth, alles dasjenige zu glauben, was die Propheten geredet haben. Und der Christ, die trostlose Christin werden gar nicht wissen, daß der Herr mit ihnen (spricht, sie werden ihn gar nicht kennen. Manche andere, sogenannte Gelehrte, wenn der Herr mit ihnen spricht, glauben, sie sind nicht wohl, sie sind krank, sie müssen den Doctor fragen, was für ein Mit­ tel sie gebrauchen sollen für ihre Melancholie, für ihre Hypochondrie. Dann aber, wenn sie vielleicht jetzt um die österliche Zeit das heiligste Altarssakrament mit Liebe empfangen, denn die Liebe will geliebet werden, dann werden sie den Herrn am Brodbrechen erkennen, dann wird er ihnen erscheinen; aber er wird gleich wieder ver­ schwinden. Sie haben aber dann auch nach wehmüthiger, Trost suchender, aber doch nicht hoffnungsloser Freude wahre, ernste Freude gefunden. Allerdings dauerte sie nur einige Augenblicke, allerdings halten sie nur einen Tropfen Trost erhalten, aber wenn sich der Herr einem

133 solchen Trost suchenden Herzen nur eine Sekunde lang offenbaret, dann hat es Trost und Freude auf lange Zeit. Eine Sekunde Trost vom Herrn ist auf Jahre hin­ länglich, an einem Tröpflein können wir lange zehren, darm hat der Christ wahre Freude gefunden. Manche sehr thörigten Leute sagen: Freude erhält man durch Tugend, nicht wahr? Was ist Lugend? Tugend ist Liebe, Liebe zu Gott, Liebe zu dem Nächsten. Erst muß man Liebe haben, dann erhalt man Lugend. Liebe gibt Gott. Freude kann auch kein Mensch, nur Gott allein geben. Wenn wir aber einen Tropfen Trost, Freude von Gott erhalten haben, dann werden wir alle unsere Nächsten gleich lieben. Es ist nicht so, wie manche glau­ ben, man könne nur ein Geschöpf recht lieben, so wie manche Thoren sagen: Sie ist ganz entbrannt für diesen oder jenen. Nein, der von Gott Freude erhalten hat, wird alle Wrenschen gleich lieben und Gott über Alles; und dann kann uns die Natur erfreuen, kann im6 frohe Stunden verschaffen, dann machen uns Freunde Freude, dann, wenn ich ein Weib und Kinder habe, machen sie mich froh, denn der Herr" sagt: Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen; wo zwei sich in seinem Namen erfreuen, da ge­ sellet sich bald ein dritter Mann, der größte, den es gibt, hinzu. Dann kann uns Alles erfreuen und Trost gewah­ ren , wenn uns Gott erst tröstet. Also Ihr Väter und Mutter, gehet heute an diesem herrlichen Tage mit Eue­ ren Kindern spazieren, gehet aufs Land mit ihnen, er­ freuet Euch; denn wenn Ihr Euch in seinem Namen freuet, da gesellet er sich zu Euch. Er erfreuet sich gerne mit den Fröhlichen und trauert mit den Trauernden. Aber keine lärmenden, keine rauschenden Freuden dürfen

es seyn, denn zu diesen gesellet sich ein so hoher Gast nicht. Also erfreuet Euch, Ihr, die Ihr Trost habet.

134 Ihr anderen, wenn es Trostlose hier gibt, bleibet allein t’i Euerem Kämmerlein und flehet zu Gvtt, bittet ihn um Trost und er wird ihn Euch geben. Künfrigeu Sonn­ tag habet Ihr das allerheiligste Altarssakrameut von sechs Uhr Morgens bis sieben Uhr Abends in SL. Stephan aus­ gesetzt. Um eilf Uhr ist ein Hochamt zum Danke und zur Bitte für den Frieden bei den jetzigen Unruhen. Bei die­ sem Kriegßgebete müssen alle Secular- und Regularpfar­ rer erscheinen. Jetzt ist nur die Frage: Soll daö Chri­ stenthum herrschen oder nicht? Aber Gott wird uns bei­ stehen, der Gott, der die Kriege zernichten, die Feinde zerstreuen und die Schwerter brechen kann. Wir haben den Panzer des Glaubens, das Schild der Hoffnung und das mächtige Schwert der Liebe. Nun aber, ehe ich schließe, habe ich noch etwas zu sagen. Ihr wisset, daß der Herr Pfarrer von hier ein sehr frommer und vernünf­ tiger Mann ist; bei ihm ist es nun auch Abend, und schon lange Abend, wir wollen also das Vaterunser, welches wir nach der Predigt beten, für ihn beten; wir wollen bitten, daß, nachdem es Abend bei ihm geworden ist, ewiger Morgen werde. Wir wollen auch für seine treuen Hülfsgenossen beten um Kraft und Starke, und endlich um ein glückseliges Ende, zu dem uns Gott Allen ver­ helfe. Wir Alle alser wollen für uns Gott bitten, daß er es in unserer Seele nie Abend werden lasse, sondern daß er uns ein glückliches Ende verleihe, wo ewiger Mor­ gen ist, und dazu verhelfe uns Allen der Herr. Amen!

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Am weißen Sonntage. Text

„Sey nid^t ungläubig, scndern gläubig." Job 20, Der- 23.

Ueber diese Morte unseres heutigen so schönen Evan­ geliums will ich am ersten Sonntage nach Ostern, genannt der weiße Sonntag, predigen, wir wollen aber erst Gott um seinen Beistand bitten. Sey nicht ungläubig , sondern gläubig, Glaube muß herrschen; wo Unglaube ist, da ist auch Verwirrung, Unruhe. Ihr sollt wie die Neugebornen von der Milch des Evangeliums Euch nähren, also beginnet heute die Messe am weipen Sonntage. Dieser Sonntag Hess«: wei­ ßer Sonntag, weil die Täuflinge, welche am CharsamStage getaufet wurden, die ganze Woche hindurch ein wei­ ßes Kleid tragen mußten , zum Z ichen der wieder erlang­ ten Unschuld, des Sieges; denn weiß ist die Farbe der Unschuld und des Sieges. Deßhalb trugen auch die Ka­ techumenen ein weißes Kleid, zum Zeichen des Sieges, denn sie konnten dann siegen über Tod und Teufel, denn sie hatten gesiegt, zwar nicht sie, aber derjenige, in des­ sen Namen sie getauft wurden, Jesus Christus. Heute, als am weißen Sonntage, wurde ihnen zwar das weiße Kleid abgenommen, der Priester hing ihnen aber ein Agims Bei um, das ist ein Bildniß eines Lammes; dr'estS mußten sie tragen, um ihre Unschuld nicht zu vergessen und nicht zu verletzen. Ich machte Euch immer auf diese Dinge aufmerksam, um Euch zum Guten zu führen. Nun aber wollen wir heute unserem Zwecke näher treten. Ich will nun, wenn mir Gott die Gnade gibt, einige Predigten über den Katechismus halten, allerdings nicht nach der Ordnung und zusammenhängend, denn ich muß mich hauptsächlich nach dem Evangelium halten; aber ich werde beides miteinander verbinden, und diejenigen, welche mehrere meiner Vorträge mit Aufmerksamkeit

136 hören, werden am Ende doch ein ordentliches Ganze daraus machen können. Einige von Euch werden wis­ sen, daß das Christenthum in dem Katechismus in fünf Hanptstücke eingetheilt wird, diese sind der Glaube, die Hoffnung, die Liebe, die sieben heiligen Sakramente und die christliche Gerechtigkeit. Der Glaube eines ka­ tholischen Christen ist ein übernatürliches Licht, eine Gabe Gottes, eine von Gott eingegossene Lugend, wo­ durch der Christ Alles fest und ungezweifelt für wahr halt, was Gott geoffenbaret hat, und was die katho­ lische Kirche zu glauben vorstellet, es sey geschrieben oder nicht. Es ist theils durch Ueberlieferung, theils ge­ schrieben. Wir müssen beides, das geschriebene sowohl als das ungeschriebene Wort Gottes für untrüglich wahr halten, und durch das Evangelium uns starken, nicht bloß für den Glauben zu leben, sondern ihn treu zu ver­ fechten, und wenn wir dahin kamen, für den Glauben auch zu sterben. Es gibt wohl solche auch jetzt noch, wo der Glaube wanket, aber er wird nie untergehen, son­ dern immer herzlicher stehen. Ich kann und darf es aber auch nicht leugnen, daß es sehr viele gibt, ja sogar Prie­ ster, welche von dem Glauben abfallen, daß sie ein unpriesterliches Leben und die Layen ein unchristkatholisches führen. Bei dem Glauben wollen wir nun einige Zeit verweilen und dem Dinge etwas naher treten. Ich will Euch im ersten Theile zeigen die Nothwendigkeit des Glaubens nach dem Evangelium und nach der Geschichte von Thomas, und im zweiten Theile die Nothwendigkeit des Glaubens bei einem jeden Menschen nach der Natur. Du aber, Anfänger und Wollender des Glaubens, Jesuß Christus, stehe du uns bei, der du gesaget hast: Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben. Gebe uns den wahren Glauben und stehe uns bei, gebe mir in meiner Schwachheit Kraft, denn es ist ehrlich gemeiner.

137 Heilige Maria, Mutter Gottes, die du nicht nu? die . Königin der Engel, sondern auch Fürsprecherin der Sün­ der bist, bitte für uns, denn durch deine Fürbitte allein können wir Gnade, Vergebung erhalten. Heiliger Tho­ mas, heilige Apostelfürsten Petrus und Paulus, ihr Glaubenshelden, heilige Ursula und Angela, Schutzhei­ lige dieses Tempels, bittet Alle für uns. An demselben Lage des Abends, nachdem der Herr der Magdalena, dann den übrigen Frauen und den emmausischen Jüngern, von welchen wir schon am vergange­ nen Ostermontage gehöret haben, erschienen war, an dem­ selben Tage seiner Auferstehung erschien er auch seinen übrigen Aposteln. Da es nun an demselben Tage, dem ersten in der Woche, nachdem es Abend geworden, und die Thür des Ortes, wo die Jünger sich aus Furcht vor den Juden versammelt hatten, verschlossen war, kam Jesus, ftand mitten unter ihnen und sprach: „Der Friede sey mit euch!" Jesus Christus hatte die Kraft, durch ver­ schlossene Thüren zu dringen, eben so als wie er durch den verschlossenen Schooß der übergebenedeieten Jungfrau drang, oder eben so, als wie er bei seiner Auferstehung durch das verschlossene Grab mit Blitzesschnelle drang, eben so kam er auch zu seinen Jüngern durch die verschlos­ senen Thüren. Er konnte dieß nun mit seinem verklarten Leib; aber das Wunderbare, das Göttliche hatte sein ver­ klarter Leib, daß er fühlbar war und daß er aß und trank. Also er kam zu seinen Jüngern, stand mitten unter ihnen und sprach: „ Der Friede sey mit euch, ich binö." Wo Jesus ist, da ist Friede, nur er kann ihn allein- geben. Er sprach: „Ich bins", er gab sich seinen Jüngern zu erkennen, denn sie fürchteten sich; darum sagte er: „Der Friede sey mit euch, ich bins." Ueberall, wo Jesus ist, kann nichts als Friede seyn. Es gibt einen dreifachen Frieden, Frieden mit Gott- Frieden mit sich selbst und

138 Frieden mit der» Nächsten. Der Frieden mit Gott be­ steht darin, daß wir ihn nie beleidigen, das heißt nicht mit einer wissentlichen Sünde, und besonders mit keiner Lodsünde, und dann in Erfüllung seines Willens. Der Frieden mit uns selbst besteht in der Ruhe des Gewissens, und wenn uns daß Gewissen etwas vorwirst, daß wir uns gleich durch das Sakrament der Buße mit Gott versöhnen. Endlich der Friede mit dem Nächsten be­ steht in Liebe, Sanstmuth, Milde, Wohlthätigkeit, Ge­ rechtigkeit gegen den Nächsten, und besonders in der Geduld, die so nothwendig ist, und die so viele gute Christen, fromme Christinnen nicht recht, ja, wenn ich es sagen soll, gar nicht kennen. Also Geduld tragt sehr viel zu dem Frieden bei. Jesus Christus war auch ge­ horsam und geduldig bis zum Lode des Kreuzes, und deßhalb wurde er verherrlichet. Nur Gott kann uns den Frieden geben, sonst kein Mensch; die Welt kann uns den Frieden, das größte Erdenglück, nicht geben, aber, Alleluja! auch nicht rauben, wenn wir ihn gewonnen haben. Die Jünger erschraken aber, als sie Jesum er­ blickten. Der Herr drang aber nicht blos durch verschlos­ sene Thüren zmseinen Jüngern, sondern er kömmt in das Herz eines jeden frommen Christen, der die Thüren vor den lärmenden Freuden und Lüsten der Welt verschließet. Der Christ, die Christin, in deren Herz der Herr kömmt, erschrickt, bebet auch, aber der Herr spricht auch zu ihr oder zu ihm: Der Friede sey mit dir, fürchte dich nicht, ich bins. Dann wird sich der Christ erfreuen und den Frieden erhalten. Wir verjagen aber auch wieder den hohen Gast durch die Sünde, durch die rauschenden Lüste und lärmenden Freuden, in deren Taumel Manche dahin leben. Nachdem Jesus gesprochen hatte: Der Friede sey mit euch! zeigte er ihnen seine Hände und seine Seite. Er behielt bei seiner Auferstehung die Nägelmale an den

139 Handen und Füßen und die Wunde des Lanzenstiches an der Seite, welchen ihm ein Kriegsknechl versetzte, nachdem er gestorben war. Diese Nägelmale, die glan­ zenden, behalt er in Ewigkeit; diese strahlenden Nägel­ male wird er uns am Gerichte zeigen, wird sie seinem himmlischen Naler zeigen, bei jedem Sünder, der reumüthig und bekehret seinen letzten Lebenshauch aushau, chet, und da wird er zu ihm sprechen: Vater, vergib ihnen, sie wußten nicht, was sie thaten, ich wußte es aber am besten, als ich rief: „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie thun"; aber ich erlösete sie, als ich sprach: „Es ist vollbracht!" Also vergib ihnen, kraft meines Versöhnungsblutes, kraft meines Todes. Jesus wird sie aber auch denen, die zu seiner Linken stehen, zeigen und sagen: Sehet hier meine Wunden, diese habet ihr alle gebohret, gehet also hin in daß ewige Feuer. Dann ersreueten sich die Jünger, als sie den Herrn sa­ hen, und er sprach abermals: Der Friede sey mit euch! Wie mich der Vater gesandt hat, also sende ich euch auch. Ach welche herrlichen Worte sind diese, wie unendlich gnädig und gütig ist Gott, er würdigte uns Menschen zu so einer hohen Würde. O Gott! wie unendlich hoch hast du den Menschen gestellt, höher als deine Engel und Erz­ engel, und wir erniedrigen uns bis unter das Thier. „Da er dieses gesaget hatte, blies er sie an und sprach zu ihnen: Nehmet hin den heiligen Geist. Welchen ihr die Sünden vergeben werdet, denen find sie vergeben, und welchen ihr sie behalten werdet, denen sind sie auch be­ halten." Zu welchem hohen Ziele hat Jesus seine Apo­ stel bestimmt, aber nicht nur diese, sondern jeden gesalb­ ten Priester genannt. So schön und herrlich dieses Amt ist, so viel Beschwerliches, ja Gefährliches hat eß auch. Also er blies sie an. Gott blies schon den ersten Men­ schen Adam an. Er nahm einen ErdenkloS und bildere

140 daraus den Menschen, dann blieL er ihn an und er wurde belebet, aus dem Erdenklos wurde ein vernünftiger Mensch. Bei der Laufe blast auch der Priester das Kind an, nachdem ör es mit Wasser im Namen des Bakers, Sobnes und des heiligen Geistes getaufet hat. Das bezie­ het sich aber nur allein auf den Täufling. Wenn der Bi­ schof diejenigen zu Priestern Bestimmten anhauchet, so spricht er die Worte Jesu: Nehmet hin den heiligen Geist. Welchen ihr die Sünden vergeben werdet, denen sind sie vergeben, und welchen ihr sie behalte'» werdet, denen sind sie auch behalten. Darrn wird derjenige, welchen der Bischof anhauchte, sich ganz zernichtet fühlen, er wird aber auch Gott danken für die Gnade und sprechen: ÄVelche unendliche Freude ist es, wenn ich den reuigen Sündern sagen kann: Deine Sünden sind dir vergeben; aber, o Gott! nicht Allen darf ich sie vergeben. Manchen muß ich sie vorbehalten, o vergebe du nur Allen! Also bei manchen Sakramenten bedient man sich des An­ hauchens; aber die Kraft dieses Anblasens laßt sich hier auf der Kanzel nicht abhandeln. Thomas aber, einer aus den Zwölfen, der Zwilling genannt wird, war nicht bei ihnen, als Jesus kam. Für diesen Thomas müssen wir Gott recht danken, denn der große Gregorius sagt: „Der Glaube der Magdalena und des Petrus ist nicht so lehrreich, als der Unglaube des Thomas." Allerdings hat Thomas nicht recht gethan, daß er sich von der Ver­ sammlung der übrigen Apostel getrennt hatte, denn Icsus sprach: Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen. Er hätte den Herrn auch gesehen, wenn er bei den Jüngern geblieben wäre. Daher sprachen die andern Jünger zu ihm: Wir haben den Herrn gesehen. Er aber sagte zu ihnen: Wenn ich' nicht das Mal der Nägel in seinen Händen sehe, und meine Finger in die Wunden der Nagel, und meine Hände

141 in feine offene Seite lege, so glaube ich es nicht. So un­ gläubig war derselbe Thomas , welcher sagte, als Jesus sprach: Bleibet hier, gehet nicht mit ein, sie werden euch todten, wir .gehen mit dir, und wenn sie uns auch todten: wir wollen für dich sterben. Das sagte er am ersten von allen übrigen Jüngern. Als der Herr ein an­ dermal sprach.- Folget mir nach, sagte derselbe Thomas: Wie sollen wir dir nachfolgen, da wir den Weg nicht wissen? und da antwortete der Herr: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben. " Derselbe Thomas sagte jetzt: Wenn ich meine Finger nicht in seine Nagelmale, und meine Hände in seine offene Seite lege, so glaube ich es nicht, daß der Herr auferstanden ist. Aber Jesus wollte nicht, daß Thomas verloren gehe; er, der treue Hirt, läßt neunundneunzig Schafe stehen und sucht das hundertste. Also nach acht Tagen waren seine Jünger abermals an dem Orte versammelt und Thomas war mit ihnen. Da kam Jesus bei verschlossenen Thüren, trat mitten unter sie und sprach: „Der Friede sey mit euch." Diese herrlichen Worte sagte er immer und sagt sie noch immer. Darnach sagte er zum Thomas: Reiche deine Finger her und sieh meine Hände; reiche deine Hand her und lege sie in meine Seite, und sey nicht ungläubig, sondern gläubig. Als der Herr diese Worte sprach, lä­ chelte er gewiß, er lächelte göttlich. Er wußte, der allmächtige Herr, den Unglcuchen des Thomas, sagte deßhalb auch die Worte: Reiche deine Hand her und legt sie in meine Seite. Thomas aber hatte den Herrn gewiß nicht betastet, sondern sein göttlicher Blick war ihm schon hinlänglich, und Thomas rief ganz in Liebe und Schmerz über den Unglauben: Mein Herr und mein Gott! Und der Herr sprach ferner: Weil du mich gesehen hast, Thomas, so hast du. geglaubet; selig sind die, die nicht gesehen und doch geglaubet haben. Diese Seligkeit fallt auf uns.

denn wir sehen nicht und glauben doch, freilich nicht Alle, aber doch Viele. Wir werden aber wegen unseres gerin­ gen Glaubens einst von den Bewohnern von Sidon und Lyrus, von Heiden, Juden und von unseren abgewichenen Brüdern, die Christen sind, beschämet werden; denn es wird einst, wie der Herr sagte, nur ein Schafstall werden, und diese, die das Licht gefunden haben, werden viel inniger, mit festerem Glauben wie Thomas rufen: Mein Herr und mein Gott! Viele von uns glauben auch nicht, weil sie nicht sehen, und andere, die ganz schlech­ ten, wenn sie wie Thomas die Wunden - und Nagelmale sahen, glaubeten doch noch nicht fest an Jesum. ES hat zwar Jesus noch viele andere Zeichen vor den Augen seiner Jünger gewirket, welche in diesem Buche nicht geschrieben sind; diese aber sind geschrieben worden, da­ mit Ihr glaubet, daß Jesus Christus der Sohn Gottes sey, und daß Ihr durch den Glauben das Leben in seinem Namen habet. Blos durchs den Glauben erhalten wir durch Jesum Christum das Leben; an ihn müssen wir glauben, denn Alles, was er sagte und that, ist Wahr­ heit. Nun sahen wir nach dem Evangelium an der Ge­ schichte des ungläubigen, dann aber gläubigen Thomas, wie nothwendig der Glaube ist. Gott leitet und führet uns aber immer, so wie das Kindelein von seiner Amme am Gängelbande gefuhret wird, manchmal will aber das Kindelein allein laufen, und das wollen auch wir. Im zweiten Theile wollen wir daher sehen die Nothwendig­ keit des Glaubens in der Natur bei einem jeden Menschen. Das apostolische Glaubensbekenutniß, mit einem Worte, der Glaube fangt mit den Worten an: „Ich glaube." Bei diesem wollen wir auch heute stehen blei­ ben. Es sind zwei Worte: t ch und glaube, ich glaube. Als dem Moses der Herr in dem brennenden Dornbusch erschien, sprach Gott zu Mosen, er sollte dem Volke

143 sagen: „Ich bin, der ich bin!" und Moses sprach: Wenn sie mir aber nicht glauben/ so sage: Der da ist, der hat mich gesandt. Wer kann diese herrlichen allein göttlichen Worte: „Ich bin, der ich bin!" sagen? Kanu ich sie sagen, kann sie einer von Euch sagen, kann der Kaiser, kann der Pabst, kann ein Mensch sagen: „Ich bin, der ich bin?" Niemand kann sagen: Ich bin. Glau­ bet nicht, daß ich Euch Spitzfindigkeiten sage und solche suche. Nein, überhaupt sind sie gar nicht nach meiner Art, auch kein bloßes Wortgeklingel,- sage ich Euch, wie manche Leute glauben, wenn sie einmal hunderttallsend Worte, womit gar nichts gesagt ist, herplappern, so sey es damit abgethan. Meine Freunde, ich will Euch wenig sagen und langsam gehen, aber suchen aus den Grund zu kommen. Also was bin ich? Ein Mensch. Was ist ein Mensch? Ein Mensch ist ein Wesen, begabt mit fünf Sinnen und mit einer vernünftigen Seele, die unsichtbar ist. Das höret Ihr schon in der Schule. Viel­ leicht sagt man Euch auch noch: der Mensch ist nach Got­ tes Ebenbild geschaffen, hat Verstand, Vernunft, freien Willen und ein Gewissen. Das ist ein Mensch. Wenn ich, wenn jeder Mensch über sich, seine Jämmerlich­ keit nachdenkt, kann er sagen: Ich bin? Nein, gewiß nicht. Wenn einer zu mir kömmt und mir sagt: Du bist nach Gottes Ebenbild geschaffen, bist vernünftig, hast freien Willen, hast Verstands bist ein freies We­ sen, was kann ich ihm antworten? Kann ich ihm sagen: Ich bin es? Nein, ich müßte ihm und mir ins Gesicht lachen. Ich kann nichts anderes mit gutem, ehrlichem Gewissen sagen als: Ich glaube! Ich glaube, daß ich Verstand, Vernunft, Freiheit habe, und ich glaube, daß ich nach Gottes Ebenbild geschaffen bin. Aber „ich bin, der ich bin" kann ich und kann niemand sagen. Wie kann ein Mensch sagen: Ich bin? Fraget

144 einen jeden Naturforscher, so wird er Euch sagen, '.daß sich täglich, jede Minute, jeden Augenblick in unserem Körper etwas verändert. Wenn wir uns jede Minute, wenn ich so sagen soll, verändern, wie können wir sagen: Ich bin? Uttd wett» sich unser Körper so schnell verändert, wie verändert sich erst unsere Seele. Die Veränderungen unseres Körpers merket man doch nicht so schnell, denn er behält doch seine äußere Form, sein äußeres Ansehen; aber unsere Seele verändert sich auch sehr oft, manchmal zu unserem Vortheile, weit öfterer aber zu unserem Nach­ theile, und diese Veränderung wird sehr bald merklich. Also können wir nicht sagen: Ich bin. Nur Gott, der nie eine Veränderung leidet noch erlitten hat, der kann sogen: Ich bin, der ich bin. Wir Menschen aber müssen glauben. Der Glaube ist nothwendig; ohne Glaube ist der Mensch nicht. Eben so wie das Athmen das Leben des Menschen erhält, eben so erhält der Glaube die Seele. Ohne zu athmen, können wir nicht leben, sind todt, eben so ohne den Glauben. Alles muß glauben, nichts kann ohne Glauben seyn, kein Mensch ist ohne Glaube. Hät­ ten die Thiere Verstand, sie müßten auch glauben. Also eben so nothwendig als das Athmen ist, eben so noth­ wendig ist der Glaube. Nicht blos dasjenige, was wir sehen, müssen wir glauben, nicht Alles müssen wir be­ tasten; darin besteht der Glaube nicht, sondern wenn wir auch nicht sehen und nicht Alles betasten können, müssen wir doch glauben. Das ist der Glaube, aber nicht der katholische Glaube, darauf werden wir erst kommen , denn wenn man gründlich seyn will, muß man langsam gehen. Der Glaube ist aber nothwendig, Golt liebt, der Mensch glaubt; Gott ist die Liebe, der Mensch der Glaube. , Durch den Glauben gelangen wir zum ewi­ gen Leben, das hat Gott gesagt, und Gott kann nicht lügen noch betrügen; er kann nicht belogen und nicht

14S betrogen werden. Wenn wir den Glauben haben, dann werden wir, was wir sollen, werden wollen, was wir sollen, und können, was wir wollen und sollen. Aber so lange der Mensch nicht glaubt, so kann er nicht, was er will, will, was er nicht soll, soll, was er nicht will, und will, was unmöglich ist; aber durch den Glauben siegt er. In der heutigen Epistel heißt es auch: „Alles, was aus Gott geboren ist, überwindet die Welt, und dieß ist der Sieg,, der die Welt überwindet, unser Glaube. Wer ist, der die Welt überwindet, als der glaubet, daß Jesus Christus der Sohn Gottes sey. " Und damit will ich nun für heute schließen. Denket heute über den Glau­ ben nach und wiederholet euch, daß der Glaube nicht nur darin bestehe, daß wir dasjenige glauben, was wir sehen oder betasten können, sondern was wir nicht sehen, und daß wir dasjenige, was uns auch unverständlich und Wahrheit ist, glauben müssen; denn der Glaube ist bei jedem Menschen nothwendig, es kann kein Mensch ohne Glauben seyn, und wenn ich oder jeder Mensch über die Ungläubigen nachdenkt, so wird er mitleidig über sie la­ chen müssen. Den Glauben werden wir jetzt recht genau betrachten, und wenn mir Gott'die Gnade gibt, und er wird sie mir, wie ich hoffe, gewiß geben, so wollen wir ganz auf den Grund dringen. Aber üben müssen wir uns auch darin, so wie in Allem, was man vollkommen ler­ nen will, und Gott, Jesum Christum, der der Anfänger und Vollender des Glaubens ist, müssen wir um Bei­ stand bitten. Und dich wollen wir niemals verlassen, mein Herr, unser Erlöser Jesus Christus, wir wollen an dich glauben, denn du bist der Weg, die Wahrheit und das Leben. Verstoße nicht diejenigen, welche zu dir ru­ fen; gewahre ihnen ihre Bitten, wenn sie zum Leben füh­ ren. Du erhörest die bittenden und schreienden Herzen, welche nach dir und dem wahren Glauben lechzen. Gebe

XL Predigten I.

10

146 du uns Men den unerschütterlichen Glauben; und den Glauben müssen wir, wenn wir ihn noch nicht vollkom­ men gewonnen haben, immer durch Gottes Gnade mehr vervollkommnen; denn der Glaube führt zur Seligkeit, und wenn wir hienieden einen guten Kampf gekämpfet und an den Glauben gehalten haben, dann reichet uns Gott einst die herrliche Krone des ewigen Lebens. Amen!

Am zweiten Sonntage nach Ostern. Text.

„Ich bin ein guter Hirt und erkenne meine Schafe, und meine Schafe erkennen mich." Johannes 10, Vers 14.

Es träumte einmal einer, oder er erdichtete in einer Neujahrsnacht, daß die ganze Natur belebet, die Wiesen mit Blumen bedecket und Alles grün war, die Sonne schien herrlich, nicht nur allein Blumen sah er, sondern die Bäume waren bedeckt mit herrlichen Früchten aller Art, die Vögel zwitscherten fröhlich unter dem herrlichen Sonnenschein, das Meer, welches er erblickte, war ru­ hig, und die Flache desselben gleich einem Spiegel. Alles erfrenete sich, Alles war belebet, die Menschen in ihren Hütten erfreueten sich und spielten. Alles war Freude, Alles Lust. Plötzlich aber erschien ein Cruzifix, welches von der Erde bis an den Himmel reichte. Die Sonne verfinsterte sich, die Vögel verstummten, Alles empörte sich, die Freude war gestöret, die Leute, wenigstens viele riefen, als sie das Cruzifix erblickten: Es gibt keinen Gott; die Besseren unter ihnen aber schrieen zu dem Bilde des Gekreuzigten: Jesus Christus, erbarme dich unser. Alle Freude war gestöret, Stürme brauseten, daß Meer schäumte, eine Welle thürmte sich nach der anderen, sie spielten mit den Schiffen wie mit Ballen;

146 du uns Men den unerschütterlichen Glauben; und den Glauben müssen wir, wenn wir ihn noch nicht vollkom­ men gewonnen haben, immer durch Gottes Gnade mehr vervollkommnen; denn der Glaube führt zur Seligkeit, und wenn wir hienieden einen guten Kampf gekämpfet und an den Glauben gehalten haben, dann reichet uns Gott einst die herrliche Krone des ewigen Lebens. Amen!

Am zweiten Sonntage nach Ostern. Text.

„Ich bin ein guter Hirt und erkenne meine Schafe, und meine Schafe erkennen mich." Johannes 10, Vers 14.

Es träumte einmal einer, oder er erdichtete in einer Neujahrsnacht, daß die ganze Natur belebet, die Wiesen mit Blumen bedecket und Alles grün war, die Sonne schien herrlich, nicht nur allein Blumen sah er, sondern die Bäume waren bedeckt mit herrlichen Früchten aller Art, die Vögel zwitscherten fröhlich unter dem herrlichen Sonnenschein, das Meer, welches er erblickte, war ru­ hig, und die Flache desselben gleich einem Spiegel. Alles erfrenete sich, Alles war belebet, die Menschen in ihren Hütten erfreueten sich und spielten. Alles war Freude, Alles Lust. Plötzlich aber erschien ein Cruzifix, welches von der Erde bis an den Himmel reichte. Die Sonne verfinsterte sich, die Vögel verstummten, Alles empörte sich, die Freude war gestöret, die Leute, wenigstens viele riefen, als sie das Cruzifix erblickten: Es gibt keinen Gott; die Besseren unter ihnen aber schrieen zu dem Bilde des Gekreuzigten: Jesus Christus, erbarme dich unser. Alle Freude war gestöret, Stürme brauseten, daß Meer schäumte, eine Welle thürmte sich nach der anderen, sie spielten mit den Schiffen wie mit Ballen;

Ul aber es tönte noch immer: Es gibt keinen Gott; die, welche noch Jesum anhingen, fielen auch nach und nach ab, und endlich wurde der fürchterliche Ruf: Es gibt keinen Gott, allgemein, und alle Menschen, wie auch der Träumende, wurden in das Nichts zerstiebet. Ich habe Euch dieses fürchterliche Bild an einem so herrlichen und erfreuenden Tage vorgestellet; wir haben aber dagegen Trost. Vielleicht werden Viele am Ende rufen: Es gibt keinen Gott, aber nicht Alle; dieß ward schon lange vor­ hergesagt, und das heutige Evangelium gibt uns Trost. Gott verhüte, daß die fürchterlichen Worte: Es gibt kei­ nen Gott, nicht auch bei uns allgemein werden. Der Herr sagte selbst: Waren nicht die Lage abgekürzrt wor­ den, so würde kein Mensch selig. Aber der Herr ist ein guter Hirt, wie er. selbst sagt, und gibt das Leben für feine Schafe. Vom guten Hirten will ich auch heute han­ deln, und zwar im ersten Theile: Was sagt der gute Hirt von sich selbst? und im zweiten Theile: Was sagen wir Alle, was sagt ein jedes Menschenherz vom guten Hirten. Guter Hirt, Jesus Christus, der du gekommen bist auf Erden wegen deinen Schafen, der du deine neunund­ neunzig Schafe im Himmel stehen laßt und einem verlo­ renen nachjagest, ach gebe, daß wir Alle deine Stimme hören und zu dir gelangen. Steh uns bei, heilige Maria, Mutter Gottes, bitte du für uns, Mutter des guten Hir­ ten, du gute Hirtin, die du uns zu der Thüre des Schaf­ stalles durch deine Fürbitte hilfst, bitte für uns, heilige Mutter Gottes. Heilige Apostelfürsten Petrus und Pau­ lus, und besonders du, Lieblingsjünger des guten Hirten, heiliger Johannes, Evangelist und Apostel, der du an der Brust des guten Hirten lagst, und nur die reine Milch der Wahrheit und Liebe s^gst, bitte für uns. Heilige Ursula, heilige Angela, Schutzheilige dieses Ternpelöbittet für uns. Alle Heiligen Gottes, bitter für uns. 10 *

148 Der Herr sprach: Ich bin ein guter Hirt, ein guter Hirt gibt sein Leben für seine Schafe. Ein jeder gute Hirt sorgt für seine Schafe und gibt ihnen Nahrung. Das thust du auch, du guter, du bester Hirt; du bewah­ ret uns vor allem Unglück und gibst uns die beste Nah­ rung, du gibst dich selbst uns dar am heiligsten Altars­ sakrament. Er selbst, der gute Hirt, gibt uns sich zur Nahrung, seinen Leib gibt er uns zum Essen und sein Glut zum Trinken. Er, der gute Hirt, lernte uns beten: Gib uns heute unser tägliches Brod. Er meinte darunter etwas anderes als das Brod, welches wir zu unserer Er­ haltung brauchen; er verstand wohl dieses auch darunter, aber wir sollen bitten um das Brod des Lebens, um die Speise der Kraft und Starke, um ihn selbst. Sich selbst gibt er uns zur Speise, zur Seelenspeise, zum Seelen­ trank; der gute -Hirt gibt sein Leben für uns. Das brauche ich Euch nicht erst zu sagen, das wißt Ihr ohne­ hin,' daß er für uns litt und am Kreuze für uns gestorben ist; das konnte kein Mensch, nur du Gottmensch, du guter Hirt gabst dein Leben für deine Schafe. Du hast dein Leben hingegeben und es wieder genommen, das konntest nur du allein. Nur er ist der gute Hirt. Ehe der Herr dieses Evangelium lehrte, sagte er: Wer nicht zur Thür in den Schafstall hineingeht, sondern anderswo hineinsteigt, der ist ein Dieb und ein Mörder; der aber zur Thür hineingeht, der ist ein Hirt der Schafe, dem­ selben thut der Thürsteher auf und die Schafe hören seine Stimme, und er rufet seine Schafe mit Namen. Durch Jesum Christum allein müssen wir eingehen, er ist die Thüre zum Himmel. Wenn wir ihn geliebet und ihm gehorsam gewesen sind, dann wird uns die Thürhüterin, die Mutter des guten Hirten, die übergebenedeiete Jung­ frau Maria, die Thür öffnen, und da ist jeder vor den Dieben und Mördern sicher. -Aber zu ihr, zu der Mutter

149 Lottes müssen wir flehen. Der große Kirchenlehrer, der heilige Augustinus sagt: Wer die Stimme der Mutter nicht höret, der gelangt nicht zum Vater. Der Herr sagt ferner: Ein Miethling aber, und der kein Hirt ist, dem die Schafe nicht zugehören, verlaßt, sobald er den Wolf sieht, die Schafe und flieht davon, und der Wolf ergreift und zerstreut die Schafe. Jetzt müssen wir erst untersu­ chen, wer der Miethling sey, wer der Wolf, wer der Dieb, von dein der Herr früher spricht. Der gute Hirt, daß wissen wir, ist Jesus Christus, der Herr des Lebens. Der Wolf ist der Leusel, 'der hienieden noch Macht hat, aber Jesus Christus hat den Drachen angekettet und ge­ fesselt, auf daß er uns nicht schaden kann, wenn wir auf ihn vertrauen; wo aver nicht, so kömmt er gleich einest grimmigen Wolfe und zerstreut und ergreift die Schafe. Der Miethling ist die Welt, diejenige, welche, so lange wir mit ihr taumeln, so lange wir alle ihre Lüste befrie­ digen, so lange wir ihr schmeicheln, uns hold ist, unser Freund ist und uns liebt, wie sie sagt; aber dann, wenn wir sehen, wie unrecht wir handeln, wenn wir uns zu Jesum Christum wenden, oder wenn wir in Noth, Angst,

Kummer, Verfolgungen, Trübsalen, Unglück sind, dann verläßt sie uns; wenn uns Gefahr droht, dann flieht sie, denn sie ist nicht der Hirt; sie verläßt uns gleich, deßhalb müssen wir uns nicht fest an sie klammern, denn sie ver­ laßt einen Jeden, sie betrügt tm6 Alle, die schnöbe, grau­ same, kalte. Sie ist nur ein Miethling, der sogleich die Schafe flieht, sobald er den Wolf erblickt, denn die Schafe gehören ihm nicht. Wir gehören nicht dieser elen­ den Welt zu, sondern dem guten Hirten Jesum Christum. Der Herr sagte selbst zu seinen Jüngern: Ich bin nicht von dieser Welt, auch ihr seyd nicht von dieser Welt, ihr werdet viel ertragen müssen, aber den Frieden will ich euch geben, und den Frieden kann euch die Welt nicht

150 rauben. Diesen Frieden gibt uns auch der Herr, den unS die Welt, die uns alles Gute raubt und zu rauben sucht, nicht rauben kann Alleluja! Alsb nicht an die Welt geklammert, denn sie verlaßt jeden, der sich an sie klam­ mert. Ein Freund in der Noth, das ist das Herrlichste, was es hienieden geben kann, und das ist die Welt nicht; sie ist da ein Feind, da laßt sie uns allein stehen, und wenn ein solcher Verlassener allein in seiner Kammer fitzet und weinet, und über seinen Jammer nachdenkt, dann wird er fühlen, daß er sich an etwas über diese schnöde Welt Erhabenes, daß er sich an ein höheres Wesen, was ihn nicht verlaßt, klammern muß; und was ist das für ein Wesen? Wer ist es, zu dem man fliehen muß? Zu dem guten Hirten, zu Jesum Christum, der für uns litt, starb und dann wieder auferstanden ist. Dem gehören wir, deßhalb sagt auch der Herr im heuti­ gen Evangelium: Der Miethling aber flieht davon, weil er ein Miethling ist und ihm die Schafe nicht zugehören. Deßhalb flieht auch die Welt, wie ich/chon sagte. Wer ist denn aber der Dieb? Unser Herz, welches immer nur den Lüsten anhangt, welches das Gute nicht will, unser Herz ist der Dieb, und der heilige Gregorius, der Pabst sagt: Es ist leichter, die Sünde, den Satan, die Welt zn überwinden, als uns selbst, als unser Herz; denn die­ ses flieht fich selbst, die ewige Seligkeit, die uns Gott geben will, es flieht selbst vom guten Hirten, es will sich nicht zahmen lassen. Daß Herz ist der Dieb. Wir müs­ sen uns selbst überwinden, nur dann können wir zum ewigen Leben gelangen. Ich bin ein guter Hirt und er­ kenne meine Schafe, und meine Schafe erkennen mich. Nun das habe ich schon gesagt, denn diejenigen, welche dem Herrn anhangen, die erkennen ihn und hören seine Stimme, und daß er enr'guter Hirt ist, hörten wir auch schon. Nun wollen wir aber daß Gespräch deß Herrn

151 ein wenig unterbrechen. Warum spricht denn der Herr immer von Schafen? Warum gebraucht er denn gerade

das Schaf zum Gleichniß? Ihr wißt, daß daß Schaf das nützlichste Thier ist, denn man kann Alles davon brauchen. Ferner ist das Schaf das geduldigste, daß sanftmüthigste, das zornloseste Thier. Auch werdet Ihr wissen, daß, wenn die Schafe geschoren werden, sie viel gesünder wer­ den. Also der Herr will auch, daß wir, so wie die Schafe, fanftmüthig, rachelos, geduldig seyn sollen. Alle diese Lugenden gibt uns Gott allein, Alles, die Sünde ausgenommen, kommt von Gott, die Reue gibt er uns wieder. Diese Lugenden sollen wir Alle besitzen. Alle Rachgier sey fern, nur Sanftmuth und Geduld wellen wir lernen, vor Allem die herrliche Lugend, die uns nur zur Krone des ewigen Lebens helfen kann, Ge­ duld, nur nicht Ungeduld. Wenn Ihr die Geschichte der Heiligen durchleset, so werdet Ihr Heilige finden, die als Märtyrer gestorben sind, und Heilige, die in ihren schönen weichen Betten starben. Ihr findet Heilige, die in Einöden und Wüsten geflohen sind, und Heilige, die in der Welt lebten. Es gibt Heilige, welche sich kastei­ ten und bei Wasser und Brod lebten, nnd Heilige, welche alle Speisen, aber mit Maaß nnd Dank genossen hatten, und die Bnßwerke nicht strenge übten, aber alle hatten die Tugend der Geduld. Ihr werdet keinen Heiligen fin­ den, der nicht geduldig war, denn sonst könnte er auch kein Heiliger seyn. Also vor Allem Geduld, so schwer sie auch ist. Es sagte einmal ein frommer Priester: Alles ist eher zu erlernen und leichter als die Geduld. Aber wir müssen sie doch lernen, denn dadurch erhalten wir das ewige Leben; denn wenn wir die Geduld erlernet haben, so werden wir alle -Verfolgungen, alles Unglück, alle Angst, alle Noth, Alles gerne mit Vertrauen nnd aus Liebe zu Gott ertragen; denn es dauert nur diese

152 kurze Zeit hkenieden. In der Ewigkeit dann ist keine Angst, kein Unglück/ keine Rache, keine Verfolgung, nur ewige Freude. Nur Geduld, dann wird uns AlleS erträglich werden. Eß ist allerdings schwer, wenn der Gattin der Gatte, dem Sohne der Vater, der Tochter die Mutter, den treuen Eltern ein geliebtes Kind durch den Tod entrissen wird, aber Gott thut Alles zu unserem Besten, und wenn wir Geduld und Liebe .zu Gott haben, so wird es uns nicht so schwer werden. Es ist allerdings sehr schwer, -aber Gott ist ein guter, weiser, gütiger und liebender Vater, der uns gut erziehet, manchmal wohl so ein Bischen strenge, aber immerzu unserem Besten. Hatte er uns vielleicht unsere Theuern, die er uns durch den Tod entrissen hat, langer gelassen, so hätten wir uns vielleicht blos an sie geklammert und deßhalb Gott ver­ gessen, und uns und sie ins Verderben gestürzt. Gott wußte schon, warum er den Bräutigam der Braut, den Sohn, die Tochter dem Vater oder der Mutter, dem Gatten die Gattin entriß. Sind wir denn von ihnen ge­ trennt ? Nein! sie leben ja und beten immerwährend bei Gott für uns, und dann, wenn wir ein paar Jährchen gelebt haben, so werden wir nach unserem Tode mit ihnen vereiniget, und können sie da in dem ewig blühenden Je­ rusalem ewig umarmen, ewig bei ihnen seyn. Wie herr­ lich wird dann das Wiedersehen seyn! Aber hienieden. müssen wir Geduld, die schönste Tugend, lernen. Es sagte einmal einer, der das Ehristenthum erniedrigen oder gar unterdrücken wollte, er sagte: Fluch sey dem Glau­ ben, Fluch der Hoffnung und Fluch der Geduld! Er wußte wohl, wie nothwendig diese sind. Wenn wir aber von diesen drei Tugenden abfallen, so sind wir schon dort, wo wir nicht seyn wollen noch sollen. Gott bewahre unS dafür! Also nur Geduld, nur nicht Ungeduld. Wir kön­ nen durch die Geduld Heilige werden, wir brauchen nicht

153 in Wüsten, Einsiedeleien zu fliehen, wir dürfen uns nicht

Alle in Klöster sperren, obwohl sehr glücklich diejenigen sind, welche abgesondert von allen Lüsten der Welt, ger hüllt in den Manern ihrer Klöster leben. Aber wir Alle können nicht xin6 Kloster gehen. Wer kann, darf und

will, das heißt, wer den Beruf dazu hat, der thut sehr wohl, wenn er in ein ordentliches Klöster gehet. Aber nicht alle Menschen können tit das Kloster gehen; wir können uns freuen und in der Welt leben, aber Geduld und Demuth müssen wir haben, und uns nicht an die Lüste der Welt klammern. Wie mich der Vater erkennet, so erkenne ich auch den Vater, und ich gebe mein Leben für meine Schafe. Es ist nicht genug, daß Jesus Chri­ stus von seinem himmlischen Vater, und der Vater von dem Sohne erkannt wird, wir sollen ihn aber auch er­ kennen. Ihr habet sehr,recht und thut wohl, daß Ihr in die Lehren redlicher Prediger gehet, um da das Wort Gottes, welches sie verkündigen, zu hören; denn der Herr sprach zu seinen Aposteln: Wer euch höret, der höret mich; wer aber euch nicht höret, der höret auch mich nicht. Dadurch lernet Ihr auch den Vater und den guten Hirten erkennen. Ferner müsset Ihr niemals, we­ nigstens an Sonn - und Feiertagen, die heilige Messe versäumen, auch das heiligste Altarssakrament besuchen und dem Segen beiwohnen. Ehe Ihr dem heiligsten Meßopfer beiwohnet, müsset Ihr Euch von allen lärinenden und rauschenden Freuden absondern und die Sün­ den meiden. Dann werdet Ihr auch den Vater und Je­ sum Christum erkennen. Wir müssen trachten so weit zu kommen, daß, wenn der Herr mit uns spricht, wir sagen können, wie einer unserer Altvater sagte: Herr, sprich, dein Knecht ist bereit, dich zu hören. Ich habe noch andere Schafe, welche nicht aus diesem Schafstalle sind; dieselben muß ich auch herzuführen, sie werden

154 meine Stimme hörSn, und es wird eine Heerde und em Hirt seyn. Dieses prophetische Wort des Herrn gehet nun schon in Erfüllung. Dor zwanzig und dreißig Jah­ ren blieben Alle im Irrthume; diejenigen, welche sich bekehrten, wurden Dummköpfe genannt. Nun aber keh­ ren, ja drangen sich viele weise Männer und Frauen zum Lichte, von dem sie abgewichen, und beschämen uns Chri­ sten sehr, sie kehren zurück, von dem sie abgewichen sind, sie glauben an Jesus, an den guten Hirten, der sie be­ rufen hat, an den sie nicht glaubten, und lieben diejeni­ gen katholischen Christen, welche sie verfolgten. Auch unsere unglücklichen, lieben Brüder, die Juden, welche schon bei zweitausend Jahre zerstreuet herumirren, wer­ den auch die Stimme des guten Hirten hören und Alles wird Jesum erkennen, und eß wird ein Hirt und ein Schafstall seyn. Dann können wir wohl Acht haben, daß wir nicht einst zur linken Seite des Herrn, und die Zurückgekehrten znr rechten Seite zu stehen kommen. Aber wir wollen uns üben in der Geduld, in der Demuth und Liebe, dann werden wir auch ewig glücklich. Was sagen wir aber von dem guten Hirten? Davon kurz im zweiten Theile. Ich habe erst ganz schnell die schönen Worte gelesen, indem einer sagt: Ich habe ihn gesucht, nämlich meinen Herrn, Schild und Hort, ich habe ihn gesucht und fand ihn in meinem Herzen. Dieser kurze Satz ist gewiß recht schön und trostreich. Ich habe vergangenen Sonntag den Glauben zu untersuchen angefangen, und wir betrachteten die zwei Worte: Ich glaube. Ein jeder Mensch an und für sich, weil er ein Mensch ist, muß glauben, er kann nichts anders als glauben, sonst wäre er kein Mensch; es kann ganz unmöglich einen Menschen geben, der nicht glaubet, und es hat noch gar keinen gegeben. Verzeihet mir, wenn ich etwas tiefer hineindringe, aber ich hoffe,

155 daß ich Euch daß Tiefste und Schwerste leicht und verstündlich machen werde, so daß eß auch meine nicht unter­ richteten Brüder und Schwestern verstehen werden. Also alle Menschen müssen glauben; aber an mich kann ich nicht glauben, ich kann gar nicht sagen Ich, denn ich ver­ ändere mich ja täglich. Dor zwanzig Jahren war ich ein rüstiger Mann, jetzt stellen sich verschiedene Schwachhei­ ten ein, täglich mehr und mehr. Dor einer Stunde habe ich vielleicht einen guten Entschluß gefaßt, nun bin ich »wieder abgewichen und elend und jämmerlich, an mich kann ich nicht glauben. Wenn -ich mich in dem Spiegel sehe, so sehe ich ein Bischen besser gestaltetes Thier. Also wer sagt mir, daß ich ein Mensch bin ? Andere Leute sagen es mir und ich glaube, daß ich ein Mensch bin, und daß muß ein jeder Mensch. An sich kann er also nicht glauben. Wenn wir nicht an uns glauben können, kön­ nen wir an Andere glauben? Nein! Einer ist vielleicht ein Bischen besser als der andere, aber nicht sehr viel; also an Andere können wir auch nicht glauben; also an was denn? Wenn einer unter freiem, gestirntem Himmel steht, können ihn die Sterne trösten? Soll er an die Sterne glauben? Diese gehen unter, die Sonne gehet auf, des Abends gehet sie wieder unter und die Sterne gehen auf; also an diese kann er auch nicht glauben. Er wird denken: Eß muß über diesen Staub, über die unzähligen Sterne ein Wesen, ein überirdisches, ein erhabenes seyn; es muß ein solches hohes Mesen geben, an das ich glauben kann, und dieses Wesen muß Gott seyn; und da wird er 'sprechen: Ich glaube an Gott. Also das müssen auch wir sprechen, wir wissen, daß es ein über den Sternen erhabenes Wesen gibt, deßhalb müssen wir sagen: Ich glaube an Gott. Nicht an uns, nicht an andere Men­ schen, sondern an Gott müssen wir glauben; denn er sprach zum Hirten: Kannst du das Siebengestirn zusam-

156 menbinden? Kannst du dem Meere gebieten und ihm Schranken setzen und sagen: Bis hierher sollst du kom­ men und nicht weiter; hier sollst du deine stolzen Wellen Zerstoßen? Das kann nur Gott sagen, der Allmächtige; deßhalb können wir allein §n ihn glauben, auf ihn muß unser Glaube beruhen. Glauben müssen mir an ihn, das wollte ich Euch immer einscharfen, und habe mir vorgenommen, wenn mir Gott die Gnade gibt, wie ich hoffe, es noch mehr zu thun. Und das that auch der hei­ lige Evangelist Johannes, der Lieblingsjünger des Herrn; der lehrte auch nur Liebe und glaubte fest an Jesum Chri­ stum. Er wurde von der römischen Pforte in ein siedendesOelfaß geworfen, und nachdem er einige Zeit darin war, ging er neu verjüngt und gestärkt heraus, durch ein be­ sonderes Wunder, und an derselben Stelle ist eine Kirche in Rom erbauet, welche ich selbst gesehen habe. Dann schrieb er die Offenbarung, ward Evangelist, Apostel und Prophet. Als er dann nicht mehr predigen konnte, sprach, er immer zu seinen Jüngern: „Kinderchen, liebt euch untereinander, liebt euch, Kinderchen", und als sie ihn fragten: Lieber Vater, weißt du denn nichts anderes? so antwortete er: „Nein! Liebt euch nur, denn darin ist die Schrift und die Propheten enthalten." Und so er­ reichte er ein Alter von hundert Jahren. So spreche auch ich heute zum Ende: Liebt Euch untereinander, liebt Gott, liebt Eueren Nächsten, liebt Euere Feinde; denn wenn Rachsucht, Habsucht, Bosheit in unserem Herzen ist, so sind wir wie das Thier. Aber Liebe zu dem Näch­ sten, und wie der Apostelfürst Paulus sagt: „ Besitzet mit den Besitzenden, freuet euch mit den Freuenden, trauert mit den Trauernden, weinet mit den Weinenden", darin bestehet die Liebe des Nächsten.- Der Apostel Pau­ lus sagt in der köstlichen Epistel von der Liebe an die Co. rinther: „Wenn ich die Liebe nicht hätte, so bin ich ein

157 tönendes Erz und eine klingende Schelle", und etwas spater sagt er: „Die Liebe erträgt Alles, sie glaubet Alles, sie hoffet Alles, sie duldet Alles." Wir müssen Gott über Alles lieben, und uns nicht an einen Menschen allein festhalten, denn wer'sich an einen Menschen blos klammert, der liebt Gott nicht. Also Liebe und Geduld, dann können wir einst Gott ewig genießen, und hienieden preisen und loben. Amen!

Am dritten Sonntage nach Ostern. Text. •„Ueber eine kleine Zeit werdet ibr mich nicht sehen, und abermsil über eine kleine Zeit werdet il)t mich sehen; denn ich gehe zum Vater." Johannes 16, Vers 16.

Ueber diese Worte unsers heutigen heiligen Evange­ liums will ich jetzt unter Gottes Beistand in meiner gro­ ßen Schwachheit zu Euch predigen; erst wollen wir aber Gottes Geist um Beistand bitten. Salomo sagt: „Alles hat seine Zeit, und Alles, was unter dem Himmel ist, vergeht mit der Zxit. Lachen hat seine Zeit, weinen hat seine Zeit; sich erfreuen hat seine Zeit, trauern hat seine Zeit; wachen hat seine Zeit, schlafen hat seine Zeit; arbeiten hat seine Zeit, außruhen hat seine Zeit; klagen hat-seine Zeit, tanzen hat seine Zeit." Alles hat seine Zeit, das ist wahr, aber bei Al­ lem kann man doch nicht sagen: es hat seine Zeit. Man soll nicht sagen: lieben hat seine 3rit, hassen hat seine Zeit, denn der Haß soll gar keine Zeit haben, niemals sollen wir hassen, kein Mensch soll hassen, und lieben soll auch keine Zeit haben, denn die Liebe soll immerwährend, soll unaufhörlich, soll ohne Ende seyn. Aber daß die Zeit vergehet, das ist auch unstreitig; die Zeit vergehet

157 tönendes Erz und eine klingende Schelle", und etwas spater sagt er: „Die Liebe erträgt Alles, sie glaubet Alles, sie hoffet Alles, sie duldet Alles." Wir müssen Gott über Alles lieben, und uns nicht an einen Menschen allein festhalten, denn wer'sich an einen Menschen blos klammert, der liebt Gott nicht. Also Liebe und Geduld, dann können wir einst Gott ewig genießen, und hienieden preisen und loben. Amen!

Am dritten Sonntage nach Ostern. Text. •„Ueber eine kleine Zeit werdet ibr mich nicht sehen, und abermsil über eine kleine Zeit werdet il)t mich sehen; denn ich gehe zum Vater." Johannes 16, Vers 16.

Ueber diese Worte unsers heutigen heiligen Evange­ liums will ich jetzt unter Gottes Beistand in meiner gro­ ßen Schwachheit zu Euch predigen; erst wollen wir aber Gottes Geist um Beistand bitten. Salomo sagt: „Alles hat seine Zeit, und Alles, was unter dem Himmel ist, vergeht mit der Zxit. Lachen hat seine Zeit, weinen hat seine Zeit; sich erfreuen hat seine Zeit, trauern hat seine Zeit; wachen hat seine Zeit, schlafen hat seine Zeit; arbeiten hat seine Zeit, außruhen hat seine Zeit; klagen hat-seine Zeit, tanzen hat seine Zeit." Alles hat seine Zeit, das ist wahr, aber bei Al­ lem kann man doch nicht sagen: es hat seine Zeit. Man soll nicht sagen: lieben hat seine 3rit, hassen hat seine Zeit, denn der Haß soll gar keine Zeit haben, niemals sollen wir hassen, kein Mensch soll hassen, und lieben soll auch keine Zeit haben, denn die Liebe soll immerwährend, soll unaufhörlich, soll ohne Ende seyn. Aber daß die Zeit vergehet, das ist auch unstreitig; die Zeit vergehet

158 und wir vergehen mit ter Zeit. Dieses habe ich Euch nur vorläufig gesagt, in Bezug auf unser heutiges Evange­ lium. Der Mensch soll in dieser Zeit zur Erkenntniß Gottes gelangen, das soll mein heutiger Gegenstand seyn, denn die Erkenntniß Gottes ist das Erste, das Nöthigste. Mein erster.Theil soll seyn nach dem Evangelium: Wie gelangten die Apostel zur Erkenntniß Gottes? und mein zweiter Theil: Wie sollen wir zur Erkenntniß Gottes gelangen? Unser Erkennen ist aber todt, kalt und leer, wer soll es uns also lehren? Der große Kirchenlehrer, der heilige Augustinus wurde einmal gefragt: Was ist die Erkennt­ niß, und wie gelanget man dazu? Da antwortete der Heilige: Ich weiß eß nicht, ich kann es euch nicht lehren; aber zu Jesum Christum, der die Erkenntniß ist, wen­ det euch. Also zu dir, mein Herr Jesu, zu dir wollen wir ^gehen, zu dir wollen wir flehen um die Erkenntniß, denn du bist die Erkenntniß. So gebe sie uns denn also, da­ mit wir Gott erkennen und dich, seinen eingebornen Sohn, der da genannt wird Christus. Stehe uns bei, gebe uns Gnade, daß wir auch zur Erkenntniß gelangen. Gebe mir Kraft. Heilige Maria, Mutter Gottes, bitte du für uns, daß wir deinen Sohn recht erkennen, und einst einen seligen Lod erlangen. Und zu dir flehen wir heute' auch, zn dir, o heiliger Joseph, dich bitten wir um deine Fürbitte und einst nm ein seliges Ende, bitte für uns. Heilige Ursula, Angela, Schutzheilige dieses Tempels, alle Heiligen Gottes, bittet für uns. Nachdem Jesus das heiligste Abendmahl eingesetzt hatte, wollte er seine Jünger auf seinen herannahenden Tod starken und sprach: Ueber eine kleine Zeit werdet ihr mich nicht sehen, und abermal über eine kleine Zeit wer­

det ihr mich wieder sehen; denn ich gehe zum Vater.

Er

159 sagte ihnen dieses, nm sie auf seinen nahen Lod vorzuberev teil. Er sagte: Ueber eine kleine Zeit werdet ihr mich nicht sehen, denn er starb und blieb drei Lage im Grabe; dann werdet ihr mich wieder über eine kleine Zeit sehen, dadurch zeigte er ihnen seine baldige Auferstehung an. Er setzte aber hinzu: denn ich gehe zum Later. Er ging zu seinem Later, um uns dort eine Wohnung der ewigen Freude zu bereiten. Da sprachen etliche von seinen Jüngern unter­ einander: Was ist das, so er zu uns sagte: Ueber eine kleine Zeit werdet ihr mich nicht sehen, und abermal über eine kleine Zeit werdet ihr mich wieder sehen; denn ich gehe zum Vater? Die Jünger verstanden diese Worte deS Herrn nicht, denn sie waren auch schwer zu verstehen, denn der heilige Geist war noch nicht über sie ausgegossen; dieß geschah erst auf Pfingsten. Auf den heiligen Geist bereitet man sich auch jetzt seit Ostern schon vor, und da müssen wir ihn Litten, er möge unL mit dem Geiste seiner Gnade und mit seinen sieben Gnadengaben über­ schütten. Also der Verstand der Jünger war auch noch dunkel, denn sie harten den heiligen Geist noch nicht em­ pfangen, und vor Empfang des heiligen Geistes spricht man ganz anders als nach Empfang desselben. Sie befrugen sich ganz still untereinander, was das heißen sollte: über eine kleine Zeit. Sie wußten nicht, was daß heißen sollte, deßhalb befragen sie sich untereinander und spra­ chen: Was ist das, so er sagte: Ueber eine kleine Zeit? Wir wissen nicht, was er redet. Allerdings wußten sie eS damals nicht, aber dann, spater, da wußten sie es wohl. Jesus aber erkannte, daß sie ihn fragen wollten; er wußte eß schon, ehe sie ihn noch fragten. Er sprach aber einmal früher: Ich gehe nun hin zu dem, der mich gesandt hat, und niemand unter euch fraget mich: Wo gehest du hin? Jesus, die höchste Liebe, wollte immer gesraget werden, will auch jetzt noch gefraget werden und

160 antwortet unS, sobald wir fragend Also Jesus sagte zn den Jüngern: Ihr fraget euch untereinander über dieß, daß ich gesaget habe: Ueber eine kleine Zeit werdet ihr mich nicht sehen, und abermal über eine kleine Zeit werdet ihr mich wieder sehen. Hätten die Jünger gleich Jesum gefraget, eß wäre besser gewesen, aber sie frugen sich untereinander. Ach es war gut, daß Jesus zu seinem himmlischen Vater, der in Ewigkeit ist, der da war, ist und seyn wird, ging. Ware er nicht zum Vater gegan­ gen, so waren die Jünger nie zur Erkenntniß gelanget, und auch wir nicht. Jesus sagt selbst: Es ist euch vortheilhaft, daß ich hingehe; denn so ich nicht hingehe, so kömmt der Tröster nicht zu euch; so ich aber hingehe, will ich ihn zu euch senden. Jesus sagte aber zu den Jün­ gern ferner: Wahrlich, ich sage euch, ihr werdet weinen und seufzen, die Welt aber wird sich erfreuen; ihr werdet traurig, seyn, aber euere Traurigkeit wird in Freude ver­ wandelt werden. Ja wohl, wenn wir weinen und trost­ los sind, da erfreuet sich die Welt, da frohlocket sie über unser Unglück; aber sie wird dafür bestrafet werden, denn sie wird auch Unglück empfinden. Aber wenn wir auf Gott vertrauen und trauern, so wird unsere Traurigkeit in Freude verwandelt werden. Wenn auch erst spat, es wird ein Augenblick kommen, an dem alle Trauer von uns genommen wird, wo Freude blühet, welche uns nie­ mand rauben kann, und diese Freude wird ewig seyn, und das ist der selige Tod, um den wir Alle Gott bitten müs­ sen. Jesus sprach noch weiter, nämlich: Ein Weib, wel­ ches gebiert, ist traurig, weil ihre Stunde gekommen ist; wenn es aber ein Kind geboren hat, gedenket es nicht mehr an die Angst, wegen der Freude, daß ein Mensch zur Welt geboren wurde. Das bezieht sich sehr gut auf die Apostel. Lauge Zeit trugen sie immer die Frucht des Schmerzes in sich, bis sie endlich davon befreiet wurden.

161 Als der Herr auserstanden war, und dann gen Himmel

fuhr in Gegenwart aller seiner Jünger, da wurde der Schmerz von ihnen genommen, aber Freude, Muth und vollkommenen Trost hatten sie doch noch nicht; sie hatten wohl keinen Schmerz, aber auch keine Freude. Nach der Auferstehung dek Herrn waren sie erfreuet; Thomas liebte, als er rief: Mein Herr und Gott! aber noch nicht so innig als nach Empfang des heiligen Geistes. Als aber der heilige Geist, der Tröster, in Gestalt feuriger jungen über sie ausgegossen wurde, dann wurde aller Schmerz, ,alle Angst, alle Furcht von ihnen genommen; dann hat­ ten sie einen Menschen, nicht nur einen, sondern wenig­ stens tausende geboren, für den Himmel, durch ihre Leh­ ren; dann hatten sie allen Schmerz vergessen und waren ganz erfüllt von Liebe und Freude, so daß der gemeine so wie der vornehme elende Pöbel sagte: Sie sind trun­ ken vom Most- Dann aber trat der Felsen der Kirche, Petrus, der erste Pabst und Apostelfürst, in die Tempel 4tnb Synagogen und sprach: Ihr Manner, lieben Brüder, so wisset denn, daß Jesus Christus, den ihr gekreuziget habet, auferstanden ist, und Gott hat ihn zu einem Herrn gemacht Als die Juden dieses höreten, so sprachen sir zu den Aposteln: Ihr Männer und Brüder, was sollen wir thun? und Petrus sprach: Thut Buße und ein Jeder lasse sich taufen in dem Namen Jesu Christi zur Verge­ bung euerer Sünden, so werdet ihr empfangen die Gabe des heiligen Geistes. Die Apostel bekannten dann frei überall Jesum Christum, und Alles, was sie mit Augen gesehen, mit Ohren gehöret hatten, und was ihnen geof-

fenbaret wurde. Petrus wirkte dann bald darauf ein Wunder. Es saß vor der Thüre des Tempels ein Mann, der lahm war. Als Petrus in den Tempel gehen wollte, bettelte ihn dieser Mann um ein Almosen an. Da sprach Petrus: Silber und Gold habe ich nicht, was ich aber

XI.

Prcdigttn I.

Ü

162 habe, daß gebe ich dir; in dem Namen Jesu Christi stehe auf und wandle. Solche Wunder wirkten die Apostel mehrere, aber alle im Namen Jesu, denn durch ihn hat­ ten sie Kraft. Dann starben sie Alle den Märtyrertod für ihn, Alle starben den Martyrertod, Keiner ausge­ nommen als der Lieblingsjünger deß Herrn, der an seiner Brust lag; er erlitt zwqr die Marter, starb aber nicht daran; die Uebrigen alle starben den fürchterlichsten, qual­ vollsten Lod, und Paulus sprach: Ich achte1 alle Leiden für Koth, auf daß ich Jesum Christum gewinne, und alle Apostel bekannten bis zu ihrem letzten Augenblicke Jesum Christum, der daß Licht ist. und in dem keine Finsterniß ist, wie Johannes sagt. An den Aposteln wurde erfüllt, was Jesus im heutigen Evangelium zu ihnen sagte: Und ihr seyd jetzt auch traurig, ich aber werde euch wieder sehen, euer Herz wird sich erfreuen , und euere Freude wird euch von niemand entzogen werden. Sie wurde auch den Aposteln von niemanden entzogen, nicht einmal durch den fürchterlichsten Martyrertod. Aber heute sehen wir noch einen größeren, noch einen höheren als die Apostel, denn die Kirchenlehrer stellen ihn höher, nämlich den hei­ ligen Joseph. Er hatte das hohe Glück, Nährvater deß Herrn zu seyn. Es ist auch eine herrliche lateinische Li­ tanei von dem heiligen Joseph, welche ich Euch gerne mittheilen wollte, weil sie gar so schön ist. Der heilige Joseph war aus der königlichen Familie Davids, und war Bräutigam der königlichen Prinzessin Maria. Alß er erfuhr, daß Maria schwanger sey, erschien ihm im Lraume ein Engel und sagte: Das Heilige, was aus ihr geboren werden wird, ist Gottes Sohn. Dann ging Jo­ seph zu Marien und war Nährvater deß Kindeleins Jesu. Joseph nannte Jesum das schweigende Wort, denn er war das Wort, das ewige, eß lag schweigend in der Krippe. Joseph war ein armer Zimmermann, und in

163 der Litanei heißt eö: Zimmermann, höher als alle Kaiser und Könige. Dann nahm Joseph auf Eingebung GotteS seinen Stock und ging mit der Mutter und dem Kindelein nach Egypten, blieb dort zwölf lange Jahre, und als er erfuhr, daß alle diese, welche dem Kinde nach dem Leben stellten, gestorben sind, welche jetzt noch häufiger sterben, so kehrte er wieder mit Jesum und der Mutter GotteS nach Nazareth zurück. Dann verlor er Jesum in dem Tempel, suchte ihn drei qualvolle Tage und fand ihn un­ ter den' Lehrern. Wo wäre die höchste Weisheit anders zu finden als in dem Tempel bei Lehrern? Und dann ging der Zimmermann mit dem Aimmergesellen wieder nach Nazareth und blieben dort. Joseph war aber gewiß der größte, der frömmste, der heiligste Mensch nach der Mut­ ter Gottes und nach Jesum, der je geboren wurde. Jo­ seph aber erlebte nicht die Freude, Jesum als Lehrer auf­ treten zu sehen. Er war der frömmste, aber auch gewiß der glücklichste Mensch, der je lebte; denn Joseph starb, wie die Kirchenlehrer sagen, in Jesu und Mariens Han­ den. Ist das nicht das größte Gluck, kann es ein glück­ seligeres Ende geben, als in den Händen Jesu und Ma­ riens zu sterben? Wir müssen aber Alle zu dem heiligen Joseph flehen nm seine Fürbitte, um einen seligen Tod, und gute Christen thun sehr wohl, wenn sie zu dem hei­ ligen Joseph und zu der Mutter Gottes um ein seliges Ende flehen; denn die groste heilige Theresia sagte: Es ist kein Gebet, welches ich durch die Fürbitte des heiligen Joseph zu Gott schickte, unerhört geblieben. Also meine lieben Freunde, betet für Euch und auch für mich zu dem heiligen Joseph. Hienieden erscheinet uns auch nur der Herr von Zeit zu Zeit, so wie den Aposteln. Heute er­ schien er ihnen, dann wieder morgen, daun in achr La­ gen , und immer nur auf eine kurze Zeit, da erfüllte er sie aber immer mit Trost. Der heilige Joseph war auch 11 *

164 hr'emeden noch nicht ganz ruhig;

bald bereitete ihm Vee

Herr Sonnenschein, dann wieder Regen, wieder Sonnen­ schein, wieder Regen, und vielleicht auch manchmal ein Gewitter; aber in der Ewigkeit ist Ruhe, Friede, Freude. Dieses irdische Leben ist nichts, die Ewigkeit ist Meß. Die Zeit, die wir leben, und wenn einer dreihundert Jahr alt würde, erscheint am Ende wie ein Sandkörnlein, und für den Frommen wie ein Senfkörnlein, welches den Himmel erwerben half. Nun sahen wir, wie die Apostel zur Erkenntniß gelangt sind, nun wollen wir noch sehen, wie wir zur Erkenntniß gelangen, im zweiten Theile. Ein Weib, wenn es gebiert, ist traurig, weil ihre Stunde gekommen ist; wenn es aber das Kind geboren hat, gedenket es nicht mehr an die Angst, wegen der Freude, daß ein Mensch zur Welt geboren wurde. Ich habe Euch in meinen früheren Predigten etwas über den Glauben gesagt; ich will heute weiter fortfahren, ob ich es vollenden werde, weiß ich nicht. Also der Mensch muß glauben, weil er ein Mensch ist, sonst wäre er kein Mensch. Niemand anderes kann glauben als der Mensch. Lernet mir ein Thier kennen, welches glaubt; keine-l Daß Thier wittert, es begehret, es frißt, es sauft, eS schlaft, aber es glaubt nicht; aber der Mensch glaubt, deßhalb ist er ein Mensch, denn eS hat nie und- es wird nie einen Menschen geben, der nicht geglaubet hat. An wen soll ich aber glauben? An mich? Ach Gott! wie kann ich denn an mich elendes Wesen glauben? Ich bin heute so, morgen wieder anders; heute gesund, morgen krank; heute habe ich einen guten Entschluß gefaßt, mor­ gen fasse ich wieder etwas anderes; heute bin ich fromm, morgen böse, abscheulich, niederträchtig. Also wie kann ich an mich glauben, der ich mich jeden Augenblick ver­

ändere, das wäre ja die größte Thorheit Soll ich an andere Menschen glauben? Ach diese sind ja nicht besser

165 als ich. Wenn ich unter freiem, gestirntem Himmel stehe, wo ich Millionen von-Sternen über meinem Haupte er­ blicke, soll ich an diese glauben? Soll ich an das elende Planetchen, an unsere Erde glauben? Nein! Wenn ich aber unter freiem gestirnten Himmel stehe, so muß ich einsehen, daß ich über diese erhaben bin, denn ich habe Wernunf:, und es ist etwas in mir, was mir sagt: ich bin etwas Besseres, ich bin ein Mensch, und lasse nicht davon ab. Also wenn ich unter dem gestirnten Himmel stehe, so werde ich einsehen, es müsse doch etwas über diesen Sternen seyn, es müsse etwas seyn, was diese Sterne, rvas mich erschaffen hat, an dieses will ich Alanden. Dieses Wesen könnte ein Jeder nennen wie er wollte, wir Deutschen nennen es Gott. Ich glaube also an Gott. Was ist aber Gott? Gott ist die Liebe! Was will die Liebe? Geliebet werden! Also wir sollen Gott lieben. Gott muß also die Liebe seyn; wenn Gott nicht die Liebe wäre, so müßte er entweder der Haß oder die Gleichgültigkeit seyn. Ein jeder Färber, nicht einmal ein Maler braucht es zu seyn, wird Euch sagen: die Farbe, worin sich die meisten Lichtstrahlen brechen, ist weiß; die Farbe, worin sich gar keine Lichtstrahlen bre­ chen, ist schwarz, und eine Mischung von weiß und schwarz ist grau. So ist es auch mit der Liebe, dem Hasse und der Gleichgültigkeit. Das sage ich fite dieje­ nigen , welche nicht unterrichtet sind; aber meine unter-richteten Zuhörer will ich trachten auch über Alles genau und deutlich zu belehren, und ich weiß, daß gerade diese die aufmerksamsten sind, und bei welchen es die meisten Früchte bringet. Gott kann einmal unmöglich der Haß seyn. Wie hatte Gott, wenn er der Haß wäre, die Welt so schön, so herrlich erschaffen können? Oder hat erste

aus Haß erschaffen? Das kann auch nicht seyn. Wenn er der Haß nicht ist, so wäre er die Gleichgültigkeit; das

166 ist er auch nicht, sonst wäre er nicht so gnädig. Gott ist nichts als die Liebe. Also deßhalb müssen wir an Gott glauben. Ein Weib, wenn es gebiert, ist traurig, weil ihre Stunde gekommen ist; wenn es aber ein Kind gebo­ ren hat, gedenket es nicht mehr an die Angst, wegen der Freude, daß ein Mensch geboren wurde. Habt auf daß „ein Mensch geboren wurde" Acht. Ein jedes Wort, welches der Herr sprach, ist merkwürdig, kein Wort ist unnütz, so wie bei manchen schlechten Predigern, Schul­ lehrern oder manchen Professoren. Wir müssen auch einen Menschen zur Welt bringen. Wir müssen aber, wenn Gott die Liebe ist, nicht immer unsere Vernunft überall sonnen lassen, wir müssen sie nicht überall empor­ heben; wir können aber auch dieses Kindelein Vernunft manchmal spielen lassen. Wenn unsere Vernunft auf dem Glauben beruhet, mit der Gnade verbunden, so können wir ihr manchmal Freiheit lassen, denn der Glaube und die Vernunft sind nach der Gnade das Größte. Also Gott kann nichts anderes als die Liebe seyn, weil er uns mit Gnaden überschüttet. Aber weil Gott die Liebe ist, so müssen wir auch lieben, weil wir nach dem Ebenbilde Gottes geschaffen sind. Wie gelan­ gen wir denn aber zur Erkenntniß Gottes? Wenn wir ganz trostlos sind, wenn wir gar kein Tröpfchen Erkennt­ niß haben, so müssen wir denken: Ich will trachten An­ dern zu helfen, ich will allen meinen Feinden vergeben, will sie lieben. Wenn wir an die Brust unseres Feindes sinken, ihm vergeben, ihn lieben, dann haben wir einen Menschen geboren. Aber warum sagt denn der Herr: Ein Weib, wenn es gebiert, ist traurig, weil ihre Stunde gekommen ist; wenn es aber ein Kind geboren hat, gedenket es nicht mehr an die Angst, wegen der Freude, daß ein Mensch zur Welt geboren ist? Es hat nicht eine

Freude, daß ein Sohn geboren ist, sondern weil ein

167 Mensch, ein Ebenbild GotteS geboren ist. Als Eva, die Mutter unser Aller, den Kain, den Erstgebornen und auch den ersten Brudermörder geboren hatte, rief sie: Ich habe einen Menschen geboren, einen Sohn und Herrn. Nachdem die zweite Eva ihren einzigen Sohn, unsern Herr», geboren hatte, sank sie vor dem Kindelein nieder und betete es an. Also auch wir sollen einen Menschen zur Welt bringen, indem wir unserem Feinde an die Brust sinken, ihm Alles vergeben und ihn lieben, wenn es uns auch zeitlich unglücklich machen könnte. Derjenige, welcher Gott, der selbst die Liebe ist, liebt, in dessen Herzen kann kein Haß seyn; er wollte lieber Alles ver­ lieren, als hassen. Eben so ist es mit einem , der die irdischen Reichthümer verabscheuet; wenn man sie ihm gäbe, er würde sie zurückweisen und damit nicht glücklich seyn; oder mit einem, der alle Wollust von sich wies, und man ihm Freuden, seyen sie auch erlaubte , bereitete, er würde nicht glücklich seyn, und würde lieber in einer Einsiedelei leben. Also Liebe zu Gott, der ein Geist ist. WaS ein Geist ist, kann ich Euch nicht sagen, aber daß Gott ein Geist ist, das weiß ich, und wer ihn anbetet, muß ihn im Geiste, in der Wahrheit und Liebe anbeten. Wenn Gott die Liebe ist, so ist das wahre, orthodoxe Christenthum das allervernünftigste, was es geben kann, das sage ich Euch nur vorläufig, denn in ein paar Mi­ nuten kann ich es Euch nicht beweisen; Ihr könnet eS nun blos glauben; wenn mir aber Gott die Gnade, die ich hoffen kann, gibt, so werde ich es Euch beweisen, daß daß ächte katholische Christenthum das allervernünftigsteist, wenn Gott die Liebe ist, wie er sie auch ist. Also lieben müssen wir Gott und lieben unseren Nächsten und unseren Feinden vergeben. Es lieben aber auch fast alle Menschen, aber verschieden. Manche lieben einen Gegenstand, der sie zum Verderben führt; Andere lieben

168 Gott und den Nächsten, welche Liebe inS ewige Leben führt. Wenn wir auch jetzt Gott nicht erkennen, wenn es in unserer Seele dunkel ist, wenn wir uns selbst nicht helfen können, so müssen wir lieben! nur lieben! lieben! lieben! Gott und den Nächsten, den Feinden vergeben, wohlthun wie und wo wir können, nicht blos durch Geld; wenn wir nicht anders können, durch Rath und That. Dann wird Gott ein Fünkchen seiner Gnade in unser Herz werfen, und wir werden anfangen, ihn zu erkennen, und wenn wir ihn immer lieben, dann wird er uns ein glück­ seliges Ende bereiten, dann wird es in unserer Seele mit einem Male hell werden; und diese Klarheit und Freude wird uns nicht mehr genommen werden, Der Apostel­ fürst, der heilige Petrus sagt in der heutigen Epistel: Lebet wie Freie, jedoch nicht, als hattet ihr die Freiheit zum Deckmantel der Bosheit, sondern als Knechte Got­ tes; erzeiget jedermann Ehre, liebet euere Brüder und Gott. Also um zur Erkenntniß Gottes zu gelangen, müssen wir ihn und den Nächsten, sey er Freund oder Feind, lieben, und wohlthun. Wie wir wohlthun kön­ nen, ohne daß es uns einen Kreuzer kostet, davon gleich ein Pröbchen. Wir wollen heute zwei Vaterunser beten; eines für eine Mutter, welche ich nicht kenne, welche mir schrieb, daß sie wegen ihres ungerathenen Sohnes viel Kummer und Schmerz ertrage. Also ein Vaterunser wollen wir für diese unglückliche Mutter beten, daß Gott ihren Sohn bessere, und das zweite für uns um die Er­ kenntniß Gottes und einst um ein seliges Ende. Wenn wir Gott lieben, am Glauben halten und treu bleiben bis ans Ende, so wird uns Gott einst krönen mit der Krone der ewigen Glorie und Herrlichkeit, zu der uns der Herr Allen verhelfe. Amen!

169 Am vierten Sonntage nach Ostern. Sext

„Wenn der Tröster kommen wird,

so wird er die Welt zur

Erkenntniß der Gerechtigkeit bringen, weil tch zum Nater gehe." Johannes 16, Vers 8

Ueber diese Worte unseres heutigen heiligen Evan­ geliums am vierten Sonntag nach Ostern will ich heute predigen, erst wollen wir aber Gottes Geist um Beistand bitten. Wenn man einem Blindgebornen das Licht, zum Beispiel das Sonnenlicht beschreibet, wenn man ihm das Herrliche desselben vorstellet, so wird er sich ganz sonder­ bare Vorstellungen davon machen, er wird es mit den Tönen eines Instrumentes vielleicht vergleichen, so wie einmal einer, dem man die rothe Farbe beschrieb, sie mit dem Tone einer Posaune verglich. Dieß scheint aller­ dings lächerlich, aber es ist doch kein schlechter Vergleich für einen Blinden; und wenn tun Ende der Blinde, nach­ dem man ihm immer das Licht erklärte, fragt: Mit waS sehet ihr denn? Wir sehen mit den Augen, die wir haben. Ich habe ja auch so etwas, was Ihr Augen nennt, sehe aber doch nichts, und es kann daher nicht Licht seyn. So wird sich der Blinde immer ganz irrige, falsche Begriffe von dem Lichte machen; wenn ihm aber die Augen auf­ gethan, dann wird er erkennen, was das Licht und wie herrlich der Genuß desselben ist; dann wird er einsehen und auch gestehen seine unrechten, falschen Begriffe vom Lichte, wird denen danken, die es ihm beschrieben hatten, und er wird immer nur nach dem Lichte gehen und streben, im Lichte zu wandeln, wird jeden dunklen Ort meiden, um nur wieder an das Licht zu kommen. Dieses habe ich dem heutigen Evangelium vorangeschickt und wählte die­ ses Gleichniß des Blinden gerne zur Einleitung, um zu betrachten nach unseren Texlesworten: Wenn der Tröster

170 kommen wirb, fp wirb er die Welt zur Erkenntniß der Gerechtigkeit bringen, weil ich zum Water gehe. Wie ging Jesus zu seinem himmlischen Vater? mein erster Theil. Wie gehen wir zum himmlischen, göttlichen Vater? mein zweiter Theil. Also der Gang zum himm­ lischen Vater ist mein Gegenstanb. Wie ging Jesus zu seinem himmlischen Vater? bas ist mein erster Theil. Wie ahnen wir den Gang zum göttlichen Water? das ist mein zweiter Theil. Himmlischer, göttlicher, durch bas Blut des Lam­ mes versöhnter Water! siehe gnädig auf uns herab, er­ höre unser Flehen und gebe uns die Gnade, daß wir zu dir gelangen. Sohn des himmlischen Vaters, Herr, Heiland Jesus Christus! du bist schon eingegangen zum Vater, gebe, daß auch wir zu ihm kommen. Heiliger Tröstergeist! stehe uns bei, überschütte uns mit deiner Gnade, daß wir zum Vater gelangen. Tochter des himmlischen, ewigen Vaters, heilige Maria, Mutter Gottes, die du vom Anbeginn von ihm auserkoren warst zur Mutter seines Sohnes, bitte bei ihm für uns. Auch ihr, Schutzheilige dieses Tempels, Ursula, Angela, bit­ tet Alle für uns. Also der Eingang Jesu zum himmlischen Vater, das soll mein erster Theil seyn. Nachdem Jesus das hei­ ligste Abendmahl eingesetzt hatte, bereitete er seine Jün­ ger auf seinen Tod vor. Die Kirche hat sehr weislich da§ heutige Evangelium nach dem gesetzt, welches wir am vergangenen Sonntage betrachteten, nämlich dasjenige, wo der Herr zu seinen Jüngern sprach: Ueber eine kleine Zeit werdet ihr mich nicht sehen, und abermal über eine kleine Zeit werdet ihr mich wieder sehen; denn ich gehe zum Vater. Und die Jünger sagten untereinander: Was ist das, so er zu uns saget: über eine kleine Zeit. Im heutigen Evangelium erklärt er aber Alles genau, hatte

171 es ihnen aber schon früher gesaget; die Kirche hat es aber spater gesagt. Die Erklärung des heutigen Evangeliums ist sehr schwer, aber große erleuchtete Kirchenlehrer hat­ ten es doch durch Gottes Hülfe erkläret. Die schönste Er­ klärung dieses Evangeliums ist vom heiligen Johannes Chrysostomus. Nun will ich es Euch, meine Lieben, so deutlich als möglich dieses schwere Evangelium machen. Also in der Zeit sprach der Herr Jesus zu seinen Jün­ gern: Ich gehe hin zu dem, der mich gesandt hat, und niemand aus euch fraget mich, wo ich hingehe. Jesus ging hin zu seinem himmlischen Water nach seinem Tode am Kreuze, um uns eine Wohnung zu bereiten und um seinen Jüngern den heiligen Geist, den Tröster zu senden, auf den sich im Glauben jetzt auch schon fromme Christen vorbereiten. Ich habe schon am Ostersonntage in meiner Predigt am Hofe bemerkt bei den Jüngern von Emmaus, daß Jesus immer gefraget wurde. Im heutigen Evan­ gelium sagt er wieder zu seinen Jüngern: und niemand aus euch fraget mich, wo ich hingehe. Jesus, die ewige Liebe, will nur immer gefraget werden, und fromme Christen thun es auch, und er antwortet gleich, immer voll Liebe, voll Trost. Also nicht die Menschen müssen wir fragen, wenn wir eine trostreiche, klare Antwort haben wollen, sondern die ewige Liebe, die untrügliche Wahrheit. Sondern weil ich solches zu euch gesaget habe, so ist euer Herz mit Traurigkeit erfüllet. Allerdings wa­ ren die Jünger sehr betrübet über die Entfernung ihres Herrn; aber wie gut war es, daß Jesus zu seinem himm­ lischen Vater ging, denn sonst waren wir nie getröstet worden. Jesus sagte zu seinen Jüngern: Ich sage euch aber die Wahrheit; es ist euch zuträglicher, daß ich hin­ gehe; denn werde ich nicht hingehen, so wird der Tröster nicht zu euch kommen; gehe ich aber hin, so will ich ihn zu euch senden. Jesus, der Sohn Gottes, erniedrigte

172 sich so tief und sagte: Ich sage euch die Wahrheit. Er kann ja nie, will ja nie die Unwahrheit sagen; da könnte sich eher das Licht in Finsterniß verwandeln, als daß Gott statt der Wahrheit die Unwahrheit sagte. Also in diesen Worten: Ich sage euch die Wahrheit, könnet Ihr sehen, wie demüthig Jesus war, und wie auch wir uns in derselben üben sollen; denn Jesus Christus ist unser Vorbild, deßhalb müssen wir trachten, ihm in Allem, was nur möglich ist, nachzuahmen. Also es war uns zu­ träglich, sagt der Herr selbst, daß er zum Vater gegan­ gen ist; denn, spricht er, werde ich nicht hingehen, so wird der Tröster nicht zu euch kommen. Ware er nicht hingegangen, so hatte der heilige Geist die Apostel nicht überschattet und folglich auch uns nicht; denn dann wurde erst den Aposteln Alles klar, was ihnen der Herr lehrte, und so werden auch gute Christen durch Empfang deS heiligen Geistes erleuchtet. Deßhalb sind wir auch dem Herrn so viel Dank schuldig , daß erzürn Vater gegangen ist. Wäre der Tröster nicht gekommen, so wäre es in unserem Herzen und Verstände immer dunkel geblieben. Aber wir müssen auch würdig seyn, den heiligen Geist zu empfangen. Die Bösen gelangen nicht zur Erkennt­ niß, diejenigen, welche nicht an ihn glauben, zu denen kommt der heilige Geist nicht; deßhalb ist es auch in ih­ ren Seelen sehr finster. Gehe ich aber hin zu dem, der mich gesandt hat, zu meinem Vater, von dem ich Alles habe, so will ich euch den Tröster senden, und er that es auch. Und wenn derselbe kommen wird, so wird er die Welt der Sünde, der Gerechtigkeit und des Gerichts überzeugen. Diese Stelle ist die schwerste, aber Jesus hat sie auch wieder deutlicher gemacht und sagt: Der Sünde zwar, weil sie.an mich nicht geglaubet haben, der Gerechtigkeit, weil ich zum Water gehe, und ihr mich hinfort nicht mehr sehen werdet, und des Gerichts, weil

173 der Fürst der Welt schon gerichtet ist. Alle diejenigen elenden Menschen, die sich Philosophen nennen, deren Verstand ganz finster ist, die sich aber für erleuchtet, ver­ nünftig halten, die, wenn man ihnen nahe kömmt, sehen, dast manche fromme Christen, welche nicht so studirt sind, wie sie, weit froher, weit aufgeklarter sind, und wenn man ihnen von der Dunkelheit des Verstandes spricht, doch sagen: Wie kann es denn dunkel seyn, bei mir ist es ja ganz Helle. Allerdings in ihrer Einbildung, iw ih­ rem Gefasel, was sie doch eigentlich, wenn sie den ge­ sunden Menschenverstand zur Hand nahmen, selbst nicht verstehen,- diese werden überzeuget werden der Sünde, der Gerechtigkeit und des Gerichts; diese werden doch am Ende einsehen, wie unrecht sie handeln, hätten es schon einsehen können, werden es aber einsehen. Sie werden diejenigen, die sie für Schwärmer, für Phantasten hiel­ ten, um das Glück der Erkenntniß beneiden. Diese wer­

den davon überzeuget werden. Die Welt wird es erken­ nen, die Welt hatte es in diesen jetzigen zehn Jahren schon erkennen können; aber durch das Feine überzeuget sie sich nicht, nur durch etwas Grobes undPlrlmpes, we^n ich so sagen soll. Aber es wird schon noch eine Zeit kommen, wo sie es erkennen wird, die Heiden, die Unchristen wer­ den es bei den wahren Christen erkennen, nicht durch bin» tige Bürgerkriege, aber gute, fromme Christen werden, wie ihre Vorfahren, für den Glauben und ftio Jesum Christum sterben. Das sage ich nicht aus Schwärmerei, aber dem jetzigen Anscheine nach kann es nicht anders seyn. Dann werden sich die Anhänger des Fürsten der Welt, der schon lange gerichtet ist, überzeugen; denn der Teufe! hat hienieden noch einige Macht, jedoch nur von Gott, aber er ist schon gerichtet, das ist uns Trost im Leben und im Sterben; denn wenn der böse Feind mehr Macht über uns hatte, so waren Viele verloren; aber seine Macht ist

174 dahin, er ist gleich nach dem Lode deß Herrn gekettet wor­ den. Jesus Christus allem hat Macht über uns, er ist die Wahrheit und das Leben. Also seyd nicht zaghast, ihr Kleinmüthigen und Zaghaften, vertrauet auf den Gott, der in dem Schwachen mächtig ist und der den Fürsten der Welt besieget und gerichtet hat. Also diese, die an den Herrn nicht geglaubct haben, werden überzeu­ get werden vom Gerichte und der Sünde. Diejenigen, welche das Kreuz stürzen wollten, und die Altare der Götter, die sie faselten und noch faseln, erheben das Kreuz, welches sie mit Füßen getreten, welches aber nie untergehen kann, noch wird, dieses ist überall erhaben, über alle Altare der Götter. Ich habe selbst in Rom auf dem Altare des Jupiters ein großes Kreuz erhaben gese­ hen. Diese werden sich überzeugen. Auch wird die Welt sich der Gerechtigkeit überzeugen, weil sie Jesum nicht mehr siehet, weil er zu seinem himmlischen Vater voll der Gnade und Wahrheit ging. Ferner sah die Welt gleich nach der Himmelfahrt des Herrn den Tröstergeist zu den Aposteln kommen, und diese elenden, unwissenden Land­ leute traten auf, lehreten in aller Welt das Evangelium mit einer Kraft und Macht, die nur von oben kommen kann; sah sie Wunder wirken im Namen Jesu und für ihn sterben den bittersten Martyrertod; sah dann noch immer Wunder wirken und große Manner und Frauen, Jünglinge und Jungfrauen für den Herrn sterben. Jetzt siehet sie aber keine Wunder und Märtyrer mehr, sie hat aber schon genug gesehen, ist aber noch nicht überzeuget, wird sich aber noch überzeugen und wird sehen, daß der Fürst dieser Welt schon gerichtet ist. Das sagt Alles der Herr in den Worten: Wenn der Tröster kommen wird, so wird er die Welt der Sünde, der Gerechtigkeit und des Gerichts überzeugen. Ferner sagt der Herr: Ich habe euch noch viel zu sagen, allein ihr könnet es jetzt nicht

175 ertragen. Za wohl/ da sehen wir überall die Weisheit des Herrn. Die Apostel hatten es nicht verstanden, hät­ ten nicht Alles fassen können, denn der heilige Tröster­ gerst war noch nicht über sie ausgegossen. Und wir hatten es gar nicht verstanden. Wir können das, was uns der Herr gelehrt hat, nicht fassen; wir verstehen so wenig, deßhalb hat der Herr nicht mehr gesaget. Wenn aber der Geist der Wahrheit kommen wird, der wird Euch alle Wahrheit lehren; denn er wird nicht von sich selbst reden, sondern was er hören wird, das wird er reden, und was zukünftig ist, das wird er Euch verkündigen. Und das

geschah auch, der heilige Geist lehrte alle Wahrheit den Aposteln; er sagte nun alles das, was Jesus seinen Apo­ steln schon gesagt hatte, was ihnen aber noch dunkel war. Der Tröstergeist machte es ihnen nun klar, und alles Verborgen, alles Zukünftige lehrte er ihnen; deßhalb weissageten die Apostel große Dinge. Frommen, von Gott besonders geliebten Christen gibt er Manches ein. Manchem Christen, mancher frommen Christin offenbaret Gott nach Empfang des heiligsten Altarssakramenteß, oder im inbrünstigen Gebet ihm noch unbekannte Dinge, Dinge, die er nur seinen Lieben und nicht uns armen Sündern offenbaret. Aber wir wollen trachten, auch dahin zu gelangen, und das ist auch Gottes Wunsch. Er will Alles zu sich ziehen, denn deßhalb hat er uns erlöset, deßhalb ging er zum ewigen Dater. Aber seyd nicht kleinmüthig, seyd nicht zaghaft, ihr kleinmüthigen, ängstli­ chen, aber recht guten Christen, setzet die Kleinmuth bei Seite, Gott prüfet Euch nur dadurch. Manche recht gute, aber kleinmüthige Christen klagen sich im Beicht­ stühle verschiedener Sünden an, die Zar keine Sünden sind, oder die unbedeutendsten; klaget Euch lieber Euerer wahren Sünden an, saget lieber die Sünde Kleinmuth; denn Kleinmuth ist eine Sünde, und am Ende kann durch

176 die Kleinmuth Mißtrauen auf Gottes Gnade und Barm­ herzigkeit entstehen, was dann erst eine fürchterliche Sünde ist. Also fern alle Kleinmuth, sondern Liebe zu dem, der geliebet werden will. Ferner sagt noch der Herr: Derselbe wird mich verherrlichen, denn er wird es von dem Meinigen nehmen, und es euch verkündigen. Also der Water, zu dem Jesus Christus gegangen ist, der wird ihn verherrlichen mit der ewigen Glorie und Herr­ lichkeit. Jesus will dann auch uns verherrlichen, er will auch, daß wir Alle zu ihm konrmen sollen ; er wird sa­ gen: Ich bin Mensch geworden, war gesandt von meinem himmlischen Water, habe Knechtsgestalt angenommen, bin elend gewesen, bin dann gestorben den schmählichsten Lod, nun aber ewig verherrlichet; sehet mich nun in meiner Herrlichkeit, und kommet zu mir auch in die ewige Herrlichkeit. Der heilige Geist, der Tröster nahm Alles von Jesum Christum und verkündigte es den Aposteln, auf daß ihnen Alles klar würde. Nun habe ich Euch das Evangelium erkläret. Wir sehen nun, wie nöthig es war, daß Jesus Christus zum Water gegangen ist, und wie nothwendig der heilige Geist ist. Soll ich jetzt noch das ganze Evangelium auf uns beziehen? Wir könnten es wohl, aber die Zeit ist nicht hinlänglich, wenn ich Euch erst zeigen sollte, wie wir die Sünde einsehen müssen, wie uns der Tröster von der Gerechtigkeit und von dem Gericht überzeuge; soll ich von allem diesem sprechen, da müßte ich noch mehr Zeit übrig haben. Wir haben gesehen, was wir sehen wollten, den Gang des Herrn zum himmlischen Water. Nun im zweiten Theile wollen wir betrachten, wie wir zmn ewigen Water gelangen sollen. Ich glaube an Gott, diesen Satz habe ich Euch in meinen früheren Predigten erkläret. Ich habe gesagt, daß wir Menschen gar nicht sagen können: Ich, weil

177 wir uns unaufhörlich verändern.

Ich sagte ferner, daß

ein jeder Mensch an und für sich glauben muß, denn sonst wäre er kein Mensch, deßhalb sagen wir: Ich glaube. Aber an wen? An mich kann ich nicht glauben, da ich ein veränderliches Wesen bin. An Andere kann ich auch nicht glauben, denn diese sind nicht viel besser als ich. Wem soll ich also glauben, daß ich ein so hohes Wesen bin, daß ich das Ebenbild Gottes bin. Es muß ein Wesen seyn, das mich erschaffen, der die ganze Welt hervorge­ bracht, was über alle Sterne und Sonnen erhaben ist, und dieses Wesen ist Gott, deßhalb sagen wir: Ich glaube an Gott. Was ist aber dieses hohe, erhabene Wesen? Ist es der Haß? Nein! Wie kann es der Haß seyn, wenn es das höchste Wesen ist, und der Haß ist das niedrigste, das schlechteste, das verächtlichste; also der Haß kann Gott nicht seyn. Also die Gleichgültigkeit? Nein! nicht die Gleichgültigkeit, denn sonst würde er uns nicht mit so vielen unverdienten Gnaden, Wohlthaten und Freuden überschütten; er kann unmöglich die Gleich­ gültigkeit seyn. Die Liebe, die unendliche Liebe ist Gott. Er kann nichts anderes als die Liebe seyn, weil er Alles so herrlich, so schön einrichtete, weil er uns mit Gnaden und Wohlthaten überhäufet und rms lieber. Also an Gott, der die unendliche Liebe ist, müssen wir glauben; und weil wir ein so hohes, erhabenes Geschöpf sind, weil wir Gottes Ebenbild sind, so müssen wir auch lieben. Was ist aber die Liebe? Die Liebe ist eine Glückseligkeit, die unserem Zustande gemäß ist. Also gebt wohl Acht, die Liebe ist die Glückseligkeit, die unserem Zustande an­ gemessen ist. Meine lieben Freunde, wenn ich in diesen Dingen etwas tief eindringe, oder Manchen unverständlich bin, so vergebet; aber bei dem, was göttlich ist, kann man nicht so ganz deutlich und Allen verständlich seyn. Aber wenn Ihr es heute nicht recht verstehet, so wird XL Predigten I.

12

I 78 es Euch, nachdem Ihr einige meiner Predigten mit Auf­ merksamkeit werdet gehöret haben, schon klar werden., Gott ist also die unendliche Liebe, er ist nicht ein strenger Zuchtmeister, ein Richter, der immer mit der Ruthe hin­ ter uns ist, sondern er ist die Liebe. Wir sollen also auch lieben. Wir Menschen lieben verschiedene Dinge; Einer liebt das Geld/ ein Anderer eine reichlich besetzte Lasel, wieder ein Anderer ein hübsches Landgut, ein Vierter ein schönes Weib, oder was weiß ich was man Alles liebt. Dann gibt es wieder andere Fälle, Manche thun wohl,

um wohl zu thun, oder lieben, um zu lieben. Aber das ist nicht Gottes Wunsch. Wir sollen Gott über Alles lie­ ben , und dann den Nächsten; denn Gott liebt auch Alles, er ist kein strenger Richter, sondern, ein liebender Vater; ich glaube an Gott den Vater. Also an den Vater müssen wir glauben, er ist der beste, der liebendste Vater, seine Liebe ist nicht nur Naterliebe, sondern mehr als Mutter­ liebe, die doch, wie ich schon oft gesagt habe, die reinste, die schuldloseste irdische Liebe ist; er ist nicht nur lieben­ der Vater, sondern auch unsere Mutter. Gott liebt Alles, er liebt jede Pflanze, jedes Thier und vorzüglich sein Ebenbild, den Menschen; er liebt jeden Menschen, sogar den Gottlosesten, er liebt sogar den Gotteslästerer; ich sage dieses mit Zittern, wage es aber doch zu sagen, denn es ist wirklich so Wenn er den Gotteslästerer nicht liebte, sowürde er gleich bei der ersten Lästerung nicht mehr le­ ben , aber Gott liebt ihn noch. Gott bewahre aber Jeden dafür. Weil Gott die Liebe ist, so müssen wir auch lie­ ben; wir müssen nicht nur unsere Freunde, sondern un­ sere Feinde, unseren Todfeind lieben. Aber was müssen wir lieben? Etwa Schönheit/ oder was denn? Wir müs­ sen irgend eine Vollkommenheit lieben, die wir bei Einem entdecken, übrigens aber müssen wir einen Jeden lieben, weil er ein Mensch und Gottes Ebenbild ist. Aber liebt

179 uns Gott, weil er irgend einige Vollkommenheiten an uns entdeckt? Wie kann er denn Vollkommenheiten an uns finden, da er der Allervollkommenste ist und uns erschaf­ fen hat? Gott liebt uns, weil wir nach seinem Ebenbilds geschaffen und seine Gescböpfe sind; deßhalb müssen auch wir Alles lieben, vor Allem aber Gott. Wir können auch Wissenschaften, wenn sie zum Guten führen, lieben und uns vervollkommnen. Der heilige Kirchenlehrer Au­ gustinus sagt mit Recht: Mein Wissen ist mein Seyn; und das ist auch ganz richtig. Unser Wissen ist aber un­ vollkommen, das sagt der heilige Paulus. Ferner sagt er: Ich achte Alles für Koth, auf daß ich die Liebe ge­ winne. Also nur Liebe, Liebe zu dem liebenden Vater, der nur geliebet werden will, und Liebe zu dem Nächsten. Jesus Christus hat uns die Kindschast Gottes erworben. Allerdings kannten schon die alten Heiden einen Vater, einen Water ihrer Götter; aber wir haben Gott zum Va­ ter, er ist aller Menschen Vater, er ist tmser Vater; deß­ halb sagen wir „Water unser", und unsere alten Vor­ fahren haben das sehr gute Wort Allvater erdacht. Gott, der Allvater, liebt alle seine Kinder hienieden, er ist er­ haben über alles Erschaffene, über die Schöpfung und sieht gnädig auf uns herab. Moses sagt in seinem ersten Buche: Nachdem er die Erde geschaffen hat, hat er ge­ sehen alle Dinge, die er gemacht hatte, und sie waren sehr gut. Also Gott, der liebende Allvater, sieht immer auf uns, er will nicht gefürchtet, sondern geliebet seyn; deßhalb thun diejenigen nicht recht, welche, wenn sie gesündiget haben, sich nur wieder bessern aus Furcht vor der Zuchtruthe, denn sie stellen sich Gott wie einen Zucht­ meister vor. Aber fromme Christen fürchten sich nicht vor der Strafe, sondern sie führen blos Schmerz über ihre Sünden, weil sie den liebenden Gott, den gütigen Vater beleidiget haben- Also Gott ist unser Vater, er

12 *

180 will nicht gefürchtet, sondern geliebet werden. Furcht Gottes ist schon recht/ wenn sie mit Liebe verbunden ist. Ferner liebt Eueren Nächste»/ der Euer erlöseter Bruder ist; liebet Euere Feinde/ und ich fuge zu Euch wie Jo­ hannes: Kinderchen/ liebt Euch! Liebt Euch, Kinder­ chen! Liebt Euch nur untereinander, dann habt Ihr den Willen des ewigen himmlischen Baiers erfüllet/ dann gelanget Ihr zu ihm. Neben dem liebenden Vater er­ blicken wir den Sohn/ den göttlichen eingebornen Sohn Jesum Christum/ die Wahrheit und Liebe, und der wird uns dann seinen göttlichen Segen geben, um den wir ihn unaufhörlich bitten wollen in alle Ewigkeit. Amen!

Am fünften Sonntage nach Ostern.

Text. „Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: was ihr den Vater m meinem Namen bitten werdet, das wird er euch geben." Johan­ nes 16, Vers 23. Ueber diese Worte unsers heutigen Evangeliums am fünften Sonntage nach Ostern will ich zu Euch predige»/ wenn wir zuvor Gott um seinen Beistand bitten. Rach den verschiedenen Meinungen der neuesten Zeit soll das Gehirn eines jeden Menschen besonders eingerich­ tet seyn; es soll am Gehirnkasten ein hervorragender Knochen seyn, den manche den Neiseknochen nennen, das will verdeutscht heißen: ein Hang, der in manchem Men­ schen ist, seinen Aufenthalt oft zu verändern, in keinem Orte heimathlich zu seyn. Daß dieserHang des Reisens bei vielen Menschen ist, das ist wahr, aber daß das Gehirn dazu eingerichtet ist, oder vielmehr dieses erregt, das lasse ich dahingestellt seyn; denn der Mensch hangt nicht vom Gehirn ab, sondern von der Seele. Daß die Menschen

180 will nicht gefürchtet, sondern geliebet werden. Furcht Gottes ist schon recht/ wenn sie mit Liebe verbunden ist. Ferner liebt Eueren Nächste»/ der Euer erlöseter Bruder ist; liebet Euere Feinde/ und ich fuge zu Euch wie Jo­ hannes: Kinderchen/ liebt Euch! Liebt Euch, Kinder­ chen! Liebt Euch nur untereinander, dann habt Ihr den Willen des ewigen himmlischen Baiers erfüllet/ dann gelanget Ihr zu ihm. Neben dem liebenden Vater er­ blicken wir den Sohn/ den göttlichen eingebornen Sohn Jesum Christum/ die Wahrheit und Liebe, und der wird uns dann seinen göttlichen Segen geben, um den wir ihn unaufhörlich bitten wollen in alle Ewigkeit. Amen!

Am fünften Sonntage nach Ostern.

Text. „Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: was ihr den Vater m meinem Namen bitten werdet, das wird er euch geben." Johan­ nes 16, Vers 23. Ueber diese Worte unsers heutigen Evangeliums am fünften Sonntage nach Ostern will ich zu Euch predige»/ wenn wir zuvor Gott um seinen Beistand bitten. Rach den verschiedenen Meinungen der neuesten Zeit soll das Gehirn eines jeden Menschen besonders eingerich­ tet seyn; es soll am Gehirnkasten ein hervorragender Knochen seyn, den manche den Neiseknochen nennen, das will verdeutscht heißen: ein Hang, der in manchem Men­ schen ist, seinen Aufenthalt oft zu verändern, in keinem Orte heimathlich zu seyn. Daß dieserHang des Reisens bei vielen Menschen ist, das ist wahr, aber daß das Gehirn dazu eingerichtet ist, oder vielmehr dieses erregt, das lasse ich dahingestellt seyn; denn der Mensch hangt nicht vom Gehirn ab, sondern von der Seele. Daß die Menschen

181 einen Hang deß Herumziehens haben, daß sehen wir schon bei unseren ältesten Vorfahren. Schon die ersten Men­ schen, Adam und Eva, wurden aus dem Paradiese ver­ trieben und veränderten ihren Aufenthaltsort. Der dritte Mensch, Kain, der Brudermörder, irrte immer herum und wav flüchtig. Abraham, der Diener Gottes, der seinen einzigen geliebten Sohn Gott opfern wollte, was nicht nachzuahmen, nur zu bewundern ist, verließ auch auf Gottes Befehl sein Vaterland und zog in ein fernes Land. Jakob floh wegen seinem Bruder, kam aber bann mit Heerde» zurück. Moses war auch immerwährend reisend; Josua zog sieben Tage um die Stadt, als er sie entnehmen wollte, und ließ in die Posaunen blasen, bis endlich am siebenten Lage durch ein besonderes Wunder die Stadtmauern einstürzten. David war auch flüchtig. Ja selbst Jesus Christus zog immer umher, in Galiläa, Samaria und Judäa.' Als er in Jerusalem einzog, schrieen ihm die Kinder entgegen und riefen: Hosianna dem König der Juden! Alleluja! Ja jetzt noch ziehen christliche Heerden umher, um im Gebete Gottes gerech­ ten Zorn abzuwenden. Dieses ist schon seit dem fünfhrrndertsten Jahre nach der Geburt des Herrn üblich. Also schon bei vierzehnhundert Jahre ziehen fromme Chri­ sten prozessionenweise umher und beten zu Gott für sich und das ganze Land, und bringen Heil. Dazu sind auch die Bet - oder Bitttage, die jetzt folgenden Lage bestimmt. Auf diese Bitttage will ich auch meine heutige Predigt einrr'chten, und zwar vom Gebete sprecherr. Im ersten Theile will ich Euch zeigen, wie das Gebet des ächten Christen beschaffen ist, und im zweiten Theile, welcher Unterschied zwischen dem Gebete eines Ungläubigen und eines Rechtgläubigen sey.

Du aber, Herr Jesus Christus, der du am Oelberge betetest: Mein Gott! mein Gott! warum hast du mich

182 verlassen? Der du am Kreuze sprachst: Vater! vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie thun! Endlich sterbend, nachdem tu sprachst: Es ist vollbracht! riefst du noch: Vater! in deine Hande befehle ich meinen Geist! Ach lerne uns beten, lerne uns beten, lerne uns beten ! Heilige Maria, Mutter Gottes, du unsere Fürsprecherin, die du immer bei Gott für uns betest, bitte, daß auch wir beten lernen. Heilige Apostelfürsten, Ursula, An­ gela, Schutzheilige dieses Tempels, alle Heiligen Gottes, bittet für uns, betet mit uns. Dieses heutige Evangelium ist die Fortsetzung der beiden vergangenen, die uns, wie Ihr wisset, zwei Sonn­ tage beschäftiget haben. Also der Herr sprach zu seinen Jüngern: Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: was ihr den Vater in meinem Namen bitten werdet, das wird er euch geben. Bisher habt ihr um nichts in meinem Na­ men gebeten; bittet, so werdet ihr empfangen, auf daß euere Freude vollkommen sey. Dieses habe ich in Gleich­ nissen zu euch gesaget; es kömmt aber die Zeit, daß ich nicht mehr in Gleichnissen mit euch reden, sondern euch offenbar vor dem Vater verkündigen werde. Kann es et­ was Rührenderes, etwas Herrlicheres geben als diese Worte des Herrn? Kann das ein Mensch erdichten oder sagen? Nein! kein Sterblicher vermag eß, Gott allein, nur Jesus Christus. An demselben Lage werdet ihr in meinem Namen bitten, und ich sage euch nicht, daß ich den Vater für euch bitten werde; denn der Vater selbst liebet euch, weil ihr mich geliebet und geglaubet habet, daß ich von Gott ausgegangen bin. Der Herr bittet aber wohl immer für uns, er sagt es nur nicht, aber er bittet den Water immer für unö. Ich bin von dem Vater aus­ gegangen und in die Welt gekommen, nun verlasse ich die Welt wieder und gehe wieder zum Vater. Wir sind auch nicht immer auf dieser Erde , ich habe es schon oft

183 gesagt, wir sind hier nur auf der Pilgerschaft/ und auf dieser Pilgerschaft müssen wir uns unsere ewige herrliche Heimath erwerben. Aber nachdem Jesus dieses zu seinen Jüngern sprach, ward es in ihrer Seele lichter, obwohl der heilige Geist über sie noch nicht ausgegossen war, so ahneten sie ihn schon und sprachen: Sieh', nun redest du offenbar und bedienest dich keiner Gleichnisse; jetzt wissen wir , daß du alle Dinge weißt, und nicht bedarfst, daß dich jemand frage; darum glauben wir, daß du von Gott außgegangen bist. Da ahneten die Jünger die Göttlich­ keit des Herrn und die Kraft des heiligen Geistes, obwohl er noch nicht über sie ausgegossen wär. Wer auch eine solche Ahnung des heiligen Geistes hat, der behalte sie wohl in seinem Gedächtnisse. Aber vom Gebet will ich sprechen. Was ist das Gebet? Ich habe es schon ost ge­ nug gesagt. Ein Weiser sagte einmal: Das Gebet ist der Athem, das Athemholen der Seele. So wie der Mensch nicht leben kann, ohne der. Mund zu öffnen, um Lust einzuathmen, eben so kann die Seele des Christen nicht ohne Gebet seyn. Das Gebet ist die Erholung der Seele, mit einem Worte: das Gebet ist die Erhebung der Seele zu Gott. Wir sind bestimmt,' um zu beten,

und ich habe es in meinen Fastenpredigten oft gesagt, wir sind bestimmt, um Gott hienieden zu loben und ihn einst zu genießen. Aber warum müssen wir denn beten? Kön­ nen wir uns denn nicht selbst helfen? Ach wie können wir uns denn helfen, wir armen, wir elenden Menschen! Alle Menschen müssen beten, keiner ausgenommen. Der Kaiser auf seinem Throne, kann er sich helfen? Können ihn seine Räthe und seine Heere retten, können diese sie­ gen? Nein, nur Gott kann helfen. Durch Gebet kann dem Kaiser und seinem Reiche geholfen werden; daß er­ kennet der Herr, und deßhalb laßt er beten und betet selbst. Alle Menschen müssen beten, der Reichste, der

184 Vornehmste so wie der Aermste und Gemeinste. Wenn wir nicht beten, so Hilst Gott nicht; aber unsere Seele muß sich zu ihm erheben und daun wird er helfen. Wo die Noth am größten ist, da ist Gott am nächsten. Warum müssen wir aber beten, und wie muffen wir beten? Sollen wir etwa, wie manche christliche Korn­ juden, um ein unfruchtbares Jahr beten, damit er sein gesammeltes Korn mit recht großem Profit versilbern kann; oder um Unheil, um Verderben und Unglück für die Feinde; um Reichthum, um die Armen doch hülflos zu lassen; um Ehrentitel? Ich ehre und schätze Euere Vernunft, meine lieben Freunde, zu hoch, als daß ich Euch beweisen sollte, daß dieses Gebet nicht nur Gott mißfällig, sondern eine Todsünde ist, und daß Gott zu danken wäre, wenn solche Menschen gar nicht beteten. Eine Mutter oder ein Vater, die sechs arme Kinderchen auf dem Stroh liegen und um Brod schmachten sehen, wahrend sie die Reichen und Vornehmen in ihren Wagen mit vier Pferden in den Prater kutschiren, oder in die Komödien und Kinderballets sichren sehen; et diese arme Mutter oder der Vater können beten: Herr, hilf uns und meinen armen sechs Kinderlein, gib uns Brod. Gott wird sie m'cht verlassen. Durch Gebet kann viel errungen werden; aber nicht muthlos müssen wir beten, wir müs­ sen uns immer in den Willen Gottes ergeben, wir müssen beten tote Jesus Christus: Herr, dein Wille geschehe. Jesus betete auch. Schon die ersten Menschen beteten, noch ehe sie sündigten, und dieses Gebet war nur Lob und Preis und Gott wohlgefällig. Durch daL Gebet kann viel Gefahr abgewandt werden, durch Gebet sönnen viele Länder gerettet werden. Als einst .die Juden gegen Gott

murrten, strafte sie der Herr mit Feuer; es verzehrte viele Lausende unter dem Volke, die Gefahr war nicht abzuweuden, endlich betete Aaron, nahm von dem Feuer

185 des Alters einen Brand, warf ihn unter das Volk, alsbald war das Feuer gestillt. Der Brand, verbunden mit dem Gebete, war mächtiger als der Zorn Gottes. Aber ohne Unterlaß müssen wir beten, und nicht gleich, müde werden; wir müssen unaufhörlich beten und immer mit stetem. Eifer, denn das Himmelreich kann Gewalt erleiden, das sagt der Herr. Als die Israeliten mit Amalek Krieg führten, ging Moses auf den Berg Sinai, betete zu. Gott, faltete die Hande- gegen den Himmel und betete. Wie er sie hoch emporhob und eifrig betete, sieg­ ten die Israeliten, ließ er die Hande sinken und war sein Eifer minder, wurden die Juden geschlagen. Wegen seines hohen Alters konnte Moses die Hande nicht frei emporhalten, daher wurde er unterstützt von den Aeltcsten. des Volkes und zum steten Eifer ermahnt, und die Israe­ liten kehrten als Sieger zurück. Also beten müssen wir unaufhörlich, Gott hört schon unser Bitten an. Wenn das Kind an der Brust anfängt zu lallen, so versteht es niemand, aber die Mutter versteht das Lallen ihres Kin­ des, denn es lag unter ihrem Herzen. Gott hört auch unser Stammeln, wenn wir auch noch nicht beten rönnen ; Gott versteht es schon, denn er hat uns ja geschaffen und erlöset. Der heilige Augustinus sagt: Was du kannst, das thue; was du nicht kannst, um das bete. Also vor Allem sey das Gebet. Aber wie müssen wir beten?. Ver­ gesset nur meine Lextesworte nicht, so werdet Ihr wissen, wie wir beten sotten. Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: was ihr den Vater in meinem Namen bitten werdet, das wird er euch geben. Im Namen Jesu müssen wir beten, im Namen Jesu müssen wir zum Vater flehen, nicht blos immer den Namen Jesus nennen, sondern seines Verdien­ stes wegen können und müssen wir zum Water beten. Sei­ nes theuren Blutes wegen gewährt uns Alles der Vater, um das wir ihn bitten, wenn es zu unserem Heile gereicht..

186 Alles können wir durch das Gebet erlangen, weiln es "zu nuferem Besten dient. Ferner müssen wir immer sagen: Herr, dein Wille geschehe, nicht waS ich will, sondern was du willst, das thue. Durch das Gebet können wir uns im Guten.starken, durch das Gebet können wir viel erlangen, durch das Gebet können wir uns und Änderen

Helsen und unsere Seele erquicken. Aber ferner müssen wir unaufhörlich beten, das heißt nickt nachlassen im Ge­ bet, wenn auch nicht gleich unser Wille erfüllt wird, es wird schon Früchte bringen, wenn auch erst spat. Ein Weib, welches an einen gottlosen Mann durch das Sa­ krament der Ehe unauflöslich gekettet ist, wenn sie fromm ist, so wird sie beten. Gott, der allein helfen kayn, dem wird sie ihre Noth klagen, und ihr Gebet wird nicht un­ erhört bleiben. Eine treue Mutter, die einen ruchlosen, bösen Sohn hat', den sie schon für verloren halt, wird unaufhörlich für ihn beten, ihr Gebet und ihre Thränen

wird Gott erhören, entweder wird iHv Sohn vielleicht erst nach ihrem Tode durch die Thränen und das Gebet der Mutter gerettet werden, oder fällt der Mutter dieses Gebet zu. Aber ohne Unterlaß müssen wir beten, Gott wird es am Ende doch erhören. Manche Christen thun sehr unrecht, wenn sie sagen: Wenn mir Gott das nicht bald erfüllt, so bin ich schon des Betens überdrüßig. Das sollen wir nie werden, wenn wir Gott so eine Zeit bestim­ men wollen, daß er-unsere Wünsche erfülle, so wird es nicht geschehen und unser Gebet keine Frucht bringen. Als die Stadt Bethulien belagert wurde, sagte der Ma­ gistrat: Wenn uns Gott nicht binnen fünf Tagen hilft, so übergeben wir die Stadt. Da sagte die fromme Ju­ dith: Das dienet nicht, um Gnade zu erwerben, sondern ruzet den Herrn zum Zorn und Grimm. Also unaufhör­

lich müsset Ihr beten, beten so wie Jesus betete, aus Liebe zum Vater. Er betete in seinem letzten Gebete:

187 Later, verherrliche mich nun mit jener Herrlichkeit, welche ich hatte, ehe noch die Welt war. Dieses Gebet können wir allerdings nicht beten, das konnte nur der ewige Hohe­ priester, der einmal in das Heilig thu m einging und ewige Erlösung erfunden hat, beten. Wir können nur beten: Gib uns heute unser tägliches Brod, vergib uns unsere Schuld, als wir vergeben unseren Schuldigern; führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von allem Uebel. Das können wir beten , und die anderen drei Bitten kom­ men dann auch hinzu. Ader danket hier diesen Kloster­ frauen, welche abgesondert von allen Freuden der Welt hier leben, und für sich und Euch Alle beten. Danket ihnen und anderen treuen Betern , welche für das ganze Land beten, welche beten, daß Europa von Gott verschcnet werde, dünket diesen frommen Betern. Es werden hier in der lieben Wienstadt viele grobe und schwere Sünden begangen, aber, ich muß es sagen, cs wird auch viel gebetet. Viele treue Christen gehen in die Kirchen und beten für sich und das ganze Land. Wir müssen aber nicht nur für uns beten, sondern auch für Andere, für unsere Freunde und Feinde. Ein schönes Beispiel, daß wir für Andere beten sotten, gibt uns Abraham, als er Gott für Sodom und Gomorrha bat; er sprach: Herr, wenn hundert Gerechte waren, würdest du der Stadt schonend Ja, wenn hundert waren. Wenn achtzig Gerechte da waren, wirst du die Stadt nicht vertilgend Gott ant­ wortete: Um achtzig willen will ich der Stadt schonen. Wenn sechzig Gerechte da waren? Wenn sechzig waren, ich würde der Stadt schonen. Wenn fünfzig, vierzig, dreißig, ja zwanzig Gerechte da waren, wirst du sie ver­ tilgen ? Nein, wenn zwanzig Gerechte waren, ich würde der Städte schonen. Endlich sprach Abraham: Herr, zürne nicht, wenn ich noch weiter bitte. Wie wäre eß, wenn zehn Gerechte in der Stadt waren, würdest du sie

188 verschonen? Za, wenn zehn waren/ ich würde sie ver­ schonen; ich sage dir, wenn fünf Gerechte waren, ich würde die ganze Stadt verschonen^ Es waren aber nicht fünf, und Gott vertilgte sie durch Feuerregen; heut zu Tage sind noch ihre Ruinen zu sehen-. Also auch für An­ dere müssen wir beten; Wir müssen aber nicht blos mit den Lippen plappern, das erhöret Gott nicht; unser Herz muß beten. Wenn einer fünfzig, ja fünfhundert Vater­ unser in einem Tage blos mit dem Munde plappert, das bringt ihm keine Früchte. Hatte er eines gebetet mit An­ dacht, es wäre viel nützlicher gewesen» Ich tadle keines­ wegs diejenigen, welche aus Büchern viele Gebete beten, weiln es im Namen Jesu, vor dem sich alle Kniee im Himmel, auf Erden und. unter der Erde beugen sollen, geschieht, und mit dem ernstlichen Vorsätze, es mit An­ dacht zu thun, so ist es sehr gut. Wenn Zerstreuungen im Gebete kommen,- über rvelche sich manche Christen mit großer Ängstlichkeit anklagen, ich sage, wenn solche Zer­ streuungen unwissentlich kommen, so-hat. es gar nichts auf sich, wenn wir nur den Willen haben, mit Andacht, mit Liebe zu beten. Suchen wir aber Zerstreuungen, so ist es Sünde. Der Herr sagt: Euer Leben soll stetes Ge­ bet seyn.. Sollen wir etwa den ganzen Tag in der Kirche auf den Knieen liegen ? Wer es thun kann, der ist glück­ lich; aber es wird sehr wenige geben, die nicht davon ab­ gehalten werden. Es ist eben auch nicht nothwendig, wir müssen nicht den ganzen Tag Gebete hersagen. Aber des Morgens rmd des Abends müssen wir beten, manchmal des Tages dasselbe erneuern durch einen Stoßseufzer, manchmal des Tages dürfen wir sagen: Herr, sey mir Sünder gllädig! Herr, rette mich! Herr, laß mich nicht untergehen'. Herr, stehe mir bei! oder ein Gebetlein wie das: Du löschest das glimmende Docht, nicht aus und zer­ knickest nicht das gebrochene Rohr. Ailch muffen wir nicht

189 den ganzen Tag ächzen, schreien und seufzen wie die klei­ nen Kinder. Wir müssen nicht mit: in unserem Kämmer­ lein beten, sondern wir müssen auch dem Gottesdienste beiwohnen. Aber nur immer, wenn wir beten, im Na­ men Jesu beten, und nicht blos für uns, sondern auch für Andere, und das thun auch fromme Beter. Sooft wir können, müssen wir unsere Seele zu Gott empor­ schwingen. Nun betrachteten wir das Gebet, denn dar­ über könnte man ein Jahr lang predigen. Nun wie un­ terscheidet sich das Gebet deß Ungläubigen von dem des Rechtgläubigen? Davon noch kurz im zweiten Theile.

Seit einiger Zeit bin id) im ersten Theile, wie ich hoffe, christkatholisch, oder, ich brauche eß nicht zu hof­ fen, ich glaube, -ich hin es wirklich, und im zweiten Theile nicht christlich, wenn ich so sagen soll, heidnisch. Im ersten Theile spreche ich mit Christen, im zweiten Theile spreche ich heidnisch, um mit den Unchristen-, mit unseren Heiden, mit den getauften Heiden zu reden, um denen doch auch ein wenig zu sagen, so ungern eß auch geschieht. Nun um zu den Ungläubigen zu kommen. Es zweier­ lei; diejenigen, welche gar nichts glauben, welche nur immer so darauf lossündigen, gar nichts für Sünde hal­ ten, Alles für recht, für Tugend halten, diese Menschen sind so ganz tugendhaft nach ihrer Art. Es gibt auch Gebetbücher für sie, wenn sie noch eines gebrauchen, so wie das: Gott ist die reinste Liebe, Erbauungsbücher, die Stunden der Andacht zum Beispiel. Nun mit diesen Menschen, mit diesen Heiden spricht man nicht von der Kanzel, vielleicht wird sie Gott noch bessern und sie durch recht harte Leiden, Qualen und Unglück züchtigen. Gott gebe eß! Ich sagte in meinen vergangenen Predigten, daß ein jeder Mensch glauben muß, sonst ist er kein Mensch, sonst ist er ein Thier; denn er muß glauben, daß er ein

190 Mensch ist. Rn sich kann er nicht glauben, denn er ist elend und jämmerlich, veränderlich mit jedem Augenblicke. An einen andern Menschen kann ich auch nicht glauben, teiln der ist eben so schlecht, wenigstens nicht viel besser als ich selbst. Also muß es ein höheres Wesen geben, ein Wesen, welches über alles Irdische erhaben ist. Dieses Wesen ist Gott. Also ich glaube au Gott. Wer ist er aber? Unser Vater, wir sind seine Kinder; wir sind aber Sünder. Er begehrt nichts von uns als was möglich ist; er begehrt nicht, wie manche besseren Ungläubigen mei­ nen, etwas Unmögliches; er kann nichts von mir verlan­ gen, was ich nicht kann und nicht soll; er kann nicht verlcurgen, daß, wenn ich sterbe, ich leben soll, oder wenn ich krank bin, daß ich gesund bleiben soll. Was ist aber Gott? Er ist die reinste Liebe, und Gott verzeihe mir die Sünde, daß ich diesen Ausdruck gebrauche, die Sünder, die Ungläubigen könnten gar keinen anderen Gott brau­ chen als den, der die reinste Liebe ist. Wäre er nicht die Liebe, so müßten sie sich gleich um ein anderes höchstes Mesen umsehen; denn wenn er der Haß'wäre, so würde er sie vernichten; wäre er die Gleichgültigkeit, so empfin­ gen sie keine Mohlthaten; aber weil er die Liebe, weil er ihr Vater ist, deßhalb leben sie noch. Er ist aller Menschen Vater, er ist Allvater, er ist allmächtig, bei ihm ist nichts unmöglich; deßhalb sagen rechtgläubige Christen: Ich glaube an Gott den allmächtigen Vater. Aber Gott will keinen verloren gehen lassen, er wird in das Herz des Ungläubigen einen Strahl seiner Gnade werfen; und wenn dann der Ungläubige trostlos umher­ irrt, wenn er bei allen seinen Freunden und Herren und Nachbarn herumgelaufen um Trost und keinen gefunden hat, dann wird er ahnen, daß es ein höheres Wesen ge­ ben muß, und wird sagen: Mein Gott, ich habe nicht an dich geglaubet, ich habe nicht geglaubet, daß du Alles

191 vermagst, aber mm sehe ich es ein. Du bist ein hohes Spesen, du bist nicht der Vater der Thiere, und was war ich lebenslang? Wie lebte ich? Den Thieren gleich; du kannst' also nicht mein Vater seyn. Ich bin ein ungera­ tener, ein verlorner Sohn, ich bin nicht dein Kind, aber verstoße mich nicht. Wenn mich etwas retten, befreien kann, so bist du es. Wenn der Ungläubige so weit kömmt, o dann ist er nicht mehr verloren, wenn er nach­ denkt über das Können, Wollen und Sollen. Wenn er denkt, daß er das nicht wollte, was er sollte, nicht konnte, was er wollte, aber hatte können, was er sollte, wenn er gewollt hatte, dann wird er den Erlöser ahnen, dann wird er merken, daß es einen Erlöser geben muß, und dann wird er auch beten: Ich glaube an Gott den Vater, den Allvater, den allmächtigen Vater. Aber wir, die wir glücklicher sind, die wir wissen, daß Gott unser Vater ist, daß wir seine Kinder sind, daß er die reinste, vollkommenste Liebe, daß er der allmächtige Vater ist, wir wollen für sie bitten; und dazu sind die Bcttage be­ stimmt. Betet für alle Menschen, für Euere Freunde und Feinde. Wenn Ihr, begleitet mit dem Kreuze und den Fahnen, ziehet, so erinnert Euch, daß Ihr Diener des Kreuzes seyd, daß Ihr für Alle betet. Die Fahnen sind deßhalb, weil Constantinus der Große am Himmel ein Kreuz und eine Fahne erblickte, worauf die Inschrift war: Mit diesem Zeichen sollst du siegen. Wenn die Li­ tanei aller Heiligen gebetet wird, so betet auch für alle Menschen, lasset keinen ausgenommen seyn. Du aber, allmächtiger Vater, beschütze uns alle Zeit, sey immer mit uns. Gebe, daß uns nicht unser Glaube geraubet werde. Lasse uns allezeit die heiligen Sakra­ mente zu unserem Heile. Schwinge nicht die Geißel deines Zornes, welche wir verdienen, über Oesterreich.

192 Lasse diesen Kreuzzug, der diese Tage hindurch begonnen wird, zu unserem Heile gelangen, damit er uns einst zu der Fahrt zu dir im Himmel verhelfe, wo wir dich ewig loben und preisen mögen, Alleluja! Amenl