WTO und Umwelt: Die Produkt-Prozess-Doktrin [1 ed.] 9783428511501, 9783428111503

Die Unterscheidung zwischen dem im internationalen Handel befindlichen Produkt und den im Herkunftsland verwendeten Prod

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WTO und Umwelt: Die Produkt-Prozess-Doktrin [1 ed.]
 9783428511501, 9783428111503

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SEBASTIAN PUTH

WTO und Umwelt Die Produkt-Prozess-Doktrin

Hamburger Studien zum Europäischen und Internationalen Recht Herausgegeben von Thomas Bruha, Meinhard Hilf, Hans Peter Ipsen Rainer Lagoni, Gert Nicolaysen, Stefan Oeter

Band 36

t,

WTO und Umwelt Die Produkt-Prozess-Doktrin

Von

Sebastian Puth

Duncker & Humblot . Berlin

Der Fachbereich Rechtswissenschaft der Universität Hamburg hat diese Arbeit im Jahre 2002 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Infonnation Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2003 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Gennany ISSN 0945-2435 ISBN 3-428-11150-8 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 §

Vorwort Die vorliegende Arbeit zur Produkt-Prozess-Doktrin ist während meiner Zeit als Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Hamburg, Abteilung für Europäisches Gemeinschaftsrecht, entstanden. Das produktive Arbeitsumfeld, die hilfsbereiten Kolleginnen und Kollegen sowie die ausgezeichnete Infrastruktur des Lehrstuhls haben wesentlichen Anteil an ihrem Gelingen. Mein ganz besonderer Dank gilt meinem verehrten Doktorvater, Herrn Professor Dr. Meinhard Hilf. Er holte mich zur Mitarbeit im Bereich des Welthandelsrechts an seinen Lehrstuhl und gab mit seinen wissenschaftlichen Beiträgen zum Spannungsfeld WTO und Umwelt den Anstoß zu dieser Arbeit. Neben wohlwollender Unterstützung erhielt ich zudem den notwendigen Raum zur wissenschaftlichen Entfaltung. Daneben danke ich Herrn Professor Dr. Stefan Oeter für die Erstellung des Zweitgutachtens und eine Vielzahl gewinnbringender Diskussionen. Im privaten Bereich bedanke ich mich von Herzen bei meinen Eltern, die mich großzügig unterstützt und immer wieder aufgemuntert haben, sowie bei meiner Familie. Für ihre Rückendeckung und Hilfsbereitschaft danke ich ferner der Familie Heuer. Besonderer Dank gebührt schließlich meiner Frau, Imke Heuer-Puth, deren Langmut und unerschütterliche Zuversicht mich immer wieder aufgerichtet und deren Diskussionsfreude und Einsatz die Arbeit auf allen ihren Entwicklungsstufen begleitet haben. Uelzen, im März 2003

Sebastian Puth

Inhaltsübersicht Erster Teil

Problementfaltung

29

A. Untersuchungsgegenstand .. . ................ .. ................. . .... . . . ... . ..... .. .

29

B. Einführende Überlegungen. . ..... . ... .. ...... . .... .. .......... .. .... ... ......... . . .

34

C. Nichtproduktbezogene Handeismaßnahmen zum Umweltschutz .... . . . ..... . ... . . . .

38

D. Die Produkt-Prozess-Doktrin ... . ....... . ..... . ...................... . . . ... .. ... . ...

64

E. Der Bericht des Appellate Body im Fall US - Shrimp . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

77

F. Zusammenfassung des ersten Teils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

84

Zweiter Teil

Maßgebliche Grundwerte der Welthandelsordnung

87

A. Die Präambel des WTO-Übereinkommens als Leitlinie .. . ..... .. ........... . ...... .

87

B. Die Welthandelsordnung als System zur Wohlfahrtssteigerung . ... ......... . ... . ....

95

C. Das Konzept der nachhaltigen Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122

D. Ergebnisse des zweiten Teils... .. .. . . .. .......... . ... . ..... . . . . . . . .. . ... ... . . .. . . . .. 169

Dritter Teil

Nichtproduktbezogene Handelsmaßnahmen zum Umweltschutz im Recht der WTO

171

A. Die Rechtsordnung der WTO ..... . ........... . .... .. ... . . . ..... . .......... . ........ 171

B. Die Anwendbarkeit von SPS- und TBT- Übereinkommen . . ..... . ... .. . . ... . ..... . .. 205

8

Inhaltsübersicht

C. "Öko-Dumping" und indirekte Subventionierung ................................... 219 D. GATT 1994: Art. I, 11, 111, XI und XX .............................................. 226 E. Ergebnisse des dritten Teils ......................................................... 361

Vierter Teil

Endergebnis

363

Verzeichnis der zitierten Berichte der Panel und des Appellate BOOy ............... 376

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 380

Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 399

Inhaltsverzeichnis Erster Teil Problementfaltung

29

A. Untersuchungsgegenstand ........................................................

29

I. Aussage der Produkt-Prozess-Doktrin ........................................

29

II. Anwendungsfall internationaler Umweltschutz ...............................

30

III. Erschütterung der Doktrin im Fall US - Shrimp. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

32

IV. Ziel und Gang der Untersuchung

32

B. Einführende Überlegungen

34

I. Globalisierung und die Büchse der Pandora . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

35

11. Die Konstitutionalisierung der Welthandelsordnung ..........................

37

C. Nichtproduktbezogene Handelsmaßnahmen zum Umweltschutz ................

38

I. Aktuelle Beispiele nichtproduktbezogener Handelsrnaßnahmen ...............

38

1. Tier- und Artenschutz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

38

2. Schutz der Wälder und der Ozonschicht ....................................

39

3. Umweltkennzeichen .......................................................

40

4. Steuer auf Kohlendioxidemissionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

41

II. Allgemeine Begriffsklärungen ................................................

42

1. Produkte/Waren............ . . . .......... . ........ . ... . ....................

42

2. Umwelt....................................................................

42

3. Umweltbelastung ..........................................................

43

4. Handelsrnaßnahmen zum Umweltschutz ...................................

43

10

Inhaltsverzeichnis III. "Processes and production methods" und Produktmerkmale

44

IV. Umweltbelastungen durch Produktion und Verbrauch .........................

46

V. Integrierter Umweltschutz: Bekämpfung an der Quelle .......................

47

VI. Innerstaatliche Instrumente des Umweltschutzes. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

49

VII. Nichtproduktbezogene Handelsmaßnahmen: Erstreckung nichtproduktbezogener Umweltschutzanforderungen auf eingeführte Produkte....................

51

1. Der Begriff der nichtproduktbezogenen Handelsmaßnahmen ...............

51

2. Motivation des Importstaates ....................... . ........ . .............

53

a) Der Schutz der Umwelt .................................................

53

aa) Belegenheit der geschützten Umweltgüter .........................

54

bb) Verfolgte Schutzinteressen .........................................

54

b) Der Ausgleich von Wettbewerbschancen ......... . ......................

54

c) Die Verfolgung subjektiver Wertvorstellungen ..........................

55

3. Arten und Wirkungsweise nichtproduktbezogener Handelsmaßnahmen ....

57

a) Arten von Handelsmaßnahmen .........................................

57

b) Indirekte Wirkungsweise ...............................................

57

c) Keine Alternative in Sicht..............................................

58

VIII. Nichtproduktbezogene contra produktbezogene Handelsmaßnahmen .........

59

1. Geschützte Umweltgüter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

59

2. Mögliche Anknüpfungspunkte .............................................

61

3. Praktische Anwendungsprobleme ................... . ......................

62

IX. Zusammenfassung......... . ..................................................

63

D. Die Produkt-Prozess-Doktrin

64

I. Die Wurzeln der Doktrin

64

1. Der Panel-Bericht im Fall Belgian Family Allowances .....................

64

2. GATI-Studie "Industrial Pollution Control and International Trade" .......

65

11. Ausprägung der Doktrin durch die Fälle US - Tuna I und II ...................

66

1. Der zu Grunde liegende Sachverhalt .......................................

67

a) Tatsächlicher Hintergrund ..............................................

67

b) Der Marine Mammal Protection Act ....................................

68

c) Der Dolphin Protection Consumer Information Act .....................

68

Inhaltsverzeichnis

11

2. Der Bericht des Panels im Fall US - Tuna I ................................

69

3. Der Bericht des Panels im Fall US - Tuna II ...............................

70

III. Aktueller Entwicklungsstand der Doktrin .....................................

71

1. Die Doktrin in der Sache - Tragende Argumente ...........................

72

a) Komparative Kostenvorteile ............................................

72

b) "Extraterritorialität" ....................................................

72

c) Unilateralismus vs. Kooperation.............. .. ........................

73

d) Slippery slope & Pandora 's box. . . .. . . .. . . .. . . . . .. .. .. . . . . .. . . . .. . . .. . . .

74

2. Die Doktrin in der Zeit - Entwicklungstendenzen ..........................

75

IV. Die Doktrin und ihre Kritiker. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

75

V. Zwischenergebnis ............................................................

76

E. Der Bericht des AppeUate BOOy im Fall US - Shrimp ...... . .....................

77

I. Der zu Grunde liegende Sachverhalt ...... .. ..................................

77

1. Tatsächlicher Hintergrund .................................................

77

2. Die US-amerikanischen Vorschriften .. . .. . . . .. . . . .. .. . .. . . . .. . . . .. .. . .. . . ..

78

11. Der Bericht des Panel ........................................................

78

III. Der Bericht des Appellate Body ..............................................

79

IV. Kommentare zum Bericht des Appellate Body ................................

83

V. Vorläufige Einschätzung des Berichts .. . .. . . .. . . . .. . . . .. .. .. . . . .. .. . . .. . . .. . . .

84

F. Zusammenfassung des ersten Teils .. .. . . .. .. .. . . . .. .. . .. .. . . .. . .. .. . . .. .. . .. .. .. . .

84

Zweiter Teil

Maßgebliche Grundwerte der Welthandelsordnung

87

A. Die Präambel des WTO-Übereinkommens als Leitlinie ..........................

87

I. Aussage und Entwicklung der Präambel ......................................

87

11. Präambeln als Ausdruck der Grundwerte einer Rechtsordnung ................

88

12

Inhaltsverzeichnis III. Das GATI 1994: Alter Wein in neuen Schläuchen............................

89

IV. Schrittweise Integration des Nachhaltigkeitsgedankens .................. . ....

90

1. Einleitung des Prozesses in der Uruguay-Runde ............................

90

2. Der Beschluss zu Handel und Umwelt .....................................

92

3. Die Arbeiten des Committee on Trade and Environment ...................

94

4. Zwischenergebnis: Integration des Nachhaltigkeitsgedankens im Einzelfall

94

V. Schlussfolgerungen............. . .............................................

95

B. Die Welthandelsordnung als System zur Wohlfahrtssteigerung ..................

95

I. Philosophie der Welthandelsordnung .........................................

96

11. Triebfeder des Welthandels: Komparative Kostenvorteile .....................

96

1. Tatsächliche Ursachen des Handels ........................................

97

a) Innerstaatliche Verfügbarkeit ...........................................

97

b) Preisdifferenzen ................................................. . ......

97

c) Produktdifferenzierungen ...............................................

98

2. Die Theorie der komparativen Kostenvorteile ..............................

98

a) Aussage der Theorie ............................................. . ......

98

b) Ursachen komparativer Kostendifferenzen ..............................

99

111. Wohlfahrts wirkungen des Freihandels - The simple case for free trade .. . . . . . . 100 IV. Wohlfahrtsökonomische Analyse nichtproduktbezogener HandeIsmaßnahmen

101

1. Ansatz, Perspektiven, Konzepte und Erkenntniswert ....................... 101 a) Ansatz.................................................................. 101 b) Globale und nationale Wohlfahrtsperspektive ........................... 102 c) Konzepte ............................................................... 102 d) Erkenntniswert ......................................................... 103 2. Mikroökonomie: Marktversagen infolge externer Effekte ..... . ............ 104 a) Begriff der externen Effekte ............................................ 104 b) Arten und Abgrenzung externer Effekte .. .. . . . . .. . . . .. . . . . .. .. . . . . .. . . . . 106 aa) Physische Externalitäten ........................................... 106 bb) Psychologische Externalitäten ....................... .. ............ 106 cc) Pekuniäre Effekte ..... .. .. .. .. .. .. .. .. . .. .. . .. .. . .. .. .. .. . .. .. . .... 107

Inhaltsverzeichnis

13

c) Öffentliche Güter....................................................... 107 aa) Der Begriff der öffentlichen Güter ................................. 107 bb) Negative externe Effekte und die "Tragik der Allmende" ........... 108 cc) Positive externe Effekte und das "Trittbrettfahrer-Problem" ........ 109 d) Internalisierung externer Effekte ........................................ 11 0 3. Internationale externe Effekte.............................................. 110 a) Beachtlichkeit physischer grenzüberschreitender Wirkungen ............ 111 b) Internationale externe Effekte der Produktion ........................... 112 aa) Negative internationale Externalitäten ........... . .......... . ...... 112 bb) Positive internationale Externalitäten? ............................. 114 c) Internalisierung negativer internationaler Externalitäten durch HandeIsmaßnahmen ............................................................ 115 aa) Das Problem der monetären Bewertung............................ 115 bb) Die indirekte Wirkung ............................................. 116 4. Schlussfolgerungen........................................................ 118 V. Komparative Kostenvorteile und die Internalisierung internationaler Externalitäten ........................................................................ 119 VI. Zusammenfassung des ökonomischen Arguments............................. 121

C. Das Konzept der nachhaltigen Entwicklung ...................................... 122 I. Nachhaltige Entwicklung als Grundprinzip der Welthandelsordnung .......... 122

11. Das Konzept der nachhaltigen Entwicklung................................... 122 1. Entwicklung und Grundgedanken des Konzepts............................ 122

2. Rio-Deklaration und Agenda 21 ........................................... 125 a) Allgemeine Grundtendenzen ............................................ 126 aa) Anthropozentrischer Ansatz ....................................... 126 bb) Integration von Umweltschutz und Entwicklung ................... 126 cc) Langfristige Sicherung der natürlichen Lebensgrundlagen . . . . . . . . .. 127 dd) Naturwissenschaftliche Fundierung und Vorsorgeprinzip ........... 128 b) Kooperation - Verantwortlichkeit - Verursachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 aa) Kooperationspflicht ................................................ 129 bb) Gemeinsame aber differenzierte Verantwortlichkeit................ 130 cc) "Shared resources" - "Cornmon heritage" - "Cornmon concern" ... 131 (1) "Shared resources" ............................................ BI (2) "Common heritage of mankind" ............................... 132

14

Inhaltsverzeichnis (3) "Common concern ofhumankind" ........ . .................... 133 (4) Zusammenschau der Ansätze.................................. 133 dd) Verursacherprinzip................................................. 134 c) Einzelne Umweltschutzvorgaben ....................................... 136 aa) Das allgemeine Schädigungsverbot ................................ 136 bb) Effektive einzelstaatliche Standardsetzung ......................... 137 cc) Produktionsseitige Umweltbelastungen ............................ 138 d) Internationaler Handel und nachhaltige Entwicklung.................... 139 aa) Prinzip 12 der Rio-Deklaration .................................... 139 bb) Kapitel 2 der Agenda 21 ........................................... 140 cc) Zwischenergebnis: Der Handel im Konzept der nachhaltigen Entwicklung. . ... . . . .. . . . .. .... . . ... . . ... . . . . . .... . . ... . . . .. . ... . . . ... .. 142 III. Ergebnis: Die Welthandelsordnung im Konzept der nachhaltigen Entwicklung 143 IV. Die Argumente der "Extraterritorialität" und des Unilateralismus ............. 144 1. Das Problem der "Extraterritorialität" ...................................... 144 a) Extraterritoriale Rechtswirkung als Kategorie des allgemeinen Völkerrechts................................................................... 145 aa) Begriff und Funktion .............................................. 145 bb) Nichtproduktbezogene Handelsmaßnahmen: Extraterritoriale Wirkung? ............................................................. 146 b) Die Vorgaben des Konzepts der nachhaltigen Entwicklung.............. 147 c) Ergebnis ................................................................ 148 2. Unilateralismus vs. Kooperation........................................... 148 a) Der Begriff des Unilateralismus ........................................ 149 b) Begründung und Inhalt einer Kooperationspflicht ....................... 150 aa) Rechtspflicht zur Kooperation nach allgemeinem Völkerrecht...... 150 bb) Die Vorgaben des Konzepts der nachhaltigen Entwicklung......... 151 c) Ergebnis................................................................ 152 V. Exkurs: Umweltschutzübereinkommen und Welthandelsordnung ............. 153 1. Ebenen der Kooperation................................................... 153 a) Anerkennung der zu Grunde liegenden Schutzpolitik ................... 153 b) Formulierung konkreter Schutzstandards ................................ 154 c) Einigung über die Durchsetzung der internationalen Standards. ... . . . ... 154 2. Überschneidung der Regelungsbereiche: Konflikt oder gedeihliches Nebeneinander? .................................................................. 155

Inhaltsverzeichnis

15

a) Die Beispiele des Montrealer Protokolls und der Wellington-Konvention 156 aa) Das Montrealer Protokoll ..... .. ......... .... ...................... 156 bb) Die Wellington-Konvention .......... .... ............ .. ..... .. ..... 156 b) Die Antwort des CTE ............ .. ........... .... ...................... 157 c) Die Frage des Vorrangs... . . . ............... . . .. ...... . ... . .... . . . .. . ... 158 aa) Die Konfliktregeln der lex specialis und der lex posterior . ... .. . ... 160 (1) Vorliegen eines Konflikts . ....... .... .. .. .............. ... ..... 160 (2) Die Lex-posterior-Regel ........... . ................. . .. .. ..... 162 (a) Das zeitliche Aufeinanderfolgen.................. . ........ 162 (b) Identischer Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 (3) Die Lex-specialis-Regel .. ........ .. .............. .. .... .. .. .. . 165 bb) Inter-se-Abmachungen ................ . ........................... 166 d) Ergebnis.... . ............ ....... ..... . ..... . . . ... ............ . .. . . . ..... 167 VI. Zusammenfassung des Arguments der nachhaltigen Entwicklung . .. . . .. . .. . .. 167 D. Ergebnisse des zweiten Teils ... .. .......... . .. ...................... .... .......... 169

Dritter Teil Nichtproduktbezogene Handeismaßnahmen zum Umweltschutz im Recht der WTO

171

A. Die Rechtsordnung der WTO ..... .... ............. ..... ............ . ............. 171 I. Die Welthandelsordnung als Rechtsordnung . .. .. ... ... .......... ... . . ........ 171 11. Die Welthandelsordnung als Teilordnung des Völkerrechts ....... . .... ... ..... 172 III. Rechtsquellen des Welthandelsrechts ... . . . .. ..... . ........... . .... ... .. . . . ... 173 1. Primärrecht .. ... .. .......... . . .. . . .. . .. .. . . .. . .. .. .. .. .. .. . . . . .. . . .. . . . .. . . 174

a) Die WTO-Übereinkornrnen .. .............. .... . .. .............. . ....... 174 b) Gewohnheitsrecht ........................... ,.......................... 175 aa) Internes Gewohnheitsrecht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 bb) Allgemeines Völkergewohnheitsrecht . .. . .. . ...... . ... . .... ... .. . .. 175 c) Allgemeine Rechtsgrundsätze . . ................. . ......... . .... .. ...... 177 2. Sekundärrecht ... .............................. .. ................. ....... .. 178 3. Die Ergebnisse der Streitbeilegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 IV. Die Welthandelsordnung als Rechtssystem: Regeln und Prinzipien.... . . . . . . . . 180

16

Inhaltsverzeichnis V. Die Auslegung des WTO-Rechts ... . ... .... .. ....... . .. .. . . . ... . . .... ... . .... 181 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181

2. Die allgemeine Auslegungsregel des Art. 31 WVRK .............. . ........ 182 a) Ausgangspunkt: Die übliche Bedeutung

182

b) Der Zusammenhang der Bestimmungen

182

c) Auslegungsübereinkünfte und spätere Praxis . . ................... .. . .. .. 184 d) Zwischen den Parteien anwendbare Völkerrechtssätze ........ . . ..... .... 186 aa) "Any relevant rules of internationallaw" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 bb) "Applicable in the relations between the parties" .... .. . ... .. .. .... . 188 cc) Ergebnis . . .. ... . . ......... ... ... .. . . . .. . .. .. ... . .. . .. . . ... .. . .. . .. . 191 e) Sinn und Zweck ......... ..... .............. . .............. . ...... .. .... 191 3. Die ergänzenden Auslegungsmittel des Art. 32 WVRK ....... ...... . . . . ... 192 4. Sonstige im Welthandelsrecht anerkannte Auslegungsregeln .. .. ... ... .. .. . 193 a) Der Grundsatz der effektiven Vertragsauslegung .......... . .. . .... . ..... 193 b) Grundsatz der souveränitätsfreundlichen Auslegung ... . ... . .. ... ... . ... 194 c) Enge Auslegung von Ausnahmebestimmungen ? . . ... ..... . ...... .... ... 194 5. Zusammenfassung: Die Berücksichtigung des Umweltvölkerrechts bei der Auslegung des WTO-Rechts . ... . . ........ . ........ . ............ .. ... . ..... 195 a) Gewohnheitsrecht und allgemeine Rechtsgrundsätze....... . .. . . ...... .. 195 b) Umweltschutzübereinkommen . ... . . . .. .. . . .... .. ... . ...... ... ... ... .... 195 aa) Parteienidentität .. . .. . . . . ....... ... .. . .. . .... . ... ... .. . .... . .... ... 196 bb) Nichtidentischer Parteienkreis . ... . .... . . . ..... . .... .. .... . ........ 196 (1) Das Vorgehen des Appellate Body ... . ........ . . . . . .... . ... . ... 196 (2) Rechtliche Würdigung ... .......... .. . .... .......... . .. .... .... 198 (3) Geltung für alle WTO-Mitglieder ... .. .. . . . ... .. . .. .... . ... .. .. 201 cc) Exkurs: Umweltschutzübereinkommen als internationale Standards 201 6. Schlussfolgerungen für die Auslegung des WTO-Rechts .......... . ........ 203 VI. Zusammenfassung: Die Rechtsordnung der WTO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 204

B. Die Anwendbarkeit von SPS- und TOT-Übereinkommen

205

I. Überblick ..... . . . . . ........... .... ............... . . . . . ........... ..... ....... 205 11. Das SPS-Übereinkommen und nichtproduktbezogene Handelsmaßnahmen ... 206 I. Gesundheitspolizeiliche oder pflanzenschutzrechtliche Maßnahme . ........ 207

Inhaltsverzeichnis

17

2. Nichtproduktbezogene Handelsrnaßnahmen als SPS-Maßnahmen? ......... 207 3. Ergebnis: Das SPS-Übereinkommen ist nicht anwendbar. . . . . . . . . . . . . . . . . .. 209 III. Das TBT-Übereinkommen und nichtproduktbezogene Handelsrnaßnahmen ... 209 1. Technische Vorschriften und Normen ...................................... 209 a) Definitionen - Gemeinsamkeiten - Unterschiede ... . . . ... .. ............ 210 b) Nichtproduktbezogene Anforderungen erfasst? .. . . .. ... . ........ . ... ... 210 aa) Denkbare Ansätze ................................................. 211 bb) Die späte Einfügung des Wortes "related" im Rahmen der UruguayRunde ............................................................. 212 cc) Der Beschluss des TBT Committee vorn 14. Juli 1995 ............ . 213 dd) Das Verhältnis der S. 1 und 2 der Definitionen zueinander......... . 214 ee) Kennzeichnung als Konformitätszeichen ........................... 216 ff) Schlussfolgerung ............ . .. .. ... . ............. . ............ .. . 216

2. Umweltkennzeichen und der LiJe-cycle-Ansatz .... . . .... . ........ . . . ...... 217 IV. Zusammenfassung................ . ............ .. ..... ..... . . . . ........ . ... . .. 218 C. "Öko-Dumping" und indirekte Subventionierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 219 I. Geringe produktionsseitige Umweltschutzanforderungen als "Öko-Dumping"? ..................................................... . .... .. .. .. .... ..... 220

11. Geringe produktionsseitige Umweltschutzanforderungen als indirekte Subventionierung? ................................................................... 221 1. Der Begriff der Subvention ...... . ................. . ..... . ................. 222 a) Finanzieller Beitrag des Staates ........... . ..... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 223 b) Einkommens- oder Preisstützung ....................................... 224 c) Ergebnis ...... . . ........ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 225 III. Zusammenfassung................ .. ..... . ..... .... ....... . ..... ..... ... ..... . 226 D. GATT 1994: Art. I, 11, 111, XI und XX ... . ... . ............ .. ..... .. ......... .. . .. . 226 I. Funktionsweise des GATT ... . ................ .... ....... .. ......... .. ... .... . 226

1. Die Verpflichtungen im Überblick ................... . .. . . ........ . . . ...... 226 2. Kein allgemeines Recht auf Marktzugang ....................... . .......... 228 3. Die Ausnahmen ......................................................... . . 229 4. Zusammenspiel von Verpflichtungen und Ausnahmen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 230 2 Puth

18

Inhaltsverzeichnis 11. Die Verpflichtung des Art. III - Inländerbehandlung hinsichtlich Steuern und interner Vorschriften. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 230 1. Grundlagen .................................. . ............................. 231

a) Sinn und Zweck................ .. ........ . .......... . ............ . ... . . 231 b) Struktur ................ .... ...................... .. .................... 231 c) Stellung im GATI ...................................................... 232 2. Artikel 1II:4 - Nichtproduktbezogene interne Vorschriften .... . ............ 233 a) "Laws, regulations and requirements" ... . ................ .. ........ .. .. 233 aa) Weite Auslegung .................................................. 233 bb) Abgrenzung zu Art. XI .... . ........ . .... . ... . ........ . ........ . ... 234 cc) Nichtproduktbezogene Anforderungen als interne Vorschriften ..... 237 b) "Like products" ....... .. .......... .. ........... ... ..................... 238 aa) Objektiver contra subjektiver Ansatz .............................. 239 (1) Objektiver Ansatz...................... ... .................... 239 (2) Subjektiver Ansatz ..... .. ......................... .. .......... 240 (3) Hintergrund und vorläufige Erörterung des Meinungsstreits .... 241 (4) Der Bericht des Appellate Body im Fall EC - Asbestos ........ 243 (5) Ergebnis....................................................... 245 bb) "Like products" und nichtproduktbezogene PPMs . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 c) "Treatment no less favourable" ........................... .. ............ 248 aa) Herleitung einer Arbeitsdefinition ........................ .. ....... 249 bb) De-iure- und Dejacto-Diskrirninierung ............................ 249 cc) Die Wahl der richtigen Vergleichsgruppen ......................... 250 dd) Weniger günstige Behandlung durch nichtproduktbezogene Anforderungen .......................................................... 251 d) Ergebnis: Art. 1II:4 und nichtproduktbezogene Handeismaßnahmen ..... 255 3. Artikel 1II:2 S. 1 - Nichtproduktbezogene Umweltabgaben ................ 256 a) "Internal taxes or other internat charges of any kind" . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 257 aa) Begriff der internen Abgaben ................. . ............ . . . ..... 257 bb) Abgrenzung zu Zöllen und zollgleichen Abgaben .. .. .. .. ..... . ... . 257 cc) Nichtproduktbezogene Umweltabgaben und das Konzept des border tax adjustment ................................................. 259 (1) Problementfaltung ............................................. 259 (2) Das Konzept des border tax adjustment ............ . . . ......... 260 (a) Der Grundgedanke des Konzepts ....................... .. . 260 (b) Die einzelnen Vorschriften ................................ 262 (c) Die wirtschaftliche Grundannahme ............ . ....... ... . 263

Inhaltsverzeichnis

19

(d) Besteuerung nichtproduktbezogener PPMs - Ausgleichsfähig? .. . ........... .. ........... .. ........................ 264 (aa) Berichte der Working Parties aus den Jahren 1955 und 1970 .... . ............................................ 264 (bb) Auswertung der normativen Ansatzpunkte ........... 265 (3) Zwischenergebnis ............................................. 267 dd) Nichtproduktbezogene Umweltsteuern als interne Steuern ...... ... 269 b) "Like domestic products" ......... . ... .... ....... ..... ... . .... ... ....... 269 aa) Innere Struktur des Art. I1I:2 . ........... .. ......... . ............. . . 269 bb) Verhältnis zum Begriff des like product in Art. III:4 ................ 270 cc) Die maßgeblichen Kriterien....... .. . . . . . . ... .. . ... . . .......... . ... 271 dd) ,,Like domestic products" und nichtproduktbezogene PPMs ........ 273 c) "In excess of' ....... . ...... . .... . ........... . .......................... 273 d) Ergebnis: Artikel III:2 S. 1 und nichtproduktbezogene Handelsmaßnahmen .... . ........... .. .............................. . .......... . ........ 275 4. Gesamtergebnis zu Artikel III . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 276 III. Die Verpflichtung des Artikels XI: 1 - Verbot nichttarifärer Handelshemmnisse an der Grenze ................................................... . ............ 276 1. Grundlagen . .... ...... ..... ........ .... ... ... .. ..... ........ ..... .......... 277 2. "Prohibitions or restrictions other than duties, taxes or other charges" ... ... 278 a) Verbot nichttarifärer Handelshemmnisse an der Grenze ........ ... ...... 278 b) Abgrenzung zu Artikel III:4 ........... . ..... . ................. ... ...... 279 c) Anwendung des Verbots.......... . ............ . ......... ... .... ... ... .. 279 3. Ergebnis: Nichtproduktbezogene Handelsmaßnahmen und Artikel XI: 1 ... . 280 IV. Die Verpflichtung des Artikels II:l(b) S. 2 - Zollgleiche Abgaben zum Umweltschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 280 1. Grundlagen: Die Bindung von Zöllen und zollgleichen Abgaben ........... 280 2. "All other duties or charges of any kind" .. . .... .. .. . ........ . ..... . ........ 281 a) Zölle und zollgleiche Abgaben .................... .. ..... . .... . ........ 281 b) Abgrenzung zu internen Steuern ........................................ 281 c) Nichtproduktbezogene Umweltabgaben als zollgleiche Abgaben . ....... 282 3. Rechtsfolgen .............................................................. 282 V. Die Verpflichtung des Artikels I: 1 - Meistbegünstigung hinsichtlich Zöllen, zollgleicher Abgaben und interner Maßnahmen ...................... . ........ 283 1. Grundlagen ................................ . ............ . .......... . ... . . .. 283

20

Inhaltsverzeichnis 2. Artikel I: 1 - Zolldifferenzierungen zum Umweltschutz

284

a) Hintergrund: Die Zollpolitik des GAIT ................................. 284 aa) Zolldifferenzierungen und das GAIT .............................. 284 bb) Die Zollnomenklatur des Harmonisierten Systems ................. 285 cc) Funktion von Art. I: 1 .............................................. 286 b) "Customs duties and charges of any kind" .............................. 287 c) "Any advantage, favour, privilege or immunity" ........................ 287 d) "Like product" ......................................................... 288 e) "Shall be accorded immediately and unconditionally" ............. . ..... 291 aa) GIeichbehandlungsgebot........................................... 291 bb) Wahl der richtigen Vergleichspunkte ............................... 292 cc) Diskriminierung durch nichtproduktbezogene Umweltzölle ........ 293 f) Ergebnis: Nichtproduktbezogene Umweltzölle und Meistbegünstigung .. 293

3. Artikel I: 1 - ZollgIeiche Abgaben zum Umweltschutz ..................... 294 4. Artikel 1:1 i.Y.m. Artikel III:2 und III:4 - Interne Maßnahmen zum Umweltschutz ................................................................. 294 5. Ergebnis: Artikel I: 1 und nichtproduktbezogene Handelsrnaßnahmen ...... 295 VI. Die allgemeinen Ausnahmen des Artikels XX ................................ 295 1. Anwendung von Artikel XX ............................................... 295

a) Artikel XX als Ausnahmebestimmung .................................. 295 b) Enge Auslegung der Ausnahmen des Artikels XX? ..................... 296 c) Zu rechtfertigende Maßnahmen ......................................... 298 d) Zweigliedrige Struktur des Artikels XX . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 298 2. Vorläufige Rechtfertigung nach Artikel XX (b) und (g) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 300 a) Anwendung der Ausnahmen ............................................ 300 b) Schutzgut Umwelt? ..................................................... 300 c) Vorläufige Rechtfertigung nach Artikel XX(b) .......................... 301 aa) ,,[Measures] to protect human, animal or plant life or health" ...... 302 (1) Menschen, Tiere oder Pflanzen ................................ 302

(2) Belegenheit der Schutzgüter und Abgrenzung zu Artikel XX(g) 302 (a) Offener Wortlaut .......................................... 302 (b) Das Argument der Verhandlungsgeschichte ................ 303 (c) Kontext: Die weiteren Ausnahmen des Artikels XX ....... 303 (d) Kontext: Das SPS-Übereinkommen ........................ 304 (e) Sinn und Zweck. ... . . ... . . ...... . . ... . . . .. . . . . . . .. . . .... .. 304 (f) Schlussfolgerung .......................................... 305

Inhaltsverzeichnis

21

(3) Vorliegen einer Gefahr für Menschen, Tiere oder Pflanzen: Science-Test ....................... . ............................ . . 306 (4) Design der ergriffenen Maßnahme....... . ....... .. ......... . .. 307 (a) Abgrenzung zu anderen Zielsetzungen........ . ............ 307 (b) Unmittelbare oder mittelbare Schutzwirkung? ............. 308 bb) "Necessary" ....................................................... 309 (1) Least-trade-restrictive-Test? ... .. ...................... .. .. .. .. 309 (2) Weites Verständnis von "necessary" ............ ...... ......... 311 cc) Ergebnis zur vorläufigen Rechtfertigung nach Artikel XX(b) ....... 312 d) Vorläufige Rechtfertigung nach Artikel XX(g) ....................... . .. 312 aa) ,,[Measures relating to the] conservation of exhaustible natural resources" ................. . .......................... ... .. . ..... . .. . 313 (1) Exhaustible natural resources - Auch lebende Ressourcen erfasst ................... . ......... . ................. . ........... 313 (2) Belegenheit der Ressourcen ... . ...... .... ...... .. . ... .... ..... 315 (3) "Exhaustible" - Vorliegen einer tatsächlichen Gefährdung..... 316 (4) Design der ergriffenen Maßnahme .. ............ .. ............. 318 bb) "Relating to the Conservation" ..................................... (1) Primarily-aimed-at- Test? ...................................... (2) Weites Verständnis des Appellate Body ....... . .. . ... . ......... (3) Zwischenergebnis .............................................

318 318 318 319

cc) "If such measures are made effective in conjunction with restrictions on domestic production or consumption" ................. .... 320 (1) Innerstaatliche Beschränkungen ............................... 320 (2) "Made effective in conjunction with" ..... . .................... 320 (a) Enges Verständnis i.S.v. "primarily aimed at"? ............. 320

(b) Weites Verständnis als Erfordernis der "even-handedness" 321 (c) Zwischenergebnis........................... . . . ........... 321 dd) Ergebnis zur vorläufigen Rechtfertigung nach Artikel XX(g) . ...... 322 e) Ergebnis der vorläufigen Rechtfertigung nach Artikel XX(b) und (g) .... 322 3. Die Anforderungen der Chapeau-Klausel.... .. ..... . ...... .. ... . . . ... . . . .. 323 a) Anwendung der Chapeau-Klausel................. .. . . .................. 323 aa) Erzielung eines umfassenden Ausgleichs. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 324 bb) Erzielung eines verhältnismäßigen Ausgleichs............. . ....... 325 ce) Die Bedeutung der einzelnen Standards....................... ..... 326 dd) Zusammenfassung ................................................. 328 b) Kein A-priori-Ausschluss nichtproduktbezogener Handelsmaßnahmen .. 328 aa) Der Bericht des Appellate Body im Fall US - Shrimp .............. 328 bb) Erläuterungen und weiterführende Überlegungen .................. 329

22

Inhaltsverzeichnis c) "Unjustifiable discrimination between countries where the same conditions prevail" ........................................................... 331 aa) Unilaterales Vorgehen contra Kooperation ......................... (1) Grundsatz: Unilaterale Wahrnehmung der Ausnahmen......... (2) Auslösende Umstände und Inhalt einer Kooperationspflicht .. .. (a) Das wohlfahrtsökonomische Argument für Kooperation ... (b) Das Konzept der nachhaltigen Entwicklung: Internationale Umweltprobleme .......................................... (c) Das Konzept der nachhaltigen Entwicklung: Differenzierte Verantwortlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. (d) Ergebnis: Auslösende Umstände und Inhalt einer Kooperationspflicht .............................................. (3) Rechtsfolgen der erfolgreichen Kooperation ................... (a) Rechtsfolgen im Verhältnis der Vertragsparteien ........... (aa) Das Umweltschutzübereinkommen sieht Handelsrnaßnahmen vor .......................................... (bb) Das Umweltschutzübereinkommen schließt Handelsrnaßnahmen aus ...................................... (cc) Das Umweltschutzübereinkommen enthält keine Handeisregelung ......................................... (b) Rechtsfolgen im Verhältnis zu Nichtvertragsparteien . . . . . .. (4) Ergebnis: Unilaterales Vorgehen contra Kooperation...........

331 332 332 332 334 335 336 337 337 337 339 339 340 341

bb) Erforderlichkeit - Least-trade-restrictive-Test ...................... 341 (1) Herleitung des Erforderlichkeitskriteriums ..................... 342 (2) Anwendung des Erforderlichkeitskriteriums ................... 343 cc) Berücksichtigung der Produktionsbedingungen im Staat der Produktion ............................................................ (I) Vorgaben des Konzepts der nachhaltigen Entwicklung......... (2) Ökonomische Betrachtung ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. (3) Parallele Wertungen in SPS- und TBT-Übereinkommen . . . . . . .. (4) Zusammenfassung.............................................

344 344 345 346 347

dd) Anknüpfung an staatliche Standards oder die konkrete Herstellungsweise? ....................................................... 347 (1) Rectijication-at-source-Prinzip ................................ 347 (2) Umweltpolitische Zielgenauigkeit ............................. 348 (3) Funktionsbedingungen der Praxis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 348 (4) Schlussfolgerungen............................................ 350 d) "Arbitrary Discrimination" ............................................. 350 aa) Transparenz, due process & basic fairness - Herleitung der Vorgaben .............................................................. 351 bb) Die Anforderungen des Art. X ..................................... 352 cc) Zusammenfassung................................................. 354

Inhaltsverzeichnis

23

e) "Disguised restriction on international trade" ........................... 354 aa) bb) cc) dd)

Streitbeilegungspraxis unter dem GATI 1947 .................. . ... Streitbeilegungspraxis im Rahmen der WTO .......... . ....... ... .. Schlussfolgerungen ................................................ Nichtproduktbezogene Handelsmaßnahmen als verschleierte Hande1sbeschränkungen? ..............................................

354 355 356 357

f) Die Anforderungen der Chapeau-Klausel: Ergebnisse................... 358

4. Art. XX und nichtproduktbezogene Handelsmaßnahmen zum Umweltschutz ........................................................ . ............ 359 VII. Das GATI 1994 und nichtproduktbezogene Handelsmaßnahmen zum Umweltschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 360

E. Ergebnisse des dritten Teils....................................................... 361

Vierter Teil

Endergebnis

363

Verzeichnis der zitierten Berichte der Panel und des Appellate Body ............... 376

Literaturverzeichnis ..................................................... . ............ 380

Sachwortverzeichnis . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . .. .. .. . . .. . . . .. .. .. . . .. .. . . .. . . . .. .. ... 399

Abkürzungsverzeichnis a.A. ABLEG Abs. a.E Agenda 21

anderer Ansicht Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Absatz alte Fassung angenommen in Rio de Janeiro am 14. Juni 1992 (UN Dok., Report of the UN Conference on Environment and Deve\opment, A/CONEI51/26/Rev. 1 (vol. 2), S. 9)

AJIL AJPIL Antidumping-Übereinkommen

American Journal of International Law Austrian Journal of Public and International Law Übereinkommen zur Durchführung des Art. VI des GATT 1994 Artikel American University International Law Review American University Journal of International Law and Policy Archiv des Völkerrechts Baseler Übereinkommen über die Kontrolle der grenzüberschreitenden Verbringung gefährlicher Abfälle und ihrer Entsorgung (BGBI. 11 1994, S. 2704)

Art. AUILR AUJILP AVR Base\er Übereinkommen

BGBI. BISD BTA BYIL CBD CILJ CITES

CMLRev. CSD CTE Dok. DPCIA DSB DSU

Bundesgesetzblatt Basic Instruments and Selected Documents Border tax adjustment The British Yearbook of International Law Convention on Biological Diversity (siehe Konvention über biologische Vielfalt) Cornell International Law Journal Convention on International Trade in Endangered Species of Wild Fauna and Flora (siehe Washingtoner Artenschutzübereinkommen) Common Market Law Review Commission on Sustainable Development Committee on Trade and Environment Dokument Dolphin Protection Consumer Information Act Dispute Settlement Body Understanding on Rules and Procedures Governing the Settlement of Disputes

Abkürzungsverzeichnis DVBI. EC ed./eds. EEC EELR EFAR EG EGV EJIL EMIT-Gruppe ESA ETP EU EuGH EuGRZ EuR EuZW FCKW FDLI Fn. GATS GATI GIELR GYlL Harmonisiertes System

HILI Hrsg. HS IATIC ICCAT ICJ ICLQ IGH IISD ILA ILM ILO Inter-American Convention LS.d.

25

Deutsches Verwaltungsblatt European Communities editor 1editors European Economic Community European Environmental Law Review European Foreign Affairs Review Europäische Gemeinschaft Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft European Journal of International Law Group on Environmental Measures and International Trade Endangered Species Act Eastern Tropical Pacific Ocean Europäische Union Europäischer Gerichtshof Europäische Grundrechte-Zeitschrift Europarecht Europäi sche Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Fluorchlorkohlenwasserstoffe Food and Drug Law Journal Fußnote General Agreement on Trade in Services General Agreement on Tariffs and Trade Georgetown International Environmental Law Review German Yearbook of International Law Internationales Übereinkommen über das Harmonisierte System zur Bezeichnung und Codierung der Waren (BGBI. 11 1986, S. 1067; ABI. EG 1987 Nr. L 198/3) Harvard International Law Journal Herausgeber Harmonisiertes System Inter-American Tropical Tuna Commission Internationale Kommission für die Erhaltung der Thunfischbestände im Atlantik International Court of Justice International and Comparative Law Quarterly Internationaler Gerichtshof International Institute for Sustainable Development International Law Association International Legal Materials International Labour Organization Inter-American Convention for the Protection and Conservation of Sea Turtles im Sinne des 1im Sinne der

26

Abkürzungsverzeichnis

LS.v.

im Sinne von

ITO ITIO

International Trade Organization International Tropical Timber Organization

i.Y.m. JA

in Verbindung mit Juristische Arbeitsblätter

JIEL JSEBL

Journal of International Economic Law Journal of Small and Emerging Business Law

Jura

Juristische Ausbildung

JWT

Journal of World Trade

Klimarahmenkonvention

Rahmenkonvention der Vereinten Nationen zur Klimaveränderung (BGB!. 199311, S. 1783) angenommen in Rio de Janeiro am 5. Juni 1992 (BGB!. 199311, S. 1741; ILM 31 (1992), S. 818) Kyoto-Protokoll zur Klimarahmenkonvention (ILM 37 (1998), S. 32)

Konvention über biologische Vielfalt Kyoto-Protokoll Max Planck UNYB

Max Planck United Nations Yearbook

MEAs MJGT

Multilateral Environmental Agreements Minnesota Journal of Global Trade Marine Mammal Protection Act

MMPA Mondvertrag

Montrealer Protokoll

m.w.N. NAFfA NJW

Übereinkommen zur Regelung der Tatigkeiten von Staaten auf dem Mond und anderen Himmelskörpern (öBGB!. 1984, S. 1770; ILM 18 (1979), S. 1434) Montrealer Protokoll über Stoffe, die zu einem Abbau der Ozonschicht führen (BGB!. 198811, S. 1014; 1991 11, S. 1332; 199311, S. 2183; 199811, S. 2691 und 2733) mit weiteren Nachweisen North American Free Trade Agreement

Nr.lno. NVwZ

Neue Juristische Wochenschrift Nummer / number Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht

ÖBGB!. OECD

Österreichisches Bundesgesetzblatt Organization for Economic Co-operation and Development

para.

paragraph Permanent Court of International Justice

PCU PPMs RECIEL Rep. Res. Rio-Deklaration

RIW

Processes and Production Methods Review of European Community and International Environmental Law Report / reports Resolution Erklärung von Rio zu Umwelt und Entwicklung (UN Dok., Report of the UN Conference on Environment and Development, A/CONF.151/26/Rev.l (vo!. 2), S. 3; ILM 31 (1992), S. 874) Recht der Internationalen Wirtschaft

Abkürzungsverzeichnis

Rn. S. SCLR SCM Agreement Seerechtskonvention

27

Randnummer Seite / Satz / Sätze Southern California Law Review Übereinkommen über Subventionen und Ausgleichsmaßnahmen angenommen in Montego Bay am 10. Dezember 1982 (BGBI. n 1994, S. 1799; ILM 21 (1982), S. 1261)

sero

series

Sp. SPS-Übereinkommen

Spalte Agreement on the Application of Sanitary and Phytosanitary Measures

StIGH Subventions-Übereinkommen

Ständiger Internationaler Gerichtshof Übereinkommen über Subventionen und Ausgleichsmaßnahmen Agreement on Technical Barriers to Trade

TBT-Übereinkommen TEDs TREMs TRIPS UCLR UN UNCED

UNCLOS UNEP

UNFCCC

Turtle Excluder Devices Trade-Related Environmental Measures Agreement on Trade-Related Aspects of Intellectual Property Rights University of Chicago Law Review United Nations United Nations Conference on Environment and Development United Nations Convention on the Law of the Sea (siehe Seerechtskonvention) United Nations Environment Programme United Nations Framework Convention on Climate Change (siehe Klimarahmenkonvention)

UNTS UPJIEL

United Nations Treaty Series University of Pennsylvania Journal of International Econornic Law

US vol. vs. Wahlfang-Konvention

United States volume versus Internationales Übereinkommen zur Regelung des Wahlfangs (BGBI. 11 1982, S. 558; Hohmann (ed.), Basic Documents, vol. 3, S. 1291)

Washingtoner Artenschutzabkommen

Convention on International Trade in Endangered Species of Wild Fauna and Flora (CITES) (BGBI. 11 1975, S. 773; ILM 12 (1973), S. 1085)

WCED

World Comrnission on Environment and Development Convention for the Prohibition of Fishing with Long Driftnets in the South Pacific (ILM 29 (1990), S. 1449; Hohmann (ed.), Basic Documents, vol. 3, S. 1310)

Wellington-Konvention

28 Weltraum vertrag

WLLR WTO WTO-Übereinkommen WVRK YHRDLJ YIEL YJlL ZaöRV ZEuS ZLR ZUR

Abkürzungsverzeichnis Vertrag über die Grundsätze zur Regelung der Tätigkeiten von Staaten bei der Erforschung und Nutzung des Weltraums einschließlich des Mondes und anderer Himmelskörper (BGBI. 196911, S. 1968) Washington and Lee Law Review World Trade Organization Übereinkommen zur Errichtung der Welthandelsorganisation (WTO) Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge Yale Human Rights and Development Law Journal Yearbook of International Environmental Law Yale Journal of International Law Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht Zeitschrift für Europäische Studien Zeitschrift für Lebensmittelrecht Zeitschrift für Umweltrecht

"Although only recently recognized in GATI case-Iaw, it has long been assumed tbat the only kind of product distinction that can be recognized [ ... ] is a distinction based on the qualities of tbe products themsel ves [ ... ]. Under this so-called ,product-process' doctrine, product distinctions based on characteristics of tbe production process, or of tbe producer, tbat are not determinants of product characteristics are simply Robert E. Hudec1 viewed as apriori illegitimate."

Erster Teil

Problementfaltung A. Untersuchungsgegenstand Zur Einleitung der vorliegenden Bearbeitung zur Produkt-Prozess-Doktrin im Welthandelsrecht sollen zunächst Gegenstand, Ziel und Gang der Untersuchung skizziert werden.

I. Aussage der Produkt-Prozess-Doktrin Die von Rohert E. Hudec als Produkt-Prozess-Doktrin bezeichnete Unterscheidung zwischen dem im internationalen Handel befindlichen Produkt und den im Herkunftsland bei der Herstellung vorherrschenden Umständen und verwendeten Produktionsverfahren gehört schon seit den Anfängen der Welthandelsordnung zu den Grundfesten der Dogmatik des GATI. Obwohl an keiner Stelle des GATI oder der weiteren WTO-Übereinkommen positiv niedergelegt, ist man sich einig: Während staatliche Handelsbeschränkungen, die an Merkmale eines Produkts anknüpfen (produktbezogene Handelsmaßnahmen), grundsätzlich als mit den Vorschriften des Welthandelsrechts in Einklang stehend betrachtet werden, sei das Anknüpfen an besondere Kennzeichen der Herstellung, die sich im Produkt selber nicht niedergeschlagen haben (nichtproduktbezogene Handelsmaßnahmen), von vornherein rechtswidrig. Als schon klassisch zu nennende Beispiele für nichtproduktbezogene Handelsmaßnahmen dienen die den Thunfisch-Fällen zu Grunde liegenden Import1 Hudec, Essays on the Nature of International Trade Law, S. 364 f.; vgl. auch Hudec, in: Bronckers I Quick (eds.), S. 187.

1. Teil: Problementfaltung

30

verbote für Thunfische und Thunfischprodukte, die allein wegen des hohen Beifangs von Delfinen mit den Importverboten belegt worden waren. Hier bedeuteten nicht die gehandelten Thunfische als solche, sondern ausschließlich die verwendeten Fangmethoden eine Gefährdung für die Umwelt. Entsprechende Maßnahmen seien apriori rechtswidrig. So klar und eindeutig die Aussage der Produkt-Prozess-Doktrin auf den Punkt gebracht werden kann, so uneinheitlich und verworren stellt sich das Spektrum der zu dieser Aussage führenden Überlegungen und Argumente dar. Eine welthandelsrechtlich schlüssige Herleitung fehlt fast vollständig. Stattdessen wird nichtproduktbezogenen Handelsrnaßnahmen überwiegend mit mehr oder weniger allgemeinen Hinweisen auf ihre "extraterritoriale" Reichweite oder den Sinn und Zweck der Welthandelsordnung vollständig die Daseinsberechtigung in einem auf internationale Arbeitsteilung ausgerichteten Handelssystem abgesprochen. Unklar ist ferner der Stellenwert zwischenstaatlicher Übereinkommen zum Umweltschutz: Kann sich hieraus im Einzelfall eine Rechtfertigung nichtproduktbezogener Handelsrnaßnahmen ergeben? Diese unter den Stichworten des Unilateralismus und der Kooperation gehandelte Fragestellung ist in jüngerer Zeit zu einem festen Bestandteil der Diskussion um nichtproduktbezogene Handelsrnaßnahmen geworden. Diese und weitere Fragen im Zusammenhang nichtproduktbezogener Handelsrnaßnahmen zum Umweltschutz werden im Folgenden zu untersuchen sein.

11. Anwendungsfall internationaler Umweltschutz Die Produkt-Prozess-Doktrin in ihrer heutigen Form ist maßgeblich durch die Berichte der Panel in den Fällen US - Tuna I und II geprägt worden. Ihr primärer Anwendungsfall liegt dementsprechend im Bereich des internationalen Umweltschutzes, genauer der Verwendung nichtproduktbezogener Hande1smaßnahmen zu Zwecken des Umweltschutzes. Gleichgelagerte Fragestellungen ergeben sich aber auch bei Handelsbeschränkungen zum Schutz anderer nichtwirtschaftlicher Interessen.2 Besondere Aufmerksamkeit haben insoweit Handelsrnaßnahmen zur Durchsetzung international anerkannter Sozialstandards und Menschenrechte erfahren. 3 In allen diesen Fällen wird der Handel eines Produkts staatlicherseits beschränkt, um eine Änderung der Produktionsumstände im Herkunftsland hin zu höheren Umwelt-, Sozial- und Menschenrechtsstandards zu erreichen. Das Produkt selbst ist hierbei - jedenfalls hinsichtlich der zu schützenden nichtwirtschaftlichen Interessen - vollständig unbedenklich. Die Handelsbeschränkung dient nicht zuletzt als Mittel zum Aufbau wirtschaftlichen Drucks auf die EntscheiStrauss, UPJlEL 19 (1998), S. 769. Hierzu Leary, in: Bhagwati/Hudec (eds.), S. 177 ff.; Elliat, in: Schott (ed.) S. 165 ff.; Reuß, Menschenrechte durch Hande1ssanktionen; McCrudden, HEL 2 (1999), S. 3 ff.; Stern, in: Bronckers I Quick (eds.), S. 425 ff. 2

3

A. Untersuchungsgegenstand

31

dungsträger im Herkunftsland, um diese zu einer schonenderen Produktionsweise zu bewegen. Gleichwohl beschränkt sich die vorliegende Bearbeitung auf den Bereich der umweltschutzpolitisch motivierten Handelsmaßnahrnen ohne Produktbezug und lässt die Debatte um die Durchsetzung sonstiger nichtwirtschaftlicher Interessen, insbesondere von Sozialstandards und Menschenrechten, außen vor. Hierfür lassen sich zumindest fünf Gründe anführen: (1) Für den Umweltschutz finden sich im Unterschied zu Fragen der Sozial- und

Menschenrechtsstandards weitgehende normative Ansatzpunkte im Recht der WTO.

(2) Die Produkt-Prozess-Doktrin hat ihre maßgebliche Ausprägung im Bereich des Umweltschutzes erfahren. In diesem Rahmen besteht ein breiter wissenschaftlicher Diskurs über die Legitimität nichtproduktbezogener Handelsrnaßnahmen. (3) In internationalen Umweltschutzübereinkommen werden Handelsmaßnahmen mit und ohne Produktbezug zunehmend zur Durchsetzung der Verpflichtungen vorgesehen. So ist etwa in Art. 4 Abs. 4 des Montrealer Protokolls über Stoffe, die zu einem Abbau der Ozonschicht führen, die Möglichkeit angelegt, Handelsmaßnahrnen gegen Produkte zu ergreifen, die zwar selbst keine ozonschichtschädigenden Stoffe enthalten, bei deren Produktion aber solche verwendet worden sind.4 (4) Die umweltschädliche Produktion hat regelmäßig handfeste grenzüberschreitende Auswirkungen (physical spillovers) auf die Umwelt anderer Staaten und globale Umweltgüter. Die Missachtungen international anerkannter Sozialund Menschenrechtsstandards bleibt in ihren physischen Auswirkungen hingegen auf das Herkunftsland beschränkt. 5 (5) Schließlich steht gerade für Fragen der Sozialstandards mit der International Labour Organization (ILO) eine schlagkräftige internationale Organisation zur Verfügung, während eine vergleichbar starke Umweltschutzorganisation fehlt. Die vorliegende Bearbeitung ist aus diesen Gründen auf den Einsatz nichtproduktbezogener Handelsrnaßnahmen zum Umweltschutz beschränkt. Allein in diesem Kontext soll die Berechtigung der Produkt-Prozess-Doktrin untersucht werden. Nichtproduktbezogene Handelsmaßnahmen zur Durchsetzung international anerkannter Sozial- und Menschenrechtsstandards werden dabei allenfalls zu Zwecken der Abgrenzung oder aber vergleichend zur Überprüfung der gefundenen Ergebnisse berücksichtigt.

Ausführlich hierzu im zweiten Teil C.V.2.a)aa). Hierauf verweisen Howse/Regan, EJlL 11 (2000), S. 283 f.; Bhagwati, in: van Dijckl Faber (eds.), S. 39. 4

5

32

1. Teil: Problementfaltung

III. Erschütterung der Doktrin im Fall US - Shrimp Im Fall US - Shrimp war erstmals der Appellate Body gefragt, über die Vereinbarkeit einer nichtproduktbezogenen Handelsmaßnahme zum Umweltschutz mit den WTO-Übereinkommen zu entscheiden. Das vorgeschaltete Panel hatte noch ganz im Sinne der dargelegten Produkt-Prozess-Doktrin nichtproduktbezogene Handelsmaßnahmen zum Umweltschutz schlicht als "threat to the multilateral trading system,,6 begriffen und eine Rechtfertigung des unterstellten Verstoßes gegen Art. XI des GATT 19947 nach Art. XX von vornherein ausgeschlossen. Der Appellate Body rügte hingegen diese starre Herangehensweise des Panel bei der Rechtfertigungsprüfung. Es sei kein Grund dafür ersichtlich, bestimmte Handelsmaßnahmen, die an spezielle Schutzpolitiken des Herkunftslandes anknüpfen, von vornherein von einer Rechtfertigung nach Art. XX auszuschließen. "It is not necessary to assurne that requiring from exporting countries compliance with, or adoption of, certain policies [ ... ] prescribed by the importing country, renders a measure apriori incapable of justification under Article XX. ,,8

Mit dieser Aussage hat der Appellate Body die seit langem etablierte ProduktProzess-Doktrin kurzer Hand bei Seite geschoben und die Diskussion um die Stellung nichtproduktbezogener Handelsmaßnahmen im Recht der WTO neu eröffnet. Zugleich hat er mit dem Erfordernis zwischenstaatlicher Kooperation9 den Weg zu potenziell mit dem WTO-Recht übereinstimmenden nichtproduktbezogenen Handeismaßnahmen zum Umweltschutz gewiesen. Von einer Lösung der im Zusammenhang nichtproduktbezogener Handelsmaßnahmen auftauchenden Probleme kann aber auch nach dem Bericht des Appellate Body noch keine Rede sein.

IV. Ziel und Gang der Untersuchung Ziel der vorliegenden Bearbeitung ist es, die Stellung nichtproduktbezogener Handelsmaßnahmen zum Umweltschutz im Recht der WTO zu klären. Was steckt hinter der Unterscheidung zwischen Produkt und Prozess? Welche Berechtigung hat die unter dem "alten" GATT entwickelte Produkt-Prozess-Doktrin unter den Panel Report, US - Shrimp, para. 7.61. Artikel ohne Angabe eines Übereinkommens sind solche des GATT 1994 bzw. des GATT 1947. Dabei ist zu beachten, dass die Art. I-XXXVIII in ihrem Text seit dem 1. März 1969 unverändert sind und vollständig vom GATT 1947 in das GATT 1994 überführt worden sind. Zur Bezeichnung dieses übernommenen Normbestandes soll daher allgemein von "GATT" gesprochen werden. Grundsätzlich wird nur dann ausdrücklich von "GATT 1994" die Rede sein, wenn das gesamte in Geltung befindliche GATT 1994 - einschließlich der im Rahmen der Uruguay-Runde neu hinzugefügten Bestandteile - bezeichnet werden soll. 8 Appellate Body Report, US - Shrimp, para. 121. 9 Appellate Body Report, US - Shrimp, para. 166 ff. 6

7

A. Untersuchungsgegenstand

33

WTO-Übereinkommen? Bei der Beantwortung dieser Fragen sollen die ,,[s]weeping generalizations,,10 sowohl der überwiegend aus dem Lager der Freihändler stammenden Befürworter der Doktrin als auch ihrer eher dem Umweltschutz zugeneigten Gegner vermieden werden. Vielmehr soll entsprechend des offenen Ansatzes des Appellate Body die Berechtigung nichtproduktbezogener Handelsmaßnahmen zum Umweltschutz in der Welthandelsordnung unvoreingenommen und differenziert untersucht werden. Dabei liegt der Bearbeitung ausschließlich die geltende Rechtslage zum Zeitpunkt ihrer Erstellung zu Grunde. Die vielfältigen Änderungsvorschläge zur Anpassung vor allem des GATT 1994, aber auch der anderen WTO-Übereinkommen an die Erfordernisse des internationalen Umweltschutzes bleiben unberücksichtigt. 11 In Anbetracht der grundlegenden Meinungsverschiedenheiten zwischen den WTO-Mitgliedern über den Stellenwert des Umweltschutzes in der Welthande1sordnung sind entsprechende Änderungen in absehbarer Zukunft auch nicht zu erwarten. 12 Die Bearbeitung ist in vier Teile gegliedert. Der erste Teil dient der Problementfaltung. Nach einigen wenigen einführenden Überlegungen werden vor dem Hintergrund konkreter Beispiele vor allem aus dem Außenwirtschaftsrecht der EG prägende Kennzeichen nichtproduktbezogener Handelsmaßnahmen zum Umweltschutz herausgearbeitet, die sich daraus ergebenden Vorzüge für den Umweltschutz einerseits wie die auftauchenden Probleme für die von den Handelsbeschränkungen betroffenen WTO-Mitglieder andererseits. Daran anschließend werden Ursprung, Inhalt und Entwicklung der Produkt-Prozess-Doktrin als weit überwiegende, jedoch nicht unbestrittene Antwort in Streitbeilegung und Wissenschaft auf die dargelegten Probleme nachgezeichnet. Im Raum stehen die Argumente der komparativen Kostenvorteile, der "Extraterritorialität", des Unilateralismus und des slippery slope bzw. der Pandora's box. Schließlich wird der Fall US - Shrimp mit den Ausführungen des Appellate Body als jüngste Entwicklung der Diskussion um den Stellenwert nichtproduktbezogener Handelsmaßnahmen zum Umweltschutz im Recht der WTO analysiert. Damit ist der aktuelle Diskussionsstand erreicht und kann abschließend zusammengefasst werden. Im zweiten Teil wird die erarbeitete Problemsicht in den leitenden Grundwerten der Welthandelsordnung verankert. Als Leitlinie dient insoweit die Präambel des WTO-Übereinkommens mit dem Bekenntnis zu wirtschaftlichem Wachstum und NordströmlVaughan, in: WTO (ed.), S. 1. Vgl. die Darstellungen bei Manzini, in: Mengozzi (ed.), S. 816 f.; Brack, in: Sampsonl Chambers (eds.), S. 290 ff.; Biermann, lWT 35, Nr. 3 (2001), S. 421 ff. 12 Diese Einschätzung teilt auch Sampson, The WorId Economy 24 (2001), S. 1113 f. Zu beachten ist jedoch das kürzlich auf der Ministerkonferenz in Doha verabredete Verhandlungsmandat für eine neue multilaterale Handelsrunde, das erstmals den Bereich Handel und Umwelt umfasst. Es ist zwar inhaltlich noch begrenzt, gleichwohl dürfte es einige Dynamik in die Diskussionen um die Reform der Welthandelsordnung bringen (siehe WTO Dok., Doha Ministerial Dec\aration, WT IMIN(OI)/DEC/l, angenommen am 14. November 2001 , para. 31 ff.). 10 11

3 Puth

34

1. Teil: Problementfaltung

nachhaltiger Entwicklung. In der Folge wird zunächst eine wohlfahrtsökonomische Analyse angestellt, um allgemein die Ökonomie nichtproduktbezogener Handelsrnaßnahmen zum Umweltschutz, und insbesondere das Argument der komparativen Kostenvorteile zu ergründen. Im Anschluss daran wird das Konzept der nachhaltigen Entwicklung ausgewertet. Hieraus ergeben sich entscheidende Hinweise auf eine angemessene Differenzierung verschiedener Umweltschutzziele und der jeweiligen Legitimitätskriterien für zu diesem Zweck ergriffene Handelsrnaßnahmen, allen voran einer differenzierten Kooperationsverpflichtung. Insbesondere die Argumente der "Extraterritorialität" und des Unilateralismus, aber auch das viel diskutierte Problem des Verhältnisses multilateraler Umweltschutzübereinkommen zu den WTO-Übereinkommen erscheinen danach in einem anderen Licht. Abschließend werden die aus den Grundwerten der Welthandelsordnung gewonnenen Policy- Vorgaben für die Behandlung nichtproduktbezogener Handelsrnaßnahmen zum Umweltschutz zusammengestellt. Gegenstand des dritten Teils ist die Eingliederung und Verankerung der ermittelten Vorgaben in die weitgehend offenen Vorschriften des materiellen Rechts der WTO im Bereich des Warenhandels, vor allem des GATT. Erst hierdurch erhalten die maßgeblichen Grundwerte ihre im konkreten Einzelfall anwendbare Gestalt und normative Kraft. Dazu wird zunächst dargelegt, wie die Rechtsordnung der WTO funktioniert und in welcher Art und Weise vor allem das Umweltvölkerrecht integriert werden kann. Darauf wird in einem ersten Schritt der konkreten Rechtsanwendung die Anwendbarkeit von SPS- und TBT-Übereinkommen auf nichtproduktbezogene Handelsrnaßnahmen zum Umweltschutz überprüft. Danach wird der Frage nachgegangen, ob die Verwendung besonders niedriger produktionsseitiger Umweltstandards als "Öko-Dumping" oder als indirekte Subventionierung begriffen werden kann, so dass entsprechende nichtproduktbezogene Handelsrnaßnahmen als zulässige Ausgleichsrnaßnahmen angesehen werden könnten. Schließlich werden die Art. I, 11, III, XI und XX daraufhin untersucht, ob und inwieweit sie nichtproduktbezogenen Handelsrnaßnahmen zum Umweltschutz entgegenstehen. Was bleibt unter dem neuen Vorzeichen der WTO von der in die Jahre gekommenen Produkt-Prozess-Doktrin übrig? Im vierten und letzten Teil der Bearbeitung wird diese Ausgangsfrage unter Zusammenfassung der gefundenen Ergebnisse abschließend beantwortet.

B. Einführende Überlegungen Bevor die einzelnen Kennzeichen nichtproduktbezogener Handelsrnaßnahmen zum Umweltschutz zusammengetragen werden und mit der Produkt-Prozess-Doktrin die überwiegend vorgetragene welthandelsrechtliche Antwort hierauf analysiert wird, dienen einige einführende Überlegungen der Einordnung der in die-

B. Einführende Überlegungen

35

sem Zusammenhang diskutierten Probleme in den Kontext der Globalisierung wie auch der Konstitutionalisierung der Welthandelsordnung.

I. Globalisierung und die Büchse der Pandora Die Problematik nichtproduktbezogener Handelsrnaßnahmen zum Umweltschutz erschließt sich in voller Tiefe erst dann, wenn man sie als Folge der immer weiter voranschreitenden Globalisierung betrachtet. Der Begriff der Globalisierung ist inhaltlich zwar weitgehend offen und ungeklärt. Im Ansatz ist man sich jedoch einig: Globalisierung meint die ,,zunahme und Verdichtung der weltweiten sozialen Beziehungen".13 Profil gewinnt diese Umschreibung erst durch die Unterscheidung verschiedener Dimensionen der Globalisierung, etwa in Politik, Ökonomie, Ökologie und Kultur. 14 Im vorliegenden Zusammenhang sind vor allem die ökonomischen und ökologischen Globalisierungsprozesse von Bedeutung. So gilt die Internationalisierung des Handels im Rahmen von GATT und WTO als das älteste und bekannteste Element der ökonomischen Globalisierung. 15 Die sich schon allein hieraus ergebenden Spannungen zwischen tatsächlicher internationaler wirtschaftlicher Verflechtung und der auf nationaler Ebene verbliebenen rechtlichen Regelungshoheit kann anschaulich anhand zweier Zitate verdeutlicht werden: ",All politics is local.' [ ... ] ,All economics is international. ... 16

Unter Beachtung auch der ökologischen Dimension der Globalisierung wird das Bild noch komplexer. 17 Im Stile der genannten Zitate wäre hinzuzufügen: "All environmental problems are international."

Dies ergibt sich aus der schlichten Tatsache, dass sich weder Ökosysteme noch über Wind und Wasser verbreitete Umweltbelastungen an staatliche Grenzen halten. 18 Zu Recht wird daher die natürliche Umwelt als "immanent das erste und wohl noch einzige voll globalisierte Phänomen,,19 betrachtet. Insgesamt führt der Prozess der Globalisierung damit zu einer fortschreitenden Internationalisierung vormals rein nationaler Sachverhalte, wie etwa der Handelsund Umweltpolitik. Hierin liegt eine bisher ungekannte Qualitätssteigerung zwi13 14

15

16

17 18 19

3'

Höf!e, Demokratie im Zeitalter der Globalisierung, S. 13. Bonß, in: Voigt (Hrsg.), S. 47 ff. Bonß, in: Voigt (Hrsg.), S. 50; vgl. auch Dolzer; NJW 2001, S. 2303. Zitiert nach Jackson, JIEL 1 (1998), S. 2. Hierzu Esty. Greening the GATI, S. 17 ff. Nordsträml Vaughan, in: WTO (ed.), S. 1. Rowe, in: Voigt (Hrsg.), S. 249.

1. Teil: Problementfaltung

36

schenstaatlicher Vernetzung und Interdependenz, als deren Folge die Einflussmöglichkeiten einzelner Staaten abnehmen 20 und zwangsweise eine gewisse Denationalisierung einsetzt?l Dies macht es im Gegenzug notwendig, hinsichtlich nunmehr globalisierter Sachverhalte die Zuständigkeiten zwischen den beteiligten Staaten neu aufzuteilen. Die aufgrund tatsächlicher Vernetzung entstandene zwischenstaatliche "community of necessity}2 bedarf einer angemessenen rechtlichen Ordnung?3 Für den Fall von Umweltbelastungen, die bei der Herstellung von im zwischenstaatlichen Handel befindlichen Produkten auftreten und sich nicht im Produkt selber niederschlagen, gibt die Produkt-Prozess-Doktrin eine eindeutige Zuständigkeitsverteilung vor. Für die Herstellung der Produkte samt der hieraus resultierenden Umweltbelastungen sei allein der Staat der Produktion zuständig, und zwar unabhängig davon wo sich die Umweltbelastungen auswirken. Vor dem Hintergrund der Internationalisierung des Handels soll diese Herangehensweise in jedem Fall die Zielsetzung der internationalen Arbeitsteilung sichern. Ob jedoch ein solch rigides Vorgehen zur Sicherung der jeweiligen nationalen Kostenvorteile geeignet und auch notwendig ist, bzw. ob auch der globale Charakter der entstehenden Umweltprobleme hinreichend Berücksichtigung gefunden hat, ist mehr als fraglich. Handelsrnaßnahmen sind im Arsenal der Durchsetzungsinstrumente des Umweltvölkerrechts seit jeher von großer Bedeutung und wohl unverzichtbar. 24 Wenn nun die Produkt-Prozess-Doktrin dem Importstaat jegliche Berechtigung abspricht, mittels Handelsrnaßnahmen auf produktionsseitige Umweltbelastungen des Herkunftslandes Einfluss zu nehmen, verkürzt sie dessen Einflussmöglichkeiten empfindlich. Mangels eines effektiven Durchsetzungsmittels wären die betroffenen Staaten in ihren Umweltschutzbemühungen hinsichtlich globaler und sogar eigener Umweltgüter völlig vom guten Willen des Herkunftslandes abhängig. Dieser aus der Produkt-Prozess-Doktrin erwachsenden Konsequenz ist nun der Appellate Body im Fall US - Shrimp zu Recht entgegengetreten. Danach ist eine kooperative Lösung zwischen den betroffenen Staaten unter gleichberechtigter Berücksichtigung der jeweiligen Anliegen in jedem Fall zuzulassen, auch wenn sie das Ergreifen nichtproduktbezogener Handelsrnaßnahmen beinhaltet. Aber auch im Fall gescheiterter Kooperationsbemühungen ist das Ergreifen nichtproduktbezogener Handelsrnaßnahmen zum Umweltschutz nicht von vornherein auszuschließen. Ihre Berechtigung ist in jedem Einzelfall gesondert zu überprüfen. Diese Erkenntnis bietet für sich genommen noch keine Lösung des Problems nichtproduktbezogener Handelsrnaßnahmen zum Umweltschutz, sondern gibt allenfalls die einzuschlagende Denkrichtung vor. Grundsätzliche Fragen nach dem 20 So für internationale Umweltprobleme Kloepfer, DVBl. 1984, S. 252. 2l Beck, Was ist Globalisierung?, S. 28 f.; Sutherland, in: Bhagwati/Hirsch (eds.), S. 146. 22 23 24

Handl, YIEL 1 (1990), S. 33. Doher, NJW 2001, S. 2303. Bothe, in: Wolfrum (ed.), S. 35.

B. Einführende Überlegungen

37

Sinn und Zweck der Welthandelsordnung, der einzelstaatlichen Zuständigkeitsabgrenzung zum Umweltschutz und dem Inhalt und der Reichweite der Kooperationsverpflichtung bleiben ungeklärt. Ein Abweichen von der strikten ProduktProzess-Doktrin wird von ihren Verfechtern daher auch mit dem Öffnen der Büchse der Pandora verglichen, in der bekanntlich die Plagen der Menschheit lauem. Übertragen auf das Welthandelssystem bereite die grundsätzliche Anerkennung nichtproduktbezogener Handelsmaßnahmen lediglich Willkür, Protektionismus, Unilateralismus und extraterritorialer Rechtsanwendung den Weg. Ob und inwieweit diese Bedenken gerechtfertigt sind, bleibt zu analysieren. Ausschlaggebend dürfte insoweit sein, ob es gelingt, sachlich angemessene und ihrer Ausgestaltung nach verlässlich durchzusetzende Abgrenzungskriterien für die zwischenstaatliche Kompetenzverteilung zu entwickeln. Diesem Bestreben dient die vorliegende Bearbeitung. Die wirtschaftliche und ökologische Verflechtung der einzelstaatlichen Sphären ist komplex und vielgestaltig. Sie bedarf einer differenzierten, an den Grundwerten der internationalen Gemeinschaft orientierten rechtlichen Regelung?5

11. Die Konstitutionalisierung der Welthandelsordnung Die Konstitutionalisierung der Welthandelsordnung bezeichnet den Prozess der rechtlichen Verfestigung und des weiteren rechtlichen Ausgreifens der Handelsordnung der WTO. 26 Dabei kommen verschiedene Dimensionen der Konstitutionalisierung in den Blick, die von einer Vertiefung und Differenzierung der bestehenden Regelungen und Strukturen bis hin zur Einbeziehung weiterer Rechtsbereiche und der Schaffung neuer Institutionen zu ihrer Verwaltung reichen?7 Im vorliegenden Zusammenhang nichtproduktbezogener Handelsmaßnahmen zum Umweltschutz ist insbesondere das Aufgreifen und die Einbeziehung des Spannungsfeldes Handel und Umwelt in das Welthandelsrecht angesprochen. 28 Die Einbeziehung der Belange des internationalen Umweltschutzes in die Handelsordnung der WTO lässt sich leicht an der Präambel des WTO-Übereinkommens ablesen, wonach internationaler Handel zu einer optimalen Nutzung der knappen Ressourcen der Welt in Übereinstimmung mit dem Konzept der nachhaltigen Entwicklung beitragen soll. Vgl. Thürer, ZaöRV 60 (2000), S. 589. Vgl. Hilf, in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht, Bd. 40 (2001), Manuskript S. 4 f.; Benedek, in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht, Bd. 40 (2001), Manuskript S. 4; Thürer, in: Thürer I Kux (Hrsg.), S. 69 ff.; Krajewski, Verfassungsperspektiven, S. 212 ff.; Cass, EJIL 12 (2001), S. 40 ff. 27 Vgl. Krajewski, Verfassungsperspektiven, S. 45. 28 Vgl. den Überblick zu den einzelnen "Handel-und-Themen" - Handel und Umwelt, Handel und Sozialstandards, Handel und Wettbewerb, Handel und geistiges Eigentum, Handel und Investitionen und schließlich Handel und Kultur - bei Dunoff, EJIL 10 (1999), S. 739 ff. 25

26

38

1. Teil: Problementfaltung

Während der Hintergrund der Globalisierung die in dieser Hinsicht bestehende sachliche Komplexität und Wechselbezüglichkeit der Materien globalen Wirtschaftens, globaler Umweltzerstörung und nationaler Regelungshoheit kennzeichnet, verbirgt sich hinter dem Prozess der Konstitutionalisierung der Welthandelsordnung u. a. die institutionelle Anbindung der zwischenstaatlichen Bestrebungen zur angemessenen Lösung der im Spannungsfeld Handel und Umwelt auftauchenden Sachprobleme an die WTO. 29 Der Schnittstellenbereich Handel und Umwelt ist mit anderen Worten dem Rahmen der WTO zugeordnet, und nicht etwa einer Umweltschutzorganisation. Vor diesem Hintergrund untersucht die vorliegende Bearbeitung die Stellung nichtproduktbezogener Handelsrnaßnahmen zum Umweltschutz im Recht der WTO.

C. Nichtproduktbezogene Handelsrnaßnahmen zum Umweltschutz Nachdem der globale Hintergrund der welthandelsrechtlichen Problemstellung umrissen worden ist, bedarf es zunächst der Klärung der tatsächlichen Gestaltungsmerkmale nichtproduktbezogener Handelsrnaßnahmen zum Umweltschutz als Grundvoraussetzung ihrer rechtlichen Bewertung.

I. Aktuelle Beispiele nichtproduktbezogener Handelsmaßnahmen Zur Veranschaulichung der auch nach mehreren Jahren Herrschaft der ProduktProzess-Doktrin unveränderten praktischen Relevanz und sogar Beliebtheit nichtproduktbezogener Handelsrnaßnahmen zum Umweltschutz sollen zunächst einige praktische Beispiele - vor allem aus dem Außenwirtschaftsrecht der EG - dargestellt werden. Erst vor dem Hintergrund dieser konkreten Beispiele werden die im Zusammenhang nichtproduktbezogener Handelsrnaßnahmen diskutierten Probleme greifbar und ihr umweltschutzpolitisches Potenzial ersichtlich. 1. Tier- und Artenschutz

Im Bereich des Tier- und Artenschutzes spielen nichtproduktbezogene Handelsrnaßnahmen seit jeher eine bedeutende Rolle?O Hierher gehören auch die wohl 29 Benedek. in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht, Bd. 40 (2001), Manuskript S. 4. 30 Vgl. die frühen Beispiele bei Chamovitz. JWT 25, Nr. 5 (1991), S. 39 f.

C. Nichtproduktbezogene Handelsrnaßnahmen zum Umweltschutz

39

prominentesten Beispiele für nichtproduktbezogene Handelsmaßnahmen, die den Fällen US - Tuna I und II und US - Shrimp zu Grunde liegenden Importverbote für Thunfisch bzw. Shrimps, bei deren Fang unnötig viele Delphine bzw. Meeresschildkröten getötet worden sind. Die besondere Bedeutung nichtproduktbezogener Handelsmaßnahmen gerade für den Schutz der Meeresumwelt belegen ferner die internationalen Bestrebungen zur Bekämpfung des Schleppnetzfischens?l So ennutigt insbesondere die Wellington-Konvention die Vertragsparteien in ihrem Artikel 3 Absatz 21it. c ausdrücklich dazu, die Einfuhr von Fisch zu untersagen, der mit Hilfe von verbotenen Schleppnetzen gefangen worden ist. Ein aktuelles Beispiel aus dem Außenwirtschaftsrecht der EG bietet ferner das Importverbot für atlantischen Großaugenthunfisch aus bestimmten Ursprungsländern, die den Fang nicht regulieren und dadurch Maßnahmen zur Bestandserhaltung und Bestandsbewirtschaftung im Rahmen der Internationalen Kommission für die Erhaltung der Thunfischbestände im Atlantik (ICCAT) vereiteln.32

2. Schutz der Wälder und der Ozonschicht Bekannte Beispiele nichtproduktbezogener Handelsmaßnahmen zum Umweltschutz sind weiter die verschiedenen handelsre1evanten Maßnahmen zur Beförderung der nachhaltigen Bewirtschaftung von Wäldern. 33 Hierzu zählen insbesondere Importverbote für Holz, das nicht aus nachhaltig bewirtschafteten Wäldern stammt. 34 Bisher wird hiervon in der Staatenpraxis nur zögerlich Gebrauch gemacht. Die Entwicklungen im Rahmen der Internationalen Tropenholzorganisation (International Tropical Timber Organization, ITTO) dürften jedoch Anlass geben, verstärkt das Ergreifen von Einfuhrbeschränkungen für Holz, das nicht aus nachhaltig bewirtschafteten Wäldern stammt, zu erwägen. 35 Die Vertragsstaaten der ITTO haben wiederholt ihre Absicht bekundet, in Zukunft möglichst nur noch Holz aus nachhaltig bewirtschafteten Wäldern zu exportieren. 36 Das Ergreifen Ausführlich hierzu Hewison, in: OECD (ed.), S. 59 ff. Verordnung (EG) Nr. 1036/2001 des Rates vom 22. Mai 2001 über das Verbot der Einfuhr von atlantischem Großaugenthun (Thunnus obesus) mit Ursprung in Belize, Kambodscha, Äquatorialguinea, St. Vincent und den Grenadinen sowie Honduras, ABI. EG Nr. L 145110. 33 Simula, in: OECD (ed.), S. 78; vgl. auch König, in: Wolfrum (ed.), S. 356 ff. 34 Vgl. Arden-Clarke, in: Brack (ed.), S. 75; Hilf, NVwZ 2000, S. 482; Schmidtl Kahl, in: Rengeling (Hrsg.), Rn. 91. 35 Hierzu Doher I Laule, EuZW 2000, S. 229 ff. 36 Vgl. nur ITIO Dok., Action Plan: Criteria and Priority Areas for Programme Development and Project Work, ITIC (IX)/6 Rev. 1, vom 22. November 1990, Appendix 1, A.l: "The collective decision by ITIO to fix a target date, namely the year 2000, within which time all tropical timber export should come from sustainably managed forests indicates the preparedness by producer countries to overcome, as best as they can, political, socia!, eco31

32

40

1. Teil: Problementfaltung

korrespondierender Importverbote durch die Zielländer liegt vor diesem Hintergrund nahe. 37 Ein frühes Beispiel zum Schutz speziell der tropischen Regenwälder bietet das österreichische Gesetz aus dem Herbst 1992, das eine zwingende Kennzeichnungspflicht für Tropenholz und Tropenholzprodukte in Geltung gesetzt hatte. 38 Aufgrund tiefgreifender Kritik vor allem von Seiten der Erzeugerstaaten sah sich Österreich jedoch schon nach kurzer Zeit gezwungen, seine Kennzeichnungsregelung anzupassen und ihr insbesondere den zwingenden Charakter zu nehmen. Weitere typische Beispiele für nichtproduktbezogene Handelsrnaßnahmen zum Umweltschutz entstammen den Bestrebungen zum Schutz der Ozonschicht. In der Literatur werden in diesem Zusammenhang insbesondere Importverbote für elektronische Bauteile und Komponenten 39 oder auch für Papier und Papierprodukte 40 angeführt, die mit ozonschichtschädigenden Stoffen gereinigt bzw. gebleicht worden sind. Auch in diesen Fällen bedeuten die gehandelten Bauteile bzw. das gehandelte Papier selbst keine Bedrohung für die Ozonschicht. Allein im Rahmen ihrer Produktion werden ozonschichtschädigende Stoffe freigesetzt. 3. Umweltkennzeichen Besonders in den westlichen Industriestaaten ist ein Trend zur Verwendung meist freiwilliger Umweltkennzeichen zu verzeichnen. Die entsprechenden staatlichen oder privaten Kennzeichnungsprogramme heben besonders umweltfreundliche Produkte hervor und zielen letztlich darauf ab, über das Nachfrageverhalten der Verbraucher die industrielle Produktion zu einem schonenderen Umgang mit der Natur zu veranlassen. Aufgrund dieser Funktionsweise entfalten Umweltkennzeichen regelmäßig handelsbeschränkende Wirkung gegenüber ausländischen Produkten. Dabei verfolgen modeme Umweltkennzeichen, wie z. B. das europäische Umweltkennzeichen41 , die sog. EU-Umweltblume, häufig einen LiJe-cycle-Ansatz, bei dem entsprechend des Grundsatzes "von der Wiege bis zur Bahre" der gesamte nomical, and technical factors which are obstacles for sustainable management and utilization of their forests. Similarly it indicated the preparedness by consumer countries to encourage and support such efforts." 37 Demaret, in: Cameron 1 Demaretl Geradin (eds.), S. 285. 38 Vgl. hierzu Sucharipa-Behrmann, AlPIL 46 (1993/94), S. 283 ff.; König, in: Wolfrum (ed.), S. 357 ff.; Lang, GIELR 7 (1995), S. 465 f. 39 Vgl. Schlagenhof, JWT 29, Nr. 6 (1995), S. 148. 40 Vgl. Hilf, NVwZ 2000, S. 482. 41 Verordnung (EWG) Nr. 880/92 des Rates vom 23. März 1992 betreffend ein gemeinschaftliches System zur Vergabe eines Umweltzeichens, ABl. EG Nr. L 991 1; ersetzt durch Verordnung (EG) Nr. 1980/2000 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juli 2000 zur Revision des gemeinschaftlichen Systems zur Vergabe eines Umweltzeichens, ABI. EG Nr. L 23711. Hierzu Driessen, EELR 1999, S. 6; Forgo, Europäisches Umweltzeichen und Welthandel.

C. Nichtproduktbezogene Handeismaßnahmen zum Umweltschutz

41

Lebenszyklus eines Produktes von der Gewinnung und Auswahl der Grundstoffe über den Produktionsprozess und den Vertrieb bis hin zur Entsorgung in die Umweltbilanz eingestellt werden. 42 Es ist das Anknüpfen auch an die Umweltfreundlichkeit der Produktion, welche die Kennzeichnungsregelungen für die fertigen Produkte zumindest teilweise als nichtproduktbezogene Handelsrnaßnahmen kennzeichnet. 4. Steuer auf Kohlendioxidemissionen

Als Beispiel für eine nichtproduktbezogene Umweltsteuer auf eingeführte Produkte kann der vieldiskutierte Vorschlag der EG-Kommission zur Einführung einer Steuer auf Kohlendioxidemissionen43 herangezogen werden. 44 Die Steuer soll innergemeinschaftlich speziell auf Energieerzeugnisse fossilen Ursprungs erhoben werden, um die bei ihrer Verbrennung auftretenden Kohlendioxidemissionen zu begrenzen. Sie soll darüber hinaus auf alle Energieformen Anwendung finden, um allgemein die rationelle Nutzung von Energie zu fördern. Diese Steuer ist zwar innergemeinschaftlich in einem Sinne produktbezogen ausgestaltet, als die Energieträger gerade wegen ihrer Eigenschaften (Verursachung von Kohlendioxidemissionen und Energiegehalt) besteuert werden. Soll diese Steuer jedoch auch eingeführten Produkten entgegengehalten werden, so würde es sich hierbei um eine nichtproduktbezogene Umweltsteuer handeln. Die eingeführten Produkte würden nämlich nicht wegen ihrer physischen Merkmale besteuert, sondern entsprechend der bei ihrer Produktion verbrauchten Energie. Obwohl die Aufmerksamkeit in der Literatur für Umweltabgaben als Instrument der Umweltpolitik ungebrochen anhält45 , scheint speziell die europäische Initiative für eine Steuer auf Kohlendioxidemissionen ins Stocken geraten zu sein. Die Gründe hierfür dürften wohl in den Bedenken über die Auswirkungen der Steuer auf die internationale Wettbewerbsfähigkeit europäischer Produkte und nicht zuletzt auch in der Unsicherheit über die Implikationen des Welthandelsrechts zu suchen sein.

42 Hierzu Appleton, Environmental Labelling Programmes, S. 5 ff.; Herrup, EELR 1999, S. 145; Rege, JWT 28, Nr. 3 (1994), S. 133. 43 Vorschlag der Kommission für eine Richtlinie des Rates zur Einführung einer Steuer auf Kohlendioxidemissionen und Energie, KOM(92) 226, ABI. EG 1992 Nr. C 196/1; Geänderter Vorschlag der Kommission für eine Richtlinie der Rates zur Einführung einer Steuer auf Kohlendioxidemissionen und Energie, KOM(95) 172 endg. 44 Allgemein hierzu Lienemeyer; EuR 1998, S. 478 ff.; Stewardson, in: OECD (ed.), S. 93 ff.; Düerkop, CML Rev. 31 (1994), S. 807 ff. 4S Vgl. Wasmeier; Umweltabgaben und Europarecht; Heselhaus, Abgabenhoheit; Freytag, Europarechtliche Anforderungen an Umweltabgaben.

1. Teil: Problementfaltung

42

11. Allgemeine Begriffsklärungen Bevor der Blick gerade auf die Besonderheiten nichtproduktbezogener Handelsrnaßnahmen zum Umweltschutz gerichtet wird, sollen zunächst die allgemeinen Begriffe des Produkts bzw. der Ware, der Umwelt, der Umweltbelastung und der Handelsrnaßnahmen zum Umweltschutz definiert werden.

1. Produkte/Waren Das WTO-Recht selbst enthält keine Definition des Begriffs des Produkts oder der Ware. 46 Für die Zwecke der vorliegenden Bearbeitung sollen darunter alle geldwerten körperlichen Gegenstände verstanden werden, die Gegenstand des zwischenstaatlichen Handelsverkehrs sein können. 47

2. Umwelt Der Begriff der Umwelt wird im zwischenstaatlichen Verkehr nicht einheitlich verwendet und ist je nach Zusammenhang unterschiedlichen Deutungen zugänglich. Im Fall Nuclear Weapons hat der IGH eine weite Definition geliefert, wonach unter Umwelt der gesamte Lebensraum des Menschen zu verstehen ist: ,,[T]he environment is not an abstraction but represents the Iiving space, the quality of life and the very health of human beings, including generations unborn ...48

Dieser Ansatz des IGH beruht auf dem seit der Stockholmer Umweltkonferenz von 197249 vorherrschenden weiten Umweltbegriff. Danach ist unter Umwelt sowohl die natürliche als auch die vom Menschen geschaffene Umwelt zu verstehen, die sich aus den Umweltmedien Wasser, Luft und Boden, der Biosphäre und deren Beziehungen zueinander sowie zu den Menschen zusammensetzt. 50

Vgl. zu den enthaltenen Ansatzpunkten Senti, WTO, Rn. 727. Vgl. Herdegen, Internationales Wirtschaftsrecht, S. 114 f. 48 IGH, Legality of the Threat or Use of Nuclear Weapons, ICJ Rep. 1996, S. 241 f., para. 29. 49 Siehe UN Dok., Declaration of the UN Conference on the Human Environment, Stockholm 5 June 1972, (1.1,1.3); abgedruckt bei Hohmann (ed.), Basic Documents, vol. 1, S. 21 ff. 50 Vgl. Kiss/Shelton, International Environmental Law, S. 2; Lersner; in: Kirnminichl LersnerlStorrn (Hrsg.), Sp. 2111; Kloepfer; Umweltrecht, S. 17; Hoppe/Beckmann/Kauch, Umweltrecht, S. 3 ff. 46

47

C. Nichtproduktbezogene Handelsmaßnahmen zum Umweltschutz

43

3. UmweItbelastung Genau wie der Begriff der Umwelt ist auch der Begriff der Umweltbelastung inhaltlich nicht fest fixiert. Häufig wird zu seiner Definition auf die Empfehlungen der OECD aus den Jahren 1974 und 1977 verwiesen. 51 Danach ist der Begriff der Umweltbelastung (pollution) definiert als: ,,,Pollution' means any introduction by man, directly or indirectly, of substance or energy into the environment resulting in deleterious effects of such a nature as to endanger human health, harrn ]jving resources and eco-systems, impair amenities or interfere with other legitimate uses of the environment.,,52

Wesentliche Kennzeichen der Umweltbelastung sind also die durch den Menschen verursachten schädlichen Effekte, die zu einer Gefahrdung oder sogar Schädigung der Umwelt führen. Dabei ist unter Umweltschädigung die nicht unerhebliche Beeinträchtigung eines Umweltgutes zu verstehen, während die Umweltgefahrdung eine Situation bezeichnet, die bei ungehindertem Ablauf des objektiv zu erwartenden Geschehens mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu einer Schädigung der Umwelt führen wird. 53 Vor diesem Hintergrund ist es unerheblich, ob schon das einzelne umweltrelevante Verhalten eine Beeinträchtigung der Umwelt hervorruft oder ob eine relevante Beeinträchtigung erst durch das kumulative Zusammenwirken vieler, für sich genommen unbedenklicher, umweltrelevanter Verhaltensweisen zustande kommt. 54 Schließlich genügt, dass eine menschliche Verhaltensweise unmittelbar oder mittelbar ("directly or indirect1y") zu einer relevanten Beeinträchtigung der Umwelt führt ("resulting in"). Insgesamt liegt der vorliegenden Bearbeitung daher ein weiter Begriff der Umweltbelastung zu Grunde. 4. Handelsmaßnahmen zum Umweltschutz

Unter Handelsrnaßnahmen sind alle staatlichen Maßnahmen zu verstehen, die geeignet sind, den zwischenstaatlichen Warenhandel zu beschränken. Dabei soll die Frage der handelsbeschränkenden Wirkung weder aufgrund empirischer Erhebungen noch modelltheoretischer Erwägungen beantwortet werden. Vielmehr soll dann eine handelsbeschränkende Wirkung angenommen werden, wenn hierdurch vom Ideal eines völlig freien zwischenstaatlichen Warenverkehrs abgewichen wird. 55 51 Oppennann, in: Kimminich/LersnerlStorm (Hrsg.), Sp. 906. 52 OECD Dok., Implementation of a Regime of EquaI Right of Access and Non-Discrimination in Relation to Transfrontier Pollution, Recommendation adopted on 17 May 1977, C(77)28, (Annex, Introduction (a», abgedruckt in: Hohmann, Basic Documents, vol. I, S. 415 ff.; siehe auch OECD Dok., Principles Concerning Transfrontier Pollution, Recommendation adopted on 14 November 1974, C(74)224, (Annex, Introduction), abgedruckt in: Hohmann, Basic Documents, vol. I, S. 409 ff. 53 Hoppe/Beckmann/Kauch, Umweltrecht, S. 3 ff. 54 Vgl. Nordsträml Vaughan, in: WTO (ed.), S. 13. 55 Vgl. netje, Normative Grundstrukturen, S. 33.

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1. Teil: Problementfaltung

Handeismaßnahmen zum Umweltschutz sind gerade solche handeisbeschränkenden staatlichen Maßnahmen, die unmittelbar oder mittelbar der gänzlichen Vermeidung oder Verminderung von Umweltbelastungen dienen. 56 Hierbei handelt es sich im Kern um eine - anhand objektiver Kriterien überprütbare - Zweckbestimmung durch den handelnden Staat. In der Literatur hat sich die Abkürzung der TREMs (trade related environmental measures) durchgesetzt, die auch im Folgenden Verwendung finden soll. 57 Von den spezifisch auf den Umweltschutz gerichteten Handeismaßnahmen sind jedoch die allgemeinen Handelssanktionen zu unterscheiden. Während Handeismaßnahmen zum Umweltschutz gezielt den Handel derjenigen Produkte beschränken, in deren Lebenszyklus von der Produktion bis hin zum Verbrauch die beobachtete Umweltbelastung entsteht, betreffen Sanktionen Produkte, die in keinem sachlichen Zusammenhang zur beobachteten Umweltbelastung stehen. 58 Im Fall der umweltschädlichen Produktion handelt es sich also nur insofern um hierauf gerichtete Handeismaßnahmen zum Umweltschutz, als hierdurch die aus dieser schädlichen Produktion stammenden Produkte betroffen sind. Werden hingegen Produkte im Handel beschränkt, die nicht aus dieser schädlichen Produktion stammen, handelt es sich um Sanktionen.

III. "Processes and production methods" und Produktmerkmale Aus volkswirtschaftlicher Sicht sind im Lebenszyklus eines Produkts grundsätzlich zwei Ebenen zu unterscheiden, die Produktion und der Verbrauch. In diesem weitesten Sinne versteht man unter Produktion die Summe der Tatigkeiten, die erforderlich sind, bis das fertige Produkt auf den Markt gelangt. 59 Hierher gehört der Begriff der "processes and production methods" (PPMs). Er bezeichnet die Art und Weise in der ein Produkt hergestellt oder produziert und ein Naturerzeugnis gewonnen oder gefangen wird. 6o Entsprechend ihrer Beziehung zum fertigen Produkt ist zu unterscheiden zwischen PPMs, die sich in den Merkmalen des fertigen Produkts niederschlagen und sich gleichsam im fertigen Produkt manifestieren 56 Vgl. zum Begriff des Umweltschutzes Hoppe/Beckmann/Kauch, Umweltrecht, S. 20 ff. 57 Mit der Verwendung dieser Abkürzung soll keine Akzentverschiebung bei der Definition des Begriffs der Handeismaßnahmen zum Umweltschutz einhergehen. Die untersuchten Maßnahmen bleiben originäre Handeismaßnahmen, die lediglich durch ihren Zweck näher bestimmt werden. 58 Chamovitz, GIELR 6 (1993), S. 4; Stevens, in: OECD (ed.), S. 9; vgl. auch Pearce, in: Cameron/Demaret/Geradin (eds.), S. 32. 59 Gruber/ Kleber; Grundlagen der Volkswirtschaftslehre, S. 13. 60 OECD Dok., Processes and Production Methods (PPMs): Conceptual Framework and Considerations on Use ofPPM-Based Trade Measures, OCDE/GD(97)137, S. 7; Chamovitz, GIELR 6 (1993), S. 5; Snape/Lejkovitz, CILJ 27 (1994), S. 778; vgl. auch Goode, Dictionary of Trade Policy Terms, S. 223.

C. Nichtproduktbezogene Handeismaßnahmen zum Umweltschutz

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(produktbezogene PPMs) und solchen, die sich nicht in den Merkmalen des fertigen Produkts niederschlagen und daher keine Auswirkungen auf das fertige Produkt haben (nichtproduktbezogene PPMS).61 Die Ebene des Verbrauchs bezeichnet demgegenüber alle der Produktion zeitlich nachgelagerten Phasen im Lebenskreislauf eines Produkts, von seinem bestimmungsgemäßen Gebrauch zum unmittelbaren Konsum oder zur Weiterverarbeitung in einem neuen Produktionsprozess bis hin zu seiner Entsorgung und seinem Untergang. Dabei richtet sich der Verbrauch grundsätzlich nach den konkreten Eigenschaften und Merkmalen des fertigen Produkts (Produktmerkmale). Die Verbraucher und industriellen Abnehmer sind primär an Funktion, Gestalt und Qualität des fertigen Produkts interessiert, nicht an dessen Herstellung. Die konkrete Begrifflichkeit der PPMs entstammt dem "alten" Agreement on Technical Barriers to Trade aus dem Jahr 1979 (sog. Standards Code)62. Dessen Art. 14.25 trug die Überschrift "Processes and production methods" und lautete: "The dispute settlement procedures set out above can be invoked in cases where a Party considers that obligations under this Agreement are being circumvented by the drafting of requirements in terms of processes and production methods rather than in terms of characteristics of products."

Mit dieser im Zusammenhang der Streitbeilegungsvorschriften stehenden Regelung sollte eine Umgehung des Übereinkommens ausgeschlossen werden. Nach Annex I des Übereinkommens fielen nämlich allein technische Spezifikationen "contained in a document which lays down characteristics of a product" in den Anwendungsbereich des Standards Code. Da die Merkmale eines Produkts jedoch immer Ergebnis eines Produktionsprozesses sind, ist es möglich, in staatlichen Vorschriften - ohne Änderung des tatsächlichen Regelungsgehalts - statt an bestimmte Produktmerkmale an die hierzu führenden Produktionsprozesse anzuknüpfen. Dann wäre der Anwendungsbereich des Übereinkommens bei strenger Lesart nicht eröffnet und der Umgehung der speziellen Verpflichtungen Tür und Tor geöffnet. Genau diesen beliebigen Austausch des Anknüpfungspunktes einer staatlichen Vorschrift erklärte Art. 14.25 des Standards Code für unbeachtlich und schob der Umgehung somit einen Riegel vor. Über diese Umgehungsregelung hinaus ergibt sich aus Art. 14.25 des Standards Code jedoch keine rechtliche Bewertung von staatlichen PPM-Vorgaben. 63 Anforderungen an PPMs, genauer gesagt an produktbezogene PPMs (per definitionem haben allein produktbezogene PPMs Auswirkungen auf das fertige Produkt und 61 OECD Dok., Processes and Production Methods (PPMs): Conceptual Framework and Considerations on Use of PPM-Based Trade Measures, OCDE I GD(97) 137, S. 10 f.; vgl. ferner Appleton, Environmental Labelling Programmes, S. 92 f.; Schoenbaum, AJIL 91 (1997), S. 288; Zedalis, EELR 1997, S. 108 f.; Rege, JWT 28, Nr. 3 (1994), S. 110 f. 62 Abgedruckt in GATT (ed.), The Texts ofthe Tokyo Round Agreements, S. 1 ff. 63 Petersmann, JWT 27, Nr. 1 (1993), S. 68.

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1. Teil: Problementfaltung

können daher Anforderungen an Produktmerkmale ersetzen), werden allein daraufhin überprüft, ob sie eine Umgehung des Übereinkommens darstellen oder nicht. 64 Staatliche Vorgaben hinsichtlich nichtproduktbezogener PPMs werden gar nicht erfasst. Dem Agreement on Technical Barriers to Trade aus dem Jahr 1979 ist daher zwar der Begriff der PPMs entnommen, einen Anhaltspunkt für die ProduktProzess-Doktrin enthält es indes nicht. Schon an dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass staatliche Produktvorschriften demnach drei mögliche Anknüpfungspunkte haben können. Sie können Anforderungen an nichtproduktbezogene PPMs, produktbezogene PPMs und Produktmerkmale formulieren .

IV. Umweltbelastungen durch Produktion und Verbrauch Die immer dringlicheren Umweltprobleme unserer Zeit finden ihre grundsätzliche Ursache in der erheblichen und dauerhaften Überbeanspruchung der natürlichen Lebensgrundlagen. Dies liegt vor allem am explosionsartigen Bevölkerungswachstum65 sowie am stetig ansteigendem wirtschaftlichen Wachstum und damit einhergehenden wachsenden Konsumbedürfnissen.66 Überfischung, Abholzung der Regenwälder und globale Erwärmung sind nur einige der daraus resultierenden Umweltprobleme. Sie alle stehen in unauflösbarem Zusammenhang zur Produktion und zum Verbrauch von Waren. 67 Im Lebenszyklus eines Produkts können in jeder Phase Umweltbelastungen auftreten, bei der Produktion wie beim Verbrauch. 68 Ist der Verbrauch eines Produkts umweltschädlich, so liegt dies an bestimmten Merkmalen des Produkts einschließlich der diese hervorbringenden Produktionsweisen, d. h. produktbezogenen PPMs.69 Das fertige Produkt selbst - wie etwa der laute Rasenmäher, die mit Pestizidrückständen belastete Sojabohne, die grundwasserbelastende Geschenkverpackung oder der mit einem krebserregenden Lösungsmittel versehene Lack bedeutet hier eine Belastung für die Umwelt. Die Umweltbelastung haftet gleichVgl. Palmeter; JWT 27, Nr. 3 (1993), S. 65. Zu Anfang des 20. Jahrhunderts betrug die Weltbevölkerung etwa 1,6 Mrd. Menschen. Heute liegt sie etwa bei 6 Mrd. Menschen, und die Demographen sagen einen weiteren Anstieg bis zu maximal 10 Mrd. Menschen vorher; vgl. NordströmlVaughan, in: WTO (ed.), S.13. 66 Kloepfer; Umweltrecht, S. 14. 67 Vgl. EG Dok., Grünbuch zur integrierten Produktpolitik, KOM (2001) 68 endgültig, S.3. 68 Dabei geht es um Umweltbe1astungen, die im bestimmungsgemäß verlaufenden Lebenszyklus des Produktes auftreten. Unfalle werden nicht abgedeckt. Diesen würde staatlicherseits auch nicht mit Mitteln des Außenwirtschaftsrechts begegnet, es würden vielmehr Fragen der Haftung im Vordergrund stehen. 69 Vgl. Tussie/Vasquez. in: Tussie (ed.), S. 99 f. 64

65

C. Nichtproduktbezogene Handeismaßnahmen zum Umweltschutz

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sam dem Produkt an. Entsprechend werden staatliche Vorschriften zur Regulierung der beim Verbrauch eines Produkts entstehenden Umweltbelastungen auch produktbezogene Vorschriften genannt. Umweltbelastungen auf der Ebene der Produktion, z. B. die Verschrnutzung von industriell genutztem Kühlwasser oder die Belastung der Atmosphäre mit Schwefeldioxid oder Kohlendioxid, werden demgegenüber durch nichtproduktbezogene PPMs verursacht. 70 Sie haften dem fertigen Produkt nicht an, das Produkt selbst ist insoweit vollkommen unbedenklich. Dementsprechend werden staatliche Umweltschutzanforderungen an die Produktion eines Produkts als nichtproduktbezogene Vorschriften bezeichnet. Aus dieser Perspektive steht nicht mehr der Unterschied zwischen den bei der Produktion verwendeten PPMs und den Merkmalen des fertigen Produkts im Vordergrund, sondern der Produktbezug der Umweltbelastung und die durch den regulierenden Staat entsprechend zu wählenden Anknüpfungspunkte. Will der Staat Umweltbelastungen auf der Ebene der Produktion regulieren, formuliert er nichtproduktbezogene Vorschriften, die an die verwendeten nichtproduktbezogenen PPMs anknüpfen. Will er hingegen Umweltbelastungen auf der Ebene des Verbrauchs regulieren, stellt er produktbezogene Vorschriften auf, die an produktbezogene PPMs oder Produktmerkmale anknüpfen. Genau diese Perspektive unterliegt der Unterscheidung zwischen Produkt und Prozess nach der Produkt-ProzessDoktrin.

v. Integrierter Umweltschutz: Bekämpfung an der Quelle Umweltschutzmaßnahmen sind am effektivsten, wenn sie an der Wurzel ansetzen und bereits die Entstehung von Umweltbelastungen bekämpfen.7 ! Vorzugswürdig sind daher Maßnahmen, die bereits in den Produktionsprozess integriert werden (sog. integrierte Umweltschutzmaßnahmen) und nicht erst nachträglich die negativen Umweltauswirkungen zu korrigieren bzw. kompensieren suchen (sog. End-oj-pipe- Verfahren).72 Dieser "Grundsatz, Umweltbeeinträchtigungen mit Vorrang an ihrem Ursprung zu bekämpfen" (Rectification-at-source-Prinzip) hat auch mit Art. 174 Abs. 2 EGV Eingang in die Umweltpolitik der EG gefunden. 73 Staatliche Umweltschutzpolitiken stellen daher häufig Anforderungen schon an die Produktionsweise eines Produktes (PPM-Anforderungen). Dabei können die Tussie/Vasquez, in: Tussie (ed.), S. 101. Vgl. Petersmann, International and European Trade and Environmental Law, S. 15; Petersmann, JWT 27, Nr. 1 (1993), S. 49; Deardorff, in: Bronckers/Quick (eds.), S. 78; Nordsträm / Vaughan, in: WTO (ed.), S. 3. 72 Fritsch/Wein/ Ewers, Marktversagen und Wirtschaftspolitik, S. 156; Renn/ Knaus/ Kastenholz, in: Breuel (Hrsg.), S. 40 f.; Kloepfer, Umweltrecht, S. 311. 73 Hierzu Scherer/ Heselhaus, in: Dauses (Hrsg.), Rn. 23. 70 71

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1. Teil: Problementfaltung

PPM-Anforderungen gemäß obiger Unterscheidung wiederum umweltschädliche Produktionsweisen betreffen, die sich in den Merkmalen eines Produktes niederschlagen (produktbezogene PPM-Anforderungen), oder die keine Auswirkung auf die Eigenschaften des fertigen Produktes haben (nichtproduktbezogene PPM-Anforderungen) . Praktisch können staatliche PPM-Anforderungen auf verschiedene Arten ausgestaltet sein. 74 Einmal kann positiv die Verwendung bestimmter PPMs zwingend vorgeschrieben werden. Zum anderen kann negativ die Anwendung bestimmter PPMs wegen ihrer besonderen Schädlichkeit verboten werden. Schließlich können innerstaatliche PPM-Anforderungen auch so ausgestaltet sein, dass sie lediglich einzelne Eigenschaften der verwendeten PPMs vorgeben, ohne jedoch eine bestimmte Produktionsweise vorzuschreiben oder auszuschließen. Mit der Formulierung seiner PPM-Anforderungen entscheidet der regulierende Staat somit zugleich über den verbleibenden Spielraum der Hersteller hinsichtlich der Gestaltung der eigenen Produktion. Innerhalb der Gruppe staatlicher PPM-Anforderungen sind wiederum nichtproduktbezogene PPM-Anforderungen von besonderer praktischer Relevanz. Im Bereich der umweltschädlichen Produktion ist mit privaten Vermeidungsstrategien der Produzenten, d. h. einem "moralischen Verhalten" gegenüber der Umwelt, nämlich grundsätzlich nicht zu rechnen. 75 Entschließt sich ein Produzent dazu, die im Rahmen seiner Produktion auftretenden Umweltbelastungen einseitig zu verringern und aus diesem Grunde höhere Vermeidungskosten zu tragen, so verschlechtert sich seine Weubewerbsposition auf den nationalen und internationalen Märkten. Dies gilt ganz besonders für solche Anstrengungen zum Umweltschutz, die an den Eigenschaften des fertigen Produktes nichts ändern und daher nichtproduktbezogene PPMs betreffen. Das liegt an einem nicht durchgängig "moralischen Verhalten" auch der Konsumenten. Während das wachsende Umweltbewusstsein vieler Konsumenten dazu führt, dass sie zunehmend bereit sind, für umweltfreundliche Produkte einen höheren Preis zu entrichten, verschwindet diese Bereitschaft regelmäßig, wenn sie die anfallenden Mehrkosten nicht in dem erworbenen Gut begründet finden bzw. die erreichte Minderbelastung der Umwelt nicht am Produkt selbst ablesen können. Die nicht im Produkt selber "verkörperte Umweltfreundlichkeit" schlägt sich also nur unzureichend in einer erhöhten Zahlungsbereitschaft der Verbraucher nieder. Der marktwirtschaftliche Konkurrenzdruck lässt eine einseitige Vermeidung von Umweltbelastungen bei der Produktion durch den Produzenten daher regelmäßig nicht zu. Staatliche Umweltschutzmaßnahmen sind also gerade für produktionsseitige Umweltbelastungen infolge umweltschädlicher nichtproduktbezogener PPMs unerlässlich.

74 Vgl. OECD Dok., Processes and Production Methods (PPMs): Conceptual Framework and Considerations on Use of PPM-Based Trade Measures, OCDE I GD(97) 137, S. 9. 75 Feess, Umweltökonomie und Umweltpolitik, S. 47 f.

C. Nichtproduktbezogene Handeismaßnahmen zum Umweltschutz

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VI. Innerstaatliche Instrumente des Umweltschutzes Staatliche Umweltpolitik kann hinsichtlich der einheimischen Produktion auf ein breites Spektrum von Instrumenten zum Umweltschutz zurückgreifen. Grob können zwei verschiedene Arten von Instrumenten staatlicher Umweltpolitik unterschieden werden: Ordnungsrechtliche Instrumente, auch Instrumente des command and control oder schlicht Auflagen genannt, und marktorientierte Instrumente, wie etwa Umweltsteuern oder Verschmutzungszertifikate. Zu den ordnungsrechtlichen Instrumenten des Umweltschutzes gehören in erster Linie verwaltungsrechtliche Kontrollinstrumente (Anzeigepflichten, Erlaubnisvorbehalte o.ä.), unmittelbar anwendbare gesetzliche Gebote und Verbote (etwa Produktstandards) oder auch individuell konkretisierte Umweltpflichten. 76 Die genannten Instrumente sind allesamt dadurch gekennzeichnet, dass sie ihrem Adressaten häufig ein bis ins Detail bestimmtes Verhalten zwingend vorgeben. Sie dienen der direkten Verhaltenssteuerung nach der Art eines "Befehls", der auch gegen den Willen des Produzenten durchgesetzt werden kann. 77 Dazu zählen insbesondere Emissionsgrenzwerte, wie z. B. die Vorschrift für eine Feuerungsanlage bestimmten Typs eine maximale Menge von Schwefeldioxid pro m3 Abluft nicht zu überschreiten. Hierdurch schreibt der regulierende Staat den Wirtschaftsteilnehmem genau definierte Emissionsrechte zu, deren exakte Einhaltung hoheitlich durchgesetzt werden kann. Ordnungsrechtliche Instrumente sind die traditionell am weitesten verbreiteten Instrumente der Umweltpolitik. Die marktorientierten Instrumente nutzen zur Erreichung einer staatlichen Zielvorgabe den Marktmechanismus und belassen den Adressaten damit grundsätzlich einen gewissen Entscheidungsspielraum. 78 So bietet etwa die Subventionierung umweltfreundlichen Verhaltens bzw. die Besteuerung umweltschädlichen Verhaltens einen finanziellen Anreiz zu umweltfreundlicher Produktion, schreibt sie aber nicht verbindlich vor. Allein über die angemessene Beeinflussung des Preises 79 eines umweltfreundlich bzw. umweltschädlich hergestellten Produkts führt der Marktmechanismus dann zur Verwirklichung des staatlicherseits vorgegebenen Umweltziels, und zwar zu minimalen gesamtwirtschaftlichen Kosten. so Demgegenüber bestimmt die Vergabe von frei handelbaren Zertifikaten die für ein beFeess, Umweltökonomie und Umweltpolitik, S. 59; Kloepfer, Umweltrecht, S. 216 ff. Kloepfer, Umweltrecht, S. 216; Gruber/ Kleber, Grundlagen der Volkswirtschaftslehre, S.143. 78 Vg. Feess, Umweltökonomie und Umweltpolitik, S. 71 f. 79 Der Nutzung von Umweltressourcen wird ein Preis zugeordnet, der ihre Knappheit widerspiegeln soll. Die nachgefragte Menge an Umweltressourcen wird sich danach bemessen (sog. Preislösungen); vgl. Feess, Umweltökonomie und Umweltpolitik, S. 71. 80 Gruber/ Kleber, Grundlagen der Volkswirtschaftslehre, S. 144 ff.; Kloepfer, Umwe1trecht, S. 299. 76

77

4 Puth

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1. Teil: Problementfaltung

stimmtes Gebiet insgesamt zulässigen Umweltbelastungen. 81 Auch in diesem Fall wird der Marktmechanismus dazu benutzt, die vorgegebene Schadstoffreduzierung zu geringst möglichen gesamtwirtschaftlichen Kosten zu erzielen. Die besondere Effizienz der marktorientierten Instrumente liegt darin begründet, dass sie nicht alle Wirtschaftsteilnehmer zwingend einheitlich behandeln, sondern ihnen einen Spielraum zur Berücksichtigung ihrer besonderen Umstände und Präferenzen belassen. Die notwendigen Anpassungen können dann dort vorgenommen werden, wo sie am wenigsten Kosten verursachen. 82 Die "neuen" marktorientierten Instrumente haben bis auf wenige Ausnahmen bisher kaum Eingang in die staatliche Umweltpolitik gefunden. Aus Sicht einer gleichermaßen auf ökologische Wirksamkeit und auf ökonomische Effizienz bedachten Umweltpolitik stellt sich somit grundsätzlich die Wahl zwischen ordnungsrechtlichen und marktorientierten Instrumenten. Auflagen sind wegen ihrer hervorragenden ökologischen Treffsicherheit überall dort das Mittel der Wahl, wo die genaue Einhaltung bestimmter Standards durch jeden einzelnen Produzenten von besonderer Bedeutung ist. 83 Dies dürfte insbesondere für Tätigkeiten wie die Freisetzung giftiger Stoffe gelten, die für sich genommen konkrete Schäden an der natürlichen Umwelt herbeiführen können. Gerade irreversible Umweltschäden können durch ordnungsrechtliche Instrumente zielsicher vermieden werden. Entsprechend finden sich auch auf internationaler Ebene spezielle Verbotsnormen, wie etwa in Art. 2 des Montrealer Protokolls über Stoffe, die zu einem Abbau der Ozonschicht führen, hinsichtlich der Produktion und Verwendung ozonschichtschädigender Substanzen. Steht bei einer Umweltbelastung nicht so sehr das Verhalten des Einzelnen im Vordergrund, sondern die Summe der belastenden Tätigkeiten aller Wirtschaftsteilnehmer, so wird die Erzielung einer bestimmten Umweltqualität mittels staatlicher Auflagen allgemein als ineffizient abgelehnt. Eine bestimmte Umweltqualität kann mit geringeren gesamtwirtschaftlichen Kosten über marktorientierte Instrumente erreicht werden. 84 Dies gilt beispielweise für den Klimaschutz. Kohlendioxid ist die maßgebliche Ursache für den sog. Treibhauseffekt, hat darüber hinaus aber keine negativen Auswirkungen auf die Umwelt. Für den Treibhauseffekt ist die räumliche Verteilung der Kohlendioxidemissionen ohne Bedeutung. Allein die Summe der emittierten Einheiten von Kohlendioxid entscheidet über die Umweltqualität. Daher finden sich auch in der Luftreinhaltepolitik die prominentesten Beispiele für die Verwendung marktorientierter Instrumente. Klassisches Beispiel ist die Luftreinhaltepolitik der Vereinigten Staaten, die eine auf dem Modell der Zertifikats81 Hier wird die Menge zulässiger Umweltbe1astungen vorgegeben und die Preisbildung dem Markt überlassen. Daher spricht man in diesem Fall auch von Mengenlösungen; vgl. Feess, Umwe1tökonomie und Umweltpolitik, S. 119. 82 Gruber/Kleber, Grundlagen der Volkswirtschaftslehre, S. 146. 83 Gruber/ Kleber, Grundlagen der Volkswirtschaftslehre, S. 143. 84 Feess, Umweltökonomie und Umweltpolitik, S. 64.

C. Nichtproduktbezogene Handelsmaßnahmen zum Umweltschutz

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lösungen basierende Politik des kontrollierten Umwelthandels (controlled trading) verfolgen. 85 Auf internationaler Ebene haben die Vertragsstaaten der Klimarahmenkonvention 1995 eine Pilotphase für den internationalen Emissionshandel unter dem joint implementation mechanism des Art. 4 Abs. 2 lit. a UNFCCC eingeleitet. 86 Schließlich ist auch der europäische Vorstoß für eine Kohlendioxid- und Energiesteuer hier anzusiedeln.

VII. Nichtproduktbezogene Handelsmaßnahmen: Erstreckung nichtproduktbezogener Umweltschutzanforderungen auf eingeführte Produkte Die Ausführungen zur besonderen umweltschutzpolitischen Bedeutung in den Produktionsprozess integrierter nichtproduktbezogener Umweltschutzanforderungen und zu den zu ihrer Umsetzung zur Verfügung stehenden Instrumenten haben sich bisher auf der einzelstaatlichen Ebene bewegt. Erst mit der Erstreckung nichtproduktbezogener Umweltschutzanforderungen auch auf eingeführte Produkte mittels nichtproduktbezogener HandeIsmaßnahmen des Importstaates wird die welthandelsrechtliche Dimension eröffnet. 1. Der Begriff der nichtproduktbezogenen Handelsmaßnahmen Hat ein Staat für seine eigene Produktion bestimmte nichtproduktbezogene PPMs wegen der von ihnen ausgehenden Umweltbelastungen reguliert, sind kaum umweltpolitische Gründe ersichtlich, die gegen die Erstreckung dieser Umweltschutzanforderungen auch auf die ausländische Produktion sprechen.87 Im Unterschied zur inländischen Produktion unterliegt die ausländische Produktion jedoch nicht der Regelungshoheit des handelnden Staates. Will er seinen nichtproduktbezogenen Anforderungen dennoch soweit wie möglich Geltung verschaffen, bleibt ihm allein die Möglichkeit, die eingeführten Produkte entsprechend der bei ihrer Herstellung verwendeten nichtproduktbezogenen PPMs zu regulieren. Die Formulierung von Anforderungen an eingeführte Produkte ist grundsätzlich geeignet, den zwischenstaatlichen Handel zu beschränken. Nach der vorliegend verwendeten Definition handelt es sich demnach um HandeIsmaßnahmen. Ferner knüpfen diese HandeIsmaßnahmen an die bei der Herstellung im Herkunftsland verwendeten nichtproduktbezogenen PPMs an. Diese haben definitionsgemäß keinen Niederschlag im Produkt selbst gefunden. Die eingeführten Produkte werden also nicht wegen der von ihnen ausgehenden Umweltbelastungen, sondern wegen 85

86 87

4*

Vgl. Kloepfer, Umweltrecht, S. 341 m. w. N. Boisson de Chazoumes, in: Wolfrum (ed.), S. 299. Ebenso Hudec, in: Bhagwati/Hudec (eds.), S. 146.

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1. Teil: Problementfaltung

der bei ihrer Produktion anfallenden Umweltbelastungen mit den Handelsrnaßnahmen belegt. Parallel zu den inländischen nichtproduktbezogenen Vorschriften werden diese Handelsrnaßnahmen daher als nichtproduktbezogene Handelsrnaßnahmen bezeichnet. Zu beachten ist hierbei, dass der Importstaat den formalen Anknüpfungspunkt seiner Handelsrnaßnahmen verschieben kann, ohne hierdurch zugleich Schutzrichtung und Gehalt der Maßnahme zu verändern. Als Beispiel hierfür können Einfuhrbestimmungen für Fleisch herangezogen werden, die nicht an die Unbedenklichkeit des Fleisches selbst anknüpfen, sondern etwa an die in den durchlaufenen Schlachthäusern vorherrschenden Hygienebedingungen. 88 Auch die Einfuhr von Milch kann an die Gesundheit der betreffenden Kühe anknüpfen, statt an die Keimfreiheit der Milch selbst. 89 In diesen Beispielsfällen formuliert der Importstaat keine eindeutig produktbezogenen Anforderungen, sondern verschiebt den formalen Anknüpfungspunkt seiner Handelsrnaßnahmen in den Bereich der verwendeten PPMs, in dem auf den ersten Blick unklar ist, ob es sich um produktbezogene oder nichtproduktbezogene PPMs handelt. Letztlich entscheidend zur Qualifizierung als produktbezogene oder nichtproduktbezogene Handelsrnaßnahmen ist jedoch nicht die formale Anknüpfung, sondern die verfolgte Schutzrichtung. 9o Richten sich die Handelsrnaßnahmen gegen schädliche Produkte und damit gegen verbrauchsseitige Gefahren, so handelt es sich um produktbezogene Handelsrnaßnahmen. Beschränken die Maßnahmen hingegen Produkte, die als solche für die geschützten Güter unbedenklich sind und die allein wegen ihrer schädlichen Produktion beachtet werden, liegen nichtproduktbezogene Handelsrnaßnahmen vor. In den Beispielen der Einfuhr von Fleisch und Milch dienen die Maßnahmen dem Schutz der Gesundheit inländischer Menschen vor gesundheitsschädlichen Nahrungsmitteln. Es handelt sich somit um produktbezogene Handelsrnaßnahmen. Als Gegenbeispiel sind etwa Importverbote gegenüber Streichhölzern, die mit weißem Phosphor bestrichen sind, zu betrachten. 91 Hier knüpft der Importstaat die Importverbote zwar formal an ein Merkmal des Produkts an, nämlich die Ausstattung mit weißem Phosphor. Gleichwohl handelt es sich nicht um produktbezogene Handelsrnaßnahmen. Dies wird dann einsichtig, wenn man bedenkt, dass weißer Phosphor als solcher völlig unschädlich ist und ausschließlich bei seiner Verarbeitung giftige Dämpfe auftreten. Die Importverbote dienen dem Gesundheitsschutz der mit der Verarbeitung befassten Arbeitnehmer im Herkunftsland. In dieser Hinsicht sind die im Handel beschränkten Streichhölzer jedoch völlig unbedenklich. Beispiel nach Hudec. in: Bhagwati/ Hudec (eds.), S. 96 Fn. 2. Beispiel nach Chamovitz. GIELR 6 (1993), S. 13. 90 Im Ergebnis übereinstimmend Lux. in: Rüsken (Hrsg.), Rn. 188; Hudec. in: Bhagwati/ Hudec (eds.), S. 96; vgl. auch UNEP / IISD, Environment and Trade, S. 42. 91 Dieses Beispiel beruht auf der Convention Respecting the Use of White Phosphorus in the Manufacture of Matches aus dem Jahr 1906, wonach Herstellung und Import von Streichhölzern mit weißem Phosphor verboten waren; vgl. hierzu Chamovitz. JWT 25, Nr. 5 (1991), S. 39; Tussie/Vasquez. in: Tussie (ed.), S. 96. 88

89

C. Nichtproduktbezogene Handeismaßnahmen zum Umweltschutz

53

Die beobachtete Gefahr liegt auf der Produktionsseite, nicht der Verbrauchsseite der Streichhölzer. Im Ergebnis handelt es sich daher um nichtproduktbezogene Handelsmaßnahmen.

2. Motivation des Importstaates Für die Erstreckung innerstaatlicher nichtproduktbezogener Umweltschutzanforderungen auf eingeführte Produkte können grundsätzlich drei verschiedene Beweggrunde ausgemacht werden: Der Schutz der Umwelt, der Ausgleich von Wettbewerbschancen zwischen einheimischen und eingeführten Produkten und schließlich die Verfolgung subjektiver Wertvorstellungen und Präferenzen des Importstaates. 92 Diese verschiedenen Motivationen lassen sich nicht immer leicht voneinander trennen. Im Grundsatz kann jedoch nur dann von einer "echten" nichtproduktbezogenen Handelsmaßnahme zum Umweltschutz gesprochen werden, wenn auch tatsächlich der Schutz der Umwelt angestrebt wird. Von den eigentlichen Umweltschutzzielen sind die anderen Motivationen daher abzugrenzen.

a) Der Schutz der Umwelt

In der "echten" Schutzsituation geht der Importstaat gegen eine naturwissenschaftlich belegte Gefahrdung bestimmter Umweltgüter durch eine bestimmte Art schädlicher Warenproduktion vor. 93 Hierzu reguliert er innerstaatlich in Übereinstimmung mit dem Rectification-at-source-Prinzip möglichst unmittelbar die schädliche Produktion durch entsprechende Verbote oder Anreize. Hinsichtlich der ausländischen Produktion verbleibt dem Importstaat hingegen allein die Möglichkeit, die aus einer solchen Produktion stammenden Produkte mit Handelsmaßnahmen zu belegen. In diesem Fall bewirken die nichtproduktbezogenen Handelsmaßnahmen des Importstaates unmittelbar eine Minderung der Nachfrage nach den aus der umweltbelastenden Produktion stammenden Produkten. Dahinter steht das Ziel, die Produktion der betreffenden Produkte und hierdurch zugleich die auf der Ebene der Produktion anfallenden Umweltbelastungen zu vermindem.94 Die Motivation des Importstaates zum Schutz der Umwelt kann in zweierlei Hinsicht differenziert werden. Zum einen kann zwischen der Belegenheit der geschützten Umweltgüter und zum anderen zwischen den hiermit verfolgten Schutzinteressen unterschieden werden.

Stevens, in: OECD (ed.), S. 14 ff. Rege, JWT 28, Nr. 3 (1994), S. 117; BhagwatiiSrinivasan, in: Bhagwati/Hudec (eds.), S. 189. 94 Howse / Regan, EJIL II (2000), S. 274. 92

93

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1. Teil: ProblementfaItung

aa) Belegenheit der geschützten Umweltgüter Nichtproduktbezogene Handelsrnaßnahmen des Importstaates können zunächst dem Schutz der eigenen Umwelt dienen. Hierher gehören die Fälle, in denen die umweltbelastende Produktion im Herkunftsland grenzüberschreitende schädliche Auswirkungen gerade auf die Umwelt des Importstaates hat. Darüber hinaus kann die Produktion im Herkunftsland auch internationale Umweltgüter, die entweder auf den Importstaat und mindestens einen weiteren Staat aufgeteilt sind (shared resources) oder die sogar für alle Staaten von unteilbarer Bedeutung sind (global commons), gefährden. 95 Entsprechende nichtproduktbezogene Handelsrnaßnahmen des Importstaates dienen also dem Schutz internationaler Umweltgüter. Hat die umweltbelastende Produktion im Herkunftsland hingegen keine grenzüberschreitenden negativen Auswirkungen oder beeinträchtigt ausschließlich andere Staaten in ihren nationalen oder internationalen Umweltgütern, dienen entsprechende nichtproduktbezogene Handelsrnaßnahmen des Importstaates dem Schutz rein ausländischer Umweltgüter. bb) Verfolgte Schutzinteressen Die vom Importstaat verfolgten Schutzinteressen können weiter in die Erhaltung der bedrohten Umweltgüter als solche (Erhaltungsinteresse) und in die bloße Erhaltung ihrer Nutzbarkeit (Nutzungsinteresse) unterschieden werden. Das Erhaltungsinteresse ist das Interesse des Importstaates an der unbedingten Erhaltung der betroffenen Umweltgüter in ihrer konkreten Umweltlage. Das Nutzungsinteresse des Importstaates ist demgegenüber dadurch gekennzeichnet, dass die konkrete Umweltlage der betroffenen Umweltgüter durchaus verändert werden darf, solange diese Veränderungen nicht die Nutzbarkeit der betroffenen Umweltgüter als natürliche Ressourcen beeinträchtigen.

b) Der Ausgleich von Wettbewerbschancen

Von der naturwissenschaftlich begründeten Sorge um die Umwelt zu unterscheiden, ist das Bestreben des Importstaates zum Ausgleich von Wettbewerbschancen zwischen einheimischen und eingeführten Produkten (levelling the playing field). Hierin wird mitunter die ausschlaggebende Motivation für das Ergreifen nichtproduktbezogener TREMs gesehen: "But in the majority of cases in which a process pollutes, the interest in import restrietion will stern not from concem toavoid pollution at the foreign producing site but from a 95 Zu den Kategorien der shared resources und der global commons siehe unten im zweiten Teil C.ll.2.b)cc).

C. Nichtproduktbezogene Handelsrnaßnahmen zum Umweltschutz

55

desire to compensate domestic producers, or the domestic economy at large, for extra costs assumed in pollution control."96

Den Hintergrund dieser Motivation bildet die vorwiegend in Industriestaaten beachtete These, dass Produkte aus Staaten mit einem niedrigen produktionsseitigen Umweltschutzniveau gegenüber Produkten, die nach höheren produktionsseitigen Umweltstandards hergestellt worden sind, unfaire Wettbewerbsvorteile genießen. 97 Insoweit werden die Vorwürfe des "Öko-Dumpings" wie der indirekten Subventionierung erhoben. 98 Zum Ausgleich dieser als unfair empfundenen Wettbewerbsvorteile greifen die betreffenden Importstaaten dann zu nichtproduktbezogenen Handelsrnaßnahmen, mittels derer sie ihre inländischen produktionsseitigen Umweltschutzanforderungen auch auf eingeführte Produkte erstrecken. Im Ergebnis handelt es sich in diesen Fällen nicht um eigentliche Umweltschutzmaßnahmen, sondern um Maßnahmen zum Schutz der inländischen Produktion.

c) Die Verfolgung subjektiver Wertvorstellungen

Neben dem Schutz der Umwelt oder dem Ausgleich von Wettbewerbschancen können nichtproduktbezogenen Handelsrnaßnahmen schließlich subjektive Wertschätzung des Importstaates hinsichtlich bestimmter nichtproduktbezogener PPMs zu Grunde liegen. In diesem Fall erstreckt der Importstaat ohne Bezug auf eine wissenschaftlich begründete Umweltgefahrdung seine umweltrelevanten Präferenzen für die eigene Produktion auch auf eingeführte Produkte. 99 Als Beispiel sei auf die sog. Tellereisen-Verordnung 100 der EG zum Schutz wildlebender Tiere vor wahllosem und grausamem Töten hingewiesen. 101 Insbesondere Angemessenheit und Rechtmäßigkeit des enthaltenen nichtproduktbezogenen Importverbotes gaben zwischen den beteiligten Staaten (EG und vor allem den Vereinigten Staaten, Kanada und Russland) über Jahre Anlass zu heftigen Auseinander96 GATT, Industrial Pollution Control, S. 16. 97 Vgl. nur Chang, SCLR 74 (2000), S. 36. Es ist jedoch fraglich, ob und inwieweit diese These tatsächlich zutrifft; vgl. hierzu OECD Dok., Report on Trade and Environment to the OECD Council at Ministerial Level 1995, OCDE(95) 63, S. 5; Cole, JWT 33, Nr. 5 (1999), S.190f. 98 Siehe hierzu im dritten Teil C. 99 V gl. Howse / Regan, EJIL 11 (2000), S. 279; Bhagwatil Srinivasan, in: Bhagwati 1 Hudec (eds.), S. 189. 100 Verordnung (EWG) Nr. 3254/91 des Rates zum Verbot von Tellereisen in der Gemeinschaft und der Einfuhr von Pelzen und Waren von bestimmten Wildtierarten aus Ländern, die Tellereisen oder den internationalen humanen Fangnormen nicht entsprechende Fangmethoden anwenden, ABI. EG Nr. L 3081 1. 101 Vgl. hierzu Feddersen, EELR 1998, S. 207 ff.; Quick, in: Bronckers/Quick (eds.), S. 239 ff.; Quick/Lau, ZEuS 2001 , S. 97 ff.; Van Calster, International and EU Trade Law, S. 289 ff.

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1. Teil: Problementfaltung

setzungen, die schließlich in den Abschluss bilateraler Abkommen mündeten. 102 Nach Art. 2 der Verordnung ist zunächst die Verwendung von Tellereisen in der Gemeinschaft verboten. Darüber hinaus statuiert Art. 3 der Verordnung ein Importverbot für Pelze bestimmter Wildtierarten sowie für daraus hergestellte Produkte, die aus Staaten stammen, die nicht auch selber die Verwendung von Tellereisen untersagen oder sonst humane Fangmethoden vorschreiben. Hier steht weder die Erhaltung der Tiere als solche noch die Erhaltung ihrer Nutzbarkeit als natürliche Ressource im Vordergrund des Interesses. 103 Schließlich knüpft die Verordnung das Importverbot nicht etwa an die Tötung der Tiere, sondern allein an die Verwendung bestimmter, als moralisch bedenklich empfundener Fangmethoden. Die nichtproduktbezogenen Importverbote dienen also nicht der Erhaltung der Tiere. Sie dienen vielmehr der Durchsetzung umweltbezogener moralischer Präferenzen und Werte der EG. 104 Ein weitaus weniger bekanntes, jedoch gleichgelagertes Beispiel für die Verwendung nichtproduktbezogener Handelsmaßnahmen zur Durchsetzung umweltbezogener Präferenzen bietet die sog. EG-Kosmetik-RichtlinieI05 • Gemäß Art. 4 Abs. 1 lit. i dieser Richtlinie verbieten die Mitgliedstaaten das Inverkehrbringen einheimischer wie eingeführter kosmetischer Mittel, die Bestandteile oder Kombinationen von Bestandteilen enthalten, die zur Einhaltung der Richtlinie nach dem 30. Juni 2000 im Tierversuch getestet worden sind. Hier dürfen die betreffenden Kosmetikprodukte also wegen der im Rahmen ihrer Entwicklung vorgenommenen Tierversuche nicht in den freien Verkehr der Gemeinschaft gebracht werden. Auch diese nichtproduktbezogene Handelsmaßnahme bezweckt nicht primär die Erhaltung der Tiere als solche oder als natürliche Ressourcen. Sie will vielmehr als unnötig empfundenes Leid der Tiere abstellen und verfolgt somit primär moralische Zielsetzungen.

102 Vgl. den Überblick über die Chronologie der Ereignisse bei Quick/Lau, ZEuS 2001 , S. 122 ff. 103 Rege, JWT 28, Nr. 3 (1994), S. 117; Feddersen, EELR 1998, S. 212; Van Calster; International and EU Trade Law, S. 291. 104 So auch BhagwatiiSrinivasan, in: BhagwatilHudec (eds.), S. 189. 105 Richtlinie 761768/EWG des Rates vom 27. Juli 1976 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über kosmetische Mittel, ABI. EG Nr. L 2621 169; geändert insbesondere durch Richtlinie 93/35/EWG des Rates vom 14. Juni 1993 zur sechsten Änderung der Richtlinie 761768/EWG zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über kosmetische Mittel, ABI. EG Nr. L 151/32, und durch Richtlinie 971 18/EG der Kommission vom 17. April 1997 zur Verschiebung des Termins, von dem an Tierversuche für Bestandteile oder Kombinationen von Bestandteilen kosmetischer Mittel untersagt sind, ABI. EG Nr. L 114/43.

C. Nichtproduktbezogene Handeismaßnahmen zum Umweltschutz

57

3. Arten und Wirkungsweise nichtproduktbezogener Handelsrnaßnahmen Nichtproduktbezogene TREMs können weiter durch die verschiedenen Arten von Handelsmaßnahmen wie ihre einheitliche Wirkungsweise gekennzeichnet werden. a) Arten von Handelsmaßnahmen

Parallel zu den innerstaatlichen Instrumenten des produktionsseitigen Umweltschutzes nehmen auch die entsprechenden nichtproduktbezogenen Handelsmaßnahmen verschiedene Gestalt an. Es sind vor allem drei Gruppen an HandeIsmaßnahmen zu unterscheiden: Importbeschränkungen zur Durchsetzung inländischer Auflagen im Bereich des produktionsseitigen Umweltschutzes, Umweltsteuern - meist in Form von Grenzausgleichsabgaben - und nicht zuletzt Kennzeichnungsvorschriften, wie sie auch für inländische Produkte nach den bei ihrer Herstellung verursachten Umweltbelastungen gelten. 106 Dabei werden entweder die für einheimische Produkte geltenden Vorschriften durch gesonderte Vorschriften auf eingeführte Produkte erstreckt oder es wird in den einschlägigen Vorschriften von vornherein nicht zwischen inländischen und eingeführten Produkten unterschieden. b) Indirekte Wirkungsweise

Nichtproduktbezogene TREMs entfalten lediglich eine indirekte Umweltschutzwirkung. 107 Schließlich ist in den Fällen der schädlichen Produktion nicht der Handel selbst der eigentliche Grund für die beachtete Umweltgefährdung. 108 Die Umweltbelastungen gehen vielmehr von der Produktion der mit den Handelsmaßnahmen belegten Produkte aus. Die Ebene der Produktion eingeführter Produkte kann der Importstaat jedoch von vornherein nicht direkt regulieren, da sie der Regelungshoheit des Herkunftslandes unterliegt. Dennoch können nichtproduktbezogene Handelsmaßnahmen in zweierlei Hinsicht indirekte Umweltschutzwirkungen entfalten: (l) Zunächst schaffen sie für die auf der Ebene der Produktion Verantwortlichen

einen Anreiz bzw. einen "heilsamen Druck", in Übereinstimmung mit den

106 Vgl. OECD Dok., Processes and Production Methods (PPMs): Conceptual Framework and Considerations on Use of PPM-Based Trade Measures, OCDE I GD(97) 137, S. 10. 107 Kirchgässnerl Mohr, in: Wolfrum (ed.), S. 203. 108 So auch Schmidtl Kahl, in: Rengeling (Hrsg.), S. 1410. Eine Ausnahme dürfte die internationale Verbringung gefährlicher Substanzen darstellen. Dann ist der Handel selbst Ursache der Umweltgefährdung. Als trauriges Beispiel mögen hier die leider viel zu häufigen Havarien von Öl-Tankern auf den Weltmeeren dienen.

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1. Teil: Problementfaltung

strengeren Umweltschutzanforderungen des Importstaates zu produzieren. 109 Nehmen der einzelne Produzent oder sogar der Exportstaat insgesamt diesen Anreiz auf bzw. geben dem aufgebauten Druck nach und setzen entsprechend strengere Umweltschutzstandards in Geltung, bedeutet dies einen direkten Beitrag zum Schutz der Umwelt. 110 (2) Aber auch wenn der Anreiz nicht aufgenommen und die Produktion unverändert fortgeführt wird, können nichtproduktbezogene Handelsrnaßnahmen des Importstaates zumindest eine Reduzierung der Nachfrage nach den aus der schädlichen Produktion stammenden Produkten bewirken. Als Folge hiervon kann es dann zur Verminderung der Produktion der betreffenden Produkte wie der auf der Ebene der Produktion anfallenden Umweltbelastungen kommen. 11I Gerade dieses zweite Element der indirekten Umweltschutzwirkung nichtproduktbezogener Handelsrnaßnahmen fehlt entsprechenden Handelssanktionen des Importstaates. Sanktionen dienen ausschließlich als Druckmittel, um den Produzenten bzw. den Staat der Produktion zur Änderung seiner produktionssei ti gen Umweltschutzanforderungen zu bewegen. 112 Hierin liegt ein nicht zu unterschätzender Legitimitätsvorteil nichtproduktbezogener TREMs im Vergleich zu entsprechenden Sanktionen des Importstaates. c) Keine Alternative in Sicht

Trotz der indirekten Wirkungsweise nichtproduktbezogener Handelsrnaßnahmen und damit einhergehender Effektivitätsverluste ist ein gleichwirksames zwischenstaatliches Umweltschutzinstrument nicht in Sicht. Selbst wenn man vor allem in jüngerer Zeit neben Handelsrnaßnahmen noch viele weitere Instrumente zur Implementierung internationaler Umweltschutzbemühungen identifiziert und auch angewendet hat, bleibt es doch dabei: "The stick is a necessary part in the arsenal of law enforcement.,,113 Vor allem die verschiedenen auf eine positive Anreizwirkung zu umweltfreundlichem Verhalten abzielenden Implementierungsmaßnahmen dürften schon allein wegen der Kostenverlagerung auf den Importstaat nicht in allen Fällen durchzuhalten sein. Bedenkt man zudem, dass Gewalt und die Drohung mit Gewalt von vornherein als Druckmittel ausscheiden, ist eine echte Alternative zu nichtproduktbezogenen Handelsrnaßnahmen nicht in Sicht. 114

109 Kirc:hgässner/Mohr, in: Wolfrum (ed.), S. 203 ; Howse/Regan, EJIL 11 (2000), S. 272 f. 110 Chang, SCLR 74 (2000), S. 36. 111 Vgl. Howse/Regan, EJIL 11 (2000), S. 274. 112 Zur Wirkungsweise von Sanktionen Puth, EuR 2001, S. 710 f.; Kerr/Gaisford, IWT 28, Nr. 6 (1994), S. 170 f. 113 Bothe, in: Wo1frum (ed.), S. 35. 114 Hierauf verweist Cottier, JWT 32, Nr. 2 (1998), S. 154.

c. Nichtproduktbezogene Handelsmaßnahmen zum Umweltschutz

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VIII. Nichtproduktbezogene contra produktbezogene Handelsmaßnahmen Nichtproduktbezogene Handelsrnaßnahmen zum Umweltschutz weisen gegenüber produktbezogenen Maßnahmen einige Eigenarten auf, die im Folgenden aufgezeigt werden sollen. Gerade diese Eigenarten bilden den tatsächlichen Hintergrund der Unterscheidung zwischen Produkt und Prozess und sind Ausgangspunkt für die "rechtliche Ächtung" nichtproduktbezogener Handelsrnaßnahmen nach der Produkt-Prozess-Doktrin. Vorwürfe staatlicher Willkür und des Protektionismus werden laut: "Process standards are highly suspect in the trade community for their obvious potential to serve as illegitimate trade restrictions.,,1l5

Vorweg sei schon klargestellt, dass die Eigenarten nichtproduktbezogener Handelsrnaßnahmen zum Umweltschutz allesamt dem Umstand entspringen, dass das gehandelte Produkt selbst umweltschutzpolitisch unbedenklich ist und allein wegen der Art seiner Herstellung mit Handelsrnaßnahmen belegt wird. 1. Geschützte Umweltgüter Produktbezogene TREMs schützen den Importstaat unmittelbar vor einem umweltbelastenden Produkt. Entsprechende an der Grenze stehende Produkte erhalten entweder gar keinen oder nur regulierten Zugang zum inländischen Markt. Hierdurch vermeidet der Importstaat die unregulierte Beeinträchtigung seiner Umweltgüter bzw. die Verwirklichung der im Produkt angelegten umweltbelastenden Wirkungen auf seinem Hoheitsgebiet. In den Beispielsfallen der grundwasserbelastenden Geschenkverpackung und der gentechnisch veränderten Nutzpflanze verhindert der Importstaat die unregulierte Belastung seiner Umweltgüter Wasser, Boden und biologische Vielfalt. Für diese Fälle gilt somit, dass der Importstaat durch produktbezogene TREMs seine eigene Umwelt schützt. Hierbei handelt es sich, so wird jedenfalls in der Literatur argumentiert, um ein Anliegen, dem nur schwerlich die Berechtigung abgesprochen werden könne. 116 Im Fall des mit einem FCKW-Kühlaggregat ausgestatteten Kühlschranks, dem ein Importverbot wegen der FCKW-Befüllung entgegengesetzt wird, ist jedoch eine andere Schutzrichtung erkennbar. Dem Importstaat geht es in diesem Fall um den Schutz der Ozonschicht. Es geht also nicht in erster Linie um den Schutz der eigenen Umwelt, sondern um den Schutz eines internationalen Umweltgutes. In diesem Fall ist die Legitimität produktbezogener Handelsrnaßnahmen schon nicht Palmeter; JWT 27, Nr. 3 (1993), S. 64. Jansen, EJIL 11 (2000), S. 311 f.; vgl. auch Sampson, The World Economy 24 (2001), S. lllO. 115

116

60

1. Teil: Problementfaltung

mehr so eindeutig zu beantworten. 117 Von der Zerstörung der Ozonschicht wäre der Importstaat grundsätzlich in gleicher Weise betroffen wie der Staat der Produktion. Dieser könnte zudem einwenden, dass er allein zur Regulierung der im Zusammenhang seiner Produktion auftretenden Belastungen internationaler Umweltgüter berufen sei. Ein spezifisch innerstaatliches Anliegen des Importstaates könnte lediglich darin erblickt werden, dass er keine von seinem Hoheitsgebiet ausgehenden Belastungen der Ozonschicht dulden möchte. 118 Demgegenüber betreffen nichtproduktbezogene Handelsrnaßnahmen Produkte, die selbst keine Gefahr für die Umwelt bedeuten. Eine unmittelbare Belastung der eigenen Umwelt des Importstaates durch das Produkt steht somit nicht zu befürchten. Die Legitimitätnichtproduktbezogener TREMs ist daher, jedenfalls aus der nationalen Perspektive des Importstaates betrachtet, nicht ohne weiteres einleuchtend. Doch auch bei der Produktion des mit einer nichtproduktbezogenen TREM belegten Produkts kann es zu Umweltbelastungen kommen, die sich gerade im Importstaat auswirken. Diese werden dann zwar nicht automatisch mit dem Produkt eingeführt, sondern wirken sich aufgrund des globalen Charakters der Umwelt im Importstaat aus. Als Beispiel mag die Produktion von Eisen und Stahl dienen, wobei aufgrund mangelhafter Ausstattung der Produktionsstätte mit Luftfiltern und der Verbrennung qualitativ schlechter Kohle ein aggressives Gasgemisch aus Schwefeldioxid und Kohlenmonoxid freigesetzt wird, das zu saurem Regen in den angrenzenden Staaten führt. 119 Auch in diesem Fall können staatliche Handelsbeschränkungen für die aus dieser Produktion stammenden Erzeugnisse dem Schutz der eigenen Umwelt des vom sauren Regen betroffenen Importstaates dienen. Parallel zur obigen Wertung, müsste man also auch hier den Schutz der eigenen Umwelt als legitimes Anliegen des Importstaates anerkennen. Im Unterschied zu produktbezogenen TREMs gegen ein schädliches Produkt ist allein die Schutzwirkung für die heimische Umwelt "ein wenig mittelbarer", da das an der Grenze stehende Produkt nicht selber schädlich ist und die Schutzwirkung daher auch aus nationaler Perspektive des Importstaates erst indirekt eintritt. Überwiegend haben nichtproduktbezogene TREMs jedoch den Schutz internationaler Umweltgüter, wie etwa der Atmosphäre, der Ozonschicht und des Artenreichtums zum Gegenstand. 120 In diese Kategorie fallen z. B. die Importverbote der Vereinigten Staaten auf Shrimps, die mit Netzen ohne Schutzvorrichtung gegen den Beifang der vom Aussterben bedrohten Meeresschildkröten gefangen worden 117 Noch problematischer wird die Frage der Legitimität produktbezogener Handelsmaßnahmen in dem denkbaren, aber gleichwohl theoretischen Fall, in dem der Importstaat die Einfuhr von Produkten beschränkt, um die Umwelt eines anderen Staates zu schützen. Ein solcher Fall läge etwa dann vor, wenn die eingeführten Produkte bei ihrem Gebrauch oder Verbrauch grenzüberschreitend wirksame Luftverunreinigungen verursachen. 118 Vgl. Howse/Regan, EJIL 11 (2000), S. 274 f. 119 Ein ähnliches Beispiel bieten BhagwatiiSrinivasan, in: BhagwatilHudec (eds.), S.197. 120 Hudec, in: Wolfrum (ed.), S. 152; vgl. auch Ginzky, ZUR 1997, S. 127.

C. Nichtproduktbezogene HandeIsmaßnahmen zum Umweltschutz

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sind (Fall US - Shrimp). Auch die Besteuerung von Produkten nach der bei ihrer Produktion freigesetzten Menge von Kohlendioxid im Rahmen einer europäischen Kohlendioxid- und Energiesteuer gehört hierher. In diesen Fällen entfalten nichtproduktbezogene Handelsmaßnahmen eine indirekte Umweltschutzwirkung, ähnlich derjenigen produktbezogener Handelsmaßnahmen. Der Importstaat stellt auch hier sicher, dass er nicht durch seine unregulierte Nachfrage an der produktionsseitigen Umweltbelastung mitwirkt, auch wenn er sie letztlich nicht verhindern kann. 121 Am problematischsten sind die Fälle, in denen der Importstaat nichtprodukt bezogene Handelsmaßnahmen ergreift, die aus der Produktion im Herkunftsland entstehenden Umweltbelastungen aber nicht grenzüberschreitende Wirkungen entfalten oder ausschließlich andere Staaten beeinträchtigen. In diesen Fällen dienen die Maßnahmen des Importstaates allenfalls dem Schutz der Umwelt anderer Staaten. Hiergegen könnten die betreffenden Staaten einwenden, dass sie für den Schutz ihrer eigenen Umwelt ausschließlich zuständig seien. Nach der Literatur handelt es sich auch insoweit um eine Argumentation, der schwerlich widersprochen werden könne. 122 Insgesamt ergibt sich somit ein uneinheitliches Bild. Sowohl produktbezogene als auch nichtproduktbezogene TREMs können dem Schutz verschiedener Umweltgüter dienen, von der eigenen Umwelt des Importstaates über internationale Umweltgüter bis hin zur Umwelt des Herkunftslandes und auch anderer Staaten. Es lassen sich allenfalls Tendenzen und Schwerpunkte hinsichtlich der Schutzrichtung produktbezogener und nichtproduktbezogener Handelsmaßnahmen ausmachen: Produktbezogene Handelsmaßnahmen dienen überwiegend dem Schutz der eigenen Umwelt des Importstaates, nichtproduktbezogene Handelsmaßnahmen überwiegend dem Schutz internationaler Umweltgüter.

2. Mögliche Anknüpfungspunkte Der Bereich der Produktion ist im Vergleich zu den Merkmalen des Produktes erheblich weiter. Produktbezogene Handelsmaßnahmen sind auf die Eigenschaften des fertigen Produkts und die hierfür verantwortlichen produktbezogenen PPMs beschränkt. Nichtproduktbezogene Handelsmaßnahmen können demgegenüber an das "Universum der Umstände" anknüpfen, die bei der Produktion im Herkunftsstaat vorherrschen, aber keine Auswirkungen auf das fertige Produkt haben. Hierzu zählen nicht nur umweltrelevante Umstände, sondern grundsätzlich auch die bei der Herstellung der Produkte beachteten Sozial- und Menschenrechtsstandards. 123 121 Howse/Regan, EJIL 11 (2000), S. 274 f.; vgl. auch Petersmann, International and European Trade and Environmental Law, S. 15. 122 Vgl. Jansen/ Lugard, JIEL 2 (1999), S. 532; Hilf, NVwZ 2000, S. 482. 123 Siehe oben erster Teil A.II.

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1. Teil: Problementfaltung

Neben Fragen des Schutzes der Ozonschicht oder der Artenvielfalt könnten demnach auch solche der Kinderarbeit, der Gleichstellung der Frau, der sozialen Sicherung oder des Lohnniveaus des Herkunftslandes zum Gegenstand von Handelsmaßnahmen gemacht werden. 3. Praktische Anwendungsprobleme Nichtproduktbezogene TREMs des Importstaates regulieren den Marktzugang der an der Grenze stehenden Produkte aufgrund von Umständen, welche die Produktion im Herkunftsland auszeichnen und nicht am Produkt selbst abzulesen sind. Für die Behörden des Importstaates bringt dies einige Probleme bei der Anwendung der nichtproduktbezogenen Vorschriften mit sich. 124 Es stellen sich Fragen der FeststeIlbarkeit, Nachweisbarkeit und Verifizierbarkeit der Verwendung bestimmter nichtproduktbezogener PPMs. Vor allem drei Facetten 125 sind in dieser Hinsicht zu unterscheiden: (1) Objektive, der Ware selbst anhaftende Kennzeichen sind leichter nachprüfbar und dienen daher der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit. (2) Zum Zeitpunkt der Anwendung der Handelsmaßnahme auf ein Produkt sind die auslösenden Umstände der Handelsmaßnahme nicht ohne weiteres am Produkt ablesbar. Ihre Erforschung erfordert weitere Zeit und verursacht zusätzliche Kosten. (3) Durch das Anknüpfen staatlicher Maßnahmen an Umstände der Herstellung erhöht sich die Gefahr ihrer Umgehung. In der zwischenstaatlichen Praxis versucht man diesen praktischen Problemen in der Regel auszuweichen. Statt an die konkrete Herstellungsweise des einzelnen Produkts anzuknüpfen, machen die Staaten das Eingreifen ihrer nichtproduktbezogenen Handelsmaßnahmen häufig von den im Herkunftsland in Geltung befindlichen Umweltschutzvorschriften abhängig. Die Verwendung dieser Standards bei der Herstellung der an der Grenze stehenden Waren wird dann kurzer Hand unterstellt. Aus umweltschutzpolitischen Gründen ist dieses Vorgehen wegen seiner Ungenauigkeit fragwürdig. Schließlich werden dabei auch solche Produzenten von den Handelsmaßnahmen erfasst, die ein über den gesetzlichen Umweltschutzstandards des Herkunftslandes liegendes Schutzniveau verwirklicht haben und deren Produktion daher im Extremfall völlig umweltneutral geschieht.

124 125

Tussie/Vasquez, in: Tussie (ed.), S. 102. Vgl. hierzu Lux, in: Rüsken (Hrsg.), Rn. 184.

c. Nichtproduktbezogene Handelsmaßnahmen zum Umweltschutz

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IX. Zusammenfassung Nichtproduktbezogene Handelsmaßnahmen erfreuen sich als Instrument internationaler Umweltschutzpolitik großer Beliebtheit. Sie werden in der Praxis häufig ergriffen. Dieser Befund ist schon an der Vielzahl von aktuellen Beispielen vor allem aus dem Außenwirtschaftsrecht der EG abzulesen. Die Liste der Beispiele ließe sich auch auf andere Staaten ausdehnen und insgesamt beliebig verlängern. Im Unterschied zu produktbezogenen Handelsmaßnahmen ist hier nicht das im Handel befindliche Produkt umweltschädlich, sondern ausschließlich seine Produktion im Herkunftsland. Produktbezogene Handelsmaßnahmen knüpft der Importstaat an umweltschädliche Produktmerkmale oder an die diese hervorbringenden produktbezogenen PPMs. Solche Maßnahmen dienen dem verbrauchsseitigen Umweltschutz. Nichtproduktbezogene Handelsmaßnahmen bezwecken hingegen den produktionsseitigen Umweltschutz. Sie knüpfen an umweltschädliche Herstellungsmethoden an, die nicht auch das fertige Produkt umweltschädlich machen, d. h. sich nicht in den Merkmalen des fertigen Produkts niederschlagen (nichtproduktbezogene PPMs). Das regelmäßige Ergreifen und die große Beliebtheit nichtproduktbezogener Handelsmaßnahmen zum Umweltschutz findet seine theoretische Grundlage im Rectijication-at-source-Prinzip, wonach Umweltbeeinträchtigungen aus Effizienzgesichtspunkten möglichst an ihrem Ursprung zu bekämpfen sind. Im Zusammenhang der Produktion und des Verbrauchs von Waren hat dies zur Folge, dass nationale Umweltschutzpolitik verstärkt auf der Ebene der Produktion schon die Entstehung von Umweltbelastungen reguliert. Dies gilt grundsätzlich gleichermaßen für Anforderungen an produktbezogene wie nichtproduktbezogene PPMs. Jedoch sind gerade staatliche Anforderungen an nichtproduktbezogene PPMs unverzichtbar, da insoweit ein "moralisches Verhalten" der Marktteilnehmer selbst nicht zu erwarten ist. Hat der Importstaat erst einmal nichtproduktbezogene Anforderungen für seine eigene Produktion formuliert, erstreckt er diese regelmäßig auch auf eingeführte Produkte, die mittels entsprechender nichtproduktbezogener PPMs hergestellt worden sind. Die Durchsetzung der innerstaatlichen Produktionsstandards gegenüber eingeführten Produkten erfolgt dabei parallel zur innerstaatlichen Regelung, zumeist in der Form von Einfuhrbeschränkungen, Ausgleichssteuern oder Kennzeichnungspflichten. Die Eigenarten nichtproduktbezogener Handelsmaßnahmen lassen sich dahingehend zusammenfassen, dass sie primär dem Schutz internationaler Umweltgüter dienen, an eine unbestimmte Vielzahl von Umständen der Herstellung anknüpfen können und besondere Probleme bei ihrer Anwendung durch die nationalen Behörden mit sich bringen. Alle diese Eigenarten entspringen dem Umstand, dass das gehandelte Produkt selbst umweltschutzpolitisch unbedenklich ist und allein wegen der Art seiner Herstellung mit Handelsmaßnahmen belegt wird.

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1. Teil: Problementfaltung

D. Die Produkt-Prozess-Doktrin Nachdem die tatsächlichen Kennzeichen nichtproduktbezogener Handelsrnaßnahmen zum Umweltschutz geklärt sind, soll in diesem Kapitel ein Überblick über Entwicklung, Aussagen und Perspektiven der Produkt-Prozess-Doktrin gegeben werden.

I. Die Wurzeln der Doktrin Die Wurzeln der Produkt-Prozess-Doktrin können bis in das Jahr 1952 zurückverfolgt werden zum Bericht des Panels im Fall Belgian Family Allowances. Als weiterer Meilenstein in der Entwicklung der Doktrin ist ferner die in der bisherigen Diskussion nur wenig beachtete Studie des GATT-Sekretariats "Industrial Pollution Control and International Trade" aus dem Jahr 1971 zu beachten, in der erstmals die tragenden Argumente der Produkt-Prozess-Doktrin im Zusammenhang dargelegt worden sind.

1. Der Panel-Bericht im Fall Belgian Family Allowances Belgien hatte im Jahr 1930 ein bestimmtes System der staatlichen Familienunterstützung lfamily allowances) etabliert, an dessen Finanzierung die Arbeitgeber über eine Steuer beteiligt waren. 126 Diese Steuerpflicht für die einheimischen Unternehmer wurde im Jahr 1939 durch eine Steuer auf bestimmte eingeführte Produkte ergänzt. Die Steuer wurde anlässlich des Kaufs durch staatliche Stellen auf solche Waren erhoben, die aus Staaten eingeführt worden waren, deren System der Familienunterstützung nicht unter Beteiligung der Arbeitgeber finanziert wurde. Sinn und Zweck dieser zusätzlichen Steuer war es, die Wettbewerbsnachteile für die einheimische Produktion gegenüber Produkten aus diesen Staaten jedenfalls teilweise auszugleichen. In der Folge wurden die Produkte aus Luxemburg, den Niederlanden, Frankreich, Italien, Schweden und Großbritannien wegen eines ähnlichen Systems der Familienunterstützung von der Steuer befreit. Insbesondere die Gesuche Norwegens und Dänemarks um Steuerbefreiung wurden von den belgischen Behörden jedoch wiederholt abgelehnt. Daraufhin legten Norwegen und Dänemark die belgische Steuerpraxis den GATT-Vertragsparteien zur Prüfung vor und machten einen Verstoß gegen die Meistbegünstigungsverpflichtung des Art. I geltend. In seinem kurzen Bericht stellte das Panel zunächst fest, dass es sich bei der Belastung der eingeführten Produkte um eine interne Steuer im Sinne des Art. I1I:2 und nicht um einen Zoll oder eine zollgleiche Abgabe handelt. Nach Art. I: 1 i.Y.m. 126 Vgl. zum Hintergrund des Falles Hudec, Essays on the Nature of International Trade Law, S. 42 ff.

D. Die Produkt-Prozess-Doktrin

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Art. III:2 sei demnach ein jeglicher Vorteil, den Belgien den Produkten eines Staates bei der internen Besteuerung gewährt, unverzüglich und unbedingt auch gleichartigen Produkten aus allen anderen Vertragsstaaten des GAIT zuzuerkennen. Die Wahl eines bestimmten Systems der Familienunterstützung ändere an dieser grundlegenden Verpflichtung aus dem GATT nichts. 127 Bevor das Panel jedoch einen Verstoß gegen Art. I feststellen konnte, musste es prüfen, ob die belgische Steuer nicht unter die sog. "grandfather c1ause" des Protocol of Provisional Application fiel und aus diesem Grunde möglicherweise eine Verletzung von Art. I ausschied. Zu einem eindeutigen Ergebnis ist das Panel insoweit jedoch nicht gekommen. 128 Hinsichtlich des Verstoßes gegen Art. I wird das Panel jedoch deutlicher: "On the other hand, [the Panel] was of the opinion that the Belgian legislation on family allowances was not only inconsistent with the provisions of Article I (and possibly with those of Article 111, paragraph 2), but was based on a eoneept whieh was diffieult to reeoneile with the spirit ofthe General Agreement [ . . . ].,,129

2. GATT-Studie "Industrial Pollution Control and International Trade" Das GAIT-Sekretariat hat bezeichnenderweise schon seine erste eigenverantwortliche Studie über den internationalen Handel aus dem Juli 1971 dem Bereich Handel und Umwelt gewidmet. Anlass hierfür war die Stockholmer Umweltkonferenz 1972, zu der das GAIT mit der Studie "Industrial Pollution Control and International Trade,,\30 einen eigenen Beitrag leisten wollte. 131 Die Unterscheidung zwischen umwelt schädlichen Produkten und der umweltschädlichen Produktion durchzieht die gesamte Studie. Während Handelsrnaßnahmen gegen schädliche Produkte nur einen geringen Teil der Ausführungen einnehmen, insoweit ergäben sich keine besonderen Probleme, liegt der Schwerpunkt der Studie eindeutig auf der Regulierung schädlicher Herstellungsprozesse, bei der die hergestellten Produkte selbst unbedenklich sind. Insoweit seien neue Probleme für den internationalen Handel erkennbar: Panel Report, Belgian Family Allowanees, para. 3. Diese Unsicherheit drückt sich insbesondere im ersten Satz der Empfehlung aus (Panel Report, Belgian Family Allowanees, para. 8): "The Panel feit that the legal issues involved in the complaint under consideration are such that it would be difficult for the CONTRACTING PARTIES to arrive at a very definite ruling." Zwar war die Frage der Anwendbarkeit der grandfather clause das eigentliche Rechtsproblem des Falles, im Rahmen der vorliegenden Bearbeitung ist sie jedoch ohne Belang und soll daher nicht weiter verfolgt werden. Ausführlich dazu Hudee, Essays on the Nature oflnternational Trade Law, S. 60 f. 129 Panel Report, Belgian Family Allowanees, para. 8 (Hervorhebung durch den Verfasser). 130 GATT, Industrial Pollution Control and International Trade. 131 WTO, High Level Symposium on Trade and Environment, para. 6. 127

128

5 Puth

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1. Teil: Problementfaltung

"As regards pollutants, i.e., products which in their use or disposal are harmful to the environment, pollution control poses not problems unique or different in kind from those already familiar in relation to quality standards which may be maintained for other purposes, or other health measures. [ ... ] When it comes to processes which cause pollution in the production of goods which are in themselves harmless in their use, another potential difficulty may arise in international trade.,.l32

An umweltschädliche Herstellungsprozesse anknüpfende Handelsmaßnahmen gegenüber Produkten, die selbst völlig unbedenklich sind, steht die Studie sehr skeptisch gegenüber. Sie formuliert erstmals an exponierter Stelle die auch heute noch der Produkt-Prozess-Doktrin zu Grunde liegenden Bedenken, die sich mit den Schlagworten der komparativen Kostenvorteile, des slippery slope bzw. der Pandora's box und des Unilateralismus belegen lassen. Zusammenfassend hebt die Studie hervor: "In reality, such a concept would seriously undermine the fundamental notion that cost differences should be allowed to play their part in promoting international trade. To permit one particular kind of production charge to be used to justify a lower level of protection would open the way to many more, to an enormous potential interference with the jlow 01 trade and endless disputes. Ultimately, the most-favoured-nation commitment would be at stake. Obviously, action taken on the basis of an intergovemmental agreement concerning maintenance of quality standards in a production process would be a different matter entirely, but it is hard to see how the Contracting Parties to GATT could permit individual member governments to set import charges in relationship to costs of production, even if it were possible to determine these particular costs accurately.,,133

11. Ausprägung der Doktrin durch die Fälle US - Tuna I und II Die Berichte der Panel in den Fällen US - Tuna I und II haben maßgeblich zur Entwicklung und allgemeinen Verbreitung der Unterscheidung zwischen produktbezogenen und nichtproduktbezogenen Handelsmaßnahmen unter dem GATT beigetragen. Dabei liegt die besondere Bedeutung der Berichte darin, dass sie die bisher vorwiegend politisch und wirtschaftlich motivierte Argumentation unter den Überschriften der "Extraterritorialität" und des Unilateralismus in den Vorschriften des GATT, insbesondere Art. I, III, XI und XX, verankert und somit auch für den Rechtsanwender handhabbar gemacht haben. Zwar sind die Berichte der Panel in den Fällen US - Tuna I und II niemals von den GATT-Vertragsparteien angenommen worden und besitzen mithin keine eigentliche Rechtsqualität. Dennoch haben 132 GATT, Industrial Pollution Control and International Trade, S. 16 (Hervorhebung im Original). 133 GATT, Industrial Pollution Control and International Trade, S. 17 f. (Hervorhebung durch den Verfasser).

D. Die Produkt-Prozess-Doktrin

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die angestellten rechtlichen Erwägungen ihren festen Platz in jeder ernsthaften Erörterung der Produkt-Prozess-Doktrin. Schließlich lag zumindest der gescheiterten Annahme des Berichts im Fall US - Tuna I nicht etwa mangelnder Rückhalt unter den Vertragsparteien des GATI zu Grunde, sachlich war man weitgehend mit dem Bericht in Übereinstimmung. Allein die beiden Streitparteien, die Vereinigten Staaten und Mexiko, wollten die ohnehin schon unter Fragen des Umweltschutzes und der Sozial standards stockenden Verhandlungen um die Gründung der NAFfA nicht weiter belasten. Ihre Gegenstimmen waren unter der Voraussetzung eines positiven Konsenses ausreichend, um die Annahme des Berichts zu verweigern. 134

1. Der zu Grunde liegende Sachverhalt a) Tatsächlicher Hintergrund

Zum kommerziellen Thunfischfang werden vornehmlich große Taschen- oder Beutelnetze verwendet. 135 Bei dieser Fangmethode verbleibt ein Ende des Netzes auf dem Fangboot, während ein kleines Beiboot das andere Ende des Netzes um den Thunfischschwarm legt. Sobald das Beiboot die Thunfische umrundet hat, wird dieses Ende des Netzes wieder zum Fangboot gegeben und dann von dort aus über Seile im oberen und unteren Rand des Netzes zu- und schließlich eingezogen (purse seine fishing 01 tuna). In einer bestimmten Region des Pazifischen Ozeans, dem Eastern Tropical Pacific Ocean (ETP), besteht eine einzigartige Verbindung zwischen Thunfischen und Delphinen. Die Thunfischschwärme schwimmen im ETP nämlich unmittelbar unter den an der Wasseroberfläche sichtbaren Delphinen. Die Fischer im ETP orientieren sich daher zur Entdeckung der Thunfischschwärme an den Delphinen und schließen diese in der Erwartung, dass sich darunter Thunfische befinden, mit ihren Taschennetzen ein. Folge dieser Praxis ist ein sehr hoher Beifang von Delphinen anlässlich des Thunfischfangs im ETP. Der Beifang endet für die betroffenen Delphine regelmäßig tödlich. Aufgrund dieser Praxis ist der Bestand an Delphinen im ETP substantiell gefährdet. Auf internationaler Ebene bestehen im Rahmen der Inter-American Tropical Tuna Commission (lATIC)136 seit geraumer Zeit Bemühungen zur Reduzierung des Beifangs von Delphinen im ETP. Mittlerweile sind die meisten Staaten, die sich zum Thunfischfang im ETP des purse seine fishing bedienen, auch Mitglieder der IATIC. Im Juni 1992 unterzeichneten die IATIC-Mitglieder ein Abkommen, das auf die schrittweise Reduzierung des tödlichen Beifangs von Delphinen beim Petersmann, JWT 27, Nr. I (1993), S. 60. Siehe die Sachverhaltsdarstellungen im Panel Report, US - Tuna I, para. 2.1 ff., und im Panel Report, US - Tuna ll, para. 2.1 ff. 136 Mitglieder waren zum Zeitpunkt der Berichte der Panel Kolumbien, Costa Rica, Ecuador, Mexiko, Nicaragua, Panama, die Vereinigten Staaten, Vanuatu und Venezuela. 134 135

5*

68

1. Teil: Problementfaltung

Thunfischfang im ETP gerichtet ist. 137 Danach sollte der Beifang von Delphinen von 19.500 im Jahr 1993 auf unter 5000 im Jahr 1999 fallen. b) Der Marine Mammal Protection Act

Die Vereinigten Staaten haben 1972 zum Schutz von Meeressäugetieren den Marine Mammal Proteetion Act (MMPA) erlassen. Danach ist es grundsätzlich verboten, Meeressäugetiere gezielt oder anlässlich des Fischfangs zu verletzen oder zu töten (taking of marine mammals). Weiter verbietet der MMPA grundsätzlich die Einfuhr von Meeressäugetieren oder daraus hergestellten Produkten, sowie von Fischen und Fischprodukten, an lässlich deren Fang Meeressäugetiere verletzt oder getötet worden sind. Für den Fang von Gelbflossenthunfisch im ETP sieht Seetion 101 des MMPAjedoch die Möglichkeit von Ausnahmen vor. Für jegliches Fischen innerhalb des Hoheitsbereichs der Vereinigten Staaten gilt zunächst das grundsätzliche Verbot des MMPA. Allein der American Tunaboat Association haben die nach dem MMPA zuständigen Behörden unter den weiteren Voraussetzungen des International Dolphin Conservation Act aus dem Jahr 1992 den eng begrenzten Beifang von Delphinen beim Fang von Gelbflossenthunfisch im ETP erlaubt. Zugleich verbietet der MMPA die Einfuhr von solchen Fischen und Fischprodukten, die in einer Weise gefangen worden sind, die zu einem die US-Standards übersteigenden Beifang von Meeressäugetieren führt. Die Einhaltung der US-Standards wird dann angenommen, wenn der Exportstaat ein vergleichbares Schutzprogramm und eine vergleichbare Beifangrate belegen kann. Dabei gilt das Importverbot nicht nur für Gelbflossenthunfisch und daraus hergestellte Produkte, die aus dem Fangstaat selbst eingeführt werden sollen (primary nation embargo), sondern auch für Gelbflossenthunfisch und daraus hergestellte Produkte aus dritten Staaten, die ihrerseits unter das primary nation embargo fallende Produkte eingeführt haben (intermediary nation embargo). Die Importverbote greifen gemäß Section 305 des MMPA jedoch dann nicht, wenn der Fangstaat mit den Vereinigten Staaten ein spezielles Abkommen zum Schutz der Delphine im ETP geschlossen hat und die darin gemachten Zusagen nachweislich einhält. c) Der Dolphin Protection Consumer Information Act

Der Dolphin Protection Consumer Infonnation Act (DPCIA) enthält spezielle Kennzeichnungsvorschriften für Thunfischprodukte, die exportiert oder auf dem US-amerikanischen Markt angeboten werden sollen. Danach ist es verboten, auf dem Label eines Thunfischproduktes den Hinweis "Dolphin Safe" oder einen ent137

Abgedruckt in ILM 33 (1994), S. 936 ff.

D. Die Produkt-Prozess-Doktrin

69

sprechenden Hinweis anzubringen, wenn der Thunfisch entweder im ETP unter Verwendung von nicht als delphinsicher einzustufenden Taschen- oder Beutelnetzen (purse seine nets) oder sonst auf der hohen See mit Schleppnetzen (driftnets) gefangen worden ist.

2. Der Bericht des Panels im Fall US - Tuna I Im Fall US - Tuna I untersuchte das Panel auf Antrag Mexikos, das hinsichtlich seiner Gelbflossenthunfische und den daraus hergestellten Produkten mit einem primary nation embargo nach dem MMPA belegt worden war, die Vereinbarkeit dieses direkten Importverbotes, wie auch des intermediary nation embargos und der Kennzeichnungsvorschriften des DPCIA mit dem GATT. 138 Hinsichtlich der Importverbote ging das Panel zunächst die Einordnung als interne Maßnahmen im Sinne von Art. III oder als mengenmäßige Beschränkungen im Sinne von Art. XI an. Mit dem Hinweis darauf, dass die betreffenden Vorschriften des MMPA "could not be regarded as being applied to tuna products as such, because they would not directly regulate the sale of tuna and could not possibly affect tuna as a product" verneinte das Panel das Vorliegen von internen Maßnahmen und damit die Anwendbarkeit von Art. III. 139 Hierbei blieb das Panel jedoch nicht stehen und führte weiter aus, dass selbst wenn man die betreffenden Vorschriften des MMPA als interne Maßnahmen verstünde und damit Art. III für einschlägig erachtete, ein Rechtsverstoß anzunehmen sei, da eingeführte Thunfischprodukte eine weniger günstige Behandlung erführen als einheimische Thunfischprodukte. 14o Das Panel hielt jedoch an seiner ursprünglichen Argumentation fest und nahm an, dass die Importverbote für Gelbflossenthunfisch und bestimmte daraus hergestellte Produkte und die zu Grunde liegenden Vorschriften des MMPA gegen Art. XI: 1 verstoßen. 141 Im Anschluss daran untersuchte das Panel die Frage, ob der festgestellte Rechtsverstoß nach Art. XX(b) oder (g) gerechtfertigt ist. Eine Rechtfertigung scheitere jedoch in beiden Fällen an der extraterritorialen- Tuna 1",4> Wirkung der US-amerikanischen Importverbote. Nach Art. XX(b) könnten nur Maßnahmen gerechtfertigt werden, die dem Schutz der im eigenen Hoheitsbereich belegenen Menschen, Tiere oder Pflanzen dienen. 142 Auch Art. XX(g) sei allein darauf gerichtet, solche 138 Panel Report, US - Tuna I; vgl. hierzu von Bogdandy, EuZW 1992, S. 243 ff.; Thaggen, in: Carneron/Demaret/Geradin (eds.), S. 69 ff.; Jackson, WLLR 49 (1992), S. 1227 ff.; Kirgis, WLLR 49 (1992), S. 1221 ff.; Skilton, CILJ 26 (1993), S. 455 ff.; SchmidtlKahl, in: Rengeling (Hrsg.), Rn. 99 f. 139 Panel Report, US - Tuna I, para. 5.14 (Hervorhebung durch den Verfasser). 140 Panel Report, US - Tuna I, para. 5.15 f. 141 Panel Report, US - Tuna I, para. 5.18. 142 Panel Report, US - Tuna I, para. 5.25 f.

70

1. Teil: Problementfaltung

Handelsrnaßnahmen zu rechtfertigen, die in erster Linie eine Beschränkung der Produktion oder des Verbrauchs innerhalb des eigenen Hoheitsbereichs in Geltung setzen. 143 Die extraterritoriale Anwendung ("extrajurisdictional application") von Art. XX(b) und (g) widerspreche insgesamt dem Geist des GAIT: ,,[E]ach contracting party could unilaterally determine the life or health protection policies from which other contracting parties could not deviate without jeopardizing their rights under the General Agreement. The General Agreement would then no longer constitute a multilateral frame work for trade among all contracting parties but would provide legal security only in respect of trade between a limited number of contracting parties with identical internal regulations."I44

Hinsichtlich der Kennzeichnungsvorschriften des DPCIA 145 stellte das Panel zunächst fest, dass es sich nicht um Ursprungsbezeichnungen i. S. d. Art. IX: 1 handelt. Ferner seien die Kennzeichnungsvorschriften als solche keine nach Art. 1:1 i.Y.m. Art. I1I:4 relevanten Maßnahmen, da sie weder zwingend seien und in Abhängigkeit von der verwendeten Fangmethode den Verkauf von Thunfischprodukten beschränkten, noch staatlicherseits einen direkten Vorteil für delfinsicher gefangenen Fisch gewährten. 146 Jeder Vorteil, der aus der Gewährung des Kennzeichens entspringt, beruhe allein auf der freien Wahl der Konsumenten. Daher seien im Rahmen von Art. I: 1 allein die Vorschriften des DPCIA von Bedeutung, die den Zugang zum Kennzeichen regulieren. Insoweit sei eine Diskriminierung zwischen Produkten aus Mexiko und Produkten aus anderen Staaten nicht ersichtlich.

3. Der Bericht des Panels im Fall US - Tuna II Im Fall US - TUM II untersuchte das Panel auf Antrag der EG und der Niederlande, die von einem intermediary nation embargo nach dem MMPA hinsichtlich Gelbflossenthunfisch und daraus hergestellten Produkten betroffen waren, die Vereinbarkeit dieses indirekten Importverbotes wie auch des primary nation embargos mit dem GAIT. 147 Zunächst nahm das Panel die Einordnung der Importverbote als interne Maßnahmen im Sinne von Art. III oder als mengenmäßige Beschränkungen im Sinne von Art. XI vor. Genau wie schon das Panel im Fall US - Tuna I kam auch hier das Panel zu dem Ergebnis, dass Art. III "could not apply to the enforcement at the time or point of importation of laws, regulations or requirements that related to Panel Report, US - Tuna I, para. 5.31. Panel Report, US - Tuna I, para. 5.27 und ähnlich para. 5.32. 145 Siehe Panel Report, US - Tuna I, para. 5.41 ff. 146 Die Passage findet sich im dritten Teil D.II.2.a)aa) wörtlich abgedruckt. 147 Panel Report, US - Tuna ll; vgl. hierzu Uimonen/Whalley, Environmental Issues, S. 75 ff.; Triebold, Rechtliche Grundlagen des Umweltschutzes, S. 87 ff. 143

144

D. Die Produkt-Prozess-Doktrin

71

policies or practices that could not affect the product as such, and that accorded less favourable treatment to like products not produced in conformity with the domestic policies of the importing country".148 Stattdessen sei ein Verstoß gegen Art. XI: 1 anzunehmen. 149 Bei der Prüfung der Rechtfertigung nach Art. XX(g) oder (b) hob das Panel zunächst hervor, dass der Text der Vorschriften keinerlei Anforderungen an die Belegenheit des Schutzgutes im eigenen Staatsgebiet des handelnden Staates enthalte. Vielmehr ergebe sich etwa aus Art. XX(e), dass grundsätzlich auch an Umstände außerhalb des eigenen Territoriums anknüpfende Maßnahmen mit dem GATT vereinbar sein können. ISO Weitgehend abgelehnt hat das Panel, in diesem Zusammenhang internationale Umweltschutzverträge wie die Arbeiten der IATTC, die Seerechtskonvention der Vereinten Nationen (UNCLOS) und das Washingtoner Artenschutzübereinkommen (CITES) bei der Auslegung von Art. XX zu berücksichtigen. ISI Bei den genannten Übereinkommen handele es sich um bilaterale oder plurilaterale Übereinkommen, die nicht zwischen den Vertragsparteien des GATT geschlossen worden seien und auch nicht die Auslegung oder Anwendung des GATT beträfen. Hinsichtlich der Anforderungen des "relating to" und "in conjunction with" in Art. XX(g) bzw. des "necessary" in Art. XX(b) führte das Panel schließlich aus, dass diese im vorliegenden Fall nicht erfüllt sein könnten. Handelsmaßnahmen, die darauf abzielen, ein anderes Mitglied zur Änderung seiner innerstaatlichen Politiken zu bestimmen, seien von vornherein ausgeschlossen. Im Wortlaut führte das Panel aus: "If however Article XX were interpreted to permit contracting parties to take trade measures so as to force other contracting parties to change their policies within their jurisdiction, including their conservation policies, the balance of rights and obligations among contracting parties, in particular the right of access to markets, would be seriously impaired. Under such an interpretation the General Agreement could no longer serve as a multilateral framework for trade among contracting parties.,,152

111. Aktueller Entwicklungsstand der Doktrin Auf die Darstellung der Wurzeln und der maßgeblichen Ausprägung folgt nunmehr ein zusammenfassender Überblick über den aktuellen Entwicklungsstand der Produkt-Prozess-Doktrin.

148 149 150 151 152

Panel Report, Panel Report, Panel Report, Panel Report, Panel Report,

US US US US US -

Tuna ll, Tuna ll, Tuna ll, Tuna /I, Tuna ll,

para. 5.8 (Hervorhebung durch den Verfasser). para. 5.10. para. 5.15 ff. und 5.31 f. para. 5.19 f. und 5.33. para. 5.26 und nahezu identisch para. 5.38.

72

1. Teil: Problementfaltung

1. Die Doktrin in der Sache - Tragende Argumente

Die tragenden Argumente der Produkt-Prozess-Doktrin sind im Kern seit der GATT-Studie "Industrial Pollution Control and International Trade" aus dem Jahr 1971 bekannt und werden nach wie vor weitgehend unverändert vorgetragen. Allein die Berichte der Panel in den Fällen US - Tuna I und II haben diesen vorwiegend wirtschaftlich und politisch ausgestalteten Argumenten eine "welthandeisrechtliche Hülle" verliehen und sie insoweit in eine rechtliche Form gegossen.

a) Komparative Kostenvorteile

Das in der Sache wohl bedeutendste Argument der Vertreter der Produkt-Prozess-Doktrin liegt in dem Hinweis auf die der Welthandelsordnung zu Grunde liegende Theorie der komparativen Kostenvortei1e. 153 Die Anknüpfung von Handelsmaßnahmen an Umstände der Produktion, die keinen Niederschlag im fertigen Produkt gefunden haben, laufe diesem Grundprinzip der internationalen Arbeitsteilung zuwider. Schließlich seien gerade die unterschiedlichen nationalen Produktionsbedingungen einschließlich des diese formenden nationalen Rechtsrahmens die Ursachen komparativer Kostendifferenzierungen zwischen den Staaten. Erst die Unterschiedlichkeit in der Ausstattung mit natürlichen Ressourcen sowie in den rechtlichen Rahmenbedingungen der Produktion mache internationalen Handel überhaupt vorteilhaft. Die Wahl bestimmter, auch umweltschädlicher PPMs sei gerade Ausdruck dieser staatlichen Unterschiede und beruhe z. B. auf der besonderen Aufnahme- und Regenerationsfahigkeit der Umwelt im Staat der Produktion. 154 Entsprechende Umweltstandards seien daher als Quelle komparativer Kostenvorteile zu respektieren und nicht zum Gegenstand von Handelsmaßnahmen zu machen. b) "Extraterritorialität "

In rechtliche Form gegossen findet sich das Argument der komparativen Kostenvorteile in einer behaupteten extraterritorialen Wirkung 155 nichtproduktbezogener Handelsmaßnahmen wieder. 156 Die unzähligen Beiträge hierzu heben vor allem zwei Aspekte nichtproduktbezogener TREMs hervor, die jeder für sich eine Grenz153 Siehe GATT, Industrial Pollution Control and International Trade, S. 17 f.; Jackson, WLLR 49 (1992), S. 1243 f.; Jackson, The World Trading System, S. 236; Tietje, Normative Grundstrukturen, S. 210; Rutgeerts, JWT 33, Nr. 4 (1999), S. 71; differenzierend Schlagenhof, JWT 29, Nr. 6 (1995), S. 130; Verbruggen/ Kuik, in: Van Dijckl Faber (eds.), S. 269. 154 Vgl. hierzu Foy, JWT 26, Nr. 6 (1992), S. 125 f.; Verbruggen/Kuik, in: Van Dijck/Faber (eds.), S. 269; Düerkop, CML Rev. 31 (1994), S. 812. 155 Schoenbaum, AJIL 91 (1997), S. 279 f.; von Bogdandy, EuZW 1992, S. 245; Jackson, WLLR 49 (1992), S. 1240 f.; Van Calster; International and EU Trade Law, S. 300 f. 156 Diesen Zusammenhang unterstreicht Trachtman, EJIL 9 (1998), S. 43.

D. Die Produkt-Prozess-Doktrin

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überschreitung durch den handelnden Staat bedeuten sollen. Der Aspekt der Belegenheit des geschützten Umweltgutes geht auf das Panel im Fall US - Tuna [ zurück. 157 Danach darf der Importstaat im Rahmen von Art. XX(b) und (g) nur zum Schutz inländischer Umweltgüter Handelsrnaßnahmen ergreifen. Der andere, in der Diskussion schwerer wiegende Aspekt der behaupteten extraterritorialen Wirkung nichtproduktbezogener TREMs liegt in der Anknüpfung an die Produktionsweisen des Staates der Produktion. Genau hier fließt das schon dargelegte Argument der komparativen Kostenvorteile ein und wird bei der Auslegung von Art. XX als maßgebliche Zuständigkeitsverteilung zwischen den Mitgliedern zu Grunde gelegt. Soweit das gehandelte Produkt selbst unbedenklich ist, scheide eine Anknüpfung von Handelsrnaßnahmen des Importstaates an die Umstände der Produktion aus. Die produktionsseitigen Umweltstandards unterfielen ausschließlich der domestic policy autonomy des Staates der Produktion. Wegweisend ist insoweit der Bericht des Panel im Fall US - Tuna ll. Danach würden nichtproduktbezogene TREMs die Balance der Rechte und Pflichten zwischen den Mitgliedern aushebeln. 15S c) Unilateralismus vs. Kooperation

Ferner wird in der Diskussion um die Zulässigkeit nichtproduktbezogener Handeismaßnahmen zwischen einseitigem Vorgehen des Importstaates und einer kooperativen Lösung in Übereinstimmung mit den betroffenen Herkunftsländern unterschieden. 159 Unklar ist jedoch die Stellung dieses Arguments im Rahmen der Produkt-Prozess-Doktrin. Man ist sich einig, dass in ersterer Linie unilateral verhängte nichtproduktbezogene TREMs vom Verbot erfasst sein sollen. Unter welchen Voraussetzungen jedoch von einem kooperativen Vorgehen gesprochen werden kann, und wie genau auf einer entsprechenden multilateralen Übereinkunft basierende nichtproduktbezogene Hande1smaßnahmen bewertet werden sollen, ist weithin ungeklärt. Meist finden sich nur allgemeine Hinweise dahingehend, dass "action taken on the basis of an intergovernmental agreement concerning maintenance of quality standards in a production process would be a different matter entirely".I60 Auch die dargelegte Praxis der Panel ist uneinheitlich und wenig aussagekräftig. Während das Panel im Fall US - Tuna [161 ausdrücklich auf das einseitige Vorgehen der Vereinigten Staaten Bezug nahm, fehlt im Bericht des Panels im Fall US - Tuna II ein entsprechender Hinweis völlig. Das in der Literatur vertretene Meinungsspektrum reicht von dem undifferenzierten Verbot aller nichtproduktbezogenen TREMs, unabhängig davon ob sie einseitig verhängt werden oder Vgl. Panel Report, US - Tuna J, para. 5.25 ff. Panel Report, US - Tuna ll. para. 5.26 und nahezu identisch para. 5.38. 159 Vgl. Strauss, UPAJIEL 19 (1998), S. 796 ff.; Schoenbaum, AJIL 86 (1992), S. 723; Demaret, in: Carneron I Dernaret I Geradin (eds.). S. 52 ff. 160 GATI. Industrial Pollution Control and International Trade, S. 17 f. 161 Panel Report, US - Tuna J, para. 5.27 und ähnlich para. 5.32. 157 158

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1. Teil: Problementfaltung

auf einer multilateralen Übereinkunft beruhen, bis hin zur generellen Ausklammerung kooperativ in Geltung gesetzter nichtproduktbezogener TREMS aus der Produkt-Prozess-Doktrin. d) Slippery slope & Pandora's box

Die Hinweise auf die Theorie der komparativen Kostenvorteile, die "Extraterritorialität" und auch den Unilateralismus sind in der Sache wohl die am häufigsten genannten Argumente in der welthandlesrechtlichen Diskussion um die Unterscheidung zwischen Produkt und Prozess. Hierbei bleiben die Vertreter der Produkt-Prozess-Doktrin jedoch nicht stehen. Am Ende der jeweiligen Ausführungen finden sich regelmäßig undifferenzierte Hinweise auf die Gefahr der Unterhöhlung der Welthandelsordnung durch nichtproduktbezogene Handelsmaßnahmen: Dem Protektionismus werde Tür und Tor geöffnet. 162 Bei näherer Betrachtung erscheinen weniger die sachlichen Argumente als solche, als vielmehr diese unbestimmten Ängste ausschlaggebend für die rigorose Ablehnung nichtproduktbezogener Handelsmaßnahmen zu sein. Eine gewichtige Stimme in der Literatur hat in diesem Zusammenhang exemplarisch ausgeführt: ,,[I]t is considered important to prevent Article XX from becoming a large loophole that govemments can use to justify almost any measures that are motivated by protectionist considerations. It is this slippery slope problem that worries many in connection with Article XX. [ ... ] Trade policy experts are concemed that if a nation is a1lowed to use the process characteristics as the basis for trade restrictive measures, then the result would be to open a Pandoras box ofproblems that could open large loopholes in the GATT.,,163

Speziell im Bereich grenzüberschreitender Umweltprobleme bietet die Komplexität der tatsächlichen Zusammenhänge zwischen der Verwendung bestimmter PPMs, den hierdurch verursachten Umweltbelastungen und den Möglichkeiten und Erfordernissen des Umweltschutzes breiten Raum für unterschiedliche staatliche Wertungen. Hinzu treten mitunter nicht völlig geklärte naturwissenschaftliche Wirkungszusammenhänge und tiefgreifende wirtschaftliche und soziale Unterschiede zwischen den Mitgliedern. Vor diesem Hintergrund ist es schwierig, eine andere Lösung als den kompletten Ausschluss nichtproduktbezogener Handelsmaßnahmen zu finden. Geht man nämlich von der strikten Produkt-Prozess-Doktrin ab, ergibt sich die Notwendigkeit, geeignete Kriterien zur Abgrenzung legitimer und illegitimer nichtproduktbezogener Handelsmaßnahmen zu entwickeln und anzuwenden. 162 Phillips/Kerr; JWT 34, Nr. 4 (2000), S. 70; Senti, WTO, Rn. 701; vgl. auch Das, The World Trade Organization, S. 129. 163 Jackson, WLLR 49 (1992), S. 1240 und 1243 (Hervorhebung durch den Verfasser); vgl. auch Jackson, EJIL 11 (2000), S. 304.

D. Die Produkt-Prozess-Doktrin

75

In dieser Hinsicht wird nichtproduktbezogenen Handelsmaßnahmen insbesondere entgegengehalten, dass sich die Überlegungen zum Schutz der Umwelt problemlos auf eine Reihe sozialer, wirtschaftlicher und kultureller Schutzgüter übertragen ließen. 164 Dann wären neben nichtproduktbezogenen TREMs auch Handelsmaßnahmen zur Steigerung etwa der Sozial- und Menschenrechtsstandards im Staat der Produktion denkbar. Diese im Verhältnis zu produktbezogenen Handelsmaßnahmen weitaus vielfaltigeren Anknüpfungspunkte würden schließlich, so die Vertreter der Produkt-Prozess-Doktrin, den Bestand der Welthandelsordnung gefährden. Daher seien nichtproduktbezogene Handelsmaßnahmen schon im Ansatz abzulehnen. 2. Die Doktrin in der Zeit - Entwicklungstendenzen Wie schon aus der weitgehend unverändert vorgetragenen Argumentation ersichtlich, hat sich die Produkt-Prozess-Doktrin insgesamt seit den Thunfisch-Fällen nicht wesentlich weiter entwickelt. Auch die Überführung des GATT in den Rahmen der WTO hat trotz der insgesamt stärkeren Berücksichtigung der Belange des internationalen Umweltschutzes in den WTO-Übereinkommen keine besonderen Auswirkungen auf die Doktrin gezeitigt. 165 Erst der Bericht des Appellate Body im Fall US - Shrimp hat die Diskussion neu eröffnet und Bewegung in die verkrusteten Positionen gebracht. In der Folge ist bei den Verfechtern der ProduktProzess-Doktrin eine gewisse Akzentverschiebung zu beobachten, hin zu einer deutlicheren Differenzierung unilateral und kooperativ in Geltung gesetzter nichtproduktbezogener Handelsmaßnahmen. 166 Auch treten die Argumente des slippery slope bzw. der Pandora's box deutlicher in den Vordergrund der Argumentation. 167

IV. Die Doktrin und ihre Kritiker Trotz der breiten Anerkennung der Produkt-Prozess-Doktrin unter GATT 1947 und WTO sind auch einzelne kritische Stimmen zu verzeichnen. Schon früh wurde geltend gemacht, dass nichtproduktbezogene Handelsmaßnahmen nicht generell aus dem Anwendungsbereich von Art. III auszuscheiden 168 und zudem die Umstände der Produktion, auch wenn sie keinen Niederschlag im fertigen Produkt gefunden haben, bei der Bestimmung der Gleichartigkeit in Art. III:2 und III:4 zu 164 Schlagenhoj, JWT 29, Nr. 6 (1995), S. 1130; Shahin, in: Sampson/Chambers (eds.), S. 46; Appleton, Environmental Labelling Schemes, S. 195,208 f. und 218. 165 So lautet der allgemeine Befund für den gesamten Bereich Handel und Umwelt von Manzini, in: Mengozzi (ed.), S. 816. 166 Vgl. Jansen, EJIL 11 (2000), S. 311. 167 So bei Jackson, EJIL 11 (2000), S. 304 ff. 168 Vgl. Demaret, in: Cameron/Demaret/Geradin (eds.), S. 64.

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1. Teil: Problementfaltung

berücksichtigen seien l69 . Ferner, so wurde später hinzugefügt, sei bei der Durchsetzung unterschiedslos auf eingeführte wie einheimische Produkte anwendbarer nichtproduktbezogener Anforderungen eine relevante Ungleichbehandlung nicht ersichtlich. 170 Aus diesen Einwänden wurde gefolgert, dass nichtproduktbezogene Handelsmaßnahmen jedenfalls unter bestimmten Umständen schon gar keine Verpflichtung des GATT verletzen. Darüber hinaus finden sich vorwiegend aus umweltschutzpolitischer und ökonomischer Perspektive geführte Argumente, die eher auf eine Rechtfertigung nichtproduktbezogener Handelsmaßnahmen zum Umweltschutz abzielen. Zum einen wird darauf verwiesen, dass es aus Sicht des internationalen Umweltschutzes keinen Unterschied mache, ob eine Umweltgefährdung unmittelbar mit dem gehandelten Produkt zusammenhängt oder davon losgelöst im Rahmen seiner Produktion verursacht wird. In beiden Fällen seien Handelsmaßnahmen ein probates Mittel zum Umweltschutz. 171 Zum anderen sei es auch aus ökonomischer Perspektive unerheblich, ob negative Wirkungen auf die Umwelt bei der Produktion oder beim Verbrauch eines Produkts entstünden. Produktbezogene wie nichtproduktbezogene Handelsmaßnahmen dienten in beiden Fällen der Internalisierung externer Effekte auf die Umwelt und seien daher unter bestimmten Umständen auch ökonomisch sinnvoller als das bloße Hinnehmen der Umweltschädigungen. l72

v. Zwischenergebnis Die Wurzeln der Produkt-Prozess-Doktrin reichen weit zurück. Genährt wird die Doktrin weitgehend von der Befürchtung der Staaten, mit der Zulassung nichtproduktbezogener Handelsmaßnahmen der Protektion Tür und Tor zu öffnen (Argumente des slippery slope und der Pandora s box). Die möglichen Anknüpfungspunkte staatlicher Handelsmaßnahmen werden als zu vielfältig und die potentiellen Auswirkungen auf die Welthandelsordnung als zu weitreichend und insgesamt als unberechenbar empfunden. Mangels tauglicher Abgrenzungskriterien zwischen berechtigten und nichtberechtigten staatlichen Schutzanliegen sei allein der völlige Ausschluss nichtproduktbezogener Handelsmaßnahmen ein taugliches Mittel, um den genannten Gefahren wirksam zu begegnen. 173 Die Hinweise auf die Theorie der komparativen Kostenvorteile und die behauptete extraterritoriale Wirkung nichtproduktbezogener Handelsmaßnahmen dienen schließlich der theoretischen So schon Gramlich, AVR 33 (1995), S. 146; HauserlSchanz, Das neue GAIT, S. 260 f. Howsel Regan, EJIL 11 (2000), S. 259. 171 Vgl. Schlagenhof, JWT 29, Nr. 6 (1995),128. 172 UimonenlWhalley, Environmental Issues, S. 15 ff.; vgl. auch Weiher, Nationaler Umweltschutz und Internationaler Warenverkehr, S. 49. 173 In diesem Sinne Jackson, EJIL 11 (2000), S. 304 und 306 f.; Schoenbaum, AJIL 91 (1997), S. 291; vgl. auch Schlagenhof, JWT 29, Nr. 6 (1995), S. 154 f. 169

170

E. Der Bericht des Appellate Body im Fall US - Shrimp

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Absicherung der Produkt-Prozess-Doktrin. Mehr und mehr setzt sich jedoch im Lager der Vertreter der Produkt-Prozess-Doktrin die Erkenntnis durch, dass beide Aspekte zur Disposition der beteiligten Staaten stehen und daher allein die unilaterale Verhängung nichtproduktbezogener Handelsrnaßnahmen erfasst sein solle. Im Rahmen eines Umweltschutzübereinkommens zwischen den Vertragsparteien verhängte nichtproduktbezogene Handelsrnaßnahmen können demnach durchaus zulässig sein. Von einem geschlossenen Konzept ist die Produkt-Prozess-Doktrin jedoch auch insoweit noch weit entfernt.

E. Der Bericht des Appellate Body im Fall US - Shrimp Der Bericht des Appellate Body im Fall US - Shrimp hat die Diskussion um die Stellung nichtproduktbezogener Handelsrnaßnahmen zu Zwecken des Umweltschutzes im Welthandelsrecht neu eröffnet. Im Folgenden sollen Hintergrund, Aussage und Bedeutung des Berichts erörtert werden.

J. Der zu Grunde liegende Sachverhalt 1. Tatsächlicher Hintergrund

Bisher sind sieben verschiedene Arten von Meeresschildkröten bekannt. 174 Sie kommen in den subtropischen und tropischen Regionen nahezu aller Weltmeere vor. Im Laufe ihres Lebens wandern Meeresschildkröten durch weite Bereiche des Meeres, von den Küstenregionen unter der Hoheit einzelner Staaten bis hinaus auf die hohe See. Infolge massiver Beeinträchtigung durch den Menschen sind mittlerweile alle Arten von Meeresschildkröten vom Aussterben bedroht. Der Mensch nutzt nicht nur das Fleisch, den Panzer und die Eier der Tiere zum eigenen Verbrauch, sondern bedroht auch indirekt durch die Zerstörung und Verschrnutzung der Meeresumwelt und den unbeabsichtigten Beifang anlässlich des Fischfangs den Bestand der Arten. Auf internationaler Ebene werden alle Arten von Meeresschildkröten als "species threatened with extinction" in Anhang I des Washingtoner Artenschutzübereinkommens als besonders schutzwürdig aufgelistet. Spezielle Bemühungen zum Schutz der Meeresschildkröten gerade vor Beifang anlässlich des Fischfangs enthält die Inter-American Convention for the Protection and Conservation of Sea Turtles (Inter-American Convention), die im September 1996 von den Vereinigten Staaten, Brasilien, Costa Rica, Mexiko, Nicaragua und Venezuela unterzeichnet wurde. 174 Siehe die Sachverhaltsdarstellungen im Panel Report, US - Shrimp, para. 2.1 ff., und im Appellate Body Report, US - Shrimp, para. 2 ff.

78

1. Teil: Problementfaltung

2. Die US-amerikanischen Vorschriften Der US-amerikanische Endangered Species Act (ESA) aus dem Jahr 1973 stuft die in den Hoheitsgewässern der Vereinigten Staaten vorkommenden fünf Arten von Meeresschildkröten allesamt als bedroht ein und verbietet die Verletzung oder Tötung von Meeresschildkröten in den Vereinigten Staaten, den Hoheitsgewässern der Vereinigten Staaten und der hohen See. Unter dem ESA sind die US-amerikanischen Shrimp-Fischer verpflichtet, sog. turtle excluder devices (TEDs)175 in ihren Netzen zu verwenden, wenn sie in Meeresregionen fischen, in denen eine erhöhte Wahrscheinlichkeit des Beifangs von Meeresschildkröten besteht. Die 1989 von den Vereinigten Staaten eingeführte Section 609 des Public Law 101-162 sieht u. a. vor, dass Shrimps, die mit einer für bestimmte Meeresschildkrötenarten möglicherweise gefährlichen Fangmethode gefangen wurden, nur dann in die Vereinigten Staaten eingeführt werden dürfen, wenn die zuständigen USamerikanischen Behörden dem jeweiligen Fangstaat vorher bescheinigt haben, dass das verwendete Schutzkonzept und die Beifangrate von Meeresschildkröten den US-amerikanischen Standards entsprechen oder aufgrund der natürlichen Gegebenheiten im Fanggebiet überhaupt keine Gefährdung von Meeresschildkröten möglich ist. Praktisch wurde diese Vorschrift von den US-amerikanischen Behörden jedoch in einer Weise angewendet, dass Staaten, in deren Gewässern zumindest eine der fünf vom ESA erfassten Arten von Meeresschildkröten vorkommt und die Shrimps mit mechanischen Netzen fangen, den US-amerikanischen Vorschriften nahezu identische Vorschriften für das Fischen von Shrimps innerhalb ihres Hoheitsbereichs aufstellen und durchsetzen mussten, um die Erlaubnis zur Einfuhr von Shrimps und daraus hergestellten Produkten in die Vereinigten Staaten zu erhalten. In der Folge wurde bestimmten Shrimps und Shrimp-Produkten aus Indien, Malaysien, Pakistan und Thailand die Einfuhr in die Vereinigten Staaten verwehrt. Hiergegen wendeten sich die genannten Staaten und machten einen Verstoß gegen Art. I: I, XI: 1 und XIII: 1 geltend.

11. Der Bericht des Panel Das Panel untersuchte zunächst den von Indien, Malaysien, Pakistan und Thailand geltend gemachten Verstoß gegen Art. XI: 1. Da auch die Vereinigten Staaten einen Verstoß gegen Art. XI: 1 anerkannten und lediglich dessen Rechtfertigung nach Art. XX(b) und (g) geltend machten, schloss sich das Panel zunächst ohne weitere Erörterung dieser zwischen den Parteien unstreitigen Einschätzung an: "In this respect, we note that the United States, in reply to one of our questions, ,does not dispute that with respect to countries not certified under Section 609, Section 609 amounts 175 Ein TED ist eine in einem Fangnetz installierte Vorrichtung, die gefangene Shrimps in den hinteren Teil des Netzes leitet und Meeresschildkröten und andere unbeabsichtigt mitgefangene Meerestiere einer gewissen Größe entkommen lässt.

E. Der Bericht des Appellate Body im Fall US - Shrimp

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to a restriction on the importation of shrimp within the meaning of ArticIe XI: 1 of GATI 1994'. This statement of the Uni ted States creates a particular situation where the defendant basically admits that a given measure amounts to a restriction prohibited by GATI 1994. It is usual legal practice for domestic and international tribunals, incIuding GATI panels, to consider that, if a party admits a particular fact, the judge may be entitled to consider such fact as accurate." 176

Im Anschluss daran legte das Panel lediglich hilfsweise dar, dass auch dann, wenn man die Einlassung der Vereinigten Staaten nicht als Eingeständnis begreifen wollte, die vorliegenden Beweise zur Annahme einer Verletzung von Art. XI: 1 ausreichten. Im Ergebnis sei somit in jedem Fall ein Verstoß gegen Art. XI: 1 anzunehmen. Zu der darüber hinaus geltend gemachten Verletzung von Art. I: 1 und XIII: I Stellung zu beziehen, hielt das Panel vor diesem Hintergrund für überflüssig. Hinsichtlich der Rechtfertigung der Importverbote nach Art. XX(b) und (g) untersuchte das Panel zunächst, ob die fraglichen US-amerikanischen Maßnahmen überhaupt unter die Chapeau-Regelung von Art. XX fallen können. Mit Verweis auf die Panel-Berichte in den Fällen US - Tuna 1I und Belgian Family Allowances führte das Panel aus, dass solche Maßnahmen dem Geist und der Wirksamkeit des WTO-Übereinkommens insgesamt widersprächen und daher von vornherein nicht nach Art. XX gerechtfertigt werden könnten: "In our view, if an interpretation of the chapeau of ArticIe XX were to be followed which would allow a Member to adopt measures conditioning access to its market for a given product upon the adoption by the exporting Members of certain policies, incIuding conservation policies, GATI 1994 and the WTO Agreement could no longer serve as a multilateral framework for trade among Members as security and predictability of trade relations under those agreements would be threatened.,,177

Diese grundsätzliche Ablehnung der in Rede stehenden Maßnahmen der Vereinigten Staaten wiederholte das Panel noch einmal in aller Deutlichkeit am Ende seiner Ausführungen: "Nevertheless, in the present case, even though the situation of turtles is a serious one, we consider that the United States adopted measures which, irrespective 0/ their environmental purpose, were clearly a threat to the multilateral trading system [ . . . ).,,178

III. Der Bericht des Appellate Body Der Appellate Body hatte auf Antrag der Vereinigten Staaten neben einer im vorliegenden Zusammenhang irrelevanten prozessualen Fragestellung die Feststel176 Panel Report, US-Shrimp, para. 7.15. 177 Panel Report, US - Shrimp, para. 7.45. 178 Panel Report, US - Shrimp, para. 7.61 (Hervorhebung durch den Verfasser).

80

1. Teil: Problementfaltung

lungen des Panels zur Rechtfertigung der US-amerikanischen Importverbote nach Art. XX zu überprüfen. Zunächst bestätigte der Appellate Body mit Verweis auf seinen Bericht im Fall US - Gasoline die zwei stufige Prüfung von Art. XX. In einem ersten Schritt sei die Maßnahme unter eine der speziellen Ausnahmen der lit. (a) bis (j) einzuordnen und sodann in einem zweiten Schritt dieselbe Maßnahme anhand der Anforderungen der Chapeau-Klausel abschließend zu beurteilen. Diese Reihenfolge sei nicht Ergebnis einer willkürlichen Festlegung, sondern Ausdruck der "fundamental structure and logic of Article XX". 179 Gegen diese zwingende Prüfungsreihenfolge habe das Panel offensichtlich verstoßen: "The Panel formulated a broad standard and a test for appraising measures sought to be justified under the chapeau ; it is a standard or a test that finds no basis either in the text of the chapeau or in that of either of the two specific exceptions claimed by the United States. The Panel, in effect, constructed an apriori test that purports to define a category of measures which, ratione fTUlteriae, fall outside the justifying protection of Article XX's chapeau. In the present case, the Panel found that the United States measure at stake fell within that class of excluded measures because Section 609 conditions access to the domestic shrimp market of the United States on the adoption by exporting countries of certain conservation policies prescribed by the United States. It appears to us, however, that conditioning access to a Member's domestic market on whether exporting Members comply with, or adopt, a policy or policies unilaterally prescribed by the importing Member may, to some degree, be a common aspect of measures falling within the scope of one or another of the exceptions (a) to (j) of Article XX. Paragraphs (a) to (j) comprise measures that are recognized as exceptions to substantive obligations established in the GATT 1994, because the domestic policies embodied in such measures have been recognized as important and legitimate in character. It is not necessary to assurne that requiring from exporting countries compliance with, or adoption of, certain policies (although covered in principle by one or another of the exceptions) prescribed by the importing country, renders a measure apriori incapable of justification under Article XX. Such an interpretation renders most, if not all, of the specific exceptions of Article XX inutile, a result abhorrent to the principles of interpretation we are bound to apply.,,180

Die Ausführungen des Panels zum grundsätzlichen Ausschluss nichtproduktbezogener Handelsrnaßnahmen von einer Rechtfertigung nach Art. XX seien daher als rechtsfehlerhaft aufzuheben. 181 Die somit offene Prüfung der Rechtfertigung der US-amerikanischen Importverbote nach Art. XX begann der Appellate Body mit der Erörterung von Art. XX(g). Dabei führte er zunächst aus, dass auch Meeresschildkröten als lebende Ressourcen dem Begriff der "exhaustible natural resources" unterfallen. 182 179 180 181 182

Appellate Body Report, Appellate Body Report, Appellate Body Report, Appellate Body Report,

US US US US -

Shrimp, Shrimp, Shrimp, Shrimp,

para. 119. para. 121. para. 122. para. 129 ff.

E. Der Bericht des Appellate Body im Fall US - Shrimp

81

Als Beleg für die tatsächliche Erschöpfbarkeit der Meeresschildkröten führte der Appellate Body das Washingtoner Artenschutzübereinkommen an, in dessen Anhang I alle Arten von Meeresschildkröten als vom Aussterben bedroht aufgeführt sind. Darüber hinaus sah er keine Veranlassung, allgemein zur Frage der notwendigen Belegenheit des Schutzgutes bzw. der jurisdiktionellen Begrenzung von Art. XX(g) Stellung zu beziehen, da die von Section 609 geschützten Arten von Meeresschildkröten allesamt auch in den Hoheitsgewässern der Vereinigten Staaten vorkommen. "We do not pass upon the question of whether there is an implied jurisdictional limitation in Article XX(g), and if so, the nature or extent of that limitation. We note only that in the specific circumstances of the case before us, there is a sufficient nexus between the migratory and endangered marine populations involved and the United States for purposes of Article XX(g),'d83

Eingangs der Prüfung der Chapeau-Klausel betont der Appellate Body, dass auch in diesem Zusammenhang das in der Präambel des WTO-Übereinkommens enthaltene Bekenntnis zu Umweltschutz und nachhaltiger Entwicklung Berücksichtigung finden müsse. Danach erörtert der Appellate Body den Sinn und Zweck der Chapeau-Regelung: ,,[I]t embodies the recognition on the part of WTO Members of the need to maintain a balance of rights and obligations between the right of a Member to invoke one or another of the exceptions of Article XX, specified in paragraphs (a) to (j), on the one hand, and the substantive rights of the other Members under the GATT 1994, on the other hand ... 184

Dabei dienten die in der Chapeau-Klausel enthaltenen Standards der "arbitrary or unjustifiable discrimination between countries where the same conditions prevail" und der "disguised restrietion on international trade" als Begrenzung der mitgliedstaatlichen Regelungsbefugnis zur Verfolgung der in den lit. (a) bis (j) von Art. XX niedergelegten Ausnahmen. Hieraus ergäben sich sowohl substantielle als auch prozedurale Anforderungen. 185 Unter dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Diskriminierung ("unjustifiable discrimination") bemängelte der Appellate Body die US-amerikanischen Maßnahmen vor allem in dreierlei Hinsicht: (1) Zum einen sei es nicht akzeptabel, dass die Vereinigten Staaten in ihren internationalen Handelsbeziehungen Importverbote verhängen, um andere Mitglieder zur Annahme eines mit ihren nationalen Vorschriften nahezu identischen Schutzprograrnms zu bewegen, ohne die jeweiligen Bedingungen des Fangstaates hinreichend zu berücksichtigen. 186 183 184 185 186 6 Puth

Appellate Body Report, Appellate Body Report, Appellate Body Report, Appellate Body Report,

US US US US -

Shrimp, Shrimp, Shrimp, Shrimp,

para. para. para. para.

133. 156. 160.

161-164.

1. Teil: Problementfaltung

82

(2) Ferner hätten die Vereinigten Staaten die Verhängung der Importverbote für

Shrimps nicht von der tatsächlich verwendeten Fangmethode abhängig gemacht, sondern allein danach entschieden, ob der Fangstaat von den Vereinigten Staaten unter Section 609 anerkannt war oder nicht. 1s7

(3) Schließlich hat der Appellate Body den Vereinigten Staaten vorgeworfen, keine ernsthaften Anstrengungen unternommen zu haben, um mit den von den Importverboten betroffenen Staaten zu einer gemeinsamen Lösung hinsichtlich des Schutzes der Meeresschildkröten - etwa im Rahmen bilateraler oder multilateraler Übereinkünfte - zu gelangen. ISS Eine entsprechende Verpflichtung zur Kooperation werde nicht nur von den WTO-Mitgliedern selbst anerkannt, sondern ergebe sich auch aus den einschlägigen internationalen Instrumenten und Deklarationen zum Umweltschutz. Zusammen genommen führten die dargelegten Umstände zur Annahme einer ungerechtfertigten Diskriminierung i. S. d. der Chapeau-Klausel des Art. XX. 1S9 Hinsichtlich des Prüfungspunktes der willkürlichen Diskriminierung ("arbitrary discrimination") führte der Appellate Body zunächst aus, dass die schon dargelegte Auferlegung nahezu identischer Anforderungen und die hiermit verbundene "rigidity and inflexibility" der US-amerikanischen Maßnahmen auch eine willkürliche Diskriminierung darstellen. 190 Ferner bemängelte er das von den US-amerikanischen Behörden beobachtete Verfahren bei der Zertifizierung: "It appears to us that, effectively, exporting Members applying for certification whose applications are rejected are denied basic fairness and due process, and are discriminated against, vis-a-vis those Members which are granted certification.,,191

Insoweit sei die Anwendung der Maßnahmen "contrary to the spirit, if not the letter, of Article X:3 ofthe GATT 1994".192 Insgesamt seien die US-amerikanischen Maßnahmen daher in einer Weise angewendet worden, die zur Annahme ungerechtfertigter und auch willkürlicher Diskriminierung zwischen den betroffenen WTO-Mitgliedern führt. Vor dem Hintergrund dieser Feststellung erachtete der Appellate Body schließlich die weitere Prüfung auch einer verschleierten Handelsbeschränkung ("disguised restriction on international trade") für überflüssig.

187 188 189 190 191 192

Appellate Body Report, Appellate Body Report, Appellate Body Report, Appellate Body Report, Appellate Body Report, Appellate Body Report,

US US US US US US -

Shrimp, Shrimp, Shrimp, Shrimp, Shrimp, Shrimp,

para. para. para. para. para. para.

165. 166-172. 176. 177. 181. 183.

E. Der Bericht des Appellate Body im Fall US - Shrimp

83

IV. Kommentare zum Bericht des Appellate Body Der Bericht des Appellate Body im Fall US - Shrimp hat in der Literatur breite Zustimmung gefunden und eine Vielzahl von Kommentaren ausgelöst. 193 Dabei herrscht hinsichtlich der grundlegenden Bedeutung des Berichts für die Behandlung nichtproduktbezogener TREMs weitgehende Einigkeit: Der Appellate Body schränkt die Produkt-Prozess-Doktrin zumindest in ihrer Absolutheit ein, wenn er sie nicht sogar gänzlich ablehnt. Insoweit findet sich eine weite Bandbreite von Einschätzungen: (I) "Der Appellate Body stellt vielmehr auf die Art der Anwendung der konkreten Maßnahme ab. Daher scheint er auch produktionsbezogene Handelsbeschränkungen bei Beachtung bestimmter materiellrechtlicher und prozeduraler Voraussetzungen grundsätzlich für zulässig zu erachten.,,194; (2) "the door is slowly opening to ,unilateralism', and perhaps even to product distinctions based on NPR-PPMs [non-product-related processes and production methods],,195;

(3) "implicitly, the AB put an end to a long-standing erroneous interpretation of Article XX of the GATI, according to which conditioning market access to prior acceptance of certain policies was in violation ofthe GATI"196; (4) "the Appellate Body avoided the use of any general per se rules against environmental trade measures like the sweeping rules announced by panels in the past,,197; und schließlich (5) ,,[the AB] report clearly rejects the PPM issue from Article XX.,,198

Soweit ersichtlich spricht sich nur ein Kommentator für die Beibehaltung der Produkt-Prozess-Doktrin auch nach dem Bericht des Appellate Body aus. Im Falle nichtproduktbezogener TREMs sei, entgegen des Ansatzes des Appellate Body, ein schonender Ausgleich zwischen den Anliegen des Umweltschutzes und des Freihandels nicht möglich. Zumindest unilaterale nichtproduktbezogene TREMs seien daher nach wie vor grundsätzlich abzulehnen. 199

193 Vgl. nur Appleton, JIEL 2 (1999), S. 477 ff.; Van Calster, EELR 1999, S. 111 ff.; Ginzky, ZUR 1999, S. 216 ff.; Jackson, EJIL 11 (2000), S. 303 ff.; Mavroidis, JWT 34, Nr. 1 (2000), S. 73 ff.; zum Bericht des Panels Howse, JWT 32, Nr. 5 (1998), S. 73 ff. 194 Ginzky, ZUR 1999, S. 221. 195 Appleton, JIEL 2 (1999), S. 492. 196 Mavroidis, JWT 34, Nr. I (2000), S. 74. 197 Chang, SCLR 74 (2000), S. 39. 198 Van Calster, EELR 1999, S. 114. 199 Jackson, EJIL 11 (2000), S. 306. 6*

84

1. Teil: Problementfaltung

V. Vorläufige Einschätzung des Berichts Der Bericht des Appellate Body im Fall US - Shrimp bedeutet - ungeachtet seiner sonstigen Aussagen - ohne Zweifel eine Erschütterung der Produkt-ProzessDoktrin. Dies lässt sich schon an den umfangreichen in diese Richtung weisenden Kommentaren ablesen. Der Appellate Body hat der Produkt-Prozess-Doktrin ihren absoluten Geltungsanspruch genommen und sie damit "entzaubert". Die GATIWidrigkeit auch unilateral ergriffener nichtproduktbezogener Handelsmaßnahmen wird fortan nicht mehr apriori, gleichsam als "conventional wisdom,,2oo antizipiert, sondern bedarf genau wie jede andere handelsbeschränkende Maßnahme der Mitglieder einer sorgfältigen Überprüfung im Einzelfall anhand der einschlägigen Vorschriften des WTO-Rechts.

F. Zusammenfassung des ersten Teils Der Produktion und dem Verbrauch von Waren kommt eine zentrale Rolle im Konzert der verschiedenen Ursachen der Umweltprobleme unserer Zeit zu. Im Lebenszyklus eines Produkts können in jeder Phase Umweltbelastungen auftreten, bei der Produktion wie auch beim Verbrauch. Ist der Verbrauch eines Produkts schädlich, so liegt dies in seinen Merkmalen einschließlich der diese hervorbringenden Produktionsweisen (produktbezogene PPMs) begründet. Gehen hingegen von der Produktion einer Ware Umweltbelastungen aus, so sind hierfür nicht die Produktmerkmale oder die diese hervorbringenden produktbezogenen PPMs verantwortlich, sondern solche Produktionsweisen, die sich nicht im fertigen Produkt niederschlagen (nichtproduktbezogene PPMs). Das fertige Produkt selbst ist insoweit umweltschutzpolitisch völlig unbedenklich. Wollen die Staaten zum Umweltschutz tätig werden und die im Lebenszyklus eines Produkts auftretenden Umweltbelastungen regulieren, so ist es vorzugswürdig, entsprechende Schutzmaßnahmen bereits in den Produktionsprozess zu integrieren und nicht erst nachträglich die bereits entstandenen Umweltbelastungen zu korrigieren. Dies ist die zentrale Aussage des Grundsatzes, Umweltbeeinträchtigungen mit Vorrang an ihrem Ursprung zu bekämpfen (Rectijication-at-sourcePrinzip). In der Folge werden die Staaten daher bevorzugt PPM-Anforderungen formulieren. Sie stellen produktbezogene PPM-Anforderungen auf, wenn sie verbrauchsseitige Umweltschutzziele verfolgen, und nichtproduktbezogene PPM-Anforderungen, wenn sie produktionsseitige Umweltbelastungen bekämpfen wollen. Insbesondere nichtproduktbezogene PPM-Anforderungen der Staaten zur Bekämpfung produktionsseitiger Umweltbelastungen sind unverzichtbar. Insofern ist 200

Howse/Regan. EnL 11 (2000), S. 249.

F. Zusammenfassung des ersten Teils

85

nämlich mit einem umweltfreundlichen Verhalten der Marktteilnehmer selbst nicht zu rechnen. Im Unterschied zum umweltschonenden Produkt und zur Verwendung umweltfreundlicher produktbezogener PPMs schlägt sich die umweltschonende Produktion, d. h. die Verwendung umweltfreundlicher nichtproduktbezogener PPMs, regelmäßig nicht in einer erhöhten Zahlungsbereitschaft der Verbraucher nieder. Entschließt sich ein Staat aus diesem Grunde zur Regulierung seiner eigenen Produktion und stellt nichtproduktbezogene PPM-Anforderungen zum Schutz der Umwelt auf, erstreckt er diese Anforderungen regelmäßig auch auf eingeführte Produkte. Er reguliert diese entsprechend der bei ihrer Herstellung verwendeten nichtproduktbezogenen PPMs und ergreift somit nichtproduktbezogene Handelsrnaßnahmen zum Umweltschutz. Hinter der Erstreckung innerstaatlicher nichtproduktbezogener PPM-Anforderungen auf eingeführte Produkte mittels nichtproduktbezogener Handelsrnaßnahmen können verschiedene Motivationen ausgemacht werden, die nicht immer leicht voneinander zu unterscheiden sind. Als "echte" Umweltschutzmaßnahmen sind nur solche nichtproduktbezogenen Handeismaßnahmen des Importstaates anzuerkennen, die auf die Regulierung einer naturwissenschaftlich belegten Geflihrdung seiner eigenen Umwelt, internationaler oder auch ausländischer Umweltgüter abzielen, um die betreffenden Umweltgüter als solche oder in ihrer Nutzbarkeit zu erhalten. Davon abzugrenzen sind die Fälle, in denen nichtproduktbezogene Handelsrnaßnahmen primär den Ausgleich von Wettbewerbschancen (levelling the pLaying fieLd) zwischen einheimischen und eingeführten Produkten, die unterschiedlich hohen Umweltschutzanforderungen unterliegen, bezwecken oder schlicht umweltbezogene subjektive Wertvorstellungen des Importstaates durchsetzen helfen. In der zwischenstaatlichen Praxis erfreuen sich nichtproduktbezogene TREMs einer ausgesprochenen Beliebtheit, wie sich leicht an der Vielzahl von Beispielen insbesondere aus dem Außenwirtschaftsrecht der EG ablesen lässt. Dabei sind hauptsächlich nichtproduktbezogene Importbeschränkungen, Umweltsteuern (meist in Form von Grenzausgleichsabgaben) und Kennzeichnungsvorschriften festzustellen. Als prägende Kennzeichen nichtproduktbezogener TREMs sind ihre primäre Schutzrichtung auf den Schutz internationaler Umweltgüter, die unbestimmte Vielzahl der möglichen Anknüpfungspunkte für die Handelsrnaßnahmen und ihre praktischen Anwendungsprobleme zu beachten. Es sind gerade diese Kennzeichen, die nichtproduktbezogene von produktbezogenen TREMs unterscheiden und an denen die Produkt-Prozess-Doktrin Anstoß nimmt. Obwohl an keiner Stelle des Welthandelsrechts positiv niedergelegt, werden nichtproduktbezogene Handelsrnaßnahmen, die selbst völlig unbedenkliche Produkte allein wegen der bei ihrer Herstellung im Staat der Produktion auftretenden Umweltbelastungen betreffen, generell als mit dem Welthandelsrecht unvereinbar betrachtet. Zur Begründung werden insbesondere die Argumente der komparativen Kostenvorteile, der "Extraterritorialität", des Unilateralismus und der Pandora's box bzw. des slippery sLope angeführt.

86

1. Teil: Problementfaltung

Der Appellate Body ist im Fall US - Shrimp dieser generellen "Ächtung" nichtproduktbezogener TREMs nach der Produkt-Prozess-Doktrin entgegengetreten. Es sei kein Grund ersichtlich, warum nichtproduktbezogene Handelsrnaßnahmen zum Umweltschutz apriori als WTO-rechtswidrig angesehen werden sollten. Stattdessen verwies der Appellate Body u. a. auf den globalen Charakter der Umwelt und das Bekenntnis der WTO-Mitglieder zu Umweltschutz und nachhaltiger Entwicklung, wie es in der Präambel des WTO-Übereinkommens seinen zentralen Ausdruck gefunden hat. Von einer Lösung der im Zusammenhang nichtproduktbezogener TREMs diskutierten Probleme kann aber auch nach dem Bericht des Appellate Body noch keine Rede sein. Die Komplexität und Wechselbezüglichkeit der im Spannungsfeld globalen Wirtschaftens, globaler Umweltzerstörung und nationaler Regelungshoheit bestehenden sachlichen Probleme verdeutlicht der Hintergrund der Globalisierung. Welchen Stellenwert hat in diesem Zusammenhang die vom Appellate Body ins Feld geführte Notwendigkeit zu zwischenstaatlicher Kooperation oder auch der von den Kritikern der Produkt-Prozess-Doktrin erhobene Einwand der Internalisierung internationaler externer Effekte? Der Prozess der Konstitutionalisierung der Welthandelsordnung verdeutlicht, dass die Antworten auf diese und weitere Fragen im Spannungsfeld Handel und Umwelt im Rahmen der WTO zu suchen sind. Die Aufgabe ist somit klar: Es ist eine sachangemessene, mit den Grundwerten der Welthandelsordnung wie der Staatengemeinschaft insgesamt übereinstimmende Lösung der im Zusammenhang nichtproduktbezogener Handelsrnaßnahmen zum Umweltschutz auftauchenden Probleme zu entwickeln.

"International trade is, at once, an economic, political and legal phenomenon. A robust understanding of the trade system should therefore incorporate insights from at least these three disciplines." Jeffrey L. Dunoffl

Zweiter Teil

Maßgebliche Grundwerte der Welthandelsordnung A. Die Präambel des WTO-Übereinkommens als Leitlinie Der erste Absatz der Präambel des WTO-Übereinkommens lautet: "The Parties to this Agreement, Recognizing that their relations in the field of trade and economic endeavour should be conducted with a view to raising standards of living, ensuring full employment and a large and steadily growing volume of real income and effective demand, and expanding the production of and trade in goods and services, while allowing for the optimal use of the world's resources in accordance with the objective of sustainable development, seeking both to protect and preserve the environment and to enhance the means for doing so in a manner consistent with their respective needs and concerns at different levels of economic development, [ ... ].,,2

I. Aussage und Entwicklung der Präambel Es ist unschwer zu erkennen, dass die Präambel des WTO-Übereinkommens auf derjenigen des GAIT 1947 aufbaut. Hierdurch sollte insbesondere die möglichst weitgehende Kontinuität zwischen dem GAIT 1947 und der WTO unterstrichen werden. 3 Dementsprechend ist der erste Halbsatz des ersten Absatzes der Präambel des WTO-Übereinkommens mit den verschiedenen wirtschaftlichen Zielsetzungen der Erhöhung des Lebensstandards, der Erzielung von Vollbeschäftigung, der Stei1

2

3

DunojJ. EIn.. 10 (1999), S. 736. Präambel des WTO-Übereinkommens, Absatz 1. Appellate Body Report, US - Shrimp, para. 152.

2. Teil: Maßgebliche Grundwerte der Welthandelsordnung

88

gerung des Realeinkommens wie des wirtschaftlichen Wachstums insgesamt mit der Präambel des GATT 1947 identisch. Deren einseitige Ausrichtung an der "vollen Nutzung" der Ressourcen der Welt ("developing the full use of the resources of the world") erschien den Verhandlungsführern in der Uruguay-Runde jedoch offenbar nicht mehr als zeitgemäß. 4 Die Präambel des WTO-Übereinkommens spricht daher nicht mehr von der "vollen Nutzung", sondern von der "optimalen Nutzung" der Ressourcen der Welt in Einklang mit dem Grundsatz der nachhaltigen Entwicklung ("sustainable deve1opment"). Die als solche unverändert gebliebenen wirtschaftlichen Zielsetzungen der Welthandelsordnung werden somit durch das Konzept der nachhaltigen Entwicklung überlagert und qualifiziert.5

11. Präambeln als Ausdruck der Grundwerte einer Rechtsordnung Die Präambeln völkerrechtlicher Verträge haben als solche keinen eigenständigen normativen Gehalt und auch keine unmittelbare rechtsverbindliche Wirkung. 6 Sie stehen außerhalb des eigentlichen Vertragstextes. Gleichwohl sind die Präambeln bei der Auslegung der Verträge zu berücksichtigen und besitzen insoweit rechtliche Relevanz. 7 Zum einen gehören sie, wie auch Art. 31 Abs. 2 WVRK bestätigt, zum systematischen Umfeld der vertraglichen Bestimmungen. Zum anderen geben die Präambeln Auskunft über die Grundwerte, Ziele und Zwecke eines Vertragswerks und sind daher im Rahmen der teleologischen Auslegung von Bedeutung. 8 Die Präambel ist nachgerade die natürliche Stelle, an der die Grundwerte und Zielsetzungen eines völkerrechtlichen Vertrages zum Ausdruck gebracht werden. 9 Spezielle Vorschriften über die materiellen Zielsetzungen der WTO existieren demgegenüber nicht. Das WTO-Übereinkommen enthält lediglich in seinem Art. n eine allgemeine Umschreibung des Wirkungsbereichs der Organisation und in Art. III: 1 eine ebenso allgemeine Aufgabenzuweisung zur Förderung der "objectives, of this Agreement and of the Multilateral Trade Agreements". Welches aber genau die für alle Bereiche der Welthandelsordnung maßgeblichen inhaltlichen Zielsetzungen der WTO sind, ergibt sich aus der Präambel des WTO-ÜbereinkomSo Appellate Body Report, US - Shrimp, para. 152. Vgl. Benedek, in: Ginther/Denters/de Waart (eds.), S. 274; Weiss, in: Ginther/Dentersl de Waart (eds.), S. 401. 6 Vgl. nur Benedek, Die Rechtsordnung des GATT, S. 98. 7 Lang, GIELR 7 (1995), S. 470 f. 8 Sinc/air, The Vienna Convention, S. 127 f. und 130; Seidl-Hohenveldeml Loibl, Das Recht der Internationalen Organisationen, Rn. 1601 b; Häberle, Europäische Rechtskultur, S.189. 9 Fitzmaurice, BYIL 33 (1957), S. 228. 4

5

A. Die Präambel des WTO-Übereinkommens als Leitlinie

89

mens. Diese spiegelt den verfassungspolitischen Grundkonsens der Mitglieder über die Ausgestaltung der internationalen Handelsbeziehungen wieder. 1O In diesem Sinne hat auch der Appellate Body im Fall US - Shrimp ausgeführt: "As this preambular language reflects the intentions of negotiators of the WTO Agreement, we believe it must add colour, texture and shading to our interpretation of the agreements annexed to the WTO Agreement [ ... ]." 11

III. Das GATT 1994: Alter Wein in neuen Schläuchen Die vorherige Sichtung der Grundwerte der "neuen" WTO ist speziell für die Auslegung der Vorschriften des GATT 1994 ratsam, da der Text des "alten" GATT 1947 unverändert in das GATT 1994 übernommen worden ist. 12 Gleichwohl ist das GATT 1994 nach Art. 11:4 des WTO-Übereinkommens rechtlich verschieden ("legally distinct") vom GATT 1947 und als Bestandteil der WTO zu sehen. Anders als bei den im Rahmen der Uruguay-Runde neu ausgehandelten multilateralen Handelsübereinkommen kann bei den unveränderten Vorschriften des GATT 1994 daher nicht davon ausgegangen werden, dass sie schon von sich aus die grundlegenden Zielsetzungen des WTO-Übereinkommens in vollem Umfang umsetzen. Es ist erforderlich, den "alten" Text der Vorschriften in den "neuen" Zusammenhang der WTO zu setzen. Selbstverständlich ist auch die Auslegung der Vorschriften des GATT 1994 an die jeder Auslegung immanente Grenze des Wortlauts gebunden. 13 Die Einbettung der Vorschriften in den Rahmen der WTO macht es jedoch unabdingbar, etablierte Auslegungsergebnisse auf ihre Übereinstimmung mit den Zielen der WTO zu überprüfen und gegebenenfalls eine neue Auslegung unter Berücksichtigung des neuen Vorzeichens der nachhaltigen Entwicklung zu suchen. Dies gilt insbesondere für die Produkt-Prozess-Doktrin. Die Überführung der alten Normtexte des GATT in die WTO, zu deren grundlegenden Zielsetzungen das Konzept der nachhaltigen Entwicklung zählt, kann mit dem Bild des alten Weins, der in neue Schläuche gegossen wird, verglichen werden. Und genau wie der Wein durch das neue Behältnis in seinem Geschmack verändert wird, müssen auch die Vorschriften des GATT in diesem neuen Lichte gelesen werden.

10 Benedek, in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht, Bd. 40 (2001), Manuskript S. 2; Benedek, Die Rechtsordnung des GATT, S. 98. 11 Appellate Body Report, US - Shrimp, para. 153. 12 GATT 1994, Introductory Note, para. l(a). 13 Hierauf weisen hin Howse / Regan, EJIL 11 (2000), S. 276 Fn. 40.

90

2. Teil: Maßgebliche Grundwerte der Welthandelsordnung

IV. Schrittweise Integration des Nachhaltigkeitsgedankens Die Präambel des WTO-Übereinkommens macht zwar hinreichend deutlich, dass das Konzept der nachhaltigen Entwicklung zu den Grundprinzipien der WTO zu zählen ist, wie genau dieses Konzept im Rahmen des Übereinkommens angewendet werden soll, bleibt jedoch offen. Eine solch spezielle Festlegung ist im Rahmen einer Präambel kaum zu erwarten. Doch entwickeln auch die Texte der WTO-Übereinkommen das Konzept der nachhaltigen Entwicklung nicht wesentlich weiter. Der Begriff der nachhaltigen Entwicklung findet sich in keiner Vorschrift des gesamten WTO-Rechts. Auch die Umwelt hat nur in einigen wenigen Spezialbereichen Berücksichtigung gefunden. 14 Welchen praktischen Stellenwert hat also das Konzept der nachhaltigen Entwicklung in der Welthandelsordnung? 1. Einleitung des Prozesses in der Uruguay-Runde In den Diskussionen, die zur Eröffnung der Uruguay-Runde geführt haben, spielten Fragen der nachhaltigen Entwicklung und des Umweltschutzes keine Rolle. Das in der Punta-del-Este-Deklaration enthaltene Verhandlungsmandat der Uruguay-Runde beschränkte sich auf traditionelle handelspolitische Themen. Das Verhältnis von Handel und Umwelt wurde zwar durchaus als problematisch wahrgenommen, konkreten Handlungsbedarf sah man jedoch nicht. 15 Erst das Zusammentreten dreier Umstände hat insoweit zu einem Umdenken geführt: (1) Die Regierung Bush hatte zu Beginn der 1990er Jahre die Verhandlungen mit Mexiko zur Errichtung der NAFTA begonnen, in deren Fortgang vor allem Fragen der Umwelt- und Sozialstandards in den Mittelpunkt der öffentlichen Auseinandersetzung in den Vereinigten Staaten getreten sind. 16 (2) Kaum hatte diese Debatte in den Vereinigten Staaten richtig begonnen, wurde im September 1991 der Bericht des Panels im Fall US - Tuna I veröffentlicht und sorgte weltweit für Aufsehen. In den Vereinigten Staaten wurde in der Folge das Bild von "GATIzilla,,17 geprägt, unterlegt mit dem Slogan "GATI kills dolphins".18 (3) Diese Entwicklungen fielen allesamt in die Vorbereitungszeit auf die Rio-Konferenz über Umwelt und Entwicklung im Juni 1992. 19 Die Vertreter der Regie14 Vgl. den Überblick bei WTO, High Level Symposium on Trade and Environment, para. 77 ff.; Hilf, NVwZ 2000, S. 484 ff.; Croome, Guide to the Uruguay Round Agreements, S. 257 f. 15 Vgl. Croome, Guide to the Uruguay Round Agreements, S. 255. 16 Hierauf verweist Palmeter; JWT 27, Nr. 3 (1993), S. 55. 17 Vgl. die Abbildungen bei McDonald, Environmental Law 23 (1993), S. 400, und Esty, Greening the GATT, S. 34. 18 Siehe Eglin, in: BhagwatilHirsch (eds.), S. 251 f.

A. Die Präambel des WTO-Übereinkommens als Leitlinie

91

rungen der Teilnehmerstaaten sowie der teilnehmenden Nichtregierungsorganisationen fuhren also mit den geschilderten frischen Eindrücken im Gepäck nach Rio. Erst hierdurch wurde letztlich die weite internationale Anerkennung eines dringenden Handlungsbedarfs im Bereich von Handel und Umwelt ermöglicht. Die Umstände zur nachträglichen Aufnahme des Streitpunktes Handel und Umwelt in die laufenden Verhandlungen der Uruguay-Runde waren jedoch denkbar ungünstig. Der planmäßige Abschluss der Uruguay-Runde im Dezember 1990 war schon lange überschritten und noch immer trennten tiefgreifende Meinungsgegensätze vor allem in den Bereichen Landwirtschaft und Textilien die Vereinigten Staaten und die EG. In dem Bestreben, den Verhandlungen eine neue Grundlage zu geben, legte der damalige Generalsekretär des GATT, Arthur Dunkel, im Dezember 1991 den sog. Dunkel Draft of the Uruguay Round Results vor, auf dessen Grundlage schließlich im März 1994 die Uruguay-Runde zu einern erfolgreichen Abschluss gekommen ist. Um die stockenden Verhandlungen nicht noch weiter zu komplizieren, enthielt der Dunkel Draft keinen Vorschlag zur umfassenden Integration der Umweltschutzbelange in die Welthandelsordnung, sondern beschränkte sich entsprechend des ursprünglichen Verhandlungsmandats überwiegend auf klassische Handelsthemen. Das Spannungsfeld Handel und Umwelt sollte auf einer zukünftigen "grünen Runde" behandelt werden?O Gleichwohl wurde schon im April 1991 eine sog. "structured debate" angestoßen, um das zukünftige Arbeitsprogramm im Bereich Handel und Umwelt festzulegen "which would allow a structured debate to take place in GATT alongside, but clearly seperate from, the Uruguay Round negotiations".21 Am Ende dieser Debatte stand die Aktivierung der schon im Jahr 1971 errichteten, aber seitdem noch niemals einberufenen Group on Environmental Measures and International Trade (EMIT-Gruppe). Die EMITGruppe beriet von November 1991 bis Januar 1994 über bedeutende Aspekte des Zusammenspiels von Handel und Umwelt. 22 Im Rahmen der Uruguay-Runde sollte also zu keinem Zeitpunkt eine fertige Auflösung des Spannungsfeldes Handel und Umwelt versucht werden. Mit den Verhandlungen und insbesondere der Aktivierung der EMIT-Gruppe sollte lediglich ein unabhängiger Prozess der schrittweisen Integration des Umweltschutzes in die Welthandelsrege1n eingeleitet werden, an dessen Anfang zunächst einmal die genaue Analyse der bestehenden Berührungspunkte zwischen Handel und Umwelt gesetzt wurde. 23 19

Croome, Guide to the Uruguay Round Agreements, S. 255; StolI, ZaöRV 54 (1994),

S.334.

Benedek, in: Ginther / Denters / de Waart (eds.), S. 275. Eglin, in: Bhagwati/Hirsch (eds.), S. 252. 22 Ausführlich zur "structured debate" und zu Einberufung und Beratung der EMIT-Gruppe WTO, High Level Symposium on Trade and Environment, para. 13 ff. 23 Benedek, in: Ginther / Denters / de Waart (eds.), S. 276, spricht insoweit von einer prozeduralen Lösung des Problems. 20

21

92

2. Teil: Maßgebliche Grundwerte der Welthandelsordnung

Trotzdem wurden einige wenige spezielle Bezüge zum Umweltschutz schon in die neuen WTO-Übereinkommen aufgenommen. Auch haben die Verhandlungsführer sich offenbar in letzter Minute darauf geeinigt, ein allgemeines Bekenntnis zu nachhaltiger Entwicklung und zum Umweltschutz in die Präambel des WTOÜbereinkommens aufzunehmen. 24 Die umfassende Einbeziehung der Belange der nachhaltigen Entwicklung in den operativen Text der WTO-Übereinkommen ist entsprechend des aufgezeigten Ansatzes jedoch unterblieben. Insbesondere höchst strittige Fragen im Bereich Handel und Umwelt, einschließlich der Problematik nichtproduktbezogener Handelsmaßnahmen, wurden offen gelassen. Die zukünftige Erörterung dieser Fragen haben die Minister am Ende der Uruguay-Runde mit dem Beschluss zu Handel und Umwelt dem unter der WTO neu zu errichtenden Committee on Trade and Environment übertragen.

2. Der Beschluss zu Handel und Umwelt Anlässlich der Unterzeichnung der Schlussakte über die Ergebnisse der Uruguay Runde haben die Minister am 14. April 1994 einen Beschluss zu Handel und Umwelt gefasst. 25 Darin haben sie die erste Tagung des Allgemeinen Rates der WTO beauftragt, ein ständiges, allen Mitgliedern der WTO offen stehendes Committee on Trade and Environment (CTE) zu errichten. Als allgemeine Ziel vorgabe haben die Minister dabei in der Präambel des Beschlusses vorgegeben, das Spannungsfeld zwischen den Anliegen des Freihandels und des Umweltschutzes wie der nachhaltigen Entwicklung weitgehend aufzulösen: "Considering that there should not be, or need be, any policy contradiction between upholding and safeguarding an open, non-discriminatory and equitable multilateral trading system on the one hand, and acting for the protection of the environment, and the promotion of sustainable development on the other [ ... ]."

Der Beschluss zu Handel und Umwelt enthält folgendes Mandat für das CTE: ,,(a) to identify the re1ationship between trade measures and environmental measures, in order to promote sustainable development; (b) to make appropriate recommendations on whether any modifications of the provisions of the multilateral trading system are required, compatible with the open, equitable and non-discriminatory nature of the system, as regards, in particular: - the need for rules to enhance positive interaction between trade and environmental measures, for the promotion of sustainable development, with special consideration to the needs of developing countries, in particular those of the least developed among them; and Vgl. StolI, ZaöRV 54 (1994), S. 334. Decision on Trade and Environment; englischer Text in WTO (ed.), The Results of the Uruguay Round, S. 469 ff.; deutscher Text bei Benedek (Hrsg.), Die Welthandelsorganisation, S. 563 ff. 24 25

A. Die Präambel des WTO-Übereinkommens als Leitlinie

93

- the avoidance of protectionist trade measures, and the adherence to effective multilateral disciplines to ensure responsiveness of the multilateral trading system to environmental objectives set forth in Agenda 21 and the Rio Dec\aration, in particular Principle 12;and - surveillance of trade measures used for environmental purposes, of trade-related aspects of environmental measures which have significant trade effects, and of effective implementation ofthe multilateral disciplines governing those measures [ ... ]."

Im Rahmen dieses Mandats zählt der Beschluss zu Handel und Umwelt mehrere konkrete Fragestellungen auf, denen sich das CTE zunächst widmen solle, um einen Zustand gegenseitiger Unterstützung der Belange des internationalen Handels und des Umweltschutzes zu erzielen: ,,- the relationship between the provisions of the multilateral trading system and trade measures for environmental purposes, inc\uding those pursuant to multilateral environmental agreements; - the relationship between environmental policies relevant to trade and environmental measures with significant trade effects and the provisions of the multilateral trading system; - the relationship between the provisions of the multilateral trading system and: (a) charges and taxes for environmental purposes (b) requirements for environmental purposes relating to products, inc\uding standards and technical regulations, packaging, labeling and recycling; - the provisions of the multilateral trading system with respect to the transparency of trade measures used for environmental purposes and environmental measures and requirements which have significant trade effects; - the relationship between the dispute settlement mechanisms in the multilateral trading system and those found in multilateral environmental agreements; - the effect of environmental measures on market access, especially in relation to developing countries, in particular to the least developed among them, and environmental benefits of removing trade restrictions and distortions; - the issue of exports of domestically prohibited goods."

Zwar ist das Problem nichtproduktbezogener Handelsmaßnahmen als solches nicht ausdrücklich im Beschluss zu Handel und Umwelt aufgelistet, doch scheint der im Mandat des CTE enthaltene Hinweis auf Prinzip 12 der Rio-Deklaration zumindest auch hierauf gerichtet zu sein. Ferner umfassen insbesondere die ersten drei Spiegelstriche der konkreten Fragestellungen auch das Problem nichtproduktbezogener Handelsmaßnahmen zum Umweltschutz.

2. Teil: Maßgebliche Grundwerte der Welthandelsordnung

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3. Die Arbeiten des Committee on Trade and Environment Entsprechend der Vorgaben des Beschlusses zu Handel und Umwelt wurde das CTE im Januar 1995 errichtet und hat am 16. Februar 1995 seine Arbeit aufgenommen. 26 Seither erstattet es jährlich Bericht über die Ergebnisse seiner Arbeit. 27 Insbesondere in seinem ersten und bisher umfänglichsten Bericht aus dem Jahr 1996 an die Ministerkonferenz in Singapur bietet das CTE eine eingehende Analyse der genannten Fragestellungen. 28 Infolge tiefgreifender Meinungsverschiedenheiten zwischen den im CTE vertretenen WTO-Mitgliedem scheint das Gremium hierüber jedoch nicht wesentlich hinauszukommen. Zweifellos trägt es damit zur Durchdringung und Benennung der verschiedenen sachlichen Probleme und zur Identifizierung der jeweiligen Konfliktlinien bei, zur Empfehlung konkreter Lösungsmöglichkeiten ist es aber noch nicht gekommen und wird es wohl auch in naher Zukunft nicht kommen?9

4. Zwischenergebnis: Integration des Nachhaltigkeitsgedankens im Einzelfall Weder die WTO-Übereinkommen selbst noch die Arbeiten des CTE enthalten konkrete Vorgaben zur Behandlung der im Spannungsfeld Handel und Umwelt auftauchenden Fragestellungen, einschließlich des Problems der nichtproduktbezogenen Handelsmaßnahmen. Andererseits lassen die Präambel des WTO-Übereinkommens wie auch die sonstigen umweltschutzbezogenen Aktivitäten im Rahmen der Welthandelsordnung keinen Zweifel daran, dass nachhaltige Entwicklung und Umweltschutz mit den Anliegen des Freihandels Hand in Hand gehen sollen. Der Rechtsanwender steht somit vor der schwierigen Aufgabe, diesem Grundanliegen bei der Auslegung und Anwendung der welthandelsrechtlichen Vorschriften in jedem Einzelfall hinreichende Wirksamkeit zu verleihen. Diese schwierige Aufgabe hat der Appellate Body im Fall US - Shrimp mit den folgenden Worten zusammengefasst: "Pending any specific recornmendations by the CTE to WTO Members on the issues raised in its terms of reference, and in the absence up to now of any agreed amendments or modifications to the substantive provisions of the GATT 1994 and the WTO Agreement generally, we must fulfill our responsibility in this specific case, which is to interpret the existing language of the chapeau of Artic1e XX by examining the ordinary meaning, in the Umfassend hierzu Tarasofsky, Max Planck UNYB 3 (1999), S. 471 ff. Siehe die Jahresberichte des CTE, WT f CTE f 1 ff. 28 Report (1996) of the Committee on Trade and Environment, WT fCTE/l, vom 12. November 1996. 29 Vgl. die Einschätzungen von Tarasofsky, Max Planck UNYB 3 (1999), S. 484; Hilf, NVwZ 2000, S. 489; Sampson, The World Economy 24 (2001), S. 1112; Benedek, in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht, Bd. 40 (2001), Manuskript S. 14. 26

27

B. Die We1thandelsordnung als System zur Wohlfahrtssteigerung

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light of its context and object and purpose in order to determine whether the Uni ted States measure at issue qualifies for justification under Art. XX. It is proper for us to take into account, as part of the context of the chapeau, the specific language of the preamble to the WTO Agreement, which, we have said, gives colour, texture and shading to the rights and obligations of Members under the WTO Agreement, generally, and under the GATT 1994, in particular...3D

v. Schlussfolgerungen Die Präambel des WTO-Übereinkommens kennzeichnet das Streben nach materieller Wohlfahrt und zugleich nach einer nachhaltigen Entwicklung als Grundwerte der Welthandelsordnung. Die Beachtung dieser Grundwerte ist daher für das gesamte WTO-Recht geboten. Gerade aber die Auslegung und Anwendung des GATI 1994 muss mit besonderer Sorgfalt auf diese Grundwerte gestützt werden, da der Text des "alten" GATI 1947 nahezu identisch in das "neue" GATI 1994 übernommen worden ist, ohne im Einzelnen an die neuen Rahmenbedingungen angepasst zu sein. Dies gilt nicht nur für den Nachhaltigkeitsgedanken sondern gleichermaßen auch für die wirtschaftspolitischen Zielsetzungen, da beide Zielvorstellungen aufeinander bezogen sind und in gegenseitiger Wechselwirkung zueinander stehen.

B. Die Welthandelsordnung als System zur Wohlfahrtssteigerung Die Ergründung des Stellenwerts nichtproduktbezogener TREMs unter den WTO-Übereinkommen erfordert eine umfassende Auswertung der ökonomischen Zielsetzungen und Prämissen der Welthandelsordnung. Anders lässt sich insbesondere der an den wirtschaftlichen Grundfesten dieser Ordnung rührende Hinweis der Vertreter der Produkt-Prozess-Doktrin auf die Beeinträchtigung der komparativen Kostenvorteile des Staates der Produktion nicht angemessen bewerten. Auch die Argumentation der Kritiker der Doktrin hinsichtlich der Erforderlichkeit von Handelsmaßnahmen zur Internalisierung internationaler externer Effekte der Produktion und damit der Behebung eines sog. Freihandelsversagens wird erst vor dem im Folgenden darzulegenden wirtschaftlichen Hintergrund der Welthandelsordnung verständlich.

30

Appellate Body Report, US - Shrimp, para. 155.

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2. Teil: Maßgebliche Grundwerte der Welthandelsordnung

I. Philosophie der Welthandelsordnung Das ursprüngliche und primäre Ziel der Welthandelsordnung ist die Steigerung der Wohlfahrt in den teilnehmenden Volkswirtschaften. 3 ! In den Präambeln des WTO-Übereinkommens wie schon des GATT 1947 finden sich zu aller erst die wirtschaftlichen Ziele der Erhöhung des Lebensstandards, der Erzielung von Vollbeschäftigung, der Steigerung des Realeinkommens und der Nachfrage sowie der Ausweitung der Produktion und des Handels von Waren und Dienstleistungen. Zu diesem Zweck wurde zunächst mit dem GATT, später im Rahmen der WTO ein offenes und nichtdiskriminierendes multilaterales Handelssystem etabliert. Internationaler Handel wird demnach nicht als Selbstzweck betrachtet, sondern dient allein als Mittel zur Erhöhung des wirtschaftlichen Wohlstands. Dieser utilitaristische Ansatz der Welthande1sordnung lässt sich in der Terminologie der Wohlfahrtsökonomie allgemein als System zur Wohlfahrtssteigerung umschreiben.32 Der Begriff der Wohlfahrt indiziert dabei ein weites Verständnis 33 , das neben den aufgezählten wirtschaftlichen Zielsetzungen im engeren Sinne insbesondere auch die Qualität und Funktionsfähigkeit der Umwelt umfasst. Dass ein solches Verständnis der Welthandelsordnung der WTO zu Grunde liegt, hat sich bereits bei der Analyse der Präambel des WTO-Übereinkommens gezeigt, in der ausdrücklich die wirtschaftlichen Zielsetzungen im engeren Sinne unter den Vorbehalt der Übereinstimmung mit dem Konzept der nachhaltigen Entwicklung und mit dem Schutz der Umwelt gestellt werden. Als ökonomische Begründung für die aus dem Aufbau des Welthandelssystems der WTO resultierenden Wohlfahrtsgewinne dient vor allem die Theorie der komparativen Kostenvorteile. 34

11. Triebfeder des Welthandels: Komparative Kostenvorteile Als Ursache für den internationalen Handel von Waren und Dienstleistungen aller Art wird allgemein das Bestreben angeführt, die Vorteile der Arbeitsteilung auch auf zwischenstaatlicher Ebene nutzbar zu machen. Die Theorie der komparativen Kostenvorteile erklärt insoweit, warum der internationale Austausch von Waren und Dienstleistungen gegenüber einem Zustand ohne Handel vorteilhaft ist. Zunächst ist internationaler Handel jedoch ein rein tatsächlicher Vorgang zwischen zwei Wirtschaftssubjekten, bei dem ein Käufer in einem Staat ein in einem anderen Staat hergestelltes Produkt nachfragt. 31 Vgl. statt aller Jackson, The World Trading System, S. 12 f.; Hoekmanl Kostecki, The Political Economy, S. 25 ff. 32 Vgl. Pfahl, Internationaler Handel und Umweltschutz, S. 77. 33 Zum Wohlfahrtsbegriff Luckenbach, Theoretische Grundlagen der Wirtschaftspolitik, S. 17 ff. 34 Neben die ökonomische treten auch eher rechtlich und politisch orientierte Rechtfertigungen des Welthandelssystem; vgl. hierzu Dunoff, EJIL 10 (1999), S. 736 ff.

B. Die Welthandelsordnung als System zur Wohlfahrtssteigerung

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1. Tatsächliche Ursachen des Handels

Die Nachfrage nach einem ausländischen Produkt kann in der mangelnden innerstaatlichen Verfügbarkeit, Preisdifferenzen und sonstigen Produktdifferenzierungen begründet liegen. 35 a) Innerstaatliche Verfügbarkeit

Zunächst wird ein Staat immer dann bestrebt sein bestimmte Güter einzuführen, wenn diese aufgrund der klimatischen, geologischen oder sonstigen Gegebenheiten im Inland nicht oder nicht in ausreichendem Umfang hergestellt werden können, gleichwohl aber eine Nachfrage nach derartigen Gütern besteht. Dieses sog. Verfügbarkeitskriterium gilt vor allem für Rohstoffe, in gleichem Maße aber auch für qualifizierte Arbeitskräfte und sonstige Voraussetzungen industrieller Produktion.

b) Preisdifferenzen

Sind bestimmte Güter hingegen im Inland verfügbar oder könnten diese wenigstens jederzeit produziert werden, so erklärt sich gleichwohl stattfindender Außenhandel durch Preisdivergenzen. Ein Staat wird danach solche Güter einführen, deren Geldpreis im Ausland niedriger ist als im Inland. Im Gegenzug wird er bestrebt sein, solche Güter auszuführen, die im Inland zu günstigeren Preisen als im Ausland angeboten werden können. c) Produktdifferenzierungen

Selbst wenn bestimmte Güter im Inland ausreichend vorhanden sind und auch keine relevanten Preisdivergenzen gegenüber dem Ausland bestehen, kann es zu internationalem Handel kommen. Ursache des Handels sind in diesem Fall Produktdifferenzierungen, die auf sachlichen oder persönlichen Präferenzen der Marktteilnehmer beruhen. Italienische Sportwagen können etwa in den Augen vieler Konsumenten generell nicht durch deutsche Autos, auch nicht deutsche Sportwagen, ersetzt werden. Gleiches gilt für Schweizer Uhren oder französischen Weichkäse. Diese Waren werden sachlich als Güter eigener Art betrachtet. Man spricht insoweit von mangelnder Homogenität der betreffenden Güter und infolgedessen von einem unvollkommenen Markt. 36 In diesen Fällen treten bestimmte mit dem Produkt im Zusammenhang stehende Umstände gleichberechtigt neben das Kriterium des Marktpreises als Ursache des internationalen Handels. 35 36

7 Puth

Vgl. zum Folgenden Rose/Sauemheimer, Theorie der Außenwirtschaft, S. 375 ff. Vgl. Feess-Dörr, Mikroökonomie, S. 241.

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2. Teil: Maßgebliche Grundwerte der Welthandelsordnung

2. Die Theorie der komparativen Kostenvorteile Die Theorie der komparativen Kostenvorteile bietet eine Erklärung für die tatsächlichen Ursachen des Handels und legt dar, dass internationaler Handel für alle teilnehmenden Staaten gegenüber einem Zustand der Autarkie vorteilhaft ist. 37 a) Aussage der Theorie

Am Anfang der Analyse des internationalen Handels steht die Erkenntnis, dass jeder Staat - genau wie natürliche Personen - mit unterschiedlichen "Fähigkeiten" und Voraussetzungen für die Herstellung bestimmter Güter ausgestattet ist. 38 Dementsprechend werden sich die Staaten auf die Herstellung solcher Güter spezialisieren, die sie aufgrund ihrer besonderen Ausgangssituation am besten und zu den geringsten Kosten produzieren können. Der internationale Handel ermöglicht dann den Austausch dieser inländischen Güter gegen ausländische Güter, die im Inland nur zu höheren Kosten erzeugt werden können. Diese Handelsbeziehungen beruhen auf jeweils absoluten Kostenvorteilen der beteiligten Staaten und sind im Vergleich zu einem Zustand ohne Handel für die beteiligten Staaten vorteilhaft. An der Vorteilhaftigkeit des internationalen Handels für alle beteiligten Staaten ändert sich selbst dann nichts, wenn ein Staat alle Produkte zu geringeren Kosten herzustellen vermag als die anderen Länder, d. h. alle absoluten Kostenvorteile auf sich vereint. Selbst dann ist es für den betreffenden Staat von Vorteil, sich auf die Erzeugung derjenigen Güter zu konzentrieren, bei denen er im Vergleich zu seinen anderen Erzeugnissen den größten absoluten Kostenvorsprung gegenüber den anderen Staaten besitzt (sog. komparative Kostenvorteile), und gegen diejenigen Güter einzutauschen, in deren Herstellung er den geringsten absoluten Kostenvorteil besitzt. 39 Dies ist das Ergebnis der von David Ricardo entwickelten Theorie der komparativen Kostenvorteile. Danach richten sich die Staaten generell an den komparativen Kosten der Gütererzeugung aus und spezialisieren sich auf die betreffenden Güter mit den größten komparativen Kostenvorteilen. Im Gegenzug tauschen sie dafür solche Güter ein, die sie nur mit komparativen Nachteilen herstellen können. 4o Auf diesem Wege führt der internationale Handel dazu, dass alle beteiligten Staaten die Vorteile der Arbeitsteilung auch auf internationaler Ebene genießen können.

37 V gl. zum Folgenden Sykes, HEL 1 (1998), S. 49 ff.; Trebilcock/ Howse, The Regulation of International Trade, S. 3 ff. 38 Jackson / Davey / Sykes, Legal Problems ofIntemational Economic Relations, S. 12. 39 Goode, Dictionary ofTrade Policy Terms, S. 57. 40 Rose/Sauemheimer, Theorie der Außenwirtschaft, S. 381.

B. Die Welthandelsordnung als System zur Wohlfahrtssteigerung

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b) Ursachen komparativer KostendiJferenzen

Komparative Kostendifferenzen können sich allgemein aus zwei verschiedenen Quellen ergeben, die grundsätzlich nebeneinander stehen. 41 Nach dem Ansatz von David Ricardo, dem sog. Produktivitätstheorem, ergeben sich die zwischenstaatlichen Kostendifferenzen aus den zur Produktion zur Verfügung stehenden Technologien. Die Produktivitätsunterschiede zwischen den Staaten sind danach die eigentliche Ursache der komparativen Kostendifferenzen. Die verwendeten Produktionsprozesse unterscheiden sich sowohl von Gut zu Gut als auch von Staat zu Staat; die jeweilige Effizienz des Produktionsprozesses entscheidet über die Entstehung absoluter und auch relativer Kostenvorteile. Nach dem Produktivitätstheorem werden sich die Staaten also auf die Produktion deIjenigen Güter spezialisieren, die sie mit einem komparativen Produktivitätsvorteil herstellen können. 42 Nach dem Ansatz von EU Heckscher und Bertil Ohlin, dem sog. Faktorproportionentheorem, kommt es hingegen für die Entstehung komparativer Kostendifferenzen maßgeblich auf die Ausstattung der Staaten mit den zur Produktion der jeweiligen Güter erforderlichen Produktionsfaktoren an. 43 Einige Staaten sind mit dem Faktor Boden samt wichtiger Bodenschätze reich ausgestattet, andere verfügen hingegen über zahlreiche und gut ausgebildete Arbeitnehmer und wieder andere haben vor allem einen breiten Kapitalstock vorzuweisen. Aufgrund der begrenzten Mobilität der Produktionsfaktoren wird sich die unterschiedliche Faktorausstattung auch in unterschiedlichen Faktorkosten niederschlagen. Dabei kommt es weniger auf die absolute Ausstattung mit Produktionsfaktoren an als auf das Verhältnis, in dem die vorhandenen Produktionsfaktoren zueinander stehen. Nach dem Faktorproportionentheorem werden sich die Staaten demnach auf die Erzeugung deIjenigen Güter spezialisieren, die die relativ häufig vorhandenen Produktionsfaktoren relativ intensiv nutzen. 44 Stark vereinfachend lassen sich beide Ansichten dahingehend zusammenfassen, dass komparative Kostendifferenzen ihre Ursachen in den von Staat zu Staat variierenden Produktionsumständen finden.

41 Vgl. zum Folgenden Jacksonl Davey I Sykes, Legal Problems of International Economic Relations, S. 12; Sykes, JIEL I (1998), S. 55. 42 RoselSauemheimer; Theorie der Außenwirtschaft, S. 412. 43 Hierzu Trebilcockl Howse, The Regulation of International Trade, S. 5 f. 44 RoselSauemheimer; Theorie der Außenwirtschaft, S. 414. 7*

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2. Teil: Maßgebliche Grundwerte der Welthandelsordnung

III. Wohlfahrtswirkungen des Freihandels The simple case for free trade Die Spezialisierung auf die Produktion derjenigen Güter, die mit den höchsten komparativen Kostenvorteilen produziert werden können, und der Austausch dieser inländischen Güter gegen ausländische Güter, die im Inland nur zu höheren komparativen Kosten erzeugt werden können, ist im Vergleich zu einem Zustand ohne Handel für alle teilnehmenden Volkswirtschaften von Vorteil. Hierdurch wird eine globale Steigerung der Produktion ermöglicht, ohne zugleich den Einsatz von Ressourcen in der einzelstaatlichen Produktion zu erhöhen. Die Handelspartner können somit allein aufgrund des effizienteren Ressourceneinsatzes infolge internationaler Arbeitsteilung ihr jeweiliges Wohlstandsniveau erhöhen. 45 Diese zentrale Aussage der Theorie der komparativen Kostenvorteile sagt aber noch nichts über die Bedingungen, unter denen internationaler Handel am effizientesten funktioniert. Innerhalb einer marktwirtschaftlich organisierten Volkswirtschaft geschieht die Koordinierung der verschiedenen wirtschaftlichen Tatigkeiten und Interessen der Marktteilnehmer dezentral über den Marktmechanismus (dezentrale Struktur des Marktes). Der vollkommene Wettbewerb zwischen rational handelnden, d. h. die eigene Nutzenmaximierung anstrebenden Marktteilnehmern auf den Märkten führt idealer Weise zur optimalen Verteilung (Allokation) der vorhandenen Produktionsfaktoren. 46 Die optimale Ressourcenallokation impliziert zugleich den größtmöglichen Ertrag an Gesamtwohlfahrt in einer Volkswirtschaft. Adam Smith hat deshalb den Wettbewerb als unsichtbare Hand ("invisible hand") bezeichnet, die den Egoismus des Einzelnen zum Wohle der Gemeinschaft in Dienst stellt. 47 Die Rolle des Staates beschränkt sich in dieser klassischen Sichtweise auf die Funktion des "Nachtwächters". Dieser Befund auf nationaler Ebene gilt gleichermaßen auch für den Handel zwischen Staaten.48 Aus der globalen und auch nationalen Wohlfahrtsperspektive stellen sich staatliche Beschränkungen des Warenaustauschs in der Regel als ineffizient dar. 49 Dies gilt für Zölle, mengenmäßige Beschränkungen sowie sonstige nichttarifäre Handelshemmnisse gleichermaßen. 50 Auch zwischen den Staaten ist daher ein von staatlichen Interventionen Sykes, HEL 1 (1998), S. 60 f. Gruber / Kleber, Grundlagen der Volkswirtschaftslehre, S. 45. 47 Zitiert nach Goode, Dictionary ofTrade Policy Terms, S. 158. 48 Ausführlich zu den Freihandelsgewinnen Rose/Sauemheimer, Theorie der Außenwirtschaft, S. 523 ff. 49 An dieser Stelle bleiben Erwägungen strategischer Handelspolitik unberücksichtigt. Gerade die langfristigen Wohlfahrts wirkungen gezielt eingesetzter Handelsbeschränkungen sind höchst umstritten und in ihren Voraussetzungen nicht verallgemeinerungsfähig. Vgl. hierzu Van Bergeijk/Kabel, JWT 27, Nr. 6 (1993), S. 175 ff.; Ruigrok, JWT 25, Nr. 1 (1991), S. 78 ff. 50 Vgl. Jackson/ Davey / Sykes, Legal Problems of International Economic Relations, S. 16 f.; Sykes, HEL 1 (1998), S. 64 ff. 45

46

B. Die Welthandelsordnung als System zur Wohlfahrtssteigerung

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möglichst unbeeinträchtigter Wettbewerb zu gewährleisten. Diese Einschätzung hat sich die Welthandelsordnung ersichtlich zu Eigen gemacht. 51

IV. Wohlfahrtsökonomische Analyse nichtproduktbezogener Handeismaßnahmen Ergreift ein Mitglied der WTO nichtproduktbezogene Handelsrnaßnahmen zum Umweltschutz, so verlässt es den sicheren Boden des Freihandels. Es fragt sich daher, ob solche Maßnahmen noch vom ökonomischen Grundansatz der Wohlfahrtssteigerung gedeckt sind. Aufschluss hierüber lässt sich nur von einer wohlfahrtsökonomischen Analyse nichtproduktbezogener TREMs erwarten. Gerade im Bereich des Umweltschutzes wird häufig auf ökonomische Erklärungsmodelle zurückgegriffen. Man spricht sogar von einer eigenen Umweltökonomie, die Umweltzerstörung primär mit der aus der Mikroökonomie stammenden Theorie externer Effekte erklären und bewältigen helfen möchte. 52 1. Ansatz, Perspektiven, Konzepte und Erkenntniswert

Bevor mit der Theorie externer Effekte der Kern der wohlfahrtsökonomischen Analyse nichtproduktbezogener TREMs angesteuert werden kann, sind zunächst Ansatz, Perspektiven, Konzepte und Erkenntniswert dieser Analyse zu erläutern.

a) Ansatz

Die Frage nach der bestmöglichen Nutzung der gegebenen Produktionsmöglichkeiten innerhalb einer Volkswirtschaft gehört zu den meist diskutierten Fragen der Volkswirtschaftslehre. Wie kann eine Volkswirtschaft unter den gegebenen Bedingungen den maximalen Ertrag an gesamtgesellschaftlicher Wohlfahrt erzielen? Zur Beantwortung dieser Frage sind zunächst Kriterien zu entwickeln, anhand derer allgemein die optimale Verteilung der gegebenen Ressourcen ermittelt werden kann (sog. Effizienzkriterien). Darauf sind in einem zweiten Schritt die Bedingungen zur Erzielung der bestmöglichen Ressourcenallokation zu untersuchen. Auf dieser Grundlage können dann konkrete Handlungsanforderungen an die jeweiligen Akteure formuliert werden. 53 Die folgende wohlfahrtsökonomische Analyse staatlicher Handelspolitik folgt diesem Ansatz und entwickelt zunächst die anRuigrok, JWT 25, Nr. 1 (1991), S. 77 f. Vgl. Feess, Umweltökonomie und Umweltpolitik. S. 1 ff.; Wicke, Umweltökonomie. S. I ff. 53 Vgl. Feess-Dörr, Mikroökonomie. S. 92 f. 51

52

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2. Teil: Maßgebliche Grundwerte der Welthandelsordnung

wendbaren Effizienzkriterien. Im umfangreichen zweiten Schritt sollen dann speziell nichtproduktbezogene TREMs einer Art Kosten-Nutzen-Analyse im Hinblick auf ihre Wohlfahrts wirkungen unterzogen werden. Dabei werden Hande1smaßnahmen, die eine Steigerung der Wohlfahrt bewirken, als effizient bezeichnet und solche, die zu einer Verringerung der Wohlfahrt führen, als ineffizient. b) Globale und nationale Wohlfahrtsperspektive

Der Begriff der gesamtgesellschaftlichen Wohlfahrt kann im vorliegenden Zusammenhang sowohl die Ebene der nationalen Volkswirtschaften bezeichnen als auch die Weltwirtschaft insgesamt. 54 Daher ist auch bei der wohlfahrtstheoretischen Analyse nichtproduktbezogener Handelsmaßnahmen zum Umweltschutz grundsätzlich zwischen diesen beiden Perspektiven zu unterscheiden. Die nationale Wohlfahrtsperspektive betrachtet allein die Auswirkungen einer staatlichen Politik auf die eigene Volkswirtschaft, während die globale Wohlfahrtsperspektive alle anfallenden Vor- und Nachteile für alle betroffenen Volkswirtschaften gleichberechtigt berücksichtigt. 55 c) Konzepte

Das in der Volkswirtschaftslehre führende Kriterium zur Kennzeichnung eines Zustands maximaler gesellschaftlicher Wohlfahrt ist die Pareto-Effizienz. Ein Zustand ist pareto-effizient, wenn bei gleichbleibenden Ausgangsbedingungen kein Wirtschaftsteilnehmer besser gestellt werden könnte, ohne dass zugleich ein anderer Wirtschaftsteilnehmer dadurch eine Nutzeneinbuße erleidet. 56 In der Praxis der Wirtschaftspolitik spielt das Kriterium der Pareto-Effizienz jedoch eine untergeordnete Rolle. Änderungen der ökonomischen Bedingungen innerhalb einer Volkswirtschaft stellen nämlich regelmäßig nicht nur eine bestimmte gesellschaftliche Gruppe besser und lassen die Wohlfahrt der anderen Wirtschaftsteilnehmer unberührt. Den Wohlfahrtsgewinnen einiger Wirtschaftsteilnehmer stehen regelmäßig Verluste anderer Wirtschaftsteilnehmer gegenüber. 57 Die wohlfahrtsökonomische Analyse bedient sich daher in der Praxis sog. Kompensationsmodelle, allen voran der Kaldor-Hicks-Effizienz. Danach ist, stark vereinfacht, eine ökonomische Veränderung innerhalb einer Volkswirtschaft dann als effizient zu bezeichnen, wenn die Gewinne der von der Änderung Begünstigten 54 Rose/Sauemheimer, Theorie der Außenwirtschaft, S. 523; Luckenbach, Theoretische Grundlagen der Wirtschaftspolitik, S. 23. 55 Sykes, HEL 1 (1998), S. 59 f. 56 Goode, Dictionary of Trade Policy Terms, S. 212; Luckenbach, Theoretische Grundlagen der Wirtschaftspolitik, S. 24; Feess-Dörr, Mikroökonomie, S. 94 f. 57 Luckenbach, Theoretische Grundlagen der Wirtschaftspolitik, S. 37.

B. Die Welthandelsordnung als System zur Wohlfahrtssteigerung

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die Verluste der durch die Änderung Belasteten übersteigen. 58 Den Kompensationskriterien wird zwar generell entgegengehalten, dass ein interpersonaler Nutzenvergleich unmöglich sei, da der individuelle Vorteil des einen Wirtschaftsteilnehmers nicht zwangsweise mit dem individuellen Nachteil eines anderen Wirtschaftsteilnehmers verrechnet werden könne. 59 Dennoch soll aus Gründen der praktischen Relevanz im Folgenden das Kriterium der Kaldor-Hicks-Effizienz zur wohlfahrtökonomischen Bewertung staatlicher Handelspolitik herangezogen werden. Allein in diesem Sinne soll im Folgenden der Begriff der Effizienz gebraucht werden. d) Erkenntniswert

Das Kriterium der Effizienz ist von vornherein auf eine Aussage über die Maximierung des unter den gegebenen Produktionsmöglichkeiten erzielbaren Gesamtnutzens beschränkt. Es trifft keine Aussage über die Verteilung der anfallenden Nutzen auf die verschiedenen Wirtschaftsteilnehmer. Erwächst durch die Einführung einer neuen Politik z. B. dem ohnehin schon reichen Wirtschaftsteilnehmer A ein Gewinn von 10 Nutzeneinheiten und fallen demgegenüber bei dem hochverschuldeten Wirtschaftsteilnehmer B Einbußen in Höhe von 9 Nutzeneinheiten an, so ist die Politikänderung gleichwohl effizient im Sinne der Kaldor-Hicks-Effizienz. 60 Das in der Tradition des Utilitarismus stehende, rein auf die Maximierung des Gesamtnutzens abstellende Effizienzkriterium begegnet daher grundsätzlicher Kritik. So wird von Seiten der allgemeinen Utilitarismuskritik etwa ein Verstoß gegen grundlegende Gerechtigkeitsvorstellungen und die Missachtung individueller Rechtspositionen ins Feld geführt. 61 Das Effizienzkriterium wird insoweit zutreffend als "blind" bezeichnet. Darin liegt aber von vornherein kein Defizit, da das Effizienzkriterium gar nicht den Anspruch erhebt, auch die Frage der gerechten Wohlfahrtsverteilung unter den Wirtschaftsteilnehmern zu lösen. 62 Dies ist eine Aufgabe nicht mehr der ökonomischen Analyse, sondern der Politik. Der Aspekt der wirtschaftlichen Effizienz wird in einer rechtlich verfassten Wirtschaftordnung daher vom normativen Gesichtspunkt der Verteilungsgerechtigkeit überlagert. 63 Es ist den jeweiligen Rechtsordnungen überlassen, diese Entscheidungen nach den ihnen immanenten Grundwerten festzulegen. Dabei können bestimmte Wertentscheidungen der Erzielung wirtschaftlicher Effizienz sogar entgegenstehen. Dies ist etwa der Fall, wenn aus Gründen gesellschaftlicher SolidariSykes, HEL 1 (1998), S. 57; Trachtman, EIIL 9 (1998), S. 53. Vgl. Luckenbach, Theoretische Grundlagen der Wirtschaftspolitik, S. 35. 60 Sykes, HEL 1 (1998), S. 58 ff. 61 Vgl. Höjfe, Demokratie im Zeitalter der Globalisierung, S. 42 ff.; McGee, JWT 29, Nr. 1 (1995), S. 70 f. 62 Feess-Dörr, Mikroökonomie, S. 95. 63 Vgl. hierzu Trachtman, EJIL 9 (1998), S. 52 ff. 58

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2. Teil: Maßgebliche Grundwerte der Welthandelsordnung

tät eine Wohlfahrtsverteilung vorgegeben wird, die vom effizienten Zustand abweicht. Dann sind wirtschaftliche Ineffizienzen in einer Rechtsordnung angelegt und sogar beabsichtigt. Diese Überlegungen leiten über zu den im Rahmen der Diskussion über die ökonomische Analyse des Rechts geäußerten Vorbehalten gegenüber der normativen Überbetonung wirtschaftswissenschaftlicher Erkenntnisse. Erst wenn die jeweilige Rechtsordnung einem ökonomischen Konzept Bedeutung zurechnet und seine Beachtung vorschreibt, kann der ökonomischen Betrachtung auch rechtliche Relevanz zugesprochen werden. Hinsichtlich des Effizienzkriteriums bedeutet dies, dass die Effizienz einer staatlichen Politik nur dann auch rechtliche Relevanz besitzt, wenn die einschlägigen Rechtsnormen hierfür einen Ansatzpunkt liefern und Effizienzerwägungen somit eine normative Bedeutung verleihen. 64 Wie bereits dargelegt, bietet das in der Präambel des WTO-Übereinkommens enthaltene Bekenntnis zur optimalen Nutzung der Ressourcen der Welt jedoch eine stabile Basis für die wohlfahrtsökonomische Betrachtung staatlicher Handelspolitiken. Ferner findet sich in der Welthandelsordnung selbst ein klares ranking handelspolitischer Maßnahmen je nach dem Grad der auftretenden Handelsverzerrungen und der hierdurch verursachten Einbußen an globaler Wohlfahrt. 65 2. Mikroökonomie: Marktversagen infolge externer Effekte

Die Ausführungen zu den Wohlfahrts wirkungen der von direkten staatlichen Interventionen unbeeinflussten Wirtschaftstätigkeit und der effizienten Verhaltenssteuerung über den Marktmechanismus beruhen auf der Vorstellung vollkommener Märkte, auf denen vollkommener Wettbewerb herrscht. 66 Liegt eine der Voraussetzungen vollkommenen Wettbewerbs nicht vor, führt der Marktmechanismus nicht zum optimalen Ertrag an Wohlfahrt. Man spricht dann von Marktversagen, zu dessen Reparatur es staatlicher Regulierungsmaßnahmen bedarf. In diesen Fällen sind staatliche Interventionen erforderlich, um unter der Bedingung des freien Spiels der Marktkräfte eintretende Fehlallokationen zu vermeiden. a) Begriff der externen Effekte

Ein vollkommener Markt ist insbesondere dadurch gekennzeichnet, dass jeder Marktteilnehmer die von ihm verursachten Kosten in vollem Umfang selbst tragen muss. Auch erhält in einem vollkommenen Markt jeder Marktteilnehmer einen Marktpreis für die durch sein Handeln bei Dritten entstehenden Vorteile. Ist eines dieser beiden Elemente des Modells vollkommener Konkurrenz nicht erfüllt, 64

65 66

Petersmann, Constitutional Functions, S. 77. Vgl. Petersmann, International and European Trade and Environmental Law, S. 19. Deardorff, in: Bronckers I Quick (eds.), S. 74 f.

B. Die Welthandelsordnung als System zur Wohlfahrtssteigerung

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liegen negative bzw. positive externe Effekte vor. 67 Der Marktmechanismus führt dann zu einer ineffizienten Allokation der knappen Produktionsfaktoren. Es entstehen negative externe Effekte (externe Kosten), wenn die gesamten aus der Produktion einer Ware oder Dienstleistung entstehenden "sozialen Kosten" die "privaten Kosten", die der jeweilige Produzent zu tragen hat, übersteigen. 68 Negative externe Effekte liegen z. B. dann vor, wenn die Fischer durch die Verunreinigung von Flüssen und Seen durch anliegende Industrieanlagen Ertragseinbußen hinnehmen müssen, oder der Brunnenbetreiber durch entsprechende Grundwasserbelastungen Einbußen in der Wasserqualität erleidet. Das Marktversagen samt des damit verbundenen Allokationsproblems liegt darin begründet, dass der gewinnmaximierende Produzent die externen Kosten, die zwar insgesamt entstehen, jedoch nicht bei ihm anfallen, auch nicht in sein Produktionsverhalten mit einbezieht. 69 Er setzt die Herstellungskosten für die jeweiligen Güter folglich zu niedrig an und wird gemessen an der optimalen Verteilung der knappen Produktionsfaktoren zu viele Ressourcen für die Produktion dieser Güter aufwenden. 70 Auf der anderen Seite wird der mit sozialen Zusatzkosten belastete dritte Produzent die Herstellungskosten für seine Produkte zu hoch ansetzen und gemessen an der optimalen Verteilung der Produktionsfaktoren zu wenige Ressourcen für seine Produktion verwenden. Es entstehen positive externe Effekte (externe Vorteile), wenn die gesamten aus der Produktion einer Ware oder Dienstleistung entstehenden "sozialen Nutzen" die "privaten Nutzen", die der jeweilige Produzenten zieht, übersteigen. 71 Dies ist etwa der Fall, wenn ein Unternehmen Arbeitskräfte ausbildet und die erworbenen Fähigkeiten nach einem Wechsel des Arbeitsplatzes einem anderen Unternehmen zugute kommen. Der Nutzenstifter selbst setzt den Nutzen seiner wirtschaftlichen Tatigkeit zu niedrig an und wird insgesamt zu wenig produzieren. Der Nutznießer wird hingegen zu einem zu geringen Preis zu viele Produkte herstellen und hiermit insgesamt zu viele Ressourcen für die eigene Produktion aufwenden. 72

67 Fritsch/Wein/ Ewers, Marktversagen und Wirtschaftspolitik, S. 92; Abdel Motaal, JWT 35, Nr. 6 (2001), S. 1226. 68 Pfahl, Internationaler Handel und Umweltschutz, S. 14; Deardorff, in: Bronckers/Quick (eds.), S. 74. 69 Feess, Umweltökonomie und Umweltpolitik, S. 44. 70 Uimonen/Whalley, Environmental Issues, S. 12; Gruber/ Kleber, Grundlagen der Volkswirtschaftslehre, S. 130 f. 7\ Vgl. Fritsch/Wein/ Ewers, Marktversagen und Wirtschaftspolitik, S. 94 f.; Gruber/ Kleber, Grundlagen der Volkswirtschaftslehre, S. 129. 72 Luckenbach, Theoretische Grundlagen der Wirtschaftspolitik, S. 150 f.; Fritsch/Wein/ Ewers, Marktversagen und Wirtschaftspolitik, S. 99.

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2. Teil: Maßgebliche Grundwerte der Welthandelsordnung

b) Arten und Abgrenzung externer Effekte

Unter den externen Effekten sind physische und psychologische externe Effekte zu unterscheiden. Zudem sind externe Effekte von sonstigen, durch den Marktmechanismus vermittelten pekuniären Effekten abzugrenzen. aa) Physische Externalitäten Physische Externalitäten sind die hauptsächliche Ursache für ein Marktversagen. Kennzeichnend für diese Art externer Effekte ist ein direkter physischer Zusammenhang zwischen den Gewinn- bzw. Nutzenfunktionen der beteiligten Wirtschaftssubjekte, der nicht vom Marktmechanismus erfasst und ausgeglichen wird. 73 Dabei verursacht ein Wirtschaftsteilnehmer durch sein Produktionsverhalten materielle Einbußen bei anderen Wirtschaftsteilnehmern, ohne dass hierfür ein Ausgleich stattfindet. Er steigert seinen Gewinn auf Kosten derjenigen, die letztendlich die anfallenden Lasten zu tragen haben. Als Beispiel für einen physischen externen Effekt kann der Fall angeführt werden, dass ausländische Speditionen mit ihren LKWsdie deutschen Autobahnen befahren, ohne in irgendeiner Form an den anfallenden Bereitstellungs- und Instandhaltungskosten beteiligt zu werden. bb) Psychologische Externalitäten Demgegenüber spricht man von psychologischen externen Effekten, wenn die Nutzenfunktionen verschiedener Marktteilnehmer zwar voneinander abhängig sind, dieser Zusammenhang aber nicht physischer Art ist. 74 In diese Kategorie gehören etwa die Fälle, in denen die Einwohner der Industrie1änder an den unzureichenden Lebensbedingungen in den Entwicklungsländern Anstoß nehmen und insoweit Mitleid zeigen. Die Wohlhabenden beziehen das geringe Nutzenniveau der Notleidenden in die eigene Nutzenfunktion mit ein und erleiden insoweit eine Einbuße an eigenem moralischen Wohlergehen (sog. Nutzeninterdependenz). Auch in diesen Fällen können somit externe Effekte vorliegen. Führt nun der Marktmechanismus dazu, dass freiwillige Umverteilungsmaßnahmen zur Steigerung der gesamtgesellschaftlichen Lebensbedingungen und damit zur Beseitigung der psychologischen Externalitäten - etwa durch Spenden - unterbleiben, so kann hierin ein Marktversagen erblickt werden, das verteilungspolitische Maßnahmen des Staates nahe legt.

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Fritsch/Wein/Ewers, Marktversagen und Wirtschaftspolitik, S. 93. Fritsch/Wein/ Ewers, Marktversagen und Wirtschaftspolitik, S. 108.

B. Die We1thandelsordnung als System zur Wohlfahrts steigerung

107

cc) Pekuniäre Effekte Neben den beiden genannten Arten werden teilweise noch pekuniäre Effekte zu den externen Effekten gezählt. Unter einem pekuniären Effekt versteht man die Preiserhöhung, die ein Marktteilnehmer durch ein verändertes Nachfrage- und Konsumverhalten anderer Marktteilnehmer hinnehmen muss. 75 Zu beachten ist jedoch, dass die Preiserhöhung nur die veränderte Knappheit des betreffenden Gutes wiederspiegelt. Anders als bei physischen und auch psychologischen Externalitäten sind die anfallenden Nachteile Ergebnis funktionierender Marktbeziehungen. Daher ist die Einordnung der dargestellten pekuniären Effekte in die Kategorie der externen Effekte nicht sinnvoll?6 Als Ursache für ein Marktversagen kommen pekuniäre Effekte jedenfalls nicht in Betracht. c) Öffentliche Güter

Die Theorie externer Effekte wird vorwiegend zur Analyse und Erklärung der immer drängenderen Umweltprobleme herangezogen. Die Häufigkeit externer Effekte im Bereich des Umweltschutzes liegt vor allem daran, dass es sich bei vielen Umweltgütern nicht um private, sondern um öffentliche Güter bzw. Allmendegüter handelt. aa) Der Begriff der öffentlichen Güter Zur Abgrenzung öffentlicher Güter von privaten Gütern werden in der volkswirtschaftlichen Literatur die Kriterien der Rivalität und der Ausschließbarkeit herangezogen. 77 Dabei bedeutet das Kriterium der Rivalität, dass ein Gut nur individuell konsumiert werden kann. Das einmal getrunkene Bier kann etwa nicht noch einmal von einem Anderen getrunken werden. Auch die Hose kann gleichzeitig nur von einer Person getragen werden. Allgemein bedeutet Rivalität im Konsum daher, dass die Nutzung eines Gutes durch einen Wirtschaftsteilnehmer allen anderen die Nutzung unmöglich macht. Das Kriterium der Ausschließbarkeit fragt hingegen danach, ob das jeweilige Gut tatsächlich derart kontrollierbar ist, dass andere von seinem Konsum ausgeschlossen werden können. Private Güter sind sowohl durch Rivalität im Konsum als auch durch Ausschließbarkeit gekennzeichnet. Hierher gehören etwa Lebensmittel, Kleidung oder auch Werkzeug als rein private Güter. Öffentliche Güter sind demgegenüber entweder durch Nichtrivalität, durch Nichtausschließbarkeit oder durch beide EigenLuckenbach, Theoretische Grundlagen der Wirtschaftspolitik, S. 147. Fees, Umweltökonomie und Umweltpolitik, S. 41 f. 77 Vgl. zum Folgenden Gruber/Kleber; Grundlagen der Volkswirtschaftslehre, S. 132 f.; Fees, Umweltökonomie und Umweltpolitik, S. 38; Uimonen/Whalley, Environmental Issues, S.12. 75

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2. Teil: Maßgebliche Grundwerte der Welthandelsordnung

schaften ausgezeichnet. 78 Im Extremfall können öffentliche Güter daher von allen Wirtschaftsteilnehmern gemeinsam genutzt werden, ohne dass sich daraus eine Einschränkung für das Konsumniveau jedes Einzelnen ergibt (Nichtrivalität). Zum anderen ist es grundsätzlich nicht möglich, einzelne Wirtschaftsteilnehmer von der Nutzung öffentlicher Güter wirksam auszuschließen (Nichtausschließbarkeit). In die Kategorie der rein öffentlichen Güter fallen etwa der Rundfunk oder die öffentliche Sicherheit. Grundsätzlich gehören auch globale Umweltgüter, wie die Atmosphäre oder die Weltmeere, in diese Kategorie. 79 Im Zuge der immer weitgehenderen Belastung der Atmosphäre und der Weltmeere mit Schadstoffen ist aber auch insoweit eine gewisse Rivalität in der Nutzung erkennbar. So ist etwa in stark abwasserbelasteten Küstenregionen eine gleichzeitige Nutzung des Meeres als Auffangmedium für Abwässer und für den Wassersport unmöglich geworden. Gleiches gilt für das gesundheitsbefördernde Atmen sauberer Luft in industriellen Ballungsgebieten. Diese globalen Umweltgüter können somit auch schon zu den sog. Allmendegütern gezählt werden, die zwar durch Nichtausschließbarkeit gekennzeichnet sind, aber zumindest ab einem gewissen Auslastungsgrad eine Rivalität in der Nutzung aufweisen. 8o Klassische Allmendegüter sind etwa die Fischbestände in den Weltmeeren oder auch die Pilze in den allgemein zugänglichen Wäldern. bb) Negative externe Effekte und die "Tragik der Allmende" Das Modell der "Tragik der Allmende" ("tragic of the commons") verdeutlicht die Beziehung zwischen physischen negativen externen Effekten und der unzureichenden Zu schreibung von Eigentumsrechten gerade bei Umweltgütern. 81 Wie bereits dargestellt, handelt es sich jedenfalls im Bereich der globalen Umweltprobleme häufig um Allmendegüter. Diese sind grundsätzlich durch Nichtausschließbarkeit und, jedenfalls ab einem gewissen Auslastungsgrad, durch Rivalität in der Nutzung gekennzeichnet. Der Begriff der Allmende entstammt dem Bereich bäuerlich geprägter Gemeinden und bezeichnet traditionell das von allen Gemeindemitgliedern frei nutzbare Gemeindeeigentum, insbesondere den gemeinsamen Weidegrund. Aufgrund des gemeinsamen Eigentums kann grundsätzlich kein Gemeindemitglied von der Nutzung des Weidegrundes ausgeschlossen werden (Nichtausschließbarkeit). Die Rivalität in der Nutzung des Weidegrundes ergibt sich daraus, dass die einmal 78 Vgl. Gruberl Kleber; Grundlagen der Volkswirtschaftslehre, S. 132 ff.; Abdel Motaal, JWT 35, Nr. 6 (2001), S. 1228. 79 Siebert, in: WTO (ed.), S. 153 f. 80 Abdel Motaal, JWT 35, Nr. 6 (2001), S. 1227 f.; Fritsch I Wein I Ewers, Marktversagen und Wirtschaftspolitik, S. 105 f. 81 Vgl. zum Folgenden Fritsch I Wein I Ewers, Marktversagen und Wirtschaftspolitik, S. 105 f.; Abdel Motaal, JWT 35, Nr. 6 (2001), S. 1227 f.; Pfahl, Internationaler Handel und Umweltschutz, S. 15.

B. Die Welthandelsordnung als System zur Wohlfahrtssteigerung

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abgefressene Weide nicht mehr durch einen anderen Bauern für seine Tiere genutzt werden kann. Die Nutzung durch jeden Einzelnen beeinflusst somit zwangsläufig die Nutzbarkeit durch alle anderen Gemeindemitglieder. Infolge der freien Nutzbarkeit ist es für jeden einzelnen Bauern individuell rational, den Weidegrund extensiv zu nutzen, selbst wenn durch diese Übernutzung die natürliche Regenerationsfahigkeit der Wiese eingeschränkt wird. Und genau hierin liegt die besondere "Tragik" der Allmende. Die regelmäßige Übernutzung führt schließlich dazu, dass die Allmendegüter gar nicht mehr, oder zumindest stark eingeschränkt genutzt werden können. Betrachtet man die Übernutzung von Allmendegütern aus ökonomischer Perspektive, so stellt sie sich als Folge physischer negativer externer Effekte dar. Diese sind wiederum auf die den Allmendegütern eigene Rivalität in der Nutzung zurückzuführen. Erst die Formulierung und Durchsetzung klar begrenzter Eigentums- bzw. Nutzungsrechte jedes einzelnen Nutzers würde eine Übernutzung der Allmendegüter und damit das Auftreten physischer negativer externer Effekte verhindern helfen. cc) Positive externe Effekte und das "Trittbrettfahrer-Problem" Der Stifter eines positiven externen Effekts schafft für den Nutznießer einen Vorteil, für den dieser keinen Marktpreis entrichten muss. Der Nutznießer wird daher auch als Trittbrettfahrer ifreerider) bezeichnet. 82 Während das Modell der "Tragik der Allmende" die Hintergründe der Übernutzung der natürlichen Ressourcen offen legt, zeigt das "Trittbrettfahrer-Problem" auf, warum Umweltschutzmaßnahmen häufig unterbleiben. Das "Trittbrettfahrer-Problem" soll im Folgenden am Beispiel nationaler Luftreinhaltepolitik verdeutlicht werden. Unternimmt etwa ein Unternehmen von sich aus, d. h. ohne eine entsprechende Verpflichtung, Anstrengungen zur Verringerung des Ausstoßes von Rußpartikeln in die Luft und führt aus diesem Grunde neue Fertigungsmethoden ein, so kommt die geringere Schadstoffbelastung der Luft allen Wirtschaftsteilnehmern gleichermaßen zugute. Hier produziert das handelnde Unternehmen nicht nur einen Nutzen für sich, sondern genauso für alle anderen Wirtschaftsteilnehmer, ohne dass diese einen entsprechenden Kostenbeitrag zu den Umstrukturierungsmaßnahmen leisten würden. Das handelnde Unternehmen produziert also positive physische externe Effekte. Die Bereitstellung der verbesserten Luftqualität durch das handelnde Unternehmen kann ferner als Bereitstellung eines öffentlichen Gutes betrachtet werden, da grundsätzlich keiner von dem Genuss des gestifteten Vorteils ausgeschlossen 82 Vgl. zum Folgenden Fritsch I Wein I Ewers, Marktversagen und Wirtschaftspolitik, S. 103 f.; Abdel Motaal, JWT 35, Nr. 6 (2001), S. 1228; Weiher, Nationaler Umweltschutz und internationaler Warenverkehr, S. 30.

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2. Teil: Maßgebliche Grundwerte der Welthandelsordnung

werden kann (Nichtausschließbarkeit). Die individuell rationale Verhaltensweise jedes einzelnen Wirtschaftsteilnehmers ist in einer solchen Situation der bloße Genuss der von anderen produzierten Nutzen, ohne sich an den Kosten hierfür zu beteiligen oder etwa selbst zusätzliche Einheiten des öffentlichen Gutes bereitzustellen (Trittbrettfahrer-Verhalten). Verhalten sich alle Wirtschaftsteilnehmer in dieser Weise individuell rational, so wird keine Einheit des öffentlichen Gutes bereitgestellt. d) Internalisierung externer Effekte

Im Falle externer Effekte führt der Marktmechanismus zu einer Fehlallokation der knappen Ressourcen. Der Markt als dezentrale Ordnung versagt. Zur Reparatur des fehlerhaften Marktmechanismus bedarf es staatlicher Interventionen zur Beseitigung der externen Effekte. 83 Hierzu stehen den Staaten im Bereich des Umweltschutzes eine Vielzahl von Möglichkeiten zur Verfügung, von staatlicher Auflagenpolitik bis hin zum Einsatz marktwirtschaftlich orientierter Instrumente, wie der Erhebung von Steuern oder die Ausgabe handelbarer Schädigungsrechte. 84 Allen diesen Maßnahmen ist gemeinsam, dass sie die Wirtschaftsteilnehmer dazu veranlassen, die bei externen Effekten anfallenden sozialen Zusatzkosten (negative externe Effekte) bzw. sozialen Zusatznutzen (positive externe Effekte) in das private Kosten- und Nutzenkalkül mit einzubeziehen, d. h. zu internalisieren, bei Auflagen als unmittelbare staatliche Vorgabe, bei marktorientierten Instrumenten über den Preismechanismus. 85 In der Folge werden die Wirtschaftsteilnehmer die Knappheit der betreffenden Umweltgüter in ihrem Marktverhalten berücksichtigen. Im Ergebnis führt die Internalisierung der externen Effekte dann zur Beseitigung des Marktversagens. 3. Internationale externe EtTekte

Wenn externe Effekte staatliche Grenzen überschreiten, d. h. Verursacher und Betroffene bzw. Begünstigte in verschiedenen Staaten ansässig sind, spricht man von internationalen externen Effekten. Grundsätzlich ändert sich durch den internationalen Charakter der externen Effekte nichts an der dargelegten mikroökonomischen Betrachtung. 86 In einem solchen Fall entstehen Fehlallokationen nicht innerhalb einer Volkswirtschaft von Unternehmen zu Unternehmen, sondern zwischen den Volkswirtschaften. In Anlehnung an den Begriff des Marktversagens kann daher von einem Freihandelsversagen gesprochen werden. Im vorliegenden 83 Vgl. zum Folgenden Luckenbach, Theoretische Grundlagen der Wirtschaftspolitik, S. 152 f. 84 Siehe oben erster Teil C. VI. 85 Gruber / Kleber, Grundlagen der Volkswirtschaftslehre, S. 131. 86 Uimonen/Whalley, Environmental Issues, S. 15.

B. Die Welthandelsordnung als System zur Wohlfahrtssteigerung

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Zusammenhang ist gerade das Auftreten internationaler externer Effekte bei der Warenproduktion zu untersuchen. Steht einmal fest, dass durch die Verwendung schädlicher Produktionsmethoden internationale externe Effekte hervorgerufen werden, könnten entsprechende auf die Produktion bezogene handelspolitische Maßnahmen der betroffenen Staaten erforderlich sein, um die internationalen externen Effekte zu internalisieren und hierdurch eine unter der Bedingung des Freihandels eintretende Fehlallokation der Ressourcen der betroffenen Staaten zumindest teilweise auszugleichen. a) Beachtlichkeit physischer grenzüberschreitender Wirkungen

Die Warenproduktion in einem Staat kann physische und psychologische grenzüberschreitende Wirkungen entfalten. Ein Fall physischer grenzüberschreitender Wirkung liegt etwa dann vor, wenn bei der Produktion anfallende Schwefeldioxidemissionen grenznahe Wälder eines Nachbarstaates zerstören. Der betroffene Staat ist hier physisch in seinem Territorium und seinen materiellen Ressourcen betroffen. Demgegenüber bringt z. B. das unnötige oder besonders grausame Töten von Tieren im Staat der Produktion allenfalls psychologische grenzüberschreitende Wirkungen hervor. Ein entsprechender Sachverhalt liegt etwa der sog. TellereisenVerordnung der EG87 zu Grunde. 88 Mit Ausnahme der Fälle, in denen die Behandlung im Staat der Produktion eine Gefährdung des Bestandes der gesamten Art bedeutet, besteht hier die grenzüberschreitende Wirkung allein in einer potenziellen Beeinträchtigung des moralischen Wohlergehens der Bevölkerung eines anderen Staates. Aus ökonomischer Sicht kommt in beiden Fällen eine Qualifizierung als internationaler externer Effekt der Produktion in Betracht, da es insoweit keinen Unterschied macht, ob der Freihandel zu einem nicht optimalen Ertrag an materieller oder immaterieller Wohlfahrt führt. 89 Das Welthandelssystem zählt die Erzielung immaterieller Wohlfahrt jedoch nicht zu seinen grundlegenden Zielsetzungen. Der Präambel des WTO-Übereinkommens lässt sich allein das gemeinsame Streben der Mitglieder nach materieller Wohlfahrt entnehmen. Grenzüberschreitende psychologische Wirkungen der Produktion kommen daher nicht als relevante Ursache eines Freihandelsversagens in Betracht. Eine wohlfahrtsökonomische Begründung entsprechender Handelsrnaßnahmen zur Internalisierung immaterieller grenzüberschreitender Wirkungen kann demnach in der Welthandelsordnung keine Anerkennung finden.90 Internationale psychologische externe Effekte sollen daher im Folgenden außer Ansatz bleiben. Dies betrifft neben dem schon mit der TellereisenSiehe oben erster Teil C. VII.2.c). Palmeter; JWT 27, Nr. 3 (1993), S. 66; Petersmann, JWT 27, Nr. 1 (1993), S. 71 Fn. 57. 89 Vgl. Howse/Regan, EJIL II (2000), S. 278 f. 90 So auch Esty, Greening the GATI, S. 126; Schlagenhof, JWT 29, Nr. 6 (1995), S. 140 f.; vgl. auch Dunoff, EJIL 10 (1999), S. 754 ff.; Siebert, in: WTO (ed.), S. 153. 87 88

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2. Teil: Maßgebliche Grundwerte der Welthandelsordnung

Verordnung der EG angesprochenen Bereich der Durchsetzung umweltbezogener Präferenzen auch den höchst umstrittenen Bereich der Durchsetzung international anerkannter Sozial- und Menschenrechtsstandards mittels nichtproduktbezogener Handelsmaßnahmen. 91 Solange keine grenzüberschreitenden physischen Wirkungen ersichtlich sind, scheidet eine wohlfahrtsökonomische Begründung entsprechender Handelsmaßnahmen als Maßnahmen zur Internalisierung internationaler externer Effekte aus. b) Internationale externe Effekte der Produktion

Die Warenproduktion innerhalb eines Staates kann grundsätzlich schädliche bzw. günstige physische Auswirkungen haben (1) auf die eigene Umwelt, (2) auf die nationalen oder internationalen Umweltgüter eines oder mehrerer anderer Staaten, (3) auf internationale Umweltgüter, die auf den Staat der Produktion und mindestens einen weiteren Staat aufgeteilt sind, und schließlich (4) auf globale Umweltgüter. 92 aa) Negative internationale Externalitäten (1) Negative Auswirkungen auf die heimische Umwelt des Staates der Produktion können zwar sehr wohl physische externe Effekte darstellen, diese sind aber von vornherein nicht international. Daher scheiden auch Handelsmaßnahmen zur Internalisierung dieser Effekte von vornherein aus. (2) Aufgrund der Warenproduktion eintretende Schädigungen der Umweltgüter eines oder mehrerer anderer Staaten, in der Regel von Nachbarstaaten, stellen hingegen regelmäßig internationale externe Effekte dar. 93 Jegliche Schädigung der Umwelt eines anderen Staates, etwa durch grenzüberschreitende Luftverunreinigungen, die bei der Warenproduktion im Herkunftsland verursacht werden, bedeuten einen negativen physischen externen Effekt, es sei denn, die durch die Schädigung anfallenden Kosten werden ausnahmsweise zwischen den beteiligten Staaten ausgeglichen. 94 Die Identifizierung externer Effekte ist in diesem Fall jedenfalls strukturell ohne weiteres möglich. Sind einmal negative grenzüberschreitende Umweltauswirkungen festgestellt worden, und steht dazu noch fest, dass kein zwischenstaatlicher Ausgleich hierfür erfolgt ist, ergibt sich aus der umfassenden Zuschreibung der Eigentums- und Nutzungsrechte an den betreffenden Umweltgütern automatisch das Vorliegen internationaler externer Effekte. 91

92 93

94

Vgl. Howse/Regan, EJIL 11 (2000), S. 283 f. Vgl. OECD, Trade and Environment, S. 156. Hierzu BhagwatiiSrinivasan, in: Bhagwati/Hudec (eds.), S. 196 f. Zu möglichen Formen eines Ausgleichs Trachtman, EJIL 9 (1998), S. 53 f.

B. Die Welthandelsordnung als System zur Wohlfahrtssteigerung

113

(3) Zu den auf den Staat der Produktion und mindestens einen weiteren Staat gemeinsam entfallenden Umweltgütern zählen insbesondere gemeinsame Ressourcen (shared resources), wie etwa gemeinsame Flussläufe und Seen, und wandernde Tierarten (migratory species). Diese Situation ist vergleichbar mit den Allmendegütern, die im gemeinsamen Eigentum mehrerer Wirtschaftsteilnehmer stehen. In diesem Fall können entsprechend des Modells der "Tragik der Allmende" negative physische externe Effekte durch die Übernutzung der Ressourcen entstehen. Die Identifizierung externer Effekte ist in diesem Fall strukturell komplexer als im Fall (2), da Nutzungsrechte an den geteilten Umweltgütern zumindest auch auf den Staat der Produktion entfallen. Daher stellt nicht schon jede Nutzung und Belastung des gemeinsamen Gutes durch den Staat der Produktion auch einen internationalen externen Effekt dar. Erst die Überschreitung der eigenen Nutzungsbefugnisse und daraus resultierende zusätzliche Kosten für einen anderen Staat bedeuten einen internationalen externen Effekt. Zwischenstaatlich sind die Nutzungsbefugnisse für gemeinsame Umweltgüter jedoch regelmäßig nicht weiter spezifiziert. Über das aus dem Recht der internationalen Wasserwege bekannte Prinzip der equitable utilization 95 hinaus, lassen sich meist keine weiteren Anhaltspunkte für die den beteiligten Staaten zustehenden Nutzungsbefugnisse nachweisen. Daher scheitert die Qualifizierung von Schädigungen gemeinsamer Umweltgüter als Ergebnis internationaler externer Effekte in der Regel an der mangelnden Zuweisung konkreter Nutzungsbefugnisse zwischen den beteiligten Staaten. (4) Die Schädigung globaler Umweltgüter durch die Verwendung bestimmter Produktionsmethoden ist strukturell mit dem obigen Fall (3) verwandt. Im Unterschied zu gemeinsamen Umweltgütern mangelt es bei globalen Umweltgütern wie der Atmosphäre oder der Artenvielfalt jedoch an der grundsätzlichen Zuschreibung zu einzelnen Staaten. Es handelt sich um einheitliche Umweltgüter globalen Ausmaßes. Dieser Unterschied fallt bei der Ermittlung internationaler externer Effekte jedoch nicht weiter ins Gewicht. Schließlich werden die globalen Umweltgüter, als öffentliche Güter, von allen Staaten gemeinsam genutzt. Im Ergebnis kommt es also auch hier darauf an, dass die jeweiligen Nutzungsrechte der Staaten an den globalen Umweltgütern nicht definiert sind96 und aus diesem Grunde parallel zur "Tragik der Allmende" eine Übernutzung entstehen kann. Aber auch in diesem Fall scheitert die Feststellung einer Überschreitung einzelstaatlicher Nutzungsrechte und damit auch die Annahme internationaler externer Effekte regelmäßig an der mangelnden Zuschreibung konkreter Nutzungsrechte zwischen den Staaten. 97 Näher hierzu im zweiten Teil C.lI.2.b)cc)(1). Vgl. Petersmann, JWT 27, Nr. 1 (1993), S. 47. 97 Ein erster Schritt der Zuweisung konkreter Nutzungsrechte an der Atmosphäre als Aufnahmemedium für Treibhausgase bedeuten die im Kyoto-Protokoll zur Klimarahmenkonvention (UNFCCC) angelegten Senkungs verpflichtungen der Industriestaaten; allgemein zum 95

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8 Puth

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2. Teil: Maßgebliche Grundwerte der Welthandelsordnung

Die besondere Problematik der Bestimmung der jeweiligen Nutzungsrechte der Staaten in den Fällen der gemeinsamen Umweltgüter (3) und der globalen Umweltgüter (4) findet ihre Ursache in der dezentralen Struktur der Völkerrechtsordnung. Wegen des Fehlens eines zentralen Zurechnungssubjekts können die jeweiligen Eigentums- und Nutzungsrechte an den internationalen Umweltgütern nicht einfach wie in der mikroökonomischen Betrachtung als gegeben betrachtet werden. Es sind die Staaten selbst, die über die einzelnen Rechtspositionen zu entscheiden haben. Erst nach einer eindeutigen Zuweisung der jeweiligen Nutzungsrechte kann konsequenterweise von internationalen externen Effekten gesprochen werden, zu deren Internalisierung dann Handelsmaßnahmen ergriffen werden könnten. 98 Danach lässt sich gegenwärtig allein die Schädigung der nationalen oder internationalen Umweltgüter eines oder mehrerer anderer Staaten unproblematisch als internationaler negativer physischer Effekt qualifizieren. bb) Positive internationale Externalitäten? (1) Positive Auswirkungen der Produktion im Importstaat auf die heimische Um-

welt können zwar sehr wohl physische externe Effekte darstellen, diese sind aber nicht international. Daher scheiden auch Handelsmaßnahmen des Importstaates zur Internalisierung dieser Effekte von vornherein aus.

(2) Aufgrund besonders schonender Produktionsweisen eintretende Beförderungen der Umweltqualität eines oder mehrerer anderer Staaten, regelmäßig von Nachbarstaaten, könnten hingegen sehr wohl internationale externe Effekte darstellen. Eine Beförderung der Umweltqualität anderer Staaten liegt z. B. dann vor, wenn eine schonende Waldbewirtschaftung in Grenznähe dazu führt, dass diese Wälder auch Luftschadstoffe aus den Nachbarstaaten aufnehmen und deren Umweltgüter hierdurch entlasten. Damit sich Sachverhalte dieser Art aber gerade als positive internationale Externalitäten darstellen, müssten sie einen Zusatznutzen für die begünstigten Staaten bedeuten. Was aber für die Umwelt der begünstigten Staaten als Nutzenzuwachs anzusehen ist, bestimmen allein die begünstigten Staaten selbst. Sie allein entscheiden über die Umweltqualität innerhalb ihrer Gebiete und über die Aufwendungen zur Verbesserung der Umweltqualität. Daher ist auch die Annahme eines Nutzenzuwachses für die begünstigten Staaten von deren freier Entscheidung abhängig und kann nicht unterstellt werden. Die Annahme positiver internationaler Externalitäten scheitert in diesen Fällen also im Zweifel schon an der fehlenden Anerkennung eines Zusatznutzens durch die begünstigten Staaten. Kyoto-Protokoll KisslShelton, International Environmental Law, S. 517 ff.; BaU, EuZW 1998, S. 457 ff. 98 DunofflTrachtman, YJIL 24 (1999), S. 15.

B. Die Welthandelsordnung als System zur Wohlfahrtssteigerung

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(3) Auch im Fall gemeinsamer Umweltgüter könnte an die Entstehung positiver internationaler Externalitäten gedacht werden, wenn etwa ein Staat durch schonende Produktionsweisen die Qualität der gemeinsamen Güter insgesamt verbessert, ohne dass die anderen Beteiligten für den Genuss dieser gemeinsamen Vorteile eigene Aufwendungen hätten. Hier scheitert die Annahme positiver internationaler Externalitäten jedoch daran, dass zwischen den beteiligten Staaten keine abgrenzbaren Eigentums- und Nutzungsrechte an den gemeinsamen Umweltgütern wie den geschaffenen Vorteilen bestehen. Es ist also keineswegs klar, weIche geschaffenen Vorteile der betreffende Staat selbst zieht und ab wann von der Schaffung zusätzlicher Nutzen gesprochen werden kann, die durch andere Staaten genossen werden könnten. Nur dann liegen aber positive internationale Externalitäten vor. (4) Dies gilt umso mehr für den Schutz globaler Umweltgüter. Auch insoweit bestehen keine abgrenzbaren Eigentums- und Nutzungsrechte an den Umweltgütern wie den geschaffenen Vorteilen, die den Nachweis der Schaffung zusätzlicher Vorteile durch einen Staat zuließen. Daher liegen auch in diesem Fall keine positiven internationalen Extemalitäten vor. Nach alledem sind positive internationale Externalitäten auf die Umwelt nach dem heutigen Stand des Umweltvölkerrechts nicht nachzuweisen. Daher scheiden auch nichtproduktbezogene HandeIsmaßnahmen des Importstaates zu ihrer Internalisierung aus. c) Internalisierung negativer internationaler Externalitäten

durch Handelsmaßnahmen

Liegen danach beachtliche negative internationale externe Effekte der Produktion vor, kommen nichtproduktbezogene HandeIsmaßnahmen des betroffenen Staates gegen die aus der schädlichen Produktion stammenden Produkte als taugliche Internalisierungsmaßnahmen zur Reparatur des Freihandelsversagens in Betracht. aa) Das Problem der monetären Bewertung Der Einsatz nichtproduktbezogener Handelsmaßnahmen dient nur solange und soweit der Internalisierung internationaler externer Effekte der Produktion, als hierdurch die im Importstaat anfallenden externen Kosten gegenüber dem Staat der Produktion ausgeglichen werden. Hier treffen tatsächliche Unsicherheiten über den Umfang der durch die schädliche Produktion im Importstaat verursachten Schäden wie auch über die genauen Wirkungen der zu ergreifenden nichtproduktbezogenen HandeIsmaßnahmen zusammen.99 99

8*

Vgl. Hudec, in: Bhagwati I Hudec (eds.), S. 111 ff.; Trachtman, EJIL 9 (1998), S. 56 f.

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2. Teil: Maßgebliche Grundwerte der Welthandelsordnung

Die besondere Problematik der monetären Bewertung einer bestimmten Umweltsituation resultiert daraus, dass ein Großteil der Umweltgüter öffentliche Güter sind, für die ein Marktpreis gar nicht besteht. 100 Welche Auswirkungen hat etwa der im Staat der Produktion verursachte saure Regen auf die grenznahen Walder benachbarter Staaten, welche auf das Grundwasser? Welche Folgekosten ergeben sich im Bereich des Gesundheitsschutzes? In der Praxis müssen die durch eine Umweltschädigung verursachten Gesamtkosten unter Einbeziehung aller Schadensposten und möglichen Folgewirkungen geschätzt werden. 101 Auch die tatsächlichen Wirkungen nichtproduktbezogener Handelsmaßnahmen können nur annähernd, auf der Basis gegenwärtiger Daten ermittelt werden. Die gerade hieraus resultierenden Unsicherheiten sind jedoch nicht zu hoch anzusetzen, da die Bewertung der durch handelsbeschränkende Maßnahmen verursachten Kosten bereits im Rahmen des Sanktionsmechanismus des Art. 22 DSU zur Durchsetzung von DSBEntscheidungen hinreichend erprobt worden ist. 102 Insgesamt bleibt die Feststellung eines Ausgleichs zwischen den durch die schädliche Produktion im Importstaat anfallenden und den durch die nichtproduktbezogenen Handelsmaßnahmen zurückgegebenen Kosten jedoch mit einigen Unsicherheiten behaftet, die dem Importstaat die zielgenaue Ausgestaltung seiner Maßnahmen erschweren. bb) Die indirekte Wirkung Staatliche Internalisierungsmaßnahmen sollen so direkt wie möglich auf die Beseitigung der Marktstörung gerichtet sein, um zusätzliche und unnötige Verzerrungen zu vermeiden (Theorie der optimalen Intervention).103 Der Bereich der Produktion im Herkunftsland unterliegt aber von vornherein nicht der Regelungshoheit des Importstaates. Dieser kann nicht unmittelbar die schädlichen Produktionsweisen, sondern erst die Einfuhr aus dieser Produktion stammender Produkte regulieren. Eine optimale Internalisierungsstrategie kann nur der Staat der Produktion selbst ergreifen. Handelsmaßnahmen des Importstaates zur Internalisierung internationaler externer Effekte werden daher generell als ineffizient bezeichnet. Sowohl aus globaler als auch aus nationaler Wohlfahrtsperspektive betrachtet, ergibt sich eine klare Präferenz für eine nationale Internalisierungsstrategie des Staates der Produktion (First-best-Lösung).I04 Feess, Umweltökonomie und Umweltpolitik, S. 291 f. Fritsch/Wein/ Ewers, Marktversagen und Wirtschaftspolitik, S. 157. 102 Vgl. nur WTO Dok., Decision by the Arbitrators, EC - Regime for the Importation, Sale and Distribution of Bananas - Recourse to Arbitration by the European Communities Under Artic1e 22.6 ofthe DSU, WT IDS27 I ARB/ECU, para. 166 ff. 103 Hierzu Petersmann, Constitutional Functions, S. 57 f.; Eglin, in: Bhagwati/Hirsch (eds.), S. 260. 104 Eglin, in: Bhagwati/Hirsch (eds.), S. 260; Sen, in: Tussie (ed.), S. 117; vgl. auch Abdel Motaal, JWT 35, Nr. 6 (2001), S. 1230 f. 100

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B. Die Welthandelsordnung als System zur Wohlfahrtssteigerung

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Die Internalisierung der internationalen externen Effekte schon durch den Staat der Produktion ist regelmäßig jedoch nicht zu erwarten. Für diesen besteht nämlich grundsätzlich gar kein Anreiz, die über sein Hoheitsgebiet hinausreichenden negativen Wirkungen seiner Warenproduktion abzustellen. 105 Ganz im Gegenteil stellt sich die teilweise Verlagerung der anfallenden sozialen Kosten auf eine andere Volkswirtschaft aus der nationalen Perspektive des Staates der Produktion häufig als Wettbewerbsvorteil dar, den es zu erhalten gilt (sog. Beggar-thy-neighbourPolitik I06 ). Es stellt sich dann die Frage, ob es wohlfahrtsökonomisch vorteilhafter ist, wenn der geschädigte Staat die negativen externen Effekte einfach duldet oder in Übereinstimmung mit dem Staat der Produktion eine Änderung der Produktionsumstände finanziert, d. h. insoweit das Geschädigtenprinzip anwendet 107, oder nichtproduktbezogene Hande1smaßnahmen zur teilweisen Internalisierung der internationalen externen Effekte ergreift. 108 Dies ist im Einzelfall zu entscheiden, nach Art und Umfang der internationalen externen Effekte, den mit der teilweisen Internalisierung einhergehenden Effizienzgewinnen und den aus den Handelsmaßnahmen resultierenden zusätzlichen Verzerrungen des internationalen Handels. In der Literatur finden sich hierzu unterschiedliche Einschätzungen. Aus der globalen Wohlfahrtsperspektive werden nichtproduktbezogene Handelsmaßnahmen zur Internalisierung internationaler externer Effekte mitunter lediglich als drittbeste Alternative (Third-best-Lösung) bewertet, noch nach der Anwendung des Geschädigtenprinzips und der bloßen Duldung des Freihandelsversagens als zweitbeste Alternative (Second-best-Lösung).I09 Andere Stimmen heben demgegenüber hervor, dass Handelsmaßnahmen zur Internalisierung internationaler externer Effekte aus der nationalen Perspektive des Importstaates eindeutig effizienter sein können als die bloße Duldung der internationalen externen Effekte. llo Dann stellen sich nichtproduktbezogene Handelsmaßnahmen als zweitbeste Alternative zur Internalisierung internationaler externer Effekte der Produktion dar, direkt nach der nationalen Internalisierung durch den Staat der Produktion. III Eine abschließende wohlfahrtsökonomische Bewertung ist somit erheblich erschwert und variiert zudem von Fall zu Fall. Für die vorliegenden Zwecke mag sie Uimonen/Whalley, Environmental Issues, S. 15. Hierzu Goode, Dictionary of Trade Policy Terms, S. 32. 107 Hierauf weisen hin Uimonen/Whalley, Environmental Issues, S. 15 f. 108 Bei der folgenden Kosten-Nutzen-Analyse sollen die verschiedentlich geäußerten Hinweise auf die Public-choice-Theorie (vgl. Petersmann, JWT 27, Nr. 1 (1993), S. 78; De Clercq, in: Bhagwati/Hirsch (eds.), S. 196 ff.; Abdel Motaal, JWT 35, Nr. 6 (2001), S. 1228 f.) außer Ansatz bleiben. Danach seien staatliche Interventionen zur Korrektur fehlerhafter Marktergebnisse mit erheblichen Unsicherheiten belastet. Unvollständige Information, bestimmender Einfluss mächtiger Interessenverbände und die Abhängigkeit der politischen Entscheidungsträger von der öffentlichen Meinung verhindere häufig die Verfolgung einer effizienten InternaJisierungsstrategie. 109 Vgl. die Einschätzung von Sykes, JIEL 1 (1998), S. 74. 110 Uimonen/Whalley, Environmental Issues, S. 15 ff. 111 So auch Düerkop, CML Rev. 31 (1994), S. 813. 105

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2. Teil: Maßgebliche Grundwerte der Welthandelsordnung

auch dahinstehen. Es genügt die Feststellung, dass die Internalisierung internationaler externer Effekte mittels nichtproduktbezogener Handelsmaßnahmen des betroffenen Staates grundsätzlich der Reparatur eines Freihandelsversagens dient, den hierdurch erzielten Wohlfahrtsgewinnen jedoch mit den Handelsmaßnahmen einhergehende Verzerrungen entgegenstehen, die im Einzelfall durchaus zu einer negativen Wohlfahrtsbilanz führen können.

4. Schlussfolgerungen

Die Welthandelsordnung zielt auf eine Steigerung der materiellen Wohlfahrt in den beteiligten Volkswirtschaften. Dementsprechend sind ausschließlich physische grenzüberschreitende Wirkungen als Ursache eines möglichen Freihandelsversagens anzuerkennen. Psychologische grenzüberschreitende Wirkungen bleiben hingegen außer Betracht. Ein Freihandelsversagen setzt jedoch voraus, dass die physischen grenzüberschreitenden Wirkungen der Produktion gerade als internationale Externalitäten zu qualifizieren wären. Dies scheitert hinsichtlich positiver physischer grenzüberschreitender Wirkungen vor allem an der mangelnden Zuschreibung von Eigentums- und Nutzungsrechten an internationalen Umweltgütern zwischen den beteiligten Staaten. Hinsichtlich negativer physischer grenzüberschreitender Wirkungen ist ausschließlich im Fall der Schädigung der Umweltgüter bzw. des Territoriums eines oder mehrerer anderer Staaten eine eindeutige Zu schreibung der betreffenden Güter zu den geschädigten Staaten möglich. In den anderen Fällen der Schädigung gemeinsamer Umweltgüter und globaler Umweltgüter fehlt wiederum eine klare Zuschreibung der jeweiligen Eigentums- und Nutzungsrechte. Aus ökonomischer Perspektive kommt danach allein im Fall der Schädigung der Umweltgüter bzw. des Territoriums eines oder mehrerer anderer Staaten durch die Herstellung im Staat der Produktion das Ergreifen nichtproduktbezogener Handelsmaßnahmen durch die betroffenen Staaten zur Internalisierung der internationalen externen Effekte in Betracht. Solche Maßnahmen dienen der teilweisen Reparatur eines Freihandelsversagens und sind somit grundsätzlich von den ökonomischen Zielsetzungen der Welthandelsordnung gedeckt. Zu beachten sind jedoch insbesondere die Probleme der monetären Bewertung und der indirekten Wirkung, die die Wohlfahrtsbilanz belasten und auch im Fall negativer internationaler Externalitäten zu einer negativen wohlfahrtsökonomischen Gesamtbewertung nichtproduktbezogener Handelsmaßnahmen führen können. Sind hingegen negative internationale Externalitäten der Produktion ausgeschlossen, wie im Fall der ausschließlich inländisch wirksamen Umweltbelastung im Staat der Produktion selbst, spricht die wohlfahrtsökonomische Analyse eindeutig gegen das Ergreifen hierauf gerichteter nichtproduktbezogener TREMs. Ist das Bestehen negativer internationaler Externalitäten der Produktion hingegen mangels klar abgrenzbarer Eigentums- und Nutzungsrechte an den betreffenden internationalen oder globalen Umweltgütern frag-

B. Die Welthandelsordnung als System zur Wohlfahrtssteigerung

119

lich, kommt der wohlfahrtsökonomischen Betrachtung angesichts dieser Unwägbarkeiten von vornherein nur eine sehr begrenzte Aussagekraft zu.

V. Komparative Kostenvorteile und die Internalisierung internationaler Externalitäten Zur Begründung des generellen Ausschlusses nichtproduktbezogener Handelsmaßnahmen haben die Vertreter der Produkt-Prozess-Doktrin auf die Theorie der komparativen Kostenvorteile verwiesen. Nichtproduktbezogene Handelsmaßnahmen seien darauf gerichtet, den Staat der Produktion seiner komparativen Kostenvorteile zu berauben und aus diesem Grunde apriori abzulehnen. 112 Demgegenüber sehen die Kritiker der Doktrin in nichtproduktbezogenen Handelsmaßnahmen die Internalisierung internationaler externer Effekte und damit die Reparatur eines behaupteten Freihandelsversagens. 113 Aus diesem Grunde seien nichtproduktbezogene Handelsmaßnahmen zum Umweltschutz grundsätzlich als WTO-konform zu betrachten. Beiden Ansichten ist nur zum Teil zuzustimmen. Unstreitig sind Handelsmaßnahmen, die darauf gerichtet sind, komparative Kostenvorteile anderer Staaten auszugleichen, mit der grundlegenden Philosophie der Welthandelsordnung nicht zu vereinbaren. Andererseits steht aber auch die Internalisierung beachtlicher internationaler Externalitäten durch nichtproduktbezogene Handelsmaßnahmen grundsätzlich im Einklang mit den wohlfahrtsökonomischen Zielsetzungen der Welthandelsordnung. Die jeweilige Reichweite und das gegenseitige Verhältnis beider Argumente zueinander erschließen sich nur durch eine exakte Definition der Konzepte der komparativen Kostenvorteile wie der beachtlichen internationalen Externalitäten. Komparative Kostendifferenzen zwischen den Staaten ergeben sich aus den zur Verfügung stehenden Produktionstechnologien und der jeweiligen Ausstattung mit den erforderlichen Produktionsfaktoren, kurz aus den Produktionsbedingungen im Staat der Produktion. Zu den hiernach relevanten Umständen zählt nicht zuletzt die heimische Umwelt und die ihre Nutzung regulierenden staatlichen Schutzvorschriften. 114 Hinsichtlich internationaler und globaler Umweltgüter fehlt jedoch eine klare Zuschreibung der Eigentums- und Nutzungsrechte zwischen den beteiligten Staaten. Also lässt sich auch nicht positiv feststellen, in welchem Maße diese Umweltgüter zu den die komparativen Kostenvorteile des Staates der Produktion begründenden Umständen zu rechnen sind. Die Umwelt des Importstaates fällt von vornherein nicht in den Bereich des Staates der Produktion. Ganz im Gegenteil 112 113 114

Siehe oben im ersten Teil D.III.l.a). Siehe oben im ersten Teil D.lY. Vgl. Siebert, in: WTO (ed.), S. 152.

120

2. Teil: Maßgebliche Grundwerte der Welthandelsordnung

zählt die Umwelt des betroffenen Staates zu den die komparativen Kostenvorteile dieses Staates bildenden Umständen. Von einer Beeinträchtigung des Staates der Produktion in seinen komparativen Kostenvorteilen kann somit nur dann die Rede sein, wenn nichtproduktbezogene Handelsrnaßnahmen an solche Umstände der Produktion anknüpfen, die ausschließlich die Umwelt des Staates der Produktion betreffen. Hinsichtlich aller anderen nichtproduktbezogenen Handelsrnaßnahmen bleibt unklar, ob hierdurch komparative Kostenvorteile des Staates der Produktion betroffen sind. Hinsichtlich des Arguments der Internalisierung internationaler externer Effekte verhält es sich genau spiegelbildlich. Im Rahmen der Welthandelsordnung beachtliche internationale externe Effekte liegen nur dann vor, wenn die Herstellung im Staat der Produktion negative physische Auswirkungen auf die nationalen oder internationalen Umweltgüter eines oder mehrerer anderer Staaten hat. In diesem Fall beruhen die hieraus resultierenden Wettbewerbsvorteile des Staates der Produktion gerade nicht auf den Kennzeichen seiner eigenen Volkswirtschaft, sondern auf der Kostenverlagerung auf die betroffenen Staaten. Aus internationalen externen Effekten kann sich daher niemals ein komparativer Kostenvorteil des Staates der Produktion ergeben. 115 In allen anderen Fällen der physischen grenzüberschreitenden Wirkungen sind internationale Externalitäten aber mangels klar umrissener Eigentums- und Nutzungsrechte nicht nachweisbar. Nichtproduktbezogene HandeIsmaßnahmen zum Schutz geteilter und globaler Umweltgüter können somit keine Rechtfertigung über den Gedanken der Internalisierung beachtlicher internationaler Externalitäten erfahren. Insgesamt sind die Argumente der komparativen Kostenvorteile wie der Internalisierung internationaler Externalitäten daher nur von begrenzter Aussagekraft. Sie betreffen jeweils nur genau eine Situation der Umweltschädigung durch nichtproduktbezogene PPMs. Der Theorie komparativer Kostenvorteile laufen nichtproduktbezogene Handelsrnaßnahmen des Importstaates zum Schutz der Umweltgüter anderer Staaten, insbesondere des Staates der Produktion selbst, zuwider. Hinsichtlich der Umwelt anderer Staaten kann daher zutreffend von der Geltung des Herkunftslandsprinzips gesprochen werden. 116 Zumindest im Grundsatz entsprechen der wohlfahrtsökonomischen Ausrichtung der Welthandelsordnung jedoch solche nichtproduktbezogenen Handelsrnaßnahmen des Importstaates, die dem Schutz seiner eigenen Umweltgüter vor negativen internationalen externen Effekten dienen. Genau genommen schützt der betroffene Staat in diesem Fall seine eigenen komparativen Kostenvorteile vor der Verfälschung durch den Staat der Produktion. 117

115 Vgl. Weiher, Nationaler Umweltschutz und Internationaler Warenverkehr, S. 38; Strauss, UPJIEL 19 (1998), S. 793. 116 Siebert, in: WTO (ed.), S. 153. ll7 Vgl. Howse/Regan, EJIL 11 (2000), S. 281.

B. Die Welthande1sordnung als System zur Wohlfahrts steigerung

121

VI. Zusammenfassung des ökonomischen Arguments Freier internationaler Handel eröffnet den teilnehmenden Staaten Wohlfahrtsgewinne durch die Spezialisierung auf die Produktion derjenigen Güter, die sie mit den größten komparativen Kostenvorteilen produzieren können, und den Tausch gegen solche Güter, die sie nur mit komparativen Nachteilen herstellen können. Hieraus ergibt sich auch auf internationaler Ebene eine effizientere Nutzung der knappen Produktionsfaktoren und eine allgemeine Wohlfahrtssteigerung. Dieser Mechanismus funktioniert nicht optimal, wenn die Ausrichtung der Produktion an den jeweiligen komparativen Kostenvorteilen gestört ist. Dann führt freier Handel zu Fehlallokationen. Es liegt ein Freihandelsversagen vor. Dies ist insbesondere bei internationalen negativen physischen externen Effekten der Fall. Psychische grenzüberschreitende Wirkungen kommen hingegen von vornherein nicht als Ursache eines relevanten Freihandelsversagens in Betracht. Auch internationale positive physische externe Effekte sind nach dem derzeitigen Stand des Umweltvölkerrechts nicht nachweisbar. Im Fall der Schädigung der Umweltgüter eines Staates durch die Produktion in einem anderen Staat, handelt es sich um beachtliche internationale externe Effekte der Produktion. Infolge dieser teilweisen Kostenverlagerung wird der geschädigte Staat die Kosten seiner eigenen Produktion tendenziell zu hoch ansetzten und dementsprechend zu wenig produzieren, der Staat der schädlichen Produktion wird hingegen seine Produktionskosten zu niedrig ansetzen und aus diesem Grund tendenziell zu viel produzieren. Zur Reparatur des Freihandelsversagens bedarf es der Internalisierung der internationalen externen Effekte der Produktion. Dies geschieht am effizientesten durch den Staat der Produktion selbst, da er unmittelbar die schädliche Produktion regulieren kann. Erst wenn der Staat der Produktion nicht tätig wird, kommen nichtproduktbezogene Handelsrnaßnahmen des geschädigten Staates gegen die aus der schädlichen Produktion hervorgegangenen Produkte zur teilweisen Internalisierung der festgestellten Externalitäten als zweitbeste Lösung in den Blick. Aus dem Problem der monetären Bewertung der aufgetretenen externen Effekte auf die Umwelt und aus der indirekten Wirkung nichtproduktbezogener Handelsrnaßnahmen zur Internalisierung internationaler externer Effekte der Produktion ergeben sich jedoch Wohlfahrtsverluste, die im Ergebnis die aus der Internalisierung erwachsenden Wohlfahrtsgewinne überwiegen können. Das Ergreifen von nichtproduktbezogenen Handelsrnaßnahmen zum Schutz fremder Umweltgüter, insbesondere zum Schutz der Umwelt des Staates der schädlichen Produktion, bedeutet in jedem Fall einen Eingriff in den Freihandelsmechanismus. Dem Staat der Produktion wird in diesem Fall die Ausrichtung an etwaigen komparativen Kostenvorteilen versperrt, die insbesondere auf einer besonderen Absorptionsfähigkeit der heimischen Umwelt oder auf unterschiedlichen Präferenzen hinsichtlich der anzustrebenden Umweltqualität beruhen können.

122

2. Teil: Maßgebliche Grundwerte der Welthandelsordnung

In allen anderen Fällen produktionsseitiger Schädigungen internationaler und globaler Umweltgüter, an denen auch der Staat der Produktion beteiligt ist, ist bisher unentschieden, ob und ab wann hierdurch komparative Kostenvorteile eines anderen Staates durch die Auferlegung internationaler Externalitäten betroffen sind bzw. ob und wie weit das Ergreifen nichtproduktbezogener Handelsmaßnahmen zum Schutz dieser Umweltgüter komparative Kostenvorteile des Staates der Produktion beeinträchtigt. Dieser Befund ändert sich erst dann, wenn konkrete Nutzungsrechte an den jeweiligen internationalen Umweltgütern festgelegt werden. Ein erster Schritt in diese Richtung dürfte in den konkreten Senkungsverpflichtungen der Industriestaaten nach dem Kyoto-Protokoll der Klimarahmenkonvention zu sehen sein. Hier werden bestimmten Staaten erstmals konkrete Verschmutzungskontingente zugestanden, die als Basis für die Ermittlung internationaler externer Effekte dienen könnten. Insgesamt erfährt die Produkt-Prozess-Doktrin durch das ökonomische Argument eine Bestärkung hinsichtlich nichtproduktbezogener Handelsmaßnahmen des Importstaates zum Schutz der Umwelt des Staates der Produktion und eine Schwächung hinsichtlich nichtproduktbezogener Handelsmaßnahmen zum Schutz der eigenen Umwelt des Importstaates. Hinsichtlich der Berechtigung nichtproduktbezogener Handelsmaßnahmen zum Schutz internationaler und globaler Umweltgüter ist die wohlfahrtsökonomische Betrachtung nur von begrenzter Aussagekraft.

c. Das Konzept der nachhaltigen Entwicklung Das Konzept der nachhaltigen Entwicklung zielt auf die umfassende Vernetzung der Belange der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung wie des Umweltschutzes. Dem Welthandel kommt in diesem Spannungsfeld eine Schlüsselposition zu. Freier internationaler Handel soll zum einen Spezialisierungsgewinne und wirtschaftliches Wachstum durch eine effizientere Allokation der knappen Produktionsfaktoren ermöglichen, darf aber andererseits legitime Umweltschutzinteressen und -bemühungen nicht unterlaufen. Das Konzept der nachhaltigen Entwicklung formuliert daher weitreichende Policy- Vorgaben für den Bereich Handel und Umweltschutz, mit deren Hilfe ein optimaler Ausgleich zwischen den Anliegen des wirtschaftlichen Wachstums und des Umweltschutzes erzielt werden soll.

I. Nachhaltige Entwicklung als Grundprinzip der Welthandelsordnung Der Grundsatz der nachhaltigen Entwicklung zählt zu den Grundprinzipien der Welthandelsordnung. Der konkrete Inhalt des Grundsatzes der nachhaltigen Entwicklung wird jedoch lediglich in der Präambel des WTO-Übereinkommens

C. Das Konzept der nachhaltigen Entwicklung

123

dahingehend präzisiert, dass in dessen Rahmen der Schutz und die Bewahrung der Umwelt und die Steigerung der dafür erforderlichen Mittel angestrebt werden solle, und zwar in einer auf den jeweiligen Entwicklungsstand der Mitglieder abgestimmten Art und Weise. In den einzelnen Vorschriften des WTO-Rechts findet sich der Begriff der nachhaltigen Entwicklung nicht. Trotzdem ist spätestens seit der Entscheidung des Appellate Body im Fall US - Shrimp anerkannt, dass der Grundsatz der nachhaltigen Entwicklung die Rechtsanwendung im konkreten Fall leiten muss. Was aber ist der genaue Inhalt des Grundsatzes der nachhaltigen Entwicklung? Die Präambel des WTO-Übereinkommens nimmt mit dem Hinweis auf eine nachhaltige Entwicklung Bezug auf das im Bereich des Umwelt- und Entwicklungsvölkerrechts etablierte Konzept der nachhaltigen Entwicklung. 118 Dies ergibt sich aus der spärlichen Ausgestaltung des Grundsatzes im Recht der WTO, der Verhandlungsgeschichte der Uruguay-Runde im Hinblick auf die Berücksichtigung des Umweltschutzes und schließlich der späten, erst 1994 erfolgten Aufnahme des Grundsatzes der nachhaltigen Entwicklung in die Präambel des WTO-Übereinkommens. Im Sinne einer Verweisung sollte mit dem Grundsatz der nachhaltigen Entwicklung kein eigenständiges Konzept geschaffen werden, sondern die Geltung des spätestens seit der Rio-Konferenz über Umwelt und Entwicklung im Jahr 1992 allgemein anerkannten Konzepts der nachhaltigen Entwicklung auch in den zwischenstaatlichen Handelsbeziehungen der Mitglieder ausdrücklich anerkannt werden.

11. Das Konzept der nachhaltigen Entwicklung Im Folgenden sollen Inhalt und Tragweite des Konzepts der nachhaltigen Entwicklung ermittelt und speziell hinsichtlich ihrer Aussagen zu nichtproduktbezogenen Handelsrnaßnahmen zum Umweltschutz ausgewertet werden.

1. Entwicklung und Grundgedanken des Konzepts Das Konzept der nachhaltigen Entwicklung ist zwar erst auf der Rio-Konferenz von 1992 zur allseits anerkannten Leitlinie der internationalen Umweltschutz- und Entwicklungsstrategien erhoben worden, seine Wurzeln reichen jedoch weiter zurück. 119 Der Begriff der Nachhaltigkeit entstammt der Forstwirtschaftslehre. In seinem Lehrbuch zur Forstwirtschaftslehre "Sylvicultura Oeconomica" hat Oberberg118 Vgl. Benedek, in: Ginther I Denters I de Waart (eds.), S. 274 f.; Eglin, in: Bhagwati/ Hirsch (eds.), S. 254 ff. 119 Ausführlich hierzu Sands, BYIL 65 (1994), S. 305 ff.; Beyerlin, in: Wolfrum (ed.), S. 96 ff.; Schröder, Sustainable Development and Law, S. 2 ff.; vgl. auch Streinz, Die Verwaltung 31 (1998), S. 449 ff.

124

2. Teil: Maßgebliche Grundwerte der Welthandelsordnung

hauptmann von Carlowitz schon im Jahr 1713 eine nachhaltige Forstwirtschaft dahingehend definiert, dass nur so viele Bäume geschlagen werden dürften, wie neue Bäume nachwachsen. 120 Von diesem begrifflichen Ausgangspunkt hat es lange Zeit gedauert, bis zunächst der Ansatz einer bestandsfähigen Entwicklung im Einklang mit der Umwelt und später sogar der konkrete Begriff der Nachhaltigkeit die zwischenstaatliche Ebene erreicht haben. Eine erste Umschreibung des heutigen Konzepts der nachhaltigen Entwicklung findet sich in der Resolution 35/56 der Generalversammlung der Vereinten Nationen aus dem Jahr 1980. 121 Dort heißt es: "Accelerated development in the developing countries could enhance their capacity to improve their environment. The environment implications of poverty and under-development and the interrelationships between development, environment, population and resources must be taken into account in the process of development. It is essential to avoid environmental degradation and give future generations the benefit of a sound environment. There is need to ensure an economic development process which is environmentally sustainable over the long run and which protects the ecological balance. Deterrnined efforts must be made to prevent deforestation, erosion, soil degradation and desertification. International co-operation in environmental protection should be increased.'d22

Schließlich ist auch der Einfluss des Berichts "Our Common Future" aus dem Jahr 1987 der World Commission on Environment and Development (WCED), der sog. Brundtland-Kommission, auf die weitere Entwicklung des Konzepts der nachhaltigen Entwicklung nicht zu unterschätzen. 123 Danach ist unter nachhaltiger Entwicklung eine Entwicklung zu verstehen "that meets the needs of the present without compromising the ability of future generations to meet their own needs".124 Damit wird insbesondere der Aspekt der sog. intergenerationalen Gerechtigkeit angesprochen, wonach jede Generation durch den eigenen Umweltverbrauch die Spielräume der nachfolgenden Generationen bestimmt und somit verantwortlich dafür ist, auch den zukünftigen Generationen ein ausreichendes "natürliches Kapital" zu hinterlassen. 125 Die dargelegte Entwicklung des Nachhaltigkeitsgedankens beschränkt sich auf einige herausragende Eckpunkte. Gleichwohl ergeben sich schon aus dieser punktuellen Aufzählung nahezu alle prägenden Elemente des Konzepts der nachhaltigen Entwicklung, wie es im Jahr 1992 in der Rio-Erklärung und der Agenda 21 formuliert worden ist. Als absolute Kemelemente des Konzepts der nach120 Siehe Renn/Knaus/Kastenholz. in: Breuel (Hrsg.), S. 17. 121 Vgl. Beyerlin. in: Wolfrum (ed.), S. 98 f. 122 UN Dok .• International Development Strategy for the Third United Nations Development Decade, GA Res. 35/56, angenommen arn 5. Dezember 1980, para. 41; abgedruckt in ILM 20 (1981), S. 480, 489. 123 Vgl. Schröder, Sustainable Development and Law, S. 4 f. 124 WCED, Our Common Future, S. 43. 125 Renn/Knaus/Kastenholz. in: Breuel (Hrsg.), S. 19.

C. Das Konzept der nachhaltigen Entwicklung

125

haitigen Entwicklung können insbesondere die beiden folgenden Überlegungen gelten: 126 (1) Die Belange des Umweltschutzes und der Entwicklung sind nicht länger isoliert zu betrachten, sondern müssen in ihrer vollen Wechselbezüglichkeit wahrgenommen werden, um vor dem Hintergrund einer stetig wachsenden Weltbevölkerung die auftauchenden Probleme der Umweltzerstörung und des menschlichen Wohlergehens sachgerecht anzugehen. Das Konzept der nachhaltigen Entwicklung zielt daher auf eine grundsätzliche Vernetzung der diesbezüglichen politischen Bestrebungen. (2) Die politischen Ansätze zum Schutz der Umwelt und der Erzielung wirtschaftlichen und sozialen Wohlergehens müssen derart ausgestaltet sein, dass sie in langfristiger Perspektive die Interessen der gegenwärtigen Generation verfolgen, ohne gleichzeitig die natürlichen Lebensgrundlagen für die zukünftigen Generationen einzuschränken.

2. Rio-Deklaration und Agenda 21 Das Konzept der nachhaltigen Entwicklung hat seine maßgebliche Ausprägung in der Erklärung von Rio zu Umwelt und Entwicklung und der Agenda 21 erfahren. Diese beiden Instrumente zählen zu den zentralen Ergebnissen der Konferenz der Vereinten Nationen über Umwelt und Entwicklung im Juni 1992 in Rio de Janeiro (United Nations Conference on Environment and Development, UNCED)127 und sind Ausdruck eines breiten zwischenstaatlichen Konsenses 128. Die 176 Teilnehmerstaaten und die EG haben in der Erklärung von Rio zu Umwelt und Entwicklung (Rio-Deklaration) 27 leitende Grundsätze einer nachhaltigen Entwicklung niedergelegt und mit der Agenda 21 zugleich ein umfassendes Aktionsprogramm zur Implementierung des Konzepts der nachhaltigen Entwicklung ausgearbeitet. In der Folgezeit haben die speziell zur Weiterentwicklung des Ansatzes der nachhaltigen Entwicklung eingerichtete Kommission für nachhaltige Entwicklung (Commission on Sustainable Development, CSD) und auch eine Arbeitsgruppe des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP) spezielle Prinzipienkataloge zur Kennzeichnung einer nachhaltigen Entwicklung vorgelegt. 129 Diese gehen mitunter sehr viel weiter als die Rio-Deklaration und die Agenda 21, haben jedoch 126 Vgl. Kiss/Shelton, International Environmental Law, S. 248; Hoppe/Beckmann/ Kaueh, Umweltrecht, S. 21; Epiney, in: Lang/Hohmann/Epiney, S. 45; Sands, BYIL 65 (1994), S. 318. 127 Allgemein hierzu Gündling, Europa Archiv 1992, S. 251 ff.; Hohmann, NVwZ 1993, S. 311 ff. 128 Petersmann, JWT 27, Nr. 1 (1993), S. 49 f., spricht insoweit von einern "new worldwide consensus arnong governments". 129 Vgl. hierzu Lang, in: Lang/Hohmann/Epiney, S. 11 und 15 ff.

126

2. Teil: Maßgebliche Grundwerte der Welthandelsordnung

niemals eine vergleichbare internationale Anerkennung erfahren. Sie bleiben daher im Folgenden außer Betracht. Insgesamt bilden Rio-Deklaration und Agenda 21 den allseits konsentierten Kern des Konzepts der nachhaltigen Entwicklung. a) Allgemeine Grundtendenzen

Bevor das Augenmerk auf spezielle Aussagen des Konzepts der nachhaltigen Entwicklung gerichtet wird, sollen zunächst seine allgemeinen Grundtendenzen dargelegt werden. aa) Anthropozentrischer Ansatz Wie schon die Stockholm-Deklaration aus dem Jahr 1972 130 legt auch die RioDeklaration einen anthropozentrischen Ansatz zu Grunde \3l. In Prinzip 1 heißt es: "Human beings are at the centre of concems for sustainable development. They are entitled to healthy and productive life in harmony with nature."

Alle Bestrebungen zur Erzielung einer nachhaltigen Entwicklung sind demnach grundsätzlich auf das menschliche Wohlergehen auszurichten. Gegenüber einem ökozentrischen Ansatz l32 ist die Erzielung einer nachhaltigen Entwicklung somit kein Selbstzweck, sondern allein Mittel zur Sicherung der menschlichen Lebensgrundlagen. Dieser Ansatz stellt das Konzept der nachhaltigen Entwicklung in den Kontext der Menschenrechte der 3. Generation 133 , neben die diskutierten Rechte auf Entwicklung und eine gesunde Umwelt. 134 bb) Integration von Umweltschutz und Entwicklung Wie bereits dargestellt, ist die besondere Betonung der wechselseitigen Abhängigkeit der Belange des Umweltschutzes und der Entwicklung zu den Kernelementen des Konzepts der nachhaltigen Entwicklung zu zählen. 135 Prinzip 4 der RioDeklaration hebt dies besonders hervor: 130 UN Dok., Dec1aration of the UN Conference on the Human Environment, A/CONF.48/ 14, angenommen am 5. Juli 1972; abgedruckt bei Hohmann (ed.), Basic Documents, vol. I, S. 21 ff. Prinzip 1 der Stockholm-Deklaration lautet: "Man has the fundamental right to freedom, equality and adequate conditions of life, in an environment of a quality that permits a life of dignity and well-being, and he bears a solemn responsibility to protect and improve the environment for present and future generations. In this respect, policies promoting or perpetuating apartheid, racial segregation, discrimination, colonial and other forms of oppression and foreign domination stand condernned and must be eliminated." 131 Gündling, Europa Archiv 1992, S. 253. 132 Vgl. zu den verschiedenen Umweltschutzzwecken Kloepfer, Umweltrecht, S. 19. 133 Hierzu Riedei, EuGRZ 1989, S. 9 ff. 134 Schröder, Sustainable Development and Law, S. 6.

C. Das Konzept der nachhaltigen Entwicklung

127

"In order to achieve sustainable development, environmental protection shall constitute an integral part of the development process and cannot be considered in isolation from it."

Danach muss der Umweltschutz ein integraler Bestandteil jedes Entwicklungsprozesses sein. Umweltschutz und Entwicklung sind als untrennbare Einheit zu behandeln. Dabei ist unter Entwicklung zunächst wirtschaftliches Wachstum zu verstehen, als Voraussetzung jedes umfassenden gesellschaftlichen Entwicklungsprozesses. 136 Bestätigt wird die Vernetzung und gleichberechtigte Berücksichtigung von Umweltschutz und Entwicklung auch in den Prinzipien 3 und 11 der Rio-Deklaration. Ferner formuliert Prinzip 25 der Rio-Deklaration in aller Kürze: "Peace, development and environmental protection are interdependent and indivisible." Näher ausgeführt wird der Integrationsgedanke in Kapitel 8 der Agenda 21. Dort wird auch das grundlegende Ziel formuliert "to improve or restructure the decision-making process so that consideration of socio-economic and environmental issues is fully integrated"137. Dies betrifft sowohl nationale als auch internationale Entscheidungsprozesse. 138 cc) Langfristige Sicherung der natürlichen Lebensgrundlagen Neben dem Integrationsgedanken steht gleichberechtigt das Bekenntnis zur langfristigen Sicherung der natürlichen Lebensgrundlagen zum Wohle auch der zukünftigen Generationen. 139 Das (Teil-)Prinzip der nachhaltigen Nutzung (sustainahle use) der natürlichen Ressourcen hat als solches keinen eigenständigen Ausdruck in Rio-Deklaration und Agenda 21 gefunden. Allein Prinzip 7 statuiert eine Kooperationsverpflichtung der Staaten, mit dem Ziel "to conserve, protect and restore the health and integrity of the Earth's ecosystem". Der Grundsatz der intergenerationalen Gerechtigkeit findet sich hingegen deutlich ausgedrückt in Prinzip 3 der Rio-Deklaration: "The right to development must be fulfilled so as to equitably meet developmental and environmental needs of present and future generations."

Entsprechend fordert auch die Agenda 21 die Staaten auf, eigene Strategien zur Erzielung einer nachhaltigen Entwicklung aufzubauen, mit dem Ziel "to ensure socially responsible economic development while protecting the resource base and the environment for the benefit of future generations"14o. 135 136 137 138

139 140

Sands, BYIL 65 (1994), S. 338 f. Beyerlin, in: Wolfrum (ed.), S. 101. Agenda 21, para. 8.3. Vgl. hierzu Agenda 21, para. 38.7 und 39.2. Sands, BYIL 65 (1994), S. 341 f. Agenda 21, para. 8.7.

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2. Teil: Maßgebliche Grundwerte der Welthandelsordnung

dd) Naturwissenschaftliche Fundierung und Vorsorgeprinzip Alle Bestrebungen zur Erzielung einer nachhaltigen Entwicklung sind auf der Basis aktueller naturwissenschaftlicher Erkenntnisse zu unternehmen. 141 Der RioDeklaration ist dieses umfassende Bekenntnis zur wissenschaftlichen Fundierung nationaler wie internationaler Entwicklungsstrategien nur im Ansatz zu entnehmen. Prinzip 9 der Rio-Deklaration spricht lediglich von "improving scientific understanding" als Mittel zur Beförderung nachhaltiger Entwicklung. Erheblich deutlicher ist insoweit das mit "Science for Sustainable Development" überschriebene Kapitel 35 der Agenda 21. Als grundsätzlicher Befund wird dort zunächst dargelegt, dass eine nachhaltige Entwicklung u. a. die Nutzung der besten zur Verfügung stehenden wissenschaftlichen Erkenntnisse voraussetzt: "Sustainable Deve10pment requires taking longer-term perspectives, integrating local and regional effects of global change into the development process, and using the best scientific and traditional knowledge available. .. 142

Auf diesem grundsätzlichen Befund aufbauend werden als primäre Zielsetzungen der Staaten u. a. aufgeführt: "The primary objective is for each country [ .. . ] to identify the state of its scientific knowledge and its research needs and priorities in order to achieve, as soon as possible, substantial improvements in: [ .. . ] b. Environmental and developmental policy Jormulation, building upon the best scientific knowledge and assessments, and taking into account the need to enhance international cooperation and the relative uncertainties of the various processes and options involved; [ • . . ].,,143

Die Agenda 21 unterstreicht hiermit die besondere Bedeutung, die den Wissenschaften im Konzept der nachhaltigen Entwicklung zukommt. Sie bilden die Grundlage zur Identifizierung der konkreten Probleme im Bereich Umwelt und Entwicklung wie auch der Erarbeitung entsprechender Lösungsansätze. Nachhaltige Entwicklungsstrategien basieren somit auf einem robusten Verständnis der wissenschaftlichen Zusammenhänge. In diesem Zusammenhang wird ferner das in Prinzip 15 der Rio-Deklaration niedergelegte Vorsorgeprinzip (precautionary principle) relevant. Dort heißt es: "In order to protect the environment, the precautionary approach shall be widely applied by States according to their capabilities. Where there are threats of serious or irreversible damage, lack of full scientific certainty shall not be used as a reason for postponing costeffective measures to prevent environmentai degradation."

141

142 143

UNEP / IlSD, Environment and Trade, S. 45. Agenda 21, para. 35.5 (Hervorhebung durch den Verfasser). Agenda 21, para. 35.6 (Hervorhebung durch den Verfasser).

C. Das Konzept der nachhaltigen Entwicklung

129

Danach soll bei Gefahr schwerwiegender oder irreversibler Schädigung der Umwelt nicht der volle wissenschaftliche Nachweis abgewartet, sondern vorbeugend gehandelt werden. l44 Das Vorsorgeprinzip greift hiermit die allen Naturwissenschaften immanenten Unsicherheiten 145 hinsichtlich der Erhebung von Daten, den darauf aufbauenden Modellen und nicht zuletzt der Kausalitätsnachweise auf und knüpft daran bei potentiell schwerwiegenden oder irreversiblen Umweltschäden Beweiserleichterungen für die zum Umweltschutz tätigen Staaten. 146 In diesen Fällen sind die Anforderungen an die wissenschaftliche Fundierung von Umweltschutzmaßnahmen nach unten zu korrigieren. b) Kooperation - Verantwortlichkeit - Verursachung

Ausgehend von Prinzip 7 der Rio-Deklaration wird die zwischenstaatliche Kooperation bei der Lösung internationaler Umweltprobleme zu den bedeutendsten Elementen des Konzepts der nachhaltigen Entwicklung gezählt. 147 In engem Zusammenhang zum Kooperationsgebot steht der ebenfalls in Prinzip 7 der RioDeklaration niedergelegte Grundsatz der gemeinsamen aber differenzierten Verantwortlichkeit der Staaten. Prinzip 7 der Rio-Deklaration lautet: "States shall cooperate in a spirit 01 global partnership to conserve, protect and restore the health and integrity of the Earth's ecosystem. In view of the different contributions to global environmental degradation, States have common but differentiated responsibilities. The developed countries acknowledge the responsibility that they bear in the international pursuit of sustainable development in view of the press ures their societies place on the global environment and ofthe technologies and financial resources they command.,,148

aa) Kooperationspflicht Nach Prinzip 7 der Rio-Deklaration sollen die Staaten im Geiste globaler Partnerschaft zusammenarbeiten, um die Unversehrtheit des Ökosystems der Erde zu schützen und wiederherzustellen. Als sachliche Begründung des Kooperationserfordernisses wird allgemein der globale Charakter der Umwelt bzw. die grenzüberschreitende ökologische Interdependenz angeführt. 149 Es ist gerade die Unteil144 Lang, in: Lang/Hohmann/Epiney, S. 17. Sachlich stimmt das internationale Vorsorgeprinzip mit dem im deutschen Umweltrecht bekannten sog. Vorsichtsprinzip überein; hierzu Hoppe/Beckmann/Kauch, Umweltrecht, S. 41. 145 Eggers, The Precautionary Principle, S. 59 f. 146 Sands, BYIL 65 (1994), S. 346; vgl. auch UNEP /IISD, Environment and Trade, S. 45 f. 147 Lang, GIELR 7 (1995), S. 477 f.; Lang, in: Lang I Hohmann I Epiney, S. 16 f.; vgl. auch OECD Dok., Environmental Principles and Concepts, OCDE/GD(95)124, S. 10 f. 148 Hervorhebung durch den Verfasser. 149 Nordströml Vaughan, in: WTO (ed.), S. 1. 9 Puth

130

2. Teil: Maßgebliche Grundwerte der WeIthandelsordnung

barkeit der gemeinsamen ökologischen Grundlagen, aus der sich die globale Partnerschaft der Staaten ergibt. 150 Diese Feststellung hat zugleich Auswirkung auf die Reichweite der Kooperationsverpflichtung. Sie besteht, wie auch Prinzip 12 der Rio-Deklaration zu entnehmen ist, allein im Fall grenzüberschreitender und globaler Umweltbelange. Nur dann steht eine Beeinträchtigung des "Ökosystems der Erde" zu befürchten. Hinsichtlich rein lokaler Umweltbelastungen, die keine grenz-überschreitenden Auswirkungen entfalten, gilt das Kooperationserfordernis des Prinzips 7 der Rio-Deklaration nicht. Weitere Ausprägungen des Kooperationsgrundsatzes finden sich in den Prinzipien 18, 19 und 27 der Rio-Deklaration. Auch in der Agenda 21 finden sich mannigfaltige Hinweise auf die Erforderlichkeit zwischenstaatlicher Kooperation. Besonders ergiebig ist insoweit der erste Abschnitt von Kapitel 2: "In order to meet the challenges of environment and development, States have decided to establish a new global partnership. This partnership commits all States to engage in a continuous and constructive dialogue, inspired by the need to achieve a more efficient and equitable world economy, keeping in view the increasing interdependence of the cornrnunity of nations and that sustainable development should become a priority item on the agenda of the international community. It is recognized that, for the success of this partnership, it is important to overcome confrontation and to foster a c1imate of genuine cooperation and solidarity. It is equaIly important to strengthen national and international policies and multinational cooperation to adapt to the new realities." 151

bb) Gemeinsame aber differenzierte Verantwortlichkeit Der Grundsatz der gemeinsamen aber differenzierten Verantwortlichkeit (common but differentiated responsibility) der Staaten l52 steht in engem Zusammenhang zum Kooperationsgebot und verleiht diesem weitere Konturen. Inhaltlich lassen sich zwei komplementäre Aussagen des Grundsatzes der gemeinsamen aber differenzierten Verantwortlichkeit unterscheiden. 153 Zunächst anerkennt der Grundsatz die gemeinsame Verantwortung aller Staaten für Umweltbelastungen mit globaler Bedeutung. Hinsichtlich der Wahrnehmung dieser Verantwortung durch die einzelnen Staaten unterscheidet der Grundsatz jedoch nach den unterschiedlichen Verschmutzungsbeiträgen und den zur Beseitigung der Umweltbelastungen zur Verfügung stehenden technischen und finanziellen Mitteln. Als praktische Auswirkung des Grundsatzes der gemeinsamen aber differenzierten Verantwortlichkeit sind vor allem zwei Konsequenzen zu ziehen. Zum einen sind von globalen Umweltbelastungen alle Staaten als betroffen anzusehen und Wolfrum, Zwischenstaatliche Solidarität, Manuskript S. 8. Agenda 21, para. 2.1. 152 Umfassend hierzu Chowdhury, in: Ginther / Denters / de Waart (eds.), S. 322 ff. 153 Lang, in: Lang/Hohmann/Epiney, S. 17; Wolfrum, Zwischenstaatliche Solidarität, Manuskript S. 8; vgl. auch Streinz, Die Verwaltung 31 (1998), S. 456. 150

151

C. Das Konzept der nachhaltigen Entwicklung

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daher auch grundsätzlich gleichermaßen berechtigt, auf den Schutz der jeweiligen internationalen UmweltbeIange hinzuarbeiten. 154 Zum anderen wird die Annahme und Durchsetzung unterschiedlich hoher Umweltschutzstandards bzw. die Aufnahme unterschiedlicher Bemühungen zum Schutz der globalen Umweltbelange grundsätzlich als legitim anerkannt. Hierin liegt insbesondere eine Art positiver Diskriminierung der Entwicklungsländer. 155 Aus ökonomischer Perspektive betrachtet, wird den Entwicklungsländern eine relativ größere Berechtigung an den globalen Umweltgütern zugesprochen. 156 cc) "Shared resources" - "Common heritage" - "Common concern" Ebenfalls in engem Zusammenhang zum Kooperationsgebot bei internationalen UmweItproblemen und zum Grundsatz der gemeinsamen aber differenzierten Verantwortlichkeit stehen die Ansätze der "shared resources", des "common heritage" und des "common concern". Diese Ansätze sind als solche zwar nicht ausdrücklich im Konzept der nachhaltigen Entwicklung genannt, sie zählen aber gleichwohl zu seinem ideengeschichtlichen Hintergrund. 157 (1) "Shared resources"

Das Konzept der geteilten Ressourcen (shared resources) betrifft solche Umweltgüter, die nicht ausschließlich im Territorium eines Staates angesiedelt sind, sondern aufgrund ihrer Ausmaße oder Beweglichkeit mehreren Staaten gemeinsam zuzuordnen sind. 15s Hierunter fallen insbesondere Flüsse und Seen, die im Territorium mehrerer Staaten belegen sind, wie auch wandernde Tierarten, von Zugvögeln über Büffelherden bis hin zu Meeresschildkröten. Nach dem Konzept der geteilten Ressourcen unterliegen die einzelnen Teile solcher Ressourcen zwar grundsätzlich der Gebietshoheit des Staates der jeweiligen Belegenheit. Dieser ist jedoch in der Ausübung seiner souveränen Rechte an den völkergewohnheitsrechtlich anerkannten Grundsatz der equitable utilization of shared natural resources gebunden. 159 So hat auch der IGH im Fall des GabCikovo-Nagymaros Project das Recht Ungarns "to an equitable and reasonable share of the natural resources of the Danube" bestätigt. 160 Welche konkreten VerhaltensVgl. Sands, BYIL 65 (1994), S. 344. Lang, GIELR 7 (1995), S. 475. 156 Verbruggen/ Kuik, in: Van Dijck I Faber (eds.), S. 272. 157 Vgl. Sehröder, Sustainable Development and Law, S. 3. 158 Bunge, in: Kimminich/LersnerlStorm (Hrsg.), Sp. 849; OECD Dok., Environmental Principles and Concepts, OCDE I GD(95) 124, S. 8. 159 Beyerlin, Umweltvölkerrecht, Rn. 124; Bunge, in: Kimrninichl Lersnerl Storm (Hrsg.), Sp. 849 f.; StolI, in: Wolfrum (ed.), S. 58 f. 160 IGH, Case Coneeming the Gabetkovo-Nagymaros Projeet, ICI Rep. 1997, S. 56. 154

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2. Teil: Maßgebliche Grundwerte der Welthandelsordnung

pflichten sich aus dem Grundsatz der equitable utilization ergeben, ist jedoch nicht abschließend geklärt. An dieser Stelle reicht die Feststellung aus, dass durch das Konzept der geteilten Ressourcen über das jeweilige Interesse an dem im eigenen Territorium belegenen Teil hinaus ein Interesse aller beteiligten Staaten an der Funktionsfähigkeit und Nutzbarkeit der Gesamtressource anerkannt wird. 161

(2) "Common heritage ofmankind" Das Konzept des gemeinsamen Erbes der Menschheit (common heritage ofmankincl) entstammt den Bestrebungen zur Kodifikation des Seerechts und des Weltraumrechts im Rahmen der Vereinten Nationen Ende der 1960er. Das Konzept basiert auf der Idee, dass bestimmte Gebiete und Naturvorkommen nicht einzelnen Staaten, sondern der gesamten Menschheit zustehen. Deren Nutzung soll unter gemeinsamer Verwaltung aller Staaten im gemeinsamen Interesse der Menschheit erfolgen, von der Erschließung über die Ausbeutung bis hin zur Erhaltung. 162 Ausdrücklich zum gemeinsamen Erbe der Menschheit bestimmt sind gegenwärtig nur die Himmelskörper und der Tiefseeboden. So formuliert Art. I des Weltraumvertrages, dass die Erforschung und Nutzung des Weltraums zum Vorteil und im Interesse aller Länder durchgeführt wird und Sache der gesamten Menschheit (province of all mankincl) ist. Entsprechend erklärt Art. 11 Abs. 1 des Mondvertrages den Mond und seine Naturschätze ausdrücklich zum gemeinsamen Erbe der Menschheit. Nach Art. 136 der Seerechtskonvention der Vereinten Nationen (UNCLOS) bilden ferner der Meeresboden und der Meeresuntergrund jenseits der Grenzen des Bereichs nationaler Hoheitsbefugnisse und seine Ressourcen das gemeinsame Erbe der Menschheit. Die Qualifizierung bestimmter Güter als gemeinsames Erbes der Menschheit hat nach den jeweiligen vertraglichen Regelungen statusrechtliche wie nutzungsrechtliche Konsequenzen. 163 In statusrechtlicher Hinsicht können die erfassten Gebiete und Naturvorkommen nicht Gegenstand staatlicher Souveränität oder auch nur privater Aneignung sein (negatives statusrechtliches Element).I64 Vielmehr ist die Menschheit insgesamt berechtigt und verfügungsbefugt (positives statusrechtliches Element).165 Dabei macht schon die Begrifflichkeit des Erbes der Menschheit deutlich, dass auch die Interessen zukünftiger Generationen hinsichtlich der Erhaltung dieses natürlichen Reichtums zu berücksichtigen sind. 166 In nutzungsrecht161 Vgl. Trebilcockl Howse, The Regulation of International Trade, S. 422. Fitsehen, in: Wolfrum (Hrsg.), S. 212; Gloria, Internationales öffentliches Seerecht, in: Ipsen, S. 777. 163 Vgl. Wolfrum, ZaöRV 43 (1983), S. 316 ff.; Rauschning, in: Kimminich/Lersnerl Storm (Hrsg.), Sp. 857. 164 Art. 137 Abs. 1 UNCLOS; Art. 11 Weltraumvertrag; Art. 11 Abs. 2 und 3 Mondvertrag. 165 Art. 137 Abs. 2 UNCLOS; Art. lAbs. 1 Weltraumvertrag. 166 Wolfrum, Common Heritage of Mankind, in: Bernhardt (ed.), S. 693. 162

C. Das Konzept der nachhaltigen Entwicklung

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licher Hinsicht ist zu beachten, dass die Nutzung der betreffenden Gebiete und Naturvorkommen im Interesse der gesamten Menschheit erfolgt. 167 Es soll eine gleichberechtigte Teilhabe aller Staaten an den Vorteilen der Nutzung des Weltraumes und des Tiefseebodens erzielt werden, wobei insbesondere die Interessen der Entwicklungsländer aber auch die Anstrengungen der direkt oder indirekt an der Nutzung beteiligten Staaten Berücksichtigung finden sollen. 168 Im Grundsatz anerkennt das Konzept des gemeinsamen Erbes der Menschheit aber eindeutig die Berechtigung aller Staaten, gleichberechtigt an der Nutzung der betreffenden Ressourcen teilzuhaben. (3) "Common concern 01 humankind"

Das Konzept des gemeinsamen Interesses der Menschheit (common concern 01 humankind) betrifft im Unterschied zum gemeinsamen Erbe der Menschheit solche Umweltgüter und Ressourcen, die zwar grundsätzlich Gegenstand staatlicher Souveränität sein können, aber gleichwohl von unteilbarem Interesse für die gesamte Menschheit sind. 169 Daher werden beide Kategorien häufig auch vermengt und die betreffenden Umweltgüter einheitlich als global commons bezeichnet. 170 In die völkervertragsrechtlich etablierte Kategorie des gemeinsamen Interesses der Menschheit fallen etwa die Atmosphäre oder die biologische Vielfalt. 171 Ungeachtet der konkreten Regelungen der jeweiligen Übereinkommen bedeutet die Qualifizierung dieser Güter als gemeinsames Interesse der Menschheit, dass ein Interesse aller Staaten an ihrer Erhaltung, Funktion und fortbestehenden Nutzbarkeit anerkannt und die einzelstaatliche Souveränitätsausübung insoweit beschränkt wird. In (4) Zusammenschau der Ansätze

Die Ansätze bestätigen allesamt ein legitimes Interesse aller beteiligten Staaten an der Nutzung und Erhaltung der jeweils erfassten Umweltgüter und Ressourcen. Insoweit gehen die Ansätze der "shared resources", des "common heritage" wie Art. 140 Abs. 1 UNCLOS; Art. lAbs. 1 Weltraumvertrag; Art. 4 Abs. 1 Mondvertrag. Vgl. Art. 11 Abs. 71it. d Mondvertrag. 169 Vgl. Verbruggen/ Kuik, in: Van Dijck/Faber (eds.), S. 275; StolI, in: Wolfrum (ed.), S. 61 f.; OECD Dok., Environmental Principles and Concepts, OCDE/GD(95)124, S. 10. 170 Vgl. Dunoff, WLLR 49 (1992), S. 1408 und 1428 ff.; Trebilcock/Howse, The Regulation of International Trade, S. 422; Düerkop, CML Rev. 31 (1994), S. 838; OECD Dok., Environmental Principles and Concepts, OCDE I GD(95)124, S. 10. l7l In der 1. Präambelerwägung der UNFCCC wird das Klima und seine Veränderung, in der 3. Präambe1erwägung der Konvention über die biologische Vielfalt deren Schutz ausdrücklich als "common concern of humankind" anerkannt. 172 Kiss/Shelton, International Environmental Law, S. 251; OECD Dok., Environmental Principles and Concepts, OCDE/GD(95)124, S. 10. 167 168

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2. Teil: Maßgebliche Grundwerte der Welthandelsordnung

des "common concern" im Grundsatz der gemeinsamen Verantwortung aller von einem Umweltproblem betroffenen Staaten auf. Im Unterschied zur allgemeinen Formulierung des Prinzips 7 der Rio-Deklaration verdeutlicht ein Blick auf die dargelegten Ansätze jedoch Inhalt und Reichweite der gemeinsamen Verantwortung der beteiligten Staaten. Die Staaten tragen lediglich die Verantwortung für die Erhaltung der Funktion und zukünftigen Nutzbarkeit der internationalen Umweltgüter und Ressourcen. Der eigentliche Umweltschutz wird nur soweit von diesem legitimen Interesse umfasst, als er erforderlich ist, um Funktion und Nutzbarkeit der internationalen Güter zu erhalten. 173 Die konkrete Umweltlage internationaler Umweltgüter ist nicht geschützt. An dieser Stelle wirkt sich der anthropozentrische Grundansatz des Konzepts der nachhaltigen Entwicklung aus. Die Umwelt wird nur soweit als Schutzgut anerkannt, als hierdurch auch der Mensch geschützt oder sein "natürliches Kapital" erhalten wird. dd) Verursacherprinzip Mit dem Grundsatz der gemeinsamen aber differenzierten Verantwortlichkeit der Staaten steht wiederum das Verursacherprinzip (polluter-pays principle) in engem Zusammenhang. Das Verursacherprinzip ist in Prinzip 16 der Rio-Deklaration niedergelegt: "National authorities should endeavour to promote the internalization of environmental costs and the use of econornic instruments, taking into account the approach that the polluter should, in principle, bear the cost of pollution, with due regard to the public interest and without distorting international trade and investment."

Das Verursacherprinzip besagt grundsätzlich, dass der Verursacher einer Umweltbelastung die daraus resultierenden Kosten in vollem Umfang zu tragen hat. 174 Hintergrund des Verursacherprinzips ist die auch in der vorliegenden Bearbeitung entwickelte Erkenntnis, dass die Nutzung natürlicher Ressourcen häufig zu negativen externen Effekten führt und allein deren Internalisierung Fehlallokationen vermeiden helfen kann. 175 Seinem Ausgangspunkt nach ist das Verursacherprinzip demnach ein ökonomisches Kostenzurechnungsprinzip.176. 177 173 So ausdrücklich für das gemeinsame Erbe der Menschheit Rauschning, in: Kimrninich I Lersner I Storm (Hrsg.), Sp. 857. 174 Vgl. Kiss/Shelton, International Environmental Law, S. 266 ff.; Ewringmann, in: Kimminich I Lersner I Storm (Hrsg.), Sp. 2678; Kloepjer, Umweltrecht, S. 177. 175 Rege, JWT 28, Nr. 3 (1994), S. 149. 176 Hoppe/Beckmann/Kauch, Umweltrecht, S. 27; vgl. auch Lang, in: Lang I Hohrnann I Epiney, S. 18. 177 Das Verursacherprinzip in seiner traditionellen Form basiert maßgeblich auf den Arbeiten der OECD. Im Jahr 1972 hat die OECD (OECD Dok., Guiding Principles Conceming International Econornic Aspects of Environmental Policies, Recommendation adopted on 26 May 1972, C (72) 128, para. 2 ff.) folgende Definition des Verursacherprinzips angenommen: ,,Environmental resources are in generallimited and their use in production and consumption

C. Das Konzept der nachhaltigen Entwicklung

135

Als alternative Möglichkeit der Kostenverteilung steht dem Verursacherprinzip das Gemeinlastprinzip oder Geschädigtenprinzip (victim pays principle) gegenüber, wonach die Kosten der Umweltschutzmaßnahmen der Allgemeinheit bzw. den Geschädigten angelastet werden. 178 Zur Umsetzung des Gemeinlastprinzips können die betroffenen Staaten etwa zu umweltschonendem Verhalten anreizen, z. B. durch die Gewährung von Zuschüssen oder Technologietransfers. 179 Aus wohlfahrtsökonomischer Sicht besteht jedoch weitgehend Einigkeit, dass das Verursacherprinzip dem Gemeinlastprinzip grundsätzlich vorzuziehen ist, da es insbesondere eine Anreizwirkung für den Verursacher entfaltet. 180 Er wird angehalten, den Einsatz natürlicher Ressourcen effizienter zu gestalten und somit Umweltbelastungen zu vermeiden. Zudem sprechen auch elementare Gerechtigkeitserwägungen dafür, dem Nutznießer einer umweltbelastenden Tätigkeit die hierbei anfallenden Kosten aufzugeben. Dennoch verbleibt dem Gemeinlastprinzip in begründeten Ausnahmefallen eigenständige Bedeutung. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn eine normative Betrachtung - etwa unter sozialen Gesichtspunkten - ergibt, dass eine vollständige Kostentragung durch den Verursacher nicht gewünscht ist. 18l Eine solche normative Überlagerung des Verursacherprinzips ergibt sich auf zwischenstaatlicher Ebene durch den Grundsatz der gemeinsamen aber differenzierten Verantwortlichkeit der Staaten. 182 Dies bestätigt auch der unterschiedliche Wortlaut der betreffenden Prinzipien 7 ("states have common but differentiated responsibilities") und 16 ("national authorities should [ ... ], taking into account the approach that the polluter should [ ... ] bear the cost of pollution") der Rio-Deklaration. Zum einen fordert Prinzip 16 der Rio-Deklaration die Beachtung des Verursacherprinactivities may lead to their deterioration. When the cost of this deterioration is not adequately taken into account in the price system, the markets fail to reflect the scarcity of such resources both at the national and international levels. Public measures are thus necessary to reduce pollution and to reach a better allocation of resources by ensuring that prices of goods depending on the quality and I or quantity of environmental resources reflect more closely their relative scarcity and that econornic agents concerned react accordingly. [ ... ] The principle to be used for allocating costs of pollution prevention and control measures to encourage rational use of scarce environmental resources and to avoid distortions in international trade and investment is the so-called ,Polluter-Pays Principle'. This principle means that the polluter should bear the expenses of carrying out the above mentioned measures decided by public authorities to ensure that the environment is in an acceptable state. In other words, the cost of these measures should be reflected in the cost of goods and services which cause pollution in production and I or consumption. Such measures should not be accompanied by subsidies that would create significant distortions in international trade and investment." 178 Kloepfer, Umweltrecht, S. 183; Ewringl1umn, in: Kimminich/LersnerlStorm (Hrsg.), Sp.2679. 179 Tünnesen-Harmes, in: Himmelmann I PohllTünnesen-Harmes, Rn. 41. 180 Kloepfer, Umweltrecht, S. 179, bezeichnet die Anreizwirkung auch als "Präventiv-Effekt des Verursacherprinzips". 181 Tünnesen-Harmes, in: Himmelmann I PohllTünnesen-Harmes, Rn. 38. 182 Beyerlin, Umweltvölkerrecht, Rn. 128.

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2. Teil: Maßgebliche Grundwerte der Welthandelsordnung

zips nur auf nationaler Ebene. Zum anderen handelt es sich um eine Soll-Vorschrift, wonach das Verursacherprinzip lediglich als eine Möglichkeit staatlicher Kostenzuschreibung vorgeschlagen wird. 183 Dieser "weiche" Ansatz findet sich in der Agenda 21 bestätigt. Auch dort wird das Verursacherprinzip lediglich als ein Beispiel marktorientierter Umweltpolitik aufgezählt. l84 Insgesamt ist danach die Verantwortlichkeit der Staaten für internationale Umweltprobleme nicht ausschließlich nach den Verursachungsbeiträgen, sondern auch nach der wirtschaftlichen und technologischen Leistungsfähigkeit der betreffenden Staaten zu differenzieren. c) Einzelne Umweltschutzvorgaben

Rio-Deklaration und Agenda 21 enthalten neben den bisher vorgestellten grundlegenden Gestaltungsmerkmalen auch eine Reihe spezieller Vorgaben und Ansätze zur Kennzeichnung einer nachhaltigen Entwicklung, die im Hinblick auf das Ergreifen nichtproduktbezogener Handelsrnaßnahmen zum Umweltschutz von Bedeutung sind. aa) Das allgemeine Schädigungsverbot Genau wie schon Prinzip 21 der Stockholm-Deklaration, verändert nur durch den Zusatz "and developmental", enthält Prinzip 2 der Rio-Deklaration das allgemeine völkerrechtliche Schädigungsverbot. 185 Prinzip 2 der Rio-Deklaration lautet: "States have, in accordance with the Charter of the United Nations and the principles of international law, the sovereign right to exploit their own resources pursuant to their own environmental and developmental policies, and the responsibility to ensure that activities within their jurisdiction or control do not cause damage to the environment of other States or of areas beyond the limits of national jurisdiction."

Danach steht es grundsätzlich jedem Staat frei, seine eigenen Ressourcen nach Belieben auszubeuten (territoriale Souveränität). Beschränkt ist diese Freiheit durch das Recht der anderen Staaten, hierdurch keine Schädigungen an der eigenen Umwelt hinnehmen zu müssen (territoriale Integrität). Diese sich gegenseitig begrenzenden Rechtspositionen sind Ausdruck der Souveränität der Staaten. 186 Aufgrund der immanenten Beschränkung jeder einzelstaatlichen Souveränität durch die Souveränität der anderen Staaten spricht man insoweit auch vom Prinzip der beschränkten territorialen Integrität und Souveränität der Staaten. 187 Sands, BYIL 65 (1994), S. 347. Agenda 21, para. 8.28. 185 Vgl. hierzu Kiss/Shelton, International Environmental Law, S. 280 ff. 186 Lang, GIELR 7 (1995), S. 477; Epiney, AVR 33 (1995), S. 319 ff. 18? Oppermann, in: Kimminichl Lersner I Storm (Hrsg.), Sp. 911; Heintschel von Heinegg, Internationales öffentliches Umweltrecht, in: Ipsen, S. 909 ff. 183

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C. Das Konzept der nachhaltigen Entwicklung

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Das in Prinzip 2 der Rio-Deklaration ausgedrückte Schädigungsverbot ist heute unstreitig zum allgemeinen Völkergewohnheitsrecht zu zählen. ISS Entsprechend hat auch der IGH in seinem Gutachten zur Rechtmäßigkeit der Drohung mit und des Einsatzes von Nuklearwaffen ausgeführt: "The existence of the general obligation of States to ensure that activities within their jurisdiction and control respect the environment of other States or of areas beyond national control is now part of the corpus of internationallaw.,,189

Hinsichtlich der Voraussetzungen und der Wirkung des Schädigungs verbots besteht jedoch noch weitgehender Klärungsbedarf. 19o Genau diese inhaltliche Unbestimmtheit des bestehenden Völkergewohnheitsrechts macht es häufig unmöglich, bei zwischenstaatlichen Streitfallen um grenzüberschreitende Umweltbeeinträchtigungen zu eindeutigen Lösungen zu gelangen. 191 Überwiegend wird als Voraussetzung für das Eingreifen des allgemeinen Schädigungsverbots gefordert, dass es sich um eine erhebliche Umweltbelastung handelt. 192 Wann genau die Erheblichkeitsgrenze überschritten ist und wer die Erheblichkeit einer Umweltbelastung feststellt, bleibt jedoch offen. 193 Als geklärt darf hingegen gelten, dass das Verbot erheblicher grenzüberschreitender Umweltbeeinträchtigungen nicht nur im Verhältnis zwischen Nachbarstaaten, sondern allgemein zwischen allen Staaten anwendbar ist. 194 In inhaltlicher Hinsicht ergibt sich aus dem Schädigungsverbot die Verpflichtung der Staaten, die einmal eingetretene erhebliche Umweltbeeinträchtigung mit Wirkung für die Zukunft abzustellen. 195 bb) Effektive einzelstaatliche Standardsetzung Hinsichtlich der einzelstaatlichen Standardsetzung zum Schutz der Umwelt enthält Prinzip 11 der Rio-Deklaration folgende Vorgaben: "States shall enact effective environmental legislation. Environmental standards, management objectives and priorities should reflect the environmental and developmental context to which they apply. Standards applied by some countries may be inappropriate and 188 Epiney, AVR 33 (1995), S. 312; Heintschel von Heinegg, Internationales öffentliches Umweltrecht, in: Ipsen, S. 913; Beyerlin, Umweltvölkerrecht, Rn. 117. 189 IGH, Advisory Opinion on the Legality of the Threat or Use of Nuclear Weapons, ICI Rep. 1996, S. 226, 241 f. 190 Umfassend hierzu Beyerlin, Umweltvölkerrecht, Rn. 119 ff. 191 Petersmann, IWT 27, Nr. 1 (1993), S. 46 f. 192 Wolfrum, DVBI. 1984, S. 495; Heintschel von Heinegg, Internationales öffentliches Umweltrecht, in: Ipsen, S. 913. 193 Zur Konkretisierung Epiney, AVR 33 (1995), S. 334 ff. 194 Beyerlin, Umweltvölkerrecht, Rn. 120 f. 195 Epiney, AVR 33 (1995), S. 355 f.; Odendahl, Die Umweltpflichtigkeit der Souveränität, S. 123 f.

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2. Teil: Maßgebliche Grundwerte der Welthandelsordnung

of unwarranted economic and social cost to other countries, in particular developing countries."

Danach sind die Staaten gehalten, effektive und an die jeweiligen ökologischen und ökonomischen Bedingungen angepasste Umweltstandards durchzusetzen. Ferner wird himeichend deutlich, dass aufgrund der unterschiedlichen nationalen Rahmenbedingungen eine Übertragung von Standards "eins zu eins" von einem Staat auf einen anderen nicht wünschenswert ist. Hiermit sind insbesondere bis ins Detail gehende Harmonisierungsbestrebungen angesprochen. cc) Produktionsseitige Umweltbelastungen Die vorliegend zu untersuchenden Umweltbelastungen durch die Warenproduktion werden speziell in Prinzip 8 der Rio-Deklaration aufgegriffen. 196 Dort heißt es: "To achieve sustainable development and a higher quality of life for all people, States should reduce and eliminate unsustainable patterns of production and consumption and promote appropriate demographie policies." 197

Dadurch wird zunächst die besondere Bedeutung der Produktion und des Verbrauchs von Wirtschaftsgütern als maßgebliche Quelle der heutigen Umweltbe1astungen anerkannt. Die Anpassung schädlicher Produktions- und Verbrauchsmuster wird als unabdingbare Voraussetzung einer nachhaltigen Entwicklung eingefordert. Dabei werden die bei der Produktion auftretenden Umweltbelastungen gleichberechtigt neben den beim Verbrauch auftretenden Umweltbelastungen als legitimer Gegenstand des internationalen Interesses aufgeführt. 198 Die der Produkt-ProzessDoktrin zu Grunde liegende Unterscheidung zwischen Produkt und den im Rahmen der Produktion verwendeten Prozessen wird also gerade nicht nachvollzogen. 199 Dies ist aus der Perspektive des Konzepts der nachhaltigen Entwicklung auch nicht weiter verwunderlich. Schließlich macht es keinen Unterschied, auf welcher Ebene des Lebenszyklus der Wirtschaftsgüter eine Umweltbelastung auftritt. Entscheidend ist insoweit allein, ob und in welchem Ausmaß Umweltbelastungen hervorgerufen werden. Das Konzept der nachhaltigen Entwicklung betrifft daher gleichermaßen den Bereich der Produktion wie des Verbrauchs von Wirtschaftsgütern. Kapitel 4 der Agenda 21 greift diesen umfassenden Ansatz auf und formuliert eine Reihe detaillierter Handlungsvorgaben. Insbesondere wird eine grundsätzliche Neuorientierung der vorherrschenden Produktionsmuster an den Maximen der Effizienz und optimalen Ressourcennutzung angemahnt: 196 Vgl. zum Hintergrund dieses Prinzips Malanczuk, in: Ginther I Oenters I de Waart (eds.), S. 32 f. 197 Hervorhebung durch den Verfasser. 198 Vgl. Sands, BYIL 65 (1994), S. 317. 199 UNEP I USO, Environment and Trade, S. 43.

c. Das Konzept der nachhaltigen Entwicklung

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"Achieving the goals of environmental quality and sustainable development will require efficiency in production and changes in consumption patterns in order to emphasize optimization of resource use and minimization of waste. In many instances, this will require reorientation 0/ existing production and consumption patterns that have developed in industrial societies and are in turn emulated in much of the world.,,200

d) Internationaler Handel und nachhaltige Entwicklung

Dem internationalen Handel kommt im Konzept der nachhaltigen Entwicklung eine Schlüsselfunktion zu. Er wird von Rio-Deklaration und Agenda 21 ausdrücklich als einer der Motoren wirtschaftlicher Entwicklung anerkannt. Zudem werden spezielle Anforderungen an die Welthandelsordnung formuliert, die gerade im vorliegenden Zusammenhang von Bedeutung sind. aa) Prinzip 12 der Rio-Deklaration Ausgangspunkt für die Untersuchung des Stellenwerts des internationalen Handels im Konzept der nachhaltigen Entwicklung ist Prinzip 12 der Rio-Deklaration. 201 Es lautet: "States should cooperate to promote a supportive and open international economic system that would lead to economic growth and sustainable development in all countries, to better address the problems of environmental degradation. Trade policy measures for environmental purposes should not constitute a means of arbitrary or unjustifiable discrimination or a disguised restriction on international trade. Unilateral actions to deal with environmental challenges outside the jurisdiction of the importing country should be avoided. Environmental measures addressing transboundary or global environmental problems should, as far as possible, be based on an international consensus."

Danach bekennen sich die Staaten zunächst ganz allgemein zu einem offenen internationalen Wirtschafts system als Basis für wirtschaftliches Wachstum und eine nachhaltige Entwicklung. Handelspolitische Maßnahmen der Staaten werden zudem auf die Einhaltung der Standards der willkürlichen bzw. ungerechtfertigten Diskriminierung und der verschleierten Handelsbeschränkung verpflichtet. Diese Standards sind wörtlich der Chapeau-Klausel des Art. XX entnommen. Speziell unilaterale Handelsmaßnahmen des Importstaates zum Schutz von Umweltbelangen außerhalb des eigenen lurisdiktionsbereichs sollen jedoch vermieden werden. Stattdessen sollen grenzüberschreitende oder globale Umweltprobleme soweit wie möglich auf der Basis eines internationalen Konsenses angegangen werden. 200 Agenda 21, para. 4.15 (Hervorhebung durch den Verfasser). 201 Vgl. zum Hintergrund des Prinzips Malanczuk. in: Ginther/Denters/de Waart (eds.),

S.34.

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2. Teil: Maßgebliche Grundwerte der Welthandelsordnung

Bei der näheren Betrachtung von Prinzip 12 der Rio-Deklaration fällt zunächst die betont weiche sprachliche Fassung auf. Es handelt sich lediglich um Soll-Vorgaben. Statt "shall" wird durchgängig das Wort "should" verwendet. Zudem wird das Beruhen internationaler Umweltschutzmaßnahmen auf einem zwischenstaatlichen Konsens zusätzlich durch die Wendung "as far as possible" qualifiziert. Unilaterale Handelsrnaßnahmen zum Schutz von Umweltgütern außerhalb der Jurisdiktion des Importstaates wie auch allgemein Handelsrnaßnahmen zum Schutz internationaler Umweltgüter ohne entsprechenden zwischenstaatlichen Konsens sollen danach zwar vermieden werden, gänzlich ausgeschlossen sind sie nach Prinzip 12 der Rio-Deklaration jedoch nicht. 202 bb) Kapitel 2 der Agenda 21 Die Agenda 21 formuliert in ihrem Kapitel 2 die Programmbereiche "Promoting Sustainable Development Through Trade" und "Making Trade and Environment Mutually Supportive", innerhalb derer die Rolle des internationalen Handels zur Erzielung einer nachhaltigen Entwicklung ausführlich dargelegt wird?03 Insbesondere dem letztgenannten Programm zur Abstimmung von Handel und Umwelt sind einige für die vorliegende Bearbeitung relevante Aussagen zu entnehmen. Das Programm beginnt mit einem kurzen Überblick über das gewünschte Zusammenspiel und die jeweiligen Funktionen von Handel und Umweltschutz: "Environment and trade policies should be mutually supportive. An open, multilateral trading system makes possible a more efficient allocation and use of resources and thereby contributes to an increase in production and incomes and to lessening demands on the environment. It thus provides additional resources needed for economic growth and development and improved environmental protection. A sound environment, on the other hand, provides the ecological and other resources needed to sustain growth and underpin a continuing expansion of trade. An open, multilateral trading system, supported by the adoption of sound environmental policies, would have a positive impact on the environment and contribute to sustainable development. .. 204

Danach bildet ein offenes multilaterales Handelssystem die Basis für eine effiziente Nutzung und damit zugleich möglichste Schonung der natürlichen Ressourcen. Eine gesunde Umwelt bildet andererseits die Grundlage für jede Wirtschaftstätigkeit, auch des internationalen Handels. Damit der Handel aber zur Verbesserung der Umweltsituation und zu einer nachhaltigen Entwicklung beitragen 202 Hierauf weisen hin Manzini, in: Mengozzi (ed.), S. 842; Sands, BYIL 65 (1994), S. 367; Van Calster; International and EU Trade Law, S. 298. 203 Daneben enthält die Agenda 21 u. a. in den Kapiteln 17 und 39 weitere Hinweise auf die bedeutende Rolle des Handels im Konzept der nachhaltigen Entwicklung. Diese bleiben in ihrer Aussagekraft jedoch hinter denjenigen des Kapitels 2 zurück. Die vorliegende Bearbeitung beschränkt sich daher auf die Erörterung der Hinweise in Kapitel 2 der Agenda 21. 204 Agenda 21, para. 2.19 (Hervorhebung durch den Verfasser).

C. Das Konzept der nachhaltigen Entwicklung

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kann, bedarf das offene multilaterale Welthandelssystem der Unterstützung durch stimmige Umweltschutzpolitiken. Auch an dieser Stelle wird somit implizit anerkannt, dass Freihandel durchaus zu ineffizienten Ergebnissen hinsichtlich der Verwendung natürlicher Ressourcen führen kann und aus diesem Grunde gewisser umweltpolitischer Beschränkungen bedarf. In diesem Sinne fährt die Agenda 21 weiter fort: "International cooperation in the environmental field is growing, and in a number of cases trade provisions in multilateral environment agreements have played a role in tackling global environmental challenges. Trade measures have thus been used in certain specific instances, where considered necessary, to enhance the effectiveness of environmental regulations for the protection of the environment. Such regulations should address the root causes 01 environmental degradation so as not to result in unjustified restrietions on trade. The challenge is to ensure that trade and environment policies are consistent and reinforce the process of sustainable development. However, account should be taken of the fact that environmental standards valid for developed countries may have unwarranted social and economic costs in developing count ries. .. 205

Dieser Abschnitt betrifft den Einsatz von HandeIsmaßnahmen als Mittel zur Implementierung internationaler Umweltschutzbemühungen im Rahmen völkerrechtlicher Verträge. Damit keine ungerechtfertigten Handelsbeschränkungen aus der Verwendung entsprechender HandeIsmaßnahmen resultieren, sollen diese an der Wurzel der Umweltbelastung ansetzen. Dieser Hinweis entspricht dem bereits bekannten Rectijication-at-source-Prinzip?06 Ferner sollen die unterschiedlichen Produktionsbedingungen von Entwicklungsländern beachtet werden. Hierin liegt eine Bezugnahme auf den Grundsatz der gemeinsamen aber differenzierten Verantwortlichkeit. Zum Abschluss dieses Programmbereichs enthält Kapitel 2 der Agenda 21 einen Katalog von Vorschlägen zur weiteren Integration der Bereiche des Handels, der Umwelt und der Entwicklung. Diese Aufzählung lautet in Auszügen: "Governments should encourage GATI, UNCTAD and other relevant international and regional economic institutions to examine, in accordance with their respective mandates and competences, the following propositions and principles: [ ... ] d. Deal with the root causes of environment and development problems in a manner that avoids the adoption of environmental measures resulting in unjustified restrietions on trade; e. Seek to avoid the use of trade restrictions or distortions as a means to offset differences in cost arising lrom differences in environmental standards and regulations, since their application could lead to trade distortions and increase protectionist tendencies; [ ... ] g. Ensure that special factors affecting environment and trade policies in the developing countries are borne in mind in the application of environmental standards, as weil as in the use of any trade measures. It is worth noting that standards that are valid in the most 205 206

Agenda 21, para. 2.20 (Hervorhebung durch den Verfasser). Siehe hierzu im ersten Teil C.V.

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2. Teil: Maßgebliche Gmndwerte der Welthandelsordnung

advanced countries may be in appropriate and of unwarranted social cost for the developing countries; [ ... ] i. Avoid unilateral actions to deal with environmental challenges outside the jurisdiction of the importing country. Environmental measures addressing transborder or global environmental problems should, as far as possible, be based on an international consensus. Domestic measures targeted to achieve certain environmental objectives may need trade measures to render them effective. Should trade policy measures be found necessary for the enforcement of environmental policies, certain principles and mies should apply. These could include, inter alia, the principle of non-discrimination; the principle that the trade measure chosen should be the least trade-restrictive necessary to achieve the objectives; an obligation to ensure transparency in the use of trade measures related to the environment and to provide adequate notification of national regulations; and the need to give consideration to the special conditions and developmental requirements of developing countries as they move towards internationally agreed environmental objectives.,,207

cc) Zwischenergebnis: Der Handel im Konzept der nachhaltigen Entwicklung Freihandel erzeugt entsprechend der Theorie der komparativen Kostenvorteile und unter Vermeidung externer Effekte Wohlfahrtsgewinne. Eine intakte Umwelt stellt die zur Produktion erforderlichen Ressourcen zur Verfügung und bildet somit die Grundvoraussetzung jeglicher Wohlfahrtssteigerung durch Handel. Freihandel muss demnach mit wirksamen Umweltschutzbemühungen einhergehen, um seine wohlfahrtsfördernden Wirkungen voll zu entfalten. Bemühungen zum Schutz internationaler Umweltgüter sollen soweit wie möglich auf der Kooperation aller betroffenen Staaten beruhen. Im Rahmen entsprechender Umweltschutzübereinkommen haben Handelsrnaßnahmen eine besondere Bedeutung als Mittel zur Durchsetzung der Verpflichtungen erlangt. Bei der Formulierung der betreffenden Standards sind das Rectijication-at-source-Prinzip und die besonderen Umstände von Entwicklungsländern zu beachten. Doch auch ohne einen entsprechenden Konsens der an einem internationalen Umweltproblem beteiligten Staaten ist das Ergreifen von Handelsrnaßnahmen nicht ausgeschlossen. Dies gilt zunächst für Maßnahmen des Importstaates zum Schutz seiner eigenen Umwelt. Prinzip 12 der Rio-Deklaration gestattet hier ausdrücklich unilaterales Vorgehen. Doch auch hinsichtlich internationaler Umweltprobleme ist das einseitige Vorgehen einzelner beteiligter Staaten mittels Handelsrnaßnahmen dann zulässig, wenn die Erzielung eines internationalen Konsenses nicht möglich war. Generell, so konkretisiert para. 2.22(i) der Agenda 21, müssen einseitige Handelsrnaßnahmen des Importstaates die Grundsätze der Nichtdiskriminierung, des mildesten Mittels (Least-trade-restrictive-Test), der Transparenz und der gemeinsamen aber differenzierten Verantwortlichkeit der Staaten berücksichtigen. 207 Agenda 21, para. 2.22 (Hervorhebung durch den Verfasser).

c. Das Konzept der nachhaltigen Entwicklung

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111. Ergebnis: Die Welthandelsordnung im Konzept der nachhaltigen Entwicklung Das Konzept der nachhaltigen Entwicklung hat als einer der Grundwerte der Welthandelsordnung Ausdruck in der Präambel des WTO-Übereinkommens gefunden. Zwar hat es hierdurch keine eigenständige Rechtsqualität erlangt. Die Nennung bedeutet jedoch die ausdrückliche Einbettung der Welthandelsordnung in das überwölbende Konzept der nachhaltigen Entwicklung durch die WTO-Mitglieder selbst. Sie haben insoweit das auch von ihnen getragene Integrationspostulat von Rio-Deklaration und Agenda 21 eingelöst. Das Konzept der nachhaltigen Entwicklung kann vor diesem Hintergrund beschrieben werden als "broad umbrella accomodating the specialized fields of international law which aim to promote economic development, environmental protection and respect for civil and political rights,,?08 In den erfassten Rechtsgebieten des Umwelt-, Entwicklungs- und Wirtschaftsvölkerrechts tritt ein "change of paradigm" ein. 209 Dieser Vorzeichen wechsel liegt vor allem darin begründet, dass die auftauchenden Fragestellungen nicht mehr isoliert voneinander betrachtet werden, sondern in den einschlägigen Rechtsgebieten gegenseitig berücksichtigt werden. 210 Dem Konzept der nachhaltigen Entwicklung kommt insoweit eine "Chapeau-Funktion" zu. 21l Zum einen wird in Zukunft jede weitere Rechtsentwicklung in den einschlägigen Rechtsgebieten am Ziel einer nachhaltigen Entwicklung ausgerichtet werden. Zum anderen muss auch bei der Auslegung und Anwendung der bestehenden Normen der neu hinzugetretene Gesamtzusammenhang der nachhaltigen Entwicklung Berücksichtigung finden. 212 Danach ist das Welthandelsrecht nunmehr als Teil des Gesamtkonzepts zu sehen und mit Rücksicht auf die ebenfalls umfassten Teilbereiche des Umwelt- und Entwicklungsvölkerrechts auszulegen und anzuwenden. Hierbei bieten die in RioDeklaration und Agenda 21 niedergelegten Prinzipien und Handlungsvorgaben, gleichsam als ein vorformulierter Ausgleich zwischen den betroffenen Rechtsbereichen und Interessen, wertvolle Hilfestellung. 2l3 Dieser Ausgleich zwischen den normierten Interessen ist jedoch in jedem Einzelfall zu überprüfen und gegebenenfalls an die jeweiligen Besonderheiten des Falles anzupassen. Idealerweise sollte in jedem Einzelfall ein Verhältnis praktischer Konkordanz zwischen den Belangen des Umweltschutzes, der Entwicklung und des Handels eingestellt werden. 214 Sands, BYIL 65 (1994), S. 379. Schräder; Sustainable Development and Law, S. 12 f. 210 Vgl. Lang, in: Ginther/Denters/de Waart (eds.), S. 93; Malanczuk, in: Ginther/Denters / de Waart (eds.), S. 26. 211 Beyerlin, in: Wolfrum (ed.), S. 112. 212 Epiney, in: Lang/Hohmann/Epiney, S. 47. 213 Weiss, in: Ginther/Denters/de Waart (eds.), S. 389. 214 Vgl. Gramlich, AVR 33 (1995), S. 145. 208 209

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2. Teil: Maßgebliche Grundwerte der Welthandelsordnung

Technisch entfaltet das Konzept der nachhaltigen Entwicklung auch im Bereich des Welthandelsrechts mittelbare rechtliche Wirkung durch die einschlägigen Normen des WTO-Rechts. In den Worten des Appellate Body bedeutet dies: ,,[The objective of sustainable development] must add colour, texture and shading to our interpretation of the agreements annexed to the WTO Agreement [ ... ].'.215

IV. Die Argumente der "Extraterritorialität" und des Unilateralismus Im Rahmen der Produkt-Prozess-Doktrin kommt den Argumenten der "Extraterritorialität" und des Unilateralismus entscheidende Bedeutung zu. Sie werden herangezogen, um eine Rechtfertigung nichtproduktbezogener Handelsrnaßnahmen von vornherein auszuschließen. Im Folgenden sollen Bedeutung und Reichweite dieser Argumente vor dem Hintergrund des allgemeinen Völkerrechts wie des Konzepts der nachhaltigen Entwicklung beleuchtet werden. 1. Das Problem der "Extraterritorialität" Die verbreiteten Hinweise auf den "external reach"216, die "extraterritorial action,,217 oder auch die "extrajurisdictional application,,218 beziehen sich auf zwei als negativ empfundene Kennzeichen nichtproduktbezogener TREMs des Importstaates. 219 Zum einen sind sie geeignet, tatsächlichen Druck auf die ausländischen Produzenten und die Umweltpolitik des Staates der Produktion aufzubauen, hin zu einem höheren produktionsseitigen Umweltschutzniveau. Zum anderen dienen nichtproduktbezogene Handelsrnaßnahmen regelmäßig dem Schutz internationaler und globaler Umweltgüter. Ob diese Kennzeichen jedoch ausreichen, um unter dem Stichwort der "Extraterritorialität" einen generellen Ausschluss nichtproduktbezogener TREMs des Importstaates zu begründen, bleibt anhand der einschlägigen Policy- Vorgaben des Konzepts der nachhaltigen Entwicklung zu überprüfen. Zunächst sind jedoch Bedeutung und Funktion des Extraterritorialitätsarguments zu klären.

215 Appellate Body Report, US - Shrimp, para. 153. 216

Chamovitz. GIELR 6 (1993), S. 8 ff.

217 Sampson. The World Economy 24 (2001), S. 1125. 218 Panel Report, US - Tuna I, para. 5.27. 219 Vgl. die Erläuterungen im ersten Teil D.II1.1.b).

C. Das Konzept der nachhaltigen Entwicklung

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a) Extraterritoriale Rechtswirkung als Kategorie des allgemeinen Völkerrechts Das Argument der "Extraterritorialität" greift schon begrifflich die im allgemeinen Völkerrecht etablierte Kategorie der extraterritorialen Rechtswirkung staatlicher Hoheitsakte auf. Es fragt sich demnach, welche relevanten Aussagen und Vorgaben dem allgemeinen Völkerrecht insoweit zu entnehmen sind. aa) Begriff und Funktion Innerhalb ihres Territoriums sind die Staaten ausschließliche Träger aller Hoheitsgewalt (Gebietshoheit)?20 Sie besitzen souveräne Gewalt nach innen wie nach außen. 221 Da aber allen Staaten gleichermaßen Souveränität im beschriebenen Sinne zukommt, ist jede einzel staatliche Souveränitätsausübung wesensnotwendig durch die Souveränität der anderen Staaten beschränkt. Die Gleichheit der Staaten ist danach immanente Schranke der Souveränität (Grundsatz der souveränen Gleichheit der Staaten). Übt ein Staat seine souveränen Rechte aus, kann es vorkommen, dass seine Hoheitsakte in ihren Rechtswirkungen über das eigene Staatsgebiet hinausreichen, d. h. extraterritoriale Wirkung entfalten?22 Dabei sind grundsätzlich zwei Arten extraterritorialer Wirkung von Hoheitsakten zu unterscheiden, die unmittelbare Vornahme von Hoheitsakten im Ausland, wie etwa die grenzüberschreitende Zustellung von Verwaltungsakten, (unmittelbare extraterritoriale Wirkung) und die lediglich rechtlich relevante Auswirkung im Inland gesetzter Hoheitsakte auf das Ausland (mittelbare extraterritoriale Wirkung)?23 Die Vornahme von Hoheitsakten auf fremdem Staatsgebiet darf nur mit Zustimmung des betroffenen Staates erfolgen. Die grenzüberschreitende rechtliche Wirkung innerstaatlich in Geltung gesetzter Hoheitsakte steht hingegen nicht unter einem entsprechenden Zu stimmungsvorbehalt. Auch ohne Zustimmung der betroffenen Staaten kann sich die Zulässigkeit mittelbar extraterritorial wirksamer Hoheitsakte aus ihrem Auslandsbezug ergeben. Schon aus dieser begrifflichen Klärung wird hinreichend deutlich, dass das Konzept der extraterritorialen Wirkung von Hoheitsakten der Abgrenzung der einzelstaatlichen Souveränitätsbereiche dient. Mit anderen Worten wird untersucht, ob der handelnde Staat zum Erlass eines Hoheitsakts überhaupt zuständig ist oder ob der geregelte Sachverhalt in den Zuständigkeitsbereich eines anderen Staates fällt. Das Konzept der extraterritorialen Wirkung von Hoheitsakten ist demnach Aus220 Gloria, Der Staat im Völkerrecht, in: Ipsen, S. 244; Maunz/Zippelius, Deutsches Staatsrecht, S. 21. 221 Epping, Völkerrechtssubjekte, in: Ipsen, S. 56 f. 222 Vgl. Meng, in: Bernhardt (ed.), S. 337. 223 Schlochauer; Die extraterritoriale Wirkung von Hoheitsakten, S. 10 f.

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2. Teil: Maßgebliche Grundwerte der Welthandelsordnung

druck der elementaren Ordnungsfunktion des Völkerrechts, und zwar in seiner traditionellen Funktion als Recht der Koexistenz von souveränen Staaten. 224 bb) Nichtproduktbezogene Handelsrnaßnahmen: Extraterritoriale Wirkung? Nichtproduktbezogene Handelsrnaßnahmen werden im Inland vorgenommen. Es kommt daher allenfalls eine mittelbare extraterritoriale Wirkung dieser Hoheitsakte in Betracht. Die grenzüberschreitenden Rechtswirkungen einer innerstaatlichen Regelung können entweder auf ihrem Anknüpfungspunkt oder ihrem Regelungsinhalt, der eigentlichen Anordnung, beruhen. 225 Dabei bezeichnet der Anknüpfungspunkt eines Hoheitsakts seinen personellen oder sachlichen Bezug. Der Regelungsinhalt meint hingegen die eigentliche Rechtsfolge des Hoheitsakts. 226 Nichtproduktbezogene Handelsrnaßnahmen regeln den Zugang ausländischer Produkte zum internen Markt bzw. deren Wettbewerbsbedingungen auf dem internen Markt. Ihre Rechtsfolgen treten mithin allein im Inland ein. Eine Auslandsregelung liegt folglich nicht vor. Diese Rechtsfolgen werden jedoch an zweierlei Umstände angeknüpft, den Eintritt einer Ware in das Hoheitsgebiet des handelnden Staates und die Produktionsweise der Waren im Herkunftsland. Die fraglichen Regelungen haben somit neben einem internen auch einen ausländischen Bezugspunkt. Sie verfolgen sogar das Ziel, auf die Produktionsumstände im Herkunftsland in der Art einzuwirken, dass dadurch ein bestimmtes Umweltgut eine geringere Belastung und damit Schutz erfahrt. Da es Sache des Herkunftslandes ist, seine innere Ordnung, einschließlich der Umweltschutzvorschriften souverän festzulegen (innere Souveränität), scheint auf den ersten Blick eine mittelbare extraterritoriale Wirkung von nichtproduktbezogenen Handelsrnaßnahmen vorzuliegen. 227 Zu beachten ist jedoch, dass die Maßnahmen des Einfuhrstaates lediglich einen faktischen Druck zur Änderung der Produktionsweisen im Herkunftsstaat bewirken, sofern die betroffenen Waren weiterhin auf dem Markt des Einfuhrstaates gehandelt werden sollen. In rechtlicher Hinsicht bleiben die Hersteller dagegen völlig unbelastet; sie selbst oder ihre Produktionstätigkeit werden mit keinerlei Sanktionen belegt. Sie dürfen einzig und allein ihre in bestimmter Weise hergestellten Waren nicht mehr unreguliert auf den internen Markt des handelnden Staates bringen. 228 Die Auswirkungen ergeben sich allein daraus, dass der Einfuhrstaat den in Verdross/Simma. Universelles Vcilkerrecht, S. 41. Meng. Extraterritoriale Jurisdiktion, S. 74 ff. 226 Vgl. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 180. 227 So etwa von Bogdandy. EuZW 1992, S. 245 und 247; Schoenbaum. AJIL 91 (1997), S. 280; Van Calster, International and EU Trade Law, S. 300 f. 228 Hierauf weisen hin Demaret. in: Carneron/Demaret/Geradin (eds.), S. 62; Nollkaemper, in: Weiss/Denters/de Waart (eds.), S. 188 f.; Howse/Regan. EJIL 11 (2000), S. 274; McDonald. Environmental Law 23 (1993), S. 433 . 224 225

C. Das Konzept der nachhaltigen Entwicklung

147

bestimmter Weise produzierten Produkten nicht die Vergünstigung gewährt, frei auf dem Inlandsmarkt gehandelt zu werden. Hierzu besteht nach allgemeinem Vdlkerrecht, d. h. außerhalb eines vertraglichen Regimes, auch keine Verpflichtung. Im Vordergrund steht daher das souveräne Recht des handelnden Staates, seine innere Ordnung, hier die Vermarktung des betreffenden Produkts, autonom zu regeln, egal aus welchem tatsächlichen Grund?29 Die möglichen Wirkungen über die eigenen Staatsgrenzen hinaus resultieren aus der tatsächlichen Verflechtung der einzelstaatlichen Märkte. 23o Extraterritoriale Rechtswirkungen i. S. d. allgemeinen Vdlkerrechts entfalten nichtproduktbezogene Handelsrnaßnahmen jedoch nicht. Dem völkerrechtlichen Konzept der extraterritorialen Wirkung von Hoheitsakten sind demnach auch keinerlei Vorgaben für ihre rechtliche Bewertung zu entnehmen. Gleichwohl verdeutlicht die Verwendung des Begriffes der "Extraterritorialität", dass es den Vertretern der Produkt-Prozess-Doktrin insoweit auf eine Abgrenzung der originären Zuständigkeiten zum Schutz der Umwelt vor produktionsseitigen Umweltbelastungen ankommt. In dieser Hinsicht lassen sich dem Konzept der nachhaltigen Entwicklung detaillierte, weit über das allgemeine Vdlkerrecht hinausgehende Vorgaben entnehmen. b) Die Vorgaben des Konzepts der nachhaltigen Entwicklung

Innerhalb des Konzepts der nachhaltigen Entwicklung nehmen Prinzip 12 der Rio-Deklaration und Kapitel 2 der Agenda 21 eine besondere Zuständigkeitsverteilung hinsichtlich des Ergreifens von Handelsrnaßnahmen zum Umweltschutz vor. Es fallt zunächst auf, dass - genau wie in Prinzip 8 der Rio-Deklaration angelegtnicht zwischen produktbezogenen und nichtproduktbezogenen Handelsrnaßnahmen unterschieden wird. Stattdessen findet sich eine Differenzierung allein nach der Belegenheit der geschützten Umweltgüter. In Übereinstimmung mit Prinzip 2 der Rio-Deklaration setzt Prinzip 12 der RioDeklaration zunächst die Zuständigkeit jedes Staates zum Schutz seiner eigenen Umwelt mittels Handelsrnaßnahmen voraus. Ferner wird auch das Ergreifen von Handelsrnaßnahmen zum Schutz internationaler und globaler Umweltgüter nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Vielmehr ergibt sich schon aus dem in Prinzip 7 der Rio-Deklaration verankerten Grundsatz der gemeinsamen Verantwortung und der verwandten Ansätze der "shared resources", des "common heritage of mankind" und des "common concern of humankind" die Anerkennung einer originären Zuständigkeit aller an einem internationalen Umweltgut partizipierenden bzw. von einem internationalen Umweltproblem betroffenen Staaten auch zum Umweltschutz einzuschreiten. Allein das Ergreifen von Handelsrnaßnahmen zum Schutz 229 Hudec, in: Bhagwati/Hudec (eds.), S. 116 f.; vgl. auch Nollkaemper, in: Weiss/Denters I de Waart (eds.), S. 189. 230 Meng, Extraterritoriale Jurisdiktion, S. 77.

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2. Teil: Maßgebliche Grundwerte der Welthandelsordnung

der Umweltgüter anderer Staaten fällt nicht in die originäre Zuständigkeit des Importstaates. Dies ergibt sich auf der einen Seite aus der in Prinzip 2 der RioDeklaration bestätigten Souveränität jedes Staates über seine eigene Umwelt und auf der anderen Seite aus der Tatsache, dass eine ausdrückliche Bestätigung entsprechender Handelsmaßnahmen in Prinzip 12 der Rio-Deklaration unterblieben ist. c) Ergebnis

Das Argument der "Extraterritorialität" zielt darauf ab, eine generelle Unzuständigkeit des Importstaates hinsichtlich des Ergreifens nichtproduktbezogener Handeismaßnahmen zu begründen. Dem allgemeinen völkerrechtlichen Konzept der extraterritorialen Rechtswirkung von Hoheitsakten lassen sich insoweit keine Aussagen entnehmen. Nichtproduktbezogene Handelsmaßnahmen entfalten keine extraterritorialen Rechtswirkungen i. S. d. allgemeinen Völkerrechts. Das Konzept der nachhaltigen Entwicklung zieht allein dort eine Grenze, wo der Importstaat Handelsmaßnahmen zum Schutz der Umweltgüter anderer Staaten ergreift. Allein in diesem Fall besteht keine originäre Zuständigkeit des Importstaates zum Umweltschutz. Doch auch insoweit haben die betreffenden Staaten in Anlehnung an das allgemeine Völkerrecht die Möglichkeit, durch ihre Zustimmung eine gewillkürte Zuständigkeit des Importstaates zu begründen. Insgesamt bleibt unter dem Konzept der nachhaltigen Entwicklung von dem Extraterritorialitätsargument der Vertreter der Produkt-Prozess-Doktrin jedoch nur wenig übrig. Allein das Ergreifen von Handelsmaßnahmen zum Schutz der Umweltgüter anderer Staaten ist grundsätzlich ausgeschlossen.

2. Unilateralismus vs. Kooperation In unauflösbarem Zusammenhang zum Extraterritorialitätsargument stehen die Ablehnung von unilateral ergriffenen nichtproduktbezogenen TREMs und die korrespondierende Forderung nach zwischenstaatlicher Kooperation. 231 Auch insoweit werden der grenzüberschreitende Charakter der in Rede stehenden Umweltbelastungen und die tatsächliche Beeinträchtigung der domestic policy autonomy des Herkunftslandes als Begründung angeführt. 232 Im Unterschied zum Argument der "Extraterritorialität", das ganz im Stile des Völkerrechts der Koexistenz als eine Entweder-oder-Lösung vorgetragen wird und wesentlich zum vollständigen Ausschluss nichtproduktbezogener Handelsmaßnahmen nach der Produkt-ProzessDoktrin beigetragen hat, gibt der Gesichtspunkt der Kooperation lediglich eine entscheidende Rechtmäßigkeitsvoraussetzung vor, fällt aber im Übrigen kein grundsätzliches Unwerturteil hinsichtlich nichtproduktbezogener TREMs. 231 232

Schlagenhof, JWT 29, Nr. 6 (1995), S. 139. Näher hierzu im ersten Teil D.III.l.c).

C. Das Konzept der nachhaltigen Entwicklung

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a) Der Begriff des Unilateralismus

Der Begriff des Unilateralismus hat keine feststehende und allgemein anerkannte Bedeutung. 233 Der Inhalt dieses rechtlichen Konzepts erschließt sich erst über die Einordnung in den Kontext der einzelstaatlichen Souveränität und Jurisdiktion in Abgrenzung zu anderen Staaten. 234 Dabei kennzeichnet der Begriff des Unilateralismus zunächst nur diejenigen staatlichen Maßnahmen, die in ihren rechtlichen oder tatsächlichen Wirkungen über das eigene Territorium des handelnden Staates hinausreichen und damit auch dritte Staaten betreffen. 235 Im Unterschied zu gemeinsamen Aktionen aller betroffenen Staaten (Multilateralismus), etwa im Rahmen eines völkerrechtlichen Vertrages, setzen unilaterale Maßnahmen ausschließlich den Willen des handelnden Staates (individual unilateral acts) bzw. einer bestimmten Gruppe von gemeinsam handelnden Staaten (collective unilateral acts) um. 236 Aus der Sicht des von einer Maßnahme betroffenen, aber gleichwohl nicht beteiligten Staates können sich unilaterale Maßnahmen daher als Einmischung in dessen Angelegenheiten und als Missachtung seiner Interessen darstellen. Mit der Qualifizierung einer staatlichen Maßnahme als unilateral ist jedoch nicht zwingend auch eine Entscheidung über die Rechtmäßigkeit oder Unrechtmäßigkeit dieser staatlichen Maßnahme verbunden. 237 In einer dezentralisierten Völkerrechtsordnung, getragen von souveränen und gleichberechtigten Staaten, ist unilaterales Vorgehen noch immer der Normalfall der Rechtsanwendung und Durchsetzung. Es sind vor allem völkerrechtliche Kooperationspflichten, die unilaterales Vorgehen beschränken und hierfür normative Anforderungen aufstellen?38 Soweit eine Pflicht zur zwischenstaatlichen Kooperation reicht, sind die handelnden Staaten hieran gebunden und in ihrem Spielraum hinsichtlich unilateralen Vorgehens beschränkt. Damit dient auch das Konzept des Unilateralismus in Zusammenschau mit der Anerkennung völkerrechtlicher Kooperationspflichten der Abgrenzung einzelstaatlicher Jurisdiktionsbereiche und Interessenssphären, vergleichbar dem Konzept der Extraterritorialität. 239

Jansen, EJIL 11 (2000), S. 309; Boisson de Chazoumes, EJIL 11 (2000), S. 315. Sands, EJIL 11 (2000), S. 293; Boisson de Chazoumes, EJIL 11 (2000), S. 325. 235 Boisson de Chazoumes, EJIL 11 (2000), S. 315 f. 236 Dupuy, EJIL 11 (2000), S. 20; vgl. auch Chamovitz, GIELR 6 (1993), S. 6; Demllret, in: Carneron/Demaret/Geradin (eds.), S. 59. 237 Bodansky, EJIL 11 (2000), S. 341. 238 Auf diesen Zusammenhang weisen ausdrücklich hin Dupuy, EJIL 11 (2000), S. 22, und Jansen, EJIL II (2000), S. 310. 239 Jansen, EJIL II (2000), S. 310; Bodansky, EJIL II (2000), S. 340. 233

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2. Teil: Maßgebliche Grundwerte der Welthandelsordnung

b) Begründung und Inhalt einer Kooperationspjlicht Konturen erlangt das von der Produkt-Prozess-Doktrin vorgetragene Argument des Unilateralismus daher erst durch die Begründung einer konkreten Kooperationspflicht hinsichtlich des Ergreifens nichtproduktbezogener Handelsmaßnahmen zum Umweltschutz. Als Quellen einer zwischenstaatlichen Pflicht zur Kooperation kommen im vorliegenden Zusammenhang das allgemeine Völkerrecht und das Konzept der nachhaltigen Entwicklung in Betracht. aa) Rechtspflicht zur Kooperation nach allgemeinem Völkerrecht Die Erzielung internationaler Zusammenarbeit zwischen den Staaten zählt nach Art. lAbs. 3 der Charta der Vereinten Nationen zu den grundlegenden Zielsetzungen der Vereinten Nationen. Sie steht in engem Zusammenhang zur Aufrechterhaltung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit (Art. I Abs. I UN-Charta) sowie zur Entwicklung freundschaftlicher Beziehungen zwischen den Staaten (Art. lAbs. 2 UN-Charta). Zwischenstaatliche Kooperation ist die Grundlage für die Entwicklung freundschaftlicher Beziehungen zwischen den Staaten. Diese wiederum sichern den Weltfrieden. 24O Über diese allgemeinen Zielsetzungen hinaus ist die Pflicht zur zwischenstaatlichen Kooperation mittlerweile zum festen Bestand des allgemeinen Völkergewohnheitsrechts zu zählen?41 Danach gilt im Grundsatz, dass ein Staat, der einen gegebenen Sachverhalt gleichermaßen unilateral oder aber in Kooperation mit den anderen, von diesem Sachverhalt betroffenen Staaten angehen kann, schon aus Gründen der souveränen Gleichheit der Staaten zunächst den Weg der Kooperation beschreiten muss und erst bei dessen Scheitern unilateral vorgehen darf?42 Dabei sei an dieser Stelle noch dahingestellt, welche konkreten Rechtspflichten dem allgemeinen Kooperationsgrundsatz zu entnehmen sind. Ferner enthalten eine Vielzahl völkerrechtlicher Verträge und eine noch größere Zahl unverbindlicher Instrumente des soft law spezielle Kooperationsvereinbarungen. Gerade im Bereich des Umweltvölkerrechts finden sich etwa in Art. 5 der Konvention über die biologische Vielfalt oder Art. 2 Abs. 2 lit. a, c und d der Wiener Konvention über den Schutz der Ozonschicht umfassende Kooperationsverpflichtungen. Auch im Rahmen des Konzepts der nachhaltigen Entwicklung hat die allgemeine Kooperationsverpflichtung Ausdruck u. a. in den Prinzipien 7 und 12 der Rio-Deklaration gefunden. Vgl. Wolfrum, in: Sirnrna (ed.), Rn. 21. OECD Dok., Environmental Principles and Concepts, OCDE/GD(95)124, para. 28; Dupuy, EJIL 11 (2000), S. 22; TIetje, EuR 2000, S. 293. 242 Dupuy, EJIL 11 (2000), S. 25. 240

241

C. Das Konzept der nachhaltigen Entwicklung

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Die breite Anerkennung der Notwendigkeit zur zwischenstaatlichen Kooperation hat schon im Jahr 1964 Wolfgang Friedmann dazu veranlasst, einen Paradigmenwechsel im Völkerrecht von einem Recht der Koexistenz hin zu einem Recht der Kooperation zu bescheinigen. 243 Während das Völkerrecht, als Recht der Koexistenz, traditionell einen individualistischen Ansatz verfolgt und insbesondere Fragen der Abgrenzung der einzelstaatlichen Souveränitätsbereiche regelt, ist mit den verschiedenen allgemeinen und speziellen Kooperationsverpflichtungen ein beständig anwachsendes Recht der Kooperation hinzugetreten, das zu einem positiven Tun zur Verfolgung gemeinsamer Ziele verpflichtet. 244 bb) Die Vorgaben des Konzepts der nachhaltigen Entwicklung Nach Prinzip 7 der Rio-Deklaration sind die Staaten verpflichtet, im Geiste globaler Partnerschaft zum Schutz des Ökosystems der Erde zusammenzuwirken. Hierin liegt eine umfassende Kooperationsverpflichtung aller von einem internationalen Umweltproblem betroffener Staaten. Prinzip 12 der Rio-Deklaration und Kapitel 2 der Agenda 21 greifen diese allgemeine Kooperationsverpflichtung auf und spezifizieren sie hinsichtlich des Einsatzes von Handelsrnaßnahmen zum Umweltschutz. Danach unterliegt der Importstaat beim Einsatz von Handelsmaßnahmen zum Schutz seiner eigenen Umwelt keiner Kooperationspflicht. Eine solche wird allein dann eingefordert, wenn der Importstaat zum Schutz internationaler Umweltgüter Handelsrnaßnahmen ergreift. In Bezug auf den Inhalt der Kooperationspflicht lässt sich Prinzip 12 der RioDeklaration und Kapitel 2 der Agenda 21 entnehmen, dass Maßnahmen zum Schutz internationaler Umweltgüter "should, as far as possible, be based on an international consensus". Hierdurch werden unilaterale Handelsrnaßnahmen zum Schutz internationaler Umweltgüter nicht gänzlich ausgeschlossen. Sie sollen lediglich vermieden werden ("should be avoided"). Die Annahme einer Erfolgspflicht, mit dem Inhalt ausschließlich multilateral zwischen allen betroffenen Staaten vereinbarte Handelsrnaßnahmen zum Schutz internationaler Umweltgüter zuzulassen, ist mit diesem Wortlaut nicht vereinbar. Genau wie schon die allgemeine Kooperationsverpflichtung des Völkergewohnheitsrechts, erschöpft sich auch die im Konzept der nachhaltigen Entwicklung niedergelegte Kooperationsverpflichtung in einer Verhaltenspflicht aller an einem internationalen Umweltgut beteiligten bzw. aller von einem internationalen Umweltproblem betroffenen Staaten. Sie sind gehalten, in Verhandlungen einzutreten und nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der betroffenen Interessen eine für alle annehmbare Lösung anzustreben. 245 Friedmann, The Changing Structure of International Law, S. 60 ff. Näher hierzu Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, S. 41; Wolfrnm, International Law of Cooperation, in: Bernhardt (ed.), S. 1243 f. 245 Vgl. Dupuy, EJIL 11 (2000), S. 24; in diesem Sinne auch OECD Dok., Environmental Principles and Concepts, OCDE I GD(95) 124, para. 29. 243

244

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2. Teil: Maßgebliche Grundwerte der Welthandelsordnung

Dabei verpflichtet Kapitel 2.20 der Agenda 21 die Staaten auf die Berücksichtigung des Rectijication-at-source-Prinzips, um Handelsbeschränkungen auf das notwendige Maß zu beschränken, und den Grundsatz der gemeinsamen aber differenzierten Verantwortung, um die Beachtung der besonderen Umstände der Entwicklungsländer zu gewährleisten. Scheitern die solcherart geführten Verhandlungen, verbleibt dem Importstaat die Möglichkeit, einseitig mittels Handeismaßnahmen zum Schutz internationaler und globaler Umweltgüter tätig zu werden. Die generellen Anforderungen des Kapitels 2.22(i) der Agenda 21 an das Ergreifen einseitiger Handeismaßnahmen zum Umweltschutz gelten auch in diesem Fall. Der Importstaat ist auf die Grundsätze der Nichtdiskriminierung, des mildesten Mittels, der Transparenz und der gemeinsamen aber differenzierten Verantwortlichkeit verpflichtet.

c) Ergebnis

Das Argument des Unilateralismus ist unter der Produkt-Prozess-Doktrin auf den vollständigen Ausschluss unilateraler nichtproduktbezogener TREMs gerichtet. Allein im Rahmen eines Umweltschutzübereinkommens verabredete und angewendete nichtproduktbezogene TREMs seien danach zulässig. Durch das Konzept der nachhaltigen Entwicklung hat diese Argumentation der Vertreter der ProduktProzess-Doktrin eine weitgehende Relativierung erfahren. Zunächst darf der Importstaat zum Schutz der eigenen Umwelt ohne weiteres unilateral nichtproduktbezogene Handeismaßnahmen ergreifen. Maßnahmen zum Schutz internationaler und globaler Umweltgüter sollen hingegen grundsätzlich multilateral von allen betroffenen Staaten vereinbart werden. Doch liegt auch hierin keine Erfolgsverpflichtung in dem Sinne, dass nichtproduktbezogene Handeismaßnahmen ausschließlich im Rahmen eines Umweltschutzübereinkommens ergriffen werden dürften. Scheitern die nach Treu und Glauben und unter Berücksichtigung des Grundsatzes der gemeinsamen aber differenzierten Verantwortlichkeit geführten Verhandlungen, so verbleibt dem Importstaat die Möglichkeit unilateralen Vorgehens. Wie sich in Zusammenschau mit dem Extraterritorialitätsargument ergibt, bleibt allein im Fall des Schutzes der Umweltgüter anderer Staaten das unilaterale Vorgehen des Importstaates ausgeschlossen. Lediglich in diesem Fall besteht eine Erfolgspflicht zur Kooperation.

C. Das Konzept der nachhaltigen Entwicklung

153

V. Exkurs: Umweltschutzübereinkommen und Welthandelsordnung Das Verhältnis multilateraler Umweltschutzübereinkommen (multilateral environmental agreements, MEAs) zum GATT 1947 sowie zu den späteren WTOÜbereinkommen gehört zu den festen Bestandteilen jeder ernsthaften Erörterung des Schnittstellenbereichs Handel und Umwelt. 246 Dieses gesteigerte Interesse findet seine Rechtfertigung in der Tatsache, dass sich internationaler Umweltschutz weitgehend im Rahmen von zur Zeit etwa 220 multilateralen völkerrechtlichen Verträgen zum Umweltschutz vollzieht. Gewohnheitsrechtssätze oder allgemeine Rechtsgrundsätze des Umweltvölkerrechts haben sich demgegenüber bisher nur zögerlich herausgebildet. Dies liegt vor allem an der vergleichsweise späten Entwicklung des internationalen Umweltrechts als Teildisziplin des Völkerrechts, die erst am Ende der 1960er Jahre einsetzte. Aber auch die unveränderte Dynamik des Rechtsgebiets und die je nach dem zu schützenden Umweltgut stark variierenden Anforderungen tragen ihren Teil hierzu bei. 247 Zudem ist in Anbetracht der weitgehenden Kooperationsvorgaben des Konzepts der nachhaltigen Entwicklung auch für die Zukunft mit einem stetigen Anwachsen von Umweltschutzübereinkommen zu rechnen. 1. Ebenen der Kooperation

Bei internationalen Umweltschutzbestrebungen lassen sich verschiedene Ebenen möglicher Kooperation zwischen den beteiligten Staaten unterscheiden. 248 Diese reichen von der gemeinsamen Anerkennung der zu Grunde liegenden Schutzpolitik über die gemeinsame Ausarbeitung konkreter Standards bis hin zur Autorisierung von Handelsrnaßnahmen als Mittel zur Durchsetzung dieser Standards. a) Anerkennung der zu Grunde liegenden Schutzpolitik

Die einfachste Form der zwischenstaatlichen Zusammenarbeit zu Umweltschutzzwecken ist die gemeinsame Anerkennung einer bestimmten Schutzpolitik. Diese kann in einer einfachen Feststellung der Bedrohung und Schutzbedürftigkeit, bis hin zur umfassenden, wissenschaftlich begründeten Erklärung bestimmter Schutzziele hinsichtlich der zu schützenden Umweltgüter liegen. Es kommt entscheidend darauf an, dass eine - wie auch immer ausgestaltete - internationale Übereinstimmung in Bezug auf die Schutzbedürftigkeit bestimmter Umweltgüter besteht. 249 Die Anerkennung einer bestimmten Schutzpolitik bildet die erste Ebene 246

247 248

Beyerlin, Umweltvölkerrecht, Rn. 646 ff. Vgl. Vitzthum, in: Vitzthum (Hrsg.), Rn. 92; RandelzhoJer; Jura 1992, S. 1. Vgl. Bodansky, EJIL 11 (2000), S. 342 f.

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2. Teil: Maßgebliche Grundwerte der Welthandelsordnung

zwischenstattlicher Kooperation zu Zwecken des Umweltschutzes. Auf dieser Art der Kooperation beruhen letztlich alle MEAs. Einen der bekanntesten und differenziertesten Mechanismen dieser Art enthält das Washingtoner Artenschutzübereinkommen (CITES). Die erfassten Tierarten werden je nach dem Grad ihrer Bedrohung in den verschiedenen Anhängen des Übereinkommens aufgeführt. Hierin drückt sich die Übereinstimmung der Vertragsparteien über den jeweiligen Grad an Schutzbedürftigkeit der betreffenden Art aus. Auf den Schutz solcher Arten gerichtete nichtproduktbezogene Handelsrnaßnahmen dienen der Durchsetzung einer international anerkannten Schutzpolitik. b) Formulierung konkreter Schutzstandards

Über die Anerkennung der Schutzbedürftigkeit bestimmter Umweltgüter hinaus können die Staaten als zweite Stufe der Kooperation die Einhaltung konkreter Schutzstandards vereinbaren. In diesem Fall anerkennen die beteiligten Staaten konkrete Anforderungen an den Umgang mit den gefährdeten Umwe1tgütern als angemessene Schutzmaßnahmen. In diese Kategorie fällt etwa das im Rahmen der Konvention über den Walfang etablierte System zum Schutz der Wale, das u. a. bestimmte Fangzeiten und Fanggewässer für die geschützten Arten vorgibt oder die Verwendung bestimmter Methoden des Walfangs untersagt. 250 c) Einigung über die Durchsetzung der internationalen Standards

Die dritte Stufe der Kooperation stellt die Einigung der von einem gemeinsamen Umweltproblem betroffenen Staaten auch über die Durchsetzung der konkreten Schutzstandards mittels produktbezogener oder nichtproduktbezogener Handelsrnaßnahmen dar. 251 Hierhin gehören die schon genannten MEAs, die selbst Handeismaßnahmen zur Durchsetzung der Verpflichtungen vorschreiben oder zumindest deren Ergreifen erlauben, d. h. eine positive Handelsregelung enthalten. Mit entsprechenden Handelsrnaßnahmen vollziehen die Vertragsstaaten dann lediglich die vereinbarten Vorgaben. Mit dieser dritten Stufe der Kooperation ist der in einer dezentralisierten Volkerrechtsordnung größtmögliche Grad an Kooperation erreicht. Andererseits sind die Vertragsparteien eines MEA auch frei, das Ergreifen von Handelsmaßnahrnen zur Durchsetzung der vereinbarten Schutz standards auszuschließen, d. h. eine negative Handelsregelung zu treffen. 249 Speziell für das Washingtoner Artenschutzübereinkornrnen Bodansky, EJIL 11 (2000), S. 342 f. 250 Insbesondere das angehängte Schedule, das nach Art. lAbs. 1 der Konvention über den Walfang integraler Bestandteil der Konvention ist, enthält detaillierte Vorgaben über die einzuhaltenden Schutzmaßnahmen. 251 Bodansky, EJIL 11 (2000), S. 343.

C. Das Konzept der nachhaltigen Entwicklung

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2. Überschneidung der Regelungsbereiche: Konflikt oder gedeihliches Nebeneinander? Der weit überwiegende Teil der in Geltung befindlichen 220 MEAs bewegt sich auf den ersten beiden Ebenen zwischenstaatlicher Kooperation. Insoweit ergeben sich keine Überschneidungen mit dem Welthandelsrecht. Erst etwa 20 MEAs sind auf der intensivsten Stufe zwischenstaatlicher Kooperation zum Umweltschutz angesiedelt und sehen positive HandeIsregelungen vor, die unmittelbar das Recht der WTO berühren. 252 Zu den prominentesten Beispielen zählen das Washingtoner Artenschutzübereinkommen zum Schutz bedrohter Tierarten gegen übermäßige Ausbeutung durch den internationalen Handel (CITES)253 aus dem Jahr 1973 und das BaseIer Übereinkommen über die Kontrolle der grenzüberschreitenden Verbringung gefahrlicher Abfälle und ihrer Entsorgung (Basel Convention)254 aus dem Jahr 1989. Sind in einem MEA Handelsrnaßnahmen zur Durchsetzung der Verpflichtungen vorgesehen, wird für Vertragsparteien beider Rechtsregimes häufig ein unauflösbarer Normkonflikt zwischen dem betreffenden MEA und den WTO-Übereinkommen unterstellt. Zur Auflösung dieses angenommenen Normkonfliktes werden dann kurzerhand die allgemeinen Vorrangregeln der lex posterior oder der lex specialis herangezogen. 255 Die Annahme eines unauflösbaren Normkonflikts zwischen den positiven HandeIsregelungen eines MEA und den WTO-Übereinkommen ruft nach der Untersuchung des Konzepts der nachhaltigen Entwicklung jedoch Zweifel hervor. Schließlich wirkt das Konzept der nachhaltigen Entwicklung integrativ und zielt gerade darauf ab, Widersprüche zwischen den Bereichen des Umwelt- und Wirtschaftsvölkerrechts zu vermeiden und einen Zustand der gegenseitigen Unterstützung herzustellen. WeIche Auswirkungen hat also das Konzept der nachhaltigen Entwicklung auf das Verhältnis zwischen MEAs und den WTO-Übereinkommen? Diese Frage muss zweifellos im Einzelfall beantwortet werden, unter genauer Beachtung des Wortlauts der in Rede stehenden handelsrelevanten Vorschriften. Gleichwohl lassen sich verschiedene allgemeine Merkmale und Tendenzen identifizieren, die sich aus der Struktur der Rechtsgebiete und dem überwölbenden Prinzip der nachhaltigen Entwicklung ergeben.

252 Vgl. die Zusammenstellung bei Petersmann, International and European Trade and Environmental Law, S. 155 ff.; WTO Dok., WT ICTE/W 1 1601 Rev. 1. 253 Vgl. hierzu OECD, Trade Measures in Multilateral Environmental Agreements, S. 11 ff. 254 Vgl. hierzu OECD, Trade Measures in Multilateral Environmental Agreements, S. 97 ff.; Vaughan, in: OECD (ed.), S. 130 ff. 255 Vgl. etwa Beyerlin, Umweltvölkerrecht, Rn. 649; Rutgeerts, JWT 33, Nr. 4 (1999), S.67.

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2. Teil: Maßgebliche Grundwerte der Welthandelsordnung

a) Die BeispieLe des MontreaLer Protokolls und der WeLLington-Konvention

Die meisten der in MEAs vorgesehenen Handelsregelungen sind produktbezogen, d. h. beschränken den Handel einer Ware aufgrund ihrer Eigenschaften. Nur vereinzelt finden sich MEAs, die nichtproduktbezogene Handelsregelungen enthalten. Als Beispiele sollen das Montrealer Protokoll und die Wellington-Konvention vorgestellt werden. aa) Das Montrealer Protokoll Das im Rahmen der Wiener Konvention über den Schutz der Ozonschicht im Jahr 1987 angenommene Montrealer Protokoll über Stoffe, die zu einem Abbau der Ozonschicht führen 256 , enthält in seinem Art. 4 Abs. 4 eine bedingte Verpflichtung zum Erlass bestimmter nichtproduktbezogener Handelsrnaßnahmen: "Within five years of the entry into force of this Protocol, the Parties shall determine the feasibility of banning or restricting, from States not party to this Protocol, the import 0/ products produced with, but not containing, controlled substances. If determined feasible, the Parties shall, following the procedures in Article 10 of the Convention, elaborate in an annex a list of such products. Parties that have not objected to it in accordance with those procedures shall ban or restrict, within one year of the annex having become effective, the import ofthose products from any State not party to this Protocol."257

Danach sind die Vertragsstaaten gehalten, den Einsatz von Importbeschränkungen gegenüber Produkten aus Nichtvertragsstaaten, in deren Produktionsprozess zwar ozonschichtschädigende Substanzen verwendet worden sind, die aber selbst keine ozonschichtschädigenden Substanzen enthalten, zu erwägen. Hierbei handelt es sich um nichtproduktbezogene Importbeschränkungen. Die in Art. 4 Abs. 4 des Montrealer Protokolls vorgesehene Entscheidung über die Durchführbarkeit dieser Importbeschränkungen ist bisher jedoch negativ ausgefallen?58 Daher ist die vorgesehene Verpflichtung zur Verhängung der nichtproduktbezogenen Importbeschränkungen noch nicht wirksam geworden. Durch eine entsprechende Entscheidung könnten die Vertragsstaaten die Verpflichtung jedoch jederzeit aufleben lassen. bb) Die Wellington-Konvention Die Konvention zum Verbot des Schleppnetzfischens (sog. Wellington-Konvention)259 vom 24. November 1989 enthält eine Empfehlung und Ermächtigung zum 256 Vgl. hierzu Lang, in: Wolfrum (ed.), S. 265 ff.; Van Slooten, in: OECD (ed.), S. 87 ff.; Rutgeerts, JWT 33, Nr. 4 (1999), S. 61 ff. 257 Hervorhebung durch den Verfasser. 258 Vgl. Rutgeerts, JWT 33, Nr. 4 (1999), S. 70. 259 Vgl. hierzu Hewison, in: OECD (ed.), S. 59 ff.

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Erlass bestimmter nichtproduktbezogener Handelsmaßnahmen. Ihr Art. 3 ("Measures Against Drifnet Fishing Activities") verpflichtet die Vertragsparteien u. a. dazu, die Verwendung von Schleppnetzen innerhalb ihrer Hoheitsgewässer zu untersagen. Zusätzlich werden die Staaten in Art. 3 Abs. 2 lit. c der Konvention ausdrücklich ermutigt, die Einfuhr von Fisch zu untersagen, der mit Hilfe von Schleppnetzen gefangen worden ist. Art. 3 der Wellington-Konvention lautet: ,,( 1) Each Party undertakes: (a) not to assist or encourage the use of driftnets within the Convention Area; and (b) to take measures consistent with intemationallaw to restrict driftnet fishing activities within the Convention Area, including but not limited to: (i) prohibiting the use of driftnets within areas under its fisheries jurisdiction; and (ii) prohibiting the transshipment of driftnet catches within areas under its jurisdiction.

(2) Each Party mayaiso take measures consistent with intemationallaw to: (a) prohibit the landing of driftnet catches within its territory; (b) prohibit the processing of driftnet catches in facilities under its jurisdiction; (c) prohibit the importation of any fish or fish product, whether processed or not, which was caught using a driftnet; (d) restrict port access and port servicing facilities for driftnet fishing vessels; and (e) prohibit the possession of driftnets on board any fishing vessel within areas under its fisheries jurisdiction. (3) Nothing in this Convention shall prevent a Party from taking measures against driftnet fishing activities which are stricter than those required by the Convention."

b) Die Antwon des CTE Auch das CTE der WTO ist von den Ministern in ihrem Beschluss zu Handel und Umwelt260 ausdrücklich mit der Frage des Verhältnisses zwischen MEAs und den WTO-Übereinkommen betraut worden?61 In seinem ersten und bisher aussagekräftigsten Bericht aus dem Jahr 1996 an die Ministerkonferenz in Singapur nimmt das CTE hierzu ausführlich Stellung?62 "The CTE recognizes that the evolving relationship between MEAs and the multilateral trading system is complex and that different questions may emerge. In this respect, the following points have been noted in the course of discussions in the CTE: 260 Decision on Trade and Environment; englischer Text in WTO (ed.), The Results of the Uruguay Round, S. 469 ff.; deutscher Text bei Benedek (Hrsg.), Die Welthandelsorganisation, S. 563 ff. 261 Siehe oben im zweiten Teil A.lV.2. 262 WTO Dok., Report (1996) of the Committee on Trade and Environment, WT I CTE /l, vom 12. November 1996, para. 174 ff.

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2. Teil: Maßgebliche Grundwerte der Welthandelsordnung

(i) Trade measures have been inc1uded in a relatively small number of MEAs. There is no c1ear indication for the time being of when or how they may be needed or used in the future. Up to now, there has been no GATT or WTO dispute concerning trade measures applied pursuant to an MEA. (ii) A range of provisions in the WTO can accommodate the use of trade-related measures needed for environmental purposes, inc1uding measures taken pursuant to MEAs. That inc1udes the defined scope provided by the relevant criteria of the ,General Exceptions' provisions of GATT Artic1e XX. This accommodation is valuable and it is important that it be preserved by all. [ ... ] (iv) In practice, in cases where there is a consensus among Parties to an MEA to apply among themselves specifically mandated trade measures, disputes between them over the use of such measures are unlikely to occur in the WTO. (v) In the negotiation of a future MEA, particular care should be taken over how trade measures may be considered for application to non-parties. [ ... ],,263

Insgesamt beurteilt das CTE das Verhältnis zwischen MEAs, die Handelsrnaßnahmen als Durchsetzungsmittel vorsehen, und den WTO-Übereinkommen als weitgehend unproblematisch. Jedenfalls wird nicht automatisch ein Konflikt zwischen den jeweiligen Vorschriften angenommen. Zur Begründung verweist das CTE zunächst auf die geringe Anzahl von MEAs mit handelsrelevanten Vorschriften und stellt fest, dass es hierüber bisher zu keinem Handelsstreit gekommen ist. Zudem böten die bestehenden Vorschriften der WTO-Übereinkommen breiten Raum zur Berücksichtigung der Umweltbelange. Überhaupt sei ein Handelsstreit zwischen den Vertrags parteien eines MEA über die dort vorgesehenen Handelsrnaßnahmen unwahrscheinlich. Als einziges schwerwiegenderes Problem werden schließlich im Verhältnis zu Nichtvertragsparteien eines MEA vorgesehene Handeisbeschränkungen betrachtet. Wegen tiefgreifender Meinungsverschiedenheiten sah sich das CTE zur Abgabe konkreter Empfehlungen jedoch außer Stande?64 Auch in den jüngeren Berichten des CTE hat sich an dieser Lage nichts geändert. Regelmäßig heißt es: ,,[T]he CTE will continue to deepen the analysis of all items on the work programme. ,,265 c) Die Frage des Vorrangs

Grundsätzlich stehen sich MEAs und die WTO-Übereinkommen gleichberechtigt gegenüber. 266 Es handelt sich um verschiedene, voneinander unabhängige völ263 WTO Dok., Report (1996) ofthe Committee on Trade and Environment, WT ICTE/l, vom 12. November 1996, para. 174. 264 WTO Dok., Report (1996) of the Committee on Trade and Environment, WT I CTE 11, vom 12. November 1996, para. 176. 265 WTO Dok., Report (2000) of the Committee on Trade and Environment, WT I CTE 15, vom 30. Oktober 2000, Annex, para. 1. 266 Schoenbaum, AJIL 86 (1992), S. 719; Beyerlin, Umweltvölkerrecht, Rn. 646.

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kerrechtliche Vertragsregimes. 267 Dieses berührungslose Nebeneinander gilt für WTO-Mitglieder, die nicht auch Vertragspartei eines betreffenden MEAs sind bzw. für die Vertragsparteien eines MEAs, die nicht auch WTO-Mitglieder sind, in jedem Fall. Auch im Verhältnis zwischen einem Staat, der Mitglied beider Vertragsregimes ist, und einem anderen Staat, der nur einem Vertragsregime angehört, bestimmen sich die gegenseitigen Rechte und Pflichten allein aus dem Vertrag, dem beide Staaten als Vertragsparteien angehören. Eine Rangfrage stellt sich insoweit gar nicht. 268 Dies ergibt sich aus dem allgemeinen Rechtsgrundsatz pacta tertiis nec nocent nec prosunt 269 und findet sich zugleich bestätigt in Art. 30 Abs. 4 lit. b WVRK. Allein im Verhältnis zwischen Vertrags parteien beider Rechtsregimes stellt sich demnach die Frage nach dem Zusammenspiel zwischen den Vorschriften eines MEA und den WTO-Übereinkommen. Sieht ein MEA Handelsrnaßnahmen vor, liegt ein potentieller Konflikt mit den WTO-Übereinkommen auf der Hand. Existieren keine gewillkürten Konkurrenzregeln, was regelmäßig der Fall sein dürfte, stellt sich die Frage der Anwendbarkeit der allgemeinen Regeln des Völkerrechts. 27o Zur Begründung eines Anwendungsvorrangs 271 für die eine wie die andere Seite werden häufig die allgemeinen Konfliktregeln der lex posterior und der lex specialis herangezogen?n Ferner werden MEAs mitunter als eine nachträgliche Modifizierung des Welthandelsrechts in Form sog. Inter-se-Abmachungen nach Art. 41 WVRK begriffen und ihnen aus diesem Grunde Priorität eingeräumt. 273

Allgemein hierzu Reuter; Introduction to the Law of Treaties, S. 130. Ebenso Leirer; Rechtliche Grundfragen, S. 75 f. 269 Vgl. Sinclair; The Vienna Convention, S. 98 ff. 270 Die allgemeinen Konkurrenzregeln des Völkerrechts sind dispositiver Natur und kommen daher nur zur Anwendung, wenn keine vertraglichen Vorrangregeln festgeschrieben sind; vgl. Sinclair; The Vienna Convention, S. 97; Leirer; Rechtliche Grundfragen, S. 60. 271 Die Frage der im Konfliktfall aus der Anwendung einer Konfliktregel erwachsenden Rechtsfolge für die unvereinbaren Vorschriften der betreffenden völkerrechtlichen Verträge wird im Schrifttum uneinheitlich beantwortet. Es stehen sich die Ansätze der Nichtigkeit der nachrangigen Vorschrift und des Anwendungsvorrangs der vorrangigen Vorschrift gegenüber. Im Folgenden wird der Ansicht gefolgt, die einen Anwendungsvorrang der vorrangigen Norm annimmt. Im Vergleich zur Nichtigkeit handelt es sich um das flexiblere Konzept. Hierzu Zuleeg. GYIL 20 (1977), S. 248 ff. 272 In diesem Sinne Palmeter/Mavroidis. AJIL 92 (1998), S. 412; Beyerlin. Umweltvölkerrecht, Rn. 649; vgl. ferner Hudec. in: Wolfrum (ed.), S. 140 ff. 273 Auf die Möglichkeit der Erteilung eines waivers nach Art. IX.3 bis IX.5 des WTOÜbereinkommens sei an dieser Stelle lediglich hingewiesen; vgl. hierzu Sampson. The World Economy 24 (2001), S. 1121 f. 267 268

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2. Teil: Maßgebliche Grundwerte der Welthandelsordnung

aa) Die Konfliktregeln der lex specialis und der lex posterior ( 1) Vorliegen eines Konflikts

Die Anwendung der allgemeinen Konfliktregeln setzt zunächst einen Konflikt zwischen den Vorschriften eines MEAs und eines WTO-Übereinkommens voraus. Dabei ist ein Normkonflikt nur unter engen Voraussetzungen anzuerkennen. So genügt etwa nicht schon die bloße Unterschiedlichkeit zweier Vorschriften?74 Die Anwendung der einen Vorschrift auf einen bestimmten Lebenssachverhalt muss vielmehr die Anwendung der anderen Vorschrift auch unter Zuhilfenahme aller zur Verfügung stehenden Auslegungsmittel vollständig ausschließen.275 Auch im Rahmen des Welthandelsrecht legen die Streitbeilegungsorgane einen engen Begriff des Normkonflikts zu Grunde?76 Hinsichtlich des Verhältnisses besonderer Vorschriften über die Streitbeilegung zu den Vorschriften des DSU führte der Appellate Body im Fall Guatemala - Cement etwa aus: ,,[A] special or additional provision should only be found to prevail over a provision of the DSU in a situation where adherence to the one provision will lead to a violation of the other provision, that is, in the case of a conflict between them.,,277

Noch deutlicher bezog das Panel im Fall Indonesia - Automobiles zum Verhältnis des Übereinkommens über Subventionen und Ausgleichsrnaßnahmen (SeM Agreement) zu den Vorschriften des GATT' 1994 Stellung: ,,[T]he obligations of the SCM Agreement and Article III:2 are not mutually exclusive. It is possible for Indonesia to respect its obligations under the SCM Agreement without violating Article III:2.,,278

Danach liegt ein Normkonflikt nur dann vor, wenn zwei Vorschriften auch nach erfolgter Auslegung als sich gegenseitig ausschließend (..mutually exclusive") angesehen werden müssen.279 Ein Normkonflikt ist daher schon ganz allgemein nur unter engen Voraussetzungen anzuerkennen. Gerade aber in den vom Konzept der nachhaltigen Entwicklung umfassten Rechtsbereichen des Umwelt- und Wirtschaftsvölkerrechts erscheint die Annahme eines unauflösbaren Normkonflikts nachgerade als systemfremd. 280 Dies gilt in Reinform erst für die Ausarbeitung neuer Vorschriften unter Führung des Gedankens der Nachhaltigkeit. Entsprechend der integrativen Ausrichtung des Sinclair; The Vienna Convention, S. 97. Vierdag, BYIL 59 (1988), S. 91; Marceau, JWT 35, Nr. 6 (2001), S. 1084; vgl. auch Leirer; Rechtliche Grundfragen, S. 47. 276 Vgl. Montaguti/Lugard, HEL 3 (2000), S. 475 ff. 277 Appellate Body Report, GuatelMla - Cement, para. 65. 278 Panel Report, Indonesia - Automobiles, para. 14.99. 279 So auch Marceau, JWT 35, Nr. 6 (2001), S. 1084 ff. 280 In diese Richtung weist auch Sands, Max Planck UNYB 3 (1999), S. 404. 274 275

C. Das Konzept der nachhaltigen Entwicklung

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Konzepts der nachhaltigen Entwicklung soll nämlich schon bei der Formulierung der Vorschriften in den umfassten Rechtsbereichen den Funktionsbedingungen der im Zusammenhang stehenden anderen Rechtsbereichen Rechnung getragen werden. Das Auftreten von Normkonflikten dürfte daher schon bei der Ausarbeitung neuer Vorschriften weitgehend ausgeschlossen werden?81 Ein Beispiel hierfür bietet das Cartagena Protocol on Biosafety. In seiner Präambel sind folgende Erwägungen niedergelegt: "Recognizing that trade and environment agreements should be mutually supportive with a view to achieving sustainable development, Emphasizing that this Protocol shall not be interpreted as implying a change in the rights and obligations of a Party under any existing international agreements, Understanding that the above recital is not intended to subordinate this Protocol to other international agreements."

Dieser Abschnitt enthält gerade keine klare Konfliktregelung, sondern wird von der Grundansicht getragen, dass die handelsrelevanten Regelungen des Protokolls mit der Welthandelsordnung übereinstimmen. 282 Die Übereinkommen sollen demnach gleichberechtigt nebeneinander stehen. Schwieriger gestaltet sich die Harmonisierung bereits vor der allgemeinen Anerkennung des Konzepts der nachhaltigen Entwicklung in Geltung gesetzter MEAs mit den WTO-Übereinkommen. In diesen Fällen kann nicht schon von der Berücksichtigung der welthandelsrechtlichen Vorgaben bei der Ausarbeitung der handelsrelevanten Vorschriften eines MEAs ausgegangen werden. Doch auch hier führt das Konzept der nachhaltigen Entwicklung zu einem "change of paradigm within the applicable but already firmly established various fields of law..283 . Das Postulat der Integration der vom Konzept der nachhaltigen Entwicklung umfassten Rechtsbereiche enthält einen Auftrag zur harmonisierenden Auslegung der konkurrierenden Vorschriften, der weit über das allgemein im Völkerrecht anerkannte Gebot der harmonisierenden Auslegung hinausgeht. Schon danach sind völkerrechtliche Verträge grundsätzlich in einer Weise auszulegen, die sie miteinander in Einklang bringt. Ein Normkonflikt, der mit Kollisionsregeln aufzulösen wäre, entsteht dann erst gar nicht. 284 Diese Überlegungen zum Vorliegen eines Konflikts zwischen handelsrelevanten Regelungen in MEAs und den WTO-Übereinkommen müssen selbstverständlich im Einzelfall unter sorgfältiger Analyse des Wortlauts der betreffenden Vorschriften angestellt werden. Es bleibt jedoch bei der grundsätzlichen Annahme der konfliktlosen und gleichberechtigten Geltung der MEAs auf der einen Seite und der WTO-Übereinkommen auf der anderen. 281 282 283 284

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Puth

So auch Eggers / Mackenzie, JIEL 3 (2000), S. 534. Kritisch Phi/Ups / Kerr; JWT 34, Nr. 4 (2000), S. 66. Schräder; Sustainable Development and Law, S. 13. Vgl. Zuleeg, GYIL 20 (1977), S. 271 ff.

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2. Teil: Maßgebliche Grundwerte der Welthandelsordnung

(2) Die Lex-posterior-Regel Neben der grundsätzlichen Annahme eines gedeihlichen Nebeneinanders von MEAs und den WTO-Übereinkommen stehen der Anwendung der Konfliktregeln weitere tiefgreifende Bedenken gegenüber. Dies gilt zunächst für die Lex-posterior-Regel, die in Art. 30 Abs. 3 und 4 WVRK Ausdruck gefunden hat. Nach dem Grundsatz lex posterior derogat legi priori findet bei zeitlich aufeinander folgenden völkerrechtlichen Verträgen über denselben Gegenstand der frühere Vertrag nur insoweit Anwendung, als er mit dem späteren Vertrag vereinbar ist. 285 Im Folgenden sollen lediglich zwei Fragestellungen untersucht werden, das zeitliche Verhältnis zwischen den WTO-Übereinkommen und MEAs sowie deren jeweiliger Regelungsgegenstand. (a) Das zeitliche Aufeinanderfolgen Die Anwendung der Lex-posterior-Regel setzt das zeitliche Aufeinanderfolgen zweier völkerrechtlicher Verträge voraus. Der relevante Zeitpunkt zur Bestimmung des früheren und späteren Vertrags ist dabei derjenige der Annahme des Vertragstexts und nicht des Inkrafttretens der Verträge. 286 Schon die Annahme des späteren Vertrags drückt die geänderte Intention der Vertragsparteien aus. Zu unterscheiden ist hiervon der Eintritt der Rechtswirkungen des Art. 30 WVRK. Diese setzen erst mit dem Inkrafttreten der fraglichen Verträge ein, da sich vorher die Frage der Anwendbarkeit einer vertraglichen Bestimmung gar nicht stellt. 287 Die umfassende Anwendung der Lex-posterior-Regel zur Begründung eines Anwendungsvorrangs von handelsrelevanten Vorschriften in MEAs vor dem Welthandelsrecht scheitert schon an der Gründung der WTO und der Überführung des GAIT-acquis in diesen neuen Rahmen. Wahrend noch unter dem GAIT 1947 mit dem Hinweis auf die Lex-posterior-Regel alle späteren Umweltschutzübereinkommen als dem GAIT im Konfliktfall vorrangig eingestuft werden konnten 288 , änderte sich dies schlagartig mit dem Inkrafttreten der WTO-Übereinkommen im Jahre 1995,z89 Zwar stehen das GAIT 1994 wie die WTO insgesamt in weitgehender Kontinuität zum GAIT 1947. Doch betont Art. 11:4 des WTO-Übereinkommens ausdrücklich ihre rechtliche Unterschiedlichkeit. 29o Das zeitliche Verhältnis der 285 Sinclair; The Vienna Convention, S. 96; Heintschel von Heinegg, Die völkerrechtlichen Verträge, in: Ipsen, S. 131. 286 Zuleeg, GYIL 20 (1977), S. 256; Vierdag, BYIL 59 (1988), S. 94; vgl. auch Hilf, NVwZ 2000, S. 481. 287 Sinclair; The Vienna Convention, S. 98. 288 Palmeter; JWT 27, Nr. 3 (1993), S. 60. 289 Van Calster; International and EU Trade Law, S. 136. 290 Dies übersieht Moncayo von Hase, Umweltschutz im internationalen und regionalen Freihandel, S. 63, der die zeitliche Nachfolge eines zwischen 1947 und 1994 geschlossenen Umweltschutzübereinkommens zum GATI 1947 auf das Verhältnis zum GATI 1994 übertragen will.

C. Das Konzept der nachhaltigen Entwicklung

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Welthandelsordnung zu so wichtigen MEAs wie dem Washingtoner Artenschutzübereinkommen aus dem Jahr 1973 und dem Baseler Übereinkommen aus dem Jahr 1989 hat sich somit umgedreht. Auf der Grundlage dieser historischen Zufalligkeit jedoch einen Anwendungsvorrang für die WTO-Übereinkommen anzunehmen, erscheint unangemessen?91 Auch sonst stellt die in den internationalen Umweltschutzbestrebungen zu beobachtende Tendenz zum vorherigen Abschluss von Rahmenkonventionen, die erst nach und nach mittels spezieller Protokolle ausgefüllt werden, die Anwendung der Lex-posterior-Regel vor unüberwindbare Schwierigkeiten. Als Beispiel mag die Rahmenkonvention der Vereinten Nationen zum Klimaschutz (UNFCCC) aus dem Jahr 1992 samt des Kyoto-Protokolls aus dem Jahr 1997 dienen. Sind beide Instrumente getrennt oder als Einheit zu betrachten? Je nach der Beantwortung dieser Frage ergeben sich als relevante Zeitpunkte 1992 oder 1997, einmal den WTOÜbereinkommen zeitlich vorgelagert, das andere Mal zeitlich nachgelagert. (b) Identischer Regelungsgegenstand Die Lex-posterior-Regel des Art. 30 Abs. 3 und 4 WVRK gilt nach Art. 30 Abs. 1 WVRK nur für Verträge über denselben Gegenstand. Unter welchen Voraussetzungen von einem identischen Regelungsgegenstand gesprochen werden kann, ist jedoch unklar. Insgesamt handelt es sich um eine Wertung im Einzelfall auf der Grundlage der durch Auslegung ermittelten Intention der Vertragsparteien. 292 Es ist demnach zu fragen, ob sich die Vertragsparteien mit dem späteren Vertrag über den früheren hinwegsetzen wollten oder nicht. Im Ansatz besteht Einigkeit dahingehend, dass der Begriff "relating to the same subject-matter" eng auszulegen ist. Er umfasst nicht die Fälle, in denen ein allgemeiner Vertrag indirekt den Inhalt speziellerer Vorschriften eines früheren Vertrags beeinträchtigt. 293 Hier verläuft die Trennungslinie zur Lex-specialis-Regel. Die Maxime lex specialis derogat legi generali hat als solche zwar keinen eigenständigen Ausdruck in der WVRK erhalten, sie wird im Völkerrecht jedoch allgemein als verbindlich anerkannt. 294 Im Ansatz geht danach bei der Anwendung zweier unterschiedlicher Vorschriften aus verschiedenen völkerrechtlichen Verträgen auf einen Sachverhalt die speziellere Norm der allgemeineren vor. Um die Anwendung der Lex-specialis-Regel nicht durch Art. 30 Abs. 3 und 4 WVRK auszuschließen, bedarf es zur Annahme eines identischen Regelungsgegenstands im Sinne des Art. 30 Abs. I WVRK eines vergleichbaren Grads an Konkretheit der 291 So auch Hilf, NVwZ 2000, S. 481; vgl. ferner Altemöller, Handel und Umwelt, S. 42 f. 292 Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, S. 502; Reuter, Introduction to the Law of Treaties, S. 132. 293 Sinclair, The Vienna Convention, S. 98. 294 Vgl. statt aller Sinclair, The Vienna Convention, S. 96; Marceau, JWT 35, Nr. 6 (2001), S.1092.

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2. Teil: Maßgebliche Grundwerte der Welthandelsordnung

konkurrierenden Vorschriften?95 Nur dann ist die Lex-posterior-Regel überhaupt anwendbar. Hinsichtlich des Regelungsgegenstandes von MEAs auf der einen und den WTOÜbereinkommen auf der anderen Seite ist ungeachtet der jeweiligen Ausprägungen in den einzelnen Vorschriften grundsätzlich festzuhalten, dass jene dem Umweltschutz dienen und diesbezügliche Rechte und Pflichten begründen, während diese eine Handelsordnung begründen und entsprechende Freihandelsverpflichtungen formulieren. Dementsprechend enthalten MEAs handelsrelevante Vorschriften in der Regel allenfalls zur Durchsetzung der aufgestellten Verpflichtungen. Die WTOÜbereinkommen anerkennen hingegen die Belange des Umweltschutzes allein im Rahmen der den Freihandelsverpflichtungen gegenüberstehenden Ausnahmevorschriften. Die Bezugnahme auf die jeweils die eigentlichen Sachverpflichtungen ergänzenden Materien erfolgt in den MEAs wie den WTO-Übereinkommen meist nur in allgemeiner und wenig differenzierter Form. Unabhängig davon, ob man also den Handel oder den Umweltschutz als gemeinsamen Regelungsgegenstand betrachtet, weisen die einschlägigen Vorschriften der MEAs wie der WTO-Übereinkommen einen unterschiedlichen Grad an Konkretheit auf. Einmal finden sich detaillierte Umweltvorschriften mit allgemeinen Vorgaben für den internationalen Handel. Im anderen Fall finden sich detaillierte Handelsregelungen mit bloß genereller Berücksichtigung von Umweltschutzaspekten. Grundsätzlich ist daher im Verhältnis von MEAs und der Welthandelsordnung von einem unterschiedlichen Grad an Konkretheit der konkurrierenden Vorschriften auszugehen. Die Anwendung der Lex-posterior-Regel scheidet mithin auch aus diesem Grund aus. 296 Als typisches Beispiel für die Annahme eines identischen Regelungsgegenstandes zwischen zwei völkerrechtlichen Verträgen und die diesbezügliche Anwendung der Lex-posterior-Regel des Art. 30 Abs. 3 WVRK kann aus dem welthandelsrechtlichen Bereich die Entscheidung des Schiedsrichters nach Art. 22.6 DSU im Fall EC - Honnones angeführt werden. Im Fall hatten die Vereinigten Staaten hinsichtlich des Umfangs der von der EG zugestandenen Zollquoten geltend gemacht, dass ihnen aus einem bilateralen Vertrag mit der EG ein von den allgemeinen Zugeständnissen abweichendes Recht zum Export von insgesamt 11.500 t hochwertigen Rindfleisches zustehe. Unter Hinweis auf den Bericht des Appellate Body im Fall EC - Poultry Products führten die Schiedsrichter aus, dass solche bilateralen Abkommen nicht zum WTO-Recht gehören und daher auch nicht eigenständig im Rahmen des Streitbeilegungsmechanismus der WTO durchgesetzt werden können. Dies schließe jedoch nicht aus, dass die Anwendung entsprechender Abkommen sehr wohl gegen Vorschriften des WTO-Rechts verstößt und aus diesem Grunde im Rahmen eines Streitfalles von Bedeutung sein könne. Im vorliegenden Fall sahen die Schiedsrichter das bilaterale Abkommen jedoch in seiner 295 Zuleeg, GYIL 20 (1977), S. 257; Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, S. 502; Reuter, Introduction to the Law ofTreaties, S. 132 f. 296 A.A. ohne weitere Begründung Leirer, Rechtliche Grundfragen, S. 81.

C. Das Konzept der nachhaltigen Entwicklung

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Anwendung von den multilateralen Zugeständnissen der EG im Rahmen der WTO überlagert. Insoweit komme die Lex-posterior-Regel des Art. 30 Abs. 3 WVRK zur Anwendung. Hierzu führten die Schiedsrichter aus: "Both bilateral agreements were conc1uded before the relevant EC schedules that explicitly allocated the quota to both the US and Canada. Moreover, both bilateral agreements were negotiated in a GATI IWTO context where concessions are normally negotiated first on a bilateral level and the ,multilateralized' through binding schedules. Once this is done, the bilateral agreement, as a result of which the concession is granted, is superseded by the multilateral schedule. Both the bilateral agreements and the relevant parts of the EC schedule deal with the same subject-matter. Considering the GATI IWTO specific circumstances of their conc1usion, the bilateral agreements would appear to be incompatible with the multilateral EC schedule - a quota allocated to only one Member as opposed to a quota allocated to two Members. On these grounds we consider it appropriate to conc1ude that the EC schedule, in accordance with Artic1e 30 of the Vienna Convention on the Law of Treaties, has superseded and prevails over the bilateral agreements ... 297

Anband dieses Beispiels wird deutlich, wie genau die Regelungen zweier konkurrierender völkerrechtlicher Verträge übereinstimmen müssen, um einen identischen Regelungsgegenstand mit dem gleichen Grad an Konkretheit anzunehmen. Zwischen den konkurrierenden Vorschriften eines MEA und den Regelungen der WTO-Übereinkommen ein entsprechendes Verhältnis anzunehmen, scheidet danach offensichtlich aus.

(3) Die Lex-specialis-Regel Obgleich das Verhältnis zwischen MEAs und den WTO-Übereinkommen demnach strukturell eher ein solches der Spezialität ist und nicht der Anwendung aufeinanderfolgender Verträge über denselben Regelungsgegenstand, begegnet auch die Anwendung der Lex-specialis-Regel schwerwiegenden Bedenken. Es bleibt nämlich bei der oben dargelegten Annahme eines konfliktlosen Nebeneinanders der Vorschriften der MEAs und der WTO-Übereinkommen. Auch bei der Anwendung der Lex-specialis-Regel geht es grundsätzlich um die Auslegung der betreffenden völkerrechtlichen Verträge und Vorschriften nach der ausgedrückten Intention der Vertragsparteien?98 Es ist zu ergründen, welchen Stellenwert die Vertragsparteien einer neu aufgestellten Norm im Verhältnis zu anderen Normen innerhalb des betreffenden Regelungsbereichs zugedacht haben. Ist das Verhältnis zwischen den betreffenden Normen danach dergestalt, dass eine Norm einen allgemeinen Grundsatz formuliert und die andere hiervon in einem Spezialfall abweicht, so ist die Lex-specialis-Regel einschlägig. 297 WTO Dok., Decision by the Arbitrators, EC - Measures Conceming Meat and Meat Products (Hormones), Original Complaint by the United States, Recourse to Arbitration by the European Communities under Artic1e 22.6 of the DSU, WT IDS261 ARB, Bericht vom 12. Juli 1999, para. 51. 298 Sinclair, The Vienna Convention, S. 98.

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2. Teil: Maßgebliche Grundwerte der Welthandelsordnung

Für das Verhältnis zwischen MEAs und den WTO-Übereinkommen wird häufig ein Verhältnis der Spezialität attestiert. 299 Die WTO-Übereinkommen enthielten die allgemeinen Handelsregeln, während die handelsrelevanten Vorschriften eines MEA insoweit eine Spezialregelung gerade für Handelsmaßnahmen zu Zwecken des Umweltschutzes enthielten. Diese Verteilung der Attribute "allgemein" und "speziell" ist jedoch keineswegs zwingend. So könnte etwa genau entgegengesetzt argumentiert werden, dass hinsichtlich Sachverhalten des internationalen Handels das Welthandelsrecht naturgemäß die spezielleren Regelungen bietet und nicht andere Rechtsbereiche wie etwa das Umweltvölkerrecht. Im Ergebnis ist damit keinesfalls klar, welche Vorschriften welchen Rechtsbereichs als speziellere Regelungen eines Sachverhalts zu begreifen sind?lO Auch lassen sich der zwischenstaatlichen Praxis bei der Aushandlung von MEAs zahlreiche Beispiele entnehmen, in denen die Vertragsparteien die Kompatibilität zwischen handelsrelevanten Umweltschutzvorschriften und den WTO-Übereinkommen zwar nicht ausdrücklich in den Verträgen festgeschrieben haben, diese aber gleichwohl von der Übereinstimmung der Vorschriften überzeugt waren. 30l Daher scheidet auch die Anwendung der Lex-specialis-Regel im Verhältnis zwischen multilateralen Umweltschutzübereinkommen und den WTO-Übereinkommen grundsätzlich aus. bb) Inter-se-Abmachungen Mitunter werden MEAs im Verhältnis zwischen den teilnehmenden WTOMitgliedern auch als spezielle Inter-se-Abmachungen begriffen?02 Unter einer Inter-se-Abmachung ist die nachträgliche Modifizierung eines multilateralen völkerrechtlichen Vertrags im Verhältnis zwischen einzelnen Vertragsparteien, d. h. in kleinerem Teilnehmerkreis zu verstehen. 303 Die einzelnen Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen einer Inter-se-Abmachung sind in Art. 41 WVRK niedergelegt. Zunächst hat die Einstufung von MEAs als Inter-se-Abmachungen genau wie die Anwendung der Lex-posterior-Regel durch die Gründung der WTO im Jahr 1995 an Relevanz verloren. Ohne besonderen Begründungsaufwand kommen nunmehr allein die nach diesem Zeitpunkt angenommenen MEAs als Modifizierungen der WTO-Übereinkommen in Betracht. Darüber hinaus erscheint die Figur der Inter-se-Abmachung aber insgesamt unpassend zur Beschreibung des Verhältnisses zwischen den WTO-Übereinkommen und MEAs. Schließlich bedeutet der Ab299 Vgl. Hohmann, RIW 2000, S. 96 f.; Hudec, in: Bhagwati/Hudec (eds.), S. 121; Moncayo von Hase, Umweltschutz im internationalen und regionalen Freihandel, S. 63; Kux, in: ThÜTer/Kux (Hrsg.), S. 289; Ginzky, ZUR 1997, S. 131. 300 Ebenso Hilf, NVwZ 2000, S. 481; Van Calster; International and EU Trade Law, S. 137. 301 Vgl. Petersmann, International and European Trade and Environmental Law, S. 41. 302 Mavroidis, JWT 34, Nr. 1 (2000), S. 77; Petersmann, International and European Trade and Environmental Law, S. 41; Düerkop, CML Rev. 31 (1994), S. 840. 303 Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, S. 508.

C. Das Konzept der nachhaltigen Entwicklung

167

schluss eines Umweltschutzvertrages nicht eine Modifizierung der Handelsordnung. Es werden vielmehr eigenständige umweltbezogene Rechte und Pflichten der Vertragsstaaten niedergelegt. 304 Etwaige handelsrelevante Vorschriften haben im Vergleich hierzu lediglich dienende Funktion. Sie beinhalten zwar eine HandeIsregelung, machen damit aber nicht schon den ganzen MEA zu einer welthandelsrechtlichen Modifizierung. Sie bieten lediglich das Instrumentarium zur Durchsetzung der umweltbezogenen Verpflichtungen. MEAs mit handelsrelevanten Vorschriften modifizieren somit nicht die bestehende Handelsordnung, sondern setzen ein eigenständiges Rechtsregime in Geltung. d) Ergebnis

Zwischen MEAs, die zur Durchsetzung ihrer Ziele eine positive Handelsregelung vorsehen, und den WTO-Übereinkommen bestehen sachliche Überschneidungen. Die weitverbreitete Annahme eines Konflikts zwischen beiden Vertragsregimes ist vor dem Hintergrund des Konzepts der nachhaltigen Entwicklung grundsätzlich abzulehnen. Ferner begegnet auch die weitere Anwendung der Konfliktregeln der lex posterior und lex specialis tiefgreifenden Bedenken. Schließlich vermag die Einstufung der betreffenden MEAs als Inter-se-Abmachungen zwischen einem Teil der WTO-Mitglieder nicht zu überzeugen. Die MEAs setzen eigenständige umweltschutzbezogene Regelungen in Geltung und dienen nicht einer Modifizierung der allgemeinen welthandelsrechtlichen Pflichten im kleineren Kreis. Es bleibt danach bei der völkerrechtlichen Ausgangslage, dem grundsätzlichen Nebeneinander der MEAs und der WTO-Übereinkommen. Allein dieses Ergebnis ist mit dem integrativen Konzept der nachhaltigen Entwicklung zu vereinbaren. Wie das CTE zutreffend hervorgehoben hat, bieten auf Seiten der Welthandelsordnung insbesondere die allgemeinen Ausnahmevorschriften der Übereinkommen breiten Raum zur Berücksichtigung der in MEAs vorgesehenen HandeIsmaßnahmen.

VI. Zusammenfassung des Arguments der nachhaltigen Entwicklung Das Konzept der nachhaltigen Entwicklung hat in der Präambel des WTOÜbereinkommens als einer der Grundwerte der Welthandelsordnung Anerkennung gefunden. Es leitet dementsprechend die Auslegung des GATI 1994 und der anderen WTO-Übereinkommen. Für die vorliegend zu untersuchenden nichtproduktbezogenen TREMs ergeben sich hieraus weitgehende Policy- Vorgaben. 304 Hierauf weisen im Zusammenhang der Lex-specialis-Regel hin Trebilcock/Howse, The Regulation of International Trade, S. 429.

168

2. Teil: Maßgebliche Grundwerte der Welthandelsordnung

Zunächst verbindet das Konzept der nachhaltigen Entwicklung die umfassten Bereiche des Umwelt-, Wirtschafts- und Entwicklungsvölkerrechts zu einer Einheit. Hiermit geht ein Paradigmenwechsel in den betreffenden Rechtsgebieten einher: Weg von der isolierten, hin zur abgestimmten Anwendung der jeweiligen Regeln. Letztlich ergibt sich schon hieraus die Vorgabe einer harmonisierenden Auslegung von Umweltschutzübereinkommen und den WTO-Übereinkommen, die im Ergebnis eine starke Vermutung für das grundsätzlich konfliktlose Nebeneinander beider Rechtsbereiche begründet. Dem internationalen Handel kommt im Konzept der nachhaltigen Entwicklung eine Schlüsselstellung zu. So wird eine stabile und dem Ideal des Feihandels verpflichtete multilaterale Handelsordnung als Grundvoraussetzung jeder wirtschaftlichen Entwicklung wie auch des internationalen Umweltschutzes anerkannt. Gleichzeitig wird jedoch nicht ausgeschlossen, dass unter bestimmten, nicht näher spezifizierten Umständen auch das Ergreifen von handelbeschränkenden Maßnahmen notwendig sein kann, um eine nachhaltige Entwicklung zu fördern. Dabei ist dem Konzept der nachhaltigen Entwicklung eine Unterscheidung nach produktbezogenen und nichtproduktbezogenen Handelsmaßnahmen fremd. Sowohl produktionsseitige als auch verbrauchsseitige Umweltbelastungen werden gleichberechtigt als relevante Ursachen internationaler Umweltprobleme und als mögliche Begründung auch für Handelsmaßnahmen anerkannt. Stattdessen legt das Konzept der nachhaltigen Entwicklung das Hauptaugenmerk auf die Belegenheit der geschützten Umweltgüter bzw. der bekämpften Umweltprobleme. Zum Schutz rein nationaler Umweltgüter vor lokalen Umweltbelastungen ist danach der Staat der Belegenheit grundsätzlich ausschließlich zuständig. Eine Zuständigkeit anderer Staaten kann in diesem Fall nur durch die Zustimmung des Staates der Belegenheit begründet werden. Hinsichtlich internationaler Umweltgüter bzw. internationaler Umweltprobleme besteht eine gemeinsame Zuständigkeit aller betroffenen Staaten, hinsichtlich globaler Umweltgüter sogar aller Staaten. Dies folgt u. a. aus dem (Teil-)Grundsatz der gemeinsame Verantwortung der Staaten (common responsibilities). Insoweit anerkennt das Konzept der nachhaltigen Entwicklung ein Interesse aller beteiligten Staaten an der Erhaltung der Nutzbarkeit der betreffenden Umweltgüter, nicht jedoch an ihrem Schutz als solche. Bei der Wahrnehmung ihrer gemeinsamen Interessen sind die Staaten zur Kooperation verpflichtet. Dies ergibt sich schon aus der tatsächlichen Unteilbarkeit der betreffenden internationalen und globalen Umwe1tgüter, ist im Übrigen aber im Konzept der nachhaltigen Entwicklung auch ausdrücklich niedergelegt. Die Kooperationspflicht besteht als Verhaltenspflicht, wonach der zum Umweltschutz entschlossene Staat verpflichtet ist, nach Treu und Glauben alle im Einzelfall erforderlichen Kooperationsbemühungen mit allen anderen betroffenen Staaten zu unternehmen. Der Inhalt der Kooperationspflicht wird weiter durch den (Teil-)Grundsatz der differenzierten Verantwortlichkeit der Staaten (differentiated responsibilities) bestimmt. Danach sind die Kooperationsanforderungen nach den

D. Ergebnisse des zweiten Teils

169

unterschiedlichen Verschmutzungsbeiträgen und den zur Beseitigung der Umweltbelastungen zur Verfügung stehenden technischen und finanziellen Mitteln der betreffenden Staaten auszurichten. Sind alle Kooperationsanforderungen im Einzelfall erfüllt, ohne dass es zu einer Einigung gekommen ist, bleibt unilaterales Vorgehen möglich. Das Konzept der nachhaltigen Entwicklung verpflichtet den handelnden Staat dabei lediglich auf die Grundsätze der Nichtdiskriminierung, der Erforderlichkeit, der Transparenz und der Berücksichtigung der besonderen Umstände von Entwicklungsländern. Insgesamt enthält das Konzept der nachhaltigen Entwicklung eine differenzierte Regelung für das Ergreifen umweltschutzpolitisch motivierter Handelsmaßnahmen. Der von der Produkt-Prozess-Doktrin postulierte Gegensatz produktbezogener und nichtproduktbezogener Handelsmaßnahmen wird nicht nachvollzogen und insbesondere die Argumente der "Extraterritorialität" und des Unilateralismus werden weitgehend relativiert.

D. Ergebnisse des zweiten Teils Die generelle "Ächtung" nichtproduktbezogener Handelsmaßnahmen zum Umweltschutz nach der Produkt-Prozess-Doktrin ist mit den erörterten Grundwerten der WTO, dem Streben nach materieller Wohlfahrt und nachhaltiger Entwicklung, nicht vereinbar. Die wohlfahrtsökonomische Analyse hat die in der Diskussion um nichtproduktbezogene Handelsmaßnahmen zum Umweltschutz verbreiteten Argumente der komparativen Kostenvorteile und der Internalisierung internationaler Externalitäten erklärt und weitgehend entkräftet. Danach sind allein nichtproduktbezogene Handelsmaßnahmen des Importstaates, die auf den Schutz der nationalen oder internationalen Umweltgüter anderer Staaten gerichtet sind, als Eingriff in den Mechanismus komparativer Kostenvorteile zu qualifizieren. Nichtproduktbezogene Handelsmaßnahmen des Importstaates zum Schutz seiner eigenen Umwelt vor grenzüberschreitend wirksamen produktions sei ti gen Umweltbelastungen dienen hingegen der Internalisierung internationaler negativer externer Effekte. In diesem Fall sind die Handelsmaßnahmen des Importstaates sogar erforderlich zum Schutz seiner eigenen komparativen Kostenvorteile. Abgesehen von diesen beiden eindeutigen Situationen, in denen die Argumente der komparativen Kostenvorteile und der Internalisierung internationaler Externalitäten einmal gegen und einmal für den Einsatz nichtproduktbezogener Handelsmaßnahmen zum Umweltschutz sprechen, lassen sich der ökonomischen Betrachtung keine eindeutigen Anhaltspunkte entnehmen. Gerade der beim Einsatz nichtproduktbezogener TREMs im Vordergrund stehende Schutz internationaler und globaler Umweltgüter, an denen sowohl der Staat der schädlichen Produktion als auch der handelnde Staat beteiligt sind, ist nach dem derzeitigen Stand des Umweltvölkerrechts mit wohlfahrtsökonomischen Argumenten nicht zu erfassen.

170

2. Teil: Maßgebliche Grundwerte der Welthandelsordnung

Auch dem Konzept der nachhaltigen Entwicklung ist die Unterscheidung zwischen Produkt und Prozess fremd. Produktbezogene wie nichtproduktbezogene Handelsrnaßnahmen zum Umweltschutz werden einer einheitlichen Regelung unterworfen, die primär an der Belegenheit der geschützten Umweltgüter anknüpft. Danach sind allein Handelsrnaßnahmen des Importstaates zum Schutz solcher Umweltgüter, die ausschließlich einem oder mehreren anderen Staaten zustehen, grundsätzlich unzulässig. Insbesondere am Schutz internationaler und globaler Umweltgüter anerkennt das Konzept der nachhaltigen Entwicklung jedoch ein legitimes Interesse des beteiligten Importstaates, das dieser im Einzelfall durchaus auch mittels Handelsrnaßnahmen verfolgen darf. Insoweit formuliert das Konzept der nachhaltigen Entwicklung eine Kooperationspflicht zwischen allen an den betreffenden Umweltgütern beteiligten Staaten. Diese Vorgaben des Konzepts der nachhaltigen Entwicklung betreffen insbesondere die von den Vertretern der Produkt-Prozess-Doktrin vorgetragenen Argumente der "Extraterritorialität" und des Unilateralismus. Das Extraterritorialitätsargument lässt sich danach allenfalls insofern aufrechterhalten, als Handelsrnaßnahmen, die den Schutz von Umweltgütern bezwecken, an denen dem Importstaat kein legitimes Interesse zusteht, grundsätzlich ausgeschlossen sind. Das Argument des Unilateralismus wird dahingehend relativiert, dass auch einseitiges Vorgehen des Importstaates möglich bleibt, jedoch bestimmten Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen unterliegt. Genau wie schon das Argument der komparativen Kostenvorteile fallen damit auch die Argumente der "Extraterritorialität" und des Unilateralismus als Grundlage der Produkt-ProzessDoktrin weitgehend aus.

"WTO roles are reliable, comprehensible and enforceable. WTO roles are not so rigid or so inflexible as not to leave room for reasoned judgements in confronting the endless and ever-changing ebb and flow of real facts in real cases in the real world. They will serve the multilateral trading system best if they are interpreted with that in mind." WTO Appellate Bod/

Dritter Teil

Nichtproduktbezogene Handelsrnaßnahmen zum Umweltschutz im Recht der WTO A. Die Rechtsordnung der WTO Bevor die Stellung nichtproduktbezogener Handelsmaßnahmen zu Zwecken des Umweltschutzes anband der einschlägigen Vorschriften der WTO-Übereinkommen im Einzelnen untersucht wird, ist zunächst das Funktionieren der Rechtsordnung der WTO nachzuzeichnen. Erst hierdurch wird deutlich, auf welchen Ebenen und mit Hilfe welcher Rechtstechniken den im zweiten Teil der vorliegenden Bearbeitung den Grundwerten der Welthandelsordnung entnommenen Policy- Vorgaben Wirksamkeit verliehen werden kann.

I. Die Welthandelsordnung als Rechtsordnung Die Handelsordnung der WTO ist rechtlich verfasst? Sie basiert auf dem Übereinkommen zur Errichtung der WTO (WTO-Übereinkommen) und den weiteren Handelsübereinkommen. Insgesamt dürften die WTO-Übereinkommen mehr Rechtsregeln (rules of law) enthalten, als jedes andere weltweite Vertragssystem. Ferner ist mit der Errichtung der WTO und der Schaffung des starken Streitbeilegungsmechanismus nach dem DSU eine erhebliche Stärkung auch der tatsächlichen Wirksamkeit des Rechts (rule of law) in den internationalen HandelsbezieAppellate Body Report, Japan -Alcoholic Beverages, S. 34. Vgl. zum Folgenden Petersmann, JIEL 1 (1998), S. 25 ff.; Krajewski, Verfassungsperspektiven, s. 24 f. 1

2

172

3. Teil: Handeismaßnahmen zum Umweltschutz im Recht der WTO

hungen der Mitglieder einhergegangen. Als grundlegende Ziele des DSU nennt Art. 3.2 DSU: "The dispute settlement system of the WTO is a central element in providing security and predictability to the multilateral trading system. The Members recognize that it serves to preserve the rights and obligations of Members under the covered agreements, and to clarify the existing provisions of those agreements in accordance with customary rules of interpretation of public international law. Recommendations and rulings of the DSB cannot add to or diminish the rights and obligations provided in the covered agreements."

Danach ist das in den WTO-Übereinkommen niedergelegte Recht der primäre Bezugspunkt für die Streitbeilegung unter dem DSU. Keine Rede kann mehr sein von bloßer "rule-orientation" oder gar von "power-orientation", wie unter dem GATT 1947. 3

11. Die Welthandelsordnung als Teilordnung des Völkerrechts Das WTO-Recht bildet eine eigenständige Teilordnung des Völkerrechts betreffend den internationalen Handel zwischen den Mitgliedern. 4 Gleichwohl liegt das allgemeine Völkerrecht den speziellen Handelsregelungen weiterhin zu Grunde. Diese Sichtweise hat der Appellate Body in seinem ersten Bericht, im Fall US - Gasoline, bestätigt. Art. 3.2 DSU, wonach die Vorschriften der WTO-Übereinkommen in Übereinstimmung mit den völkergewohnheitsrechtlich anerkannten Regeln auszulegen sind, sei Ausdruck der grundsätzlichen Vorgabe, das WTORecht nicht isoliert vom Völkerrecht zu betrachten. "That direction reflects a measure of recognition that the General Agreement is not to be read in clinical isolation from public internationallaw. ,,5

Mit dieser Feststellung, die über das GATT 1994 hinaus für das gesamte WTORecht Geltung beansprucht, hat der Appellate Body ein für alle Mal mit dem unter dem GATT 1947 teilweise vertretenen Ansatz eines sog. self-contained regime 6 aufgeräumt und bestätigt, dass es sich bei der WTO-Rechtsordnung um eine auf dem allgemeinen Völkerrecht aufbauende spezielle Teilordnung des Völkerrechts handelt. 7 3 Vgl. zur Entwicklung der rule 01 law in den internationalen Handelsbeziehungen Jackson, JWT 12, Nr. 2 (1978), S. 93 ff.; Jackson, JWT 13, Nr. I (1979), S. I ff.; Hudec, Essays on the Nature of International Trade Law, S. 10 ff.; Hilf, HEL 4 (2001), S. 114. 4 Thürer; in: Thürer/Kux (Hrsg.), S. 45 f. 5 Appellate Body Report, US - Gasoline, S. 17. 6 Vgl. Mavroidis, RIW 1991, S. 497 ff. 7 Marceau, JWT 33, Nr. 6 (1999), S. 107 ff.

A. Die Rechtsordnung der WTO

173

Die Rechtsordnung der WTO basiert auf den WTO-Übereinkommen als völkerrechtlichem Vertragsrecht. Im Verhältnis zum allgemeinen Völkerrecht enthalten die WTO-Übereinkommen spezielle Regelungen für den internationalen Handel zwischen den WTO-Mitgliedern. Soweit es sich bei dem allgemeinen Völkerrecht nicht um zwingendes Recht (ius cogens) handelt, gehen die WTO-Übereinkommen als speziellere Regelungen (lex specialis derogat legi generali) dem allgemeinen Völkerrecht vor. 8 Für den Bereich des internationalen Handels ist das Vorliegen von ius cogens jedoch nicht ersichtlich. Es bestehen in diesem Bereich überhaupt nur wenige Regeln des allgemeinen Völkergewohnheitsrechts. Allgemeine Rechtsgrundsätze sind gar nicht vorhanden. 9 Soweit jedoch die WTO-Übereinkomrnen für die Anwendung des allgemeinen Völkergewohnheitsrechts und der allgemeinen Rechtsgrundsätze Raum lassen, d. h. gerade keine spezielle Regelung beinhalten, bleibt das allgemeine Völkerrecht, wie es generell den staatlichen Beziehungen zu Grunde liegt, auch im Bereich der internationalen Handelsbeziehungen zwischen den WTO-Mitgliedern anwendbar und ist insoweit maßgebliches Recht. Diese systemische Sichtweise wird auch vom Bericht des Panels im Fall Korea - Govemment Procurement gestützt. \0

111. Rechtsquellen des Welthandelsrechts Die Quellen des WTO-Rechts als eines völkerrechtlichen Teilsystems stimmen grundsätzlich mit denen des allgemeinen Völkerrechts überein. Gemeint sind insoweit die formellen Rechtsquellen, d. h. die verschiedenen Erzeugungsarten und Erscheinungsformen des geltenden Völkerrechts. Nicht hierher gehören die materiellen Rechtsquellen, also die Werte und Anschauungen, die sich auf den Inhalt einer Rechtsnorm auswirken, nicht jedoch selbst Rechtsqualität besitzen. 11 Die im vorliegenden Zusammenhang einschlägigen materiellen Rechtsquellen sind im zweiten Teil der Bearbeitung ergründet worden. Im Rahmen einer Internationalen Organisationen wie der WTO ist zudem zwischen primären und sekundären Rechtsquellen zu unterscheiden. Primäre Rechtsquellen sind alle in Art. 38 Abs. 1 lit. a, bund c IGH-Statut aufgezählten Rechtserzeugungsarten, allen voran die völkerrechtlichen Verträge, aber auch das Völkergewohnheitsrecht und die allgemeinen Rechtsgrundsätze. Gemeinsames Kennzeichen des Primärrechts ist dabei, dass es unmittelbar durch das Zusammenwirken der Staaten erzeugt wird. Der Geltungsgrund für seine Verbindlichkeit ist der 8 V gl. für die EG Koenig / Haratsch, Europarecht, Rn. 241; Bleckmann, Europarecht, Rn. 643. 9 Vgl. Bleckmann, Europarecht, Rn. 625. 10 Hierzu sogleich im dritten Teil A.III.1.b)bb). 11 Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, S. 321; Heintschel von Heinegg, Die völkerrechtlichen Verträge, in: Ipsen, S. 93.

174

3. Teil: Handelsmaßnahmen zum Umweltschutz im Recht der WTO

unmittelbar im Entstehungsvorgang zum Ausdruck kommende Konsens der beteiligten Volkerrechtssubjekte. 12 Bei sekundären Rechtsquellen beruht die rechtserzeugende Wirkung des Entstehungsvorganges hingegen auf einer primären Rechtsquelle, welche den Konsens der beteiligten Volkerrechtssubjekte vermittelt. 13 So wird das Sekundärrecht einer Internationalen Organisation durch die eingesetzten Organe auf der Grundlage der zu verwaltenden völkerrechtlichen Verträge geschaffen. Da die Rechtssetzungskompetenz der Organe abgeleitet und das Sekundärrecht demnach nur mittelbar durch zwischenstaatlichen Konsens legitimiert ist, geht das Primärrecht dem Sekundärrecht im Rang vor. 1. Primärrecht a) Die WTO-Übereinkommen

Die grundlegende primäre Quelle des WTO-Rechts sind die WTO-Übereinkommen als Volkervertragsrecht. Das Problem der nichtproduktbezogenen Handelsrnaßnahmen spielt seit jeher im Bereich des Warenhandels. Parallele Probleme können sich jedoch auch im Bereich des Handels mit Dienstleistungen ergeben. Als Beispiel mag hier die unterschiedliche staatliche Behandlung grenzüberschreitend tätiger Dienstleistungserbringer aufgrund schlechter Arbeitsbedingungen oder mangelhafter sozialer Absicherung der Beschäftigten dienen. Auch in solchen Fällen kann die Dienstleistung als solche völlig unbedenklich sein, während allein der Modus ihrer Erbringung aus sozial- oder umweltpolitischer Sicht bedenklich erscheint. Soweit ersichtlich, existiert unter dem GATS jedoch in dieser Hinsicht kein dem Bereich des Warenhandels vergleichbares Problembewusstsein. Die vorliegende Bearbeitung ist jedenfalls auf die Erörterung der multilateralen Übereinkommen über den Warenhandel beschränkt. Und auch insoweit werden allein diejenigen Übereinkommen und Vorschriften erörtert, denen eine spezifische Bedeutung für die Beurteilung nichtproduktbezogener Handelsrnaßnahmen zum Umweltschutz zukommt. Hinsichtlich des Verhältnisses der verschiedenen multilateralen Übereinkommen zum Warenhandel zueinander bestimmt eine allgemeine Auslegungsregel zu Anhang 1 Ades WTO-Übereinkommens, dass im Falle eines Widerspruchs zwischen Bestimmungen des GATI 1994 und Bestimmungen eines anderen multilateralen Übereinkommens zum Warenhandel die Bestimmungen dieses anderen Übereinkommens anzuwenden sind. 14 Wie bereits dargelegt, ist ein Widerspruch zwischen Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, S. 324. Vgl. Epping, Internationale Organisationen, in: Ipsen, S. 405. 14 Die allgemeine Auslegungsregel zu Annex 1 Ades WTO-Übereinkommens lautet: "In the event of a conflict between a provision of the General Agreement on Tariffs and Trade 1994 and a provision of another agreement in Annex lA to the Agreement Establishing the World Trade Organization [ .. . ], the provision of the other agreement shall prevail to the extent of the conflict." 12

I3

A. Die Rechtsordnung der WTO

175

Vorschriften der verschiedenen multilateralen Handelsübereinkommen jedoch nur unter engen Voraussetzungen anzuerkennen.!5 Grundsätzlich stehen die verschiedenen Vorschriften des WTO-Rechts nebeneinander und sind kumulativ anzuwenden. Dies ergibt sich schon aus dem verfolgten Ansatz des single undertaking. !6

b) Gewohnheitsrecht Im Bereich des Gewohnheitsrechts ist zwischen internem Gewohnheitsrecht des WTO-Systems als partikulärem Volkergewohnheitsrecht und dem allgemeinen Volkergewohnheitsrecht im Sinne von Art. 38 Abs. 1 lit. b IGH-Statut zu unterscheiden. aa) Internes Gewohnheitsrecht Unter dem GATT 1947 hat sich in Ergänzung des Vertragstextes partikuläres Volkergewohnheitsrecht herausgebildet.!7 In Abgrenzung zum universellen Volkergewohnheitsrecht, das gleichsam von außen auf die Welthandelsordnung trifft, kann hier von internem Gewohnheitsrecht gesprochen werden. Dabei kann eine ergänzende oder derogierende gewohnheitsrechtliche Praxis grundsätzlich sowohl zwischen den Mitgliedern, also auf primärrechtlicher Ebene, genauso aber auch auf der sekundärrechtlichen Ebene der Organe bestehen. Die gewohnheitsrechtlichen Praktiken der VERTRAGSPARTEIEN des GATT 1947 werden von Art. XVI: 1 des WTO-Übereinkommens für die WTO übernommen, soweit keine abweichenden Regelungen bestehen.!8 Im Rahmen der WTO dürfte aufgrund der größeren Dichte des geschriebenen Rechts im Verhältnis zum alten GATT 1947 und des starken Streitbeilegungsmechanismus unter dem DSU der Raum für die Entstehung internen Gewohnheitsrechts jedoch stark eingeschränkt sein, wenn nicht sogar gänzlich fehlen. bb) Allgemeines Volkergewohnheitsrecht Das allgemeine Volkergewohnheitsrecht kommt immer dann zum Zuge, wenn die WTO-Übereinkommen und möglicherweise bestehendes partikuläres Gewohnheitsrecht zwischen den WTO-Mitgliedern dafür Raum lassen.!9 Dies ist die KonSiehe im zweiten Teil C.V.2.c)aa)(I). Panel Report, Turkey - Textiles, para. 9.92; Montagutil Lugard, HEL 3 (2000), S. 480 f. 17 Benedek, Die Rechtsordnung des GATI, S. 126 ff. 18 Teilweise wird jedoch bezweifelt, dass es sich bei den genannten Praktiken tatsächlich um partikuläres Völkergewohnheitsrecht handelt, da eine entsprechende opinio iuris nicht erkennbar sei; vgl. PalmeterlMavroidis, AJIL 92 (1998), S. 407. 19 Allgemein hierzu Seidl-HohenveldemlLoibl, Das Recht der Internationalen Organisationen, Rn. 1512; die Bedeutung des allgemeinen Völkergewohnheitsrechts speziell für das GATI 1947 unterstreicht Benedeie, Die Rechtsordnung des GATI, S. 127. 15

16

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3. Teil: Handelsmaßnahmen zum Umweltschutz im Recht der WTO

sequenz der vom Appellate Body im Fall US - Gasoline bestätigten Verwurzelung des WTO-Rechts im allgemeinen Völkerrecht. Der Appellate Body selbst hat diese Konsequenz jedoch im genannten Bericht und auch später nicht ausdrücklich gezogen. Stattdessen hat er offengelassen, wie genau das allgemeine Völkerrecht und das WTO-Recht zusammenspielen. Allein in einzelnen Fällen hat er ohne nähere Begründung einen Grundsatz des allgemeinen Völkerrechts angewendet. Im Fall Brazil - Desiccated Coconut hat der Appellate Body etwa das "general principle of international law concerning the non-retroactivity of treaties", wie es auch in Art. 28 WVRK niedergelegt ist, angewendet. 2o Einen bedeutenden Beitrag zur dogmatischen Klärung hat das Panel im Fall Korea - Government Procurement geleistet. 21 Es erörterte speziell das Verhältnis des allgemeinen Völkergewohnheitsrechts zum Welthandelsrecht und führte aus, dass das Verhältnis der WTO-Übereinkommen zum allgemeinen Völkergewohnheitsrecht über die Vorgabe des Art. 3.2 DSU, die WTO-Übereinkommen nach den völkergewohnheitsrechtlieh anerkannten Regeln auszulegen, hinausgehe. Das allgemeine Völkergewohnheitsrecht liege generell den wirtschaftlichen Beziehungen zwischen den WTO-Mitgliedern zu Grunde und komme demnach insoweit zur Anwendung als die WTO-Übereinkommen keine abweichenden Regelungen vorsehen bzw. die Anwendung des allgemeinen Völkerrechts nicht anderweitig ausschlössen. Insbesondere dürfe Art. 3.2 DSU nicht im Umkehrschluss dahingehend missverstanden werden, dass er die Anwendung anderer völkergewohnheitsrechtIicher Regeln als der Auslegungsregeln ausschließe. Die Vorschrift wolle allein die unter dem GATT 1947 verbreitete Praxis korrigieren, zur Auslegung einer Vorschrift maßgeblich auf ihre Entstehungsgeschichte abzustellen, besage aber noch nichts über die Berücksichtigung des sonstigen Völkerrechts. 22 Das allgemeine Völkergewohnheitsrecht wird damit zur Schließung unbeabsichtigter Lücken in den WTO-Übereinkommen herangezogen. 23 Dabei ist die sorgfältige Ermittlung gerade "unbeabsichtigter" Lücken von herausragender Bedeutung. Insbesondere die Anwendung gewohnheitsrechtIicher Regeln des Umweltvölkerrechts, wie etwa des allgemeinen Schädigungsverbots24 , würde keine unbeabsichtigte Lücke der WTO-Übereinkommen schließen. Verpflichtungen zum Schutz der Umwelt fallen von vornherein nicht in den Regelungsbereich der Welthandelsordnung. Auch im Fall EC - Hormones hat sich der Appellate Body mit der Einbeziehung von allgemeinem Völkergewohnheitsrecht in die Welthandelsordnung befasst. Am 20 Appellate Body Report, Brazil- Desiccated Coconut, S. 14; vgl. auch Panel Reports, EC - Hormones, para. 8.25 (US), para. 8.28 (Can); Appellate Body Report, EC - Hormones, para. 126 ff. 21 Panel Report, Korea - Govemment Procurement, para. 7.96. 22 Panel Report, Korea - Govemment Procurement, para. 7.96 Fn. 753. 23 Vgl. Panel Report, Korea - Govemment Procurement, para. 7.101. 24 Das allgemeine Schädigungsverbot ist u. a. niedergelegt in Prinzip 2 der Rio-Deklaration; siehe hierzu im zweiten Teil C.II.2.c)aa).

A. Die Rechtsordnung der WTO

177

Beispiel des Vorsorgegrundsatzes hat er als absolute Grenze der Einbeziehung ausgeführt, dass eine Regel des allgemeinen Vdlkergewohnheitsrechts oder ein allgemeiner Rechtsgrundsatz i. S. d .. Art. 38 Abs. I lit. c IGH-Statut in keinem Fall einer speziellen Vorschrift der WTO-Übereinkommen vorgehen bzw. einen Verstoß gegen eine solche spezielle Vorschrift rechtfertigen könne. 25 Zur Anwendung können jedoch solche Regeln des Vdlkergewohnheitsrecht kommen, die grundsätzlich die Ausübung völkerrechtlicher Rechte und Verpflichtungen betreffen. So gilt etwa die grundsätzliche Annahme gegen eine Rückwirkung von völkerrechtlichen Verträgen auch im Bereich vertraglich fixierter Handelsbeziehungen. An dieser Stelle wird die Unterscheidung zwischen der Anwendung einer Vorschrift und ihrer Verwendung zur Auslegung einer anderen Vorschrift relevant. 26 Wahrend der Rechtsanwender im Bereich des Welthandelsrechts die Vorschriften der WTO-Übereinkommen und etwaige lückenfüllende Regeln des Vdlkergewohnheitsrechts als unmittelbar geltendes Recht anwenden muss, darf anderes Vdlkerrecht nicht unmittelbar zur Lösung welthandelsrechtlicher Fragestellungen herangezogen werden, sondern bietet allein Hilfestellung bei der Auslegung der anwendbaren welthandelsrechtlichen Vorschriften. Dies trifft insbesondere für die gewohnheitsrechtlichen Regeln des Umweltvölkerrechts zu. Diese können dann mittelbar durch die anwendbaren Vorschriften der WTO-Übereinkommen welthandelsrechtlich relevante Wirkungen entfalten. c) Allgemeine Rechtsgrundsätze Die Bedeutung des Begriffes der allgemeinen Rechtsgrundsätze ist unklar. Er wird in der Literatur in unterschiedlicher Weise benutzt. Zunächst werden die grundlegenden Rechtsprinzipien, die allen oder doch den meisten staatlichen Rechtsordnungen zu Grunde liegen, zu den allgemeinen Rechtsgrundsätzen gezählt. Diese haben ihren Ursprung in den einzelstaatlichen Rechtsordnungen, wirken aufgrund ihrer allgemeinen Anerkennung aber generell auch in den Beziehungen zwischen den Staaten?7 Daneben werden aber auch Prinzipien, die unmittelbar den internationalen Rechtsbeziehungen entspringen, oder solche, die grundsätzlich jeder rechtlichen Beziehung immanent sind, und die Prinzipien der rechtlichen Logik unter den Begriff der allgemeinen Rechtsgrundsätze gefasst. 28 Häufig verschwimmt bei den zuletzt genannten Kategorien die Grenze zum Gewohnheitsrecht, so dass eine einwandfreie Zuordnung Schwierigkeiten bereitet. 29 Appellate Body Report, EC - Hormones, para. 124. Marceau, JWT 33, Nr. 5 (1999), S. 113; vgl. auch Pauwelyn, Interpreting WTO Law, Manuskript S. 1. 27 Heintschel von Heinegg, Die weiteren Quellen des Völkerrechts, in: Ipsen, S. 198 f. 28 Mosler; in: Bernhardt (ed.), S. 512. 25 26

12 Puth

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3. Teil: Handelsrnaßnahmen zum Umweltschutz im Recht der WTO

Die Geltung der Allgemeinen Rechtsgrundsätze auch im Recht der WTO hat der Appellate Body im Fall US - Shirts and Blouses bestätigt. Dort hat der Appellate Body seine Erwägungen zur Beweislastverteilung unter anderem auf den in den allermeisten Rechtsordnungen enthaltenen Grundsatz gestützt, dass diejenige Partei, die sich auf eine bestimmte Tatsache beruft, diese auch zu beweisen habe. 3o Zum Beweis seiner Feststellungen hat der Appellate Body Rechtsliteratur in englischer, französischer, spanischer und italienischer Sprache angeführt. Auch allgemeine Rechtsgrundsätze dienen demnach in Ermangelung einer anderweitigen speziellen Regelung der Lückenschließung im WTO-Recht. 2. Sekundärrecht Das WTO-Übereinkommen bietet in den Art. IX und X die Grundlage für die Annahme von Sekundärrecht der Organisation. Dort werden die Voraussetzungen aufgestellt, unter denen die Ministerkonferenz bzw. der Allgemeine Rat verbindliche Auslegungen der WTO-Übereinkommen (Art. IX:2 WTO-Übereinkommen), waiver (Art. IX:3 und 4 WTO-Übereinkommen) oder Änderungsvorschläge zu den WTO-Übereinkommen (Art. X WTO-Übereinkommen) beschließen können. Auf die Annahme von Sekundärrecht zielen viele der im Bereich Handel und Umwelt vorgetragenen Reformvorschläge zur Anpassung der Welthandelsordnung an die Bedürfnisse des globalen Umweltschutzes. 31 Besonderes Gewicht besitzen dabei die Forderungen nach einer oder mehreren Auslegungsübereinkünften i. S. d. Art. IX:2 WTO-Übereinkommen. Hierin sollen insbesondere das Verhältnis von Umweltschutzübereinkommen zu den WTO-Übereinkommen wie die Reichweite von Art. XX und der weiteren einschlägigen Bestimmungen von GATT, SPS- und TBTÜbereinkommen präzisiert werden?2 Bisher ist es jedoch nicht zu entsprechenden Übereinkünften zwischen den WTO-Mitgliedem gekommen.

3. Die Ergebnisse der Streitbeilegung Von besonderer Bedeutung im Recht der WTO sind die Ergebnisse der Streitbeilegung unter dem GATT 1947 und im Rahmen der WTO. Der Appellate Body hat sich im Fall Japan - Alcoholic Beverages ausführlich mit der Stellung von Panel-Berichten im Welthandelsrecht auseinandergesetzt. 33 Er führte hinsichtlich der unter dem GATT 1947 angenommenen Panel-Berichte aus: 29 Mosler, in: Bemhardt (ed.), S. 518. Dabei handelt es sich indes um ein theoretisches Problem, da sowohl das allgemeine Völkergewohnheitsrecht als auch die allgemeinen Rechtsgrundsätze gleichermaßen anwendbares Völkerrecht darstellen. 30 Appellate Body Report, US - Shirts and Blouses, S. 14. 31 Vgl. SchmidtlKahl, in Rengeling (Hrsg.), Rn. 147 ff.; McDonald, Environmental Law 23 (1993), S. 462 ff. 32 Vgl. nur die ausführlichen Vorschläge von Biermann, JWT 35, Nr. 3 (2oo!), S. 421 ff. 33 Appellate Body Report, Japan - Alcoholic Beverages, S. 13 ff.

A. Die Rechtsordnung der WTO

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"Adopted panel reports are an important part of the GATI acquis. They are often considered by subsequent panels. They create legitimate expectations among WTO Members, and, therefore, should be taken into account where they are relevant to any dispute. However, they are not binding, except with respect to resolving the particular dispute between the parties to that dispute ...34

Diese Ausführungen des Appellate Body gelten gleichennaßen auch für angenommene Berichte der Panel und des Appellate Body im Rahmen der WTO. Danach entfalten angenommene Berichte ausschließlich im Verhältnis der Streitparteien zueinander (inter partes) unmittelbare Rechtswirkungen. Die Doktrin des stare decisis ist dem Welthandelsrecht fremd?5 Angenommene Berichte bedeuten weder eine nachträgliche Übung bei der Vertragsanwendung i.S.v. Art. 31 Abs. 3 lit. b WVRK36, noch handelt es sich speziell bei unter dem GATI 1947 angenommenen Berichten um "other decisions of the CONTRACTING PARTIES to GATI 1947" i.S.v. Abs. 1(b)(iv) GATI 1994?7 Begleitet werden die unmittelbaren Rechtswirkungen im Einzelfall jedoch von hierüber hinausgreifenden tatsächlichen Wirkungen, d. h. der Erzeugung legitimer Erwartungen zwischen den Mitgliedern. Diese Erwartungen der Mitglieder machen es erforderlich, die angenommenen Berichte in einschlägigen Fallkonstellationen zu berücksichtigen. Für die unter dem GATI 1947 angenommenen Panel-Berichte hat der Appellate Body diese tatsächliche Bedeutung dem Bestreben der WTO-Mitglieder, sich an den unter dem GATI 1947 gesammelten Erfahrungen auch im Rahmen der WTO zu orientieren, entnommen. Nicht umsonst ordneten Art. XVI: 1 des WTO-Übereinkommens und Absatz 1 lit. (b) (iv) GATI 1994 die Berücksichtigung der rechtlichen Geschichte und Erfahrung des GATI 1947 auch im Rahmen der WTO an, mit dem Ziel die Kontinuität und Konsistenz der Welthandelsordnung sicherzustellen. 38 Für die im Rahmen der WTO angenommenen Berichte kann dieser Befund erst recht nicht anders lauten. Schließlich bestimmt Art. 3.2 DSU als grundlegendes Ziel des Streitbeilegungsmechanismus die Gewährleistung von "security and predictability" der Welthandelsordnung. Nicht angenommenen Panel-Berichten fehlt hingegen der fönnliche Rechtsstatus, da sie nicht durch entsprechende Beschlüsse der Vertragsparteien oder der WTO Mitglieder anerkannt worden sind?9 Gleichwohl kann ein späteres Panel Appellate Body Report, Japan - Alcoholic Beverages, S. 15. Vgl. auch Hudec, in: Wolfrum (ed.), S. 125; PalmeterlMavroidis, AJIL 92 (1998), S.401. 36 So aber Jackson, Restructuring the GATI System, S. 68; Benedek, Die Rechtsordnung des GATI, S. 144; TIetje, Normative Grundstrukturen, S. 129. 37 Appellate Body Report, Japan - Alcoholic Beverages, S. 15. 38 Appellate Body Report, Japan -Alcoholic Beverages, S. 14 f. 39 Die bloßen Berichte der Panel und des Appellate Body können auch als "internes soft law" bezeichnet werden; vgl. Benedek, Die Rechtsordnung des GATI, S. 124 f. 34

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3. Teil: Handeismaßnahmen zum Umweltschutz im Recht der WTO

"nevertheless find useful guidance in the reasoning of an unadopted panel report that it considered to be relevant".4o Für den Bereich Handel und Umwelt sind insbesondere die Berichte der Panel bzw. des Appellate Body in den Fällen Canada - Herring, US - Superfund, USTuna from Canada, Thailand - Cigarettes, US - Tuna I und l/, US - Taxes on Automobiles, US - Gasoline, EC - Hormones, Australia - Salmon, US - Shrimp und nicht zuletzt EC - Asbestos zu berücksichtigen. 41

IV. Die Welthandelsordnung als Rechtssystem: Regeln und Prinzipien Ausweislich des 5. Absatzes der Präambel des WTO-Übereinkommens bildet die Welthandelsordnung ein multilaterales Handelssystem ("multilateral trading system"). Der Begriff des Systems deutet dabei auf eine in sich geschlossene und kohärente Rechtsordnung hin. 42 Die in den WTO-Übereinkommen niedergelegten Rechtsregeln setzen diesen umfassenden Ansatz jedoch allzu häufig nur unvollständig um. Wie in eigentlich jedem differenzierten Rechtssystem bedarf es daher auch im WTO-Recht der "Unterfütterung" der rechtlichen Regelungen mit mehr oder weniger abstrakten Prinzipien. Diese leiten die Rechtsanwendung in Bereichen die gar nicht oder nur unvollständig geregelt sind. Erst durch dieses Zusammenspiel zwischen Regeln und Prinzipien wird die Erzielung eines kohärenten Rechtssystems ermöglicht. 43 Im Gegensatz zu Regeln, die konkrete Handlungsanweisungen aufstellen, handelt es sich bei Prinzipien um allgemeine und flexible Imperative. 44 Prinzipien sind ihrer Natur nach grundsätzlich nicht geeignet, unmittelbar angewendet zu werden. 45 Sie bedürfen zur Anwendung im Einzelfall der inhaltlichen Konkretisierung und der Abwägung mit entgegenstehenden Prinzipien oder weiteren einschlägigen Zielsetzungen. 46 Insbesondere die umfangreichen Berichte des Appellate Body haben zur Identifizierung der dem WTO-Recht zu Grunde liegenden Prinzipien beigetragen. 47

Appellate Body Report, Japan -Alcoholic Beverages, S. 15. Vgl. den Überblick bei WTO, High Level Symposium on Trade and Environment, para. 123 ff.; Trebilcock/Howse, The Regulation ofInternational Trade, S. 398 ff. 42 Vgl. Esser, Grundsatz und Norm, S. 39. 43 Hilf, JIEL 4 (2001), S. 111 f.; Jackson, The World Trading System, S. 339 ff. 44 Vgl. Benedek, Die Rechtsordnung des GATT, S. 50 f. 45 Lang, in: Lang I Hohmann I Epiney, S. 19. 46 Dworkin, Taking Rights Seriously, S. 24 ff. 47 Ausführlich hierzu Hilf, JIEL 4 (2001), S. 117 ff. 40

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A. Die Rechtsordnung der WTO

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V. Die Auslegung des WTO-Rechts 1. Überblick

Nach Art. 3.2 DSU sind die Bestimmungen der WTO-Übereinkommen in Übereinstimmung mit den völkergewohnheitsrechtlich anerkannten Regeln auszulegen. In der Streitbeilegungspraxis wurde hierin u. a. ein Verweis auf die Art. 31 und 32 WVRK gesehen, als Kodifizierung der völkergewohnheitsrechtlich anerkannten Auslegungsregeln. 48 Die Artikel 31 und 32 WVRK enthalten jedoch keine vollständige Positivierung der völkergewohnheitsrechtlich anerkannten Auslegungsregeln. In der WVRK sollten lediglich die in jedem Fall bedeutsamen Auslegungshilfen und ihr relatives Gewicht im Prozess der Auslegung festgelegt werden.49 Daneben existieren weitere Auslegungsmethoden, wie die Grundsätze der effektiven Vertragsauslegung (ut res magis valeat quam pereat) oder der souveränitätsfreundlichen Auslegung (in dubio mitius), die in der völkerrechtlichen Streitbeilegungspraxis breite Anerkennung erfahren haben und auch vom Appellate Body angewendet werden. 5o Die WVRK verfolgt grundsätzlich einen objektiven Auslegungsansatz (Art. 31 WVRK), der durch subjektive Elemente (Art. 32 WVRK) ergänzt wird. Danach muss jede Auslegung eines völkerrechtlichen Vertrages vom Wortlaut der Bestimmungen ausgehen (sog. textual approach). Der Text einer Vorschrift ist als authentischer Ausdruck der gemeinsamen Intention der Vertragsparteien aufzufassen. 51 Den Vertragsbestimmungen ist dabei die gewöhnliche, ihnen im Zusammenhang des Vertrages und unter Berücksichtigung der Ziele und Zwecke des Vertrages zukommende Bedeutung zu geben. Erst wenn nach Anwendung dieser primären Auslegungsmittel die Bedeutung einer Vertragsbestimmung unklar bleibt oder die Auslegung zu einem offensichtlich sinnwidrigen oder unvernünftigen Ergebnis führt, kommen die den Vertragsschluss vorbereitenden Arbeiten (travaux preparatoires) und die sonstigen begleitenden Umstände als ergänzende Auslegungsmittel zur Anwendung.

48 Appellate Body Report, US - Gasoline, S. 17; Appellate Body Report, Japan - Alcoholie Beverages, S. 10 ff.; Appellate Body Report, lndia - Patents, para. 45; Appellate Body Report, EC - Computer Equipment, para. 84 ff. 49 Sinclair; The Vienna Convention, S. 117 f. und 153. 50 Cameron/Gray, ICLQ 50 (2001), S. 256 ff.; allgemein hierzu Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, S. 493 ff. 51 Sinclair; The Vienna Convention, S. 115.

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3. Teil: Handelsmaßnahmen zum Umweltschutz im Recht der WTO

2. Die allgemeine Auslegungsregel des Art. 31 WVRK a) Ausgangspunkt: Die übliche Bedeutung Nach Art. 31 Abs. 1 WVRK ist die gewöhnliche Bedeutung ("ordinary meaning") einer Bestimmung, die ihr im jeweiligen Zusammenhang zukommt, der Ausgangspunkt einer jeden Auslegung. 52 Das Ausgehen vom Wortlaut einer Bestimmung begründet dabei noch keine Hierarchie zwischen den einzelnen Auslegungsmethoden. 53 Die Untersuchung des weiteren Zusammenhangs der auszulegenden Vorschrift und ihr objektiv zu ermittelnder Sinn und Zweck stehen im Rang grundsätzlich gleichberechtigt neben dem Wortlaut der Bestimmung. Die Grundregel des Art. 31 Abs. 1 WVRK legt insoweit lediglich die einzuhaltende Reihenfolge der Auslegungsschritte fest und dient der Abgrenzung der primären Auslegungsmittel von den ergänzenden Auslegungsmitteln des Art. 32 WVRK. Die Aussagekraft der einzelnen Auslegungsmittel variiert jedoch nach den Umständen des konkreten Falles. Daher ist die Auslegung einer vertraglichen Bestimmung als eine "single combined operation,,54 zu verstehen, in der die einzelnen aufeinander folgenden Auslegungsschritte die entscheidungserheblichen Kennzeichen einer Bestimmung zusammentragen. Auf dieser Grundlage ist dann in einer am Grundsatz von Treu und Glauben orientierten Gesamtschau der maßgebliche Bedeutungsgehalt einer Vorschrift im Einzelfall zu ermitteln. 55

b) Der Zusammenhang der Bestimmungen Der im Rahmen der allgemeinen Auslegungsregel des Art. 31 WVRK beachtliche Zusammenhang einer Vorschrift wird in Art. 31 Abs. 2 WVRK definiert. Danach bilden zunächst der gesamte Vertragswortlaut samt Präambeln und etwaigen Anlagen den Zusammenhang einer Vorschrift. Schon hieraus ergibt sich die Beachtlichkeit der Präambel des WTO-Übereinkommens samt des enthaltenen Konzepts der nachhaltigen Entwicklung für die Auslegung der Vorschriften der WTOÜbereinkommen. Ebenfalls zum systematischen Zusammenhang einer vertraglichen Vorschrift gehören anlässlich des Vertragsabschlusses getroffene und auf den auszulegenden Vertrag bezogene Übereinkünfte der Vertragsparteien. Dabei unterscheidet Art. 31 Abs. 2 WVRK zwischen Übereinkünften, die anlässlich des Vertragsabschlusses von allen Vertragsparteien ausgearbeitet und angenommen worden sind (Art. 31 Abs. 2 lit. a WVRK), und sonstigen Urkunden, die anlässlich des Vertragsabschlus52 Hierzu Skouteris, in: Mengozzi (ed.), S. 121. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz gilt allein im Fall des Art. 31 Abs. 4 WVRK, in dem die Vertragsparteien dem auszulegenden Begriff ersichtlich eine besondere Bedeutung beigelegt haben. 53 Matscher; in: Bernhardt (Hrsg.), S. 565. 54 Vgl. Pauwelyn, Interpreting WTO Law, Manuskript S. 2. 55 Sinclair; The Vienna Convention, S. 120.

A. Die Rechtsordnung der WTO

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ses von einer oder mehreren Vertragsparteien verfasst worden sind und von den übrigen Vertragsparteien als auf den Vertrag bezogen angenommen worden sind (Art. 31 Abs. 2 lit. b WVRK). Damit eine Übereinkunft oder eine sonstige Urkunde als auf den auszulegenden Vertrag bezogen gelten kann, muss sie den Inhalt des Vertrages betreffen und näher spezifizieren oder ausgestalten. 56 Insbesondere die Beschlüsse und Erklärungen der Minister zur Uruguay-Runde unterfallen der Kategorie der auf den auszulegenden Vertrag bezogenen Übereinkünfte der Vertragsparteien nach Art. 31 Abs. 2 lit. a WVRK. Diese Beschlüsse und Erklärungen sind von allen Vertragsparteien gemeinsam ausgearbeitet und anlässlich der Unterzeichnung des WTO-Übereinkommens am 15. April 1994 verkündet worden. Auch beziehen sie sich inhaltlich auf die in den WTO-Übereinkommen geregelten Bereiche. Im vorliegenden Zusammenhang sind insbesondere der Beschluss zu Handel und Umwelt57 und der Beschluss zum Handel mit Dienstleistungen und zur Umwelt58 relevant. Die darin niederlegten Überzeugungen der WTO-Mitglieder sind somit als maßgeblicher Zusammenhang bei der Auslegung der Vorschriften des WTO-Rechts zu beachten. Fraglich ist jedoch, ob auch die Untersuchungsergebnisse des CTE Art. 31 Abs. 2 lit. a WVRK unterfallen. Für eine solche Einordnung spricht, dass der Beschluss zu Handel und Umwelt das Mandat des CTE aufstellt. Die innerhalb dieses Mandats ausgearbeiteten Ergebnisse könnten daher als von der Erklärung erfasst begriffen werden, so dass sie im Ergebnis den gleichen rechtlichen Stellenwert haben müssten wie die Erklärung selbst. Gegen die Einordnung der Ergebnisse des CTE in Art. 31 Abs. 2 WVRK spricht jedoch, dass sie noch nicht bei Vertragsschluss vorlagen, sondern erst nachträglich entwickelt werden. Insofern läge eine Einordnung in Art. 31 Abs. 3 lit. a WVRK näher. Dann stellt sich jedoch die Frage, ob eine dementsprechende Übereinkunft der Vertragsparteien vorliegt. Es könnte zwar auf den Beschluss der Minister zu Handel und Umwelt verwiesen werden, als grundlegende Übereinkunft der Mitglieder zur weiteren Analyse des Verhältnisses zwischen Handel und Umwelt. Diese Übereinkunft wäre dann aber gerade nicht mehr nachträglich. Am überzeugendsten erscheint daher die Einordnung der Ergebnisse des CTE unter Art. 31 Abs. 2 lit. a WVRK. Durch sie wird die Übereinkunft der Vertragsparteien anlässlich des Vertragsschlusses inhaltlich ausgefüllt. Dass die Ergebnisse des CTE erst nach dem Vertragsschluss entwickelt werden, ist insoweit unschädlich. Dies ist in der Erklärung zu Handel und Umwelt schließlich ausdrücklich angelegt. Damit sind auch die Ergebnisse des CTE als maßgeblicher Zusammenhang bei der Auslegung des WTO-Rechts zu berücksichtigen. 56

Sinclair, The Vienna Convention, S. 129.

Decision on Trade and Environment; englischer Text in WTO (ed.), The Results of the Uruguay Round, S. 469 ff.; deutscher Text bei Benedek (Hrsg.), Die Welthandelsorganisation, S. 563 ff. 58 Decision on Trade in Services and the Environment; englischer Text in WTO (ed.), The Results of the Uruguay Round, S. 457 f.; deutscher Text bei Benedek (Hrsg.), Die Welthandelsorganisation, S. 549 f. 57

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3. Teil: Handelsmaßnahmen zum Umweltschutz im Recht der WTO

Auch der Appellate Body im Fall US - Shrimp stellte bei der Auslegung von Art. XX zunächst die Frage nach "any specific recommendations by the CTE to WTO Members on the issues raised in its terms of reference,,59. Erst nach insoweit negativem Befund begann er die Auslegung der Chapeau-Klausel des Art. XX ausgehend von der gewöhnlichen Bedeutung der verwendeten Begriffe im Lichte der Vorgaben der Präambel des WTO-Übereinkommens. Zwar machte er hierbei nicht deutlich, ob die Ergebnisse des CTE zum maßgeblichen Zusammenhang zu zählen sind, geschweige denn, welchen normativen Ansatz er verfolgt. Ohne Zweifel zählt der Appellate Body die Ergebnisse des CTE jedoch zu den im Rahmen der allgemeinen Auslegungsregel des Art. 31 WVRK beachtlichen Umständen. c) Auslegungsübereinkünfte und spätere Praxis

Dem Zusammenhang im Sinne von Art. 31 Abs. 2 WVRK gleichgestellt sind Auslegungsübereinkünfte (Art. 31 Abs. 3 lit. a WVRK) und die spätere Übung bei der Vertragsanwendung (Art. 31 Abs. 3 lit. b WVRK). Die gemeinsame Behandlung von Auslegungsübereinkünften und der späteren Übung bei der Vertragsanwendung findet ihre Rechtfertigung in der strukturellen Ähnlichkeit beider Institute. Mit der Auslegungsübereinkunft nach Art. 31 Abs. 3 lit. a WVRK legen die Parteien eines völkerrechtlichen Vertrages nachträglich eine verbindliche Auslegung für den gesamten oder einen Teil des Vertragswortlautes fest. Die Parteien bedienen sich dieser sog. authentischen Interpretation 6o häufig dann, wenn bei der Anwendung des Vertrages Unklarheiten oder Probleme aufgetreten sind, die sie durch eine eindeutige Festlegung ausräumen wollen. In gleicher Weise kann nach Art. 31 Abs. 3 lit. b WVRK jede spätere Praxis bei der Vertragsanwendung zur Auslegung des Vertrages herangezogen werden, sofern daraus eine Übereinstimmung der Vertragsparteien über die Auslegung der betreffenden Bestimmungen hervorgeht. Die Praxis muss gleichsam den Konsens der Vertragsparteien über die Auslegung des Vertrages konkludent zum Ausdruck bringen. Im Ergebnis liefert eine übereinstimmende spätere Übung im Sinne von Art. 31 Abs. 3 lit. b WVRK also eine authentische Interpretation, genau wie die Auslegungsübereinkunft nach Art. 31 Abs. 3 lit. a WVRK. 61 Anders als bei der Auslegungsübereinkunft kommen die Vertragsparteien jedoch nicht ausdrücklich über die Auslegung des Vertrages überein, sondern folgen in ihrer Vertragsanwendung einer stillschweigend konsentierten Auslegung. Im Fall US - Tuna II sah sich das Panel mit der Frage konfrontiert, ob dem GATT 1947 zeitlich nachfolgende Umweltschutzübereinkommen als Auslegungsübereinkünfte zum GAIT oder als nachträgliche Übung bei der Anwendung des GATT betrachtet werden können. Ausgangspunkt für diese Frage war der Streit, ob 59 60

61

Appellate Body Report, US - Shrimp, para. 155. Bemhardt, in: Bemhardt (ed.), S. 1423. Vgl. Marceau, JWT 35, Nr. 6 (2001), S. 1087.

A. Die Rechtsordnung der WTO

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die Wendung "exhaustible natural resources" in Art. XX(g) auch den Schutz lebender Ressourcen umfasst. 62 Die Vereinigten Staaten verwiesen insoweit auf die Arbeiten der Inter-American Tropical Tuna Commission und die Seerechtskonvention der Vereinten Nationen, wonach auch Lebewesen als natürliche Ressourcen aufgefasst werden. 63 Das Panel weigerte sich jedoch, die angeführten völkerrechtlichen Instrumente zur Auslegung von Art. XX heranzuziehen. Es handele sich nämlich um bilaterale oder plurilaterale Abkommen, die nicht zwischen den Vertragsparteien des GATT abgeschlossen worden seien und die zudem nicht die Auslegung des GATT beträfen. Auch könne die Praxis unter den angeführten Abkommen nicht als Praxis unter dem GATT angesehen werden .64 Angesichts der klaren Anforderungen von Art. 31 Abs. 3 lit. a und b WVRK, die eine ausdrückliche oder konkludente Übereinstimmung der Vertragsparteien über die Auslegung gerade des GATT verlangen, bedürfen die zutreffenden Ausführungen des Panels keiner Ergänzung. Umweltschutzübereinkommen sind von vornherein nicht darauf gerichtet, die Auslegung und Anwendung des GATT wie der WTO-Übereinkommen zu spezifizieren. 65 Sie begründen vielmehr eigenständige völkerrechtliche Verbindlichkeiten, die weit über den Bereich des Handels hinausreichen. Spätestens mit Inkrafttreten der WTO-Übereinkommen dürfte die Frage nach der Bewertung von Umweltschutzübereinkommen als nachträgliche Übung bei der Vertragsanwendung als gänzlich überholt gelten. Die Vorschriften des Art. 31 Abs. 3 lit. a und b WVRK werden nämlich seitdem von der speziellen Regelung der authentischen Interpretation in Art. IX:2 des WTO-Übereinkommens überlagert. Danach sind die Ministerkonferenz und der Allgemeine Rat der WTO ausschließlich befugt, die WTO-Übereinkommen verbindlich auszulegen. Zudem bestimmt Art. IX:2 des WTO-Übereinkommens, dass entsprechende Beschlüsse mit Dreiviertelmehrheit der Mitglieder gefasst werden müssen. Sowohl der eindeutige Wortlaut ("exclusive authority") als auch die genaue Bestimmung der erforderlichen Mehrheit deuten darauf hin, dass eine über die genannten Organe hinausgreifende anderweitige Zuständigkeit zur authentischen Auslegung nicht existiert. 66 Im Ergebnis bleibt daher für eine authentische Auslegung außerhalb des Verfahrens des Art. IX:2 des WTO-Übereinkommens kein Raum, sei sie ausdrücklich in Form einer Auslegungsübereinkunft vereinbart oder stillschweigend als spätere Übung ausgedrückt. Die Bestimmungen des Art. 31 Abs. 3 lit. a und b WVRK werden insoweit überlagert. 67 Zu diesem Streitpunkt unten im dritten Teil D.VI.2.d)aa)(l). Panel Report, US - Tuna I/, para 3.50. 64 Panel Report, US - Tuna 1/, para. 5.19. 65 A.A. ohne weitere Begründung Palmeter! Mavroidis, AJIL 92 (1998), S. 411. 66 Appellate Body Report, Japan - Alcoholic Beverages. S. 14. 67 Dieses Ergebnis bleibt auch dann bestehen, wenn man in eine spätere Übung zugleich eine stillschweigende Vertragsänderung hineinlesen wollte. Denn auch das Verfahren zur Ver62

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3. Teil: Handelsmaßnahmen zum Umweltschutz im Recht der WTO

d) Zwischen den Parteien anwendbare Völkerrechtssätze Neben dem Zusammenhang sind nach Art. 31 Abs. 3 lit. c WVRK bei der Auslegung einer vertraglichen Bestimmung in gleicher Weise alle zwischen den Vertragsparteien anwendbaren einschlägigen Völkerrechts sätze zu berücksichtigen. Im Gegensatz zu den bisher dargestellten Auslegungsmethoden, die allesamt dem auszulegenden Vertrag selbst anhaftende Umstände betreffen (sog. intrinsic tools of interpretation), wird hier das völkerrechtliche Umfeld des auszulegenden Vertrages betrachtet (sog. extrinsic tools of interpretation).68 Diese Unterscheidung ist rechtlich ohne Relevanz, verdeutlicht jedoch die unterschiedlichen Blickrichtungen. Vor allem in jüngerer Zeit wird verstärkt auf Art. 31 Abs. 3 lit. c WVRK Bezug genommen, um die umfassende Berücksichtigung des Umweltvölkerrechts bei der Auslegung und Anwendung des WTO-Rechts zu begründen. 69 Die genauen Voraussetzungen der Vorschrift sind jedoch noch immer weitgehend ungeklärt. aa) "Any relevant rules of international law" Zunächst ist der weite Anwendungsbereich des Art. 31 Abs. 3 lit. c WVRK zu betrachten. Grundsätzlich sind alle einschlägigen Regeln des Völkerrechts ("any relevant rules of international law") zur Auslegung einer vertraglichen Bestimmung heranzuziehen. Hierin liegt das grundlegende Bekenntnis, die Vorschriften völkerrechtlicher Verträge nicht nur in ihrem eigenen Zusammenhang zu betrachten, sondern im Gesamtzusammenhang des Völkerrechts. 7o Art. 31 Abs. 3 lit. c WVRK wirkt somit integrativ und betont letztlich die Einheit der Völkerrechtsordnung. 71 Danach sind das Völkervertragsrecht, das Völkergewohnheitsrecht wie auch die allgemeinen Rechtsgrundsätze gleichermaßen zur Auslegung heranzuziehen. 72 Selbstverständlich gilt dies nur für die jeweils einschlägigen Völkerrechtssätze. Das Kriterium der "relevance" bezieht sich dabei auf den sachlichen Regelungsgehalt einer Vorschrift, nicht auf die jeweilige Mitgliedschaft. 73 Völkerrechtssätze, die keinerlei sachlichen Bezug zu der auszulegenden Vorschrift aufweisen, können schließlich von vornherein keinen Hinweis zu ihrer Auslegung geben. tragsänderung hat in Art. X des WTO-Übereinkommens eine spezielle und differenzierte Regelung erfahren, die ihrerseits einer stillschweigenden Vertragsänderung entgegensteht. Die authentische Auslegung und auch die Vertragsänderung außerhalb der im WTO-Überkommen vorgesehenen Verfahren sind mithin ausgeschlossen. 68 Pauwelyn, Interpreting WTO Law, Manuskript S. 2. 69 Siehe hierzu Palmeter / Mavroidis, AJIL 92 (1998), S. 411; Marceau, IWT 33, Nr. 5 (1999), S. 122 ff.; vgl. zur Einbeziehung des Völkergewohnheitsrechts über Art. 31 Abs. 31it. c WVRKSands, YHRDU 1 (1998), S. 85 ff. 70 Sinclair; The Vienna Convention, S. 139. 71 Sands, YHRDU 1 (1998), S. 95; Marceau, JWT 35, Nr. 6 (2001), S. 1089. 72 Matscher; in: Bemhardt (Hrsg.), S. 561; Marceau, JWT 33, Nr. 5 (1999), S. 123. 73 Vgl. Sands, YHRDU 1 (1998), S. 102; Marceau, JWT 33, Nr. 5 (1999), S. 123.

A. Die Rechtsordnung der WTO

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Unklar bleibt jedoch der zeitliche Bezugspunkt von Art. 31 Abs. 3 lit. c WVRK. Hierunter könnten einmal nur diejenigen Volkerrechtssätze verstanden werden, die bereits bei Abschluss des auszulegenden Vertrages bestanden haben. Andererseits könnten aber auch alle zum Zeitpunkt der Auslegung geltenden Volkerrechtssätze gemeint sein. Nach traditioneller Auffassung, wonach die Auslegung maßgeblich am Parteiwillen zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses zu orientieren war (subjektiver Ansatz), waren nur die bei Abschluss des zu interpretierenden Vertrages bestehenden Volkerrechtssätze zu berücksichtigen. 74 Art. 31 WVRK liegt jedoch ein objektiver Ansatz zu Grunde. Danach muss jede Auslegung primär vom Vertragswortlaut ausgehen und darauf gerichtet sein, den im Wortlaut ausgedrückten Parteiwillen zu ermitteln. Zur Ermittlung des objektiven Sinngehaltes einer völkervertraglichen Regelung können aber nicht nur das völkerrechtliche Umfeld zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses von Bedeutung sein, sondern grundsätzlich alle zum Zeitpunkt der Auslegung bestehenden Volkerrechtssätze?5 In diesem Sinne hat auch der IGH im Namibia-Gutachten ausgeführt: "Mindful as it is of the primary necessity of interpreting an instrument in accordance with the intentions of the parties at the time of its conclusion, the Court is bound to take into account the fact that the concepts embodied in Article 22 of the Covenant - ,the strenuous conditions of the modem world' and ,the well-being and development' of the peoples concerned - were not static, but were by definition evolutionary, as also, therefore, was the concept of the ,sacred trust' . The parties to the Covenant must consequently be deemed to have accepted them as such. That is why, viewing the institutions of 1919, the Court must take into consideration the changes which have occurred in the supervening half-century, and its interpretation cannot remain unaffected by the subsequent development of law, through the Charter of the United Nations and by way of customary law. Moreover, an international instrument has to be interpreted and applied within the framework of the entire legal system prevailing at the time of the interpretation. In the domain which the present proceedings relate, [ . .. ] the corpus iuris gentium has been considerably enriched, and this the Court, if it is faithfully to discharge its functions , may not ignore.,,76

Damit bringt der objektive Grundansatz zugleich ein dynamisches Element in die Auslegung. 77 Wie sich auch an den vom IGH im konkreten Fall aufgezählten Rechtskonzepten ablesen lässt, setzt eine dynamische Auslegung eines Begriffs jedoch immer voraus, dass dieser nach allgemeiner Auffassung und auch der gemeinsamen Auffassung der Vertragsparteien für Begriffswandlungen offen ist. 78 74 Vgl. IGH, Case Conceming Rights of Nationals of the United States of America in Morocco, ICJ Rep. 1952, S. 176, 189: "It is necessary to take into account the meaning ofthe

word ,dispute' at the times when the two treaties were concluded." 75 Verdross/Simma, Universelles Volkerrecht, S. 497; Sinclair, The Vienna Convention, S. 139 f. 76 IGH, Legal Consequences for States of the Continued Presence of South Africa in Namibia, ICJ Rep. 1971, S. 31 f. (Hervorhebung durch den Verfasser). 77 Allgemein zur dynamischen Auslegung Heintschel von Heinegg, Die völkerrechtlichen Verträge, in: Ipsen, S. 122 f. 78 Verdross/Simma, Universelles Volkerrecht, S. 498.

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3. Teil: Hande1smaßnahmen zum Umweltschutz im Recht der WTO

Andernfalls würden die vertraglichen Verpflichtungen unter dem Deckmantel der Auslegung in einen Bereich erstreckt, der nicht mehr vom Konsens der Vertragsparteien getragen ist. Demnach sind vor allem unbestimmte Rechtsbegriffe, wie etwa "public policy" oder "domestic jurisdiction" einer dynamischen Auslegung zugänglich?9 Der Appellate Body hat diesen Ansatz des IGH ausdrücklich auch für die Auslegung des Welthandelsrechts übernommen. So hat er im Fall US Shrimp die Wendung "exhaustible natural resources" in Art. XX(g) dynamisch ausgelegt. 8o Danach gilt auch für die Auslegung der WTO-Übereinkommen: Soweit der auszulegende Begriff in einem Sinne dynamisch verwendet wird, dass er für Begriffswandlungen in der Zeit offen ist, sind zu seiner Auslegung nach Art. 31 Abs. 3 lit. c WVRK grundsätzlich alle zum Zeitpunkt der Auslegung bestehenden einschlägigen Völkerrechtssätze heranzuziehen. bb) "Applicable in the relations between the parties" Ferner setzt Art. 31 Abs. 3 lit. c WVRK voraus, dass der zur Auslegung heranzuziehende Völkerrechtssatz in den Beziehungen zwischen den Parteien anwendbar ist ("applicable in the relations between the parties"). Damit ein Völkerrechtssatz anwendbar ist, muss das entsprechende Rechtsinstrument in Kraft getreten sein und Rechtswirkungen entfalten. 81 Insoweit besteht Einigkeit. Umstritten ist jedoch, im Verhältnis welcher Parteien zueinander der zur Auslegung heranzuziehende Völkerrechtssatz anwendbar sein muss. Hierzu lassen sich grundsätzlich drei verschiedene Positionen unterscheiden. 82 (1) Nach der engsten Ansicht können nur solche Völkerrechtssätze zur Auslegung herangezogen werden, die im Verhältnis aller Vertragsparteien des auszulegenden Vertrages gleichermaßen anwendbar sind. 83 Hierunter fallen zunächst das für alle Staaten gleichermaßen rechtsverbindliche allgemeine Völkergewohnheitsrecht und auch die allgemeinen Rechtsgrundsätze. 84 Völkerrechtliche Verträge sind nach dieser Ansicht nur dann "applicable in the relations between the parties", wenn alle Vertragsparteien des auszulegenden Vertrages auch Vertragsparteien des zur Auslegung herangezogenen Vertrages sind. Insoweit wird vereinfachend von Parteienidentität gesprochen.85 Wie aber der Blick auf das allgemeine Völkergewohnheitsrecht und die allgemeinen Rechtsgrundsätze nahe legt, ist ein über die Vertragsparteien des auszulegenden Vertrages Vgl. Sinclair, The Vienna Convention, S. 139; Leirer, Rechtliche Grundfragen, S. 36. Appellate Body Report, US - Shrimp, para. 129 ff.; zum Wortlaut der Ausführungen siehe unten im dritten Teil D.VI.2.d)aa)(I). 81 Sands, YHRDU 1 (1998), S. 102. 82 Siehe hierzu Marceau, JWT 33, Nr. 5 (1999), S. 124 ff. 83 Zuleeg, GYIL 20 (1977), S. 273 f.; Leirer, Rechtliche Grundfragen, S. 15. 84 Vgl. Sands, YHRDLJ 1 (1998), S. 95 und 102. 85 Leirer, Rechtliche Grundfragen, S. 15. 79

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A. Die Rechtsordnung der WTO

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hinausgehender Kreis der Verpflichteten unschädlich. Eingedenk dieser Einschränkung soll aber auch hier vom Erfordernis der Parteien identität gesprochen werden. Diese für völkerrechtliche Verträge angestellten Überlegungen zur erforderlichen Parteienidentität gelten gleichermaßen auch für partikuläres Völkergewohnheitsrecht. (2) Eine weitere Ansicht hält auch solche völkerrechtlichen Verträge für "applicable in the relations between the parties", denen mehrere Vertragsparteien des auszulegenden Vertrages angehören, nicht zwingend jedoch alle. 86 Insoweit wird u. a. geltend gemacht, dass der Begriff der "parties" in Art. 31 Abs. 3 lit. c WVRK nicht die Gesamtheit der Vertragsparteien des auszulegenden Vertrages bezeichne, sondern die Parteien eines bestimmten zwischenstaatlichen Streitfalles. 87 Danach müssen die im Einzelfall streitbefangenen Vertragsparteien des auszulegenden Vertrages auch Vertragsparteien des zur Auslegung herangezogenen Vertrages sein. (3) Nach der weitesten Ansicht genügt sogar, dass nur eine der Vertragsparteien des auszulegenden Vertrages auch Vertragspartei des zur Auslegung heranzuziehenden Vertrages ist. 88 Schließlich könne auch ein solcher Vertrag durch seinen Inhalt weitere Vertragsparteien des auszulegenden Vertrags betreffen. Ferner müsse die Identität einer Vertragspartei ausreichen, da nach Art. 31 Abs. 3 lit. c WVRK der zur Auslegung herangezogene Vertrag lediglich zu berücksichtigen sei und nicht selbst mit Wirkung für die nicht auch diesem Vertrag angehörenden Vertragsparteien des auszulegenden Vertrages angewendet wird. Bei der Würdigung der dargelegten Ansichten ruft zunächst die Beschränkung des Begriffs der "parties" in Art. 31 Abs. 3 lit. c WVRK auf die Parteien eines zwischenstaatlichen Streitfalls Widerspruch hervor. Diese unter (2) dargelegte Ansicht ist mit dem Grundansatz des Art. 31 WVRK unvereinbar. Die WVRK regelt allgemein das Recht der völkerrechtlichen Verträge und Art. 31 WVRK allgemein die Auslegung völkerrechtlicher Verträge. Eine Zuspitzung auf Streitfälle im Bereich völkerrechtlicher Verträge und ihrer Auslegung ist der WVRK fremd. 89 Der Begriff der "parties" benennt allgemein die Vertragsparteien des auszulegenden Vertrages. Gegen die weiteste Ansicht spricht demgegenüber der Wortlaut des Art. 31 Abs. 3 lit. c WVRK. Der Begriff der "parties" bezeichnet eine Mehrheit von Vertragsparteien, zwischen denen der zur Auslegung herangezogene Vertrag anwendbar sein muss. Der Hinweis auf mögliche Auswirkungen auch auf weitere Vertragsparteien des auszulegenden Vertrags vermag hieran nichts zu ändern. Die bloße Auswirkung reicht nach Art. 31 Abs. 3 lit. c WVRK nämlich gerade nicht aus. 86 87

88 89

Mattool Mavroidis, in: Petersmann (ed.), S. 332 f. Palmeter I Mavroidis, AJIL 92 (1998), S. 411. Marceau, JWT 33, Nr. 5 (1999), S. 125 ff. So auch Marceau, JWT 33, Nr. 5 (1999), S. 125.

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3. Teil: Handelsmaßnahmen zum Umweltschutz im Recht der WTO

Der zur Auslegung herangezogene Vertrag muss vielmehr anwendbar ("applicable") sein, d. h. unmittelbare Rechtswirkungen für die Vertragsparteien des auszulegenden Vertrages entfalten. Schon nach der Ausschlussmethode erscheint allein die engste Ansicht vertretbar. Hierfür spricht zudem der Wortlaut der Vorschrift. 90 Nach Art. 31 Abs. 3 lit. c WVRK sind nur solche Völkerrechtssätze zur Auslegung heranzuziehen, die "applicable in the relations between the parties" sind. Die unqualifizierte Verwendung des Begriffs "the parties", im Gegensatz etwa zu "a party", "one party", "some parties" oder "the parties concerned", macht hinreichend deutlich, dass hiermit alle Vertragsparteien gemeint sind. Dies ist gerade die gewöhnliche Bedeutung der unqualifizierten Verwendung des Begriffs der Parteien. Das hiergegen vorgebrachte Argument der uneinheitlichen Verwendung des Begriffs in Art. 31 WVRK überzeugt nicht. So wird vorgetragen, dass in Art. 31 Abs. 2 WVRK einmal von "al1 the parties" (lit. a) und zum anderen von "one or more parties" (lit. b) gesprochen wird. Eine ähnliche Qualifizierung des Begriffs der Partei fehle jedoch in Art. 31 Abs. 3 lit. c WVRK. Diese unbenannten Parteien müssten demnach in ihrer Anzahl zwischen den benannten Fällen liegen, so dass es im Ergebnis ausreiche, wenn mehrere Vertragsparteien des auszulegenden Vertrages auch Parteien des zur Auslegung heranzuziehenden Vertrages sind. 91 Diese Argumentation übersieht jedoch die im Vergleich zu Art. 31 Abs. 3 WVRK unterschiedliche Struktur des Art. 31 Abs. 2 WVRK. In Art. 31 Abs. 2 WVRK dient die Qualifizierung des Begriffs der "parties" gerade der Unterscheidung zweier Situationen, in der einmal die Initiative zu einem vertragsbegleitendem Instrument von allen Vertragsparteien gemeinsam (lit. a) und einmal von einzelnen Vertragsparteien (lit. b) ausgeht. In Art. 31 Abs. 3 WVRK ist hingegen einheitlich von "the parties" die Rede. Es besteht überhaupt kein Anlass zur Differenzierung des Begriffs der Parteien. Der Hinweis auf die uneinheitliche Verwendung des Begriffs der Parteien in Art. 31 WVRK vermag somit zur Klärung des Begriffs in Art. 31 Abs. 3 lit. c WVRK keinen Beitrag zu leisten. Im Gegenteil deutet die unqualifizierte Verwendung des Begriffs der "the parties" in Art. 31 Abs. 3 WVRK darauf hin, hierunter durchgängig die Gesamtheit der Vertragsparteien des auszulegenden Vertrages zu verstehen. Zumindest für Art. 31 Abs. 3 lit. a WVRK dürfte ein solches Verständnis nämlich anerkannt sein. 92 Nach alledem ist ein völkerrechtlicher Vertrag nur dann "applicable in the relations between the parties" und dementsprechend nach Art. 31 Abs. 3 lit. c WVRK zur Auslegung einer Bestimmung eines anderen Vertrages heranzuziehen, wenn alle Vertragsparteien des auszulegenden Vertrages zugleich Parteien des zur Auslegung herangezogenen Vertrages sind, insoweit also Parteienidentität besteht. Diesem engen Verständnis entspricht letztlich auch die Praxis internationaler Gerichte. 90 91 92

Leirer, Rechtliche Grundfragen, S. 15 Fn. 76. Vgl. Marceau, JWT 33, Nr. 5 (1999), S. 124 f. Vgl. Bemhardt, in: Bemhardt (ed.), S. 1423.

A. Die Rechtsordnung der WTO

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Ausdrückliche Hinweise auf die Anwendung von Art. 31 Abs. 3 1it. c WVRK fehlen fast vollständig. 93 Auch der Appellate Body hat, soweit ersichtlich, erst in einem einzigen Fall auf Art. 31 Abs. 3 lit. c WVRK hingewiesen. Bezeichnenderweise betrifft dieser Hinweis im Fall US - Shrimp die Heranziehung allgemeinen Völkergewohnheitsrechts bzw. allgemeiner Rechtsgrundsätze. 94 cc) Ergebnis Art. 31 Abs. 3 lit. c WVRK repräsentiert den Gedanken der Einheit der Völkerrechtsordnung und steht im Dienste der Integration der verschiedenen Quellen des Völkerrechts. Vor allem das allgemeine Völkergewohnheitsrecht und auch die allgemeinen Rechtsgrundsätze sind danach in vollem Umfang zur Auslegung vertraglicher Bestimmungen heranzuziehen. Hinsichtlich der Heranziehung anderer völkerrechtlicher Verträge ist jedoch die begrenzte Reichweite des Art. 31 Abs. 3 lit. c WVRK zu beachten. Die Heranziehung eines völkerrechtlichen Vertrages zur Auslegung einer Bestimmung eines anderen Vertrages ist danach nur dann zulässig, wenn alle Vertragsparteien des auszulegenden Vetrages auch Parteien des zur Auslegung herangezogenen Vertrages sind (Parteienidentität). Dies ergibt sich schon aus dem insoweit eindeutigen Wortlaut der Vorschrift. Bei der Auslegung des Welthandelsrechts sind danach das allgemeine Völkergewohnheitsrecht und auch die allgemeinen Rechtsgrundsätze in vollem Umfang in den Auslegungsprozess einzubeziehen. Andere völkerrechtliche Verträge, insbesondere Umweltschutzübereinkommen, sind nach Art. 31 Abs. 3 lit. c WVRK jedoch nur dann zur Auslegung heranzuziehen, wenn alle WTO-Mitglieder zu ihren Vertragsparteien zählen. Angesichts der hohen Mitgliederzahl der WTO dürfte diese Situation nur selten vorliegen. Zur allgemeinen Berücksichtigung von MEAs bei der Auslegung der WTO-Übereinkommen vermag Art. 31 Abs. 3 lit. c WVRK mithin zum heutigen Zeitpunkt keinen nennenswerten Beitrag zu leisten. e) Sinn und Zweck Neben dem Zusammenhang im engeren Sinne und den gleichgestellten Umständen nach Art. 31 Abs. 3 WVRK ist nach Art. 31 Abs. 1 WVRK zur Auslegung einer völkervertraglichen Vorschrift der objektiv zu ermittelnde Sinn und Zweck der Vorschrift wie auch des gesamten Vertrages heranzuziehen. Der Appellate Body hat insoweit ausgeführt: "It is in the words constituting that provision, read in their context, that the object and purpose of the states parties to the treaty must first be sought. Where the meaning imparted by the text itself is equivocal or inconclusive, or where confirrnation of the correct93 94

Sands, YHRDLJ 1 (1998), S. 95 f. Appellate Body Report, US - Shrimp, para. 158 Fn. 157.

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3. Teil: Handelsmaßnahmen zum Umweltschutz im Recht der WTO

ness of the reading of the text itself is desired, light from the object and purpose of the treaty as a whole may usefully be sought.,,95

Als Sinn und Zweck der Welthandelsordnung insgesamt kommen die Überlegungen des zweiten Teils der vorliegenden Bearbeitung zu den Grundwerten der Wohlfahrtssteigerung und des Konzepts der nachhaltigen Entwicklung in den Blick. Die in diesem Rahmen ermittelten Policy- Vorgaben zur Behandlung nichtproduktbezogener Handelsrnaßnahmen zum Umweltschutz sind bei der Auslegung der einzelnen Vorschriften der WTO-Übereinkommen als relevanter Sinn und Zweck im weiteren Sinne zu berücksichtigen. Die Bezugnahme auf den Sinn und Zweck eines Vertrages darf jedoch nicht dazu führen, dass eine eindeutige Regelung aufgrund des Hinweises auf einzelne Vertragsziele unterlaufen wird. Zu vielfältig und mitunter widersprüchlich sind die mit einem Vertragswerk verfolgten Zielsetzungen. Der Vertragstext bleibt Ausgangspunkt jeder Auslegung. Unter Bezugnahme auf den Sinn und Zweck des Vertrages ist lediglich die auf der Grundlage der gewöhnlichen Bedeutung und des Zusammenhangs ermittelte Bedeutung einer Vorschrift zu überprüfen und entweder zu bestätigen oder zu modifizieren. 96 Daher besteht jedenfalls im Falle einer differenzierten und aussagekräftigen Regelung geringer Spielraum für die Auslegung nach dem Sinn und Zweck des Vertrages. Ist der auszulegenden Vorschrift im Hinblick auf die konkrete Fallgestaltung hingegen nur eine unzureichende gewöhnliche Bedeutung zu entnehmen, besteht tendenziell ein größeres Bedürfnis nach ihrer inhaltlichen Ausfüllung durch Erwägungen zu Sinn und Zweck des Vertrages. Dies dürfte insbesondere dann der Fall sein, wenn die auszulegende Vorschrift, wie etwa Art. XX, zu einem großen Teil aus unbestimmten Rechtsbegriffen besteht.

3. Die ergänzenden Auslegungsmittel des Art. 32 WVRK Nach Art. 32 WVRK können als ergänzende Auslegungsmittel insbesondere die den Vertragsschluss vorbereitenden Arbeiten (travaux preparatoires) und die Umstände des Vertragsschlusses herangezogen werden. Dies ist Ausdruck des den objektiven Grundansatz der allgemeinen Auslegungsregel des Art. 31 WVRK ergänzenden subjektiven Elements. Dadurch wird betont, dass völkerrechtliche Verträge nicht völlig losgelöst von ihrem historischen Hintergrund zu betrachten sind. 97 Die ergänzenden Auslegungsmittel dürfen nach Art. 32 WVRK jedoch nur zu dem Zweck herangezogen werden, um entweder ein nach Art. 31 WVRK erzieltes Auslegungsergebnis zu bestätigen oder selbstständig die Bedeutung einer Bestimmung 95 Appellate Boyd Report, US - Shrimp. para. 114. Vor einer Überbetonung der Auslegung nach dem Sinn und Zweck warnt Sinclair; The Vienna Convention, S. 130 f. 97 Sinclair; The Vienna Convention, S. 141. 96

A. Die Rechtsordnung der WTO

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zu klären, wenn das Auslegungsergebnis nach Art. 31 WVRK mehrdeutig oder dunkel (lit. a) oder offensichtlich sinnwidrig oder unvernünftig (lit. b) ist. Der Appellate Body hat u. a. im Fall EC - Computer Equipment Art. 32 WVRK angewendet. Dort sah er alle einschlägigen Praktiken der Mitglieder zum Zeitpunkt der Unterzeichnung der WTO-Übereinkommen als beachtliche Umstände des Vertragsschlusses an. 98 Voraussetzung sei jedoch, dass insoweit ein konsistentes Vorgehen des jeweiligen Mitglieds erkennbar ist. Inkonsistentes Vorgehen könne von vornherein keinerlei Bedeutung für die Auslegung der WTO-Übereinkommen haben. 99 Zudem sei die Vertragsauslegung darauf ausgerichtet, den gemeinsamen Willen der Vertragsparteien zu ermitteln. Der ermittelten Intention nur einer Vertragspartei komme daher nur dann Bedeutung zu, wenn sie als Ausdruck einer gemeinsamen Intention der Vertragsparteien angesehen werden könne. 100

4. Sonstige im Welthandelsrecht anerkannte Auslegungsregeln Neben den in den Art. 31 und 32 WVRK niedergelegten Auslegungsregeln hat der Appellate Body im Anschluss an die umfangreiche Praxis anderer internationaler Spruchkörper weitere Auslegungsregeln anerkannt.

a) Der Grundsatz der effektiven Vertragsauslegung Der allgemeinen Auslegungsregel des Art. 31 WVRK immanent ist der Grundsatz der effektiven Vertragsauslegung (ut res magis valeat quam pereat). Dieser wird im Text des Art. 31 WVRK zwar nicht ausdrücklich benannt, er ergibt sich jedoch implizit aus den Hinweisen auf Treu und Glauben und den Sinn und Zweck des Vertrages. 101 Die International Law Commission hat den Inhalt des Effektivitätsgrundsatzes allgemein dahingehend umschrieben, dass immer dann, wenn ein Vertrag zwei Interpretationen zulässt, diejenige zu bevorzugen sei, die den Vertrag am effektivsten umsetzt. 102 Auch in der Rechtsprechung des IGH finden sich Hinweise auf den Grundsatz der effektiven Vertragsauslegung. 103 Die Geltung des Grundsatzes auch für die Auslegung des WTO-Rechts hat der Appellate Body im Fall US - Gasoline bestätigt. Dort heißt es: Appellate Body Repon, EC - Computer Equipment, para. 92. Appellate Body Repon, EC - Computer Equipment, para. 95. 100 Appellate Body Repon, EC - Computer Equipment, para. 93. 101 Sinclair; The Vienna Convention, S. 118. 102 ILC, Yearbook of the International Law Commis si on (1966 - 11), S. 219. 103 Vgl. IGH, Corfu Channel Case, IC] Rep. 1949, S. 24; IGH, Territorial Dispute Case (Libyan Arab Jamahiriya v. Chad), JC] Rep. 1994, S. 23. 98 99

13 Puth

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3. Teil: Handelsmaßnahmen zum Umweltschutz im Recht der WTO

"One of the corollaries of the ,general rule of interpretation' in the Vienna Convention is that interpretation must give meaning and effect to all the terms of a treaty. An interpreter is not free to adopt a reading that would result in reducing whole c1auses or paragraphs of a treaty to redundancy or inutility."I04

b) Grundsatz der souveränitätsfreundlichen Auslegung Der Grundsatz der souveränitätsfreundlichen Auslegung (in dubio mitius) besagt, dass bei unklarer Bedeutung einer Wendung oder einer gesamten Vorschrift diejenige Auslegung vorzuziehen ist, welche die Souveränität der Parteien am wenigsten beeinträchtigt. 105 Im Fall EC - Hormones hat sich der Appellate Body ausdrücklich auf den Grundsatz in dubio mitius berufen und diesen als primäres Auslegungsmittel anerkannt. Dabei hat der Appellate Body folgende Definition zu Grunde gelegt: "The principle of in dubio mitius applies in interpreting treaties, in deference to the sovereignty of states. If the meaning of a term is ambiguous, that meaning is to be preferred which is less onerous to the party assuming an obligation, or which interferes less with the territorial and personal supremacy of a party, or involves less general restrictions upon the parties."I06

c) Enge Auslegung von Ausnahmebestimmungen?

In älteren Panel-Berichten wie auch teilweise in der Literatur wird die enge Auslegung von Ausnahmebestimmungen zum allgemeinen Auslegungsprinzip erhoben. 107 Dieser Ansatz wäre im vorliegenden Zusammenhang insbesondere für die Auslegung von Art. XX von einiger Bedeutung. Der Appellate Body ist dieser Ansicht im Fall EC - Hormones jedoch entgegen getreten. 108 Allein aus der Qualifizierung als Ausnahmebestimmung die enge Auslegung einer Vorschrift ableiten zu wollen, stimme nicht mit den völkergewohnheitsrechtlich anerkannten Auslegungsregeln überein. Im Wortlaut machte der Appellate Body geltend: ,,[M]erely characterizing a treaty provision as an ,exception' does not by itself justify a ,stricter' or ,narrower' interpretation of that provision than would be warranted by exami104 Appellate Body Report, US - Gasoline, S. 22 f.; vgl. auch Appellate Body Report, Japan - Alcoholic Beverages, S. 12 f. 105 IGH, Nuclear Tests Case (Australia v. France), ICI Rep. 1974, S. 267; vgl. auch VerdrosslSimma, Universelles Völkerrecht, S. 493. 106 Appellate Body Report, EC - Hormones, para. 165 Fn. 154. 107 Panel Report, Canada - FlRA, para. 5.20; Panel Report, US - Seetion 337, para. 5.27; Panel Report, US - Tuna 11, para. 5.26, 5.38; Klabbers, JWT 26, Nr. 2 (1992), S. 88; Tietje, Normative Grundstrukturen, S. 311; Van Calster; International and EU Trade Law, S. 71. 108 Vgl. die Ausführungen von PalmeterlMavroidis, AJIL 92 (1998), S. 408.

A. Die Rechtsordnung der WTO

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nation of the ordinary meaning of the actual treaty words, viewed in context and in the light of the treaty's object and purpose, or, in other words, by applying the normal rules of treaty interpretation ... 109

5. Zusammenfassung: Die Berücksichtigung des Umweltvölkerrechts bei der Auslegung des WTO-Rechts Im Folgenden wird zusammenfassend erörtert, welche Bedeutung dem Umweltvölkerrecht bei der Auslegung der WTO-Übereinkommen nach den dargelegten Auslegungsregeln zukommt. Hierbei wird das Potenzial der einzelnen Auslegungsregeln zur Einbeziehung des Umweltvölkerrechts in den Prozess der Auslegung verdeutlicht.

a) Gewohnheitsrecht und allgemeine Rechtsgrundsätze Gewohnheitsrechtlich anerkannte Regeln des Umweltvölkerrechts sowie entsprechende allgemeine Rechtsgrundsätze sind, von einigen wenigen Ausnahmen abgesehen, kaum nachweisbar. Im vorliegenden Zusammenhang dürfte jedoch zumindest das universell geltende allgemeine Schädigungsverbot als umweltvölkerrechtliche Fundamentalnorm auch für die Auslegung der WTO-Übereinkommen von Bedeutung sein. 11O Universelles Volkergewohnheitsrecht und auch allgemeine Rechtsgrundsätze sind zwischen allen WTO-Mitgliedern anwendbar und werden daher ohne weiteres von Art. 31 Abs. 3 lit. c WVRK erfasst, sofern sie ihrem Regelungsgehalt nach einschlägig sind. ll1 In diesem Sinne hat auch der Appellate Body im Fall US - Shrimp "additional interpretative guidance, as appropriate, from the general principles of international law" gesucht und hierzu auf Art. 31 Abs. 3 lit. c WVRK verwiesen. 112

b) Umweltschutzübereinkommen Während die Einbeziehung des allgemeinen Volkergewohnheitsrechts wie der allgemeinen Rechtsgrundsätze im Bereich des Umweltvölkerrechts schon mangels nachweisbarer Regeln wenig Relevanz besitzt, kommt der Berücksichtigung von Umweltschutzübereinkommen bei der Auslegung des WTO-Rechts hohe praktische Bedeutung zu.

109 110 111

112 13*

Appellate Body Report, EC - Honnones, para. 104. Siehe hierzu oben zweiter Teil c.n.2.c )aa). Vgl. Sands, YHRDU I (1998), S. 102. Appellate Body Report, US - Shrimp, para. 158.

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3. Teil: Handelsmaßnahmen zum Umweltschutz im Recht der WTO

aa) Parteienidentität Sind alle WTO-Mitglieder zugleich Vertragsparteien eines MEA (Parteienidentität), so ist Art. 31 Abs. 3 lit. c WVRK grundsätzlich anwendbar. Danach sind die einschlägigen Bestimmungen des Umweltschutzübereinkommens gleich dem systematischen Zusammenhang zur Auslegung der Bestimmungen der WTO-Übereinkommen heranzuziehen. bb) Nichtidentischer Parteienkreis Sind nicht alle WTO-Mitglieder zugleich Vertragsparteien des zur Auslegung heranzuziehenden Umweltschutzübereinkommens (nichtidentischer Parteienkreis), so ist entsprechend des hier verfolgten Ansatzes Art. 31 Abs. 3 lit. c WVRK nicht anwendbar. Die Bestimmungen des Umweltschutzübereinkommens sind in diesem Fall nicht im Verhältnis der WTO-Mitglieder anwendbar. Gleichwohl bietet die Praxis des Appellate Body wie auch anderer internationaler Streitbeilegungsinstanzen zahlreiche Beispiele für die auslegungsweise Heranziehung von völkerrechtlichen Verträgen trotz nichtidentischen Parteienkreises.

(1) Das Vorgehen des Appellate Body Im Fall EC - Computer Equipment führte der Appellate Body ohne Hinweis auf Art. 31 Abs. 3 lit. c WVRK aus: "We are puzzled by the fact that the Panel, in its effort to interpret the terms of Schedule LXXX, did not consider the Harmonized System and its Explanatory Notes. We note that during the Uruguay Round negotiations, both the European Communities and the United States were parties to the Harmonized System. Furthermore, it appears to be undisputed that the Uruguay Round tariff negotiations were held on the basis of the Harmonized System S nomenc1ature and that requests for, and offers of, concessions were normally made in terms ofthis nomenc1ature.,,1l3

Ferner seien zur Auslegung der Zollzugeständnisse der EG in Schedule LXXX, das auf dem Hannonisierten System beruhe, auch die Beschlüsse des Hannonized System Committee der WCO als spätere Übung unter dem Hannonisierten System heranzuziehen. 114 Im Fall US - Shrimp hat der Appellate Body bei der Auslegung des Begriffs "natural resources" in Art. XX(g) nach der Feststellung des evolutionären Charakters dieses Begriffs hervorgehoben: "It is, therefore, pertinent to note that modem international conventions and declarations make frequent references to natural resources as embracing both living and non-living resources".115 Zum Beweis hat 113 Appellate Body Report, EC - Computer Equipment, para. 89. 114 Appellate Body Report, EC - Computer Equipment, para. 90. 115 Appellate Body Report, US - Shrimp, para. 130.

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der Appellate Body die Art. 56, 61 und 62 der Seerechtskonvention der Vereinten Nationen (UNCLOS) aus dem Jahr 1982, das Konzept der "biological resources" unter der Konvention über die biologische Vielfalt (CBD), die Agenda 21 116 und die zusammen mit der Convention on the Conservation of Migratory Species of Wild Animals angenommene Resolution on Assistance to Developing Countries 117 angeführt. Dabei untersucht der Appellate Body an keiner Stelle die Übereinstimmung des Parteienkreises der MEAs und der WTO-Übereinkommen. Hierauf scheint es ihm offenbar für die auslegungsweise Heranziehung eines MEA nicht anzukommen. Der Appellate Body nimmt lediglich Kenntnis ("we note") von der jeweiligen Beteiligung der Streitparteien Indien, Malaysien, Pakistan, Thailand auf der einen Seite und den Vereinigten Staaten auf der anderen SeiteYs Aber auch die Beteiligung der Streitparteien an den auslegungsweise herangezogenen Übereinkommen scheint für den Appellate Body nicht ausschlaggebend zu sein, da sich der unterschiedliche Beteiligungsgrad der Streitparteien an den genannten MEAs in keiner Weise in der Beurteilung ihrer Aussagekraft für die Auslegung von Art.xX(g) niederschlägt. Der eigentliche Grund für die Heranziehung der genannten MEAs weitgehend unabhängig von der konkreten Beteiligung der WTO-Mitglieder oder der Streitparteien wird in der folgenden Passage des Berichts deutlich: "Given the recent acknowledgement by the international community of the importance of concerted bilateral or multilateral action to protect Iiving natural resources, and recalling the explicit recognition by WTO Members of the objective of sustainable development in the preamble of the WTO Agreement, we believe it is too late in the day to suppose that ArticIe XX(g) of the GATT 1994 may be read as referring only to the conservation of exhaustible mineral or other non-living natural resources.,,119

Danach hat der Appellate Body die genannten MEAs als Indizien für einen international anerkannten Begriffsinhalt herangezogen und diesen unter Hinweis auf die Anerkennung des Konzepts der nachhaltigen Entwicklung durch die WTOMitglieder auf die WTO-Übereinkommen übertragen. Der Appellate Body verweist insbesondere auf para. 17.70 ff. der Agenda 21. Final Act of the Conference to ConcIude a Convention on the Conservation of Migratory Species of Wild Animals, angenommen in Bonn am 23. Juni 1979, abgedruckt in ILM 19, S. 11,15. 118 Der Appellate Body stellte in para. 130, Fn. 110-113, folgende Beteiligung der Streitparteien fest: Indien, Malaysien und Pakistan hatten die Seerechtskonvention ratifiziert. Thailand hatte diese Konvention lediglich gezeiclmet, nicht aber ratifiziert, und die Vereinigten Staaten hatten sie noch nicht einmal gezeichnet. Die Konvention über die biologische Vielfalt hatten Indien, Malaysien und Pakistan bereits ratifiziert, während die Vereinigten Staaten und Thailand die Konvention gezeichnet aber noch nicht ratifiziert hatten. Schließlich hatten allein Indien und Pakistan die Convention on the Conservation of Migratory Species of Wild Animals ratifiziert. Malaysien, Thailand und die Vereinigten Staaten hatten diese Konvention hingegen nicht gezeichnet. 119 Appellate Body Report, US - Shrimp, para. 131 (Hervorhebung durch den Verfasser). 116

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Ein ähnliches Vorgehen des Appellate Body ist bei der Konkretisierung der Anforderungen der Chapeau- Klausel des Art. XX festzustellen. So entnimmt er dem Begriff der "unjustifiable discrimination" unter Hinweis auf den Beschluss der Minister zu Handel und Umwelt, Prinzip 12 der Rio-Deklaration, Kapitel 2.22 (i) der Agenda 21, Art. 5 der Konvention über die biologische Vielfalt, Annex I der Convention on the Conservation of Migratory Species of Wild Animals und schließlich dem Bericht des CTE an die Ministerkonferenz in Singapur eine umfassende Kooperationspflicht der betroffenen Staaten hinsichtlich grenzüberschreitender und globaler Umweltprobleme. 12o

(2) Rechtliche Würdigung Dem Vorgehen des Appellate Body in den genannten Fällen liegt ein einheitlicher Ansatz zu Grunde. Im Fall EC - Computer Equipment hat der Appellate Body hervorgehoben, dass die bei der Aushandlung und Festlegung der einzelstaatlichen Zollzugeständnisse verwendete Sprache grundsätzlich diejenige des Harmonisierten Systems sei. Diese habe allgemein den Zollverhandlungen im Rahmen der Uruguay-Runde zu Grunde gelegen. Im Fall US - Shrimp betrachtete er mehrere bedeutende MEAs, um ihnen einen international anerkannten Begriffsinhalt zu entnehmen. In beiden Fällen hat der Appellate Body demnach solche Übereinkommen zur Auslegung der Bestimmungen der WTO-Übereinkommen herangezogen, welche nach seiner Überzeugung die übliche Verwendung der fraglichen Begriffe im zwischenstaatlichen Verkehr wiederspiegeln. Nur in diesem Sinne ist der Hinweis "acknowledgement by the international community" überhaupt zu verstehen. Dieser Ansatz entspricht ganz allgemein dem Vorgehen internationaler Streitbeilegungsinstanzen, grundsätzlich alle völkerrechtlichen Instrumente als primäre Auslegungsmittel heranzuziehen, unabhängig vom konkreten Parteienkreis. An Deutlichkeit dürfte in dieser Hinsicht das Namibia-Gutachten des IGH nicht zu übertreffen sein. Dort hat der Gerichtshof ausgeführt, dass "an international instrument has to be interpreted and applied within the framework of the entire legal system, prevailing at the time of the interpretation".121 Doch schon der StIGH hat zur Auslegung eines völkerrechtlichen Vertrags regelmäßig andere, auch zwischen dritten Staaten geschlossene Verträge herangezogen. 122 Als prominentestes Beispiel kann insoweit der Fall der S.S. Wimbledon angeführt werden. 123 Der StIGH Appellate Body Report, US - Shrimp, para. 168. IGH, Legal Consequences for States of the Continued Presence of South Africa in Namibia, IC] Rep. 1971, S. 31 f. 122 StIGH, Case Relating to the Territorial lurisdiction ofthe International Commission of the River Oder, PCU 1929, sero A No. 23, S. 27 f.; StIGH, Treatment of Polish Nationals and Other Persons of Polish Origin or Speech in the Danzig Territory, PeU 1932, sero AlB No. 44, S. 32 f.; StIGH, Interpretation of the Convention of 1919 Concerning Employment of Women During the Night, PCU 1932, seroAlB No. 50, S. 365 ff. 123 StIGH, Case ofthe S.S. .. Wimbledon", PCIJ 1923, sero A No. 1. 120

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hat in diesem Fall zur Auslegung von Art. 380 des Versailler Vertrages sowohl die Konvention von Konstantinopel vom 29. Oktober 1888 über die freie Schifffahrt auf dem Suezkanal als auch den Hay-Pauncefote-Vertrag zwischen den Vereinigten Staaten und Großbritannien vom 18. November 1901 über die Schifffahrt auf dem Panamakanal herangezogen, obwohl die Vertragsparteien in beiden Fällen nicht identisch waren. 124 In den Kategorien der WVRK lässt sich ein solches Vorgehen als Anwendung der allgemeinen Auslegungsregel des Art. 31 Abs. 1 WVRK verstehen. Die Heranziehung völkerrechtlicher Instrumente - auch bei nichtidentischem Parteienkreis dient dann der Ermittlung der üblichen Bedeutung eines Begriffs. Schließlich ergibt sich die übliche Bedeutung eines Begriffs nicht nur aus seiner umgangssprachlichen Verwendung, sondern auch und gerade aus seiner Verwendung in den zwischenstaatlichen Beziehungen, sei es in Form rechtsverbindlicher Übereinkünfte oder auch in Form von soft law. 125 Nach diesem Ansatz sind grundsätzlich alle einschlägigen völkerrechtlichen Instrumente zur Auslegung heranzuziehen, um ihnen im Wege einer Gesamtschau möglicherweise einen international anerkannten Begriffsinhalt zu entnehmen. Diesem weiten Ansatz wird mitunter der in Art. 34 WVRK niedergelegte Grundsatz der pacta tertiis nec nocent nec prosunt entgegengehalten. 126 Danach kann ein völkerrechtlicher Vertrag für einen Drittstaat ohne dessen Zustimmung niemals Rechte oder Pflichten begründen. Diese Kritik geht jedoch fehl. Bei genauer Betrachtung bedeutet die auslegungsweise Heranziehung von Verträgen dritter Staaten nicht eine Begründung von Rechten oder Pflichten aus diesen Verträgen. Die maßgeblichen Verpflichtungen ergeben sich allein aus dem auszulegenden Vertrag selbst, und zwar nur zwischen den Vertragsparteien dieses Vertrages. Die Heranziehung von Verträgen dritter Staaten dient ausschließlich der Konkretisierung der Bestimmungen des auszulegenden Vertrages. Hierdurch werden keine Rechte oder Pflichten begründet, die nicht ihren Ursprung im auszulegenden Vertrag selbst haben. Gerade hierin liegt der Unterschied zwischen der Anwendung einer vertraglichen Bestimmung und ihrer Heranziehung zur Auslegung einer anderen vertraglichen Vorschrift. 127 Im Falle der Anwendung einer vertraglichen Bestimmung wird einem konkreten Sachverhalt eine Rechtsfolge zugeordnet, d. h. es werden bestimmte Rechte und Pflichten für die Vertragsparteien ermittelt. Im Falle der auslegungsweisen Heranziehung einer vertraglichen Bestimmung wird hingegen grundsätzlich abstrakt die Bedeutung der auszulegenden Vorschrift konkretisiert und damit zugleich die Reichweite der aus ihr entspringenden Rechte und StIGH, Case ofthe S.S. "Wimbledon", PCIJ 1923, sero A No. 1, S. 25 ff. Matscher; in: Bemhardt (Hrsg.), S. 560. 126 Vgl. zur Kritik Leirer; Rechtliche Grundfragen, S. 13; Zuleeg, GYIL 20 (1977), S. 271 f. 127 Vgl. allgemein zum Unterschied zwischen Auslegung und Anwendung von Rechtsnormen Bemhardt, in: Bernhardt (ed.), S. 1416 f. 124

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3. Teil: Handelsrnaßnahmen zum Umweltschutz im Recht der WTO

Pflichten festgelegt. Zwar geht mit der auslegungsweisen Heranziehung von Verträgen, deren Vertragsparteien nicht identisch mit denen des auszulegenden Vertrags sind, automatisch einher, dass nicht mehr ausschließlich "die am Vertrag beteiligten Staaten die Gesichtspunkte liefern, die für die Auslegung bedeutsam sind".128 Diese Tatsache allein führt jedoch noch nicht zu einer Verletzung der Pacta-tertiis-Regel. I29 Es ist vielmehr schon die Ermittlung der üblichen Bedeutung nach Art. 31 Abs. 1 WVRK, die eine soziale Dimension aufweist und unabhängig vom Parteienkreis des auszulegenden Vertrages die allgemein übliche Bedeutung eines Begriffs an den Anfang einer jeden Auslegung stellt. Wollen die Vertragsparteien diese übliche Bedeutung eines Begriffs nicht gegen sich gelten lassen, so steht es ihnen nach Art. 31 Abs. 4 WVRK frei, eine besondere Bedeutung zu vereinbaren. In Abwesenheit einer solchen Vereinbarung ist jedoch davon auszugehen, dass auch die Verwendung eines Begriffs in einem anderen Vertrag mit nichtidentischem Parteienkreis zu den Umständen zählt, anhand derer der übliche Wortsinn zu ermitteln ist. Dieser weiten Betrachtung der allgemeinen Auslegungsregel des Art. 31 Abs. 1 WVRK steht insbesondere die ausdrückliche Regelung des Art. 31 Abs. 3 lit. c WVRK nicht entgegen. 130 Wie bereits an anderer Stelle ausgeführt, beabsichtigt die WVRK keine abschließende Kodifikation der gewohnheitsrechtlich anerkannten Auslegungsmethoden. Schon aus diesem Grund kann Art. 31 Abs. 3 lit. c WVRK nicht a contra rio dahingehend verstanden werden, dass alle nicht erfassten Völkerrechtssätze von vornherein nicht als primäre Auslegungsmittel zuzulassen sind. 131 Sofern eine Bestimmung eines völkerrechtlichen Vertrages die übliche Bedeutung des verwendeten Begriffs wiederspiegelt, kann sie ohne weiteres nach Art. 31 Abs. 1 WVRK zur Auslegung herangezogen werden, unabhängig von dem jeweiligen Parteienkreis und unabhängig von Art. 31 Abs. 3 lit. c WVRK. Neben diese allgemeingültigen Aussagen zur Auslegung völkerrechtlicher Verträge nach der WVRK tritt im vorliegenden Zusammenhang der Integrationsgedanke des Konzepts der nachhaltigen Entwicklung. Die mit dem Konzept der nachhaltigen Entwicklung in den erfassten Bereichen des Entwicklungs-, Wirtschaftsund Umweltvölkerrechts herbeigeführte einheitliche Ausrichtung erfordert eine Zuleeg, GYIL 20 (1977), S. 272. Zuleeg, GYIL 20 (1977), S. 272, sieht die Pacta-tertiis-Regel hingegen als überspielt an und schlägt als Rechtfertigung hierfür die Einheit der Völkerrechtsordnung vor, die eine harmonisierende Auslegung völkerrechtlicher Verträge gebiete. 130 A.A. Leirer, Rechtliche Grundfragen, S. 15 f. Fn. 76 und S. 22: Da Art. 31 Abs. 3 lit. c WVRK mangels Parteiidentität nicht anwendbar sei, bleibe nur noch die Einstufung des zur Auslegung herangezogenen Vertrags als ergänzendes Auslegungsmittel im Sinne des Art. 32 WVRK. 131 Dies verkennt wohl Zuleeg, GYIL 20 (1977), S. 273 f., der den Grundsatz der harmonisierenden Vertragsauslegung unabhängig vom jeweiligen Parteienkreis nur dann als mit der WVRK in Einklang stehend betrachtet, wenn er völkergewohnheitsrechtlich anerkannt und somit nach Art. 31 Abs. 3 lit. c WVRK bei der Vertragsauslegung zu beachten ist. 128 129

A. Die Rechtsordnung der WTO

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hannonisierende Lesart der verschiedenen Rechtsquellen. 132 Daher ist gerade in den vom Konzept der nachhaltigen Entwicklung erfassten Rechtsbereichen die übliche Bedeutung eines Begriffs immer im Zusammenhang mit der Begriffsverwendung in den anderen erfassten Rechtsbereichen zu ermitteln. Das Konzept der nachhaltigen Entwicklung führt insoweit zu einer einheitlichen Ausrichtung der erfassten Rechtsbereiche, unabhängig vom konkreten Parteienkreis der betreffenden Rechtsinstrumente. Diese einheitliche Ausrichtung wirkt sich auch und gerade auf die Inhalte der verwendeten Begrifflichkeiten aus. (3) Geltung für alle WTO-Mitglieder Entsprechend des obigen Ansatzes, d. h. der Klärung des objektiven Begriffsinhalts anhand anderer völkerrechtlicher Verträge unabhängig vom konkreten Parteienkreis, müssen alle WTO-Mitglieder die unter Heranziehung von MEAs ermittelte Bedeutung nach Art. 31 Abs. 1 WVRK gegen sich gelten lassen. 133 Für eine sog. interpretation partagü l34 nur zwischen den Parteien, die sowohl dem auszulegenden als auch dem auslegungs weise herangezogenen Vertrag angehören, besteht somit weder Bedarf noch Raum. Jedoch sei noch einmal nachdrücklich auf die Grenzen dieses Ansatzes hingewiesen: Nur wenn und soweit die Begriffsverwendung in einem Umweltschutzübereinkommen ein allgemeines Begriffsverständnis in den betreffenden zwischenstaatlichen Beziehungen zum Ausdruck bringt, können die einschlägigen Vorschriften dieses Umweltschutzübereinkommens zur Ermittlung der üblichen Bedeutung auch von Begriffen des WTO-Rechts herangezogen werden. cc) Exkurs: Umweltschutzübereinkommen als internationale Standards In engem Zusammenhang zur Berücksichtigung von MEAs als möglichem Ausdruck eines international anerkannten Begriffsverständnisses steht ihre Heranziehung als internationale Standards zur Einschätzung naturwissenschaftlicher Zusammenhänge. 135 Der Erfolg internationaler Umweltschutzbestrebungen ist in hohem Maße abhängig von naturwissenschaftlich exakten Problembeschreibungen und den zu ihrer Lösung zur Verfügung stehenden technologischen Mitteln. 136 In Antwort auf die ständige Weiterentwicklung in Naturwissenschaft und Technik ist es daher gängige Praxis geworden, Umweltschutzübereinkommen in einen rechtlichen Teil, 132 Auf diesen Mechanismus der "vertragsrechtsvergleichenden Auslegung" im Rahmen eines einheitlichen Grundkonzepts verweist Matscher; in: Bemhardt (Hrsg.), S. 560 f. 133 Im Ergebnis übereinstimmend Marceau, JWT 35, Nr. 6 (2001), S. 1107. 134 Vgl. hierzu Leirer; Rechtliche Grundfragen, S. 23 ff. 135 Vgl. Marceau, JWT 33, Nr. 5 (1999), S. 133. 136 Vgl. Kloepfer; Umweltrecht, S. 577.

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3. Teil: Handeismaßnahmen zum Umweltschutz im Recht der WTO

der insbesondere den pennanenten institutionellen Rahmen für die Ausarbeitung, Annahme, Überprüfung und Durchsetzung der zu setzenden Standards fixiert, und einen technischen Teil, der detaillierte Regeln und technische Vorgaben für den Umgang mit den betreffenden Umweltproblemen enthält, aufzuspalten. 137 Während der rechtliche Teil dem nonnalen völkerrechtlichen Vertrags schluss verfahren unterliegt und insbesondere der Ratifikation bedarf, sehen die Vertragsparteien für den technischen Teil regelmäßig ein vereinfachtes Verfahren vor. Entscheidende Kennzeichen dieses vereinfachten Verfahrens sind u. a. die Ausarbeitung und Überprüfung der technischen Standards durch Naturwissenschaftler und Techniker statt durch Diplomaten und die politische Annahme dieser Standards durch ein im Übereinkommen eingesetztes Organ, d. h. ohne Ratifikation durch die Vertragsparteien. Diese Abspaltung des technischen Teils, etwa in Anhänge oder Protokolle, vom rechtlichen Teil, häufig als Rahmenvertrag bezeichnet, in Verbindung mit dem vereinfachten Annahme- und Änderungsverfahren für den technischen Teil ennöglicht eine zeitnahe Anpassung des Umweltschutzübereinkommens an den technischen und naturwissenschaftlichen Fortschritt. Vor diesem Hintergrund wird unmittelbar einsichtig, dass multilaterale Umweltschutzübereinkommen als allgemein beachtliche Quelle für die Einschätzung naturwissenschaftlicher Zusammenhänge im Bereich des internationalen Umweltschutzes, d. h. als sachverständige Aussage 138 , herangezogen werden können. 139 Insbesondere lassen sich hierdurch Gefahren für bestimmte Umweltgüter oder auch die Geeignetheit und Notwendigkeit einer bestimmten Schutzpolitik belegen, und zwar unabhängig von der Mitgliedschaft mit Wirkung für alle WTO-Mitglieder. Zutreffend wurde insoweit in der Literatur geltend gemacht: ,,[T]he mere adoption of standards by a qualified international expert body tends to give them ,model' status [ .. . ] .,,140 Umweltschutzübereinkommen fonnulieren jedoch nicht nur sachverständige Aussagen über naturwissenschaftliche Zusammenhänge. Hinzu treten wertende Entscheidungen hinsichtlich des anzustrebenden Umweltschutzniveaus. Erst beide Elemente zusammen qualifizieren Umweltschutzübereinkommen als internationale Standards. 141 Diese Entscheidungen sind im Unterschied zu den naturwissenschaftlichen Ergebnissen jedoch rein politischer Art 142 und aus diesem Grunde allein im Verhältnis zwischen den Vertragsparteien beachtlich. In dieser Hinsicht entfalten Umweltschutzübereinkommen keine über den Kreis der Vertragsparteien hinausreichenden Wirkungen.

137 138

139 140 141 142

Zum Folgenden Sand, Transnational Environmental Law, S. 15 f. Vgl. hinsichtlich nationaler UmweItstandards Jarass, NJW 1987, S. 1226. Abdel Motaal, JWT 35, Nr. 6 (2001), S. 1233. Sand, Transnational Environmental Law, S. 37. Vgl. zu den einzelnen Elementen eines Umweltstandards Jarass, NJW 1987, S. 1226. Classen, in: Hendler I Marburger I Reinhardt I Schröder (Hrsg.), S. 352.

A. Die Rechtsordnung der WTO

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6. Schlussfolgerungen für die Auslegung des WTO-Rechts Zur Auslegung der Bestimmungen der WTO-Übereinkommen sind nach Art. 3.2 DSU die völkergewohnheitsrechtlich anerkannten Auslegungsregeln heranzuziehen. Diese sind im Wesentlichen in den Art. 31 und 32 WVRK kodifiziert. Darüber hinaus werden im Welthandelsrecht weitere Auslegungsregeln als Ausdruck geltenden Völkergewohnheitsrechts anerkannt. Hierzu zählen die Grundsätze der effektiven Vertragsauslegung und der souveränitätsfreundlichen Auslegung. Die Auslegungsregeln bieten breiten Raum zur Berücksichtigung der verschiedenen umweltbezogenen Anhaltspunkte und Aktivitäten im Rahmen der WTO als auch des Umweltvölkerrechts. Die Präambel des WTO-Übereinkommens mit dem Bekenntnis zu wirtschaftlichem Wachstum und nachhaltiger Entwicklung gehört nach Art. 31 Abs. 2 WVRK zum relevanten Zusammenhang der Bestimmungen der WTO-Übereinkommen und ist somit als primäres Auslegungsmittel zu beachten. Ferner können die ausgedrückten Zielsetzungen des wirtschaftlichen Wachstums und der nachhaltigen Entwicklung auch als grundlegender Sinn und Zweck der WTO-Übereinkommen bei der Anwendung der allgemeinen Auslegungsregel des Art. 31 Abs. 1 WVRK Berücksichtigung finden. Die Beschlüsse der Minister zu Handel und Umwelt'43 und zum Handel mit Dienstleistungen und zur Umwelt'44 finden nach Art. 31 Abs. 21it. a WVRK als sich auf den Vertrag beziehende Übereinkünfte Eingang in den Auslegungsprozess. Auch die im Rahmen seines Mandats erarbeiteten Ergebnisse des CTE sind nach Art. 31 Abs. 2 lit. a WVRK als primäre Auslegungsmittel heranzuziehen. Die Arbeiten des CTE folgen insoweit dem zu Grunde liegenden Beschluss zu Handel und Umwelt. Hinsichtlich der Berücksichtigung des Umweltvölkerrechts bei der Auslegung der Bestimmungen der WTO-Übereinkommen ist grundsätzlich zwischen allgemeinem Völkergewohnheitsrecht und allgemeinen Rechtsgrundsätzen auf der einen Seite und Umweltschutzübereinkommen auf der anderen Seite zu unterscheiden. Allgemeines Völkergewohnheitsrecht und allgemeine Rechtsgrundsätze werden ohne weiteres von Art. 31 Abs. 3 lit. c WVRK erfasst und sind danach als primäre Auslegungsmiuel zu beachten. Umweltschutzübereinkommen unterfallen hingegen nur dann Art. 31 Abs. 3 lit. c WVRK, wenn sie einen mit den WTOÜbereinkommen übereinstimmenden Parteienkreis aufweisen (Parteienidentität). In jedem Fall können aber auch Umweltschutzübereinkommen mit nichtidentischem Parteienkreis als Ausdruck eines allgemeinen Begriffsverständnisses zur Bestimmung der üblichen Bedeutung einer Vorschrift des WTO-Rechts im Rahmen der allgemeinen Auslegungsregel des Art. 31 Abs. 1 WVRK herangezogen 143 Decision on Trade and Environment; englischer Text in WTO (ed.), The Results of the Uruguay Round, S. 469 ff.; deutscher Text bei Benedek (Hrsg.), Die Welthandelsorganisation, S. 563 ff. 144 Decision on Trade in Services and the Environment; englischer Text in WTO (ed.), The Results of the Uruguay Round, S. 457 f.; deutscher Text bei Benedek (Hrsg.), Die Welthandelsorganisation, S. 549 f.

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3. Teil: Handelsmaßnahmen zum Umweltschutz im Recht der WTO

werden. Eine solche vertragsvergleichende oder auch harmonisierende Auslegung steht in Übereinstimmung mit dem das Umwelt- wie auch das Wirtschaftsvölkerrecht umspannenden Systemgedanken des Konzepts der nachhaltigen Entwicklung.

VI. Zusammenfassung: Die Rechtsordnung der WTO Die Rechtsordnung der WTO bildet eine eigenständige Teilordnung des Völkerrechts betreffend den Handel zwischen den Mitgliedstaaten. Gleichwohl bleibt sie eingebettet in den universellen Rahmen des Völkerrechts und bildet nicht etwa ein in sich geschlossenes Regime (self-contained regime). Die WTO-Übereinkommen errichten eine weitreichende und differenzierte Rechtsordnung, die auf völkerrechtlicher Ebene als einzigartig gelten dürfte. Als einschlägige Rechtsquellen sind im vorliegenden Zusammenhang in erster Linie die multilateralen Übereinkommen zum Warenhandel aber auch das Völkergewohnheitsrecht und die allgemeinen Rechtsgrundsätze, die generell den zwischenstaatlichen Beziehungen zu Grunde liegen, zu beachten. Von besonderer Bedeutung sind ferner die Ergebnisse der Streitbeilegung unter dem GATT 1947 und im Rahmen der WTO. Sie entfalten zwar keine formelle Bindungswirkung für nachfolgende Panel, doch sind sie sehr wohl geeignet, legitime Erwartungen der WTOMitglieder zu begründen. Im Zusammenhang nichtproduktbezogener TREMs kommen insbesondere die im Fall US - Shrimp angenommenen Berichte des Panel und des Appellate Body in den Blick. Doch auch die rechtlichen Erwägungen in den nicht angenommenen Berichten der Panel in den Fällen US - Tuna I und II können bei der Anwendung des WTO-Rechts wertvolle Hilfestellung bieten. Zu beachten ist ferner das der Rechtsordnung der WTO zu Grunde liegende Zusammenspiel von Rechtsregeln und Rechtsprinzipien. Schon durch diesen Mechanismus erlangen die in der Präambel des WTO-Übereinkommens ausgedrückten ökonomischen, entwicklungs- und umweltschutzpolitischen Zielsetzungen der Welthandelsordnung mittelbare rechtliche Relevanz. Ferner bieten auch die zur Auslegung der WTO-Übereinkommen heranzuziehenden völkergewohnheitsrechtlich anerkannten Auslegungsregeln breiten Raum zur Berücksichtigung gerade der verschiedenen umweltbezogenen Anhaltspunkte innerhalb des Rahmens der WTO als auch der von außen auf die Welthandelsordnung treffenden Normen des Umweltvölkerrechts. Vor dem Hintergrund dieser Einsicht in das Funktionieren der Rechtsordnung der WTO soll im Folgenden die Stellung nichtproduktbezogener TREMs im Recht der WTO untersucht werden. Hierbei gilt es - unter genauer Beachtung der einschlägigen Vorschriften wie der den Grundwerten der WTO entnommenen Policy- Vorgaben - sachangemessene Lösungen für die mit nichtproduktbezogenen TREMs verbundenen Probleme zu finden.

B. Die Anwendbarkeit von SPS- und TBT- Übereinkommen

205

B. Die Anwendbarkeit von SPS- und TBT-Übereinkommen Zunächst ist zu untersuchen, ob das Übereinkommen über die Anwendung gesundheitspolizeilicher und pflanzenschutzrechtlicher Maßnahmen (Agreement on the Application of Sanitary and Phytosanitary Measures, SPS-Übereinkommen) oder das Übereinkommen über technische Handelshemmnisse (Agreement on Technical Barriers to Trade, TBT-Übereinkommen) auf nichtproduktbezogene Handelsmaßnahmen zum Umweltschutz Anwendung finden.

I. Überblick Das Welthandelsrecht enthält mit dem GATT 1994, dem TBT- und dem SPSÜbereinkommen unterschiedlich ausgestaltete und unterschiedlich weitgehende Vorgaben für nationale Anforderungen an die Warenproduktion. Insoweit besteht eine Normenpyramide, die maßgeblich auf dem Gedanken der Spezialität beruht. Nach der allgemeinen Auslegungsregel zu Anhang 1 Ades WTO-Übereinkommens gehen SPS- und TBT-Übereinkommen dem allgemeinen GATT 1994 im Konfliktfall vor. Beruhend auf dem schon aus der Tokyo-Runde hervorgegangenen Standards Code aus dem Jahr 1979 greift das TBT-Übereinkommen wegen ihrer überragenden Bedeutung für den freien Waren verkehr die technischen Handelshemmnisse heraus. Technische Normung steht grundsätzlich im gesamtgesellschaftlichen Interesse der Rationalisierung, Qualitätssicherung, Sicherheit und Information und ist damit eine wesentliche Voraussetzung modemen arbeitsteiligen Wirtschaftens. 145 Infolge der Unterschiedlichkeit einzel staatlicher Normenwerke können differenzierte technische Normen auch zur Abschottung der Märkte und zur Protektion der heimischen Wirtschaft führen. Die Hersteller oder Händler sind unter Umständen gezwungen, ihre Produkte, die im Herkunftsland rechtmäßig hergestellt worden sind, an die technischen Normen des Staates anzupassen, in den die betreffenden Produkte verbracht werden sollen. Die technischen Normen wirken dann als technische Handelshemmnisse, eine Untergruppe der nichttarifären Handelshemmnisse. 146 Um dieses handelshemmende Potenzial weitgehend zu entschärfen und möglichst alle hieraus resultierenden unnötigen Handelshemmnisse zu beseitigen l47 , stellt das TBT-Übereinkommen differenzierte Regelungen auf, die von der 145 Vgl. Rönck, Technische Normen, S. 29 ff.; Hoekmanl Kostecki, The Political Economy, S. 185 f. 146 Ausführlich hierzu Rönck, Technische Normen, S. 36 ff.; vgl auch Sykes, UCLR 66 (1999), S. 1 ff. 147 Vgl. Art. 2.2 des TBT-Übereinkommens.

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3. Teil: Handeismaßnahmen zum Umweltschutz im Recht der WTO

Ausarbeitung und Anwendung der technischen Standards bis hin zu ihrer Distribution durch staatliche Auskunftsstellen reichen. Das SPS-Übereinkommen knüpft hingegen nicht an ein spezielles staatliches Regelungsinstrument an, sondern stellt auf den Zweck einer staatlichen Maßnahme ab. Es erfasst alle gesundheitspolizeilichen und pflanzenschutzrechtlichen Maßnahmen der WTO-Mitglieder. 148 Insoweit sind die Vorschriften des SPS-Übereinkommens spezielle Durchführungsbestimmungen zu den - offensichtlich als unzureichend empfundenen - Artikeln des GATT, insbesondere zu Art. XX(b). 149 Vorrangiges Ziel des Übereinkommens ist es, in einem zentralen nationalen Politikbereich, der von besonderer Regelungsdichte und technischer Komplexität gekennzeichnet ist, einen sicheren und vorhersehbaren Rahmen für den internationalen Warenhandel zu schaffen. 150 Aus diesem Grunde bindet das Übereinkommen die WTO-Mitglieder u. a. umfassend an wissenschaftliche Grundsätze. Sie sollen daran gehindert werden, das vorherrschende Regelungsdickicht zu protektionistischen Zwecken auszunutzen. Ist eine staatliche Maßnahme als gesundheitspolizeiliche oder pflanzenschutzrechtliche Maßnahme nach seinem Annex A Nr. I dem SPS-Übereinkommen zu unterstellen, so findet das TBT-Übereinkommen keine Anwendung. 151 Daher wird zunächst die Anwendbarkeit des SPS-Übereinkommens auf nichtproduktbezogene Handelsrnaßnahmen überprüft.

11. Das SPS-Übereinkommen und nichtproduktbezogene Handelsmaßnahmen Die Anwendbarkeit des SPS-Übereinkommens bestimmt sich nach seinem Art. 1.1. Danach muss eine gesundheits polizeiliche oder pflanzenschutzrechtliche Maßnahme eines WTO-Mitgliedes vorliegen, die sich mittelbar oder unmittelbar auf den internationalen Handel auswirken kann. Solche Maßnahmen werden gemäß des Übereinkommens entwickelt und im Einzelfall angewendet. Dabei gilt das SPSÜbereinkommen unabhängig von den Vorschriften des GATT 1994 152 , d. h. es bedarf nicht der vorherigen Feststellung eines Verstoßes gegen eine Verpflichtung aus dem GATT 1994. Ferner erfasst das Übereinkommen in zeitlicher Hinsicht alle 148 Einen Überblick über das SPS-Übereinkommen vennitteln Classen, in: Hendler I Marburger/Reinhardt/Schröder (Hrsg.), S. 348 ff., und Pardo Quintillan, JWT 33, Nr. 6 (1999), S. 153 ff. 149 Vgl. die letzte Präambelerwägung des SPS-Übereinkommens. 150 Vierte Präambelerwägung des SPS-Übereinkommens. Zugleich soll durch den bindenden Verweis auf die wissenschaftliche Begründung nationaler SPS-Maßnahmen ein Beitrag zur Verbesserung bisher nicht streng an der Wissenschaft orientierter nationaler Standards geleistet werden (zweite Präambelerwägung des SPS-Übereinkommens). 151 Art. 1.5 TBT-Übereinkommen; Urnkehrschluss aus Art. 1.4 SPS-Übereinkommen. 152

Panel Reports, EC - Honnones, para. 8.36 (US), para. 8.39 (Canada).

B. Die Anwendbarkeit von SPS- und TBT- Übereinkommen

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geltenden SPS-Maßnahmen, unabhängig davon, ob sie bereits vor oder erst nach seinem Inkrafttreten am I. I. 1995 in Geltung gesetzt worden sind. 153 1. Gesundheitspolizeiliche oder pflanzenschutzrechtliche Maßnahme

In Anhang A Nr. I i.V.m. Art. 1.2 SPS-Übereinkommen wird der Begriff der gesundheitspolizeilichen oder pflanzenschutzrechtlichen Maßnahme (SPS-Maßnahrne) legaldefiniert. Danach sind SPS-Maßnahmen durch zwei Elemente gekennzeichnet, und zwar durch (1) den Schutz bestimmter inländischer Rechtsgüter (2) vor bestimmten eingeführten Risiken. 154 (I) Zunächst muss die Maßnahme nach Anhang A Nr. I zum Schutz des Lebens oder der Gesundheit von Menschen, Tieren oder Pflanzen (lit. a), von Menschen oder Tieren (lit. b) oder nur von Menschen (lit. c) im Gebiet des handelnden Mitglieds bzw. nach lit. d, im Sinne eines Auffangtatbestandes, zur Verhütung oder Begrenzung sonstiger Schäden im Gebiet des handelnden Staates getroffen werden. (2) Ferner muss die Maßnahme gerade gegen nahrungsmiuelbezogene Risiken (jood-borne risks) im Fall der lit. b bzw. gegen schädlings- oder krankheitsbezogene Risiken (pest- or disease-related risks) in den Fällen der lit. a, c und d gerichtet sein. Eine beispielhafte Aufzählung denkbarer staatlicher SPS-Maßnahmen findet sich am Ende des Anhangs A Nr. I zum SPS-Übereinkommen. Darunter finden sich ausdrücklich auch staatliche Anforderungen an PPMs: "Sanitary or phytosanitary measures inc1ude all relevant laws, decrees, regulations, requirements and procedures inc1uding, inter aJia, end product criteria; processes and production methods [ ... )."

2. Nichtproduktbezogene Handelsrnaßnahmen als SPS-Maßnahmen? Mit der Auflistung staatlicher Anforderungen an PPMs als mögliche SPS-Maßnahmen am Ende des Anhangs A Nr. I zum SPS-Übereinkommen ist noch nicht geklärt, ob hierunter auch Anforderungen speziell an nichtproduktbezogene PPMs zu verstehen sind. Wie bereits an anderer Stelle ausgeführt, wurde der Begriff der PPMs im Standards Code aus dem Jahre 1979 nur im Sinne produktbezogener PPMs verwendet. Die Frage, ob auch staatliche Anforderungen an nichtproduktbezogene PPMs als SPS-Maßnahme in den Anwendungsbereich des SPS-Übereinkommens fallen können, ist im Einzelnen anhand der Anforderungen des Anhangs A Nr. I lit. a-d zum SPS-Übereinkommen zu beantworten. 153 154

Appellate Body Report, EC - Honnones, para. 126 ff. Vgl. Pauwelyn, HEL 2 (1999), S. 643 f.

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3. Teil: Handelsmaßnahmen zum Umweltschutz im Recht der WTO

(1) Zunächst müssen die staatlichen Anforderungen darauf gerichtet sein, inlän-

dische Rechtsgüter zu schützen. 155 Insoweit stimmen die einzelnen litera des Anhangs A Nr. I zum SPS-Übereinkommen überein. Wie im ersten Teil der Bearbeitung dargestellt, können staatliche Anforderungen an nichtproduktbezogene PPMs eingeführter Produkte durchaus auch dem Schutz inländischer Rechtsgüter dienen. 156 Das erste Element einer SPS-Maßnahme, die interne Schutzrichtung, kann demnach auch bei nichtproduktbezogenen Anforderungen an eingeführte Produkte im Einzelfall durchaus erfüllt sein. Gleichwohl liegt der Hauptanwendungsbereich der hier untersuchten nichtproduktbezogenen TREMs im Bereich des Schutzes internationaler und globaler Umweltgüter.

(2) Fraglich ist jedoch, ob auch das zweite konstituierende Element einer SPSMaßnahme bei nichtproduktbezogenen Anforderungen an eingeführte Produkte erfüllt sein kann. Hinsichtlich der von lit. b des Anhangs A Nr. I zum SPSÜbereinkommen erfassten nahrungsmittelbezogenen Risiken wird ausdrücklich vorausgesetzt, dass diese Risiken von in Nahrungsmitteln, Getränken oder Futtermitteln enthaltenen Stoffen oder Organismen herrühren. 157 In diesen Fällen ist das betroffene Nahrungsmittel also selbst schädlich und Träger des sich im Inland möglicherweise realisierenden Risikos. So lag etwa den Importverboten für hormonbehandeltes Rindfleisch im Fall EC - Hormones die Befürchtung zu Grunde, dass im Fleisch enthaltene Hormonrückstände die menschliche Gesundheit beeinträchtigen könnten. Entsprechend sind staatliche Maßnahmen zum Schutz vor nahrungsmittelbezogenen Risiken strukturell in dem Sinne produktbezogen, als sie bestimmte gefährliche Eigenschaften von eingeführten Nahrungsmitteln regulieren. Staatliche Anforderungen an nichtproduktbezogene PPMs fallen demgegenüber von vornherein nicht unter Anhang A Nr. 1 Iit. b zum SPS-Übereinkommen. Auch zum Schutz vor schädlings- oder krankheits bezogenen Risiken nach lit. a, c und d des Anhangs A Nr. 1 zum SPS-Übereinkommen kommen nichtproduktbezogene Anforderungen an eingeführte Produkte grundsätzlich nicht in Betracht. So erfasst etwa lit. c des Anhangs A Nr. 1 zum SPS-Übereinkommen nur solche krankheits bezogenen Maßnahmen, die gegen kranke Tiere oder kranke Pflanzen oder mit Krankheitserregern verseuchte tierische oder pflanzliche Produkte gerichtet sind ("risks arising from diseases carried by animals, plants or products thereof'). Entsprechende Maßnahmen sind also per definitionem produktbezogene Maßnahmen. Auch die sonstigen von den lit. a, c und Seatt, in: Weiler (ed.), S. 159; Kennedy, FDU 55 (2000), S. 90. Erster Teil C. VIII.l. 157 Anhang A Nr. 1 lit. b zum SPS-Übereinkommen lautet: "Sanitary or phytosanitary measure - Any measure applied to protect human or animallife or health within the territory of the Member from risks arising from additives, contaminants, toxins or disease-causing organisms in foods, beverages or feedstuffs." 155

156

B. Die Anwendbarkeit von SPS- und TBT- Übereinkommen

209

d des Anhangs A Nr. 1 zum SPS-Übereinkommen erfassten Maßnahmen sind grundsätzlich gegen die Einschleppung von Krankheiten oder Schädlingen im Zusammenhang mit der Einfuhr von Tieren oder Pflanzen oder tierischen oder pflanzlichen Produkten gerichtet. Als typische Maßnahmen fallen hierunter insbesondere Quarantänevorschriften, wie etwa in den Fällen Australia - Salmon oder Japan - Agricultural Products. Insgesamt geht es dem Importstaat also immer darum, dass Produkte, Pflanzen oder Tiere bestimmte produktbezogene Anforderungen erfüllen müssen, um eine Schädigung interner Rechtsgüter durch deren Einfuhr möglichst auszuschließen. 158 Anders ausgedrückt, handelt es sich nur dann um SPS-Maßnahmen, wenn sie gegen gefährliche Produkte gerichtet, d. h. produktbezogen, sind. 159

3. Ergebnis: Das SPS-Übereinkommen ist nicht anwendbar Staatliche Anforderungen an nichtproduktbezogene PPMs eingeführter Produkte fallen nicht in den Anwendungsbereich des SPS-Übereinkommens. SPS-Maßnahmen werden ergriffen, um mögliche schädliche Auswirkungen eines Produkts auf das Leben oder die Gesundheit von Menschen, Tieren oder Pflanzen im Inland auszuschließen, nicht jedoch um Gefahren zu regulieren, die bei der Herstellung des Produkts im Herkunftsland entstehen.

III. Das TBT-Übereinkommen und nichtproduktbezogene Handelsmaßnahmen Das TBT-Übereinkommen enthält spezielle Regeln für innerstaatliche Produktstandards, und zwar gemäß seines Art. 1.3 hinsichtlich aller Waren, einschließlich landwirtschaftlicher Erzeugnisse. Dabei unterscheidet das Übereinkommen zwischen technischen Vorschriften (technical regulations) und Normen (standards). Auf diese beiden Kategorien von staatlichen Maßnahmen findet das TBT-Übereinkommen Anwendung.

1. Technische Vorschriften und Normen

Damit nichtproduktbezogene Anforderungen an eingeführte Produkte dem TBTÜbereinkommen unterfallen, müsste es sich dabei um technische Vorschriften oder Normen i. S. d. Übereinkommens handeln.

158 159

14 Puth

Vgl. Hoekmanl Kostecki, Tbe Political Economy, S. 195. Ebenso Schlagenhof, JWT 29, Nr. 6 (1995), S. 132 f.

210

3. Teil: Handeismaßnahmen zum Umweltschutz im Recht der WTO

a) Definitionen - Gemeinsamkeiten - Unterschiede Die maßgeblichen Definitionen für technische Vorschriften und Normen finden sich in Anhang I Nr. I und 2 i.Y.m. Art. 1.2 des TBT-Übereinkommens. Nach Anhang I Nr. I zum TBT-Übereinkommen ist eine technische Vorschrift wie folgt definiert: "Document which lays down product characteristics or their related processes and production methods. inc1uding the applicable administrative provisions, with which compliance is mandatory. It mayaiso inc1ude or deal exc1usively with terminology, symbols, packaging, marking or labelling requirements as they apply to a product. process or production method... 160

Eine Norm ist nach Anhang I Nr. 2 zum TBT-Übereinkommen definiert als: "Document approved by a recognized body, that provides, for common and repeated use, rules, guidelines or characteristics for products or related processes and production methods. with which compliance is not mandatory. It mayaiso inc1ude or deal exc1usively with tenninology, symbols, packaging, marking or labelling requirements as they apply to a product, process or production method... 161

Danach liegt der entscheidende Unterschied zwischen einer technischen Vorschrift und einer Norm darin, dass die Befolgung einer technischen Vorschrift zwingend ("mandatory") ist, während die Befolgung einer Norm nicht zwingend ("not mandatory") vorgeschrieben ist. 162 Verstoßen Produkte also gegen eine technische Vorschrift, dürfen sie auf dem internen Markt erst gar nicht angeboten werden. Im Bereich einer Norm dürfen nichtübereinstimmende Produkte hingegen sehr wohl auf dem internen Markt verkauft werden. Die nichterfüllte Norm entfaltet allenfalls eine tatsächliche handelshemmende Wirkung vermittelt durch die Präferenzen der Verbraucher, die sich an der Einhaltung dieser Norm orientieren.

b) Nichtproduktbezogene Anforderungen erfasst? Fraglich ist nun, ob nichtproduktbezogene Anforderungen dem Begriff der technischen Vorschrift oder der Norm unterfallen und somit das TBT-Übereinkommen auf Anforderungen dieser Art überhaupt anwendbar ist. Diese Frage kann für technische Vorschriften und Normen einheitlich beantwortet werden, da der jeweils einschlägige Text des Anhangs I Nr. 1 und 2 zum TBT-Übereinkommen insoweit übereinstimmende Voraussetzungen aufstellt. Unstreitig fallen Anforderungen an Produktmerkmale und produktbezogene PPMs in den Anwendungsbereich des TBT Übereinkommens. 163 Die Definition der technischen Vorschrift umfasst die 160 161 162

163

Hervorhebung durch den Verfasser. Hervorhebung durch den Verfasser. Hierzu Appleton. Environmental Labelling Programmes, S. 92. Vgl. nur Schoenbaum, AJIL 91 (1997), S. 288; Rege, JWT 28, Nr. 3 (1994), S. 110.

B. Die Anwendbarkeit von SPS- und TBT- Übereinkommen

211

Formulierung von "product characteristics or their related processes and production methods", die der Norm die Formulierung von "characteristics for products or related processes and production methods".I64 Hinsichtlich nichtproduktbezogener Anforderungen sind die Definitionen der technischen Vorschrift und der Norm jedoch sprachlich nicht eindeutig. So enthalten die Definitionen des Anhangs 1 Nr. 1 und 2 zum TBT-Übereinkonunen in ihren S. 1 jeweils die Wendung ,,related processes and production methods", während in ihren S. 2 das kleine Wort "related" jeweils fehlt und nur von "process or production method" die Rede ist. aa) Denkbare Ansätze Aufgrund dieser sprachlichen Fassung der Definitionen sind grundsätzlich drei verschiedene Ansätze hinsichtlich der Anwendbarkeit des TBT-Übereinkonunens auf nichtproduktbezogene Anforderungen denkbar. 165 (1) Zunächst könnte argumentiert werden, dass nichtproduktbezogene Anforderun-

gen grundsätzlich nicht in den Anwendungsbereich des TBT-Übereinkonunens fallen, da die allgemeinen S. 1 der Definitionen nur "related processes and production methods" erfassen. Allein für die in den S. 2 der Definitionen aufgezählten Bereiche der "terminology, symbols, packaging, marking or labelling requirements" könnte wegen der unqualifizierten Bezugnahme auf "process or production method" auch hinsichtlich nichtproduktbezogener Anforderungen die Anwendbarkeit des TBT-Übereinkommens angenonunen werden.

(2) Im Gegensatz zu dieser differenzierenden Ansicht könnte andererseits auch ein einheitlicher Ansatz vertreten werden, wenn sich ein Rangverhältnis bzw. eine gegenseitige Bezugnahme zwischen den beiden Sätzen der Definitionen begründen ließe. In diesem Sinne versteht die herrschende Ansicht die jeweiligen S. 2 der Definitionen mit Verweis auf die Verhandlungsgeschichte des TBTÜbereinkonunens als auf die jeweiligen S. I bezogen und liest gleichsam das Wort "related" mit in die S. 2 hinein. 166 Nach diesem Ansatz wären nur produktbezogene Anforderungen vom TBT-Übereinkommen erfasst. 164 Der Appellate Body Report, EC - Asbestos, para. 67, erklärt ausführlich die Bedeutung der Wendung "product characteristics" in der Definition der technischen Vorschrift. Dort heißt es: "Tbe heart of the definition of a ,technical regulation' is that a ,document' must ,Iay down' [ ... ] ,product characteristics' ... Ob mit dieser Hervorhebung der Produktmerkmale als zentralem Regelungsgegenstand einer technischen Vorschrift zugleich die Ablehnung der Anwendbarkeit des TBT-Übereinkommens auf nichtproduktbezogene Anforderungen ausgedrückt werden sollte, bleibt unklar. 165 Vgl. zu den vorgetragenen Ansichten im CTE Motaal, in: Sampson/Chambers (eds.), S. 231 ff. 166 Vgl. nur Appleton, Environmental Labelling Programmes, S. 93; Schoenbaum, AJIL 91 (1997), S. 288; Schlagenhof, JWT 29, Nr. 6 (1995), S. 131 f.; Rege, JWT 28, Nr. 3 (1994), S. 110; Saez, in: Tussie (ed.), S. 27; Stoll/Schorkopf, WTO, Rn. 273.

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3. Teil: Handelsrnaßnahmen zum Umweltschutz im Recht der WTO

(3) Schließlich ist noch die entgegengesetzte Verbindung der beiden Sätze der Definitionen denkbar. Nach einem dritten Ansatz könnte der S. 2 der Definitionen als hinsichtlich der Bestimmung der Anwendbarkeit des Übereinkommens dominant betrachtet werden und demgemäß die Qualifizierung der PPMs in den S. 1 der Definitionen durch das Wort "related" als hiervon überlagert betrachtet werden. Nach diesem Ansatz wäre das TBT-Übereinkommen in vollem Umfang auch auf nichtproduktbezogene Anforderungen anwendbar. bb) Die späte Einfügung des Wortes "related" im Rahmen der Uruguay-Runde Während der Standards Code aus dem Jahre 1979 entsprechend der Definitionen für technische Vorschriften (technical regulations) und Normen (standards) in seinem Anhang 1 Nr. 2 und 3 nicht auf PPM-Anforderungen anwendbar war 167 , hatte man sich im Rahmen der Uruguay-Runde darauf verständigt, auch PPM-Anforderungen in den Anwendungsbereich des TBT-Übereinkommens einzubeziehen. Der Draft Final Act aus dem Jahr 1990 hatte PPMs noch unqualifiziert neben den Produktrnerkmalen in den jeweiligen S. 1 der Definitionen der technischen Vorschrift und Norm aufgezählt. Eine technische Vorschrift war danach definiert als ,,[d]ocument which lays down characteristics for products, processes and production methods [ ... ]", eine Norm als ,,[d]ocument [ .. . ] that provides [ ... ] rules, guidelines or characteristics for products, processes and production methods [ ... ]".168 Die Worte "or their related" in den jeweiligen S. 1 der Definitionen zur Qualifizierung der erfassten PPMs gehen auf zwei Vorschläge Mexikos aus dem Oktober und Dezember 1991 zurück. 169 Aus diesen Vorschlägen ging deutlich hervor, dass mit ihrer Einfügung nichtproduktbezo167 Allein Art. 14.25 des Standards Code sah vor, dass ein Streitbeilegungsverfahren auch in den Fällen eingeleitet werden kann, in denen eine Vertragspartei eine andere Vertragspartei der Umgehung seiner Verpflichtungen aus dem Übereinkommen durch die Fonnulierung von PPM-Anforderungen bezichtigte. Die Bedeutung dieser Bestimmung war jedoch umstritten. In keinem Fall hat sie jedoch PPM-Anforderungen in vollem Umfang in den Anwendungsbereich des Übereinkommens einbezogen. Vgl. hierzu ausftihrlich das Hintergrunddokument des Sekretariats, WTO Dok., Negotiating History of the Coverage of the Agreement on Technical Barriers to Trade with Regard to Labelling Requirements, Voluntary Standards, and Processes and Production Methods Unrelated to Product Characteristics, WT ICTE/W 110 = G/TBT IW Ill, vom 29. August 1995, para. III ff. 168 Vgl. WTO Dok., Negotiating History of the Coverage of the Agreement on Technical Barriers to Trade with Regard to Labelling Requirements, Voluntary Standards, and Processes and Production Methods Unrelated to Product Characteristics, WT I CTE I W 110 = G/TBT IW Ill, vom 29. August 1995, para. 144. 169 Vgl. das Hintergrunddokument des Sekretariats, WTO Dok., Negotiating History of the Coverage of the Agreement on Technical Barriers to Trade with Regard to Labelling Requirements, Voluntary Standards, and Processes and Production Methods Unre1ated to Product Characteristics, WT I CTE I W 110 = GI TBT I W Ill, vom 29. August 1995, para. 146 f.

B. Die Anwendbarkeit von SPS- und TBT- Übereinkommen

213

gene PPMs völlig aus dem Anwendungsbereich des TBT-Übereinkommens ausgeschlossen werden sollten. 170 cc) Der Beschluss des TBT Committee vom 14. Juli 1995 Der Beschluss des TBT Committee vom 14. Juli 1995 könnte gegen den vollständigen Ausschluss nichtproduktbezogener PPMs aus dem Anwendungsbereich des TBT-Übereinkommens sprechen. I7I Der Beschluss lautet: "In conformity with ArticIe 2.9 of the Agreement, Members are obliged to notify all mandatory labelling requirements that are not based substantiallyon a relevant international standard and that may have a significant effect on the trade of other Members. That obligation is not dependent upon the kind of information which is provided on the label, whether it is in the nature of a technical specification or not." 172

Danach sind alle zwingenden Kennzeichnungsvorschriften, die nicht auf einem internationalen Standard beruhen und signifikante Auswirkungen auf den zwischenstaatlichen Handel haben können, gemäß Art. 2.9 des TBT-Übereinkommens zu notifizieren. Das Bestehen einer Notifizierungspflicht nach Art. 2.9 des TBTÜbereinkommens setzt jedoch zunächst die Anwendbarkeit des Übereinkommens auf die betreffenden Kennzeichnungsvorschriften voraus. Für den Fall zwingender, an nichtproduktbezogene Umstände anknüpfender Kennzeichnungsvorschriften ergibt sich aus der unterschiedslos alle zwingenden Kennzeichnungsvorschriften umfassenden Formulierung des Beschlusses somit ein potentieller Widerspruch zur Entstehungsgeschichte des Übereinkommens. Hiernach müssten auch an nichtproduktbezogene Umstände anknüpfende Kennzeichnungsvorschriften dem TBTÜbereinkommen unterfallen. Zu beachten ist jedoch zunächst, dass der genannte Beschluss ursprünglich schon im Oktober 1992 vom TBT Committee unter dem GATT 1947 gefasst worden war. Das TBT Committee der WTO übernahm schlicht diesen Beschluss aus dem Oktober 1992 und passte lediglich die Artikelnummerierung an und ersetzte den Begriff der "Parties" durch den der "Members". Seinem Inhalt nach ist der Beschluss vom 14. Juli 1995 übereinstimmend mit dem aus dem Oktober 1992. In Anbetracht des frühen Zeitpunkts des ersten Beschlusses ist jedoch kaum vorstellbar, dass sich die Vertragsparteien hiermit über den ein knappes Jahr zuvor bei der Formulierung der Definitionen der technischen Vorschrift und der Norm ("or their related") verfolgten Ansatz des vollständigen Ausschlusses nichtproduktbezogener PPMs hinwegsetzen wollten. 173

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l7l 172

173

So auch Chang, JWT 31, Nr. 1 (1997), S. 146. Vgl. die Diskussion bei Chang. JWT 31, Nr. I (1997), S. 146 f. WTO Dok., G ITBT Il/Rev 11, vom 10 August 1995, S. 16 f. So auch Chang. JWT 31, Nr. 1 (1997), S. 147.

214

3. Teil: Handelsrnaßnahmen zum Umweltschutz im Recht der WTO

Worin liegt aber dann der Sinn und Zweck der Beschlüsse? Den Hintergrund des ursprünglichen Beschlusses aus dem Oktober 1992 bildete eine Meinungsverschiedenheit im TBT Committee über den erforderlichen Inhalt einer Kennzeichnung. 174 Insbesondere nach der Ansicht Mexikos war der zweite Satz der Definition der technischen Vorschrift in einem Sinne "illustrative of the first", dass nur solche Kennzeichnungsvorschriften notifiziert werden müssten, die Produktspezifikationen enthielten. Kennzeichnungen mit bestimmten Verbraucherinformationen, etwa über die Herkunft des Produkts oder dessen Wartung, unterfielen nach dieser Ansicht nicht dem TBT-Übereinkommen. Die überwiegende Gegenansicht sah den zweiten Satz der Definition der technischen Vorschrift hingegen "as additional to the first and not merely illustrative", so dass Kennzeichnungsvorschriften unabhängig von den enthaltenen Informationen dem TBT-Übereinkommen unterfielen und dementsprechend der Notifizierungsverpflichtung unterlagen. Diese Ansicht setzte sich schließlich im TBT Committee durch und wurde mit dem genannten Beschluss aus dem Oktober 1992 bestätigt. Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass der ursprüngliche Beschluss aus dem Jahr 1992 nicht eigentlich eine Aussage über die eine Kennzeichnungspflicht auslösenden produktbezogenen oder nichtproduktbezogenen Umstände treffen wollte. Entscheidende Aussage war vielmehr, dass die Bestimmungen des TBT-Übereinkommens unabhängig von dem konkreten Inhalt des Kennzeichens Anwendung finden. Insoweit besteht aber kein Widerspruch zum vollständigen Ausschluss nichtproduktbezogener Kennzeichnungsvorschriften aus dem Anwendungsbereich des TBT-Übereinkommens. Hier geht es um die auslösenden Umstände einer Kennzeichnungspflicht, dort um den notwendigen Inhalt eines Kennzeichens. dd) Das Verhältnis der S. 1 und 2 der Definitionen zueinander Das Verhältnis der beiden Sätze der Definitionen der technischen Vorschrift und der Norm in Anhang 1 zum TBT-Übereinkommen zueinander erhellt sich erst durch einen Blick auf ihre Entstehungsgeschichte. Im Dezember 1969 betraute das Committee on Trade in Industrial Products unter dem GATI 1947 die zu diesem Zweck errichtete Arbeitsgruppe 3 erstmals mit Fragen der "unreasonable application of standards, packaging, labelling and marking requirements".175 Auf der 174 Vgl. zum Folgenden den Hintergrundbericht des Sekretariats, WTO Dok., Negotiating History of the Coverage of the Agreement on Technical Barriers to Trade with Regard to Labelling Requirements, Voluntary Standards, and Processes and Production Methods Unrelated to Product Characteristics, WT /CTE/W /10 =G /TBT /W /11, vom 29. August 1995, para. 17 ff. 175 Vgl. zum Folgenden den Hintergrundbericht des Sekretariats, WTO Dok., Negotiating History of the Coverage of the Agreement on Technical Barriers to Trade with Regard to Labelling Requirements, Voluntary Standards, and Processes and Production Methods Unrelated to Product Characteristics, WT /CTE/W /10 =G/TBT /W /11, vom 29. August 1995, para. 4 ff.

B. Die Anwendbarkeit von SPS- und TBT- Übereinkommen

215

Grundlage von speziellen Erhebungen über die diesbezügliche Praxis der Vertragsparteien erörterte die Arbeitsgruppe die Fragen der allgemeinen Produktstandards, der Verpackung und der Kennzeichnung zunächst getrennt voneinander. Hinsichtlich der handelsbeschränkenden Wirkung von Produktstandards wurden bereits von Anfang an bestimmte Vorschriften diskutiert. Hinsichtlich Verpackungs- und Kennzeichnungsvorschriften hat das Committee on Trade in Industrial Products jedoch erst in seinem zweiten Bericht an den Rat vom Februar 1971 ausdrücklich auf das handelsbeschränkende Potenzial auch von Kennzeichnungsvorschriften hingewiesen und insoweit vorgeschlagen, sie ebenfalls den bereits im Zusammenhang der Produktstandards diskutierten Vorschriften zu unterstellen. Noch während der allgemeinen Beratungen über die Ausarbeitung des Standards Code im Rahmen der Tokio-Runde (1973 - 1979) waren sich jedoch viele Delegationen unsicher, ob Fragen der Kennzeichnung, entsprechend des Ansatzes für Produktstandards, allgemein oder aber produktgruppenspezifisch behandelt werden sollten. Erst ab Mai 1975 setzte sich zunehmend die Auffassung durch, dass die allgemein auf Produktstandards bezogenen Regelungen des Draft Standards Code auch viele der im Zusammenhang der Verpackungs- und Kennzeichnungsvorschriften auftauchenden Probleme abdeckten und daher in den weiteren Arbeiten ein einheitlicher Ansatz verfolgt werden sollte. Dieser Hintergrund verdeutlicht, dass mit den beiden Sätzen der Definitionen der technischen Vorschrift und der Norm in Anhang 1 zum TBT-Übereinkommen jeweils verschiedene sachliche Regelungsbereiche zusammengeführt wurden. Die jeweiligen S. 1 der Definitionen unterstellen demnach allgemein den Bereich der Produktstandards und die jeweiligen S. 2 zusätzlich den Bereich der Verpackungsund Kennzeichnungsvorschriften den Bestimmungen des TBT-Übereinkommens. Dieses grundsätzliche Nebeneinander der beiden Sätze der Definitionen wird verdeutlicht durch das erst im Rahmen der Uruguay-Runde (1986-1994) eingefügte Wort "also,,176 in die jeweiligen S. 2 der Definitionen. 177 Die Zusarnmenführung zweier Regelungsbereiche in den beiden Sätzen der Definitionen der technischen Vorschrift und der Norm bedeutet aber nicht auch zwangsläufig eine unterschiedliche Regelung. Und auch in dieser Hinsicht verdeutlicht die Entstehungsgeschichte, dass die in den S. 2 der Definitionen erfassten Verpackungs- und Kennzeichnungsvorschriften den gleichen Anforderungen unterliegen sollen wie die von den jeweiligen S. 1 erfassten Produktstandards. Schließlich hat man sich trotz anfänglichen Zögems entschlossen, auch Verpackungs- und Kennzeichnungsvorschriften einheitlich den Regeln für Produktstandards zu unter176 Hier handelt es sich um einen englischen Begriff. Die deutsche Übersetzung mit "unter anderem" ist an dieser Stelle irreführend. Sie suggeriert im Verhältnis zu den S. I der Definitionen fälschlicherweise eine bloß illustrative Funktion der S. 2. 177 Vgl. den Hintergrundbericht des Sekretariats, WTO Dok., Negotiating History of the Coverage of the Agreement on Technical Barriers to Trade with Regard to Labelling Requirements, Voluntary Standards, and Processes and Production Methods Unrelated to Product Characteristics, WT /CTE/W /10 =G/TBT /W /11, vom 29. August 1995, para. 21.

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3. Teil: Handelsrnaßnahmen zum Umweltschutz im Recht der WTO

stellen. Demnach betreffen die jeweiligen S. I und 2 der Definitionen für technische Vorschriften und Normen zwar unterschiedliche handelsbeschränkende Maßnahmen. Die für die Frage der Anwendbarkeit des TBT-Übereinkommens entscheidende Regelung für beide Sätze ergibt sich jedoch einheitlich aus den jeweiligen S. I der Definitionen. Hierauf sind die jeweiligen S. 2 der Definitionen bezogen. ee) Kennzeichnung als Konformitätszeichen Neben diese maßgeblich aus der Betrachtung der Entstehungsgeschichte der Definitionen der technischen Vorschrift und der Norm gespeisten Erwägungen zum Verhältnis der beiden Sätze der Definitionen zueinander tritt das Argument der Konsistenz. Gemeint ist hier nicht die allgemeine Gleichbehandlung von Produktstandards auf der einen und Verpackungs- und Kennzeichnungsvorschriften auf der anderen Seite. Dies ergibt sich schon aus dem dargelegten Verhältnis der beiden Sätze der Definitionen zueinander. Vielmehr ist in jedem Fall eine einheitliche Anwendung des TBT-Übereinkommens auf eine Kennzeichnung und die zu Grunde liegenden Produktstandards geboten, wenn die Kennzeichnung lediglich die Konformität mit diesen Produktstandards anzeigt. In diesen Fällen drückt die Kennzeichnung nämlich lediglich die Übereinstimmung mit einer technischen Vorschrift oder einer Norm aus und hat keine eigenständige Bedeutung. 178 Wollte man hier etwa einen differenzierenden Ansatz verfolgen, käme es hinsichtlich der zu Grunde liegenden nichtproduktbezogenen technischen Vorschriften oder Normen zu empfindlichen Wertungswidersprüchen. Der etwa mittels eines Importverbotes implementierte nichtproduktbezogene Standard würde nicht den zusätzlichen Vorgaben des TBT-Übereinkommens unterfallen, während die vergleichsweise schonende Implementierung mittels einer Kennzeichnungsvorschrift sehr wohl in den Anwendungsbereich des TBT-Übereinkommens fiele. Eine solche Bestrafung des den internationalen Handel schonenden Mitglieds ist nicht zu rechtfertigen. Die oben genannte differenzierende Ansicht ist demnach schon aus diesem Grunde abzulehnen. ft) Schlussfolgerung

Hinsichtlich der Anwendbarkeit des TBT-Übereinkommens auf nichtproduktbezogene Anforderungen ist ein differenzierender Ansatz abzulehnen. Die in den Definitionen der technischen Vorschrift und der Norm enthaltenen S. I und 2 bezeichnen zwar unterschiedliche handelsbeschränkende Maßnahmen, unterwerfen diese Maßnahmen aber in einheitlicher Reichweite den Disziplinen des TBT178 Auf diesen Zusammenhang weist der Hintergrundbericht des Sekretariats hin, WTO Dok., Negotiating History of the Coverage of the Agreement on Technical Barriers to Trade with Regard to Labelling Requirements, Voluntary Standards, and Processes and Production Methods Unrelated to Product Characteristics, WT / CTE / W /10 = G / TBT / W 111, vom 29. August 1995, para. 22 Fn. 7.

B. Die Anwendbarkeit von SPS- und TBT- Übereinkommen

217

Übereinkommens. Insoweit ergibt sich aus der Entstehungsgeschichte des TBTÜbereinkommens, dass die jeweiligen S. 2 auf die jeweiligen S. I der Definitionen bezogen sind und die Einfügung des Wortes "related" in die jeweiligen S. 1 der Definitionen auf den völligen Ausschluss nichtproduktbezogener Anforderungen aus dem Anwendungsbereich des TBT-Übereinkommens gerichtet war. Im Ergebnis ist daher mit der herrschenden Ansicht die Anwendbarkeit des TBT-Übereinkommens auf nichtproduktbezogene PPM-Anforderungen abzulehnen. 2. Umweltkennzeichen und der LiJe-cycle-Ansatz

Speziell Umweltkennzeichen (eco-labels) stellen den Rechtsanwender bei der Prüfung der Anwendbarkeit des TBT-Übereinkommens vor schwierige Probleme. Zwingende Kennzeichnungsregelungen könnten dem Begriff der technischen Vorschrift i. S. d. Anhangs 1 Nr. 1 des TBT-Übereinkommens unterfallen und freiwillige Umweltkennzeichen 179, wie der blaue Engel oder die grüne EU-Umweltblume l8o , dem der Norm i. S. d. Anhangs I Nr. 2 des TBT-Übereinkommens. Das Problem liegt nun darin, dass Umweltkennzeichen häufig einen sog. LiJecycle-Ansatz verfolgen, bei dem entsprechend des Grundsatzes "von der Wiege bis zur Bahre" der gesamte Lebenszyklus eines Produktes von der Gewinnung und Auswahl der Grundstoffe, über den Produktionsprozess und den Vertrieb bis hin zur Entsorgung in die Umweltbilanz eingestellt werden. 181 Diese Kennzeichnungsregelungen knüpfen somit nicht nur an Produktmerkmale an, sondern auch an PPMs und insbesondere auch an nichtproduktbezogene PPMs. Für LiJe-cycleKennzeichen hat der vollständige Ausschluss nichtproduktbezogener Anforderungen aus dem Anwendungsbereich des TBT-Übereinkommens bisher ungeklärte Konsequenzen. Ist die Kennzeichnungsregelung wegen ihrer produktbezogenen Elemente insgesamt dem TBT-Übereinkommen zu unterstellen oder ist sie wegen ihrer nichtproduktbezogenen Elemente insgesamt von den Vorgaben des TBTÜbereinkommens freizustellen oder auch - sofern überhaupt praktikabel - hinsichtlich der einzelnen Anforderungen unterschiedlich zu behandeln? Soweit zu dieser Frage bisher überhaupt Stellung bezogen worden ist, beschränken sich die angestellten Erwägungen im Wesentlichen darauf, im Dienste der maximalen Wirksamkeit des TBT-Übereinkommens LiJe-cycle-Kennzeichen in vollem 179 VgJ. den Überblick bei Dawkins, in: Wolfrum (ed.), S. 550 ff., und Rege, JWT 28, Nr. 3 (1994), S. 135. 180 Verordnung (EWG) Nr. 880/92 des Rates vom 23.März 1992 betreffend ein gemeinschaftliches System zur Vergabe eines Umweltzeichens, ABI. 1992 L 99/ I, ersetzt durch die Verordnung (EG) Nr. 1980/2000 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juli 2000 zur Revision des gemeinschaftlichen Systems zur Vergabe eines Umweltzeichens, ABI. 2000 L 237/1; näher hierzu im ersten Teil c.1.3. 181 Appleton, Environmental Labelling Programmes, S. 5 ff.; Herrup, EELR 1999, S. 145; Driessen, EELR 1999, S. 6; Rege, JWT 28, Nr. 3 (1994), S. 133.

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3. Teil: Handeismaßnahmen zum Umweltschutz im Recht der WTO

Umfang seinen Bestimmungen zu unterstellen. 182 Näher läge jedoch der Hinweis auf Sinn und Zweck des TBT-Übereinkommens, unnötige Handelsbeschränkungen möglichst umfassend abzubauen. Auch dieser Hinweis spricht im Ergebnis dafür, LiJe-cycle-Kennzeichen insgesamt dem TBT-Übereinkommen zu unterstellen. Letztlich vermögen diese Erwägungen jedoch nicht zu überzeugen. Die Hinweise auf die maximale Wirksamkeit bzw. den Sinn und Zweck des Übereinkommens finden ihre Grenze an den in Anhang 1 Nr. 1 und 2 zum TBT-Übereinkommen niedergelegten Definitionen der technischen Vorschrift und der Norm. Der mit diesen Definitionen ausdrücklich bestimmte Anwendungsbereich des Übereinkommens kann nicht durch allgemeine Erwägungen zur maximalen Wirksamkeit und zum Sinn und Zweck des Übereinkommens verändert werden. Wenn die Auslegung der Definitionen ergibt, dass nichtproduktbezogene Anforderungen aus dem Anwendungsbereich des Übereinkommens völlig ausgeschlossen sind, so vermag auch die tatsächliche Verbindung produktbezogener und nichtproduktbezogener Anforderungen im Rahmen eines Umweltkennzeichens an dieser Tatsache nichts zu ändern. Soweit möglich, sind danach Umweltkennzeichen nach ihren produktbezogenen und nichtproduktbezogenen Elementen aufzuteilen und die produktbezogenen Anforderungen dem TBT-Übereinkommen zu unterstellen. Sollte eine Aufspaltung der einzelnen Elemente eines Umweltkennzeichens nicht möglich sein, was entsprechend des einheitlichen LiJe-cycle-Ansatzes regelmäßig der Fall sein dürfte l83 , bleibt nur die vollständige Freistellung des Umweltkennzeichens von den Anforderungen des TBT-Übereinkommens. Dieses Ergebnis wird gestützt durch den auch im WTO-Recht anerkannten Grundsatz der souveränitätsfreundlichen Auslegung (in dubio mitius)184. Danach ist im Zweifel diejenige Auslegung einer vertraglichen Bestimmung zu wählen, die den Vertragsparteien den weitest möglichen Handlungsspielraum belässt.

IV. Zusammenfassung Einzelstaatliche Anforderungen an nichtproduktbezogene PPMs eingeführter Produkte fallen weder in den Anwendungsbereich des SPS-Übereinkommens noch des TBT-Übereinkommens. Die Übereinkommen sind daher nicht als Rechtmäßigkeitsmaßstab für die welthandelsrechtliche Bewertung nichtproduktbezogener Handelsmaßnahmen heranzuziehen. Nach der Struktur der multilateralen Handelsübereinkünfte in Anhang 1 Ades WTO-Übereinkommens bleibt jedoch das allgemeine GATI 1994 ohne Einschränkungen anwendbar. ISS Van Calster; International and EU Trade Law, S. 312 f.; Ward, RECIEL 1997, S. 143. So auch Appleton, in: Sampson/ Chambers (eds.), S. 214. 184 Hierzu oben dritter Teil A.V.4.b). 185 Van Calster; International and EU Trade Law, S. 313; Tietje, JWT 29, Nr. 5 (1995), S.137. 182 183

C. "Öko-Dumping" und indirekte Subventionierung

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Vor diesem Hintergrund erübrigen sich jegliche Diskussionen über die aus der Nichtanwendbarkeit von SPS- und TBT-Übereinkommen erwachsenden "Rechtsfolgen".186 Es gibt keine. Gleichwohl wird in der Literatur mitunter die ProduktProzess-Doktrin unter dem GATT unverändert auf das SPS- und das TBT-Übereinkommen übertragen. Danach habe etwa die Nichtanwendbarkeit des TBT-Übereinkommens auf nichtproduktbezogene Anforderungen zur Folge, dass solche Maßnahmen von vornherein "im Widerspruch zu den Bestimmungen des TBTÜbereinkommens stehen".187 An anderer Stelle wird nach der Feststellung, dass nichtproduktbezogene Anforderungen nicht in den Anwendungsbereich von SPSund TBT-Übereinkommen fallen, weiter ausgeführt: "However, where the PPM has not or cannot be considered to have an effect on the product characteristics, countries cannot restrict imports under the two Agreements on the grounds that the product has been produced in an exporting country where the PPM standard to be used by the industry are lower or different.,,188 Vor dem Hintergrund der obigen Ausführungen bedarf es hierzu keinerlei weiterer Stellungnahme.

c. "Öko-Dumping" und indirekte Subventionierung Teilweise wird gegenüber Staaten mit besonders niedrigen produktionsseitigen Umweltstandards der Vorwurf des "Öko-Dumpings" erhoben, oder die völlig unregulierte Umweltnutzung bzw. die Einführung oder Beibehaltung niedriger Standards als indirekte Subventionierung (sog. regulatory subsidies) begriffen. 189 Damit soll dann die Erhebung von Antidumpingzöllen bzw. die Festsetzung von Ausgleichsmaßnahmen gegenüber den solchermaßen produzierten Waren gerechtfertigt werden. Die entscheidende Motivation der handelnden Staaten ist hier der Ausgleich von Wettbewerbschancen zwischen eingeführten und einheimischen Produkten. I 90 Es stehen nicht unmittelbar umweltpolitische, sondern wirtschaftspolitische Zielsetzungen im Vordergrund derartiger nichtproduktbezogener Handeismaßnahmen. 191 Beide Ansätze besitzen besondere Relevanz für die in Rede stehenden nichtproduktbezogenen Anforderungen an eingeführte Produkte. Könnte man nämlich 186 Ebenso Chang, JWT 31, Nr. 1 (1997), S. 148; Motaal, in: Sampson/Chambers (eds.), S.228. 187 Forgo, Europäisches Umweltzeichen und Welthandel, S. 279 ff. und 284. 188 Rege, JWT 28, Nr. 3 (1994), S. 111. 189 Vgl. die Zusammenfassungen bei Hudec, MJGT 5 (1996) S. 14 ff., und Van Calster; International and EU Trade Law, S. 486 ff.; vgl. auch Trachtman, HIU 34 (1993), S. 81 ff.; Vossenaar/Jha, in: OECD (ed.), S. 142; Jackson, in: Cameron/DemaretlGeradin (eds.), S. 49; Chittka, Das umweltpolitische Verursacherprinzip, S. 15. 190 Vgl. erster Teil C.VII.2.b). 191 Eglin, in: BhagwatilHirsch (eds.), S. 261.

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3. Teil : HandeIsmaßnahmen zum Umweltschutz im Recht der WTO

ein bestimmtes staatliches Regulierungsniveau hinsichtlich produktions sei tiger Umweltbelastungen als Dumping- oder Subventionstatbestand einordnen, würde hierdurch das Problem nichtproduktbezogener Handelsrnaßnahmen unter dem GATT entschärft. Entsprechende Zölle bzw. Belastungen auf eingeführte Produkte würden dann nicht mehr argwöhnisch als nichtproduktbezogene Handelsrnaßnahmen, sondern vielmehr als legitime Antidumpingzölle bzw. Ausgleichsrnaßnahmen betrachtet. Diese Ansätze stehen somit in engem Zusammenhang zur ProduktProzess-Doktrin. 192

I. Geringe produktionsseitige Umweltschutzanforderungen als "Öko-Dumping"? Die maßgeblichen Antidumpingregeln der WTO finden sich in Art. VI und im Übereinkommen zur Durchführung des Art. VI des GATT 1994 (AntidumpingÜbereinkommen). Beide Regelungskomplexe bilden eine sachliche Einheit und müssen im Zusammenhang betrachtet werden. 193 Dabei ist Dumping nach den WTO-Regeln nicht verboten. Die genannten Antidumpingregeln verfolgen allein das Ziel, eine stabile Ordnung für staatliche Handelsrnaßnahmen zu errichten, die zur Neutralisierung möglicher schädlicher Auswirkungen eines Dumpingfalls auf die heimische Wirtschaft des Importstaates ergriffen werden. 194 Damit jedoch die Antidumpingregeln im Falle der Produktion unter Geltung niedriger Umweltstandards überhaupt Anwendung finden können, müsste darin ein Dumpingtatbestand zu erblicken sein. Nach Art. VI: 1 liegt Dumping dann vor, wenn eine Ware unter ihrem Normalwert auf den Markt eines anderen Landes gebracht wird. Dabei gilt eine Ware übereinstimmend nach Art. VI: I (a) und Art. 2.1 des Antidumping-Übereinkommens als unter ihrem Normalwert auf den Markt eines anderen Landes gebracht, wenn ihr Preis bei der Ausfuhr (Ausfuhrpreis) von einem Land in ein anderes Land niedriger ist als der vergleichbare Preis der zum Verbrauch im Ausfuhrland bestimmten gleichartigen Ware (Inlandspreis) im normalen Handelsverkehr. 195 Im Falle niedriger Umwe1tstandards im Herkunftsland können die betreffenden Waren zwar mitunter billiger produziert werden als in Staaten mit hohen Anforderungen. Dieser Unterschied in den Produktionskosten wirkt sich jedoch gleichermaßen auf den Inlandspreis wie auch den Ausfuhrpreis dieser Waren aus. Die Produktion nach bestimmten niedrigen Standards führt demnach für sich genommen niemals zu der erforderlichen Differenzierung zwischen Inlands- und Ausfuhrpreis. 196 Auf diesen Zusammenhang weist hin Schoenbaum, AJIL 91 (1997), S. 288 ff. Vgl. Art. 1 des Antidumping-Übereinkommens. 194 HoekmanlKostecki, The Political Economy, S. 318. 195 Vgl. Jackson, The World Trading System, S. 251 f.; McDonald, The World Trading System, S. 83 ff.; HoekmanlKostecki, The Political Economy, S. 317. 192 193

C. "Öko-Dumping" und indirekte Subventionierung

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Allein in den Fällen des Art. VI: I (b) und des gleichgerichteten Art. 2.2 des Antidumping-Übereinkommens, in denen ein Inlandspreis nicht feststellbar oder nicht zu gebrauchen ist und aus diesem Grunde die bei der Warenproduktion angefallenen Kosten mit dem Ausfuhrpreis verglichen werden, könnte die Annahme von Dumping in Betracht gezogen werden. 197 Beim Vorliegen externer Effekte können nämlich die insgesamt angefallenen Produktionskosten (soziale Kosten) weit über den vom Produzenten getragenen privaten Kosten liegen, auf deren Grundlage er den Ausfuhrpreis festlegt. Je nach dem Umfang der externen Effekte könnten dann die angefallenen sozialen Gesamtkosten der Produktion den Ausfuhrpreis übersteigen. Während Art. VI: I (b) insoweit wenig aussagekräftig ist, lässt sich Art. 2.2 des Antidumping-Übereinkommens entnehmen, dass in den Vergleich zwischen angefallenen Produktionskosten und dem Ausfuhrpreis jedoch nur die privaten Kosten des Produzenten einzustellen sind, nicht die sozialen Gesamtkosten der Produktion. 198 Dies ergibt sich implizit u. a. aus Art. 2.2.1.1 des AntidumpingÜbereinkommens, der bestimmt, dass "costs shall normally be ca1culated on the basis of records kept by the exporter or producer under investigation [ ... ]".199 Auch danach lässt sich eine nach den WTO-Regeln relevante Preisdifferenzierung also nicht begründen. Der Begriff des "Öko-Dumpings" ist demnach als irreführend abzulehnen. Produkte, die unter niedrigen produktionsseitigen Umweltschutzanforderungen hergestellt worden sind, können nicht nach den Antidumpingregeln der WTO mit nichtproduktbezogenen Ausgleichszöllen belegt werden.

11. Geringe produktionsseitige Umweltschutzanforderungen als indirekte Subventionierung? Subventionsregeln finden sich zunächst in den Art. VI und XVI. Während Art. VI im Dienste des levelling the playingjield 200 allein das Erheben von Ausgleichszöllen 201 gegen subventionierte Importprodukte regelt, formuliert Art. XVI einige wenige materielle Voraussetzungen an die Subventionspraxis der Mitglieder. Überlagert werden diese Regelungen durch das Übereinkommen über Subventionen 196 Jackson, in: Cameron/Demaret/Geradin (eds.), S. 49; Rege, JWT 28, Nr. 3 (1994), S. 157; Schmidtl Kahl, in: Rengeling (Hrsg.), Rn. 96; Hilf, NVwZ 2000, S. 487. 197 Vgl. Leebron, in: BhagwatilHudec (eds.), S. 61 f.; Hudec, MJGT 5 (1996) S. 19 f.; Hudec, in: Wolfrum (ed.), S. 158. 198 Ebenso Hudec, MJGT 5 (1996) S. 20. 199 Hierzu Das, The World Trade Organization, S. 212 f. 200 Vgl. hierzu Trebilcockl Howse, The Regulation ofIntemational Trade, S. 214 ff. 201 Die Legaldefinition des Art. VI.3 bestimmt: "The term ,countervailing duty' shall be understood to mean a special duty levied for the purpose of offseuing any bounty or subsidy bestowed, directly, or indirectly, upon the manufacture, production or export of any merchandise."

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3. Teil: Handeismaßnahmen zum Umweltschutz im Recht der WTO

und Ausgleichsmaßnahmen (Subventions-Übereinkommen). Damit bestimmt sich die Erhebung von Ausgleichszöllen nunmehr nach Art. VI i. Y.m. den Art. 10 ff. des Subventions-Übereinkommens. Ferner werden die materiellen Anforderungen des Art. XVI an die Subventionspraxis der Mitglieder durch den im SubventionsÜbereinkommen niedergelegten sog. Ampel-Ansatz 202 erheblich ausgeweitet. Im vorliegenden Zusammenhang ist jedoch zunächst von Bedeutung, dass in Art. I des Subventions-Übereinkommens erstmals eine Definition des Begriffs der Subvention enthalten ist. 203

1. Der Begriff der Subvention

Damit die Subventionsregeln der WTO überhaupt auf besonders niedrige staatliche Umweltstandards Anwendung finden, müssten diese zunächst dem Begriff der Subvention unterfallen. Nach Art. 1.1 des Subventions-Übereinkommens liegt eine Subvention dann vor, wenn: ,,(a)(l) there is a financial contribution by a government or any public body within the territory of a Member (generally referred to in the Agreement as ,government'), i.e. where: (i)

a government practice involves a direct transfer of funds (e.g. grants, loans, and equity infusion), potential direct transfers of funds or liabilities (e.g. loan guarantees);

(ii) government revenue that is otherwise due is forgone or not collected (e.g. fiscal incentives such as tax credits); (iii) a government provides goods or services other than general infrastructure, or purchases goods; (iv) a government makes payments to a funding mechanism, or entrusts or directs a private body to carry out one or more of the type of functions illustrated in (i) to (iii) above which would normally be vested in the government and the practice, in no real sense, differs from practices normally followed by governments; or (a)(2) there is any form of income or price support in the sense of Artic1e XVI of GATT 1994;and (b) a benefit is thereby conferred."

Insgesamt setzt eine Subvention demnach Zweierlei voraus, einen finanziellen Beitrag des Staates bzw. eine Einkommens- oder Preisstützung i. S. d. Art. XVI und die hierdurch eintretende Gewährung eines Vorteils.

Vgl. hierzu Jackson, The World Trading System, S. 291 f. Weder im GATT 1947 noch im Subventions-Übereinkommen der Tokyo-Runde war der Begriff der Subvention definiert; vgl. Trebilcockl Howse, The Regulation of International Trade, S. 195. 202

203

C. "Öko-Dumping" und indirekte Subventionierung

223

a) Finanzieller Beitrag des Staates

Es fragt sich zunächst, ob niedrige staatliche Umweltstandards als ein finanzieller Beitrag des Staates i.S.v. Art. l.l(a)(l)(i) bis (iv) des Subventions-Übereinkommens verstanden werden können. Fall (iv) ist schon strukturell auszuschließen. Beim Erlass von Umweltstandards wird der Staat selbst hoheitlich tätig und handelt nicht vermittelt durch private Einrichtungen. Ferner scheidet der Fall (i) des direkten bzw. potentiellen direkten Kapitaltransfers angesichts der dort aufgezählten Beispiele aus. In diesem Fall geht es um die klassische direkte Unterstützung von Wirtschaftsteilnehmern mittels Zuschüssen, Krediten und Bürgschaften. 204 Fall (ii) erfasst demgegenüber die ebenfalls weit verbreitete Praxis der indirekten Unterstützung einzelner Wirtschaftsteilnehmer durch die Freistellung von hoheitlichen Zahlungsverpflichtungen, insbesondere der Zahlung von Steuern. 205 Gerade staatliche Umweltpolitik bedient sich zunehmend der Mittel des Steuerrechts. Die Erhebung einer Steuer auf die Verwendung bestimmter nichtproduktbezogener PPMs dient der Erzielung eines produktionsseitigen Umweltschutzbeitrages. Diesbezüglich ist jedoch besonders auf die konkrete Ausgestaltung der in Rede stehenden nichtproduktbezogenen Steuertatbestände zu achten. Es ist gerade nicht die Erhebung der nichtproduktbezogenen Steuer, die von Fall (ii) erfasst sein könnte, sondern allein die Ausnahmen von einer solchen allgemeinen Steuerpflicht. Diese knüpfen jedoch gerade nicht an die allgemein besteuerten nichtproduktbezogenen PPMs an, sondern entspringen allgemeinen Erwägungen der Wettbewerbsfahigkeit und Verteilungs gerechtigkeit. Entsprechend sind auf den Ausgleich derartiger Steuererleichterungen gerichtete Handelsmaßnahmen keine nichtproduktbezogenen Handelsmaßnahmen des Importsstaates zum Umweltschutz. Diese Maßnahmen bleiben daher vorliegend außer Betracht. Allein in den Fällen, in denen ein Staat Ausnahmen von einer allgemeinen Steuer speziell für produktionsseitigen Umweltschutz gewährt, wären korrespondierende Ausgleichsmaßnahmen des Importstaates auch nichtproduktbezogen. Diese würden dann jedoch nicht dem produktionsseitigen Umweltschutz dienen, sondern ganz im Gegenteil die anreizorientierte Umweltschutzpolitik des Herkunftslandes unterlaufen. Ausgleichsmaßnahmen mit dieser Wirkung liegen außerhalb des Bereichs der in der vorliegenden Bearbeitung untersuchten nichtproduktbezogenen TREMs und bleiben daher im Folgenden außer Ansatz. Vor dem Hintergrund der Theorie externer Effekte 206 könnte in der Beibehaltung niedriger produktionsseitiger Umweltstandards ein finanzieller Beitrag nach Art. l.l(a)(l)(iii) des Subventions-Übereinkommens erblickt werden. Ermöglicht nämlich ein Staat durch mangelnde Regulierung das Entstehen externer Effekte Vgl. Senti, WTO, Rn. 853. Vgl. Appellate Body Report, US - FSC, para. 90; Appellate Body Report, CanadaAutomotive Industry, para. 90 f. 206 Ausführlich hierzu im zweiten Teil B.lY.2. 204 205

224

3. Teil: HandeIsmaßnahmen zum Umweltschutz im Recht der WTO

und die damit einhergehende teilweise Kostenverlagerung auf Dritte, so könnte hierin eine über die allgemein zugängliche Infrastruktur hinausgehende Bereitstellung von Waren oder Dienstleistungen an die innerstaatlichen Produzenten erblickt werden?07 Gegen diesen Ansatz regen sich jedoch ernsthafte Bedenken. Zunächst ist fraglich, ob das bloße Bestehen eines bestimmten Zustandes, hier der niedrigen Standards, schon als staatliche Bereitstellung von Waren oder Dienstleistungen ("a government provides goods or services") angesehen werden kann. Der Wortlaut der Vorschrift scheint eher auf ein aktives und direktes Bereichern der Produzenten durch den Staat gerichtet zu sein?08 Vor allem wird aber durch niedrige Umweltstandards keine über die generelle staatliche Bereitstellung hinausgehende Infrastruktur vergeben ("other than general infrastructure"). Hierunter dürften etwa staatliche Marktentlastungskäufe zugunsten bestimmter Wirtschaftskreise zu fassen sein.209 Gerade bei der Setzung nichtproduktbezogener Umweltstandards geht es jedoch um die Schaffung allgemeiner ordnungspolitischer Rahmenbedingungen für die industrielle Produktion insgesamt, nicht um die Bereitstellung zusätzlicher, das allgemeine Bereitstellungsniveau überschreitender Waren oder Dienstleistungen nur für bestimmte Wirtschaftskreise. 21o Nach alledem ist ein finanzieller Beitrag eines Staates i.S.v. Art. l.l(a)(l) des Subventions-Übereinkommens durch die Beibehaltung niedriger Umweltstandards nicht nachzuweisen.211

b) Einkommens- oder Preisstützung Auch eine Einkommens- oder Preisstützung i. S. d. Art. XVI stellt eine Subvention dar. In Art. XVI: I wird die Wendung "any form of income or price support" dahingehend spezifiziert, dass sie "operates directly or indirectly to increase exports of any product from, or to reduce imports of any product". Hinsichtlich der Exportseite enthält Abs. 2 der Anmerkung zu Art. XVI:3 eine weitergehende Spezifizierung in dem Sinne, dass es sich um ein "system for the stabilization of the domestic price or of the return to domestic producers of a primary product independently of the movement of export prices, which results at times in the sale of the product for export at a price lower than the comparable price charged for the like product to buyers in the domestic market" handeln müsse. Insbesondere aus der letzten Spezifizierung eines Systems zur Einkommensoder Preisstützung i.S.v. Art. XVI wird deutlich, dass niedrige Umweltstandards 207 Vgl. McDonald, Environmental Law 23 (1993), S. 429; Strauss, UPJIEL 19 (1998), S.795. 208 Dahingehend argumentieren auch Schmidt / Kahl, in Rengeling (Hrsg.), Rn. 97. 209 Senti, WTO, S. 391. 210 Vgl. Wenig, in: Dauses (Hrsg.), Rn. 73; Düerkop, CML Rev. 31 (1994), S. 831. 211 Im Ergebnis übereinstimmend Hudec, MJGT 5 (1996) S. 14 ff.; Jackson, The World Trading System, S. 296.

C. "Öko-Dumping" und indirekte Subventionierung

225

für sich genommen noch nicht dieser Kategorie zuzuordnen sind. Zunächst führt die Beibehaltung niedriger Umweltstandards nicht zu einer Differenzierung zwischen dem Inlandspreis und dem Ausfuhrpreis von gleichartigen Waren. Insoweit besteht eine Parallele zu den Ausführungen zum Vorliegen eines Dumpingtatbestands. Aber auch generell bedeuten niedrige Umweltstandards noch keine Beeinträchtigung des Marktmechanismus, wodurch dem Staat direkt zusätzliche Kosten erwachsen würden. Hierauf kommt es aber jedem System der Einkommensoder Preisstützung per definitionem an. 212 Mit einer Einkommens- oder Preisstützung beeinflusst der regulierende Staat auf seine Kosten direkt das freie Spiel der Marktkräfte. Er hält etwa durch Ankauf und anschließendem Wiederverkauf von bestimmten Waren zum Verlustpreis das Einkommen einer Branche künstlich hoch 213 oder gewährt Exportkredite zu Konditionen, die günstiger sind als auf den freien Kapitalmärkten 214 . Mit niedrigen Umweltstandards gibt der Staat zwar den allgemeinen ordnungsrechtlichen Rahmen für das Marktgeschehen vor, darüber hinaus beeinflusst er aber den Marktmechanismus und das aus dem freien Zusammenspiel der Kräfte resultierende Marktergebnis nicht. Gerade in dieser Untätigkeit liegt im Falle externer Effekte der Vorwurf von Seiten der Umweltökonomie an den gar nicht oder nur unzureichend regulierenden Staat. Letztlich entscheidend zur Ablehnung einer Einkommens- oder Preisstützung dürfte jedoch sein, dass die staatliche Standardsetzung nicht unmittelbar den Staatshaushalt belastet. 215 Im Ergebnis kann aufgrund dieser strukturellen Unterschiedlichkeit in besonders niedrigen Umweltstandards auch eine Einkommens- oder Preisstützung i.S.v. Art. XVI nicht erblickt werden. c) Ergebnis

Niedrige staatliche Umweltstandards unterfallen nicht als sog. regulatory subsidies dem Begriff der Subvention. Die Begriffsbestimmung einer Subvention in Art. 1.1 des Subventions-Übereinkommens gibt einen engen Subventionsbegriff vor?16 Eine genaue Betrachtung der einzelnen Merkmale offenbart entscheidende strukturelle Unterschiede zwischen den als Subventionen erfassten Verhaltensweisen und der Setzung oder Beibehaltung besonders niedriger staatlicher Umweltstandards. Selbst wenn man besonders niedrige staatliche Umweltstandards als Subventionen begreifen wollte, wäre doch das Kriterium der Spezifität regelmäßig nicht erfüllt. 217 Das Kriterium der Spezifität ist in Art. 2 des Subventions-Übereinkom212 Vgl. zu diesem Ansatz Jackson, The World Trading System, S. 298 f.; Stanbrookl Bentley, Dumping and Subsidies, S. 88. 213 Panel Report, Review Pursuant to Article XVI: 5, para. 11. 214 GAlT, Analytical Index, S. 446. 215 Vgl. Wenig, in Dauses (Hrsg.), Rn. 72. 216 HoekmanlKostecki, The Political Economy, S. 171. 217 Hudec, MJGT 5 (1996) S. 15; vgl. auch Rege, JWT 28, Nr. 3 (1994), S. 154.

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Puth

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3. Teil: HandeIsmaBnahmen zum Umweltschutz im Recht der WTO

mens niedergelegt. Es erfordert nach Art. 2.1 des Subventions-Übereinkommens, dass es sich um eine Subvention handelt, die bestimmte Unternehmen oder Wirtschaftszweige gezielt unterstützt. Dies ist bei niedrigen Umweltstandards als generellem ordnungspolitischen Rahmen der Produktion jedoch regelmäßig nicht der Fall. Gegen nichtspezifische Subventionen sind nach Art. 1.2 des SubventionsÜbereinkommens Ausgleichsrnaßnahmen aber gerade nicht zulässig.

III. Zusammenfassung Niedrige produktionsseitige Umweltstandards des Staates der Produktion erfüllen weder den Tatbestand des Dumping noch einer Subvention. Entsprechende Ansätze, eingeführte Produkte, die unter niedrigen produktionsseitigen Umweltstandards hergestellt worden sind, mit Ausgleichszöllen bzw. Ausgleichsrnaßnahmen zu belegen, finden somit keine Grundlage in den Dumping- bzw. Subventionsbestimmungen des WTO-Rechts.

D. GATT 1994: Art. I, 11, 111, XI und XX Das GATT 1994 bildet den allgemeinen internationalen Ordnungsrahmen für den grenzüberschreitenden Warenhandel zwischen den Mitgliedern der WTO. Bei der Bewertung nichtproduktbezogener TREMs sind insbesondere die Art. I, 11, m, XI und XX zu beachten.

I. Funktionsweise des GATT Die Funktionsweise des GATT wird bestimmt durch das Zusammenspiel von Verpflichtungen und Ausnahmen. Erst vor diesem Hintergrund werden die prägenden normativen Strukturen des GATT sichtbar und eine sachgerechte Einordnung und Würdigung der im Zusammenhang der Unterscheidung zwischen Produkt und Prozess diskutierten Probleme möglich.

1. Die Verpflichtungen im Überblick Das GATT enthält ein Bündel spezieller Verpflichtungen zur weitgehenden Liberalisierung des internationalen Handels,z18 Von fundamentaler Bedeutung sind 218 Ein kurzer Überblick über die zentralen Verpflichtungen des GATT findet sich bei Jackson, The World Trading System, S. 51 ff.

D. GAIT 1994: Art. 1,11, III, XI und XX

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auch im vorliegenden Zusammenhang die Verpflichtungen der Art. I, 11, III und XI. 219 Dabei unterscheidet das GATT in zweifacher Hinsicht, einmal zwischen tarifaren und nichttarifaren Handelshemmnissen 220 und zum anderen zwischen Maßnahmen an der Grenze (sog. border measures), die bereits den Zugang einer Ware zum inländischen Markt ausschließen, und internen Maßnahmen, die erst nach Passieren des Zolls auf den inländischen Märkten greifen. 221 Unter tarifaren Handelshemmnissen, d. h. Zöllen im weitesten Sinne, sind alle Abgaben an den Staat zu verstehen, mit denen eine Ware allein aufgrund ihres Grenzübertrittes belastet wird. 222 Zölle fallen per definitionem in die Kategorie der sog. border measures. Demgegenüber werden als nichttarifare Handelshemmnisse allgemein alle sonstigen staatlichen handelsbeschränkenden Maßnahmen außer den Zöllen verstanden. 223 Hierunter fallen sowohl Maßnahmen an der Grenze, wie etwa Kontingente oder Einfuhrlizenzen, als auch interne Maßnahmen etwa der Besteuerung oder der Produktstandardisierung. Zölle sind unter dem GATT grundsätzlich zulässig. In der Präambel und Art. XXVIIIbis haben die Mitglieder jedoch ihre gemeinsame Absicht bekundet, im Rahmen von Zollverhandlungen eine substantielle Senkung der Zölle zu erreichen. Die Aushandlung von Zollzugeständnissen, wodurch die Mitglieder nach Art. 11 in Verbindung mit den jeweiligen Listen (schedules) die maximale Höhe ihrer Zölle gegenüber den anderen Mitgliedern verbindlich festlegen, stellt seit jeher das primäre Liberalisierungsinstrument des GATT dar. Ergänzend enthält Art. XI ein allgemeines Verbot nichttarifarer Handelshemmnisse an der Grenze und lässt allein Zölle als Mittel zur direkten Handelssteuerung an der Grenze zu (sog. Tariffs-onlyMaxime)?24 In der Staatenpraxis haben die Zölle jedoch aufgrund der erfolgreichen Zollsenkungen in den GATT-Handelsrunden225 gegenüber nichttarifaren Handelshemmnissen immer mehr an Bedeutung verloren. Gleichberechtigt neben diesen Bestimmungen steht der Grundsatz der Nichtdiskriminierung, der insbesondere in den Art. I und III seine zentrale Ausprägung gefunden hat. Nach der Meistbegünstigungsverpflichtung des Art. I ist jedes Mit219 Die Verpflichtungen des GAIT erstrecken sich - wie etwa Art. I und XI - grundsätzlich ebenso auf den Import wie auf den Export von Waren. Exportbeschränkungen sind im vorliegenden Zusammenhang jedoch bisher nicht relevant geworden. Überhaupt findet eine Überprüfung von Exportbeschränkungen unter dem GAIT in der Praxis kaum statt (vgl. Benedek, Die Rechtsordnung des GAIT, S. 37 f.). Daher sollen auch die folgenden Ausführungen auf importseitige Handelsbeschränkungen beschränkt bleiben. 220 Vgl. zu dieser Unterscheidung Senti, WTO, Rn. 535. 221 Vgl. Petersmann, Constitutional Functions, S. 227; Benedek, Die Rechtsordnung des GAIT, S. 37. 222 Dorsch, in: Rüsken (Hrsg.), Rn. 2; Maennig/Wiljling, Außenwirtschaft, S. 151. 223 Maennig/Wiljling, Außenwirtschaft, S. 155. 224 Vgl. Hailbronner/Bierwagen, JA 1988, S. 321. 225 Vgl. den Überblick bei Jackson, The World Trading System, S. 74; Maennig/Wiljling, Außenwirtschaft, S. 195.

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3. Teil: Handelsmaßnahmen zum Umweltschutz im Recht der WTO

glied verpflichtet, den Waren jedes anderen Mitglieds diejenige Behandlung angedeihen zu lassen, die der günstigsten Behandlung entspricht, die es gleichartigen Waren aus einem anderen Staat zukommen lässt. 226 Die zweite Verpflichtung zur Nichtdiskriminierung ist die der Inländerbehandlung nach Art. III, wonach eingeführte Waren auf dem internen Markt keine weniger günstige Behandlung erfahren dürfen als gleichartige inländische Waren. Art. III betrifft allein interne staatliche Maßnahmen, d. h. interne nichttarifäre Handelshemmnisse. Art. III:2 reguliert dabei interne steuerliche Maßnahmen, während Art. 1II:4 alle sonstigen handelsrelevanten internen Vorschriften erfasst. Die allgemeine Meistbegünstigungsverpflichtung des Art. I gilt hingegen allgemein für tarifäre und nichttarifäre Maßnahmen an der Grenze als auch in Verbindung mit Art. 1II:2 und III:4 für interne nichttarifäre Maßnahmen. Schon jetzt sei darauf hingewiesen, dass im Einzelfall weniger die Abgrenzung zwischen tarifären und nichttarifären Handelshemmnisse als vielmehr die Abgrenzung zwischen internen Maßnahmen und Maßnahmen an der Grenze schwierige Probleme aufwerfen kann.

2. Kein allgemeines Recht auf Marktzugang Ein allgemeines Recht auf Marktzugang haben die Mitglieder unter dem GATT nicht vereinbart. 227 Insoweit hat sich vom Ansatz her an der völkerrechtlichen Ausgangssituation - nach allgemeinem Völkerrecht besteht kein Anspruch auf Handelsfreiheit - nichts geändert. Die WTO-Mitglieder haben sich unter dem GATT allein an ein Bündel spezieller Verpflichtungen gebunden, von denen keine ein solches allgemeines Marktzugangsrecht beinhaltet. Zwar könnte Art. XI als normativer Ansatzpunkt für ein allgemeines Recht auf Marktzugang angesehen werden, da nach dem Wortlaut der Vorschrift allein Zölle als Handelshemmnisse an der Grenze zugelassen werden. 228 Jedoch macht die Anmerkung zu Art. III deutlich, dass Maßnahmen zur Durchsetzung interner staatlicher Vorschriften auch an der Grenze unter Art. III fallen. Art. XI ist insoweit nicht anwendbar?29 Demnach sind neben Zöllen auch sonstige staatliche Maßnahmen an der Grenze zulässig, sofern sie zur Durchsetzung einer internen Vorschrift ergehen und eingeführte Produkte nicht schlechter stellen als gleichartige inländische Produkte. Ein allgemeines Recht auf Marktzugang kann demnach aus Art. XI nicht abgeleitet werden. Auch entstehungsgeschichtlich hat Art. XI einen sehr viel engeren Hintergrund als ein allgemeines Marktzugangsrecht. Die Verpflichtung war eine unmittelbare Antwort auf die Vielzahl der mengenmäßigen Beschränkungen, die 226 Vgl. statt vieler Jackson, The World Trading System, S. 157; Tietje, Normative Grundstrukturen, S. 194 f. 227 Gramlieh, AVR 33 (1995), S. 145; Weiß, EuR 1999, S. 502. 228 Vgl. zu diesem Ansatz Ott, GATI und WTO im Gemeinschaftsrecht, S. 94; Schoenbaum, AJIL 1997, S. 273. 229 Ausführlich zur Abgrenzung von Art. III und XI im dritten Teil D.II.2.a)bb).

D. GAIT 1994: Art. I, 11, III, XI und XX

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in Folge der Kriegs- und Zwischenkriegszeit in den Staaten installiert worden waren. 230 Die Annahme eines vom Text des GATT losgelösten, ungeschriebenen Rechts auf Marktzugang kraft Gewohnheit scheidet ebenfalls aus. Weder ist eine einschlägige Praxis der GATT-Vertragsparteien bzw. der WTO-Mitglieder noch eine entsprechende opinio iuris erkennbar. Vereinzelte, in die Richtung eines allgemeinen Rechts auf Marktzugang deutende Äußerungen sollten daher nicht überbewertet werden. 231 So spricht etwa das Panel im Fall US - Shrimp von den negativen Auswirkungen staatlicher PPM-Maßnahmen "in such a way that guaranteed market access and nondiscriminatory treatment within a multilateral framework would no longer be possible".232 Zwar ist das Ideal offener Märkte berechtigterweise zu den Prinzipien des GATT und der WTO insgesamt zu rechnen 233 , dies ändert aber nichts daran, dass die normative Ausprägung dieses Prinzips in den verschiedenen Verpflichtungen kein allgemeines Recht auf Marktzugang gewährt. Der Rückgriff auf ein dem GATT unterliegendes Prinzip kann in keinem Fall zu einer Umgehung der insoweit eindeutigen geschriebenen Rechtsrege1n führen. 234 Das GATT verbietet lediglich bestimmte handelsbeschränkende Maßnahmen, ändert aber nichts an der völkerrechtlichen Ausgangssituation, wonach die Staaten außerhalb des Anwendungsbereiches einer konkreten Verpflichtung den Marktzugang frei regulieren dürfen. Es gibt den betroffenen Mitgliedern allein ein negatives Recht, sich gegen WTO-rechtswidrige Maßnahmen anderer Mitglieder zur Wehr zu setzen. 235

3. Die Ausnahmen Unter dem GATT stehen den Verpflichtungen verschiedene Ausnahmebestimmungen gegenüber. Verstößt eine staatliche Maßnahme gegen eine GATT-Verpflichtung bedeutet dies noch nicht zwangsläufig auch eine Vertragsverletzung. Die in Rede stehende staatliche Maßnahme kann unter einer der Ausnahmebestimmungen des GATT gerechtfertigt werden. Mit den Ausnahmebestimmungen anerkennen die Mitglieder, dass den gemeinsamen Freihandelsinteressen im Einzelfall individuelle Interessen einzelner Mitglieder entgegenstehen und unter bestimmten Vgl. Benedek, Die Rechtsordnung des GAIT, S. 62. Howse/Regan, EJIL 11 (2000), S. 276, sprechen in diesem Zusammenhang jedoch von "the deepest divide between competing understandings of GAIT [ ... ]. One view is that GAIT creates a general right of market access, which right may be denied only for internationally certified reasons [ ... ]. The other view is that GAIT creates no such general right of access, but creates only a negative right that access shall not be denied by rules that discriminate between countries ... 232 Panel Report, US - Shrimp, para. 7.44 (Hervorhebung durch den Verfasser). 233 Vgl. Tietje, Normative Grundstrukturen, S. 268 ff. 234 Vgl. Appellate Body Report, EC - Hormones, para. 124. 235 Howse / Regan, EJIL 11 (2000), S. 276. 230

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3. Teil: Handelsmaßnahmen zum Umweltschutz im Recht der WTO

Voraussetzungen auch vorgehen können. Das GATT lässt demnach die Regelungshoheit der Mitglieder zur Wahrnehmung bestimmter, dem Freihandel entgegenstehender einheimischer Interessen unangetastet. 236 Verstößt eine staatliche Maßnahmen zum Schutz und zur Erhaltung der natürlichen Umwelt gegen eine GATTVerpflichtung, kommt vor allem eine Rechtfertigung nach Art. XX(b) und (g) in Betracht. 4. Zusammenspiel von Verpflichtungen und Ausnahmen

Eine wesentliche Aufgabe unter dem GATT besteht darin, in diesem Zusammenspiel von Verpflichtungen und Ausnahmen einen fairen Ausgleich zwischen den widerstreitenden Interessen zu erreichen und sowohl eine Überbetonung der Anliegen des Freihandels als auch der entgegenstehenden einzelstaatlichen Interessen zu vermeiden. 237 Die Vorteile der gemeinsamen Handelsliberalisierung sollen gesichert werden, ohne jedoch die Freiheit der Mitglieder über Gebühr einzuschränken, legitime einzelstaatliche Interessen zu verfolgen. 238 Wo jedoch im Einzelfall die Grenze zwischen legitimer staatlicher Interessenwahrnehmung und Protektionismus der eigenen Wirtschaft zu ziehen ist, muss mittels einer umfassenden Abwägung im Einzelfall geklärt werden. Die Ausgestaltung des GATT mit dem dargelegten Zusammenspiel von Verpflichtungen und Ausnahmen macht deutlich, welche Funktionen den Verpflichtungen einerseits und den Ausnahmebestimmungen andererseits bei dieser Interessenabwägung zukommen. Die GATT-Verpflichtungen sichern das gemeinsame Interesse der Mitglieder am freien Welthandel. Die Ausnahmen dienen hingegen der Sicherung der dem Freihandel entgegenstehenden einzelstaatlichen Interessen und legen zudem fest, welches Gewicht den einzelstaatlichen Interessen im Verhältnis zum gemeinsamen Freihandelsanliegen im konkreten Einzelfall zukommt. Schon hieraus lässt sich ableiten, dass die angestellten Überlegungen zum Umweltschutz und zum Konzept der nachhaltigen Entwicklung, als dem Freihandel unter Umständen entgegenstehende Interessen, primär auf der Ebene der Ausnahmen des Art. XX relevant werden.

11. Die Verpflichtung des Art. 111 - Inländerbehandlung hinsichtlich Steuern und interner Vorschriften Die Verpflichtung des Art. III betrifft die Inländerbehandlung eingeführter Produkte hinsichtlich Steuern und sonstiger interner Vorschriften des Importstaates. Ohne Zweifel handelt es sich um die am häufigsten diskutierte und - jedenfalls in jüngerer Zeit - auch umstrittenste Verpflichtung des GATT. Sie steht daher am 236 237 238

Jackson. The World Trading System, S. 229 ff.; Gramlieh. ArchVR 33 (1995), S. ISO. Hudec. Essays on the Nature ofintemational Trade Law, S. 359. Mattoo/Subramanian. HEL 1 (1998), S. 303.

D. GATI 1994: Art. I, II, III, XI und XX

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Anfang der folgenden Erörterung. In den Anwendungsbereich von Art. III fallen so prominente umweltpolitische Instrumente wie Umweltabgaben oder technische Standards für eingeführte und einheimische Produkte.

1. Grundlagen

a) Sinn und Zweck Sinn und Zweck von Art. III ist die Vermeidung von Protektionismus bei der Anwendung inländischer Steuern und sonstiger inländischer Vorschriften mit potentiellem Handelsbezug. Dies ergibt sich schon aus dem Wortlaut von Art. III:I, wonach interne Maßnahmen "should not be applied to imported or domestic products so as to afford protection to domestic production".239 Aus diesem Grund verpflichtet Art. III die WTO-Mitglieder, für einheimische und eingeführte Produkte gleiche Wettbewerbsbedingungen auf dem inländischen Markt zu schaffen,z4o Unerheblich für die Beurteilung nach Art. III sind hingegen die tatsächlichen Handelswirkungen ("trade effects") von internen Maßnahmen. Art. III schützt nicht die Erwartungen der WTO-Mitglieder in bestimmte Importvolumina, sondern allein in das Bestehen gleicher Wettbewerbschancen zwischen eingeführten und inländischen Produkten,z41 Auch erschöpft sich der Sinn und Zweck von Art. III nicht in einer bloßen Sicherung der Zollzugeständnisse unter Art. 11. Bezüglich der Produkte, deren Zollsätze nach Art. 11 gebunden sind, kommt dem Erfordernis der Inländergleichbehandlung zwar auch eine entsprechende Sicherungsfunktion ZU. 242 Der Anwendungsbereich von Art. III ist jedoch nicht auf gebundene Produkte beschränkt, sondern gilt unabhängig von den jeweiligen Zollzugeständnissen für alle Produkte, die Gegenstand des Handelsverkehrs sein können. 243

b) Struktur

Art. III: 1 enthält den allgemeinen Gedanken der Inländerbehandlung, wonach eingeführte Produkte grundsätzlich wie inländische behandelt werden müssen. Dadurch soll sichergestellt werden, dass interne Maßnahmen nicht zu protektionis239 V gl. auch Panel Report, US - Section 337, para. 5.10; Panel Report, US - Malt Beverages, para. 5.25. 240 Panel Report, Italian Discrimination against Imported Agricultural Machinery, para. 11; Panel Report, US - Superfund, para. 5.1.9; Panel Report, Japan - Wines and Alcoholic Beverages, para. 5.5(b). 241 Panel Report, US - Superfund, para. 5.1.9. 242 Vgl. Panel Report, Japan -Wines and Alcoholic Beverages, para. 5.5(b); Panel Report, Canada - Provincial Marketing Agencies, para. 5.30. 243 Panel Report, US - Superfund, para. 5.1.9; Panel Report, EEC - Parts and Components, para. 5.4; Appellate Body Report, Japan - Alcoholic Beverages, S. 17.

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3. Teil: Handelsmaßnahmen zum Umweltschutz im Recht der WTO

tischen Zwecken missbraucht werden. In den weiteren Absätzen des Art. III finden sich eine Reihe spezieller Verpflichtungen und spezieller Ausnahmen, die hinsichtlich bestimmter innerstaatlicher Maßnahmen die grundlegende Schutzrichtung von Art. III weiter konkretisieren. Insoweit ist die Grundregel des Art. II1: I als allgemeine Zielvorstellung zur Auslegung und Anwendung der speziellen Bestimmungen heranzuziehen. In den Worten des Appellate Body lautet dies: "This general principle informs the rest of Article III. ,,244 Zu beachten ist ferner, dass der Text von Art. III auch die entsprechenden Anmerkungen im Anhang des GATT umfasst. Die Anmerkungen sind gleichberechtigter und verbindlicher Bestandteil der jeweiligen Bestimmung, auf die sie sich beziehen. 245 Bei der Aushandlung des GATT hat man sich entschlossen, spezielle Details einiger Regelungen als Anmerkungen in den Anhang zum GATT auszugliedern. Dadurch sollte der Text der GATT-Vorschriften klar und handhabbar gehalten werden, ohne jedoch den rechtlichen Stellenwert der ausgelagerten Detailregelungen zu verändern. Im vorliegenden Zusammenhang sind insbesondere die speziellen Verpflichtungen des Art. 1II:2 hinsichtlich interner Steuern und des Art. 1II:4 hinsichtlich sonstiger interner Vorschriften sowie die Anmerkungen zu Art. III, III: I und III:2 von Bedeutung. c) Stellung im GATT

Die Verpflichtung zur Inländerbehandlung des Art. III ist genau wie die Meistbegünstigungsverpflichtung des Art. I Ausdruck des im GATT verankerten Nichtdiskriminierungsgrundsatzes.246 Wahrend die Meistbegünstigungsklausel des Art. I die einzel staatliche Behandlung von Produkten eines Mitglieds im Verhältnis zu gleichartigen Produkten aus dritten Staaten an der Grenze oder auf dem internen Markt betrifft, fordert Art. III die Gleichbehandlung eingeführter Produkte mit gleichartigen inländischen Produkten auf dem internen Markt. Damit sind die Mitglieder verpflichtet, weder zwischen gleichartigen Produkten der anderen Mitglieder (Art. I), noch zwischen Produkten anderer Mitglieder und gleichartigen einheimischen Produkten (Art. III) zu diskriminieren. Entsprechend der grundsätzlichen Unterscheidung im GATT zwischen internen Maßnahmen und Maßnahmen an der Grenze stehen im Rahmen von Art. III interne Steuern (Art. III:2) den Zöllen (Art. 11) und sonstige interne Vorschriften (Art. III:4) den nichttarifären Handelshemmnissen an der Grenze (Art. XI) gegenüber. Die Abgrenzung dieser Vorschriften erfolgt im Rahmen der speziellen Verpflichtungen der Art. II1:2 und III:4 beim Merkmal "internal". 244 Appellate Body Report, Japan - Alcoholic Beverages, S. 18; vgl. auch Appellate Body Report, EC - Asbestos, para. 98. 245 Appellate Body Report, Japan - Alcoholic Beverages, S. 26. 246 Jackson, The World Trading System, S. 157 f.

D. GATI 1994: Art. I, 11, III, XI und XX

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2. Artikel 111:4 - Nichtproduktbezogene interne Vorschriften

Ausgehend von den Thunfisch-Fällen sind im Rahmen von Art. 1II:4 bedeutende Aussagen der Produkt-Prozess-Doktrin entwickelt und verankert worden, die Bedeutung für die Auslegung des gesamten Art. III erlangt haben. Zunächst soll daher die spezielle Verpflichtung des Art. 1II:4 behandelt werden. Für eine Verletzung von Art. III:4 müssen drei Voraussetzungen erfüllt sein: Die in Rede stehende Maßnahme muss zu den internen "laws, regulations and requirements" gehören, bei den betroffenen eingeführten und inländischen Produkte muss es sich um "like products" handeln und die betroffenen eingeführten Produkte müssen im Vergleich zu gleichartigen inländischen Produkten einem "treatment less favourable" unterworfen sein. 247

a) "Laws, regulations and requirements" Das Gebot der Inländergleichbehandlung nach Art. 1II:4 gilt für eingeführte Produkte hinsichtlich "all laws, regulations and requirements affecting their internal sale, offering for sale, purchase, transportation, distribution or use". aa) Weite Auslegung Diese Aufzählung ist in doppelter Hinsicht nicht abschließend, einmal hinsichtlich der umfassten staatlichen Handlungsformen, zum anderen hinsichtlich der umfassten Sachbereiche. Dies ergibt sich zwingend aus dem Sinn und Zweck von Art. II1, der gleiche Wettbewerbsbedingungen auf dem internen Markt für eingeführte und einheimische gleichartige Produkte gewährleisten will. Insoweit installiert Art. III ein umfassendes Diskriminierungsverbot für alle staatlichen Maßnahmen, die sich auf die Wettbewerbssituation der auf dem internen Markt befindlichen Produkte auswirken können, mit Ausnahme von Steuern, die in den Anwendungsbereich des Art. 1II:2 fallen. Zum einen werden alle denkbaren hoheitlichen Handlungsformen und Reglungstypen umfasst, von der abstrakt-generellen bis hin zur konkret-individuellen Regelung?48 Auch fallen nicht nur zwingende Vorschriften unter Art. III, sondern auch solche staatlichen Anforderungen, deren Einhaltung zwar nicht zwingend vorgeschrieben ist, die aber gleichwohl den Zugang zu staatlicherseits eingeräumten Vorteilen eröffnen?49 Allein in den Fällen, in denen ein staatlicher Akt weder zwingend ausgestaltet ist noch in irgendeiner Form einen Vorteil gewährt, ist Art. III mangels dem Staat zurechenbarer Einflussnahme auf den Wettbewerb zwischen Appellate Body Report, Korea - Beef, para. 133. Panel Report, Canada - FIRA. para. 5.5. 249 Panel Report, EEC - Parts and Components. para. 5.21; Panel Report, Japan - Agricultural Products, para. 8.111. 247 248

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3. Teil: Handelsmaßnahmen zum Umweltschutz im Recht der WTO

eingeführten und einheimischen Produkten nicht anwendbar,zso In diese Kategorie fallen insbesondere nichtzwingende Kennzeichnungsvorschriften, und zwar unabhängig davon, ob sie produktbezogene oder nichtproduktbezogene Anforderungen aufstellen. 2S1 Insoweit ist dem Panel im Fall US - Tuna I zuzustimmen, wenn es die in Rede stehende nichtzwingende nichtproduktbezogene Kennzeichnung für Thunfisch mit "Dolphin Safe" nicht als relevante Handeismaßnahme anerkennt. Im Wortlaut führte das Panel hierzu aus: "The Panel noted that the labelling provisions of the DPCIA do not restriet the sale of tuna products; tuna products can be sold freely both with and without the ,Dolphin Safe' label. Nor do these provisions establish requirements that have to be met in order to obtain an advantage from the government. Any advantage which might possibly result from access to this label depends on the free choice by consumers to give preference to tuna carrying the ,Dolphin Safe' label. The labelling provisions therefore did not make the right to sell tuna or tuna products, nor the access to a government-conferred advantage affecting the sale of tuna or tuna products, conditional upon the use of tuna harvesting methods. ,,252

Zum anderen sind die Situationen, in denen eingeführte und einheimische Produkte gleich behandelt werden müssen, nicht abschließend aufgezählt. Wollte man nämlich die Gleichbehandlung strikt auf die genannten Situationen begrenzen, so wären etwa Vorschriften über Besitz, Lagerung, Vermarktung und Entsorgung von Produkten aus dem Schutzbereich des Art. III ausgenommen,zS3 Eine solche Auslegung würde nachgerade zur Umgehung des Art. III einladen und widerspricht dem umfassenden Schutzzweck der Vorschrift. Die weite Auslegung des Merkmals der internen Vorschrift ist bereits seit geraumer Zeit unter dem GATI anerkannt. Der frühe Panel-Bericht im Fall Italian Discrimination Against Imported Agricultural Machinery enthält hierzu folgende vielzitierte Aussage: "The selection of of the word ,affecting' [implies] ... that the drafters of the Article intended to cover in paragraph 4 not only the laws and regulations which direcdy governed the conditions of sale or purchase but also any laws or regulations which might adversely modify the conditions of competition between the domestic and imported products on the internal market. ,,254

bb) Abgrenzung zu Art. XI Die Verpflichtung zur Inländerbehandlung hinsichtlich interner Vorschriften nach Art. III:4 ist von Art. XI: I für nichttarifäre Handelshemmnisse an der Grenze abzugrenzen. Art. XI ist überschrieben mit "General Elimination of Quantitative 250

251 252

253 254

Ebenso Appleton, Environmental Labelling Programmes, S. 153 f. Saez, in: Tussie (ed.), S. 27. Siehe Panel Report, US - Tuna I, para. 5.42. Howse/Regan, EJlL 11 (2000), S. 254. Panel Report, Italian Discrimination Against Imported Agricultural Machinery, para. 12.

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Restrietions" und verbietet dementsprechend in seinem Absatz I mit Ausnahme von Zöllen, Abgaben und sonstigen Belastungen jegliche Beschränkung des Imports und des Exports von Waren. Art. XI enthält ein allgemeines Verbot nichttarifärer Handelsbeschränkungen an der Grenze und erfasst damit solche Maßnahmen, die bereits den Zugang zum inländischen Markt ausschließen bzw. in seinem Umfang beschränken. 255 Art. III betrifft hingegen die Gleichbehandlung bereits eingeführter Produkte mit einheimischen Produkten auf dem inländischen Markt. Darunter fallen solche Maßnahmen, die im Unterschied zu Art. XI nicht schon das Entstehen einer Wettbewerbssituation beschränken, sondern erst die Ausgestaltung der Wettbewerbssituation im Verhältnis zu einheimischen Produkten betreffen. In zeitlicher Hinsicht greift Art. III damit erst dann, wenn eine Ware die Grenze passiert hat und bereits auf den inländischen Markt gelangt ist. Demgegenüber betrifft Art. XI zeitlich vorgelagerte Maßnahmen bereits an der Grenze, bevor eine Ware auf den internen Markt gelangt. 256 Aus dieser strikten Trennung von Maßnahmen an der Grenze und Maßnahmen auf dem internen Markt ergibt sich, dass die Art. III und XI in einem Ausschlussverhältnis zueinander stehen. Ein und dieselbe staatliche Maßnahme kann nur entweder Art. III oder Art. XI unterfallen, nicht jedoch beiden Vorschriften zugleich. 257 Diese Rivalität findet ihre Bestätigung in den unterschiedlichen speziel58 und des Art. XI:2. Wollte man die Vorlen Ausnahmebestimmungen des Art. schriften nebeneinander anwenden, würde das fein abgestimmte Verhältnis zwischen den Regeln und den jeweiligen speziellen Ausnahmen unterlaufen. 259

Ue

Diese auf den Zeitpunkt des Wirkens einer staatlichen Maßnahme bezogene Abgrenzung stößt jedoch an ihre Grenzen, wenn eine interne staatliche Maßnahme bereits an der Grenze durchgesetzt wird. Dann betrifft die Durchsetzung der internen Maßnahme nämlich schon den Zugang eines ausländischen Produkts zum inländischen Markt und nicht erst dessen Stellung auf dem inländischen Markt im Verhältnis zu inländischen Konkurrenzprodukten. Daher wäre zumindest für die Durchsetzungsmaßnahme Art. XI einschlägig, obwohl die Durchsetzung an der Grenze auf einer internen Vorschrift beruht, deren nichtdiskriminierende Anwendung eigentlich von Art. 1II:4 gewährleistet werden soll. Besonders deutlich wird dieses Abgrenzungsproblem bei der Durchsetzung einer internen Vorschrift mittels Vgl. Senti, WTO, Rn. 549. Tietje, Nonnative Grundstrukturen, S. 227. 257 Trebilcock/Howse, The Regulation ofIntemational Trade, S. 139; Schoenbaum, AllL 91 (1997), S. 273; Appleton, Environmental Labelling Programmes, S. 147; Weiß, EuR 1999, S.502. 258 Art. III:3 ist eine spezielle Ausnahme zu Art.III:2; Art. III:6 ist eine spezielle Ausnahme zu Art. III:5; Art. III:8 und III: 10 sind schließlich spezielle Ausnahmen für die gesamte Vorschrift. 259 Panel Report, Canada - FlRA, para. 5.14. 255

256

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3. Teil: Handeismaßnahmen zum Umweltschutz im Recht der WTO

eines Importverbotes. Dann bedient sich der handelnde Staat zur Durchsetzung seiner internen Vorschrift gegenüber ausländischen Waren einer mengenmäßigen Importbeschränkung auf Null, die ohne weiteres vom Wortlaut des Art. XI: I erfasst wäre. Dieses Abgrenzungsproblem wird jedoch durch die Anmerkung zu Art. III beseitigt. Die Anmerkung lautet: "Any internal tax or other internal charge, or any law, regulation or requirement of the kind referred to in paragraph I which applies to an imported product and to the like domestic product and is collected or enforced in the case of the imported product at the time or point of importation, is nevertheless to be regarded as an internal tax or other internal charge, or a law, regulation or requirement of the kind referred to in paragraph 1, and is accordingly subject to the provisions of Artic1e III."

Daraus ergibt sich, dass die Durchsetzung einer internen Vorschrift gleichwohl Art. III unterfällt, obwohl sie bereits an der Grenze erfolgt. Die Durchsetzungsmaßnahme an der Grenze folgt demnach der internen Vorschrift in den Anwendungsbereich des Art. III. Zwischen beiden ist nicht zu unterscheiden, sie stellen eine einheitliche staatliche Maßnahme dar. 260 Insoweit ist es unschädlich, dass eine interne Maßnahme gegenüber einheimischen und ausländischen Produkten in unterschiedlicher Weise durchgesetzt wird, einmal mittels ordnungsrechtlicher Instrumente im Inland, ein anderes Mal mittels handelspolitischer Instrumente bereits an der Grenze.261 Voraussetzung für die Annahme einer internen Vorschrift bleibt jedoch, dass die fragliche Vorschrift "applies to an imported product and to the like domestic product". Mit anderen Worten muss die Regulierung der eingeführten Produkte an der Grenze im Zusammenhang mit der Regulierung gleichartiger inländischer Produkte stehen. Nur dann handelt es sich um eine interne Vorschrift. Die Annahme einer internen Vorschrift scheidet demnach von vornherein aus, wenn die Regelung ausschließlich für eingeführte Produkte Geltung beansprucht und gleichartige inländische Produkte auch anderweitig nicht mit ähnlichen Anforderungen belastet werden. Gilt die Regelung hingegen unterschiedslos, liegt regelmäßig auch eine interne Vorschrift vor. Dies gilt nur dann nicht, wenn eine inländische Produktion gleichartiger Produkte gar nicht ersichtlich ist und die betreffende Vorschrift daher trotz ihrer unterschiedslosen Geltung tatsächlich keinerlei interne Wirkungen entfalten kann. Auch dann ist Art. XI einschlägig?62

260 Panel Report, US - Tobacco, para. 75 ff.; vgl. auch Howse / Regan, EJIL 11 (2000), S. 258 Fn. 19. 261 Vgl. Panel Report, US - Section 337, para. 5.11. 262 Vgl. Appleton, Environmental Labelling Programmes, S. 147.

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cc) Nichtproduktbezogene Anforderungen als interne Vorschriften Den nicht angenommenen Berichten der Panel in den Fällen US - Tuna I und II zufolge, fallen nichtproduktbezogene Anforderungen schon gar nicht in den Anwendungsbereich von Art. III:4. Insoweit sei Art. XI einschlägig. 263 Als Begründung führten die Panel an, dass der Text von Art. III: 1 allein von "laws, regulations and requirements affecting the internal sale ... of products" spreche und Art. III daher lediglich auf "measures affecting products as such" Anwendung finden könne. 264 Nichtproduktbezogene PPMs beträfen hingegen nicht das Produkt als solches, da sie nicht unmittelbar den Verkauf von Produkten auf dem internen Markt regulierten. 265 Das Panel im Fall US - Tuna II führte etwa aus: "The Panel noted that Article III calls for a comparison between the treatment accorded to domestic and imported like products, not for a comparison of the policies or practices of the country of origin with those of the country of importation. The Panel found therefore that the Note ad Article III could only permit the enforcement, at the time or point of importation, of those laws, regulations and requirements that affected or were applied to the imported and domestic products considered as products. The Note therefore could not apply to the enforcement at the time or point of importation of laws, regulations or requirements that related to policies or practices that could not affect the product as such, and that accorded less favourable treatment to Iike products not produced in conformity with the domestic policies of the importing country... 266

Den Panel ist insoweit zuzustimmen, als die jeweiligen nichtproduktbezogenen PPM-Anforderung als solche allein die Herstellung eines Produktes betreffen und nicht auch dessen Verkauf auf dem internen Markt. Der interne Verkauf wird unmittelbar erst durch entsprechende Durchsetzungsmaßnahmen berührt. Dies ist jedoch keine Eigenart gerade nichtproduktbezogener PPM-Anforderungen, sondern gilt für alle Produktstandards gleichermaßen, auch wenn sie sich auf die Eigenschaften des fertigen Produktes beziehen, d. h. produktbezogen sind.267 Erst ihre Durchsetzung im Einzelfall betrifft unmittelbar auch den Verkauf der betreffenden Produkte auf dem internen Markt. Dass für die Zwecke von Art. III insoweit aber nicht zwischen zu Grunde liegender Vorschrift und ihrer Durchsetzung zu unterscheiden ist, ergibt sich aus der Anmerkung zu Art. III. Durchsetzungsmaßnahme und zu Grunde liegende interne Vorschrift sind einheitlich Art. III zu unterstellen. Vor diesem Hintergrund ist der generelle Ausschluss nichtproduktbezogener Anforderungen aus dem Anwendungsbereich von Art. 1II:4 nicht haltbar. Genau wie produktbezogene Handelsmaßnahmen betreffen ("affect") auch 263 Vgl. ferner Weiß, EuR 1999, S. 502 f.; Appleton, in: Sampson/Chambers (eds.), S. 195 und 212. 264 Panel Report, US - Tuna I, para. 5.11. 265 Panel Report, US - Tuna I, para. 5.14; Panel Report, US - Tuna 11, para. 5.8. 266 Panel Report, US - Tuna ll, para. 5.8 (Hervorhebung im Original). 267 Dam, The GATI, S. 193; Gramlieh, AVR 33 (1995), S. 154.

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3. Teil: Handeismaßnahmen zum Umweltschutz im Recht der WTO

nichtproduktbezogene Handelsrnaßnahmen die Stellung eingeführter Produkte auf dem Markt des Importstaates. 268 Zudem führt die Ansicht, dass nichtproduktbezogene PPM-Anforderungen von vornherein nicht in den Anwendungsbereich von Art. III fallen, zu untragbaren Konsequenzen. 269 Dies wird augenscheinlich, wenn anstelle eines Importverbotes - wie es in den Fällen US - Tuna I und 11 der Fall war - etwa lediglich eine an nichtproduktbezogene PPM-Anforderungen anknüpfende interne Steuer auf Produkte erhoben würde. Nach Ansicht der Panel in den Fällen US - Tuna I und 11 wäre Art. III nicht anwendbar und Art. XI mangels mengenmäßiger Beschränkung ebenfalls nicht einschlägig. Solche PPM-Maßnahmen wären demnach keinerlei Beschränkungen aus dem GATT unterworfen, obwohl auch sie, genau wie produktbezogene Maßnahmen, durchaus zu protektionistischen Zwecken missbraucht werden können. Der im Rahmen der Produkt-Prozess-Doktrin vertretene völlige Ausschluss nichtproduktbezogener Handelsrnaßnahmen aus dem Anwendungsbereich des Art. III:4 ist somit abzulehnen. Vielmehr richtet sich die Abgrenzung der Art. I1I:4 und XI auch hinsichtlich nichtproduktbezogener Handelsrnaßnahmen nach den allgemeinen Kriterien. Danach fallen nichtproduktbezogene Hande1smaßnahmen zum Umweltschutz immer dann in den Anwendungsbereich des Art. III:4, wenn sie der Durchsetzung von Anforderungen dienen, die entweder unterschiedslos auch für gleichartige inländische Produkte oder deren Produktion gelten oder im Fall ausschließlicher Geltung für eingeführte Produkte zumindest im Zusammenhang ähnlicher Vorgaben für die inländische Produktion stehen.

b) "Like products" Die Frage, unter welchen Voraussetzungen eingeführte und inländische Produkte als gleichartig anzusehen sind, gehört zu den umstrittensten Problemen des GATT. Einigkeit herrscht allein in einem Punkt, nämlich dass die Bestimmung der Gleichartigkeit "case-by-case" zu erfolgen habe. Dies ergibt sich zum einen daraus, dass der Begriff des "like product" in verschiedenen Bestimmungen des GATT verwendet wird, z. B. in den Art. I: 1, 11:2, 1II:2, 1II:4, VI: 1, IX: 1, XI:2( c), XIII: 1, XVI:4 und XIX: 1. 270 Je nach dem Sinn und Zweck der jeweiligen Vorschrift kann eine unterschiedliche Auslegung angezeigt sein. Aus diesem Grund enthalten auch das Antidumping-Übereinkommen in Art. 2.6 271 und das Subventions-ÜbereinkomHudec, in: Bronckers I Quick (eds.), S. 198. Vgl. Demaret, in: Cameron/Demaret/Geradin (eds.), S. 64; Howse/Regan, EJIL 11 (2000), S. 256. 270 Zusätzlich finden sich die Begriffe "like commodity" in Art. VI:? und "Iike merchandise" in Art. VII:2. 271 Art. 2.6 des Antidumping-Übereinkommens lautet: "Throughout this Agreement the term ,like product' (,produit similaire') shall be interpreted to mean a product which is iden268

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men in Art. 15.1 Anmerkung 46 272 eigene Definitionen des Begriffs "like product", angepasst an die jeweiligen Zwecke der Übereinkommen. Zum anderen variieren die betreffenden Produkte und die konkreten Umstände einer staatlichen Maßnahme von Fall zu Fall, so dass bei der Bestimmung der Gleichartigkeit - auch innerhalb einer Vorschrift - jeweils unterschiedliche Gesichtspunkte ausschlaggebend sein können. 273 Im Ergebnis ist zur Bestimmung der Gleichartigkeit eingeführter und einheimischer Produkte eine wertende Gesamtbetrachtung anzustellen, in die der Zusammenhang der jeweiligen GATT-Vorschrift und alle entscheidungserheblichen Umstände des konkreten Einzelfalles eingestellt werden. Der Appellate Body hat im Fall Japan - Alcoholic Beverages das Konzept der Gleichartigkeit mit einem Akkordeon verglichen und ausgeführt: "The concept of ,likeness' is a relative one that evokes the image of an accordion. The accordion of ,likeness' stretches and squeezes in different places as different provisions of the WTO Agreement are applied. The width of the accordion in any one of those places must be determined by the particular provision in which the term ,like' is encountered as weil as by the context and the circumstances that prevail in any gi ven case to which that provision may apply...274

aa) Objektiver contra subjektiver Ansatz Ungeklärt ist jedoch, welche Umstände der wertenden Gesamtbetrachtung als entscheidungserheblich zu Grunde zu legen sind bzw. anband welcher Kriterien sich die Gleichartigkeit zweier Produkte im Einzelfall bestimmt. Grundsätzlich lassen sich insoweit zwei verschiedene Ansätze unterscheiden, ein objektiver und ein subjektiver Ansatz. (J) Objektiver Ansatz

Nach dem objektiven Ansatz sind die betreffenden Produkte anband objektiver Kriterien miteinander zu vergleichen, und zwar vor allem hinsichtlich ihrer physischen Eigenschaften, ihres bestimmungsgemäßen Gebrauchs, ihrer wirtschaftlichen Austauschbarkeit in den Augen der Konsumenten und ihrer Einordnung in tical, i.e. alike in all respects to the product under consideration, or in the absence of such a product, another product which, although not alike in all respects, has characteristics closely resembling those of the product under consideration." 272 Art. 15.1 Anmerkung 46 des Subventions-Übereinkommens lautet: "Throughout this Agreement the term ,like product' (,produit similaire') shall be interpreted to mean a product which is identical, i.e. alike in all respects to the product under consideration, or in the absence of such a product, another product which, although not alike in all respects, has characteristics closely resembling those of the product under consideration." 273 Vgl. Hudec, Essays on the Nature ofinternational Trade Law, S. 366. 274 Appellate Body Report, Japan -Alcoholic Beverages, S. 23.

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3. Teil: Handelsmaßnahmen zum Umweltschutz im Recht der WTO

den Zolltarif. 275 Dieser Ansatz geht zurück auf den Bericht der Working Party on Border Tax Adjustments aus dem Jahr 1970 und wurde seitdem von nahezu allen PanerZ76 zu Grunde gelegt, die über die Gleichartigkeit zweier Produkte zu entscheiden hatten?77 In dem Bericht der Working Party heißt es: "The Working Party concluded that problems arising from the interpretation of the term should be examined on a case-by-case basis. This would allow a fair assessment in each case of the different elements that constitute a ,similar' producl. Some criteria were suggested for determining, on a case-by-case basis, whether a product is ,similar': the producl's end-uses in a given market; consumers' tastes and habits, which change from country to country; the producl's properties, nature and quality.,,278

Dem objektiven Ansatz liegt somit eine produktbezogene Betrachtung zu Grunde. Die zum Vergleich eingeführter und einheimischer Produkte herangezogenen Kriterien sind absoluter Natur und variieren lediglich in ihrer Aussagekraft je nach den besonderen Umständen des Einzelfalles. Die mit einer staatlichen Maßnahme verfolgten Zwecke sind demgegenüber für die Beurteilung der Gleichartigkeit zweier Produkte ohne Belang. Diese kommen erst auf der Ebene der Ausnahmen - vor allem des Art. XX - zum Tragen und vermögen im Einzelfall allenfalls einen zuvor festgestellten Verstoß gegen das Gebot der Inländerbehandlung zu rechtfertigen.

(2) Subjektiver Ansatz Der jüngere subjektive ("aim and effects") Ansatz definiert die Gleichartigkeit nicht objektiv anhand vorgegebener Kriterien, sondern lässt in Abhängigkeit vom verfolgten Regelungszweck grundsätzlich jede Produktdifferenzierung ZU?79 Ausschlaggebend sei, dass eine staatliche Maßnahme keine protektionistischen Zwecke verfolgt und auch keine entsprechenden Wirkungen von ihr ausgehen. Der Panel-Bericht im Fall US - Malt Beverages aus dem Jahr 1992 hat folgende Begründung für den subjektiven Ansatz geliefert: "The purpose of Article III is thus not to prevent contracting parties from using their fiscal and regulatory powers for purposes other than to afford protection to domestic production. 275 Vgl. die Zusammenfassung bei Hudec, Essays on the Nature of International Trade Law, S. 366. 276 Panel Report, Spain - Unroasted Coffee, para. 4.5 ff.; Panel Report, Japan - Wines and Alcoholic Beverages, para. 5.6; Panel Report, US - Superfund, para. 5.1.1. 277 Das vierte Kriterium der Einordnung in den Zolltarif wurde zwar nicht von der Working Party on Border Tax Adjustments genannt, es wurde jedoch im Anschluss daran von nachfolgenden Panel eingeführt; vgl. Panel Report, EEC - Feed Proteins, para. 4.2; Panel Report, Japan - Wines and Alcoholic Beverages, para. 5.6. 278 Bericht der Working Party on Border Tax Adjustments, angenommen am 2. Dezember 1970, BISD 18S/97, para. 18. 279 Mattoo/Subramanian, HEL 1 (1998), S. 305; Pfahl, Internationaler Handel und Umweltschutz, S. 149; vgl. auch Howse/Regan, EJlL 11 (2000), S. 260 ff.

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Specifically, the purpose of Artic1e III is not to prevent contracting parties from differentiating between different product categories for policy purposes unrelated to the protection of domestic production. The Panel considered that the limited purpose of Artic1e III has to be taken into account in interpreting the term ,Iike products' in this Artic1e. Consequently, in determining whether two products subject to different treatment are like products, it is necessary to consider whether such product differentiation is being made ,so as to afford protection to domestic production· ... 280

Der subjektive Ansatz knüpft somit maßgeblich an den Sinn und Zweck der Verpflichtung zur Inländerbehandlung an, wie er in Art. III: I seinen Ausdruck gefunden hat. 281 Ob eine staatliche Maßnahme tatsächlich protektionistischen Charakter besitzt, sei im Einzelfall anhand ihres jeweiligen Regelungszieles ("aim") und ihrer Auswirkungen auf die Wettbewerbs bedingungen ("effects") zu beurteilen. Die Ungleichbehandlung eines eingeführten und eines inländischen Produktes betrifft nach dem subjektiven Ansatz also nur dann "like products" und verletzt damit Art. III, wenn die staatliche Differenzierung keinen legitimen Zweck verfolgt und/ oder der inländischen Produktion tatsächlich Wettbewerbsvorteile gegenüber eingeführten Produkten verschafft. 282

(3) Hintergrund und vorläufige Erörterung des Meinungsstreits Die Auseinandersetzung um die objektive oder subjektive Bestimmung der Gleichartigkeit zweier Produkte ist vor dem Hintergrund des Grundkonflikts zwischen dem Bestreben nach umfassender Liberalisierung des internationalen Handels und der fortbestehenden Regelungshoheit der Mitglieder zum Schutz widerstreitender einheimischer Interessen zu betrachten?83 Die Aufgabe besteht darin, im Rahmen der bestehenden Regelungen des GATI einen fairen Ausgleich zwischen den widerstreitenden Anliegen zu erreichen und einerseits einer Überbetonung der Anliegen des Freihandels, andererseits aber auch protektionistischen Tendenzen entgegenzuwirken. Das mit einer staatlichen Maßnahme verfolgte Politikziel kann grundsätzlich auf zwei Ebenen berücksichtigt werden, bereits im Rahmen der jeweiligen Verpflichtung oder erst auf der Ebene der Ausnahmen. Der objektive Ansatz lehnt die Berücksichtigung der mit einer Maßnahme verfolgten Politikziele schon im Rahmen von Art. III ab. Erwägungen des Zwecks sind danach der Ebene der allgemeinen Ausnahmen vorbehalten. Nicht umsonst enthalte Art. XX eine Liste verschiedener Politikziele, die im Einzelfall den GATT-Verpflichtungen vorgehen können. Die Vertreter des subjektiven Ansatzes halten die in Art. XX aufgelisteten Politikziele jedoch nicht für ausreichend, um den legitimen Interessen der Mitglieder 280 281 282

283

16 Puth

Panel Report, US - Malt Beverages, para. 5.25. Vgl. auch den Panel Report, US - Taxes on Automobiles, para. 5.7 ff. Tzetje, Normative Grundstrukturen, S. 236. Mattoo/Subramanian, HEL I (1998), S. 303 ff.

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3. Teil: Handelsrnaßnahmen zum Umweltschutz im Recht der WTO

gerecht zu werden, und fordern daher ihre Berücksichtigung schon im Rahmen von Art. III: "Artic1e XX lists only ten policy goals as justifying measures deviating from other provisions of the General Agreement, but there are far more legitimate policy goals that can only be attained by distinguishing different product categories. For instance, policies designed to harmonize technical standards, to avoid the accumulation of waste, or to tax the consumption of luxury goods are not among the policies covered by the exemptions in Artic1e XX. If one were to rely in the context of Artic1e III only on the characteristics or uses of the products and examine the purpose of the product distinctions only in the context of Artic1e XX, one would arrive at the conc1usion that distinctions between physically similar products or products serving similar end-uses could only be made for the ten purposes listed in Artic1e XX, a result that was probably not intended by the drafters of the General Agreement and that would be hardly acceptable to the contracting parties.,,284

Diese Argumentation der Vertreter des subjektiven Ansatzes erinnert an die Fortentwicklung der Warenverkehrsfreiheit des EGV 285 durch das Urteil des EuGH im Fall Cassis de Dijon. 286 In seinem Urteil hat der EuGH ausgeführt: "In Ermangelung einer gemeinschaftlichen Regelung der Herstellung und Vermarktung von Weingeist [ ... ] ist es Sache der Mitgliedstaaten, alle die Herstellung und Vermarktung von Weingeist und alkoholischen Getränken betreffenden Vorschriften für ihr Hoheitsgebiet zu erlassen. Hemmnisse für den Binnenhandel der Gemeinschaft, die sich aus den Unterschieden der nationalen Regelungen über die Vermarktung dieser Erzeugnisse ergeben, müssen hingenommen werden, soweit diese Bestimmungen notwendig sind, um zwingenden Erfordernissen gerecht zu werden, insbesondere den Erfordernissen einer wirksamen steuerlichen Kontrolle, des Schutzes der öffentlichen Gesundheit, der Lauterkeit des Handelsverkehrs und des Verbraucherschutzes. ,,287

Genau wie im Rahmen des subjektiven Ansatzes gefordert, hat der EuGH in seinem Urteil die Prüfung der Legitimität des mit einer Handelsregelung verfolgten Zwecks bereits auf der Ebene der Verpflichtung des Art. 30 EGV a.F. (nunmehr Art. 28 EGV) vorgenommen. Die "zwingenden Erfordernisse" entfalten danach tatbestandsausschließende Wirkung. 288 Anders als die Warenverkehrsfreiheit des EGV installiert das GATI in seinem Art. III jedoch kein Beschränkungsverbot, sondern ein bloßes Diskriminierungsverbot. Rechtlich wie tatsächlich nichtdiskriminierende interne Maßnahmen der WTO-Mitglieder sind immer zulässig, unabhängig von ihren Auswirkungen auf den internationalen Handel. Schon aus diesem Grund besteht unter dem GATI im Vergleich zum EGVein geringeres Bedürfnis nach zusätz284 Roessler, Essays on the Legal Structure, S. 129. 285 Vgl. zur Entwicklung der Warenverkehrsfreiheit des EGV von einem Diskriminierungsverbot hin zum Beschränkungsverbot Dauses, RIW 1984, S. 202. 286 Diese Parallele ziehen MattoolMavroidis, in: Petersmann (ed.), S. 335. 287 EuGH, Rs. 120/78, Rewe-Zentral-AG gegen Bundesmonopolverwaltung für Branntwein, Sig. 1979, S. 649, Rn. 8. 288 Vgl. zur h.M. Leible, in: Grabitz/Hilf (Hrsg.), EGV Art. 28 Rn. 20; a.A. Müller-Graff, in: von der Groeben/Thiesing/Ehlermann (Hrsg.), Art. 36 Rn. 28 f.

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licher, über die allgemeinen Ausnahmen des Art. XX hinausgehender Rechtfertigung. Die Cassis de Dijon-Rechtsprechung des EuGH scheidet daher als mögliches Leitbild für die Auslegung von Art. 1II:4 aus. Zudem ist Art. 1II:4 in seinen Voraussetzungen erheblich enger gefasst als Art. 28 EGV (Art. 30 EGVa.F.) und damit für eine Betrachtung der hinter einer staatlichen Maßnahme stehenden Motivation weniger offen. Der Begriff der Maßnahme gleicher Wirkung in Art. 28 EGV erfordert seinem Wortlaut nach lediglich eine globale Bewertung der Wirkungen einer staatlichen Maßnahme auf den innergemeinschaftlichen Handel. Das Merkmal der "like products" in Art. III überprüft hingegen - sehr viel enger - die tatsächliche Vergleichbarkeit zweier Produkte als Grundlage für die weitere Bewertung einer staatlichen Maßnahme als Ungleichbehandlung. Es blickt gleichsam auf die Produkte, um zunächst deren Gleichartigkeit zu überprüfen, und nicht schon auf die hinter einer Ungleichbehandlung stehende Motivation des regulierenden Staates. Die Vorverlagerung der mit einer staatlichen Maßnahme verfolgten Zwecke in Art. III läuft dem dargelegten Zusammenspiel von Verpflichtungen und Ausnahmen unter dem GATT zuwider. 289 Es ist gerade die zweigliedrige Struktur des GATT, die eine Berücksichtigung der dem Freihandel entgegenstehenden einzelstaatlichen Interessen schon im Rahmen der Verpflichtungen ausschließt. Die Verpflichtungen setzen ausschließlich die gemeinsamen Freihandelsinteressen der Mitglieder um. Erst die Ausnahmebestimmungen anerkennen bestimmte, den Freihandelsinteressen im Einzelfall zuwiderlaufende Interessen und ermöglichen in ihrem Rahmen einen fairen Ausgleich der betroffenen Interessen. Lässt der subjektive Ansatz grundsätzlich jede Produktdifferenzierung aufgrund legitimer staatlicher Interessen zu, unterläuft er hiermit die eng begrenzten Ausnahmebestimmungen und stört damit das Gleichgewicht der ausgehandelten Rechte und Pflichten zwischen den Mitgliedern.

(4) Der Bericht des Appellate Body im Fall EC - Asbestos Der Appellate Body hat erstmals im Fall EC - Asbestos den Begriff der "like products" in Art. 1II:4 ausführlich erläutert. Eingangs der Auslegung des Begriffs betont der Appellate Body in seinem Bericht, dass hierbei auch der in Art. III: 1 niedergelegte Grundsatz, gleiche Wettbewerbsbedingungen für eingeführte und einheimische Produkte zu gewährleisten, zu beachten sei. Der Gleichartigkeit in Art. III:4 komme insoweit die Funktion zu, über die Natur und den Umfang eines Wettbewerbsverhältnisses zwischen zwei Produkten zu entscheiden. 29o Zur Bestimmung der Gleichartigkeit folgt der Appellate Body grundSätzlich dem Ansatz der Working Party on Border Tax Adjustments?91 Zu den danach anzulegenden Kriterien der physischen Eigenschaften, des bestimmungsgemäßen 289 290 291

16*

Ginzky, ZUR 1999, S. 217.

Appellate Body Report, EC - Asbestos. para. 99. Appellate Body Report, EC - Asbestos. para. 101 und 133.

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3. Teil: Handelsmaßnahmen zum Umweltschutz im Recht der WTO

Endgebrauchs, der Einschätzungen der Verbraucher und der Einordnung in den Zolltarif führte der Appellate Body aus: "We note that these four criteria comprise four categories of ,characteristics' that the products involved might share: (i) the physical properties of the products; (ii) the extent to which the products are capable of serving the same or similar end-uses; (iii) the extent to which consumers perceive and treat the products as alternative means of performing particular functions in order to satisfy a particular want or demand; and (iv) the international classification of the products for tariff purposes ... 292

Trotz dieses grundlegenden Bekenntnisses zum Ansatz der Working Party on Border Tax Adjustments macht der Appellate Body zugleich deutlich, dass die genannten Kriterien lediglich einen Rahmen für die Bestimmung der Gleichartigkeit bestimmter Produkte im Einzelfall bietet, der die Zuordnung und Bewertung der relevanten Hinweise erleichtern solle. Die genannten Kriterien seien weder von den WTO-Übereinkommen verbindlich vorgegeben noch dürften sie als abschließende Liste relevanter Umstände verstanden werden. Es bestehe in jedem Einzelfall die Pflicht, alle verfügbaren Hinweise für die Bestimmung der Gleichartigkeit heranzuziehen und auszuwerten?93 Bei der Prüfung des Kriteriums der physischen Eigenschaften verdeutlicht der Appellate Body seinen umfassenden Ansatz dahingehend, dass gerade solche Eigenschaften heranzuziehen seien, die das Wettbewerbsverhältnis zwischen zwei Produkten zu beeinträchtigen geeignet sind?94 Bei der Bestimmung der Gleichartigkeit im Einzelfall sei eine Gesamtabwägung aller maßgeblichen Hinweise anzustellen. 295 An die Adresse des Panels gerichtet, führt der Appellate Body aus: "It is our view that, having adopted an approach based on the four criteria set forth in Border Tax Adjustments, the Panel should have examined the evidence relating to each of those four criteria and, then, weighed all of that evidence, along with any other relevant evidence, in making an overall determination of whether the products at issue could be characterized as ,like' ... 296

Folgerichtig fahrt der Appellate Body mit einiger Relevanz auch für die Berücksichtigung nichtproduktbezogener PPMs bei der Bestimmung der Gleichartigkeit an späterer Stelle fort: ,,[W]e note that neither the text of Article III:4 nor the practice of panels and the Appellate Body suggest that any evidence should be excluded apriori from a panel's examination of ,likeness' ...297 Appellate Body Report, EC - Asbestos, para. 101. Appellate Body Report, EC - Asbestos, para. 102. 294 Appellate Body Report, EC - Asbestos, para. 114. 295 Insoweit folgt der Appellate Body seinem bereits im Fall Japan - Alcoholic Beverages niedergelegten Ansatz. 296 Appellate Body Report, EC - Asbestos, para. 109 (Hervorhebung im Original). 297 Appellate Body Report, EC - Asbestos, para. 113. 292 293

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(5) Ergebnis Spätestens mit dem Bericht des Appellate Body im Fall EC - Asbestos dürfte der subjektive Ansatz zur Bestimmung der Gleichartigkeit als gescheitert zu betrachten sein. Der Appellate Body nennt an keiner Stelle seines Berichts den subjektiven Ansatz. Vielmehr beginnt er seine Ausführungen zum Begriff des "like product" in Art. 1II:4 mit der Untersuchung der gewöhnlichen Bedeutung des Wortes "like" und folgert: ",[L]ike' products are products that share a number of identical or similar characteristics or qualities ... 298

Schon hierin liegt die grundsätzliche Entscheidung für einen objektiven Ansatz zur Bestimmung der Gleichartigkeit. Dem Ansatz des Appellate Body ist zuzustimmen. Nach den völkergewohnheitsrechtlich anerkannten Auslegungsregeln, deren Beachtung von Art. 3.2 DSU eingefordert wird, muss jede Auslegung vom Wortlaut der auszulegenden Bestimmungen ausgehen (sog. textual approach)?99 Hinsichtlich der Wahl eines objektiven oder subjektiven Ansatzes zur Bestimmung der Gleichartigkeit ist der Wortlaut von Art. 1II:4 - übrigens genauso von Art. III:2 S. 1 und Art. I: 1 - eindeutig. Die Wendung des "like product" erfordert ihrer üblichen Bedeutung nach einen Vergleich tatsächlich existierender eingeführter und inländischer Produkte und nicht ein Urteil über die Legitimität der Zwecke und Wirkungen einer staatlichen Handeismaßnahme. Hierbei handelt es sich um ein objektives Tatbestandsmerkmal, das auch nach äußerlichen, d. h. objektiven Kriterien bestimmt werden muss. Der subjektive Aim-and-ejfects-Test übersieht, dass Art. 1II:4 eine eigenständige und abgeschlossene Ausprägung des allgemeinen Grundsatzes des Art. III: 1 darstellt. Wenn die Prüfung der durchweg objektiven Merkmale des Art. 1II:4 eine Verletzung der Verpflichtung ergibt, bedeutet dies zugleich, dass die entsprechende Maßnahme auch so angewendet worden ist "so as to afford protection to domestic production". Eine eigenständige Bedeutung kommt diesem subjektiv durchzogenen Merkmal im Rahmen des Art. 1II:4 - genauso wie im Rahmen von Art. III:2 S. 1 und Art. I: I - daher nicht zu. Hiernach wie auch nach der vorläufigen Erörterung des Meinungsstreits ist ein objektiver Ansatz zur Bestimmung der Gleichartigkeit zu wählen. Insoweit weist der Appellate Body zutreffend darauf hin, dass die in Folge des Berichts der Working Party on Border Tax Adjustments entwickelten Kriterien weder unveränderlich noch abschließend sind. Hierin liegt eine gewisse Erweiterung des bisherigen objektiven Ansatzes, der dazu neigte, die entwickelten Kriterien der physischen Eigenschaften, des Endgebrauchs, der Einschätzungen der Verbraucher und der Einordnung in den Zolltarif als absolut anzusehen. Es sind vielmehr alle Umstände 298 299

Appellate Body Report, EC - Asbestos, para. 90 f. Ausführlich hierzu im dritten Teil A. V.I.

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3. Teil: Handelsmaßnahmen zum Umweltschutz im Recht der WTO

zur Bestimmung der Gleichartigkeit heranzuziehen, die das Wettbewerbsverhältnis der untersuchten Produkte auf dem Markt des Importstaates beeinflussen können. bb) "Like products" und nichtproduktbezogene PPMs Nachdem die anzulegenden Kriterien und das einzuhaltende Vorgehen abstrakt geklärt worden sind, stellt sich die Frage speziell nach der Bedeutung nichtproduktbezogener PPMs bei der Bestimmung der Gleichartigkeit zweier Produkte. Entgegen der Produkt-Prozess-Doktrin3OO ist mit dem Appellate Body301 davon auszugehen, dass auch die Berücksichtigung nichtproduktbezogener PPMs nicht apriori ausgeschlossen ist. 302 Ganz konkret ist etwa zu prüfen, ob die Verwendung unterschiedlicher Fangnetze die Bewertung der gefangenen Thunfische als gleichartige Produkte beeinflusst oder ob die Verwendung nachhaltiger Methoden der Waldbewirtschaftung das solcherart geschlagene Holz im Vergleich zu dem unter konventionellen Bewirtschaftungsmethoden geschlagenen Holz als ein nicht mehr gleichartiges Produkt qualifiziert. Die bei der Herstellung eines Produkts verwendeten nichtproduktbezogenen PPMs gehören als solche nicht zu den vier grundlegenden Kriterien zur Bestimmung der Gleichartigkeit. Gleichwohl kann auch die umweltschonende bzw. umweltbelastende Produktionsweise, die sich als solche nicht im Produkt niedergeschlagen hat, Auswirkungen auf das Wettbewerbsverhältnis der betreffenden Produkte haben. Sie gehören daher in jedem Fall zu den relevanten Umständen, die in der Gesamtbetrachtung zur Bestimmung der Gleichartigkeit zweier Produkte zu berücksichtigen sind. Vergleichbar dem Vorgehen des Appellate Body im Fall EC - Asbestos30 3 , der die von einem Produkt ausgehenden Gesundheitsgefahren als von den Kriterien der physischen Eigenschaften der Produkte und der Einschätzung der Verbraucher umfasst angesehen hatte, liegt im Fall rein produktionsseitiger Umweltschädlichkeit eines Produktionsprozesses die Zuordnung zum Kriterium der Einschätzung der Verbraucher nahe?04 Auch insoweit bedarf es nicht der Entwicklung eines separaten Kriteriums. Diese Annahme wird gestützt durch die Vgl. Jackson, The World Trading System, S. 218 und 236; Epiney, DVBI. 2000, S. 81. Appellate BOOy Report, EC - Asbestos, para. 113. 302 So schon Gramlieh, AVR 33 (1995), S. 146; Hauser/Schanz, Das neue GATT, S. 260 f.; Senti, WTO, S. 315 f. 303 Der Appellate BOOy hat im Fall EC - Asbestos (para. 113) ausgeführt: "We are very much of the view that evidence relating to the health risks associated with a prOOuct may be pertinent in an examination of ,likeness' under Article III:4 of the GATT 1994. We do not, however, consider that the evidence relating to the health risks associated with crysotile asbestos fibres need be examined under aseparate criterion, because we believe that this evidence can be evaluated under the existing criteria of physical properties, and of consumers' tastes and habits [ ... ]." 304 So auch Thaggert, in: Cameron/Demaret/Geradin (eds.), S. 72 f.; Van Calster, International and EU Trade Law, S. 41; Senti, WTO, Rn. 702. 300 301

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im zweiten Teil der Bearbeitung als tatsächliche Ursache des Außenhandels identifizierten Produktdifferenzierungen, wonach die Präferenzen der Marktteilnehmer auch hinsichtlich nichtproduktbezogener Umstände maßgeblich über das Wettbewerbsverhältnis und die Gleichartigkeit zweier Produkte entscheiden.305 Gemeinsames Merkmal nichtproduktbezogener PPMs ist ihr mangelnder Niederschlag in den Eigenschaften des fertigen Produkts. Die Tatsache, dass ein Produkt mit umweltschonenden und das andere Produkt mit umweltschädlichen Herstellungsweisen produziert worden ist, ändert nichts am Produkt selber. Der gefangene Fisch und das geschlagene Holz aus den obigen Beispielen bleiben völlig identische Produkte. Das Kriterium der physischen Eigenschaften spricht demnach eindeutig für die Gleichartigkeit der betreffenden Produkte, unabhängig von den verwendeten nichtproduktbezogenen PPMs. In enger Verbindung zum Kriterium der physischen Eigenschaften steht dasjenige der möglichen Endnutzungen der untersuchten Produkte. Schließlich werden die Nutzungsmöglichkeiten von Produkten maßgeblich durch ihre physischen Eigenschaften bestimmt. 306 Sind die physischen Eigenschaften zweier Produkte völlig identisch, stimmen auch ihre potenziellen Nutzungsmöglichkeiten grundsätzlich überein. Auch das Kriterium der Tarifzugehörigkeit knüpft grundSätzlich an die physischen Eigenschaften der untersuchten Produkte an. 307 Die abstrakte Aufgliederung der verschiedenen Zollpositionen wie die Einordnung bestimmter Produkte in diese Zollpositionen erfolgt nämlich grundsätzlich anhand der Eigenschaften des fraglichen Produkts. Nur ganz ausnahmsweise knüpft eine Zollposition an nichtproduktbezogene Umstände an und unterscheidet z. B. das industrielle Massenprodukt von der mit künstlerischen Arbeitstechniken hergestellten Skulptur?08 Soweit ersichtlich finden sich im HS jedoch keine Zoll positionen, die Produkte nach den Umweltauswirkungen einer bestimmten nichtproduktbezogenen Herstellungsmethode unterscheiden. Danach werden physisch völlig identische Produkte grundsätzlich auch unter die gleiche Zollposition fallen. Die Verwendung unterschiedlicher nichtproduktbezogener PPMs dürfte allein in den Augen der Verbraucher geeignet sein, einen relevanten Unterschied zwischen zwei physisch identischen Produkten zu begründen. Insoweit ließe sich anführen, dass für den umweltbewussten Verbraucher etwa das mit ozonschichtschädigenden Stoffen gebleichte Papier keine Alternative zu sauerstoffgebleichtem Papier darstellt. Genauso könnte sich für den tierlieben Verbraucher keine wirkliche Wahl zwischen solchem Thunfisch stellen, bei dem unnötiger Beifang von Delphinen erfolgt, und solchem, bei dem der Beifang auf das unumgängliche Maß reduziert 305 306 307

308

Zweiter Teil B.II.l.c). V gl. Appellate Body Bericht, EC - Asbestos, para. 102. Appellate Body Report, EC - Asbestos, para. 102. Näher hierzu im dritten Teil D.Y.2.d).

248

3. Teil: Handelsmaßnahmen zum Umweltschutz im Recht der WTO

ist. Diese Beispiele ließen sich beliebig fortsetzen. In jedem Einzelfall müsste die Wahrnehmung umweltschädlicher Herstellungsweisen durch die Verbraucher ermittelt werden. Trotz aller danach gebotenen Vorsicht darf als Erfahrungssatz angenommen werden, dass die Verbraucher in ihrem Kaufverhalten nicht vom Produkt selber ausgehenden Umweltbelastungen tendenziell eine geringere Aufmerksamkeit entgegenbringen als einem umweltschädlichen Produkt. 309 Es ist daher fraglich, ob die Verwendung umweltschädlicher nichtproduktbezogener PPMs in den Augen der Verbraucher einen entscheidenden Unterschied zwischen ansonsten identischen Produkten zu begründen vermag. In der Praxis dürfte sich regelmäßig nur eine gewisse Tendenz für die Verwendung umweltfreundlicher nichtproduktbezogener PPMs feststellen lassen. Diese Tendenz in der Einschätzung der Verbraucher dürfte aber im Regelfall nicht ausreichen, um die getroffenen Feststellungen bei den übrigen Kriterien zur Bestimmung der Gleichartigkeit aufzuwiegen. Die Kriterien der physischen Eigenschaften, des Endgebrauchs und der Tarifzugehörigkeit sprechen eindeutig für die Gleichartigkeit VOn Produkten, die sich lediglich in der Umweltverträglichkeit der verwendeten nichtproduktbezogenen PPMs unterscheiden. Eventuell entgegenstehende Einschätzungen der Verbraucher dürften sich grundsätzlich nicht als so eindeutig und zwingend darstellen, als dass hierdurch die für die Gleichartigkeit streitenden Kriterien aufgewogen werden könnten. 310 Im Ergebnis sind daher Produkte, die sich allein durch die verwendeten nichtproduktbezogenen PPMs unterscheiden, regelmäßig als gleichartig anzusehen.

c) "Treatment no less favourable"

Das Gebot der Inländergleichbehandlung nach Art. 1II:4 erfordert, dass eingeführte Produkte keine weniger günstige Behandlung ("treatment no less favourable") erfahren als gleichartige inländische Produkte.

Feess, Umweltökonomie und Umweltpolitik, S. 47 f. Im Ergebnis übereinstimmend Schmidtl Kahl, in: Rengeling (Hrsg.), Rn. 102; Schoenbaum, AJIL 91 (1997), S. 290; Schlagenhof, JWT 29, Nr. 6 (1995), S. 149 f.; Rege, JWT 28, Nr. 3 (1994), S. 162; Siebert, in: WTO (ed.), S. 152. Diese Argumentation wird ferner gestützt durch das Vorgehen des Appellate Body im Fall EC - Asbestos. In para. 136 hat der Appellate Body - freilich in entgegengesetzter Richtung - ausgeführt: "It follows that the evidence relating to properties indicates that, physically, chrysotile asbestos and PCG fibres are very different. As we said earlier, in such cases, in order to overcome this indication that products are not ,Iike', a high burden is imposed on a complaining Member to establish that, despite the pronounced physical differences, there is a competitive relationship between the products such that, all of the evidence, taken together, demonstrates that the products are ,like' under ArticIe 1II:4 of the GATT 1994." 309

310

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aa) Herleitung einer Arbeitsdefinition Das Merkmal dient der Feststellung einer relevanten Ungleichbehandlung zwischen eingeführten und einheimischen gleichartigen Produkten und spiegelt somit den allgemeinen Grundsatz des Art. III: I wieder. Im Fall EC - Asbestos hat der Appellate Body dementsprechend ausgeführt: "The term ,Iess favourable treatment' expresses the general principle, in Artic1e III:l, that internal regulations ,should not be applied ... so as to afford protection to domestic production' . If there is ,Iess favourable treatment' of the group of ,Iike' imported products, there is, conversely, ,protection' of the group of ,like' domestic productS.,,311

Vor diesem Hintergrund leuchtet die geläufige Definition des Erfordernisses durch das Panel im Fall US - Section 337 ohne weiteres ein: "The words ,treatment no less favourable' in paragraph 4 call for effective equality of opportunities for imported products in respect of the application of laws, regulations and requirements affecting the internal sale, offering for sale, purchase, transportation, distribution or use of products. This c1early sets a minimum permissible standard as a basis.,,312

Danach kommt es für das Gebot der Inländerbehandlung nach Art. III:4 entsprechend der allgemeinen Zielsetzung des Art. III darauf an, dass eingeführte und einheimische gleichartige Produkte tatsächlich gleichwertige Wettbewerbsbedingungen auf dem heimischen Markt vorfinden. bb) De-iure- und De-facto-Diskriminierung Eine weniger günstige Behandlung hinsichtlich der Wettbewerbsbedingungen auf dem internen Markt kann sowohl auf einer De-iure- als auch einer De-factoDiskriminierung eingeführter Produkte beruhen.313 Im Fall der De-iure-Diskriminierung unterscheidet die zu untersuchende Maßnahme ausdrücklich zwischen eingeführten und inländischen gleichartigen Produkten. Sie stellt etwa unterschiedliche Standards für eingeführte und einheimische gleichartige Produkte auf oder gilt ausschließlich für eingeführte Produkte. Die De-facto-Diskriminierung ist demgegenüber durch ihre unterschiedslose Geltung für eingeführte und inländische gleichartige Produkte gekennzeichnet. Sie gilt herkunftsneutral (origin neutral), hat jedoch tatsächlich übermäßige Auswirkungen auf eingeführte Produkte und verschlechtert hierdurch deren Wettbewerbsposition im Verhältnis zu inländischen gleichartigen Produkten. 314 311 Appellate Body Report, EC - Asbestos, para. 100. 312 Panel Report, US - Section 337, para. 5.11 . 313 Vgl. Jackson, The World Trading System, S. 216 ff.; Hudec, Essays on the Nature of International Trade Law, S. 360. 314 Trebilcockl Howse, The Regulation of International Trade, S. 139.

250

3. Teil: HandeIsmaßnahmen zum Umweltschutz im Recht der WTO

Letztlich entscheidend für die Feststellung einer relevanten Diskriminierung ist jedoch auch im Fall der De-iure-Diskriminierung nicht die formale Ungleichbehandlung zwischen eingeführten und einheimischen gleichartigen Produkten als solche, sondern eine hieraus resultierende tatsächliche SchlechtersteIlung der eingeführten Produkte auf dem inländischen Markt? 15 Im Fall Korea - BeeJ hat der Appellate Body diesen Zusammenhang mit den folgenden Worten umschrieben: "Thus, the Korean measure fonnally separates the selIing of imported beef and domestic beef. However, that fonnal separation, in and of itself, does not necessarily compel the conclusion that the treatment thus accorded to imported beef is less favourable than the treatment accorded to domestic beef. To detennine whether the treatment given to imported beef is less favourable than that given to domestic beef, we must, as earlier indicated, inquire into whether or not the Korean dual retail system for beef modifies the conditions of competition in the Korean beef market to the disadvantage of the imported produCt.,,316

In rechtlicher Hinsicht kommt der Unterscheidung zwischen De-iure- und De-Jacto-Diskriminierung daher keine Bedeutung zu. Es ist immer die staatliche

Behandlung eingeführter und einheimischer gleichartiger Produkte in ihrer Gesamtheit zu betrachten und miteinander zu vergleichen. Ob nun einzelne Regelungen unterschiedlich oder unterschiedslos gelten, hat für sich genommen noch keine Aussagekraft. Allein die tatsächlich gleichberechtigte Stellung eingeführter und einheimischer gleichartiger Produkte auf dem internen Markt entscheidet über die Annahme einer relevanten Ungleichbehandlung. ce) Die Wahl der richtigen Vergleichsgruppen Unklar ist, welches die zur Ermittlung einer relevanten Ungleichbehandlung zu betrachtenden Vergleichssachverhalte sind. Ist das Schicksal jedes einzelnen eingeführten Produkts auf dem internen Markt gesondert zu betrachten und mit allen anderen Produkten aus der Gruppe der einheimischen gleichartigen Produkte jeweils einzeln zu vergleichen, oder ist die Gruppe der eingeführten Produkte mit der Gruppe der einheimischen gleichartigen Produkte zu vergleichen? Hinsichtlich dieser Frage herrscht Uneinigkeit. Nach einer Ansicht gewährleistet die Verpflichtung zur Inländerbehandlung nach Art. III das Recht jedes ausländischen Produzenten "to demand treatment no less favourable than the treatment accorded to the most favoured ,like' domestic product".317 Für den Fall nichtproduktbezogener Anforderungen bedeutet dies, dass ein eingeführtes, diesen Anforderungen nicht entsprechendes Produkt und ein einheimisches, diesen Anforderungen entsprechendes Produkt miteinander zu ver315 Vgl. Roessler; Essays on the Legal Structure, S. 124 ff. 316 Appellate Body Report, Korea - Beef, para. 144. 317 Hudec, in: Bronckers I Quick (eds.), S. 208; vgl. auch Panel Report, US - Malt Beverages, para. 5.19.

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gleichen wären. Das eingeführte Produkt wäre dann automatisch mit der aus der Nichtübereinstimmung mit den Anforderungen resultierenden Rechtsfolge belastet, während das zum Vergleich herangezogene einheimische Produkt diesen Belastungen gerade nicht unterläge. Hieraus ergäbe sich dann zwanglos eine Diskriminierung des eingeführten Produkts, das trotz seiner Gleichartigkeit mit dem betrachteten einheimischen Produkt unterschiedlich behandelt wird. 318 Dieser Ansicht wird zu Recht entgegengehalten, dass Art. III:4 nicht die Gleichbehandlung jedes einzelnen eingeführten Produkts mit dem am meisten begünstigten einheimischen gleichartigen Produkt vorschreibt. 319 Der Wortlaut der Vorschrift spricht insoweit allein von der Behandlung von "products of the territory of any other contracting party" im Vergleich zu "like products of national origin". Es ist danach die jeweilige Gruppe eingeführter Produkte, die mit der Gruppe einheimischer gleichartiger Produkte gleichbehandelt werden muss. Eine individuelle Betrachtung der Behandlung bestimmter eingeführter Produkte im Vergleich zu bestimmten einheimischen gleichartigen Produkten findet in Art. 1II:4 keine Grundlage. In diesem Sinne verglich auch der Appellate Body im Fall EC - Asbestos durchweg die Produktgruppen. Im Wortlaut führte er hierzu aus: "However, a Member may draw distinctions between products which have been found to be ,like', without, for this reason alone, according to the group of "like' imported products ,less favourable treatment' than that accorded to the group of ,like' domestic products.'.320

dd) Weniger günstige Behandlung durch nichtproduktbezogene Anforderungen Die Staaten können ihre nichtproduktbezogenen Anforderungen zum Schutz der Umwelt entweder an die Herkunft der Produkte anknüpfen oder aber herkunftsneutral formulieren. Im Fall unterschiedlich geltender nichtproduktbezogener Anforderungen kann hierin eine De-iure-Diskriminierung eingeführter Produkte liegen, wenn den durch die unterschiedliche Behandlung entstehenden Nachteilen nicht entsprechende Belastungen gleichartiger inländischer Produkte gegenüberstehen. Im Fall unterschiedslos auf eingeführte wie gleichartige einheimische Produkte anwendbarer nichtproduktbezogener Vorschriften ist hingegen zu untersuchen, ob nicht aus anderen Gründen eine weniger günstige Behandlung der eingeführten Produkte vorliegt. Allein aus dem Fehlen einer formalen Schlechterstellung eingeführter Produkte zu schließen, dass sich eingeführten und einheimischen gleich318 Howse/Regan, EJIL 11 (2000), S. 259, schreiben diesen Ansatz zu Unrecht den Panel in den Fällen US - Tuna I und /I zu. Das Panel im zweiten Thunfischfall machte hierzu gar keine Angaben und das Panel im ersten Thunfischfall (para. 5.16) knüpfte gerade nicht an diese Sichtweise an. 319 Roessler, Essays on the Legal Structure, S. 127 f.; Howse/Regan, EJIL 11 (2000), S. 258 f. 320 Appellate Body Report, EC - Asbestos, para. 100.

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3. Teil: Handelsrnaßnahmen zum Umweltschutz im Recht der WTO

artigen Produkten unter der Geltung bestimmter nichtproduktbezogener Anforderungen auch effektiv die gleichen Wettbewerbsbedingungen auf dem internen Markt bieten, ist vorschnell. 321 Es bleibt die Möglichkeit der De-facto-Diskriminierung. In der Streitbeilegungspraxis unter GATT 1947 und WTO ist nicht nur anerkannt, dass die formale Ungleichbehandlung für sich genommen noch nicht zwangsläufig eine weniger günstige Behandlung i.S.v. Art. I1I:4 bedeutet. 322 Schließlich kommt es darauf an, ob eine staatliche Maßnahme die einheimische Produktion tatsächlich schützt oder nicht. Gleiches gilt für den vorliegenden Fall formaler Gleichbehandlung. Auch hier kommt es auf den von einer staatlichen Maßnahme vermittelten Schutz für die einheimische Produktion an. In diesem Sinne hat schon das Panel im Fall US - Section 337 ausgeführt: ,,[I]t also has to be recognised that there may be cases where application of formally identical legal provisions would in practice accord less favourable treatment to imported products and a contracting party might thus have to apply different legal provisions to imported products to ensure that the treatment accorded to them is in fact no less favourable.,,323

Diese Sichtweise liegt auch der Einstufung von Minimal- und Maximalpreisen für eingeführte und einheimische gleichartige Produkte als Verstoß gegen Art. I1I:4 zu Grunde. Im Fall Canada - Provincial Marketing Agencies hat das Panel insoweit eine nähere Begründung geliefert, die auch für den vorliegenden Zusammenhang von Bedeutung ist. Das Panel machte geltend: "The Panel noted that minimum prices applied equally to imported and domestic beer did not necessarily accord equal conditions of competition to imported and domestic beer. Whenever they prevented imported beer from being supplied at a price below that of domestic beer, they accorded in fact treatment to imported beer less favourable than that accorded to domestic beer: when they were set at the level at which domestic brewers supplied beer [ ... ] they did not change the competitive opportunities accorded to domestic beer but did affect the competitive opportunities of imported beer which could otherwise be supplied below the minimum price. ,,324

Die der Welthande1sordnung zu Grunde liegende Theorie der komparativen Kostenvorteile erklärt die aus dem Freihandel resultierenden Wohlfahrts gewinne mit der Spezialisierung der teilnehmenden Staaten auf die Herstellung derjenigen Güter, die sie nach der jeweiligen Ausstattung mit Rohstoffen und den sonstigen Produktionsfaktoren am besten herstellen können. Danach ist es gerade die Unterschiedlichkeit der jeweiligen Produktionsumstände in den teilnehmenden Staaten, die eine Spezialisierung ermöglicht und internationalen Handellohnenswert 321 So aber Howse/Regan, EJIL 11 (2000), S. 259. 322 Appellate Body Report, EC - Asbestos, para. 100. 323 Panel Report, US - Section 337, para. 5.11. 324 Panel Report, Canada - Provincial Marketing Agencies, para. 5.30; vgl. auch Panel Report, US - Malt Beverages, para. 5.59.

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macht. Schon vor diesem Hintergrund wird deutlich, warum das Panel im Fall Canada - Provincial Marketing Agencies in der Festsetzung eines Mindestverkaufspreises eine De-Jacto-Diskriminierung eingeführter Produkte erblickt hat. Den Produzenten wird nämlich die Möglichkeit genommen, die Preise für die importierten Waren nach den tatsächlichen Produktionskosten zu kalkulieren. Etwaige Kostenvorteile des Herkunftslandes in der Produktion der betreffenden Produkte werden durch die Preisbindung im Importstaat von vornherein abgeschnitten. Eine Orientierung der Nachfrage an den jeweiligen Kostenvorteilen scheidet in diesem Fall aus. 325 Dementsprechend zielt das GATT' auch nicht auf eine Harmonisierung der nationalen Standards und Vorschriften, sondern beschränkt sich auf eine Disziplinierung einzelstaatlicher Handelspolitik mit dem Ziel, Handelsschranken abzubauen. Mit anderen Worten wird eine domestic policy autonomy der einzelnen Staaten anerkannt, die auch mit Mitteln der Handelspolitik nicht durch andere Staaten unterhöhlt werden darf. 326 Die Reichweite der domestic policy autonomy wird im vorliegenden Zusammenhang durch das Konzept der nachhaltigen Entwicklung bestimmt, insbesondere durch die Prinzipien 2 und 12 der Rio-Deklaration. Entsprechend des integrativen Ansatzes des Konzepts der nachhaltigen Entwicklung nehmen diese Prinzipien zugleich die genannten ökonomischen Erwägungen entsprechend der Theorie komparativer Kostenvorteile auf. Prinzip 2 der Rio-Deklaration bestimmt aus der Perspektive des Staates der Produktion zunächst, dass dieser autonom seine Umweltstandards festlegen darf. Diese Regelungshoheit endet jedoch, so fährt Prinzip 2 der Rio-Deklaration fort, spätestens an dem Punkt, an dem sie zu einer erheblichen Schädigung fremder Staaten und Gebiete führt. Speziell für Handelssachverhalte bestimmt Prinzip 12 der Rio-Deklaration aus der Perspektive des Importstaates, dass dieser sich einseitiger Maßnahmen zum Schutz der Umwelt außerhalb seines eigenen Territoriums möglichst enthalten solle. Im Umkehrschluss ergibt sich hieraus zugleich, dass der Importstaat für den Schutz seines eigenen Hoheitsgebietes uneingeschränkt Handelsrnaßnahmen ergreifen darf. Diese Regelung impliziert eine generelle Verteilung der jeweiligen policy autonomy zwischen den handeltreibenden Staaten. Der Importstaat trägt danach die primäre Verantwortung für den Schutz seines eigenen Hoheitsgebiets und ist aus diesem Grund generell für alle produktbezogenen Anforderungen zuständig. Hier setzt sich das Interesse des Importstaates an sicheren Produkten gegenüber den Interessen des Staates der Produktion durch. Demgegenüber verbleiben die nichtproduktbezogenen Anforderungen grundsätzlich in der Zuständigkeit des Staates der Produktion. 327 Im Fall nichtproduktbezogener Handelsrnaßnahmen des Importstaates reichen die Auswirkungen nämlich in einen Bereich der Produktion, der 325

326 327

Vgl. Dauses, RIW 1984, S. 202. Roessler; Essays on the Legal Structure, S. 119. In diesem Sinne ist wohl auch zu verstehen Petersmann, JWT 27, Nr. 1 (1993), S. 79.

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3. Teil: Handelsmaßnahmen zum Umweltschutz im Recht der WTO

keine Auswirkungen auf das gehande1te Produkt hat. Entsprechende Handelsmaßnahmen dienen demnach nicht unmittelbar dem Schutz des Importstaates. Insoweit schwingt das Pendel also zur generellen Regelungshoheit des Staates der Produktion. Die Regelungshoheit des Staates der Produktion fungiert jedenfalls an dieser Stelle als grundsätzliche rechtliche Schranke für die Formulierung nichtproduktbezogener Anforderungen an eingeführte Produkte. Aus dem Konzept der nachhaltigen Entwicklung ergibt sich, dass die Warenproduktion grundsätzlich durch nichtproduktbezogene Anforderungen des Staates der Produktion reguliert werden soll. Im Fall nichtproduktbezogener Anforderungen des Importstaates liegt somit in jedem Fall, auch bei formaler Gleichbehandlung, eine Benachteiligung eingeführter Produkte vor, gleichsam aus Wertungs gesichtspunkten. Mit der Durchsetzung nichtproduktbezogener Anforderungen des Importstaates gegenüber eingeführten Produkten wird dem ausländischen Produzenten die Möglichkeit genommen, seine Produkte unter voller Nutzung der im Staat der Produktion gerade für die Herstellung dieses Produkts bestehenden komparativen Kostenvorteile auf dem Markt des Importstaates anzubieten. Wie im zweiten Teil der vorliegenden Bearbeitung gezeigt, beeinträchtigen nichtproduktbezogene Handelsmaßnahmen zum Umweltschutz in einigen Konstellationen tatsächlich komparative Kostenvorteile des Staates der Produktion.328 Hierdurch werden die Wettbewerbsmöglichkeiten für eingeführte Produkte im Vergleich zu gleichartigen inländischen Produkten einseitig beschränkt. Hierin liegt sicher keine abschließende Verteilung der jeweiligen policy autonomy zwischen den handeltreibenden Staaten. Die Formulierung der Prinzipien 2 und 12 der Rio-Deklaration bietet genügend Raum für Ausnahmen von dieser regelmäßigen Verteilung. Eine Ausnahme für bestimmte nichtproduktbezogene Handelsmaßnahmen des Importstaates, etwa für solche zur Internalisierung negativer internationaler externer Effekte, bedürfte jedoch einigen Erklärungsaufwandes seitens des sich auf die außerordentlichen Umstände berufenden Staates?29 Strukturell ist diese Aufgabe im Rahmen der allgemeinen Ausnahmen des Art. XX zu leisten, nicht schon auf der Ebene der Verpflichtungen. Erst auf der Ebene der Ausnahmen kommen die den Freihandelsinteressen des Staates der Produktion im Einzelfall entgegenstehenden berechtigten Interessen des Importstaates in den Blick. Nach alledem bedeutet die Formulierung nichtproduktbezogener Anforderungen an eingeführte Produkte stets eine weniger günstige Behandlung i.S.v. Art. III:4. Dies gilt für unterschiedlich wie unterschiedslos geltende nichtproduktbezogene Anforderungen gleichermaßen.

328 329

Zweiter Teil B.IY.3.b)aa). Hierauf verweist auch Tracht11UJn, EJIL 9 (1998), S. 67.

D. GAIT 1994: Art. I, 11, III, XI und XX

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d) Ergebnis: Art. IIl:4 und nichtproduktbezogene Handelsmaßnahmen Die Verpflichtung des Art. 1II:4 erfasst alle internen staatlichen Vorschriften, die geeignet sind, das Wettbewerbsverhältnis zwischen eingeführten und inländischen gleichartigen Produkten auf dem internen Markt des Importstaates zu beeinflussen, mit Ausnahme der internen Steuern. Dabei macht die Anmerkung zu Art. III deutlich, dass es sich auch dann noch um interne Maßnahmen i. S. d. Art. III handelt, wenn sie gegenüber eingeführten Produkten bereits an der Grenze durchgesetzt werden. Die Durchsetzungsmaßnahmen folgen somit den zu Grunde liegenden internen Vorschriften in den Anwendungsbereich des Art. III. Diese Bestimmung ist insbesondere für die Abgrenzung der Verpflichtungen des Art. 1II:4 und des Art. XI: 1 von Bedeutung. Im Ergebnis liegt danach keine interne Maßnahme mehr vor, wenn die betreffende Regelung ausschließlich für eingeführte Produkte Geltung beansprucht und gleichartige inländische Produkte auch anderweitig nicht mit ähnlichen Anforderungen belastet sind bzw. wenn eine inländische Produktion der betreffenden Produkte schon gar nicht ersichtlich ist. Allein in diesen Fällen ist Art. XI: 1 einschlägig. Vor diesem Hintergrund ist die in den Thunfisch-Fällen entwickelte Ansicht, dass nichtproduktbezogene Anforderungen mangels Anknüpfung an das eingeführte Produkt als solches nicht als interne Vorschriften i. S. d. Art. 1II:4 zu betrachten und stattdessen generell Art. XI: 1 zu unterstellen seien, nicht haltbar. Genau wie bei produktbezogenen Anforderungen betrifft auch die Durchsetzung nichtproduktbezogener Anforderungen die Stellung der eingeführten Produkte auf dem internen Markt des Importstaates. Auch in diesen Fällen ist daher Art. 1II:4 einschlägig. Die Abgrenzung zu Art. XI: 1 richtet sich folglich auch im Fall nichtproduktbezogener Handelsmaßnahmen nach den allgemeinen Kriterien. Bei der Überprüfung der Gleichartigkeit eingeführter und einheimischer Produkte ist ein objektiver Ansatz zu verfolgen, in dessen Rahmen die Produkte grundsätzlich anband der Kriterien der physischen Eigenschaften, des bestimmungsgemäßen Endgebrauchs, der Einschätzungen der Verbraucher und der Einordnung in den Zolltarif zu vergleichen sind. Bei Produkten, die physisch völlig identisch sind und sich nur in der Art ihrer Herstellung unterscheiden, dürfte grundsätzlich Gleichartigkeit vorliegen. Zwar kann auch die Verwendung umweltschädlicher nichtproduktbezogener PPMs unter dem Kriterium der Einschätzungen der Verbraucher relevant werden. In der Regel dürfte dies jedoch nicht ausreichen, um die für die Gleichartigkeit sprechenden übrigen Kriterien aufzuwiegen und im Ergebnis die Ungleichartigkeit der betreffenden Produkte zu begründen. Ein Verstoß gegen Art. I1I:4 liegt jedoch nur dann vor, wenn die eingeführten Produkte im Verhältnis zu gleichartigen inländischen Produkten eine weniger günstige Behandlung durch den Importstaat erfahren. Art. 1II:4 erfordert tatsächlich gleichwertige Wettbewerbsbedingungen für eingeführte und einheimische gleichartige Produkte auf dem internen Markt. Im Fall nichtproduktbezogener Handelsmaßnahmen zum Umweltschutz nimmt der Importstaat den ausländischen Herstellern die Möglichkeit, ihre Produkte unter voller Nutzung der im Staat der

256

3. Teil: HandeIsmaßnahmen zum Umweltschutz im Recht der WTO

Produktion möglicherweise bestehenden komparativen Kostenvorteile auf seinem Markt anzubieten. Hierin liegt stets eine relevante Beschränkung der Wettbewerbschancen der eingeführten Produkte im Verhältnis zu gleichartigen inländischen Produkten. Steht demnach erst einmal fest, dass die untersuchten nichtproduktbezogenen Handelsrnaßnahmen in den Anwendungsbereich des Art. III:4 fallen, so ist regelmäßig auch ein Verstoß gegen die Verpflichtung zu verzeichnen.

3. Artikel 111:2 S. 1 - Nichtproduktbezogene Umweltabgaben In der umweltpolitischen und umweltökonomischen Diskussion wird vermehrt die Einführung von Umweltabgaben als adäquatem Mittel zur Erzielung eines bestimmten Umweltschutzniveaus gefordert. Danach sei es Aufgabe des Staates, durch die Erhebung von Umweltabgaben bestimmte umweltschädliche Produkte oder Verhaltensweisen im Verhältnis zu anderen weniger schädlichen Produkten oder Verhaltensweisen zu verteuern, um hierdurch einen Anreiz für die Verbraucher und Produzenten zu schaffen, sich umweltfreundlich zu verhalten. 33o Von diesem "neuen" Instrument der Umweltpolitik haben die Staaten bisher in unterschiedlichem Maße Gebrauch gemacht. Ein prominentes Beispiel für einen Vorstoß in Richtung einer Umweltabgabe bietet der Vorschlag einer kombinierten Steuer auf Kohlendioxidemissionen und Energie im Rahmen der EG. 331 Art. III:2 enthält spezielle Regelungen für die Inländerbehandlung der aus einem anderen WTO-Mitgliedstaat eingeführten Produkte hinsichtlich interner Steuern oder sonstiger interner Abgaben. Dabei unterscheidet Art. III:2 zwischen Abgaben auf eingeführte und inländische "like products" in seinem S. I und Abgaben auf eingeführte und inländische "directly competitive or substitutable products" in seinem S. 2. Wie sich aus Art. III:2 i.Y.m. der Anmerkung zu Art. III:2 332 ergibt, stellt Art. III:2 S. I das engere und speziellere Konzept im Vergleich zu Art. III:2 S. 2 dar. Im Folgenden sollen daher nichtproduktbezogene Umweltsteuern zunächst am Maßstab des Art. III:2 S. I gemessen werden. Erst wenn sich Art. III:2 S. 1 mangels gleichartiger Produkte als nicht einschlägig erweisen sollte, käme Art.III:2 S. 2 in den Blick. Ein Verstoß gegen Art. III:2 S. 1 liegt dann vor, wenn eingeführte Produkte einer höheren Steuer- oder Abgabenlast unterliegen als gleichartige inländische Produkte.

Vgl. DeTrUlretlStewardson, JWT 28, Nr. 4 (1994), S. 5. Näher hierzu im ersten Teil C.I.4. 332 Die Anmerkung zu Art. 111:2 lautet: "A tax conforming to the requirements of the first sentence of paragraph 2 would be considered to be inconsistent with the provisions of the second sentence only in cases where competition was involved between, on the one hand, the taxed product and, on the other hand, a directIy competitive or substitutable product which was not similarly taxed." 330

331

D. GATT 1994: Art. I, 11, III, XI und XX

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a) .. Internal taxes or other internal charges 0/ any kind"

Zunächst müsste es sich bei Umweltsteuern auf eingeführte Produkte, die an nichtproduktbezogene Umstände anknüpfen, um interne Abgaben (.. internal taxes or other internal charges of any kind") handeln. aa) Begriff der internen Abgaben Das Welthandelsrecht gibt keinen bestimmten Begriff der internen Abgaben i.S.v. Art. III vor. In der Streitbeilegungspraxis unter GATT 1947 und WTO sind allein im Einzelfall bestimmte Geldleistungen an den Staat als interne Abgaben eingestuft worden. Dazu zählen u. a. Verbrauchssteuern 333 und Mehrwertsteuern334 . Ausdrücklich ausgeschlossen aus dem Anwendungsbereich des Art. III sind hingegen Einkommenssteuern und sonstige, nicht auf die Produkte selbst erhobene Steuern. 335 Dies ergibt sich zwanglos aus dem Wortlaut von Art. III:2, der ausschließlich von der Besteuerung von Produkten spricht. Insgesamt dürften unter dem Begriff der internen Abgaben alle finanziellen Belastungen zu verstehen sein, die eingeführten und einheimischen Produkten kraft hoheitlicher Anordnung auferlegt werden. 336 bb) Abgrenzung zu Zöllen und zoll gleichen Abgaben Im Inland erhobene Steuern und Abgaben werden ausländischen Produkten grundsätzlich schon an der Grenze auferlegt und im Rahmen eines umfassenden Steuerausgleichs an der Grenze ausgeglichen, bevor diese auf den internen Markt des Importstaates gelangen. Entsprechend der grundsätzlichen Unterscheidung zwischen border measures und internen Maßnahmen ist in diesen Fällen fraglich, ob es sich gleichwohl um interne Steuern und Abgaben i. S. d. Art. III oder aber um Zölle oder zollgleiche Abgaben handelt, die u. a. nach Art. II: 1(b) zu beurteilen sind. Die Bedeutung dieser Abgrenzung hat das Panel im Fall EEC - Parts and Components wie folgt zusammengefasst: ..The Panel recalled that the distinction between import duties and internal charges is of fundamental importance because the General Agreement regulates ordinary customs duties, other import charges and internal taxes differently: the imposition of ,ordinary customs duties' for the purpose of protection is allowed unless they exceed tariff bindings; all other duties or charges of any kind imposed on or in connection with importation are in 333 Vgl. Panel Report, US - Superjund, para. 5.1.1; Panel Report, US - Malt Beverages, para. 5.3; Appellate Body Report, Canada - Periodicals, S. 20. 334 Bericht der Working Party on Border Tax Adjustments, angenommen am 2. Dezember 1970, BISD 18S/97, para. 14. 335 GATT, Analytical Index, S. 144. 336 Vgl. die weite Definition bei Senti, WTO, Rn. 440.

17 Puth

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3. Teil: HandeIsmaßnahmen zum Umweltschutz im Recht der WTO

principle prohibited in respect of bound items (ArticIe 1I:I(b». By contrast, internal taxes that discriminate against imported products are prohibited, whether or not the items concerned are bound (ArticIe I1I:2).,,337

Gemäß der Anmerkung zu Art. III 338 können interne Steuern eingeführten Produkten auch schon an der Grenze auferlegt werden. Art. III bleibt auch in diesen Fällen anwendbar, wenn die Steuer in der Sache gleichermaßen auf eingeführte und gleichartige einheimische Produkte entfällt. Danach handelt es sich auch bei hoheitlich auferlegten Geldzahlungsverpflichtungen anlässlich des Grenzübertritts einer ausländischen Ware um interne Steuern, wenn sie im Zusammenhang mit der Besteuerung inländischer "like products" oder "directly competitive or substitutable products" stehen?39 Ein weiterer Anhaltspunkt zur Abgrenzung interner Steuern von Zöllen und zollgleichen Abgaben ist Art. 1I:2(a) zu entnehmen. Danach gilt die Zollbindung nach Art. 11: 1 nicht für "a charge equivalent to an internal tax imposed consistently with the provisions of paragraph 2 of Article III in respect of the like domestic product or in respect of an article from which the imported product has been manufactured or produced in whole or in part". Danach handelt es sich um Zölle oder zollgleiche Abgaben, wenn sie anlässlich des Grenzübertritts einer Ware erhoben werden und ausschließlich eingeführte Produkte betreffen, ohne auf irgendeine Weise mit internen Belastungen auf gleichartige inländische Produkte im Zusammenhang zu stehen. 34o Danach ergibt sich übereinstimmend aus der Anmerkung zu Art. III und Art. 1I:2(a), dass es sich bei der Erhebung einer Abgabe anlässlich des Grenzübertritts einer ausländischen Ware nur dann um eine interne Steuer i.S.v. Art. III:2 handelt, wenn diese im Zusammenhang mit der Besteuerung gleichartiger inländischer Produkte steht. Zur Abgrenzung ist also in diesen Fällen der Blick nach innen auf die Behandlung gleichartiger inländischer Produkte zu richten. Dabei macht Art. 1I:2(a) deutlich, dass diesbezüglich nicht nur Steuern auf das fertige inländische Produkt beachtlich sind, sondern auch Steuern auf Rohstoffe und Zutaten aus denen das inländische Produkt gefertigt worden ist. Ganz in diesem Sinne erlaubt auch Art. III:2 S. 1, dass eingeführten Produkten alle diejenigen Steuern direkt oder indirekt auferlegt werden dürfen, die auf gleichartige inländische Produkte direkt oder indirekt ("directly or indirectly") entfallen. Welche Steuern auf Rohstoffe und sonstige Zutaten für inländische Produkte im Rahmen eines Steuerausgleichs an der Grenze auch gleichartigen eingeführten Produkten auferlegt werden dürfen, ergibt sich erst aus dem Konzept des border tax adjustment (BTA). 337 Panel Report, EEC - Parts and Components, para. 5.4. 338 Der Text der Anmerkung zu Art. III findet sich im dritten Teil D.II.2.a)bb). 339 Panel Report, EEC - Feed Proteins. para. 4.15 ff.; DemaretlStewardson, JWT 28, Nr. 4 (1994), S. 17f. 340 GATT, Analytical Index, S. 136; vgl. auch Jackson. World Trade and the Law of GATT, S. 281; Benedek. Handbuch zur österreichischen GATT-Praxis, S. 29.

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cc) Nichtproduktbezogene Umweltabgaben und das Konzept des border Tax adjustment (1) Problementfaltung

Erheben Staaten anlässlich des Grenzübertritts ausländischer Produkte Abgaben zur Verminderung der bei ihrer Produktion anfallenden Umweltbelastungen, so handelt es sich hierbei um nichtproduktbezogene Umweltabgaben. In diese Kategorie fiele etwa eine Steuer auf ausländische Produkte entsprechend der aus ihrer Produktion resultierenden Kohlendioxidemissionen oder auch auf ausländisches Holz wegen der Verwendung nichtnachhaltiger Forstbewirtschaftungsmethoden. Zur Klärung der Frage, ob es sich hierbei gleichwohl um interne Steuern i.S.v. Art. III:2 oder um Zölle oder zollgleiche Abgaben handelt, ist entsprechend der entwickelten Abgrenzungskriterien der Blick auf die interne Besteuerung gleichartiger Produkte zu richten. Innerstaatlich können Steuern zur Verminderung der aus der Warenproduktion resultierenden Umweltbelastungen grundsätzlich auf zwei verschiedene Arten erhoben werden. 341 Sie können einerseits direkt an die Verwendung bestimmter nichtproduktbezogener PPMs geknüpft werden. Beispielsweise könnte der regulierende Staat die Gesamtemission von Kohlendioxid am Schornstein des Produktionsbetriebes messen und den Produzenten mit einer entsprechenden Zahlungsverpflichtung belasten oder aber, wie im Richtlinienvorschlag zur europäischen Kohlendioxid- und Energiesteuer342 vorgesehen, die in der Produktion verwendeten Energieerzeugnisse mit der Steuer belegen. Andererseits können solche Umweltsteuern aber auch erst anteilig den aus der schädlichen Produktion stammenden Endprodukten auferlegt werden. Für beide Vorgehensweisen lassen sich aus der Sicht des regulierenden Staates Argumente ins Feld führen. Während die direkte Besteuerung der schädlichen nichtproduktbezogenen PPMs dem Prinzip, Umweltbelastungen möglichst an ihrer Quelle zu bekämpfen, entspricht, lassen sich etwa für die Besteuerung des fertigen Produkts nach dem Anteil der durch dessen Produktion verursachten Umweltbelastung Überlegungen der Verteilung der Steuerlast anführen, die der regulierende Staat etwa den Endverbrauchern aufbürden will und nicht den Produzenten. Belegt ein Staat direkt ("directly") das Endprodukt mit einer nichtproduktbezogenen Umweltsteuer, so kann er diese Steuer ohne weiteres auch eingeführten gleichartigen Produkten entgegenhalten. Anerkanntermaßen ist es im Rahmen des Konzepts des BTA völlig ohne Belang, aus welchem Grund ein Staat eine Steuer auf inländische und eingeführte Produkte erhebt. 343 Entscheidend ist allein, dass 341 Van Calster; International and EU Trade Law, S. 423; vgl. auch Schoenbaum. AJIL 91 (1997), S. 306. 342 Näher hierzu im ersten Teil C.1.4. 343 Panel Report, Special Import Taxes Instituted by Greece. para. 5; Panel Report, USSuperjund. para. 5.2.4; Panel Report, EEC - Parts and Components. para. 5.6.

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3. Teil: Handeismaßnahmen zum Umweltschutz im Recht der WTO

die Steuer auch auf gleichartigen inländischen Produkten lastet. Dieser Fall wird daher unproblematisch von Art. II1:2 erfasst. Problematisch ist allein der Fall, in dem der regulierende Staat sich dazu entscheidet, im Dienste umweltökonomischer Effizienz intern direkt die schädlichen nichtproduktbezogenen PPMs zu besteuern. Es fragt sich, ob in dieser Besteuerung des Produktionsprozesses eine indirekte ("indirectly") Besteuerung des fertigen Produkts liegt, mit der Folge, dass auch diese Steuern als interne Steuern i.S.v. Art. III:2 eingeführten gleichartigen Produkten auferlegt werden können. Allein vom Wortlaut betrachtet, würde der weite Begriff "indirectly" eine Steuer auf schädliche Produktionsprozesse umfassen?44 Dieses Verständnis entspräche auch der weiten Fassung des heutigen Art. III:2 S. 1 in der US Draft Charter, worin allgemein von "taxes and other internal charges imposed on or in connection with like products" die Rede war. Allein wegen sprachlicher Schwierigkeiten bei der Übersetzung ins Französische wurde dieser Wortlaut in die heute aktuelle Wendung "directly or indirectly" umgewandelt. 345 Die Erwägungen zur möglichen Reichweite der Wendung "indirectly" sind jedoch bestenfalls vorläufiger Natur. Unter dem GATT und den weiteren multilateralen Übereinkommen betreffend den Warenhandel wurde nämlich mit dem Konzept des BTA ein differenziertes und aufeinander abgestimmtes System des Steuerausgleichs an der Grenze errichtet, das mitunter bis ins Detail gehende Bestimmungen über die zwischen Herkunftsland und Bestimmungsland aufgeteilten Besteuerungsmöglichkeiten rund um die gehandelte Ware enthält. Welche Aussagen zur Erstreckung einer internen Steuer direkt auf schädliche PPMs auch auf ausländische Produkte lassen sich dem Konzept des BTA also entnehmen? (2) Das Konzept des border tax adjustment

Das WTO-Recht enthält mit dem Konzept des BTA ein abgestimmtes System von Vorschriften, das darauf gerichtet ist, negative Auswirkungen unterschiedlicher staatlicher Steuersysteme auf den internationalen Handel weitgehend auszuschließen. Bei näherer Betrachtung fallen einige nonnative Anhaltspunkte für die Behandlung nichtproduktbezogener Handelsrnaßnahmen auf, die bisher kaum im Zusammenhang der Produkt-Prozess-Doktrin Beachtung gefunden haben. (a) Der Grundgedanke des Konzepts Unter den Vorschriften des GATT sowie der speziellen multilateralen Übereinkommen zum Warenhandel steht es im Grundsatz jedem Mitglied frei, alle eingeführten Waren mit den Steuern zu belegen, die es auch einheimischen Produkten auferlegt, und alle zum Export bestimmten einheimischen Produkte von den auf 344

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GATT, Analytical Index, S. 141; Das, The World Trade Organization, S. 32. GATT, Analytical Index, S. 141.

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sie entfallenden Steuern zu befreien. Dabei handelt es sich um ein Recht der Mitglieder zum Ausgleich, nicht auch um eine Pflicht. 346 Es sind danach zwei Komponenten des steuerlichen Grenzausgleichs zu unterscheiden, zum einen die Auferlegung von Abgaben auf eingeführte Produkte in Höhe der auf gleichartigen einheimischen Produkten lastenden Steuern und zum anderen die Befreiung bzw. Rückgewähr von Steuern auf die zum Export bestimmten inländischen Produkte.347 Damit ermöglicht das Konzept des BTA die Umsetzung des Bestimmungslandprinzips (destination principle)?48 In diesem Sinne wird zur Definition von Grenzausgleichssteuern auch im Rahmen der Welthandelsordnung auf die Definition der OECD zurückgegriffen. 349 Danach sind Grenzausgleichssteuern definiert als: "Any fiscal measures which put into effect, in whole or in part, the destination principle (Le. which enable exported products to be relieved of some or all of the tax charged in the exporting country in respect of similar domestic products sold to consumers on the horne market and which enable imported products sold to consumers to be charged with some or all the tax charged in the importing country in respect of similar domestic products)."

Ein steuerlicher Grenzausgleich nach dem Bestimmungslandprinzip erlaubt in der Theorie, dass die international gehandelten Produkte - trotz unterschiedlicher einzelstaatlicher Steuersysteme - auf den jeweiligen Märkten unter den gleichen Wettbewerbsbedingungen wie einheimische Produkte angeboten werden können. Zum einen kann die doppelte Besteuerung der gehandelten Produkte im Ursprungs- und im Bestimmungsland, zum anderen kann aber auch ihre einseitige Begünstigung durch das Steuersystem des Ursprungslandes weitgehend ausgeschlossen werden. 35o Dem Bestimmungslandprinzip steht das Ursprungslandprinzip bzw. Herkunftslandprinzip (origin principle) gegenüber. 351 Unter der Herrschaft des Ursprungslandsprinzips findet ein steuerlicher Grenzausgleich nicht statt, international gehandelte Produkte werden allein nach den Vorschriften des Staates der Produktion besteuert. Grenzausgleichssteuern dürfen demnach nur soweit gehen, wie das Bestimmungslandprinzip unter dem GATT reicht. Darüber hinausgehende Abgaben an der Grenze werden nicht mehr als interne Steuern von Art. 111:2 erfasst, sondern fallen in den Bereich der Zölle oder zollgleichen Abgaben. 352 Roessler; Essays on the Legal Structure, S. 121. Jackson, The World Trading System, S. 218 f. 348 DemaretlStewardson, JWT 28, Nr. 4 (1994), S. 6. 349 Vgl. den Bericht der Working Party on Border Tax Adjustments, angenommen am 2. Dezember 1970, BISD 18S/97. 350 DemaretlStewardson, JWT 28, Nr. 4 (1994), s. 6. 351 Roessler; Essays on the Legal Structure, S. 121 352 Hudec, in: Bronckers/Quick (eds.), S. 195. 346

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3. Teil: Handelsmaßnahmen zum Umweltschutz im Recht der WTO

Die zentrale Frage zur Bestimmung der zulässigen Reichweite steuerlicher Grenzausgleichsmaßnahmen ist mithin, in welchem Ausmaß das Bestimmungsland- bzw. Ursprungslandprinzip dem GATf zu Grunde liegen. Insofern unterscheiden die Vorschriften des GATf über den steuerlichen Grenzausgleich grundsätzlich zwischen indirekten und direkten Steuern. 353 Indirekte Steuern sind solche Steuern, die auf dem Produkt lasten. Nur indirekte Steuern sind entsprechend des Bestimmungslandprinzips in Übereinstimmung mit den einschlägigen GATfRegeln an der Grenze ausgleichsfähig. Demgegenüber ist auf direkte Steuern, die den Produzenten treffen, das Ursprungslandprinzip anzuwenden. Hinsichtlich direkter Steuern scheidet ein steuerlicher Grenzausgleich aus. Für die interne Besteuerung schädlicher nichtproduktbezogener PPMs bedeutet die Unterscheidung direkter und indirekter Steuern nach dem Konzept des BTA, dass ein Ausgleich der unmittelbar dem Produzenten auferlegten Steuer nach den aus der Produktion resultierenden Umweltbelastungen von vornherein ausscheidet. 354 Es handelt sich eindeutig um eine direkte Steuer. Allein die Besteuerung der in der Produktion verwendeten Rohstoffe und sonstigen Zutaten nach den bei ihrer Verarbeitung auftretenden schädlichen Auswirkungen auf die Umwelt könnte als indirekte Steuer auf das Endprodukt angesehen werden und daher gegenüber eingeführten Produkten ausgleichsfähig sein. (b) Die einzelnen Vorschriften Das System des BTA ist in verschiedenen, sich ergänzenden Vorschriften für die Import- und Exportseite niedergelegt. Auf der Importseite enthalten vor allem die Art. 11 und III, daneben aber auch die Art. I, VI und VII einschlägige Regelungen. Dabei ist zunächst zwischen Zöllen und zollgleichen Abgaben auf der einen und internen Steuern auf der anderen Seite zu unterscheiden. Zölle und zollgleiche Abgaben fallen nicht in den Anwendungsbereich von Art. III:2 und sind folglich auch nicht nach den Regeln des BTA ausgleichsfähig. Allein interne Steuern im Sinne von Art. III:2 können Gegenstand eines steuerlichen Grenzausgleichs sein. Insoweit stellt Art. 1I:2(a) klar, dass die Bindung an die jeweiligen Zollzugeständnisse nach Art. 11: 1 solchen Grenzabgaben nicht entgegensteht, die internen Steuern gleichwertig sind und die in Übereinstimmung mit Art. III:2 gleichartigen inländischen Produkten oder solchen Produkten auferlegt werden, aus denen die eingeführten Produkte ganz oder teilweise hergestellt sind. 355 Maßgebliche Regelung 353 Vgl. zum Folgenden Thaggert, in: Cameron/Demaret/Geradin (eds.), S. 76; DemaretlStewardson, JWT 28, Nr. 4 (1994), S. 8; Jackson, The World Trading System, S. 219; Fischer-Zemin, Internationale Ertragssteuern, S. 19. 354 Schoenbaum, AJIL 91 (1997), S. 308. 355 Art. 1I:2(a) des GATT lautet: "Nothing in this Artic\e shall prevent any contracting party from imposing at any time on the importation of any product acharge equivalent to an internal tax imposed consistently with the provisions of paragraph 2 of Artic\e III in respect of the Iike domestic product or in respect of an artic\e from which the imported product has been manufactured or produced in whole or in part."

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auf der Importseite ist demnach Art. III:2. Daneben treten als weitere normative Elemente die Art. VI:4 und VII:3. So darf der Importstaat auf die SteuerfreisteIlung durch den Exportstaat gemäß Art. VI:4 nicht mit Antidumping- oder Ausgleichszöllen reagieren. Auch soll nach Art. VII:3 bei der Ermittlung des Zollwerts eingeführter Waren der Betrag einer im Ursprungs- oder Ausfuhrstaat erhobenen internen Abgabe nicht berücksichtigt werden, wenn die Waren anlässlich ihrer Ausfuhr hiervon befreit wurden bzw. die Abgabe vergütet worden ist oder noch vergütet wird. Schließlich ist noch Art. I: 1 in Verbindung mit Art. III:2 zu beachten, wonach die Grenzausgleichsabgaben hinsichtlich gleichartiger Produkte aus verschiedenen Mitgliedstaaten durch den Importstaat einheitlich erhoben werden müssen. Auf der Exportseite begrenzen Art. XVI und das Subventions-Übereinkommen den Spielraum der Mitglieder hinsichtlich der Steuerfreistellung bzw. Steuererstattung für zur Ausfuhr bestimmte Produkte. Die Anmerkung zu Art. XVI, wiederholt in Anmerkung 1 zu Art. l.1(a)(l)(ii) des Subventions-Übereinkommens, besagt, dass zur Ausfuhr bestimmte Produkte von solchen Steuern freigestellt bzw. diese zurückerstattet werden können, die auf gleichartige zum inländischen Verbrauch bestimmte Produkte entfallen. Eine solche Steuerfrei stellung bzw. Steuererstattung ist nicht als verbotene Exportsubvention zu qualifizieren. 356 Eine weitere Konkretisierung des exportseitigen Grenzausgleichs liefert die beispielhafte Aufzählung unzulässiger und zulässiger Steuerfreistellungen in den Anhängen I bis III des Subventions-Übereinkommens. Danach wird eine Reihe von Steuern ausdrücklich als ausgleichs fähig anerkannt. Im Zusammenhang nichtproduktbezogener Handelsrnaßnahmen zum Umweltschutz wird insbesondere auf Anhang I lit. h zum Subventions-Übereinkommen hinsichtlich des exportseitigen Ausgleichs von Steuern "levied on inputs that are consumed in the production of the exported product" zurückzukommen sein. (c) Die wirtschaftliche Grundannahme Der Unterscheidung zwischen direkten und indirekten Steuern liegt die Annahme zu Grunde, dass indirekte Steuern vom Steuerschuldner in die Kalkulierung der Verkaufspreise eingestellt und damit an die Käufer der jeweiligen Produkte weitergegeben werden ("indirect taxes are shifted forward"), während direkte Steuern keine Auswirkung auf den Verkaufspreis eines bestimmten Produktes zeitigen und vom Produzenten selbst getragen werden ("direct taxes are shifted backward"). 357 Geht man von dieser Grundannahme aus, so bietet das System des BTA hinsicht356 Die Anmerkung 1 zu Art. l.1(a)(I)(ii) des Subventions-Übereinkommens lautet: "The exemption of an exported product from duties or taxes borne by the like product when destined for domestic consumption, or the remission of such duties or taxes in amounts not in excess of those which have accrued, shall not be deemed to be a subsidy." 357 Jackson, The World Trading System, S. 220; DemaretlStewardson, JWT 28, Nr. 4 (1994), S. 14; Rege, JWT 28, Nr. 3 (1994), S. 158.

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3. Teil: Handelsrnaßnahmen zum Umweltschutz im Recht der WTO

lich indirekter Steuern die Möglichkeit, gleiche Wettbewerbsbedingungen für eingeführte und gleichartige einheimische Produkte auf den nationalen Märkten zu schaffen und sowohl steuerliche Exportbegünstigungen als auch die steuerliche Benachteiligung eingeführter Produkte auf den einzelstaatlichen Märkten wirksam auszuschließen. 358 (d) Besteuerung nichtproduktbezogener PPMs - Ausgleichsfähig? Fraglich ist, ob die Besteuerung der in der Produktion verwendeten Rohstoffe und sonstigen Zutaten nach den bei ihrer Verarbeitung auftretenden schädlichen Auswirkungen auf die Umwelt als indirekte Steuer auf das Endprodukt angesehen werden kann. Nur dann wäre eine solche Steuer nach dem Konzept des BTA überhaupt an der Grenze ausgleichsfähig und dementsprechend von Art. III:2 erfasst. (aa) Berichte der Working Parties aus den Jahren 1955 und 1970 Unter dem GATT 1947 haben sich bereits früh zwei Working Parties mit der Frage der Ausgleichsfähigkeit von Steuern auf solche Zutaten und Rohstoffe beschäftigt, die nicht den im Endprodukt physisch fortbestehenden Grundstoff liefern, sondern im Rahmen seiner Produktion verbraucht werden. Hinsichtlich der Ausgleichsfähigkeit dieser sog. taxes occultes sind jedoch weder die Review Working Party II on Schedules and Customs Administration359 aus dem Jahr 1955 noch die Working Party on Border Tax Adjustments 360 aus dem Jahr 1970 zu einer einheitlichen Aussage gelangt. Zu groß waren die Meinungsverschiedenheiten unter den Mitgliedern. Zudem legte insbesondere die Working Party on Border Tax Adjustments dem Problem der taxes occultes361 nur geringe praktische Bedeutung bei 358 Während die dargelegte Ansicht zum Zeitpunkt der Verhandlung des GATT 1947 von den Ökonomen weitgehend geteilt wurde und wohl deshalb den Vorschriften des GATT über das BTA zu Grunde gelegt worden ist, haben die Ökonomen mittlerweile Forschungsergebnisse vorgelegt, wonach keineswegs geklärt ist, welche Steuern nach vorne oder hinten verlagert werden (vgl. den Überblick bei DemaretlStewardson, JWT 28, Nr. 4 (1994), S. 14 f.). Danach hängt es weitgehend von der jeweils vorherrschenden Marktstruktur, den Warenkreisläufen und ähnlichen, nach Wirtschaftssektor und Zeit veränderlichen Zusammenhängen ab, ob und in welchem Ausmaß steuerliche Belastungen an die Käufer weitergegeben oder selbst vom Produzenten getragen werden. Aus diesem Grunde sei es problematisch, anhand absoluter und im Vorhinein festgelegter Kriterien die Auswirkungen einer Steuer auf die Wettbewerbsbedingungen und damit die Notwendigkeit eines steuerlichen Grenzausgleichs zu bestimmen. 359 Bericht der Review Working Party 11 on Schedules and Customs Administration, angenommen am 26. Februar 1955, BISD 3S/205, para. 10. 360 Bericht der Working Party on Border Tax Adjustments, angenommen am 2. Dezember 1970, BISD 18S/97. 361 Die Working Party führte im Wortlaut hierzu aus: ",Taxes occultes' which the OECD defined as consumption taxes on capital equipment, auxiliary materials and services used in the transportation and production of other taxable goods. Taxes on advertising, energy, machinery and transport were among the more important taxes which might be involved. It

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und hielt schon aus diesem Grund weitere Ausführungen hierzu für entbehrlich. Gerade in diese Gruppe der taxes occultes fallen jedoch die als Beispiele nichtproduktbezogener Umweltsteuern angeführten Steuern auf Kohlendioxidemissionen und Energie sowie auch andere Steuern auf im Produktionsprozess verbrauchte Zutaten und Rohstoffe. (bb) Auswertung der normativen Ansatzpunkte Auf der vorliegend relevanten Importseite des Konzepts des BTA enthält Art. II:2(a) die differenziertesten Vorgaben hinsichtlich der Ausgleichsfähigkeit innerstaatlich auf der Ebene der Produktion erhobener Abgaben. Insbesondere die Anmerkung zu Art. III spricht schlicht von einer Abgabe "which applies to an imported product and to the like domestic product". Nach Art. II:2(a) sind hingegen nicht nur Abgaben auf gleichartige inländische Produkte, sondern ausdrücklich auch Abgaben "in respect of an article from which the imported product has been manufactured or produced in whole or in part" ausgleichsfähig. Gerade diese Aussage des Art. II:2(a) kann zur Bestimmung der Ausgleichsfähigkeit von Abgaben auf die Verwendung bestimmter nichtproduktbezogener PPMs fruchtbar gemacht werden. Dabei ist zu beachten, dass nach Art. II:2(a) nur interne Steuern auf solche Rohstoffe und sonstige Zutaten ausgleichsfähig sind, aus denen das eingeführte Produkt ganz oder teilweise hergestellt worden ist. Mit anderen Worten muss das eingeführte Produkt aus diesen Zutaten bestehen, damit eine Besteuerung dieser Zutaten inländisch als indirekte Besteuerung des fertigen Produkts i.S.v. Art. III:2 angesehen werden kann. 362 Insoweit dürfte der Wortlaut von Art. II:2(a) als eindeutig angesehen werden. Dies wird noch deutlicher in der französischen Fassung des Art. II:2(a), worin von "une marchandise qui a ete incorporee dans l'article importe" die Rede ist. 363 Hier kommt die notwendige körperliche Inkorporierung der verwendeten Zutaten unzweideutig zum Ausdruck. Demnach ist etwa die Besteuerung des zu einem Möbelstück verarbeiteten Holzes als indirekte Besteuerung des fertigen Möbelstücks auch gegenüber eingeführten Produkten ausgleichsfähig. Eine Besteuerung der zur Produktion verwendeten Energieerzeugnisse, die nicht mehr als solche im Endprodukt vorhanden sind, wäre demgegenüber nicht ausgleichsfähig. Das eingeführte Produkt wird in diesen Fällen nicht aus ("from") diesen Energieerzeugnissen, sondern unter ihrer Zuhilfenahme hergestellt. So wird z. B. der eingeführte Baustahl nicht aus Steinkohle hergestellt, sondern lediglich unter ihrer Verwendung gegossen und bearbeitet. Aus der Analyse des Wortlauts appeared that adjustment was not nonnally made for taxes occultes except in countries having a cascade tax; [ ... ]." 362 Schoenbaum, AJIL 91 (1997), S. 310; Düerkop, CML Rev. 31 (1994), S. 822. 363 Nach Art. 33 Abs. 3 WVRK gilt die Vennutung, dass die Ausdrücke eines Vertrages in jeder authentischen Textfassung dieselbe Bedeutung haben; vgl. hierzu Hilf, Die Auslegung mehrsprachiger Verträge, S. 73 ff.

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3. Teil: Handelsmaßnahmen zum Umweltschutz im Recht der WTO

von Art. 1I:2(a) ergibt sich somit eine Unterscheidung zwischen der Besteuerung von Rohstoffen und sonstigen Zutaten, aus denen das eingeführte Produkt besteht, und solchen, die im Prozess der Herstellung verbraucht werden, ohne im eingeführten Produkt fortzubestehen. Hiernach wären erstere Abgaben ausgleichsfähig, letztere wären hingegen nicht ausgleichsfähig und folglich auch nicht von Art. II1:2 erfasst. Einige Stimmen in der Literatur wollen bei diesem Ergebnis jedoch nicht stehen bleiben und sehen die Auslegung der importseitigen Vorschriften des Konzepts des BTA durch die exportseitigen Vorgaben, insbesondere des Subventions-Übereinkommens, überlagert. Danach seien zumindest Abgaben auf Energie, Brennstoffe und Öl ausgleichsfähig, auch wenn diese im Produktionsprozess verbraucht und nicht in das Endprodukt inkorporiert werden. Die Überlagerung der importseitigen durch die exportseitige Regelung finde ihre Rechtfertigung in dem vereinenden Systemgedanken des Konzepts des BTA?64 Das Subventions-Übereinkommen enthält in seinem Anhang I - nach Art. 32.8 des Subventions-Übereinkommens sind die Anhänge Bestandteile des Übereinkommens - eine beispielhafte Aufzählung von Ausfuhrsubventionen. In Anhang I lit. h wird die über die tatsächlich gezahlten "prior-stage cumulative indirect taxes" hinausgehende Rückerstattung für exportierte Produkte als Ausfuhrsubvention aufgeführt. Im Umkehrschluss ergibt sich hieraus, dass die bloße Rückerstattung der tatsächlich angefallenen "prior-stage cumulative indirect taxes" als nach dem Konzept des BTA zulässiger exportseitiger Grenzausgleich anzusehen ist. 365 Weiter spezifiziert werden die nach Anhang I lit. hausgleichsfähigen Steuern als "levied on inputs that are consumed in the production of the exported product". Diese Wendung wird wiederum durch die Fußnote 61 zum Subventions-Übereinkommen in dessen Anhang 11, der speziell der Ausfüllung der in Anhang I lit. hund i des Subventions-Übereinkommens bezeichneten Ausfuhrsubventionen dient, spezifiziert. Fußnote 61 zum Subventions-Übereinkommen lautet: "Inputs consumed in the production process are inputs physically incorporated, energy, fuels and oil used in the production process and catalysts which are consumed in the course of their use to obtain the exported product."

Aus Anhang I lit. h i.Y.m. Fußnote 61 zum Subventions-Übereinkommen ergibt sich somit, dass auf der Exportseite auch Steuern ausgleichsfähig sind, die auf Energie, Brennstoffe und Öl sowie auf Katalysatoren erhoben werden, die im Produktionsprozess verbraucht werden und nicht im Endprodukt fortbestehen. Nach der oben angeführten Ansicht sei diese ausdrückliche Vorgabe des Subventions-Übereinkommens auch bei der Auslegung der importseitigen Vorschriften der Art. II1:2 und 1I:2(a) nachzuvollziehen. Das Konzept des BTA sei einheitlich DemaretlStewardson, JWT 28, Nr. 4 (1994), S. 31. Schoenbaum, AJIL 91 (1997), S. 310 f.; implizit auch Van Calster; International and EU Trade Law, S. 433. 364 365

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auszulegen. Die Import- und Exportseite des Konzepts müssten die gleiche Reichweite besitzen. Andernfalls sei das Auftreten von Asymmetrien im internationalen Handelsystem vorprogrammiert und die durch das Konzept des BTA intendierte Wettbewerbsneutralität verschiedener staatlicher Steuersysteme nicht mehr zu erzielen. 366 Die Übertragung der Regelung des Subventions-Übereinkommens auf Art. III:2 und II:2(a) ist jedoch abzulehnen. Schon grundsätzlich ist eine derart weitgehende systemische Lesart des Konzepts des BTA fragwürdig. Schließlich findet sich für die Annahme einer symmetrischen Entsprechung der export- und importseitigen Regelungen keinerlei Grundlage in den WTO-Übereinkommen. Soweit ersichtlich, wird noch nicht einmal das Konzept des BTA als solches in den WTO-Übereinkommen genannt. Speziell die Übertragung der genannten Regelungen des Subventions-Übereinkommens hinsichtlich des Ausgleichs von Steuern auf Energie, Brennstoffe und Öl ist zudem aus anderen Gründen ausgeschlossen. Die Regelung des Anhangs I lit. h i.Y.m. Fußnote 61 zum Subventions-Übereinkommen repräsentiert nämlich einen speziellen Kompromiss am Ende langanhaltender und zäher Verhandlungen im Rahmen der Uruguay-Runde, der ausschließlich den exportseitigen Grenzausgleich umfasst. 367 Wollte man diese Regelung auf die Importseite des Konzepts des BTA übertragen, würde gerade die Begrenztheit des zu Grunde liegenden Kompromisses verkannt und dieser auf einen Bereich ausgedehnt, der nicht Gegenstand der speziellen Verhandlungen im Rahmen der Uruguay-Runde war?68 Nach alledem bleibt der eindeutige Wortlaut des Art. II:2(a) der entscheidende normative Anhaltspunkt zur Beantwortung der Frage nach der importseitigen Ausgleichsfahigkeit von Umweltabgaben, die auf in der Produktion verwendete Rohstoffe oder sonstige Zutaten erhoben werden. Danach sind nur innerstaatliche Steuern auf solche Rohstoffe und sonstigen Zutaten ausgleichsfahig, die in das eingeführte Produkt inkorporiert sind. (3) Zwischenergebnis

Aus dem Konzept des BTA ergeben sich zahlreiche normative Weichenstellungen für die welthandelsrechtliche Bewertung der Erhebung nichtproduktbezogener Umweltabgaben auf eingeführte Produkte. Zunächst ist zu beachten, dass der mit einer steuerlichen Grenzmaßnahme verfolgte Zweck unerheblich für ihre welthandelsrechtliche Beurteilung ist. Genauso unerheblich ist die Qualifizierung einer Steuer auf eingeführte Produkte als nichtproduktbezogen. Es kommt allein darauf an, dass die Steuer innerstaatlich direkt oder indirekt auf dem gleichartigen ProDemaretlStewardson, JWT 28, Nr. 4 (1994), S. 31. Vgl. hierzu WTO Dok., Negotiating History of Footnote 61 of the Agreement on Subsidies and Countervai1ing Measures, WT /CTE/W /16. 368 Vgl. Van Calster. International and EU Trade Law, S. 436. 366

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3. Teil: Handeismaßnahmen zum Umweltschutz im Recht der WTO

dukt lastet. Auch insoweit kommt den Beweggründen für die Erhebung der Steuer und den die Steuerpflicht auslösenden Umständen keinerlei Bedeutung zu. Danach können Steuern zur Verminderung der produktionsseitigen Umweltbelastungen, die innerstaatlich erst den betreffenden Endprodukten auferlegt werden, unproblematisch auch gleichartigen eingeführten Produkten entgegengehalten werden. Schwieriger gestaltet sich die Zuordnung solcher Steuern zur Verminderung der produktionsseitigen Umweltbelastungen, die entsprechend des Rectijication-atsource-Prinzips schon auf der Ebene der Produktion erhoben werden. Die Erfassung vom Konzept des BTA und damit die Anwendbarkeit von Art. III:2 entscheidet sich dann nach der technischen Ausgestaltung der jeweiligen Steuer. Wird die Steuer innerstaatlich dem Produzenten auferlegt, handelt es sich um eine direkte Steuer, die nicht nach den Regeln des BTA ausgleichsfähig ist. Wird die Steuer hingegen auf die Verwendung bzw. den Verbrauch bestimmter Rohstoffe und sonstiger Zutaten erhoben, ist weiter zu unterscheiden. Dann kommt es entscheidend darauf an, ob die betreffende Zutat physisch in das Endprodukt einbezogen wird und gleichsam fortbesteht oder ob sie im Produktionsprozess verbraucht wird, ohne in das Endprodukt inkorporiert zu werden. Im ersten Fall ist die betreffende Steuer als indirekte Steuer unter Beachtung der Vorgaben des Art. III:2 auch gegenüber eingeführten Produkten ausgleichsfähig, im zweiten Fall kann die Steuer hingegen nicht auch eingeführten Produkten entgegengehalten werden. An dieser Unterscheidung nach der physischen Inkorporierung der innerstaatlich besteuerten Rohstoffe und sonstigen Zutaten im eingeführten Produkt vermag auch die exportseitige Regelung des Konzepts des BTA im Subventions-Übereinkommen nichts zu ändern. Der danach zulässige Ausgleich bestimmter Steuern auf Energie, Brennstoffe und Öl, die nicht physisch in das Endprodukt inkorporiert sind, ist als speziell ausgehandelte Sonderregelung nicht auf die Importseite des Konzepts des BTA übertragbar. Die hiernach als ausgleichsfähig anerkannten Steuern zur Verminderung der produktionsseitigen Umweltbelastungen fallen als "internal taxes or other internal charges of any kind" in den Anwendungsbereich von Art. III:2 und sind im Folgenden an dieser Verpflichtung zu messen. Die nicht ausgleichsfahigen Steuern auf den Produzenten und auf die nicht im Endprodukt inkorporierten Rohstoffe und sonstigen Zutaten zählen hingegen nicht zu den von Art. III:2 erfassten internen Steuern auf einheimische und eingeführte Produkte. Insoweit sind die Voraussetzungen der Anmerkung zu Art. III wie auch des Art. II:2(a) nicht erfüllt. Bei entsprechenden Ausgleichsabgaben gegenüber ausländischen Produkten handelt es sich vielmehr um zollgleiche Abgaben, die den Vorschriften des Art. II unterliegen. 369

369 Hierauf weisen hin Hudec, in: Bronckers/Quick (eds.), S. 195; Rege, JWT 28, Nr. 3 (1994), S. 147 Fn. 50.

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dd) Nichtproduktbezogene Umweltsteuern als interne Steuern Zusammenfassend ergibt sich für die Anwendbarkeit von Art. III:2 auf Umweltsteuern, die an nichtproduktbezogene PPMs des eingeführten Produkts anknüpfen, ein differenziertes Bild. Da innerstaatlich im Zusammenhang der Warenproduktion erhobene Steuern in der Praxis regelmäßig im Rahmen eines umfassenden Steuerausgleichs an der Grenze auch eingeführten Produkten auferlegt werden, bestimmt sich die Anwendbarkeit von Art. III:2 maßgeblich nach dem Konzept des BTA. Hiernach sind drei verschiedene Situationen zu unterscheiden. (l) Steuern, die innerstaatlich dem fertigen Produkt auferlegt werden, dürfen nach dem Konzept des BTA in jedem Fall auch auf eingeführte gleichartige Produkte erhoben werden, und zwar unabhängig davon, ob sie an produktbezogene oder nichtproduktbezogene Umstände anknüpfen. Die entsprechenden Ausgleichssteuern unterfallen Art. III:2.

(2) Steuern, die innerstaatlich dem Produzenten auferlegt werden, etwa wegen der Verwendung umweltbelastender nichtproduktbezogener PPMs, dürfen nach dem Konzept des BTA nicht gegenüber eingeführten Produkten ausgeglichen werden. Entsprechende Ausgleichssteuern an der Grenze fallen nicht in den Anwendungsbereich des Art. III:2. Es handelt sich vielmehr um zoll gleiche Abgaben, deren Rechtmäßigkeit nach Art. 11 zu beurteilen ist. (3) Steuern, die innerstaatlich auf Rohstoffe oder sonstige Zutaten für die Produktion erhoben werden, dürfen eingeführten Produkten nur soweit entgegengehalten werden, als die besteuerten Zutaten im eingeführten Produkt physisch inkorporiert sind. Entsprechende Ausgleichssteuern an der Grenze unterfallen dann Art. III:2. Sind die innerstaatlich besteuerten Zutaten hingegen nicht physisch im eingeführten Produkt enthalten, sondern sind im Produktionsprozess verbraucht worden, scheidet ein Steuerausgleich an der Grenze aus. Art. III:2 ist in diesen Fällen nicht anwendbar. Stattdessen handelt es sich bei den gleichwohl an der Grenze erhobenen Ausgleichsabgaben um zollgleiche Abgaben i. S. d. Art. 11.

b) "Like domestic products" Bei den betreffenden eingeführten und inländischen Produkten müsste es sich ferner um gleichartige Produkte handeln. aa) Innere Struktur des Art. III:2 Für einen Verstoß gegen Art. III:2 S. 1 genügt die höhere Besteuerung eingeführter Produkte im Verhältnis zu gleichartigen inländischen Produkten ("like domestic products"). Eine gesonderte Bezugnahme auf den leitenden Grundsatz des Art. III: 1 ist bei gleichartigen Produkten weder vorgesehen noch erforderlich.

270

3. Teil: Handelsmaßnahmen zum Umweltschutz im Recht der WTO

Für die darüber hinausgreifende Gruppe der in direktem Wettbewerb zueinander stehenden oder austauschbaren Produkte ("directly competitive or substitutable products") enthält Art. 1II:2 S. 2 einen ausdrücklichen Verweis auf Art. III: 1. Ein Verstoß gegen Art. III:2 S. 2 in Verbindung mit der zugehörigen Anmerkung 370 erfordert also zusätzlich zur ungleichen Besteuerung eingeführter und inländischer in direktem Wettbewerb zueinander stehender oder austauschbarer Produkte, dass die Steuervorschriften derart angewendet werden, um die heimische Produktion zu schützen. Aus dieser inneren Systematik des Art. 1II:2 ergibt sich ohne weiteres, dass S. 1 ("like domestic products") im Verhältnis zu S. 2 ("directly competitive or substitutable products") das engere Konzept darstellt. In diesem Sinne hat auch der Appellate Body im Fall Japan - Alcoholic Beverages in Übereinstimmung mit dem Panel gefolgert: ,,[T]he definition of "like products" in Article 1II:2, first sentence, should be construed narrowly. ,,371 Die Auslegung des Begriffes der Gleichartigkeit in Art. III:2 S. 1 muss dieser inneren Systematik des Art. III:2 Rechnung tragen. bb) Verhältnis zum Begriff des like product in Art. 1II:4 Wahrend Art. III:2 zwischen gleichartigen Produkten in seinem S. 1 und in direktem Wettbewerb zueinander stehenden oder austauschbaren Produkten in seinem S. 2 unterscheidet, bezieht sich die Verpflichtung des Art. 1II:4 allgemein auf gleichartige Produkte. Die unterschiedliche Struktur der Verpflichtungen des Art. III:2 und des Art. III:4 kann verschiedene Auswirkungen auf die Reichweite der Verpflichtungen haben. Das Panel im Fall Japan - Alcoholic Beverages hat hierzu ausgeführt: "If the coverage of Article III:2 is identical to that of Article III:4, a different interpretation of the term ,like product' would be called for in the two paragraphs. Otherwise, if the term ,like product' were to be interpreted in an identical way in both instances, the scope of the two paragraphs would be different. ,,372

Hiermit hat das Panel auf die beiden möglichen Konsequenzen aus der unterschiedlichen Struktur der Art. III:2 und 1II:4 hingewiesen, ohne jedoch eindeutig Stellung zu beziehen. 373 Im Falle der einheitlichen Reichweite beider Vorschriften müssten die Begriffe der "like products" jeweils unterschiedlich ausgelegt werden. 370 Die Anmerkung zu Art. III:2 lautet: "A tax conforming to the requirements of the first sentence of paragraph 2 would be considered to be inconsistent with the provisions of the second sentence only in cases where competition was involved between, on the one hand, the taxed product and, on the other hand, a directly competitive or substitutable product which was not similarly taxed." 371 Appellate Body Report, Japan -Alcoholic Beverages, para. 112 f.; siehe auch Appellate Body Report, Canada - Periodicals, para. 473. 372 Panel Report. Japan - Alcoholic Beverages, para. 6.20. 373 Hierauf weist der Appellate Body Report, Japan - Alcoholic Beverages, S. 22 Fn. 44, ausdrücklich hin.

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Bei einheitlicher Auslegung der Begriffe der "like products" hätten die Vorschriften hingegen unterschiedliche Reichweite. Erst im Fall EC - Asbestos hat der Appellate Body anlässlich des indifferenten Vorgehens des vorgeschalteten Panels zu dieser Frage eindeutig Stellung bezogen. Der Appellate Body betonte: ,,[W)e recognize that the relationship between these two provisions is important, because there is no sharp distinction between fiscal regulation, covered by Article III:2, and nonfiscal regulation, covered by Article III:4. Both forms of regulation can often be used to achieve the same ends. It would be incongruous if, due to a significant difference in the product scope of these two provisions, Members were prevented from using one form of regulation - for instance, fiscal - to protect domestic production of certain products, but were able to use another form of regulation - for instance, non-fiscal - to achieve those ends. This would frustrate a consistent application of the ,general principle' in Article III: 1. For these reasons, we conclude that the scope of ,like' in Article 111:4 is broader than the scope of ,like' in Article 111:2, first sentence. Nonetheless, we note, once more, that Article III:2 extends not only to ,like products', but also to products which are ,directly competitive or substitutable', and that Article III:4 extends only to ,like products'. In view of this different language [ ... ) we do conclude that the product scope of Article III:4, although broader than the first sentence of Article III:2, is certainly not broader than the combined product scope of the two sentences of Article III:2 of the GATI 1994...374 Damit hat sich der Appellate Body aufgrund der Austauschbarkeit fiskalischer und nichtfiskalischer staatlicher Regulierungsinstrumente und des insoweit anzuerkennenden Bedürfnisses nach einheitlicher welthandelsrechtlicher Grenzziehung für die identische Reichweite der Bestimmungen der Art. III:2 und III:4 entschieden. Als logische Folge hieraus ergibt sich die unterschiedliche Bedeutung des Like-product-Konzepts in Art. III:2 und III:4. Während der Begriff des "like domestic product" in Art. III:2 "should be construed narrowly,,375, ist der Begriff der "like products" in Art. III:4 "relatively broad,,376.

cc) Die maßgeblichen Kriterien Genau wie bei der Bestimmung der Gleichartigkeit unter Art. III:4 ist auch im Rahmen von Art. III:2 S. 1 auf der Grundlage der Kriterien der physischen Eigenschaften der Produkte, ihres bestimmungsgemäßen Endgebrauchs, der Einschätzung der Verbraucher und der Einordnung in den Zolltarif eine Gesamtabwägung aller relevanten Faktoren vorzunehmen. Aus der inneren Systematik des Art. III:2 samt der erforderlichen Abgrenzung von gleichartigen Produkten und in direktem Wettbewerb zueinander stehenden oder austauschbaren Produkten lässt sich jedoch Appellate Body Report, EC - Asbestos, para. 99. Appellate Body Report, Japan -Alcoholic Beverages, para. 112 f.; siehe auch Appellate Body Report, Canada - Periodicals, S. 25 . 376 Appellate Body Report, EC - Asbestos, para. 100. 374 375

272

3. Teil: Handelsmaßnahmen zum Umweltschutz im Recht der WTO

eine bestimmte Rangfolge dieser Kriterien bei der Bestimmung der engeren Kategorie der Gleichartigkeit ableiten. Zur Bestimmung der weiteren Kategorie der "directly competitive or substitutable products" ist schon nach dem Wortlaut maßgeblich auf das Wettbewerbsverhältnis auf den jeweiligen Märkten 377 und die Austauschbarkeit der untersuchten eingeführten und inländischen Produkte abzustellen. Das Panel im Fall JapanAlcoholic Beverages hat insoweit das Kriterium des Endgebrauchs 378 der Produkte als maßgeblich herausgestellt. 379 Gleichberechtigt daneben dürfte das Kriterium der Einschätzungen der Verbraucher treten?80 Schließlich sind es gerade die Verbraucher, die über ihre Nachfrage einen Wettbewerb zwischen Produkten schaffen und auch maßgeblich über die Austauschbarkeit von Produkten befinden. Als tatsächlicher Indikator zur Ermittlung eines Wettbewerbs verhältnisses wie der Austauschbarkeit eingeführter und inländischer Produkte kann die empirisch zu ermittelnde Nachfrageelastizität herangezogen werden. Hierunter ist das Verhältnis zwischen prozentualer Mengenänderung des einen Gutes und der prozentualen Preisänderung eines anderen Gutes zu verstehen. 381 Wenn demnach die Kriterien des Endgebrauchs und der Einschätzungen der Verbraucher maßgeblich die Bestimmung von "directly competitive or substitutable products" leiten, dürfte der qualitative Sprung zu "like products" i.S. v. Art. III:2 S. 1 durch die physische Ähnlichkeit der Produkte begründet werden. Der Appellate Body hat im Fall Canada - Periodicals den Unterschied zwischen "like products" auf der einen Seite und "directly competitive or substitutable products" auf der anderen dahingehend umschrieben, dass erstgenannte Produkte durch "perfect substitutability" und letztgenannte Produkte durch "imperfect substitutability" gekennzeichnet seien?82 Eine perfekte Austauschbarkeit zwischen zwei Produkten ist jedoch nur dann anzunehmen, wenn sie auch hinsichtlich ihrer physischen Eigenschaften einen hohen Grad an Übereinstimmung aufweisen. "Like products" i.S.v. Art. III:2 S. I unterscheiden sich demnach durch ihre physische Gleichartigkeit von der weiteren Gruppe der "directly competitive or substitutable products" i.S.v. Art. III:2 S. 2.

Vgl. auch Appellate Body Report, Japan - Alcoholic Beverages, S. 28. Auf das Kriterium des Endgebrauchs hat auch schon das Panel im Panel Report, EEC Feed Proteins, para. 4.3, bei der Bestimmung von "directly competitive or substitutable products" i.S.v. Art. III:2 S. 2 maßgeblich abgestellt. 379 Panel Report, Japan - Alcoholic Beverages, para. 6.22; hierzu Appellate Body Report, Japan - Alcoholic Beverages, S. 28. 380 Vgl. Panel Report, Korea - Taxes on Alcoholic Beverages, para. 10.40; für die Berücksichtigung der Einschätzungen der Verbraucher auch Berg, JWT 30, Nr. 2 (1996), S. 205; siehe ferner Van Calster; International and EU Trade Law, S. 428. 381 Ausführlich hierzu Siebert, Einführung in die Volkswirtschaftslehre, S. 75 ff.; vgl. auch Berg, JWT 30, Nr. 2 (1996), S. 204. 382 Appellate Body Report, Canada - Periodicals, S. 31 . 377 378

D. GATT 1994: Art. I, 11, III, XI und XX

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dd) "Like domestic products" und nichtproduktbezogene PPMs Auch im Rahmen von Art. III:2 S. 1 sind Produkte, die sich allein durch die bei ihrer Produktion verwendeten nichtproduktbezogenen PPMs unterscheiden, wegen ihrer physischen Übereinstimmung als gleichartige Produkte einzustufen. Zwar ist der Begriff der Gleichartigkeit in Art. III:2 S. 1 enger als derjenige in Art. III:4. Die Verkürzung ergibt sich jedoch primär daraus, dass die Kriterien des Endgebrauchs und der Einschätzungen der Verbraucher auch zur Bestimmung der weiteren Gruppe der in direktem Wettbewerb zueinander stehenden oder austauschbaren Produkte herangezogen werden. Die engere Gruppe der gleichartigen Produkte hebt sich davon auch durch ihre physische Übereinstimmung ab. Bei der Prüfung von Art. III:4 war aber gerade die physische Identität von eingeführten und einheimischen Produkten, die sich allein durch die im Rahmen ihrer Herstellung verwendeten nichtproduktbezogenen PPMs unterscheiden, ausschlaggebend für die Annahme ihrer Gleichartigkeit. Diese Erwägungen führen daher auch im Rahmen von Art. III:2 S. 1 grundsätzlich zur Bejahung der Gleichartigkeit.

c) "In excess

01"

Eingeführten Produkten darf weder direkt noch indirekt eine höhere steuerliche Belastung auferlegt werden, als sie von gleichartigen inländischen Produkten direkt oder indirekt zu tragen ist. Danach ist ein Vergleich zwischen den effektiven Gesamtbelastungen der jeweiligen Produkte anzustellen.383 Eine Ungleichbehandlung kann auf allen Ebenen der Steuererhebung auftreten und etwa bedingt sein durch unterschiedliche Steuersätze, Bemessungsgrundlagen, Berechnungsmethoden oder Ausnahmetatbestände. 384 Ergibt sich insgesamt eine höhere steuerliche Belastung für eingeführte Produkte im Vergleich zu gleichartigen inländischen Produkten, so verstößt die interne Steuer gegen Art. III:2 S. 1. Weder kommt es darauf an, dass die unterschiedliche Besteuerung tatsächliche Auswirkungen auf die Importvolumina der betreffenden Produkte hat, noch gilt eine Geringfügigkeitsgrenze (De-minimis- Vorbehalt).385 Dabei ist jedoch immer das Konzept des BTA zu berücksichtigen. Wird etwa einem eingeführten Produkt eine interne Steuer auf eine Zutat im Wege des steuerlichen Grenzausgleichs auferlegt, kann hieraus je nach Gehalt der Zutat eine unterschiedliche Besteuerung der eingeführten und inländischen gleichartigen Produkte resultieren, ohne dass hierin ein Verstoß gegen Art. III:2 S. I zu sehen wäre. 386 Wenn beispielsweise eingeführte Spirituosen entsprechend ihres Alkoholgehalts Vgl. Panel Report, Japan - Wines and Alcoholic Beverages, para. 5.9. Vgl. Panel Report, Japan - Wines and Alcoholic Beverages, para. 5.8. 385 Panel Report, US - Superfund, para. 5.1.9; Panel Report, Japan - Wines and Alcoholic Beverages, para. 5.6; Appellate Body Report, Japan -Alcoholic Beverages, S. 25. 386 Panel Report, Japan - Wines and Alcoholic Beverages, para. 5.9. 383

384

18 Puth

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3. Teil: Handelsmaßnahmen zum Umweltschutz im Recht der WTO

im Importstaat besteuert werden, ergibt sich im Verhältnis zu gleichartigen einheimischen Spirituosen mit niedrigerem Alkoholgehalt eine steuerliche Mehrbelastung, die jedoch nicht gegen Art. III:2 S. 1 verstößt. Dies ist eine Konsequenz des Konzepts des BTA. Es fragt sich ferner, ob die im Rahmen von Art. III:4 angestellten Überlegungen zur domestic policy autonomy des Staates der Produktion auch hier eine rechtliche Schranke für den Ausgleich nichtproduktbezogener Umweltabgaben bedeuten. Insoweit könnte das Konzept des BTA entgegenstehen. Schließlich bestimmt es die Reichweite des Herkunftsland- und Bestimmungslandprinzips in Bezug auf die jeweils untersuchte Steuer. Mit anderen Worten schreibt das Konzept des BTA mit der Regelung der Ausgleichsfahigkeit einer internen Steuer zugleich eine Verteilung der diesbezüglichen policy autonomy der handeltreibenden Staaten vor?87 Wenn nach dem importseitigen Konzept des BTA also solche Steuern zur Verminderung der produktionsseitigen Umweltbelastungen, die inländisch erst auf das fertige Produkt oder solche Zutaten erhoben werden, die in das fertige Produkt inkorporiert sind, als ausgleichsfähig zu betrachten sind bzw. solche, die unmittelbar dem Produzenten auferlegt werden oder auf solche Zutaten erhoben werden, die nicht in das Endprodukt inkorporiert werden, als nicht ausgleichsfähig zu betrachten sind, liegt hierin im ersten Fall die Zuweisung einer policy autonomy auch an den Importstaat und im zweiten Fall verbleibt die Möglichkeit zur Steuererhebung allein beim Staat der Produktion. Jedoch sind auch hinsichtlich nichtproduktbezogener Umweltabgaben die Vorgaben des Konzepts der nachhaltigen Entwicklung zu beachten. Diese überlagern für den Bereich des internationalen Umweltschutzes das vornehmlich am Ziel der Ermöglichung unbeeinträchtigten Wettbewerbs trotz verschiedener staatlicher Steuersysteme ausgerichtete Konzept des BTA. Daher gelten auch an dieser Stelle die oben unter Art. III:4 angestellten Überlegungen zur Verteilung der domestic policy autonomy hinsichtlich nichtproduktbezogener Handelsmaßnahmen zum Umweltschutz. 388 Ob nun steuerliche Maßnahmen oder sonstige interne Maßnahmen in Rede stehen, ist im Rahmen des Konzepts der nachhaltigen Entwicklung schließlich ohne Belang. Es handelt sich in beiden Fällen um anerkannte Mittel staatlicher Umweltpolitik, die gleichermaßen handelsbeschränkende Wirkungen entfalten können?89 Daher bedeutet auch im Rahmen von Art. III:2 S. 1 die Besteuerung eingeführter Produkte nach den bei der Produktion verwendeten nichtproduktbezogenen PPMs Vgl. RoessLer; Essays on the Legal Structure, S. 150. Auch Rege, JWT 28, Nr. 3 (1994), S. 159, fordert, trotz grundSätzlicher Einbeziehung nichtproduktbezogener Umweltsteuern in das Konzept des BTA, im Ergebnis die Nichtbesteuerung eingeführter Produkte, die selbst völlig unschädlich sind und lediglich durch ihre Produktion übermäßige Umweltbelastungen hervorrufen. 389 Die Ähnlichkeit steuerlicher Maßnahmen nach Art. 111:2 und sonstiger interner Maßnahmen nach Art. 111:4 in den für das GATT relevanten Hinsichten hat auch der Appellate Body in seinem Bericht im Fall EC - Asbestos, para. 99, unterstrichen. 387 388

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275

und den daraus resultierenden Umweltbelastungen stets eine übermäßige Besteuerung ("in excess of') im Vergleich zur Besteuerung gleichartiger inländischer Produkte.

d) Ergebnis: ArtikellII:2 S. 1 und nichtproduktbezogene Handelsmaßnahmen Die Verpflichtung des Art. 1II:2 S. I erfordert die Inländerbehandlung eingeführter Produkte hinsichtlich interner Steuern und sonstiger Abgaben. Hierunter sind grundsätzlich alle finanziellen Belastungen zu verstehen, die eingeführten und einheimischen Produkten kraft hoheitlicher Anordnung auferlegt werden. In der Praxis werden interne Abgaben gegenüber eingeführten Produkten regelmäßig im Rahmen eines umfassenden Steuerausgleichs an der Grenze erhoben. Diese Praxis macht eine genaue Abgrenzung zwischen internen Abgaben i.S.v. Art. 1II:2 auf der einen Seite und Zöllen und zollgleichen Abgaben i.S. v. Art. 11 auf der anderen Seite erforderlich. Genau wie schon bei der Abgrenzung von Art. 1II:4 und Art. XI: I wird auch hier die Anmerkung zu Art. III, darüber hinaus aber auch Art. II:2(a) relevant. Danach handelt es sich bei der Erhebung einer Abgabe anlässlich des Grenzübertritts einer ausländischen Ware immer dann um eine interne Abgabe i.S.v. Art. III:2 S. I, wenn diese im Zusammenhang mit der Besteuerung gleichartiger inländischer Produkte steht. Dabei sind nicht nur Steuern auf das fertige inländische Produkt, sondern auch Steuern auf Rohstoffe und Zutaten, aus denen das inländische Produkt hergestellt worden ist, zu beachten. Die genaue Reichweite des möglichen Steuerausgleichs hinsichtlich der in der inländischen Produktion erhobenen Steuern und damit zugleich die Anwendbarkeit von Art. III:2 auf entsprechende Grenzausgleichsabgaben bestimmt sich nach dem Konzept des BTA. Die auch im Rahmen von Art. 1II:2 S. I erforderliche Gleichartigkeit der in Rede stehenden eingeführten und einheimischen Produkte ist genau wie in Art. III:4 auf der Grundlage eines objektiven Ansatzes im Einzelfall zu bestimmen. Der Begriff der Gleichartigkeit in Art. 1II:2 S. I ist jedoch enger als derjenige in Art. III:4. Dies folgt aus der inneren Struktur des Art. 1II:2, der neben der engeren Gruppe der gleichartigen Produkte in seinem S. I noch die weitere Gruppe der in direktem Wettbewerb zueinander stehenden oder austauschbaren Produkte in seinem S. 2 benennt. An der Gleichartigkeit von Produkten, die physisch identisch sind und sich allein durch die bei ihrer Herstellung verwendeten nichtproduktbezogenen PPMs unterscheiden, ändert sich hierdurch jedoch nichts. Die physische Übereinstimmung der Produkte bleibt ausschlaggebend. Ferner bedeutet parallel zu Art. III:4 auch die Besteuerung eingeführter Produkte nach den bei ihrer Herstellung verwendeten umweltschädlichen nichtproduktbezogenen PPMs stets eine übermäßige Besteuerung i.S.v. Art. III:2 S. 1.

IS*

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3. Teil: HandeIsmaßnahmen zum Umweltschutz im Recht der WTO

4. Gesamtergebnis zu Artikel III Nichtproduktbezogene Handelsmaßnahmen zum Umweltschutz fallen regelmäßig in den Anwendungsbereich des Art. I1I, nichtproduktbezogene Umweltsteuern unter Art. I1I:2 S. 1 und sonstige nichtproduktbezogene Maßnahmen unter Art. III:4. Dies gilt jedenfalls für die geläufigen Konstellationen, in denen der Importstaat seine innerstaatlichen Steuern und nichtproduktbezogenen Anforderungen schon an der Grenze auch gegenüber den entsprechend hergestellten ausländischen Produkten durchsetzt. Nur in den Fällen in denen entweder die fraglichen nichtproduktbezogenen Steuern oder sonstigen Vorschriften ausschließlich ausländische Produkte treffen und eine inländische Regulierung nicht existiert oder die nichtproduktbezogenen Vorschriften zwar gleichermaßen für ausländische wie einheimische Produkte gelten, eine entsprechende inländische Produktion aber nicht ersichtlich ist, findet Art. III mangels intern wirksamer Steuern oder sonstiger Vorschriften keine Anwendung. Bei der Bestimmung der Gleichartigkeit in Art. 1II:2 S. I und Art. III:4 können auch nichtproduktbezogene Umstände herangezogen werden. Sie allein erlauben jedoch regelmäßig nicht, physisch identische Produkte als nicht gleichartig einzustufen. Hinsichtlich der zu prüfenden Diskriminierung bedeutet selbst die formale Gleichbehandlung ausländischer und einheimischer gleichartiger Produkte hinsichtlich nichtproduktbezogener Maßnahmen grundsätzlich eine tatsächliche Schlechterstellung i. S. d. Art. III. Dies ergibt sich aus der potentiellen Beeinträchtigung legitimer Wettbewerbschancen der ausländischen Produkte. Schließlich wird den ausländischen Produzenten die Möglichkeit genommen, ihre Produktion frei nach den jeweiligen nationalen komparativen Kostenvorteilen auszurichten. Insgesamt bedeutet dies für die Bewertung nichtproduktbezogener Handelsmaßnahmen nach Art. III: Ist einmal der Anwendungsbereich von Art. III:2 S. I oder Art. 1II:4 eröffnet, liegt regelmäßig auch ein Verstoß vor.

111. Die Verpflichtung des Artikels XI:lVerbot nichttarirarer Handelshemmnisse an der Grenze Der Verpflichtung des Art. XI kommt in der Diskussion um die welthandelsrechtliche Bewertung nichtproduktbezogener Handelsmaßnahmen eine besondere Bedeutung zu. Im Geiste der Produkt-Prozess-Doktrin haben etwa die Panel in den Fällen US - Tuna I und 11 wie auch das Panel im Fall US - Shrimp die in Rede stehenden Maßnahmen als Verstoß gegen Art. XI: I gewertet. Im Folgenden soll diese Annahme überprüft und der Stellenwert der Verpflichtung des Art. XI für die Bewertung nichtproduktbezogener HandeIsmaßnahmen zum Umweltschutz erläutert werden.

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1. Grundlagen Als Folge der Kriegs- und Zwischenkriegszeit waren mengenmäßige Beschränkungen zur Zeit der Verhandlung der ITO und des GATT weit verbreitet. Der Abbau mengenmäßiger Beschränkungen stand daher im Mittelpunkt der Liberalisierungsbestrebungen. 39o Als Ergebnis der Verhandlungen wurde in den Art. XI-XIV einschließlich der zugehörigen Anmerkungen eine umfassende und ausdifferenzierte Regelung hinsichtlich aller "prohibitions or restrietions other than duties, taxes or other charges" der Ein- und Ausfuhr von Waren niedergelegt. Kernelement dieses Regelungskomplexes ist die Verpflichtung des Art. XI: I, die ausweislieh der Überschrift des Art. XI ein allgemeines Verbot mengenmäßiger Beschränkungen in Geltung setzt. In Art. XI:2 und XII finden sich hierzu spezielle Ausnahmevorschriften. Für den Fall danach ausnahmsweise zulässiger Beschränkungen stellt Art. XIII das Erfordernis der nichtdiskriminierenden Anwendung auf. Dieses Erfordernis wird wiederum durch Art. XIV mit speziellen Ausnahmen versehen. 391 Das generelle Verbot mengenmäßiger Beschränkungen in Art. XI: I steht dabei in unauflösbarem Zusammenhang zur Zollpolitik des GATT. Entsprechend der Maxime "tariffs only" anerkennt das GATT allein Zölle als legitimes Mittel staatlicher Handelspolitik. Alle anderen staatlichen Maßnahmen zur direkten Steuerung der Warenströme an der Grenze, insbesondere mengenmäßige Beschränkungen, sind hingegen nach Art. XI: I verboten?92 Die hierin zum Ausdruck kommende Präferenz des GATT für Zölle findet ihre Rechtfertigung in ihrer vergleichsweise geringen handelsverzerrenden Wirkung?93 Im Unterschied speziell zu mengenmäßigen Beschränkungen setzen Zölle - mit Ausnahme der Prohibitivzölle - den Marktmechanismus grundsätzlich nicht außer Kraft. Sie sind zudem transparenter und in ihren wirtschaftlichen Auswirkungen kalkulierbarer als nichttarifäre Grenzmaßnahmen. Die Verpflichtung des Art. XI: 1 steht damit im Dienste des zu den Leitprinzipien des Welthandelssystems zählenden Ideals offener Märkte?94 Daher ist es auch völlig irrelevant aus welchem Grund und mit welcher Zielsetzung eine den Marktzugang beschränkende Maßnahme ergriffen wird. 395 Anders als die Nichtdiskrimi390 Vgl. hierzu Jackson, World Trade and the Law of GATT, S. 306 f.; Benedek, Die Rechtsordnung des GATT, S. 62. 391 Einen instruktiven Überblick über den Regelungskomplex bietet Jackson, World Trade and the Law of GATT, S. 308. 392 Vgl. Jackson, The World Trading System, S. 139; Hailbronner / Bierwagen, JA 1988, S.321. 393 Vgl. Dam, The GATT, S. 148 f.; Jackson, The World Trading System, S. 140; Dorsch, in: Rüsken (Hrsg.), Rn. 13. 394 Van Calster, International and EU Trade Law, S. 64; Tietje, Normative Grundstrukturen, S. 273. 395 Panel Report, Qualitative Restrictions Against Imports 0/ Certain Products /rom HongKong, para. 27; Panel Report, Japanese Measures on Imports 0/ Leather, para. 44.

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3. Teil: Handelsmaßnahmen zum Umweltschutz im Recht der WTO

nierungsverpflichtungen der Art. I und III wirkt Art. XI im Rahmen seines Anwendungsbereichs als Beschränkungsverbot. 396 Gerade dies macht die Anwendung von Art. XI auf nichtproduktbezogene Handelsmaßnahmen zum Umweltschutz für die Vertreter der Produkt-Prozess-Doktrin so attraktiv?97 In auffälligem Gegensatz zu der in den Anfangstagen der Welthandelsordnung hervorgehobenen Bedeutung des umfassenden Abbaus mengenmäßiger Beschränkungen steht die bisher nur ansatzweise rechtliche Durchdringung der Verpflichtung des Art. XI: 1. 398 Erste Konturen erhält die Verpflichtung jedoch durch die Abgrenzung zu tarifären Handelshemmnissen, zu Grenzausgleichssteuern nach dem Konzept des BTA und - im vorliegenden Zusammenhang von besonderer Bedeutung - zu sonstigen internen Vorschriften.

2. "Prohibitions or restrictions other than duties, taxes or other charges" Die Verpflichtung des Art. XI: 1 findet Anwendung auf alle Verbote oder Beschränkungen der Ein- oder Ausfuhr von Waren, mit Ausnahme von Zöllen, Abgaben und sonstigen Belastungen ("prohibitions or restrietions other than duties, taxes or other charges").

a) Verbot nichttarifärer Handelshemmnisse an der Grenze Nach Art. XI:1 sind alle Verbote oder Beschränkungen der Einfuhr von Waren, ihrer Ausfuhr oder ihres Verkaufs zur Ausfuhr, mit Ausnahme von Zöllen, Abgaben und sonstigen Belastungen, verboten. Dabei ist es unerheblich, wie diese Verbote und Beschränkungen tatsächlich ausgestaltet sind. Art. XI: 1 nennt ausdrücklich die Festlegung von Quoten, die Einforderung von Import- und Exportlizenzen und die Aufstellung aller sonstigen den Marktzutritt beschränkenden staatlichen Vorgaben. Der offene Wortlaut der Vorschrift umfasst demnach nicht nur ein Verbot mengenmäßiger Beschränkungen, wie die Überschrift des Art. XI nahe legt, sondern ein umfassendes Verbot nichttarifarer Handelshemmnisse an der Grenze?99 Dies bestätigt auch der Hintergrund der Tariffs-only-Maxime, wonach grundsätzlich alle Beschränkungen an der Grenze außer Zöllen verboten sein sollen. Der Ausschluss von "duties, taxes or other charges" aus dem Anwendungsbereich des Art. XI: 1 dient der Anpassung an die Verpflichtungen des Art. 11, der Ähnlich Weiß. EuR 1999, S. 503. Vgl. Epiney, DVBI. 2000, S. 79. 398 Mögliche Gründe hierfür liefert Van Calster; International and EU Trade Law, S. 64. 399 Vgl. Senti. WTO, Rn. 549; Jackson, The World Trading System, S. 153; Dam. The GATT, S. 151; Panel Report, Japan - Trade in Semi-Conductors. para. 104. 396 397

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die tarifaren Grenzmaßnahmen erfasst. Insbesondere Art. 11: 1(b) verbietet die über die Zollzugeständnisse hinausgehenden ordentlichen Zölle und auch die über die Bindungen hinausgehenden zollgleichen Abgaben. 4°O Die Freistellung auch von "taxes" dürfte ferner der Abgrenzung zu internen Steuern i. S. d. Art. 1II:2 dienen, die in Übereinstimmung mit dem Konzept des BTA bereits an der Grenze ausgeglichen werden.

b) Abgrenzung zu Artikel IlI:4 Vor allem die Panel in den Fällen US - Tuna I und II haben Hande1smaßnahmen zur Durchsetzung interner nichtproduktbezogener Anforderungen gegenüber eingeführten Produkten aus dem Anwendungsbereich des Art. 1II:4 ausgeschlossen und generell Art. XI: 1 unterstellt. Diese generelle Zuweisung zu Art. XI ist bereits im Rahmen der Prüfung von Art. 1II:4 erörtert und abgelehnt worden. 401 Entsprechend der obigen Ausführungen gilt an dieser Stelle, dass Handelsrnaßnahmen zur Durchsetzung nichtproduktbezogener Anforderungen gegenüber eingeführten Produkten nur dann Art. XI unterfallen, wenn gleichartige inländische Produkte ähnlichen Vorgaben nicht unterliegen, oder die nichtproduktbezogenen Anforderungen zwar unterschiedslos gelten, tatsächlich eine inländische Produktion gleichartiger Produkte aber gar nicht ersichtlich ist. In allen anderen Fällen ist Art. 1II:4 anwendbar. c) Anwendung des Verbots

Wenn in einem konkreten Streitfall erst einmal die Frage der Anwendbarkeit von Art. XI: I geklärt ist, bereitet die Feststellung eines Verbots oder einer Beschränkung des Marktzugangs durch die fragliche Maßnahme regelmäßig keine Probleme mehr. 402 Eine Beschränkung des Marktzugangs, sei es durch Importverbote wie in den Fällen US - Tuna I und II und US - Shrimp oder durch zwingende Kennzeichnungsvorschriften für Tropenholz403 , ist leicht an den in Rede stehenden Maßnahmen abzulesen. Insoweit ist genau wie unter den anderen Freihandelsverpflichtungen des GATT auch im Rahmen des Art. XI: 1 das Vorliegen tatsächlicher trade effects unerheblich. Es kommt allein darauf an, dass die Wettbewerbsbedingungen für im internationalen Handel befindliche Produkte nicht durch andere die Ein- oder Ausfuhr von Waren beschränkende Maßnahmen als Zölle beeinträchtigt werden. 404

400

401 402 403 404

Hierzu Jackson, World Trade and the Law of GATT, S. 315. Siehe oben dritter Teil D.H.2.a)bb). Ebenso Van Calster, International and EU Trade Law, S. 66. Siehe hierzu erster Teil C.I.2. Panel Report, US - Superfund, para. 5.2.2; Panel Report, EEC - Oilseeds, para. 150.

280

3. Teil: Handeismaßnahmen zum Umweltschutz im Recht der WTO

3. Ergebnis: Nichtproduktbezogene Handeismaßnahmen und Artikel XI:1

Fallen nichtproduktbezogene Handelsmaßnahmen zum Umweltschutz in den Anwendungsbereich des Art. XI:l, so ergibt sich schon aus dem umfassenden Verbot nichttarifärer Handelshemmnisse an der Grenze ein entsprechender Verstoß.

IV. Die Verpflichtung des Artikels II:l(b) S. 2 Zollgleiche Abgaben zum Umweltschutz Die Verpflichtung des Art. 11: 1(b) hat im Zusammenhang nichtproduktbezogener Handelsmaßnahmen zum Umweltschutz bisher weder in der Streitbeilegungspraxis noch in der wissenschaftlichen Diskussion breitere Beachtung gefunden. Speziell nichtproduktbezogene Abgaben zum Umweltschutz, die der Importstaat bereits an der Grenze erhebt, können jedoch als zollgleiche Abgaben in den Anwendungsbereich des Art. 11: 1(b) S. 2 fallen. 1. Grundlagen: Die Bindung von Zöllen und zollgleichen Abgaben

Ausgangspunkt für die Zollpolitik des GATT ist Art. xxvm bis : 1. Danach erkennen die Mitglieder zunächst ausdrücklich an, dass Zölle den internationalen Handel oft erheblich behindern, und bekennen sich als Antwort darauf zu Zollverhandlungen, mittels derer eine substantielle Herabsetzung des allgemeinen Niveaus der Zölle erreicht werden soll. Das Bestehen von Zöllen wird demnach im Rahmen des GATT als Faktum akzeptiert. Zölle und zoll gleiche Abgaben sind nach Art. XI: 1 die einzigen zulässigen Grenzmaßnahmen zur unmittelbaren Beeinflussung des internationalen Handels (sog. Tarijfs-only-Maxime). Wegen ihrer möglichen negativen Auswirkungen auf den internationalen Handel sind die Mitglieder allein übereingekommen, von Zeit zu Zeit in ernsthafte Verhandlungen zur Zoll senkung einzutreten. Die Verhandlungsergebnisse werden in eigenen Listen der Zugeständnisse (schedules oi concessions) für jedes Mitglied gesondert festgehalten. 405 Die Listen sind gemäß Art. 11:7 integraler Bestandteil des GATT. Durch Art. 11 werden die Mitglieder an die von ihnen gemachten Zollzugeständnisse gebunden. Sinn und Zweck der Vorschrift ist somit die Bewahrung des Wertes der einzelstaatlichen Zugeständnisse. 406 Dies bedeutet, dass der Zoll auf ein bestimmtes Produkt den in der Liste festgehaltenen Satz nicht überschreiten darf. Über die Bindung hinausgehenJackson, The World Trading System, S. 142; Senti, WTO, Rn. 513. Vgl. Appellate Body Report, Argentinia - Footwear; para. 47; Appellate Body Report, Canada - Dairy Products, para. 137. 405

406

D. GATf 1994: Art. I, 11, 111, XI und XX

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de Zölle sind nach Art. 11: 1(b) S. 1 unbeachtlich. Eine Unterschreitung des enthaltenen Zollsatzes bleibt hingegen jederzeit möglich. 407 Unter dem GATT 1947 wurden allein Zölle in die Listen der Zugeständnisse aufgenommen. Erst im Rahmen der WTO werden nach der Vereinbarung zur Auslegung des Artikels II:1 (b) des GATT 1994408 nunmehr auch die zollgleichen Abgaben hinsichtlich der gebundenen Produkte in die Listen der Zugeständnisse aufgenommen und damit klar erkennbar gebunden. Über die Bindungen hinaus erhobene zollgleiche Abgaben sind nach Art. 11: 1(b) S. 2 unbeachtlich. In Abwesenheit eines Zugeständnisses für eine Zollposition unterliegt das betreffende Mitglied keinen Beschränkungen aus dem GATT. Zölle und zollgleiche Abgaben können für diese Produkte nach Belieben festgelegt werden (sog. ungebundene Zölle und zoll gleiche Abgaben).

2. "All other duties or charges of any kind" Damit Art. 1I:1(b) S. 2 auf nichtproduktbezogene Abgaben zum Umweltschutz Anwendung finden kann, müsste es sich zunächst um zollgleiche Abgaben ("all other duties or charges of any kind imposed on or in connection with the importation") handeln. a) Zölle und zollgleiche Abgaben

Zollgleiche Abgaben i. S. d. Art. II:l(b) S. 2 stehen eigentlichen Zöllen ("ordinary customs duties") i. S. d. Art. II:l(b) S. 1 gegenüber. Unter Zöllen sind alle Abgaben auf Waren zu verstehen, die allein aufgrund des Grenzübertritts der Ware nach einem in einem nationalen Zolltarif niedergelegten Satz erhoben und als solche bezeichnet werden. 409 Zoll gleiche Abgaben sind hingegen nicht in nationalen Zolltarifen niedergelegt und werden auch nicht als Zölle bezeichnet, belasten aber genau wie Zölle eine Ware allein aufgrund ihres Grenzübertritts. 410 Diese weite Definition zoll gleicher Abgaben erlangt weitere Konturen erst durch die Abgrenzung zu internen Steuern i. S. d. Art. III. b) Abgrenzung zu internen Steuern

Wie bereits bei der Überprüfung von Art. III:2 S. 1 dargelegt, kann es sich nach der Anmerkung zu Art. III auch dann um eine interne Steuer handeln, wenn sie Jackson. The World Trading System, S. 143. Understanding on the Interpretation of Article 1I:1(b) of the General Agreement on Tariffs and Trade 1994; englicher Text in WTO (ed.), The Results of the Uruguay Round, S. 23 f.; deutscher Text bei Benedek (Hrsg.), Die Welthandelsorganisation, S. 138 f. 409 Senti. WTO, Rn. 496; vgl. auch Hoekmanl Kostecki. The Political Economy, S. 147. 410 Vgl. Voß. in: Grabitz/Hilf (Hrsg.), Art. 25 EGV Rn. 12; Senti. WTO, Rn. 497. 407

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3. Teil: Handeismaßnahmen zum Umweltschutz im Recht der WTO

anlässlich des Grenzübertritts einer ausländischen Ware erhoben wird. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass die Steuer im Zusammenhang mit der Besteuerung inländischer gleichartiger Produkte steht. 411 Im Umkehrschluss ergibt sich hieraus, dass eine Steuer, die anlässlich des Grenzübertritts einer ausländischen Ware erhoben wird, als zollgleiche Abgabe zu behandeln ist, wenn sie unabhängig von der Besteuerung gleichartiger inländischer Produkte erhoben wird. c) Nichtproduktbezogene Umweltabgaben als zollgleiche Abgaben

Komplementär zu Art. III:2 erfasst Art. II:l(b) S. 2 als zollgleiche Abgaben insbesondere die an der Grenze erhobenen nichtproduktbezogenen Umweltabgaben, die nach den obigen Ausführungen nicht dem Konzept des BTA unterfallen. Hierher gehören die innerstaatlich dem Produzenten auferlegten Steuern entsprechend der bei der Warenproduktion anfallenden Umweltbelastungen und die innerstaatlich auf solche Rohstoffe und Zutaten erhobenen Steuern, die im Produktionsprozess verbraucht, d. h. nicht in das Endprodukt inkorporiert werden. Entsprechende nichtproduktbezogene Abgaben auf ausländische Produkte, die anlässlich ihres Grenzübertritts erhoben werden, unterfallen demnach als zollgleiche Abgaben Art. II:l(b) S. 2.

3. Rechtsfolgen Nach Art. II:I(b) S. 2 i.Y.m. der Vereinbarung zur Auslegung des Art. II:l(b) des GATT 1994412 sind die betreffenden Produkte von allen über die jeweiligen Bindungen hinausgehenden zollgleichen Abgaben befreit. Wenn also ein Mitglied hinsichtlich eines gebundenen Produkts nicht ausnahmsweise zum Zeitpunkt der Bindung413 eine solche Grenzabgabe auf eingeführte Produkte in Geltung gesetzt und diese in seiner Liste der Zugeständnisse ausgenommen hatte, sind die eingeführten Produkte hiervon automatisch befreit. Werden zollgleiche Abgaben zum Umweltschutz dennoch erhoben, liegt hierin eine Verletzung von Art. II:l(b) S. 2 i.V.m. der Vereinbarung zur Auslegung des Art. II:l(b) des GATT 1994.

411 Ausführlich zur Abgrenzung von internen Steuern und zollgleichen Abgaben oben dritter Teil D.II.3.a)bb). 412 Understanding on the Interpretation of Artic\e II:l(b) of the General Agreement on Tariffs and Trade 1994; englischer Text in WTO (ed.), The Results of the Uruguay Round, S. 23 f.; deutscher Text bei Benedek (Hrsg.), Die Welthandelsorganisation, S. 138 f. 413 Hinsichtlich der Zugeständnisse, die bereits am 15. April 1994 bestanden haben, gilt dieses Datum als Zeitpunkt der Bindung. Hinsichtlich neu ausgehandelter oder veränderter Zugeständnisse gilt der Tag der Aufnahme in die jeweilige Liste der Zugeständnisse als Zeitpunkt der Bindung. Siehe hierzu die Vereinbarung zur Auslegung des Artikels II:l(b) des GATT 1994.

D. GAlT 1994: Art. I, 11, III, XI und XX

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V. Die Verpflichtung des Artikels 1:1Meistbegünstigung hinsichtlich Zöllen, zollgleicher Abgaben und interner Maßnahmen Nichtproduktbezogene Handelsmaßnahmen zum Umweltschutz sind schließlich an der allgemeinen Meistbegünstigungsverpflichtung des Art. I: 1 zu messen.

1. Grundlagen Die allgemeine Meistbegünstigungsverpflichtung des Art. I bildet das Herzstück des GATI und formt zusammen mit den entsprechenden Verpflichtungen des Art. 11 GATS und Art. 4 TRIPS den Kern der gesamten WTO-Rechtsordnung. Art. I ist neben Art. III der zentrale Ausdruck des Grundsatzes der Nichtdiskriminierung im GATI. 414 Im Unterschied zu Art. III, wonach die Gleichbehandlung eingeführter und gleichartiger inländischer Produkte (Vergleich Inland / Ausland) geschuldet ist, verlangt Art. I die Gleichbehandlung von gleichartigen Produkten aus verschiedenen Staaten (Vergleich Ausland/ Ausland).415 Darüber hinaus finden sich weitere spezielle Verpflichtungen zur Meistbegünstigung und Nichtdiskriminierung im GA&16, welche die grundlegende Bedeutung der allgemeinen Meistbegünstigungsverpflichtung jedoch in keiner Weise schmälern. Ziel der allgemeinen Meistbegünstigungsverpflichtung des Art. I: 1 ist die Vermeidung jeglicher Diskriminierung zwischen Produkten, die aus verschiedenen WTO-Mitgliedstaaten stammen bzw. für verschiedene WTO-Mitgliedstaaten bestimmt sind. Ferner dient die Verpflichtung des Art. I: 1 der automatischen Erstreckung aller Liberalisierungserfolge auf alle Mitglieder. 417 Der Appellate Body hat den Sinn und Zweck von Art. I: 1 im Fall Canada - Automotive Industry wie folgt umschrieben: ,,[The object and purpose of Article 1:1] is to prohibit discrimination among like products originating in or destined for different countries. The prohibition of discrimination in Article I: 1 also serves as an incentive for concessions, negotiated reciproca11y, to be extended to a11 other Members on an MFN basis.,,418

Dieser umfassenden Zielsetzung entsprechend, findet Art. I: 1 schon nach seinem Wortlaut nicht nur auf border measures Anwendung, sondern über den Verweis auf die von Art. III:2 und III:4 erfassten Maßnahmen auch auf interne handelsrelevante 414 V gl. statt vieler Trebilcockl Howse, The Regulation of International Trade, S. 26. Van Calster; International and EU Trade Law, S. 33; TrebilcocklHowse, The Regulation ofInternational Trade, S. 29. 416 Z. B. Art. III:7; IV(b); V:2, 5 und 6; IX:l; XIII: 1; XVIII:20. 417 Vgl. StolilSchorkopf, WTO, Rn. 118. 418 Appe11ate Body Report, Canada - Automotive lndustry, para. 84. 415

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3. Teil: Handelsmaßnahmen zum Umweltschutz im Recht der WTO

Maßnahmen der Mitglieder Anwendung. 419 Im Folgenden sollen insbesondere die Erhebung von Umweltzöllen, von zollgleichen Abgaben, wie auch das Ergreifen interner Maßnahmen der Steuererhebung und sonstiger Regulierung nach nichtproduktbezogenen Kriterien am Maßstab des Art. I: I überprüft werden.

2. Artikel 1:1 - Zolldifferenzierungen zum Umweltschutz Die Möglichkeit der Erhebung spezieller Umweltzölle hat in der Diskussion um Handel und Umwelt bisher kaum Beachtung gefunden. Dies dürfte an den weitgehenden Zollbindungen unter dem GATT und der damit einhergehenden Starrheit dieses Instruments liegen. 42o Schließlich verlangt gerade der Umweltschutz vor dem Hintergrund rasanter Entwicklungen in Technologie und Wissenschaft nach flexiblen staatlichen Regulierungsinstrumenten. Dies wird in der umweltökonomischen Diskussion immer wieder betont. Hierbei bleibt jedoch unberücksichtigt, dass unter dem GATT allein Zölle als legitimes Mittel unmittelbarer staatlicher Einflussnahme auf die Handelsströme anerkannt sind. Diese welthandelsrechtliche Dimension macht die Erhebung von Umweltzöllen durchaus zu einem attraktiven Instrument internationaler Umweltpolitik, das eine nähere Beleuchtung verdient. 421

a) Hintergrund: Die Zollpolitik des GAlT Um die besondere Funktion von Art. I: I bei der Disziplinierung der einzelstaatlichen Zollpolitik zu verdeutlichen, bedarf es der vorherigen Einordnung der Meistbegünstigungsverpflichtung in die Zollpolitik des GATT. Erst vor diesem Hintergrund wird insbesondere das Zusammenspiel von Art. I: I und dem Harmonisierten System sichtbar. aa) Zolldifferenzierungen und das GATT Hinsichtlich der Formulierung und Differenzierung der Zollzugeständnisse nach umweltrelevanten Gesichtspunkten, insbesondere nach nichtproduktbezogenen Anforderungen, sind Art. 11 keine Vorgaben zu entnehmen. Art. 11 setzt bestimmte Zugeständnisse der Mitglieder voraus, formuliert aber keine inhaltlichen Anforderungen an diese Zugeständnisse. Das GATT gibt insbesondere keine bestimmte Klassifikation der Zollpositionen und der entsprechenden Zugeständnisse vor. 422 Petersmann, Constitutional Functions, S. 227. So jedenfalls GATT, Industrial Pollution Control and International Trade, S. 17. 421 Vgl. Cottier, The WTO and Environmental Law, Manuskript S. 5 f.; Gramlieh, AVR 33 (1995), S. 147. 422 Panel Report, Spain - Unroasted Coffee, para. 4.4; Jackson, World Trade and the Law ofGATT, S. 212. 419

420

D. GATI 1994: Art. I, 11, 111, XI und XX

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Danach sind die Mitglieder frei, schon bei der Bindung bestimmter Zölle nach nichtproduktbezogenen Kriterien zu differenzieren und etwa unterschiedliche Zollpositionen für "mit ozonschichtschädigenden Stoffen gebleichtes Papier" und "sauerstoffgebleichtes Papier" festzulegen und mit unterschiedlichen Zollsätzen zu binden. Aber auch innerhalb der einmal an bestimmte Zollsätze gebundenen Zollpositionen können beliebige Untergliederungen eingeführt werden, soweit die Bindung der gesamten Gruppe in jedem Fall gewahrt bleibt. 423 , 424 Im Papierbeispiel könnte also eine gebundene Zollposition "Papier" ohne weiteres in die Positionen "mit ozonschichtschädigenden Stoffen gebleichtes Papier" und "sauerstoffgebleichtes Papier" aufgegliedert werden, wenn nur keiner der erhobenen Zollsätze den gebundenen Höchstzollsatz für "Papier" überschreitet. bb) Die Zollnomenklatur des Harmonisierten Systems Da das GATT keine Vorgaben an die Benennung und Klassifizierung der jeweiligen nationalen Zollpositionen enthält, beruht das Zollregime insoweit allein auf den nationalen Zugeständnislisten, die notwendigerweise in der Terminologie des jeweiligen einzelstaatlichen Zollrechts abgefasst sind. 425 Dementsprechend bedienen sich auch die Verhandlungsführer in den Zollverhandlungen der einzelstaatlichen Zollnomenklaturen als Grundlage ihrer Zugeständnisse und gegenseitigen Erwartungen. Variieren nun die einzelstaatlichen Systeme signifikant, so ergeben sich hieraus schwierige Probleme für die Bewertung und Vergleichbarkeit der einzelstaatlichen Zugeständnisse. Auch die Gewährleistung der einheitlichen Anwendung der einzel staatlichen Zugeständnisse erschwert sich unter Geltung verschiedener Nomenklaturen erheblich. Ein Zollregime ohne einheitliche Zollnomenklatur verursacht hohe Transaktionskosten und stellt sich mithin als handelsbeschränkend dar. 426 Die Staaten haben daher schon frühzeitig begonnen, einheitliche Zollnomenklaturen zu erarbeiten. Entsprechende Bestrebungen können bis in die Zeit des Völkerbundes zurückverfolgt werden. 427 Bisheriges Endergebnis dieser Entwicklung 423 Vgl. die Entscheidung der Vertragsparteien des GATI vom 12. Juli 1983, GATT Concessions under the Hannonized Commodity Description and Coding System, BISD 30S/ 17, para. 3.1. 424 Nicht gemeint sind die praktisch verbreiteten Versuche, über eine Neuklassifizierung die Zollbindungen zu umgehen. In diese Kategorie fallen etwa die Untergliederung einer gebundenen Zollposition in mehrere Unterpositionen mit teilweise über die Bindung hinausgehenden Zollsätzen oder auch die Nichteinbeziehung neu entwickelter Produkte in eine einschlägige bestehende Zollbindung. Insoweit ist Art. 11:5 zu beachten, der unter bestimmten Umständen eine Neuklassifizierung unter Abänderung der Zollbindungen zulässt. Vgl. hierzu Jackson, World Trade and the Law of GATI, S. 211 ff. 425 Vgl. zum Folgenden Jackson, World Trade and the Law of GATI, S. 239. 426 Das handels beschränkende Potenzial der Zollklassifizierung unterstreichen Trebilcock/ Howse, The Regulation of International Trade, S. 127.

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3. Teil: Handelsmaßnahmen zum Umweltschutz im Recht der WTO

ist das Harmonized Commodity Description and Coding System, kurz das Harmonisierte System (HS). Das HS unterscheidet etwa 5000 Warengruppen, die in eine rechtliche und logische Struktur eingepasst sind. 428 Grundlegendes Ziel des HS ist nach seiner ersten Präambelerwägung die Erleichterung des internationalen Handels. Zu diesem Zweck stellt es eine einheitliche Nomenklatur für Produkte auf, mittels derer die Zollverwaltung und die Erhebung von Handelsstatistiken vereinfacht wird. Das HS wurde im Rahmen des BfÜsseler Zollrats (Customs Co-operation Council, CCC), jetzt Welt-Zollorganisation (World Customs Organization, WCO), durch die am 1. Januar 1988 in Kraft getretene International Convention on the Harmonized Commodity Description and Coding System in Geltung gesetzt. Das HS wird zurzeit von 179 Staaten bzw. Zoll- oder Wirtschaftsunionen als Grundlage ihrer Zollnomenklaturen und Handelsstatistiken angewendet. Mehr als 98% der im internationalen Handel befindlichen Waren ist in der Terminologie des HS klassifiziert: "The HS is thus a universal economic language and code for goods, and an indispensable tool for international trade.,,429 Die grundlegende Bedeutung des HS für das GATT hat im Fall EC - Computer Equipment auch der Appellate Body hervorgehoben. Er führte insoweit aus: ,,[Ijt appears to be undisputed that the Uruguay Round tariff negotiations were held on the basis of the Harmonized System's nomenc1ature and that requests for, and offers of, concessions were normally made in terms of this nomenc1ature.,,430

Insgesamt ist daher das HS, einschließlich der Beschlüsse des Harmonized System Committee der WCO, in allen Fragen der Auslegung von Zugeständnissen und der Klassifizierung von Waren zu Zwecken der Zollerhebung heranzuziehen.

cc) Funktion von Art. I: 1 Die Zollnomenklaturen der WTO-Mitglieder sind demnach an den Vorgaben des HS ausgerichtet. Während Art. 11 im Rahmen der eingegangenen Zollbindungen keine Vorgaben an die Bezeichnung und Differenzierung einzelner Zollpositionen und der entsprechenden Zölle formuliert, beschränkt die Meistbegünstigungsverpflichtung des Art. I: 1 die insoweit bestehende Freiheit der Mitglieder. Art. I: 1 gebietet die gleichgünstige Behandlung gleichartiger Produkte aus verschiedenen Herkunftsländern, unabhängig davon, ob es sich um gebundene oder ungebundene 427 Vgl. zu den frühen Entwicklungen Jackson, World Trade and the Law of GATT, S. 239 f. 428 Einen Überblick über das HS bieten Lux, in: Rüsken (Hrsg.), Rn. 17 ff., und Das, The World Trade Organization, S. 57 f. 429 WCO, Harmonized System Convention - General Information - Countries Applying the HS, General Information, abrufbar unter http://www.wcoomd.org/hsc/Hsconve2.htm (Stand: 5. Januar 2(01). 430 Appellate Body Report, EC - Computer Equipment, para. 89.

D. GATI 1994: Art. I, II, III, XI und XX

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Zollpositionen handelt. 431 Die Meistbegünstigungsverpflichtung begrenzt somit die staatlichen Möglichkeiten der Differenzierung von Zollpositionen und der entsprechenden Zollsätze. Das insoweit notwendige Bindeglied zwischen dem HS und der Nichtdiskriminierungsvorschrift des Art. I: I bildet das Like-product- Konzept. 432 Zolldifferenzierungen dürfen nicht soweit gehen, dass hierdurch gleichartige Produkte aus verschiedenen Herkunftsländern unterschiedlich behandelt werden. Wie noch weiter auszuführen sein wird, nehmen die Untergliederungen des HS unter dem Kriterium der Einordnung in den Zolltarif eine Schlüsselstellung bei der Bestimmung der Gleichartigkeit zweier Produkte ein.

b) "Customs duties and charges of any kind" Entsprechend seiner umfassenden Zielrichtung erfasst Art. I: I eine Vielzahl staatlicher handelsbeschränkender Maßnahmen. In der Literatur wird überwiegend jede staatliche Maßnahme, die den internationalen Warenverkehr betrifft, als erfasst angesehen. 433 Vergleichbare Definitionen aus der Streitbeilegungspraxis liegen hingegen nicht vor. Überwiegend begnügen sich die Panel und auch der Appellate Body mit einer fallbezogenen Einordnung der gerade in Rede stehenden Maßnahme unmittelbar anhand des Wortlautes der Meistbegünstigungsverpflichtung. 434 Ein solches Vorgehen bietet sich auch vorliegend an. Die zu untersuchenden Importzölle zum Umweltschutz stellen ohne weiteres "customs duties [ ... ] in connection with importation" i.S.v. Art. I: I dar. Einer weitergehenden Definition des Anwendungsbereichs des Art. I: I bedarf es daher nicht. Zu beachten ist jedoch, dass Art. I: 1 gleichermaßen auf gebundene wie ungebundene Zollpositionen Anwendung findet. 435

c) "Any advantage, favour, privilege or immunity"

Weiter ist zu untersuchen, ob hinsichtlich der Zollerhebung nach umweltrelevanten nichtproduktbezogenen Kriterien einem Produkt "any advantage, favour, privilege or immunity" zuteil wird. 436 Die genaue Reichweite dieses Erfordernisses ist unklar. Der Streitbeilegungspraxis unter GATI 1947 und WTO ist allein zu entnehmen, dass insoweit eine "broad definition" zu Grunde zu legen ist. 437 Im Panel Report, Spain - Unroasted Coffee, para. 4.3. Van Calster, International and EU Trade Law, S. 38 ff. 433 Tietje, Normative Grundstrukturen, S. 202; Dolzer/Laule, EuZW 2000, S. 235. 434 Vgl. die Nachweise in GATI, Analytical Index, S. 28 ff. 435 Panel Report, Spain - Unroasted Coffee, para. 4.3. 436 Vgl. das Vorgehen im Panel Report, US - Non-Rubber Footwear; para. 6.9. 437 Appellate Body Report, EC - Bananas, para. 206; vgl. ferner Panel Report, US - NonRubber Footwear, para. 6.9; Panel Report, EEC - Beef, para. 4.2 f. 431

432

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3. Teil: Handeismaßnahmen zum Umweltschutz im Recht der WTO

Fall der Zollerhebung nach umweItrelevanten nichtproduktbezogenen Kriterien werden die hiermit übereinstimmenden Produkte nicht oder zumindest in geringerem Maße belastet, während die mit den nichtproduktbezogenen Anforderungen nicht übereinstimmenden Produkte in vollem Umfang mit dem Zoll belastet werden. Produkte, die in Übereinstimmung mit den jeweiligen nichtproduktbezogenen Anforderungen produziert worden sind, sind demnach von dem besonderen Umweltzoll freigestellt. Welche Anforderungen auch immer an "any advantage, favour, privilege or immunity" zu stellen sein mögen, die Freistellung bestimmter Produkte von der Erhebung eines besonderen Zolls bedeutet in jedem Fall einen relevanten Vorteil i. S. d. Art. I: 1.438 So hat auch das Panel im Fall US - Customs User Fee festgestellt: "Exemptions from the fee fell within the category of ,advantage, favour, privilege or immunity' which Artic1e 1:1 required to be extended unconditionally to all other contracting parties. ,,439

d) "Like product"

Das Gleichbehandlungsgebot des Art. I: 1 gilt nur im Verhältnis zwischen gleichartigen ausländischen Produkten. Entsprechend den Ausführungen zu Art. III ist auch im Rahmen von Art. I: 1 die Gleichartigkeit der untersuchten Produkte im Einzelfall aufgrund einer Abwägung aller relevanten Faktoren zu bestimmen. 44o Dabei sind auch hier die Kriterien der physischen Eigenschaften, des bestimmungsgemäßen Endgebrauchs, der Einschätzungen der Verbraucher und der Einordnung in den Zolltarif zu beachten. Hinsichtlich Maßnahmen der Zollerhebung muss bei der Bestimmung der Gleichartigkeit besonderes Gewicht auf die Ergebnisse der Zollverhandlungen bzw. auf die durch das HS vorgegebene Produktklassifizierung gelegt werden. Andernfalls könnten diese Vorgaben durch die Meistbegünstigungsverpflichtung überspielt werden. Das Panel im Fall Treatment by Germany of Imports of Sardines hat dieses Spannungs verhältnis eindeutig zugunsten der durch die Zollverhandlungen vorgegebenen Einordnung von Produkten als gleichartig oder nicht gleichartig aufgelöst und die Meistbegünstigungsverpflichtung insoweit an die Ergebnisse der Zollverhandlungen gebunden. So führte das Panel aus: ,,[T]he Panel was satisfied that it would be sufficient to consider whether in the conduct of the negotiations at Torquay the two parties agreed expressly or tacitly to treat these preparations as if they were ,Iike products' for the purposes of the General Agreement. ,,441

In der heutigen Dogmatik des Like-product-Konzepts wäre eine Bindung an die Ergebnisse der Zoll verhandlungen bzw. an die Klassifizierung des HS über das 438 439 440

441

Ebenso Das, The World Trade Organization, S. 16. Panel Report, US - Customs User Fee, para. 122. Siehe oben dritter Teil D.II.2.b). Panel Report, Treatment by Germany 0/ Imports 0/ Sardines, para. 12.

D. GATT 1994: Art. I, 11, III, XI und XX

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Kriterium der Einordnung in den Zolltarif zu erzielen. Dieses Kriterium hat der Appellate Body im Fall Japan - Alcoholic Beverages näher spezifiziert. Nachdem er zunächst die einheitliche Einordnung in den Zolltarif ("uniform tariff classification") als relevantes Kriterium zur Bestimmung der Gleichartigkeit zweier Produkte bestätigt hatte, führte der Appellate Body weiter aus: "Unifonn c1assification in tariff nomenc1atures based on the Hannonized System (the ,HS') was recognized in GATT 1947 practice as providing a useful basis for confinning ,Iikeness' in products. However, there is a major difference between tariff c1assification nomenc1ature and tariff bindings or concessions made by Members of the WTO under Artic1e 11 ofthe GATT 1994. There are risks in using tariff bindings that are too broad as a measure of product ,Iikeness'. Many of the least-deve1oped country Members of the WTO submitted schedules of concessions and commitments as annexes to the GATT 1994 for the first time as required by Artic1e XI ofthe WTO Agreement. Many ofthese least-developed countries, as weil as other developing countries, have bindings in their schedules which inc1ude broad ranges of products that cut across several different HS tariff headings. [ ... ] This does not necessarily indicate similarity of the products covered by a binding. Rather, it represents the results of trade concessions negotiated among Members of the WTO.'.442

In dieser Passage unterscheidet der Appellate Body ausdrücklich zwischen einzelnen staatlichen Zollzugeständnissen und der quasi universell verwendeten Zollnomeklatur des HS. Wahrend einzelne staatliche Zollzugeständnisse bei der Bestimmung der Gleichartigkeit generell mit Vorsicht zu behandeln seien, biete die Nomenklatur des HS einen nützlichen Ausgangspunkt für die Ermittlung der Gleichartigkeit zweier Produkte. Bezieht man die Ausführungen des Panel im Fall Treatment by Germany 01 Imports 01 Sardines entsprechend des Ansatzes des Appellate Body auf die Nomenklatur des HS und nicht auf die einzelnen staatlichen Zollzugeständnisse, ergibt sich daraus die Konsequenz, dass im Rahmen von Art. I: 1 die Vorgaben des HS bei der Bestimmung der Gleichartigkeit zweier Produkte hinsichtlich staatlicher Zolldifferenzierungen zu Zwecken des Umweltschutzes sogar ausschlaggebend sein müssen und nicht nur ein Kriterium unter anderen darstellen. Der Begriff des "like product" in Art. I: 1 muss insoweit die Differenzierungen des HS nachvollziehen. Andernfalls würden die im HS anerkannten Unterschiede zwischen zwei Zollpositionen übergangen und die Mitglieder somit zu einer Gleichbehandlung unterschiedlicher Zollpositionen gezwungen, deren Ungleichbehandlung sie mit der Aufstellung verschiedener Zollpositionen gerade ermöglichen wollten. Dabei bestimmt die Nomenklatur des HS mit der Differenzierung zweier Zollpositionen nur den negativen Fall, d. h. die Ablehnung der Gleichartigkeit zweier Produkte. Da das HS in seinem Art. 3 Abs. 3443 ausdrücklich den Staaten die Mög442 Appellate Body Report, Japan -Alcoholic Beverages, S. 25. 443 Art. 3 Abs. 3 des HS lautet: "Nothing in this Artic1e shall prevent a Contracting Party from establishing, in its Customs tariff or statistical nomenc1atures, subdivisions c1assifying goods beyond the level of the Hannonized System, provided that any such subdivisions 19 Puth

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3. Teil: Handelsmaßnahmen zum Umweltschutz im Recht der WTO

lichkeit zur weiteren Untergliederung der einzelnen Zollpositionen belässt, vermag nicht schon die Tatsache, dass zwei Produkte einer Zollposition unterfallen, positiv die Einstufung als "like products" i.S.v. Art. I: I vorzugeben. In diesen Fällen bedarf es der eigenständigen Überprüfung der Gleichartigkeit, um einen Missbrauch des Rechts zur weiteren Differenzierung der einzelnen Zollpositionen und eine Umgehung der Meistbegünstigungsverpflichtung des Art. I: 1 auszuschließen. So hat das Panel im Fall Canada/ Japan: Dimension Lumber zutreffend ausgeführt: ,,[A] tariff c1assification going beyond the Harmonized System's structure is a legitimate means of adapting the tariff scheme to each contracting pany' s trade policy interests, comprising both its protection needs and its requirements for the purposes of tariff- and trade negotiations. It must however be borne in mind that such differentiations may lend themselves to abuse, insofar as they may serve to circumscribe tariff advantages in such a way that they are conducive to discrimination among like products originating in different contracting panies. ,,444

Das HS ist daher im vorliegenden Zusammenhang nur insoweit bei der Bestimmung der Gleichartigkeit zweier Produkte zwingend nachzuvollziehen, als es verschiedene Zollpositionen für die betreffenden Produkte vorgibt. Bei der Erhebung von Umweltzöllen in Abhängigkeit von den verwendeten nichtproduktbezogenen PPMs sind demnach zwei Konstellationen zu unterscheiden. Hat der regulierende Staat über die Nomenklatur des HS hinaus Zolldifferenzierungen nach der Umweltschädlichkeit der jeweils verwendeten nichtproduktbezogenen PPMs vorgenommen, so ist dies unter dem Kriterium der Einordnung in den Zolltarif nur von beschränkter Aussagekraft. Schließlich kommt es für die Bestimmung der Gleichartigkeit zweier Produkte gerade auf die einheitliche Klassifizierung an. Entsprechend der Ausführungen zu Art. III dominiert in diesem Fall völlig identischer Produkte das Kriterium der physischen Eigenschaften. Dies dürfte regelmäßig zur Einordnung der betreffenden Produkte als "like products" auch im Rahmen von Art. I: 1 führen. In diesem Sinne hat auch das Panel im Fall Spain - Unroasted Coffee eine Differenzierung nicht gerösteten Kaffees u. a. nach den verwendeten Anbaumethoden und der Weiterverarbeitung der Bohnen nicht zugelassen. Das Panel machte insoweit geltend: "The Panel examined all arguments that had been advanced during the proceedings for the justification of a different tariff treatment for various groups and types of unroasted coffee. It noted that these arguments mainly related to organoleptic differences resulting from geographical factors, cultivation methods, the processing of the beans, and the genetic factor. The Panel did not consider that such differences were sufficient reason to allow for a different tariff treatment. It pointed out that it was not unusual in the case of agricultural products that the taste and aroma of the end-product would differ because of one or several of the above-mentioned factors. ,,445 is added and coded at a level beyond that of the six -digit numerical code set out in the Annex to this Convention." 444 Panel Report, Canada/ Japan: Dimension Lumber; para. 5.9. 445 Panel Report, Spain - Unroasted Coffee, para. 4.6.

D. GAIT 1994: Art. I, II, III, XI und XX

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Anders wäre die Frage der Gleichartigkeit dann zu entscheiden, wenn eine Zolldifferenzierung nach der Umweltschädlichkeit bestimmter nichtproduktbezogener PPMs selbst in der Nomenklatur des HS enthalten wäre. Es ist der welthandelsrechtlichen Literatur weitgehend entgangen, dass das HS selbst einige wenige Klassifizierungen enthält, die an nichtproduktbezogene Merkmale anknüpfen. 446 So erfasst etwa Position 97.03 des HS "Original Sculptures and Statuary". Der Begriff "original" soll in diesem Fall verdeutlichen, dass nur solche Erzeugnisse von dieser Position erfasst werden, die nicht der Massenproduktion entstammen. 447 Hiernach unterfallen also Skulpturen je nach dem verwendeten Herstellungsverfahren unterschiedlichen Tarifpositionen des HS. Greifen die Mitglieder diese, auf nichtproduktbezogenen Umständen beruhende Zolldifferenzierung auf und erheben unterschiedliche Zölle auf die Originalskulptur und die physisch identischen, aber maschinell hergestellten Abgüsse dieser Skulptur, liegt hierin kein Verstoß gegen Art. I: 1. In diesem Fall handelt es sich trotz physischer Übereinstimmung der Skulpturen nicht um gleichartige Produkte i.S. v. Art. I: I. Das Kriterium der Einordnung in den Zolltarif setzt sich in diesen Fällen bei der Bestimmung der Gleichartigkeit der Skulpturen durch. Zolldifferenzierungen nach der Umweltschädlichkeit bestimmter nichtproduktbezogener PPMs haben - soweit ersichtlich - bisher keinen Eingang in die Nomenklatur des HS gefunden. Die angestellten Überlegungen zur Bedeutung des HS für die Bestimmung der Gleichartigkeit von ausländischen Produkten bei Maßnahmen der Zollerhebung sind im vorliegenden Zusammenhang daher noch von rein theoretischem Interesse. Es soll jedoch festgehalten werden, dass über entsprechende Änderungen des HS ohne weiteres auch die Zulässigkeit nichtproduktbezogener Umweltzölle herbeigeführt werden kann. Hier besteht breiter Raum für die Installierung nichtproduktbezogener Umweltzölle in perfekter Übereinstimmung mit den Verpflichtungen des GATT.

e) "Shall be accorded immediately and unconditionally" Die hinsichtlich der Erhebung von Importzöllen nach nichtproduktbezogenen Kriterien einem ausländischen Produkt zuteil werdenden Vorteile müssen schließlich unverzüglich ("immediately") und unbedingt ("unconditionally") auch allen gleichartigen Produkten, die aus den WTO-Mitgliedstaaten stammen, gewährt werden. aa) Gleichbehandlungsgebot In der Verpflichtung zur unverzüglichen und unbedingten Weitergabe aller Vorteile, die ein ausländisches oder zur Ausfuhr bestimmtes inländisches Produkt ge446 447

19*

Vgl. den Überblick bei Lux, in: Rüsken (Hrsg.), Rn. 184 ff. Anmerkung 3 zu Kapitel 97 des HS.

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3. Teil: Handelsmaßnahmen zum Umweltschutz im Recht der WTO

nießt, an alle anderen gleichartigen Produkte, die aus den Mitgliedstaaten der WTO stammen oder für sie bestimmt sind, liegt das eigentliche Gleichbehandlungsgebot des Art. I: 1. Dabei erfordert die unverzügliche Meistbegünstigung die gleichzeitige Gewährung der Vorteile gegenüber allen Mitgliedern. 448 Die unbedingte Meistbegünstigung bedeutet, dass die Weitergabe der Vorteile nicht von gegenseitigen Zugeständnissen abhängig gemacht werden darf, sondern automatisch zu erfolgen hat. 449 Hieraus ergibt sich insbesondere die Unzulässigkeit der Verrechnung ("balancing") einer weniger günstigen Behandlung eines Produkts in einer Hinsicht mit seiner günstigeren Behandlung in anderer Hinsicht. 45o Jeder einzelne von Art. I: 1 erfasste Vorteil ist unbedingt auf alle gleichartigen Produkte zu erstrecken. Wie schon Art. III macht auch Art. I: 1 keinen Unterschied dahingehend, ob die Ungleichbehandlung auf einer diskriminierenden Maßnahme beruht (De-iure-Diskriminierung) oder sich erst tatsächlich durch die Anwendung einer formal unterschiedslos geltenden Maßnahme ergibt (De-!acto-Diskriminierung).451 Es kommt auch im Rahmen von Art. I: 1 darauf an, dass der gewährte Vorteil tatsächlich in vollem Umfang allen gleichartigen Produkten, die aus den Mitgliedstaaten der WTO stammen oder für diese bestimmt sind, gewährt wird. Vor diesem Hintergrund ist auch eine de minimis-Regel im Rahmen von Art. 1:1 abzulehnen. 452 bb) Wahl der richtigen Vergleichspunkte Nach der allgemeinen Meistbegünstigungsverpflichtung des Art. I: 1 muss jeder erfasste Vorteil jedem einzelnen gleichartigen Produkt, das aus einem Mitgliedstaat der WTO stammt oder für einen solchen bestimmt ist, in gleicher Weise gewährt werden. Dies ergibt sich zwanglos aus dem Wortlaut der Bestimmung: ,,[A]ny advantage, favour, privilege or immunity granted by any any contracting party to any product originating in or destined for any other country shall be accorded immediately and unconditionally to the like product originating in or destined for the territories of all other contracting parties. ,,453

Die hinsichtlich der Bevorteilung zu vergleichenden Produkte sind jeweils im Singular benannt. Insoweit besteht ein beachtlicher Unterschied zur Verpflichtung zur Inländerbehandlung nach Art. III, wonach die Behandlung der jeweiligen Gruppe eingeführter und gleichartiger inländischer Produkte zu vergleichen ist. Senti, WTO, Rn. 378. Jackson, The World Trading System, S. 161 f.; Petersmann, Constitutional Functions, S. 227; Benedek, Die Rechtsordnung des GATT, S. 62. 450 Panel Report, US - Non-Rubber Footwear, para. 6.10. 451 Appellate Body Report, Canada -Automotive lndustry, para. 78. 452 Tietje, Normative Grundstrukturen, S. 208 f. 453 Hervorhebung durch den Verfasser. 448

449

D. GATT 1994: Art. I, 11, III, XI und XX

293

Diese Konstruktion des Art. 1:1 vereinfacht die Feststellung einer relevanten Ungleichbehandlung. cc) Diskriminierung durch nichtproduktbezogene Umweltzölle Nichtproduktbezogene Umweltzölle differenzieren mehrere Zollpositionen nach den bei der Warenproduktion verwendeten nichtproduktbezogenen PPMs und den daraus resultierenden produktionsseitigen Umweltbelastungen. Werden nun gleichartige ausländische Produkte aus verschiedenen Mitgliedstaaten der WTO mit unterschiedlichen Zöllen belastet, da bei ihrer Herstellung unterschiedliche nichtproduktbezogene PPMs verwendet worden sind, liegt hierin eine relevante Ungleichbehandlung i.S. v. Art. I: 1.454 f) Ergebnis: Nichtproduktbezogene Umweltzölle und Meistbegünstigung Die Erhebung von Umweltzöllen spielt in der Diskussion um Handel und Umwelt bisher nur eine untergeordnete Rolle. Dabei bietet sie den Mitgliedern einen breiten Spielraum zur Formulierung und Klassifizierung verschiedener Zollpositionen auch nach nichtproduktbezogenen Kriterien. Zölle besitzen damit ein umweltschutzpolitisch nicht zu unterschätzendes Potenzial, das lediglich von den Vorgaben des HS und des Art. I: 1 begrenzt wird. Das HS gibt eine einheitliche Zollnomenklatur verbindlich vor, belässt den Vertragsparteien jedoch im Übrigen die Freiheit, diese Nomenklatur nach Belieben weiter zu untergliedern. Demgegenüber erfordert die allgemeine Meistbegünstigungsverpflichtung des Art. I: 1 hinsichtlich der Erhebung von Umweltzöllen die gleichgünstige Behandlung gleichartiger Produkte aus verschiedenen Herkunftsländern, und zwar unabhängig davon, ob es sich um gebundene oder ungebundene Zollpositionen handelt. Als notwendiges Bindeglied zur Harmonisierung der gleichermaßen verbindlichen Vorgaben des HS und der Meistbegünstigungsverpflichtung fungiert das Merkmal der Gleichartigkeit in Art. I: 1. So ist bei der Bestimmung der Gleichartigkeit zweier Produkte im Hinblick auf Maßnahmen der Zollerhebung den Vorgaben des HS insofern Rechnung zu tragen, als die Unterscheidung zweier Zollpositionen im HS zugleich die Ablehnung der Gleichartigkeit der entsprechenden Produkte im Rahmen von Art. I: 1 bedingt. Das Kriterium der Einordnung in den Zolltarif setzt sich in diesen Fällen bei der Bestimmung der Gleichartigkeit durch. Unterscheidet nun das HS zwei Zollpositionen anhand nichtproduktbezogener Kriterien, bedeutet dies für entsprechend differenzierte Zölle, dass die betreffenden Produkte trotz möglicherweise identischen physischen Eigenschaften nicht als gleichartig zu betrachten sind und folglich ein Verstoß gegen Art. 1:1 ausscheidet. Zwar sind dem HS an 454

Im Ergebnis übereinstimmend Düerkop, CML Rev. 31 (1994), S. 832 f.

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3. Teil: Handelsmaßnahmen zum Umweltschutz im Recht der WTO

nichtproduktbezogene Umstände anknüpfende Zolldifferenzierungen nicht grundsätzlich fremd, speziell Zolldifferenzierungen nach der Umweltschädlichkeit bestimmter nichtproduktbezogener PPMs sind ihm bisher jedoch nicht zu entnehmen. Über entsprechende Änderungen des HS wären sie leicht zu installieren. Dann beträfen diese Differenzierungen aufgreifende nichtproduktbezogene Umweltzölle nicht gleichartige Produkte und stünden folglich auch nicht im Widerspruch zur allgemeinen Meistbegünstigungsverpflichtung des Art. I: I. Solange und soweit das HS hingegen keine nach der Umweltschädlichkeit bestimmter nichtproduktbezogener PPMs differenzierten Zollpositionen aufstellt und entsprechende Umweltzölle allein auf einzel staatlicher Initiative beruhen, ist das Kriterium der Einordnung in den Zolltarif nur von beschränkter Aussagekraft für die Bestimmung der Gleichartigkeit. Genau wie im Rahmen von Art. III führt die physische Übereinstimmung der sich nur im Hinblick auf ihre Herstellung unterscheidenden Produkte dann zu ihrer Bewertung als gleichartige Produkte auch im Rahmen von Art. I: 1 und löst damit die unverzügliche und unbedingte Verpflichtung zur Meistbegünstigung aus. Da nichtproduktbezogene Umweltzölle mehrere Zollpositionen nach den bei der Warenproduktion verwendeten nichtproduktbezogenen PPMs unterscheiden, ergibt sich hieraus eine relevante Ungleichbehandlung und damit ein Verstoß gegen Art. I: 1. 3. Artikel 1:1- Zollgleiche Abgaben zum Umweltschutz Die Meistbegünstigungsverpflichtung des Art. I: 1 erfasst neben Zöllen auch zollgleiche Abgaben des Importstaates, die an nichtproduktbezogene Umstände anknüpfen. Steht einmal fest, dass Umweltabgaben des Importstaates als zollgleiche Abgaben zu qualifizieren sind455 , verpflichtet Art. I: 1 zu unverzüglicher und unbedingter Gleichbehandlung der aus den WTO-Mitgliedstaaten stammenden gleichartigen Produkte. Entsprechend der Ausführungen zu Zöllen liegt auch insoweit regelmäßig eine Verletzung der Meistbegünstigungsverpflichtung des Art. I: 1 vor, wenn ausländische Produkte, die physisch identisch sind und sich allein in der Art ihrer Herstellung unterscheiden, entsprechend ihrer Herstellung mit unterschiedlichen zollgleichen Abgaben belastet werden. 4. Artikel 1:1 i.V.m. Artikel 111:2 und 111:4Interne Maßnahmen zum Umweltschutz Parallel zu den Ausführungen zu Zöllen und zollgleichen Abgaben bedeutet auch im Bereich interner Steuern oder sonstiger interner Vorschriften die weniger günstige Behandlung eines Produkts aus einem WTO-Mitgliedstaat im Vergleich zu einem anderen, physisch identischen und nur durch seine Herstellungsmethode 455

Zur Definition zollgleicher Abgaben siehe oben dritter Teil D.IV.2.a).

D. GATI 1994: Art. I, 11, 111, XI und XX

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unterschiedenem Produkt aus einem anderen Staat eine Verletzung der Meistbegünstigungsverpflichtung des Art. I: 1 i.Y.m. Art. III:2 oder III:4. 456

5. Ergebnis: Artikel 1:1 und nichtproduktbezogene Handelsmaßnahmen Neben den Verpflichtungen zur Inländerbehandlung des Art. II1:2 und II1:4 nimmt die allgemeine Meistbegünstigungsverpflichtung des Art. I: 1 eine zentrale Rolle bei der Beurteilung nichtproduktbezogener Handelsrnaßnahmen zum Umweltschutz unter dem GATT ein. Auch im Rahmen von Art. I: 1 begründet die Differenzierung von Umweltzöllen, zollgleichen Abgaben und internen Maßnahmen zum Umweltschutz nach nichtproduktbezogenen Kriterien grundsätzlich einen Verstoß gegen das enthaltene Gleichbehandlungsgebot. Als Besonderheit ist bei der Erhebung von nichtproduktbezogenen Umweltzöllen der Hintergrund des HS zu beachten. Hieraus könnte sich de lege ferenda die Ungleichartigkeit von Produkten, die sich allein in der Verwendung bestimmter umweltrelevanter nichtproduktbezogener PPMs unterscheiden, ableiten lassen. In diesem Fall stünden diese nichtproduktbezogenen Umstände aufgreifende Umweltzölle nicht im Widerspruch zu Art. I: 1.

VI. Die allgemeinen Ausnahmen des Artikels XX Die Frage der Rechtfertigung nach Art. XX steht seit jeher im Vordergrund der welthandelsrechtlichen Diskussion um nichtproduktbezogene Handelsrnaßnahmen zum Umweltschutz. Auf dieser Ebene sind insbesondere die im Rahmen der Produkt-Prozess-Doktrin geführten Argumente der komparativen Kostenvorteile, der "Extraterritorialität", des Unilateralismus und der Pandora s box bzw. des slippery slope angesiedelt. 1. Anwendung von Artikel XX

a) Artikel XX als Ausnahmebestimmung Art. XX enthält entsprechend seiner Überschrift "General Exceptions" und seiner Entstehungsgeschichte begrenzte und bedingte Ausnahmen von den grundlegenden GATT-Verpflichtungen. 457 Die Verpflichtungen aus dem GATT sollen nationalen Maßnahmen zur Verfolgung einer der in den lit. (a) bis U) niedergeleg456 457

157.

Hierauf weisen hin Dolzer/Laule, EuZW 2000, S. 235. Panel Report, US - Seetion 337, para. 5.9; Appellate Body Report, US - Shrimp, para.

296

3. Teil: Handeismaßnahmen zum Umweltschutz im Recht der WTO

ten Politiken nicht prinzipiell entgegenstehen. Diese nationalen Politiken haben die WTO-Mitglieder als mit den Freihandelsdisziplinen konkurrierend anerkannt und ihnen, unter den Voraussetzungen der Chapeau-Regelung des Art. XX, im Einzelfall den Vorrang vor den Verpflichtungen aus dem GATT eingeräumt. 458 Dabei ergibt sich aus der Wendung "nothing in this Agreement", dass die Ausnahmen des Art. XX für sämtliche Verpflichtungen aus dem GATT gleichermaßen Geltung beanspruchen.459 Es ist unschädlich, wenn im Rahmen der Streitbeilegung von der beklagten Partei schon die Verletzung einer der Verpflichtungen des GATT bestritten und zusätzlich die Rechtfertigung nach Art. XX geltend gemacht wird. Die Geltendmachung der Rechtfertigung bedeutet nicht zugleich das Eingeständnis der Verletzung einer GATI-Verpflichtung. 46o Aus der Natur als Ausnahmebestimmung wird übereinstimmend gefolgert, dass Art. XX im Rahmen der Streitbeilegung nur dann zur Rechtfertigung einer Maßnahme berücksichtigt werden kann, wenn sich eine Streitpartei ausdrücklich auf die Rechtfertigung nach Art. XX beruft. 461 Ferner ist unstreitig, dass die sich auf Art. XX berufende Partei die Beweislast für das Vorliegen der Rechtfertigungsvoraussetzungen trägt. 462

b) Enge Auslegung der Ausnahmen des Artikels XX? Wegen seiner Qualifizierung als Ausnahmebestimmung wird häufig eine enge Auslegung von Art. XX eingefordert. Entsprechende Hinweise finden sich vor allem in älteren Panel-Berichten463 aber auch teilweise in der Literatur.464 Zwar ist bereits an früherer Stelle der Bearbeitung eine enge Auslegung von Ausnahmebestimmungen grundsätzlich abgelehnt worden 465 , wegen der großen Aufmerksamkeit, welche gerade die Ansicht der engen Auslegung von Art. XX erfahren hat, sollen hierzu weitere Argumente ausgeführt werden. Der auch aus dem nationalen Recht bekannte Ansatz, Ausnahmevorschriften stets eng auszulegen, trifft in dieser Allgemeinheit nicht ZU. 466 Es kann allein darauf ankommen, dass der Sinn und Zweck des festgelegten Zusammenspiels von 458 Vgl. statt aller Panel Report, Canada - Herring, para. 4.6; Appellate Body Report, US - Shrimp, para. 121; Jackson, The World Trading System, S. 233; Van Calster, EFAR 5 (2000), S. 12. 459 Appellate Body Report, US - Gasoline, S. 24. 460 Panel Report, US - Tuna I, para. 5.22. 461 Panel Report, US -Imports 0/ Sugar, para. 4.4; Panel Report, EEC - Parts and Components, para. 5.11. 462 Panel Report, Canada - FIRA, para. 5.20; Panel Report, US - Section 337, para. 5.9. 463 Panel Report, Canada - FIRA, para. 5.20; Panel Report, US - Seetion 337, para. 5.27; Panel Report, US - Tuna I/, para. 5.26 und 5.38. 464 MattoolMavroidis, in: Petersmann (ed.), S. 334; Tietje, Normative Grundstrukturen, S. 311; Van Calster, International and EU Trade Law, S. 71. 465 Dritter Teil A.V.4.c). 466 Vgl. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 355.

D. GATI 1994: Art. I, II, III, XI und XX

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Regeln und Ausnahmen durch eine entsprechende Auslegung der jeweiligen Ausnahmebestimmungen zur Geltung gebracht wird. Nicht nur eine allzu weite Auslegung, genauso eine zu enge Auslegung würde das vereinbarte Verhältnis zwischen Regeln und Ausnahmen aushebeln. Daher ist in jedem Fall gesondert das Verhältnis der jeweiligen Regeln und Ausnahmen zu bestimmen. 467 Eine enge Auslegung von Art. XX allein über den Verweis auf einen behaupteten Grundsatz, Ausnahmebestimmungen stets eng auszulegen, zu begründen, vermag demnach schon im Ansatz nicht zu überzeugen. Auch der Blick auf das im GATT angelegte Zusammenspiel der Verpflichtungen zu den allgemeinen Ausnahmen ergibt keinen Anhaltspunkt für die Forderung nach einer besonders engen Auslegung von Art. XX. Dies würde nämlich implizieren, den Freihandelsdisziplinen den Vorrang vor den in Art. XX aufgeführten konkurrierenden Politiken einzuräumen. Für das Verhältnis zwischen Art. XX und den allgemeinen GATT-Verpflichtungen hat der Appellate Body im Fall US - Shrimp jedoch einen gleichberechtigten Ausgleich zwischen dem Recht eines Mitglieds, eine bestimmte Ausnahme geltend zu machen, und seiner Pflicht, die allgemeinen Verpflichtungen einzuhalten, eingefordert. 468 Demnach besteht also ein Verhältnis der Gleichordnung zwischen den Verpflichtungen aus dem GATT und den Ausnahmen nach Art. XX. 469 Eine Forderung nach besonders enger Auslegung von Art. XX ist daher abzulehnen. Der Appellate Body hat vielmehr im Fall US - Gasoline dargelegt, dass das Verhältnis der verschiedenen Freihandelsverpflichtungen etwa aus Art. I, III und XI zu den allgemeinen Ausnahmen des Art. XX stets im Einzelfall ("on a case-to-case basis") zu bestimmen sei, unter sorgfältiger Berücksichtigung der jeweiligen tatsächlichen und rechtlichen Gegebenheiten. 47o Dies ergebe sich schon aus der differenzierten Ausgestaltung der einzelnen Ausnahmen des Art. XX. Insofern hob der Appellate Body hervor: "In enumerating the various eategories of governmental aets, laws or regulations whieh WTO Members may earry out or promulgate in pursuit of differing legitimate state polieies or interests outside the realm of trade liberalization, Article XX uses different terms in respeet of different eategories: ,neeessary' - in paragraphs (a), (b) and (d); ,essential' in paragraph (j); ,relating to' - in paragraphs (e), (e) and (g); ,for the proteetion of, - in paragraph (f); ,in pursuanee of' - in paragraph (h); and ,involving' - in paragraph (i). It does not seem reasonable to suppose that the WTO Members intended to require, in respeet of eaeh and every eategory, the same kind or degree of eonneetion or relationship between the measure under appraisal and the state interest or poliey sought to be promoted or realized ... 471 467 468 469 470 471

Manzini, in: Mengozzi (ed.), S. 826 ff. Appellate Body Report, US - Shrimp, para. 156. Vgl. HilflPuth, GAlA 9 (2000), S. 217; Ginzky, ZUR 1999, S. 220. Appellate Body Report, US - Gasoline, S. 18. Appellate Body Report, US - Gasoline, S. 17.

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3. Teil: Handelsmaßnahmen zum Umweltschutz im Recht der WTO

c) Zu rechtfertigende Maßnahmen In der Streitbeilegungspraxis unter GATT 1947 und WTO ist wiederholt die Frage aufgetaucht, welches genau die nach Art. XX zu rechtfertigenden Maßnahmen sind. 472 Ist auf die konkrete Handelsmaßnahme oder aber auf die damit in Geltung gesetzte Diskriminierung abzustellen? Schon aus dem Wortlaut des Art. XX wird hinreichend deutlich, dass allein die mit einer GATT-Verpflichtung für unvereinbar erachteten Handelsrnaßnahmen als relevante Maßnahmen der Rechtfertigung bedürfen. 473

d) Zweigliedrige Struktur des Artikels XX Der Appellate Body hat in seinen Berichten in den Fällen US - Gasoline und US - Shrimp wesentlich zur Klärung der Struktur von Art. XX beigetragen. Danach weist Art. XX eine zweigliedrige Struktur auf. Er erfordert zunächst die vorläufige Rechtfertigung einer Maßnahme nach den lit. (a) bis (j) und in einem zweiten Schritt die endgültige Rechtfertigung anband der Standards der ChapeauKlause1. 474 Dabei ist die Reihenfolge der Prüfungsschritte nicht beliebig wählbar, sondern Ausdruck der Art. XX zu Grunde liegenden Struktur und Logik. 475 Schon der Wortlaut der Chapeau-Klausel, die mit der Wendung ,,[s]ubject to the requirement that such measures . .. " beginnt, deutet darauf hin, dass zunächst eine Maßnahme nach den lit. (a) bis (j) vorliegen muss, und erst nach deren Identifizierung die Standards der Chapeau-Klausel auf "such measures" angewendet werden können. Ausschlaggebend ist jedoch der Sinn und Zweck der Chapeau-Klausel im Gefüge des Art. XX. Die Chapeau-Klausel soll gerade einen Missbrauch der in den lit. (a) bis (j) vorgesehenen Ausnahmen ausschließen. 476 Ein solcher ist jedoch erst dann feststellbar, wenn bereits feststeht, dass überhaupt eine Ausnahme der lit. (a) bis (j) eröffnet ist, die missbraucht werden könnte. 477 Zudem sind die Anforderungen der Chapeau-Klausel zu weit und offen gefasst, um vor den lit. (a) bis (j) geprüft zu werden. Zu ihrer Anwendung im Einzelfall bedürfen sie der Konkretisierung, und zwar je nach Art der untersuchten Maßnahme. "What is appropriately characterizable as ,arbitrary discrimination' or ,unjustifiable discrimination', or as a ,dis472 Vgl. die Übersicht in WTO Dok., GAIT / WTO Dispute Settlement Practice Relating to Article XX, Paragraphs (b), (d) and (g) ofGAIT, WT /CTE/W /53/Rev.l, para. 40 f. und 57 ff. 473 Appellate Body Report, US - Gasoline, S. 16. 474 Appellate Body Report, US - Gasoline, S. 21 f.; Appellate Body Report, US - Shrimp, para. 157. 475 Appellate Body Report, US - Shrimp, para. 119. 476 Appellate Body Report, US - Gasoline, S. 22. 477 Appellate Body Report, US - Shrimp, para. 120.

D. GATI 1994: Art. I, 11, III, XI und XX

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guised restriction on international trade' in respect of one category of measures, need not be so with respect to another group or type of measures.,,478 Aus der dargelegten Struktur ergeben sich zugleich die Funktionen der beiden Elemente des Art. xx. Die einzelnen Ausnahmen nach den lit. (a) bis (j) gewährleisten das Recht eines Mitglieds, zur Verfolgung der dort aufgezählten Politiken seine Verpflichtungen aus dem GATI außer Acht zu lassen. Entsprechend ist bei der Prüfung der einzelnen Ausnahmen die fragliche Maßnahme daraufhin zu untersuchen, ob die ihr zu Grunde liegende Schutzpolitik, d. h. ihr "general design", einem der Politikziele des Art. XX(a) bis U) zuzurechnen ist. 479 Die ChapeauKlausel hat demgegenüber die Funktion, einen Missbrauch dieses Rechts durch das handelnde Mitglied auszuschließen. Die Berufung auf die Ausnahmen der lit. (a) bis (j) soll nicht dazu führen, dass das handelnde Mitglied seine Verpflichtungen aus dem GATI gänzlich übergeht oder entwertet. Es muss vielmehr ein Gleichgewicht zwischen den Rechten und Pflichten eines Mitglieds gefunden werden (Ausgleich zwischen den Rechten und Pflichten des handelnden Mitglieds). Da den Verpflichtungen des handelnden Mitglieds aus dem GATI entsprechende Rechte der anderen Mitglieder gegenüberstehen, bedeutet dies zugleich, dass die Chapeau-Klausel einen Ausgleich zwischen dem Recht eines Mitglieds, sich auf eine Ausnahme der lit. (a) bis (j) zu berufen, und den Rechten der anderen Mitglieder aus dem GATI herbeiführen soll (Ausgleich zwischen den widerstreitenden Rechten der Mitglieder).48o Entsprechend ihrer ausgleichenden Funktion kommt es bei der Prüfung der Chapeau-Klausel nicht allein auf das "general design" der Maßnahme an, sondern auf ihre konkrete Anwendung im Einzelfall. 481 Zur Verdeutlichung der verschiedenen Funktionen der vorläufigen Rechtfertigung nach den einzelnen Ausnahmen der lit. (a) bis (j) und der endgültigen Rechtfertigung nach den Standards der Chapeau-Klausel sei auf die Begriffe der Schranken und der Schranken-Schranken aus der deutschen Grundrechtsdogmatik verwiesen. 482 Während die Ausnahmen der lit. (a) bis (j) die allgemeinen Freiheiten des GATI beschränken (Schranken), bedeutet die Chapeau-Klausel wiederum eine Beschränkung dieser Schranken (Schranken-Schranke).

Appellate Body Report, US - Shrimp, para. 120. Appellate Body Report, US - Shrimp, para. 116. 480 Vgl. Appellate Body Report, US - Gasoline, S. 22; Appellate Body Report, USShrimp, para. 156. 481 Appellate Body Report, US - Gasoline, S. 22; Appellate Body Report, US - Shrimp, para. 115 f. 482 Vgl. nur Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rn. 207 und 274; Maurer; Staatsrecht, S. 282 ff. 478

479

300

3. Teil: Handelsmaßnahmen zum Umweltschutz im Recht der WTO

2. Vorläufige Rechtfertigung nach Artikel XX (b) und (g) Als erstem Element der Rechtfertigung nach Art. XX müssten gegen eine GATT-Verpflichtung verstoßende nichtproduktbezogene Handelsmaßnahmen vorläufig gerechtfertigt sein, d. h. unter eine der speziellen Ausnahmen des Art. XX(a) bis (j) zu fassen sein. Umweltbezogene Handelsmaßnahmen sind dabei vornehmlich an den Ausnahmen des Art. XX(b) und (g) zu überprüfen. Zwar werden neben diesen Ausnahmen mitunter auch Art. XX(a) und (d) zur Rechtfertigung umweltbezogener Handelsmaßnahmen für einschlägig erachtet. 483 Dies mag im Einzelfall auch durchaus zutreffen. Zu beachten ist jedoch, dass in diesen (wenigen) Fällen nicht unmittelbar der Schutz von Umweltgütern seine rechtfertigende Kraft entfaltet, sondern vielmehr dessen Verwurzelung in den "public morals" im Fall des Art. XX(a) bzw. dessen Niederlegung in "laws or regulations which are not inconsistent with the provisions of this Agreement" im Fall des Art. XX(d). In einer allgemeinen Betrachtung nichtproduktbezogener Handelsmaßnahmen zum Schutz der Umwelt ist die Erörterung von Art. XX(a) und (d) daher verzichtbar. Sie wäre sogar geeignet, den Blick auf die einschlägigen und möglicherweise auch spezielleren Ausnahmen des Art. XX(b) und (g) zu versperren.

a) Anwendung der Ausnahmen Bei der Prüfung, ob eine Maßnahme einer der Ausnahmen der lit. (a) bis (j) des Art. XX unterfällt, ist ihre allgemeine Ausgestaltung ("general design") zu betrachten. 484 Fällt die der Maßnahme unterliegende Politik in den Bereich der als allgemeine Ausnahmen anerkannten Politikziele? Bei der Beantwortung dieser Frage geht es nicht um die weitergehende Beurteilung der Angemessenheit der verfolgten Schutzpolitik. 485 Die Festlegung des angestrebten Schutzniveaus wie die Entscheidung über das grundsätzliche Tätigwerden sind allein Sache des handelnden Staates und daher für die Rechtfertigung nach Art. XX ohne Belang. 486 Auf der Ebene der vorläufigen Rechtfertigung ist allein zu fragen, ob das mit der Maßnahme verfolgte Politikziel grundsätzlich in den Bereich einer der Ausnahmen des Art. XX(a) bis (j) fällt.

b) Schutzgut Umwelt? Der Schutz der Umwelt ist als solches weder in Art. XX(b) oder (g) noch in den anderen Ausnahmen des Art. XX als zulässige Schutzpolitik enthalten. Dies dürfte Vgl. nur PetersTrUlnn, JWT 27, Nr. 1(1993), S. 72. Appellate Body Report, US - Shrimp, para. 116. 485 Panel Report, US - Gasoline, para. 6.22. 486 Vgl. Panel Report, Japan - Wines and Alcoholic Beverages. para. 5.13; Panel Report, US - Tuna I, para. 5.27 und 5.32; Panel Report, EC - Asbestos, para. 8.171; Appellate Body Report, EC - Asbestos. para. 168. 483

484

D. GAIT 1994: Art. I, 11, III, XI und XX

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in der Tatsache begründet sein, dass der Umweltschutz zur Zeit der Formulierung des GATT 1947 allgemein noch nicht als globales Problem im Zusammenhang des internationalen Handels begriffen wurde. Keineswegs sollte hierdurch der Umweltschutz bewusst aus dem Schutzbereich des Art. XX ausgeschlossen werden und allein der Schutz von Menschen, Tieren oder Pflanzen (lit. b) bzw. von erschöpflichen Naturschätzen (lit. g) in engem Verständnis umfasst sein. 487 Unbeschadet der speziellen Voraussetzungen der Ausnahmen von Art. XX(b) und (g) ist vor dem Hintergrund des ausdrücklich von den Mitgliedern in der Präambel des WTOÜbereinkommens verankerten Konzepts der nachhaltigen Entwicklung eine Auslegung geboten, die den Schutz der Umwelt auch mittels Handelsmaßnahmen in vollem Umfang ermöglicht. 488 Dieser Ansatz findet seine Bestätigung in Prinzip 12 der Rio-Deklaration, das jedenfalls in sachlicher Hinsicht Handelsmaßnahmen zum Schutz der gesamten Umwelt zulässt und nicht etwa einzelne Umweltmedien oder -güter ausschließt. Auch die Mitglieder selbst, haben mit dem Beschluss zum Handel mit Dienstleistungen und zur Umwelt489 hinreichend deutlich gemacht, dass sie alle Maßnahmen zum Umweltschutz als auf den Schutz des Lebens und der Gesundheit von Menschen, Tieren und Pflanzen i. S. d. Art. XIV(b) des GATS abzielend betrachten. Da zum einen Art. XIV GATS in seiner Struktur und Ausgestaltung dem Vorbild des Art. XX folgt, insbesondere die Ausnahmen des Art. XIV(b) GATS und des Art. XX(b) sind identisch, und zum anderen die allgemein gehaltene Formulierung des Beschlusses einer Übertragung auf den Warenhandel nicht entgegensteht, kann auch für Art. XX diese Einschätzung der Vertragsparteien zur Auslegung herangezogen werden. Anders als unter Art. XX besteht unter Art. XIV GATS jedoch keine Ausnahme zum Schutz erschöpflicher Naturschätze. Es bedarf demnach unter Art. XX der Abgrenzung beider Ausnahmen und einer entsprechenden Aufteilung der erfassten Umweltgüter. Es ist jedoch kein Grund dafür ersichtlich, dass die gemeinsame Reichweite von Art. XX(b) und (g) hinter derjenigen des Art. XIV(b) GATS zurückbleiben sollte. Erfasst schon Art. XIV(b) GATS alle erforderlichen Umweltschutzmaßnahmen, so gilt dies erst recht für Art. XX(b) und (g).

c) Vorläufige Rechtfertigung nach Artikel XX(b)

Zunächst soll das rechtfertigende Potenzial von Art. XX(b) hinsichtlich nichtproduktbezogener Handelsmaßnahmen zum Umweltschutz ausgelotet werden. Nach Art. XX(b) können alle Maßnahmen gerechtfertigt werden, die notwendig 487 Hilf/ Puth, GAlA 9 (2000), S. 217; im Ergebnis übereinstimmend Chamovitz, JWT 25, Nr. 5 (1991), S. 46 f. 488 Düerkop, CML Rev. 31 (1994), S. 834. 489 Decision on Trade in Services and the Environment; englischer Text in WTO (ed.), The Results of the Uruguay Round, S. 457 f.; deutscher Text bei Benedek (Hrsg.), Die Welthandelsorganisation, S. 549 f.

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3. Teil: Hande1smaßnahmen zum Umweltschutz im Recht der WTO

zum Schutz des Lebens oder der Gesundheit von Menschen, Tieren oder Pflanzen sind ("necessary to protect human, animal or plant life or health"). aa) ,,[Measures] to protect human, animal or plant life or health" Die zu rechtfertigende Hande1smaßnahme müsste zum Schutz des Lebens oder der Gesundheit von Menschen, Tieren oder Pflanzen ergangen sein. Hierzu kommt es entscheidend darauf an, dass die der Maßnahme zu Grunde liegende Schutzpolitik in den Bereich derjenigen Politiken fällt, die auf den Schutz des Lebens oder der Gesundheit von Menschen, Tieren oder Pflanzen ausgerichtet sind. 49o (l) Menschen, Tiere oder Pflanzen

Die Ausnahme des Art. XX(b) dient dem Schutz der körperlichen Integrität von Menschen wie der Erhaltung von Fauna und Flora. Der Schutz der Umwelt als solche wird hiervon insoweit gewährleistet, als neben den Menschen mit Fauna und Flora bedeutende Elemente der natürlichen Umwelt geschützt werden.

(2) Belegenheit der Schutzgüter und Abgrenzung zu Artikel XX(g) Unklar ist, zum Schutz welcher Menschen, Tiere oder Pflanzen die Ausnahme des Art. XX(b) herangezogen werden kann. Denkbare Ansätze reichen von einem engen Verständnis, wonach ein Mitglied allein zum Schutz inländischer Menschen, Tiere oder Pflanzen tätig werden darf, bis hin zu einem weiten Verständnis, das potenziell alle Menschen, Tiere oder Pflanzen unabhängig von ihrer Belegenheit als erfasst ansieht. Zusätzliche Komplexität erlangt diese Fragestellung durch die Ausnahme des Art. XX(g) für natürliche Ressourcen. Zumindest hinsichtlich des Schutzes von Tieren oder Pflanzen können sich die Ausnahmen des Art. XX(b) und (g) überschneiden. 491 Dieses Konkurrenzverhältnis ist schon bei der Bestimmung der Reichweite des Art. XX(b) zu berücksichtigen. (a) Offener Wortlaut Dem Wortlaut des Art. XX(b) ist keine Beschränkung hinsichtlich der Belegenheit der geschützten Menschen, Tiere oder Pflanzen zu entnehmen. 492 Der Schutz von Menschen, Tieren oder Pflanzen mittels handelsbeschränkender Maßnahmen wird zunächst uneingeschränkt erlaubt. Vgl. Panel Report. US - Gasoline, para. 6.20. Hierauf weist hin Mavroidis, JWT 34, Nr. I (2000). S. 86 f. 492 Dieser Befund wird allgemein geteilt. Vgl. nur Panel Report. US - Tuna I. para. 5.25; Panel Report. US - Tuna II. para. 5.31; Jansen/Lugard. JIEL 2 (1999), S. 533. 490 491

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(b) Das Argument der Verhandlungs geschichte Im Fall US - Tuna I stellte das Panel entscheidend auf die Verhandlungsgeschichte von Art. XX(b) ab und kam zu dem Ergebnis, dass trotz des offenen Wortlautes nur inländische Schutzgüter erfasst seien. Hierzu führte das Panel aus: "The Panel further noted that the proposal for Article XX(b) dated from the Draft Charter of the International Trade Organization (ITO) proposed by the United States, which stated in Article 32, ,Nothing in Chapter IV [on commercial policy] of this Charter shall be construed to prevent the adoption or enforcement by any Member of measures: . .. (b) necessary to protect human, animal or plant life or health'. In the New York Draft of the ITO Charter, the preamble had been revised to read as it does at present, and exception (b) read: ,For the purpose of protecting human, animal or plant life or health, if corresponding domestic safeguards under similar conditions exist in the importing country'. This added provisio reflected concerns regarding the abuse of sanitary regulations by importing countries. Later, Commission A of the Second Session of the Preparatory Committee in Geneva agreed to drop this provisio as unnecessary. Thus, the record indicates that the concerns of the drafters of Article XX(b) focused on the use of sanitary measures to safeguard life or health of humans, animals or plants within the jurisdiction of the importing country.,,493

Diese Argumentation des Panels ist jedoch in zweierlei Hinsicht fragwürdig. Zum einen ist die Verhandlungsgeschichte nach Art. 32 WVRK lediglich ein ergänzendes Auslegungsmittel und nur unter den dort genannten engen Voraussetzungen überhaupt zur Auslegung heranzuziehen. Zum anderen ist der geschilderte Hintergrund keineswegs zwingend dahingehend zu verstehen, dass der handelnde Staat ausschließlich zum Schutz eigener Schutzgüter einschreiten dürfe. 494 Der noch im New York Draft enthaltene Zusatz besagt allenfalls, dass auch inländische Vorschriften zum Schutz der heimischen Schutzgüter vorhanden sein müssen, nicht jedoch, dass ausschließlich inländische Güter geschützt werden dürfen. Diese Argumentation des Panels im Fall US - Tuna I ist demnach abzulehnen. 495 (c) Kontext: Die weiteren Ausnahmen des Artikels XX Der Blick auf die weiteren Ausnahmen des Art. XX verdeutlicht, dass grundsätzlich auch solche Hande1smaßnahmen von Art. XX erfasst sein können, die an Umstände außerhalb des eigenen Territoriums des handelnden Staates anknüpfen. So knüpft etwa die Ausnahme des Art. XX(e) ausdrücklich an die im Ausland stattfindende Herstellung eines Produkts in Strafvollzugsanstalten ("products of prison labour") an. 496 Ferner enthalten andere Ausnahmen ausdrückliche Beschränkungen 493 Panel Report, US - Tuna I, para. 5.26. 494 Panel Report, US - Tuna l/, para. 5.33. Genau im Gegensatz zum Panel im Fall USTuna I versteht Chamovitz, JWT 25, Nr. 5 (1991), S. 52 f., die Entstehungsgeschichte des Art. XX dahingehend, dass auch außerhalb des eigenen Territoriums belegene Schutzgüter von den Ausnahmen des Art. XX erfasst seien. 495 So auch Petersmann, JWT 27, Nr. 1 (1993), S. 69. 496 Hierauf verweist der Panel Report, US - Tuna l/, para. 5.16.

304

3. Teil: Handelsmaßnahmen zum Umweltschutz im Recht der WTO

auf den Schutz inländischer Güter. So erfasst etwa Art. XX(f) allein Maßnahmen zum Schutz von "national treasures of artistic, historic or archaeological value". Auch Art. XX(i) betrifft ausschließlich Maßnahmen hinsichtlich "domestic materials" zum Schutz der "domestic processing industry". Die Betrachtung des engsten Zusammenhangs der Ausnahme des Art. XX(b) ergibt somit ein differenziertes Bild. Eine allgemeine, für alle Ausnahmen gleichermaßen geltende Beschränkung auf den Schutz inländischer Sachverhalte ist Art. XX fremd. Vielmehr ist jede Ausnahme gesondert auf ihre räumliche Reichweite hin zu untersuchen. Dabei bestimmt in einigen Fällen - nicht so in Art. XX(b) - schon der Wortlaut eindeutig die räumliche Reichweite der Ausnahme. (d) Kontext: Das SPS-Übereinkommen Der weitere Kontext des SPS-Übereinkommens spricht für eine Beschränkung der Reichweite des Art. XX(b) auf inländische Güter. So erfasst das SPS-Übereinkommen allein Maßnahmen zum Schutz inländischer Menschen, Tiere oder Pflanzen als taugliche SPS-Maßnahmen.497 Bedenkt man, dass sich das SPS-Übereinkommen ausweislich seiner Präambel als Durchführungsregelung insbesondere zu Art. XX(b) versteht, so liegt die Übertragung dieser räumlichen Beschränkung auch auf Art. XX(b) nahe.498 (e) Sinn und Zweck Die allgemeinen Ausnahmen des Art. XX ermöglichen den Mitgliedern die Wahrnehmung bestimmter einzelstaatlicher Interessen, auch wenn dies im Einzelfall gegen eine Freihandelsverpflichtung des GATT verstößt. Dem Konzept der nachhaltigen Entwicklung lässt sich entnehmen, dass ein Importstaat grundsätzlich berechtigt sein soll, zum Schutz seiner eigenen Umweltgüter wie auch internationaler Umweltgüter Handelsmaßnahmen zu ergreifen. Allein der Schutz der Umweltgüter anderer Staaten fallt - sofern diese nicht ausnahmsweise zustimmen nicht in die Zuständigkeit des Importstaates. 499 Übertragen auf Art. XX(b) würde dies vorderhand bedeuten, dass der Importstaat zum Schutz aller Menschen, Tiere oder Pflanzen tätig werden darf, die nicht ausschließlich dem Bereich anderer Staaten zugeordnet sind. Bei genauerer Betrachtung der Vorgaben des Konzepts der nachhaltigen Entwicklung ergibt sich jedoch eine vielschichtigere Wertung. Prinzip 2 der Rio-Deklaration anerkennt als Ausfluss staatlicher Souveränität das umfassende Interesse jedes Staates an der Erhaltung seiner eigenen Umweltgüter. Über diesen eigenen Bereich hinaus ergibt So schon oben im dritten Teil B.II.2. Hierfür Reuß. Menschenrechte durch Handelssanktionen, S. 97. 499 Dies ergibt sich aus einer Zusammenschau der Prinzipien 2 und 12 der Rio-Deklaration wie des Kapitels 2 der Agenda 21; näher hierzu oben im zweiten Teil C.IV.l.b). 497

498

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sich insbesondere aus den Konzepten der "shared resources", des "common heritage of mankind" wie des "common concern of humankind", dass den Staaten an internationalen Umweltgütern wie etwa wandernden Meeresschildkröten oder Fischschwännen oder auch der Artenvielfalt über die im eigenen Territorium belegenen Teile dieser Güter hinaus lediglich ein nutzungsrechtliches Interesse zukommt. 500 Sofern also nicht ausnahmsweise eine dahingehende zwischenstaatliche Vereinbarung vorliegt, anerkennt das Konzept der nachhaltigen Entwicklung kein Interesse am Schutz von Tieren oder Pflanzen als solche, wenn sie außerhalb des eigenen Territoriums des handelnden Staates belegen sind. Der Schutz von Menschen, Tieren oder Pflanzen als solche, wie er im Rahmen von Art. XX(b) ermöglicht wird, ist demnach grundsätzlich auf inländische Menschen, Tiere oder Pflanzen zu beschränken. 501 Das Interesse an internationalen Umweltgütern in nutzungsrechtlicher Hinsicht wird demgegenüber von Art. XX(g) erfasst. Danach können handelsbeschränkende Maßnahmen zur Erhaltung erschöpflicher Naturschätze gerechtfertigt werden. Die Trennungslinie zwischen Art. XX(b) und XX(g) ist mithin nach der Art des geschützten Interesses an den betreffenden Umweltgütern zu ziehen. Unter Art. XX(b) fallen alle Maßnahmen die dem Schutz inländischer Menschen, Tiere oder Pflanzen als solche dienen. Nach Art. XX(g) können hingegen solche Maßnahmen gerechtfertigt werden, die auf die Erhaltung der Nutzbarkeit internationaler Umweltgüter, nicht jedoch auf ihre Erhaltung per se gerichtet sind. (f) Schlussfolgerung

Obwohl der offene Wortlaut wie der Zusammenhang des Art. XX(b) durchaus Raum für den Schutz von Menschen, Tieren oder Pflanzen auch außerhalb des Territoriums des Importstaates lassen, sprechen die Parallele zum SPS-Übereinkommen und vor allem das Konzept der nachhaltigen Entwicklung eindeutig für eine Beschränkung auf den Schutz inländischer Menschen, Tiere oder Pflanzen. Durch eine solche Beschränkung werden zugleich Handelsmaßnahmen zur Durchsetzung international anerkannter Menschenrechte und Sozial standards von einer Rechtfertigung nach Art. XX(b) ausgeschlossen. Der Schutz internationaler Umweltgüter, als natürliche Ressourcen, fällt demgegenüber in den Schutzbereich des Art. XX(g). Ausführlich hierzu im zweiten Teil C.II.2.b)cc). Durch diese einschränkende Lesart werden zugleich nichtproduktbezogene Handelsmaßnahmen zur Durchsetzung international anerkannter Menschenrechte oder Sozialstandards von der Rechtfertigung nach Art. XX(b) ausgeschlossen. Diesem Ergebnis scheint auch die Literatur unausgesprochen zuzuneigen, da Handelsmaßnahmen des Importstaates zum Schutz der Menschenrechte und Sozial standards im Staat der Produktion überwiegend am Maßstab des Art. XX(a) zum Schutz der "public morals" gemessen werden, ohne Art. XX(b) überhaupt in Betracht zu ziehen. In diesem Sinne führt etwa Bhagwati, in: van Dijck/Faber (eds.), S. 39, aus: ,,[L]abour standards, unlike most environmental standards, are seen in moral terms." Vgl. ferner McCrudden, HEL 2 (1999), S. 38 f. 500 501

20 Puth

306

3. Teil: Handelsmaßnahmen zum Umweltschutz im Recht der WTO

(3) Vorliegen einer Gefahr für Menschen, Tiere oder Pflanzen: Science- Test Eine Maßnahme zum Schutz von Menschen, Tieren oder Pflanzen setzt begriffsnotwendig voraus, dass überhaupt eine Gefahr für die genannten Schutzgüter vorliegt. 502 Das Panel im Fall EC - Asbestos hat insoweit schlicht angemerkt: ,,[Tjhe use ofthe word ,protection' implies the existence of a risk.,,503

Danach erlangt eine Maßnahme erst durch das Bestehen einer objektiven Gefahr den Charakter gerade einer Schutzmaßnahme. 504 Das Bestehen einer objektiven Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen, Tieren oder Pflanzen ist im Einzelfall anhand der besten zur Verfügung stehenden naturwissenschaftlichen Erkenntnisse zu bestimmen (sog. ScienceTest).505 Dies ergibt sich unmittelbar aus dem Konzept der nachhaltigen Entwicklung, insbesondere aus Kapitel 35 der Agenda 21. Dabei können sich aus dem in Prinzip 15 der Rio-Deklaration niedergelegten Vorsorgeprinzip im Fall der Gefahr schwerwiegender oder irreversibler Umweltschäden Beweiserleichterungen für die zum Schutz der Umwelt tätigen WTO-Mitglieder ergeben. 506 Hinsichtlich der inhaltlichen Anforderungen an den wissenschaftlichen Nachweis im Rahmen von Art. XX(b) hat der Appellate Body im Fall EC - Asbestos seinen im Fall EC - Honnones 507 entwickelten Ansatz für das SPS-Übereinkommen 508 herangezogen. Im Wortlaut führte er aus: "In addition, in the context of the SPS Agreement, we have said previously, in European Communities - Hormones, that ,responsible and representative govemments may act in good faith on the basis of what, at a given time, may be a divergent opinion coming from qualified and respected sources. ' In justifying a measure under Artide XX(b) of the GATT 1994, a Member mayaiso rely, in good faith, on scientific sources which, at that time, may represent a divergent, but qualified and respected, opinion. A Member is not obliged, 502 Vgl. Schmidtl Kahl, in Rengeling (Hrsg.), Rn. 118; Epiney, DVBI. 2000, S. 84; Buckley, JWT 27, Nr. 4 (1993), S. 119; Diem, Freihandel und Umweltschutz, S. 89 f. 503 Panel Report, EC - Asbestos, para. 8.184. 504 Schon bei der Erörterung der hinter nichtproduktbezogenen Handelsmaßnahmen zum Umweltschutz stehenden Motivation (siehe oben im ersten Teil c.Vn.2.a) ist auf diesen Zusammenhang hingewiesen worden. 505 Die Frage, ob und inwieweit neben den Naturwissenschaften weitere Faktoren zur Bestimmung einer Gefahr für Menschen, Tiere oder Pflanzen herangezogen werden können, sei an dieser Stelle lediglich angedeutet. Angestoßen durch den Hormon-Streit besteht im Zusammenhang des SPS-Übereinkommens ein breiter Diskurs über die Berücksichtigung insbesondere der Gefahreinschätzungen der Verbraucher. Siehe hierzu Eggers, The Precautionary Principle in WTO Law, S. 147 ff.; QuicklBlüthner; JIEL 2 (1999), S. 618. 506 Siehe oben zweiter Teil c.n.2.a)dd). 507 Vgl. Appellate Body Report, EC - Hormones, para. 194. 508 Siehe Art. 2.2 des SPS-Übereinkommens; vgl. hierzu Walker; CIU 31 (1998), S. 251 ff.; Chamovitz, in: Sampson/Chambers (eds.), S. 176 f.

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in setting health policy, automatically to follow what, at a given time, may constitute a majority scientific opinion ...509

Danach kommt es auch im Rahmen von Art. XX(b) nicht darauf an, ob die jeweils herangezogenen wissenschaftlichen Erkenntnisse vorherrschend oder allgemein anerkannt sind. Es reicht aus, ist aber andererseits auch notwendig, dass die wissenschaftlichen Erkenntnisse auf der Höhe der Zeit und nach den einschlägigen Regeln der Kunst gewonnen worden sind. Genau wie unter dem SPS-Übereinkommen510 werden in diesem Zusammenhang internationale Standards, Umweltschutzübereinkommen und internationales soft law als sachverständige Aussagen relevant. 511 Im Fall EC - Asbestos hat das Panel etwa zur Ermittlung der Gefährlichkeit von Asbestfibern für die menschliche Gesundheit die Einschätzung der "international scientific community" zu ermitteln gesucht und als Beleg hierfür die seit 1977 bestehende Einstufung von Asbestfibern als anerkanntermaßen krebserregend durch die International Agency for Research on Cancer (IARC) herangezogen. 512 Im Bereich des internationalen Umweltschutzes vermag insbesondere die Existenz von Umweltschutzübereinkommen die Annahme einer objektiven Gefährdung der jeweiligen Schutzgüter zu stützen. 513 Hier kommt die Funktion multilateraler Umweltschutzübereinkommen als internationale Standards zum Tragen.

(4) Design der ergriffenen Maßnahme Die der untersuchten Handelsmaßnahme zu Grunde liegende Politik darf nicht beziehungslos neben der festgestellten Gefahr stehen, sondern muss ihrer allgemeinen Ausgestaltung nach gerade auf die Minderung dieser spezifischen Gefahr abzielen ("designed to protect"). Andernfalls handelt es sich nicht um eine diesbezügliche Schutzmaßnahme. (a) Abgrenzung zu anderen Zielsetzungen Spätestens an dieser Stelle scheitert die vorläufige Rechtfertigung nach Art. XX(b) von nichtproduktbezogenen Handelsrnaßnahmen zur Durchsetzung umweltbezogener Präferenzen des Importstaates und auch zum Ausgleich von Wettbewerbschancen bei unterschiedlichen nationalen Umweltstandards. 514 Selbst Appellate Body Report, EC - Asbestos, para. 178. Vgl. Art. 3 des SPS-Übereinkommens. 5ll Zur Funktion von Umweltschutzübereinkommen als internationale Standards siehe oben dritter Teil A.V.5.b)cc). 512 Panel Report, EC -Asbestos, para. 8.186. 513 So auch Marceau, JWT 35, Nr. 6 (2001), S. 1097; Schmidtl Kahl, in: Rengeling (Hrsg.), Rn. 125. 514 Zur Abgrenzung der verschiedenen Motivationen erster Teil C.VII.2. 509

510

20·

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3. Teil: Handelsmaßnahmen zum Umweltschutz im Recht der WTO

wenn in diesen Fällen eine wissenschaftlich begründete Gefährdung der betreffenden Umweltgüter vorliegen sollte, sind die Handelsrnaßnahmen doch nicht auf die Minderung gerade dieser Gefahr gerichtet. So bezweckt etwa die EG mit der Tellereisen-Verordnung 515 nicht den Schutz der Tiere als solche - die Tötung selbst wird nicht reguliert -, sondern ausschließlich die Verkürzung ihres Leidens anlässlich der Tötung. 516 Es handelt sich daher nicht um eine originäre Maßnahme zum Schutz der Gesundheit oder des Lebens der Tiere i.S.v. Art. XX(b). Es stehen vielmehr moralische Anliegen im Vordergrund. 517 Parallel hierzu sind auch nichtproduktbezogene Handelsrnaßnahmen zum Ausgleich von Wettbewerbschancen nicht als Maßnahmen zum Schutz von Menschen, Tieren oder Pflanzen i.S.v. Art. XX(b) zu betrachten. Sie dienen nicht der Bekämpfung einer wissenschaftlich nachgewiesenen Umweltgefährdung, sondern verfolgen rein ökonomische Zielsetzungen des Schutzes der inländischen Produktion. 518 (b) Unmittelbare oder mittelbare Schutzwirkung? Mitunter werden auch Maßnahmen, die unmittelbar die Erhaltung der sog. global commons, wie der Erdatmosphäre oder der Ozonschicht, bezwecken und Siehe oben erster Teil C.Vn.2.c). Feddersen, EELR 1998, S. 212. 517 In dem Ausschluss umweltbezogener Präferenzen des Importstaates, insbesondere aufgrund moralischer Erwägungen, von der Rechtfertigung nach Art. XX(b) kommt die aus der wohlfahrtsökonomischen Analyse bekannte Unterscheidung zwischen physisch spürbaren und rein psychisch wirkenden grenzüberschreitenden Effekten (siehe oben zweiter Teil B.IV.3.a) zum Ausdruck (vgl. Siebert, in: WTO (ed.), S. 153). Verursacht der Staat der Produktion negative internationale physische Externalitäten, sind hierauf gerichtete Handelsmaßnahmen des betroffenen Staates grundSätzlich als taugliche Internalisierungsmaßnahmen von den wirtschaftlichen Zielsetzungen der Welthandelsordnung gedeckt. Verursacht die Produktion hingegen negative internationale psychologische Externalitäten, als deren Folge ein anderer Staat in seinem moralischen Wohlergehen betroffen ist, so werden hierauf gerichtete Handelsmaßnahmen des betroffenen Staates nicht von dem auf materielle Wohlfahrt beschränkten Ansatz der We1thandelsordnung umfasst. Die ökonomische Perspektive unterstützt somit den Ausschluss nichtproduktbezogener Handeismaßnahmen zur Durchsetzung umweltbezogener Präferenzen des Importstaates von der Rechtfertigung nach Art. XX(b). 518 Auch der Ausschluss nichtproduktbezogener Handeismaßnahmen zum Ausgleich von Wettbewerbschancen bei unterschiedlichen nationalen Umweltstandards von der Rechtfertigung nach Art. XX(b) findet Bestätigung in der wohlfahrtsökonomischen Analyse wie auch dem Konzept der nachhaltigen Entwicklung. Unterschiedlich hohe produktionsseitige Umweltstandards als solche gehören grundsätzlich zu den die komparativen Kostenvorteile des Staates der Produktion bildenden Umständen. Hierdurch begründete Wettbewerbsnachteile für die Produkte des Importstaates sind vergleichbar den sog. pekuniären Effekten (siehe oben zweiter Teil B.IV.2.b)cc) als Ergebnis eines funktionierenden Freihandelsmechanismus. Auf den Ausgleich solcher Effekte zielende Handelsmaßnahmen des Importstaates sind daher als Eingriff in den Freihandelsmechanismus abzulehnen. Ferner enthält Kapitel 2.22(e) der Agenda 21 (siehe oben zweiter Teil c.n.2.d)bb)) das Gebot, Handelsmaßnahmen zu unterlassen, die allein darauf gerichtet sind, die aus unterschiedlichen nationalen Umwe1tstandards resultierenden Kostenunterschiede auszugleichen. 515

516

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nur mittelbar dem Schutz von Menschen, Tieren oder Pflanzen dienen, aus dem Schutzbereich des Art. XX(b) ausgeschieden. 519 Diese Lesart findet jedoch weder Unterstützung im Wortlaut der Vorschrift noch in der bisherigen Praxis der Streitbeilegungsorgane oder gar im Konzept der nachhaltigen Entwicklung. Die vorläufige Rechtfertigung nach Art. XX(b) erfordert lediglich das Ergreifen einer Maßnahme, die auf den Schutz des Lebens oder der Gesundheit von Menschen, Tieren oder Pflanzen ausgerichtet ist. In welchem zeitlichen, räumlichen und funktionalen Näheverhältnis die ergriffene Handelsmaßnahme zu den Schutzgütern stehen muss, wird nicht weiter spezifiziert. Diese Frage dürfte auch eher bei der Überprüfung der Notwendigkeit einer Maßnahme zum Schutz von Menschen, Tieren oder Pflanzen zu stellen sein und nicht schon die Kennzeichnung als Schutzmaßnahme betreffen. Gegen die Unterscheidung zwischen unmittelbarer und mittelbarer Schutzwirkung spricht weiter der Beschluss zum Handel mit Dienstleistungen und zur Umwelt520, in dem die Mitglieder hinreichend verdeutlicht haben, dass sie alle Maßnahmen zum Umweltschutz als auf den Schutz des Lebens und der Gesundheit von Menschen, Tieren und Pflanzen i. S. d. Art. XIV(b) GATS abzielend betrachten. Diese Einschätzung setzt unausgesprochen voraus, dass der unmittelbare und der mittelbare Schutz von Menschen, Tieren oder Pflanzen gleichermaßen als taugliche Schutzmaßnahmen einer Rechtfertigung zugänglich sind. Daher ist die Ansicht, dass nur solche Maßnahmen Art. XX(b) unterfallen, die unmittelbar den Schutz von Menschen, Tieren oder Pflanzen bezwecken, abzulehnen. Auch Maßnahmen, die mittelbar dem Schutz von Menschen, Tieren oder Pflanzen dienen, fallen in den Schutzbereich des Art. XX(b). bb) "Necessary" Die zu untersuchende Handelsmaßnahme müsste ferner notwendig ("necessary") sein, um die angestrebte Schutzpolitik zu befördern oder sogar zu erreichen. Das Erfordernis der Notwendigkeit kennzeichnet mit anderen Worten das Verhältnis zwischen der ergriffenen Maßnahme und der verfolgten Politik. 521 ( 1) Least-trade-restrictive-Test? Zur Feststellung der Notwendigkeit i.S.v. Art. XX(b) hat sich der sog. Leasttrade-restrictive-Test durchgesetzt. 522 Ausgangspunkt für diese Entwicklung war 519 SchmidtlKahl, in: Rengeling (Hrsg.), Rn. 108; vgl. auch Düerkop, CML Rev. 31 (1994), S. 838 f. 520 Decision on Trade in Services and the Environment; englischer Text in WTO (ed.), The Results of the Uruguay Round, S. 457 f.; deutscher Text bei Benedek (Hrsg.), Die Welthandelsorganisation, S. 549 f. 521 Appellate Body Report, US - Gasoline, S. 17. 522 Panel Report, US - Gasoline, para. 6.24; Panel Report, EC - Asbestos, para. 8.198 ff.; Klabbers, JWT 26, Nr. 2 (1992), S. 91; ThomaslTereposky, JWT 27, Nr. 4 (1993), S. 29; vgl. auch Van Calster, International and EU Trade Law, S. 74.

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3. Teil: Handelsmaßnahmen zum Umweltschutz im Recht der WTO

der Bericht des Panels im Fall Thailand - Cigarettes aus dem Jahr 1990. Das Panel lieferte folgende Definition für das Erfordernis der Notwendigkeit: ,,[T]he import restrictions imposed by Thailand could be considered to be ,necessary' in terms of Article XX(b) only if there were no alternative measure consistent with the General Agreement, or less inconsistent with it, which Thailand could reasonably be expected to employ to achieve its health policy objectives.,,523

Danach ist eine Maßnahme nur dann als notwendig zu betrachten, wenn keine in Bezug auf die verfolgte Schutzpolitik gleichwirksame Maßnahme zur Verfügung steht, die eine geringere handelsbeschränkende Wirkung entfaltet. Diese Definition des Merkmals der Notwendigkeit in Art. XX(b) ist dem früheren Panel-Bericht im Fall US - Seetion 337524 zu Art. XX(d) entlehnt. Das Panel im Fall ThailandCigarettes rechtfertigte diese Übertragung mit der Erwägung, dass beide Ausnahmen den Ausdruck "necessary" verwenden und auch den gleichen Zweck verfolgen, nämlich: ,,[T]o allow contracting parties to impose trade restrictive measures inconsistent with the General Agreement to pursue overriding public policy goals to the extent that such inconsistencies were unavoidable. ,,525 Schon aus dem letzten Halbsatz der zitierten Begründung für die Übertragung des Least-trade-restrictive-Test auf Art. XX(b) wird deutlich, dass eine solche Auslegung Art. XX auf den Kopf stellt. 526 Das Erfordernis der Notwendigkeit in Art. XX(b) kennzeichnet das Verhältnis der gewählten Handelsmaßnahme zur angestrebten Schutzpolitik. Die Auswirkungen auf den zwischenstaatlichen Handel sind für dieses Verhältnis jedoch belanglos. Auch insgesamt widerspricht die Berücksichtigung der Handelswirkungen einer staatlichen Maßnahme und damit der Freihandelsinteressen der Handelspartner schon im Rahmen der einzelnen Ausnahmen der zweigliedrigen Struktur des Art. XX. Die einzelnen Ausnahmen des Art. XX(a) bis G) dienen allein dem Schutz der dem Freihandel entgegenstehenden Interessen der Mitglieder, im Fall des Art. XX(b) dem Schutz von Menschen, Tieren oder Pflanzen. Die von der Wahrnehmung dieser Interessen ausgehenden handelsbeschränkenden Wirkungen werden erst im Rahmen der Chapeau-Klausel des Art. XX relevant. Gestützt wird diese Ansicht ferner durch Art. 3.2 des SPS-Übereinkommens, das entsprechend seiner Präambel speziell der Durchführung insbesondere von Art. XX(b) dient. Danach gelten gesundheitspolizeiliche oder pflanzenschutzrechtliche Maßnahmen, die internationalen Standards, Richtlinien oder Empfehlungen entsprechen, als "necessary to protect human, animal or plant life or health". Bedenkt man, dass es sich bei den einschlägigen Standards, Richtlinien oder Empfehlungen Panel Report, Thailand - Cigarettes, para. 75. Panel Report, US - Seetion 337, para. 5.26. 525 Panel Report, Thailand - Cigarettes, para. 74. 526 Schoenbaum, AJIL 91 (1997), S. 276 f.; Manzini, in: Mengozzi (ed.), S. 829 und 848; Kiss/Shelton, International Environmental Law, S. 645; vgl. auch die Kritik von Chamovitz, JWT 25, Nr. 5 (1991), S. 48 ff.; Appleton, HEL 2 (1999), S. 483 . 523

524

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um solche etwa der Codex Allimentarius Kommission527 oder des Internationalen Tierseuchenamts handelt528 , wird deutlich, dass es zur Bestimmung der Notwendigkeit maßgeblich auf den naturwissenschaftlichen Zusammenhang zwischen Maßnahme und Schutzziel ankommen muss, nicht auf den Grad der Inkonsistenz mit dem GATT. Nach alledem ist der Least-trade-restrictive- Test zur Bestimmung der Notwendigkeit i.S.v. Art. XX(b) abzulehnen.

(2) Weites Verständnis von "necessary" Die übliche Bedeutung des Begriffs "necessary" reicht von "essential" und "indispensable" bis hin zu schlicht "needed for a purpose".529 Wahrend erstere Bedeutung einen gesteigerten Grad an Notwendigkeit im Sinne eines Imperativs beinhaltet, drückt letztere Bedeutung lediglich den funktionalen Zusammenhang zwischen dem verwendeten Mittel und dem angestrebten Zweck aus. 530 Zur weiteren Konkretisierung ist dem Zusammenhang der anderen Ausnahmen des Art. XX zu entnehmen, dass der Begriff "necessary" in Art. XX(a), (b) und (d) irgendwo zwischen den Erfordernissen des "essential" in Art. XXU) und des "relating to" in Art. XX(c), (e) und (g) anzusiedeln ist. 531 Mit der Nennung des Begriffs "essential" in Art. XX(j) scheidet jedenfalls die identische Auslegung auch des Begriffes "necessary" in Art. XX(a), (b) und (d) aus. "Necessary" in diesem Sinne bedeutet daher eher "needed for a purpose". Um dieses Begriffsverständnis jedoch von "relating to" in Art. XX(c), (e) und (g) abzusetzen, bedarf es insoweit einer über die bloße inhaltliche Verbindung ("relating to") hinausgehenden Verknüpfung des verwendeten Mittels zum angestrebten Zweck. Daher wird vorgeschlagen, das Erfordernis der Notwendigkeit in Art. XX(b) als Erfordernis der Geeignetheit zu verstehen. 532 Danach ist eine Maßnahme dann als notwendig zu betrachten, wenn sie geeignet ist, objektiv zur Verwirklichung der verfolgten Schutzpolitik beizutragen. Dieses Verhältnis ist im Einzelfall naturwissenschaftlich nachzuweisen. Vergleichbar der Fiktion des Art. 3.2 des SPS-Übereinkommens hinsichtlich der Notwendigkeit gesundheitspolizeilicher oder pflanzenschutzrechtlicher Maßnahmen, die auf internationalen Standards, Richtlinien oder Empfehlungen beruhen, können auch an dieser Stelle MEAs, die konkrete Schutz standards aufstellen 533 , als sachverständige Aussagen534 herangezogen werden. Für Handelsrnaßnahmen, 527 Hierzu HilfiReuß, ZLR 1997, S. 293 ff. 528 Art. 1.2 LY.m. Anhang A Nr. I des SPS-Übereinkommens. 529

Swannell (ed.), The Oxford Modem English Dictionary, S. 712.

530 In diesem Sinne auch Manzini, in: Mengozzi (ed.), S. 830 f. 531

Vgl. Panel Report, Canada - Herring, para. 4.6.

532 Ähnlich Van Ca/ster; International and EU Trade Law, S. 74. 533 Zu den verschiedenen Ebenen zwischenstaatlicher Kooperation zu Umweltschutzzwecken siehe oben im zweiten Teil C.V.1.

312

3. Teil: Handelsmaßnahmen zum Umweltschutz im Recht der WTO

die diese Standards aufgreifen, gilt daher die Vermutung ihrer Notwendigkeit i.S.v. Art. XX(b).535 cc) Ergebnis zur vorläufigen Rechtfertigung nach Artikel XX(b) Die vorläufige Rechtfertigung nach Art. XX(b) erfasst alle Maßnahmen, die notwendig sind zum Schutz des Lebens oder der Gesundheit von Menschen, Tieren oder Pflanzen. Damit es sich gerade um entsprechende Schutzmaßnahmen handelt, muss zunächst eine objektive Gefahr für die betreffenden Menschen, Tiere oder Pflanzen naturwissenschaftlich nachgewiesen werden (sog. Science- Test). Die untersuchten Handelsmaßnahmen müssen ferner ihrer allgemeinen Ausgestaltung nach, d. h. nach der ihnen zu Grunde liegenden Politik, auf den Schutz der betreffenden Menschen, Tiere oder Pflanzen gerichtet sein. Dabei macht es keinen Unterschied, ob die Maßnahmen unmittelbar dem Schutz von Menschen, Tieren oder Pflanzen dienen, oder ihre Schutzwirkung erst mittelbar entfalten, z. B. vermittelt durch den Schutz sog. global commons. Entscheidende Voraussetzung für die Anwendbarkeit von Art. XX(b) ist jedoch, dass die untersuchten Maßnahmen des handelnden Staates auf den Schutz inländischer Menschen, Tiere oder Pflanzen abzielen. Außerhalb des eigenen Hoheitsbereichs belegene Menschen, Tiere oder Pflanzen unterliegen grundsätzlich nicht dem Schutzinteresse des handelnden Staates hinsichtlich ihrer Erhaltung per se. Insbesondere hinsichtlich außerhalb des eigenen Hoheitsbereichs belegener Tiere oder Pflanzen, als Teile eines internationalen Umweltgutes, anerkennt das Konzept der nachhaltigen Entwicklung lediglich ein nutzungsrechtliches Interesse als natürliche Ressourcen. Dieser begrenzte Schutz wird nicht durch Art. XX(b), sondern durch Art. XX(g) gewährleistet. Als letzte Voraussetzung der vorläufigen Rechtfertigung erfordert Art. XX(b) die Notwendigkeit der ergriffenen Handelsmaßnahmen zum Schutz des Lebens oder der Gesundheit der betreffenden Menschen, Tiere oder Pflanzen. Nach dem hier entwickelten Verständnis ist eine Maßnahmen dann als notwendig zu betrachten, wenn sie geeignet ist, objektiv zur Verwirklichung der verfolgten Schutzpolitik beizutragen. Auch das so verstandene Merkmal der Notwendigkeit bedarf des naturwissenschaftlichen Nachweises im Einzelfall.

d) Vorläufige Rechtfertigung nach Artikel XX(g)

Die vorläufige Rechtfertigung nach Art. XX(g) wurde in umweltbezogenen Streitfällen unter dem GATT 1947 wie auch im Rahmen der WTO wiederholt geltend gemacht, und zwar weit vor derjenigen nach Art. XX(b). Im Folgenden ist zu 534 Hier kommt die Funktion von MEAs als internationale Standards zum Tragen, siehe oben dritter Teil A.V.5.b)cc). 535 Vgl. SchmidtlKahl, in: Rengeling (Hrsg.), Rn. 125.

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untersuchen, welcher Stellenwert Art. XX(g) bei der vorläufigen Rechtfertigung nichtproduktbezogener Handelsmaßnahmen zum Umweltschutz zukommt. aa) ,,[Measures relating to the] conservation of exhaustible natural resources" Die Rechtfertigung nach Art. XX(g) setzt eine Maßnahme voraus, die nach ihrer generellen Ausgestaltung der Erhaltung erschöpflicher natürlicher Ressourcen ("conservation of exhaustible natural resources") dient. ( J) Exhaustible natural resources - Auch lebende Ressourcen erfasst

Unter dem Begriff der natürlichen Ressourcen wurden in den Verhandlungen zum GATT üblicherweise Rohstoffe oder Mineralien (sog. non-living resources) verstanden. Allein nichtlebende Ressourcen wurden aufgrund ihres begrenzten natürlichen Vorkommens als erschöpfbar ("exhaustible") begriffen und bewusst von lebenden und damit grundsätzlich emeuerbaren Ressourcen (sog. living resources) abgegrenzt. 536 Dessen ungeachtet wurden in der späteren Praxis der Panel unter dem GATT 1947 - ohne nähere Begründung - Bestände an Thunfisch53? bzw. Lachs und Hering 538 in Übereinstimmung mit den jeweiligen Streitparteien als erschöpfbare

natürliche Ressourcen Art. XX(g) zugeordnet. Erst das Panel im Fall US - Gasoline lieferte eine kurze inhaltliche Begründung für die Einstufung sauberer Luft als erschöpfbare natürliche Ressource. Es führte aus:

"In the view of the Panel, clean air was a resource (it had value) and it was natural. It could be depleted. The fact that the depleted resource was defined with respect to its qualities was not, for the Panel, decisive. Likewise, the fact that a resource was renewable could not be an objection. ,,539

Das Panel verknüpft hier zutreffend den Begriff der Ressource mit dem Kennzeichen des materiellen Wertes und stellt im Anschluss daran lediglich die natürliche Herkunft dieses Wertes und dessen Erschöpfbarkeit fest. Diese Umschreibung des Begriffs der "resources" entspricht im Ergebnis der Auslegung nach seiner üblichen Bedeutung. "Resources" im Plural umfasst nämlich "a country's collective wealth".54o Die Wendung "exhaustible natural resources" bezeichnet demnach den erschöpfbaren Reichtum, den die Natur bereitstellt. Hierunter können grundsätzlich auch lebende Ressourcen verstanden werden. Vgl. Chamovitz, JWT 25, Nr. 5 (1991), S. 45 . Panel Report, US - Tunafrom Canada, para. 4.9; vgl. auch Panel Report, US - Tuna l/, para. 5.13. 538 Panel Report, Canada - Herring, para. 4.4. 539 Panel Report, US - Gasoline, para. 6.37. 540 Swannell (ed.), The Oxford Modem English Dictionary, S. 921. 536 537

314

3. Teil: Handelsmaßnahmen zum Umweltschutz im Recht der WTO

Der Appellate Body im Fall US - Shrimp stellte zu dieser Frage zunächst fest, dass sich dem Text des Art. XX(g) keine Beschränkung auf die Bewahrung nichtlebender Ressourcen entnehmen lasse und auch die grundsätzliche Reproduzierbarkeit lebender Ressourcen nicht die Anwendung des Art. XX(g) ausschließe: "Textually, Article XX(g) is not limited to the conservation of ,mineral' or ,non-living' natural resources. [ ... ] We do not believe that ,exhaustible' natural resources and ,renewable' natural resources are mutually exclusive. One lesson that modem biological sciences teach us is that living species, though in principle, capable of reproduction and, in that sense, ,renewable', are in certain circumstances indeed susceptible of depletion, exhaustion and extinction, frequently because of human activities. Living resources are just as ,finite' as petroleum, iron ore and other non-living resources.,,541

Ohne positiv die übliche Bedeutung des Begriffs der "resources" zu ermitteln, arbeitete der Appellate Body im Weiteren die maßgeblichen teleologischen Anhaltspunkte zur Auslegung der Wendung "exhaustible natural resources" heraus. Auch insoweit ist er offenbar von der ursprünglich vertretenen Trennung nichtlebender und lebender Ressourcen ausgegangen und hat dargelegt, dass dieses Verständnis unter Geltung des Konzepts der nachhaltigen Entwicklung nicht mehr haltbar ist. Der Appellate Body machte geltend: "The words of Article XX(g), ,exhaustible natural resources', were actually crafted more than 50 years ago. They must be read by a treaty interpreter in the light of contemporary concerns of the community of nations about the protection and conservation of the environment. While Artic1e XX was not modified in the Uruguay Round, the preamble attached to the WTO Agreement shows that the signatories to that agreement were, in 1994, fully aware of the importance and legitimacy of environmental protection as a goal of national and international policy. The preamble of the WTO Agreement - which informs not only the GATT 1994, but also the other covered agreements - explicitly acknowledges ,the objective of sustainable development' [ ... ].,,542 "From the perspective embodied in the preamble of the WTO Agreement, we note that the generic term ,natural resources' in Artic1e XX(g) is not ,static' in its content or reference but is rather ,by definition, evolutionary'. It is, therefore, pertinent to note that modem international conventions and dec1arations make frequent references to natural resources as embracing both living and non-living resources.,,543 "Given the recent acknowledgement by the international community of the importance of concerted bilateral or multilateral action to protect living natural resources, and recalling the explicit recognition by WTO Members of the objective of sustainable development in the preamble of the WTO Agreement, we believe it is too late in the day to suppose that Artic1e XX(g) of the GATT 1994 may be read as referring only to the conservation of exhaustible mineral or other non-living natural resources."S44

541 Appellate Body Report, 542 Appellate Body Report, 543 Appellate Body Report, 544 Appellate Body Report,

US US US US -

Shrimp, Shrimp, Shrimp, Shrimp,

para. para. para. para.

128. 129. l30.

131.

D. GATI 1994: Art. I, 11, III, XI und XX

315

In dieser Passage verankert der Appellate Body sein weites, nicht nur nichtlebende, sondern auch lebende Ressourcen umfassendes Verständnis der Wendung "exhaustible natural resources" im Konzept der nachhaltigen Entwicklung. Er zitiert u. a. Kapitel 17 der Agenda 21, worin durchgängig von "living resources" oder speziell "marine living resources" die Rede ist. Dieser Ansatz wird bestätigt durch die im zweiten Teil der vorliegenden Bearbeitung ermittelten Kennzeichen des Konzepts der nachhaltigen Entwicklung, insbesondere der langfristigen Sicherung der natürlichen Lebensgrundlagen u. a. als Grundlage für ein produktives Leben der Menschheit545 • Ob zur Erzielung dieses Ergebnisses jedoch das Institut der evolutiven Auslegung herangezogen werden muss, ist zweifelhaft. 546 Insgesamt verdienen die Ausführungen des Appellate Body, speziell die Herleitung des weiten Begriffs der "exhaustible natural resources" aus dem Konzept der nachhaltigen Entwicklung, jedoch Zustimmung. Sowohl nichtlebende als auch lebende Ressourcen werden vom Schutzbereich des Art. XX(g) umfasst. (2) Belegenheit der Ressourcen

Die räumliche Reichweite der Ausnahme des Art. XX(g) ist umstritten. Gerade von Seiten der Produkt-Prozess-Doktrin werden allein Maßnahmen zur Bewahrung erschöpfbarer natürlicher Ressourcen innerhalb des eigenen Hoheitsgebietes des handelnden Staates zugelassen. Es finden sich jedoch auch Stimmen, die darüber hinaus Maßnahmen zur Bewahrung auch außerhalb des eigenen Staatsgebietes belegener Ressourcen zulassen wollen. Der Appellate Body im Fall US - Shrimp hat diese Frage nach einer "implied jurisdictionallimitation in Article XX(g)" ausdrücklich dahinstehen lassen. Er begnügte sich insoweit damit, im konkreten Fall einen "sufficient nexus between the migratory and endangered marine populations involved and the United States" festzustellen, der in jedem Fall die Anwendung von Art. XX(g) zuließe. 547 545 Dies ergibt sich schon aus dem u. a. in Prinzip I der Rio-Deklaration niedergelegten anthropozentrischen Grundansatz des Konzepts der nachhaltigen Entwicklung; hierzu im zweiten Teil C.II.2.a)aa). 546 Zunächst findet die enge Auslegung der Wendung "exhaustible natural resources" allein in den Verhandlungen zum GATI 1947 eine Grundlage. Vergleichbare Ausführungen in der bisherigen Streitbeilegungspraxis fehlen hingegen. Ganz im Gegenteil haben schon unter dem GATI 1947 die Panel in den Fällen US-Tunafrom CamMa und Canada-Herring auch lebende Ressourcen als natürliche Ressourcen i.S.v. Art. XX(g) betrachtet. Eine relevante entgegenstehende Auslegung der Wendung "exhaustible natural resources", die über den Hinweis auf mit der Zeit eingetretene Änderungen des Begriffsinhalts angepasst werden müsste, ist somit gar nicht ersichtlich. Ferner ist das GATI 1994 gemäß Art. 11.4 des WTOÜbereinkommens "Iegally distinct" vom alten GATI 1947, so dass der Auslegung des GATI 1994 ohnehin das zu diesem Zeitpunkt vorherrschende Begriffsverständnis zu Grunde zu legen ist. Vgl. hierzu Appleton, HEL 2 (1999), S. 481 f.; Mavroidis, JWT 34, Nr. 1 (2000), S.86. 547 Appellate Body Report, US - Shrimp, para. 133.

316

3. Teil: Handeismaßnahmen zum Umweltschutz im Recht der WTO

Den Ausgangspunkt für die Beantwortung der Frage nach der räumlichen Reichweite bildet die schon in den Verhandlungen zum GATT zum Ausdruck gebrachte Einschätzung, dass Art. XX(g) hauptsächlich auf die Rechtfertigung von Exportbeschränkungen zur Bewahrung der eigenen Ressourcenbasis des handelnden Staates abziele. 548 Dem Text des Art. XX(g) ist jedoch keine Beschränkung auf diesen "gedachten Regelfall" zu entnehmen. Vielmehr ist - parallel zu den Ausführungen zu Art. XX(b) - aufgrund des offenen Wortlauts der Vorschrift und des Zusammenhangs der weiteren Ausnahmen des Art. XX davon auszugehen, dass grundsätzlich sowohl Export- als auch Importbeschränkungen zum Schutz eigener wie auch außerhalb des eigenen Hoheitsgebietes belegener Ressourcen in den Anwendungsbereich des Art. XX(g) fallen können. Aus dem Konzept der nachhaltigen Entwicklung ergeben sich insoweit die schon im Rahmen von Art. XX(b) ermittelten Einschränkungen. Die Rechtfertigung nichtproduktbezogener Handelsrnaßnahmen des Importstaates nach Art. XX(g) darf danach nur soweit reichen, als ein legitimes Nutzungsinteresse des handelnden Staates an den betreffenden Naturschätzen anzuerkennen ist. Ein solches besteht zunächst hinsichtlich der eigenen natürlichen Ressourcen des Importstaates. Aber auch hinsichtlich internationaler Umweltgüter (shared resources und global commons) wird insbesondere mit dem Grundsatz der equitable utilization 549 ein Nutzungsinteresse aller beteiligten Staaten anerkannt. 55o Allein hinsichtlich solcher Umweltgüter, die ausschließlich einem oder mehreren anderen Staaten zugeordnet sind, ist grundsätzlich, d. h. wenn nicht ausnahmsweise eine dahingehende Vereinbarung zwischen den betreffenden Staaten vorliegt, kein legitimes Nutzungsinteresse des Importstaates anzuerkennen. 551 . 552

(3) "Exhaustible" - Vorliegen einer tatsächlichen Gefährdung Gegenüber der weiten Lesart der Wendung "exhaustible natural resources", wonach nichtlebende wie lebende Ressourcen, ungeachtet ihrer grundsätzlichen Erneuerbarkeit oder Reproduzierbarkeit durch Zucht oder Anbau, gleichermaßen von Art. XX(g) erfasst sein können, wird mitunter der Vorwurf erhoben, dass sie 548 Vgl. hierzu Chamovitz, JWT 25, Nr. 5 (1991), S. 45; Ziegler, in: Weiss/Denters/de Waart (eds.), S. 214. 549 Vgl. hierzu im zweiten Teil C.l1.2.b)cc)(I). 550 Vgl. Kirgis, AJIL 84 (1990), S. 525 ff.; Verbruggen/Kuik, in: Van Dijck/Faber (eds.), S. 273; Jansen, EJIL 11 (2000), S. 313; Bimie / Boyle, International Law and the Environment, S. 99. 551 Auch der Appellate Body scheint dieser Begrenzung unausgesprochen zuzuneigen. Anders ist sein Hinweis im Appellate Body Report, US - Shrimp, para. 133, nicht zu verstehen. Dort heißt es: "Neither the appellant nor any of the appellees claims any rights of exclusive ownership over the sea turtles, at least not while they are swimming freely in their natural habitat - the oceans... 552 Vgl. Esty, Greening the GATT, S. 126.

D. GATI 1994: Art. I, 11, III, XI und XX

317

das Merkmal der Erschöpfbarkeit entlehre. 553 In der Tat gibt es kaum Naturschätze, die in nahezu unendlichem Umfang zur Verfügung stehen und daher nicht zumindest potenziell auch erschöpfbar sind. Dem Merkmal der Erschöpfbarkeit ist daher zur Erhaltung seiner eigenständigen Bedeutung554 das Erfordernis auch einer tatsächlichen Gefahr der Erschöpfung der betreffenden Naturschätze beizulegen.555 Ganz in diesem Sinne hat auch der Appellate Body im Fall US - Shrimp die Erschöpfbarkeit der in Rede stehenden Meeresschildkröten mit ihrer tatsächlichen Bedrohung von der Ausrottung begründet, nachgewiesen anhand ihrer Einordnung in Appendix I zum Washingtoner Artenschutzübereinkommen. 556 Das Panel im Fall US - Tuna II ist dem Erfordernis einer konkreten Gefährdung der geschützten Naturschätze jedoch ausdrücklich entgegengetreten: "The Panel, noting that dolphins stocks could potentially be exhausted, and that the basis of a policy to conserve thern did not depend on whether at present their stocks were depleted, accepted that a policy to conserve dolphins was a policy to conserve an exhaustible natural resource ...557

Für diese Ansicht ließe sich weiter ins Feld führen, dass Art. XX(g) gerade nicht von "exhausted natural resources" oder von "natural resources in danger of exhaustion", sondern von "exhaustible natural resources" spricht. 558 Dieser Einwand übersieht jedoch den unmittelbaren Zusammenhang der Wendung. Art. XX(g) erlaubt ausschließlich Maßnahmen zur Bewahrung ("conservation") erschöpflicher Naturschätze. Genau wie eine Maßnahme zum Schutz von Menschen, Tieren oder Pflanzen nach Art. XX(b) ("to protect") setzt auch eine Maßnahme zur Bewahrung erschöpflicher Naturschätze nach Art. XX(g) eine tatsächliche Gefährdung des Schutzgutes voraus. Andernfalls handelte es sich nämlich nicht um eine Maßnahme zum Schutz oder zur Bewahrung, sondern allgemein zur Verbesserung des Zustandes der Schutzgüter. Folglich bedarf es auch im Rahmen von Art. XX(g) einer tatsächlichen Gefahr der Erschöpfung der in Rede stehenden natürlichen Ressourcen. Dabei ist diese Gefahr in jedem einzelnen Fall auf der Grundlage der besten zur Verfügung stehenden wissenschaftlichen Erkenntnisse nachzuweisen (sog. Science-Test).559 Hierbei können wiederum Umweltschutzübereinkommen und einschlägiges soft law als sachverständige Aussagen Bedeutung erlangen.

Chamovitz, JWT 25, Nr. 5 (1991), S. 45 . Hierfür spricht der Grundsatz der effektiven Vertragsauslegung; siehe oben dritter Teil A.V.4.a). 555 Auch Mavroidis, JWT 34, Nr. I (2000), S. 86, erwägt dieses Erfordernis. 556 Appellate Body Report, US - Shrimp, para. 132. 557 Panel Report, US - Tuna ll, para. 5.13. 558 Vgl. SchmidtlKahl, in: Rengeling (Hrsg.), Rn. 133. 559 Vgl. hierzu die entsprechenden Ausführungen zu Art. XX(b). 553

554

318

3. Teil: Handelsmaßnahmen zum Umweltschutz im Recht der WTO

(4) Design der ergriffenen Maßnahme Schließlich müsste die ergriffene Maßnahme ihrem Design nach auf die Erhaltung erschöpflicher natürlicher Ressourcen abzielen. Parallel zu den Ausführungen im Rahmen von Art. XX(b) sind auch hier Umweltschutzmaßnahmen zur Erhaltung erschöpflicher natürlicher Ressourcen von nichtproduktbezogenen Handelsmaßnahmen zur Durchsetzung umweltbezogener Präferenzen des Importstaates und zum Ausgleich von Wettbewerbschancen bei unterschiedlichen Umweltstandards abzugrenzen. bb) "Relating to the Conservation" Das Merkmal des "relating to" in Art. XX(g) kennzeichnet, genau wie das Merkmal "necessary" in Art. XX(b), das Verhältnis der ergriffenen Maßnahme zur verfolgten Schutzpolitik. In der Streitbeilegungspraxis hat es unterschiedliche Deutungen erfahren. (1) Primarily-aimed-at-Test?

Erstmals mit der Auslegung des Merkmals "relating to" i.S.v. Art. XX(g) befasst, stellte das Panel im Fall Canada - Herring zunächst heraus, dass die einzelnen Ausnahmen des Art. XX unterschiedliche Voraussetzungen an den Grad der Verbindung zwischen verfolgtem Politikziel und der zur Erreichung des Ziels eingesetzten Handelsmaßnahme aufstellten. Die Anforderungen reichten u. a. von "necessary" (Art. XX (a), (b) und (d)) über "essential" (Art. XXG)) bis hin zu "relating to" (Art. XX (c), (e) und (g)). Aus dieser Differenzierung folgerte das Panel, dass für Art. XX (g) die fragliche Handelsmaßnahme nicht unbedingt notwendig oder essentiell zum Schutz erschöpfbarer natürlicher Ressourcen sein müssten, sondern ein weniger enges Verhältnis ausreiche. Es genüge, dass die Handeismaßnahme vornehmlich auf den Schutz erschöpfbarer natürlicher Ressourcen gerichtet sei ("primarily aimed at"). Im Wortlaut machte das Panel geltend: "The Panel conc1uded for these reasons that, while a trade measure did not have to be necessary or essential to the conservation of an exhaustible natural resource, it had to be primarily aimed at the conservation of an exhaustible natural resource to be considered as ,relating to' conservation within the meaning of Artic1e XX(g)."560

(2) Weites Verständnis des Appellate Body Im Fall US - Gasoline bestand für den Appellate Body noch keine Veranlassung, die Auslegung der Wendung "relating to" in Art. XX (g) als "primarily aimed at" zu überprüfen, da die Streitparteien und das Panel einvernehmlich dieser Auslegung gefolgt waren. Doch schon dort betonte er: ,,[T]he phrase ,primarily aimed 560 Panel Report, Carwda - Herring, para. 4.6.

D. GATT 1994: Art. I, 11, III, XI und XX

319

at' is not itself treaty language and was not designed as a simple litmus test for inelusion or exelusion from Artiele XX (g).,,561 Ferner hat er im Sinne einer Negativabgrenzung der festgestellten substantiellen Verbindung ("substantial relationship") das Gegensatzpaar "merely incidentally or inadvertently aimed at the conservation" gegenübergestellt. 562 Während die erste Verbindung den Anforderungen des ,,relating to" genüge, sei die zweite Verbindung unzureichend. Erst im Fall US - Shrimp sah sich der Appellate Body vor die Aufgabe gestellt, im Rahmen der über die Ausführungen des Panels hinausgehenden Komplettierung der Analyse einen eigenständigen Ansatz im Hinblick auf den Begriff des "relating to" zu entwickeln. 563 Bezeichnenderweise erwähnte der Appellate Body an keiner Stelle seiner Analyse den Primarily-aimed-at- Test. Stattdessen fragte er zur Ermittlung des "relating to" nach einem "elose and genuine relationship of ends and means,,564 bzw. danach, ob die Maßnahme "directly connected"565 oder "reasonably related,,566 zur verfolgten Schutzpolitik ist. Als eine Art Zusammenfassung des vom Appellate Body verfolgten Ansatzes lesen sich die abschließenden Ausführungen: "Focusing on the design of the measure here at stake, it appears to us that Section 609, cum implementing guide1ines, is not disproportionately wide in its scope and reach in relation to the policy objective of protection and conservation of sea turtles species. The means are, in principle, reasonably related to the ends.,,567

(3) Zwischenergebnis Aus dem Vergleich zu den anderen Ausnahmen des Art. XX ergibt sich, dass die Wendung "relating to" die geringsten Anforderungen an den Grad der Verbindung von Maßnahme und verfolgter Schutzpolitik stellt. Gleichwohl müssen, wie der Appellate Body zutreffend hervorhebt, alle diejenigen Maßnahmen aus dem Schutzbereich des Art. XX(g) ausgeschlossen werden, deren Verbindung zur legitimen Schutzpolitik rein zufälliger oder gänzlich unbeabsichtigter Natur ist. Dann kann von einer Maßnahme zur Verfolgung dieser Schutzpolitik nämlich nicht die Rede sein. 568 Ausgehend von dieser Zielrichtung der Wendung "relating to" in Art. XX(g) könnte man die Umschreibung mit "primarily aimed at" daher generell als zu eng ablehnen. 569 Zumindest ihre ausschließliche Verwendung ist aber in jedem 561 562 563 564 565 566 567 568 569

Appellate Body Report, US - Gasoline, S. 18. Appellate Body Report, US - Gasoline, S. 19. Appellate Body Report, US - Shrimp, para. 135 ff. Appellate Body Report, US - Shrimp, para. 136. Appellate Body Report, US - Shrimp, para. 140. Appellate Body Report, US - Shrimp, para. 141 . Appellate Body Report, US - Shrimp, para. 141 (Hervorhebung durch den Verfasser). Vgl. auch Chamovitz, JWT 25, Nr. 5 (1991), S. 50. So Manzini, in: Mengozzi (ed.), S. 833.

320

3. Teil: Handelsmaßnahmen zum Umweltschutz im Recht der WTO

Fall unsachgemäß, da hierdurch im Einzelfall der Blick auf weitere für die Bewertung maßgebliche Umstände verstellt wird. Im Ergebnis ist daher der flexiblere Ansatz des Appellate Body vorzuziehen und für das Erfordernis des "relating to" nach einem engen und echten Verhältnis von Maßnahme und Schutzpolitik zu fragen. cc) "If such measures are made effective in conjunction with restrictions on domestic production or consumption" Als weitere Voraussetzung der Rechtfertigung nach Art. XX(g) müssten die Handelsrnaßnahmen im Zusammenhang mit inländischen Beschränkungen der Produktion oder des Verbrauchs ("made effective in conjunction with restrictions on domestic production or consumption") der geschützten Ressourcen stehen. (1) Innerstaatliche Beschränkungen

Zunächst müssen irgendwie geartete innerstaatliche Beschränkungen der Produktion oder des Verbrauchs der geschützten Ressourcen nachzuweisen sein. Hierzu bedarf es einer tatsächlichen Analyse der im betreffenden Staat in Geltung befindlichen Vorschriften und deren tatsächlicher Anwendung. 57o Bestehen hinsichtlich der konkret geschützten Ressourcen keinerlei innerstaatliche Vorschriften, scheidet eine Rechtfertigung nach Art. XX(g) von vornherein aus. (2) "Made effective in conjunction with"

Das Merkmal des "made effective in conjunction with" bezeichnet das Verhältnis der zu untersuchenden Handelsrnaßnahmen mit den innerstaatlichen Beschränkungen der Produktion oder des Verbrauchs der geschützten Ressourcen. Es genügt also nicht, dass auch innerstaatliche Beschränkungen bestehen, die Handelsrnaßnahmen müssen gerade hiermit in Verbindung stehen. (a) Enges Verständnis i.S.v. "primarily aimed at"? Auch hinsichtlich des Merkmals "made effective in conjunction with" hat das Panel im Fall Canada - Herring einen Primarily-aimed-at- Test eingeführt. Das Panel machte insoweit geltend: "The Panel, similarly, considered that the terms ,in conjunction with' in Article XX(g) had to be interpreted in a way that ensures that the scope of possible actions under that provision corresponds to the purpose for which it was included in the General Agreement. A trade measure could therefore in the view of the Panel only considered to be made effec570

Vgl. das Vorgehen im Panel Report, US - Tuna from Canada, para. 4.10.

D. GATI 1994: Art. 1,11,111, XI und XX

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tive ,in conjunction with' production restrictions if it was primarily aimed at rendering effective these restrictions.,,571

(b) Weites Verständnis als Erfordernis der "even-handedness" Der Appellate Body hat im Fall US - Gasoline den Primarily-aimed-at- Test trotz entsprechender Hinweise der Streitparteien nicht angewendet. Er hat vielmehr eine eigene Auslegung der Wendung "made effective in conjunction with" vorgezogen und ausgeführt: ,,[T]he ordinary or natural meaning of ,made effective' when used in connection with a measure - a govemmental act or regulation - may be seen to refer to such measure being ,operative', as ,in force', or as having ,come into effect'. Similarly, the phrase ,in conjunction with' may be read quite plainly as ,together with' or ,jointly with'. Taken together, the second clause of Article XX(g) appears to us to refer to govemmental measures like the baseline establishment mies being promulgated or brought into effect together with restrictions on domestic production or consumption of natural resources. Put in a slightly different manner, we believe that the clause ,if such measures are made effective in conjunction with restrictions on domestic production or consumption' is appropriately read as a requirement that the measures concemed impose restrictions, not just in respect of imported gasoline but also with respect to domestic gasoline. The clause is a requirement of evenhandedness in the imposition of restrictions, in the name of conservation, upon the production or consumption of exhaustible natural resources. ,,572

In dem Erfordernis der "even-handedness" sei jedoch kein strenges Gleichbehandlungsgebot zu sehen. Nach dem Appellate Body sollen hiennit vielmehr die Fälle aus dem Schutzbereich des Artikels XX(g) ausgeschieden werden, in denen keinerlei Beschränkungen für gleichartige einheimische Produkte existieren, sondern allein eingeführte Produkte belastet werden. 573 Eine Beziehung zwischen innerstaatlichen Beschränkungen und den zu untersuchenden Handelsmaßnahmen sei dann nämlich keinesfalls nachweisbar. 574 (c) Zwischenergebnis Wie der Appellate Body zutreffend ausgeführt hat, ist die übliche Bedeutung der Wendung "made effective in conjunction with" erdenklich weit und bezeichnet die gemeinsame Ingeltungsetzung von innerstaatlichen Schutzmaßnahmen gegenüber einheimischen Produkten und korrespondierenden Handelsmaßnahmen gegenüber eingeführten Produkten. Der Primarily-aimed-at- Test ist vor diesem Hintergrund als zu eng abzulehnen. Es genügt mithin, wenn neben den ergriffenen Handelsmaß571 Panel Report, Canada - Herring, para. 4.6. 572 Appellate Body Report, US - Gasoline, S. 20. 573 Appellate Body Report, US - Gasoline, S. 20 f. 574 Zur Illustration hat der Appellate Body insoweit auf den Panel Report, Canada - Herring, para. 4.7, verwiesen. 21 Puth

322

3. Teil: Handelsmaßnahmen zum Umweltschutz im Recht der WTO

nahmen auch innerstaatliche Beschränkungen der Produktion oder des Verbrauchs der betreffenden natürlichen Ressourcen bestehen. dd) Ergebnis zur vorläufigen Rechtfertigung nach Artikel XX(g) Die vorläufige Rechtfertigung nach Art. XX(g) erfasst alle auf die Erhaltung erschöpfbarer natürlicher Ressourcen gerichteten Handelsrnaßnahmen, die im Zusammenhang mit Beschränkungen der inländischen Produktion oder des inländischen Verbrauchs dieser Ressourcen angewendet werden. Als erschöpfbare natürliche Ressourcen sind in gleicher Weise nichtlebende wie auch lebende natürliche Ressourcen geschützt. Parallel zu Art. XX(b) ist auch im Rahmen von Art. XX(g) eine tatsächliche Gefahr der Erschöpfung der in Rede stehenden natürlichen Ressourcen zu fordern. Andernfalls handelte es sich nämlich nicht um Maßnahmen gerade zur Erhaltung erschöpfbarer natürlicher Ressourcen. Die räumliche Reichweite der Ausnahme des Art. XX(g) bestimmt sich nach dem geschützten Interesse. Art. XX(g) schützt das Interesse der Mitglieder an der Nutzbarkeit der betreffenden natürlichen Ressourcen, nicht an der Erhaltung ihrer Umweltlage per se. Insoweit anerkennt das Konzept der nachhaltigen Entwicklung legitime Nutzungsinteressen zunächst an den eigenen natürlichen Ressourcen des handelnden Mitgliedstaates, darüber hinaus aber auch an internationalen Umweltgütern, die den handelnden Staat betreffen. Allein hinsichtlich solcher Umweltgüter, die ausschließlich einem oder mehreren anderen Staaten zugeordnet sind, ist ein legitimes Nutzungsinteresse des handelnden Staates grundsätzlich nicht anzuerkennen. Als weitere Voraussetzungen der vorläufigen Rechtfertigung nach Art. XX(g) müssen die ergriffenen Handelsrnaßnahmen in einer substanziellen Verbindung ("relating to") zur verfolgten Schutzpolitik stehen und zudem gemeinsam mit innerstaatlichen Beschränkungen der Produktion oder des Verbrauchs der betreffenden natürlichen Ressourcen angewendet werden ("made effective in conjunction with"). Hinsichtlich beider Voraussetzungen ist eine weite Lesart geboten.

e) Ergebnis der vorläufigen Rechtfertigung nach Artikel XX(b) und (g)

Im Ergebnis können Handelsrnaßnahmen zum Schutz aller Arten von Umweltgütern nach Art. XX(b) oder (g) vorläufig gerechtfertigt werden. Allein die Belegenheit der betreffenden Umweltgüter wie die Art des verfolgten Interesses begrenzen den Spielraum des Importstaates hinsichtlich des Ergreifens von umweltschutzpolitisch motivierten Handelsrnaßnahmen. Zunächst ist eine Zuständigkeit des Importstaates zum Schutz solcher Umweltgüter, die ausschließlich auf einen oder mehrere andere Staaten entfallen, nicht anzuerkennen. Hierzu zählt insbesondere der Schutz der Umwelt des Staates der Produktion vor rein internen Belastungen. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz dürfte lediglich dann anzuerkennen sein, wenn die beteiligten Staaten insoweit ein Kooperationsverhältnis mit dem

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Importstaat eingegangen sind. Hinsichtlich des mit einer Handelsmaßnahme verfolgten Schutzinteresses ist zwischen der Erhaltung von Menschen, Tieren oder Pflanzen per se, die von Art. XX(b) ermöglicht wird, und der Erhaltung der Nutzbarkeit natürlicher Ressourcen nach Art. XX(g) zu unterscheiden. Maßnahmen des Importstaates zur Erhaltung bestimmter Umweltgüter als solche sind nach Art. XX(b) nur dann zu rechtfertigen, wenn hierdurch zumindest mittelbar auch inländische Menschen, Tiere oder Pflanzen geschützt werden. Zielt der Importstaat mit seinen Handelsmaßnahmen hingegen auf den Schutz seiner Nutzungsinteressen an bestimmten Umweltgütern als natürliche Ressourcen, so anerkennt Art. xx(g) entsprechende Handelsmaßnahmen zur Erhaltung der Nutzbarkeit eigener Umweltressourcen wie auch internationaler und globaler Umweltressourcen, an denen der Importstaat beteiligt ist. Allein hinsichtlich solcher Umweltressourcen, an denen der Importstaat nicht beteiligt ist, besteht auch in nutzungsrechtlicher Hinsicht kein legitimes Interesse. Das Verhältnis von Art. XX(b) und (g) ist demnach kein Verhältnis der Konkurrenz, insbesondere keines der Spezialität. 575 Es werden vielmehr unterschiedliche Interessen erfasst. Einmal geht es um die Erhaltung von Menschen, Tieren oder Pflanzen als solche, das andere Mal liegt der Fokus der erfassten Maßnahmen auf der Erhaltung von Umweltgütern als natürliche Ressourcen. Eine genaue Abgrenzung dieser Interessen wird bei innerstaatlichen Schutzgütern nicht immer eindeutig zu leisten sein. In diesem Fall dürften sich die jeweiligen Parteien jedoch regelmäßig auf den umfassenderen Schutz des Art. XX(b) berufen, so dass es einer genauen Abgrenzung zu Art. XX(g) gar nicht mehr bedarf. Auch insgesamt dürfte auf der Ebene der vorläufigen Rechtfertigung eine gewisse Großzügigkeit bei der Auslegung und Anwendung der einzelnen Ausnahmen des Art. XX angezeigt sein. Schließlich bietet die Prüfung der Chapeau-Klausel des Art. XX breiten Raum zum Schutz der von den Handelsmaßnahmen betroffenen Interessen der anderen WTO-Mitglieder. 3. Die Anforderungen der Chapeau-Klausel Der Chapeau-Klausel kommt bei der Prüfung des Art. XX eine herausragende Bedeutung zu. Nachdem eine vorläufige Rechtfertigung nach einer der lit. (a) bis (j) des Art. XX festgestellt worden ist, entscheiden die Anforderungen der Chapeau-Klausel endgültig über die Rechtfertigung nach Art. XX.

a) Anwendung der Chapeau-Klausel Die Anwendung der Chapeau-Klausel wirft eine Vielzahl bisher nur unzureichend gelöster Fragen auf. Dabei ist das Grundproblem schon seit langem klar: 575 21*

Diese Frage wirft auf Mavroidis, in: ILA (ed.), S. 182.

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3. Teil: Handeismaßnahmen zum Umweltschutz im Recht der WTO

"The problem is that the language of the condition against misuse is so nebulous as to make exact definition impossible. Aseries of adjudications as to its meaning would be useful, but there are few, if any, cases in GATT that have involved interpretation of this c1ause and the preparatory work is litde help. What is ,arbitrary and unjustified'? What is a ,disguised restriction on international trade,?,,576

aa) Erzielung eines umfassenden Ausgleichs Die Chapeau-Klausel ist Ausdruck des Prinzips von Treu und Glauben, und zwar in seiner Ausprägung als Verbot des Rechtsmissbrauchs. Die Staaten sind hiernach gehalten, ihre vertraglichen Rechte gegenüber den anderen Vertragsparteien in einer Weise auszuüben, die angemessen ("appropriate") und notwendig ("necessary") zur Erreichung des Zieles des Rechts ist. 577 Der Chapeau-Klausel kommt mithin eine ausgleichende Funktion zu. Sie soll die Rechtspositionen der Mitglieder gegeneinander abwägen, so dass keines der widerstreitenden Rechte entwertet und insgesamt ein gerechter Ausgleich erzielt wird. 578 Der Appellate Body hat die Anforderungen der Chapeau-Klausel des Art. XX im Fall US - Gasoline zunächst folgendermaßen beschrieben: "If those exceptions are not to be abused or misused, in other words, the measures falling within the particular exceptions must be applied reasonably, with due regard both to the legal duties of the party c1aiming the exception and the legal rights of the other parties concerned.,,579

Diesen Ansatz hat der Appellate Body im Fall US - Shrimp weiter ausgebaut und hinsichtlich der Auslegung und Anwendung der Chapeau-Klausel hervorgehoben: "The task of interpreting and applying the chapeau is, hence, essentially the delicate one of locating and I'TUlrking out a line of equilibrium between the right of a Member to invoke an exception under Artic1e XX and the rights of the other Members under varying substanti ve provisions (e.g., Artic1e XI) of the GATT 1994, so that neither of the competing rights will cancel out the other and thereby distort and nullify or impair the balance of rights and obligations constructed by the Members themse1ves in that Agreement. The location of the line of equilibrium, as expressed in the chapeau, is not fixed and unchanging; the line moves as the kind and the shape of the measures at stake vary and as the facts making up specific cases differ. ,,580

Nach diesen Ausführungen besteht nicht nur der Sinn und Zweck der ChapeauKlausel in der Erzielung eines fairen Ausgleichs der betroffenen Interessen. Auch 576

577 578 579 580

Jackson, World Trade and the Law of GATT, S. 744. Appellate Body Report, US - Shrimp, para. 158 Fn. 156. Vgl. McRae, in: Bronckers I Quick (eds.), S. 229 f. Appellate Body Report, US - Gasoline, S. 22. Appellate Body Report, US - Shrimp, para. 159 (Hervorhebung durch den Verfasser).

D. GAIT 1994: Art. I, II, III, XI und XX

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der konkrete Prozess der Auslegung und Anwendung der Chapeau-Klausel beschränkt sich auf eine Gesamtabwägung aller betroffenen Interessen. 58 ! bb) Erzielung eines verhältnismäßigen Ausgleichs Diesem Ansatz liegt erkennbar das Prinzip der Verhältnismäßigkeit zu Grunde. 582 Zwar spricht der Appellate Body im Zusammenhang des Art. XX bisher an keiner Stelle ausdrücklich von einem "verhältnismäßigen" Ausgleich der widerstreitenden Rechte. 583 Doch wendet er in der Sache sehr wohl die einzelnen Elemente des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes an. So überprüft er im Rahmen der Chapeau-Klausel etwa die "reasonable and bona tide exercise of rights" und versteht hierunter eine Rechtsausübung "which is appropriate and necessary for the purpose of the right". 584 Das Erfordernis eines Ausgleichs zwischen den widerstreitenden Interessen lässt sich schon dem Begriff der "discrimination" in der Chapeau-Klausel entnehmen. 585 Eine Diskriminierung in diesem Sinne liegt dann vor, wenn den in den einzelnen Ausnahmen des Art. XX verbürgten Interessen des handelnden Mitglieds durch das Ergreifen der untersuchten Handelsmaßnahme ein im Vergleich zu den Freihandelsinteressen der betroffenen Mitglieder übermäßiges Gewicht zugeschrieben wird. Das Erfordernis gerade eines verhältnismäßigen Ausgleichs der widerstreitenden Rechtspositionen wird gestützt durch die Funktion der ChapeauKlausel, einen gleichberechtigten Ausgleich herbeizuführen. Es ist die rufe of faw selbst, die im Rahmen eines differenzierten Rechtssystems einen verhältnismäßigen Ausgleich gleichberechtigter Interessen erfordert. 586 Als zentrale Elemente der Verhältnismäßigkeitsprüfung dürften insbesondere die Kriterien der Erforderlichkeit und der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne die Anwendung der Chapeau-Klausel des Art. XX leiten. Hierdurch erfährt die Chapeau-Klausel ihre maßgebliche Ausprägung als umfassender Least-traderestrictive- Test. Die übrigen Kriterien der Verhältnismäßigkeitsprüfung, das legitime Regelungsziel und die Geeignetheit werden hingegen schon auf der Ebene der 581

McRae, in: Bronckers I Quick (eds.), S. 229.

Ausführlich hierzu Hilf/Puth, in: von Bogdandy/Mavroidis/Meny (eds.), S. 211 ff.; vgl. auch Appleton, HEL 2 (1999), S. 492; Manzini, in: Mengozzi (ed.), S. 848; allgemein zum Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Völkerrecht Delbrück, in: Bernhardt (ed.), S. 1140 ff. 583 V gl. aber den Appellate Body Report, US - Cotton Yarn, para. 119 f. Dort hat der Appellate Body im Zusammenhang des Art. 6.4 S. 2 des Übereinkommens über Textilwaren und Bekleidung erstmals ausdrücklich das Prinzip der Verhältnismäßigkeit als grundlegendes Prinzip der Welthandelsordnung anerkannt. 584 Appellate Body Report, US - Shrimp, para. 158 Fn. 156. 585 Vgl. McRae, in: Bronckers/Quick (eds.), S. 231. 586 Hilf/ Puth, in: von Bogdandy I Mavroidis I Meny (eds.), S. 210 f. 582

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3. Teil: Handelsrnaßnahmen zum Umweltschutz im Recht der WTO

vorläufigen Rechtfertigung nach den lit. (a) bis (j) des Art. XX in ihren jeweiligen Ausprägungen erfasst. cc) Die Bedeutung der einzelnen Standards Die Chapeau-Klausel enthält drei verschiedene Standards, anhand derer die konkrete Maßnahme zu überprüfen ist: "arbitrary discrimination between countries where the same conditions prevail", "unjustifiable discrimination between countries where the same conditions prevail" und "disguised restriction on international trade". Erfüllt die Maßnahme einen dieser drei Standards nicht, so liegt ein Verstoß gegen Art. XX vor. 587 Die einzelnen Standards sind gleichermaßen auf alle Maßnahmen anwendbar, die gegen eine Verpflichtung des GATT verstoßen. Ein unterschiedlicher Anwendungsbereich ist nicht anzuerkennen. 588 Insbesondere die Wendung "between countries where the same conditions prevail" gilt gleichermaßen für das Verhältnis zwischen Exportstaaten wie auch zwischen Exportstaaten und Importstaaten. 589 Weiter dürften u. a. die Versuche ausgeschlossen sein, im Verhältnis zwischen Vertragsparteien und Nichtvertragsparteien eines MEA von unterschiedlichen Bedingungen auszugehen und hierdurch insbesondere in dem Übereinkommen vorgesehene Handelsrnaßnahmen gegen Nichtvertragsparteien zu rechtfertigen. 59O Nicht schon das Bestehen unterschiedlicher völkerrechtlicher Verpflichtungen vermag einen relevanten Unterschied zwischen den innerhalb der Mitgliedstaaten vorliegenden Bedingungen zu begründen. 591 Aufgrund eines teleologischen Ansatzes hielt der Appellate Body im Fall USGasoline eine genaue Unterscheidung der einzelnen Standards für entbehrlich. Er hat die Standards nebeneinander gelesen und sich bei ihrer Anwendung maßgeblich vom Sinn und Zweck der Chapeau-Klausel leiten lassen. Der Appellate Body führte insoweit aus: ",Arbitrary discrimination', ,unjustifiable discrimination' and ,disguised restriction' on international trade may, accordingly, be read side-by-side; they impart meaning to one another. It is c1ear to us that ,disguised restriction' inc1udes disguised discrimination in international trade. It is equally c1ear that concealed or unannounced restriction or discrimination in international trade does not exhaust the meaning of ,disguised restriction'. We 587 Die deutsche Übersetzung spricht fälschlicherweise von einer "willkürlichen und ungerechtfertigten Diskriminierung". Richtigerweise müsste hier jedoch von einer "willkürlichen oder ungerechtfertigten Diskriminierung" ("arbitrary or unjustifiable discrimination") die Rede sein. 588 Appellate Body Report, US - Gasoline, S. 23 f. 589 Appellate Body Report. US - Gasoline, S. 23; Appellate Body Report, US - Shrimp, para. 150. 590 Vgl. Petersmann, International and European Trade and Environmental Law, S. 42. 591 Van Calster, International and EU Trade Law, S. 144.

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consider that ,disguised restriction', whatever else it covers, may properly be read as embracing restrictions amounting to arbitrary or unjustifiable discrimination in international trade taken under the guise of a measure formally within the terms of an exception listed in Article XX. Put in a somewhat different manner, the kinds of considerations pertinent in deciding whether the application of a particular measure amounts to ,arbitrary or unjustifiable discrimination', mayaiso be taken into account in determining the presence of a ,disguised restriction' on international trade. The fundamental theme is to be found in the purpose and object of avoiding abuse or illegitimate use of the exceptions to substantive roles available in Artcle XX. ,,592

Der Appellate Body sieht demnach kein Bedürfnis zu einer feinen Abgrenzung der einzelnen Standards. Insbesondere umfasse der Standard der verschleierten Handelsbeschränkung ("disguised restriction on international trade") auch bereits als willkürliche oder ungerechtfertigte Diskriminierung ("arbitrary or unjustifiable discrimination") gekennzeichnete Sachverhalte. Auch im Fall US - Shrimp ist der Appellate Body über diesen rein teleologisch orientierten Ansatz nicht wesentlich hinausgegangen. 593 Allein hinsichtlich der Standards der willkürlichen Diskriminierung und der ungerechtfertigten Diskriminierung ist eine Weiterführung der Dogmatik zu erkennen, die im Wesentlichen in der Unterscheidung substantieller und prozeduraler Anforderungen besteht. Der Appellate Body machte geltend: "We note, preliminarily, that the application of a measure may be characterized as amounting to an abu se or misuse of an exception of Article XX not only when the detailed operating provisions of the measure prescribe the arbitrary or unjustifiable activity, but also where a measure, otherwise fair and just on its face, is actually applied in an arbitrary or unjustifiable manner. The standards of the chapeau, in our view, project both substantive and procedural requirements.,,594

In der weiteren Prüfung der einzelnen Standards der Chapeau-Klausel hat der Appellate Body die Unterscheidung zwischen substantiellen und prozeduralen Anforderungen dahingehend umgesetzt, dass er die Substanz der Maßnahme vornehmlich am Standard der ungerechtfertigten Diskriminierung und das bei der Anwendung der Maßnahme beachtete Verfahren am Standard der willkürlichen Diskriminierung überprüft hat. Damit sind der Streitbeilegungspraxis des Appellate Body allenfalls erste Ansätze einer textuellen Anbindung der teleologisch fundierten Auslegung und Anwendung der Chapeau-Klausel zu entnehmen. Der von Art. 3.2 DSU für die Auslegung vorgegebene und auch sonst vom Appellate Body verfolgte sog. textual approach erfordert weitere Spezifizierungen der einzelnen Standards. Dies gilt vor allem für den Standard der verschleierten Handelsbeschränkung, dem im Konzept des Ap592 Appellate Body Report, US - Gasoline. S. 24 f. 593 McRae. in: Bronckers/Quick (eds.), S. 234, bescheinigt sogar "that in Shrimp/Turtle the Appellate Body does not try to ascribe meaning to those terms". 594 Appellate Body Report, US - Shrimp. para. 160.

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3. Teil: HandeIsmaßnahmen zum Umweltschutz im Recht der WTO

pellate Body bisher noch keine eigenständige Bedeutung zugeschrieben worden ist. Die Ausführungen im Fall US - Gasoline legen vielmehr nahe, hierin primär einen Auffangtatbestand zu sehen, der zunächst die Fälle der willkürlichen oder ungerechtfertigten Diskriminierung erfasst. Eine darüber hinausgehende, eigenständige Bedeutung des Standards der verschleierten Handelsbeschränkung bleibt noch zu ermitteln. dd) Zusammenfassung Die Chapeau-Klausel des Art. XX enthält mit den Standards der ungerechtfertigten Diskriminierung, der willkürlichen Diskriminierung und der verschleierten Handelsbeschränkung drei weite Schranken-Schranken, die für eine unbestimmte Vielzahl von Auslegungen und Wertentscheidungen je nach den Umständen des Einzelfalles offen sind. Ihre Anwendung und Auslegung muss sich daher primär am Sinn und Zweck der Chapeau-Klausel orientieren, nämlich einen verhältnismäßigen Ausgleich zwischen den widerstreitenden Rechtspositionen zu erzielen. In diesem Rahmen bezeichnen die einzelnen Standards lediglich verschiedene im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigende Aspekte. Entsprechend des Ansatzes des Appellate Body ist unter dem Prüfungspunkt der ungerechtfertigten Diskriminierung die eigentliche Substanz der ergriffenen Maßnahme zu untersuchen, während der Standard der willkürlichen Diskriminierung eher Mängel des Verfahrens der Anwendung der Maßnahme erfasst. Der eigenständige Gehalt des Standards der verschleierten Handelsbeschränkung bleibt hingegen noch zu ermitteln. b) Kein A-priori-Ausschluss nichtproduktbezogener Handelsmaßnahmen

Nach der Produkt-Prozess-Doktrin ist spätestens auf der Ebene der ChapeauKlausel eine Rechtfertigung nichtproduktbezogener Handelsmaßnahmen zum Umweltschutz apriori ausgeschlossen. 595 Dies gelte nur dann nicht, wenn sie zwischen den Parteien eines Umweltschutzübereinkommens angewendet werden, das ausdrücklich das Ergreifen nichtproduktbezogener Handelsmaßnahmen vorsieht. In dieser Weise wurden insbesondere die Argumente der komparativen Kostenvorteile, der "Extraterritorialität" und des Unilateralismus geführt. aa) Der Bericht des Appellate Body im Fall US - Shrimp Der generelle Ausschluss nichtproduktbezogener Handelsmaßnahmen aus dem Schutzbereich des Art. XX ist jedoch spätestens seit dem Bericht des Appellate 595 Vgl. Panel Report, US - Shrimp, para. 7.45. Das Panel im Fall US - Tuna II siedelte diesen Grundansatz der Produkt-Prozess-Doktrin schon auf der Ebene der vorläufigen Rechtfertigung an, und zwar beim Merkmal "reIating to" im Rahmen des Art. XX(g) bzw. "necessary" im Rahmen des Art. XX(b); Panel Report, US - Tuna /l, para. 5.26 f. bzw. 5.38 f.

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Body im Fall US - Shrimp nicht mehr haltbar. Dort hat der Appellate Body ausgeführt: "lt is not necessary to assume that requiring from exporting countries compliance with, or adoption of, certain policies [ ... ) prescribed by the importing country, renders a measure apriori incapable of justification under Artic1e XX.,,596

Als Begründung hierfür lieferte der Appellate Body drei Argumente. 597 (I) Zunächst lasse sich dem Wortlaut des Art. XX kein Anhaltspunkt für den generellen Ausschluss nichtproduktbezogener Handelsmaßnahmen entnehmen. (2) Ferner sei das - im Rahmen der Produkt-Prozess-Doktrin vertretene - Argument der übermäßigen Beeinflussung der Schutzpolitik des Exportstaates als solches nicht tragfähig, da es sich insoweit um "a common aspect of measures falling within the scope of one or another of the exceptions (a) to (j) of Article XX" handele. (3) Schließlich verstoße der generelle Ausschluss nichtproduktbezogener HandeIsmaßnahmen gegen den Grundsatz der effektiven Vertragsauslegung, da eine solche Auslegung "renders most, if not all, of the specific exceptions of Article XX inutile". bb) Erläuterungen und weiterführende Überlegungen Die Argumentation des Appellate Body ist stringent und spricht damit für sich. Gleichwohl ist sie an einigen Stellen der Erläuterung bedürftig und auch weiterführenden Überlegungen zugänglich. Zunächst ist zu unterstreichen, dass dem Wortlaut des Art. XX keinerlei Hinweise auf einen generellen Ausschluss nichtproduktbezogener Handeismaßnahmen aus seinem Schutzbereich zu entnehmen sind. Darüber hinaus spricht das bloße Vorhandensein von Art. XX(e) sogar zwingend gegen eine solche Annahme. 598 Nach Art. XX(e) sind Maßnahmen "relating to products of prison labour" ausdrücklich von den Verpflichtungen des GATT ausgenommen. Hierbei handelt es sich aber gerade um nichtproduktbezogene Handeismaßnahmen, da sie an die Herstellung von Produkten in Strafvollzugsanstalten anknüpfen. 599 Diese hat jedoch als solche noch keine Auswirkungen auf die Eigenschaften der gefertigten Produkte. Wollte man also einen generellen Ausschluss nichtproduktbezogener Handeismaßnahmen in die Chapeau-Klausel des Art. XX 596 Appellate Body Report, US - Shrimp, para. 121. 597 Appellate Body Report, US - Shrimp, para. 121. Zum Wortlaut der Passage siehe oben erster Teil E.III. 598 Wie hier Howse, JSEBL 3 (1999), S. 143. A.A. Feddersen, EELR 1998, S. 213, der Art. XX(e) vielmehr - a contrario - ein Argument zum generellen Ausschluss nichtproduktbezogener Handeismaßnahmen aus dem Anwendungsbereich des Art. XX entnimmt; hiergegen wiederum Van Calster, International and EU Trade Law, S. 290 Fn. 10. 599 Arden-Clarke, in: Brack (ed.), S. 73.

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3. Teil: Handelsmaßnahmen zum Umweltschutz im Recht der WTO

hereinlesen, so würde die Ausnahme des Art. XX(e) hinfällig und könnte niemals zu einer Rechtfertigung entsprechender Maßnahmen führen. An dieser Stelle greift der Hinweis des Appellate Body auf den Grundsatz der effektiven Vertragsauslegung. Auch der Vergleich zu produktbezogenen Handelsmaßnahmen - unabhängig davon, ob diese an Merkmale des fertigen Produkts oder die verwendeten produktbezogenen PPMs anknüpfen - macht deutlich, dass im Fall nichtproduktbezogener Handelsmaßnahmen jedenfalls kein qualitativer Unterschied in den Auswirkungen auf das Herkunftsland besteht. Zur Vermeidung der handelsbeschränkenden Wirkungen müssen die ausländischen Produzenten im einen wie im anderen Fall ihre Produktion umstellen. Bei produktbezogenen Handelsmaßnahmen müssen sie ihre produktbezogenen PPMs, bei nichtproduktbezogenen Handelsmaßnahmen ihre nichtproduktbezogenen PPMs an die Vorgaben des Importstaates anpassen, um ihre Produkte weiterhin frei handeln zu können. 6OO Daher ist dem Appellate Body zuzustimmen, wenn er die Beeinflussung der Schutzpolitik des Exportstaates als ein gemeinsames Merkmal der unter die Ausnahmen des Art. XX(a) bis U) fallenden Maßnahmen betrachtet. Darüber hinaus spricht auch das Konzept der nachhaltigen Entwicklung gegen den generellen Ausschluss nichtproduktbezogener Handelsmaßnahmen aus dem Schutzbereich des Art. XX. Eine nachhaltige Politik hinsichtlich der Produktion und des Verbrauchs von Gütern aller Art ist nach Prinzip 8 der Rio-Deklaration gerade durch die gleichberechtigte Berücksichtigung produktionsseitiger wie verbrauchsseitiger Umweltbelastungen gekennzeichnet. 601 Aus der Sicht einer nachhaltigen Entwicklungsstrategie kann es schließlich nicht darauf ankommen, auf welcher Ebene im Lebenszyklus eines Produkts die negativen Auswirkungen auf die Umwelt eintreten. 602 Auch Prinzip 12 der Rio-Deklaration unterscheidet nicht zwischen produktbezogenen und nichtproduktbezogenen Handelsmaßnahmen zum Umweltschutz. Sowohl produktbezogene als auch nichtproduktbezogene Handelsmaßnahmen werden einer einheitlichen Regelung unterworfen, die allein nach der Belegenheit der geschützten Umweltgüter bzw. des Ausmaßes der bekämpften Umweltprobleme unterscheidet. 603 Diese Vorgaben des Konzepts der nachhaltigen Entwicklung sind auch und gerade bei der Auslegung der unbestimmten Standards der Chapeau-Klausel des Art. XX zu berücksichtigen. Schließlich hat auch die ökonomische Betrachtung nichtproduktbezogener TREMs gezeigt, dass die Handelsmaßnahmen in bestimmten Fällen der InternaÄhnlich Manzini, in: Mengozzi (ed.), S. 838. Der genaue Wortlaut des Prinzips 8 der Rio-Deklaration findet sich oben im zweiten Teil c.n.2.c )cc). 602 Vgl. Brown Weiss, AJIL 86 (1992), S. 730; Verbruggen/ Kuik, in: Van Dijck/Faber (eds.), S. 267; Dawkins, in: Wolfrum (ed.), S. 517 f.; Sampson, The World Economy 24 (2001), S. 1113. 603 Näher hierzu zweiter Teil C.II.2.d)aa). 600 601

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lisierung negativer internationaler externer Effekte dienen. Dann beeinträchtigen sie nicht die komparativen Kostenvorteile des Staates der Produktion, sondern schützen die komparativen Kostenvorteile des Importstaates. 604 Das im Rahmen der Produkt-Prozess-Doktrin formulierte Argument der komparativen Kostenvorteile spricht in diesen Fällen gerade für das Ergreifen nichtproduktbezogener TREMs. Ein generelles Verbot nichtproduktbezogener Handelsrnaßnahmen wird daher auch den ökonomischen Zielsetzungen der Welthandelsordnung nicht gerecht. 605 Auch hier findet die generelle Unterscheidung zwischen Produkt und Prozess nach der Produkt-Prozess-Doktrin keine Grundlage. Vielmehr ist es auch aus globaler wohlfahrtsökonomischer Sicht völlig unerheblich, ob grenzüberschreitende Umweltbelastungen auf der Ebene der Produktion oder des Verbrauchs entstehen. Ausschlaggebend ist allein die Tatsache, dass sie entstehen. Insgesamt kann von einem A-priori-Ausschluss nichtproduktbezogener Handelsrnaßnahmen aus dem Schutzbereich des Art. XX daher keine Rede sein. 606 c) "Unjustifiable discrimination between countries

where the same conditions prevail"

Unter dem Standard der ungerechtfertigten Diskriminierung ("unjustifiable discrimination between countries where the same conditions prevail") ist der sachliche Gehalt der fraglichen Maßnahme daraufhin zu untersuchen, ob hierdurch die Umweltschutzinteressen des handelnden Staates verhältnismäßig umgesetzt werden. Im Folgenden sollen gerade die im Zusammenhang nichtproduktbezogener Handelsrnaßnahmen zum Umweltschutz auftauchenden Probleme dargelegt und die Parameter eines verhältnismäßigen Ausgleichs mit den Freihandelsinteressen betroffener Mitglieder ermittelt werden. Dabei ist eine gewisse Abstraktion in der Darstellung und eine Auswahl spezieller Problembereiche unumgänglich. Zur Anwendung im konkreten Fall sind die Ausführungen daher gegebenenfalls anzupassen und zu ergänzen. aa) Unilaterales Vorgehen contra Kooperation Im Fall US - Shrimp hat der Appellate Body zur Feststellung einer ungerechtfertigten Diskriminierung maßgeblich auf das Fehlen jeglicher Kooperationsbemühungen seitens der Vereinigten Staaten gegenüber den betroffenen Mitgliedern abgestellt: "Another aspect of the application of Section 609 that bears heavily in any appraisal of justifiable or unjustifiable discrimination is the failure of the United States to engage the Zur Herleitung siehe oben zweiter Teil B.Y. So auch BhagwatiiSrinivasan, in: Bhagwati/Hudec (eds.), S. 189; Uimonen, in: Schott (ed.), S. 118; Sen, in: Tussie (ed.), S. 119. 606 Im Ergebnis übereinstimmend Chamovitz, JWT 25, Nr. 5 (1991), S. 53 f. 604 605

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3. Teil: Handelsmaßnahmen zum Umweltschutz im Recht der WTO

appellees, as weil as other Members exporting shrimp to the Uni ted States, in serious, across-the-board negotiations with the objective of concluding bilateral or multilateral agreements for the protection and conservation of sea turtles, before enforcing the import prohibition against the shrimp exports of those other Members.,,607

Es ist mithin zu klären, welche Bedeutung der zwischenstaatlichen Kooperation im Rahmen des Art. XX zukommt. ( 1) Grundsatz: Unilaterale Wahrnehmung der Ausnahmen

Die einzelnen Ausnahmen des Art. XX(a) bis (j) gewähren den Mitgliedern das Recht, in Verfolgung der aufgelisteten Politikzie1e die GATT-Verpflichtungen außer Acht zu lassen. Die Wahrnehmung der Ausnahmen erfolgt dabei grundsätzlich unilateral und steht gerade nicht unter einem allgemeinen Kooperationsvorbehalt. 608 Wollte man ein solches Erfordernis in Art. XX hereinlesen, würde das Recht zur Wahrnehmung der Ausnahme unangemessen verkürzt. Die Annahme einer Kooperationspflicht im Einzelfall bedarf daher einer besonderen sachlichen Rechtfertigung. (2) Auslösende Umstände und Inhalt einer Kooperationspjlicht

Die auslösenden Umstände und der Inhalt einer Kooperationspflicht können im vorliegenden Zusammenhang den maßgeblichen Grundwerten der Welthandelsordnung entnommen werden. Insbesondere die wohlfahrtsökonomische Analyse und das Konzept der nachhaltigen Entwicklung vermögen in bestimmten Konstellationen eine Kooperationsverpflichtung zu begründen. (a) Das wohlfahrtsökonomische Argument für Kooperation Im Fall produktionsseitiger Umweltbelastungen ist die Änderung der schädlichen PPMs durch den Staat der Produktion dem Ergreifen nichtproduktbezogener Handelsrnaßnahmen durch den Importstaat sowohl aus globaler als auch aus der jeweiligen nationalen Wohlfahrtsperspektive vorzuziehen. Dies ergibt sich aus dem RectiJication-at-source-Prinzip, das zwar auch im Konzept der nachhaltigen Entwicklung Anerkennung gefunden hat, dessen Wurzeln aber in der wohlfahrtsökonomischen Theorie der optimalen Intervention zu suchen sind. 609 Zur Bekämpfung produktionsseitiger Umweltbelastungen ist das Vorgehen des Staates der Produktion als First-best-Lösung anzusehen, da hierdurch unmittelbar die Quelle der Umweltbelastung, d. h. die umweltschädlichen nichtproduktbezogenen PPMs, Appellate Body Report, US - Shrimp, para. 166. McRae, in: Bronckers/Quick (eds.), S. 234; Hudec, in: Wolfrum (ed.), S. 145; vgl. auch Bodansky, EJIL 11 (2000), S. 345 f. 609 Hierzu Petersmann, Constitutional Functions, S. 57 f. 607

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reguliert werden kann. Handelsmaßnahmen des Importstaates stellen demgegenüber allenfalls Second-best-Lösungen dar. Aus wohlfahrtsökonomischer Perspektive sollte der Importstaat demnach, bevor er zu nichtproduktbezogenen Handelsmaßnahmen greift, zumindest einen Versuch zur Kooperation mit dem Staat der Produktion unternehmen. Ziel dieser Kooperation ist die Änderung der nationalen produktionsseitigen Umweltstandards und damit das Abstellen oder Minimieren der grenzüberschreitenden Umweltbelastungen durch den Staat der Produktion selbst. Gelingen die Kooperationsbemühungen und stellt der Staat der Produktion in der Folge eine umweltfreundliche Produktion sicher, so ist eine First-best-Lösung gefunden. Scheitern sie, bleibt noch immer die Möglichkeit von Handelsmaßnahmen als Second-best-Lösung. Diese Erwägungen gelten für alle Arten von Handelsmaßnahmen zum Schutz der in Art. XX(a) bis (j) aufgezählten Politikziele gleichermaßen. Trotzdem wird hieraus im GATI eine generelle Pflicht zur Kooperation nicht abgeleitet. Die wohlfahrtsökonomischen Erwägungen werden insoweit im Rahmen des Art. XX rechtlich durch den Grundsatz der staatlichen Souveränität überlagert. Die Ausnahmen dürfen grundsätzlich unilateral angewendet werden. Hinsichtlich der Überlagerung der ökonomischen Erwägungen durch den Grundsatz der staatlichen Souveränität macht es aber einen Unterschied, ob es sich um nichtproduktbezogene oder produktbezogene Handelsmaßnahmen zum Umweltschutz handelt. Während im Fall produktbezogener Handelsmaßnahmen ein gefährliches Produkt an der Grenze steht, geht von dem unregulierten Einlass selbst unbedenklicher Produkte im Fall nichtproduktbezogener Handelsmaßnahmen keine unmittelbare Gefahr für den Importstaat aus. Die Umweltschutzwirkung nichtproduktbezogener Handelsmaßnahmen ist demnach anders als bei produktbezogenen Handelsmaßnahmen auch aus der nationalen Perspektive des Importstaates eine rein mittelbare. Schon hiermit ließe sich im Fall nichtproduktbezogener Handelsmaßnahmen eine weniger weitgehende rechtliche Überformung der für eine Kooperationspflicht streitenden Effizienzerwägungen begründen. Als mögliche Konsequenz wäre es denkbar, bei nichtproduktbezogenen Handelsmaßnahmen zum Umweltschutz generell eine Kooperationspflicht für den handelnden Staat einzufordern. Bleibt nur zu klären, welche Anforderungen an eine derart begründete Kooperationspflicht bei nichtproduktbezogenen Handelsmaßnahmen zum Umweltschutz zu stellen wären. Da die schädliche Produktion durchaus geeignet ist, bedeutende negative internationale externe Effekte hervorzurufen und auch sonst vitale Umweltschutzinteressen des Importstaates zu beeinträchtigen61O , dürften die Kooperationsanforderungen keinesfalls zu hoch angesetzt werden. Eine wesentliche Verzögerung von umweltpolitischen Maßnahmen wäre dem Importstaat nicht zuzumuten. Die Kooperationspflicht dürfte sich daher im Wesentlichen auf eine Pflicht zur Konsultation des Staates der Produktion beschränken, in deren Rahmen der 610

Trebilcockl Howse, The Regulation of International Trade, S. 422.

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3. Teil: Handelsmaßnahmen zum Umweltschutz im Recht der WTO

Importstaat vor Ergreifen der nichtproduktbezogenen Handelsmaßnahmen gehalten ist, auf die grenzüberschreitenden Umweltbelastungen hinzuweisen und dem Staat der Produktion Gelegenheit zum Abstellen der Belastungen zu geben. 611 (b) Das Konzept der nachhaltigen Entwicklung: Internationale Umweltprobleme Hinsichtlich des Schutzes von bestimmten Arten von Meeresschildkröten, die durch die Gewässer mehrerer Staaten wandern, hat der Appellate Body im Fall US - Shrimp ausgeführt: ,,[T]he protection and conservation of highly migratory species of sea turtles, that is, the very policy objective of the measure, demands concerted and cooperative efforts on the part of the many countries whose waters are traversed in the course of recurrent sea turtle migrations. The need for, and the appropriateness of, such efforts have been recognized in the WTO itself as weil as in a significant number of other international instruments and dec1arations.,,612

Bemerkenswert ist hier, dass der Appellate Body seine Forderung nach zwischenstaatlicher Kooperation nicht allein auf die Anerkennung einer Kooperationspflicht im Rahmen der WTO, des Konzepts der nachhaltigen Entwicklung und anderer internationaler Instrumente stützt, sondern zunächst eine sachliche Notwendigkeit zur Kooperation anerkennt. Mit diesem Ansatz liegt der Appellate Body auf der Linie der Globalisierungstheoretiker, die u. a. für den Bereich des Umweltschutzes von einer zwischenstaatlichen "community of necessity ..613 sprechen. Diesem Ansatz ist zuzustimmen. Die Kooperationsnotwendigkeit ergibt sich hier schon aus der tatsächlichen Ausdehnung ökologischer Strukturen über Staatsgrenzen hinweg: "Ecological systems do not begin and end at the border, nor does pollution travelling with wind and water. The point is, rather, that the ongoing dismantling of economic borders reinforces the need to cooperate on environmental mauers, especially on transboundary and global environmental problems that are beyond the control of any individual nation.,,614

Das Konzept der nachhaltigen Entwicklung nimmt diese tatsächliche Kooperationsnotwendigkeit auf und formuliert daran anschließend in Prinzip 7 der RioDeklaration eine allgemeine Kooperationspflicht hinsichtlich internationaler Umweltprobleme. 615 Speziell für den Einsatz von Handelsmaßnahmen zum Umweltschutz präzisieren Prinzip 12 der Rio-Deklaration und Kapitel 2.22(i) der Agenda 611 Für eine Pflicht zur Konsultation Lang, GIELR 7 (1995), S. 479 f. 612 Appellate Body Report, US - Shrimp, para. 168. 613 Handl, YIEL 1 (1990), S. 33. 614 Nordström/Vaughan, in: WTO (ed.), S. 1. 615 Vgl. Wolfrum, Zwischenstaatliche Solidarität, Manuskript S. 8.

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21 in nahezu identischem Wortlaut diese allgemeine Kooperationspflicht. Danach unterliegen Handelsrnaßnahmen des Importstaates zum Schutz seiner eigenen Umwelt keiner Pflicht zur Kooperation. Allein Schutz maßnahmen hinsichtlich grenzüberschreitender oder globaler Umweltprobleme sollen soweit als möglich auf einem internationalen Konsens beruhen ("should, as far as possible, be based on international consensus"). Aus dieser weichen Formulierung wird deutlich, dass es sich hierbei um eine Verhaltenspflicht aller von einem internationalen Umweltproblem betroffenen Staaten handelt, in Verhandlungen einzutreten und nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der betroffenen Interessen eine für alle annehmbare Lösung anzustreben.616 Im Unterschied zu einer Erfolgspflicht zur Kooperation bleibt unilaterales Vorgehen des Importstaates mittels Handelsrnaßnahmen möglich, wenn alle erforderlichen Anstrengungen zur Erzielung einer Einigung erfolglos geblieben sind. Weitere inhaltliche Vorgaben an die Ausgestaltung der Kooperation lassen sich Prinzip 12 der Rio-Deklaration nicht entnehmen. Allein Kapitel 2.20 der Agenda 21 verpflichtet die Staaten auf die Beachtung des Rectijication-at-source-Prinzips und der besonderen Situation der Entwicklungsländer. 617 Zur weiteren Spezifizierung der sich aus dem Grundsatz von Treu und Glauben ergebenden Anforderungen an die Verhandlungen können ferner die Ausführungen des IGH in den Fällen zum North Sea Continental Shelf nützlich sein. 618 Dort hat der IGH hinsichtlich der Aushandlung von völkerrechtlichen Verträgen hervorgehoben, dass die Parteien gehalten seien "so to conduct themselves that the negotiations are meaningful, which will not be the case when either of them insists upon its own position without contemplating any modification of it".619 (c) Das Konzept der nachhaltigen Entwicklung: Differenzierte Verantwortlichkeit Prinzip 7 der Rio-Deklaration enthält neben dem allgemeinen Kooperationsgebot den Grundsatz der gemeinsamen aber differenzierten Verantwortlichkeit. Beide Elemente stehen in einem unauflösbaren sachlichen Zusammenhang. Wahrend das Kooperationsgebot und der (Teil-)Grundsatz der gemeinsamen Verantwortung die sachliche Notwendigkeit zur gemeinsamen Lösung globaler Umweltprobleme aufgreifen, dient der (Teil-)Grundsatz der differenzierten Verantwortlichkeit der Berücksichtigung der unterschiedlichen Möglichkeiten der Staaten, ihren Teil 616 Vgl. Dupuy, EJIL 11 (2000), S. 24; in diesem Sinne auch OECD Dok., Environmental Principles and Concepts, OCDE I OD(95)124, para. 29; vgl. auch Kloepfer; DVBl. 1984, S.254. 617 Zum Wortlaut von Kapitel 2.20 der Agenda 21 siehe oben zweiter Teil C.II.2.d)bb). 618 So Boisson de Chazoumes, EJIL 11 (2000), S. 328. 619 lOH, North Sea Continental Shelf cases, ICI Rep. 1969, S. 3, 47, para. 85; vgl. ferner lOH, Fisheries lurisdiction (United Kingdom v. /celand), ICI Rep. 1974, S. 3; lOH, Interpretation ofthe Agreement of25 March 1951 between the WHO and Egypt, ICJ Rep. 1980, S. 73.

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3. Teil: Handelsmaßnahmen zum Umweltschutz im Recht der WTO

zur Lösung der gemeinsamen Umweltprobleme beizutragen. Differenzierte Verantwortlichkeit meint die nach globalem Verursachungsbeitrag und Entwicklungsstand gestufte Verantwortlichkeit der Staaten. 620 Die auf der tatsächlichen Notwendigkeit beruhenden Elemente der Kooperation und der gemeinsamen Verantwortung begründen eine Solidargemeinschaft zwischen allen von einem Umweltproblem betroffenen Staaten. In deren Rahmen bewirkt der (Teil-)Grundsatz der differenzierten Verantwortlichkeit eine Umverteilung zugunsten der in der Entwicklung begriffenen Staaten. 621 So erfordert auch Kapitel 2.20 der Agenda 21 die Berücksichtigung der besonderen Situation der Entwicklungsländer. In der Konsequenz wird die Anwendung des Verursacherprinzips durch das Ergreifen von Handelsrnaßnahmen zum Umweltschutz gegenüber Entwicklungsländern eingeschränkt und stattdessen die verstärkte Anwendung des Geschädigtenprinzips geboten sein. Das Ergreifen von nichtproduktbezogenen Handelsrnaßnahmen zum globalen Umweltschutz gegenüber wirtschaftsschwachen Mitgliedern (Entwicklungs- und Schwellenländer) wie auch gegenüber solchen Mitgliedern, die lediglich in geringem Ausmaß zum konkreten Umweltproblem beitragen, steht demnach unter dem Vorbehalt einer gesteigerten Pflicht zur Kooperation. Diese kann bis hin zu einem völligen Ausschluss unilateraler Handelsrnaßnahmen, d. h. der Annahme einer Erfolgspflicht zur Kooperation, gehen. Dabei sind die Anforderungen an die Kooperationspflicht im Einzelfall anhand des jeweiligen Verursachungsbeitrages und Entwicklungsstandes der betreffenden Staaten zu ermitteln. Zusätzlich zu den allgemeinen Kooperationsanforderungen können grundsätzlich alle positiven Anreize vom Technologietransfer über den Ausgleich in Geld bis hin zur "joint implementation" erforderlich sein. 622 (d) Ergebnis: Auslösende Umstände und Inhalt einer Kooperationspflicht Als auslösende Umstände einer Kooperationspflicht kommen insbesondere die ökonomischen Zielsetzungen der Welthandelsordnung wie auch der Grundsatz der nachhaltigen Entwicklung in den Blick. Dabei lässt sich ein wohlfahrtsökonomisches Argument für die Annahme einer generellen Kooperationspflicht, im Sinne einer Pflicht zur Konsultation, hinsichtlich nichtproduktbezogener Handelsrnaßnahmen des Importstaates formulieren. Dieses mögliche Kooperationsargument wird jedoch durch die auch wirtschaftliche Erwägungen umfassenden Policy-Vorgaben des Konzepts der nachhaltigen Entwicklung überlagert. Danach richtet sich das Bestehen einer Kooperationspflicht grundsätzlich nach der Belegenheit der bedrohten Umweltgüter. Den Schutz der eigenen Umwelt darf der Importstaat auch Siehe hierzu die Ausführungen im zweiten Teil C.II.2.b)bb). Vgl. Wolfrum. Zwischenstaatliche Solidarität, Manuskript S. 8 f. 622 Verbruggen/Kuik, in: Van Dijck/Faber (eds.), S. 280; Wolfrum. Zwischenstaatliche Solidarität, Manuskript S. 8 f. 620 621

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mit Mitteln des Außenhandelsrechts einseitig gewährleisten. Hinsichtlich des Schutzes internationaler Umweltgüter, an denen der Importstaat beteiligt ist bzw. von deren Belastung er beeinträchtigt wird, besteht eine Verhaltenspflicht zur Kooperation. Der Importstaat ist daher grundsätzlich gehalten, vor dem Ergreifen einseitiger Handelsrnaßnahmen mit allen anderen beteiligten bzw. betroffenen Staaten in Verhandlungen zu treten und nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der betroffenen Interessen eine für alle annehmbare Übereinkunft anzustreben. Diese Verhandlungen sollen ferner das Rectijication-at-source-Prinzip und die besonderen Umstände der Entwicklungsländer berücksichtigen. Gerade die im Prinzip der gemeinsamen aber differenzierten Verantwortlichkeit aufgenommene Berücksichtigung der besonderen Umstände der Entwicklungsländer erfordert die Anpassung der Kooperationsbemühungen des Importstaates an die Umstände des Einzelfalles, insbesondere den jeweiligen Verursachungsbeitrag und Entwicklungsstand der beteiligten Staaten. Die zusätzlichen Kooperationsanforderungen können insbesondere positive Anreize wie Technologietransfers oder den Ausgleich in Geld erforderlich machen, sie können aber auch bis hin zur Annahme einer Erfolgspflicht zur Kooperation reichen, wonach Handelsrnaßnahmen des Importstaates auch zum Schutz internationaler Umweltgüter nur mit Zustimmung der hiervon betroffenen Staaten ergriffen werden dürfen. Erst wenn die solcherart geführten Verhandlungen scheitern, wird grundsätzlich auch einseitiges Vorgehen des Importstaates zum Schutz internationaler Umweltgüter möglich. Handelsrnaßnahmen des Importstaates zum Schutz der Umwelt des Herkunftslandes der betreffenden Produkte wie auch zum Schutz von solchen Umweltgütern, die ausschließlich einen oder mehrere andere Staaten betreffen, stehen hingegen unter dem Vorbehalt der Zustimmung des bzw. der betroffenen Staaten. Insoweit besteht eine Erfolgspflicht zur Kooperation. (3) Rechtsfolgen der eifolgreichen Kooperation

Haben die von einem Umweltproblem, ob national, grenzüberschreitend oder global, betroffenen bzw. die dafür verantwortlichen Staaten eine Einigung über das weitere Vorgehen zum Umweltschutz erzielt, ergeben sich hieraus unterschiedliche Rechtsfolgen für die Beurteilung in diesem Zusammenhang ergriffener nichtproduktbezogener Handelsrnaßnahmen unter der Chapeau-Klausel des Art. XX. (a) Rechtsfolgen im Verhältnis der Vertragsparteien (aa) Das Umweltschutzübereinkommen sieht Handelsrnaßnahmen vor Ist in einem Umweltschutzübereinkommen auch das Ergreifen von Handelsrnaßnahmen zwischen den Vertragsparteien vorgesehen (dritte Ebene der Kooperation)623, müssen diese Vereinbarung und die zu ihrer Durchführung ergriffenen 623

Zu den verschiedenen Ebenen der Kooperation zum Umweltschutz siehe oben zweiter

Teil C.Y.l.

22

Puth

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3. Teil: Handeismaßnahmen zum Umweltschutz im Recht der WTO

Handelsmaßnahmen auch vor Art. XX Bestand haben. 624 Schließlich haben die Staaten hiermit den Auftrag des Konzepts der nachhaltigen Entwicklung zur Kooperation erfüllt: Kapitel 2.20 der Agenda 21 unterstreicht ausdrücklich die große Bedeutung, die Handelsregelungen in multilateralen Umweltschutzübereinkommen zukommen kann. Für die Sachfragen des Umweltschutzes ist die WTO sachlich ohnehin nicht zuständig und hinsichtlich etwaiger Handelsregelungen zur Implementierung des Übereinkommens haben die beteiligten Staaten selbst einen Ausgleich zwischen ihren gegenseitigen Freihandels- und Umweltschutzinteressen ausgehandelt. "Negotiated solutions are by definition solutions where the parties themselves have balanced their interests.,,625 Eines Ausgleichs widerstreitender Interessen, einer Aufgabe, die ohne eine entsprechende Übereinkunft unabhängig von den betroffenen Staaten im Rahmen der Chapeau-Klausel des Art. XX zu leisten wäre, bedarf es zwischen den Vertragsparteien des Umweltschutzübereinkommens nicht mehr. Hinsichtlich der zwischen den Vertragsstaaten Brasilien, Costa Rica, Mexiko, Nicaragua, den Vereinigten Staaten und Venezuela geschlossenen Inter-American Convention hat der Appellate Body im Fall US - Shrimp nach eingehender Prüfung ausgeführt: "The juxtaposition of (a) the consensual undertakings to put in place regulations providing for, inter alia, use of TEDs jointly detennined to be suitable for a particular party's maritime areas, with (b) the reaffirmation of the parties' obligations under the WTO Agreement, inc1uding the Agreement on Technical Barriers to Trade and Artic1e XI of the GATT 1994, suggests that the parties to the Inter-American Convention together marked out the equilibrium line to which we referred earlier. ,,626

Konkret bedeutet dies, dass es einer weitergehenden welthandelsrechtlichen Prüfung der in einem Umweltschutzübereinkommen vorgesehenen und zwischen den Parteien dieses Übereinkommens angewendeten Handelsrnaßnahmen am Maßstab der Chapeau-Klausel des Art. XX nicht mehr in jeder Hinsicht bedarf. Solange und soweit sich die ergriffenen Handelsrnaßnahmen zwischen den Parteien im Rahmen der Vorgaben des Umweltschutzübereinkommens bewegen, kommen die weiteren Anforderungen der Chapeau-Klausel des Art. XX nicht mehr zum Zuge. Die Voraussetzungen der Rechtfertigung nach Art. XX sind insoweit als erfüllt zu betrachten. Dies gilt in jedem Fall für die substantiellen Anforderungen des Standards der ungerechtfertigten Diskriminierung. Die prozeduralen Anforderungen des Standards der willkürlichen Diskriminierung sind jedoch nur insoweit als erfüllt zu betrachten, als das in Rede stehende Umweltschutzübereinkommen auch hinsichtlich 624 Im Ansatz übereinstimmend Sampson, The World Economy 24 (2001), S. 1120; Marceau, JWT 35, Nr. 6 (2001), S. 1097; Brack, in: Sampson I Chambers (eds.), S. 285; zurückhaltend Van Calster; International and EU Trade Law, S. 143 f. 625 McRae, in: Bronckers I Quick (eds.), S. 231. 626 Appellate Body Report, US - Shrimp, para. 170.

D. GATT 1994: Art. I, 11, III, XI und XX

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des konkreten Verfahrens der Anwendung der Handelsrnaßnahmen besondere Regelungen enthält. Sind insoweit keine besonderen Regelungen zu verzeichnen, treten die Anforderungen des Standards der willkürlichen Diskriminierung in diese Lücke des Umweltschutzübereinkommens. (bb) Das Umweltschutzübereinkommen schließt Handelsrnaßnahmen aus Parallel zum Fall der positiven Handelsregelung ist auch die negative Handelsregelung, d. h. der ausdrückliche oder konkludente Ausschluss von allen oder auch nur bestimmten Handelsrnaßnahmen, im Rahmen der Chapeau-Klausel des Art. XX zu respektieren. 627 Auch in diesem Fall haben die Parteien ihre widerstreitenden Freihandels- und Umweltschutzinteressen gegeneinander abgewogen und insoweit einen Ausgleich herbeigeführt. Danach ausgeschlossene Handelsrnaßnahmen können nicht durch den Verweis auf Art. XX gerechtfertigt werden. Der Standard der ungerechtfertigten Diskriminierung steht entgegen. (cc) Das Umwe1tschutzübereinkommen enthält keine Hande1sregelung Sind die in Rede stehenden Handelsrnaßnahmen zwar in einem Bereich ergriffen worden, der zwischen den beteiligten Staaten in einem Umweltschutzübereinkommen geregelt worden ist, sieht dieses Übereinkommen aber keine Handelsrnaßnahmen vor, so können diese Handelsrnaßnahmen zwischen den Vertragsparteien nicht als Ergebnis zwischenstaatlicher Kooperation begriffen werden. Selbst wenn die ergriffenen Handelsrnaßnahmen den Zwecken eines solchen Umweltschutzübereinkommens zu dienen bestimmt sind (sog. MEA-related measures)628, ändert dies Vgl. hierzu Hudec, in: Bhagwati/Hudec (eds.), S. 156. Als Paradebeispiel gilt hier das US-amerikanische Pelly Amendment aus dem Jahr 1971 (hierzu Chamovitz, AUJILP 9 (1994), S. 751 ff.; vgl. auch Hudec, in: Bhagwati/Hudec (eds.), S. 100 und 155), das in seiner ursprünglichen Fassung allein auf die Sicherung der Effektivität internationaler Bemühungen zum Schutz von Fischbeständen gerichtet war. Das Pelly Amendment (Pelly Amendment to the Fishermen's Protective Act of 1967, Pub. L. No. 92-219,85 Stat. 786 (1971); zitiert nach Chamovitz, AUJILP 9 (1994), S. 759) sah in Section 8(a) vor: "When the Secretary of Commerce detennines that nationals of a foreign country, directly or indirectly, are conducting fishing operations in a manner or under circumstances which diminish the effectiveness of an international fishery conservation program, the Secretary of Commerce shall certify such fact to the President. Upon receipt of such certification, the President may direct the Secretary of the Treasury to prohibit the bringing or the importation into the United States of fish products of the offending country for such duration as the President detennines appropriate and to the extent that such prohibition is sanctioned by the General Agreement on Tariffs and Trade." Im Jahr 1978 wurde schließlich der Anwendungsbereich des Pelly Amendment um den Schutz gefährdeter Arten ergänzt. Hierdurch sollte die Effektivität insbesondere des Washingtoner Artenschutzübereinkommens erhöht werden (vgl. Hudec, in: Bhagwati/Hudec (eds.), S. 1(0). In Section 8(a) des Pelly Amendment (Pelly Amendment to the Fishermen's Protective Act of 1967, Pub. L. No. 95-376, 92 Stat. 714 (1978); zitiert nach Chamovitz, AUJILP 9 (1994), S. 759) wurde die Kompetenz aufgenommen: ,,[E]ngaging in trade or taking which diminishes the effectiveness of an inter627

628

22*

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3. Teil: Handelsmaßnahmen zum Umweltschutz im Recht der WTO

nicht ihren unilateralen Charakter. Entsprechende Handelsrnaßnahmen sind in vollem Umfang an den einzelnen Anforderungen der Standards der Chapeau-Klausel des Art. XX zu messen. (b) Rechtsfolgen im Verhältnis zu Nichtvertragsparteien Abgesehen von den Funktionen multilateraler Umweltschutzübereinkommen als mögliche Quellen eines im zwischenstaatlichen Verkehr allgemein anerkannten Begriffsverständnisses oder als internationale Standards, die grundsätzlich alle Mitglieder der WTO bei der Auslegung und Anwendung des WTO-Rechts gegen sich gelten lassen müssen, können Umweltschutzübereinkommen, auf deren Grundlage Handelsrnaßnahmen gegen ein WTO-Mitglied ergriffen werden, das nicht auch Vertragspartei dieses Übereinkommens ist, keine rechtfertigenden Wirkungen auf der Ebene der Chapeau-Klausel des Art. XX entfalten. Anders als im Verhältnis zwischen den Vertragsparteien eines Umweltschutzübereinkommens kann im Verhältnis zu Nichtvertragsparteien keine Rede von einem dezentralen Ausgleich der widerstreitenden Freihandels- und Umweltschutzinteressen sein. Im Verhältnis zu Nichtvertragsparteien ist dieser Ausgleich im Einzelfall und in vollem Umfang anhand der Standards der Chapeau-Klausel des Art. XX zu gewährleisten.

In der Literatur wird zur generellen Rechtfertigung von Umweltschutzübereinkommen, die das Ergreifen von Handelsrnaßnahmen gegen Nichtvertragsparteien vorsehen, regelmäßig vorgetragen, dass entsprechende Handelsrnaßnahmen der Bekämpfung von Trittbrettfahrern629 dienten, hierdurch zum Beitritt animierten und somit letztlich die Effektivität des Übereinkommens sicherten. 63o Mit anderen Worten soll durch die Handelsrnaßnahmen sichergestellt werden, dass die zur Vermeidung des bereits bekannten Phänomens der "Tragik der Allmende,,631 unternommenen Anstrengungen nicht durch Trittbrettfahrer unterlaufen werden. So zutreffend diese Erwägungen auch sein mögen, eine generelle Rechtfertigung von Handelsrnaßnahmen nach einem Umweltschutzübereinkommen gegen Nichtvertragsparteien kann sich hieraus nicht ergeben. Hinsichtlich der Nichtvertragsparteien ist das Kooperationsgebot des Konzepts der nachhaltigen Entwicklung nicht eingelöst worden. Es kann daher auch keine generelle rechtfertigende Wirkung entfalten. Aus der Perspektive der Nichtvertragspartei stellen sich die vereinbarten Handelsrnaßnahmen als kollektive unilaterale Maßnahmen der Vertragsparteien des Umweltschutzübereinkommens dar, die in vollem Umfang anhand der einzelnen Standards der Chapeau-Klausel des Art. XX überprüft werden müssen. national program for endangered or threatened species whether or not such conduct is legal under the laws ofthe offending country." 629 Siehe hierzu oben im zweiten Teil B.IV.2.c)cc). 630 Vgl. Schlagenhof, JWT 29, Nr. 6 (1995), S. 148 f.; Marceau, JWT 33, Nr. 5 (1999), S. 129; Palmeter, JWT 27, Nr. 3 (1993), S. 59. 631 Ausführlich hierzu im zweiten Teil B.IY.2.c)bb).

D. GATT 1994: Art. I, 11, III, XI und XX

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(4) Ergebnis: Unilaterales Vorgehen contra Kooperation

Im Grundsatz können die Mitglieder die Ausnahmen des Art. XX einseitig wahrnehmen. Die Annahme einer diesbezüglichen Kooperationspflicht bedarf daher einer besonderen sachlichen Rechtfertigung. Diese ergibt sich im Zusammenhang des internationalen Umweltschutzes primär aus dem globalen Charakter der Umwelt wie auch der meisten Umweltprobleme. Allein solche Handelsrnaßnahmen des Importstaates, die dem Schutz der eigenen Umwelt dienen, sind von jeglicher Pflicht zur Kooperation befreit. Handelsrnaßnahmen des Importstaates zum Schutz internationaler Umweltgüter stehen hingegen grundSätzlich unter dem Vorbehalt einer Verhaltenspflicht zur Kooperation. Erst wenn entsprechende Kooperationsbemühungen erfolglos geblieben sind, steht dem Importstaat der Weg auch zum einseitigen Ergreifen von Handelsrnaßnahmen offen. Demgegenüber erfordert das Ergreifen von nichtproduktbezogenen Hande1smaßnahmen des Importstaates zum Schutz der Umwelt des Herkunftslandes oder sonstiger Umweltgüter, die ausschließlich einen oder mehrere andere Staaten betreffen, die Zustimmung des bzw. der betroffenen Staaten. In diesen Fällen besteht eine Erfolgspflicht zur Kooperation. Im Fall der erfolgreichen Kooperation, als deren Ergebnis ein Umweltschutzübereinkommen vereinbart worden ist, hängen die daraus resultierenden Rechtsfolgen für die weitere Anwendung der Chapeau-Klausel des Art. XX auf im Verhältnis zwischen den Vertragsparteien des Übereinkommens ergriffene Handelsrnaßnahmen davon ab, ob und in welcher Weise diese Handelsrnaßnahmen im Übereinkommen vereinbart worden sind. Haben die Vertragsparteien des Umweltschutzübereinkommens in ihrem Verhältnis das Ergreifen von Handelsrnaßnahmen vorgesehen, so wird dies als dezentraler Ausgleich zwischen den widerstreitenden Freihandels- und Umwe1tschutzinteressen der Vertragsparteien auch im Rahmen der Chapeau-Klausel des Art. XX respektiert. Soweit dieser Ausgleich reicht, scheidet eine Verletzung der Standards der Chapeau-Klausel aus. Im entgegengesetzten Fall des ausdrücklichen oder konkludenten Ausschlusses von Handelsrnaßnahmen in einem Umweltschutzübereinkommen lassen sich gleichwohl im Verhältnis der Vertragsparteien ergriffene Handelsrnaßnahmen auch durch Verweis auf die Standards der Chapeau-Klausel des Art. XX nicht rechtfertigen. Trifft das Umweltschutzübereinkommen keinerlei Handelsregelung, so richtet sich die Rechtfertigung ergriffener Handelsrnaßnahmen in vollem Umfang nach den Anforderungen der einzelnen Standards der Chapeau-Klausel. Im Verhältnis zu Nichtvertragsparteien vermag die Vereinbarung eines Umweltschutzübereinkommens schon im Ansatz keinerlei rechtfertigende Wirkung für Handelsrnaßnahmen zu entfalten. bb) Erforderlichkeit - Least-trade-restrictive-Test Die zu überprüfenden nichtproduktbezogenen Handelsrnaßnahmen müssten ferner erforderlich sein, um das angestrebte Umweltschutzniveau zu erreichen. 632

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3. Teil: Handelsrnaßnahmen zum Umweltschutz im Recht der WTO

Dies ist immer dann der Fall, wenn dem Importstaat keine anderen Handelsrnaßnahmen zur Verfügung stehen, die genauso wirksam sind, den Handel aber weniger stark beeinträchtigen (sog. Least-trade-restrictive-Test). Dabei soll die Erforderlichkeitsprüfung an dieser Stelle primär auf die Art der ergriffenen Handelsrnaßnahmen (Importverbot, mengenmäßige Beschränkung, Steuer, Kennzeichnungsvorschrift, usw.) gerichtet sein und nicht schon ihre Ausgestaltung im weiteren Sinne betrachten. Die Ausgestaltung der Maßnahmen wird im Rahmen der weiteren Vorgaben des Standards der ungerechtfertigten Diskriminierung hinsichtlich der Berücksichtigung der Produktionsumstände im Herkunftsland und der konkreten Anknüpfung zu überprüfen sein.

(1) Herleitung des Erforderlichkeitskriteriums Entwickelt wurde der Least-trade-restrictive- Test im Rahmen der Streitbeilegungspraxis unter dem GATT 1947 zunächst zu Art. XX(d) und später auch zu Art. XX(b). Zumindest in Art. XX(b) finden entsprechende Erwägungen zur möglichsten Schonung der Freihandelsinteressen des von nichtproduktbezogenen Handelsrnaßnahmen des Importstaates zu Zwecken des Umweltschutzes betroffen Herkunftslandes jedoch keine Grundlage. 633 Die Berücksichtigung der den Umweltschutzinteressen des Importstaates zuwiderlaufenden Freihandelsinteressen des Herkunftslandes ist aufgrund der zweigliederigen Struktur der Rechtfertigung nach Art. XX der Ebene der Chapeau-Klausel vorbehalten. Dabei ergibt sich das Kriterium der Erforderlichkeit unmittelbar aus dem die Anwendung der Chapeau-Klausel leitenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Ferner formuliert Kapitel 2.22(i) der Agenda 21 634 ausdrücklich "the principle that trade measures chosen should be the least trade-restrictive necessary to achieve the objectives". Schließlich hat auch der Appellate Body im Fall US - Shrimp eine entsprechende Erforderlichkeitsbetrachtung hinsichtlich der Art der ergriffenen Handelsmaßnahme unter dem Standard der ungerechtfertigten Diskriminierung angestellt. Im Unterschied zum hier verfolgten Ansatz integrierte er diese Betrachtung jedoch in den Prüfungspunkt der Kooperation. Er führte schlicht aus: "The Inter-American Convention thus provides convincing demonstration that an alternative course of action was reasonably open to the United States for securing the legitimate policy goal of its measure, a course of action other than the unilateral and non-consensual procedures of the import prohibition under Section 609. It is relevant to observe that an import prohibition is, ordinarily, the heaviest ,weapon' in a Member's arrnoury of trade measures ...635 632 So auch Manzini, in: Mengozzi (ed.), S. 848; Schoenbaum, AJIL 91 (1997), S. 277; Kiss/Shelton, International Environmental Law, S. 646. 633 Siehe die entsprechenden Ausführungen zu Art. XX(b) im dritten Teil D.VI.2.c)bb). 634 Zum Wortlaut von Kapitel 2.22(i) der Agenda 21 siehe oben im zweiten Teil C.II.2.d)bb). 635 Appellate Body Report. US - Shrimp, para. 171.

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(2) Anwendung des Erforderlichkeitskriteriums Konkret könnte die Anwendung des Erforderlichkeitskriteriums hinsichtlich der Art der verwendeten nichtproduktbezogenen Handelsmaßnahme etwa ergeben, dass ein generelles Importverbot für die aus einer schädlichen Produktion stammenden Waren durch eine zwingende Kennzeichnungsverpflichtung ersetzt werden könnte, ohne dass hierdurch die vollständige Erzielung des angestrebten Umweltschutzniveaus gefährdet würde. 636 Ferner ist der Fall denkbar, dass die Erhebung einer Umweltsteuer auf eingeführte Produkte gleiche Umweltschutzwirkungen zeitigt wie die Verhängung mengenmäßiger Beschränkungen, jedoch den Handel weniger stark beeinträchtigt. Die Liste der möglichen Beispiele könnte beliebig verlängert werden. Eine Entscheidung über die Erforderlichkeit einer bestimmten Art von Handelsmaßnahme ist jedoch nur im Einzelfall möglich. Immer kommt es darauf an, ob die gewählte Art der Handelsmaßnahme unter den konkreten Bedingungen des Falles durch eine gleichwirksame, den Handel jedoch weniger beeinträchtigende Alternative ersetzt werden könnte. 637 Hier kommen zunächst ökonomische EffizienzErwägungen in den Blick, angefangen mit dem Rectijication-at-source-Prinzip638 bis hin zur Präferenz für marktorientierte Umweltschutzinstrumente639 . Hiernach weniger handelsbeschränkende Maßnahmen sind jedoch nur dann als gleichwirksam anzusehen, wenn sie auch unter den konkreten Bedingungen des jeweiligen Falles tatsächlich geeignet sind, das gleiche Schutzniveau zu gewährleisten wie die überprüfte Maßnahme. Daher ist insbesondere auch die praktische Durchführbarkeit und Effektivität der alternativen Handelsrnaßnahmen zu berücksichtigen. 64o Auch insofern dient ein Blick auf das Erfordernis des "not more trade-restrictive than required" in Art. 5.6 des SPS-Übereinkommen der Bestätigung. Fußnote 3 zu Art. 5.6 des SPS-Übereinkommens lautet: "For purposes of paragraph 6 of Artic1e 5, a measure is not more trade-restrictive than required unless there is another measure, reasonably available, taking into account technical and economic feasibility, that achieves the appropriate level of sanitary or phytosanitary protection and is significantly less restrictive to trade.,,641

Bei der Beurteilung dieser sozio-ökonornischen Erwägungen ist ein vorsichtiges Vorgehen des Rechtsanwenders gefragt. In der Literatur wird den handelnden 636 Vgl. die Erwägungen des Panel Reports, Thailand - Cigarettes, para. 77; so auch Pardo Quintillan, JWT 33, Nr. 6 (1999), S. 170 ff., hinsichtlich der Erforderlichkeitsprüfung nach Art. 5.6 des SPS-Übereinkommens. 637 Vgl. BhagwatilSrinivasan, in: Bhagwati/Hudec (eds.), S. 192; Uimonen, in: Schott (ed.), S. 127; Mattool Mavroidis, in: Petersmann (ed.), S. 338. 638 Näher hierzu erster Teil C. V. 639 Vgl. die Ausführungen im ersten Teil C.VI. 640 MattoolMavroidis, in: Petersmann (ed.), S. 338 f. 641 Hervorhebung durch den Verfasser.

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3. Teil: Handelsrnaßnahmen zum Umweltschutz im Recht der WTO

Staaten überwiegend ein gewisser Beurteilungsspielraum zugestanden. 642 Insbesondere Erwägungen der domestic policy autonomy wie der Subsidiarität streiten dafür, die Einschätzung der sozio-ökonomischen Faktoren in erster Linie den handelnden Staaten selbst zu überlassen, da sie näher an den jeweiligen tatsächlichen Gegebenheiten sind. 643 Nach diesem Ansatz muss die Anwendung des Erforderlichkeitskriteriums sich darauf beschränken, die willkürliche Überschreitung dieses Spielraums zu überprüfen. cc) Berücksichtigung der Produktionsbedingungen im Staat der Produktion Neben dem unilateralen Vorgehen hat der AppeIlate Body im Fall US - Shrimp die ausgesprochene Starrheit der überprüften nichtproduktbezogenen HandeIsmaßnahme gerügt. Er machte insoweit geltend: "However, it is not acceptable, in international trade relations, for one WTO Member to use an economic embargo to require other Members to adopt essentially the same comprehensive regulatory program, to achieve a certain policy goal, as that in force within that Member's territory, without taking into consideration different conditions which may occur in the territories of those other Members ...644

Der entscheidende Vorwurf liegt hier darin, dass die fragliche Maßnahme allen Herkunftsländem ein dem System des Importstaates völlig identisches Schutzprogramm vorgab, ohne die besonderen Umstände in diesen Staaten zu berücksichtigen bzw. für deren Berücksichtigung Raum zu lassen. 645 (1) Vorgaben des Konzepts der nachhaltigen Entwicklung

Nach Prinzip 2 der Rio-Deklaration 646 ist es zunächst das souveräne Recht des Staates der Produktion, seine eigenen Ressourcen nach seinen eigenen umweltund entwicklungspolitischen Präferenzen zu nutzen. Dieser Ausdruck der inneren Souveränität der Staaten wird jedoch durch Prinzip 11 der Rio-Deklaration647 weiter präzisiert. Danach sind die Staaten gehalten, effektive und an die jeweiligen tatsächlichen Umstände und Bedürfnisse angepasste Umweltstandards in Geltung zu setzen. Diese weitgehende Gestaltungsfreiheit des Staates der Produktion endet nach dem allgemeinen Schädigungs verbot, das ebenfalls in Prinzip 2 der Rio642 Vgl. Mattool Mavroidis, in: Petersmann (ed.), S. 340; Schmidtl Kahl, in: Rengeling (Hrsg.), Rn. 115; Herdegen, Internationales Wirtschaftsrecht, S. 120. 643 Vgl. hierzu Trachtman, EJIL 9 (1989), S. 44. 644 Appellate Body Report, US - Shrimp, para. 164. 645 McRae, in: Bronckers/Quick (eds.), S. 230 f. 646 Zum Wortlaut des Prinzips siehe oben zweiter Teil c.n.2.c)aa). 647 Der Wortlaut des Prinzips ist im zweiten Teil C.II.2.c)bb) nachzulesen.

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Deklaration niedergelegt ist, erst dann, wenn hierdurch Schädigungen der Umwelt außerhalb des eigenen Territoriums des Staates der Produktion verursacht werden. Aus der Sicht des zum Umweltschutz tätigen Importstaates fordert Prinzip 12 der Rio-Deklaration 648 speziell für das Ergreifen umweltpolitisch motivierter Handeismaßnahmen, dass außerhalb der eigenen Jurisdiktion auftretende Umweltprobleme grundsätzlich im Wege der Kooperation angegangen werden sollen. Wird zwischen den beteiligten Staaten eine Übereinkunft erzielt und werden spezielle Umweltstandards vereinbart, müssen die Staaten sich an diesen Standards festhalten lassen, unabhängig von den konkreten innerstaatlichen Umständen. Werden hingegen keine speziellen Umweltstandards vereinbart oder scheitern die Kooperationsbemühungen gänzlich, ist der handelnde Importstaat bei der Beeinflussung der außerhalb seiner Jurisdiktion auftretenden Umweltprobleme nicht von der Berücksichtigung der besonderen örtlichen Umstände des Staates der Produktion entbunden. Insoweit bleibt Prinzip 11 der Rio-Deklaration einschlägig. Es verhindert zwar nicht das Ergreifen von Handelsrnaßnahmen durch den Importstaat, dieses bestimmt sich nach Prinzip 12 der Rio-Deklaration, sichert jedoch die Berücksichtigung der besonderen Umstände des Herkunftslandes. 649 Hierdurch soll sichergestellt werden, dass Umweltstandards eines Staates nicht einfach "eins zu eins" auf einen anderen Staat übertragen werden. Schließlich können sich Umweltstandards, die in einem Staat wirksam und auch angemessen sind, unter den natürlichen, wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen eines anderen Staates als unwirksam, unausgewogen und sogar schädlich darstellen.65o (2) Ökonomische Betrachtung

Die unterschiedlichen Produktionsbedingungen in den einzelnen Volkswirtschaften erfordern speziell hierauf abgestimmte und damit regelmäßig von Staat zu Staat variierende Regelungskonzepte. Es ist gerade diese Unterschiedlichkeit der einzelnen Volkswirtschaften hinsichtlich der Ressourcenausstattung wie auch der staatlichen Regelungskultur, die auf internationaler Ebene eine gewinnbringende Spezialisierung und Arbeitsteilung nach der Theorie der komparativen Kostenvorteile ermöglicht.651 Insoweit wird sogar von einern regelrechten Wettbewerb ("regulatory competition") zwischen den Staaten gesprochen. 652 Wollte man demnach die Produktionsstandards eines Staates "eins zu eins" auf andere Staaten übertragen, ohne die besonderen Produktionsbedingungen in diesen Staaten zu Näher hierzu im zweiten Teil C.I1.2.d)aa). In diese Richtung weisen Tussie/Vtisquez, in: Tussie (ed.), S. 114. 650 So auch Tussie/Vtisquez, in: Tussie (ed.), S. 111; vgl. ferner UNEP IIISD, Environment and Trade, S. 43. 651 Ausführlich zur Theorie komparativer Kostenvorteile oben zweiter Teil B.II.2. 652 Vgl. Revesz, JIEL 3 (2000), S. 219 ff.; EstylGeradin, HEL 3 (2000), S. 235 ff.; Sykes, HEL 3 (2000), S. 257 ff.; Vogel, JIEL 3 (2000), S. 265 ff.; Trachtnum, JIEL 3 (2000), S. 331 ff. 648

649

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3. Teil: Handeismaßnahmen zum Umweltschutz im Recht der WTO

berücksichtigen, wäre dies umweltpolitisch unbefriedigend und ökonomisch nachteilhaft. Zur Erzielung eines bestimmten Umweltschutzniveaus genügt vielmehr die Vorgabe nichtproduktbezogener Standards vom zu erreichenden Umweltschutzziel her, nicht auch hinsichtlich ihrer konkreten Ausgestaltung, insbesondere der Wahl der Mittel zur Erreichung dieses Ziels. 653 Es ist Sache des Staates der Produktion, unter verschiedenen geeigneten Mitteln frei zu wählen, je nach den vorherrschenden Produktionsbedingungen und Präferenzen. Dieser Ansatz der Harmonisierung der Ziele ("harmonization of goals") ermöglicht die Verfolgung gemeinsamer Ziele unter möglichster Beachtung der notwendigen regulativen Diversität zwischen den Staaten. 654

(3) Parallele Wertungen in SPS- und TBT-Übereinkommen Obwohl SPS- und TBT-Übereinkommen auf nichtproduktbezogene Handelsrnaßnahmen keine Anwendung finden, lassen sich ihren Vorschriften für produktbezogene Handelsrnaßnahmen gleichwohl parallele Wertungen entnehmen, die ebenfalls den möglichsten Schutz der Regelungsfreiheit des Staates der Produktion bezwecken. Ganz in diesem Sinne schreibt etwa Art. 4.1 des SPS-Übereinkommens vor: "Members shall accept the sanitary or phytosanitary measures of other Members as equivalent, even if these measures differ from their own or from those used by other Members trading in the same product, if the exporting Member objectively demonstrates to the importing Member that its measures achieve the importing Member's appropriate level of sanitary or phytosanitary protection."

Danach ist der Importstaat verpflichtet, hinsichtlich des Schutzes von Menschen, Tieren oder Pflanzen nicht so sehr auf die konkrete Ausgestaltung der verschiedenen staatlichen Schutzstandards zu achten, sondern auf das erzielte Schutzniveau. Ist das erzielte Schutzniveau verschiedener nationaler Schutzstandards gleich, ist der Importstaat verpflichtet, die Standards ungeachtet ihrer konkreten Ausgestaltung als gleichwertig anzuerkennen. 655 Entsprechende Vorgaben im Rahmen des TBT-Übereinkommens enthalten Art. 2.7 und 2.8. Am deutlichsten dürfte jedoch die Verpflichtung des Art. 6 des SPS-Übereinkommens die Mitglieder zur Anpassung ihrer handelsrelevanten Maßnahmen an die jeweiligen Umstände im Herkunftsland bestimmen. Art. 6.1 des SPS-Übereinkommens lautet: "Members shall ensure that their sanitary or phytosanitary measures are adapted to the sanitary or phytosanitary characteristics of the area [ ... ] from which the product originated and to which the product is destined." Howse / Regan, EJIL 11 (2000), S. 284. V gl. zu diesem Ansatz der Harrnonisierung der Ziele Esty / Geradin, JWT 32, Nr. 3 (1998), S. 44 f.; Vossenaar/ iha, in: OECD (ed.), S. 144 f. 655 Ebenso Van Calster; EELR 1999, S. 114. 653

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(4) Zusammenfassung

Greift der Importstaat zu nichtproduktbezogenen Handelsrnaßnahmen, so darf er hiermit seine inländischen nichtproduktbezogenen Anforderungen nicht einfach "eins zu eins" auf eingeführte Produkte übertragen. Er ist bei der Ausgestaltung seiner Maßnahmen vielmehr gehalten, die Produktionsumstände und Besonderheiten im Staat der Produktion zu berücksichtigen. Der Importstaat muss mit anderen Worten sicherstellen, dass seine nichtproduktbezogenen Handelsrnaßnahmen die Regelungsfreiheit und den Spielraum des Staates der Produktion bei der Aufstellung seiner nichtproduktbezogenen Anforderungen nicht weiter beeinträchtigen, als es zur Erreichung des legitimen Umweltschutzzieles notwendig ist. Diesen Vorgaben wird der Importstaat insbesondere dann gerecht, wenn er seine nichtproduktbezogenen Anforderungen an eingeführte Produkte vom Umweltschutzziel her formuliert und die Wahl der konkreten Produktionsstandards zur Erreichung dieses Ziels dem Staat der Produktion bzw. den einzelnen Herstellern überlässt. dd) Anknüpfung an staatliche Standards oder die konkrete Herstellungsweise? Handelsrnaßnahmen zum produktionsseitigen Umweltschutz können einmal an die konkret verwendeten nichtproduktbezogenen PPMs anknüpfen (sog. Anknüpfung shipment by shipment) oder aber ungeachtet der konkreten Produktionsweise allen eingeführten Produkten entgegengehalten werden, deren Herkunftsländer umweltschädliche produktionsseitige Standards für die betreffenden Produkte aufgestellt haben. 656 Im ersten Fall handelt es sich regelmäßig um herkunftsneutrale Regelungen, während im zweiten Fall die Handelsregelungen zumindest formell an die Herkunft der betreffenden Produkte anknüpfen. (1) Rectification-at-source-Prinzip

Knüpft der Importstaat seine nichtproduktbezogenen Handelsrnaßnahmen an die Herkunft der Produkte, so liegt hierin ein Verstoß gegen das Rectification-atsource-Prinzip.657 Derart ausgestaltete nichtproduktbezogene Handelsrnaßnahmen verlieren gegenüber der Anknüpfung an die unmittelbar die Umweltbelastung hervorrufenden Produktionsweisen an Effizienz. In diesem Punkt treffen sich die wohlfahrtsökonomische und umweltpolitische Bewertung. Diese als unnötig erachteten Effizienzverluste sind wiederholt als bloß mittelbare Umweltschutzwirkung kritisiert worden. 658 GATI, Industrial Pollution Control and International Trade, S. 20. Allgemein hierzu erster Teil C. v. 658 Hudec. in: BhagwatilHudec (eds.), S. 115 f. und 151 f.; vgl. auch Scott. in: Weiler (ed.), S. 139. 656

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3. Teil: Handeismaßnahmen zum Umweltschutz im Recht der WTO

(2) Umweltpolitische Zielgenauigkeit

Eine derartige Ausgestaltung nichtproduktbezogener Handelsmaßnahmen hat jedoch noch eine weitere unbillige Konsequenz. So werden bei der Anknüpfung an das staatlich geforderte Umweltschutzniveau auch in Übererfüllung dieser Standards produzierte Waren mit Handelsmaßnahmen belegt, möglicherweise ohne jede umweltpolitische Rechtfertigung. Auf diesen Zusammenhang hat im Ansatz schon das Panel im Fall US - Tuna 1I hingewiesen: "The Panel noted that measures taken under the intennediary nation embargo prohibited imports from a country of any tuna, whether or not the particular tuna was harvested in a manna that harmed or could harm dolphins, and whether or not the country had tuna harvesting practices and policies that hanned or could hann dolphins, as long as it was from a country that imported tuna from countries maintaining tuna harvesting practices and policies not comparable to those of the Uni ted States. ,,659

Weiter zugespitzt hat dieses Argument jedoch erst der Appellate Body im Fall US - Shrimp. Er betonte in diesem Zusammenhang: "Furthennore, when this dispute was before the Panel and before us, the United States did not permit imports of shrimp harvested by commercial shrimp trawl vessels using TEDs comparable in effectiveness to those required in the United States if those shrimp originated in waters of countries not certified under Section 609. In other words, shrimp caught using methods identical to those employed in the United States have been exc1uded from the United States market solely because they have been caught in waters of countries that have not been certified by the United States. The resulting situation is difficult to reconcile with the dec1ared policy objective of protecting and conserving sea turtles. This suggests to us that this measure, in its application, is more concerned with effectively influencing WTO Members to adopt essentially the same comprehensive regulatory regime as that applied by the United States to its domestic shrimp trawlers, even though many of those Members may be differently situated.,,660

(3) Funktionsbedingungen der Praxis

Für den Importstaat ist es bei der Grenzabfertigung praktisch unmöglich, in jedem einzelnen Fall die nicht am Produkt selbst ablesbare Verwendung bestimmter nichtproduktbezogener PPMs nachzuweisen. 661 Zur Durchsetzung seiner nichtproduktbezogenen Anforderungen muss er daher auf außerhalb des Produktes liegende Anhaltspunkte zurückgreifen. Die Anknüpfung an die Umweltstandards des Staates der Produktion bietet dem Importstaat zwar nicht gerade eine zielgenaue, dafür aber eine einfach und verlässlich zu handhabende Nachweismöglichkeit. Die Anknüpfung der nichtproduktbezogenen Handelsmaßnahmen an die staatlichen Panel Report, US - Tuna ll, para. 5.23 (Hervorhebung durch den Verfasser). Appellate Body Report, US - Shrimp, para. 165). 661 GATT, Industrial Pollution Control and International Trade, S. 17; Scott, in: Weiler (ed.), S. 139. 659

660

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Produktionsstandards des Herkunftslandes könnte demnach mit einem handfesten praktischen Bedürfnis des Importstaates gerechtfertigt werden. Es fragt sich jedoch, ob dem Importstaat nicht genauso einfach und verlässlich anzuwendende, dafür aber zielgenauere Möglichkeiten zum Nachweis der verwendeten nichtproduktbezogenen PPMs zur Verfügung stehen. In der Literatur werden zwei Alternativen diskutiert. 662 Die bestehenden Beweisprobleme hinsichtlich der Verwendung bestimmter nichtproduktbezogener PPMs könnten zunächst durch das Erfordernis der Beibringung eines Zertifikats über die verwendeten Herstellungsmethoden - unabhängig von der Herkunft des betreffenden Produkts - begegnet werden.663 Die Überprüfung dieses Zertifikats an der Grenze wäre dann ohne großen Aufwand an Zeit und Kosten möglich. 664 Einen vergleichbaren Vorschlag hat das Panel im Fall US - Gasoline zur Anpassung der US-amerikanischen Vorschriften unterbreitet: "If a single statutory baseline applying to all entities - refiners, blenders and importers was not the chosen regulatory method, then importers could for example be permiued to use a gasoline baseline applicable to imports derived, when possible, from evidence of the individual 1990 baselines of foreign refiners with whom the importer currently dealt.,,665

Als weitere Alternative kommt ein System in Betracht, das auf der Anknüpfung an die Umweltstandards des Staates der Produktion beruht, zusätzlich jedoch die Möglichkeit eines Freibeweises für einzelne, in Übererfüllung dieser Standards hergestellte Produkte vorsieht. Danach begründen die Schutzvorschriften des Staates der Produktion lediglich eine Vermutung für die Verwendung entsprechender nichtproduktbezogener PPMs durch den Hersteller. Diese Vermutung kann dann im Einzelfall durch die Beibringung entsprechender Nachweise widerlegt werden. 666 Hinsichtlich der Erhebung einer produktbezogenen Ausgleichssteuer hat das Panel im sog. Supeifund-Fall schon auf der Ebene der Verpflichtungen ein ähnliches System der staatlichen Vermutung und des individuellen Freibeweises für rechtmäßig erachtet. 667

Vgl. DemaretlStewardson, JWT 28, Nr. 4 (1994), S. 33. Diese Alternative favorisiert Hudec, in: Bhagwati I Hudec (eds.), S. 119. 664 Bestehen im Einzelfall konkrete Bedenken hinsichtlich der Echtheit des Zertifikats könnte die Überprüfung sogar auf den Herstellungsbetrieb ausgedehnt werden. Hierzu bietet sich ein der Vorversandkontrolle vergleichbares Verfahren an, bei dem unabhängige Kontrolleure im Auftrag des Importstaates tätig werden. Ob das Übereinkommen über Kontrollen vor dem Versand auf eine solche Überprüfung der verwendeten Herstellungsmethoden anwendbar wäre, ist jedoch fraglich. Nach seinem Art. 1 Abs. 3 wäre dies jedenfalls dann der Fall, wenn die Überprüfung für die zolltarifliche Einreihung relevant ist. 665 Panel Report, US - Gasoline, para. 6.25 . 666 Vgl. hierzu DemaretlStewardson, JWT 28, Nr. 4 (1994), S. 33. 667 Panel Report, US - Superfund, para. 5.2.9. 662

663

350

3. Teil: Handelsmaßnahmen zum Umweltschutz im Recht der WTO

(4) Schlussfolgerungen

Die praktischen Probleme der Verifizierbarkeit der bei der Herstellung der ausländischen Produkte verwendeten nichtproduktbezogenen PPMs liegen auf der Hand. 668 Andererseits können produktionsseitige Umweltbelastungen durchaus zu schwerwiegenden Beeinträchtigungen der Umweltschutzinteressen des Importstaates führen. Will der Importstaat hiergegen mittels nichtproduktbezogener Handelsrnaßnahmen vorgehen, müssen die festgestellten Anwendungsprobleme einer verlässlichen Lösung zugeführt werden. Hierfür bietet sich zunächst die Anknüpfung an die Produktionsstandards des Staates der Produktion an. Hiergegen sprechen jedoch das Rectification-at-source-Prinzip und auch mögliche Ungenauigkeiten hinsichtlich der Umweltschutzwirkungen. Mit dem Erfordernis eines Zertifikats über die verwendeten nichtproduktbezogenen PPMs im Herkunftsland und der Möglichkeit eines Freibeweises für den individuellen Hersteller von der grundsätzlichen Anknüpfung an die staatlichen Standards des Herkunftslandes stehen zwei alternative Ausgestaltungsmöglichkeiten nichtproduktbezogener Handelsrnaßnahmen zur Verfügung, die den genannten Nachteilen weitgehend ausweichen. Hierdurch wird eine zielgenaue Regulierung jedes einzelnen Produkts nach den bei seiner Produktion verwendeten nichtproduktbezogenen PPMs ermöglicht. Zumindest die Gewährung eines Freibeweises von der grundsätzlichen Anknüpfung an die staatlichen Standards des Herkunftslandes dürfte im Vergleich zur ausschließlichen Anknüpfung an die staatlichen Standards auch vergleichbare Umweltschutzwirkungen entfalten, da die nichtproduktbezogenen Handelsrnaßnahmen auch in diesem Fall auf der sicher festzustellenden Regelannahme beruhen und nur die Ausnahmen eines gesonderten Beweises bedürfen. Ob demgegenüber auch das Erfordernis eines Zertifikats dem Importstaat vergleichbare Sicherheit zu bieten vermag, ist fraglich. Schließlich ist die generelle Zertifikatslösung mit einem beträchtlichen Missbrauchsrisiko behaftet. Eine grundsätzliche Bevorzugung der Möglichkeit eines Freibeweises vor der Zertifikatslösung soll aus diesem Grunde jedoch nicht angenommen werden. Auch hier ist der Ausgleich zwischen den betroffenen Interessen des Importstaates an der verlässlichen Anwendung und Durchsetzung seiner nichtproduktbezogenen Anforderungen auch gegenüber eingeführten Produkten und den legitimen Freihandelsinteressen des Staates der Produktion im Einzelfall herbeizuführen und anhand der Umstände des konkreten Falles zu beurteilen. Die bloße Anknüpfung an die Produktionsstandards des Herkunftslandes genügt dem Standard der ungerechtfertigten Diskriminierung jedoch regelmäßig nicht.

d) "Arbitrary Discrimination"

Unter dem Standard der willkürlichen Diskriminierung ("arbitrary discrimination") ist primär die Einhaltung bestimmter prozeduraler Mindestanforderungen 668

Siehe oben erster Teil C.VIII.3.

D. GATI 1994: Art. I, 11, 111, XI und XX

351

bei der Anwendung von Handelsrnaßnahmen zu überprüfen. Insoweit kommen insbesondere die allgemeinen rechtsstaatlichen Anforderungen der Transparenz, des due process und der basic fairness in Betracht. Hierbei handelt es sich um allgemeine Vorgaben, die nicht auf die Fälle der Anwendung nichtproduktbezogener Handelsrnaßnahmen zum Umweltschutz beschränkt sind. aa) Transparenz, due process & basic fairness - Herleitung der Vorgaben Der Begriff der "arbitrary discrimination" in der Chapeau-Klausel des Art. XX bezeichnet seiner üblichen Bedeutung nach eine Diskriminierung "based on or derived from [ ... ] random choice,,669. Er impliziert somit Beliebigkeit bei der Anwendung der zu untersuchenden Handelsrnaßnahmen. Erfolgt die Anwendung einer Handelsmaßnahme hingegen nicht beliebig, sondern ist von anerkannten Vorgaben und Prinzipien geleitet, so liegt keine willkürliche Diskriminierung vor. Im Welthandelsrecht sind die Prinzipien der Transparenz, des due process und der basic fairness allgemein als verfahrensleitend anerkannt. 67o Sie haben in einer Vielzahl von Vorschriften der WTO-Übereinkommen Ausdruck gefunden. 671 Für den Bereich des Warenhandels stellt Art. X entsprechende Verpflichtungen auf. Maßgeblicher Hintergrund dieser Vorgaben ist die Erkenntnis, dass unklare und unvorhersehbare staatliche Handelsregelungen hohe Informationskosten und unwägbare Risiken für ausländische Produzenten verursachen und daher schon für sich genommen handelsbeschränkende Wirkung entfalten. Neben dem Welthandelsrecht selbst formuliert auch das Konzept der nachhaltigen Entwicklung Anforderungen der Transparenz, des due process und der basic fairness. 672 Diese werden etwa in den Prinzipien 18 und 19 der Rio-Deklaration als Voraussetzungen jeder echten Kooperation zwischen den beteiligten Staaten niedergelegt. Speziell hinsichtlich umweltpolitisch motivierter Handelsrnaßnahmen formuliert die Agenda 21 in Kapitel 2.22(i) u. a. "an obligation to ensure transparency in the use of trade measures related to the environment and to provide adequate notification of national regulations". Die besondere Bedeutung gerade der Transparenz unterstreicht auch das CTE in seinem ersten Bericht aus dem Jahr 1996. Dort heißt es: Swannell (ed.), The Oxford Modem English Dictionary, S. 49. Vgl. Hilf, HEL 3 (2001), S. 119; Petersmann, Constitutional Functions, S. 222 ff. und 234 f.; Hilpold, EuR 1999, S. 598 ff.; Gaffney, AUILR 14 (1999), S. 1173 ff.; Ostry, in: WTO (ed.), S. 103 ff.; Hoekmanl Kostecki, The Political Economy, S. 61 ff.; Senti, WTO, Rn. 451 ff. 671 Vgl. nur Art. 10 des TBT-Übereinkommens; Art. 7 i.Y.m. Anhang B des SPS-Übereinkommens; Art. 6 des TRIMs-Übereinkommens; Art. 111 GATS. 672 Die überragende Bedeutung prozeduraler Verpflichtungen im Bereich internationaler Umweltschutzbestrebungen betont Lang, GIELR 7 (1995), S. 479 ff.; vgl. ferner KisslShelton, International Environmental Law, S. 292 ff. 669

670

352

3. Teil: Handeismaßnahmen zum Umweltschutz im Recht der WTO

"WTO transparency provisions and mechanisms are not an end in themselves. However, they fulfil an important role in ensuring the proper functioning of the multilateral trading system, in helping to prevent unnecessary trade restrietion and distortion from occurring, in providing information about market opportunities and in helping to avoid trade disputes from arising. They can also provide a valuable first step in ensuring that trade and environment policies are developed and implemented in a mutually supportive way. The CTE considers transparency to be an important aspect of all Items of its work programme where the relationship of WTO provisions to specific trade-related environmental measures is recei ving attention. ,,673

Hiennit hat das CTE ausdrücklich die Bedeutung von Transparenz auch für Handeismaßnahmen zum Umweltschutz und zur Erzielung der mit dem Konzept der nachhaltigen Entwicklung bezweckten gegenseitigen Unterstützung der Belange des Umweltschutzes und des Freihandels bestätigt. Der Appellate Body im Fall US - Shrimp hat die Verfahrensanforderungen der Transparenz, des due process und der basic fairness jedoch nicht mit Rückgriff auf die allgemeinen Prinzipien begründet, sondern konkret Art. X:3 entnommen. Art. X fonnuliert zwar zunächst eine eigenständige Verpflichtung unter dem GATT. Eine Verbindung zu den allgemeinen Ausnahmen des Art. XX ist dem Text der Vorschrift nicht zu entnehmen. Die Berücksichtigung der Vorgaben des Art. X auch unter dem Standard der willkürlichen Diskriminierung in der Chapeau-Klausel des Art. XX ergibt sich jedoch zwanglos aus ihrem Sinn und Zweck. 674 So führte der Appellate Body zutreffend aus: "Inasmuch as there are due process requirements generally for measures that are otherwise imposed in compliance with WTO obligations, it is only reasonable that rigorous compliance with the fundamental requirements of due process should be required in the application and administration of a measure which purports to be an exception to the treaty obligations of the Member imposing the measure and which effectively results in a suspension pro hac vice of the treaty rights of other Members. ,,675

Diesem Ansatz wird auch hier gefolgt. bb) Die Anforderungen des Art. X Die Anforderungen der Transparenz, des due process und der basic fairness im Rahmen des Art. XX entsprechen in ihrer Reichweite denjenigen des Art. X. Die im Rahmen der Chapeau-Klausel primär zu untersuchende Anwendung der Handeismaßnahmen wird in Art. X:3 geregelt. Nach Art. X:3(a) sind die abstrakt-gene673 WTO Dok., Report (1996) ofthe Committee on Trade and Environment, WT fCTEfl, para. 187. 674 Die Vorteilhaftigkeit der Verknüpfung von Art. X und XX klingt schon an bei Jackson, World Trade and the Law of GATI, S. 744; ebenso SchmidtlKahl, in: Rengeling (Hrsg.), Rn. 131; vgl. auch Scott, in: Weiler (ed.), S. 166 f. 675 Appellate Body Report, US - Shrimp, para. 182.

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rellen Handelsvorschriften der Mitglieder "in a uniform, impartial and reasonable manner" anzuwenden. Ferner sind die Mitglieder nach Art. X:3(b) verpflichtet, diesbezüglich durch unabhängige Instanzen zügigen und effektiven Rechtsschutz zu gewähren. Ein ausdrückliches Transparenzerfordernis findet sich in Art. X:3 hingegen nicht. Allein Art. X: 1 und X:2 besagen u. a., dass alle staatlichen Regelungen genereller Natur ("of general application"), die den internationalen Warenhandel betreffen, unverzüglich und vor ihrer Anwendung im Einzelfall in einer Art und Weise zu veröffentlichen sind, dass die Regierungen und Handeltreibenden hiervon Kenntnis nehmen können. Diese Vorschriften gelten ihrem Wortlaut nach ausschließlich für staatliche Regelungen genereller Natur, nicht auch für ihre individuelle Anwendung im Einzelfall. Der Sinn und Zweck des Transparenzgebots erstreckt sich jedoch auch auf die Anwendung der generellen Regelungen im Einzelfall. Ist zwar die generelle staatliche Vorschrift ordnungsgemäß veröffentlicht worden, dringt aber, wie etwa im Fall US - Shrimp, die Entscheidung im darin vorgesehenen Genehmigungsverfahren nicht nach außen, kann von der Möglichkeit der Kenntnisnahme durch die interessierten Kreise nicht ernsthaft die Rede sein. Es wird daher vorgeschlagen, das Transparenzgebot in die Wendung "reasonable manner" in Art. X:3(a) hineinzulesen. 676 Eine nähere Spezifizierung der sich aus Art. X:3 ergebenden Vorgaben an die Anwendung der Handelsmaßnahmen ist der Streitbeilegungspraxis unter GATT 1947 und WTO nur ansatzweise zu entnehmen. Zwar ist eine Verletzung von Art. X bisher nicht selten gerügt worden. In den betreffenden Streitfällen wurde dieser Rüge jedoch entweder nicht weiter nachgegangen, da bereits eine andere Verletzung einer GATT-Verpflichtung festgestellt worden war677 , oder aber es finden sich allein kurze Ausführungen zu Art. X:l oder X:2678 . Einzig der Appellate Body im Fall US - Shrimp hat für den vorliegenden Zusammenhang die Art. X:3 zu entnehmenden Anforderungen an die Anwendung der Maßnahme präzisiert. Er hat insbesondere rechtliches Gehör für den Antragsteller im Rahmen eines vorgesehenen Genehmigungsverfahrens, eine schriftliche und begründete Entscheidung über den Ausgang dieses Verfahrens gegenüber dem Antragsteller und eine Rechtsschutzmöglichkeit gegen eine ablehnende Entscheidung eingefordert. Die entsprechende TextsteIle lautet: "The non-transparent and ex parte nature of the internal governmental procedures applied by the competent officials [ ... ], as weil as the fact that countries whose applications are denied do not receive formal notice of such denial, nor of the reasons for the denial, and Vgl. Ostry, in: WTO (ed.), S. 105. Vgl. nur Panel Report, Japanese Measures on Imports of Leather, para. 57; Panel Report, Japan - Trade in Semi-Conductors, para. 128; Panel Report, EEC - Parts and Components, para. 5.27; Panel Report, Indonesia -Automobile, para. 14.152. 678 Vgl. Panel Report, EEC-Apples, para. 5.23; Panel Report, Canada-Provincial Marketing Agencies, para. 5.34. 676 677

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3. Teil: Handelsrnaßnahmen zum Umweltschutz im Recht der WTO

the fact, too, that there is no formal legal procedure for review of, or appeal from, a denial of an application, are all contrary to the spirit, if not the letter, of Article X:3 of the GAIT 1994.,,679

cc) Zusammenfassung Dem Standard der willkürlichen Diskriminierung sind primär die prozeduralen Mindestanforderungen an das Verfahren der Anwendung von Handelsmaßnahmen zu entnehmen. Als solche lassen sich dem Welthandelsrecht wie auch dem Konzept der nachhaltigen Entwicklung die Anforderungen der Transparenz, des due process und der basic fairness entnehmen. Inhaltlich dürften diese Anforderungen weitgehend denjenigen des Art. X:3 entsprechen. Danach sind handelsrelevante Maßnahmen der Mitglieder "in a uniform, impartial and reasonable manner" anzuwenden. Hiervon umfasst sind insbesondere die allgemeinen rechtsstaatlichen Erfordernisse des rechtlichen Gehörs und der schriftlichen und begründeten Einzelfallentscheidung. Ferner ist der handelnde Staat verpflichtet, eine unabhängige, zügige und effektive Rechtsschutzmöglichkeit gegen die Anwendung der betreffenden Handelsmaßnahmen zu eröffnen. e) "Disguised restrietion on international trade"

Die Bedeutung des Standards der verschleierten Handelsbeschränkung ("disguised restriction on international trade") ist bisher weitgehend ungeklärt. Eingehende Untersuchungen fehlen vollständig. Allein der Streitbeilegungspraxis unter dem GATT 1947 und im Rahmen der WTO lassen sich erste Definitionsansätze entnehmen. aa) Streitbeilegungspraxis unter dem GATT 1947 In der Streitbeilegungspraxis unter dem GATT 1947 haben die Panel primär darauf abgestellt, ob eine Maßnahme gerade als Handelsmaßnahme ergriffen und als solche auch veröffentlicht worden ist. Unter diesen Voraussetzungen sei eine verschleierte Handelsbeschränkung ausgeschlossen. 68o Im Fall US - Tuna from Canada hat das Panel etwa anerkannt: ,,[The Panel] furthermore feit that the United States action should not be considered to be a disguised restriction on international trade, noting that the Uni ted States prohibition of imports of tuna and tuna products from Canada had been taken as a trade measure and publicly announced as such. ,,681 679 Appellate Body Report, US - Shrimp, para. 183; vgl. auch Appellate Body Report, US - Shrimp, para. 180. 680 So auch Senti, WTO, S. 435. 681 Panel Report, US - Tuna trom Canada, para. 4.8 (Hervorhebung durch den Verfasser); vgl. auch Panel Report, US - Spring Assemblies, para. 56.

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In dieser Lesart kommt dem Standard der verschleierten Handelsbeschränkung lediglich ein eng begrenzter Anwendungsbereich zu, der sich zudem kaum von den Anforderungen des Standards der willkürlichen Diskriminierung unterscheidet. bb) Streitbeilegungspraxis im Rahmen der WTO Schon in seinem ersten Bericht im Fall US - Gasoline ist der Appellate Body dieser engen Auffassung ausdrücklich entgegengetreten: "It is equally cIear that concealed or unannounced restriction or discrirnination in international trade does not exhaust the meaning of ,disguised restriction'. ,,682

Inhaltlich aufgefüllt hat er den hiermit eröffneten weiteren Anwendungsbereich jedoch lediglich mit dem Hinweis, dass sich dieser auch auf die Umstände erstrecke, die für die Feststellung einer willkürlichen oder ungerechtfertigten Diskriminierung relevant sind. Eine eigenständige Bedeutung des Standards der verschleierten Handelsbeschränkung ergibt sich hieraus noch nicht. In einem Versuch, eine eigenständige Bedeutung des Standards zu ermitteln, hat das Panel im Fall EC - Asbestos zutreffend am Wortlaut der "disguised restriction" angesetzt: ,,[W]e consider that the key to understanding what is covered by ,disguised restriction on international trade' is not so much the word ,restriction', inasmuch as, in essence, any measure falling within ArticIe XX is a restriction on international trade, but the word ,disguised'. In accordance with the approach defined in ArticIe 31 of the Vienna Convention, we note that ,as ordinarily understood, the verb ,to disguise' implies an intention. Thus, ,to disguise' (deguiser) means, in particular, ,conceal beneath deceptive appearances, counterfeit', ,alter so as to deceive', ,rnisrepresent', ,dissimulate'. Accordingly, a restriction which formally meets the requirements of ArticIe XX(b) will constitute an abuse if such compliance is in fact only a disguise to conceal the pursuit of trade-restrictive objectives. ,,683

Danach wird eine handelsbeschränkende Maßnahme gerade durch ihre protektionistischen Zielsetzungen zu einer verschleierten Handelsbeschränkung. Mit anderen Worten ist nach der Echtheit der Maßnahme als Schutzmaßnahme zu fragen. 684 Dient die Maßnahme tatsächlich dem Schutz legitimer Interessen oder hat sie vielmehr protektionistische Zielsetzungen?

682 683 684

23*

Appellate Body Report, US - Gasoline, S. 24 f. Panel Report, EC - Asbestos, para. 8.236. McRae. in: Bronckers I Quick (eds.), S. 235.

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3. Teil: Handelsmaßnahmen zum Umweltschutz im Recht der WTO

cc) Schlussfolgerungen Der in der Streitbeilegungspraxis unter dem GATT 1947 entwickelte Ansatz, zur Bestimmung einer verschleierten Handelsbeschränkung auf die Anwendung und Veröffentlichung der Handelsrnaßnahmen als solche abzustellen, vermag schon deshalb nicht zu überzeugen, da er jedenfalls nach der hier zu Grunde gelegten Auslegung nicht über die Anforderungen des Standards der willkürlichen Diskriminierung hinausgeht. 685 Der Grundsatz der effektiven Vertragsauslegung 686 erfordert eine Auslegung der Wendung "disguised restriction on international trade", die dem Standard einen eigenständigen Anwendungsbereich belässt. Wie die Auslegung durch das Panel im Fall EC - Asbestos gezeigt hat, erfährt der Standard der verschleierten Handelsbeschränkung seine maßgebliche Prägung und eigenständige Bedeutung erst durch die Bezugnahme auf die hinter der Handeismaßnahme stehenden Intentionen und Motivationen des handelnden Mitglieds. 687 Bleibt zu klären, wie die Intentionen und Motivationen des handelnden Staates zu ermitteln sind. Da es sich hierbei im Ansatz um subjektive Elemente handelt, kann ihre Ermittlung im Einzelfall problematisch sein. Wie aber schon der Appellate Body im Fall Japan - Alcoholic Beverages688 hervorgehoben hat und auch das Panel im Fall EC - Asbestos689 anerkennt, lassen sich die subjektiven Zielsetzungen regelmäßig an "design, architecture and revealing structure" der in Rede stehenden Maßnahme ablesen. Sollte dieses Vorgehen einmal nicht erfolgreich sein, so können etwa auch repräsentative Äußerungen der zuständigen Staatsorgane zu den hinter einer Maßnahme stehenden Zielsetzungen herangezogen werden. 69o Ferner kann auch die Tatsache, dass ein Mitglied zum Schutz der in einem Streitfall in Rede stehenden Umweltgüter eine zwischenstaatliche Übereinkunft geschlossen hat, als Indiz für die "Echtheit" auf den Schutz solcher Umweltgüter gerichteter Maßnahmen gewertet werden. 691 Insgesamt kommt dem Standard der verschleierten Handelsbeschränkung daher eine Auffangfunktion zu. Neben den Fällen, die schon als ungerechtfertigte oder willkürliche Diskriminierung qualifiziert worden sind, werden auch diejenigen Fälle erfasst, die nicht schon gegen einen anderen Standard der Chapeau-Klausel 685 Petersmann, International and European Trade and Environmental Law, S. 30; Van Calster. International and EU Trade Law, S. 79; ablehnend auch MattoolMavroidis, in: Petersmann (ed.), S. 334. 686 Siehe oben im dritten Teil A.V.4.a). 687 Pfahl, Internationaler Handel und Umweltschutz, S. 152; SchmidtlKahl, in: Rengeling (Hrsg.), Rn. 107; ebenso für den Begriff der "disguised restriction on international trade" in Art. 2.3 des SPS-Übereinkommens Pardo Quintillan, JWT 33, Nr. 6 (1999), S. 168. 688 Appellate Body Report, Japan - Alcoholic Beverages, S. 32. 689 Panel Report, EC - Asbestos, para. 8.236 ff. 690 Für eine umfassende Erforschung der Beweggründe einer Handelsmaßnahme auch HilflEggers, EuZW 1997, S. 564. 691 Vgl. Marceau, JWT 35, Nr. 6 (2001), S. 1098.

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verstoßen, aber gleichwohl protektionistische Zielsetzungen verfolgen. In diesen letztgenannten Fällen entsprechen die Handelsmaßnahmen nur der Form nach den Anforderungen des Art. XX. Es mangelt am notwendigen subjektiven Element der Rechtfertigung, ohne das von einer "echten" Schutzmaßnahme zugunsten einzelstaatlicher Interessen nicht die Rede sein kann. Als mögliches Indiz für protektionistische Zielsetzungen kommt - parallel zu Art. 5.5 des SPS-Übereinkommens - die konsistente Anwendung der jeweiligen Anforderungen auf Produkte aus allen Wirtschaftsbereichen mit vergleichbaren Umweltauswirkungen in den Blick (sog. Konsistenz-Test).692 Belegt ein Staat etwa nur ein Produkt aus einer Reihe von Produkten mit ähnlichen Wirkungen auf die Umwelt mit Handelsmaßnahmen, so begründet diese inkonsistente Anwendung die Vermutung, dass die Maßnahmen zumindest auch dem Schutz der inländischen Produktion dienen. dd) Nichtproduktbezogene Handelsmaßnahmen als verschleierte Handelsbeschränkungen? Mit nichtproduktbezogenen Handelsmaßnahmen zum Umweltschutz wird mitunter ein besonderes Missbrauchsrisiko verbunden. Dies resultiere aus einer besonderen Anfälligkeit nichtproduktbezogener Handelsmaßnahmen gegenüber sachfremden Erwägungen, insbesondere solchen der Protektion. 693 Träfe diese Annahme zu, so ergäbe sich hieraus eine besondere Relevanz des Standards der verschleierten Handelsbeschränkung gerade für nichtproduktbezogene Handelsmaßnahmen zum Umweltschutz. Wie gezeigt, werden jedoch sowohl die wissenschaftliche Fundierung der betreffenden Handelsmaßnahmen überprüft, als auch ihre möglichst handelsneutrale Ausgestaltung reglementiert. Im Ergebnis dürfte daher auch insoweit kein qualitativer Unterschied zu produktbezogenen TREMs zu verzeichnen sein. Der Annahme eines generell erhöhten Missbrauchsrisikos kann daher nicht gefolgt werden. Insgesamt ergibt sich also keine besondere Bedeutung des Standards der verschleierten Handelsbeschränkung gerade für nichtproduktbezogene TREMs. Es bleibt bei seiner grundsätzlichen Auffangfunktion. Diese bietet ein flexibles Regulativ, in dessen Rahmen insbesondere den von der Produkt-Prozess-Doktrin vorgetragenen Bedenken der Pandora's box bzw. des slippery slope im Einzelfall Rechnung getragen werden kann. Bleibt demnach eine nichtproduktbezogene Handelsmaßnahme des Importstaates auch nach der Überprüfung anhand der Standards der ungerechtfertigten und willkürlichen Diskriminierung protektionistischer Zielsetzungen verdächtig, etwa weil die Maßnahme ausschließlich auf den Ausgleich von Wettbewerbschancen zwischen eingeführten und gleichartigen 692 Uimonen, in: Schott (ed.), S. 128; Schmidtl Kahl, in: Rengeling (Hrsg.), Rn 130 a, wollen den sog. Konsistenz-Test hingegen im Standard der willkürlichen Diskriminierung unterbringen. 693 Vgl. Palmeter, JWT 27, Nr. 3 (1993), S. 64.

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3. Teil: Handelsmaßnahmen zum Umweltschutz im Recht der WTO

einheimischen Produkten oder die Durchsetzung umweltbezogener Präferenzen abzielt, so bietet der Standard der verschleierten Handelsbeschränkung das Instrumentarium zur Überprüfung der Echtheit der ergriffenen Handelsmaßnahme als verhältnismäßige und wissenschaftlich fundierte Maßnahme zum Schutz der Umwelt. f) Die Anforderungen der Chapeau-Klausel: Ergebnisse Die Chapeau-Klausel soll als umfassende Schranken-Schranke einen Missbrauch der einzelnen Ausnahmen der lit. (a) bis (j) des Art. XX ausschließen. Zu diesem Zweck ist im Rahmen der Chapeau-Klausel ein verhältnismäßiger Ausgleich zwischen dem Recht des sich auf eine Ausnahme berufenden Mitglieds und den hierdurch betroffenen Freihande1sinteressen anderer Mitglieder herzustellen. Die einzelnen Standards der ungerechtfertigten und willkürlichen Diskriminierung und der verschleierten Handelsbeschränkung sind inhaltlich weitgehend unbestimmt. Ihre Anwendung im Einzelfall ist daher am Sinn und Zweck der ChapeauKlausel insgesamt auszurichten. Gleichwohl bezeichnen die Standards jeweils verschiedene Aspekte des verhältnismäßigen Ausgleichs zwischen den Rechtspositionen der beteiligten Mitglieder. Der Standard der ungerechtfertigten Diskriminierung betrifft primär die Substanz der untersuchten Handelsmaßnahmen, während der Standard der willkürlichen Diskriminierung das Verfahren ihrer Anwendung erfasst. Dem Standard der verschleierten Handelsbeschränkung kommt schließlich eine Auffangfunktion zu. Er kann zunächst bereits als ungerechtfertigte oder willkürliche Diskriminierung erfasste Sachverhalte betreffen, in seinem Anwendungsbereich jedoch auch darüber hinaus eigenständige Bedeutung entfalten. Prägendes Kennzeichen einer verschleierten Handelsbeschränkung sind dabei die hinter einer Maßnahme stehenden protektionistischen Zielsetzungen. Hiermit erhält ein subjektives Element Eingang in die Rechtfertigungsprüfung unter der Chapeau-Klausel des Art. XX. Ein A-priori-Ausschluss nichtproduktbezogener TREMs aus dem Schutzbereich von Art. XX, wie von der Produkt-Prozess-Doktrin angenommen, ist vor diesem Hintergrund nicht haltbar. Weder dem Text noch der dargelegten Dogmatik der Chapeau-Klausel sind tragfahige Argumente für einen solchen Ausschluss zu entnehmen. Vielmehr sprechen das bloße Vorhandensein von Art. XX(e), der Vergleich zu produktbezogenen Handelsmaßnahmen, das Konzept der nachhaltigen Entwicklung und nicht zuletzt auch die ökonomische Betrachtung gegen den generellen Ausschluss nichtproduktbezogener Handelsmaßnahmen zum Umweltschutz von der endgültigen Rechtfertigung unter der Chapeau-Klausel des Art. XX. Andererseits bedeutet dies noch nicht die generelle Zulässigkeit entsprechender Maßnahmen. Diese sind genau wie produktbezogene Handelsmaßnahmen im Einzelfall anhand der Standards der Chapeau-Klausel zu überprüfen. Unter dem Standard der ungerechtfertigten Diskriminierung ist insbesondere eine inhaltlich begrenzte Kooperationsverpflichtung zu beachten. Diese ergibt sich

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maßgeblich aus dem Konzept der nachhaltigen Entwicklung und wird an die Belegenheit der geschützten Umweltgüter geknüpft. Finden die beteiligten Mitglieder eine kooperative Lösung ihrer im Zusammenhang produktionsseitiger Umweltbelastungen auftauchenden Probleme, so hat diese Einigung auch vor Art. XX Bestand und ersetzt im Einzelfall, soweit sie reicht, die unter den Standards der Chapeau-Klausel formulierten Anforderungen. Insoweit keine Einigung zwischen den beteiligten Staaten gelingt, bleiben die weiteren Anforderungen der einzelnen Standards zu überprüfen. Als solche sind im Rahmen des Standards der ungerechtfertigten Diskriminierung insbesondere die Erforderlichkeit hinsichtlich der Art der verwendeten Handelsrnaßnahmen, die Berücksichtigung der Produktionsbedingungen im Staat der Produktion und die möglichst nahe Anknüpfung der nichtproduktbezogenen Handelsrnaßnahmen an die konkrete Herstellung der betreffenden Produkte zu beachten. Der Standard der willkürlichen Diskriminierung erfordert primär die Beachtung der allgemeinen rechtsstaatlichen Anforderungen der Transparenz, des due process und der basic fairness bei der Anwendung der Handeismaßnahmen. Schließlich zielt der Standard der verschleierten Handelsbeschränkung darauf ab, im Einzelfall zwar formell den Anforderungen des Art. XX entsprechende, aber gleichwohl protektionistische Zielsetzungen verfolgende Handelsrnaßnahmen von der Rechtfertigung auszuschließen. Insoweit kommt dem Standard der verschleierten Handelsbeschränkung eine Auffangfunktion zu, in deren Rahmen insbesondere den im Rahmen der Produkt-Prozess-Doktrin geäußerten Befürchtungen der Pandora s box bzw. des slippery slope Rechnung getragen werden kann.

4. Art. XX und nichtproduktbezogene Handeismaßnahmen zum Umweltschutz Art. XX bietet breiten Raum zur Rechtfertigung nichtproduktbezogener Handeismaßnahmen zum Umweltschutz. Die Ausnahmen des Art. XX(b) und (g) erfassen grundsätzlich alle wissenschaftlich fundierten Handelsrnaßnahmen zum Umweltschutz und sind lediglich durch die Belegenheit der geschützten Umweltgüter und die Art des verfolgten Umweltschutzinteresses großzügig begrenzt. Die Unterscheidung produktbezogener und nichtproduktbezogener Handelsrnaßnahmen nach der Produkt-Prozess-Doktrin wird gerade nicht nachvollzogen. Dieser Befund gilt gleichermaßen für die endgültige Rechtfertigung nach der ChapeauKlausel des Art. XX. Auch hier kommt der Unterscheidung zwischen Produkt und Prozess keine eigenständige Bedeutung zu. Insbesondere kann von einem A-priori-Ausschluss nichtproduktbezogener Handelsrnaßnahmen aus dem Schutzbereich des Art. XX keine Rede sein. Sowohl bei produktbezogenen als auch bei nichtproduktbezogenen Handelsrnaßnahmen ist im Rahmen der Chapeau-Klausel ein verhältnismäßiger Ausgleich zwischen den betroffenen Rechtspositionen aller beteiligten Mitglieder herzustellen. In diesem Rahmen sind dann die jeweiligen Kennzeichen und Eigenheiten der in Rede stehenden Handelsrnaßnahmen zu ana-

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3. Teil: Handelsmaßnahmen zum Umweltschutz im Recht der WTO

lysieren und in die Abwägung einzustellen. Bei nichtproduktbezogenen Handelsrnaßnahmen ergeben sich insoweit zwar typische Problempunkte für das in seinen Freihandelsrechten betroffene Herkunftsland. Diese bleiben jedoch grundsätzlich ausgleichbar. Den einzelnen Standards der Chapeau-Klausel sind insofern präzise Vorgaben hinsichtlich des möglichsten Schutzes der Freihandelsinteressen der betroffenen Mitglieder zu entnehmen. So ergibt sich ein differenzierter rechtlicher Rahmen für das Ergreifen nichtproduktbezogener TREMs, der den Mitgliedern das umweltschutzpolitisch wertvolle Instrument der Handelsmaßnahme auch im Bereich des produktionsseitigen Umweltschutzes belässt, ohne die Freihandelsinteressen der hiervon betroffenen Mitglieder unnötig zu beeinträchtigen.

VII. Das GATT 1994 und nichtproduktbezogene Handelsrnaßnahmen zum Umweltschutz Im Zusammenhang nichtproduktbezogener Handelsrnaßnahmen zum Umweltschutz sind insbesondere die Verpflichtungen der Art. I, 11, III und XI zu beachten. Hierdurch werden die bedeutendsten Arten nichtproduktbezogener TREMs abgedeckt. Interne nichtfiskalische Maßnahmen, wie etwa Vertriebsverbote für einheimische und gleichartige eingeführte Produkte oder auch Herstellungsbeschränkungen, die gegenüber eingeführten Produkten mit mengenmäßigen Beschränkungen bis hin zum vollständigen Importverbot durchgesetzt werden, fallen in den Anwendungsbereich des Art. I1I:4. Interne fiskalische Maßnahmen, insbesondere Umweltabgaben, unterfallen Art. I1I:2. Die entsprechenden Grenzmaßnahmen (border measures), die in keinem Zusammenhang zur Regulierung bzw. Besteuerung inländischer Produkte stehen, werden demgegenüber vom Verbot nichttarifarer Grenzmaßnahmen des Art. XI: 1 bzw. von der Bindung des Art. 11: 1 (b) erfasst. Schließlich gilt die allgemeine Meistbegünstigungsverpflichtung des Art. I: 1 grundsätzlich für alle staatlichen Verhaltensweisen, die den internationalen Warenhandel betreffen, d. h. gleichermaßen für Grenzmaßnahmen, insbesondere Umweltzölle und zollgleiche Abgaben zum Umweltschutz, wie auch für interne Maßnahmen zum Umweltschutz i. S. d. Art. I1I:2 und III:4. Bei der Überprüfung nichtproduktbezogener Handelsrnaßnahmen zum Umweltschutz ergibt sich im Ergebnis regelmäßig ein Verstoß gegen eine oder mehrere der genannten Verpflichtungen. In diesem Befund kann ein gewisser Restanwendungsbereich der Produkt-Prozess-Doktrin beschränkt auf die Verpflichtungen des GATT erblickt werden. 694 Es ist jedoch zu beachten, dass dieser Befund keine absolute Geltung beanspruchen kann. So verstoßen nichtzwingende Kennzeichnungsvorschriften auch im Fall des Anknüpfens an nichtproduktbezogene PPMs gegen keine Verpflichtung des GATT. Ferner bietet der Hintergrund des HS hinsichtlich der Zollerhebung die Möglichkeit, durch entsprechende Änderungen der Nomenklatur 694

So ist wohl zu verstehen Hudec, in: Bronckers I Quick (eds.), S. 187 ff.

E. Ergebnisse des dritten Teils

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den regelmäßigen Verstoß nichtproduktbezogener Umweltzölle gegen Art. I: 1 zu beseitigen. Spätestens für die Ebene der Rechtfertigung nach Art. XX ist jedoch das vollständige Scheitern der Produkt-Prozess-Doktrin zu konstatieren. Von einem A-priori-Ausschluss nichtproduktbezogener TREMs von der Rechtfertigung nach Art. XX kann insbesondere unter dem neuen Vorzeichen der nachhaltigen Entwicklung keine Rede mehr sein. Art. XX ist vielmehr ein differenzierter rechtlicher Rahmen für die fallweise Rechtfertigung nichtproduktbezogener Handelsrnaßnahmen zum Umweltschutz zu entnehmen.

E. Ergebnisse des dritten Teils Die Rechtsordnung der WTO versteht sich als offenes Teilsystem des Völkerrechts. Schon innerhalb dieses Teilsystems sind eine Vielzahl von Anhaltspunkten für die Berücksichtigung der Belange auch des produktionsseitigen Umweltschutzes auszumachen. Daneben werden die von außen auf die WTO-Übereinkommen treffenden Normen und Konzepte vor allem des Umweltvölkerrechts aufgenommen und kommen selbst zur Anwendung oder erlangen zumindest über ihre Heranziehung zur Auslegung der einzelnen Bestimmungen der WTO-Übereinkommen mittelbare rechtliche Relevanz. Im Ergebnis besitzt die Rechtsordnung der WTO hiermit grundsätzlich alle sachlichen und technischen Voraussetzungen, um den Auftrag des Konzepts der nachhaltigen Entwicklung zur Integration der Belange des Umwelt- und Entwicklungsvölkerrechts aufzunehmen und zusammen mit den welthandelsrechtlichen Regelungen der WTO-Übereinkommen in ein Verhältnis der gegenseitigen Unterstützung zu bringen. Als Rechtmäßigkeitsmaßstab für nichtproduktbezogene Handelsrnaßnahmen zum Umweltschutz im WTO-Recht scheiden zunächst das SPS- und auch das TBTÜbereinkommen aus. Beide Übereinkommen finden auf nichtproduktbezogene Anforderungen des Importstaates keine Anwendung. Auch die vielfältigen Versuche, nichtproduktbezogene TREMs als Maßnahmen zum Ausgleich eines behaupteten "Öko-Dumpings" bzw. einer indirekten Subventionierung durch niedrige produktionsseitige Umweltstandards zu erfassen, überzeugen nicht. Ein niedriges staatliches Umweltschutzniveau im Herkunftsland erfüllt weder den Tatbestand des Dumping i. S. d. Art. VI wie des Antidumping-Übereinkommens noch den einer Subvention i. S. d. Subventions-Übereinkommens. Auch diese Normenkomplexe bilden mithin keinen tauglichen Rechtmäßigkeitsmaßstab für nichtproduktbezogene TREMs des Importstaates. Es bleiben schließlich die allgemeinen Anforderungen des GATT 1994. Bei der Anwendung der primär beachtlichen Art. I, 11, III, XI und XX auf nichtproduktbezogene TREMs ergibt sich ein differenziertes Bild. Von einer generellen GATT-

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3. Teil: Handelsmaßnahmen zum Umweltschutz im Recht der WTO

Widrigkeit nach der Produkt-Prozess-Doktrin kann keine Rede sein. Regelmäßig verstoßen nichtproduktbezogene Handelsmaßnahmen zwar gegen eine oder mehrere der Vetpflichtungen der Art. I, TI, III oder XI. Art. XX bietet jedoch breiten Raum zur Rechtfertigung naturwissenschaftlich fundierter nichtproduktbezogener Handelsmaßnahmen zum Umweltschutz und sichert den verhältnismäßigen Ausgleich zwischen den legitimen Umweltschutzinteressen des Importstaates und den betroffenen Freihandelsinteressen der anderen WTO-Mitglieder.

Vierter Teil

Endergebnis Die Produkt-Prozess-Doktrin ist - jedenfalls soweit hierdurch der vollständige welthandelsrechtliche Ausschluss nichtproduktbezogener Handelsmaßnahmen zum Umweltschutz begründet werden soll - gescheitert. Nichtproduktbezogene TREMs sind nicht apriori WTO-rechtswidrig. Das Welthandelsrecht bietet vielmehr einen flexiblen Ordnungsrahmen, der schon jetzt eine differenzierte, sachangemessene und verlässliche Lösung der im Zusammenhang nichtproduktbezogener Handelsmaßnahmen zum Umweltschutz diskutierten Probleme der komparativen Kostenvorteile, der "Extraterritorialität", des Unilateralismus und des slippery slope bzw. der Pandora 's box im Einzelfall zulässt. Wie sich leicht an der Vielzahl aktueller Beispiele insbesondere aus dem Außenhandelsrecht der EG ablesen lässt, besteht hiernach auch ein handfestes praktisches Bedürfnis. Nichtproduktbezogene Handelsmaßnahmen sind ein unverzichtbarer Bestandteil nationaler und internationaler Umweltpolitik zur gezielten Bekämpfung produktionsseitiger Umweltbelastungen. Und die praktische Relevanz nichtproduktbezogener TREMs dürfte in der Zukunft noch zunehmen: Je weiter sich die Erkenntnis durchsetzt, dass Umweltprobleme am effektivsten an ihrer Quelle angegangen werden (Rectijication-at-source-Prinzip), desto häufiger werden die Staaten auch nichtproduktbezogene PPM-Anforderungen aufstellen und diese unterschiedslos gegenüber inländischen und eingeführten Produkten durchsetzen. Die besonderen Anforderungen an die Welthandelsordnung, die mit der Regulierung nichtproduktbezogener TREMs verbunden sind, erhellen sich erst durch die Einordnung in den Kontext der Globalisierung und einen genauen Blick auf die tatsächlichen Gestaltungsmerkmale dieser Maßnahmen. Der Prozess der Globalisierung bezeichnet ganz allgemein die tatsächliche Zunahme und Verdichtung gesellschaftlicher Beziehungen auch und gerade über Staatsgrenzen hinweg. Mit der Internationalisierung des Handels wie auch den grenzüberschreitend wirksamen Umweltproblemen unserer Zeit sind bedeutende Dimensionen der Globalisierung angesprochen. Während die handeltreibenden Staaten als Antwort auf die tatsächliche wirtschaftliche Vernetzung zunächst mit dem GATT 1947, später mit der WTO eine stabile multilaterale Handelsordnung geschaffen haben, sind die Bemühungen zum internationalen Umweltschutz bisher nicht zur Schaffung einer einheitlichen Umweltschutzorganisation gediehen. Internationaler Umweltschutz vollzieht sich weitgehend dezentral im Rahmen von zur Zeit etwa 220 speziellen multilateralen Umweltschutzübereinkommen. Schon in jedem globalisier-

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4. Teil: Endergebnis

ten Lebensbereich für sich sind Meinungsverschiedenheiten und Konflikte über Art und Ausmaß der gemeinsamen Interessen und ihrer Abgrenzung und Gewichtung im Verhältnis zu einzelstaatlichen Interessen vorprogrammiert. Im Fall nichtproduktbezogener TREMs verkompliziert sich die Aufgabe weiter dadurch, dass die globalisierten Sachverhalte des internationalen Handels und des internationalen Umweltschutzes gleichermaßen berührt sind. Im Unterschied zu produktbezogenen Handelsmaßnahmen bezwecken nichtproduktbezogene Handelsmaßnahmen des Importstaates nämlich regelmäßig den Schutz internationaler und globaler Umweltgüter. Dabei ist das im Handel beschränkte Produkt als solches hinsichtlich der geschützten Umweltgüter völlig unbedenklich, es wird allein wegen der bei seiner Produktion im Herkunftsland anfallenden Umweltbelastungen mit den Handelsmaßnahmen belegt. Es besteht somit die Gefahr, dass der Importstaat neben der Umweltschädlichkeit der Produktion eine Vielzahl weiterer Umstände im Herkunftsland, etwa die bei der Produktion beachteten Menschenrechts- und Sozialstandards, mit nichtproduktbezogenen Handelsmaßnahmen belegt. Auch bestehen für den Importstaat, der zu nichtproduktbezogenen TREMs greift, nicht zu unterschätzende praktische Probleme der Verifizierbarkeit der bei der Produktion im Herkunftsland tatsächlich verwendeten nichtproduktbezogenen PPMs und der hiervon ausgehenden Umweltbelastungen. Sowohl die Vielzahl möglicher Anknüpfungspunkte als auch das Problem der Verifizierbarkeit bergen die Gefahr des Missbrauchs nichtproduktbezogener Handelsmaßnahmen zu protektionistischen Zwecken und der empfindlichen Beeinträchtigung des internationalen Handels. Mit dem Abrücken von der formalen Produkt-Prozess-Doktrin ergibt sich die Notwendigkeit, geeignete sachliche Kriterien und Weichenstellungen im Rahmen der bestehenden Vorschriften der WTO-Übereinkommen zu entwickeln, um den globalisierten Sachverhalten gerecht zu werden und die sich aus der Gestaltung nichtproduktbezogener TREMs ergebenden Gefahren für den freien Welthandel auszuschalten. Die grundsätzliche Angliederung des Schnittstellenbereichs zwischen internationalem Handel und internationalem Umweltschutz an die Welthandelsordnung ist Teil des umfassenderen Prozesses der Konstitutionalisierung der Welthandelsordnung. Sie erfährt ihre sachliche Rechtfertigung durch die einzigartige Stärke der Rechtsordnung der WTO, gerade im Vergleich zu den zersplitterten Vertragsregimes im Bereich des Umweltvölkerrechts. Ferner sind schon innerhalb der Rechtsordnung der WTO eine Vielzahl von Anhaltspunkten für die Berücksichtigung der Belange des Umweltschutzes auszumachen. Auch werden die von außen auf die WTO-Übereinkommen treffenden Normen und Konzepte des Umweltvölkerrechts aufgenommen und kommen entweder selbst unmittelbar zur Anwendung oder erlangen zumindest über ihre Heranziehung zur Auslegung mittelbare rechtliche Relevanz. Als formaler Schlüssel zur Integration dienen insoweit vor allem die allgemeinen Ausnahmebestimmungen der WTO-Übereinkommen. Im Bereich des Warenhandels kommt insbesondere den allgemeinen Ausnahmen des GATT, genauer des Art. XX(b) zum Schutz von Menschen, Tieren oder Pflanzen und des

4. Teil: Endergebnis

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Art. XX(g) zur Erhaltung erschöpfbarer natürlicher Ressourcen eine überragende Bedeutung zu. Inhaltliches Leitmotiv für die Abstimmung der Belange des Handels und des Umweltschutzes ist dabei das Konzept der nachhaltigen Entwicklung. Diesem lassen sich in vielerlei Hinsicht Leitlinien für eine ausgewogene Lösung der im Schnittstellenbereich Handel und Umwelt bestehenden Probleme entnehmen. Die Mitglieder haben das Konzept der nachhaltigen Entwicklung u. a. in der Präambel des WTO-Übereinkommens als einen der Grundwerte der Welthandelsordnung anerkannt. Es leitet somit die Auslegung und Anwendung des gesamten Welthandelsrechts. Dabei fällt zunächst auf, dass nichtproduktbezogene PPM-Anforderungen des Importstaates weder in den Anwendungsbereich des SPS- noch des TBT-Übereinkommens fallen. Hierin liegt jedenfalls nach dem vorliegend entwickelten Verständnis ein Wertungs widerspruch. Da nichtproduktbezogenen Handelsrnaßnahmen zum Umweltschutz ein besonderes Missbrauchsrisiko anhaftet, sollten sie auch den über das allgemeine GATT 1994 hinausreichenden Anforderungen des SPS- und TBT-Übereinkommens unterstellt werden. Die heutige Rechtslage wird erst vor dem Hintergrund der Produkt-Prozess-Doktrin verständlich. Wenn schon in das GATT 1994 ein generelles Verbot hineingelesen wird, bedarf es gar nicht mehr der Anwendung von SPS- und TBT-Übereinkommen auf nichtproduktbezogene TREMs. Die Anwendbarkeit der Übereinkommen könnte dem generellen Verbot sogar entgegenstehen. Für die zukünftige Entwicklung des Welthandelsrechts ergibt sich somit neben der Forderung nach der Aufgabe der Produkt-Prozess-Doktrin hinsichtlich nichtproduktbezogener Handelsrnaßnahmen zum Umweltschutz die Forderung auch nach der Ausweitung des Anwendungsbereiches von SPS- und TBT-Übereinkommen auf nichtproduktbezogene PPM-Anforderungen. Die Versuche, ein niedriges produktionsseitiges Umweltschutzniveau im Staat der Produktion als "Öko-Dumping" oder indirekte Subventionierung einzustufen und auf den Ausgleich hierdurch erzielter Wettbewerbs vorteile abzielende nichtproduktbezogene Handelsrnaßnahmen als legitime Ausgleichsrnaßnahmen zu qualifizieren, vermögen nicht zu überzeugen. Schon begrifflich liegen weder ein Dumpingtatbestand i.S.v. Art. VI:l und Art. 2 des Antidumping-Übereinkommens noch eine Subvention i.S.v. Art. 1.1 des Subventions-Übereinkommens vor. Als Rechtmäßigkeitsmaßstab bleiben demnach die allgemeinen Vorschriften der Art. I, 11, III, XI und XX des GATT 1994 zu überprüfen. Erst wenn nichtproduktbezogene TREMs im Einzelfall gegen eine oder mehrere der einschlägigen GATT-Verpflichtungen verstoßen, kann überhaupt von einem Konflikt im Bereich Handel und Umwelt gesprochen werden, den es dann im Rahmen von Art. XX aufzulösen gilt. Nichtproduktbezogene Importbeschränkungen, wie etwa in den Fällen US - Tuna I und II oder im Fall US - Shrimp, fallen entweder in den Anwendungsbereich des Art. 1II:4, wenn ihnen - was regelmäßig der Fall sein dürfte - eine interne Vorschrift zu Grunde liegt, oder als nichttarifäre Handelshemmnisse an der Grenze in den Anwendungsbereich des Art. XI: 1. Nichtproduktbezogene Umweltsteuern, die eingeführten Produkten meist im Rahmen eines umfassenden

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4. Teil: Endergebnis

Steuerausgleichs an der Grenze auferlegt werden, fallen immer dann als interne Steuern unter Art. 1II:2, wenn sie im Zusammenhang mit der Besteuerung gleichartiger oder in direktem Wettbewerb zueinander befindlicher inländischer Produkte stehen. Andernfalls handelt es sich um zollgleiche Abgaben, die insbesondere der Verpflichtung des Art. 1I:1(b) S. 2 unterliegen. Hierher würde z. B. die Erstreckung der im Rahmen der EG geplanten Kohlendioxid- und Energiesteuer auch auf eingeführte Produkte gehören, wenn diese bereits an der Grenze nach der bei ihrer Produktion angefallenen Menge an Kohlendioxid bzw. nach der verbrauchten Energiemenge besteuert würden. Schließlich erfasst die allgemeine Meistbegünstigungsverpflichtung des Art. I: 1 grundsätzlich alle nichtproduktbezogenen Handeismaßnahmen zum Umweltschutz, border measures, wie Umweltzölle oder zollgleiche Abgaben, genauso wie interne Maßnahmen der Steuererhebung und sonstigen Regulierung i.S. v. Art. 1II:2 und 1II:4. Sobald die Anwendbarkeit einer der Verpflichtungen der Art. I, 11, III oder XI auf eine nichtproduktbezogene Handelsmaßnahme feststeht, ist regelmäßig auch ein Verstoß gegen diese Verpflichtung zu verzeichnen. Im Fall der Nichtdiskriminierungsverpflichtungen der Art. I: I, III:2 und 1II:4 ergibt sich ein Verstoß in der Regel daraus, dass Produkte, die sich allein durch die bei ihrer Produktion verwendeten nichtproduktbezogenen PPMs unterscheiden, aufgrund ihrer physischen Identität grundsätzlich als gleichartig zu betrachten sind und die Vorgabe bestimmter nichtproduktbezogener PPM-Anforderungen durch den Importstaat stets eine Dejacto-Diskrirninierung der ausländischen Produkte bedeutet. Die regelmäßige Verletzung des Art. 11: I (b) S. 2 findet ihre Ursache schon in der umfassenden Bindung zollgleicher Abgaben nach der Vereinbarung zur Auslegung des Art. 11: 1(b) des GATI 1994, die des Art. XI: 1 in dem umfassenden Verbot nichttarifärer Handeishemmnisse an der Grenze. Von dieser Regel sind insbesondere zwei Ausnahmen zu verzeichnen. Nichtzwingende Kennzeichnungsvorschriften erreichen erst gar nicht die Schwelle der Rechtserheblichkeit nach Art. 1II:4 und Art. I: 1 i. Y.m. Art. 1II:4. Es handelt sich, wie das Panel im Fall US - Tuna I zutreffend ausgeführt hat, nicht um beachtliche Importbeschränkungen. Die handelsbeschränkende Wirkung nichtzwingender Kennzeichnungsvorschriften beruht nicht auf staatlicher Anordnung, sondern primär auf der freien Entscheidung der Verbraucher. Nichtzwingende Kennzeichnungsvorschriften unterliegen danach - unabhängig davon, ob es sich um produktbezogene, nichtproduktbezogene oder sog. Life-cycle-Kennzeichen handelt - keinen Beschränkungen aus dem GATI. Als mögliche zweite Ausnahme kommen nichtproduktbezogene Umweltzölle in Betracht. Diese können durch zukünftige Anpassungen des Harmonisierten Systems in perfekte Übereinstimmung mit Art. I: 1 gebracht werden. Würde nämlich das Harmonisierte System zwei Zollpositionen aufgrund der Verwendung bestimmter nichtproduktbezogener PPMs unterscheiden, so wären hiernach zu unterscheidende, physisch aber übereinstimmende Produkte auch im Rahmen von Art. I: 1 hinsichtlich Maßnahmen der Zollerhebung nicht mehr als gleichartig zu betrachten. Eine Verletzung von Art. I: I schiede aus.

4. Teil: Endergebnis

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Nach alledem ist im Fall nichtproduktbezogener Handelsmaßnahmen zum Umweltschutz regelmäßig ein Verstoß gegen zumindest eine der Verpflichtungen der Art. I, 11, III oder XI gegeben. Damit kommt nunmehr die zweistufige Rechtfertigung nach Art. XX in den Blick. Im Rahmen der vorläufigen Rechtfertigung anband der Ausnahmen des Art. XX(b) und (g) wird zunächst das Vorliegen eines legitimen Umweltschutzinteresses überprüft. Nichtproduktbezogenen TREMs kann einmal ein Interesse an der umfassenden Erhaltung bestimmter Umweltgüter per se oder aber ein hierhinter zurückbleibendes Nutzungsinteresse, beschränkt auf die Erhaltung der Nutzbarkeit bestimmter Umweltgüter als natürliche Ressourcen, zu Grunde liegen. Die Erhaltung der körperlichen Integrität von Menschen, Tieren oder Pflanzen als solche wird von Art. XX(b) erfasst. Insbesondere aus dem Konzept der nachhaltigen Entwicklung lässt sich ableiten, dass dieser Schutz auf die im handelnden Staat selbst belegenen Menschen, Tiere oder Pflanzen beschränkt ist. Nicht erforderlich für die vorläufige Rechtfertigung nach Art. XX(b) ist hingegen der unmittelbare und ausschließliche Schutz inländischer Menschen, Tiere oder Pflanzen. Es genügt, wenn die Handelsmaßnahmen unmittelbar etwa den Schutz sog. global commons zum Gegenstand haben, deren Erhaltung wiederum Voraussetzung für das Wohlergehen zumindest auch der inländischen Menschen, Tiere oder Pflanzen ist. Dies ergibt sich u. a. aus dem nach Art. 31 Abs. 2 lit. a WVRK zur Auslegung des WTO-Rechts heranzuziehenden Beschluss zum Handel mit Dienstleistungen und zur Umwelt. Als Beispiel für den mittelbaren Schutz inländischer Menschen, Tiere oder Pflanzen können Handelsmaßnahmen zum Schutz der Ozonschicht oder des Klimas angeführt werden. Das Interesse an der Erhaltung der Nutzbarkeit bestimmter Umweltgüter als natürliche Ressourcen wird demgegenüber von Art. XX(g) geschützt. Hiernach können Handelsmaßnahmen des Importstaates zur Erhaltung der Nutzbarkeit eigener Umweltressourcen wie auch internationaler und globaler Umweltressourcen, an denen der Importstaat beteiligt ist, gerechtfertigt werden. Allein hinsichtlich solcher Umweltgüter, an denen der Importstaat nicht beteiligt ist, besteht nach dem Konzept der nachhaltigen Entwicklung auch in nutzungsrechtlicher Hinsicht kein legitimes Schutzinteresse. Voraussetzung für die vorläufige Rechtfertigung nach Art. XX(b) und (g) ist dabei immer die naturwissenschaftliche Fundierung der Handelsmaßnahmen (sog. Science-Test). Hierzu ist zunächst eine Gefährdung der geschützten Umweltgüter wissenschaftlich nachzuweisen. Ferner müssen die ergriffenen Handelsmaßnahmen im Fall des Art. XX(b) geeignet sein ("necessary") bzw. im Fall des Art. XX(g) darauf gerichtet sein ("relating to"), der festgestellten Gefährdung entgegenzuwirken. In diesem sog. Science-Test kommt die u. a. in Kapitel 35 der Agenda 21 niedergelegte naturwissenschaftliche Orientierung des Konzepts der nachhaltigen Entwicklung zum Ausdruck. Nicht die Politik, sondern die Wissenschaft soll darüber entscheiden, wann ein legitimes Umweltschutzinteresse vorliegt. Hierdurch wird sichergestellt, dass nur echte Umweltschutzmaßnahmen nach den Art. XX(b) und (g) vorläufig gerechtfertigt werden und der Missbrauch des

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4. Teil: Endergebnis

Umweltschutzgedankens ZU protektionistischen Zielsetzungen wirksam ausgeschlossen wird. Spätestens hier scheitert daher die Rechtfertigung nichtproduktbezogener Handelsmaßnahmen zum Ausgleich von Wettbewerbschancen und zur Verfolgung umweltbezogener und auch sonstiger Präferenzen des Importstaates. Zur endgültigen Rechtfertigung sind die nach Art. XX(b) oder (g) vorläufig gerechtfertigten Handelsmaßnahmen weiter anhand der Standards der ChapeauKlausel des Art. XX zu überprüfen. Die einzelnen Standards der Chapeau-Klausel sollen sicherstellen, dass nur solche Handelsmaßnahmen nach Art. XX gerechtfertigt werden, die einen verhältnismäßigen Ausgleich zwischen den betroffenen Umweltschutz- und Freihandelsinteressen in Geltung setzen. Nach der ProduktProzess-Doktrin ist spätestens die endgültige Rechtfertigung nichtproduktbezogener Handelsmaßnahmen zum Umweltschutz apriori ausgeschlossen. Dies gelte nur dann nicht, wenn sie zwischen den Parteien eines Umweltschutzübereinkommens angewendet werden, das ausdrücklich das Ergreifen nichtproduktbezogener Handelsmaßnahmen vorsieht. Die zur Untermauerung dieser Ansicht herangezogenen Argumente der Beschränkung komparativer Kostenvorteile des Herkunftslandes, der "extraterritorialen Wirkung" und des Unilateralismus erweisen sich jedoch als nicht tragfähig. Die wohlfahrtsökonomische Analyse hat gezeigt, dass nichtproduktbezogene TREMs allein dann die komparativen Kostenvorteile des Herkunftslandes nachweisbar beschränken, wenn sie gegen produktionsseitige Umweltbelastungen gerichtet sind, die keinerlei physische grenzüberschreitende Wirkungen entfalten. In den Fällen der Schädigung internationaler und globaler Umweltgüter, an denen der Staat der Produktion beteiligt ist, kann nach dem bisherigen Entwicklungsstand des Umweltvölkerrechts das Bestehen komparativer Kostenvorteile hingegen nicht mit Sicherheit ermittelt werden. Gegen nichtproduktbezogene Handelsmaßnahmen zum Schutz internationaler und globaler Umweltgüter, an denen der Staat der Produktion beteiligt ist, läuft das Argument der komparativen Kostenvorteile demnach ins Leere. Führen produktionsseitige Umweltbelastungen zu Schädigungen fremder Umweltgüter, spricht das Argument der komparativen Kostenvorteile sogar für das Ergreifen gegen die schädliche Produktion im Herkunftsland gerichteter nichtproduktbezogener Handelsmaßnahmen der geschädigten Staaten. Diese werden zur Internalisierung negativer internationaler physischer Externalitäten der Produktion und damit zur Reparatur eines Freihandelsversagens tätig. Zusammen mit dem Argument der komparativen Kostenvorteile fällt auch das der behaupteten "extraterritorialen Wirkung" nichtproduktbezogener Handelsmaßnahmen zum Umweltschutz weitgehend aus. Schon die Begrifflichkeit ist fragwürdig, da nichtproduktbezogene TREMs keinerlei extraterritoriale Rechtswirkungen i. S. d. allgemeinen Völkerrechts entfalten. Doch auch die hinter dem Extraterritorialitätsargument stehenden Erwägungen zur Belegenheit der geschützten Umweltgüter und zur domestic policy autonomy des Staates der Produktion rechtfertigen den vollständigen Ausschluss nichtproduktbezogener Handelsmaßnahmen von der Rechtfertigung nach Art. XX nicht. Hinsichtlich der Belegenheit der Umweltgüter

4. Teil: Endergebnis

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ergibt sich schon aus dem in Prinzip 7 der Rio-Deklaration niedergelegten (Teil-)Grundsatz der gemeinsamen Verantwortung die Anerkennung einer originären Zuständigkeit aller an einem internationalen Umweltgut partizipierenden Staaten zum Schutz dieses Gutes. Eine Beschränkung auf den Schutz rein inländischer Umweltgüter steht daher im Widerspruch zum Konzept der nachhaltigen Entwicklung. Schließlich ergibt der Vergleich zu produktbezogenen TREMs, dass auch in diesem Fall die ausländischen Produzenten ihre Produktion an die Anforderungen des Importstaates anpassen müssen, wenn sie weiterhin ihre Waren frei handeln wollen. Hinsichtlich der Auswirkungen auf die domestic policy autonomy des Staates der Produktion besteht somit kein qualitativer Unterschied zwischen nichtproduktbezogenen und produktbezogenen Handelsrnaßnahmen. Auf diesen Zusammenhang hat der Appellate Body im Fall US - Shrimp hingewiesen. Darüber hinaus lässt sich aber auch dem Konzept der nachhaltigen Entwicklung, insbesondere den Prinzipien 8 und 12 der Rio-Deklaration, entnehmen, dass nicht die Unterscheidung zwischen produktionsseitigen und verbrauchsseitigen Umweltbelastungen, d. h. von Produkt und Prozess, sondern allein die Belegenheit der bedrohten Umweltgüter ausschlaggebend für die Zuständigkeit zum Umweltschutz sein soll. Zum Schutz internationaler und globaler Umweltgüter, auch mittels Handelsrnaßnahmen, sind danach alle beteiligten Staaten gleichermaßen berufen. Schließlich führt auch das Argument des Unilateralismus nicht zu einem A-priori-Ausschluss einseitiger nichtproduktbezogener TREMs. Dies erschließt sich leicht durch einen Blick auf Prinzip 12 der Rio-Deklaration. Danach stehen Handelsrnaßnahmen zum Schutz der eigenen Umwelt erst gar nicht unter einem Kooperationsvorbehalt. Der mit nichtproduktbezogenen TREMs regelmäßig verfolgte Schutz internationaler und globaler Umweltgüter soll zwar auf einem internationalen Konsens beruhen, scheitern die nach Treu und Glauben geführten Kooperationsbemühungen aber, bleibt das Ergreifen einseitiger Handelsrnaßnahmen dennoch möglich. Mit anderen Worten besteht insoweit eine Verhaltenspflicht zur Kooperation. Lediglich das Ergreifen von Hande1smaßnahmen zum Schutz fremder Umweltgüter steht unter dem Vorbehalt erfolgreicher Kooperation zwischen den beteiligten Staaten. Bei genauer Betrachtung der Ökonomie nichtproduktbezogener Handelsrnaßnahmen zum Umweltschutz und der Vorgaben des Konzepts der nachhaltigen Entwicklung bleibt von den tragenden Argumenten der Produkt-Prozess-Doktrin demnach nicht viel übrig. Weder der wohlfahrts steigernde Grundansatz der Welthandelsordnung noch das Konzept der nachhaltigen Entwicklung stützen die Unterscheidung zwischen Produkt und Prozess. Aus wohlfahrtsökonomischer Perspektive macht es schließlich keinen Unterschied, ob ein Freihandelsversagen bei der Produktion oder beim Verbrauch von Waren auftritt. In beiden Fällen bedarf es der staatlichen Intervention. Genauso ist es aus der Sicht des internationalen Umweltschutzes völlig unerheblich, ob die Umweltbelastungen bei der Produktion oder beim Verbrauch von Waren entstehen. Entscheidend ist allein, dass überhaupt grenzüberschreitend wirksame Umweltbelastungen entstehen. 24 Puth

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4. Teil: Endergebnis

Die hiernach offene Prüfung nichtproduktbezogener Handelsrnaßnahmen zum Umweltschutz am Maßstab der Standards der ungerechtfertigten Diskriminierung, der willkürlichen Diskriminierung und der verschleierten Handelsbeschränkung ist wesentlich am Sinn und Zweck der Chapeau-Klausel, der Erzielung eines verhältnismäßigen Ausgleichs zwischen den betroffenen Umweltschutz- und Freihandelsinteressen, auszurichten. Dabei ist unter dem Standard der ungerechtfertigten Diskriminierung zunächst der sachliche Gehalt der in Rede stehenden Handelsmaßnahme zu untersuchen. Insofern ergeben sich im Zusammenhang nichtproduktbezogener TREMs typischerweise Fragen zum Bestehen einer Kooperationspflicht, zur Erforderlichkeit der Art der ergriffenen Handelsmaßnahme, zur Berücksichtigung der Produktionsbedingungen im Staat der Produktion und schließlich zur konkreten Anknüpfung der Handelsmaßnahme. Zentrales Element der endgültigen Rechtfertigung nichtproduktbezogener TREMs des Importstaates ist die Frage nach Bestehen und Reichweite einer Kooperationspflicht. Im Grundsatz besteht bei der Wahrnehmung der einzelnen Ausnahmen des Art. XX keine Kooperationspflicht für die handelnden Staaten. Für das Ergreifen von Handelsrnaßnahmen zum Schutz internationaler und globaler Umweltgüter formuliert jedoch Prinzip 12 der Rio-Deklaration eine spezielle Kooperationspflicht. Hierbei handelt es sich um eine Verhaltenspflicht aller an einem internationalen oder globalen Umweltgut beteiligten Staaten, in Verhandlungen zu treten und nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der betroffenen Interessen eine für alle annehmbare Lösung des Umweltproblems anzustreben. Im Unterschied zu einer Erfolgspflicht zur Kooperation bleibt unilaterales Vorgehen eines oder mehrerer beteiligter Staaten möglich, wenn alle erforderlichen Anstrengungen zur Erzielung einer Einigung erfolglos geblieben sind. Dabei variieren die inhaltlichen Anforderungen an die Kooperationsbemühungen entsprechend des in Prinzip 7 der Rio-Deklaration niedergelegten Grundsatzes der gemeinsamen aber differenzierten Verantwortlichkeit der Staaten. Insbesondere gegenüber wirtschaftsschwachen Mitgliedern bestehen danach gesteigerte Anforderungen an die Kooperationsbemühungen. Diese können grundsätzlich alle positiven Anreize von Technologietransfers bis hin zum Ausgleich in Geld umfassen und im Extremfall sogar das einseitige Ergreifen von Handelsrnaßnahmen gänzlich ausschließen, d. h. im Verhältnis zu wirtschaftsschwachen Mitgliedern eine Erfolgspflicht zur Kooperation begründen. Sind diese Anforderungen im Einzelfall zwar erfüllt, ist es aber gleichwohl zu keiner Einigung zwischen den an einem Umweltproblem beteiligten Staaten gekommen, bleibt unilaterales Vorgehen einzelner Staaten auch mittels Handelsmaßnahmen grundsätzlich zulässig. Solche Maßnahmen sind anhand der weiteren Anforderungen der Chapeau- Klausel des Art. XX im Einzelfall zu überprüfen. Welche Bedeutung hat aber die rechtsverbindliche Einigung über die Regulierung bestimmter Umweltgefahren zwischen allen oder auch nur einem Teil der an einem internationalen oder globalen Umweltgut beteiligten Staaten in Form eines Umweltschutzübereinkommens? Zunächst sind drei verschiedene Ebenen der zwi-

4. Teil: Endergebnis

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schenstaatlichen Kooperation zum internationalen Umweltschutz zu unterscheiden, die Anerkennung einer bestimmten Politik als legitime Umweltschutzpolitik, die Formulierung konkreter Schutzstandards und schließlich die Einigung über Handeismaßnahmen als Mittel zur Durchsetzung der aufgestellten Standards. Die Anerkennung einer bestimmten Politik als legitime Umweltschutzpolitik bildet die Basis aller internationalen Umweltschutzbestrebungen. Auf dieser ersten Ebene der Kooperation kommen die beteiligten Staaten über die Schutzbedürftigkeit bestimmter Umweltgüter überein. In Anwendung der allgemeinen Auslegungsregel des Art. 31 Abs. 1 WVRK kann diese Übereinkunft etwa zur Identifizierung erschöpflicher natürlicher Ressourcen i.S.v. Art. XX(g) beitragen. Einzelne MEAs dienen dann unabhängig von ihrem konkreten Parteienkreis als Indizien für ein allgemeines Begriffsverständnis. Parallel hierzu kann die Übereinkunft über die Schutzbedürftigkeit bestimmter Umweltgüter auch als sachverständige Aussage über die Gefährdung der betreffenden Umweltgüter im Rahmen des sog. ScienceTests nach Art. XX(b) und (g) herangezogen werden. Einem entsprechenden Umweltschutzübereinkommen kommt insoweit die Funktion eines internationalen Standards zu, der wegen seiner naturwissenschaftlichen Fundierung über den konkreten Parteienkreis hinaus von allen WTO-Mitgliedern zu beachten ist und dem nur widerstreitende wissenschaftliche Erkenntnisse entgegengehalten werden können. Formulieren die Vertragsparteien eines Umweltschutzübereinkommens über die Anerkennung einer bestimmten Schutzpolitik hinaus konkrete Schutzstandards (zweite Ebene der Kooperation), so können auch diese als sachverständige Aussagen über das Verhältnis bestimmter Schutzmaßnahmen zu den angestrebten Umweltschutzzielen mit Wirkung für alle WTO-Mitglieder Berücksichtigung finden. Bei der vorläufigen Rechtfertigung nach Art. XX(b) und (g) kann über den Hinweis auf bestimmte, in MEAs niedergelegte Schutz standards etwa die Geeignetheit ("necessary") und substanzielle Verbindung (,,re1ating to") zum Umweltschutz von Handelsmaßnahrnen dargelegt werden, die diese Schutzstandards durchsetzen. Von dieser Aussage über den naturwissenschaftlichen Zusammenhang zwischen Maßnahme und Schutzziel zu unterscheiden, ist das der Einigung auf bestimmte Schutzstandards innewohnende politische Element. Dieses liegt darin begründet, dass die Parteien eines solchen Umweltschutzübereinkommens die Wahl der konkreten Schutzstandards auf ihre jeweiligen Produktionsbedingungen abstimmen, um hierdurch unnötige Belastungen der heimischen Wirtschaft zu vermeiden. Die Produktionsbedingungen variieren aber von Staat zu Staat, so dass die im Verhältnis der Parteien des Umweltschutzübereinkommens gefundene Einigung über die konkreten Schutzstandards nicht ohne weiteres auch allen anderen WTO-Mitgliedem entgegengehalten werden kann. Etwa 20 der genannten 220 MEAs sind auf der dritten Kooperationsebene angesiedelt und enthalten positive Handelsregelungen, in denen das Ergreifen von Handeismaßnahmen zur Durchsetzung der formulierten Schutz standards entweder vorgeschrieben ist oder zumindest empfohlen wird. Zwar sieht der Großteil dieser MEAs produktbezogene Handelsrnaßnahmen vor, es finden sich jedoch auch, wie 24*

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die Beispiele des Montrealer Protokolls und der Wellington-Konvention belegen, bedeutende nichtproduktbezogene Handelsregelungen. In der Literatur wird hier allzu schnell ein unauflösbarer Nonnenkonflikt mit den WTO-Übereinkommen bescheinigt und aufgrund der allgemeinen Konfliktregeln der lex specialis und der lex posterior einmal den betreffenden MEAs, ein anderes Mal den WTO-Übereinkommen der Vorrang eingeräumt. Eine solche eindimensionale Lösung des Spannungsfeldes internationalen Umweltschutzes und internationalen Handels steht jedoch im Widerspruch zum integrativen Grundansatz des Konzepts der nachhaltigen Entwicklung. Die Bereiche des internationalen Umweltschutzes und des internationalen Handels sollen gerade nicht isoliert voneinander, sondern in ihrer vollen Wechselbezüglichkeit betrachtet werden. Hierzu bedarf es aber der gleichzeitigen und gleichberechtigten Anwendbarkeit beider Rechtsbereiche. Weit stärker noch als nach allgemeinem Völkerrecht ist in den vom Konzept der nachhaltigen Entwicklung umfassten Bereichen des Umwelt-, Entwicklungs- und Wirtschaftsvölkerrecht das Gebot der harmonisierenden Auslegung zu beherzigen. Im Rahmen der Chapeau-Klausel des Art. XX werden die Handelsregelungen von MEAs daher als dezentraler Ausgleich der betroffenen Umweltschutz- und Freihandelsinteressen zwischen den Vertragsparteien akzeptiert. Soweit die Einigung reicht, bedarf es keines zentralen Interessenausgleichs anhand der einzelnen Standards der Chapeau-Klausel mehr. Diesen Weg zur Integration von dezentral im Rahmen von Umweltschutzübereinkommen vereinbarten Handelsregelungen in das Welthandelsrecht hat der Appellate Body im Fall US-Shrimp gewiesen. Soweit danach ein zentraler Ausgleich der betroffenen Umweltschutz- und Freihandelsinteressen anhand der einzelnen Standards der Chapeau-Klausel herzustellen bleibt, kommt unter dem Standard der ungerechtfertigten Diskriminierung weiter die Erforderlichkeit der Art der ergriffenen nichtproduktbezogenen Handelsrnaßnahmen in den Blick. Es ist zu fragen, ob dem Importstaat andere Arten von Handelsrnaßnahmen zur Verfügung stehen, die genauso wirksam zum Umweltschutz beitragen, den Handel aber weniger stark beeinträchtigen (sog. Least-traderestrictive- Test). Diese Frage ist im Einzelfall unter sorgfältiger Abwägung ökonomischer wie auch tatsächlicher Erwägungen, etwa der praktischen Durchführbarkeit, zu beantworten. Im Ergebnis darf die Anwendung des Erforderlichkeitskriteriums jedoch nicht zu weit gehen. Dem Importstaat ist hinsichtlich der Auswahl der Handelsrnaßnahmen ein gewisser Beurteilungsspielraum einzuräumen. Bei der Anwendung nichtproduktbezogener Handelsrnaßnahmen sind weiter die Produktionsbedingungen im Staat der Produktion zu berücksichtigen. Dies ergibt sich insbesondere aus Prinzip 11 der Rio-Deklaration. Maßgeblicher Hintergrund ist die Erkenntnis, dass die von Staat zu Staat variierenden tatsächlichen Gegebenheiten nach speziell hierauf abgestimmten Regelungskonzepten verlangen. Die Übertragung der Produktionsstandards eines Staates "eins zu eins" auf andere Staaten ist daher in der Regel nicht sachgemäß. Häufig genügt es auch, wenn der Importstaat seine nichtproduktbezogenen Anforderungen an eingeführte Produkte vom Umweltschutzziel her fonnuliert und die Wahl der konkreten Produktions-

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standards zur Erreichung dieses Zieles dem Staat der Produktion überlässt. Der handelnde Importstaat ist nur dann von der Berücksichtigung der Produktionsbedingungen im Herkunftsland entbunden, wenn die betreffenden Staaten in ihrem Verhältnis bestimmte Schutzstandards aufgestellt haben. Dann müssen sie sich hieran festhalten lassen. Ein weiteres typisches Problem nichtproduktbezogener Handelsmaßnahmen zum Umweltschutz ist ihr Anknüpfungspunkt. Da es für den Importstaat bei der Grenzabfertigung praktisch unmöglich ist, in jedem einzelnen Fall die nicht am Produkt selbst ablesbare Verwendung bestimmter nichtproduktbezogener PPMs nachzuweisen, besteht in der zwischenstaatlichen Praxis - dokumentiert u. a. in den Fällen US - Tuna I und II und US - Shrimp - eine Präferenz für die Anknüpfung an die im Herkunftsland geltenden produktionsseitigen Umweltstandards. Die Herstellung der einzelnen Produkte unter voller Ausnutzung der danach zulässigen Umweltbelastungen wird dann kurzer Hand unterstellt. Sowohl das Rectificationat-source-Prinzip als auch die umweltpolitische Zielgenauigkeit sprechen jedoch gegen die bloße Anknüpfung nichtproduktbezogener TREMs an die Standards des Herkunftslandes. Die Anknüpfung an die konkrete Herstellungsweise jedes einzelnen eingeführten Produkts ist effektiver und zielgenauer. Dabei kann dem praktischen Bedürfnis nach verlässlicher Bestimmung der jeweils verwendeten nichtproduktbezogenen PPMs zum einen durch das Erfordernis der Beibringung eines Zertifikats über die verwendeten Herstellungsmethoden abgeholfen werden. Zum anderen kommt ein System in Betracht, das zwar auf der Anknüpfung an die Umweltstandards des Herkunftslandes beruht, zusätzlich jedoch die Möglichkeit eines Freibeweises für einzelne, in Übererfüllung dieser Standards hergestellte Produkte vorsieht. Beide Alternativen erlauben eine zielgenaue Regulierung jedes einzelnen eingeführten Produkts nach den bei seiner Produktion verwendeten nichtproduktbezogenen PPMs. Die generelle Anknüpfung nichtproduktbezogener Handelsmaßnahmen an die produktionsseitigen Umweltstandards des Herkunftslandes ist demgegenüber als ungerechtfertigte Diskriminierung abzulehnen. Unter dem Standard der willkürlichen Diskriminierung ist die Einhaltung der prozeduralen Mindestanforderungen bei der Anwendung von Handelsmaßnahmen zu untersuchen. Als solche lassen sich der Welthandelsordnung wie auch dem Konzept der nachhaltigen Entwicklung die Anforderungen der Transparenz, des due process und der basic fairness entnehmen. Ihrem Inhalt nach entsprechen diese Anforderungen weitgehend denjenigen des Art. X:3. Danach sind die abstraktgenerellen Handelsvorschriften der Mitglieder einheitlich, unparteiisch und in zumutbarer Art und Weise anzuwenden. Ferner müssen die handelnden Mitglieder unabhängige Instanzen einrichten, die den betroffenen Importeuren zügigen und effektiven Rechtsschutz gewähren. Dem Standard der verschleierten Handelsbeschränkung kommt schließlich eine Auffangfunktion zu. Neben den Fällen, die schon als ungerechtfertigte oder willkürliche Diskriminierung qualifiziert worden sind, werden auch diejenigen Fälle erfasst, die nicht schon gegen einen anderen Standard der Chapeau-Klausel versto-

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ßen, aber gleichwohl protektionistische Zielsetzungen verfolgen. In diesen letzten Fällen entsprechen die nichtproduktbezogenen TREMs nur der äußeren Form nach den Anforderungen des Art. XX. Es mangelt am notwendigen subjektiven Element der Rechtfertigung, ohne das von echten Umweltschutzmaßnahmen nicht die Rede sein kann. Als Indiz für protektionistische Zielsetzungen kann u. a. die inkonsistente Anwendung nichtproduktbezogener TREMs auf Produkte aus verschiedenen Wirtschaftsbereichen mit vergleichbaren Umweltauswirkungen gewertet werden (sog. Konsistenz-Test). Der aktuelle welthandelsrechtliche Ordnungsrahmen für nichtproduktbezogene TREMs des Importstaates ist somit in seinen wesentlichen Strukturen dargelegt. Damit aber die Produkt-Prozess-Doktrin zumindest hinsichtlich nichtproduktbezogener Handelsrnaßnahmen zum Umweltschutz ruhigen Gewissens ad acta gelegt werden kann, soll abschließend der Nachweis erbracht werden, dass es hierdurch nicht zu dem befürchteten Abgleiten der multilateralen Handelsordnung in Willkür und Protektionismus kommt (Argument des slippery slope bzw. der Pandora 's box). Das zentrale Merkmal legitimer nichtproduktbezogener TREMs ist ihre wissenschaftliche Fundierung. Der sog. Science- Test im Rahmen von Art. XX(b) und (g) erlaubt in Zusammenschau mit den Anforderungen der Chapeau-Klausel, allen voran der gestaffelten Kooperationsverpflichtung und dem sog. Konsistenz-Test, eine verlässliche Unterscheidung echter Umweltschutzmaßnahmen von solchen nichtproduktbezogenen Handelsrnaßnahmen, die primär den Ausgleich von Wettbewerbschancen oder die Durchsetzung bloßer Präferenzen des Importstaates bezwecken. Entsprechend des auf materielle Wohlfahrtssteigerung beschränkten Ansatzes der Welthandelsordnung können allein physische grenzüberschreitende Wirkungen der Produktion das Ergreifen von Handelsrnaßnahmen zum Umweltschutz rechtfertigen. Rein psychologische oder durch einen funktionierenden Freihandelsmechanismus vermittelte grenzüberschreitende Wirkungen bleiben demgegenüber außer Betracht. Schon hierdurch werden die von den Vertretern der Produkt-Prozess-Doktrin besonders gefürchteten nichtproduktbezogenen Handelsrnaßnahmen zur Durchsetzung von Menschenrechten und international anerkannten Sozialstandards ausgeschlossen. Aber auch die vorliegend vertretene enge Lesart von Art. XX(b), beschränkt auf den Schutz inländischer Menschen, Tiere oder Pflanzen, gestattet den Schutz von im Ausland ansässigen Menschen durch Handelsrnaßnahmen nicht. Eine weitere treffliche Konsequenz des Science- Tests ist der Ausschluss von Handelssanktionen von einer Rechtfertigung nach Art. XX(b) oder (g). Während Handelsrnaßnahmen zum Umweltschutz gezielt den Handel deIjenigen Produkte beschränken, in deren Lebenszyklus von der Produktion bis hin zum Verbrauch die beobachtete Umweltbelastung entsteht, betreffen Sanktionen Produkte, die in keinem sachlichen Zusammenhang zur beobachteten Umweltbelastung stehen. Die Handelsbeschränkungen dienen in diesem Fall allein dem Aufbau wirtschaftlichen Drucks, um den Importstaat zu einem bestimmten Verhalten, etwa zur Verschär-

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fung seiner produktionsseitigen Umweltstandards, zu bewegen. Für sich genommen gehen von Sanktionen keinerlei Umweltschutzwirkungen aus. Ihre Rechtfertigung scheitert daher spätestens an der naturwissenschaftlich nachzuweisenden Verbindung der Handelsbeschränkungen zu den angestrebten Umweltschutzzielen. Es ist somit die wissenschaftliche Fundierung, die legitime von illegitimen nichtproduktbezogenen TREMs des Importstaates unterscheiden hilft. Die einzelnen Standards der Chapeau-Klausel schließen unnötige Handelsbeschränkungen bei der Anwendung nichtproduktbezogener Handelsmaßnahmen wirksam aus und gewährleisten im Ergebnis die gleichberechtigte Berücksichtigung der Belange des internationalen Umweltschutzes und des internationalen Handels. Für die ProduktProzess-Doktrin besteht danach weder Raum noch Bedarf.

Verzeichnis der zitierten Berichte der Panel und des Appellate Body WTO Appellate Body Reports Argentinia - Measures Affecting Imports of Footwear, Textiles, Apparel and Other Items ("Argentinia - Footwear"), WT I OS56 I AB I R, angenommen am 23. April 1998 Australia - Measures Affecting the Importation of Salmon ("Australia - Salmon"), WT I OS 18 I AB I R, angenommen am 6. November 1998 Brazil - Measures Affecting Oesiccated Coconut ("Brazil - Oesiccated Coconut"), WT I OS22 I AB I R, angenommen am 20. März 1997 Canada - Certain Measures Affecting the Automotive Industry ("Canada - Automotive Industry"), WT IOSI39, OS1421 AB IR, angenommen am 19. Juni 2000 Canada - Certain Measures Concerning Periodicals ("Canada - Periodicals"), WT I OS31 I AB I R, angenommen am 30. Juli 1997 Canada - Measures Affecting the Importation of Milk and the Exportation of Oairy Products ("Canada - Oairy Products"), WT I OS 103, OS 113 I AB I R, angenommen am 25. Februar 2000 European Communities - Customs Classification of Certain Computer Equipment ("EC Computer Equipment"), WT I OS62, OS67, OS68 I AB I R, angenommen am 22. Juni 1998 European Communities - Measures Affecting Asbestos and Asbestos-Containing Products ("EC - Asbestos"), WT IOS135 I AB IR, angenommen am 5. Apri12001 European Communities - Measures Affecting Importation of Certain Poultry Products ("EC - Poultry Products"), WT I OS69 I AB I R, angenommen am 23. Juli 1998 European Communities - Measures Concerning Meat and Meat Products (Hormones) ("ECHormones"), WT I OS26, OS48 I AB I R, angenommen am 13. Februar 1998 European Communities - Regime for the Importation, Sale and Distribution of Bananas ("EC - Bananas"), WT I OS27 I AB I R, angenommen am 25. September 1997 Guatemala - Anti-Dumping Investigation Regarding Portland Cement from Mexico (Guatemala - Cement), WT IOS601 AB/R, angenommen am 25. November 1998 India - Patent Protection for Pharrnaceutical and Agricultural Chemical Products ("India Patents"), WT I OS50 I AB I R, angenommen am 16. Januar 1998 Japan - Measures Affecting Agricultural Products (,,Japan - Agricultural Products"), WT I OS761 AB/R, angenommen am 19. März 1999 Japan - Taxes on Alcoholic Beverages (,,Japan - Alcoholic Beverages"), WT I OS8, OS 10, OS 11 I AB I R, angenommen am 1. November 1996

Verzeichnis der Berichte der Panel und des Appellate Body

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Korea - Measures Affecting Imports of Fresh, Chilled and Frozen Beef (.. Korea - Beef'), WT IDS161, DS 1691 AB/R, angenommen am 10. Januar 2001 United States - Import Prohibition of Certain Shrimp and Shrimp Products (..US - Shrimp"), WT 1DS581 AB 1R, angenommen am 6. November 1998 Uni ted States - Measures Affecting Imports of Woven Wool Shirts and Blouses From India (.. US - Shirts and Blouses"), WT 1DS331 AB 1 R, angenommen am 23. Mai 1997 United States - Standards for Reformulated and Conventional Gasoline (..US - Gasoline"), WT 1DS21 AB 1R, angenommen am 20. Mai 1996 United States - Tax Treatment for .. Foreign Sales Corporations" (..US - FSC"), WT 1 DS 1081 AB 1R, angenommen am 20. März 2000 United States - Transitional Safeguard Measure on Combed Cotton Yarn From Pakistan (.. US - Cotton Yarn"), WT IDSI921 AB/R, angenommen am 7. November 2001

WTO Panel Reports Australia - Measures Affecting the Importation of Salmon (.. Australia - Salmon"), WT 1 DS18/R, angenommen in der vom Appellate Body modifizierten Form am 6. November 1998 European Communities - Measures Affecting Asbestos and Asbestos-Containing Products (..EC - Asbestos"), WT 1DS 1351 R, angenommen in der vom Appellate Body modifizierten Form am 5. April 2001 European Communities - Measures Concerning Meat and Meat Products (Hormones) (..ECHormones"), WT/DS48/R/CAN, angenommen in der vom Appellate Body modifizierten Form am 13. Februar 1998 European Communities - Measures Concerning Meat and Meat Products (Hormones) (',ECHormones"), WT 1DS261 R 1US, angenommen in der vom Appellate Body modifizierten Form am 13. Februar 1998 Indonesia - Certain Measures Affecting the Automobile Industry (..Indonesia - Automobiles"), WT IDS54, DS55, DS59, DS64/R, angenommen am 23. Juli 1998 Japan - Measures Affecting Agricultural Products (..Japan - Agricultural Products"), WT 1 DS76/R, angenommen in der vom Appellate Body modifizierten Form am 19. März 1999 Japan - Taxes on A1coholic Beverages (,)apan - A1coholic Beverages"), WT 1DS8, DS 10, DS 111 R, angenommen in der vom Appellate Body modifizierten Form am 1. November 1996 Korea - Measures Affecting Government Procurement (.. Korea - Government Procurement"), WT 1 DS 1631 R, angenommen am 19. Juni 2000 Korea - Taxes on A1coholic Beverages, WT 1DS75 1R, angenommen in der vom Appellate Body modifizierten Form am 17. Februar 1999 Turkey - Restrictions of Verile and Clothing Products ( ..Turkey - Veriles"), WT 1DS341 R, angenommen am 19. November 1999

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Verzeichnis der Berichte der Panel und des Appellate Body

United States - Import Prohibition of Certain Shrimp and Shrimp Products ("US - Shrimp"), WT I DS581 R, angenommen in der vom Appellate Body modifizierten Form am 6. November 1998 Uni ted States - Standards for Reformulated and Conventional Gasoline ("US - Gasoline"), WT I DS21 R, angenommen in der vom Appellate Body modifizierten Form am 20. Mai 1996

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Sachwortverzeichnis Agenda 21: 125 - Kapitel 2: 130, 140, 147, 151, 198, 335-336,338,342,351 - Kapite14: 138 - Kapitel 8: 127 - Kapitel 17: 197,315 - Kapitel 35: 128, 306 Antidumping - Antidumping-Übereinkommen 220 - Antidumpingzölle 219 - Art. VI GATI 1994: 220 - Begriff des Dumping 220 - Motivation 219 - produktionsseitige Umweltstandards 219 - Vorwurf des Öko-Dumpings 55, 219 Auslegung des WTO-Rechts 181 - Anwendbarkeit der WVRK 181 - Art. 3.2 DSU: 171,181,245,327 - Art. 31 Abs. I WVRK: 182, 191, 199 - Art. 31 Abs. 2 WVRK: 182-183 - Beschluss zu Handel und Umwelt 183 - Beschluss zum Handel mit Dienstleistungen und zur Umwelt 183 - Ergebnisse des CTE 183 - Präambel des WTO-Übereinkommens 183 - Art. 31 Abs. 3 Ht. a und b WVRK: 184186 - Umweltschutzübereinkommen 184 - Verhältnis zu Art. IX:2 WTO-Übereinkommen 185 - Art. 31 Abs. 3 Ht. c WVRK: 186, 200 - allgemeine Rechtsgrundsätze 186 - anwendbare V61kerrechtssätze 188 - Begriff der Parteien 188 - einschlägige V61kerrechtssätze 186 - Parteienidentität 188,190,196 - US - Shrimp 191 - V61kergewohnheitsrecht 186

-

-

- V61kervertragsrecht 186 - zeitlicher Bezugspunkt 187 Art. 32 WVRK: 182, 192 Auslegung von Ausnahmen 194,296 authentische Interpretation 184 dynamische Auslegung 187, 315 effektive Vertragsauslegung 181, 193, 330,356 extrinsic tools of interpretation 186 harmonisierende Auslegung 201, 204 in dubio mitius 181, 194,218 Integration des Umweltvölkerrechts 195 - allgemeine Rechtsgrundsätze 195 - Gewohnheitsrecht 195 - interpretation partagee 201 - Pacta-tertiis-RegeI159, 199 - Vertragsrecht 195 - internationale Standards 201 - nichtidentischer Parteienkreis 196 - objektive Begriffsinhalte 199 - Parteienidentität 196 intrinsic tools of interpretation 186 Konzept der nachhaltigen Entwicklung 144 objektiver Ansatz 181, 187 single combined operation 182 Sinn und Zweck 191 souveränitätsfreundliche Auslegung 181, 194,218 subjektiver Ansatz 181, 187 textual approach 181,245,327 travaux preparatoires 181, 192 vertragsvergleichende Auslegung 204

Base1er Übereinkommen 155, 163 basic fairness 351 Beggar-thy-neighbour-Politik 117 Belgian Family Allowances 64, 79 Beschluss zu Handel und Umwelt 92, 157, 183, 198

400

Sachwortverzeichnis

Beschluss zum Handel mit Dienstleistungen und zur Umwelt 183,301,309 Beschränkungsverbot 242, 278 Bestimmungslandprinzip 261 biologische Vielfalt, Konvention über 150, 197 -198 border tax adjustment 259 - Anhang I lit. h Subventions-Übereinkommen 266 - Art. II:2(a) GATI 1994: 265 - Besteuerung der Zutaten 262, 264 - Besteuerung des Endprodukts 259 - Besteuerung des Produzenten 262 - Besteuerung wegen nichtproduktbezogenerPPMs 260 - Bestimmungslandprinzip 261 - direkte Steuern 262 - Exportseite 263 - Herkunftslandprinzip 261 - Importseite 262 - indirekte Steuern 262 - Motivation für Steuererhebung 259 - taxes occultes 264 - wirtschaftliche Grundannahme 263 Brazil - Desiccated Coconut - Appellate Body 176 BTA (siehe border tax adjustment) Canada - Automotive Industry - Appellate Body 283 Canada - Herring 318, 320 Canada - Periodicals - Appellate Body 272 Canada - ProvinciaI Marketing Agencies 252 Canadal Japan: Dimension Lumber 290 Cassis de Dijon 242 CBD (siehe biologische Vielfalt, Konvention über) CITES (siehe Washingtoner Artenschutzübereinkommen Commission on Sustainable Development 125 Committee on Trade and Environment - Arbeitsergebnisse 94 - Berücksichtigung bei der Auslegung 94, 183, 198 - Mandat 92

- Transparenz 351 - Verhältnis MEAs und WTO-Übereinkommen 157 common but differentiated responsibility (siehe gemeinsame aber differenzierte Verantwortlichkeit) common concern of humankind (siehe Konzept der nachhaltigen Entwicklung) common heritage of mankind (siehe Konzept der nachhaltigen Entwicklung) CTE (siehe Committee on Trade and Environment) De-facto-Diskriminierung 249, 252, 292 De-iure-Diskriminierung 249, 251, 292 destination principle (siehe Bestimmungslandprinzip ) directly competitive or substitutable products 256, 270, 272 DSU - Art. 3.2: 172, 176, 179, 181,245,327 - rule of law 171 due process 351 Dumping (siehe Antidumping) EC - Asbestos - Appellate Body 243, 246, 249, 251, 271, 306 - PaneI306-307, 355-356 EC - Computer Equipment - Appellate Body 193, 196, 286 EC - Hormones - Appellate Body 176, 194, 306 eco-Iabels (siehe Umweltkennzeichen) EEC - Parts and Components 257 EMIT-Gruppe 91 Entwicklungsländer 106, 131, 133, 141, 152, 335-336 equitable utilization (siehe Konzept der nachhaltigen Entwicklung) externe Effekte - Argument der Kritiker der Doktrin 76, 95, 254 - Begriff 104 - Dumping 221 - Freihandelsversagen 95,110,115,117 - indirekte Subventionierung 223 - Internalisierung 11 0, 134

Sachwortverzeichnis - internationale Externalitäten 110, 115, 119,254,330 - Internalisierung 110, 115, 119, 134, 254,333 - indirekte Wirkung von Handelsrnaßnahmen 116 - monetäre Bewertung 115 - komparative Kostenvorteile 119, 331 - negative 112,333 - physische 111 - positive 114 - psychologische 111 - Marktversagen 104, 110 - negative lOS, 108 - öffentliche Güter 107 - pekuniäre Effekte 107 - physische 106, 108 - positive lOS, 109 - psychologische 106 - Theorie der optimalen Intervention 116 - Tragik der Allmende 108, 340 - Trittbrettfahrer-Problem 109,340 - Verursacherprinzip 134 Extraterritorialität - Argument der Doktrin 72, 144,328 - Begriff 145 - komparative Kostenvorteile 72 - nachhaltige Entwicklung 147 - nichtproduktbezogene HandeIsmaßnahmen 146 - Unilateralismus 148 - US - Shrimp 315, 328 - US - Tuna I: 69

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Freihandelsversagen (siehe externe Effekte) GATI 1994: 226 - Art. I: 1: 283 - any advantage, favour, privilege or immunity 287 - customs duties and charges 287 - i.V.m. Art. 111:2 und 4: 294 - like product (siehe like products) - shall be accorded 291 - Sinn und Zweck 283 - Umweltzölle 284 - Verhältnis zu Art. 111: 283 26 Puth

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- Verhältnis zum Harmonisierten System 286 - zollgleiche Abgaben zum Umweltschutz 294 Art. 11: 227,231,278,280,286 Art. 1I:I(b) S. 1: 281 Art. 1I:1(b) S. 2: 280 - all other duties or charges 281 - 282 - Abgrenzung zu internen Steuern 257, 281 - Begriff der Zölle 281 - Begriff der zoll gleichen Abgaben 281 - nichtproduktbezogene Abgaben 282 - Auslegungsvereinbarung 281 - Bindung zollgleicher Abgaben 281 Art. 1I:2(a): 258,265 Art. I1I: 230 - Anmerkung zu Art 111: 236 - Sinn und Zweck 231 - Stellung im GATI 232 - Struktur 231 - Verhältnis zu Art I: I: 283 Art. III:I : 231 , 243, 249 Art. III:2 S. I: 256 - Anmerkung zu Art. III:2: 256 - in excess of 273 - border tax adjustments 273-274 - nichtproduktbezogene Anforderungen 274 - internal taxes 257 - Abgrenzung zu Zöllen und zollgleichen Abgaben 257, 281 - Begriff 257 - border tax adjustment (siehe dort) - direkte Steuern 262 - indirekte Steuern 262 - nichtproduktbezogene PPMs 269 - taxes occultes 264 - like domestic products (siehe like producls) - US Draft Charter 260 - Verhältnis zu Art. 111:2 S. 2: 256, 269-270 - Verhältnis zu Art. 111:4: 270 Art. I1I:4: 233 - laws, regulations and requirements 233-234

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Sachwortverzeichnis

- Abgrenzung zu Art. XI: 234 - Kennzeichnungsvorschriften 234 - nichtproduktbezogene Anforderungen 237 - like products (siehe dort) - treatment no less favourable 248 - Diskriminierung 249 - nichtproduktbezogene Anforderungen 251 - Vergleichsgruppen 250 - Verhältnis zu Art. III:2 S. 1: 270 Art. VI: 220-221 Art. X: 352 Art. XI:l: 276 - Beschränkungsverbot 278 - Prinzip offener Märkte 277 - prohibitions or restrictions - Abgrenzung zu Art. III:4: 279 - Verbot nichttarifärer Handelshemmnisse an der Grenze 278 - Struktur des Regelungsbereichs 277 - Tariffs-only-Maxime (siehe Zölle) Art. XVI: 221, 224, 263 Art. XX: 295 - Anwendungsbereich 296, 298 - Auslegung 296 - endgültige Rechtfertigung 298 - Schranken 299 - Schranken-Schranke 299 - Schutzgut Umwelt 300 - Sinn und Zweck 295 - Struktur 298 - vorläufige Rechtfertigung 298, 300 Art. XX Chapeau-Klausel 323 - arbitrary discrimination 350 - basic fairness 351 - Begriff der 351 - due process 351 - slippery slope und Pandora's box 359 - Transparenz 351 - Bedeutung der Standards 326 - disguised restriction on international trade 354 - Konsistenz-Test 357 - Produkt-Prozess-Doktrin 328 - Sinn und Zweck 298, 324

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- unjustifiable discrimination 331 - Anknüpfung der Handelsmaßnahmen 347 - Bedingungen im Herkunftsland 344 - Kooperationspflicht 332 - Least-trade-restrictive-Test 341 - Rechtsfolgen der Kooperation 337 - MEAs mit Handelsregelung 337 - MEAs ohne Handelsregelung 339 - Nichtvertragsparteien 340 - unilaterale Wahrnehmung der Ausnahmen 332 Art. XX(a): 300 Art. XX(b): 301 - Menschen, Tiere oder Pflanzen 302 - Abgrenzung zu Art. XX(g) 305 - Belegenheit 302 - global commons 308 - mittelbare Schutzwirkung 308 - objektive Gefahrdung 306 - necessary 309 - Geeignetheit 311 - internationale Standards 311 - Least-trade-restrictive-Test 309 - Science-Test 306 Art.XX(d): 300 Art. XX(e): 71, 303, 329 Art. XX(f): 304 Art. XX(g): 312 - exhaustible natural resources 313, 315-316 - Belegenheit der Ressourcen 315 - objektive Gefahrdung 316 - in conjunction with 320-321 - Primarly-aimed-at-Test 320 - US - Gasoline 321 - relating to 318 - Primarly-aimed-at-Test 318 - US - Shrimp 319 - Science-Test 317 Art. XXVIIIbis: 227, 280 Marktzugang 228 Nichtdiskriminierungsgrundsatz (siehe dort) Struktur - border measures 227 - interne Maßnahmen 227

Sachwortverzeichnis - nichttarifäre Handelshemmnisse 227 - tarifäre Handelshemrnnisse 227 - trade effects 231, 279 - Verhältnis zu SPS- und TBT-Übereinkommen 205, 218 - Verhältnismäßigkeit 325 GATT-Studie 1971: 65 gemeinsame aber differenzierte Verantwortlichkeit (siehe Konzept der nachhaltigen Entwicklung) Globalisierung 35, 334 Guatemala - Cement - Appellate Body 160 Handelsrnaßnahmen zum Umweltschutz - Abgrenzung zu Sanktionen 44, 58 - Anknüpfungspunkte 46 - Begriff 43 - nichtproduktbezogene (siehe dort) - produktbezogene 59 Harmonisiertes System 285 - Art. 3 Abs. 3: 289 - Bedeutung 286 - Canadal Japan: Dimension Lumber 290 - EC - Computer Equipment 286 - nichtproduktbezogene Klassifizierungen 291 - Sinn und Zweck 286 - und Art. 1:1 GATT 1994: 286 Herkunftslandprinzip 261 HS (siehe Harmonisiertes System)

IGH - GabClkovo-Nagymaros Project 131 - Namibia-Gutachten 187, 198 - North Sea Continental Shelf 335 - Nuclear Weapons 42, 137 Importverbote 30, 39, 52, 55, 59, 208, 216, 279 - Kennzeichnung als milderes Mittel 343 - und Art. III:4, Art. XI: I GATT 1994: 236 Indonesia - Automobiles - Panel 160 Inländerbehandlung (siehe GATT 1994, Art. III) International Tropical Timber Organization (siehe ITTO) Inter-se-Abmachung 166 26·

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ltalian Discrimination Against Imported Agricultural Machinery 234 ITTO 39 Japan - Alcoholic Beverages - Appellate Body 178, 270, 289, 356 - Panel 270,272 Kennzeichnung (siehe Umweltkennzeichen) Klimarahmenkonvention 51,122,163 komparative Kostenvorteile 96 - Argument der Doktrin 72, 119 - Extraterritorialität 72 - harmonization of goals 346 - Internalisierung externer Effekte 119 - nichtproduktbezogene Handelsrnaßnahmen 119,254 - regulatory competition 345 - Theorie der 98 - Ursachen 99, 119 Konstitutionalisierung der WTO 37 Konzept der nachhaltigen Entwicklung 123 - Agenda 21 (siehe dort) - anthropozentrischer Ansatz 126, 134 - Bedeutung des Handels 139, 142, 152 - common concern ofhumankind 133,147, 304 - common heritage of mankind 132, 147, 304 - einzel staatliche Standardsetzung 137, 344 - equitable utilization 113, 131,316 - gemeinsame aber differenzierte Verantwortlichkeit 130, 135, 142, 152,335 - global commons 54, 133,316 - Grundprinzip der WTO 90, 122 - Integrationsgedanke 126,200 - Kernelemente 124 - Kooperationspflicht (siehe dort) - migratory species 113 - produktionsseitige Umweltbelastungen 138,147,168,330 - Rio-Deklaration (siehe dort) - Schädigungsverbot 136,176,195,344 - shared resources 54, 113, 131, 147, 304, 316 - Verursacherprinzip 134,336 - wissenschaftliche Fundierung 128, 306, 311,317,357

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Sachwortverzeichnis

Kooperationspflicht - allgemeines Völkerrecht 150 - Argument der Doktrin 73 - community of necessity 36, 334 - Extraterritorialität 148 - im Rahmen von Art. XX GATI 1994: 331 - nachhaltige Entwicklung 129, 151,334 - US - Shrimp 82,198,334 - Wohlfahrtsökonomie 332 Korea- Beef - Appellate Body 250 Korea - Government Procurement - Panel 176 Kosmetik-Richtlinie 56 Kyoto-Protokoll 122, 163 levelling the playing field 54, 221 lex posterior 160 lex specialis 160 like products - Aim-and-effects-Test 240, 245 - anzulegende Kriterien 240, 243, 246, 271 - Bestinunung case-by-case 238 - EC - Asbestos 243 - Gesamtabwägung 244, 288 - in Art. 1:1 GATI 1994: 288 - Treatment by Gerrnany of Imports of Sardines 288 - und nichtproduktbezogene PPMs 290 - Verhältnis zum Hannonisierten System 288 - in Art. III:2 S. 1 GATI 1994: 269 - Abgrenzung zu directly competitive or substituable products 271 - und nichtproduktbezogene PPMs 273 - Verhältnis zu Art 111:4 GATI 1994: 270 - in Art. 1II:4 GATI 1994: 238 - und nichtproduktbezogene PPMs 246 - Japan - A1coholic Beverages 239 - Legaldefinitionen - Art. 2.6 Antidumping-Übereinkommen 238-239 - Art. 15.1 Anmerkung 46 SubventionsÜbereinkommen 238 - 239 - objektiver Ansatz 239, 245 - subjektiver Ansatz 240, 245 - und das Hannonisierte System 287 - 288

- US - Malt Beverages 240 - Working Party on Border Tax Adjustments 240 Marktversagen (siehe externe Effekte) Marktzugang 228, 277 MEAs (siehe Umweltschutzübereinkommen) Meistbegünstigung (siehe GATI 1994, Art. 1:1) mengenmäßige Beschränkungen (siehe GATI 1994, Art. XI:l) Menschenrechte 30, 305 - der 3. Generation 126 migratory species (siehe Konzept der nachhaltigen Entwicklung) Montrealer Protokoll 31, 50, 156 Multilateralismus 149 nachhaltige Entwicklung (siehe Konzept der nachhaltigen Entwicklung) Nichtdiskriminierungsgrundsatz 142, 152, 227,232,277,283,287 nichtproduktbezogene Hande1smaßnahmen 29,51 - Anknüpfung 62,347 - an Produktionsstandards 347 - shipment by shipment 347 - Verschiebung der 51 - Anwendungsprobleme 62, 348 - Arten 57, 342 - Begriff der 51 - Beispiele 38, 59 - 60 - EG-Verordnung Großaugenthunfisch 39 - Importverbote für elektronische Bauteile 40 - Importverbote für Holz 39 - Importverbote für Papier 40 - Kennzeichnung von Tropenholz 40 - Steuer auf Kohlendioxidemissionen und Energie 41 - Tellereisen-Verordnung (siehe dort) - Umweltkennzeichen 40 - Wellington-Konvention 39 - geschützte Umweltgüter 60 - indirekte Wirkung 57

Sachwortverzeichnis - Motivation 53, 307, 318 - Ausgleich von Wettbewerbschancen 54,219 - Schutz der Uwmelt 53 - subjektive Wertvorstellungen 55, 111 - processes and production methods (siehe dort) - produktionsseitige Umweltbelastungen 47 - Vergleich zu produktbezogenen Handelsmaßnahmen 59 - wissenschaftliche Fundierung 128, 306, 311,317,357 - Zielgenauigkeit 62, 348 Normenpyramide 205 öffentliche Güter (siehe externe Effekte) Öko-Dumping (siehe Antidumping) Ökonomie (siehe Wohlfahrtsökonomie) origin neutral 249 origin principle (siehe Herkunftslandprinzip) Pandora's box (siehe slippery slope) polluter-pays principle (siehe Verursacherprinzip) power-orientation 172 PPMs (siehe processes and production methods) processes and production methods - Begriff 44 - like products 246, 273, 290 - nichtproduktbezogene HandeIsmaßnahmen (siehe dort) - PPM-Anforderungen 47 -48 - nichtproduktbezogene 48 - produktbezogene 47 - produktbezogene Handeismaßnahmen (siehe dort) - produktbezogene PPMs 45 - Produktmerkmale 45 - Standards Code 45 produktbezogene Handeismaßnahmen 29, 59 - Beispiele 59 Produkt-Prozess-Doktrin 64 - Argumente 72 - Extraterritorialität (siehe dort)

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- komparative Kostenvorteile (siehe dort) - Kooperationspflicht (siehe dort) - slippery slope und Pandora's box (siehe dort) - Unilateralismus (siehe dort) Aussage 29 Entwicklungstendenzen 75 Handel mit Dienstleistungen 174 Kritik 75, 119 Perspektive 47 US - Shrimp 32, 77 Vorwurf der indirekten Subventionierung (siehe Subventionsabwehr) Vorwurf des Öko-Dumpings (siehe Antidumping)

Rectification-at-source-Prinzip 47, 63, 141, 332,335,347 regulatory subsidies (siehe Subventionsabwehr) Rio-Deklaration 125 - Prinzip 1: 126 - Prinzip 2: 136,253,304,344 - Prinzip 3: 127 - Prinzip 4: 126 - Prinzip 7: 129, 134, 151,334-335 - Prinzip 8: 138, 330 - Prinzip 9: 128 - Prinzip 11: 137,344 - Prinzip 12: 93, 130, 139, 147, 151, 198, 253,301,330,334,345 - Prinzip 15: 128,306 - Prinzip 16: 134 - Prinzip 18: 351 - Prinzip 19: 351 - Prinzip 25: 127 Rio-Konferenz 125 rule oflaw 171 rule-orientation 172 Sanktionen 44,58 Seerechtskonvention 71,132,185,197 self-contained regime 172 shared resources (siehe Konzept der nachhaltigen Entwicklung) Shrimps-Fall (siehe US - Shrimp) single undertaking 175

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Sachwortverzeichnis

slippery slope 74, 357 Sozialstandards 30, 305 Spain - Unroasted Coffee 290 SPS-Übereinkommen 205 - Anwendbarkeit 206 - 207 - Art. 3: 307, 310 - Art. 4.1: 346 - Art. 5.5: 357 - Art. 5.6: 343 - Art. 6.1: 346 - Begriff der SPS-Maßnahme 207, 304 - Durchführung von Art. XX(b) GATI 1994: 206,304 - Sinn und Zweck 206 - und Produkt-Prozess-Doktrin 219 - Verhältnis zu GATI 1994 und TBT-Übereinkommen 205 Steuern (siehe Umweltsteuern) StIGH - S.S. Wimbledon 198 Subventionsabwehr - Art. VI und XVI GATI 1994: 221 - Ausgleichsmaßnahmen 219 - Begriff der Subvention 222 - Einkommens- oder Preisstützung 224 - finanzieller Beitrag 223 - Motivation 219 - produktionsseitige Umweltstandards 219 - regulatory subsidies 219 - Spezifität 225 - Subventions-Übereinkommen 221 - Art. 1.1: 222 - Art. 2: 225 - Vorwurf der indirekten Subventionierung 55,219 sustainable development (siehe Konzept der nachhaltigen Entwicklung) TBT-Übereinkommen 205, 209 - Anwendbarkeit 209,211 - Beschluss des TBT-Committee 1995: 213 - Committee on Trade in Industrial Products 214 - Draft Final Act 1990: 212 - Konformitätszeichen 216 - Life-cycle-Kennzeichen 217 - Art. 2: 346

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Begriff der Norm 210 Begriff der technischen Vorschrift 210 Produkt-Prozess-Doktrin 219 Sinn und Zweck 205 Verhältnis zu GATI 1994 und SPS-Übereinkommen 205 Tellereisen-Verordnung 55,111,308 Thailand - Cigarettes 310 Thunfisch-Fälle (siehe US - Tuna I und 11) Tragik der Allmende 108, 340 Transparenz 142, 152,351 Treatment by Germany of Imports of Sardines 288 TREMs (siehe Handelsmaßnahmen zum Umweltschutz) Trittbrettfahrer-Problem 109, 340 Umwelt - Begriff der 42 Umweltbelastungen - Begriff 43 - produktions sei ti ge 36, 47 - 48, 51, 61, 138,147,168,246,332 - Ursachen 46 - verbrauchsseitige 46, 168,330 Umweltkennzeichen 40 - als milderes Mittel 343 - Art. 111:4 GATI 1994: 234 - "Dolphin Safe" 68, 234 - europäisches 40 - für Tropenholz 40, 279 - Life-cycle-Ansatz 40, 217 - TBT-Übereinkommen 217 - US - Tuna I: 70, 234 Umweltschutz - End-of-pipe-Verfahren 47 - Handelsmaßnahmen zum Umweltschutz (siehe dort) - Instrumente 49 - integrierter 47 - Rectification-at-source-Prinzip (siehe dort) - Schutzinteressen 54 Umweltschutzübereinkommen - Baseler Übereinkommen 155, 163 - Ebenen der Kooperation 153 - internationale Standards 201 - Klimarahmenkonvention 122, 163

Sachwortverzeichnis - Konvention über die biologische Vielfalt 150, 197 -198 - Kyoto-ProtokollI22, 163 - mit Handelsregelung 155,337,339 - Montrealer Protokoll 31, 50, 156 - Rahmenkonventionen 163 - Seerechtskonvention 71, 132, 185, 197 - Verhältnis zum WTO-Recht 158 - Berucksichtigungen bei der Auslegung 195 - Inter-se-Abmachung 166 - lex posterior 162 - lex specialis 160 - Vorliegen eines Konflikts 160 - Washingtoner Artenschutzübereinkommen 71, 77, 81, 154-155, 317 - WelJington-Konvention 39, 156 - Wiener Konvention über den Schutz der Ozonschicht 150, 156 UmweItsteuern - als zollgleiche Abgaben 282 - Anknüpfungspunkte 259 - Art. 1I:1(b) S. 2 GATI 1994: 282 - Art. III:2 S. 1 GATI 1994: 256 - auf Holz 39, 259, 265 - auf Kohlendioxidemissionen und Energie 41,51,61,256,259 - border tax adjustrnent (siehe dort) Umweltzölle 284, 290 UNCLOS (siehe Seerechtskonvention) UNFCCC (siehe Klimarahmenkonvention) Unilateralismus - Argument der Doktrin 73 - Begriff des 149 - Extraterritorialität 148 - im Rahmen von Art. XX GATI 1994: 331 - Kooperationspflicht 150 - Prinzip 12 der Rio-Deklaration 139 Ursachen des Handels 97, 247 US - Customs User Fee 288 US - Gasoline - Appellate Body 172, 193, 297, 318, 321, 324,326,355 - Panel 313, 349 US - Malt Beverages 240 US - Section 337: 249, 252, 310

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US - Shirts and Blouses - Appellate Body 178 US - Shrimp 77 - Appellate Body 79, 89, 94, 184, 191, 195-196,297,314-315, 317, 319, 324, 327, 329, 331, 334, 338, 342, 344, 348, 352-353 - Bedeutung für die Doktrin 83 - Panel 78, 229 US - Tuna from Canada 354 US - Tuna I: 69, 73, 90, 234, 237, 303 US - Tuna 11: 70,73,79,184,237,317,348 Verursacherprinzip (siehe Konzept der nachhaltigen Entwicklung) Washingtoner Artenschutzübereinkommen 71,77,81,154-155,317 WelJington-Konvention 39, 156 WeIthandelsordnung 171 - Auslegung des WTO-Rechts (siehe dort) - Ergebnisse der Streitbeilegung 178 - Grundwerte 87 - Konzept der nachhaltigen Entwicklung (siehe dort) - nachhaltige Entwicklung 88, 90, 122 - power-orientation 172 - Präambel des WTO-Übereinkommens 87 - Rechtsordnung 171 - Rechtsquellen 173 - Begriff der 173 - Primärrecht 173 - Sekundärrecht 173, 178 - Rechtssystem 180 - rule oflaw 171 - rule-orientation 172 - self-contained regime 172 - single undertaking 175 - System zur Wohlfahrtssteigerung 87, 95 - Teilordnung des Völkerrechts 172 - Korea - Government Procurement 176 - Ursachen des Handels 97 - utilitaristischter Ansatz 96 - verfassungspolitischer Grundkonsens 89 - Wohlfahrtsökonomie (siehe dort) Wiener Konvention über den Schutz der Ozonschicht 150, 156

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Sachwortverzeichnis

Wohlfahrtsökonomie 96 - Ansatz 101 - Begriff der Effizienz 102 - Begriff der Wohlfahrt 96 - Berücksichtigung bei der Auslegung 192 - externe Effekte (siehe dort) - Freihandelsversagen (siehe externe Effekte) - komparative Kostenvorteile (siehe dort) - Kooperation 332 - Marktversagen (siehe externe Effekte) - Präambel des GATI 1947: 96 - Präambel des WTO-Übereinkommens 96 - Produkt-Prozess-Doktrin 119 - Rectification-at-source-Prinzip (siehe dort) - Theorie der optimalen Intervention 116 - Umweltökonomie 101, 225 - Verursacherprinzip 135 - Wohlfahrtsperspektive 102 - Wohlfahrts wirkungen des Freihandels 100 - Ziel der Welthandelsordnung 96 Working Party on Border Tax Adjustments 240 WTO-Übereinkommen - Art. 11:4: 89, 162 - Art. III: 1: 88 - Art. IX: 178 - Art. IX:2: 185 - Art. X: 178 - Art. XVI:l: 175, 179

- Auslegungsregel zu Anhang 1 A: 174, 205 - Inkrafttreten 162 - Präambel 87, 92, 94, 96, 104, 111, 122, 180 WVRK - Art. 28: 176 - Art. 30 Abs. 1: 163 - Art. 30 Abs. 3: 162, 165 - Art. 30 Abs. 4: 159, 162 - Art. 31 Abs. I: 182, 191, 199 - Art. 31 Abs. 2: 88, 182 - Art. 31 Abs. 3 lit. a: 184 - Art. 31 Abs. 31it. b: 179, 184 - Art. 31 Abs. 3 lit. c: 186, 195 - Art. 31 Abs. 4: 200 - Art. 32: 182, 192,303 - Art. 34: 199 - Art. 41: 166 Zölle - Art. XXVIIIbis: 227, 280 - Begriff der Zölle 281 - Begriff der zollgleichen Abgaben 281 - Harmonisiertes System (siehe dort) - Klassifikation von Waren 284 - Listen der Zugeständnisse 227, 280 - schedules of concessions 227, 280 - Tariffs-only-Maxime 227, 277, 280 - Umweltzölle 284, 290 - Zollbindung 280, 284 - Zollnomenklatur 285 - Zollverhandlungen 280