Wörterbuch der Deutschen Tiernamen: Beiheft 3 Die Namen der Libelle [Reprint 2021 ed.] 9783112572764, 9783112572757

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German Pages 44 [46] Year 1966

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Wörterbuch der Deutschen Tiernamen: Beiheft 3 Die Namen der Libelle [Reprint 2021 ed.]
 9783112572764, 9783112572757

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D E U T S C H E A K A D E M I E DER W I S S E N S C H A F T E N ZU B E R L I N Institut für deutsche Sprache und

Literatur

WÖRTERBUCH DER DEUTSCHEN TIERNAMEN herausgegeben von

Wilhelm Wissmann

BEIHEFT 3

DIE NAMEN DER

LIBELLE

von Georg Nitsche

AKADEMIE-VERLAG • BERLIN 1965

Erschienen im Akademie -Verlag GmbH, 108 Berlin, Leipziger Straße 3 — 4 Copyright 1965 by Akademie -Verlag GmbH Lizenznummer: 202 . 100/78/65 Gesamtherstellung: VEB Druckhaus „Maxim Gorki", 74 Altenburg Bestellnummer: 3044/ B 3 - ES 7 D /18 G 3

Inhalt Die zoologischen Besonderheiten

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Die Libelle im Deutschen Wortatlas

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1. 2. 3. 4.

Ihr angeblicher Schaden Verwünschungs- und Fluchnamen Tabunamen Berufsnamen a) Schneider, Näherin, Spinnerin b) Schuster und Schmied c) Musiker d) Melder und Aufseher e) Schlittschuhläufer, Putzer, Wäscher f) Glaser g) Schreiber und Färber; Farbbezeichnungen h) Schnitter und Fleischer

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5. 6. 7. 8.

Vergleich mit einem schlanken, meist spitzen Gegenstande Haken-Namen Paarungskette, Paarungsrad, Eiablage, Larve Vergleiche mit anderen Tieren und Verwechslungen . . . .

24 24 25 27

Fremdsprachige Namen Sorbische Namen Niederländische Namen Englische Namen (mit einigen keltischen) Dänische Namen Schwedische Namen Norwegische und isländische Namen Tschechische Namen' Polnische Namen Bulgarische Namen Französische Namen . Italienische Namen Finnische Namen Ungarische Namen Japanische Namen Namen im Ovamboland (Bantu)

28 • . . 28 28 30 32 33 34 34 34 35 35 37 38 39 40 41

Der Zoologe Joh. Leonhard F R I S C H hat in seiner „Beschreibung von allerley Insecten" (8. Theil, 1730, S. 16) geschrieben: „Weil ein jedes Land, ja fast jede Stadt, diesem Insect einen andern Namen giebt, werde ich, dem Leser nicht beschwerlich zu fallen, bey dem Namen Libella bleiben". Er gibt auch einige volkstümliche Namen an und versucht, sie auf seine Weise zu erklären. ,, Weil diese Augen einer ehmahligen Jungfern Tracht gleich sehen, die in etlichen Städten in Francken und Schwaben noch gebräuchlich, da sie den Kopf an den Ohren breit gemacht, an statt daß sie ihn durch die Fontangen hernach oben erhöht, so hat man diese Insecta Jungfern, auch auf Französisch Damoiselles, genennet. Zu Zürch in der Schweitz heissen sie Augenschiesser, von den grossen Augen und ihren schnellen Schuß nach ihrer Beute. In der Marek haben sie den Nahmen Schillebolt oder eigentlich Schildbolz, weil sie wie ein Bolz oder Pfeil, den man, ehe das Pulver erfunden worden, im Krieg nach dem Feind geschossen, der sich aber deswegen mit einem Schild verwahrt." N E M N I C H gibt in seinem Allgemeinen Polyglottenlexicon der Naturgeschichte (1793 ff., Bd. 2, S. 389ff.) unter Libellula bereits viele volkstümliche Namen aus dem Deutschen, aber auch aus anderen Sprachen an und fügt eine recht brauchbare Darstellung der zoologischen Eigentümlichkeiten des Tieres hinzu. Eine Zusammenstellung von Libelleimamen aus verschiedenen europäischen Sprachen, besonders aus den romanischen, bringt R O L L A N D in seiner Faune populaire de la France (Tome 13,1911); er bricht in die bewegte Klage aus: „Que de noms pour un seul insecte en toutes espèces de langues ! E t dire qu'on n'en retrouve aucun en grec ancien, en latin ancien et du moyen âge, en ancien français, en ancien allemand, en anglosaxon!" (S. 82). Der sehr anschauliche Artikel „Libelle" von R I E G L E R im Handwörterbuch

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Die Narrten der Libelle

des deutschen Aberglaubens, Bd. V, 1932/33, könnte auch lauten „Die Namen der Libelle". Denn vornehmlich aus den Namen schöpfte er die ganze Fülle seiner volkskundlichen Gedanken. Italienische Libellennamen bietet G A R B I N I in seiner Antroponimie ed omonimie nel campo della zoologia popolare (1919—25). Die Antworten auf Frage 98 des Deutschen Wortatlasses „Libelle (allgemein)", gerichtet an 4 8 3 6 9 Orte, waren ungemein reichhaltig. Etwa 2000 verschiedene Namen werden in der Wortliste ( M I T Z K A , Deutscher Wortatlas, Bd. 2, 1 9 5 3 ) angeführt. Liselotte S C H Ä F E R hat in ihrer Dissertation „Deutsche Synonymik der Libelle" (Marburg 1947, maschinenschriftl.) den Stoff verarbeitet, kritisch gedeutet und in übersichtlicher Weise geordnet, so daß für jeden, der sich mit Libellennamen beschäftigen will, die Grundlagen gegeben sind. Durch eine stärkere Berücksichtigung der zoologischen Eigentümlichkeiten der Libellen lassen sich weitere Einsichten in die Namengebung gewinnen. Darauf hat mich der Libellenforscher H. SCHIEMENZ hingewiesen. Es schien deshalb geboten, die ScHiEMENZschen Anregungen übersichtlich in einer kleinen Abhandlung darzustellen. Im folgenden ist von den Libellen schlechthin die Rede. Artbestimmungen von Nichtzoologen, wie sie viele Mundartenwörterbücher enthalten, sind nur mit großer Vorsicht aufzunehmen. Die zoologischen Besonderheiten Die Libellen (Odonata) gehören zur Klasse der Insekten. Die drei Körperteile Kopf, Brust und Hinterleib sind bei allen Arten gut zu erkennen. Am Kopfe fallen die großen, kugelförmigen Augen auf, ja bei manchen Arten scheint der Kopf nur aus diesen beiden Augen zu bestehen. Sie haben etwas Starres, Erbarmungsloses an sich, und der Vergleich mit den starren, oft faszinierenden Schlangenaugen lag seit jeher nahe. Durch ihre Augen ist die Libelle zu den vielen Schlangennamen gekommen, und ihre bunte Färbung und Schlankheit wird viel zur vermeintlichen

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Die Narrten der Libelle

des deutschen Aberglaubens, Bd. V, 1932/33, könnte auch lauten „Die Namen der Libelle". Denn vornehmlich aus den Namen schöpfte er die ganze Fülle seiner volkskundlichen Gedanken. Italienische Libellennamen bietet G A R B I N I in seiner Antroponimie ed omonimie nel campo della zoologia popolare (1919—25). Die Antworten auf Frage 98 des Deutschen Wortatlasses „Libelle (allgemein)", gerichtet an 4 8 3 6 9 Orte, waren ungemein reichhaltig. Etwa 2000 verschiedene Namen werden in der Wortliste ( M I T Z K A , Deutscher Wortatlas, Bd. 2, 1 9 5 3 ) angeführt. Liselotte S C H Ä F E R hat in ihrer Dissertation „Deutsche Synonymik der Libelle" (Marburg 1947, maschinenschriftl.) den Stoff verarbeitet, kritisch gedeutet und in übersichtlicher Weise geordnet, so daß für jeden, der sich mit Libellennamen beschäftigen will, die Grundlagen gegeben sind. Durch eine stärkere Berücksichtigung der zoologischen Eigentümlichkeiten der Libellen lassen sich weitere Einsichten in die Namengebung gewinnen. Darauf hat mich der Libellenforscher H. SCHIEMENZ hingewiesen. Es schien deshalb geboten, die ScHiEMENZschen Anregungen übersichtlich in einer kleinen Abhandlung darzustellen. Im folgenden ist von den Libellen schlechthin die Rede. Artbestimmungen von Nichtzoologen, wie sie viele Mundartenwörterbücher enthalten, sind nur mit großer Vorsicht aufzunehmen. Die zoologischen Besonderheiten Die Libellen (Odonata) gehören zur Klasse der Insekten. Die drei Körperteile Kopf, Brust und Hinterleib sind bei allen Arten gut zu erkennen. Am Kopfe fallen die großen, kugelförmigen Augen auf, ja bei manchen Arten scheint der Kopf nur aus diesen beiden Augen zu bestehen. Sie haben etwas Starres, Erbarmungsloses an sich, und der Vergleich mit den starren, oft faszinierenden Schlangenaugen lag seit jeher nahe. Durch ihre Augen ist die Libelle zu den vielen Schlangennamen gekommen, und ihre bunte Färbung und Schlankheit wird viel zur vermeintlichen

Die Namen

der

Libelle

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Schlangenähnlichkeit beigetragen haben. Die dunklen Augenkugeln erinnern aber auch an die Augenhöhlen eines Totenschädels, u n d von diesem Vergleich her k o m m t der Name Totenschädel u n d die andern Zusammensetzungen mit Schädel, dann weiter Tod und Totengräber. Die Erklärung im Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens, sie führe diesen letzten Namen u n d die Teufelsnamen, weil die beim Ausschlüpfen von ihr abgestreifte H a u t von ihr auf dem Rücken getragen u n d mit einer Leiche verglichen würde, ist falsch, denn beim Schlüpfen wird die Larvenhülle an einem Schilfstengel fest verankert und bleibt dort sitzen, während die Libelle zum Leben erwacht u n d langsam ihren Körper ausformt, aber ohne jeden störenden Ballast. R I E G L E R h a t t e kritiklos R O L L A N D S Worte übernommen: ,,La libellule, au moment où elle arrive à l'état parfait, porte sur le dos, pendant quelque temps, la dépouille de sa chrysalide qui est noire et d'une forme étrange. De là vient qu'on l'appelle dans divers pays: le cheval du diable" (a. a. O. S. 82f.). Ebensowenig dürfen aus der Stelle eines Märchens, die SÉBILLOT, Le Folk-lore de France (Bd. 3, 1906, S. 328) a n f ü h r t : ,,La reine voit trois gros hannetons qui. tenaient chacun dans leurs pattes une de ses filles, et trois grandes demoiselles qui portaient sur leur dos ses trois fils" weitreichende Schlüsse über leichentragende Libellen gezogen werden. Die vier meist durchsichtigen, von Adern durchzogenen Flügel sind an der Brust angewachsen. Sie können, was kein anderes Insekt vermag, abwechselnd nach oben und /unten geschlagen werden, d. h. gehen die Vorderflügel nach unten, so gehen die Hinterflügel nach oben. D a m i t haben die Flugkünstler alle Mittel in der H a n d . Sie beherrschen den langsamen Suchflug, den Rüttelflug, der sie in der L u f t stehen läßt, u n d den Blitzflug mit kühnsten Wendungen. Mit 15 m in der Sekunde gehören sie zu den besten Fliegern unter den Insekten. Nie verfehlen sie ihre Beute. Dabei ist ihr Flug völlig geräuschlos, also unheimlich, teuflisch, wie es Räubern u n d Spionen zukommt. Die Flügelschlagfrequenz einer Stubenfliege beträgt über 300 pro Sekunde, das sind dann

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Die Namen der Libelle

die Brummer und Summer, die einer Libelle nur 28—30. Sie ist unhörbar, da unser Ohr einen Summton erst von über 30 Schlägen an wahrnimmt. Libellennamen wie Summer und Brummer und ihre Zusammensetzungen enthalten daher Fehlbeobachtungen; sie könnten sich höchstens auf den Rüttelflug auf der Stelle beziehen. Die Durchsichtigkeit der Flügel führt zu dem Namen Glaser und den vielen Zusammensetzungen mit Glas. Hat die Libelle am Wasser oder an feuchtem Waldrand ihr Jagdgebiet erwählt, das sie unermüdlich und fast stets mit gleichem Kurse durchstreift, dann kann auch der Eindruck entstehen, sie wäre ein Aufseher, ein Revierförster, der seine regelmäßigen Patrouilliergänge macht, also nichts Böses im Schilde führt. Noch freundlicher ist der Eindruck, wenn sie recht tief, unmittelbar über der Wasseroberfläche, hin- und herfliegt, dann wird sie zur Reinmachfrau, zur Scheuerfrau, die sich mit dem Blankmachen der Wasserfläche gar nicht genug tun kann, indem sie sich immer wieder abmüht. Der Hinterleib der Libelle ist meist schlank und langgestreckt. Sieht man von Paarung und Eiablage ab, wird er nicht gebogen. Ob sie sich im Fluge befindet oder sitzend oder hängend eine Ruhestellung einnimmt: immer bilden Kopf, Brust und Hinterleib eine gestreckte Linie. Von einem angeblich gebogenen Hinterleib lassen sich also die Namen Hangarsch, Kohstert (Kuhschwanz, ist in ganz Nordwestdeutschland verbreitet) und Pärdstert (Pferdeschwanz) nicht erklären. Vielleicht ist Hangarsch eine Verwechslung mit einem anderen Insekt. Kohstert bleibt schwierig, weil es so ganz und gar nicht zur Libelle paßt. Vielleicht läßt sich eine Erklärung insofern finden, als sie auch als Rieser bezeichnet wird, das ist eine gefürchtete Art Bremse, die die Viehherden überfällt und in wahnsinnige Furcht versetzt, so daß die Tiere biesen, d. h. mit hoch gestelltem Schwänze sinnlos durch die Gegend galoppieren. Der hochgestellte Schwanz in heftiger Bewegung, das könnte schon eher an eine Libelle erinnern. Die Stier-, Bullen-, Ochsenkomposita, wie Stierkopf, Stierschneider, Wasserstier, Bullenbeißer, Bullenpferd, Ochsenkopf und

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Ochsentreiber sind von der Angst vor einem brutalen Untier diktiert; sie enthalten nichts von der Biesfliege und dem: Schwänze. Aber die Kuhkomposita und Kuhbies, Kauhbiersert, Kuhfliege, Kuhletier, Kuhschwanz, Kuhsterz, Kuhswuttscher (Swutscher 'lange, schlanke Gerte'), Kuhzagel erinnern an die Biesfliege und den (hochgestellten) Schwanz, haben also das rasende Rind beim Biesen vor Augen. Vom Kuhschwanz zum Pferdeschwanz (.Pärdstert) ist es im Volksmund nicht weit. Am Ende des Hinterleibs befinden sich Hinterleibsanhänge. Die der Männchen dienen dazu, bei der Paarung Kopf und Vorderbrust der Weibchen festzuhalten. Eine Gattung mit besonders stark entwickelten Hinterleibsanhängen heißt Zangenlibelle (Onychogomphus). Die Geschlechtsöffnung der Männchen mündet am 9. Hinterleibsring aus, der Begattungsapparat aber liegt deutlich sichtbar weiter vorn am vorderen Hinterleib. Vor dem Akt muß also das Sperma aus der Geschlechtsöffnung auf den Begattungsapparat übertragen werden. Die Paarung beginnt mit der Paarungskette. Das Männchen packt das Weibchen mit seinen Hinterleibszangen an Kopf und Vorderbrust und bildet mit ihm eine gerade Stange. Es folgt das Paarungsrad. Das Männchen beugt seinen Vorderteil nach unten, das Weibchen kommt der Krümmung entgegen und schiebt das Ende seines Hinterleibes unter den Begattungsapparat des Männchens. Jetzt ist ein Ring geschlossen. Das Paarungsrad der vereinigten Tiere steigt höher und höher, sucht je nach der Art verschiedene Ziele in den Bäumen oder am Boden und läßt meist unmittelbar die Eiablage durch das Weibchen folgen. Paarungskette und Paarungsrad der geschlechtlich oft sehr erregten Tiere sind einzigartig in der Insektenwelt und können leicht von Naturfreunden beobachtet werden. Es ist nur natürlich, daß die beiden auffallenden Erscheinungen auch bestimmte Namen hervorgerufen haben. Die Libelle ist eine kleine Stange, in der Paarungskette ist sie verdoppelt, vielleicht sollen das die mit Stange- oder Steh- zusammengesetzten Namen ausdrücken. Das Paarungsrad ist völlig

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von der sonst umherfliegenden Libelle verschieden. Alles, was daher mit Ball, Schaukel, Kugel, Rad und Ring verbunden ist, ist verdächtig, an das Paarungsrad zu erinnern. Die Eiablage erfolgt gleich nach der Paarung, ist aber bei den einzelnen Arten sehr verschieden. Die Männchen trennen sich entweder von ihrer Partnerin oder sie verharren bei der Verankerung, freilich nun wieder mit gestrecktem Leibe wie bei der Paarungskette. Dadurch helfen sie dem Weibchen und geben ihm bei dem schwierigen Eiereinstechen in Wasserpflanzen oder Bachsand einen gewissen Halt. Bei den ihre Eier frei ins Wasser legenden Heidelibellen (Sympetrum NEWM.) macht das Männchen die wippende Bewegung und dirigiert so das Weibchen. Bei der Eiablage in Pflanzenteile über oder unter Wasser krümmt das Weibchen seinen Hinterleib und sticht mit seinem Legebohrer das Ei in die Unterlage. Es entsteht ein kleines Loch, die Eiloge. Bei allmählichem Strecken des Hinterleibes erfolgen weitere Einstiche, ein Eilogen-Muster entsteht. Das Weibchen muß rückwärts kriechen, um den Leib erneut beugen zu können und einzustechen. Das Wasser hindert es nicht; bis zu 20 Minuten können manche Arten, Eier einstechend, unter Wasser bleiben. Das Weibchen der Glänzenden Smaragdlibelle (Somatochlora metallica v. D. L.) rüttelt über einer ihr geeignet erscheinenden Stelle des Bachschlammes. „Seine beiden letzten Hinterleibsringe sind senkrecht nach oben gebogen und bilden mit der langen, nach unten stehenden Legescheide eine Art 'Spitzhammer'. I m Abstand einiger Sekunden schlägt die Libelle nun mit dem Hinterleibsende gegen die Unterlage, um dadurch die Eier auszupressen und fortzuschleudern. I n den Boden 'eingehämmert', wie man früher glaubte, werden die Eier aber nicht." Aber das Bild vom Hammer und Hämmern ist da. Es hat nichts mit einem „hammerförmigen" Kopf (SCHÄFER, S . 77) zu tun. Werden die Eier im Fluge abgelegt, taucht der Hinterteil rhythmisch wippend in die blanke Wasserfläche und läßt mit jedem Schlag oder Stich Eier in das Wasser gelangen. Das Eierlegen kann viele Minuten dauern.

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Auf die Bedeutung der Eiablage für die Namengebung der Libelle hat SCHIEMENZ überzeugend hingewiesen. Die ganze Hilflosigkeit früherer Erklärer zeigte sich z. B. in dem Worte Wasserimpf er, das als sinnlose Entstellung von Wasserjungfer gedeutet wurde. Wer die Eiablage mit dem rhythmischen Eintauchen des Hinterleibsendes kennt, wird den Ausdruck: „Sie impft das Wasser" als durchaus passend bezeichnen. Wasser pumpe, Wasserstupfer gehen in die gleiche Richtung. Es ist viel zu eng und einseitig, Namen wie Wasserglaser, Wasserschuster, WasserSchneider nur mit rein körperlichen Merkmalen erklären zu wollen, also Glaser nur von den messerscharfen durchsichtigen Flügeln, Schuster nur von der spitzen, ahleartigen Körperform, Schneider nur von dem als spitze Nadel aufgefaßten Körper her. Es kommt hinzu, daß die Libelle wirklich sticht und ritzt und hämmert. Frühere Jahrhunderte, die noch keine Großstädte und keine Industrie kannten, wußten mit den Handwerkern und dem Gebrauch des Handwerkszeuges allgemein recht gut Bescheid. Sie ist also ein Glaser, weil sie die glasartige Wasseroberfläche anritzt, ein Schuster, weil sie in den Wasserspiegel Schusterstifte treibt, ein Schneider, weil sie rhythmisch hineinsticht. Ein Pinnscheuster (Pinnschuster), wobei Pinn einen kleinen Stift bedeutet, kann nicht vom fliegenden Tier stammen, wohl aber von dem, das Eilogen bohrt. Schreiber, Tintenschreiber vergleicht die Eiablage mit dem Eintauchen der spitzen Feder in die Tinte. Die aus den Eiern sich entwickelnden Larven sind ebensolche Räuber wie die fertigen Tiere, nur sind sie träger. Das Larvenstadium kann wenige Monate, aber auch 2—3 Jahre dauern. Zum Schlüpfen kriecht die Larve an einem Schilfstengel empor und verankert sich hoch über dem Wasserspiegel so fest, daß die leeren Hüllen noch wochenlang zu sehen sind. Die Larvenhülle bei den Aeschniden platzt in der Längsrichtung, hervor treten die Brust mit den Flügeln, der Kopf, die Beine, der Hinterleib. Dann kippt die Libelle, noch mit dem Hinterleibsende in der Hülle, hinten über und hängt, Kopf und Beine nach unten streckend, etwa 24 Minuten ruhig da. Die Ruhepause dient be-

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sonders der Härtung der Außenhaut. Mit einem Ruck schwingt sie sich plötzlich auf, zieht das Hinterleibsende aus der Hülle, zerreißt so das letzte Band mit der Larve und formt sich für ihr neues Leben zurecht. Die leeren Hüllen, die sog. Exuvien, nach SCHIEMENZ oft zu hunderten an Pflanzen, Brettern und Bootsstegen sichtbar und den Leuten gut bekannt, sind ein Behälter mit einer Öffnung. Von da her können die Libellennamen, die einen Behälter bezeichnen, stammen. Es ist freilich ein sehr unsicherer Boden. Aber der Name Wetzkumpf, in den der Wetzstein hineinpaßt, gehört sicher hierher. Noch ein anderer Name könnte auf den Schlüpfvorgang anspielen, nämlich Maringgele. So heißt sonst die Gottesanbeterin (Mantis religiosa). An dieses scheinheilige Raubinsekt, wenn es mit zusammengeklappten Fängen in stilles Gebet versunken zu sein scheint, erinnert die neugeborene Libelle in der Ruhepause: auch sie vollkommen ruhig und die Beine angewinkelt wie zum Gebet. Am Schluß der kurzen zoologischen Betrachtung sei noch erwähnt, daß die Libelle an Nord- und Ostsee zum Zwischenwirt für einen gefährlichen Schmarotzer, einen Saugwurm, werden kann. Wird eine solche Libelle von dem Geflügel gefressen, so erkrankt es schwer und legt sog. Windeier. Daß diese Windeier vom Libellenfraß kommen, ist dem Landvolk bekannt. „Der Klaus Hings ist da, die Hühner müssen eingesperrt werden", heißt es in Rechtenflath/Wesermünde. Hühnertod ist der Libellenname in Rantau/Samland. „Die Hühner dürfen keine Bressemspiere fressen, weil sie dann faule Eier legen", meldet Z I E S E M E R , Preuß. Wb. 1, 799. „Die Hühner legen Eier ohne Schale, wenn sie Vierflügel gefressen haben" hieß es im Rickul, Kirchspiel Nukkö, in Estland. Ob aber aus dieser Erkenntnis auch der Libellenname Schmarotzer entstanden ist, dürfte doch unwahrscheinlich sein. I m folgenden werden die wichtigsten Libellennamen, meist nach der Liste des Wortatlasses, nach einem bestimmten Schema geordnet, so daß ein Vergleich der deutschen Namen mit den Namen anderer Sprachen erleichtert wird.

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Die Libelle im Deutschen Wortatlas 1. Ihr angeblicher Schaden Zuvor sei bemerkt: Die Libellen stechen nicht! Sie haben keinen Stechrüssel und keinen Giftstachel. Dennoch werden sie seit jeher für gefährlich und angriffslustig gehalten, und eine große Anzahl Namen zeugt von dem Bösen, was sie angeblich Menschen und Tieren antun. Die Libelle ist das Stacheltier, sie heißt Stecher, Stechatze, Stechauge, Stechbock, Stechding, Stecheisen, Stechfliege, Stechmücke, Stechnadel, Stechpropeller, Stechtier, Stechwanze, Stechweber. Sie ist auch ein Stößer, ein Stoßvogel. Sie versteht es, nicht nur zu stechen und zu stoßen, sondern auch zu beißen, daher Beißtier und Menschenfresser. Am meisten sind ihrem Zugriff im Volksglauben die Augen ausgesetzt, daher Augnausa, Augenausgikser, Augenausradler, Augenausschneider, Augenausstecher, Augenausstecherin, Augenausstößer, Augenausstupfer, Augenbisser, Augenbohrer, Augenfahrer, Augenglas, Augenkratzer, Augenpicker, Augenpitscher, Augenpetzer (petzen 'zwicken'), Augenpitz, Augenpitzer (pitzen 'stechen, kneifen'), Augenpüter (Puter 'kleines Kind'), Augenschießer, Augenschüssen, Augenstecher, Augenstecherling, Augenstessel, Augenstich, Augensticherl, Augensticheler, Augenstößer, Augenstutzer, Augenvogel. Das französische pisse-zyeux ('Augenpisser') belehrt uns, daß das Untier nicht nur sticht, sondern auch ihr giftiges Wasser in die Wunde spritzt. Ihr Urin soll giftig sein. Heißt doch auch die allbekannte Ameise nach dem ätzenden Saft, den sie spritzt, die Pißmiere. Bei uns nennt man die Libelle daher auch Pißnapf, Pissestaken und Pißtier. Pissestaken ist aus Stakenpisser ('der an die Stange pißt'), dessen Wortbestandteile vertauscht sind, entstanden. In ganz entsprechender Weise ist aus dem holländischen bed-pisser, der Assel, die in getrocknetem Zustande als Heilmittel gegen das Bettnässen angewendet wird, pissebed entstanden.

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Die Namen der Libelle

Außer den Augen haben auch die Ohren sehr zu leiden. Man nennt sie Ohrenbohrer, Ohrenfliege, Ohrenpetscher, Ohrenschlüpfer, Ohrenschüsser, Ohrenstecher, Öhrleinschießer, Öhrleinstößer, Öhrleinstupfer, Ohrwurzler. Die Leiden anderer Körperteile erkennen wir an Adernstecher, Beulenstecher, Herzstecher, Hirnaussteißel, Hirnschießer, Hirnstecher, Hirnstoßer, Kehlstecher, Stirnschießer. Sie ist eben ein Tausendstecher, ein Totstecher, ein Menschenstecher, ein schlimmer Blutaussauger, Blutigel, Blutsauger, Blutvogel, Blutzupfer. Und von ihrer Giftigkeit zeugen die Namen Giftfliege, Giftflieger, Giftige Madam, Giftmücke, Giftnadel, Giftnatter, Giftschnake, Giftiger Schmetterling, Giftschneider, Giftschwänzchen, Giftspritzer, Giftstecher, Giftige Weiherschnake. Ihre Angriffe auf das Haar werden von den Frauen besonders gefürchtet. Sie ist ein Haarabschneider, Haarauspickler, Haarausreißer, Haarbrenner, Haardreher, Haareindreher, Haarfeger, Haarhänger, Haarklipper, Haarepink, Haarraufer, Haarreißer, Haarrupfer, Haarschirrer, Haarschneider. Aber nicht nur die Menschen, meint man, haben unter diesem Untier zu leiden, sondern auch die Tiere, vor allem die Haustiere. Wie beklagenswert ist doch das Pferd, wenn man von Gäulsangel {Angel 'Stachel'), Gäulsangler, Gäulsbeier, Gaulsbeißer, Gäulsbremse, Gäulshornisse, Gaulsmücke, Gaulsschnecke, Gäulsstecher, Gäulswespe, von Pferdangel, Pferdbeißer, Pferdbiene, Pferdbremse, Pferdfliege, Pferdehornisse, Pferdkneifer, Pferdemücke, Pferdeschlächter, Pferdeschneider, Pferdestachel, Pferdestecher, Pferdestichel, Pferdewespe und von Roßangel, Roßbiswurm, Roßbremse, Roßfliege, Roßmücke, Roßschießer, Roßstecher, Roßtöter hört. Auch die Kühe werden geplagt: Kuhbies, Kauhbiersert, Kuhfliege. Bienen und Gänse mögen sich vor dem Immenfresser und Gänsbeißer, die Hühner vor dem Hühnertod in acht nehmen. J a , sie wird mit andern schädlichen und verhaßten Tieren einfach gleichgesetzt und heißt Hornisse, Mücke, Schnake, Wasserwespe, Werre, aber auch Natter, Otter, Schlangentier. Ein gefürchtetes Insekt ist, wie schon oben gesagt, die Bremse (Tabanus bovinus L.), die besonders an heißen Tagen die Rinder-

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herde überfällt, so daß die Tiere wild und mit hochgestelltem Schwänze sinnlos in die Gegend galoppieren; sie biesen oder beiem. Der Name des Übeltäters, des Biesers oder Beiers, wird auf die Libelle übertragen, und sie heißt Bies, Bieser, Biesebeier, Biestier, Bieswurm und Beier, Beierbies. Auch die Fische sind vor ihr nicht sicher, dem Fischangler, Fischjünger, Fischfresser, Fischgeier, Fischschreck, Fischstecher. Die größte Angst vor ihr drücken schließlich die Namen aus Siebenangel, Siebenangeier, Siebenstecher, Siebenstich, Siebentöter, Siebenwochenstecher, ferner Neunangel, Neunstecher, Neuntöter und Zehn machen ein Pferd tot. Fast jeder der vorstehenden Namen enthält altes Volksempfinden. Wenn die Kinder zum Spielen an den Teich gehen wollen, warnt sie die Mutter: „Geht auf keinen Fall zu nahe an das Wasser, damit sie euch nicht in Augen und Ohren stechen!" Die Mädchen, die am Flusse die Wäsche waschen, sehen die Untiere und schreien laut: „Bindet euch nur schnell ein Tuch oder eine Schürze um, damit sie euch nicht ins Haar kommen!'' Und der Schnitter, der das Tier auf einer Garbe sitzen sieht, schlägt es tot und b r u m m t : „Du sollst mir nicht über meine Pferde geraten!" 2. Verwünschungs- und Fluchnamen I n einer Fülle von Namen macht sich der Volksunwillen Luft. Die Libelle wird Teufel, Teufelsbolz, Teufelsbraut, Teufelsbuhle, Teufelsgroßmutter, Teufelshaarnadel, Teufelshengst, TeufelsTeufelsnähkindlein, Teufelsmesser, Teufelsnadel, Teufelsnagel, nadel, Teufelspferd, Teufelspfetter (Pfetter 'Kaminfeger'), Teufelsreiter, Teufelsreitpferd, Teufelsroß, Teufelsschmetterling, Teufelsschnake, Teufelsschwanz, Teufelsstecher, Teufelsstopfnadel genannt. Sie gilt als Bachteufel, Bruchteufel, Lockenteufel, Mittagsteufel, Schmiedsteufel, Seeteufel, Wasserteufel, Höllenpferd. Zum Teufel gehört die Hexe, deshalb heißt sie Hexe, Hexennadel, Hexenpferd, Hexenschneider, Hexenspengel, Hexenvogel, Bachhexe, Butterhexe, Speihexe, Wasserhexe, Wetterhexe. Kräftige Kost

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sind Hure, Drachen, Drachenfliege, Drachenhure, Badehure, Wasserhure, Grasmetze. Etwas zahmer fallen aus Verfluchte Jungfer, Verwünschte Jungfer, Garstige Fliege, Garstiges Tier, Dreckiges Tier, Böse Liesel, Böse Fliege und vielleicht Freundchen. Eine besondere Gruppe bilden Nixe, Wassernixe und Nixjungfer, dann Wasserfee und Bachfee, Wasserfrau und Wassermann. Es sind die Geister, die das weite Zwischenreich zwischen Mensch und Gottheit bevölkern und dem Menschen, wie die Märchen beweisen, sehr gefährlich werden können. Aus anderen Sprachen ist hierherzustellen ein schottisches water kelpie, wobei kelpie ein Wassergeist in Pferdegestalt ist, und aus dem Schwedischen der Insel Runö horsho-mära. Das Waldeckische Wörterbuch kennt einen Hakenmann, der mit seinem Haken vorwitzige Kinder ins Wasser zieht, aber der Libellenname Hakenmann ist wohl besser aus den hakenförmigen Hinterleibsanhängen zu erklären. 3. Tabunamen Wer ein gefährliches Tier bei seinem eigentlichen Namen nennt, erregt seine Aufmerksamkeit und läuft Gefahr, von ihm angegriffen zu werden. Er wird daher gut tun, den Namen zu unterdrücken. Wer aber ein Tier verwünscht und beschimpft, der ist seines Lebens nicht sicher und sollte alle Schliche und Listen anwenden, um es durch diplomatische Worte wieder gnädig zu stimmen und zu übertölpeln. Der Flut von Verwünschungs- und Fluchnamen für die Libelle wird also logischerweise eine Reihe wirkungsvoller Tabunamen entgegenstehen müssen. Jungfer, Wasserjungfer und Schönjungfer sind die bekanntesten Tabunamen, die eine gute Atmosphäre schaffen sollen. Wir werden sie als Tabunamen zunächst gar nicht erkennen, sondern für eine ganz natürliche, ästhetische Wertschätzung halten. Sie hat einen schlanken, ebenmäßigen Leib, ist in eine glitzernde Farbenpracht von blau, grün oder braun getaucht, ist elegant im Fluge und in allen Bewegungen, eine echte Frau in Eitelkeit und Charme, die eigentlich gar nicht anders als Schönjungfer heißen kann.

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So beobachtet und urteilt der heutige Mensch, der nichts mehr vom Aberglauben früherer Jahrhunderte wissen will, sich aber auch von seiner umfassenden Macht keine rechte Vorstellung mehr machen kann. Die erste Gruppe der Tabunamen mögen die Benennungen nach Gott, Maria, Jesus und bekannten Heiligen bilden, also Gottjungfer, Gottespferd, Gott sein Pferd, Gottesreiter, Gottessperling, Gottesvogel, Herrgottsdockerl (Docke 'Puppe'), Herrgottspferdchen, Herrgottsroß, Lieben Gott sein Pferd, Lieben Gott sein Gottespferd, Lieben Gott sein Hottepferd, Liebe Herrgottspferdchen; dann Himmelsfliege, Himmelspferdchen, Himmelsreiter, Himmelsschlüssel, Himmelvater sein Roß, Himmelsvogel, Himmelsziege, Engeispferdchen. Auf Jesus und Maria zielen Jesuspferd, Liebheilandspferdchen, M.uttergotteslämmchen, Lämmlein, Lammschirk, Unser lieben Frauen Rößlein, auf bekannte Heilige Johannispferdchen, St. Peters Pferd, Peterhengst, Görgenpferdlein (Görge 'Georg'). Die Rangordnung der Namen von Gottvater bis zu den Heiligen kann ein Gegenstück in der heidnischen Religion gehabt haben, von den höchsten Gottheiten absteigend bis zum kleinsten Wassernöck, aber erhalten ist uns nichts davon. In diesen Zusammenhang lassen sich wohl auch die geistlichen Benennungen stellen, nämlich Pfaffe, Pfaffhüter, Pfaffeköchin, Pfarrerköchin, Pfaffeschneider, Wasserpfaffe, Pater, Paternoster, Papst, Kaplan, Kapuziner, Klosterjungf er, Klosterschwester. Die Erklärung im Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens: „Die sonderbare Bewegung der Kinnladen erinnert an eine Gebete murmelnde Person (Geistlicher oder Nonne)" dürfte abwegig sein. Ihre Beute verzehrt die Libelle im Flug, größere Stücke werden in Ruhestellung gefressen, doch ohne die Flügel und die Beine, die abgebissen werden. Daraus läßt sich keine Gebetshaltung konstruieren. Erinnern wir uns daran, daß bei vergleichbaren Vogelnamen wie Klosterfräulein (Bachstelze), Dompfaff, Mönchsgrasmücke die Farbe den Ausschlag gegeben hat, so wird es hier ähnlich sein. Die großen, dunklen Augen der Libelle erscheinen manchmal schwarz. Wer einmal an einem feuchten Waldrande 2

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zahllose Blauflügel-Prachtlibellen (Calopteryx virgo L.) herumfliegen sah, dem werden die Tiere fast schwarz vorgekommen sein. Kapuziner wird sich im Gedanken an die braune Kutte auf braune Arten beziehen, wie denn auch einmal Pater für eine braune Art bezeugt ist. Pfarrerköchin und Pfaffeköchin gleiten ins Triviale ab. Eine Gruppe echter Tabunamen bilden die Verwandtschaftsbezeichnungen, die eine große Ehrung enthalten, und die unterwürfig schmeichelnden, oft formellen Anreden. Da haben wir Cousin, Gevattermännlein, Gevatterweiblein, Frau Mutter, Großpapa. Bezeichnend sind Braut, Bräutigam, Brauthammelmann, Brautjungfer, Brautmädchen, Brautmännchen, Brautmücke, Brautpferd, Hochzeitspferd, Hochzeitswaage, während Braut-BrautBräutigam wohl einem Kinderreim entstammt. Braut ist auch ein Tabuname des in vielen Ländern bekannten und verhaßten Räubers, des Wiesels, des Schöntierchens, der belette in Frankreich. Formell und standeserhöhend wirken Dame, Edeldame, Reitdame, Wasserdame, Wasserkönigin, Kurdame (modern, aus einem Kurort), Herr, Herrenpferdchen, Junker, Wasserjunker, Ritter, Ritter zu Pferd, Ritterpferd, König, Kaiser, Herr König von England (im mecklenburgischen Tiermärchen). Der Doppelname Herr und Dame könnte sich auf sich paarende Libellen beziehen. Weniger steif wirken Madam, Wassermadam, Wassermamsell, Fräulein, Meerfräulein, Teichfräulein, Wasserpanna (aus deutschem Wasser und tschechischem panna 'Fräulein'), Schönes Maidlein, Wassermaid. Am geläufigsten sind uns aber Jungfer, Wasserjungfer, Seejungfer, Flußjungfer, Schöne Jungfer, Schönjungfer, dazu auch die Komposita Jungfer Jitt, Jungfer Lieschen, Jungfer Siebold. 4. Berufsnamen a) Schneider, Näherin,

Spinnerin

Die Namen Nadel, Schere, Stecknadel, Stechnadel, Stricknadel, Schneidernadel, Guffebüchse (Guffe 'Stecknadel') beziehen sich auf den schlanken Leib. Der zielbewußte, sichere Flug, der an

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die meisterhafte Führung einer Nadel durch einen Nadelkünstler erinnert, und das „Nähen" in kleinen Stichen bei der Eiablage haben der Libelle den Namen Schneider in zahlreichen Komposita eingebracht. Schneider ist weit verbreitet, aber keineswegs immer aufs Schneiderhandwerk bezogen. Wir finden zwar einen Buxeschneider (Buxe 'Hose'), einen Kappenschneider, einen Kippeschneider (Kippe 'Tasche'), einen Sackschneider, einen Plackenschneider (Placken 'Flicken'), einen Schnipselschneider und einen Hosenflicker. Aber die weitere Gefolgschaft hat kaum noch etwas mit der Nadel, sondern eher mit dem Messer zu tun: Strümpfabschneider, Augenschneider, Daumenschneider, Nasenschneider, Fußschneider, Zehenschneider, ferner Brettschneider, Brotschneider, Futterschneider, Haarschneider, Halsabschneider, Hengstenschneider, Sauschneider, Schweineschneider, Stierschneider. Näherin, Nähjungfrau, Nähmaschinchen und Bachnäherin stellen uns die Näherin vor. Sie treten gegenüber den Schneidernamen zurück. Nähmaschinchen hat nichts mit Summen und Brummen zu tun, denn die Libelle fliegt ja lautlos, wohl aber mit der Eiablage, denn dabei werden die feinen Stiche gemacht. Im Vergleich zu schneidern und nähen hat spinnen in Deutschland auffallenderweise nur wenige Namen erzeugt, wiewohl die Spindel für den Libellenleib ein ebenso gutes Vergleichsobjekt wäre wie die Nadel. „Von der Eigenart der Libellenpaare, auf dem Boden haspelartig sich um sich selbst zu drehen, wobei sie mit dem Aufschlagen der Flügel gegen den Boden ein spinnradartiges Geräusch erzeugen", — das bedürfte wohl noch näherer Begründung. Von der Spindel, an der sich schon Dornröschen verletzte, sind Spinnejungfer, Spinnemädchen und Natterspindel abzuleiten. Das männliche Geschlecht vertreten Glückspinner, Goldspinner, Seidenspinner und Tabakspinner. b) Schuster und Schmied Dem Handwerkszeug des Schneiders entsprechen beim Schuster die zu Libellennamen gewordenen Ahle, Schuhahle, Schusterahle, Stichahle und Schickahle. Von der Ahle führen die Namen 2*

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zum Schuster. („Wenn die Libelle mit ausgebreiteten Flügeln und stark hervortretendem Rücken auf einer Zweigspitze sitzt, ähnelt sie einem Pechdraht ziehenden Schuster" ist ein Irrtum Garbints, denn der Rücken tritt nicht stark hervor.) Wir haben Schuhmacher, Schuhflicker, Schuhlapper, Wasserschuster, Bachschuster, Pechschuster. Plüttschuster ist nicht klar, Pinnschuster {Pinn 'Holzstift' des Schusters) aber zielt auf die Eiablage, wenn ein Ei nach dem andern in den Untergrund getrieben wird. Sidlo ('Ahle') ist als Libellenname im Tschechischen volkstümlich. Zum Schmied wird die Libelle nicht wegen ihres fleißigen Hinund Herjagens. Der Schmied steht kraftvoll am Amboß und hämmert oder bewegt sich schwerfällig. Die Ausgangsnamen von der Eiablage her werden die Diminutiva Badehämmerchen und Hämmerlein gewesen sein, dann folgten Schmied, Hammerschmied und Schmiedehammer, Schmiedemeister, Schmiedegeselle, Schmiedeknecht und Schmiedeteufel. Goldschmied, die in Dänemark verbreitete Bezeichnung, die dem metallischen Glänz des Tieres entnommen ist, paßt mit dem Gedanken an die Feinarbeit dieses Berufes ganz zu den oben genannten Diminutiven. c) Musiker Die Namen, die mit Musik und Geräuschen überhaupt verbunden sind, sind schwer erklärbar. Da haben wir Geiger, Geigenmann, Bachgeige, Bachgeiger, Mühlengeiger, Seegeige, Hedlgeiger, Schietzgeige, ferner Spielmann, Musikant, Singlieschen, Grassänger, weiter Summer, Brummer, Brummeisen, Schnarrer, Pieperling (verderbtes Peipel 'Schmetterling'), Pieplich, Reitpieper und endlich Heupferd, Grille, Heimchen. Es wurde schon gesagt, daß der Flug der Libelle geräuschlos ist. Bei dem Rüttelflug großer Exemplare könnte vielleicht einmal ein schwaches Summen gehört werden. „Man hört denn auch oft ein knisterndes Geräusch^ desgleichen bei scharfen Wendungen, was daher kommt, daß sich die gegenläufig schlagenden Flügel mit ihren Rändern berühren". Aber das bringt uns nicht weiter.

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E s wird richtig sein, Heupferd, Grille und Heimchen für alle Töne, die man der Libelle andichtet, verantwortlich zu machen. Bei der Geigengruppe könnte noch darauf hingewiesen werden, daß die freie Eiablage ins Wasser an das taktmäßige Zupfen auf einer Geige erinnert. Wenn Brummeisen gleich 'Mundharmonika' ist, könnte djie Reihe der viereckigen Luftlöcher dieses Instruments entfernte Ähnlichkeit mit dem gut gegliederten Hinterleib der Libelle haben. d) Melder und Aufseher Mit ihrer Schnelligkeit ist die Libelle der geborene Spion, der Melder. Auch als Postbote und Briefträger ist sie geeignet. Sie gilt auch als Anzeiger, Fischanzeiger, Schlangenanzeiger, Fischmelder. Damit führt ihr Meldedienst zum Aufseherdienst. Sie ist Förster, Heger, Wahrer, Schandarm, Polizist, Landjäger, Wasserbammert (Wasserbannwart). Ihre grüne Farbe erinnert an Uniformen. I n zahlreichen Komposita offenbart sich eine freundliche Einstellung der Libelle zum Wassergetier. Wir Natterwurmhüter, kennen sie als Natterhüter, Natterhüterin, Schlangenhirt, Schlangenhüter, Fröschehüter, Fischhüter, Fischwächter, Fischzähler. Auf den Aufenthaltsort zielen Bachhirte, Bachhüter, Fliegender Wasserhüter, Grubhüter, Hülbenhüter (Hülbe 'flacher Dorfteich'), Schwemmhüter, Seehüter, Teichhüter, Weiherhüter. Der Name Lotse bewundert die Sicherheit ihres schnellen Fluges, bei dem ihr kein Beutetier entgeht und jedes Manöver gelingt. e) Schlittschuhläufer,

Putzer, Wäscher

Die Wasserwanzen, die auf der Oberfläche der Gewässer leben und ruckartig hin und her schießen, heißen im Volksmunde Teichläufer oder Wasserläufer. Die tieffliegende Libelle scheint sich in gleicher Weise die Wasseroberfläche zum Lebensraum erkoren zu haben und heißt darum Schlittschuhläufer und Schlitterbold. Auf eine nützlichere Beschäftigung spielt der Klarmacher an, der den wasserhellen Fußboden fegt und säubert.

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Und neben ihm kommen vor Bachfeger, Bachkehr er, Bachputzer, Brunnenputzer, Wasserschwamm, vor allem Schrubbold, der das Schrubben versteht. Wer einmal vom Reinemacheteufel besessen ist, wird auch zum Qlasewascher und Gläsertwpfer, zum Haarfeger, Lichtputzer und Rössenputzer, ja zum Kaminkehrer, Schornsteinfeger, Schlotfeger. Zum Säuberungsprozeß gehört schließlich noch das Waschen, und wir finden daher Wäscherin, Waschfrau, Waschkauben, Waschlappen, Waschmutter und Waschweib.

f) Glaser Auf Glas beziehen sich viele Namen. Glas, Glasauger, Gläserne Marie, Glaserstange, Glasfalter, Glasfliege, Glasflieger, Glasjungfer, Glaskäfer, Glaskopf, Glaspferdchen, Glassegler, Glasvogel stammen von den glasartig wirkenden, durchsichtigen Flügeln. Bei Glasausschneider, Glaser, Glaserböhme, Glaserei, Glaserer, Glasermatl, Glasermeister, Glassäger, Glasschneider, Glasmacher wird außerdem an die handwerkliche Tätigkeit, an die verschiedene Behandlung des Glases gedacht worden sein, wenn die eierlegende Libelle die glasartige Wasseroberfläche mit ihrem spitzen Hinterleib anritzt. Noch deutlicher zeigen das Fensterer, Fensterglaser, Fenstermacher, Fenster Schneider, bei denen auch der sichere, winklig abgesetzte Flug die Vorstellung beeinflußt.

g) Schreiber und Färber;

Farbbezeichnungen

Sie heißt Schreiber, auch Griffel, Griffelbüchse, Griffelschisser. Mit Griffel wird an die Körpergestalt erinnert. Tintenfresser und Tintenpeipel (Peipel 'Schmetterling') werden sich im Gedanken an die blaue Farbe auf die Calopterygiden, vor allem die Blauflügel-Prachtlibelle (Galopteryx virgo L.) beziehen. Schreiber und Tintenschreiber aber tauchen gleichmäßig ihren Federhalter in die Tinte, wie die Libelle ihren spitzen Hinterleib ins Wasser beim Eierlegen.

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Wir haben Färber, Färbergeselle und Hosenfärber. Blau und grün sind häufiger in den Farbkomposita enthalten. Da diese Farben aber in vielen Abstufungen und Anordnungen auftreten und oft Männchen und Weibchen verschieden gefärbt sind, hüte man sich, aus volkstümlichen Farbangaben zoologische Arten zu bestimmen. Blaujungfer, Blaue Wasserjungfer, Blaues Pferdchen, Blauschimmel stehen neben anderen .BZaw-Namen. Eine Grünjungfer gibt es nicht, wohl aber einen Grünen Jäger, Grünling, Grünen Schmetterling, Grünspan, ein Grünes• Stechtier, Grünes Tier. Manche Namen sprechen von dem Glänze: Glanzftiege, Blankjungfer, Blank Mariechen, Schiller, Schillerbock, Schillerbold, Schillerpwppe, Goldschmied, Goldspinner, Goldnes Pferdchen. Auf einen gefährlichen Glanz deuten Feuerfalke, Fixfeuer und Feurige Nadel. Dem stehen ein düsterer Pechschuster und ein dunkler Neger gegenüber. Eisvogel ist wegen der prächtigen Färbung dieses Vogels, bei der blau überwiegt, und seiner Herrschaft über die Fische gut gewählt, ebenso Pfau und Pfaufliege. Der Name Eidechse spielt mehr auf das Grün an. Modern sind Student und Wasser Student, wohl im Hinblick auf die farbentragenden Studentenverbindungen geprägt, Papagei und Schlips. h) Schnitter und Fleischer Die Gattung Heidelibellen (Sympetrum NEWM.) ist bekannt dafür, daß sie sich gern auf Getreidehocken setzt. Sie ist dann in der Nähe der Schnitter und entnimmt ihre Namen deren Welt. An besondere Korndämonen zu denken, ist nicht nötig. Wir haben Schnitter, Hausschneider, Kornbeißer, Kornick, Kornjungfer, Kornmuhme, Kornschneider. Zu Sensenknecht, Sensenschneider, Wassersense wird später das Simplex Sense gekommen sein. Strohschneider steht neben Strohstecher. Nach der Getreideart richten sich Haferbock, Haferflurr, Hafergeiß, Haferjungfer, Haferjunker, Haferpferd, Haferschneider, Haferziege, Haferunke, Roggekrabunschke, Roggenmuhme.

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Von dem Worte Schneider ist der Sprung zu ganz anderen Schneiderberufen möglich. So erhalten wir Fleischschneider und weiter Fleischer und Fleischfresser. Noch spezialisierter ist Gehackschneider. 5. Vergleich mit einem schlanken, meist spitzen Gegenstande Ahle, Nadel, Schere, Sense, Griffel sind oben schon erwähnt worden. Spieß tritt auf in Wasserspieß, Natterspieß, Otterspieß, Spießtier, Spießwurm. Gleiche Bedeutung hat Stecheisen. Pfeil, Schleuder und Bolzen drücken den schnellen Flug aus. Schillebold ist der schillernde Bolzen. Pfannenstiel ist ein Name für verschiedene Tiere, z. B. auch für die Bachstelze, den Wippstert. Der Schwerpunkt verlagerte sich im Volksempfinden auf Pfanne, und so gibt es Pfannenscheißer, Pfannengießer, Pfannenflügel, Pfannenflicker und Pfanne selbst. Stiel begegnet uns auch in Besenstiel. Sägebock denkt an die waagerechte Stange, Sonnenuhr an den Schatten erzeugenden Stab. Bei Gießkanne ist wohl die dünne Tülle das Vergleichsobjekt. Schwefelhölzlein, Streichholz, Zündhölzchen, Siegellack sind kleine Stangen mit einem dem Kopf der Libelle entsprechenden verdickten Ende, das brennen und wehtun kann. Aber bei Brotrinde, Stiefelknecht und Wurstpelle versagen die Deutungsversuche. 6. Haken-Namen Haken- oder zangenförmige Hinterleibsanhänge finden sich bei vielen Libellenmännchen. Mit Haken sind Brunnenhaken, Hakenmann, Wasserhakel, Keilhacke und Hitschehäckel zusammengesetzt, doch bleiben die letzten beiden Namen dunkel. Ein Anker ist ein doppelseitiger Haken. Ob auch Rittersporn hierher gehört oder nur als sinnlose Weiterbildung von Ritter aufzufassen ist? Vielleicht werden die Hinterleibsanhänge auch als Schwanz gedeutet, wenn man an Schwanzmücke, Schwalben-

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schwänz, Goldschwanz, Blauschwanz denkt. Doch kann dabei auch der gesamte Hinterleib als Schwanz aufgefaßt sein. Bachschwänzlein könnte sich, auf schwänzelnd anspielend, auf die Eiablage beziehen. 7. Paarungskette, Paarungsrad, Eiablage, Larve Die Paarungskette ist die Einleitung der Paarung. Die Tiere bilden etwa eine waagerechte Kette. Ein ähnliches Bild bildet oft die Eiablage. Dann ist die Kette senkrecht oder gebrochen. Stehbold, Steher und Stelzbein gehören sicher hierher, ebenso Stangenleiter, Stangenmichel, Stangenreiter und einfaches Leiter. Bei Leiter entsprechen die Treppenabsätze den farbigen, sich sehr gut abhebenden Hinterleibsgliedern. Wir stellen noch Hochheiner und Hochmann, Langbein, Ldnghaksete Mücke, Langholzfahrer, Langpfote, Langsterz, Langstuzete Mücke hierher. Die Paarungskette (oder auch der langgestreckte Leib) mag diese Namen veranlaßt haben. Auf die wirklichen Libellenbeine, die nur sehr kurz sind, geht Hochbeiner, Langbein u. dgl. sicher nicht zurück. Bei allen Namen, die an Rundungen erinnern, ist die Vorstellung vom Paarungsrad wahrscheinlich. Natürlich kann Ball eine entstellte verkürzte Form von Libelle sein, hat aber als Bezeichnung für das oft zu Boden wirbelnde Paarungsrad zusammen mit Gummiball, Schneeball und Wasserball mehr für sich. Schaukler und Affenschaukel, möge es sich um das militärische Abzeichen oder den hochgebundenen Mädchenzopf handeln, malen den Hochzeitsflug. Ringelmacher, Kugelschneider, Spulrädchen, Rollspange, vielleicht auch Radfahrer tun das gleiche. Schocker kommt von schocken 'wiegen, schaukeln'. Grüne Zeuker ist die grüne Schaukel. Triller und Wasserdrilles bedeuten eigentlich 'Kreisel'. Ob die Verbindungen Pferd und Wagen, Reiter auf dem Pferd, Herr und Dame hierher zu stellen sind, ist nicht sicher. Zusammensetzungen mit Hure können hier angeschlossen werden, aber auch einfache Schimpfwörter sein.

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Bei der Eiablage krümmt die Libelle ihren Leib und taucht beim Einstechen in die Unterlage (z. B. in Wasserpflanzen) oft unter Wasser. Die Namen Kamel, Hangarsch, Krummsterz, Arschstipper, Bachscheißer, Duckente, Wassertaucher, Wasserente, Pfützentunker gehen auf eine richtige Beobachtung zurück. Das Eierlegen selbst wird durch die Tätigkeitswörter impfen, prellen und stanzen gut charakterisiert. Impfer, Wasserimpfer, Teichimpfer und Wasserpreller (vom taktmäßigen Prellen gegen den Wasserspiegel) sind daher am Platze. Man braucht sie nicht als Wortentstellungen aus Jungfer und Propeller zu erklären. Bei Stanze, Stanz, Wasserstanz, Wasserstaunz, Bachstanz und Moosstanze könnte die Vorstellung mitwirken, daß die Eier ins Wasser oder auf Moospolster — was einige Arten tun — gestanzt werden. Aber ebenso gut möglich ist, daß diese Namen mit Stanze, Stauz 'Schnake' zusammengesetzt sind. Von stupfen 'stoßen, stechen' sind Stupferin, Wasserstupfer, Bachstupfer gebildet. Wird der hoch- und niederwippende Libellenleib beim Eierlegen mit einem Pumpenschwengel verglichen, haben wir Wasserpumpe, entstellt zu Wasserbombe und Wasserpumper. Dieses Wippen führt ferner zu Wasserhüpfer und Teichhüpfer, zu Wippapa, Wipper, Wippsterz und Wippop, zu Schierauf (schier 'bald-, schnell') und Schneiderwippop, das dann zu Schneiderwittkopp, Schneiderwickbock und Schneiderwickwack umgeformt wurde. Am modernsten dürfte der Name Jojo sein. Auf den löcherbohrenden Specht weisen Baumhäckel und Moosspechtlein. Viele Eier werden in Schilfrohr, Binsen und Weiden eingestochen, daher kommen Schilfbeißer, Schilf Schneider, Schilfschere, Binsenbeißer, Binsenstecher, Binsenschneider, Weidenschneider, Weidenstecher. Daneben steht ohne Pflanzenangabe einfaches Sumpfstecher, Seestecher, Teichstecher, Wasser Stecher, Wasserstöpsel, Wasserstößer, auch Saftbohrer und Saftstecher. Die Larve tritt für die Namengebung fast ganz zurück. Zur Vermutung L. SCHÄFERS, Bachschleicher bedeute die Larve ( S . 3 2 ) , bemerkt S C H I E M E N Z : ,,Bachschleicher geht nicht auf die Larve; die kennt fast niemand, und in Bächen lebende Libel-

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lenlarven sind auch für den Fachmann nur sehr schwer zu finden. Bachschleicher paßt gut für die lautlos am Bachufer halb zwischen den Pflanzen dahinfliegende Libelle". S C H I E M E N Z weist der Larve nur die drei Namen Sprenger, Sprengel und Nacktsprenger zu, die nicht von springen, sondern sprengen abzuleiten wären im Hinblick auf das Sprengen der Larvenhülle beim Schlüpfen. „Solches Massenschlüpfen wird von vielen Leuten am Wasser beobachtet". 8. Vergleiche mit anderen Tieren und Verwechslungen Ihr schneller, eleganter Flug macht die Libelle in allen Sprachen zum Pferde. Verschiedene Zusammensetzungen führen zu Reiter, Kutscher und Wagen. Da sie aber, zumal an schwülen Sommertagen, gern weidende, von Insektenschwärmen gequälte Tiere anfliegt, um sich ihre Beute unter den Insekten zu erjagen, wird sie zum gefürchteten, stechenden Unhold, der sich gegen das Pferd oder das Rind wendet. Der Vergleich mit dem Bullen sieht im Libellenflug das brutale, sture, unentrinnbare Dahinstürmen. Nimmt sie aber die das Rind belästigenden Fliegen aufs Korn, wird sie dem Rinde, zumal der schwächeren Kuh, gefährlich. Verbindung mit den Fischen schaffen die Namen Fischvogel, Störvogel, Lachsvogel, Hering, Heringspferd, Forellenstecher, Bressem (Blei, Brassen), Bressemlaich, Bressemspier, Bressemvogel. Der Hering darf uns dabei nicht wundern, denn obwohl sie ans Süßwasser gebunden ist, wagt sie sich manchmal viele Meilen über die Küstenwässer hinaus. Manchem Fisch ist die ruhende oder eierlegende Libelle eine willkommene Beute. Ihr Wesen ist unheimlich. Wie aus dem Nichts kommt sie angeschossen mit schlankem Leib, der in grelle Farben getaucht ist, sie sticht, sie gilt als Schlange. In deren sagenumwobene Welt paßt sie hinein. Viele Vögel und Insekten haben bei der Namenbildung Pate stehen müssen. Verwechslung mit anderen Insekten, vor allem der Heuschrecke, liegt oft vor.

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Fremdsprachige Namen Sorbische Namen Nach Mitteilung von Herrn Lehrer P F L A N Z Lübben, lassen sich im Spreewald drei Namen feststellen. Trumpenbolster, auch umgeformt zu Strumpenwälzer. Trumpen ist der Ausdruck für durchlöcherte Fischkästen, bolster könnte gleich bold sein. Der Trumpenbold könnte es auf die Fischkästen abgesehen haben, oder er sitzt auf den Fischkästen, um Anstandsjagd zu machen. Kunnike, von konik 'Pferd', also 'Pferdchen'. Kobolitza, Kommalitze, von kobyla 'Stute', also 'Stutchen, Pferdchen'. Weitere sorbische Namen Studliwka ist die, die die Kühle liebt, also eine Anspielung auf das Wasser; bohowy konik 'Gottespferdchen' und swjateje Mafcyny konik 'Pferdchen der heiligen Martina'; rubjanka 'kleine Hacke'; hrjebjowka etwa 'Kammtier'; wudra 'Fischotter'; zwödnica etwa 'Wasserfrau'. Niederländische Namen Das wesentliche Material zu diesem Abschnitt haben mir die Herren Dr. D A A N , Amsterdam und Prof. W. P E E , Bosvoorde, brieflich zur Verfügung gestellt. Ihr angeblicher Schaden. Ogensteker, oogsteker 'Augenstecher', hynstebieter 'Hengstebeißer'. Das gefährliche Beißen und Stechen legt der Aberglaube der Libellé bei. Bei Pferden, die an heißen Tagen von Fliegen umschwärmt werden, wird die die Fliegen jagende Libelle als nützliches Tier verkannt. Eigentliche Fluchnamen fehlen. Tongerskaed 'Donnerschatten', tongerbout, donderbolk 'Donnerbolzen', donnerkop 'Donnerkopf'. Dieses Donner kann der letzte Rest eines mythologischen Ausdrucks sein, so wie etwa donderbeestje für die Goccinella, die Botin zur Frau Holle oder zu Wetterheiligen.

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Tabunamen. Deezekenspeerd 'Jesuspferd', Lieve-Vrouwpeerd 'Liebfrauenpferd', ier 'Herr', garepaap (?) -paap 'Papst', riddervan Maltha, juffer, juffertje, fijn juffertje, juffrouw 'Jungfer', waterjuffer, waterjuffertje, wetterjouffrouw, wetterjuffrouwke 'Wasserjungfer', wettermadam 'Wassermadam', blauwe juffer, blaujufferke (für die blauen Arten). Berufsnamen. Glazemaker, glazenmaker 'Glasmacher', glazesnijer 'Glasschneider', glasdrager 'Glasträger', glezebieter 'Glasbeißer'. Glas wegen der durchsichtigen Flügel. Nayer, naoiers 'Näherin', kokerjuffer 'Köcherjungfer', speldenmaker 'Nadelmacher', snijer, snijder 'Schneider', kleermaker 'Kleidermacher', poppesnijer 'Puppenschneider', haarsnijder 'Haarschneider', messesnijer 'Messerschneider', messemaker 'Messermacher', scheereslieper 'Scherenschleifer' (nicht von einem schleifenden Geräusch her, denn ihr Flug ist lautlos). Schoenlapper, scboemaker 'Schuhmacher'. Spaonsen (