Wo steht die analytische Philosophie heute?

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Wo steht die analytische Philosophie heute?

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WIENER REIHE THEMEN DER PHILOSOPHIE

Herausgegeben von Herta Nagl-Docekal, Richard Heinrich, Ludwig Nagl und Helmuth Vetter

Wo steht die Analytische Philosophie heute? Herausgegeben von Ludwig Nagl und Richard Heinrich

Band 1

R. OLDENBOURG VERLAG WIEN MÖNCHEN R. OLDENBOURG VERLAG WIEN MÖNCHEN 1986

Gefördert vom Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung in Wien und vom Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen For­

schung

CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek Wo steht die Analytische Philosophie heute? Hrsg, von Ludwig Nagl u. Richard Heinrich. — Wien ; München : Oldenbourg, 1986. (Wiener Reihe; Bd. 1) ISBN 3-486-53801-2 (München) ISBN 3-7029-0222-8 (Wien) NE: Nagl, Ludwig (Hrsg.); GT

© 1986. R. Oldenbourg K. G., Wien Druck: Druckerei G. Grasl, 2540 Bad Vöslau Umschlaggestaltung: Hofmann & Kraner unter Verwendung einer

VORWORT

Unter dem Titel „Wo steht die Analytische Philosophie heute?* er­ scheint der erste Band der philosophischen Jahresschrift „Wiener Reihe. Themen der Philosophie". Die einzelnen Bände dieser neuen Reihe sollen jeweils einer aktuellen philosophischen Fragestellung gewidmet sein; es handelt sich also um eine Jahresschrift mit wech­ selndem Schwerpunkt. Die Reihe will u. a. dazu beitragen, die dog­ matischen Abgrenzungen philosophischer Schulen und Traditionen abzubauen. Eine internationale Autorenschaft und die Veröffentli­ chung fremdsprachiger Beiträge sind Elemente des Programms. Die Herausgeber der „Wiener Reihe" gehören der jüngeren Generation von Professoren und Dozenten am Institut für Philosophie der Uni­ versität Wien an und wollen Wien als einen Ort lebhafter philoso­ phischer Auseinandersetzung präsentieren. Einzelne Bände der neuen Reihe sollen aber auch thematisch auf Wien bezogen sein, indem sie der Aktualität des philosophischen Erbes dieser Stadt nachgehen. Die Frage nach dem gegenwärtigen Stand der Analytischen Philosophie hat sich so als Thema des ersten Bandes fast von selbst gestellt. Sie sollte keineswegs — in Erinne­ rung an den Wiener Kreis etwa oder an Wittgenstein — einen bloß symbolischen Wert Wiens naiv wiederbeleben; es war die Absicht, eine aktuelle Diskussion aufzunehmen, die sich innerhalb der analy­ tischen Tradition entwickelt hat: über die geschichtlichen Wand­ lungen, die systematischen Abhängigkeiten und die zukünftigen Chancen der verschiedenen Programme, die sich inzwischen unter dem Kennwort „Analytische Philosophie" zusammenfassen lassen. Die Herausgeber danken allen Autoren für ihre Kooperationsbe­ reitschaft; dem Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung und dem Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung für finanzielle Unterstützung; Frau Dr. Erika Rüdegger und Frau Dr. Eva Pripfl vom Verlag Oldenbourg für ihre Hilfe bei der Vorbereitung des Projekts; und Herbert Hrachovec für seine Mitwirkung an der Konzeption dieses ersten Bandes und seine Arbeit als Übersetzer.

Zeichnung von KAFRI ISBN 3-7029-0222-8 R. Oldenbourg Wien ISBN 3-486-53801-2 R. Oldenbourg München

Wien, im März 1986

Herta Nagl-Docekal Richard Heinrich Ludwig Nagl Helmuth Vetter

INHALT Ludwig Nagl Fragestellungen in diesem Band.....................................................

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Richard Heinrich Zu Geschichte und Gegenwart des Analytischen in der Phi­ losophie. Eine Einleitung..................................................................

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Arthur C. Danto Analytische Philosophie.....................................................................

37

Barry Stroud Analytic Philosophy and Metaphysics...........................................

58

Peter F. Strawson Direct Singular Reference: Intended Reference and Actual Refe­ rence ..................................................................................................

75

Herbert Hrachovec Gegenstand, Nutzen und Grenzen semantischer Wahrheitstheorien...............................................................................................

82

Richard Rorty Beyond Realism and Anti-Realism.................................................... 103 Stanley Cavell Danebenstehen, gleichziehen: Bedrohungen der Individualität . 116

Hubert L. Dreyfus/Stuart E. Dreyfus Coping with Change: Why People Can and Computers Can’t . 150

Kurt R. Fischer/Franz Μ. Wimmer Das Historische Bewußtsein in der Analytischen Philosophie . 171

Mitarbeiter und Herausgeber.......................................................... 190

Ludwig Nagl

FRAGESTELLUNGEN IN DIESEM BAND

Die Analytische Philosophie wurde grundgelegt in den ersten Jahrzehnten dieses Jahrhunderts durch die Werke der Cambridger Philosophen George Edward Moore und Bertrand Russell, durch Wittgensteins Tractatus und die Schriften sowie die Lehrtätigkeit des „Wiener Kreises" in Europa und in der Emigration. Sie stellt, wie Dieter Henrich jüngst bemerkte, „den ersten ernstzunehmenden Versuch dar, die Philosophie selbst dem Verfahren der Wissenschaft zu assimilieren"1. Dieser Versuch unterscheidet sich bei den meisten seiner Vertreter vom klassischen Kantischen Projekt, die Philosophie „in den sicheren Gang einer Wissenschaft zu bringen", aufgrund einer durch die moderne Logik inspirierten und empiristisch be­ stückten Radikalisierung der Metaphysikkritik. Er ist in der Gegen­ wart, so zeigt wohl am signifikantesten die Reflexion zeitgenössi­ scher Sprachphilosophen auf den von ihnen verwendeten AnalyseBegriff selbst, in zunehmendem Maß auch „schul"intern zum Pro­ blem geworden. Diese neue Situation will der vorliegende Band durch repräsentative Texte dokumentieren. Die Herausgeber haben sich vor einiger Zeit an prominente Ver­ treter der Analytischen Philosophie im angloamerikanischen Raum und an mehrere österreichische Philosophen mit der Frage gewandt, wo ihrer Einschätzung nach die — historisch u. a. von Wien ausge­ gangene — sprachanalytische Philosophie denn heute stehe? Die Antworten, die sie erhielten, wurden teils in der Form einer direkten Reflexion auf den krisenreichen Entwicklungsgang des Analyse-Be­ griffs gegeben (Arthur C. Danto, Barry Stroud, Kurt R. Fischer und Franz Wimmer, Herbert Hrachovec), teils indirekt durch Texte, die als Dokumente des „state of the art" zeitgenössischer Analytischer (respektive analytisch inspirierter) Philosophie gelten können (Peter 1 Dieter Henrich, Wohin die deutsche Philosophie?, in: Merkur, 39. Jahr­ gang 1985, S. 929.

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F. Strawson, Richard Rorty, Stanley Cavell, Hubert L. und Stuart E. Dreyfus). Dabei zeigte sich unter anderem, daß neben ungebro­ chener Sicherheit und kritischem Vorbehalt neue, „postanalytische" Interessen, die eine sympathisierende Zuwendung zum zeitgenössi­ schen, nicht-analytischen, kontinentaleuropäischen Diskurs ermögli­ chen, bei manchen der sprachanalytisch ausgebildeten amerikani­ schen Denker zunehmend ins Zentrum ihrer Arbeit rücken. Diese noch recht neue Entwicklung würde freilich mißinterpretiert, wenn aus ihr die generelle Abkehr der sprachanalytischen Philosophie von jenen vielfältigen, teils inhomogenen Arbeitstechniken abge­ leitet würde, die in den Jahrzehnten seit Moore, Russell und Witt­ genstein von den „founding fathers" und ihren Schülern entwickelt wurden: Denn auch für „postanalytische" Philosophen wie Rorty und Cavell gilt ja, was Dieter Heinrich im allgemeinen über die Vertreter dieser neuen Richtung in der angloamerikanischen Philosophie ge­ schrieben hat: „Wenn sie mit leichtem Anschlag, den man bisher nur von französischen Intellektuellen-Journalen gewöhnt war, Kant, Hegel, Heidegger und Foucault anrufen", dann steht im Hintergrund (was nur bei Strafe zu vergessen ist), „eine Meisterschaft in der ana­ lytischen Disziplin in Bereitschaft"2, vor der sich nicht nur jener Be­ reich des kontinentalen Philosophierens, der sich auf philologisch­ historische Untersuchungen beschränkt, ziemlich provinziell aus­ nimmt, sondern auch vieles von dem, was nach dem Zweiten Welt­ krieg im deutschsprachigen Raum durch Wissenschaftstheoretiker als vermeintliches Dogma einer modernen Analysetechnik reimpor­ tiert wurde. Die alten Differenzen zwischen kontinentaleuropäisch inspirierter Philosophie einerseits und einem selbstsicher-innovatorischem „Neopositivismus" andererseits, welche bis in die sechziger und siebziger Jahre hinein das philosophische Leben bestimmten, be­ ginnen zwar, soviel scheint angesichts der neuen, „postanalyti­ schen" Entwicklungen gewiß, rapid an Interesse zu verlieren; das heißt jedoch nicht, daß die Spannungen in einer konvergierenden, einheitlichen Gegenwartsphilosophie zu verschwinden beginnen: ganz im Gegenteil. Zwar treten Schlüsselfragen, wie die nach der Thematisierbarkeit des Subjekts und seiner Rolle beim Erkennen und Handeln, Fragen nach der Notwendigkeit oder Vermeidbarkeit des Intentionsbegriffs im Rahmen moderner Sprachtheorien, sowie 2 Ebd., S. 934.

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Strukturanalysen der Sprecher„community" in allen zeitgenössi­ schen philosophischen Diskursen immer mehr ins Zentrum: Bei ihrer Untersuchung werden jedoch die unterschiedlichsten Methoden an­ gewandt (analytische, „postanalytische", traditionelle, traditionskritische und dekonstruktivistische), und zwar auffälligerweise zuneh­ mend in schulüberschreitender, schulunspezifischer Form. Eine „Neue Unübersichtlichkeit"3 charakterisiert die philosophische Ge­ genwart: Sie fordert von den Philosophen der unterschiedlichsten Provenienz, gerade wenn sie ihre zentralen Gedanken verteidigen wollen, eine Offenheit, die von den „Schulen" in ihrer traditionellen Ausprägung aus Berührungsangst immer wieder zu perhorreszieren versucht wurde.

1. Rückblick auf die Entwicklungsgeschichte der sprachanalytischen Philosophie

Die komplexe, von methodologischen und institutioneilen Er­ folgen, aber auch von Erfahrungen des Scheiterns gekennzeichnete Entwicklung der Analytischen Philosophie veranlaßt einige der Au­ toren dieses Bandes, jene tiefgehenden Vorbehalte der modernen Sprachphilosophie gegenüber einer allgemeinen „Reflexion auf" ihr Tun zu durchbrechen, welche u. a. in Wittgensteins vielzitierter Wendung zum Ausdruck kommen, Philosophie sei eine „Tätigkeit" (d. h. die theoretische Selbstreflexion habe vor der konkreten Auf­ deckung metaphysikinduzierter Sprachverführungen zurückzu­ treten). Sowohl Arthur C. Danto als auch Barry Stroud und Fischer/ Wimmer versuchen in ihren Beiträgen, im Rückblick auf die Lernund Enttäuschungsgeschichte des analytischen „Projekts" Bleibendes vom Gescheiterten und Toten zu sondern. 1.1 Danto geht davon aus, daß die Analytische Philosophie als eine der vier philosophischen Hauptbewegungen des 20. Jahrhun­ derts (neben dem Pragmatismus, dem Positivismus im engeren Sinn und der Phänomenologie) in mancherlei Hinsicht als eine „Ge­ schichte fehlgeschlagener Reformen gelesen werden* kann. Das ag­ gressive, metaphysikkritische Pathos, welches die neue Philosophie 3 So der Titel einer informativen Essay-Sammlung von Jürgen Habermas, Frankfurt a. Μ. 1985.

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in ihrer Frühphase (Cambridge, Wiener Kreis) bestimmte, war ge­ leitet von abstrakt-radikalen Analyse-Begriffen, denen gegenüber sich jedoch die „alten Denkmuster", welchen der Kampf angesagt

wurde, unerwarteterweise als „bemerkenswert hartnäckig" er­ wiesen. Die frühen Versuche, Sprachtherapie am Leitfaden eines lo­ gisch-empiristischen Wissenschaftsverständnisses durchzuführen,

erbrachten, rückblickend betrachtet, ein ziemlich paradoxes Re­ sultat: „Nach einer Anstrengung von beinahe einem Jahrhundert sind die meisten Ärzte gestorben, der Patient jedoch floriert, und wir könnten in Kürze entdecken, daß wir nicht wirklich wissen, was Philosophie ist." Diese Paradoxie wird dadurch verschärft, daß trotz der Schwäche vieler ihrer „Therapien" die Analytische Philosophie institutionell weltweit erfolgreich ist, wie schon ein kurzer Blick auf die Struktur der Philosophischen Institute nicht nur im angloameri­ kanischen Raum zeigt. Was die „sprachanalytischen" Philosophen freilich genau betrachtet „tun", entzieht sich heute mehr denn je der einheitlichen Beschreibung. Dantos Beitrag führt im Detail vor, warum viele der ursprünglich verfolgten Methoden der modernen Sprachphilosophie mittler­ weilen als gescheitert gelten müssen: Zunächst und am offenkundig­ sten kollabierte der Ansatz der frühen Analytischen Philosophie, des Logischen Empirismus (Positivismus), welcher sich in den ersten Jahr­ zehnten dieses Jahrhunderts — in erfrischender Unbefangenheit — der Hoffnung hingab, alle komplexeren Begriffe und Theorien als abgeleitete Begriffe deuten zu können, die durch analytische Reduk­ tion letztlich auf empirisch ausweisbare Grundbestandteile (proto­ kollierbare „Gegebenheiten") zurückführbar seien: Das „aggressive Verifikationskriterium der Bedeutsamkeit" war von den Erfindern des Logischen Empirismus als „destruktives Instrument" konzipiert, „doch es erwies sich als zu zerstörerisch, da es viel von dem, was in­ tuitiv bewahrt werden sollte, eliminierte, besonders in der Naturwis­ senschaft". Nachdem — nicht zuletzt aufgrund wissenschaftstheoretischer Bedenken — der „philosophische Exorzismus* der Frühphase der Analytischen Philosophie in den vierziger Jahren zu verblassen be­ gann, hob Mitte des Jahrhunderts unter dem Einfluß der Spätphilo­ sophie Wittgensteins und der Sprechakttheorie Austins weltweit die Beschäftigung der sprachanalytischen Philosophen mit der „Ge­ brauchstheorie" der Sprache an. Die Schwierigkeiten dieses großen, zweiten, nachpositivistischen Analyseprojekts, die beginnen, es ob­

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solet zu machen, sieht Danto darin grundgelegt, „daß das optimale Resultat einer Analyse nach Austin eine Art sozio-verbaler Code ist, der keine Strukturen erhellt", da er das soziale Umfeld bestimmter historischer Sprachverwendungen als Faktum unreflektiert über­ nimmt. Im weiteren Verlauf der internen Entwicklungsgeschichte der zeitgenössischen sprachanalytischen Philosophie wurde der Ana­ lyse-Begriff abermals, drittens, in noch viel gravierender Weise da­ durch zum Problem, daß W. V. Quine in seinem epochemachenden Aufsatz „Two dogmas of empiricism" (1951)4 die Distinktion zwi­ schen analytischen und synthetischen Aussagen insgesamt als un­ haltbar zurückzuweisen versuchte: Wird aber diese für das mo­ derne Analyseverständnis zentrale Unterscheidung, die den Unter­ schied zwischen logisch-philosophischer Begriffserklärung und ma­ terialer Naturwissenschaft fundieren sollte, „aufgrund unüberwindli­ cher Schwierigkeiten aufgegeben", so wird es immer prekärer, „zu sehen, was der Analytischen Philosophie zu tun bleibt (außer sich selbst in Stücke zu zerreißen)". Kann sie sich etablieren als eine sprachkritische „Tätigkeit" ohne die Stütze einer besonderen Theorie? Und, gesetzt das gelingt, was heißt diese Wende in der Folge für die Überzeugungskraft jener „analytischen Ideologie", die sich „noch immer mit den alten, einschüchternden theoretischen Mitteln" als progressiv zu stilisieren versucht? Danto kommt in seinem Beitrag — trotz der ausführlichen Dar­ stellung der krisenreichen Geschichte des Analyse-Begriffs — letzt­ lich nicht zu einer pessimistischen Einschätzung der Leistungskraft des analytischen Projekts überhaupt: Zwar sei die Desillusionierung des Sinnkriteriums und der Gebrauchstheorie der Sprache sowie die Problematisierung der dichotomischen Kategorien analytisch/synthetisch ernstzunehmen. Daraus folgt zunächst jedoch nur, daß die pauschale metaphysikkritische „Ideologie" der Analytischen Philoso­ phie grundlos wird. Vieles am Analyseprojekt, so Danto, bleibt auch nach den genannten Krisenerfahrungen äußerst lebendig. Zumin­ dest für drei Forschungsbereiche gelte dies: Erstens für den Quineschen Versuch, ohne eine endgültig sicherbare Theorie den Pro­ blemen der Referenz unserer Sprache im Umfeld „unvollständiger Ontologien" nachzugehen. Zwar hätten, wie Danto anmerkt, die neueren Debatten gezeigt, daß viele der Erwägungen Quines den 4 Wiederabdruck in W. V. Quine, From a Logical Point of View, Cam­ bridge, Mass., 1953, S. 20-46.

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Charakter „außergewöhnlich dunkler Spekulationen* haben und in manchem jenem neuerwachten Skeptizismus Vorschub leisten, der sich u. a. aus den wissenschaftskritischen Überlegungen Thomas S. Kuhns und Paul Feyerabends nährt; dennoch stehe aber jene Neu­ artikulation der Frage nach der Referenz, die Quine in Word and Object5 vornimmt, gegenwärtig allerorten im Zentrum aktueller sprachphilosophischer Bemühungen. Zweitens, so Danto, ist Saul A. Kripkes Lesart des Referenzproblems, seine modallogisch grundge­ legte Theorie „möglicher Welten*, stimulierend für die zeitgenössi­ sche philosophische Semantik. Und drittens entsteht gegenwärtig im Rekurs auf die alte Russellsche Frage nach der „logischen Form" von Sätzen sowohl eine analytische Handlungstheorie (Donald Da­ vidson) als auch eine (post-tarskische) Wahrheitsfheorie, die beide im aktuellen sprachanalytischen Diskurs zunehmend an Bedeutung gewinnen. Von einer allgemein akzeptierten Lösung der in diesen drei Forschungsrichtungen aufgeworfenen Problemen freilich sind die heutigen „analytischen" Philosophen, so Danto, noch sehr weit entfernt, denn „gerade als das gelobte Land der logischen Form er­ blickt wurde, vernebelte es sich im Schleier des Sachbezugs und Phi­ losophen stoßen miteinander zusammen wie Clowns im Nebel". Diese Unsicherheit hängt, wie Danto en passant erwähnt, u. a. damit zusammen, daß „Bewußtsein, wie Sprache, gleichzeitig in und außerhalb der Welt ist; es ist Teil der Welt, aber repräsentiert die Welt, inklusive sich selbst". Genau dann, wenn auf unverkürzte Weise der Versuch unternommen werden soll, die wissenschaftliche Erfahrung sprachphilosophisch zu komplettieren, scheint somit un­ abweisbar „die Anerkennung von Strukturen verlangt, die derartig kompliziert mit ihrer Umwelt in Beziehung stehen*. Brechen hier, im Umfeld der modernen Referenzanalysen und der zeitgenössischen Rekonstruktionsversuche von Russells Theorie der „logischen Form*, neuerdings Fragen auf, die im klassischen analytischen Programm allzu vorschnell als „metaphysisch" abgewehrt wurden? 1.2 Barry Stroud, auch im deutschsprachigen Raum durch seine Hume-Studien bekannt*, geht in seinem Beitrag „Analytic Philos­ ophy and Metaphysics* einem Teilaspekt dieser Frage nach: er un­ terscheidet zwischen dem frühesten Programm philosophischer 5 Cambridge, Mass., 1960. 6 Barry Stroud, Hume, London 1977.

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Analysis, welches die Metaphysik noch nicht prinzipiell perhorreszierte (das vielmehr ganz im Gegenteil, wie Bertrand Russell sagte, letztlich zur „metaphysischen Wahrheit* führen sollte) und den spä­ teren, metaphysikkritischen Analyse-Begriffen, die erst mit Wittgen­ steins Tractatus und den Schriften des „Wiener Kreises* einflußreich wurden. Für Stroud stellt sich somit, wie schon für Danto, die Ent­ wicklungsgeschichte der Analytischen Philosophie als krisenreich und illusionshaltig dar: Weder die Suche nach leeren analytischen Wahrheiten (und den sie materialisierenden, protokollierbaren „Ge­ gebenheiten*) (Logischer Empirismus) noch die „linguistische Phäno­ menologie" Austins und seiner Schüler stellen gangbare Wege für eine sprachphilosophische Analyse dar. Wie Danto setzt auch Stroud heute die größte Hoffnung in das Quinesche Projekt einer — von Berührungsängsten gegenüber der Metaphysik befreiten — Sprachphilosophie. Er charakterisiert das Unternehmen Quines je­ doch, im Unterschied zu Danto, im wesentlichen als eine konse­ quente Fortsetzung des immer schon metaphysikzugewandten Ur­ programms der Russellschen Sprachanalyse: die zeitgenössische Analytische Philosophie, so Stroud, sei heute wiederum, ohne sich zu entschuldigen, explizit „ontologisch". Quine, für Stroud einer der führenden Philosophen unserer Periode, habe mit seinem „aprioridistanten" und wissenschaftlichen Programm eines offenen, neuen Empirismus den Russellschen Begriff von Philosophie besser inter­ pretiert, als dies irgendeine der kritischen Ideen vermochte, die da­ zwischen auftraten. Zwar sei es für Quine, in deutlichem Unter­ schied zu Russell, nicht mehr denkbar, eine endgültige Theorie dessen, was wirklich ist, zu erstellen: Aber ganz im Geiste Russells zeige er schlüssig, daß jede Philosophie, ob sie es eingesteht oder nicht, ein „ontological commitment" einzugehen genötigt ist. Strouds These heißt somit: "Russells original project, now under­ stood in something like Quine’s criterion, is still in force." Empi­ rismus und Metaphysik gehen dabei Hand in Hand, und dies „in a fully scientific spirit". Jener Aspekt unserer zuvor im Anschluß an Danto angestellten Erwägung, in welchem nahegelegt wird, daß eine philosophische Komplettierung der Wissenschaften die genaue Untersuchung der (für den Empirismus verwirrenden, ja überkomplexen) Relation zwi­ schen Bewußtsein, Sprache und Welt erfordere, wird freilich in Strouds Beitrag — zumindest explizit — nicht angesprochen. Strouds Einschätzung der Gegenwartssituation der Analytischen

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Philosophie schöpft ihren neuen Optimismus aus dem Vertrauen, daß es unter Quineschen Prämissen gelingen könnte, eine „wissen­ schaftlich gereinigte* Metaphysik auf dem Boden der zeitgenössi­ schen sprachanalytischen Philosophie zu entwickeln.

1.3 Dantos Darstellung der internen Geschichte des analytischen Projekts und Strouds kritische Untersuchung des Verhältnisses der Analytischen Philosophie zur Metaphysik werden durch den Beitrag des austroamerikanischen Philosophen Kurt R. Fischer und seines Wiener Kollegen Franz Wimmer ergänzt. Fischer/Wimmer zeigen, daß die Analytische Philosophie des 20. Jahrhunderts — nicht zu­ letzt aufgrund des Anspruches, einen totalen Neuanfang philoso­ phischen Denkens ins Werk zu setzen — Barrieren gegen einen sen­ sibleren Umgang mit der Philosophiegeschichte aufgebaut hat7. Der von simplifizierenden Problemrekonstruktionen und dürftigen Hypo­ thesen gekennzeichnete Zugang zur Philosophiegeschichte, welcher die Früh- und Mittelphase des analytischen Projekts kennzeichnete, läßt, so die Autoren, „nicht nur frühere Philosophie aus den Augen geraten, er hat überdies den Nachteil, den Zugang zur zeitgenössi­ schen, nicht-analytischen Philosophie zu verbauen". Russells Pro­ grammatik einer wissenschaftlich gereinigten Metaphysik, zu der Stroud zurückzukehren empfiehlt, gilt Fischer/Wimmer im Umkreis ihrer Fragestellung freilich gerade nicht als möglicher Anknüpfungs­ punkt für gegenwärtige Neuentwicklungen; ganz im Gegenteil ist Russell für die beiden Autoren der Hauptzeuge für den nicht ge­ glückten Umgang der Analytischen Philosophie mit der klassischen philosophischen Denktradition: „Das Modell für die unhistorische Betrachtung vergangener Philosophie hat Bertrand Russell mit seinem Buch über Leibniz gesetzt." Im Gegensatz zum problemiso­ lierenden und -rekonstruierenden Stil dieser Schrift zeichnet sich heute in der Sprachphilosophie immer mehr ein Bewußtsein von der Notwendigkeit, hermeneutisch einlässigere Untersuchungen der Philosophiegeschichte auszubilden, ab, dessen Leitgedanken Stanley Cavell folgendermaßen ausdrückt: "History will not get away, except through a perfect acknowledgement of it (in particu­ lar our acknowledgement that it is not past)." Es sind gerade die

7 Zu ähnlichen Einsichten kommt die Studie: Philosophy in History. Essays on the historiography of philosophy (Eds. Richard Rorty, J. B. Schneewind, Quentin Skinner), Cambridge University Press 1984.

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inneren Krisen der Analytischen Philsophie, die zu diesem wiederho­ lenden „Durcharbeiten" der Denkgeschichte zwingen, denn, so ar­ gumentieren Fischer/Wimmer, nur „solange die methodologischen Grundannahmen dieser philosophischen Kultur eindeutig und unwi­ derlegt erschienen, mußte auch ihre Haltung gegenüber der tradi­ tionellen Philosophie plausibel erscheinen". Nach dem Kollaps des Sinnkriteriums und der Problematisierung der Dichotomie zwischen analytischen und synthetischen Urteilen läßt freilich das durch Quine bestimmte pragmatische Klima der zeitgenössischen analy­ tisch inspirierten Sprachphilosophie erwarten (wie u. a. die Arbeiten von Rorty und Cavell zeigen), daß heute in zunehmendem Maß auch von den angloamerikanischen Sprachphilosophen „solche Au­ toren wie Hegel und Schelling, Kierkegaard und Marx" nicht mehr „aus dem Kreis der ernstzunehmenden Denker ausgeschlossen werden". Die genauere Untersuchung ihrer Werke, u. a. mit denje­ nigen logischen Techniken, die innerhalb der Analytischen Philoso­ phie ausgebildet wurden und deren Krisen überlebten, könnte sich befruchtend auch auf das zeitgenössische nicht-analytische Denken auswirken.

2. Einzelbeispiele für die unterschiedlichen sprachanalytisch inspirierten Arbeitsweisen der Gegenwart Neben Versuchen, die Entwicklung der modernen Sprachphiloso­ phie im Rückblick zu reflektieren und dabei ihre Leistungen und Grenzen einzuschätzen, enthält der vorliegende Band eine kleine Beispielsammlung von — im Argumentationsstil recht unterschiedli­ chen — sprachanalytisch inspirierten Detailstudien. Die Heraus­ geber wollen damit dokumentieren, wie pluralistisch die zeitgenössi­ sche, sich zum Teil nicht mehr im engeren Sinn analytisch sondern bereits „postanalytisch" verstehende Sprachphilosophie arbeitet. Peter F. Strawsons Studie über „Direct singular reference" ist ein, wie wir glauben, ausgezeichnetes Beispiel für den „state of the art" in klassischen sprachanalytisch-semantischen Untersuchungs­ gängen. In Ergänzung dazu wird im Beitrag des Wiener Philoso­ phen Herbert Hrachovec der Versuch unternommen, den komplexen Hintergrund jener zeitgenössischen Semantikdebatte zu skizzieren, in der Strawsons Studie anzusiedeln ist. Im Vergleich zum „mainstream" der zeitgenössischen Analyti-

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sehen Philosophie hält Richard Rortys sprachphilosophisch moti­ vierte Neueinschätzung des Denkens Heideggers8 deutlich Distanz

zu den überkommenen, inneranalytischen Grundkategorien und Oppositionsbegriffen (wie Realismus/Antirealismus). Stanley Ca­ vells Studie über Ralph W. Emerson und Edgar A. Poe ist ein raffi­ niertes Beispiel für ¡ene „Dekonstruktions"versuche des modernen „Literary Criticism*, die — bei aller Nähe zu Klassikern der mo­ dernen Sprachphilosophie wie Austin und Wittgenstein — ein inti­ meres Verhältnis zur französischen Philosophie des Neostruktura­ lismus einzugehen bemüht sind. Die beiden letztgenannten Arbeiten repräsentieren exemplarisch das, was gegenwärtig als „postanalytische" Philosophie des angloamerikanischen Raumes gelten kann. Hubert L. und Stuart E. Dreyfus' Erwägungen zur zeitgenössi­ schen „Artificial Intelligence"-Theorie begrenzen mit sprachanaly­ tisch geschulten ideologiekritischen Mitteln den szientistischen Überschwang, der im Umfeld der Computertheorie heute nicht selten zu hören ist. 2.1 Strawsons Analyse der „pragmatics-semantics" direkter singu­ lärer Referenz steht — vielfach verästelt — im Zusammenhang mit seinen früheren Arbeiten auf diesem Themengebiet9. Im vorlie­ genden Aufsatz versucht der Autor herauszufinden, was geschieht, wenn ein Sprecher denkt, er sei in der Lage, sich in direkter Refe­ renz auf ein bestimmtes Einzelding zu beziehen, das eine oder an­ dere dabei aber schiefläuft. Anhand einer Analyse von fünf „de­ viant cases" (oder „misfirings" im Sinne Austins), bei denen inten­ dierte und „wirkliche" sprachliche Bezugnahme voneinander abwei­ chen, formuliert Strawson drei mögliche Theorien direkter singu­ lärer Referenz: Zwischen ihnen, so argumentiert der Autor, sind wir nicht gezwungen, uns ein für allemal zu entscheiden: Im realen kom­

8 Seit R. Carnaps Angriff auf Heidegger: Überwindung der Metaphysik durch logische Analyse der Sprache, in: Erkenntnis, Bd. 2 (1931), galt dessen Denken den orthodoxen sprachanalytischen Philosophen als klassisches Bei­ spiel für „Obskurantismus". 9 Ab On Referring, Mind 59 (1950), hat sich Strawson immer wieder mit epochemachenden Beiträgen in die moderne Debatte um den Begriff der Referenz eingeschaltet. Eine umfängliche Darstellung der wichtigsten Aspekte dieser Diskussion und ihrer zeitgenössischen Verzweigungen findet sich u. a. in: Eigennamen. Dokumentation einer Kontroverse (Hg. Ursula Wolf), Frankfurt 1985.

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munikativen Gebrauch semantischer Begriffe genügt es vielmehr, um die verschiedenen Möglichkeiten zu wissen, und zwischen ihnen von Fall zu Fall zu wählen10.

2.2 Die Spezialstudie Strawsons wird durch den Aufsatz von Her­ bert Hrachovec, „Gegenstand, Nutzen und Grenzen semantischer Wahrheitstheorien", ortbar in ihrer Stellung innerhalb der entfal­ teten modernen Semantikdebatte: Die Bezogenheit jeglicher sprachlichen Bedeutung auf einen kommunikativen Zweck, welcher sich der bloß innersemantischen Klärung teilweise entzieht, wird, wie Hrachovec zeigt, in der zeitgenössischen analytischen Wahr­ heitstheorie aus vielen Blickwinkeln zunehmend sichtbar. Der Autor geht davon aus, daß analytische Wahrheitstheorien „keine Refle­ xion über das Wesen der Wahrheit enthalten, sondern Versuche darstellen, mit Hilfe eines abstrakten begrifflichen Musters Ord­ nung in undurchsichtige Problemzusammenhänge zu bringen*. Der „Fortschritt" dieses analytischen, modelltheoretisch strukturierten Ansatzes wird freilich um den Preis erkauft, daß „den semantischen Erörterungen die erkenntnistheoretische und metaphysische Be­ gründung fehlt": Das zeigt, wie sich Hrachovec darzulegen bemüht, sowohl die genauere Untersuchung der Tarskischen Wahrheitsdefi­ nition, wie auch die der Davidsonschen Bedeutungstheorie. Erst in den jüngsten Stellungnahmen Hilary Putnams zum Wahrheitspro­ blem’1 wird die „traditionelle Dimension" der Wahrheitsfrage wie­ derentdeckt: Durch Putnams Rekurs auf die „Interessensabhängig ­ keit" eines jeglichen Bedeutungsgebrauchs ist nämlich die Frage nach dem Verhältnis von Semantik und Wahrheit aus ihrer „natura­ listischen" (physikalistischen) Engführung der Tendenz nach wieder befreit worden; d. h. aber, die Voraussetzungshaftigkeit semanti­ scher Modelle wird neuerdings, nun innerhalb analytischer Ansätze selbst, zum Thema philosophischer Reflexion. Orthodoxe semanti-

10 Ähnlich undogmatische Konsequenzen zieht Strawson — im großen — in seinem neuen Buch: Scepticism and Naturalism: Some Varieties, London 1985, wo er sich gegen den „rage to reduce thought", der den strikten Natu­ ralismus kennzeichnet, für einen offeneren „catholic naturalism" ausspricht, der dem „deadly principle of fanaticism" eher zu entgehen in der Lage sei, als sein reduktionistischer Konkurrent (S. 94 f.). 11 Reason, Truth and History, Cambridge University Press 1981; Realism and Reason. Philosophical Papers, Volume 3, Cambridge University Press 1983.

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sche Modelle und klassisch inspirierte Philosophie treten somit ge­ genwärtig neuerlich in Konkurrenz: „Semantische Analyse der Er­ kenntnistheorie und Metaphysik sowie — von der anderen Seite her —- die philosophische Eingrenzung der Geltungsansprüche der Se­ mantik markieren diesen Umschlagspunkt. Durch Putnams Behaup­ tung, daß Erkenntnistheorie nicht naturalisiert werden könne12, ist er scharf beleuchtet worden. An dieser Stelle wird vielleicht ent­ schieden werden, wohin sich die sprachanalytische Philosophie ent­ wickelt/ Hrachovec zeigt in mehreren Analysegängen, daß die se­ mantische Wahrheitskonzeption, trotz ihres Neutralisierungsim­ pulses durch die modelltheoretische Formalisierung, an einen meta­ physischen Problemkomplex rührt, der immer aufs neue Unruhe ge­ neriert. Dies hat seinen Grund darin, daß Sprache komplizierter ist als die sie nachkonstruierenden Bedeutungstheorien, weil sie zumin­ dest zweierlei leistet: Sie ermöglicht — über Strecken — eine le­ bensweltlich-kommunikative Selbstvergessenheit; aber sie ist zu­ gleich auch dort im Spiel, wo es um jenen reflexiven Selbstbezug geht, der aufgrund kommunikativer Grenzerfahrungen notwendig wird. Die orthodoxe semantische Theoriebildung auch der jüngsten Zeit beschreibt diesen Unruheherd im konkreten Sprachgebrauch jedoch nur unzulänglich, weshalb sie, ob sie das will oder nicht, auf metaphysische Fragestellungen hin offen bleibt. Aus dieser Situa­ tion der heutigen Bedeutungstheorie leitet Hrachovec selbst „kein Plädoyer für die metaphysische Dekoration der Hintergründe von Behauptungen ab ... obwohl aus dem Gedankengang verständlich wird, daß jemand auf diesem Weg auf sehr entlegene Gedanken kommen könnte".

2.3 Entlegenen, vom „mainstream" orthodoxer sprachanalytischer Diskurse wegführenden Erwägungen wendet sich jenes sprachphilo­ sophisch geschulte Denken, das wohl am treffendsten als „postana­ lytisch" gekennzeichnet werden kann, neuerdings ganz explizit zu: Sowohl Richard Rortys Beitrag „Beyond Realism and Anti-Realism" als auch Stanley Cavells „Danebenstehen, gleichziehen: Bedro­ hungen der Individualität" exemplifizieren diese jüngste Tendenz der „analytischen" Philosophie. Beide Autoren sind davon über­ zeugt, daß die rigide Abschottung der sprachanalytischen Philoso12 Why reason can’t be naturalized, in: Realism and Reason. Philosphical Papers, Volume 3, Cambridge University Press 1983, S. 229—247.

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phie vom „kontinentalen" Denken unfruchtbar ist. Rorty drückte das vor kurzem folgendermaßen aus: "Roughly speaking, we AngloSaxon philosophers were brought up on books which took for granted that mathematics and natural science were suitable models for all rational activity. Our collegues across the Channel were brought up on books which took for granted that they were very bad models indeed."13 Aus dieser unterschiedlichen Sozialisation ergab sich für lange Zeit ein Positionskrieg, der jedoch sowohl auf­ grund der inneren Kritikgeschichte des analytischen Paradigmas als auch wegen der immer radikaler werdenden „kontinentalen" Meta­ physikkritik (Rorty denkt dabei an die Traditionslinie Nietzsche-Heidegger-Derrida-Lyotard) zunehmend an Faszination verliert. Heute, so Rorty, kann es nicht um die Weiterverwendung alter, ad nau­ seam durchgespielter Oppositionsbegriffe gehen, ein neues, offe­ neres Philosophieren sei vielmehr an der Zeit, „which will make the increasingly fuzzy distinction between ,analytic' and Continental' philosophy altogether obsolete"14. Als Vorläufer und Zeugen für die Möglichkeit eines solchen neuen, „postanalytischen" Philosophierens gelten dem Autor dabei, neben dem späten Heidegger, der amerikanische Pragmatist Dewey und der späte Wittgenstein15: sie alle wollen alte Dichotomien da­ durch überwinden, daß sie einen Standpunkt einzunehmen versu­ chen, der „above the battle" liegt. Rorty möchte diesen neuen Zu­ gang im vorliegenden Beitrag exemplarisch an der Realismus-Anti­ realismus-Debatte vorführen: viele sprachanalytische Semantikmo­ delle waren realistisch, ein bedeutender Teil kontinentaler Epistemologien antirealistisch,· aber auch die Umkehr der Positionen wurde innerhalb der jeweiligen Schulen erprobt. Der Autor selbst will ra­ dikal abrücken von solchen alten Dichotomien und fragt deshalb, wie wir es anstellen könnten, das Interesse an Fragen des Realismus oder Antirealismus überhaupt zu verlieren? So wie Heidegger und Wittgenstein (und ganz im Gegensatz zu Russell und Stroud) möchte Rorty die überkommenen metaphysischen Fragen nicht 13 Richard Rorty, Absolutely non-absolute. Review of Charles Taylor, Philosophical Papers, in: Times Literary Supplement, December 6, 1985,

S. 1379. 14 Ebd., S. 1380. 15 Richard Rorty, Philosophy and the Mirror of Nature, Princeton Univer­ sity Press 1979, speziell Kapitel 3; ders., Consequences of Pragmatism, Uni­ versity of Minnesota 1982, Kapitel 2, 3, 5 und 6.

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schärfer, wissenschaftlicher formulieren, sondern vielmehr in einem

neuen, kreativen Vokabularium gänzlich überwinden. Das Folgepro­ blem eines solchen „dekonstruktiven" Zugangs zu den überkom­ menen Oppositionsbegriffen ist freilich, wie der Autor genau weiß, daß das Neue nicht bloß mit Mitteln der argumentierenden Kritik eingeführt werden kann. Rorty will allerdings zugleich einem dro­ henden, unkontrollierbaren Irrationalismus entgehen, und zwar durch die folgende, vorsichtige Positionierung seiner „postanalyti­ schen* Philosophie: Bei der Dekonstruktion alter Oppositionsbegriffe komme es, sagt er, genaugenommen darauf an, ¡ene Frage zu beantworten, wie man genug Kontakt mit dem überkommenen Vo­ kabularium halten kann, um es zu kritisieren, und zugleich philoso­ phisch weit genug entfernt bleibt, um nicht alle Fragen beantworten zu müssen, die in den alten Begriffen formuliert sind. Rorty findet die von ihm geschätzte metophilosophische und „postanalytische" Haltung nicht nur in den dekonstruktivistischen Positionen der kontinentalen Philosophie vorbereitet (Nietzsche, Heidegger, Derrida, Lyotard), sondern er lokalisiert sie — im inneranalytischen Kontext — auch im Umfeld der Spätphilosophie Witt­ gensteins bei Donald Davidson und Arthur Fine. Die diesbezüglich interessantesten, aus der analytischen Schule kommenden Studien konzentrieren sich auf das Problem, wie eine kreative, metaphern­ haltige, neue Sprachform möglich ist, welche die alten Kontroversen hinter sich läßt. Innovative Metaphern, so Rorty mit Davidson16, sind nicht einfach rückübersetzbar in den bisher üblichen Sprachge­ brauch: Sie können zwar vielleicht längerfristig paraphrasiert werden; es würde dem Zweck der Metapher jedoch widersprechen, wenn ihr unerwarteter Gehalt sich immer sogleich unter dem Schutz einer Paraphrase präsentieren müßte. Dort, wo neuer Sinn erprobt wird, ist diese Tätigkeit begleitet von einem zeitweiligen Vergessen beziehungsweise gutwilligen Mißachten älterer Frageweisen. Kritiker des Rortyschen Versuchs werden hier freilich fragen, ob ein solches metaphilosophisches Prozedere nicht ganz offensichtlich den Charakter der Verdrängung habe und damit in der Gefahr stehe, daß der ausgeschlossene Fragemodus, wie alles Verdrängte, zumindest in Verschiebungen wiederkehren könnte? Oder läßt sich der Standpunkt eines über Dekonstruktionen vermittelten „above 16 Donald Davidson, What Metaphors Mean, in: Inquiries into Truth and Interpretation, Oxford 1984, S. 245—264.

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the battle view" als kontrollierte, innovationsfördernde Regression deuten? In jedem Fall, wird „postanalytische* philosophisch-rhetori­ sche Innovation nicht erst dann „erfolgreich*, wenn sie über die bloße Programmatik hinauskommt und zu einer komplexen Weltin­ terpretation sich entfaltet, die mit dem Facettenreichtum der — zu­ nächst als überwunden bloß behaupteten — alten Kontroversen zu­ mindest „in toto" (wenn schon nicht Punkt für Punkt) konkurrieren kann? Und überdies: Was alles impliziert ein solches „Konkur­ rieren"? Hat nicht der Erfolg (neuer und alter Weltinterpretationen) selbst einen (epistemologisch thematisierbaren) Bezugsrahmen (seinen „Nutzen"), der bisher weder in den „kontinentalen* Dekonstruktionsphilosophien und Pragmatismen, noch in den „postanalyti­ schen" Ansätzen Rortys hinlänglich zum Thema gemacht wurde?17 2.4 Um die Einziehung alter Oppositionsbegriffe, im speziellen um eine Neubestimmung des Verhältnisses von Philosophie und Lite­ ratur, geht es in dem Text von Stanley Cavell. Er stellt, so der Autor, „eine Art Zwischenbericht meiner philosophischen Reise" dar, „die ein Erbe Wittgensteins und Heideggers, und vor ihnen Emersons und Thoreaus, auffinden will"18. Die professionelle Analytische Phi­ losophie, als späte und radikale Fortsetzung der Cartesischen Zwei­ felsreflexion, wird dabei nachdrücklich dem Verdacht ausgesetzt, sich von authentischem Schreiben und Lesen entfernt zu haben. 17 Hilary Putnam und Jürgen Habermas, zwei über weite Strecken unter­ schiedlich argumentierende Kritiker metaphilosophischer Dekonstruktionsprogramme, insistieren gleichwohl beide darauf, daß der „Relativismus* von Rortys „above the battle view* von Inkonsistenzen geplagt ist (Putnam in: Reason, Truth and History, Cambridge 1981, S. 216, sowie in: Realism and Reason. Philosophical Papers, Vol. 3, S. 235—238 und 288 f.; Habermas, Die Philosophie als Platzhalter und Interpret, in: Moralbewußtsein und kommuni­ katives Handeln, Frankfurt 1983, S. 19—22; und: Der philosophische Diskurs der Moderne, Frankfurt 1985, S. 241 f.) 18 Ausführliche Studien zu Wittgenstein hat Cavell sowohl in: Must We Mean what We Say, Cambridge 1976, als auch in: The Claim of Reason. Wittgenstein, Scepticism, Morality and Tragedy, Oxford 1979, vorgelegt. Mit Emerson und Thoreau beschäftigt sich die Studie: The Senses of Walden, Expanded Edition, San Francisco 1981. Reflexionen zu Heidegger finden sich in all den genannten Werken, aber auch in Cavells Schriften zur Philosophie des Films (The World Viewed: An Ontology of Film, Enlarged Edition, Har­ vard 1979; Pursuits of Happiness. The Hollywood Comedy of Remarriage, Harvard 1981), sowie in dem Sammelband: Themes out of School. Effects and Causes, San Francisco 1984.

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Durch eine offene, die intertextuellen Bezüge reflektierende Lektüre von Emersons Aufsatz „Selbstvertrauen" (und von Poes „Kobold des Perversen*) versucht Cavell, das Auseinanderdriften von Philoso­ phie und Literatur als verhängnisvoll aufzuzeigen und die Überwin­ dung dieser Trennung vorzubereiten: neu gelesen, verzeihe „die Li­ teratur in Amerika ... der Philosophie, nicht ohne Bestrafung, den Gedanken, sie könne nur in der Verbannung der Literatur leben". Ein am kontinentalen Denken geschulter und in seine Abgründe eingeweihter „Literary Criticism* (der die vernunftkritische Argu­ mentationsgeschichte von Nietzsche über Heidegger zu Derrida und Lacan kennt und schätzt) ist für Cavell, wie schon für Rorty, le­ gitimer Erbe, Nachfolger und Überwinder eines in den beengenden sprachanalytischen Rationalitätskonzepten terminierenden neuzeit­ lichen Vernunftbegriffs. E. A. Poes literarische Umkehrung und Dekonstruktion von Descartes „Cogito" in „Der Kobold des Perversen" bringt den Hauptaspekt der verhängnisvollen Entwicklung neuzeitli­ cher Vernunft kritisch zur Darstellung. In Poes Erzählung wird — in der Konsequenz — überdies der Gedanke nahegelegt, „daß Philo­ sophie, zumindest jetzt, nur als Parodie der Philosophie existiert,... als ob der Umsturz des Reichs der Vernunft... nicht nur die Auf­ gabe, sagen wir, der Lyrik sei, sondern heutzutage ganz offen das Genie oder die Bestimmung der Philosophie selbst". Die dekonstruierende, literarisch-rhetorische „Selbstüberwin­ dung" der Philosophie geht somit Hand in Hand mit der Aufhebung jener „Ernsthaftigkeit" philosophischen Redens, die aus den ver­ meintlichen „Sicherheiten" metaphysischer und wissenschaftlicher Provenienz abzuleiten versucht wurde. Ironie und Skeptizismus treten in der Folge notwendig auf und gewinnen ästhetische Gestalt in Komödie und Melodrama: Ästhetik wird auch bei der Überwin­ dung des Skeptizismus zum letzten möglichen Ort authentischen Geschehens. Sowohl öffentlich als privat, so Cavell, ist die Gegen­ wart der Zeitpunkt, „in dem die Theatralisierung des Selbst der ein­ zige Beweis für Freiheit und Existenz wird". Auch Emerson wird von Cavell, ganz auf der Linie von Heideg­ gers „Humanismusbrief", so gelesen, daß er — gegen Descartes — verkündet, „daß der Mensch, das Menschliche, nicht oder nicht mehr existiert": „Der Mensch ist nicht mehr aufrecht." Zur Behebung dieser Situation genügt es nicht, daß der Mensch sein Selbstbe­ wußtsein, seine Selbstgewißheit, erneut und stärker entfalte. Emerson glaubt, so Cavell, daß die Theraphie dieses Verfalls an­

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deres erfordere: „Besser ist es jedoch zu sagen, er zeige, daß Selbstbewußtsein nicht das Problem ist, das es zu sein scheint... Es ist selbst eine Funktion der schlechten Haltung" neuzeitlicher Sub­ jektivität. In Angriff zu nehmen ist nunmehr der Versuch, jenes Ver­ sprechen einzulösen, „daß das Private und Soziale nur zusammen erreicht werden". Die Überwindung der „poor posture" (der „schlechten Haltung" des — selbstbewußten, respektive skeptischen — Danebenstehens) ist verknüpft mit der „Phantasie des Findens Deiner eigenen Stimme": Diese kann jedoch nur im Verhältnis zu (nicht selbst hervorgebrachten) Texten real werden, welche es anzu­ verwandeln und nicht bloß zu „zitieren" gilt. Emersons „Selbstver­ trauen* muß somit „im ganzen als eine Theorie — ich wollte sagen wir wüßten inwiefern als eine Ästhetik — des Lesens aufgefaßt werden". Die Suche nach der „eigenen Stimme" lebt in der Spannung zwi­ schen authentischer „Performation" und textbezogenem, re- bzw. dekonstruierendem „Zitat". Denn, so Cavell, es ist ja so, „daß Du mit jedem gesprochenen Wort mehr sagst, als Du weißt, daß Du sagst". Jede Rede ist einer Intertextualität verpflichtet, die mehr ist, als die Rednerintention, die also einen „eigenen Genius hat". Wie fügt sich das aber ein in die Idee der selbständigen, „eigenen Stimme", wie paßt es zusammen mit der emphatischen Betonung der Autorschaft des Schreibenden und Lesenden? Ist Autorschaft, literarische Schöp­ fung, „ein Akt der Vernichtung oder der Apotheose des Schriftstel­ lers?", fragt Cavell. Das Ringen um ästhetische, authentische Perfor­ manz („Self-Reliance") führt Cavell, wie auch Rorty, zuletzt ins krea­ tiv Offene riskanter Selbstdarstellungen. Schreibende, existenziell belangvolle Selbstartikulation ist, nach dem Abschied von der Hoff­ nung auf eine „philosophische" Artikulationsfähigkeit und Begründbarkeit praktischer und theoretischer Vernunft, allein „metaphiloso­ phisch" darstellbar, d. h., sie wird — im besten Fall — einer (künf­ tigen) Ästhetik zugänglich. Cavell deutet auf dieser Linie nochmals Emerson: „Der (erwachsene) Mensch ist gewissermaßen durch sein Bewußtsein ... ins Gefängnis geworfen. Sobald er einmal mit Nachdruck gehandelt und gesprochen hat, ist er eine festgelegte Person, mit Sympathie oder Haß von Hunderten beobachtet, deren Gefühle jetzt berücksichtigt werden müssen ... D. h., daß wir ein­ ander auf immer und unvergeßlich sichtbar geworden sind, in einem Zustand ständigen Theaters" Cavells — durch Nietzsche inspirierte und durch den Wittgen-

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steinschen „language game"-Begriff vertiefte — emphatische Auf­ wertung des „Spiels" (die die Folgelast einer weitgehenden Depotenzierung der theoretischen und praktischen Vernunft auf sich nehmen muß), die Grundannahme also, daß die Welt allein als äs­ thetisches Phänomen gerechtfertigt sei, klingt in seiner Verwendung der Theatermetaphorik immer wieder an. Die Kritiker ¡enes „postanalytischen", dekonstruktivistischen Pro­ jekts, das Cavell wie Rorty19 in einiger Nähe zu Derrida verfolgen, setzen an diesem Punkt freilich mit ihren Fragen ein; denn wenn auch zuzugeben ist, daß eine glückende, schöne oder erhabene Selbstinszenierung ¡ene „schlechte Haltung" hinter sich lassen kann, welche sowohl in der aggressiven, neuzeitlichen „Selbstbehaup­ tung" zum Ausdruck kommt, als auch in den handelnden Bestim­ mungen aus jener „Ressentimentmoral", die ihre dunklen Unter­ gründe nachhaltig verdrängt: bleibt nicht dennoch zuletzt die Frage offen, ob in der ästhetisch gedeuteten „good posture" zentrale Pro­ bleme der praktischen Vernunft in der Tat „aufgehoben" und über­ wunden werden können? Kehrt nicht genaugenommen, im Innern der „Theatralisierung des Selbst", inmitten des Spiels also (dort näm­ lich, wo die Performanz vor den kritischen Blicken, Reden und Schriften der anderen sich zu verteidigen genötigt ist), so etwas wie die Notwendigkeit des Rekurses auf eine (formal grundgelegte und historisch spezifizierbare) Normativität wieder, die nicht beliebig ästhetisch inszenierbar ist? Oder hat authentische Performanz ihr „Recht" in der bloßen Macht, d. h. aber zuletzt, in einer rechtferti­ gungslosen „Durchsetzung" ihrer Ansprüche? Wenn dem nicht so ist, genügen dann beim Versuch, eine problematisch gewordene Handlungsweise in ihrer Stimmigkeit zu verteidigen oder ihren Irrtum zu kritisieren, die ästhetischen, ihrem Allgemeinheitsstatus nach wenig tragfähigen (oder, wie Kant sagt, nicht „zumutbaren" sondern bloß „angesonnenen") Kategorien? Ist metaphilosophische Schriftstellerei im Zeichen der rhetorisch-literarischen „Einebnung des Gattungsunterschiedes zwischen Philosophie und Literatur"20 19 Die Differenzen und Identitäten zwischen Cavells und Rortys Position werden u. a. sichtbar in Rortys Aufsatz Cavell on Scepticism, in: Conse­ quences of Pragmatism, University of Minnesota 1982, S. 176—190. 20 Unter diesem Titel faßt J. Habermas diese neue Entwicklung in seiner Studie: Der philosophische Diskurs der Moderne, Frankfurt 1985, zusammen. Kritische Einwände zu Derrida und dem amerikanischen „Literary Criticism" finden sich vor allem im Kapitel VII dieses Buches, S. 191—247.

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gar davon bedroht — vor dem Hintergrund einer allzu düsteren Zeichnung der „Verfallsgeschichte" der Vernunft — jene formal­ normativen Kategorien gänzlich zu verspielen, die zur Artikulation und Auflösung praktischer und politischer Konflikte unumgänglich sein dürften? 2.5 Weder um Versuche postanalytischen Redens, noch um Se­ mantikprobleme im engeren Sinn, sondern um die wissenschaftsund technologieinduzierte Kontroverse, inwieweit Computermodelle in der Lage sind, das Bewußtsein und die Handlungsform des Men­ schen zu rekonstruieren, geht es in dem Beitrag von Hubert L. und Stuart E. Dreyfus. Debatten um Leistungen und Grenzen der „Artifi­ cial Intelligence" finden heute durch eine breite Flut von populärem Schrifttum allseits große Beachtung, was am besten wohl der Erfolg des auflagenstarken Buchs Gödel, Escher, Bach von Douglas R. Hof­ stadter21 beweist: Aber auch innerakademisch ist die Auseinander­ setzung mit der „Künstlichen Intelligenz" in den letzten Jahren kräftig angewachsen und zu einem Sammelbecken von vielfältigen sprachanalytisch-logistischen Erwägungen und psychologischen Theorien geworden.22 In den USA haben sich im wesentlichen zwei Schulen gebildet, der — scherzhaft so genannte — „East Pole" (um den MIT Wissenschaftler Jerry A. Fodor, „Papst" der „High Church Computationalism") und der in Kalifornien angesiedelte komple­ mentäre „West Pole" (Hubert L. Dreyfus, John R. Searle u. a.), dessen Repräsentanten gegenüber der Leistungsfähigkeit von Com­ putern vorbehaltlicher eingestellt sind als ihre Kollegen von der amerikanischen Ostküste. Die Philosophen von Harvard nehmen dabei, soweit sie sich für die Debatte interessieren, trotz der Nach­ barschaft zum MIT eine eher distante Haltung gegenüber der Posi­ tion der „Cognitive Psychologists" ein, wie u. a. Hilary Putnams jüngste Erwägungen über prinzipielle Grenzen der „Artificial Intelligence"-Theorie deutlich zeigen.23 21 Deutsch, Stuttgart 1985. 22 Wichtige Bücher im Umfeld dieser Debatte sind: Jerry A. Fodor, Repre­ sentations. Philosophical Essays on the Foundation of Cognitive Science, Brighton 1981; Daniel C. Dennett, Brainstorms, Montgomery 1978; Douglas C. Hofstadter und Daniel C. Dennett, The Mind’s I. Fantasies and Reflections on Self and Soul, New York 1981. 23 Hilary Putnam, Reductionism and the Nature of Psychology, in: Mind Design. Philosophy, Psychology, Artificial Intelligence (John Haugeland, Ed.),

MIT Press 1981, S. 205-219.

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In „Coping With Change. Why People Can and Computers Can’t* fassen Hubert L. und Stuart E. Dreyfus einige ihrer Vorbehalte ge­ genüber der, wie sie meinen, ziemlich ins Überschwängliche abglei­

tenden Doktrin des „East Pole* zusammen. Digitale Computer, so

die Autoren, können das menschliche Vermögen, vergangene Er­ fahrungen beurteilend in eine neue Situation einzubringen, nur äu­ ßerst inkomplett simulieren: „The outlook is grim for Artificial Intelli­

gence ... since the way human beings use past experience to cope with the future seems to require two capacities unavailable to heuristically programmed digital computers: pictoral representation and direct recognition of similarity." Das eingespeiste, regelbe­ stimmte Vermögen zur Situationsanalyse kann, so die Autoren, bei den bisherigen Computern (und ihren absehbaren Verbesserungen) die menschliche Urteilskraft nicht ersetzen: "There is a sort of every­ day creativity which seems to be beyond the grasp of cognitivism." Dreyfus und Dreyfus kommen zu diesem Ergebnis aufgrund einer ideologiekritischen Untersuchung der Anspruchssysteme der „Cog­ nitive Science", d. h., ihre sprachanalytisch inspirierte Kritik zielt ab auf eine philosophische Gegenrechnung zu wissenschaftsindu­ ziertem Überschwang. Neben modernen Versuchen auf dem Gebiet der Semantik, und neben metaphilosophischen, „postanalytischen" Experimenten wie denjenigen Rortys und Cavells, ist Ideologiekritik, wie Dreyfus und Dreifus' Beitrag sie exemplifiziert, ein weiteres Beispiel für die Viel­ falt heutiger Vorgangsweisen des sprachanalytisch inspirierten Phi­ losophierens: Die spannenden Seiten eines solchen (Aporien und Schwierigkeiten aufzeigenden) Denkens hat Hubert L. Dreyfus übri­ gens nicht nur im bezug auf die „Artificial Intelligence"-Debatte24, sondern auch auf dem entlegeneren Feld der zeitgenössischen kon­ tinentalen Philosophie25 interessant demonstriert. Angesichts der Pluralität der Ansätze, die zeitgenössische, sprachanalytisch sozialisierte Philosophen gegenwärtig verfolgen, läßt sich heute noch nicht eindeutig absehen, welche Forschungs­ richtung die Debatte in der näheren Zukunft dominieren wird: Es

24 Hubert L. Dreyfus, What Computers Can’t Do: A Critique of Artificial Reason, New York 1972. 25 Das zeigt seine zusammen mit Paul Rabinow herausgegebene Studie: Michel Foucoult. Beyond Structuralism and Hermeneutics. With an After­ word by Michel Foucault, Chicago 1982.

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bleibt somit die Aufgabe (u. a. von Folgepublikationen der „Wiener Reihe"), im nächsten Jahrzehnt — ohne vorschnelle akademische Schul-Restriktionen — zu verfolgen, wie Semantiktheorie, analytisch inspirierte Ideologiekritik und „postanalytisches* Philosophieren sich aufeinander (und auf die noch ungenügend rezipierten Bestände kontinentaler Philosophie) beziehen werden.

Geschichte und Gegenwart des Analytischen

Richard Heinrich

ZU GESCHICHTE UND GEGENWART DES ANALYTISCHEN IN DER PHILOSOPHIE Eine Einleitung

Die Analytische Philosphie des 20. Jahrhunderts bietet dem unbe­ fangenen Betrachter ein Bild großer und noch zunehmender Viel­ falt. Einzelne Denkanstöße treten zu immer neuen Theorien zu­ sammen, die einander ausschließenden Positionen werden selbstän­ diger und die gemeinsamen Voraussetzungen fraglich. Dieser Ein­ druck gilt nicht nur von den thetischen Gehalten: Er trifft wohl ebenso Methodisches, und inzwischen lassen sich auch Unter­ schiede erkennen in dem wissenschaftsgeschichtlichen Schicksal, das den auseinanderstrebenden Ansätzen widerfährt: So manche ein­ stige „Hauptströmung der analytischen Philosophie" ist ins ruhige Bett der akademischen Orthodoxie abgeflossen, während an­ derswo — und das sind geographisch vor allem die Vereinigten Staaten — dramatische Wendungen den Diskussionsverlauf prägen. Eigentümlicherweise ist es heute jedoch eher leichter geworden, die gesamte unübersichtliche Szene durch eine Art einrahmenden Begriff zu erfassen: Der Ausdruck „Analytische Philosophie" ist nun allgemein akzeptierte Kennzeichnung einer Tradition, der man trotz tiefster Heterogenität ihr einmaliges Profil nicht absprechen kann. Die offenkundige Äußerlichkeit, mit der diese Marke des „Analyti­ schen" gehandhabt wird, sollte der Frage nach ihrer sachlichen Aus­ sagekraft nicht im Wege stehen. Allerdings ist es dann auch not­ wendig, den Ort anzugeben, von dem her sich jene rahmenhafte Kennzeichnung als nützlich erweist. Und in der Tat macht es einen gewissen Sinn, aus der Perspektive der überlieferten europäischen Philosophie sich an Grundmotive des analytischen Denkens zu erin­ nern, um gegenwärtige Konstellationen aufzuschließen.

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Bekanntlich verlieh Platon dem Begriff der Analyse Bedeutung durch eine Überlegung, die sich auf die Optimierung des Erwerbs von Fertigkeiten oder Kenntnissen durch Methode richtete1. In der aristotelischen Wissenschaftslogik blieb diese Definition im Hinter­ grund. Erst zur Zeit der Renaissance zwang man folgenreich die beiden Gedanken in eins: methodische Aneignung.einer Kenntnis und ihre logisch-systematische Darstellung und Begründung2. Dieser Zusammenschluß erfolgte unter einem Impergtiv der Nützlichkeit und er enthält den Keim der neuen Auffassung von Wissenschaft als Forschung. Die Entfaltung ihres traditionskritischen Potentials ist eine wesentliche Voraussetzung bewußter Modernität. Der junge Descartes polemisiert selbstsicher gegen die am Wesen der Dinge orientierte Theorie, gegen die Philosophie, gegen die Logik3: im Namen eines universalen Problemlösungsverfahrens, der analyti­ schen Methode. Die Konzentration des „Prinzips Methode" auf den Begriff der Analyse verdankt sich der Wiederaufnahme einer alten mathematischen Überlieferung. Jene antike „Methode von Analyse und Synthese"4 bot ein formales Modell, wie man zu Einsichten über Unbekanntes gelangen kann, indem man ihm selbst als Unbe­ kanntem in dem Prozeß der Problemlösung oder Beweisführung eine produktive Rolle zuteilt. Wenn sich das Gesuchte durch ein Zei­ chen oder eine gewisse normierte Darstellungsweise vertreten läßt, kann man seine Beziehungen zu Bekanntem zum Ausgangspunkt von Folgerungen nehmen, die schließlich bei einem sicheren — wenn auch nicht vollständigen — Wissen über jenes Erfragte enden. Diese Überlegung fasziniert, weil sie das grundlegende Pa­ radox von Theorie vermeidet, daß nur über bereits Bekanntes Ein­ sicht möglich sei — wenn anders Begriffe, Anschauungen, Wahr­ nehmungen überhaupt erkennend auf eine bestimmte Sache be­ zogen werden sollen. Descartes’ analytische Methode entdeckt das Neue als Ziel und Gegenstand der Erkenntnis. Im Austausch opfert sie die Einsicht in das innere Wesen einer Sache, und so formiert sich als Leitmotiv moderner analytischer Rationalität der Wille zur Begrenzung der Erkenntnis. Analysis erfüllt sich nicht im begriffli­ chen Erfassen wesentlicher und letzter Elemente ihres Gegen-

1 Phaidros, 268a—277c. 2 N. W. Gilbert, Renaissance Concepts of Method, New York 1960. 3 Regulae ad directionem ingenii, ed. G. Crapulli, La Haye 1966. 4 J. Hintikka, U. Remes, The Method of Analysis, Dordrecht 1974.

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Richard Heinrich Geschichte und Gegenwart des Analytischen

standes, sondern sie terminiert — „nominalistisch* — an einem Sachverhalt welcher, obwohl eindeutig gekennzeichnet, prinzipiell undurchdringlich bleibt. (Diese Konstellation ist der Ausgangspunkt einer langanhaltenden Verwirrung um den Begriff „Analyse", vor allem wo er in logische Zusammenhänge eintritt, wie die Leibnizsche „analysis notionum".) Descartes hat nur mit einer Anwendung seiner Methode Ruhm geerntet — der analytischen Geometrie. Erst vor dem Hintergrund von Newtons erfahrungswissenschaftlicher Methodologie wurde „Analyse" zu jener intellektuellen Parole, die die Aufklärung noch durch das ganze 18. Jahrhundert getragen hat. Das klassische Ex­ periment ist nichts anderes, als die analytische Darstellung natürli­ cher Erscheinungen in einem allgemeinen System von Bezügen; eine Darstellung, die das Phänomen nirgends auf einen wesentlichen Grund hin übersteigt, ihm vielmehr das ganze Gewicht seiner Fakti­ zität beläßt. Ebenfalls erst durch Newton wurde die analytische Me­ thode zu einer unabweisbaren Herausforderung für die Philosophie. Die Philosophie des 18. Jahrhunderts jedoch — ausgenommen wohl David Hume — verfing sich hoffnungslos in den Problemen des neuen Wissenschaftsideals. Die Entschlossenheit zu methodischer Begründung und die Vorbildlichkeit Newtons büßten spätestens dort ihre stimulierende Wirkung ein, wo die Analyse zentraler me­ taphysischer Konzepte berührt wurde. Die Rationalisten vermochten sich solche Analyse nur nach dem Muster einer begrifflichen Zerle­ gung vorzustellen, die zuletzt auf absolut einfache Elemente führt. Sie müssen dem Erkennen in einer besonderen, intuitiven und trans­ parenten Weise gegeben sein und bilden zugleich den Anfang einer metaphysischen Kombinatorik. Die Methodendiskussion etwa in der deutschen Philosophie des 18. Jahrhunderts war zusätzlich be­ schwert dadurch, daß man sich unbewußt an verschiedenen, ausein­ anderweisenden Paradigmen des mathematischen Denkens orien­ tierte5. So erinnern die Dokumente jener Streitigkeiten nicht nur zufällig an Auseinandersetzungen in der analytischen Bewegung unserer Tage. Selbst Kant konnte, in ausgesprochen methodologi­ scher Rechenschaftslegung, nur Tendenzen seines Philosophierens einfangen. Er fühlte sich dem Entwurf Newtons verpflichtet, in der Metaphysik also der bloßen Analyse der Begriffe6 — zugleich 5 H. W. Arndt, Methode scientifica pertractatum, Berlin, New York 1971. 6 Kritik der reinen Vernunft, A 730/B 758.

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immer mißtrauisch gegenüber allen axiomatischen Ansprüchen in der Philosophie. Als sein Interesse sich jedoch zunehmend auf kog­ nitive Strukturen richtete, die noch jenseits der Gegebenheit bedeu­ tungshaltiger Begriffe liegen, bediente er sich zu deren Aufklärung anderer Konzepte, wie etwa „Deduktion". Die Vermittlung seiner Leitidee eines „Experiments der Vernunft" mit dem binnentheoreti­ schen Aufbau der „transzendentalen Analytik" ist er schuldig ge­ blieben. — In der nachkantischen Epoche geriet das analytische Denken wieder zu einer Sache der Wissenschaften oder philosophi­ scher Randströmungen. Wer ihre zunehmende Bedeutung gegen Ende des 19. Jahrhunderts hin verfolgt7, findet sich dann alsbald im unmittelbaren Vorfeld der gegenwärtigen analytischen Tradition. Es ist sehr verführerisch, aus einem solchen Rückblick allgemeine Schlüsse über das Wesen der Analytischen Philosophie zu ziehen. Denn er erlaubt, sie als eine wohl bestimmbare — freilich nicht immer gleichermaßen prominente — Möglichkeit ins Kontinuum umfassender Überlieferung einzuordnen. Zudem mangelt es nicht an sinnfälligen Kriterien, diese Denkrichtung zu kennzeichnen. Ihr wissenschaftlicher Geist läßt sich, wie bei den Großen des 17. Jahr­ hunderts, so auch in den Programmen des Wiener Kreises auf­ zeigen; und in der einfachen Vorstellung von begrifflicher Analyse, mit der etwa der junge G. E. Moore begann8, begegnen manche Motive eines „semantischen Atomismus" der nach-leibnizischen Ge­ neration. Trotzdem ist es nun Zeit für die Erinnerung, daß dieser weitergehende Deutungsschritt nur unter Voraussetzung eines par­ tikularen, an eine bevorzugte Tradition gebundenen Standpunktes getan werden könnte. Ihn zu setzen, beraubt uns der Möglichkeit, die jüngste analytische Wendung als eine epochale Tatsache zu er­ kennen, die der Philosophie selbst eine neue Bestimmung hinzufügt — eine Bestimmung, welche sehr wohl schon gelegentlich vermutet worden sein mag. über das Bestehen einer solchen Tatsache könnte man sich grundsätzlich nicht durch das Mittel des Vergleichs mit überlieferten Lehrinhalten verständigen. Es gibt heute gute Gründe, diese radikalere Sichtweise offenzuhalten. Unter ihnen stachen seit je die Innovationen hervor, die in den letzten hundert Jahren unter dem Titel der Sprachanalyse erzielt wurden. Hier hat sich Philoso7 R. Haller, Studien zur österreichischen Philosophie, Amsterdam 1979. 8 Principia Ethica, Cambridge 1903.

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phie keineswegs nur einen weiteren Gegenstand der Reflexion er­ worben oder, wie manchmal suggeriert wird, einer vordem vernach­ lässigten Begründungspflicht besonnen. Vielmehr ist in der von Gottlob Frege und Bertrand Russell ausgehenden Tradition ein Pro­ blem gelöst worden, das der Fruchtbarkeit des analytischen Den­ kens in der Philosophie die ganze Neuzeit hindurch Grenzen ge­ setzt hatte. Wenn man einmal versteht, daß die fundamentalen logischen Begriffe von Prädikat, Terminus, Urteil, Folgerung etc. der kontingente sprachliche Ausdruck mathematisch darstellbarer Funk­ tionen sind — dann stehen auch logisch-ontologische Theorien einer wissenschaftlichen Analyse offen, die nicht schon von vorn­ herein irgendwelche metaphysische Annahmen geteilt haben muß. Die Gegebenheit einer formalen, wissenschaftlichen, natürlichen oder „philosophischen" Sprache hat jetzt die Bedeutung eines Sach­ verhaltes, der mit szientifischen Mitteln — Beschreibung, Experi­ ment, Modellkonstruktion — in seiner Beziehung zu anderen Sach­ verhalten erforscht wird. Im Grund kann deshalb die sprachanalyti­ sche Philosophie des 20. Jahrhunderts zum ersten Mal philosophi­ sche Probleme mit Erfolg wissenschaftlich behandeln. In dieser Lage ist es unergiebig, die Sprachanalyse einfach als das neue Idiom zu betrachten, in dem sich nun die überlieferten theoretischen Zusammenhänge wieder abbilden9. Es handelt sich für die kontinentale Tradition — gegenüber der Analytischen Philo­ sophie — nicht nur um Obersetzungsfragen, sondern um die Teil­ nahme an einem Projekt. Problemgeschichtliche Identifikationen können dabei nur die — freilich unbestrittene — Bedeutung von Re­ flexionshilfen beanspruchen. — Auf die Frage einer relativen Auto­ nomie der Analytischen Philosophie stößt man aber nicht nur durch diese und ähnliche sachliche Erwägungen; sie legt sich auch aus an­ deren, auf den ersten Blick äußerlichen Gründen nahe. Vor allem in der unmittelbaren Vergangenheit hat sich ein starkes Bewußtsein von der Analytischen Philosophie als einer Bewegung mit eigentüm­ licher Kapazität zu progressiver Problementfaltung gebildet. Ein Anlaß hiefür war die von Quine ausgelöste Diskussion um das logi­ sche Gewicht des Analyse-Begriffes selbst; ein anderer, davon nicht ganz unabhängig, die ungeheure Entwicklung auf dem Gebiet der analytischen Semantik und Ontologie, die von modallogischen 9 Vgl. verschiedene Aufsätze in: K. O. Apel, Transformation der Philoso­ phie, II, Frankfurt a. Main 1982.

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Theorien stimuliert wurde. Gerade in der letzteren Forschungsrich­ tung wurden wichtige metaphysische Zusammenhänge einsehbar (z. B. über die Begriffe von Möglichkeit, Identität und Individua­ lität), ohne daß die neu entstandenen Lösungsansätze aus der Per­ spektive der klassischen Philosophie wirklich antizipierbar gewesen wären. Nicht zuletzt also ihre Fähigkeit zu überraschender Hori­ zontverschiebung legt es nahe, die analytische Tradition eher als einen signifikanten Bewegungszustand von Philosophie überhaupt zu betrachten, denn als eine isolierte Schule in einem Randbereich.

Eine solche Einschätzung wirft nun freilich nochmals die Frage nach dem Sinn und der Deutung des Traditionsbruches auf, von dem sie spricht. Denn es ist ein berechtigtes Anliegen in der — und an die — Philosophie, daß sie zumindest in der weiteren Entwicklung eines Denkanstoßes auch Klarheit suchen müsse über die Bedin­ gungen, unter denen er wirksam wurde, und die allgemeinsten Inter­ pretationen, die in der Erfahrung von Leben und Geschichte an ihn geknüpft werden können10. Dieser Reflexionsprozeß richtet sich not­ wendigerweise auf die Bedeutung eines absichtlichen, „lokalen" Im­ pulses im übergreifenden Rahmen einer ganzen Kultur. Man wird sich hier an die enormen intellektuellen Anstrengungen erinnern, mit denen im Wien des ersten Jahrhundertdrittels um die Maximen eines dezidiert modernen Kulturverständnisses gestritten wurde. Damals schienen die gedanklichen Entwürfe fortschrittlicher Lite­ raten, Architekten, Musiker, Künstler und Philosophen in einer Vor­ stellung zusammenzutreffen — in einer Idee von radikaler Kritik als emanzipierter Lebensform”. Am schärfsten findet sie sich vielleicht in den Aufsätzen und Pamphleten des Architekten Adolf Loos aus­ gedrückt12: Zentral ist das Verständnis von Kritik als Entmischung, als Grenzziehung zwischen heterogenen gleichberechtigten An­ sprüchen, die die überlieferte Kultur bis zur Unkenntlichkeit ver­ mengt hat. Das kunstgewerbliche Ornament ist nur Sinnbild eines banausischen Zustandes, der dem einzelnen die Erfahrung seiner verschiedenen Entfaltungsmöglichkeiten versperrt. Loos dürfte ge­ fühlt haben, daß die Wiener Bürger seiner Zeit vor allem einen pa­

10 11 geist 12

D. Henrich, Fluchtlinien, Frankfurt a. Main 1982. Vgl. die Beiträge zu dem Sammelband: Ornament und Askese im Zeit­ des Wien der Jahrhundertwende, ed. A. Pfabigan, Wien 1985. A. Loos, Sämtliche Schriften, I, Wien, München 1962.

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Richard Heinrich

nischen Schrecken vor der Banalität eines Fortschrittes zur konstruk­ tiven, szientifischen — mit einem Wort: modernen — Behandlung pragmatischer Probleme verspürten; daß sie deshalb nicht im Stande waren, sich die Freiheit des Individuums — und das heißt für ihn besonders: der Kunst — zu nehmen. Wer der Analytischen Philosophie des 20. Jahrhunderts eine Be­ sinnung auf den Zusammenhang wissenschaftlicher Theoriebildung und lebendiger kultureller Selbstdeutung zumutet — das ist im­ merhin ein Teil der Frage nach ihrem heutigen Standort — wird mit Nutzen auf jene Gedankenwelt zurückgreifen. Denn aus der Ge­ genwart trägt kein Sprung zurück zu den universellen, aus einem Prinzip abgeleiteten Weltdeutungen des Deutschen Idealismus oder der Kulturtheorien des Ί9. Jahrhunderts. Umso dringlicher die Auf­ gabe der Philosophie, für sich selbst die Grenzen zwischen wissen­ schaftlicher Abstraktion, einer natürlichen Selbstbeziehung im ge­ wöhnlichen Leben und dem Ethos des Einzelnen zu bestimmen13.

Im Wien zwischen den Weltkriegen ist Kulturkritik nicht bloß Re­ flexion geblieben. Wo nun jahrzehntelang kein philosophisches Be­ dürfnis nach Analytischem feststellbar war, bezeugt bis heute die Architektur, wie seine einst entworfene Interpretation in Gebrauch genommen werden kann: von der Kirche im Irrenhaus über eine „American Bar" bis zu den öffentlichen Bedürfnisanstalten. — Im Bewußtsein der Lebendigkeit dieser Erfahrung — nicht in einem längst verspielten historischen Besitz — sahen Verleger und Her­ ausgeber den wichtigsten Impuls, ihre WIENER REIHE mit einem Band zur Analytischen Philosophie zu beginnen.

13 Zu kulturpolitischen Ansprüchen im Wiener Kreis vgl. E. Nemeth, Otto Neurath und der Wiener Kreis, Frankfurt a. Main, New York 1981. — Zur philosophischen Bedeutung des „Gewöhnlichen* vgl. die Wittgenstein-Inter­ pretation von S. Cavell in: The Claim of Reason, Oxford, New York 1979.

Arthur C. Danto

ANALYTISCHE PHILOSOPHIE

Mr. Nogot: Was analysieren Philosophen? Tom Grabit: Philosophen analysieren. Wir schreiben Sokrates zwar eine ganze Reihe philosophischer Theorien zu, dennoch behauptete er, nichts lehren, sondern nur eine Kunstfertigkeit ausüben zu können — eine falsche Bescheidenheit, die übrigens jener seiner Feinde, der Sophisten, ähnlich ist, die Weisheit nicht zu besitzen, sondern nur zu lieben vorgaben und damit einen Namen — Philosophie — für eine Disziplin fanden, die, entgegen ihrer Etymologie, bis vor kurzem darin bestand, schwer­ gewichtige Theorien über Zeit, Raum, Geist, Erkenntnis, das Wesen der höchsten Wirklichkeit und die Beziehungen zwischen dem Wahren, Guten und Schönen vorzuschlagen und zu verteidigen. ImLicht gegenwärtiger oder zumindest jüngstvergangener Einstel­ lungen wäre Sokrates nicht so sehr bescheiden als genau gewesen: Es gibt keine philosophischen Wahrheiten, nur eine Art philosophi­ scher Tätigkeit, Philosophie bezeichnet also weniger eine Menge von Standpunkten, die man vertritt, als etwas, das man tun kann, und „Philosophie ausüben" ist tatsächlich die bevorzugte Selbstbe­ schreibung analytischer Philosophen, die nur die Frage offenläßt, worin diese Tätigkeit besteht und welche Ergebnisse, wenn über­ haupt welche, sie haben könnte. Die Befreiung vom Streit der Lehrmeinungen, die Wittgenstein im „Tractatus Logico-Philosophicus" verkündete, kam an einer Schlüs­ selstelle in der Geschichte dieser erstaunlichen Disziplin und zu einem Zeitpunkt, an dem es den Anschein hatte, als ob ihre Lehr­ meinungen, statt die bestmögliche Reaktion des menschlichen Gei­ stes auf seine tiefreichenden Grenzprobleme zu sein, möglicher­ weise leere Antworten auf Scheinfragen gewesen wären — Sym­ ptome, verkleidet als Antworten auf Begriffsverwirrungen, die als Fragen verkleidet waren. Nicht alle Beteiligten waren unbedingt der

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Ansicht, daß Philosophie eine intellektuelle Krankheit sei, aber im Vergleich mit den verantwortungsbewußtesten Theorien in den Na­ turwissenschaften hatte die nachsokratische Philosophie, wie die vorsokratische, sicherlich ausgesprochen eigenartig auszusehen be­ gonnen und während die Diagnosen darüber sich voneinander un­ terschieden, war der spontane Reflex der Philosophen des 20. Jahr­ hunderts doch, aus der Tradition herauszusuchen, was sie retten konnten, um sich für andere Arbeiten wieder bereit zu machen. Und statt sich der Welt zuzuwenden, um Theorien über ihre tiefsten Ge­ heimnisse herauszubekommen, überließen sie das den Wissenschaf­ tern und beschäftigten sich damit, die Strukturen der menschlichen Beziehungen mit der Welt deutlich zu gliedern, uneins nur darüber, als Strukturen wovon sie zu verstehen wären. Die wichtigsten Ant­ worten waren: Strukturen der Praxis (Pragmatismus), Erkenntnis­ strukturen, wie sie am besten die Naturwissenschaft zeigt (Positi­ vismus); Bewußtseinsstrukturen (Phänomenologie); und Sprachstruk­ turen (Analytische Philosophie). Jede dieser Strukturen ist natürlich eine Art und Weise der Analyse und jede wird, wiederum natürlich, vor dem Hintergrund einer Theorie ausgeübt. Aber die betref­ fenden Theorien würden zumindest nicht Theorien erster Stufe, über die Welt oder sogar über uns als Teil der Welt sein, sondern Theo­ rien über Theorien erster Stufe und darum über uns selbst als Theo­ retiker.

Theorie und Therapie

Die vier Hauptbewegungen des Jahrhunderts (Marxismus gehört zum 19. Jahrhundert und Existenzialismus ist Phänomenologie in düsterer Farbe) teilten die bezeichnenderweise zersetzende Einstel­ lung Wittgensteins gegenüber der traditionellen Philosophie und jede versuchte auf ihre Weise ein Kriterium zum Beweis ihrer Be­ deutungslosigkeit vorzuschlagen. Etwas ist bedeutungslos, wenn es keinen praktischen Unterschied macht, oder keine beobachtbaren Folgen hat, oder keiner Erfahrung entspricht; das wären, grob ge­ sprochen, die Vorschläge der ersten drei Bewegungen. Wittgen­ steins Diagnose war etwas komplizierter, vielleicht wegen des Wiener „Stadtgeistes", denn sie berührt sich in gewissen Zügen mit derjenigen Freuds. Für Freud wird eine unbewußte Struktur in be­ wußtes Verhalten umgesetzt, das insofern neurotisch ist, als es

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nichts mit den Realitäten zu tun hat, auf die es sich bezieht. The­ rapie besteht darin (und Freud glaubte voll Unschuld, daß sie nur darin bestünde) das Opfer dazu zu bringen, die Verkleidungen zu durchdringen, in denen der verborgene Impuls sich zeigt. Einige von Wittgensteins begeistertsten Schülern (J. O. Wisdom, Morris Lazerowitz) behaupteten, daß Philosophie nichts als Neurose sei und boten einige undifferenzierte Psychoanalysen (alle Psychoanalysen sind undifferenziert, aber diese waren hysterisch undifferenziert) von Philosophen. Aber Wittgenstein war meiner Meinung nach Freud nur ähnlich und behauptete, daß Philosophen nur sagten, was sie sagten, weil sie die Logik ihrer Sprache nicht verstünden. Philo­ sophie war also der Ausdruck grammatischer Täuschungen. Nach meiner Auffassung trifft dieser Befund weitgehend zu. Ich hoffe, eines Tages die Tiefengeschichte der Philosophie zu schreiben, in der ich den Großteil der Haupttheorien als unbeabsichtigte Refle­ xionen über das Verhältnis zwischen Sprache (oder Denken) und Welt zeigen werde, insofern nämlich als die eigenartige Frage, wie die Welt sein müsse, wenn wir sie repräsentieren, wie wir es tun, immer im Hintergrund lag. Auf diese Weise schlug Plato allgemeine Dinge vor, die Allgemeinbegriffe bezeichnen könnten; Hegel meinte, Ereignisse müßten so miteinander verbunden sein, wie Ge­ danken, weil sonst das Universum undenkbar wäre; Nietzsche und Bergson meinten, Sprache könne die Welt nicht darstellen, weil die Welt keine sprachliche Struktur hat, die sie wiedergeben könnte; und Wittgenstein selbst, ausgerechnet er, vertrat die Ansicht, daß die Welt eine sprachliche Struktur besitzen muß, um durch Sprache abgebildet werden zu können. (Sprache stellte die Welt dar, indem sie mit der Welt eine gemeinsame Form hatte.) In seiner Spätphilo­ sophie verwarf Wittgenstein mehr oder weniger die Idee, Sprache sei darstellend und nahm meiner Ansicht nach zu Recht an, die Welt müsse nicht vorweg sprachlich strukturiert sein, um sprachlich dar­ gestellt werden zu können. Soviel zur Therapie. Die Frage ist nun, wie der Patient zu rehabilitieren und ihm eine nützliche Lebensauf­ gabe zuzuweisen sei, und die vier philosophischen Bewegungen können als Rehabilitationsprogramme für konvaleszente Metaphy­ siker angesehen werden. Die alten Denkmuster erwiesen sich jedoch als bemerkenswert hartnäckig und die Geschichte der analytischen Philosophie kann als Geschichte fehlgeschlagener Reformen gelesen werden. Die Re­ formen gestalteten sich zu Programmen für sprachliches Verstehen,

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die nicht nur als Arbeitstherapie für Philosophen gedacht waren, sondern auch dazu, die alten Neigungen zu übertönen, indem man ihnen keinen Platz zur Entfaltung gab. Der Patient hat die Kur immer überlebt und obwohl keine von den Theorien, auf denen das Regenerationsprogramm beruhte, widerlegt wurde, entstanden un­ vorhergesehene Schwierigkeiten, angesichts derer ihre Anhänger den Wunsch verloren, sie zu überwinden. Das ist ein Teil der Ge­ schichte, der am einfachsten zu erzählende. Der andere Teil betrifft die Widerstandsfähigkeit der angeblichen Krankheit. Sicher, sie hat nicht ohne Änderung überlebt und es kann durchaus der Ausbruch einer tiefgehend veränderten Metaphysik sein. Wie auch immer, nach einer Anstrengung von beinahe einem Jahrhundert sind die meisten Ärzte gestorben, der Patient jedoch floriert, und wir könnten in Kürze entdecken, daß wir nicht wirklich wissen, was Phi­ losophie ist. Was sie ist, könnte ihr eigenes dringendstes und sogar eventuell einziges Problem sein. Trotz des Versagens ihrer Therapien ist die Analytische Philoso­ phie institutionell erfolgreich. Gegen ihren Patienten hat sie viel­ leicht verloren, aber über ihre Rivalen hat sie den Sieg davonge­ tragen; und trotz einiger Überreste von Phänomenologie ist sie, was etablierte Philosophen in den etablierten Instituten tun und ebenso ihre Studenten und die Studenten ihrer Studenten in den we­ niger etablierten Instituten. Ihr Geist, Ton und ihr technischer Ap­ parat sind nicht nur in Amerika und im Commonwealth, sondern in der gesamten westlichen Zivilisation, zu der Frankreich nicht ganz gehört, beherrschend. Ihre Grenzen fallen praktisch mit jenen des Kapitalismus zusammen, eine Tatsache, die Marxisten glauben er­ klären zu können. Aber was tun alle diese Philosophen? Was analy­ sieren analytische Philosophen und vor allem, warum möchten sie es analysieren? Es ist überraschend schwierig, eine Antwort zu be­ kommen: gegen Selbst-Kenntnis kämpfen alle, sogar die unter uns, zu deren Beruf es gehört, sie zu haben. Ein Teil der Schwierigkeiten dabei ist, daß wir uns gerne im Rahmen der diskreditierten thera­ peutischen Programme definieren. Aber, bedenkt man die lange Geschichte der Disziplin, so ist ziemlich schnell vieles geschehen und sogar die veränderte Metaphysik verdankt ihre Form teilweise den Therapien, denen sie unterzogen wurde, selbst wenn sie mittlerweile aufgegeben sind. Ich zweifle, ob wir derzeit sagen können, was wir sind, ohne als Teil unserer Identität unsere eigenen Selbsttäu­ schungen mit einzuschließen. Dieser Aufsatz ist daher als das Frag­

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ment eines Selbstporträts zu betrachten, das darin besteht, eine An­ strengung des Porträtierens des Selbst zu porträtieren, wobei das Ergebnis am Ende wie eines jener „Selbstbildnisse Ensors umgeben von Masken" wäre, eine genaue Beschreibung, wäre es nicht auch (wie es sich gehört) unmöglich zu sagen, welche die Masken sind.

Die Analyse der Begriffe

G. E. Moore, ein später Ahnherr, wenn nicht einer der Begründer der analytischen Bewegung — er sagte manchmal, daß er zwar einen bestimmten Begriff verstünde, aber nicht wüßte, worin seine Analyse bestünde —, schrieb in seinem berühmtesten Buch, den „Principia Ethica", daß „gut" eine einfache, unanalysierbare Qua­ lität bezeichnet — „wie gelb". Moore nahm an, daß die meisten ethischen Begriffe analysierbar seien, daß aber „gut" irgendwo in deren Analysen vorkommen müsse und daß es selbst nicht analy­ sierbar sei, weil — und dafür argumentierte er — es dafür zu ein­ fach sei, als eines der Dinge, in welche andere Dinge letztendlich zerlegt werden könnten. Moore unternahm es nicht, eine erbauliche moralische These aufzustellen: seine Aufgabe war vielmehr unser Verständnis des ethischen Sprechens voranzubringen und zur Meta­ ethik, wie diese Art von Tätigkeit dann genannt wurde, beizutragen. Sehr bald stellte sich die Frage, ob man moralisches Sprechen auf moralisch neutrale Art und Weise analysieren kann, ob die Aus­ sagen über dieses Sprechen einen nicht zu einer echten Moral­ theorie verpflichten, und diese Frage läßt sich verallgemeinern, ob philosophisches Sprechen auf philosophisch neutrale Weise analy­ siert werden kann, so daß es durchaus möglich ist, daß man sich, sobald man Philosophie berührt, egal aus welcher Entfernung, die Hände beschmutzt. Ungefähr so etwas stimmt sicher für Moore, wie der bloße Gebrauch des Begriffes der Einfachheit und der Analogie mit gelb jedem sofort klarmachen, der die Geschichte der Philoso­ phie nur ein wenig kennt. Sie enthält eine Art phantastische Lexiko­ graphie, ein idealtypisches Wörterbuch, dessen einer Teil die selber undefinierbaren Terme anführt, durch die die definierbaren Terme und Ausdrücke des anderen Teils zu definieren sind. Im Prinzip läßt sich der zweite Teil des Wörterbuches durch den ersten ersetzen, was einige, vielleicht bedeutende, Belastungen der kommunikativen Bequemlichkeit mit sich bringt: aber was ist schon phantastisch,

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ohne irgendeine Art radikaler Elimination mit sich zu bringen? Moore behauptet, „gut" gehöre zum grundlegenden Teil des Lexi­ kons und beendet damit ein für allemal, durch Argumente, deren Neuigkeit diejenige ihrer Ergebnisse übertrifft, die uralte philoso­ phische Bemühung, das Gute zu definieren. Solche phantastischen Wörterbücher sind in Wirklichkeit zumin­ dest seit Aristoteles in der Philosophie angelegt und im Denken der britischen Empiristen, das Moores Vergleich von gut mit gelb an­ klingen läßt, fast schon ausgebildet. Für die Empiristen enthält das elementare Lexikon Terme, die im Prinzip nur in Verbindung mit ge­ wissen Sinneseindrücken verstanden werden können, das nicht-ele­ mentare Lexikon ist dann der Definition durch ausschließlich solche Terme, z. B. „gelb" fähig. Empiristen, aber auch andere, vertraten ein Programm, das ich die Analyse der Begriffe nenne, in dem nach den Grundbegriffen gesucht wird, durch die alles andere ver­ standen werden kann. Dann geht es darum, ob ein Begriff, wie ein Marxist fragen würde, auf der Basis oder im Überbau liegt (und wie beim Marxisten ist die stille Überzeugung, der Überbau sei epiphä­ nomenal, nicht wirklich wesentlich, zuletzt zugunsten der Basis eliminierbar). Ist „Erkenntnis" analysierbar oder nicht? Die Anstren­ gung, herauszufinden, ob und wie wir erkennen, hat also einer kon­ zentrierten Anstrengung Platz gemacht, Erkenntnis zu definieren, nicht im Geist des routinemäßigen alltäglichen Wörterbuchfabri­ kanten, sondern im herausgehobenen philosophischen Sinn der Er­ kundigung, worin Erkenntnis wirklich besteht. Die Analyse der Be­ griffe umreißt die Stimmung, in der Moore dachte und schrieb und verbindet ihn, wie ich anzudeuten versuchte, mit der philosophi­ schen Tradition. Aber das Programm enthält mehr als das. In den Händen der Empiristen ergab die Analyse der Begriffe ein Programm für Erkenntnis. Wenn X in Y und Z analysierbar ist, kann man wissen, daß a X ist, wenn man weiß, daß a Y und Z ist; und man kann vermuten, daß a X ist, wenn man zumindest weiß, daß a Y ist und daß alles, was Y ist, gewöhnlich Z ist. Die begrifflichen Fundamente sind in dieser Auffassung auch die kognitiven Funda­ mente, insofern als die Basis die letzte Begründung für irgend etwas im Oberbau enthält. Aber so wie ein Ausdruck der Basis nicht defi­ nierbar werden kann, so gibt es auch nichts, wodurch er, als Be­ gründung, als anwendbar auf irgend etwas eingesehen werden kann: wenn X ein Fundamentalausdruck ist, muß man direkt oder auf irgendeine nicht wieder begründbare Weise wissen, daß etwas

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ein X ist. Wenn „gut" fundamental ist, so gibt es auf die Frage, wie man etwas als gut erkennt, nur eine Antwort: man weiß es einfach, wenn man es weiß, so wie man weiß, daß etwas gelb ist, wenn man das weiß. Daß es einfachste Bestandteile des Erkennens gibt, wenn es einfachste Begriffe gibt, ist ein garantierter Glaube von Ana­ lysen wie derjenigen Moores und die Architektur des Wissens gleicht der Architektur der Bedeutung. Und diese beiden gleichen dem, was man die Architektur der Welt nennen könnte, wenn die Welt selbst aus einfachsten Bestandteilen besteht, aus denen sich alles, was nicht selber einfach ist, zusammensetzt. Sicherlich, wir glauben, das sei gerade, was die Naturwissenschaft von der Welt glaubt, aber die Basiselemente der Philosophen unterscheiden sich grundlegend von den Teilchen der Elementarphysik: Die Welt setzt sich vielmehr aus einfachen Qualitäten zusammen, wie gelb (oder gut), oder aus einfachen (oder atomaren) Tatsachen (nach Wittgen­ stein) oder elementaren Einzeldingen irgendeiner anderen Art (nach Russell), etc. Und so entschlüsselt die voll entwickelte Analyse der Begriffe die Grundstrukturen der Welt, die selbst eine „logische Konstruktion" aus jenen elementaren Gegebenheiten sind, die man durch jene erhält: Die Basisbegriffe bezeichnen das grundlegende Inventar der Welt, wie wir es notwendig denken müssen, da wir es sind und vorausgesetzt, daß es unsere Basisbegriffe sind. Analytische Lexikographie unterscheidet sich von der gewöhnli­ chen, die wir alle in der Beherrschung unserer Muttersprache und im Übergang zu zweiten Sprachen verwenden, dadurch, daß diese kein besonders ausgezeichnetes Vokabular verlangt: Wir beherr­ schen einige Worte, dann verwenden wir diese um einige zusätzlich zu beherrschen, und unsere Wörterbücher sind bedenkenlos zir­ kulär, ein Abbild der logisch bedenkenlosen Manier, in der wir unser Wortverstehen aufbauen. Eintragungen im Wörterbuch geben nur ungefähre Synonyme, und wenn wir das Definiens nicht verstehen, schlagen wir es im selben Wörterbuch nach, solange bis wir verstehen. Aber ein analytisches Lexikon würde nicht nur Syn­ onyme angeben, sondern wirkliche Analysen der Definiendo. Au­ ßerdem gäbe es in dem phantastischen Wörterbuch Begriffe, die man nicht, in der Hoffnung, eine Definition zu erhalten, nach­ schlagen könnte, denn dies wären die Wurzeln, das Basisvokabular, dessen Verständnis auf andere Weise als auf dem Weg der Defini­ tionen zu erlangen ist. Im analytischen Wörterbuch ist die Menge der definierenden Begriffe dasjenige, worin das durch den zu defi-

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nierenden Begriff bezeichnete Ding tatsächlich besteht. Darum findet man bei der Konstruktion des analytischen Lexikons die Grundlagen unseres Universum und die analytische Definition spielt in der Philosophie dieselbe Rolle, wie der Atomspalter in der Physik. Die Analyse der Begriffe muß also als eine Art Fundamentalismus bezeichnet werden, ein Name für ¡ede Theorie, die annimmt, ihr Sachbereich sei zwischen Basis und Überbau gespalten, mit tief­ liegenden und endgültigen Asymmetrien zwischen beiden. Der Pa­ radefall einer fundamentalistischen Theorie ist Euklids Geometrie, deren Theoreme beweisbar sind, nicht aber deren Axiome, deren Wahrheit auf andere Weise erfaßt werden muß. Es ist wenig be­ kannt, daß es in Euklids System ein Äquivalent zu einem Vokabular gibt: Grundausdrücke werden angegeben und das Übrige mit ihrer Hilfe definiert, wobei die Definitionen die Kraft sind, welche den verbalen Überbau an die verbale Basis bindet, so wie der Beweis den propositionalen überbau an die propositionale Basis bindet. Euklids System impliziert daher, wie jedes System desselben for­ malen Ausbaus, ein analytisches Lexikon. Mutig an der philosophi­ schen Tradition ist die Idee, es gäbe ein analytisches Lexikon für menschliches Verstehen ganz allgemein, und daß es die Aufgabe der Philosophie sei, die Grundlagen herauszufinden, das Ganze, auf seinem absolutem Fundament wiedererrichtet, nochmals zusam­ menzusetzen. Man kann der Meinung sein — es ist sogar schwierig, nicht der Meinung zu sein — daß es solche lexikalischen oder begrifflichen Grundlagen nicht gibt und daß menschliches Verstehen auf ziemlich dieselbe, bedenkenlos fragmentarische Weise aufgebaut ist, wie unsere gewöhnlichen Vokabulare, eine Weise, die unsere gewöhnli­ chen Wörterbücher wiedergeben. Keine bevorzugte Stelle um zu beginnen, keine bevorzugte Stelle um aufzuhören. Außerdem hat man nicht mehr den Eindruck, daß die ganze Idee einer analyti­ schen Definition — einer „Realdefinition", wie sie in alten Logik­ texten heißen würde — noch einsichtig ist. Daß es diese analyti­ schen Verbindungen gäbe, nannte Quine in einem berühmten Auf­ satz ein Dogma des Empirismus, dort kritisiert er die Unterschei­ dung zwischen analytischen Behauptungen — die man durch bloße Kenntnis der Bedeutung der Begriffe versteht — und synthetischen

Behauptungen: eine Unterscheidung, die, solange sie haltbar schien, die Arbeitsteilung zwischen Philosophie und Naturwissen­ schaft praktisch garantierte. Wenn sie angesichts unüberwindbarer

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Schwierigkeiten aufgegeben wird, wird es nicht nur schwierig, für Philosophie noch ein Betätigungsfeld zu finden — alles ist mehr oder weniger Synthese und darum mehr oder weniger eine Angele­ genheit der Naturwissenschaft — speziell wird es besonders schwierig, zu sehen, was der analytischen Philosophie noch zu tun bleibt, außer sich selbst durch die Demonstration der Aussichtslosig­ keit der Analytik der Begriffe, also ihrer selbst, insofern sie Begriffs­ analyse betreibt, in Stücke zu reißen. Natürlich braucht man immer wieder Begriffserklärungen. Aber wenn das Programm der Analyse von Begriffen einmal aufgegeben wird, müssen das recht unproblematische Versuche sein, welche Synonyme ohne die weiterführende interessante Möglichkeit an­ geben, das Synonym sei, worin der zu klärende Begriff besteht. Wenn das aus der analytischen Philosophie geworden ist, wird sie wirklich nur eine Tätigkeit, eine Tätigkeit unzusammenhängender Aufklärungsversuche und wiederum eine Tätigkeit ohne die Stütze einer besonderen Theorie. Aufklärung besteht darin, daß wir uns in­ formiert fühlen, daß wir glauben zu verstehen, wie wenn Julia uns erklärt, was „beurre blanc" bedeutet. Was den Unterricht von Kin­ dern und Fremden und Amateuren im Gebrauch der Worte betrifft, besteht kein Unterschied zwischen Philosophen und dem Rest der Menschheit. Und doch . . . Und doch betreiben die Philosophen faktisch, was sie theoretisch scheinbar aufgegeben haben. Sie diskutieren noch immer, ob gut definierbar ist, obwohl die Diskussion, wenn die Analyse der Be­ griffe wirklich aufgegeben wird, durch Nachschlagen in einem Wör­ terbuch zu entscheiden ist. Sie beschäftigen sich noch immer mit der Definition von Erkenntnis, obwohl sie sich darüber im Klaren sind, daß Erkenntnis begründeter, wahrer Glaube ist, wozu noch eine bisher nicht gefundene Bedingung kommt, die uns schließlich an­ geben wird, worin Erkenntnis besteht. Und sie benützen noch immer die Redeweise vom Grundlegenden, Fundamentalen, Einfachen. Ein Autor vertritt die Meinung, der Personbegriff sei grundlegend. Ein anderer, daß der Handlungsbegriff unanalysierbar sei. Die An­ hänger Professor Chisholms beginnen mit der Definition bestimmter Ausdrücke und verfolgen dann die Schlußfolgerungen. Das wären Behauptungen der philosophischen Analyse, wenn diese das Pro­ gramm der Analytik der Begriffe noch für vertretbar hielte. Was kann es nach dessen Zusammenbruch noch heißen, bestimmte Be­ griffe als fundamental oder grundlegend zu bezeichnen und was

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anderes ist die Redeweise von Definitionen als ein gewisser rhetori­ scher Stil? Oder gehört „analytisch" vielleicht zu den Grundbe­ griffen, so daß das ganze Programm der Analyse von Begriffen seine eigene Grundlage voraussetzt. Oder ist in Wirklichkeit die Untersuchung der angenommenen Verstehensraster selbst das phi­ losophisch Interessante und nicht die Arbeit in ihnen und unsere be­ sten Philosophen wären die, welche die Analyse gegen sich selbst kehren um zu sehen, was dabei übrigbleibt? Und welche Möglich­ keiten stehen noch offen, wenn der Begriff der Analyse nicht grund­ legend ist und eine ganz neue Art von Struktur entwickelt werden muß. Wiederum ist es Prof. Quine, der sich diesen schwindelerre­ genden Fragen gestellt hat und obwohl der Großteil von dem, was er seit seiner Kritik des Analytizitätsprinzips geschrieben hat, äu­ ßerst dunkel ist, geht die Dunkelheit selbst möglicherweise darauf zurück, daß Klarheit praktisch durch die Rahmenannahmen, die er zu destruieren unternimmt, definiert wurde.

Ontologische Enthaltsamkeit

Eine unmittelbare These der frühen analytischen Philosophie, die selbst an einer Art mathematischem Ideal ausgerichtet war, bestand darin, daß wir einen abgeleiteten Begriff (oder Term) verstehen, wenn wir in der Lage sind, ihn durch Definition zugunsten seiner grundlegenden Bestandteile zu ersetzen. Durch solche Ersetzungen wird unser Begriffssystem keineswegs ärmer, doch das gilt kaum für die Grundbegriffe (oder Terme), denn da diese nicht wechselseitig definierbar sind, stellt die Ersetzung eines jeden eine Verarmung unserer begrifflichen oder verbalen Mittel dar, realistisch gespro­ chen eine Verarmung unserer Welt. Analyse ist mehr oder weniger gleichbedeutend mit Eliminierung und die Programme der Philoso­ phen, die sie durchführten, wären Versuche, auf der schmälsten damit verträglichen Grundlage ein nach unserer Einschätzung aus­ reichend reichhaltiges System aufzubauen, wobei wir als Grundlage nur das aufnehmen würden, was nachweisbar fundamental und zur Konstruktion jener abgeleiteten Begriffe, die wir aus welchen Gründen immer für notwenig erachten, wesentlich ist. Spartanisch in Grundlagenfragen, überwachten Philosophen die Fundamente also in der von Nelson Goodman geistreich ausgedrückten Atti­ tude, daß die Träume unserer Philosophien nichts betreffen dürften,

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was nicht auf der Welt oder im Himmel bereits existiert. Die Aus­ sicht dabei war, daß die Philosophen früher Entitäten von ziemlich überflüssiger Größenordnung herbeigeträumt hatten, die zu außer­ gewöhnlich für die Grundlegung, aber dennoch durch die von den Analytikern zugelassenen Basisbegriffe nicht gänzlich erfaßbar waren. Die Vorgangsweise der logischen Konstruktion und Reduk­ tion ging also Hand in Hand mit einem Reinigungsenthusiasmus, der die durch ausgedehnte metaphysische Imagination — durch Jahr­ hunderte selbstzufriedener Spekulation — geschaffenen Entitäten und Begriffe in das Reich des Unsinns verwies. Die gröbste Version dieses Programms war vermutlich jene des logischen Positivismus, der alles durch die Beobachtungssprache Undefinierbare als Unsinn bezeichnete und dessen Satzgebilde dementsprechend unverifizierbar und mit Sätzen, die durch bloße Sinneserfahrung verifizierbar waren, nicht logisch korrelierbar waren. Das aggressive Verifikationskriterium der Bedeutsamkeit war als destruktives Instrument gedacht, doch es erwies sich als zu zerstörerisch, da es viel von dem, was intuitiv bewahrt werden sollte, eliminierte, besonders in der Naturwissenschaft und viel Energie wurde dazu verwendet, es so zu adaptieren, daß die er­ wünschten, aber schwer erfaßbaren Dinge bewahrt, die des Unsinns verdächtigen jedoch beseitigt wurden. Diese Versuche waren nicht erfolgreich, und obwohl sicherlich der Großteil von dem, was diese Denker als Unsinn betrachteten, Unsinn war, mußte die Berechti­ gung zu diesem Urteil erst verdient werden, sonst würden Philoso­ phen sich bloß mit Beschimpfungen abgeben. Und da das System der Analyse hintenherum aufgegeben wurde, mußte der Begriff des Unsinns selbst, wie er in bezug auf etwas, das im System keinen Platz fand, bestimmt worden war, verlassen werden. Ohne ein Sy­ stem zu seiner Definition wurde der Begriff des Unsinns ... Unsinn. Ein später Versuch, den alten Ikonoklasmus aufrechtzuerhalten, ergab sich in Wittgensteins zweiter philosophischer Entwicklungs­ stufe, in der er Sprache nicht so sehr als idealisierte Darstellung einer idealisierten Welt betrachtete, sondern als eine Anzahl von Werkzeugen, die eine Lebensform ausgrenzen. Ein Satz hat danach Bedeutung im Hinblick auf seinen Gebrauch in einer solchen Le­ bensform und ein Satz ohne Bedeutung wäre bezüglich dieser Le­ bensform Unsinn, Philosophie „beginnt, wenn die Sprache Urlaub macht*: Sie ist nutzloses Geschwätz, daher bedeutungslos. Doch als diese strenge Arbeitsmoral verkündet wurde, hatte der philosophi-

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sehe Exorzismus bereits zu verblassen begonnen, vielleicht weil Phi­ losophen den Verdacht geschöpft hatten, daß die Definition einer Lebensform kaum einfacher sein würde, als die Vollendung eines „logischen Aufbaus" auf einer zureichenden Erfahrungsgrundlage. Offenbar verlangte Unsinn nach einem einigermaßen klaren Begriff von Sinn, wenn er ein akzeptables Beiwort sein sollte, und daß Sinn mit Hilfe von Gebrauch definierbar war, war alles andere als of­ fenbar, besonders da es nicht plausibel schien, daß wir Sprachver­ ständnis einfach durch das Verständnis des Gebrauchs eines ge­ wissen Terms oder Ausdrucks erfassen würden. Und da die Lin­ guistik unter Chomskys Impuls Theorien des Sprachverständnisses — der Entwicklung sprachlicher Kompetenz — zu entwickeln be­ gann, die sehr unterschiedlich und viel formaler aussahen, war nicht mehr klar, ob philosophische Versuche fachlich noch vertretbar waren, so daß man entweder gut daran täte, sich linguistische Tech­ niken anzueignen oder aufzugeben. Doch bis die Philosophen all das durchschaut hatten, dauerte es eine Zeit und ungefähr in den fünfziger Jahren beschäftigte sich die analytische Philosophie ein­ gehend mit Fragen des Gebrauchs, angeführt von J. L. Austin, dem Philosophen und Zuchtmeister aus Oxford, dessen Auffassungen besonders vielversprechend schienen. Austin sagte, Sprache, wie wir sie vorfinden, sei nur teilweise durch die Züge verständlich, die wir zur Weltdarstellung oder -beschreibung brauchen, obwohl gerade diese Eigenart das philosophi­ sche Interesse an der Sprache von Anfang an beherrscht hat. Sprache wird auch dazu verwendet, vieles zu tun (Austin verfaßte eine berühmte Vorlesungsfolge „How to do Things with Words"). Schwerwiegende philosophische Irrtümer entstehen, wenn wir eine Äußerung, die eigentlich performativ zu verstehen wäre, als de­ skriptiv behandeln. „Ich weiß", argumentierte Austin, ist z. B. nicht deskriptiv: es stellt keinen besonderen Gegenstand dar. Vielmehr wird es dazu verwendet, die Verpflichtung des Sprechers auf etwas auszudrücken, so wie (um seine eigene berühmte Analogie zu ver­ wenden) „Ich verspreche es" nicht ein Privatereignis im Herzen des Sprechers bezeichnet, sondern einfach die verbale Form des Able­ gens von Versprechen ist. Die endlos frustrierende Aufgabe, Wissen zu definieren, entsteht also aus einem Mißverständnis gerade des Ausdrucks, mit dem angeblich Wissen (irrtümlicherweise) bean­ sprucht wird: Und wenn Philosophen den verschiedenen Arten des Sprachgebrauchs Beachtung schenkten, würden viele, wenn nicht

alle, ihrer althergebrachten Fixierungen verschwinden. — Austin blieb von den therapeutischen Idealen der frühen analytischen Phi­ losophie angesteckt. Dieser philosophische Stil, die dialektische Folge des Positivismus, kann als überholt bezeichnet werden, nicht ausschließlich aus Gründen modischer Abwechslung, sondern als Folge der Erkenntnis, daß die Struktur von Sprache, wenn Grammatik sie aufschlüsseln soll, so nicht faßbar ist und daß das optimale Resultat einer Analyse nach Austin eine Art sozio-verbaler Kode ist, der keine Strukturen erhellt. Aber da Grammatik wiederum im Mittelpunkt stand, be­ haupteten sich auch die alten Formalismen neuerlich und Philoso­ phen versuchten, die Semantik der Sprache auf eine während der Betonung des bloßen Vokabulars (positivistisches Beobachtungs­ denken) oder des bloßen Gebrauchs (in Austins Herrschaft) unmög­ liche Weise zu erklären. Man fragte, wie der Weltbezug der Sprache zu verstehen sei, vorausgesetzt, daß in ihm auftretende Sätze mit Wahrheitswerten versehen sind und deshalb deskriptive Bedeutung besitzen. Der Anteil semantischer Theorien in der jüngstvergangenen und gegenwärtigen Philosophie kann hier nicht skizziert werden, aber man muß zugeben, daß seine besten Beispiele einige außergewöhn­ lich spekulative Unternehmungen sehr verantwortungsbewußter Philosophen sind. Und die Philosophen sahen sich veranlaßt, nach verifikationistischen Kriterien wirklich fremdartige Entitäten zuzu­ lassen, so daß eigenartigerweise dieser technisch ausgebildetste Zweig der Analyse in der Erzeugung von Ontologien am ver­ schwenderischsten war. Damit begann das Sparsamkeitsprinzip zu verblassen, um von einer eigenartigen Toleranz ersetzt zu werden, die den Philosophen anscheinend erlaubt, sich zu nehmen, was sie zu benötigen glauben und die Säuberungsversprechen der Analyti­ schen Philosophie nicht mehr wichtig scheinen läßt. Frege postu­ lierte zwei Entitäten, das Wahre und das Falsche, als Denotationen von Sätzen und zusätzlich von ihm so genannte Begriffe, die weder physikalisch noch psychologisch waren, sondern mit den alten Ideen oder Formen Platons metaphysisch verwandt, sie sollten als Bedeu­ tungen der Ausdrücke dienen. Kripke schuf ein System möglicher Welten als eine Semantik modalisierter Sprachen und Anhänger Kripkes nehmen die Möglichkeiten, daß es wirklich mögliche Welten gibt, durchaus ernst. Frühe Semantiker führten sogenannte „Gegen­ stände" ein — Objekte, die so eigenartige Ausdrücke wie „der gol-

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dene Berg" bedeuten konnten (sie müssen etwas bedeuten, denn sie sind nicht bedeutungslos, es schien also, daß es etwas geben müsse, was sie bedeuten). Russell betrachtete es als einen Erfolg seiner Theorie der Beschreibungen, daß er „Der goldene Berg ist steil' analysieren konnte, ohne einen goldenen Berg einführen zu müssen; ernsthafte Semantiker haben jedoch die Gegenstandstheorie wiederbelebt und gezeigt, wie eine ansprechende Semantik auf ihrer Grundlage errichtet werden kann — und niemand findet das bemerkenswert. Früher einmal galt die Art und Weise, wie der Epsilon-delta-Begriff des Grenzwertes die Annahme von Infinitesi­ malzahlen aus der Mathematik beseitigte, als gutes Beispiel für die analytische Beseitigung zweifelhafter Entitäten. Aber in letzter Zeit tauchen Infinitesimalzahlen in logischen Arbeiten wieder auf. Auch das findet niemand bemerkenswert. Das Zeitalter der Einschrän­ kungen ist vorbei. Es ist vorbei und mit ihm ist ein Hauptmotiv, analytische Philoso­ phie zu betreiben, verschwunden. Sie hatte ihre Hoffnung in eine Art Gespensteraustreibung in den Welten vergangener Philosophen gesetzt. In diesem Sinn wäre z. B. Behaviorismus philosophisch in­ teressant gewesen, denn wenn wir einen beliebigen Ausdruck für Bewußtseinsleistungen behavioristisch definieren könnten, müßten keine Bewußtseinsgegebenheiten angenommen werden und das Körper-Bewußtseinsproblem wäre durch einen Übersetzungstrick elegant beseitigt. Diese Hoffnung ist verschwunden (und nicht nur weil der Trick nicht funktionierte). Der therapeutische Ansatz ist auf­ gegeben worden. Aber ein großer Anteil der analytischen Ideologie ist noch immer mit den alten, einschüchternden rhetorischen Mitteln formuliert.

Logische Form Der Vorschlag, die Bedeutung sei der Gebrauch, bestimmte maß­ geblich die Richtung philosophischer Analyse in den fünfziger und sechziger Jahren, besonders in Oxford, dem damaligen Mekka, wo Austin als oberster Mullah residierte und das „Oxford English Dic­ tionary" als eine Art Koran verwendet wurde. Die Einstellung glich jener, die angeblich das Niederbrennen der Bibliothek von Alex­ andrien legitimiert hat: entweder enthielten die Bücher dasselbe wie der Koran, dann waren sie überflüssig, oder sie waren mit ihm un­

verträglich und daher falsch, entweder also nutzlos oder irrefüh­ rend. Das „Oxford English Dictionary" war der Kanon, philosophi­ sche Probleme mußten durch Überprüfung des faktischen Ge­ brauchs der Worte, in denen das Problem formuliert war, gelöst werden. Was davon abwich war bloß Geräusch. Wenn es also z. B. tatsächlich eine Verwendung für den Ausdruck „Er tat es freiwillig* gibt, ist die Behauptung, es gäbe einen freien Willen, trivial und ihre Leugnung widersprüchlich. Das hätte man als Argument durch Aufweis von Beispielen bezeichnet. Austins Tod ließ die Ärmlichkeit der Philosophie der Alltagssprache sichtbar werden, selbst wenn sie in verschiedenen amerikanischen Enklaven noch reduzierte Wir­ kung hatte, wo so typisch britische Wendungen wie „It would be odd to say . .im Akzent von Dallas oder Brooklyn von jenen into­ niert wurden, die nach der Oxfordmethode erzogen worden waren und nun in jenen Instituten, die sie als Philosphieiehrer angestellt hatten, versteinerten. Austin war ein glänzender, aggressiver, ein­ schüchternder Oxford-„don", dessen Persönlichkeit die Program­ matik aufrechterhielt; und obwohl Philosophie genauso anfällig auf glänzende Erscheinung ist, wie andere kulturelle Tätigkeiten, wurde die Philosophie der Oxfordschule weniger deswegen aufgegeben, als wegen der Enthüllung ihrer Unzulänglichkeiten als ernsthafte Sprachtheorie, selbst in den Händen so meisterlicher Figuren wie Paul Grice und John Searle. In historischer Sicht scheint die Bedeutung-ist-Gebrauch-Periode eine Abweichung gewesen zu sein, wenn auch zweifellos mit gewissen zufälligen Ergebnissen und außerphi­ losophischen Anwendungen, wie etwa die Sprechakttheorie, die von der „Literaturwissenschaft" übernommen wurde, oder auch von Hi­ storikern wie Quentin Skinner, die die Geschichte (ausgerechnet) der politischen Ideen mit großem Vorteil als eine Art Gespräch be­ trachten. Eine Abweichung war es insofern, als die vorangegan­ genen Autoren, Russell (dieser bedeutende Mann!), Frege und der frühe Wittgenstein, sich mit der Sprache als einem repräsentie­ renden System und nicht als einer Handlungsform beschäftigten. Austin beschimpfte oder verspottete diese Beschäftigung als den deskriptiven Fehlschluß, nämlich daß Sprache vorwiegend beschrei­ bend sei. Das mag ein Fehlschluß sein, vielleicht enthält Sprache mehr als das, aber es ist keineswegs klar, daß dieses Plus philoso­ phisch sehr wichtig ist und letztlich war es die Frage danach, wie Sätze Wahrheit erlangen und darum, wie die Welt in Worte ge­ faßt wird, die nach gegenwärtigem Verständnis von der analy­

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tischen Philosophie gelöst werden

sollte

Analytische Philosophie

und

großteils

noch

zu lösen ist. Frege gilt als derjenige, der den Satz — oder die Proposition — in den Vordergrund gerückt hat, da Sätze nicht nur die bevorzugten Träger von Wahrheitswerten sind, sondern als solche auch in Schlußregeln eingehen. Die stillschweigende Anerkennung der Prio­ rität von Sätzen findet man auch im logischen Positivismus, da nur Sätze verfizierbar sind. Die frühen Empiristen konzentrierten sich hauptsächlich auf Terme (wie man aus meinem Hinweis auf die phantastischen Wörterbücher ersehen kann), und obwohl es Son­ derprobleme bezüglich Sinn und Bedeutung von Termen gibt, kann man ihre Bedeutung, wie es Frege auch wirklich tat, als etwas auf­ fassen, das ihnen nur im Rahmen eines Satzes zukommt: Ein Wort zu verstehen, bedeutet, seinen Gebrauch in einem Satz zu kennen; darum kann es sein, daß selbst äußerst erzogene Schimpansen nicht einmal Worte verstehen. Denn die Fähigkeit der Wortverwendung in Sätzen verlangt grammatisches Verständnis und die Unterschei­ dung zwischen Grammatiken und Wörterbüchern drückt genau den Unterschied zwischen einer Philosophie der Terme und Sprachaus­ drücken und einer Sprachphilosophie aus. Terme werden definitorisch eingeführt, Sätze nicht. Worte prägt man sich ein, nur Schau­ spieler prägen sich Sätze ein. Vokabulare sind endlich (sonst wären sie nicht lernbar) und entwickeln sich Wort für Wort; aber eine Sprache besteht nicht aus einer endlichen, wenn auch großen, An­ zahl von Sätzen, ganz allgemein hätte man eine Sprache nicht durch Beherrschung einer großen Anzahl von Sätzen gelernt, selbst wenn es zutrifft, daß jemand, der eine Sprache gelernt hat, selbst in einem sehr langen Leben nur eine endliche Anzahl von Sätzen ver­ wendet. Es gibt Wörterbücher, sogar für Phrasen (Wörterbücher für Redewendungen). Aber kein Buch kann die in einer Sprache erzeug­ baren Sätze aufnehmen. Satzverstehen wächst zusammen mit grammatischem Verstehen und der Rest dieses Aufsatzes wird sich mit einigen Einschränkungen beschäftigen, die diese Beschreibung verlangt. Wittgenstein schrieb im Traktat, Russells Hauptbeitrag sei die Entdeckung gewesen, daß die logische Form eines Satzes in Wirk­ lichkeit nicht dieselbe sein müsse, wie seine äußerliche grammati­ sche Erscheinung: Diese könne sogar die eigentliche Struktur der Proposition unkenntlich machen. Dieser Hinweis bezieht sich höchst­ wahrscheinlich auf Russells sogenannte Theorie der Beschreibungen,

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einen Versuch, den bestimmten Artikel in Ausdrücken wie „der sound-so" zu analysieren, oder, wie Russell gesagt hätte, zu defi­ nieren. Als Beispiel wurde „Der gegenwärtige König von Frankreich* vorgebracht. Nach Russell war jeder Satz entweder eindeutig wahr oder eindeutig falsch und die Frage war, was für „Der gegenwär­ tige König von Frankreich hat eine Glatze* galt. Wenn Frankreich keinen König hat, kann der Satz vermutlich nicht leicht wahr sein, aber wenn er darum falsch ist, dann auch sein Gegenteil, nämlich „Der gegenwärtige König von Frankreich hat keine Glatze* und das widerspricht der Logik. Selbst wenn man, wie Russells damaliger Gegner Meinong, einen nicht existierenden (aber dennoch „subsi­ stierenden") König von Frankreich annähme, an den sich der erste Satz richten könnte und dessen Bedeutung (oder Teilbedeutung) er wäre, würde man dieser Konsequenz nicht entkommen. Doch das verletzte den gesunden Menschenverstand und das Sparsamkeits­ prinzip, die Russell beide hochhielt: Sollen wir die Welt mit allem be­ völkern, was wir dazu brauchen, um den Sachbezug jedes belie­ bigen Ausdrucks — z. B. des viereckigen Kreises — zu sichern? Russells Theorie sollte diese Probleme und andere dazu lösen und sie bestand darin, zu zeigen, daß Sätze der Form „Der so-und-so ist das-und-das" derart analysierbar sind, daß der bestimmte Artikel wegfällt und seine Bedeutung durch Sätze ungefähr so wiederge­ geben werden kann: „Es gibt zumindest und höchstens ein sound-so und das ist das-und-das.* Diese Aufteilung gibt dem ur­ sprünglichen Satz eine einigermaßen durchsichtige logische Form, deren Semantik kaum Probleme bereitet und, das ist das beste, das Postulat eigentümlicher Entitäten nicht erfordert. Die Theorie der Beschreibungen wurde, meiner Meinung nach zurecht, als Triumph der philosophischen Analyse gefeiert und obwohl sie später, beson­ ders in der Blütezeit der Philosophie der Alltagssprache, in einem vieldiskutierten Aufsatz Peter Strawsons „On Referring" angegriffen wurde, und obwohl man aus viel interessanteren Gründen, als jenen, die Strawson vorbrachte, auf Schwierigkeiten in ihr stieß, wies sie der analytischen Philosophie einen Weg, nämlich die logi­ schen Formen der Sprache herauszufinden, in der Hoffnung, damit auch die grammatischen Tiefenstrukturen der natürlichen Sprachen zu erhalten. Russells Erfolg legte ein Programm logischer Rekon­ struktion mit symbolischer Logik als einer kanonischen Notation nahe und in dem Maße, in dem natürliche Sprachen den Formelmu­ stern in logischer Notation angepaßt werden konnten, würde ihre

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Analytische Philosophie

Tiefenstruktur durchsichtig werden und die Philosophen könnten die als referentiell anzusehenden Ausdrücke derart überwachen, daß die Sprache mit der Welt ohne die Annahme zweifelhafter Veranke­ rungen verbunden wäre. Während der Dominanz des „Oxford Eng­ lish Dictionary" war diese Art Rekonstruktion als sinnlos, ¡a sogar dumm betrachtet worden, der Grund war, daß die Alltagssprache unseren Bedürfnissen entspricht und daß besondere philosophische Bedürfnisse, über jene der Sprecher einer Muttersprache hinaus, un­ zulässig seien und daß wir schließlich alle gut zurechtkommen. Si­ cherlich, von den strahlenden neuen Sondersprachen der symboli­ schen Logik begeisterte Philosophen projektierten eine mögliche Sprache zur Weltdarstellung, die natürliche Sprachen nutzlos er­ scheinen ließ und angesichts dieser Arroganz waren die Korrektive der Schulmeister aus Oxford zweifellos genau am Platz und man hätte nicht verlangen können, daß sie nicht ihrerseits autoritär ge­ worden wären. Die logischen Rekonstruktionen waren zweifellos voreilig und naiv, aber die Suche nach den Formen hinter den Er­ scheinungen ist ein unwiderstehlicher philosophischer Antrieb und darüber hinaus versprach die Freilegung der logischen Formen nicht nur Aufklärung über unser Sprechen, sondern auch unser Denken und die Verbindungen zwischen Logik, Linguistik und Philosophie im allgemeinen werden faszinierend und möglicherweise tiefgehend. Solange wir die logische Form nicht kennen, wissen wir, wie Donald Davidson sagte, überhaupt noch nichts. Betrachtet man aber die Schwierigkeiten der Philosophen, sich über vorgeschlagene Kandidaten für die logische Form z. B. von Sätzen, mittels derer wir Personen Meinungen zuschreiben, zu einigen, könnte es sein, daß die logische Form solcher Sätze erst ganz zuletzt erkannt wird. Zu einem Großteil beschäftigt sich die Analytische Philosophie heute jedoch mit der Suche nach der logischen Form und Fragen über das

Gebiet ist Fortschritt denkbar und es gibt sicherlich Entdeckungen, wie sie in der Geschichte der Philosophie kaum vorstellbar gewesen wären, Möglichkeiten zur Spekulation sind offengelegt, in denen der philosophische Wagemut sich ausbreiten kann. Zweifellos ist Russells Theorie, zumindest was ihren Anstoß betrifft, der große philosophische Beitrag unseres Jahrhunderts.

Wesen von x werden zu Fragen über die logische Form von xSätzen umgewandelt. In der ausführlich untersuchten analytischen Handlungstheorie z. B. hat Davidson eine Theorie der logischen Form der sogenannten Handlungssätze vorgelegt und wir sind (viel­ leicht) in einer etwas besseren Lage, zu durchschauen, was wir (wirklich) gesagt haben, wenn wir gesagt haben, jemand habe einen Schalter gedreht. Die Analyse ist schwierig und kompliziert und all­ gemeine Übereinstimmung muß erst noch erzielt werden. Es ist de

facto schwierig, eine Analyse anzugeben, über die ein zumindest beschränktes Einverständnis erzielt worden ist. Aber auf diesem

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Philosophie und Naturwissenschaft In dem Maße, in dem logische Form die Aufschlüsselung der Tiefengrammatik ermöglicht und diese eine dem menschlichen Geist angeborene Struktur ist, ist unklar, ob mit der logischen Form be­ schäftigte Philosophen etwas tun, das nicht letztlich als Naturwis­ senschaft betrachtet werden könnte. Möglicherweise sind sie durch ihre logische Ausbildung besser für diese Fähigkeit gerüstet, als Psy­ chologen oder sogar Gehirnphysiologen, zu deren Aufgabenbe­ reich sie eigentlich gerechnet werden sollte und es ist möglich, daß diese Forscher in der Philosophie ein Instrumentarium und vor allem Theorien finden, denen gegenüber ihre eigene Zeitweise ideologi­ sierte Ausbildung sie vielleicht blind gemacht hat. Trotzdem kommt es darauf hinaus, wie die Welt ist, wenn auch in diesem Fall sicher­ lich, wie die Teile der Welt, die aus uns bestehen, möglicherweise sind; vielleicht ist die Philosophie trotz Wittgensteins Behauptung, Psychologie als eine Naturwissenschaft sei der Philosophie nicht näher, als irgend eine andere Naturwissenschaft, in sich gegangen und in dieser Dimension ihrer Tätigkeit schließlich doch, malgré lui, eine Art Naturwissenschaft geworden. Bewußtsein ist, wie Sprache, gleichzeitig in und außerhalb der Welt; es ist Teil der Welt, aber es repräsentiert die Welt, inklusive sich selbst; die Komplettierung der Naturwissenschaft verlangt also vielleicht die Anerkennung von Strukturen, die derartig kompliziert mit ihrem Umfeld in Beziehung stehen. Aber solche verwickelten, doppelt aufeinander bezogenen Struk­ turen verursachen Probleme, die im Zentrum dieser Philosophie fak­ tisch eine Schizophrenie erzeugen. Als (Proto-)Naturwissenschaftler mit dem Ziel der Erforschung der Sprach-, Denk- und Bewußtseins­ strukturen verwenden Philosophen natürlich keine empirischen Me­ thoden: Bisher weiß noch niemand, wie sie zu testen wären, obwohl Testmethoden letztendlich entwickelt werden müssen, um über­

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prüfen zu können, ob wir tatsächlich so gebaut sind. Im Augenblick

sind die Untersuchungsmethoden a priori und logisch und entwikkeln sich an Hand von transzendentalen Argumenten, die nach­ weisen, was wir anerkennen müssen, wenn die Tatsachen sind, was sie zu sein scheinen. Abgesehen davon wird aber ständig ange­ nommen, daß wir über die Welt sprechen können, oder jene ihrer Teile, die aus sprechenden und denkenden Wesen bestehen und vielleicht so wie wir zusammengesetzt sind. Empirische Daten scheinen schließlich doch wichtig zu sein, Daten der kognitiven Psy­ chologie, der Linguistik, der Erforschung künstlicher Intelligenz sind in Philosophieseminaren anscheinend ziemlich heimisch. Doch mit der Bewegung vom Bewußtsein als einem Teil der Welt, als innerhalb der Wirklichkeit angesiedelt, zur Konzeption des Be­ wußtseins als draußen und als Welt repräsentierend, entstehen aus­ gedehnte und unüberwindliche Probleme und es begegnet ein äu­ ßerst überraschender Skeptizismus betreffend die Erkennbarkeit der Welt jenseits unserer Sprache, ob sie unendlich verformbar sei und sich einfach der Art und Weise anpaßt, in der wir sie repräsen­ tieren, oder ob es eine jenseitige Struktur gibt, so daß wir einiger­ maßen überzeugt davon sein können, daß es eine sprachunabhän­ gige, besprechbare Realität gibt. Der Antrieb dieser überra­ schenden Skepsis kommt aus zwei Quellen. Erstens aus der Wissen­ schaftstheorie, wie sie aus dem Denken Thomas Kuhns und von N. R. Hanson vor sowie Paul Feyerabend nach ihm verallgemeinert worden ist, die alle betont haben, Beobachtungen seien so durch­ setzt von Theorie, daß wir über die Qualität der Welt unabhängig von Theorie nicht reden können, ja daß wir eine solche Sprechmög­ lichkeit gar nicht verständlich machen können. Darauf wurde geant­ wortet, daß der Sachbezug unserer Terme, obwohl ihre Bedeutung vielleicht wirklich entsprechend der Theorie variiert, dennoch davon nicht berührt werden könnte. Aber das Problem der Trennung des Sachbezuges von Bedeutung erwies sich als unlösbar, teilweise weil die Möglichkeit, von abgeschieden-unabhängigen Entitäten als Be­ zugspunkten unserer Terme zu reden voraussetzt, daß unsere Sprache doch nicht theoriebelastet ist und darum das Resultat zir­ kulär vorwegnimmt. Sprache wäre also ein Gefängnis, aus dem wir keinen einzigen Blick von der Außenwelt erhaschen könnten. Die zweite Quelle ist eine Reihe außergewöhnlich dunkler Spekula­ tionen des Logikers Quine über den Sachbezug. Quine vertrat die Ansicht, daß man nicht ausmachen könne, worauf sich Sprecher

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einer fremden Sprache beziehen: vielleicht auf Dinge, Entwicklungs­ stufen von Dingen, Teile von Dingen und wir können im allgemeinen nicht verstehen, wie die Welt für diese Sprecher aussieht: Ihre Sprache bestimmt insofern ihre Ontologie nur unvollständig, als alle möglichen miteinander unverträglichen Welten mit ihrem Sprechen gleich verträglich sind. Dasselbe Problem begegnet uns notge­ drungen im Umgang miteinander: Unsere Sprache macht keinen Unterschied zwischen unseren Welten, die für jeden privat sein können. In welchem Maße kann ich dann meine eigene Ontologie auch nur darstellen oder sagen, wie mir die Welt erscheint? Quines Ansichten sind dunkel, denn es hat den Anschein, wenn sie sich for­ mulieren ließen, wären sie gelöst. Da das offenbar nicht der Fall ist, ist schwer zu sehen, welchen Sinn sie haben, oder wie wir sie über­ haupt verstehen. Von beiden Seiten wird jedoch die Außenwelt un­ sagbar wie einmal für die Mystiker. Ein Mystiker ist ein Skeptiker, der seinen Zweifel in eine Art Glauben verwandelt und der Glaube des Skeptizismus ist eine bestimmte Gattung von Nihilismus. Einem nichtphilosophischen Publikum die Probleme des Sachbe­ zuges zu beschreiben ist unmöglich und sogar einem philosophi­ schen Publikum gegenüber ist das schwierig; die gegenwärtigen Theorien des Sachbezugs sind so gedrängt und vielfältig wie trinitarische Reflexionen am Höhepunkt byzantinischer Filologie. Ein Großteil der analytischen Philosophie ist darin verwickelt und es wird sicher einige Jahrzehnte brauchen, bevor die Auseinanderset­ zungen greifbarer, deutlicher und abgestorben sein werden. Hier wollte ich nur darauf hinweisen, wie diese Philosophie sich in sich selbst gespalten hat; gerade als das gelobte Land der logischen Form erblickt wurde, vernebelt es sich im Schleier des Sachbezugs und Philosophen stoßen miteinander zusammen wie Clowns im Nebel. Vielleicht ist daraus etwas Bedeutsames zu lernen. In jeder weit genug vorangetriebenen Philosophie steckt ein Babel, eine von innen vom irgendwie gespaltenen Wesen der Philosophie selbst ge­ zogene Grenze. Doch solange wir nicht besser wissen, was Philoso­ phie ist, ist das nicht mehr als leeres Reden.

Analytic Philosophy and Metaphysics

Barry Stroud

ANALYTIC PHILOSOPHY AND METAPHYSICS

I think analytic philosophy today is in important respects closer to its roots in the first decade or so of this century than it was thirty or forty or even fifty years ago. I do not mean that there has been a return to particulardoctrines or theories of the past. I mean that the conception of phi­ losophy itself — how it should proceed and what can be expected from it — isclosertotheconception of philosophy with which analytic philos­ ophy began than to most of those that came in between. This is one way of saying that what is broadly called "analytic philosophy" is a much more complicated development than that single label suggests. It has really been a series of quite different conceptions of philosophy, and calling them all "analytic philosophy" tends to obscure their differ­ ences. One major difference has been over the nature and possibility of philosophical theory itself — in particular metaphysics. On that central issue there has been a return to the ways of the past. Analytic philosophy has been widely regarded as a largely nega­ tive, critical philosophy — a radical break with the muddled meta­ physical tradition. If that is true at all it is true of only certain strands in the middle period of what has been called analytic philos­ ophy. It is only partly true of the work of Bertrand Russell from 1900 to about 1918 with which analytic philosophy began. And it is not true today. Russell certainly saw himself as rejecting the dominant philosophy of his own day and many of the great metaphysical sys­ tems of the past. But his main criticism was in effect that they had got it wrong. They had given an incorrect account of the world, and Russell thought he knew why. But he did not reject the very task of giving a complete account of the world and arriving at what he called "ultimate metaphysical truth"1. On the contrary. He thought the means had finally been developed for doing it correctly.

1 Bertrand Russell, Our Knowledge of the External World, London 1926,

p. 40.

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The key to Russell’s break with the past was logic. Even there the break was not complete. Russell thought any sound philosophy must always start with an account of the nature of the proposition — how something could be true or false — and that that was a ques­ tion of logic. He showed how Leibniz’s whole metaphysical theory of monads was derived from logical doctrines about propositions and truth. What was new in Russell was the kind of logic that was to be put to metaphysical use. Leibniz’s theory had rested squarely on the traditional logical assumption that all propositions are of the subject-predicate form. Russell thought the same was true of the quite different philosophies of Spinoza, Hegel, and the idealists of his own day. They had been hampered by a faulty logic in their search for the truth about reality. It was the new quantificational logic initiated by Peano and Frege and deployed to such impressive effect in Principia Mathematica that was the source of his optimism. With that logic enshrined as "the essence of philosophy", real pro­ gress could finally be expected. The rich resources of the new logic were to be exploited in philos­ ophy to reveal the nature of the ultimate constituents of reality. Its greatest early achievement was to have shown that all of mathe­ matics is really logic. There was no need to suppose, for example, that natural numbers exist in addition to classes. They were shown by purely logical means to be reducible to classes, or to be constructible out of them, so did not have to be reckoned among the ul­ timate constituents of the world. Even classes themselves were to be revealed as "logical fictions", being reducible in turn to "proposi­ tional functions". It was this idea of reduction that stimulated the search for similar metaphysical economies elsewhere. Enduring ob­ jects in space were to be reduced to appearances, points in space were to be logically constructed out of sense data, and so on. The maxim throughout was Russell’s version of what he called "Occam’s razor": "in dealing with any subject-matter, find out what entities are undeniably involved, and state everything in terms of those en­ tities"2. The entities undeniably involved were those which could not be reduced to or defined in terms of anything else. Analysis as Russell understood it was a matter of discovering the real logical form of the things we take to be true about the world, of uncovering the form of the facts that make our statements true. 2 Ibid., p. 112.

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The superficial grammatical structure of sentences we understand and accept was no sure guide to the true form of the facts corre­ sponding to them. That was how philosophers of the past had been led astray. Contrary to appearances, arithmetical statements did not really refer to special entities called natural numbers at all. What look like names and definite descriptions did not necessarily designate anything on their own even though the sentences in which they appeared were perfectly meaningful. And so on. Russell thought almost all traditional metaphysics was filled with mistakes due to what he called "bad grammar" — failure to make the kinds of distinctions that the new logic now made possible. What was needed was a "philosophical grammar" — grammar because it deals with the form of statements, philosophical because it reveals the forms and constituents that make up reality if the statements are true. For such a study there would be no difference between ex­ hibiting the real form of statements that are true and investigating the nature of reality. Philosophy on this conception would be continuous with science, or at any rate not easily distinguishable from it. It was perhaps more general than any particular science in being concerned with reality in its most general and structural terms. It did not proceed primarily by observation or experiment, but it remained solidly scientific in the way mathematics is scientific. The adequacy of any proposed analysis or reduction was a question of logic and could be conclusively settled. That is why Russell had such high hopes for an­ alytic philosophy as he understood it. To come up with a promising analysis in the first place might take great ingenuity and logical so­ phistication; there was no mechanical procedure for discovering fruitful logical hypotheses. But once found they could be tested, and it was a provable matter of logic whether they worked or not. That, at any rate, was the idea. For Russell it was a matter of indifference whether you called the resulting conclusion about reality "scientific" or "philosophical". What mattered was whether or not the ultimate constituents of reality had been found. With Wittgenstein’s Tractatus Logico-Philosophicus a new con­ ception of philosophy began, or at any rate a new self-conscious­ ness about the nature of philosophy, culminating in the denial of the possibility of metaphysical or philosophical truth. Its radical dif­ ference from Russell’s more traditional enterprise is often over­

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looked or minimized because of the considerable overlap between them. It too was concerned with the nature of the proposition —how it is possible to represent things to be a certain way. A propo­ sition for Wittgenstein was a picture of a state of affairs; what it must have in common with reality in order to represent it was its logical form. But, as in Russell, the apparent logical form of a pro­ position meed not be its real form. Language disguises thought, so that its real form cannot be discerned through its outer linguistic clothing. Philosophy was needed for "the logical clarification of thoughts", something that had not been done or had been done badly in the past. For Wittgenstein, "Most of the propositions and questions of philosophers arise from our failure to understand the logic of our language"3. This apparent agreement with Russell’s defence of the need for philosophical analysis was in fact the basis of a completely different conception of the nature and prospects of philosophy. Philosophy could not give an analysis of a proposition by explicitly stating what that proposition has in common with the reality it represents. Propositions get their sense only by representing reality, and the to­ tality of true propositions will represent the whole of reality. But for Wittgenstein there could therefore be no further propositions which somehow represent what propositions must have in common with reality in order to represent it. Such putative propositions would not simply represent reality to be a certain way, so they would not fulfill the conditions of making sense. Any attempt to state the result of a philosophical "analysis" or a "logical clarification of thought" would therefore be without sense in the same way. Philosophy could not issue in philosophical propositions or truths. There could be no such thing. Philosophical propositions were in effect declared impossible be­ cause of the limits of what can be said. Propositions can display logical form; they have it, but they cannot express it. The clarifica­ tion of propositions, which is philosophy’s task, is therefore an ac­ tivity, not a body of doctrine. It will consist of "elucidations", but no propositions asserted in the course of such clarification will be pro­ positions of philosophy. Even the apparent propositions of the Trac­ tatus which appear to state the doctrine of the proposition on which 3 Ludwig Wittgenstein, Tractatus Logico-Philosophicus (tr. D. F. Pears and B. F. McGuinness), London 1961, 4.003.

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this view is based must themselves be rejected as nonsensical. We must throw away the ladder after we have climbed up it. There is only the world — everything that is the case — which is described by what Wittgenstein calls "the totality of natural science"4. Philosophy is not one of the natural sciences; it is not its job to describe the world. "The correct method of philosophy would really be the following: to say nothing except what can be said, i. e. propositions of natural science — i. e. something that has nothing to do with philosophy — and then, whenever someone else wanted to say something metaphysical, to demon­ strate to him that he had failed to give a meaning to certain signs in his propositions. Although it would not be satisfying to the other person — he would not have the feeling that we were teaching him philosophy — this method would be the only strictly correct one."5 The Vienna Circle both took up and transformed some of the cen­ tral ideas of Wittgenstein's Tractatus, but still with the nature and possibility of philosophy at stake. They found in Wittgenstein’s no­ tion of tautology the key to an understanding of the nature of logic and therefore of the nature of philosophy as well. A tautology ad­ mits all possibilities and therefore can say nothing about the way the world actually is; a contradiction excludes all possibilities and so again can say nothing. All logical truths are therefore empty, de­ void of factual content. They can state no matter of fact. Logic was therefore purely formal; the truth of logical statements was based only on their structural properties, on the meanings of the terms they contain. The clarification of this insight was thought to settle

the fate of metaphysics. At the centre of Vienna positivism there was the Wittgensteinian idea that within the whole realm of the meaningful there was simply no possible place for metaphysical propositions. Metaphysics was an attempt to go beyond science, but that would be to go beyond

the meaningful. Schlick originally remained close to Wittgenstein in the conclusions he drew for philosophy. He accepted the idea that logical form itself cannot be described, so the task of philosophy could not even be to state the meanings of the propositions by means of which we represent the world. Philosophy was to be an

4 Ibid., 4.11. 5 Ibid., 6.53.

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activity through which those meanings are revealed or determined, but not itself a body of statements. Other positivists, notably Carnap, rejected the idea of the inexpressibility of logical form, but not in a way that left any room for metaphysics. Carnap accepted the purely formal character of logic and tried to show how the structure of propositions and the rela­ tions between them could indeed be described purely formally in the very language in which those propositions themselves are ex­ pressed. It was a purely formal study — in its earliest form, "the logical syntax of language". Its results would also be true solely in virtue of their form, of the meanings of their constituent terms. The task of philosophy was therefore the analysis of the logical form of those propositions by means of which we make statements about the world — "the logic of science". Its questions were logical. But since all logical truths were devoid of factual content, philosophy too would be devoid of factual content. It could result in meaningful statements, but they would be empty; they could state no matter of fact. Philosophy could reveal the form of our thought, but not the truth or falsity of its content. That is the doctrine that prevailed through later transformations. It was what most "analytic" philosophers at one time would have said if they were asked what they were doing. The basic idea was an expansion of Wittgenstein’s conception of what can be said. It found a place for philosophy, even for philosophical propositions, but still no room for metaphysics. The domain of the meaningful was exhausted by the contingent and empirically verifiable on the one hand and the "analytic" on the other. The positivists’ famous verifiability principle of meaningfulness was meant to guarantee that only those propositions which were in principle empirically veri­ fiable could state matters of fact. What was contingent and empir­ ically verifiable was knowable scientifically, not metaphysically. No philosophical or metaphysical theory could imply or be implied by any contingent matter of fact. Therefore anything knowable philo­ sophically was factually empty and knowable only logically or ana­ lytically. Again metaphysics was denied a place by the conditions of

meaningfulness; there was simply nothing for it to say. It was conceded that many metaphysical sentences or philosoph­ ical questions which appear to be about the world do not look mea­ ningless on the face of them. They seem to obey the ordinary rules of grammar. That was further confirmation of Russell’s idea that super-

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fidai grammatical form is not necessarily the same as the real logical form. Only when one had penetrated to the real form of the state­ ment and shown that it was necessary and hence empty or contin­ gent and hence scientifically verifiable could its meaninglessness asa metaphysical sentence be revealed. That would be one way of de­ monstrating that the metaphysician, in Wittgenstein's phrase, "had failed to give a meaning to certain signs in his propositions". Having proved in general that metaphysics is impossible, logical positivists on the whole did not spend much time exposing the meaninglessness of particular metaphysical sentences. They concen­ trated on developing the notions needed for an adequate analysis of the logic of science. The fact that natural languages allowed the formation of meaningless sequences of words without violating the rules of ordinary grammar only showed how inadequate natural languages were from a logical point of view. In a logically con­ structed language metaphysical sentences could not even be formu­ lated. There would be nothing to mislead us. That is one reason why the task of building languages according to "logicai grammar" was so important. Not everyone who looked askance at metaphysics in the general spirit prevalent in the middle years of this century tried to build for­ malized languages adequate for the expression of everything that could be said. Wittgenstein’s later work, for example, was as critical of the possibility of philosophical theory as the Tractatus had been, but now the emphasis was on the way everyday language leads us astray. He called his later work "grammatical", but not because it sought a "final analysis" of our forms of language. The aim was to clear away misunderstandings of how language works — confu­ sions we are almost inevitably thrown into by, for example, certain analogies between forms of expression in different regions of lan­ guage. They are one of the sources of the problems we regard as philosophical. Wittgenstein even conceded that the activity of re­ moving such misunderstandings could be called "analysis", since it is sometimes like taking something apart. But it will not issue in "anal­ ytic" truths which state the meanings of the expressions in question.

Wittgenstein never deviated from his original idea that a philo­ sophical doctrine or theory is an attempt to say what cannot be said. What changed was his idea of what determines what can and

cannot be said. He saw language in his later work as essentially im­ mersed in human life. Speaking a language was part of an activity,

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and understanding what was said on a certain occasion involved understanding what was done. For many of the ways we speak about meaning, it could be said that the meaning of an expression is its use in the language, its role in a complex set of human acitivities. A philosophy that seeks to remove misunderstandings and to clarify what we say would have to concentrate on describing how the expressions in question are actually used. That is indeed what Wittgenstein thought philosophy should do, but that did not mean that those descriptions were special "philosophical" propositions. They stated obvious matters of fact which anyone could observe. There was no hidden or sublime domain that was the subject-matter of philosophy, there were just the things we say and think when we try to understand ourselves and the world in the way philosophy has traditionally aspired to. Those spoken and written sentences were for Wittgenstein the "original data" of philosophy. But philos­ ophy was not to seek a hidden explanation of their truth or plausi­ bility. Philosophy was to be purely descriptive. The task was to see what those things we naturally say when philosophizing really say, how they are actually used. The descriptions will have a philosphical point only because they are offered in response to our natural, per­ haps inevitable, urge to misunderstand the workings of our lan­ guage. Wittgenstein’s later work embodied the idea that philosophy is an activity of elucidation or clarification, not a body of doctrines or truths. The clarification amounted only to drawing attention to what is right before our eyes — simply putting everything before us, and explaining nothing. "The work of the philosopher consists in assembling reminders for a particular purpose."6 Determining which reminders would best serve the purpose, and how best to assemble them, was no easy question. But it was a matter of strategy, of de­ sign, of philosophical writing, and not a discovery within some spe­ cial domain of philosophical truth. "The problems are solved, not by giving new information, but by arranging what we have always known. Philosophy is a battle against the bewitchment of our intelli­ gence by means of language."7 That bewitchment is what results in

6 Ludwig Wittgenstein, Philosophical Investigations (tr. G. E. Μ. Ans­ combe), Oxford 1953, 127. 7 Ibid., 109.

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metaphysics. We think we are asking a profound question about the world, but we are expressing unclarity or confusion about the grammar of the language in which we express it. In assembling his reminders of how the expressions are actually used Wittgenstein sought "to bring words back from their metaphysical to their everyday use"8. We are to be brought to see that we do not manage to say anything that can be said when we try to press intelligible expressions into a disengaged "metaphy­ sical" use. But we see it only by trying to do it and then being re­ minded of well-known facts about how those expressions are actu­ ally used. "If one tried to advance theses in philosophy, it would never be possible to question them, because everyone would agree to them.*9 Other philosophers in the 1950s concentrated on the everyday use of the expressions in which philosophical doctrines are typically formulated. Most important was the work of J. L. Ausi in and his fol­ lowers in Oxford, which was quite independent of Wittgenstein and not particularly sympathetic to his apparently unsystematic ap­ proach. It was not that Austin held a theory about the nature and possibility of metaphysics; he was just extremely careful in trying to understand what philosophers actually manage to say in formu­ lating their questions and theories. He was natively suspicious of the special terminology invented by philosophy or of the special ap­ plication it gave to otherwise quite ordinary expressions. In the theory of perception, for example, or the theory of knowledge in general, he tried to illustrate how the formulation of traditional philosophical doctrines — even of the questions at issue — was based on mistaken assumptions or deviated from the ordinary use of the expressions involved. Any such demonstration of distortion or confusion would depend on an accurate description of how the terms are actually used. To that extent Austin's aims seemed to coincide with Wittgenstein's. But for Wittgenstein the descriptions got their whole point or pur­ pose — which was a philosophical point or purpose — from the pressure of the philosophical problems which misunderstanding had led to. Without the almost inevitable tendency to misunderstand

the workings of our language, Wittgenstein's "reminders* would be · Ibid., 116. 9 Ibid., 128.

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of little interest. For Austin the description of actual usage and the fine discrimination of meaning among various closely-related terms came to be pursued for its own sake. Language was enormously rich, and we had scarcely begun to articulate and appreciate in a systematic way the great variety of which we were all implicitly masters. Austin thought there was much to be learned through the close study of language, and not just about language itself. A sharpened awareness of words would sharpen our perception of the pheno­ mena, whatever they might be. There was a closer connection be­ tween his investigation and real human life than there could be in the abstract study of formal calculi as "models" of human language. Whether his work was to be called "philosophical" or not did not greatly matter. He once suggested calling it "linguistic phenome­ nology", perhaps partly to draw attention to its problematic rela­ tion to the philosophical tradition10. If it was called "analysis of lan­ guage" it could not be in the same sense in which that term would apply to Russell’s programme. Austin was not concerned with some­ thing called "philosophical grammar" or "logical syntax", but with the ordinary grammar or syntax of the very words as spoken or written there on the page. He found traditional grammar in a state of flux, and looked forward to what he thought of as a science of language. Each of these different conceptions dominated "analytic" philos­ ophy at different times and in different places for the middle thirty years or so of this century. Not only is there great variety among them, but there is an even greater break between all of them and the idea of philosophical "analysis" initiated by Russell. After Rus­ sell’s work in the early years of this century what became problem­ atic in one way or another was philosophy itself. The nature and validity of that traditional enterprise known as philosophy — in particular the prospects of a special philosophical knowledge of reality — became a central issue in philosophy. For Russell there had only been the question of what is true — of how things are — which could be asked, and answered, at different levels of gen­ erality. Physics, mathematics, logic and everything else we know each gave us part of the truth, hence gave us information about part of reality. It was the job of logical analysis to tell us exactly 10 J. L. Austin, Philosophical Papers, Oxford 1961, p. 130.

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which part of reality made all those truths true. It would thereby tell us what there is. Logical or philosophical analysis would lead to

metaphysical truth. In the more critical middle period it was primarily the attack on the nature of logical or necessary truth that brought philosophy and therefore metaphysics into question. A place had to be found for philosophy within a conception of logic as formal and empty, devoid of factual content, and a conception of the factual as neces­ sarily knowable by empirical, scientific means. The most widely-ac­ cepted account saw philosophy as analysis in the sense of the study of the meanings of words, of the relations among concepts, or of the form of our thought about the world. It could add nothing to our knowledge of the world or of our relation to it. It would at most yield "analytic* truths that were factually empty and true solely by virtue of the meanings of their terms. So strong and so satisfying was this picture of what philosophy could be that it came more or less to define analytic philosophy both for its practitioners and for others. It was even thought to apply — and is sometimes still ap­ plied — to the work of Wittgenstein and of Austin, who in fact had dealt with the pretensions of metaphysics in quite different ways.

In the last twenty years or so analytic philosophy has on the whole abandoned that neat picture of the subject, although many of the attitudes behind logical positivism still survive. But it has not pursued the more descriptive and deflationary lines opened up by Wittgenstein or by Austin either, even if more attention has been paid to some of the complexities of natural language. One general­ ization that might serve to sum up a great variety of the work going on today is that analytic philosophy in its most recent phase has become, by its own lights, more scientific. It insists on no sharp distinction between philosophy and science, it is less concerned about overstepping the limits previously assigned to philosophy proper, and it stresses the importance of general theory in philos­ ophy as in science. It is also unapologetically metaphysical. It is much closer to Russell's conception of philosophy than to any of the more critical ideas that came in between. W. V. Quine is one of the leading philosophers of this period in whom these newer attitudes are most explicit. He was critical right from the beginning of the positivists' distinction between "analytic* and "synthetic" propositions, and indeed of the idea that there is

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any such thing as knowledge a priori or completely independently of all experience. He also rejected the verifiability principle of meaning according to which each empirical statement on its own implies a set of positive and negative experiences which would ne­ cessarily serve to confirm or disconfirm that particular statement. For Quine our beliefs face experience together and get confirmed or disconfirmed only as sets of beliefs or theories, not individually. Included in any such body of connected beliefs will be propositions of logic and mathematics as well, so our continued acceptance of them is also to that extent empirical, not a priori. Which particular beliefs to abandon when a body of beliefs is found to conflict with experience is a matter of decision or strategy on the part of the theorist. It is a question of which changes would leave us with the simplest overall account that is still consistent with all the evidence so far. Even if the best strategy on each occasion were to retain the logical and mathematical statements with which we began it would not follow that they were known a priori. Without any a priori knowledge there is nothing for the notion of "analytic" to explain, and hence no need for that otherwise dubious notion. Philosophy, then, is not the activity of uncovering "analytic* truths which express the meaning or form of our thought about the world. Quine’s view leaves no room for philosophy as a domain of knowledge of a special kind, essentially different from that in phys­ ics or mathematics or everyday life. Philosophy is simply more gen­ eral than any of the particular sciences,· it deals in categories even broader than 'electron*, 'force', 'number', or 'class'. But like all other areas of science it seeks knowledge of what is true — what reality is like, what it contains, and how its constituents work. Science is the attempt to make sense of the world — to introduce a manageable degree of simplicity and intelligibility into the flux of experience. For Quine it proceeds by theorizing, by devising hypotheses or posits that go beyond the data and are confirmed to the extent to which they account for those data. Simplicity of theory and ever deeper connections among disparate phenomena are the goal. Philosophy too seeks that goal, and by the same general method of science. Science asserts the existence of those things it needs to posit in order to account for what it wants to explain. Phi­ losophy continues that process at an even higher level of gen­ erality. It tries to find the simplest and most general framework within which to say what there is. In that way it follows Russell’s

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plan: "find out what entities are undeniably involved, and state

everything in terms of those entities". Quine contributed to that metaphysical project a criterion of "ontological commitment" — a way of telling whether certain kinds of entities were "undeniably in­ volved" in a body of knowledge or not. The sentences of the theory in question are to be paraphrased into the logical form supplied by mathematical logic. The theory is then committed to the existence of all and only those entities which must be reckoned among the values of the bound variables of those quantified sentences in order to render some of them true. "To be is to be the value of a bound variable."11 Although Quine’s conception of ontology is a direct continuation of Russell’s metaphysical project, there is no question for Quine, as perhaps there was for Russell, of eventually coming up with a "final analysis" of what is "really" involved in what we say and think about the world. Nor is it a matter of discovering by logical anal­ ysis the hidden but already determinate "meanings" of the things we know. The philosopher, like other scientists, is as much a creator as a discoverer. He devises a formulation he hopes is adequate to the task and revises it if greater simplicity or a possibly more fruitful scientific framework is in the offing. Whether the most economical and most perspicuous scientific scheme will result is what ultimately dictates even what "logical form" or "ontological commitments" he attributes to the body of knowledge he seeks to regiment in logical terms. But in paraphrasing and regmenting as he does he is not just talking about ways of speaking or forms of thought with no sub­ stantive implications about reality. He works always within the body of science or knowledge accepted at the time. There is no transcending it. So there is no escaping the ontological commit­ ments of what we believe, except by devising others. Quine has consistently opposed an uncommitted, empty, purely formal philos­ ophy. His austere philosophy of language is a case in point. It takes the form it does because of Quine’s more general beliefs about the na­ ture of reality. The world is a physical world, so all real differences must ultimately be made sense of in physical terms. His thesis of the indeterminacy of translation holds that "there is no fact of the 11 W. V. Quine, "On What There Is" in his From a Logical Point of View,

Cambridge, Mass. 1953.

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matter" as to whether someone uttering a sentence means one thing by it rather than another12. The remark can be translated into either of two non-equivalent sentences of our own language in such a way that not only can no possible behavioural evi­ dence decide between them, but they are compatible with all the same physical states of affairs. Meaning, intension, and proposi­ tional attitudes of all kinds are therefore not part of reality for Quine; they cannot be made, in his terms, scientifically respec­ table. Few philosophers nowadays would go as far as Quine in his metaphysical repudiation of meaning and everything uniquely psy­ chological. But there is no great hope of fitting in such phenomena by explicitly reducing the psychological or intensional domain to the physical. In fact, reduction of the kind claimed by Russell and Whitehead for mathematics is seldom even aspired to in the most active areas of recent philosophy. "Analytic" philosophy is no longer primarily concerned with giving "analyses* in that sense. The philosophy of language has been at the centre — some would say the foundation — of analytic philosophy in this most re­ cent period. The largest question is what meaning is; what it is for words to mean what they do. But the investigation has not on the whole sought a simple "analysis" or reduction of the notion of meaning in other non-intensional terms. One thing at issue has been how meaning should best be studied — what a theory of meaning should be, what it should try to explain, and how. It is widely acknowledged that accounts of the meaning of this or that expression can only be supported in the context of an answer to that general question. There must be some eventual empirical con­ straint on the "analyses" offered by philosophers, but as in any other empirical confirmation, large questions of theory are inevi­ tably involved. People speak and understand one another, they utter and respond without difficulty to particular sentences they have never seen or heard before. Any account of language must ul­ timately help account for such familiar but complex phenomena. It is a question of the best overall theory, and of how it could be veri­ fied. There seems to be no essential epistemological difference be­ tween the highly theoretical philosophical investigation of language and questions of abstract empirical science in other areas. Nor is it 12 W. V. Quine, Word and Object, Cambridge, Mass. 1960, ch. II.

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clear or determinate where, say, linguistics or psychology leave off and philosophy begins. Basic questions about meaning have been central because it is held that philosophical treatments of particular topics or areas of subject-matter can ultimately be assessed only within a general theory of meaning. A philosophical theory of causality, say, seeks a representation of the meaning or structure of sentences asserting causal relationships. Thought, belief, intention, desire, and emotion are studied philosophically by delineating the form and meaning of sentences ascribing mental states and propositional attitudes. The nature of possibility and necessity is illuminated by giving a seman­ tical theory of modal language. And so on. Even those strongly opposed to Quine’s specific doctrines on these and other topics (probably the majority of contemporary an­ alytic philosophers) nevertheless show by their practice that they share a conception of what they are doing in the philosophy of lan­ guage that is a direct descendant of Russell’s original project of "philosophical grammar". The search for the "real" form below the superficial grammatical structure is now seen to be constrained by the demands of general theory. What form gets attributed to sen­ tences depends ultimately on what kind of theory best represents and therefore explains the meanings of all the sentences utterable or understandable by speakers of the language in question. "Anal­ ysis" is a more tentative, more complicated, and ultimately more empirical matter than it once seemed to be. The philosophy of lan­ guage — and therefore the "analysis" of this or that region of lan­ guage — as currently conceived is ultimately part of a huge theor­ etical investigation into human cognition. Philosophers on the whole have stayed close to the logic of Principia Mathematica or natural (especially modal) extensions of it in representing the struc­ ture of language. That remains one of their closest links with the earlier analytic tradition. But theoretically it is an open question what devices will best serve to make sense of the understanding of language. In that sense the "real" logical form of what we now say and believe is an open empirical question. Another equally strong link with the past is the explicit drawing of metaphysical conclusions from "analyses" of this or that region of language. There is widespread disagreement on what the partic­ ular metaphysical conclusions should be, which is to say widespread

disagreement about how best to analyze the sentences in question,

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but a fairly general consensus about how metaphysical views are to be reached, whatever they might happen to be. Russell’s original project, now understood in terms of something like Quine's crite­ rion, is still in force. For example, even Quine’s sparse physical universe is forced to admit abstract entities as well, at least in the form of classes, since they must be quantified over in order to make sense of the mathe­ matics that is essential for physical science. Classes therefore exist. Davidson’s account of sentences ascribing actions to agents, as well as statements asserting causal connections, involves quantifiers that range over events. He thinks that gives us all the reason we could ever have for saying events exist. These are no ordinary statements of the existence of classes or events, as we might say that there are many different classes to which a single thing belongs, or that three important events occurred yesterday afternoon. If classes and events are required by the truth of what the best theory of meaning says certain sentences mean, it is held to be a metaphysical truth that they exist. They constitute in each case a "fundamental onto­ logical category"’3. That same general metaphysical attitude extends well beyond the strict extensionalist predilections of Quine and Davidson and their followers. What is at stake even for those with much richer ontolo­ gies is whether we are inevitably committed to certain entities by the best analysis of sentences we understand and know to be true. Those who would defend the reality of sensory qualia, say, or of properties or attributes, or of possible in addition to actual entities, or even of whole possible worlds, do so on the same sorts of grounds. It is a question of how best to account for the way lan­ guage works and is understood. We must acknowledge as real all those things that are inevitably involved in the best theory of the meaning of what we say about the world.

I have tried to indicate how the major current of contemporary analytic philosophy is a continuation of Russell's approach to meta­ physics. Far from being negative, critical, or revolutionary, it is the latest version of a traditional enterprise that goes all the way back to the pre-Socratics. The more modernist or meta-philosophical "an­ alytic" philosophers of the middle years of this century took that 13 Donald Davidson, Essays on Actions and Events, Oxford 1980, p. 180.

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very enterprise as their subject-matter. Their interests, their doubts, even their questions, have not on the whole prevailed. Metaphysics is once again vigorously pursued, now in a fully "scientific" spirit. For Russell the science in question was logic. He sought explicit re­ ductions whose adequacy was a question of logic alone. That gave one definite sense to the notion of "analysis". More recent "ana­ lytic" philosophers seek a general philosophy of language that will do the best job of accounting for our understanding of everything we say and think about the world in science and everywhere else. Its adequacy is ultimately an empirical question of tremendous scope. It is a matter of finding the best "theory" of our under­ standing of everything. Local and temporary historical features might perhaps still warrant calling this philosophical project "ana­ lytic", but the basic task, and the self-confidence with which it is pursued, are as old as philosophy itself.

Reference is a large subject with many aspects. In a short paper it is impossible to deal adequately with more than one of them. I shall be concerned with the pragmatics or, perhaps better, the prag­ matics-semantics of what I shall call 'direct singular reference'.

I am, therefore, making the barely controversial assumption that direct singular reference sometimes occurs, i. e. is an actual feature of some linguistic communication. I characterize it semantically, or in terms of truth-conditions, as follows: when a direct reference is successfully made, by the use of some definite singular term, to some particular individual, then the coupling of that term with a predicate results in something said about that individual (i. e. a proposition about that individual) which is true just in case that indi­ vidual satisfies that predicate, false just in case it does not. I shall make also the more controversial assumption that some definite singular terms with explicit descriptive content (with or without explicit demonstrative or indexical elements also present) may sometimes be used to make direct references. Of course such terms as these are not always or only so used; they may, for ex­ ample, be used for what Donnellan has called 'attributive reference' or in the spirit of a Russellian analysis. But it follows from the se­ mantic characterization just given that, when definite singular terms with explicit descriptive content are successfully used to make direct references, their descriptive content does not enter into the statement of the truth-conditions of what is said, i. e. of the propo­ sition which is affirmed, or otherwise expressed, by the speaker.

To say this is not to say that the descriptive content of the sin­ gular term does not enter into the characterization of the speaker’s current thought, of the mode in which is thinking of the individual he refers to. That it may well do; or, again, it may not, or not

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straight-forwardly, for he may select his term in, for example, a vein of irony. But the primary purpose, in selection of his singular term, on the part of a speaker intent on direct reference, must be to select a term which will enable, or cause, the members of his audi­ ence to identify, as the subject of what he says, just the particular individual he intends to speak of — to select a term, in other words, which will get them to know which individual he means — let their mode of thinking of that individual be what it variously may. If he is successful in this, then what is common to his own and each of his audience's grasp of what is said will be grasp of the truth-condi­ tions specified in the simple characterization already given. In the case of successful direct reference, then, the identity of the indi­ vidual referred to determines, as far as reference is concerned, the identity of the proposition expressed. This way of putting it is ade­ quate; there is no need to go as far as Russell sometimes did and declare the particular individual in question to be a constituent part of the proposition or to represent the latter as — in appropriate cases — an ordered couple of individual and property. These fur­ ther steps, though perhaps permissible, can only be an embarrass­ ment for those who prefer to think of propositions as purely ab­ stract entities.

I have spoken, so far, of successful direct reference. But not all attempted direct reference is successful or wholly successful. My purpose (in this paper) is to enquire what happens when a speaker thinks he is in a position to make a direct reference to a particular individual, and uses a term with that intention, but one or more of a variety of things goes wrong. In order to see in what ways things may go wrong, let us first consider more fully the normal case in which, at least as far as reference is concerned, everything goes well, the case in which there is no question but that the speaker does succeed in making just the direct reference he intends to make, so that his intended and his actual reference unquestionably coin­ cide. A speaker, S, intending to make a direct reference, uses a defi­ nite singular term with some descriptive content, D. In the normally satisfactory case a number of conditions are fulfilled. First, I men­ tion what may be called the minimal condition, (a). This condition is satisfied when there does exist just one particular individual such

that the speaker meant (i. e., intended, by the use of his definite sin-

guiar term to refer to, and to be taken as referring to) that indi­ vidual. It can be expressed briefly as follows: (a)

(3 x)(S meant x).

(There is no need to write in an explicit uniqueness condition, since, by hypothesis, we are dealing with intended singular reference.) This is a condition that could fail, though it rarely will. But it could be the case that there really wasn't anything or anybody at all that the speaker had meant, though, of course, he thought there was. That is, it could be the case that, were he fully informed of the rele­ vant facts, he would recognize that what he had regarded as, for example, the central, indispensable core of his reference-fixing be­ liefs or capacities just did not apply to anything at all; that there was nothing, no actual individual, which he could honestly say he had meant. (He was deceived or confused or deluded or self-de­ luded.) Of course this is not the normal case. Normally the minimal con­ dition (a) is satisfied. But not condition (a) alone. In the normal, sat­ isfactory case, it will not only be so, that there is an individual the speaker means, it will also be the case that that individual answers to the descriptive content, D, of the singular term employed. So we expand (a), the minimal condition, to (b), the expanded condition, which can be expressed as follows:

(b)

(3x)(S meant x·Dx).

For example, if the term the speaker uses is 'your wife' or 'your hus­ band', then, if all goes well, there is not only someone the speaker means, but that person is, also indeed married to the person the speaker is addressing. But of course this condition can fail. These two conditions are obvious. There is a slightly more com­ plex condition to be added. It will not only normally be the case that there is an individual whom or which the speaker means and who answers to the descriptive content of the singular term the speaker uses, it will also normally be the case that, in the physical and social context of the speaker’s utterance, any linguistically competent and reasonably informed audience which took the speaker to be speaking conventionally in that context, would take the speaker to mean that individual in that context. Of course there

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may not in fact be such an audience. But it will normally be the case that, //there were, it would take the speaker to mean the individual he does mean. We may express this condition by expanding (b) to the full condition, (c), as follows:

(c)

(3 x)(S meant x-Dx-S putatively meant x)

where 'S putatively meant x' is short for 'S, if taken by a linguisti­ cally competent and reasonably informed audience to be speaking conventionally in the physical and social context of his utterance, would be taken by that audience to have meant x in that context'. The fulfilment of the expanded condition (b) does not guarantee the fulfilment of the full condition (c). The last added requirement could fail independently of the other two. Here is an example. Ata party, a speaker might say to his host: 'Your brother is very charming.' As it happens, a brother of the host has been at the party and has just left it, having behaved very charmingly. It is a large party and the speaker is unaware of this latter fact; but has met another brother of the person addressed (the host) earlier in the day. This other brother has not been at the party. The host nat­ urally takes the speaker to mean the brother who has just left. The speaker actually means the other brother. Philosophical debate may arise over the question what reference, if any, the speaker has actually made, what proposition, if any, he has actually asserted (i. e. over what — whatever he meant to say — he has actually said) in cases where one or another or some combination of the listed conditions fails to be satisfied. Of course there is no debate when all the conditions are satisfied. In that case the speaker has asserted, or otherwise expressed, a proposition about the individual which he meant, which answers to the descrip­ tive content of his definite singular term and which he putatively meant; and the proposition is true if that individual satisfies the predicate attached to the definite singular term, false if it does not. From the point of view of reference all has gone well: intended and actual reference are the same. But what about the deviant cases? Well, I shall list some deviant cases; and then, in relation to them, I shall list three types of possible answer to the question; three the­ ories, one might say, of direct reference, actual and intended. But, as you will see, I shall not exhaust the possibilities, either of devi­ ance or of theory.

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First, then, five deviant cases: (1) There is no individual which S meant and there is no individual which is such both that it satisfies the descriptive content of the singular term em­ ployed and that S putatively meant it. — (3 x)(S meant x) & — (3 x) (D x · S putatively meant x) (2) There is no individual which S meant, but there is an individual which satisfies the descriptive content of the singular term employed and which S putatively meant. — (3 x) (S meant x) & (3 x) (D x · S putatively meant x) (3) There is an individual which S meant but which does not satisfy the de­ scriptive content of the singular term employed and there is also an indi­ vidual which does satisfy that content and which S putatively meant. (3 x)(S meant x · — D x) & (3 x)(D x · S putatively meant x) (4) There is an individual which S meant but which does not satisfy the de­ scriptive content of the singular term employed and there is no indi­ vidual which satisfies that content and which S putatively meant. (3 x) (S meant x · — D x) & — (3 x) (D x · S putatively meant x) (5) There is an individual which S meant and which satisfies the descriptive content of the singular term employed and there is another individual, not identical with the first, which also satisfies that content and which S putatively meant. (3 x) (3 y) (S meant x · D x · S putatively meant y · D y · x Φ y) (The case of the two brothers mentioned above is an example of (5)).

Next, I list three types of theoretical response to these cases. Ad­ herents of the first type of response demand no more and no less of direct reference than satisfaction of the minimal condition (a). That is, they attach exclusive importance to the question of what item, if any, was the intended object of S’s reference. Consequently, they rule that, in the first two cases, where there is no such item, no ref­ erence is made and no proposition expressed; whereas, in the re­ maining three cases, where there is an individual which S intended to refer to, even though the situation is less than normally satisfac­ tory in other respects, S is deemed to have referred to that indi­ vidual and to have said something — expressed a proposition — about it or him (or her). Theorists of the second type, though sym­ pathetic in part to the views or prejudices of type 1 theorists, are made of sterner stuff, holding that fulfilment, not of the minimal condition (a), but of the expanded condition (b) is both sufficient and necessary for direct reference. Consequently they declare that in all of the first four cases S’s utterance is void for lack of refer­ ence: no reference is made, no proposition expressed; and only in

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the last case is S deemed to have made reference to, and expressed a proposition about, the item he meant. Theorists of the third type share type 2 theorists’ insistence on satisfaction of the descriptive content of the singular term employed, but differ from theorists of both other types in attaching less importance to the question, what reference the speaker intended to make, and more to the question, what reference, if any, he would normally and naturally be taken to have made. So, while agreeing with both other theorists that no ref­ erence is made and no proposition expressed in case (1) and with the theorist of type 2 that the utterance in case (4) is similarly void for lack of reference, the theorist of type 3 will hold that in cases (2) and (3) the speaker actually referred to, and expressed a proposi­ tion about, the individual item he putatively meant; that in these cases he succeeded, indeed, in making a reference, but not to the item he intended to refer to — either because there was no such item (case 2)) or because, though there was such an item, it did not answer to the descriptive content of his singular term. However, the type 3 theorist graciously joins hands with his two rivals in respect of case (5), allowing that where both the intended and the putative objects of reference satisfy the descriptive content of the term em­ ployed, the speaker’s intention shall be deemed to turn the balance in favour of actual reference to the former. So agreement between all three is achieved in cases (1) and (5), though in none of the others. As I remarked, I have not exhausted the possibilities either of de­ viance or of theory. It would be a modest, and modestly appealing, exercise to add to them both; though its modest appeal would be confined, at most, to those who accept my initial assumptions, viz. that direct reference occurs and may sometimes be effected by sin­ gular terms with descriptive content. As far as the three theories regarding my five deviant cases are concerned, my intention is not to choose between them, but to sug­ gest that there is no need to choose; that it is sufficient to note the different possibilities and the reasons for them and to leave it at that. In so far as one is impressed by the difference between 'what the speaker meant to say' and 'what he actually said', one might in­ cline towards theory 3. But to incline is enough. Far more important for the understanding of the actual use of directly referential terms in communication is a grasp of the normally satisfied conditions of

I set out below the three theories of deviance, applied to the five cases, in tabular form:

their successful employment.

(1) (2) (3) (4) (5)

Theory 1 UV UV IRA IRA IRA

Theory 2 UV UV UV UV IRA

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Theory 3 UV PRA PRA UV IRA

UV.............. utterance void (i. e. no reference, no proposition), IRA.............. intended reference — actual reference (i. e. reference to, and

proposition about, the item S meant), PRA.............. putative reference = actual reference (i. e. reference to, and proposition about, the item S putatively meant).

Semantische Wahrheitstheorien

Herbert Hrachovec

GEGENSTAND, NUTZEN UND GRENZEN SEMANTISCHER WAHRHEITSTHEORIEN

Von den Begriffsmustern zur Erfassung des Umgangs mit Sätzen ist eines besonders erfolgreich: „Sätze" bedeuten etwas und „sind wahr*, wenn bestimmte Prüfungsverfahren zeigen, daß der nach den Regeln ihrer Bedeutung konstruierbare Inhalt behauptet werden kann. Angenommen z. B. die Bedeutung von Sätzen liege in der Abbildung der Welt, dann werden sie durch den Nachweis des Bestehens der abgebildeten Sachverhalte verifiziert. Die philosophi­ sche Semantik nimmt das Begriffsmuster, nicht eine seiner Konkreti­ sierungen (im Beispiel die Korrespondenztheorie), zum Ausgangs­ punkt der Analyse des Wahrheitsproblems. Sie beginnt mit der Fest­ stellung, daß die Rede von einer Beziehung des Zeichens auf Be­ zeichnetes (insbesondere des Satzes auf seine Bedeutung) einen we­ sentlichen Aspekt des menschlichen Sprachgebrauches trifft. Ein so abstrakt gefaßtes Muster führt allerdings noch nicht sehr weit. J. Austin spricht von der „ziemlich langweiligen, aber zufriedenstel­ lenden Beziehung zwischen den Wörtern und der Welt"1 und S. Soames empfiehlt, von Wahrheitstheorien besser nicht mehr zu verlangen, als eine widerspruchsfreie Behandlung des allgemein Be­ kannten. Vor allem sei Wahrheit weder der Schlüssel zur Ontologie, noch zur Repräsentation der Welt durch die Sprache2. In dieser Sicht folgt die Semantik einem in der Alltagssprache angelegten Muster, dessen Bedeutsamkeit nicht aus renommierten Theorien ab­ geleitet werden kann. Sie muß sich in der Anwendung des Musters erst erweisen. Für die Behandlung der Wahrheitsfrage in der analytischen Philo­

1 Gunnar Skirbekk (Hrsg.), Wahrheitstheorien. Eine Auswahl aus den Dis­ kussionen über Wahrheit im 20. Jahrhundert, Frankfurt a. Μ. 1977, S. 241. 2 Scott Soames, What is an Theory of Truth, in: The Journal of Philosophy

81 (1984), S. 41 ff.

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sophie sind drei Anwendungsbereiche des semantischen Grund­ schemas von Bedeutung: formale Logik, Bedeutungstheorie und Me­ taphysikkritik. Tarski präzisierte das intuitiv vertraute Muster der Wahrheitsprädikation für formale Systeme, Davidson hat sich dieser Vorgabe in seinen sprachphilosophischen Entwürfen bedient, die von Μ. Dummett, H. Field und H. Putnam ausgelöste Debatte über metaphysische Implikationen des Wahrheitsbegriffes schließ­ lich ist die jüngste Konkretisierung des Schemas in einem vorgege­ benen Problemfeld. Analytische Wahrheitstheorien enthalten keine Reflexionen über das Wesen der Wahrheit, sondern Versuche, mit Hilfe eines abstrakten begrifflichen Musters Ordnung in undurch­ sichtige Problemzusammenhänge zu bringen. Ich werde zeigen, wie sich das Schema dabei mit Inhalt füllt. Doch der semantische Ansatz ist nicht bloß ein Prinzip, nach dem verschiedene philosophische Disziplinen sich richten können, er ist selbst eine philosophische Ent­ scheidung. Im Anschluß an die Diskussion der Arbeiten Tarskis, Da­ vidsons und Putnams ist zu untersuchen, welche Konsequenzen in der Wahl des Schemas selber stecken. Dabei wird sichtbar, daß die philosophische Semantik dem klassischen Thema „Sprache und Wirklichkeit" eine neue Wendung gibt. Sie kann als Fortschritt ge­ genüber den methodisch unabgesicherten Reflexionen über Wahr­ heit aufgefaßt werden. Die Kehrseite des Fortschritts ist allerdings ihr Rückfall auf einen Status, den die traditionelle Philosophie immer zu überbieten suchte: Den semantischen Erörterungen fehlt die er­ kenntnistheoretische und metaphysische Begründung. Wie sich das auswirkt, ob es akzeptiert oder verhindert werden sollte, ist eine Kontroverse, zu der am Ende dieser Arbeit Stellung genommen wird.

1. Tarskis Wahrheitsdefinition A.Tarski hat über den philosophischen Hintergrund seiner for­ malen Konstruktionen widersprüchliche Behauptungen aufgestellt. „Wir möchten, daß unsere Definition den Intuitionen der klassischen aristotelischen Konzeption der Wahrheit gerecht wird.*3 Nach ihr ist eine Aussage wahr, wenn sie einen existierenden Sachverhalt be­ zeichnet und die Aufgabe besteht darin, diese Intuition in eine ad­ 3 Skirbekk, S. 142.

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äquate Fassung zu bringen, so daß sich die formale Definition von Wahrheit nach ihr richten kann. Tarski resümiert das Resultat so: „Was meine Meinung betrifft, habe ich keine Zweifel, daß unsere Formulierung dem intuitiven Gehalt der Formulierung des Aristo­ teles entspricht."4 Die vorgeschlagene Korrespondenztheorie impli­ ziert jedoch, daß es Sachverhalte auch wirklich gibt, anders könnten Sätze nicht mit ihnen übereinstimmen. Also müßte Tarski Realist sein. Erstaunlicherweise will er davon aber nichts wissen. Er gibt eine Lesart seines Ansatzes, nach der wir „naive Realisten bleiben (können), kritische Realisten, Idealisten, Empiristen oder Me­ taphysiker — was immer wir vorher gewesen sein mögen. Die se­ mantische Konzeption ist hinsichtlich all dieser Standpunkte völlig neutral."5 Die Zitate machen deutlich, daß Tarski zwischen der An­ knüpfung an eine bestimmte philosophische Doktrin und der Neu­ tralität allen solchen Positionen gegenüber schwankt. Was er als Präzisierung der Korrespondenztheorie anbietet, läßt sich offen­ sichtlich auch als Festlegung diesseits philosophischer Komplika­ tionen betrachten. Das liegt an dem Doppelaspekt des semanti­ schen Schemas, der zu Beginn hervorgehoben wurde: Es stellt ein abstraktes Muster dar, das nur in seinen Anwendungen Inhalt er­ hält. In Tarskis Theorie laufen die metaphilosophische und die philo­ sophisch engagierte Funktion der Semantik nebeneinander her. Aber wie sieht sie denn überhaupt aus? Die Theorie operiert mit Festlegungen auf zwei verschiedenen Ebenen. Erstens formuliert Tarski ein Kriterium, an dem die Ad­ äquatheit aller Definitionsversuche von Wahrheit zu messen ist, zweitens konstruiert er zur Interpretation aller in formalen Sprachen zugelassenen Ausdrücke einen semantischen Kalkül, in dem das Prä­ dikat „... ist wahr" durch Rückgriff auf ein allgemeineres semanti­ sches Prädikat definiert werden kann. Die beiden Stränge fügen sich ineinander, denn diese Definition gestattet es, für die jeweils unter­ suchte Sprache genau jene Sätze abzuleiten, die das Adäquatheitskriterium für eine korrekte Charakterisierung der Wahrheit ver­ langt. Im einzelnen sieht das folgendermaßen aus: Die Konvention, nach der sich die Wahrheitsdefinition zu richten hat, legt fest

wobei „x" für Namen eines Satzes in der Objektsprache steht und „p" die Übersetzung eines solchen Satzes in die Metasprache dar­ stellt. Im Beispiel: „Schnee ist weiß" ist wahr genau dann wenn Schnee weiß ist. Die Erläuterung dieser Konvention führt auf die er­ wähnte Doppeldeutigkeit. Nach der neutralen Lesart, die das ab­ strakte semantische Muster wiedergibt, besagt sie, ein Satz der Ob­ jektsprache sei wahr, wenn er einem bestimmten Satz der Meta­ sprache äquivalent ist. Man kann aber auch so lesen: Der Satz ist wahr, wenn der entsprechende Sachverhalt besteht. Daß Schnee tatsächlich weiß ist, begründet dann die Wahrheit der Aussage. In dieser Fassung ist die Konvention der Korrespondenztheorie ver­ pflichtet. Bevor wir auf die Konsequenzen dieser Doppeldeutigkeit ein­ gehen, ist aber wichtig, festzuhalten, daß die formale Wahrheitsde­ finition (der zweite Strang) von ihr überhaupt nicht betroffen wird6. In ihr wird jedem Term ein Gegenstand eines zugrundeliegenden Objektbereiches zugeordnet und davon ausgehend definiert, wann atomare Prädikatsausdrücke erfüllt sind: wenn es (ihrer Stelligkeit entsprechende) Folgen von solchen Gegenständen aus der Exten­ sion des betreffenden Prädikates gibt. An diese Festsetzung der De­ notation für Namen und Begriffsausdrücke schließt sich eine rekur­ sive Definition des Erfüllungsbegriffes für alle komplexeren Sprach­ ausdrücke an. Uns interessiert für unsere Zwecke nur der Fall des atomaren Satzes. Er kann als Aussagefunktion (Prädikatsausdruck) ohne freier Variable angesehen werden. Die Erfüllung dieses Aus­ drucks hängt in einem solchen Grenzfall nicht mehr von bestimmten Gegenstandsfolgen ab, weil gar keine noch interpretierbaren Terme zur Verfügung stehen. Man kann festlegen, daß alle Folgen sie er­ füllen, wenn eine einzige sie erfüllt, logisch macht das keinen Unter­ schied. So wird aus dem metasprachlichen Prädikat „.. . ist er­ füllbar" folgende Definition von Wahrheit gewonnen. Eine Aussa­ gefunktion ist wahr, wenn jede Folge von Gegenständen des zur Interpretation der Sprache eingeführten Objektbereiches sie erfüllt. Nun läßt sich in der Meta-meta-Sprache zeigen, daß in der Meta­ sprache alle Aussagen der Form

„x ist wahr genau dann wenn p",

die Folge (an) erfüllt W genau dann wenn a

4 Skirbekk, S. 167. 5 Skirbekk, S.169.

6 Für eine vollständige Darstellung des Folgenden vergleiche etwa C. C. Chang, H. J. Keisler, Model Theory, Amsterdam - London 1973, S. 18ff.

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ableitbar ist. Dabei ist „A" eine Aussagenfunktion der Objekt­ sprache, (an| eine Folge von Gegenständen aus deren Objektbe­ reich und ,a" die Übersetzung von „A" in die Metasprache unter Er­ setzung der freien Variablen durch Namen für die Elemente aus (an). Wahrheit ist ein Spezialfall der Erfüllung, also ist ein Satz ΓρΊ wahr genau dann wenn p. Damit ist nachgewiesen, daß die formale Wahrheitsdefinition der Bedingung der Konvention Tarskis adäquat ist. Die Sätze einer Objektsprache treten in einem metasprachlichen Schema auf, dessen Einzelfälle alle ableitbar sind und gemäß Tarskis Kriterium die korrekte Charakterisierung des Wahrheitsbe­ griffes leisten. Aus dieser Skizze geht hervor, daß Tarski trotz seiner Erklä­ rungen kaum philosophische Ambitionen verfolgte. „Tarskis Wahrheitsdefinition ist weder ein Versuch, die Bedeutung der Wahrheitsprädikate natürlicher Sprachen zu analysieren, noch ein Versuch, den Begriff der Wahrheit für ausgedehnte philosophische Zwecke zu ge­ brauchen. Tarskis Absicht war vielmehr, die Wahrheitsprädikate natürlicher Sprachen durch gewisse beschränkte, jedoch formal definierbare Stellver­ treter zu ersetzen.“7

Dennoch wurde Tarskis Untersuchung nicht bloß zum Ausgangs­ punkt der Modelltheorie (und damit der gesamten zeitgenössischen formalen Semantik), sondern auch zu einem entscheidenden Orien­ tierungspunkt in der innerphilosophischen Debatte über Wahrheit. Durch sie ist die Konvention (W) in das Zentrum der Aufmerksam­ keit gerückt. Was ist ihr philosophischer Gehalt? Wir haben ge­ sehen, daß sie nicht, wie Tarski anscheinend glaubte, einfach eine Reformulierung der Korrespondenztheorie darstellt. Ein Gedanken­ experiment kann das verdeutlichen. Angenommen ein totalitärer Staat, in dem nur jene Sätze als wahr zugelassen sind, die eine zu­ ständige Behörde in Dekreten promulgiert. Dieser Umstand ändert zwar den Sinn von „wahr", nicht aber die formale Richtigkeit von Tarskis Formel. Ein Satz ist wahr zu nennen, wenn er (aus welchen Gründen immer) äquivalent zu einem anderen ist. Die Pointe dieser Konvention liegt nicht in ontologischen Implikationen, sondern in der Aufklärung eines begrifflichen Zusammenhangs: sie markiert einen systematischen Ort, an dem sich das Wahrheitsproblem loka­ lisieren läßt, zwischen einem Zitieren und einem anderwärtigen Ge­ brauch von Sätzen. Genau besehen ist sie die Äquivalenz der Prädi­ 7 S. Soames (s. Anm. 2), S. 414.

kation über einen Satz mit dem Gebrauch dieses Satzes, zwei ver­ schiedene Weisen, mit ihm umzugehen, werden wahrheitsfunktional verknüpft. Damit ist hervorgehoben, daß wir, um die Wahrheit eines Satzes beurteilen zu können, einerseits die objektsprachliche Ebene verlassen, andererseits metasprachliche Möglichkeiten in An­ spruch nehmen müssen. Wahrheit impliziert eine Hierarchie von Sprachstufen, die eine durch Zitat fixiert, die andere als praktisch funktionierend angenommen. Diese Idee hat Davidson seiner Be­ deutungstheorie zugrundegelegt. Er bedient sich der ontologischen Neutralität des semantischen Schemas, um die Sprachphilosophie möglichst von Ontologie frei zu halten. Nach der Darstellung seines Ansatzes kommen wir mit Putnam nochmals auf die Möglichkeit zu­ rück, in Tarskis Konvention inhaltliche Vorentscheidungen angelegt zu sehen.

2. Davidsons Bedeutungstheorie

„Die semantische Theorie einer natürlichen Sprache versucht, die Bedeutung jedes bedeutungsvollen Ausdrucks anzugeben, es ist aber die Frage, welche Form eine Theorie annehmen soll, um das leisten zu können."8 Die Semantik Freges oder jene „möglicher Welten" gehen ziemlich umstandslos von der Prämisse aus, die zur Interpretation von Sprachausdrücken notwendigen Entitäten könne man voraussetzen, oder zumindest nach Bedürfnis konstruieren. Im Gefolge von Quines Skepsis gegen ontologisches laissez-faire ver­ sucht Davidson mit einem Minimum an solchen Konstruktionen aus­ zukommen. Im Zentrum der Theorie, die er vertritt, steht eine Adap­ tierung von Tarskis Konvention an den linguistischen Kontext. Die Objektsprache ist ein empirisches Phänomen, das verbale Verhal­ tensmuster einer Gruppe von Personen, und die Aufgabe besteht darin, sie als regelgeleitete, sinnvolle Tätigkeit verständlich zu ma­ chen. Davidson schlägt vor, zunächst aus dem Kontinuum die Äuße­ rungen herauszufinden, die bestätigt oder abgelehnt werden können — Aussagesätze. Dann verweist er auf Tarskis Formulie­ rung: „Sie lädt uns ein, so gut wir können, Verfahren zu erfinden, um den Zwiespalt zwischen dem zitierten und gebrauchten Satz zu 8 Donald Davidson, Semantics for Natural Languages, in: Linguaggi nella società e nella tecnica, Milano 1970, S. 177.

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überbrücken.*9 Der gebrauchte Satz stammt aus der Sprache, in der die semantische Untersuchung durchgeführt wird. In ontologisch aufwendigen Theorien würde er Angaben über Sinn und Bedeutung aller Elemente des objektsprachlichen Ausdrucks enthalten. Da­ vidson beschränkt sich auf gewisse systematische Bedingungen, denen die Obersetzungsrelation zwischen den beiden Sätzen ent­ sprechen soll. Die Grundidee ist, daß Semantik einfach darin besteht, eine ge­ gebene Sprache methodisch korrekt in eine Sprache zu übersetzen, deren Behauptungen man bereits versteht. Egal wie fremd oder ver­ traut die Basissprache ist, zum semantischen Phänomen wird sie durch die Möglichkeit, ihren als Sätzen eingeschätzten Ausdrücken Sätze zuzuordnen, die in der Metasprache funktionieren. Die Grenzen der Ausdrucksfähigkeit jener Sprache, die man spricht, sind auch die Grenzen der Analyse fremder Sprachen. Gesucht ist eine allgemeine Form für Bedeutungstheorien. Die Zusammenstel­ lung von Satzpaaren nach der Formel

(W)

w(s) genau dann wenn p

gibt das abstrakte Muster vor. „s" ist ein Satz der untersuchten Sprache, „p" seine Übersetzung und die empirische Hypothese, zu der die Wahrheitskonvention in dieser Fassung wird, besagt, daß die Bedingungen für die Behauptung von „p" mit jenen der Wahr­ heit von „s* äquivalent sind. „Wenn wir einen beliebigen W-Satz betrachten, verlangt dieser Vorschlag nur, daß, wenn ein wahrer Satz als wahr beschrieben wird, seine Wahrheitsbedingungen durch einen wahren Satz angegeben werden."10 Damit sind aber erst ver­ schiedene Einzelfälle angesprochen. Was in ihnen gelingt, muß noch lange keine methodische semantische Analyse sein. Brocken einer Fremdsprache können mit Sätzen der eigenen Sprache auf gut Glück erfolgreich korreliert sein. Die Hauptaufgabe einer semanti­ schen Systematik nach Davidson ist nun, so gut wie möglich heraus­ zufinden, wie die Bestandteile der objektsprachlichen Sätze global in der untersuchten Sprache funktionieren, um daraus optimale Vor­ aussagen über die Wahrheit der unendlich vielen Sätze zu ge­ winnen, die aus ihnen zusammengestellt werden können. Zwischen 9 Donald Davidson, In Defense of Convention T, in: H. Leblanc (Hrsg.), Truth, Syntax and Modality, Amsterdam - London 1973, S. 78 f. 10 Ebd., S. 84.

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den zitierten Satz und die Verwendung seiner Übersetzung in der Metasprache muß eine „logische Struktur (wie wir die durch die Wahrheitstheorie entwickelte Struktur nennen können)*11 ge­ schoben werden, die einen systematischen Zusammenhang zwi­ schen dem Aufbau dieses Satzes und dem Wahrheitsprädikat auf­ stellt. Dieser Zusammenhang wird durch die Verwendung der Über­ setzung auf seinen empirischen Gehalt geprüft. Wie soll man sich die Konstruktion des logischen Netzes vor­ stellen, durch das die ganze untersuchte Sprache versuchsweise in ihrem inneren Funktionszusammenhang erfaßt wird? Hier greift Da­ vidson nochmals auf Tarski zurück, diesmal auf dessen formallogi­ sches Vorgehen. Die Gestalt der empfohlenen Semantik resultiert aus der ins Empirische gewendeten rekursiven Methode. „Da unendlich viele W-Sätze zu erfassen sind, muß die Theorie so vorgehen, daß sie eine endliche Anzahl von Ausdrücken auswöhlt, für die Wahrheit in Frage kommt und eine endliche Anzahl wahrheitsfunktionaler Konstruk­ tionen, aus denen alle Sätze sich zusammensetzen. Dann gibt die Theorie die semantischen Eigenschaften bestimmter elementarer Ausdrücke an und erklärt, wie die Konstruktionen die semantischen Eigenschaften der Aus­ drücke betreffen, auf denen sie operieren. In diesem Zusammenhang werden einige Ausdrücke als referentiell fungierend aufgefaßt, zuminde­ stens die Variablen, aber keine Ausdrücke müssen so aufgefaßt werden, als würden sie etwas benennen oder bezeichnen, außer es gibt unreduzierte singuläre Terme.*’2

Aus dem Zitat wird deutlich, wie sich empirische Linguistik und die Aufstellung wahrheitsfunktionaler Kalküle zu einer metaphysisch abstinenten Bedeutungstheorie verbinden. Die Zeichenkette „s" des W-Satzes ist so in ihre elementaren Bestandteile zu zergliedern und in die Metasprache zu übersetzen, daß sich ein Maximum an Über­ einstimmung mit den Sprechern der untersuchten Sprache ergibt. Die Aufgabe besteht darin, der Sprache eine Struktur aufzuprägen, die den Beitrag einzelner, in verschiedenen Kontexten wiederkeh­ render syntaktischer Bestandteile zur Wahrheit der entsprechenden Sätze in einer einheitlichen Theorie zu erfassen versucht. „Eine Be­ deutungstheorie für eine Sprache L zeigt, wie die Bedeutungen von Sätzen von der Bedeutung der Worte abhängen, wenn sie eine (re­ kursive) Definition von Wahrheit-in-L enthält.*13

11 D. Davidson, Semantics, S. 187. 12 D. Davidson, In Defense, S. 81. 13 D. Davidson, Truth and Meaning, in: Synthese 17 (1967), S. 310.

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Davidsons Überlegungen sind vor allem dadurch einflußreich ge­ worden, daß sie sich nicht damit begnügen, Wahrheit als Selbstver­ ständlichkeit oder Sprachschnörksel zu betrachten14, ohne doch die Tarskikonvention auf erkenntnistheoretische Hintergründe zu be­ fragen. Sie halten sich in der Mitte zwischen dem formalen Instru­ mentarium und dem philosophischen Glaubensstreit. Das Prädikat „... ist wahr" soll innerhalb einer nach Quine behavioristisch einge­ färbten Linguistik seine Arbeit tun. Doch dieser Vorschlag hat die Diskussion um die richtige Verfahrensweise mit dem semantischen Grundmuster nicht abgeschlossen15. Modelltheorie und empirische Semantik sind auf die Dauer kein Ersatz für die Fundierungsfragen, die Tarskis Vorgehen zumindest streift. Wie soll man sich zu jenem Teil seines Projekts stellen, in dem er metaphysische Aussagen zu unterstützen sucht? E. Tugendhat spricht Tarskis Wahrheitsdefini­ tionen jedes philosophische Interesse ab. Für ihn bezieht sich die betreffende Prädikation über einen Satz immer auf die Wahrheit des propositionalen Gehaltes (nach seinem Sprachgebrauch: des Urteils) zurück, die darin besteht, daß der Satz einen tatsächlich be­ stehenden Sachverhalt ausdrückt16. So weit kann Tarskis Äquivalenz nicht Vordringen. „Ob das Urteil wahr ist oder nicht, läßt sich nicht nur ihm selbst nicht ansehen ... sondern ist überhaupt nicht durch ein Urteil entscheidbar... Die Wahrheitsfrage bezieht das Urteil auf einen Bereich, der selbst nicht Urteilscharakter hat."17 Es soll ja unter bestimmten Umständen wahr sein und die müssen wir, bevor wir einen Satz als wahr betrachten können, erkennen. «Was aber die Wahrheit eines Urteils bedeutet, kann natürlich nur mit Rück­ sicht auf die Art bestimmt werden, wie wir sie erkennen. Sonst könnte es zu soetwas wie Verifikation nie kommen: Wir wüßten nicht, wie wir nach der Wahrheit eines Urteils fragen sollten, und damit verlöre das Wort ,Wahr­ heit' jeden Sinn."’8

Der Einwand richtet sich gegen die selbstverständliche Ausklam­ merung erkenntnistheoretischer Reflexionen in der sprachanalyti14 Vgl. dazu die bei Skirbekk dokumentierte Debatte zwischen Austin und Strawson. 15 Vgl. H. Hrachovec, Was die Semantik natürlicher Sprachen aus dem Tractatus lernen sollte, in: Language, Logic, and Philosophy, Proceedings of

the 4th International Wittgenstein Symposium, S. 543 ff. 16 Skirbekk, S. 194. 17 Skirbekk, S. 195. ” Skirbekk, S. 196.

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sehen Diskussion. Carnaps Erklärung ist symptomatisch: „Von der Definition für ,wahr' muß man nicht erwarten, daß sie uns ein Bewährungskriterium liefert, wie wir es in erkenntnistheoretischen Überlegungen suchen."19 Der Streitpunkt betrifft das Verhältnis zwi­ schen einer als autonomer Disziplin gefaßten Semantik und dem Anspruch traditioneller Philosophie, die Vorbedingungen solcher Theoriebildungen erhellen zu können. Bevor ich dieser Auseinander­ setzung folge, ist eine weitere Adaptierung des Tarski-Satzes vorzu­ stellen. H. Putnam hat ihn, im Anschluß an einen Artikel von H. Field und die Davidson-Kritik Μ. Dummetts, zum Drehpunkt seiner meta­ physischen Erwägungen gemacht.

3. Putnams Metaphysikkritik Davidson hat scharf zwischen der von Wahrheitstheorien indu­ zierten logischen Struktur einer Sprache und der Frage nach dem Sachbezug ihrer elementaren Ausdrücke unterschieden. Sein Inter­ esse dabei war, außer der behavioristisch unbedenklichen Zustim­ mung zu Sätzen keine semantischen Bezüge zwischen Sprache und Welt zu präjudizieren. Das ist restriktiver als Tarskis Vorgehen bei der Einführung des Erfüllungsbegriffes, denn zu dessen Definition ist ein Sachbezug von Termen und Prädikatsausdrücken vorauszu­ setzen. „Sachbezug" ist ein semantischer Begriff, insofern erklärt Tarski Wahrheit nur innerhalb eines schon vorausgesetzten seman­ tischen Rahmens. Davidson überläßt die Erforschung seiner Be­ schaffenheit der Empirie, H. Field hat einen prinzipiellen Einwand gegen Tarskis Strategie. Unter Erklärung versteht er die Zurückfüh­ rung eines Phänomens auf naturwissenschaftlich nachweisbare Funktionsprinzipien. So gesehen ist Tarskis Unternehmen aber eine Art von Dualismus, denn Semantik reduziert sich bei ihm nicht auf Empirie. Wie Field bemerkt: „Semantizismus setzt, wie der Karte­ sianismus und Vitalismus, nichtphysikalische Grundbegriffe .. ."20 Sollten wir jemals zu der Überzeugung kommen, „es sei unmöglich, die Begriffe der Wahrheit und des Sachbezuges in nicht-semanti­ scher Weise zu explizieren, so müßten wir entweder diese semanti19 Skirbekk, S. 89 f. 30 Harty Field, Tarski’s Theory of Truth, in: The Journal of Philosophy 69 (1972) S. 358.

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sehen Begriffe aufgeben, oder den Physikalismus verwerfen"21. Field appelliert darum an die kognitive Psychologie, naturwissenschaft­ liche Methoden zu entwickeln, die es erlauben, Semantik auf Kausal­ beziehungen zwischen Sprechern und ihrer Umwelt zurückzuführen. An diesem Punkt erhebt Putnam Einspruch. „Ist Sachbezug bloß eine Relation zwischen einem Ding, das zufälligerweise ein Wort ist... und einem anderen Ding ...? Und wenn das der Fall ist, ist es eine Re­ aktion, die genauso Teil des naturalistisch-kausalen Weltaufbaus ist, wie die Relation ,ist chemisch gebunden an'?"22 Die Antwort muß sich der starken physikalistischen Voreingenommenheit in der Wissen­ schaftsphilosophie stellen, dennoch verficht Putnam die Überzeu­ gung, daß Fields Kritik an Tarski die Sache verfehlt. Putnam hebt zweierlei hervor. Erstens dient die semantische Be­ trachtungsweise einem Erklärungszweck, der vom Physikalismus nie erfüllt werden kann. Die Gründe, die uns dazu bringen, das Wahr­ heitsschema zu verwenden, sind unabhängig von Versuchen, ein lückenlos kausales Netz über die Welt zu legen. Erklärungen sind interesseabhängig und was wir durch Begriffe wie „Wahrheit" und „Sachbezug" erläutern wollen, verträgt keinen physikalistischen Er­ satz. Es müßte möglich sein, ohne den Physikalismus in seinem Gel­ tungsbereich zu beschneiden, an verschiedenen aufeinander unre­ duzierbaren Erklärungsebenen festzuhalten. „Wesentlich ist, die Konvention W zu legitimieren, indem man einen Grund — abge­ sehen von Kausalerklärung — angibt, aus dem man Begriffe wie Wahrheit und Sachbezug in die Sprache aufnimmt, und zu zeigen, daß die Erfüllung des Kriteriums W das Problem löst."23 Damit ist die Eigenständigkeit des semantischen Bereichs reklamiert. Der zweite Punkt betrifft das scheinbare Nahverhältnis der Konvention (W) zum Realismus. Muß man, wenn man sie nicht auf naturwissen­ schaftliche Fakten reduziert, einfach hinnehmen, daß sie nur im Er­ klärungszusammenhang der Korrespondenztheorie funktioniert? Hier zeigt Putnam, gestützt auf Dummetts verifikationistisch inspi­ rierte, antirealistische Bedeutungstheorie, daß Tarskis formaler Ap­ parat von sich aus keine Deutung seiner Elemente vorschreibt. Tarski hat, wie wir schon diskutierten, keine Angaben darüber ge­ macht, unter welchen Bedingungen der metasprachliche Satz in

21 Ebd., S. 360. 22 H. Putnam, Meaning and the Moral Sciences, London 1978, S. 15. 23 Ebd., S.16.

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seiner Äquivalenz behauptet werden kann. Das erlaubt Putnam, dem formalen Kalkül neben der klassischen auch eine intuitionistische Deutung zu geben: „Wir könnten ... die formale Semantik bei­ behalten (inklusive von Wahrheitsdefinitionen nach Tarskis Muster); sogar klassische Logik beibehalten ; und dennoch unseren Begriff von ,Wahrheit' in die Nähe zu etwas wie gegründeter Behauptbarkeit' verschieben."24 Die Bedeutung von „wahr" wird weder durch Tarskis Konvention noch durch den hinter ihr aufgebauten Forma­ lismus festgelegt. Das heißt umgekehrt, daß sich die Philosophie selber um eine Deutung kümmern muß. In Putnams Stellungnahme zum Wahrheitsproblem werden dessen traditionelle Dimensionen wiederentdeckt. Gegen den natu­ ralistischen Reduktionismus nimmt er Quines Prinzip der Undurch­ sichtigkeit des Sachbezuges in Anspruch: „Die Natur bewirkt, daß wir Worte und Zeichen für Gedanken so verarbeiten, daß genü­ gend viele unserer weltbezogenen Meinungen wahr sind und darum genügend viele unserer Handlungen zu unserer ,umfassenden gene­ tischen Tauglichkeit' beitragen; aber das läßt den Sachbezug größ­ tenteils unbestimmt."25 Die Eigenständigkeit der Semantik besteht gerade darin, daß sie Entwürfe vorlegt, die mittels einer speziellen Beziehung zwischen Sprache und Welt erklären, warum die Mei­ nungen und Handlungen erfolgreich sind. In seiner realistischen Phase hat Putnam die Auffassung vertreten, die Existenz einer theo­ rieunabhängigen Welt folge aus der ständigen Bestätigung unserer Hypothesen und Prognosen über die Umwelt. Diese Position hat er zugunsten eines sogenannten „internen Realismus" verlassen. Es ist zwar in vielen Einzelfällen fruchtbar, sich des semantischen Schemas zu bedienen, aber die eine große Korrelation zwischen un­ serem Zeichensystem und der ihm entsprechenden Welt ist eine me­ taphysische Illusion. Könnte es nicht .eine Art abstrakter Abbildung von Begriffen auf Dinge in der (bewußtseins­ unabhängigen) Welt (geben)? Könnte Wahrheit nicht mit Hilfe einer solchen Isomorphie oder Abbildung definiert werden? Die Schwierigkeit mit diesem Vorschlag ist nicht, daß es keine Korrespondenzen zwischen Worten oder Begriffen und anderen Entitäten gibt, sondern daß es zu viele gibt. Um genau eine Korrespondenz zwischen Worten oder mentalen Zeichen und bewußtseinsunabhängigen Dingen auswählen zu können, müßten wir uns zuvor schon auf die bewußtseinsunabhängigen Dinge beziehen können ...

24 Ebd., S. 29. 25 H. Putnam, Reason, Truth and History, Cambridge 1981, S. 41.

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ohne Zugang zu den noumalen Gegenständen kann man keine Korrespon­ denz zwischen unseren Begriffen und den angenommenen noumenalen Ge­ genständen auszeichnen."26

Daher müssen wir anerkennen, daß soviele legitime Weltent­ würfe bestehen, wie die wissenschaftliche Forschung plausibel ma­ chen kann. Ein Gedankenexperiment soll verdeutlichen, daß Wahrheit „eine Idealisierung rationaler Annehmbarkeit"27 von Geltungsansprüchen ist und nicht das Ergebnis eines metaphysischen Vergleichs zwi­ schen Worten und Sachen. Putnam stellt sich eine universale Idealtheorie vor, die alle Standards interner Konsistenz und operatio­ naler Bestätigung dauerhaft erfüllt, eine erfolgreiche Vereinigung aller internen Realismen, welche die Welt entsprechend unseren Be­ griffssystemen aufteilen28. Ist es dann noch sinnvoll, mit dem Ge­ danken zu spielen, eine solche Theorie könnte die wirklichen Gege­ benheiten verfehlen, wie der metaphysische Realismus behaupten müßte? Eine solche optimale Theorie bietet keinen Anhaltspunkt, von dem aus eine derartige Perspektive überhaupt entfaltet werden könnte. „Wenn man nicht unabhängig von Theorie sagen kann, wie DIE WELT ist, dann ist die Rede von all diesen Theorien als Beschrei­ bungen DER WELT leer"29 und die versuchsweise angenommene Idealtheorie enthält schon alles, was man von Wahrheit fordern kann: die Extrapolation einer endgültigen rationalen Übereinstim­ mung aller Forscher. Putnam hat sich Schritt für Schritt von Tarskis Wahrheitsdefinition, deren semantische Autonomie er verteidigt, über die auf Kant gestützte Widerlegung des metaphysischen Rea­ lismus, zu einer rationalen Konsensustheorie der Wahrheit vorgear­ beitet. Ein Einwand gegen sein Gedankenexperiment ist allerdings, daß die projektierte Idealtheorie gar nicht mehr falsch sein kann. Es ist daher schwer einzusehen, wie sie noch empirisch genannt werden könnte. Putnam tut so, als könnten wir — im Besitz dieser Theorie — noch überlegen, ob etwas zur Wahrheit fehlt und diese Möglichkeit verneinen. De facto hat er aber in seiner Idealkonstruk­ tion den Sinn von Wahrheit schon so umbestimmt, daß die Überle­

gung keinen Sinn ergibt.

26 Ebd., S.72f. 27 Ebd., S. 55.

28 Ebd., S. 54ff.

29 H. Putnam, Meaning, S. 133.

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Wahrheit und Falschheit von Aussagen hängen untrennbar zu­ sammen. Tautologien, die abgesehen von der Beschaffenheit der Welt immer wahr sind, sind sozusagen semantische Leerläufe. Eine Theorie, die ausschließlich wahre Aussagen und Vorhersagen über die Welt macht, produziert logische Wahrheiten in empirischer Ver­ kleidung. Anders gesagt: In Putnams Konstruktion verschwindet der kategoriale Unterschied zwischen apriorischem Theorieentwurf und faktischer Bestätigung; alle zulässigen Sätze sind eo ipso schon Be­ schreibungen der Welt. Beweisführungen auf der Grundlage so ex­ tremer Voraussetzungen sind mit Vorsicht zu genießen. In diesem Fall wird nicht so sehr bewiesen, daß über den imaginierten Zu­ stand hinaus kein sinnvoller Begriff von Realität zu gewinnen ist, als Wahrheit ihres empirischen Charakters beraubt. Der Sinn, den dieser Begriff für uns besitzt, ist in der Idealtheorie genauso aufge­ geben, wie in der metaphysischen Ausgestaltung der realistischen Intuition, daß „echte" Wahrheit jenseits der historisch wechselnden Bestätigung und Widerlegung wissenschaftlicher Hypothesen liegen müsse. Zwei Spekulationen treffen aufeinander, nicht eine sachlich begründete Annahme und eine metaphysische Seifenblase. Daraus ergeben sich zwei Konsequenzen. Erstens wird sichtbar, daß Putnam das semantische Begriffsmuster in klassisch metaphysischer Weise bis an die Grenzen des Vorstellbaren angespannt hat. Und zweitens entsteht die Frage, nach welchen Kriterien die Konkurrenz der Spekulationen zu entscheiden ist. Bisher ist nachgezeichnet worden, wie das Schema der Wahrheitsprädikation analytische Phi­ losophie auf mehreren Ebenen durchlaufen hat. Eine reflexive und eine explorative Überlegung drängen sich auf. Was leistet dieses Schema eigentlich vor der (logischen, bedeutungstheoretischen, me­ taphysischen) Applikation? Und, angenommen Putnams Hinweis auf die Interessensabhängigkeit aller Erklärung ist korrekt, was sind die Motive, denen es Gestalt gibt, die es tragen und die der Hinter­ grund der metaphysischen Idealisierungen sind?

4. Semantik und Metaphysik

Statt selber Aussagen über die Beziehung zwischen Zeichen und Bezeichnetem zu machen, habe ich eine vorsichtige methodologi­ sche Trennung durchgehalten: Ein vorausgesetztes theoretisches Vokabular wird in Einzeluntersuchungen inhaltlich konkretisiert. Auf

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die Verzweigungen der Fachdiskussion bin ich nicht eingegangen. Jetzt geht es um die Rolle des Vokabulars selber. Es ist ein Ord­ nungsmuster zur Einteilung der Phänomenvielfalt der Welt. Wie die Kausalbeziehung, der Standpunkt der Ethik oder ästhetische Attrak­ tion, ist Semantik eine Form, die Welt zu sehen. Hier ist nicht der Ort, sie im Detail zu entwickeln. Doch das bisher Gesagte reicht aus, um einen Eindruck von ihrer Brauchbarkeit zu geben. Ich möchte das im Hinblick auf die zuletzt angeschnittenen metaphysi­ schen Fragen näher ausführen. Jeder kennt die typischen Probleme des Verhältnisses zwischen Sprache und Wirklichkeit. Wie ist es möglich, aus der Sprache gleichsam herauszukommen? Ist die nicht sprachliche Dimension nicht selber nur sprachlich zugänglich? Und, angenommen, daß es möglich ist, wie können so heterogene Fak­ toren dann übereinstimmen? Oder ist das Konzept der Übereinstim­ mung unhaltbar und durch eine andere Deutung des ganzen Ver­ hältnisses zu ersetzen (Kohärenz, Konsens)? Der Ansatz beim se­ mantischen Schema bietet eine Lösungsmöglichkeit für diese Fragen. Worte, die sich auf Dinge beziehen, scheinen diesseits eines on­ tologischen Grabens zu liegen, von dem nicht klar ist, wie sie ihn überwinden können. Die semantisch korrigierte Fassung dieses me­ taphysischen Zerrbildes lautet, daß die Möglichkeit der überbrükkung zu den methodologischen Voraussetzungen gehört, unter denen wir für gewöhnlich die Welt betrachten. Im Schema ist ein analytischer Zusammenhang von „Wort" und „Sache" vorge­ zeichnet und indem wir es zur Aufklärung unserer Handlungsweise verwenden, übertragen wir seine Kategorien mitsamt ihrem Ver­ hältnis auf Erfahrung. Die Möglichkeit, von Worten auf Gegen­ stände überzugehen, ist dadurch verbürgt, daß wir uns ent­ schließen, vom semantischen Begriffsmuster Gebrauch zu machen. Der ontologische Graben schließt sich durch die erfolgreiche An­ wendung der Semantik auf Phänomene. Innerhalb des theoretischen Entwurfes ist der Dualismus von Zeichen und Bezeichnetem eine methodisch kontrollierbare Vorgabe und darum unbedenklich. Ebenso legitim ist er aber, wenn er sich in der Praxis bewährt. Daß

wir uns sprachlich auf Dinge außerhalb der Sprache beziehen können, sagt nichts anderes, als daß wir gute Gründe haben, ge­ rade dieses Erklärungsmuster zu verwenden. Wir stehen mit unseren verbalen Fähigkeiten also nicht vor einem geheimnisvollen non-verbalen Bereich, sondern bedienen uns einer

Semantische Wahrheitstheorien

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Theorie von Sachbezug und Wahrheit. Es liegt nahe, weiter nach den Gründen zu fragen, aus denen sich der semantische Entwurf bewährt. Was sind die ontologischen Implikationen dieses Erfolges? Gewöhnlich faßt man Theorien als modellhafte Charakterisierungen eines durch sie definierten Sachbereiches auf. So gesehen ist Wahr­ heit ein Zug der Phänomene, um die es der Semantik zu tun ist. Au­ ßerhalb ihres Vorgriffs sind Sätze nicht von anderen physischen Fakten unterschieden. Was ist unter dieser Voraussetzung von der Wahrheit zu sagen? Das hängt davon ab, nach welchen Prinzipien man den erfolgreichen Einsatz von Theorien denkt. Die metaphysi­ schen Spielarten der Wahrheitstheorie sind unter diesem Aspekt sy­ stematisch lokalisierbar. Sie lassen sich als Konsequenz verschie­ dener Antworten auf die Frage verständlich machen, was eigentlich dazu führt, daß die abstrakte semantische Formel „Der Satz ,p' ist wahr" vertreten werden kann. Als konkurrierende Erklärungsstrate­ gien für den Erfolg einer elementaren Prädikation der semantischen Theorie. Die Kohärenztheorie operiert ohne ontologische Perspek­ tive. Die Legitimation der Zuschreibung von Wahrheit liegt in der internen Stimmigkeit und praktischen Nützlichkeit vorliegender Satz-Systeme. Sie lassen sich wie Instrumente im Umgang mit der Welt gebrauchen, über dieses Faktum hinauszufragen ist müßige Spekulation. Die Konsensustheorien verschiedener Provenienz er­ gänzen den sozialen Aspekt. Der Grund, Sätze als wahr auszu­ zeichnen, liegt darin, daß die gemeinsame Überprüfung der erfolg­ reichen kohärenten Theorien ihre Haltbarkeit bestätigt. Die Korres­ pondenztheorie bleibt nicht bei diesem Faktum stehen. Sie möchte auch die Tatsache erklären, daß Sätze, denen wir Bedeutung zu­ schreiben, uns Aufschluß über unsere Umwelt geben, wenn sie wahr sind. Sie stellt die Frage, ob es ausreicht, die Umwelt als Produkt von uns entworfener kohärenter Begriffssysteme zu betrachten. Darum konstruiert sie die Wirklichkeit als in sich strukturiert. Sätze repräsentieren diese Strukturen und sind wahr, wenn ihr Inhalt mit einem realen Zustand übereinstimmt. Ihr Erfolg erklärt sich aus der Entsprechung in der Sache. So wie z. B. das Befolgen von Befehlen konstatierbar und dar­ über hinaus durch diverse Theorien erklärbar ist, kann auch das Ge­ lingen von Behauptungen hingenommen oder auf verschiedene Weise theoretisch untermauert werden. Die schematische Rede­ weise von der Wahrheit eines Satzes gibt den Rahmen vor, an den diese Erkundigung sich halten muß. So betrachtet sind die Refle-

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Herbert Hrachovec Semantische Wahrheitstheorien

xionen über Wahrheit Erläuterungen einer ziemlich abstrakten Art, die Welt zu sehen. Aber diese seit Beginn durchgehaltene methodi­ sche Voraussetzung ist nicht so selbstverständlich, wie es scheint. Schon der Titel „Wahrheitstheorie" enthält ein irritierendes Mo­ ment: Wahrheit als Gegenstand einer Theorie, als systematisch faß­ bare Vorgegebenheit semantischer Entwürfe, kann schwerlich die Wahrheit jener Theorie einschließen, durch die man sie erfassen will. Ich habe die Semantik, den Gepflogenheiten der analytischen Philosophie folgend, nach dem Typus der Erfahrungswissenschaften dargestellt. Das bringt eine Komplikation mit sich: Sie hat ein Thema, das zur Voraussetzung jeder empirischen Untersuchung ge­ hört. Kann man das einfach selbst empirisch abhandeln? Die Diskus­ sion der Anwendung des Wahrheitsschemas auf verschiedene Be­ reiche wäre ohne die stillschweigende Voraussetzung, daß Wahr­ heit tatsächlich ein Zug der semantisch erschlossenen Welt ist, nicht denkbar gewesen. Wahrheit ist ein Bestimmungsstück von Theorien, als Thema einer Theorie läßt sie sich nur betrachten, wenn man die Interferenz dieser beiden Ansätze in Rechnung stellt. Das Spektrum möglicher Theorien über den Wahrheitsbegriff fächert sich auf. Er verlangt eine Behandlung auf mehreren einander überkreuzenden methodischen Ebenen. Ich habe seine logische, linguistische und me­ taphysische Erforschung bis jetzt als etwas angesehen, das unter die allgemeine Voraussetzung des semantischen Schemas fällt. Phi­ losophisch gesehen war das ziemlich naiv. Man kann nicht ohne Re­ flexion auf die Methode Semantik vor Logik, Erkenntnistheorie und Metaphysik setzen. Semantik bewährt sich in vielfacher Hinsicht als analytisches In­ strument und empirisches Forschungsprogramm, aber sie ist nicht autonom. Ein Indiz für diesen Sachverhalt ist die schon erwähnte Debatte zwischen H. Field und H. Putnam. Der eine will Semantik auf physikalische Fakten zurückführen, der andere verteidigt sie als eigenständige Disziplin. Field unterläuft Semantik mittels der Natur­ wissenschaft, deren Funktionsweise sie aufzuklären beansprucht. Auch Putnam verschließt sich dem Hinweis nicht, daß Erkenntnis selbst ein mögliches Objekt unserer Erkenntnis30 und darum nach

deren gängigen Grundsätzen zu behandeln ist. Aber er hat eine an­ dere Auffassung über die Beschaffenheit der Erkenntnis im allge* meinen. Sie ist in praktischen Bedürfnissen im Umgang mit der Welt 30 Ebd., S. 37.

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verankert. Jede Überzeugung zeigt diese irreduzible Situationsbezogenheit. Darum ist der Weltbezug von Sprache nicht eindeutig physikalisch festlegbar. Eine solche These gehört nicht mehr in die Semantik. Sie betrifft die prinzipielle Möglichkeit der empirischen Semantik selbst, insofern ist sie Metaphysik, wie übrigens auch Fields Gegenposition. Sobald man sich auf die Debatte einläßt, ob und unter welchen Bedingungen man semantische Sachverhalte sta­ tuieren soll, wird das Analysierte zum Mittel der Analyse, die philo­ sophische Reflexion, die der Aufklärung bedürftig schien, wird zur Praxis der Überprüfung wissenschaftlicher Rahmenbehauptungen. Semantische Analyse der Erkenntnistheorie und Metaphysik, sowie von der anderen Seite her die philosophische Eingrenzung der Gel­ tungsansprüche der Semantik, markieren diesen Umschlagpunkt. Durch Putnams Behauptung, daß Erkenntnistheorie nicht naturali­ siert werden könne31 ist er scharf beleuchtet worden. An dieser Stelle wird vielleicht entschieden werden, wohin sich die sprachana­ lytische Philosophie entwickelt. Der Punkt ist auch zentral für die ge­ genwärtige Diskussion im deutschen Sprachraum, zu wichtig, um hier noch kurz besprochen zu werden. Stattdessen versuche ich ein anderes Resümee.

5. Wahrheit und eine Reihe von Dualismen Was lehrt die von Tarski initiierte Betrachtungsweise der Wahr­ heit? Die wechselseitige Verschränktheit der involvierten Disziplinen erlaubt keine generell gültige Antwort. Aber man kann versuchen, charakteristische Züge von philosophischem Interesse anzugeben. Dazu ist nicht erforderlich, daß einer die referierten Positionen ver­ tritt, verlangt ist nur ein allgemeines Interesse an den Implikationen der semantischen Schematik. Ihr wird nicht selten vorgehalten, sie operiere mit einem von vornherein illegitimen Dualismus von Zei­ chen und Bezeichnetem. Ich möchte zeigen, wie dieser Umstand sich in Theorien nach dem Vorbild Tarskis darstellt. Die Bemerkung Fields, daß Semantizismus dem Kartesianismus zu vergleichen sei, trifft einen wesentlichen Punkt. Im Gegensatz zu Field betrachte ich das aber nicht als Vorwurf32 und werde dafür argumentieren, 31 H. Putnam, Collected Papers III, Cambridge 1983, S. 229ff. 32 Vgl. H. Hrachovec, Für Descartes. An die Gebildeten unter seinen Ver­ ächtern, in: Conceptus 1/1985.

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Wahrheit als Inszenierung einer Anzahl dual organisierter Begriffe zu verstehen. Nicht als Instrument gepriesener oder als repressiv gescholtener Anpassung des Menschen an eine Wirklichkeit, die er sich gegenüber sieht/setzt, sondern als Kreuzungsstelle aufeinander nicht zurückführbarer Einteilungen und Praktiken. Die Quintessenz von Tarskis Konvention besteht darin, die Be­ hauptung eines Satzes einer Prädikation über ihn äquivalent zu setzen. Formal gesprochen sagt das bloß, der Satz und die Aus­ sage, er sei wahr, müßten dieselben Wahrheitswerte besitzen. Aber die Festlegung eröffnet eine weiterreichende Perspektive. Ein erster Anstoß ist die Frage, wie die beiden Seiten der Äquivalenz inhalt­ lich zueinander stehen. Der dabei auftauchende Zusammenhang läßt an ein Zirkelverhältnis denken. Einen Satz behaupten besagt doch, ihn für wahr erklären. Der Sinn des Ausdrucks auf der rechten Seite der Konvention (W) ist nur verständlich, wenn man den Sinn des Ausdrucks auf der linken Seite kennt. Doch auch die Umkehrung gilt, die Sprachfunktion der formal äquivalenten Sätze läßt sich nur wechselseitig aneinander bestimmen: Um zu wissen, wann ein Satz als wahr anzusehen ist, muß man auf das Behaupten zurückgreifen. Im wahrheitsfunktionalen Kalkül spielt das keine Rolle, aber sobald man die Konvention zum Leitfaden der philosophischen Erörterung macht, ist klarzustellen, inwiefern man sich beim Verständnis dieser beiden Begriffe nicht in einen Zirkel verwickelt. Die Antwort wird durch eine Unterscheidung von Sprachebenen gegeben: Der Satz als Gegenstand der Prädikation kommt aus der Objektsprache, Wahrheit wird ihm in der Metasprache zugesprochen, in der er au­ ßerdem zum Sprechakt des Behauptens herangezogen wird. „Ein Satz ist wahr, wenn er behauptet werden kann" enthält also ein definitorisch begründetes Wechselverhältnis zwischen einem Prädikat und einer verbalen Handlung, das der Zirkularität durch Einrichtung eines sprachlichen Stufenbaus entgeht. Um die Wahrheitsfrage durchsichtig zu halten, wird der Zusammenhang zwischen Prädizieren und Behaupten hierarchisch strukturiert. Prädikation und Behauptung, Objekt- und Metasprache sind Be· griffspaare als Hilfe bei der Präzisierung des Wahrheitsbegriffs. Durch sie alleine wird die Behauptung, Wahrheit nach Tarski be­ ruhe auf einem Dualismus, aber noch nicht erwiesen. Man könnte erwidern, sie bestünde letztlich in einer metasprachlich gegebenen Korrelation zweier verschiedenartig aufgebauter und verwendeter Sätze. Zur Beschreibung des definitorischen Rahmens seien die ge·

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nannten Entgegensetzungen zwar nötig, die Äquivalenz sei aber gerade eine Überwindung dieser Trennungen. In diesem Gedanken wird die bisweilen legitime Oberflächlichkeit formaler Logik jedoch zur sachlichen Blindheit gegenüber dem philosophischen Interesse. Seinen wesentlichsten Aspekt sehe ich darin: Wahrheit beruht auf der überspielten Diskrepanz zwischen Zitat und Gebrauch eines Satzes. Sie ist, was man dazutun muß, um die Lücke auszufüllen, die im Übergang von einer gewissen Praxis mit einem Satz zu seiner Betrachtung als in diese Praxis verwickeltes Objekt entsteht. Tarskis Konvention besagt gerade nicht, daß Wahrheit redundant sei, weil sie auf das Behaupten eines Satzes reduzierbar ist. Sie zeigt, in wel­ chem Kontext die Anwendung des Prädikates unerläßlich wird: an­ gesichts der Vergegenständlichung der betrachteten Sätze. Hier rührt die semantische Wahrheitskonzeption an einen metaphysi­ schen Problemkomplex, der tiefer reicht als der Realismusstreit. In Behauptungen erfüllt die Sprache einen kommunikativen Zweck, in der Thematisierung von Sätzen richtet sie sich auf sich selbst — wie kann sie diese beiden Möglichkeiten in sich enthalten? Sprache ist sachdienlich und reflexiv, ein Medium, in dem Selbstvergessenheit und Selbstbezug wechseln. Hinter dieser nüchternen Feststellung verbergen sich die Rätsel sowohl der Entstehung von Reflexion, als auch der Selbstverständlichkeit der Lebenswelt. Wahrheit als Pro­ blem entsteht an der Kippe von dieser zu jener, wenn Sätze sich aus einem Sprachkontext isolieren oder wenn isolierte Sätze in ihn zurückgeführt werden sollen. Sie ist eine Bestätigung, die nicht vom unruhestiftenden Faktum abzulösen ist, daß Bestätigung überhaupt notwendig ist. Der Dualismus von Zitat und Gebrauch markiert das Verhältnis zwischen Theorie und Praxis. In einer Metasprache zu zitieren heißt, sich über eine zum Objekt gemachte Sprache zu erheben. Der Riß geht mitten durch die unbedenkliche Verwendung von Sprache in der Welt. Der gleiche Satz fügt sich in eine Praxis ein und steht zu dieser Praxis quer. Aber ist es wirklich der gleiche Satz? Um diese Konfusion zu vermeiden ist doch die Hierarchie der Sprachstufen eingeführt worden. Dasselbe Satzzeichen in der Objekt- und Meta­ sprache ist nicht derselbe Satz. Aber so ist der Riß nicht zu be­ heben, denn die Prioritäten sind verkehrt. Der Dualismus der Sprachebenen entsteht durch einen Mißerfolg des unbedenklichen Behauptens. Die logische Absicherung der beiden Teile, in die das Sprechen auseinanderfällt, ist schlecht geeignet, den Prozeß des

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Auseinanderfallens zu erfassen. Ist das ein Plädoyer für metaphysi­

sche Dekoration der Hintergründe von Behauptungen? So ist es nicht gemeint obwohl aus dem Gedankengang verständlich wird, daß jemand auf diesem Weg auf sehr entlegene Gedanken kommen kann. Die Bemerkung versucht ein Ungenügen anzuspre-

chen. Ich habe mit der Feststellung begonnen, die Qualifikation von Sätzen als wahr und falsch sei ein besonders erfolgreiches Begriffs­ muster und darauf die Entwicklungslinie einer Präzisierung des Wahrheitsbegriffes und ihrer Verwertung verfolgt. In dieser ganzen Abfolge war kein Platz für die Frage, ob der Erfolg so einfach hin­ genommen werden soll. Die radikale Kritik am Wahrheitsproblem durch Nietzsche, Heidegger und Foucault argumentiert, daß dos Prestige dieses Begriffes auf undurchschauter Macht im Hinter­ grund beruht. Sätze sind wahr, weil ¡emand/etwas stark genug ist, den Anschein zu erzeugen, die Welt sei so, wie sie es sagten. Diese Bedenken liegen außerhalb des von mir abgesteckten Felds. Aber die philosophische Erweiterung von Tarskis Ansatz weist auf ihre Art in eine Richtung, welche die Begrenztheit des semantischen Schemas augenfällig macht. Es hängt nicht nur an Macht, sondern auch an erinnerter, unwiderbringlicher Einstimmigkeit mit der Welt. .Das Verstehen der Sprache muß den Sachbezug der Terme fest­ legen ... Entweder der Gebrauch fixiert bereits die ,Interpretation' oder nichts ist dazu in der Lage."33 Obwohl das zutrifft, ist es nur das halbe Bild. Die andere Hälfte ist die Unverläßlichkeit des uner­ läßlichen Verstehens. Um den Gebrauch als oberstes Kriterium für Interpretation erkennen zu können, muß man schon eine Stufe höher stehen. Der Weg dorthin führt über das Versagen des Ge­ brauches. Wahrheit ist ohne Enttäuschung nicht denkbar.

Richard Rorty

BEYOND REALISM AND ANTI-REALISM

Much of Heidegger’s Being and Time can be read as a Nietz­ schean criticism of the Platonic tradition. So read, it is a version of Nietzsche’s treatment of Socrates as a "theoretical optimist* in The Birth of Tragedy. This optimism presupposes some form of the Pla­ tonic theory of Recollection — some theory which says that on the most important matters we already have the truth within us and will recognize it when we come across it.1 Such a theory need not claim that when once we hear the truth there will be a blinding flash of il­ lumination, but merely that the process of sifting through our intui­ tions will lead to it eventually, that when we have attained reflec­ tive equilibrium among our pre-philosophical judgements we shall have attained philosophical truth. What is essential is the idea that we have a built-in apparatus for arriving at this truth. Nietzsche repudiated this assumption. He says: .Die Verirrung der Philosophie ruht darauf, daß man, statt in der Logik und den Vernunftkategorien Mittel zu sehen zum Zurechtmachen der Welt zu Nützlichkeits-Zwecken . . . man in ihnen das Kriterium der Wahrheit, resp. der Realität zu haben glaubte."2

Nietzsche’s arguments for these views, insofar as he offered any, were the same as those of the American pragmatists. Dewey and Nietzsche both see inquiry as an extension of other tactics for coping with the environment, rather than as something special which serves higher motives. On this view, the referent of the term "the most important matters" changes when the cultural environ­ ment changes, and changes in that environment are not necessarily the results of dialectical progress. The attainment of reflective equi­ librium among our intuitions is never more than a temporary stop1 I am drawing here on Kierkegaard’s discussion of Socrates in: Philoso­ phical Fragments. 2 The Will to Power, no. 584.

33 H. Putnam, Collected Papers III, S. 24.

Richard Rorty

Beyond Realism and Anti-Realism

gap. For these intuitions are temporary, historical, phenomena which change as our vocabulary and our cultural environment change. One way of marking the contrast between Plato and Nietzsche is to note that their views entail different conceptions of the nature of language. On a Platonic view, we already have at our disposal a language which has the resources for posing the important questions — where "important" means something like "the ones human beings always have asked and will ask, or at least always should ask." To say that we have such a lan­ guage is a consequence of the claim that we have a built-in ap­ paratus for attaining truth on the most important matters. By contrast, to deny this claim leads to an historicist and instru­ mentalist view of language: to the suggestion that there are no questions, and no vocabularies, which are more than temporary expedients. The insistence on historicity, temporality and finitude which runs through Being and Time chimes with the same insistence in Nietzsche and Dewey. If Heidegger had written only that book, he would have seemed one more anti-Platonic polemicist, inventing a new ¡argon to make evident the primacy of the practical over against the theoretical. For the principal theme of this early book is the attempt of the Platonic tradition to escape from finitude and history into eternity by postulating a built-in apparatus for doing something more than coping with the environment. The upshot of the book is a new ¡argon, an instrument for getting us out from under the self-deceptive vocabulary imposed by the Platonic tradi­ tion, a vehicle for Nietzschean self-overcoming. Within five years of the publication of Being and Time, however, Heidegger had realized that his early book had a neo-Nietzschean ring to it, and had decided that this was not what he had meantai all. During the ensuing thirty years he tried to distance his own view from Nietzsche as thoroughly as, in Being and Time, he had dis­ tanced himself from Plato and from Descartes. Heidegger thinks that as long as we see the alternative to Plato as Nietzschean hu­ manism we shall remain in bondage to Descartes, and thus, in the

he calls "metaphysics", defined as the problematic common to Plato and Nietzsche. He also thinks that Nietzsche’s attempts to diagnose the errors of the Platonic tradition were bound to fail:

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end, to Plato himself. If we take as ultimate the opposition between the claims of eternity and of temporality, or of reason and will, or of objectivity and authenticity — stated in the way Nietzsche stated such oppositions — we shall have been suckered into what

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Jede Metaphysik von der Metaphysik und jede Logik der Philosophie, die in irgendeiner Weise die Metaphysik zu überklettern versuchen, fallen am si­ chersten unter sie hinab, ohne zu erfahren, wohin sie selbst dabei fallen.-3

Such passages make us wonder what it would be like to be a nonmetaphysical thinker, not to "fall back beneath metaphysics*. How does Heidegger imagine that we might cure ourselves of the illusion that the issue between Plato and Nietzsche is real and urgent, and thereby cease being metaphysicians? This question is equivalent to: "How might we stop asking whether truth is more than usefulness in the way of belief?" In the very broad sense of the term "realist" which Dummett has recently put in currency4, this is the question: how might we lose interest in the controversies between realists and non­ realists?" How might one make questions like "really there, or just in our minds?" "in the world, or just in our language?" sound silly? For Heidegger, any such question posed in terms of objectivity versus subjectivity, the world versus man, or truth versus verifica­ tion, counts as metaphysical. So he does not want, as Dummett does, to reformulate traditional realist-vs.-anti-realist controversies more perspicuously, to transpose them into a different — "lin­ guistic" key. Rather, he wants to dissolve them. He thinks that if we are to get out from under metaphysics we have to find a vocabu­ lary which avoids even the suggestion of such oppositions. Hei­ degger’s later writings are an attempt to develop such a ¡argon, one no more Nietzschean than it is Platonic.5

3 Nietzsches Wort ,Gott ist Tot', Holzwege, p. 243. 4 See Michael Dummett, Truth and Other Enigmas, Harvard University Press 1980. 5 Heidegger would, of course, not think of this as a ¡argon, but rather as part of his effort to carry out "the ultimate business of philosophy", viz., "to preserve the force of the most elemental words in which Dasein ex­ presses itself, and to keep the common understanding from leveling them off to that unintelligibility which functions in turn as a source of pseudo-prob­ lems". (Being and Time, p. 262; Sein und Zeit, p. 220) In his later work, I would argue, this conception of philosophy’s business was retained, al­ though "Dasein" is replaced by "Being" and "the common understanding" is replaced by "the tradition of Western metaphysics". However, I do not see

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Richard Rorty

Beyond Realism and Anti-Realism

There is, however, something peculiarly frustrating about being told that one is enmired in a bad vocabulary. One would much prefer to be told, for example, that Plato and Nietzsche made the same mistake, believed in the same false proposition. One wishes that Heidegger would criticize Plato and Nietzsche in the argumen­ tative way that Kant criticized Hume and Leibniz: viz., arguing that their respective positions, and resulting problems, stem from a shared misconception about the nature of knowledge. One would like Heidegger to share a topic with Plato and Nietzsche, and to put forward a view about that topic. For then we should have a fairly straightforward answer to the question of how to avoid metaphys­ ics, how to get out of the rut. My topic in what follows will be the difficulty of finding candi­ dates for such a shared topic or such a shared assumption. I think that Heidegger raises a central metaphilosophical question: sup­ pose that one wants to escape from a philosophical vocabulary, to set it aside and view the problems posed in it as pseudo-problems, how do you go about it? How can you maintain enough contact with the vocabulary in order to criticize it while getting far enough from it not to have to answer questions phrased in its terms? In the case of more limited vocabularies, one can appeal to some neutral, unquestioned, larger, heuristic vocabulary, but in the case of the vocabulary shared by Plato and Nietzsche it is not clear that there are any candidates for such a larger vocabulary. To my mind, Heidegger’s importance lies in his attempt to faceup to this metaphilosophical question, and the principal interest of his later work lies in his self-conscious struggles with it. He wound up, however, by confessing himself baffled. Sometimes he suggests thot we simply give up the attempt to criticize, describe or diagnose the Plato-Nietzsche tradition, and just try to forget it. Toward the end

sicht, die Metaphysik zu überwinden. Darum gilt es, vom Ober­ winden abzulassen und die Metaphysik sich selbt zu überlassen."6

of his life he said

„Sein ohne das Seiende denken, heißt: Sein ohne Rücksicht auf die Meta­ physik denken. Eine solche Rücksicht herrscht nun aber auch noch in die Ab­

the difference which Heidegger saw between creating new words and pre* serving the force of old words, and this is why I speak of "¡argon*. On my view, there is nothing wrong with the creation of ¡argon, which is one of the philosopher's most useful tools. On Heidegger's, of course, there is all the difference in the world between this pragmatic use of language and anden­ kendes Denken.

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I take his point to be that you simply cannot criticize the PlatoNietzsche problematic without becoming enmired in it. So you should simply ignore it. This sort of unresponsiveness to traditional questions may seem to provide evidence for the charge of irrationalism which is often le­ veled at Heidegger. In this sense of "irrationalism", anybody who rejects a question without arguing against a presupposition of that question counts as an irrationalist. Yet, in the case of large philoso­ phical questions, it is not at all clear that we know what it would be like to find their presuppositions. The trouble is that the distinction between questioning a presupposition of a question and doubting the utility of the vocabulary in which the question is posed fades out. To illustrate this point, consider a dizzying question which Dum­ mett once posed (and instantly dropped): the question of whether there is a matter of fact about what questions there is a matter of fact about. One can call this the question of metaphilosophical realism. Suppose that one wanted to be a metaphilosophical realist. What sort of objects would one be saying existed? What sort of objects in the world would be required to make factuality a factual matter? Suppose, on the other hand, one wanted to be a metaphilo­ sophical anti-realist. Then one would have to say something like: I believe that it is up to us which questions, if any, are not up to us. The metaphilosophical realist can just dig in his heels and claim that the world contains facts, but not facts corresponding to all ra­ tionally assertible sentences. He can claim to have intuitions about which such sentences have facts to match them and which do not, and wave aside questions about how he got, or might verify, those intuitions. By contrast, however, the metaphilosophical anti-realist is likely to try to dissolve the issue. He will try to reject the vocabu­ lary in which Dummett has formulated it. He will profess doubts about whether we should be using this "matter of fact" vs. "up to us* distinction at all. But if he is asked for arguments against that distinction, it is not clear that he will have any readier response than Heidegger had in a parallel situation. So he will reject the

6 Zur Sache des Denkens, p. 25.

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Beyond Realism and Anti-Realism

characterization of himself as an "anti-realist" and claim to be be­

This passage parallels Heidegger’s claim that "Nietzsches Denken warund /sf überall eine einzige und oft sehr zwiespältige Zwiesprache mit Platon"10 and that "rückt seine [Nietzsches] Lehre von der Sche­ mata der Platonischen Ideenlehre so nahe, daß sie nur noch eine be­ stimmt geartete Umkehrung dieser, d. h. mit ihr im Wesen identisch ist"11. Heidegger thinks that Nietzsche accepts Plato’s question "What is truth?", rejects Plato’s answer "Conformity to our memory of un­ changing objects" and substitutes the answer "ability to serve the will to power". Fine thinks that Putnam and I accept the question, reject the realist’s answer "correspondence to reality", and substitute an answer like "ideal verifiability" or "consensus"12. He thinks that van Fraassen accepts the question "what is really real?", rejects both the realist answer ("whatever science needs to posit") and the pragmatist answer ("whatever is useful to talk about") and gives an instrumentalist answer ("the observable"). Heidegger and Fine both think that the questions should have been rejected in the first place. But what does Fine identify as the shared mistake of the realists and the anti-realists? It seems unsatisfactory to say that they asked questions that should not be asked, unless one goes on to describe what false picture of the world suggested their bad questions. Even this will seem unsatisfactory unless we proceed to suggest what a better picture of the world might be. But, of course, such a construc­ tive suggestion will look like more sin, more metaphysics and/or epistemology. So Fine has to turn ingenuous. He says, for example,

yond realism and anti-realism.

I shall try to get this problem about how to evade vocabularies and distinctions into clearer focus by considering the troubles of a philosopher who has recently put forward doubts about realism vs. anti-realism in connection with scientific theories. Arthur Fine sug­ gests that we simply adopt the least common denominator of realist and anti-realist positions in respect to natural science. He calls this

"the core position" or "the natural ontological attitude". He identi­ fies this position with "accepting the confirmed results of science in the same way as one accepts the evidence of one’s senses". He claims that "what distinguishes realists from anti-realists is what they add on to this core position" and suggests that we add no­ thing: neither an attempt to explain the success of science, nor a guarantee that Bohr was talking about the same things as Dalton, nor a pragmatic theory of truth. Fine agrees with Donald Davidson in taking "true" as primitive and not in need of an explanation, and in dropping the notion that sentences are "made" true (by objects, by human practises, or by anything else)7. On his view "the anti-realism expressed in the idea of truth-as-acceptance is just as metaphysical and idle as the realism expressed by a correspondence theory"8. Fine takes the same above-the-battle view of the struggle between realists and in­ strumentalists as Heidegger does of the struggle between Plato and

Nietzsche. He thinks that the antagonists deserve each other. Fine says, for example "The stance of empiricism [e. g., van Fraassen], like that of the truth mongers [e. g., Putnam and Rorty], is (in part) a moral stance. They both regard meta­ physics, and in particular the metaphysics of realism, as a sin. They both

move in the direction of their anti-realism in order to avoid that sin. But the

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"The quickest way to get a feel for NOA [the natural ontological attitude] is to understand it as undoing the idea of interpretation, and the correlative idea of invariance (or essence). The attitude that marks NOA is just this: try to take science on its own terms, and try not to read things into science. If one adopts this attitude, then the global interpretations, the 'isms' of scientific philosophies, appear as idle overlays to science: not necessary, not warranted, and in the end, probably not even intelligible.*’3

behaviorism to which the truth-mongers turn, as we have seen, locks them into a comic dance with realism, a pas de deux as wickedly metaphysical as ever there was. The empiricist, I think, carries a comparable taint. For when he sidesteps science and moves into his courtroom, there to pronounce his

judgements of where to believe and where to withhold, he avoids metaphys­

ics only by committing, instead, the sin of epistemology."9

7 See Fine's "And Not Anti-Realism Either", "Nous" XVIII (1984), p. 62. 8 Ibid., p. 54. 9 Ibid., p. 60.

10 Nietzsche, II, p. 221. ” Nietzsche, I (Pfullingen, Neske, 1961), p. 585. 12 Fine is right to criticize me for doing this (in Philosophy and the Mirror of Nature). Lately I have been trying to shift ground and strike an attitude like Fine’s own. (See, for example, the Introduction to Consequences of Prag­ matism, and also: Pragmatism, Davidson and Truth, forthcoming in a Festschrift for Davidson edited by Ernest LePore, Blackwell’s, 1986).

13 Ibid., p. 62.

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Richard Rorty Beyond Realism and Anti-Realism

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This suggestion that the ideas of interpretation and essence are

clearly unnecessary and probably unintelligible is, once again,

of realists, an above-the-battle stance is merely disingenuous. Fine

common to Fine and Davidson. Davidson’s version of the distinction

will be thought by realists to betray his true colors when he expli­

between interpretation and the invariant something that gets inter­

cates the "natural" attitude towards truth by saying

preted is the “dualism of scheme and content" — his candidate for

the crucial element in a bad picture of the world which has inspired bad philosophical questions14. One can think of "interpretation" as

the imposition of a scheme on something which is invariant in re­ spect to such schemes, and as catching, failing to catch, or being in­ herently incapable of catching, the essence of that on which it is im­ posed. Dropping this "third and perhaps last dogma of empiricism" would free one from most of the sins Fine condemns — e. g., from the epistemological sin of picking and choosing among one’s cate­ gories of intentional objects, deciding which will be believed in, countenanced, quantified over, or otherwise honored. But in sug­ gesting that this is indeed an unnecessary dogma, Davidson too turns ingenuous. He suggests that getting rid of the fantasies of the philosophers will put us back in touch with the pre-philosophical: 'In giving up the dualism of scheme and world we do not give up the world, but re-establish unmediated touch with the familiar objects which make our sentences and our opinions true or false.*’5

But, as in the case of Fine, we are tempted to ask Davidson what picture of the world he wants us to put in place of the dualism of scheme and content. How should we think, non-dualistically but systematically, about truth, knowledge, and the world? What it would be like to be ingenuous here? Is Davidson suggesting that we not think about these matters at all? That we have no philosophical views? That we just drop the whole subject? Because it has seemed unlikely that either Davidson or Fine want to be that ingenuous, many of their critics are tempted to suggest that they are simply anti-realists in disguise — that what lies be­ yond realism and anti-realism is just more anti-realism'6. In the eyes

14 See Davidson, Inquiries into Truth and Interpretation (Oxford, Oxford University Press, 1984), pp. 189ff. 15 Davidson, Inquiries, p. 198. 16 W. Μ. Urban once wrote a book called Beyond Realism and Idealism, about which it became customary to say "according to Urban, what lies be­

yond realism and idealism is idealism".

'What is it to accept the evidence of one's senses and in the same way, to accept confirmed scientific theories? It is to take them into one’s life as true, with all that implies concerning adjusting one’s behavior, practical and the­ oretical, to accomodate such truths."

This seems to be just Peirce’s quasi-Nietzschean suggestion that we view beliefs as rules for action, rather than as attempts to corre­ spond to reality. Davidson too will be thought by realists to be just one more anti-realist when he denounces the very idea of sentences being made true by reality17. Davidson cannot wriggle out, they will say, by saying that "consensus" no more makes sentences true than "the world" does. There is a real difficulty for Fine and Davidson only if there is no properly rational way to defeat a picture of the world except to propose an alternative picture, one which displays the same old things — e. g., truth and knowledge — in a new perspective. If that were the case, then there would have to be a single heuristic vocab­ ulary suitable for those who wish to take sides in the realist vs. anti­ realist battle and for those who wish to rise above it. More gen­ erally, there would have to be a neutral vocabulary which begged no questions against any philosophical position — an ahistorical matrix of all actual and possible philosophical inquiry10. To assume the existence of such a vocabulary amounts to Plato’s doctrine that the truth is already in us — that the language in which to argue the most important matters is already in use. It is an as­ sumption biased against the Nietzschean who thinks that, with new 17 See Davidson, Inquiries, p. 194. The situation is confused because Dummett and his philosophers have tried to label Davidson a realist. Fred­ erick Stoutland has shown what is wrong with this description in his "Realism and Anti-Realism in Davidson’s Philosophy of Language" (Critica, vol. XIV [1982]; Part I, no. 41, pp. 13—53; Part II, no. 42, pp. 19—43). Stoutland, however, wants to make Davidson an anti-realist, whereas I would urge that he is as much above the battle as Fine hopes to be. See my essay cited in n. 12 above on this point. The controversy about what label to apply to Davidson seems to me evidence for the inadequacy of Dummett's metaphilosophical vocabulary. 18 This point is developed in the course of a comparison between Derrida and Davidson by Samuel Wheeler. See his contribution to the Davidson Festschrift cited in n. 12 above.

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Richard Rorty

vocabularies, new subject-matters come into the world. If one de­ nies the Platonic doctrine, one is likely to be accused of resorting to

rhetoric and metaphor rather than serious argumentation. But if

one affirms it, then one has to say that every old question — e. g.,

realism versus anti-realism — can be reformulated and made per­ spicuous, that none need simply be discarded. One will always have to have a constructive theory of any topic — e. g., truth, knowl­ edge, the mind — about which there have been theories in the past. This dialectical impasse should sound familiar, for it is the same impasse which, according to Kuhn, scientists face whenever their discipline lurches forward. The positivist philosophy of science which Kuhn criticized held that every scientific revolution rearranged fa­ miliar elements, but that the elements did not change, for they were (or could “in principle" be) spelled out in a language which was neu­ tral among these various pictures. That claim was, once again, a corollary of the Platonic assumption that, in science as in philos­ ophy, we already have the truth within us — we already have the language which lets us ask the right questions and describe the rele­ vant data. If that assumption is right, then literal statement and ar­ gumentation will always suffice; neither metaphor, nor pleas to drop familiar topics as pointless, will be needed. Both can be re­ jected as symptoms of, at best, impatience or, at worst, irration­ alism. But if Kuhn is right, then we only make progress by simply re­ fusing to discuss old topics. Reflection on the current state of debate about Kuhn's position, however, suggests a way of breaking this impasse. We can do so by distinguishing between two questions: (1) is it legitimate to intro­ duce a new jargon without knowing how to translate the old jargon into it? (2) will it be possible eventually to produce such transla­ tions? Suppose we answer "yes" to both questions: translation is al­ ways possible eventually, but scientific revolutions would not occur if we waited around for such translation. We need time to figure out how to express bad old problems in good new jargon, precisely because (pace Platonism and positivism) there is no pre-existent neutral matrix available for purposes of commensuration. Incom­ mensurability is, on this latest Kuhnian view, real and important, but temporary. If we accept this Kuhnian point, then we can answer the metaphilosophical question I have raised by saying that although some day historians will explain to us what those bad old philoso­

Beyond Realism and Anti-Realism

113

phical questions about the nature of truth and knowledge meant, what bad picture of the world they enshrined, and what false as­

sumptions they presupposed, there is no hurry. It is not irrational to turn these tasks over to future historians, and in the meantime to get on with redescribing the world in whatever terms strike one as promising. Analogously, any metaphor, no matter how bold and striking, can, once it has begun to deliquesce into semi-literal obvi­ ousness, be paraphrased. But it would defeat the purpose of meta­ phor if every new metaphor had to present itself under the escort of a paraphrase’9. Applying this line of thought to Fine’s and Davidson’s attempt to station themselves above the realism-vs.-anti-realism battle sug­ gests that they should adopt the following strategy. They should as­ sure us that, in the fullness of time, a new picture of the world, a new map of the philosophical terrain, will emerge. This map will be no more anti-realist than realist, but it will explain what the histor­ ical phenomena of realism and anti-realism were (what they were "really" arguing about back then). But they need not construct such a map in order to justify their claim that the old map was a bad one. They need not offer us a way of speaking about truth and knowledge and reality which is free from the "dualism of scheme and content". They can rest content with the usual "merely destruc­ tive" arguments to the effect that both sides are overwhelmed with anomalies, that the issues have become increasingly verbal, that the assumptions on both sides have begun to seem equally arbi­ trary, that the pendulum-swings of philosophical opinion between the traditional alternatives have become boring. They can urge us to forget the old controversies for a while and come back to them a few generations or centuries later20. This recommendation of benign neglect seems to me the best

” See Davidson’s "What Metaphors Mean" in Inquiries. Compare his ac­ count of the "tension in the usual view of metaphor" at p. 261 with his ac­ count of the "underlying paradox of irrationality" cited in n. 21 below. 20 They can appeal, for example, to the analogy with scholasticism: sev­ enteenth-century Cartesians thought many scholastic positions unintelligible (as Fine is tempted to think, e. g., van Fraassen’s position unintelligible) but their heirs in the late nineteenth century were able to look back and trans­ late those controversies into terms which made perfectly good sense, albeit

terms which made them look much less important than they had looked in the thirteenth century.

I

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Richard Rorty

Beyond Realism and Anti-Realism

answer one can give to the metaphilosophical question Heidegger raises: the question of how to criticize a philosophical vocabulary without also using it. Such a recommendation amounts to saying that when you want to avoid discussing a controverted issue you should, in the manner of Wittgenstein, conscientiously refrain from answering questions formulated in the vocabulary in which that issue was stated. But that means not doing what Heidegger made the mistake of doing in Being and Time: not trying to find a vocabu­ lary which will "place* and "distance" the old controversy. It also means not invoking the rhetoric of "naturalness" suggested by the remarks I have quoted from Fine and Davidson. You should not af­ fect a back-to-nature pose, for such a pose is merely one more ex­ pression of the Platonic idea that the truth has always been within us. You should admit that the only cure for bad old controversies is temporary forgetfulness. This amounts to saying that you should aim to create causes for forgetting old controversies which are not reasons for forgetting them. The idea is to get a vocabulary which is (at the moment) in­ commensurable with the old in order to draw attention away from the issues stated in the old, and thereby help people to forget them. But this cause of forgetfulness will not be a reason for forgetfulness unless, contrary to the assumption of incommensurability, there iso commensurating meta-vocabulary in terms of which to state such reasons. As Davidson puts it in his "Paradoxes of Irrationality":

It is a consequence of this point that self-criticism on a philo­ sophical level (e. g., the level at which one tries to set aside the issue between Plato and Nietzsche) is bound to be "irrationalist*. For the only "arguments" at this level are going to be something like "Try it this way", unsupplemented by an attempt to spell out what "it" refers to. The last stage in the development of anti-Platonism, the development which Nietzsche called "Europe's longest and most courageous self-overcoming"22, would be to demote rationality, in the sense of the ability to give reasons which satisfy antecendentlyformulated criteria, from the topmost position on the list of intellec­ tual virtues. Rationality would have to be seen as the virtue of the commensurating historians — the people who come along after the revolution and assign places and distances on new maps to old topics — rather than the virtue of the philosophers. Their virtue would be, roughly, originality, the formation of alternative systems of belief and desire which cause progress to occur without sup­ plying reasons why it should occur.

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"The agent has reasons for changing his own habits and character, but those reasons come from a domain of values necessarily extrinsic to the contents of the views or values to undergo change. The cause of that change, if it comes, can therefore not be a reason for what it causes. A theory that could not explain irrationality would be one that also could not explain our salutary efforts, and occasional successness, at self-criticism and self-improvement.'21

21 Donald Davidson, Paradoxes of Irrationality in Philosophical Essays on Freud, ed. Richard Wollheim and James Hopkins (Cambridge, Cambridge University Press, 1982), p. 305. In this paper, to which I am much indebeted, Davidson is concerned with "the underlying paradox of irrationality', viz., 'if we explain it (irrationality) too well, we turn it into a concealed form of

rationality; while if we assign incoherence too glibly, we merely compromise our ability to diagnose irrationality by withdrawing the background of ra­

tionality needed to justify any diagnosis at all (p. 303)*. Davidson urges that the only way to resolve the paradox is, in the case of an individual person whose behavior is "irrational", to "partition" the mind in the manner of Freud — so that the person contains two distinct, mutually

inconsistent but internally (more or less) consistent systems of belief and de­ sire, with elements of the one acting as causes of (but not as reasons for) al­ terations in the other. Transposing to the case of intellectual movements, one can think of Kuhn’s revolutionaries as, from the point of view of their "normal" opponents, irrationalist "monsters from the Id". From the point of view of Whiggish historians who will describe the defeat of those opponents as a triumph of reason, the revolutionaries represented the cultural Super­ ego triumphing over superstition and prejudice. 22 See The Gay Science, section 357.

Danebenstehen, gleichziehen

Stanley Cavell

DANEBENSTEHEN, GLEICHZIEHEN: BEDROHUNGEN DER INDIVIDUALITÄT

In der Lobby von William James Hall in Harvard, quer über die ein Stockwerk hohe, dem Eintretenden zugekehrte Betonfläche oberhalb der Aufzugsnischen, sind Messinglettern angebracht, um folgendes Satzpaar zu buchstabieren, das von weiteren Messinglet­ tern William James zugeschrieben wird: Die Gemeinschaft stagniert ohne den Antrieb des Individuums,

Der Antrieb stirbt ab ohne das Wohlwollen der Gemeinschaft.

Die Botschaft kann man als empirisch an jeden gerichtet auf­ fassen, der unter ihr steht und sie liest, also als Warnung, oder Auf­ forderung, oder Beschreibung eines gegenwärtigen Zustands; sie kann auch als Behauptung einer transzendentalen Beziehung zwi­ schen den Begriffen der Gemeinschaft und des Individuums, wie sie bisher bekannt sind, aufgefaßt werden. Erzeugt diese Vielfalt, was gewisse Literaturtheoretiker heute das Unentscheidbare be­ zeichnen? Oder ist das ungerührte Messing dieser Schrift an der Wand ein passender Ausdruck unseres Ausweichens vor der Ent­ scheidung, einer Weigerung, unsere Worte auf uns anzuwenden, sie anzunehmen? Ich betrachte, was ich hier sagen will, als eine Art Zwischenbe­ richt meiner philosophischen Reise, die ein Erbe Wittgensteins und Heideggers und vor ihnen Emersons und Thoreaus ausfindig ma­ chen soll, für die alle es ein Problem zu sein scheint, ob das Indivi­ duum oder die Gemeinschaft gegenwärtig, oder in Zukunft, exi­ stieren. Diese Frage, man kann auch sagen diese Phantasievorstel­ lung, bewirkt im Menschen, wie er ist, gleichermaßen Verzweiflung und Hoffnung. Es ist dieselbe Frage oder Phantasievorstellung, be­ züglich derer ich von bestimmten Hollywood-Wiederverheiratungs­

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komödien Rat gesucht habe und vor ihnen von Shakespeares Ro­ manzen und Tragödien. Nicht in diesem Untersuchungs- und Bear­ beitungsstil möchte ich eine Lösung für das Rätsel vorschlagen, ob die Gesellschaft Fluch oder Segen des Individuums darstellt, auch keine Einsicht darüber anbieten, ob eine Verbesserung des Weltzu­ stands mit der Reform der Institutionen oder der Personen zu be­ ginnen hätte, Einsichten, die natürlich verlangen würden, daß man Institutionen und Individuen sowie die Art ihrer wechselseitigen Durchdringung definiert. Darum werde ich die Darstellung der Ent­ deckung des Individuums an jenem Wendepunkt aufnehmen, den Descartes ihr in seinen Meditationen gegeben hat, bevor sozu­ sagen individuelle oder institutionelle Unterschiede ins Spiel kommen. Ich meine Descartes’ Entdeckung, daß meine Existenz einen Beweis, man kann sagen eine Beglaubigung verlangt und daher zuläßt — genauer gesagt, daß sie verlangt, daß ich meine Existenz benennen muß, wenn ich existieren soll, ich würde gerne sagen, sie anerkennen muß, ein Imperativ, der zur Folge hat, daß ich ein Ding mit zwei Brennpunkten bin, in Emersons Bild mit zwei Magnetpolen, etwa einem positiven und einem negativen oder einem aktiven und einem passiven. Es mag Ihnen scheinen, daß eine solche Verbildlichung Descartes' cogito-Argument zunächst nicht trifft. Aber nach meinem Ver­ ständnis des Gedankengangs in Emersons Aufsatz Selbstvertrauen, der vielleicht schon so berühmt ist, daß man ihn nicht mehr hören kann, wird in ihm behauptet, daß in etwa so eine Verbildlichung das Argument erfaßt. Meine erste Aufgabe wird sein, das für Emersons Aufsatz nachzuweisen, meine zweite wird darin bestehen, auszu­ führen, warum ich glaube, daß Emerson mit seiner Interpretation Descartes’ recht hat, so recht in seinem Antreten des Descarteschen Erbes, wie jeder andere mir bekannte philosophische Nachkomme. Anschließend wende ich mich, als einer dritten Hauptaufgabe, zwei Erzählungen Edgar Allen Poes zu, hauptsächlich Der Kobold des Perversen und, dem untergeordnet, der berühmtesten Erzählung Die schwarze Katze, die ich mit demselben Imperativ menschlicher Existenz beschäftigt finde, nämlich daß sie sich beweisen, oder sagen wir: sich kundtun muß. Und da Poes Der Kobold des Per­ versen mehr als einmal auf Hamlet anspielt, müßte es einen Augen­ blick geben, in dem erklärt wird, warum ich im letzten Sommer, ohne genaue Vorstellung über das, was ich sagen wollte, zur Benen­ nung dieses Beitrags gezwungen — die Idee hatte, über Individua­

Danebenstehen, gleichziehen

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Art nicht weniger eigentümlich ist und weitere Untersuchung ver­

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Stanley Cavell

langt. Ihre Eigentümlichkeit kann so zusammengefaßt werden. Ei­

nerseits besteht die Kraft des Personalpronomens 1. Person genau

lität (oder ihren Verlust) im Bann der Rache, des Begleichens der

Rechnung für Unausgeglichenes, zu denken. Daß Emerson Descartes in Selbstvertrauen einbezieht, oder zu­

mindest seine Anspielung auf das sogenannte cogito-Argument, ist alles andere als verborgen. In der Mitte seines Aufsatzes beginnt ein Absatz folgendermaßen: „Der Mensch ist schüchtern und schuldbewußt, er ist nicht mehr aufrecht; er wagt nicht, ,lch denke', ,lch bin' zu sagen, stattdessen zitiert er irgendeinen Heiligen oder Weisen." Mein Eindruck ist, daß die Leser Emersons durch diese An­ spielung nicht beeindruckt worden sind, vielleicht weil sie der alten Gewohnheit verfielen, sich gegenüber Emerson herablassend zu be­ nehmen, als würden sie für die Liebe zu seinen Schriften mit dem Zugeständnis bezahlen, daß er kaum geordneter Gedankenent­ wicklung fähig sei, geschweige denn dazu, sich mit Descartes zu be­ schäftigen; und vielleicht weil sie sich erinnern oder annehmen, daß das cogito immer in Worten ausgedrückt wird, die als „Ich denke, darum bin ich* zu übersetzen sind. Doch so sieht es an dem Ort in Descartes' Werk, an dem es, wie ich vermute, am häufigsten wirk­ lich angetroffen wird, nicht aus, nämlich in seiner zweiten Medita­ tion. Dort wird der Gedanke so ausgedrückt: „Ich bin, Ich existiere ist notwendig jedes Mal wahr, wenn ich es ausspreche oder denke.' Bezüglich dieses Ausdrucks des cogito entspricht Emersons Beto­ nung des Ich-Sagens genau der Einsicht Descartes. Einer der produktivsten Denkansätze in der jüngsten analytischen Philosophie über Descartes betont diesen Zug, indem er das Pro­ blem, von Jaako Hintikka und Bernard Williams aufgeworfen, als die Frage faßt, ob die Existenzgewißheit, die vom cogito verlangt und behauptet wird, daher kommt, daß man die Behauptung „Ich bin* zur Grundlage (d. h. zur Voraussetzung) einer Schlußfolgerung macht, oder sie als Ausdruck einer Art von Tätigkeit nimmt1. Wil­ liams ist nicht ganz Hintikkas Auffassung, das cogito sei einfach keine Schlußfolgerung, es sei einfach eine Art von Tätigkeit, oberer besteht darauf, daß es keine gewöhnliche, sagen wir syllogistische Schlußfolgerung ist; und ebenso besteht er zum Schluß seiner kom­ plizierten Darlegung darauf, daß die betreffende Tätigkeit in ihrer

1 Jaakko Hintikka, „Cogito, Ergo Sum: Inference or Performance?'; &er' nord Williams, „The Certainty of the Cogito*; beide abgedruckt in Willis Doney, Descartes (Garden City, New York 1967) pp. 108—139,

pp. 88-107.

darin, daß es in seinem Gebrauch denjenigen, der es gebraucht, un­ möglich zu bezeichnen verfehlen kann, darum muß speziell jemand,

der „Ich existiere" sagt, existieren; negativ ausgedrückt: „Ich exi­ stiere" ist unbezweifelbar, das heißt „Ich existiere nicht" kann nicht widerspruchsfrei gesagt werden. Andererseits muß „Ich", um sinn­ voll gesagt zu werden, den Sprechenden, den zu bezeichnen es nicht verfehlen kann, von anderen, auf die es sich in diesem Sprech­ akt nicht bezieht, unterscheiden. Doch Descartes’ Gebrauch ge­ schieht genau in einem Kontext, in dem es keine anderen gibt, von denen sozusagen er sich unterscheiden könnte. Die Aussagekraft des Pronomens steht also anscheinend im Widerspruch zu seinem Sinn. Verglichen mit solchen Überlegungen erscheint Emersons Bemer­ kung über unsere Angst „Ich denke", „Ich bin" zu sagen, etwas lite­ rarisch. Aber warum? Emerson nimmt eine Frage auf, oder einen Aspekt der Frage, die auf den inferentiellen oder performativen Ge­ sichtspunkt des cogito folgt, nämlich die Frage, was geschieht, wenn ich nicht „Ich bin, Ich existiere" (und natürlich nicht die Negation davon) sage oder „im Bewußtsein vorstelle". Ein analytischer Phi­ losoph wird sich für diese Seite der Frage kaum sehr interessieren, da es für jemanden kaum der Mühe wert scheinen wird, für oder gegen den Schluß zu argumentieren, daß ich, wenn ich die Worte „Ich bin" oder ihr Äquivalent nicht (laut oder leise) sage oder aus­ führe, deshalb vielleicht nicht existiere. Das Aussprechen oder Denken irgendwelcher Worte kann doch sicherlich die Existenz des sie Sagenden oder Denkenden bestenfalls in dem Sinn bestimmen, daß es bestimmt, ob er oder sie von seiner oder ihrer Existenz weiß, aber sicherlich nicht in dem Sinn, daß das Aussprechen oder Denken diese Existenz hervorbringt. Doch diese Versicherung scheint Descartes' Ergebnissen zu wider­ sprechen. Denn einige Absätze nachdem er das cogito eingeführt hat, spekuliert er: „Ich bin, ich existiere — das ist gewiß; aber wie lange existiere ich? Solange ich denke; denn es kann vielleicht ge­ schehen, daß ich, wenn ich völlig zu denken aufhörte, gleichzeitig völlig aufhörte zu sein." Damit ist nicht ganz gesagt, das Ende meines Denkens würde das Ende meiner Existenz verursachen oder sein. Das könnte damit gesagt sein, wenn ich mich als von je-

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Stanley Cavell

mandem geschaffen (und darum, nach Descartes, erhalten) denken muß und alle Kandidaten für diese Rolle, außer mir selbst, ausfielen. Und diese Annahmen entsprechen, finde ich, Descartes' Text, so daß ich bereit bin zuzugeben, daß das cogito bezüglich des Ver­ hältnisses meines Denkens zu meinem Existieren nur die eine Hälfte der Auseinandersetzung erfaßt, oder vielleicht, daß „Ich denke, darum bin ich* nur die eine Hälfte der Auseinandersetzung des co­ gito ausdrückt: Denn Descartes überzeugt sich davon, daß Ich nur während, oder genau dann, wenn ich denke, existiert. Das scheint es zu sein, was ihn zur Behauptung führt, das Bewußtsein denke immer, eine Idee, die Nietzsche und Freud aufgreifen werden. So gesehen schließt sich Emerson der Einsicht Descartes’, daß ich nur wenn ich denke existiere, gänzlich an, doch im Anschluß daran leugnet er, daß ich (die meiste Zeit) tatsächlich denke, daß das „Ich* die meiste Zeit sozusagen in mein Denken eingeht. Daraus folgt dann die Realisierung der skeptischen Möglichkeit, daß ich nicht existiere, daß ich gewissermaßen in der Welt herumspuke, eine Realisation, die vielleicht durch die Formulierung, ich lebte das Leben des Skeptizismus, ausgedrückt wird. Kurz vor dem Ende der zweiten Meditation bemerkt Descartes, daß „wenn ich urteile, daß (irgendetwas, z. B. die Außenwelt) existiert, weil ich sie sehe, sicher viel überzeugender folgt, daß ich selbst existiere, weil ich sie sehe". Die Existenz der Welt ist also zweifelhafter als meine eigene Exi­ stenz, und wenn ich also nicht weiß, daß ich existiere, weiß ich so­ zusagen noch viel überzeugender nicht, daß die Weltdinge exi­ stieren. Wenn dementsprechend Emerson als jemand zu verstehen ist, der das mir im Skeptizismus verbleibende Leben beschreibt und dabei impliziert, daß ich nicht zwischen den Weltdingen existiere, daß ich in der Welt herumspuke, wenn er aus diesem Grund litera­ risch und nicht philosophisch genannt werden wird, so könnten wir aus diesem Vorwurf sehr wohl schließen: umso schlimmer für die Philosophie. Philosophie schreckt vor einer Beschreibung eben der Möglichkeit zurück, die sie zu widerlegen unternimmt, daher kann sie von sich niemals wissen, ob sie ihre Gefährdung abzuwenden vermochte. Doch es scheint mir, daß es möglich ist zu sehen, wie Emerson durch beständiges Festhalten an Descartes’ eigenen Verfahrens­ weisen zu seinen Schlußfolgerungen kommt, zur Tatsache, wie man sagen könnte, daß Descartes’ Verfahrensweisen genauso wesentlich literarisch wie philosophisch sind, daß es vielleicht sogar wesentlich

Danebenstehen, gleichziehen

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für die Philosophie geworden ist, das zu zeigen. Ich denke an fol­ gendes. Nach der Ableitung des cogito stellt Descartes sofort die Frage seiner metaphysischen Identität: „Aber ich weiß noch nicht genügend klar, was ich bin, der ich sicher bin zu existieren.* Diese Frage, was er sei, stellt er in den darauffolgenden sieben oder acht Absätzen ausdrücklich sechs oder sieben Mal und verwirft dabei Antworten wie, er sei ein vernunftbegabtes Tier, oder ein Körper, oder daß seine Seele „etwas sehr Verdünntes und Feines (sei), wie ein Windhauch, eine Flamme oder weitausgedehnte Luft... die meinen gröberen Bestandteilen eingeblasen ist*, bevor er sich mit der Antwort zufriedengibt, er sei im wesentlichen nicht mehr und nicht weniger als ein denkendes Ding. In diesen Überlegungen findet sich nichts, das Argumentation oder Schlußfolgerung ge­ nannt werden könnte und die nächstliegende Beschreibung dieser Passagen ist tatsächlich, daß sie eine Art autobiographischer Erzäh­ lung darstellen. Wenn Descartes philosophiert und wenn diese Pas­ sagen wesentlich für das Philosophieren sind, folgt daraus, daß sich Philosophie nicht in Argumentation erschöpft. Und wenn die Kraft dieser Passagen literarisch ist, dann gehört das Literarische wesent­ lich zur Kraft der Philosophie; an einem bestimmten Punkt wird das Philosophische zum Literarischen oder verwandelt sich dazu. Man kann nun, glaube ich, Emersons Vorgehen so beschreiben, daß er sich Descartes’ Frage, was ich sei, selbst gestellt hat und einen neuen Ansatz für eine Antwort gefunden hat, man könnte ihn eine grammatische Antwort nennen. Ich bin ein Seiendes, das, um zu existieren, sagen muß, daß ich existiere, oder (wie ich ungefähr dasselbe Problem manchmal ausgedrückt habe) ich muß meine Exi­ stenz anerkennen, sie fordern, abstecken, darstellen. Die Schönheit der Antwort liegt in ihrer Schwäche, sie können sagen ihrer Klarheit, eigentlich in zwei Schwächen: Erstens enthält sie keine Vorentscheidung darüber, was das Ich, Selbst, Bewußtsein oder die Seele sein könnten, sondern gibt nur eine Bedingung an, die alle Kandidaten erfüllen müssen; zweitens funktioniert der Be­ weis nur, während er gegeben wird, denn mein Beweis betrifft nur die Existenz eines Wesens, das seine Existenz darstellen kann, so wie es in der faktischen Durchführung des Beweises belegt wird, nicht eines Wesens, das sie wirklich immer darstellt. Die Vergäng­ lichkeit der bewiesenen Existenz und die Vergänglichkeit ihrer Be­

weismethode scheint mir noch mehr dem Geist der Meditationen zu entsprechen, inklusive ihren Gottesbeweisen; es wäre das Ergebnis

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Stanley Cavell

von Descartes’ Bestehen auf der Anwesenheit klarer und deutlicher Ideen als wesentlich für das, was ich philosophisches Wissen nennen möchte2. Nur in der vergänglichen Gegenwart des Zustands solcher Ideen erlangt der Beweis Gültigkeit — als gäbe es nichts, worauf man sich verlassen könnte, es sei denn das Sich-Verlassen. Vielleicht wird Emerson darum sagen: „Von Vertrauen zu sprechen ist eine

unzulängliche, äußere Sprechweise." Daß ich jemand sei, der um zu existieren seine Existenz darstellt, ist eine Antwort, die Descartes sich fast selbst gegeben haben könnte, da es kaum mehr als eine wörtliche Transkription dessen ist, was ich die zweite Hälfte des cogito genannt habe. Es ist eine Mög­ lichkeit, ungefähr dieselbe Auffassung der sogenannten menschli­ chen Existenz ins Auge zu fassen, die Heidegger in Sein und Zeit vertritt, daß nämlich das Sein des Daseins darin besteht, daß es ihm um sein Sein geht. Allerdings hätte eine solche Antwort für Des­ cartes den ausdrücklichen Hauptzweck seiner Meditationen ge­ fährdet, einen Gottesbeweis zu liefern. Wenn ich jemand bin, der seine Existenz darstellen kann, steht Gottes Rolle in der Darstellung in Zweifel. Descartes’ Ausdruck für das, was ich hier „darstellen' — oder fordern, abstecken, anerkennen — nenne, ist erschaffen („au­ thoring"). Aus der dritten Meditation: „Ich möchte nun erwägen, ob ich selbst, der die Idee Gottes besitzt, exi­ stieren könnte, wenn es keinen Gott gegeben hätte. Und ich frage, aus wel­ cher Quelle würde ich meine Existenz abgeleitet haben? Vielleicht von mir oder von meinen Eltern ... Aber wenn ich . . . der Schöpfer meines eigenen Seins wäre, würde ich an nichts zweifeln, keine Begierden erleben und schließlich keiner Vollkommenheit ermangeln ... ich wäre Gott (selbst)... Selbst wenn ich annehmen könnte, daß ich vielleicht immer schon so ge­ wesen bin ... würde daraus nicht folgen, daß kein Schöpfer meiner Existenz gesucht werden muß und ich müßte noch immer zugestehen, daß es not­ wendig sei, daß Gott der Schöpfer meiner Existenz ist."

Anscheinend ist gerade das Bewußtsein meines Bedürfnisses nach einem menschlichen Beweis meiner menschlichen Existenz — irgendeine Beglaubigung — die Quelle der Idee, ich brauchte einen Schöpfer. („Des Beweises bedürftig" wird aus meiner intuitiven Überzeugung von meiner Vergänglichkeit oder Abhängigkeit, Un­

2 Diese Beschreibung der Meditationen nimmt einen Faden auf, der in

„The Avoidance of Love: A Reading of King Lear", aus: Must We Mean What We Say? (New York 1969, Reprint Cambridge 1976, p. 336), nicht zu Ende geführt worden ist.

Danebenstehen, gleichziehen

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Vollständigkeit, Unvollendetheit oder Unbehütetheit werden, viel­ leicht kann ich sagen aus der Intuition, daß ich nicht bevollmächtigt bin.) Aber die Idee der Selbstschöpfung („self-authorizing") ist doch si­ cherlich nur metaphorisch, die bloße Ausnützung des Zufalls, daß das lateinische Wort für Urheber („author") auch das Wort für er­ schaffen („creating")3 ist, nichts als das mittlerweise völlig diskredi­ tierte romantische Bild des Autors oder Künstlers, als unbegreifli­ ches Originalgenie, das die Welt und sich selbst erschafft. Die Fra­ gestellung der Existenz-Darstellung streift tatsächlich den Rand me­ taphysischen Unsinns. Sie fordert uns auf, von der Überlegung, daß wir sinnvollerweise bestimmte Handlungen als unsere ableugnen können, abzurücken (wir könnten sagen, sie seien gegen unseren Willen getan); und (deshalb) von der Überlegung abzurücken, wir könnten bestimmte Gedanken von uns als unsere Gedanken leugnen (Gedanken, die wir vielleicht nicht im Traum zur Basis un­ serer Handlungen machen würden, obwohl der Boden hier philoso­ phisch und psychologisch gefährlicher wird); zur Möglichkeit hin, daß keine von meinen Handlungen und Gedanken mir gehören, als wenn ich, wenn ich kein Geist bin, wie ich es ausdrücken möchte, von innen oder außen bedient würde. Das ist eine Hinwendung zum Metaphysischen wie in der Überlegung, da es sinnvoll sei, sich das Fehlen aller meiner, sagen wir Gliedmaßen vorzustellen, könnte ich überhaupt ohne Körper auskommen, oder von der Aussage, da ich von einem bestimmten Objekt niemals alles sehe und darum mögli­ cherweise nicht weiß, daß ein gegebenes Objekt existiert, könnte ich vielleicht nicht wissen, daß die Außenwelt als solche existiert. Die Philosophie der Alltagssprache hat, am deutlichsten in der Lehre von J. L. Austin und Wittgenstein, solche Hinwendungen zum Meta­ physischen im Rahmen der Diskreditierung der Schlußfolgerungen des Skeptizismus diskreditiert. Doch so wie ich Wittgenstein ver­ stehe, betrifft die Diskreditierung nicht die Anziehungskraft oder Bedrohlichkeit des Skeptizismus als solchen, sondern nur das Bild, das der Skeptizismus von seinen eigenen Errungenschaften hat.

3 Im Original der von Cavell herangezogenen Descartes-Stelle tritt „auctor" nicht, wie die englische Übersetzung suggeriert, dreimal, sondern nur im Kontext „nullum existentiae meae auctorem esse quaerendum" auf. Aus Rücksicht auf Cavells eigene Interpretation habe ich daher Descartes nach seinen Zitaten aus dem Englischen (vgl. Anm. 4) übersetzt (Η. H.).

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Stanley Cavell Danebenstehen, gleichziehen

Ebenso glaube ich, daß im romantischen Wissen um die Selbst­ schöpfung nur ein beschränktes, man könnte sagen romantisiertes Bild von Hervorbringen und Schöpfung diskreditiert ist, ein Bild

menschlicher Schöpfung als eines buchstäblichen Anthropomor­ phismus der Schöpfung Gottes — als ob ich, um mich selbst zu er­ schaffen, mit der Gestaltung des Staubs der Erde und mit geheim­

nisvollem Atem beginnen müßte, statt mit z. B. einem unerschaf­ fenen menschlichen Wesen und der Kraft des Denkens. Daß menschliches Leben und die menschliche Denkfähigkeit ge­ nügen, um die Erschaffung meiner selbst anzuregen, halte ich je­ denfalls für die Behauptung von Emersons Selbstvertrauen als einer Interpretation des cartesianischen cogito-Arguments. Die Wendung des cartesischen Gedankens, die er zu Grunde legt, liegt, glaube ich, in ungefähr dem, daß es einen Sinn der Selbsterschaffung gibt, der mich nicht dazu zwingt, mich als Gott vorzustellen (dies ist viel­ leicht nichts als der Name des speziellen Bildes vom Selbst als einer sich selbst gegenwärtigen Substanz); eine Aufgabe, in der das Ziel, oder das Ergebnis, des Prozesses kein Seinszustand, sondern ein Augenblick des Wechsels ist, sagen wir des Werdens, eine Ver­ gänglichkeit des Seins, ein Sein der Vergänglichkeit. (Emerson be­ merkt: „Diese eine Tatsache haßt die Welt; daß die Seele sich ent­ wickelt“} Um diese Wendung sinnvoll erscheinen zu lassen, benö­ tigt Emerson eine Weltbetrachtung, sagen wir einen Blick auf ihre Gefallenheit, in der die Unerschaffenheit des Individuums sich zeigt, in der menschliches Leben als Versagen des Individuums bei der Selbsterschaffung erscheint, nenne das seinen oder ihren ständigen Verlust individueller Möglichkeit angesichts eines übermächtigen Konkurrenten. Das heißt: wenn meine Bemerkung über Emersons Descartesauslegung zutrifft, dann zeigt sich die Entstehung der Notwendigkeit des cogito an einem ganz bestimmten historischen Augenblick (im Leben des Individuums und im Leben seiner/ihrer Kultur). Emerson nennt diese Art (unerschaffenen) Lebens „Konformität'. Aber alle modernen Propheten scheinen dazu getrieben worden zu sein, die Bedrohung individueller Existenz, der Individualität, durch das Leben, das ihre jeweilige Gesellschaft wählt, zu beschreiben, einen Weg zu finden, sie zu beschreiben. John Stuart Mill nannte es das Diktat der Meinung und seine typische Charakteristik des Menschseins zu seiner Zeit erfolgt in Begriffen ihrer Verzerrtheit; er spricht von uns als vertrocknet und ausgehungert und als Zwerge.

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Nietzsche sah die Gefahr in der Welt des letzten Menschen, des Mörders Gottes. Marx dagegen denkt sie als die Vor-Existenz des Menschen. Freuds Entdeckung der unverstandenen Bedeutsamkeit menschlicher Ausdrücke sollte man im Zusammenhang mit dieser Art von Prophetie sehen. Emersons philosophische Bedeutung dies­ bezüglich liegt in seiner Diagnose dieser Entwicklungsstufe und der Therapie, die er empfiehlt. Als Diagnose dieses Weltzustands betrachte ich Emersons An­ kündigung, daß Descartes’ Beweis des Selbst-Bestehens (der von Descartes so genannten Grundlage des Gebäudes seiner früheren Meinungen, des festen, unbeweglichen Drehpunkts von dem die Erde zu bewegen sei) nicht, oder nicht mehr, geführt werden kann; und die Aufforderung zur Konsequenz (das macht diesen eigenar­ tigen Beweis aus), daß der Mensch, das Menschliche, nicht, oder nicht mehr, existiert. Hier nochmals Emersons Satz, zusammen mit den eineinhalb Sätzen, die ihm folgen: „Der Mensch ist schüchtern und schuldbewußt; er ist nicht mehr aufrecht; er wagt es nicht zu sagen ,lch denke', ,lch bin', sondern zitiert irgendeinen Hei­ ligen oder Weisen. Er schämt sich vor dem Grashalm oder der wehenden Rose . . . sie sind sich selbst genug; sie existieren heute mit Gott.'

Emersons Therapievorschlag in dieser Vision des Existenzverlusts des sogenannten Menschen ist umrissen, wenn wir die aufeinander­ folgenden Notierungen der Vision als nebeneinandergeordnete wechselseitige Interpretationen nehmen: schuldbewußt sein; nicht mehr aufrecht sein; nicht zu reden wagen, nur zu zitieren; sich zu schämen, als wäre es für die heutige Nichtexistenz. Es gibt, wie Wittgenstein einmal getrieben wird, sich auszudrücken, viele wohl­ bekannte Wege, die von diesen Worten aus in alle Richtungen führen. Nehmen wir, oder bezeichnen wir zumindest, zwei oder drei solche Wege. Erstens spielt die Vorstellung, etwas in unserer Existenzweise würde uns der Natur entfernen und das hätte mit Scham zu tun, na­ türlich auf die romantische Problematik, oder die nachkantianische Interpretation der Problematik, des Selbstbewußtseins an, einer spe­ ziellen Interpretation des Sündenfalls. Emersons Anrufung der Scham jedoch, neben seine Anrufung unseres Verlusts des Auf­ rechtstehens gesetzt, kann als Herausforderung, nicht Forterzäh­ lung der romantischen Interpretation des Falls als Selbstbewußtsein verstanden werden, als Weigerung, unsere Scham als metaphysisch

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unwiderbringlichen Verlust von Unschuld zu betrachten und sie stattdessen als unnötiges (oder nur wie Geschichte notwendiges) Einwilligen in etwas anzusehen, das ich schlechte Haltung nennen möchte, eine Haltung, die er Ängstlichkeit und Schuldbewußtsein nennt. Ich behaupte hier, ohne es an Texten zu belegen (es wären hauptsächlich die Kontexte, in denen das Wort „Scham" und seine Abwandlungen in Emersons Essays verwendet werden), daß die vor­ geschlagene Therapie, so ausgedrückt, darin besteht, Scham über unsere Scham entstehen zu lassen, unsere verschämte Haltung schamvoller zu finden, als irgendetwas, worauf sie Reaktion sein könnte. Man könnte sagen, er verlange mehr, nicht weniger Selbst­ bewußtsein; besser ist es jedoch zu sagen, er zeige, daß Selbstbe­ wußtsein nicht das Problem ist, das es zu sein scheint. Es ist — ich meine unsere Betrachtungsweise von ihm ist — selbst eine Funktion der schlechten Haltung. Allerdings kann alles bisher über Existenz, Prä-Existenz usw. Ge­ sagte eine Funktion schlechter Haltung sein, inklusive natürlich un­ serer Ansicht darüber, was schlechte Haltung sein mag. Schlechte Haltung bezeichnet Emerson in einer Passage abwechselnd als ver­ stohlenes Zusehen, oder Stehlen oder als Herumschleichen „auf die Art eines Almosenempfängers, eines Bastards oder Eindringlings in der Welt, die für ihn existiert" und in einer anderen Passage findet er, wir verhielten uns, als wären unsere Handlungen Strafen, die wir „zum Loskauf wegen unseres täglichen Nichterscheinens beim Ap­ pell" zahlen, vollzogen als „Entschuldigung oder Beschönigung un­ seres Lebens in der Welt" — wie Invalide und Verrückte hohe Ver­ pflegungskosten zahlen. Ihre Tugenden sind Bußen. Diese Sicht menschlicher Wesen als ständig bußfertige, oder sich kasteiende Gestalten wird die Leser Waldens an die ersten Seiten dieses Buchs erinnern. Die gute Haltung in „Selbstvertrauen" hat zwei Hauptbezeich­ nungen oder Modi; sie heißt stehen und heißt sitzen. Beide Modi werden von der Idee des Findens, Nehmens und an einer Stelle Blei­ bens abgeleitet. An diesen Haltungen ist gut, was sie zur Anerken­ nung, oder Annahme, individueller Existenz notwendig macht, also zur Fähigkeit, „Ich" zu sagen. (Auf)-stehen verbildlicht, daß dazu Mut verlangt ist, sitzen bildet ab, daß dazu nötig ist, den eigenen Besitz zu beanspruchen und was einem nicht gehört abzuweisen. Es ist daher die Haltung des Daheimseins in der Welt (nicht des ver­ stohlen Hinsehens, Stehlens, Herumschleichens oder, wie er auch

sagt, schief Stehens), also des Habens oder Besitzergreifens. Auch diese Beschreibung der Haltung des Sitzens, findet sich in „Walden" ausgeführt, wo die Vorstellung des Autors vom Erwerb eines Be­ sitzes etwas betrifft, was die meisten als „an ihm Vorbeigehen" be­ trachten würden. Ich widerstehe der Versuchung, den Wendungen dieses Wegs zu folgen und stelle sie sofort der Bemerkung an die Seite, anstatt zu wagen, etwas zu sagen, würden wir zitieren. Hier findet sich ein witziger Effekt, der unsere zeitgenössische Auffassungsgabe anspricht. Erinnern wir uns nochmals an die Worte Emersons: „Der Mensch wagt nicht zu sagen .. . sondern zi­ tiert." An dieser Stelle zitiert aber Emerson Descartes, gesteht er damit nicht ein, daß er selbst nicht sagen und nur zitieren kann? Sollten wir daraus schließen, daß er die ganze Leitidee von Selbst­ vertrauen zurücknimmt, abbaut (oder sonst etwas)? Oder möchte er nahelegen, daß wir die binäre Opposition zwischen sagen und zi­ tieren überwinden müssen und einsehen, daß jedes immer beides ist, oder daß der Unterschied sich nicht entscheiden läßt? Doch da der Unterschied mir ungefähr derselbe zu sein scheint, den Thoreau zwischen Muttersprache und Vatersprache macht, also vielleicht den Unterschied zwischen Sprache und dem Literarischen betrifft und da ich den Unterschied zwischen Sagen und Zitieren als einen der Haltung betrachte, erscheint mir der Vorschlag der Unentscheidbarkeit als Einnehmen einer Haltung, und zwar einer schlechten. Ich stelle mir vor, man sagt mir, der Unterschied der Haltung hätte an derselben Unentscheidbarkeit teil. Meine Antwort ist, daß man sich zu dieser Aussage entschließen kann. Meine Ent­ scheidung sieht anders aus. (Ich denke, sie wird von meinem Gefühl unterstützt, daß ein Leitsatz Freuds, um ihn als einen der Propheten des 19. Jahrhunderts zu nehmen, so zu übersetzen ist: Wo in mir Denken stattfindet, dahin werde ich mich selbst begeben.) Emersons witziger Effekt im Vorschlag, Sagen sei Zitieren, verei­ nigt mehrere Ideen. Er macht darauf aufmerksam, daß Sprache eine Erbschaft ist, Worte sind daher bevor ich bin, sie sind Gemeingut; zweitens daß, ob ich sie sage oder zitiere, sie also aus erster oder zweiter Hand sage, ob ich also denke oder imitiere, dasselbe ist, wie die Frage, ob ich als menschliches Wesen existiere oder nicht, was einen Beweis verlangt; drittens, daß das Schreiben, zu dem der witzige Effekt gehört, ein Ausdruck des Beweises des Ich-Sagens ist, also der Behauptung, Schreiben sei eine Angelegenheit, man kann sagen eine Entscheidung, auf Leben und Tod, und daß das darauf

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hinauskommt die Sprache zu erben, einen Besitz von Worten, der sie nicht aus der Zirkulation zieht, sondern sie zurückgibt, wie dem Leben. Daß der Existenzanspruch verlangt, Worte der Sprache zurück­ zugeben, als würde man sie uns allen zugänglich machen, legt mir der vierte Satz von Selbstvertrauen nahe: „Dein eigenes Denken zu glauben, zu glauben, was für Dich im Inneren des Herzens wahr ist, sei wahr für alle Menschen — das ist Genie." (Hier ist der Weg, dem ich von diesen Worten aus nicht folge, die Transformation der Genievorstellung des Romantischen. Genie ist hier keine besondere Gabe, wie z. B. der Virtuosität, sondern eine Einstellung zu jeder Begabung, die man in sich findet, als ob Leben selbst ein Geschenk wäre, und bemerkenswert.) Genie ist dementsprechend der Name des Versprechens, daß das Private und Soziale zusammen er­ reichbar sein werden, also auch der Beobachtung, daß unser Leben gegenwärtig ohne beide verläuft. Diesem Versprechen ist sein Schreiben gewidmet, wenn er sagt: „Ich meide Vater und Mutter und Gattin und Bruder, wenn mein Genie mich ruft. Ich schreibe auf die Oberschwelle des Türpfostens: Laune/ (Ich werde nicht wiederholen, was ich anderswo bezüglich Emersons Einschreiben von Laune an die Stelle Gottes gesagt habe, womit er sein Schreiben als Ganzes mit der Kraft, den Todesengel abzuwenden, einsetzt.) Wichtig ist hier nur, daß die lebensspen­ dende Kraft von Worten, des Ich-Sagens, in Deiner Bereitschaft be­ steht, Deine Begierde Worten zu unterwerfen (nenne es Laune), ver­ ständlich zu werden, ohne die Sicherheit, daß Du aufgenommen wirst. („Ich hoffe, daß es schließlich besser sein kann, als Laune, aber wir können nicht den ganzen Tag erklären.") Es ist eine Phan­ tasie des Findens Deiner eigenen Stimme. Es mag andere ärgerlich machen und sie werden Dich meiden, sogar manche Mütter und Väter. Daß diese Widmung eine Haltung zur Darstellung bringt, oder eine Antwort auf die Sprache selbst, als ob Wörter als Ganzes nach Erlösung schreien, ist nach meinem Verständnis der Sinn seines Ausspruchs „... Konformität macht (Menschen) nicht in ein paar Be­ sonderheiten falsch, als Urheber von ein paar Lügen, sondern falsch in allen Besonderheiten ... so daß jedes Wort, das sie sprechen, uns ärgert und wir nicht wissen, wo anzufangen wäre, sie zu korri­ gieren". Daß hier Schöpfertum als Aufgabe aller Sprachbenützer ange­ führt wird, als etwas, das so allgemein verbreitet ist, wie Genie, ist

die deutlichste Rechtfertigung der Berufung auf die Darstellung oder Anerkennung der eigenen Existenz als ihrer Schöpfung und speziell die Rechtfertigung für das, was wir als Emersons wichtigste Behauptungen sein Schreiben betreffend nehmen können, erstens daß es seine menschliche Existenz beweist, d. h. sein Recht be­ gründet, „Ich" zu sagen, sich von den anderen (und darum sie an­ sprechend) zu unterscheiden, zweitens daß andere genau so fähig sind, für sich zu beweisen, was er für sich bewiesen hat. Diese Behauptungen treffen sich in einer Aussage wie: „Ich werde für die Menschheit einstehen", die wir als Kennzeichnung einer An­ zahl von Wegen erkennen können — daß sein Schreiben eine auf­ rechte Haltung ist, daß sein Inhalt das Menschliche darstellt, womit gesagt ist, daß sein Selbstporträt nur zutrifft, soweit es seine Ge­ fährten abbildet, und auch, daß er für sie schreibt, wenn auch nicht auf ihre Aufforderung hin, so doch mit ihrem Interesse im Sinne; und daß er für den Augenblick die Menschheit aushält, sie wie sie ist erträgt; und daß er für sie eintritt, sie beschützt, behütet, ver­ mutlich gegen sich selbst. Aber jemanden zu beschützen und be­ hüten, indem man auch für ihn schreibt, ist eine der Bedeutungen von Unterrichten, von pädagogischer Unterstützung. Der Weg, den ich an dieser Stelle nicht nehme, entspringt bei Emersons Reden über „ursprüngliche Weisheit als Intuition" mit der Ergänzung, daß „alles spätere pädagogische Unterstützungen (tui­ tions) sind". Ich mache auf diesen Weg aufmerksam, um meinen Ärger darüber zu dokumentieren, immer wieder der einförmigen Beschreibung von Emerson als eines Philosophen der Intuition aus­ gesetzt zu sein, einer Beschreibung, die niemals hinzufügt, daß er gleichzeitig der Lehrer pädagogischer Unterstützung ist. Sie spre­ chen von ihm, als ob seine Bezeichnung aller späteren Unterwei­ sung als pädagogische Unterstützung eine Abwertung der Unter­ weisung eher als eine Empfehlung dafür wäre, ihren notwendigen Wert zu entfalten. Nimm den Ruf seines Genies als Name für Intui­ tion, dann war die Aufschrift „Laune" an seinem Türstock deren pädagogische Unterstützung, sozusagen die Darstellung der Ver­ pflichtung, sie zu bezeichnen, das Eingehen des Risikos, oder wie Thoreau sagt, das Durchstehen des Risikos, alles, was Dir wider­ fährt, zu bemerken, es bemerkbar, bemerkenswert, denkbar zu ma­ chen, Dich selbst, wie gesagt, der Verständlichkeit zu unterwerfen. Wie könnten wir die Behauptung der Schriften Emersons, so eine Darstellung zu sein, überprüfen — das heißt den Anspruch der

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Schriften sich selbst darzustellen oder anzuerkennen, die eigene Existenz anzunehmen; was man auch so auffassen kann, daß es in Nietzsches, oder besser Zarathustras Worten, die glaube ich mehr oder weniger Emerson zitieren, darum geht, daß er „nicht Ich sagt, sondern Ich tut*. (Die bloße Komplikation des Selbstbezuges, des Ich-Sagens, das Lieblingsproblem gewisser Aktualisierer, bedeutet vielleicht gar nichts, nichts außer noch mehr Gerücht über Deine Existenz.) Wie anders als durch die Bereitschaft, die Schriften Wort für Wort uns lehren zu lassen, wie sie zu überprüfen sind? Und tatsächlich kann Selbstvertrauen im ganzen als eine Theorie — ich wollte, wir wüßten inwiefern als eine Ästhetik — des Lesens aufgefaßt werden. Es beginnt mit den Worten: „Gestern las ich .. und vier Absätze vor dem Zitat des cogito bemerkt er: „Unser Lesen ist bettelnd und kriecherisch", was darauf hinauskommt, daß er unser Lesen so einschätzt, wie alles andere, das wir tun. Wie können wir dann seine Theorie des Lesens lesen, um dabei zu lernen, wie er zu lesen wäre? Wir müßten sie schon verstehen, um sie zu verstehen. An anderer Stelle habe ich dies das (scheinbare) Paradoxon des Lesens genannt. Genau so könnte man es das Para­ doxon des Schreibens nennen, denn vom so ambitionierten Schreiben kann man ebenfalls behaupten, daß erst nachdem es seine Aufgabe erfüllt hat, einen Schriftsteller hervorzubringen (was bedeuten kann, Stimmen abzustreifen oder abzuschütteln), gewußt werden kann, was Schreiben heißt. Aber man weiß nie. Ich will sagen, man weiß nie, wann jemand die adäquate Einstellung lernt, die dann ein Bewegungsfeld sinnvoll erscheinen läßt, sei es das Schreiben, Tanzen, einen Ball Abspielen, am Klavier Sitzen oder das freie Assoziieren. Das Gefühl des Paradoxen ist also nur ein Aus­ druck davon, daß wir nicht verstehen, wie solches Lernen vor sich geht. Im vorliegenden Fall möchten wir nicht weniger wissen, als ob Emerson existiert, also für uns existieren könnte; ob also zu allererst einmal sein Schreiben das cogito vollzieht, das er verkündet. Er behauptet ausdrücklich, daß es sich so verhält, er muß es tun; aber bevor ich darauf eingehe, halte ich mich etwas länger vor diesem neuen wichtigen Weg (oder dieser Wegkreuzung) auf, den ich hier nicht weiter verfolge, der Theorie des Lesens des Aufsatzes, also der Theorie des Schreibens oder Sprechens, also des Sehens und Hörens. Die Theorie, das ist keine Überraschung, ist eine Theorie der Kommunikation, also des Ausdrucks, des Charakters, wobei Charakter, wie bei Emerson immer, aufgefaßt wird als ge­

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meinsame Benennung des menschlichen Individuums und der menschlichen Sprache, jedes von beiden das Gesicht des anderen. Der Schreibaspekt der Theorie wird mit der Bemerkung kurz darge­ stellt: „Von Vertrauen zu sprechen ist eine schlechte äußerliche Re­ deweise. Wer mehr gehorcht als ich bemeistert mich, obwohl er keinen Finger rühren muß." Gemäß dem Leseaspekt ist die Vorstellung des Bemeisterns nicht die seiner exakten Kontrolle (obwohl sie in Verbindung zu seiner Überwachung steht), sondern eher die, ihn wie einen schwierigen Text, ein Instrument oder eine Übung zu beherr­ schen. Daß diese Meisterschaft durch Gehorsam erreicht wird, also durch einen Modus des Hörens, bezieht den Vorgang darauf, daß er sein Schreiben in den Dienst des Rufs seines Ge­ nies stellt, den er anfangs als Laune wahrnimmt. Daraus folgt, daß seinen Text bemeistern die Laune herauszufinden heißt, aus der er entsteht. Gemäß dem Schreibaspekt bedeutet die Vorstel­ lung der Mitteilung als ständiges Atmen (als ob Ansteckung ein natürliches Risiko des Schreibens wäre), daß Du mit jedem ge­ sprochenen Wort mehr sagst, als Du weißt, daß Du sagst (die Idee des vornehmen Emerson ist hier, daß Du Deinen eigenen Atem nicht riechen kannst), dies aber heißt zum Teil, wie wir schon wissen, daß Du im Augenblick das Ausmaß, in dem Dein Sprechen ein Zitieren ist, nicht weißt. (Ich kann mich nicht enthalten, nochmals Aufmerksamkeit auf einen anderen Weg zu lenken, den hier zu gehen ich vermeide, einen, auf dem man besonders auf die Gründe von Nietzsches Liebe zu Emersons Schriften aufmerksam wird. Ich denke jetzt an Ecce Homo, ein Buch über das Schreiben mit dem Untertitel „Wie man wird, was man ist", dessen Vorwort mit der Erklärung beginnt, der Autor fände es jetzt unerläßlich, zu sagen, wer er sei, da er in seinen Gesprächen mit den Gebildeten zur Überzeugung komme, daß er nicht lebt; und das mit der Behauptung oder Warnung fort­ setzt, ihn zu lesen heiße, starke Luft einzuatmen; und dessen An­ fangsteil „Warum ich so weise bin" mit der Feststellung schließt, einer seiner Wesenszüge, der ihm im Umgang mit anderen Schwie­ rigkeiten bereite, sei die unheimliche Empfindlichkeit seines Reinlich­ keitsinstinkts, die ihn das Innerste, die Eingeweide jeder Seele, rie­ chen lasse.) Die Frage, die Emersons Theorie des Lesens und Schreibens beantworten soll, ist also nicht „Was bedeutet ein Text?" (daher

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der Wunsch, sie nicht eine Theorie der Interpretation zu nennen), sondern eher: „Wie kommt es, daß ein Text, an dem uns in bestimmter Weise liegt, was vielleicht darin zum Ausdruck kommt, daß von ihm die Anziehung ausgeht, ihn mit bemeisterndem Gehorsam zu lesen, daß also ein solcher Text unwei­ gerlich mehr sagt, als sein Autor weiß, daß Schriftsteller und Leser über sich selbst hinaus schreiben und lesen?"; das ließe sich im Wunsch nach einer Antwort auf die Frage zusammen­ fassen: „Was weiß ein Text?" oder in Worten Emersons: „Was ist das Genie des Textes?" An dieser Stelle merke ich eine meiner Meinung nach passende und fruchtbare Verbindung zu dem an, was ich vom Verfahren Derridas und Lacans bis jetzt verstanden zu haben glaube. An­ dere werden meine Zusammenstellung mit diesen Verfahren als unpassend betrachten, wenn sie sie z. B. so verstehen, das, was ihr folgt, das von mir als Genie des Textes Paraphrasierte, oder vielleicht sollte ich sagen seine Hervorbringung, sei tödlich für die (oder unvereinbar mit der) Idee eines Autors oder die Absichten eines Autors. Diese Unvereinbarkeit sollte überraschend scheinen, da sowohl Genie, als auch Beabsichtigen mit Neigung zu tun haben, daher mit Sich-Sorgen für etwas, und mit Einstellung. Wenn ich mich recht erinnere, verglich J. L. Austin in einer Semi­ nardiskussion in Harvard 1955 die Funktion des Beabsichtigens mit der Funktion der Scheinwerfer eines Autos und er hat viel­ leicht auch an die Lenkung gedacht. Vielleicht benötigen einige Theoretiker den Hinweis, daß irgendwohin zu fahren (etwas ab­ sichtsvoll zuwege bringen) insgesamt nicht darin besteht, zwei Scheinwerfer um die Schultern zu hängen, im Lehnsessel zu sitzen, ein abmontiertes Lenkrad in die Hand zu nehmen, und sich das Ziel vorzustellen. (Obwohl das Situationen gleicht, in denen W. C. Fields sich vorgefunden hat.) Vielleicht werden sie verstehen, wenn man aufzuzählen beginnt, was sonst noch vorhanden sein muß — die weiteren Mechanismen und Systeme (Kraftübertra­ gung, Treibstoff, Elektrizität), die Straßen, die Industrien, die oll

in der Bedeutung? Ist W. C. Fields unsere einzige Alternative zu Humpty Dumpty? Ich frage aus Zuneigung4. Aber ich war gerade dabei, Emersons ausdrückliche Feststellung, oder Vorführung, seines cogito zu lokalisieren. In seinem achten Ab­ satz: „Wie wenig und unbedeutend meine Begabungen auch sein mögen, ich bin wirklich und brauche zu meiner oder meiner Ge­ fährten Versicherung kein abgeleitetes Zeugnis." Weiter vorne in diesem Absatz hatte er gesagt: „Mein Leben besteht für es selbst, nicht für ein Schauspiel ... Ich verlange ursprüngliche Beweise dafür, daß Du ein Mensch bist und lehne diese Berufung vom Men­ schen auf seine Handlungen ab." Und zwei Absätze später wird er versprechen: „Tu’ aber Deine Arbeit, und ich werde Dich erkennen." Mit der Ablehnung des Beweises durch Handlungen, man kann sagen durch Verhalten, lehnt Emerson, gewissermaßen vor dem Ein­ treten des Sachverhalts, die Prügel ab, die die empiristische Philoso­ phie mit ihrem Beweis der Existenz fremden Bewußtseins auf der Basis einer sogenannten Analogie mit dem eigenen Fall bezogen hat, ein Beweis, der im wesentlichen einen Bezug auf das Verhalten des anderen (und seine Ähnlichkeit zum eigenen) als Inbegriff dessen, was wir von ihnen mit Sicherheit wissen können, enthält. Wie aber entgeht und begegnet Emerson dem Bild, das einer sol­ chen philosophischen Orientierung immer wieder Schwierigkeiten macht, nämlich dem Bild, dem entsprechend wir die Erfahrungen anderer nicht wörtlich oder direkt haben können, also das, was Emerson anscheinend „ursprüngliche Beweisgründe" ihrer Existenz nennt, gerade nicht haben können. Emersons Gegenzug ist in der Idee dessen, was ich sein Versprechen nannte, enthalten: „Tu aber Deine Arbeit, und ich werde Dich erkennen." Deine Arbeit, was Dir

das erzeugen und davon erzeugt werden usw. — damit die Scheinwerfer und die Lenkung ihre Aufgabe verrichten können, nur damit sie sein können, was sie sind. Zweifellos sprechen einige Theoretiker so, als wäre Beabsichtigen alles, worauf es bei der Bedeutung ankäme. Aber ist das ein vertret­ barer Grund zur Behauptung, Absicht sei nichts, spiele keine Rolle»

4 Ich entdecke, daß die Verbindung des Leidens W. C. Fields an der Kon­ vention mit Humpty Dumpties Ausspruch, gerade durch seine Wünsche, Herr über die Bedeutung seiner Worte zu sein, mich eine in der Diskussion zu:

Must We Mean What We Say (am Tag des Vortrags 1957) vorgetragene Passage nicht vergessen läßt (zufälligerweise ebenfalls in Stanford). Gegen eine bestimmte Behauptung in meinem Referat zitierte ein Philosoph na­ mentlich Humpty Dumpties Ansicht über Bedeutung als offenbar, in allem Ernst, die richtige. Ich glaube, dabei wurde mir zum ersten Mal die Möglich­ keit klar, daß Parodie kein wohlunterschiedener intellektueller Ton mehr sei, weil man sich nicht mehr darauf verlassen kann, daß irgendetwas uns allen

gemeinsam als unerhört erscheint. (Humpty Dumpty ist eine Figur aus Alice through the Looking Glass und berühmt durch den Ausspruch: „Wenn ich ein Wort gebrauche, bedeutet es, was ich will." Η. H.)

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zu tun zukommt, ist mit Emersons Worten illustriert konfrontiert, indem man diese Worte liest; was sie zu bemeistern bedeuten; was ihnen zu gehorchen und also ihnen zu folgen bedeutet, wie der Autor es unternimmt, seine Existenz darzustellen, indem er sie sagt. Das Prüfverfahren ihrer Befolgung ist nach Emersons Versprechen, daß Du Dich als von ihnen erkannt erfahren wirst, daß Du Dich in ihnen annimmst. Das nennt Thoreau Überzeugung/Urteil (convic­ tion), er nennt es, will ich sagen, von seinen Werken überführt werden, gelesen werden, verurteilt. Das Eingeständnis von dem, was dieser Text weiß, gewußt zu werden, bedeutet nicht, mit ihm im Sinn von an ihn glauben übereinzustimmen, als wäre er ein Bündel von Behauptungen oder als enthielte er eine Lehre. Von ihm gewußt zu werden heißt, in ihm Denken zu finden. Das würde beweisen, daß in ihm eine menschliche Existenz geschaffen wird. Aber wie ist Denken zu beweisen? — Oder, was vielleicht auf dasselbe hinaus­ kommt: Wie wirst Du Deine Oberzeugung/Verurteilung zeigen? Eine Möglichkeit ist in der Bemerkung vorgestellt, „Selbstvertrauen ist der Abscheu (aversion) der Konformität". Damit ist fast schon ge­ sagt, und beinahe gemeint, daß Du Deine Existenz durch Umkehr fin­ dest, durch Hinwendung zu ihr, daß Denken eine Art von Selbstdre­ hung ist. Direkt jedoch ist ausgesprochen, daß die Welt der Konfor­ mität sich von seinen Worten abwenden muß, so wie er sich von ihr, und, da dieser Vorgang solange wir leben nie beendet ist — da wir also niemals voneinander endgültig frei sind — daß das Leben seines Lesers mit ihm sich von seinen Worten drehen wird und von ihnen zu­ rückdrehen, indem es von ihnen aus, durch sie, weitergeht. Im spä­ teren bedeutenden Aufsatz Schicksal nennt Emerson diesen Abscheu „Antagonismus" — „Der Mensch ist ein ungeheurer Antagonismus' sagt er dort. Und ich kann bezeugen, daß Emersons Worte unhaltbar werden, wenn man aufhört, mit ihnen zu kämpfen. Warum aber besteht das Selbstvertrauen darauf, sein anderes zu kennen, sogar zu erschaffen, ich meine die Selbstbegründung oder Selbsterschaffung des anderen zu schaffen? Weil sich herausstellt, daß, wie Descartes es formulierte, der Wunsch nach Sicherheit dar­ über, daß ich nicht alleine auf der Welt bin, wie sich zeigte, ver­ langt, daß ich mein Erkanntwerden zulasse, was ich als Sich-dem-lntelligiblen-Aussetzen, man kann auch sagen dem Legiblen, bezeich­ nete. Nimmt das nicht die Antwort auf die Frage vorweg, ob es

tasie des In-der-Welt-allein-Seins kann man so verstehen, daß sie sagt, der Schritt aus der Einsamkeit, aus der Selbstversunkenheit, müsse ohne Versicherung von andern erfolgen. (Vielleicht nicht ohne Hilfe.) „Niemand kommt" ist für ein Kind eine Tragödie. Für einen Erwachsenen bedeutet es, die Zeit ist gekommen, derjenige zu sein, der zuerst geht. Politik hätte für diese Denkweise Bedin­ gungen der Kameradschaft geben sollen, nenne das Brüderlichkeit; doch ihr Preis war Unterdrückung, nicht Bestätigung, des Anders­ seins, d. h. von Unterschied und Gleichheit, nenne sie Freiheit und Gleichheit. Eine Aufgabe dieses Denkens ist, Politik das niemals ver­ gessen zu lassen. Durch die Behauptung, sein Leben wäre nicht für ein Schauspiel da, sondern für es selbst, leugnet Emerson nicht, daß es ein Schau­ spiel ist, und so wandelt und verkreuzt er seine ständigen Themen des Gesehenwerdens und daher von Scham und daher von Be­ wußtsein. Ich nehme ein letztes Zitat über dieses Anliegen, um zu beginnen, „Selbstvertrauen" mit Poes Kobold des Perversen zu ver­ binden. Emersons fünfter Absatz enthält folgendes: „... der (erwachsene) Mensch ist gewissermaßen durch sein Bewußtsein ohne weiteres ins Gefängnis geworfen. [Als ob das aus dem Erwachsenwerden ge­ worden wäre.] Sobald er einmal mit Nachdruck gehandelt oder ge­ sprochen hat, ist er eine festgelegte Person, mit Sympathie oder Haß von Hunderten beobachtet, deren Gefühle jetzt berücksichtigt werden müssen. Dafür gibt es keinen Lethe-Strom." Das heißt, daß wir einander auf immer und unvergeßbar sichtbar geworden sind, in einem Zustand ständigen Theaters. Bewußtsein beiseite zu lassen, würde, wäre es möglich, dementsprechend nur dazu dienen, uns von dieser Tatsache unseres wechselseitigen Eingesperrtseins abzulenken, der eine wäre des anderen Wächter. Die Lösung muß darin bestehen, zu ändern, was wir zeigen, wozu es nötig ist, sich noch aufmerksamer dem zuzuwenden, dessen wir uns bewußt sind, und unsere Haltung ihm gegenüber zu verändern. Zum Beispiel:

andere gibt, die diese Erkenntnis leisten können? Ich möchte lieber sagen, daß es die Frage hervorruft. Die Phan­

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„Ein Mann sollte den Lichtstrahl, der von innen durch sein Bewußtsein zuckt, zu entdecken und beobachten lernen, mehr als den Glanz des Firmaments der Sänger und Weisen. Und dennoch schiebt er sein eigenes Denken unbe­ achtet weg, weil es seines ist. In jedem genialen Werk erkennen wir unsere

eigenen zurückgewiesenen Gedanken; sie kommen mit einer gewissen ent­ fremdeten Majestät zu uns zurück."

Hier finde ich eine genauere Beschreibung des Vorgangs, mich

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selbst in diesem Text erkannt zu finden. Tatsächlich scheint mir, daß ich in ihm gewisse meiner verworfenen Gedanken mit entfremdeter Majestät, wie ich bereit wäre, es zu nennen, wiederkommen sehe (einschließlich des Gedankens über meine verworfenen Gedanken selbst). Dann hat der Autor dieser Zeilen es vermutlich zuwege ge­ bracht, seine eigenen Gedanken nicht zu verwerfen, sondern zu­ sammenzurufen, sie paradieren, sie aufmerksam bleiben zu lassen. Dennoch spricht er über den Zustand des Erwachsenseins inner­ halb der von ihm beschriebenen Verhältnisse bürgerlichen (oder un­ gezogenen) Gehorsams, also sagt er alles, was er sagt, in das Ge­ fängnis seines Bewußtseins geworfen — ein Jahrzehnt bevor man Thoreau ins Gefängnis warf und zwar aus demselben Grund, wegen Gehorsams der falschen Sache gegenüber. Nach welcher Methode wird er befreit? Wenn, mit Emersons Worten fortsetzend, es einen Lethe für unsere Verknechtung an die Aufmerksamkeit der anderen gäbe, an ihre Zuneigung oder ihren Haß, würden wir Meinungen äußern, die als „nicht privat doch notwendig einsichtig wären, die wie Pfeile in die Ohren der Menschen eindringen würden und sie in Angst versetzen" — meine Sichtbarkeit würde also dann meine Be­ obachter schrecken, nicht umgekehrt, wie jetzt, und meine Privat­ heit würde nicht mehr Gefangenschaft darstellen, sondern statt­ dessen für die Freiheit nötigen Bedingungen. Doch solange man nicht weiß, daß diese Bedingungen erfüllt sind, kann der Schrei­ bende nicht wissen, daß ich in seinen Äußerungen gewußt werde, also daß er und ich jeder unsere getrennte Existenz angenommen haben, er wird also bloß wissen, daß er, versichert durch das Ver­ sprechen, meine Existenz zu kennen, meine Existenz nur annimmt, also seine Rolle in ihrer Bejahung, also wird er vielleicht die Last des Beweises von sich abwälzen, noch immer in Erwartung seiner Be­ freiung durch mich aus seinem Bewußtseinskerker, dem Bewußtsein des Bewußtseins der anderen. Wann ist Schreiben vollendet und in die Tat umgesetzt? Daß Selbstvertrauen demnach als Erweis des Schreibens als einer Botschaft aus dem Gefängnis verstanden werden kann, macht seine innere Verbindung mit Poes Kobold des Perversen aus. (Der Ge­ danke einer solchen Verbindung schlägt natürlich auch andere Ver­ bindungen, z. B. mit Rousseaus Gesellschaftsvertrag, dessen be­ rühmte frühe Aussage „Der Mensch ist frei geboren und überall in Ketten* einen Zustand nennt, von dem der Schreibende sein Schreiben nicht ausnehmen kann. Besonders dann nicht, wenn seine

Interpretation der Gefangenschaft seines Schreibens einen Schritt zur Freiheit, die es durch seine Vorstellung von Ketten denken muß, ermöglichen soll.) Vielleicht ist es ganz gut, daß ich hier mit Poes so­ genannter Erzählung kaum mehr tun kann, als einige Anleitungen dafür geben, wie sie nach meiner Meinung gelesen werden wollte, oder zumindest könnte. Ganz gut, weil die Bekräftigung der Inter­ pretation von Anfang bis zum Ende verlangt, daß man sich die Zeit nimmt, die Behauptungen an sich selber auszuprobieren. Die Be­ hauptungen haben im allgemeinen mit dem Klang der Poeschen Prosa zu tun, mit dem, was Emerson und Nietzsche ihre Atmo­ sphäre oder ihren Geruch nennen würden. Es fügt sich, daß Poes Er­ zählung im wesentlichen über den Atem ist, den sie von sich gibt. Wenn wir darin übereinstimmen könnten, daß der Klang der Prosa Poes erschreckend gleich dem Klang der Philosophie ist, als wäre er eine Philosophieparodie — wie der Klang der Philosophie bei Descartes eingeführt wird — dann könnte ich meine maßgeb­ liche Behauptung über diese Schrift so formulieren: In Poes Erzäh­ lungen wird der Gedanke ausgearbeitet, daß Philosophie, zumin­ dest jetzt, nur als Parodie der Philosophie existiert, oder eher als etwas, das vielleicht von der Perversion der Philosophie nicht unter­ schieden werden kann, als ob der Umsturz des Reiches der Ver­ nunft, jener Vernunft, um deren Aufrichtung willen Philosophie ent­ wickelt wurde, nicht nur die Aufgabe, sagen wir der Lyrik sei, son­ dern heutzutage ganz offen das Genie oder die Bestimmung der Philosophie selbst. Als ob die Aufgabe des Abbaus der Vernunft die Aufgabe ihrer Neufassung wäre, des Zwangs einer Transformation oder Umkehr dessen, was wir uns unter Denken denken und darum was wir als konstituierenden Grund des Reiches der Vernunft denken. Eine natürliche Folge beim Lesen solcher Schriften besteht darin, daß man unsicher sein kann, ob die Aussagen des Schriftstel­ lers vollständig ernst gemeint sind. Ich wage die Behauptung, daß der Schriftsteller auf diese Weise unsicher sein kann und daß das ein gutes Zeichen sein kann, daß das Schreiben seine Aufgabe er­ füllt, seinen Verlauf nimmt. Dann besteht Poes eigenartige Brillanz darin, daß er seinen Klang oder die Bedingung des Verständnisses gefunden hat, in welcher nicht der Leser und nicht der Schriftsteller wissen, ob er oder sie philosophieren, sozusagen um eines Zweckes willen denken. Das ist eine Erkenntnis, es scheint eine philosophi­ sche Erkenntnis, über Philosophie, nämlich daß es ebenso schwierig ist, mit dem Philosophieren aufzuhören, wie es zu beginnen. (So

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schwierig, in Wittgensteins Worten, der Philosophie Ruhe zu bringen. Die meisten Leute, die ich kenne und denen die Philosophie am Herzen liegt, sehen das entweder nicht als philosophisches Pro­ blem oder glauben nicht, daß es eine Lösung besitzt.) Eine gute Methode, klarzumachen, was ich mit dem Klang der Er­ zählungen Poes meine, ist die Gegenüberstellung der Einleitungs­

Die Gegenüberstellung, die ich hier im wesentlichen unkommen­ tiert lasse, soll in beide Richtungen gehen, Poes Scharfsinn betonen, und darüber hinaus seine diskursive Fundiertheit andeuten, und gleichzeitig Descartes’ schaurige, perverse Behauptung betonen (in Anbetracht der Gegenstände, die sein Licht der Vernunft durchstö­ bert), die Atmosphäre eines verruchten Tagebuchschreibers. Außerdem erscheinen die Meditationen für mich im Inhalt des Kobolds des Perversen genauso unaustilgbar, wie in Selbstver­ trauen. Bevor ich darauf eingehe, möchte ich diese weniger be­ kannte Erzählung kurz und allgemein beschreiben. Sie besteht aus zwei Teilen, jeder mehr oder weniger acht Absätze lang. Die erste Hälfte ist, wie Poe in seiner Rezension gewisser Erzäh­ lungen Hawthornes gesagt hatte, gar keine Erzählung, sondern ein Aufsatz. Der Aufsatz tritt ein für das Bestehen von Perver­ sität als grundlegender, ursprünglicher, irreduzibler Fähigkeit oder Gefühlskraft der Seele, als Neigung, um des Schlechten willen Schlechtes zu tun, als Impuls zu handeln, weil wir nicht handeln sollten — eines Sachverhaltes, der dem Aufsatz zufolge von Phrenologen, Moralisten und größtenteils von „allen Meta­ physikern" wegen „der reinen Arroganz der Vernunft" übersehen wird. Diese Wendung „die reine Arroganz der Vernunft" zeigt meinen im Augenblick auf Poe gerichteten Zuhörern an, daß er eine Kritik der Arroganz der reinen Vernunft schreibt — als wäre die Aufgabe, sogar nach Kant, wesentlich unvollendet, sogar noch nicht begonnen. (Diese Charakteristik sollte nicht als unvergleichbar mit der Wertschätzung Poes als eines Psycho­ logen verstanden werden, nur als unvergleichbar mit einer ge­ wissen Idee davon, was Psychologie sein könnte.) Der zweite Teil von Kobold des Perversen, der die eigentliche Geschichte erzählt, beginnt so:

sätze von z. B. Die schwarze Katze und einigen Sätzen aus dem Be­ ginn von Descartes’ Meditationen. Das ist Descartes: „Die Überlegung, daß ich seit meinen ersten Jahren viele falsche Meinungen als wahr anerkannte und daß die Schlußfolgerungen aus so schlecht abgesi­ cherten Voraussetzungen äußerst zweifelhaft und unsicher sein mußten, ist mir nicht neu ... Ich habe einen stillen Ort der Ruhe in friedlicher Einsamkeit gefunden. Darum will ich einen ernsthaften und unbehinderten Versuch ma­ chen, alle meine früheren Meinungen allgemein zu zerstören . . . Alles was ich bisher als völlig wahr und sicher anerkannt habe, stammt aus den Sinnen oder vermittelt durch die Sinne. Aber ich habe aus der Erfahrung gelernt, daß diese Sinne mich bisweilen irreführen, und es ist klug, den Dingen, die nun einmal ge­ täuscht haben, niemals ganz zu trauen . . . Aber es ist möglich, daß, obwohl die Sinne nur manchmal täuschen, . .. viele andere Dinge bestehen, die wir vernünftig nicht bezweifeln können . .. wie z. B. daß ich hier bin, beim Feuer sitzend, einen Winterschlafrock tragend, dieses Papier in meinen Händen hal­ tend und andere Dinge dieser Art. Und wie könnte ich leugnen, daß diese Hände und dieser Körper mir gehören, es sei denn, ich vergliche mich mit ge­ wissen Irren ... die sich vorstellen, ihr Kopf sei aus Ton gemacht oder sie seien Kürbisse oder ihr Körper sei Glas? .. . Dennoch muß ich mich daran erinnern, daß ich ein Mensch bin und darum gewohnt zu schlafen und in meinen Träumen dieselben Dinge vorzustellen, die Wahnsinnige sich im wachen Zu­ stand vorstellen ... Ich werde mir so deutlich der Tatsache bewußt, daß es keine schlüssigen Hinweise gibt, durch die Leben im Wachzustand vom Schlaf unterschieden werden kann, daß ich sehr erstaunt bin und meine Betroffenheit ist beinahe imstand, mich davon zu überzeugen, daß ich schlafe."5

Hören Sie jetzt Poe: „Für die wildeste, dennoch aber fast häuslich vertraute Erzählung, die ich im Begriff bin niederzuschreiben, erwarte und fordere ich keinen Glauben. Ich wäre tatsächlich verrückt, ihn zu erwarten, in einem Fall, in dem selbst meine Sinne ihre eigenen Beweisgründe verwerfen. Dennoch, verrückt bin ich nicht

— und ziemlich sicher träume ich nicht. Aber morgen sterbe ich, und heute will ich meine Seele von der Last befreien. Mein unmittelbarer Zweck ist, der

Welt einfach, kurz und ohne Kommentar eine Reihe bloßer Alltagsereignisse vorzulegen. In ihren Folgen haben diese Ereignisse mich erschreckt, gefol­ tert, zerstört. Dennoch werde ich nicht versuchen, sie zu erklären.'6

5 Die (englische) Übersetzung ist ¡ene J. Lafleurs (New York 1951). 6 Collected Works of Edgar Allan Poe, ed. Thomas Ollive Mabbott (Cam­ bridge, Massachusetts, 1978).

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„Ich habe soviel gesagt, daß ich bis zu einem gewissen Grad Ihre Frage be­

antworten kann — daß ich Ihnen erklären kann, warum ich hier bin — daß ich Ihnen etwas vorweisen kann, das zumindest den schwachen Anschein

eines Grundes dafür hat, daß ich diese Fesseln trage und mich in dieser To­ deszelle befinde. Wäre ich nicht so weitschweifig gewesen, hätten Sie mich entweder völlig mißverstanden, oder mit dem Pöbel für verrückt gehalten. Wie es nun steht werden Sie leicht erkennen, daß ich eines der vielen unge­ zählten Opfer des Kobolds des Perversen bin."

Da wir nicht als jemand dargestellt werden, der eine Frage stellt oder hat, suggeriert die Erklärung des Erzählers, daß wir eine be-

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züglich seiner Gegenwart haben sollten, also erweckt sie mehr Fragen, als sie ausformuliert. Die Erzählung erweist sich als eine für Poe typische Angelegen­ heit und betrifft den planvoll herbeigeführten Mord an jemandem unter dem scheinbaren Motiv der Erbschaft, eine Tat, die solange unentdeckt blieb, bis der Erzähler sich einige Jahre später perver­ serweise selbst entlarvte. Die Mittel für den Mord beschreibt der Er­ zähler so: „Ich kannte die Gewohnheit meines Opfers, im Bett zu lesen ... Ich ersetzte im Kerzenleuchter seines Schlafzimmers das Wachslicht, das ich dort fand, durch ein (vergiftetes), das ich selbst verfertigt hatte.* Der Selbst-Verrat ereignet sich, als, wie er es for­ muliert, „Ich mich auf frischer Tat ertappte". Die Tat, während derer er sich festnimmt, ist das halblaute Murmeln der Silben „Ich bin si­ cher" und die Hinzufügung „— ja, wenn ich nicht dumm genug bin, ein Geständnis abzulegen". — „Ich fühlte ein zum Wahnsinn trei­ bendes Bedürfnis laut zu schreien . . . Nun, ich verstand gut, zu gut, daß in meiner Situation zu denken hieß, verloren zu sein... Ich sprang wie ein Verrückter durch die überfüllte Durchfahrt. Schließ­ lich wurde die Menge alarmiert und verfolgte mich." Gegen den ersten der von mir so genannten Hinweise für die In­ terpretation des Kobolds erwarte ich heutzutage wenig Wider­ stand, nämlich daß sowohl die Fiktion der Selbst-Festnahme des Er­ zählers und seines Tragens dieser Fesseln und Bewohnens der To­ deszelle, genauso wie die Fiktion der Beschaffung eines vergifteten Wachslichtes zum Lesen Beschreibungen oder Phantasien darüber sind, was Schreiben ist, durch das Geschriebene vor uns gestaltet. Es gibt keine wirkliche Gefangennahme und kein Verbrechen außer der Handlung dieses Schreibens selbst, oder wir müssen uns zumin­ dest keine vorstellen. Also ergibt sich für uns sofort die Frage, was es bedeutet, zu phantasieren, Worte seien Fesseln und Zellen und sie zu lesen, aufmerksam auf ihre Bedeutung oder Wirkung zu achten, sei vergiftet worden. Heißt das, der Schriftsteller und der Leser seien gegenseitig Opfer für einander? Oder soll gesagt werden, daß zur Erlangung der Wahrheit etwas im Leser genauso wie etwas im Schriftsteller sterben muß? Wehrt es den Todesengel ab oder lädt es ihn ein? Mehr Widerstand, oder Verwunderung, erwarte ich gegenüber dem weiteren Vorschlag, daß die Fiktion der Worte, die für sich selbst vielleicht unauffällig sind („Ich bin sicher") und deren Ausspre­ chen den Sprechenden auslöscht, eine Spezifizierung der Behaup­

tung sind, daß „Ich gut, nur zu gut wußte, daß in meiner Situation zu denken hieß, verloren zu sein" — eine Art Negation, sagen wir eine Perversion, des cogito. Statt mich zu beweisen und zu be­ wahren, wie bei Descartes, wird Denken jetzt als Beschleunigung meiner Zerstörung angesehen. Etwas vorher macht Poes Erzähler das noch deutlicher:

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„Keine Leidenschaft in der Natur ist so dämonisch ungeduldig wie jene der Person, die, am Rande eines Abgrunds erschauernd, einen Sprung erwägt. Für einen Augenblick irgendeinem Versuch des Denkens nachzugeben heißt, unfehlbar verloren sein; denn Überlegung treibt uns an, sich vorzusehen und darum sage ich, daß wir nicht können ... wir springen und werden zerstört."

Wenn die Inschrift „Laune" auf Emersons Selbstvertrauen sagen soll, „Ich denke nicht, darum existiere ich nicht", soll jene von Poes Kobold sagen, „Ich denke, darum bin ich verloren." Diese Verbin­ dung vorausgesetzt, so wird sie durch das Vorkommen der Worte „erwägen" und „dämonisch" in der eben zitierten kurzen Passage bekräftigt. Ich füge noch hinzu, daß ich persönlich mich dem wei­ teren Vorschlag nicht verschließe, Poes unentdecktes, vergiftetes Wachslicht stünde für, oder sagen wir spielte an auf, Descartes be­ rühmtestes Beispiel (der Materialität) in den Meditationen, das Stück schmelzenden Wachses, dessen Identität empirisch nicht be­ stimmbar ist, sondern nur durch einen eingeborenen Begriff im Ver­ stehen. (Daß in Poes Erzählung die Denkhandlung dadurch zerstört, daß sie die Menge alarmiert und sie gegen den Denker kehrt, und daß Perversität als Geständnis, nicht Verüben eines Verbrechens angegeben wird, als ob das Geständnis und das Verüben eines Ver­ brechens Figurationen voneinander wären, sind Wege der Parodie und Perversität, die ich zum großen Teil hier nicht verfolgen kann.) Mein dritter Vorschlag zur Interpretation der Geschichte Poes ist, daß das Hauptbild, das die zitierten Ideen zusammenfaßt und ins Spiel bringt, in ihrem Titel angegeben wird. Der Vorschlag, den ich hier einfach ausspreche, ist, daß der Titel eine allgemeine Tatsache über Sprache benennt und illustriert und sogar auf dieser Grund­ lage eine Emerson zuschreibbare Sprachtheorie heraufbeschwört, den Besitz der Sprache als die eigene Unterwerfung unter das Ver­ ständliche. Die Sprachtatsache, die er illustriert, ist in der Reihe der Worte verzeichnet, die ich Kobold-Wörter (imp-words) nennen werde, die überall in den 16 Absätzen der Erzählung auftauchen: „impulse" (mehrmals), „impels" (antreiben, mehrmals), „impatient" (ungeduldig, zweimal), „important" (wichtig), „impertinent", „imper-

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ceptible" (unmerklich), „impossible"

(unmöglich),

„unimpressive*

(nicht eindrucksvoll), „imprisoned" (gefangen) und, natürlich, „Imp* (Kobold, Alb). Darüber hinaus wird „imp." im Englischen als Abkür­ zung für Imperativ, Imperfekt, „imperial", „Import", „Imprimatur",

„impersonal", „Implement", „improper" und „improvement" ver­ wendet. Man kann hinzufügen, daß „Imp" eine Abkürzung für Kaiser und Kaiserin ist. Wenn nun die Rede vom „imp" der Perversheit zu allererst darin besteht, den „imp" im Englischen zu be­ nennen, nämlich als Anfangslaute einer Anzahl für Poe charakteri­ stischer Worte, dann bedeutet die Rede von etwas, das das Per­ verse genannt wird und diesen „imp" enthält, eine Rede von der Sprache selbst, insbesondere des Englischen, als des Perversen. Aber was am „imp" des Englischen ist pervers, also vermutlich ein Beitrag dazu, uns als Sprachbenutzer hervorzubringen, uns „imps"? Zuerst einmal könnte es sehr wohl das Präfix „im-" sein, das als pervers empfunden wird, da es, wie das Präfix „in-" gegensätzliche Bedeutungen hat. Vor Adjektiven ist es eine Negation oder Priva­ tion, wie in „immediate", „immaculate", „imperfect", „imprecise", „improper", „implacable", „impious", „impecunions"; vor Verben ist es eine Bestätigung oder Verstärkung, wie in „imprison", „impinge", „imbue", „implant", „impulse", „implicate", „impersonate". (Es ist nicht unmöglich, daß per-vers, auf die Sprache angewandt, soweit verfolgt werden sollte, daß es auch „durch und durch poetisch" meint.) Normalerweise halten wir ohne Zweifel das Privative und Verstärkende gut genug auseinander, aber unter bestimmten Um­ ständen (z. B. in Träumen, in denen nach Freud logische Opera­ tionen wie Negation nicht verzeichenbar oder abbildbar sind, son­ dern durch die spätere Interpretation des Träumers hinzugefügt werden müssen), könnten wir unsicher werden, ob z. B. „immuring" bedeutet, etwas in eine Mauer einzuschließen oder aus ihr heraus­ zulassen; oder ob „impotence" Machtlosigkeit oder eine auf etwas besonderes gerichtete besondere Macht bedeutet; oder ob „implan­ ting" Leben geben oder töten ist; oder ob „impersonate" eine an­ dere Persönlichkeit annehmen oder ohne Personalität sein bedeutet. Doch die Tatsache oder Idee der imp-Worte hängt nicht nur an dieser Folge von drei Buchstaben. Wort-Kobolde wäre der Name aller wiederkehrenden Buchstabenkombinationen, aus deren die Worte einer Sprache zusammengesetzt sind. Sie gehören dazu, wie Worte ihr vertrautes Aussehen und ihren Klang haben, und ihre Vertrautheit hängt daran, daß wir in den meisten Fällen die Par­

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tikel, oder Zellen, und ihre Gesetze, aus welchen sich Worte und ihre Kobolde aufbauen, faktisch nicht bemerken; das heißt vor allem, ihre notwendige Wiederkehr nicht bemerken; was vielleicht nur bedeutet, daß Wiederkehr Vertrautheit ausmacht. Diese Not­ wendigkeit, die vertrauteste Eigenschaft der Sprache, die es geben könne — daß, wenn Sprache sein soll, Worte und ihre Zellen wie­ derkehren, als wären sie in ihre Umlaufbahnen gefesselt; daß Sprache (minimal bestimmt) grammatisch ist — verbürgt, was wir als Selbstbezug der Sprache auffassen können. Wenn wir diese Zellen oder Moleküle bemerken, diese kleinen Maulwürfe der Sprache (vielleicht im Denken, vielleicht in der Verwirrung), ent­ decken wir die Kobolde der Wörter, egal wie sie buchstabiert werden, die Anfangs-, Mittel-, oder Endbewegungen, die einge­ pflanzten Ursprünge oder Bestandteile der Wörter, die ein Eigen­ leben führen, uns anstarren, sich aneinander wenden, uns verraten, alarmieren, denn sie zu bemerken heißt, zu sehen, daß sie jeden Moment vor unseren Augen, in Hörweite, leben. Aber die Perversität der Sprache, die ohne, sogar gegen, unser Denken arbeitet, ihre Autonomie, hängt nicht nur von notwendig wiederkehrenden Wortkobolden ab, sondern auch von der Notwen­ digkeit für uns Sprecher der Sprache, uns ihre Urheber, oder Ko­ bolde, oder ihre Kaiser und Kaiserinnen, etwas in und mit unseren Worten zu meinen, das Bedürfnis zu haben, etwas zu sagen, etwas eher als etwas anderes, in gewisser Weise eher als auf andere; oder andererseits sich zu bemühen, sie womöglich nicht zu meinen. Nennen wir diese Notwendigkeiten die Impulse und Implikationen des Sagens unserer Worte. Wie mit dem Sagen von „Ich bin sicher", in dem seine Äußerung die Sicherheit zerstört, in dem das Ausspre­ chen das Ausgesprochene zunichte macht, fragt sich, ob jemand im Sprechen etwas bejaht oder verneint. Speziell, ob der Impuls zur Selbstzerstörung, des sich selbst Verratens, sich Enthüllens, in einem Text wie bei Poe das einzige Mittel der. Bewahrung des Individuums geworden ist. Und ist es erfolgreich? Ist Schöpfung ein Akt der Ver­ nichtung oder der Apotheose des Schriftstellers? In der weiter oben zitierten Passage aus der Schwarzen Katze spricht ihr Autor nicht davon, in Fesseln und in einer Zelle zu sein, aber er benennt seine Aktivität als schreiben/einpferchen („pen­ ning"); und da die gerade betrachtete Aktivität Autobiographie ist, schreibt/pfercht er sich selbst (ein). Bedeutet das Befreiung oder Gefangennahme? Er verstärkt die Frage noch, indem er fortsetzt,

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„that he will not expound" — das heißt, daß er nichts (vermutlich nicht sich selbst) von einem Pfund oder von der Feder entfernen wird. Doch das kann heißen, daß er sich erwartet, vom Leser erklärt („expound") zu werden. Würde das bedeuten, die Last seiner Exi­ stenz jemandem anderen zuzuschieben? Und wer könnten wir sein, daß wir so eine Last tragen könnten? Müssen wir nicht auch versu­ chen, sie abzuwälzen? Zugestanden, daß wir die wechselseitige An­ erkennung brauchen, liegt nicht in genau dieser Notwendigkeit, daß wir uns gegenseitig zu Opfern machen, so, daß unsere Kräfte gegenseitiger Erlösung machtlos dagegen sind? Ist das unent­ scheidbar? Oder ist die Entscheidung dieser Frage genauso dring­ lich, wie die Entscheidung zur Existenz?

together"). Die Vorstellung eines Kriteriums, die ich betone, ist jene einer Methode, etwas als etwas zu zählen, und ich setzte das des weiteren in Beziehung mit Erzählen und Aufzählen, womit also eine Verbindung zwischen dem Erzählen als einem Numerieren oder Rechnen und Erzählen als einem Berichten oder Schildern entworfen wird. Daß Poe (oder, wenn Sie wollen Poes Erzähler) an zentraler Stelle davon spricht, ein ungezähltes Opfer zu sein, bringt mich daher auf den Gedanken, daß Philosophie und Literatur (für ihn, aber wer ist er?) im Bedürfnis des Nacherzählens zusammenge­ kommen sind, also des W/ec/er-Zählens; und zwar zuerst dabei, die Menschenwesen zu zählen, die es gibt, um sie neu zu denken; eine Nacherzählung, die mit der Tatsache beginnt, daß ich es bin, irgend­ ein Ich, der zählt, d. h. der in der Lage ist, diese Sache zu tun, eine Welt zu zählen, vorzustellen; daß ich es bin, der Kriterien dafür auf­ stellt, was sich zu sagen lohnt, also für das Verstehbare, und dabei auf die anderen zählen muß; das aber nur unter der Bedingung, daß ich zähle, daß ich wichtig bin, daß es wichtig ist, daß ich in meiner Übereinstimmung oder meinem Eingestimmtsein mit denen, mit denen ich meine Sprache teile, zähle, ich, von dem diese Erb­ schaft darum ausgeht, Sprache als Bedingung des Zählens — so daß es nicht nur wichtig ist, was das eine oder andere Ich sagt, son­ dern daß es ein besonderes Ich ist, das es an einer besonderen Stelle zu sagen begehrt. Wenn mein Zählen die Wichtigkeit verliert, bin ich verrückt. Nicht gezählt zu werden — ausgelassen, als wäre meine Geschichte unerzählbar — macht, was ich sage (scheine) per­ vers, läßt mich danebenstehen. Die Mutmaßung, daß wir unfähig geworden sind, einander zu zählen, füreinander zu zählen, ist philo­ sophisch eine Mutmaßung, daß wir die Fähigkeit zu denken ver­ loren haben, daß wir erstarrt sind7. Diesen Zustand nenne ich un­ seren Skeptizismus leben. 2. Was ist dadurch über Faktum und Fiktion angezeigt, daß Poes Schreiben gleichzeitig zwei Erzählungen von Gefangenschaft er-

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Ich werde zum Ende kommen, indem ich drei Fragen entwickle, welche die Texte, die ich hier zusammengestellt habe, der Untersu­ chung nahelegen. 1. Was bedeutet es für die Beziehung von Philosophie und Lite­ ratur, daß ein geschriebenes Werk so betrachtet werden kann, daß es für jedermann aus einem philosophischen Aufsatz besteht, der einer, wie jedermann finden wird, fiktiven Geschichte vorangeht (ich würde gerne sagen: der sich in sie verwandelt), — wie es sich trifft, eines fiktiven Geständnisses aus einer Gefängniszelle? Die Antwort würde, finde ich, eine Meditation über den früher zitierten Paragraphen erfordern, in dem Poe vom Aufsatz zur Erzählung um­ schwenkt, andeutend, daß wir es versäumen, eine Frage über den Ursprung des Geschriebenen zu stellen, und behauptend, daß ohne das philosophische Vorwort — was hier bedeutet ohne die Ver­ knüpfung von Aufsatz und Erzählung, Philosophie und Fiktion — der Leser „mit der Meute mich für verrucht gehalten (hätte)", ohne wahrzunehmen, daß er „eines der vielen ungezählten Opfer des Ko­ bolds des Perversen" ist. Die Meditation würde sich auf diese Weise auf die Idee des Zählens einlassen, sich darauf konzentrieren, und tatsächlich habe ich sie unter etwas anderen Umständen als ersten Teil von The Claim of Reason unternommen. Dort interpretiere ich Wittgensteins Philosophische Untersuchungen, oder seine Leitidee eines Kriteriums, also der Grammatik, in ihrer Anfälligkeit für Skep­ tizismus, als Ermöglichung des Sachbezugs der Begriffe unserer Sprache, was, glaube ich, heißt, zu zeigen, was der Besitz von Be­ griffen bedeutet, wie es kommt, so drücke ich es gerne aus, daß wir die Welt sprachlich zusammenstellen können („to word the world

7 Es ist schwer vorstellbar, daß dieser Verdacht nicht mit der Geschichte der Sammlung statistischer Tafeln zu tun hat, die in Ian Hackings Referat auf der Konferenz erwähnt werden, für die dieser Aufsatz ursprünglich ge­ schrieben wurde. Deshalb schwierig für mich, weil Emersons Aufsatz (Schicksal) die neue Wissenschaft der Statistik selbstbewuß als ein neues Bild des menschlichen Schicksals anspricht — eine neue Methode nach der an­ dere uns durch Wissen gefangen finden und die Emerson als weiteren Anlaß des Unwissens betrachtet.

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zählt — in einer der beiden ist er abwesend, in der anderen anwe­ send — als wäre die eine die Fabel der anderen? Kann man wissen, ob eine von ihnen fundamentaler ist? An dieser Stelle sehe ich die Bedeutung davon, daß Poes Geschichte vom Alb die Hamlet-Situa­ tion heraufbeschwört, der in unserer Kultur berühmtesten Figur zur Darstellung einer Unentscheidbarkeitsfrage; speziell einer Unentscheidbarkeit der Frage, ob einer Vergiftungsgeschichte zu glauben sei. (Übrigens behauptet Hamlet zum Schluß, wie der Geist seines Vaters am Anfang, daß er eine unerzählbare Geschichte besitzt — das macht sie beide zu Geistern.) In der Erzählung Poes hört man die Beschwörung Hamlets z. B. in den zwei Erscheinungen eines Geistes, wovon der erste beim Hahnenschrei verschwindet. Und sie ist voll ausgeprägt im zweiten der drei philosophischen Beispiele der Perversität, die Poes Erzähler anbietet, um jeden Leser, der, in seinen Worten „seine eigene Seele vertrauensvoll zu Rat zieht und eingehend befragt" von der „vollständigen Verwurzelung der fragli­ chen Neigung" zu überzeugen. Hier dieses zweite Beispiel:

sagen wir in der Frage, ob die Tatsache des Geborenseins zu be­ jahen oder zu verleugnen sei, eine Weise, die eigene Existenz dar­ zustellen oder nicht. Die Geburt zu akzeptieren heißt, an einer Welt der Rache, der wechselseitigen Aggression, der Verschiebung und Ersetzung teilzunehmen. Aber die Teilnahme zu verweigern heißt, jeden, der Dich berührt, zu vergiften, als würde man seine Privat­ rache nehmen. Darum liegt der Grund, wenn die Wahl unakzep­ tabel ist, nicht in der Metaphysik, sondern in der Geschichte, sagen wir in einer Haltung gegenüber der Entdeckung, daß man mit dem Danebenstehen des Geborenseins niemals gleichziehen kann, also des Faktums, jenes arme Geschöpf zu sein und zu werden, das Dir zu sein gegeben ist. Die Alternative zur Bejahung dieses Zustands ist, wie Descartes Meditationen zeigen, weltverzehrender Zweifel, der also eine bleibende Bedrohung, oder sagen wir Bedingung, der menschlichen Existenz ist. (Ich denke, die Erscheinung des cogito zu seinem geschichtlichen Augenblick ist ein Zeichen dafür, daß einige Bedingungen sich so entwickelten, daß Gleichziehen oder jedenfalls überwinden, das Richtige zu werden schien, z. B. den Glauben an Gott und die Herrschaft der Könige.) Daß es so etwas wie eine Wahl oder Entscheidung betreffend unseres Geborenseins gibt, zeigt meiner Meinung nach Freuds Idee einer zweistufigen Struktur der menschlichen Sexualentwicklung — sozusagen eine Einrichtung der Möglichkeitsbedingung einer solchen Entscheidung. Der Zu­ stand ist jener der Adoleszenz als einer Zeitspanne, in der man als Vorbereitung des Erwachsenwerdens das Wissen über die Befriedi­ gungen als Erleiden einer Wiedergeburt wiederholt. Darum, glaube ich, spekuliert man über Hamlets Alter, aber denkt ihn sich als Jüng­ ling. Diese Angelegenheiten werden im politischen Denken unter dem Stichwort des Einverständnisses dargestellt und darüber gibt es verständlicherweise von Anfang an ein Problem mit dem Beweisen. 3. Was sagt es über die amerikanische Philosophie, daß Emerson und Poe so gesehen werden können, daß sie die Problemstellung des cogito für sich aufnehmen, Emerson indem er es verleugnet oder negiert, Poe indem er es pervertiert oder unterläuft, und daß sie darüber hinaus die Auffassung teilen, Hervorbringen, jedenfalls philosphisches Schreiben, Schreiben als Denken, sei so geartet, daß es den Beweis seiner eigenen Existenz annehmen oder anerkennen müsse, um zu existieren? Für mich kommt es nach dem Gesagten darauf hinaus, daß es von ihrer Seite die Behauptung anzeigt, die Anfänge der modernen Philosophie, wie sie in Descartes' Medita-

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„Die bedeutendste Krise unseres Lebens ruft laut wie eine Posaune, nach un­ mittelbarer Energie und Tat. Wir glühen, wir verzehren uns im Eifer, die Ar­ beit zu beginnen ... Es muß, es soll heute unternommen werden und den­ noch verschieben wir es bis morgen; und warum? Es gibt keine Antwort, außer daß wir pervers fühlen, das Wort ohne Verständnis des Prinzips ver­ wendet. Der Morgen kommt und mit ihm eine ungeduldige Angst, unsere Pflicht zu tun, doch mit genau dieser Steigerung der Angst kommt auch ein namenloses, ein wirklich angsterregendes, weil unergründliches, Sehnen nach Aufschub."

Diese Worte beschwören für mich Hamlet in einer Weise, die ver­ dächtig jener gleicht, der entsprechend ich vor kurzem über Ham­ lets von mir sogenannte Last des Beweises nachgedacht habe — aber sicher nicht verdächtiger, als die Tatsache, daß ich Poe zu stu­ dieren begann während ich über Hamlet nachdachte. Das Drama Hamlet untersucht den Antrieb, Rache zu nehmen und Denken als Antwort auf die Aufforderung zu nehmen, die Last der Existenz eines anderen auf sich zu nehmen; als wäre das die Last, oder der Preis dafür, die eigene auf sich zu nehmen, eine Last, die die eigene bestreitet. Im Fall Hamlets ist es die Forderung, das Leben eines Vaters zu einem erfolgreichen Schluß zu bringen, es auf gleich zu bringen, für ihne seine Rache zu nehmen. Ich werde dazu geführt, die Betonung in der Frage „Sein oder nicht..." nicht darin zu sehen, ob es zu sterben, sondern ob es geboren zu werden gelte,

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fionen umrissen sind, zu entdecken oder wiederzuentdecken, als ob die Literatur in Amerika der Philosophie nicht ohne Bestrafung den Gedanken verzeihen würde, sie könne nur in der Verbannung der Literatur leben. Jetzt aber frage ich, was es bedeutet, daß solche Fi­ guren, scheinbare Gegensätze wie Emerson und Poe, diese Behaup­ tungen im Abstand von einem halben Dutzend Jahren voneinander aufstellen. In letzter Zeit habe ich mir die Frage so gestellt. Fragen wir nach dem Verhältnis zwischen Emersons Ekstasen (hier zusammen mit denen Thoreaus) und Poes Schreckvisionen (hier zusammen mit denen Hawthornes). Es ist ziemlich klar, daß die Verbindung ir­ gendwie von der Tatsache abhängen muß, daß die Welten Poes und Hawthornes, oder sagen wir ihre Häuser und Räume, andere Menschen beherbergen, in der Regel Ehepaare und in der Regel zeigen, sie deren gewaltsames Voneinander-Ausweichen; Emerson und Thoreaus Welten dagegen setzen mit oder nach der Vermei­ dung anderer ein („Ich meide Vater und Mutter und Gattin und Bruder, wenn mein Genie mich ruft") und zeigen das Ich in der Regel ausschließlich neben sich selbst. Das Interessante in der Verbindung besteht darin, daß alle das Häuslich-Machen oder Einwohnen vor­ zustellen suchen — wie es ihnen als Amerikanern ansteht. Für Emerson und Thoreau muß man zu Hause, oder ruhig an einem reiz­ vollen Platz im Wald zu sitzen lernen, gleichsam um die Welt zu heiraten, bevor man, wenn überhaupt jemals, die Last anderer auf sich nimmt; für Poe und Hawthorne kam sogar Amerika für diese Verteilung der Prioritäten zu spät, oder vielleicht kommt es ihr zu nahe. Ein spezifisches Interesse an der Verbindung zwischen diesen amerikanischen Schriftstellern hängt davon ab, ihre Begriffe oder Darstellungen von Häuslich-Machen und Einwohnen (unter momen­ taner Abblendung ihres ekstatischen und schreckbeladenen An­ scheins) als Entwicklungen aufzufassen, wie sie durch die Begriffe des Gewöhnlichen und des Alltäglichen gefordert werden, die im Versuch der Philosophen der Alltagssprache, den Skeptizismus bei­ seitezulegen, auftreten; in der Mühe, die sich Austin und Wittgen­ stein geben, bloßzulegen, was der Skeptizismus bedroht. Im Werk dieser Philosophen, in ihrer verbohrten, präzisen Oberflächlichkeit, ist diese Bedrohung des weltvernichtenden Zweifels, vielleicht erst­ mals in der Philosophie, die wir kennen, in ihrer ganzen ungeheuer­ lichen Gemütlichkeit verstanden worden, nicht nur in vereinzelten

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Beispielen, sondern, in Poes Worten, als „Folge bloßer Alltagsereig­ nisse". Ich schließe mit folgender Aussicht. Wenn ein Bild von Ehe als einer Interpretation von Häuslich-Machen für die gewählten Au­ toren das fiktionale Äquivalent dessen ist, was die gewählten Philo­ sophen als das Gewöhnliche oder das Alltägliche verstehen, dann sollte die Skeptizismus genannte Bedrohung des Gewöhnlichen sich in der bevorzugten Bedrohung ehelicher Formen im Rahmen der Fiktion zeigen, nämlich in Ausprägungen des Melodramas. Entspre­ chend kann man das Melodram als eine Interpretation von Des­ cartes’ cogito sehen, und umgekehrt das cogito als Interpretation der Heraufkunft des Melodrams — des (privaten und öffentlichen) Augenblicks, in dem die Theatralisierung des Selbst der einzige Be­ weis seiner Freiheit und Existenz wird. Das ist auf Zehenspitzen ge­ sagt8.

8 Eine Fassung dieses Artikels wurde bei einer interdisziplinären Konfe­ renz über „Wiederaufbau des Individualismus* am Stanfort Humanities Center, 18.—20. Februar 1984, vorgetragen. Die kompletten Tagungsakten der Konferenz sollen bei der Stanford University Press erscheinen.

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COPING WITH CHANGE: WHY PEOPLE CAN AND COMPUTERS CAN’T As time passes and/or actions are performed, many facts change but not all facts change and only a few such changes are relevant to current action. If one is interested in representing everyday knowledge, this basic characteristic of the everyday world raises a serious problem. The frame problem, as this problem has come to be called, has been defined as "the problem of finding a representional form permitting a changing, complex world to be efficiently and adequately represented"1. Daniel Dennett has called the frame problem "a new, deep epistemological problem — accessible in principle but unnoticed by generations of philosophers — brought to light by the novel methods of Al, and still far from being solved"2 and Jerry Fodor sees in the frame problem a holistic problem which cognitive science has no idea how to solve. *(A)s soon as we begin to look at cognitive processes other than input anal­ ysis ... we run into problems that have a quite characteristic property. They seem to involve ... computations that are, in one or other respect, sensitive to the whole belief system ... In this respect, it seems to me, the frame problem is paradigmatic, and in this respect the seriousness of the frame problem has not been adequately appreciated."3

Both Dennett and Fodor find hints of the frame problem in What Computers Cant Do4. Dennett calls it "the smoking pistol (Dreyfus) ’ Lars-Erik Janlert, "Modeling Change — The Frame Problem", Depart­ ment of Information Processing, University of Umeá, S-901 87 Umeó, Sweden, p. 1. 2 Daniel Dennett, "Cognitive Wheels: The Frame Problem of Al", in: Minds, Machines and Evolution, ed. Christopher Hookway, Cambridge U. Press, 1984, p. 130. 3 Jerry A. Fodor, The Modularity of Mind, Bradford/M. I. T. Press, 1983,

pp. 114-115. 4 Hubert Dreyfus, What Computers Can’t Do, Harper and Row, 1979, translated as: Die Grenzen künstlicher Intelligenz: Was Computer Nicht Können, Athenäum Verlag, 1985.

was looking for but didn’t quite know how to describe"5. And Fodor comments: "If someone — a Dreyfus, for example — were to ask us why we should even suppose that the digital computer is a plausible mechanism for the si­ mulation of global cognitive processes, the answering silence would be deafening."6

However, while both Fodor and Dennett have highlighted serious difficulties for Al, neither Dennett nor Fodor, nor Dreyfus for that matter, have so far homed in on the frame problem. As we shall see, Dennett’s account of the frame problem is indistinguishable from the more general problem of storing and accessing common­ sense knowledge, while Fodor identifies the frame problem with two different problems, one too simple to count as the frame problem, since it could be solved by frames, and the other more difficult than the frame problem, the general problem of relevance. Dennett illustrates what he takes to be the frame problem as fol­ lows: "The frame problem is rather like the unsettling but familiar 'discovery' that so far as armchair thought can determine, a certain trick we have just ob­ served is flat impossible. Here is an example of the trick ... How is it that I can get myself a midnight snack? . . . I'll just go and check out the fridge, get out the requisite mate­ rials, and make myself a sandwich, to be washed down with a beer... Now of course I couldn’t do this without knowing a good deal — about bread, spreading mayonnaise, opening the fridge, the friction and inertia that will keep the turkey between the bread slices and the bread on the plate as I carry the plate over to the table beside my easy chair. I also need to know about how to get the beer out of the bottle into the glass. Thanks to my previous accumulation of experience in the world, fortunately, I am equipped with all this worldy knowledge ... We know trillions of things; we know that mayonnaise doesn’t dissolve knives on contact, that a slice of bread is smaller than Mount Everest, that opening the refrigerator doesn’t

cause a nuclear holocaust in the kitchen. There must be in us — and in any intelligent agent — some highly efficient, partly generative or productive system of representing — storing for use — all the information needed.*7

This problem of how to store and access trillions of facts is too static to be the frame problem. But, in any case, what this descrip-

5 Dennett, op. cit., p. 131. 6 Fodor, op. cit., p. 129. 7 Dennett, op. cit., pp. 134, 136.

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tion of a bit of everyday activity shows is that if we construe our everyday understanding as based on knowledge of facts, our every­ day skills look like impossible feats. Dennett asks: "Do we have any model for how such unconscious information-appreciation might be accomplished?" and answers quite lucidly: "The only model we have so far is conscious, delib­ erate information-appreciation. Perhaps, Al suggests, this is a good model. If it isn’t, we are all utterly in the dark for the time being."8 So Dennett accepts the Al line: all intelligent behavior must somehow involve processing elements of information about the world: knowing-how must be explained in terms of knowing that. Thus all intelligent doing is assumed to involve thinking. When Den­ nett is describing his know-how for pouring beer into a glass he says "I need to know about how to get the beer out of the bottle."’ Why not just know how to get it out? Presumably because, ac­ cording to Dennett, in doing psychology, "one reasons about what the agent must know or figure out unconsciously or consciously in order to perform in various ways"10. This way of describing everyday skills turns them into a sort of problem-solving — a description which would be appropriate if the beer were frozen so I needed to call up all I knew about ice, and bottles, etc. in order to figure out how to get the beer out of the beer bottle. Since only in such problem situations do we normally stop and notice what we are doing it may seem that we are always performing such deliberations — as if there were certain "facts one needs to know to solve the snack problem"11. Then one is led to con­ clude like Dennett that the frame problem is "everybody’s problem"12. But it is Dennett’s cognitivist assumptions, not the na­ ture of intelligence, that makes what he calls the frame problem seem intractable. Since both folk wisdom and 2000 years of philosophy concur that having a skill is having a capacity to use one’s knowledge to reason out solutions to problems, we can defend an alternative perspective only by offering a detailed alternative description of the acquisition

8 Ibid., p.15. ’ Ibid., p. 9. 10 Ibid., p. 10 (Our italics). 11 Ibid., p. 12. 12 Ibid., p. 5.

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and activation of skills. One must be prepared to abandon the tra­ ditional view that a beginner starts with specific examples and, as he becomes more proficient, abstracts and interiorizes more and more sophisticated features and rules, and so becomes better and better at solving problems in his skill domain. It might turn out that skill acquisition moves in just the opposite direction: from abstract rules to particular cases, and that figuring things out drops out alto­ gether. Once one looks into the way human beings acquire and use skills one may be less inclined to think of our common-sense capaci­ ties as cognitive performances at all. Then the task of eliciting and encoding the supposed context-free facts and rules underlying our knowledge of common-sense physics, human interaction, etc., and the further task of bringing this knowledge to bear when and only when it is relevant, may begin to look less like an occasion for "better models" and "further research" and more like a deep philo­ sophical dead end. We all have many areas in which we are experts so let us look and see how adults learn and use skills:

Stage 1 : Novice Normally, the instruction process begins with the instructor de­ composing the task environment into context-free features which the beginner can recognize without benefit of experience. The be­ ginner is then given rules for determining actions on the basis of these features, like a computer following a program. The beginning student wants to do a good job, but lacking any coherent sense of the overall task, he judges his performance mainly by how well he follows his learned rules. After he has acquired more than just a few rules, so much concentration is required during the exercise of his skill that his capacity to talk or listen to advice is severely limited. For purposes of illustration, and to show the generality of the model, we shall consider two diverse types of skill: a bodily or motor skill and an intellectual skill. The student automobile driver learns to recognize such interpretation-free features as speed (indi­ cated by his speedometer) and distance (as estimated by a previ­ ously acquired skill). Safe following distances are defined in terms of speed; conditions that allow safe entry into traffic are defined in terms of speed and distance of oncoming traffic; timing of shifts of

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gear is specified in terms of speed, etc. These rules ignore context. They do not refer to traffic density or anticipated stops. The novice chess player learns a numerical value for each type of piece regardless of its position, and the rule: "always exchange if the total value of pieces captured exceeds the value of pieces lost." He also learns, among other rules, that when no advantageous ex­ changes can be found center control should be sought, and he is given a rule defining center squares and one for calculating extent of control. Most beginners are notoriously slow players, as they at­ tempt to remember all these rules and their priorities.

aspects of positions as a weakened king’s side or a strong pawn structure despite the lack of precise and universally valid defini­ tional rules.

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Stage 2: Advanced beginner

As the novice gains experience actually coping with real situa­ tions, he begins to note, or an instructor points out, perspicuous ex­ amples of meaningful additional components of the situation. After seeing a sufficient number of examples, the student learns to recog­ nize them. Instructional maxims now can refer to these new situa­ tional aspects recognized on the basis of experience, as well as to the objectively defined non-situational features recognizable by the novice. The advanced beginner confronts his environment, seeks out features and aspects, and determines his actions by applying rules. He shares the novice’s minimal concern with quality of per­ formance, instead focusing on quality of rule following. The ad­ vanced beginner’s performance, while improved, remains slow, un­ coordinated, and laborious. The advanced beginner driver uses (situational) engine sounds as well as (non-situational) speed in his gear-shifting rules, and ob­ serves demeanor as well as position and velocity to anticipate be­ havior of pedestrians or other drivers. He learns to distinguish the behavior of the distracted or drunken driver from that of the impa­ tient but alert one. No number of words can serve the function of a few choice examples in learning this distinction. Engine sounds cannot be adequately captured by words, and no list of objective facts about a particular pedestrian enables one to predict his be­ havior in a crosswalk as well as can the driver who has observed many pedestrians crossing streets under a variety of conditions. With experience, the chess beginner learns to recognize over-ex­ tended positions. Similarly, he begins to recognize such situational

Stage 3: Competence With increasing experience, the number of features and aspects to be taken account of becomes overwhelming. To cope with this in­ formation explosion, the performer learns, or is taught, to adopt a hierarchical view of decision-making. By first choosing a plan, goal or perspective which organizes the situation and by then examining only the small set of features and aspects that he has learned are the most important given that plan, the performer can simplify and improve his performance. Choosing a plan, goal or perspective is no simple matter for the competent performer. It is not an objective procedure, like the fea­ ture recognition of the novice. Nor is the choice avoidable. While the advanced beginner can get along without recognizing and using a particular situational aspect until a sufficient number of ex­ amples makes identification easy and sure, to perform competently requires choosing an organizing goal or perspective. Furthermore, the choice of perspective crucially affects behavior in a way that one particular aspect rarely does. This combination of necessity and uncertainty introduces an im­ portant new type of relationship between the performer and his en­ vironment. The novice and the advanced beginner applying rules and maxims feel little or no responsibility for the outcome of their acts. If they made no mistakes, an unfortunate outcome is viewed as the result of inadequately specified elements or rules. The competent performer, on the other hand, after wrestling with the question of a choice of perspective or goal, feels responsible for, and thus emotionally involved in, the result of his choice. An out­ come that is clearly successful is deeply satisfying and leaves a vivid memory of the situation encountered as seen from the goal or per­ spective finally chosen. Disasters, likewise, are not easily forgotten. Remembered whole situations differ in one important respect from remembered aspects. The mental image of an aspect is flat in the sense that no parts stand out as salient. A whole situation, on the other hand, since it is the result of a chosen plan or perspective,

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has a "three-dimensional" quality. Certain elements stand out as more or less important with respect to the plan, while other irrele­ vant elements are forgotten. Moreover, the competent performer, gripped by the situation that his decision has produced, experiences and therefore remembers the situation not only in terms of fore­ ground and background elements but also in terms of senses of op­ portunity, risk, expectation, threat, etc. These gripping, holistic memories cannot guide the behavior of the competent performer since he fails to make contact with them when he reflects on proble­ matic situations as a detached observer, and holds to a view of himself as a computer following better and better rules. As we shall soon see, however, if he does let these memories take over, they become the basis of the competent performer’s next advance in skill’3. A competent driver beginning a trip decides, perhaps, that he is in a hurry. He then selects a route with attention to distance and time, ignores scenic beauty, and as he drives, he chooses his ma­ neuvers with little concern for passenger comfort or for courtesy. He follows more closely than normal, enters traffic more daringly, occasionally violates a law. He feels elated when decisions work out and no police car appears, and shaken by near accidents and traffic tickets. The class A chess player, here categorized as competent, may de­ cide after studying a position that his opponent has weakened his king’s defenses so that an attack against the king is a viable goal. If the attack is chosen, features involving weaknesses in his own posi­ tion created by his attack are ignored as are losses of pieces ines­ sential to the attack. Removal of pieces defending the enemy king becomes salient. Successful plans induce euphoria and mistakes are felt in the pit of the stomach. In both of these cases, we find a common pattern: detached plan­ ning, conscious assessment of elements that are salient with respect 13 Among philosophers, only Maurice Merleau-Ponty seems to have a similar appreciation of the role of holistic memories of typical cases in acquiring a skill. "(A)t the decisive moment of learning, a 'now' stands out from the series of 'nows', acquires a particular value and summarizes the groupings which have preceded it as it engages and anticipates the future of the behavior; this 'now' transforms the singular situation of the experi­ ence into a typical situation and the effective reaction into a skill." The Structure of Behavior, Duquesne University Press, 1983, p. 125.

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to the plan, and analytical rule-guided choice of action, followed by an emotionally involved experience of the outcome.

Stage 4: Proficiency

Up to this point, the learner of a new skill, to the extent that he has made choices at all rather than merely following rules, has made conscious choices of both goals and actions after reflecting upon various alternatives. As Dennett’s discussion of turkey sand­ wich-making illustrates, this Hamlet model of decision making — the detached, deliberative, and sometimes agonizing selection among alternatives — is taken for granted in the philosophy of ac­ tion and the psychology of choice. While this type of carefully thought-out behavior certainly sometimes occurs, frequently for learners of new skills and occasionally for even the most skillful, an unbiased examination of our everyday behavior shows it to be the exception rather than the rule. Considerable experience at the level of competency sets the stage for yet further skill enhancement. Having experienced many situations, chosen plans in each, and having obtained vivid, in­ volved demonstrations of the adequacy or inadequacy of his plans, the performer "notices" or "is struck by" a certain plan, goal or per­ spective. According to our account, the proficient performer sees directly what is relevant in his current situation because the current situa­ tion calls up a similar experience from the past, already gestalted in terms of issues14. But this at first glance seems very mysterious. The current state of affairs is not given in terms of issues until it is seen in terms of a past situation. So how does the brain detect the simi­ larity of a current meaningless state of affairs encountered in the real world, not yet seen in terms of salience, to a stored meaningful situation already organized in terms of what is important? If we stood outside the world and represented states of affairs as meaningless objects, situational similarity recognition would be mysterious, indeed. However, we are generally already in a mean-

14 We shall explain below how this associated situation can be called up holistically, i. e. without recourse to symbolic descriptions and rules defining

similarity.

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ingful situation. Except perhaps when awakening in the morning, we do not normally come upon situations in a void. And even when we first awaken we somehow automatically see the situation as si­ milar to a paradigmatic wake-up situation created by prior experi­ ences and stored in memory, causing us, for example, to see as sa­ lient certain aspects of the situation related to washing and dressing. From then on throughout the day we gradually move from situation to situation always entering a new one from the perspec­ tive of the old. Since the proficient performer comes into a situation with sa­ liences determined by immediately preceeding events and interpre­ tations, and since he has experienced similar situations seen from a similar perspective in the past, these memories trigger plans similar to those that worked in the past and anticipations of events similar to those that followed in the past. That is, he sees the new situation as similar to a situation which typically follows the one he is in. The new situation may be only a slight variation on the old one, or quite different, depending on events. When salient aspects change their character — for example, if a smiling expression changes to a smug one — the current situation may not be as similar to the current guiding paradigmatic situation as to some other paradigmatic situation which has roughly the same salient aspects but matches better. This new situation then be­ comes guiding. Certain aspects of the new paradigmatic situation that now guides behavior will have more or less salience than they did in the old one, and other aspects that were of no significance in the old guiding paradigm may now acquire some importance. Thus the relevance of aspects gradually evolves. No detached choice of deliberation is involved in this evolutionary process. Since, however, there are generally far fewer "ways of seeing" than "ways of acting", after understanding without conscious effort what is going on, the proficient performer will still have to think about what to do. During this thinking, elements that present them­ selves as salient are assessed and combined by rule to produce de­ cisions about how best to manipulate the environment. On the basis of prior experience, a proficient driver approaching a curve on a rainy day may sense that he is traveling too fast. He then consciously decides whether to apply the brakes, remove his foot from the accelerator, or merely to reduce pressure. The proficient chess player, who is classed a master, can recog­

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nize a large repertoire of types of positions. Recognizing almost im­ mediately and without conscious effort the sense of a position, he sets about calculating the move that best achieves his goal. He may, for example, know that he should attack, but he must delib­ erate about how best to do so.

Stage 5: Expertise

The proficient performer, immersed in the world of his skillful ac­ tivity, sees what needs to be done, but decides how to do it. For the expert, not only situational understandings spring to mind, but also associated appropriate actions. The expert performer, except of course during moments of breakdown, understands, acts, and learns from results without any conscious awareness of the process. What transparently must be done is done. We usually do not make conscious (or, as far as anyone can tell, unconscious) decisions when we talk, ride a bicycle, drive, make turkey sandwiches, or carry on most social activities. When things are going well experts do not solve problems or make inferences or figure out anything at all; they simply do what normally works and it normally works. We have seen that experience-based, holistic, similarity recogni­ tion produces the deep situational understanding of the proficient performer. No new insight is needed to explain the mental pro­ cesses of the expert. With enough experience with a variety of situations, all seen from the same perspective or with the same goal in mind, but requiring different tactical decisions, the mind of the proficient performer seems gradually to decompose this class of si­ tuations into subclasses, each member of which shares not only the same goal or perspective, but also the same decision, action, or tactic. At this point, a situation, when seen as similar to members of this class, is not only thereby understood but simultaneously the as­ sociated decision, action or tactic presents itself. The number of classes of recognizable situations, built up on the basis of experience, must be immense. It has been estimated that a master chess player can distinguish roughly 50,000 types of posi­ tions. Automobile driving probably involves a similar number of ty­ pical situations. We doubtless store far more typical situations in our memories than words in our vocabularies. Consequently these reference situations, unlike the situational elements learned by the

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advanced beginner, bear no names and, in fact, defy complete verbal description. The expert chess player, classed as an international master or as a grandmaster, in most situations experiences a compelling sense of the issue and the best move. Excellent chess players can play at the rate of 5—10 seconds a move and even faster without any serious degradation in performance. At this speed they must depend al­ most entirely on intuition and hardly at all on analysis and compar­ ison of alternatives. We recently performed an experiment in which an International Master, Julio Kaplan, was required rapidly to add numbers presented to him audibly at the rate of about one number per second while at the same time playing five-second-a-move chess against a slightly weaker, but master level, player. Even with his analytical mind completely occupied by adding numbers, Kaplan more than held his own against the master in a series of games. De­ prived of the time necessary to see problems or construct plans, Ka­ plan still produced fluid and coordinated play. Kaplan’s performance seems somewhat less amazing when one realizes that a chess position is as meaningful, interesting, and im­ portant to a professional chess player as a face in a receiving line is to a professional politician. Almost anyone can add numbers and si­ multaneously recognize and respond to faces, even though the face will never exactly match the same face seen previously, and politi­ cians can recognize thousands of faces, just as Julio Kaplan can re­ cognize thousands of chess positions as similar to ones previously encountered. It seems that a beginner solves problems by making inferences using rules and facts just like a heuristically programmed computer, but that with talent and a great deal of involved experience the be­ ginner develops into an expert who intuitively sees what to do. Of course, a description of skilled behavior can never be taken as con­ clusive evidence as to what is going on in the mind or in the brain. It is always possible that what is going on is some unconscious pro­ cess using more and more sophisticated rules. The cognitive scien­ tist might well argue that in spite of appearances the mind and brain must be making millions of rapid and accurate inferences like a computer. After all the brain is not "wonder tissue", as Dennett once accused us of holding, and how else could it work? But there are other models for what might be going on in the hardware. The capacity of experts almost instantaneously and ef­

fortlessly to see the present situation as similar to one of tens of

thousands of paradigmatic situations suggests that the brain does not work like a heuristically programmed digital computer applying rules to bits of information. Rather it suggests, as some neuropsy­ chologists already believe, that the brain, at times at least, works holographically, superimposing the records of whole situations and measuring their similarity. Dr. Karl Pribram, a Stanford neuropsy­ chologist who has spent the last decade studying holographic memory, explicitly notes the implication of this sort of process for expertise. When asked in an interview whether holograms would allow a person to make decisions spontaneously in very complex environments, he replied, "Decisions fall out as the holographic correlations are performed. One doesn’t have to think things through ... a step at a time. One takes the whole constellation of a situation, correlates it, and out of that correlation emerges the cor­ rect response."15 Holographic-like distributed associative memory systems have actually been simulated on digital computers. When used to realize a distributed associative memory, computers no longer use symbols to represent features of the world and computations to represent relationships among these symbols as in traditional Al. Instead, the computer simulates a holistic system16. One, of several such ap­ proaches is, indeed, based on the mathematical description of ho­ lography. In this system, an input "scene" and its associated output is converted to a distributed representation by a mathematical transformation called a convolution. The convolution produces something akin to the interference pattern stored on a negative in optical holography in that no one element of the convolution corre­ sponds to an element of the input or output, but the input-output pair is distributed throughout all of the elements of the convolution. The input-output convolution is combined with distributed represen­ tations of all previously learned associated pairs already in memory so that all share the same computing elements. This memory trace has several remarkable brainlike properties. If an input "scene"

15 Daniel Goleman, "Holographic Memory: An Interview with Karl Pri­ bram", in: Psychology Today, Vol. 12, No. 9, p. 80 (February 1979). 16 See: James McClelland and David Rumelhart, Parallel Distributed Pro­ cessing: Explorations in the Microstructure of Cognition, Volume 2, Psycho­ logical and Biological Models, Bradford/MIT Press, 1986.

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which is one member of an associated input-output pair is com­ bined with the trace using a mathematical formula called a correla­ tion, the other member of the associated pair is produced. This hap­ pens even if the input "scene" is only a large part of the original whole "scene", or is similar but not identical with the original "scene". A "scene" can be anything representable as a string of di­ gits. At one extreme, the most common, the scene is a digitized re­ presentation of a picture with the digits representing the light inten­ sity at various points. Or, at the other extreme, if one chooses to see the world in terms of a typical Al description, it can be a repre­ sentation of features that are present and absent in a situation. But even in this latter case, combinations of these features need not play a role in the processing and the processing does not use the sort of rules people are some times conscious of using17. If we contrast skill representations and knowledge representa­ tions, we can appreciate the frame problem. Skilled human beings have, in the areas of their expertise, an understanding based on past experience which is stored as concrete memories retrieved by holistic pattern matching. This enables human beings to distinguish, as events unfold, what is relevant from what is not. Computers, by contrast, like beginners, advanced beginners and competent per­ formers confront context-free facts and treat goals as just further facts. Thus whenever there is a change in the situation the whole set of facts which make up the computer’s representation of the current state of affairs must be recalculated to update what has changed and what remains the same. The frame problem arises precisely be­ cause the computer has no skills. It is the result of the attempt to capture human, temporal, situated, continuously changing, know­ how, in the static desituated, discrete, knowing-that required by cognitivist computer models. To solve the frame problem, the complete state of affairs at some instant of time, must be represented in the computer. Laws of change then tell the computer how to determine the next situation, given the present one and an action. Various approaches have

17 For more details, see McClelland and Rumelhart, op. cit., or "A Com­ posite Holographic Associative Recall Memory*, Janet Metcalfe Eich, Psy­ chological Review, Vol. 89, No. 6, pp. 627—661, which contains an exten­ sive set of references.

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been tried, unsuccessfully, for implementing this updating proce­ dure. (1) Early programs such as GPS explicitly specified all possible si­ tuations and the new situation that would result from each possible action. For all but the simplest problems this approach is not fea­ sible because there are too many possible situations and actions. (2) Purely deductive systems use rules of first order logic to de­ duce the new state of affairs from the old one and the action taken. There must be rules, called frame axioms, for updating each fact about the situation that changes and for each fact that remains un­ changed. As Lars-Erik Janlert points out: "Clearly, this way of modeling is not practical in a more complex problem world; the frame axioms will occupy all space and the deductions of non­ changes all time."18

(3) Next, programmers tried constraining the use of deductive logic by adding the non-deductive rule: whatever is not deduced by a frame axiom to have changed, is assumed to remain the same. But it was discovered that what changes as a result of an action often depends on many facts about the current state of affairs, so frame axioms must be specified for many different states of affairs. In complex situations, there are just too many of them. (4) The most plausible proposal, which seems to have been made simultaneously in several quarters of the Al community as ex­ tending micro-worlds led to overwhelming lists of frame axioms, was to group many similar situations together into a single class, and then to specify for each such class just those facts which were typically relevant, and general purpose rules, valid for all situations encountered in the class, for how the facts were normally changed in some relevant way by an event. Minsky called such data struc­ tures frames, and describes them as follows: "A frame is a data-structure for representing a stereotyped situation, like being in a certain kind of living room, or going to a child’s birthday party . . . Much of the phenomenological power of the theory hinges on the inclusion of expectations and other kinds of presumptions.*19

18 Janlert, op. cit. p. 7. 19 Marvin Minsky, "A Framework for Representing Knowledge*, in: The Psychology of Computer Vision, P. H. Winston, ed. (New York: McGraw-Hill, 1975), p. 212.

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Roger Schank proposed similar structures called scripts in which the attempt to account for change is even more obvious. 'We define a script as a predetermined causal chain of conceptualizations that describe the normal sequence of things in a familiar situation. Thus there is a restaurant script, a birthday-party script, a football game script, a classroom script, and so on."20

Thus, even if restaurant behavior, for example, gradually changes and develops in indefinitely many ways, one can represent it as a sequence of simple situations, each with its own small set of relevant facts. In such a representation, the problem of changing relevance does not arise. But this is no "solution" to the general problem since it has simply avoided the problem of continuous, branching, real-world change by substituting a sequence of static micro-worlds. The restaurant script may work fairly well for under­ standing simple stories about restaurant going, for which it was in­ tended, but in so doing it leaves out the way actual restaurant going unfolds. In restaurant going we do not simply enter, order, eat and leave. After we enter, we might or might not wait to be seated, and then we might or might not study a menu, for example. Schank recog­ nizes that his initial script is much too skeletal and discontinuous and now acknowledges that there are various tracks for various sorts of restaurants and that there are many sub-scripts that need to be added to fill out his account. 'In order to schematically represent just one track of the restaurant script we have left out considerable detail and many possible options in each of the scenes. We have excluded entire scenes such as the wait to be seated scene. Anyone who has been to a few restaurants is aware of many more details; certainly there is room for a seeing someone you know scene, for example, as well as a meeting someone new scene. Some of the sideline events at a restaurant also can be scripts in their own right. For example, a paying by credit card script is a fairly simple script that is called up in many places besides restaurants."21

This is the typical way researchers in Al proceed. First one intro­ duces a manageable, computational account of a domain, and then 20 Roger C. Schank, "The Primitive Acts of Conceptual Dependency", in: Theoretical Issues in Natural Language Processing, Cambridge, Mass., June 10-13, 1975, p. 39 (our italics). 21 Roger C. Schank with Peter G. Childers, The Cognitive Computer, Ad­ dison-Wesley, 1984, p. 121.

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one adds complications as they are needed to account for what people can do. But, of course, as one adds more and more sub­ scripts each with its pre-selected relevant features and its own sub­ scripts, the complexity of the whole account rapidly increases. It is purely an act of faith for Al researchers like Schank that such a

model can capture human restaurant behavior before the for­ malism becomes hopelessly complicated. The simple version is easily manageable. But that is no evidence it is a successful first step toward human understanding. Even if one shares Schank’s faith that scripts can eventually cap­ ture the stereotypical side of restaurant behavior, with the prolifer­ ation of frames comes the question: How does one move from one frame to another? To keep to the restaurant example, suppose in the "seeing someone you know" frame the conversation with that person gives you new information. The friend might tell you that an old friend is in town for only one more hour, or that he just saw your small child running down the street unescorted, or that the ce­ viche just made him sick, or that a company in whose stock you hold a short position is about to become the object of a takeover, or that someone you are trying to avoid is eating in the next room, and so on. Each bit of news would set you off in a different direction. From the frame point of view the next frame would be either, leaving as soon as possible, running out of the restaurant, ordering only cooked food, telephoning your broker, or asking for a table on the terrace. In order to give the computer the capacity to cope with this kind of change, the frame approach would have to include rules for how to select a next frame. It seems incredible that one could write and that we actually use such rules, and indeed no one has ever tried to provide them. Even if the problems of frame proliferation and frame change could be solved, it is a huge leap to Schank’s claim that "the res­ taurant script contains all the information necessary to understand the enormous variability of what can occur in a restaurant'22. Schank doesn't even try to deal with the question of motivation. Yet, to make sense of restaurant behavior one not only has to un­ derstand what people typically do in eating establishments, but why they do it. Thus, even if he could manage to list all that was possibly relevant in typical restaurant going, we would be left with no un22 Ibid., p. 177.

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derstanding of what at any point in time was actually relevant for the person involved. Going to a restaurant is like most everyday situations. We face a continually branching web of possible situations, each of which is sized up in terms of some issue. Only then do the relevant facts show up as salient. For example, if you go out to eat in Berkeley, you have a choice between the smoking and non-smoking section. What might become relevant here includes, among other factors, whether a table is free in the section one prefers, and if not, what stage of their meals the current customers are in. Moreover, which of these factors actually becomes important to you depends on how hungry you are, how rushed, and how comfortable is the waiting area, and many other things. As time passes, all such factors contin­ ually change. One's concerns also change and with them one's sense of which factors are relevant. After you move to a table, you consider the question of who sits where, which introduces new fac­ tors such as comfort, view, sex, and age — all of which have no fixed relevance but whose importance again depends on your per­ spective. And when you order, you do no summon up a fixed frame in which everything relevant has been determined once and for all. Some possible concerns are: what is fresh, how long does it take to prepare, how much does it cost, what you ate earlier that day and expect to eat later that day, what dietary principles you follow and how strictly. This open-ended list sets out what might be important to you, but only your sense of things, gained perhaps by talking to the waiter, and your past experience of restaurant going, deter­ mines what is actually relevant as you decide what to eat. To bring out the proper place and limits of the frame approach it helps to contrast a dynamical, continuously changing activity such as restaurant going with a situation in which static, discrete scripts might actually capture human capacities. Such a situation would, of course, have to be completely defined by a discrete and limited set of features that would permit only a discrete and limited set of re­ sponses. Moreover, motivation would play no part because at each stage in the script there would be only one right thing to do. Thus no expertise would be required or acquired since there would be no question of seeing the issue in the current situation or of passing from issue to issue as events unfolded. Placing a phone call may well constitute such a situation. It is so simple that no strategy is needed; there is one right way to do

things. Fodor has trouble making the frame problem seem serious — and so eventually switches to a much more difficult problem — precisely because he first tries this easily programmed case23. In the phone case, the frame problem can be finessed simply by using a frame that lists all possible events and the appropriate

reaction to each. For example, a super-smart modem could store some sort of frame for typical phoning situations. Such a frame would include cases of misdialing, wrong number, changed number, unlisted number, malfunctioning phone, busy, no answer, poor connection, crossed lines, cut off, answering machine, suc­ cessful connection, etc. With each could be paired an appropriate response or set of responses. Eventualities not relevant to making a phone call need not be considered at all. True, as Fodor notes, the phone ceases to be free to outside calls; the dial tone cuts off and gets replaced by beeps; something happens in a computer at the central exchange; and so forth. But these are not relevant to making an ordinary phone call. Such possibilities might be listed in the frame of a robot programmed for phone repair, but they are not changes a person has to check out each time he or she dials a call. Being electronic devices, phones lend themselves to modular de­ signs — that’s what makes a phone repair robot, or at least a phone fault diagnosis program, a possibility. But a mechanical de­ vice even as simple as an automobile has a high number of inter­ acting components, connected together in ways that produce com­ plex and synergistic patterns of breakdown, with multiple and poor­ ly delimited submodules each capable of occupying a continuum of states between proper and improper functioning. Accordingly, no set of frames can capture the knowledge necessary for expert diag­ nosis. Indeed, to the extent that any electronic device has these properties, it too will resist automated diagnosis. The shifting relevance of aspects of ordinary changing situations would certainly be grounds for despair in Al and Cognitive Science were it not for the fact that human beings seem to get along fine in a changing world. Cognitivists assume that this shows that human be­ ings must somehow be able to update their formal representations and thus that the frame problem must be solvable. We, however, have ar­ gued that it can more plausibly be read as showing that human, skillful 23 Op. cit., pp. 113—114.

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Hubert L. Dreyfus/Stuart E. Dreyfus computers must at least be able to 'understand' analogy when it is pre­

know-how is not represented as a mass of facts organized in frames and scripts specifying in a step-wise sequence which facts must be taken account of as the state of affairs evolves. Rather, as we saw when describing proficient performers, memories of past experience with si­ tuations similar to the present one plus the ability to recognize this simi­ larity without recourse to descriptions and rules, seems sufficient to ac­ count for the ability to cope with change. The important point is that we human beings proceed from the past into the future with our past expe­ rience always going before us organizing the way the next event shows up for us. Thus we do not need to deal with real-world situations by listing in advance all possible context-free features, rules for selecting possibly relevant features plus rules for determining under what cir­ cumstances each feature may become actually relevant, and rules for when these rules are relevant, etc. The frame problem — the problem of keeping track of all facts af­ fected by all changes — shows the difficulty of substituting the com­ puter’s static, discontinuous, flat descriptions for the human capacity to transform past experience into a continuous perception of changing relevance. Unless Al scientists can produce programs in which repre­ sentations of past experiences encoded in terms of salience can directly affect the way current situations show up, they will be stuck with some version of the frame problem and be unable to get their computers to cope with change. The outlook is grim for Al, however, since the way human beings use past experience to cope with the future seems to re­ quire two capacities unavailable to heuristically programmed digital computers: pictorial representation and direct recognition of simi­ larity. Unfortunately for Al, memories which reflect salience are like im­ ages, but computers cannot directly use images or any picture-like representations of objects and situations. They can only make infer­ ences from descriptions. Likewise, computers cannot deal with simi­ larity except by analyzing it into a list of identical features. Douglas Lenat points out, in a way quite in line with the views presented in this paper, that what computers lack is the ability to learn from ex­ perience and to apply what they know by recognizing the similarity of past experience to the present situation. As he sees, this problem literally throws the computer scientist for a loop:

sented to them ... The problem is thus of the chicken-and-egg sort.*24

‘On the one hand, computer programs will have to become a lot more knowledgeable before they will be able to reason effectively by analogy. On the other hand, to acquire knowledge in such bulk it would seem that

24 Douglas Lenat, "Computer Software for Intelligent Systems*, in: Scien­ tific American, Sept. 1984, p. 209.

Lenat acknowledges that no one knows now to program a com­ puter to take account of similarities, to "reason" by analogy as he tendentiously puts it, and falls back on the usual "first step" claim plus an empty gesture towards future research: "A little introspection and an attentive ear are all it takes to realize that people draw on analogy constantly in explaining and understanding con­ cepts and in finding new ones. This source of power is only beginning to be exploited by intelligent software, but it will doubtless be the focus of future research.*25

As long as the use of images and analogy remain vague pro­ mises, heuristically programmed digital computers will not be able to approach the way human beings are able to cope with changing relevance. We have so far discussed two interrelated problems blocking progress in Al and Cognitive Science: (1) Human-like intelligence re­ quires an understanding of the everyday physical and social world which for cognitivists requires representing a huge number of facts, while for human beings such background understanding seems to take the form of skills rather than explicit knowledge. (2) For the computer instantiating a formal description, coping with the changing world requires efficiently representing all the relevant facts at a given time, as well as all the ways that what counts as a relevant fact can change — the frame problem. For human beings, however, situations show up with relevance or salience built in, along with anticipations, based on past experience of similar mean­ ingful situations, of how what is relevant will change as the situa­ tion develops. There is a third human capacity which Al researchers have also so far found impossible to duplicate — a person’s ability to see the relevance, in a situation with which he or she is already familiar, of certain events which have never before been experienced in this context. For example, if a horse-player who bets using his sense of the similarity of the current horse, jockey, weather, etc. to past pat­ terns were to discover that the race course landscaping was in full

25 Ibid., p. 209.

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flower and that one of the jockeys had hay fever, he might well see the relevance for his bet of these two normally irrelevant and unre­ lated facts26. How could common-sense be organized so as to allow this ability? Fodor identifies this problem with the frame problem27, and it is, indeed, a problem of changing relevance, but it is much harder than the Al problem of coping with everyday familiar change. It cannot be solved by showing how people see whole changing situations as similar to whole familiar situations from the past. Data structures of pre-classified, common-sense facts dear to Al researchers cannot account for this amazing capacity to see new relevance; but our claim that through experience each person has embodied a great deal of common-sense know-how does not help either. Such new facts would not be included in a frame for horse­ race betting, but neither would they show up as salient for a skilled human being, even though his past went ahead of him organizing his world. There is a sort of everyday creativity which seems to be equally beyond the grasp of cognitivism and of phenomenolgy28.

26 Dreyfus, op. cit., pp. 258—259. 27 Fodor, op. cit., p. 115. 28 Heidegger sketches a similar critique of Descartes in: Sein und Zeit, Section 21. See also H. L. Dreyfus, Being — in — the — World: A Commen­ tary on Division I of Being and Time, M.l.T. Press, Dec. 1986. For a more de­ tailed treatment of our skill model and its application to other proposed uses of computers, see H. L. Dreyfus and S. E. Dreyfus, Mind over Machine, Free Pree, Macmillan, 1986.

Kurt R. Fischer I Franz Μ. Wimmer

DAS HISTORISCHE BEWUSSTSEIN IN DER ANALYTISCHEN PHILOSOPHIE

Analytische Philosophen haben im allgemeinen kein historisches Bewußtsein hinsichtlich ihrer eigenen Disziplin, oder doch so gut wie keines1. Die Analytische Philosophie ist ein ahistorisches Unter­ fangen. Was analytische Philosophen überhaupt auf dem Gebiet der Philosophiegeschichte für notwendig halten — es handelt sich nicht um allzu viel —, hat Gregor Sebba „doctrinal analysis" ge­ nannt, worunter er „the study of philosophical concepts, proposi­ tions, doctrines and systems, to determine their precise meaning, structure, and internal validity" versteht2. Es kann zwar eine Menge an historischer Arbeit notwendig sein, um eine solche „doctrinal analysis" vorzubereiten, wie etwa: „text criticism, historical study of the language used, contemporary and earlier literature on the sub­ ject, and so forth". Jedoch bleibt, bei all dieser historischen Arbeit, die Zugangsweise zur Geschichte der Philosophie, wie sie unter analytischen Philosophen weit verbreitet ist, solange unhistorisch, als sie die Vergangenheit der Philosophie als etwas Zeitloses, NichtGeschichtliches behandelt. Mit Sebbas Worten: "Historical analysis 1 Der Terminus „historisches Bewußtsein* wird zuerst von Wilhelm Dilthey systematisch eingeführt und verwendet. Er sieht (1867) dessen Herausbil­ dung bei Lessing: „Auf dem teleologischen oder ideellen Grunde von Leibniz erschienen die geschichtlichen Erscheinungen als notwendige Stufen einer Entwicklung, deren Ziel Aufklärung und Vollkommenheit ist.* Vgl. den Artikel „Bewußtsein, geschichtliches bzw. historisches*, in: Historisches Wörterbuch der Philosophie (Hg. J. Ritter), Bd. 1, Darmstadt 1971, Sp. 897—98. 2 Gregor Sebba, What is „History of Philosophy*?, in: Journal of the His­ tory of Philosophy, vol. VIII/3 (1970), S. 252. Sebba unterscheidet „doctrinal analysis" von vergangener Philosophie von „philosophizing* insofern, als er­ stere „within the given material* bleibt, „and does not aim at solving the philosophical questions at stake" (ebd.). Eine ähnliche Unterscheidung schlägt Richart Rorty in seinem Beitrag „The historiography of philosophy: four genres" vor; in: Philosophy in History (Anm. 5), S. 49 ff.

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by contrast, treats the same material as historical fact, as an object in time to which its precise position in the flux of change is essential and constitutive.*3 Es scheint uns, und auf diesen Punkt hat Sebba mit seiner Unterscheidung treffend hingewiesen, daß die Frage, ob und bis zu welchem Grad in der Geschichtsschreibung der Philoso­ phie „historisches Bewußtsein" wirksam ist, weniger dadurch beant­ wortet werden kann, daß man darauf verweist, was von heutigen Autoren (z. B. Philosophiehistorikern) behandelt wird, als vielmehr dadurch, daß die Art und Weise, das Wie der Behandlung der Ver­ gangenheit der Philosophie untersucht wird. Insgesamt können bei der Geschichtsschreibung der Philosophie mehrere Typen unterschieden werden, indem wir darauf achten, wie der spezifische Gegenstand, die angemessene Darstellungsform bzw. die verfolgten Zwecke dieser historiographischen Disziplin aufgefaßt werden. Entsprechend der unterschiedlichen Bestimmung des Gegenstandsbereiches finden sich in der Geschichte der Dis­ ziplin zumindest folgende Typen: Doxographie, Bibliographie, Bio­ graphie, Problemgeschichte und Institutionengeschichte. Gemäß der Form der Darstellung sind die chronologische, ent­ wicklungsmäßige, kanonische und die systematische Darstellung zu unterscheiden. Gemäß den angestrebten Zielen philosophiehistorischer Arbeit sind die Zwecke der Traditionsbildung, der Forschungspolitik und der Wertorientierung neben dem meist als einzigem genannten heuristischen Zweck anzuführen4. Es kann hier nicht auf Einzelheiten, Entstehungsgeschichte usw. der genannten Typen von Philosophiehistorie näher eingegangen werden, doch sind wir der Auffassung, daß die in der Analytischen Philosophie vorherrschende Tendenz der Philosophiehistorie ihr Ideal in einer systematisch darstellenden Problemgeschichte sieht, die ausschließlich zu heuristischen Zwecken betrieben und be­ trachtet wird. Eine solche Orientierung kann wertvolle Beiträge für 3 Sebba (Anm. 2), S. 252. 4 Zur Unterscheidung der Typen vgl. Franz Wimmer, Philosophiehistorie als historische Wissenschaft, in: E. Morscher (u. a., Hg.), Philosophie als Wis­ senschaft, Bad Reichenhall 1981, S. 173—182. Zu Fragen der Funktion vgl. E. Lange und H. Barth, Methodologische Fragen der Geschichte der Philoso­ phie, in: Deutsche Zeitschrift für Philosophie 27, 9 (1979), S. 1049—58, sowie den Band: Loren Graham (u. a., Hg.), Functions and Uses of Disciplinary Hi­ stories, Dordrecht 1983 (Sociology of the Sciences, VII).

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die systematische Diskussion philosophischer Fragen liefern. Damit ist jedoch zugleich eine methodologische Eingrenzung des Gegen­ standes gegeben, die zu Beschränkungen führt, wie sie nicht wün­ schenswert erscheinen. Einerseits werden aufgrund dieser Orientie­ rung gewisse Traditionen philosophischen Denkens aus dem Gegen­ standsbereich ausgeschlossen, welche durchaus wichtig sind für das

Verständnis der Vorgeschichte gegenwärtiger Philosophie, oder aber Fragen thematisieren, die in der Analytischen Philosophie zu Unrecht wenig Beachtung gefunden haben. Diese erstere Beschrän­ kung betrifft also die Selektion des Wichtigen aus der Philosophie­ geschichte, die nicht ausschließlich in Hinblick auf heuristische Funk­ tionen relativ zu gegenwärtig diskutierten systematischen Fragen getroffen werden sollte. Eine zweite Beschränkung betrifft den Be­ reich der Hypothesen oder Erklärungsvorschläge für das vorhan­ dene historische Material. Solche Hypothesen sollten nicht nur — im Sinn einer Rekonstruktion von Argumenten — unter systema­ tisch-philosophischen Gesichtspunkten formuliert werden, sondern auch Ergebnisse anderer historiographischer Disziplinen einbe­ ziehen. Erst dann wären neben systematischen Erklärungen philoso­ piehistorischer Materialien auch genetische Erklärungen möglich. Diese letzteren mögen für die systematische Diskussion philosophi­ scher Fragen nicht von augenscheinlichem Wert sein. Sie gewinnen aber an Bedeutung, wenn wir die Funktion von Philosophiehistorie nicht lediglich in der Heuristik ansetzen, sondern auch ein Wissen um institutionelle Bedingungen philosophischen Denkens oder eine allgemeine Wertorientierung zu deren legitimen Zielen rechnen. Schon seit mehr als zwei Jahrzehnten, also lange bevor Ri­ chard Rorty, J. B. Schneewind und Quentin Skinner unter dem Titel Philosophy in History eine Reihe von „essays on the historio­ graphy of philosophy" herausgaben, wurde die Ahistorizität der Analytischen Philosophie von zwei Autoren angemerkt und histo­ risch erklärt5. Beide machten die Haltung gegenüber der Ge­ schichte der Philosophie zum entscheidenden Merkmal der Analy­ tischen Philosophie bzw. der Moderne insgesamt, als deren we­ sentlichen Teil sie die Analytische Philosophie betrachten. Stanley Cavell sieht „the essential fact of... the modern ... in the rela­ tion between the present practice of an enterprise and the hi­ story of that enterprise, in the fact that this relation has become 5 Cambridge 1984.

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problematic*6. Und Carl Schorskes Buch Wien — Geist und Gesell­ schaft im Fin-de-Siècle beginnt mit folgenden Sätzen7: Das Europa des 20. Jahrhunderts hat auf den meisten Gebieten geistiger Tä­ tigkeit stolz seine Unabhängigkeit vom Vergangenen verkündet. . . Mo­ derne Architektur, moderne Musik, moderne Philosophie, moderne Wissen­ schaft — sie alle bestimmen sich selbst nicht aus dem Vergangenen, auch kaum gegen das Vergangene, sondern unabhängig von ihm. Das moderne Bewußtsein verhält sich der Geschichte gegenüber immer gleichgültiger, denn Geschichte, verstanden als Überlieferung, aus welcher es sich unab­ lässig speisen könnte, ist ihm nutzlos geworden.

Den meisten Vertretern der analytischen Methode in der Philoso­ phie erschien die Ausbildung eines historischen Bewußtseins im be­ sten Falle als irrelevant. Die Beschäftigung mit der Vergangenheit der Philosophie galt als Spielwiese für zweitrangige Philosophen, die nur solchen empfohlen werden konnte, die zwar einerseits in der Fachphilosophie bleiben wollten, andererseits aber weder schöpfe­ risch auf dem Gebiet der mathematischen Logik waren, noch auch besondere Begabungen für, um mit Arthur Danto zu sprechen, „analytische Lexikographie" aufzuweisen hatten8. Zwei sehr bemerkenswerte Ausnahmen sind zu dieser allge­ meinen Beschreibung zu nennen: Otto Neurath und der sogenannte „Linke Flügel" des Wiener Kreises einerseits, Ludwig Wittgenstein andererseits. Erstere bilden eine Ausnahme durch ihre Nähe zur marxistischen Theorie und Praxis und durch ihr Interesse für diese. Sicherlich ist das starke historische Bewußtsein dieser Gruppe um Otto Neurath nicht auf spezifisch analytische Motivationen oder Argumente zurückzuführen — doch ist nicht ganz unbestritten, daß sie überhaupt als analytische Philosophen einzustufen ist9. Wittgen 6 Vgl. das Foreword in Must We Mean What We Say?, New York 1969, S. XIX. 7 Frankfurt a. Μ. 1982, S. IX. Vgl. auch Kurt R. Fischer, Rezension von Carl E. Schorske, Wien — Geist und Gesellschaft im Fin-de-Siècle, in: Mittei­ lungen des Instituts für Wissenschaft und Kunst, 2/1983, S. 45—47. 8 Vgl. A. Dantos Beitrag zu diesem Band. 9 Vgl. Marx Wartofsky, Positivism and Politics. The Vienna Circle as a So­ cial Movement, in: Schlick und Neurath — ein Symposion, Grazer Philoso­ phische Studien, Rudolf Haller (Hg.), Bd. 16/17, 1982, S. 79—101, und Fried­ rich Stadler, Otto Neurath - Moritz Schlick. Zum philosophischen und welt­ anschaulich-politischen Antagonismus im Wiener Kreis, ebd., S. 451 —463. Siehe auch Kurt R. Fischer, Analytische Philosophie und Marxismus: Der Fall Otto Neurath, in: Arbeiterbildung in der Zwischenkriegszeit. Otto Neu­ rath - Gerd Arntz, Friedrich Stadler (Hg.), Wien - München 1982, S. 88—93.

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stein hingegen ist ohne Zweifel ein analytischer Philosoph, der von kaum einem anderen, wenn überhaupt, an Bedeutung übertroffen wird. Als einer der großen Erneuerer in der Geschichte der Philoso­ phie verwirft Wittgenstein, „characteristically", wie Cavell schreibt, die Geschichte seines Gegenstandes; aber, so fährt Cavell fort, „in the later Wittgenstein ... the repudiation of the past has a transformed significance as though containing the conscious­ ness that history will not go away, except through a perfect acknowledge­ ment of it (in particular, our acknowledgement that it is not past)"10.

Dies ist, wie Cavell ausführt, auch der Sinn des Bemühens, „die Wörter von ihrer metaphysischen wieder auf ihre alltägliche Ver­ wendung" zurückzuführen. In ihrer Gesamtheit betrachtet aber haben sich analytische Philo­ sophen mit der Geschichte der Philosophie höchstens auf eine unhi­ storische Weise befaßt, in recht selbstgefälliger Art Zensuren ver­ teilend, dumme Fehler anderer korrigierend, überflüssige Beifü­ gungen ebenso wie Lücken in den Argumenten der Denker der Ver­ gangenheit anmerkend. Dies gilt mehr oder minder für die engli­ schen Philosophen in Cambridge, insbesondere für Bertrand Russell, aber auch für die Logischen Positivisten des Wiener Kreises, und es gilt allgemein für diejenigen, die diese Traditionen in Großbritan­ nien und den Vereinigten Staaten weiterführten, seien sie nun Ver­ treter einer Philosophie der „normalen" oder der „idealen Spra­ chen". Ein vollständiges und genaues Erfassen eines Problems schien die vorrangige, wenn nicht die einzige Aufgabe zu sein. Manche dachten, solches Problembewußtsein sei identisch mit der Lösung und Auflösung des Problems; das Ziel der Philosophie sei tatsächlich auch schon erreicht, wenn ein Problem wirklich ver­ standen wäre. Diese Aufmerksamkeit für das Detail jedoch, gewiß ein wichtiger Faktor dieses Unternehmens, wird aufgegeben, sobald es sich um Gegenstände der Vergangenheit und besonders wenn es sich um unser Bewußtsein von ihnen handelt. Es erscheint beinahe unmöglich, Philosophie zu betreiben, ohne klassische Texte zu studieren — zumindest gilt dies für den gewöhn­ lichen Philosophen, der innerhalb einer Schule oder Tradition denkt und nicht, wie Wittgenstein, selbst eine Tradition, ja, Traditionen begründet: den Logischen Atomismus, den Logischen Positivismus

10 Wie Anm. 6, S. XIX.

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und die Sprachanalyse. Jedoch entstellt und trivialisiert die Darstel­ lung der Philosophiegeschichte, wie wir sie aus der Tradition der Analytischen Philosophie kennen, diese Vergangenheit häufig in einer typischen Weise11. Entstellung und Trivialisierung der Vergan­ genheit kann schon dadurch entstehen, daß „philosophische Pro­ bleme* in abstrakter Weise zusammengestellt werden, wie etwa ,die Probleme': der „Außenwelt", des „Fremdpsychischen", der „Wil­ lensfreiheit" usw., oder auch durch die Art, wie ein Denker der Ver­ gangenheit durch einen gegenwärtigen Vertreter der Analytischen Philosophie behandelt wird. Arthur Danto beispielsweise will Nietz­ sche helfen, wenn er Nietzsche as Philosopher in seiner Original Study behandelt12. Nietzsche bekommt hier immerhin einiges Lob für etliche seiner Einsichten. Und doch ist der Eindruck schwer zu vermeiden, daß Nietzsche, wenn er doch wenigstens eine moderne Lehrveranstaltung zur „Einführung in die Philosophie" oder zur „Logik" besucht hätte, viel erfolgreicher gewesen wäre. Natürlich haben uns Nietzsche, Hegel und Schelling, aber auch Marx und Kierkegaard Texte hinterlassen, die für einen in analyti­ scher Methode geschulten und analytisch orientierten Leser spröder sind als ¡ene mehr oder weniger großen Bruchstücke aus der klassi­ schen Philosophie, deren Kenntnis von den Studenten zumindest in Großbritannien und den USA verlangt wird: Platon und Aristoteles, die englischen Empiristen und die kontinental-europäischen Ratio­ nalisten, und dazupassende Abschnitte aus der Ersten Kritik. Das Modell für die unhistorische Behandlung vergangener Philosophen hat Bertrand Russell mit seinem Buch über Leibniz gesetzt13. Russell mißversteht und verurteilt. Er hält Leibniz für einen Betrüger, der die Wahrheit, daß kein Gott ist, verschweigen und die Offentlich11 Vgl. Lorenz Krügers Kritik der „problem history", die er mit Recht als in der Analytischen Philosophie vorherrschend sieht, und die er gleichzeitig als „seriously incomplete" bezeichnet. In: Why do we study the history of philo­ sophy?, in: R. Rorty (u. a., Hg.), Philosophy in History (Anm. 5), S. 88 ff. Für eine breitere Information über die historischen Formen und Paradigmen der Geschichtsschreibung der Philosophie siehe Lucien Braun, Histoire de l’histoire de la philosophie, Paris 1973 (eine deutsche Übersetzung durch Franz Μ. Wimmer wird bei der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft in Darmstadt erscheinen), sowie G. Santinello (Hg.), Storia delle Storie Generali della Filo­ sofia, Bd. 1,2. Brescia 1981, 1979. 12 New York 1965. Siehe auch Kurt Rudolf Fischers Besprechung dieses Buches in The Journal of Philosophy, Sept. 21, 1967, S. 564—569. 13 London 1900.

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keit mit einer Lüge befriedigen hat wollen, nämlich, es sei ein Gott. Nietzsches Bedeutung sieht Russell in erster Linie in der Ethik, doch kritisiert er hier die „Vorstellung der totalen Gleichgültigkeit gegen­ über den Leiden der Vielen im Interesse nur weniger"14. Es kommt Russell nicht in den Sinn, daß Leibniz in der genannten Frage viel­ leicht unentschieden war, und auch nicht, daß seine Interpretation Nietzsches mit dessen eigenen Reflexionen über das Mitleid vergli­ chen werden sollte15. Russells Mißverstehen und seine Verurteilungen sind jedoch Teil eines bedeutenden schöpferischen Neubeginns in der Philosophie, und auch Teil des nun begonnenen Analytischen Philosopierens. Dantos Nietzsche-Interpretation aber ist übler als Russells Mißver­ ständnisse, denn er trivialisiert einen wichtigen und profunden Denker des letzten Jahrhunderts, in dessen Werk auch die Charak­ terisierung desjenigen Zeitalters bereits enthalten ist, von dem die Analytische Philosophie einen wesentlichen Bestandteil bildet16. Z/ißverstehen und Fehleinschätzungen wirken sich auch im Ver­ ständnis und der aus diesem folgenden Beurteilung eines großen Teils der Gegenwartsphilosophie aus. Große Teile dieser sind histo­ risch mit der Vergangenheit der Philosophie verknüpft, oder sie stammen aus ihr, haben diese Vergangenheit in sich aufgenommen oder sind in der Reaktion auf sie entstanden. Eine Trivialisierung oder Fehleinschätzung dieser Vergangenheit verhindert die nötige Offenheit gegenüber anderen gegenwärtigen Formen der Philosophie und verunmöglicht wirkliches Verstehen und echte Diskussion. Wenn es heute wichtig erscheint, zu einem Ver­ ständnis der eigenen Vergangenheit und derjenigen anderer Tradi­ tionen zu kommen, so gewinnt die Herausbildung eines historischen Bewußtseins in der Philosophie größte Bedeutung. Und dies scheint uns der Fall zu sein17. In diesem Jahrhundert ist innerhalb der Analytischen Philosophie

14 Bertrand Russell, Denker des Abendlandes, Stuttgart 1970, S. 259. 15 Siehe z. B. Jenseits von Gut und Böse, § 225: „Unser Mitleiden ist ein höheres, feinsichtigeres Mitleiden — . . ." 16 Siehe Kurt Rudolf Fischer, Is Nietzsche a Philosopher?, in: Bucknell Re­ view, Winter 1970, S. 117—130, sowie ders.: Nietzsche und der Wiener Kreis, in: Schlick und Neurath — ein Symposion, Rudolf Haller (Hg.), Am­ sterdam 1982, S. 255-269. 17 Um Heidegger zu verstehen, muß man die Fragestellungen und Thesen der Phänomenologie kennen.

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viel schöpferische Arbeit geleistet worden, vielleicht in einer not­ wendigen Isolierung. Aber heute gibt es keine These, keine Behaup­ tung, kein inhaltliches Thema der Analytischen Philosophie mehr, das nicht sogar innerhalb ihrer selbst in Frage gestellt worden wäre. Und selbst wenn wir geneigt sein mögen, dies gerade als dem Ideal einer wissenschaftlichen Philosophie entsprechend zu sehen, sollten wir angesichts dieses Sachverhalts doch einmal nachdenklich werden und unsere Ursprünge untersuchen, indem wir die Analyti­ sche mit anderen Richtungen der Philosophie vergleichen. Die Alternative zur Herausbildung eines historischen Bewußtseins scheint ein Eklektizismus zu sein, wobei die sogenannten Werk­ zeuge der Analyse' verwendet werden, um Problemstellungen aus der gegenwärtigen und der traditionellen Philosophie zu lösen, dìe der Analytischen Philosophie als Fragestellungen fremd sind. Als Beispiel dafür mag Guido Küngs Buch über Ontologie und logisti­ sche Analyse der Sprache. Eine Untersuchung zur zeitgenössischen UniversaHendiskussion dienen18. In diesem Buch versucht Küng, die logischen Techniken, die aus der Analytischen Philosophie stammen, für die Lösung von Problemen einzusetzen, die aus der philosophi­ schen Tradition stammen, die damit sozusagen den Inhalt der Philo­ sophie liefert. Man hat als Leser das Gefühl, daß Küng von einem traditionellen metaphysischen Hintergrund her argumentiert, daß er die Konzeption einer metaphysischen Wirklichkeit vertritt, die in der Analytischen Philosophie gänzlich fehlt. Es finden sich hier Beispiele für Kritik, in denen sich die philosophische Basis zeigt, auf der diese Kritik vorgebracht wird, und diese Basis hat keinen Bezug zur Ana­ lyse. Solche kritische Einwände, die ohne einen metaphysischen Hin­ tergrund sinn- und bedeutungslos wären, sind etwa: Russells ontologische Konzepte werden von Küng als defizient erachtet, weil Russell „ganz von dem andersartigen Gedanken in Anspruch genommen* sei, „ein sprachliches System auf einer mini­ malen Basis zu konstruieren*19. In ähnlicher Weise verfährt Küng mit Quine, wenn er sagt, daß dieser „damit, daß er das Sinnvollsein der Prädikatszeichen auf die Aussagen und schließlich pragmatisch auf das ganze System hinausschiebt", nichts gewinne, „sondern dem Problem nur ausweicht. Er bleibt ja schließlich auch in bezug auf

18 Wien 1963. 19 Ebd., S. 37. Siehe auch Kurt Rudolf Fischers Rezension von Küngs Buch, in: Foundations of Language, 3 (1967), S. 195—200.

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das System als Ganzes die Erklärung schuldig und sagt nicht, worin nun dessen Sinnvollsein bestehe, d. h. wie es auf die Wirklichkeit angewendet zu werden verlange."20 Trotz solcher Beispiele müssen wir uns aber doch fragen, ob die Analytische Philosophie wirklich unhistorisch ist, ob nicht vielmehr innerhalb der Analytischen Philosophie selbst eine historische und historiographische Tradition sich entwickelt hat. Sehen wir uns etwa das Inhaltsverzeichnis eines amerikanischen Lehrbuchs über Con­ temporary Philosophy and its Origins an, so finden wir im Kapitel 5 unter der Überschrift „Analysis" folgende Autoren behandelt: Eubulides, Platon, Aristoteles, Roscellinus, Wilhelm von Champeaux und Abaelard, Locke, Berkeley und Hume, Kant, Russell, Moore und Wittgenstein21. Neben derartigen Hinweisen sind auch Argumente vorgebracht worden, etwa von Dario Antiseri in einem Aufsatz, der zur Gänze diesem Thema gewidmet ist, die gegen die verbreitete Ansicht sprechen, die Analytische Philosophie sei etwas ganz Unhi­ storisches, etwas Neues, der Beginn einer Tradition, aber nicht die Fortsetzung traditionellen Denkens22. Antiseris hauptsächliche Ein­ wände gegen diese bei Anhängern und Gegnern der Analytischen Philosophie gleichermaßen vorzufindende Auffassung, daß nämlich „linguistische Philosophie eine Philosophie sei, die keinerlei Be­ wußtsein von der Geschichte hat, ohne jede Tradition ist"23 sind fol­ gende: 1. Die Mitglieder des Wiener Kreises ebenso wie Vertreter der späteren analytischen Bewegung haben wiederholt auf ihre Verbin­ dung zu einer bestimmten Tradition des philosophischen Denkens hingewiesen, und 2. aufgrund ihrer Zielsetzungen sei es unwahrscheinlich, daß die Analytische Philosophie die Anregungen aus der traditionellen Phi­ losophie ignorieren oder außer Betracht lassen sollte, obwohl diese Anregungen manchmal durchaus verborgen wirksam sind. Dieses

20 Ebd., S.132. 21 Sheldon P. Peterfreund und Theodore C. Denise (Hg.), Princeton, N. J. 1967, S. IX. 22 „A proposito dei nuovi aspetti della filosofia della storia della filosofia: epistemologia, ermeneutica", in: Archivio di filosofia, 1974, S. 249—82. 23 Ebd., S. 249: „.. . bisogna riprendere in considerazione la fin troppo logora opinione secondo la quale la filosofia del linguaggio, nella sua ten­ sione, o meglio passione, teoretica, sia una filosofia completamente priva di consapevolezza storica ..."

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Interesse führt häufig zu neuen Bemühungen in Form von Textaus­ gaben, Kommentaren, zu einer neuen Lektüre alter Texte durch Ver­ treter der Analytischen Philosophie oder durch Gelehrte, die in den analytischen Techniken, welche die moderne Logik und Linguistik zur Verfügung stellt, geübt sind. Daher seien neue Formen und Tra­ ditionen entwickelt worden, welche die Historiographie in einer cha­ rakteristischen Weise beeinflussen. Jedoch ist keiner der beiden Einwände Antiseris gegen die all­ gemein akzeptierte Meinung, daß die Analytische Philosophie etwas ganz Neuartiges ist, überzeugend. Da es nicht nur eine Frage der Untersuchung vergangener Philosophie als solcher ist, was ein gegenwärtiges Unternehmen als „historisch" oder auch als „ahistorisch" ausweist, sondern vielmehr die Art und Weise, wie das Vergangene behandelt wird, treffen Antiseris Einwände nicht. Es wäre vielmehr zu fragen, welche Arten von Erklä­ rungen, also von Hypothesen, Gesetzmäßigkeiten usw. für die historiographische Disziplin, die sich mit der Geschichte der Phi­ losophie befaßt, für möglich gehalten und dementsprechend zu bewähren gesucht werden. Erst, wenn genetische Erklärungen für das Gegebensein bestimmter philosophischer Fragestellungen oder Richtungen unter bestimmten historischen Bedingungen zu­ mindest angezielt werden, kann von einem historischen Be­ wußtsein der Philosophie gegenüber ihrer eigenen Vergangenheit gesprochen werden. Die von C. G. Hempel im allgemeinen für die Methodologie der Geschichtswissenschaft angesprochene Möglichkeit genetischer Erklärungen mit Hilfe probabilistischer Gesetze sollte hier ebenso in Betracht gezogen werden wie der Begriff der spezifischen Gesetzmäßigkeiten, wie er in der marxi­ stischen Wissenschaftstheorie entwickelt wurde und etwa in dem Konzept einer „non source-based-knowledge" von J. Topolski zum Ausdruck kommt24. Weder der bloße Sachverhalt, daß überhaupt vergangenes Philo­ sophieren zum Gegenstand gemacht wird, noch die Behauptung, daß jemand die philosophischen Fragen reflektiere, die von einem „Vorläufer" aufgeworfen worden seien, garantieren, daß ein sol­ cher „Vorläufer* in „historischer" Weise betrachtet wird. Die ent­

24 Vgl. C. G. Hempel, Wissenschaftliche und historische Erklärungen, in: Hans Albert (Hg.), Theorie und Realität, Tübingen 1972; Jerzy Topolski, Me­ thodology of History, Dordrecht 1976.

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scheidende Frage scheint also zu sein, was ein spezifisch histori­ scher Zugang zur vergangenen Philosophie sei. Diese Frage steht hinter der Kritik, die Michael Ayers in seinem Beitrag zu dem Sammelband, den er gemeinsam mit Jonathan Ree und Adam Westoby herausgegeben hat, gegen die Analytische Phi­ losophie hinsichtlich ihrer Behandlung der Vergangenheit vorträgt25. Ayers bezweifelt keineswegs, daß analytische Philosophen Traktate früherer Philosophen oder Argumentationen aus antiken und mittel­ alterlichen Texten herausgegeben, kommentiert und diskutiert haben. Aber dies alles geschieht, laut Ayers, in einseitiger und typi­ scherweise unhistorischer bzw. ahistorischer Weise. Die hauptsäch­ lichen Ziele dieser Bearbeitung der Vergangenheit werden in einer „Rekonstruktion" von Argumenten und in der Aufdeckung dessen, was ein Autor „wirklich gemeint hat", gesehen. Nach Ayers' Auffassung wäre eine Interpretation, die alle wich­ tigen Faktoren berücksichtigt, welche zum Entstehen und zum Ver­ stehen eines Textes beitragen, notwendig, um zu erfassen, was „wirklich gemeint ist", und dies wäre auch die eigentliche Aufgabe des Historikers der Philosophie. Das Bemühen hingegen, wie es in der Analytischen Philosophie gefordert werde, Argumente zu rekon­ struieren, verhindere jedoch die Erfüllung dieses Ziels. So schreibt Ayers von einem „loss", den die Analytische Philoso­ phie verursache. Sein Beispielsfall ist die Leibnizdarstellung durch Russell. In seinem Buch stellt Russell fest, daß er nicht an Fragen über „the influence of the times and of other philosophers" auf Leibniz interessiert sei, denn 1. solche Fragen würden „for their answer a considerable knowledge of the prevailing education, of the public to whom it was necessary to appeal, and of the scientific and political events of the period in question" erfordern: eine Art von Wissen, wie wir ver­ muten dürfen, die bei Philosophiehistorikern nicht vorgefunden wird. Aber 2. selbst wenn ein Philosoph oder Historiker, oder ein anderes Mitglied der akademischen Gemeinschaft derartiges Wissen be­ säße, so würde diese Tatsache doch wenig bei der Erforschung ver­ gangener Philosophie nützen. Wir dürfen annehmen, daß in Russells

25 Michael Ayers, Analytical Philosophy and the History of Philosophy, in: J. Ree (u. a., Hg.), Philosophy and Its Past, Hassocks, Sussex 1978, S.41-66.

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Augen die Beschreibung der Einflüsse, unter denen sich das Denken herausgebildet hat, also die genetische Beschreibung philosophi­ scher Systeme nicht als angemessene Behandlung erscheint. Im Ge­ genteil: Russell betont, daß „perhaps the most important of the hi­ storical questions* die Frage sei nach „the actual views of the philo­ sopher who is to be investigated*26. Also müssen diese Ansichten rekonstruiert werden. Russells For­ derung kann jedoch in einem weiten und in einem engen Sinn ge­ lesen werden, je nachdem, ob wir ein Wissen um äußere Bedin­ gungen einschließen oder nicht. Solche äußere Bedingungen bilden jene Faktoren, die bewirken oder nahelegen, daß ein Denker so denkt, wie er denkt, unabhängig davon, ob er sie selbst kennt oder nicht. Wenn wir die Wendung von „the actual views of the philoso­ pher* in einem weiten Sinn interpretieren, so muß eine Menge an Information eingeschlossen sein, die wir nur aus historischen — außerphilosophischen — Quellen gewinnen. Solche Informationen sind nicht explizit in den Schriften eines Autors enthalten, sie bilden auch nicht einen Teil dessen, was von einem philosophischen Autor oder von seinem Publikum für seine „Philosophie" erachtet worden wäre. Es handelt sich u. a. um Informationen über die Struktur seiner Sprache, über das ihm oder seinen Zeitgenossen verfügbare Wissen um Natursachverhalte, über Meinungen und Glaubensvor­ stellungen seiner Gesellschaft, sozialen Schicht oder der Kultur bzw. Subkultur, welcher er angehört, usw. Ayers jedoch scheint die Wendung von „the actual views of the philosopher", die nach Russells Meinung vom Philosophiehistoriker zu rekonstruieren sind, in einem engeren Sinn zu verstehen. Ent­ sprechend dieser Interpretation sollten lediglich „philosophical doc­ trines* oder dasjenige, was Historiker der Philosophie für solche Doktrinen erklären, „rekonstruiert* werden. Und dies scheint auch Russells eigenem Verständnis der genannten Wendung zu entspre­ chen. Russell sieht die Aufgabe des Philosophiehistorikers darin, „an organized account of doctrine* zu liefern, „removing impurities un­ important to their author and lastly ... philosophical evaluation of the result*27. Bertrand Russell war berechtigt, einen derart ausschließlich pro­ blemgeschichtlichen Zugang zur Philosophiegeschichte zu fordern.

Er ist darin mit Platon zu vergleichen, der ebenfalls die Art und Weise, in der er sich — argumentativ, aber auch aus der literari­ schen Form des Dialogs ersichtlich — mit seinen zeitgenössischen und mit früheren Gegnern auseinandersetzte, aufgrund einer me­ thodologisch-erkenntnistheoretischen Position rechtfertigen konnte. Russell war sicherlich der Begründer und Initiator der philosophi­ schen Kultur, die wir als Analytische Philosophie bezeichnen. Die Er­ innerung Herbert Feigls an sein Zusammentreffen mit Russell 1935 in Paris mag diesen Punkt illustrieren: "Ayer. . . and I introduced ourselves to Russell. I said, Ίη a manner of speaking we are your intellectual grandsons/ In characteristic manner Russell instantly asked, 'And who is your father?' 'We have three of them', I replied. 'Schlick, Carnap, and Wittgenstein'"28. Diese Großvaterrolle hat Russell tatsächlich gespielt, selbst wenn er sich ausdrücklich von den beiden späteren Hauptströmungen distanziert hat, nämlich dem Lo­ gischen Positivismus und der Sprachanalyse29. Solange die metho­ dologischen Grundannahmen dieser philosophischen Kultur ein­ deutig und unwiderlegt erschienen, mußte auch ihre Haltung gegen­ über der traditionellen Philosophie plausibel erscheinen. Nun aber hat sich die argumentative Situation der Analytischen Philosophie heute im Vergleich zur Situation Russells verändert. Es gibt keine überzeugenden Gründe mehr, der Geschichte der Philo­ sophie gegenüber eine Haltung einzunehmen, die von einem Gefühl der Überlegenheit geprägt, von der Überzeugung getragen ist, daß es sich beim eigenen Unterfangen um einen echten Neubeginn, um den ersten wirklichen Beginn der Philosophie als eine legitime Tätig­ keit handle, und daß damit jener Vorgeschichte der Philosophie, die weniger eine Geschichte des Wissens gewesen war, wie die Philoso­ phen stets vorgegeben hatten, als vielmehr eine Geschichte von prätentiösen Versuchen, sinnlose Sprachstücke zur Superwissen­ schaft zu stilisieren, endgültig ein Ende gesetzt sei. Dies war eine verbreitete Ansicht über die Geschichte der Philosophie unter ana­ lytischen Philosophen. 28 Herbert Feigl, The Wiener Kreis in America, in: Fleming and Bailyn (Hg.), The Intellectual Migration, Europe and America 1930—1960, Cam­ bridge, Mass. 1971, S. 659. 29 Vgl. Bertrand Russell, Logical Positivism, Polemic (1946), sowie: Logical Positivism, in: Revue Internationale de Philosophie IV (1950), ferner: The Cult of „Common Usage", in: British Journal for the Philosophy of Science, III (1953).

26 A Critical Exposition of Leibniz’ Philosophy, London 1900, S. XI f. 27 Philosophy and Its Past (Anm. 25), S. 43.

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Zuerst sei Russell angeführt, der seine Lowell Lectures in Boston 1914 mit der Feststellung eröffnet: „Die Philosophie hat zu allen Zeiten mehr versprochen und weniger gehalten als irgendein an­ derer Wissenszweig."30 Und in der Vorrede zur Veröffentlichung dieser Vorlesungen macht er deren bescheidenes, aber verläßliches Programm deutlich: „Die folgenden Vorlesungen stellen einen Ver­ such dar, Eigenart, Vermögen und Nichtvermögen der logisch-ana­ lytischen Methode in der Philosophie an der Hand von Beispielen darzulegen."31 Die entscheidende Entdeckung, die die gesamte Phi­ losophie aufgrund der Entwicklung der mathematischen Logik von Grund auf ändert, ist deren Konsequenz für die „logische Gram­ matik".

Kollegen und Schüler stimmen überzeugt zu. Der Geist der Über­ zeugung, in dem die neue Bewegung antritt, um die legitime philo­ sophische Tätigkeit endlich zu beginnen und die angebliche Philoso­ phie endgültig zu beenden, läßt sich aus vielen Texten dieser Zeit lesen. Otto Neuraths Auffassung kann hier für viele stehen. In Wis­ senschaftliche Weltauffassung. Der Wiener Kreis lesen wir:

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Die unbewußte Überzeugung, daß alle Urteilssätze die Subjekt-PrädikatForm haben müßten, mit anderen Worten, daß jede Tatsache darin be­ stünde, daß ein Ding eine Eigenschaft hat — diese Überzeugung hat die meisten Philosophen unfähig gemacht, der Welt der Wissenschaft und des täglichen Lebens irgendwie gerecht zu werden.32

Daß diese Welt zuerst vor jeder von den Philosophen des (vor allem: Deutschen) Idealismus konstruierten Welt besteht, ist die Grundlage von Russells (und Moores) Revolte in der Philosophie, und damit des Beginns der neuen Philosophie. Russell schreibt über sich und Moore: He took the lead in the rebellion, and I followed with a sense of emancipa­ tion. Bradley argued that everything common sense believes is mere appe­ arance; we reverted to the opposite extreme, and thought that everything is real, that common sense, uninfluenced by philosophy and theology, sup­ poses real. With a sense of escaping from prison, we allowed ourselves to think that grass is green, that the sun and the stars would exist if no one was aware of them, and also that there is a pluralistic timeless world of Platonic ideas.33

Moritz Schlick kündigt „Die Wende der Philosophie* — so heißt sein Aufsatz, der die erste Ausgabe von „Erkenntnis" eröffnet — an, und diese Wende wird, wie bei Russell, auch von Schlick in einer „Einsicht in das Wesen des Logischen selber" gesehen34. Schlicks 30 Unser Wissen von der Außenwelt, Leipzig (1926), S. 1. 31 Ebd., S. V. 32 Ebd., S. 58. 33 The Philosophy of Bertrand Russell, P. A. Schilpp (Hg.), Evanston 1944, S.12. 34 In: Moritz Schlick, Gesammelte Aufsätze 1926—1936, hg. von Fried­ rich Waismann, Wien 1938, S. 31 —40, hier S. 34.

Von der wissenschaftlichen Weltauffassung wird die metaphysische Philoso­ phie abgelehnt. Wie sind aber die Irrwege der Metyphysik zu erklären? Diese Frage kann von verschiedenen Gesichtspunkten aus gestellt werden: in psychologischer, in soziologischer und in logischer Hinsicht. Die Untersu­ chungen in psychologischer Richtung befinden sich noch im Anfangsstadium; Ansätze zu tiefergreifender Erklärung liegen vielleicht in Untersuchungen der Freudschen Psychoanalyse vor. Ebenso steht es mit soziologischen Un­ tersuchungen; erwähnt sei die Theorie vom „ideologischen Oberbau*. Hier ist noch offenes Feld für lohnende weitere Forschung. Weiter gediehen ist die Klarlegung des logischen Ursprungs der metaphysischen Irrwege, beson­ ders durch die Arbeiten von Russell und Wittgenstein.35

Im späteren Verlauf der philosophischen Diskussion aber mußten die anscheinend so sicheren Fundamente der wissenschaftlichen Phi­ losophie nach und nach alle aufgegeben werden, und dies müßte auch das Verhältnis der analytischen Philosophen zur traditionellen Philosophie ändern. Arthur Danto bringt in seinem Beitrag zu vorliegendem Band ein ähnlich dilemmatisches Verhältnis noch schärfer zum Ausdruck. Er lobt und kritisiert die Analytische Philosophie in einem Atemzug, wenn er schreibt: „Trotz des Versagens ihrer Therapien ist die ana­ lytische Philosophie institutionell erfolgreich. Gegen ihren Patienten hat sie vielleicht verloren, aber über ihre Rivalen hat sie den Sieg davongetragen . .." Und weiter: „Was analysieren analytische Phi­ losophen und vor allem, warum möchten sie es analysieren? Es ist überraschend schwierig, eine Antwort zu bekommen .. ,"36 Wir möchten lediglich zwei der entscheidenden Revisionen er­

35 In: Rudolf Haller, Heiner Rutte (Hg.), Otto Neurath: Gesammelte philo­ sophische und methodologische Schriften, Band 1, Wien 1981, S. 306. Vgl. etwa auch A. J. Ayer, Sprache, Wahrheit und Logik, Stuttgart 1970, S. 41 : „Die herkömmlichen Dispute der Philosophen sind zumeist gleichermaßen ungerechtfertigt wie unfruchtbar. Der sicherste Weg, sie zu beenden, be­ steht in der unzweifelhaften Feststellung dessen, was Zweck und Methode einer philosophischen Untersuchung sein sollte. Das ist nun keineswegs eine so schwierige Aufgabe .. .* 36 Analytische Philosophie, in diesem Band.

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wähnen, die die heutige Situation der Analytischen Philosophie von den selbstbewußten Anfängen dieser Bewegung unterscheiden. Es handelt sich um zwei Unterscheidungen, deren Akzeptieren ver­ pflichtend war, deren Vernachlässigung gleichbedeutend war mit einer Einstufung als Dummkopf oder als Faschist oder als beides. Es handelt sich um das Sinnkriterium und um die Einteilung von Sätzen in ¡ene, die Wissen vermitteln und andere, bei denen dies nicht der Fall ist. Die ersteren wurden noch einmal unterschieden in syntheti­ sche, empirische und in analytische Urteile, wobei die ersteren sich auf die Welt bezogen, letztere auf die Sprache. Wir brauchen bloß auf die Geschichte der letztgenannten Unter­ scheidung zu verweisen und auf den Umstand, daß sie von Quine in das Reich der Fiktionen verwiesen worden ist, wobei Quine selbst wiederum lediglich ein Wortführer eines allgemeineren pragmatistischen Klimas ist37. Als zweites Beispiel haben wir das Sinnkriterium angesprochen. Dieses Kriterium wurde innerhalb der Analytischen Philosophie selbst aufgegeben, deren wichtigstes konstruktives Werkzeug und destruk­ tive Waffe es war. Es war konstruktiv in der Rekonstruktion von wis­ senschaftlichen Theorien, in der Analytischen Wissenschaftstheorie, es war destruktiv in bezug auf die Metaphysik. Natürlich gab es An­ griffe von außen gegen dieses Kriterium, das unter anderem ¡a er­ möglichen sollte, zwischen wertvollen und wertlosen, wissenschaftli­ chen und unsinnigen Projekten von vornherein zu unterscheiden, aber solche äußere Kritik war nicht ernstzunehmen, blieb Anlaß zum Spott. Aufgrund der Diskussion innerhalb der Analytischen Philoso­ phie selbst aber ist das Sinnkriterium aufgegeben worden. Vor nicht allzu langer Zeit hat der bekannte Wissenschaftstheo­ retiker C. G. Hempel, der ja auch für seine Skizze der tragischen Geschichte des Sinnkriteriums bekannt ist38, bei einem Vortrag in

37 Vgl. bes. Willard Van Orman Quine, Zwei Dogmen des Empirismus, in: J. Sinnreich (Hg.), Zur Philosophie der idealen Sprache, München 1972, S. 167—194; Morton G. White, The Analytic and the Synthetic: An Unten­ able Dualism, zuerst in: John Dewey: Philosopher of Science and Freedom, New York, 1950; vgl. auch Rudolf Carnap, Empirismus, Semantik und Onto­ logie, in: Michael Sukale (Hg.), Moderne Sprachphilosophie, Hamburg 1976. 38 Siehe Carl Gustav Hempel, Probleme und Modifikationen des empiri­ stischen Sinnkriteriums, in: J. Sinnreich (Hg.) (vgl. Anm. 37), S. 104—125; ders.: Der Begriff der kognitiven Signifikanz: eine erneute Betrachtung,

ebd, S. 126-144.

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Wien aus der Not eine Tugend zu machen versucht. Er begrüßte die Tatsache, daß im Lauf der Entwicklung der wissenschaftlichen Philo­ sophie viele Ideen revidiert oder sogar aufgegeben worden sind, und sieht darin geradezu ein Indiz für die Wissenschaftlichkeit dieser Philosophie: In einer wissenschaftlich orientierten Philosophie ebenso wie in der empiri­ schen Wissenschaft selbst ist der Weg des Fortschritts mit den Bruchstücken abgeänderter oder gänzlich verworfener Ideen gepflastert: und dies ent­ spricht genau dem Ideal einer .wissenschaftlichen Philosophie' im Sinne des Wiener Kreises.39

Es entsteht hier aber doch das Problem: Haben nicht alle Ideen sich verändert, sind nicht alle Grundbegriffe von innerhalb der Analytischen Philosophie selbst in Frage gestellt worden? Und waren dies nicht Ideen und Grundbegriffe, auf denen die Ansprüche beruhten, welche diese philosophische Tradition an sich und an an­ dere stellte? Sind, wenn dies sich so verhält, nicht aus den Anforde­ rungen Prätentionen geworden, wenn sie mit solch einem Oberlegenheitsbewußtsein gegenüber anderen Richtungen auftreten? Wie Arthur Danto schreibt: „Es ist überraschend schwierig, eine Antwort zu bekommen." Wenn einmal jeder einzelne Punkt in einer philosophischen Tradi­ tion umstritten ist, so erhebt sich doch wohl, trotz der Rede vom Ideal einer „wissenschaftlichen Philosophie" die Frage, wodurch dann noch die arrogante Oberzeugung hervorgebracht wird, Ana­ lytische oder „wissenschaftliche" Philosophie sei die einzige echte und ehrliche philosophische Richtung, alle anderen hingegen grün­ deten auf Verwirrung oder übler Absicht und seien moralisch oder politisch zumindest bedenklich? Es gibt keine guten oder gültigen Argumente für eine Behandlungsweise der Geschichte der Philoso­ phie mehr, wie wir sie unter analytischen Philosophen zum überwie­ genden Teil bis in die jüngste Zeit antreffen. Der rekonstruktive Zugang läßt nicht nur frühere Philosophien aus dem Blick geraten, er hat überdies den Nachteil, den Zugang zur zeitgenössischen, nichtanalytischen Philosophie zu verbauen. Wir versuchen beispielsweise nicht, die Texte des späten Husserl zu verstehen, indem wir den historischen Verlauf der Entwicklung der

39 Der Wiener Kreis und die Metamorphosen seines Empirismus, in: Das geistige Leben Wiens in der Zwischenkriegszeit, hg. von Norbert Leser, Wien 1981, S. 215.

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Philosophie verfolgen. Wir versuchen vielmehr, die Phänomeno­ logie dadurch zu erfassen, daß wir ihre Problemstellungen — wie analytische Philosophen sie sehen — mit Hilfe analytischen Instru­ mentariums zu lösen suchen. In der frühen Geschichte der analyti­ schen Bewegung wurden solche Autoren wie Hegel und Schelling, Kierkegaard und Marx aus dem Kreis der ernstzunehmenden Denker ausgeschieden, Denker, die die Quelle eines großen Teils des gegenwärtigen Denkens bilden. Es ist vor diesem Hintergrund verständlich, bleibt aber doch be­ dauerlich, wenn Wolfgang Stegmüller zur Begründung seiner Aus­ wahlgesichtspunkte folgende Stellungnahme abgibt: Er habe sich entschlossen, die Darstellung moderner Entwicklungen des Mar­ xismus nicht in seine Hauptströmungen der Gegenwartsphilosophie aufzunehmen. Vor die Wahl gestellt, entweder ein merkwürdiges Stück Gegenwartstheo­ logie oder einige philosophisch interessante Aspekte der immer faszinie­ render werdenden Gegenwartswissenschaft einzubeziehen, habe ich mich für die die zweite Alternative entschieden.

Ein philosophischer und ein moralischer Grund seien dafür aus­ schlaggebend gewesen: Erstens seien verschiedene empirische Wissenschaften in ein Stadium eingetreten . .., in welchem sie daran gehen, Fragen wie die nach dem Aufbau des Universums, nach den grundlegenden Gesetzen der Wirklichkeit und nach der Entste­ hung des Lebens zu beantworten. Diese Fragen bilden die ältesten philoso­ phischen Probleme.

Dies der philosophische Grund für die Wahl. Der moralische Grund ist in unserem Zusammenhang aufschlußreicher, weil er den Optimismus der analytischen Philosophen der ersten Generation noch spiegelt: Der Philosoph sei heute mitverantwortlich für das Oberleben der Menschheit, und sein Beitrag hierfür bestehe in der Bekämpfung der „semantische(n) Verschmutzung der geistigen Um­ welt des Menschen, des einzigen redenden und systematisch Sym­ bole benutzenden Wesens"40. Es scheint uns bedauerlich, daß Stegmüller in diesem Zusammenhang nicht eine Ausführung seiner Idee, die Strukturen und Gesetzmäßigkeiten im „Prozeß der philosophi­ schen Differenzierung" aufzuschlüsseln, in Erwägung gezogen hat41. Wenn wir den Gegenstand der Philosophiegeschichtsschreibung 40 Stuttgart 1975, Bd. 2, S.IXf. 41 Stuttgart 1978, Bd. 1, S. XXXVIII ff.

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überdies nicht mehr auf das philosophische Denken der europäi­ schen Tradition(en) einzuschränken geneigt sind, sondern die unter­ schiedlichen Kulturen der Menschheitsgeschichte auch hinsichtlich der darin entwickelten philosophischen Denkformen befragen, so geraten wir mit einem ausschließlich systematischen und rekon­ struktiv vorgehenden Interesse an der Problemgeschichte der Philo­ sophie bald an deutliche Grenzen. Bei der Darstellung asiatischer Philosophien erscheint diese Zugangsweise entweder als überflüssig oder als irreführend. Hier dürften sich eher solche Modelle anbieten wie eine Institutionengeschichte der Philosophie, wofür es in der marxistischen Tradition gute Beispiele gibt, oder auch Untersu­ chungen über kulturdominante Paradigmata bzw. Stile des Argu­ mentierens und des Forschens42. Zusammenfassend wollen wir festhalten: Es gibt keine guten Gründe mehr, weder aus dem gesicherten Thesenbestand der Ana­ lytischen Philosophie, noch aus dem Interesse, das historisches Wissen um die Philosophie überhaupt beanspruchen kann, welche eine ausschließlich problem-rekonstruierende Zugangsweise zur Geschichte der Philosophie rechtfertigen könnten. Eine weniger ein­ seitige Untersuchung der Geschichte der Philosophie, welche dieses Unternehmen nicht nur nach seinen wirklichen oder vorgeblichen Ergebnissen, sondern auch nach seinen Bedingungen hin untersucht und zu erklären sucht, würde auch für das Selbstverständnis der ge­ genwärtigen Philosophie fruchtbar sein.

42 Dazu vgl. Johann Galtung, Struktur, Kultur und intellektueller Stil, in: Leviathan, Zeitschrift für Sozialwissenschaft 11, 1983, S. 303—338; Shigeru Nakayama, Academic and Scientific Traditions in China, Japan, and the West, Tokyo 1984; Franz Μ. Wimmer, Vegleichende Philosophiegeschichte als Postulat und Realität, in: CONCEPTUS XVII, Wien 1983, Nr. 42, S. 93—101; ders., Sowjetische Philosophiehistorie — ein Beispiel für marxi­ stische Geschichtsauffassung, in: P. Lüftenegger (Hg.), Philosophie und Ge­ sellschaft, Wien 1984, S. 79-93.

Mitarbeiter und Herausgeber

MITARBEITER UND HERAUSGEBER

Stanley Cavell, geb. 1926, Professor für Ästhetik und Allgemeine Wert­ theorie, Department of Philosophy, Harvard University, Cambridge, Mass., U.S.A. Veröffentlichungen: Must We Mean What We Say (1969), The World Viewed: Reflections on the Ontology of Film (1971), The Senses of Walden (1972; erweiterte Ausgabe 1981), The Claim of Reason. Wittgenstein, Scepti­ cism, Morality, and Tragedy (1979), Pursuits of Happiness. The Hollywood Comedy of Remarriage (1981), Themes out of School (1984). Sein Beitrag in diesem Buch erschien im amerikanischen Original in: Sal­ magundi, Sommer 1985, S. 99—128 (Übersetzung ins Deutsche von H. Hrachovec).

Arthur Danto, geb. 1924, Professor für Philosophie an der Columbia Uni­ versity, New York, U.S.A. Herausgeber der Zeitschrift „Journal of Philo­ sophy“, vorm. Präsident der „American Philosophical Association" (Eastern Division). Veröffentlichungen: Nietzsche as Philosopher (1965), What Philosophy is (1968), Mysticism and Morality (1972), Analytical Philosophy of Action (1973), Narration and Knowledge (1985). Auf Deutsch erschienen ist bisher: Analytische Philosophie der Geschichte (1973), Jean-Paul Sartre (1977) und Die Verklärung des Gewöhnlichen (1984). Sein Beitrag in diesem Buch erschien im amerikanischen Original in: So­ cial Research, Vol. 47, Nr. 4, 1980, S. 612—634 (Übersetzung ins Deutsche von H. Hrachovec). HUBERT L Dreyfus, Professor für Philosophie an der University of Cali­ fornia, Berkeley, U.S.A. Veröffentlichungen: What Computers Can’t Do: A Critique of Artificial In­ telligence (1982; dt.: Die Grenzen der künstlichen Intelligenz, 1985), Michel Foucault. Beyond Structuralism and Hermeneutics. With an Afterword by Μ. Foucault (gem. mit Paul Rabinow, 1982), Mind over Machine (gem. mit Stuart L. Dreyfus, 1986).

Stuart L. Dreyfus, Professor für Industrial Engineering and Operations Re­ search an der University of California, Berkeley, U.S.A. Veröffentlichungen: Mehrere Bücher im Bereich des „dynamic program­ ming*, Mind over Machine (gem. mit Hubert L. Dreyfus, 1986). Kurt R. Fischer, geb. 1922 in Wien, Studium und Lehrtätigkeit in den USA (u. a. Berkeley, Harvard, Chicago). Professor und Vorstand des Department

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of Philosophy, Millersville University of Pennsylvania 1967—1980. Gastund Honorarprofessor für Philosophie an der Universität Wien; Mitglied der Arbeitsgruppe „Sprachanalytische Philosophie" am Institut für Philosophie. Zusätzliche Lehrtätigkeit an der Universität Klagenfurt. Beiträge in amerikanischen und europäischen Fachzeitschriften und Sam­ melwerken hauptsächlich über Nietzsche und die Geschichte der Analyti­ schen Philosophie (besonders im Wiener Fin de siècle). Reinhard Heinrich, geb. 1948. Seit 1980 Lehrtätigkeit am Institut für Philo­ sophie der Universität Wien. Mitglied der Arbeitsgruppe für Analytische Philosophie. Hauptarbeitsgebiete: Kant-Forschung, Philosophie der Renais­ sance-Zeit, Analytische Philosophie der Gegenwart. Veröffentlichungen: Einbildung und Darstellung. Zum Kantianismus des frühen Wittgenstein, 1977. Kants Erfahrungsraum. Metaphysischer Ur­ sprung und kritische Entwicklung, erscheint Juli 1986. — Die Vorarbeiten zu dem Beitrag in diesem Band wurden durch ein Wissenschaftsstipendium des Kulturamtes der Stadt Wien gefördert.

Herbert Hrachovec, geb. 1947, Dozent für Philosophie an der Universität Wien. Mitglied der Arbeitsgruppe „Sprachanalytische Philosophie" am In­ stitut für Philosophie. Veröffentlichungen: Vorbei. Heidegger, Frege, Wittgenstein. Vier Ver­ suche (1981). Arbeiten speziell über Themen der sprachanalytischen Philoso­ phie sowie der Ästhetik. Ein Buch über Probleme der Subjektivität wird in Kürze erscheinen.

Ludwig Nagl, geb. 1944, Dozent für Philosophie an der Universität Wien, Mitglied der Arbeitsgruppe „Sprachanalytische Philosophie* am Institut für Philosophie. Lehrte an der Millersville University, Pennsylvania, U.S.A., und als Gastdozent an der Universität Klagenfurt. Veröffentlichungen: Zur Kantforschung der Gegenwart (hg. gern, mit Peter Heintel, 1981), Gesellschaft und Autonomie. Historischsystematische Studien zur Entwicklung der Sozialtheorie von Hegel bis Habermas (1983), Mitherausgeber der „Zeitschrift für Didaktik der Philosophie" (seit 1979). Di­ verse Aufsätze auf dem Gebiet der Kritischen Theorie und der Sozialphiloso­ phie. Herta Nagl-Docekal, geb. 1944, a. o. Professor am Institut für Philoso­ phie der Universität Wien. Lehrte an der Millersville University Pennsyl­ vania, U.S.A. Veröffentlichungen: Ernst von Lasaulx. Ein Beitrag zur Kritik des organi­ schen Geschichtsbegriffs (1970). Die Objektivität der Geschichtswissen­ schaft. Systematische Untersuchungen zum wissenschaftlichen Status der Historie (1982). Überlieferung und Aufgabe. Festschrift für Erich Heintel zum 70. Geburtstag (2 Bände, 1982). Neue Ansätze in der Geschichtswis­ senschaft (hg. gern, mit Franz Wimmer, 1984). Diverse Artikel und Rezen­ sionen auf dem Gebiet der praktischen Philosophie und der Geschichtsphi­ losophie.

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Mitarbeiter und Herausgeber

Richard Rorty, Professor für Philosophie an der University of Virginia, Charlottesville, U.S.A. Vorm. Präsident der „American Philosophical Associa­ tion' (Eastern Division). Lehrte in Wellesley, Princeton, Pittsburgh, Frankfurt und Heidelberg. Fellow des Wissenschaftskollegs zu Berlin 1986/87. Veröffentlichungen: Philosophy and the Mirror of Nature (1979) (Deutsch 1981), Consequences of Pragmatism (1982).

Peter F. Strawson, geb. 1919, Professor für Philosophie am Magdalen College, Oxford, England. Lehrte an der Duke University, in Princeton, am College de France und an der Universität München. Veröffentlichungen: Introduction to Logical Theory (1952), Individuals (1959), The Bounds of Sense (1966), Logico-Linquistic Papers (1971), Freedom and Resentment (1974), Subject and Predicate in Logic and Grammar (1974), Scepticism and Naturalism: Some Varieties (1985), Analyse et Métaphysique (1985). BARRY Stroud, geb. 1936, ist Professor für Philosophie an der University of California, Berkeley, U.S.A. Er lehrte an den Universitäten Oxford, Toronto, Oslo und an der UCLA. Veröffentlichungen: Hume (1977), The Significance of Philosophical Scep­ ticism (1984) und viele philosophische Aufsätze über Erkenntnistheorie und Geschichte der modernen Philosophie.

Helmuth Vetter, geb. 1942, Universitätsdozent am Institut für Philosophie der Universität Wien. Veröffentlichungen: „Stadien der Existenz. Eine Untersuchung zum Existenzbegriff Kierkegaards' (1979), „Der Schmerz und die Würde der Person" (1980). Mitherausgeber von fünf Sammelbänden zu interdisziplinären Fragen, u. a. zum Verhältnis von Theologie und Ästhetik und zum LeibSeele-Problem. Aufsätze u. a. zu Kierkegaard, zur antiken Philosophie, zu Phänomenologie und Freuds Metapsychologie. Arbeitet derzeit über die phi­ losophischen Voraussetzungen von Konzepten der Psychopathologie und zum Problem des Wahnsinns als Thema bestimmter Richtungen der Gegen­ wartsphilosophie. Franz Wimmer, geb. 1942, Universitätsassistent und Lehrbeauftragter am Institut für Philosophie der Universität Wien. Lektor an der Universität Salz­ burg. Lehrte als Assistant Professor an der University of California, Irvine, U.S.A. Veröffentlichungen: Verstehen, Erklären. Die Problematik geschichtlicher Ereignisse (1978), Neue Ansätze in der Geschichtswissenschaft (hg. gern, mit Herta Nagl-Docekal, 1984). Beiträge in Fachzeitschriften und Sammel­ werken zu Fragen der Philosophiegeschichte, der Rechtsphilosophie und der Geschichtstheorie, Artikel in Lexika, Übersetzungen. Redaktionsmitglied der Zeitschrift „Conceptus" (seit 1982).