Wirtschaftsvölkerstrafrecht: Grundlagen der völkerstrafrechtlichen Verantwortlichkeit von Unternehmen [1 ed.] 9783428555154, 9783428155156

Die Frage der strafrechtlichen Haftung transnationaler Wirtschaftsunternehmen für völkerrechtliche Verbrechen gewinnt zu

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Wirtschaftsvölkerstrafrecht: Grundlagen der völkerstrafrechtlichen Verantwortlichkeit von Unternehmen [1 ed.]
 9783428555154, 9783428155156

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Wissenschaftliche Abhandlungen und Reden zur Philosophie, Politik und Geistesgeschichte Band 91

KAI AMBOS

Wirtschaftsvölkerstrafrecht Grundlagen der völkerstrafrechtlichen Verantwortlichkeit von Unternehmen

Duncker & Humblot · Berlin

KAI AMBOS

Wirtschaftsvölkerstrafrecht

Wissenschaftliche Abhandlungen und Reden zur Philosophie, Politik und Geistesgeschichte Band 91

Wirtschaftsvölkerstrafrecht Grundlagen der völkerstrafrechtlichen Verantwortlichkeit von Unternehmen

Von

Kai Ambos

Duncker & Humblot · Berlin

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten © 2018 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: 3p+w GmbH, Ochsenfurt-Hohestadt Druck: CPI buchbücher.de gmbh, Birkach Printed in Germany ISSN 0935-5200 ISBN 978-3-428-15515-6 (Print) ISBN 978-3-428-55515-4 (E-Book) ISBN 978-3-428-85515-5 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die kleine Untersuchung geht im Rahmen einer Bestandsaufnahme des bisher nur wenig erforschten Bereichs des Wirtschaftsvo¨lkerstrafrechts der Frage der strafrechtlichen Haftung transnationaler Wirtschaftsunternehmen fu¨r vo¨lkerrechtliche Verbrechen nach. Nach begrifflichen Vorbemerkungen (I.) werden zuna¨chst die Formen der Unternehmensbeteiligung an solchen Verbrechen (II.) sowie die supranationale und nationale Praxis seit Nu¨rnberg (III.) dargestellt. Dieser la¨sst sich eine deutliche Tendenz zur Unternehmungshaftung, allerdings repra¨sentiert durch fu¨hrende Unternehmensmitarbeiter, entnehmen. Aus diesem Grund und weil juristische Personen (Unternehmen) letztlich durch natu¨rliche Personen (ihre Mitarbeiter) handeln, kann die Haftung (IV.) nicht rein kollektiv – im Sinne eines reinen Organisationsmodells (IV. 1.) – sondern nur auf der Grundlage des Zurechnungsmodells u¨berzeugend begru¨ndet werden und zwar als derivative, auf Aufsichts- bzw. Organisationsverschulden beruhende Unternehmenshaftung (IV. 2.) Der individualstrafrechtliche Ansatz des Zurechnungsmodells – bzw., in prozessualen Worten, der individualrechtliche Auslo¨ser („trigger“) der Strafverfolgung von Unternehmen – verweist uns schließlich auf die bekannten Formen strafbarer Beteiligung (V.), wobei insbesondere eine Beihilfehaftung in Betracht kommt. Alles in allem, so das Fazit der Untersuchung, muss jedoch vor zu hohen Erwartungen an eine (vo¨lker)strafrechtliche Unternehmenshaftung gewarnt werden. Das Strafrecht kann auch hier, wie in vielen anderen Bereichen, nur als Teil eines ganzheitlichen Ansatzes (beschra¨nkte) pra¨ventive Wirkungen entfalten. Teile der Untersuchung wurden auf der Sechsten Deutsch-Franzo¨sischen Strafrechtstagung in Go¨ttingen (27./28. 10. 2017), auf dem Symposium zu „Corporate Compliance and Human Rights“, FU Berlin/ ECCHR (23. 2. 2018) sowie im Rahmen universita¨rer Vortra¨ge in Peking (Universita¨t von Peking, 9. 3. 2018, und Renmin Universita¨t, 10. 3. 2018) zur Diskussion gestellt. Eine Kurzfassung erscheint in dem ebenfalls von Duncker & Humblot verlegten Tagungsband zur erwa¨hnten deutsch-

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Vorwort

franzo¨sischen Tagung (Ambos/Bock [Hrsg.], Aktuelle und grundsa¨tzliche Fragen des Wirtschaftsstrafrechts, im Erscheinen). Ich danke meiner Kollegin Stefanie Bock und meinen Kollegen Carsten Momsen und Uwe Murmann fu¨r kritische Anmerkungen; Herrn wiss. Mitarbeiter Gustavo Urquizo danke ich fu¨r wertvolle Hinweise, insbesondere zum spanischsprachigen Rechtskreis; Herrn stud. iur. Jerre Sander danke ich fu¨r Hilfe bei der Recherche und Vorbereitung der Vero¨ffentlichung. Dem Verlag danke ich fu¨r die wie immer professionelle und angenehme Zusammenarbeit. Go¨ttingen, Anfang Mai 2018

Kai Ambos

Inhaltsverzeichnis I. Begriffliche Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 II. Beteiligung von Unternehmen an vo¨lkerstrafrechtlichem Unrecht aus rechtstatsa¨chlicher Sicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 III. Vo¨lkerstrafrechtliche Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 1. Nu¨rnberg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 2. Aktuelle Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 a) Supranationale Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 b) Nationale Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 IV. Haftungsfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 1. Vorfrage: Fokus auf das Unternehmen als solches („corporate approach“) 40 2. Organisations- vs. Zurechnungsmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 V. Formen strafbarer Beteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 1. Ta¨terschaftliche Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 2. Strafbare Beihilfe versus „neutrale“ Handlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 a) Objektive Seite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 b) Subjektive Seite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 c) Fallgruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 I. Akademische Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 II. Sonstige (staatliche und nicht-staatliche Organisationen etc.) . . . . . . . . . . 91 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95

Abku¨rzungsverzeichnis a.a.O. Abs. ACJHPR allg. American Cr.L.Rev. AppJ Art. AT ATS Aufl. Bd. BerkJIntL Beschl. BGH BGHSt bzgl. CCZ CESCR CLF CNV CoE CRC CSR dems. ders. diff. DRC ebd. ECCHR EJIL Emory Int’l L.Rev. Entsch. EP Erwa¨g. et al.

am angegebenen Ort Absatz African Court of Justice and Human and Peoples’ Rights allgemein American Criminal Law Review Appeals Judgement Artikel Allgemeiner Teil Alien Tort Statute Auflage Band Berkeley Journal of International Law Beschluss Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen bezu¨glich Corporate Compliance Zeitschrift Committee on Economic, Social and Cultural Rights Criminal Law Forum Comissa˜o Nacional da Verdade Council of Europe Committee on the Rights of the Child Corporate Social Responsibility demselben derselbe differenzierend Democratic Republic of Congo ebenda European Center for Constitutional and Human Rights European Journal of International Law Emory International Law Review Entscheidung European Parliament Erwa¨gung et alii

10 EU ff. Fn. FS GA Gestapo gg. GLJ grdl. grds. Hastings Int’l & Comp. L. Rev. Herv. HRC Hrsg. IACtHR ICC ICJ ICL ICLR ICTR ICTY i.E. IG IGH ILA ILO IMG IMT insbes. int. IntHumRightsLawJ IRRC IStGHS i.S.v. i.W. JICJ jP JR jur. JZ

Abku¨rzungsverzeichnis Europa¨ische Union fortfolgende Fußnote Festschrift Goltdammer’s Archiv fu¨r Strafrecht Geheime Staatspolizei gegen German Law Journal grundlegend grundsa¨tzlich Hastings International and Comparative Law Review Hervorhebung Human Rights Council Herausgeber Inter-American Court of Human Rights International Criminal Court International Commission of Jurists International Criminal Law International Criminal Law Review International Criminal Tribunal for Rwanda International Criminal Tribunal for the Former Yugoslavia im Ergebnis Interessengemeinschaft Internationaler Gerichtshof International Law Association International Labour Organization Internationales Milita¨rgericht Nu¨rnberg International Military Tribunal Nuremberg insbesondere international International Human Rights Law Journal International Review of the Red Cross Statut des Internationalen Strafgerichtshofs im Sinne von im Wesentlichen Journal of International Criminal Justice juristische Person Juristische Rundschau juristisch JuristenZeitung

Abku¨rzungsverzeichnis KK krit. Lit. MNC MPC m.w.N. NILR NJW NStZ NZWiSt o. OAS OECD o.g. ¨ stAnwbl O OTP OWiG Oxf.J.of Legal Studies para. Polı´t. Crim. Prof. REJ RPCC Rspr. rvgl. S. SA SD ¨ SRU SS STL StGB strafr. StV TDG Texas Int.L.J. TWC u. a. UN

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Karlsruher Kommentar kritisch Literatur Multinational Corporation Model Penal Code mit weiteren Nachweisen Netherlands International Law Review Neue juristische Wochenschrift Neue Zeitschrift fu¨r Strafrecht Neue Zeitschrift fu¨r Wirtschafts-, Steuer und Unternehmensstrafrecht oben Organization of American States Organisation for Economic Co-operation and Development oben genannte ¨ sterreichisches Anwaltsblatt O Office of the Prosecutor Ordnungswidrigkeitengesetz Oxford Journal of Legal Studies paragraph Polı´tica Criminal (chilenische Zeitschrift) Professor Revista de Estudios de la Justicia (chilenische Zeitschrift) Revista Portuguesa de Cieˆncia Criminal Rechtsprechung rechtsvergleichend(e)(er) Seite Sturmabteilung Sicherheitsdienst des Reichsfu¨hrers SS Seerechtsu¨bereinkommen der UNO Schutzstaffel Special Tribunal for Lebanon Strafgesetzbuch strafrechtlich Strafverteidiger Thiodiglycol Texas International Law Journal Trials of War Criminals before the Nuremberg Military Tribunals under Control Council Law No. 10 unter anderem United Nations

12 UNTS Urt. U.S. u¨w Verf. vgl. Vol. vr vstr wg. Yb Zhg. ZStrR ZStW zusf. zust. zutr.

Abku¨rzungsverzeichnis UN Treaty Series Urteil United States u¨berwiegend Verfasser vergleiche Volume vo¨lkerrechtlich(e)(er)(es) vo¨lkerstrafrechtlich(e)(er)(es) wegen Yearbook Zusammenhang Schweizerische Zeitschrift fu¨r Strafrecht Zeitschrift fu¨r die gesamte Strafrechtswissenschaft zusammenfassend zustimmend zutreffend

I. Begriffliche Vorbemerkungen Wirtschaftsvo¨lkerstrafrecht bezeichnet einen Teil des Vo¨lkerstrafrechts (VStR), der sich mit Verhaltensweisen von Unternehmen bzw. ihren Verantwortlichen befasst, welche eine Verletzung vo¨lkerrechtlicher Strafnormen zur Folge haben.1 Die betreffenden Unternehmen sind – als private, nicht-staatliche Akteure2 – in der Regel transnational oder multinational organisiert.3 Die betreffenden Verhaltensweisen weisen einen Bezug zum Wirtschaftsleben auf (Erzeugung/Bearbeitung/Absatz von Produkten/ Dienstleistungen), es handelt sich um wirtschaftsbezogene Verhaltensweisen,4 die ha¨ufig als legale („neutrale“) Handlungen („ancillary/neutral business activities“, „actions neutres“) erscheinen. Die einschla¨gigen vo¨lkerrechtlichen Strafnormen sind zuna¨chst die Kernverbrechen des Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGHS), namentlich Genozid, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit; im Kern handelt es sich dabei um die Sanktionsnormen schwerer Menschenrechtsverletzungen als deren prima¨re Verhaltensnormen.5 Das Verbrechen 1

Vgl. Jeßberger, in: Jeßberger/Kaleck/Singelnstein, S. 13 ff.; auch Wittig, in: ebd., S. 241, 242 („Anwendung des geltenden Vo¨lkerstrafrechts auf wirtschaftliche Akteure…“); zur zunehmenden Bedeutung des Vo¨lkerstrafrechts in diesem Bereich International Commission of Jurists (ICJ) (2008), Vol. 2, S. 5; fu¨r ein solches Wirtschaftsvo¨lkerstrafrecht Soyer, in: Kert/Lehner, S. 113, 125. 2 Daneben gelten vor allem „armed (opposition) groups“ als non-state actors, vgl. ILA (2014), S. 3, 5 ff.; weiter Clapham, in: Moeckli et al., S. 557 („entity that is not a state“, „civil society“ und „uncivil groups“). – Bei hier nicht weiter zu betrachtenden Staatsunternehmen (seien sie einzel- oder zwischenstaatlicher Natur) kommt eine direkte Staatenverantwortlichkeit nach den allg. vo¨lkerrechtlichen Regeln in Betracht, vgl. etwa Thurner (2012), S. 53 f. 3 Vgl. ILA (2014), S. 5, wonach bei einer „transnational corporation“ eine „unified corporation strategy“ existiere, wa¨hrend bei „multinational corporations“ mehrere (grds. eigensta¨ndige) Unternehmen global zusammenarbeiten. 4 Zum insoweit haftungsrechtlich relevanten Begriff der Betriebsbezogenheit s. u. Fn. 171 f. u. Haupttext. 5 Zutreffend fu¨r eine solche menschenrechtliche Beschra¨nkung Thurner (2012), S. 220 ff., 227 f., 277 f. (mit einem konkreten Katalog auf S. 224, der als vierte

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I. Begriffliche Vorbemerkungen

der Aggression nimmt eine Sonderstellung ein, weil es als Fu¨hrungsverbrechen („leadership crime“) ausgestaltet ist und deshalb ohnehin nur durch eine Person begangen werden kann, „die tatsa¨chlich in der Lage ist, das politische oder milita¨rische Handeln eines Staates zu kontrollieren oder zu lenken“ (Art. 8bis Abs. 1 IStGHS). Ob darunter auch Wirtschaftsfu¨hrer fallen, ist umstritten, kann hier aber dahinstehen.6 Jenseits der vo¨lkerrechtlichen Kernverbrechen ko¨nnen wirtschaftsbezogene Verhaltensweisen auch transnationale Verbrechen, wie Terrorismus und Drogenhandel, betreffen. Insoweit ko¨nnte man vom Wirtschaftsvo¨lkerstrafrecht i.w.S. sprechen.7 Zu beachten ist, dass sich die Schutzrichtung des Wirtschaftsvo¨lkerstrafrechts von der des (nationalen, transnationalen oder internationalen) Wirtschaftsstrafrechts8 unterscheidet. Wa¨hrend letzteres den Schutz wirtschaftsbezogener Rechtsgu¨ter bezweckt (z. B. des Wettbewerbs/der Volkswirtschaft, des individuellen oder kollektiven – nationalen oder transnationalen – Vermo¨gens), soll das Wirtschaftsvo¨lkerstrafrecht die gleichen Rechtsgu¨ter wie das Vo¨lkerstrafrecht im Allgemeinen schu¨tzen, also die fundamentalen Interessen der Vo¨lkergemeinschaft, insbesondere den Weltfrieden und die internationale Sicherheit sowie die Menschenrechte. Beim Wirtschaftsvo¨lkerstrafrecht geht es also nicht um den Schutz des wirtschaftlichen Verkehrs oder der (internationalen) Wirtschaftsordnung, sondern um den Schutz grundlegender Menschenrechte oder – in Nauckes Konzeption eines politischen Wirtschaftsstrafrechts – um den Schutz der Freiheit vor der Zersto¨rung durch wirtschaftliche Macht.9 Gruppe die Kernverbrechen des IStGHS entha¨lt, aber insgesamt daru¨ber hinausgeht). 6 Ambos (2014), S. 205 f.; dazu auch Nerlich, JICJ 8 (2010), 895, 906 ff. (restriktiv). 7 In diesem Sinne fu¨r eine Kriminalisierung von „serious (transitional) economic offences“ etwa Roksandic´ Vidlicˇka, ZStW 129 (2017), 851 ff.; dies. (2017), S. 31 ff. Dies betrifft auch den von Prof. Dannecker wa¨hrend unseres deutsch-franzo¨sischen Seminars (Go¨ttingen, 27./28. 10. 2017) angesprochenen Organhandel. 8 Das transnationale Wirtschaftsstrafrecht umfasst diejenigen strafrechtlichen Bestimmungen des Vo¨lker(vertrags)rechts, die Angriffe gegen Rechtsgu¨ter des Wirtschaftslebens po¨nalisieren bzw. den Vertragsstaaten aufgeben, entsprechende innerstaatliche Strafnormen zu schaffen. 9 Naucke (2012), S. 4 (zersto¨rende Einwirkung „auf die perso¨nliche Freiheit und auf die freiheitsschu¨tzenden rechtlichen Institutionen“); dazu Bung, in: Jeßberger/ Kaleck/Singelnstein S. 129, 131 ff.; Wittig, in: ebd., S. 258 f.

I. Begriffliche Vorbemerkungen

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¨ ffnung des klassischen WirtschaftsNatu¨rlich fu¨hrt die zunehmende O strafrechts gegenu¨ber den Menschenrechten, insbesondere im Rahmen ¨ berschneidungen. Dies a¨ndert aber menschenrechtlicher compliance, zu U nichts an der prima¨r unterschiedlichen Ausrichtung zwischen beiden Gebieten.10 Dabei beruht der vo¨lkerstrafrechtliche Angriff auf den Verband, also der Versuch seiner vo¨lkerstrafrechtlichen accountability, auf der Pra¨misse, dass die Begehung makrokrimineller Verbrechen in der Regel nur mit immensen organisatorischen und finanziellen Ressourcen mo¨glich ist, die ha¨ufig von Wirtschaftsakteuren bereitgestellt werden.11 Vielfach liegt auch eine staatliche Beteiligung an den Verbrechen vor, so dass eine nationale Strafverfolgung de facto ausgeschlossen ist.12 In anderen Sprachen wird der Bereich des Wirtschaftsvo¨lkerstrafrechts mit einem Fokus auf die vo¨lkerstrafrechtliche Verantwortlichkeit des Verbands umschrieben, was der Anerkennung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit juristischer Personen entspricht, z. B. als „responsabilite´ des personnes morales au droit pe´nal international“, „corporate criminal liability in international criminal law“ – wobei beide Begriffe jedoch auch im Zusammenhang mit internationalem Wirtschaftsstrafrecht verwendet werden.13 Die ausla¨ndische Begrifflichkeit ha¨ngt auch mit der fehlenden Unterscheidung zwischen internationalem Strafrecht und Vo¨lkerstrafrecht in den erwa¨hnten Sprachen zusammen.

10 Zu einem wirtschaftlichen Minderwert von unter Menschenrechtsverletzungen produzierten Produkten ju¨ngst Gru¨tzner/Boerger/Momsen, CCZ 11 (2018) 50, 54 (menschenrechtliche compliance als wertbildender Faktor und Teil der „NonFinancial Factors bzw Risks“). 11 Abrantes, RPCC 26 (2016), 78; Bernaz, JICJ 15 (2017), 527, 528. 12 Vgl. auch Adam (2015), S. 246 (Nicht-Ahndung von Menschenrechtsverletzungen als wirtschaftlicher „Standortvorteil“). 13 Insoweit findet man auch die Begriffe „Droit pe´nal international e´conomique“, „derecho penal internacional econo´mico“ und „international economic criminal law“.

II. Beteiligung von Unternehmen an vo¨lkerstrafrechtlichem Unrecht aus rechtstatsa¨chlicher Sicht Was die konkrete Beteiligung von Unternehmen an vo¨lkerrechtlichen Verbrechen – im Sinne eines untechnisch und weit verstandenen „undesirable business involvement“14 – angeht, so ergibt sich aus zahlreichen Studien, NGO-Berichten und journalistischen Recherchen, dass diese, insbesondere im Bereich der extraktiven Industrie, in ho¨chst unterschiedlicher Art und Weise vonstattengeht.15 Grob gesprochen kann man zwischen Fa¨llen direkter oder mittelbarer ta¨terschaftlicher und nicht-ta¨ter14 Vgl. ICJ (2008), Vol. 1, S. 3 f. (darauf hinweisend, dass der Begriff der „complicity“ im menschenrechtlichen Diskurs eher unjuristisch als „undesirable business involvement“ in „a much richer, deeper and broader fashion“ verstanden werde, wobei die ICJ selbst ihn– im Sinne eines „policy concept“ – als „valuable tool enabling evocative description of the various ways in which companies become involved in undesirable ways in the perpetration of human rights abuses…“ versteht); a¨hnlich ICJ (2008), Vol. 2, S. 2 (Gebrauch des Begriffs „involvement“ statt „complicity“, weil dieser unklar (!) sei); auch Ramasastry, BerkJIntL 20 (2002), 91 (100); Ramasastry/Thompson (2006), S. 17. 15 Ramasastry, BerkJIntL. (2002), 100 ff; Clapham/Jerbi, Hastings Int’l & Comp. L. Rev. 24 (2001), 341 ff; ICJ (2008), Vol. 1, S. 27 ff. (vier spezifische Situationen, wo Unternehmen (i) „provide goods or services“, (ii) „use [kriminelle] security providers“, (iii) „purchase from a [krimineller] supplier“ u. (iv) der Gescha¨ftspartner „perpetrates gross human rights abuses“); ICJ (2008), Vol. 2, S. 37 ff. (na¨her zu den Situationen (i)-(iii)); Kaleck/Saage-Maaß, JICJ 8 (2010), 703 ff. (grob zwischen der Zusammenarbeit mit diktatorischen Regimen und Aktivita¨ten in Konfliktgebieten unterscheidend, wobei Unternehmen im erstgenannten Fall davon profitieren, Rechtsverletzungen erleichtern und die entsprechenden Regime unterstu¨tzen; im zweitgenannten Fall befeuerten sie die entsprechenden Konflikte und erbringen Dienstleistungen); Huisman/van Sliedregt, JICJ 8 (2010), 803 (816 f.); Thurner (2012), S. 85 ff.; Meyer, ZStrR 131 (2013), 63 ff. (fu¨nf Kategorien von Menschenrechtsverletzungen); Adam (2015), S. 25 ff.; D. Olson, IntHumRightsLawJ, 1 (2015), issue 1, Article 5, 3 („four categories“ der Beteiligung) sowie Berichte auf www.business-humanrights.org.; Kathollnig (2016), S. 165 ff., 242 ff. (mo¨gliche Menschenrechtsverletzungen u. ihre tatbestandliche Erfassung). Krit. zum Fehlen empirischer Belege Burchard, JICJ 8 (2010), 919 (927).

II. Beteiligung von Unternehmen an vo¨lkerstrafrechtlichem Unrecht

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schaftlicher Beteiligung unterscheiden. Die seltener vorkommende erste Beteiligungsform erfasst etwa die Tatbegehung durch Mitarbeiter privater Sicherheitsfirmen,16 die Aneignung fremden Eigentums/Plu¨nderung oder den Einsatz von Sklavenarbeitern.17 Weitaus ha¨ufiger18 ist hingegen die nicht-ta¨terschaftliche Beteiligung, die idR – strafrechtlich gesprochen – allenfalls als Beihilfe („complicity“ im technischen Sinne) zu qualifizieren ist. Insoweit kann man rechtstatsa¨chlich – auf Grundlage der Kategorisierung des UN Global Compact19 – zwischen drei Formen unterscheiden:20 - direkte Beihilfe (direct complicity): „when a company provides goods or services that it knows will be used to carry out the abuse“;21 - indirekte (begu¨nstigende) Beihilfe (beneficial complicity): „when a company benefits from human rights abuses even if it did not positively assist or cause them“;22 16

Dazu ICJ (2008), Vol. 1, S. 29; Meyer, ZStrR 131 (2013), 63. Wie etwa in den unten III. 1. geschilderten Nachkriegsfa¨llen, die Ramasastry, BerkJIntL 20 (2002), 102, 117 allerdings der „direct complicity“ zuordnen will. 18 Vgl. Stoitchkova (2010), S. 103 f. („rarely material perpetrators“, „focus on complicity“); Kyriakakis, IRRC 94 (2012), 997 (Großteil der unternehmerischen Beteiligung an Verbrechen): Meyer, ZStW 126 (2014), 128 („komplexe Formen der mittelbaren Beteiligung“). 19 Dabei handelt es sich um einen – auf dem Davoser Weltwirtschaftsforum 1999 ins Leben gerufenen – Vertrag zwischen der UN und Unternehmen [https:// www.unglobalcompact.org/], in dem sich diese zur Einhaltungen von zehn Prinzipien verpflichten, vgl. https://www.unglobalcompact.org/what-is-gc/mission/princi ples (zuletzt abgerufen am 25. 3. 2018). 20 Vgl. die Erla¨uterungen zu UN Global Compact, Principle 2 unter [https:// www.unglobalcompact.org/what-is-gc/mission/principles/principle-2] (zuletzt abgerufen am 25. 3. 2018) Vgl. auch Clapham/Jerbi, Hastings Int’l & Comp. L. Rev. 24 (2001), 339, 342 ff.; Ramasastry, BerkJIntL 20 (2002), 101 ff.; Stoitchkova (2010), S. 105 f., 113 ff.; Adam (2015), S. 170; etwas anders Engelhart, in: Burchard/ Triffterer/Vogel, S. 175, 176 f. („direct involvement“ und „indirect involvement“ durch „material“ oder „financial support“). 21 Clapham/Jerbi, Hastings Int’l & Comp. L. Rev. 24 (2001), 346 („… directly complicit in human rights abuses where it decides to participate through assistance in the commission of human rights abuses and that assistance contributes to the commission of the human rights abuses by another.“); zust. Ramasastry, BerkJIntL 20 (2002), 102. 22 Clapham/Jerbi, Hastings Int’l & Comp. L. Rev. 24 (2001), 347: „… the business need not cause the harm for it to become tainted by the abuses.“; auch Ramasastry, BerkJIntL 20 (2002), 102 f., die dazu den Fall Doe v. Unocal 17

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II. Beteiligung von Unternehmen an vo¨lkerstrafrechtlichem Unrecht

- stille Beihilfe (silent complicity): „when the company is silent or inactive in the face of systematic or continuous human rights abuse“.23 Diese Beihilfeformen sind allerdings nicht gleichermaßen strafrechtlich relevant; insbesondere die „stille Beihilfe“ hat eher eine „moral dimension“24 als dass sie eine strafrechtliche Haftung begru¨nden ko¨nnte25 und verweist insoweit auch den untechnischen „complicity“ Begriff zuru¨ck.26 Wir werden auf konkrete Fallgruppen im Rahmen der Diskussion der Strafbarkeit der Beihilfe zuru¨ckkommen (infra V. 2. c)).

(Zwangsarbeit und Zusammenarbeit mit der burmesischen Milita¨rdiktatur im ¨ lindustrie) za¨hlt (132 ff.) und auf dieser Grundlage „beneficiary Rahmen der O complicity“ wie folgt definiert: „… an MNC’s [Multinational Corporation’s] knowledge of ongoing human rights violations, combined with its acceptance of direct economic benefit arising from the violations and continued partnership with a host government …“ (150). 23 Clapham/Jerbi, Hastings Int’l & Comp. L. Rev. 24 (2001), 347 f. („The notion of silent complicity reflects the expectation on companies that they raise systematic or continuous human rights abuses with the appropriate authorities.“); auch Ramasastry, BerkJIntL 20 (2002), 103 f. 24 Clapham/Jerbi, Hastings Int’l & Comp. L. Rev. 24 (2001), 348. 25 Vgl. auch UN Global Compact, Principle 2, o. Fn. 20: „This is the most controversial type of complicity and is least likely to result in legal liability.“ Gegen eine Haftung aufgrund silent complicity auch Stoitchkova (2010), S. 134 – 7, 137 f. 26 Vgl. o. Fn. 14.

III. Vo¨lkerstrafrechtliche Praxis 1. Nu¨rnberg Historische Pra¨zedenzfa¨lle sind die Nu¨rnberger Nachfolgeprozesse gegen Flick,27 Krupp,28 I.G. Farben,29 die Bankmitarbeiter Puhl und Rasche im Rahmen des Wilhelmstraßenprozesses30 und der Zyklon-B-Fall;31 bedeutsam, allerdings wenig beachtet, ist auch das Verfahren gegen neun Angestellte der japanischen Minenfirma Nippon wegen der Zwangsarbeit von Kriegsgefangenen vor dem britischen Kriegsgericht in Hongkong.32 In all diesen Verfahren standen hochrangige Industrielle bzw. Bankmitarbeiter, also natu¨rliche Personen, wegen ihrer Beteiligung an den Verbrechen des nationalsozialistischen Regimes bzw. der japanischen Regierung vor Gericht, doch ging es auch um die – jedenfalls moralische – Verantwortung der deutschen Wirtschaft als Ganzes und einiger Unternehmen im Besonderen.33 Insofern kann man sagen, dass die kollektive Verantwortlichkeit der fu¨hrenden deutschen Unternehmen – genauer gesagt, der Vorwurf ihrer kollektiven Verantwortlichkeit als Teil einer „umfassenden

27 U.S. v. Friedrich Flick et al., Trials of War Criminals before the Nuremberg Military Tribunals under Control Council Law No 10 (TWC), Vol. VI, US Government Printing Office 1952 („The Flick Case“). 28 U.S. v. Alfried Krupp et al., TWC, Vol. IX, 1950 („The Krupp Case“); dazu Ramasastry, BerkJIntL 20 (2002), 108 ff. 29 U.S. v. Krauch et al., TWC, Vol. VII und VIII (Urteil), 1953 („The I.G. Farben Case”); dazu Ramasastry, BerkJIntL 20 (2002), 106 ff. 30 U.S. v. von Weizsa¨cker et al., TWC, Vol. XIV („The Ministries Case“), 1951, 467 ff., 609 – 21 (Puhl), 621 f (Rasche); zu Rasche Ramasastry, BerkJIntL 20 (2002), 112 f. 31 British Military Court, Hamburg, Case No. 9, The Zyklon B Case. Trial of Bruno Tesch and two others, 1946. 32 Dazu Ramasastry, BerkJIntL 20 (2002), 114 ff. m.w.N. 33 Vgl. Priemel (2016), S. 170 ff. (insbes. zum Krupp-Verfahren); zusf. ders., in: Jeßberger/Kaleck/Singelnstein, S. 25, 29 ff.; auch Thurner (2012), S. 212 ff.

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III. Vo¨lkerstrafrechtliche Praxis

Kriegswirtschaftsorganisation“34 – den Subtext der Verfahren gegen deren Repra¨sentanten bildete.35 Natu¨rlich a¨ndert dies nichts an der formaljuristischen Beschra¨nkung auf die Verfolgung von Einzelpersonen, wie sie sich insbesondere aus Art. 6 des Statuts des Internationalen Milita¨rgerichtshofs (IMG-Statut) 36 ergibt.37 Auch die Mo¨glichkeit der Kriminalisierung bestimmter Organisationen (Art. 9 IMG-Statut) 38 – die einzige Nu¨rnberger Vorschrift zur Kollektivverantwortlichkeit39 – hilft in unserem Zusammenhang nicht weiter, denn diese Mo¨glichkeit wurde nur fu¨r politische und gerade nicht rein wirtschaftliche Organisationen genutzt40 und ¨ brigen diente war – entgegen Adam41 – auch nur dafu¨r vorgesehen. Im U diese Vorschrift nur der Vorbereitung der Verurteilung der Mitglieder 34 Priemel, in: Jeßberger/Kaleck/Singelnstein, S. 29, auch 44 („spezifisch nationalsozialistische Form der Public Private Partnership“). 35 Zu den vier Erkla¨rungsansa¨tzen der Anklagebeho¨rde insoweit vgl. Priemel (2016), S. 165; vgl. auch ders., in: Jeßberger/Kaleck/Singelnstein, S. 36 ff., 42 ff. (wo er zwar darauf hinweist, dass an eine „Verfolgung der Firma … offenbar nicht gedacht“ wurde [36 f.], aber zugleich die Bemu¨hungen einer Erfassung der Verantwortlichkeit der Unternehmen als solche, insbesondere durch den „institutional approach“ Drachslers [37 ff.], und die faktische Gleichsetzung individuellen und korporativen Handelns, etwa durch Telford Taylor [50]). Vgl. auch Stoitchkova (2010), S. 102 („essentially deemed the corporations responsible …“); Ramasastry, BerkJIntL 20 (2002), 108, 112 u. passim („Tribunal’s focus on the actions of the corporate entity“ [108], „attribution of criminal liability“ zu Unternehmen [Krupp], welches als „prime actor and perpetrator“ der Verbrechen erscheine [108], „attributed intent to the corporate entity …“ [112]); Kathollnig (2016), S. 142 f. (indirekt u¨ber Unternehmenspolitik geurteilt). 36 8 August 1945, UN Treaty Series (UNTS) 82 (1951) 280. 37 Aburteilung der „major war criminals“ bzw „persons“, „die im Interesse der der europa¨ischen Achse angeho¨renden Staaten als Einzelpersonen oder als Mitglieder einer Organisation oder Gruppe […] Verbrechen begangen haben“. 38 Die Vorschrift lautet in ihrem entscheidenden ersten Satz: „In dem Prozess gegen ein Einzelmitglied einer Gruppe oder Organisation kann der Gerichtshof (in Verbindung mit irgendeiner Handlung, deretwegen der Angeklagte verurteilt wird) erkla¨ren, dass die Gruppe oder Organisation, deren Mitglied der Angeklagte war, eine verbrecherische Organisation war.“ 39 Na¨her Adam (2015), S. 38 ff. 40 International Military Tribunal Nuremberg (IMT), Trial against the Major War Criminals Vol. I, 257: „The Indictment asks that the Tribunal declare to be criminal the following organizations: The Leadership Corps of the Nazi Party; the Gestapo; the SD; the SS; the SA; the Reich Cabinet, and the General Staff and High Command of the German Armed Forces.“ 41 Adam (2015), S. 51 f.

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dieser Organisationen wegen Mitgliedschaft (Art. 10 IMG-Statut),42 also ging es auch insoweit letztlich um individuelle Verantwortlichkeit.43 Gleichwohl wird man sagen ko¨nnen, dass in Art. 9 IMG-Statut und in der entsprechenden Feststellung der Kriminalita¨t von vier Nazi-Organisationen (Fu¨hrungskorps der NSDAP, Gestapo, SD und SS) 44 die Anerkennung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit auch privater juristischer Personen zumindest angelegt war.45 Insbesondere im I.G. Farben-Prozess46 wurde die Gefa¨hrlichkeit unternehmerischer Beteiligung an vo¨lkerrechtlichen Verbrechen explizit anerkannt und zwar durchaus im Sinne einer kollektiven Verantwortlichkeit des Unternehmens als solchem: „Where private individuals, including juristic persons, proceed to exploit the military occupancy by acquiring private property against the will and consent of the former owner, such action … is in violation of international law. … Similarly where a private individual or a juristic person becomes a party to unlawful confiscation of public or private property … acquisition under such circumstances subsequent to the confiscation constitutes conduct in violation of the Hague Regulations.“47 „With reference to the charges in the present indictment concerning Farben’s activities in Poland, Norway, Alsace-Lorraine, and France, we find that the proof establishes beyond a reasonable doubt that offenses against property … were committed by Farben, and that these offenses were connected with, and an inextricable part of the German policy for occupied countries as above described. … The result was enrichment of Farben … at the expense of the former owners.

42 Insoweit darf nicht u¨bersehen werden, dass die bloße Mitgliedschaft fu¨r eine strafrechtliche Haftung nicht ausreichte, sondern Kenntnis von den verbrecherischen Zielen der Organisation oder perso¨nliche Beteiligung an deren Taten vorliegen musste, vgl. IMT, Trial against the Major War Criminals Vol. I, 256: „[…] exclude persons who had no knowledge of the criminal purposes or acts of the organization […] unless they were personally implicated in the commission of acts declared criminal by Article 6 of the Charter as members of the organization. Membership alone is not enough to come within the scope of these declarations.“ 43 Vgl. auch Meyer, ZStW 126 (2014), 122 f. 44 IMT, Trial against the Major War Criminals Vol. I, S. 257 ff. 45 Insoweit zutr. Adam (2015), S. 51, 53 (Nu¨rnberger Modell als Ursprung). 46 Zur IG Farben im Dritten Reich und dem Verfahren krit. Jeßberger, JZ 2009, 924 ff.; ders., JICJ 8 (2010), 783 ff.; auch Adam (2015), S. 55 ff. 47 TWC, Vol. VIII, S. 1132 f. (Herv K.A.).

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III. Vo¨lkerstrafrechtliche Praxis Such action on the part of Farben constituted a violation of the Hague Regulations.“48 „One cannot condone the activities of Farben in the field of spoliation. If not actually marching with the Wehrmacht, Farben at least was not far behind.“49

Der letzte, beru¨hmte Satz erkla¨rt sich aus der zentralen Bedeutung der IG Farben fu¨r die Versorgung des Milita¨rs mit synthetisiertem Gummi und Kraftstoff, wofu¨r das Unternehmen etwa 300.000 Personen, etwa die Ha¨lfte davon sogenannte Fremd- oder Sklavenarbeiter, bescha¨ftigte.50 Im ¨ brigen war es das Ziel des Verfahrens – gleichsam in einem zweiten U Schritt51 –, die angeklagten Fu¨hrungsfiguren des Unternehmens – allesamt Mitglieder von Vorstand und Aufsichtsrat – als „Genera¨le in Nadelstreifenanzu¨gen“ („generals in grey suits“) 52 darzustellen und so ein repra¨sentatives Bild des fu¨r die NS- Kriegsmaschinerie unverzichtbaren Industriellen zu zeichnen. Von den 23 Angeklagten wurden 13 wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Form von Plu¨nderung und Aneignung fremden Eigentums sowie der Beteiligung am Sklavenarbeitsprogramm verurteilt;53 die Lieferung des Giftgases Zyklon B an Konzentrationslager blieb jedoch – mangels nachweisbarer Kenntnis der Angeklagten von seiner to¨dlichen Verwendung – ohne strafrechtliche Konsequenzen.54 Die Angeklagten wurden auch bezu¨glich der Beteiligung 48

TWC, Vol. VIII, S. 1140 (Herv K.A.). TWC, Vol. VIII, S. 1153 (Herv K.A.). 50 O.g. Zahl bei Jeßberger, JZ 2009, 925; bei dems., JICJ 8 (2010), 785 ist die Rede von 150.000 Bescha¨ftigten, davon ein Drittel Sklaven- oder Fremdarbeiter. Vgl. auch Hayes, in: Fritz Bauer Institut, S. 99 ff. (der von 330.000 Bescha¨ftigten spricht, davon etwa die Ha¨lfte Sklaven- oder Fremdarbeiter). 51 Vgl. Adam (2015), S. 56, der ein zweischrittiges Vorgehen des Tribunals ausmacht: zuna¨chst Feststellung der Verantwortlichkeit der I.G. Farben und sodann der Angeklagten. 52 So der Titel der „Abrechnung“ von Ankla¨ger DuBois mit dem Verfahren: Generals in grey suits, 1953. 53 TWC, Vol. VIII, S. 1205 – 1209. 54 TWC, Vol. VIII, S. 1169 (zwar wurden nachweislich „large quantities of Cyclon-B … supplied to the SS by Degesch and that it was used in the mass extermination of inmates of concentration camps, including Auschwitz“, doch waren die Richter nicht u¨berzeugt, dass die Angeklagten had knowledge of the criminal purposes to which this substance was being put“. Im Gegenteil: „Any such conclusion is refuted by the well-known need for insecticides wherever large numbers of displaced persons, brought in from widely scattered regions, are confined in congested quarters lacking adequate sanitary facilities.“). Dazu auch Nerlich, JICJ 8 49

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¨ berzeuam Angriffskrieg freigesprochen, da das Gericht erstens zu der U gung gelangte, dass niemand von ihnen von den wahren Pla¨nen Hitlers wusste, und zweitens das Verbrechen bereits tatbestandlich auf die poli¨ brigen wurde tische und milita¨rische Fu¨hrungsebene beschra¨nkt sei.55 Im U der Nachweis perso¨nlicher Schuld gefordert, der sich nicht aus der bloßen Mitgliedschaft im Vorstand ableiten lasse.56 Zusammenfassend kann man damit festhalten, dass schon in Nu¨rnberg die erhebliche Bedeutung unternehmerischer Beteiligung an vo¨lkerrechtlichen Verbrechen – sei es durch direkte Tatbegehung oder durch Unterstu¨tzung des NS-Regimes57 – deutlich zu Tage getreten ist. Diese Beteiligung geht mit einer Risikoerho¨hung durch komplizenartige unternehmerische Strukturen einher.58 Eine Pra¨zedenzwirkung in Bezug auf eine Strafbarkeit von Unternehmen kann man damit der Nu¨rnberger Rechtsprechung zwar nicht direkt,59 aber doch zumindest insoweit entnehmen, als politische Organisationen fu¨r kriminell erkla¨rt wurden und – auf dieser Grundlage – in den Nachfolgeverfahren, jedenfalls indirekt, eine – auch strafrechtliche – Verantwortlichkeit der betreffenden Unternehmen 60 oder doch jedenfalls ihre „capacity to violate international law“61 anerkannt wurde. Somit kann man schon dieser vo¨lkerstrafrechtlichen Praxis eine – jedenfalls im Entstehen befindliche – Verpflichtung von Unternehmen

(2010), 901 f.; Michalowski, Texas Int.L.J. 50 (2015) 403, 462 (den Unterschied zum sog. Zyklon B-Verfahren betonend, wo die Kenntnis der Angeklagten angenommen und diese deshalb verurteilt wurden). 55 TWC, Vol. VIII, S.1096 ff., 1125 ff. 56 TWC, Vol. VIII, S. 1106 ff. 57 Vgl. auch Kaleck/Saage-Maaß, JICJ 8 (2010), 702. 58 Vgl. insoweit auch Karstedt, in: Jeßberger/Kaleck/Singelnstein, S. 170 f. („Komplizenschaft von Staat und Wirtschaft“ als typisches Merkmal dieser Form von Unternehmenskriminalita¨t). 59 Ablehnend auch Meyer, ZStW 126 (2014), 122 f. (die individuelle Verantwortlichkeit betonend); eher restriktiv auch Asholt, in: Jeßberger/Kaleck/Singelnstein, S. 61, 67 ff. (Entscheidung gg. o.g. institutionellen Ansatz, Betonung individueller Schuldnachweis). 60 ¨ Ahnlich Engelhart, in: Burchard/Triffterer/Vogel, S. 180, der zwar keinen Pra¨zedenzfall annehmen will, aber von einem „first attempt“ spricht, „to create a model that directly aimed at a criminal grouping as such and branded the entity itself as criminal.“; offenlassend Priemel, in: Jeßberger/Kaleck/Singelnstein, S. 28, 59 f. 61 ILA (2014), S. 11 mit Fn. 58.

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III. Vo¨lkerstrafrechtliche Praxis

entnehmen, „to refrain from committing acts that constitute international crimes“.62

2. Aktuelle Praxis a) Supranationale Ebene Derzeit gibt es kein internationales Straftribunal, das Unternehmen als ¨ brigen dem solche strafrechtlich aburteilen ko¨nnte. Dies entspricht im U geltenden (harten) Vo¨lkerrecht, das zwar eine (kollektive) Verantwortlichkeit von Staaten,63 insbesondere mit Blick auf den Schutz der Menschenrechte ihrer Bu¨rger64 anerkennt, eine solche bezu¨glich nicht-staatlicher Akteure, zu denen auch Unternehmen geho¨ren,65 aber grundsa¨tzlich ablehnt66 und allenfalls bezu¨glich bewaffneter Gruppen bejaht.67 62

ILA (2014), S. 11. ILC (2001), vol. II, Part Two. Dabei handelt es sich freilich (auch) nicht um eine strafrechtliche Verantwortlichkeit, vgl. van den Herik, in: Burchard/Triffterer/ Vogel, S. 155 (158 ff.). 64 Zu den (positive) obligations unter dem Int. Pakt fu¨r bu¨rgerliche und politische Recht s. etwa Human Rights Council (HRC), General Comment 31; zum Int. Pakt fu¨r wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte insoweit vgl. etwa CESCR, General Comment 24, para. 7 ff. 65 Vgl. schon oben unter I. bei Fn. 2. 66 Vgl. allg. etwa ILA (2014), S. 12 (nur „,soft‘ legitimate expectations“, „moral responsibility and societal expectation“); i.E. ebenso (allerdings krit.) Thurner (2012), S. 35 ff. (54 f.: „menschenrechtlichen Normen nicht direkt unterworfen“, Vo¨lkerrechtssubjektivita¨t „ungekla¨rt“). 67 Zur menschenrechtlichen Verantwortlichkeit bewaffneter Gruppen s. die grundlegende Untersuchung von Fortin (2017), S. 359 ff. u. passim. Sie betont auf der Grundlage einer gru¨ndlichen Analyse der unklaren und teils widerspru¨chlichen Rechtslage u. Praxis die komplementa¨re Funktion der Menschenrechte fu¨r das allta¨gliche Leben der Bevo¨lkerung in Konfliktzonen („life goes one driver“), wobei der menschenrechtliche Schutz den „most added value“ in Situationen territorialer Kontrolle oder dort bringe, wo die Schwelle eines bewaffneten Konflikts noch nicht erreicht sei (Part I, zusf. S. 359 ff. [366, 391]). Die Rechtsperso¨nlichkeit bewaffneter Gruppen sei fallabha¨ngig „along a spectrum“ und unter Ru¨ckgriff auf harte rechtliche Maßsta¨be, insbesondere des humanita¨ren Vo¨lkerrechts, zu bestimmen, na¨mlich mit Blick auf die Kapazita¨t, den Organisationsgrad und die „Internationalita¨t“ der bewaffneten Gruppe und der relevanten Konfliktsituation (Part II, S. 366 ff.). Zeitpunkt und Art („when and how“) einer menschenrechtlichen Bindung erga¨ben sich vor allem aus territorialer Kontrolle (wo eine bewaffnete Gruppe ha¨ufig den 63

2. Aktuelle Praxis

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Das ergibt sich zuna¨chst daraus, dass vo¨lkerrechtliche, einschließlich menschenrechtliche Vertra¨ge nur Staaten verpflichten, weshalb der UNMenschenrechtsrat auch eine Arbeitsgruppe zur Schaffung eines (transnationale) Unternehmen direkt bindenden vo¨lkerrechtlichen Vertrags gegru¨ndet hat68 – eine durchaus kontroverse Initiative.69 Auf soft lawStaat als Ordnungsmacht ersetzt, „principle of effectiveness“ i.V.m. „bottom-up approach“ zum Schutz der lokalen Bevo¨lkerung) und – auch jenseits solcher Kontrolle – aus der Fa¨higkeit, Verbrechen gg. die Menschlichkeit zu begehen (weil sich daraus ein organisatorischer Mindeststandard ergebe); Vo¨lkervertragsrecht sei hingegen unergiebig und Vo¨lkergewohnheitsrecht mu¨sse – unter Beachtung der genannten Kriterien – explizit auf bewaffnete Gruppen fu¨r anwendbar erkla¨rt worden sein (Part III, S. 374 ff.). Ju¨ngst fu¨r eine Befugnis von non-state actors „[to] create international rights and obligations through unilateral law-making processes“ Sergeev, German Law Journal (GLJ) 19 (2018), 65, wobei er allerdings – ohne eine explizite Definition zu liefern – darunter nur „major collective entities“ (ebd., 66) iSv Volksgruppen versteht, also wohl keine Unternehmen. 68 Open-ended intergovernmental working group on transnational corporations and other business enterprises with respect to human rights, eingerichtet am 26. 6. 2014, vgl. http://www.ohchr.org/EN/HRBodies/HRC/WGTransCorp/Pages/IG WGOnTNC.aspx (zuletzt abgerufen am 25. 3. 2018). Dort finden sich auch zahlreiche Berichte der Working Group, etwa ihren „Report on the first session“, A/ HRC/31/50, 5. 2. 2016, wo sich bei para. 37 ff. Stellungnahmen von Regierungsvertretern zur Notwendigkeit der Schaffung eines vo¨lkerrechtlich verbindlichen ˇ ernicˇ/ Menschenrechtsinstruments finden. Zur Genese auch Deva, in: Letnar C Carrillo-Santarelli, S. 13 ff.; zur lateinamerikanischen Position Cantu´ Rivera, in: ebd., S. 163, 165 ff.; zur (krit.) europ. Position Letnar Cˇernicˇ, in: ebd., S. 229 ff. 69 Vgl. ju¨ngst Letnar Cˇernicˇ/Carrillo-Santarelli, in: dies., S. 1 ff., die auf die unterschiedlichen Auffassungen und „disagreements“ – von der grds. Infragestellung der Notwendigkeit eines solchen Vertrags bis zur menschenrechtlichen Pflicht seiner Schaffung – hinweisen und entsprechende Beitra¨ge mit den grds. Argumenten, dem mo¨glichen Inhalt eines solchen Vertrags und Alternativen vorlegen. Sie selbst pla¨dieren i.E. fu¨r einen solchen Vertrag, weil er „would have the benefit of being hard law … generating a ,common‘ binding instrument, and … could complement… the Guiding Principles, and … insist on States retaining their obligations“, womit insgesamt die individualrechtliche Perspektive („individuals … at the centre of a human rights analysis of protection from corporate conduct“ [Herv.iOriginal]) gesta¨rkt werde (Conclusion, in ebd., S. 299 ff., 300); sie fordern eine weite ratione personae u. materiae jurisdiction u. die Regelung von „10 essential points“ (ebd., S. 301 ff.); fru¨her schon fu¨r einen vo¨lkerstrafrechtlichen Vertrag mit „Po¨nalisierung“ von „Missverhalten“ u. entsprechender Gerichtsbarkeit Thurner (2012), S. 67 ff., ˇ ernicˇ/Carrillo-Santarelli, S. 111 ff. 211, 279 f.; krit. aber etwa Van Ho, in: Letnar C (traditioneller, staatszentrierter Ansatz effektiver fu¨r Opfer). Rechtlich besonders problematisch ist die Frage einer direkten Bindung von Unternehmen, sollte dies u¨berhaupt gewu¨nscht sein (dazu auch Letnar Cˇernicˇ/Carrillo-Santarelli, in: ebd.,

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III. Vo¨lkerstrafrechtliche Praxis

Ebene ist jedenfalls seit der Annahme der UN „Guiding Principles on Business and Human Rights“ („Ruggie principles“) 70 durch den UNMenschenrechtsrat71 eine deutliche Tendenz zur Anerkennung menschenrechtlicher Verpflichtungen von Unternehmen erkennbar, was sich u. a. auch in der Aufnahme eines – daran orientierten – „Human Rights Chapter“ in der OECD-Neuauflage der Richtlinien fu¨r multinationale Unternehmen,72 der ILO-Declaration zur sozialpolitischen Verantwortlichkeit multinationaler Unternehmen,73 der Corporate Social Responsibility (CSR) Strategie der EU-Komission74 und der Implementation im Rahmen der OAS75 zeigt. Die Guiding Principles selbst haben – zwischen „foundational“ und „operational principles“ unterscheidend76 – eine eigensta¨ndige Verantwortung von Unternehmen „to respect human rights“ anerkannt,77 womit gemeint ist, dass sie „should avoid infringing on the human rights of others and should address adverse human rights impacts with which they are involved.“78 Konkreter bedeutet dies, dass Unternehmen verpflichtet sind, [to] „(a)void causing or contributing to adverse human rights impacts through their own activities, and address such impacts when they occur; (b) Seek to prevent or mitigate adverse human rights S. 304 f.; dafu¨r Carrillo-Santarelli, in: ebd., S. 33 ff.), sowie die Identifizierung der zu erfassenden Unternehmen (dazu Thurner (2012), S. 59 ff., 220, der selbst auf den Umsatz abstellen will). 70 HRC, Guiding Principles, S. 6 ff. 71 HRC, Res. 17/4 vom 16. 6. 2011. 72 OECD (2011), Ch. IV (S. 31 ff.). 73 ILO, Tripartite Declaration of Principles concerning Multinational Enterprises and Social Policy (MNE Delcaration) – 5th edition (2017), abrufbar unter http://www.ilo.org/empent/areas/mne-declaration/lang-en/index.htm, zuletzt abgerufen am 1. 4. 2018. 74 Vgl. http://ec.europa.eu/growth/industry/corporate-social-responsibility_de (zuletzt abgerufen am 25. 3. 2018). Siehe auch CoE, Human Rights and Business, Recommendation CM/Rec(2016)3 of the Committee of Ministers to Member States adopted on 2 March 2016 sowie EP resolution of 25 October 2016 on corporate liability for serious human rights abuses in third countries (2015/2315 (INI)). 75 Vgl. Cantu´ Rivera, S. 170 ff. 76 HRC, Guiding Principles, principles 11 – 15 und 16 – 24. 77 HRC, Guiding Principles, principle 11. Unter „Menschenrechten“ werden dabei die „internationally recognized human rights“, einschließlich der von der ILC anerkannten Arbeitsrechte verstanden, ebd., principle 12. 78 HRC, Guiding Principles, principle 11.

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impacts that are directly linked to their operations, products or services by their business relationships, even if they have not contributed to those impacts.“79 Diese Verantwortlichkeit „applies to all enterprises regardless of their size, sector, operational context, ownership and structure“.80 Um ihrer Verantwortung gerecht zu werden, mu¨ssten Unternehmen „policies and processes appropriate to their size and circumstances“ etablieren.81 Im Rahmen der o.g. operativen Prinzipien werden insbesondere menschenrechtliche Sorgfaltspflichten („human rights due diligence“) begru¨ndet, wonach Unternehmen Verfahren entwickeln sollten, u. a. um „assessing actual and potential human rights impacts, integrating and acting upon the findings, tracking responses, and communicating how impacts are addressed“.82 Auf ho¨chster vo¨lkerrechtlicher Ebene ist insoweit die Beachtung einer „supply chain due diligence“ vom UN-Sicherheitsrat bezu¨glich der Demokratische Republik Kongo angemahnt worden.83 Daru¨ber hinausgehend hat die OECD im Jahre 2011 – parallel zur expliziten Beru¨cksichtigung in ihren allgemeinen Richtlinien84 – eine „Due Diligence 79

HRC, Guiding Principles, principle 13. HRC, Guiding Principles, principle 14. Allerdings ko¨nne „the scale and complexity of the means through which enterprises meet that responsibility … vary according to these factors and with the severity of the enterprise’s adverse human rights impacts.“ (ebd.). 81 HRC, Guiding Principles, principle 15. 82 HRC, Guiding Principles, principle 17 sowie principles 18 – 21; krit. zur fehlenden Unterscheidung zwischen dem Management von „business risks“ und dem „standard of conduct required to discharge any obligation“ Bonnitcha/ McCorquodale, Concept, EJIL 28 (2017), 899 ff. (und selbst eine Kla¨rung des Verha¨ltnisses dieser beiden Aspekte vorschlagend); Replik von Ruggie/Sherman, Reply, EJIL 28 (2017), 921 ff. (923 ff.); Duplik von Bonnitcha/McCorquodale, Rejoinder, EJIL 28 (2017), 929 ff. Zur mo¨glichen Konkretisierung durch das interamerikanische Menschenrechtssystem Cantu´ Rivera, S. 180 ff. 83 UN Security Council Resolution 1952 (2010), para. 6 ff., wo die entsprechenden Empfehlungen einer Expertengruppe angenommen und alle Staaten dazu aufgerufen werden „to take appropriate steps to raise awareness of the due diligence guidelines …, and to urge importers, processing industries and consumers of Congolese mineral products to exercise due diligence by applying … the following steps …: strengthening company management systems, identifying and assessing supply chain risks, designing and implementing strategies to respond to identified risks, conducting independent audits, and publicly disclosing supply chain due diligence and findings;“ (para. 8). 84 OECD (2011), S. 4 („new and comprehensive approach to due diligence and responsible supply chain management representing significant progress relative to 80

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III. Vo¨lkerstrafrechtliche Praxis

Guidance“ bezu¨glich Mineralien aus Konfliktgegenden verabschiedet,85 deren Ziel es ist – als „first example of a collaborative government-backed multi-stakeholder initiative on responsible supply chain management of minerals from conflict-affected areas“ –, „to help companies to respect human rights and avoid contributing to conflict through their mineral sourcing practices“.86 Auf regionaler Ebene ist dies in einer EU-Verordnung aufgegriffen worden,87 die ein “Unionssystem fu¨r die Erfu¨llung der Sorgfaltspflicht in der Lieferkette“ errichtet, um „die Mo¨glichkeiten fu¨r bewaffnete Gruppen und Sicherheitskra¨fte zum Handel“ mit den entsprechenden Rohstoffen „einzuschra¨nken“.88 EU-Importeure solcher Rohstoffe sind zur „compliance“ mit diesen Sorgfaltspflichten mit Blick auf „Managementsystem“, „Risikomanagementpflichten“, „Pru¨fungen durch Dritte“ und „Offenlegung“89 sowie die Mitgliedstaaten zur Errichtung nationaler Kontrollbeho¨rden verpflichtet.90 In diesem Zusammenhang verdient auch die im Jahre 2014 eingefu¨hrte Berichtspflicht von Unternehmen bestimmter Gro¨ße (mehr als 500 Mitarbeiter im Durchschnitt des Gescha¨ftsjahrs) mit Blick auf „Umwelt-, Sozial, und Arbeitnehmerbelange, auf die Achtung der Menschenrechte und auf die Beka¨mpfung von Korruption und Bestechung …“ Erwa¨hnung.91 Last but not least existieren

earlier approaches“), auch S. 20, 23 f. sowie die Empfehlung der Einrichtung von „national contact points“, S. 68. 85 OECD (2016) (mit Erweiterung auf alle Mineralien, ebd., S. 4). 86 OECD (2016), S. 3. 87 Verordnung (EU) 2017/821 des Eur. Parlaments und des Rates vom 17. 5. 2017 zur Festlegung von Pflichten zur Erfu¨llung der Sorgfaltspflichten in der Lieferkette fu¨r Unionseinfu¨hrer von Zinn, Tantal, Wolfram, deren Erzen und Gold aus Konflikt- und Hochrisikogebieten, Abl. EU L 130/1, 19. 5. 2017. Vgl. auch CoE, Recommendation CM/Rec(2016)3, para. 20, 22, 27, 28, 64; EP resolution of 25 October 2016, para. 6, 19 u. passim. 88 Verordnung (EU) 2017/821, Art. 1 Abs. 1. 89 Ebd., Art. 3 – 5, 7. 90 Ebd., Art. 10. 91 Richtlinie 2014/95/EU des Eur. Parlaments und des Rats vom 22. 10. 2014 zur A¨nderung der Rl. 2013/34/EU im Hinblick auf die Angabe nichtfinanzieller und die Diversita¨t betreffender Informationen durch bestimmte große Unternehmen und Gruppen, Abl EU L 330/1 v. 15. 11. 2014, Art. 1 Abs. 1 (Einfu¨hrung von Art. 19a). Umsetzung in Deutschland durch „Gesetz zur Sta¨rkung der nichtfinanziellen Berichterstattung der Unternehmen in ihren Lage- und Konzernlageberichten (CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz)“, BGBl 2017 I 802 (A¨nderungen

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inzwischen auch nationale Gesetze, die der Erfu¨llung menschenrechtlicher Sorgfaltspflichten im Wirtschaftsverkehr dienen.92 Die in den Guiding Principles verankerte unternehmerische Verantwortlichkeit wird allerdings eher moralisch als rechtlich verstanden, na¨mlich als „distinct from issues of legal liability and enforcement, which remain defined largely by national law provisions in relevant jurisdictions“.93 Gleichwohl haben sich die Guiding Principles und die weiteren soft law Instrumente als solide Grundlage fu¨r die zunehmende Anerkennung einer auch (menschen)rechtlichen Verantwortlichkeit von Unternehmen erwiesen.94 So a¨ußerte der Ausschuss zur Kinderrechtskonvention, ¨ sterreich Soyer, in: Kert/Lehner, S. 120. Zur Bedeutung solcher BeHGB); zu O ¨ stAnwbl 2016, 597. richtspflichten Se´gur-Cabanac, O 92 Vgl. etwa den UK Modern Slavery Act 2015 (Verpflichtung eines „slavery and human trafficking statement“, sect. 54), das franzo¨sische Gesetz zur „devoir de vigilance“ (dazu u. Fn. 234) sowie den niederla¨ndischen Entwurf eines „Wet Zorgplicht Kinderarbeid“; zu menschenrechtlichen compliance Pflichten aufgrund Art. 102 schwStGB im Zhg. mit dem Nestle-Verfahren vgl. Bundesgericht, 6B_7/ 2014, Arreˆt du 21 juillet 2014, Erwa¨g. 3.4.3; fu¨r eine „allgemeine Sorgaltspru¨¨ stAnwbl 2016, 582; fu¨r die Verankerung einer solchen fungspflicht“ Haumer, O Pflicht im schweiz. Recht s. die „Konzernverantwortungsinitiative“ unter http://kon zern-initiative.ch/die-initiative/initiativtext/, (zuletzt abgerufen am 25. 3. 2018); zu Reformbemu¨hungen auch Bueno/Scheidt, S. 23 ff. 93 HRC, Guiding Principles, principle 12; in diesem Sinne auch ILA (2014), ¨ stAnwbl 2016, 574, 576. S. 12; Clapham, in: Moeckli et al., S. 568; Kubiciel, O 94 Vgl. na¨her Clapham, in: Moeckli et al., S. 568 ff. („move towards accountability“); fru¨her schon ders., JICJ 6 (2008), 899 ff.; ebenso Savaresi/Cismas/Hartmann, EJIL Talk Dec. 22, 2017; s. auch Ko¨ster (2010), S. 24 ff. (kein prinzipieller Ausschluss von Vo¨lkerrechtssubjektivita¨t [154]), 268 ff. (zwar keine allg. Bindung an Menschenrechte aber vo¨lkervertraglich und -gewohnheitsrechtlich begru¨ndbar, wie im Fall des Sklaverei- und Zwangsarbeitsverbots u. der Piraterie, sowie an vstr Verhaltensnormen [u. Fn. 137], so dass „Ausgangspunkt fu¨r die weitere Entwicklung“ [270]); Thurner (2012), S. 36 ff., 57 ff., 209 f., 218 f. (u. a. auf beschra¨nkte Vo¨lkerrechtssubjektivita¨t in sog. internationalisierten Vertra¨gen, mit denen Unternehmen zu Vertragspartnern im Investitionsbereich werden, und im Umweltvo¨l¨ , und das vr Effektivita¨tsprinzip verkerrecht, zB aufgrund Art. 137 Abs. 1 SRU weisend sowie – folgerichtig – die zwischenstaatliche oder multinationale Verleihung einer zumindest beschra¨nkten Vo¨lkerrechtssubjektivita¨t fordernd); Carrillo-Santaˇ ernicˇ/Carrillo-Santarelli, S. 34, 44 ff., 54 ff.; Letnar Cˇernicˇ/Carrillorelli, in: Letnar C Santarelli, in: ebd., S. 301; Ryngaert, CLF 29 (2018), 1 (17); aus rechtspolit. Sicht fu¨r (eingeschra¨nkte) Vo¨lkerrechtssubjektivita¨t Soyer, in: Kert/Lehner, S. 116 f.; ¨ stAnwbl 2016, 575 f. Kaleck/Saage-Maaß (2016) S. 45 ff.; grds. dagegen Kubiciel, O (kein Schluss von Sein auf Sollen).

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dass die entsprechenden Verpflichtungen „… extend in practice beyond the State and State-controlled services and institutions and apply to private actors and business enterprises“.95 A¨hnlich stellt der Ausschuss zum IPWSKR fest, dass „… under international standards, business entities are expected to respect Covenant rights regardless of whether domestic laws exist or are fully enforced in practice“.96 Der Interamerikanische Menschenrechtsgerichthof hat, ebenfalls unter Bezugnahme auf die Guiding Principles, gea¨ußert, dass „businesses must respect and protect human rights, as well as prevent, mitigate, and accept responsibility for the adverse human rights impacts directly linked to their activities“97 und zwar insbesondere mit Blick auf besonders schutzbedu¨rftige Gruppen der indigenen Bevo¨lkerung.98 Ganz im Sinne dieser Tendenz schla¨gt die UN-Vo¨lkerrechtskommission in ihrem Entwurf zu einem Vertrag zu Verbrechen gegen die Menschlichkeit die „liability of legal persons“ vor, allerdings „[S]ubject“ zum nationalen Recht und nicht unbedingt als strafrechtliche Verantwortlichkeit.99 Ju¨ngere europa¨ische Instrumente fordern auch eine strafrechtliche Verantwortlichkeit.100 Rechtsgrundsa¨tzlich la¨sst sich die menschenrechtliche Verantwortlichkeit von Unternehmen mit einem – von der vo¨lkerstrafrechtlichen Rechtsprechung zur Assimilierung von in95 Committee on the Rights of the Child (CRC), General Comment 16, CRC/C/ GC/16 (17 April 2013) para 8. 96 CESCR, para. 5 (unter Bezugnahme auf die Guiding Principles in Fn. 17). Deshalb, so der Ausschuss weiter, versuche dieser Kommentar „to assist the corporate sector in discharging their human rights obligations and assuming their responsibilities, thus mitigating any reputational risks that may be associated with violations of Covenant rights within their sphere of influence.“; ferner sollten Vertragstaaten „to require corporations to deploy their best efforts to ensure that entities … respect Covenant rights“ (ebd., para. 33); zust. Desierto, EJIL Talk Sept. 13, 2017. 97 IACtHR, Case of the Kalin˜a and Lokono Peoples v. Suriname, Judgment of Nov. 25, 2015, para. 224. 98 Ebd., para. 225: „… members of specific groups or populations, including indigenous and tribal peoples …“. 99 Vgl. Art. 5 Abs. 7 der vorla¨ufig verabschiedeten Artikel, in ILC (2017), S. 152 ff. (155: „Subject to the provisions of its national law, each State shall take measures, where appropriate, to establish the liability of legal persons for the offences referred to in this draft article. Subject to the legal principles of the State, such liability of legal persons may be criminal, civil or administrative.“). 100 CoE, Recommendation CM/Rec(2016)3, para. 44 („Criminal or equivalent liability…“); EP resolution of 25 October 2016, para. 25 („effective remedy“ auch zu „criminal courts“).

2. Aktuelle Praxis

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ternationalen und nicht-internationalen Konflikten schon vorgezeichneten101 – Perspektivwechsel von einem staatsorientierten zu einem menschenrechtszentrierten Versta¨ndnis der Menschenrechte begru¨nden, womit diese letztlich aus der Menschenwu¨rde – als unvera¨ußerlich, vom Staat unabha¨ngige Rechte – abgeleitet werden.102 Was nun die vo¨lkerstrafrechtliche Lage im engeren Sinne angeht, so konnte sich bei den UN Ad Hoc Tribunalen (ICTY, ICTR, SCSL) ein franzo¨sischer, an Art. 9, 10 IMG-Statut orientierter Vorschlag nicht durchsetzen,103 und in ihrer Rechtsprechung klang die Verantwortlichkeit einer juristischen Person nur im ICTR-Verfahren gegen den Radiosender RTLM an,104 wa¨hrend der SCSL zu den Verwicklungen der Diamantenindustrie („Blutdiamanten“) schwieg.105 Der IStGH wiederum ist nur fu¨r natu¨rliche Personen zusta¨ndig (vgl. Art. 25 IStGHS); immerhin erkennt Art. 25(3)(d) IStGHS die strafrechtliche Verantwortlichkeit krimineller Kollektive („group of persons“) zumindest implizit an, wird damit doch ein (sonstiger) Tatbeitrag zu solchen Gruppen – ganz im Sinne der Nu¨rnberger Haftung fu¨r die Unterstu¨tzung kriminell erkla¨rter Organisationen106 – kriminalisiert;107 darauf wird zuru¨ckzukommen sein (V. 1. und 2. b)).

101

ICTY, Prosecutor v Dusˇko Tadic´, Decision on the Defence Motion for Interlocutory Appeal, 10. 10. 1995, IT-94 – 1-AR 72, Rn. 71 ff.; dazu Ambos (2013), S. 13 m.w.N. 102 Vgl. schon Ambos, Oxf.J.of Legal Studies 33 (2013) 293, 298 ff.; ebenso Clapham, in: Moeckli et al., S. 559, 565; tendenziell auch Carrillo-Santarelli, in: ˇ ernicˇ/Carrillo-Santarelli, S. 44 ff. Letnar C 103 Vgl. Adam (2015), S. 60 f. 104 ICTR, Prosecutor v Nahimana et al., Urt. v. 3. 12. 2003, ICTR-99 – 52-T; dazu auch Adam (2015), S. 62 f. 105 Vgl. Adam (2015), S. 63. Zur Rolle des Diamantenhandels im Konflikt in Sierra Leone vgl. Report of the Truth & Reconciliation Commission Sierra Leone, Vol. 3B, insbes. paras. 72 ff., 89 ff. (zu beteiligten Unternehmen); auch Davidson (2016), S. 21 ff. 106 Vgl. etwa die Anerkennung einer Beihilfehaftung wegen Unterstu¨tzung der SS im Flick-Verfahren, TWC, Vol. VI, S. 1217 („One who knowingly by his influence and money contributes to the support thereof [of the SS] must, under settled legal principles, be deemed to be, if not a principal, certainly an accessory to such crimes.“ [Herv.K.A.]). Zur schwierigen Abgrenzung zur Haftung wg. Mitgliedschaft Burchard, JICJ 8 (2010), 936 f. Beachte, dass die bloße Mitgliedschaft nicht strafbar war, o. Fn. 42. 107 Vgl. na¨her Ambos (2018), § 7 Rn. 43 mwN.; ders. (2013), S. 166 ff.

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III. Vo¨lkerstrafrechtliche Praxis

Im Rahmen der IStGH-Verhandlungen wurde ein auf Vorschla¨ge des Vorbereitungsausschusses (Preparatory Committee) und Frankreichs zuru¨ckgehendes „Working Paper“ zur Etablierung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit juristischer Personen108 auf der ro¨mischen Staatenkonferenz 1998 im Ergebnis abgelehnt,109 weil keine einheitlichen Standards fu¨r eine solche Verantwortlichkeit existier(t)en, eine Verwa¨sserung des Grundsatzes individueller Verantwortlichkeit und erhebliche Beweisschwierigkeiten in Bezug auf Ermittlungen gegen oft multinational operierende Konzerne befu¨rchtet wurden, die den IStGH in seiner ohnehin limitierten Kapazita¨t zu u¨berfordern drohten;110 letztlich spielte auch Zeitmangel eine Rolle,111 aber ha¨tte der politische Wille zur Etablierung der 108

UN Doc. A/CONF. 183/C.1/WGGP/L.5/Rev.2, 251 f., „Working Paper on Article 23, Paragraphs 5 and 6 5. Without prejudice to any individual criminal responsibility of natural persons under this Statute, the Court may also have jurisdiction over a juridical person for a crime under this Statute. Charges may be filed by the Prosecutor against a juridical person, and the Court may render a judgement over a juridical person for the crime charged, if: (a) The charges filed by the Prosecutor against the natural person and the juridical person allege the matters referred to in subparagraphs (b) and (c); and (b) The natural person charged was in a position of control within the juridical person under the national law of the State where the juridical person was registered at the time the crime was committed; and (c) The crime was committed by the natural person acting on behalf of and with the explicit consent of that juridical person and in the course of its activities; and (d) The natural person has been convicted of the crime charged. For the purpose of this Statute, „juridical person“ means a corporation whose concrete, real or dominant objective is seeking private profit or benefit, and not a State or other public body in the exercise of State authority, a public international body or an organization registered under the national law of a State as a non-profit organization. 6. The proceedings with respect to a juridical person under this article shall be in accordance with this Statute and the relevant Rules of Procedure and Evidence. The Prosecutor may file charges against the natural and juridical persons jointly or separately. The natural person and the juridical person may be jointly tried. If convicted, the juridical person may incur the penalties referred to in article 76. These penalties shall be enforced in accordance with the provisions of article 99.“ (Fußnoten weggelassen). 109 Zu den Vorschla¨gen und Diskussionen vgl. Clapham, in: Kamminga/ZiaZarifi, S. 139, 143 ff.; Stoitchkova (2010), S. 108 ff.; Adam (2015), S. 64 ff.; Schmidt (2015), S. 370 ff.; Kuntz (2017), S. 25 ff.; Fortin (2017), S. 286. 110 Ambos (2018), § 7 Rn. 11 m.w.N.; vgl. auch Meyer, ZStW 126 (2014), 123 f. (diese Einscha¨tzung i.E. teilend); Adam (2015), S. 80. 111 Das wird von Adam (2015), S. 73, 80 u¨berbetont.

2. Aktuelle Praxis

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vo¨lkerstrafrechtlichen Verantwortlichkeit juristischer Personen bestanden, ha¨tte man das Thema – a¨hnlich wie es mit dem Aggressionsverbrechen geschehen ist112 – an eine Arbeitsgruppe u¨berweisen ko¨nnen.113 Wie dem auch sei, der im working paper enthaltene Entwurf sah ein an der Identifikationstheorie (alter ego Theorie) 114 angelehntes Zurechnungsmodell vor, wonach die juristische Person fu¨r das betriebsbezogene Verhalten ihrer Fu¨hrungspersonen („position of control within the juridical person“) haftbar gemacht werden kann, sofern diese Personen in ihrem Auftrag bzw. mit ihrem Einversta¨ndnis gehandelt haben und dafu¨r bereits verurteilt worden sind.115 Wurde die vo¨lkerstrafrechtliche Verantwortlichkeit juristischer Personen im Jahre 1998 in Rom immerhin noch diskutiert (was seine Befu¨rworter als Zeichen wachsender Akzeptanz interpretierten116), war das ¨ berpru¨fungskonferenz in Kampala im Jahre 2010 Thema bei der ersten U nicht mehr auf der Tagesordnung (ebenso wenig war es Gegenstand der

112

Ambos (2018), § 7 Rn. 261 ff. Insoweit ist es auch zumindest ungenau, wenn Adam (2015), S. 106 be¨ berpru¨fungskonferenz hatte keine neuen Erkenntnisse gehauptet, die Kampala U liefert. Die Nicht-Behandlung des Themas zeigt eben – anders als Adam den Leser glauben machen will –, dass es am politischen Willen zur Etablierung einer entsprechenden strafrechtlichen Verantwortlichkeit gefehlt hat und immer noch fehlt. 114 Dazu u. Fn. 225 u. Haupttext. 115 O. Fn. 108. Dies entspricht i.W. dem Zurechnungsmodell des Art. 121 – 2 Code Pe´nal (CP) („responsables … des infractions commises …. para leur organs ou repre´sentants“; dazu Walther, Schuld und Haftung jur. Personen im deutsch-franzo¨sischen Vergleich, GA 162 (2015), 682, 683, 691), wobei diese allerdings nicht explizit auf Leitungspersonen beschra¨nkt ist („organs our repre´sentants“) und die Rspr. einer „responsabilite´ diffuse“ (Verzicht auf eine identifizierbare natu¨rliche Person) das Wort geredet hat (ebd., 692). 116 Vgl. Clapham, in: Kamminga/Zia-Zarifi, S. 140: „[…] even though the negotiations in Rome failed to include legal persons within the jurisdiction of the Court the debate highlighted the importance of considering ways to tackle corporate war crimes and the perceived difficulties of devising rules of attribution.“ Positiv auch Thurner (2012), S. 238 ff. („essenziell und richtungsweisend“, „Aktualita¨t und Wichtigkeit“ erkannt; gg. meine Befu¨rwortung der Ablehnung des franzo¨s. Vorschlags); Kuntz (2017), S. 27 („widespread consensus“ explizit gegen meine, in Ambos (2013), S. 144 gea¨ußerte Ansicht). Fu¨r eine Anerkennung de lege ferenda ICJ (2008), Vol. 2, S. 56. 113

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III. Vo¨lkerstrafrechtliche Praxis

sukzessiven Tribunale).117 Was die Verfolgung individueller Wirtschaftskrimineller angeht, so sind der lautstarken Anku¨ndigung des ehemaligen Chefankla¨gers Luis Moreno Ocampo118 bisher keine Taten gefolgt. Ju¨ngst ließ die Anklagebeho¨rde, nunmehr unter Chefankla¨gerin Fatou Bensouda, in einem „policy paper“ verlauten, sie werde Fa¨llen gro¨ßere Aufmerksamkeit widmen, in welchen es um Umweltzersto¨rung, illegale Ausbeutung von Ressourcen und Landenteignungen gehe.119 Da diese Sachverhalte ha¨ufig im Zusammenhang mit unternehmerischem Handeln auftritt, kann in dieser Anku¨ndigung das Bemu¨hen gesehen werden, unternehmerische Ta¨tigkeiten genauer strafrechtlich zu beleuchten.120 Neben diesen bisher nur politischen Erkla¨rungen ko¨nnen – post Rom – allenfalls zwei Entscheidungen des Libanon Tribunals (Special Tribunal for Lebanon, STL) angefu¨hrt werden, in denen Unternehmen als solche – neben jeweils einer verantwortlichen natu¨rlichen Person – wegen Vergehen gegen die Rechtspflege angeklagt wurden.121 Dabei ging es um die Vero¨ffentlichung der Namen verdeckter Zeugen in anderen Verfahren des STL durch juristische Personen, na¨mlich einen Nachrichtensender122 und eine 117 Vgl. zuletzt Art. 9 Abs. 1 des Gesetzes des Kosovo Sondertribunals v. 3. 8. 2015 (Law No. 05/L-053 on Specialist Chambers and Specialist Prosecutor’s Office), womit die Zusta¨ndigkeit auf natu¨rliche Personen beschra¨nkt wird. 118 ICC/OTP (2013), Ziffer III.b): „[…] the Prosecutor believes that investigation of the financial aspects of the alleged atrocities will be crucial to prevent future crimes and for the prosecution of crimes already committed.“ (bezogen auf die Situation in der DRC); na¨her OTP Appeals Counsel Gallmetzer, JICJ 8 (2010), 947 ff. 119 ICC/OTP (2016), para. 41 („…Office will give particular consideration to prosecuting Rome Statute crimes that are committed by means of, or that result in, inter alia, the destruction of the environment, the illegal exploitation of natural resources or the illegal dispossession of land.“). Das Policy Paper on Preliminary Examinations, 1 November 2013, para. 65 enthielt nur den vorangehenden Satz („The impact of crimes may be assessed in light of, inter alia, the sufferings endured by the victims and their increased vulnerability; the terror subsequently instilled, or the social, economic and environmental damage inflicted on the affected communities.“). 120 Grds. befu¨rwortend Bernaz, JICJ 15 (2017), 527 ff. („considerable potential from a business and human rights perspective“). 121 Ausfu¨hrlich kritisch Meisenberg (2016). 122 STL, AppJ, Decision on Interlocutory Appeal Concerning Personal Jurisdiction in Contempt proceedings, Case No. STL-14 – 05/PT/AP/AR126.1, 2. 10. 2014, para 60 (Begriff „person“ i.S.v. Regel 60bis schließe jur. Person ein), 67 (strafr. Verantwortlichkeit juristischer Person als „general principle of law“).

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Tageszeitung123. Die Pra¨zedenzwirkung mit Blick auf die allgemeine vo¨lkerrechtliche Begru¨ndung einer Unternehmensstrafbarkeit du¨rfte allerdings begrenzt sein.124 Denn das Libanontribunal ist lediglich fu¨r natu¨rliche Personen zusta¨ndig (Art. 3 STL-Statut). Die – deshalb durchaus kontroverse – richterrechtliche Ausweitung seiner Zusta¨ndigkeit auf juristische Personen hat es damit begru¨ndet, dass es innerhalb der „inherent power“ des Gerichts liege, Rechtspflegedelikte effektiv zu verhindern, um seine eigene Arbeitsfa¨higkeit zu sichern. Hierzu sei eine Ausweitung der Rechtsprechungsgewalt auf juristische Personen notwendig.125 Nach Ansicht des Gerichts erlaubten die unterschiedlichen Formulierungen der relevanten Normen eine solche Interpretation: wa¨hrend die Art. 2 und 3 STL-Statut von „Personen“ sprechen (was auch nach Auffassung der Kammer natu¨rliche Personen meint), ist in Rule 60bis der Verfahrensregeln („Contempt and Obstruction of Justice“) die Rede von „those who knowingly and wilfully interfere with its administration of justice“126 – „those“ ko¨nnen nach Ansicht der Kammer auch juristische Personen sein. Gleichzeitig ist diese Begru¨ndung aber auf Rechtspflegedelikte beschra¨nkt, bezu¨glich der sonstigen materiellen Strafnormen bleibt es also bei der Jurisdiktion u¨ber natu¨rliche Personen.127 Der neue African Court of Justice and Human and Peoples’ Rights (ACJHPR) soll zwar u. a. Strafgewalt u¨ber juristische Personen mit Ausnahme von Staaten ausu¨ben ko¨nnen (Art. 46C Malabo-Protokoll),128 sein 123

STL, AppJ, Akhbar Beirut S.A.L. and Ibrahim Mohamed Al-Amin, Case No. STL-14 – 06/PT/AP/AR126.1, 23. 1. 2015. 124 Fu¨r eine grds. Pra¨zedenzwirkung Bernaz, JICJ 13 (2015), 313; zust. auch Clapham, in: Moeckli et al., S. 570 (zu der ersten Entscheidung); kritisch Meisenberg (2016), passim. 125 STL, Akhbar Beirut S.A.L. and Ibrahim Mohamed Al-Amin, Redacted Version of Decision in Proceedings for Contempt with Orders in Lieu of an Indictment, paras. 18 ff. 126 Herv. d. Verf. 127 STL, Akhbar Beirut S.A.L. and Ibrahim Mohamed Al-Amin, Redacted Version of Decision in Proceedings for Contempt with Orders in Lieu of an Indictment, para. 21: „While […] it is my view that any ,person‘ prosecuted under Articles 2 and 3 of the Statute must be a natural person, the logic demanding this conclusion does not call for such limitation in the case of contempt.“ 128 https://au.int/sites/default/files/treaties/7804-treaty-0045_-_protocol_on_ amendments_to_the_protocol_on_the_statute_of_the_african_court_of_justice_ and_human_rights_e.pdf (zuletzt abgerufen am 25. 3. 2018).

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III. Vo¨lkerstrafrechtliche Praxis

Schicksal ist aber derzeit mangels der erforderlichen Ratifikationen durch die Mitgliedsstaaten der Organisation Afrikanischer Staaten noch ungewiss.129 Die strafrechtliche Verantwortlichkeit wird hierbei nicht – im Sinne eines Zurechnungsmodells – u¨ber das Verhalten der Unternehmensmitarbeiter begru¨ndet (deren Verantwortlichkeit bleibt allerdings unberu¨hrt, Art. 46C Abs. 6), sondern u¨ber die „Politik“ („policy“) des Unternehmens als solchem, wobei tendenziell mit Zuschreibungen und Beweiserleichterungen operiert wird: Eine policy im genannten Sinne „may be attributed to a corporation where it provides the most reasonable explanation“ ihres Verhaltens (Art. 46C Abs. 3). Die unternehmerische Absicht („Corporate intention“) der Verbrechensbegehung „may be established by proof that it was the policy of the corporation to do the act which constituted the offence“ (Art. 46C Abs. 2). Das insoweit notwendige unternehmerische Wissen („corporate knowledge“) „may be established by proof that the actual or constructive knowledge of the relevant information was possessed within the corporation“ (Art. 46C Abs. 4). Die Annahme eines solchen Wissens soll nicht daran scheitern, dass „the relevant information is divided between corporate personnel“ (Art. 46C Abs. 5). Anknu¨pfungspunkte der strafrechtlichen Verantwortlichkeit sind also die kriminelle Unternehmenskultur und -politik, welche aus einem bestimmten unternehmerischen Verhalten – als „most reasonable explanation“ – abgeleitet und, jedenfalls was die kognitive Seite angeht, subjektiv zugeschrieben wird („constructive knowledge“, „connaissance pre´sume´e“).130 Was die sog. treaty-based crimes angeht,131 so existieren zahlreiche vo¨lkerrechtliche Abkommen, die die Vertragsstaaten zur strafrechtlichen Sanktionierung juristischer Personen verpflichten.132 Freilich werden in diesen Abkommen die Kriterien der kollektiven Haftung nicht na¨her 129 Zum historischen u politischen Hintergrund vgl. Abass, in: Werle/Vormbaum, S. 11 ff.; Clarke, in: Kastner, S. 174 ff.; zum Ratifikationsstand https://au.int/ en/treaties/protocol-amendments-protocol-statute-african-court-justice-and-humanrights (zuletzt abgerufen am 25. 3. 2018). 130 Grds. zust. Meloni, in: Werle/Vormbaum, S. 152 f.; Kyriakakis, in: Jalloh/ Clarke/Nmehielle, forthcoming 2018; Clapham, in: Moeckli et al., S. 569 f.; Clarke, in: Kastner, S. 186 ff. 131 Zum Begriff Ambos (2014), S. 222 ff. 132 Engelhart, in: Burchard/Triffterer/Vogel, S. 178; Meyer, ZStrR 131 (2013), 59; zu europarechtlichen Abkommen und Sekunda¨rrecht Adam (2015), S. 85 ff.

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definiert, sondern dies wird, neben der Umsetzung u¨berhaupt, den Vertragsstaaten u¨berlassen;133 ggf. kann dann auch eine nicht-strafrechtliche Sanktion ausreichend sein,134 gerade in dem an der Mindesttrias orientierten europa¨ischen Strafrecht.135 Jedenfalls stu¨tzt aber diese vo¨lkervertragliche Praxis die Annahme, dass die den (sekunda¨ren) vo¨lkerstrafrechtlichen Sanktionsnormen zugrundeliegenden (prima¨ren) Verhaltensnormen – ungeachtet des fehlenden Forums136 – auch fu¨r Verba¨nde bindend sind.137 Damit wird an die vo¨lkerstrafrechtliche Nachkriegspraxis – Pflicht der Unterlassung der Begehung vo¨lkerrechtlicher Verbrechen138 – besta¨tigt oder doch jedenfalls an sie angeknu¨pft. Aus der Kombination von vo¨lkerstrafrechtlicher Verhaltensnormpflicht und im Entstehen begriffener menschenrechtlicher Bindung139 la¨sst sich somit durchaus eine rechtliche – nicht nur moralische – Bindung von Unternehmen begru¨nden.

133

Krit. insoweit auch Meyer, ZStrR 131 (2013), 59 f. Vgl. auch Engelhart, in: Burchard/Triffterer/Vogel, S. 178. 135 Vgl. EuGH, Kommission v. Griechenland, Urt. v. 21. 9. 1989 („griechischer Maisskandal“), para. 24 (Sanktion mu¨sse „wirksam, verha¨ltnisma¨ßig und abschreckend“ sein); dazu m.w.N. Ambos (2018), § 11 Rn. 39. Ungenau insoweit Ko¨lner Entwurf, S. 16, wenn dort generell von der Forderung nach „strafrechtlicher Verantwortlichkeit“ die Rede ist (Herv.K.A.). 136 Zur Begru¨ndung nationaler Strafgewalt aufgrund Territorialita¨t, Personalita¨t oder Weltrechtsprinzip ju¨ngst Ryngaert, CLF 29 (2018), 5 ff., 12 ff. 137 Vgl. Nerlich, JICJ 8 (2010), 896 ff., 908; ebenso Ko¨ster (2010), S. 141 ff. (187, 199), 268 f. (Bindung an vstr Verhaltensnormen bzw. Kombination aus Verhaltens- und Sanktionsnorm ergibt „Bindung privater juristischer Personen“); Meyer, ZStrR 131 (2013), 76 („Bindung juristischer Personen … an die vstr Verˇ ernicˇ/Carrillo-Santarelli, S. 54 ff.; haltenspflichten“); Carrillo-Santarelli in: Letnar C weitergehend fu¨r die Anerkennung eines allg Rechtsgrundsatzes iSv Art. 38 IGHStatut aufgrund vertragsgestu¨tzter Verpflichtungen und verbreiteter Anerkennung im nationalen Recht Adam (2015), S. 107 ff. (154 f.); dagegen Meyer, ZStrR 131 (2013), 74 – 6 fu¨r den es schon „an einem hinreichend konsolidierten, gemeinsamen normativen Nenner“ fehlt (75). 138 Oben III. 1. in fine. 139 Oben III. 2. a). 134

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III. Vo¨lkerstrafrechtliche Praxis

b) Nationale Ebene Ist die supranationale Praxis also bisher nur wenig entwickelt, so lassen sich doch auf nationaler Ebene einige Beispiele von Strafverfolgung140 finden – etwa die Verfahren gegen Frans van Anraat und gegen Guus Kouwenhoven in den Niederlanden. Gegen ersteren lautete der Vorwurf, chemische Komponenten zur Herstellung von Senfgas an Saddam Hussein verkauft zu haben, welches dieser gegen irakische und iranische Kurden einsetzte. Van Anraat wurde deshalb wegen Beihilfe zu den entsprechenden Kriegsverbrechen verurteilt.141 Kouwenhoven wurde wegen seiner gescha¨ftlichen Verbindungen zum damaligen liberischen Pra¨sidenten Charles Taylor verfolgt. In der Sache ging es um den Ankauf von Tropenholz zur Finanzierung des Konflikts in Liberia und Sierra Leone, Gewalt gegen die Zivilbevo¨lkerung durch Sicherheitspersonal von Kouwenhovens Unternehmen (Oriental Timber Company, OTC) und den Verkauf von Waffen unter Verstoß gegen ein UN-Embargo. Kouwenhoven wurde wegen mehrfacher Beihilfe zu Kriegsverbrechen und wegen Waffenlieferungen an Charles Taylor zu 19 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt.142 In diesen und anderen Fa¨llen143 haben 140

Zu nicht-strafrechtlichen (idR zivilrechtlichen) Ansa¨tzen auf vo¨lkerrechtlicher und nationaler Ebene vgl. Adam (2015), S. 157 ff.; Kaleck/Saage-Maaß (2016), S. 65 ff.; a.a.O., S. 60 ff. (ATCA-Praxis „durchwachsen“ [64], britische Praxis „positiver“ [71]). Mit der Kiobel Entscheidung des US-Supreme Court du¨rfte aber auch der bis dato wirksamste Ru¨ckgriff auf das Alien Tort Statute (punitive damages bei Menschenrechtsverletzungen (dazu Adam (2015), S. 178 ff.; zur Beteiligung an vr Kernverbrechen Clapham, JICJ 6 (2008), 906 f.) zuku¨nftig verschlossen sein, denn danach soll es nicht mehr extraterritorial anwendbar sein (US Supreme Court, Kiobel v. Royal Dutch Petroleum Co. 621 F.3d 111, p. 1: „The presumption against extraterritoriality applies to claims under the ATS, and nothing in the statute rebuts that presumption.“; dazu auch Adam (2015), S. 183 f.). Zu den Gru¨nden der unbedeutenden deutschen Praxis Kaleck/Saage-Maaß (2016), S. 72 f. (u. a. geringere Schadensersatzsummen als im angloamerikanischen Bereich). Zur Quasi-Kriminalisierung durch die sog. Terrorlistung Engelhart, in: Burchard/Triffterer/Vogel, S. 178. 141 Gerechtshof Den Haag (van Anraat), Entsch. v. 9. 5. 2007, para. 20; hierzu Huisman/van Sliedregt, JICJ 8 (2010), 807 ff.; auch Kaleck/Saage-Maaß (2016), S. 65 f. 142 Gerechtshof’s-Hertogenbosch, Urteil v. 21. 4. 2017 (nach Zuru¨ckverwei¨ bersetzung verfu¨gbar unter https://uitspraken. sung durch Hooge Rad), englische U rechtspraak.nl/inziendocument?id=ECLI:NL:GHSHE:2017:2650 (zuletzt abgeru-

2. Aktuelle Praxis

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die Strafverfolgungsbeho¨rden – a¨hnlich wie in den Nu¨rnberger Pra¨zedenzfallen – u¨ber natu¨rliche Personen auf die juristischen Personen zugegriffen und damit jedenfalls mittelbar die Verantwortlichkeit dieser anerkannt.144

fen am 25. 3. 2018); zu diesem Fall vgl. Huisman/van Sliedregt, JICJ 8 (2010), 810 ff.; auch Kaleck/Saage-Maaß (2016), S. 66. 143 Aus Belgien ist zudem der Fall Desaedeleer bekannt. Dem Gescha¨ftsmann, der Handel mit Charles Taylor u¨ber sog. Blutdiamanten betrieb, wurde das Kriegsverbrechen der Plu¨nderung vorgeworfen. Er starb allerdings in belgischer Untersuchungshaft vor offizieller Erhebung der Anklage, vgl. https://www.ijmoni tor.org/2016/10/death-of-a-middleman-thwarts-blood-diamonds-case/ (zuletzt abgerufen am 25. 3. 2018). Ferner wurden in der Schweiz seit November 2013 Ermittlungen gegen die schweizerische Firma Argor Heraeus SA wegen des Vorwurfs der Beteiligung an Plu¨nderungen in der Provinz Ituri (DRC) und der Geldwa¨sche gefu¨hrt. Die Ermittlungen wurden jedoch im Ma¨rz 2015 eingestellt, hierzu de Moerloose, 2016. Zu weiteren (europ.) Strafverfahren Kaleck/Saage-Maaß (2016), S. 65 ff., 92 ff. 144 ¨ Ahnlich Clapham, JICJ 6 (2008), 913 („reached down into the world of the arms trade and its injunctions are being aimed at businessmen and companies.“).

IV. Haftungsfragen 1. Vorfrage: Fokus auf das Unternehmen als solches („corporate approach“) In der vo¨lkerstrafrechtlichen Diskussion wird zwar auch zwischen der Strafbarkeit des Unternehmens als solchem und der der Unternehmensmitarbeiter unterschieden, doch liegt der Schwerpunkt – im Sinne eines holistisch-kollektiven Zurechnungsmodells145 – auf jener.146 Die angefu¨hrten Gru¨nde sind aus der nationalen wirtschaftsstrafrechtlichen Diskussion – wo sich die strafrechtliche Verantwortlichkeit juristischer Personen seit Jahren zunehmender Beliebtheit erfreut,147 weshalb Deutschland mehr und mehr isoliert erscheint148 – bekannt: - Durchbrechen einer Unternehmensstruktur („corporate culture“, „culture d’entreprise“), welche die Begehung von Straftaten erleichtert 145

Dazu Meyer, ZStW 126 (2014), 129 mwN. Dafu¨r etwa Stoitchkova (2010), S. 108 ff.; Thurner (2012), S. 251 ff., 278 ff.; Engelhart, in: Burchard/Triffterer/Vogel, S. 175, 185, 186, 188 („special set of rules for corporate criminal responsibility“, allerdings ohne Ausarbeitung [186], und jedenfalls direkte Verantwortlichkeit jP bei vr Kernverbrechen); Adam (2015), S. 225 ff. (der gleich zu Beginn die Begru¨ndung eines solchen Haftungsmodell zum Forschungsziel erkla¨rt, S. 17 ff.); Kathollnig (2016), S. 146, 251 f. (Erga¨nzung ¨ stAnwbl 2016, 603 („Sonderstrafrecht fu¨r IStGHS o. eigener Kodex); Velten, O Verba¨nde“ bzgl. Menschenrechtsverletzungen); Ryngaert, CLF 29 (2018), 4. 147 Vgl. schon Dannecker, GA 148 (2001), 101, 106 f. (von einem „weltweiten Trend“ sprechend). S. beispielhaft fu¨r Gesetza¨nderungen in diesem Sinne: Ley Orga´nica 5/2010 v. 22. 6. 2010 (Spanien, dazu Zugaldı´a Espinar (2013), S. 59 ff.); Ley n8 20.393 v. 2. 12. 2009 (Chile, s. dazu Herna´ndez Basualto, REJ 16 (2012), 75 ff.); Ley n8 30424 v. 21. 4. 2016, gea¨ndert durch Decreto Legislativo n8 1352 vom 7. 1. 2017 (Peru; auch wenn beide Gesetze auf die „responsabilidad administrativa de las personas jurı´dicas“ hinweisen, gibt es doch Stimmen in der peruanischen Literatur, die dies als die Einfu¨hrung einer strafrechtlichen Verantwortlichkeit von jur Personen ansehen, s. dazu Garcı´a Cavero, in: Ambos/Caro/Urquizo). 148 Vgl. auch Meyer, ZStW 126 (2014), 124 („gallisches Dorf“, international „ubiquita¨r“). 146

1. Vorfrage: Fokus auf das Unternehmen als solches

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oder sogar fo¨rdert („kriminelle Verbandsattitu¨de“,149 „organisierte Unverantwortlichkeit“,150 „strukturelle individuelle Unverantwortlichkeit“151) und die Identifizierung der Verantwortlichen verdeckt („corporate veil“),152 weshalb sie sich durch das „Auswechseln“ oder die Kriminalisierung einzelner Verantwortlicher, die als Su¨ndenbo¨cke herhalten mu¨ssen („scapegoating“ einzelner ManagerInnen), nicht strukturell a¨ndern la¨sst;153 - gro¨ßere Stigmatisierung durch Strafverfahren und Strafe (sozialethischer Tadel, censure) 154 im Vergleich zu zivil- oder verwaltungsrechtlichen Verfahren und Sanktionen und damit bessere spezialpra¨ventive155 und generalpra¨ventive, kommunikative (expressive) Wirkung;156 149 Adam (2015), S. 244 (LK-Schu¨nemann, Vor §§ 25 ff Rn. 21 zitierend); ¨ stAnwbl 2016, 599, 600; Long, ICLR 17 (2017), 997 (1019: „flaws in auch Velten, O corporate culture“). 150 Begru¨ndung des Begriffs bei Schu¨nemann (1979), S. 13 ff. (der ihn allerdings nicht zur selbststa¨ndigen Haftungsbegru¨ndung, sondern zur Beschreibung der von ihm beklagten fehlenden unternehmerischen Verantwortlichkeit verwendet hat). 151 Heine (1995), S. 198; ebenso Dannecker, GA 148 (2001), 104. 152 Thurner (2012), S. 247; Meyer, ZStrR 131 (2013), 56; diff. Schmidt (2015), S. 384 ff.; aus klassisch wirtschaftsstrafrechtlicher Sicht etwa Dannecker, GA 148 (2001), 102 („Verschleierung von Verantwortlichkeiten“); Yates Memorandum, S. 2 („responsibility … diffuse…“); ju¨ngst Estellita (2017), S. 40, 47, 72 . 153 Ortmann, NZWiSt 2017, 247 (Mitarbeiter als „Su¨ndenbo¨cke und Bauernopfer“, obwohl sie fu¨r und durch das Unternehmen gehandelt haben). 154 Clapham, in: Kamminga/Zia-Zarifi, S. 147; Thurner (2012), S. 237 f.; relativierend aber aus klassisch wirtschaftsstrafrechtlicher Sicht Ko¨lner Entwurf, S. 22 f. (weil zwischen der ordnungswidrigkeits- und strafrechtlichen Rechtsfolge kein substanzieller, sozialethisch begru¨ndbarer Unterschied bestehe; deshalb verwendet der Entwurf auch den Begriff „Sanktion“ statt „Strafe“). 155 Dazu aus klassisch wirtschaftsstrafrechtlicher Sicht Holder Memorandum, S. 1, 2 („change of corporate culture“); Yates Memorandum, S. 1 („changes in corporate behaviour“); an den US-amerikanischen Ansatz anknu¨pfend Ko¨lner Entwurf, S. 20, 21 f. 156 S. dazu etwa Kyriakakis, NILR 56 (2009), 333 (361 – 4), die die – generalpra¨ventiv ausgerichtete – expressive theory of retribution bemu¨ht; allg. Kuntz (2017), S. 32 („enhance the effectiveness…“); s. auch Clapham, in: Kamminga/ZiaZarifi, S. 147; Ramasastry, BerkJIntL 20 (2002), 153 („greater deterrent effect“); ICJ (2008), Vol. 2, S. 6 („effective means of shaping corporate conduct“), 59 („effective impetus to improving business behaviour“); Engelhart, in: Burchard/Triffterer/Vogel, S. 183; Thurner (2012), S. 69 f., 237; auch Meyer, ZStrR 131 (2013), 83; Kubiciel, ¨ stAnwbl 2016, 577; Kathollnig (2016), S. 247; aus klassisch wirtschaftsstrafO

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IV. Haftungsfragen

- Annahme einer effektiveren Abschreckung bei rational („rational choice Modell“) handelnden Akteuren („risk-benefit-calculation“) 157 und - Hoffnung auf eine leichtere und vor allem ertragreichere Vermo¨gensabscho¨pfung bei vermo¨genden (oft multinationalen) Konzernen als bei Einzelpersonen.158 Natu¨rlich ist ein Großteil dieser Annahmen, insbesondere was die ihnen zugrundeliegende gro¨ßere Leistungsfa¨higkeit des Strafrechts angeht, em¨ berdies erscheint es widerspru¨chlich, Funktionen pirisch ungesichert.159 U und Zwecke des traditionellen, auf natu¨rliche Personen ausgerichteten Schuldstrafrechts (Stigmatisierung, expressive Wirkung, Abschreckung etc.) zugunsten der strafrechtlichen Verantwortlichkeit juristischer Personen anzufu¨hren, lassen sich diese fu¨r juristische Personen doch nur bei ihrer Assimilierung mit diesen – psychisch konstituierten – natu¨rlichen Personen (dazu sogleich unter 2.) begru¨nden. Ferner darf nicht u¨bersehen werden, dass ein kollektiver Fokus des Vo¨lkerstrafrechts eine Umkehrung seiner origina¨r individualstrafrechtlichen Nu¨rnberger Konzeption bedeutet. Endlich kann die strafrechtliche Sanktionierung des Verbands als solchem den Blick auf die tatsa¨chlich individuell Verantwortlichen verstellen. Andererseits zeigt aber schon die Nu¨rnberger Rechtsprechung zum Wirtschaftsvo¨lkerstrafrecht und erst recht die aktuelle Verwicklung von Unternehmen in Menschenrechtsverletzungen, dass die ausschließliche (individualstrafrechtliche) Verfolgung der Unternehmensmitarbeiter der kollektiven Dynamik unternehmerischen kriminellen Handelns – das rechtlicher Sicht Dannecker, GA 148 (2001), 104; Yates Memorandum, S. 1; Solaiman/Langsted, CLF 28 (2017) 129, 155; Ko¨lner Entwurf, S. 13; krit. Vogel, in: Kempf, S. 205 (214 f.); Schmidt (2015), S. 374 ff. 157 ICJ (2008), Vol. 2, S. 9; Diskussion (zwischen juristischen und natu¨rlichen Personen unterscheidend) bei Huisman / van Sliedregt, JICJ 8 (2010), 824 ff.; krit. insoweit Meyer, ZStrR 131 (2013), 82 f.; aus klassisch wirtschaftsstrafrechtlicher Sicht Holder Memorandum, S. 2 („deterrence on a massive scale“); Yates Memorandum, S. 1. 158 Clapham, in: Kamminga/Zia-Zarifi, S. 147; Schabas, IRRC 83 (2001), 439 (453); ICJ (2008), Vol. 2, S. 59 („enable victims’ redress and remedy“); Thurner (2012), S. 237, 240; aus klassisch wirtschaftsstrafrechtlicher Sicht etwa Dannecker, GA 148 (2001), 103. 159 Zu den wenigen Untersuchungen, die kein eindeutiges Bild ergeben Karstedt, in: Jeßberger/Kaleck/Singelnstein, S. 179 ff. (nicht-strafrechtliche Regulierung wohl wirksamer); weitere Untersuchungen fordernd Schmidt (2015), S. 388 f.

1. Vorfrage: Fokus auf das Unternehmen als solches

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Unternehmen ist eben mehr als die Summe seiner Mitarbeiter (ohne damit freilich einer systemisch/organisationssoziologisch begru¨ndeten Anna¨herung oder gar Gleichstellung mit natu¨rlichen Personen, dazu unten 2., das ¨ berdies du¨rfte aus norWort reden zu wollen) – nicht gerecht wird.160 U mativ-kriminalpolitischer Sicht kein Zweifel daran bestehen, dass schwere Missbra¨uche wirtschaftlicher Macht, die auf die Begehung vo¨lkerrechtlicher Verbrechen hinauslaufen, strafwu¨rdiges Unrecht darstellen, so dass ein Bedarf fu¨r ein Wirtschaftsvo¨lkerstrafrecht – und zwar mit Fokus auf das Unternehmen als solches – besteht;161 wobei das Unternehmen nicht zuletzt deshalb als angemessener Zurechnungsadressat erscheint, weil der schon angesprochene „corporate veil“ individuelle Verantwortlichkeit bis ins Unkenntliche verschwimmen la¨sst.162 Bei transnational agierenden Unternehmen stellt sich insoweit die Frage nach dem Zurechnungsadressaten vo¨lkerstrafrechtlichen Unrechts: Mutterkonzern oder in Tatortna¨he agierende Tochtergesellschaft? Kuntz hat insoweit ein autonomes, supranationales Konzept transnationaler Unternehmen – durch Ru¨ckgriff auf das internationale Investitionsrecht,163 das europa¨ische Wettbewerbsrecht („single economic entity doctrine“) 164 und das US-amerikanische Delikts- und Kartellrecht („enterprise theory“) 165 – entwickelt, aufgrund dessen sich die ultimative Kontrolle des Mutterkonzerns aus dessen effektiver Kontrolle u¨ber die Tochtergesellschaft(en) 160 Vgl. auch Engelhart, in: Burchard/Triffterer/Vogel, S. 184 („corporation as a special social system with its own rules and its own dynamics“); Zerbes, in: Jeßberger/ Kaleck/Singelnstein, S. 214, 230 f., 234 („Dynamik eines unternehmerischen Kollektivs“). 161 Ebenso Zerbes, in: Jeßberger/Kaleck/Singelnstein, S. 234 (strafrechtliche Haftung, weil kein reines Verwaltungsunrecht); Singelnstein, in: Jeßberger/Kaleck/ Singelnstein, S. 145, 146 („Konsens“, dass bestimmte Geschehensabla¨ufe „in die Zusta¨ndigkeit des Strafrechts fallen…“); aus klassisch wirtschaftsstrafrechtlicher Sicht die verha¨ltnisma¨ßig geringe Bestrafung nach dt. Recht betonend Ko¨lner Entwurf, S. 13 (Vergleich mit strafbarem Fahrraddiebstahl). 162 Vgl. aus organisationstheoretischer Sicht Ortmann, NZWiSt 2017, 243. 163 Kuntz (2017), S. 72 ff., 328 (vorab nachweisend, dass sich aus dem allgemeinen Vo¨lkerrecht keine Kriterien ableiten lassen, S. 62 ff.) 164 Kuntz (2017), S. 111 ff. (160 – 2), 328 f. 165 Kuntz (2017), S. 204 ff. (242 f.), 248 ff, 331 f. wobei das US-amerikanische Recht – wie dasjenige des Vereinigten Ko¨nigreichs (ebd., S. 163, 167 ff., 197 ff., 330 f.) – grundsa¨tzlich strenger (auf rechtliche Kriterien rekurrierend) zwischen dem Mutterkonzern und den Tochtergesellschaften unterscheidet („Salomon principle“, „separation of legal personalities“).

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IV. Haftungsfragen

ergibt.166 Daraus folgt, dass bei Unta¨tigkeit des Mutterkonzerns angesichts vo¨lkerstrafrechtlich relevanten Verhaltens seiner Tochtergesellschaft jener ¨ berwachungsgarantenstellung wegen Unterlassens – bei Annahme einer U gegenu¨ber der Gefahrenquelle „Tochtergesellschaft“167 – verantwortlich sein kann („parent liability“), jedenfalls wenn sich eine betriebsbezogene Gefahr im Unrechtserfolg realisiert hat.168 Dabei ist aber zu beru¨cksichtigen, dass die Voraussetzungen der Unterlassungshaftung in solchen Fa¨llen an den vo¨lkerstrafrechtlichen Begehungskontext angepasst, also kontextspezifisch flexibilisiert werden mu¨ssen.169 Fu¨r Garantenstellung und -pflicht bedeutet dies etwa, dass bei Handeln in Risikogegenden mit defizita¨rer governance Struktur („weak governance zones“) 170 erho¨hte Aufsichtspflichten des Mutterkonzerns bestehen. Auch das Kriterium der Betriebsbezogenheit des gefahrspezifischen Verhaltens, etwa die gewaltsame Unterdru¨ckung einer lokalen Protestbewegung, ist kontextspezifisch dergestalt anzupassen, dass es schon dann zu bejahen ist, wenn das relevante Verhalten im weiteren Sinne dem unternehmerischen Interesse an Gewinnmaximierung gedient hat;171 denn da Unternehmen gewinnmaxi-

166

Kuntz (2017), S. 253 ff., 332 f., 337 („parent’s power to control the subsidary“ und „actual exercise of parental control“, wobei sich diese Kontrolle anhand bestimmter Kriterien feststellen la¨sst). I. E. ebenso, aber mit weniger elaborierter Begru¨ndung Stoitchkova (2010), S. 140 ff.; Thurner (2012), S. 254 f.; Kathollnig (2016), S. 155 (mitt. Ta¨terschaft o. Beihilfe bei aktivem Tun). 167 Wittig, in: Jeßberger/Kaleck/Singelnstein, S. 249. 168 Vgl. auch Zerbes, in: Jeßberger/Kaleck/Singelnstein, S. 205, 222 ff., 235 ff.; ¨ stAnwbl 2016, 578; zum (eher restriktiven) niederla¨ndischen Recht Kubiciel, O insoweit Ryngaert, CLF 29 (2018), 10 f. (wonach etwa die bloße Kontrolle der Muttergesellschaft fu¨r eine Zurechnung nicht ausreiche). 169 Zerbes, in: Jeßberger/Kaleck/Singelnstein, S. 236 – 8, 240 (Zurechnungskriterien seien „mit gea¨nderten Inhalten zu fu¨llen“, so dass „Mitverantwortung“ fu¨r schweres Unrecht bei Gescha¨ftsta¨tigkeit in Risikoregionen angemessen erfasst werden kann); Wittig, in: ebd., S. 249 f. (Sicherstellung eines gewaltfreien Ablaufs bei Zusammenarbeit mit lokalen Sicherheitskra¨ften), 250 f. (Allzusta¨ndigkeit der Gescha¨ftsleitung), 257 („Zurechnungsmuster … anders ausgepra¨gt …“). 170 Zu diesem Konzept OECD (2006). Zum rechtstatsa¨chlichen Kontext allg. Karstedt, in: Jeßberger/Kaleck/Singelnstein, S. 159, 171 ff. 171 Zerbes, in: Jeßberger/Kaleck/Singelnstein, S. 237 f. In diesem Sinne wohl auch Momsen, in: Momsen/Gru¨tzner, S. 75 f. (ausreichend „abstrakt betriebstypisches Risiko“, das sich auch durch zentrale Wirtschaftsstraftaten und – so ist zu erga¨nzen – je nach den Umsta¨nden vo¨lkerrechtliche Verbrechen realisieren kann).

2. Organisations- vs. Zurechnungsmodell

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mierend agieren mu¨ssen, ist bei jeglichem Verhalten zu diesem Zweck auch ein innerer Zusammenhang zur betrieblichen Ta¨tigkeit172 gegeben.

2. Organisations- vs. Zurechnungsmodell Die im nationalen Wirtschaftsstrafrecht diskutierten Grundsatzfragen der Handlungs-, Schuld- und Straffa¨higkeit von Unternehmen,173 die sich 172

Vgl. zum – mitunter enger verstandenen – Begriff der Betriebsbezogenheit im Rahmen von § 130 OWiG („Zuwiderhandlungen gegen Pflichten … die den Inhaber treffen…“) Rogall, § 130 Rn. 81 ff.; Niesler, in: Graf/Ja¨ger/Wittig, § 130 OWiG Rn. 62 (Zusammenhang mit Beta¨tigungsfeld bzw. mit der Fu¨hrung des Betriebs); Raum, in: Wabnitz/Janovsky, S. 257, 302 (innerer Zusammenhang, Verfolgung Unternehmenszweck); von Galen/Maas, in: Leitner/Rosenau, § 130 OWiG Rn. 56 ff. („Zusammenhang mit der Betriebs- und Unternehmensfu¨hrung“). 173 Knapp etwa Kuntz (2017), S. 31 mwN in Fn. 74 („pragmatic approach concerning moral blameworthiness…“); fu¨r u¨berwindbar („not insurmountable“) ha¨lt die konzeptionellen Probleme ICJ (2008), Vol. 2, S. 58 (ohne allerdings konkrete Erkla¨rungsansa¨tze zu liefern); vgl. auch Long, ICLR 17 (2017), 997, 1014 ff. (der den – auch und gerade in der angloamerikanischen Diskussion erhobenen [vgl. statt vieler Hasnas, American Cr.L.Rev. 46 (2009), 1329 ff. m.w.N.; zusf. Beale, ZStW 126 (2014), 27 (36 ff.)] – Einwand der fehlenden moralischen Verantwortlichkeit jP durch einen reaktiv-normativen und radikal konsequentialistischen Ansatz im Sinne Strawsons umgehen will, wonach es allein darauf ankommen soll, ob „our lives will be better by projecting the norm of international criminal liability“ [1019]). – Aus der nationalstrafrechtlichen Lit. fru¨her schon Dannecker, GA 148 (2001), 107 ff. (eine Vereinbarkeit mit den im Haupttext genannten strafrechtlichen Grundkategorien begru¨ndend); ju¨ngst Ko¨lner Entwurf, S. 17, 22 f. (kein Widerspruch mit Schuldprinzip, da dieses aus Menschenwu¨rde abgeleitet werde, aber Verba¨nde „nicht am Wu¨rdeschutz … teilhaben“; „Sanktion“ statt „Strafe“; dazu schon o. Fn. 154); krit. aber Schu¨nemann, in: Sieber et al., S. 429, 430 ff.; ju¨ngst ablehnend Greco, GA 162 (2015), 503 ff. (keine Schuldfa¨higkeit, weil Schuld ho¨chstperso¨nlich sei und keine Straffa¨higkeit, weil Strafe – mit Blick auf die durch sie verursachte Wegnahme angeborenen Rechte, insbesondere der Freiheit – Schuld erfordere); Cigu¨ela Sola (2015), S. 381 ff. u passim; ders., InDret 1/2016, 18 ff.; ders. GA 163 (2016), 625 ff. (keine Integration einer Organisation in den traditionellen, individualstrafrechtlich ausgerichteten Schuldbegriff, „da sie als kollektives MetaSubjekt nicht die Identita¨tsvoraussetzungen erfu¨llt, … um gegenu¨ber der Strafrechtsnorm als Person aufzutreten“ [ders., GA 163 (2016), 625; ders. (2015), S. 383], denn sie verfu¨ge nur u¨ber eine „tempora¨re“ bzw. „narrative Identita¨t“ [ders., GA 163 (2016), 626 ff.; na¨her ders. (2015), S. 154 ff.] ohne „Kapazita¨t zur Eigeninitiative“ [ders., GA 163 (2016), 630; na¨her ders. (2015), S. 166 ff.], ohne

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IV. Haftungsfragen

im deutschsprachigen Bereich ja bis in das 19. Jahrhundert zuru¨ckverfolgen lassen,174 spielen in der vo¨lkerstrafrechtlichen Debatte nur eine untergeordnete Rolle, weil man die insbesondere im angloamerikanischen Rechtskreis verbreitete Anerkennung einer strafrechtlichen Verbandsverantwortlichkeit mit einer gewissen pragmatischen Unbeku¨mmertheit als ¨ brigen aus den genannten Gru¨nden von ihrer gegeben hinnimmt und im U kriminalpolitischen Notwendigkeit u¨berzeugt ist. Allerdings macht es die Fragmentierung der nationalstaatlichen Ansa¨tze mit ihren unterschiedlich ausgestalteten Haftungsmodellen schwer, ein universell akzeptables Haftungsmodell zu finden. Im Kern la¨uft deshalb auch die vo¨lkerstrafrechtliche Diskussion auf die zwei großen Haftungsmodelle, na¨mlich das kollektiver Haftung der juristischen Person an sich (Organisationsmodell) und das individueller, derivativer Zurechnung (Zurechnungsmodell), hinaus.175 Dabei kommt der kollektive, auf das Organisationsverschulden des Fa¨higkeit „den Sinn der eigenen Handlung zu verstehen“ [ders., GA 163 (2016), 632; na¨her ders. (2015), S. 211 ff.] und ohne „ethische“ u. „politische Identita¨t“ [ders., GA 163 (2016), 633 ff.; na¨her ders. (2015), S. 243 ff. u. 261 ff.], kurzum ihr fehle es an der Fa¨higkeit „autonom die organisatorische Tat zu verursachen“ und sie „entwickelt die Organisation lediglich als Leistung ihrer Mitglieder“, ihre Organisation ha¨nge also von anderen ab [ders., GA 163 (2016), 637, Herv.i.Orig.]); Mulch (2017), S. 43 ff., 199 ff. (die eine strafrechtliche Verantwortlichkeit juristischer Personen mangels perso¨nlicher Vorwerfbarkeit und Straffa¨higkeit ablehnt); Gracia Martı´n, in: Silva Sa´nchez et al., S. 115 ff. mwN (gg. Art. 31bis span. StGB); ebenfalls ablehnend Murmann (im Erscheinen); auch krit., aber letztlich offenlassend Estellita (2017), S. 63 ff., 73. 174 Vgl. einerseits F. v. Savigny, 1840, S. 312, 350 – 2 (sog. Fiktionstheorie, wonach die juristische Person kein denkendes, wollendes, fu¨hlendes, sondern „nur ein Vermo¨gen habendes Wesen“ sei, weshalb ihr „reales Dasyn“ „auf dem vertretenden Willen“ ihrer Mitarbeiter beruhe, „der ihr, in Folge einer Fiction, als ihr eigener Wille angerechnet wird“ [312]; dies ko¨nne aber nur im Zivilrecht gelten) und andererseits O. v. Gierke, 1887, S. 603, 607 f., 743 f., 754 f. (Anerkennung der „realen Verbandsperso¨nlichkeit“ von jP und daraus folgend „Willens- und Handlungsfa¨higkeit“ sowie strafrechtliche Deliktsfa¨higkeit). 175 Vgl. Meyer, ZStrR 131 (2013), 78 ff. (der eine letztlich „willku¨rliche Festlegung der Zurechnungsendpunkte aus Zweckma¨ssigkeitserwa¨gungen“ bema¨ngelt, 84); Adam (2015), S. 190 ff. (Zurechnungstheorien, insbes. doppelte Zurechnung von Verhalten u Schuld, Identifikationstheorie und vicarious liability), 197 ff. (Systemtheorien: von Verbandsperso¨nlichkeit zu autonomen System, Zustandsverantwortlichkeit, Vorverlagerung; grds. befu¨rwortend, insbesondere bzgl. Schuldfa¨higkeit S. 207 ff.); aus common law Sicht etwa Colvin, CLF 6 (1995), 1 ff. (der bzgl. des Zurechnungsmodells von “nominalist theories“ und bzgl. des kollektiven Haftungsmodells – durchaus u¨berraschend – von „realist theories“ spricht);

2. Organisations- vs. Zurechnungsmodell

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Unternehmens176 („Betriebsfu¨hrungsschuld“ aufgrund fehlerhaftem Risikomanagement und betriebstypischer Gefahrverwirklichung,177 defizita¨re Organisation oder Unternehmensethik,178 kriminelle „policy“179) abstellende Ansatz, selbst bei einem systemisch aufgeladenen juristischen Personenbegriff (dazu sogleich), nicht an der Tatsache vorbei, dass immer durch natu¨rliche Personen gehandelt wird,180 will man das Verhaltenselement – von Savigny posthum Ehre erweisend181 – nicht rechtlich fingieren.182 fu¨r Organisationsmodell van den Herik, in: Burchard/Triffterer/Vogel, S. 171 f.; krit. Weigend, JICJ 6 (2008), 927, 936 ff., 944 f. 176 Grdl. Tiedemann, NJW 1988, 1169, 1172 ff. („Organisationsverschulden“, ¨ bertragung auf das in„Organisationsmangel“); ders., S. 180 f. Explizit fu¨r eine U ternationale Strafrecht Thurner (2012), S. 264, 276. 177 Heine (1995), S. 253 f., 261 ff. (265 f.), 308 ff. (308, 310, 313); konkretisierend zum fehlerhaften Risikomanagement und zur betriebstypischen Gefahrverwirklichung ebd., S. 271 ff., 288 ff.; zust. Thurner (2012), S. 260. 178 Dannecker, GA 148 (2001), 112 f., 117 (defizita¨re Organisationsstruktur oder Unternehmensethik i.S. einer Sozialethik). 179 So die Haftungsbegru¨ndung beim oben erwa¨hnten ACJHPR, Art. 46C Malabo-Protokoll, oben Haupttext nach Fn. 129. 180 Vgl. etwa Nerlich, JICJ 8 (2010), 895; Zerbes, in: Jeßberger/Kaleck/Singelnstein, S. 232; auch Kuntz (2017), S. 31 („acting through natural persons“); aus klassisch wirtschaftsstrafrechtlicher Sicht etwa Dannecker, GA 148 (2001), 109 ff. (natu¨rliche Person als Normadressat aus ontologischer Sicht, allerdings Begru¨ndung origina¨rer Unternehmenspflichten), 118 f. (Auslo¨sung der Haftung durch „fehlerhaftes Verhalten aller fu¨r den Verband ta¨tigen Personen“ und Zuschreibung zu diesem); Greco, GA 162 (2015), 508 (deshalb „kaschiertes Zurechnungsmodell“); Cigu¨ela Sola (2015), S. 182 f. u. ders., GA 163 (2016), 629 (Handeln jP hat „Ursprung in prima¨ren Handlungen anderer Subjekte…); ders. (2015), S. 169 u. GA 163 (2016), 631 (organisatorischer Mangel von „Mitgliedern kumulativ und oft diffus erzeugt“ [Herv.in GA]); ders. (2015), S. 204 f. u. GA 163 (2016), 632 (organisatorisches Wissen setze sich „aus ihren Mitgliedern“ zusammen), ders. (2015), S. 277 ff. u. GA 163 (2016), 637 (Bedingungen der (tempora¨ren, organisatorischen, kognitiven, ethischen und politischen) Identita¨t einer jP nur als „Leistung ihrer Mitglieder“ entwickelt [Herv.in GA]); Mulch (2017), S. 192 mwN (individuelles Verhalten als Auslo¨ser der Haftung); Estellita (2017), S. 66 („deciso˜es e comportamentos de pessoas naturais“). – Vertreter eines rein konsequentialistischen Ansatzes, wie etwa Long, ICLR 17 (2017), 997 (1014 ff.), stellen sich diese Frage freilich nicht. 181 O. Fn. 174. 182 So die Kritik bei Meyer, ZStrR 131 (2013), 81 an der systemischen Haftungsbegru¨ndung, die letztlich auf eine rechtliche Fiktion hinauslaufe („corporate knowledge“ oder gar „intent“ fiktiv, kein aktueller Bezug zwischen aggregiertem

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IV. Haftungsfragen

So wird auch im, das Organisationsmodell favorisierenden, angloamerikanischen Recht („common law“) anerkannt, dass ein Unternehmen „through living persons“ handeln mu¨sse.183 Nach Colvin handele der Verband „as real entity“ durch die aggregierte Summe seiner Mitarbeiter184 (woraus sich auch seine Schuld- und Straffa¨higkeit ergebe).185 Solaiman und Langsted gehen im Rahmen ihrer Untersuchung der Unternehmensverantwortlichkeit aufgrund der Zurechnung des (strafbaren) Verhaltens von Fu¨hrungskra¨ften im angloamerikanischen (insbesondere australischen) Recht davon aus, dass eine „corporation is unable to do anything, let alone commit an offence, without its human agent…“;186 das Unternehmen handele durch die Summe seiner Mitarbeiter, deren vereinigtes („aggregate“) Wissen zugleich den subjektiven Tatbestand ausmache.187 Auf praktischer Ebene betonen die Memoranden der ehem. US Deputy Attorney Generals Eric Holder (2009 – 2015) und Sally Quillian kollektivem Wissen/Willen und der Unrechtshandlung, keine Fa¨higkeit zur Unrechtsreflexion). 183 Grdl. House of Lords, Tesco Supermarkets Ltd. v Nattras, [1972] AC 153, 170 (Lord Reid): „A living person has a mind which can have knowledge or intention or be negligent and he has hands to carry out his intentions. A corporation has none of these: it must act through living persons, though not always one or the same person.“ (Herv. K.A.); ebenso Simester et al. (2016), S. 288 („… gateway to corporate liability … through the conduct … of persons connected with the company.“). 184 Zur entsprechenden „theory of aggregation“ vgl. etwa Simester et al. (2016), S. 285 f. („faults of any two or more persons associated with the company may be aggregated and attributed in toto to the company“; es geht also um die subjektive Haftungsbegru¨ndung, um „corporate guilt“ [Herv.i.Orig.]). 185 Colvin, CLF 6 (1995), 18 ff., 23 ff. (der Verband habe eine Pflicht, organisatorische Strukturen einzurichten, die Schadenserfolge verhindern; unterlasse er dies, sei er haftbar aufgrund seiner „organisational responsibility“ [dazu u zur corporate negligence 25 ff.]; die subjektive Tatseite [„mental state“] folge aus der corporate culture oder policy [31 ff.]; s seinen Gesetzesvorschlag S. 40 f.). 186 Solaiman/Langsted, CLF 28 (2017), 129 sowie 130, 137, 144. 187 Solaiman/Langsted, CLF 28 (2017), 130 (bezugnehmend auf Denning L J in House of Lords, H L Bolton (Engineering) Co Ltd v T J Graham & Sons Ltd, [1957] 1 QB 159, 172 wie zitiert in Supreme Court of South Australia, The Queen v Goodall (1975) 11 SASR 94, 112: Unternehmen „in many ways be likened to a human body“ mit einigen Mitarbeitern, die „nothing more than hands to do the work“ seien und anderen Fu¨hrungspersonen „who represent the directing mind and will of the company, and control what it does.“) und 156 f. (bezugnehmend auf U.S. District Court for the District of Massachusetts, US v Bank of New England 821 F. 2d 844, 854 [1st Cir 1987]: Kenntnis der Bank als „sum of the knowledge of all of the employees“).

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Yates (2015 – 2017) das Handeln der Mitarbeiter des Verbands,188 wobei insbesondere das Yates Memorandum praktische Hinweise zur effizienteren Verfolgung der Leitungspersonen gibt.189 Bei Autoren, die dem kontinentaleuropa¨ischen („civil law“) Rechtskreis nahestehen, liest man A¨hnliches. Im holistischen Modell Stoitchkovas erfolgt die Zurechnung zum Verband als solchem aufgrund „aggregation“ der Tatbeitra¨ge der Mitarbeiter.190 Adam entscheidet sich im Ergebnis fu¨r ein modifiziertes Zurechnungsmodell, das mit einer Unterlassungs- und Organisationsverantwortlichkeit kombiniert wird und damit von seinem vorher verteidigten systemischen Ansatz nicht mehr viel u¨brigla¨sst; allerdings wird auf die Verurteilung der natu¨rlichen Person verzichtet.191 Wenn dies aber so ist, also Verba¨nde aus natu¨rlichen Personen bestehen und durch diese handeln, so kommen auch die Theoretiker einer eigensta¨ndigen „corporate personality“ – der Verband als soziale (handlungs-, unrechts-, schuld- und straffa¨hige) Person – trotz extremer Normativierung nicht an der naturalistischen Tatsache vorbei, dass auch das elaborierteste, organisationssoziologisch verkla¨rte Zusammenwirken mehrerer Menschen in einem komplexen Kollektiv diese Menschen nicht zu Maschinen und das Kollektiv nicht zu einem Menschen mit all den besonderen Eigenschaften des Menschseins macht (ebensowenig wie die hochentwickeltste ku¨nstliche Intelligenz die Maschine zu einem Menschen macht).192 Damit wird nicht die Existenz einer spezifischen Verbandskultur („corporate culture“) als Produkt des systemischen Zusammenwirkens und Interagierens der verbandsfo¨rmig organisierten natu¨rlichen Personen geleugnet,

188 Holder Memorandum, S. 4 („corporation can only act through natural persons…“); Yates Memorandum, S. 1 ff. („individual accountability for corporate wrongdoing“ [S. 1], „… investigations should focus on individuals from the inception of the investigation.“ [Punkt 2, S. 4]). 189 Yates Memorandum, S. 1 ff. 190 Stoitchkova (2010), S. 113 ff. („combined acts or omissions of individual agents where each act or omission is in itself insufficient“ [114]), wobei sie die mo¨glichen Tatbeitra¨ge objektiv weit verstehen will [134 – 7] und subjektiv „constructive corporative fault“ [118 – 21] sowie dolus eventualis und Fahrla¨ssigkeit [121 – 34] verlangt). A¨hnlich Thurner (2012), S. 259, 277 („Zurechnung des Verschuldens der Organe als eigenes Verschulden“, Verschulden der „Mitarbeiter“). 191 Adam (2015), S. 225 ff. (225), 233 f.; zu seinem grds. systemtheoretischen Ansatz schon o. Fn. 175. 192 S.a. Dandekar/Kunz (2017), S. 203 ff.

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IV. Haftungsfragen

doch ist und bleibt der Verband „Person“ eben nur im bloß juristischen Sinne, „with no transcendent reality beyond the merely legal realm“.193 Innerhalb der Theoretiker der eigensta¨ndigen Verbandsperso¨nlichkeit194 vertritt der Spanier Carlos Go´mez-Jara195 die vielleicht radikalste Position. Er redet – auf der Grundlage der Theorie der autopoietischen sozialen Systeme – einem konstruktivistischen Unternehmensschuldbegriff das Wort,196 aufgrund dessen man zwischen zurechnungsfa¨higen und unzurechnungsfa¨higen juristischen Personen unterscheiden197 und die Zurechnungsfa¨higkeit von der – bei natu¨rlichen wie juristischen Personen – vorhandenen Selbstbezu¨glichkeit („autorreferencialidad“) abha¨ngig machen mu¨sse.198 Ob diese zur Bejahung der Zurechnungsfa¨higkeit ausreichend entwickelt sei, ha¨nge von der internen Komplexita¨t der juristischen Person ab.199 Diese Komplexita¨t wiederum sei die Grundlage der Fa¨higkeit zur Selbstorganisation, -bestimmung und -steuerung, aus der wiederum die „Zusta¨ndigkeit u¨ber den eigenen Organisationsbereich“200 und als dessen Kehrseite die Verantwortung fu¨r 193 Simester et al. (2016), S. 288 (mit Verweis auf Hart). Die dort zitierte, auf den englischen Empirismus zuru¨ckgehende Ansicht von Lord Hoffman, dass „there is no such thing as the company itself“, bleibt aber zu weit hinter den heutigen organisationssoziologischen Erkenntnissen, wie sie sogleich im Haupttext referiert werden, zuru¨ck. 194 Fru¨her schon, allerdings weniger organisationssoziologisch elaboriert Dannecker, GA 148 (2001), 108 f., 111, 116 f. (Unternehmen als „reale, eigensta¨ndige soziale Subjekte“ mit unrechtsbegru¨ndender Handlungsfa¨higkeit, jedoch rechtliche Konstituierung als Voraussetzung strafrechtlicher Zurechnung). 195 Vgl. insbesondere Go´mez-Jara Dı´ez (2005); zusammenfassend in deutsch ders., Grundlagen des konstruktivistischen Unternehmensschuldbegriffs, ZStW 119 (2007), 290. 196 Go´mez-Jara Dı´ez (2005), S. 201 ff.; ders., ZStW 119 (2007), 293 ff., 302 ff. (Organisation als autopoietisches System, das sich selbst reproduziere). Krit. Cigu¨ela Sola (2015), S. 189 ff., 382 f. (wonach die organisationssoziologische Ansicht den Unterschied zwischen „sozialem Sein“ [„ser social“] u. „normativem Sollen“ [„deberser normativo“) u¨bersehe). 197 Go´mez-Jara Dı´ez, Polı´t. crim. Vol. 5, N8 10 (Diciembre 2010), Doc. 1, 455 ff. 198 Go´mez-Jara Dı´ez, Polı´t. crim. Vol. 5, N8 10 (Diciembre 2010), Doc. 1, 456 f.; ders. (2005), S. 242 ff. 199 Go´mez-Jara Dı´ez, Polı´t. crim. Vol. 5, N8 10 (Diciembre 2010), Doc. 1, 457 („la complejidad interna suficiente es un presupuesto para el desarrollo de una autorreferencialidad bastante que permita la autodeterminacio´n del propio sistema con respecto al entorno“); ders., ZStW 119 (2007), 309 („Selbstreferenzialita¨t aufgrund hinreichender Eigenkomplexita¨t“) . 200 Go´mez-Jara Dı´ez, Polı´t. crim. Vol. 5, N8 10 (Diciembre 2010), Doc. 1, 461 (“cierta competencia sobre su a´mbito de organizacio´n”, [Herv. i. Original]); ders.,

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dessen Sicherung folge;201 dies erweise sich als funktionales A¨quivalent zur Handlungsfa¨higkeit der natu¨rlichen Person.202 Go´mez Jara erkennt zwar Handlungen natu¨rlicher Personen innerhalb juristischer Personen an,203 ha¨lt sie aber nicht fu¨r das „Eigentliche“ der juristischen Person.204 Insoweit handele es sich lediglich um nicht identifizierbare Voraussetzungen des durch den Organisationsdefekt verwirklichten Unrechts.205 Das Entscheidende fu¨r die Bestimmung des Unrechts der juristischen Person sei alleine die defizita¨re Ausu¨bung der Freiheit zur Selbstorganisation206 und die darin liegende Infragestellung der Strafrechtsnormen.207 A¨hnlich hat ju¨ngst Capı´tulo V, in: Bajo Ferna´ndez/Feijo´o Sa´nchez/Go´mez-Jara Diez, S. 121 („una determinada competencia o posicio´n de garante sobre su propio a´mbito organizativo“, [Herv.i.Original]). 201 Go´mez-Jara Dı´ez, ZStW 119 (2007), 324, 325 ff. (Selbstorganisationsfreiheit und Folgeverantwortung). 202 Go´mez-Jara Dı´ez, Capı´tulo V, in: Bajo Ferna´ndez/Feijo´o Sa´nchez/Go´mezJara Diez, S. 122. 203 Go´mez-Jara Dı´ez, Capı´tulo V, in: Bajo Ferna´ndez/Feijo´o Sa´nchez/Go´mezJara Diez, S. 109; na¨her Go´mez Jara Dı´ez, Capı´tulo VI, in: ebd. S. 135 ff. 204 Go´mez-Jara Dı´ez, Capı´tulo VI, in: Bajo Ferna´ndez/Feijo´o Sa´nchez/Go´mezJara Diez, S. 136 („no es lo propio de la persona jurı´dica“ [Herv.i.Original]). 205 Go´mez-Jara Dı´ez, Capı´tulo V, in: Bajo Ferna´ndez/Feijo´o Sa´nchez/Go´mezJara Diez, S. 109: „la persona jurı´dica … no responde por dichos presupuestos – sc. acciones u omisiones de personas fı´sicas – sino … por su propio injusto (defecto de organizacio´n) y su propia culpabilidad (cultura empresarial de incumplimiento de la legalidad)“; vgl. auch (vor dem Hintergrund des Verbots einer Verantwortlichkeit fu¨r fremde Tatsachen) ebd., S. 135: „Desde una perspectiva estrictamente jurı´dicopenal, los comportamientos de personas fı´sicas so´lo pueden considerarse como presupuestos de la responsabilidad de las personas jurı´dicas pero no como su fundamento“ (Herv.i.Original). 206 Go´mez-Jara Dı´ez, Capı´tulo VI, in: Bajo Ferna´ndez/Feijo´o Sa´nchez/Go´mezJara Diez, S. 140 „…. la persona jurı´dica tiene una libertad de autoorganizacio´n que puede utilizar correcta o defectuosamente. Cuando dicha libertad es utilizada de modo defectuoso, se produce un defecto de organizacio´n, que desde la perspectiva jurı´dico-penal constituye su injusto propio. O expresado de otra manera, lo que una persona jurı´dica ,hace‘ es organizarse. Y dicha organizacio´n puede ser correcta o defectuosa. La persona fı´sica actu´a, precisamente en el marco de esa organizacio´n correcta o defectuosa. Cuando la persona fı´sica actu´a delictivamente dentro de una organizacio´n correcta, no se puede considerar que concurre el injusto propio de la persona jurı´dica. Sin embargo, cuando se produce dicha actuacio´n delictiva en el seno de una organizacio´n defectuosa, entonces sı´ se puede considerar que concurre el injusto propio de la persona jurı´dica“. (Herv. i. Original). Vgl. auch ders., ZStW 119 (2007), 330 ff. 207 Die Fa¨higkeit zur Infragestellung folgt wiederum aus der Eigenkomplexita¨t des betreffenden Unternehmens, welche seine Fa¨higkeit zur Teilnahme am o¨ffent-

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IV. Haftungsfragen

Ortmann208 aus organisationstheoretischer Sicht den Grad der Selbstorganisation und die Verselbsta¨ndigung von Organisationen als Grundlage ihrer, von den Mitgliedern emanzipierten Handlungsfa¨higkeit – Handeln „durch das Handeln ihrer individuellen Mitglieder hindurch“ – begru¨ndet.209 Organisatorisches Handeln ko¨nne dabei als (gesellschaftliche relevantes) „zurechenbares Bewirken“ i.S.v. Jakobs210 – der allerdings inzwischen die strafrechtliche Verantwortlichkeit juristischer Personen ablehnt211 – aufgefasst werden.212 Organisationen, insbesondere Unternehmen, agierten als „korporative Akteure“; ihre „Emergenz“ organisationaler Handlungs- und Verantwortungsfa¨higkeit baue zwar auf individuellen Handlungen und Verantwortung auf, sei aber darauf nicht zu reduzieren.213 Das korporative Handeln sei eine Realita¨t und nur Fiktion im Sinne eines Hervorbringens praktischer und realer Folgen, dem zurechenbaren Bewirken als „zyklische Verknu¨pfung von Selbst- und Fremdbeschreibung einerseits und Selbst- und Fremdzurechnung des Entscheidens, Handelns und Kommunizieren andererseits …“.214 Die Schuld organisatorischen Handelns liege in der Entscheidung gegen das Recht bei gleichzeitigem „Anders-handeln-Ko¨nnen“; es sei auf die spezifische „Handlungsfa¨higkeit und Verantwortlichkeit“ der juristischen Person, eben „corporate responsibility“, nicht auf einen von der Menschenwu¨rde abgeleiteten Schuldbegriff abzustellen.215 ¨ bOrganisationsverschulden sei eben „das Verschulden der Organisation“.216 Im U rigen sei zwischen – bloß fahrla¨ssigen – Organisationsma¨ngeln und – vorsa¨tzlicher –

lichen Diskurs u¨ber Normen im Sinne eines „good corporate citizen“ ermo¨gliche; Go´mez-Jara Dı´ez, ZStW 119 (2007), 315 f., 327 ff. 208 Ortmann, NZWiSt 2017, 241. 209 Ortmann, NZWiSt 2017, 241 f. (Herv.i.Original). 210 Jakobs (1992), S. 29 (zur gesellschaftlichen Relevanz des Handlungsbegriffs – als Verbindungselement zwischen Gesellschaft und Strafrecht, bei dem es um „das Versta¨ndlichemachen der gesellschaftlichen Welt“ gehe – ebd., 12, 27 ff., 45 f.). 211 Fu¨r die Anerkennung der Handlungsfa¨higkeit jP noch Jakobs (1991), 6/ 44 f.(„wertende Bestimmung des Zurechnungssubjekts“, „Output“, „verfassungsgema¨ße Organhandlungen“ der jP als deren eigene Handlungen); explizite Aufgabe dieser Ansicht unter Verweis auf die „Relativita¨t der Personalita¨t“ aber Jakobs, in: Prittwitz et al., S. 559, 560 mit Fn. 7, 561 ff. (wo er insbesondere den Unterschied zwischen der natu¨rlichen und juristischen Person betont und eine Zuschreibung auf ¨ bertragung der Schuld). der Handlungsebene ebenso ablehnt wie eine U 212 Ortmann, NZWiSt 2017, 243 („Organisationen als die ,zurechenbaren Bewirker‘ der Moderne … mit der bei weitem gro¨ßten Wirkmacht“, Herv.i.Original). 213 Ortmann, NZWiSt 2017, 243 f. 214 Ortmann, NZWiSt 2017, 245 f. (246). 215 Ortmann, NZWiSt 2017, 246 f. 216 Ortmann, NZWiSt 2017, 248 (Herv.i.Original).

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Verwirklichung unternehmerischer Ziele oder Vorgaben durch strafbares Verhalten – „einer organisationalen Intendiertheit“ – zu unterscheiden.217

Im Zurechnungsmodell knu¨pft die Haftung an das (betriebsbezogene) 218 Verhalten von Mitarbeitern des Unternehmens – gleichsam derivativ – an, wobei allerdings die Annahme einer fortbestehenden Haftung des betreffenden Mitarbeiters219 – jenseits der hier nicht zu vertiefenden, aber durchaus kontroversen Frage ihrer (unternehmensorganisationsintern kontingenten) Begru¨ndung220 – zu einer dogmatisch schwierig begru¨ndbaren Haftungsverdopplung bzw. -kumulation – parallele Haftung des Mitarbeiters und des Unternehmens – fu¨hrt.221 Wenn Zurechnung Kontrolle bzw. Beherrschung voraussetzt, ergibt sich u¨berdies das Problem, dass Unternehmen ihre Mitarbeiter (Organe) ha¨ufig nicht ausreichend be217

Ortmann, NZWiSt 2017, 248. Zum Begriff schon o. Fn. 172 u. Haupttext. 219 Dafu¨r schon v. Gierke, S. 769 („gleichzeitige Bestrafung der als Individuen schuldigen Tra¨ger oder Mittra¨ger von Organstellungen“); ebenso aus vstr Sicht Thurner (2012), S. 263, 276 f., 282; aus klassisch wirtschaftsstrafrechtlicher Sicht Holder Memorandum, S. 2; Dannecker, GA 2001, 124; Vogel, in: Kempf, S. 213 f.; Solaiman/Langsted, CLF 28 (2017), 129, 142 ff., 148 ff. (die entgegen der u¨w angloamerikanischen Rspr. die Leitungspersonen als „principal“ und nicht nur „accomplice“ haftbar machen wollen); ebenso Rat der Europa¨ischen Union, S. 10 sowie Art. 121 – 2 Abs. 3 CP (strafrechtliche Verantwortlichkeit des betreffenden Mitarbeiters unberu¨hrt). 220 Dazu ju¨ngst Utz (2016); aus rechtsvergleichender Sicht Estellita (2017), S. 37 ff. und passim (insbesondere Bezugnahme auf die brasilianische, deutsche und spanische Diskussion mit umfassenden Nachweisen). 221 Krit. vor allem Jakobs, in: Prittwitz et al., 2002, 565, wonach eine Zuschreibung des Verhaltens des Organs (Mitarbeiters) zum Unternehmen voraussetze, dass dieses bei jenem zuna¨chst abgeschrieben werde, weil es durch die Zuschreibung ja verbraucht werde; ebenso krit. Weigend, JICJ 6 (2008), 933 („split of personality“); dagegen schon Tiedemann, NJW 1988, 1173 (Organisationsverschulden als „Vorverschulden“ des Verbands); ders., S. 181 (unterschiedliche Zurechnungssubjekte); Vogel, in: Kempf, S. 207 mit Fn. 8 (wonach auch im Rahmen der Teilnahme eine Zuschreibung vom Hauptta¨ter zum Teilnehmer ohne Abschreibung bei diesem ¨ brigen kriminalpolitischen Argumenten Vorrang eingera¨umt erfolge und im U werden mu¨sse; mit Verweis auf die schweizer. Gesetzesbegru¨ndung). Das Problem wurde auch im angloamerikanischen Recht erkannt, vgl. Solaiman/Langsted, CLF 28 (2017), 142 f. bezugnehmend auf die Entscheidung in Supreme Court of South Australia, The Queen v Goodall, wo Bray CJ von „some sort of metaphysical bifurcation or duplication of one act by one man“ sprach, „so that it is in law both the act of the company and the separate act of himself as an individual“, dies aber i.E. fu¨r unbeachtlich hielt ([1975] 11 SASR 94, 99 f.). 218

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IV. Haftungsfragen

herrschen,222 wobei natu¨rlich sowohl die Pra¨misse als auch die konkrete Ausgestaltung der Herrschaft na¨herer Diskussion bedarf. Aus praktischer Sicht ist vor allem strittig, ob das strafbare Verhalten irgendeines Mitarbeiters des Unternehmens ausreichend (Veranlassungsmodell, vicarious liability) 223 oder ein solches eines leitenden Mitarbeiters (directing mind) 224 notwendig sein soll (Identifikationsdoktrin oder alterego-Theorie).225 Letztlich bedarf es beider Ansa¨tze (duales Modell), weil sowohl eine Leitungsperson226 als auch ein sonstiger Mitarbeiter handeln ko¨nnen,227 doch mu¨ssen sich die Anforderungen an die Zurechnung zum oder zu Lasten des Unternehmens unterscheiden: Im Fall einer Leitungsperson handelt diese gleichsam als der Verband selbst und ihr (schuldhaftes) Verhalten ist zugleich das des Verbands;228 im Falle eines 222

Schu¨nemann, in: Sieber et al., S. 431; zust. Weigend, JICJ 6 (2008), 937. Dazu Colvin, CLF 6 (1995), 6 ff.; Vogel, in: Kempf, S. 210. 224 Zum Ursprung in der englischen Rspr. vgl. Kuntz (2017), S. 165 ff.; in der Sache ebenso der U.S. amerikanische Model Penal Code (MPC), der die strafrechtliche Verantwortlichkeit davon abha¨ngig macht, dass „the commission of the offense was authorized, requested, commanded, performed or recklessly tolerated by the board of directors or by a high managerial agent acting on behalf of the corporation within the scope of his office or employment.“ (§ 2.07(1)(c) Official Draft 1962); dafu¨r auch Ko¨lner Entwurf, S. 22; ebenso auf EU-Ebene die Position des Rats, wonach die strafrechtliche Verantwortlichkeit einer jP mo¨glich ist, wenn Straftaten „zu ihren Gunsten von einer Person begangen wurden, die entweder allein oder als Teil eines Organs der jP gehandelt hat und die eine Fu¨hrungsposition … innehat …“ (Rat der Europa¨ischen Union, S. 9 f.). Zur schwierigen abstrakten Definition von Leitungspersonen vgl. Dannecker, GA 148 (2001), 122 f.; fu¨r eine Def. S. Ko¨lner Entwurf, S. 3 (§ 1 Abs. 4). 225 Zu dieser Colvin, CLF 6 (1995), 8 ff.; Adam (2015), S. 192 ff.; Solaiman/ Langsted, CLF 28 (2017), 131 (sowie schon die Rechtssprechungsnachweise o. Fn. 187); krit. aus vstr Sicht Thurner (2012), S. 256 f.; krit. zur Zurechnungsbegru¨ndung aus rvgl Sicht Heine (1995), S. 221 f. 226 Wobei die Definition des „level of authority“ flexibel zu handhaben ist und die „wide variety of decision-making systems in legal persons“ wiederspiegeln sollte, vgl. OECD (2009), Abs. 2 b. 227 Ebenso Meyer, ZStW 126 (2014), 128 (Identifikationsansatz fu¨r Leitungsebene und Organisationsverschuldensansatz fu¨r mittlere/unter Ebene); i.E. ebenso aus klassisch wirtschaftsstrafrechtlicher Sicht Dannecker, GA 148 (2001), 118 („fehlerhaftes Verhalten aller fu¨r den Verband ta¨tigen Personen“). 228 Vgl. House of Lords, Tesco Supermarkets Ltd. v Nattras, [1972] AC 153 (Lord Reid): „… the person who acts is not speaking or acting for the company. He is acting as the company and his mind which directs his acts is the mind of the company…. He is an embodiment of the company or, one could say, he hears and 223

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sonstigen Mitarbeiters kann dem Verband dessen Verhalten direkt (wenn er im Rahmen seiner Zusta¨ndigkeit gehandelt hat) oder als Aufsichtspflichtverletzung (bei Exzesstat) zugerechnet werden,229 sofern darin das oben genannte Organisationsverschulden aufgrund defizita¨rer Organisation oder mangelnder Unternehmensethik230 zum Ausdruck kommt.231 Einerseits stellt das kriminelle Verhalten des Mitarbeiters also allenfalls ein Indiz fu¨r die Unternehmensverantwortlichkeit dar, andererseits kommt es entscheidend auf die Unternehmensorganisation an, weshalb das Zurechnungsmodell auf ein „hidden organisational model“ hinausla¨uft232 bzw. mit einem Modell „struktureller Verantwortung“ („responsabilidad estructural“) 233 vergleichbar ist. Zu beachten ist insoweit auch, dass das speaks through the persona of the company, within his appropriate sphere, and his mind is the mind of the company. If it is a guilty mind then that guilt is the guilt of the company.“ Vgl. auch Zerbes, in: Jeßberger/Kaleck/Singelnstein, S. 232 f. 229 Zerbes, in: Jeßberger/Kaleck/Singelnstein, S. 233; in diesem Sinne auch UK Corporate Manslaughter and Corporate Homicide Act 2007, wonach ein Verband fu¨r den Tod einer Person verantwortlich ist, wenn dieser auf einen „gross breach of a relevant duty of care owed by the organisation to the deceased“ zuru¨ckzufu¨hren ist, vgl. section 1, abrufbar unter http://www.legislation.gov.uk/ukpga/2007/19/sec tion/1 (zuletzt abgerufen am 25. 3. 2018); ebenso Kyriakakis, NILR 56 (2009), 365 („organisational model for the attribution of criminal fault to the corporation.“). Zur Entscheidung des Handelns im Rahmen der Zusta¨ndigkeit und im Exzeß auch Dannecker, GA 148 (2001), 118. 230 O. Fn. 176 ff. und Haupttext. 231 Vgl. aus klassisch wirtschaftsstrafrechtlicher Sicht Dannecker, GA 148 (2001), 119, 121; Tiedemann (2017), S. 181 (Zurechnung des Organverhaltens erga¨nzt um verbandskollektives Element des Organisations- und Aufsichtsmangels). Das entspricht § 130 OWiG, wonach die (vorsa¨tzliche oder fahrla¨ssige) Aufsichtspflichtverletzung des Unternehmers bei gleichzeitiger Begehung einer „Zuwiderhandlung“ (objektive Bedingung der Strafbarkeit) aufgrund dieser fehlenden Aufsicht (echtes Unterlassen u. abstrakte Gefahr) haftungsbegru¨ndend wirkt, vgl. na¨her Rogall, § 130 Rn. 17 ff., 38 ff.; von Galen/Maas, § 130 Rn. 54 ff. Vgl. auch bzgl. Korruptionsstrafbarkeit OECD (2009), B), Abs. 2 b. dritter Spiegelstrich („A person with the highest level managerial authority fails to prevent a lower level person from bribing…“). 232 Diesen Gedanken verdanke ich einer Diskussionsanmerkung von Carsten Momsen im Rahmen der o. genannten (Fn. *) Berliner Tagung. A¨hnlich auch Thurner (2012), S. 277 wenn er eine „kombinierte Unternehmensstrafzurechnung“ vorschla¨gt. 233 Dafu¨r, aufgrund seiner Ablehnung einer organisationseigenen Schuld (Fn. 173) Cigu¨ela Sola (2015), S. 291 ff., 384 ff. (wonach „solche ausreichend komplex organisierten juristischen Personen strukturell verantwortlich seien, in

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IV. Haftungsfragen

Organisationsverschulden – entsprechend der neuen franzo¨sischen Rechtslage234 – vermutet werden kann, wenn ein Unternehmen keinen compliance-Plan, insbesondere hinsichtlich mo¨glicher menschenrechtlicher Risiken,235 erstellt hat.236 Umgekehrt muss das freilich bedeuten, dass dem Unternehmen bei perfekter compliance eine „due diligence defence“ zuzugestehen ist;237 die (nahezu) perfekte Erfu¨llung der menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten wirkt, mit anderen Worten, wie ein „Sicherheitsabstand“ zur strafrechtlichen Verantwortlichkeit des Unternehmens.238 Umstritten ist ferner, ob die konkrete Straftat nachgewiesen und der Mitarbeiter identifiziert werden muss, oder ob es ausreicht, dass – im Sinne der o.g. franzo¨sischen „responsabilite´ diffuse“239 – eine Straftat aus dem

deren Schoß eine Straftat begangen wurde, die … durch den Einfluss begu¨nstigender oder fo¨rdernder kriminogener Faktoren miterkla¨rt wird, welche in dem Interaktionszusammenhang der Organisation angelegt seien und ein ,strukturelles/ objektives Unrecht‘ darstellten, welches rechtlich negativ bewertet werde.“ [„aquellas personas jurı´dicas de organizacio´n suficientemente compleja, en cuyo seno se haya cometido un delito que se coexplique, en mayor o menor medida, por la influencia de factores crimino´genos que lo han facilitado o promovido, radicados en el contexto de interaccio´n que la organizacio´n ofrece, y que constituirı´an un ,injusto estructural/ objetivo‘ valorado negativamente por el Derecho“, S. 384 f.]). Das Modell „struktureller Verantwortung“ stelle ein neues, vom Kernstrafrecht abweichendes Subsystem des Strafrechts mit eigenen Prinzipien und Regeln dar, a¨hnlich wie etwa das Subsystem der Maßregeln der Besserung und Sicherung [„nuevo ,subsistema‘, ana´logo al ,subsistema de medidas de seguridad‘ …, … diferenciados del ,Derecho penal nuclear‘, con sus propios principios y reglas“, S. 386]). 234 Loi no. 2017 – 399 du 27 mars 2017 relative au devoir de vigilance des societe´s me`res et des entreprises donneuses d’ordre (1). 235 Ebd., Art. 1 Abs. 4: „… mesure de vigilance … a` identifier les risques et a` pre´venir les atteintes graves envers les droit humains …“. 236 Falls ein solcher nach drei Monaten nicht erstellt wurde, kann das Unternehmen, auf Antrag jeder Person mit einem berechtigten Interesse, dazu gezwungen werden (ebd., Art. 1 vorletzter Abs.). 237 Vgl. auch Simester et al. (2016), S. 289 mwN in Fn. 129; Kathollnig (2016), S. 49 (Ausschluss strafr. Verantwortlichkeit aufgrund compliance); Ryngaert, CLF 29 (2018), 9; zu mo¨glichen (pra¨ventiven) compliance Maßnahmen mit strafausschließender Wirkung (anhand des Nestle´-Falls) vgl. Mu¨ller-Hoff/Schmidt, juridikum 2012, 265 f. 238 Kathollnig (2016), S. 251. 239 O. Fn. 115.

2. Organisations- vs. Zurechnungsmodell

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Unternehmen heraus begangen worden ist.240 Dafu¨r spricht nicht nur, dass jegliche Notwendigkeit einer Individualisierung oder Identifizierung gerade zu den Nachweisproblemen fu¨hrt („corporate veil“),241 die durch eine eigensta¨ndige Verantwortlichkeit von Unternehmen verhindert werden sollen,242 sondern auch dass die fehlende Identifizierung mangelhafter Organisation geschuldet ist und deshalb zu Lasten des Unternehmens gehen muss.243 Aus vo¨lkerstrafrechtlicher Sicht spricht fu¨r das Zurechnungsmodell, dass es am ehesten mit der individualrechtlichen Ausrichtung des IStGHStatuts vereinbar ist. So handelt es sich auch bei dem 1998 von der franzo¨sischen IStGH-Delegation vorgeschlagenen Modell244 um ein streng individuell-akzessorisches Zurechnungsmodell, weil das die Haftung des Verbands auslo¨sende Verhalten des Unternehmensmitarbeiters dessen Verurteilung voraussetzt; die individualstrafrechtliche Verantwortlichkeit wird also zum Ausgangspunkt der Zurechnung. Damit re-importiert man freilich die im Unternehmensstrafrecht besonders virulenten Probleme individueller Verantwortlichkeit („corporate veil“) ins Wirtschaftsvo¨lkerstrafrecht.245 Die Haftung ko¨nnte also dann daran scheitern, dass die aus

240 So Engelhart, in: Burchard/Triffterer/Vogel, S. 186 f., der grds die natu¨rliche(n) und juristische Person(en) als voneinander unabha¨ngige Zurechnungssubjekte ansieht, wobei das Verhalten jener „in the corporate context“ evaluiert werden, aber nicht einer bestimmten Person zurechenbar sein mu¨sse. Vielmehr sei es ausreichend, wenn nachgewiesen werde, dass irgendein Angestellter die Tat begangen habe und eine entsprechende Aufsichtsverletzung der juristischen Person vorliege. Ebenso Thurner (2012), S. 263 f. (obj. Zurechnung des sorgfaltswidrigen Verhaltens zum Unternehmen ausreichend); ebenso aus klassisch wirtschaftsstrafrechtlicher Sicht Dannecker, GA 148 (2001), 118. Krit. etwa Weigend, JICJ 6 (2008), 934 („… if an individual offender becomes a mere fiction, so does the model itself.“). 241 Vgl. schon o. Fn. 152 mit Haupttext. 242 Zutreffend Weigend, JICJ 6 (2008), 933; krit. auch Meyer, ZStrR 131 (2013), 80, wonach das Zurechnungsmodell wegen des Ru¨ckgriffs auf die Verantwortlichkeit des Mitarbeiters die Haftungsprobleme individueller Verantwortlichkeit teile. 243 Vgl. auch Bundesgericht, 6B_7/2014, Arreˆt du 21 juillet 2014, Erwa¨g. 3.4.3. („…l’existence de carences d’organisation et que celles-ci empeˆchent d’imputer cellela` a` une personne physique de´termine´e au sein de l’entreprise.“). 244 Vgl. o. Fn. 108. 245 Krit. insoweit auch Clapham, JICJ 6 (2008), 915 ff. (917: „difficulties connected to any supposed need to first find an individual perpetrator“, with reference to Kyriakakis, JICJ 5 (2007), 809 (825)); Engelhart, in: Burchard/Triffterer/

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IV. Haftungsfragen

dem Unternehmen heraus begangene Tat keinem ihrer Mitarbeiter konkret zugerechnet werden kann. Zum anderen ist das franzo¨sische Modell – der genannten Identifikationsdoktrin folgend – auf die Mitglieder der Leitungsebene der juristischen Person, die „directing minds“, beschra¨nkt.246 Diese Beschra¨nkung la¨sst sich zwar damit erkla¨ren, dass eben nur Leitungspersonen eines Unternehmens – gleichsam als deren alter ego – dieses repra¨sentieren und damit dessen Unrecht und Schuld begru¨nden ko¨nnen;247 das vo¨lkerstrafrechtlich relevante Verhalten sonstiger Mitarbeiter wird damit aber – entgegen dem hier vertretenen dualen Ansatz – vo¨llig ausgeblendet. Fu¨r die Beschra¨nkung auf Leitungspersonen spricht aus vo¨lkerstrafprozessualer Sicht immerhin, dass damit dem Grundsatz der Verfolgung der „most responsible“248 Rechnung getragen wird; diese Erwa¨gung vernachla¨ssigt aber, dass es letztlich um die kollektive Verantwortlichkeit (des Unternehmens) geht und die Verfolgung der (leitenden) Mitarbeiter nur als Zugang („gateway“) zu diesem dient.249

Vogel, S. 187; gg. Verfolgung oder Verurteilung der natu¨rlichen Person auch OECD (2009), B) Abs. 1. 246 Ebenso Stoitchkova (2010), S. 110 f. 247 Vgl. Colvin, CLF 6 (1995), 8 ff.; Dannecker, GA 148 (2001), 122 (Anerkennung eines eigenen Unrechts und eigener Schuld des Verbands, das die Verha¨ngung einer Strafe rechtfertigt, nur bei Verhalten von Leitungspersonen). 248 Dazu ICC/OTP (2016), para. 42 f.; dazu auch Ambos, in: Ackermann/ Ambos/Sikiric´, S. 24, 44 f., 48 mwN. 249 Vgl. schon Simester et al. (2016), S. 188.

V. Formen strafbarer Beteiligung Die oben erwa¨hnte rechtstatsa¨chliche Unterscheidung in ta¨terschaftliche und nicht-ta¨terschaftliche Beteiligung la¨sst sich strafrechtlich, dem (terminologisch-funktionalen) Differenzierungsmodell von Art. 25 IStGHS folgend,250 in Formen der Ta¨terschaft (Art. 25 Abs. 3 (a)) und der Teilnahme (Art. 25 Abs. 3 (b)–(d)) u¨bersetzen, wobei der Beihilfe, wie schon oben gesagt, eine besondere praktische Bedeutung zukommt. Die Vorgesetztenverantwortlichkeit i.S.v. Art. 28 IStGHS ließe sich, jedenfalls soweit es um die Haftung fu¨r die von den Untergebenen herbeigefu¨hrten Scha¨digungserfolge geht,251 der ta¨terschaftlichen (Unterlassens-)Haftung (commission par omission) zuschlagen.

1. Ta¨terschaftliche Haftung Eine ta¨terschaftliche Haftung fu¨r aktives Tun ka¨me in den – wohl wenigen – Fa¨llen in Betracht, in denen Mitarbeiter des Unternehmens selbst – als unmittelbar handelnde Ta¨ter (Art. 25(3)(a) Alt. 1 IStGHS) –, gemeinschaftlich (Art. 25(3)(a) Alt. 2 IStGHS) oder mittels eines anderen (Art. 25(3)(a) Alt. 3 IStGHS) vo¨lkerrechtliche Verbrechen begehen. Die zuletzt genannte Variante mittelbarer Ta¨terschaft ermo¨glicht die Zurechnung von Straftaten unmittelbar Handelnder zum Leitungspersonal, sofern man eine mittelbare Ta¨terschaft bei vollverantwortlichen Tatmittlern aufgrund der Organisationsherrschaftslehre252 fu¨r begru¨ndbar ha¨lt.253 Vo¨l250

Vgl. Ambos (2018), § 7 Rn. 13, 17 ff.; ders. (2013), S. 144 ff. Fu¨r eine Differenzierung zwischen einer ta¨terschaftlichen Haftung aufgrund unechten Unterlassens (Begehung durch Unterlassen) und einer Teilnahmehaftung wegen Verletzung der Aufsichtspflicht und unterlassener Meldung einer Straftat vgl. §§ 4, 14, 15 VStGB. 252 Roxin (2015), S. 242 ff., 736 ff.; ders. (2003), § 25 Rn. 105 ff. 253 Fu¨r eine Diskussion s. Meini (2003), S. 181 ff. sowie Urquizo, in: Pariona, S. 245 ff.; ju¨ngst Caro, in: Ambos/Caro/Urquizo. 251

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V. Formen strafbarer Beteiligung

kerstrafrechtlich hat diese Zurechnungsfigur zwar inzwischen durch die IStGH-Rspr. Anerkennung gefunden,254 doch nur im Zusammenhang mit dem Verhalten staatlicher bzw. nicht-staatlicher (paramilita¨rischer) Akteure im Rahmen bewaffneter Konflikte und gerade nicht im Zusammenhang mit Unternehmenskriminalita¨t. Selbst wenn man diese Lehre mit der deutschen ho¨chstrichterlichen Rechtsprechung255 – entgegen ihrem spiritus rector Roxin256 – auf diesen Bereich u¨bertragen will, so bedarf es doch eines nicht unerheblichen Aufwands, eine Herrschaft der Unternehmensspitze u¨ber die Taten unmittelbar handelnder Unternehmensmitarbeiter oder gar Dritter u¨berzeugend zu begru¨nden. Dabei geht es weniger um den Nachweis des – ohnehin entbehrlichen257 – Kriteriums der Rechtsgelo¨stheit,258 sondern vielmehr um die Frage, ob das betreffende Unternehmen derart vertikal und hierarchisch organisiert ist, so dass man tatsa¨chlich von einer Beherrschung der vollverantwortlichen Tatmittler – qua dieser organisatorischen Struktur – wird ausgehen ko¨nnen. Auch bei einer mo¨glichen mitta¨terschaftlichen Haftung kann sich der Nachweis einer funktionellen Tatherrschaft als schwierig erweisen.259 Eine gemeinschaftliche Haftung im weiteren Sinne – auf der Grundlage der vo¨lkerrechtlich anerkannten „common purpose liability“, wie sie insbesondere in Form des sog. kriminellen Unternehmens („joint criminal enterprise“, jce) bei den UN-Ad Hoc Tribunalen große Bedeutung erlangt hat260 – kommt beim Zusammenwirken eines Unternehmens mit (anderen) kriminellen Akteuren, etwa zur Vertreibung einer lokalen Bevo¨lkerung, in Betracht.261 Der kriminelle Zweck bzw. das kriminelle Unter254

Vgl. Ambos (2018), § 7 Rn. 25; ders, in: Triffterer/Ambos, Art. 25 Rn. 13 f. So schon das „Mauerschu¨tzenurteil“ BGHSt 40, 218 (236); danach BGHSt 48, 331 (342); 49, 147 (163 f.); NStZ 1998, 568; JR 2004, 245 (246). 256 Roxin (2015), S. 748 ff.; ders. (2003), § 25 Rn. 129 ff. 257 Ambos, GA 145 (1998), 241 ff. (242, 245); ders. (2004), S. 606 ff. mwN. 258 Daran festhaltend auch im Zhg. mit Wirtschaftsunternehmen Roxin, (2003), § 25 Rn. 130. 259 Vgl. auch Farrell, JICJ 8 (2010), 873 (880); Vest, JICJ 8 (2010), 851, 869. 260 Vgl. Ambos (2013), S. 123 ff., 160 ff. 172 ff.; ders. (2018), § 7 Rn. 19, 30 ff. Im IStGHS findet sich allerdings keine explizite Rechtsgrundlage, insbesondere nicht in Art. 25 (ebd., § 7 Rn. 31), weshalb die jce-Doktrin bisher in der IStGHRspr. auch keine Rolle gespielt hat (ablehnend Lubanga, Decision on the Confirmation of Charges, PTC I, ICC-01/04 – 01/06 – 803, 29 January 2007, para. 335). 261 Vgl. auch ICJ (2008), Vol. 2, S. 36; Farrell, JICJ 8 (2010), 879; Vest, JICJ 8 (2010), 868 f. 255

1. Ta¨terschaftliche Haftung

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nehmen besteht dabei in dem konkret strafbaren Verhalten (Planung und Ausfu¨hrung); auf den u¨bergeordneten Unternehmenszweck kommt es nicht an.262 Insoweit stellen sich allerdings schwierige (Abgrenzungs-) Fragen zur Teilnahmehaftung des Art. 25(3)(d) IStGHS,263 denn dort geht es um einen (sonstigen) Tatbeitrag zum Verbrechen einer Gruppe, die – dem Grundgedanken des jce entsprechend – mit einem „gemeinsamen Ziel“ („common purpose“) handelt.264 Eine Unterlassungshaftung unternehmerischer Vorgesetzter ließe sich grundsa¨tzlich auf die Figur der Vorgesetztenverantwortlichkeit gema¨ß Art. 28(b) IStGHS – den zivilen (nicht-milita¨rischen) Vorgesetzten betreffend – stu¨tzen.265 Konzipiert man allerdings die Verantwortlichkeit des zivilen Vorgesetzten in Abha¨ngigkeit zu der des milita¨rischen Vorgesetzten, so fa¨llt es schwer, eine ausreichende strukturelle A¨hnlichkeit zwischen der zivilen Leitungsperson eines Unternehmens und einem milita¨rischen Befehlshaber zu sehen.266 Bei transnational agierenden Unternehmen wird es 262

Darauf abstellend aber u. damit die Rechtsfigur des jce missverstehend Thurner (2012), S. 255 f. 263 Prosecutor v. Mbarushimana, ICC-01/04 – 01/10 – 465, Decision on the Confirmation of Charges, 16. 12. 2011, para. 282 ha¨lt jce und Art. 25(3)(d) fu¨r „not identical“, aber „similar“ und nennt vier (mo¨gliche) Unterschiede ((i)Art der Beteiligung, (ii) Mitgliedschaft in der Gruppe oder nicht, (iii) Beitrag zu gemeinsamem Zweck oder den begangenen Verbrechen und (iv) subjektiver Maßstab). 264 Vgl. na¨her Ambos, in: Triffterer/Ambos, Art. 25 Rn. 28 ff.; ders., in: Stahn, S. 592 ff.; knapp ders. (2018), § 7 Rn. 43; krit. in unserem Zusammenhang auch Burchard, JICJ 8 (2010), 941 – 45; optimistischer Farrell, JICJ 8 (2010), 880 f. („more likely to capture a broader range of culpability of corporate actors…“). 265 Fu¨r eine generelle Vorgesetztenverantwortlichkeit bei verbandsbezogenen Taten der Untergebenen (Unternehmensmitarbeiter) als – an §§ 4, 13, 14 VStGB orientierte – selbsta¨ndige Beteiligungsform (§ 25a StGB) wegen der „Systemrelevanz“ dieser Taten Bu¨lte (2015), S. 777 ff. (812 ff., 891), 917 ff., 921 ff. (925, 970 ff.); krit. Hoyer, GA 165 (2018), 57 ff.; aus vstr. Sicht dafu¨r Kelly, Emory Int’l L.Rev. 24 (2010), 671 ff. 266 Vgl. Schmidt (2015), S. 326 ff. (359 f., 364), fu¨r den es an einer „sufficient similitude … to military authority relationships“ und den „unilateral capabilities of (military) superiors“ fehle; zu seinem ta¨terschaftlichen Typenmodell ebd., S. 75 ff.; krit. bzgl. der effektiven Kontrolle auch Vest, JICJ 8 (2010), 870, 872. A¨hnlich zum „limited value“ der vstr „command responsibility“ bezu¨glich der mo¨glichen Unterlassenshaftung von internationalen Organisationen, die nicht entsprechend der Verpflichtungen aus ihrem Mandat handeln („role responsibility“) Klabbers, EJIL 28 (2017), 1133, 1152 f. (weil internationale Organisationen „do not normally encounter the type of situations ecountered by military leaders.“).

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V. Formen strafbarer Beteiligung

ferner wohl regelma¨ßig, jedenfalls bezu¨glich der fernab vom Tatgeschehen sitzenden Konzernspitze, an deren „effective authority and control“ u¨ber die tatbegehenden Untergebenen267 bzw. die „effective responsibility and control“ u¨ber die mit den Verbrechen zusammenha¨ngenden Aktivita¨ten268 fehlen. Umgekehrt folgt daraus allerdings, dass eine effektive Kontrolle wohl angenommen werden kann, wenn Leitungspersonen des Unternehmens vor Ort das tatbestandsrelevante Verhalten koordinieren oder u¨berwachen; sollten sie sogar verbrecherische Anordnungen geben, etwa den (privaten) Sicherheitskra¨ften,269 kommt allerdings eine Haftung wegen aktiven Tuns gema¨ß Art. 25(3)(b) IStGHS in Betracht.270 Schwierig wa¨re es wiederum im Rahmen der Vorgesetztenverantwortlichkeit, die Kenntnis („knowledge“) bzw. bewusste Fahrla¨ssigkeit („consciously disregarded information …“) 271 der unternehmerischen Fu¨hrungsperson hinsichtlich der Verbrechen seiner Untergebenen nachzuweisen.

2. Strafbare Beihilfe versus „neutrale“ Handlungen a) Objektive Seite Die genannten Formen nicht-ta¨terschaftlicher Beteiligung, also Formen der Beihilfe, werfen die Frage nach der Abgrenzung zwischen strafbarer Beihilfe und sonstigem („neutralem“) Verhalten auf, das die Strafbarkeitsschwelle nicht erreicht. Die objektiven Anforderungen an die Beihilfe im Vo¨lkerstrafrecht sind nicht eindeutig gekla¨rt. Der Tatbeitrag muss zuna¨chst wesentlich fu¨r die Begehung der Haupttat sein,272 wobei die 267

Art. 28(b) S. 1 IStGHS. Art. 28(b)(ii) IStGHS. 269 In diesem Fall die Vorgesetztenverantwortlichkeit bejahend ICJ (2008), Vol. 2, S. 39. 270 Vgl. Ambos, in: Triffterer/Ambos, Art. 25 Rn. 18 ff.; ders. (2018), § 7 Rn. 45. 271 Zu diesem der „wilful blindness“ nahe kommenden Maßstab, Ambos (2013), S. 227 f. 272 Vgl. Ambos, in: Triffterer/Ambos, Art. 21 ff.; knapp ders. (2018), § 7 Rn. 42; ebenso ICJ (2008), Vol. 2, S. 36; HRC, Guiding Principles, principle 17 („substantial effect“); Vest, JICJ 8 (2010), 857, 860; zum identischen Standard aufgrund 268

2. Strafbare Beihilfe versus „neutrale“ Handlungen

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untere Grenze dieses Wesentlichkeitserfordernisses von Fall zu Fall zu bestimmen ist. Wie schon an anderer Stelle ausgefu¨hrt,273 kann insoweit auf die Kriterien der objektiven Zurechnung zuru¨ckgegriffen werden.274 Darunter ließe sich auch das (zusa¨tzliche) Kriterium der „specific direction“ subsumieren, das von unterschiedlichen Tribunalen und teils innerhalb der Tribunale unterschiedlich bewertet wird.275 Ungeachtet der genauen Bestimmung einer Untergrenze la¨sst sich jedenfalls festhalten, dass die Anforderungen nicht allzu hoch sind – auszuschließen sind lediglich „infinitesimale“ Beitra¨ge,276 die aber ohnehin mit dem Kausalita¨tserfordernis277 und der Erheblichkeitsschwelle (gravity threshold) als fundamentales Zusta¨ndigkeitsprinzip des IStGHS (s. z. B. Art. 17 Abs. 1(d) IStGHS) in Konflikt geraten wu¨rden.

des US-amerikanischen Alien Tort Statute (ATS) Michalowski, Texas Int.L.J. 50 (2015) 410 ff. (414: „inherently harmful or specifically designed to assist with the realization of harmful purposes…“). 273 Ambos, in: Triffterer/Ambos, Art. 25 Rn. 26; mit Blick auf Art. 25(3)(d) Ambos, in: Stahn, S. 603, 606. 274 Fu¨r objektive Zurechnung, insbesondere Risikoerho¨hung auch Vest, JICJ 8 (2010), 864; fu¨r eine bloße Einschra¨nkung der zu weiten Kausalita¨t durch „proximate causes“ Reggio, ICLR 5 (2005), 671. 275 Na¨her Ambos (2018), § 7 Rn. 42 m.w.N. aus Literatur und Rechtsprechung; zur Anwendung in unserem Zusammenhang Michalowski, Texas Int.L.J. 50 (2015) 430 ff. (432: „assistance was specifically meant to further the human rights violations.“), die die damit verbundene Einschra¨nkung des objektiven Beihilfetatbestands allerdings ablehnt (457 f.); dagegen auch Farrell, JICJ 8 (2010), 890. 276 ICC, Mbarushimana Confirmation Decision 16. 12. 2011, para. 277; a¨hnlich in unserem Zusammenhang Vest, JICJ 8 (2010), 858 (Ausschluss von „absolute minimal assistance“); Michalowski, Texas Int.L.J. 50 (2015) 444 („more than a minimal effect“). Gegen „a certain minimum degree“ aber ICC, Prosecutor v. Dominic Ongwen, ICC-02/04 – 01/15 – 422-Red, Decision on the confirmation of charges against Dominic Ongwen, 23. 3. 2016, para. 44. 277 Ju¨ngst ICC, Prosecutor v. Bemba et al., ICC-01/05 – 01/13, Judgment 19 October 2016, para. 90 („effect on the commission …. general causal requirement“), 94 („causal requirement … furthered, advanced or facilitated the commission…“). Das entspricht dem ersten und dritten Kriterium („enables“ und „facilitates“ Menschenrechtsverletzungen) der ICJ (2008), Vol. 1, S. 8 – 9 (wobei das alternative Vorliegen der drei Kriterien – das zweite ist die Verscha¨rfung [„exacerbates“] der menschenrechtlichen Lage – genu¨gt); fu¨r ein strenges Kausalita¨tserfordernis a. Kathollnig (2016), S. 154. Thurner (2012), S. 269 ha¨lt einen solchen „Ursachen¨ . der ICJ folgt. zusammenhang“ allerdings nicht fu¨r notwendig, obwohl er i.U

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V. Formen strafbarer Beteiligung

Die von der International Commission of Jurists (ICJ) vorgeschlagenen Kriterien zur Bestimmung des relevanten unternehmerischen Verhaltens – von „enabling“ u¨ber „exacerbating“ bis zum „facilitating“ vo¨lkerrechtlicher Verbrechen278 – liefern, sofern man den normativen Ausgangspunkt der grundsa¨tzlichen Strafwu¨rdigkeit der beschriebenen Verhaltensweisen teilt, eine gute Diskussionsgrundlage zur Bestimmung von „corporate-political core crimes“;279 sie beschreiben allerdings nur riskantes („zone of legal risk“),280 nicht per se strafbares unternehmerisches Verhalten. Dabei entspricht das „enabling“-Kriterium – im Sinne eines wichtigen („crucial“) und notwendigen Beitrags281 – dem Wesentlichkeitserfordernis, wa¨hrend „exacerbating“ an die Risikoerho¨hung i.S.d. objektiven Zurechnungslehre282 und „facilitating“ – als Haupttaterleichterung283 – an das vo¨lkerstrafrechtliche Mindesterfordernis strafrechtlicher Beihilfehaftung erinnert.284 Letztlich du¨rft sich die Leistungsfa¨higkeit dieser und der anderen Kriterien erst in der Diskussion und Lo¨sung schwieriger Einzelfa¨lle („hard cases“) erweisen. So du¨rfte etwa im Falle der Lieferung direkter („tailormade“) Tatmittel285 das Wesentlichkeitserfordernis und damit auch ein „enabling“ regelma¨ßig erfu¨llt sein, denn ohne solche Tatmittel gibt es keine Tat oder doch jedenfalls nur in substantiell/signifikant anderer Form. Bei 278

ICJ (2008), Vol. 1, S. 9, 10 ff. Vgl. Burchard, JICJ 8 (2010), 925 f., der – durch die ICJ Kriterien inspiriert – damit die von Unternehmen unterstu¨tzten Verbrechen politischer Akteure erfassen will; zust. auch Thurner (2012), S. 269 f. 280 ICJ (2008), Vol. 1, S. 13. 281 ICJ (2008), Vol. 1, S. 9, 11 f. („abuses would not occur without the contribution of the company“, „at least one such crucial ingredient“, „necessary … factor“ [Herv.i.Orig.]). 282 ICJ (2008), Vol. 1, S. 9, 12 („company makes the situation worse … abuse would have occured on a smaller scale, or with less frequency…“, „increased the range of … abuses …., number of victims …, severity of the harm…“, „substantial negative effect“). Zur Risiko bzw. Gefahrerho¨hung und dem dementsprechenden Ausschluss der Zurechnung bei Risikoverringerung Roxin (2006), § 11 Rn. 53 – 57. 283 ICJ (2008), Vol. 1, S. 9, 12 f. („… company’s conduct makes it easier to carry out the abuses or changes the way the abuses are carried out, including … methods… timing or … efficiency“; „… crime would not have happened in the same way.“). 284 Vgl. Art. 25(3)(c) IStGHS („facilitating“) und Ambos, in: Triffterer/Ambos, Art. 25 Rn. 21 ff. mwN. insbesondere zur Rspr. 285 Zur besonderen strafrechtliche Relevanz bei Lieferung von „tailor-made“ – statt nur „generic“ – „goods and services“ ICJ (2008), Vol. 1, S. 27 ff.; auch ICJ (2008), Vol. 2, S. 37. 279

2. Strafbare Beihilfe versus „neutrale“ Handlungen

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der oben schon erwa¨hnten „silent complicity“ ka¨me eine Strafbarkeit u¨berhaupt nur in Frage, wenn im Schweigen des Unternehmens eine Art psychische Unterstu¨tzung zu sehen wa¨re, die sich als Haupttaterleichterung („facilitating“) darstellen wu¨rde.286 Auch das – ebenfalls urspru¨nglich von der ICJ vorgeschlagene287 – Kriterium der Na¨he („proximity“) zwischen dem Verhalten des Unternehmens/seiner Fu¨hrungspersonen und den Verbrechen/Ta¨tern/Opfern ist hilfreich. Die ICJ versteht „proximity“ – im geographisch-ra¨umlichen und im qualitativen Sinne (Dauer, Frequenz und/oder Intensita¨t) – als Na¨hebeziehung zwischen dem Unternehmen und den Taten, Ta¨tern oder Opfern.288 Daraus folgt, dass die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Unternehmens umso wahrscheinlicher ist desto na¨her es an den Taten, Ta¨tern oder Opfern ist.289 Umgekehrt folgt daraus, dass mit einer gro¨ßeren Entfernung („remoteness“) zwischen dem unternehmerischen Verhalten und den Verbrechen eine strafrechtliche Haftung – mangels Zurechnungszusammenhangs – schon gar nicht materiell begru¨ndbar oder doch

286 ¨ Ahnlich ICJ (2008), Vol. 1, S. 14 f., wenn dort im Rahmen einer – an sich neutralen – „silent presence“ die Manifestierung von „approval and moral encouragement to commit the gross human rights abuses“ verlangt wird; ebenso ICJ (2008), Vol. 2, S. 20; zu einer „moral contribution“ in diesem Sinne auch Reggio, ICLR 5 (2005), 623, 672 f. 287 ICJ (2008), Vol. 1, S. 8, 9, 23 ff. 288 ICJ (2008), Vol. 1, S. 8, 9, 23 ff. (8: „Was the company close or proximate (geographically, or in terms of the duration, frequency and/or intensity of interactions or relationship) to the principal perpetrator of the human rights abuses or the victims?“ [p. 8]; Na¨he „in time and space and relationship“, „certain level of closeness“ [24]); zusf. Schmidt (2015), S. 172 f.; zust. Thurner (2012), S. 273 f.; vgl. auch Ramasastry, BerkJIntL 20 (2002), 118 („level, degree and duration“, wobei der Grad der Beihilfe zur Wesentlichkeit im o.g. Sinne geho¨rt, sie aber eine „substantial assistance“ durch „duration“ annimmt, 150). 289 ICJ (2008), Vol. 1, S. 9 („the closer in these respects that the company or its employees are to the situation or the actors involved the more likely it is that the company’s conduct will be found in law to have enabled, exacerbated or facilitated the abuses and the more likely it is that the law will hold that the company knew or should have known of the risk“), 24 („the closer – or more proximate – a company is, in time and space and relationship, to those who carry out the human rights abuses or those who suffer the abuses, the more likely it is that the company could be held legally responsible when it is complicit.“); zur „evidence of proximity“ ebd., 25 f. I. E. ebenso Vest, JICJ 8 (2010), 853.

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V. Formen strafbarer Beteiligung

jedenfalls prozessual kaum nachweisbar ist.290 In diesem Zusammenhang kommt den (erho¨hten) menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten im Rahmen von Lieferketten („supply chain due diligence“) 291 eine besondere Bedeutung zu, denn dadurch kann die zunehmende Verdu¨nnung des Zurechnungszusammenhangs kompensiert werden.292 Besteht die Teilnahmehandlung nicht bereits per se in einem verbotenen (rechtswidrigen) Verhalten, z. B. wegen Verstoßes gegen Erlaubnisoder Verbotsvorschriften (Embargo!),293 stellt sich hinsichtlich ihrer strafrechtlichen Relevanz das unter dem Stichwort neutrale oder alltagsu¨bliche Handlungen diskutierte Problem.294 Schon in Nu¨rnberg hat Telford Taylor, Ankla¨ger im Krupp-Verfahren, etwa darauf hingewiesen, dass der Waffenhandel nicht „per se kriminell“ sei.295 A¨hnlich wurde im Wilhelmstraßenprozess die Verurteilung des Vorstandsmitglieds der Dresdner Bank Rasche wegen der Kreditvergabe an SS-Unternehmen abgelehnt, weil darin ein gewo¨hnliches wirtschaftliches Verhalten zu sehen sei, was vielleicht als moralisch verwerflich angesehen werden ko¨nne, aber eben keine

290 Vgl. Burchard, JICJ 8 (2010), 925 (zwischen „causal“, „motivational“ und „organizational and structural remoteness“ unterscheidend); i.E. a¨hnlich Reggio, ICLR 5 (2005), 672 (bzgl. der Entfernung iSv Kausalita¨t); Kathollnig (2016), S. 157 f. (Kausalita¨t als Hauptproblem der Bestimmung von Verantwortlichkeit im Rahmen von Lieferketten). 291 O. Fn. 83 ff. und Haupttext. 292 A.A. aber wohl Kathollnig (2016), S. 157, wenn er in der bloßen Verletzung der menschenrechtlichen „due diligence“ noch keine strafrechtliche Sorgfaltswidrigkeit sehen will. 293 Zur Verfolgung von Verletzungen von UN-Sanktionen ICJ (2008), Vol. 2, S. 50 f.; zur Bedeutung eines Embargos in diesem Zhg. auch Reggio, ICLR 5 (2005), 660. 294 Vgl. etwa Meyer, ZStrR 131 (2013), 62, 65 („neutrales wirtschaftliches Verhalten“). „Neutrale“ Handlung sind danach per se tatbestandslos, weil nicht sozialscha¨dlich bzw. rechtsgutsverletzend oder -gefa¨hrdend, vgl. Burchard, JICJ 8 (2010), 921 mit Fn. 6. Das Problem wird ha¨ufig in der Lit. u¨bersehen. So sagt Stoitchkova (2010), S. 104 etwa, dass die „lawfulness of the conduct does not preclude liability“, spricht also der Rechtma¨ßigkeit des Verhaltens jegliche Bedeutung ab. Ta¨terschaftliches Verhalten, also „eine unmittelbar rechtsgutsscha¨digende Handlung“, gilt a limine nicht als neutral, vgl. etwa Heyer, S. 40, 478. 295 TWC, Vol. IX, S. 60: „The armorer’s trade is no more inherently unlawful than that of the soldier or diplomat; all of these professions revolve around war and statecraft, but that does not make them criminal per se.“

2. Strafbare Beihilfe versus „neutrale“ Handlungen

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Verletzung des Vo¨lkerrechts darstelle.296 Im IG Farben Prozess wurde – allerdings die objektive und subjektive Ebene vermengend297 – sogar die Mo¨glichkeit eines neutralen Gebrauchs des an Konzentrationslager gelieferten Zyklon B Giftgases anerkannt.298 Diese Ansichten sind zwar in den besonderen historischen Zusammenhang der Nu¨rnberger Wirtschaftsstrafverfahren zu stellen – in denen es den US-amerikanischen Ankla¨gern und Richtern auch darum ging, den kriminellen nationalsozialistischen Kapitalismus vom dem „sauberen“ US-amerikanischen abzugrenzen299 –, doch gleichwohl stehen sie paradigmatisch fu¨r eine (US-amerikanische) wirtschaftsfreundliche Rechtsprechung, die – ungeachtet des sta¨rkeren Verbandsfokus auf der Verfolgungsebene durch das Holder Memorandum300 – tendenziell rein gescha¨ftliche Transaktionen schon auf objektiver

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TWC, Vol. XIV, S. 622 („The real question is, is it a crime to make a loan, knowing or having good reason to believe that the borrower will use the funds in financing enterprises which are employed in using labor in violation of either national or international law? Does he [Rasche] stand in any different position than one who sells supplies or raw materials to a builder building a house, knowing that the structure will be used for an unlawful purpose? A bank sells money or credit in the same manner as the merchandiser of any other commodity. It does not become a partner in enterprise, and the interest charged is merely the gross profit, which the bank realizes from the transaction, out of which it must deduct its business costs, and from which it hopes to realize a net profit. Loans or sale of commodities to be used in an unlawful enterprise may well be condemned from a moral standpoint and reflect no credit on the part of the lender or seller in either case, but the transaction can hardly be said to be a crime. Our duty is to try and punish those guilty of violating international law, and we are not prepared to state that such loans constitute a violation of that law, nor has our attention been drawn to any ruling to the contrary.“). Krit. aus heutiger Sicht der weitgehenden Kriminalisierung der Finanzierung transnationaler Verbrechen Burchard, JICJ 8 (2010), 931; auch Ramasastry, BerkJIntL 20 (2002), 113, 118. 297 Krit. auch Burchard, JICJ 8 (2010), 938. 298 TWC, Vol. VIII, S. 1169 („But neither the volume of production nor the fact that large shipments were destined to concentration camps would alone be sufficient to lead us to conclude that those who knew of such facts must also have had knowledge of the criminal purposes to which this substance was being put. Any such conclusion is refuted by the well-known need for insecticides wherever large numbers of displaced persons, brought in from widely scattered regions, are confined in congested quarters lacking adequate sanitary facilities.“). 299 Vgl. Priemel (2016), S. 196 ff. („Saving Capitalism“). 300 Holder Memorandum; danach Yates Memorandum.

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V. Formen strafbarer Beteiligung

Ebene aus der Beihilfestrafbarkeit herausnehmen will.301 Selbst die – eher haftungsfreundliche – ICJ konzediert, dass ein profitorientiertes Gescha¨ftsgebaren alleine nicht haftungsbegru¨ndend sein ko¨nne302 Dies ist jedenfalls dann u¨berzeugend, wenn – im Sinne der schon angefu¨hrten objektiven Zurechnungslehre303 – die betreffende Beitragshandlung entweder schon das tatspezifisches Risiko304 nicht erho¨ht oder sich dieses nicht im konkreten Erfolg realisiert hat,305 sie sich also, allgemeiner gesagt, nicht als spezifisch sozialscha¨dlich oder konkret gefa¨hrlich erwiesen hat.306 Jener Fall – keine Begru¨ndung eines tatspezifischen Risikos – liegt jedenfalls vor, wenn die oben genannte Mindesterheblichkeitsschwelle nicht u¨berschritten wird bzw. wenn die Beitragshandlung vo¨llig irrelevant mit Blick auf das Tatgeschehen ist.307 Insoweit wird man aber zwischen per se gefa¨hrlichen oder gar letalen Produkten, insbesondere Waffen, und ungefa¨hrlichen unterscheiden mu¨ssen;308 in letzterem Fall wird das tatspezifische Risiko nicht per se erho¨ht, aber mo¨glicherweise eben doch durch eine zweck-

301 Fu¨r eine krit. Analyse der ATS- und nationalen US-amerikanischen Rspr. vgl. insoweit Michalowski, Texas Int.L.J. 50 (2015), 409 ff., 435 ff., 444 („… activity that goes beyond making a mere commercial transaction.“). 302 ICJ (2008), Vol. 1, S. 15 („… company will not be held legally responsible merely for commercial engagement with the perpetrator…“ [Herv.i.Original]); a¨hnlich Reggio, ICLR 5 (2005), 655, 664 (Kauf oder Verkauf nicht kriminell per se). 303 O. Fn. 274. 304 Zur normativen Missbilligung und damit fehlenden „Neutralita¨t“ solcher tatspezifischen Risiken vgl. Heyer, S. 487 ff., 555 f.; zusf. Schmidt (2015), S. 293 ff. ¨ brigen auch ein besonderes erlaubtes Risiko („risk permission“) fu¨r mwN., der im U zivile Vorgesetzte iSv Art. 28(b) IStGHS ablehnt (ebd., S. 360 ff.). 305 Fu¨r die Annahme einer Rechtfertigung bei den in der Sache entsprechenden ¨ berblick „Jedermannsgescha¨ften“ Rackow (2017), S. 551 ff. Fu¨r einen gru¨ndlichen U u¨ber die „emergence of the risk standard“ in unserem Zusammenhang Schmidt (2015), S. 201 ff., der aber selbst fu¨r eine menschenrechtliche Restringierung des erlaubten Risikos (Abwa¨gung von Freiheit und Sicherheit im Rahmen von Art. 21 Abs. 3 IStGH-Statut) pla¨diert (S. 212 ff.) und seine Annahme im Ergebnis, u. a. als Folge des strengen subjektiven Maßstabs von Art. 30 IStGHS, ablehnt (296 f., 300). 306 Vgl. Burchard, JICJ 8 (2010), 921 („specific social harm or an unacceptable degree of social dangerousness“). 307 Michalowski, Texas Int.L.J. 50 (2015) 461 spricht insoweit von der „immateriality of the assistance“ und bringt das treffende Beispiel von Hitlers Schuhmacher, dessen Verhalten – Anfertigung der Schuhe – schon objektiv strafrechtlich irrelevant war. 308 Vgl. Kaleck/Saage-Maaß, JICJ 8 (2010), 721.

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widrige oder mo¨gliche Verwendung dieser (dual use) Produkte (z. B. ITMaterial). Auch der Begehungszusammenhang kann eine Rolle spielen. So wird man danach unterscheiden ko¨nnen, ob ein Unternehmen in einem totalita¨ren Staat ta¨tig ist und diesem bei der Verwirklichung seiner verbrecherischen Pla¨ne hilft – so im oben angesprochenen Fall der IG-Farben bezu¨glich des NS-Staats – oder ob es sich in einem liberal-demokratischen Staat befindet und von dort aus seine Gescha¨fte macht. In jenem Fall ist es schon fraglich, ob das Verhalten des Unternehmens u¨berhaupt als „neutral“ bezeichnet werden kann oder ob das Kriterium der Neutralita¨t in einem totalita¨ren Kontext nicht vielmehr seine „Differenzierungskraft … einbu¨ßt“.309 Zu weit geht es aber wohl, grundsa¨tzlich in Frage zu stellen, ob das im Rahmen der Ta¨tigkeit transnationaler Konzerne vorkommende Verhalten u¨berhaupt als „allta¨glich“ und „normal“ bezeichnet werden kann,310 auch wenn zuzugeben ist, dass die Strafwu¨rdigkeit von Tatbeitra¨gen im Rahmen eines makrokriminellen, konfliktbezogenen Kontexts offensichtlicher erscheint als außerhalb eines solchen Kontexts.311 Letztlich wird sich die Strafbarkeit und die Strafwu¨rdigkeit in den meisten Fa¨llen nur aufgrund einer objektiv-subjektiven Gesamtbewertung beurteilen lassen, wobei erst die subjektive Tatseite dem a¨ußerlich neutralen (objektiven) Verhalten einen deliktischen Sinnbezug geben wird. Man wird sich dabei an der urspru¨nglich von Roxin vorgeschlagenen Differenzierung zwischen (grds. strafbarer) Kenntnis und (grds. straflosem) bloßem Fu¨r-Mo¨glich-Halten des Deliktsentschlusses/deliktischen Sinnbezugs orientieren ko¨nnen.312 Das fu¨hrt uns zur subjektiven Tatseite.

309

Jeßberger, JZ 2009, 931. Wittig, in: Jeßberger/Kaleck/Singelnstein, S. 253. 311 Vest, JICJ 8 (2010), 855 f.; Kathollnig (2016), S. 159. 312 Vgl. Roxin (2003), § 26 Rn. 220 ff.; tendenziell ebenso die nationale Rspr., ju¨ngst BGH, Beschl. v. 21. 12. 2016, in NStZ 2017, 337, 338; Beschl. v. 26. 1. 2017, in StV 2018, 19 (allerdings Annahme einer Strafbarkeit, wenn Gehilfe „sich mit seiner Hilfeleistung die Fo¨rderung eines erkennbar tatgeneigten Ta¨ters angelegen sein ließ.“); krit. Scho¨rner/Bockemu¨hl, StV 2018, 20. 310

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V. Formen strafbarer Beteiligung

b) Subjektive Seite Auf subjektiver Seite muss der Gehilfe zuna¨chst um die risikoerho¨hende Wirkung seines Beitrags in Bezug auf die Haupttat wissen,313 ohne freilich deren Details zu kennen,314 also auch nicht die spezifische, der vo¨lkerstrafrechtlichen Gesamttat zugrundeliegende Einzeltat(en).315 Eine solche positive Kenntnis erscheint im Lichte des Schuldgrundsatzes angemessen und auch beweisrechtlich praktikabel. Denn im Falle vo¨lkerstrafrechtlicher Makrokriminalita¨t werden sich Unternehmen, die in Krisengebieten Gescha¨fte ta¨tigen, angesichts der extensiven Berichterstattung in der heutigen Zeit moderner Kommunikationsmittel in der Regel nicht glaubhaft auf die Unkenntnis der verbrecherischen Absichten oder Aktivita¨ten ihrer Gescha¨ftspartner berufen ko¨nnen.316 Wenn man auch aus der bloßen Anwesenheit in einem Krisengebiet nicht ohne weiteres auf Kenntnis wird schließen ko¨nnen,317 so wird diese doch ha¨ufig aus den verfu¨gbaren Informationen folgen oder aufgrund vergangenen Verhaltens oder der Stellung des Unternehmens/seiner Mitarbeiter angenommen werden ko¨nnen.318 Letztlich wird man die positive Kenntnis also vielfach aus dem Tatbegehungszusammenhang ableiten ko¨nnen.319 313

So auch Schabas, IRRC 83 (2001), 450; Ramasastry, BerkJIntL 20 (2002), 143; Reggio, ICLR 5 (2005), 647, 681 (nach Analyse nat. Rspr.); Vest, JICJ 8 (2010), 859 („awareness“); Farrell, JICJ 8 (2010), 882, 889; Huisman/van Sliedregt, JICJ 8 (2010), 822; Michalowski, Texas Int.L.J. 50 (2015) 462 ff.(„actual“, „relevant“ knowledge); Olson, IntHumRightsLawJ, Vol. 1, issue 1, Article 5, 10 f. (Absichtserfordernis ablehnend); Aceves et al., S. 5 ff.; HRC, Guiding Principles, principle 17 („knowingly“); Wisner, JICJ 15 (2017), 348 f., 352; zur „evidence of knowledge“ ICJ (2008), Vol. 1, S. 21 ff. 314 ICJ (2008), Vol. 1, S. 21 (Kenntnis des „full extent“ der Verbrechen nicht notwendig, ausreichend Kenntnis von „some abuses“ bzw „one of a group of crimes“); ICJ (2008), Vol. 2, S. 21; Reggio, ICLR 5 (2005), 681 („not of the specific crime“); Farrell, JICJ 8 (2010), 882; Burchard, JICJ 8 (2010), 939; Michalowski, Texas Int.L.J. 50 (2015) 463 f. Dies entspricht den allg. Voraussetzungen des subjektiven Behilfetatbestands, Roxin (2003), § 26 Rn. 272 ff.; Ambos/Bock, in: Reed/Bohlander, S. 334. Unklar Vest, JICJ 8 (2010), 853 („… has to know specifically…“). 315 Fu¨r solche Kenntnis der „sub-offence“ aber Burchard, JICJ 8 (2010), 939. 316 Schabas, IRRC 83 (2001), 450 f.; Reggio, ICLR 5 (2005), 654 („extremely unlikely that an economic actor does not have knowledge…“); krit. aber Kaleck/ Saage-Maaß, JICJ 8 (2010), 716 („difficult to prove …“). 317 Ebenso ICJ (2008), Vol. 2, S. 23. 318 Vgl. ICJ (2008), Vol. 2, S. 23 f.

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Niedrigere subjektive Anforderungen, sei es in Form des dolus eventualis oder der recklessness,320 wu¨rden allerdings dazu fu¨hren, dass sich Unternehmen und ihre Mitarbeiter bei Gescha¨ften in Krisengebieten einem erho¨hten Strafbarkeitsrisiko aussetzen, dem sie nur durch gru¨ndliche Ausforschung ihrer Gescha¨ftspartner entgehen ko¨nnten. Solche aktiven Nachforschungspflichten lassen sich mo¨glicherweise aus den oben genannten erho¨hten menschenrechtlichen Sorgfaltpflichten321 ableiten,322 doch es bedarf wohl „ha¨rterer“ und pra¨ziserer Verpflichtungen zur Begru¨ndung einer strafrechtlichen Verantwortlichkeit. Die in Rede stehende Unterlassungshaftung – Unterlassen aktiver Nachforschung – setzt eine besondere, obhutsgarantena¨hnliche Pflichtenstellung des betreffenden Unternehmens bezu¨glich eventuell gefa¨hrdender Rechtsgu¨ter voraus, denn nur dann ließen sich u¨ber reine Verhaltensverbote (neminem laedere) hinausgehende Handlungsgebote bzw. -pflichten begru¨nden.323 Unabha¨ngig von diesen rechtsgrundsa¨tzlichen Erwa¨gungen wu¨rde sich die Annahme solcher Nachforschungspflichten jedenfalls nachteilig auf die Investitionsbereitschaft auswirken. Andererseits erscheint ein zusa¨tzliche Absichtserfordernis, wie es sich etwa aus Art. 25(3)(c) IStGH („for the purpose of facilitating“; „en vue de faciliter“) ergibt, als unangemessen streng,324 denn ein Unternehmen 319

Ebenso Michalowski, Texas Int.L.J. 50 (2015) 462 f. Dafu¨r ICJ (2008), Vol. 1, S. 19 („… even though it may not have wanted the abuses to occur, undertook the course of conduct anyway“ = dolus eventualis), 20 ff. („should have known“, „foreseeability“, „wilful blindness“); Thurner (2012), S. 272 f., 276; Kathollnig (2016), S. 160, 162. 321 O. Fn. 82 ff. und Haupttext. 322 Dafu¨r (aber ohne weitere Begru¨ndung) Michalowski, Texas Int.L.J. 50 (2015) 463 („due diligence responsibilities“, „active inquiries“). 323 In der Sache geht es um die zur Begru¨ndung der Unterlassensstrafbarkeit bekannten Handlungspflichten, vgl. urspru¨nglich Feuerbach, 1803, § 24, S. 24 f. bezugnehmend auf Winkler, 1776 ( einen „besonderen Rechtsgrund“, der die „Verbindlichkeit zur Begehung begru¨ndet“, fordernd); aus neuerer Zeit rechtsvergleichend (zum deutschen, englischen und franzo¨sischen Recht) Schra¨gle (2017), S. 13 ff., 51 ff.; spezifisch zum common law Ashworth (2013). 324 Dafu¨r aber die ATS-Rspr. seit U.S. Court of Appeals for the 2nd Circuit, Presbyterian Church of Sudan v. Talisman Energy, Inc., vgl. Michalowski, Texas Int.L.J. 50 (2015) 414 ff. (414, 427); dafu¨r auch Burchard, JICJ 8 (2010), 939 f.; explizit dagegen Farrell, JICJ 8 (2010), 885 ff., schlussfolgernd, dass das Absichtserfordernis nicht vo¨lkergewohnheitsrechtlich gefordert ist (889); dagegen auch Huisman/van Sliedregt, JICJ 8 (2010), 823. 320

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V. Formen strafbarer Beteiligung

verfolgt in der Regel nicht den Zweck der Fo¨rderung irgendwelcher vo¨lkerrechtlicher Verbrechen, sondern allein den der Profitmaximierung.325 Eine kognitive Umdeutung des Absichtserfordernisses, wie sie im Rahmen der genozidalen Zersto¨rungsabsicht diskutiert wird,326 kann in unserem Zusammenhang zwar nicht u¨berzeugend begru¨ndet werden.327 In Betracht kommt aber eine restriktive Auslegung dahingehend, dass sich die Absicht – als Folge des Erfordernisses eines Doppelvorsatzes bei der Teilnahme – nur auf die Beihilfehandlung und nicht die Haupttat beziehen muss; fu¨r diese gilt das dort vorgesehene Vorsatzerfordernis.328 Fu¨r eine solche restriktive Auslegung spricht aus kriminalpolitisch-konsequentalistischer Sicht auch, dass sich das Erfordernis einer voluntativen Vorsatzkomponente leicht als Verfolgungshindernis erweisen wird.329 Ein zweckgerichtetes Verhalten wird na¨mlich nur vorliegen, wenn sich das Unternehmen im Sinne der o.g. ta¨terschaftlichen Beteiligung zum kriminellen Komplizen eines Regimes oder nicht-staatlichen Akteurs macht, also gleichsam mit einen „animus auctoris“ handelt.330 So wa¨re bei Anwendung eines voluntativ erho¨hten Vorsatzmaßstabs auch die Verurteilung van Anraats unmo¨glich gewesen, denn ihm war es sicher gleichgu¨ltig, ob Saddam Hussein die von ihm gelieferten Senfgaskomponenten zur massenhaften To¨tung der eigenen Zivilbevo¨lkerung oder nur zum Bleichen von Textilien einsetzen wollte.331 325 Vgl. auch Ramasastry/Thompson (2006), S. 18 f.; Burchard, JICJ 8 (2010), 925 („motivational remoteness“ als Ausdruck unterschiedlicher Zwecke eines politischen Akteurs und eines Unternehmens); Kathollnig (2016), S. 162. 326 Vgl. Ambos (2014), S. 27 ff. mwN. 327 Dafu¨r aber Vest, JICJ 8 (2010), 862. 328 Vgl. Stewart (2015); mit Bezug auf Weigend (2014); auch van Sliedregt/ Popova (2014); zust. Ambos, in: Triffterer/Ambos, Art. 25 Rn. 27 mit Fn. 194 f.; zust. Wisner, JICJ 15 (2017), 349. 329 Vgl. auch Ramasastry/Thompson (2006), S. 19 („too high a threshold“); Farrell, JICJ 8 (2010), 889 („unnecessarily onerous“, „difficult to prosecute“); Burchard, JICJ 8 (2010), 939 („difficult to establish“), 944 (zu Art. 25(3)(d)); Huisman/van Sliedregt, JICJ 8 (2010), 828 („too high a threshold“); Michalowski, Texas Int.L.J. 50 (2015) 438 („in most cases of corporate complicity … difficult to satisfy this criterion [intent].“); fu¨r – kaum vertretbar – eine Ableitung des voluntativen Elements aus der Kenntnis ICJ (2008), Vol. 2, S. 22. 330 Zutreffend Burchard, JICJ 8 (2010), 941. 331 Tatsa¨chlich hielt das Den Haager Bezirksgericht einen dolus eventualis/ Vorhersehbarkeitsmaßstab fu¨r ausreichend, vgl. Huisman/van Sliedregt, JICJ 8 (2010), 807 f., 821.

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Das voluntative Erfordernis einer kriminellen Zweckverfolgung ließe sich allerdings erga¨nzend bzw. alternativ heranziehen. Positivrechtlich ergibt sich eine kognitiv-voluntative Kombination aus dem allgemeinen Vorsatzmaßstab des Art. 30 IStGHS iVm den alternativ kognitiv-voluntativen Anforderungen von Art. 25 Abs. 3 (d)(i) und (ii) IStGHS: entweder ist der Teilnehmer sich bewusst, dass sein Beitrag risikoerho¨hend wirkt oder er verfolgt selbst den kriminellen Zweck. Danach muss die kriminelle Zweckverfolgung aber nicht zusa¨tzlich (kumulativ) vorliegen, sondern ihr alternativer Nachweis reicht. Aus kriminalpolitischer und verfolgungstaktischer Sicht spricht fu¨r das voluntative Vorsatzerfordernis der darin zum Ausdruck kommende Gedanke einer Beschra¨nkung der Strafverfolgung auf die „most responsible“, verfolgen diesen doch in der Regel gerade den Zweck der Haupttatbegehung und sollten deshalb – ungeachtet des Durchgriffs auf das von ihnen repra¨sentierte Unternehmen – prima¨r in das Fadenkreuz der internationalen Strafverfolger geraten.332 Wer nicht (auch) die Haupttat fo¨rdern will, ist „less responsible“ und somit – in einer strukturell u¨berforderten internationalen Strafjustiz – nur von nachrangigem Interesse. Der – hier vertretene – prima¨r kognitive, aber um das voluntantive Vorsatzelement erga¨nzte Ansatz schließt jedenfalls die (weitere) Absenkung der Vorsatzanforderungen, sei es durch Schaffung eines spezifisch wirtschaftsstrafrechtlichen Beihilfetatbestands mit dolus eventualis333 oder allgemein bei einem objektiv besonders gewichtigen Tatbeitrag (hier sog. Kompensationsmodell) – gleichsam in Umkehrung der sonst u¨blichen Erho¨hung der subjektiven Anforderungen zur Kompensation eines nur geringen objektiven Tatbeitrags – aus.

c) Fallgruppen Wendet man sich beispielhaft einigen Fallgruppen zu, zeigen sich die geringe Leistungsfa¨higkeit – oder, positiver ausgedru¨ckt, Kontextabha¨ngigkeit – des Konzepts der neutralen Handlungen und die Grenzen der hier daraus abgeleiteten abstrakten Unrechtsbewertung aufgrund objektiv332 Dazu schon die Nachweise bei o. Fn. 248. Die „senior executives“ der Fa. Caterpillar als „most responsible“ betrachtend Wisner, JICJ 15 (2017), 356. 333 Stoitchkova (2010), S. 108 ff.

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V. Formen strafbarer Beteiligung

subjektiver Kriterien. Es besta¨tigt sich die verbreitete Annahme, dass es in der Regel auf die bewertende Betrachtung des Einzelfalls ankommt.334 Eine wichtige Fallgruppe betrifft die – schon mehrfach erwa¨hnte – Lieferung von Tatmitteln, etwa den Verkauf von Waffen oder Fahrzeugen.335 Insoweit ist zwischen eindeutig tatbezogenen Waren, insbesondere Waffen, und solchen mit doppelter Verwendung („dual use“) – mit der weiteren Konsequenz von „dual-purpose acts“336 – zu unterscheiden. So liefert etwa die Firma Caterpillar seit Jahren milita¨risch aufgeru¨stete Bulldozer an die israelische Regierung, welche diese fu¨r den (vo¨lkerrechtswidrigen) Siedlungsbau in den besetzten Pala¨stinensergebieten verwendet.337 Ist die Firma wegen Beihilfe zu mo¨glicherweise mit diesen Bulldozern begangenen Verbrechen strafrechtlich verantwortlich? 338 Soll dies davon abha¨ngen, ob die entsprechende Ware vorrangig zivil („neutral“) oder milita¨risch genutzt wird? Erfa¨hrt die an sich neutrale Ware „Bulldozer“ durch die milita¨rische Aufru¨stung (kugelsichere Panzerung, Training fu¨r milita¨rische Fahrer) einen kriminellen Zweckbezug? Hatte die liefernde Firma Kenntnis von der (vo¨lkerrechtswidrigen) Verwendung? Ein weiteres bekanntes Beispiel dieser Fallgruppe ist der bereits erwa¨hnte Verkauf von Senfgaskomponenten an Saddam Hussein durch den niederla¨ndischen Gescha¨ftsmann van Anraat. Auch hier liegt ein dual-use Produkt vor – die erwa¨hnten Komponenten werden nicht nur zur Herstellung von Senfgas als Kampfstoff, sondern auch zum Bleichen von Textilien verwendet –, was die 334

Im Ergebnis ebenso Reggio, ICLR 5 (2005), 671, 693; ICJ (2008), Vol. 2, S. 37 (wonach die Lo¨sungen „always depend on the particular factual situation…“); Michalowski, Texas Int.L.J. 50 (2015) 445 ff. (krit. bzgl. abstrakter Konzepte, weil letztlich das Ergebnis von den „circumstances of each case“ [447] abha¨nge), 460 (Anerkennung von „[S]ome criteria“, aber letztlich einer „detailed analysis of the specific circumstances of each case“ das Wort redend), 464 (Anerkennung des „substantial effect“ Tests, dessen Anwendung und konkrete Kriterien aber von „context“ abha¨nge); Adam (2015), S. 32; ebenso die nationale Rspr., vgl. BGH, Beschl. v. 21. 12. 2016, in NStZ 2017, 338 („bewertende[n] Betrachtung im Einzelfall“). 335 Vgl. auch Meyer, ZStrR 131 (2013), 64; zum „militarized commerce“ insoweit auch Adam (2015), S. 26 f., 239. 336 Michalowski, Texas Int.L.J. 50 (2015) 403, 404 („commercially motivated or a dual-purpose act“). 337 Schmidt (2015), S. 29 f. und passim nimmt dieses Beispiel als Modellfall; vgl. auch Wisner, JICJ 15 (2017), 343 (346) und passim. 338 Dies bejahend, allerdings ohne Problematisierung der im Haupttext gestellten Fragen Wisner, JICJ 15 (2017), 348 ff.

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Strafbarkeit bei Fehlen eines zusa¨tzlichen Rechtsverstoßes zweifelhaft erscheinen la¨sst. Andere Fa¨lle betreffen die Finanzierung vo¨lkerrechtlicher Verbrechen bzw. die Finanzierung der Ta¨tergruppen. Dies geschieht beispielsweise durch das Gewa¨hren von Krediten fu¨r verbrecherische Regimes, deren Machtapparat ohne den finanziellen Zufluss zusammenbrechen wu¨rde. Bekanntes historisches Beispiel sind die Pinochet-Diktatur in Chile339 und das su¨dafrikanische Apartheidregime.340 Sofern insoweit kein vo¨lkerrechtlich verbindliches Verbot/Embargo besteht, wird gegen die Finanzierung strafrechtlich nichts einzuwenden sein, denn ein deliktsspezifischer Bezug zu eventuellen vo¨lkerrechtlichen Verbrechen des Regimes wird kaum hergestellt werden ko¨nnen.341 Eine andere Art der Finanzierung kann durch den Ankauf von sog. „Konfliktgu¨tern“, also Waren, die durch die Begehung vo¨lkerrechtlicher Verbrechen gewonnen wurden, erfolgen. Klassische Beispiele sind der Ankauf von Tropenho¨lzern, sog. Blutdiamanten, Erdo¨l oder anderen Rohstoffen.342 So soll die franzo¨sischschweizerische Firma LafargeHolcim dem sog. ISIS von ihm kontrollierte Rohstoffe abgekauft haben, um ihre Fabrik im Norden Syriens weiterbetreiben zu ko¨nnen.343 In diesem Fall kann eine eigentlich nachtra¨gliche – vo¨lkerstrafrechtlich grundsa¨tzlich strafbare344 – Beihilfe durch Verwertung der Gu¨ter zu einer Beihilfe fu¨r zuku¨nftige Taten werden, wenn der Lieferant/Verka¨ufer der Gu¨ter das Verhalten des Ka¨ufers als konkludente Zusage zum erneuten Ankauf werten und sich somit zur (erneuten) kriminellen Beschaffung ermutigt fu¨hlen darf.345 Doch auch hier bedarf der Zurechnungszusammenhang mit den relevanten Straftaten einer genauen 339 Hierzu Cassese, Texas Int.L.J. 14 (1979), 251; knapper Bohoslavky/Rulli, JICJ 8 (2010), 829. 340 Abrantes, RPCC 2016, 90. 341 Abrantes, RPCC 2016, 90 ff. 342 Vgl. zu Kontrollversuchen, insbes. bzgl. Diamanten Reggio, ICLR 5 (2005), 660 ff. 343 Im Dezember 2017 wurden sechs ehemalige Gescha¨ftsfu¨hrer in Frankreich angeklagt, hierzu ECCHR, Case Report Lafarge Syria, https://www.ecchr.eu/en/busi ness-and-human-rights/lafarge-syria.html (zuletzt abgerufen am 25. 3. 2018). 344 Ambos, in: Triffterer/Ambos, Art. 25 Rn. 51 f. (Strafbarkeit bei Ru¨ckbezug zu Haupttat). 345 Vgl. Burchard, JICJ 8 (2010), 932 f. („Interconnected and systematic crime transforms the accessory after the ,initial‘ fact into an accessory before the ,next‘ fact.“)

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V. Formen strafbarer Beteiligung

Begru¨ndung, wobei die schon mehrfach erwa¨hnten menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten im Rahmen von Lieferketten („supply chain due diligence“) 346 haftungsbegru¨ndend und -ausdehnend wirken ko¨nnen.347 Denkbar ist auch, dass multinationale Unternehmen mit einem Regime bei der Verfolgung von Dissidenten zusammenarbeiten, etwa indem sie bei ¨ berwachung ihrer Angestellten helfen oder auf dem Betriebsgela¨nde der U (sonstige) Zwangsmaßnahmen gegen diese Personen vornehmen (lassen). So sollen etwa wa¨hrend der Milita¨rdiktatur in Argentinien die Namen und Aufenthaltsorte von Mitarbeitern und Gewerkschaftern der Unternehmen Mercedes-Benz und Ford von leitenden Angestellten des jeweiligen Unternehmens an die staatlichen Sicherheitskra¨fte der Diktatur verraten worden sein. Die betreffenden Mitarbeiter sollen infolgedessen gefoltert worden (teilweise in bereitgestellten Ra¨umlichkeiten auf dem Firmengela¨nde) und/oder verschwunden sein.348 A¨hnlichen Vorwu¨rfen sieht sich das VW-Unternehmen Volkswagen do Brasil in Bezug auf die brasilianische Milita¨rdiktatur der 1960iger bis 1980iger Jahre ausgesetzt. Das Unternehmen soll Mitarbeiter, die der kommunistischen Partei angeho¨rten, vom hauseigenen Sicherheitsdienst an die Beho¨rden des Regimes u¨berstellt haben.349 346

O. Fn. 83 ff. und Haupttext. Zur Ausdehnung von compliance Programmen auf Zulieferunternehmen Kathollnig (2016), S. 187. 348 Dazu Kaleck/Saage-Maaß, JICJ 8 (2010), 699 (707); dies., S. 92 f., die zudem den Fall des argentinischen Unternehmens Ledesma erwa¨hnen, dem (insb. seinem Chef Carlos Pedro Baquier) vorgeworfen wurde, im Rahmen der sog. „Nacht des Stromausfalls“ („La noche del apago´n“) die Festnahme von Gewerkschaftern und Oppositionellen der Milita¨rdiktatur ermo¨glicht zu haben (ebd., S. 95 ff.). – Zum Fall Nestle´, wo es um die Entfu¨hrung, Folter und Ermordung von Luciano Romero, ehem. Mitarbeiter der kolumbianischen Nestle´-Tochter Cicolat, durch kolumbianische Paramilita¨rs ging, ebd., S. 97 ff. Insoweit wurde Leitungspersonen des Mutterkonzerns Nestle´ vorgeworfen, keine angemessenen Gegenmaßnahmen ergriffen zu haben, nachdem das Tochterunternehmen Cicolat die Gewerkschaftler diffamiert und damit das Risiko ihrer Ermordung erho¨ht hatte, s. dazu Bueno/ Scheidt, S. 15. Mit der innerstaatlichen und europa¨ischen Zuru¨ckweisung der Beschwerden gegen die fehlenden innerstaatlichen Ermittlungen ist das Verfahren aber inzwischen ohne Ergebnis abgeschlossen (Bundesgericht, 6B_7/2014, Arreˆt du 21 juillet 2014 u. ECCHR, https://www.ecchr.eu/de/unsere-themen/wirtschaft-undmenschenrechte/nestle.html, zuletzt besucht am 25. 3. 2018). 349 S. hierzu den Abschlussbericht der brasilianischen Wahrheitskommission CNV, Relato´rio Vol. II, S. 72; auch den Bericht der NGO Memo´ria, Verdade, Justiça, Reparaça˜o. 347

2. Strafbare Beihilfe versus „neutrale“ Handlungen

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In all diesen Fa¨llen kann sich schon der Nachweis des objektiven Beihilfetatbestands, insbesondere mit Blick auf die erforderliche Risikoerho¨hung und -realisierung,350 als sehr schwierig erweisen. Hat etwa ein Lieferant „dual use“ Waren an ein Regime geliefert, so la¨sst sich oft nicht feststellen, ob die Waren zur Straftatbegehung eingesetzt wurden oder nicht. Gibt es mehrere Lieferanten einer bestimmten Ware, kann es problematisch sein festzustellen, welche in verbotener Weise eingesetzt wurde. Es geht also um klassische Kausalita¨tsprobleme, einschließlich kumulativer und alternativer Kausalita¨tskonstellationen. So wurde im Verfahren gegen van Anraat die Kausalita¨t seines Tatbeitrags bejaht, weil der gerichtliche Sachversta¨ndige – auf Grundlage von Daten u¨ber die gelieferte Menge an Senfgaskomponenten im Vergleich zu eigenen oder anderweitig erlangten Vorra¨ten Saddams und der nachweislich eingesetzten Menge an Senfgas gegen die Zivilbevo¨lkerung/gegnerische Kombattanten – errechnen konnte, dass die von van Anraat gelieferten Produkte tatsa¨chlich eingesetzt worden waren und sein Beitrag somit eine substantielle Auswirkung auf die Tatbegehung gehabt hatte.351 Andererseits war im Fall Kouwenhowen das erstinstanzliche Gericht nicht u¨berzeugt, dass die gelieferten Waffen zur Tatbegehung genutzt worden waren.352

350 Zum „Empiriedefizit“ bzgl. der Kausal- und Zurechnungsketten Meyer, ZStrR 131 (2013), 71. 351 The Hague Court of Appeal, van Anraat, para. 12.2.6, abrufbar unter http:// www.haguejusticeportal.net/index.php?id=7548 (zuletzt abgerufen am 25. 3. 2018): „in a scenario in which the TDG that was supplied by the defendant was the last to be processed into mustard gas, it can be calculated based on TDG supplied (essentially) by others and the implementation of mustard gas filled ammunition, that the ammunition which was filled with TDG supplied by the defendant must have been used at the end of 1987 at the latest.“ Dazu auch Huisman/van Sliedregt, JICJ 8 (2010), 819 f. (fu¨r den niedrigeren Maßstab des „certain effect“). 352 Rechtbank’s-Gravenhage (District Court of The Hague), Urteil v. 7. 6. 2006, AY5160, Abschnitt 6 in fine („… weapons can also be used for acts that are legally permitted or acts that cannot be included in the criminal offenses as charged …“), abrufbar bei https://uitspraken.rechtspraak.nl/inziendocument?i d=ECLI:NL:RBSGR:2006:AY5160 (zuletzt abgerufen am 25. 3. 2018).

Fazit Es ist bemerkenswert, dass das „Nu¨rnberger Vo¨lkerstrafrecht“ die Relevanz unternehmerischen Verhaltens fu¨r die Begehung der nationalsozialistischen Vo¨lkerrechtsverbrechen jenseits ideologischer Differenzen als offensichtlich anerkannt hat, dies jedoch im „Haager Vo¨lkerstrafrecht“ fast vollsta¨ndig in Vergessenheit geraten zu sein scheint.353 Insofern ist es durchaus begru¨ßenswert, dass die unheilvolle Verbindung von wirtschaftlicher Macht und kriminellen Machenschaften einer Regierung oder nicht-staatlicher Akteure seit einigen Jahren wieder sta¨rker in den Fokus des zivilgesellschaftlichen und wissenschaftlichen Interesses gelangt ist. Freilich darf man die Rolle des Vo¨lkerstrafrechts in diesem Zusammenhang nicht u¨berscha¨tzen,354 zumal die Abschreckungswirkung eines Wirtschaftsvo¨lkerstrafrechts mit noch gro¨ßeren Zweifeln als die eines allgemeinen Wirtschaftsstrafrechts behaftet ist.355 Tatsa¨chlich ist das Wirtschaftsvo¨lkerstrafrecht in einen viel breiter angelegten internationalen Diskurs eingebettet, bei dem es letztlich um die „accountability“ von Unternehmen, also konkreter gesprochen darum geht, wie Unternehmen fu¨r ihr unter Umsta¨nden moralisch verwerfliches und gegebenenfalls auch (vo¨lker-)rechtswidriges Verhalten verantwortlich gemacht werden ko¨nnen. Eine (vo¨lker-)strafrechtliche Verantwortlichkeit ist dabei nur eine Mo¨glichkeit unter vielen, sie kann nur ein Teil eines Bu¨ndels von rechtlichen und rechtstatsa¨chlichen Maßnahmen – Kla¨rung und Pra¨zisierung der vo¨lkerrechtlichen, insbesondere menschenrechtlichen Pflichten von Unternehmen,356 Formalisierung menschenrechtlicher 353 S. etwa Stewart (2017): „While public recognition of corporate implication in atrocity grew dramatically after the Cold War, the rebirth of modern ICL over the same period overlooked the commercial angle its earlier incarnation viewed as painfully obvious.“ 354 Meyer, ZStW 126 (2014), 126 warnt davor, „nicht zu schnell auf die ¨ berholspur des Vo¨lkerstrafrechts zu wechseln“ und fordert mittelfristig „ein U transnational wirksames Wirtschaftsaufsichtsrecht…“. 355 Skeptisch auch Meyer, ZStW 126 (2014), 131. 356 Zur menschenrechtlichen Seite auch Meyer, ZStW 126 (2014), 126.

Fazit

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Compliance-Verpflichtungen, zivilgesellschaftliche Kontrolle u¨ber Konsumenteninitiativen etc. – sein,357 die in ein umfassendes, mo¨glichst pra¨zises Regelwerk – vielleicht in Form eines Unternehmen bindenden vo¨lkerrechtlichen Vertrags358 – mit entsprechenden Sanktionen integriert werden sollten.359 Auf diese Weise ko¨nnten Unternehmen die an sie gerichteten normativen Erwartungen besser erkennen und ihre Unternehmenspolitik, einschließlich ihrer compliance, daran ausrichten. Was nun das Vo¨lkerstrafrecht im engeren Sinne angeht, so ist vor u¨bereilten Forderungen nach einer Umstrukturierung, Flexibilisierung oder Fragmentierung grundlegender strafrechtlicher Prinzipien zugunsten einer vo¨lkerstrafrechtlichen Verbandsverantwortlichkeit oder eines vo¨lkerstrafrechtlichen Verbandsstrafrechts sui generis360 zu warnen;361 vielmehr sind zuna¨chst die bestehenden vo¨lkerstrafrechtlichen Beteiligungsformen so auszulegen und anzuwenden, dass das strafwu¨rdige Verhalten von Unternehmensmitarbeitern, rechtsstaatlichen Mindeststandards entsprechend, erfasst werden kann. Erst wenn dies gelungen ist, stellt sich die Frage einer eventuellen zusa¨tzlichen (strafrechtlichen) Haftung des betreffenden Unternehmens, indem das Mitarbeiterverhalten diesem nach Maßgabe der oben entwickelten Grundsa¨tze zugerechnet wird.

357 ¨ Ahnlich Engelhart, in: Burchard/Triffterer/Vogel, S. 187 f. („integrated into a wider legal context, a global governance of corporations.“), der aber die Rolle und Mo¨glichkeiten des IStGH (S. 189 f.) u¨berscha¨tzt; Burchard, Texas Int.L.J.: The Forum 50 (2015), 2 (strafrechtliche Beihilfehaftung als „one of many regulatory ¨ stAnwbl 2016, 580 (580 f.); aus kriminologischer tools“); Buzanich-Sommeregger, O Sicht Karstedt, in: Jeßberger/Kaleck/Singelnstein, S. 179 ff., die i.E. hinsichtlich der Wirkung des Wirtschaftsvo¨lkerstrafrechts „eher skeptisch“ (190) ist. 358 O. Fn. 68 u. Haupttext. 359 Vgl. auch Burchard, Texas Int.L.J.: The Forum 50 (2015), 6 f. („… human rights would be better served by incentivizing typified human rights due diligence based on a typified characterization of the legitimacy or illegitimacy of doing business with a bad actor, instead of going the whole nine yards and deciding upon this legitimacy on a case-by-case basis by applying doctrinal principles that are yet to be determined.“). 360 Dafu¨r die o. Fn. 146 genannten AutorInnen. 361 ¨ Ahnlich Meyer, ZStW 126 (2014), 129, der stattdessen fu¨r ein anderes Haftungsmodell pla¨diert.

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Sachwortverzeichnis Absichtserfordernis Beihilfe

70 f.

17 f., 38, 59, 62, 65, 74 f.

complicity 16 – 18, 65, 72 corporate culture 40 f., 48 f. corporate veil 41, 43, 57 dual use 69, 74, 77 due diligence 27, 56, 66, 71, 76, 79 Flick

19, 31

Guiding Principles 62, 70

25 – 27, 29 f.,

I.G. Farben 19, 21 f. IMG-Statut 20 f., 31 Kollektivverantwortlichkeit Kouwenhoven 38 Krupp 19 f., 66

20

Malabo-Protokoll 35, 47 Menschenrechte 14, 24, 28 f., 31 Nu¨rnberg

5, 19, 23, 66

Organisationsherrschaftslehre 59 Organisationsmodell 46, 48 Organisationsverschulden 5, 46 f., 52 f., 55 Unternehmen 5, 13, 16 f., 19 f., 22 – 25, 27 – 29, 31, 34, 37 f., 40 – 43, 45, 48, 50, 52 f., 56 – 58, 60 f., 64 – 66, 69 – 71, 73, 76, 78 Unternehmenskultur 36 Unternehmungshaftung 5 van Anraat 38, 74, 77 Verbandsverantwortlichkeit 46, 79 Vo¨lkerstrafrecht 14 f., 62, 78 f. Vorgesetztenverantwortlichkeit 59, 61 f. Wilhelmstraßenprozess 66 Wirtschaftsvo¨lkerstrafrecht 13 f., 42, 57, 78 Zurechnungsmodell 33, 45 – 47, 49, 53, 55, 57 Zyklon B 19, 22 f., 67